mm. m Grenze des Deutschen Reichs.
‚=, Oldenburger Landesgrenze.
\ m Eisenbahn, — Rleinbahr.
Brockhaus’
Konversations-lexikon
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Brockhaus’
Ronverſations-Lexikon.
Heue Revidierte Jubiläums-Ausgabe.
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| Brockhaus’
Ronverſations-Lerikon.
Dierzeimte vollſtändig neubearbeitete Auflage.
Neue Revidierte Jubiläums-KMusgabe.
Sechſter Band.
Engler — Frankreich.
Mit 39 Bildertafeln, darunter 6 Chromotafeln, 1 Lichtoruck,
27 Karten und Bebenkarten, 276 Textabbildungen, ſowie 3 Textbeilagen.
Teipzig:
FR. Brockhaus.
1908.
E.
Eugter, Anolf, Botaniler, geb. 25. Mär; 1844
u Sagan, jtudierte 1863 —66 in Breslau, ward
1866 Fehrer am Magpalenäum daſelbſt und 1871
Kuftod an den botan. Anftalten in Münden, wo
e 8 1872 habilitierte; 1878 wurde er Profeſſor
der Botanit an der Univerſität Kiel und ſiedelte
in gleicher ne 1884 nad Breslau über.
Seit 1889 ift E. Profeſſor der Botanil an der Unis
verfität und Direltor des Botaniſchen Gartens in
Berlin. E. hat insbefondere auf dem Gebiete der
Bilanzenivjtematit und ke wich:
tige Unterſuchungen veröffentlicht. Sowohl in der
«Flora brasiliensis» wie in De Candolles «Suites au
Prodromus» bat er eine größere Anzahl von Pflan⸗
jenfamilien monographiſch bearbeitet. Außerdem
find von feinen Werten anjuführen: ——
der Gattung Saxifraga» (Bresl. 1872), « erſuch
einer Entwidlungsgeſchichte ver Pflanzenwelt, ins:
bejondere der Florengebiete feit der Tertiärperiode»
2 Bde., Lpz. 1879—82), «Die Entwidlung ber
Hlanzengeograpbie in den legten hundert Jahren
und weitere Aufgaben derielben» (in der «Humboldt:
Gentenaricriit», Berl. 1899), «Begetationsanfichten
aus Deutih:Oftafrita» (2pz. 1902). Ferner giebı E.
«Botan. Jahrbucher für Spftematil und Bilanzen:
eograpbie» (Leipzig, ſeit 1881), in Verbindung mit
Brantl « Die natürliben Pflanzenfamilien» (ebv.,
feit 1887) und «Das Pflanzenreich» (ebp., ſeit 1900),
mit Drude eine Sammlung pflanzengeograpb. Mo:
nograpbien u. d. T. «Die Vegetation der Erde» (ebd.,
feit 1896) beraus und redigierte das Wert «Die
Pflanzenwelt Dftafritad und der Nahbargebiete»
(3 Tle., Berl. 1896).
Engler, Rarl, —— ſ. Br. 17,
Englifch, per ; ne Ber 11. Yan. 1835
zu —— in Ofterreibifh-Schlefien, ſtudierte
in Dien, habilitierte fih 1871 als Privatdocent der
Ebirurgie in Wien, wurde 1876 Brimärarzt der chi⸗
rurg. Abteilung der l. I. Kranlenanſtalt «Rudolf
Blume und 1892 Brofeflor der Chirurgie dajelbit.
onders bat er ih um die Pathologie und Ehirurs
gie der Harn» und —— verdient ge⸗
macht. Bon feinen zahlreichen Arbeiten ſeien er
wäbnt: «Beiträge jur Lehre von den Nachkranl⸗
beiten des Tupbus» (Wien 1867), «Über die Perl:
mutterfrantheit» (ebd. 1869), «Zur Entwidlung ber
innern Leiftenbrüde» (ebd. al «liber Ovarial:
bernien» (ebd. 1871), «Zur Bathologie der Harn:
und Geſchlechts organe⸗ (ebv. Se «Zum Kathe⸗
teriäömus der Rinder» (ebd. 1875), « ber Lurationen
im allgemeinen» (ebd. 1875), «Zur Lehre von der
medullaren Zeufämie» (ebd. 1877), «Zur Radilal⸗
bebandlung der Eingemweibebrüdhe» (ebd. 1878),
«fiber abmorme Lag ded Hodens außerhalb ber
Bauhhöhle» (ebd. 1885), «Ein Maftparmipiegel»
Brodhans’ Menverlations-Be
zilon. 1. Wu RUM VL
(ebd. 1888), «Über tuberkulödfe Uretbritis und Peri⸗
uretbritis» (ebd. 1891), «Über angeborene Penis»
** Mitch Bafa Hauptft Diftrilts
8 :Bafär, Hauptftabt des
Malda (f. d.) in Dftindien.
Englifhblan, ald Malerfarbe, 1; Bergblau; als
u ii erfabren, f Fayencedrud.
en ovielwieBismardbraun(f.d.).
Engliſch⸗Ceutral⸗Afrika, engl. Befikungen
zwifchen dem Schire und Niaflafee im D., dem Tan:
gms und Moerofee im N. und dem Quapula ſowie
mbeji im W. und ©. (\ die Politiſche Über:
fihtslarte von Afrika und Sarte: Aqua—
torialafrila, beim Artikel Afrila). England ers
Härte 1892 über diefe Länder die Schußherrſchaft.
Den öftl. Teil derfelben, jegt Britiſch-Centralafrika⸗
Proteltorat (f. Njajialand), nahm es in eigene Ber
waltung; die weiten Gebiete im Welten und Süden
(Rbobela, ſ. d) überließ es 1895 der Engliſch⸗Sud⸗
afrilaniſchen Geſellſchaft (ſ. d.). (S. = Sambefis
gebiet.) [Legion (ſ. d.).
Eugliſch⸗Deutſche Legion, foviel wie Deutf
Englifhe Afrikaniſche Seengeſellſcha
African Lakes Company), gründete 1878 Handels⸗
ationen am Njaflafee und im füplich anftoßen:
den, vom Schire durchfloſſenen Matolololand (f.d.).
Sie juchte den Handel am untern Sambefi, am
Schire und am Niaſſa ganz in ihre Hände zu be
tommen und den Verlehr mit dem Tanganila zu
erichließen, nad deſſen Südende fie vom Nordende
des Niajlafees eine Straße, den fog. Stepbenfon
Noad, baute, Als 1888 England jeine Smierejlens
ſphäre vom Betſchuanenland nah Matabeleland
und bis zum Sübdufer des Sambefi ausdehnte, kon⸗
Pak fi 1889 die Engliſch⸗Sudafrikaniſche Ges
(f. d.). Diefe übernahm 1892 von der
E. A. S. —65*8 Stationen und Handelsgeſchäfte.
Euglifche reg f. Uhren.
Englifche Bagbdette, ſ. Karrier und Tafel:
Ge nen; Sig IT, [Eifenbabnen.
glifche Eifenbahnen, —— che
Eugliſche Fräulein, die Mitglieder des
ftitutö Mariä, einer Frauentongregation, die ch
mit der Erziehung von Mädchen — und
namentlich in Bayern und Oſterreich verbreitet iſt.
1609 gründete die Engländerin Maria Ward
(geit. 1645) nad dem Muſter des Jeſuitenordens
einen weiblihen Orden, deſſen Mitgliever Je⸗
en —— —— —— 5
eine tl, i note und 1 ur
eine Jule Urbans Yun. unterbrüdt wurbe, Die
von ern Jeſuitinnen in Bayern gegründete Ger
noſſenſchaft der «Ratbolifhen adligen Fräulein von
England» (baber der Name E. F.) mit neuen Regeln
wurde auf die Bitte des Ku Mar Emanuel
—1
2 Engliſche Haut — Engliſche Krankheit
1708 von Elemens XI. genehmigt, aber erft 1877
durch Pius IX. beftätigt. Benedikt XIV. erflärtefie
1749 ausdrüdlib für feine Fortießung der Jeſui—
tinnen; fie verebren aber Maria Ward, und die Re:
geln ftimmen vielfah überein. Der Orden wurde
1808 ın Bayern unterbrüdt, 1835 wieberbergeftellt.
Es giebt jegt auch in England (Mort) E. F., und
bie dort und in rg verbreiteten Loretoſchwe⸗
tern haben diejelbe Regel. In Deutſchland be
eben 83 Nieverlafiungen, davon in Bayern
18 Mutterhäufer und 61 Filialen mit 1500 Mit:
liedern unter der Generaloberin in Nymphenburg,
n Öfterreih 7 Klöfter mit 250, in Ungarn 2 mit
58 Mitgliedern. — Bgl. Leitner, Geſchichte der E. 5.
(Kegensb.1869) ; Salome, Mary Ward (Lond. 1901).
glifche Haut, feines Leder für Damenband:
fchube, |. Hübnerleder.
Engliiche Hochkirche, ſ. Anglilaniſche Kirche.
Engliſche Kanäle, |. Großbritannien und Ir—
land, Abſchnitt Verlehrsweſen, nebſt Tabellen und
Rarte: Die Schiffahrtsſtraßen in Großbri—
tannien und Irland, (onien.
Englifche Kolonien, ſ. Großbritanniſche Ko:
Engliihe Komddianten, Bezeihnung von
wandernden Scaufpielertruppen, die egen den
Ausgang des 16. Jahrh. (1586 — ezeugt)
von England nad —— kamen und bier mit
den anfang? englisch geipielten, bald teilmeife oder
ganz in robes Deutſch übertragenen Stüden ber
engl. Bühne, ſelbſt Shakeſpeares, namentlich an den
dien und in großen Städten einen ſehr weſent—
ihen Einfluß auf tbeatraliihen Geihmad, Schau:
—— und dramat. Dina gewannen. Diefen
ypen waren bereit in ber Mitte des 16. Yabrb.
engl. Mufitanten, Anftrumentiften genannt,
vorausgegangen, ja ſchon auf dem Konzil zu Ron:
ftanz (1417) hatten engl. Darfteller biblijhe Scenen
aufgeführt. Das Epiel der E. K. war grell, leis
benjdhaftlid bewegt und derb, ihre Komödien und
Tragddien voll biutiger Greuel und Roheit, voll
&musiger m. Zoten. Bon ihnen gebt die
erufömäßige aufpiellunft und das Banden:
weſen in Deutfhland aus, und aud als Feine
Engländer mehr bei den Gejelljhajten waren,
nannten fi diefe, um ihre Anziehungskraft zu
erböben, E. K. Da die €. K. über die Niederlande
nah Deutſchland famen, wurden fie auch nieder:
ländifhe Komodianten oder Niederländer
—*2 genannt. Von ihren Komddien und
ragddien eriftieren mehrere Sammlungen. — Bol.
Die arg iele der E. R. in Deutfchland, ba. von
Tittmann (in «Deutihe Dichter des 16. Jabrb.»,
Bd. 13, 2p5. 1880); Gende, Lehr: und Wanderjabre
des deutſchen Schaufpielö (Berl. 1882); Meihner,
Die E. K. zur Zeit Shatefpeares in Öfterreih (Wien
1883); Schaufpiele der E. K., bg. von Creizenach
n Kürjchnerd « Deutſcher National » Litteratur»,
d.118, Stuttgart); Bolte, Die Singfpiele der E. K.
(Hamb. und 2p;. 1893). (S. Deutſches Theater.)
Englifche Krantheit(Rhachitis, engl.rickets),
auch — ———— eine dem Kindesalter
eigentümliche eihung und dadurch bemirtte
Biegfamleit des gefamten Knochenſyſtems, melde
nicht felten mannigfache dauernde Berunftaltungen
des Knochengeruſtes zur Folge bat. Sie tritt mei
im ar Lebensalter, weniger in ben zunäd)
darauf folgenden Jahren, noch feltener im fpätern
Rinvesalter, und nad vollendeter Entwidlung gar
nicht mehr auf. Ihrem Weſen nad befteht die €.
K. in einer eigentümlichen krankbaften Störu
Knohbenwahstums, durch welche die zur B
des bleibenden Knochens beitimmten Gewe
folge ungenügender Kalkzufuhr abnorm meic
ben und andererjeit3 abnorm ftarte Anorpel
rungen an den Anocenbildungsgrenzen ein
fo daß Anihmwellungen, Verbiegungen um!
frümmungen an den verfhiedeniten Knoche
Körpers entjteben. Der Verlauf der Rhachi
gewöhnlich folgender: Den Anfang made
regelmäßigleiten in der Verdauung, insbeſ
chroniſche Darmkatarrhe mit ——— d
Stublentleerungen, unrubigem Schlaf und At
rung; bäufig neben die Kinder auch Zeiche
Schmerz von fi, wenn fie Glieder fre
bewegen oder von ihrer Umgebung berübrt w
Hierauf beginnen die Gelentenden der Knoch
— beſonders die des Vorderarm⸗
niterſchenlels und der Rippen; daher die Knbe
Fuß und Hand, wie durd ein umgeichnürtes
abgebunden, ober: und unterbalb des Gelen!
vorragen (Doppelglieder, Zweiwuchs)u
Verbindungsjitellen der Rippen mit ihren Anı
dur ihre charalteriſtiſche Auftreibung deut!
das Auge fallen (rhachitiſcher Rojentt
Allmäblih werden dann die übrigen Teile de:
ben weich und durd die Musteln, denen fie i
em Zuftand feinen Stüßpunft mebr bieten ti
omie durch die Schwere des Körpers frumm gel
nsbeſondere fommt es leicht zu Verkrümm
und Berbildungen der Bruft, der Wirbeliäul
des Bedend, welche nicht felten ſchwere Fol
das ganze übrige Leben nad ſich zieben. —
der abnormen Weichheit der Rippen und R
fnorpel vermag der Bruſtlorb dem äußern Luſ
beiderinfpiratorifchen Erweiterung des Bruftt
nicht gehörig Widerftand zu leiften, und es eı
fo eine eigentümliche Verunftaltung besjelber
übnerbruft), welde fib durch Vorſtehe
rujtbeing und Einfinfen der Rippentnorpel
giebt und oft noch in fpätern Jahren zur Entit
von Qungentrantheiten ———— eben
ebenſo vermag die rhachitiſche Verunſtaltun
Inöchernen Bedens, durch welche deſſen Durch
beträchtlich verlurzt werden (fog. rbaditi!
Beden), beim weiblihen Geſchlecht wor. nad
zehnten für die Trägerin verbängnisvoll zu mı
indem fie ein ſchweres Geburtäbindernis ab
tann. Die Zahnbildung ift bäufig erbeblid
langfamt. Anvererfeits erfranten vie Zähne, w
ſchlecht, fallen aus und erjeßen fih nur lar
wieder. Am Schadel bleiben die Fontanellen
offen und ber Hinterkopf ift häufig jo weich, t
beim Liegen des Kindes eingebrüdt werben
dur Drud auf das Gehirn Krämpfe oder S
fuht und Betäubung — lann (fog. we
Hinterlopf, Schädelibwund over Cı
tabes). Die E. K. hat gewöhnlich eine Dauer ı
bis 3 Jahren. Gebt die Krankheit in Gen
über, fo pflegt ſich dies zuerft durch die Abn
der oft außerordentlib großen Magerleit zu
raten, regal fangen die Kinder an, k
Bett aufrecht zu ſehen und fi mit Spielen |
&häftigen; aber gerade da können ſich bei ı
erbiegungen und dauernde Berkrümmunge:
Mirbeljäule entwideln. Ebenfo fommen, wen
Kinder zu früh das Bett verlafien und beru
laufen verſuchen, am bäufigften Berbiegunger
Eintnidungen der Gptremitäten ju ſtande
Engliſche Kunft 8
Das eben der itis wird durch Erblich⸗
leit, unbbeit3ftörungen der Mutter wä
rend der Schwangerſchaft, durch anhaltende Einwir⸗
hing einer naßlalten, feuchten, nebligen Witterun
oder ungefunder Wohnungen, vor allem aber dur
edmäßige ober mangelbafte Ernaͤhrung be:
gänftigt, weshalb vorwiegend gerade lünftlich auf:
gezogene und aufgepäppelte Kinder von ihr befallen
werden. Man findet fie bauptjädlid in nörbl. Län:
dern mit feuchter Atmojpbäre, z. B. in England,
Holland und Nordfrankreich; gegen den Süben zu
wird fie feltener; in den Zropenländern verfchwin:
det fie gang. Die Heilung ift vorzüglich von zmed:
mäßiger Lebensart und Ernährung (fräftige Fleiſch⸗
brüben, Eier, fein zerteiltes, leicht Durchgebratenes
nk Gemüfe, chtſäfte, Heine Mengen von
in und Zolajer, fein Brot, feine Meblbreie,
teine Kartoffeln) ſowie von Verdauung und Blut:
mihung verbeſſernden Mitteln (Kalt: und Ma:
äparaten, Stahlmitteln, Phosphor, Leber:
n), tärtenden Bädern (Solbäder), bejonders
—— Luft, Aufenthalt an ſonnigen, trodnen
und von dem fortjchreitenden Alter zu er:
warten. Individuen, welche in ihrer Jugend an in:
tenfiver und ausgebreiteter Rhachitis litten, bleiben
aewöbnlih auffallend, mitunter bis zum Zwerghaf—⸗
ten, Hein und bieten zuweilen dadurch, daß ihr im
Verhältnis zu dem mmerten Körper unförmlich
roßer Schädel ein lleines Geſicht überragt, eine auf:
allende und häßliche Entftellung dar. Gegen etwa
jurüdgebliebene ftärtere Bertrümmungen werden ge:
eignete Stügapparate und ortbopäd. Kuren, bis:
weilen jelbit operative Eingriffe erforderlih. Die
Kranlheit war übrigens fchon im Altertum befannt,
t aber erft im 17. Jahrh. bei ihrer Verbreitung in
and die Aufmerljamleit der Urzte erregt. —
Stiebel, Rickets, Rhachitis oder Rachitis (Er:
langen 1863); Ritter von —— Die —*
logie und Therapie der ihachinis Gerl. 1863); ẽhhe
Das Weſen der Rhachitis und Strofulofe und deren
Belämpfung (Berl. 1897); Monti, Rhachitis (Wien
1900); Zweifel, Atiologie, Propbylaris und Thera-
vie der Rhachitis (2pz. 1900); Schreiber, Prophy⸗
laris und Therapie der Rhachitis (Berl. 1901).
‚Engliihe Ruuft. (Hierzu die Tafeln: a
liſche Runft I-UL Taf. I: Baukunſi. Taf. I:
Malerei. Taf. III: Bildhauerkunſt.
_ 1 Baulunft. Nur wenige europ. Länder rer
ah dur jo mächtige Baumerke in die Geſchichte
ein wie England durd feine Stonebenge (j. d.),
feine Dolmen (f. d.), Cromlech (f. d.) und andere
vorbiftor. Steinbauten, die ſich durch Ausdehnung
der Anlage, Größe und fortgejhrittene Bearbeis
tung auszeichnen. Die frübefte Ornamentil ift die
vor den iriihen Miniaturen (f. Ben ap
melde die angeljähi. Monche betrieben; fie zeigt
eine Berbindung von antiten Glementen mit nor:
diſchen Ziergeftalten und Schnörtelweien, welche fich
an der Holzihnigerei ausgebildet hatten. Auch für
die Folgezeit, für jene nach der Einwanderung der
Rormannen, blieb der Holzbau maßgebend. Die
eiten Baumerte elfähf. Stils find jelten und,
fie erhalten find (wie z. B. die Kirchen von Brad⸗
‚ Earl Barton, Worth und Montwearmoutb),
an Form; die Ornamentil wirb zwar mebr
mebr dem Steinbau entiprechend gebildet, doch
die Bidzadlinien und ähnlihe vorwiegend
—5—*— mebr verwendet als auf dem Kon⸗
Grundriß der Kirchen blieben die Nor
833°
EB
mannen, unter benen bad Baumefen zuerft höhere
Biele anftrebte, bei den Formen des nordfranz⸗
roman. Stils bafılifaler Anlage, „eigen aber an
feilern und Halbjäulen eine Vorliebe für runde
rmen, die ſich im Aufriſſe durch eine gewiſſe
Schwerfälligteit äußert. Da nun der Holzbau noch
in ber Borliebe für flache Baltendeden derart
bemertlic macht, daß aus normann. Zeit ſich keine
gewölbte Kirche erhielt, jo erſcheinen vielfad bie
wuchtigen, erniten und maffigen —— die mehr
ritterlich troßigen ala kirch vo yſteme des Aufs
baues in einem Mißverbältnis zu der leichten
— Kathedralen zu Wincheſter, Worceſter,
Canterbury (f. Taf. I, Fig. 3 u. 5), Glouceſier,
Durham, Norwic wurden in diefer Zeit, meiſt an
der Krypta und am Chor, begonnen und entwidelten
fih gleich jener zu Peterborougb —5* I, Fig. 2)
u lang er dreiſchiffigen Bauten mit Kart
etontem Querſchiff, fräftig horizontal gegliedertem
Aufbau und reicher Ornamentik. Die neuen Ans
regungen, welche jeit ver Mitte des 12, Jahrh. der
abermals über den fanallommende gotiihe Stil
bot, äußerten ſich zunachſt in der Detailbebanplung,
welche b den Spisbogen mit allen Konjequenzen
aufnahm, ohne alsbald zu jener Höhbenfteigerung
bes Baues zu gelangen, welche der feftländiihen
Gotik eigen ift. Die Kathedralen von Meftminfter
u London (al: Londoner Bauten, Fig. 1,
eim Artikel London), von Salisbury, Beverley,
Morcefter, Rocheſter (1. Tafel: Engliſche Runftl,
ig. 1), Wells, Cly, Lincoln, Ficfield (f. Taf. I,
ig. 6), Kirkwall in Scyottland (fämtlich aus dem
nfang des 13. Jahrh., doc faſt jeder einzelne
Teil aud einem andern — zeigen die
Horizontalteilung der Altern Bauten mit got. Über:
wölbung. Die Längenausdehnung der Kirchen ers
est auch jetzt, was ihnen an Höhe fehlt. Saliss
ry erhielt eine folhe von 181m, Lincoln von
160m. Es wurde vielfach fogar ein zweites Quer:
fhiff angelegt und dem Ebor eine Länge gegeben,
welche der des Langhauſes gleihlommt. Eine öftlich
angebaute Marientapelle (Lady chapel) erweitert
nod diefe Abmefjungen. Im Detail bildete ſich in
diefen Bauten ein großer deforativer Reihtum aus,
deſſen Grundmweien aber ein minder beloratives war
als das der franz. Gotil. Die Engländer bezeich:
nen den Stil diefer Bauten als den Beginn na-
tionalen Schaffens (Early English). Den fol
genden Abichnitt (etwa 1274—1377) bezeichnen r
ald Decorated style (deforierter Stil),
da num das Detail immer größern, den Bau be
ftimmenden Einfluß gewann. Rathebralen, wie die
zu Ereter (1327—69) ni Dart Melrofe, Windefter,
geben bei immer reicher ſch entfaltender Brundriß:
gefaltung, — — der Facaden und
ierungstürme einen außerordentlichen Prunlkin der
Behandlung der Einzelheiten, der ſich aud noch in
die ezeit, die de Perpendicular style,
inüberzieht. Namentlidy die Auflöfung der Bands
achen durch lotredt teilende Blenvarlaben, die
nwendung bed Tudorbogens und ber tropfiteins
artig fich entwidelnden Gewölbtonftruftionen, wie
fie in der Rapelle Heinrih® VIL zu Weitminfter
und beſonders in den Kirchen von Somerſetſhire
ihre hoͤchſte Durhbildung erlangen, find für dieſe
Zeit beſonders bezeihnend (Tudorftil). Auch
est fpielten die Holzdeden jelbft im Kirchenbau eine
eroorragende Rolle, die auf den Steinbau nicht
ohne Rüdwirtung bfieb. Dazu iam ein hod ent
1*
4
widelter Brofanbau, der ſich ſchon im frübern Mittel:
alter in mächtigen planmäßig durchdachten Burgen:
anlagen, jpäter in Schlöffern mit großen Hallen
—* in großen Stiftern und Colleges, namentlich
n den Univerfitätsitädten (King's College in Cam⸗
bridge; ſ. Taf. 1, Fig. 4), geltend machte und dem
nefamten Bauweſen einen minder lirchlichen, dafür
aber um jo heiter präctigern Ebaralter gab als auf
dem Feſtlande. Die Renaiifance bemächtigte ſich
—— nur des Details, indem ſie, teilweiſe durch
ita er, mehr noch durch deutſche (vor allem
durch Holbein), die Gliederungen zuerſt des landes⸗
üblichen Hol tits, fpäter auch des Steinbaues in un:
Age —** — ter ——
wahrend der langen und glücklichen Regierung
ber Konigin Eliſabeth entſtanden Bauten, welche in
ihrer ganzen Anlage in Renaiſſanceformen gebalten
3 und zu pruntreicher Darjtellung des wachſenden
eibtums des Landes fich erbeben (Queen Eli-
zabeth style). Con Ge I —
ton Houfe (1580), Holland Houſe bei London (1607),
Hatfield Houfe (1611) —— als Beiſpiele dieſer
Richtung genannt ſein. Nebenber ging aber immer
noch, namentlich bei öfjentlihen Bauten, die natio⸗
—— —— —————
B ee Rursba,
. - u 2 ——— *
EINE TER os
Bohr zaren- en.
ee et,
—
nale Gotik, die ſelbſt der große Meifter der Renaiſ⸗
—— N) zen. (j. d.), noch gelegentlid anwen⸗
dete. Diejer brachte aus Stalien die lebhafteſte Be:
geifterung für Balladio und jeine Kunft mit und
teilte Diele den Engländern für die Dauer mit, jo
daß fie zu den eigentlihen Trägern des Palla:
dianismus wurden. Sein Schloß Wbiteball in
London ift die Mufterleiftung diejer Richtung.
Durch Ehriftopber Wren (1. d.), ven Erbauer zahl;
reicher fleinerer prot. Kirchen (1. Iaf. I, Fig. 7) und
der auf Wunſch des zum Katholicismus binneigen:
den Hofö der Stuart nad Art der Peterslirche zu
Rom errichteten Paulskirche zu London (f. Tafel:
Londoner Bauten, Fig. 3), ferner dur den
im Schloßbau thätigen John Banbrougb (f. vor
ftebende Figur) u. a. fam ein mächtiger, vielfach
derber Baroditil(Queen Anne style) in Aufs
nabme, neben dem aber nod got. Formen bergingen.
Durch die Hafficiftiibe und romantiſche Strömung
am Ende des 18. Jabrb. wurde England zum fübrens
ben Lande in der Bautunft. Der Gartenbau lentte
auf die Nababmung fremder Stile, jo deö chine⸗
fen, des ——— und des gotiſchen, die bald,
n monumentaler Weiſe ausgebildet, den Profanbau
zu beherrſchen begannen, jo daß man auch auf dem
der vieljeitigiten Anregungen
er hs
Ehlok deneıh in Dorfibire,
Engliſche Kunft
' Kontinent bis in die jüngfte Zeit vorzugsme
Gotik für Schloß» und Gartenbauten amı
Ebenſo wurben die Engländer dur die Ar
\ Rent, Cbambers, Adams, Soane, Wpatt,
Wilkins u. a. von der begeifterten Wiederan
des Balladianismus auf die Antike hingewi⸗
die eigentliben Schöpfer des in Frankreich
Stil (j.d.) genannten Klafficismus (j.
waren die eriten, die durch Stuart und
per durch eine Gejellihaft von für die B
egeifterten Dilettanten die antiten Baure'
matiſch aufmefien und fogar, ſoweit mögli
derielben nah England übertragen ließ
ber eriten Hälfte des 19. Yabrb. bat aı
durch zablreihe Auſmeſſungen und Beröffen
en die Kenntnis fremder Kunſtweiſen
ortichritt gemacht ; doch je mebr der Klaſſ
——— wurde, und die Gotik ſid
ichtung gegenüber frei im modernen Sir
altete, leihter und mübelojer wur
öremde in einen eigenartigen nationale
verarbeitet (Queen Victoria style), jo)
fer eine beneidenämwerte Einbeitlichleit auf
und Borbil
Mn Zuge
u
BF TEE Un: ıh0
ea RT 7)
langte. Die Gotik bildet immer nod die I
lage, von der aus die €. K. jortjchreitet; ‘
wie Barry, Bugin, Scott, Street, Waterhouji
fi) in diefem Stil bewegt. Als bebeutenditı
mäler moderner Gotik laſſen fi das Parla
ebäude (f. Tafel: Barlamentsgebäu
Si 1), das naturbiitor. eg "por und der
> aft (f. Tafel: Londoner Bauten, fig
ondon ſowie die Univerfität in Gladgom n
Neben der Gotil und ital. Nenaiffance ift neue
die Jrü iſſance in den Formen des Gli
ſtils, doch untermischt mit japan. Einflüff
malerifhen Entwürfen bervorgetreten. An i
Wert ftebt die engl. Baukunſt feiner anderr
an Umfang bat fie bei der regen Kirchenbau
feit, den zablreiben Schulen und Stiftunge:
Reichtum feiner Bewohner die erite Stelle
Welt eingenommen. Großartig entmwidelte
namentlih an den Werten des Ingenieurs ı
jenen Nusbauten, zu deren Heritellung die
mit dem Arcitetten in einer Berion verbinde
Eifenbauten 3. B. für den Arvitallpalaft dei
ftelung von 1851 (f. Tafeln: Ausftellu
ebäubde I, fig. 1, und IL, ig. 1), die Ba
aben den Zon Far ſolche Werte angegeben.
ENGLISCHE KUNST. L
4 .. \
a
DI TEE RG
DRLLILIIETT IT TER
ri “
—*
EIER, N
|
al , *
4 2
& Kapelle des King's College zu
Cambridge, 1446—1515 erbaut.
Brockhaus’ Konversations- Lexikon.
a
14. Aufl.
6. Grundrifs der Kathe-
drale zu Canterbury.
(BAUKUNST: 12, bis 17. Jahrhundert.)
Innenansicht der St. Stephenskirche zu
L Rene Ende des 17, Jahrh. von Wren erbaut. |
R.A.
ENGLIS
(MAL
6. Joshua Reynolds (18. Jahrh.): 7. Thomas Gainsborough (18. Jahrh.):
Lady Anna Stanhope.
— —
Mifs Mary Graham «Edinburghı.
—
ae ”. [En I er
8. David Wilkie (19. Jahrh.): Blindekuhspiel (Buckingham-Palastı.
a N d
REN VOR — ———
1. Daniel Maclise (19. Jahrh.): Blüchers und Wellingtons Zusammentreffen nach der Schlacht b«
Brockhaus’ Konversations- Lexikon, 14. Aufl. R.A.
KUNST. I.
% Jahrhundert.)
Era
ı Häuptlings Freunde. 9, Thomas Lawrence (18, bis 19, Jahrh.): 10, John Everett Millais (19, Jahrh.):
König Georg IV. Der Towerwächter.
——
Irrmälde im Parlamentsgebäude zu London.)
ENGLISCHE KUNST. U.
(BILDHAUERKUNST: 19. Jahrhundert.)
1. Stephenson, 2. Druide, 3. Paul und Virginie, 4. Graf von Belfas
von E.H. Baily. von William Theed. von W. C. M all. von P, MacDowell
b. Prinz-Gemalıl Albert, 6. Kolossalstandbild des 7. Carlyle, von Jos. Edgar |
vom Albert-Memorlal in London; William Wallace bei Stirling,
von J. H. Foley. von D. W. Stevenson (1870),
Du =
iiensi
8. Venus
9. Amor und Psyche (Relief), von John Gibson.
von John Gibson. James Westm
Brockhaus! Konversations- Lexikon. 14. Aufl. R.A
Englifche Kunft 6
U. Bildnerei. Im allgemeinen erweift ſich die
mittelalterliche Bildnerei wie Baukunſt ven Frank⸗
wih abhängig. Doc ift ein fo reicher bildneriſcher
mud wie an den franz. Domen in England
\elten. Eine Ausnahme maben die Katbepralen
von Wells und Lincoln, in denen ſich ein freier, ans
mutiger Stil äußert. Nicht minder beadhtenswert
it die große Zabl von Grabftatuen, in der ſich die
Eigenart der E. K. früb Geltung verichaffte. Bis
zum Anfange des 14. Jahrh. dauerte dieſe ergie
bige Zeit. Im Laufe diejes Jabrhunderts gewannen
die Skulpturen nicht felten eine zarte Anmut und
einen reihen arditeltonifhen Stil. Bis gegen
Ende des 18. Jahrh. wurde weniges und unter
—— faſt alles Bedeutende von fremden, meiſt
ital. und niederländ. Kunſtlern ausgeführt. Dann
trat nad einigen Vorläufern John Flaxrman (1755
— 1826) auf, — ein genaueres Studium der
Antile in ge einführen. Fruh machte ſich
ein als «Realismus» verſchrieener Zug zum eins
ſchmeichelnd Schönbildneriihen in der engl. Bild:
nerei geltend: Nolletens, Chantrey, Weltmacott
Bation waren talentwolle, meift an Ganova fh
anlebnende fünftler dieſer Richtung. Einen größern
Ernit zeigte die folgende, Thorwaldſen verwandte
Schule, an deren Spibe der in Rom lebende Gibſon
(j. Tafel: Engliſche Kunft IL, ig.8 u. 9) ftand,
Ferner find zu nennen: Wyatt, Baily (f. Taf. ILL,
Sig.1), Spence, Slater und der jüngere Richard Weſt⸗
macott; im Borträtiah J. H. Foley (j. Taf. ILL, Fig.5),
RWoolnerund Noßman, im Genre James macott
6 Taf. I, Fia. 10) und Munro. m neuerer Zeit
at & ‚ dant der präraffaelitiihen Malerſchule
die Bildnerei zu einem kräftig sealifiichen Stil
durchgearbeitet und leiftet namentlih im Porträt:
fache jehr Bedeutended. Urfprünglih durch die
Blajtil der ital. Frübrenaiffance zu unbefangenem
Naturftudium ſich aufrihtend, führte dieſe Rich:
tung zu einem eigenartigen Stil, der von Arms
ftead, W. C. Mariball (f. Taf. II, Fig. 3), Steell,
MacDdomell (f. Taf. III, Fig. 4), Theed (f. af. IU,
Fig. 2), John Bell vorbereitet, durch Böhm (f.
af. III, ‚sig. 7), Stevens (1818 — 75) und den
Schotten D. W. Stevenfon (j. Taf. II, Fig. —*
bober Monumentalität geſührt, durch den Maler
Leigbton bereihert wurde und jest durh Hamo
Thornycroft, Onslow Ford, Alfred Gilbert u.a. ver»
treten wird.
IL Malerei. Die Malerei wurde in England
wäbrend des Mittelalters faum in geringerm Maße
als in Deutihland und Frantreid in Verbindung
mit den übrigen flünjten geitbt. Eingeborene Maler
von Bedeutung treten erſt im 17. Jahrh. auf. Sie
baben die Wirfjamteit der beiden großen in England
thätigen Maler Holbein und van Dyd zum Bor:
bilde. Zuerſt wurde denn aud von dieſen das
Borträtfach gepflegt. Cooper (1609—72) bezeichnet
den Höbepuntt der in England früh gepflegten
Miniaturmalerei. Neben Dobion? Waller, James
ſon, Wrigbt, Eooper u.a. wirkten auch im 18. Jahrh.
noch vorzugsweije Ausländer, wie Beter Le 2
Soeft und Gottiried Kneller aus Lübed. Durch
Ibornbill, welcher der Srangöfiihen Schule anbing
und neben andern großen Aufgaben die a der
Baulstirhe in London ausmalte, lam die barode
Richtung des Freslo in Übung. Als der erſte eigens
artige engl. Maler war W. Hogarth (1697—1764)
der Schöpfer der engl. Karilatur; er gab ber engl,
Malerei eine auf unbejangene und rüdfichtsloje
Naturbetrahtung g dete Richtung. Eine jener
entgegengejebte ideale Richtung wurde in fie eins
efübrt dur den ausgezeichneten Bildnismaler
ir Joſhua Reynolds (1723— 92; f. Taf. I,
ig. 6). Seine Nebenbubler im Porträtfach waren
amſay (1709—84) und G. Romney, vor allen
aber Th. Gainäborough (1727—88; |. Taf. II,
Pie, 7), der auch im Genrebild und in der d»
haft zu den beiten Meiftern ver Zeit zählte. Als
der erſte vorzüglichfte Landſchaftsmaler der Eng:
länder verdient in derfelben Zeit Richard Wilfon
(1714—82), ein freier Nachahmer Glaude Lorrains,
genannt zu werben. Dld:Erome und Naſmyth, jeder
eine eigenartige Schule — richteten durch
* Bilder zuerſt den Blick auf die Naturf Önbeiten
glands. Reynolds’ Nachfolger ald Präſident der
Alademie zu London war der nordameril. Qualer
und Maler Beni. Wet (f. Tafel: Amerilanijde
Kunſt U, Fig. 1). Mehr als dur feine Werte
nügte er der E. 8. durch Fürjorge für das Gedeihen
der königl. Runftalademie und jeine Teilnahme an
der 1805 erfolgten Gründung der British Institution,
welche beide Anftalten dur ihre Ausftellungen die
Runftliebe des engl. Bublitums und den Wetteifer
der rn außerordentlich gefördert haben. Unter
einen Zeitgenofien ift der Schweizer ob. Heinr.
nebli(1742— 1825) der bedeutendfte. Die Davidſche
ule, welche ihren Einfluß von Frankreich über
ganz Curopa verbreitete, übte auf Gngland eine
eringe Wirkung. Nur einzelne Künftler, wie Weſtall,
Gassen, pflegten das biftor. Jah; andere, wie Hil-
ton, Etty, Allan, Briggs, jchlugen einen freiern, an
die ältere Malmeije der Niederländer und Staliener
anfnüpfenden Weg ein. Bon lebendiger P antaftit
waren bie Werke eines Stothart und John Martin,
Neben ihnen löften die monumentalen Aufgaben
in gen und Ausführung die im Geiſt der
deutihen und franz. Romantiter ſchaffenden Hifto:
rienmaler Maclife (f. Tafel: Engliſche zu U,
ig. 1), Dyce Herbert und Ward. Dem auf bie
ndividualität gerichteten Sinn der Engländer ent
precbend wurde die Borträtmalerei mıt Glüd ge:
flegt; F and in Sir Tb. Lawrence (1769—1830;
.Zaf. U, Fig. 9), der 1820 PBräfident der Londoner
fademie wurde, in Jadion Nortbeote und or”
ner tüctige Vertreter. Außerdem machten Tb,
billips, M. U. Shee, W. Beechey, Rothwell, *
Pickersgill, Gordon und Francis Grant ala
Vorträtmaler fih Namen. In den fehr beliebten
Bildern, welche —— aus Dichtern ——
ſowie in der Genremalerei wurden die engl. Maler
durch eine jcharfe Beobachtungsgabe unterjtügt, die
ih ſowohl in Reichtum der Vorwürfe ald aud) in
chlagendem, bisweilen übertriebenem Ausdrude der
öpje auslegt. Obenan jteht David Wiltie (1785
— 1841; f. Taf. I, Fig. 3), der Schöpfer des moder-
nen Genrebildes. Nach ihm find zu nennen: Mul⸗
Bein W. Collins, Eh. Leslie (f. Taf. 24 .5),
zb. Webiter, Redgrave, Edw. M. Ward, J. Horde
ley, F. Goodall, H. O Neil, W. > Fritb,deren Bilder
das engl. Voltsleben vorzügli widerjpiegeln. 8*
Fache der Landſchaftsmalerei find als die drei bes
beutenditen Turner (1775—1851), Conſtable (1776
—1837) und Bonington — zu nennen.
Zurner (f. Taf. IL, Fig. 4) iſt der viel *55 Geiſt,
welcher je in der Landſchaftsmalerei wirkte, Meer
und Sand, heroiſcher Charakter und höchſte Steiges
rung der malerijhen Wirkungen finden ſich bei ihm
nebeneinander. Conſtable bat die e in
6 Engliſche Kunft
ci en und —— — mit kraftiger Farbe und
tem Bortrage bei tiefeindringendem Berftänpnis
E bie Stimmungswerte gemalt. Bon ihm gingen
bie entſcheidenden Anregungen für die bedeutende
han ndihaftsichule in den —I*X und ſech⸗
ahren aus. Bonington ftellte ſudl. und nord⸗
* — und namentlich tonwahr
jochen ch an: W. Glover,
B Colt ns Th. arding, wW. Linnell,
T. Greäwid. ‚d. Meu 2 gr der Seemalerei find
Gallcott, Stanfield und Eoofe mit Auszeih: | 8
nung zu nennen. Für die Tiermalerei beſaß
land in Morland und Edwin Landſeer (1802—7
J. Zaf. U, ‚a: 8) Künftler erften Ranges.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts lam in Eng:
land die Säule ——
einen vollftändigen
räraffaeliten (ſ. d.) auf, welde
mſchwung des kunſtleriſchen
Empfindens eiführten. Sie brach mit der Nach⸗
ahmung der Holländer und Spätitaliener und führte
—* unmittelbare Naturbeobachtung und auf eine
innigere Darſtellung ſeeliſcher Vorgänge hin. Den
urſprunglichen Anxegern Roſſetti, Holman Hunt und
ee 6 loſſen vr bald jü Kingere Kräfte an, unter
welchen Burnes Jones (f. Kar U, Fig. 2) an erſte
Stelle cr Ki —— — e ſeiner ſtili⸗
Din 1 aflung trat. Watts, Paton, Mador
—— Ri mond, Crane bildeten die Richtung i in
jelbftändiger Beife! fort. Doch betonte Millais mehr
und mebr bie re Seite und wurde fomit einer
der wichtigſten Führer der engl. Malerei. Die prä-
te ‚nregungen edten ſich aud auf
‚ in welcher Brett, Hood, 9. Moore,
ac u. a. länzenbes lei iteten, wie auf die Bild⸗
welche durch Millais (f. Taf. Il, Fig. 10),
na Herfomer, Duleß u. a. fh bödjite
Stufe ge hrt wurde. Die mehr — che ——
tumg vertrat Leighton, neben ihm Ph Ideron,
Poynter u. a., die —— — der Lau⸗
rens Alma Tadema. In Edinburgh bildete ig eine
ondere Malerjchule von kolorijtifch feiner Beob⸗
** aus, deren Hauptvertreter Fettes Doug:
xdfon, als Figurenmaler, Reid,
Mach irter, Graham, Murray ald Sandidaiter
machten fih die Einflüfle der
rifer ule und eine Reaktion gegen ben über:
triebenen fticiömus und Symbolismus der
——— in der engl. Malerei hervorragend
£ Itend; die ſog. Landf —— von Newlyn:
tanbope Fo Forbes, Eolin Hunter, Stott of Oldham,
8 U u. a., die Hiftorienmaler Waterlom,
Stone, Long, Briton:Riviere, Water:
in uf, Di — Solomon zeigen mehr oder minder
Einf Gine überaus eigenartige Kunſt⸗
mit Vorliebe von 9. Tule und Seymour Luca
malt; in der Arditelturmalerei ragt D. Rol
hervor, in der Blumenmalerei Miß Dlutrie, in
ftüden Swan, Davis und Wain. Befonderi
pflegt wird in England die Aquarellmalerei |
und die Miniaturmalerei (f. d.).
Unter ben Silußratarın nebmen, r
Millais, Birlet Folter, Gilbert, Galvecott,
Maurier, M reenaway eine bervorraj
—— ein. Sir Sohn reis G. Du Maı
orne, Harry iß, J. Bernard Parti
KG Eleaver find au en Kreifen durch
; 1 Bilder, oft bumoriftifchen Genres, im «Punch
lannt. ter Crane, William "Morris, 2
Jones errangen durch ihre Bucilluftrationer
delorativen Zeichnungen geradezu einen We
Baton Wilfon ſchließt ſich den lehtern, den
tretern der präraffaelitifchen Richtung an, wäl
Selwyn Image und Herbert Horn A: mebr
Haffiihen Richtung befleißigen. Eine ganz
—** ſchlagen die ſ ig.» — ——
und Bitminghamer Schule ein; baup
lihften Vertreter find Herbert hailten, H
Tringham, W. B. Robinfon und R. Anning
Unter den humoriftiihen Zeichnern fteht Phil
obenan, auch Maurice Greiffenhagen und Sul
leiften darin Anerlennenswertes.
— Kupferſtechkunſt wurde im Lauf
8. Jahrh. eine ſehr lebhafte Thätigleit zug
ed bo geht das Streben hauptſachlich au
farbige Technik. Die drei bedeutendſten V
— trengen Linienmanier waren Robert Sti
barp und MWoollet, der —** *
— wurde der ſog. So warʒiun
gen beiondere Bil ege. Die Hauptmei en
eynolds, Fi Ardell, J. R. Emith, W
R. Earlom. Die weichere unftiermanter, ı
Bartolozzi einführte und beliebt machte, ſpät
emporlommende —— ließen die Stec
in England nicht auf der Höhe. Zu den <
zeihnetften Kunſtlern der neueſten Zeit_gel
ald Rabdierer * wi —— (. d.), Ser
Zinienmanier: Brandard, Mill
fonders für gumen) —— E. F a
Goodall, W. Finden Grave, G
x. Willmore, .d. Robin nion. Sämar
manier arbeiteten: CT. Land eer, T. 2. Atkinfı
ug er — C. un s
oſſey, Campbe uſammenhang m
—— Malerei bat ſich namentlich die Radi
Enge ands gehoben, jo —— te heute namentlid
die —— von Whiſtler, mer, Slo
u. a. wohl den erſten Rang einnimmt. Ebenſo
erſcheinung tft der in finfoniſchen eewar die Holzi Dre durch das techniſche
gen ſich * de Amerilaner Whiſtler, & | eines Th. Bewid, der fie 1775 erh wieder ı
die junge ower Schule (Guthrie, Deeioile brachte fowie dur deſſen Nachfolger Br:
Auften Brown, Lavery, Walton, Millie Dow u.a.)
mit einenartigen en anſchließt. Außer den ge
nannten find von neuern Rünftlern noch zu nennen:
die Pandichaftsmaler Adrian Stofes, David a.
—* (Motive aus ſeiner Heimat Hampfbire)
all (meifterbhafte Bebandlung des Dämmerlicht 3
. W. North, E. A. Waterlow, Davis, Knig om
der Marinemaler Wyllie ie fomie die ©: die Schotten Pater
fon, Stevenion, D. meron, Moflat Lindner
u.a.; die Bildnisma er Pucas dei, . B. Rich⸗
mond, S. J. Salomon; die nremaler George
laufen (Bauernibylie), "Chevalier Tayler, Mouat
Loudon (Rinderfcenen); hiſtor. Genrefcenen werben
Elennel, Nesbit u. a. zu einer biöber u *
Höbe gefteigert. Bu den —A—
ehdren: die —— Dalziel, M Jadſon, W
om und W.L Thomas, Die Litbograp ie
bis in bie ie iger Jahre namentlih im
chafts⸗ und itefturfadhe au ——
u erwähnen find: Roberts, M Hagbe,
win Rnigbt, —— Bond.
Bol.E Campbell, Vitruvius Britannicus (!
Lond. 1767— 71); W. Adams, Vitruvius Sc
Edinb. 1750); Iritton, Architectural anti
5 Bde., Lond. —2 deri., Be
quities of Great Britain (ebd. 1814— 32); W
Englifche Litteratur 7
Cithedral churches of Einglandand Wales (3Bbde.,
ir.1812), A. Gotch und W. Talbot Brown, The
swchiteeture of the Renaissance in England
A Be., Lond. 1891 —94); Blomfield, A history
Renaissance architecture in England 1500
—1800 (2 Bode., ebd. 1897); Gurlitt, Geſchichte des
Baroditild, Abteil.2, TI. 1 (Stuttg. 1888); Konſt.
Ubve, Baudenkmäler in Großbritannien und Ir—
land (2 Bde., Berl. 1891— 9); Muthefius, Die
neuere firhliche Baukunft in England (mit 32 Taf.,
ebd. 1901); derſ., Die engl. Baulunſt der Gegen:
wart (mit 100 Lichtdrudtafeln, Lpz. 1901 fg.); Scott,
British school of sculpture (Fond, 1872); Allan
Eunningbam, Lives of British painters etc.
6 Bpe., Yond. 1829—33; Bu von rien 1879);
gen, Kunſtwerke und fKünftler in England
(2 Bve., Berl. 1837 —38); NR. Rebgrave, Dic-
tionary of artists of the English school (2. Aufl.
1878); Bryan, Dictionary of painters etc. (neue
Aufl., Lond. 1886); R.und S.Redgrave, A century
of painters of the English school (2. Aufl. 1890);
Shepberd, Short history of the British school
of painting (2. Aufl, Lond. 1891); Chesneau,
La peinture anglaise (Par. 1882); Muther, Ge:
Khicte der engl. Malerei (Berl. 1908); Rob. de la
Sijeranne, La peinture anglaise gr par
og 189; deutih Münd. 1899); ©. Temple,
e art of painting in the Queen’s reign (Lond.
1898); ge Animal painters of —— (2Bde.,
ebd. 1900); R. Brydall, Art in Scotland (Edinb.
1889); David Martin, The Glasgow school of
inting (Fond. 1897); Hamerton, Etching and
Etchers (1882); Engl. Meiſterſtiche des 18. Sabrh
(in Bhotogravüre, Munch. 1899); Redgrave,
colour painting in England (2ond. 1892); ferner
—— ournal, Magazine of Art, The
io, Tbe Artist, The Builder, The british Ar-
ehitect, The Art Portfolio u.a,
‚Engliihe Litteratur, Bon einer E. 2. im
eigentliben Sinne lann man erft fprechen, nachdem
die Angelſachſen (vgl. Angeliähfiihe Sprache und
Literatur) mit den Normannofranzojen zu einem
Bolte verwachſen waren, aljo nicht vor dem zwei:
ten Viertel des 13. Jahrh. Zwar dauerte ed noch
über ein Jahrhundert, bis die angelſachſ.engl. Dich⸗
tung mit der am Hofe gepflegten franzöfiih nor:
mannifchen zu einer einbeitlihen Nationallitteratur
veribmol; und fid eine über den Mundarten
eg chriftſprache berausbildete. Doc tritt
it der Mitte des 18. Jahrh. das Franzdſiſche mehr
und mebr zurüd, bis es am Ende des 14. ganz ver:
ſchwindet. Gower war der lehte engl. Dichter, der
auch Franzöfich ſchrieb. — In der zweiten Hälfte
des 13. Jahrh. und in ber erjten des 14. wurde
die geſchichtliche Dichtung gepflegt (Chroniten des
Robert von Gloucefter und des Robert Dlannyng of
Brunne), dann die Legende (Legendenfammlungen,
be. von E. Horſtmann, Paderb. 1875; Heilbr. 1878
u.1881 und Lond. 1887) und die — Dichtung
(Genefis und Erodus; Richard Rolle de Hampoles
«Pricke of conscience», «Castell of loue»; die
Gedichte Wilhelms von Shorebam und der egen
30000 Berje umfaflende «Cursor mundi»). ltere
Eagen find in «Havelok» und «King Horn» (neu
ba. von Hall, 2ond. 1901) bearbeitet, einheimiſche
Etoffe in «Guy of Warwick», «Sir Bevis of Ham-
ton» u. a. linter die Ritterromane find zu rechnen:
das Aleranderlied, verihiedene Bearbeitungen der
Trojafage, «Tristrem and Ysolde», «Richard Coeur
ater-
de Lion», eine Reihe von Gedichten aus der Karls⸗
und ber Arthu age. In legterer tritt namentlich
die Geftalt des Gawain hervor (befonders in «Sir
Gawain and the grene knight»). Bollstümliche
Lieder fchrieb Lawrence Minot auf die Kriege
Eduards III. gegen Schottland und Franlreih. —
In die zweite Hälfte des 14. Jahrh. fällt die Blüte
eit der altengl. Litteratur. Die Dichtungen von
iliam —5 (nicht Langley), «Viſionen von
Peter dem Prlüger» (dem Vertreter des einfachen,
wahrhaft — gefinnten Mannes), leiten ſie ein.
n ſatir.⸗allegoriſcher Weiſe werden hierin die
eitgebrehen, vor allem die Verjunlenheit ber
It: und Rloftergeiftlichen, gegei It. Im Gedichte
«Richard the Redeles» («Der Ratloje») behan-
delt —— die engl. Verhaltniſſe unter Richard II.
Als Borläufer Chaucers verdienen noch Erwähn
Gower und der Schotte John Barbour. Barbour i
der Berfafler einer gereimten Ehronil, «The Bruce»,
welche die Befhichte Schottlands von 1286 bis 1329
und bejonders die Lebensſchickſale des ſchott. Natio⸗
nalbelven Robert Bruce erzählt. Strenggenommen
follte man Barbour feine Stellung als dem Be:
runder der ſchott. —— anweiſen; er darf aber
her nicht —— weil er gerade in dieſer Eigen⸗
haft dem «Bater der engl. Poefie», Geoffrey Chaucer
De 0, würdig zur Seite geitellt werden
ann. An der Verſchmelzung des niederdeutichen
Voltselements mit dem franzöfiihnormanniihen
t Chaucer (f.d.) durch feine litterar. und dichteriſche
irtſamleit wie fein anderer thätigen Anteil ge
nommen, Bon feinen jüngern Zeitgenofien flommen
nur Thomas Dccleve oder Hoccleve («De regimine
rincipum», eine engl. Bearbeitung des «Aegidius
manus», und «La male regle») und John Lyd⸗
gate, genannt der Mönd von Bury («Falls of the
princes», «Troy-book», «Storie of — in Be⸗
tradt. Beide find Anhänger und Schüler Chaucers,
reichen aber in keiner Weiſe an jenen heran.
Auf die kurze Blüte, welche die E. L. durch das
Wirken Chaucers erlebte, folgte eine lange Zeit der
Vertümmerung. Lieben einerfeitö die blutigen
Kämpfe der beiden Roſen keine rechte Freudigleit
an dem Genuſſe irgend welcher Poeſie auflommen,
jo waren andererjeitö die Beſtrebungen ber vor:
nehmiten Geifter auf die Reformation der kirchlichen
Zuftände gerichtet. Auch die inzwiſchen in England
eingeführte Buchdruderkunft konnte keine er
Hebung der litterar. Zuftände herbeiführen.
tend mehr ald einem Jahrhundert nach Chaucer bes
gegnet man nur allegorijhen Dichtern wie Hawes
und Bartley, Satiritern nad) der Art Steltons, Dis
daltifern wie Thomas Tufler und Sonettſchreibern
wie Thomas Wyatt und dem Surrey. Die
Gedichte der beiden letztern erihienen in einem
Sammelmwerte, «Tottel’s Miscellany» (in Arbers
«Reprints», Nr. 24, Lond. 1870). Mag man aud
Surrey —— Englands und ihn und Wyatt
«Die erſten Reformatoren des engl. Versbaues und
Stils» genannt haben, jo wurde doch eine eigent⸗
lich neue Richtung der Poeſie erſt angebahnt durch
Thomas Sadville (1536—1608) und Sir Philip
Sidney —— Das Werk, das man als die
eiſtige Brüde zwiſchen Chaucers «Canterbury⸗Ge⸗
chichten⸗ und Spenſers «Feenlonigin⸗ betrachten
muß, iſt der dem Plane nad von Sadville herruh⸗
rende «Mirror of magistrates», ein Gedicht, in
dem nad Ari des Danteichen «Inferno» unglüdliche
Fürften und andere hervorragende Geſtalten aus
8 Englifche Litteratur
der —* Geſchichte in der Unterwelt auftreten, um
ihr Leben und Leiden zu Nuß und Frommen ber
achwelt zu erzäblen.
Sidney für die E, 2. erlangt bat, berubt darin, daß
er den füdeurop. Schäferroman nad England ver:
p angte. Die«Diana» bed Montemayor nachahmend,
rieb er vo. «Arcadia», Seine Eonettjammlung
«Aftropbel und Stella» ift jedenfall von hoherm
vet. Werte als jenes Schäfergedicht, deſſen troſt⸗
ofe Langeweile ſelbſt die engl. Rrititer nicht in
rede zu ftellen wagen.
Später als die Wche bildete ſich die engl. Proſa
aus. (Bol. Earle, «English prose, its elements,
history and usage», Pond. 1890.) Noch roh und
unbebolfen in der erften Hälfte des 14. Jahrh., wie
Dan Michels «Ayenbite of inwyt» oder Richard
Rolle of Hampoles «PBrofafhriften» beweifen, zeigt
fie {bon einen Fortihritt in der Reifebefhreibung
des Mandeville und in John Trevifas Ü *
des «Polychronicon» des Ranulfus Highden. *
die Proſa Wyclifs in feiner Uberſetzung bes Neuen,
—— die des Niclas von Hereford in der des Alten
Teſtaments, ſelbſt die Proſa Chaucers, beſonders
in ſeiner Boethius⸗Uberſetzung, hat noch etwas Un:
— Gewandter ſind ſchon die umfangreichen
itterromane in Proſa, wie der von «Merlin», Ma:
lorys «Morte d’Arthur», verſchiedene des 15. deg
aus der Karlsſage beweiſen. Im 16. Jahrh. hob
ſich die Proſa bedeutend, doch nicht, ohne auf Ab:
mege zu geraten; die große Bibelüberfekung feit
1526 und die Streitfchriften der Reformation legten
ben Keim, aus dem fie zur Reife und Schönbeit er:
wachſen follte. Beitweilig wurde fie von dem von
Lyly eingeführten «Eupbuismus», jodann durch den
eingeführten « Artadianismus» oder
Schaferſtil ftark beeinflußt. Auch der Gongorismus
follte an der engl. Proſa nicht ſpurlos vorüber
geben, fo wenig wie der Eoncettiftil des Dubartas,
ber d Abraham Fraunce zur Einführung ge
langte. Bon diejen Fefleln befreite fi die Sprache
erft gegen Ausgang des 16. Jahrh., und Samuel
Dantel und Walter Raleigb dürften ala die erften
ju betrachten fein, die ſich zur Reinheit des Stils
durcharbeiteten. Einen Schritt weiter tbaten Lord
Bacon, Hobbes, Sir Th. Bromne in —— philo⸗
iopbifhen, Milton und Clarendon in ihren hiſtor.
Schriften. Nicht ohne Einwirkung blieben Yyaal
Waltons «Compleat angler» und John Bunyans
«The pilgrim's —— Biſchof Jeremy Taylor
entwidelte eine Beredſamleit, die ihm den Beinamen
eines «Shaleſpeare der Theologen» und eines «Spen:
jer in Ne — bat, und Burton (1576
von Mar
— 1640) öffnete in jeiner «Anatomy of melancholy»
eine von jpätern Schriftitellern, namentlib von
Sterne, viel benußte Fundgrube des naiven Witzes
und geiftreicher Beobachtungen.
Die erften Erzeugniſſe dramatifher Kunft
find wie bei allen hriftl. Nationen Europas bei der
nglifhen auf kirchli Boden erwahfen. Ur:
forünglid unterjhied man zwei Arten von reli«
idfen Dramen, die Myfterien (Mysteries) und bie
iralelfpiele (Miracles oder Miracle-plays). Die
eritern fhöpften den Stoff aus der Bibel; die legtern,
bie ſchon einen Schritt weiter in der Berweltlihung
des geiftlichen Schaufpiels thaten, dramatifierten die
Heiligenleben der Legenden. In England kam es
nicht zu einer ftrengen Scheidung beider Gattungen,
fondern man bat unter Miracles Spiele bibliſchen
wie legendenbaften Inhalts zufammengefaßt. Bor
dem normann. Einbruch ift in England eir
irgend weldyen Dramas nicht nachzumeifen. ©
ie Bedeutung, die Sir Ph. | dramat. Aufführung, von der man Runde h
um 1110 in Dunftable ftatt; zur Darftell!
langte (ob lateinifch oder franzöfifch, ift unbe
Geoffreys, des Abts von St. Albans, «L.ı
S. Katharina», Wie Wil. Fig: Stephen b
fanden noch bei Lebzeiten deö Thomas a Bei
—— fur; nad deſſen Tode (1170) häufig ı
Aufführungen in London ftatt und bald i
ofen Städten des Landes. Den beiten
r die Voltstümlichleit der Miracles liefern
—— Sammlungen, die ſich unter dem Naı
owuley- oder Woodkirk- (32 Stüde), deı
(48 Stüde), der Coveutry- (42 zur
Chester-plays (24 Stüde)erbalten haben. Br
aus waren die AMiracle-plays gänzlich in de
der Geiftlichleit, die ihnen ibre ——
gedeihen ließ, weil ſie in ihnen das beſte Mi
Eugene Unterweifung in verftändlicher Forn
Boll zu tragen. Im Laufe des 15. Jahrh. entre
ſich aus den Zeufeln und ri des Wofterie
allegorifche Figuren, wie Geiz, Habſucht o'
rechtigleit, Friede u.a. So entitand die alleı
Moralität (Morality, Moral-play), Die
figuren in dem Moral-play find die des «Dev
des «Vice», von denen die erftere bereits
ya Mofterien anzutreffen ift, wäbrend n
ehtere ald Schöpfung des fpecifih engl.
bumors anzufeben bat. Der«Vice» ift zum ®:
des «Domestic fool» im ſpatern Drama gen
Val. Ebert im «Jahrbuch für roman. un!
Litteratur», I; Ward, History of Englis
matic literature, Bd. 1 (Lond. 1875); Marti,
lection of English miracle-plays (Baſ.
Pollard, English miracle-plays, moraliti:
interludes. Specimens of the Pre- Elizal
drama (Oxf. 1890).
Von der Morality zum eigentlihen Dram
nur ein Schritt: die allegoriſchen Figuren v
delten fi in topifche, die dann durch indiv
Ebaraltere erfeht wurden. Diefen wichtinen |
that zuerst John Heywood (geft. 1565) in
«Interludes» («The four P’s» u. a.). Die
ludien mit ihrem breiten Humor und ihre
ben Ebaralterzeihnung wurden die Vorſtu
eigentlihen Komödie, die anfänglih unte
Einfluß der Renaiflance in Nahbildungen
tiniſcher und Terenzifcher, fpäter ital. Vo
auftrat, das Miratelipiel und die Moralits
en nad) der andern Seite durd das Liber;
abium der Chronicle history, d. i. des
ramas, jur Tragödie weiter, die ibrerieit
Seneca zum Muſter nabm. Dur die Bermi
tomifcher und tragiicher Elemente entitand die‘
tomöbdie, und durch Nachahmung fpan. Bor
fand auch das Schäferſpiel in England Eir
Zur Zeit Heinrichs VIII. wurde ferner von I
er das Mastlenfpiel eingeführt, allerbing:
nur jur Rurjweil des Hofs und der vorm
Melt. Beionders gepflegt und weiter gebildet
die Maste von Ben Jonſon.
tonnten aber die neuen Formen dramat, Dir
die alten Miracle-plays und Moralities nicht
verdrängen; dieſe bielten fi vielmehr untı
andauernden Bunit des Bublitums bis zum S
bes 16. Jahrh. auf der Bühne, und Spuren
fib fogar bis in den Beginn des 17. verfolgen
Moralitäten traten, befonders erft feit Cduar
Englifche
ad jehr entſchieden für den Proteitantismus ein,
unter Maria dagegen für den Katholicismus.
Als die älteite engl. Komödie pflegt man «Ralph
Boyster Doyster» zu nennen, deren Verfaſſer, Ni:
colas Udall, zuerft in Eton, fpäter an der Weſt⸗
mintterihule Lehrer war. Sie lehnt fih an den
„iiles gloriosus» des Plautus an und muß vor
1551 geichrieben worden pe Die erfte Chronicle
history dürfte Bifchof Bales «King Johan» fein (um
1548). Als erſte regelrehte Tragödie fieht man
«Gorboduc or Ferrex and Porrex» (1562) von
Ibom. Sadville (Lord Budhurft) und Thom. Norton
an, worin auch zuerſt der «blanc verse», d. i. der
ungereimte fünffüßige Jambus zur Verwendung
tam. 1571 erfchien «Damon and Pithias» von Ric.
Edwards (1523—66), die erfte Tragilomöpie,
Das Traueripiel «Tancred and Gismunda», 1568
von den Studenten des Sinner: Temple vor ber
Königin Eliſabeth aufgeführt, war das erfte nad)
einer ital. Novelle bearbeitete Stüd, und Gas:
coignes «Supposes» (zuerft aufgeführt 1566) find
eine Überfegung von Arioſts «I suppositiv. In
«Misogonus» von Thom. Rychardes (um 1560) trat
m eritenmal der oben erwähnte Domestic fool
Schallsnarr) auf, — in «Gammer Gurton’s
needle» (1575), angeblih von Sohn Still, nad:
maligem Biſchof von Bath und Wells (geft. 1607),
der echte Vollshumor ſich geltend machte. Die
dramat. Poeſie ftieg unter der Königin Elifabeth zu
immer böberer Blüte. Im MWetteifer um Sit
betb3 Gunſt dichtete Lyly (1554 — 1606), der
finder des « uismus», und geit. um
1598). An Geſchmad ihm nachſtehend, an Kraft
ibm aber überlegen, war Thom. Kyd (ah. um 1594),
als jelbftändiger Dichter nur durch feine «Spanish
a ER, die den zweiten Teil bildet zu
«The of Jeronimo»; ob aber diefer erite
Zeil von Kyd brt, bat fich bis jegt nicht feſt⸗
ftellen laffen. Mebr Dichter iſt Thom. Lodge (1558
— 1625), unter deſſen Dramen «The wounds of
civil war lively set forth in the true tragedies of
Marius and Sylla» das nennendmwertefte ift. Gin
anderes Stüd, an dem er mitarbeitete, «A looking
lasse for London and England», führt über zu
b. Greene (geit. 1592). Ein hervorragender Dra⸗
matiler dieſer Het war aud Th. Naſh (1565— 1602).
Ale vorher genannten aber überragte durd Kraft
der Leidenſchaft und Charalterzeichnung Chriſtopher
Marlowe (1564— 93; «Tamburlaine», «Faustus»
u. a), der größte Vorgänger Shaleipeared. Zu
erwäbnen find no Anthony Munday («Sir John
Oldcastle», — Shaleſpeare zugeſchrieben) und
Henry Chettle, angeblich ** er von 38 Dra⸗
men (von denen indes nur 4 ji erhalten haben).
Bon vielen Dramatilern diefer fruchtbaren Zeit,
wie Borter, Smith, Hauabton, Hathaway, Ans
tbony Bremer u. ſ. w., find nur die Namen auf
uns gelommen, und andererſeits giebt ed mebrere
bemerlenämwerte Stüde, deren Verfaſſer unbelannt
—— find, 3. B. «Yorkshire tragedy», «Lord
mw «Locrine» und «Arden of Feversham»
bie man Shalefpeare zufchrieb; ferner «Merry devil
of Edmonton» und «London prodigals. Aus dem
Zagebuche Henslowes geht hervor, daß in den J
1591—97 in London von vier Schauſpielergeſe
ibaften 110 verſchiedene Stüde aufgeführt wur:
den, und ba es beren zum wenigiten zehn gab, fo
*
lann man ——— daß die Menge des Verlore⸗ Fr
nen feine Heine
Ritteratur 4
Mit Eomund Spenfer (1552 — 99), dem Dichter
ber «Fairy Queen», beginnt das goldene Beitalter
der E. X, Die Zahl der Lyriker, Schäferbichter,
Satiriter, Romanfchreiber, welche die Specialges
(dichte der Eliſabethaniſchen Zeit nennt, ift Degen.
ie bebeutendften find: Michael Drayton (« Poly-
Olbion», eine verfifizierte topogr. Befchreibung Eng:
lands, und «Nymphidia, or, the court of faery»),
Sir Walter Raleigb, der treffliche Liederbichter, die
allegorifhen Dichter Giles Fletcher und Phineas
— der derb⸗humoriſtiſche Vollsdichter Jo
ylor, genannt der «Wallerdichter», die Satiriler
und Sittenmaler John Donne und Joſeph Hall;
erner Arthur Broofe («Romeus and Juliet»),
ihard Edwards (« Paradise of dainty devices —
Robert Southwell («Saint-Peter’s complaint»),
Stepben Gofjon («The school of abuse»), Sir John
Davies («Nosce te ipsum»), Joſhua Sylveſtre,
William Warner, Th. Watfon u. a. m. Doc die
Hauptbebeutung des Elifabethanifchen ng
liegt darin, dab ed das Drama Re bödjten Boll:
tommenbeit ausgebilbet, daß es Shaleſpeare (1564
—1616), den Dichter aller Dichter hervorgebracht
t, denn während feine Borgänger auf dramat. Ge
ieie nur fürihre Zeit gefchrieben, während auch ihre
elungeniten Werte meiſtens nur noch ein litterars
Biftor. Intereſſe haben, drüdte er feinen Gebilden
den Stempel auf, der fie allen Nationen zugänglich
madt. Amar geriet fein Name während der engl.
Bürgerkriege faft in Bergefienheit, und erft feit dem
Beginn des 18. Jahrh. wurden feine Werke wieder
ein Gemeingut der Nation, ſeitdem aber find die:
felben mehr und 7 durchforſcht worden und bie
Kenntnis berfelben ift über bie ganze gebildete Welt
verbreitet. Mit feinen Heinern en («Venus and
Adonis», «The rape of Lucrece», «A lover’s com-
plaint», «The passionate pilgrim», «Sonnets»)
äblt er auch zu den bedeutenden 2yrilern feiner
Bei. Dichter wie Edward Fairfar, der Überfcher
des «Befreiten Jerufalem», und Sir John Hax⸗
rington, der UÜberſehzer des «Orlando furioso», fuh-
ren bereits zu John Milton (1608—74) hinüber, der
als der würdige Schlußftein indem großartigen Baue
der Eliſabethaniſchen Litteratur zu betrachten ift.
Eine andere Gruppe von Dichtern hat man die
«metapbyfiihe Schule» genannt. Zu ihr zäb:
len Abrabam Cowley («The mistress», «Pindaric
odes», «The Davideis»), George Herbert («The
temple»), Richard Craſhaw («Steps to the temple»),
and QDuarle® («Emblems»), George Witber
«Abuses stript and whipt», «Satire to the king»,
«Shepherd’s hunting», «Mistress of Philarete»
u. v. a.), Robert Herrid («Works, human and di-
vine»). Sie alle find Nachahmer Yohn Donnes,
der feinerfeitö wieder den euphuiftiihen Romanftil
ale in die lyriſche Poeſie Übertragen ne *
ie ſeinen Zeitgenoſſen, ſo blieb Shaleſpeare
auch Kr Nahfolgern unerreihbar. Bon Chap⸗
man (1557 — 1684) find nod 16 wenig bedeutende
Dramen vorhanden, in denen fih nur geringe
Spuren eines jchöpferifhen Geifted bemerkbar
machen; noch frudtbarer war Thomas Heywood,
dem 220 Stüde zugeichrieben wurden (nur 23 fonnte
Eollier 1852 jammeln). Der bedeutendſte auch wohl
von ihm anerkannte Zeitgenofje Shatejpeares ift
Ben Jonſon —— Reicher an Talent und
wirlſamer an buhnenmäßiger Berechnung waren
. Beaumont (um 1586—1616) und J. Fletcher
(1579—1635), neben ihnen beſonders Maffinger.
10
Bon andern Dramatilern feien hier genannt: John
Marfton, John Webfter («The duchess of Malfi»,
«Vittoria Corombona»), Samuel Rowley («When
you see me, you know me»), William Rowley («A
match at midnight», «A woman never vexed»
u.a.). Ausläufer der Eliſabethaniſchen Schule find:
ames Shirley (1596 — 1666), Thom. Randolph
1605—84: «The Muses’ looking-glass») und Will,
rtwrigbt (1611—43: «The royal slave»).
Wie nah Ehaucer die Dichtun ——— lang⸗
wierigen Kampfe der Roſen in ihrer Entwidlung
ebemmt wurde, fo wurde fie jetzt durch den Bürger:
ieg für geraume Zeit brad gelegt. In der kunſt⸗
rar Sphäre des Puritanigmus konnte ein
ier dichterifcher Geift nicht zur Entfaltung lom⸗
men. Eine geiftige —— deren Wertſchãtzung
litterar. Produlte darin gipfelte, daß fie ſagte, neu
entſtehende Bücher enthielten entweder dasſelbe wie
die Bibel, und dann wären fie unnüß, oder fie ent«
bielten anderes, und dann wären fie ſchädlich, ſchnitt
natürlich jeder weltlihen Poeſie den Lebensfaden
ab. Der einzige Erfag, den der Buritanismus ge:
leiftet bat, find bie e Miltons (f. d.).
ie Bühne wurde gleichfalld auf das empfind-
lichfte geſchädigt. Einzelne Dichter, wie Shirley,
ancis Quarles, Davenant u. a, fuhren zwar *
Dramen zu veröffentlichen, — aber nur Leſer
und feine Zuſchauer mehr. Thatſächlich ruhte die
dramat. rend eines halben Menſchen⸗
alters, erſt mit der Wiederherſtellung des König⸗
tums 1660 öffneten ſich die —— wieder. Aller⸗
dings pur ed Davenant veritanden, bie ftrengen
geieglihen Vorſchriften höchſt geihidt zu umgeben,
indem er fhon um 1656 eine Art dramat. Bor:
ftellung unter dem Namen «Moral representation»
einführte. Aber die mit Karl IL. Zurüdgelebrten,
die in Fran das Theater Gorneilled und Mos
lieres tennen gelernt hatten, waren mit der ſchlich⸗
ten Einfachheit der alten Schaubühne nicht mebr
jufrieden. est wurben von Paris Dekorationen,
bewegliche Scenerie, fünftlihe Beleuchtung u. dgl.
eingerührt und damit das Hauptgewicht nicht me
auf den Gehalt der Stüde, ſondern auf die äußere
Ausitattu elegt. Nah diefer Richtung bin
thaten fich bejonders Davenant und Droden ber:
vor, von denen an der Berfall des engl. Dramas
datiert. Zu Shalefpeares Zeiten war die Bühne
noch Nationaltheater, jept wurde fie zum Hoftbeater.
Kärrner und Soldaten durften nicht länger — den
Brettern ar nur die Blüte der Geſellſcha
burfte noch d Bühne beleben. Daher die abitr
entwidelten tonventionellen Begriffevon Ehre, Liebe,
Heldentum, daber das hohle Nathos und bie rein
äußerlice Motivierung des Ronflilts. Bon nun an
ging der fittenloje Hofton auf die Kunſt über. Ver:
gebens warf fih Otway (gef. 1685) in feinem
«Venice preserved» und «Örphan» dem Strome
entgegen; ebenjomwenig blieben Nathaniel Lee (1657
—92),der Berjajier von«Theodosius» und «Alexan-
der the Great», und Thom. Southern (1659— 1746)
ei von den Lerirrun en ber Zeit. ar babnte
ich jpäter das Trauerſpiel in edler Haltung und
moralijcher benz wieder Eingang, deflamierte
aber in den fteifen —* der Schule. So
Addiſon, A Thomſon, fo die Schöpfungen eines
Doung, Ölover und Mafon, unglüdlihen Nach⸗
abmern des unbegrifienen Altertums. Nicholas
Rome (1673—1718) wollte zuerſt zurüd auf die
frübere Bahn, aber weil er nicht durchdrang, ließ
anj.
Engliſche Litteratur
auch er vom Beſſern ab. Einen glucklichern
ſchlug ©. Lilo (1698—1739) mit der von ih
gebrachten Gattung des bürgerlihen Traue
ein. Zu feinen beiten Stüden gehören: «(
Barnwell» und «Fatal curiosity».
Eine jelbftändigere Bahn batte die Komö
nommen. Die Quitipiele der Reſtaurationsze
faſt ohne Ausnahme profaifche Sittenlomöbdier
ihr Hauptmangeliftebeneinegrenzenlofe Sitte
feit. Auch darin hat Dryden den Ton angegeb
ift von ben Spätern faum übertroffen worber
auptvertreter find: Wycherley (1640—1715,
greve (17a 1138), Dozauber und VBanbrug
weiter Linie ſtehen George Etherege, Aphra
ufanna Gentlivre, Edw. Ravenscroft und
Cibber. Obſchon nicht alle decent in ihrem
haben fih dod manche Luſtſpiele diefer 2
wenngleid mit den u ern Streihungen,
Gays «Beggar’s opera» biö zur Gegenwart
Gunft des engl. Bublitums erhalten,
Nach der Königin Anna Tode hatte der libı
der brit. Krone an das Haus Hannover in di
fon Georgs J. mehrere, die äußern Theatero
niſſe wefentlich berübrende Veränderungen zur
rüber hatten Muſik, Gejang und Tanz das (
piel von den Brettern gedrängt, Mufil ur
ang waren inzwiſchen das alleinige Eigenti
mit Anfang des 18. Jahrh. eingewanderte
Dper geworben, alfo blieb nur der Tanz.
mebr Sinn und —— eben, nahn
ihm einen Teil der von der Muſil geregelten (
— ihm dafür die Geberde, i te das Ge
die zufammenbängende Berfinn 7 irgen!
abel und nannte ed Bantomime (f. d. und i
bomw). So entftand die jog. Christmas Panto
deren Urfprung man fäljhlih auf die in {
Zeit gebräuchlichen Wei —— en zurü
und deren Eharalter, befonders feit dem To
als Tölpel (clown) unerfegt gebliebenen beide
maldi, Vater und Sobn, fih zwar anfebnli
ändert bat, die aber do fortdauernd ſich a
Londoner Theatern behauptet. Dem Drama |
der Wechſel der Herricherfamilie feinen Segen.
die George noch Wilhelm IV. unterftüßten es,
ungeachtet hat es ihm andauernd an Dichterr
ten Ranges nicht gefehlt. Fielding und Garr
berübmte Schaufpieler, vermehrten dad Rep
beträchtlich; ein Londoner Lehrer, Tomnley,
das launige «High life below stairs», Flüchti,
oft eigenartig arbeitete Foote. Cumberland
er eil fentimentale Stüde in der, zie
prache, aber auch mit der Oberflächlichke
Meltmanned. George Colman der Ultere je
die Berfonen feiner 35 Theaterftüde meiſt tre
dem Leben, was ihre bejte Eigenſchaft if
miin glängie durd reichen Wiß und unerjchö
Heiterleit. Sheridan (1751—1816) war €
Menſchenlenner und Hofmann, Redner, Schi
und Poet in feinen beiden berühmten Luft
«The school for scandal» und «The ri
Schwächer war während dieſer Zeit das
Bühnenjtüd vertreten; nennenswert find n
bürgerliche Tragödie «The gamester» von €. ]
die romantifche Tragddie « Douglas» von
Home (1724 — 1808), «The mysterious mc
von Horace Walpole und «The Grecian days
(1773) von —.
Eine neue poet. Schule, die erft nach der I
ration der Stuartö recht zur Geltung gel
Englifche Litteratur
kl, die aber ſchon unter der Herrihaft der Puri⸗
taner nn die og. « Carvalier poets» gekondigt
jenige, als deren Haupt man Dryden
(531--1700 — lann; ſie zeichnet ſich durch
—— und olatte erfe aus, läßt aber
unter —— ußern Schimmer nicht ſelten den innern
Gebalt vermifien. Hat Milton dem Puritanismus
Haifiihen Ausprud verlieben, fo bat die Gegenpartei
der Kavaliere ihren Haffiichen Vertreter in Samuel
Butler —* efunden, deſſen «Hudibras» immer feinen
Bert als Zeit: und Sittenbilb bebalten wird. Die
durh Droden vertretene poet. Richtung erreichte
ihren Höbepuntt in Bope, der in Wis, Korrektheit
und Gejeiltbeit dad Mögliche leiftete. Nicht mit
Unrecht man ihn den Boileau Englands ge⸗
nannt. en ibm fteben der feingebildete —* on,
der beitere Fabeldichter Gay, der Naturmaler Thoms
on, der f aftif-humoriftifche Swift, der religiös:
ihe Young. Um die Mitte des 18. Jahrh.
ferner der jententiöfe Johnfon, der büjtere
ap («Elegy written in a coun church *
nu ehri ter Alenfide Y «Pleasures of
nations»), der Elegiler Shenftone («The school-
mistress»), der bumoriftiihe Armftrong («The art
of preserving health», eine Art verfifizierter Hufes
fand), der Lyriler Golling, der Satiriler Churchill,
Bill en angel he ames Beattie
trel»), opber Anitey
= ar a. Der franz. — ſich während dieſer
de (etwa 1700—85) geltend machte, war haupts
ählih durch die Stuarts zur haft gelangt.
er aber aud) die poet. Formen in unverlenns
—— Weiſe gg fo en er doch | ftr
—— ung wurde früher Diele Croche Das
er diefe Epoche ba
ugufteifche Sehtalter © der E. 2. genannt; je deut:
—— man aber erlannte, wie wenig wahre Poeſie
die Hauptvertreter der Periode haben, deſto mebr iſt
man von diefer Anfhauung —
—— rderung erfuhr bie engl. Brofa
gen Ende des 1 Sal * den Kanzelredner
otſon, den polit. Schri ſieüer Will. Temple, den
Eile opben Zode und durch ben ſteptiſchen Shaftes-
bury (1671—1718) in feinen durd Wis und Phan⸗
tafie belebten *8 — en. Viel geſchah
dann d die oe herr yahrb. unter den
Aujpizien ect gm von Steele ins en gerufenen
Wochenſchriften «Teilen (1709), «Spectator» (1711)
und «G » (1718). Bald erbielt jever Stil
feinen Bilder; der ſatiriſche in Swift («The tale | Na
of a tub», «Gulliver’s travels»), der — in
bn Bromn, Hutdefon und Adam Smit
in Zady —— Cheſterfield und Ju⸗
nius, Der biftoriiche in Hume, Robertfon und Gibbon,
vor allem erbie pi der Konan n jest eine hervor»
ae Bedeutung. Die Romane des 15. Jahrh.
waren nur profaiiche ee ger alter Helden:
—— beſonders aus dem Kreiſe Karls d. Gr.,
Artus’ und der Tafelrunde, es folgten die
* ne, eingeführt durch die «Arcadia» des
idney; aber den Charalter, der diefer Dich⸗
3 in unfern Tagen eine fo bobe Wichtigleit
iben follte, g ab ihr Daniel Do (1661
—1731) durch = in gebildeten ——
übertragenen Roman: «Life and surprisin
ventures of Robinson Crusoe» (1719). ——
Richardſon wurde der Familienroman eingeführt
(amela⸗, «Clarissa», «Sir les Grandison»),
der fib lange Zeit einer großen Beliebtheit erfreute,
11
9. Fielding (1707—54) trat den gar zu kr ideali⸗
fierten Geſialten Richardſons mit feiner Satire ent⸗
pe en, - die Schilderungen des wirklichen Lebens
n jeinen Romanen («Joseph Andrews», «Jonathan
Wild», «Tom Jones») —— * Meifterwerte.
Weiter nod ging in dieſer Richtung T. Smollett,
defien launige Giitengemälve (« Peregrine Pickle»
und «Humphrey Clinker») nody heute ihren Rei;
nicht verloren haben. Neben diejen Romanen ine sen
die halb mutwilligen, halb jentimentalen Gebilde
eined Sterne («Tristram Shandy» und «A senti-
mental journ R die ſich Een liebenöwürdigen
Humor eines © djmith icar of Wakefield»)
verflärten. Ihnen jchlofien fi die Erzeu on
Madenzies, Miß Burneys, Johnſtones ug
Moores und Mrs 8. Sncbalds an. In eine etwas
fpätere Beit fallen die ‚pbilof. Dichtungen Godwins,
bie auf die Bildung einer neuen Schule einmwirtten,
wie Horace Walpoled romantiſches «Castle of
Otranto» und die phantaftiihen Schöpfungen der
Radcliffe und Borter fih zu den unübertroffenen
biftor. —* den Walter Scotts veredelten. Seine
Romane haben den einer vortrefflichen
——— arſtellung iſt Har und
eibungen des Landlebens und
Ländlicher ehr kind anſchaulich und treu, dabei
gt Scott über einen ichen Humor, obwohl
er ftet3 den größten fittlihen Ernſt zei
s lag in der Natur der Berbältnifle € begefinet,
daß die während der zweiten Hälfte des 18. de ai
aus Frankreich eingeführte Strömung der gef
ten, gelünftelten, gefeilten Dichtung eine Gegen
ömung erzeugte, bie wieder zurüdlenkte nad den
einfachen Formen wahrer, natürlicher Poeſie. Dies
fer Umſchwung trat ein mit ee «Reliques of
ancient English 2 ons « *
und Ehattertond — tengl. Dichtun
ormen, wie auch durch das Wiederaufleben Sha
eares in England. Als erſter Vertreter der neuen
ken melde bie gele eln der franz. Unnatur
prengte und ve A| ie in a. ——
übrte, iſt Cowper —— (ne
Be dann pie die Einwirkungen anzdfir
nn. ution und der beutjchen te
—* * na —* land fühlbar machten,
and zu —* h. die neue poet.
chule in voller lie ** Thomas Moore,
Shelley, Walter Scott, Wordsworih, Eoleridge,
Southey und Campbell find ihre berühmteften
men. Byrons gewaltiger Dichtergeift befundete
& in feinem «Childe Harold», Moores zarte De
Rookh», Shelley3 ftürmifche Leiden:
ſchaft in nem! Tragdbien. ott ließ in feinem
«Lay of the last minstrel» und der « of the
lake» die Eigenſchaften ahnen, die er fpäter in feinen
Waverleys Romanen fo glänzend entwidelte. Words:
worth war ein reiches, tiefed Dichtergemüt, doc
auch tändelnd mit feinem Gefühle und nicht immer
Det Der Phantaſie; Eoleridge ift ein Kenner des
en‘ end, nur oft zu wohlgefälli Bar is in —
derung des rohtbaren; Soutbey ift
des Übernatürlihen und Anormen, —— —*
oft den Schein für den Kern, während Campbell
durch den melodiichen Fluß feiner Verfe mitunter
an die ältere Schule erinnert.
Aus derjelben und der folgenden Beriode find
nod zu nennen: mo Erabbe («The library»
The village», «Th ae ter», «Tales o
the ball»), Samuel he pleasure of
odie in «
12
Sarah Eoleridge («Phantasmion»), James Hogg,
der fog. Ettrid-Schäfer («Queen’s wake»), Nobert
Bloomfield («Farmer’s boy», «Rural tales»),
med Grabame («Mary Stewart, Queen of
ts»), John Keats («Endymion», «Hyperion»),
Leigb Hunt («Story of Rimini»), Walter Savage
2andor («Gebir», «Count Julian», «Imaginary
conversations»), Letitia Yandon, Yames Mont:
—— («Wanderer of Switzerland», «West In-
ies», «Pelican Island»), John Elare, Robert
ollof, John Wilfon («Isle of palms»), Ebenezer
lliott («Corn-law-rhymes»), William Herbert
«Attila»), Barry Cornwall, eigentlih Bryan Wal:
er Procter («Marcian Colonna; English songs»),
Henry Hart Milman («The Belvedere Apollo»),
an Keble («The christian year»), Felicia Hemans,
b. Hood («The bridge of sighs», «The song of
the shirt», «The dream of Eugene Aram»). Dichter,
die den Üiberga in die jept berrichende Richtung
bezeichnen, find Bulwer, Macaulay, A. A. Watts,
Dobell (Pieudonym Sidney Nendis), Aird, Aler.
u ber ſchott. Balladendichter Aytoun, Emme:
line ®ortley, Eliza Eoot, Adelaide Procter, Miß
Sean Ingelow; auch müfjen bier noch erwähnt wer:
ben Rob. Lytton (Sohn Lord Bulwer Lyttons, ala
Shriftfteller unter dem Namen Omen Mereditb
betannt) und Mary Anne Evans, befannt unter
dem Ramen George Eliot («The Spanish gipsy»)
Als Überfeger verdienen genannt zu werden Lord
Stranaford, —— Lochart, Merivale, Lord
Ellesmere, Anſter, Bladie und Martin. Genen:
märtig ift Alfred Tennpfon nod immer in bober
Gunft bei dem Bublitum, Neben ihm erfreut ſich
Rob. Bromning einer großen Bewunderung, wenn:
gleich keiner eigentliben Popularität.
Zum Schluß ift nod eine Anzahl von Dichtern
zu erwähnen, die fi durd ihren Bruch mit den in
der Kunſt biöher als quite anertannten Normen
ald eine neue Schule betundeten. An der Spike
derfelben ftand John Ruslin mit feinem Werte
«Modern painters». Man bat diefe Schule, deren
litterar, Hauptvertreter Algernon Eb. Smwinburne,
William Morris und Dante Gabriel Rofietti find,
von einer Seitediefatanifche, von einer andern die
präraffaelifche genannt, Urfprünglic ift fie her⸗
vorgegangen aus einem Proteft gegen alles Ronven-
tionelle, —— Gelünftelte und hat nach dieſer
Richtung hin viel Gutes gewirkt. Wenn fie aber in
—— eit In bloßer Affeltion und künftleriicher
onderlichleit ausgeartet ift, fo fann man dafür
die —— Vertreter diefer Richtung nicht
verantwortlich machen wollen. Bon modernen lyri⸗
fen Dihtern wie W. Watfon, 3. Davidfon, F.
ompfon, W. B. Yeats, R. Kipling u. a. machte
Lord Lytton mit feinem Epos «Glenaveril, meta-
morphoses» —— Aufſehen. George Meredith
dichtete «Poems and lyrics of the joy of earth»,
Lewis Morris «Songs unsung» und das Drama
«Gycia». Die heiter ironiſche Öefellfchaftsdichtung
wird durch Andrew Lang vertreten.
Die dramatiſche Kunſt war zu Anfang unſers
SIEBEN mebr und mehr gefunten. Die
ucht nad Neuem und der fchnelle Überbruß
—— einen ſtetigen Fortſchritt. Trodem die
übne heute faum noch unmittelbar aufs Bolt
wirft, ift die dramat. Poeſie unftreitig vor«, nicht
zurüdgeichritten, fie bat vielmehr die ihr zu Ende
des 17. Jahrh. gegebene künftlihe Richtung ver
Englifche Litteratur
memory»), Hartley Eoleridge und feine Schwefter | laffen, um ſich wieder in den frifhen Bo
Natur E tauchen. Einige von Eberidan,
nbbald und Scott aus dem Deutſchen üb
tüde leiteten eine neue Beriode ein ; Joanna
liefert® (feit 1798) eine Neibenfolge von 2
und Quftipielen, deren jedes eine beftimmte |
ſchaft ſchildert, Eoleridge fchrieb «Remorse» |
Procter «Mirandola» (1821), beide freilid
lyriſch. Frei von Nachahmung, wenn aud
bübnengerecht, dichtete Byron. Gedantennt
tieffinntg, mie feine Dramen find, feblt es
allerdings an Effelt und richtiger Charalt
nung, jo daß fie jich nicht auf der Bühne beb
fonnten. Mehr auf den Geihmad des g
Bublitums berechnet find die Produfte von
dan Knowles (1784— 1862), der ſich befont
der Sphäre des Familienlebens heimisch füt
der er immer zurüdtebrte. Talfourd ift der:
vertreter der klaſſiſchen, Bulmer der ellel
Schule, der jede Richtung gleich trefflic er
wenn fienurden Theatererfolg erzielt. Bromni
Bailey zeichnen ſich durch philoſ. Erbabenheit
Hunt durd Zartbeit, Weſtland Marfton duı
bafte Empfindung aus. Bemerlenswert find o
Dramen von Swinburne und Wills und die f
mitallgemeiner Teilnahme begrüßten von Ten
Bon neu auftretenden Dramatilern gema
lebhaftefte Teilnabme Michael Field, deſſen
tus», «Callirrho&» und «Fair Rosamond
ungewöhnlicher Begabung zeugen. Außerbe
die Verdienfte derjenigen keineswegs zu übe
die, im Solde der größern und lleinern 7
diefe mit Neuigkeiten m. Art verforgen
Anfang des 19. Jahrh. G. Colman der Si
Dibpin, D’Reefe, srederid Reynolds und
in neuerer Zeit Hook, Poole, Plane, Bu
Peale, D. Jerrold, Marl Lemon, Robertion
cicault, Tom Taylor, A. Hope, A. W. Pin:
A. Jones, S. Grundy, D. Wilde, B. Cha
Bhilipps, H. James u. a.
er Roman ift im 19. Jahrh. in ganz |
ragender MWeife gepflegt worden; auf dem (
des biftor. Nomans ift Walter Scott der :
vertreter; von feinen zahlreihen Nachahmer
nen fib Horace Smith, Thomas rg G
Mrs. Bray und Louiſa Coſtello aus, Cine
ſchritt zeigen die Räuber: und Beiftergeichichten
worths, die ihrerſeits den triminaliftiihen un
fationdgromanen von Willie Collins, Miß Bı
Edmund Yates, Whyte Melville, Charles
u.a. weichen mußten. Die prattifche Leben
opbie fand in Bulwer (f. Lytton) einen tre
ertreter , wenn er auch vielfach mit lyriſche
ſchwenglichleit zu kämpfen bat. Durd feinen |
«The last days of Pompeii» und «Rienzi» ı
auch zu den beiten Berfaflern biftor. Rome
«Pelham», «Eugene Aram», «Devereux» ſ
er mit pre Menſchenkenntnis Scenen dei
Voltslebens, dur die «Caxtons» gewann
eine geachtete Stellung unter den Hum
Ein treffliher Humorift ift Charles Diden
den «Pickwick Papers» entwidelte er ei
fprüngliche Kraft, die in feinen eigenen
rungen und dem reichen Boltsleben nan
der mittlern und niedern Klaſſen ibre N:
ſchöpft. Bon aroßer Zartbeit find die «Chr
carol» und «The cricket on the hearth »
feinen zablreihen Romanen ift namentlid
vid Copperfield», eine Schilderung der Juge
Englifche Litteratur
13
dihters, zu nennen. Die Romane Thaderays find | ten polit. Leben die Parteianfhauumg auch auf bie
den mehr realiitiich,
Eatire («Vanity fair» und «History of Penden-
sie). Diefen Schriftitellern ſchloſſen fich zahlreiche
Rıdabhmer an, von denen bier nur Eurrer
(Charlotte Bronte), Margaret Dlipbant, Lynn Pinton
und vor allen George Eliot (M. A. Evang) mit ibren
vertrellihen Schilderungen des engl. Provinzial:
lebens genannt fein mögen. Auf die moraliichen Gr:
—— der Miß Edgeworth, Mrs. Opie, Miß
ſten und Mrs. Hofland folgten die Schilderungen
der ſocialen Gebrechen durch Harriet Martineau und
Frances Trollope; Kingsley, Mrs. Gastell, Miß
Nulod und Miß ©. Erait führten die chriſtl.ſocia⸗
liſtiſchen Romane ein. Bor ihnen verfhmand ber
faibionable Roman, der in Lady Bleffington, Lord
Rormanby, Mrs. Gore und Liſter feine beſſern Res
präientanten gefunden batte. Religidfe Romane, bie
Bards «Tremaine» zum Vorbild baben und je nad)
ibrer Tendenz in hochkirchliche, evangeliiche, puſeyi⸗
tiſche und fatbolifche zerfallen, finden nach wie vor
ein teilnebmendes Bublitum, Eine eigene Kategorie
nebmen die Merle Disraelis ein, der ald Vertreter
dei «jungen England» Bolitit, Pbilofopbie, Re:
ligion und ariftotratifche ig mit joctalen
ftrebungen verbindet, während Banim, Erofton
Eroter, Carleton, Zever das irische Vollsleben, Bor:
tom die Zigeunerwelt, Ch. Reade, Mayhew, Arthur
Morrifon das Proletariat Londons ſchildern. Außer
Bulwer und Lodhart fuchten befonders Landor und
auch W. Collins ihre Stofie in der alten Geſchichte,
und Hope, Morier, Frazer, Saint⸗-John führten in
ungenen Schilderungen Leben und Sitten des
rient3 vor Augen. Auch auftral. Erzäblungen be:
fist man ſchon von Mrs. Vidal und Will. Homitt.
Der Seeroman, den Marryat in die E. 2. einfübrte,
wurde dur M. Scott, Howard, Glascod und Cha:
mier, aud von J. Wiljon und neuerdings von
Cact Ruſſell bearbeitet. Das Gebeimnisvoll-
Scauerliche wirb bejonder® durch Rider Haggard
vertreten. Sonft ragen unter den Romanfcriftitel:
lern bevor: W. Blad, Bladmore, Beſant, George
Meredith, Hall Caine, Thomas Hardy, Du Mau:
tier, Grant Allen, Zangmwill, Marie Eorelli, Jerome
ome, %. Buhan, George Moore. Auch Rhoda
rougbton, James Payn, R. 2. Stevenfon, St.
Weouman, C. Doyle, Merriman, die Erneuerer der
biſtoriſchen und der Abenteuerromane, der Satiriter
Bercy Wbite und J. M. Barrie, der —* eichner
ſchott. Lebens, ſind zu nennen. Großes Aufſehen
erreaten «Robert Elsmere» von Mrs. H. Ward und
die Erzäblungen von Rudyard Kipling.
In der Geſchichtſchreibung leilteten die Eng:
länder, nad den Anfängen Raleigbs und Elaren:
dons, bereit3 im 18. Jahrh. durch die große Welt:
geſchichte von Guthrie und Gray Bedeutendes. Die
nädjten, durch Forſchung und Stil ausgezeichneten
Werte waren die Geihichte Schottlands und Ame
ritas von Robertſon, Englands von Hume, Eng:
lands, Roms und Griechenlands von Goldfmitb,
der röm. Republif von Gegen bes Berfalld des
Romiſchen Reichs von Gibbon Griechenlands von
Gillies und Mitford. Hallams vortrefflicher «Con-
stitutional history of England» folgte Balgraves
den Berlauf der engl. Staatseinrihtungen gründ-
fi darjtellendes Wert «The rise and — of
tbe English commonwealth» und endlich Stubbs’
«Constitutional history
liherweife mußte bei einem fo kräftig entwid
of England». Beareif P
oft voll Hohn und bitterer | biftor. Auffaflung einwirten, und in den Darftel-
lungen der Geihichte Englands durch Adolphus,
Turner, Lingard, For, Godwin, Madintofb, Etans
bope, Maſſey, Froude, Schottlands dur Pinterton,
Scott, Tytler, Marwell, Chamberd, und Irlands
durd D’Driscol und Moore giebt oft die fubjeltive
Meinung des Berfaflerd der Erzählung ihre Fär—
bung und zum Zeil auch ihr Jnterejie. Died gilt
auch von Hallam, beſonders aud von dem biäher
als Meifter der engl. Geſchichtſchreibung gefeierten
Macaulay, der durch feine ftiliftifche Weiferiäal,
fein glänzendes Daritellungstalent und fein geilt:
volles Urteil ſtets zu den eriten engl. Proſaſchrift⸗
ellern gebören wird. Sonſt hat bie engl. Geſchicht⸗
hreibung an Tüchtigleit und Gediegenbeit jeit
Macaulah mweientlibe Fortichritte gemacht und in
Freeman, Ereighton, Gardiner, Gairdner, Lech u.a.
würdige Vertreter gefunden. Ein in feiner Art mei:
fterbaftes Buch ift Die «Short history of the English
people» deö 1883 verstorbenen J. R. Green. Einen
trefflichen Hiftoriter bat Britiſch-Indien in James
Mill gefunden, dem ſich die Arbeiten von Malcolm,
Elpbinftone, Wilfon Kaye, Wbeeler, Dawſon,
Marihman und die «History of the British colo-
nies» von Montgomery Martin würdig anfchlieken.
Alifons «History of Europe» ift ein verdienftvolles,
aber ungleiches und überaus varteilihes Wert.
Gariple bat die Franzoſiſche Revoiution in feiner
ternigen De dargeftellt, Napier den ——*
Krieg mit M eifterdand bef&hrieben, Kinglale die
Geſchichte des Krimkrieges, Charles Mills die der
Kreuzzüge, Stebbing die der Reformation, Southey
die von Spanien und Brafilien, 7. A. Trollope die
der Florentiner Republit, Milman die Kirchen
geihichte und Merivale die Geſchichte Roms ber
arbeitet, über welche auch Cornewall Lewis jcharf:
finnige Unterfubungen veröffentlichte. Grote ſchil⸗
dert das alte Griebenland ala Philoſoph und
Staatsmann, Thirlwall mehr als fleißiger und
gründlicher Philolog. Budles «History of civiliza-
tion» ift leider unvollendet geblieben; am nädıften
reiben ji ihr an: Lechhs «History of the rise and
influence of the spirit of rationalism in Europe»
und «History of European morals», Unter den jüng:
ften litterarbiftor. Werten feien erwähnt Morleys
«eſchichte der E. 2.» und Maſſons großartig an:
gelegteö «Life of John Milton»,
‚Im Gebiete der Biographie ift die E. 2. wohl
die reihhaltigfte Europas, Epochemachend wurde
auf diefem Gebiete Boswelld «Life of Samuel
Johnson», In ähnlicher Weife wurden Burns von
Eurrie, Wesley von Southey, Burke und Gold:
ie von Prior und Forfter, Hume von Burton,
enthbam von Bowring, Scott von Lodhart, Byron
von Moore, Lamb von Talfourd, Lord Jeffrey
von Eodburn, a Chalmers von Hanna, Chantrey
von eb. Willie von Cunningham, Reynolds
von Leslie und Taylor, Arnold von Stanley, Davy
von feinem Bruder, Romilly, Wilberforce und
Erabbe von ihren Söhnen, Diden3 und Swift von
zehn Forfter, Macaulay von feinem Neffen G. O
revelyan rlyle von Garnett und Maflon ge
f&ilvert. Auch die deuiſchen Dichter wurden nicht
überjeben; Goethe ift von Lewes, Schiller von Gar:
Iyle, Heine von Sharp dargeftellt worden. Neuer:
dings find —— Beſant, «Life of Edward
almer» ; Earl of Lytton, «Life of Bulwer-Lytton»
(2 Bde. erfebienen); Sir Theod. Martin, «Life of
14
Lord Lindhurst»; Froude, «Life of Th. Carlyle»;
Eroß, «George Eliot’s life»; Stephen, «Life of
Fawcett»; Domden, «Life of Shelley»; ©. Lee,
«Shakespeare» ; mehrere Werte über Tennyfon (f.d.)
u.a. Ein hervorragendes Intereſſe fnüpft ſich an bie
Tagebücder der Königin Victoria und an die von
General Grey und Sir Th. Martin herausgegebene
Lebensgeſchichte des Prinzen Albert, fowie an bie
Tagebücher und Erinnerungen and. C. Robinſon, die
Autobiographie von. St. Mill, die «Reminiscen-
ces» von Garlule und die « Letters and memorials»
von Mrs, Carlyle. Bon Wim. Biograpbien feien
erwähnt Sohn Knox von MacCrie, Nelfon von
Soutbey, Lord Elive von Malcolm, Lord W. Ruſſell
und For von Lord %. Ruſſell, Hampden von
Lord Nugent, —— von Coxe, Pitt von
Stanhope, Canning von Bell, Penn und Howard
von Diron, Sir Phil. Francis von Merivale, Lord
Balmeriton von Sir H. Bulwer, Lorenzo von Me:
dici und Leo X. von Roscoe, Napoleon von Hazlitt
und Friedrich d. Gr. von Earlyle, neuerdings W.
€. Öladftone von Reid. Mon Yutobiographien
find anzufübren: ©. C. Hall, «Retrospect of a
long life» (1815—83); Trollope, «Autobiography»;
Malmesburg, «Memoirs of an exminister»; Yates,
«Recollections and experiences»; Gallenga, «Epi-
sodes of my second life»; Lady Bloomfield, «
miniscences of court and diplomatic life»; Gir
Henry Eole, «Fifty years of public work»; Mart
Battifon, «Memoirs»; Roberts, «Forty one years
in India», %. McGartby, «Reminiscences», Sir
Algernon Weit, «Recollections», Mar Müller,
«Auld Lang Syne», «My Indian friends» und «My
Autobiography» u.a. Soutbey bat die brit. Ad⸗
mirale, Foren die engl., James bie auswärtigen
Staatömänner, Agnes Stridland die engl. Köni-
innen, Lord Campbell die Kanzler und Oberrichter,
boss die Richter von England, W. F. Hool die Erz⸗
iſchofe von Canterbury, Scott die engl. —
D. vos die Schott. Dichter, Cunningbam die brit.
Maler Bildhauer und Arditetten, Smiles die brit.
Techniter, Lord Brougbam die Staatömänner und
Gelehrten aus dem Zeitalter Georgs IL. bebanvelt.
Ferner erfhienen umfänglibe Sammlungen, wie:
«Biographia Britannica» g Bde. Lond. 1747—66),
«General biography» von Yifin und Enfield (10Bpe.,
ebd. 1799—1815), «General biographical dictio-
nary» von A. Chalmers (32 Bde., ebd. 1812— 17),
«New biographical dictionary» von Roſe (12 Bde.,
ebd. 1847; neue Aufl. 1857), «Lives of illustrious
Scotsmen» von Rob. Ebambers (4 Bde. Glasgow
eh und das «Dictionary of national bio-
graphy»,, ba. von Leslie Stephen und Sidney Lee
(68 Bde., 1885— 1900). Biographien Pebender
eben: «Men and women of the time» (15. Aufl.,
ond. 1900), ferner Sanders, «Celebrities of the
century» (1890), und Ward, «Men of the reign»
(1885). Das neuefte Unternebmen biogr. Art i
bie von J. Morley rebigierte Serie von «Englis
men of letters», die die Lebensgeſchichten der ber:
vorragenditen Schriftfteller und Gelehrten bringt.
Ein Gegenftüd u wird die unter J. H. Ingrams
Leitung ftehende « Eminent women series» bilden.
Aud werden gegenwärtig in Serien kurze Biogras
—— der bedeulendſten engl. Bolititer und Philo⸗
opben veröffentlicht. Hierzu lommen nod die Me
moiren und Rorrefpondenzen berühmter Staats:
männer, rag unb @elebrter, wie bie ber
Familien Fasrfar, Lindfay und Mancheſter, die von
Engliſche Literatur
epy3 und Evelyn, Lorb Hervey, Lord Lerington,
alpole, Lord Chatham, Lord Waldegrave, dem
Marquis von —— George Grenville, Lord
Caſtlereagh, Lord Holland, Lord Cornwallis, Lord
Auckland, G. Roſe, Sir R. Adair, dem Herzog
von Buclinaham und dem Herzog von Wellington.
Bon Intereſſe er die von feiner —— und
feiner älteften Tochter herausgegebenen Briefe Ch.
Dickens'. Auch fei bier Jeaffreiong «The real Lord
Byron» und «The real Shelley» gedacht.
Bon ganz außerorbentliher Bedeutung ift die für
bie Litteratur fo wichtige öffentliche Wirkſamkeit der
teild durch Unterftügung der Hegierung, meiſtens
aber von Privaten allein geftifteten Vereine &
—— der Kunſte und Wiſſenſchaften. (S.
hrte Geſellſchaften.) Gerade in neueſier Zeit ſtehen
dieſe wiſſenſchaftlichen Vereinigungen in hoher Blüte
und üben durch ihre Beröffentlihungenund Verhand⸗
lungen einen weſentlichen Einfluß auf das willen
haftlihe Leben aus. Als die hervorragenriten
eien bier genannt: die (fchon unter Karl IL. gegrün-
dete) Royal Society of London, die Naturbijtorifche
Gejellihaft zu London, die Geologische und Natur⸗
forjchende zu Cambridge, die — ————— zu
Glasgow, die Linneſche, die Geologiſche, die Geo:
gevbliäe, die Hiftorijche, die Numtsmatifche, die
fiatifche, die Pbilologifhe u.a. m. Hierzu kommen
diein Londoner Vereinen überverfchiebene Zweige der
Wiſſenſchaften gehaltenen und veröffentlihten B or:
lefungen; fo die der Royal Institution, der London
Institution, der Society of Arts und Royal Society
of Literature; endlich die in eigenen Werfen er-
fcheinenden Leiftungen der Social Science Associa-
tion und ber British Association for the Advance-
ment of Science. Zahlreiche buchhaͤndleriſche Sam:
melmerte machen die verſchiedenen Zweige ber Lit⸗
teratur allen Schichten der Nation zugänglich; wir
nennen davon: Gajielld «National library», «Edin-
burgh cabinet library», Ebambers’ «People's edi-
tions» und «Instructive and entertaining library»,
Bohns «Standard library» und «Classical library»,
die «Antiquarian», «Scientific», «Parlour» und
«Railway libraries», die «Globe editions», die
«Golden treasury series» u. a. Denjelben Zmed
verfolgen die von der Society for the diffusion of
useful knowledge ** en Schriften, einen
beſchranktern Die der Society for promoting christian
knowledge; ferner zablreihe Journale, wie Cham⸗
ber#’ «Journal» (jeit 1832), und «All the Year
round» (aus Didens’ «Household Words» hervor:
gegangen). Hieran ſchließt ſich die gefteigerte Thä-
tigteit der gelehrten Zeitſchriften, beſonders der
trıtiihen, die zugleih du enges Augenmerk
ar die Form der Darjtellung bei Beurteilung
wiſſenſchaftlicher Werte allgemeine Verbreitung
eines gebildeten proſaiſchen Stils bezweden. Mebr
ober weniger find alle engl. Zeitichriften pen
oder kritifierenden Inhalts, die Zahl der rein belle:
teiftifchen ift jehr gering. Bu den bedeutendſten ge
bören außer dem «Athenaeum» und der, beſonders
für deutſche Wiſſenſchaft wichtigen «Academy» vor
allen die «Edinburgh Review» und ihre Londoner
Nebenbublerin, die «Quarterly Review», jene in
polit. Anfichten —* und liberal, dieſe Tory und
lonſervativ. Ihnen ebenbürtig an Gediegenheit des
Inbalts, oft überlegen an philoſ. Tiefe, wenn auch
weniger durch ftiliftiiche Meifterichaft ausgezeichnet
ift die «Westminster Review», bad Drgan ber
difalen. Jr zweiter Reihe folgen die «Church
Englifhe Mauer — Engliſche Philoſophie
«England Quarterly Review», die fath. «Dublin
ferien», die Monatsfchriften «Fortnightiy Re-
new», «Contemporary Review», «National Re-
wem, «Nineteenth Century», die litterar. Wochen:
\öt «Literature» u. a., nebit ven zahlreichen
Magazines». (G. Großbritannien und Irland,
zeitungsweſen.) Bol. I. Duboc, Geſchichte der
engl. Preſſe (Hannov. 1873). berichten aller im
engl. Buchhandel ericheinenden Werte mit kritiſchen
ngen in Journalform bringt jährlid «The
Annual Register». Aus ihnen lafien bie Encyllo:
pädien (f. d.) ſich am fiderften ergänzen. i
Sitteratur. Eine völli —— Geſchichte
der engl. Nationallitteratur feblt; zu den belannteſten
Verſuchen zählt Taines Histoire de la littérature
anglaise (4 Bde., Bar. 1864; 10. Ausg. in 5 Bon.,
1897; engliſch von van Zaun, neue Ausg. 4 Bde.,
gond. 1877; deutic von Gertb, 3 Bde. Lpz. 1878
—80). Eine Arbeit von wiſſenſchaftlichem Werte
it ten Brints Geſchichte der E. 2. (Bo. 1, Berl.
1877; 2. Aufl., Straßb. 1899; Bd. 2, 1889 — 93,
bis zur Reformation). In England verbreitet find
auch Morleys English Writers (Bd. 1—11, Lond.
1887 — 95). ge find zu nennen: Morley, A
first sketch of English literature (Lond. 1873;
13. Aufl. 1890); Epalding, History of English
literature (14. Aufl. 1886; deutich Halle 1854);
2b. Arnold, A manual of English literature
(4. Aufl., Lond. 1877); Tb. B. Ebaw, A history
of English literature (19. Aufl. 1892); Bierbaum,
History of the English language and literature
(3. Aufl., Heidelb. 1894); Körting, Grundriß ber
Geſchichte der E. 2. (3. Aufl., Münfter 1899);
uljerand, Histoire litteraire du peuple anglais
I. 1, Bar. 1894); Wülter, JUuftrierte Geſchichte
der E. 2. (Lpz. 1896); Engel, Geſchichte der €. L.
(4. Aufl., ebd. 1897); Barnett und Goſſe, Illustrated
history of English literature (4. Bde. Yond. 1901).
fiber einzelne Gebiete oder Zeiträume vgl. Broote,
English literature from the beginning to the Nor-
man conquest Lond. 1898); Hallam, An introduc-
tion to the literature of Europe inthe15%®, 16'® and
17* centuries (4 Bde., Fond. 1837-89); Eunning-
bam, History of English literature from Johnson
to Scott (neue Ausg. 1861); Hettner, Geſchichte der
€. 2. 1660 — 1770 (5. Aufl., Braunſchw. 1894);
Morley, English literature in the reign of Victo-
ria (2p3. 1881); Mrs. Dlivbant, The Victorian age
of English literature (2 Bve., Sond. 1892); Minto,
A manual of English prose literature (Edinb. 1872;
3. Aufl. 1886); 3. P Collier, History of lish
dramatic (3 Bde. Fond. 1831; neue Aufl.
1879); A. W. Ward, A History of English drama-
tie literature to the death of Queen Anne (neue
Ausg., 3 Bde., ebd. 1899); W. C. Hazlitt, The
English drama and stage under the Tudor and
Stuart princes (1869); J. 2. Klein, Seſchichte
des engl. Dramas (2 Boe., 2py. 1876); Brota⸗
nel, Geſchichte des engl. Mastenfpield und ver:
wandter Gattungen (Wien 1901); Saintäbury, His-
tory of Elizabethan literature (%ond. 1887); derf.,
Essays on English literature (ebd. 1890); derj.,
History of the 19'® century literature (ebd. 1896)
Hess «2 Basiteh posty (IE Di 16 Suhkee
istory © glis . Jahrh.;
Bd. 1—3, Lond. 1774—81; neue Bearbeitung,
4 Boe., ebd. 1871, von Hazlitt). Beiträge lieferte
Diöraeli in den Amenities of literature (3 Bde.,
Lond. 1841; neue Aufl. 1886). Für den Handges
15
Ehamber3’ Cyclopsdia of Eng-
lish literature (2 Bde. Edinb. 1844; 4. Aufl. 1899),
Gajlelld Library of English literature (bo. von
H. Morley, 5 Bde., Lond. 1881), Craiks Compen-
dious history of English literature and ofthe Eng-
lish language (2 Bde., ebd. 1861; 2. Aufl. 1871),
Allibones Critical dietionary of English litera-
ture (3 Bde., Bhilad. und Fond. 1859— 71; Br. 1
in 2. Aufl. 1870; Supplement von Kirk, 2 Bbe.,
Vbilad. 1891), Wattö Bibliotheca Britannica
(4 Bde., Edinb. 1824), Courthorpes History of
English (Bd. 1 u. 2, Lond. 1895—97). Bi:
bliogr. Hilfsmittel find Zomndes’ Bibliographer’s
manual (neu bearbeitet von Bohn, 5 Tle. in 10 Bon.
und Nadıtrag, Lond. 1857—64), The English Ca-
talogue of books (für die F 1835—89, 4 Bde.,
ebd. 1864—91) und Gräfjes Artikel: Engl. Sprache
und Pitteratur, in Erſch und Gruber «Encpllo:
pädie» (1. Sektion, Bd. 40).
Englifche Mauer, f. Ervorudmauer.
Englifche * erdepocke, ſ. Hautkranlheiten.
Engliſche Philoſophie. Der Anteil der *
Nation an der Entwicklung der europ. Philoſophie
befigt feinen weſentlichen t darin, daß auf dem
Boden Großbritanniens faft zu allen Zeiten die
Verbindung der Philoſophie mit dem exalten Wiſſen
gelucht und gefördert worden ift: weniger für bie
eigentliche Spetulation begabt, find die Engländer
falt immer die Vertreter des empiriftiichen Elements
in der Vhilofophie geweſen und haben durd bie
Sorgfalt ihrer tha — Unterſuchungen ein
wohlthuendes Gegengewicht gegen den dedultiwen
Charakter des franz. und die metaphyſiſchen Reis
—* des deutſchen Denlens gebildet. Anfänglich
brauch eignen ſi
chien es nicht fo; der myſtiſche Vater der Scholaſtik,
ob. Erigena Scotus, war ſchott. Abkunft, und der
auptvertreter des lirchlichen Realismus, Anſelm
von Canterbury, lebte und lehrte, obwohl geborener
Italiener, in England; allein während ſchon im
12. Jahrh. Joh. von Salisbury gegenüber der
theol. Vertrodnung auf die humaniſtiſchen Studien
hinwies, fand im 18. Jahrh. der friſche Zug,
ber durch die arab. Vermittelung ber Ariſtoteli⸗
chen Lehre in das occident. Denlen fam, an einem
lerander von Hales und einem Rob. Greathead
bedeutende Förderer. Der Zerfall der Einheit von
Glauben und Bst ange de Philoſophie,
vollzog ſich weſentlich durch den Einfluß dreier Eng⸗
länder: durch die zwar lirchlich ftrenggläubige, aber
metaphyſiſch deſto mehr einjchneidende Stepfis von
Duns Scotus (f.d.), durch die Betonung des empiri⸗
{chen Naturwiſſens von feiten Roger Bacos (f.d.)und
endlich durch die im 14. Jahrh. von William Decam
bur hrie Erneuerung des Nominaliömus. In
der Richtung dieſes Nominalismus u ed, dab
während der Renaifjancezeit der Bru mit der
Scholaftif nirgends jo grünblid vollzogen wurde,
wie in —— durch die weſentlich auf die Methode
einer umfaſſenden Naturerlenntnis hinſtrebende
Lehre Lord ons (f. d.). Durch eine übereilte
Konfequenz gelangte Thomas Hobbeß (f. d.) zu völ:
fig materialiltiihen Anihauungen. Er fand jene
Gegner befonders an den Bertretern ber beiftijchen
Richtung, die, von Herbert von Eherbury begründet,
ag durd Toland, Collins und Tindal zu einem
ich den pofitiven Religionen und namentlid dem
Ehriftentum gegenüber kritiſch verhaltenden Ratio:
naliömus weiter gebildet wurde. Bgl. Lechler, Ge:
fchichte des engl. Deismus (Stutta. und Tüb. 1841).
16
Mit dem Ende des 17. Jahrh. gewann die E.
. ihren bebeutenditen Aufſchwung durch John
ode (f. d.), ber zuerft mit vollem Bewußtſein
das erfenntnistheoretiihe Problem an die Spige
ber Bhilofopbie ftellte und e# im Gegenfage gegen
die Gartefianiiche Lehre von den angeborenen Ideen
dabin löſte, dab alles menſchliche Wiſſen auf die
—— der ältnifje zwiſchen den durch
äußere und innere Erfahrung in uns erzeugten
Borftellungen befchräntt jei. Diefen Empirigmus
bildete der Biſchof Berleley (f. d.) zu einem ſenſua⸗
liſtiſchen Idealismus um, während andererjeitö
der Örundgebante Lodes, daß alle geiftigen Thätig-
feiten auf die Kombination der elementaren Bor:
Blues —— fein müßten, von ben ſog.
ſſociationspſychologen Hartley (f.d.) und Brieftley
(f.d.) weiter ausgebildet wurde. Zugleich fand die
mechan. Raturauffaflung in Verbindung mit dem
rationaliftifchen Deiömus ihre wirtjamften Vertreter
in den Größen der engl. Naturforſchung, dem Ehe:
miler Rob. Boyle und dem Phufiter Iſaal Newton.
Den iger reg ga aan nabeftebend, bat end»
lid der größte engl. Denter, David Hume (f. d.),
die Ronfequenzen ded Empirismus mit rüdjichtös
lojer Wabrbeitsliebe und glängendem Scharfſinn
gezogen, indem er namentlid die Grundlategorien
aller Erkenntnis, die Begriffe der Subjftantialität
und der Haufalität, einer einfchneidenden Kritik
unterzog. Gleichzeitig entwidelte fich die engl. Moral⸗
Im opbie, die, teils im Anschluß an Lode, teils
m Gegenfage zu ibm, die Principien der Moral
(und teilmeife auch der Uſthetih) aus einem ⁊
borenen ®efüble abzuleiten ſuchte: unter den Bes
m diefer Richtung ift neben Cumberland,
arte und Wollafton hauptſächlich Lord Shaftes:
bury (f. d.), unter ihren Förderern Hutchefon, er:
gufon und der den Humeſchen Lehren nabejtebende
ationaldlonom Adam Smith zu nennen. In der
Ausdehnung diejed Princips einer unmittelbaren
Geſuhlsbeurteilung auf die ge Die en be:
ründete Thomas Reid die jog. Schottiſche Pbilo:
opbie (f. d.) oder die Common-sense: Lehre, die
die metapbufiihe Wabrbeit aus den Thatſachen
des unmittelbaren Bewußtſeins ſchopfen zu können
meinte und namentlich Hume beftig betämpfte.
Die E. P. des 19. Jahrh. war im Anfange
mejentlid von der Common - sense : Philofopbie
deherrſcht, die in den Anbängern Reids, Beattie,
Oswald und namentlih Dugald Stewart (f. d.),
ter in Thomas Brown und Madintofb ibre
reter fand. Als Gegner diefer Richtung fuchte
Ferrier einen die Gedanlen Berteley3 und des deut:
hen Philoſophen Fichte verſchmelzenden Ideas
lismus aufzuftellen, woran ſich eine namentlich
durch Fraſer in Edinburgh vertretene Schule des
neuern Berleleyanismus anſchloß; andererſeits
durchſetzte W. Hamilton die ſchott. Lehre mit den
Refultaten der Kantiſchen VBernunittritit;; ibm ſchloſ⸗
fen ſich zablreihe kantianifierende Schüler, von
denen Manfel der bedeutendite ift, an, während
Kon vorher Männer wie Whewell die Kantiſchen
rincipien für die Geſchichte und die Theorie der
Wiſſenſchaften p verwerten geſucht hatten. In
neuerer Zeit haben auch Herbartſche und He de
ten, ferner von Franlkreich ber der Goufn de
elticismus und die namentlib von Lewes ver:
tretene pofitive Philoſophie von A. Comte in Eng:
land ge pen; — hat ſelbſtver⸗
ſtändlich auch bier die Seleltionstbeorie Charles
Engliſcher Garten — Engliſcher Schweiß
Darwins bedeutende philoſ. Bewegungen hervor:
gerufen. Die Aſſociationspſychologie iſt von Män—
nern wie James Dill und ſeinem Sohne Yobn
Stuart Mill, von Alerander Bain u. a. in der
glüdliciten Weife neu begründet worden, und in
der Zufammenfafiung aller diefer Beitrebungen
möchte Herbert Spencer (f. d.) gegenwärtig als der
bedeutendfte der engl. Denter anzujeben fein,
Engliiher Garten, |. Gartenlunſt.
Engliiher Gruß, i. Ave Maria.
Engliicher Yobgefang (lat. Uymnus ange-
a der Lobgejang der Engel Luk. 2,14 (f. Doro:
onie).
Englifcher Sattel, Pritſchenſattel. Das
Sattelgerüft des E. ©. (f. Sattel) beſteht aus dem
vordern und dem bintern Sattelbaum, die aus
gebogenem Buchenbolz bejteben, dem Sattel die
eigentlihe Form geben und auf den Pierderüden
paſſen müjlen. Der Vorderbaum bildet in feinem
obern Zeil die Kammer (f. unten), die mit einem
ftarten Eifen beſchlagen tft, damit fie ſich durch
das Gewicht des Reiters nicht ausdehnen und
auf den Widerrift drüden kann. Der hintere Sat
telbaum ift flacher ald der vordere, feine bintere
Kante beißt der Sattellran;. Beide Eattels
bäume find dur zwei flache Holzftüde, ya
oder Trachten, miteinander verbunden, melde
vorzugsmeife den Reiter tragen. Der Sattel ift mit
Schweinsleder überzogen. Den Sattellnopf,
d. i. der Teil des Sattela über dem vorbern Sattel:
baum, findet man bisweilen, um das Drüden am
Widerrift zu verhindern, nad binten ausgeſchnitten.
Das unter dem Sattelgerüft befindliche Sattel:
tiſſen ift mit Flanell überzogen und mit Kälber:
oder Roßhaaren derart gepolftert, daß in ber
Mitte in der Längsrichtung des Nüdgrates eine
Rinne, die Kammer, frei bleibt, um der Luft freien
Durchzug zu gewähren. Bei einem richtig liegenden
und richtig gegurteten Sattel muß felbjt unter dem
Gewicht des Reiters immer noch ein leerer Raum
von einigen Gentimetern Höbe in ber Kammer blei:
ben. Um den Knien des Reiters einen gemiflen
Halt zu geben, werden an den Schweißblättern
(breiten, nad unten abgerundeten, mit ibrem obern
Rand an den Trachten bejejtigten Leberftüden) Bau:
{hen angebradt. Die Schnallvorrichtung für bie
Steigbügel gebt durd die Schweißblätter und lann
vom Reiter im Sattel verftellt werden.
Engliiher Schweik oder Schmweißfieber
(Febris miliaris), eine anftedende Strantbeit, die
juerft im J. 1486 in England nad der Schlacht
von Bosworth ausbrach, neben andern bösartigen
Symptomen (großer Abjpannung und Bellem-
mun Schnttelkroft und Zittern, Herzllopfen, rheu⸗
matiſchen Nackenſchmerzen u. |. m.) mit einem ftar:
ten, die Kräfte raubenden Schweiße begann und
raſch in rajende Fieberdelirien oder tiefe Schlaf:
ſucht überging, aus der ein großer Teil der Kran:
ten nicht wieder erwachte. Die Kranlheit, melde
ohne Zweifel zu den jog. Infeltionstrantbeiten ge:
hörte, entſchied fich metit in einem bis zwei Tagen,
er rifi bauptjächlic junge, ftarte Individuen und
ralite eine große Zahl Menſchen bin (in einzelnen
Epidemien 80—90 Bro. der Ertrantten); 1507 und
1517 kehrte eine ſolche Epidemie wieder, blieb aber
beidemal auf die Grenzen Englands beſchränlt,
indem j nicht einmal Jrland und Schottland er:
oriff. Mit ermeuerter Heitigteit trat fie in England
1528 auf und ging dann im folgenden Jahre nad
Englischer Spinat — Englische Sprache
deutſchland, Holland, Standinavien und Polen
über, wo fie ebenfalls überall viele Menſchen hin:
tufte. Zum leßtenmal brach fie 1651 in England
aus, ohne jedoch die frühere Ausbreitung und Hef⸗
ügleit wieder zu erreihen. Als beite Behand:
lungäweije bewährten fi Leclane Beförderung des
Shweibes und ftärfende Mittel, während alle aus:
lecrenden und ſchwächenden Kuren fich Außerft nad:
teilig erwiejen. Auch in neuerer Zeit bat man
Ehmweibfieberepidemien beobabtet, welche inbes
immer nur auf enge Örenzen beſchränkt waren und
he vorherrichenn häufig bei einer warmen, feuch—
ten oder ſtark wechſelnden Witterung entwidelten.
Sie famen befonders oft in Italien und Frankreich
por, wo fie Suette miliaire, Schweißfriejels:
fieber, aud —— Schweiß genannt
werben, da in der Regel Frieſelausbruche auf der
Haut joldye beftige Fieberſchweiße benleiten. — Bol.
Deder, Der €, ©. (Berl. 1834); Türd, De la suette
miliaire (Bar. 1841); Hirſch, Handbuch der hiftor.:
geogr. Batbologie, Bd. 1 (2. Aufl., Stuttg. 1881).
Engliicher Spinat, |. Rumex.
Engliicher Full, |. Bobbinnet.
Engliidye® Gewürz, j. Pimenta.
Engliiched Heerwejen, j. Großbritannifches
Deermeien.
Englifched Leder, nad der Art des Gewebes
auch Satin und, namentlid in den bejlern Sor:
ten, nad dem Englifhen Moleſtin genannt, ein
febr dichter, atlasähnlich gelöperter ——
deſſen rechte Seite, auf welcher der im Verhältnis
pur fette etwas feinere und dichtere Einſchlag frei
iegt, geraubt und gefcert ift, während die linfe
Seite nur geraubt ijt.
Englifches Pflafter (Emplastrum adhaesivum
anglicum, Taffetas adhaesivum), Pflafter, beſtehend
aus fejtem Seidenzeuge von weiber, blaßroter oder
ihwarzer Farbe, das auf einer Seite mit einer
dünnen Shiht Hau erg‘ rg ift, die,
bejeuchtet, ein trefflihes Klebmittel bildet. Man
benugt das E. B., um die Wundflächen lleinerer
Riß- und Schnittwunden zufammenzubalten und
ger den Zutritt der äußern Luft abzuſchließen.
an büte ſich aber, dasſelbe noch auf der Wunde
fiegen zu lafjen, wenn ſchon Eiterung in derfelben
eingetreten ijt, was ſich durch erneuerte Schmerz:
baftigteit verrät; denn der gehemmte Abfluß des
Eiters verichlimmert die Entzündung und verzögert
die Heilung.
Engliide Eprace. Soweit die Geſchichte
jurudweijt, wurde im jegigen England zuerjt fel-
tiſch geſprochen F Kelten). Als dann im Laufe
ves 5. und 6. Jahrh. die Angelſachſen (ſ. d.) ſich
dauernd in Britannien niebderließen, drang bie
n. Sprade von der Süd: und Dftlüfte
ald weitli bis Devon und Cornwall, nördlich bis
an bie Grenze von Schottland vor. YAuguftin und
eine Nachfolger befebrten im 7. Jahrh. die Angel:
abjen zum Chriftentum, und bald war dies Volt
eifrig für Ausbreitung der neuen Lehre bemüht.
Angeljähfiih (f. Angeliähfiihe Sprache und Lits
teratur) wurde neben Yatein Sprache der Litteratur
und der Kirche; der Einfluß des Lateins zeigt fich in
der großen Zahl der mit dem Ebriftentum neu auf:
enommenen Wörter. Im Norden Englands machte
5 eit der Niederlaffung der Dänen jtarler Einfluß
ordiſchen (Däniihen) im Wortihag geltend;
diefer Einfluß nahm zu bis zur Mitte des 11. Jahrh.
Mit der Schlacht bei Haftings wurden 1066 die ros
Brodjaus’ Konverjationd-Leriton.. 1. Auſl. RM VI
17
manifierten Normannen der Normandie Herren von
England. Am Hofe und bei den Vornehmen ſprach
man nunmehr Normanno: Franzöftih, das Angel:
ſächſiſche erhielt ſich im Vollsmunde.
In allmaͤhlicher tiefgreifender Einwirlung des
———— wird auch der vollstümliche Wort:
hab umgeitaltet, befonders im Süden. Dieſe Strö-
mung erreicht ihren Höbepunft in der erften Hälfte
des 14. Jahrh. Es find wieberbolt Zählungen ver:
anftaltet worden, um das Verhältnis des roman.
Spradanteild zum Germanifhen im Englifchen
feitzuftellen, wonad fi franz. und deutſche Be:
ftandteile ungefähr das Gleichgewicht halten, die
deutſchen aber den eigentlichen Kern der National:
—X bilden. Der roman. Teil des Wortſchatzes
at ji aud den innern Gejegen ber einheimifchen
Sprade (wie Accentuation u.a.) fügen müflen.
F mebr ſich die polit. Verbindung mit Franl⸗
reich loderte, deſto mehr machte die franz. Sprache
in England Rudſchritte. Ihr Verftändnis beichräntt
fih auf die ariftotratifhe Gejellihaft. 1349 wird
das Franzöſiſche aus der Schule, 1362 aus dem
Gerichtsweſen verbrängt. Am Ende bed 13. Jahrb.
bob ſich die engl. Litteratur wieder und gemann im
14. Jahrh. unter Eduard III. durch Chaucer den Sieg
über das ranzöfiihe. Das 15. Jahrh. mit jeinen
Bürgertriegen war ber Pitteratur wenig günftig, im
16. dagegen entfaltete fih Dichtlunft und Proja in
länzendſter Weife und die Sprade nahm die Ge:
talt an, welche fie, ng = — von der Ortbographie
und vielen veralteten Wörtern, jept noch hat. me
mer mehr hatte die Mundart von London den
Vorrang gewonnen und war allmählich zur Schrift:
ſprache erhoben worden. — die großen Dich—⸗
ter des 16. und 17. Jahrh. fchritt die Sprache
rafh in ihrer Ausbildung vorwärtd und wurde
bald eine der reichften Spraden der Welt. An
Formen bat fie allerdings außerordentlich verloren
und kann fih 3. B. mit der deutſchen darin nicht
mejlen, doch wurde fie dadurch einfacher in ber
Wortfügung und leichter im grammatifhen Bau.
Die — — beim Erlernen derſelben liegt
jest in der Orthographie und Ausſprache,
die vielen Willtürlichleiten unterworfen find. Das
belannteſte unter den ortboepifchen Werten iſt wohl
das von Walter (Critical pronouncing dictionary,
Ber 1791 in London erfcienen, zulegt 1881), das
ebeutendfte wiflenfhaftlihe über die Entwidlung
der engl. Ausſprache das von Ellis (On early
English pronunciation, 5 ®de., Lond. 1869 — 89),
nicht weniger wichtig ift Sweets Wert History of
English sounds (Drf. 1874; 2. völlig umgearbei:
tete Aufl., ebd. 1888). Bol. ferner Morsbad,
fiber den Urfprung ber neuengl, —32323
—— 1888); Romſtedt, Die engl. Schriftſprache
ei Caxton (Gött. 1891).
Das Engliſche zerfällt in viele Mundarten,
Schon in ältejter Zeit fann man deren vier unter:
ſcheiden (ſ. An anne Sprade und Litteratur),
um deren Darttellung ich vor allen Sweet und Sie-
vers verdient gemacht haben (vgl. Dialects and pre-
historic forms of English in den «Transactions of
the Philological Society», 1875 — 78; €, Sievers,
Angelſächſ. Grammatil, 2. Aufl., Halle 1886; deri.,
Abriß der angeljähi. Grammatil, ebd. 1895). Auch
im Yltenglifcen laſſen fi dieje Hauptmundarten
wahrnehmen: die fübliche, wejtliche, binnenländiſche
und nörblide. Zur erſten gebören Kent, Suiler,
Surrey, Hants und Eiler ; ferner Norfolt, Suffolt,
2
18
Cambridge, Huntingdon, Leicefter und Rutland.
gut zweiten zäblen Dorſet, Somerjet, Devon und
ornmwall; ferner Wilts, Berks, Oxford und Glou-
ceiter. Die dritte bilden Northumberland, Durbam,
ort, Eumberland und Weftmoreland; endlich die
undarten des Binnenlanded. Den lbergang
um Norden bildet Lincoln. An das Nordengliſche
liebt fih das Schottifche an, d.h. die im Tieflande
Schottlands gefprohene Mundart, die fich aber jetzt
auch mehr und mebr in die Gebirge verbreitet.
ei der großen Verbreitung des Englischen ift es
felbftverftändlic, daß in den verſchiedenen Ländern
das Engliſche verfchieden lautet. Das Engliſche in
den Vereinigten Staaten Amerilas bat feine eigen:
tümlihe Ausfprade, viele ibm eigentümliche Aus:
drüde und eine Menge von Wörtern, die teild aus
den Indianerſprachen, teild aus den Spraden ber
Einwanderer entnommen find. (S. Amerilaniömen.)
Dasſelbe nilt von dem in Auftralien, Dftindien,
Ebina (f. in Engl) Dove in Südafrila und
fonft —— gliſch. Am eigentümlichſten
entwidelte ſich das Negerengliſch, wie es in Amer
rila, Weſtindien und Guayana geſprochen wird.
Keine der neuern Sprachen iſt in demſelben Sinne
Weltſprache zu nennen wie die engliſche. Sie hat
eine die Erde umſpannende Berbreitung gefunden.
Sie gebietet über einen Wortſchatz, der Fhwerlich
übertroffen wird. Während 1801 die De der eng:
liſch Spredenden auf 21 Mill. geihäst wurde,
fprechen jest etwa 125 Mill, diefe Sprache, wovon
ziemlich genau die Hälfte auf die Vereinigten Staaten
entfällt. Zur Erforihung der engl. Mundarten des
Mutterlandes bat ſich 1870 eine Geſellſchaft in Lon⸗
don gebilbet: die «English Dialect Society», welche
eingroßes Mundartenwörterbuch, «The english Dia-
lect Dictionary» (bg. von J. Wrigbt, Bd. 1 u. 2, Orf.
1898— 1900), veröffentlicht und eine Anzahl Ber:
öffentlihungen über einzelne Mundarten veranital:
tet bat. Bon dieſen * das Schottiſche die bedeu⸗
tendſte Litteratur, welche bis ins 14. Jahrh. zurück⸗
geht. Der ſchott. Wortſchatz iſt geſammelt von Ja⸗
mieſon (Etymological dictionary of the Scottish
language, 2 Bde., Lond. und Edinb. 1808; Supple⸗
mente,3Bde., 1879 fa.; ſeitdem öfters, auch abgekürzt
von Johnſtone und Longmuir, Edinb. 1877). Eine
gründliche Arbeit über dieje Mundart fhrieb Mur:
ray (The dialect of the Southern counties of Scot-
land, in den «Transactions of the Philological
Ben 1873). (Bal. W. Steat, Bibliographical
list o the works ... illustrative of the various
dialects of English, Zond. 1876.) Doch auch andere
Mundarten, bejonders bie weitlihen, weijen eine
reiche Litteratur auf. Bon allgemeinen Werten über
die E. ©. feien noch erwähnt die betreffenden Ab:
chnitte in Storms Englisk Filologie (in der deut:
hen Bearbeitung: Engl. Philologie, Bd. 1,2. Aufl.,
3. 1892—96), in Elzes Grunbriß der engl. Phi⸗
lologie (2. Aufl., Halle 1888), in Körtings Ency:
Hopädie und Methodologie der engl. Philologie
(Heilbr. 1888) und in der kurzgefaßten Einführung
in das Stubium der engl. Bhilologie von W. Vietor
(2. Aufl., Marb. 1897).
Die erſten Verſuche zur grammatifhen Bearbei-
tung der E.©. finden ſich in den lateinisch geichrie-
benen Grammatilen von John Eolet, Dechant
von St. Bauls, gewöhnlich Paul’s Accidence (zuerſt
um 1510) genannt, und von W. Lily (zuerjt Lond.
1542). Die erften eigentlich engl. Grammatifen ver:
faßte William Bullolar (Booke at large for the
Engliſche Sprache
amendment of orthographie of english speech
etc., Zond. 1580, und Bref —— for English,
ebd. 1586). Unter ſeinen Nachfolgern erlangten
das höchſte Anſehen Johnſon (1706), Rob. Lowth
(1762), Thomas Sheridan (1786), Horne Toole
in den «Diversions of Purley» (2Bde., Lond. 1798
— 1805), Lindley Murrap, ein geborener Ameri-
laner (zuerft 1795), und Noah Webſter (1836). Ein
Merk des mübjamiten Fleißes ift Goold Browns
Grammar of English grammars (Neuyort 1857).
Dur den Einfluß der biftor. und vergleichenden
Philologie ift auch die engl. Grammatik in ein neues
Stadium getreten. Lathams Werl Treatise on the
English language (2ond. 1841 u. 6.) ging noch
nicht über die von Jak. Grimm in feiner «Deutſchen
Grammatif» gewonnenen Refultate hinaus und ift
feitdem vielfad überholt worden, namentlih von
Garle, The philology of the English tongue
(3. Ausg., ebd. 1879); Morris, Historical out-
lines of English accidence (4. Ausg., ebd. 1888);
Adams, Elements of the English language (ebd.
1858; öfter aufgeleat); E. A. Abbott, A Shake-
spearean grammar (ebd. 1869; neue Aufl. 1871)
u. ſ. w. Sehr bedeutende Leitungen für die wiſſen⸗
ſchaftliche Erforſchung der E. ©. verdankt man den
deutichen Gelehrten, Zuerſt erſchien die Wiſſenſchaft⸗
lihe Grammatit der E. ©. von Fiedler und Sachs
(2 Bde., Lpz. 1850—61; Bo. 1, neu bearbeitet von
Kölbing, ebd. 1877), dann die zwei bebeutenbiten
Grammatiten: — Engl. Grammatik (3 Tle.,
Berl.1860—65 ; 3. Aufl.1880—85) und C. F. Kochs
Hiftor. Grammatik der €. ©. (3 Bde., Weim., Cafl.
und Gött. 1863—69; Bd. 1 u. 2, neu Bi von
Zupisa, Caſſ. 1878—82; Bd. 3, neu bg. von Wülter,
ebd. 1891). Neue Erjheinungen find: Sotoll, Lehr⸗
bud der altengl. Sprache (Wien 1901), Morsbach,
Mittelengliihe Grammatik (Halle 1896), Luid, Un
terfuhungen zur engl. ——— Straßb. 1896),
Kaluza, Hiſtor. Grammatik der E. S. (TI. 1, Berl.
1899). Überfiht über die Geihichte in Kluge, ®e
ſchichte der €. ©. (2. Aufl., Straßb. 1899).
Das erjte beveutendere engl. Wörterbuch ftellte
Bailey (2 Bde., Lond. 1726) zuſammen. Trob der
—— Mängel und mancher Sonderbarleiten
hat ſich bis heute in England behauptet Johnſons
Dictionary of the English language (2 Bde., Lond.
1755; neu bearbeitet von Todd und Latham, 4 Bbe.,
ebd. 1866— 70) ; Richardſons New dictionary of the
English language (2 Bbe., ebd. 1835—37; neu be
arbeitet 1860) iſt beachtenswert wegen der Citate
von den älteiten Zeiten an, aber der etymolog. Zei!
iR wertlos, Mit Recht wird fehr geibäst Noah
ebſters Complete dictionary of the English
language (2 Bde., Neuyorl 1828; neu bearbeitet von
Goodrich und Porter, Lond. 1882); wichtig ift auch
Morcefterd Diction of the English language
(Bofton 1860; neue Aufl. 1889); J. Ogilvie, Im-
erial dictionary of the English language (bg. von
————— 4 Bde., Lond. 1882). Gpochemachend
iſt das im Erſcheinen begriffene New English dictio-
nary on historical principles von N. H. Murray
(Philological Society, Bd. 1—6, Dxf. 1884—1903)
und Wbitney, The century dictionary. An encyclo-
pedic lexicon ofthe English la e(6Bde,,Yond.
und Neuyorl 1889—92). Engl.sdeutjche und deutſch⸗
engl. Wörterbücher veröffentlichten: Glare Ball:
jtändiges Wörterbuch der engl. und deutſchen rk
(2 Bde., Lpz. 1830; 4. gänzlich umgearbeitete Aufl.
von Felir Flügel: Allgemeines engl. deutſches
Engliſches Pulver — Engliſches Schul- und Univerfitätäwejen
Wörterbub, 3 Bde., Braunfhm. 1891); ferner
Lucas, Engl.:deutiches und deutſch⸗ engl. Wörter:
buch (2 Bie., Brem. 1853— 68); Muret, Hopäbd.
engl.:deutides und deutichsengl. Wörterbud (Berl.
1891 fg.); ein Auszug daraus ift die Hand: und
Edulausgabe (2 Bde., ebd. 1897—1900); Hoppe,
GEngl.:deutihes Supplement⸗Lexilon, eine Ergän:
zung zu allen erſchienenen Wörterbüchern, bejon:
berä zu dem von Lucas (ebd. 1871; 2. Aufl., Abteil.
1 u.2,ı, ebd. 1888—93); Grieb, Engl. : deutſches
und deutih engl. Wörterbuch (10. Aufl., bg. von
Schröder, Stuttg. 1894— 1902). Kleinere engl.:deut:
ſche und deutſch⸗ engl. Wörterbücher find: Thieme
(18. Aufl., bearbeitet von Kellner, Bd.1, Braunſchw.
1902), Fügel (15. Aufl., 2 Bde., Zpz. 1891),
Flügel, Schmidt und Tanger (2 Bde., Braunſchw.
1895) u.a. Bedeutende etymologijhe Wörter:
büder find: Ep. Müllers Etymolog. Rörterbud
der E. ©. (2 Bde., Eötben 1867; 2. Aufl. 1879);
Balter Steats Etymological dictionary of the Eng-
lish language (4 Bbe., Drf. 1878—82; 2. Aufl. in
1 Bo., 1884; ein Auszug erſchien in 4. Aufl., ebd.
1891) ſowie Kluge und Zus, English etymology.
A select glossary (Straßb. 1898). Altengliſche
Börterbüder: Coleridge, Glossarial index to
the printed English literature of the 13'® century
(Xond. 1859; neue Ausg. u.d.T. Dictionary of the
first or oldest words in the English language, ebd.
1872); Stratmanna umfangreichereö Dictionary of
the old English language (3. Aufl., Krejelo 1878;
Eupplement 1881; 4. Aufl., bg. von Dil.
1892). Rob ausführlicher it Mäsners Altengl.
Birterbuh (2. TI. der « Altengl. Spradhproben»,
Berl. 1878 fg.); kurzgefaßt ift Mayhew und Steat,
A concise dictionary of Middle English (Orf.
1888). Ferner find zu erwähnen: Halliwell, Dictio-
— archaic and provincial words (10. Aufl.,
2 Bde., Lond. 1887), Tb. Wright, Dictionary of
obsolete and provincial English (2 Bbe.,ebd. 1857),
und Joſ. Wrigbt, English Dialect Dictionary
(Bd. 1-5, ebd. 1896-1902). Altengliſche Leje:
büder — heraus: Mäßzner, Altengl. Sprad:
ben (Bd. 1, 2 Tle., Berl. 1867—69); Zupitza,
t: und mittelengl. Übungsbub (Wien 1874;
6. Aufl. 1902); Müller, Altengl. Lejebud (2 Tie.,
Halle 1874— 80); Morris, Specimens of early
English (2 Bde., Lond. 1866—72; neue Ausgabe
Ort. 1882—85), und Steat, Specimens of English
literature, from the Ploughmans Crede to the
Shepheardes Calender (Orf. 1871). Neuengliſche
Ebreitomatbien find: Sreliget, Rose, thistle
and shamrock (nur Poeſie enthaltend, 6. Aufl.,
—* 1887), und Herrig, British classical authors
(65. Aufl., Braunſchw. 1889).
(6. d.).
lifche8 ver, foviel wie Algarottpulver
333 ne f. Peg *
Engliiches Recht. Das E. R. beteht: 1) aus
Griehen, Statute Law (f. Act); 2) aus dem fog. un:
geihriebenen Rechte, Common Law (j.d.), d. h. dem
in der Gerichtäprari® anerfannten Gewohnheits⸗
teht (teilmeife auch aus ſolchen Rechtsſätzen, melde
die Richter ald angebliches Gewohnheitsrecht ein:
gm baben). Nur ein Gerichtshof höherer In:
an; lann einen in einer gerichtlichen Entſcheidung
aufgeitellten Rechtsfas umftoßen; ein vom House
of Lords, dem höchſten Gericht, aufgeftellter Rechts⸗
ſez lann daher nur durch Geſeß umgejtoßen werben;
3) aus den Grundjägen, die von den frühern Chan-
cers Courts da aufgejtellt wurden, wo eine Mil-
19
berung oder Ergänzung bes ftrengen Rechts nötig
mar. Diejelben jind unter der Bezeichnung Equity,
d.b.Billigkeit (ſ. d.), zuſammengefaßt und werben jeßt
(ſeit 1875) von allen Gerichtshofen angewandt, aber
noch immer al vom ſtrengen Recht verfchieden bes
bandelt. Die einzigen Rodifilationen des E. R, find
die Wechſelordnung (1882), das Geſetz über die fe
nen Handelsgeſell — (1890) und das Geſetz ü
Warenvertauf (Sale of Goods Act, 1893). Die Werte,
die das geſamte E. R. betreffen, unterjcheiden nicht
genügend das praktiſch ausgeübte von dem nur theo⸗
* geltenden. Dieunten folgende Überficht enthält
bie Werte, diea. ben neueften Zuftandaritellen, b. bie
überfichtlichite Darftellung geben, c. zur Einführung
in die betrefienden Materien alö die geeignetiten
erſcheinen. Über die Einteilung des Privatrecht ift
u bemerken, daß fie von dem —— Unter⸗
—* ausgeht, der im E. R., ähnlich wie im mittel:
alterlichen —— Rechte, zwiſchen liegendem Gut
(Real Property) und fahrender Habe (Personal Pro-
perin) gemacht wird, und der fich 3.B.in hervorragen⸗
der Weiſe im Erbrecht äußert. Die Lehre vom R
Property behandelt daher Sachenrecht, Familien
recht und Erbrecht, infoweit fich die Grundfäge dieſer
Rechtsgebiete auf Immobilien beziehen, dagegen
—— die Lehre vom Personal Property über diejels
Rechtsgebiete, inſoweit ſich ihre Grundfäße auf
Mobilien beziehen, und ebenjo über das Recht an
immateriellen Gütern (Urheberrecht u. ſ. w.) und fer
ner über Obligationenreht. Das letztere wirb aber
in den Büchern über Personal Property gewöhnlich
nur oberflählid behandelt. Ein Handelsrecht als
Sonderredteriftiert in England nicht; das von u
leuten geübte Gemohnbeitärecht (Law Merchant) i
ein Teil des Common Law; die Bücher über Handels
recht enthalten die Rechtsbeſtimmungen, die auf den
Handelövertehr anwendbar find. — Bgl. I. Öffent«
liches Recht: a. Berfafjung und Verwaltung: Anfon,
The law and custom of the constitution (Bd. 1,
3. Aufl., Orf. 1897; Bd. 2, 2. Aufl., ebd. 1896);
b. Strafredt: Stephen, A general view of the cri-
minal law (neue Aufl., Yond. 1890); c. Strafprozeß:
derj., Digest of the law of criminal procedure in
indictable offences (ebd. 1883); d. Eivilprozeb:
Schuſter, Bürgerlihe Rechtspflege in England (Berl.
1887). II. Brivatredht: a. Real property: Goodenve,
Modern law of real property (4. Aufl., Son. 1897);
Vollod, Das Recht des Grundbefiges in England
(deutſch von Scufter, Berl. 1889); b. Personal
property: Goodeve, Modern law of personal pro-
perty (3. Aufl., Zond. 1897); Anjon, Principles of
the English law of contract (9. Aufl., Orf. 1899);
Bollod, The law of torts (6. Aufl., Lond. 1901);
J. W. Smith, A compendium of mercantile law
(10. Aufl., 2 Bde., ebd. 189%); Chalmers, A digest
of the law of bills of exchange, promissory notes
and cheques (5. Aufl., ebd. 1896); c. Internatio⸗
nales Privatrecht: ftlafe, Lehrbuch des inter:
nationalen PBrivatrechts, mit befonderer Berüdfich:
tigung der engl. Gerichtöpraris, deutich von Holtzen⸗
dorff (Berl. 1884); Dicey, Conflict of Laws (Lond.
1896). — Außerdem ift zu erwähnen: A. Wood:
Renten, Encyclopaedia of the Laws of England
(12 Bde., Lond. 1897—98), und Carter, Outlines of
English legal history (ebd. 1899).
Englifhes Riechſalz, |. Riechſalze.
Englifches Salz, joviel wie Bitterfalz (1. d.).
Sugliſches Schul: und Univerſitätsweſen.
Schulwefen. Eine einbeitlihe Regelung und Abs
2%
20
fufung bed Schulmejens bejteht in England nidt.
it Ausnahme der Vorbereitungsanftalten für das
Heer und die Flotte giebt es feine Art von Schulen,
deren Beſuch bei der Zulafiung zu irgend einer Be
tujsart vorausgefegt wird. Auch ift die Errichtung
von Schulen und die Ausübung des Lehrerberufs
in feiner Weiſe von obrigkeitliher Genehmigung
abhängig. Der Staat greift in dad Schulweſen ein
durch die umfafjende Fürſorge für die Errichtung,
KRontrollierung und Unterftüßung von Glementars
fhulen, durch Ermöglihung der ——
Gewerbeſchulen aus Kreismitteln und durch Ober⸗
— über die höhern Schulen. j
on Elementarſchulen beitanden bis 1870 nur
bie freiwilligen Schulen (Voluntary Schools),
die, von Vereinen, firhlihen und andern Gemeins
ſchaften errichtet und erhalten, vom Staat unter ge⸗
wifjen Vorausſetzungen unterjtügt wurden. Durch
die Elementary Education Act von 1870 wurde
das Schulwefen neu georbnet; das Land wurde in
Schulbezirke eingeteilt und in diefen der Regel nad
Sculverwaltungsbehörben (School Boards, ſ. d.)
errichtet, die von allen tommunaljteuerpflihtigen
männlichen und weiblihen Einwohnern ermählt
werden und bei denen oft aud Frauen Mitglieder
find. Wo keine ſolche Behörde beitebt, hat in grö:
Bern Städten ein Ausſchuß des Gemeinderats
(Borough Council, f. MunicipalCorporations), fonft
ein Ausihuß der Behörde für Armenpflege (Board
of Guardians, f. Poor Law), ber als School
Attendance Committee bezeihnet wird, für, bie
Erfüllung der Schulpflicht zu forgen; die fonftigen
nitionen der Schulverwaltungsbebörben find in
olhen Fällen von der Centralbehörde mahrzu:
wege Die Schulverwaltungsbebörden haben
dafür zu forgen, daß innerhalb ihres Bezirks eine
genügende Anzahl von Elementarjhulen vorhan⸗
den it und haben im Falle des Bepürfnifies eigene
Schulen, die Bezirtsfhulen (Board Schools),
zu errihten, in welchen das Schulgeld den Betrag
von 9 Bence (75 Pf.) wochentlich nicht überfchreiten
darf. Als öffentlihe Elementarſchulen gelten
neben diefen auch die vom Staat unterjtüßten frei⸗
willigen Schulen, deren Schulgeld ven en
Betrag nicht überfchreiten darf. Ein 1891 erlafjenes
Geſetz em das Schulgeld in den öffentlichen Elemen:
tarſchulen teilmeije gen befeitigt, teilmeife bevdeu:
tend vermindert. Der Staat giebt allen ſolchen
Schulen einen Zuſchuß (Fee Grant) von 10 Schill.
(10 M.) für jedes Kınd im Alter von 3 bis 15 Jahren,
welcher Betrag vom Schulgeld abgezogen werben
muß. Neben dem Schulgeld und dem Staatd-
zufhuß haben alle öffentlichen Elementarſchulen eine
weitere Einnabmequelle in dem parlamentarifchen
Staatszuſchuß (Parliamentary Grant), Db und in
welbem Maße dverfelbe gewährt wird, hängt von
dem Refultate von Prüfungen ab, welche die ſtaat⸗
lichen Schulauffeber (Inspectors of Schools) in allen
derartigen Schulen jährlih abhalten müfjen. Diefe
Schulauffeber fteben unter der Gentralbebörbe für
Erziehungsweſen (Board of Education, f. Groß:
britannien und Yrland, Verfaſſung). Endlich er:
balten die freiwilligen Schulen einen mweitern Zuſchuß
aus Staatämitteln nah Maßgabe der Voluntary
Schools Act von 1897, mwelder im ganzen die
Summe von 5 Shill. für jedes Kind nicht über:
{breiten darf. Die Verteilung ift dem Ermeſſen
der Gentralbebörbe überlafien, doch haben Edul-
verbände, die mit Genehmigung der Gentralbebörbe
— —
Engliſches Schul- und Univerſitätsweſen
errichtet werden, ein Anrecht auf Zuſchuß. Die
legtere Beſtimmung ſoll die Bildung lonfeſſioneller
Verbände unter der Aufſicht der kirchlichen Ober:
bebörven erleichtern. Die Bezirlsſchulen deden den
Reit ihrer laufenden Ausgaben, jomwie die Aus:
gaben für den Bau neuer Schulen durch den Er-
trag ber Schulſteuer, melden die Schulverwaltungs⸗
behörde von den einzelnen Gemeinden erhebt und
die alfo einen Teil der Kommunalſteuern bildet.
Der Religionsunterriht in den Bezirlsſchulen
darf nur unter Ausſchluß der Katechismen und jeder
einen konfeſſionellen Charalter tragenden Glaubens»
lehre erteilt werden, Die freiwilligen Schulen find
in der Regel fonfeffionell; doch bar) in ihnen, ſofern
te aus öffentlihen Mitteln unterftügt werben, Der
ligionsunterriht nit obligatorifh fein und
muß entweder in ber erſten oder in ber legten Unter:
—— erteilt werden. Den ſtaatlichen Schul⸗
aufſehern iſt durch Geſetz unterſagt, über den Reli⸗
gionsunterricht ittelungen einzuziehen.
Das erwähnte Geſetßz von 1870 —— es den
einzelnen School Boards, nad ihrem eflen
Schulzwang in ihrem Bezirk einzuführen. Ein Ges
feß von 1876 gab für die Bezirke, in weldyen keine
School Boards vorhanden find, die gleihen Befug⸗
niffe ven School Attendance Committees. Ein 1880
erlaſſenes Geſetz legt enplih allen School Boards
und School Attendance Committees die Berpflich-
tung auf, Beitimmungen über die allgemeine Schul⸗
fliht zu erlajien und für ihre Ausführung au
orgen, fo dab jeht der ———— iſt.
ewerbeſchulen (Technical ools) waren
ya teilmeife Privatanftalten, teilmeife wurden
ie von Vereinen und Kö baften erribtet. Nas
mentlid haben die großen Londoner Zünfte (City
Companies) große Summen für die Errihtung und
Unterftügung derartiger Schulen hingegeben. Die
vorzügliche City of London Guilds School in South⸗
Kenfington ift 3. B. die Frucht diefer Bemühungen.
Neuerdings bat man aber auch geſucht, die Errich⸗
tung von Gewerbeſchulen aus öffentlihen Mitteln
zu befördern, und zu dieſem Zwecke mwurben bie
Technical Instruction Acts von 1889 und 1891 er⸗
lafjen. Diefe Geſetze ermädhtigen in den Landkreiſen
die County Councils, in den größern Städten die
Borough Counceils und in den Heinern Städten die
feit 1894 als Urban District Councils bezeichneten
Urban Sanitary Authorities (f. Health Acts), der⸗
artige Schulen zu errichten oder zu unterftüßen.
(Näheres f. Engliihes Schul» und Univerfitäts-
weſen, Bd. 17.)
Die Schulen, in welchen Unterricht in den Elaf»
het, Spraden erteilt wird, und welche in Eng»
and nicht nur von ſolchen Schülern beſucht werden,
die fich einem gelehrten Berufe widmen wollen, ſon⸗
dern —— von allen, welche zu den hö ®e
—— reiſen in Beziehung ſtehen, ſind faſt aus⸗
chließlich Stiftungsſchulen und ſtammen meiſtens
aus der Mitte des 16. Jahrh. Den erſten Anſtoß
zur ausgedehnten Begründung ſolcher Schulen gab
der Humanijt Eolet, Domdechant an der Baulätirche
in London, der aus feinen eigenen Mitteln die noch
beute hervorragende Baulsichule errichtete. Zur Re
organifation diejer in trodnen Formalismus und
Abſchließung der jungen Wiſſenſchaften verfuntenen
fog. Grammar Schools (f.d.) wurde zunächſt 1840 ein
Geſetz erlafien. Die eingreifendite Reform begann
indefien kurz nad 1860. Zunädft handelte es ſich
um bie fog. Public Schools (j. d.), die größten
Engliſches Schul- und Univerfitätswejen
unter den Uaſſiſchen Schulen, in welchen die Söhne
des Adeld und der höhern Stände ihre Erziehung
erhalten. 1861 wurde eine Enquetelommijfion ein:
eſegt, weldhe die Schulen von Eton, Windeiter,
inter, —— Harrow, Rugby und
Shrewsbury unterſuchen ſollte. Das Reſultat dieſer
Unterſuchung war die Public Schools Act von 1868
und bie ſich an dieſelbe anſchließenden Geſetze, infolge
welcher alle dieſe Anftalten unter neuen Kuratorien
(Governing Bodies) reorganifiert wurden. 1864
wurde eine zweite Kommiſſion eingeiekt, welche über
die andern Stiftungsſchulen zu berichten hatte und
deren —— den Erlaß der Endowed Schoo
Act von 1869 bewirkten, welcher fich fpäter weitere
Geſetze anſchloſſen. Während man den erwähnten
yo Schulen felbjtändige Auffihtsbehörden ger
aſſen hatte, um jeder derjelben ibre Eigenart mög:
lichſt zu erhalten, bat man die Reorganifation der
andern einer Gentralbebörbe, ven Charity Commis-
sioners, übergeben. Aud find ejtene Beftim:
mungen getroffen worden, um bei konfeffionellen
Schulen den Schülern, die einer andern bw ng
Gemeinihaft angehören, den Bejuch zu ermöglichen,
Nur in Bezug auf Schulen, die mit einer Kathedrale
uud — fteben, ift eine Ausnahme ge
macht worden. Die böbere Erziehung in England
iſt infolge der fühnen Mißachtung der Stiftungs:
beitimmungen in lebhaftere Beziehungen zu dem thä-
en Zeben der Gegenwart gelommen, und das An:
feben des Lebrerftandes bat dabei nicht gelitten, eben:
ſowenig die Bietät der Schüler gegen die Anftalt, der
fie angehören, die noch bis in die fpätern Lebens—
jabre erhalten bleibt und zu den charalteriſtiſchſten
Eigentümlichleiten des engl. Lebens gehört.
ud für dieböhbere Mäpdchenerziehung wird
neuerdings in England viel getban, doch hat der
Staat in diefer Beziehung noch nicht eingegriffen.
Das höhere Schulweſen war in neuefter Zeit der
Gegenitand einer Epecialenquete dur die Royal
Commission on Secondary Education, welche um:
Tee Material über den Gegenstand der Offent⸗
teit übergeben und nad verſchiedenen Richtun⸗
gen Reformvorihläge ge bat.
Univerfitätöwejen. Der Hauptunterſchied zwiſchen
den engl. und fontinentalen Univerfitäten ift der,
dab dieje obligatorische Vorbereitungsanftalten für
die gelebrten Berufsarten find, jene aber haupt:
fählih dem Erwerb eg Bildung dienen.
E giebt in England zablreihe Geijtliche, Juriften,
Ärzte und Lehrer an böbern Lehranitalten, bie
nie eine Univerfität beſucht haben. Der Beſuch
der Univerfität bebt aber die fociale Stellung und
das Anſehen, und diejenigen, welche die höbern
Etufen ihres Berufs erreihen wollen, und ebenfo
diejenigen, welche feinen gelebrten Beruf ergreifen,
ſich aber in den böbern Ocleilfhaftätreifen bewegen
bejuchen jtet3 die Univerfität, und zwar meine
ford (f.d.) oder Cambridge(f.d.). Dieje im 12. In
begründeten Mittelpuntte alademiſcher Gelehrjam:
kat find in allen ihren Einrichtungen verſchieden von
den im Laufe diejes Jahrhunderts errichteten Uni:
veritäten: Durbam (1832), University of London
(1836), Victoria University (1880), Univerfität von
Bales in Aberyſtwith (1893) und Univerfität Bir:
mingbam (1900). Orford und Cambridge find neuer:
tings in vielen Beziehungen reorganijiert worden,
namentlich ift 1871 die legte Bejchräntung in Bezug
auf den Erwerb alademither Würden durch Perſo⸗
nen, welbe nicht zur anglitan. Kirche gebören, be:
1 | lich
21
feitigt und feit 1877 dafür gejorgt worden, daß bie
Einkünfte ver Colleges für die Lehrzwede der Univer:
fität verwandt werden. Die —— der ſog.
Local Examinations an vielen Plähen Englands
im Auftrage der beiden Univerfitäten und Erteilung
von Diplomen, melde namentlich für die weiblichen
Kandidaten, die fih dem Lehrfach widmen (en nüß:
lich find, ift ein weitere Zeichen neuer Thätigteit.
(S. auch University extension movement.)
Die University of London war bis vor kurzem
nur Prüfungsbebörde und Anftalt für die Verlei—
bung alademiſcher Würden, die jevermann zugängs
And, der die Eramina ablegt (weiblichen u
wie männlichen Kandidaten); durch die University
of London Act von 1898 wurde fie jedoch in eine
lehrende Univerfität umgewandelt. Außerdem giebt
es in London zwei univerfitätdartige Anftalten: das
tonfeffionglofe University Collegeund das anglitan.
King’s College, welche nach Art der deutſchen Unis
verjitäten in Fakultäten eingeteilt find, aber nicht
das Recht haben, akademiſche Würden zu verleihen.
Jede der beiden Anijtalten bat eine mediz. Fakultät,
mit welcher ein Hofpital verbunden ift. er find
aber auch mit folgenden Hofpitälern: Guys, St.
Bartholomews, St. Georges und St. Thomas”.
felbjtändige mediz. Zehranftalten verfnüpft. Natur:
mwifjenichaften werben aud in dem aus Staatämit-
teln erhaltenen Royal College of Science gelehrt,
und endlich haben die Rechtsinnungen (Inns of
Court, ſ. d.) eine jurift. Zebranftalt. Die meiften
diefer Anftalten fleben infolge der University of
London Act feit 1898 in näherer Beziehung zu ber
University of London, in deren Senat fie mittelbar
oder unmittelbar vertreten find, und weldye auf ihre
Studienpläne Einwirkung bat.
Die Victoria University, deren Sitß in Mancheſter
ift, befchräntt fich ebenſo wie früber die Universit
of London auf das Gebiet der Prüfungen, do
werden zu biefen nur folde Kandidaten progioften,
welche in einem der mit der Univerfität in Zufams
menbang ſtehenden in verſchiedenen Städten befind⸗
lihen Colleges die vorgejchriebenen Studien ge
macht haben. Unter diejen Colleges ift das bedeu⸗
tendſte das 1850 begründete Owen’s College in
Mancheſter, dad Vorlefungen auf allen Gebieten ers
teilt, aber hauptfählie auf dem Gebiete der Nature
wiſſenſchaften hervorragend ift. Diefe aus Meinen
Anfängen bervorgegangene Anftalt ift durch den
Dpferfinn zablreiher begüterter Bewohner des
nördl. Englands mit ehr bedeutenden Mitteln ausge
ftattet worden und bietet für die thätige und intelli«
gente Bevölkerung der Fabrikftädte von Lancaſhire
eine trefilihe Gelegenheit zu böberer Ausbildung.
Alademiſchen Unterriht für Perfonen weiblichen
Geſchlechts erteilen hauptſächlich Girton College
und Newnham College in Cambridge, Lady Mar-
t Hall und Somerville College in Orford und
erner Holloway College in Egbam. Die Zöglinge
diefer Anftalten wohnen in denjelben in ähnlicher
Meije, wie die Studenten in und Cam:
bridge in den Colleges, zu welchen jie gehören. Die
Univerfität von Wales ift nur Prüfungsbebörbe;
andererjeit3 ift die Univerfität Birmingham mebr
nad Art der — Univerfitäten eingerichtet.
Außerdem find eine große Anzahl von Colleges
verjchiedener Art im Lande veritreut. Die Univer-
fität Durbam ift von geringer Bedeutung.
Litteratur. Reports of the schools inquiry
commission (21 Bde., Lond. 1868—69); Report of
22
and Cambridge (ebd. 1874); Report of the commis-
sion on secondary education (ebd. 1895) und das
fonftige von diejer Kommiſſion veröffentlihte Ma—
terial; ferner Syearon, School inspections (ebd.
1876); Pascoe, Practical handbook to the prin-
cipal schools in England (ebd. 1877); derf.,
Schools for girls and colleges for women ſebd.
1879); Garteret:Bifjon, Our schools and colleges
4. Aufl., ebd. 1879); Eotterill, Suggested reforms
n public schools (ebd. 1885); M. Arnold, Report
on elementary schools 1852 —82 (ebv. 1889);
Dwen, The elementary education Acts (17. Aufl.,
ebd. 1891); Breul, Die Organifation des höhern
Unterrichts in Großbritannien (Münd. 1897). Jäbr:
erſcheint: The Public schools’ year book; fer:
ner veröffentlicht jede Univerfität jährlih einen
«Calendar» mit ausführlicher Auskunft.
Englifched Theater. Die erite Stätte dramat.
Aufführungen war aud in England die Kirche.
use waren nicht nur die Verfafjer der meijten
Moiterien, fondern urſprunglich auch die alleinigen
Darfteller. Die —— zuerſt in, dann vor
der Kirche ftatt. Als aber bald die Aufführung der
Mofterien mit in die Hände der Laien überging,
wurden hbauptjädlich die Angebörigen der Zünfteund
Innungen die Vertreter der dramat. Kunft. Durch fie
mußtenatürlich eine Menge profaner Elemente in die
Mojfterien hineingetragen werben. DieAuffübrungen
fanden befonders am Fronleichnams⸗- und Pfingit:
montage ftatt und zwar auf bölzernen Gerüiten,
die anfangs, auf Rädern rubend, in den —
umhergefahren, dann an beſtimmten Orten aufge:
fhlagen wurden. Die Bühnen der Wagen waren in
drei Stodwerle geteilt, um Himmel, Erde und Hölle
darftellen zu können, und mit Teppichen bebängt.
% unterften Raum des Wagens Hleideten fich die
aufpieler an. Wandernde ee
ſchaften werden zuerſt unter Heinrich VI. erwähnt.
Einen ungewohnten Aufſchwung nahm das Theater:
weſen unter der Königin Eliſabeth. Ihr Sinn für
tbeatralifhe Schau (denn fie liebte auch maskierte
Spiele) teilte ſich [hnell den Großen des Reich mit,
und nicht lange, jo war das Land dergeitalt voll
wandernder Schaufpieler, daß es 1572 nötig wurde,
fie auf die Erlaubnis von wenigitens zwei Friedens:
richtern anzumeifen. Dies bewog den Grafen Lei:
ceiter, feinen Schaufpielern den erften königl. Frei:
brief (vom 10. Mai 1574) auszuwirken, der ihnen
das Recht erteilte, bis auf Widerruf überall zu
—— Dieſe Urkunde erwähnt zuerſt ausdrücklich
omödie und Tragodie.
Der trogige Eigenwille des Lorb:Mayors von
London, Leicefterd Schaufpieler nicht in der City
pielen zulafien, und fein —— Verbot jeder Auf⸗
ng von Schauſpielen — * bit, hatten 1576—80
außerhalb des Bereichs des Mayors, an der Grenze
der Eity, drei Theater ins Dafein gerufen, die eriten
in London eigens für bramat. 36 tellungen ein:
gerichteten Gebäude. Wie noch jest, jo war London
von Anfang an der Brennpunkt der theatraliſchen
Kunft in England, und es tft mithin die Geſchichte
der Londoner au die Geſchichte der engl. Bühne.
Die Königin Elifabetb nahm 1583 zwölf Schau-
| ieler als the Queen’s players ausoſchließlich in
Dienfte. Die Zahl der Schaufpieler vermebrte
ſich jo raſch, daß fie bald, bejonders als der Beit
wegen mehrmals die Theater in London geichlojien
wurden, ſich nach dem Feſtlande, namentlih nad
Englisches Theater
the commission on the property etc. of Oxford |
den Niederlanden und Deutihland menbeten, mo
fhon von 1586 an die Englifhen Komödianten
(f. d.) in Anfeben ftanden.
Beſonders anziehend ift ein Blid auf die ein»
fachen äußern Einrichtungen, vermitteljt deren das
Eliſabethaniſche Drama feine beifpiellojen Erfolge
erzielte. Das Eliſabethaniſche Theater war eigent:
lich nichts ald eine Erweiterung oder Berbeflerung
des früher in den Höfen von Wirtöbäufern auf:
gelangen —— gewoͤhnlich ein aus
olzund Mörtel aufgefübrter freisrunder Bau, der,
fofern das Theater ein öffentliches war, feine Be:
dahung hatte. Eine Flagge, die den Namen des
Haujes trug, wurde während der Dauer der Vor:
ftellungen aufgebeißt. Das Innere enthielt Logen,
Galerien und einen Parterre- oder Hofraum obne
Sige. Die überdedten Brivattbeater waren dur
adeln oder gewöhnliche Lichter erleuchtet. Das
lobetheater aus der jpätern Shafefpearejchen
Periode war ein ſechsſeitiges, oben teild offenes,
teild mit Stroh gededtes Gebäude. Auf der Bühne,
bie in der Regel mit Binſen beftreut war, lagen
oder — auf Schemeln die jungen Vornehmen
und Schöngeiſter, ſich in den Zwiſchenpauſen mit
Leſen, Spielen und Rauchen die Zeit vertreibend.
Die Garderobe der er ag ar war zwar verhält:
nismäßig glänzend, gg unſtloſer waren aber die
Jonftigen equifiten; berabbängende Teppiche und
apeten vertraten die Stelle von Eoulifjen, ein
Brett mit dem Namen eined Qandes oder einer
Stadt zeiate den Ort der Handlung an. Eine von
der Dede berabwallende hellblaue Gardine deutete
an, daß ed Tag, eine dunklere, daß ed Nacht jei.
Ein Tiſch mit einem Schreibzeug machte aus der
Bühne ein ea Irish mehrere Stühle an
Stelle des Tiſches bedeuteten eine Schentitube, ein
vorgejhobenes Bett ein Schlafzimmer. Mitten im
Hintergrunde der Bühne befand ſich eine Art Bal:
ton oder Altar, wo diejenigen Zwifhenbandlungen
fpielten, die ald auf Mauern oder Türmen, in obern
immerräumen u.dgl.vor fich gehend gedacht werben
ollten. Gigentlihe Couliſſen wurden erjt von Das»
venant 1662 eingeführt. Die — — wurden
durch Knaben gegeben. Die Vorſtellungen in den
öffentlichen Theatern nahmen gewohnlich um 3 Ubr
Tg Fri enter ne ri ger
ftöße * undigt wurde. Der Vorhang wurde nicht
aufgerollt, fondern nad beiden Seiten zurüdge:
fboben. Ein Schaufpieler in ſchwarzem Mantel und
mit einem Lorbeerfranz auf dem Haupte ſprach den
rolog; Tänze füllten die oe aus. Nah
eendigung des Stüds führte der Clown die cou⸗
pletartige Gigue (f. d.) auf. Den Beihluß jeder
Vorjtellung machte ein allgemeines Gebet für die
Königin. dis zur Thronbejteigung Karls II. lag
das Theaterweſen brad. 1636 war die Peit aus:
gebroden, ihr folgte der Bürgerkrieg. Unterm
2. Sept. 1642 gebot da8 «Lange Parlament», daß
für die Dauer dieſer trübfalvollen Zeit alles Büb:
nenfpiel im ganzen Königreiche aufbören folle, ein
Befehl, der bei der Vorliebe des Volls für die
Bühne unterm 22. Dit. 1647 und 9. Febr. 1648
noc verichärft werden mußte. Nur eine Art muſi⸗
kaliſchen Dramas war unter Erommell geitattet;
dennoch mußten Schaufpieler wie Davenant die
ftrengen Verordnungen dur die jog. Moral re-
presentations zu umgeben. Cine der eriten Res
gierungshandlungen Karls IL. war die Ausitellung
von Patenten für zwei Schaufpielergefellichaften,
Englifches Vollblut — Englifche Berfafjung
das eine für Davenant, der zum erftenmal Schau⸗
fpielerinnen auf der engl. Bühne zuließ, das andere
eure — eil Killigrew
& im fönigl. % zo Drury Lane anfiedelte, hießen
e Schaufpieler «The King’s servants», und da
Davenant das unter dem Schuße des Herzogs von
Dort ſtehende Theater in Lincolns⸗Inn⸗Fields be
zog, hieß jeine Gejellihaft «The Duke's company».
ry:Lane bat feinen Namen, feinen Freibrief
und den Ruf einer Nationalbühne bi⸗ 3 die Gegen⸗
wart behauptet, Lincolns⸗Inn⸗ Fields ſein Patent
und jeinen Ruf an Eovent:Garden abgegeben.)
Unter den frauen (die nad der Reſtauration
der Stuart3 zuerft auf den Bühnen erſchienen) ge⸗
bören einige zu Englands beiten Rünitlerinnen, jo
die Betterton, Barry, Leigh, Butler, Montford und
Bracegirble. Bis 1708, wo Owen Swiney die Direl:
tion des Drury⸗Lane⸗ und des Haymarlet:Theaters
übernahm, hatten die Schaufpieler keine feiten Ge:
balte. Eine neue Ara trat für die Schaufpieltunft mit
®arrid ein, der ihr die öffentlihe Meinung, Ernft
und Würde gewann. Sein Nahfolger war John
Kemble, der Darjteller und Reiniger Shalefpeare:
ſcher Dramen, deſſen Schweiter, Mr3. Siddons, als
die erite * Schauſpielerin Englands glänzte.
Ihnen zur Seite jtanden Charles Kemble, Coole,
die Komiler Lewis, Munden und Emery, Miß
Deren (nachher Gräfin —— und Mrs. Jordan.
iger vollendet ald John Kemble, aber leiden:
ſchaftlicher, efjeltoller war dann der geniale Ed:
mund Kean. Wie er zu Kemble, verhielt ſich Miß
DMeil zu der Siddons, während in Lijton und
Matthews die Komik die äußerten Grenzen des
Burlesten erreihte. Der letzte diejer glänzenden
Keibe ift Macready, ein hochgebildeter Künftler.
Bon feinen ——— verdienen höchſtens der
üngere Kean, die Komiler Robſon, Keeley und
ole und als jüngſte Shakeſpeare-Darſteller
ter und Irving Erwähnung. Unter den Schaus
elerinnen ragen vor allen andern Mr3. Bancroft,
Miß Neilfon, Mrs. Rousby und Ellen Terry bervor.
In der Ausübung ihrer Kunſt find die Schaufpieler
manden Beihränfungen unterworfen: fein neues
Etüd darf nämlich ohne die Billigung ded Examiner
of plays gegeben werden; auch ift zur Eröffnung eines
neuen Theaters in London die Erlaubnis des Lord:
Kammerherrn nötig, der au den jhon vorhandenen
die Honzeifion entziehen tan. — Vgl. A new theatri-
eal dictio (2ond. 1792); Bater, Reed und ones,
Biographia atica (neue Ausg., 3 Bde, ebd.
1812); Collier, History of English dramatic poetry
to the time of Shakspeare and Annals of the stage
to the Restoration (3 Bde., ebd. wer, Doran,
Their Majesties’ servants (2 Bde., ebd. 1863);
deri., Annals of the English stage from Betterton
to Kean (3 Bde., ebd. 1887); War, A history
of English dramatic literature (2 Bve., ebd.
1875); Stein, Geſchichte des Dramas, Br. 12
u. 13: Geigidte des engl. Dramas (Lpz. 1876);
Srotanel, Geſchichte des engl. Mastenfpiel3 und
verwandter Gattungen (Wien 1901); Fitzgerald,
A new history of the English stage, from the
Restoration to the liberty of the theatres (2 Bpe.,
gond. 1882); Dyer, Great men at play (2 Bbe.,
ebb. 1889); Hamilton, The drama in England
ing the last three centuries (ebd. 1891); Gae:
ders, Zur Kenntnis ber altengl. Bühne (Brem.1888);
Buler, The London stage (2 Bde., Lond. 1889);
Nathews, Actors and actresses of Great Britain
23
(5 Bde., Neuyork 1886); H. A. Jones, Renascence
of the english drama (Lond. 1896).
Engiilces Vollbiut, Pierderafie, ſ. Pferd
nebjt fe, ig. 11. [bindung (f. d.).
Englifche Tuchbindung, foviel wie Panama
Engliihe Berfaffung. Die heutige E. ©.
(f. Großbritannien und Irland) ift nicht wie die
anderer moderner Staaten in einer Verfaſſungs⸗
urlunde, fondern im Gewohnheitsrecht Ren
Ihre Geihichte hebt an mit der angelſächſ. Eins
wanberung. (S. Angeljadhien.) Die Berfafjung
des Gejamtjtaates entſpricht feiner —
etzung aus einzelnen Teilen. Die Gemeinde
Township), der Gau (Hundred) und die Graf—⸗
daft (Shire) find einander übergeorbnete Ein
beiten für die Verwaltung, das —— und
das Heerweſen. Die Grat haft ift vielfach identiſch
mit einem frühern Meinen Königreich, ihr vom
Könige unter Mitwirlung der weiſen Männer
(Witan, f. Witenagemot) erwähltes Haupt (Ealdor-
man, j. Alderman) häufig ein Mitglied des frübern
Königftammes. Die Grafihaftsverjammlung, in der
Recht geſprochen wird und Grafihaftsangelegen:
beiten beraten werden, ift die frühere Landes: Volts«
verfammlung (folkmot). Eine entipredhende Volls⸗
verfammlung für das ganze Reid) ift wahrſcheinlich
nie zufammengetreten. Sn den Rat, der den Reichs⸗
angelegenbeiten vorftand (Witena-gemot), wurden
nur die Großen des Landes berufen: die Brälaten,
die Ealdormen und die Thegns (db. i. Ministri,
Leute im unmittelbaren Dienfte des Königs), doch
erſcheinen die vereinigten Follmots bei beſonders
feierlichen Gelegenbeiten, wie bei Königswahlen,
nicht mitratend, aber Beifalloder Mißfallen äußern.
Der König ftebt über vem Volle als oberjter Heer:
führer, er greift durch feine Sheriffs in die Ge—
rihtsbarleit der Grafichaftägerichte und der Hei:
nern Gerichte ein. Als Hüter des Königsfriedens
erwirbt er die oberfte Bolizeigewalt im Yande, als
Haupt der Kirche fteht er über der geiitlichen Hier:
archie. Seine Würde ift nicht erblid ; er wird vom
Witena-gemot erwäblt (doc find nur die Glieder
der berrjchenden Familie wählbar) und kann von
derfelben Koörperſchaft abgejegt werben. Er erläßt
Gelege, aber nur unter Beirat bed Witena-gemot.
Daß dieſe Beratung als wejentlich angejehen wurde,
ebt aus der Form der Gejehe hervor (vgl. die Bei:
piele in Stubbs, Constitutional history, Bb. 1,
5. Aufl., Lond. 1891). Wilhelm von der Normandie
bat, nachdem er (1066) in der Schlacht bei Haſtings
das engl. Königreich erobert hatte, in den ſtaatsrecht⸗
lichen Einrichtungen des Landes wenig geändert,
—— nur einer natürlihen Entwidlung durch die
acht feiner Berjönlichkeit und feine Hare Einſicht in
die Bedürfnifje des Landes einen friſchen Anſtoß ges
geben. Die Ve der Königsmacht war eine
natürliche Folge der Vereinigung des engl. Reichs;
mit der Zunahme er Macht gebt parallel die
Ummandlung des Vollsſtaates in den lehnsrecht⸗
lien Staat. Bereits unter den angeljädhf. Königen
—— die Entwidlung begonnen, die die ſtaatsrecht⸗
ichen Befugniſſe und Pflichten des Einzelnen mit
ſeinem Verhältnis zu Grund und Boden in Be—
ziehung brachte und dem König, der —
Herrſcher über fein Voll war, die Stellung eines
oberjten Zerritoriale und Lehnsherrn gab. Die
umfangreihen Konfislationen Wilhelms und die
Zumeifungen von Grund und Boden an feine nor:
mann. Gefolgsleute bejchleunigten diefe Entwid:
24
lung; aber Milbelm und gr Nachfolger verftan-
den es andererſeits dadurch, daß fie die Wirkung der
Afterbelebnung einfhräntten und das Verhältnis
der Aiterbelehnten zum oberften Lehnsherrn in den
Bordergrund brachten, der weitern Überwucherung
lehnsrechtlicher Grundiäge Einhalt zu gebieten. Die
— Heinerer Territorialherrſchaften mit
polit. efugniflen wurde baburd verhindert und
ber unmittelbare Einfluß des Landesberrn im gan:
en Reiche gefichert. Ein Geſeß Eduards I. hat die
fterbelebnung überhaupt verboten. Die Eentralifie:
rung der Staatsgemwalt beftebt von nun an dauernd,
die perjönlihe Macht des Königs nimmt bereits
unter den normann. Klönigen wieder ab. Dann
traten die folgenden Elemente in den Vordergrund,
L Aus dem Weifen:Männer:Rat, der zunächſt in
einen königl. Rat (Curia Regis) verwandelt wurbe,
ſcheiden fi aus a. der Nat der Großarundbefiker
und Großmwürbenträger (Magnum Concilium), b. der
engere Staatörat (Perpetuum Concilium, fpäter
Privy Council sun, c. gewille Behörden und
Gerichtäböfe. Die königl. Gewalt wird nur unter
Zuziehung einer diefer beratenden Körperſchaften
oder durch diefe nach feiter Gefhäftäpraris handeln:
den Bebörden und Gerichtäböfe ausgeübt.
IL. Der tönigl. Rat erweitert ſich andererfeitö durch
Zuziehung der Vertreter der Heinern Kronvafallen,
ber Städte und der Geiftlichkeit zu einer allgemeinen
Sandesverfammlung (Commune Concilium), die
fpäter in drei getrennte Berfammlungen zerfällt,
unter denen zwei mit dem Souverän zujammen das
beutige Parlament bilden.
II. Die Einnabmen des Königs, die urfprünglich
nur aus den Erträgnifien der Kronländer und lebns:
rechtlichen Gefällen beiteben, werden durch Befteue-
rung erweitert, urfprünglihnurmit der Einwilligung
der befonders Bejteuerten; fpäter wird die Eins
willigung der Landesverfammlung oder der Reichs:
ftände nötig. Hieraus entwidelt ſich aud eine Kon:
trolleüberdie Ausgabenund ſchließlicheine Trennung
bes königl. Haushalts von dem Staatshaushalt.
IV. Die Organifation der Heinern Landesabtei:
lungen, diedie Engländervonibrer german. Heimats⸗
ftätte mitgebracht hatten, gebt nie verloren. Sie er:
bält bauptjächlich durch das Inſtitut der Friedens⸗
richter — Justices of the Peace) neue Bedeutung.
Es ijt demnad die Entwidlung der folgenden
Körperichaften und Einrichtungen zu ſchildern:
I. der Staatäbebörden:
a. des großen Staatsrats (derfelbe wird fpäter
Pairskammer, ſ. Lords, House of);
b. bes engern Staatsrats (Privy Council),
aus ihm fcheidet fich fpäter das Cabinet (f. d.) aus;
c. der Staatöämter und Gerichtäböfe;
I. des Barlaments;
III. des Finanz⸗ und Steuerweſens;
IV. der Staficaften und Gemeinden.
lL. Staatöbebörden: a. Großer Staats—
rat. Die Curia Regis ift der Rat, der unter den
normann. Königen an die Stelle des Witena-gemot
trat. In diejer Berfammlung jollen erſcheinen 1) die
Prälaten und boben Staatd: und Hofbeamten, 2) der
Theorie nad jämtlibe unmittelbare Lehnsmannen
des Königs (Barons), doc wurden tbatjähli nur
die bejonders hervorragenden (Barones majores)
berufen. Diefer Rat beriet den König und mar zus
leib der oberfte Gerichtshof. Die gerichtlichen
Suntione und ebenio die Kontrolle der Staatös
nanzen wurbe aber allmäblic einzelnen Mitgliedern
Englische Berfaffung
ftändig übergeben und der Name Curia Regis in
einem engern Sinne dem Kollegium beigelegt, das
mit diejen Geichäften betraut war. Die größere
Körperfhaft nimmt dann den Namen Großer Rat
Magnum Concilium) an; auch aus dieſem ſcheidet
ich jpäter wieder ein engerer Staatärat aus (f. Ib),
und andererjeitö erweitert er ſich audy zu der großen
Landesverfammlung (Commune Concilium, f. II).
Daneben aber bleibt er aldö Magnum Concilium be⸗
fteben und dient in biefer Eigenſchaft 1) ald Ge—
richtshof, 2) ald Ratsverfammlung des Königs.
Das Magnum Concilium ald Gerichtshof heißt auch:
Parlament, curia in parliamento. Der Sprachge⸗
braud, wonach nur die aus den drei Reihsftänden
zufammengejeste Verfammlung Parliamentum ger
nannt wurde, entjtand erft jpäter. No 1399, als Die
Commons bereits längjt als jelbftändiges Glied der
Zandesverfammlung tagten, werden die gerichtlichen
Entſcheidungen des Barlament3 in einer Erflärung
der Commons ald ausſchließlich zur Zuftändigkeit
des Königs und der Lords gebörend bezeichnet, und
ber Erzbijchof von Ganterbury antwortet im Namen
des Königs, daß der König und die Lords jeder:
zeit Die Gerichtäöbarteit des Barlaments gebabt baben
und nah Rechten weiter baben jollen, fo wie es
die Commons dargelegt haben, doch wünſcht Der
König bei dem Erlaß von Geſetzen oder bei Gelbbe:
milligungen oder Subfidien, oder bei allen Ange:
legenheiten, die das allgemeine Wohl des Reichs
betreffen, ihren (d. i. ber Commons) Rat und Zuftims
mung zu haben. (Über die jegige Gerichtäbarfeit des
House of Lords, j. Lords, House of.) Als Ratäver:
jammlung des Königs fommt dad Magnum Con-
cilium, nachdem einmal das Privy Council (f. Ib)
ſich — geſtaltet hatte, nicht mehr zuſammen.
b. Engerer Staatsrat (Privy Council). Es
iſt anzunehmen, daß unter den Mitgliedern der
großen Curia Regis unter den normann. Königen
die Hauptbeamten ſich häufiger als die Geſamt⸗
lörperſchaft verjammelten, um den König in wich»
tigen Angelegenbeiten zu beraten. Ein regelmäßi
ufammengejester engerer Rat ericheint jedoch er
keit Heinrich III. (unter der Bezeichnung continuel
conseil, familiare concilium, secretum concilium
u. f. mw.) und bat unter Eduard I. bereitö einen
beftimmten Wirkungsfreis. Zu ihm gehörte bie
Beratung des Königs in Bezug auf Bittjchriften,
bie die Milderung der ftrengen Rechtſprechung der
Gerichtshöfe bezwedten. Dieje Bittichriften wurden
zunädft dem Kanzler (f. Ic) ge Begutachtung zu
ewieſen, und aus biefer Praris bildete ſich im
Oaufe ber Zeit die jog. Billigteitögerihtöbarteit
diejed Beamten aus. ;yerner hatte diejer engere
Rat auh Anteil an der Gejehgebung. Unter
Eduard IIL find die Reihsftände unzufrieden dar:
über, daß der Rat auch Beiteuerung anordnet (1359).
Verjcbievenemal verlangen auch die Reichsſtande
das Recht, bei der Bejegung des Rats mitzuwirken,
und unter den Königen aus dem Dane ncajter
beidhäftigen fie fich öfter mit der Ausarbeitung von
Negulativen für dieje örde, Auch über die Ein:
vie des Rats in das Gebiet der Rechtſprechung
at das Parlament ein wachſames Auge. Während
jo die Macht des Rats dem Parlament gegenüber
in Schranten gebalten wird, wächſt fie andererjeits
dem Könige gegenüber. Während der Minderjährig:
feit der Könige Heinrich IIL., Richard IL. und Hein:
rich VI. und während der Abweſenheit Heinrichs V.
werben die königl. Befugniſſe von dieſer Behörde
Englische Verfafjung
25
ausgeübt. Aber auch unter —— Verhaͤlt⸗nannt), unter denen der ——— First Lord
niſſen tonnte die fönigl. Machivolllommenheit wäh⸗
rend dieſer Zeit nur unter Mitwirkung des Rats
ausgeübt werden. Unter Heinrich VI. fommt die
Vezeibnung Privy Council zuerft zur Anwendung.
Unter den Tudors wächſt wieder die perfönliche
Macht des Königs, namentlich unter Heinrich VIII.,
und unter dieſen Konigen, ebenjo wie unter den
Etuart?, ift der Privy Council ein williges Wert:
zeug für bie fibergriffe der Krone. Durd den be:
rüdtigten Court of Star Chamber (f. Sternfammer)
werden die gerichtlichen Bejugnifle des Rats auch
in Straffadhen von neuem zur Anwendung gebracht
und erweitert, doch bört dieje Gerichtäbarleit 1641
endgültig auf. Nab ver ——— der
Stuarts (1660) bildet ſich allmählich die Praxis aus,
daß nur einzelne unter den Privy Councillors den
König beraten, und hieraus entjtebt das Syſtem der
—— Kabinettsregierung (j.Cabinet). Einzelne
Abteilungen des Rats befteben weiter oder bilden
ſich für befondere Zwede. Auch werden die Funk—
tionen des Königs noch jetzt formell ſtets «in
Couneil», in ®Wirflileit aber nur in Gegenwart
weniger Privy Councillors auägeübt. Als Ge
——— tritt dieſe Bebörde nicht mehr zu:
ammen (f. auch Privy Council).
e. Die Staatdämter und Gerihtöböfe:
a. die Staatöämter Der Hauptjtaatäbeamte
unter den normann, Rönigen war der Oberrichter
(Justiciar), der während der Abweſenheit des Königs
als Regent fungierte und auch während feiner An
mweienbeit das Haupt der Finanzverwaltung und der
Rebtöpflege war. Das Amt nahm nad dem Falle
des mächtigen Hubert de Burgb (1232) an Würde ab
und wurde nod vor Ende des 13. Jahrh. bejeitigt.
Als Haupt der Juftizverwaltung betbätigt fich in der
Boloe der Kanzler (Chancellor). Ein folder Beamter
jtebt ſchon ſeit Eduard dem Belenner und fungierte
zuerſt nur ald Hauptjchreiber des Königs, wurde aber
allmäbli fein vertrauter Ratgeber, namentlich in
Bezug auf Bittſchriften gegen all ns Beſchlüſſe
der gewoͤhnlichen Gerihtäböfe. Meiſtens dem geiſt⸗
lichen Stande angebörend (nachdem das Amt an
Anſeben ftieg, regelmäßig ein — Prälat)
fuchte er Treu und Glauben im Gegenfaß zu ber
Strenge des Rechts zur Geltung zu bringen. Aus
biejer Funltion entwidelte ra eine regelmäßige Ge:
rihtöbarleit (f. Ib), die den Namen der Billigteitd:
erichts barleit erbielt. F der Regel war und iſt noch
te der Kanzler Bewahrer des großen ur ir das
unter allen wichtigen Staatsurlunden abgebrudt
werden muß, und ift im ganzen Verlauf der engl.
Geſchichte einer der wichtigften Staatöbeamten ge
blieben (ſ. auch Lord Chancellor). Ferner find von
bervorragender Bedeutung die Beamten der Finanz⸗
verwaltung. Eine Abteilung der Curia Regis (im
engem Sinne) war das Schaßamt (Exchequer, ſ. d.),
dem der Treasurer vorjtand, der nach Bejeitigung
bes Amtes des Justiciar ebenfo wie der Chancellor
en Hauptbeamter des Königreihs wurde. Sein
Zitel ift fpäter Lord High Treasurer, und die Nacht
es en war eine jo überwiegende, dab man
bäufig das Amt nicht beiekte und es durch eine aus
mebrern Mitgliedern beitebende Kommiſſion ver:
walten ließ. Seit Wilbelm II. ift dies regelmäßiger
Gebrauch geworden, und das Amt des Lord High
Treasurer wird jebt durch —* Erregern
of Her Majesty’s Treasury verwaltet (im gewöhn:
lihen Sprachgebrauch Lords of the Treasury ge:
of the Treasury, meiftens die Funktion eines Pre
mierminifter® ausübt und die Regierungspartei
im House of Commons leitet, weshalb er aud
als Leiter des Haufes bezeichnet wird. Der zweite
Lord of the Treasury ijt der Chancellor of the
Exchequer, der jebt die eigentlichen Funktionen
eines Finanzminiſters ausübt. Der Präfident des
Council hatte nie eine hervorragende Stellung als
Staatöbeamter. Der Titel findet ſich bereitö nur
Seit Eduards II. Das Amt wird jetzt gemöhnlich
einem boben Adligen verlieben, deſſen Anmwejenbeit
im Kabinett erwunſcht ift, der aber für die regel:
mäßige Xhätigleit ald Haupt eined Zweigs ber
Staatöthätigleit Feine befondere Neigung ober
re bat. Das heute höchſt wichtige Amt eines
taatsjelretärd war früher von untergeorbneter
Bedeutung. Der Selretär des Königs hatte, nad:
dem der Chancellor allmählich wichtigere Befugniſſe
übernommen batte (f. oben), die Korreſpondenz des
Königs zu führen und war mit dem Signet (dem
Privatfiegel, im Gegenfag zu dem groben Staats⸗
im Great Seal, und dem Siegel, mit dem die
päter mit dem Staatäfiegel zu verjebenden Urkuns
den zuerjt verjeben wurden, dem Privy Seal) betraut.
Sein Titel war urſprünglich King’s Clerk (tönigl.
Schreiber), aber bereits zur Zeit Heinrichs II. findet
fih die Bezeihnung King’s Secretary. Unter Hein:
ri VIII. finden ſich zwei ſolche Sefretäre; von dieſer
eit an wird ed auch zur Gewohnbeit, daß wenig:
tens einer von ihnen Mitglied des Privy Council
tft. Unter Elifabeth findet fich zuerft die — 525
nung Principal Secretary of Estate als Titel Sir
Robert Cecils (f. Saliöbury). Die Bedeutung bes
Amtes wächſt namentlich in der zweiten Hälfte des
17. Jahrh. während der die Behandlung der aus⸗
mwärtigen Angelegenheiten die einen Hauptzweig
der Thätigfeit der Staatäfelretäre bildete, beſonders
ſchwierig war. Damals wurden ſämtliche Geſchäfte
von den beiden Selretären beforgt. Erit jeit 1782
ift die Verwaltung der innern von der altung
der auäwärtigen Angelegenbeiten getrennt. Heute
gt es fünf Staatsfelretäre, die verſchiedene
eſſorts haben und im gewöhnlichen Sprachge⸗
brauch nach dieſen bezeichnet werden, als Home
Secretary (für bie innere —— ‚ Foreign
Secretary (für die auswärtigen Angelegenbeiten),
Colonial Secretary (für die Kolonien), Secretary
for India (ne Indien) und Secretary for War für
die Verwaltung der Heeredangelegenbeiten). Der
offizielle Titel eines jeden von ihnen ift aber One
of Her Majesty’s principal Secretaries of State.
Der Übergang von einem Refjort zum andern wird
nit als Antritt eines neuen Amtes angejehen,
weshalb auch ein Mitglied des House of Commons,
das B. die Stellung des Colonial Secretary mit
der Stellung des Home Secretary vertaufcht, feinen
Sitz im Parlament nicht verliert. Der Flotte ftand
früber der Lord High Admiral vor. Ein folder
wird bereits 1385 ernannt, aber erft feit 1405 wird
der Poſten regelmäßig befekt ; 1632 wird zum erſten⸗
mal eine Kommifjion zur Bejekung des Amtes
ernannt. Nah der Miedereinjeßung der Stuarts
wird der Herzog von Work zum Lord High Admiral
ernannt, muß aber 1684 infolge der Teitalte (ſ. d.)
das Amt aufgeben, das er fpäter ala König (f. Ja:
tob II.) wieder übernimmt. Auch Prinz Georg von
Dänemark (der Gemahl der Königin Anna) war
Lord High Admiral, aber feitvem wurde dad Amt,
26
mit Ausnabme der kurzen Zeit, in der es 1827 der
Herzog von Elarence (ver jpätere König Wilhelm IV.)
befleidete, Bm in ähnlicher Weife wie das Amt
des Lord High Treasurer von einer Kommiffion
verwaltet, beren erſtes Mitglied, der First Lord of
the Admiralty, ftet3 Privy Councillor und Mitglied
des Kabinetts iſt. Im egenfab zu den Lords ber
Treasury, die nicht ald Kollegium zufammentreten,
bilden die Mitglieder der Admiralty eine beratende
Körperichaft, die als ſolche alle neuen Maßregeln
begutachtet. Ein der neuern Zeit angebörender
Beamter ift der Präfident der Handelsbehörde.
Nachdem bereit3 unter Erommell eine Kommiffion
für Handel und Schiffahrt ernannt worben war,
wurde 1660 von Karl II. ein Council of Trade ein:
geiekt, der fpäter mit dem Council of Foreign Plan-
tations vereinigt und 1782 auf Grund eines An-
trags von Burke befeitigt wurde. 1686 wurde eine
—— des Privy Council gebildet, die Com-
mittee of Council for Trade genannt, fpäter aber
zu einer getrennten Bebörbe ald Board of Trade
umgeftaltet wurde. Der Form nad iſt der Board
of Trade nod immer eine Abteilung des Privy
Council, die bei Gelegenheit des Regierungsantritt3
jedes neuen Souveräns gebildet wird, und zu der
außer dem Präfidenten der erite Lord of Treasury,
der Chancellor of the Exchequer, die Staatd:
felretäre, der Sprecher des Haufes der Gemeinen
und der ee von Ganterbury gehören. That:
ſächlich aber bejtebt diefes fog. Kollegium nur aus
einer Perſon, nämlich dem Sräfibenten. Eine an:
dere Abteilung des Privy Council ift das 1853 bes
gründete Committee of Council of Education, das
mit der Überwahung des Schulweſens betraut ift.
Diefe Abteilung tritt aber thatſächlich ala Kollegium
ujammen und berät über principielle fragen, die
aufenden Geſchäfte werden von den Vicepräfiden:
ten beforgt; Präfident ift der President ofthe Privy
Council. Neugebildete Bebörden find ferner der
Local Government Board, die Behörde, die Ge:
ſundheits⸗ und Armenweſen überwacht und die Kreis⸗
und ftädtifche Verwaltung beauffichtigt, und die
Bebörbe des Setretärs für Schottland, ferner der
Board of Agriculture (Aderbauminifterium).
B. Die Gerichtshöfe. Es ift bereits erwähnt
worden, daß der lönigl.Rat(Curia Regis) zur Zeit der
normann. Könige neben feinen andern Verugniffen
auch die eines höchſten Gerichtshofs hatte. Diejer
Gerichtshof ſtand über und neben den Gerichtähöfen
in den Provinzen (County Courts, Hundred Courts
u. ſ. w.). Er diente als höchſte Berufungsinftanz
und war ausfchliehlih zuitändig in Saden, bei
denen das Intereſſe des Königs in Frage fam,
ebenjo bei den Streitigkeiten der großen Grund:
berren, die der Gerichtsbarleit der Grafſchaftsge—
richte nicht unterftanden. Er wußte ferner einzu:
reiten, wenn das gewohnheitsrechtliche, ſtreng
ormelle Berfabren der Gerichte auf dem Lande den
ejondern Umjtänden eines Rechtsfalls nidht an—
pepabt werben konnte, indem er den Prozeß in einem
olchen Falle an fih beranzog. Je mehr fi die
Thatigleit dieſes Gerichtshofs entwidelte, deſto not=
wendiger wurde ed, feine Geſchäfte bejondern Mit:
gliedern deö Rats anzuvertrauen. Wahrſcheinlich
waren dies urfprünglich diejelben Perſonen, die ala
Vorſteher der Finanzverwaltung (Exchequer) den
Zitel Barons of the Exchequer und als —*
auch Gerichtsbarleit in Steuerfragen hatten. Hein⸗
rich IL., deſſen zielbewußte Politik es war, die unter
Englifche Berfafjung
feinem Vorgänger zu ſtark angewachſene Macht der
Grundberren zu ſchwächen und die Centralmacht zu
zen wandte jeine Aufmerkfamkeit mit befonderer
orliebe auf die Gerichtöorganifation. Das Wort
Curia Regis nahm unter Regierung den engern
Sinn eined Gerihtähojd an, dem berufämäßige
Richter vorjtanden, fo daß nunmehr zwei Gerichts»
böfe befteben: der Court of Exchequer und bie
Curia Regis. In legterm Gerichtäher wurden, wie
bereits erwähnt, ſowohl Angelegenheiten der Krone
— Coronae) als auch allgemeine Angelegen⸗
eiten (Communia Placita gleich Common Pleas)
verhandelt. Der Gerichtshof war noch immer das
Gericht des Königs, und wenn der König aud nicht
an den Sigungen teilnahm, fo folgte ver Gerichtshof
ihm doch auf feinen Reifen durch das Land. Dadurch
entitand der Mißjtand, dem Artikel 17 der Magna
Charta begegnet, indem er vorjchreibt, daß in der
— die allgemeinen Angelegenheiten an einem be⸗
timmten Orte verhandelt werben ſollen. Infolge⸗
deſſen ſondert ſich ein zweiter Gerichtshof von der
CuriaRegis ab, der Court of Common Pleas. Zur Zeit
Eduards J. hat ſich die Sonderung ber drei Gerichts⸗
böfe vollendet. Die Courts of King's Bench, Com-
mon Pleas und Exchequer haben jeder jeinen eiges
nen Wirkungstreis, und auch das Richterperſonal
ift nunmehr in drei Kollegien eingeteilt. Das Amt
des Justiciar (f. Ic, «), der früber jämtlihen Ges
richten vorjtand, beitand nicht mebr, und es wurden
nunmehr regelmäßig Oberrichter mit dem Titel Chief
Justice of the King’s Bench und Chief Justice of
the Common Pleas ernannt, feit Eduard II. auch
Chief Barons of the Exchequer. Damit find die
drei gemeinrechtlichen Gerichtäböfe endgültig fon:
ftituiert und beſtehen bis 1875 obne weſentliche Ver⸗
änderungen fort (j. Court). Wenn aud bie Magna
Charta nur die Zofalifierung berCommon Pleas ver:
langt, wurbe es doch bald Gebrauch für alle Gerichts:
böfe, in Weſtminſter zu tagen. Die Richter wurden
aber außerdem auf Rundreifen in die ———
ſchidt. Das Inſtitut der reiſenden Richter, deſſen
Spuren ſich bereits unter Heinrich I. finden, wird
definitiv eingeführt dur den thatkräftigen Hein:
rich IL, deſſen Streben eö war, die Macht des Adels,
der in ben County Courts großen Einfluß batte,
zu ſchwächen. Dur den 19. Artifel ver Magna
Charta wird das Inſtitut von neuem bejeftigt, in-
dem bejtimmt wird, daß zwei Richter jede Grafſchaft
viermal im Jabre befuchen jollen. Die reifenden
Richter bilden das Bindeglied zwiſchen den Fönigl.
Gerichten und den Vollägerichten (County Courts),
ngieren aber weiter, nachdem leßtere bedeutungs⸗
08 geworden find, und machen es noch heute *
die Bewohner der Provinzen moglich, ihre Streitig⸗
keiten den hervorragendſten Juftizbeamten des Lan⸗
des zur Entſcheidung zu unterbreiten, ohne bie
Grafſchaft zu verlafjen (f. Court). Nachdem die ge:
meinrectlibe Gerichtsbarkeit des Königs auf die
erwähnten Gerichtshöfe übergegangen war, fuchte
er weiter durch Vermittelung des Kanzlerd in bie
Rechtſprechung einzugreifen. Es ift bereit3 erwähnt
worden, daß ſich auc bieraus eine regelmäßige von
der perfönlihen Willtür des Königs unabhängige
Gerichtsbarkeit, die ſog. Billigleitägerichtsbarteit
entwidelte, und es ift ebenfo erwähnt worben, daß
fodann der König mit Hilfe des Privy Council eine
über den regelmäßigen Gerichten ſtehende richter:
lihe Macht T behaupten juchte. 1641 wurde jedoch
der Court of Star Chamber (f. Sternfammer) und
Englische Verfaffung
überhaupt die Gericht3barteit des Königs und des
Privy Council definitiv befeitigt, jedoch nur in Bes
pie auf England und auf die weltlihe Gerichtö-
arleit. Für Berufungen aus den Kolonien und
aus den geiftlihen Gerichtöböfen ift das Pri
Council noch immer die höchſte Inſtanz, aber au
bier bat fich jest in dem Judicial Committee ein
regelmäßiger Gerichtähof ausgebildet, der von dem
periönlihen Einfluß des Souveräns ebenfo unab-
bängig ift wie die andern Gerichtshöfe. Die Act of
Settlement (f.d.) befeftigte die Stellung der Richter,
indem fie vorjchrieb, daß jie nur — Grund einer von
beiden Parlamentshäuſern ausgehenden Adreſſe an
den Souverän entlaſſen werben können.
I. Das Barlament. Die Verſammlung, diezur
Zeit der normann. Könige und der Blantagenets
vor Eduard I. von dem Könige bei den größern
Regierungdbandlungen zu Rate gezogen wurde, be⸗
ftand in der Regel aus den Prälaten, den bödjten
Beamten und den großen Grundherren. Der Name
Barlament für diete Berfjammlung wird von einem
fin per 1246 angewandt; im Gegenjaß
Zeitgenoſſ
zu dieſer Verſammlung ſtehen die Verſammlungen
der Kronvaſallen für die Zwede der Beſteuerung.
Die Geſamtheit der Kronvaſallen iſt die Communi-
tas Remi, die nach der Magna Charta die außer:
ordentlichen lehnsrechtlichen Abgaben zu billigen
bat. Sie entwidelt jih fpäter zu einem der Reichs⸗
ftände (Estates of the realm), ebenjo wie die Geiſt⸗
lichkeit, die ebenfall3 als getrennte Körperſchaft tagt
und Steuern bewilligt. Da ſich die Prälaten jo-
mobl wie aud die weltlihen Magnaten bereits im
eigentliben Reichdrate vereinigten, beitanden bie
andern Berjammlungen nur aus der niedern Geift:
lichkeit und aus den kleinern Kronvajallen, die im
13. Yabrb. nicht mebr Barones minores, ſondern
Knights (Ritter) ofthe Shire genannt werden. Die
Knights of the Shire tagen häufig gleichzeitig mit
dem eigentlihen Barlament und werden ur bier
und da zu polit. Beratungen zugezogen. So er:
fcheinen bereit 1213, alfo vor der Magna Charta,
«vier verjtändige Ritter» aus jeder Graficaft, die
mit dem wantelmütigen Johann über die Entſchä—
digung an die Bijchöfe nach Beendigung des großen
tirhlicen Streits, aber auch im nn über die
Lage des Landes beraten follen. So werden 1254,
hr ha der Abmejenbeit Heinrichs II. in Frant:
reich, zwei «rechtliche und verftändige» Ritter aus
jeder Grafihaft nah Weftminiter berufen, wo zur
Zeit das Parlament tagte. Bei dem von Simon
von Montfort 1265 berufenen Barlament erfcheinen
zum erjtenmal aud Vertreter der Städte. Das
Syſtem ber Vertretung, das fi in den Verfamm:
lungen der Geiftlichleit und der Knights nunmehr
gan eingebürgert batte, war ben engl. Vollsgewohn⸗
eiten überhaupt nicht fremd; bereits zur angelſächſ.
* erſcheinen in den Grafſchaftsverſammlungen
ſtatt ſämtlicher Geeleien der Amtmann (Reeve)
eder Gemeinde (Township) mit vier Männern als
Bertreter ber Gemeindegenojjen. Nach der Magna
Charta (Art. 18) joll jede a nigra
vier Männer erwäblen, die zujammen mit ben reis
ſenden Richtern gewiſſe Prozejie zu leiten haben.
Für die Verteilung der Steuern (3. B. bei der 1188
nah dem Fall von Jeruſalem bewilligten Saladin
Tithe) und ebenſo in der Eigenſchaft der für ge
riptliche Zwecke beitellten Geſchworenen (juratores)
fungieren bereit unter Heinrih II. erwählte Ber:
treter der Grafſchaft. Da die Berufung der Hleinern
27
Kronvafallen zu den fteuerbewilligenden Verſamm⸗
lungen nad} der Magna Charta durd ga
der jeder Grafſchaft vorſtehenden Sheriffs zu erfol⸗
gen hatte, lag es nahe, das in der Graſſchafts⸗
organifation jo vielfach verwendete Repräſentations⸗
am auch bier anzumenden, und bie Vertreter der
Knights of the Shire in den Grafſchaftsverſamm⸗
lungen zu erwählen. Die Wahl ver Mitglieder des
House of Commons, die noch heute vom Sheriff in
jeder Grafjchaft geleitet wird, ift von diefem Ver:
—— ausgegangen. Auch bei den Verſammlungen
der Geiſtlichen bildet ſich das Syſtem der Vertretung
im 13. Jahrh. aus. Das erſte Beifpiel findet ſich in
der 1225 von dem Erzbifchof Stephen Langton be:
rufenen Verfammlung. 1295 tagen zum erjtenmal
die drei Reichsſtände zufammen in einem Parla:
ment, dem 68 Model Parliament Eduards J. Die:
fer Monarch vereinigte dauernd die jteuerbemilligen»
den Verfammlungen der Kronvafallen und der Geift-
lichkeit mit den polit. Verfammlungen des Tönigl.
Rats, indem er zuerit den Grundſatz ausſprach, daß
was alle berührt, au von allen gebilligt werben
folle. Damit war die Orundlage die weitere Ent:
widlung gefunden (über dieſelbe |. Commons, House
of, und Lords, House of). Es entwidelte ih: 1)das
Recht der Steuerbemwilligung, indem die Steuern
den Charakter lehnörechtliher Abgaben verloren
und den Charalter von Beiträgen zu den Staatsaus⸗
gaben erhielten, und infolgedefjen auch das Recht
der Kontrolle über die Staat3ausgaben (f. unten);
2) das Recht der Geſetzgebung, anfangs konkurrie⸗
rend mit dem Souverän, ſeit 1610 ausſchließlich
dem Parlament vorbehalten; 3) weit jpäter erit
und nur ſehr langfam das Recht der Kontrolle über
die Erekutive (erited Beiſpiel: Unterfuhung über
den Krieg in Irland 1689, über die weitere Ent:
widlung j. Cabinet). Nachdem die Geiftlichkeit ihre
Beteiligung an den Barlamentäverjammlungen nad
kurzer Beit wieder eingeitellt hatte, und nachdem auch
ihre Brovinzialverfammlungen feit 1665 nicht mebr
den Zweden des Staatshaushalts dienten, giebt
es nur zwei Reichsſtände: die Lords (zu denen die
Mehrzahl der Biſchöfe gehört) und die Commons.
Souverän, Lords und Commons zufammen bilden
beute das Parlament.
II. Finanz: und Steuerwejen. Die Finans
zen des Staates find zur Zeit der normann. Erobe:
rung identiſch mit den Finanzen des Königs. Als
oberiter Lehnshert beziebt er die regelmäßigen Ge:
Ye und die Einnahmen jeiner®erichtäbarteit. Dazu
ommen im Laufe der Zeit gewijje außerordentliche
Einnahmen, nämlich: Schildgeld (scutage), das
von den Ritterlehen ald Erſatß des Dienites im
Lehnsheer erboben wird (von Heinrich II. feit 1159
regelmäßig eingeführt); 2) eine Abgabe, die im Ver:
hältnis zum Grundbelig in ähnlicher Weiſe wie das
früher übliche Danegeld erhoben wurde und von
Heinrih II. ald donum —— Abgabe), von
Richard Löwenherz als carucage bezeichnet wurde;
3) für beſtimmte Zwecke wurde auch eine Quote des
beweglichen Vermögens von den Beteiligten bemil:
ligt fo j. B. die Saladin Tithe nad dem Fall von
Serujalem 1188; das Viertel für Richards Löſegeld
1193 u. |. w.); 4) der —— die auf dem Lande
an die Stelle des Danegelds trat, entſprach in den
Städten das ſog. Hilfsgeld, auxilium, ſpäter tallage
enannt, das bereits unter Heinrich J. vorlommt.
uf dieſe außerordentlichen Abgaben benieht ſich die
befannte Stelle in der Magna Charta, die jagt, daß
28
scutage und auxilium (abgejehen von drei beitimm:
ten Fällen) nur nad allgemeiner Beratung (per
commune consilium regni nostri) zu erheben find.
Der betreffende Artikel wurde von Heinrich ILL. wie:
ber bejeitigt und blieb aud bei den fpäter erfol:
genden Beitätigungen bes großen Freibriefs weg;
Iebodı bat die von Eduard I. 1297 erlafjene Con-
atio Chartarum eine viel weiter gehende Klauſel,
deren Bedeutung auch dadurd erhöht wird, daß die
Verſammlung der Kronvajallen inzwiſchen zu einem
regelmäßigen Beitandteil des Parlaments gewor:
den war. Die betreffende Klaufel erwähnt indefien
nicht außbrüdlich das oben erwähnte tallage, das
fodann aub von Eduard I. (1301), Eduard IL.
(1312) und Eduard III. (1332) ohne Genehmigung
des Parlaments erhoben wurde. Ein Gejek von
1340 beftimmt ſchließlich, daß überhaupt keine Steuer
ohne parlamentarijche —— zu erheben ſei.
Neben den erwähnten direlten Steuern wurden
chon zur Zeit der normann. Könige Zölle erhoben,
insbejondere auf Wein und Wolle, Die Zölle wer:
den in der Magna Charta (Art. 41) als antiquae et
rectae consuetudines bezeichnet, die zu erheben
find, jedoch obne alle Erpreffung (sine omnibus
maletoltis), Unter Eduard I. entmwidelte fich die
Bedeutung der Zölle auf Wolle als Einnahme:
quelle, und es wurden ſowohl von diefem Könige
als von feinen beiden nächſten Nachfolgern aud
—— e Zölle ohne parlamentariſche Ge
nehmigung erhoben, mandmal jevod mit Geneb:
m ung der beteiligten Kaufleute; 1371 wurde in-
deffen eitimmt, daß Zölle auf Wolle ohne Geneb:
migung des Parlaments felbjt mit Zuftimmung
der Kaufleute nicht mehr zu erbeben jeien. 1373
werben Zonnengeld und Pfundgeld (tonnage and
undage), d. b. die ſchon in früherer Zeit üblichen
ölle auf Wein und Kaufmannäware vom Par:
lament auf zwei Jabre bemilligt, und bilden in der
olge eine regelmäßig vom Parlament genehmigte
teuer. Während die andern der Genehmigung des
Parlaments bedürftigen Abgaben zu dieſer Zeit ſtets
für einen beſondern Zwech genehmigt wurden, wurden
tonnage und poundage im allgemeinen bewilligt
«für die Landesverteidigung und die Bewachung
und Beſchutzung der Meere und für die Sicherheit
der Ein: und Ausfuhr von Maren», und zwar an:
fangs auf eine beitimmte Anzahl von —* ſeit
Heinrich V. (1413) bis zum Regierungsantritt
Karls J. (1625) ſtets auf Lebenszeit des Souveräng,
Die zuerſt erwähnten außerordentlichen Einnab:
men aus direlten Steuern bilden bereits eine fiber:
gangsſtufe zwijchen den Abgaben, die die Kron:
vaſallen als ſolche zu leiten hatten, und einer all-
gemeinen Landesbeiteuerung, und feit Eduard I.
tritt die legtere Cigenihaft in den Vordergrund;
auch fuchte der lekterwähnte Monarch vorzugsmeife
aud den Iog: parlamentarifhen Abgaben die Aus:
gaben des Staatöhaushalts zu beitreiten und de
weniger auf die regelmäßigen lehnsrechtlichen Ge
älle zu_verlafien. Unter feinen Nadfolgern be
eitigte fi) die erwähnte Tendenz noch weiter. Im
esten Regierun 2. Eduard II. (1377) wird
eine allgemeine Herditeuer (polltax) bewilligt, eine
Steuer, die den Gedanten einer Beitragspflicht zu
den Staatöausgaben, im Gegenſatz zur lehnsrecht⸗
lichen Verpflihtung, am deutlichiten ausprüdt.
Berjuce einer Kontrolle über die Verwendung
derbemilligten Gelder finden ſich bereitöim 13. Jahrh.
1237 fucht Heinrich IIL. die Barone zu einer Geld:
Engliſche Verfaſſung
—— dadurch zu bewegen, daß er ſich mit der
Verwaltung der Gelder durch eine vom Staatsrate
ernannte Kommiſſion einverſtanden erklärt; 1244
ſuchen die Magnaten eine Geldbewilligung von
einer ähnlichen Bedingung abhängig zu machen.
Eine ähnliche Tendenz bat die von den Lords Or-
dainers unter Gduard II. erlaffene Beitimmung,
daß bie Zölle in die Staatslaſſe (Exchequer) ein-
zuzablen jeien, Die Kriege Eduards II. ın Frank⸗
reih und die mit diefen zufammenhängende Ber:
mebrung der Staat3ausgaben veranlafjen das Bars
lament, über die Vermendungsmeije der Gelder zus
glich mit ihrer Bewilligung zu beitimmen. Das
eitreben, auch die Bıauunesahlane über die
Ausgaben dur einen dem Parlament verantwort:
lihen Schakmeifter prüfen zu lafjen, wurde erjt nach
dem Negierungsantritt Richards II. von Erfolg ge⸗
trönt. Obgleich nachher Heinrih IV. gegen das
Spitem Widerſpruch erhob (er fagte: «Ftönige legen
nit Rechnung ab»), wurde ed nach wiederholten
Kämpfen 1406 endgültig eingeführt und von den
Zungen aus dem Haufe Yancaiter jtreng beobachtet.
Die Kriege der Rojen in der zweiten Hälfte des
15. Jahrh. braten einen Zuitand der Verwirrung,
in dem die erwähnten Grundſätze in Bergefienheit
gerieten. Unter den Tudors waren die Parlamente
au knechtiſch und unterwürfig, um fie wieder zur
eltung zu bringen, Inzwiſchen war auch ein neues
Spitem aufgelommen, durd das die Könige ſich
Geld zu verihaffen wußten. Schon früber batten
fie died durch Zwangsanleihen verſucht, und ein
Geſetz Eduards IH. richtet fih gegen dieſe; doc
fommen fie unter den Königen aus dem Haufe Wort
unter dem Namen der Benevolences wieder auf.
Obgleich auch die Benevolences durch ein Gefek
Richards IL. befeitigt wurden, wurden fie doc
wiederum von den Tudors angewandt und erjt burch
die Petition of right (f. d.) befeitigt. Der letzte
Verſuch, eine nit vom Parlament genehmigte
Steuer zu erbeben, wurde von Karl I. auf Vorſchlag
feines Kronanmalts Sir William Noy gemacht, der
einen alten Gebraud ausfindig gemacht hatte, wo⸗
nad) die Seeftädte verpflichtet waren, auf Verlangen
des Königs eine Flotte auszurüften oder eventuell
die dazu erforderlihen Gelder beizuiteuern, Die
Dppofition gen die bierauf erfolgenden Maß:
regeln, die Weigerung Hampdens und anderer, das
fog. Ship-money zu zablen, das joppikeifene Urteil
der Majorität der Richter über die Gefeklichleit der
Steuer waren zum großen Teile die Urſache der dar⸗
auf folgenden Enttbronung und Enthauptung des
Königs. Nach der Reitauration der Stuartö 1660 bes
innt die Entwidlung, die dem engl. rg ng 55
fine noch jeht bejtebende Geitalt a eben bat. Die
ebnärehtlihen Abgaben werben Heiti t und an
ihre Stelle die Acciſe (Excise), d. b. eine Abgabe auf
inländiijhe Erzeugniſſe, wie Malz, Branntwein
u. ſ. m., eingeführt. Das Recht des Parlaments,
über die Verwendung der Gelder zu beitimmen und
die Rechnungen zu fontrollieren, lebt wieder auf und
wird vondaan has anerfannt (j. Commons, House
of). Der nächſte Schritt war, auch über die Ver:
wendung ber jog. erblichen Einkünfte, beitebend
aus den Erträgnifjen der Kronländer und ber jtatt
der lehnsrechtlichen Abgaben eingeführten Ercife,
Beitimmungen zu treffen. E3 geſchah dies bei Wil:
helms III. und Marias Regierungsantritt (1689),
Damit wurde bewirkt, dab in der Folge auch für
die perjönliben Ausgaben ded Souveräns eine
Engliſche Verfaſſung
Grenze beitimmt wurde. Bei dem Regierungsantritt
Geotgs III. wurden die erblichen Einkünfte an ven
Staat abgetreten und dagegen eine beitimmte
Summe, die jog. Civil List (Eivillifte, ſ. d.), für
den König auögejeßt.
Bereits 1407 war es feftgeitellt worden, daß alle
Geieke, die fih auf Gelbbewilligungen bezieben, in
eriter Zinie dem House of Commons unterbreitet
werden müflen, 1671 wurde ferner beitimmt, daß
Geſetze, die die Staatäfinanzen betreffen, vom
House of Lords nicht abgeändert werben dürfen.
1664 wurbe beſtimmt, daß bie Geiftlihen ebenſo
wie die Laien die allgemeinen Steuern zu bezahlen
baben, und die getrennte Bejteuerung der Geiſtlich⸗
teit bört von nun an auf.
IV. Die Bermwaltungder Graffhaftenund
der kleinern Berbände. Das Wachstum der
Eentralgewalt und der Macht der Grundberren
madt ſich zur Zeit der normann. Könige aud in
Par auf die altung auf dem Lande in viel:
facher Weiſe bemertlih und verändert die Geftalt
und die Funktionen der Gemeinde (Township,
Villa), des Bezirtö (Hundred) und der Grafſchafi
(Shire). Das Gemeindegericht wird nun zum Ge:
richt des Grundberrn (Court Baron), wo über
unmictige Streitigleiten verhandelt wird. Daneben
bleibt aber die Gemeindeverfammlung (Town-gemot)
für andere Zmede beſtehen. Sie wählt den Ge
meindevoriteber (Reeve) und die vier Männer, die
als Bertreter der Gemeinde in den Bezirks- und
Grafibaftsverfammlungen erfheinen (mit Auss
nabme jevod von ben Fällen, wo die Gemeinde
mitglieder in abbängigem Verhältnis zum Lord
fteben, dort ernennt der lektere den Reeve). Da:
neben fungiert die Gemeinde ald Organ der grö-
Sern Verbände und bat in deren Auftrage Steuern
einzutreiben, Verbrecher zu verfolgen und —
Sachen ausfindig zu machen. Pit der Townshi
identiſch waren zur angelſächſ. Zeit wabriceinlig
die Zehnſchaften, Tithings, an die antnüpfend die
normann, Könige das Inſtitut der Geſamtburgſchaft
einführen; jeder freie Diann foll demnach einer Zehn:
ſchaft angebören, die für jedes ihrer Mitglieder
itrafrechtlich haftet und infolgedeſſen aud Aufficht
über fie ausübt. Der Sheriff bat auf feinen Rund:
reijen die Ausführung diejer Beitimmungen zu fons
trollieren. Es geſchieht dies einmal jährlich in der
erſammlung des Hundred. Es iſt dies die ſog.
view of frankpledge.
Größere Wictigteit ald die Landgemeinden haben
die organijierten Städte, bie jog. Boroughs und
Cities, meiſtens urfprünglib au3 mebrern Town-
ships zuſammengeſetzt (legtere beſtehen für einzelne
mwede weiter und erijtieren teilmeife beute noch ala
lieder im Gejamtorganigmus). Dieje Boroughs
und Cities nehmen in der normann. Zeit ſehr an
Bedeutung zu. Die Stadt London fteht vereinzelt
ba, da fie bereitö frühzeitig aus dem Grafichatte
verband herausgeriſſen und ähnlich wie eine jelb:
tändige Grafſchaft organifiert war. Die Verfaſſung
der andern Städte gleicht mehr der Verfaſſung eines
Hundred al3 derjenigen einer Gemeinde. Die mei:
tten Städte ftehen in unmittelbarem Lehnsverhält⸗
nie zum König; mo dies der Fall ift, erhalten fie
ifr Korporationsrecht dur Tönigl. Sreibrief; mo
he unter einem Lord ſtehen, verteilt diejer die Pri⸗
tilgien. Abgejeben von einzelnen Ausnahmen bat
det Sheriff in den Städten diejelbe Gewalt, wie in
den übrigen Teilen der Grafſchaft; um aber nicht in
29
ungerechter Weife zu den Steuerlaiten zugezogen zu
werben, ſetzen die Städte es vielfach durch, ne: ie
als beſondere Einheit beiteuert werden und die Ber
teilung der Steuern unter die Bürger felbitändi
ee Bi Die Entwidlung der Jnnungen jpielt
eine wichtige Rolle in der Geſchichte der Städte,
und fie haben jedenfall3 in hohem Maße dazu bei-
go en, die jtäbtijche Selbitändigfeit zu befördern.
ine Lolemers wichtige Rolle fpielt die — der
Kaufleute, infolge ihres großen Grundbeliges und
der hervorragenden Stellung ihrer Mitglieder.
Häufig wird den Städten das Privileg eines Court
Leet erteilt, worin leichtere Straffadhen vor den
Freiſaſſen verhandelt werben. Im übrigen find in
den meiſten Städten die Bürger zur Teilnahme an
dem Grafichaftögericht verpflichtet. Das Hundred
bat in der normann. Zeit nicht mehr diejelbe Be:
deutung wie früher. Die Hundred Courts waren zu⸗
ftändig in kleinern —— doch iſt ihre Ge⸗
richtsbarkeit vielfach durchbrochen durch die Gerichts⸗
barkeit der Grundherren mit ihrem Court Baron
x Civilſachen und Court Leet für Strafſachen.
er Court Leet mußte ſtets beſonders verliehen
werden. Wo dies nicht der Fall war, wurden Straf:
ſachen im Hundred Court bei Gelegenheit der von
den normann. Rönigen eingeführten Rundreiſe des
Sheriff (Sheriff’s tourn) verhandelt und teilmeije
gleich abgeurteilt, teilmeife an das Grafſchaftsgericht
verwieſen. Jährlich einmal bielt der Sheriff im Ber:
* dieſer Rundreiſe die view of ledge.
ährend die Bedeutung der Township und des
Hundred zur normann. Zeit abnimmt, erhält die
Grafihaft erhöhte Bedeutung, weil fie das Mit-
telglied zwiſchen der jelbftändigen lotalen Verwal⸗
tung und der königl. Verwaltung bildet. Bei Ge:
legenbeit des Beſuchs der reifenden Richter jollen
in der Gra ————— erſcheinen: die Prä⸗
laten und Großen des Landes und alle Ritter und
Sreitaflen, außerdem vier freie Männer aus jeder
emeinde mit dem Gemeindevoriteber und zwölf
freie Männer aus jeder Stadt. Vom Erſcheinen bet
den gewöhnlichen monatlich jtattfindenden Verſamm⸗
lungen find indefien viele teild durch Privileg be:
freit, teils gewohnheitsmäßig abweſend; regelmäßig
erſcheinen nur die Gemeindevertreter und die Ber:
onen, die bei den gerabe vorliegenden Angelegen:
eiten beteiligt find. In diefen gewöhnlichen Ber:
ammlungen fommen außer den Prozeſſen (vie jeit
Heinrich II. vielfach bis zum Beſuch der reifenden
Richter vertagt werden mußten) Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtöbarteit vor (Auflafjungen, Be:
urlundung von Rechtsgeſchäften u. j. w.), ferner
Angelegenbeiten der Verwaltung und der Polizei,
Wahlen von Vertretern für verſchiedene Zwede u. ſ. w.
An die Grafſchaft als Einheit 3* ſich das durch
die normann. Könige eingeführte Syſtem des ſog.
inquest by oath, d. b der Unterfuchung über that⸗
ſächliche oder rechtliche Zuſtände durch beeidigte Ver:
treter. Dasfelbe wird bereit3 1085 angewandt I
die Zmede der Landesvermeflung und Statijtik
(f. Domesday-book), ſpäter aud für die Verteilung
der Steuern, fchlieklib für die Ermittelung der
Thatſachen bei gewiſſen Prozefien, die von den reis
fenden Richtern verhandelt werden. Heinrich II.
wußte auf dieſe Art feine fönigl. Gerichtsbarkeit
opulär zu machen, da die Parteien das neue Ver:
a der plumpen Methode des Zmeilampfes vor:
ogen, die im Vollögericht vor dem Sheriff und dem
—* — angewandt wurde. Ebenſo führte Hein—
30
cich II. die fog. Jury of presentment ein, die An:
tlagejury, die verbächtige Perfonen vor den Sheriff
zu bringen hatte. Wohl um dem Einflufje, den
der König durch die reifenben Richter in den Graf:
{haften gewann, entgegenzumwirfen, verſuchte man
zu wiederholten malen, die Ernennung der Sheriffs
dem Könige zu entziehen; Eduard I. gab 1300 durch
die Articuli super Chartas der Grafſchaftsverſamm⸗
lung das Recht der Wahl, doch wurde dieſe Ver:
günjtigung, ebenfo wie die gleiche von Eduard II.
1338 bemilligte, bald mwieber — Hingegen
wird bereits 1258 beſtimmt, dab der Sheriff ein
eifafle der Grafihaft fein muß und nur auf ein
ahr wählbar iſt. Der Sheriff verliert dadurch den
harakter eines königl. Beamten, und fein Amt pe
drt von da an zu den Einrichtungen der lofalen
elbitverwaltung, wenn er auch weiter vom Könige
ernannt wird. Zu erwähnen iſt no, daß gewiſſe
Gebiete aus der Grafſchaft —— wurden,
indem einzelnen beſonders mächtigen Baronen da⸗
ſelbſt das Recht der Gerichtsbarleit und Verwaltung
unter Befreiung von der Gerichtöfolge bei dem
——— t verliehen wurde. Dieſe Landes⸗
teile heißen Liberties oder Honors.
Eine große Rolle im Leben der Grafſchaft ſpielt
das Inſtitut der Justices of the Peace (f. d.). Be:
reits im 18. (und fogar ſchon Ende des 12.) Jahrh.
finden fich zeitweile jog. custodes oder conserva-
tores pacis, angejebene Leute aus der Grafſchaft,
die, manchmal durch fönigl. Ernennung, manchmal
durch Wahl in der Grafihaftsverfammlung berufen,
der Friedensbewahrung und Bolizeiverwaltung ihrer
Grafihaft vorzuftehen hatten. Bei dem Regierungs:
antrıtt Eduards IIL. (1827) werben wieder derartige
Beamte ernannt, und dies geichiebt zu wiederholten
malen während feiner Regierung, fo z. B. in feinem
18. Regierungsjahre, wo den Friedensbewahrern
aud die Beitrafung von Verbrechern übertragen
wird. Als regelmäßiges Glied in den Organis:
mus der Provinzialverwaltung tritt dad Ehrenamt
der Friedensbewahrer erſt 1360. Das in diefem
Sabre erlafjene Gejek enthält ausführliche Beitim:
mungen über ihre Ernennung und Befugniffe, die
— Teil noch heute in Aral find._ Zwei Jahre
päter werden die vierteljährlihen Sikungen ein:
geführt, die noch heute unter der Benennung Quar-
ter Sessions als ſtrafrechtliche Gerihtöböfe regel:
ei tagen ( Justice of the Peace; über das
Schuldig oder Nichtſchuldig entſcheidet die Jury, in
den Städten tritt häufig ein Recorder [f. d.] an die
Stelle der Friedensridter). So entiteht das Inſtitut
der Friedensrichter (Justices of the Peace), wenn
aud die jeßt eingebürgerte Benennung erjt etwas
fpäter vorlommt. Im Zufammenhang mit ihren
polizeilihen Befugniſſen entwideln ſich verſchie—
dene andere Obliegenheiten auf dem Gebiete der
Verwaltung. Dabin gehört z. B. die Fürſorge für
den Brüdenbau und die Erhaltung der Brüden mit
der Berehtigung, für diefen Zweck von den Ein:
wobnern gig teuern zu erbeben, die
ihnen durch ein unter Heinrich . (1543) erlafle
nes Geſetz übertragen wird; ferner die durch das
Gejeb der Königin Elifabetb (1601) eingeführte
Aufficht über das — und die damit zu:
—— Befugniſſe auf dem Gebiete der
eſteuerung. Ebenſo ermächtigt ein Geſetz Wil:
helms IIL (1698) die Justices of the Peace, Gefäng:
niſſe Ein bauen und zu diefem Zwede Steuern der
betrefjenden Grafichaft aufzuerlegen. Als 1739 die
Englifche Verfafjung
ür die verfchiedenen genannten und einige andere
mwede gejondert einzutreibenden Steuern zujam-
men in einer County Rate zu erheben, ift die lim:
wanblung vollendet. Die Justices of the Peace, in
Quarter Sessions verfammelt, find nunmehr nicht
allein ftrafrechtliher Gerichtshof und Oberpolizeis
behörde der Grafſchaft, jondern aud ein Hauptalied
im lofalen Verwaltungsorganismus. Daß die Tas
gungen der lönigl. Aififenrichter eigentlih Sikungen
der alten angelſächſ. —— chaftsverſamm ——
(ii wre dur Geſetz ermächtigt werben, die
vergegenmwärtigte man ſich nicht mehr; ebenjomenig
daß die Wahl der Vertreter der Grafſchaft für das
Parlament oder der Coroners (ſ. d.) dem Namen
nad in_einer ſolchen Verſammlung ftattfand; aber
in den Sikungen der Quarter Sessions fam die In⸗
dividualitätder Grafſchaft in —— Weiſe
ur Geltung. So war an die Stelle der Verſamm—
ung fämtliher Freiſaſſen oder ihrer Vertreter das
Kollegium der Justices getreten, gebildet aus an:
gefebenen Grundbefigern, die vom Könige ernannt
wurden. Aus dem Verband ber Grafihaft find
vielfach die Städte herausgeriſſen. Wie weit ihre
felbitändigen Berechtigungen gingen, bing früher
von den Beitimmungen bes Freibriefs ab, ber ihnen
Korporationsrechte verlieh. Auch fie haben teilweije
ihre Justices of the Peace, wenn der König ſolche
ernennt, die indeſſen nicht ald Strafgerichtsbof zu=
jammentreten; wenn ber Freibrief zugleich einer
Stadt das Privileg eines Court of Quarter Sessions
erteilt, jo hat ein von der Stadt ernannter Stabt:-
richter (Recorder) diejem Gerichtshof —
Unterſte Einheit des Organismus iſt das Kirchſpiel
(Parish, ſ. d.) An die angelſächſ. Township lebnte
ih das Kirchſpiel ala firhlihe Einheit an, und
ale firhlihe Einheit wurde wiederum von dem
Geſetz der Königin Eliſabeth über Armenmeien
(1. Poor Law) für weltliche Zwede benugt, bis ſich
allmählich das bürgerliche Kirchſpiel von dem kirch⸗
lien jonderte. Das bürgerliche Kirchſpiel bat auch
Pflihten und Befugnifie in Bezug auf die Unter:
baltung öffentliher Wege (f. Wegeorbnungen).
Neben den Behörden der Grafihaft und des
Kirchſpiels entjtehen allmählich ferner eine Anzahl
von Behörden, deren Bezirke in ——
Weiſe abgegrenzt find, ſo daß ein Ort für einen Zweck
IS dem, für andere Zwede zu jenem Bezirle gebört.
abin gehören die Behörden für Armenweſen (f.
Poor Law), für Geſundheitsweſen (j. Health Acts),
für öffentliche Wege (j. Wegeordnungen), für Schul:
weſen (f. School Boards). Die Einführung der be:
foldeten Bolizeitontingente (f. Constable) hat ferner
eine Hierardie von Beamten un! dieſem Gebiete
geſchaffen. So ift die lolale Verwaltung in England
entitanden, wie alle engl. Einrichtungen, ftüdweiie
nah Bedürfnis unter Benugung alter Inſtitutio—
nen, wenn es zwedmäßig ſchien, aud wenn ihre
uriprünglide Beitimmung eine andere war, unter
Schaffung neuer, wenn died im Augenblid vor:
gezogen wurde, ohne Rüdfiht auf die Symmetrie
des Ganzen. Wenn troß bdiefer —— igkeit
und der —8* aus ihr ergebenden vielfachen Kraft⸗
vergeudung dennoch im ganzen das Reſultat ein
günſtiges war, ſo iſt das in nicht geringem Maße
das Verdienſt des lebhaften Sinnes für das öffent—
lihe Wohl und aud für das Wohl der Iotalen Gin:
beit, der den Engländer lennzeichnet.
isher hatte die lofale Verwaltung einen vorwie:
gend ariftofratifchen Charalter. Seit einigen Jahren
Engliſchgelb — Englijch-Horn
it indeſen ein volllommener Syſtemwechſel eingetre⸗
ten. Nachdem die ſtädtiſchen Körperſchaften durch die
Geiesgebung von 1835 bis 1882 auf demokratiſcher
Grundlage umgeitaltet waren, bat 1888 die Local
Government Act die jämtlihen Berwaltungsbefug-
niſſe der Justices of the Peace aufdieneugef Baflenen
von den Steuerzablern gemäblten County Councils
(1.d.) übertragen; nur die Bolizeiverwaltung ift nicht
ganz den Friedensrichtern entzogen; abgefehen von
diejer bleiben ihnen nur die Befugniffe auf dem Ge:
biete der us e und einige halb richterliche,
balb verwaltende eh nifje. Die District Couneils
unb Parish Councils (}. d.), welche durch die Local
Government Act von 1894 zur Ergänzung der
County Councils eingerichtet And, baben ſeitdem
die meiften Funktionen der obengenannten ver:
ſchiedenartigen Behörden an ſich gezogen.
Die obige Darftellung bat die Entſiehung und Ent:
widiung der Faktoren geichilvert,diejekt in die E. V.
und Berwaltung eingreifen. Unerwäbhnt ift dabei
vie Entſtehung und Entwidlung der ſtaatsrecht—
lichen Grundjäße geblieben, die das Verhältnis
des Einzelnen zur Staatögewalt regeln und *
vie freie saraung feines Weſens und feiner An:
ſchauungen jichern. Dieje Grundfäße ergeben ſich
teilmeije von jelbit aus der Natur des Staatsorga⸗
nismus, namentlich aus der mächtigen Stellung der
tönigl. Gerichtähöfe. Das beitändig hemortretende
Streben der Könige, die Macht der Bajallen in
Grenzen zu balten, fam, mie oben gejagt, auch
durch das Inſtitut der königl. reifenden Richter zur
Geltung, die ungeftört von den Einflüffen lolaler
Mapnaten Recht nah allgemeinen Grundfägen
ſprechen und jo den Gedanten, daß Leben, Freibeit
und Gut der Landesbewohner nicht von der Willkür
Einzelner abhängen, fondern unter dem Schuß der
Rechtsordnung jteben, in allen Teilen des Landes
befeitigten. Wurde auf dieje Weife das — —
deſpotiſcher Territorialherren verhindert, jo wurde
andererſeits die unbegrenzte Ausdehnung ber königl.
Macht durch das gemeinfhaftlihe Wirken der Ba:
fallen unmöglih gemadt. Wenn aud die willtür:
liche Regierung der Tudors und der zu ihrer Zeit
einreibende ern ber richterlihen Gewalt eine
Anderung berbeizuführen ſchien, jo zeigten doc
bald die Ereigniſſe zur Zeit der Stuarts, daß die
Rechtsordnung feite Wurzeln im Lande hatte. Der
Grundjas, dab niemand außer auf Grund eines
——— Verfahrens — perjönlichen (phyſi⸗
chen) Freibeit beraubt, alſo von den Polizeibehorben
nicht beliebig verhaftet, ausgewieſen oder interniert
werden wird bereits in der Magna Charta
(1.d.) nur beitätigt, nicht als neues Recht aufgeitellt
und durch den jog. Writ of Habeas Corpus war es
aud ſchon vor Erlaß der Habead-Corpus: Alte (ſ. d.)
möglih, jemanden, der dem zumiberhandelte, zur
Rehenfchaftzusiehen. AuhdasBerfammlungs:
und Bereinsrecht wurde zu feiner Zeit von Vers
waltung3maßregeln abhängig gemadt, ſondern nur
infofern —— als dies die Rechtsordnung
unter Berü —2X ber offentlichen Ordnung ge:
bot. Auch bier haben ſtets die gewohnlichen —*
darüber zu entſcheiden, ob ein Eingreifen berechtigt
war (f. Meeting). Die Brehfreibeit ift eine Ers
rungenfchaft der neuern Zeit; denn hier handelte es
hd um die Benutzung einer neuen Erfindung, die
jur Zeit der Tudors belannt wurde, einer Zeit, in
der die Macht der Rechtsordnung weniger zur Gel:
tung lam als in irgend einer andern Periode der
3l
engl. Geſchichte. Urfprünglih waren alle Prefien
in ben Händen der Krone, fpäter hatte eine privi«
legierte Bereinigung, bie Stationers’ Company, das
ausſchließliche Recht zu druden. Die ganze reſſe
unterſtand dem berüchtigten Ztar Chamber⸗Gerichts⸗
he, ber unter anderm bejtimmte, daß ſämtliche
anuffripte vom Erzbifchof von Canterbury ge:
lefen und gebilligt werben müßten, ehe fie zum
rude gelangen könnten; nur die jurift. Bücher
—— der Cenſur eines der Oberrichter unterworfen
ein. Dieſe Beſtimmungen blieben auch noch unter
den Stuarts in Geltung, ſelbſt das revolutionäre
Zange Parlament hielt die Cenſur aub nad Ab:
Ihaffung des Star Chamber⸗Gerichtshofs aufrecht,
troßdem daß der Dichter Milton feine berühmte
«Areopagitica» gegen fie richtete; erſt 1695 wurde fie
abgelcaftt, und es fam in der Folge der Grundja
zur — daß der freien —
nichts im Wege ſteht, ſo ange fie nit Einzelne be:
leidigt oder verleumbdet, den Staat oder die Religion
bedroht oder Sittlichkeit oder Anſtand verlegt. Wo
dies geſchieht, haben die Gerichte nad den durch
Gefes oder Gewohnheitsrecht (oder Präjudizien) feſt⸗
ftehenden Normen einzufgreiten. Somit war von
u. Zeit an auch auf diefem Gebiete die allgemeine
echtsordnung unter dem Schuße der ordentlichen
Gerichte allein maßgebenv.
Litteratur. Gneift, Das heutige engl. Ber:
fafjungs: und Verwaltungsrecht (2 Bde, Berl. 1857
—60; 8. Aufl. 1883); derf., Engl. Verfafiungs:
geſchichte (ebd. 1882); derf., Selfgovernment, Kom⸗
munalverfafjung und Berwaltungsgerichte in Eng:
land (ebd. 1871); derf., Geſchichte des Selfgovern-
ment (ebd. 1863); deri., Das engl. Parlament vom
9. bis zum Ende des 19. Jabrh. (ebd. 1886); Preuß,
Die engl. Staatöverfafiung (Oldenb. 1894). Ein:
Fire Perioden behandeln: Stubb3, Constitutional
istory of England (3 Bbe., 3. bis 5. Aufl., Lond.
1887—91); Hallam, The constitutional histo
of England (neuejte Aufl., 3 Bde., ebd. 1882; deutſ
Lpz. 1828— 29); Erstine May, Constitutional his-
tory of England (5. Aufl., 3 Bve., Lond. 1875;
deutſch Lpz. 1864). Hauptjächlich hiftorifch gehalten
ift Hearn, The government of England (2. Aufl.
1886). Eine vortrefflihde Sammlung verfafjungs:
geihichtliber Urkunden enthält Stubbs, Select
charters (7. Aufl., Orf. 1890). fiber den gegen:
wärtigen Zuftand der E. V. giebt ein überfichtliches
Bild das Wert von Anfon, Law and custom of the
constitution (Bd. 1: The Parliament, 2, Aufl,
Drf. 1892; Bb. 2: The Crown, ebd. 1892). Geift:
reiche —— über das engl. Verfaſſungs⸗
leben enthalten: Bagehot, The English constitu-
tion (2. Aufl., Zond. 1872) und Dicey, The law of
the Constitution (3, Aufl., ebd. 1889).
Englifchgelb, foviel wie Turners Gelb, f. Blei:
orochlorid 1.
Englifchgrün heißen verſchiedene Malerfarben,
jo Schweinfurter Grün (f. d.), Gemenge von Ultras
marin und Chromgelb u. a.
Englifh:Horn (ital. Corno inglese; franz. Cor
anglais), eine in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
erfundene tiefitebende Oboe, früber als Oboe da
caccia befannt. Das €, repräjentiert die Alt: oder
Zenorlage der Oboe, verhält ſich daher ar dieſem
Inſtrument wie die Viola zur Violine. Anfänglich
war fie Röhre wie eine Sichel gebogen (j. Tafel:
Mufilinftrumente I, Fig. 3, Bd. 17) JE in
ftumpfwintliger Form gebaut wie die Baht arinette,
32
Ra Seb. Bach benußte das E. oft, bei Mozart,
eetboven und Weber dagegen findet es ji nicht;
von Meyerbeer, Berlioz und Halevy ward es wieder
in Aufnahme gear von ergreifender Wirkung
iſt die Solojtelle für €. in R. Wagners «Triftan
und folder. Der Klang des E. ift ſchwermütig,
getragen. Im Orcheſter erfegt man es auch burd)
die Klarinette.
Englifh: Jüdische Affociation, |. Alliance
Isra&lite Universelle. ,
Englifch : Oftafrifa (Britiſch-Oſtafrika)
im meıtern Sinne zerfällt in das Proteftorat der
njel Sanfibar mit Pemba (f. Sanfıbar), auf dem
eitlande in das eigentlihe E. (Britiſch-Oſtafrika⸗
roteftorat) und in Uganda (f. d.) mit Unjoro und
dem obern Niltbal. Die beiden letztern Protelto:
rate ftanden früher zum größten Zeil in Verwaltung
wer British East African Company. €. im engern
Sinne (f. Karte: Nauatorialafrita, beim Artikel
Afrika) grenzt im D. an den Indiſchen Dcean und
den Yub, im N. an Abeffinien, im S. an Deutic:
Dftafrila und im W. an Uganda. Die Grenze
nah Abeifinien und dem obern Nilthal ift noch
nicht fihergeftellt. Der Fläheninhalt beträgt etwa
700000 qkm, die Einwohnerzahl etwa 2’, Mill.
Bon der Meerestüfte fteigt das Land zwiſchen dem
Umba und Sabalı raſch zu einer Hochebene (2 —
300 m) an, aus welcher einzelne Berggruppen, mie
die Buraberge (2150 m) und weiter nordweſtlich bie
Kjulu- und Uluberge, bervorragen. Nördlid vom
KılimaNpf arobehnihbe Oi Graben
aus mit dem Naiwaſcha- Baringo: und Rudolffee, be:
geenit im D.von ber Aberbarelette (4000 m) und dem
enia (5243 m), — Dem Meere zu ftrömen nınr zwei
2 Fluſſe: der Sabali und der mit Dampf—
arlafjen 480 km aufwärts ſchiffbare Tana. — Das
Klima ift ein tropifches, mit zwei Negenzeiten an
der Küfte im April und Mai, November und De:
zember; auf dem Leilipiaplateau äbnelt das Klima
dem europäiichen. Die Gejundheitsverbältnijje in
den Hafenplägen find fehr ungünftig. Weitlich der
20—30 km breiten Kuſtenzone zwijden dem Umba
und Tana, innerhalb welder Kolospalmen, Mango:
bäume, Bananen, Auderrohr, Korn und Reis ge:
deihen, ar ne fih bis zum Kilima-Ndſcharo und
den Kjulubergen und längs des Ditafrilanifchen
Grabens eine Steinwüfte aus, hier und da bededt
mit hartem Savannengras, Alazien und Eupbor:
bien. Die beiden Uſer des Tana umſäumt ein
ſchmaler Streifen kultivierbaren Bodend, Das aut
bemäflerte und hoch gelegene Kikuju am Sudſuß
des Kenia eignet ih zum Anbau von Feldfrüchten
aller Art. Erſt jenfeit der Mejtgrenze finden ſich
fruchtbare und wildreiche Gebiete,
Die Bevöllerung fest fih zufammen aus
eingemwanderten Arabern (5800), Indern (13500)
und Euabeli (76500) in den Küjtenplägen, aus
Bantuftämmen (1700000), aus alla, Somal,
Maflai. Das Proteltorat unterftebt dem Com:
miffioner und Generaltonful zu Sanjibar. Zur
Verwaltung zerfiel E. bis 1. Dft. 1902 in 4 (ſeit⸗
dem in 7) Provinzen mit je einem Subcommilfioner
an der Spise: Eejjidieb (Küftenprovinz, Hauptort
Mombas), Ulamba (Hauptort Nairobi), Tanaland
mit Witu (Hauptort Yamu) und Jubaland (Haupt:
ort Kiömaju); dazu feit 1902 Kenia, Naiwaſcha
und Kiſumu (früber ju Uganda gebörig). Haupt:
ort der ganzen Kolonie iſt Mombas (j. d.) auf
der gleihnamigen Inſel mit zwei ausgezeichneten
Englif-Füdifche Affociation — Englifd-Oftafrifa
Häfen; außer den genannten Hauptorten find zu
nennen: an der Küfte Wanga, Kilefi und Mas
lindi; im Innern Taveta und die Station Kib—
weit. Die Church Missionary Society befigt in €.
8 Stationen. Eine Eijenbahn von Mombas zum
Victoria» Njanfa (Port: Florence) wurde 1896—
1901 erbaut (j. Mombas-Uganda⸗-Eiſenbahn). Bon
Ulamba nah Kilkuju führt ein Starrenweg von
500 km Länge. Mit Sanfıbar ift E. durd eın Ka⸗
bel verbunden, die Fänge der Telegrapben beträgt
1898) 225 km. Die Einnahmen aus den Zöllen
etrugen 1897/98: 43841, 1898/99: 69400 Pfr. Et.
Die Ausfuhr (Elfenbein, Rautfhul, Rinder und Zie⸗
en, Getreide, Kopra, Ropal, Häute, Hörner u. a.)
etrug 1898/99: 1,07, 1899/1900: 1,83 Mill. Rupien,
die Einfuhr (Mandejterwaren, ind. Gewebe, Meir
fing, Drabt, Perlen, Nabrungsmittel) 7,03, 6,64
Mill. Rupien. Der Raumgehalt der einlaufenden
Schiffe betrug 1898/99: 321480, 1899/1900:
332882 Regiitertond. Der Handel liegt fait auss
ichließli in den Händen ind. Banianen. 1898/99
litt E, unter einer Hungeränot.
Geſchichte. Während des 8, bid 10. Jahrh.
madten fib aus Arabien und Berfien eingemans
derte Dynaſtenfamilien zu Beherrſchern des Küſten⸗
gebictes, die 1500— 1728 dur die Portugieſen
in wecjelvollen Kämpfen zeitweije verdrängt und
endlih 1837 von dem Sultan von Sanfibar voll:
ftändig unterworfen wurden, Diefer verpadtete
24. Mai 1887 an die British East African Com-
any Momba3 und Umgenend und im Aug. 1889
ämtliche Hafenpläge, das Mundungsdelta des Tana
und die Inſeln Lamu, Manda und Patta. Durch
den deutſch-engl. Vertrag vom 1. Juli 1890 ver:
ſchob fi die Norbgrenze vom Tana bis zum Jub
und fam der Victoria-Njanfa nördlich vom 1." füdl.
Br. mit den anftoßenden Ländern in das Macht—
gebiet der engl. Compagnie. Jachſon, Ende 1889
von König Mwanga gegen die Mobammedaner zu
Hilfe gerufen, feste ſich im April 1890 in Uganda
jeit, das dur den mit Kapitän Lugard 26. Dez.
1890 abgeihlofjenen Vertrag unter engl. Schuß—⸗
herrſchaft ſich ftellte. Im Frühjahr und Eommer
1891 wurden gelegentlid eines Arisgezuge gegen
Unjoro 6 Militärjtationen zwiſchen Albert-Eduard⸗
Eee und dem Victoria: Njanfa errichtet und bamit
die engl. Oberbobeit über Antori, Ujongora und
Unjoro begründet. Am 24. Jan. 1892 brab ein
Yulftand gegen die Engländer in Uganda aus;
Kapıtän Lugard und Williams ſchlugen ibn nieder,
doch beſchloß die Geiellichaft, Uganda (f. d.) wegen
der hoben Koften der Occupation zuräumen. Darauf
gewährte die engl. Regierung, um die Behauptung
des Landes vorläufig bis Ende März 1893 zu er
möglichen, ber Seielliaaft eine ftaatliche Beibilfevon
260000 M. und zur Tracierung einer Eiſenbahn von
Mombas zum Victoria » Njanfa 400000 M. Am
1. April 1893 übernahm Gerald Bortal im Auftrag
des engl. Minifteriums das Proteltorat, wofür
das Parlament 1894 einen jäbrliben Zuſchuß von
1 Mit. M. bemilligte. 1895 löfte ſich die Britifch-
Oſtafrilaniſche Gejellihait auf, und die engl. Regie⸗
rung übernahm gegen Zablung einer Entioävi ung
von 5 Mill. M. die Verwaltung des ganzen Feſi—⸗
landgebietes, von dem Uganda als eis tändiges
Proteltorat abgelöjt wurde.
Erforſchungsgeſchichte ſ. unter Afrika, Ents
dedungsgeicichte, beſonders f. Aquatoriale Oſt⸗
tüſte. — Vgl. Krapf, Reiſen in Oſtafrila (Korn⸗
Engliſch⸗Oſtafrikaniſche
tbal 1888); Von der Dedens Reiſen in Oſtafrika
(4 Be. in 5 Zin., Lpz. 1869—73); Joſ. —
Turh Maſai⸗Land (ebd. 1885); Höbnel, Zum Ru—
vol: und Stefaniejee (Mien 1892); Handbook of
British East-Africa (Fond. 1894); Lugard, Rise of
our East African Empire (ebd. 1893); Stublmann,
Mit Emin Paſcha ins Herz von Afrila (Berl. 1894);
Figaerald, Travels in the Coast Lands of British
East Africa and the Islands of Zanzibar and
Pemba (Lond. 1898); Strandes, Die Bortugiejen:
Zeit von Deutſch- und Engliſch-Oſtafrika (Berl.
1900); Purvis, Handbook to British East Africa
and Uganda (Xond. 1900).
Engliich : Oftafrifanifche Geſellſchaft, |.
Enzliih:Ditafrita.
glifch : Dftindifche Compagnie, f. Dit:
indiihe Compagnie.
Englifchret, ein eijenorydbaltiger Thon, der
al& Anftrihfarbe benugt wird. Auch geglübtes
Eiſenoxyd (f. d.) führt diefen Namen.
—— afrikaniſche Geſellſchaft oder
Britiſch-Sudafrikaniſche Geſellſchaft (Bri-
tish South Africa Company, auch fur; Chartered
Company genannt), engl. Geſellſchaft, die 15. Olt.
1839 einen Schusbrief (charter) der engl. Regierung
erbielt, der ihr, mit Ausnahme der ausmärtigen
Angelegenbeiten, fajt volltlommene Selbftändigteit
gewährte in Verwaltung von Matabele:, Maſchona⸗
und Manitaland, aud Süprhodefia genannt. Seit
1899 übt die E. G. aud das Proteftorat über das
Barotjeland (f. Barotſe) oder Nordweſtrhodeſia, jeit
1900 aud über Norvoitrbodefia. — Der Engländer
Rudd batte 1888 im Auftrag der Südafrilaniichen
Golpjeldercompagnie die ausſchließliche Berechti⸗
gung, nad Gold in * Gegenden raben, von
dem Vialabelebãupt ing Lobengula käuflich erwor:
ben. Bald darauf trat Maund im Namen der Ex-
ploring-Company mit gleichberechtigten Arjprüchen
dagegen auf; ibm folgten nod andere. Gecil Abo:
deä, damals Mitglied des Kap: Parlaments und
Begründer der De Beers Diamond Mining Com-
pany in fimberley; verjtand es endlich, die einzel:
nen Intereſſenten abzufinden und die €. ®. zu grün-
den. Gine Erpedition unter Dberft Pennefather be
jeste Mafchonaland im Sept. 1890. Als fie jpäter
gegen Manita vorrüdte, kam es zu einem blutigen
onflitt mit den Bortugiejen bei Maifi Keifi (Mai
1891). Die engl. Regierung erzwang von Portugal
den Vertrag vom 11. Juni 1891, wodurh Manila
in den Bejik der Compagnie gelangte. Die Mata:
beie unter Yobengula wurden 1893 bejiegt (j. Ma:
tabeleland) und der unmittelbaren Herrſchaft der
€. ®. unterworfen. — In die neue Kolonie jtrömten
Anfiedler und Goldgräber in Menge; 1897 zäblte
man an 7000 Weihe und 1899 in der Hauptitadt
Gubulumajo allein 4000 Bewohner. Im Maſchona⸗
land waren 2180 Claims (Goldgräberlicenjen) 1899
tegiftriert, von denen ſich nur 22 Proz. als rentabel,
60 Bros. als wertlos erwiejen. Eine Eifenbahn von
Nafeling nah Gubuluwajo (926 km), 1896 be:
onnen, wurde Nov. 1897 vollendet; eine zweite,
ira: Salisbury (1737 km), wurde 1. Maı 1899
dem Berfebr eröffnet. Der Zelegrapb erftredt ſich
auf 2969 km. Der Eik der Berwaltung ift in Gus
buluwaje (f. d., Bd. 17); u — 1898 ſteht die
€. G. unter ſehr verſchärfter Kontrolle der engl.
Rolenialbebörden. Das Altienlapital von 1 Mill.
3* St. (1889) wurde allmahlich auf 5 Mil.
hr. St. (1898) erböbt. Die Einnahmen betrugen
Srotband’ Konverfations-Leriten.. 14. Hu. R.®. VL
Geſellſchaft — Engobe 33
190011: 426800, die Ausgaben 781317 und die
fchwebende Schuld 1899: 1*/, Mill. Pfd. Et. Die
E.G. gr von 1898 an ſich auf eigene Rech⸗
nung am Golodminenbetrieb zu beteiligen. Der
finanzielle Mißerfolg ift teild durch den bisherigen
geringen Goldertrag, teil durch den megen ver
enorm boben Minengebü mangelnden Zufluß
friihen Kapitals, und außerdem dur den verun:
glüdten Einfall in die Südafrikaniſche Republik
(j. d.) 1896, dur den Aufitand der Eingebore:
nen 1896/97 und durch die Rinderpeft verurſacht. —
Val. Mathers, Zambesia (Fond. 1891); Churdill,
Men, mines and animals in South Africa (ebv.
1892); Selous, Sunshine and storm in Rhodesia
(ebd. 1896); Lenard, How we made Rhodesia (ebd.
1896); Burvis und Binas, SouthAfrica, its people,
progress and problems (ebd. 1896); Tbeal, South
Africa (4. Aufl., ebd. 1m: Toit, Rhodesia past
and present (ebd. 1897); Worsfold, South Africa:
a study in colonial administration (2. Aufl., ebd.
1897); Younghusband, South Africa of to-day
(ebd. 1897); Bryce, Impressions of South Africa
(ebd. 1897; 3. Aufl. 1899; deutſch Hannov. 1900);
Selou®, The economie value of Rhodesia (Scott.
Geogr. Magaz., XIII, 1897). ſliſch⸗Baſãr.
—— — (ſpr. inggliſch bẽſahr), ſ. Eng:
Eugliſh-Compauys-Juſeln (ſpr. inggliſch
lömmpenis), unbewohnte Inſelgruppe im Norden
Auſtraliens (ſ. Karte: Auſtralien), nördlich von
der Arnhembai, zum Territorium Nordauſtralien
gehdrig, beſteht aus fieben er welche der engl.
—— Flinders 19. Febr. 1803 entdedte und
zu Ehren der Engliſch-⸗O Pen hen Compagnie be
nannte, Das größte Eiland ift die Weſſelinſel.
Engliih:Harbonr (fpr. inggliſch hahrb'r), Has
fen auf der yold Antigua (f. d.).
Englifh:River (pr. inggliſch rimm’r), Fluß in
Britiſch-Rordamerika, ſ. Churchill.
English spöken (engl., ſpr. inggliſch), «es
wird engliich geſprochen ».
English violet (fpr. inggliſch meidlett),, vers
altetes Streidinftrument mit 14 Refonanzfaiten,
der Viola d’amour ähnlich. Auf der Bioline ver:
ſuchte man feinen Klang durch eine febr tiefe Stim⸗
mung (ineaea ar See
Engliih:Zambefia (ipr. inggliſch fämmbibfid),
j. Sambefigebiet, Engliiches.
Englifieren oder Anglijieren, eine beim
Pferde zumeilen vorgenommene Operation, die in
der Durchſchneidung der an der untern Fläche deö
Schweifed liegenden Musteln, Niederzieber des
Schweifes, beitebt. Die Durchſchneidung diefer
Musteln wird entweder ſubkutan, d. b. unter der
Haut, oder perlutan, d. b. mit —* Durch⸗
trennung der Haut, ausgeführt. Man will durch
dieſe Operation ein Höbertragen des Schweifes be:
wirfen und dem Pferde dadurch ein edleres, eb:
baftered Ausſehen verleiben. Das €. war zuerft
in England —— Bei Wagenpferden wurde
es mehr als bei Reitpferden in Anwendung gebracht.
! t wird allgemein die naturgemäße Haltung des
eifes bevorzugt. Einem ähnlichen Zweck, wie
das E., dient das Goupieren der Schweifrübe.
Engioutieren (frj., fpr. angglut-) verſchlucken,
verſchlingen; durchbringen (das Vermögen u. ſ. w.).
Engmäuler, ſ. Engystomatidae.
Enguis, ſ. Defile.
Engobe (frz., ipr. anggöb), Beguß, in der Kera⸗
mit ein Überzug der Grundmafje mit anders ge
3
34
färbten Maſſen. So überzieht (engobiert) man
einen mißfarbig brennenden Scherben mit einer
weiß brennenden E. Ebenſo verwendet man farbige
E., welche durch Metalloryde (z. B. Chromoxyd,
Kobaltoxyd u. ſ. w.) die gewünſchie Färbung erhal—⸗
ten. So find alle Wedgwoodfabrikate mit farbigen
E. überzogen. Es ift nötig, daß ſowohl beim Trod:
nen als auch beim Brennen die E. denfelben Aus:
debnungskoöfficienten befist wie die Grundmaſſe,
weil fonft ein Abipringen der €. eintreten würde.
Engourbdieren (fr;., ſpr. anggur-), einſchläfern,
betäuben, erftarren machen; Engourdijjement
— anggurdißmäng), Erſtarren, Betäubung, Ein:
chlafen En Glieder).
Engpaf, joviel wie Defle (f. d.).
En grande tenue (frj., jpr. ang grangd tönüb),
im Paradeanzuge; en grande toilette (fr;., ipr.
tdaläbt), in feiniter Setellihafte:, delt: oder Ball:
Heidung. [Andovis.
Engraulis enorasichölus Cw., Fiſch, |.
Engrölure (fr;., jpr. anggrälühr), Randverzie-
rung mit rundlihen Zädchen, zadige Einfaflung,
Spißenrand. VI. C nebft Karte.
Engrifch, f. Engern und Deutihe Mundarten
En Fr (fr3., ſpr. ang orob; «im Großen»), ein
im Handel gebräudliher Ausdrud, welder zunächſt
den Abſatz der Waren in größern Mengen bezeich—
nen fol, im Gegenfage von en detail («im klei⸗
nen»). Demnad) werden Großhandel oder Han:
del en gros und Kleinbandel, Detailhbandel
oder Handel en detail unterſchieden, eine Scheidung,
die in voller Geltung nur im Verkehr mit realen
Waren plabgreift, nicht jo beim Handel mit ſog.
ideellen Waren (Obligationen und Altien). Den
eigentlichen Unterſchied bildet aber nicht die Menge
oder der Wert der Cinzelumfäße, fondern die
Stellung der beteiligten Parteien: ſoweit die Han-
delsgeſchäfte zwiichen Kaufleuten oder zwiſchen fol:
ben einerſeits (ald Käufern) und Produzenten
andererfeit3 (ald PVerläufern) volljogen werden,
bilden fie den Großhandel; fobald als Käufer der
Konſument auftritt, machen fie den Kleinhandel aus.
Der Großbandel hat es natürli mit verbältnis-
mäßig großen Mengen und Werten der Waren zu
tbun, und dies in um fo höherm Maße, je mebr er
erfte Hand ift, mit dem Produzenten oder {{mporteur
(bei ausländifhen Waren) in direftem Verkehr
—* Der Kleinhandel teilt im Gegenteil die Waren
n möglichſt Heine Mengen, um dem Bedürfnis
des Verbrauchers nad jeder Richtung zu genügen.
Der Großhändler (Groifift, Groſſierer) kauft
daber entweder von dem Produzenten oder von
mporteuren und Großbändlern und verlauft an
oßbändler und RKleinbändler. Der Kleinhändler
en fauft in der Ro nur von Groß:
ändlern und verfauft an bie Konjumenten. Zum
Kleinbandel gebört aud der Hauſierhandel (f. d.).
Engitligenthal, f. Adelboden und Weitalpen.
Engitröm:-Schnellfeuerfansne, vom Schwe:
ben Engitröm fonftruierte, mit einem eigenartigen
tomplizterten Verſchluß verjebene Kanone; fie war
auf der Pariſer MWeltausjtellung 1889 von der
Fabrit Cail ausgejtellt. .
Enguera (ipr. -gebra), Bezirköftadt in der fpan.
Provinz Valencia, 16 km mweitlid von Jativa, am
Nordfuß der Sierra €E,, in einem norböftlic zum
Jucar geöffneten, mit Oliven: und Maulbeerbäumen
Engourdieren — Enhuber
Enguinegatte, Dorf, ſ. Ouinegate.
Engiwveg, |. Defile.
Engymeter (ard.), |. Entfernungsmefler. _
Engystomatidae, Engmäuler, Familie
der ungeihmwänzten Lurche, obne Ohrdruſe und obne
Schwimmbäute zwiſchen ven Zehen der Hinterfüße,
mit Heiner Munpfpalte. Die 30 und etlihe Arten
verteilen fi auf 16 Gattungen, leben in tropifchen
und fubtropifhen Gegenden Aſiens und nauıent-
(ih Ameritas, einige wenige auch in Afrila und
Auftralien. Befonders interefjant ift Rhinoderma
Darwinii Dum. et Bibr. von Ehile, bei weldyem
die Gier im fteblfad des Männdens ihre Entwid:
ver" durdlaufen. [fübn machen.
nhardieren (frz., fpr. ang’ard-), ermutigen,
Enharmönifh, enbarmonifhes Tonge—
ſchlecht, Enharmönik, bei den alten Griechen die
Stufenfolge ihrer Tonleiter, in der das Tetrachord
aus zwei Biertelötönen und einer großen ag
hen war,5.B.efesfa—hcesce. (ine
olche Stala bildetedas enhbarmonifche Tongeſchlecht,
das dem diatonifchen ſowie dem chromatiichen ent»
—A war und ſeinen beſtimmten Gebrauch
atte. (S. auch Griechiſche Muſik) Erfinder des
enbarmonifhen Geſchlechts war Olympos. Im
jetzigen Tonſyſtem iſt die Enharmonik mit den übris
gen Mitteln des Ausdrucks verbunden und bezeich⸗
net den Wechſel, die Ablöfung eines Tons durch
feinen —— verwandten, z. B. cis: des,
fis : ges (daher der Ausdruck enharmoniſche Verwech⸗
felung, |. d.). Die Möglichkeit diefer Verwechſelung
rubt auf dem Syſtem der gleihichwebenden Tem:
peratur; die Komponiften wenden fie an, um den
Ausdrud unerwartet zu fteigern oder abfinten zu
lafien, und zur Erleichterung für Schreiben und Leſen.
Enberion, ein Wort, das von Hlopftod den Ein:
berjern ( d.) beigelegt ift. Es bedeutet bei Klop⸗
tod die Berjammlung der Einberjer. Die Ba
Motbologie tennt Wort und Begriff nicht.
Enhuber, Karl von, Genremaler, geb. 16. De.
1811 zu Hof in Bayern, trat 1831 in die Mündes
ner Alademie ein und widmete fidh erjt der Tier
malerei, dann aber der Genremalerei, deren Haupt
in der Müncener Schule er wurde. Seine feine
Beobachtungsgabe, feine treffliche Auswahl des
einfach Natürliben aus dem Yeben und Handeln
bes Volls und feine Fähigkeit, den Humor wie den
Ernſt glei treffend zu_geitalten, fihern jeinen
Werten einen bleibenden Wert. Seine eriten Genre:
bilder bewegten ſich 9— romantiſchem Gebiet, wie
Die Wildſchützenfährte (1835), Die Tiroler im Ge:
birgspaß und Der fterbende Konftabler (1836)
zeigen. Dann betrat er das bumoriftiiche Gebiet
meist des Rleingewerbed: Der Schuiter ald all
bottor (1837), Der Bildfchniger (1839; Neue Pir
natotbet in Münden), Der Haferlguder (1843),
Der Schufterlebrling (1844), Der beimlehrende
Müncener Bürgerlandwehrmann (1844; Berliner
Nationalgalerie), Der Lehrjunge des Dorfmalers
(1852), Das unterbrochene Kartenspiel (1857 ggeite:
en von Preiſel), Der Stellmagen vor dem Wirts⸗
baus (1859), Der Gerichtötag an einem bayr. Yands
ericht (1861; Galerie zu Darmitadt, geſtochen von
Jacquemot), Die verunglüdte Yandpartie und Die
böfe Zeitungsnachricht (1865). In are legten Jah⸗
ren war er vorzugsweiſe mit den Griſaille⸗Illuſtra⸗
tionen zu Melhior Meyrs «Erzählungen aus dem
erfüllten Tbale, bat (1897) 5681 E. und bedeutende | Ries» beichäftipt, von welchen fich vier in der
Linnen: und Wollinduitrie.
\ Galerie zu Sch
eiöbeim und ſechs im Städtiſchen
Enhydra marina — Enfhuizen
Ruſeum zu Leipzig befinden. €. ftarb 6. Juli 1867
Münden.
zu
‚Enhfädra marina Flemm., der Meerotter
6.2. und Tafel: Marder I, Fig. 4).
Enbydrit, j. Enbydros,
Euhydros oder Enhydrit, boble, auf der
Cberflähe podige und runzlige Chalcedonman:
dein, die im Innern eine hauptſächlich aus Waſſer
mit een Mengen gelöfter Salze a re
Bien —— eine beim Drehen der Mandel
iche Blaſe von atmoſphäriſcher Luft ent
balten. Die ſchon im Altertum belannten, von Pli⸗
nius erwähnten E. fanden ſich in den Monti-Berici
bei Bicenza; in neuerer Zeit hat man fie nament:
lich in a angetroffen, von wo fie mit den
dortigen rohen Adaten zunädft nah den großen
Steinjhleifereien zu Oberftein und Idar a.d. Nabe
— en. Sie ſtammen aus Melaphyr- und Ba—
altaejteinen und find, wie alle Mandeln, Ausfül:
lun en von Hoblräumen, in denen im vorliegenden
Falle gewöhnlich Wafler abgefangen wurde; bei der
2 —— und Zerftörung des umgebenden el:
ſens werden ie dann als ſehr harte Körper bloßgelegt.
Enitel oder Entel, Janjen, djterr. Reim:
&ronift, ſ. Jans.
Eningen, Dorf im Dberamt Reutlingen des
württemb. Schwarzwalbfreifes, 5 km ojtfüpöftlich
von Reutlingen, in 464 m Höbe, am Fuße der Ad:
alm (701 m) und an der Nebenlinie Reutlingen:
Scheiflingen der Württemb. Staatsbahnen, das
ibönjte Dorf Württembergs, bat (1900) 3746 E.,
darunter 77 Ratholilen, (1905) 4000 E., Boft, Tele:
graph, Lönigl. Forjtrevieramt, Nealihule, Bor:
Ihufverein, Haufier: und Markthandel. Yährlic
25. Juni und 25. Dez. fommen bier die Fabri-
fanten zur Abrechnung mit den Händlern im fog.
Eninger Kongrefie zufammen, der jedoch an
Bedeutung verloren hat.
Enitwetot, Inſelgruppe, ſ. Bromninfeln.
Enjambement (fr;., pr. angjhangb'mäng,
«fiberjchreiten»), der Widerſpruch zwiſchen ſyntalti⸗
ſchen und mettiſchen Abſchnitten. €, findet ſtatt,
wenn zwei zufammengebörige Worte durch Cäſur
oder Versſchluß, wenn Worte desfelben Sapes
durh den Schluß eines Verſes, eined Strophen:
teilö oder gar durch den Schluß der Strophe ſelbſt
auseinander gerifjen werben. — Vgl. Borbed, Über
Strophen: und Bersenjambement im Mittelboc:
deutſchen (Greifsw. 1888).
Enjeu (itz., ipr. angichöb),
Eufadrieren, |. Encadrem
Entanaillieren, ſ. En canaille.
Eutanthis (grch.), Thränendrüſengeſchwulſt.
Enutauftieren (arh.), eine Behandlung der
Gipsabgüfje, wodurch diejelben eine ſehr glatte
und etwas durchſcheinende Oberfläche erhalten und
im fog. Elienbeinmaffe verwandelt werden. Es
ſchieht, indem die völlig trodnen Güfle in einem
Ken ftart angemwärmt und dann in gefchmolzene
Stearinfäure oder Baraffin getaucht werden, worin
fie etwa 3 Minuten verbleiben. Nach dem Heraus:
nehmen läßt man abtropfen und wiſcht mit einem
weisen Pinfel ven Überihuß fort. Nach einem
andern lung: beftreiht man die Gegenftände
pieleinjaß.
ent.
witeiner Loöſung von 1 bis 2 Teilen Stearinfäure in
10 Zeilen Betroleumätber. Durh Färbung der
Etearinfäure oder bes Paraffins mit wenig Drachen:
blut oder Gummigutt fann man eine rötliche oder
aebliche Färbung hervorrufen.
35
Entauftit(geh.,«Einbrenntunfto), beiden Alten
diejenige Art der Malerei, bei welcher man ſich des
(eläoporifchen) Wachies als eines Binvemittelä der
Farben bediente. Die verichiedenfarbigen weichen
achspaſten wurden, meijt auf Holz, auch auf El:
fenbein, aufgetragen und mittels einer glübenden
Koblenpfanne zum Erweichen und dadurch zu feiter
Bindung mit dem Grunde gebradt. Entauftifche
Bilder find in den auf Pop gemalten ägypt.
Mumienporträten (j. Tafel: Alexandriniſche
Kunft) erhalten, die namentlich durch die Funde bei
El:Fajüm feit 1888 in größerer Anzabl betannt ge
worden find. Die erhaltenen antiten Wandgemälde
in Rom, Bompeji und Herculanum find al fresco,
nicht entauftiih gemalt. — Vgl. Helbig, Wanp:
nemälde der vom Beiun verichütteten Städte, nebjt
einer Abhandlung über die antiten Wandmalereien
von D. Donner (Lpz. 1868); Eros und Henry,
L’encaustique et les autres proc&des de peinture
chez les anciens (Par. 1884); Donner von Richter,
fiber Technijches in der Malerei der Alten (Münd.
1885); derj., Die entauftiihe Malerei der Alten
(ebd. 1888). (S. Wachsmalerei.)
Ente, Ferdinand, Verlagsbuhhandlung in
Stuttgart, bervorgegangen aus dem Sortiments:
eihäft der Buchhandlung von Balm & Ente (dama⸗
iger Beliker: Job. Ernit E.,gebürtia aus Themar
in Thüringen) in Erlangen, das der Sohn des lep:
tern, $erdinand E., geb. 8. Dft. 1810, geit. 8. Des.
1869, 1. Jan. 1837 auf eigenen Namen übernahm.
Er verband damit Verlag und verkaufte 1868 fein
Sortiment an Theodor Kriſche dajelbjt. Der Ver:
lag ging nad) zeitweiliger vormundſchaftlicher Lei:
tung 28. Dtt. 1874 an den Sohn Ferd. E.3, Al:
jred Eduard E., geb. 12. Aug. 1852, über, der
ihn gleichzeitig nach Stuttgart verlegte. Von den
zwei Hauptrihtungen des Verlags umfaßt die eine
die Medizin mit Tierheiltunde und Pbarmacie:
«Handbud der jpeciellen Batbologie und Therapie»,
ba. von R. Virchow (6 Bde. 1854— 76), «Handbuch
der allgemeinen und fpeciellen Chirurgie», bg. von
Pitha und Billrorh (4 Bde. 1865—86), «Deutſche
Chirurgie», begründet von Billrotb und Quede (67
Lfgn., 1879—99), «Handbuch der praftijden Medi:
sin», bg. von Ebjtein (5 Bde., 1898 fg.), Werte von
Hebra, Kapofi, von Krafft-Ebing, Lebert, Oppolzer,
Voliger, Zehender u. a.; mebrere Fachzeitſchriften,
wie «Sjahrbud der praltiiyen Medizin» (jeit 1879),
«Archiv jür Kinderheiltunden (feit 1880) u.a. Daran
ließen jib naturwiſſenſchaftliche und techniſche
erfe von Moleſchott, Kelule, Elafjen, von Gorup:
Bejanez, Günther, Em. Kayjer, Kittler, van Bebber,
Regel («Gartenflora», 1. bis 34. Jahrg. 1852—85).
Die andere Hauptrichtung bilden Staats:und Rechts:
wiflenihaften mit Werten von K. L. von Bar, Gold:
ſchmidt, Heinze, Huſchle, Kobler, Narquardien, Mer:
tel, Dittermaier, von Schulte, von Schwarze, Wäd:
ter, Zorn u.a., den Zeitjchriften «Gerhtälane (jeit
1849), «Zeitfchrift für das gejamte Handelsrecht»
(feit 1858), «Zeitjichrift für vergleichende Rechts:
mwiljenjhaft» (jeit 1878). Dazu fommen Werte der
Philoſophie (Wundts «Logit» und «Ethil»), Kul:
—— (Zippert) u. a. u
el, Janſen, öjterr. Reimchroniſt, j. Jans.
Enthuizen (ipr. entheuſ'n), Stadt in der nieder:
länd. Provinz Nordholland, am Zuiderſee und an
der Linie — — (51 km) der Hol:
länd, Eifenbahn:Gejellihaft, mit Hoorn aud durch
\ Straßenbahn, mit Stavoren durch Trajeftdampfer
3*
36
verbunden, hat (1899) 7038 E. E. war im 17. Jahrh.
ein blübender Handeläplas mit 40000 E., welder
jährlich 400 Schiffe auf den Heringsfang in die bobe
Seeihidte. Das 1688 erbaute Natbaus, die Weiter:
fire mit einem Renaiſſance-Chorabſchluß aus Holz
(f. Zafel: Niederländiſche Kunft ILL, Fig. 5)
von 1543 bis 1572, ein ftattliher Tborturm, der ge:
räumige Hafen erinnern noch an bejjere Zeiten. €.
ift der Geburtäort des Malers Baulus Botter (f.d.).
Enkirch, Marltfleden im Kreis Zell des preuß.
Reg.:Bez. Koblenz, rechts an der Moſel und an der
Nebenlinie Bünderih:Traben-Trarbad der Preuß.
Staatöbabnen, ift Station der ge und
bat (1900) 2299 E., darunter 147 Ratbolifen und
43 Yeraeliten, Poſt, Telegrapb, 2 got. Kirchen;
Branntweinbrennereien, Mebl:, Öl: und Gipsmuh⸗
len, bedeutenden Weinbau (136 ha Weinberge) und
Handel und in der Näbe Schieferbrüche. der
Umgegend Spuren röm. Enns: die bei €,
efundenen Reſte eines röm. Tempels befinden ſich
eit 1885 im Provinzialmufeum zu Bonn,
Enfläven (frj.), Heinere Teile eines Staatd-
gebietes, melde von einem andern Staat 4
—— ſind. Beſonders häufig waren die E.
im alten Deutſchen Reiche. Bei der Stiftung des
Rheinbundes wurde zwar eine große Anzabl der
Heinern Staaten, welde von andern a
waren, der Landesbobeit der legtern unterworfen
(mediatifiert); auch —— die ſouveran geworde⸗
nen Staaten durd 9 —— ſich der beiden
Zeilen läſtigen E. moöglichſt zu entledigen. Allein
noch immer blieben, beſonders im nördl. Deutfch:
land, febr viele übrig, die auch der Kongreß zu
Wien 1815 nicht zu befeitigen vermodte. Durch
N enfeitigen Austauſch der E. (fo z. B. zwischen
terreih und Sachſen) oder täufliche Ermwerbung
folder (mie es Preußen mit dem früber zu Coburg
gehörigen Fürftentum Lichtenberg am Rhein ge
madt) hat man dieſen Übelftand, der fich nament:
lich bei der Rechtspflege und — ———— ſehr
fühlbar macht, ſoviel wie möglich zu verringern
geſucht. Infolge des Krieges von 1866 iſt ebenfalls
eine Anzahl von €, befeitigt worden. Sept find die
Übeljtände, die das Beiteben der E. mit fich brachte,
durch die einheitliche Reichsgeſezgebung, Bildung
von einheitlichen Gerichts- ſowie Poft: und Tele:
grapben:, Militär: und Steuerbezirten gemindert.
Bleihbedeutend mit Entlave iſt Extlave als
ein vom Hauptgebiet eines Staates abgetrennter
Heiner Gebietäteil, fo daß 5. B. die von Preußen
umiclofjenen Meinen braunſchw. Gebietäteile vom
reuß. Standpunfte aus betrachtet ald E,, vom
raunfchweigiichen aus aber alö Ertlaven bezeichnet
Eukliſis grch.), ſ. Enllitiſch. [werven.
Euklitiſch (arc., «ſich —— «anlehnend»)
nennt man in der Grammatik Wörter, die fib, ohne
eigenen Accent zu befiken, an vorbergebende betonte
örter anlebnen. der Regel find es Wörtchen
von wenig hervorftehender Bedeutung, mie «ed» in
«Mer bat e&?» Der Vorgang jelbit beißt Entlifis.
Enfolpion (ard.), an der Bruft bängende Re:
liquientapiel, gewöhnlich in Form eines Kreuzes,
in defjen Höblung die Reliquie verborgen lag. Der
an eine antike Sitte anknüpfende Braud tritt be:
reitö im 4. Yabrb. auf. E. bezeichnet auch andere
Andactsgegenftände in mannigfaltiger Form, Me:
daillen, Ehriftu&monogramme (j.d.) u.a.
Enfomiäftif (arc.), die Runft, verdiente Män-
ner in einer Lobrede (Entomion, f. Encomium)
Enkirch — Enlevage
oder einem Lobgedicht (Enlomiaftiton) zu preis
fen; Entomiajten, Lobredner.
Enköping (ſpr. ebntihöpping), alte Stadt im
ſchwed. Län Upiala, nicht weit vom Mälarjee, an
der Linie Stodbolm:Beiteräs:Köping der Schwed.
Privatbahnen, hat (1900) 4201 E. bedeutenden Ge⸗
müjebau und im Sommer lebhaften Dampfſchiff⸗
fahrtsverlehr mit Stodholm. Bei E. beftegte der
König Albrebt 1365 feinen enttbronten Obeim
Magnus II. Erilfon und deſſen Sobn Halon von
Norwegen, worauf beide ihren Thronanſprüchen
auf Schweden entjagten.
Enträtie (grch.) Entbaltfamteit.
Entratiten (grch., d. b. Entbaltfame), eine gno⸗
tiihe Richtung (ſ. Gnoſis), die den Genuß von
Fleiſch und Wein ſowie die Ebe als fündbaft ver:
warf. Selbjt der Apologet Tatianus (f. d.) ſchloß
fih der Richtung an und bildete ihre dogmatiſchen
Überzeugungen weiter aus.
Enfriniten, |. Encriniten.
Entf von der Burg, Michael, ———
eb. 29. Jan. 1788 zu Wien, ftudierte daſelbſt Phi—
ofopbie, trat infolge eines Gelübves feiner Mutter
1810 in den geiltlihen Stand und wurde hierauf
Profeſſor an dem Gymnafium zu Melt. Berbittert
über den Zwiefpalt zwischen feinen Neigungen und
dem ihm re Stand, madte er 17. Juni
1843 durd Selbjtmord feinem Leben ein Ende. In
pbilof. Romanen und pſychol. Unterfuhungen, wie
«Fudoria, oder die Quellen der Seelenrube» (Bien
1824), «liber den Umgang mit uns felbit» (ebd.
1829), «Bon der eg Anderer» (ebd. 1835),
«liber Bildung und Selbjtbildung» (ebv. 1842),
befundet E. Schärfe der Sieg wer und des Ur⸗
teild. Bedeutender war er als Kunſttritiker, beſon—
ders im dramat. Fache. Zu ermähnen find bier be-
ee «Melpomene, oder über das tragiiche
nterefje» (Wien 1827), «Briefe über —— Fauſt⸗
(ebd. 1834) und das polemiſch⸗ſatir. Werlchen «Die
Epiſtel des Duintus Horatius Flaccus über die
Dichtlunſt, für Dichter und Dichterlinge gedols
meticht» (ebv. 1841). €, felbit ift ala Dichter nur
einmalaufgetreten in «Die Blumen, ein Lehrgedicht⸗
(Wien 1822). Das früber geglaubte Gerüdt, E. babe
Anteil gebabt an den eriten Dramen feines Schülers
Friedt. Halm, ie grundlos. — Vol. Briefmechjel
Bien Michael E, und Eligius Frhr. von Munch—
Uingbaufen, bg. von Shadinger (Wien 1890).
Enievage (fri.,pr.angl’wabidh') oder Utßpapp,
in ber Jeugdruderei Bezeihnung von Subjtanzen,
durch die man bereits gelärbte Stoffe örtlich von der
Farbe befreien will, um z. B. auf gefärbtem Grunde
weiße Mufter zu erzeugen. Soll z. B. auf mit In—
digo blau gefärbten Stoffen em weißes Mufter ber:
eitellt werben, jo wird an den zu bleichenden Stellen
bonbrei, dem etwas chromſaures Kali und Salze
fäure guaeient ift, aufgebrudt; die darin vorbans
dene Ebromfäure zerjtört an den davon berübr:-
ten Etellen den gnbigo und läßt den Grund weiß
erjcheinen. Von der E. unterſcheidet fib die Res
fervage oder der Schußpapp dadurd, daß fie,
vor dem Färben aufgedrudt, an den davon bededten
Stellen die Aufnahme der Farbe hindert. Eine
Reſervage für Indigo bildet z. B. eine Mifchung
von Weinfäure und Aupfervitriol, die, ebenfalls
mit Tbonbrei verdidt, aufgedrudt wird; wird der
fo bevrudte Stoff in der Indigküpe ausgefärbt, io
erfcheint das Mufter weiß auf blauem Grunde. —
E. heißt aud in der Gemäldereftaurierung das Ab»
En masse — Ennemoſer
nehmen eined Gemäldes vom Malgrunde; diejes
Beriahren gebt dem Rentoilieren (f. d.) vorber.
En masse (it;., ſpr. ang maß), in Maſſe.
En miniature (Ir;., jpr. ang miniatübr), in
feinem Maßſtab (j. Miniaturen). j
Enua oder Henna, das jebige Gaftrogio:
vanni (ſ. d.), im Altertum eine Stadt im Innern
Eiciliend, faft in der Mitte der Inſel, weshalb fie
der Nabel derjelben genannt wurde. Sie lag auf
eiler Anböbe und war von Seen, Hainen und
en und in weitem Umkreiſe von fruchtbaren Saat:
feldern umgeben. Seit alter Zeit war fie ein Hauptſitz
des Demetertultus. Hier jollte die Entführung von
Demeters Tochter Perſephone durch Pluton erfolgt
fein, an dem nabe gelegenen See Bergus (dem beu:
tigen Lago Perguſa). Im erften Puniſchen Kriege,
bei deſſen Ausbruch die Stadt den Karthagern pe
börte, fiel E. in die Hände der Nömer. Schwer litt
die Stadt durch den bier 135 v. Chr. ausgebrode:
nen und 132 durd Eroberung derjelben beendigten
Stlavenaufitand unter Cunus. 859 n. Chr. geriet
€. durch Berrat in die Hände der Sarazenen. 1087
fiel eö dem normann. Reiche zu.
una, Auguft, Komponiſt, ſ. Bd. 17.
Eunatteris (grch.), eigentlich eine Periode von
neun Jahren, doch verſtanden die riechen, indem fie
ſich einer übergreifenden Säblung bedienten, die aud)
in unjerm «acht Tage» für eine Woche und dem franz,
«quinze jours» für zwei Wochen zur Anwendung
tommt, bierunter einen ahtjäbrigen Eyllus, in dem
durch Einſchaltungen abt Mondjahre zur Dauer
von acht Sonnenjabren ergänzt wurden. Doc war
neben E. aud der Ausprud Dltaeteris im Ge
braud. Eine Periode von acht Jahren, ein jog.
roßes eh, galt als der Zeitraum, den die Sühne
fir eine Tötung erforderte. So wurde in Delpbi die
Sübnung des Gottes jelbit, der er fih nad Erlegung
des Drachen Bytbon unterwerfen mußte, alle acht
Sabre feierlih begangen. Ebenfo mußte Heratles
wegen Ermordung der ihm von der Megara gebore:
nen Kinder ein jog. großes Jahr dem Euryſtheus
dienen. Aber aud in anderm Sinne erſcheint dieſer
er in den Sagen; jo 5.3. regiert nach ber
doſſee Minos ald Bertrauter des Zeus in neun:
jäbrigen Beriovden über Kreta.
Ennäta, |. Cnata. [jegungen,
Eunda (grch.), neun, bäufig in Zufammen:
us oder enneagäönijh (grch.,
«neunmweibig») nennt man jede Blüte mit neun
Griffeln. Enneagynia nannte deshalb Linne eine
Drdnung in den Klafjen I—XIU feines Syitems;
diejelbe umfaßt alle vie Pflanzen, die enneaghniſche
Blüten haben. .
Euneataidefalteris, bei den alten Griehen
der vom Atbener Meton 432 v. Chr. aufgeitellte
19jäbrige Schaltcyllus ; er war für die griech. Zeit:
tehnung wichtig, weil nah diefem Zeitraum bie
monde wieder auf denfelben Tag des Sonnen:
jabres fielen (j. Kalender).
Euneakrunos, Quelle, |. Rallirrboe und Atben.
Enneändrus oder enneandrifch (ard.,
meunmännig») beißt jede Blüte, die neun Staub:
gefäße befist. Enneandria nannte deshalb Finne
die neunte Klaſſe feined Syſtems, die alle die
Manzen umjaßt, deren Blüten mit neun freien
Etsubgeiäßen verjeben find.
Enneäd (grch.), die Neunzahl, ſ. Neun.
Enneberg oder Gaderthal, Thal in der dfterr.
biirtshbauptmannfcaft Bruned in Tirol (j. Karte:
37
Tirol und Borarlberg), umihlofien von
den Kalt» und Dolomitalpen des Peitlerlkofels
(2877 m) im W., des Seetofelö (2810 m) im O. und
den Ausläufern des Tofana (3220—3241 m) im ©,,
43 km * durchfloſſen vom Murz⸗ oder Gader⸗
bach, der bei St. Lorenzen im Puſterthale in die
Nienz einmündet. Das Thal iſt einförmig, raub
und wild, hat eine mittlere Erhebung von 1220 m,
iſt paruch evölfert von roman. Einwohnern, deren
ialeft an denjenigen der Ladiner im Unterengadin
( Rhätoromanijch) erinnert und deren Sauptbei —*
tigung neben der Viehzucht das Holzfällen iſt.
ſudl. Arm, etwa 30 km lang, heiht das Abteis
oder Badiathal, ber ſüdöſtliche, das eigentliche E.,
20 km lang, heißt auch dad Rau: oder Vigilthal
und verbindet ſich mit dem Abteithal bei Zwiſchen⸗
waſſer (1022 m), wo die ladiniſche Sprache beginnt;
von bier an führt die Murz bis zu ihrer Mündung
den Namen Gaber. rege beiden erhebt fi das
Maffiv des Kreuzlofels zu 2911 m. Hauptort im
Abteithal ift St. Leonhard oder Abtei, roman. Badia
(j. d.; 1857 m), mit 635 ladiniſchen E., im Vigil:
tbal, das in der Thalſprache Marco heikt, St. Vigil
oder Al Plang (1183 m), mit 456 meiſt labinijchen
E. Mit dem Buftertbal ift das Abteithal durch
eine neue, funftvolle Fahrſtraße (32 km) verbunden,
die biß zum Thalende nah Eorvara (180 E.,
1572 m) führt. gr bei Eorvara St. Eaffian
(334 €., 1526 m), berühmt durch zahlreihe Ber
jteinerungdfunde. Bon den rauben Bäflen find
das Grödner Joch (2240 m), welches ind Gröbner
Thal (f. Gröden) führt, und das Sellajody (2230 m)
nad dem Faſſathal die befannteften. Im Herbft 1882
wurde €. en Uberſchwemmungen ſtark vermwüftet.
— Der Gerichtsbezirt E. hat 398,83 qkm, (1900)
5289 labinifche E., 8 Gemeinden und 18 Ortichaften.
Enneccernd, Ludw., Rechtslehrer und Barla-
mentarier, geb. 1. April 1843 zu Neuftadt a, R.
(Hannover), ftudierte in Göttingen anfangs Mathes
matit und Naturmwifjenihaften, dann die Rechte,
wurde 1872 daſelbſt außerord. Bro eſſor und 1873
ord. Brofeiior für röm. Recht in Dlarburg. Seit
1874 Mitglied des heſſ. Kommunallandtags, ge
börte er 1882—98 auch dem preuß. Abgeordneten:
hauſe an, wo er der nationalliberalen Fraktion bei:
trat und burd feine Thätigleit namentlich auf dem
Gebiete des Etat: und Steuerwejens bald eine an:
gejebene Stellung einnahm. 1887—90 und wieder
1893—98 vertrat er den Wahlkreis Oldenburg im
Reichstage. Er jchrieb: «liber Begriff und Wirkung
der le iwbedingung und des Anfangstermind»
(1. Hälfte, Gött. 1871), Osriebrich Karl von Savigny
und die Richtung der neuern Rechtswiſſenſchafto
(Marb. 1879), «Ein Höferecht für Hefjen» (Cafj.1882),
«Rehtögeihäft, Bedingung und Anfangstermin»
(Marb. 1889), «Die Steuerreform in Staat und Ge
meinde» (ebd. 1892), «Bermögenziteuer, fundierte
Eintommeniteuer oder Erbichaftsiteuer» (ebd. 1893)
und mit 9. D. Lehmann das groß angelegte Wert
«Das bürgerliche Recht. Eine Einführung in das
Recht des Bürgerl. Gejehbuchs» (ebd. 1898 fa.).
Ennemofer, Joſ., mediz.:pbilof. Schriftiieller,
geb- 15. Nov. 1787 zu Hinterjee (jest Rabenitein) im
iroler Landgericht Bafleier, ftudierte zu Innsbrud
Medizin, folgte 1809 dem Sandwirt Hofer als Ge:
beimjchreiber und feste dann feine Studien in Er:
langen und Wien fort. 1818 trat er ald Offizier
in das Lutzowſche Freitorps, in dem er während der
Feldzüge 1813 und 1814 eine Compagnie Tiroler:
38
jäger führte, und beendete nach dem Parifer Frieden
jeine Studien zu Berlin. Unter der Leitung des Pro:
feſſors MWolfart wandte er fi dem magnetischen
Heilverfahren zu, welche Richtung er mit Vorliebe
auch auf litterar, Gebiete verfolgte. Er wurde 1819
Profeſſor der Medizin an der neuen Univerfität zu
Bonn, ließ fih 1837 in Innsbruck als praftifcher
Arzt nieder und fiebelte 1841 nah Münden über,
wo er als praftiicher Arzt und Magnetifeur großen
Ruf erlangte. ftarb 19. Sept. 1854 zu Egern
am ZTegernjee. Sein Hauptwerk ift «Der Magne:
tismus in ſeiner geſchichtlichen ——
1819), von dem eine zweite Auflage u. d. T. «Ge:
chichte des tieriihen Magnetiömus» (ebd. 1844) er:
bien, deren eriter Band die «Geſchichte der Magie»
bildet. Er ſchrieb außerdem «Hiftor.:pfycol. Unter:
fuhungen über den Urfprung und das Weſen der
menſchlichen Seele» (Bonn 1824; 2, Aufl, mit
einem Anbang über die Uniterblichteit, Stuttg.
1851), «Anthropol. Anfihten, oder Beiträge *
beſſern Kenntnis des Menjchen» (Bonn 1828), «Der
Magnetismus im Verbältnis zur Natur und Reli-
gion» (Stuttg. 1842; 2. Aufl., mit einem Anbange
über das Tifchrüden, 1853), «Der Beift des Menſchen
in der Natur» (ebd. 1849), «Anleitung zur Mes:
merifchen Braris» (ebd. 1852), «Das Horoflop in
der Weltgeihichter (Münd. 1860).
Ennen, riedr. Hubert Leonhard, Hiftorifer, geb.
5. März 1820 zu Schleiden in der Eifel, ftubierte
1841— 44 zu Münjter, Bonn und Köln Theologie
und Boilofopbie und war 1845—57 Vilar und
Leiter der böbern Stadtihule zu Königswinter.
Als folder gründete er 1854 den Sioriihen Verein
für den Niederrbein. 1856 —58 war E. Mitglied
des preuß. Abgeordnetenhaufes und feit 1857 Archi⸗
var und Bibliothelar der Stabt Köln, wo er 14. Juni
1880 ftarb. Unter feinen Schriften jind zu nennen:
«Geſchichte der Reformation im Bereich der alten Erz:
diöceje Köln» (Köln 1849), «Der Spaniſche Erbfolge:
frieg und Joſeph Clemens» (Jena 1851), «Frankreich
und ber Niederrhein» (2 Wde., Köln 1855 — 56),
«Zeitbilder aus der neuern Geſchichte der Stabt
Köln» (ebd. 1857), «Quellen zur Gejchichte der
Stadt Köln» (Bd. 1—6, ebd. 1860— 79), «Geſchichte
der Stadt Köln» (Bd. 1—5, Köln und Düffeld. 1862
—79; Auszug in 1Bd., 1880), «Die Wahl des
Königs Adolf von Naſſau» (Köln 1866), «Führer
durd die Stadt Köln» (2. Aufl., ebd. 1879).
Ennöpe, Fluß, ſ. Enneper Straße.
Euntper Strafe, 11 km langes, 1 km breites
Thal der bei Halver entjpringenden Ennepe, eines
linten Nebenfluffes der Bolme, im preuß. Reg.:Be;.
Arneberg, zwiſchen Milspe und Hagen, wird von
der Ennepetbalbabn (f. d.) durchzogen und ift eine
derindbuftrielliten Gegenden Weſtfalens, voller Eifen:
werte und Schmieden (f. Karte: Rheiniſch-Weſt—
fälifhee Koblen: und Anduftriegebiet).
Die größten Orte find Haspe und Geveläberg (i.d.).
Die Anlegung einer großen Thalſperre iſt geplant.
Ennepethalbahn, Babnlinie von Hagen nah
Haufe (9,8 km, 1876 eröffnet), Strede der ebemali«
gen Bergiib:Märtifchen Eifenbahn (f. d.).
Ennery, Adolpbe Philippe dv’, franz. Drama:
titer, ſ. Dennery. ,
Ennes, Antonio, portugiefifcher dramat. Schrift:
jteller, geb. 1848 zu Liffabon, wo er feine litterar.
Studien abjolvierte und jeit 1872 ald Journalift für
die Zeitungen «O Paiz», «O Progresso» und «Correio
da Noite» tbätig war. 1886 wurde er Oberbiblio:
a VEEREEEED — —
Ennen — Ennius
thelar der Nationalbibliothel. Als Journaliſt hat
er ſich einen ſo bedeutenden Namen erworben, daß
er im Sommer 1890 zum Marine: und Kolonial⸗
minifter ernannt ward, doch befleidete er diefes Amt
nur einige Monate. 1874 veröffentlichte er jein
erite8 Drama «Os Lazaristas», das großes Auf:
ſehen erregte und in Portugal und Brafilien ſich
dauernd auf der Bühne erbielt. Später verfaßte er
die Koınödie «Eugenia Milton» (1874) und die Dra:
men «Os Trovadores» (1875), «O saltimbanco»
(1876),«A emi 0» (1878),«Um divorcio» (1879).
Ennetbergifche Vogteien, f. Teſſin (ſchweiz.
Kanton, Geſchichte).
Ennigerloh, Bauerjhaft im Kreis Bedum des
preuß. Reg.Bez. Münfter, an der Linie Hannover:
Köln der Greub Staatöbahnen (Station Bedum:
€.), dur Nebenbahn mit dem Dorfe E. verbunden,
bat (1900) 8434 E., darunter 412 Gvangelijche,
—* 3609 E. Poſtagentur, Fernſprechverbindung,
ath. Kirche; Branntwein⸗ und Kallkbrennerei.
Eunigloh, Bauerſchaft im Kreis Herford des
preuß. Neg.:Bez. Minden, hat (1900) 4123 E., dar:
a Ratboliten und 23 Söraeliten, (1905)
454
16.
Ennis, Hauptftadt der irifchen Grafihaft Clare,
am Fergus, 8km oberhalb feiner Mündung in den
Shannontridter, hat (1891) 5460 E. Getreide: und
Holzhandel. E. bejikt eine Kathedrale des kath. Bis:
tums von Rillaloe mit Seminar, eine O'Connell⸗
fäule, no Kirche auf den Ruinen einer Fran—
zisfanerabtei von 1240, einen Gerihtähof, Irren—
anftalt und Gefängnis. In der Nähe das von
Erasmus Smith gegründete Ennis College. Clare,
3 km unterhalb, dient als Hafen.
Ennidcorthy, Stadt in der irifhen Grafichaft
Werford, 19 km im NNW. von Wertord, fübn am
Abhange eines fteilen Berges über dem ſchiffbaren
Slaney gelegen, bat (1891) 5648 E., Wollfpinnerei,
Gerbereien und Handel mit Getreide und Mebl. €.
entitand aus einem Normannenſchloſſe, Raymond⸗
(e:$ro3, wurde 1649 von Erommell und 1798 von
irifchen Rebellen nad dem Gefecht von Vinegar: Hill
niedergebrannt.
Ennisfillen, Hauptftabt der irischen Grafichaft
——— „auf einer Inſel im Fluſſe Erne (ſ. d.)
und zum Teil auf dem Flußufer, zu welchem zwei
Brüden hinüberführen, hat (1891) 5570 E., vier
Kirchen, Gerichtshof, Stadthaus mit den am Boyne:
Kup eroberten Fahnen; Meſſerfabrikation, Strob:
echterei jomie Ka mit Getreide, Schweinefleifh
und Flachs. Die Stadt befist große Baraden und
wei ‚Forts, die den Übergang über den Fluß be
— en; in einem ſteht eine 31 m hohe Säule mit
der Statue des Generald Lowry Cole. — €. ftammt
erft aus dem J. 1641, ift berühmt durd die Ber:
teidigung durch Truppen Wilhelms III. unter Hamil:
ton gegen Streitkräfte Jakobs II. 1689. Im W.
von €, die durch König Karl I. gegründete Royal
Portora School, das iriſche Rugby genannt.
Ennins, Duintus, röm. Dichter, geb. 239 v. Chr.
zu Rudiä in Calabrien, that Kriegspienfte, wurde
ın Sardinien mit dem ältern Gato befannt und fam
mit dieſem nach Rom, woerdie Freundſchaft derange:
ſehenſten Männer, unter andern des Scipio Africa—
nus des Altern, gewann und das rom. Bürgerrecht er:
langte. Er ſtarb 169 v. Chr. E. war ein vielſeitiger
Dichter und vertraut mit der griech. Sprache und
Litteratur, Er bat fich, teils jelbitändig, teils griech.
Meiftern folgend, in zablreihen Gattungen der
Ennodius — Enophthalmus
Roche und Proſa verfucht. Man hatte von ihm
—— und Komödien, and führte er den Aus:
drud Satire, aber im Sinne einer Sammlung ver:
miſchter Gedichte (f. Satura), nicht in dem fpätern,
x heute geläufigen, in die röm. Litteratur ein.
Bielleiht waren Zeile diefer Sammlung einige Ge:
dichte, von denen Fragmente erhalten find, wie die
— — —3 Inhalts, nach
echiſchen des Archeſtratus), der «Epichar-
mus» (ein naturpbiloj. Lebrgedicht, in dem py—
tbagoreiiche Weisheit vorgetragen wurde), ber
«Euhemerus» (in dem das Wert des Cyrenailkers
Eubemerus [j. d.] über die Götter überarbeitet und
auf italiihe Mythen ausgedehnt mar). Während
E. als Komodiendichter nicht glüdlih war, gehören
feine Tragödien (größtenteild Bearbeitungen von
Stüden des Curipides) zu feinen bedeutenditen
Leiſtungen. Sein Hauptwerk aber waren die «An-
nales», ein Epos in 18 Büchern, in dem er die Ge:
chichte Noms von der Gründung der Stadt bis auf
eine Zeit berab poetiſch verberrlihte. E. wirkte
öpferiich und babnbredend auf dem Boden der
röm. Sprache und Poeſie. Wenn auch Sprade und
Bers (er führte den Herameter in die röm. Dichtung
ein) bei ibm troß jeines ungewöhnlichen Form:
talentö nod nicht die jpätere Eleganz baben konnten,
o werden dieje Mängel durch die Kraft und das
er jeiner Sprache ausgeglichen. Die zablreihen
ruchjtüde, die von des E! verjchiedenen Werten
noch erhalten find, wurden mehrfach gefammelt, am
beiten von Vablen («Ennianae poesis reliquiae»,
2p;.1854), 2. Müller («Q.Ennicarminumreliquiae»,
Vetersb. 1884) und Bährens («Fragmenta poeta-
rum Romanorum», Lpz. 1886). Die Reite feiner
dramat. Dibtungen bat Ribbed in feine «Scaenicae
Romanorum poesis fragmenta» (2. Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1871— 73) aufgenommen. — Bol. Ribbed, Die
röm. Tragödieim Zeitalter der Republik (Lpz. 1875);
2. Müller, Q. E. (Betersb. 1884).
Enuodins, — Felix, lirchlicher Schrift«
—— geb. 473 zu Arles, wurde 511 Biſchof von
icinum 2 und ſtarb, um feiner klaſſiſchen
Bildung willen hochgeſchätzt, 17. Juli 521. Seine
Werte (Briefe, Gedichte und Pebensbeihreibungen)
wurden bg. von Sirmondi (Par. 1611) in Mignes
« Patrologıa ıatina» (Bd. 63), Hartel (Bd. 6 des
«Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum»,
Wien 1882) und Vogel («Monumenta Germaniae
historica», Abteil. 1und3: «Auctoresantiquissimi»,
Bd. 7, Berl. 1885). — Val. fertig, E. und jeine Zeit
(Bajlau und Landsh. 1855—58); Magani, Ennodio
(3 Bde., Bavia 1886).
Enns oder Ens, rechter Nebenfluß der Donau
in Oſterreich, entſpringt im Kronlande Salzburg
am Nordfuß des Mojer Mandl umd tritt bei
dem Mandlingpaß (810 m) in Steiermarf ein. Bei
Schladming (737 m) hat der Fluß eine oftnordöftl.
ar angenommen, die er auf 105 km weit bei:
bebält, bis er bei Hieflau (517 m) plöglih nad N.
umbiegt und dann unterhalb des Fleckens Alten:
markt in Oberöjterreich eintritt. Hier bejpült er die
Stadt Steyr (302 m) und mündet 22 km unterhalb
derfelben, 65 m breit, bei der Stadt Enns N d.).
Bon Raditatt (856 m) bis Be Mündung ziebt an
ibren Ufern die Eiſenbahn. Die €. ift 304 km lang,
39
unterhalb Steyr in einer Länge von 28,4 km bie
Grenze zwiſchen Nieder: und Oberöſterreich, wes⸗
alb erjteres aub Land unter der E,, lebteres
and ob der E. genannt wird.
Enns, aub Ens, Stadt in der dfterr. Bezirks:
uptmannſchaft Linz in Oberöfterreih, in 280 m
öhe, auf einer Anböbe, lints an der E., ne an
deren Einmündung in die Donau, an der Linie Wien:
Linz der Oſterr. Staatöbabnen, Sitz eines Bezirlö:
gerichts (81 qkm, 8379 E,), bat (1900) ala Ge:
meinde 4277 E., eine got. Stadtpfarrlirche mit
Ihönem Portal, ein Rathaus mit freiftehenbem
Turm (1565), ein der Landgräfin Karoline Fürften:
berg gehörige: Schloß Ennied (15. Jahrh.) mit ſchö⸗
nem Barf, und bedeutende Bierbrauerei. Nahebei das
uralte Lord (j.d.). Im J. 900 errichteten bier die
Bayern eine Feſte gegen die Hunnen, Anaſi- oder
Anesburg (Ennsburg), die unter den Markgrafen
von Steier bald zu großer Blüte gelangte. jr E.
wurde 1186 der Erbvertrag * oſſen, durch den
die Steiermart an Ofterreich lam. Durch Leopold VI.
erbielt E. 1212 Stadtrechte, 1275 wurde ed von Rus
dolf von Habsburg erobert. 5.Nov. 1805 fand bier
ein Gefecht zwischen Duangefen und Öfterreichern ftatt.
Ennöthaler Alpen, |. Dftalpen C, 13,
Ennui (jr;., ſpr. annüib), Langeweile, Über:
druß; ennupteren, langweilen; ennuyant (fpr.
annütiang), langweilig.
Enod,, |. Henoch.
Enodieren (lat.), auflöjen, entwideln, entwir:
ren; Enodation, Auflöjung, Entwidlung.
Enomötie, jpartan. Truppenabteilung in der
Stärte von etwa 25 bis 36 Mann, an deren Spitze
ein Enomotärch jtand.
Enomoto zu, japan. Diplomat und Staats:
mann, geb. in Tofio, wurde 1863 mit mehrern ans
dern Japanern nad) Holland gefandt, um dort Schiff:
bau und Marinewejen " ftudieren. 1867 kebrte er
nad der Heimat zurüd und wurde mit einer der
öchjten Stellen im Marinewejen betraut. Als im
Reitaurationstriege 1868 die faiferl. Truppen in
Tolio einrüdten, fammelte €. B. die zeriprengten
Reite der Shoguntruppen an der Suptähe der Inſel
eilo. Hier wurde eine Republit proflamiert und
. B. zu ihrem Präfidenten ernannt. Er richtete an
die kaijerl. Regierung eine Betition um Ülberlaffung
der Inſel Jeſſo an die Tolugamafamilie und ihre
Untertbanen. Die Regierung ging bierauf nicht
ein, und in dem nun folgenden Kampfe mit den
Kaiſerlichen —— E. B. und wurde gefangen
nad Tokio geführt. Vom Kaiſer begnadigt, trat er in
die Dienfte der neuen Regierung, wurde 1874 zum
Viceadmiral der Flotte und bald darauf zum außer:
ordentlihen Geſandten und bevollmädtigten Mi:
nifter am Hofe von Petersburg ernannt. Aus
Rußland zurüdgelebrt, wurde er 1880 zum Marine:
minijter ernannt und ging einige Jahre darauf als
Gejandter nah PBeling. Nach jeiner Rüdtehr 1886
wurde er Minijter des öffentlichen Verlehrsweſens,
1888 Unterrichtsminiſter, 1891—92 Minijter des
Auswärtigen, 1892—% Landwirtichafts: und Han:
deläminiiter. Seit 1888 gebört er dem Staatsrat an.
Enophthaͤlmus —X das Zurüdfinten des
Augapfeld in die Augenböble, it bedingt durch
Bolumabnabme des Inhalts der Augenböble, na⸗
wird, nachdem fie zwiſchen Admont und Hieflau mentlich des diejelbeausfüllenden Zellgemebes. Man
das Gefäufe (f. d.) durditrömt bat, ſchiffbar und
nimmt —* bei Groß⸗Reifling (428 m) die Salza
und lints bei Steyr die Steyr auf. Der Fluß bildet
beobachtet denjelben bei hochgradiger Abmagerung.
Durch den großen Wajlerverluft des Gewebes ent:
midelt er ſich innerhalb weniger Stunden bei der
40
Aſiatiſchen Eholera. Auch lann E. nah Operationen, |
wo ein Teil des Augenböbleninbaltes entfernt wird, |
auftreten, weiter nad Lähmungen des Nervus sym-
athicus und Berlegungen, wobei der Augapfel
It t nicht getroffen wird, fondern der obere Augen:
öblenrand,
Enopla, Unterordnung der Shnurwürmer (f.d.).
Euorm (lat.), über das Maß, die Regel hinaus:
gebend, ungeheuer; Enormität, Ungeheuerlichteit.
Enos, Stadt im Sandſchal Dedeaghatſch des
türt, Wilajets Adrianopel, am Igäifhen Meere und
öftlich von der Mündung der Marika, von Sümpfen
—— und deshalb ungeſund, mit einem ebe:
mals bedeutenden, jetzt verihlammten und nur für
Kleinere Fahrzeuge zu ER Hafen, hat 6—7000
mobammed. und gried. E., Handel mit den Landes⸗
produften wie auch ifcherei und Schiffahrt auf
dem Agäiſchen Meere und auf der Marisa. Als
Ausfuhrhafen ift E. jetzt von Dedeaghatſch (f. d.)
überholt. — €. ift die alte, [bon von Homer erwähnte
griech. Stabt Unos, eine äoliſche Kolonie, die wäh:
rend der byzant. Zeit Metropolis (Sig eines Erz⸗
— war und vom 7. Jahrh. bis 1204 zum
Thema Macedonien gerechnet wurde.
Enoſichthon, Enofigaios (grch., «Erderſchüt⸗
terer»), Beiname des Poſeidon.
Euosmöſe, ſ. Osmoſe.
Enoftöfe (grch.), Knochengeſchwulſt, die ſich im
nnern ber Schädellapſel oder im Marltanal eines
ohrenknochens bildet.
Enotrio Romäno, Pieudonym des ital. Dich:
ters Giofud Carducci (f. d.).
En 5— frz. ſpr. ang paßäng), im Vor:
übergeben, beiläufig, nebenbei.
En päte, in Form einer Baite, eines Teiges.
hg für Bunt:
En pate-Farben, teigige
ind Mineral: oder
papier: und Tapetenfabritation,
Lackfarben.
En profil (fr;., jpr. ang), von der Seite, in der
bildenden Kunft Ausprud dafür, daß das Geficht,
auch ganze Figur, in Seitenanficht bargejtellt ift.
(S. Bildnig.) [in Rede ftebend.
En question (fr;., fpr. ang teftiöng), in Frage,
Enquete (franz. enquöte, Pr. angläbt), eigentlich
Beugenverbör, im franz. Civilprozeß das Verfabren,
in welchem der Zeugenbeweis und der direlte Gegen:
beweis durch Zeugen (Contre-enquöte) erhoben wırd;
in der Sprache des franz. Verwaltungsrechts (in der
Praris meift Enquöte de commodo et incommodo
—— das der Zwangsenteignung, öffentlichen
rbeiten, Bergwerlöverleibungen, der Erlaubnis
zur Anlegung von Triebwerten an Gemäjjern und
andern Unternehmungen vorhergehende Berfabren,
durch welches den betroffenen Privaten Gelegenheit
zur Borbringung ihrer Beichwerden und Wünſche
gegeben und die zwedmäßigjte und mohlfeilfte Art
der Ausführung ermittelt werben foll,
in parlamentarifhen Spradgebraudh be
zeichnet E. eine enalifhe, aud in andern Pändern
nachgeahmte Einrichtung. Seit langer Zeit üben in
England die beiden Häufer des Parlaments jedes
für ſich das Recht, über ſolche Verbältnifie des Lan—
des, welche einer Regelungdurd die Geſetzgebung zu
bedürfen ſcheinen, die aber nicht leicht und nicht von
jedermann in allen Teilen zu überfeben find, behufs
Gewinnung der nötigen thatſächlichen Unterlagen
für die legislatoriſche Thätigleit genaue und um:
fafjende Unterfuchungen (engl. Inquiries) durch eine
aus der Mitte des betreffenden Hauſes gemäblte
6
Enopla — Enquete
Kommiffion anzuftellen. Derartige €. haben teile
auf Antrag der Regierung, teils einzelner Mit:
ieder jebr bäufig und über die mannigfaltigiten
egenftände jtattgefunden, 4. B. über das Armen:
tr die Arbeiten der Kinder in den Fabriten,
die Banken, die Verbältnifje beftimmter —
weige, die Zuſtände Irlands, die Schiffahrtsge—
ee, die Eiſenbahnpolitik. Die zu ſolchem Zmwede
niedergejegte Kommiffion (Select Committee) bat
das Recht, nicht bloß freiwillig gebotene Austunft
anzunehmen, jondern aud öffentliche Beamte und,
eugen und Sadverftändige
vorzuladen und zu befragen. Wiſſentlich falſche
Ausfagen werden in der Hegel ald Privilegienbruch
betrachtet. Es findet fogar zuweilen Bereidigung
der Zeugen ftatt. Die Vernehmungen gefcheben
öffentlich, die ftenographifhen Protokolle werden
fofort gedrudt und in der Regel auch meiſt fofort
verbreitet, um dem Volle Gelegenbeit = geben, der
Kommiffion neue, wichtige, ergänzende Mitteilungen
h maden. Endlich eritattet auf Grund der Unter:
Privatperfonen ala
uchung die Kommiffion felbjt einen ausführlichen
ericht, der ebenfall3 veröffentlicht wird und ver
rundlage der parlamentariijhen Berband:
lungen, mie auch der Beſprechungen in der Preſſe
dient. Neben den Parlamentsausſchüſſen fest auch
die Regierung fog. Königlihe Kommiſſionen (Royal
commissions of Inquiry) nieder, wenn es fi um
erg bandelt, die umfafjender und von
jahrelanger Dauer — Man würde ſich in Eng:
land nicht für befähigt Ks über eine wichtige
grage der Volkswirtſchaft, des Finanzweſens, der
echtspflege oder eines andern Zweigs der Geſetz⸗
ebung ohne eine ſolche vorausgegangene Unter:
ee zu entfcheiden, und in der That verbanft
Gngland jenen Unterfuhungstommiffionen feine
bedeutenditen und beften Gelee. Die zahlreichen,
über 1000 Bände umfafienden Kommiſſionsberichte
bilden ein unihäsbares Material zur Kenntnis der
ejamten Zuftände Englands. Anderer Art wer bie
ablprüfungstommifltonen, die, wenn Beitechuns
gen und Negelmidrigleiten vorgelommen zu fein ſchei⸗
nen, von dem Unterbaufe gebildet zu werden pflegen.
In Frant ne. baben feit Mitte des 19. Jabrb.
ebenfalls häufig E. ftattgefunden, teild eigentlich
parlamentarijche, teild mehr abminijtrative, die
von dem Oberbandelärate geleitet wurden. Sie wur:
den namentlih vor allen wichtigern Üinderungen
des Zollſyſtems veranftaltet. Die umfangreichſte
von allen war bie 1866—68 abgebaltene En-
quöte agricole, welche 35 Quartbände geliefert bat,
aber feinen großen praftiihen Wert befikt, mie
überhaupt in diefer Beziehung die franzöfiichen E.
den Vergleich mit den englifchen nicht aushalten.
Auch in Deutfhland verlieh die Reichsver—
faſſung von 1849 und verleiht namentlib noch
die preuß. Verfaſſung der Voltövertretung das
Recht, Unterfuhungstommiffionen niederzufeken,
und in der That find in Preußen auf Veranlaſſung
der — derartige Kommiſſionen mehrmals
vom preuß. Abgeordnetenhauſe gebildet worden.
Auch Regierungs-Enquetelommiſſionen kommen
häufig vor, mit denen indes die Vertretungen *
nächſt nichts zu thun haben. Bon ausſchließlich
olit. Bedeutung war die 1863 von dem preuß.
bgeordnetenhauſe eingeſete Unterfubungstom:
miſſion zur Feſtſtellung der Wahlbeeinfluſſungen.
Epäter hat man für die ee in kung ern ſowie
für die preuß. Gejergebung einzelne E. vorgenom:
als
Enragiert — Enjchede
men, jo die Eifenbabntarifenguete 1875 und die
preub. Eifenbahnunterfuchungstommiffion 1873, die
6. über die Lage der Eijen:, Baummol , Leinen:
und Tabalsinduſtrie 1878, über die Reviſion deö
Patentgejebes 1886, die Börfenenauete (f. d.), die
Erbebungen der Kommiffion für Arbeiterftatiftit jeit
1892 und die über VBerbältnijie im Handwerk 1895.
— Vol. Eobn, Über parlamentarifhe Unterfuchun:
gen in England (Jena 1875); Das Verfahren bei
„über fociale Berbältnifje. Gutachten von Embden,
Eobn und Stieda —8 den «Schriften des Vereins
für Socialvolitite, Heft 13, ps. 1877).
Enragiert (frz., ſpr. ang’rajd-), wütend, ra:
ſend; leidenſchaftlich für etwas eingenommen.
Euregiftrement (fr;., jpr. ang röihiptr'mäng),
die Cintragung in ein Regiſter, melde in Frankreich
und den Yändern des franz. Rechts % B. auch in der
preuß. Rbeinprovinz, Geſeß vom 23. April 1804) ins:
befondere dazu dient, Privaturfunden ein ſicheres
Datum (f. d.) zu geben. Außerdem aber wird da:
elbit (4.8. auch in Elſaß-Lothringen) unter diefem
men eine indirefte Steuer erboben, welche im
J 1790 an Stelle verjchiedener anderer Abgaben,
namentlich der fog. Contröle, trat und gegenwärtig
uptſächlich auf dem Gejek vom 22. Frimaire des
bres Vli berubt. Die Enregijtrementsgebübren,
welche teilö verbältnismäßige, teils fejte find, wer:
den ald Mutations:(Handänderungs:)gebübren bei
der Übertragung des Eigentums an unbemweglihem
Gut unter Lebenden und bei jedem Eigentums:
ermwerb von Todes wegen (Sterbfallägebübren) er:
boben, ferner von andern Rechtsgeſchäften bei Re
iftrierung der darüber lautenden Urkunden. Die
ung ber Steuer erfordert jurift. Kenntniſſe,
wie denn auch Streitigeiten über Enregiftrements:
ſachen vor die ordentlichen Gerichte verwieſen find,
wo fie in bejonderm Berfabren verbandelt werben.
Enregijtrieren (jrz. ſpr. ang'röici-), einregi-
ftrieren, einzeichnen, —— Enregijtrement).
Enrhumiert (frz., jpr. ang’rüm-), mit dem
Schnupjen behaftet, verſchnupft.
Eurichieren (ir;., ſpr. ang'riſch⸗), bereichern,
verzieren, ausſchmucken.
Euriquez Gomez(ipr.-ribteds), Antonio, eigent⸗
lich Enrique Enriquez de Paz, ſpan. Dichter,
Eobn eine? getauften portug. Juden, geb. um 1600
jr govia, trat im 20. Jabre in Kriegsdienſte, er:
ngte den Rang eines Kapitäns und das Kleid des
Kitterordend vom beil. Michael. 1636 verließ er
Epanien, wohl weil er innerlib an dem ererbten
Glauben fejtbielt, wenn er auch erjt viel fpäter
öffentlich — zurücklehrte; ſein Sohn Diego
Enrique; Baſurto, der 1649 in Rouen ein Gedicht
«El triumpho de la virtud y paciencia de Job»
berausgab, wird als Jude bezeichnet. E. ©. fand,
wie zablreihe andere Spanter, am Hofe Lud—
wigs XIII. Gunft und Stellung; 1660 wird er von
der Inquiſition in effigie ald Abtrünniger zum
Feuertod verurteilt und dabei als in Amfterdam
anjäffın bezeichnet. Noch während feines Aufent:
& in Spanien trat E. G. als dramat. Dichter auf.
«El cardenal de Albornöz» und «Fernan Mendez
Pinto» werben als bejonbers beifällig aufgenom:
men genannt. Nach eigener Angabe Ferrieb er 22
Krmödien, denen die bäufige Anwendung des afjo-
nierenden bdreifilbigen Irobäus eigentümlid tft.
Die befte: «A lo que obliga el honor», erinnert an
Calderons «Medico de su honra», €. G.' Komö:
tim find im allgemeinen wohldurchdacht, aber
4l
dur pbantaftifches Beiwerk und im Stil dur
fibertreibung entftellt. Dieſer leßtere Febler berricht
auc in feinen Werten in Berjen und Proſa. Zu
diefen gebören: «Academias morales de las musas»
(Bord. 1642; Balencia 1647; Madr. 1660; Barcel.
1704, verſchiedenartigen Inhalts), «La culpa del
primer peregrino» (onen 1644; Mabr. 1735),
ein tbeol.:myjtifches Gedicht; «El siglo pitagörico»
(Rouen 1644 u. d.), fatir, Charafterbilder von ges
ringem Werte, in die Form der Geelenwandes
rung eingelleidet, halb in Brofa, halb in Berfen;
«La vida de D. Gregorio Guadana», eine Novelle
im Genre ded Quevedo und Nleman, bie einen
Teil des «Siglo pitagörico» bildet (in der «Biblio-
teca de autores espaholes», Bd. 33); «Luis dado
de Dios» [Bee 1645), «Politica angelica» (Rouen
1647), welche Schrift Anfichten über Staatsverwal⸗
tung enthält; «El Samson Nazareno» (ebd. 1656),
ein verunglüdtes Heldengedicht. Seinen lyriſchen
Gedichten ijt Gedantenreihtum und Empfindung
nicht abzufpreben. Sie ftehben im 42. Bande der
Madrider «Biblioteca de autores espaholes», zwei
Dramen im 47. verjelben Sammlung. — Bal.
Barrera y Leirado, Catälogo del teatro antiguo
espahol (Madr. 1860).
Enrolieren (frz., pr. ang'r-), in die Mufter
rolle oder Werb Ihe eintragen, anmwerben; En:
rolement (fpr. ang’'rolmäng), Anwerbung zum
Kriegsdienſt. ſwartsl
En route ifrz., ſpr. ang rut), unterwegs; vor⸗
Ens (lat.), das Seiende, Ding, Weien; E. en-
tlum, dad Mejen der Weſen, d. i. Gott; E. ra-
tionis, Gedantenweien, das bloß in der Vorftellung
vorbanden ift, im Gegenfaß zum E. reale, dem in
der Wirklichkeit vorbandenen Dinge oder Weſen.
Ens, Fluß und Stadt in Oſterreich, ſ. Enns.
Enfchede (ſpr. ens⸗ch⸗) Enſchedeé, Stadt in der
niederländ. Provinz Oberyſſel, 6 km von der preuß.
Grenze, an den Linien Hengelo-Grenze der Nieder—
länd, Staatöbahnen und Winterswijl:E, (44 km)
fowie E.Oldenzaal (10 km) der Holländ, Eiſenbahn⸗
u eng bat 1879: 5450, 1899: 24352 E.,
mehrere Kirchen, eine Gewerbe: und Handelsſchule,
einen ſchönen Volkspark; Zmwirnfpinnerei und bes
deutende Kattuninduftrie (1899: 7 Spinnereien mit
173972 Spindeln, 15 MWebereien mit 7383 Web:
ftüblen). Am 7. Mai 1862 wurde die Stabt durch
eine Feuersbrunſt zu zwei Dritteln in Ajche gelegt.
fchede ( fr enö:h-), bolländ. Buchdrucker⸗
familie. Jfaat€., geb. 16. Mpril 1681, geft.1. Mai
1761, ftammte aus einer Groninger Familie und
errichtete 1703 in Haarlem eine Buchdruderei. —
Sein oe Johannes E. geb. 10. Juli 1708,
geit. 21. Nov. 1780, war Teilhaber, fpäter Inhaber
der väterlihen Buchdruckerei, zu der 1737 der Ver:
lag der Zeitung «Oprechte Haarlemsche Courant»
(gegründet 1656, ſeit 1847 Tageblatt) und 1743 die
riftgießerei von Floxis Hendrit MWetftein mit
Schriften von Michael Fleiſchmann (f. d.) —
wurden. Um zu beweiſen, daß die Buchdruckerkunſt
in. Haarlem erfunden worden fei, fammelte E
eine reichhaltige Bibliotbel namentlich von Inkuna⸗
bein, die jedoch 1867 wegen Erbteilung verfteigert
wurde; unter andern entdedte er Fragmente eines
Donat und eines Horariums, das für einen Drud
Coſters gehalten wird. Berühmt ift auch feine
Sammlung von Stempeln und Matrizen aus dem
15. bis 17. Jahrh., von denen aber nur nod die
Matrizen vorhanden find, und fein 1768 beraus-
42
gegebenes Schriftprobenbuch «Proef van lettern».
1777 nahm er zwei feiner Söhne als Teilbaber auf,
und die Firma lautet feitvem bis zur Gegenwart
«Yohannes Enſchede en Zonen». Dieſe Söhne
waren: Johannes E., geb. 16. Nov. 1750, geit.
29. Juli 1799, der die Bibliothek des Vaters
durch Erwerbung der «Editiones principes» der
Klafliler und wertvoller Handferiften vermehrte,
und Jakobus €., geb. 19. März 1753, geit 1. Yan.
1783, an deſſen Stelle ein dritter Sohn Abrabam
€., geb: 20. März 1760, geſt. 2. Aug. 1820, trat.
1896 wurden Bejiger zwei Urentel von Johannes
.: Sobannes E., Pr 26. Aug. 1851, und
Charles E., geb. 23. März 1855.
Die Buchdruckerei (33 Preſſen) mit Buchbinderei
und Kupferbruderei (15 Preſſen) ftellt befonders
—— Banknoten, Wertpapiere, daneben
Bibeln und viele illuſtrierte Werte her. Die Schrift:
eg ig chiedene holländ.
Nozemann & Eo., Elzevier, Willem Cupy, Brüder
Ploos van Amftel u. a.) und belg. Sthriftgießereien
vereinigt wurden, hat 22 Maſchinen, Galvano-
plaftit, —— es xylographiſche und me:
tallographiihe Anftalt, Zintographie, Photogra-
vüre. Auch Bun Fabrik für Buchdruckgerätſchaften
vorhanden. Die Gefamtzabl ver beichäftigten Perſo⸗
nen beträgt 270, mit Kranlen: und Benkond —*
Euſchede en Zonen (ſpr. ſohnen), Buchdruderei
und Schriftgießerei in Haarlem, ſ. Enſchede, Familie.
Ensdorf, Dorf im Rheinland, ſ. Bo. 17.
Enfe, Varnbagen von, f. Barnhagen von
Enjeli, Dafenvlap von Reicht (f.d.). [Enje.
Enfemble (frj., ſpr. angbängbl), ein aus dem
ebörigen neinandergreifen des Cinzelnen ent:
Nebenbes anzed. Im —— verſteht man
unter E. das — — ei dem jeder ein—
elne Teil ſich dem Ganzen unterordnet. Des—
—8 iſt das einſeitige Virtuoſentum der Feind
des E., wahrend auch eine mittelmäßige Schau—
ſpieler Beier Befriedigendes erreihen kann,
wenn jie dem E. Rechnung trägt. In der Mufit
beißen E. Kompofitionen für mebrere Jnftrumente,
bejonders für Bianoforte mit Streib: oder Blas:
Enfenada (ipan.), Bucht. [inftrumenten.
Enfenada, Hafenort von Pa Plata (ij. d.).
Enfeth (Enzeth), Pflanzenart, ſ. Musa und
Zafel: Blattpflanzen, Fig. 4. ’
Ensifer (lat., «Schwertträger»), früher Titel
des Kurfürften von Sachſen ald des Erzmarſchalls
des ehemaligen Deutihen Reiche.
Enfilage (fr3., ſpr. — Aufbewahrung
namentlich grüner Futtermittel, aber auch von Kar:
' toffeln, Rüben
u. f. w. in Silo
(f. d.), wobei die:
jelben einen mit
Säurebildun
verbundenen Gä-
rungsprozeß
durchmachen. Die
Hauptbedingung
für das Gelingen
der E. d. b. Hint⸗
anbaltung ber
Eſſigſäure⸗ und
Beförderung der Milhfäurebildung, iſt möglichſte
Entfernung der in dem Futter vorhandenen Luft
—* Schneiden und Feſttreten desſelben), ſowie
erhinderung des Zutritts von Luft und Feuch—
Enſchede en Zonen — Enslin
tigfeit; es erlangt dadurch das enſilierte Futter einen
böhern Temperaturgrad, und da es nicht jo viel
Säure wie das gewöhnliche Sauerfutter enthält, wird
es auch Süfpreßfutter genannt. Die Vorteile der
€. gegenüber ver
Trodenwertung
bejteben haupt:
ſächlich in der Un:
abhängigleit vom
Erntemetter, wes⸗
balb vie erftere
auch namentlich
in England und
manchen Gebirgs⸗ *
—— Be.
tunggefundenbat..
rn ſtellt
man nad dem Bei⸗
ſpiel des engl. Landwirtes Johnſon das Enſilage—
ober Süßpreßfutter oberirdifch fo ber, daß die
grünen Futtermittel in Feimen zufammengebradt
und mit Hilfe von Winden, Ketten oder Drabtjeilen
(f. Fig. 1) feft zufammengepreßt werben. Neuerdings
zieht man die fontinuierlihen Preßvorrichtungen
nad Blunt, jeßtaberinzahlreihen Abänderungen be
nußt, bei weldyen durch beſchwerte Hebel (Fig.2) oder
durd Sandfajten (Fig.3) die Futterfeime zufammen:
geprebt werben, vor. — Bg n, Das Einfäuern
der Futtermittel(Berl. 1885); Fry, Die Einfüßung der
ee. (deutjc von Geehl, ebd. 1885); Echüler,
ie Konfervierung der Futtermittel (ebd. 1899).
Enfisheim, Hauptjtabt des Kantons E. (264,87
qkm, 17 Gemeinden, 12843 €.) im Kreis Gebmeiler
des Bezirks Dberelfaß, an der Straße von Colmar
nad Bajel und dem aus der de abgeleiteten Vauban⸗
tanal, mit Mülhaufen durch Straßenbahn (16 km)
verbunden, Sig eines Amtögeriht3 (Landgericht
Colmar), iaid. Delanat3 und einer Oberförſterei,
bat (1900) 2555 €., darunter 313 Evangelifche und
23 Israeliten, (1905) 2534 E., Poſt, Telegrapb,
Spital, Strafanftalt für Männer im ehemaligen
Jejuitentolleg, zahlreihe Grabhügel kelt. und ger:
man. Urjprungs, röm. Reſte, Rathaus (1535), eins
ber hervorragendſten weltlihen Baumerle des Ef:
fafles, mit einem 7. Nov. 1492 gefallenen Meteor:
jtein (50 kg ſchwer), ihöne got. Bürgerbäufer;
dabrifation von Metallwaren, Seife, Kolosmatten
und Möbeln. — Im Weitfäliihen Frieden fam €,
an Frankreich und war 1657—74 Sib des in ber
Folge nad Colmar verlegten —* en Gerichtshofs
der Provinz (Conseil souverain d’Alsace), ſpäter
der der vorberöfterr. Een .— Bol. Merllein,
Histoire de la ville d’E. (2 Bbe., Colmar 1841).
Enfival (jpr. angbiwäl), Stadt im Kanton Spa,
Arrondifiement Bervieurderbelg. BrovinzLüttih,an
der Linie Luttich-Grenze ber Belg. Staatsbahnen, hat
(1900) 49067 €. und iſt faft mit Verviers verbunden.
Enslin, Theodor Ehriftian Friedr., Buchhändler,
geb. 18. Nov. 1787 in Klojter-Sul; bei Ansbadı,
Ens Martis
eribtete 1817 in Berlin eine Sortiments« und
arme re Das Sortiment ging 1826
unter der Firma « Enslinſche Buchhandlung» in
andere Hände über. Der Verlag umfaßte ee
Werte aus der Medizin und Chirurgie (Ruft, Blas
fius, Dieffenbach, Heder u. a.). €. jelbit verjaßte
und gab beraus eine Anzahl wiſſenſchaftlicher
Bücherlataloge, die mehrere Auflagen erlebten und
fpäter von Wilh. Engelmann (f. d.) in Leipzig be:
arbeitet wurden. 1833—38 war er Vorſteher bes
Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler und be:
fonders bei dem Bau der — —— in Leip⸗
— thätig. Auch war er Mitglied des Preußiſchen
tterariihen Sachverſtändigenvereins. Kurz vor
feinem Tode (22. Mai 1851) ernannte ihn die Uni-
verfität Berlin wm Ehrendolktor der Philoſophie.
Sein Sohn Adolf E. geb. 1. Febr. 1826, er:
richtete im April 1851 eineSortimentsbuchhandlung
in Berlin und übernahm dazu nad dem Tode feines
Baters defien Verlag, den er aber unter der alten
dirma gejondert fortjührte, und namentlich durch
päbagogiihe Schriften (von Ludw. Erf, Friedr.
Fröbel u.a.) erweiterte. Das Sortiment ging 1873
an Alerander Bath über. E. war 1873—82, mit eins
PapSger\interkrehung, Vorſteher des Borſenvereins
der Deutſchen Buchhändler; auch war er Mitglied
des Preußiſchen Litterariihen Sachverſtändigen⸗
vereins. ſtarb 25. Juni 1882.
Der Verlag ging 1. Olt. 1882 an Richard
Schoet (geb. 26. Juli 1853, geſt. 24. Sept. 1905)
und feine Erben über, der ihn feit 1. Oft. 1892 unter
eigenem Namen fortführte und beſonders nad) der
mediz. und veterinärwiſſenſchaftlichen Richtung er:
meiterte: «Berliner tierärztlihe Wochenſchrift⸗
(jeit 1885) u. a.
Ens Martis, |. Eiſenchlorid.
Eniombeden, Inſel, j. Einfamteit.
Enioöph (grd., d. i. Mxenblides), myſtiſcher
Name, womit die labbaliſtiſche Philoſophie das
göttliche Weſen bezeihnet.
Enjtatit, rhombifhes Mineral der Pyroren⸗
ruppe mit ſeitlichem Prismawinkel von 88° 12°; die
Maulenförnigen Kryſtalle find entweder durd das
Grundpriäma oder das Makro: und Brachypinakoid
begrenzt, oben durch zahlreiche Flächen flach gerun:
bet, oft quer zerbrocden, vielfach mehr oder weniger
in eine jerpentinäbnliche oder fpediteinartige —
umgewandelt. Der E. iſt farblos, graulichweiß,
elblich oder grünlid, von der Härte 5 und dem
per. Gewicht 3,2. Vielfach enthält er mitroftopifche
Lamellen von monollinem Pyroxen parallel feiner
Querfläce eingewachſen. Chemiſch befteht er aus
dem Magnefiumfilitat MgSiO,, wobei gewöhnlich
ein feiner Teil des Magnefiums durch Eifenorybul
vertreten ift. Säuren And obne jede Einwirkung;
por dem Lötrobr ift er unjchmelzbar. Der E. wurde
1855 von Kenngott im Serpentin von Nloisthal in
Mäbren entdedt; ſeitdem ift er ſehr bäufig gefunden
worden, im Schillerfel3 von der Bafte am Harz, im
» 2berzolitb der Borenäen, in jebr zahlreichen andern
olivinbaltigen Gefteinen, in Gabbro, Serpentinen,
aub Melapboren, Andefiten, vielfah nur milro:
lopiſch. Liber 40 cm lange, bis 26 cm breite Kry⸗
falle führt die Apatitlagerjtätte von Kjörreſtad im
norweg. Kirchipiel Bamle. Große Maflen von faſt
reinem E. erjcheinen am —— im norweg.
Amt Nordland. Sehr reiner E. (Chladnit), von
derſelben ger und Zufammenjeßung wie
ver irbifche, iſt auch Gemengteil gewiſſer Meteorite
— Entamieren 43
(Meteorftein von Bifbopville in Sübcarolina, von
Goalpara in Affam). [ununterbroden.
En suite (fr;., ipr. ang fwit), in einem fort,
Entäb, Stadt in Syrien, ſ. Nintäb.
Entäda Adans. (Pursaetha L.), Pranjengob
tung aus der Familie der Leguminofen (f. d.), Ab:
teilung der Mimofaceen, mit gegen 11 Arten, von
denen die Mehrzahl in Afrika, einige in Südamerita
und eine ſowohl in den Tropengegenden der Alten
Melt wie Amerikas vorlommt. Es ind meiſt ſtrauch⸗
artige, Hetternde Gewächſe mit doppelt gefiederten
Blättern und Meinen zwitterigen oder polygami:
ihen Blüten mit glodigem, Fanfzähnigem elch,
fünf Blumenblättern und zehn Staubgefäßen. Die
Früchte find lange, flache, holzige Hülfen mit zahl:
reihen, bis hübnereigroßen, ziemlich platten Sa:
men. Von der im tropischen Aſien, Afrita und Ame—
rika wachſenden Riefenhülfe oder Meerbohne
(E. Pursaetha DC. oder scandens Benth.) werben
die Blätter mit Reid gemifcht auf den Moluften ge:
geilen; Saft und Samen dienen in manden Gegen:
den als Voltäheilmittel. In einigen Tropengegen:
den dienen fie wegen ihrer harten glänzenden Schale
zu Schnigereien oder ausgehöhlt zu Heinen Dojen,
Entail (engl., fpr. -tebl), in England die bei
Verleihung eines Gutes —— ——
nach welcher ln als Stammgut zu behandeln
ift. Derartige Beitimmungen wurden durch den 1285
erlaffenen Statute de Donis ermöglicht. Nach der
Set diefes Geſetzes follte der Tenant in Tail
(d. b. der Inhaber eines in diefer u verliebenen
Gutes) weder durch Verfügung unter Lebenden noch
dur Teſtament das Gut veräußern können, und
nad feinem Tode follte dasſelbe nad der bei der Ber:
leihung beftimmten Erbfolgeordnung dem nächſten
Anwärter zufallen. Die Findigleit der Advokaten
ermöglichte es bereits im 15. Jahrh. diefe Borfchrif:
ten zu er re und ein Tenant in Tail, der im
Befig des Gutes ift, kann dasfelbe obne weiteres
veräußern. Zur Erhaltung der Familiengüter er
fann man aber die Familienſtiftungen, durch welche
zunächſt einer Reibe von Perfonen der Nie m
auf Lebenszeit ae wurde, ehe dad Gut au
den Tenant in Tail überging; aber auch hier bat
das Recht durd die jog. Rule a
und andere höchſt — Vorſchriften der Dauer
der Stiftung eine Grenze geſeßzt. Die Stiftung
darf das Gut nicht auf eine Zeit, die fih auf mehr
ala 21 Fahre über das Leben einer zur Zeit ihrer
Errihtung am Leben befindlihen Perfon hinaus
erjtredt, unveräußerlih machen. In der Praris ift
es üblich, die Stiftung von Generation zu Gene:
ration zu erneuern, wozu ſich der nächſte Anwärter
ftet3 gern verftebt, da feine Zuftimmung regel:
mäßig mit der Zuficherung einer Rente erkauft
wird. Seit 1883 ıft (infolge der Settled Land Act
von 1882) die Unveräußerlichkeit von Gütern über:
baupt bejeitigt; doh muß, wo Syamilienjtiftungen
eriftieren, der Erlös verfaufter Güter an die Kura—
toren der Stiftung verabfolgt und von diefen ent:
weder in andern Gütern oder in Staatöpapieren
angelegt werden, jo daß die Stiftung befteben bleibt,
wenn aud das Stiftungsvermögen eine andere
Geſtalt angenommen bat. Das Hauptmohnhaus
der Familie u wenn e3 ir Stiftungsvermögen
gebört, nicht ohne gerichtlibe Genebmigung ver:
äußert werden.
Entamiceren (frz., ſpr. angt-), anjchneiden, ans
fnüpfen, einleiten.
inst Perpetuities
44
Entari, das Unterlleid der Männer im Orient.
Es beitebt aus Baummolle oder Seide, bat bis über
die Fingerfpiken hinausreichende, von der Mitte des
Unterarms ab aufgeichliste Sirmel, wird unter der
Bruft mitteld eines Shbamlgürteld zufammenge
ht und reicht bid an die Knöchel. Der E. ents
pricht in der europ. Tracht der Weſte.
Entartung, in der Naturwiſſenſchaft, |. Auss
artung; in der Medizin, ſ. Atrophie.
Entartungdreattion, f. Bd. 17.
Entartungszeichen, ſ. Bo. 17.
Entäfis (grch.), die gelinde Anſchwellung eines
fih verjüngenden Säulenihaites, fo daß das Profil
des lektern nicht eine gebe ‚Sondern eine ſchwach
nad außen gebogene Linie bildet. In diejer Weife
ift die E. bei den dor. Säulen faum wahrnehm:
bar, im roman. Stil häufig, im NRenaifjance und
Baroditil oft übertrieben. (S. eg erg
Entbehrungslohn, Bergütung für die Ent:
bebrung der jelbjtändigen Nugung des eigenen Ver:
mögens, welde dem Kapitalverleiber von dem
Schuldner in Geftalt von Zinfen (f. d.) gewährt wird.
Entbindung, Entbindungshäufer, Ent:
bindungsfunit, ſ. Geburtöbilfe
Entblätterer, der große Froitipanner, j. Froft:
ſchmetterling und Tafel: Schadliche Forftinjet:
ten ll, Sig: 6, beim Artikel Forftinfekten.
Entbleier, ein Inſtrument zur Bejeitigung des
Bleies, das fih bei Verwendung von Preffions:
eſchoſſen mit Bleiführung bei jedem Schuß in den
Er en ber Rohre feitfeßte und beim Schießen bin:
derlich wurde. [tector.
Entdeder, bei Verihlußoorrihtungen, ſ. De
Entdefung, die Auffindung eines bis dabin
Nictbefannten oder der Kenntnis der Menfchen
wieder Entſchwundenen, fei dies ein neuer Gegen:
ftand oder eine konkrete Thatſache (Urheberſchaft
eines begangenen Verbrechens), oder die Deutung
eines bisher nicht Verſtändlichen (Schlüfjel zu einer
Geheimſchrift, Entzifferung der Keil se oder der
Hieroglyphen), oder eine allgemeine Wahr nt
der Brimzablen), oder ein Naturgeſetz. Im Gegenſaß
= E. ift Erfindung die Auffindung eines neuen
eged, mie durch menſchliche Thätigkeit ein neuer
nüslicer Gegenjtand oder ein belannter Gegenſtand
vorteilhafter bergeitellt werden lann, oder eines
neuen nüßlichen Verfahrens, oder eines Mittels,
ein befanntes Berfabren vorteilhafter ins Wert zu
fegen. Der Unterjdied ift von großer Bedeutung,
weil Erfinderpatente nicht auf bloße €. erteilt wer:
den, fondern nur auf Erfindungen. (S. Batent.)
Auch giebt die bloße E. lein Urheberrecht (f.d.).
Cine neu aufgefundene, von dem Entdeder zuerjt
berausgegebene alte Handſchrift, eine von dem Ent:
deder entzifferte Pesart, ein entdedter mathem. Lehr:
je u. ſ. w. lönnen beliebig nadhgedrudt werden. Das
rheberrecht kann ſich hier nur erjtreden auf die dem
Entdeder eigentümliche Form der Darjtellung. Im
übrigen f. Erfindungen und Entdedungen.
Entdefungsreifen, ſ. Reifen.
Ente, j. Enten. — Im übertragenen Einne be:
deutet E. eine in Zeitungen auftaucdhende Fabel
oder — Früher (ſchon im 15. Jahrh.) ſagte man
blaue E. oder blaue Gans; da es E. und Gänſe
diefer Farbe nicht giebt, jo diente der Ausdrud als
Beiſpiel einer finnlofen Lüge. Später (4. B. in Reu—
ters «Schelmufiffy») heißt es geradezu — oder
Lügente, eine Umdeutung des im 16. Jahrh. aus
Legende wortfpielend entitellten Luügende.
Entari — Enteignung, Enteignungsredt, Enteignungsverfahren
Eutebbe, Ntebi, Bort:Alice, Sik der engl.
Bebörden in Uganda (j. B1
Entehrung, die gänzliche oder teilmeife Ent:
giebung der bürgerlichen Ehre. Entehrende Ber:
rechen find die, welde einen Verluſt ver bürger:
lichen Ehrenrechte (f. d.) nad fi zieben. (S. Ebre
und Ehrenftrafen.) Über E. einer Nungfrau ſ. De:
floration.
Enteignung, Enteignungsrecht, Enteig:
nungdverfahren. Enteignun,Niftein Alt der jtaat:
lihen Verwaltung, durd welchen diejelbe auf Grund
freien Entſchluſſes ein dem Einzelnen in Anfebung
einer individuell beftimmten Sade zujtehendes Hecht
im Öffentlichen Intereſſe gegen Entihädigung auf:
bebt oder beichräntt. Der Fortbeſtand des Privat:
eigentumd an einer Sache, bejonder® an einem
Grundftüd, kann mit dem öffentliben Wohl in
Miderftreit geraten. In Fällen diefer Art muß der
Staat das Necht haben, das Eigentum zu entzieben
oder zu beichränfen. Da andererjeitö der Einzelne
nicht verpflichtet ift, das Wohl der Gefamtbeit über
die allgemeine Verpflichtung hinaus dur Aufopfe:
rung jeined Vermögens zu fördern, fo darf der
Staat das Eigentum nur gegen Entſchädigung ent:
sieben und befähränten. BER
Die Enteignung (Erpropriation) in dieſem
Sinne ift weder dem röm. noch dem ältern deut:
ſchen Recht befannt; erſt Hugo Grotius gab eine
wiflenfchaftlihe Begründung des Enteignungs:
rechts, indem er dasjelbe auf ein dominium emi-
nens, eine Art Obereigentum des Staates, zjurüd:
führte, an dejjen Stelle bei dem mweitern Streit der
Rechtsgelehrten das jus eminens, d. h. das impe-
rium des Staates, die Staatshoheit trat. Zur ge:
gung Anerfennung kam das Enteignungsrecht
eit dem 15. Jabrb. dur landesgejegliche Verord:
nungen zu Gunſten des Bergbaues. Das Preuß.
Allg. Landrecht, der Code civil, das Öfterr. Bürgerl.
Geſetzbuch ſprachen grundſätzlich übereinftimmend
aus, daß der Einzelne verpflichtet ſein ſoll, gegen
Entſchädigung fein Eigentum «zum Wohl des Ge
meinen Melends, «pour cause d’utilite», «wenn e3
das allgemeine Bejte erheifcht», abzutreten. In den
neuern deutichen Verfaſſungen iſt diefer Grundſatz
al Ausnahme von dem Princip der Unverleglic:
feit des Eigentums zum Ausdrud gebracht, jo in
Art. 9 der preuß. Verfaſſung vom 31. Jan. 1850
dabin: «Das Eigentum iſt unverleslih. Es kann
nur aus Gründen des dffentliben Wohls gegen
vorgängige, in dringenden Fällen wenigitens vor:
(Auf Fhuftellende Entihädigung nah Maßgabe
des Geiepes entzogen oder beichränft werden,»
Mäbhrend in Frankreich ſchon 1810 ein bejon:
deres Enteignungsgeſeß gegeben war, wurde die
Gefepgebung in Preußen und den meijten deut:
fhen Staaten erft dur die Bedürfniiie des Eifen:
babnbaues gegen die Mitte des 19. Jahrh. in Be:
wegung gejeh! und beicränfte er unächſt auf
dieje Bedürfnifie, fo das preuß. Eifenba ngeieb vom
8. Don. 1838. Zur Deitienigung der auch auf an
dern Verkehrsgebieten immer kräftiger fib ent:
widelnden Bedürfniffe und zur Erfüllung des Ver:
fafiungsartifelö wurden in Preußen wiederholt An:
läufe gemadt, bis endlich das Geſeß über die Ent:
eignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874
u jtande fam. Auch diefes ftellt in$.1 den Grund:
Ip an die Spike: «Das Grundeigentum fann nur
aus Gründen des öffentliben Wohls für ein Unter:
nebmen, deſſen Ausfübrung die Ausübung des Ent:
Enteignung, Entelgnungsrecht, Enteignungsverfahren
egnungsrecht3 erfordert, gegen vollftändige Ent:
adigung entzogen oder beſchränkt werden.» Der
ee. örtentlichen Wohls ift ein jo debnbarer,
dab deiien Anwendung im einzelnen all nit von
dem Ermejien der Verwaltungs: oder Gerichtäbe:
börden abhängig gemacht werden ann. Deshalb wird
in England, Nordamerila, der Schmeiz und einigen
andern Staaten ein Gejet für jeden einzelnen Fall
verlangt: ein Verfahren, welches einerfeit3 die ge:
jepgebenden Körperichaften eines Großitaates über
Gebübr belaftet, andererfeit3 bei dem nur periodi⸗
ſchen Zujammentreten derfelben notwendige Unter:
—— in bedenklicher Weiſe verzögert.
andern Staaten find gewiſſe Kategorien von Fällen
geierlich feftgeitellt, fo in Bayern durch Gefek vom
17. Nov. 1837. Der Begriff des öffentlihen Wohls
—— nicht bloß ein dehnbarer, ſondern ein nach
und Zeit wechſelnder, die Aufgaben des Staates
und der Geſellſchaft ſind in Deutſchland andere als
in andern Staaten, ſind heute ſchon andere als
ſelbſt vor 20 oder 10 Jahren; eine grfenlihe ſt⸗
ſtellung der Enteignungsfälle würde aljo einer fort-
dauernden Nachhilfe durch Sondergejepe bedürfen.
Das preuß. Geſetz bat deshalb den Mittelweg ein:
geihlagen, nämlich den, daß die Enteignung (von ge
willen minder wichtigen Fällen abgejehen) nur auf
Grund einer auf ſachlichet Vorprüfung der Staats:
bebörden beruhenden fkönigl. Berorbnung erfolgen
darf. Die fog. Enteignungsgefege, wie folche
eine Reibe von deutichen Staaten erft in den legten
Jahrzehnten erlajien baben (Hejien 1884, Würt:
temberg 1888), enthalten niht das ganze Enteig:
nungörebt, jondern nur die Enteignung von
Grundeigentum, und auch bierfür beſtehen noch
Specialbeſtimmungen in den Berg:, Wajler:, Forit:,
Straßen, Militär: (Feitungsranon:), Seuchen: oder
ſonſtigen Sondergeiegen. Das Reich hat aus Reiche:
Dertaflung Art. 41 ein durch Bundesrat und Reiche:
taz zu übendes Enteignungsrecht im Intereſſe der
Verteidigung Deutichlands und im Intereſſe des
gemeinjamen Verlehrs.
Da die Enteignung beutzutage nicht mebr zur
Erbauung fürjtl. Reſidenzen, auch nicht bloß zum
Bau con eftungen, Kirchen, Schulen, Krantenbäu:
fern u. dal., jondern namentlich & Anlegung von
ſtädtiſchen und Landſtraßen, zu Wafler:, Gas: und
elektriichen Leitungen, zur Herftellung von Kanälen
und Eiſenbahnen in Anfpruh genommen wird,
Werte leterer Art aber nit bloß vom Staat und
andern öffentliben Verbänden, fondern häufig au
von Aktiengeiellibaften und ſelbſt von Einzelnen
unternommen werben, fo bat der Staat bei An—
wendung des Enteignungsrechts zu feinen Guniten
feine andere rechtlihe Stellung als jeder andere
Unternehmer. Derienige, zu deſſen Gunften enteigs
net wird, ift der Erpropriant oder Enteigner
(Unternebmer), derjenige, dem enteignet wird, der
regelt oder Enteignete.
Der Enteigner, nicht der Staat ala Verleiber des
———— bat die@ntihädigung zu leiſten.
Diefelbe wird in der Regel in Geld, nur in Aus:
nabmefällen dur Land gewährt; fie foll in dem
vollen Wert des abzutretenden Grundſtücks ein:
ſchließlich der Zubebörungen und Früchte befteben
und bei Zeilabtretungen aub den Minderwert
unfaffen, welcher durch Abtrennung eines ört⸗
lid oder wirtfchaftlich zufammenbängenden Teils
für den übrigen Grundbefig entjtebt. Wird aber
dur die Teilabtretung das Reitgrunpftüd fo zer:
45
itüdelt, daß es nad feiner biöherigen Beſtimmung
nicht mebr zweckmäßig benugt werden fann, inss
bejonvere aljo bei Inanſpruchnahme nur eines
Gebäupdeteils, jo kann ver Eigentümer libernabme
des ganzen Örundjtüds verlangen. Entſchädigungs⸗
berechtigt find außer dem Eigentümer auch die
Nusungs:, Gebrauchs- und Seritutberechtigten,
Pächter und Mieter, fomweit ihnen dur die Ent:
eignung ein Schaden entjteht. Für die Schäkung
des Wertes maßgebend tft der Wert zur Zeit der
Enteignung. Eine Wertserhöhung, die das Grund:
ftüd erſt infolge der Anlage erhält, fommt nicht
in Betradht. Für Neubauten, Anpflanzungen und
Verbejierungen, die vor der Enteignung lediglich
zu dem Zwed errichtet werben, eine höhere Entſchä⸗—
digung zu erzielen, wird eine Vergütung nicht gelei-
en — Someit der Unternehmer ſich mit den betrof:
enen Eigentümern über Abtretung der Örundftüde
und Höhe der Entihädigung einigt, unterliegen die
darüber zu fchließenden Verträge hinſichtlich ihrer
Gültigkeit und Wirkung den allgemeinen Vorſchrif—⸗
ten des bürgerlihen Rechts. Someit eine ſolche Eini⸗
gung nicht zu ftande fommt, bedarf der Unterneh⸗
mer der ſtaatlichen Bermittelung, ja des ftaatlichen
Zmwanges zur Erlangung der einzelnen Örunpftüde;
die Gewährung dieſes Smongeb verpflichtet anderer:
feitö ven Staat, auch dem Eigentümer B der ihm
ujtebenden, in der Regel voraus uch enden Ent:
— zu helfen. Dieſe doppelte Aufgabe bildet
den Inhalt des Entei ——
Wiſſenſchaft 20 gebung ſtimmen weſentlich
darin überein, daß die Feſtſtellung des zu übereig—
nenden Gegenſtandes der Verwaltung, die end»
gültige Feititellung der zu zahlenden Ent[&bigung
den Berichten zulommt; eine vorläufige Feſtſtellung
der lestern durch die Berwaltungsbebörbe vorbe:
baltlich des Rechtswegs ift nicht ausgeſchloſſen. Nach
dem preuß. Gejege wird zunächſt ein vorläufiger
Plan feitgeftellt und zwar unter —— —
der Anlagen an Wegen, Überfahrten, Triften, Eins
friedigungen, Bewäſſerungs- und Vorflutanftalten
u. j. w., ju deren Einrichtung der Unternehmer zur
Sicherung gegen Gefahren und Nachteile für die
benahbarten Brundjtüde oder im öffentlichen In—
terejje verpflichtet ift. Erft wenn auf Grund diejes
Plans eine freihändige Landabtretung nicht erfolgt,
tritt auf Antrag des Unternehmers die «befinitive»
Planfeititellung ein, und zwar nad vorheriger Offen:
legung des Plans und fommifjarifcher Erörterung
der gegen denfelben erhobenen Einwendungen,
Nachdem dur diefe Entſcheidung insbefondere
Größe und Grenzen jedes abzutretenden Grund»
ftüds feftgeftellt find, erfolgt a andermweiten An:
trag des Unternehmers die Feititellung der Ent:
fhädigung nah fommifjarifher Verhandlung mit
den Beteiligten, zu welcher Sachverſtändige au
iehen find, mitteld mit Gründen verjehenen Be:
Kelufies der Verwaltungsbebörde. Gegen diefen
jteht dem Unternehmer wie ven übrigen Beteiligten
innerbalb 6 Monaten nad der Zuftellung der
Rechtsweg vor dem Eivilgericht offen. yore fol:
her nacteiliger Folgen der Enteignung, welche erft
durh Ausführung der Anlage auf dem enteigneten
Grundftüd entfteben, zur Zeit der lommifjarifhen
Verhandlung über die Entſchädigung alfo „- nicht
erfennbar find, gewäbrt das Gejes bis zum Ablauf
von 3 Jahren nah Ausführung des betreffenden
Teils der Anlage einen im Rechtsweg verfolgbaren
verfjönliben Anivrub gegen den Unternebmer.
46
Die feitgeitellte Entſchädigung ift, falls neben dem
Eigentümer andere Entjihädigungsberechtigte in
Betracht kommen, oder das Grundftüd Lebn oder
Fideilommiß, oder mit Reallaften, Hypotbeten oder
rundſchulden belajtet ift, zu binterlegen, andern:
fallö bar zu zahlen. Erjt nad) Zahlung oder Hinter:
legung der Entihädigung und, von dringlichen
gällen abgejeben, nad Ablauf der ſechsmonatigen
riſt oder Erledigung des innerhalb derſelben be:
Ührittenen Rechtswegs wird auf weitern Antrag des
Unternehmers die Enteignung durch Beſchluß aus:
geſprochen, mit deſſen Zuitellung das Cigentum auf
den Unternehmer übergebt und der zuglei die Ein⸗
weiſung in den Beſitz in ſich ſchließit. An Stelle des
enteigneten Grundſtücks, welches von allen privat:
rechtlichen Verpflichtungen frei wird, tritt rüdjicht:
li aller Eigentums, Nugungs: und fonjtigen Reals
anſprüche, insbejondere ver Hypotbelen und Grund:
ſchulden, die Entihädigungsfumme. Auch wenn Er:
propriant unb Grpropriat über die Abtretung des
zu enteignenden Gegenitandes gütlich vereinbaren,
gilt für diefen Kauf doc der Sak, dab der Verkäufer
durch dieſen Vertrag in feine jchlechtere Yage ſich
bringen will als die, in welche ihn die Enteignung
gebracht bätte. Es find alſo eventuell auf dieſen
Kauf die Vorſchriften über Enteignung anzuwenden.
Da der in der Enteignung liegende Eingriff in
das Eigentum nicht weiter geben darf, als es das
Intereſſe des Unternehmens, zu deilen Guniten es
geftattet wird, erfordert, jo haben die Gejeke dem
igentümer für den Fall, daß das enteignete
Grundjtüd ganz oder teilmweife zu dem bejtimmten
Zwed nicht weiter notwendig tft, ein Wiederkaufs—
und Vorkaufsrecht eingeräumt; das preuß. Geſetz
bat nur letzteres und nur injoweit beibebalten, als
dem jeweiligen Cigentümer eines durd die Enteig:
nung verfleinerten Grundjtüds das Vorkaufsrecht an
den ihm ——— Grundſtücksteilen zuſtehen ſoll.
Staatliche Enteignung von beweglichen Sa—
chen, z. B. von Getreide im Fall einer Hungersnot,
von Pferden zum Zmwed der Mobilmacung u. EN
iſt dur bejondere Geſeße vorgejeben. Das Ein:
fühbrungsgeiep zum Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch
Art. 10% erhält die landesgeieglichen Beitimmungen
über Enteignung aufrecht. Näbere Beitimmungen
über die Entſchaͤdigung für Enteignung entbalten
die Art.52 fg. des Einführungsgeiepes zum Bürgerl,
Geſetzbuch; über die Enteignung von Örundeigen:
tum in den Schutzgebieten Afrilas und der Süpjee
die faijerl. Verorpnung vom 14. Febr. 1903.
Für die im Reichörat vertretenen Länder Öfter:
reich s feblt ein einheitliches Geleß über Enteignung
von Grundeigentum. Es befteben nur Special:
gejege, das umfajjendjte das über Enteignung zu
Gijenbabnzmweden vom 18. Febr. 1878, außerdem
das allgemeine Berggeieh vom 23. Mai 1854, das
Norftgejeß vom 3. Dez. 1852, das Reichswaſſergeſetz
vom 30. Mai 1869 u. j. w. Insbeſondere können
nad Geſeß vom 28. April 1889 auch behufs Errich:
tung öÖffentliher Zagerbäufer Beitandrechte, welche
Privatlagerbäufer auf Grunpjtüden öffentlicher
Gijenbabnen erworben haben, enteignet werden.
Dazu lommt dann der allgemeine Satz de3 Bürgerl.
Geſetzbuchs (8.365), wonach, wenn es das allgemeine
Beſte erbeiicht, ein Mitglied des Staates gegen an:
gemejiene Schadlosbaltung ſelbſt das volljtändige
Cigentum einer Sade abtreten muß.
l. ©. Meyer, Das Recht der Erpropriation
(2v3. 1868); Grünbut, Das Enteignungsredt (Wien
Enteijenung des Waſſers — Enten
1873); von Robland, Zur Theorie und Praris des
deutichen Enteignungsrechts (Lpz. 1875); Vrazat,
Hecht der Enteignung in Ofterreih (Prag 1877); ©.
Meyer, Artikel Enteignung in von Stengels «Wör:
terbuch des deutihen Verwaltungsrehts», Bo. 1
(Sreib. i. Br. 1890); Artikel Enteignung im «hand:
wörterbuch der Staatämijjenichaften», Bd.3(2.Aufl.,
Jena 1900); Artikel Enteignung im «Öfterr. Staats:
mwörterbud», Bd. 1 (Wien 1895); Layer, Principien
des Enteignungsrechts (Lpz. 1902); Kommentare
um preuß. Enteignungsgeieß von Bähr und Langer:
ans (2, Ausg., Bert, 1878), Seydel (2. Aufl., ebv.
1887), Loebell (Lpz. 1884), Eger (2 Boe., Berl.
1887— 92; 2. Aufl. 1902). [gung.
Enteifenung des Wailers, ſ. Wafjerreini-
Entelöchie (Irch.), j. Ariftotelifche he
Enten (Anatidae), eine Familie der Siebſchnäb—
ler (Lamellirostres), deren Schnabelränver mit
Hornzähnen bejegi find. Won den verwandten
Sägern unterſcheiden ſich die E. durd den breitern
und flahern Schnabel, von den Schwänen dur
den kurzen Hals. Mit den Gänſen jind fie dagegen
durd zahlreiche Übergangsformen verbunden, wie
Brandgans (f.d.) und Glanzgans (ſ. d.). Die Lebens⸗
Ben bietet noch die beiten Unterjheidungsmert:
male. Die E. halten fich meift auf dem Waſſer auf
und juchen dort ihre Nahrung, wogegen die Gänje
ſich mehr und geihidter auf dem Lande bewegen und
dort grajen. In allen Erpteilen finden wır Mit-
glieder dieſer Familie. Der Nahrung nachgehend,
wandern jie oft in großen Scharen. So fommen
im Frühjahr und Herbit die nordiihen E. an die
deutſchen Küften und oft bis ins mittlere Deutjch:
land hinein. In der zn en die E. wenig
wähleriſch. Gräjer, Körner, Würmer, Schneden,
Inſekten und deren Zaren, Laich, alles wird von
ihnen genommen. Man kennt etwa 120 Arten, die
man in 6 Gattungen untergebradt bat.
Die Taud: oder Moorenten (Fuligula) baben
weit nad hinten ftehende Beine, jind in ihren Bes
wegungen auf dem Lande ungejhidt und ganz auf
das Waſſer angemiejen. Sie tauchen ausdauernd
nad ihrer meijt animalifhen Nahrung; die befann:
teten Vertreter diejer Gattung find: die Reiber:
ente (Fuligula cristata Leach), oberjeits ſchwarz,
unterjeits beim Männchen weiß, beim Weibchen
braun, mit langen Schopffedern, aus dem nördl.
Europa; die Tafelente (Fuligula ferina L.) mit
rotbraunem Kopf und Hals, ſchwarzem Kropf, eben:
fall aus dem nördl. Europa; die Kolbenente
(Fuligula rufina Pall.), tenntlib an dem diden rot:
braunen Kopf, aus Indien; die Schellente (Fuli-
ula clangula L., j. Tafel: Shwimmpögel IV,
Sig. 2), durch die weißen Baden charatterifiert, aus
den nörbl. Gegenden Europas, Aſiens und Ameri:
fas; die eigentlihe Moorente (Fuligula nyroca
Guldenst.), mit taftanienbraunem Kopf, in Süp:
ojteuropa, auch im nordöjtliben Deutſchland nicht
jelten. Auc die Eisenten (j.d.) jowiedieTrauer:
enten (j. d., Oidemia, z. B. die im Winter auf der
Nordjee häufige Oidemia nigra Gray; j. Tafel:
Enten, dig. 2) werden bierbin gerechnet.
Eine zweite Gattung bilden die Eiderenten
(j. d., Somateria, ;. B. mit der Brachteiderente,
Somateria Stelleri Zeach, j. Tafel: Enten, Fig. 83),
die zu der dritten Gattung, den eigentlichen
Schwimmenten (Anas), binüberfübren. Letztere
find im allgemeinen von ſchlankerm Körperbau,
finten beim Schwimmen nicht fo tief ein wie die
x - _ — — ER
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Entenadler — Entencholera 47
Zankenten und verjuchen der Gefahr nicht durch
Zuuhen, fondern durch Auffliegen zu entaeben.
Der elanntejte Bertreter Diejer Gattung iſt die ge:
meine Wild» oder Stodente (Anas boschas L.,
Tafel: Enten, Fig. 1), Die ganz Europa, Afien
und Jerdaftila bewohnt. Kopf und Hals des Männ-
dens find metalliich grün, der Hals trägtein ſchmales
meihes Band. Das Meibchen ift gelb und braun
gefedt. Die Stodente iſt die Stammform aller
demeitigierten europätfchen E., von denen einige, wie
bie gemeine Hausdente und die Rouen:Ente
(.d.und Tafel: Geflügel, Fig.6), in der Färbung
ihr gleiben, fie aber meijt in der ftörpergröße be-
deutend überbolt haben und es auf 6 kg und mehr
bringen. Der Rouen-Ente verwandt iſt die Duel air⸗
Ente, die ebenfalls in Frankreich wegen ihrer
ſchnellen Entwidlung jehr geſchätzt wird. Die blau:
graue ſchwediſche Ente, welche Anfang der fieb:
er Jahre in tichland weit verbreitet war, iſt
aft vollftändig wieder verſchwunden. Zu den weißen
Abtömmlingen der Stodente geben zunächſt die
Aoleäburg: Ente (f. Tafel: Geflügel, Fig. 5),
die im Bau der Stammijorm ähnlich, nur bedeutend
öber it. Der Schnabel muß zart fleifchrot fein.
Iht Gewicht beträgt bis 6 kg, die Jungen find
ſhon mit 6—7 Wochen marltfähig und haben dann
ſchon ein Gewicht von 1,50 bis 1,75 kg. Die Pe:
fingente (j. d. und Tafel: Geflügel, Fig. 7)
zeichnet ſich durch fteilere Haltung und mächtigen
Hängebaud von der vorgenannten aus, ihr Gefieder
tt mebr |. und ibr Gewicht nur 3—4 kg. Der
Sctnabel joll, abgejeben von der weißlichen Spitze,
tein rotgelb jein, doch zeigt er fait ſtets ſchwarze
rer namentlib bei den Weibchen. Von den
bwarzen Ablömmlingen der Stodente find vie be
fannteitendie Gayuga:Ente(j.Zafel: Geflügel,
Fig. 3) und die Smaragd= oder Labrador:
ente, jene in Nord:, dieje in Südamerifa zuerſt
gezüchtet. — Ferner find noch erwähnenswert die
gelbe oder weiße Haubenente, aub Kaiſerente
genannt, etwas ftärler als die gemeine Haugente
und mit einer kräftigen Federhaube geziert, die
est jeltene Ktummſchnabelente und die zier—
ihe Zmergente, die wildentenfarbig und meiß
gene wird. Sie dient als Zierente und in den
tenfängen als Lodente, indem jie dur ihr
fortwährendes Rufen die umberftreihenvden Wild:
enten anlodt und in die Nege führt. — In Auſtra⸗
lien wird die Stodente durch die aujtralifche
Bildente (Anas superciliosa Gm.), in Süd:
etitavurhbie@elbfänabelente(änns xantho⸗
rhyncha Forst) und in Indien durch die Bunt⸗
ihnabelente (Anas poecilorhyncha Penn.) ver:
treten. An der Nordküfte Deutihlands und Hol:
lands werden zahlreiche als Zierarten beliebte Ars
ten pelemoen, wie die Löffelente (Anas clypeata
L.. 1. Zafel: Enten, ig. 4) mit dem an der Spiße
löftelfjörmig verbreiterten Schnabel, die Pfeif⸗
ente (Anas Penelope L., ſ. Tafel: Enten, fig. ö),
die durch ibre Kleinheit auögezeichnete Krick—
ente (Anas crecca L.) und Anädente (Anas
eircia L.) und die ſpitzſchwänzige Spießente
(Anas acuta L.), die man wegen der verläns
erten Schwanzfeden zum Vertreter einer be
ondern Gattung Dafila erhoben hatte. Zu der:
felben redhnete man jerner die aus Sübamerita
ftammende Spitzſchwan zente (Anas spinicauda
Das füdl. Südamerita beherbergt ferner noch die
——— (Anas metopias Poeppig) mit
ihrem feuerroten an der Bafıs Pöderförmig aufge
triebenen Schnabel.
Die in Mittel und Südamerika heimiſche Mo:
ihusente (Hyonetta moschata L.), die größte be»
fannte Entenart (Erpel 85 cm lang), repräfentiert
eine vierte Gattung, Hyonetta, die fih von den
Schwimmenten durch geftredtern Körper, längern
Schwanz, nadte Augengegend, nadte Warzen an
der Schnabelmurzel, die ein ftart nah Moſchus
riehendes Fett abfondern, die auägerundeten
Schmwimmbäute und die großen und ftark gekrümm—
ten Nägel unterjcheidet. Die Mofchusente lebt in
Wäldern, geht wenig auf dad Waller, hält ihre
Neitrube in Bäumen und baut dort auch ihr Neft.
Sie ift in vielen Gegenden zum Haußtier geworben
und bat aud in Europa, aber mehr als Zier:, denn
als Nupvogel, Eingang gefunnen ‚ merfwürbdiger:
weile unter dem Namen Türkiſche Ente.
Die fünfte Gattung, die ver Shmudenten
(Lampronessa), umfaßt nur zwei Arten, dieBraut:
oder Karolinenente (Lampronessa sponsa L.,
f. Tafel: Geflügel, Fig. 4) und die Mandarins
ente (Lampronessa galericulata L., j. Tafel:
Enten, Fig. 6), jene in Norbamerifa, dieſe in
China heimiſch. Ihre prächtige gesms und leichte
Zuchtfähigleit hat ihnen weite Verbreitung in Eu:
ropa verihafft. Sie bäumen noch mehr als die
Moſchusenten und brüten in Baumböblen.
13 ſechſte Gattung, die durch die hohen Beine
bon zu den Gänſen binüberführt, werden bie
aumenten (j. d.) gerechnet.
Die Liebhaberei für Wildenten ift weit verbreitet,
und die oben aufgezäblten Arten findet man nicht
nur in den zoolog. Gärten, fondern auch bei
vielen Privatleuten, die ihre Weiher mit denjelben
fhmüden. Man bezahlt für die europ. Arten etwa
15—30 M., für Braut: und Mandarinenten 30—
50 M., für die feltenern bis zu 100 M. das Paar.
Bevor bie E. auf die Weiher gejegt werben, müflen
ie flugunfähig gemadt werden. Dies geſchieht dur
bichneiden der großen federn eines Flügels,
eine Arbeit, die jedoch nad jeder Maufer rechtzeitig
wiederholt werden muß. Borteilbafter ift es daher,
wenn man die Handſchwingen mitjamt den fie
senden Knochen abjchneidet, aber jo, daß die am
ügelbug befinvlichen Heinen Federn jtehen bleiben.
8 empfiehlt fi, die Operation vorzunehmen, wäh:
rend die E. noch ihr Dunentleid haben und noch
feine Bluttiele den Beginn des Federwechſels mel:
den. Man fühlt dann am Flügelbug ein winziges
Glied, welches jpäter die Heinen Federhen trägt,
und ſchneidet den unter demfelben gelegenen gro:
Bern Zeil des Flügels mit einer ſcharfen Schere ab.
Die Ente ift jo dauernd unfäbig zum Em. Alle
oben genannten Wildenten fönnen im Sommer und
auch im Winter im Freien bleiben, wenn fie nur
ftetö eine eine offene Stelle im Waſſer haben. Als
Futter genügt den Wildenten Gerſte, Garneelenſchrot
und grüne Wiefenufer. (S. Entenzudt.)
Entenadler, ſoviel wie Schreiabler (f. Apler).
Enteucholera, eine bei den Enten vorlommende
akute Inieltionstrantheit, dur einen fpecifiihen
Bacillus hervorgerufen, der nahe verwandt oder
völlig identiſch ijt mit den Huhnercholerabakterien
Vieill.) unddieBahbama:-Ente(Anas bahamensis | jeuche, der Wilbſeuche und der Blutvergiftung®«
L.) mit den toralitoten Fleden am Schnabelgrunde. |
Ki Hühnerdholera), mit vem Bacillus der Schweine:
antbeit (Septihämie) der Kaninchen.
48
Entenfang, Entenberd, Vorrichtung zum
Fangen mafienbaft vorlommenvder Enten. Man
nieht fie durch Zodenten heran und fängt fie in Regen.
ntengrün, Cntengrüße, f. Lemna nebjt
Entenherod, ſ. Entenfang. [Zertfiguren.
Ententlaffmufcheln (Anatinidae), artenreiche
Familie der Sipboniaten (f. Muſcheln) mit dünner,
am bintern Zeil auseinander jtebender Scale,
Schloß meift mit undeutlihen Zähnen, aber mit
einem in der Regel ein einzelnes, ijoliertes Kalt:
ftüdhen umſchließenden Knorpel. Man tennt etwa
300 lebende und 400 fofjile Arten, die im Jura zuerit
auftreten. [Rruftentiere I, Fig. 12.
Entenmuficheln, ſ. Ranlenfüßer und Tafel:
Entenfchnabel, eine Jußbelleidung, die gegen
Ende des 15. Jahrh. an Stelle der Schnabelichube
.d.) trat. Der E. war vorn rund und bildete den
bergang von den Schnabelichuben zu einem andern
Ertrem der Fußbelleidung, dem jog. Kuhmaul (f. d.).
Entente (m, Ipr. angtängt), Cinverftändnis;
E. cordiale (jpr. -al), berzlides Einverſtändnis,
Bezeihnung für die intimen Beziehungen zweier
Etaatöregierungen; der Ausdrud findet ſich nad
Littre zuerft in einer Adreſſe der franz. Deputierten:
lammer von 1840 bis 1841. Metternich führt ihn
auf Guizot zurüd.
Entenwal, joviel wie Dögling, |. Delpbine.
Entenzucht. E. wird betrieben au& Liebhaberei
oder wirtſchaftlichem Interejie. Jener dienen viele
wild lebenden Arten (aufgeführt im Artifel Enten,
f. d.), die, einigermaßen naturgemäß untergebracht,
* mehr oder minder leicht fortpflanzen. Am leichte:
ten tbun dies die ausländiichen, namentlich Braut:
und Mandarinenten, wobingegen die Zucht der an
den deutichen Küften vorlommenden Enten, von
der Stodente abgeſehen, nur felten gelingt. Zum
Niiten dient eine Heine, mit Heu verjebene Holz:
bütte, wenn die Ente es nicht a ar ihr Neſt an
einer verjtedten Stelle unter Buichmwerl u. dgl.
anzulegen. Hat man feine Eierdiebe oder eier:
raubende Tiere zu fürdten, jo läßt man die Eier
liegen und wartet ab, ob die Ente ſich jelbit zum
Brüten bequemt. Zeigt fie dazu feine Neigung, fo
muß man die Gier einem Hubn unterlegen, das fie
in etwa 28 Tagen zeitigt. Die von der Ente jelbjt
ausgebrüteten Jungen maden wenig Sorge, fie
werden von der Mutter angeführt, am Ufer, auf
den Waflerpflanzen Inſeltenlarven und Yaich zu
uchen oder auf die über dem Waſſer fliegenden
tüden Jagd zu machen, fo dab man höchſtens
etwas Amerjeneier und Weißbrot zu geben nötig
bat. Die von einer Henne ausgebrüteten Jungen
muß man reichliber füttern, und auch bier fpielen
die Ameijeneier die Hauptrolle, die man dem unten
angegebenen Mijchfutter zujegt. Bon wirticajt:
libem Intereſſe ift die Zucht der von der Stodente
abitammenden Raſſen (j. Enten) und die der dome—
ftizierten Moſchus⸗ oder Türkischen Ente. Alle be
dürfen zum Wohlbefinden Wajjer, und die Zucht ift
um jo ergiebiger, je mehr Nahrung fie in demjelben
finden. Ein: bis —— Enten find am meijten
eibäst, doc legen diejelben oft länger denn act
Sabre. Das Legen beginnt bereit3 im Februar,
und wenn die Enten warm überwintert find, fchon
im Dezember und dauert etwa vier Monate. Man
läßt jtets ein Neftei liegen und kann auf dieje Weife
in einem Jahre von einer Ente bis zu 100 60—80
ſchwere Gier befommen. Auch bier fann man fi
beim angel an brütluftigen Enten der Hühner oder
Entenfang — Euterbung
Xrutbübner bedienen und jenen 10—15, diefen 0—
25 Stüd unterlegen. Die Brutzeit beträgt 26—
31 Tage. Am zweiten Tage nad dem Ausihlüpfen
eben die jungen Entchen bereits in das Waſſer und
riehen nur felten nod unter die wärmende Mutter.
Die erfte Nahrung beſteht in gebadtem Ei, dem man
Brottrumen, Grüße oder Kleie und jpäter ehadtes
Fleiſch, Kartoffeln, Rüben u. dgl. zuſeßt. De ani⸗
maliſche Nabrung muß um fo intenfiver fein, je
weniger Wafjerweide man bieten fann. Auch darf
an Grünfutter, wie Salat, gebadten Brenneileln,
MWafjerlinien u. ſ. w., kein Mangel fein. Mit 4—5
Monaten haben die Gnten ſchon ein Schlachtgewicht
von 1,5 bis 2 kg, und gemäſtete der großen Raflen
bringen es oft auf 5 kg und mebr. 1900 wurden
im Deutichen Reiche 2467 043 Enten gezäblt. — Vgl.
Dürigen, Die Geflügelzucht (Berl. 1886); Maar,
Uuftriertes Mufterentenbub (Hamb. 1891); derf.,
nleitung jur Enten: und Gänfezucht (Lpj. 1893).
Enterälgie a „ſ. Kolil.
Enterbeile, Beile, die den Zwed batten, die
Taue oder Ketten der feindlichen Enterbalen (. d.)
zu lappen. (S. Entern.)
Enterbung (exheredatio), die legtwillige Ver:
fügung, durd die der Erblafler (f. d.) einen Not⸗
erben (j. d.) oder Pflichtteilöberechtigten (j. Pflicht:
teil) von dem an ſich ibm gebührenden Bilichtteile
ganz oder teilweife ausſchließt; das bloße Uners
wäbntbleiben eines Pflichtteilöberechtigten im Teſta⸗
mente ift, ftrenggenommen, ala E. nit anzujeben.
An einem weitern Sinne fpriht man von E. auch
dann, wenn jemand, ber zwar zur geſetzlichen Erb⸗
folge berufen, aber nicht pflichtteiläberechtigt ift,
legtwillig nicht bedacht wird, — Die €, ftammt aus
dem rom. Nechte, während fie ber ältern german,
Nebtsauffaflung fremd fein mußte, da diejer Das
wichtigite Erfordernis, die grundſähliche allgemeine
Bulaffung legtwilliger Verfügungen, feblte. Nad:
dem das röm, Recht die in den * Tafeln aner⸗
fannte völlig unbeſchränkte Teſtierfreibeit aufge—
geben hatte, verlangte es, daß der Erblaſſer ge:
wife geleglihe Erben entweder ausprüdlih zu
Erben einjeße oder ausprüdlich enterbe. Das war
eine reine Formvorſchrift, die Einſezung auf den
geringften Bruchteil des Naclafjes genügte, und
die E. bedurfte feines Grundes. Nah der fpätern
Entwidlung, die durch Juftinians Novelle 115 zum
Abſchluß lam, mußten die Pilichtteildberechtigten
auf einen beftimmten Bructeil ihres geſeßlichen
Erbteils eingejekt werden, die E. war nur aus ganz
beftimmten einzeln aufgeführten Gründen zuläffig
und konnte nur im Teſtament ausgeiprocden wer:
den, ob aud im Erbvertrag oder im reine m
eh Überhaupt bejtehen bier im einzelnen viel
abe Meinungsverfdiedenbeiten, fo über die jurift.
Ronitrultion der Folgen einer grundlojen E., über
die Wirkung der Berzeibung u. |. w.
Das Suftiniani de Recht bildet die Grundlage
nicht nur für das Gemeine Recht, jondern aud für
die deutſche Bartikulargejeßgebung auf diefem Ges
biete, wobei jedoch vielerler Heine Abweichungen
vorlommen, insbejondere bezüglich der Enterbungs⸗
gründe. — Bon einem ganz andern Standpunlte
ebtverCodecivilaus. Nach diefem lann der Erb»
ajjer, der Vorfahren oder Ablömmlinge bat, nur
über einen gewiſſen Teil feines Rachlafies lektwillig
verfügen, nämlich über die Hälfte, ein Drittel oder
ein Viertel, je nachbem ein, zwei oder mebr finder
oder erbjolgeberechtigte Stämme vorhanden find,
Enterdreggen — Entermefjer
um über die . ober drei Viertel, je nachdem
&rlahren ſowohl von der väterlichen wie von ber
zitterlihen Seite oder nur von einer von beiden
Siten vorhanden find. Der Reit fällt an die Bor:
ihren oder Abktömmlinge und kann ihnen nicht
* werden, gewiſſe Verfehlungen jedoch, die
jum Zeil mit den anderwärts üblichen Enterbungs⸗
— ubereinſtimmen, bemirten die Unfäbigteit,
juwerben. Angeblich ift die E. deshalb nicht
mmen, weil jie eine Lieblofigleit gegen die
mlinge des Enterbten entbielte, die dem Erb:
laſſet —S teuer ſein müßten. — Das Oſterr.
Bürgerl. Geſezbuch (88. 768 -772) nennt nur
vier bejondere Enterbungsgründe gegenüber Vor:
jahren und Ablömmlingen, jedoch ſind die Erbun:
würdigleitsgründe auch gleichzeitig Enterbungs:
gründe. Die E. kann jogar außerhalb des Teſta⸗
ments erfolgen, ihre Aufbebung aber ift nur durch
einen ausprüdlichen, in ber geieglichen Form er:
Märten Widerruf möglich. Der Enterbungsgrund
muß nicht notwendig bejonders angegeben werben.
Das Deutiche he ee Gejesbu t den
Austrud E. als jeiner Auffafjung vom MWeien des
pflichtteilsrechts nicht entſprechend abſichtlich ver:
mieden, da der Pflichtteilsberechtigte keinen An:
iprud bat, Erbe zu werden, ſondern nur fordern
kann, dab ihm aus dem Rachlaße eine Geldſumme
or me werde, die einen bejtimmten Bruchteil
des Wertes jeines geſetzlichen Erbteils bildet. Statt
deilen jpricht es von ———— des Pflichtteils⸗
(88. 2333 fg.). Dieſe iſt zuläſſig I. gegen einen Ab:
tömmling, 1) wenn er dem Erblajjer, dem Che:
nr oder einem andern Ablömmlinge des Erb:
fiers nah dem Leben tradhtet; 2) wenn er fi
einer vorjäglichen körperliben Mißhandlung des
Erblaſſers oder des Ehegatten des Erblajjers dou
dig macht, jedoch muß im letztern Falle ver Ab:
tömmling von dem Ehegatten abjtanımen, barf
aljo z.B. nicht deſſen Stiefjobn fein; 3) wenn er
Dh gegen den Erblaſſer oder deſſen Ehegatten eines
rechend oder ſchweren vorlägliben Bergebens
ſchuldig macht; 4) wenn er jene gejepliche Unter:
baltungspflicht gegenüber dem Erblafjer bösmillig
verleßt; 5) wenn er wider den Willen des Erb:
laſſers einen ebrlojen oder unfittlihen Lebens:
mwanbel führt, es jei denn, daß er ſich von dieſem
Lebenswandel jur Zeit des Todes des Erblaſſers
dauernd abgemendet hätte; II. gegen Bater oder
Mutter aus einem der Gründe vorftehends unter 1,
3 und 4; III. gegen ven Ehegatten aus einem Schei⸗
dungsgrunde, der auf einem Berihulvden des Ehe:
gatten berubt (alfo nicht wegen — ———
und zwar auch dann, wenn auf Scheidung infolge
Ablaufs der geſetzlichen er nicht mebr
aellagt werden könnte. Die Entziehung des Pflicht:
teils erfolgt durch letztwillige Verfügung, es ge:
nügt aljo eine vom Erblafjer unter Angabe des
Ortes und Tages eigenhändig geichriebene und
unterihriebene Erflärung. Sedod muß der Ent:
jiebungsgrund zur Zeit der Errichtung der Ber:
rügung bejtehen und in diefer angegeben Be Zu
beweiſen bat ihm, wer fi darauf beruft. Das
Recht zur Entziehung des Pflichtteils erliicht durch
(ausvrüdliche oder fillihweigende) Berzeibung,
dieje führt zugleih Unwirlſamleit Pe a
die Entziebung des Pflichtteild anordnenden Ver:
er berbei. — Die Zuläffigteit der Entziehung
des Pflichtteils rihtet fich, wenn der Tod des Grb:
laflers erft nah Beginn des Jahres 1900 einge:
Prodhaus’ Ronverfations:Lepiton,. 14. Aufl. R. A. VL
auf
49
treten ift, aud dann nad neuem Recht, wenn bie
E. in einem vor 1900 errichteten Tejtament aus:
gelprochen ift. — Außerdem beſtimmt das Deutiche
ürgerl. Geſetzbuch ausdrücklich, daß der Erblafjer
dur Tejtament einen Berwandten oder den Ehe:
atten von der geſetzlichen Erbfolge ausſchließen
ann, ohne einen Erben einzufegen ($. 1938).
Neben der gewöhnlihen €. kennt das Gemeine
Recht eine E. in guter Abſicht (exheredatio
bona mente), d. b. der Erblafjer fann die Zumen:
dung des Pflichtteils an feine Noterben unterlaffen,
wenn dies in wohlmeinender Abficht und im Inter:
ejie des Pflichtteiläberechtigten oder jeiner Familie
geichieht, alfo namentlich wegen lüberſchuldung oder
übermäßiger Verſchwendungsſucht. Do muß dann
der Pflichtteilsberechtigte wenigftens die Einkünfte
er Pflichtteils, ſoweit er ibrer zum Lebensunter:
alte bedarf, aus dem Nachlaſſe erhalten. — Die
auf dem Gemeinen Rechte beruhenden Bartikular:
rechte (mit Ausnahme des Bayr. Landrechts) haben
dieſe Einrichtung übernommen, und gr der Code
eivil fennt etwas Ahnliches in den Beitimmungen
über die Subftitution (Art. 1048). — Das Kfterr.
Bürgerl. Gejegbuh ($. 773) geitattet gegenüber
allen Noterben die E. in guter Abfiht, wenn bei
dem ſehr verſchuldeten oder verſchwenderiſchen Not:
erben die wahrſcheinliche Bejorgnis obmwaltet, der
flihtteil werde ganz oder zum era Teil den
indern entgehen, jedoch nur dergeltalt, daß der
Pflichtteil den Kindern zugemwendet wird. Die Wir:
tungen einer nicht gerechtfertigten E. oder einer E.,
deren Grund nicht zu erweifen ift, find die gleichen,
wie wenn ein Pflichtteil nicht oder nicht ausreichend
gewäbrt ift.
Das Deutihe Bürgerl. Geſetzbuch ($. 2338) lennt
feine Entziehung, fondern nur eine Beſchränkung
des Pflichtteild in guter Abfiht, und zwar nur
gegen Abtömmlinge, nicht gegen Eltern und Ehe:
atten. Vorausfegung ift, daß der Abtömmling in
olhem Maße der Verſchwendung ergeben oder
überjchuldet ift, daß fein jpäterer erb erbeblich
geil bet wird, und daß diefer Zuſtand zur Zeit des
odes des Erblaſſers noch fortdauert; eine bloße
Befürchtung für die Zukunft genügt nicht. Dann
fann der Erblafjer anordnen, daß nad dem Tode
des Ablömmlings deſſen geieklihe Erben das
ihm Hinterlafjene oder feinen Bflichtteil nach Ber:
bältnid ihrer geieglihen Erbteile ald Nacherben
oder Nachvermãchtnisnehmer erhalten follen, oder
er kann für die Lebenszeit des Ablömmlings die
Verwaltung einem Teitamentsvollftreder über:
tragen, jo daß dem — das Recht, über
den Nachlaß zu verfügen, vollitändig entzogen
wird, und er nur den jährlichen Reinertrag zu be:
anſpruchen hat. Im übrigen — dieſelben Vor:
ee für die gewöhnliche Entziehung des
flichtteils.
Enterbreggen, joviel wie Enterhalen (f. d.).
Enterhafen oder Enterbreggen, leichte,
nf: bis ſechsarmige, an Ketten ober Tauen be:
eitigte Anter, die beim Entern in die Talelung des
eindlihen Schiffs geworfen werden, um es feitzu:
alten (f. Entern).
Enterich, die männliche Ente (ſ. Enten).
Enteritis (grch.), Darmentzündung (f. d.).
Enterlooper, veralteter niederländ. Ausdruck
für ein Schleihhänblerfahrgeug. ,
Entermeffer, frühere Bezeihnung der Seiten:
gemwehre der Matrojen, mit jataganartiger Klinge
4
50
und großem Korb, die namentlich beim Entern (ſ. d.)
Verwendung fanden.
Eutern, ein fremdes, wahrſcheinlich aus dem
ital. entrare (d. b. eindringen) gebildetes Wort; es
bedeutet ein feindliches Schiff durd Angriff mit der
blanten Waffe erjtürmen. Das €. kann ausgeführt
werben, indem man mit bem eigenen Schiffe längs
jeit des feindlichen läuft und an diefem feſtmacht,
oder indem man den Feind mit Booten angreift.
Zur Zeit der Segelſchiffe wurde das E. meilt als
Gntfcbeidungstampf angewendet. (S. Seetaltil.)
NY der Neuzeit, jeit Einführung des — 2*— und
ervolllommnung der Ariillerie, iſt es ſelten ge—
worden. Die furchtbare Wirkung der modernen Ge:
ſchoſſe zwingt den Befiegten, au obne E. ſich zu
ergeben, und außerdem ift eine jebr überlegene
Gejhmwindigfeit des Feindes erforderlich, um das E.
gelingen zu lafjen. Überdies wird der an Geſchwin—
digkeit Üiberlegene meift die gänzliche Vernichtung
des Gegners durch einen Rammitoß dem Entergefecht
vorziehen, namentlich bei Banzerichiffen. €, heißt
auch das un Hinauf: (Aufentern) und Hinab:
tlettern Niederentern) der Matroſen in die oder
von der Takelage. (S. auch Enterbeile, Enterbaten,
Entermefjer, Enterneße, Enterpifen.)
Enternete, Nebe von Drabt, die früber ober:
balb der Rebling (f. d.) rings um die Schiffe gegen
das Entern (f. d.) ausgeipannt wurden.
Entero:Anaftomofe (grch.), joviel wie Darm:
anaftomofe (f. d. und Darmverengung).
Enterocele (grch.), ſ. Bruch.
Euterocentäẽſe (grch.), der Darmſtich, die Bunt:
tion des Darms.
Enterohelföfis (grch.), Darmverſchwärung.
Enterofatarrh (grch.), der Darmkatarrh (ſ.
— leingießung, ſ. Klyſtier.
Euterokliyſis (grch.), Darmwaſchung, Darm:
Euteröl, ein Gemiſch der drei Kreiole (f. Kreſol),
das als Antifeptitum bei Darmerklrantungen em:
pfoblen wird.
Enterolithen (grch.), j. Darmiteine.
Enterolögie (grch.), Eingemweibelehre.
Enterophthifis (rd), j. Darmſchwindſucht.
Enteropneuften( Enteropneusta), eine Gruppe
von Geetieren, die Ääußerlih den Würmern nabe
itehen, in der Entwidlung aber ven Stahelbäutern
und in manchen Punkten des Baues den Mantel:
tieren verwandt find. Aus dem Ei fchlüpft wie bei
den Stadhelbäutern eine mit befonders gruppierten
Wimperfhnüren befegte, freiihwimmende Larve,
die Tornaria. Die erwachſenen Tiere leben in
wenigen und feltenen Arten einer Gattung (Balano-
glossus Delle Chiaje) in feinem DMeeresfand. N.
Kowalewſty, C. Metihniloff und ler. Agaſſiz
ichrieben über die E. — Vgl. Stengel, Enteropneu:
iten (Berl. 1893).
Enteroptofe (grch.), die Lageveränderung der
Bauceingemweide nad) abwärts, fpeciell des Darms.
er (grch.), die Darmblutung.
Enterorrhäphie (grch.), die Darmnabt (f. d.).
Enterofföpie (grch), die Unterfuhung des
Darms vermittelit des Enteroſtöps (f. Beleudy:
tungsapparate, medizinische).
nteroftenöfe (arch.), Darmverengerung.
Enteroftömie (grch.), operative Anlegung eines
fünjtlichen Afters dur Annäbung und Eröffnung
einer nah außen an die Bauchwand vorgejogenen
Kamaislinge bei Darmverenaung oder Darmver:
chluß.
Entern — Eutfernungsmeſſer
Enterotömie (grch.), Darmſchnitt, Bauch—
chnitt.
Enterotyphus (grch.), Unterleibstyphus.
Enterozöen (Enterozoa, Einzahl Entero—
z0on), ſoviel wie Entozoen (f. d.).
Enterpifen, kurze Yanzen, mit denen früber ein
Teil der Geſchußmannſchaften ausgerititet war, um
die feindlichen Enterer beim Entern (f.d.) durd die
Geſchützpforten zurüdzuftoßen.
Enterung, j. Entern.
Entötiert (fr;., ſpr. angtät-), eingenommen für
etwas, verfeflen, erpicht auf etwas; eigenfinnin
Entötement (fpr. angtätmäng), Gigenfinn, Starı:
finn, Starrlöpfigfeit.
Entfärben, tehnijches Verfahren, das die Ent:
fernung vorhandener Farbftoffe bezwedt. Gewebe
werben durd das Bleichen (j. d.) entfärbt. ylüffig:
leiten entfärbt man durch Bebandeln derjelben mit
Knochenkohle, welche die Eigenichaft bat, Farbſtoffe
zu abforbieren, Hiervon macht man in der Juder:
abrifation den umfänglichjten Gebrauch. Saure
lüffigleiten, die durch ihren Säuregehalt löfend
auf die Kalkſalze der Knochenkohle wirken und
durch diefe verunreinigt werden würden, behandelt
man mit Knochenkohle, die vorher mit Salzfäure
ertrahiert und gewaſchen ift. Wegen jeiner Eigen:
beit, mit den meijten Farbſtoffen unlöslice Ver:
indungen einzugeben, läßt ih Thonerdehydrat viel⸗
ach zum E. verwenden. Bleieſſig dient zum E. des
Rübenſaftes bei der analytiſchen Unterfuchung des⸗
—— da er den Farbſtoff als unlögliche Bleiver:
indung abjcheidet. In manden Fällen kann man
dur Einleiten von ſchwefliger Säure entfärben.
Entfernung aus dem Heer oder der Ma:
rine, militär. Ebrenitrafe, Die von Rechts wegen zur
Folge bat: den Verluſt der Dienftitelle und der da:
mit verbundenen Auszeihnungen, fowie aller durd
den Militärdienft erworbenen Anjprüche, ſoweit fie
durch Richterſpruch aberfannt werden können; den
dauernden Verluſt der Orden und Ehrenzeichen; die
Unfäbigfeit zum Wiedereintritt in das Heer und
die Marine, welbe nur im Gnadenwege bejeitigt
werben kann. Gegen penfionierte Offiziere ift, ftatt
auf E. aus dem Heere oder der Marine, auf den
Verlujt des Dffiziertiteld zu ertennen. Auf E. aus
dem Heer u. f. iv. muß erfannt werben: neben Zucht:
baus und Berluft ver bürgerlichen Ehrenrechte bei
Dffizieren ſchlechthin, bei Unteroffizieren und
meinen von länger als dreijäbriger Dauer.
Entfernungsmeifer, Diſtanzmeſſer, Dia:
ftimeter, Engymeter, Telemeter, nitru:
mente, mit denen die Entfernung zwiſchen zwei
Punkten in der Luftlinie gemejjen wird. Der €.
jelbft wird jtet3 in dem einen Endpunlt der zu
meſſenden Entfernung aufgeitellt und, je nachdem
in dem andern Enbpunlt eine Diftanzlatte (ſ. d.)
angebracht wird oder nicht, unterjcheidet man €.
mit Latte und ſolche obne Latte, Die eritern finden
bei den in der Feldmeßlunſt benugten Inſtrumenten
Anwendung, z. B. in Verbindung mit der Kippregel,
dem Tachymeter u. a., und beruben darauf, daß zwi⸗
ſchen zwei Fäden eines im Fernrohr angebradten
Fadentreuzes ſtets eine der betreffenden Entfernung
entſprechende Zänge an der Latte abgelejen wird.
Man benust diefe E, (von Reichenbach) zur un:
mittelbaren Feitlegung minder wichtiger Buntte von
einem vorher ficher bejtimmten Stationspunft au?
und erbält bis zu Entfernungen von etwa 600 m
auc genügende Ergebniſſe.
Entfernungsmeßfanonen — Entfettungsfuren
Lehne Latte werden in der Feldmeßlunſt nicht,
fr miltär. Zwede aber vielfach benust, obwohl es
und nicht gelungen tft, ein namentlib auch zum
Aden großer Entfernungen völlig friegsbraud:
bir Inftrument herzustellen. Die meijten diejer
Elben darauf, daß man die gejuchte Entfernung
nein dreied verlegt, aus deſſen Baſis und den an-
hugenden zu meſſenden Winteln man fie leicht be:
reomen lann; bei faſt allen —— iſt die
Entfernung auch nad Einſtellung der Wintel un:
mittelbar am Inſtrument abzulejen. In der Unent:
ibrlihleit einer Baſis liegt aber eine große Schwie:
ngkeit für die techniſch vollendete Heritellung dieſer
Juftrumente; denn iſt die Bajis am nitrument an:
«hradt, jo lann fie nur Hein fein im Verbältnis
zu den Entfernungen, die namentlib mit Rüdficht
auf die Tragweite der beutigen Feuerwaffen im
Kriege beitimmt werben müjjen, und infolgedejien
mifen dann überaus Heine Wintel mit größter
Schärfe gemeſſen werden, was nur mit feinen, eine
en Bebanplung erfordernden Wintelmefjern mög:
bit. Macht man aber die Baſis jo groß, daß die
Binleimefjung weniger ſcharf jein fan, jo muß
dieje von zwei räumlich mebr oder weniger weit ge:
trennten Bunkten von zwei Beobachtern ausgeführt
werden, was namentlich im Feldkriege jelten aus:
führbar ift, wäbrend nad diefem Grundjaß ein:
arritete E. im Feftungstriege und namentlich bei
ber Küftenverteidigung vorteilhaft verwendet werden.
Bei legterer find auch E. «mit jenkrebter Bafis»,
die durch die lotrechte Entfernung des Aufitellung®:
vunttes vom Meeresipienel gebildet wird, im Ge:
braudy. An Stelle der Wintelmejlung durch Fern:
robre werden vielfach auch Spiegelinjtrumente nad)
dem Grundjas des Spiegeljertanten angewendet.
Während die Artillerie in ver Beobachtungsfähig⸗
len der Rauhmolte ihrer Geſchoſſe ein Mittel be:
fikt, den Einſchlag in Beziehung zum Ziel zu bringen
und danadı dem Geihük die ver Entfernung ent:
fprehende Erböbung zu geben, d. b. ſich einzu:
Ichießen, ift die Infanterie troß der geringern Ent:
fernungen, auf die fie ſchießt, in der Regel nicht in
der Lage, die Geſchoßeinſchläge zu beobachten. Sie
ift aber auf das unzuverläffige Entfernungeihägen
(1. 8.) angewieien, wofern fie nicht über E. verfügt.
Gerade die Erkenntnis, daß die große Präciſion der
modernen Waffen und die beite Schiekausbildung
der Zruppe nur dann gute Treffergebnifie im Ge:
folge baben kann, wenn das Viſier der Entfernung
— gejtellt iſt, bat die praltiſche Bedeutung
der E wieder mehr in den Vordergrund gerückt, jo
dab heutzutage niemand mehr an der Nüplichteit
eines folben Inſtruments zweifelt, jondern nur noch
die Frage erörtert wird, welche Zugeitändniife find
dem Konitrulteur binfichtlich der Begriffe «Genauig⸗
tet» umb «ftriegsbraucbarteit» der E. zu machen ?
Infolge der Verichiedenbeit der Auffafiung bier:
baben mehrere europ. Staaten bereits E. für
den Felbkrieg eingeführt, jo Frankreich und Ruß:
land, wäbrend man im Bi Heere (abgejeben
von dem E. der Küjtenartillerie) unter der Bezeich:
«ileiner E. 99» nur einen €, für Syriedens:
der Infanterie zur Prüfung der Entjernungs:
Ihäsungen u. dgl. eingeführt bat, für Kriegszwecke
aber €. nod) erprobt. Die Zweifel, daß es jemals
— einen genügend genauen lriegsbrauchbaren
€. zu fonftruieren, en u dem Vorſchlag geführt,
der Infanterie eine a nsstwerlonone.
d. b. ein leichtes Geihüß, mitzugeben, mit dem fie
51
fich die Entfernung «erfdhießen» kann. Diejer Ge:
danke ſcheint indes feine Zukunft zu haben.
Einer ber älteften €, ift der geometr. Duabrant
von Peurbah (um 1450) und Paceccos PBantometer
1767). In neuerer Zeit wurden viele verfchiedene
ftrumente diefer Art nden, 3. B. E. von
uernfeind, von Steinheil, Telemeter von Ber:
dan und Foitzich, Diaftimeter von Romershauſen,
E von Nolan, Bafhwig, Kron:Metral, Soudier
Goulier, Colman, Soude, Elermon. Letztere drei
tonftruierten Feldſtecher als E, indem fie darin
ein Netzwerk mit Skala anbraten, von ber ent:
ſprechend der jcheinbaren Verkleinerung des Ziels
(eines ftehenden Infanteriften = 1,7m) die Entfer:
nung abgelejen wird. Diefe Inſtrumente find alfo
gleihfam ind Kriegämäßige überjegte «E. mit Latte»,
indem biefe durch das feindliche Objelt gebildet wird.
In Deutihland haben fih um die Entwidlung
E. beſonders verdient gemadht die Firmen
A. & R. Hahn in Eafjel und Karl Zeiß in Jena.
Lestere konftruierte neuerdings auf Grund ihrer
betannten Relief: oder Doppelſernrohre (f. Fern⸗
rohr) einen ftereoflopifhen E. nad ber Idee
des verftorbenen Ingenieurs de Groufillierd in
Charlottenburg und des von Helmholg angegebenen
Teleſtereoſtops. Diefer E. dürfte dem deal eines
G. nahe lommen, denn er ermöglicht, aus dem Par
norama des Fernrohrs bie ee mit bins
längliher Genauigteit direkt ide: Näheres
über diefen ſtereoſtopiſchen E. von Zeiß f. Entfer-
nungsmeſſer, Bd. 17.
Eine bejondere Art von E. find endlich noch die
akuftifchen, die auf der M ung des Zeitraums be:
ruben, der zwijchen dem Aufbligen eines Schuſſes
und dem Hörbarwerben des Rnalles liegt, wobei die
Geſchwindigleit des Schalles au 333 m per Sekunde
angenommen wird, Die in Selunden gemeflene Zeit
mit 333 multipliziert, giebt dann bie Entfernung
in Metern. Hierauf begründete €. find die von Le
Boulenge, Fimmerhans, Montaudon u. a. Neuere
Verſuche haben ergeben, daß die Schallgeſchwin⸗
digkeit nur bedingungsweiſe 333 m pro Sekunde,
oft aber erheblih mehr beträgt. Aluſtiſche E.
find demnah für militär. Zwede ohne Wert. —
Bol. Bauernfeind, Elemente der Bermefjungstunde
( etuttg. 1879); ®irardon, Legons d’artillerie
(Bar. 1895); Militär. Wochenblatt 1889, Nr. 94,
und 1899, Nr. 66 (Berlin); Pulfrich, Der ftereofto:
3,1850) Regen Bean (be. 100)
Gans eohlansuen. 1. eh
meſſer.
tfernungsfchägen, ein militär. Ausbil»
dungszweig, der deshalb von Wichtigleit ift, weil
von dem er ie Erlennen der Entfernung vom
Schüsen nad dem Ziel die Treffwirtung wejentlich
abhängt, und zwar um fo mehr, je größer die Präs
cifion der Waffe und die Sicherheit der Schüben.
m Gegenſaß zum Entfernungsmeflen, das mit In⸗
trumenten (j. Entfernungsmefjer) geſchieht, eriolgt
das €. mit —— Auge. Es iſt von außern
Umjtänden (Beleuchtung, Geländebildung u. ſ. w.)
abhängig und erreicht nur auf Heinen Entfernungen
einen leidlihen Grad von Genauigkeit. — Bol.
Brunn, Das E. (Berl. 1901).
— —— j. Eiſenbahntarife.
etten der Wolle, ſ. Entſchweißen und
Wollſpinnerei.
Eutfettungskuren, |. Fettſucht.
4*
D2
Entfettungdmafchinen, |. Wollfpinnerei.
Entflammungspunft, bei einer brennbaren
Flüffigkeit diejenige Temperatur, bei welcher fich die
über der Flüffigteitsoberflähe lagernden Dämpfe
an einer Flamme entzünden. Der €, jpielt bejon-
vers bei der Prüfung des Betroleums eine wid:
tige Rolle (f. Betroleum).
Entführung. Die E. umfaßt nah geltendem
deutſchen Strafreht ($$. 236, 237) zwei fälle:
1) E. einer Frauensperjon gegen ihren Willen
durch Pift, Drohung oder Gewalt, um fie entweder
zur Unzudt (Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren)
oder zur Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis bis zu
5 Sahren): 9) €. einer — unverehe⸗
lichten Frauensperſon mit ihrem Willen, aber
ohne Einwilligung der Eltern oder des Vormunds,
um fie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen (Strafe:
Gefängnis bis zu 5 Jahren). Beitraft wird bie
ie rte nit. Die Verfolgung tritt in beiden
gi en nur auf Antrag ein. Sat der Entführer die
Entführte gebeiratet, jo findet die Verfolgung nur
ftatt, nachdem die Ehe F ungültig erklärt ift.
Das Öfterr. Strafgeſetz von 1852 ftraft auch den
De wenn eine verheiratete —JF—— mit
ihrem Willen dem Ehegatten liſtig oder gewaltſam
entführt wird, Der Borentwurf eines Schmeiz.
Strafgejehbuhs (Art. 105— 107) unterſcheidet
3 Fälle: 1) E. einer Frauensperſon zu unzüchtigen
weden a. durch Lift, Gewalt oder Drobung; b. einer
lödfinnigen, — bewußtloſen oder zu
Widerſtand unfähigen rauensperjon. 2) €. zum
Zwede der Ehe durch Lift, Gewalt oder Drohung.
3) E. von Kindern zu unzüchtigem oder eigennüßt:
gem Zmed.
Entfufeln, techniſches Verfahren zur Verwand⸗
fung des Rohſpiritus in Feinjpiritus oder Sprit.
Der in den landwirtſchaftlichen Brennereien durch
Deitillation der vergorenen Maifche gewonnene
— — enthält neben feinem Hauptbeitanbteil
(ütbylaltohol) eine Anzahl von Nebenprobuften der
Bärung ( Aufel), die ihm einen eigentümlichen,
unangenehmen Geruch und Geſchmad erteilen. Für
alle feinern Branntweine, für die befjern Sorten der
Liqueure und Barfums, namentlich aber zum Ber:
ſchneiden des Weins ift nur ein völlig reiner Spi-
ritus verwendbar. E. wird in Deutſchland in großen
ftädtifchen Naffinerien vorgenommen, von denen ſich
die bedeutenditen in Berlin, Hamburg, Leipzig, Stet:
tin finden, Fürdie Heritellung weniger feiner ——
weine geſchieht das E. durch einfache Filtration über
Kohlen, namentlich Holzkohlen, welche, beſonders
friſch ausgeglüht, die Eigenſchaft haben, ſchmeckende,
riechende und färbende Stoffe aus Flüſſigleiten auf:
zunehmen. Der auf 50—60 Proz. verbünnte Spirit:
tus wird in ein mit Kohlen beſchicktes Faß, welches
mit einem Ruhrwerk verjeben ift, gefüllt und bier
unter wiederboltem Umrübren mebrere Tage jteben
gelafjen und dann abgezogen; vielfach werben aud
mebrere Fäſſer jo miteinander verbunden, daß der
Spiritus von einem in das andere übertritt; die Rob:
len werden ſich in dem erften Faſſe zuerit fättigen deh.
unbrauchbar werden; es wird dann dieſes {ab mit
friihen Kohlen gefüllt. Der zu reinigende Brannt:
wein wird dann zuerſt in das zweite Faß geleitet,
wäbrend das neu gefüllte Faß jest als letztes für
€. fait reinen Branntweins dient; auf dieje Weife
wird erreicht, daß der Branntwein auf dem Wege
durch die Filteranlage mit fortfchreitender Reinigung
ju immer frifchern, weniger gebrauchten Koblen
Entfettungsmafchinen — Entgegengejegte Größen
gelangt, wodurd eine rationelle Ausnußung der
oblen ftattfindet. Der auf diefe Weife nur durd
Reinigung über Koblen gewonnene, eines Zeils der
riechenden Stoffe entlebigte, aber durchaus noch nicht
—78 Branntwein wird auch Maſchinen—
piritus genannt, weil man die Filtervorrichtungen
als Reinigungsmaſchinen bezeichnet.
Fur die Erzielung von Feinſprit wird in ben
Spritfabriten ausjhlieplic die Filtration, verbun:
den mit Reltifitation, benußt. Die Filtration ge:
cieht bier, indem der auf 50 Proz. verbünnte Rob:
piritus durd eine Batterie von 10 bis 20 miteinan:
der verbundenen, großen, eifernen, mit Holztoble
efüllten Eylindern geleitet wird. Die Filter find
o angeordnet, daß fie wechſelweiſe ausgeſchaltet
werben können und daß immer der Robipiritus bei
dem jeweilig am längiten in Gebraud befindlichen
eintritt, von da in das frischer mit Kohle gefüllte
übertritt und zuleßt in die neubejchidten, mit Vier
Kohle gefüllten gelangt. Die erſchöpften Filter, in
denen eine reinigende Wirkung nicht mebr eintritt,
werden ausgefchaltet, der in denjelben befindliche
Spiritus abgelaffen und Dampf in diefelben gelei:
tet, wodurd der von den Kohlen aufgelaugte Spi—
ritus mit einem Zeil des Fujelöld verdampft und
dur Einleiten in Kühlvorrichtungen wiedergemwon:
nen wird. Das — wird nun entleert und mit
friſchen Kohlen beſchickt, während die herausge—
nommene erſchöpfte Kohle durch Ausglühen wieder:
belebt wird. Die vom Filter ablaufende Fluſſigkeit
wird einer Rektifitation unterworjen, dur die der
Altohol von dem zugejesten Waſſer und den Heften
der noch vorhandenen Verunreinigungen befreit
wird. Dies geicieht in Feinfpritapparaten,
die aus großen eifernen Blafen beiteben und mit
wirfjamen Reltifilations- und Depblegmations:
vorrichtungen (f. Deitillation und Spiritusfabrita:
tion) verjeben find. Die Flüffigkeit wird in der Blaſe
dur in Schlangenröhren cirtulierenden Deus zum
Sieden gebradt, worauf alsbald die Deftillation
beginnt. Die einzelnen Deftillate werden getrennt
aufgefangen. Zuerit erhält man ein Gemiſch von
Altohol und niedriger fiedenden Beitandteilen bes
Robipiritus, namentlid Aldehyd, welder als joa.
Vorlauf in einen befondern Behälter geleitet wird,
um fpäter, wenn ſich genügend davon angejammelt
bat, für fich weiterverarbeitet zu werden. Der größere
Zeil des Altobols deftilliert darauf als Prima:
Feinfprit ineinerStärte von 95—96° Tr. Sobald
das Deitillat auf die Stärle von 93—92° Tr. fintt,
wird es in ein anderes Neferpoir geleitet, um als
geringere Sorte von Spiritus, Selundafprit,
verwertet zu werben. Von da ab nimmt die Stärte
des Deftillats rajch ab, das dann noch Übergebende,
welches die böber ſiedenden Beitandteile des er
fpiritus, namentlid das Fuſelol, enthält, wird als
Nachlauf bezeichnet und wird mit dem Robfpiritus
in der nächſten Operation weiter verarbeitet. In der
Blafe bleibt jchliehlih fait reines Waſſer zurüd,
wäbrend der Rettifitator eine milchig trübe Flüſſig
teit enthält, aus der ſich beim ruhigen Steben an der
Dberflähe Fufelöl abjondert, das gejammelt und
für fich verwertet wird.
Die Beitrebungen, das €, auf hem. Wege zu be:
wirfen, baben feinen Erfolg gebabt. Auch die Vor:
ſchläge, das E. unter Anwendung von Elektricität
zu bemirten, haben fi nicht bewäbrt.
Entgegengeiehte Größen, in der Matbematil
folhe Größen, von denen die eine negative, bir
Entgeltlihe Verträge — Enthufiasmus
ana pehtive Einheiten derfelben Art bat, fo daß
in Summe durch Subtraftion gebildet wird. Ent:
zompeieht find eine poſitive und eine negative
Ja, Bermögen und Schulvden, Gewinn und er:
af, Fertihritt und Rüdichritt, Beichleuni ung und
Beiherung, Hebung und Senkung, Anziehung und
Aktegung; ein beträchtlicher Sortfehritt,ver bei Ein:
führung der Buchftabenrehnnung gemacht wurde, war,
dej man Berluft ala negativen Geminn, 3. B. den
deuft von 3 M. als Gewinn von — 8 M., Schul:
den ald negatives Vermögen, u. f. m. auffafjen lernte.
Entgeltlihe Werträge, Berträge, bei denen
kmand einen Bermögensporteil gegen ein Ber: | F
migm&opfer erwirbt, jemand 3. B. eine Verpflich⸗
tung übernimmt, ein Mecht aufgiebt eine Leiſtung
bewitlt, wofür er einen Gegenwert ofort erhält oder
ihm ein folcher verfprochen wird. Die E. V. beißen
aub onerofe oder läftige. Den Gegenfak bilden
vie unentgeltlihen (lukrativen) Verträge,
melde auf eine Gefälligteit hinauslaufen, wie das
Commodatum (f. d.), oder auf eine S entung oder
andere Piberalität. Ein Bertrag oder eine Ber:
fügung fann auf der einen Seite entgeltlic, auf
fr andern Seite unentgeltlich fein; jo, wenn ein
Dritter, um dem Schuldner zu ſchenlen, mit dem
Gläubiger accordiert; der Gläubiger opfert feine
ganze — egen —— eines Teils. Ver:
träge, welche die Sicherung des Gläubigers
betrefien, wie Hypothelbeſtellungen oder Bürg:
ibaften, lafjen ſich als unentgeltliche auf feiten des
—— auffaſſen, wenn dieſer fein Opfer, z. B.
ws äbrun won PETER, giebt, und wenn
die Sicherung nicht in Erfüllung einer dem Gläu:
biger gegenüber —— Verpflichtung be:
ſtellt wird. Eine Schenfung an den Gläubiger liegt
in der Sicherſtellung nicht. Umgelebrt kann die
Unentgeltlibteit aud auf feiten des Bürgen und
dem Gläubiger gegenüber dadurch ausgeſchloſſen
ſein, daß dieſer dem Schuldner Eu erteilt,
woran der Bürge ein eigenes Intereſſe bat, weil er
den Schuldner, welcher auch dem Bürgen ſchuldet,
Iten will. Die Unterſcheidung milden entgelt:
ichen (läftigen, onerofen) und unentgeltlihen Ber
trägen bat unter anderm rechtliche Bedeutung, weil
der Schuldner aus läftigem Bertrage in ber Regel
für einen höhern Grad der Sorgfalt haftet. Sodann
ftellt fi die Anfehtung (f. d.) von unentgelt-
lihen Berträgen, welche zum Nachteil von Gläus
bigern abgeihlofjen werden, vielfach anders als
die Anfehtung E. V. Wer gutgläubig dur ent
geltlichen Vertrag von einem der Anfechtung Unter:
worfenen, als Cigentümer im Grundbub Ein:
getragenen im Bertrauen auf das Grundbuch er:
worben bat, ift fiher; nicht aber der, welcher durch
unentgeltlihen son erworben bat. Bei der
Entmährung (f. d.) ftellt fih der Anipruc anders
bei entgeltlihem erb alö bei unentgeltlichem.
Abnlih bei der Erwerbung von Hppotbelen durch
Eeifion. Der Gedante, daß der entaeltlihe Vertrag
einen ftärlern Anfprub auf Rechtsſchuß bat ala
der unentgeltliche, liegt tief in der menſchlichen Na:
tur begründet. Erft Nat iſt in der rechtsgeſchicht⸗
lichen Entwidlung die Verbindlichkeit des formlojen
Sch verſprechens anerlannt worden. Rechts⸗
geichäfte ſelbſt des Familienrechts, wie die Emanci⸗
pation ſſ. d.) oder das Verlobnis und die Eingehung
ber Ehe, wurden, um ihnen Feſtigleit zu geben, in
die Form eines Kaufs gefleidet. Über gegenfeitige
Berträge ſ. Doppeljeitige Schulpverhältnifie.
53
Entglafung oder Devitrifitation, eine bei
— eritarrten glafigen oder mineraliſchen
hmelzflüffen zu beobachtende Erſcheinung, bie
darin beiteht, daß jene geſchmolzenen Maflen bei
ihrer Erftarrung nicht ein reines bomogenes Glas
liefern fondern ein Glas, das mehr oder minder
reichlich derſchieden —— meiſt kryſtalliniſche
Ausſcheidungsprodukte, bald dem bloßen Auge
ſichtbar, bald von
mikroſtopiſcher Klein⸗
heit, in ſich enthalten.
Der gewohnlichſte
all iſt der, daß
dieſe Gebilde in ihrer
chem. Zuſammen⸗
ſetzung annähernd
mit der des Glaſes
ſelbſt —
men, es ſich alſo nur
um eine andere Er:
ftarrungsform einer
und derſelben Sub:
ftanz banvelt. Ande:
rerfeit3 fpricht man aber aud von €., wo chemiſch
ganz verichiedene Silikate, jelbft Erzpartilelchen in
dem Glaſe ie ausgefchieden haben. Die Entgla:
rg te find bald ſog. Kryſtalliten (f. d.),
ald Globuliten (f. d.), bald Mitrolithen (f. d.),
die ſich vielfah zu
Büfheln und Ster:
nen vereinigen oder
zu kugeligen Dur
hen zufammenbal-
fen, bald unbe
ftimmte doppeltbre⸗
chende fajerige Ge:
bilde, bald eigen:
tümliche ftelettähn:
liche Wachstums⸗
formen, daneben
aber auch wohlaus⸗
gebildete kleine Mi⸗
neraltryftalle.
Vrodufte der
fabrilation mißratenen Maflen, ferner in den Hoch—
ofenichladen ſowie in den natürlich vorlommenden
lad: und Pi ra CH den Dbfibianen
Bimsfteinen, Berliten, Bechfteinen. Von den vor
ftehenden beiden Abbildungen zeigt Fig. 1 die
mitroftopifhe €. in einem ungar. Obfidian; Fig. 2
Grin cc enge Eiſenhochofenſchlacke.
Bis. 2.
en
€. finden fib in den bei der Glas:
Entglaſtes Glas bezeichnet man ald Reaumur:
{ches Porzellan. Die E. oder das Blindiwerden
von Fenfterjcheiben beruht darauf, daß dem Glafe
durch De Altalien entzogen werden und da—
durch die Oberfläche fih abblättert. Auf künftlicher
E. berubt die Herftellung von Keramo (1. d.).
Entgleifung, ſ. Eiſenbahnunfälle.
Enthaarung, Enthaarungsmittel, |. De
Enthauptung, |. Hinrichtung. [pilation.
Enthelminthen (grch.), Eingeweidewürmer.
Entheomänie (grch.), religiöier Wahnfınn.
Enthufiasmns (grch., von entheos, Enthüs,
«gottvoll», «gottbegnabet»), ein befonders bober
tab Treubige: Erregung, deren Gegenjtand oder
Anlaß ein objektive Faltum (eine edle That, ein
Kunſtwerk, eine wiſſenſchaftliche Leiftung) fein muß.
(©. —— — Enthuſiasmieren, mit
E. erfüllen, begeiſtern; Enthuſiäſt, ein leiden:
54
ſchaftlicher Bewunderer oder Verehrer; daber En:
tbufiajten in der Kirchengeſchichte ſchwärmeriſche
Entim imperlälis Fab. ſ. Ruſſ Irre
us „ſ. Ruſſelläfern
Entkarten, ſ. Kartieren.
Entkehlen, ſ. Degorgieren.
Entladen, das Nero ar von Geihoß
und Ladung aus Feuerwaflen. Bei glatten Border:
ladern dienten hierzu bejondere Geräte (bei Ge:
ihügen Dammzieher, bei Gewebren Kugel:
— oder Entladeftod mit korlzieherartigem
winde am Ende). Bei gezogenen Hinterladern,
deren Geſchoſſe beim Laden angefeht werben, ift
das E. wegen ber damit verbundenen Gefahr auf
Kartätſchen zu beichränten. Bei Gemwehren und
Schnellfeuerlanonen mit Patronen vollzieht ſich
das E. einfach durch Öffnen bes ——
—— elettrifche, ſ. Elektriſche Ent:
adung.
Eutladungsſtrahlen, ſ. Bv. 17.
Entlaffung, vie Loſung eines Abhängigleits—
verhältnifjes durch die Erklärung desjenigen, von
welchem die in diefem Verhältnis ſtehende age
abhängt. Es giebt Verbältnifje, melde obne Zu:
ftimmung der zu entlaflenden Perſon überhaupt
nicht, und folche, welche einfeitig nur aus bejtimm:
ten Gründen gelöft werden können, fo baß eine
vorzeitige und wiberrechtlidhe E. zum Schadenerſatz
verpflichtet. — Die E. aus der Staat3ange:
börigfeit ift für —— durch das Geſeßz
vom 1. Juni 1870 geregelt. Die Staatdangebörig:
feit wird unter anderm verloren durch E. auf An:
trag; durch Beſchluß der Eentralbehörve ihres Hei:
matöftaates können Deutſche ihrer Staatdange:
börigfeit verluftig erflärt, alſo entlafjen werben,
wenn fie im Falle eines Krieges oder einer Kriegs—
gefahr einer dur den Kaiſer für das ganze Reich
anzuordnenden — zur Rüdtebr binnen
der beitimmten geht feine Folge leiften, und wenn
ie ohne Erlaubnis ihrer Regierung in fremde
Staatödienjte treten, fofern fie der Aufforderung
zum Austritt feine Folge leiften. — Bon der E.von
Saden aus dem Rechtsverhältnis, welchem fie
unterworfen find, ſpricht man bei ber Pa
Der Gläubiger entläßt das ihm verpfändete Grund:
ftüd, unter Rejervation jeiner Forderung an den
Schuldner oder der Hypothel an den mitverbafteten
Grunditüden, dur feine Erflärung aus der Hypo:
thet, welde dann durch Abſchreibung des Grund—
ftüds auf Antrag des Eigentümers oder des ent:
lafjenen Grundjtüds erliicht. Liber E. aus dem
Staatädienfte f. Amtsentbebung und Staats:
dienjt; E, mit ſchlichten Abſchied, ſ. Abſchied,
militäriſcher; E. aus der väterlichen Gemalt, ſ.
Emancipation; aus einem privatrechtlichen Dienſt⸗
oder — ——— ſ. Dienſtmiete.
Eutlaſſung, vorläufige (Beurlaubungsipitem).
Nach $8.23fg.des Deutſchen Strafgeſetzbuchs lönnen
die zu einer längern Zuchthaus- oder Gefängnis—
ſtrafe Verurteilten, wenn ſie drei Vierteile, min—
deſtens aber ein Jahr der ihnen — Strafe
verbüßt, ſich auch während dieſer Zeit gut geführt
haben, mit ihrer Zuſtimmung vorläufig entlaſſen
werben. SH die feitgefehte Strafzeit abgelaufen, ohne
dab ein Widerruf der E. erfolgt ift, jo gilt die Frei:
beitsftrafe als verbüßt. Der Widerruf tft zuläffig bei
chlechter yührung des Entlafjenen oder wenn ber:
elbe den ibm au erlegten Verpflihtungen zumiber:
andelt. Er bat die Wirkung, daß die feit der €.
Entimus imperialis — Entlaftung
bis zur Wiedereinlieferung verflofiene Zeit auf die
eſtgeſetzte Strafpauer nicht angerechnet wird. Das
nititut der E, ift engl. Urſprungs (ticket of 2
1862 in Sachſen eingeführt, jap dasijelbe Au
nahme in das Deutſche Strafgejeßbucd, ohne die ge:
boflte praltiſche Bedeutung zu gewinnen.
ungöprüfung, ſ. Maturitätseramen.
Entlaften, im laufmaͤnniſchen Verlehr jemand,
ber vorher in den Gejhäftsbüdern mit einer Schule
fumme eingetragen (belaftet) worden war, für eine
darauf hin gemachte Gegenleiftung feiner Schult
oder des bezüglihen Teils derfelben entheben, ibm
dieſe Leiftung gutichreiben (f. Entlaftung).
tlaftung, Deharge, die rung des
jenigen, welchem — gelegt, —
erteilt iſt, daß er die gelegle Rechnung, Aus
nft, Rechen haft genügend erachtet. Die E. wird
einem Gefhäftsfübrer von dem Gefhäftsberrn, dem
Vormund von der Obervormundſchaftsbehörde und
von dem Mündel nah erlangter Großjäbrigleit,
dem Borftand einer Altiengejellihaft, Genofjen
ſchaft, Rorporation, eines Vereins von der General:
verfammlung, dem rechnungsführenden Beamten
von der vorgejehten Behörde erklärt. Bei größerer
Rehnungsführung werben in der Regel Reviforen
ernannt, welche die Rechnung zu prüfen haben, und
auf deren Bericht hin erft die Decharge ausgeſprochen
wird. Da bie Rechnungslegung dazu bejtimmt ift,
die gefamte Gefhäftsführung Kar zu ftellen und
nachzuweiſen, daß der Gefhäftsführer feine Ver:
pflihtungen erfüllt habe, fo wirft die E. äbnlich wie
ein Verzicht oder eine Quittung. Soweit die Red:
nung in einer für den Gefhäftsberrn erlfennbaren
Meile über einen Bunlt der Verwaltung Auskunft
erteilt, oder benjelben fo weit berührt bat, daß
dem Geſchäftsherrn durd die Rechnung Veranlaſ—
(8 gegeben war, jpecielle Auskunft über einen
unft der Verwaltung zu forbern, fann der Ge:
—— nad der E. bezüglich dieſes Punltes keine
egreßanſprüche an den ——— erheben,
außer wenn unredliche Handlungen desſelben vor:
liegen, ober es ſich um Rechnungsfehler handelt.
Verhältnis von Regierung und Vollsver—
tretung entfpricht die E. nah Ablauf der Wirt:
—— dem Voranfchlag (f. Budget). Beide
kte find ihrem Weſen nad gleichartig; nad dent
ofitiven Rechte bedarf jedoch der Voranſchlag der
orm bes Bejehes, die E. nur eines formlojen Be:
hlufjes, welcher in der Regel vom Landtag, nad
ichsrecht vom Reihstag und Bundesrat gemein
ſam zu fallen ift. Entlajtet wird das Minifterium,
nach Reichsrecht der Reichslanzler. Welche Rechts:
folgen bei Verfagung der E. eintreten würden, iſt
durch das Gefeg nicht beftimmt; es handelt ſich bier
um ein zur Zeit noch ungelöftes tonftituttonelles
Problem (f. auch Komptabilitätsgefeß). Die E. wird
vorbereitet durch genaue Prüfung der Rechnungen
von feiten einer oberjten Rehnungsbebörbe, in Preu⸗
ben der Oberrehnungstammer (f. d.), welche für
das Reich als Reihsrehnungsbof fungiert. Un:
mittelbar nah Schluß des Rechnungsjahres find
diejer Behörde alle Rechnungen und Inventarien
einzureichen, außer über diejenigen Poſten des Etats,
welche ausprüdlic durch gefepliche Vorfchrift aus:
genommen find, und die ganz unbedeutenden Red:
nungen. Auf Grund der rechnerifchen und io
mäßigen Prüfung der Rechnungen kann jede Be:
börde zur Rehenidaft gezogen werden, und bie
| Oberrehnungstammer bat ausgedehnte Zwangs
Entlaftunggmauer — Entmündigung
55
nittel zur Sicherung der Erfüllung ihrer Monita; | — zu Heizzweden Verwendung findel, z. B. an
ment. ift die Sache zur weitern Verfolgung an die Damp
Lattalſtelle des betreſſenden Reſſorts abzugeben.
Sinn die Monita erledigt, fo erfolgt der durch
Kolegialbeihluß feitzuftellende Jahresberiht an
ven Sand» oder Reichötag, auf Grund deſſen dann
der Entlaftungsbefchluß gefaßt wird. ie mas
kerielle Brüfung liegt jedoch ausſchließlich bei ver
Dberrebnungslammer, welche dem Parlament in
tiner Weife verantwortlich ift. Anſchluß an
die Revifion der Rechnungen auf Örund des Bud:
xts hat die Dberrechnungstammer den Beitand
des geſamten Staatseigentums zu fontrollieren.
Das ganze Nevifionsverfahren h binnen eine
Yabres zu Ende zu führen. Die geltenden Rechts:
vorihriften über die €, finden jih in Art. 104
der preuß. und Art. 72 der Reichsverfaſſungs—⸗
urtunde, ferner in dem Reichsgeſetz vom 11. Febr.
1875, durch welches die Beftimmungen de3 preuß.
u. vom 27. März 1872 aud zum Reichsrecht
erlärt wurden, nachdem über ein jelbjtändiges
Komptabilitätsgefes für das Reich zwiſchen Regie:
rung und Reichstag eine Einigung nicht hatte erzielt
werden können. — Bol. Zeitichrift für die gefamte
Staatswiſſenſchaft, Bd. 32 und 33 (Tüb. 1876,
1877); Artitel Rechnungstontrolle im «Handmwörter:
buch der Staatäwijlenihaften», Bd. 6 (2. Aufl.,
Jena 1%1); Georg Meyer, Deutiches Staatsrecht
(5. Aufl., Wz. 1899).
Entlaftungdmanuer, |. Decbargenmauer.
Entlebuch. 1) Landſchaft und Thal im ſchweiz.
Kanton Luzern, im ſüdlichſten Teil desfelben zwi—
ſchen Obwalden und Bern gelegen ! Karte: Die
Schweiz), umfaßt die obern Thalitu
Emme und der Ilfis und bildet einen eigenen Bezirk
mit 400,8 qkm Flächenraum und (1900) 16249 E.,
Darunter 972 Evangelijche. engern Sinne wird
als E. das Haupttbal der Kleinen Emme von der
Waſſerſcheide gegen die Jlfis bis zu der Umbiegung
bei Wobhlhuſen bezeichnet. Die Landſchaft trägt ſub⸗
alpinen Eharalter. Die Nagelflubgebirge, welche das
Haup einſchließen, find langgeitredte bewach⸗
Vene Bergzüge, rei an Alpmweiden und Waldungen;
wilder und malerifcher find die ſüdl. Seitentbäler,
melde von den Kalt: und Flyſchletten der Schrat⸗
tenflub (2076 m), der Schafmatt (1980 m), des
Feuerſteins (2042 m), des Schimbergs (1920 m)
und de3 Gnepfiteind (1819 m) überragt werden.
Die wihtigiten Wohnplätze find Eſcholzmatt
($.d.), im Gebiet der Ilfis, (1900) 3134 €, Schupf⸗
beim (j.d.), an der Kleinen Emme, der Hauptort
ver Landſchaft, und Entlebud (f. unten). Bon den
vielen Aurorten ift zu erwähnen dad Schimberg:
bad (1425 m) mit kräftiger allaliſcher Schwefel:
quelle. — Früber öfterr. Befiß, gelangte die Land»
ihaft 1405 an Luzern, gegen defien Serrichaft fie
ſich 1653 vergeblih auflehnte. Die Befreiung von
der ftäbtifchen H —— erlangte das E. erſt 1798
beim Umſturz der alten Eidgenoſſenſchaft und 1831
bei der luzerniſchen Verfaſſungsreviſion. — 2) Dorf
im Bezirl E,, 35 km weſtlich von Luzern, in 712 m
öbe, nahe der Einmündung der Entlen in bie
ine Emme, an der Linie Bern-Luzern der Jura—
—— — er er
71 Evangelifche, egraph und Tuchfabril.
„et smal ine # die Schotoladen.
rilation, ſ. d. ne el, Fig. 6.
Enttefinugöventil, bei 3afferpumpen |. Ben
til € find ferner da anzubringen, wo ftehender
en der Rleinen | tr
mänteln der Dampfmaſchine, um die im
Dampf enthaltene und fih anfammelnde Luft zu
Entmannung, |. Rajtration, (entfernen.
Entmündigung, die gerichtlicheszeititellung, daß
eine Berfon geiitig nicht gefund oder ein Verſchwen⸗
der Ay und ne beitimmt das Recht die Fälle, in
wehhen €. zuläffig ift, im Einzelnen. Das Deutſche
Bürgerl. —— fügt den bisherigen Fällen der
Geiſteslranlheit, Geiſtesſchwäche und Berihwen:
dung noch die Trunkſucht hinzu. Entmündigt fan
nad) $.6 werden: 1) wer infolge von Geijtesfrantheit
oder von Geiſtesſchwäche feine zu enbeiten nicht
zu beforgen vermag; 2) wer durch Verſchwendung fi
oder feine Familie der Gefahr des Notjtandes aus:
jest; 3) wer infolge Trunkſucht feine Angelegenbeiten
nicht zu beforgen vermag oder fich oder Jeine Familie
der Gefahr des Notftandes ausſetzt oder die Sicher:
beit Underer gefährdet. Die E, wie ihre Aufhebung,
die einzutreten hat, wenn ber Grund der E. wegfällt
($. 6), erfolgt durch ein in ver Deutfchen Eivilprozeß:
ordnung näher georbnetes Verfahren. Zuftändig zur
Einleitung des Entmündigungsverfahreng er nad
der Civilprozeßordnung es. 645, 648) ausſchließ⸗
lich dasjenige Amtögericht, bei welchem der zu Ent:
mündigende feinen allgemeinen Gerihtäftand hat,
oder in in Bezirk er feinen legten Wohnſiß im
Deutſchen Reid hatte. Das Gericht kann nad) der
Einleitung ded Verfahrens, wenn es erforderlich
erjheint, die Verhandlung und Entiheidung dem
Amtsgeriht Übertragen, in deſſen Bezirk der zu
Entmündigende ſich aufhält. Die €, und ihre Auf:
bebung erfolgt nur auf Antrag. Berechtigt zum An:
auf €. iſt der Ehegatte, ein Verwandter oder
derjenige geſetzliche Vertreter des zu Entmündigen:
den, welchem die Sorge für denfelben zuſteht; be-
rechtigt zum Aufhebungsantrage iſt der Entmünbdigte
oder derjenige gejeßliche Vertreter desjelben, welden
die Sorge für ihn auftebt, ferner der Staatsanwalt;
legterer jedoch nicht, wenn wegen Verſchwendung
oder Trunkſucht entmündigt worden ift. Ermittelun:
gen und Bemweisaufnahmen hat das Gericht von
mts wegen zu bewirten. Der E. wegen Geiſtes⸗
kranlheit muß der Regel nad die perjönlice Ver:
—— des zu Entmündigenden und ſtets die Ein:
bolung eines Öutachtens über defien Geifteszujtand
vorausgeben. Mit Zuftimmung des Antragitellerd
lann das Gericht anorbnen, dar der zu Entmünbi:
ende auf die Dauer von höchſtens 6 Wochen in eine
Seilanftalt gebracht werde. Gegen diejen Beſchluß
fteht dem zu Entmündigenden, ferner den zum Ent:
münbigungsantrag befugten Perſonen und dem
Staatsanwalt die Pi Beihmwerde zu. Die E.
wegen Geiſteskrankheit tritt, wenn der Entmünbdigte
unter Elterliher Gewalt oder unter Vormundſchaft
fteht, mit der Zuftellung des Beichluffes an denjeni«
en gejeslichen Vertreter, welchem die Sorge für die
erjon zuftebt, andernfalld mit ver Beitellung des
Bormundes ın Wirkiamleit. Die E. wegen Geiſtes⸗
ſchwäche tritt mit der Juftellung des Beichlufies an
den Entmünbdigten in Wirlſamkeit. Der Entmündi—
ungsbeſchluß kann durch Klage bei Dem vorgeſetzten
ndgeridht binnen eines Monats angefochten wer:
den. Zur Erhebung der Klage bei E. wegen Geiſtes⸗
krankheit oder Geiſtesſchwäche find berechtigt der
Entmündigte felbjt und die zum Entmündigungs:
antrag befugten Berjonen, bei E. wegen Verſchwen⸗
dung oder Truntjucht der Entmündigte allein. Die
Klage iſt zu richten im erftern Entmündigungsfalle
56
gegen ben Staatsanwalt, wenn diefer aber felbit
tagt, gegen denjenigen geſetzlichen Vertreter, wel:
chem die Sorge für die Perſon zufteht, im legtern
‚alle gegen den Antragfteller, fallö diefer aber ver:
torben oder fein Aufenthalt unbelannt oder im
luslande ift, gegen den Staatsanwalt. Erſcheint
die Klage begründet, fo wird der Entmündigungs:
beihluß durch Urteil aufgehoben.
Wird der Antrag auf Wiederaufbebung ber €.
vom —— abgelehnt, fo kann ſolche im Wege
der Klage beantragt werden. Zur Klage berechtigt
ift derjenige geieb iche Vertreter des Entmünbdigten,
welchem bie Sorge für die Perſon zufteht, bei €.
wegen Geijteöfrankbeit oder Geiſtesſchwäche aud
der Staatsanwalt. Will der gejegliche Vertreter die
Klage nicht erheben, jo kann der Borfigende des
**— ts dem Entmündigten einen Rechts:
anmwalt ald Vertreter beiorbnen. Offentlid belannt
u maden ift die E. wegen Verſchwendung und
runkſucht und deren Wiederaufhebung.
‚Die €. bat eine Bevormundung bed Entmün-
digten zur Folge (f. Kuratel). Der wegen Geiftes:
frantheit Entmündigte ift volllommen geſchäftsun⸗
fäbig. Der entmündigte Verſchwender (j. d.) fteht
nah Deutihem und nad Djfterr. Bürgerl. Geſetz⸗
bu dem Minderjährigen gleich; ebenfo nad Deut:
—— Buͤrgerl. Geſetzbuch auch der wegen Geijtes:
wäche oder Trunkſucht Entmündigte ($. 114).
ah dem Sfterr. Bürgerl. Geſeßzb. $. 49 bedarf
er aud zur Eheihließung der Genehmigung. (©.
auch Dispofitionsbefhräntung, Geiftestrantheiten,
Irrenrecht.) — Vgl. Daude, Das Entmündigungs:
verfahren nad der Reichscivilprozeßordnung und
dem Bürgerl. Geſetzbuch (2. Au. Berl. 1899); Er
lenmever, Die E. wegen Trunlſucht nad dem Bür:
gerl. Geſetzbuch (Kobl. 1899); Goering, Das Recht
der Minderjährigen und Entmündigten (Lpz. 1899);
Kol, Das Entmündigungsreht unter Berüdfihti-
gung der für Preußen — Vorſchriften (Berl.
1900); Levis, Die E. Geijtestranter (Lpz. 1901).
Entuehmen, im kaufmänniihen Verlehr das
Ausftellen eined gezogenen Wechſels. Man ent
nimmt einen gewiſſen Betrag auf den Bezogenen.
Gleichbedeutend ift ziehen oder traffieren.
Entoooncha mirabilis Joh. Müll., eine
ehr merfwürdige Schmarogerfchnede, die ſich im
nnern von Seewalzen (Holotburien und Synapten)
ndet. Das erwachſene Tier jtellt einen fpiraligen
Schlauch dar, der außer *8 echtswerlzeugen Em:
bryonen mit gewöhnlihem Schnedenhaus und Dedel
enthält. Man weiß no nicht, wie die Jungen
in neue Wirte gelangen. Sehr bedeutſam ift es,
daß eine Anzab mehr oder weniger umgebildeter
Schneden lediglich bei verſchiedenen Stachelhäutern
Ihmarogt, von dem foffilen —— en
Platyceras an, ber auf der Mundſcheibe von Pa⸗
läocriniden hattet.
Entoderm (gr), inneres Keimblatt, f. Embryo,
Keim, Gajträatbeorie, Cölenteraten.
Entoilage (fr;., ſpr. angtdälahſch'), ein jpipen-
ähnlich durchbrochenes, gazeartigeö Gewebe.
Entöma (ei. Inſelten (f. *
+ ee Hi ie (ard.), jettenbejhreibung.
Entomolithen (grch.), veriteinerte Inſelten.
Entomolögie (gr.), die Wiſſenſchaft von den
nfelten (ſ. d.) oder Kerfen. Da gerade diefe Tier:
alje die reichfte ift je erlangt das Gebiet jener
Wiſſenſchaft einen be r großen Umfang. Denn
wenn annäbernd allein die Anzahl der Arten auf
Entnehmen — Entomologie
200 000 angegeben wird, erreicht doch dieſe Angabe
die Wahrjcheinlichleit noch bei weitem nicht. ⸗
möge der nn — ———— die gegen⸗
wärtig in der Zoologie und Botanik vorherrſcht,
wird auch in der E. das Studium mit genauer
Unterfuhung des innern und äußern Baues der
Kerfe beginnen und diejer Die Phyſiologie der Kerfe,
als die Kenntnis von den Berrihtungen ber Organe
und fonad von den Lebensthätigleiten fomie von
der Entwidlungsaeihichte durch die Zuftände im
Ei, als Saroe, Due und volllommenes Inſelt
folgen müfjen. Auf diefen Grundlagen ver allge:
meinen €, berubt die befondere E.: die ſyſtematiſche
Aufzählung der Kerfe oder ihre Anorbnung in
größere oder Kleinere Gruppen. Untergeordnet jtebt
diefem rein wiflenichaftliben Teile die angewandte
E. die ſich mit fpecieller Erörterung über Schaden,
Nusgen, Zucht der Kerfe beihäftigt und als Forft:
infeltentunde, ald Naturgefhichte ſchädlicher In—
jelten, ala Abhandlung über Bienenzudt u. f. m.
auftreten fan. Bei dem Reichtum an Formen und
ber nicht jelten großen Schönbeit derjelben, bei der
ie ng der Cigentümlichleit und dem
MWunderbaren ver Lebensäußerung der Inſeltenwelt
at die E. ungemein viel Anziebendes und zwar in
o verſchiedenen Richtungen, daß für jedes jpeciellere
ach der ieh Befriedigung geboten wird. Die
erehrer diejer Wiflenfhaft find daber, fomeit fie
fih mit der Syitematif befhäftigen, jablreiher als
die eines andern Zweigs der — der
Tierwelt, während im Gegenteil die Studien über
rg mark und Anatomie der Inielten
weit weniger Bearbeiter gefunden haben.
Der erfte Naturforfcher, welcher richtige und oft
überrafchend tiefe Kenntniſſe in der E. bejaß, war
Ariftoteles (330 v. Chr.). Bei dem Wiederaufleben
der er haften im Mittelalter kam die E. zulegt
an die Reibe. Auf Konr. Gesners (1516—65) un:
vollendete Arbeiten zes nah langer Unter:
brechung die Unterfuhungen von Malpigbi (1664),
Redi (1686), Smammerdam (1670—85), Job. Ray
(1705), Linne (1735), Reaumur (1737), Röfel von
Rofenbof (1750), de Geer (1752) und Huber (1792).
Begründer der neuen ſyſtematiſchen €. ift Zob.
Ehriftian Fabricius (1743— 1808). Ihm find ſehr
viele —5—82 gefolat, unter denen Zatreille,
Dumtril, Macley, Kirby und Ber ing ala Be
ründer neuer Spiteme bervorzubeben find. Die
itteratur der €, in unüberjebbar zu nennen, ba fie
ig ri in Sammelwerlen verftreut ift oder
onograpbien ſich auflöft. Kein Entomolog
bat es bisher verſucht, das ungeheure Material zu
einem Ganzen zu verarbeiten. Populäre Bearbei-
tungen der €. in engern en find in jebr
roßer Zahl vorhanden. Bon a ig verjtän:
ichen, aber wiflenihaftliben Werten find die voll-
ftändigften Kirby und Spences «Introduction to
entomology» (4 Bde., Lond. 1815 u. 1816; 5. und
6. Aufl. 1828—42; —* von Olen, 4 Bde.,
Stuttg. 1823— 33) und Vitus Grabers * et:
ten» (2 Tle., Münd. 1877). Unter den eigentlichen
Lehrbüchern zeichnen fih aus Burmeifters «Hand:
bub der €.» (5 Bde., Berl. 1832—55) ſowie
Lacordaire® «Introduction & l’6tude de l’en-
tomologie» (2 Bde., Par. 1834— 38) und Weit:
wood8 «Introduction to the modern classification
of insects» (2 Bde., Lond. 1839—40). Als Bear
beiter der Anatomie find namentlich Yon Dufour,
in der Entwidlungsgeibichte früber Herold, in der
Entomophaga — Entrelacs
nuten Zeit Weißmann, Metſchniloff, Bobrekty
und yerber zunennen; über die Metamorphoſe dern:
klimjchrieben Lubbod, Braun, Fabre, Kowalewſty.
dagen ftellte in der «Bibliotheca entomologica »
2Bbe., 2p3. 1862 — 63) die gefamte Litteratur der
€, uſammen. Sebr wejentlid wird das Studium
der €, durch zahlreiche entomolog. Geſellſchaften in
allen Kulturländern gefördert. Verbreitet find au
die «Entomologifhen Nadricten», bg. von Karſ
Berl. 1875 fg.); wichtig für Sammler ift die «Sn:
ieltenbörje» ( —— fg.); die «Illuſtrierte Wochen:
\ärift für E.» (Neudamm, feit 1896) erfcheint jest
u.d.T. «Allgemeine Br r E.» ſebd.).
Entomophäga, wifienihaftlihe Bezeihnung
für die Gruppe der infeltenfrefjenden Beuteltiere.
Exstomophilen (ard.), Injeltenblütler,
Pflanzen, die auf die — — durch Inſelten
angewieſen find (ſ. Beſtäubung).
Entomophthöra, Ril;, ſ. Empusa.
Entomophthorcen (Entomophthoräse), Pilz:
familie aus der Gruppe der Phycomyceten (f. 9
deren ſyſtematiſche Stellung nicht ganz ſicher iſt;
man jtellt ſie jetzt in die Nähe ber ——
(. d). Es iſt eine Meine Familie, deren Arten
parafıtiih au m leben und den Tod derfelben
berbeifübren. Die befanntefte Gattung ift Empusa
Cohn oder Entomophthora Fresen. &. Empusa.)
Entomosträoa, |. Rrujtentiere,
Entönie (ggrch.), —— beſonders krank⸗
bafte; entonijch, geſpannt, überſpannt.
Entonnoir (frz, fpr. angtonndahr), Trichter,
trichterförmige Grube einer geiprungenen Mine;
Abzug eines Fluffes, Schleufe.
Entoparafiten (grch.), ſchmarotzende Tiere,
ſ. Schmarotzertum.
Eutsõpiſch (art) einheimiſch.
ota, Unterordnung der Moostierchen
(f. d.), bei welchen die Afteröffnung innerhalb des
Zentatelträgers gelegen i
Eutoptiſch (gr&b.), auf der Polarifation des
Lichts berubend oder dazu gehörig: Entoptiſche
Erſcheinungen nennt man die Wahrnehmungen,
die das Auge unter Umftänden von in ihm felbit
vorbandenen Dbjelten und Borgängen madıt, 3. B.
die ebmung der Heinenim Glaslorper ſchwim⸗
menben Zellenbhäufden (der jog. Mouches volantes),
von etwa beſtehenden partiellen Linfentrübungen,
der baumförmig verzweigten ne rm m und
einzelner Erfheinungen der Blutcirkulation u. f. w.
Bedin ‚für das Zuftandelommen der entopti⸗
ſchen ungen i
eine geeignete Beleuchtung
des innern Auges. (©. Geiötätäufchungen.)
Entortillieren (fr3., jpr. angtortiji-), einwideln,
verwideln; verwirren, umftriden.
Entötifeh (gr&b.) nennt man Te nur
dem Kranken wabhrnehmbare Geräufche, welche im
Gebörorgan felbit ihren Urfprung nehmen. Hier:
ber gehören braujende Geräujche durch Schwingun:
en der Luft im äußern Gebörgange oder in ber
—— Klirren im Ohre durh das An—
lagen der Sperrzähne des Hammer : Amboß:
— Hopfende Ice durh das Bulfieren
der dem Gehörorgan naheſtehenden Pulsadern,
das Anaden im Ohr durch plöglihe Öffnung
der Obrtrompete und andere, Derartige entotiſche
Gebördempfindungen werben meift weder von Ge⸗
funden noch Gebörtranten nad außen verlegt, doch
fönnen fie bei Trübung der Verftandesträfte auch
Anlaß zu Hallucinationen geben.
57
Entours (fr;., pr. angtuhr), Umgebung, Um:
egend; entourieren, umgeben, einjchließen, ums
ofen: Entourage (fpr. angturahſch'), Einfafjung,
Yaflung (von Schmudgegenjtänden).
En-tout-cas (fr;., jpr. angtulah, «in jedem
alle»), ein —————— der auch als Regen⸗
chirm dient. [aiftung.
Entoxismus, Entoriciömus (gr&.), Ber:
Entozöen (grh.), Binnentiere, Binnen:
jhmaroser, ein Sammelname für alle Tiere, bie
innerhalb eined andern, lebendigen Organismus
Nahrung und Wohnung finden, im Gegenjas zu
denen, die nur äußerlich an einem foldyen ſchma⸗
rohen. So leben viele Urtiere, Gliedertiere (nament⸗
lih Krebſe) und MWeichtiere entogoifh, beſonders
aber Würmer (Eingeweidewürmer, |. od: für die
die Bezeihnung E. hauptſächlich gebraucht wird.
Entr’aote I. fpr. angtr’ätt), Zwifchenatt, die
Baufe ee wei Aufzügen eines Dramas oder
einer Oper, au ein Mufitjtüd oder Ballett, mit
dem die Baufe ausgefüllt wird. Die früher übliche
regelmäßige Zwiſchenaltsmuſil ift in neuerer Zeit
meift abgeſchafft. Sie follte die Stimmung des
Bublitums feithalten, verdarb fie aber häu 9 bei
u per Auswahl der gefpielten Mufikftüde.
train (fr;., jet ang träng), im Zuge, in ber
Stimmung, aufgelegt; auf dem Wege; entrai:
nieren (pr. angträn-), mit fidh fortreißen.
Entrains (jpr. angträng), Fleden im Kanton
Varzy, Arrondijjement Elamecy des franz. Depart.
Nievre, 23 km von Elamecy, in 220 m Höhe, zwi⸗
ichen zwei Quellbächen (inter amnes) des zur Loire
ebenden Nobain, an der Nebenbahn Elamecy:
oöne, hat (1901) 1320, ald Gemeinde 2167 E., Bof,
Zrümmer eined dem Auguftus geweihten Tempels;
Zudfabrilation, Holz: und Getreidehandel.
Enträta (ital.), muſital. Vorfpiel, ſ. Entree.
Entreaote, j. Entr’acte. Inſeln.
Entrecafſteaux⸗Inſeln, ſ. D’Entrecajteaur:
Entrechat (fc̃., ſpr. angtrihah), Kreuz:
ſprung, in der Tanzkunſt ein Sprung, bei dem
man die Füße fchnell über: und aneinander Ä
Entre:Edte (fr;., ſpr. angtr lobt), das Rippen⸗
ftüd vom Rind.
Entre:deug:-Merö m. angtr dd mähr), frucht:
bare Ebene im franz. Depart. Gironde, melde
die Landzunge zwiſchen Garonne und Dorbogne
bildet und mit dem Bec d' Ambes bei der Vereini⸗
gung beider Ströme enbet; fie bringt Weine (Bor:
deaurmweine) von geringerm Werte hervor.
Entröe (frz., ſpr. angtreh), Eingang, Eintritt,
auch a orfaal; Eintrittögeld; in
der Mufit ift E.(fpan. Intrada, ital. Entrata) foviel
wie Boripiel; namentlich dient es zur Bezeihnung
rt prunkhafte Injtrumentaleinleitungen zu ältern
ern unb geiipielen. Als Tanzitüd bat die E.
eine ähnliche Bedeutung wie gegenwärtig die Polos
naife. In der Kochkunſt bezeichnet E. den erſten
Gang, das Borgericht; es befteht gewöhnlich aus
ebämpftem Fleiſch oder Geflügel oder auh aus
ifh mit Sauce. E. de faveur (jpr. fawöhr) oder
. libre (fpr. lihbr), freier Zutritt, 9
Entrefilet (frz. ſpr. angtr'fileh), journaliſtiſche
Bezeichnung für einen in den redaltionellen Zeil
einer Zeitung ——— fürzern Artilel, be
ſonders eine offizidfe Mitteilung der Regierung.
Entrelaos (fr;., fpr. angtr’lah), in der Baus
kunft Verzierungen aus verjhlungenen Linien, na
mentlih an Steinbrüftungen.
58 Entremes
Entremös («Beigericht»), in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrh. auf ber jpan. Bühne die Benennung
bes —— Einalters, der früher Farga, Paso
bieß; es bezeichnet feine Verwendung ala Zwiſchen⸗
ſpiel (f. Autos). DerName findet fich ungefähr gleich
zeitig in bemfelben Sinne in Frankreich, dürfte ın bei⸗
den Yändern dem ital. Intermezzo nachgebildet jein.
E., oder Tänze 838 ‚ wurben nad) der völligen
Ausbildung der jpan. Bühne regelmäßig nad dem
erften und zweiten Alt der Comedia aufgeführt; fie
waren kurze, in Profa oder in Verſen verfaßte, ge:
wöbnlich in feinem Zufammenbange mit dem Stüde
—— Schwänke und ſollten von deſſen, ernſtere
uſmerkſamleit und Spannung erregender Dar:
ftellung den Zuf&hauern Erholung bringen. Die E.
waren Beufg mi Mufit und Tanz verbunden, Aus:
gezeichnete Dichter, wie Lope de Vega, Calderon,
verfhmäbten nicht, zu ibren Stüden ſelbſt die E.
zu verfallen oder, wie Cervantes, folde zu den
Stüden anderer zu fchreiben. Einige find aus:
ſchließlich durch diefe Art dramat. Produltionen bes
lannt geworden, wie Luis Quiñones de Benavente
(«Joco-Seria», Valladolid 1645). Der Name bes
etwas —* aufgekommenen Nachſpiels, Sainete
(eigentlich die Belohnung, welche der Falke nach dem
Yang erhält), verbrängte zulekt den des E. Die
Sainetes haben fich bis zum heutigen Tage auf der
fpan. Bühne erhalten und wurden in neuerer Zeit
»orzüglih von Ramon de la Eruz («Teatro 6 colec-
cion de saynetes», 10 Bbde., Mabdr. 1786—91) und
Juan Ignacio Gonzalez del Eaftillo gerflent. Die
«Comödie-ballets» Molieres, Quinaults und ande:
ver franz. Dichter des 17. Jahrh. find umgeftaltete E.
‚emetö (ftj., ſpr. angtr'meh), leichte Zwis
ſchengerichte, die nach dem Braten aufgetragen wer:
den, wie feine Gemüfe ohne Fleiſchbeilagen, Eier:
oder Mehlſpeiſen.
Entremetteur (fr;., ſpr. angtr'mettöhr), Ber:
mittler; Entremise (jpr. angtr'mibhf), Bermittelung.
, Entremont (jpr. angte'möng), Bald’. 1) Thal
im ſchweiz. Kanton Wallis (ſ. Karte: Die Schweiz),
erftredt ſich, 27km lang, vom Großen St. Bernhard
noͤrdlich bis Sembrancher, wo es ſich mit dem Val
de Bagne (f. Bagne) vereinigt und fein Fluß, die
Dranſe d’Entremont, fi in die Dranje des Haupt:
tbals ergießt. Im S. von den Höhen bes St. Bern:
hard, im O. von dem vergletiherten Majfiv des
Eombin, im W. von den felfigen Ausläufern bes Pic
de Dronaz umſchloſſen, tft die Oberftufe des €. ein
ernſtes, einförmiges Hochthal mit fteilen Alpweiden,
dünnen Waldungen und magern ruchtfeldern. Die
Dranfe fließt ſchäumend in tief eingeſchnittenem
ſchluchtartigem Bett; die Dörfer Bourg:St. Pierre
oder St. PBierre-Mont:%our (1633 m, 368 €.) und
Liddes (1338 m, 1071 €.), mit uralten Kirchen, lies
gen auf der rechten Thalſeite, über welche die Straße
zum Großen St. Bernhard hinanſteigt. Bei Orſieres
(882 m, 2193 E.), wo lints das von der Montblanc
gruppe beberrihte Val Ferret einmündet und bie
traße auf das linte Ufer der Dranje überſeßt,
wird das Thal offener, die Berge treten meiter
auseinander, und bei Sembrancher (f. d., 720 m) ers
weitert es ſich zu einem breiten fruchtbaren Kefiel.
— 2) Bezirk im Bal dD’Entremont, umfaßt die Thal⸗
{haften Bagne und E. mit Bal erret und bat
633,8 qkm und (1900) 9619 meift fath. E. in 6 Ge⸗
meinden, Alpenwirtfhaft und Aderbau. Hauptort
ift Sembrandber (f. d.). [im Vertrauen.
Entre nous (fr;., ſpr. angtr nu), unter ung,
— Entreprife
Entrepdt (fpr. angtr'poh), in Frankreich jeder
Raum, in welchem folde Waren aufbewahrt werden,
von denen die geſchuldeten Zölle oder innern Ein:
— aben Octrois) noch nicht ** find.
I — * ift dafür der Ausprud Niederlage
(f. d.) in der Amtsjprahe angenommen worden.
Der Zwed der Einrichtung befteht darin, daß der
Kaufmann von den Waren, die nur vorübergebend
im Lande bleiben, alſo nicht in den inländiſchen
Konſum übergeben, die Abgabe überhaupt nicht zu
entrichten bat, und von denen, die er an bie In—
länder verlauft, die Abgabe erſt nach geſchehener
Ablieferung ihuldig wird; er kann aljo mit einem
wejentlich geringern Rapital arbeiten. Man unter:
ſcheidet in Frankreich Entrepöts reels, fictifs, irre-
guliers und accidentels. Die Entrepöts reels jind
Öffentlihe Magazine, in welche die Waren unter
erantwortlichleit der Magazinverwaltung für die
gute Aufbewahrung gelagert werben können. en
pflihtiae Waren können für eine beichräntte Zeit,
octroipflihtige mit unbeſchraͤnkter Dauer niederge⸗
legt werden; lestere können dann aud teilmeije,
aber jeveömal nur in einer größern Quantität zurüd:
gezogen werden. Die Entrepöts fictifs —F die
eigenen Lagerräume des Kaufmanns. Dieſer lann
hier unverzollt die abgabepflichtigen Waren lagern,
indem er he vor der Niederlegung vellariert, ber
Steuerbebörde die Beauffihtigung einräumt und
für alle Abgänge, die fi ergeben, die Abgaben
zablt. Als Entrepöts irr&guliers bezeichnet man es,
wenn Maren, die in eg nicht eingeführt wer:
den dürfen, als Beitanbteil einer größern Schiffs:
ladung in einem Hafen antommen und bier nun
einige Zeit bis zur Wiederausfubr in den Zollhäufern
aufbewahrt werben. Won Entrepöts aceidentels
endlich fpridyt man, wenn Räume, die man nicht
als eigentlihe Lager anſehen lann, die Wirlung
baben, die vahin gebrachten Waren bis zum liber:
gang an den wirllihen Verbraucher zollfrei zu
maden; es lann das z. B. ein in; ein, das
einer Ausitellung gegeben wird. Die nd ſchon
im 17. Jahrh. nach holländ. Vorbilde durch Eolbert
in Frankreich eingeführt worden, haben aber damals
nur ganz vorübergehend beftanden. Feten Fuß ge
wannen fie erſt feit einem Gejek vom 28. April 1803.
Die Entrepöts reels find nicht alle Staatsanftalten;
ie find das im u nur in ben größern
äfen; an andern Orten können fie mit ftaatlicher
Genehmigung für Rechnung und unter der Verwal:
tung der Gemeinden oder Handelslammern errich:
tet werden. Auch den Lagerhäuſern (f.d.) kann durch
Verordnung die Funktion von €, übertragen wer:
den. Als Dock-Entrepöt bezeichnet man das Ganze
eines größern Bezirks, der aus Wafjerwegen, ihren
Ufern und dabei gelegenen Magazinen bejtebt und
allen darin befindlihen Waren, auch wenn fie in
Schiffen verladen find, wie ein E. vorläufige Freibeit
von der Zollzablung verſchafft.
En frz., ipr. angtr’prönöhr), Unter:
nehmer (bejonders von Konzerten u. bgl., aud von
gemeinihaftlihen Vergnügungen und Feſtlichleiten
auf allgemeine Koften); Lieferant; entrepre:
nieren, unternehmen.
Entreprife (m, fpr. angtr'pribf”), Unterneh:
mung; im Gegenſaß zur Werkverbingung (f. d.) der
Bertrag, durch den ein nicht fachverftändiger Unter:
nehmer die Ausführung eines Wertes, 3. B. eines
Baues, übernimmt, meldes er dann u: ine Ge:
fahr durch Techniler berjtellen läßt, um es fertig
Entre Rios — Entropie
den Beiteller abzuliefern. rn
die me eines großen, aus vielen Teilen bes
—— erkes, zu welchem Techniler verſchiedener
ranhen mitzuwirten haben, z. B. Herſtellung einer
Eiienbabn. Der Generalentrepreneur ſchließt dann
wohl wieder mit ba erg Iren ab,
Entre Rios («Zwiichen Flüfjen»), Provinz der
then Republit in Südamerila (f. Karte:
YaBlata-Staaten u. f.w.), umfaßtden ſüdl. und
lleinern Teil des Landes wwiſchen den Flüjien Ba:
tana im W. und ©. und Uruguay im D. (daher der
Rame), deſſen nordl. Abſchnitt Eorrientes (f.d.) ein:
nimmt. Die Brovinz zerfällt in 14 Departamentog,
bat 74571 qkm und 1895: 292019 E., d. i. 3,» auf
I gkm, 1899 nad einer Berehnung 327951 €,
Die Rorbgrenze bilden der Arrayo Öuayquiraro,
en Zufluß des Parana, und der fih in den Uru:
quad ergiebende Tunas, unter etwa 30'/,° ſudl. Br.
Die beiden Hauptflüfje bilden im Süden ein weit:
verzweigte® Delta, bevor fie fib zum Rio de la
Blata vereinigen. Unter den — Neben⸗
und ——— iſt der großte der Gualeguay, welcher
von N. gegen S. —28* in den Pabon, einen Arm
des Parana, fällt und das Land faſt halbiert. Die
das im ganzen flache Land durchziehenden Boden:
erbebungen (Euchillas) überſteigen nirgends die Höbe
von 8O m. Im nordweitl. Teile finden fib Wälder
mit Mimojenbäumen und Palmen, die Selva de
Montiel, Die jebr reichliche Bemäflerung, der vor:
treffliche Aderboden, die ganz außerordentlich fetten
Weiden, das milde und gefunde Klima maden das
Land in gleicher Weife für einen ausgedehnten Bes
trieb der —— wie für den Aderbau ge:
eignet, auch gedeiben mande tropiſche Produlte,
Die jebr günftigen Verlehrsverhältniſſe, namentlich
die zahlreichen Wafleritraßen, geftatten eine meit:
ebende Berwertung der Landesprodulte. Der Vieh:
Kann ift ein außerordentlich großer, befonders an
Schafen, Rindern und Pferden. Die wichtigſten
Ausfubrartifel find Häute, Hörner, Talg und Fleiſch.
iſenbahnen hat €. R. rund 900 km; bie wid:
tigfte Bahn ift die Eentral:E. R.-Bahn (PBarana-
Soncepcion del Uruguay, 288 km) mit Seitenlinien
nad Billaguay, Victoria, —* und Guale⸗
— Die alteſte Bahn von E. R. iſt die Erſte
.R.Babn (10 km) zwiſchen Gualeguay und Puerto
de Ruiz. Bon der oftargentin. Eifenbahn (Eoncep:
cion⸗La Eruz) liegen etwa 300 km in E.R. Hauptftadt
ift Barana (j. d.) mit (1895) 24261 E. wichti
Danbelsplas Gualeguaydhu (f. d.) mit 13282 €.
Entreroches (Ipr. angtr'röih, «Zwifchen Fel⸗
jen»), Weiler im Bezirt Cojjonay des jchmeiz. Han
tons Waadt, Gemeinde Orny, 15 km ſudſudweſtlich
von verdon, in 448m Höhe, am Fuße des Maure-
mont (608 m), ift befannt durdy den Kanal von
E., der, 1637 begonnen, die Drbe und die Venoge
und damit ben Neuenburger See mit dem Genfer
@utrefet (fra. for. angtehäl), 1. Halbefdop.
» ., fpr. ), 1. geſchoß.
Entretaille(fr3.,ipr.angtr'täj), — 5
in der Kupferſtechtunſt feinere Zwiſchenſtriche zwi⸗
ſchen den Hauptſtrichen.
Eutretenieren (frz., ſpt. angtr't-)
ſowohl in dem Sinne: den Unterhalt geben, als
auch in dem: die Unterhaltung beforgen; femme
entretenue (jpr. famm angtr't'nüb), unterhaltenes,
ausgebaltenes Zrauenzimmer, Maitrefle; Entretien
(pr. angtr'tiäng), Unterbalt, Erhaltung, Inſtand⸗
haltung: Unterbaltung.
unterhalten,
69
Entrevang (pr. angtr’wob), ebemalige Feſtung
und Hauptort des Kantons E. im Arrondijjement
Eajtellane des franz. Depart. Bafled: Alpes, 38 km
nordöjtlic von Eaitellane, an der Einmündung des
Chalvagne in den Bar, in einer tiefen, maleri:
ſchen Schlubt, am Fuße der Felſen, deren einer
noch beute befejtigt ift, hat (1901) 655, ala Ge
meinde 1657 E., Soft, Telegraph; Yabrilation von
Zub und Dlivenöl.
Entrevue (fr;., jpr. angtr'wüh), „rum
funft und Unterredung, namentlich von Monarchen
zu polit. Sweden.
Entrez (fr;., ipr. angtreb), berein! treten Sieein!
Entrieren (fr3., ſpr. angtr-), aufetwaseingeben,
fi einlafien, etwas beginnen, ,
Entröpie (grch.). Carnot jtellte (1824) den wich⸗
tigen Sas auf, dab Wärme nur dann Arbeit leijtet,
wenn fie eine abjteigende» Richtung bat, d. b.
wenn jie von einem wärmern Körper zu einem käl⸗
tern übergeht; fie gleicht in diejer Beziebung dem
Maffer, das nur dann Arbeit leiten kann, wenn
es von einem böbern zu einem tiefern Drt zu fallen
vermag. Wie beim sense Waſſer nichts
von demſelben verloren gebt, jo meinte Carnot
au, es gehe beim Herabfinten der Wärme ven
dem wärmern zum lältern Körper feine Wärme ver»
loren. Erſt Clauſius jtellte (1850) den Carnotſchen
Sat von der Arbeitsleiftung der berabfinfenden
Märme dadurd richtig, daß er ausſprach, es gebe
für jede geleiftete Arbeitseinbeit eine proportionale
MWärmemenge wegen ihrer Umwandlung in Arbeit
ala Wärme verloren. (S. ei e Märme:
theorie.) Claufius, Ranline und W. Thomſon bar
ben die Gejege der Verwandlung der Wärme mas
thematiſch abgeleitet und gefunden, daß nur dann
die Wärme gänzlich in Arbeit umgewandelt werden
tönnte, wenn der abtüblende Körper die Tempera:
tur des abjoluten Nullpunttes, d. i, —273° C.
j. Abjolute Temperatur), befäße. Da dies nicht der
all iit, fo bat fih aus ihren Unterfuchungen erge
ben, daß bei jeder Berwandblung von Wärme in
Arbeit nur ein Heiner Teil der «abfteigenden »
Wärme in Arbeit fi verwandelt, während der
rößere Teil der Wärme als ſolche zu den kühlern
örpern binabfintt. Dagegen lann Arbeit, wie
3. B. bei der Reibung, beim Zujammenjtoßen un:
elajtiicher Körper, nahezu gänzlid in Wärme ums
gewandelt werden, von der fih dann aber nur ein
Heiner Teil wieder zu Arbeit umformen läßt. Wenn
aljo die mechan. Arbeit jo leicht und unter Umftän:
den nabezu gänzlih in Wärme umjesbar ift, die
Zurüdverwandlung der Wärme aber jchwierig und
nur zum fleinern Zeil möglich iſt, jo folgt daraus,
wie W. Thomjon (1851) und Glaufius (1865) ge:
zeigt haben, daß die mechan. Energie des Weltalls
von Tag zu Tag immer mehr in Wärme umge:
wandelt wird, die fi nad allen Seiten bin ver:
breitet (nad Ihomfon «zerftreut») und dadurch die
Zemperaturunterjhiede des Weltalls immer kleiner
madt, indem nad Clauſius (1850) die Wärme
nit von felbft von den fältern zu den wärmern
Körpern übergeben kann. Man kann fi nun die
gejamte Energie des Weltalls in zwei Zeile zerlegt
vorftellen, von denen der eine bereit3 in Wärme
umgemanbelt und in fältern Körpern angefammelt
ift, der andere aber ald Wärme der höher erwärm⸗
ten Körper, jene: als mechan., hem., elettriiche
und magnetiihe Energie vorhanden ift. Diefer
legte Teil läßt ſich nod in Arbeit umjegen, ber
60
erjte nicht. Und da ber letztere Teil der Gejamt:
— des Weltalls während der künftigen, un:
äblbaren Jabrmillionen, unter den mannigfachiten
DBermandlın en, Umformungen und Metamorpbo:
fen, zulegt ald Wärme zu den lältern Körpern über:
gehen muß, fo fieht man, daß die Wärme des Unis
verfums immerfort zunimmt und einem Marimum
zuftrebt. Wird einjt nad langen Zeiten dieſes Mari:
mum erreicht fein, dann wird auch jeder Unterſchied
der Temperaturen im Univerfum ausgeglichen und
alio ewige Ruhe im Weltall eingetreten fein.
Um die angedeuteten Betradbtungen mathematiſch
——— alte eben der Begriff E. nötig.
Soll z. B. in ein jergefäß mit der Drudhöbe
das Kleine —— dP eingepumpt, oder auf
einem eleftrifch geladenen Körper vom Potential
(j. Eleltriſches Botential) die Ladung um die Eleftris | Bd
citätömenge dE le werben, jo — un.
zuwachs dW in dieſen Fällen dAW=H-dP
und dW=VdE. Das Waſſergewicht und die
Eleltricitätämenge find dP= au unddE= .
Drud und Potential find demnach analoge Niveau⸗
werte, durch deren Divifion in die Energieände:
rungen man die Er rag Mengen erhält,
Ebenjo ftellt die abfolute Temperatur einen ana:
logen Niveaumert vor. Die Wärmemenge (f. d.) ift
aber als eine Energie (f. d.) aufzufaſſen. Das Ele:
ment der Wärmemenge d Q, dividiert durch Die Tem⸗—
peratur T, d.h. die Größe ds = L. entfpricht alſo
der Elektricitätsmenge. S heißt nad Claufius die €,
be3 wärmeaufnebmenden Körpers. Während nun die
algebraifhe Summe aller Eleftricitätömengen bei
eleltriſchen Veränderungen unverändert bleibt, ftellt
es ſich heraus, daß nur —— —
. d.), bei denen gar feine unnötigen Verluſte von
e durch Leitung ftattfinden, für den dem Pro:
zeß unterworfenen Körper IF- Oift. In allen
andern Fällen ift die der Elektricitätsmenge ana=
loge auf Wärme bezüglihe Größe, d. i. die E.,
im Bunehmen begriffen. Gebt B. die Wärme:
menge Q von einem Körper von Fehr gebe: Kapa⸗
cität, deſſen Temperatur T dadurch nicht geändert
wird, auf einen ebenſolchen Körper von ber niebern
Temperatur T, über, fo verliert erfterer die €.
7, während Inter gewinnt. Da aber T,<T,,
ac Q N _R,
fo ift L, > T,’ demnad bedeutet ı einen
Gewinn an E. Nach Claufius ift die Energie der
Melt konftant, während die E, derfelben einem
Marimum ——
op die Einwärtäfehrung des
um (acc.
Lidrandes, wobei die Wi in fteter Berübrun
as b peinliche Lei⸗
mit dem eg in find.
den führt zu ungen und Berfhmärungen
der Hornhaut, welche die Sehtraft dauernd fähigen.
Das E. kann entſtehen durd eine Verkürzung ber
dem Lidrande zunaͤchſt liegenden Fafern des Schließ⸗
musfels, die Ali mwäbrend eines anbalten:
den Lidkrampfes ſich ausbildet, oder durch eine nar-
bige Entartung des Lidknorpels und ber jeine innen:
flähe befleivenden Bindehaut nach Ver ——
Üsungen oder tiefgreifenden Entzündungen der Lid»
innenfläbe. Das €. erfordert eine Operation.
Entropium — Entſchädigung unſchuldig Verurteilter
Entry (engl.), Sportausdrud, ſ. Propoſitionen.
Entfagung, ſ. Verzicht; E. der Erbſchaft,
ſ. Erbſchaftserwerb.
Entjat, Befreiung einer eingeſchloſſenen oder
belagerten Feſtung. Nur ganz ausnahmsweiſe wird
es der Bejakung eines eingeſchloſſenen Plahes ganz
aus eigener Kraft möglich fein, den Feind zur Auf:
bebung der Belagerung oder Einſchließung zu zwin-
gen; meijt bedarf es *— der Mithilfe eines von
außen fommenden E. (Entſaßkorps, Entſaßz—
armee), deſſen Operationen von der Befakung im
entſcheidenden Augenblid durch einen kräftigen
Ausfall unterftügt werden.
Entihädigung, ſ. Schadenerſatz; für Poſtſen—
dungen ſ. Erſatzleiſtung.
Entichädigung unſchuldig Verhafteter, ſJ.
SIE
Entfhädigung unschuldig Verurteilter.,
So fehr man auch das Strafverfabren verbeffern,
mit foviel [hüsenden Vorſchriften man den Ange-
Hagten umgeben mag: die Möglichkeit, dab ein
Angellagter unſchuldig verurteilt wird, kann, da die
Richter, gelehrte wie Yaien, dem m unterwor:
fen find, nicht befeitigt werben. Nicht bloß der Irr—
tum des Richters, der, wenn er ein thatſächlicher ift,
durch die Berufung (}. d.), wenn ein rechtlicher auch
durch die Revifion (ſ. d.) feine Berichtigung finden
fann, bäufiger noch die Bosheit anderer Menden,
Meineid, Fälihung oder die mangelhafte Verteidi-
ung des Angellagten, die ihm gaünftige That-
achen oder Beweismittel unbenußt läßt, führen un:
richtige Entſcheidungen berbei. Für lektere Fälle,
die gewöhnlich erft nach Abfchluß des Berfabrens,
oft erft nach gänzlicher oder teilmweifer ——
der Strafe an den Tag kommen, gewährt ſowoh
die Deutſche ($$. 399 fa.) als auch die Öfterr. Straf⸗
prozeßordnun 68 352 fg.) eine Wiederaufnahme
(f. d.) des Verfahrens. Gerade die im Wiederauf-
nabmeverfabren —— Freiſprechungen haben in
neuerer Zeit die allgemeine Teilnahme in Anſpruch
genommen und die E. u. V. auf die Tagesordnung
gebracht. Der Anſpruch des «unfhuldig» Verur—
teilten iſt an ſich gewiß berechtigt, war für dieſen
auch fhon in der MWürttemb. Strafprogehorbnung
von 1868 anerfannt; zu bevenfen bleibt aber,
dab dur die Freifprebung im Wiederaufnahme:
verfahren nicht immer die Unſchuld bewiejen wird,
Menn inzwiichen Jahre verflojien find, kommt es
erfahbrungsmäßig bäufig vor, daß die Erinnerun
der früber vernommenen Zeugen verblaßt ift, da
das Geriht nun, felbft wenn die neuen Beweiſe
nichts für den Angellagten ergeben, nicht mehr zur
fiberzgeugung von der Schuld desfelben gelangen
fann. Dann bleibt e8 mindeftens fraglich, ob diefe
Freiſprechung oder der urfprünglihe Schuldſpruch
der Wahrheit näber ift. Zur Zahlung der Entſchädi⸗
gung ift nad —— echt derjenige verpflichtet,
durch deſſen Schuld die Verurteilung berbei * tt
ift, alfo der meineibige Zeuge, der Uetundenfä N er
u. ſ. w.; es läßt fih aber ſehr wohl die Verpflich-
tung des Staates begründen, nad befien Gefeken
ber Ingellagte verfolgt, durch deſſen Organe er ver:
urteilt ift. Bei der dem Strafrichter auftebenden
volltommen freien Beweiswürdigung waren Ric:
ter und Geichworene nicht gebunden, dem Zeugen
u glauben, die Urkunde für echt anzunehmen.
er Angellagte muß fi dem durd die Gejche be:
gründeten Berfabren unterwerfen ; er fann fi dar:
auf bejhränten, feine Schuld zu leugnen; er darf
Eutjcheidung
ararten, daß er nur, wenn wirklich ſchuldig, ver:
umeilt werde. Wird er unjculdig verurteilt, oder
itder im Wiederau gr gegen ie
menigitens rechtlich als unjhuldig anzufehen, jo
iuht er die Ausgleichung des ihm „woefügten Uns
seht bei der Gejamtheit, in deren Namen und mit
xeen Gewalt ihm dasſelbe zugefügt iſt.
‚Aus diefen Anfchauungen heraus hat die öffent:
ide Meinung in Deutihland immer dringender
die geiegliche Anerkennung der Erſatzpflicht des
Staated für unſchuldig erlittene Strafen gefordert.
Rahdem fih früher Ichon einzelne Schriftiteller,
Anwaltverein und AJuriftentag für diefe Anerlen:
nung auögeiprochen baben, bat die Frage jeit 1882
wiederholt den Reichstag beichäftigt. Am %. 1886
nahm der Heichstag den von einer Kommiſſion aus:
gearbeiteten Geſehentwurf an. Derjelbe wurde,
nahdem der Bundesrat ie Zuftimmung verjagt
batte, 1887 wieder eingebradt und im März 1888
vom Reichstag abermals angenommen. Doc erit
mit dem unterm 28. Juni 1894 beichlofjenen Ent:
wurf einer Strafprozepnovelle hat der Bundesrat
der allgemeinen — nachgegeben, die da⸗
bin draͤngte, dem unſchuldig Verurteilten ein Recht
auf Entihädigung, die biöber {bon im Wege der
Gnadenbemwilligung dur die Juftizverwaltung ge:
übt worden war, zu gewähren.
Gejeß wurde der Entwurf erſt am 20. Mai 1898.
Diejes Geſetz beſtimmt, daß Berfonen, welche im
BWiederaufnahmeverfabren freigeiproden oder in
Anwendung eines mildern Strafgelekes mit einer
geringern Strafe belegt werden, Entihädigung aus
der Staatätafje verlangen lönnen, wenn die früber
ertannte Strafe ganz oder teilmeije gegen fie voll:
itredt worden iſt. Das — ang bye
muß die Unſchuld des Berurteilten bezüglich der ihm
ur Saft gelegten That oder bezüglich eines die An:
wendung eines jchwerern Strafgejeßes begründen:
ven Umijtandes ergeben oder Bo dargetban haben,
daß ein begründeter Verdacht gegen den Angellagten
nicht mebr vorliegt. Die €, u.®. joll nur Ber:
mögensihaden und zwar nur den durch die Straf:
volljtredung, nicht auch den durch error
erlittenen, umfajjen. Außer dem Verurteilten fönnen
Dritte, denen der Berurteilte nach bürgerlihem Recht
zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet war, in:
tomeit Erjas fordern, als ihnen durch die Strafvoll
itredung der Unterhalt entzogen war. Die Entſchädi—
gung letjtet der Bundestaat, bei deſſen Gericht das
Strafverfahren in erfter Inftanz anhängig war, das
Reih, wenn das Reichsgericht in eriter und letzter
Inſtanz erfannte. Staat und Reich haben Regrek
gegen Dritte, durch deren rechtswidrige Handlungen
die Verurteilung herbeigeführt war. Der Anſpruch
iſt jpätejtens drei Monate nad Rechtskraft des frei:
iprebenden Urteils bei der Staatsanmwaltichaft des
Gerichts zu ftellen, welches dies Urteil erlajjen hat.
Üiber den Antrag entſcheidet das Juſtizminiſterium
oder, wenn das Reichsgericht in erfter und letzter 2%
itanz erfannte, ver Reihstanzler. Gegen die Entſchei⸗
dung ift Berufung auf den Nechtäweg binnen Aus:
ichlupfrift von drei Monaten nad) Dupelung der Ent:
ſcheidung zuläffig. Zuftändig find die Givillammern
der Landgerichte. Der Anjprud auf Entihädigung
ist ausgehoffen, wenn der Berurteilte die frühere
Berurteilung vorſätzlich herbeigeführt oder durch
grobe Fabrläfiigleit verſchuldet hat. Die Verjäus
mung der Einlegung eines Rechtsmittels iſt nicht
ale Fabrläffigkeit zu erachten. Die Vorſchriften des
61
Gejeges betr. die Entſchädigung der im Wieder:
aufnahmeverfahren freigeiprodhenen Berfonen fin:
den u die im militärgerichtlihen Verfahren
verurteilten Perſonen entiprebende Anwendung
(88. 465—468 der Militärjtrafgerichtsordnung vom
1. Dez. 1898). Die Entihädigung für unſchuldig
erlittene Unterfuhungsbaft wurde durch Gejek vom
14. Juli 1904 in wine Weiſe Teftgeiet (f. Ent:
ſchädigung unſchuldig Berhafteter, Bd. 17). Aus:
gaben des Gejehes, zum Teil mit Kommentar, ver:
öffentlichten Koliich (Hannov. 1898), Leſſing Lpz.
1898), Siebdrat (ebd. 1898), Woermann (Berl.
1899), Hellweg (ebd. 1899), Mamroth (ebv. 1900).
Öfterreich (Gefeb vom 16. März 1892) ift
die E. u. V. bereits 8 in ähnlicher Weiſe ge:
ordnet. Gegen die Entſcheidung des e
riums geht der Rechtsweg hier an ein Verwaltungs⸗
gericht, das Reichsgericht. In Frankreich, Belgien
und Italien — ſich die Gefehgebung eben:
fall mit der E. u. V. In Schweden ift 12. März
1886 ein Geſetz erſchienen, wonach einerfeit3 der
Entihädigungsaniprud unter Umjtänden aud für
die Unterfuhungsbaft — andererſeits die
Entſcheidung darüber, ob und inwieweit E. u. V.
zu gewähren, für jeden einzelnen Fall dem Könige
vorbehalten wird. — Vgl. Schwarze, Die Entſchädi⸗
gung für unſchuldig erlittene Unterfuhungs: und
Strafhaft (Lpz. 1883); Geyer, Über die ven ungerecht
Angellagten oder Verurteilten gebübrende Entſchä⸗
digung (Berl. 1882); Kroneder, Entſchädigung un:
—* Verhafteter (ebd. 1883); Berolzheimer, Die
E. u. V. und Verhafteter (Fürth 1891).
Eutſcheidung, der Ausſpruch, welcher die Er:
ledigung eines vor den Entſcheidenden gebrachten
Rechtsſtreits bezweckt. E. können von Gerichten, von
Verwaltungsbehörden und von Schiedsrichtern er:
geben. Nah dem Sprachgebrauch der deutſchen
Reichsjuſtizgeſetze iſt E. der — die nn ungen
(f.d.) einzelner Richter (Vorfigender, Unte —
richter, erſuchter, beauftragter Richter), als auch die
Beſchlüſſe (ſ. d.) der Kollegialgerichte, als auch die
Urteile (ſ. d. umfaſſende gemeinſame Ausdruck. Ber:
Maungen und Beihlüfje find ver Regel nad durch
ſchwerde (j.d.), Urteile durch Berufung (f. d.) und
Revifion (j. d.) anfechtbar; eritere können, joweit
nicht — Beſchwerde zuläſſig, von dem Rich:
ter, der jie erlaſſen, widerrufen werden, leßtere nicht.
Die unmiderruflicen E. geben in Rechtskraft (j. d.)
über, wenn gegen fie ein Rechtsmittel (Berufung,
Nevifion, jofortige Beſchwerde) überhaupt nicht oder
nicht mebr zuläflig iſt. E. welche in der mündlichen
Berbandlung ergeben, werden dur Verkündung
(f. d.), andere dur Suftellung (f. d.) befannt ge:
madt.. Vgl. Eivilprozekoron. 88. 329, 571, 577,
705; Strafprozehordn. $$. 35, 348, 353,
Nach der Deutihen Konkursordnung find Strei:
tigfeiten, welche bezüglich eines Ausjonderungs:
oder Abſonderungsrechts (ſ. Ausjonderung und
—— Befriedigung) oder hinſichtlich der
Zulafjung einer angemeldeten Forderung (f. Prü—
fungsverfabren) entjteben, nicht vom Konkurs:
ericht zu entjcheiden, fondern im Wege des orbent:
ichen —*9* zu erledigen. Das Konkursgericht
bat deshalb niemals ein Urteil, fondern nur Be:
ſchlüſſe zu erlaſſen. Alle E. können nad) der Deut:
hen Konkursordnung ($. 73) obne mündliche Ber:
andlung erfolgen und von den Beteiligten, deren
Intereſſe dadurch verlegt wird, durch jofortige Be:
ſchwerde (j. d.) angefochten werben, — Nach ber
62
Oſterreichiſchen Konkursordnun
berufen, welche nicht ausdrücklich der Beſchluß—
aſſung des Konkursgerichts vorbehalten ſind. Wer
ich durch die Verfügungen des Kommiſſars für be:
chwert erachtet, kann die E. des Konkursgerichts
einholen, gegen welche (nach $. 257) der Rekurs an
den böbern Richter offen ſteht.
Entiheidungsgebühr, ſ. Gerichtsloſten.
Entfcheidungdgründe, die für ein Urteil, über:
baupt eine —æ Entſcheidung maßgebenden
Gründe. Sie find ein weientlicher Beftanbteil des
Urteils, bilden für die Beteiligten die Gewähr, daß
der zur Entſcheidung (j. d.) Berufene die Sache ge:
börig geprüft hat, und bieten zugleich den Stoff I
die Anfechtung der Entſcheidung durch die nach dem
Geſetz zuläffigen Rechtsmittel. Desbalb müſſen alle
Urteile, in Straffadhen alle durch ein Rechtsmittel
anfebtbaren und alle einen Antrag ablebnenden
Entſcheidungen mit Gründen verfeben werden. Nur
für die Begründung der Urteile Nr d.) enthalten die
deutſchen Reichsjuſtizgeſeze nahere Vorſchriften.
Mangel an €. bildet einen Reviſtonsgrund ſowobhl
gegen Givil: als auch gegen Strafurteile.
Entichlicdhten, das dem Bleiben vorausgebende
Einweichen, ae und Spülen der Gewebe jur
Beieitigung der Weberſchlichte.
Entichweihen, Entjetten, die robe Schaf:
wolle durh Wachen von dem fie verunreinigenden
Schweiß und Fett befreien. (S. Wollipinnerei.)
Eutſetzung, |. Entjas; E. von Staatsbe:
amten, }. Amtsentbebung und Staatädienit; €.
eines Meiers, ſ. Abmeierung.
Entftchungdguftand (lat. Status nascendi),
in ver Chemie Bezeihnung für eine befondere
Reattionsfäbigteit, die einzelne Körper zeigen, wenn
fie im Augenblid der Abjheidung aus ihren Ber:
u auf andere Körper wirken. Läßt man
R B. wel gas beliebig lange und in be
iebigen PBerbältniffen auf falpeterfjaure Salze
wirten, io bleiben biefelben völlig unverändert.
Bringt man aber falpeteriaure Salze su einer
Waſſerſtoff entwidelnden Miſchung, 3.8. Zint und
verbünnte Schwefelfäure oder Aluminium und Kali:
bybratlöjung, jo werden dieje Salje fofort der:
artig zerjekt, dab der durch die bem. Wirkung jener
Stoffe entitebende Waſſerſtoff ſich ſowohl mit dem
Sauerftoff wie mit dem Stiditoff der Salpeter:
fäure verbindet und fie in Wajler und Ammonial
verwandelt. Es zeiat daber der Waſſerſtoff bier
ganz verjchiedenes Berbalten. Als freier Waſſerſtoff
tft er indifferent, im andern Falle von großer chem.
Energie. Diefe Realtionsfäbigteit wurbe früber dem
E. zugeſchrieben. Die neuere 14 fand dafür fol-
ger Grllärung: Das Waſſerſtoffgas befteht aus
Baflerftofimolelülen, die aus je zwei untereinander
chemiſch verbundenen Wajlerftoffatomen bejteben,
demnad einen Teil der den Atomen innewohnenden
chem. Energie eingebüßt baben. Infolgedefien ift
der freie oder molekulare Waſſerſtoff wenig realtions⸗
fäbig, weil erſt eine Trennung der MWafjerftoffatome
des Moleküls jtattgefunden haben muß, um die
felben räbig zu maden, andere Verbindungen ein:
zugeben. Wird aber Waflerjtoff aus feinen Verbin:
dungen abgeichieden, z. B. durch das Zink aus der
Scwefeljäure oder durd das Aluminium aus dem
Kalihydrat, fo beitebt ein, zwar verſchwindend kurzes,
Zeitintervall, in dem der Waſſerſtoff nod in Form
von nic zu Molekülen verbundenen freien Atomen
Entjcheidungsgebühr — Entwährung
* iſt der Kon: | vorhanden iſt, und dieſer atomiſtiſche Waſſerſtoff be
lurstommiſſar (f. d.) zu allen Verfügungen und E. | fit die große chem. Energie, die jene 3
egung be
Entvogel, die männliche Ente. [wirtt.
Entvögel, ſ. Siebihnäbler. :
Entvölferung, ſ. Bevölterungstbeorie.
Entwährung, das Gegenteil von Gewährung,
alfo das Unterlafjen einer Leitung, nah Grimms
Wörterbuch ſcharf zu trennen von Entwehrung,
der Entjesung aus dem Befise oder der Gewere
(j. d.). Der neuere jurift. Spradgebraud verwen:
bet beide Worte unterſchiedslos im Sinne des lat.
evictio. Dies bedeutet im röm. Recht und den auf
ibm beruhenden Geſetzbüchern die Entziehung der
Kaufſache aus dem Bejige des Käufers jeitens eines
bejier Berechtigten, namentlich durch rechtskräftiges
Urteil. Die €. verpflichtet den Verkäufer, da er
feiner Hauptpflicht, vem Käufer das dauernde Haben
der gelauften Sache zu verſchaffen, nicht genügt hat,
unter gewiflen Vorausfegungen (3. B. Streitver:
ae zum Scadenerjage. — Das Deutſche
Bürgerl. Gejekbuc bat den Ausdrud E. nit. Es
verlangt vom Bertäufer, daß er dem Käufer nicht
nur den dauernden Genuß, das tbatfächliche Haben,
fondern das wirkliche Eigentum an der Kaufſache
oder das wirkliche verlaufte Recht verſchaffe ($. 433),
und zwar frei von Rechten, die von Dritten gegen
den Käufer geltend gemadht werben können ($. 434),
abgejeben von öffentlichen Laften. Hat der Ber:
täufer dieje Verbindlichkeit nicht erfüllt, fo verpflic:
tet ibn das Geſeßbuch zur Gewäbrleiftung wegen
Mängel im Rechte ($. 439) im Gegenfas zu der
wegen Mängel der Sache ($$. 459 fg.). Einer €.
bedarf es nit, der Käufer kann alfo nit nur,
wenn ibm von dem befjer beredytigten Dritten die
Sache oder das Recht entjogen oder der Genuß
daran beeinträchtigt wird, den Berläufer in An:
jprud nehmen, es genügt vielmebr, wenn ver Käufer
den Mangel im Rechte beweijen fann (8.442). Und
war fann ber Käufer die Haftung nicht bloß in
Form einer Schadenerjaßforderung wegen Nicht:
erfüllung, jondern auch durch Anſpruch auf Ver:
ſchaffung der Freiheit von diefem Rechte des Dritten
oder, wenn dem nicht —— werden lann, durch
Verweigerung der Zahlung des Kaufpreiſes oder
Rüdtritt vom Vertrag geltend machen (8.440). Eine
Ausnabme ijt nur binfichtlih bemegliher Sachen
gemadt. Nach 88. 440 und 441 kann, fall eine be:
weglide Sache oder ein zum Beige berechtigendes
Recht — verfauft und die Sache dem Käufer
übergeben iſt, der Käufer —* des Rechts eines
Dritten, das zum Befige der Sache berechtigt, den
Anſpruch auf Schavdenerfag wegen Nichterfüllung
nur dann geltend maden, wenn er die Sache dem
Dritten mit Rüdficht auf deſſen Recht herausgegeben
bat (aljo E. jtattjand) oder jie vem Verkäufer zurüd:
— oder wenn die Sache untergegangen ijt.
er Herausgabe der Sache an den Dritten Mehr es
geag, wenn der Dritte den Käufer oder dieſer den
ritten beerbt oder wenn ver Käufer das Recht des
Dritten andermeit erwirbt oder den Dritten abfinvet,
An die Stelle ver Rüdgewäbr kann Abtretung eines
Anſpruchs auf Herausgabe, den der Käufer gegen
einen Andern bat, treten. Die Befeitigung der E.
im übrigen ertlärt fi daraus, daß durch die Grund:
bucheinrichtung und durch die Vorfchriften über Shus
des gem Glaubens (j. Vinditation) die Ermittelung
des Eigentums und der Rechte Dritter an Grund:
ftüden wie an beweglichen Sachen fo erleichtert iſt,
daß der Verkäufer regelmäßig in der Lage ift, etwaige
Entwäfjern — Entwidlungsgefchichte
Ringel feines Rechts zu kennen. Die Berpflic:
tung zur Gewäbrleijtung entfällt, wenn der Käufer
den Mangel bei Abichlun des Kaufes kennt ($. 439),
und barum ift der Verkäufer nad $. 444 verpflichtet,
dem Käufer über die den verfauften Gegenitand be:
treffenden rechtlichen Verhältnijie Auskunft zu er:
teilen. Eine Ausnahme bejtebt für Hypothelen,
Grund: und Rentenſchulden und Pfandrechte und
Bormertungen zur Sicherung des Anſpruchs auf
Beitellung eines diefer Rechte. Sie hat der Verkäufer
—— auch wenn fie der Käufer lennt ($. 439).
Vertrag über Erlaß oder Beichräntung der Ge
ange gr ift nichtig, wenn der Verkäufer
den Mangel im Recht argliftig verfchweigt ($.443).
Die Vorkhriften über Gewäbrleiftung finden aud
auf andere Verträge, die auf Veräußerung oder Bes
lafung eines Gegenjtandes gegen Entgelt gerichtet
ind, Anwendung ($. 445).
neuejter Zeit braudt man den Ausdrud E.
aud für Demonetifierung eines Währungsmetalld
oder einer Münze (j. Demonetifieren). ’
Eutwäflern, ein Verfahren, das in der Technik
mie im chem. Laboratorium vielfadh vorgenommen
wird, um Subftanzen von chemiſch gebundenem oder
nur mechaniſch anhängendem Wafjer zu befreien. In
den meiften Fällen läßt fich das E. dur Erwärmung
(f. Abdampfen) bewirlen, wobei die nicht zu über:
Ichreitende Temperatur durch die Beſchaffenheit der
zu entwäflernden Subftanz bedingt ift. Pottaſche,
Soda, Glauberjalz bringt man bis zur Rotglut und
serjtört damit zugleich organiſche Subjtanzen, die
als Berunreinigungen den Salzen anhängen können.
Organifche Berbindungen entwäfjert man in der
Regel bei nicht über 100° C. liegenden Tempera:
turen, manche derjelben ertragen aber jelbft dieſe
Temperatur nicht und find nur zu entwäflern, ins
dem man fie im luftleeren Raume über lonzentrierter
Scwefeliäure längere * verweilen läßt. (S. Erſie⸗
cator.) Mit Mafjer miſchbare flüchtige Flüffigfeiten
lafien ſich vielfah durch Deitillation vom Wafler
bejreien. Häufig ift dies aber nicht tbunlid. Man
tft dann gezwungen, wafjerbindende Körper zu Hilfe
su nehmen. Spiritus läßt ſich 5. B. durd Deitilla-
tion nur bis zu einem Altobolgebalt von 96 Proz.
anreidern. il man ihn weiter entwäjlern, jo
läßt man ibn mit gebranntem Kalt, geihmolzenem
Eblorcalcium, entwäfjertem Kupfervitriol längere
Zeit fteben, wobei dieje Subftanzen das Waſſer
&bemiib binden, worauf man durch eine nochmalige
Retrifitation abjoluten Allohol erhält. Flüffigkeiten,
die durch konzentrierte Schwefeljäure nit zeriegt
werden, fönnen dur Deftillatton mit dieſer Säure
entwäfjert werden. Um geringe Mengen von Wafler
andern Flüffigkeiten zu entziehen, klann man fich end»
lich mitunter vorteilhaft deö metallijhen Natriums
bedienen, das man drabtförmig oder in feine Späne
ſchnitien einträgt und jo lange mit der Flüſſigleit
in brung läßt, bis die durch Wafjerzerjehung
bewirfte Entwidlung von Waſſerſtoffgas aufbört.
— €. der Grunpjtüde; 1) im Bauweſen, um dem
de feine Feuchtigkeit zu nehmen. Es giebt
ein €. für die Grundmäfler und ein ſolches für
Regen: und Hauswäſſer. Eriteres geſchieht durd
offene oder verbedte Abzugstanäle nad dem Stra:
kentanal oder andern tiefer —— Stellen, wobei
zu beachten iſt, daß der Kanal beim Steigen der
Örmdmwäfler Sochwaſſer, Stauungen) nicht gerade
ven Zufluß berbeifübrt. Die aus den Brunnen,
Uuttraufen und vom Regen zujammenlaufenden
63
Waſſer führt man am beiten in gepflaiterten, ge
jenften Rinnen vom Haus und Grundftüd fort;
2) in der Landwirtſchaft, j. Drainierung.
Entwäflerungsgenoffenfchaften, |. Waſſer⸗
genoſſenſchaften.
Entiwehrung, ſ. Entwährung.
Entwenden, in der Sprache des heutigen Straf:
rechts foviel wie ftehlen. Der Ausprud wird ins;
bejonvere da angewendet, wo e3 ſich um gering-
fügige Diebſtähle handelt, 3.3. im alle des Mund:
raubes (f.d.), des Feldfrevels (j.d.). [(.2.).
Entwideln, Berfahren in der Photographie
Eutwicklung (Evolutio), in der Pbyliologie
die allmähliche Ausbildung eines Organismus vom
formlojen Keim bis zu feiner Vollendung (f. Ent:
widlungsgeſchichte), insbejondere die in gewiſſen
Zebensperioden ftärker hervortretende Ausbildung
des menſchlichen Körpers und Geiſtes. In diefem
Sinne unterfheidet man drei Hauptperioden ber
E. (Entwidlungsjtufen oder Entwidlungs—
perioden), von denen die erjte das Kindesalter
vom eriten Zabnen bis zum 8. Jahre umfaßt, die
zweite vom 8. bis zum 14. Jahre reicht, die dritte
das 14. bis 20. oder 24. Jahr im fich begreift. Die
legte Beriode wird vorzugsmeije als Entwidlunge:
periode bezeichnet, weil während dieſer Zeit mit
der Ausbildung der Geſchlechtsorgane und deren
nttionen die E. des Körpers und Geiftes ihren
bſchluß erreiht. Während diefer Epochen ift der
Menſch aud zu bejondern Krankheiten geneigt, die
als Entwidlungstranfheiten ( — werden.
Uber die Entwidlungsſtufen ſ. Embryo, Säugling,
Kind, Jungling und Jungfrau.
Entwidlungsgeichichte, die Lehre von der
Entwidlung der pflanzlichen oder tierifchen Orga:
niömen; ihr Endziel ift die Darlegung der Geſetze
und Bedingungen, unter denen die Gejtaltung der
pflanzlichen und tieriiben Organismen entjtanden
iſt. Die E. der Tiere zerfällt in zwei Hauptabſchnitte,
in die Ontogenie oder Embryologie, das iſt
die E. der Einzelweſen, deren Aufgabe es ift, die
allmäblibe Entſtehung eines jeden organiſchen
Weſens ſowie die aller feiner Formelemente und
Organe von den eriten Anfängen an bis zu ibrer
Vollendung in ihren Formverhältniſſen genau zu
verfolgen und darzulegen, und in die Zoogenie
oder Bhylogenie (f. d.), die Lehre von der Ent:
widlung der gefamten Tierwelt, welde die Umge:
ftaltungen der einzelnen Tierformen ineinander und
die Beränderungen, welche die Reihe der Vorfahren
einer jeden Tierart im Laufe der Zeiten erlitt, zu
erforihen juct (f. ne rundgejeg und
Darwinismus). Die E. ijt deshalb nicht nur ein
** und weſentlicher Teil der Lehre von der
Fortpflanzung und Zeugung (f. d.), ſondern bietet
auc die wertvollften Aufiblüfje für die geſamten
biolog. Wiſſenſchaften und bat deshalb ſchon früb:
zeitig das nterefje der Naturforjcher in Anſpruch
genommen.
Schon bei Ariſtoteles finden fih eine Menge
feiner Beobachtungen über die Zeugung und Ent:
widlung der Tiere, und auch die großen Anatomen
der neuern Zeit, vor allen Fallopia, Fabricius,
Harvey, Graaf, Smammerdam, Malpighi u. a.,
baben jich ein ehend mit entwicklungsgeſchichtlichen
in beſchaftigt. Als eigentliher Begründer der
utigen E. ift indeſſen Rafpar Friedr. Wolff (f. d.)
zu nennen, der 1759 in jeiner berühmten Difjer:
tation «Theoria generationis» den wichtigen unt
64
epochemachenden Nachweis führte, dab der Embryo
(. d.) nur ganz allmählich durch eine Reihe langſam
aufeinander folgender Veränderungen aus einer ein:
oe Anlage entitebt (Theorie der Epigeneie),
nicht aber, wie man bis dahin annahm, burd ein:
fache Enthüllung ſchon im Ei von Haus aus vorban:
dener Teile (Lehre der Evolution). Bon größ:
ter Bedeutung für den weitern Auſſchwung der E.
waren die Arbeiten von Ehrijtian von Bander (geb.
12. Juli 1794, geft. 10. Sept. 1865), der 1817 die
Entjtebung und weitern Umänderungen der fleim:
blätter beichrieb, und von Karl Ernſt von Baer (f.d.),
der die erite vollftändige und bis ins einzelne durch⸗
eführte Unterfuchung über die Entwidlung des
übndens veröjjentlihte und ala der eigentliche
Schöpfer der vergleihenden Embryologie zu
betrachten ift. Die Vorgänge, weldhe man als Ent:
widlungsvorgänge bezeichnet, finden durd die Ge:
burt des Tieres oder Menichen leineswegs ihren
Abſchluß, es jehen fich diejelben vielmehr bis zum
Eintritt der gortpfanzun sfäbigfeit oder der rüd:
fchreitenden Metamorphoje (Jnvolution) fort,
und man bat fomit eine intras und ertrauterine
—— zu unterſcheiden. Die wichtigſten Vor:
gänge der leßtern find beim Menſchen die Weiter:
entwidlung des Gebijies (erfte und zweite Dentition)
fowie der zur Ausbildung des Geſchlechtslebens un:
mittelbar oder mittelbar gehörigen Organe. Die
Geburt felbjt bildet allerdings einen tiefen Ein:
ſchnitt in dem Entwidlungsgange lebendig ge:
bärender Tiere, bezeichnet indes feineswegs eine
bejtimmte Etappe desjelben, indem fie bei verſchie—
denen Gattungen mit jehr verjcbiedenen Stufen der
Entwidlung zufammenfällt. So entſpricht unter
den Säugetieren das Neugeborene der Beutler dem
menſchlichen Fotus etwa des 3. bis 4. Monats;
manche Tiere (3. B. Nage: und Raubtiere) werden
in einem bilflofen und wenig entwidelten Zuſtand
geboren, während andere, wie Wiederfäuer, Pferde,
eine bereits vorgefchrittenere Ausbildung befiken.
Bei eierlegenden Tieren ann man in gewiſſem Sinn
von einer zweimaligen Geburt fprecben, indem man
einmal die Ciablage, dann das Ausjchlüpfen der
Jungen als Geburt bezeichnet. (S.aud Ei, Embryo,
Furchung und Metamorpboie.)
In neueiter Zeit haben ſich um die Ausbildung
der E. in Deutichland Biſchoff, Rathle, Reichert,
Jobs. Müller, Kemat, Kölliter, Haedel, His, Richard
Hertwig und Goette, in Frantreid Eojte ſowie Pre:
voſt und Dumas, die ben Furchungsprozeß ent:
dedten, in England Wharton Jones, Allen Thom:
fon, Hurley und Balfour, in Rußland endlich Ro:
walewity und Metichnitoff große Verdienſte er:
worben. — Bal. von Baer, liber E. der Tiere
(2 Bde. Königsb. 1828— 37); Haedel, Antbropo:
genie. E. des Menſchen (Lpz. 1874; 4. Aufl., ebd.
1891); derj., Ziele und Wege der heutigen E. (Jena
1875); His, Unjere Körperform und das phyſiol.
Vroblem ihrer Entſtehung (Ypz. 1875); Köllifer,
€. des Menſchen und der höhern Tiere (2. Aufl.,
ebd. 1876—79); deri., Grundriß der E. (2. Aufl.,
ebd. 1834); Folter und Balfour, Grundzüge der E.
der Tiere (deutich ebd. 1876); Balfour, Handbuch
der vergleihenden Embryologie (deutich, 2 Boe.,
Jena 1850—81); Korſchelt und Heider, Lehrbuch der
ee €. der wirbelloien Tiere (Specieller
Zeil, 3 Hefte, ebd. 1890— 1893; allgemeiner Teil,
2.Aufl.,1902 fa); Marſhall, Vertebrateembryology
(Lond. 1893); Haade, Geitaltung und Bererbung.
Entwidlungsfranfheiten — Entwöhnung
Cine Entwidlungsmebanit der O ——— (Lpz.
1893) ; Minot, Lehrbuch ver E. des Menſchen (deutſch
von Kaeſtner, ebd. 1894); O. Schultze, Grundriß
der E. des Menſchen und der Säugetiere (ebd. 1896
—97); Clodd, Pioneers of evolution from Thales
to Huxley (Lond. 1897); Rollmann, Lehrbuch der €.
des Menichen (Jena 1898); Hertwig, Lehrbuch der
E. des Menſchen und der Wirbeltiere (7. Aufl.,
ebd. 1902); derj., Die Elemente der Entwidlungs:
lebre des Menihen und der Wirbeltiere (ebd. 1900);
Michaelis, Kompendium der E. des Menſchen (Berl.
1898); Handbuch der vergleichenden und erperimen:
tellen Entwidlungslebhre der Wirbeltiere (bg. von
Hertwig, Jena 1901 fa.); Studien über E. der Tiere
veröffentlicht Selenta (Wiesb. 1883 fg.); ein «Archiv
für Entwidlungsmedanik der Organismen» giebt
Rour (Leipzig, jeit 1895) heraus.
Entwidlungsfranfheiten, Krankheiten, deren
nee durch die körperliche umd geijtige
twwidlung und ibre verjchiedenen Perioden (f. Ze:
bensalter) begünftigt wird. Mande der bierber
—— Krankheiten ſind nur — —
ntwidlungsperiode eigentümlich, wie z. B. bie
Kopfblutgeſchwulſt und die Nabelkrankheiten ber
Neugeborenen, die Rhachitis oder Engliſche Kran»
beit; andere kommen zwar auch in den fpätern
Lebensaltern vor, nehmen aber während des Ent»
widlungsitadiums einen eigentümliden und ab»
weihhenden Verlauf an. So find während des
Kindesalters die Knochen infolge ihres intenfiven
Wachstums viel blutreiher, weicher und weniger
widerjtandsfähig und werden deshalb häufig von
entzündlichen und tubertulöfen Affektionen befallen.
Während des Schulalters lönnen unzwedmäßigne
Sculverbältnifje auf die körperlihe und geiſtige
Entwidlung in der mannigfachiten Weiſe ſchädigend
und bemmend einwirken (j. Ehulbugieine). Im
Jünglings: und Jungfrauenalter giebt der Eintritt
ver geſchlechtlichen Entwidlung bei vertehrter Gr:
jiebung vielfach Anlaß zu —— beim
weiblichen Geſchlecht zu Bleichſucht und Menſtrug—
tionsftörungen, bei beiden Geſchlechtern zu extra⸗
vaganter Stimmung, zu Schwärmerei, jelbit zu
wirllicher Geiftesftörung in der Form der Melan—
cholie, des erotiihen und religiöfen Wahnſinns.
Aus diefem Grunde ift während der Entwidlung®:
perioden eine jorgfältige Üiberwahung der lörper:
liben und pſychiſchen Junltionen jowie die ern:
baltung allerjhädinenden Einflüfje ganz unerläplich.
(S. Säugling, Kind, Jüngling und Jungfrau.)
Eutwicklungsmechauik, |. Bd. 17.
Entwidlungsperioden, |. Entwidlung.
Entwicklungstheorien, ſ. Evolutionstbeorien.
Entwöhnung, die Entziehung der Mutter: oder
Ammenbruft und die hierdurch bedingte Gewöh—
nung des Säugling an eine andere Nahrungs:
weife; fie jollte ald wichtiger Eingriff in den Orga:
nismus nur vorgenommen werben, wenn ſich das
Kind volllommen wohl befindet, gewöhnlich etwa
im zehnten oder elften Yebensmonat. Dan verfäbhrt
am zwedmäßiajten dabei je, daß man zur Zeit der
beginnenden €, die Brujt dem finde während der
Nacht gar nit und während des Tags einmal
weniger ald gewöhnlich giebt und dafür mittags ein
Süppden von Gries mit entfetteter, ſchwach geſal—
zener Fleiſchbrühe, oder einen Zwiebad (in Waſſer
aut ausgelocht und mit Milch und ein wenig Zuder
oder mit ſchwacher Fleiſchbrühe verſetzt) darreicht.
In der zweiten Woche der E. giebt man dieſe Mabl:
Entwurf — Entzündung
jeiten häufiger, die Bruft feltener, ſchließlich nur
not ; bis dreimal des Tags, bietet dem Kinde
ud 9 id an und reicht endlich die Bruft nur
ı0& einmal am Tage, worauf man fie ſehr bald ganz
mtzieben kann. manden Fällen ift freilich ein
beihleunigterer Modus der E. nicht zu umgehen.
‚ in der Runft die erſte zeichnerifche
sder bildneriſche Darftellung eines Gedantend. In
ibm ftellt aljo unmittelbar das vom Künitler
peiftig Erſchaute im vorläufigen Bilde dar, während
Me Stizze nur eine flüchtige vorbereitende Dar:
tellung des geiftig noch nicht fertigen Gedanlens oder
eines erſchauten Öegenftandes ift. Inder Baukunſt
nennt man €, die in allen Teilen wohl durchdachte
und dem fpätern Bau zu Grunde zu legende Dar:
kellung eines Gebäudes in verjüngtem Maßjtabe.
Der E. wird auf Grund der dem Bauberrn vorgeleg:
ten und mit ibm burdberatenen Skizzen in En
er a ife im Grundriß für alle Stod:
werte, Anfihten und Schnitte derart durchgear—⸗
beitet, daß nad ihm alsbald die ——
und Koſtenanſchläge gemacht werben können. Die
efamte Anlage, das Berbältnid der einzelnen
Räume — die Geſtaltung der Façaden, der
ebenanlagen (Aborte, Kuchen, Waſſer⸗
) beruben alſo auf der richtigen, umſich⸗
tigen und kunſtvollen Durhbildung des €. Die
Roften eines ſolchen €. für die Bauherren werben
nad einer vom Berband Deuter Arditelten und
Ingenieurvereine aufgeftellten und jest faft allge:
mein anerltannten Norm berechnet.
Auch in litterariſcher Hinfiht fpriht man
von einem E. Man meint damit einerfeitö die erſte
jchriftliche Skizze einer wiſſenſchaftlichen oder belle:
triſtiſchen Arbeit, in der nur die Dispofition des
Ganzen und ber wefentlihe Inhalt aller einzelnen
Zeile kurz angegeben ift. So enthält der E. eines
Dramas in der Hauptfahe nur dad Scenarium,
d. b. die ı ing in Alte und Scenen mit Ans
der in den einzelnen Scenen auftretenden Ber:
onen und Andeutung des Inhalts ihrer Geipräce.
Andererjeit verfteht man unter E. auch folde Ar:
beiten, die zwar in allen ihren Zeilen ſchon auss
u A * —— ed als anzus
‚ u ihrer endgültigen Geſtaltung
nad Gehaden no, wejentlihe Ünderungen vor:
bebalten find. diejem Sinne ſpricht man befon-
ders von dem ©, eines Schriftjtüds (Konzepts),
eines es (ſ. Gejegentwurf) oder Geſetzbuchs.
Entz un
Eutzi
Döfe,
göfur, ſ. Hungerkur.
uuen, Berjabren, um von Weißblech⸗
abjällen das Zinn wiederzugewinnen. Die Abfälle
werden bei höherer Temperatur mit verbünntem
Eblorgas bebanbelt, das ſich mit dem Zinn zu Zinn:
&loriddämpfen verbindet, welche abgejaugt und auf
verſchiedene Weife londenfiert werden.
Entzündung, die Einleitung einer Verbren⸗
.d.) dadurch, daß der betrefiende Körper
bigen auf eine bejtimmte Temperatur, die
Entjündungdtemperatur, gebracht wird. Un:
ter Umſtänden kann auch Selbitentzündung (f. d.)
rn (Inf a TERREUE
Entz u ammatio, ogosis), eine
mit ontbaften, a en aus den Blut:
gefäßen verbundene drtlihe Gemwebäftörung, an
die ich im meitern Berlaufe gewöhnlich eine re
generative Gewebswucherung anſchließt. Faſt alle
Kanbeiten verlaufen unter dem Bilde oder doch
in Begleitung einer E. Wenn fomit die E. einen
Brsdbaus’ Konverfationss2eriton.. 14. Aufl. R. u. VI.
65
der im täglichen Leben häufig beobadhteten, dem
Laien wie dem Arzt * gleich geläufigen Vor:
gang bildet, fo ift ihr Verlauf im einzelnen doch fo
verwidelt und je nad der Urſache und Ortlichleit
o verichieden, daß in der mediz. Litteratur der Vor⸗
lag auftaudhte, den Begriff der E. ald unwiſſen⸗
—— anz fallen zu laſſen.
Die 8 chon in der antiken Medizin eine
Rolle; der röm. Arzt —* der um Chriſti Geburt
lebte, lehrte ald Kardinalſymptome der E, die Röte,
Hiße, Schwellung (rubor, calor, tumor) de3 entzun⸗
beten Teils, Galen fügte noch den Schmerz und die
Gebraubsihädigung (dolor, functio laesa) hinzu.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. m. der
wiſſenſchaftliche Ausbau der Lehre von der E. der
fib an die berühmteften mediz. Namen antnüpit
—— ——— u. a.) und jahrelang mit Auf:
ietung aller Kräfte und teilmeife unter leidenſchaft⸗
liben Barteiungen durchgeführt wurde. Heute be
fteht eine Art refignierten Friedens in der Littera-
tur über die €.
Als wejentlihfte Merkmale der E. müſſen wir,
enau wie Galenus vor ungefähr 2000 Jahren, die
nf Zeichen: Nöte, Hitze, Schwellung, Schmerz und
nttionsftörung aud jet noch anerkennen, unter
mftänden auch Citerung, Grgüffe in Rörperhöhlen,
Abjterben von Gemwebsteilen 2. und eine all:
—— Zurüdhaltung der Ab onderungen (Durft,
xodenbeit der Haut, fparjamer dunkler Harn
u.dol.). Jede €, beginnt mit einer Kongeſtion,
d. b. mit Blutüberfüllung, und führt im weitern
Verlauf zu einer drtlihen Ernä —— der
Gewebe mit dem Charalter des beſchleunigten und
geſteigerten Stoffwechſels. Eben die Kongeſtion in
den Haargefäßen läßt den entzundeten Teil, z. B.
die Haut, röter und wärmer erſcheinen als die
Nacbarſchaft.
Die feinern Borgänge bei der E., wie man
fie mit Hilfe des Mikroſtops an der lebenden Froſch⸗
ſchwimmhaut oder dem Fledermausflugel beobach⸗
ten kann, beſtehen namentlich in örtlihen Störungen
der Blutcirkulation: die Gefäße erweitern fich, der in
ihnen rollende Blutjtrom verlan im fih nad an⸗
fänglicher Beihleunigung, um io ießlich ganz ſtille
zu ſtehen (Stalis); dem Stillſtand gebt ein pendelarti⸗
es Hin und Herſchwanlen der Eirkulation voraus.
FBahrend diefer Störungen ift in dem Blute felber
eine eigentümliche Veränderung vorgegangen, in⸗
dem nämlich die farblofen (jog. weißen) Blutlörper:
in die Randzone der Gefäße (namentlich der
enen) getreten find und dort langjamer fortbemwegt
werben, während bie farbigen (roten) Blutkörperchen
in der Mitte des Gefähes bleiben und dort raſch
dahin wirbeln. An dieſe Eriheinung ſchließt fib
eine weitere an, indem aus den Gefäßen zuerft
Slüffigteit vom Blute in die Gewebe übertritt, bald
aber aud ſich die farblofen Blutkörperchen durch
die Gefäßwand hindurchwinden und auswandern;
in den hochgradigen E. folgen auch noch rote Blut:
förperhen nah. Im umgebenden Gewebe bleibt
das jo ausgeſchwitzie Material (Erfudat) teils flüſſig
(feröje E.), teils gerinnt es (fibrindje E.), teils
jtirbt eö mitfamt dem Gewebe ab ER RR e
E.); jest ihm das Gewebe vermöge jeiner Dichtheit
Miderftand entgegen, fo bildet es Blajen (3. B.
Brandblajen der Haut), ift eine Körperböble benach⸗
bart, jo kann fi dort Exſudat in großen Mengen
anfammeln, in der Schädelhöhle mehrere Eplöftel,
in dem Bruſt⸗ oder Bauchraum mebrere Liter; über»
5
66
wiegen die weißen Blutkörperchen über die Flüffıg-
keit, fo ift ein eiteriges Erfudat, ein Abſceß, ge
geben, die E. führt zur VBereiterung.
Die Rüdbildung der E. erfolgt nad Aufbören
des fie veranlaffenden Reizes meilt raſch. In den
leichteſten Fällen verengern ſich die Gefäße wieder,
und die Randitellung und Auswanderung ber farb»
lojen Zellen hört auf, Meift tritt aber, und zwar
fhon innerhalb der erften 24 Stunden, eine Buche:
rung ber Gewebszellen im entzündeten Gebiete noch
pindu bie bei längerer Dauer zu Geweböneubildung
brt; die auf Wundflächen erfcheinenden Seiler
wärzchen, auch das fog. wilde Fleiſch, find aus fol-
hen Gewebsneubildungen bervorgegangen. Wenn
die —— einen durch Gewebsdegeneration
entſtandenen Defelt ausgefüllt haben, jo ſchrum⸗
pfen fie wieder und werben mit der Zeit feſt und
gefäßarm, dann nennen wir fie Narben; oder, wenn
diefe Neubildungen zwei vorher getrennte Gewebe
verbinden, fo fpriht man von Adhäſionen, Ver:
wachſungen. Die Schrumpfungstendenz folder Nar⸗
ben und Apbäfionen iſt recht läftig; fie entitellen das
Gefiht, firieren den Bruftlorb , daß er ſchlecht
atmet, verurfachen bei Frauenkrankheiten lebhafte
Schmerzen, verlegen gelegentlih die natürlichen
Kanäle oder Öffnungen des Körperd, mindern die
Glaftichtät der Haut, jo daß fie immer wieder
aufreißt (3. B. nah PVernarbung großer Branb:
munden).
Der wifjenihaftliche Streit in der Entzündungs:
lehre drebt fi namentlih um den Eharafter, ber
Erjubatzellen. Cohnheim, Ziegler und die meiften
andern * es find ausgewanderte Blutlörper⸗
chen, andere, wie Stricker, ſagen, es ſind außer den
erſtern auch an Ort und Stelle entſtandene Ablömm-
linge der Gewebäzellen, wieder andere nehmen einen
vermittelnden Standpunft ein. Weſentlich wichti⸗
ger als diefer Streit ift die Fyrage nad) der Urfache
bes vermehrten Durchtrittö der weißen Blutlörper:
hen. Mit Aufbietung aller methodiſchen Feinbeit
bat man bier —* daß die Kittſubſtanz zwi⸗
ſchen den einzelnen Gefäßzellen, alſo die Fugen der
Gefaäßwand, etwas gröber werben und ſich nad)
Durdtritt des farblojen Blutkörperchens nod eine
Meile offen balten, fo daß rote Blutkörperchen durch
die entjtandenen Süden folgen können.
As Urfahen der E wirlen mechan. Ber:
legungen, fremde Körper in oder an denfelben, Hitze
und Kälte, hem. und eleltriſche Reize. Wohl die
bäufigite Urfade der E. find die Mikroorganismen,
und unfere Infektionskranlheiten bilden geradezu
Mufterbeifpiele von E. Beim Scharlach entzündet
fib unter anderm die Haut, bei Influenza die
Brondien, bei Diphtherie der Rachen und fehl:
to ‚ bei Typhus und Ruhr der Darm, beim
Gelbfieber die Leber, bei der Genidjtarre das
Him u. f.w. Außer der Art des Reizes ift aber
aud eine gewiſſe Stärle erforderlich, damit E. ent:
ebe; die flüchtige Berührung eines heißen Eiſens
ewirlt eine Rötung der Haut, längere bewirkt
E., nod längere das Abſterben des betroffenen
Hautbezirks. Doch ift die Stärke des entzündung-
erregenden Reizes nicht abfolut, ſondern nad Ort:
lichkeit und Umjtänden verſchieden: fo erregt Ejfi
auf der Haut höchſtens ein leichtes Brennen, au
der Schleimhaut eine heftige E.; die kalte Winter:
luft wirft auf normale Luftwege nicht ſchädlich ein,
katarrhalifh affizierte reizt ſie zu beftigerer €.;
werben dem Menichen geringe Mengen von fpan.
Entzündungstemperatur — Entzündungswidrig
befommt er eine heftige Nierenentzündung, der
gel dagegen kann tagelang ungeſchädigt feine
ganze Nahrung aus fpan. Fliegen Beftreiten.
Die Wirkung der €. iſt in vielen Fällen un:
verfennbar und auch teleologiih als günftig zu
bezeichnen. infizierte yremdlörper werden ausge
ftoßen, afeptiiche entweder eingefponnen oder durch
die Erfudatzellen verbaut und ee Defelte
werben durch Narbengewebe ausgefüllt, tuberku⸗
en ber Zungen werden eingelapfelt,
alles infolge der E. Doc ſchießt der an jich zwed⸗
mäßige Borgang auch gelegentlich über das Ziel
binaus, wie bei den oben erwähnten Adhäſionen
ſchon angedeutet, oder ſchädigt auch direlt; fo ver:
laufen €. der Leber, der Nieren, des Hirns oft töd-
(ih. Es erfcheint das gleichſam wie ein Kompromiß
Baden der Zweckmäßigleit und der geſetzmäßigen
echanik der Natur.
Außer den bereit erwähnten Arten ber E.
unterjcheidet man noch alute und chroniſche,
d. h. kurz» und langbauernde, ferner parenchy—⸗
matdfe und interjtitielle, je nachdem fie mebr
das funktionierende Gewebe oder mehr das Stütz:
gewebe der Organe beteiligen; letztere find gut:
artiger, durch längere Dauer ſchädigen fie aber auch
das Organ felber. €, ver Schleimhäute nennt man
Katarrhe. Diemediz. Bezeihnungen für €, endigen
gemeinjam auf itis, und es bebeutet 3. B. Bronchi-
tis: €, der tiefern Quftwege, Enteritis: €. des
Darms, Nephritis: €, der Nieren, Meningitis: €,
des Hirns.
der E. muͤſſen fremde
(ie (3.8. ald Pflafter oder Salbe) einverleibt,
D
Bei der Bebanpdlun
Körper und Splitter ertrabiert, thermiſch und che:
miſch reizende Dlittel entfernt oder neutralifiert, ein:
gebrungene Bakterien durch Desinfektion getötet
werben. Um die Blutanſchoppun —— lon⸗
nen ſich Blutentziehungen (Aderlaß, futegel), ferner
volllommene Rube und zmedmäßige Lagerung des
entzündeten Teils, die örtliche Anwendung der Kälte
Eisbeutel), eine möglichft reizlofe Diät, gebörige
egulierung der Stublentleerung und bie Fern:
baltung —— pſychiſchen Aufregung nützlich er:
weiſen. Außerdem kommen zerteilende, erweichende,
auflöjende und —— befördernde Mittel in
Anwendung. Iſt Eiterung eingetreten, jo ift der
Eiter möglıhft frübzeitig durch Einftih oder Ein—
ſchnitt mit dem Meſſer zu entfernen; aub vor nad:
mweisbarer Eiterung wirft ein Einfchnitt manchmal
weanins und actuilsenn. Bei chroniſchen
. und Eiterungen ift der Kräftezuftand des Kran⸗
ten forgfalti u überwadhen und durch roborie:
rende Witte N Eier, Fleiſch, Milh, Schokolade,
Altobol) zu unterftügen. Iſt e8 im Verlaufe einer
€. zum Brand gelommen, jo muß man abwarten,
bis der u Zeil vom Körper abgeitoßen
wird. — Bol. außer den Zehrbüchern der allgemeinen
— ——— und der allgemeinen Chirurgie noch
ohnheim, Vorleſungen über allgemeine Patho—
logie, Bd. 1 (2. Aufl., Berl. 1882); Leber, Die Ent:
ftehbung der €, und die Wirkung der entzündbung:
erregenden Schäpdlichkeiten (2p3.1891); Grawitz, Über
die jhlummernden Zellen des Bindegewebes u. ſ. w.
(in «Birhoms Arhiv», Bd. 127, 1891); Ziegler,
Artikel Entzündung in Eulenburgs «Realencyllo:
päbdie der geſamten Heilkunde⸗, Bd. 7 (Mien 1895).
Entzündungdtemperatur, ſ. Entzündung.
— —————————
Mittel, ſ. Antiphlogiſti 6 und Entzündung.
Enuffeation — Enzersdorf
Enufleation (lat.), die Trennung eines Glie:
des aus dem Gelenke durch Eröffnung und Durch⸗
5 der Gelenfbänder, ohne den Knochen zu
ur en.
Euumerieren (lat.), aufzäblen, berzäblen, be:
rechnen; davon das Eubftantiv Enumeration.
Enuneciation (Enuntiation, lat.), Ausſage,
Sas, Ausdrudameije, Belanntmadhung, Erklärung,
Ausiprade: enunciativ, ausjagend, erflärend;
Enunciätum, Ausſpruch, Rechtsſpruch.
Enurefid (grch.) unwillkürliches Harn:
lajfen (Incontinentia urinae), Krankheit, die darin
beitebt, daß der Harn entweder fortwährend, meijt
tropfenmweije (Harnträufeln) —— wird,
wie dies bei Blajenlähmung, Blaen ein u. f. w.
verfommt, oder nur zu gewiſſen Zeiten, nament:
lih des Nachts bei Kindern (fog. nächtliches
Bettnäfien oder Bettpiſſen, Enuresis noc-
turna). Meiſt handelt es ſich in dem letztern Falle
um eine eigentümlihe Störung der findungss
äbigfeit der Blaſe für den Harnreiz, jo daß der
tere im Schlafe entweder gar nicht zum Bemußt:
fein gelangt oder nur eine dunlle, ven Schlaf nicht
unterbrebende Traumvoritellung erregt. Strafen
und Beihämungen ermeijen ſich gegen dieſes Lei:
den, welches —— in den Jahren der Ge—
ſchlechtsentwicllung von ſelbſt verſchwindet, in der
Re gar erfolglos dagegen foll man den be:
treffenden Kindern während ber Abenditunden Ge:
tränte und flüffige Nahrung entziehen, joll fie wäb:
rend der Nadt ein: oder mebrmals weden, um fie
an eine regelmäßige —— zu gewöhnen,
ſowie für geregelte ee lentleerung
jorgen. Günitig wirkt Schlafen auf_barter Ma:
trage, Bededung mit leichter Dede, Hochlagerung
des Bedens Doc untergelegte Kiffen u. |. m. Bis:
mweilen zeigen fih aud Atropin, China: und Eifen:
äparate, kalte Douchen und Seebäber jomwie die
nwendung ber Gleltricität und die fünftlihe Deh⸗
nung des Blaſenhalſes nüglib. — Bol. Ulsmann,
tiber Neuropatbien des männlihen Harn: und Ge
ſchlechtsapparates (Wien 1879); Brud, Die nächt⸗
liche Enureje und deren Behandlung (Lpz. 1900).
Enütwetof, Inſelgruppe, f. Bromninjeln.
Enveloppe (fr;., jpr. angw’löpp), Hülle, Um:
lag, Briefcouvert; auch eine Art Damenmantel.—
der Befeſtigungskunſt ift E. (Mantel) ein
Senwerl, das den Hauptwall einer Feftung ganz
oder teilmeife umgiebt und aus einer völlig zujam:
menbängenden Ummwallung befteht oder ſich dadurch
bildet, daß Raveline, Kontergarden und Eouvre:
facen miteinander in Verbindung gebracht find. an
ältern arm findet man die E. häufig,
namentlich bei Coehoorn, dem jüngern Landsberg
in ber un herr Befeftigungdmanier und bei
Montalembert; jelbjt in neuern — Be⸗
feſtigungen aus ber Zeit der glatten Geſchutze lom⸗
men fie noch vor. — In der Mathematik jind E.
foviel wie Einbüllende Kurven (f. d.).
Enveloppieren (frj., ipr. angw’l-), einhüllen,
eimwideln; in Händel verwideln. j
Envers (fr;., jpr. angmwäbr), die linfe, unrechte
Seite von Zeug. j
Environ ( — ſpr. angwiroͤng), ungefähr, etwa;
Environs, die umliegende Gegend ——
En vogue (frz., Ipr. an mohg), im Anjeben,
im Rufe, in Aufnahme, im Öange, im Schwange.
Envoi (fr;., ſpr. angmöd), Sendung, Gejandt:
(daft; Envoye@ * angmöäjeh), Geſandter (zwei:
(391,63 qkm, 14039
67
ten Ranges); rl extraordinaire (fpr. -näbr),
ſ. Bevollmächtigter Minifter.
Enyalios, ein Beiname des Ares; ſpäter wurde
€. als Name für deſſen Sohn gebraudt.
Enyed, Nagy: (jpr.nabdjennjebd) oder Groß⸗
Enyed, deutih Straßburg, rumän. Ajubu,
Stabt mit geordnetem Magiftrat im Unterweißen:
burger Komitat in Siebenbürgen, in 270m Höhe,
reht3 an der Maros und an der Linie Klaujen:
burg⸗Kronſtadt⸗Predeal der Ungar. Staat2bahnen,
Siß der Komitatäbehörden, hat (1900) 7494 meijt
reform, yar, E., Sparlafje, eine bejuchte, vom
Fi ten Gabriel Bethlen 1622 geitiftete, reformierte
theol. Lehranſtalt (Lyceum), an welcher Opiß lehrte,
Dbergymnafium und Lehrerfeminar. Die Stadt
bat 4 Kirchen der verſchiedenen a ftl. Ronfeffionen,
ein Minoritentlofter, Winzerfchule, große —
kaſerne, Strafanſtalt und ſchöne Promenade. In
der — wird viel Wein gebaut.
Euij 0; Groß: Gemeinde und Hauptort des
Stuhlbezirtd E. (28696 €.) im ungar. Komitat
Veſzprim, öftlih vom Plattenjee, an der Linie Raab:
Ujdombopär der Ungar. Staatäbahnen, hat (1900)
3634 magyar. E. und Sparkaſſe.
End, in Ber prieh. thologie eine Schlachten:
öttin, die Begleiterin deö Ares; au eine der
raien (f. d.). [der Wiederfäuer.
Enyftron (ah) ber vierte Magen (Qabmagen)
Enz, linter Nebenfluß deö Nedars in Württem:
berg, entjteht im Schwarzwalbe auf der Hochfläche
öftlih vom are aus verſchiedenen Bächen,
von denen die 9 E. (aus dem Enzbrunnen)
und der Poppelbach (aus dem Poppelſee, 764 m)
bie wichtigern find, Die vereinigte E. fie t in einem
tief eingejchnittenen wilden Thale an Wildbad vor:
über, verläßt bei Pforzheim in 253 m Höhe den
Schwarzwald und empfängt von Süden die Nagold
( b.). Sn dem untern obftreihen Thal beträgt das
efälle nur ein Zehntel von dem des Dberlaufs bis
Wildbad. Rechts nimmt fie noch die Glems auf,
fließt über —— unter dem fhönen Viaduli
von Bietigheim hindurch und mündet in 175 m Höbe,
faft ebenfo groß wie der Nedar, nad) einem Laufevon
112 km bei Befigheim. Sie ift nicht ſchiffbar, wird
aber ftark zur Holzflößerei gebraudt und ift fehr
reih an Siöhen, namentlid an Forellen.
Enza, rechter Nebenfluß des Po im ital. Com:
partimento Emilia, entſpringt an der Alpe di Suc:
ciſo (2017 m) im Apennin, fließt nah NND,., trennt
die Provinzen Reggio und Parma und mündet
nad 112 km ea der Barma bei Breicello.
Enzbahn, württemb. Staatsbabn, von Pforz:
beim nach Wildbad (23 km, 1868 eröffnet), mit einer
neuen Brüde über die Enz bei Höfen.
Enzeler, Liqueur, ſ. Enzian.
Enzeli oder Enfeli, Hafen von Reidt (ſ. d.).
Enzerddorf. 1) E. oder Groß-Enzersdorf,
Stadt in der öſterr. Bezixlshauptmannſchaft Flo:
ridsdorf in —— 11 km nordöſtlich von
Wien, auf dem linfen Ufer der Donau, der Inſel
Lobau gegenüber, mit Dampfitraßenbahn nad
Wien (20,38 km), if Eis eines Bezirksgerichts
€.), hat (1900) 2103 E., in Gar:
nifon 2 Esladrons des 8. Ulanenregiments, Mauern
und Thore, eine ſchöne got Kirche; wichtige Getreide:
märkte, Ein Teil von E. wurde 1905 mit Wien ver:
einigt. Der Sitz der Bezirlshauptmannſchaft Groß:
Enzersdorf wurde im Ian. 1897 nad Floridsdorf
verlegt. Der Ort war ein wichtiger Punkt in den
5*
68
Schlachten von Aspern und von Wagram (1809). —
2) E. am Gebirge, aub Maria-Enzersporf,
Dorf in der öfterr. Bezirtshauptmannschaft und dem
Gerichtsbezirt Mödling in Niederöfterreih, an ver
Linie Wien: Trieft (Station Brunn: Maria: €.) der
Shen Südbahn und an der Dampfitraßenbahn
öbling:Hieking, bat (1900) 2675 E., Franzis:
— 1454 vom Grafen Ulrich von Cilly ge:
ftiftet; Weinbau und Felbwirtichaft uud wird ala
Sommerfrifche viel befucht (Station Brunn kb) am
Gebirge). Die jegt erneuerte Feſte €. (12. Jabrh.)
bat von dem Geſchlecht, dem fie einft —* und in
deſſen Befik fie ſeit Beginn des 19. Sahr . wieder ift,
den Namen EBEN erhalten und liegt dem
neuen Schloß Liechtenftein gegenüber, Fig. 4.
Enzeth, j. Musa und Tafel: Blattpflanzen,
Enzheim, Dorf im Kanton Geispolzheim, Kreis
Erftein des Bezirks Unterelfaß, 12 km von Straf:
burg, an der Linie ge der Elſaß⸗
dr Eijenbabnen, bat (1900) 707 €., darunter 45
Ratholiten, Boft, Telegraph; Hopfen: und Tabal:
au. — Am 4. Dit. 1674 fand bei E. eine Schladt
der Kaiſerlichen (35000 Mann, 50 Geſchutze) unter | fi
Bournonville gegen die Franzoſen (24000 Mann,
24 Geihüße) unter Turenne ftatt, die bis zur Nacht
dauerte, aber unentſchieden blieb. Beide Gegner
ingen in der Nacht zurüd. Die Kaiferlichen ver:
oren 3000 Mann und 8 Gejhüße, die Franzoſen
angeblih 2500 Mann.
—— ‚ der deutſche Name der Pflanzengat—
tung Gentiana aus der Familie der Gentianaceen
(f. d.) mit gegen 200 faft über die ganze Erbe
verbreiteten Arten, vorzugsweiſe in den Hochaebir:
gen der nörbl. Halbkugel. E3 find kahle, der Mehr:
zahl nad ausdauernde Kräuter mit gegenftändigen,
unzerteilten, ganzrandigen Blättern, die oit in
arundftändine Rofetten zufammengedrängt erſchei⸗
nen, und meift großen, äbrigtraubig oder trug:
doldig angeorbneten, jelten einzeln ftebenven, ge:
wöhnlich blau oder violett, felten rot oder gelb, oft
jehr prächtig gefärbten Blumen. Yebtere haben
eine trichter-, gloden: oder keulenförmige Geftalt,
einen in vier oder fünf Zipfel zerjpaltenen Saum
und find bisweilen im Schlunde mit fleifhigen
Baier bejegt (bärtig). Aus dem Fruchtknoten ent:
tebt eine zweifächerige, vielfamige Kapſel. Mebrere
Enzian : Arten find offisinelle Pflanzen geworben;
insbefondere der gelbe, Gentiana lutea L. (f. Tafel:
Eontorten, Fig. 1), eine ftattlihe Gebirgäpflanze
mit großen, bläulic bedufteten, eiförmigen oder
elliptifhen Blättern und bis 1 m bobem Stengel,
der in feinen Blattwinfeln Büfchel großer, gold:
gelber, häufig rotpunltierter Blumen trägt. Diefe
ihöne Pflanze wächſt an fräuterreichen Stellen der
Alpen und anderer europ. Hochgebirge, wird aber all:
mäblich feltener, weil ihre diden, nolligen Wurzel:
jtöde als Heilmittel fehr gefucht find. Sie find, gleich
den Wurzeln von Gentiana pannonica Scop., Gen-
tiana purpurea L. und Gentiana punctata L., als
Gnzianmwurzel (Radix Gentianae) offizinell. Die
etrodnete Wurzel ift merfwürbig leiht und daran
owie an ihrem eigentümlic bittern Gefhmad von
äbnlihen Wurzeln zu unterfheiden. Man bedient
fih ihrer gegen Verbauungsftörungen, Magen:
frampf, Strofulofe, bei Blutarmen, Bleibfüchtigen
u. ſ. w., in Billenform, in Aufgüflen und Mirturen,
bereitet aus ihr durch Ausziehen mit Weingeift die
offizinelle, braunrote Enziantinktur (Tinctura
Gentianae) und durch Auszieben mit Waſſer und
Enzeth — Enzio
nachherigen Weingeiftzufaß das offizinelle, rot:
braune Enzianertraft (Extractum Gentianae)
und benußt fie bei der Heritellung der Tinctura
amara, = Ertratt zu Pomeranzenelirir (Hoffmann:
ſchem Magenelirir) und verſchiedenen en:
tropfen. Auch dient fie zur Bereitung aromatijcher
Liqueure (de Spanifchbittern, der Kräuterfchnäpfe,
des Enzianbranntweind, Enzelers ober
Enzigs der Alpenbewohner). Die Enzian
enthält Pektin, Br dejien Quellbarkeit ihre An:
wendung als Quellſonde (f. d.) berubt.
‚Die —*— Arten des E., der Mehrzahl nach
ni e, aber groß: und ſchoͤnblumige Berg: und
Alpenkräuter, gehören zu den größten Zierden der
Hochgebirgsregionen. Stebilden, gleich ven Brimeln,
einen io eutihen Beftandteil der Alpenvegetation.
Manche Arten find zu Sierpflangen geworben, 5.9.
die ftengellofe Gentiana acaulis Z. (f. Tafel: Alpen:
plessen. dig. 13) mit bis 6 cm langen, azur:
auen Blüten in der Mitte einer Blattrofette, bie
im Riefengebirge häufige Gentiana asclepiadea L.,
ftattlich, mit engen rauben großer, duntelblauer,
eltener weißer Trichterblumen u. a. m.
Enzig, Liqueur, |. Enzian. ,
Enzina, Juan del, jpan. Dichter, ſ. Encina.
Enzio (ital. für Heinz, Heinrich), König von
Sardinien, geb. 1224 als natürliher Sohn Kaiſer
—— II, durch Schönheit, Geiſt, Mut und Lie:
enswürdigleit ausgezeichnet, war neben feinem
wager Ezzelino (}. d.) des Kaiſers treuefter Hel:
er im Kampf gegen den Papſt und die geritten
tädte. Durch feinen Vater mit der Witwe des
Ubaldo Visconti von Piſa, Adelaſia, der Herrin
von Torre und Gallura, 1238 vermäblt, nabm er
den Titel «König von Torre und Gallura», fpäter
«von Sardinien» an; doch ließ ſich Adelafia 1244
durch Innocenz II. zur Scheidung von E. bewegen
und ging eine neue Ehe ein. Als ——
(1239) nahm er für ge mwäbrend defien Ab:
a
weſenheit in — ‚einen Teil des Kirchen:
ftaates dem tegor IX. ab. Er erwarb jib
noch größern Ruhm durd den Sieg bei der Inſel
Meloria 3. Mai 1241 über die Flotte Genuas, wo:
bei er drei päpftl. Zegaten, über 100 Erzbijchöfe und
Biſchofe gefangen nahm, infolgedeſſen das von
edrich II. verbotene Konzil in Rom nicht ſtatt⸗
nden konnte. Seit 1245 fämpfte er dann an der
Seite Ezzelinos namentlich ggegen Mailand und
Parma, 30g darauf aus der Romagna zum Schuß
des bedrohten Modena gegen die Bolognefen, denen
er jedoch im Gefecht beim Bad) Foſſalta 26. Mai
22 A die * F —* 7 itten ns die
en Friebrihs erwirkten feine Freilafjung
bei der Burgerſchaft von Bologna, die have wo⸗
ren hatte, E. nicht herauszugeben; doch wurde ſeine
anfangs harte efangenfcait allmäblic gemilder;
Gefellk aft, Dichtkunft und jelbjt die Liebe (von
einem Bund E.s mit Lucia Viadagola leitet ſich die
Familie Bentivoglio her) erbeiterten feine Haft. Da:
egen wurde ein Glubtwerue, den nad Konradins
—* E.s Freund Aſinelli 1269 vorbereitet hatte, ver:
eitelt. E. jtarb 14. März 1272 nad 23jäbriger
Gefangenihaft. Sein 0 wurde mit fönigl.
Pracht in der Dominikanerfirhe zu Bologna bei:
ejest. E.s Geſchick legte Raupad einem Trauer:
Ic «König E.» zu Grunde, A. Dulk einer von
bert fomponierten Oper. — Val. Köler, Com-
mentatio historiae de Entio sive Henrico, rege
Sardiniae (Gött. 1757); PBetrachi, Vita di Arrigo
Enzootie — Eos
üSvevia, r& di Sardegna (Ferrara 1750); Münd,
König Enzius (Ludwigsburg 1827); Schirrmacher,
Die legten Hobenftaufen (Gött. 1871); Großmann,
Konig €. (ebd. 1883); Blafius, König E., ein Bei:
trag zur G —
e (grch., d. i. Ortöfeuche), eine auf klei⸗
nere Bezirle oder auf gewiſſe Stallungen beſchränkte
Biehjeuche, im Gegenſatz zu der Epizootie (f. d.).
Als enzootijch bejeihnet man z. B. das Auf:
treten von brandfällen in gewifien Gegenden
en, das Auftreten von Rob oder
enſeuche auf einzelnen Geböften u. ſ. w.
Sushm, f. Fermente. j
E.0., Abtürjung von ex offcio (lat.), aus Pflicht,
von Amts wegen, amtlid. ;
Eobänus Hefind, neulat. Dichter, |. Heſſus.
Eobasileus, Sattung der Dinoceraten (ſ. d.).
Eocänu, die unterjte, ältejte Stufe der Tertiär:
formation ( d.). Es ltennzeichnet fih namentlich
durch die formenreihe Entfaltung der Säuge
tiere; fo find häufig die Refte von Anoplotherium
und Palaeotherium, zwei pflanzenfrefienden Huf
tieren. Die marinen Faunen ungemein formen:
reich, 3. B. im Barijer Beden. (S. die Tabellen der
geolog. Ener beim Artitel Leitfoffilien, und
die Tafel: Betrefalten der Kanozoiſchen
De mansne tuppe I, Fig. 1—15, beim
rtifel Känozoifce Formationsgruppe.) Zu beiden
Seiten de3 Mittelmeers ift das E. dur feinen
enormen Reihtum an Nummuliten AR d.) ausge⸗
zeichnet. Auch der größte Teil des Flyſches f d.)
tft eocänen Alters. age.
Eödem (lat., zu ergänzen a an demielben
Eohippus, foſſiles Säugetier, }. Hippotherium.
Bo ipso (lat.), eben dadurd, von Pet, ohne
Eona, Inſel, j. Jona, [weiteres,
Eon de Beaumont (jpr. eöng dE bomöng),
Ebarles Genevitve Louis Augufte Andre Thimo:
tbee d’, betannt ala Chevalier d’Eon, geheimer
Korreipondent Ludwigs XV., geb. 1728 zu Ton:
nerre in Bourgogne, ftubierte die Rechte, wurde
Advolat und madte ſich durch einige polit. Schrif:
ten dem Prinzen von Eonti belannt, auf deſſen
Enipfeblung er von Ludwig XV. 1755 eine Mifjion
an den ruf). Hof erhielt. In viermaliger Sendung,
anfangs verkleidet, gewann er die Gun
ber a Sa ifabeth, leitete —— den ge⸗
beimen Briefwechſel derſelben mit Ludwig XV. und
wirfte erfolgreich, jpäter als Geſandtſchaftsſekretär,
in defien Sinne. Nah der Rüdtehr nah Frank⸗
rei 1760 betrat er en nicht ohne Auszeich⸗
nung bie kriegeriſche ſbahn und folgte dann
dem Herzog von Nivernais (ſ. Nevers) ald Ge:
fanbtj bontsietretär nad 2ondon. Hier fpielte er
ala gebeimer Agent diefelbe Rolle wie in —5
burg und führte einen geheimen Briefwechſel mit
Ludwig XV., der ſich neben feiner offiziellen diplo⸗
mat. Bertretung eine zweite, geheime, ganz perjön:
lie eingerichtet hatte. Als Nivernais nad Frank⸗
reih zurüdging, blieb E. als Reſident in London
und wurde jpäter zum bevollmädtigten Minijter
ernannt. Durch eine Hofintrigue geftürzt, von dem
Könige mit ſcheinbarer Ungnade entlajjen, führte
er do die geheimen Korreipondenzen desjelben
e
meiter. Auf Beieht Ludwigs XV. hatte er durch | f
Anl weiblicher Kleider jein Geſchlecht zweifel⸗
KR Reden müfjen. Nad Ludwigs Tode wurde er
abberufen, einmal in Berjailles vorgelaben, dann
auf Jahre in die Provinz verwiejen; wieder zog er
69
ich von da nad London prüd: dieRevolutionnahm
eine Dienite, die er anbot, nicht an, er wurbe als
igrant behandelt und farb 1810 in bürftiger
Lage in London. E.s e erſchienen u. d. T.
«Loisirs du Chevalier d’E.» (13 Bde., Amſterd.
1775). Die von Gaillardet herausgegebenen «Me-
moires» (2 Bbe., Par. 1836), die jeinen Namen
tragen, find unecht. — Vgl. Boutaric, Correspon-
dance secröte de Louis XV sur la litique
etrangtre (2 Bde., Par. 1866); Homberg und
Souflelin, Le chevalier d’Eon (Bar. 1904).
Eophön, |. Bd. 17.
03, bei den Römern Aurora genannt, bie
Göttin der Morgenröte, war eine Tochter des
Sonnengotted Hyperion und der Theia, Schweiter
des Helios und der Selene, wirb aber yes auch
als Tochter, des Helios und der Nacht bezeichnet.
Bei Homer ift fie die Gemahlin des Tithonos (f. d.);
beider Söhne find Memnon (} d.) und Emathion
(f. d.). An jevem Morgen erhebt ſich E., die Göttin
mit den rofigen Fingern (Rhododaltylos bei Homer),
vom Lager des Tithonos und fährt mit ihren Rofjen
Lampos und —DE aus der Tiefe des Meers
auf, um den Menſchen das Licht zu bringen.
enſo wie einſt den Tithonos, entführte ſie ſpäter
den ſchönen Jäger Drion (f. d.), den Vertreter des
beim Erſcheinen der Morgenröte verſchwindenden
Sternbildes. Eine ähnlihe Verbindung mit le
pbalos (f. d.) en Hefiod, der aber Aſtraios
\ d.), den — achthimmel, als ihren Gatten
ezeichnet. Dieſem gebiert ſie die ſich am Morgen
ee Winde Argeites, Zephyros, Boreas und
Notos ſowie den Hesperos und die Geftirne, mas
offenbar auf jüngerer Abjtraftion er — Auf
Bildwerken — E. meiſt als jugendliche, voll⸗
belleidete Frau mit großen Flügeln, raſch aus:
ichreitend und einen Süngling auf den Armen tra⸗
gend, unter dem bald Tithonos, Drion, Kleitos,
epbalos, bald ihr toter Sohn Memnon zu ver:
ftehen ift._ Später lommt fie aud in gelbem Ge:
wande ar einem Magen mit geflügelten Rofjen
aus dem Meer auffteigend vor, und zumeilen ift fie
durd die über ihrem Haupt chwebende Sonnen⸗
ibe oder durch einen Nimbus gelennzeichnet.
Einigemal tragt ſie auch als Tau ſpendende Goͤttin
Krüge in den Händen (ſ. vorſtehende Abbildung).
Berühmt ift das Freslogemälde von Guido Reni
im Palaſt Rofpigliofi zu Rom (Aurora vor dem
70
Magen des Sonnengotte3 Blumen ftreuend; ſ.
Tafel: Stalienifhe Kunft VIII, Fig. 1) und das
von Guercino in der Billa Ludoviſi dafelbft. — €.
beißt aud der 221. Planetoid.
fander, Johann Friedrich Freiherr von, Bau:
meijter, * eines Generals Nils E. in Riga,
erbte das Adelsdiplom von Göthe von einem
Verwandten, kam 1692 nad Berlin an ben fur:
brandenb. Hof, wurde 1699, nachdem er in bes
Ku en Auftrag Stalien und Frankreich berei
batte, Hofarditelt und Hauptmann, 1702 General:
quartiermeifter und Baudireltor, 1705 Oberft. In⸗
folge der Beſchränkung der Hofhaltung beim Re:
gierungsantrett Friedrich Wilhelms L trat er 1714
ala Generalmajor in ſchwed. Dienfte über. Nach—
dem er bei der Belagerung von Stralfund von den
Preußen gefangen, bald aber wieder freigelafien
worden war, ging er nad Frankfurt a. M., ruinierte
durch aldimiit. Berfuhe das mweitbelannte Bud:
bändlerhaus Merian, aus dem er eine Tochter gehei⸗
ratet hatte, trat dann 1723 in die Dienfte Auguſts
de3 Starten von Sachſen und Polen und ftarb 1729
in Dresden. Als Architelt war E. der Nebenbubler
und Gegner Schlüter, als jchulgerecht gebilbeter
Künftler gegenüber dem Vertreter üppigen Barod:
ſtils. Er baute Schloß Schönhaujen bei Berlin
1704), am Schlofje Dranienburg (17069) zwei
fügelbauten, das Drangeriehaus und den Garten:
pavillon Favorite, gab dem Eharlottenburger Schloß
jeit 1706 feine jegige Geftalt und trat nah Schlü—
ter8 Sturz in deſſen Stelle ald Schloßbaubdireftor.
Bas im Schloſſe jein Werk ift, ift ftreitig. Sicher
ugeſchrieben wird ihm das große Triumphthor
Bortal II), eine Nachbildung des Konſtantinbogens
in Rom, und die Weftfagade, und nad den alten
Blänen die Berlängerungen der Flügel am Schloß:
yiabe und Lujtgarten. Bei Dresven baute E. Schloß
bigau. Er gab in Frankfurt a. M. heraus: «Die
Kriegsübung oder ber deutſche Soldat» (1. TL.).
Eofin, ein practvoll roter, zum Färben von
Seide und Wolle dienender Jarbito Es iſt Tetra:
bromfluorescein, C,, H, Br,O, (j. Fluoresceĩn). In
der Färberei wird vorzugsweiſe ein ſog. majler:
löglihes E. angewendet, welches das Kalium:
ſalz des — iſchen Tetrabromfluoresceĩns ift:
oH,K,Br,0,-6H,0. Man erhält das E., indem
man eine Söfung von 1 Teil luorescein in 4 Tei⸗
len Ciöeifig mit einer Löfung von 2 Teilen Brom
in 10 Zeilen ———— wobei es I nad
einigem Steben in g oten Kryſtallen abſcheidet.
Das waſſerlosliche E. entſteht, indem die Kryſtalle
mit einer zur Loſung derſelben unzureichenden enge
von Kalihydrat erwärmt werden. Das Kaliumſalz
ift ungemein leicht loslich, die konzentrierte waͤſſe⸗
rige Löfung ift dunkel gelbrot, auf Zuſaß von viel
aſſer wird die Flüffigkeit rotgelb mit grüngelber
Bergen! Die Löfung färbt Wolle und Seide
eiht und liefert ſchön rofafarbene Nuancen mit
gelblihem Stich. Es wird hauptfählic zum Färben
von Papieren und zum Heritellen von Laden, in der
Mitroflopiihen Technil (f. d., Bd. 17) zur Färbung
von Präparaten benutzt. Aihyl- und Metbylätber
des E. beißen Erythrin und Spriteofin (oder
Primerofe). Erfterer hat einen bläulichen Stich.
Eofinophil (arch.), ſich leicht mit Eofin färbend;
eofinopbile Zellen, gemwifle Arten der weißen
Eoſiuſcharlach, |. Ecarlate. Blutkorperchen.
Eötvös (ſpr. öttwöſch), Joſ., Baron, ungar.
Schriftſteller und Staatsmann, geb. 3. Sept. 1813
Eofander — Eötvös (Joſ., Baron)
in Ofen, ftudierte in Peſt Philofophie und Juris:
prubenz und trat, nachdem er 1833 die Advolaten-
prüfung beftanden, in bie amtliche Laufbahn, die
er aber bald verließ, um ſich ausschließlich der Lit-
teratur zu widmen. Seit 1830 fchon veröffentlichte
er mehrere, namentlich bie Luſtſpiele «Kritikusok»
Ko Kritifer») und «Häzasulök» («Die Heirats⸗
uftigen») und die Tragödie «Boszü» («Rache»), die
graben eifall fanden. Nach der Nüdlehr von einer
eije durch Deutſchland, Frankreich, England, die
Schweiz und bie Niederlande erſchien feine Schrift
«Velemeny a foghäzjavitäs ügy&ben» («Gutachten
über —* nisreform», Peſt 1842; deutſch, ebd.
1842), die eine ganze Litteratur hervorrief und den
Anftoß zu 2* en Reformen auf dieſem Ge-
biete in Ungarn gab. Bald folgte fein Roman «Kar-
thausi» («Der fartäufer», Beft 1842; deutſch, 8. Aufl.,
2 Bbe., Wien 1890), der wiederholte Auflagen er:
lebte und eins der beiten Produkte der ungar. Litte⸗
ratur ift. Die Regfamteit, die feit Koſſüths Auf:
treten in der Journaliftif entftand, zog auch E. an,
und feine in dem Koſſuth-Szechenyiſchen Kampfe
gegen Szechenyi veröffentlichte Schrift: «Kelet
n£pe €s a Pesti Hirlap» (Peft el) übertraf durch
Klarheit und gewandte Dialektik jelbft die Koſſuths.
ALS die Liberalen ſich fpäter (1844) in Municipa-
liften und Eentraliften fpalteten, wurde E. einer der
beredteften Wortfübhrer der legtern. Um diefe Zeit
dienen auch feine Romane: «A falu jegyzöje»
= er Dorfnotar», 3 Bde., Veit 1845; deutſch von
ailäth, 3. Aufl., 3 Boe., ebd. 1872; von Weil:
zn in Reclam « Univerfalbibliotbel»), der das
omitatsleben der Gegenwart, und «Magyarors
1514-ben» ——— im J. 1514», 3 Bde., ebd.
1847; deutſch von Dur u. d. T. «Der Bauernkrieg
in Ungarn», 3 Tle., ebd. 1850), der den Dösfafchen
Bauernaufftand von 1514 mit meifterhafter Treue
und Lebensfriſche ſchildert.
Nach der Märzrevolution von 1848 zum Kultus:
minijter ernannt, entſprach E. wubl den Anforde:
rungen feines Bortefeuille, aber nicht den ſtürmi⸗
ſchen Zeitverhältniffen. Er verließ nach der erfolg:
ten Auflöfung des Minifteriums Batthyänyi das
Land und ging nah München, wo er bis 1851
verblieb und ſich ausschließlich mit litterar. Stu:
dien befhäftigte. Die bedeutendſte Frudt der:
felben ijt: «Der Einfluß der berrjchenden Ideen
des 19. Jahrh. auf den Staat» (ungariſch, 2 Bde.,
Wien 1851; deutſch, 2 Bde. Lpz. ei n deut⸗
ſcher Sprade erfhien von ihm die «Gleichberechti—
gun der Nationalitäten in Öjfterreich» (2. Aufl.,
ien 1851). Biel Auffeben machte feine anonyme
Schrift: «Garantien der Macht und Einheit Öjter-
reichö» (Pp5.1859). E. der 1851 nad Ungarn zurüd:
Fr war, wurde 1856 zweiter Präfident der Un:
arijhen Alademie und erntete als ſolcher großen
Ruhm durch feine alademiſchen Feitreden, die 1868
—— erſchienen («Magyar irök és Allamfer-
iak», d. h. « Ungariſche Schriftjteller und Staats:
männer»). Auf dem kurzen Reichstag von 1861
war er Repräjentant der Stadt Dfen. Hierauf
mwibmete er fich wieder mehr der Bolitil. Er be:
ründete 1865 das «Politikai Hetilap» («Bolit.
Bochenblatt»). ALS Ungarn wieder ein eigenes,
dem ungar. Parlament verantwortlides Minifte:
rium befaß, wurde E. 18. Febr. 1867 zum Kultus:
und Unterrihtöminifter ernannt und entfaltete na-
mentlich im Unterribtöbepartement eine eifrige und
ſegensreiche Thätigleit. Ein unbeftreitbares Ber:
Eötvös (Karl von) — Epalten
vimft erwarb er ſich durch Einführung des Schul
wanges und burch die Erhebung der Vollsſchule
einem vom Konfeſſionalismus unabhängigen
Bemeind einjtitut. In allen polit. Sagen nahm €.
tine beruortagende Stellung im Minifterium wie
m Reihötage ein, wo er einer ber bedeutend»
ten Redner galt. 1866 wurde er zum Präfipenten
ver Ungarif Alademie gewählt. Er ftarb 2. Febr.
1871. Sein Dentmal (Brongefiatue von Ädolf
Dalcz) auf dem Edtvösplak in Budapeſt wurbe
5. Mai 1879 enthüllt. E. gehörte zu jenen ungar.
— Tu weientlih ta ber iberalen und ne
eit ich in i en und nas
tionalen Deals bewegte. Eine Geſamtaus⸗
gabe jeiner 'e tft im inen iffen. i
Sein Sohn Roland, Baron E., geb. 27. Juli
1848 in Budapeft, ftudierte in Königsberg und
Heidelberg Naturwiſſenſchaften, habilitierte ih 1871
als Docent an der Univerfität in Budapeft und
ibernabm 1875 den 2ebrftuhl für Erperimental-
phofik daſelbſt. Seine Forſchungen in betrefi der
Rapillarität und der Gravitation ſowie zahlreiche
in Fachblattern veröffentlichte Auffäge machten E.'
Ramen aud im Auslande befannt. Seit 1873 ift
E. torreipondierendes, feit 1883 ordentliches Mit-
ied und jeit 1898 Präfident der Ungarijchen
tabemie der Wiſſenſchaften. Auch ift E auf Les
ben3zeit ernanntes a. lied des ungar. Magnaten:
baufes. Im J. 1884 ahm er das Vortefeuille
far Kultus und Unterricht und erftrebte die Durch⸗
rübrung ber fi olit. Gejege ( Civilmatrilel, obli:
gatorijhe ECivi je, Reception der Juden); doch
ſchied er mit Welerle 1895 von feinem Boften und
übernahm wieder feine Profeſſur an der Univerfität
zu Bud 2
&Eötudß (ſpx.ottwoſch), Rarlvon, ungar. Staats⸗
mann und wert eb. 11. März 1842, war
Brofejjor der Philoſo die an der prot. Rechtsala⸗
demie zu Im Parlament jhloß er jih der
Deät-Barıei an und z0g ſich nach der Vereinigung
ver Deäliften mit dem unter Führung Roloman
Tiſzas ſtehenden linlen Gentrum in das Privatleben
zurüd. 1878 erſchien er wieder im Parlament, dies⸗
mal als Mitglied der Unabhängigleitspartei, die
das Ausgleihöwerl Deäts befehdet. In derfelben
Zeit ließ er fih in Budapeft ald Rechtsanwalt nie:
der und machte fi im ZiijasEizlärer Morbprozeb
als Berteidiger befannt. Er genießt den Ruf eines
ichlagfertigen Redners im t3faal wie im
Barlament. Neben polit, Artiteln jchreibt er au
Seuilletons und belletrijtiihe Sachen, von denen
eine Sammlung u. d. T. «Munkäi» (4 Bde., Budas
peſt 1901) erſchien.
Eozöõiſche Formation, |. Archäiſche Forma⸗
pe.
Es zõñ on rg «Morgenrötetier»), auch Eozoon
canadense, hat man durch eingeſchaltete Kalllagen
— ſch gebänderte Serpentinballen (alſo
eine Art Ophicalcit) genannt, die zuerſt von Logan
in den alliniſchen Kallſteinen der Urgneis⸗ oder
Laurentiſchen Formation Canadas, ſpäter auch
anderorts Baytiſcher Wald, Krumau und Raſpenau
in Bohmen, Finland, Schweden) gefunden und von
ihm und andern Naturforſchern fuͤr Reſte einer rie⸗
figen Foraminifere gehalten wurden, Der Name E.
follte darauf hindeuten, daß dieſes Foſſil eins der
eriten organij, en auf Erben daritellt. Der
erganifche Urjprung gilt jedoch durch Möbius (Der
Bau des Eozoon canadense, in den «Paläonto:
71
rapbica», Caſſ. 1878) als widerlegt. — Bol. no
er, Das Eozoon canadense (Spz. 1885).
o. p., Abkürzung auf Bifitenfarten für en per-
sonne (frz., d. b. perjönlidh). =
s Cav., Pflanzengattung aus der Familie
der fridaceen (ſ. d.) mit gegen 25 größtenteils
auftral. Arten, zierliche Sträuder mit meijt ſchma⸗
len und grünen Blättern und ährig oder traub
geordneten Blumen, die aus einem gefärbten fünf:
teiligen, von gleichfalls gefärbten Dedblättern ums
ebenen Kelche und einer röhrigen Blumentrone be;
eben. Zu den jhönften Arten gehören: E. grandi-
flora Smth., von der mehrere Spielarten rein weiße
(4.8. var. candidissima und hyacinthiflora alba),
— a und —— —5 ———
yacinthiflora rubra u. a.) beſißen; E. pungens
deren Blumen nad und nah aus Purpur in Beiß
übergeben; E. Colepandi, paludosa, impressa u. a.
Die Epatriden ftimmen im allgemeinen mit den füd:
afril. Ericaceen überein, find aber etwas bärterer
tur, fo daß fie in Südeuropa ſogar im Freien
unterhalten werben können. In Deutfchland da-
gegen müfjen fie gleich diefen in Topfen mit Heide:
erde in der Orangerie oder in einem eigens für fie
eingerichteten Glas hauſe unterhalten werden. Man
vermehrt fie aus Samen und dur Stedlinge.
Epagöge (grch.), Induktion (f. d.); epagogi⸗
ber Beweis, indultiver Bemeis.
—— (grch.) die fünf Ergänzungstage
am Schluſſe des äghpt. Jahres (ſ. Kalender).
Epakme (grch.) — Palaontologie.
Epafridaccen, Pflanzenfamilie aus der Ord⸗
nung ber Bicornen (f. Bicornis) mit gegen 300, meift
außertropifhsauftraliihen, auch neufeeländifhen
und neucaledonijhen Arten. Es find Sträucher
oder Heine Bäume mit Meinen, dicht ſtehenden,
häufig ſehr fhmalen, nabelartigen Blättern. Die
regelmäßigen zwitterigen Blüten fteben einzeln oder
in Ahren und Trauben und find gewöhnlich weiß
ober rot gefärbt, bejigen einen meijt fünfteiligen
Kelch, eine in der Regel gloden: oder röhrenför-
mige Blumentrone mit fünf Lappen, jünf Staub>
efäßen und einen oberitändigen, zwei: bis zehn:
äcerigen Fruchtkhnoten, auf dem ein fadenförmiger
Griffel auflist. Die te find bei mehren E.
Steinfrüchte mit fleifhiger Hülle, bei andern da⸗
gegen Rapfeln. Einige E, werden in Deutſchland
in ben Ralthäufern wegen ihrer fhönen Blüten und
zierlihen Blätter kultiviert. (S. Epacris.)
Epaͤkten (grch. d. i. binzugefügte, eingeſchaltete),
in ber —— diejenigen Zahlen, welche für
jedes Jahr das Alter des Mondes am Neujahrs:
tage ausbrüden, d. b. a wieviel Tage am
1. Jan, feit dem legten Neumond verflofien ae
Man nennt fie daher auh Mondzeiger. n
at aftronomifche und kirchliche €. zu unter:
cheiden. Die erftern geben genau an, wieviel Tage
im Anfange eines bejtimmten Jahres feit dem leg:
ten Neumonde wirklich vergangen find. Wenn z. B.
der legte Neumond eines Jahres in der Mitternacht
vom 26. en den 27. Dez. ftatthatte, jo find am
1. Jan. des folgenden 9 fünf volle Tage Ki
jenem Neumonde verflojjen oder die Epalte des fol:
enden 338 iſt 5. Zieht man dieſe Zahl von der
(mon en Umlaufszeit des Mondes, d. b. von 29,53
agen, ab, jo erhält man 24,58, oder ber erite Neu:
mond dieſes folgenden Jahres fällt auf den 25. Jan.
12,71 Stunden nad) Mitternadt, d. i. 43 Minuten
nah Mittag. Man braucht nun zu der Zeit die:
12
ſes erften Neumonde3 nur wiederum 29,53 Tage
zu abdieren, um den folgenden Neumond zu fin
ben, worauf fih in analoger Weije die fämtli
Bean Neumonde des betreffenden Jahres ermit:
teln lafien. Doc find dies nur die jog. mittlern
Neumonde, wobei man die Bewegung des Mondes
als gleihförmig vorausſetzt, was fie doch nicht ift:
die wahre Zeit der Neumonde berechnen die Aitro:
nomen nah den Mondtafeln. — Falt immer find,
wenn von E. die Rede ift, die kirchlichen gemeint,
nad denen das Diterfeit beitimmt wird. Hierbei
wird bie Differenz zwiſchen dem Gregorianifden
bürgerlichen Jahre von etwa 365*/, Tagen und dem
aus 12 Mondwechſeln oder fynodifhen Monaten
beitehenden Mondjabre, welche eigentlich 10,88 Tage
beträgt, in runder Zahl zu 11 Tagen, der ſynodiſ
Monat aber zu 30 Zagen angenommen. Die einem
Jahre zulommende Epalte hängt ab von der Stelle,
die ed im 19jährigen Mondcyllus, nad) beijen Ab:
lauf die Voll: und Neumonde wieder auf bie näms
lihen Zeitpunkte des Sonnenjahrs ng (f. Ras
lender), einnimmt. Im Gregorianifhen Kalender
—— der Mondcyllus mit einem auf den 1. Jan.
fallenden Neumond. Dieſer Tag wird daher mit
* (m I bezeichnet. Im zweiten Jahre ift die Epalte
11 (d.h. der Mond iſt am 1. Yan. 11 Tage alt), im
dritten 22, im vierten 383 oder, da das Alter des
Mondes (Mondmonat) 30 Tage nicht überjchreiten
tann, 3, im fünften 14 u. ſ. w. Dan kann bie E.
eines jeden Jahres direkt finden, wenn man von der
Goldenen Zabl (f. d.), d. b. von der Nummer, die
das betreffende Jahr im 19jährigen Eyflus führt
1 abziebt, den Reit mit 11 multipliziert und durd
80 dividiert. Der alsdann verbleibende Reſt ift die
geinhte Gpalte. So bat 3. B. das 3. 1905, defien
oldene Zahl 6 it, die Epalte 14.
Für längere Perioden erfordert die Epalte zeit:
weilige Korrekturen, weil im YJulianifchen Kalender
die Neumonde nad 310 Jahren einen Tag zu früb,
im Gregorianifchen ge nad 235 Jahren einen
Tag zu Mat eintreten. Um nun nicht im Laufe eines
Jahrhunderts eine IInderung vorzunehmen, wird,
indem man den Julianifchen Kalender zu Grunde
legt und fodann die Abweichungen des Öregoriani:
f den Kalenders berüdfichtigt, nach dem Ablauf von
je drei Jahrhunderten die Epalte um eine Einheit
erböbt, page en nad denjenigen Säfularjabren, in
denen die € Saltun unterbleibt, um benfelben Be:
trag vermindert. Die eritere Korrektur beißt bie
Mondgleihung, die legtere die Sonnenglei:
hung. Die Mondgleihung trat zum erftenmal
ein im J. 1800 und wird mithin 2100, 2400, 2700
u. f. m. wiederum ftattfinden.
Um die Gregorianifhen €. für jedes Jahrhundert
bequem berechnen zu konnen, bedient man ſich der
fog. Julianifhen E., melde dad Monvdalter am
1. Jan, alten Stil zur Zeit der Kalenderreform
(1582) für die 19 Sabre des Mondzirteld be:
zeichnen. Hiernach ift im erften Cyllusjahr die
er 11, im zweiten 22, im dritten 3=3 u.j.w.
an findet num die Gregorianifhen E. der ver:
ſchiedenen Eyllusjahre für jedes einzelne Jahrhun⸗
dert, indem man von ben entiprechenden Juliani⸗
Iden €. jo viel Einheiten abziebt, als nach Berüd:
ihtigung ber zur Zeit der Reform beftehenden
Kalenderdifferen; ſowie der nachher eintretenven
Sonnen: und Mondgleihungen in Wegfall tom:
men muſſen. Cin bequemes Hilfsmittel, um auf
Grund der E. die Gregorianiſchen Daten ſämtlicher
Epaktos — Epaminondas
Neumonde eines gegebenen —— zu finden,
bietet der ſog. Immerwährende Kalender (f. d.).
Epaktos, griech. Ort, ſ. Lepanto.
Epaminondas (grieh.Epameinöndas), der
ge te Staatömann und Feldherr Thebens, ein
obn des Bolymnis aus einer vornehmen, aber nicht
ſehr wohlhabenden Familie, wurde um 418 v. Chr.
geboren. Wichtig wurde für ihn der Umgang mit
dem aus Tarent nach Theben geflüchteten und von
€. Bater gaftfreundlih aufgenommenen Pytha—
goräer Lyfis, dem E. die Ausbildung der hoben
und edein Ei enſchaften, welche ibn auszeid:
neten, hauptſächlich verdankte. Im J. 385 v. Chr.
diente er in dem von den Thebanern den Spar:
tanern zur Unterftügung ihres Angriffs auf Man:
tinea in Arladien pfosten Hilfslorps und rettete
im Kampfe, obwohl felbit verwundet, jeinem ſchwer⸗
verwunbeten Freunde Pelopidas das Leben. Nah
der Beſetzung der theban. Eitadelle Kadmea durd
die Spartaner (382) lebte er zurüdgezogen in Armut
peilof. Studien, nahm aber eifrigen Anteil an der
orbereitung ſowie aud an der Ausführung des
fühnen Handitreihs, wodurd Ende 379 die Unab:
pängigteit Thebens mwiederbergeitellt wurde. Nur
ei der Ermordung der oligardhiihen Regenten
verweigerte er feine Teilnahme. Als er 371 zum
Böotarhen ernannt und mit andern tbeban. Abge
ordneten im Juni zum Friedenslongreß nad) Sparta
geſandt ward, vertrat er die Anjprüche Thebens
auf die Herrſchaft über die andern böot. Städte mit
unbeugfamer Entſchloſſenheit. Als darauf bin die
Spartaner unter Führung des Königs Kleombrotu:
in Böotien einfielen, wurden fie von den Thebanern
unter Führung des €,, deflen liberlegenheit in der
Zattit (Erfindung ber ſog. ſchiefen Schlachtordnung
zn ich den Sieg entſchied, in der Ebene von
euftra geidlagen Sul) Nunmehr vermochte
€. die Böoter und Pholer zur Anerkennung der
theban. Oberherrſchaft zu nötigen; auch die Ültoler
und Lokrer verbündeten fich mit ihm.
Das Jahr darauf 30 ., wieder zum Böotarden
ernannt, in den Peloponnes, bewog die Argiver,
Arkadier und Eleer ſich ihm anzuſchließen, drang
im Dez. 370 in Lalonien felbft ein und durchzog
dieſes Land, das feit unvordenflicher Zeit von feinem
feindlihen Heere betreten worden war, 369 von
einem Ende zum andern; nur die von Agefilaus
verteidigte Hauptſtadt vermochte er nicht zu erobern.
Um aber die Übermacht Spartas dauernd zu ver:
nichten, bewog er die Bewohner des ſudl. und weſtl.
Arladiend jowie die durch ihn wieder zur Selbitän:
digfeit erhobenen Mefjenier, ſich je zu einem Ein:
beitäftaate zu organijieren; als Mittelpuntt ber
polit. Konzentration hatten die Arkadier ſchon vor
E.’ Zug in den Peloponnes Megalopolis gegründet;
jest gründeten - efiene ald Hauptitadt Meile
niens. Nach Theben zurüdgelehrt, wurde er zu:
leih mit Pelopidas von feinen radifal-bemotrati:
—* Gegnern «wegen eigenmächtiger Verlängerung
einer Amtsdauer⸗ n ben Tod angellagt; aber ale
er die Erfolge des Feldzugs darg sat tte, ging
das Gericht, ohne aud nur zur Abftimmung zu
f&hreiten, auseinander. Das Bdotarchat wurde ihm
aufs neue übertragen und er unternahm noch 369
einen — Einjall in den Peloponnes, diesmal
obne bedeutende ie Er wurde infolgedejien
von neuem von feinen Gegnern angellagt und dies:
mal feines Amtes entjegt. Als er aber 368 ein
tbeban. Heer, in dem er al gemeiner Soldat diente,
Epandieren — Epee
in Theſſalien durch feine Umfiht vor Vernichtung
teitete, wurde ihm der Dberbefehl wieder übertragen.
Seit 365 bewog er in gefährliher fberfpannung
der Kräfte feines Landes die Thebaner, eine Flotte
u gründen, um aud zur See, jebt auf Koſten der
tbener, die Führung der grieh. Staaten zu ge
winnen; 364 un m er an der Spiße einer an⸗
ſehnlichen Flotte eine Seefahrt bis nah Byzantion,
das er ſowie Ebiod und Rhodus zum Aklal von
Athen und Anſchluß an Theben bemog. Eine Spal⸗
tung unter den ‚ von denen ein Teil, die
Mantineer an der Spike, auf bie Seite ber Spar:
taner trat, veranlaßte die Thebaner zu einem vierten
Zuge in den Beloponnes, wiederum unter yührun.
des E.; bei Mantinea fam e3 zur Schladt, in wel:
cher auf Seite der Thebaner 33 000, auf Seite der
Gegner 22000 Mann fämpften. Noch bevor der
Si chieden war, wurde €. durd einen Wurf:
fpieß tödlich verwundet, jo daß er hinter die Schlacht:
linie getragen werden mußte; bier erfreute i
ver Anblid jeines geretteten Schildes und die Nach⸗
richt, daß der Sieg gefichert jei. Bald darauf ver:
ichied er (3. Juli 362) und wurde auf dem — 5—
felde —— Mit ſeinem Tode war die Madt:
jtellung Tbebens, das feine E. ebenbürtigen Männer
* Zi — Anger — - ge ift eine
urze Biographie des E. von Cornelius Nepos er:
— Bol. Bun €. und Thebens Kampf um
die Hegemonie (Bresl. 1834); Bomtom, Das Leben
des E., jein Eharalter und feine Politik (Berl. 1870);
Stern, Geſchichte der jpartan. und theban. Hege⸗
monie (Dorpat 1884). ,
Epandieren (frj., ſpr. epangih-), fein Herz
— ſich * —— * anche⸗
ment (jpr. epangſchmangh, Herzensergießung.
—— der griech. Mythologie des
Zeus und der Jo. Als König von — erzeugt
er mit Memphis, der Tochter des Nil, oder mit
KRaffiopeia die Libya, Lyſianaſſa und Thebe.
ärch (arieb. Eparchos), Vorgeſetzter, Be:
jebls ‚ beſonders Statthalter einer Provinz;
Epardie, die Würde eines €. und der Verwal⸗
tungäbezirt eines ſolchen. Das Byzantiniſche Reich
war in ber ältern Zeit in 64 Epardien geteilt, von
denen in dem «Synekdemos» des Hierolles (wahr:
ſcheinlich aus der Zeit des Kaiſers Juſtinian I.)
und in Georgius Eyprius (um 600 n. Ebr.) eine
ftatift. Überfiht erhalten ift. Auch die Diöcejen
oder Sprengel der Biſchofe oder Erzbiſchofe der
— irche wurden Eparchien — in Ruß⸗
and iſt dies noch jetzt der Fall. — Im jetzigen
Konigreich Griechenland iſt Eparchie die Bezeich⸗
mung der Unterabteilungen des Nomos (ſ. d.). Das
Land war bis 1886 in 59 Epardien eingeteilt.
Seitdem wurden aber die Epardien, eine kurze
Wiedereinführung von Mai 1891 bis Juli 1892
ausgenommen, abgeihafit und die Demen (j. De:
rt, goes direlt unter bie Nomarchen (f. d.).
Eparchie, ſ. cc.
———— ., Ipr. vol mäng), ß
Epauletten (frz., von épaule, ſpr. epohl,
«Schulter»), Uniformteile, die auf den Schultern
en werben, und — von Offizieren gleich den
Koiehinden (f. d.) auf dem Waffenrode, jevod nur
jum Parade⸗, a: und Gejellihaftsanzuge, außer:
dem auch von den Mannjhaften der Ulanen: und
Schweren Reiterregimenter und von den Gtabs:
erdonnanzen (f. Orbonnanz), ſowie aud von den
böbern Militär: und Eivilbeamten; doc find fie bei
13
den Galauniformen der legtern feit 1889 weggefal:
len. Die Felder der E., meift aus farbigem, dem
der Achfelllappen entiprechendem, bei Feuerwerls⸗
—— ſchwarzem Tuch, für Generale und eins
zelne Regimenter (3. B. der ſächſ. Armee) filbern,
auch für höhere Beamte filbern oder golden, werben
von einem Halbmond aus glattem, bei Beamten
ham weißen oder gelben Metall eingefaßt.
a3 Scieberftüd dient zur Befeftigung unter den
Gpaulettbaltern ( ug en und an den Schulter:
Indpfen. In den Feldern befinden ſich die be
ondern Abzeichen der Truppenteile (Nummern,
** oder der Korporationen (Askulap⸗
ſtab der Sanitätsoffiziere, Wappenſchild der Be
amten), ſowie die Sterne oder Roſetten als Grad:
abzeichen. Als Gradabzeichen treten bei Stabsoffi⸗
ieren die von den Halbmonden herabhängenden,
eglichen Franſen (Kantillen), bei Generalen bie
5 ſilbernen Raupen hinzu. Die Marine:
offiziere tragen E. mit goldenen Feldern, ebenſolchen
—— Halbmonden und Franſen oder Rau
ie E. find in faſt allen Heeren, außer in Oſter—
rei, eingeführt, zuerft in Frankreich. Urfprünglich
aus den Schugwaflen hervorgegangen, dienen fie
jest nur als Zierat. Im deutjchen Heere wurden fie
(außer bei ven Ulanen) 1866 in ber Feldbelleidung,
1888 in der Dienftbelleidung überhaupt dur
age ver (f. d.) erjebt. , Schweiz).
aunnm, alte Stadt, f. Saint Maurice
Epe, Dorfim Kreis Ahaus des preuß. Reg.Bez.
Münfter, an der Dinkel und der Dortmund: Gro:
nau:Enjheder Eiſenbahn, bat (1900) 1314 E., dar:
unter 52 —— und 36 Israeliten, Poſt, Tele⸗
raph, ln mmollweberei. Das Kird»
Piel E. bat 3169 E., darunter 469 Evangelifche.
Epée (fpr. epeh), Charles Michel, Abbe del,
einer ber Begründer be3 franz. Zaubftummenunter:
richts, geb. 25. Nov. 1712 zu Verſailles, widmete
ſich dem geijtlihen Stande, wurde aber, ba er das
in Bezug auf die Janfeniftifhen Streitigkeiten ein:
ge übrte Formular nicht unterzeichnete, vom geijt:
ihen Amte ausgejhlofjen. Als er jpäter doc
durch des Prälaten Boſſuet Einfluß Prediger und
Ranonikus zu Troyes wurde, entjegte ihn der Erz⸗
biſchof von Paris, de Beaumont, wieder. Er lebte
nun zurüdgezogen in Paris, wo er um 1765 Vers
aan and, fih mit dem Unterricht zweier
taubjtumm geborenen Schweitern zu beihäftigen,
Ohne etwas von frühern Verſuchen, Taubjtumme
zu bilden, zu wiſſen, erzielte er mit Hilfe einer mes
tbodifh entwidelten bärdenfprahe und bes
dingeralphabet3 jo glüdliche Erfolge, daß er ſich
entfchloß, diejen Bemühungen fein ganzes Leben zu
widmen. Um 1770 —— er auf ſeine Koſten in
Paris die erſte Taubſtummenanſtalt. Sein Unter:
richtsverfahren (ſ. Taubſtummenunterricht) fand
unter dem Namen der «Franzöfifhen Methode»
in vielen Ländern Eingang. Biele Unannehm:
. | lichkeiten entftanden dem Abbe aus feinen Strei:
tigleiten mit Heinide (j. d.) und aus einem
rojeB, den er im Intereſſe eines taubftummen
öglings führte, den man im %. 1773 auf der
traße von Peronne bilflo8 gefunden hatte. €.
meinte in ihm den ausgeftoßenen Erben der reihen
gräfl. Familie Solar zu entdeden, und forderte
dejjen Recht zurüd. Derjelbe wurde aud 1781 als
Graf Solar anerlannt; aber bei Revidierung des
Prozeiied nah dem Tode E,3 wurde 1792 das Ur-
teil umgeftoßen. Bouilly benugte diefen Stoff zu
14
feinem Scaufpiele «L’abb& de E.», welches
Kotzebue u.d.T. «Der Taubjtumme» für die deutiche
Bühne bearbeitete. E.3 Lieblingswunſch, die An:
ertennung feiner Taubftummenanitalt als Rational:
inftitut, kam erft nad) feinem Tode (23. Dez. 1789)
unter feinem Nachfolger Abbe Sicard 1791 zur
Ausführung. €. ſchrieb eine «Institution des sourds-
muets» (Bar. 1774), die fpäter von ibm verbeflert
u.d.T. «La vöritable maniöre d’instruire les sourds
etmuets» (ebd. 1784) erſchien. — Val. Bebian, Eloge
de Charles Michel de I’E. (Bar. 1824); Neumann,
Die — — zu Paris (Königsb. 1827);
Berthier, L'abbé de l’E. (Bar. 1852).
Epeios (lat. Epeus), der Erbauer des böl:
ernen Rofies, mitteld deſſen Troja erobert wurde.
der Ilias ift E., Sohn des Panopeus, ein
tapferer Kämpe, ausgezeichnet im Fauftlampf. Nach
einer andern Sage war er ein MWaffenträger der
Atriden, und u ilowerlen jeigt er biömweilen dem
Agamemnon neben dem Herold Talthybios.
‚Epeira, j. Kreuzipinnen. E. diademäta Cl.,
die gemeine ſtreuzſpinne, ſ. Tafel: Spinnentiere
und TZaufendfüßer I, Fig. 6.
Epeiroß, ſ. Epirus,
Epen, , Epos. lhöhlen überziebt.
Ependyma (grech.), die feine Haut, die die Gehirn⸗
Epenthẽſe (grch. das «Dazmifchenjeken», «Ein⸗
Ihieben»), die Einſchiebung von Lauten zur Er:
leihterung der Ausiprade, 3. B. canif (frz.) aus
(angeljäd u) enif, Alcumäöna (lat.) aus (grch.)
Alkmönd. Die heutige Sprachwiſſenſchaft gebraucht
dafür die Ausprüde Anaptyris (grd.) oder
Sparabbalti (indiſch) und nennt E. den Vorgang,
= der i⸗ oder u⸗Laut einer Silbe in der vorher:
gebenden Silbe vorklingt und ſich hier mit einem a,
e oder o zum Diphthongen verbindet, 3. B. griech.
phainö («ich — aus phanjõ. (S. auch Umlaut.)
Eperdu (fr;., pr. -düb), beftürzt, außer ſich.
Eperjed (pr. epperjeſch), jlam. Preiov, Stadt
mit georbnetem Magijtrat mit dem Titel lonigl.
* adt und Haupiſtadt des ungar. Komitats
äros, bis 1876 königl. Freiſtadt, eine der älte—
ſten und nach Kaſchau die ſchönſte Stadt Dber:
De leg lint3 von der Tarcza, an der Linie Abos:
Drlö der Kaſchau⸗Oderberger Bahn und an der E.:
Bartfelder Eifenbahn (45 km), Sitz eines griech.
tatb. Biſchofs, des Obergeſpans, eines königl. Ge
richtshoſs und Wechſelgerichts und der 54. Infan—
teriebrigade; €, ijt mit alten Ringmauern um:
geben und nad dem Brande von 1887 größten:
teilö neu aufg baut, es bat (1900) 14447 meift
flowat. kath. €. (5513 Magyaren, 1705 Deutſche;
1581 Griedi en de, 1556 Gvangelifche und
2106 Söraeliten), in Garniſon 2 Bataillone des
67. ungar. Infanterieregiments und da® 18. Divi:
——— 6 Kirchen, eine Synagoge,
ein luth. Diſtriktskollegium (tbeol. Lehranſtalt und
Dbergymnaftum), katholiſches —* Obergymna⸗
ium, eine Hauptſchule, biſchöfl. Bibliothek, ein
are ange und ein Franziskanerlloſter; Leis
neninduftrie und Gteingutfabrifen, bedeutenden
Handel mit Getreide, Leinwand, Bauerntuc, He:
— Wein und Vieh. Die ſchönſten öffentlichen
ebäude der Stadt find: die fpätgot. St. Nitolas:
tirhe mit Turm (70 m) aus dem 18. Jahrh., das
Komitatshaus, Kapitelbaus, Stadthaus und Thea:
ter. Liber der Tarcza befindet fich der viel bejuchte
RKalvarienberg (82 m) mit fhöner Ausſicht. Etwa
+ km im Süden Sövär (f. d.) mit Solquelle. — €,
Epeios — Epernon (Stadt)
verbantt feinen Urfprung deutſchen Roloniften un
war um die Mitte des 13. Jahrh. ſchon ein blühen
ber Ort. Ludwig I. erhob €. 1374 zur königl. ⸗
dee ſpäter wurde es befeſtigt und mit einer
enge — beſchenkt. Die Lehren Luthers
anden bereits 1530 —— Unter der —
chen und der Rakoczyſchen Revolution hatte E.
viel zu leiden, und ſeit 1673 kam auch durch die
latholiſierende Gegenreformation viel Ungemach
über die Stadt. Der kaiſerl. General Anton Ca—
ee bier 1687 das fog. Eperiejer Blut—
gericht ein und ließ auf dem Hauptplae ein ſtän⸗
diges Schafott errihten, auf dem 9. Mai 30
ber angejebenften prot. Bewohner der Stadt ihr
Leben einbüßten. Großen erwarb im 16.
und 17. Jahrh. die Stadt durd ihr vortrefflices
——— in ihren Lehranſtalten unterrichteten
zumeiſt hervorragende Gelehrte und Schulmänner
aus Deutſchland, doc ging das Deutſchtum dafelbfr
mebr und mehr zurüd, das Slamentum gewann
die Oberhand. Am 7. Mai 1887 wurde ein großer
Zeil der Stadt durd Brand zerftört.
Epernah (ipr. -näb). 1) Arrondiffement im
franz. Depart. Marne, hat 2136 qkm, (1901)
97868 €., 174 Gemeinden und zerfällt in die
9 Kantone Anglure, Avize, Dormans, E., Efternay,
ere⸗Champenoiſe, Montmirail, Montmort und
tjanne, — 2) Hauptitadt des Arrondifiements
und des Kantons E., liegt 33 km norbiweftlib von
Chaͤlons⸗ ne, an der Marne, über welche
eine auf fieben Bogen rubende Brüde führt, am
Ausgange eines fruchtbaren, reigenden Thals, ins
mitten der reihften Weinberge der Champagne und
an den Linien Paris: Deutih:Aoricourt (Örenze),
€.:Romilly (84km) und E.:Reims (30 km) der Franz.
Ditbahn. DieStadt ift Sik eines Gerichtshofs erſter
re eined Handelögerihts, eines Kommunal:
ollöge und einer Aderbautammer und bat (1901)
19091, als Gemeinde 20478 E., in Garnifon das
81. Dragonerregiment und Teiledes 1.,4.,9.,25.und
26. Jägerbataillong, einen Flußbafen, große Aus:
beflerungswerfftätten der Ditbabn, eine Bibliotbet
(30000 Bände, 160 Handicriften), ein Theater,
— Promenaden und eine 1828 — 31 im
ital. Stil erbaute Pfarrkirche mit guten Glasmale:
reien, E.ift Hauptbandelsplag für dieroten, weißen,
mouffierenden und nichtmouffierenden Champagner:
weine und treibt Wolljpinnerei, Brauerei, Gerberei,
Fabrikation von Korkpfropfen, Müblfteinen, Lis
queuren ſowie Handel mit Getreide und Mehl. Die
Vorſtadt La Folie, bemohntvon den reichſten Wein:
bändlern, mit geihmadvollen Häufern und fhönen
Gärten, tft befonders merkwürdig durch in den wei⸗
hen Zuffitein getriebene Keller, in welchen durch⸗
ſchnittlich 5 Mill. Flafchen lagern, von denen etwa
800000 aus den großen Beinpflanzungen bed Arron»
diſſements ſelbſt lommen (Umjas jährlih 20 Mill.
— — €. erſcheint in der Meromwinger: und Karo»
ingerzeit unter dem Namen Sparnacum im P
Remensis und kam unter den Rapetingern an die
Grafſcha —— mit der die Stadt 1328 an die
Krone gelangte. — Bol. Fievet, Histoire de la ville
d’E. (3 Bde. Reims 1869); Nicaife, E. et l’abbaye
St.-Martin de cette ville (2 Bove., Chälons 1870).
Epernon(ipr. nöng), Stadtim Kanton Mainte:
non, Arrondijjement Chartres des franz. Depart.
Eure⸗ et⸗Loir, 8 km norböftlihd von Maintenon,
am Zufammenfluß der in die Eure gebenden Guesle
und Droue, in 106 m Höbe, an der Linie Paris:
Epernon (Jean Louis de Nogaret, Duc d’) — Ephedra
harttes der Franz. Weitbahn, hat (1901) 2294, ald
de 2372 E., Bolt, Telegraph; Steinbrüce,
berberei und Handel mit Getreide, Mehl, Gips,
duch, Ziegeln, Pferden, Vieh und Wein. Bei €,
irgt ein gewölbter Keller (13. Jahrh.), die Dechanei,
tdemal3 zu der Priorei St. Thomas gehörig. Am
‚Dt. 1870 fand in der Räbe ein Gefecht zwiſchen
fanzofen und der6.preuß. Kavalleriedivifion ftatt.
Eperuon (ipr. -nöng), Jean Louis de Nogaret,
duc d’, franz. Staatömann, geb. 1554, aus einem
Pelsgeſchlechte des Languedoc, ichloß fich ſchon
kit 1573 Seinrich II. an, wurde dann einer ſeiner
danſtlinge, und zwar der mädtigfte und zugleich
der a bedeutendſte von allen. Anfangs hieß
aCaumont und La Balette, 1581 machte ihn
feinrich, der ihn mit Geld und mit Amtern über:
i#üttete, zum Herzog von E. und Pair von Franl:
md. E. * dies ſeinem Herrn redlich vergolten;
ven ſtändiſchen Kräften gegenüber war er ein Ber:
treter des reinen Zn Der Katholiſchen Liga
war er unter Heinrichs Genoſſen der größte Stein bed
Anftoßes; 1587 von jenem zum Gouverneur der Nor⸗
manbie ernannt, warf er jeine ganze Macht gegen
fe in die Bagicale; doc zwang fie den König, ihn
1588 nad Loches zu verbannen. Er blieb Heinrich
dis zuleßt getreu; gegen Heinrid IV. aber bielt er
ib zunächſt jurüd, trat jogar mit den Spaniern in
indung und unterwarf ſich erft 1596. Er bebielt
tus Goupernement Limoufin. Aus einem Bartei-
yinger der Krone war er ein Mitglied der Dligar-
ie der Provinzialftattbalter geworden (j. Liga
und Heinrich elbftändigfeit der
IV.), denen die
deutſchen Fürften ald Ziel vor Augen ftand. E.war | R
vielleicht der bedeutendſte unter diejen Stattbaltern;
tolz, unlentjam, jeiner Nacht bewußt und fie ganz
chend, bielt er fich beijeite. 1622 befam er
dad Goupernement Guyenne; doch klagte man
baufig über feine Herrihiudt, auch geriet er mit
dem ment in Zwiſt. Richelieu aber, der foldye
Sonderftellung nit mehr duldete, drüdte (1633)
ven Herzog nieder; für die Härten jeiner Verwal:
tung mußte er fi entichuldigen, er wurbe über:
** und 1641 nach Loches verwieſen. Er ſtarb
1642. — Bol. Girard (E.s Sefretär), Histoire de la
vie du duc d’E. (Bar. 1655 u. d.); Montbrijon, Le
premier duc d’E. (ebd. 1874).
Widerlager
' „‚Ipr.ep'röng, «Sporn»)
der bepfeiler, Bubne, Eiäbrecher, Giabod llei⸗
ußenwerl bei ——
efügter Cab.
ned vorfjpringendes
SER EEE, nn all
egeie (ard.), ein zur rung binzu:
&pfig, Dorf im Kanton Barr, Kreis Schlett:
kapt des Bezirls Untereljaß, 12 km nörblid von
Sclettftabt, an der Linie Straßburg:Sclettitabt
ver Eljah-Lothr. Eijenbahnen, hat (1900) 2423 E.,
darunter 39 Evangeliſche und 58 Israeliten, Boft:
agentur, Telegrapb, Fernipredverbindung; Baums
wollfpinnerei, bedeutenden Weinbau (290 ha Wein:
berge), Aderbau und Biebzudt. Auf dem Richdon
am öftl. Ende des Ortes die frübroman. Totentapelle
Et.
... ftebt in zufammengejepten Worten vor
afpirierten Bolalen Hr Epi...(f.d.).
Epha (Epbi), Hoblmaß der alten Hebräer, der
jebnte Zeil eines Ebomer (\. d.).
Epbe, joviel wie Ewe (j.b.).
Fr. —— aus * —
der Gall ten. te wenigen Arten bil:
— rafenförmige Überzüge auf feuchten
argareten (11. Jahrh.) in Kreuzform.
75
fen und find dadurch —— daß die
* der Alge, auf der der flechtenbildende Pilz
€
t, faft ganz —— wird; die Pilzfaͤden wu⸗
chern zwiſchen den Zellen der Alge in den gallert⸗
artigen Hüllen und bilden an manchen Stellen
Apothecien, die jedoch in dem Thallus eingefentt
liegen. Da bei der in Deutihland häufigen Art
E. pubescens Fr. died Verhältnis zwiſchen Alge
und Pilz fehr deutlih zu erkennen ift (j. Tafel:
lebten I, Fig. 7), fo bildet ar leicht zu bes
haffendes geeignetes Beijpiel für die eigentüms
ihe Natur der Flechten. (©. Flechten.)
Epheben (grch., wörtlic «die Mannbaren»), im
alten Athen Name der Fünglinge vom vollendeten
18. bis zum vollendeten 20. Jahre. Mit dem Ein:
tritt in die Ephebie erfolgte die bürgerlihe Mun⸗
digleit3erllärung der E. nachdem ihre rehtmäßige
bürgerliche Ablunft einer forgfältigen Prüfung (Do⸗
fimafie, |. d.) unterworfen worden war, durch bie
Eintragung in dad —— und die Stammrolle
der Geburtsgemeinde S emo8), das jog. Löxiarchi-
kön Grammateion. Die Waifen und Söhne von
Erbtöchtern erhielten bei der Mundigleitsſprechung
die Derfügung über ihr Vermögen, ſaͤmtliche E. das
Recht, jelbftändig vor Gericht — Von der
Bollsverfammlung blieben fie aber vorläufig aus⸗
eſchloſſen, erft mit dem vollendeten 20. Jahre
chrieb man ihre Namen in die Wählerliften, ven
Pinax ekklesiastikös, ein. Als €, hatten die jun:
gen —— zunächſt im Heiligtum der Aglauros
den Fahnen: und Bürgereid zu leiſten, dann erhiel⸗
ten fie ihre foldatiihe Ausbildung. Nach einem
efrutenjabr wurde ihnen von Staat wegen Lanze
und Schild verlieben ; fie verſahen weiterhin den
Wacht⸗ und Sicherheitsdienſt ee in Attila,
erſchienen gejhlofien in den Prozeifionen an den
großen Bötterfeften, namentlich den Banatbenäen,
und wurden in alle Dienftzweige eingeführt.
der macebon.stöm. Zeit geitaltete man das ganze
Ephebenweſen in einer für dad Nadlafien der
Mehrfäbigleit des Burgertums fehr charalteriſti⸗
chen Weile um. An Stelle der an ein beitimmtes
er gebundenen —— militär. Zwangs⸗
erziehung trat ein einjähriger, anſcheinend nicht
obligatoriſcher und nicht genau nach dem Alter der
Teilnehmer geordneter Unterricht mit gymnaſtiſchen
und Waffenübungen, wiſſenſchaftlichen Vorträgen
über Philoſophie, Rhetorik u. dal., die in den
Gymnaſien von eigens dafür angeftellten Lehrern
gehalten wurden. Dieje Einrichtung zog viele aus:
mwärtige junge Männer nad Athen, die neben oder
nad den Bürgerjöhnen als Epengraphoi in die
Liften der E. eingetragen wurden und badurd das
Net erhielten, an allen jenen PBorträgen und
Übungen teilzunehmen; Athen erhielt jo mehr und
mehr den Eharalter einer Hochſchule für ganz Hel⸗
lad. Die Aufficht über die E. führten in der erjten
Periode die vom Volle durch Wahl (für jede Phyle
einer) ernannten Sophroniften unter der Ober:
leitung eines Kosmetes, d. i. Ordners; feit der
macedon. 2 finden wir nur den Rosmetes, dem
die fämtlihen von den einzelnen Fachlehrern ab»
ebaltenen Übungen unterjteben. — Vgl. Ditten
erger, De ephebis Atticis (Gött. 1863); Dumont,
Essai sur l’&phöbie attique (2 Bde., Par. 1875—
76); Grasberger, Erziehung und Unterriht im
Haififhen Altertum, Bd. 8 Want 1881). u
— L., Pflanzengattung aus ber Familie
der Önetaceen (f. d.) mit gegen 30 Arten, teils in
16
Eüdeuropa und Nordafrika, teild im gemäßigten
und fubtropifchen Aſien, teils = im außertropi:
fhen Amerita. Es find aufrechtitebende, niederlie
*— oder auch kletternde, ſtrauchartige Gewächſe.
ie Zweige find gegliedert wie die der Schachtel⸗
balme, die Blätter find nur rudimentär vorhanden
in ber Form von zwei⸗ bis vierzähnigen Scheiben,
aus beren Achjeln die Blütenlägchen entipringen.
Die Blüten find eingeſchlechtig und meijt zwei⸗
häufig. Die Frucht ift ähnlich wie eine Steinfrudht
ebaut und mit einer fleifchigen Hülle verjeben.
on einigen Arten werben bie Früchte gegeilen, jo
von der in Nordafrika, Kreta, Arabien einheimi-
ſchen E. fragilis Desf., ferner von den im ſüdl.
Sibirien und im Kaufafus wachſenden E. mono-
stachya L. und E.distachya L. Bon leßterer
waren ſonſt Zweige und Blüten ald Amenta uvae
marinae offizinell. ,
Eph ee geh Beinamederantiten Steptiter
(f. Stepfis), weil dieſe ſchon von Pyrrho (f. d.) ber
die Enthaltung (epoch&, von epéchein) von allem
Urteil ie en, da die menſchliche Erkenntnis doch
nicht zu zweifellofen Einfichten gelangen könne.
pheliden (grech.) Sommer vojen ,
Ephemer, Epbemeriich (gr * nur einen
Tag während, eintägig, fchnell vergebend. _
emöra, die Cintagäfliege; Epbemeren
(Ephemeridae), j. Einta öfltegen,
&% emöra, Eintagsneber, j. Bd. 17.
Ephemeriden (grch.), Tagebücher, Tageblät-
ter, tägliche Aufzeihnungen; periodiſch erſcheinende
Blätter überhaupt, — tehnii für den dur
Alerander d. Gr. vielleiht nach —— uſter einge⸗
hrten Hofbericht. Insbeſondere aber verſteht man
te in der Aſtronomie unter E. die Vorausberech⸗
nungen der täglichen Stellungen der Himmelätörper.
Die eriten E, der Sonne, des Mondes und ber
gi Planeten gaben Purbach (für 1450—61) und
egiomontanus Kür 1475—1506) heraus. Gegen:
wärtig werben von mehrern ajtron. Redeninftituten
(f. d.) jäbrlih Sammlungen von E. herausgegeben.
Ephiferbrief, ein im neutejtamentlichen Kanon
enthaltener, mit dem Namen des Apojteld Paulus
überjchriebener Brief an die Gemeinde zu Epheſus,
den mehrjährigen Mittelpunkt der Miſſionswirk—
—— des Apoſtels in Kleinaſien. Dieſer Brief
ildet mit dem Rolofjerbrief (f. d.) eine eigene, durch
Stil und weiter entwidelten Gedankengehalt von den
unzweifelhaft ebten Briefen des Apoſtels verfchie:
dene Gruppe. Da der Brief nicht in allen Hand»
fhriften an die Gemeinde zu Ephejus abreifiert ift,
—— auch Brief an die Laodicener heißt (vgl.
ol. 4, 16) und wegen ſeines vollſtandigen Mangels
an lotalen und perjönlichen — en nicht wohl
an eine Gemeinde, die dem re 8 T nabe ſtand,
— ein lann, jo betrachtete man ihn als ein
mlaufſchreiben des Paulus an Heinafiat. Gemein:
den, das —— mit den Briefen an die Koloſſer
und an hi emon durch Tychilus (Epb. 6, 21;
Kol. 4, 7) überbradht worden jei. Da Paulus fi
in dem Briefe ala Gefangener bezeichnet, jo lafien
ibn die einen Vertreter der Echtheit während der
Gefangenihaft zu Eäjarea, die andern während
ber röm. Gefangenſchaft gejhrieben jein. Die legte
Annahme entipridt der Anficht des Briefs jelbit
befier. De Wette und Schleiermader bielten den E.
für eine jpätere Überarbeitung des Koloſſerbriefs.
Die Unechtheit des Briefs ift namentlih von F. C.
Baur (in feinem « Baulus», 2. Aufl., Bd. 2, Lpz.
Ephektiker — Ephejus
1867) und ſeiner Schule —*— und jetzt faft von
allen tritifchen Theologen anerkannt worden. — Bal.
Holgmann, Kritit der Ephejer: und Koloſſerbriefe
(Lpz. 1872); Pfleiderer, Der Baulinismus (ebd.
1873; 2. Aufl. 1890); Hilgenfeld, Hiftor.-tritifche
Einleitung in dad Neue Teitament (ebd. 1875);
von Soden, Kommentar zum E. (im «Handlommen:
—— Neuen Teftament», 3. Bd., 1. Abteil.,
eib. i. Br. 1893); für die Echtbeit zulegt wieder
chmidt in der 6. Aufl. von Meyerd Kommentar
(8. Abteil., Gött. 1886; 8. Aufl. derfelben Abtei:
lung, neu bearbeitet von Haupt, ebd. 1902); neuere
Kommentare von Klöpper (ebd. 1891); für Die Echt:
heit aud Dltramare (2 Bde., Bar. 1892), Finblay
Lond. 1892), Macpberjon (Evinb. 1892), Wohlen:
berg (im «Sturzgefaßten Kommentar zum Alten und
Neuen Teitament», Nünd. 1895). Ülltere Kommen:
tare von Rüdert, De Wette, Ewald u. a.
Ephefia, Epbefifhe Artemis, Beiname der
Artemis (f.d.) von ihrem Tempel zu Ephefus; auch
ein ihr zu Ehren dort gefeiertes nächt 7 Seit,
dad ausfchmeifend begangen wurde; nur Männer,
unverbeiratete rauen und Stlavinnen burften ben
Tempel betreten.
befifche Buchſtaben (Ephesiae littörae,
tie. Ephesla äta), im Altertum ein Rame
t Zauberfprücde, die man alö Amulett bei ſich
trug oder in ſchwierigen a. berjagte und die auf
dem Bilde der Epheſiſchen Artemis geftanden haben
ollten. Auf irdenen Amuletttäfelchen findet fi das
nbeil abwehrende Bild der Epbefifhen Artemis
neben Zauberjprüchen barbarifchen Urſprungs, 3.8.
aski kataski lix tetrax eneus aision. —
Bol. Weſſely, Ephesia mata (Wien 1886).
Epheſus — o s), Stadt im kleinaſiat.
Jonien, am lügen Selinus, unweit der Mün:
dung des Kayſtros gelegen, wurde zuerſt von Rarern
bewohnt, dann nad) der dor. Wanderung von den
Honiern unter Führung des Atheners Androklus
in Befiß genommen. Durd ihren treffliben Hafen
(der gegenwärtig vollftändig verſchlammt ift) erbob
fie ih ald zu Reichtum und Macht und nahm die
weite Stelle im Bunde der 12 ion. Städte ein. Ur:
prünglic auf den Rüden und den füpöftl. Abbang
des Berges nassen beſchränkt, breitete fie fih in
der Zeit des Iypifchen Königs Kröſus um 560 v. Ebr.
in der Niederung gegen Norden nad dem Hafen
und dem Fluſſe zu weiter aus. Dur den Könia
Lyſimachus (zu Anfang des 3. Jahrh. v. Ebr.) wurde
auch der öftlich von der ältern Stadt gelegene Bera
Pion in die Befeftigungsmwerle der Stadt aufgenom:
men und mit Gebäuden bejest. Das berühmteſte
Bauwerk der Stabt war der Tempel der epheſiſchen
Artemid, der in der Niederung norböftlih vom
Berge Pion errichtet war. Der etwa um 660 v. Ebr.
durd den Kreter Eherfiphron aus Knoſſos en
nene, durch deflen Sohn Metagenes ng rte
Bau wurde erſt nah 120 Jahren durch Deme:
trius und Päonius von Epheſus vollendet, 356
in der Ge un Aleranderd d. Gr. dur
den mwahnfinnigen Herojtratus (f. d.) in Brand
geRedt, aber bald darauf unter der Leitung des
rchitelten Dinofrates größer und prädtiger ala
früber wieder aufgebaut. Der Neubau, ein ion.
Dipteros Delaftylos, mit 128 Säulen von 20 m
Höbe, war 130 m lang und 70 m breit und mit
Kunſtwerken aller Art reich verziert, von denen
ipäter viele Durch Neros Agenten (65 n. Ebr.) fort-
geicbleppt wurden, das übrige bei der Verbrennung
Epheten — Ephialtes
es Tempels durch bie Boten er n. Ebr.) zu ®runde
ging. Bis auf die Zeit des Hröfus ** die Stadt
re Unabbängigteit gegen die Angriffe der lydiſchen
fönige zu verteidigen g t, um 560 v. Ehr. wurde
iejebod nach bartnädı er Verteidigung gezwungen,
fe Oberhobeit ber Spber anzuertennen. Rad) dem
Eturze des Kröfus geriet E. in die Gewalt der
— 10 Jahre, BS4 dur Mieranber . Or, auf immer
au 2 u er d. Ör. auf immer
—— In den Diad kriegen wurde es
von Antigonus erobert und blieb bis zum Sturze
des Syriſchen Reichs (189) in den Händen von defien
Rahtommen. Bon den Römern wurde die Stabt
— —— Wohlwollen be elt und erhielt den
Titel einer Metropole der Provinz Aſia. In ihr
murben mebrere Ronzilien gebalten, bejonbers 431
tas dritte Öfumenijde (f. ve 449 die ſog.
Käuberjynode, auf welder Eutyches (f. d.) für
techtgläubig erllärt wurde, fein Gegner Flavian
tanenen abgeſetzt und fo mißhandelt wurde, daß
er wenige Tage jpäter ftarb. Teils infolge von
Erpbeben, teild durch die Berihlammung des
dafens kam die Stadt in der röm. Kaiferzeit all:
ich zurüd. Sie gehört feit 1391 zum Dömani-
ſchen Reih. Bedeutende Trümmer der Stabt fteben
noch bei dem Dorfe Ayaslugh (j.d.). Das ziemlich
gut erhaltene Theater von 183 m Durdmeter muß
56 700 Berfonen gefaßt haben, das Stadium 76000
onen; das 6 ha einnehmende Gymnafium ift
282 m lang und 168m breit. Det des Artemis:
tempel3 bat der Engländer 3. T. Wood bei feinen
Ausgrabungen jeit 1868 aus ber Tiefe von 6 m zu
e gefördert, vor allem Fragmente der Relief:
; weitere interefjante Funde haben die 1895
begonnenen dfterr. Ausgrabungen ergeben, fo einen
beileniftifchen Rundbau, einen röm. PBradtbau,
mehrere Thore und die Waflerleitungen. — Bal.
Start, Nah dem griech. Drient (Heibelb. 1874);
E. Eurtius, Epheſos [. 1874); Bimmermann,
E. im erften driftl. Jahrhundert (Jena 1874);
J. T. Wood, Discoveries at E. (Lond. 1877); Fer:
—— The temple of Diana at E. (ebd. 1883);
ndorf, Epheſus (Wien
1897).
Epheten (grech.) hieken bei den Athenern die | D
mindeſtens feit dem 7. Jahrh. v.Chr. neben Areopa
und Bhylobafleis benehenden 51 abligen Blutthör
fen, die unter Borfig des Arhon Baſileus je nad
der Ratur des Falled in drei von den fünf alten
Dikafterien Athens (Balladion, Delphinion und
Bbreattys) das Urteil zu fällen hatten. Sie mußten
50 3. alt und tadellojen Rufes fein. Ende des
5. Zabrh. v. Ehr. verſchwinden die E. ihre Pflichten
übernimmt das Vollsgericht der Heliäa (f. d.). —
Bgl.Lange, Die E. und der Areopag vor Solon (Lp;.
1871); Bhilippi, Der Areopagunddie E.(Berl.1874).
Epbeu (Hedera), eine zu den Araliaceen (f. d.)
gebörige Gattung, welde Sträuder mit lletternden
Stämmen und Aſten und leverartig derben, immer:
grünen, glänzenden Blättern umfaßt. Die zu Dol⸗
den georbneten Blüten haben einen unterftändigen
Fruchttnoten, weldyer zu einer fünffäherigen Beere
wird, einen sfünfzäbhnigen Kelh und 5—10
Blumenblätter, die an der Spike in Form eines
Müshens zufammenbängen. Bemerlenswert ift,
daß die Blätter aufrechter, vorzugsweiſe blühender
— ihre Form verändern. Bei dem gemeinen
.. 3. wirb das br wa Blatt größer, ver:
fiert die Lappen, wird länglid und ſpiß und nimmt
ein lebbafteres Grün an.
77
Von den Arten ift ver gemeine €. (Hedera
helix L., f. Zafel: Umbellifloren I, fie. 4),
meiftens fleinblätteriger E. genannt, Er. den
Glanz feiner Belaubung und bie Leichtigkeit, mit
welcher er ſich vermitteljt feiner Klammerwurzeln in
die Höhe arbeitet, ganz befonders aber wegen feiner
Winterhärte für die Gärten landſchaftlichen Stils
die wichtigfte geworden. Er überkleidet raſch den
Boden, Hettert bis in die Spiße der hochſten Bäume,
Himmt an den glatteften Yyeldwänden empor und
bededt Mauern und Wände mit einem dichten Tep:
pih und läßt fi jogar baumförmig erziehen (He-
dera arborea). Bejonders maleriſch geftaltet er ſich
in Südeuropa und England. Die meifte Berwen:
dung findet der fleinblätterige €. zur Belleivung
der Örabhügel. Für diejen Zwed wird er in den
Handelögärtnereien in großen Mengen meift aus
Stedlingen, ſeltener aus Samen rn Der
roßblätterige oder irländifhe €. (Hedera
elix var. hibernica Hort.) bat er und jchönere
Blätter und einen viel ſchnellern Wuchs als der Hein:
auge muß jedoch in Deutihland im Winter
gegen Kälte geihüßt werden. An Spalieren wird
er häufig aud in Wohnräumen unterhalten.
Für die Kultur in Töpfen eignen fih vorzugs⸗
weiſe feine etwas weniger üppigen Spielarten.
Unter diejen — ſich folgende durch ihre Zier⸗
liteit und Eleganz aus: var. palmata mit tleinern
banbteiligen, bei einer Untervarietät (var. aurea)
anz goldgelben, var. digitata mit ſehr tief einges
Nönltenen tleinen, var. dentata mit großen dun⸗
elgrünen, flach gebuchteten, abgerundet dreiedigen,
var. sagittaefolia mit ſehr fpiklappigen, var. ar-
genteo-variegata mit weißbunten, var. aureo-varie-
gata mit gelbbunten Blättern u. a. m.
Der Raultafusepbeu, Hedera colchica
C. Koch (Hedera Roegneriana und taurica Hort.),
bat größere, derbere, weniger gelappte, und ber
canarifche E., Hedera canariensis Willd., grö:
bene mebr breite als lange, verbere, am Grunde
ergförmige Blätter.
er E, war ſchon im höchften Altertum eine volls⸗
tümliche, vielfach gefeierte Pflanze, in Hgypten dem
firis, in Griechenland dem Dionyjos geweiht, der
ihn bei Nyſa am Indus gepflanzt haben ſoll Dr
Dionysos), und die Mänaden ſah man mit €, be:
krängt. wog U Dichter trugen bei feftlihen Ge:
legenbeiten Epheulränze. Er galt ald das Sinnbild
der Freundfchaft und der Liebe.
Ephi, altes Hoblmaß, ſ. Epha.
tes, |. Schlupfweſpen.
Ephiältes, athen. Barteiführer, der Sohn des
Sopbonibes, ein Athener * Ablunft, trat nach
der Vertreibung des Themiftolles aus tben an bie
Spiße ber jüngern demokratiſchen Richtung, die ſich
u ber Bolitit Kimons in ſcharfen Gegenja ftellte.
em Antrage des legtern, den im dritten Mefjeni:
{hen Kriege (464 —456) jchmer bedrängten Spar:
tanern Hilfe zu leiften, widerſetzte er fich vergeblich.
€. brach im Bunde mit feinem jüngern Freunde
Berifles die polit. Üibermaht des Areopags Ga)
Bald nachher (457) wurde er auf Beranlaflung feiner
Gegner durch Arijtodicus aus Tanagra ermordet.
hialtes, Sobn des Eurgdemos, ein Malier
oder Tradinier, zeigte den Perfern unter Zerres
den Weg, auf welchem fie 480 v. Chr. bei Thermo:
pylä den Griechen in den Rüden fielen (f. Leonidas J.
und Thermopylä). E. wurde von den Amphiltyonen
geächtet und in Anticyra ermordet.
18
. —— (grch.), Schweißſucht, übermäßiges
witzen.
Ephod (bebr.), im Alten Teſtament als Bezeich⸗
nung eines Gottesbildes und als Name eines vom
Prieſter als Dratel benugten Gegenſtandes gebrauch⸗
tes Wort; auch bezeichnet es im Prieſtercoder (2Moſ.
28 u. 39) das Schulterkleid des Hohenprieſters, feine
eigentliche Amtstracht (bei Luther «Leibrod»).
Ephorät, Amt und Würde eines Ephorus
(. d. und Epboren). ,
Ephören (grch., d. h. Aufjeher), eine aus fünf
Mitgliedern beitebende fpartan. Behörde, die 757
v. Ehr. von den Königen Theopompus und ar
borus eingefekt wurde, urfprünglih um als Stell:
vertreter der Könige neben verſchiedenen polizei:
lien und civilrechtlichen Befugniſſen die Aufjicht
über die Unterthanen der Spartiaten, die Periölen
und Heloten, zu führen. riheinlich nad dem
meiten Mefleniichen Kriege wurden fie eine unab:
ängige Behörde, nunmehr jährlih auf eine nicht
näber befannte Art aus fämtlichen Spartiaten ge:
wählt, verwalteten ihr Amt ein —*— fonnten
nad deſſen Ablauf nur von ihren Nachfolgern zur
Berantwortung gezogen werden. Allmählich wur:
den ihre Befugnifte erweitert, befonders feit der
ae 580—570 v. Chr. fallenden gewaltigen
eritärfung der Ariftolratie in Sparta auf Roften
bes Königtums. Sie erhielten die Gerichtsbarleit
in allen privatrechtliben Brozeflen und in den Bro:
jefien über Leben und Tod der Periöten; fie waren
die oberften Wächter der Gejebe und der ganzen
Staatöverwaltung, die die Bollöverfammlungen
beriefen und Gejege vorjchlugen; fie konnten alle
Beamten abjegen, mit Gelditrafen belegen, ins Ge:
[mens werfen; felbft die Könige durften fie vor
ich laden, bei geringern Vergehen ihnen leich-
tere Bußen auflegen, bei jchwerern fie bei der
Gerufia (dem Senat) anllagen. Ferner führten
die E. die Oberauffiht über die Erziehung der
Knaben und Jünglinge; die Verwaltung des Staats⸗
ſchahes, die Oberleitung der auswärtigen Angele:
enbeiten lag in ihrer Hand, fie ernannten die Be
(löhabe der Flotte und oft auch die der Sand:
eere. Ihrem - gegenüber fant die Macht
der Könige immer mebr. Als Agis IV. bie alte Ly⸗
turgiſche Berfafjung wiederberitellen wollte, ward er
240 v. Chr. von den €, erdroſſelt. König Kleome⸗
nes III. bob 226 v. Chr. das Inſtitut der E. auf, aber
als er 221 den Thron verlor, ward das Ephorat
wiederbergeftellt. — Vgl. Dum, Entſtehung und
Entwidlung des jpartan. Epborats (Innsbr. 1878).
Ephörie, der einem Epborus (f. d.) oder Super:
intendbenten (f. d.) unterftellte Sprengel.
Ephöros, |. Ephorus.
horus (griech. ephoros), fpartan. Behörde,
er oren. In der reform. Kirche ift E. Bezeichnung
t Superintenbent (f. d.). manden Anftalten,
3. B. Seminaren, führt ein Vorſteher den Titel E.
Ephörus (Ephoros) aus Kyme in dem Heins
aftat. UNolis, griech. Gefhichtichreiber des 4. vor
ik yahı. ein Hauptwerk waren die 30 Bücher
«Hiltorien», in denen er die Geſchichte Griechenlands
von der dor. Wanderung bis zu den Kämpfen des
macedon. Philipp um die Stadt Berinth behandelte.
Die Fragmente des E. jammelte Marx (Karlsr. 1815),
dann C. Müller in den «Fragmenta historicorum
Graecorum», Bd. 1 u. 3 (Bar. 1841—49). — Val.
Rlügmann, De Ephoro historico Graeco (Gött.
hradmiten, |. Gpbraimiten. [1860).
Ephidrofig — Ephräm
Ephraim (bebr., —— »), einer der 12
Stämme des israel. Volls, im Centrum des Landes
auf dem Gebirge E. wohnhaft. Die hebr. Üüberliefe⸗
rung leitet ihn von dem zweiten Sohne des Joſeph
ab, den Yalob z ie feinen eigenen Söhnen
zum Erben da t babe. Mit Manafje zujam-
men bildete er in ältefter Zeit das «Haus Jofepb».
Die Kultftätten von Bethel und Silo lagen auf
feinem Gebiet. Nah Sauls Tode erfannte E. mit
allen nörbl, Stämmen Sauls Sohn Eſchbaal (Is⸗
bojeth) als rechtmäßigen König an, während, der
Stamm Juda vom Reiche Israel abfiel und feinen
Landsmann David zum König wählte. Die Riva-
lität beider Stämme warb feitdem die Haupturſache
be iger innerer Unruhen. Nach Ermordung Is bo⸗
eths duldeten die Ephraimiten die Davidiſche Re:
ierung und die Hegemonie Judas, aber ſchon gegen
e von Davids Leben fam ed zu Aufitänden,
die fih auch unter Salomo wiederholten und nad
deſſen Tode zur definitiven Trennung Israels in
wei Reiche, das Reich Juda und das Reih €.,
brten (wabrfheinlih um 975 v.Chr). DerBegrün-
der des lektern wurde der Ephraimite Jerobeam,
der alle Stämme bis auf Juda für feine Herrichaft
gewann. Das Reich E., mit der Hauptftabt Sichem,
dann Tirza und fpäter Samaria, betrachtete ſich mit
Recht als die legitime Fortfeßung des von Saul ge:
gründeten israel. Reichs. Ihm fi daber von felbit
der alte nationale Ehrenname “srael zu. E3 war
der Hüter des nationalen Gebantend. Auch der
Fortſchritt der religiöfen Entwidlung vollzog fid
zunädjt in ibm. Allein e8 vermochte fi nicht zu
einer feften Erbmonardie zu entwideln. Dynajtie
folgte auf Dynaftie im rafhen Wechſel. dem es
die Jahrhunderte langen Syrerkriege überbauert,
fiel e8 722 v. Chr. dem —F hen Reich zur Beute.
Die hauptftädtifche Bevölkerung und das in bem
eroberten Samarien ergriffene Heer wurden depor⸗
tiert, das Land aflyr. Provinz. Die Mafle der Be:
völferung blieb zwar wohnen, allein e8 wurden auch
fremde Koloniften in Land geführt. Über bie ——
tern Schickſale der israel. Bevollerung des mittlern
Landes ſ. Samaritaner. — E. heißt auch ein Ort
im Gebiete des Stammes (2Sam. 13,25), wahrſchein⸗
lich mit dem famarit. Bezirt Apherima identifch,
ben 145 v. Chr. der Maflabäer Jonathan mit feinem
Gebiete vereinigte. Vielleicht entipricht er dem gro-
ben Dorfe et:Taijibe, 8 km norböftlic von Beitin,
das an Eifternen und Selfengräbern als eine alte
Ortslage kenntlich ift. — €. ift ferner ein Wald dft-
lid vom Jordan, wo Abfalom gegen das Heer jeines
Vaters David den Tod fand; vielleiht mit Epbron
zu vergleihen. — Bon €. ift das Gebirge E. be
nannt, ein Bergzug im mittlern Baläftina, im N.
von der Ebene Jesreel (f. 2 begrenzt und ſudlich
bis in die Nähe Yerufalems ſich erſtreclend.
Ephraimiten, Ephraämiten, minderwertige
Eilbermünzen, während des Siebenjährigen Krieges
unter Friedrich d. Gr. geprägt, wurden vom Volle
nad den jüd. Kaufleuten Ephraim, Itzig & Eomp.,
denen der König die Ausmünzung übertru ‚genannt.
Ephräm (genauer Apbrem, d. i. Epbraim) der
Syrer, der gefeiertite Kirhenfcriftiteller der for.
Kirche, daher mit ebrenden Beinamen, wie «Prophet
der Syrerz, «der beredte Mund», «Säule der Kirche»
u. a., auögezeichnet, wurde um 306 von beibn. Eltern
u Nifibis geboren, ward der Schüler des Biſchofs
alob von Niſibis und vollendete jeine Ausbildung
in Edeſſa. Als 363 Nifibis vom Kaiſer Jovinianus
Ephrat — Epiharmus
an die Berfer abgetreten ward, begab fi E. nad
Edeſſa, das ſchon damals Hauptjig der jur. Gelehr⸗
famleit war. Er wurde Mönd, lebte in einer Höhle
in der Näbe ver Stabt, mit ascetiſchen Übungen und
tel Serifttellerei beihäftigt. Auch fammelte er
eine von Schülern um fih und prebigte
gegen verſchiedene Ketzereien der Zeit. Der Bericht
von einem längern Aufenthalt E.s in — iſt
wenig glaubwürdig, —** beſuchte er Baſilius
d. Gr. im lappadociſchen ges und wurde von
ibm zum Dialon geweiht. ftarb zu Edeſſa im
Juni 378. Griechen und Maroniten feiern fein Ge
dachtnis den 28. Jan., die Römifcen den 1. Febr.
Bon E.s zahlreichen Werken find einige im for, Ur:
tert, andere in griech., lat., armenifcher, fopt.,ätbiop.
und ſlaw. a auf uns gelommen. Die
vollftändigfte Sammlung der fyr. und gried.
Zerte erſchien unter päpftl. Autorität von Afjemani
(6 Foliobände, Rom 1732—46), der armenifchen
von den Mechitariften (4 Boe., Bened. 1836), der
ſlawiſhen von Peter Kohl (Mostau 1701). Die
töm. Ausgabe der ſyr. Driginalwerke ift durch fol-
ende Zertpublilationen vielfach gen
Diverbed, «E — ete.
(Of. 1865); Tb. Samy, phraemi Syri hymni
etsermones» (2 Bde., Mecheln 1882—86) ; ©. Bidell,
«Ephraemi Syri Carmina Nisibena » (Lpʒ. 1866);
—— rmones duo» (Brixen 1870; vgl. dei:
fen «Monumenta Syriaca», Bd. 1, Innsbr. 1869);
®. Bedjan, «Histoire complöte de Joseph. Po&me
en 12livres» (2p3.1891). Von größter Bedeutung ift
der im Anſchluß an die Peſchita ausgearbeitete ſyr.
Kommentar zu [ämtlihen Büchern des Alten und den
meiften B bes Neuen Teftamentd, von denen
fein Kommentar zum —— nur in einer alten
armeniſchen fiberjegung vorhanden iſt. ( Vgl. G. Mo⸗
finger, Evangelii Concordantis Expositio facta a
Syro Ephraemo, Vened. 1876.) Außerdem giebt es
von ihm eine große Anzahl Hymnen und Reden,
von denen viele überjegt worden find: ind Deutiche
——— («Des heiligen Kirchenvaters E. aus:
gewählte Schriften», de., Innöbr. 1830 —37;
2. Yudg. 1845—46, auch jeder Band unter bejons
derm Titel; «Ausgewählte Schriften des heiligen
€. von Syrien aus dem Syriihen und Griedif
überjegt», 5 Bde., Kempten 1870—76; «Die Reden
die Fleger», ebd. 1850; «Marienrofen aus
amastus», 2. Ausg., Innsbr. 1855; «Meden
über Selb eugnung und einfame Lebenämeifer,
ebd. 1871), von C. Made («Hymnen aus dem Zwei⸗
ömel — Maing1889), .Daffer(«Gomilie aber
das Bilgerleben», 1896) und in Zeitichriften von
E.Ravier(«Baffionspredigten», 1883, und «Ein Brief
an dießergbrüber», 1884), ©.Bidell («Gedichte gegen
Yulian den —— und Stat Rordam (zehn Ge⸗
dichte in der «Theologiſt Tidsſtrift», Kopenh. —
ins Engliſche von Morris (Orf. 1847) und Burgeß,
«Hymns and homilies» (Lond. 1853) und ins Sta:
lieniſche von Baggi und Lafinio (1851). fiber E.3 ere:
be Zeiftungen bandeln Zengerle, De Ephraemo
acrae scripturae interprete (Halle 1828) und De
Ephraemi arte hermeneutica (Rönig3b. 1831),
D. Gerion, Liber die Kommentaren des E. Syrus
im Verhältnis zur jüd. Eregefe (Berl. 1868), und
Hl, A dissertation on the gospel commentary of
E. the Syrian (Lond. 1896); über feine Bedeutung
ald Dichter Ferry, S. Ephrem poete (Nimes 1877),
und Srimme, Der Stropbenbau in den Gebichten
€. des Syrers (Freib. i. Schweiz 1898). — Das
worden:
selecta»
79
«Leben des heiligen E.» fchrieben Alsleben (Berl.
1853) und Bingerle im 1. Bde, feiner Überjegung
in der Kemptener Sammlung.
Ephrat oder Ephräta, Ort, mo Rahels Grab
ſich nad 1 Mof. 35, is befand, nad) Fer. 31, ı5 und
1 Sam. 10,» an der —— ——— und Ben⸗
jamins gelegen, von einer Gloſſe zu 1 Mof. 35, 10
mit Bethlehem identifiziert (vgl. 1 Moſ. 48, 7),
welches in nacheriliſcher Zeit diefen Namen getragen
bat. Daher iſt €, Mia 5, ı, Ruth 4, 11 Beir
name Bethlehems. Infolge des Irrtums des Glof:
ators von 1 Mofe 35, ı9 wird jet Rahels Grab in
thlehem gezeigt.
Ephron, Gebirgäjug an der Örenze der Ge
biete von Juda und Benjamin, etwa zwiſchen den
jegigen Orten Beit Ilſa und Karjet Enab.
Eobron (Efron; daneben aub Efrajin).
1) Stabt in Baläjtina an der Grenze der Reiche Juda
und $örael, Dienad dem Onomaftiton des Eujebius
und Hieronymus etwa bei dem —— Dorfe Sind⸗
chil, 30 km nördlich von Jeruſalem
elegen haben
oll. — 2) Sehr feſte Stadt im — — nde,
von unjicherer Sage an einem Engpaß, wurde von
dem Mallabäer Judas 164 v. Chr. erobert.
Ephydriäden (grch. Wafler:, Quellnymphen.
Ephfra, die junge Brut mander Quallen, |.
Atalepben.
Epi... oder (in Zufammenfegungen, wo das
Kompofitionswort mit einem afpirierten Botal an:
fängt) Epb..., gried. Vorwort, bedeutet auf, über,
ei, über etwas hin, gegen (feinblid)), zeigt auch eine
ar und Erneuerung an.
Epibläft grch.), ſ. Embryo und Keim.
Epiblömum soenioum L,, j. Springfpinnen
und Zafel: Spinnentiere und Tauſend—
füßer I, Fig. ba u. b.
Epicanthus (rd), ein angeborener Überjhuß
der Augenlivhaut, welcher faſt jtet3 beiberjeits in
orm einer vertilal ftehenden alte den innern
ugenwintel überragt. Die Entfernung geſchieht
auf —— Wege. iii en
oarpium oder Epilarp (grd.), in der Bo:
tanik der äußere Teil der Fruchthaut —3
Epicedium (griech. epiködeion), elied, ge:
fungen bei der Ausftellung ver Leiche. Aus dem Alter:
tum ift nur ein (in feiner Echtheit angezweifeltes)
E. und zwar auf den Bruder des Kaiſers Tiberius
(Drufus) erhalten.
Epicentrum (gr&b.slat.), ſ. Erpbeben.
Epichaͤrmus, griechiſcher dramat. Dichter, Ber:
treter einer eigenen Gattung ber Komödie, ber
doriſch⸗ ſiciliſchen, wurde im 5. Jahrh. v. Chr. auf
der el Kos geboren. Er fam frühzeitig nah
dem ficıl. Megara und ließ fi, ſpäteſtens nah
ber Zerftörung biefer Stadt durch Gelon, in Sy:
rafus nieder, wo er an dem Hofe des Königs Hiero
—— Aufnahme fand, durch ſeine Dichtungen
außerordentlichen Beifall ſich erwarb und im *
Greiſenalter ſtarb. Die ſicil. Komödie des E.,
her ausgebildet als die attiſche, ging aus den Mi
men (f. d.) hervor, deren unzuſammenhängende
Bilder und Scenen €. zu rafch verlaufenden, beiter
bewegten Stüden zu verbinden wußte. €, foll das
Atrortichon (j. d.) erfunden haben. Die Brudjitüde
find von Abrens («De dialecto dorica», Gött. 1843),
Lorenz («Leben und Schriften des Koers E.», Berl.
1864) und Guigniaut («Fragments pour servir à
V’histoire de la comedie antique», ar. 1062) e⸗
ſammelt und erläutert worden, wichtige Ver ee
80
rungen berjelben gab Th. Bergt in den Leltiond:
verzeihnifien der Halliihen Unwerfität vom Som:
merjemefter 1868 und vom Minterjemefter 1868/69.
Neu entdedte Berje des E. beſprach Gomperz in den
«Mitteilungen aus der Sammlung der Papyri Erz
berzog Rainer», Bd. 5 (Wien arte
ichlorhydrin, eine organiihe Verbindung
von der Zuſammenſehung
C,H, OCl = CH, -CH-CH, Cl
L0,J
die aus aeg a ren Eimirtungsprodutt von
Salzjäure auf Giycerin, durch Behandeln mit Aßlali
oder Ünatron — wird. E. iſt eine in Waſſer
unlosliche, leicht bewegliche Flüffigleit von chloro⸗
formähnlichem Geruch und dem Siedepunkt 117°.
oria abus, —A Vers, in dem nach
ß ein Choriambus — ift.
ch (grch.), einheimiſch.
€ (orh.), Hautfärbung, befonders auf
Barbenveränderu er Hautausſchlag.
Epicdnum (grch.), in der Grammatil ein Tier:
name, ber nur ein —— Geſchlecht (Mast.
oder Femin.) hat, aber von beiden natürlichen Ge:
ſchlechtern gebraucht wird, 3. B. die Maus.
& Tre reger
Epiorfiumglu i
Epicũrus (Epiluros), —3
341 v. Chr. zu Athen oder Samos, empfing den erſten
bilof. Unterricht beim Blatoniler Bamphilus, hörte
päter den Demokriteer Nauſiphanes und wurbe ganz
ür die Philoſophie Demolrits gewonnen. Später
gte er auf feine Abweichungen von Demofrit ftär:
letes Gewicht und betrachtete fich felbft ald den Ur:
beber der wabren Philofopbie. Er trat als Lehrer
erft in Mitylene und Lampjacus “ 806 eröffnete
er > Schule in einem Garten zu Athen, der jeiner
le verblieb, die man daber auch als «den Gar:
ten» deö E. bezeichnete. Er ftarb um 270 in Atben.
Seine zablreihen Schriften waren zum Teil mit einer
ewiſſen Nachläſſigleit abgefaßt; nicht unbedeutende
Breite davon find erhalten (bg. von H. Ufener, «Epi-
curea», Lpz. 1887; über einen neuen Fund vgl. den⸗
felben ım «Rhein. Mufeum», Bo. XLVII.
€. Philoſophie aliedert ſich wie die ftoifche
deutlich in Logik, Phyſik und Ethik, au Kg eben»
als bei ihm dag Schwergewicht auf die Ethit. Seine
ogil, von ihm Kanonik genannt, ftellt den «fa:
non» oder die Norm der Erlenntnis feft; fie bildet
eigentlib nur die Einleitung in die Phyfit. Das
Haupttriterium (Fundament der wahren Erlennt:
nis) ift die Wahrnehmung, fie ift weder zu wider:
legen dur andere Wahrnehmungen (denn leine
itet mit der andern), noch durch die Vernunft, die
elbft ganz und gar von der Wahrnehmung, ab:
ängt. Auch die Phantasmen der Wahnfinnigen
owie die Träume find, als evidente Wahrnehmun:
gen, nicht bloß unleugbar wirklich, ſondern eben
darum au wahr. Ein zweites Kriterium ift die
—— die mit dem Wort verbundene, aus der
innerung vieler gleichartiget Wahrnehmungen
entſtandene Vorſtellung (nicht zu verwechſeln mit
ber ſtoiſchen prolepsis oder ennoia). Kriterien find
außerdem bie le (pathe), nämlih für das
altiſche Verhalten. Alle Möglicteit des Irrtums
ingegen berubt allein auf der Meinung (doxa) oder
Annahme (hypolepsis), die, über die gegebene
Wahrnehmung hinausgebend, teilö auf ein *
Wahrzunehmendes —— teils auf über:
—— nicht Wahrnehmbares (adelon) ſich erſtreckt.
ne ſolche ift wahr im erſten Falle, wenn die ſpä⸗
Epichlorhydrin — Epicurus
tere Wahrnehmung für fie zeugt (epimartyresis),
im zweiten, wenn mwenigitenä feine Babrnchmung
gegen fie zeugt (uk antimartyresis), Nur jo ge
winnt E, die Gewißheit von der Eriftenz der Atome
und bes Leeren. Da aber diefe Erlenntnis doch über
das Gebiet des Wahrnehmbaren hinausgeht, jo
muß E., gegen die jenjualiftifche Tendenz feiner Er-
tenntnislebre, dem theoretiſchen Denten einige Zu:
geſtändniſſe machen. Die Phyjik des €, berubt auf
der Borausfekung des Atomismus. Abweichend von
Demolrit nimmt E. eine grundloje Abweichung ber
Atome von dem urjprünglich ſenkrechten Fall ald An-
ſtoß = Weltbildung an. Die Teleologie, vollends
die Annahme einer göttlihen Leitung des Weltlaufs,
befämpft er ebenio wie Demokrit, deögleichen bält
er die Annahme unendlich vieler Welten feft. Die
wirkliche Größe der Sonne und der Geftirne unter:
ſcheidet ſich nach ihm nicht von der ſcheinbaren. Die
Seele ift ein feiner luftähnlicher Stoff; mit dem Tode
—— ſie ſich und alle Empfindung hört auf. Die
ahrnehmung kommt (wie bei Demokrit) durch Aus⸗
flüſſe und Bilder zu ſtande. Die Freiheit der Will
für bebauptet E. und fließt daber die fonft alles
beberrichende Notwendigleit von den Willensalten
aus. Die Götter eriftieren ald Körper, aus ben
feinsten Atomen gebildet und in den leeren Räumen
zwifchen den Welten wohnend. Dieje ganze Phyſil
dient, wie au €, ausdrüdlich erklärt, nur der ge
börigen Sicherung feiner naturaliftiihen Ethil und
ift nicht aus felbjtändigem naturwiſſenſchaftlichem
tereſſe hervorgegangen. Die Ethil des €. ftüht
ih, obwohl obne principielle Klarbeit, auf das
rincip der Luft. Doch iſt darum nicht jede ſich
darbietende Luft 3 erſtreben, ſondern zu berechnen,
bei welcher Handlung im ganzen ein Uberſchuß von
Luft (oder ein Minus von Schmerz) ſich ergiebt.
Daher empfiehlt E. Genügjamleit, Vermeidung loft-
—* üppiger Genüfje, zur Bewahrung ber Gr
undbeit und Genußfähigleit. Daher gehört zum
angenehmen Leben aud, daß man vernünftig, ans
ftändig und gerecht lebe, wie umgelehrt mit dieſen
Tugenden die Annehmlichteit ven ih olgt. Bis⸗
meilen erſcheint an Stelle der Luft auch die bloße
Schmerzlofigleit und Unerſchütterlichleit als Ziel.
Die feeliiche Luft ift von der förperliden burdaus
abhängig und gebt aus ihr hervor, doch hat fie in-
A ben Borzug, als fie völlig in unferer Gemalt
» Daß diefe Moral auf einen ziemlich folgerechten
noismus binausläuft, ift Har; das hindert nidt,
daß auf die Freundſchaft großer Wert gelegt wird,
denn dieſe jelbft wird wejentlic auf ven Nuben für
den, ber fie genießt, gegründet, obwohl baneben,
etwas intonfequent, auch ein uneigennüßiges Wobl-
wollen eingeräumt wird. Die Epikureijche Ethil
ag ſichtlich mit der Cyrenaiſchen, aber aud mit
der Demofritifchen zufammen. BR
Im ganzen fam der Epilureismus mit feinem
groben Dogmatidmus, feiner im ganzen kaum
wiffenfchaftlih zu nennenden Haltung und mora:
liſchen Zarbeit der Zeitftimmung entgegen und ge
warın beträchtlichen Einfluß befonders in ber röm.
Welt des Augufteiihen Zeitalterd. Die Schule des
E. zeigt im allgemeinen wenig Selbftänbdigteit, ber»
vorzubeben ift nur die Ausbildung einer beftimmten
Seite der Logik dur Zeno (f. * von Sidon und
feine Schüler, wie Demetrius den Lalonier. ‚Her
vorragend ih die dichterifche Daritellung der Epi-
kureifhen Philojopbie in dem Lehrgedichte des Lu⸗
cretius. Auch Dionenes Laertius bing der Epilu-
Epicykel — Epidemie 8
wihen Richtung an, fpäter ift fie jo gut wie er»
leihen. — g- 3eller, —A — der Griechen,
dd. 8, Abteil. 1 (3. Aufl., 8p;. 1880); Gifycki,
über va8 Leben und die Moralphilofophie des E.
(Halle 1879); Kreibig, Epicurus (Wien 1886);
Bene ‚E.’ Berbältnis zu Demokrit in der
Raturpbilo opbie (Straßb. 1897). j
EpichHkel (arch.), eine gelrümmte Linie, die man
erhält, wenn man fich dentt, daß ein Punkt mit
eihförmiger Gejchwindigteit den Umfang eines
es durchläuft, während gleichzeitig der Mittel:
vunlt dieſes Kreiſes wieder um einen andern Punkt
einen Kreis befchreibt. Lesterer Kreis wird der
beferierende genannt. Der E. fpielte namentlich
in der Ajtronomie des Altertums eine wichtige
Rolle, indem er zur Erklärung des ſcheinbaren Laufs
der Blaneten benugt wurde. (S. Weltfyiteme.)
Hi —— ſ. Cylloide und Tafel: Rur—⸗
ven UI,
bammus, alte Stadt, j. Durazjo.
Epidbauros, j. Epidaurus. j
ö us (och.Epidauros), eine urfprüng:
Gib von Kariern gegründete, dann von Joniern be
este, jpäter aber be der dor. Wanderung von
rg03 aus bdorifierte Stadt an der Ditlüfte von
Argolis am Saronijhen Meerbufen, zu deren Ge:
biet urjprünglich aud die Inſel Agina (ſ. d.) ge
börte. Durdy ihre günftige Yage, bejonbers ihren
treffli Hafen, wurde €. fruͤhzeitig eine bedeu—
tende Handelsſtadt und gründete in nn
mit —— Nachbarſtädten Argos und Trözen meh:
tere Kolonien auf den Inſeln Kos, Kalydnos und
Riipros. Seit 640 v. Ehr. ward die Stadt von dem
Tprannen Profles regiert, jpäter von dem korinth.
Bj Beriander unterworfen; nad dem Sturze
der forinth. Kypſeliden (681) erlangte fie fax: ibre
Selbſtändigleit wieder, aber infolge des gleichzeitig
erfolgten Berluftes von gina vermochte fie ihre
ere Blüte nicht mehr zu erreichen. In der Folge
chloß ſich das oligardifch regierte E. eng an Sparta
an. Die Hauptgottbeit von E. war Astlepios, der in
einem Waldthale 10 km weſtlich von der Stadt ein
Heiligtum batte, das zugleich ein nod im 2. Jahrh.
n. Chr. blübender Kurort war. Daber befanden fi
in demjelben, außer dem Tempel des Gottes jelbit,
Wohnungen für eine jablreiche Briefter‘ haft, Wohn:
bäujer für die fremden und verſchiedene Anlagen
zu deren Bflege, Unterhaltung und Erbeiterung, wie
namentlih das von Polyklet aus Argos erbaute
aroße Theater, dejien marmorne Sitzreihen noch
wohl erhalten find. In den legten Jahrzehnten find
durch Nahgrabungen der Griehiihen Archäologi⸗
ſchen Geſe haft aud ſonſt Reſte alter Baulichkeiten
in €. wieder aufgebedt worden; jo in dem ganzen,
noch jest vom Bolle «das Heiligtum» (to hiero) ge:
nannten Thale die Tholos des Polyklet, ein kreis⸗
runder Säulenbau, ferner das Stadion u. a. Jetzt
liegt bei den Nuinen ver alten Stadt ein gleich:
mamiged Dörfhen und etwas mehr nördlich das
Städten Piädha. — Bol. Kabbadias, Fouilles
d’Epidaure (Bd. 1, Athen 1893). — Über die griech.
Rationalverfammlung zu €. ſ. Piädha.
Eine andere gried. Stadt E., von der vorer⸗
mwähnten durch den Beinamen Limera unterſchie—
den, lag an der Oſtküſte Laloniens, eine Stunde
von dem beutigen Städtchen Monemwaſia entfernt:
Epideigis, Epidiris (grob., das «Aufmeijen»),
Brobeitüd, Bruntjtüd, bejonders Prunfrede; davon
als Adjeltivum epideiktiic.
Brodbaus’ Konvderjationsskeriton.. 14. Aufl. R. U. VI
Epidemie (grch) oder epidemijhe Krank—
beit, auch Volkskrankheit oder Seuche, wer:
den Kranlheiten genannt, welche ſich zu beſtimmten
Zeiten über größere oder kleinere Gebiete aus:
breiten, während fie nad ihrem Erlöjchen wieder
—— nicht vorlommen. Im Gegenſatz zu den
epidemiſchen Krantbeiten ſtehen die jporad ? ben,
melde nur einzelne Berjonen befallen, und die en:
demiſchen, mweldhe beitimmte Gegenden dauernd
heimſuchen (f. Endemie). Jit die Krankheit über
ganze Länder gleichzeitig verbreitet, jo daß faft alle
ewohnte Gegenden der Erde von ihr befallen find,
jo jpriht man von einer Bandemie oder pan—
demiſchen Krankheit. Größere E. verurſachen
nur ſolche Krankheiten, die durh Mikroorganis—
men hervorgerufen werden, die nfeltionstrant:
ee (f. d.), wie Cholera, Influenza, Scharlad,
ajern, Typhus, Blattern, Gelbes Fieber, Beulen
peit u.d (to daß ſich der ZSegri nfeltionslrankheit
und Boltötrantheit in der Regel dedt. Epidemiſch
wird eine Krankheit auftreten, wenn entweder eine
beftimmte Schäblichfeit mehrere zur Erkranku
bisponierte Individuen trifft, oder wenn ber Krant:
—— in reichlicher Anzahl vorhanden iſt und
elegenbeit findet, ſich zu vermehren und ſtets wie:
der auf neue ———— Individuen zu verbreiten.
Bon alters ber wurden kosmiſche, telluriſche und
polit.efociale Verhältnifje ald Urjachen der epide⸗
mijchen Verbreitung einer Krankheit angejehen. Der
Glaube an den kosmiſchen Urjprung der Seuchen
als Folge beftimmter Stellungen der Sterne zu ein»
ander oder des Erſcheinens eines Kometen ift uralt,
jedoch lediglich als ein Aberglaube zu bezeichnen.
Großer Einfluß wird Fi Zeit noch den tellurif
Verhältnifien, den eleltrijhen und magnetijchen
Verhaͤltniſſen eines Landſtrichs, Uberſchwemmun⸗
gen, anhaltender Hihe und Trodenbeit teip. anhal⸗
tendem Regen, einem bejonderö ungewöhnlichen
Verlauf der Yahreszeiten, Steigen und Sinten des
Grundwaſſers u. dgl. von manden zugeichrieben.
Allein auch diefe Umftände dürften nur geringen
Einfluß haben und zwar nur injofern, als fie bie
Dispofition vielleicht erhöhen, wie z. B. Lungen:
entzündungen entjchieden häufiger find bei rauber
Witterung, welde zu Ratarrhen diöponiert, als
bei milder Witterung. Auch die Beihafienbeit des
Bodens, ob er jene oder jandig, ———
ober pord3 iſt, iſt für das Auftreten von E. ohne
Einfluß. Bedeutend wichtiger und beftimmender
auf den Gang einer €, find polit.:fociale Ber
bältnifjie. Die BVerfehröverhältniffe eines Ortes
und Landes, die Sitten und Lebensgewohnheiten,
die — ung, die durchſchnittliche Wohlhaben⸗
beit, die Wohnungs: und äbrungsverbältnifie,
envlich der Grad der Durchſeuchung und dadurch er:
langte — einer —— ſind für den
Verlauf und die Ausbreitung einer E. von größter
Bedeutung; fie find ausſchlaggebend für die to viel:
fach betonte örtliche und zeitlihe Dispofition zu
einer E. Verlehrscentren pflegen bei E. jtet3 zu:
erit betroffen P werden, und von da aus verbreitet
ih die Krankheit in die umliegenden Ortſchaften.
eute, welche in überfüllten ——— und in Fa⸗
briträumen ſtets in enger Berührung leben und viel»
leicht noch ſchlecht genäbrt find, haben eber Gelegen⸗
beit zur Infeltion und find weniger widerftandsfäbi
ala eine Bevölkerung, melde zeritreut wohnt, fi
meift im freien aufhält und wohlhabend ift. In
Orten mit guten hygieiniſchen Einrichtungen, wo für
6
82
eine geeignete Entfernung der Abfallftoffe, für gutes
Trinkwaſſer geforgt ift, mird eine €. ſich viel ſchwerer
verbreiten fönnen als da, wo dieje nicht der Fall ift.
Die Ausbreitung einer E. wird bedingt durd die
Anftedung (f. d.). Wird eine Anfeltionstrantheit
irgendwo eingejchleppt, fo entfteben daſelbſt zuerft
E. in der genik, dann im Haufe, in der Straße,
und endlich ift die Krankheit über die ganze Bevol⸗
ferung einer Stabt verbreitet. liberaus injtruftive
Beiſpiele für die Art und Weife, wie fih E. aus:
breiten, liefern bie in legter Zeit mehrfach epidemiſch
aufgetretenen Infektionskranlheiten, die Cholera
(f.d.) und Influenza (Grippe, ſ. d.). Bei beiden war
es möglih, den Gang der E. volllommen Har zu
legen, und jedesmal zeigte fi, daß ſtets eine ſpä⸗
tere Erkrankung mit einer frühern zufammenbing,
und daß nicht mwillfürlich einzelne Ortſchaften ver:
ſchont blieben, während andere häufig heimgeſucht
wurden, fondern daß dieje fcheinbare Immunität
angel an Infeltions⸗
Epidemiologie
verſchiedener Gegenden aus
elegenheit infolge der Verlehrsverhaltniſſe oder der
bensweiſe zu erflären war. Auch die Beobachtung,
daß in beitimmten Häufern und Straßen mande
Anfeltionstrantheiten häufiger vorlommen, was
dazu geführt bat, 3.9. Dipbtberie: und ——
bäufer anzunehmen, läßt ſich zwanglos ren.
Meift handelt es bier um Häufer mit vielen
empfänglihen Individuen, fo bei der Dipbtberie
mit vielen Kindern, oder um Häufer, in denen ein
fchneller Wechſel der Mieter eintritt, jo daß immer
neue noch empfänglidhe Individuen binzufommen,
oder endlih um Stadtviertel, in denen eine arme
Bevölkerung dicht gedrängt zuſammenwohnt, fo daß
reichliher Gelegenheit zur Anftedung gegeben ift.
Die Übertragung des Anfeltionsftoffes kann dur
Berührung (Dipbtberie, Ros, Miljbrand, Influenza),
durch Mailer und Nabrun Smittel (Typbus, Cho⸗
(era), durch Einatmung (QTuberkuloje) und wahr:
ſcheinlich durch ſtechende Inſelten (Malaria, Recur:
rens) erfolgen. Jede Seuche zeigt eine Zeit der Zu:
nahme, ber Höbe und der Abnahme, und zwar findet
ſich meiſt, daß die Zunahme raſch vollendet und das
Höbeftadium bald erreicht ift, während ſich das
Stadium der Abnahme länger hinausziebt. Nah
ihrem Ablauf > die Krantbeit entweder fpurlos,
nicht felten auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus ver:
ſchwunden, bis plößlich wieder einzelne Fälle den
Beginn einer E. antündigen, oder fie befteht wäbrend
der Pauſe in einzelnen meift Arge
—*—* Fällen fort, wie dies z. B. beim Schar⸗
ad in großen Städten der Fall iſt, und entwidelt
ſich dann infolge beitimmter Umftände zur E., jo beim
78 wenn beiſpielsweiſe Nahrungsmittel oder
das Trinkwaſſer infiziert werden. Die Dauer der E.
ift verſchieden, gewöhnlich nicht unter 2—3 Mo:
naten, ſelten über ein halbes Jahr während; meiſt
dauern fie deſto kürzere Zeit, je heftiger fie auftre⸗
ten, d. b. je mehr Individuen fie glei anfangs er:
Er Ebenjo wechjelnd wie die Verbreitung der
8. it auch ihre Mortalität; während in einzelnen
E. alle Fälle gutartig verlaufen, ift in andern die
Prozentzabl der Toten eine jehr beträchtliche, ohne
daß ſich ein beitimmter Grund dafür bisber mit
Sicherbeit anführen läßt; vermutlich banvelt es
% dabei um verjchiedene Virulenzgrade der In—
ettionserreger. Gemöbnlic find die Erfrantungen
zu Anfang einer E, die ſchwerſten, am bäufigiten
tödlich, weil meiſt die ſchwächlichen Individuen zu:
erit ergriffen werden. Die €. hört nab und nad
— Epidermis
von ſelbſt auf, jei es, weil fie alle Disponierten Ins
dividuen aufgezebrt bat (da epidemiſche Krankbeiten
einen Menſchen oft nur einmal befallen), ſei es,
weil ihre Urſachen aufbören, fei es, weil die Leute
fih befier dagegen ſchützen u. |. m.
Die jehr mannigfaltigen Schutz⸗ und Hilfs⸗
mittel gegen E. gehören in das Gebiet ber
entlichen mie der privaten Hygieine. Sie find
allgemeine oder fpecielle; zu den allgemeinen ge
bören beſonders Berbefjerung der Lage, ber Nab-
rung, bejonders auch des —— ferner der
Kleidung und Wohnung der ärmern olfatlafen, fo:
wie größere Sorge für Entfernung alles Unrats aus
bem Bereiche —— Wohnungen, ausgiebige
Ventilation und Desinfeltion der Wohnpläge und
ihrer Umgebung ſowie jtrenge Beauffihtigung der
DWaflerleitungen, Brunnen und Quellen; —
aus der Eigennatur des Ubels entnommene Schußz⸗
mittel ſind z. B. die —— ſolierung der Er⸗
frantten, die energiſche Desinfeltion der Kranten:
immer, bie Schugpodenimpfung gegen Blattern, die
perrmaßregeln gegen orient. Belt, das go auf
bie Höben des innern Landes gegen Gelbes Fieber.
Über die gefeplihen Maßregeln gegen Verſchleppung
von E. f. ——
Litteratur. Grieſinger, Infeltionskrankheiten
(2. Aufl., Erlangen 1864) ; Heder, Die großen Volta:
frantbeiten bes Mittelalters (Berl. 1865); Öfterlen,
Die Seuchen, ihre Urſachen a und Belämpfung
Tüb, 1873); Allgemeine Zeitichrift für Epidemio⸗
ogie, bg. von Kuchenmeiſter, Bd. 1 (Erlangen 1873);
Hirſch, Über die Verhütung und Bekämpfung ber
Voltstrantheiten (Berl. 1875); deri., Handbuch
der biftor.:geogr. Pathologie (2. Aufl, 3 Abteil.,
Stuttg. 1881— 86); Rei, Studien über die epide-
miſchen Krankheiten (Lpz. 1894); Flügge, Mitro:
organiömen (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1896); alt
Geihichte der Volis ſeuchen (Berl. 189); Weicfel:
baum, Epidemiologie (im «Handbud ber Hygieine»,
bg. von Weyl, Bd. 9, Nena 1899).
Epidemiologie (gr&.), die Lehre von den Epi⸗
bemien (f. d.).
Epidermibdöfen (grch.), Hautkrankheiten, welche
auf Ernährungsjtörungen der Epidermis beruben.
idermin, gegen Wunden, Eiterungen, Ber:
brennungen, Flechten u. |. w. empfoblene Salbe aus
un. Bafeline, Fluorpfeubocumol und Difluor-
dipbenpl.
—ã (grch.), die oberſte Schicht der menſch⸗
lichen und tieriſchen Haut (f.d.);epidermoidäl, mit
der E. zufammenbängend oder von ihr ausgehend.
In der Botanik ift E. die Zellfhicht, melde
fämtliche Organe der höbern Pflanzen nad außen
abſchließt, bevor noch fetundäre Veränderungen in
den peripberifch liegenden Geweben, 3. B. Rort:
bildung, eingetreten find. Cine von den darunter
liegenden Geweben chiedene, oberflählih lies
gende Zellſchicht ift eigentlich nur bei den Gefäß:
pflanzen vorhanden, und felbit bier nicht ganz aus:
nahmslos; denn bei manden Waſſerpflanzen, 3.3.
bei den Blättern von Elodea canadensis Rech.,
lann man von einer €, nicht ſprechen; ebenio
wenig ift dies der all bei erg Farnkrautern,
. B. den Hymenophyllaceen. Von den übrigen
a unterjcheidet fib die E. im mweientlichen
dadurch, daß die Va aus denen fie fih zufammen«
fest, in lüdenlofem Verbande miteinander Do
alfo feine Antercellularräume zwiſchen ſich baben,
mit Ausnahme gewiſſer Stellen, wo die Spalt-
Epidiaffop — Epidot
nungen und die MWafferporen oder Waflerfpal:
ten liegen. (S. Tafel: Blatt, Fig. 34, o, u.)
Die €. überziehbt demnach fämtlihe Organe der
BMlanze als Hautgemwebe, das nur an den Stel:
im, wo jene Spaltöffnungen und Waſſerſpalten
liegen, unterbrochen ift. Der t ihrer Zellen N:
in den meiften Fällen daburd darakterifiert, da
dad Chlorophyll fehlt, nur bei Wafjerpflanzen und
538 Schatten liebenden — findet
ſich Chlorophyll in den Epidermiszellen vor, außer:
dem regelmäßig Chlorophyll in den fog. Schließ⸗
sellen der Spaltöffnungen, melde entwidlungs-
geibichtli als Epidermiszellen aufzufafien find.
Die Form der Epidermiszellen ift gewöhnlich
prismatiſch und tafelförmig, der Umriß derjelben
in ben meijten Fällen gerablinig, jeltener wellen⸗
linig, legtere8 nur dann, wenn bie Radialwände
nit ebene, ſondern gemellte Flächen daritellen.
Gewöhnlich ift nur eine einzige Zellihicht vorhan⸗
den, die man ala E. — lann, direlt dar⸗
unter lommen dann chloroxhyllfuhrende, mit Inter:
celularräumen —— Gewebeſchichten; in eini⸗
Fällen ug ind me Zellſchichten vor⸗
a deren Elemente betreffs des anatom. Baues
und des Zellinhalts mit der oberflächlich liegenden
Schicht übereinitimmen; man fpricht in einem fol-
ben Falle, . bei Ficus elastica L., von mehr:
ſchichniger € Die nah außen gerichtete Fläche
der Spidermiszellen ift in der Regel eben, doch fin:
den fi in vielen Fällen papillenartige Ausftül:
pungen, befonders bei den mit jammetartigem Glanz
verjebenen Laub: und Blumenblättern, und außer:
dem die verſchiedenartigſten Haar: und Schuppen:
bildungen. Sämtlihe Epidermiszellen famt den
aus ihnen heroorgegangenen Haaren find mit Cuti-
cula überzogen, und bisweilen ift auch die ganze
Außenwand der Zellen, zumal wenn diefelbe ftart
verdidt ift, futikularifiert; man ſpricht in dieſem
Falle von futikularifierten oder Kutikularſchichien.
Die phyſiol. Bedeutung der E. für die Pflanze
liegt ar, erg darin, daß die Waſſerverdun⸗
ftung möglichft herabgejeßt und daß der Vertehr
der im Innern der Gewebe vorhandenen Luftgänge
mit der umgebenden Luft nur an bejtimmten Stel
ien, namlio da, mo die Spaltöffnungen liegen,
ftattfinden kann. Die legtern ermöglichen zugleich
infolge ihres eigentümlihen Baues eine Regulies
er. diefes Verkehrs. An vielen lan haupt⸗
ſachlich trodner Gegenden, finden ſich noch mehrere
BVerftärtungen der Cuticula vor, die entweder in
dichter Haar: oder Schuppenbededung befteben oder
durch Ausscheidung von Wachs gebildet werben.
Das Wachs tritt in Form von Körnden oder Stäb:
chen auf, die dicht aneinander die ganze E. bededen.
Während fomit an den oberirdifchen Teilen die
Einihräntung der Wafjerabgabe dur die €. er:
zielt wird, und zwar durch verjchiedene Einrichtuns
gen, wie Cuticula, Kutilulariſierung der Zellwand
u. ſ. w, muß an den Spiken der Wurzeln und
bauptiählib an den ſog. Wurzelbaaren, die nichts
anderes find, als fhlaubförmig ausgemadjene
Eridermiszellen, der Verlehr für Wafler beſonders
erleichtert werden; denn bier wird ja faſt das ge:
famte Wafjer aufgenommen, welches in der Pflanze
verbraudt wird. Die Epidermiszellen und die
Wurzelbaare find deöbalb an jenen Stellen äußert
ſchwach verdidt, die Cuticula ift, wenn überhaupt
vorbanden, ſehr zart. Bismweilen finden ſich auch
an der E. oberirdifcher Pflanzenorgane, haupt:
83
fählih an Blütenteilen, beftimmte Stellen, die
für Slüffigleiten eine größere Durdläffigleit bes
figen; ed find dies bejonbers die ſog. Neltarien
N d.), an denen zuderhaltige Tröpfchen vortreten.
ieje fühen Sefrete an den Blütenteilen haben oft
Bedeutung für das Zuftandelommen der Wechielbe:
ftäubung durch Infelten. (S. Betäubung.) — Val.
Maurer, Die E, und ihre Ablömmlinge (Yyp3. 1895).
Epidiafköp (ardh.), ſ. Bo. 17.
Epididgmis (grch.), der Nebenhode (f. Hoden);
Epididpmitis,die Entzündung des Nebenhodens.
Epidigis, J. Epideiris,
Epiddt, ein monollin Erpftallifierendes Mineral
mit einem außerordentlichen Reihtum an Formen,
von denen bis jebt 258 verſchiedene nachgewieſen
find; die ſtryſtalle find faft immer borizontal-fäulen-
artig (f. bei teenbe Figur: Kroftallform des E. von
Achmatowsl im Ural), in:
dem fie nad der Quer:
achſe langgeftredt und
vorwaltend Drtbopina-
toid, Ortbodomen und
Ben ausgebildet find;
diefe Säulen find an dem
einen Ende meift aufge {
wachſen und zeigen an
bem andern frei ausgebildeten Ende oft jehr lompli⸗
zierte Kombinationen von Hemipyramiden, Pris⸗
men und Rlinodomen. Zwillingsbildung nad) der
Querfläche ift jehr häufig, die Spaltbarleit nad ber
Baſis fehr volllommen, auch eine ſolche nad der
Querfläche vorhanden. Die Kryſtalle, oft ftart nah
der Querachſe geitreift, finden fich meift zu Drufen
vereinigt, find glasglänzend, meiſt grün, gelb oder
grau gefärbt und ftarf trichroitifch (f. Dichroismus);
die optiſchen Achſen liegen in der Ebene des Klino⸗
pinaloids, Die hem. Analyfe führt auf die Formel
H, Ca, (R,)s Sig Ogs, worin (R,) zum Teil Alumi:
nium (Thonerbe:Epidot), zum Teil Eifen Nahen
Epibot) it. In den Analyfen ſchwankt der Gehalt
an Riejeliäure von 36 bis 40 Proz., an Thonerde
von 18 bis 29, an Eifenoryd von 7 bis 17, an Ralt
von 21 bi8 25, an chemiſch gebundenem Wafler, das
erſt in ftarfer Glühhitze entweicht, um 2 Proz. Die
robe Subftanz wird von Säuren faum angegriffen,
die ftark geglühte oder geihmolzene von Salzfäure
mebr oder weniger leicht unter Abjcheidung von
Kiejelfäuregallerte ar
Barietäten des E. find: 1) Der eigentlidhe E.
oder Piftazit, öl: und zeifiggrün, piftaz- bis
ihwärzlibgrün, ſehr jchwer vor dem Lötrobr
ſchmelzbar, in Kryftallen, auch ftengligen und för:
nigen Aggregaten eingefprengt; die ſchönſten Kry—⸗
ftalle finden fih an der Knappenwand im Unter:
ſulzbachthal (Binzgau), am Rotentopf bei Schwar⸗
zenjtein im Billertbal, zu Rotlaue im Haslitbal,
Bourg d'Diſans in der Daupbind, Lanzon in Pier
mont, Zöptau in Mähren, Arendal in Norwegen.
Der eigentliche E. erſcheint in ſehr vielen Fällen als
Neubildungsprodult auf den Klüften von Horn—
blendegejteinen und iſt ſehr häufig in erfichtlicher
Weiſe durd eine Ummandlung von Hornblende,
auch von Augit und Biotit entftanden; aud aus
Feldſpaten fann unter befondern Umftänden €. ber:
86 Eine Anſiedelung von ſelundärem E. in
mikroſtopiſchen Körnchen, Neſtchen und Schnürchen
zeigt ſich daher vielfach in Syeniten, Dioriten, Por⸗
phyriten, Amphiboliten, auch Diabaſen, Graniten
nr w. 2) Der Manganepidot oder Piemon—
6*
84
tit, ftenglige Aggregate von San Marcel in Pie
mont, rötlihjchwarz bis dunlelviolblau, ſehr leicht
fchmelzbar —— durch einen Gehalt von
14 bis 24 Proz. Manganoryd neben zurüdtretender
Thonerde und Eifenoryd; bildet, mit feinen Quarz
lörnern — in Japan ein weitverbreitetes
dunlelviolettes Schiefergeſtein. 3) Der Buclan⸗
dit von Achmatows!l im Ural, ſchwarz und eiſen⸗
reich, —— hiſch charalteriſiert durch das
untergeorbnete Auftreten von Baſis und Brady:
pinaloid, [reinigungsmafcinen.
Epierreur (fr;., ſpr. epläröhr), ſ. Getreide:
‚ gl — * —* Recht,
eine gültige mit allen gejeb olgen einzu:
geben. Dieies Recht bei innerhalb eines Staa:
tes nur die Bollbürger. Den Angehörigen fremder
Staaten wurde eö nur burd bejondere geſetzliche
Berfügung (Beihluß der Vollsverſammlung) zu teil.
Der €. entipricht bei den Römern das Connubium.
aſtrion (grch.), obere Bauchgegend; epi:
+,
gaſtriſch, dazu gehörig. ngsgeichichte.
— igeneſis 4“**—
Epiglottio 8) Rebidedel lt. Itopf); Epi⸗
alottitis, Kehlde tzündung.
Epiguäthu® (grch.), eine parafitäre Doppel:
mißgeburt, bei welder ein frühzeitig verfümmertes
— als Paraſit dem kräftiger entwidelten
tus anbaftet und gewöhnlich aus der Mund:
Öffnung des legtern heraushängt. Durch nadıträg:
libe Wucherung kann der Barafit an Größe beträcht⸗
li zunehmen und volllommen untenntlich werben.
Cs onen 8 .), eigentlih Rahgeborene,
in der Mythologie vorzugsweife Bezeichnung für
die Söhne der fieben Helden der altgriedh. Sage, die
mit Bolyneites gegen Theben gezogen und in biejem
Kriege jämtlich bis auf Adraftos (f.d.) umgelommen
waren. Die E. unternahmen, um den Tod ihrer Bäter
u rächen, 10 Jahre fpäterunter Anführung des Adra⸗
oder des Allmaion einen Rachezug gegen die
bebaner und ſchlugen fie fo entſchieden, daß fie auf
des Teirefiad Rat in der nächſten Nacht ihre Stadt
verließen, die nun von den Siegern geplündert und
geichleift wurde. Die Namen der E. find: Altınaion
und — Söhne des Ampbiaraos; Yigia-
leus, Sobn des Apraftos; Diomedes, Sohn des
Tydeus; Promachos, Sohn des Partbenopaios;
Stbenelos, Sohn des Kapaneus; Therfander, Sohn
des Polyneiles; Euryalos, Sohn des Mekiſteus.
Aigialeus allein war im Kampfe gefallen. Schon
in Früher Zeit war der Krieg der E. ein Gegenitand
der epiſchen Dichtung, weniger bearbeiteten ibn die
Zragiter und die bildende Kunſt. — In der Ge:
ſchichte beiken E. die Söhne der großen, fiegreich
an die Spitze ber verſchiedenen Teile des Alerander:
reichs getretenen Diadochen (ſ. d. Aleranders d. Gr.
— In der Litteratur und Wiſſenſchaft be
jeichnet man diejenigen als E., welche, obne felbft
epohemadend zu wirken, nur die been ihrer
epochemachenden Vorgänger weiter verarbeiten.
Epigrämm (grch. d. i. Auffchrift), bei den Gries
chen urjprünglich wirklich die üblichen Aufichriften auf
Kunftwerten, namentlich folhen, die eine religiöfe
Weihe erbielten, auf Grabmälern u. dgl. Da diefe,
meijt in Diftihen abgefaßt, ihren Gegenftand did:
terijch erflärten oder auch neue ®edanten anftnüpften,
jo wurde das €. bald eine jelbftändige Dichtart, die
in fnappfter Faſſung die manninfaciten Gedanten
abrundete, mobei eine geiftvolle Pointe weſent—
lies Erfordernis, aber die größte Verfchiedenbeit
Epierreur — Epigraphit
des Inhalts möglich blieb. Die zahlreichen €. der
— Dichter, in denen höchſte Zartheit mit fedftem
Witz wecjelt, wurden im byzant. Zeitalter zu ums»
fangreiben Anthologien (f. d.) vereinigt, deren
mebrere erhalten jind. Bei den Römern war das
€. faft nur in fatir. Richtung ausgebildet, Haupt:
vertreter Martial (ſ. d.). Auch im buddhiſtiſchen
wie im brahmaniſchen Indien und im mohammed.
Berfien giebt es —— finnige Sprüde
der Weisheit. Bei den roman. Böltern war das €,
meift eine Waffe des Spotts, im Mittelalter und
im 16. Nabrb. befonders bei den lateinjchreibenden
Humaniften; in der ital, Zitteratur aber ging es all:
mäblich in die Form des Madrigals, zum Teil auch
des Sonettö über. Am meiften war es in Frankreich
beliebt, befonders feit Marot (f.d.). Weniger fünit«
leriich vollendet, aber fhärfer und wirlſamer waren
in Frankreich zabllofe mündlih und ſchriftlich ver
breitete E. die feit Nichelieus Zeiten, befonders kurz
vor der Revolution der font zum Stillſchweigen
verurteilten polit. Oppofition Ausdruch gaben. Sn
England abmte 3. Owen (f. d.) im lateiniſchen €,
den Martial gut nad. Als die älteften deutjchen
€, fann man viele Sprüde des 13. Jahrh. (Frei⸗
dank u. a.), beionders aber die Bräambeln oder
Priameln (f. d.) des 14. und 15. Jahrh. anfeben,
die troß ibrer allgemeinen Haltung ver fatir. Zus
fpigung felten entbehren; eine vollstümlihe Epi⸗
grammart bilden heute noch die Schnaderhüpfel(f. d.)
u.a. Das kunjtmäßige E. in deutiher Sprache,
das fib an die Alten anſchloß, begann erit im
17. Jahrh.; das Bedeutendſte leiftete darin Yogau
mit einen Sinngedisten. In gleicher Richtung
folgten im 18, Jahrh. Wernide und Käftner, im
19. Jabrb. die Brüder Schlegel, F. Haug, Platen,
neuerdings Hebbel, Leutbold, Schad, Bodenitedt,
Viſcher, Bauernfeld, 2. Fulda. Die zahlreichen €.
Goetbes und Schillers find vielfach rubige Sprüche
von allgemeiner Wahrbeit; nur in ben XZenien
(f. d.) trieben fie die Schärfe des epigrammatifchen
Angriffs auf die Spike, und aud Goetbes «Bene
tianiſche E.» atmen oft polemiichen Geift. Die
Theorie des E. wurde mit Scharffinn von Leifing
1759 in den «Anmerktungen über das E.» bebans
delt, in denen er vorzugämweife das witzig ſpottende
E. der Römer vor Augen batte, und von Herber
in der Abhandlung «liber das griehifhe E.,», ber
eben dur die Berüdfichtigung der grieh. Antho—
logie zu einer böbern Anficht gelangte. Sammlun:
en von GE. veröffentlichten Denedir (2p3. 1861),
Booth (2. Aufl., Yond. 1865), Dodd (2. Aufl., ebd.
1875), Kaibel (Berl. 1878), Adams (Lond. 1890),
Vreger (Lpz. 1897). — Bol. Reitzenſtein, E. und
Stolion (Gieß. 1893), ſſcharf zugeipist.
Epigrammätifch (ar.), kurz und treffend,
Epigräphif (grib.) oder Inſchriftenkunde,
derjenige Teil der Altertumswifienibaft, der das
Verſtändnis der in Metall, Stein oder andern
dauerhaften Stoffen eingegrabenen Inſchriften (ar.
epigraphaf; lat. inscriptiones) vermittelt. In vielen
Fällen, wo die fonftige Litteratur eines Volls voll:
jtändig untergegangen, ijt man jogar ausſchließlich
auf die Inſchriften angemwiefen, fo 3.8. bei den Aſſy—
tern, Bböniziern, Phrygern, Lyliern, Karern, ebenio
wie bei manchen Dialelten von Hellas und talien.
Bon den ſemitiſchen Anicriften find bejonders
bervorzubeben: die für die Geſchichte der Schrift be⸗
ſonders wichtige Stele des Mefa, Koönigs von Moab
(um 890 v. Ebr,), der Sarlopbag des Eſchmungzar
Epigraphif
ud die Siloahinſchrift; font überwiegen diefalralen
und Grabinjchriften; viele find, obmohl formelbaft
und bedeutungslos, dennod wichtig durch den Ort,
mo fie gefunden wurden, nämlich an ben verſchieden⸗
ten Punkten des Mittelmeers, jomeit der phönlı
Handel reichte. Eine er rg | aller jemit.
‚nibriften ift von der Franzoſiſchen Alademie be:
gonnen bu ba3 «Corpus inscriptionum semiti-
arım» (Par. 1881 fg.). (Vgl. außerdem Hiero-
glupben und feilichrift.) Noch nicht ak ert find die
Juſchriften der Hetbiter (\. nr Anjcheinend jehr
alte, aber noch nicht gedeutete Inſchriftzeichen find
neuerdings in Kreta gefunden worden (vgl. Evans
im «Journal of Hellenic studies», 1894 u. 1897;
derj., Cretan pictographs and praephoenician
script, Lond. 1895; Wolters im «Jahrbuch des
Deutihen Arhäol. Jnftitutse, 1900, S. 149 fg.).
Am wichtigſten iſt die griebiide und latei:
niihe E. wegen ber —— Kulturbedeu⸗
tung dieſer beiden Voller. Das in den griech. und
lat. Inſchriften ung jest in bequemen Sammelwer:
ten vorliegende Material bereichert in früher nicht
eabnter Wei fe unjere Kenntnis der Sprade, Ge:
dichte, Religion, Kunſt, Wiſſenſchaft ſowie des
—— er ichen und privaten Lebens beider Bol⸗
. Die Griechen kannten die Schrift etwa feit dem
Beginn des 1. Jahrtauſends v. Chr., verwendeten fie
aber anjcheinenderit jpät zur Aufzeichnung auf dauer:
baftem Material: die älteften erhaltenen Infchriften
(Grabjteine aus Tbera und Melos) gehen faum über
das 7. Ton binaus; die erhaltenen lateinischen
und italtfchen find noch bebeutend jünger, da bie
Italiler das Alphabet erft von den unterital, Grie:
&en (die Römer etwa im 6. Yahrb.) überfamen.
Bon den rdöm. Infhriften ift die ältefte die im Mai
1899 unter dem fog. «Lapis niger» in der Tiefe des
zöm. forums gefundene, die zwar in Schrift und
Sprache ſehr —— aber doc wohl nicht über
das 5. Jahrh. v. Chr. binauf zu batiren ift; noch
etwas jünger ift die Inſchrift der präneftiniichen Fi⸗
bula und die Duenosinſchrift. Yür die jpätere Zeit
wird aber das epigrapbiihe Material sehr umfang:
reih, und die Kenntnis des Altertums ift dadu
auf eine nicht nur breitere, ſondern auch feitere
Grundlage geitellt. Die Maffe der öffentlichen Ur:
funden in Rom während der Kaiferzeit war jo groß,
daß allein beim Brande des Kapitols unter Veſpa⸗
fian 3000 vernichtet wurden. Faſt noch wichtiger
find bie Inſchriften für das Privatleben der Alten;
von ber Geburt des Menſchen bis zum Tode giebt
es faum irgend einen Abſchnitt, irgend ein freudi⸗
e3 oder trauriges Ereignis, das ſich nicht in ben
nfcriften widerjpiegelte.
Die antiten Hiltoriter haben die Maſſe des in:
ſchriftlichen Materials,das ihnen außer ven Archiven
felbft zu Gebote jtand, meift in freierer Weiſe aus:
genußt; ſelbſt Thucydides erlaubt ſich Abweichun:
gen vom Wortlaut, und Tacitus zieht es vor, ſtatt
ber im Original erhaltenen Rede des Kaiſers Clau:
dius dem Zeitgeſchmack gemäß eine frei fomponierte
einzuleger. Doch haben andere, namentlih die
Ebronijten, Urkunden im Wortlaut eingelegt, auch
gab es früb Sammlungen von Inſchriften, mie
die Sammlung von Boltsbeihlüfien (Ympropdrwv
snaywyh) des Krateros aus dem 3. Jahrh. v. Chr.
Daß im Mittelalter das Studium der antiten €.
nicht gepflegt wurde, ift nicht wunderbar, im Gegen:
teil ift e3 zu verwundern, daß ſchon im 9. Fahrb. die
röm. Inſchriften berüdjihtigt wurben: aus biefer
85
Zeit ftammt die berühmte, ſehr forgfältige Samm⸗
lung eines St. Galler Monches, des nad) dem Funds
ort der Handſchrift jog. Anonymus Einfide u:
Erſt in der Renatfjancezeit fing man an, den In⸗
ſchriften wieder ei Aufmerkſamkeit zuzumenden,
und Jahrhunderte hindurch war Italien das Land
der Inſchriften und zugleih der Inſchriftenlunde.
F panien fing man am Ende des 15. Jahrh. in
ankreich und Deutichland Mitte des 16, Yahrb.
an zu — In Italien entſtanden eine Reihe
ber wichtigſten Sammlungen. (Bol. De Roſſi, Le
prime raccolte d’antiche iscrizioni im «Giornale
Arcadico», 127, 128.) Schon Gola di Rienzi, der
legte der Tribunen, hatte eifrig fopiert und gejam:
melt, ebenſo Boggio (1380 — 1459) und Cyriacus
von Ancona (1391, geit. vor 1457), der von feinen
weiten Reifen in den Drient auch griech. Urkunden
mit beimbrachte. Ferner find zu nennen die $taliener
as Marcanova, as Bentomnel, Dnupbrius
Banvinius, Accurfius, Die Deutſchen Beutinger und
Birdheimer,die Franzoſen GabrielSimeoniund Jac.
Sirmond, die Niederländer Smetius und Pighius.
In die zweite Hälfte des 16. Jahrh. fallen aud die
beionders für die lateinifhe €, wert nisvoDen
roßartigen Fälſchungen des neapolit. Architelten
Birro Ligorio, die bis in das 19. Jahrh. herab in
den Inſchriftenſammlungen eine bedeutende Rolle
—— am wenigſten noch in den von N 3. Sca⸗
iger angeregten und mit einem mufterbaften Inder
verjebenen, von Janus Gruter herausgegebenen
«Inscriptiones antiquae totius orbis Romani*
(Heidelb. 1602; neue vermehrte Auäg. von X. ©.
Gräpvius, Amiterd. 1707). Marquard Bude, Thom.
Reinefius, Spon, Fabretti, Gori lieferten Ergänzun:
gen. Muratoris Verfuche einer neuen Sammlung
ber —— mißglüdte, dagegen —— Maffei
in ſeinem «Museum Veronense» (Verona 1749),
Gadtano Marini in «Gli attie de monumenti fra-
telli Arvali» (Rom 1795) mit einer neuen forgfältis
gen Kritik der —
Die eigentliche Neu we 1 ber römifchen €.
ebt aber aus von Marinis Schüler Bartolomeo
orabei (1 d., 1781—1860). Da fid das epigrar
phiſche Material von Jahr zu Jahr mebrte, jo wurde
das Bedürfnis nad einem neuen «Corpus inscri
tionum» immer lebhafter nden. AufBorgbefis
Anregung hin nahm den Plan zunächſt die Barijer
Atademie auf und, ala deren Berfuche jcheiterten, die
Berliner Atademie, die nad) längerm Schwanken die
Aufgabe dem bedeutendſten ber jetzt lebenden Evi-
grapbiter, Th. Mommſen, übertrug, deflen epoche⸗
macende«Inscriptiones regni Neapolitani latinae»
bereitö (Lpz. 1852) erfchienen waren. Dem erften
Bande deö «Corpus inscriptionum latinarum »
(Berl. 1863), der die Snichriften republifanifcher Zeit
vi ammenfaßte, gingen al3 Vorläufer die von Ritjchl
earbeiteten «Priscae latinitatis monumenta epi-
graphica» (Berl. 1862) voran; dann erfchienen die
mweitern Bände nad) der geogr. Reihenfolge der röm.
Provinzen geordnet, bearbeitet von Mommſen, Hen-
es Hirfchreld, Hübner, Wilmanns, Zangemeiiter,
ormann u.a. Das riefige Wert ift (1898) bis zum
15. Bande vorgefchritten; es fehlen nur noch einige
Teile von Mittelitalien, Germanien und Gallien, die
den Reit des 11. und den 18. Band ausmachen. Die
nötigen Ergänzungen bieten außer verſchiedenen
Supplementbänden undder Neuauflagevon Br. 1,1,
1893, die«Ephemeris epigra — erl.jeit 1872),
von der bis 1899 8 Bände erihlenen ind. Eine Aus
86
wahl der wichtigften lat. Inſchriften bieten außer
der Altern «Inscriptionum latinarum amplissima
Collectio» von Job. Eaip. Orelli und Wilh. Henzen
(3 Boe., Zür. 1828—56), ©. Wilmanns «Exempla
inscriptionum latinarum» (2 Bde., Berl. 1008)
Deflau, «Inscriptiones Latinae selectae», I (Berl
1892 und de Ruggiero, «Sylloge e igra hica orbis
Romani» 1892 fg.). — Bol. Handbud
der Haffiihen Altertumswiffeni an . von J.
Müller, Bd. 1 (2. Aufl., * 1892); Cagnat,
Cours d'é pigraphie latine (2. Au ır. 1889):
be Buagen, Dizionario ep co (Rom 1886 fg.).
ie in bem «Corpus» nicht berüdfichtigten In⸗
krie der italif — ste bat gejammelt
Fabretti, «Corpus inscriptionum italicarum »
(Zur. 1867; mit Sof ar und Drei —. ebd.
1872 — —78) ferner Büceler, «Umbrica» (Bonn
1883) und Zoelaieff ‚«Sylloge inscriptionum osca-
rum » (PBeteröb. 1878), derf., «Inscriptiones Italiae
mediae dialecticae» (Lpʒ. 1884), derf., «Inscrip-
tiones Italiae inferioris dialecticae» (Most. 1886).
— Die etxuskiſchen Inſchriften (f. Etrusker) find
in « Corpus inscriptionum Etruscarum » (bp.
von E. Pault, Lpʒ. 1893 fg.) vereini igt, b die ibert-
{hen in den «Monumenta linguae Ibericae» (bg.
von Emil Hübner, Berl. 1893).
Per guieniiae €. war bis in das 19. Jahrh. wes
als die lateinifche gepflegt worden, erlangte
Fe doc früher als erftere auf Beranlafjung der
Berliner Alabemie ein zufammenfaflendes «Cor-
8 inscriptionum graecarum», begonnen von A.
Boch, er efübrt von Job. „geany, Ernft Eurtius
iröbo (4 Boe., Berl. 1825—77; mit In-
dices von Röhl). Allein dieje für die damalige Beit
hoch beveutende Leiftung genügt beute nicht mehr,
namentlich weil damals die Mittel fe og N ten, im Orient
Hei Abichriften 8R&6 en. Auch das
ve dat ſich inzwiſchen ftarl vermehrt. Das
—* iſt A zum Zeil erjeßt gleich:
ein er Veran ſſung der Berliner Alademie durch
bie «Inscriptiones graecae antiquissimae», bg. von
H. Röhl (Berl. 1888), ı das «Corpus inscriptionum
rn e- Bde. nebit ———— und Indi-
A; von A. Kirchhoff, U. Köhler, W. Ditten-
berger ebd. 1873 fg. 2 die «Inscriptiones graecae
Siciliae et —— bg. von Kaibel (ebd. 1890),
die «Inscriptiones Graeciae septentrionalis», bg.
von Dittenberger (Bd. 1, ebd. 1899; Br. 3, 1897)
und bie «Inscriptiones graecae insularum maris
Aegaei» (Br. 1 Dans g. von Hiller von Gaert:
ringen, 1890; Bb. 2, Lesbos, Nejos, Tenedos, ‚be
von Baton, 1899; I 8, Thera, Melos u. a.,
von Hiller von Gaertringen, 1898). Für den Reit iſt
man immer nod angemwiejen auf ältere Inſchriften⸗
und Sonderpublifationen, namentlih Phil. Le Bas’
«Voyage arch&ologique en Gröce et en Asie mi-
neure» (Bd. 1—6, Par. 1847— 77), deren Bearbei-
tung von Waddington und Foucart fortgeießt, aber
nod nicht zu Ende geführt wurde, und «The col-
lection of ancient Greek inscriptions in the British
Museum», bg. von Newton, Hid8, Hirſchfeld (3 Bde.,
1874-94). Die dialektiſch wichtigen Inſchriften
m zufammengeftellt in der «Sammlung der griech.
ialektinfohriften», bg. von Eollig und Bechtel
re —** Bd. I-IU,ı, noch unvoll-
ndig III, 2 und Gött. 1884 fa.): eine nament:
lih für Unterrichtäjwede geeignete Auswahl von
> ktinf&riften giebt B. Eauer, «Delectus inscrip-
tionum graecarum propter dialectum memorabi-
Epigraphit
lium» (2. Aufl., Lpz. 1883); biftertich»antiquarijg)
wichtige enthält Dittenbergers « —F gr
tionum graecarum» (2 Bbe., A
und 1900 nebit einem ——ã— —8 =
«Recueil d’inscriptions grecı ues» von Charles
Michel (Brüfj. 1900); für die Redtsaltertümer
—— enthält mit —— Kommentar der
«Recueil des inscriptions juridi ues»
von Darefte, Haufjoullier und Th. Reina (1. Bo.,
Bar. 1891; 2. Bd., ebd. 1898 fg.). Eine Auswahl
epigraphiicher Terte ohne Umſchrift giebt Rohl, «Ima-
eg inscriptionum antiquissimarum» (2, Aufl.,
{. 1894 und vermehrt um neue Terte aus Thera
und Melos, ebd. 1898). Zur Einführung in das
Studium ift außer dem veralteten Buche von Franz,
«Elementa epigraphices » (Berl. 1840),
Hids, «A manual of greek historical inscriptions»
(Drf.1882), C. T. Newton, «Die griech. Inf De
überfegt von elmann, Hannov. 1881),
—— ‚«Trai @’ pigraphiegrecque» (Par. 1885),
€. joberts, «An introduction to greek epigra-
* "ICambr. 1887) und Larfeld im «Handbuch der
af teriumömifenf@e ‚12. Aufl, Rind.
1892) und «Handbuch — E.» (Bd.2, &p .1898
— 1902) zu nennen. —— wichtig End die
geitihri en der A äolog * Inſtitute (f. d.) in
then und Rom, die offiziellen Nusgrabungs« und
Fundberichte aus Griehenland und Italien, das
«Bulletin öpigraphique» in der Zeitſchrift «Revue
des &tudes grecques»; von grie . Zeitfchriften die
feit 1837 mit Unterbre &heinende «Ephe-
en archaiologike». Fur bie Geſchichte ver griech.
rift beſonders der ältern Zeit ift die bedeutendſte
4 ng die von A. Kirchhoff, «Studien zur Geſchichte
des griech. rem (4. Aufl., Güterälob 1887).
Die hriftliche E. Früher zu jehr vernadläffigt,
beginnt jekt er Bedeutung entſprechend gepflegt
u werben. Bon den griechiſchen chriſtl. In⸗
—* war im 4. Bde. des alten «Corpus inscrip-
tionum » nur eine völlig ungenügenbe
Auswahl gegeben worden; jept wird von der Di-
reltion der franz. Arhäolgi hen Schule zu Athen
eine —— Sammlung der —8 abge⸗
faßten 457 ſchriften aus röm., byzantin. und
neugrie eit (bi$ zum 18. Jahrh.), bg. von M.
Laurent und Fr. Cumont, unternommen (vgl. das
—— Homolles im «Bulletin de correspon-
ance hellenique», 1898, Bb. 22, ©. 410 fo.),
der fpäter ein «Corpus i inscriptionum graecarum
christianarum» folgen fol, Die lateiniſchen
chriſtl. Inſchriften find zum Teil in das «Corpus in-
scriptionum Latinarum» mit aufgenommen; die
römischen find gefammelt von J. B. de Roſſi, dem
Herausgeber der «Inscriptiones christianae urbis
Romae VII saeculo antiquiores» (2Bde., Rom 1861
— 88). — Vgl. Bulletino di archeologia christiana
rer andſchaftlich geordnete Sammlungen
chriſtl. — lieferten Ye Blant, Inscriptions
chretiennes de la Gaule (Bar. 185565); Hübner,
Inscriptiones Hispaniae christianae (Berl. 1871);
berj., Inscriptiones Britanniae christianae (ebd.
1876); Kraus, Die riftl. Inſchriften der Rhein
lande (2 Tle., "Sreib. i. x. 1890— 94); Egli, Die
riftl. Infchrif ten der Schweiz vom 4, bis 9. Jahrh.
(Zür. 1895); Millet, Inscriptions byzantines de
Mistra (Bulletin de correspondance hell&nique,
1899, ©. 97—156); Latyſchew, Sammlung gried.
Anfchriften chriſtl. Zei aus Südrußland (ruffiich,
Veterab. 1896).
Epigynus — Epilepfte
Epigjnus, eriapni ch (ard., «obermeibi ?
heijen die Blüten, bei — a e Ölütenteile bö
heben ald der Fruchtknoten (1.Bläte nebjt — ).
a Glycidverbindungen.
* Epicarpium.
itafte, im — — Mutter und Ge
mablin des ipu3, j.
Eyifauma (erh), 2 . hide: Geihmwür auf
ter Hombaut Des
—— (gr 3 köbrung ſchaͤdlicher, ſcharfer
Stofie aus dem —— ef gelinde Mittel; Hei:
lung durch gelinde
, fs, Epitri e (ai ), ——
wiſſenſchaftliche Beurtei einer Krankheit nach
ihrer Entſtehung, ihrem Ber — und reg
Epifrufiß (arch.), das agen eined Körper:
teild mit Soden, als Außeres Reizmittel.
Epiktet (Epiltetos), reife er zu
Hierapolis in —— um 50 n. Chr. geboren,
war zu Rom der Sklave des —— eines
Freigelaſſenen des Nero. Später freigela fien, wurde
er 94 n. Chr. nebft andern 3 ti von Domis
tian verbannt, ließ I itopolis in Epirus nie:
der, tebrte aber wahrſcheinlich nad dem Tode Domi⸗
tiand na Rom zurüd und ſcheint noch unter Hadrian
gelebt zu haben. Unter dem Drude feines Zeitalters
erhielt feine ernfte, fittlihe Weltanficht einen mebr
—— als —— en Charalter; Mittelpuntt iſt
nung, zu entbehren und zu dulden und auf
nichts einen Wert zu legen, was nicht in der eigenen
Gewalt des Wollenden ftehe. Seine Lehren find er:
balten in den Schriften feines Schülerd Arrianus
(j. d). S. Schentel gab heraus: «Epicteti disser-
tationes ab Arriano digestae» — 1894); Hilty
e ne = erflärte u feinem Buche «Glüd»
Lpz. und Frauenfeld 1893 > von Ar:
—— tr erten Lehren des E.— Bol. Schranta,
Der Stoiter €. (Franlf. a. D. 1885); Bonhöffer,
E. und die Stoa (Stuttg. 1890); — Die Ethil
des Stoilers €. (ebd. 1894); ahn, D er Stoiler €.
und jein Berhältnis zum Chriſtentum (2. Aufl., 2pz.
1895); Bruns, De schola Epicteti (Kiel 1897).
Epifureismus, die von Epicurus (f. d.) bes
gründete philoj. Richtung. ref. est nennt man fo
Ber Lebensanſchauung, die fein I * Ziel kennt
als heitern Genuß. Epiklurẽer, Anhänger des E.,
au im allgemeinen jemand, der dem (feinern) Sin:
—— f. — [nengenuß huldigt.
Eyitycma (g — einer Epikyẽſis
D·h. Überihmwängerun n jog. Mondlalb oder
Mole (i d. hr neben der eibeäfrucht
Epilation (lat.), ſoviel wie Depilation.
ilepfie (gr, von epilöpsis, «Anfall»), auch
uet, un Weſen oder Böfe Staupe
horbas sacer Haut-mal), eine chroniſche
ankheit des deren yſtems (Neurofe), die in ihrer
ausgeprägten Form aus öfter wieberfehrenden, mehr
oder a beftigen und mit gänzlihem Erlöjchen
des Bewubtjeind verbundenen Krampfanfällen be
ftebt, welche durch freie Zmiihenräume von ver:
fchiedener, oft ſehr langer Dauer voneinander ge:
trennt werben. Bisweilen treten die epileptiichen
Rrampfanfälle ohne alle Borboten plögli und in:
mitten des volllommenjten Wohlbefindens ein; in
andern Fällen werden fie durch gewiſſe Anzeichen
vorausverfündet. Dabin gebören Aufgeregtbeit
jeder Art oder Niebergeiälagenheit der Kräfte wie
des Gemüts, Mustelzudungen, Funken⸗ und Farben:
87
jeben, Dbrenfaufen, Schwindel oder ein eigentüm:
iches Gefühl von füblem oder warmem Anmweben
(aura epileptica), welches, von einem Endpunfte des
Körpers ausgehend, denselben durchzieht und am
Kopfe oder in der Herzgrube endigt. Bei manden
Kranten fann man den Ausbrud des eigentlichen
Krampfanfalls verhüten, wenn man die Stelle, an
welcher die aura zuerſt bemerkt wird, mit einem feit
oberhalb berjelben angelegten Bande umfchnürt.
Der Anfall ſelbſt wird häufig durch einen lauten und
grellen Schrei eingeleitet, mit weldyem der Krante
plöglich bemußtlos au Boden jtürzt. Nacd dem Hin-
jtürzen tritt gewöbnlich zunächſt eine kurz dauernde
toniſche Rontraftion der Musleln, ein jtarrtrampf-
ähnlicher Zuftand ein; die Augen find jtarr nad
oben und innen gerollt, der Kopf nad hinten ge
en, der Atem angehalten, der Mund feſt ge
ie ofien, Arme und Beine geitredt, die Haut meiſt
laß. Schon nach wenigen rc erfolgen aber
einzelne heftige zudende Bewegungen und dann die
gewaltigiten Honijdhen oder Schüttelträmpfe, welche
ſich ſchnell über den ganzen Körper verbreiten. Die
Singer find gewöhnlich gefrümmt und die Daumen
feft in die Hand ei ngeilagen. Während des gan—⸗
zen zn. ift die Atmung ſehr Jg ber
Herzihlag beichleunigt, der Bulsjebr Hein, die Haut
mit Schweiß bevedt. Das Bewußtſein ift während
der ganzen Dauer des Anfalls jo vollftändig er:
loſchen, daß der Krante, jelbjt wenn er nem den
lübenden Dfen oder in offenes Feuer fällt, jo daß
\eine Glieder verkohlen, nicht zu ſich fonımt und
teinerlei Schmerze Ginuten, Heat von ſich giebt. Nach
wei bis zehn Minuten, höchſtens einer Viertel:
rar lehrt, oft unter einem tiefen Seufzer, Rube
und —— zurück, und der Kranfe verfällt in
einen tiefen Schlaf, nad) dem er oft noch ftunden;,
ja tagelang verjtört bleibt.
Bei manden Kranken kommt es nicht zu jo ausr
eprägten Anfällen, jondern nur zu dem jog. epi⸗
eptiſchen Schwindel ( (Abfence, Petit-mal):
inmitten einer Beihäftigung ober eines Geſprachs
werden fie von Schwindel befallen, erblafjen, zeigen
— leichte Zudungen und ſprechen oft verwirrtes
fönnen aber ſchon ne —— Minuten,
RR 806 ihnen nichts gejcheben fei, ihre Beichäftigung
wieder aufnehmen.
Bei zahlreichen Epileptiichen finden fih außer den
bereits erwähnten noch andere geijtige Störungen,
teils vorübergebenbder, teild dauernder Natur, welche
man unter dem Namen des epileptiſchen Irre:
ſeins ——— Die vorübergebenden
Geiſtesſtörungen (pfhchiſche E.) treten meiſt im An—
ſchluß an Krampfanfälle auf teil vor (prä⸗), teils
nad ſolchen (poftepileptiiche Geiftesitörung), oder
auch unabhängig von Krampfanfällen, von (egtern
durd längere‘ ge green Verhaltens getrennt
(«pfochiich:epileptifche Uquivalente», d. b. Anfälle
von Geiftesftörung, welche gleichſam Rrampfanjälle
erjegen). Dieje tranfitoriichen epileptiichen Seelen:
—ã welche in gerichtlicher Hinſicht von hohem
ntereſſe find, fönnen verſchiedene F Formen darbie-
ten; man untericheidet bie jog. Dämmerzuftände
(eigenartige Umnebelungen des Selbjtbemußtieins
mit jonberbaren been u. ſ. w.), den Stupor (Öe-
bemmtjein aller geijtigen Thätigfeit bis auf einzelne
Wabnideen und Sinnestäufchungen mit äußerlich
pajjivem Verhalten), beftige Aufregungsjujtände
1 Grund ichredlicher Hallucinationen, event,
aller Sinne, triebartige Handlungen ohne jedes be:
88
mußte Motiv oder auf Grund unmiberfteblich trei-
bender Gedanten (die Monomanie instinctive E93:
quirols). Während diefer anomalen Geijteszuftände
werden häufig Gewaltthaten ber gräßlicten Art
(Selbftmord, Mord, Brandftiftung, au Diebftäble
u. ſ. m.) begangen, weldye den Kranken nicht zugerech:
net werben lönnen. Gewöhnlich (und dies ıft bis zu
einem gewiſſen Grab caralteriftifch für die tranſi⸗
torifche epileptifche Gei np ah das Bemußt:
fein (die Erinnerung) für alle Erlebniffe während
des anomalen geiftigen Zuftandes aufgehoben, doch
fann aud ſummariſche Erinnerung oder Erinne:
rung an Einzelheiten vorbanden fein. Die wid:
tigften von den chroniſchen geijtigen Anomalien
der Epileptiter find Zuftände von Schwadjfinn,
welche fi befonders im Anſchluß an «epileptijchen
Schwindel» entwideln, in größerer Intenfität ſich
aber meift nurbei angeborener oder in früber Jugend
erworbener €. finden. Bei vielen Epileptifchen tritt
auch eine anomale Gemütsreizbarteit hervor, fo daß
fie auf geringfügige Anläffe in heftige Wut verfallen.
Ungerechtfertigt iſt es aber, alle Epileptiter als
geitig anomal oder gar unzurehnungsfähig zu
zetrachten, da zahlreiche geiftig befonderä hervor:
ragende Perſonen (Cäjar, Mohammed, Roufjeau,
— I.) epileptiſch waren.
as eigentlihe Weſen der E. ift nod völlig un:
befannt. Ihr Sik ift jedenfall3 im Gebirn, ent:
weder, wie man früher auf VBerfuche von Kußmaul
und Zenner bin annahm, in der Gegend des ver:
längerten Marles oder, wie man gegenwärtig
aus Hitzigs Verjuhen und andern Beobadhtungen
(Jadion) Shlicht in der Rinde des Großbirns
(Rindenepilepfie). Jeder diejer Teile fann bei
Jalljüchtigen entweder unmittelbarerkrantt fein oder
durd abnorme Erregungszuftände mancher Empfin:
dungänerven in abnormer Weiſe erregt werden; jo
bat man wiederholt durch den Reiz von Eingemweide:
würmern oder durch Reizungszujtände der Gebär:
mutter €, entjteben jeben (fog. Reflerepilepjie).
Die entferntern Urſachen der Krankheit find man:
niefaltig; nicht felten laſſen fie fich heben, viele aber
bieten aller ärztlichen Kunſt Troß. Bisweilen fonnte
dur Ausichneiden einer Narbe, durch welche ge:
wiſſe Nervenenden gezerrt und gereizt und weiter:
bin das Gehirn in Mitleidenichaft veriegt worden
mar, vollitändige Heilung berbeigeführt werben.
Die Krantbeit ift überall einbeimifch und verſchont
fein Alter und fein Geſchlecht; doch fallen die meiften
Fälle auf das Alter vom 10. big zum 20., näcdjtdem
am das Alter vom 2. bis 10. und vom 20, bis 30,
ge rg im eigentlihen Greifenalter entjtebt
elten E.; Frauen werden etwas häufiger von ihr
* als Männer. Die Anlage zur E. kann an:
geboren, erblich oder in der Konititution begründet
und erworben fein burd unzwedmäßige körperliche
und geijtige Erziehung, Trunkſucht, Geſchlechtsaus⸗
— namentlich Dnanie. Beſonders die
Erblichkeit ſpielt unter den disponierenden Urſachen
der E. eine wichtige Rolle, und zwar kann jede Ner—
venkrankheit der Eltern in den Kindern den Keim
it Entwidlung der €, legen. Bei_angeborener
Anlage tritt die E. gemöhnlich in den Entwidlungs:
jabren, beim Zahnen und beim Eintritt der Buber:
tät, auf, nad welcher lektern ein Ausbruch einer
ererbten E. faum noch ftattfindet. Bon der Häufig:
teit des fibels klann man ſich einen Begriff machen,
wenn man bebentt, dak in Deutihland allein
etwa 10000 Menſchen daran leiden.
Epilepfiemittel — Epilobium
en ae der E. fommen unzweifelhaft vor; doch
find die Bedingungen ihres Zujtandelommens noch
volltommen duntel, weshalb aud über die Be:
bandlung nur wenig Zuverläjiges zu berichten
ift. Am beiten wäre es, die habituell Epileptiichen
in Verforgungsanftalten unterzubringen, da, wenn
w frei umbergeben, fie leicht ſich ſelbſt und andere
eſchädigen; epileptijche Kinder dürfen nicht durch
den Schulunterricht übermäßig angejtrengt mer:
den, fondern follen womöglich auf dem Lande leben
und den größten Teil des Tags im Freien zubrin-
en; bie dei der VBubertät erheiſcht beſonders Jong:
ige Uberwachung. Einen großen Ruf gegen €.
at das Bromkalium erlangt, weldes die Reizbar-
keit der jenfiblen Nerven abftumpft; aud tägliche
Mafhungen des aanzen Körpers vermögen bie
abnorın erhöhte Neflererregbarleit berabjujeßen
und jo eine Verminderung und Abſchwächung ber
Anfälle herbeizuführen. Während des Anfalls ſelbſt
ift nur al u jehen, daß ſich der Kranke nicht
beſchadigt, weshalb Epileptifer niemals, aud bei
Nacht nicht, ohne Aufſicht und allein gelafien wer:
den jenen: das Aufbredyen der Daumen aus der
eballten Fauſt hilft nichts und ift nur ſchädlich.
benfo find das Binden der Glieder, gemaltiames
ſthalten, Riehmittel u. ſ. w. obne allen Nußen,
im Gegenteil füblen fi die Kranten binterbrein
mwejentlich erleichtert, wenn man fie während des
Anfalls möglihft ungeftört fih austoben ließ.
MWünfhenswert ift eine zwedmaßige Lagerung der
Kranten, namentlid des Kopfes, mwäbrend des
Anfalls, damit keine Verlegungen entitehen. Nach
dem Anfall reihe man ihnen bödjtens ein Glas
Waſſer oder ſchwarzen Kaffee und lafie fie dann
ordentlich ausſchlafen. Die pſychiſche E. ift ebenſo
zu behandeln wie die gewöhnliche. Die Natur der
r Grunde liegenden Hirnftörung ift wahrſcheinlich
ei beiden diejelbe, nur find bet der pſychiſchen E.
andere Teile des Hirns krankhaft (beionders die
raue Rindenfubjtang des Großhirns). In neuerer
eit hat man durch irurg. Behandlung beitimmter
ormen von E. bemerfenäwerte Erfolge erzielt.
Litteratur. Herpins bewährte Heilmethode der
E. (deutſch von Frank, Quedlinb, und Lpz. 1854);
Ruſſel Reynolds, E. ihre Symptome und Behand:
lung (überjegt von Beigel; Erlangen 1865); Notb:
nagel, Über den epileptiihen Anfall (Kpz. 1872);
Magnan, Legons cliniques sur l’epilepsie (Bar.
1882); ere, Les &pilepsies et les —
(ebd. 1890; deutſch Lpʒ. 1896); Voiſin, L'épilepsie
(Par. 1896); Deutſch, Die Urſachen und Heilung
ber E. (2. Aufl., Berl. 1898); Arvin-Delteil, L’Epi-
lepsie psychique (Bar. 1898); Binswanger, Die €.
(Wien 1899); de Fleury, Recherches cliniques sur
le I et sur son traitement (Par. 1900).
* —— Epilepfiepulver, ſ. Ges
mmittel.
Epileptiſcher Schwindel, ſ. Epilepfie.
Epilobium L., Weidenröshen, Pflanzen⸗
gattung aus der Familie der Dnagraceen (f. d.),
egen 50 in den gemäßigten und kalten Zonen, be=
onders reichlich in Neujeeland vortommende Arten
umfafiend. E3 find perennierende, teilmeije zu
den ſchönſten Wald: und Sumpfpflanzen gebörende
Kräuter, fo E. angustifolium L. und E. roseum
Retz. Gritere Art, mweidenblätterig und bis zu
1,5 m und darüber bob, trägt zablreiche purpurs
rote Blütentraubenäbren. Auf dem Thüringer Walde
und in andern Gebirgägegenden find oft ganze
Epilog — Epinal
Imbinge mit vdiefer Pflanze bewachſen. Die
bunn einiger, wie von E. angustifolium, dienen
inderälichung des Thees.
&ilög (arh.), Nach⸗ oder Schlußrede, tommt
wieder Brolog (j. d.) hauptſächlich bei Scaufpielen
vr. Der E. des antilen Dramas enthielt allge:
meine Betrachtungen über das Stüd, in ber neuern
attiiden und der röm. Komödie fordert der E. die
dauer zum Beifall auf. Shaleipeare beviente
mebrmal3 des E., um feinen ei den
Geſichtspuntt anzudeuten, aus dem fie fein Wert
betrachten follten, und zugleih um Nachſicht für die
Mängel des Stüd3 zu erbitten.
Epimachinae, Baradieshöpfe, Öruppe der
Baradiesvögel (f. d.).
Epimedium
L., Sodenblume, Pflanzen
gattung aus der Familie der Berberideen (f. d.).
an lennt nur wenige Arten; es find Kleine, mit
ihrem Rhizom ausdauernde Alpenpflanzen ——
und Rordaſiens. Sie ſtimmen alle im Habitus über:
ein. Ihre aufrechten, auf dünnen, fteifen Stielen
ftebenden Blätter bilden recht elegante Büfche, welche
noch lange nad der Blüte, bis gegen Ende des
Winters, ihr frifhes Grün bewahren. Die Blüte:
zeit tritt im April und Mai ein. Die in den
@ärten am bäufigften angepflanzten Arten find:
E. macranthum Lindl. aus Japan und feine Ba:
rietäten mit weißen Blumen, E. violaceum Dene.
(Japan) mit rein violetten, E. pinnatum Fisch,,
alpinum L., sulphureum Hort. mit gelben, etwas
purpur oder braun überbaudten, und endlich E.
atropurpureum Hort. mit größern, außen karmin⸗
roten, innen blaßgelben Blumen. Alle diefe Arten,
obaleid in unjerm Klima bart, geben wenig oder
gar feinen Samen und müjlen daher durch Teilung
des Stodes vermehrt werben. Sie gebeiben nur in
arobbrodiger, friſch zu erbaltender, mooriger Heide⸗
erde und in etwas —— Lage.
Epimelẽten (grch. «Bejorger», «Aufjeber»), im
alten Atben Borfteber der Phylen (j. d.) und
Seſchlechter, ferner die Mitglieder gemwifjer Ber:
waltungabehörden oder außerordentliher Kommiſ⸗
foren. Regelmäßige Bebörden waren die €, des
orion, d. b. des — und die E. der
Reoria, d.b. der Werften, auf welchen die Kriegsſchiffe
lagen, und der dazugehörigen Seearſenale, beide
mit ihren Amtslolalen in der Hafenſtadt Athens,
dem Beiraieus; ferner die E. der eleufinifchen My⸗
fterien und der großen Dionyfien, melde die Ober:
beamten, denen die Leitung diejer dee oblag, zu
— hatten. Außerordentliche Kommiſſionen
wurden hauptſächlich zut UÜberwachung von Bauten,
deren Ausführung dem Staate oblag, wie Befeſti—
gungäwerle, Straßen, Tempel, Brunnen u. dal,
niedergejegt. — Außerhalb Athens gab es E. äbn-
lichen alters in Delpbi, Eparta, Meflene (An:
denia), Rhodos, Delos, Chios u. a. D.
Epimenides, im 6. Jahrh. v. Chr. auf der
Injel Kreta wohl in Bhäftos geboren und in Knoſſos
wobhnend, wird in den Sagen und Märchen, mit
denen fein Leben von den Griechen früh ausge:
Ihmüdt worden 2 als ein Bertrauter der Götter
und alö Geber g dildert. Nah dem Zeugnis des
Ariftoteles ſagte er aber nicht voraus, was flommen
werde, jondern deutete vielmehr das Vergangene,
das dunlel geblieben war. Es wird berichtet, daß
er losmogoniſche Lehren aufgeſtellt hat. Als die
Athener einft, von der Beit heimgeſucht, nad dem
Ausipruh des Drakels den Zorn der Götter zu
89
fühnen fuchten, den fe fih durd die feit Nieder
werfung des Roloni hen Aufſtandes auf ihnen
laftende Blutſchuld angezogen hatten, beriefen fie
(596 v. Ehr.) auf Solons Rat den €, zu ſich, der
die Stadt entfühnte und manche heilſame Einrich:
tungen traf, Bei jeinem Fortgange nahm er zum
Lohn nichts ald einen Zweig von dem ber Ardene
geweibten Ölbaume. Bon ihm ging aud die Sage,
dab er als Yüngling in einer Höhle von einem
Schlaf überfallen worden fei, der 57 Jahre ge
dauert. Dieje Sage liegt Goethes Dichtung «Des
€. Erwachen», zur Feier der Befreiun Deutiehlanda
durch die Befiegung Napoleons verfaßt, zu Grunde.
E. ftarb in feinem Baterlande in hohem Alter. Die
Kreter, welche ihm fpäter göttliche Ehren erwieſen,
behaupteten, er habe 299 Jahre gelebt. Neuerdings
ift feine geihichtliche * tenz mehrfach überhaupt
beſtritten worden. — Bol. Heinrich, E. aus Kreta
(Epz. 1801); Schulteß, De Epimenide Crete (Bonn
1877); Kern, De Orphei, Epimenidis etc. theo-
goniis quaestiones criticae (Berl. 1888).
Epimetheus, nad der griech. Mythologie ein
Sohn des Japetos, der jüngere Bruder des Pros
metheus, der, wie fein Name befagt, im Gegen:
fas - feinem Bruder erit nachher ftatt vorher
überlegte und jo ſich bereden ließ, die Pandora
(j. d.) aufzunehmen. Mit ihr —— er Pyrrha,
die Gattin des Deulalion und Stammmutter des
Menihengeihlehts. Auch Prophafis, die Aus—
rede, wird feine Tochter genannt.
Epimythium (grch.), Schluß einer Fabel mit
der Nukanmendung, der Moral.
Epinae (ſpr. -nad), Hauptitadt des Kantone €,
im Arrondifjement Autun des franz. Depart.Saöne
et:2oire, 18 km öftlih von Autun, an der zum
Arrour gehenden Dree, in 325 m Höhe, an ber Li⸗
nie —— E.:2e3 Laumes der Franz.
Mittelmeerbahn, Mittelpunkt eines wichtigen Stein⸗
toblenbedens (3435 ha) mit einem 1874 gegrabenen,
etwa 800 m tiefen Schacht, das durch einen 28km
langen Schienenftrang mit dem Kanal von Bour:
gogne verbunden ift, hat (1901) 1539, al3 Gemeinde
4096 E., Fabrikation von Weinflaſchen und OL.
Epinal (fpr. -nall),. 1) Arrondiffement des
franz. Depart. Vosges, hat 1472 qkm, (1901)
115603 E. 127 Gemeinden und erfällt in bie
6 Kantone Bains, Bruyeres, Ehätel, E. Ramber:
villers und Zertigny. — 2) Hanptftabt des Depart.
Vosges ſowie des Arrondijjements E., liegt in
331 m Höbe in einem engen, maleriihen Thale zu
beiden Seiten der Mojel, an den Linien Nancy: Bel:
fort, E,:Remiremont (28 km), E.Juſſey (79 km)
und E.:Neufchäteau (79km) der Franz. Oſtbahn
und an der Lokalbahn E.:Arches:Laveline (35 km)
und ift Siß eines Präfelten, eines Gerichtshofs
eriter Inſtanz, eines Aſſiſenhofs, ſowie des Kom—
mandos der 4. Brigade Jäger zu Pferde. E. hat
feine Stabtummwallung, ftatt ihrer eine beiderſeits
der Mofel fie nissen innere Linie von Forts.
Der äußere Fortgürtel (44 km), 1895 au mit
Zwiſchenwerlen ausgeftattet, legt ſich dem rechten
Ufer als jlah und breit gejtredter Brüdentopf vor
greift aber am linten Ufer in ſüdweſtl. Richtung auf
9km hinaus; er zählt im ganzen 14 Forts und einige
30 Zwijchenwerle. Die Stadt hat (1901) 19144,
ald Gemeinde 28080 E., in Garnifon Teile des 149.
und 152. Infanterieregiments, das 18. Negiment
Jäger zu Pferde und 8. ps gerri denn
eine eiſerne Hängebrüde und mehrere jteinerne
9%
Brüden, hubſche Duais und Promenaden, öffentliche
Bäder, am Fuße eines von Ruinen eines alten
Schlofles überragten Felfens die St. Moriptirde
und hervorragende Gebäude, fo die Präfektur, das
Kommunal:Eollöge (in einem ehemaligen Jeſuiten⸗
follegium mit ſchöner Kapelle), das Hoipital (in
einem ebemaligen Auguftinerklofter) eine Bibliotbet
(37650 Bände und wertvolle Manufl fripte, darunter
ein mit Goldbuchftaben geſchriebenes Martus:Evan-
elium), ein Muſeum, eine Mufil: und eine Zeichen:
chule, ein a und eine Filiale ver Banf von
Frankreich. 6. bat ferner —— Leinwand⸗,
aumwollwaren⸗, Tapetenfabrilen und bedeuten⸗
den Handel. Ein der Stadt eigentümlicher Induſtrie⸗
zweig ift die Anfertigung von Bildern für Kinder
(Imagerie d’Epinal). 10 km füpöftlih an der
Moſel die berühmten Bapierfabriten des Dorfes Ar:
hettes (48€). Im Deutſch⸗Franzoſiſchen Kriege
wurde €, 12, D8t.1870 von —— des 14. Armee⸗
tdorps beſetzt und war bis zum 15. Oft. Hauptquartier
Werders. — Bol. Eh. Ferry, Guide des voyageurs
et touristes & E. et aux environs (Nancy 1888),
Epinay (jpr. -näh), Louife Florence Petronille,
ame de La Live d’, franz. Schriftitellerin, geb.
11. Mär; 1726 zu Balenciennes, warb an ben
reihen Generalpädter d'E. verheiratet. Da ihr
Gemahl ein Verſchwender und Wüftling war, fuchte
fie felbft den, Verkehr mit Schriftitellern und PBhir
lojopben, mit Grimm, d’Holbah, Diderot u. a.
Bet, ihr damaliger Bertrauter, führte 1745
ouffeau bei ibr ein, deſſen Wohlthäterin fie
wurde. Im Garten ihres Schlofjed La Chenrette, bei
Montmorency, richtete fie ein Häuschen, die Eremi-
tage, für ihn ein. Dftern 1756 bezog er ed und
bewohnte ed noch im Winter de folgenden Dane
bis feine eigenfühtigen Launen und jeine Eiferjucht
auf Grimm, der der vertraute Freund der Frau E.
geworden war, ben Bruch berbeiführten. Sie ftarb
17. April 1783. Ihre binterlafjenen «Me&moires»
bg. von Boiteau, 2 Bde., Par. 1863), eine mit
nitlerifher Freibeit behandelte Selbitbiographie,
ebörenzuden anziehendſten Büchern des 18. Jahr. ;
e find ebenſo interefjant ald Denkmal der Sit-
tengefhichte wie, als — Bei Leb⸗
zeiten veröffentlichte Frau d'E. ein Erziehungs:
wert «Les conversations d’Emilie» (2 Bde. Par.
1774 u. d.), denen der Preis Montbyon bei feiner
eritmaligen Erteilung zugeiproden wurde, ſowie
anonym die Schriften «Lettres & mon fils» (Genf
1758) und «Mes moments heureux» (ebd. 1752,
1758). Ihre «CEuvres» veröffentlichte Challemel⸗
Lacour (2 Bde., Bar. 1869). — Vgl. Perey und
Maugras, La jeunesse de Madame d'E. (1882);
dief., Derniöres anndes de Madame d’E. ——
Epinifion (grch., «Siegeslied»), bei den alten
Griechen der von einem Chor vorgetragene Preis:
ejang (mie bie noch erhaltenen Pindariihen und
achplideiihen) auf den —* in den großen
Nationalſpielen (ſ. Pindar und Agon).
No Serie (fr3.), bormig, — mißlich, ſchwie⸗
rig; Epinofität, Mißuchleit, Schwierigleit.
Epiparoxysmus (grch.), verſtärlter Parorxys⸗
mus oder Kranlheits⸗, beſonders Fieberanfall.
Epipäfton (grch.), Streupulver.
Epiphänes, Gnoftiter, Sohn desSeltenhauptes
Rarpoftrates (f. d.).
Epiphania ſ(grch., «Erſcheinunge), bei den Grie-
hen Bezeihnung der zum Gedächtnis der Erſchei⸗
nung eines Gottes an einem Orte gefeierten Feite;
Epinay — Epiphyllum
in der hriftl. Kirche beißt nad Titus 2, 11 das
der Erjheinung Chriſti unter den Meni
ande: Es wurde nad dem Borgange
der Baſilidianer jeit Ende des 3. Jahrh. in Äghpten
und anderwärtö in ber orient. Kirche 6. San. ala
Zauffeft, und da im Herablommen bes Heiligen
Geiſtes bei der Taufe auf Jeſum deſſen eigentliche
Geburt zum Sohne Gottes erblidt wurde, zugleic
als Geburtäfeit Jefu ** Als ſpater, überein:
ſtimmend mit ber röm. Kirche, die griech. Kirche die
Geburt Jeſu durch ein bejonderes Feſt (25. Des.)
—— wurde das Epiphaniasfeſt als Tauffeſt bei⸗
ehalten. Noch gegenwärtig findet an €. in der
riech.⸗kath. —8— die große Waſſerweihe (ſ. d.)
fat benblande brachte man das Feſt mit der
nkunft der Weiſen aus dem Morgenlande in
Bethlehem (Matth. 2,1 fg.) in Verbindung und deu⸗
tete nun den Namen auf die O ——
als Erloſers der Heidenwelt. Daher der auch,
daß an dieſem Tage in Rom zu Miſſionaren aus
— Männer aus allen Nationen jeder in jeiner
prache predigen, um fo die Offenbarung Ebri
unter allen Heiden darzuftellen. Da fpäter jene
Weifen für Könige gehalten wurden, beibt das Feſt
auch Feſt der Pelligen drei Könige (j. Drei
Könige). Als nächſtes Feit nah Neujahr wird es
auch Hohes Neujahr genannt. — Vgl. Wiener,
Religionsgefhichtlihe Unterfuhungen (Bd.1, Bonn
1889); Bornemann, Die Taufe Chriſti durch Jo—
bannes in der dogmatifchen Beurteilung der chriſtl.
Theologen der vier erjten Jahrhunderte (2pz. 18%).
Epiphanius, griech. Kirchenſchriftſteller, geb.
bei Eleutberopolis in Paläjtina von jüd. Eltern,
warb von ägypt. Mönchen auferzjogen und im
16. Lebensjahre getauft. 367 zum Metropoliten von
Ronftantia (Salamis) auf Eypern ernannt, nahm er
bis an feinen Tod (403) an den theol. Rämpfengegen
Arianer, Semiarianer u. f. w. in orragender
Weiſe teil und gab feit 394 das Signal zur Ber:
folgung der Schule des Drigenes. Gelehrt, aber be:
ſchränkt und fanatiſch, galt er den Zeitgenoflen als
Säule kirchlicher Drtbodorie. Bon jeinen Schriften
(bg. in 5 Bon. von Dindorf, Lpz. 1859—63) find die
wichtigften fein «Panarion» (Apotbefertaften), eine
Beichreibung und Beftreitung aller (80) Ketzereien,
und «De mensuris et ponderibus», über die bibli»
ſchen Maße und Gewichte, fyriich bg. von P. de La:
67 (« Symmicta», 2 Bde., Gött. 1877 —80). —
gl. —— Ju Quellentritit des E. (Wien 1865);
H. ©. Voigt, Eine verfhollene Urkunde des antı-
montaniftiihen Kampfes. Die Berichte des €. über
die Kataphryger und Uuintilianer (%pz. 1891).
Ein anderer E. geb. 439 zu Bavia, aus adligem
Geſchlecht, war Bischof von Pavia (en 466 und
machte ſich in der Vollerwanderung ſehr verdient
durd feinen großen Einfluß auf die in Italien ein:
allenden Germanen wie durch feine ausgedehnte
obltbätigleit. Er ftarb um 495 und wurde jpäter
tanonifiert. Tag: 21. Jan. :
Ein dritter E, mit dem BeinamenS cholafticus,
lebte im 6. Ja = und . mit Gaffiodorus aus
den Werten des Sokrates, Sozomenos und Theo:
boret bie «Historia tripartita», das tirchengeſchicht⸗
fihe Handbuch des Mittelalters, zuſammen.
Epiphlogisma (grch.), oberflädliche Entzün:
Epiphöra, ſ. Anapbora. (dung.
Epiphfllum Pfef., zen aus der
—— der Kalteen (ſ. d.). Man kennt nur wenige in
rafilien vortommende Arten; es find Heine Halb»
Epiphyſe — Epirus
bite, deren Stengel und Zweige aus blattartig
kehritertem , am Ende abgeitumpften, bebaarten,
‚Heifchigen Gliedern —— etzt find,
Aihinen feuerroten Blumen brechen im Winter
as den Enden hervor. Sonſt ift die Gattung cha:
satteriiert durch einen nadten, glatten, oben 7
; Fruchttnoten, Kurz zurüdgebogene Kelch:
er, eine bauchige Kronenröhre mit ſchiefer Mun⸗
dung und zurüdgebogenen, kurzen, gefärbten Rand⸗
lappen. Die dünnen Staubfäpen, etiwa 100 an der
re von denen die mittlern kürzer, find mit der
e verwacdien, in einem Bundel ——
länger als die Blumenkrone und umſch
ern, fſadenförmigen Griffel.
e beliebtefte Art ift E. truncatum Haw., mit
mrüdgebogenen Aſten, an deren Spihe je nad
ven Spielarten pu ote, farmefin= oder braun:
tote oder violette Blumen hervorlommen. Dieſer
Art ftebt E. Gaertneri K. Sch. nahe, das fid
durch halb fo lange und fchmälere Glieder und
fürzere, anberd gelernte Blumen unterſcheidet. E.
truncatum wãchſt in feiner Heimat auf großen
Bäumen in dem zwiſchen den ftarten Aſten ange
melten Humus. Daber erfordert fie in der ul:
tur vegetabiliihen Humus, viele Feuchtigfeit und
Schatten. Man unterhält fie im Winter bei einer
Temperatur von +10 bis 12° R., verpflanzt fie
nad ver Blütezeit im März, wenn der junge Trieb
beginnt, hält fie während des Wachſens feucht und
warm und läßt fievom September an, nachdem der
Trieb vollendet, zur Knoſpenbildung troden fteben.
Die E. werben oft ald Meine Bäumen gezogen
und find in folden Fällen auf Stämmchen von
Peireskia aculeata Mill. veredelt, während fie fonft
jebr leicht als —— ner
Epiphiſe (grch, «Anwuhs»), in der Anatomie
wäbrend des Anohenwahstums der mit Gelent:
rollen verjebene Knochenfortſaß der Rohrenlnochen,
welcher durch eine Knorpelicheibe, den jog. Epipby:
fen£norpel, mit dem Mittelftüd, der Diaphyſe
(f. d.), des betreffenden Knochens verbunden ift und
vorzugsweiſe dad Längenwahstum des Knochens
vermittelt. Nach vollendetem Wachstum verſchwindet
der mg ring völlig, und die E. verjchmel:
zen durch knöcherne Verbindung mit dem Mittelftüd
der Röbrentnohen. Bismweilen entzünden ſich bei
jugendlichen Berjonen die Epiphyſenknorpel, und
es fommt dadurch zur Lostrennung und Ablöfung
der E. von der Diapbyfe (Epipbyfentrennung),
woburb ahnliche Symptome wie beim Rnoden:
brud entſtehen. — Über die Gehirnepiphyſe ſ.
Zirbelprüje.
Epiphätifch oder Epipbäten (greh.) nennt
man bie parafitifch lebenden Pilze, die mit allen
ihren Zeilen, Mycelium ſowohl wie yruchtlörper,
ver bg Dberfläche der Nährpflanze vegetieren und
nicht in das Innere derjelben eindringen. Hierber
gebören ;. B. die Pilze des Meltaus (j.d.). Außer:
dem beiben Epipbyten Gewächſe, die auf andern
Bilanzen vegetieren, obne dabei als Paraſiten zu
leben, jo 3. B. zahlreiche tropifche Arten aus ber
ilie der Orchideen, die auf Bäumen wachſen.
(S. Barafıten.) i
Epiplegie (0), einfeitige Lahmung, bie
durch Schlagfluß hervorgerufen iſt.
Epiploon (grch.), das Netz (.d., Darmnetz; Epi:
ploitis, Nezentzundung; Epiplocele, Nehbruch.
Epipsliſche Disperſion, frübere, von Her:
ſchel eingeführte Bezeichnung für Fluorescenz (f. d.).
ießen den
9
Epirrhẽma (grch.), in der altgrieh. Komddie
das nad der Barabafe (f. d.) vom Chorführer ges
wöhnlich in trohäiihen Tetrametern Geſprochene.
Epirus(grieb.Epeiros,imdor. Dialelt Apeis
203, eigentlih «bas Feſtland» überhaupt), etwa
feit dem 5. Jabrh. v. Chr. Name fpeciell, der weftl.
Hälfte des nördl. Griechenlands, welde im N. und
NO. an Illyrien und Macedonien, im D. an Thefs
ei im ©. an Ültolien, Alarnanıen und den Ams
rakiſchen Meerbufen, im W. an das Joniſche Meer
grenzt und in ihrer größten Ausdehnung, mit Eins
rechnung der Gebiete der Athamanen, Ambralioten
und Ampbilocher, einen Flächeninhalt von ungefähr
11000 qkm enthält. Die ganze Landſchaft wird, mit
Ausnahme des fünlichiten Teils zunäcjt dem Am⸗
brakiſchen Meerbufen, der flach und teilweiſe von
Lagunen eingenommen ift, von rauben und ſchwer
gänglichen Gebirgen durchzogen, welche als
ralleltetten der Pinduslette, die E. von Thefja-
lien ſcheidet, — von NW. nah SD. ſtreichen,
toße Zängsthäler zwiſchen ſich einihließend. Der
indus verbindet i im NR. mit den Gebirgen Als
baniens dur den Paß des Lakmon (jebt Zygos
bei Mebovon), in —* Auge fünf der bebeutenb»
ften Fluſſe des nördl. Griehenlands entipringen:
der illyr. Aoos (jet Bojuca), der macebon. Haliak⸗
mon (jet Biftrica), der theſſal. — (jest
Salamoria), der —— (jeßt Fluß von Aria),
der Hauptfluß des eigentlichen E., und der Achelous
(jest Aipropotamos), der das Gebiet der Atbhas
manen durchfließt und dann die Landſchaften Altar
nanien und Ütolien ſcheidet. Andere gu e von E.
In der Thyamis (jekt Ralamas), der Acheron (jegt
avros, auch Lakliotilos oder Phanariotikos) mit
dem Nebenfluſſe Kolytos (jest Vuvos) und der Oro»
pos (jehzt Luros). Bon Gebirgen find noch die Tymphe
(jest Paläovuni), die Keraunien, welche in einem
—— Vorgebi e, den durch zablreihe Schiff:
brücde berüchtigten Afroferaunien (jekt Kap Gloſſa;
ital. Zinguetta), endigen, und der Tomaros (jetzt
Olycita) in der Nähe von Dobdona (f. d.) zu erwäh⸗
nen. (6. die Karten: Griehenland und Das
alte Griechenland.) .
Geſchichte. Bewohnt wurde bie ——
in der ältern Zeit von Hellenen, die aber ebenſo
wie die Bewohner von Gltolien und Alarnanien
im 12. Jahrh. v. Chr. —* eindringende illyr.
Völker verdrängt und zur Auswanderung nad
Theflalien und Mittelgriehenland gejmungen wur⸗
den. Dieſe Illyrer zerfielen in 14 ——**8
unter denen die Chaoner (f. d.) im NW., die Mo»
lotter (Moloffer, j. d.) im NO. und die Thefproter
(in der Sandicaft Theſprotia, f. d.) im ©, die
mächtigſten waren. Im 7. Jahrh. v. Chr. verfuchten
die Hellenen dur Anlage ver Pflanzitadt Ambratia
einen Teil des verlorenen Gebietes wieder zu gräs
cifieren, aber fie vermocdten nicht außerhalb der
Umgebung diejer Stadt in €. feſten Fuß zu faflen.
Unter den barbariſchen Bölterichaften ar die
Molofjer ihre Herrſchaft allmählich befonders nad
Süden zu aus, unterwarfen fich das den Theipros
tern gebörige Gebiet von Dodona und die Hafjopäer;
ja der bedeutendſte ihrer Könige, Byrrbus(f.d.), hatte
ogar jeit 295 v. Chr. die gen e Landichaft zu einem
Einbeitsjtaate vereinigt. * revolutionärer Beſei⸗
tigung ſeiner Dynaſtie (238—235 v. Chr.) entſtand
ein Bund der epirot. Völkerſchaften, welcher zur Zeit
der Kriege zwiſchen Macedoniern und Römern von
nicht geringer polit. Bedeutung war, aber am Ende
92
des britten Macedonijhen Krieges nad der Be:
fiegung des Königs Perjeus 167 v. Chr. durch Umi⸗—
lius Baullus (ver damals 70 epirot. Ortichaften zer:
ftörte und 150000 Menſchen zu Stlaven madıte)
augelöft wurde. Dctavian gründete im ſüdlichſten
Zeile der jeit 27 v. Chr. mit der röm. Provinz
Achaia verbundenen Landſchaft die Stadt Nitopolis
ur Erinnerung an den Sieg bei Actium. Geit
Salem erfcheint €. in Verbindung mit Atarnanien
als eigene Heine Provinz. Die Provinz Epirus
nova, die Diocletian einridhtete, umfaßte keinerlei
Teile der Landihaft E., jondern nur den Süden
Illyriens. — Nach der Eroberung Konftantinopels
—* die Lateiner 1204 errichtete ein Verwandter
de3 byzant. Kaiſers Aleris IL, Michael J. Angelos,
ge eine jelbitändige Herrſchaft, das jog. Deſpotat
., das ſich von Dyrrhachium bis füdlih nad Nau—
paltos, weftlich über einen großen Zeil —
ausdehnte, und unter wechſelnden Schickſalen bis
ur Einnahme Janninas durch die Türen 1430 be⸗
tand. Diefe blieben im Befik von E. (abgejehen
von der Gewaltberrihaft des Ali Bafcha von Jan:
nina 1788—1821). Nur ein kleiner Yandftric dit:
lih vom Artafluß fam 1881 an Griechenland. Be
ruhmt ift der wilde und ſchwer zugängliche Berg:
dijtritt Suli oder Suliafi (oberhalb der Weftküfte)
durch die Verteidigung feiner Bewohner (Sulioten,
kB) gegen Ali Paſcha. — E. bildet jeht den ſüdl.
eil des Wilajets Jannina mit der gleihnamigen
Hauptftadt. — Vgl. Merleler, Hiftor.:geogr. Dar:
ftellung des Landes und der Bewohner von €,
(ZI. 1, Königsb. 1841); Burfian, Geographie von
Griehenland, Bd. 1 (Lpz. 1862); Nomanos, Iept
toü Sesmordrou tc Hreipou feat 1895); Philipp:
fon, Theſſalien und €, (Ber .1897).
Epifche Poefie, ſ. pos.
Epiſcher Cyklus, |. Cylliſche Dichter.
Epiſcopius, Simon, Biſhopoder Biſcop, das
Haupt der Arminianer (ſ. d.) nach dem Tode des Ar:
minius, geb. 1. Jan. 1583 in Amjterdam, ftudierte
eit 1600 in Leiden, wo er fi dem Arminius an:
chloß, wurde hier 1606 Magijter und 1610 Prediger
in Bleiswyk bei Rotterdam. Den arminianifchen
Lehrbegriff verteidigte er 1611 im Geipräd zu Haag;
1613 wurde er ald Nachfolger des Gomarus Pro:
felior der Theologie in Leiden. Bor der Dordrechter
Synode (j. d.) erfhien E. mit 12 Geiftlichen zur
Verteidigung der arminianischen Lehre, fand aber
fein Gehör und wurde nebit allen arminianifchen
Geiftlihen des Landes verwiejen. E. wandte ſich
uerjt nah Antwerpen, bierauf nah Rouen und
ara durfte aber 1626 wieder nah Rotterdam
zurüdehren,, übernahm 1634 das Inſpeltorat und
bie erſte theol. Profeſſur an dem neuerrichteten Se:
minar der Nemonjtranten in Amjterbam und ftarb
4. April 1643. Zu feinen wichtigſten Schriften ge
bören die «Confessio» (1622), die mit diejem Werte
in Verbindung ftehende «Apologia» (1629) und
feine unvollendet gebliebenen « Institutiones theo-
logicae»r, Cine Gefamtausgabe feiner Werte be:
orgten Gurcelläu8 und ee (2 Bbe,,
miterd. 1650—65).
Epifcopins, hervorragende Buchdruder⸗ und
Buchbändlerfamilie zu Barel im 16. Sabrb., deren
Nahlommen unter dem deutiben Namen Biſchoff
noch jetzt zu den angejebenften Gefchlechtern diefer
Stadt zählen. Nilolaus E., geb. 1501 zu Ritters:
bofen bei Weißenburg im Elſaß, erwarb 1520 =
Bafel das Bürgerrecht, fcheint diefe Stadt zunächſt
Epifche Poeſie — Epiſkopalſyſtem
aber wieder verlafjen zu haben und erft gegen 1529
dabin zurüdgelehrt zu fein. In Diefem Sabre ver:
mäblte er ſich mit Juſtina, des berühmten Bud
bändlers Job. Froben Tochter, Mit feinem Schwa⸗
ger Hieron. Froben und mit Job. Herwagen, dem
zweiten Mann der Witwe Job. Frobens, begründete
er ein Berlagsgeihäft, aus welchem 1531 Herwagen
ausſchied, während die beiden Schwäger für immer
vereint blieben. Sie gaben zahlreiche pbilol. und
tbeol. Terte und Schriften heraus, die fi durch
Ausftattung und Genauigkeit auszeichneten. €.
ftarb 7. März 1564.
Nilolaus (I.) E., Sohn des vorigen, geb.
1531, batte fi frübzeitig dem Beruf feines Vaters
ewibmet, jo daß bereit3 1553 Bücher in feinem
Verlage erihienen. Er jtarb 29. Dez. 1565 an der
Veit. — Sein Sobn Nitolaus (IIL.), geb. 1555,
wurde gleichfalls Buchruder, ftarb aber ſchon im
Dit. 1582, — Eufebius E., der Bruder bei
Nitolaus (II.), geb. 1540, geit. 5. Dit. 1599, trat
1565 in Gemeinſchaft mit jeinem Bruder Nilo
laus und erwarb 1568 die Herwagenſche Bud:
—— Sein Druckerzeichen war eine aus einer
olfe reihende Hand mit einem Biſchofsſtab, auf
dem ein Kranich fteht. — Bal. Stodmeyer und
Reber, Beiträge zur Basler Buchdruckergeſchichte
Baſ. 1840); ehrum sbuch der Froben und Eri⸗
copius, bg. von Rud. Wackernagel (ebd. 1881).
Episoöpus (lat.; gried. episkopos, «Aufieber),
Biſchof (f.d.); E. episcopörum, Biſchof der Biihöfe,
der Bapit; E. in partibus (infidelium), f. In par-
tibus; E. oecumenlcus, Titel des Biſchofs von
Konftantinopel; Summus E., ſ. Summepiflopat;
Episcopi ruris, |. Chorbijchöfe. ,
Epiſẽmon (grch.), Zeihen für Ziffern, die als
Buditaben nicht mehr gebraucht wurden, aber ihren
Bablenwert und Platz in dem jüngern Zahlenſyſtem
behielten: F (Digamma) = "=c=6; P (Koppa,
lat. Q)=G=%; und M=T=7 (Sampi)=900.,
Epifioeẽle (grch.), Schamlefjenbrub; Epi»
fioncus, Schaml A
gie, Seamlehenb utung; Epifiorrhäpbie,
— t (dirurg. Operation).
iffleritiö (grc.), die Entzündung der äußern
Oberfläche der weißen oder harten Augenhaut.
Epiffopäl (gr&b.), was zum Biſchof oder deſſen
Amte gehört; Epiftopale oder Epijtopaliften,
Anbänger der biichöfl. oder anglilan. Kirche im
Gegenſatze den Presbyterianern und übrigen
Diſſenters, beſonders in Nordamerika. Zumeilen
werden mit Epiſtopalen auch die Angehörigen eines
biſchöfl. Sprengels bezeichnet.
Epiſkopalismus, ſoviel wie ee
nee f. Anglilaniſche Bra
Epi —— (von episcopus, d. i. Bifhof),
im romiſch-katholiſchen Kirchenrecht diejenige
Theorie von der Verfaflung der Kirche, nach welder
der Papſt zwar oberjter Biichof, doch nur der erfte
unter Gleichberechtigten (primus inter pares) it,
unter der Autorität der im allgemeinen Konzil
verfammelten Biihöfe, ala Repräfentanten der
ganzen — ſteht und nur mit deren Einwilli⸗
gung die geſeßgebende Gewalt in kirchlichen An—
gelegenheiten ausüben darf. Diefes Spitem, das
in ver röm. Kirche dem Papalſyſtem (1. ei gegenüber:
ftebt, bat in der alten ungeteilten kath. Kirche ge
berricht, wie die morgenländiich-fath. Kirche beute
noch auf ihm berubt, und wurde dann gegenüber
der fibermaht und den Ausartungen der Papit:
Epiffopat — Epistolae obscurorum virorum
mitm Ausgang des Mittelalterd von den Ron:
En u Ronftanz und Bafel vertreten, vermochte
dabet nur im fog. Sallikanismus (j. Gallilaniſche
Kirk) ver franz. Kirche zu behaupten und —
Ente des 18. Yen in ob. Nitol. von Hontheim
Üd)einen geichidten Verfechter. Prattiihe Aus:
gegaltung fand es ſeit etiwa 1700 in der holländiſch⸗
alttatboltichen Gantentiiihen) und feit 1870 in ber
neuen alttatb. Kirche. Die Refultate, die Hontheim
in em Werte «De statu ecclesiae et legitima
potestate romani pontificis» (Frankf. a. M. 1768
u. d.) vorlegte, brachten große Bewegung in der
töm. — beiner. und feine Gegner rubten nicht
tber, als bis er er Ausſprüche widerrufen hatte.
Durh das Vatikaniſche Konzil Y d.), welches den
bapft sum Univerjalbifhof machte ift das €, dog:
natiſch verworfen worden, nachdem es in Frankrei
bon dur die Revolutionsftürme und die dur
Rapoleon I. durchgeführte Wiederberftellung der
tatb. Kirche feine feiteite Burg verloren hatte. —
Bol. von Schulte, Die Stellung der Konzilien,
Bäpfte und Biihöfe (Prag 1871).
In der evangelifhen Kirche ift dur die
äußern Berhältniife bewirkt worden, daß dem
Landes das Summepiftopat (f. d.) über feine
Lanvestirhe zugefallen ift. Auch bier ift ein €, theo⸗
retifch vertreten worden und hat eine Zeit lang das
firhlihe Leben beberriht. Antnüpfend an die
ichon bei Hech vortommende Dreiteilung in einen
status politicus (Übrigleit), ecclesiasticus (Geiſt⸗
[ichteit), oeconomicus (Gemeinde) ſchrieben die
Anbänger diefed Syſtems dem eriten Stand bie
äufkere firhengemalt iu, verlangten aber, daß er
fih von dem zweiten leiten lafjen follte. Weſent—
lich durch Earpzov vertreten, bat dieſes Syſtem
in der Folgezeit dem Territorialfyftem (f. d.) wei⸗
ben müfjen und ift in neuerer Zeit dem durd die
DOrganifation der Synoden zur Vorherrſchaft ge
langten Kollegialſyſtem (j. d.) erlegen, zählt aber
immer nod jeine hochkirchlichen Anhänger, welche
fpeciell die Stellung der Generalfuperintendenten
zu einer derjenigen der kath. Bijhöfe analogen zu
geitalten mit Eifer bejtrebt find,
ba gear at.), das Biſchofsamt oder die Ge:
famtbeit der Biihöte (j. Biihof).
iffopins, |. Epifcopius. 2
Eyiföde (grd., «Cinibaltung»), nad Arijtoteles
in der alten Tragödie Bezeihnung der zwijchen den
Ehorg Angen eingefhalteten Zeile, ded Dialogs,
dann aller Rebenbandlungen in Epos und Drama,
die an die Hauptbandlung anknüpfen und nicht
mejentlich zu ihr gehören, fondern ein Heineres
Ganzes bilden. Die neuern Kunjtrichter haben die
Bedeutung des Wortes auf die letztere Kategorie
eingeihränkt. Bei guten Dichtern find die E. nicht
unnötige erweiternde Anbängfel oder Füllfel, fon:
dern bieten näbern Aufiatuß über verborgene Ur:
lachen, jo die E. des Therfites bei Homer und die
lung von der Eroberung Trojas in Virgils
« Üineid>, die ald Muſter gelten lönnen, da fie die
Einheit des Gedichts Jogar fördern. (S. audy Epos.)
Epifpädie (grch.), Mißbildung des männlichen
Geihlehtsapparats, wobei ſich die Harnröhre auf
dem Rüden des Penis öffnet; Epiipadidus, F
bivibuum mit einer derartigen Bildungsanomalie.
Epiſpaͤsmus (grch.), das Vorziehen der bes
ſchnutenen Vorhaut über die Eichel, jeit der Zeit
der Maltabäer zur Berleugnung des Judentums
unter den Juden vorlommenb.
93
—— rch), blaſenziehende und eite⸗
rungbeförbernde Heilmittel, na anthariden, Cro⸗
tonöl, Brechweinſteinſalbe u. a.
——— xch.), Naſenbluten (f. Naſe).
Epiftel (grch.), Brief (f. d.), insbeſondere der
poet. Brief, der bald erzäblend (epifch), bald Iyrifch,
gewöhnlich didaktifh ift, wie fchon die befannte
«Epistola ad Pisones» des Horaz. Der Ton richtet
fi jederzeit nah dem Inhalte und Berhältnifie
des Schreibers zum Empfänger. So grenzen Dvids
«Epistolae ex Ponto» durchgehends an die Elegie,
wie auch die röm. Heroide (j. d.), die Horazif
«Epistolae» an die Satire; die neuern E. von Bois
leau, Voltaire, Hagedorn, Gleim, Jacobi, Gödingt,
Goethe u. a. find meift plaudernde Ergüfle ſcherz⸗
bafter Laune. — Die im Neuen Teftament enthalte
nen Briefe der Apoftel und dann die aus biejen
von alters ber am Altar verlefenen und zu Predigt:
tertenausgemäbhlten Abfchnitte(epiftolifhe Beris
lopen) werden meijt €. genannt.
4 —— an — ieh. Air
emon xch.), er Kirche
—8 der über die Neinhet. der Lehre
—— — — ieh. epistold, das «lib
at.; griech. tol& «Über:
fandte»), der Brief ald Send hreiben (während
litterae den Brief als Gefchriebenes bezeichnet); im
Altertum befonders die faiferl, Antwort auf eine
von einer Behörde geitellte Anfrage über das von
ihr zu beobachtende Verhalten in einem ſchwer zu
entſcheidenden falle.
tölae formätae (lat.), die Empfehlungs⸗
briefe, die ſchon in ber älteften Zeit der chriſtl. Kirche
Angehörige einer Gemeinde einge m mußten, wenn
fie bei einer andern Gemeinde Aufnahme finden
wollten. Weil jhon früh Falſchungen vorlamen,
—— die Konzilien beftimmte Formen für die
elben vor, und daber dürfte (im 4. Jahrh.) der
Name entitanden fein. Biſchöfe oder Presbyter
ftellten fie im Namen der Gemeinde aus, Als Lit-
terae commendaticiae werben fie nad der Bor:
ſchrift des Tridentinifchen Konzils von den Bifchöfen
den reifenden Geiſtlichen erteilt, damit diefe in frem⸗
den Didcefen Eirhlih amtieren, befonderd Mefle
lefen tönnen (Celebret, ſ. d.).
Epistölae laureätae (lat.), mit Zorbeeren
ummunbene Briefe, die die röm. Feldherren mit der
Siegesnachricht nah Rom zu ſchiden pflegten.
in gg obsourörum virörum (lat., d. i.
Briefe von Duntelmännern, im Gegenſaß zu den
Epistolae clarorum virorum ad Reuchlinum 1514),
Titel einer Sammlung fatir. Briefe, die, durch die
Haltung der Kölner Theologen im Streit zwiſchen
Reudlin (f. d.) und dem getauften Juden ‚piefler
torn veranlaßt, in barbarıjchem, fog. Küchenlatein
(Möndslatein) unter dem Namen von damals be:
fannten Geiftlihen und Brofejjoren in der Rhein:
egend, namentlich aus Köln, gejhrieben, die Ob:
—— der Scholaſtiler und Monche in
eziehung auf ihre Lehren, Schriften, Sitten und
Redeweiſe, ihre Lebensverhaͤltniſſe, Thorheiten und
Ausſchweifungen mit ſchonungsloſem Spott geißel⸗
ten und fo nicht wenig der Reformation vorar:
beiteten. Die Briefe, an Ortuin Gratius, einen
der befannteften Führer der Kölner Obſturanten⸗
partei, gerichtet, follen in erfter Zeit jogar von
manden Mitgliedern der veripotteten Partei für
autbentifch gehalten worden fein. Als die Haupt:
verfaffer dürfen Crotus Rubianus und Ulrih von
94
Hutten — Der erſte Teil en 1515 ange
lich zu Venedig bei ——2 ſichtlich ſtatt
nutius), in der That aber zu 5 enau bei Ynzhelm
(nad andern in Köln oder in Mainz), der zweite
1517 in Bafel. Die Briefe find oft gebrudt und
herausgegeben worden, am beiten von Böding (Lpz.
1858; 2. Aufl. 1864; auch in Bockings Ausga
«Hutteni opera», 'Supplementum, 2 Bde
1864— 70). — In neuerer Zeit hat ®. Sawetfcle
in Halle «Novae epistolae obscurorum virorum»
(anonym, Frankf. a. M.1849; Jubelausgabe, Halle
1874) und ein anonymer töm. elebrter «Epistolae
obscurorum virorum de concilio Vaticano» (ano:
Beth: vr veröffentlicht. In den erftern werden
die Beuth stern 6 von 1848 bis
1849, in gr legtern das Batilanifche Konzil (1869
—70) und bie Klerilalen perfifliert.
Epistöla Piläti (lat., d. b. Brief des Pilatus)
— okryphe Schriftj ftftüde, i in denen angebli
Bonttus Bilatae an den röm. Kaiſer über Proz
und Kreuzigung Jeju_ berichtet; das älteite ift an
Raifer Claudius adreffiert (j. Acta Pilati).
piftolär (lat.), E der kath. Kirche derjenige
Geiftliche ——— der beim Hochamte, auf
der (vom Schiff der Kirche aus) rechten Seite des
Altars (Epijtelfeite) einen Abſchnitt aus
den — (f. d.) vorzuleſen hat. brieflich.
Epi ch (lat.), briefartig, in Brieffgrm,
ar slarium (lat, )f. Seltionarium.
@piftölifch, foviel wie EEE: epifto:
liſche PBerilöpen, f. Epiitel.
iftologräph (gr 9 Verfaſſer von Briefen,
Ag hreiber; — — —
piftologräpbif, f
2 lieöphe (grch.), . Anay here
Epiftröphens ( jaater ber»), in ber
Anatomie der zweite Balswirbel, — er die Dreh⸗
en des Kopfes vermittelt (f. Hals nebit
ur 2
piithl (arch.), ſ. Architrav.
Epistylle jattung der Vorticelliden (f. d.).
Epitäpb, |. Epitapbium.
Epitap {08 ( ch., zu ergänzen logos, Rebe),
Grabrebe, namentlich die —— öffentliche Trauer⸗
rede auf die für das Vaterland Gefallenen. Berühmt
ift der E. des Perilles auf die im J. 481 v. Chr. Ge
fallenen (im 2. Buche des Thucydides). Erhalten ift
außerdem, wenn aud nur unvollitändig, ein E. des
Hyperides. Die meilten der aus dem (tertum auf
uns gelommenen Epitapbien find bloße Bruntreben, | (—
"a nie ehe worden find.
Epitaph ot a epitäphion)obder Epi:
tapb, Grabſchrift, auch Grabftein mit Inſchrift;
in chriſtl. Zeit ein ſtehendes, meift an die Wand
einer Kirche gelehntes Grabrelief oder eine Inſchrift⸗
tafel aus Stein oder Bronze, biömeilen — auch
aus Holz. Die en Epitapbien i in Deutſchland
dürften die unter ven Pieilerfodeln der im 11. Jahrh.
erbauten Teile des Münfters zu Bonn jein. Erſt das
fpätere Mittelalter nahm die fünftlerifche Gejtaltun
der Epitapbien auf, welche in der deutichen Renaij:
fance ihren Höbepunft erreichte.
Epithalamium (ard.), bei den Alten ei —
das vor dem Brautgemache (thälamos)
mäblter gefungene Eborlied, aber auch allgemein ein
Hochzeitslied. Ein Beifpiel iſt Catulls « Epithala-
mium Pelei et Thetidos». (S. Hymenäus.)
Epithel (grch.), die Oberhaut der Schleim: und
anderer innerer Häute des menſchlichen und tieri:
Epistola Pilati — Epode
A Körpers, bildet einen gefäßlofen hautartigen
berzug auf der freien Fläche ver —— den
ſecernierenden Flächen der en, der Schleimhaut
der Geihlehtäorgane u. a. und gebt an den Körper⸗
Öffnungen ohne Unterbrehung in die Epidermis
bie Oberhaut der äußern Haut (ſ. d.) über. Auf
dieſe Weiſe ift die gefamte Oberfläche des Kö
die nad außen wie die nad) innen gelebrte, in rem
ganzen Umfange mit einer fchirmenden Hülle um:
geben, welde unter normalen Verhältniſſen gegen
alle von außen einwirlenden Schäblichleiten bin:
—— Schutz gewährt. Je nad der Form der
CM en —— man verſchiedene Epithelien:
linderepithel, Flimmer- oder Wimperepithel,
— u. a.
Epitheliäl, dem Epithel angehöri wre ihm aus:
gebend; Epithelialgemwebe, Oberbautgemebe.
itheliom grch.), durch kranlha —
des Epithels entitandene Neubildung (. Krebs).
Epithefe (grch.), Beifag zu einem Hauptjage.
Epithäton (grch. «Zujak»), das a. aupt:
worte zugefügte Beiwort. Das E. beißt, wenn es
eine von dem Zuſammenhang erforderte Ginfhrän-
fung des — — ein notwendiges
— necessarium), z. B. die öftlihen Sterne.
agegeniftdas E. ein * hönerndes oder [hmüden:
Fl (epitheton ornans), wenn es dazu dient, durch
Veran —— — Hauptbegriff nach einem
ſeiner M antaſie näber zu bringen,
z. B. ———— —— m Volksepos find
von bejonderer Bedeutung die jog. ſtehenden Beis
wörter (epitheta perpetua), die demſelben Gegen;
ftande, fo oft er —X wird, beigelegt werden,
z. B. oe media e Achilles. [Frauen.
Epithämie (ar s). das Gelüften jhmangerer
Epitdme (ard.), gg Sam einem größern
Wert. Bejonders von de mern wurden folde
veranftaltet; Beispiele ſ. Aurelius Victor, Livius,
Juſtinus. Davon neulat. Epitomätor, Verfern⸗
ger eines en 98.
Epitradhelion (grch.), ein zur Kleidung der
griech ‚tatb. Prieſter geböriges breites fteifes, mit
euzen bejtidtes, in der Farbe verjchiedenes Band,
das, um den Hals getragen, bi über den Gürtel
mit beiden Enden erabhängt.
Epitritus (grch.), ein vierfilbiger Versfuß, der
aus einer Kürze und brei Längen beſteht und —
nachdem die Kürze die 1., 2., 3. ober 4. Stelle
—— primus (vo _ — ic epitritus —
— —) u. f. w. beißt.
Epizöen (g r&b.), ſ. Schmarogertum.
Chan (grch.), Vie ee von größerer Aus:
dehnung, Landesjeude; sgen] : Enzootie dı x
Epizootifc tritt in der Negel Rinderpeſt, Ma
und Klauenſeuche, Influenza der Pferde auf.
- B. M., in den Kanzleien früber Abkürzung
für —— Promemoria.
Epöche (grch., d.i. Hemmung, Haltpunlt)h, in der
Chronologie der Anfang einer Zeitrehnung oder
Ura (f. d.); in der Gejdichte nennt man E. einen
Zeitpunkt, mit welchem eine neue bedeutjame Ent:
widlung beg innt. Epochemachende Ereignifje oder
Perfonl tete find alfo ſolche, die eine derartige
twidlung veranlaflen. (©. Periode.) — In der
Aitronomie bezeichnet E. eins der Elemente (f. d.)
der Bahn eines Himmelälörpers; über die €, ver
Sterntataloge ſ. d.
Epöde (arch., «Nach: oder Schlußgefang»), bei
den alten Griechen der auf die Strophe und Gegen⸗
Epomadion — Epos
tjolgende Abgejang. Die meiften Hymnen
Kindar und wiele Ehorgefänge der grieh. Dra⸗
se {nd epodifch gebaut. Außerdem hießen E.
ke dntarten (mit Ausnahme des elegiichen Difti-
den), die : a. — einer längern und
einet irgern € eben, beſonders aus einem
umbiihen Trimeter und einem ſolchen Dimeter.
Diele Gattung verpflangte Horaz auf röm. Boden;
kine «Epoden» erbielten jedoch erſt fpäter dieſen
Kamen, er jelbft nannte fie iambi.
Eyomadion (grd.), eine lange, von den Schul:
tem biö auf die e berabhängende Binde im
Dmat der griech. Geiitlichen.
omeo oder Monte:-San Nicola (bei
ven Alten Epomäus oder Epop&us), der hödjite
Gipfel (792 m) der 22 km lih von Neapel ges
fegenen vultanischen Infel Jschia (f. d.). Bon der
Höbe eine wundervolle Ausſicht. Wenig unterhalb
ift in das bier mürbe Trachytgeſtein eine Einfiedelei
ebauen. An der Norbjeite des Berges find
vom Krater einige Refte erhalten. Die legte Erup⸗
tion fand 1302 Itatt.
Epöna (von epus für lat. —— Pferd), lelt.⸗
ital. Göttin, welche Pferde, Eſel und Mauleſel bes
ſchũtzte. Sie wurde weniger in Italien, wo ihr Kult
erit ın der Kaiferzeit mehr auflam, als in den von
R gen = man > — ne
ä e Inſchriften gefun at, v u
—e— iſt E. zwiſchen den de heiligen Tieren
ftebend oder fißend dargeftellt.
&Epouhmos (grh., d. h. eine Benennung ge:
bend), im alten riehenland Bezeichnung für die⸗
jenige jäbrlich wechſelnde Staatöbehörbe, nad) der
(wie in Rom nad den Konſuln) in Ermangelung
einer allgemein gültigen Zeitrehnung die Yabre
bezeihnet und gezählt wurden; jo in Athen nad
dem erften Arcdon (j.d.), in Sparta nad dem erften
Epbonu3, in Theben nach dem oberften Böotardyen.
‚Epöpeud, in der griech. Sage Sohn des Pos
ſeidon und der Kanale oder Sohn des Aloeus,
König von Sityon, ift wahrſcheinlich eigentlich ein
Sonnengott, «der auf der Warte Thronender, wie
auch der Name jeined Gegners Nylteus, des Nacht⸗
‚ und bie mit ihm verbundene Mondgöttin
— (h),1.Ch (ic
opde (acd).), j. Epos. auung.
Epöpfie (ord.), eigene An: oder Einjiht, Ans
Epopten (arc., d. b. Schauende), Eingemeibte,
&porebia, |. Jorea. f. Eleufis.
Ep08 und Epifche Poeſie. Die epiſche
Boejie ift erzäblender Natur, fie ftellt Handlungen
als —— dar, d. h. als vergangen und
abgeſchloſſen. Sie gehört zu den älteiten 7 Abend
gen der poet. ndung, doch gebt ibr, der Zeit
nad, die horifche Hymnenpoefie voran. In weiterm
Umfang begreift fie in fi aud die Ballade (f. d.)
und Romanze, ferner bie er (f. d.), die Fabel
(1.d., Tierſage und Reinete Vos) und Parabel (j.d.),
die Satire (}. d.), eine Art der didaltiſchen Epit, ja
felbit ven Roman (f. d.), infofern diefer wenigſtens
ein Halbbruder der Poefie heißen darf, die No:
velle (j.d.) und das Märchen (j.d.).
Die Hauptgattung ift aber das eigentliche Hel⸗
dengedicht, das Epos oder die Epopöe. Es
ebt faum ein Bolt, bei welchem nicht wenigſtens
niäge zum Epos vorhanden wären. Abgejeben
von den durch den Vollscharalter bedingten Ver:
hbiedenheiten giebt es auch jolhe der Gattung und
ber Zeititufen. Nach erfterer gruppiert fich das Epos
95
in ein eh ein hiſtoriſches, ein lomiſches
ein parodiftijches, ein religiöjes und ein lehrhaftes;
ber Beitjtufe nah in ein Volksepos und ein
Runftepo3; jenes ift das frühere; auf und aus
feinem Stamme entwidelt ih und zieht Nahrung das
Kunſtepos; am vollenbetiten ift diejenige Gattung,
in der ſich beide Arten durchdringen und zu einem
untrennbaren Ganzen verjhmelzen, wie dies in den
Homeriihen Gedichten, Jlias und Odyffee, und teil:
weife auch im deutichen Heldengebicht der Nibelun:
en der Fall ift. Denn wenn ſich aus den Homeri:
Phen Gedichten die epiihen Aunhaciepe am reinjten
und vollftändigften entwideln lajjen, jo ift dies nur
deswegen möglich, weil de aus dem Bollsepos
emaden find, in einer Weife, daß man ſchwanken
er fie eher ala —— oder als Kunſtepos
u bezeichnen ſeien. Dem Heldengedicht des Virgil
ehlt dieſe vollämäßige Unterlage.
Das Volksepos wurzelt — und allein in der
nationalen Heldenſage (ſ. d.), welche die Gedanken
eines Volls über feine fruheſte Geſchichte (heroi⸗
—* ee mwiderfpiegelt. Das Vollsepos ift
ochariſtokratiſch; nur die Öötter, Die Helden (Söhne
der Götter) und deren Nachlommen (ber Abel) fin
den Plat in diefem Rahmen oder füllen wenigſtens
den Vordergrund. Bon den Sängern wird dieje
Heldenſage als belannt vorauägefegt und darf es;
fie felber greifen einzelne Abſchnitie aus dem Gan-
en beraus und geftalten dieje zu Liedern; durd vie
Kt lihe Sammlung folder Lieder und ihre Um⸗
eitaltung zu einem einbeitlihen und poet. Ganzen
(mas nur durch Hinzudichtung von Übergängen und
inbegliedern, durch Aus: und Angleihung wider:
ftrebender Zeile, durh Wandlung des Gefanges in
einfache Recitation geicheben kann) entfteht dann das
Bollsepos. Die berühmteften Vollsepen der aelant-
ten Weltliteratur find die «Jlias» und die «Dpyjiee»,
lestere an poet. Wert ihre ältere Schweſter über:
ragend. (S. Homer.) Als analog entjtanden jind
anzujeben die ind. Epen «Mahabharata» und «Ra-
mayana», da3 perj. «Schah-Nameh» de3 Firduſi,
die franz. «Chanson de Roland», das finn. Epos
«Ralewala»; die german. Epen «Beomwulfs, «Nibes
lungenlieb», «Gudrun» verbanlen ihren Zufammens
{hluß aus Liedern zum Epos jedenfalls direlt oder
mittelbar Einflüffen fremder Kunſipoeſie. In der
nordijhen «Edda» und dem fpan. «Eid», auch in
den jerb. Geſangen vom Helden Marlo u. a. liegen
die Vollälieder noch im lodern Zuftande, unver:
mittelt und durch feine ordnende, fügende Rünftlers
band verſchmolzen vor.
Das eigentliche Epos findet ſich nur in der ariſchen
Völterfamilie; das Schi-king der Ebinejen, das
ägypt. Heldenbuch vom Pr“ Ramfes, die zwölf
derer Fang Abenteuer der Eimfonfage
urfprüngliher Eonnenmythus?), das Siegeslied
ber Deborah und ahnliche Erzeugnifje der bebr.
Litteratur entfprechen nur höchſt unvolltommen ven
Runftgejeßen der Gattung.
Die epiiche Vollsdichtung ift eine aus dem gans
zen Boll entipringende und dem ganzen Volt ans
gehörige, durd den lebendigen Geſang mitteilbare
arjtellung einzelner Mythen und Sagen (Märchen
und Tierfagen). Die einzelnen Lieder, welche das
Epo3 nad und nad bilden (indem fie um einen ber:
vorragenden Punkt, der zum Mittelpunkt wird, ſich
gruppieren), pflanzen fi, wie fie aus dem Munde
des Volts bervorgingen, jo im Munde desſelben
Volls durd Generationen und Jahrhunderte fort,
96
e fommen bei allen Anläflen der
ensthätigleit und Empfindung \ abl, Gelage,
Tanz, Krieg, Br u. j. w.) zum Vortrag und ers
leiden im Laufe der Zeit dur bie halb bemwußte
alb unbewußte Mitwirkung der Zubörer allerlei
eränderungen durch Zus und Umdichten, aber auch
dur Weglaſſung und Kürzung. Es ift ein Läutes
rungsprozeß, der ſich nad und nad) vollzieht, bis
die ganze Voltsjeele (Empfinden und Denten Bin:
{hen und ®ollen, Glauben und Hofien) ihr Bild in
diefen Liedern ſich abjpiegeln ſieht. E3 kann je nad
der Stimmung ein ernſtes oder heiteres oder ein
aus beiden Stimmungen Bild fein, es
tann auch wechſeln, je nach den Idealen, welche das
fittlihe Leben des Menſchen beberrihen (vgl. auf
der einen Seite «Jlias» und «Nibelungen», auf der
andern «Odyſſee⸗ und «Gudrun»; dort Heldenmut
und Peg ier Rlugbeit und Ausdauer, dort
das tobende Sch — ‚ bier das rauſchende
Meer). Da aber das Altertum jedes rap deale
in irgend einer Gottheit verförpert fiebt, fo iſt fein
Epo3 denkbar, in welchem nicht der göttlihen Ein⸗
und Mitwirtung ein breiter Raum gegönnt wäre.
Die Einheit de Epos muß aus dem Fern
erauswachſen, um welden fi nad und nad) die
ieder angejammelt haben, in ihr muß fi das
deal verlörpern; dies fann aber nur in einer fon:
eten Gejtalt, dem Helden, in die Erſcheinung
treten. Da aber in den urfprünglichen verſchiedenen
Liedern =. nicht durchweg der Mittelpunlt war,
und beider Berfchmelzung nicht alle Zeile, die ſich nicht
unmittelbar auf ihn bezogen, wegfallen durften, ohne
daß das Ganze an Schönheit Flle und Mannig⸗
faltigteit fhwere Einbuße erlitten hätte, jo traten
diefe Teile ald Epifoden in den Rahmen des Epos
binein. Daber die —— Breite des Epos, feine
Ausbiegungen nad Iink3 und rechts, nad) vorwärts
und jurüd, feine Keen die in den urjprüng:
lichen Liedern wohl die Kolle der Hauptfiguren ge:
fpielt hatten. Die Rompofition des Epos ijt darum
loderer, nicht fo fnapp und Baden wie beim
Drama, defien auf ein Ziel gerichtete Handlung kein
Verweilen bei I — (j. " duldet. Diefe (für das
Epos charalteriſtiſchen) Epijoden gehören zwar vor:
zugsweiſe, aber nicht ausnahmslos, einem und
demjelben Sagentreije an; ſchon in der «Ilias⸗ fin:
den fich deutliche Fäden aus andern reifen in den
troiſchen Sagenftoff bineingewoben, und mit ber
Ausgeftaltung deö Epos durd die fog. Cylliſchen
Dichter (ſ. d.) vermebren ſich diefe Ausnahmen, das
Epos jelber wird cykliſch, d. b. es bat die Tendenz,
den Stoff (nit zum Borteil der Kunft) aus ver:
ſchiedenen lotalen Sagentreijen zufammenzubäufen,
obne ihn zur Einheit zu verjchmelzen.
Hiermit beginnt das Gebiet des Kunſtepos.
Der Haupt: und Grundunterjchied, der es in Gegen:
faß zu der Vollsdichtung ftellt, ift der, dab es
die Schöpfung, eines einzelnen Dichters ift. Ein
weiter, zwar nicht notwendig, aber gewöhnlich vor-
andener, ift der Bruch mit dem Glauben an My:
thus und Sage, ber dritte, der die Art des Vor:
trags betrifft (ob recitierend oder mit Gejang oder
gar nicht für Vortrag berechnet), ift nebenjählich und
durch feine fefte Norm beftimmbar. Birgil hat die
«Sage», auf welcher feine «Sineide» beruht, zum
gr Zeil jelber nben, von einem naiven
lauben an feine Böttermefen kann alſo feine Rebe
fein; noch weniger bei Dvid in — phantaſtiſchen
«Metamorphoſen⸗ (in denen jonft alle nur dent:
—— Le⸗
Epos
baren Arten des Epos vertreten find), und fpäter bei
den Romantifern, einem Camöes (in den «Lufia
ben»), Arioft (im «Rafenden Roland»), Tafjo («Be
freites ——— u.a. Das Götter: und Fabel:
—* wird bier zum üppigen, reizenden Spiel, an
mwelhem Gemüt und Glaube keinen Anteil mebr
haben, um jo größern die Phantafie. In dieje Ka⸗
tegorie gehören auch die Ritterepen bes Chretien de
Troyes und in Deutichland die der Pfaffen Konrad
und Lamprecht, Hartmanns von Aue, Gottfrieds
von Straßburg und Wolframs won Eſchenbach.
era lebte zu ihrer Zeit noch in manden
ijen ein Nachhall heidniſcher (vornehmlich ——
man.) Mythologie, der Glaube an Niren, Elfen
u. ſ. w., fort, während dann Wieland im «Überon»
die Märden: und Zauberwelt feiner a u. ſ. w.
mitten in eine kuhle glaubensleere enwart
bineinftellte und nur durch Anregung ber Phantaſie
oder gar durch ——— Iconie rn made.
Man fah ſich alfo, wenn man überhaupt nod ein
ernftes Epos ſchaffen wollte, genötigt, dem Unter:
und Hintergrund ber * zu verlaſſen oder ihn
wenigſtens in den ſchriſtl.) Legenden zu ſuchen; dies
thun im religidſen Epos Milton im «Berlorenen
Paradied» und Klopftod im «Meſſias⸗, der F dem
großen Thema zurüdtehrt, das einft der altſächſ.
«Heliand» und Otfrids «Evangelienharmonie⸗ ge
altet hatte. Das driftl. Dogma, nicht bloß die
gende, tennt aber bad Wunder, und auf dieſem
Boden weiter zu bauen, durfte der dichteriſchen
Vhantafie nicht verwehrt werden. Schon Dante
batte fi dies in feiner «Divina commedia» ge
attet, in der nicht bloß Heibnifches und Chriſtliches,
ondern alle Elemente der Ethit, Sage, Geſchichte,
—— — Satire, teils in realer, teils
in allegoriſcher Geſtalt durcheinanderfluten.
Auch das hiſtoriſche Epos kann der Phantaſie
nicht entraten, wenn es ein Dicht fein mill,
und dieſe herricht fogar fouverän, wo die «Geſchichte⸗
nicht das wirklich — iſt, ſondern das, was
nah dem Geſeß der Kauſalität hätte geſchehen
können (ideale Geſchichte). Zur erftgenannten Art
ehören Boltaired «Henriader, Pyrkers «Rubol:
as», Einggd «Böllerwanderung», © ergd
«Hobenfriedberg», «Leuthen», «Ligny», «Waterloor,
Jordans Bearbeitung der —— Ha⸗
merlings «Ahasver», «König von Sion», zu leh:
terer, weldye man die romantiſche Epil nennen
darf, E. Schulzes «Cäcilier, Scheffeld «Trompeter
von Sältingen», ©. Kinkels «Dtto der Shühr.
(Über Se «Hermann und Dorothea» und Bop’
«Luiſe⸗ — lle.)
Das Te thafte Epos umfaßt die Fabel
(Tierepos3) und die Satire (die im Tierepos
übrigens auch vertreten ift), es fällt mit dem jog.
Lehrgedicht nicht —— Heſiods «Werte und
Tage» und Birgild «Georgica» find feine Epen.
Byrons «Don Juan» tann ſowohl ein fatir. als
ein fomifches Epos genannt werben, ebenjo But:
lerö «Hudibras».
Das lomifhe Epos kann entweder mit un:
ſchuldig lachender Miene auftreten, wie in K. H.
Kortums «obfiade», oder mit tendenziöjer Paro⸗
die des Erbabenen; als ſolches kann es aud al?
beiondere Gattung — werden. Auch das
rein Komiſche entbehrt ſelten eines oder des andern
parodiſtiſchen Zuges, weil es faum eine danfbarere
Komik giebt, als Heine und Heinlihe Dinge des
Altagslebens im Pathos des heroifchen Epos dar:
Eppan — Epulis
— Beiſpiele des parodiſtiſchen Epos ſind
us «flir ult», Popes «Lodenraub» und
«Dundader, Zachariãs «Renommijt» und «Schnupf:
tuh>; ausgeprägt parodijtiihen Charakters und
muftergültig für die Gattung ift bereits ein Gedicht
des frübern Altertums: «Die Batrachomyomachie⸗
(«Sreihmäufeler»), nachgeahmt von dem Deutſchen
Georg Rollenbagen, aus fpäterer Zeit Boltaires
«Pacelle» und A. Blumauers «Traveitierte Ülneis»;
mebr rein jatirifch ift Ad. Bartels’ komiſches €.
«Der dumme Teufele. (S. Traveftie.) j
Unfere Zeit ift dem Epos ungünitig. Es wird faft
ei verdrängt vom Roman (}. d.), dem Epos in
roja, deſſen Kunſtgeſetze freilich nicht völlig auf das
moderne Epos anzumenden find. Ein ſolches ift belle
Grajied eNobespierre» (2 Bde. 1894), ein anderes
greßen Stil verfpricht Das noch unvollendete «Lied
der Menichbeit» von Heinr. Hart zu werden.
Eppauoder St. Michael in Eppan, Gemeinde
im Gerihtäbezirt Kaltern der öfterr, Bezirkshaupt⸗
mannibaft Bozen —— in Südtirol, nahe
am Beginn der Straße über die Mendel (1354 m),
auf einem Plateau (410 m), ringdum von Wein:
ärten (berühmter Eppaner Wein) umgeben, an
der Bahn Bozen= Gries:Kaltern —— —
umfaßt die e St. Michael oder E., Girlan,
St. Pauls, Miſſian und Montiggl und bat (1900)
5410 E. Dberbalb E., deilen Name von planum,
d. i. Hochebene, bergeleitet wird, liegen die Ruinen
vonHoben:E zen (720 m) mit dem freideturm,
Stammfig der Grafen von E., die durch ihre eb:
ten mit den Bijchöfen von Trient und den Grafen von
Titol belannt find, Schloß Boimont und Alten:
ar ee die Gegend früber den Namen trug.
pelheim, Dorf in Baden, ſ. Bd. 17.
Eppendorf. 1) Dorf in der Fran rn nen
Ihajt Floha ver ſächſ. Kreishauptmannſchaft Chem:
ms, an der Nebenlinie Heßdorf-E. (10 km) der
Sidi. Staatsbahnen, hat (1905) 4732 E., darunter
108 Katholiken, Boft, Telegrapb, Kirche; Baum:
wollipinnerei, 2 Mebl: und Sägemüblen, Spiel:
waren: und Gigarrenfabrif. — 2) Bauerjhaft im
Sandtreis Gelſenlirchen des preuß. Reg.Bez. Arns⸗
berg, hatte 1900: 3507 E., darunter etwa 1100
Ratboliten, 1905: 3583 E.; Koblenbergbau und
i Bis . —— —— (. a
p mittelhochdeutſch epfich, entlehnt aus
lat. apium), in älterer Sprache _ wie Sellerie
(.d.und Apium); jest auch für Er angewendet,
T
„Siadt in der engl. Grafihaft Eſſer,
im .von London, oo &;
Handel mit Butter, Mil und Fleiſch. E. liegt am
Nordende des Epping-Foreſt, eines bügeligen
Forftes, der einſt bis vor Londons Thore ——
jeßt in einer Größe von 2", qkm erbalten wird und
einen beliebten Ausflugsort der Londoner bildet.
Eppiugen. 1) Amtsbezirfim bad. Kreis Heidel⸗
berg, hat 168 qkm, (1905) 18437 E.in 15 Gemeinden.
—2) Hanptjtadt des Amtsbezirls E., linls an der
zum Nedar gehenden Elſenz, an den Linien E.:ftarlös
rube (48 km) der Bad. und Erailäheim:Heilbronn:
€. (112 km) der Württemb. Staatöbabnen, Sitz des
bezitlsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht
Heidelberg), bat (1905) 3450 E., darunter 714 Katho⸗
\iten und 106 Jsraeliten, Poſt, Telegrapb, evang.
und 2 Pfarrlirhe, landwirtihaftlibe Winter:
chule, höbere Bürgerfchule, Gewerbeihule, Vor:
'Qußverein, Spartalfe. In der Näbe befinden fi
Sanpiteinbrüche.
Brodhaus’ Konverfations-Lerilon. 14. Aufl. R. A. VL
97
Eppishuſen, Meiſter Sepp von, ſ. Laßberg.
Eppftein, Flechen im Obertaunuskreis des
preuß. Neg. Bez. Wiesbaden, am Schwarzbach, in
184 m Höhe, am Südabbang des Taunus und am
Unfange des bei Hofheim nad der Mainebene ſich
öffnenden Lorsbachthals, an der Linie Frankfurt
Höchft- Limburg der Preuß. Staatöbahnen, hatte
1900: 991 E. darunter 467 Katboliten, 1905:
1227 E., Boft, Zelegrapb, evang. Kirche (15. Jabrb.),
deutſches Kriegerheim (1901); Aderbau, Bleimalz:
werte, Stanniol- und Kijtenfabrifen, Gerbereien,
—— fiber der Stadt die Nuine der Burg
«, bie, früher im Befik des alten Geſchlechts der
Eppfteiner, die 1535 im Mannsſtamm ausſtar—
ben, jest Eigentum des Fürften Stolberg: Wernige:
rode ijt und um 1120 — t erwähnt wird. Von
1585 bis 1803 gebörte E. zu Kurmainz, jeit 1803
zu Nafjau. — Bol. Brumm, E, und feine Um:
gebung (Eppftein 1896).
Eppur si muöve ae «llnd fie (die Erde)
bewegt jich doch», Ausruf, mit dem Galilei (f. d.) die
ihm abgedrungene Abihwörung der Kopernilani-
ſchen Lehre begleitet haben foll; er ift nicht durch
pleichzeitiges Zeugnis verbürgt, jondern wird erit
im «Dictionnaire historique» (Caen 1789) erwähnt.
Epreuve (ft;., ipr. epröhw), Probe, Verſuch;
Korrefturbogen; E. d’artiste (ſpr. dartiſt, d. i.
ein vom Künftler [Stecher] gemachter Brobeabzug),
ein Kupferjtich mit der radierten Namenäzeihnung
bes Stechers, die na Anfertigung einer Kleinen
Zahl von Abdrücken weggeſchliffen wird, damit die
«Abdrüde vor der Schrift» (avant la lettre) gemacht
werben lönnen, Als allererfte Abprüde im ſolche
Blätter natürlich am teuerſten. (S. Kupferſtechlunſt.)
Epſöm, Marttitadt in der engl. Grafſchaft Sur:
ren, 22 km im Südweften von London, bat (1901)
10915 E. eine polytechniſche Schule und eine Bitter:
alzquelle. Berübmt find die auf den E, Downs
tattfindenden Pferberennen, das Derby: Rennen
(j.d.) und die Dals. In der Nähe das Royal
Medical College für Söhne von Ärzten.
Epjomfalz, Epſomer Salz, Bitterfalz.
Epte (jpr. ept), rechter Nebenfluß der Seine,
entipringt zwifchen Serqueur und Forges:les:Caur
im franz. Depart. Seine: nferieure, fließt zuerjt
nad SO. und berührt Gournay, wendet ſich hier:
auf nach S. und pipe das Depart. Seine⸗In⸗
ferieure vom Depart.Dife, gleich darauf auch das Der
part. Eure (weitlid) von den Depart. Dije und ipäter
Seineet:Dife (öftlich) und mündet nach einem Laufe
von 102 km oberhalb Vernon in zwei Armen in
Epülae, j. Epulonen. [die Seine.
Epülis.(ard.), eine trankhafte, mehr oder weni:
ger pilzförmige Geichwulft des Zahnfleiſches, welche
nicht, wie die jog. Parulis, auf einer abjcedie:
renden Entzündung des Zahnfachs, fondern auf
einer Gewebswucderung beruht und entweder zu
der Bele der fog. Sarlome (ſ. d.) oder auch zu
andern Geſchwulſtſformen gehört. Sie kann fi in
jedem Lebensalter, ſelbſt bei Kindern, entwideln;
über ihre Urfachen ijt nichts Sicheres belannt. Ge:
wöhnlich ſtellt die E, eine en bis hühnerei⸗
roße, balblugelige, gefäßreihe Geſchwulſt von
öderiger Oberfläche und fleiichiger Konſiſtenz dar,
welche allmäbli dur ihr Wachstum die benach—
barten Zähne auseinander drängt oder deren Aus:
allen bewirkt und durd Blutungen und Geſchwürs⸗
dung ſehr beſchwerlich werden kann, weshalb ſie
möglicit frübzeitig operativ zu entfernen ift.
7
98 Epulonen
Epnlönen (lat., «Speifemeifter»), ein in Rom
196 v. Chr. eingerichtetes Priejteramt, meldyem zus
naͤchſt die —— der Speiſung (epulum) der
mit menſchlichen Bedurfniſſen gedachten lkapitolini⸗
* Götter en Dann wurde ibnen aud die
eforgung und Beauffihtigung der öffentlichen
Bewirtungen (epulae) des Volls übertragen. Urs
fprünglich zäblte das Kollegium der E. drei Mit:
glieder (tresviri epulones), jpäter fieben (septem-
viri epulones), und legtern Namen bebielt es aud
bei, ald es von Eäfar auf zehn vermehrt wurde.
Die €, find bis zum Ende des 4. Jahrh. n. Ehr.
nachzuweiſen.
Epntlöfi® (grch.), Vernarbung; Epulotica, die
Vernarbung befördernde Mittel.
Epurateur (frz., jpr. epüratöhr, d. i. Reiniger),
in der Baummollipinnerei eine von Risler ers
—— Maſchine, welche zuweilen an Stelle der
ortratze angewendet wird; fie zerftört die Anord⸗
nung der Safern in Büiceln und liefert das Mate:
rial in Form gleihmäßiger loderer fyaferbänder ab,
An der Bapierfabrilation iſt E. foviel wie
Knotenfänger (f. Papier). Als E. wird auch eine
Mafhine der Holzitofffabrilation bezeichnet
(f. Holzftoff und Tertfigur 2).
Epureänn, Manolate Koftale, rumän. Staatd:
mann, geb. 1823, ftudierte die Rechte in Göttingen
und begann feine Yaufbahn ald Richter in Berlad.
Seit 1848 an allen polit, Ereignifien feines Vater:
landes beteiligt, ftimmte er 1857 im Diwan ad hoc
(j. Moldau) für die Vereinigung der beiden Donau:
fürftentümer und wirkte 1859 für die Wahl Eufas
zum Fürſten der Moldau. 1866 war er Präfident
der Nationalverfammlung, die den Prinzen Karl von
Hohenzollern, den jegigen König Karl I., zum Für:
ften von Rumänien prollamierte. Der Bojaren
partei angebörend, bemühte er ſich jedoch mit Hilfe
jüngerer Kräfte dieje zu einer junglonjerwativen,
den Zeitverbältnijjen — tragenden Partei
umzugeſtalten. Am 1. Mai 1870 übernahm er als
Winitterpräfibent die Leitung der Geſchafte, die er
unter den ſchwierigſten Berbältniflen führte, bis
ihn 26. De;. 1870 ein Mißtrauensvotum, das ihm
die ag bremen aus Anlaß der Strouäberg:
ſchen Eifenbabnangelegenbeit (f. Rumänien und
Strouäberg) erteilte, zum Rüdtrittveranlaßte. Bom
9. Nov. 1872 leitete er im Kabinett Catargiu das
Juſtizminiſterium, trat aber 11. April 1873 zurüd,
um in Verbindung mit den Nationalliberalen (der
fog. Koalition Mazar Paſcha) die Bojarenwirtihaft
am Vorabend des Ruffiich «Türkifchen Krieges zu
türzen. Am 9. Mai 1876 bildete er mit Joan
ratianu ein liberaled Minifterium, befien Prä:
ſidium ihm zufiel, fchied aber ſchon 5. Aug. 1876
aus, die Führung ganz dem nationalliberalen Ele
ment überlajiend. Er blieb im Parlament bis zu
feinem Tode (1884) in abmwartender Stellung.
Epurieren (lat.), reinigen, das Schlechte aus:
merzen; Epuration, Reinigung, Ausmufterung.
E pur si muove, |. Eppur si muove,
Eques (lat., Mehrzahl Equlites), Neiter, Rit⸗
ter. Im röm. Staatäleben bildeten die Equites
oder Ritter urjprünglich die aus den wohlhabend⸗
jten Bürgern patricifben Standes zufammengejehte,
zu Roß dienende und am höchſten ftebende Klafje
des röm. Heerd. Durch die Verfafjung des Ser:
vius Tullius wurden die Equites ein Korps von
18 Genturien, 1800 Rittern, die nun nicht nur aus
patricifhen, fondern aud aus plebejiſchen Fami⸗
— Eques
lien genommen wurden. Die in die Centurien aufge:
nommenen erhielten vom Staate 10000 As zur
Anihaffung eines Kriegsroſſes (das aes equestrei
und jährlid 2000 As für den Unterhalt desſelben
* aes hordearium), ſonſt aber leine Lohnung.
ie Reitercenturien hatten in den Centuriatlomi⸗
tien (f. Komitien) bis zu der Reform im 8. Jahrh.
v. Chr. das Recht, zuerit abzujtimmen.
Neben diefen alten Rittercenturien entftand, wie
eö beißt feit 403 v. er eine neue Art Equites; diele
erbielten einen regelmäßigen Sold, der dreimal jr
hoch war als der der Legionsſoldaten, ftanden aber,
weil fie die Privilegien der alten Ritterſchaft nit
bejaßen, an Anſehen und Bedeutung meit binter
den lestern zurüd. Mit diefer ging in der jpätern
Zeit der Republit eine große, dur die Umgeital:
tung der DBermögensverhältnijje veranlaßte er:
änderung vor. Ob ſchon durd die Genturienver:
faſſung für die Ritter ein —— Cenſus feitgeieht
war, der den für die erſte Klaſſe der andern Cen⸗
turien überjtieg, ift ungewiß. Gewiß aber bat ein
older in fpäterer Zeit beitanden, der in ber
etzten Zeit der Republil und in der Kaiſerzeit auf
400 000 Sefterzien (gegen 90000 M. beutigen Gel:
des) belief. Bei der fteigenden Wohlbabenheit wuchs
die Zahl derer, die den Cenſus —— ohne in die
18 Rittercenturien eintreten zu loͤnnen. Eine Ver
mebrung der Genturien ward aber gleihmohl nicht
beſchloſſen, weil den Anſpruchen, welche die Kriege
der Römer an die Reiterei ftellten, durch die Ritt
wenn deren Zahl aud erhöht worden wäre, doch
lange nicht mebr genügt werben fonnte. Die Reiterei
ber Bundesgenoſſen oder aus den Provinzen war
militärifch wichtiger geworben. Schließlich börte
in der legten Zeit der Republit vie militär. Ver:
wendung ber Rittercenturien als foldyer ganı auf,
und die Angehörigen des Ritterſtandes leiſteten
militär. Dienite in der Eigenſchaft von Offizier
afpiranten und Dffizieren.
Diezablreiche,moblbabend gewordene Klaſſe derer,
bie den census equester und bie übrigen erforder:
lihen Eigenfhaften hatten, aber in den Ritter
centurien feinen Pla fanden, wurden ebenfalls
als Ritter bezeichnet. Sie bildeten zwiſchen dem
Senat, defjen Mitglieder feit 129 nicht mie biäber
ihre Pläge in den Rittercenturien behalten durf⸗
ten, fondern mit dem Gintritt in ben Senat aus
denjelben auätreten mußten, und dem Bolte einen
Mittelftand, der aud als folcher anerfannt war,
feit durch ein Gejeg von C. Grachus beſchloſſen
worden war, daß bie Geſchworenen nicht mehr aus
den Senatoren, fondern aus den Rittern, d. b.
alfo den rg fe mit einem Bermögen von mebt
ald 400000 As genommen werden mußten. Bon
ba an beginnt ein ununterbrodyener Kampf um die
Gerichte, in dem bald die Senatoren fie wieder
allein erbielten, bald zufammen mit den Rittern
oder mit den Nittern und Ülrartribunen (aus den
Plebejern). In der Kaiferzeit wurden 5 Abteilun:
gen Richter gebildet, 3 bevorzugtere aus Rittern
und Senatoren und 2 aus Leuten von geringerm
Rang und mit geringerm Vermögen.
Durch Auguſtus erhielten die Ritter fogar bie
läge, die den Senatoren eingeräumt waren, zurüd.
übrigen verloren fiedoch weit mehr an polit. Rech⸗
ten, als fie gewannen. Dazu lam, daß infolge der
taiferl. Berwaltungsreform die Thätigleit der Ritter
als Pächter von Staatseinnahmen und Übernebmer
von Lieferungen immer mebr befhräntt und immer
Eaqueftrit — Equifetaceen
weniger ergiebig wurde. Cine neue Bedeutung da:
gegen erlangten fie dadurch, daß die meiſten Offizier:
und Berwaltungsitellen, namentlich die der Proku⸗
ratoren und Bräjelten, von den Kaiſern ausſchließ⸗
'ıh mit Männern aus dem Ritteritande befegt wur:
den. Dieje jtanden allerdings dem Rangenad wenig:
end größten Teil weit unter den fenatoris
hen Ehrenämtern. Aber der wirllihen Bedeutung
sad lamen jene Civil: und Milttärämter ben
yenatoriihen nicht bloß gleich, ſondern überragten
fie jogar, was namentlih aud von dem bödften
i Amt, dem des praefectus praetorio,
enüber dem höchſten aus republilaniſ eit
——— Magiſtrat, dem Konſulat, A t. Auch
die militia equestris, der Dienft der Ritter als
Offiziere in der Armee vor Eintritt in die ibnen
zuftebenden Eivilämter und höhern Militärftellen,
und ebenjo die Korperſchaft der mit Staatspferden
verjehenen Ritter, die equites Romani equo pu-
blico, beitand fort. Dieje erhielten fogar neuen
Aufſchwung, da das von Auguftus reorganifierte
und jtarl vermehrte Korps zwar nicht wieder tie
einft zu Felde 309, aber all abelich von den Kaiſern
gemuitert und burd neue Mitglieder ergänzt wurde,
ſowie bei andern feierlihen Gelegenheiten unter
feinen seviri al& Paradetruppe aufzog.
Als äußere Ebrenzeihen batten fämtlihe Mit:
glieder des Nitterftandes das Recht, ſchmale Pur:
purfäume (im Unterjhied von den breiten der Se:
natoren) an der Tunila (f. Clavus) und gleich den
Senatoren goldene Fingerringe zu tragen. Auch
tten fie im Theater einen bejondern bevorzugten
8. In der jpätern Raiferzeit wurden fie mit den
itgliedern des Senatorenftandes, mit denen fie
auch nod einige befondere Vorrechte gemeinfam hat:
ten, unter dem Namen der honestiores zujammen:
gejagt. — Vol. Mabvig, De ordine equestri
(Ropenb. 1840); Zumpt, Über die röm. Ritter (Berl.
1840); Marquardt, Historiae equitum Romano-
rum libri IV (ebd. 1840); Belot, Histoire des che-
valiers romains (2 Bde., Bar. 1866— 73).
Egueftrif,Reittunit, befonders im Eirtus(Schul-
reiten und Pierbedreflur).
Eomilib ſ. Aquilibrift,
Equipage (ft;., ſpr. elipahſch'), beim Militär
ein veralteter Ausdrud, unter welchem die gefamten
Ausrüftungd: und Belleidungsitüde eines Offiziers,
bei dem berittenen ier einfchließlich der Zäu-
mung, Sattelung und Badung der Pferde veritan-
den mwurbe; bei der ar ge die gefamte Be:
eines Schiffs. €. bedeutet auch ſoviel mie
ein (eigener) bejpannter feiner Wagen.
x (fr3., fpr. elipöbr), in Gewehrfabrilen
der ifter, der die von befondern Geh ve ge
arbeiteten einzelnen Gewehrteile zufammenpaßt und
das Gewehr jufammenfest.
Egquipieren (frz., ſpr. eli-), ausrüften, ausſtat⸗
ten; Sautpiszeng on Be or
Ausrüftungs- und eidungsftüde für einen Of⸗
Ruier (f. Equipage). j
etaceen (Equisetackae), Schachtel⸗
bolme oder Schafthalme, Pflanzenfamilie aus
ver Gruppe der Gejäßkryptogamen. Sie haben
aufrechte, gegliederte oberirdiihe Stämme, die aus
i — —— — Bei auss
sauernden vielfach verzweigten Rhizom hervor:
Die — en Stämme erſcheinen in
vn meiften Fallen jede⸗ und halten nur wah⸗
cend einer etationdperiode aus, bei wenigen
99
Arten vermögen fie mehrere Jahre hindurch aus⸗
zudauern. Die Blattorgane find in Form von
trodenhäutigen Scheiden vorhanden, in deren Ads
es die Seitenzweige ftehen; da die legtern ſchon
ald nad ihrer Anlage von den Blattfheiden über:
mölbt werden, jo müfjen fie bei ihrem ———
die Scheiden an der Baſis durchbrechen. Infolge:
deſſen hat es den Anfchein, als ob die —S
am Grunde der Scheidenenden aus dem Stamme
per Der anatom. Bau der oberirdifchen
eile und des Rhizoms ift im weſentlichen nicht ver
fhieden. Die Stammorgane find fämtlid hohl und
nur in den jüngften Stammipigen mit Dart erfüllt.
Die Gefäßbündel find in einen *4 geſtellt, aus
jedem Zipfel der Scheide gebt ein Bundel in den
Stamm und läuft bier gerablinig bis zum nachſt
ältern Anoten und zwar parallel mit den en
Bündeln des Internodiums; im Knoten —— eine
Spaltung in zwei Schenlel statt, welch letztere An
an bie recht# und lint# benachbarten Bündel dieſes
ältern —— anlegen. So kommt es, daß in
jedem Internodium ebenjoviel Gefähbündel ver
ufen, wie die auf demfelben ſihende Blattfcheide
gi fel befigt. Die Markhöhlung geht nicht ununter:
roͤchen durch den ganzen Stamm hindurch, fondern
u eg gt ie Sch ragma,
n mel ſich Gefäßbündelanaftomofen finden,
geſchloſſen. Die Stengel find außen deutlich —
und zwar zeigt jedes Internodium fo viel Angs⸗
leiften, wie die Mugehöripe Scheide Zipfel befist; fie
entfprechen den dab ündeln im en Die
eben beichriebenen Längsleiften und Ze 2
bei den Rhizomen weniger entwidelt. Das Scheitel:
wachstum ber €, gef —* wie das der ——
Gefäßlkryptogamen, mittels einer Scheitelzelle. Die
ungeſchlechtlichen doripflanzungs⸗ en, bie Spo⸗
ren, werden in Sporangien gebildet, melde in den
ährenförmigen Enden S Tafel: Gefäßlrypto:
gamen, Fig. 10a) der Stämme ftehen. Die Spo—
rangien selbh ſtehen auf der Uinterfeite eigentümlich
umgewanbelter Blätter. E3 find meift 5—10 folcher
—— auf den ſchildfoörmigen fruchttragenden
Blättern vorhanden (Fig. 10b). i den meiften
Arten ſtehen diefe äbrenförmigen Sporangienftände
an der Spiße ber normalen Chlorophyll führenden
Stämme, bei einigen dagegen werben fie auf be
— dlorophou oſen unverzweigten Stengeln ge⸗
ildet, die im Frübjahr vor den grünen Stämmen
auftreten. Die reifen Sporangien öffnen fi durch
Sängerifle, damit die Sporen austreten können.
Die Wände der Sporen beſtehen aus mehrern Schich⸗
ten, die äußerfte davon bildet die fog. Elateren
oder Schleudern (Fig. 10c,d), fie jerreißt nämlich
in —— —— änder, die ein vier:
armiges Kreuz bilden. Vermöge ihrer ftarlen Hy:
roflopicität lönnen fie fih aufs und einrollen und
o eine Fortbewegung ber Spore bewirken. Die
Sporen keimen, wenn fie in Wafjer oder auf feuch⸗
ten Boden gelangen, und bilden ein Brotballium,
an welchem die Gefhlehtöorgane, Antberidien und
Archegonien, fteben. Das Prothallium ift flächen:
artig entwidelt und meift in mehrere Lappen zerteilt.
Der Bau der Antberidien und Archegonien ijt im
weſentlichen derjelbe wie bei den Farnkräutern.
Aud die Entwidlung des Embryo3 aus der Eizelle
ift der bei den Farnkräutern analog. j
Die jetzt noch lebenden E. find über die ganze
Erde verbreitet. Es find jämtlih Gewächſe, die auf
fumpfigem Boden oder im Wafler vorlommen. (E-
-
’»
100
Equisetum.) In ihren Größenverbältnifen und in
der Anzahl der Arten (etwa 40) jtehen fie weit zurüd
egen bie E. ver Borwelt. Die Refte, welche von den
ehtern erhalten find, gehören ſehr verjchiedenen For:
mationen an. Man bat fie in mehrere Gruppen ein:
geteilt. Diejenigen, welde den jegigen E. am meiften
ähneln, hat man einfach unter die Gattung Equi-
setum (f. d.) jelbjt — Andere Formen, welche
vorzuglich in der Steinlohle auftreten, aber auch
ſchon in ältern Schichten vortommen, hat man unter
dem Namen Calamites vereinigt. Es find dies baum:
artige Schadhtelhalme von bedeutender Größe, die
fih dadurch auszeichnen, daß fie weder Blätter
noch Blattſcheiden haben; vielleicht fehlten diefelben
gänzlich, oder fie waren fo vergänglich, daß fie leicht
abfielen und — nicht mehr an den foſſilen
Stämmen zu ſehen find. Die Sporenſtände ber»
felben find nicht fiber befannt; man rechnet hierher
einige, nicht im Zufammenbang mit den Stämmen
erhaltene Sporenftände, die ald Calamostachys
bezeichnet werden, doch berubt dies nur auf Ber:
mutungen. Aud unter dem Namen Equisetites
werben neuerdings von Schimper ſolche Frucht⸗
ände zufammen en die in der Steinkohle vor:
ommen. Die fo en Stämme, welde unter den
Bezeihnungen Calamodendron und Arthropithys
befannt find, rechnen einige Baläontologen eben:
—* zu den E., doch iſt ed wahrſcheinlicher, daß dies
elben zu ben & mnojpermen (j. d.) gebören. Bon
den übrigen foſſilen Cquifetaceengattungen find
noch zu erwähnen Schizoneuron, welche mit einigen
Arten von Equisetum im Buntjandjtein und im
Keuper vorlommen, und ferner die Annularien,
deren Stämme ähnlich wie die von Equisetum ge:
baut waren, deren Blätter aber nicht zu einer Scheide
—— waren, ſondern frei in Wirteln an den
Knoten ſtanden. Die Seitenäjte find zweizeilig ge:
ftellt, es find alfo nur in den Achſeln zweier oppo⸗
nierten Blätter eined Wirtels Seiten prffen vor
—— Die früber zu den €. geſtellte Gattun
phenophylium gehört jedenfalls nicht hierher, iſt
vielmehr zu den Lycopodiaceen (f. d.) zu jtellen.
Diejenigen Refte, die man unter dem Namen
Asterophyllites vereinigt, find vielleicht zum Teil
u den €. zu rechnen, doc find fie, hauptſächlich
etreifö bed Baues ihrer Fruchtäbren, zu ungenau
betannt, um etwas Sicheres über ihre fyjtematifche
Stellung beftimmen zu lönnen. Bon einigen Ba-
läontologen werben fie ald die blättertragenden
Zweige der Galamited:Arten angefeben.
Equisetites, j. Cquifetaceen.
Equiſẽtkraukheit, bei Haustieren vorlom-
mende, durch die unter gewiſſen Umftänden giftigen
Shadtelbalme heroorgerufene Krankheit.
quifetfäure, |. Aconitfäure,
Equisötum L., Schachtelhalm, die einzige
noch lebende —————— aus der nach ihr be⸗
nannten Familie der Equiſetaceen (ſ. d.) mit etwa
40 über die ganze Erde verbreiteten Arten, von
denen 11 in Deutſchland vorlommen. Ein Teil
derjelben bat zweierlei Stengelformen, eine fer
jweigbildende und eine fruchttragende zweigloſe, bei
den andern werben Sporangienjtände und Seiten:
jweige an denjelben Stengeln Be Bei den
eritern erjcheinen die chlorophyllloſen, ————
lichen, fruchttragenden Sproſſen ſehr bald im Fruh—⸗
jahr, die ſterilen ——————— dagegen ſpa⸗
ter. Hierher gebört der
Equisetites — Equitationsſchulen
——— Dumod belanntes läftiges
Aderunfraut E. arvense L. (f. Tafel: Gefaß—
fryptogamen, ‘ig. 10), deſſen tief in den Boden
inabjteigende Rhizomäſte nur ſchwer auszurotten
ind. Da die Pflanze nur in naflem, ſchwetem
oden gedeiht, jo fann man fie durch geeignete
Entwäflerung, dur Drainage u. f. w. am beiten
entfernen. Ihre Stengel waren alö Herba
Equiseti minoris efgiel gl. Weber, Der
Dumod, in Heft 72 der «Arbeiten der deutſchen Land
— Berl. 1902.) Ferner gebört
bierher die größte deutiche Art E. telmateia Ehrh,,
die ftellenweife bis zu 2m hoch wird. zu. Arten,
wie E. silvaticum L. und E. pratense Ehrh., haben
zwar ebenfalld fruchttragende und fterile Stengel
getrennt, doch bilden die legtern nach der Sporen;
reife noch Seitenzweige und ergrünen ebenjo mie
die fterilen Stämme. _ :
In die Gruppe, bei der fterile und frudı:
tragende Stämme nicht getrennt find, gehört unter
anderm dad Polierſchachtelhalm oder Bolier:
beu genannte E. hiemale L. mit etwa 1 m hoben,
meift aftlofen Stengeln. Die Halme diefer Art waren
früber offizinell als Herba Equiseti majoris. Tie
rößte jetzt noch lebende Equiſetum⸗Art ift das in
übdamerifa wachſende E. giganteum L., deſſen
Halme eine Höbe von 10 m erreichen; fie find jedoch
fo dünn, daß fie ſich nur aufrecht erhalten können,
wenn fie fihb an benadbarte Bäume anlegen.
Alle Equifetum:Arten enthalten bedeutende Den:
gen von Ricfeljäure in der Epidermis (E. hiemale
7 Bros. der Aſche), wodurd fie eine gewiſſe Härte
und Raubigteit erhalten. Beim Verbrennen hinter:
lafien fie deshalb ein zartes Kiefelftelett, weldes
die Formen der Halme no ziemlich volllommen
zeigt. Wegen dieſes Gehalts an Kiejelfäure werben
viele Arten, wie E. silvaticum, pratense, arvense,
ustre L., als Scheuerfraut, Rannenlraut,
innfraut, oder andere, wie hauptſächlich E
hiemale, zum Polieren verwendet.
Bon den fofjilen Formen, die man zur Gattung
E. rechnet, oder aud unter dem Namen Equisetitcs
ufammengefaßt hat (vgl. Equifetaceen), find haupt:
Nachlich ju erwähnen: das im Buntfandjtein auf:
tretende E. Mougeotii Schimp., deſſen Stamm
gegen 20 cm did war und jedenjall® eine gan;
edeutende Höhe erreichte; ferner gehört hierher das
im untern Reuper bäufige E. avenaceum Jaeg,
deſſen Halme ebenfalld eine Dide von 20 cm und
eine Höhe von 8 bis 10 m erreichten. Bei einigen
emplaren der leßtern Art ift die Scheide ſehr gut
er rg ift gegen 3 cm lang und hat etwa 120
Zipfel. Auch die Rhizome find noch erhalten und
mit biejen zufammen eigentümlich Inollenartig ent
widelte Rbizomteile, die etwa die Größe eines Hüb-
nereied haben. Solche Inollenartig ausgebildete
Rhizompartien kennt man übrigens auch bei u.
lebenden Eauifetum:Arten, nur erreidyen fie bier
taum die Größe einer Hajelnuß. | chulen.
Equitationsauſtalt zu Münden, ſ. Militärreit⸗
Eguitationsfchulen, frühere Bezeichnung für
die Reitfhulen der öfterr. Kavallerie. Aus der ehe:
maligen Central-Equitationsſchule ift das
jegige Reitlebrerinftitut zu Wien hervorgegangen;
an die Stelle der früber bei allen Negimentern ber
ehenden E. find eine Anzahl Brigabe-Dffizier:
chulen zur Ausbildung von Subalternoifizieren in
derſchachtelhalm, ein | allen Zweigen des favalleriftifhen Dienftes getreten
unter dem Namen Scheuerfraut, Kaßenwedel, | (f. Militärreitfhulen).
Equites
gun Mehrzahl von Eques (f. d.). — liber
. [2 o
ve E. genannten Schmetterlinge |. Site.
Equity und Equity Courts, ſ. Billigteit.
Equivoque (fr;., jpr. elimöd), |. Aquivot,
Equulöus, Sternbilp, ſ. Füllen,
Equus, Gattung der Einhufer, zu welder das
Bierd, der Ejel, der Dnager, der Dichiggetai und bie
Jebras (f. die betrefienden Artilel) gehören.
Er (pavon das Zeitwort Eren, Erzen), Anrede,
die in Deutihland im 17. Jahrh. auflam. Schon
im Mittelalter wurde der Bornehme nicht mit
—28 mit einem Namen angeredet, der ſich auf
eine Würde bezog. Bon Frantreid und Italien lam
dieje Sitte nad Heutihland, und eginn des
17. Jahrh. gebraudte man ftatt bie Anrede
«ber Herr» und vorerft in Verbindung damit das
& dem Begriffe nach auf die dritte Perjon richtende
Aürmort er; jo Scriver 1640... «geliebter Herr!
ih zweifele zwar nicht, daß er feinem Gott bereits
mieder abgebeten habe». Als das Er fc eingebürs
gert batte, gebrauchte man es bald allein ftatt der
jmeiten Heron. Aus einer vornehmen Anrede
ward es dann nad und nad) zu einer ——
In der erſten Hälfte des 18. Jahrh. fant der
des Er beträchtlich infolge der Übertreibung, den
Blural des Er anzuwenden. Aber noh Schillers
Water redet ihn in feinen Briefen mit Er an,
mas damals noch für vornehmer galt ald Du und
Ihr. 19. Jahrh. nannte man zulegt nur Nies
vrigerjtebende (Bediente, geringe Handmwerler und
Bauern) Er, eine Anrede, die jept als Mißachtung
betrabtet wird. In der bayr. Armee wurden die
Soldaten von den Difizieren bis 1868 mit Er an»
eiprodhen. «Er» wurde aud für Mann, für das
ännden von Tieren gebraudt; der Plural hier»
von ijt: die Em. (S. Duzen.)
&r, Kriegsgott, j. Tyr.
Er, dem. Zeichen für Erbium,
Er., bei naturwifienibaftlihen Namen Abkur⸗
— Wilh. Ferd. Erichſon (ſ. d.).
a, linler Nebenfluß des Arno in Toscana,
gen entipringt an der Weſtſeite des
Monte: iccioli, fließt nah W. bis Volterra, dann
nah RW. und mündet bei Bontedera, wo über ihn
eine jhödne Marmorbrüde —*
Eradiation (neulat.), Lichtausſtrahlung.
Eradizieren (lat.), auswurzeln, entwurzeln,
mit der Wurzel ausrotien; davon das Subſtänti—
vum Erabdilation.
Eragrostis Host, Liebesgras, Pflanzen:
gattung aus der Familie der Öramineen (f. d.) mit
egen 100 in den gemäßigten und warmen Zonen
Fr weit verbreiteten Arten. Die wichtigjte Art ift
das in Abeffinien einheimiſche und dort allgemein
alä Getreide kultivierte Tef- oder TZafgras, E.
abyssinica L., deſſen Meine, aber zahlreiche Früchte,
etwa von ber Größe ber Hirfetörner, ein wichtiges
R smittel für die Bewohner ganz Abeſſiniens
bilden. 8 dem Mebl werden Brotfladen mit ans
genehm fäuerlihem Gejhmad gebaden.
Grän, Hochland in Weitafien, |. ran.
Erandigue (fpr. -bible), Diftritt im SD. des
Depart. Gracias der Republil Honduras mit gleich:
namiger Hauptftabt (2000 E.), hat reihe Minen mit
berrlihen, oft roten Opalen. i
Gräns® (grch.), im alten Griehenland eine
Mablzeit, zu welcher jeber Gaſt feinen Beitrag an
&bensmitteln oder Geld gab (Pidnid); in Athen
insbeiondere hießen Eranoi organifierte Genoſſen⸗
— Era
101
ſchaften, die ſich teils ie gemeinſchaftlichen Vergnü⸗
ngen und Schmauſereien, teils zu gegenjeitiger
ügung durch Geldvorſchüſſe verbunden hat:
ranijten, die Mitglieder eines E.
Eranthis Salisb., Winterlin ——8
tung aus der Familie der Ranuntulaceen (1.d.).
Sie iſt die frübefte aller Gartenblumen und entwidelt
ſchon im Februarund Maärz noch vor den Blätternibre
großen gelben, von einer vielblätterigen Hülle um:
benen Blumen auf einem nur 10 cm hoben Schafte.
on im Mai ift fie fpurlos verſchwunden. Man
pflanzt fie in einer etwas —— Lage und dicht
beiſammen zwiſchen Schneeglodchen und Scillen,
von denen fie in der Blüte abgeloſt wird. Vermeh⸗
rung durd Teilung der Stöde oder durch Samen,
welde fojort nah der Reife gefammelt werden
müjjen, da fie fonft zur Erbe fallen. Man lennt
nur zwei in den Gebirgägegenden Aſiens und Euro:
pas vorlommende Arten. Deutſchland findet
fih nur eine davon, E. hiemalis L., felten wilt
wachſend; doc; wird fie oft in Gärten angeb anzt.
Era of good feeling (engl., jpr. ihr? dj gubd
fibling; «Feit des guten Cinvernehmens»), in
den Vereinigten Staaten von Amerila die Periode
von 1817 bis 1825 während der Präfidenticaft
Monroes, bejonders feit 1820, wo die Neite ber
Föderaliftenpartei verſchwanden und alle Männer
von Bedeutung in dfientlihen Amtern zur demo:
tratiihen Partei gehörten. Heftige perjönliche
mwijtigleiten madten ihr ein Ende und es folgte
eine neue Trennung der Parteien in Demolraten
und nationale Republitaner oder Whigs. (S. auch
Demokratiſche Partei.) , j
Erard (fpr. erabr), Sebaftien, Mufilinftru:
mentenbauer, geb. 5. April 1752 zu Straßburg,
trat 1768 bei einem Klaviermader in Paris in
Arbeit. Schon 1770 konftruierte er ein Clavecin
mecanique, dad durd feinen Mechanismus Auf:
eben erregte. Sein erſtes Bianoforte baute er 1777
t die Herzogin von Villeroy, die ihm in ihrem
Hotel einen Kaum für ein Atelier überließ. Mit
feinem Bruder Jean Baptifte gründete E, bald
darauf ein größeres —— das ſchnell
zur Blüte gelangte. Während der Revolution lebte
er in London, wo er eine Fabrik errichtete, in der
außer PBianofortes auch Harfen (um 1796 durd
E. bedeutend verbefjert) gebaut wurden. Bon bes
erg Wichtigleit war feine Erfindung der Pedal:
arje & double mouvement (f. Harfe). Die Re
petitiondmedanil (f. d.) brachte er 1823 fr ftanbe
und ftellte ein Inſtrument mit diefer Erfindung
in Paris aus. Geit 1825 gab fih E. auch mit
dem Drgelbau ab und führte bier ebenfalld Ver
bejierungen ein. Er ftarb 5. Aug. 1831 auf dem
von ihm erworbenen, ehemals königl. Jagdſchloſſe
La Muette bei Paſſy.
Sein Neffe Pierre E., geb. 1794 in Paris, fam
Ing * ondon, wo er die Harfenfabril ſeinet
heims leitete, hielt ſich nad deſſen Ableben zur
Leitung der Geſchäfte abwechſelnd in Paris und
London auf und ftarb 5. Aug, 1855 auf La Muette,
nachdem er einige Jahre im Jrrfinn zugebradt.
Die E. ſchen Fabriken befteben fort.
Eras, Wolfgang, vollswirtſchaftlicher Schrift:
eller, geb. 14. April 1843 zu Schönfeld bei Großen:
in, Funiete in Leipzig, und Berlin an
angs Mathematik, fpäter Nationaldlonomie und
urisprudenz, war 1866 — 70 in den Rheinlanden
und Weltfalen teils journaliftiich, teild ald General
nte
ten
102
jefretär des Rheiniſch⸗Weſtfäliſchen Gewerbevereind
und des Verbandes der Leineninduftriellen thätig
und wurde 1871 Synditus der Handeläfammer in
Breslau. Seit 1886 war E. auch Syndilus der Schle⸗
ſiſchen Textil⸗Berufsgenoſſenſchaft. Er ftarb19. Dez.
1892. Früher eifriger Freibändler, nahm er feit 1876
(Kongreß in Bremen) in Zollfragen auf volkswirt⸗
ſchaftlichen Kongrefien und in Vereinen wiederholt
eine vermittelnde Stellung ein und wendete ſich mehr
ſolchen ei et zu, die abfeitö der Zollpolitik lies
gen. Cr gab 1868— 69 das «Jahrbuch für Volls⸗
wirtſchaft⸗ (Leipzig) beraus und ſchrieb außer zahl-
reihen Auffägen und Abhandlungen: «Mas ftebt in
den preuß. Schulregulativen?» (2yp3.1868), «Der
Zwangsſiaat und die deutfchen Socialiften» (ebd.
1868), «Bier Zeitfragen aus dem Gebiete der Volls⸗
wirtichaft» (ebd. 1870), «Handeläpolit, —*58—
nach dem Kriege⸗ (Berl. 1871), «Der Prozeß Vebel⸗
Liebknecht und die offizielle Vollswirtſchaft⸗ (Bresl.
1872), «Aus der Praris» (ebd. 1872), «Das Reichs⸗
bahn: Projekt, feine Entjtehung und jeine Gefahren»
(ebd. 1876), «Der Mäbrungsjtreit» (Berl. 1883),
«Die Oderregulierung» (Bresl. 1884), «Einrichtuns
he die Binnenſchiffahrt an deutichen und bols
mer; vr (ebd. 1885), «Das Brannt⸗
weinmonopol» (Berl. 1886), « Unſer Handel mit
den Baltanländern» (2pz. 1891).
Erafinos, im Altertum Name mehrerer Flüffe
in Griechenland, 3. B. des iebign Flufjes von Ka⸗
lavrota (f. * Ein anderer E. entſpringt 5 km
füdlih von Argos als mächtige Quelle, die von
den Alten ala Abfluß des Stympbaliihen Sees
angefeben wurde.
afifteätu®, grieh. Arzt, um 300 v. 5
ſtammte von Julis auf der Anfel Keos, hielt ſich
eine Zeit lang am 6 des Seleucus Nilator zu
Antiochien auf, begab ſich dann wahrſcheinlich nach
Samos und ſoll dort in hohem Alter geſtorben ſein.
Gleich groß in der Theorie wie in der Praxis, ward
er Stifter einer eigenen mediz. Schule, die unter
dem Namen der Erafiftrateer befannt ift.
nahm in dem Körper zwei Hauptgegenfäße an, den
Lebenzgeift und das Blut, und machte namentlich
in der Lehre vom Gehirn und Nervenfpitem mich
tige Entdedungen. Bon feinen zablreihen Schrif⸗
ten baben ji nur geringe Bruchftüde, meift bei
Galenus (f. d.), erbalten. . Stacidmus,
Eradmifche Ausfprache oder Etaci3mus,
Erasmus, Heiliger und Märtyrer, foll unter
Diocletian Bifchof in Syrien gemwejen fein und zu
Formiä in Campanien den Tod erlitten haben. Als
die Sarazenen diefe Stadt zerftörten, jollen feine
Gebeine nah Gaeta — worden ſein; doch
wollen noch andere Städte Italiens und Deutſch—
lands Reliquien von ihm beſihen. Der 2. wen
ift —— Gedachtnistag. Er gebört zu den 14 Not⸗
belfern und wird gegen Biehtrantbeiten, Bauch
ichmerzen und Geburtäwehen angenufen.
Erasmus, Defiderius in entlib Gerbard
Gerhards, d. i. Gerhards Sobn, bolländ. Geert
Geerts; E. und Deſiderius bedeuten: der Begehrte,
Erſehnte), genannt €. von Rotterdam, der ge
Bu und gem Humanift Deutfchlands, geb.
28, Dit. 1467 oder 1469 zu Rotterdam als unebe:
liher Sohn des Gerhard de Praet, beſuchte die
Schule von Deventer, die Hegius leitete. Fruh ver:
waiſt, trat er auf Drängen feiner Bormünder halb
widerwillig in das Kloſter Stein (Emmaus) bei
Gouda und folgte, froh aus dem Klofterzwange
Er | fer Schriftfteller (3.
Erafinndg — Erasmus
—* zu lonnen, 1491 einer Berufung durch den
iſchof von Cambrai. Durch deſſen Fürforge konnte
€. 1496 Paris beſuchen und teilte feitvem, während
fein Ruhm ſchnell wuchs, me Aufenthalt mit
weltbürgerliher @leichgültigfeit zwischen Frankreich,
England, wo der Kanzler Thom. Morus fein Freund
war, und den Niederlanden, überall als erfolgreicher
Vorlämpfer des Humanismus. In Italien, das
er erſt 1506 lennen lernte, wurde ibm 4. Sept.
1506 in Turin die tbeol. Doktorwürde, zu Bene:
dig bie Freundfcaft des Aldus Manutius zu teil,
Doc die höchſte Verehrung genoß er in Deutſch⸗
land, das ihn alö feinen größten Sohn feierte;
eine Reife nah Straßburg und Bafel 1513 war
ein wahrer Triumpbjug. Zur Annahme eines Am:
tes konnte ß8 der unrubige Mann trog der Müb:
ee feines Wanderlebens nicht entſchließen; doch
ezog er ſeit 1516 eine Penſion von Karl V. 1517
ließ er ih an der Hochſchule Löwen nieder, fiedelte
aber ſchon 1521 nad Bafel über, mo Holbein ibn
malte. Bon dort trieb ihn die Einführung der Re:
formation 1529 nad) Freiburg i. Br., wo er leidend
den Reit feiner Tage zubrachte. Er ftarb bei einem
Beſuch in Bafel 12. Juli 1536. In Rotterdam
mwurbe ihm 1662 ein Bronzeitandbild errichtet.
E. war nit nur ein gelebrter Philolog, for:
dern vor allem ein unglaublich fruchtbarer, ftet:
aeihmadvoller Schriftfteller, ein glänzender Stiliſ
und ein vollendeter Weltmann. Gin überlegener
Verftand, den er gern in Sarlasmen zeigte, leitete
—* von Leiden * lannte er nur bie Eitelteit.
an bat . treffend mit Voltaire verglichen. Kaum
gab es ein Gebietderdamaligen Wiſſenſchaft, auf dem
er nicht thätig war. Seine «Adagiorum chiliades»
—* 1508 u. b.) find eine Sprichwoͤrterſamm⸗
ung mit ſchönen Erläuterungen. €, verfaßte treii:
liche pädagogiihe Schriften. Mit gefundem Gefübl
befämpfte €. die Alleinberrfchaft des ciceroniani-
hen Stils in der Satire «Ciceronianus» (1528).
ie Babl feiner ——— llaſſiſcher und patriſti⸗
Cicero, Seneca, Ariſtoteles,
Hieronymus, Auguftinus) ift unabſehbar. Sein
Herz hing an der griech. Literatur, während ihm
das Hebräifche fern lag. Lucian war fein Liebling.
Die noch heute gültige Ausſprache des Haffiihen
Griehifhen gebt auf E. zurüd («De recta latini
graecique sermonis pronunciatione dialogus»,
1528). Seine dem Bapft gewidmete und mit einer
lat. liberfegung verjebene Ausgabe des Neuen
Teſtaments (Baf. 1516), der bald eine wertvolle
Parapbrafe folgte, trug, ihm lebhafte Anfeinbungen
von ber Kirche ein, weil fie an der Bulgata Kritit
übte, wurde dagegen von Luther feiner Bibel:
überfekung zu runde gelegt. . in andern
Schriften äußerte E. reformatorifhe Gedanken, ſo
in dem ausgezeichneten Erbauung&bud « Enchiri-
dion militis christiani», in den vielbenugten «Fa-
miliaria colloquia» (1524), Meifterftüden der lat.
Umgangsfprade, und in der eleganten, —
Satire auf alle Stände «Encomium moriae» («Lob
der Narrbeit», Bar. 1509). Sie gehörte, durd Hol:
being Federzeihnungen geihmüdt, zu den geleien:
en Büchern des Jahrhunderts. * mancher
bereinftimmung ftieß den geiftigen Ariftofraten
E. das Auftreten des Vollsmannes Luther ebenio
ab wie die Leidenſchaft Ulrichs von Hutten, mit
dem er in eine wenig ehrenvolle Fehde geriet, Gegen
Qutber richtete E. unter anderm feine «Diatribe de
libero arbitrio» (1526). Trogdem bat ihn auch die
Eraſtianismus — Erb
tatb. Partei nicht als einen der Ihrigen angefeben,
jentern jeine Schriften auf den Inder geſeßt. Die
velftändigite und beite Ausgabe jeiner Werte
beſetgte Zeclerc (10 Bde., Leid. 1708—6). —
ol. Stihart, Erasmus (CEpʒ. 1870); Drummond,
Erasme (2 Bde., Lond. 1878); F. C. Hoffmann,
Essai d’une liste d’ouvrages et dissertations con-
cernant la vie et les écrits d’Erasme (Brüff. 1866);
%an, Erasmiana (Rotterd. 1881); de Nolbac, E.
en Italie (mit ungedrudten Briefen, Bar. 1888);
Amiel, Un libre-penseur du XVI”* siöcle: E. (eb.
1859); Glödner, Das deal der Bildung und Ers
jiebung bei €. (2pz. 1890); U. Richter, Erasmus:
Studien (ebd. 1891); Hartfelver, Defiderius E. von
Rotterdam und die Bäpfte feiner Zeit (im «Hiſtor.
Zajchenbubh», 6. Folge, Jahrg. 12, ebd. 1892);
ude, Life and letters of E. Cond. 1894); Lezius,
ur Charalteriftil des religiöfen Standpunktes des
. (Güteröloh 1895); Tögel, Die padagogiſche An:
icha des E. in ihrer pſychol. Begründung
anidmus, j.Craitus. [(Dresd.1896).
Eraſtus, Thomas, gräcifiert aus Lieber oder
LZiebler, Theolog, geb. ın Auggen bei Badenweiler
1524, ftudierte in Bafel Theologie, in Senn und
Bapdua Philoſophie und Medizin, ward Xeibarzt
des Grafen von Henneberg, 1558 des Kurfürften
Otto Heinrich von der Pfalz und Profefjor der Me:
dizin zu — 1580 Profeſſor der Medizin
und der Moral in Bajel, wo er 1. Yan. 1588 ftarb.
Als Naturforiher trat er den alchimiſt. und den
naturpbiloj. Anihauungen des Paracelſus ent:
gegen, verteidigte aber jelbit die Verbrennung der
Deren; als Theolog vertrat er Zwinglis Auffaſſun
des Abenpmabls gegen den Calvinismus und völ:
ige Unterordnung der Kirhe unter den Staat.
Nach jeinem Tode erihien die «Explicatio gravis-
sirmae quaestionis, utrum excommunicatio man-
dato nitatur divino, an excogitata sit ab homini-
bus», worin er die jelbjtändige Kirchengewalt be
fämpft. Dadurch wurde E. and in Großbritannien
betannt, wo nod jest Eraſtianis mus jede Unter:
ftellung des Kirchenregiments unter die Staatö:
autorität beißt. Name des 62. Planetoiden.
Eratö, eine der Mujen (i. * — €, ift auch der
Eratoſthenes, griech. Öelebrter der Alerandris
nijchen Schule, der fich jelbft den Beinamen des
Philologen gab, nicht im jegigen Sinne, jondern in
dem bes Freundes der Wifienichaft überhaupt, geb.
um 275 v. Chr. zu Kyrene in Afrita, wurde um 285
von Btolemäus Euergeted aus Athen nad Aleran-
dria, wo er früber, namentlih unter Kallimachus,
ftudiert hatte, zurüdgerufen und wardort viele Jahre
Vorſteher der großen Bibliothel. Er ftarb 194 oder
196 v. Ebr., wie es beißt ben freiwi igen Hungertod
aus Gram über jeine Erblindung. E. war ein fein:
iinniger Dichter und —— Grammatiler,
wobei übrigens feine Thätigleit mehr den realen Dis:
üplinen al& der ſprachlichen Seite zugewendet war,
zugleich aber auch einer ber größten Forſcher im
Gebiete der jog. erakten Wiſſenſchaften. Er erfand
namentlich eine Sun des Problems der Verdop⸗
velung des Würfelö (vgl. den Brief des E. bier:
über, überfegt von Drebler, Wiesb. 1828) und eine
Metbode, die Brimzablen zu finden (das jog. Sieb
des €, griech. koskinon, lat. cribrum Eratosthenis
genannt, nach bem Zitel der Schrift des E. dar:
über). Auch beftimmte er um 220 v. Chr. an gro:
sen Armillen, die unter dem Bortitus des Alade⸗
miegebäudeö in Alerandria aufgeftellt waren, die
103
Schiefe der Efliptit mit ziemliher Genauigleit.
Große Berühmtheit erlangte aber beſonders jeine
Gradmefjung, die erfte wirkliche Erdmeſſung. Er
beftimmte zu dieſem Zwede die Zenithdiſtanz der
Sonne zur Zeit des Sonnenjolftitiums im Mittag
zu einem Fuͤnfzigſtel des Kreiſes, während fie in
Syene Null war; die Entfernung zwiſchen beiden
Orten nahm er zu 5000 Stadien an und fand da:
er ür den Erbumfang 250000 Stadien. Ferner
at E. in drei Büchern «Geographika» das erite
wiſſenſchaftliche Syſtem der — aufgeſtellt,
das nad dem Verluſte aller Werte des E. beſonders
dur die Anführungen bei Strabo verhältnis:
mäßig gut befannt ift. — Vgl. Wilberg, Die Kon:
jtruftion der allgemeinen Karten des E. (Ejjen 1834);
derſ., Das Nek der allgemeinen Karten des €. und
Ptolemäus (ebd. 1835); Schäfer, Die aftron. Geo:
apbie der Griehen bis auf €. (Flensb. 1873);
erger, Die geogr. Fragmente des E. (Lpz. 1880).
— Wie €, durd jenes Werk der Schöpfer der
wiſſenſchaftlichen Geographie ward, jo ijt er durch
eine «Chronographiai» der Begründer der wiſſen⸗
chaftlichen — geworden. Von ze
tie über die Sternbilder find die erhaltenen,
von Schaubady (Gött. 1795), Robert (Berl. 1878)
und Dlivieri (in den «Mythographi Graeci», Bd. 8,
Lpz. 1897) herausgegebenen «Catasterismi» ein
Auszug. Bol. * Analecta Eratosthenica (in
den «Bhilolog. Unterjuhungen», Heft 6, Berl.1883).
In einem vierten großen Werte behandelte €. die
alte vo Komödie. Bon diefem Werte find nur
—— e erhalten. Von den Dichtungen des E.
enthielt ein Epos «Hermes» (Merkur) die Kind:
heitsgeſchichte dieſes Gottes und reihte daran eine
demielben in den Mund gelegte Beichreibung der
Sphärenbarmonie und des Himmelsgewölbes, ein
anderes enthielt in elegiſchem Versmaße die Sage
von Grigone, der Tochter des Jlarius. Die Bruch:
jtüde diejer beiden und einer dritten Dichtung hat
Hiller («Eratosthenis carminum reliquiae», Lpz.
1872) zulegt herausgegeben. Cine Sammlung der
Fragmente aller Schriften veröffentlichte Bernbarby
u.d. T. «Eratosthenica» (Berl. 1822).
Erb, Wilh. Heinr., Neuropatbolog, geb. 80. Nov,
1840 zu Winnweiler in der bayr. Pfalz, ftubierte
1857—62 zu Heidelberg, Erlangen und Münden
und wurde 1862 Aſſiſtenzarzt der mediz. Klinik zu
Heidelberg. Er habilitierte fich dort 1865 für innere
Medizin, wurde 1869 außerord. Profeflor dajelbit,
1880 ord. Profejior Dr —— ologie und
Therapie zu Leipzig, ſiedelte aber 1883 in gleicher
Eigenichaft und ald Direktor der mediz. Klinik
wieder nad) Heidelberg über. 1907 trat er in den
Ruheſtand. E. bat fi et mit Eleltro⸗
therapie und Neuropatbologie beihäftigt und beide
Disciplinen durch genaue und ſcharfſinnige Unter:
uchungen und Beobachtungen wejentlich gefördert,
uber —— Journalaufſätzen verfaßte er ein
«Handbuch der Kranlheiten der peripheren cerebro⸗
ſpinalen Nerven⸗ (ep. 1874; 2. Aufl. 1876) und
ein «Handbuch der Krankheiten des Rüdenmarts
und des verlängerten Marl» (ebd. 1876—78;
2. Aufl. 1878), beide in von Ziemſſens «Handbud
der jpeciellen Batbologie und Therapie» erjchienen;
ferner ein «Handbuh der Eleltrotberapie» (ebp.
1882; 2. Aufl. 1886), das zugleich den dritten Band
von von Ziemſſens «Handbuch der allgemeinen The:
rapie» bildet ; «liber die neuere Entwidlung der Ner:
venpatbologie» (ebd. 1880), «Die Thomſonſche Krank⸗
104
beit» (ebd. 1886) und «Dystrophia muscularis pro-
gressiva» (ebd. 1891). Auch giebt er in Gemein:
ſchaft mit von Bergmann und Windel die Neue Folge
der von R. von Vollmann begründeten «Samm:
lung kliniſcher Vorträge» und mit Lichtbeim, Friedr.
Schule und Strümpell die « Deutiche Zeitjchrift
für Nerwenbeiltunde» beraus.
Erbach. 1) Kreis in der heſſ. Brovinz Starken⸗
burg, hat 593,12 qkm und (1905) 47 707 E., 4 Städte
und 97 Landgemeinden. — 2) E. im Odenwald,
— des Kreiſes E., in 279 m Höhe, an der
tümling und der Linie Frankfurt-Eberbach der
Preuß. Staatöbahnen, ift Siß des Kreisamtes, eines
Bezirtslommandos, Hreisbau: und Aichamtes, einer
Dberförfterei und hat (1905) 2985 E., Darunter 209
Katholiten, Voſt, evang. und kath. Kirche, Kredit:
verein; Tuchfabriten, Gerberei, Elfenbeinſchnitzerei
und Märlte. Das gräfl. Schloß der Linie Erbadı:
Grbad (ſ. Erbady), über der Stadt gelegen, Mitte
des 16. Jahrh. im Nenaifjanceftil erneuert, im 18.
Jahrh. zum Teil umgebaut, birgt interejjante, von
dem lekten fouveränen Grafen Franz I. erworbene
Sammlungen griech., röm. und german. Altertümer,
eine reihe Gewehrlammer, einen Ritterjaal mit den
Nüftungen berühmter Heerfübrer, ‚wertvolle Glas:
malereien (13. bis 17. Jahrh) und in der Kapelle
Steinſarkophage von Einbard (f. d.) und Imma,
1810 aus dem Kloſter zu Seligenjtadt bierber ges
bradt. — 3) E. im Rheingau, Dorf im Rhein:
gaufrei® bes preuß. Neg.: Bez. Wiesbaden, 2 km
weitlib von Eltville, rebts vom Rhein und an der
Linie Frankfurt-Niederlahnſtein der Preuß. Staats:
bahnen, hatte 1900: 2199 E. darunter 526 Cvange:
liſche und 30 Järaeliten, 1905: 2355 E., Voft, Tele:
grapb, evang. und kath. Biarrlirche, Schloß Rein:
bartsbaujen des Prinzen Albrecht von Preußen,
mit einer Sammlung von Gemälden und Stulps
turen; Konjervenfabrif, vortrefflihen Obſt⸗- und
Meinbau (auf dem Markobrunnerberg wächſt der
fhon 1104 erwähnte edle Marlobrunner). €.
ericheint bereits 954. 4 km im N. die ſchön gelegene
Heils und Blegeanftalt für Geiftestrante Eich berg,
1843 errichtet; in der Nähe bei Dorf Kiebrich bie
Nuine Scharfenitein. j
Erbach, fränt. Dynaſtengeſchlecht, das feinen
Stammbaum bis auf Einbard (f. d.) und deſſen Ge:
mablin Imma (Emma, ſ. d.), der Sage nad eine
Tochter Karla d. Gr., zurüdfübrt, aber erſt ſeit Mitte
des 12, Jahrh. urlundlich nachweisbar iſt, erbielt
1532 die reichsgräfl. Würde und 1541 dad Münz:
recht. Gemeinſchaftlicher Stammvater bes jegigen
Haufes ift Georg Albrecht II. (geft. 1717). Es teilte
ich nach defjen drei Söhnen in drei Linien: Erbad:
yürftenau, Erbach-Erbach und Erbad:
Sh önberg, dienad dem Alter des Hauptes jeder
Familie rangieren. Der Linie Erbab:Schönberg
wurde 1903 der erbliche Fürftentitel verlieben. Das
Geſchlecht ift noch im Befip des Landes, welches
Ginbard von Kaifer Ludwig dem Frommen erbielt
und 4 Jahre nachher dem Kloſter Lorſch unter der
Bedingung vermadte, dab es alö Lehn feinen et:
waigen Nahlommen verbleiben folle.. Die ganze
gegenwärtig unter die drei Linien geteilte Grafſchaft
liegt in der heſſ. Provinz; Starlenburg und umfaßt
523 qkm. Sie verlor durd die Rheinbundsalte vom
12. Juli 1806 ihre Unabbängigteit und bildet jetzt
eine heſſ. Stanvesberrijhaft. Die Linie Erbad:
Grbad trat 1806 in das Erbe der Grafen Kolbe
von Martenberg:Rotb. — Bol. Simon, Die Ge:
Erbach — Erbauungsbücher
chichte der Dynaften und Grafen zu €. und ibres
andes (Frankf. 1858) ; Lift, Franz regierender Grai
zu E. (Straßb. 1903).
Erbäcker, ſ. Walzende Grundftüde.
Erbadel, ſ. Adel.
Erbämter, Hofämter, welche im erblichen
Beſitz gewiſſer Familien find. Die E. haben befon-
dere Bedeutung in der Geſchichte des alten Deutſchen
Reichs und feiner Territorien. 1) Am Königs:
bofe find die Reichserbämter die den Erzämtern
ef d.) unmittelbar folgenden Hofämter. Sie ent:
tanden dadurch, daß die Erzämter immer mehr
bloße Ehrenämter wurden. Die wirkliche Verfebung
des Dienites am 4 die Leitung der Hofgeſchaäfte,
wurden daher Miniſterialen übertragen, In deren
Familie die Üimter erblich wurden. Später wurden
auch die E. bloße Dignitäten, aber im Gegenſatz zu
ben Erzämtern mit gewiſſen Einnabmen verbundene.
Die wirkliche Führung der Geſchäfte kam an Oberft:
bofbeanıte (Oberitbofmeifter, Oberjtmarfchallu.f.m.).
Das Erbmarihallamt batten die Grafen von
Bappenbeim (j. Erzmarfball); Erbſchenken
waren die Grafen von Limburg und feit 1713, wo
die Schenten von Limburg ausjtarben, die Gra—
fen von Altban; Erbtruchſeſſen waren im
14. Jahrh. die Grafen von Nortenberg, jeit dem
Ende des 15. Jahrh. die von Selden:Ed, jeit dem
Ende des 16. Jahrh. die Grafen von Waldburg:
das Amt des Erblämmerers batten die Grafen
von Faltenftein, Später die Fürften von Hobenzollern.
Als infolge des MWeftfäliichen Friedens eine achte
Kur mit dem Erzicbagmeijteramt errichtet wurde,
lam aud ein a er binzu, weldes
die Grafen von Sinzendorf erhielten. Auch gab
ed E. ohne entfprechende Erzämter, nämlid das
Neihsjägermeifteramt der Grafen von Urach,
fpäter der Herzöge von Württemberg, das Reichs—
tbürbüteramt der Grafen von Mertbern und
dad Reichserbvorſchneideramt der Herzöge
von Medlenburg. — 2) An den Fürftenböfen die
den Erzämtern im Reich entſprechenden höchſten Hof
beamten, die nur bei bejonders feierlichen Gelegen:
beiten in Funktion traten, an berzogl. und bijhöfl.
Höfen vielfach an Fürſten verlieben. (S. Erblandes:
bofämter.) lihaftsvermädtnis.
Grbantwartichaft, ſ. Anmwartibaft und Erb:
Erbauung (grieb. oikodome), bilplicyer Aus
drud im Neuen Zejtament, von der Vergleihung
der chriſtl. Gemeinde mit einem Haufe oder einem
a. entlehnt, wird vorzugsweije auch nur von
der Gemeinde insgeſamt gebraucht und bezeichnet
dann die wechjeljeitige Förderung im chriftl. Leben
oder die Arbeit ver Apojtel, Propbeten u. ſ. m. an
der gemeinjamen Heiligung. Injofern bat die E.
ihre Stelle im öffentliden Kultus, und ihr Zwed
it die Darftellung und Belebung der gemeinjamen
Frömmigleit oder die gemeinfame Erhebung des
Berußt eins zu Gott. (S. auch Andadıt.)
Grbauungsbücher oder Andachtsbücher,
Schriften zur privaten Erbauung oder Pflege deö
religiöjen Lebens. Am kirchlichen Altertum bien:
ten dazu namentlich Wunderlegenden von Apofteln
und Heiligen, im Mittelalter auch Schriften über
Mönhsmoral, ipäterhin die Schriften der Moititer,
von Meijter Edardt, Tauler u. a., die «Deutice
Ze ie» und namentlich dad Buch von der «Nah:
[e e Ehrifti» (f. d.). Die Reformation brachte dem
olte alö bejtes Erbauungsbud die deutiche Bibel,
daneben Geſangbücher, Lutbers Poftille und zabl-
Erbbauern — Erbbeicheinigung
ide religidfe Flugſchriften oder Traltate. Seit
km 17. Zabrb. tamen dazu ascetiihe Schriften, Job.
Amts «Wabres Chriftentum», Heinrih Müllers
·Geiſiliche Grauiditunden», Chriftian Scrivers
«Seelenihag», banadı aus der Zeit des Pietismus
die Schriften von Spener, das «Tägliche Handbuch⸗
von Joh. Friedr. Stark, das «Güldene Schab:
Hitlein» von Bogagky u.a. m. In England fanden
namentlich die praltifchen Schriften von Ric. er
(vor allem die «Emige Ruhe der Heiligen») und John
Bunyans «Pilgerreifer, die auch ind Deutſche über»
fest wurden, die weitejte Verbreitung. In neuerer
Zeit ift für E. der Titel «Stunden der Andadıt»
aufgelommen, zuerft dur Heinr. Zſcholle (Aarau
1809— 15); bieje Schrift gehört dem ältern Rationa-
lismus, Die «Stunden chriſtl. Andacht» von Tholud
(8. Aufl., Gotba 1870) der jog. «gläubigen» Rid:
tung, die «Stunden der Andacht» von Heinr. Lang
(Wintertbur 1862—65) der neuern freifinnigen
Xbeologiean. Daneben dienen als E. zahlreiche Pre:
biatiammlungen, Traltate und periodiſche Blätter
febr verichiedener Rihtung. In der lath. Kirche
find außer dem «Brevier», dem tägliben Andacts:
buche der Kleriler, die Schriften von Fenelon, dran)
von Sales, Molinos u. a. viel gelefen. — Bol.
Bed, Die Erbauungslitteratur der evang. Kirche
Deutiblands (TI. 1, Erlangen 1883); derſ., Die
religidie Voltslitteratur der evang. Kirche Deutſch⸗
lands (Gotba 1891); und den jährlich erjcheinenden
Theol. Jahresbericht», Abteil. 4 (bg. von Holy:
mann, Berlin),
Erbbauern, Bauern, die in i
erblihe Güter befi en (Rolonat,
vacht, Erbleibe). ber verftand man unter €.
a 0 Bauern, die an der Scholle hafteten
und mit den Gütern, auf welchen fie ſaßen, ver:
erbt wurden.
Erbbaurecht, das vererblice und veräußerliche
Het, auf oder unter der Oberfläche eines fremden
Grundftüdes ein Bauwerk zu haben. Das €. ift
nicht, wie vielfad) irrig angenommen wird, etwas
urjprünglid Germanijches, fondern bat fi, wäh:
rend das deutſche Privatrecht von vornherein über:
baupt feine Leibverhältnijjie am Grund und Boden
tannte, aus der röm. Superfizies (f. d.) entwidelt.
Beſonders aud unter dem Einflufje der Kirche ift
daraus die ſich in manderlei Rechtsformen aus:
bildende Hr Landleihe entftanden, die dem fo:
rer Familie ver:
eierrecht, Erb:
eralen und wirtſchaftlichen Leben des Mittelalters ein
ſo caralteriſtiſches Gepräge aufgedrüdt bat. Sie
ü unter verſchiedenen Namen (Platzrecht, Bau: und
ellerredht, Bodenzinsrecht) in die deutichen Parti⸗
tularredhte übergegangen; dad Deutſche Bürgerl.
Geſetzbuch bat fie unter der Bezeichnung E. aufs
genommen ($$. 1012—1017).
Das €. ift hier gedacht alseindingliches Nupungs:
scht, für das die Art der Benugung, das Gaben
eines Bauwerls (aljo nicht einer Baumpflanzung,
eines Weinberges u. dal.), weſentlich ift; zuläffig
iſt es aber, das E. auf die Benupung eines für das
wert nicht erforderlichen Teiles des Grundjtüds
iu eritreden, wenn fie für die Benußung des Bau:
wertö Borteil bietet, aljo auf die Benußung eines
Hofes oder Garten? am Haus u. dgl. Unftatthaft
it die Beſchränkung des €. auf den einem Mit:
figentümer gebörenden Anteil eined Grundſtucks
fomie auf einen Gebäubdeteil; 8 bleibt das zur
it des Snfrafttretend des Burgerl Gejehbuchs
nn Stodwertäeigentum beiteben (Einfüb:
105
rungsgejeg Art. 182), ferner bleiben die landes»
— Vorſchriften unberührt, die unter den
iteigentümern eineö mit einem @ebäude ver:
jebenen Grundftüd3 die Benugung räumlich ver:
teilen (Art. 131). — Das E. wird beitellt durch Auf:
laſſung (das Geſet gebraucht diefen Ausdruck beim
E. allerdings nicht) und Eintrag ins Grundbuch.
r das €. ift auf Antrag ein beſonderes Grund:
uchblatt anzulegen; dies gefchieht von Amts wegen,
wenn das E. veräußert oder belaftet werben joll.
Das einmal beftellte E. wird —* wie ein Grund⸗
ſtück behandelt; für feinen jeweiligen Inhaber kann
eine Grunddienſtbarleit beſtellt werden, es wird durch
Auflaſſung und Eintragung im Grundbuch über:
tragen, e3 kann felbftändig mit a — belajtet
werden u. ſ. w. Die am Grundjtüd ſelbſt baften:
den Hopotbelen berühren das E. nur, wenn fie vor
ihm eingetragen find. Die wage und liber:
tragung kann beim €. (anders ald beim Eigen:
tum an Grundftüden) unter einer Bedingung oder
Zeitbeftimmung geſchehen. Unweſentlich ilt_für
den Begrifi des E, ob für die Benugung ein Zins
gezahlt wird, doch ift das natürlich die Regel; es
empfiehlt fih, den Zins als Neallaft auf das €,
zu legen, da ein ing in das E. fonft nicht
an dieje vertragämäßige Pfliht gebunden iſt.
Ebenso ift unmejentlih, ob das Bauwerk bei Be:
rang des €. bereits errichtet ift oder nicht; im
estern Falle fommt das Bauwerk in das Eigen:
tum des Erbbauberedhtigten, im erjtern folgt es ala
wejentlicher Bejtanbteil ($$. 94, 95 des Bürgerl.
Geſetzbuchs) des Grundftüds dem an diejem be:
ftehenden Eigentum. — Beendet wird das im
Grundbuch eingetragene E. weder durch Berjäb:
rung, noch durch Untergang des Baumertes, ſon⸗
dern nur durch Yufgabeerllärung und darauf
folgende Löoſchung im Grundbuche, ferner durd
Eintritt des Endtermind oder der auflöfenden Be:
dingung.
n — — fest man auf das €, große
Hoffnungen. Man erwartet vielfach von ihm nichts
Geringered, als Unterbrüdung der Grundſtüce—
ipetulation und Löjung der Wohnungsftage (f. d.)
in den großen Städten: die großen öffentlichen
Korporationen brauchten ihren Grundbeſitz nicht
mehr — zu veräußern, ſondern könnten ſich
dur jeine Vergebung zu E. auf Zeit die Ber:
fügung für fpäter erhalten, andererſeits könne ba:
durch auch der kapitallofe Teil der Bevölkerung ein
eigenes Haus erwerben, da man für den Grund
und Boden feinen Kaufpreis, fondern nur einen
Zins zu zahlen brauche und das Geld zum Bauen
durch hypothelariſche Belaftung des E. beſchaffen
könne. Ohne Zweifel wird ſich in diefer Beziehung
mandes Gute ſchaffen lafien, ob aber der private
Grundbefig ſich auf Beitellung von Erbbaurechten
einlafien wird, insbeſondere aber, ob das private
Kapital für die Beleibung von Erbbauredten zu
haben jein wird, muß bie * lehren. Die bis⸗
erigen Verſuche auf dem Gebiete des E. (in Halle,
anlfurt a. M., Leipzig) find zu neu, um einen
luß für fpäter zu KH
€. als Mittel zur
(Hanno. 1901). Dar iu ae
Erbbeicheinigung, Erbeslegitimations:
atteft, Erbj&bein (dies der Ausdrud des Deut:
ſchen Bürgerl. Gefepbuch3), ein dem Erben vom Ge:
richt auf Antrag erteiltes Zeugnis über fein Erb:
recbt und, mern er nur au einem Teil der Grhichaft
atten. — Bol. Mertens, Das
elämpfung der Wohnungsnot
106
berufen ift, über die Größe des Erbteild. Das die
E. erteilende Gericht iſt regelmäßig das Nachlaß:
ericht. Das Bedürfnis nad der Jnititution der E.
at jich insbefondere da ergeben, wo Grundbud:
recht gilt. Es hat fi da ald notwendig erwieſen,
behufs ge der Rechtsnachfolge in das
Grundbuh dem Erben einen urtundlihen Rad:
weis feiner Erbeneigenihaft zu beihaffen. Dem
Richter oder Beamten, der die Eintragung anzu:
orbnen bat, fann nicht zugemutet werben, ei
Ermittelungen, wie fie bei einer Prüfung der Sad:
lage erforderlich find, ſelbſt anzuitellen. Überdies
ift ed angemeſſen, die Prüfung nur dem Nad:
Io zu überweifen, meil diejem die Verhält—
nijje befannt find oder doc deren Aufflärung leich«
ter fällt, und weil ein Erblafjer Grunpjtüde und
dinglihe Rechte, Hypothelen u. $ mw. im Gebiete
zahlreicher Gerichte binterlajjen haben kann. Außer:
dem war das Bebürfnis vorhanden, eine urkund⸗
liche Grundlage dafür zu haben, mer als der Erbe
eines Berftorbenen anzufeben ijt mit Rüdjicht auf
das Handeläregijter, Staatsſchuldbücher, Hinter:
(egungöftellen und aud im Verkehr mit Gläubi:
gern und Schuldnern bes Verftorbenen.
So beitand die Einrihtung der E. früher ſchon
in Preußen, Baden, Medienburg, Sachſen, Olven:
burg, Elja — und ebenſo hat ſie das neue
Bürgerl. Geſebuch aufgenommen ($$. 2353 fg.).
Selbſtverſtändlich begründet die E. nur eine dem
Begenbeweis unterliegende Vermutung, daß dem,
der in ber E. als Erbe bezeichnet ift, das in ihr an—
gegebene Erbrecht zufteht, und daß er nicht durch
andere ald die angegebenen Anordnungen beſchränkt
jei. Die Bermutung wirkt für und gegen jeden, auch
gen den, der jelbit Erbe zu fein behauptet. Die
eilung einer E. hat alſo rechtlich eine ähnliche
Bedeutung, wie eine Eintragung in bad Grund:
buch. Nur wer unentgeltlich von dem im Erbſchein
Bezeichneten etwas erworben bat, ift durch feinen
auten Blauben in den Erbichein nicht geihüßt, wenn
der Befiger des Erbſcheins nicht der wahre Erbe ift.
Gr ift zur Herausgabe nad den Vorſchriften über
ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet.
ie Mehrzahl der bisherigen Geſetze befchräntt
fi darauf, nur dem geſetzlichen Erben eine E. er:
teilen zu lajfen. Nac dem Banane des medlenb,
und des bamburg. Rechts giebt das Bürgerl. Gejeb:
buch auch dem Zeitamentserben ein ſolches Recht,
im Hinblid darauf, daß die Formgültigleit lept:
williger Verfügungen mitunter ſehr ſchwer feitzu-
itellen ift und mit Rüdjicht auf verwidelte Ver:
fügungen großen Umfanges erbeblihe Schwierig:
feiten für die Prüfung entjteben können, welche
beiondere Rechtslenntnis erfordern. Zablreihe Ges
fege, auch das Bürgerl. Geſetzbuch, enthalten eine
weitere Beitimmung, durch melde für den Yall
vorgejorgt it, dab es fih um den Nachweis der
Erbeneigenibaft dann handelt, wenn der Beritors
bene nicht Jnländer war, aber im Inlande Grund»
befig oder Hypotbefenforderungen hatte, Es kann
dann für diefe Gegenitände die Erteilung einer €,
verlangt werden. — Die Berfabrensvorichriften
find verjchieden, Nach dem Bürgerl. Geſetzbuch bat
der Antragiteller feine im Gejek näber bejtimmten
Angaben teild durd Urkunden (in der Regel öffent:
liche), teild durch Verſicherung an Eidesitatt zu bes
legen. Das Gericht bat dann unter Benußung
dieſer Beweismittel von Amts wegen die erforder:
lien Ermittelungen zu veranjtalten und die geeig-
Erbbeftand — Erbe
neten Bemeife aufzunehmen. Es kann zu any =
Zwed aud eine öffentlihe Aufforderung zur Anı
meldung der andern Berjonen zuſtehenden Erbrechte
erlajjen. it ein Rechtsſtreit anhängig, fo foll vor
Erteilung der E., wenn thunlich, der Gegner des
Antragitellerd gehört werden. Sind mehrere Erben
vorhanden, fo iſt auf Antrag eine gemeinſchaftliche
E. zu erteilen. Jeder, der ein rechtliches Intereſſe
glaubhaft macht, alfo namentlich jeder Nadlap:
ya tann vom Gericht eine Ausfertigung der
. verlangen (Geſetz über freiwillige Gerichtäbarteit
.85, —— 8. 792). — Die gleiche Wir
ng, wie die E,, bat das Seugniß, das einem
Zeitamentsvollftreder über feine Ernennung erteilt
iſt ($. 2368). — Vgl. Ehlinger, Der Erbichein nah
dem Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch (Münd. 1902);
Boſchan, Der Erbihein und das Recht der Erb:
folge (Berl. 1902).
bbeitand, joviel wie Erbpadt (f.d.); Erb:
bejtänder, ber Erbpächter; Erbbeſtandsgeld,
ein bei Begründung des Verhältniſſes vom Erb
pädter an den Erbverpädter ald Kaution oder als
Entgelt für die Verleihung gezabltes Kapital,
ebe (lat. heres), wer in Bezug auf die ver:
mogensrechtlichen Rechtsverhältniſſe eines Verſtor
benen in ihrer Geſamtheit deſſen Rechtsnachfolger iſt,
ſoweit dieſe Rechtsverhältniſſe vererblich ſind; wie
das Bürgerl. Geſetzb. 8. 1922 jagt, derjenige, auf den
mit dem Tode einer Berjon (Erbfall) deren Bermögen
(Nachlaß) ald Ganzes übergeht. Schon den Hömern
erſchien es unzuläfjig, dab Durch den Tod eines Men:
ven deſſen vermögensredhtlihe Verhältniſſe ibre
endigung finden oder in der Weiſe auseinander:
fallen, daß alle einzelnen Beitanbteile ein beſonderes
Scidjal haben, Gedanle der Fortdauer einer
Nectseinbeit führte dahin, von einer Geſamtrechts⸗
nachfolge (Univerfalfucceffion) & fprehen. Der, auf
den das Vermögen in feiner Geſamtheit übergebt,
beikt E. Dem ältern deutſchen Rechte war eine jolde
— rg Frege unbefannt; das Vermögen
eriel in einzelne Beſtandteile, insbeſondere ge
ngte der Grundbeſitz an gewiſſe Perjonen, meiſ
den nächſten männliden Verwandten, während bie
st andern zufiel. Gewiſſe Antlänge hieran
nden fich noch im engl. Rechte, nad welchem das
real property oft in andere Hände gelangt als der
ersonal estate. Auch die Berbindlichkeiten bes
Berischenen, fomeit fie überhaupt fortbeitanden,
verteilten fih im ältern deutihen Rechte auf ver:
hiedene Maſſen. Mit dem Einbringen bes röm.
echts gewann überall der Gedanke der Gejamt-
rechtsnachfolge Boden. Erhalten bat ſich jedoch,
daß noch häufig befondere Bermögensmaflen (4.2.
Leben, Fideilommißgut u. |. m.) vorlommen, die zum
Teil bereitö während des Lebens einer Berjon alt
neben dem übrigen Vermögen beitebend gelten, zum
Teil aber bei dem Tode der Perjon von deren
mögen ausgeſchieden und einem befondern reihtlichen
Schidjale unterworfen werden. (S. aud) Certa res.)
Die Folge der Geſamtnachfolge iſt, daß auch bie
Schulden des Berftorbenen auf den E. übergeben,
unabbängig davon, ob fie durd die Altivbeſtand⸗
teile des Nachlaſſes gededt werden (f. Inventarredit),
und daß, wenn mebrere E. vorhanden find, die Ans
teile der einzelnen E. nur Bruchteile jein können.
Wer die Berfon des €. fei, bejtimmt im Gemeinen
Rechte entweder das Geſetz oder der Wille des Ber
orbenen (Erblaſſers, ſ. d.). Eine Bereinigung beider
erufungsgründe iſi im röm. Recht ausgeichlofien
Erbeinigung — Erbeinjegung
vernöge des Grundfages «nemo paganus pro parte
isstatus pro parte intestatus decedere potest»,
} d. das Teſtament muß fih auf den gelamten
Rachlaß eritreden, nicht nur auf einen Zeil des:
felben. Das Hfterr. Bürgerl. Gefepb. 8.534 und das
Deutibe Bürgerl. Gejegb. 88. 2065 u. 2088 haben
u. Srundjag aufgegeben. Im größten Teile von
eutihland war neben dem Teitament der Erb:
vertrag (|. d.) als Berufungsgrund anerfannt, und
das iſt auch im Bürgerl. Geſeßb. $$. 2274 fg. beibe:
balten worden. Die vertragsmäßige Srbfolge (. d.)
lann inſoweit neben der en eintreten.
Nah dem röm. Rechte gilt ferner der Em; «semel
heres semper heres», d. h. die Eigenichaft ala E.
fann nicht wieder verloren werben. Dieſer Sab
liebt daher die Berufung ald E. mit einer Be
iftung oder auflöjenden Bedingung aus. vn
Falle der auffchiebenden Bedingung, melde für
gar gilt, iſt bis zur Erfüllung oder bis zum
usfalle der Bedingung der Berufene proviforisch
als E. gegen Sicerbeitäleiftung einzumeifen. Die
neuern Rechte, inäbejondere das Olterr. Bürgerl.
GSeiesb. 8 695, 704 fg. und das Bürgerl. Gejepb.
SS. 2100 fg., lafjen dagegen Nacherbſchaft zu. Nach:
erbe iſt nad legterm der, den der Erblajjer in der
Weiſe eingejest hat, daß er erft E. wird, nachdem
zunädjt ein anderer E. (Borerbe) geworden ilt.
So lann z. B. jemand jeine Frau als Vorerben,
irre Tochter ald Nacerben (etwa von ihrer Ber:
iratung oder vom Tode der Mutter an) einfepen.
Es ift dadurd die Frau dann nicht den Beihrän:
tungen unterworfen, bie mit der —— eines
bloßen Nießbrauchs an der Erbſchaft verbunden
ſind. Erfaperbe iſt der E., den der Erblaſſer für
ven Fall, daß der zunächſt berufene €. vor oder nad
Eintritt des Erbfallö wegfällt (nicht E. fein will oder
tarın), als €, einjekt ($. 2096). Iſt jemand für den
Fall, daß der Zunachſt berufene €, nit E. ſein lann,
eder den Fall, daß er nicht €, fein will, als Er:
ſatzerbe eingeießt, jo iſt im Zweifel anzunebmen, daß
er für beide Fälle eingejept iſt. Die Einſetzung als
#acerbe enthält im Zweifel auch die als Erſaherbe.
Sit zweifelhaft, ob jemand als Erjaß: oder ald Nach:
erbe eingejebt ift, — gilt er als Erſatzerbe (F. 2102).
Als Rad: und Vorerben gelten im Zweifel die ge:
jeglichen €. ($$. 2104, 2106). Bertragserbe ift
der durch Erbvertrag eingefeste €. ($. 1941).
Der Code civil und das Badische Landrecht ver:
fteben unter E. nur den geſetzlichen E.; fie fennen
auch die Nacherbſchaft nur in Form einer Heraus:
gabepflicht gegenüber den Ablömmlingen der fin:
der und gegenüber Geſchwiſterlindern, in legterm
Salle nur jeitend des finderlojen Erblaſſers (Art.
1048 fg). Mittelö einer legtwilligen Verfügung
lann der Erblafjer, abgejehen von den gewöhnlichen
Bermädtniffen, nur Univerfallegatare, Erbver:
mädtnid- oder Erbteilvermähtnisnehmer
ihaften, jelbjt wenn er die Worte Einfegung ala €,
gebraucht bat (Art. 1002). Erbvermächtnisnehmer
iſt derjenige, welchem der Erblaffer den ganzen Nach:
la binterläßt. Hinterbleiben Berfonen, denen ge:
iber ver Erblaſſer nur über einen Bruchteil feines
3 verfügen kann (im rhein. Rechtsgebiete
Borbebaltserben genannt; ſ. Enterbung), jo find
diefe kraft des Geſetzes im Nachlaßbeſitz von ihnen
muß die Aushändigung gefordert werden. Erbteil⸗
vermädtnisnebmer ift der, dem der Erblaſſer einen
beitimmten Bruchteil des Vermögens, über das er ver:
figen darf, zumeift. Ein folder muß jtetö die Heraus:
107
gabe von den Borbebaltserben oder von den Erbver⸗
mächtnisnehmern oder in Ermangelung aud folder
von den geſetzlichen E. fordern (Art. 1003 fg.). Der
Erbvermachtnisnehmer haftet neben dem Borbebalts:
erben perjönlich für Schulden und Lajten des Nach⸗
lafjes nad) Verhältnis feines Anteils und Bruchteils
und hypoth&cairement für das Ganze (Art. 1009);
der Erbteilvermädhtnisnehmer baftet perjönli für
Schulden und Lajten des Nachlaſſes entſprechend
wie jener, Art. 1012. Jener muß, von der gefeh:
lichen Kürzung ab — die Vermachtniſſe ganz
entrichten, Nice, 5 ern nur über einen Bruchteil
verfügt ift, zulammen mit den natürlichen E. ver:
bältnısmäßig, Art. 1009, 1013. — Bol. Binder, Die
Rechtsſtellung des E. nad) dem Deutfchen Bürgerl.
u (2 Zle., 2p3. 1901—3).
rbeinigung, j. Erbverbrüderun
Erbeinfegung oder Erbesein Pebun g, die
legtwillige (aljo einfeitige) oder vertraggmäßige An:
ordnung, woburd) der en —— einen
Erben (}. d.) beſtimmt, vgl. Oſterr. Bürgerl. Geſetzb.
.553; Deutſches Bürgerl. Geſetzb. 88. 1937 u. 2087.
ültig eingejegt werden lönnen nur Erbfähige (f.
Erbfähigkeit); wegen der Einfeßung einer unbe:
— Perſon ſ. Incerta persona. Eine be
timmte Form iſt fur die E. nicht erforderlich; es
genügt, daß der Wille, einen Erben einzufeßen, er⸗
ellt; insbeſondere wird nicht verlangt, dab das
Dort Erbe gebraucht fei (3. B. Bürgerl, Gefegb.
$$. 2087 u. 2103). Die E. konnte na Gemeinem
Recht ſowohl in einem Teftament als in einem Erb:
vertrage, nicht aber in einem Kodicill (f. d.) erfolgen.
Doc war auch zugelafen, daß die Berjon des Erben
in einer Urkunde bezeichnet werde, auf melde das
Zeitament verweiſt (}og. testamentum mysticum);
die Urkunde bedurfte keiner befondern Form. Nah
dem Code civil ift eine E. nur wirkſam, foweit der
Erblaſſer — fann (f. Erbe). Nach dem Deut:
ſchen Bürgerl. Geſetzbuch, dem der Begriff des Kodi⸗
cills fremd ift, findet die E. entweder im Teſtament
oder im Erbvertrag jtatt ($$. 1937, 1941), und zwar
im erftern auch dergeltalt, daß der Erblafjer dem
Richter (Notar) eine Echrift offen oder verjchlofien
mit der mündlichen Erklärung übergiebt, daß bie
Schrift —— legten Willen enthalte. Sie lann
vom Erblajler oder einer andern Perfon gefhrie:
ben jein. * den neuern Rechten kann die €.
auf einen Bruchteil bejhränft fein. Es tritt dann
die Iepliche Erbfolge in Anſehung besjenigen
aut s ein, über welchen der Erblaſſer nit ver:
fügt hat; vgl. Deutſches Bürgerl. Gejebb. $. 2088.
Sollen bie eingejegten Erben die alleinigen Erben
fein, fo tritt, wenn jeder von ihnen nur auf einen
Bruchteil eingefegt iſt und die Bruchteile das Ganze
nicht —— eine verhältnismäßige Erhöhung
ber Bruchteile ein ($. 2089). Hat der Erblaſſer meh:
tere Erben eingejebt, ohne daß die Erbteile beftimmt
find, fo find fie zu gleichen Teilen eingeſetzt ($. irn
eö müßten denn feine gie Erben jein; dieſe
elten als nah dem Berbältnis ihrer gefeklichen
bteile bedacht ($$. 2066 fg.). Hat der Erblaſſer
feine Verwandten oder jeine näditen Verwandten
bedacht, jo find im Zweifel die Verwandten, welche
zur Zeit des Erbfalls feine gejeplihen Erben fein
würden, als bedacht anzuſehen ($. 2067). Wegen der
E. von Erben auf bejtimmte Gegenjtände j. Certa
res. Sit die E. befrijtet oder auflöjend bedingt, Je
* nach den neuern Geſetzen, welche eine ſolche
dingung zulaſſen, ebenfalls die gefeglichen Erben,
108
fei es als Borerben oder Nacherben berufen (vgl.
Deutiches Bürgerl. Geſetzb. 88. 2104 u. 2105). Für
das Dfterr. Bürgerl. Geſezbuch wird gewöhnlich das
Öleihe angenommen.
Erbeinfegungdvertrag, |. Erbvertrag.
Erben, Joſef, czech. Geograph, Statiitifer und
Kartograpb, geb. 29. April 1830 zu Ablerlojteleg in
Böhmen, Itudierte Philoſophie und Rechtswiſſen⸗
{haft in Prag und wurde 1853 ord. Profeflor an
der czech. Oberrealſchule in Prag. 1862 habilitierte
ih €. als Docent für Induftrieftatiftit am Prager
olytehnitum und ging nach der 1868 erfolgten
rennung ber Anitalt an das czech. Polytechnilum
über, wo er bis 1873 verblieb. Als die Brager Stadt:
—— im Juli 1870 ein eigenes ſiatiſt. Bureau
egründete, wurde E. zu deſſen Leitung berufen.
E. fchrieb in czech. Sprade eine Geographie und
Statiftit von Kärnten und Krain (Pra 18) und
eine Geographie und Statiſtik bes uflen eichs
(ebd. rein in deutfcher und *9 prache ſeit
1872 Statiſt. Jahrbücher von Prag. Prag und Vor:
orte betrefien auch E.s Beiträge zum Öfterreichifchen
Städtebuh (Wien 1887, 1888, 1891) und zum
«Bulletin annuel des finances des grandes villes»
(Budapeft 1877—91). Auf kartogr. Gebiete find zu
erwähnen: eine Spradenlarte von Europa mit be:
fonderer Berüdfichtigung der flam. Welt, eine Ge:
neraltarte von Böhmen im Maßitabe von 1:415000,
beide in czeh. Sprade, eine Geſchäfts- und Reife
farte von Böhmen, Mähren und Schlefien in deut:
{cher Sprade (8. Aufl., bor 1888) und ein Atlas
der 89 eg eg) alten Böhmens im
Maßſtabe von 1:100000 (ebd. 1882—86).
Erben, Karl Jaromir, czech. Gelehrter und Did:
ter, Nur 7.Nov. 1811 zu Miletin, ftudierte in Pra
bie Rechte, — einige yahre im Staatödienit
thätig, durchforſchte dann die Archive Böhmens und
—— ſich eifrig an den nationalen Beſtrebungen
feiner Landsleute. 1851 wurde er Archivar der Stadt
era und madte fih um die —— des
tadtarchivs ſehr verdient. Er ſtarb 21. Nov. 1870
zu Prag. E. veröffentlichte «Regesta diplomatica
nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae» (TI. 1,
für die J.600— 1253, Prag 1855), «Die Primatoren
der —— Altſtadt Prag» (ebd. 1858), at ee
dertönig "privtlegierien Brager bürgerlichen charf⸗
fhügen» (Bd. 1, 1868). Außer dieſen hiſtor. Arbeiten
machte er ſich verdient durch eine Sammlung czech.
Vollslieder (3 Vde. Prag 1842 45 u. b.), denen die
Melodien (4 Hefte, 1844—47 u. 1860) folgten, Im
we diefer Lieder dichtete er felbft einen «Strauß»
& ytice», 1853 u. d.; deutih Wien — von
lladen. er veröffentlichte er eine hiſtor.
Chreſtomathie («Vybor») aus der czech. Litteratur
15. bis 18. Jahrh. 2 Bde., 1859—64), gab altezech.
erte beraus: von Thomas Stitnd (1852), Huf
(3 Bde., 1864— 68) u.a. Als Vorarbeiten zur
Aufitellung eines Syſtems der jlam. Mptbologie
> dienen: eine czech. Überjegung und kritiſche
usgabe von Neftors ruf). Annalen (1868) und vom
Liede vom Heereöjug Igors und der Zadonskina
(1869), ferner «Hundert Vollämärden u. ſ. w. in
den urjprünglichen Dialelten», auch u. d. T. «Slo-
vanskä Citanka» (Prag 1863—65).
Erbendorf, Stadt im Bezirtsamt Kemnath des
bayr. Reg.:Bez. Dberpfalz, 6 km weitlich von Reuth,
an ber Fichtelnaab, Siß eines Amtsgerichts (Land:
aeriht Weiden) und zweier Überförftereien, bat
(1900) 1261 E., darunter 329 Cvangelifche und
Erbeinfegungsvertrag — Erbfähigfeit
18 Jaraeliten, (1905) 1265 E., Bofterpedition, Tele-
graph, evang. und kath. Kirche.
Erbenfchaiten, |. ———
et neh f. Erbeinjegun
Erbeötopf (Walderbestopf), böchfter Bera
des Hundrüds (816 m), liegt im ſog. Hochwald,
11 km norbmeitlid von Birtenfelv. — ung.
Erbedlegitimationdatteft, ſ. Erbbeiceint:
Erbfähigkeit und Erbunfähigkeit. Die Erb:
fäbigleit, d. b. die Fähigleit, Uuberhaupt jemals Erbe
zu werben, betrachtete das röm. Necht als ein Vor:
recht des röm. Bürgers, und demgemäß waren Stla:
ven und Fremde von ihr aus eihloffen: äbnlid er:
fannte das ältere deutiche Hecht Erbfäbigfeit nur
dem Ebenbürtigen zu. Nah und nad ſchwächte ſich
das ab, und in den modernen Rechien, inäbelon:
dere auch im Deutſchen Bürgerl, Geſetzbuch, fällı
die Erbfäbigleit mit der allgemeinen Rechtsfähig—
teit zufammen. Eine Ausnahme gilt in manden
Rechten für gewiſſe jurift. Perjonen, insbeſondere
firhliche Körperichaften (die «tote Hand»), und für
Mitglieder een religiöjer Orden; diefe können
vielfach nur mit ſtaatlicher Genehmigung Erbe wer:
den (vgl. Code civil Art. 910). Das Cinfübrungs:
eich zum Deutſchen Bürgerl. Gejepbud (Art. 86
u. 87) läßt dergleichen landesgejeplihe Vorſchrif—
ten unberübrt, bezüglich jurift. onen jebod mur
dann, wenn Gegenjtände im Werte von mebr als
5000 M. in Frage fommen (j. Amortifation). Eine
unbeftimmte Anzahl von Menſchen, die keine jurift.
Perſon bilden, lann nicht ala Erbe eingejent werben
(alfo aud fein Verein der in 8.54 des Bürgerl.
Geſetzbuchs gedahten Art); doch wird, wenn der
Erblafjer etwa feine Dienftboten oder die Armen
einjegt, durch Auslegungsregeln gebolfen ($$. 2071,
2072). Da nur der Rechtsfähige Erbe werden kann,
befigt Erbfähigleit nur, wer beim Tode des Erb
laſſers ag ne bereitö im Mutterleibe vorban:
den war (Bürgerl. Geſetzb. $. 1923, Code civil
Art. 725; |. au Embryo). Handelt es fich um bie
Fähigkeit, etwas aus einem beftimmten Nachlaſſe
zu erwerben, je ſpricht man Pe von Erbunfäbigleit
von Erwerbunfäbigteit oder Jnlapacität.
Den Hauptfall hierfür bildet die Vorſchrift des Deut:
ſchen Bürgerl. Geſetzbuchs ($. 1077), wonach eine
legtwillige Berfügung, durch die der Erblafjer feinen
Ebegatten bedenkt, unwirkſam ift, wenn die Ebe
nichtig oder wenn fie vor dem Tode des Erblaſſers
aufgelöft worden ift. Der Auflöfung fteht es gleid,
wenn der Erblafjer zur Zeit jeines Todes auf Schei-
dung wegen Verſchuldens des Ehegatten zu Hagen
berechtigt war und die Klage auf Aufhebung der
ebelihen Gemeinſchaft oder auf Scheidung erhoben
batte. Eine legtwillige Verfügung zu Gunften des
Verlobten ift unwirfjam, wenn das Verlöbnis vor
dem Tode des Erblafjerö aufgelöft worden ift. Die
Verfügung ift jedoch nicht unmwirtfam, wenn anzu
nebmen iſt, daß der Erblaſſer fie auch für einen
folben Fall getroffen haben würde. :
Das Dfterr. Bürgerl. Gejegbud kennt noch eine
Reihe von Grbunfäbigleitsgränden, und zwar teils
olche, welche ftetö zur Anmendung gelangen, z. B.
ejertion, Ablegung des feierlihen Gelübdes der
Armut ($$. 544, 539), teild ſolche, welche nur in
Beziehung auf gewiſſe Perfonen anwendbar find
. 540, 542; vol. Unger, Das diterr. Erbredt,
pʒ. 1864, 8.5). Diefe legtern Gründe * ſolche,
welche den andern Geſetzgebungen meiſt nur als
Gründe der Erbunwürdigkeit (f. d.) gelten. In Ans
Erbfall — Erbium
als Erbe werden noch außer: | Rognatentbronfolge. In Bayern, Sachſen und Hef:
Kae für erbunfä Rn erklärt, die mit dem Erb:
der Einjegun
lafier Chebruch oder Blutſchande getrieben haben
543). Die gleichen Beichräntungen gelten in
ebung der Fähigleit, mit einem Vermächtniſſe
bedacht zu werben (8. 647).
Erbfall, der Tod eines Menihen als Zeitpunkt
des nns ſeiner Beerbung (j. Erbſchaft).
Erbfolge oder Succeſſion, das Eintreten
eines Ractolger? in alle privatrechtlichen Ber:
—— Teinſchließlich des Befiked; Bürgerl.
Seſetsb. $.857) und Vermogenspflichten eines Ber:
korbenen. Weil bei ihr die Gefamtheit aller Rechte
und Pflichten, wie fie durd die Perſon des Beritor:
benen ————— worden iſt, auf ein neues
Subjeft übertragen wird, iſt fie eine Univerſal⸗
fucceffion. Die E. fann auf verſchiedenen Titeln
(og. Delationsgründen)beruben, entweder auf Erb:
oder auf legtwilliger (aljo einfeitiger) An:
erbnung des Erblaſſers (Teitament, die Form der
lestwilligen Verfügung, melde das ——— Geſetz⸗
buch allein kennt, 8. 1937, oder Kodicill) oder auf
dem familienrechtlihen Grunde der Verwandtſchafi
oder ber Ehe (Gejegliche Erbfolge, f.d.). Be
rufung durch Erbvertrag gebt derjenigen durch letzt⸗
mwillige Berfügung und lestere der geſetzlichen €.
vor; jedoch iſt den nädjten Verwandten und ben
Ebegatten ein fog. Pflichtteilsrecht (j. Pflicht:
teil) eingeräumt. Die Reihenfolge, in welcher die
erbberedtigten Perſonen zur €. berufen werben,
nennt man die Erbfolgeordnung.
An der Staatögewalt und andern öffentlichen
Rechten giebt ed nad der modernen Auffafiung
vom Staate feine E. im eigentlihen und wahren
Sinne; d. h. die Rechtsſatze über E. finden als pris
vatrechtliche auf öffentlichrechtlihe Berbältnifje nicht
obne weiteres Anwendung. Insbeſondere nicht mehr
wie früber, mo die Staatsgewalt ala ein Privat:
vermögendreht der regierenden Familie angejehen
mar, auf die Thronfolge. Der Thronfolger ala
folder tritt heute nur in die Hoheitörechte feines
Borgängers, nicht auch in feine Brivatvermögens:
rechte ein, eben weil die Hobeitärechte nicht mehr
als Bejtandteil des Familienvermögens gelten. Die
Tbronfolgeordnung ift auch nicht mehr in pris
vatrechtlichen Hausgefegen, —— in Verfaſſungs⸗
urtunden enthalten. Nur iſt in der überwiegenden
Mebrzahl aller monardiihen Staaten da3 Thron:
—— ganz ebenſo geordnet wie ein Erbfolgere t,
d. b. die Krone verbleibt in der berrfchenden familie
und gebt nad) einer bejtimmten Ordnung über. Das
it die Erbmonardie. Die Thronfolge ift in
Deutichland eine agnatiſche, d. b. ein Vorzug der
von Männern abjtammenden Männer vor den Wei⸗
bern und den von Weibern abjtammenden Män:
nern, auch wenn fie ebenbürtig und, wo dies für die
Ihronfolgefäbigkeit erforderlich ift, aus einer mit
migung des Monarchen abgejchlofjenen Ehe
bervorgingen. In andern europ. Staaten, z. B.
in Rußland, England, Dänemark, Spanien u. |. w.
fteben Weiber und Kognaten nur hinter gleich nabe
verwandten Aanaten zurüd, In Preußen, Alten:
burg, Coburg⸗ Gotha, Reuß, Nedienburgiftjede Erb:
folge der Rognaten — * in andern Staa⸗
ten Bavern, Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen,
Ralded, Echaumburg⸗Lippe) tritt nach Ausſterben
der gelamten Agnaten lognatiſche Thronfolge als
iog. außerordentliche ein. Wo Beitimmungen jeb:
in, fpricht die Vermutung gegen Zuläffigfeit der
des Metalla €.
109
en geben die Erbverbrüderten den Kognaten vor.
doption, uneheliche Abſtammung und Abftammung
aus — we Ehe begründen nie ne —
recht. Liber die Reihenfolge der Thronfolgefähigen
f. Brimogenitur. j
Erbfolgetriege, Kriege, die aus Streitigleiten
über Thronfolgerechte entipringen. In der neuern
Geſchichte find bejonders hervorzuheben: der Spa:
niſche Erbiolgelrieg (f. d.) 1701—13, der Oſter⸗
rei * bfolgefrieg (f. d.) 1741—48, der Bay:
riſche Erbfolgefrieg (f. d.) 1778—79.
————— —
ErbgericdhtSbarkeit, eine Art der Eigentums»
oder Batrimonialgerihtsbarteit (f. d.), die mit dem
in der Regel abligen Gut verbundene Gerichtöbarfeit
ber Qutäherten über ihre Hinterfaffen. Im Mittel:
alter begründet, beſtand fie in Deutichland bis in die
neuere * iſt durch die neuern Verfaſſungen in
ben meiſten deutſchen Staaten, zuletzt durch das Ge:
richtsverfaſſungsgeſetz ericht und Gerichtäver:
jaffung) t das ganze Deutiche Reich lg
‚ Erbgefeffen, joviel wie angefellen, Grund:
eigentum bejigend,
Erbgraf, Titel des älteften Sohnes oder Entels
des Hauptes eined mebiatifierten, früher reich3:
ſtändiſchen Grafenhauſes (j. Graf), dem Titel Erb:
prinz (j. d.) nachgebildet.
Erbgrind, j. Favus.
Sehgeokberaug, f. Erbpring.
Erb on) erzogädfrone, in ber Heraldik eine
geſchloſſene Königskrone (f. d.), wie fie auch Prin—
—— lönigl. Häuſern zum Unterſchiede von ber
ne des Herrſchers (der offenen Königskrone) tra:
gen. (S. Tafel: Kronen I, Fig. 9.)
Erbgüter, in der Rechisſprache mehrerer, be
onders norbdeuticher Landesrechte gewiſſe Grund:
tüde, welche durch Erbſchaft erworben find und
ohne Zuftimmung näher bezeichneter Perſonen,
meijt gewifler ur ga nädjter gejeglicher Erben,
nicht durch tögeichäft unter Lebenden veräußert
oder durch Verfügung von Todes wegen den Erben
entzogen werben dürfen. Die Veräußerung kann
in Ermangelung der Einwilligung innerhalb näber
beitimmter Frift von dem Tode des Veräußererd an
widerrufen und das Erbgut zurüdgefordert werben.
I" neuerer Zeit ift die Rechtsbildung meift bejeitigt.
em Erbgut ftand das —— But, d.i.
das anderweitig erworbene Vermögen, gegenüber.
(S. aub Stammpgüter.)
Erbherzogöfrone, in der Heralbil die offene
Herzogälrone (f. d.), die bis zur halben Kronenhöhe
gefüttert ift. (S. Zafel: Kronen I, Fig. 10.)
Erbil, Stadt im Wilajet Bagdad, ſ. Arbil,
Erbinerbde, ſ. Erbium.
Erbisdorf, Dorf in der Amtshauptmannſchaft
Freiberg der Ir Kreisbauptmannihaft Dresden,
unmittelbar jüblih an Brand (f. d.) anftoßend, an
der Nebenlinie Brand:Fangenau der Sächſ. Staats:
bahnen, bat (1900) 2077 meift evang. E.; Spiben:
Höppelei, — — Poch⸗- und Wäſchwerle.
Weſtlich große fislaliſche Silber: und Bleierzgruben.
Erbium,hem.SymbolEr, Atomgewiht=166,0,
breiwertiges Element. In dem Mineral Gabolinit
( d.) fommt es ald Erbinerde an Riefelfäure ge:
unben neben andern Erben und Metalloryden
vor. 1843 wurde aus Gadolinit von Mofander die
Erbinerde, ErzO,, zuerft hergeftellt und ald Oxyd
erfannt. Die Abicheidung bes
110
Metalls ift bislang noch nicht gelungen; auch die
Erbinerde ift nur äußerjt ſchwierig rein zu erhalten
und vielleicht überhaupt kein einheitlicher Körper.
Erbjungfernrecht, das im Medlenburgifhen
beitebende Hecht der Tochter eines obne männliche
Abtömmlinge verftorbenen Lehnbeſitzers (Bafallen),
das Leben, jelbft wenn es Familienfideilommiß ift,
lebenslänglic als Nießbraucherin zu befigen.
Erbfaiferliche Partei, Bezeihnung für eine
Ba in der Deutfchen Nationalverfjamm *
ankfurt a. M. von 1848 bis 1849, die einen Erb⸗
laiſer an die Spitze des Reichs geſtellt wiſſen wollte
und im «Weidenbuſch⸗ in Frankfurt a. M. ihre Zu:
jammentünfte bielt. Da fie felbft zu ſchwach war,
um ibr Programm durchzuſetzen, mußte fie an das
linte Centrum erbeblihe Zugeſtändniſſe maden,
um dieſes — Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum
Kaiſer (28. März 1849) zu beftimmen.
bfämmerer, j. Erbämter.
Erbflaffenrenten, ſ. Lebensverſicherung.
Erbkurx, ſ. Kux und Bergwerlsabgabe.
Erblande, Länder, in denen ein Fürft kraft Erb»
recht3 fuccediert. Eigentlich müßten alle Qänder, die
nicht erft von ihrem gegenwärtigen Beherrſcher durch
Eroberungen, Tauſch, Kauf oder auf andere Meife
erworben wären, E. genannt werden. Gewöhnlich
jedoch verſteht man darunter nur ſolche ſchon früher
im ererbten Befige einer Dynajtie befindliche Län-
der, deren Verhältnis zu fpätern Hinzuerwerbungen
dur irgendwelche ftaatd: oder wölferrechtliche Feſt⸗
ftellungen bezeichnet ift. So unterſcheidet man noch
immer in Sachſen die E. von ber —— welche
zwar im allgemeinen der Geſamtverfaſſung des
KUönigreichs unterworfen, jedoch außerdem kraft ges
wiſſer Staatsverträge, bie ſich auf ken Anfall an
Sachſen bezieben, eine beſondere Provinzialver:
faffung und andere Sonderrechte befist. Vorzugs⸗
weiſe aber in Gebraud war die obige Bezeihnung
für die deutiben Provinzen Oſterreichs im Gegen:
in: zu Ungarn und Italien, namentlih zu dem
eritern, * egal: dem Herricher eine
weſentlich andere, weit befhränttere Machtſtellung
tinräumte, als demfelben in — Erbländern zu⸗
ſtand. Seit dem Verluſte Italiens und ſeit dem ſog.
Ausgleiche mit Ungarn pflegt man letzteres ſamt
ven dazugehörigen Ländern mit Transleithanien,
die E. dagegen mit Cisleithanien zu bezeichnen.
Als E. der preuß. Monarchie werden insbeſondere
Brandenburg und Preußen bezeichnet, jedoch ohne
daß bier irgendwelder rechtliche Unterſchied vors
banden wäre; ebenfo in Bayern die altbayr. Lande.
Erblandeshofämter, aub Kron- ober
Neihsämter, Name der Erbämter (f. d.) in den
einzelnen deutfchen Territorien. Ihre Errichtung ift
dem Ermefjen des Landesherrn überlaffen. Weder
polit. Funktionen nod finanzielle Dotationen aus
der Staatslaſſe kommen ihnen u, Ki baben aus
—— folenne Ehrendienſte bei feierlichen Ge
egenbeiten zu leiften, die ſich nach dem Staatd: und
Hofceremoniell beftimmen. Jedoch find öfters Eins
fünfte aus Altern Stiftungen mit diefen ÜUmtern ver
bunden. Hinfichtlih der Zahl und Namen dienten
jwar im allgemeinen die Reihserbämter (f. Erb:
Par zum Vorbilde; in den einzelnen Territorien
t aber dennod eine große Mannigfaltigleit.
In Preußen befteben außer den oberften Hoſchar⸗
en, nämlich dem Oberftlämmerer, Oberftma Seh
berittruchjeß und Oberftichent, eine Ieht große Zahl
von Hof und Erbämtern in den einzelnen Landes:
Erbjungfernrecht — Erbliche Krankheiten
teilen, aud denen die Monardie nad und nad ger
bildet worden ift. Unter ihnen ragen beſonders ber:
vor die vier großen Hofämter im (alten) Königreich
(Dit:)Breußen: Lanphofmeiiter, Oberburggraf, Ober:
marſchall und Kanzler; die Inhaber find als ſolche
Mitglieder des Herrenhaufes. Ein Verzeichnis jämt-
licher oberften Öafhargen, der Hofämter und der
Erbämter nebjt Angabe ihrer Inhaber giebt das
erg ic Ay nur abrbud für den preuß.
Staat». Auch in Öfterreich beſtehen in den Landes:
teilen, welche ehemals zum Deutichen Bunde gebört
baben, Erbhofämter in ehr großer Zahl. In ——
Ser nad der Verfaſſung von 1808 vier lebnbare
eihäfronämter eingeführt worden: der Dberft-
bofmeifter, Oberjtlämmerer, Oberftmarfhall und
Oberſtpoſtmeiſter. Ihre Würden find Thron⸗Mann⸗
lebne, die entweder auf Lebengzeit ded Würden:
trägerd oder mit dem Rechte der Bererbung auf def-
fen männliche Defcendenz nad) dem Rechte der Erft-
geburt verliehen werden. Die Inhaber find Mit
glieder des rg Familienrates und der Kammer
der Reichsräte. Die alten, in den einzelnen Landes:
teilen vorhanden gewejenen Erbämter find aufge
—— Ahnlich if die Einrihtung in MWürttem-
erg. Dafelbft find 1808 vier lehnbare Kronerb⸗
bofämter errichtet worden, nämlich Erbreichsmar⸗
(ball, Erboberbofmeifter, Erbreihsoberlämmerer
und Erbreihspanner; 1819 wurde das Erblandpoſt⸗
meifteramt errichtet. Dazu fommen die beiden aus
älterer Zeit ftammenden Erbämter des Erblämme:
rerd und des Erbmarihalld. — Val. König, liber
Erbämter (in der «Minerva», Jena 1843, Mai: und
Erblafien, ſ. Erroöten. Juniheft).
Erblafſer, jede verſtorbene Perſon mit Bezug
auf die Beerbung, alſo die Perſon, deren Vermögen
(Attiva und — vererbt wird. In — yo
der letztwilligen Verfügungen nennt man €. ben,
ber legtwillig verfügt bat. — Hanbelt es fib um
die Beerbung einer rechtskräftig für tot erflärten
Perſon, fo wird auch dieje Perſon als €, bezeichnet,
fomweit das geltende Recht (vgl. Deutfches Bürgerl.
Geſetzb. 8. 18) die Beerbung einer foldhen ven
geitattet. — Nach kanonifhem Rechte können Mi
lieder eines Klofterordend nicht beerbt werben,
tſprechende Vorſchriften finden ſich nod in man»
hen Rechten, dann aber, wie 3. B. im Preuß. Land»
recht, dahin umgewandelt, daß die Mönde und
Nonnen nad abgelegtem Kloftergelübve (Profeß) fo:
fort als tot angeſehen und beerbt werben, mitunter
auch fo, daß nur der Eintritt in die Bettelklöfter
dieſen Grfolg bat. Das Öfterr. Bürgerl. Gejegb.
8.578 entzieht Kloftergeiftlihen für bie Regel nur
die Befugnis, letztwi ig zu 2 en. Mit Ein-
—— des Deutſchen Bürgerl. — traten
dergleichen partikularrechtliche Beſtimmungen außer
ſtraft —— * Art. 55). >
Erblehne, Lebngüter, bei denen nicht das
Le —— ſondern die Grundſätze der civil⸗
r — Erbfolge gelten. Ferner verſteht man
unter €, auch Bauerngüter, die den Bauern nad
lehnrechtlichen Grundfägen übertragen find (Heu:
dafter, Zind», Beutellehne). Someit es
nit um Bafallentreue und Ritterdienfte han
entſchieden die Grundfäge des Lehnrechts. End⸗
lich wird E. auch für die Erbleihe oder das erb⸗
liche bäuerliche ungsrecht (Rolonatredt, ſ. Ko⸗
lonat) gebraudt.
Erbliche Kraukheiten, hereditäre Krank—
beiten, Krankheiten, deren Entſtehung im gegebenen
Erblichkeit
111
* auf eine von den Eltern oder Voreltern ererbte ! Entſtehung und Ausbildung durch zmedmäßige
der
— Kinder iſt jo groß, daß ſich auch die be
ondern (individuellen) Eigenihaften, welde einen
Menihen von dem andern unterſcheiden, burc bie
Zeugung auf die Kinder wenigftens zum Teil über:
tragen, vererben. Daber können gewifle Abnormi:
täten innerer Organe, welche die Anlage zu bejondern
Krankheiten varkelen, von den Eltern auf die Nach⸗
fommen durch Vererbung übertragen werben. In
der That lommt es nicht jelten vor, daß der Sohn ın
demjelben Zebensalter von einer Krankheit ergriffen
wird, in welchem der Bater daran litt. Was bier
vererbt wird, ift nicht die Krankheit, fondern die
Anlage; die Ausbildung der Krantheit erfordert
immer noch andere Umſtande, welche fie begünftigen.
Bon eigentlichen Krankbeiten werben nicht bloß
die iog. Konititutionstrantbeiten, wie Gicht, Zuder:
barnrubr, Blutertrantbeit, Syettleibigleit u. a., fon»
dern aud Tuberkuloſe, Syphilis, Geiſteskrankheiten,
Epilepfie, Hypochondrie und Hyiterie, Migräne und
andere Rementrantheiten, Kretinismus, Neigung
u Schlagfluß und Steinbildung vererbt. Die
futertrantbeit zeigt dabei die auffallende Eigen:
tümlicleit, daß fie faft nur bei Männern vortommt,
fo aber, daß die Töchter, melde jelbft nit an
der Krankheit leiden, diefelbe auf ihre Söhne über
tragen. Die Tubertulofe, die Gicht, die Fettleibig—
teit u. f. mw. breden bei den Nachkommen ge
wobnlich erft zu der Zeit auß, wo biefe Rranl-
beiten überbaupt am baufgfien find. Die Kinder
ſchwindſüchtiger Eltern 3. B. find oft bis in das
20. und 25. Yabr ganz geſund und erfranten
dann auf einmal und gewöhnlich viel ſchwerer als
bei erworbener Quberkulofe; freilich ſterben viele
auc ſchon in den eriten Lebensjahren. Es kommt
nicht jelten vor, daß beide Eltern zur Zeit, mo fie
die finder zeugten, noch ganz gefund zu fein jchie:
nen, daß aber der eine Erzeuger, aus einer ſchwind⸗
füchtigen Familie ftammend, den Keim der Krank⸗
beit ſchon in ſich trug: die Kinder werden doch tuber:
tulos. Nicht immer find es die leihen Gebredhen
und die gleiben Kranlheitsanlagen, die in der
Familie fi wiederholen, jondern häufig nur ähn»
liche Formen; insbefondere gilt dies für Nerven:
trantbeiten, die nit nur für die mannigfadjten
Formen von Nementrankbeiten, ſondern auch
Fud br u. ſ. w. disponieren. Cigenartig
tjt Die tjache, daß in familien, in denen Geiſtes⸗
franfheiten einheimifd find, bisweilen zugleid, die
intelligentejten und genialiten Köpfe vorlommen.
Noch merktmürdiger ik wie oft ee ganz gefunde
Eitern faft lauter Kinder mit Mipbildungen oder
Gebrehen beroorbringen; gemöhnlih handelt es
r
fi bier um —— auf die Großeltern oder noch
tere Ahnen. (S. Erblichleit/
ie phyſiol. Geſetze, nad) denen die erbliche fiber:
tr von Kranfbeitsanlagen vor ſich gebt, find
nob völlig unbelannt. Der Einfluß des Vaters
binfichtlich der Vererbung von Krankheitsanlagen
jann natürlih nur während der Zeugung ftatt-
finden; die Mutter wirkt dagegen auch während der
Schwangerfchaft und während des Stillens noch
auf das Kind, und es ift die Möglichteit zuzuge⸗
tteben, daß auch hierdurch nod die Gelegenheit zu
6. 2, namentlich der Zubertulofe, gegeben wird.
Für die Behandlung der erblihen Samilienübel
it & von der größten Wichtigkeit, daß man ihre
|
|
Die | burt
K
ſt
ü
fü
S
itsanlage zuructzuführen iſt. Der Einfluß | Verhaltungsmaßregeln ſchon beizeiten zu hindern
tern auf den Drganısmus der von ihnen er⸗ ſuch
t. Mande Kranke, jo Epileptiler, Tubertulöfe,
Geiftestrante, follten überhaupt nicht heiraten;
jedenfalls follte jever, der eine erbliche Anlage bes
ſigt, es vermeiden, eine Perſon zu heiraten, melde
diefelbe Anlage ererbt bat, vielmehr fich mit einer
ſolchen verbinden, welche von entgegengejebter Kon⸗
jtitution ift. Da bei der Bildung des Embryo
(f. d.) männliche und weiblihe Zeugungäftofie zus
ammenmirten, jo kann durch ibergemiet von einer
ite ber der Einfluß von der andern eliminiert
und aufgehoben werden. Aus diefem Grunde ift
eine vernünftige —— Ausleſe und die
durch fie bedingte Kreuzung (f. d.) der Stämme das
befte Mittel, um der YAusartung der Geſchlechter
vorzubeugen, während befanntlic durch fortgeſetzte
nzucht oder Heiraten unter naben wandten
ewiſſe Familienzüge und Yamilienübel bie
em ausbilden und fortpflanzen. Nament:
ei ift Died vom Kretinismus und von der Jpiotie
befannt. Man richte weiterhin bei dem Verdachte
einer erblihen Rrankheit3übertragung von der Ge:
an alle Umftände, unter denen das Rind lebt,
v ein, daß die ererbte Anlage möglichft wirkſam be
ämpft wird. Man forge zu diefem Bebufe für ein«
verftändige Kräftigung und Abhärtung Pr d.) dee
örperd, wobei namentlih der möglihft unge:
ſchmälerte Aufenthalt in guter reiner Luft von
deutung ift, und fuche namentlich in dem Lebens:
alter, in welchem die Krankheit bei den Eltern ent:
anden war, alle jene zufälligen Gelegenbeitd-
urſachen möglichft fern zu halten, die erfabrungs:
emäß bie —— der betreffenden erblichen
ankheit begunſtigen. — Vgl. Bollinger, Über Ber:
erbung von Krankheiten (Stuttg. 1882).
Erblichkeit, im biologifhen Sinne die Fäbig:
teit der Lebeweſen, ihre körperlichen oder en en
Eigenihaften mehr oder weniger getreu au ihre
Nahlommen zu übertragen. Jede einzelne derartige
bertragung wird ald eine Vererbung (hereditas)
bezeichnet, doch wird diefer Ausdruck bäufig aud
leihbedeutend mit E. angewandt. Wir find zu:
Reit noch fo meit entfernt von einem Berftänbnis
der bierber gebörigen Erſcheinungen, daß man bie
€. als das duntelite Gebiet der gefamten Biologie
anfeben darf. Immerhin find in den legten Sahrı
ebnten mit Hilfe des Mitroflops fe
Fortfchritte erzielt worden durch eine
nis der Vorgänge bei der Befruchtun
wiflen jegt, daß bei der geiclectliden
ein neues Lebeweſen dadurch entftebt, ba vom
mütterlihen Körper das einzellige Ei, vom väter:
lien der Samenfaben ablöft, und daß dieſe bei»
den einzelligen Gebilde miteinander ——
Hierbei wird in vielen Fällen der größte Teil
des Samenfadens, nämlich der protoplasmatiſche
Schwanz, nicht mit in das Ei aufgenommen, fon:
dern nur der vorderſte Abfchnitt, der fog. Kopf.
Diefer beitebt faft ausſchließlich aus dem Kern der
amenzelle, der fodann mit dem der Eizelle ver:
wächſt, fo daß die Verſchmelzung diefer beiden
Kerne als das weſentliche des Befruhtungsvor:
gangs angejeben werden muß. Aus der Thatiache,
daß die väterlihen Eigenichaften durch die ch⸗
tung ebenſo wollſtändig auf das Kind übertragen
werden können wie bie mütterlichen, ergiebt ſich der
Fundamentalfag: die Bererbungstendenzen find an
die Kerne der Samen: und der Eizellen gebunden.
ch
um
weſentliche
re Erlennt⸗
112
Damit ift eine der finnliben Wabrnebmung zus |
aänglihe Grundlage für die Beobadtung und die |
tbeoretiiche Deutung der Vererbungserſcheinungen
yermonnen worden. i
Haedel und andere Naturforfher haben Ver: |
erbungsgeſetze aufgeitellt; jedoch handelt es ſich
bierbei nicht um ausnahmsloſe, —— Zuſam⸗
menbänge, ſondern nur um gewiſſe Regeln, bie die
Natur mehr oder weniger bäufig und genau einhält.
Die wichtigſten davon find folgende:
1) Beide Eltern find im gleiben Maße befäbigt,
ibre lörperlien und geiftigen Eigenſchaften auf die
Nahlommen zu übertragen; obwohl aljo bei den
lebendig gebärenden Geſchöpfen, einſchließlich des
Menſchen, die Mutter allein den Embryo ernäbrt,
braucht deshalb ihr Einfluß auf die Merkmale des
Rindes nicht größer zu fein als der des Vaters.
2) Eigenihaften, die beiden Eltern in ungefähr
demjelben Grade (3. B. eine bejtimmte Länge der
Haare) zulommen, treten bei einzelnen Nahlommen
bäufig In verftärltem Maße auf. Die Vererbung
bewirkt alſo dann eine gewiſſe Summation der
Gigenfhaften. Diejes Princip ift von höchſter
Bedeutung für die Züchtung der Haustiere. Indem
der Züchter aus einer größern Anzabl von Indivi—
duen diejenigen auswählt, welde eine gewünſchte
Eigenſchaft in einem gewiſſen Grade bejigen, und |
dieje untereinander freuzt, erhält er einige rem: |
plare, die jenen Ebaralter in noch höherm Maße:
befigen, und dadurch, daß diefer Prozeß planmäßig
durch viele Generationen —— geübt wurde,
ind die —— Raſſen erzielt worden, die
wir beute bei Hubn, Taube, Hund, Schaf u. a. fennen.
3) Falls die Eltern erbeblich verjchiedene oder gar
entgegengejepte Eigenſchaften des Körpers, des
Geiſtes oder nur der Konftitution befigen, jo tommt
es bei den Kindern entweder zu einer Miſchung
der Merfmale oder e einer Abſchwächung
oder Aufbebung derjelben. Hierauf beruht nad
der Auffafjung der meiften Naturforjdher die Be: |
deutung ber —— Vermehrung im Gegen⸗
ſatz zur ungeſchlechtlichen durch einfache Teilung oder
durch Bildung einer Knoſpe, die ſpäter abgeworfen
wird und weiter lebt. Die geſchlechtliche
Fortpflanzung ſpielt in der Natur eine jo außer:
ordentliche Rolle, indem fie jhon bei den Protozoen
und Algen beginnt und von den Wirbeltieren an
die ausjchließlihe Vermebrungsform daritellt, daß
ibr eine tiefere Bedeutung im Hausbalte der Natur
inne wobnen muß. Die Miſchung der ——
iſt eine der Urſachen der Variabilität und liefert ſo
der Natur für ihre ſtetig wechſelnden Verhältniſſe
neue anpaſſungsſähige Individuen. Durch die Ab—
| und Aufbebung von Merkmalen fönnen
idädliche Eigenihaften, die ſich im Laufe der Zeit |
gebildet haben und bie bei weiterer Dauer zum Aus:
ıterben der Art fübren würden, gemildert oder be:
jeitigt werben. Vielfältige Erfahrungen zeigen ben
eminent fcbädlichen Einfluß der Anzucht & d.), de b.
der Kreuzungen nahe verwandter Individuen. Die
— jedoch nur dann von unangenehmen
Folgen begleitet zu ſein, wenn die Erzeuger mit
irgend welchen Gebrechen oder krankhaften Dispoſi⸗
tionen behaftet find; bei völlig gefunden Organis:
men ſchadet Inzucht nicht, wie daraus hervorgebt,
daß ſie in vielen Fällen bei Tieren wie Menkhen
durd Generationen bindurd ohne nadleilige Folgen
ausgeübt worden ift. Eo waren 5. B. bei Perjern,
Pböniziern und Arabern Heiraten nicht nur zwiſchen
Erblichteit
Geſchwiſtern geftattet, ſondern aud zwiſchen Bater
und Tochter, Mutter und Sobn; einige Säugetiere
baben fib auf Injeln enorm zablreih entmwidelt,
obwohl fie alle von demſelben Paar abftammen.
Im allgemeinen aber find krankhafte Tendenzen bei
allen Organismen fo verbreitet, daß wir in der ge
ſchlechtlichen Vermehrung ein Gegenmittel jeh
dürfen, das darauf berubt, daß fi entgegengeiekte
Bererbungstendenzen in vielen Fällen aujbeben.
Stammt daber jemand aus einer Familie, in der
Lungentranfbeiten häufig aufgetreten find, jo lann
er jeine Nachlommen nur dadurch |hüßen, dab er
in eine möglichft gefunde Familie einbeiratet.
4) Wenn die Merkmale beider Erzeuger auf das
Kind übergeben, jo können fie entweder getrennt
nebeneinander auftreten, oder fie verſchmelzen. So
erbält man durd Kreuzung von rein weißen und
rein ſchwarzen Ranindhen neben einfarbig weißen
oder warzen Tieren ſolche mit großen weiken und
ihwarzen leden. Werden lektere weiter unter:
einander gelteuzt, jo werben die Flecen Heiner und
' fchließlich erfolgt durch Verfhmelzung jener Ten:
denzen ein gleibmäßiged Grau. Beim Menihen
jeigen erviife Merkmale, 5. B. die Hautfarbe und
die Größe des Vaters und der Mutter, eine große
Neigung zu einem Mitteltopus zu verichmelzen,
mäbrend andere, 3. B. die Farbe der Regenbogen:
baut des Auges, meift getrennt übertragen werben.
Dasſelbe gilt für geiitige Eigenjdaften. In einem
Kinde kann ein bejtimmtes Talent des Baters zu:
zen mit dem Fleiß der Mutter auftreten und
o zu einer bedeutenden Steigerung der Leiftung?-
fäbigteit führen.
5) Häufig werden ganze Gruppen von Merkmalen
gleichzeitig vererbt, was darauf binmweift, daß fie
irgend wie miteinander verbunden fein müſſen und
in einem feften Abhaängigkeitsverhältniſſe (Horrela:
tion) zu einander jtehen. In Deutihland haben
große Menſchen meift einen längliben Kopf, eine
einen runden; belle Augen find meift verbunden mit
bellen Haaren und beller Haut, dunkle mit bunller
Haut und Bebaarung.
6) Unter latenter, unterbrodener Ber»
erbung veritebt man die Erſcheinung, daß ein
Merkmal eine oder mehrere Generationen über:
{pringt und von einem Organismus vererbt wird,
der jelbft dieſes Merkmal nicht in einer fichtbaren
Form aufweilt; man nimmt dann an, daß er zwar
die Anlage zu der a reg batte, dieſe aber nicht
pt Entjaltung bradte. Häufig wird z. B. eine
igentümlichteit des Vaters (Bartwuchs, Form der
Nafe, Talent) durch die Tochter auf den Entel über:
tragen, ohne bei der Tochter nahmeisbar zu fein.
Over der Bau des Bedend vererbt ſich von der
Mutter dur den Sohn auf die Entlelin. Da folde
Fälle ungemein bäufig find, fo muß man annehmen,
daß jeder Organismus viel mebr Vererbungsten⸗
denzen enthält, als man nad) der Zabl jeiner fit:
baren Mertmale vermuten follte; er befist latente
Charaltere ala Erbteil feiner Vorfabren, die aud
auf jeine Nahlommen übergehen und in dieſer oder
jener Generation plöklic wieder auftauchen fönnen.
o erflärt fih die Erſcheinung des Generation
wechſels (ſ. d.), bei dem mebrere differente Genera
tionen in regelmäßigem Cyklus miteinander ab-
wecjeln. In ähnlicher Weiſe werden die Erſchei—
nungen des Rüchſchlags (Ntavismus) gedeutet,
bei dem Eigenſchaften von zeitlich jebr weit zurüd
liegenden Generationen plöglich wieder auftauden.
Erblichfeit
1) Häufig wird eine Gigentümlichleit immer oder
überwiegend nur auf das eine Geſchlecht übertragen.
Ran ſpricht dann von einfeitiger oder ferueller
Bererbung. Hierbin gebört die libertragung der
jelundären aldharaltere, d. b. ſolcher Diertmale,
die niht den Geichlechtsorganen angehören, aber
doch immer nur entweder bei den Männchen oder bei
ven Veibchen auftreten, 3.8. der Bart des Mannes,
das Geweib des Hirfches. Eine ſolche —— Ver⸗
erbung wird häufig ganz außerhalb der Sexual⸗
ipbäre oder jedenfalls ohne nahmeisbaren Zujam-
menbang mit ihr beobachtet, namentlich bei manchen
Konftitutionsanomalien und Mißbildungen. So
wurde die Borftenhaut des Edward Lambert durch
De! Generationen bindurd nur auf die männlichen
aclommen vererbt. Farbenblindheit und Blu:
terkrantheit geben mit Vorliebe auf die Männer
über, mwäbrend nah Galton eine Dispofition für
die Schwindfucht vornehmlich von der Mutter ges
erbt wird. j
Über die wichtige Frage, welche Eigenſchaften
erblih find und welche nit, geben die Anjichten
der Forſcher gegenwärtig mehr ala je auseinander.
Der geſchlechtsreife —— iſt hinſichtlich ſei⸗
ner Eigenſchaften gleichſam ein Doppelweſen. Einen
Zeil derſelben bat er ererbt, d. b. ihre Anlagen waren
vom Moment der Befruchtung an dem Keim ge:
— Derartige Mertmale werden angeborene,
ongenitale oder blajtogene genannt. Biele
andere Gbaraltere erwirbt der Menſch, das Tier
oder die Bilanze nad volljogener Befruchtung durch
die Einflüjje der Außenwelt. Diefe lönnen bei einem
Säugetier af die Mutter während der Tragzeit
und damit auf den ſich entwidelnden Embryo ein:
wirten, oder aud ein im Waſſer liegendes Froſchei
oder ein an Baumrinde —— nſeltenei wäb:
rend der Embryonalentwidlung beeinfluſſen. Sit
die Embroonalzeit verjtrichen, fo ift das betreffende
Individuum mwäbrend feines ganzen Lebens den
allmäctigen Einflüfjen feiner Umgebung auögejest.
Ficht und Luft, Kälte und Wärme, Trodenbeit und
Feuchtigleit, Nahrung und Boden wirten beftändig
darauf ein und verleihen den innern und äußern
Drganen ein ganz beitimmtes Gepräge. Alle ſolche
Eigenjhaften werden im Einzelleben erwor:
bene, individuell erworbene, fomatogene
oder furjmeg erworbene genannt. Daß die Heim:
—5* die blaſtogenen Charaltere vererbt werben,
ff nblid, denn da fie jelbft ererbt wurs
den, fi aljo von ———— Generation
ableiten, ſo iſt nicht einzuſehen, weshalb ſie nicht
auf die nachfolgende übergeben ſollten. Die große
Streitfrage jedoch ijt, ob die erworbenen Eigentüm:
lichleiten vererbt werden. Hier jpalten ſich die Bio:
logen und Bathologen in zwei ſcharf gefchiedene
Barteien. Unter der Führung von Weismann und
Galton leugnen die jog. Neodarwiniften bie
Übertragbarteit der erworbenen Eigenfchaften und
meijen darauf bin, daß BVerlegungen oder beren
‚ ferner durch einjeitige Thätigfeit erworbene
Veränderungen (Bingerterngieit des ——
harte Muskulatur des Schloſſers) und geiſtige Er:
werbungen —S—— nicht übergehen. Es
lann in der t nicht geleugnet werden, daß Ber:
tümmelungen, felbit wenn fie durch viele Generas
tionen bind regelmäßig ausgeübt werden, wie
die fünftliche — ————— Füße bei den Chi⸗
nefen, die Entfernung ber Borhaut bei den Semis
ten, bad Durchbohren der Obrläppchen bei unfern
Urodhaus’ Monverfationdßeziton. 14. Huf. R VI
113
Frauen, nicht erblich werden. Die Veränderungen,
die fih an den Arten im Laufe der Erdgeſchichte
vollzogen haben, werben von jener Schule auf die
Wirkungen der Ausleje (Selektion, ſ. Zuchtwahl)
urüdgeführt. Die fünfzebigen Vorfahren der Bierde
find 3. B. nit daburd allmählich zu einzebigen
geworden, daß die Mitteljehe einer Generation
durch das Gewicht des Körpers bejonders gereizt
und vergrößert und diefe individuell erworbene Ber:
größerung auf die nächte Generation übertragen
wurde und fo ichließlih eine Summierung dieſer
Veränderungen ftattfand, fondern es blieben nad
der Auffaſſung von Weismann und Wallace immer
nur bie Pferde im Kampf ums Dafein am Leben,
die auf Grund einer zufälligen Reimesvariation
eine ſehr lange Mitteljebe beſaßen, dadurch befon:
ders jchnellfüßig waren und jo ihren Berfolgern
leicht entrinnen fonnten. Im Gegenfa zu biefer
Auffafiung halten die meiften Naturforjcher an der
alten, von Lamard und Darwin vertretenen Anficht
feit, daß die erworbenen Eigenichaften vererbt wers
den können (fie müflen es nicht in jedem Yalle),
falls fie durch viele Generationen durd einen Reiz
von genügender Intenſität hervorgerufen werben,
Eine fihere Entſcheidung in biefer Fundamental:
age iſt Br * nicht moglich, da ſich im einzelnen
alle vie Wirkung der natürlichen Auslefe nicht über:
eben läßt und auch keine völlig einwandfreien Erpe:
rimente weder dafür noch dagegen vorliegen.
Bererbungstbeorien jind von verichiedenen
Naturforfchern aufgeitellt worden, ohne jedoch allge:
meine Anerltennung zu finden, Wir nennen bier nur
die wichtigſten. Darwind Pangeneſistheorie
nimmt an, daß alle Organe feinfte Keimchen (gem-
mulae) abgeben, gleihjam Heinfte Abbilver ibrer
felbit, die in die Eier und Samenfäden des betreffen:
den Individuums eindringen und fo diefelben For⸗
men in der zweiten Generation hervorrufen. Sie
tönnen auch im latenten, gleichjam jchlummernden
Zuſtande an eine der folgenden Generationen weiter
gegeben werben und jo die Ercheinungen des Ge:
nerationdwechjeld und des Rüdichlags hervorrufen
Es liegt auf der Hand, daß durd eine foldhe Bor:
ftellung bie E. nicht verftändlicher wird, da wir nicht
wiſſen, melde Kräfte die Keimchen in den Keim:
- auffpeichern, und zwar gerade in der Zahl und
nordnung, daß fie die Übereinftimmung mit den
Eltern hervorrufen. Galton brachte das Blut von
weißen Kaninchen in fchmwarze hinein, ohne daß
deren Nahlommen — 5* wurden. Durch das
Blut werden die Keimchen alſo nicht übertragen. —
Um diejer Schwierigteit aus dem Wege zu geben,
bat der holländ. Botaniter H. de Vries die Dar:
winſchen Anfhauungen etwas verändert zu einer
Theorie der intracellularen Bangenetis. Er
nennt die Keimchen Bangene und nimmt an, baf
jede Eigenſchaft dur ein befonderes Bangen ver:
treten iſt. Dieſe materiellen Träger der körperlichen
Eigentümlichleiten wandern jedoch nicht im ganzen
Organismus umber, fondern fie finden ſich ſämt⸗
lic in jedem Zelllern, der alfo gleichſam die Summe
der Eigenſchaften repräjentiert. Bon bier wandern
einige wenige Bangene in das Zellplasma der be:
treffenden Seue und rufen deren Befonderbeiten
bervor. Bei diefer Auffafjung befteht die Schwie:
rigleit, zu verftehen, warum nur dieſes oder jenes
en in das Eytopladma übertritt, und wie eine
an einer Stelle des Körpers erworbene Beränbe
rung alle übrigen Kerne und vor allem die Kerne der
114
Keimzellen entiprechend verändert. Um letzteres zu
verfteben, hatte ſchon 1876 Haedel eine Theorie der
Berigenejis der Plaſtidulen aufgeitellt, nad
der das Protoplasma aus Einbeiten (den Plaſti—
dulen) beitebt, die fich je nad ihren Eigenſchaften
in verſchiedenem Schwingungszuftande befinden
und diefe Schwingungen bis zu den Genitalzellen
weiterleiten können. Nägeli dentt ſich alle gelen
des Körperö durchſetzt von einem Nebmwerl von
Spioplasma, d. b. einer Subjtanz, die von Indi—
viduum zu Individuum wechſelt. Gebt, wie Plate
annimmt, diejes Netzwerl von Kern zu Kern, alfo
— von der Haut bis in den Hoden, ſo iſt eine
bertragung erworbener Eigenſchaften, rein theo:
retifch betrachtet, möglih. Umgekehrt glauben Gal-
ton und Weismann, daß die in den Keimzellen be
findlihe ſpecifiſche Subſtanz (das fog. Keim:
plasma) nicht mit den Klörperzellen in direlter
Berbindung ftebt, fo daß demnach erworbene Eigen:
haften nicht erblich fein fönnen. Bei der Furchung
ebt nad diejen Forſchern das Keimplasma mit
einen blaftogenen Eigenichaften unverändert in
diejenigen Embryonalzellen über, die fpäter die
Reimzellen liefen. So bejtebt von Generation zu
Generation eine Rontinuität des Keimplas—
mad und bedingt die Ähnlichkeit derfelben.
Val.Lucas, Traite de Phérédité naturelle (2Bde.,
Bar. 1847—50); Darwin, Das Variieren der Tiere
und Bilanzen im Zuftande ver Domeftikation (deutich
von Carus, 2 Boe., Stuttg. 1868; 2. Aufl. 1873);
Buchner, Die Macht der — (2pj. 1882);
Brool3, The law of heredity (Baltimore 1883);
€. Rotb, Thatfahen der Vererbung (2. Aufl., Berl.
1885); Ziegler, Können erworbene Eigenfhaften
vererbt werden? (Jena 1886); Galton, Natural in-
heritance (2ond. 1889); derj., Hereditary genius
(2. Aufl., ebd. 1892); MWeismann, Das Keimplasma.
Eine Theorie der Vererbung (Jena 1892); deri.,
Auffäge über Vererbung (ebd. 1892); Haade, Ge:
ftaltung und Vererbung (2pz. 1893); Rhode, Ent:
ftebung und Vererbung ermworbener Eigenſchaften
Jena 1895); Ribot, Die E. (deutih von Aurella,
3.1895); ®oette, liber Vererbung und Anpaflung
(Rektoratörede, Straßb. 1898); Kaſſowitz, Allge:
meine Biologie, Bd. 2: Vererbung und Entwidlun
(Wien 1899); J auch die Litteratur zu rer x
Über €, oder Heredität im ubulio ogiſchen
und pathologiſchen Sinne ſ. Erbliche Kranlhei—
ten; über E. im juriſtiſchen Sinne ſ. Vererblichkeit.
Erblindung, ſ. Blindheit.
Erblofung, Art des Retraktes (ſ. d.).
Erbmarſchall, j. Erbämter und Erzmarſchall.
Erbmonardhie, j. Erbfolge.
Erbpadjt, Erbzinsleibe, eine der Formen
des fog. geteilten Eigentums. Sie gewährt ein
erblihes und veräußerliches dingliches Nugungs:
recht an Grundftüden, namentlib an Bauern:
gütern, und ſteht meift Fällen der röm. Emphyteuſe
18) ehr nahe. Der Erbpäcter (Erbzjinsmann,
rundbolde, Erbmeier) bat jährlib einen *
Kanon, d. i. eine Geld: oder Körnerabgabe, außer:
dem regelmäßig bei jedem Befipiwechrel ein Lau⸗
demium oder Mortuarium an den Örundberrn zu
entrichten. Bei der Begründung einer neuen E.
pflegt der Erbpächter eine gemifje Anzahlung, das
Erbbeitandgeld (I. Grobeltand) zu leilten. Der
Grundberr bat bei Veräußerungen in der Regel
das Vorlaufsrecht; Berpfändungen und Teilungen
lönnen nur mit feiner Zuftimmung vorgenom:
Erblindung — Erbprinz
men werden, und bei Deterioration des Gutes,
ſchlechter Wirtſchaft des Erbpädhters, längerer Ber:
fäumnis der Zinszablung kann er das Gut zurüd:
ziehen. Die in der Geſeßgebung ſeit einem Jahr—
hundert vorberrjcende indivibualiftifch : liberale
Strömung führte in mandyen Staaten in Zuſammen⸗
bang mit der Bauernbefreiung zur Befeitigung der
E. und aller andern Arten des geteilten Eigentums,
So hob insbefondere das preuß. Geſetz vom 2. Mär;
1850 das Eigentumsrecht des Grundberrn ohne
Entihädigung auf, verlieh dem Erbpächter das volle
Eigentum, indem die auf dem Grundjtüd baftenden
beftändigen Abgaben und Leijtungen in ablösbare
Reallaften umgewandelt wurden, und bejtimmte
ferner, daß in Zukunft bei erblicher Überlafjun
eined Grundftüds nur die Übertragung des vol:
len Eigentums zuläffig fei, daß die Ablösbarleit
der Renten nie Hr länger als 30 Jahre vertragd:
mäßig ausgeſchloſſen werden, aud deren Ablöjungs:
betrag das Funfundzwanzigfache der Rente nicht
überfteigen dürfe. Ebenſo Ichließt die franz. Ge
Isacbung eine eigentlihe €. aus, wenn fie auch
Pachtver ie von langer Dauer — In
neuerer Zeit iſt in Deutſchland die Wiedereinfub
rung der E. vielfadh empfohlen worden als ein Mit:
tel, um den Bauern: und Kleingrundbeſitzerſtand
namentlich in den Gebieten dftlich der Elbe zu meb:
ren und bisher unbebauten Moor: und Heideboden
in ertragsfäbhige Aderländereien umzugeſtalten
Man konnte dabei auf die nicht unbefriedigenden
Ergebnifje derjelben in Medlenburg- Schwerin If.
Domänen), in den Moorkolonien von Hannover
und Oldenburg, in Holland (mo die €. unter dem
Namen Beklemmrecht namentlich in der Provinz
Groningen von Bedeutung ift) und in andern Län:
dern verweilen. Die E. bietet für die Zmede der
innern Rolonifation den Vorzug, daß fie den Erwerb
eines dauernden Beſihes mit einer verhältnismäßig
Heinen, etwa nur den Gebäubemwert repräjentieren:
den Anzahlung, ja fogar ohne eine ſolche geitattet
und dem Grundberrn eine Handhabe bietet, Zei:
lungen und d plitterungen der neu errichteten
Stellen zu verhindern. Andererſeits ſchließt aber bie
E. die Gefahr der Auferlegung ſchädlicher Beichrän:
kungen in der Benußung der Grundftüde ſowie der
Enttebung bedenklicher jocialer Abhängigteitäver:
bältnifje in ſich. Aus dieſem Grunde ift in Breußen
die Wieberzulafiung der E. abgelehnt und ftatt der:
elben zur Förderung der innern Rolonifation das
ftitut des Rentengutes (ſ. d.) 1890 neu belebt
worden; dieſes befist alle Vorzüge der E., vermei:
det aber im wejentlichen deren Nachteile. In Rüd:
fiht auf die befondern Verhältniſſe Medlenburgs
iſt nah Einführungsgefes zum Bürgerl. Gefegbud
Art. 63 das Landesrecht über E., wo fie beitebt, auf:
recht erhalten. — Vgl. Ruprecht, Die €. (Gött.1882);
Artikel Erbpaht im «Handmwörterbuh der Staats:
wijlenicaften», Bd.3 (2. Aufl., Jena 1900); Mitteis,
Zur Geſchichte der E. im Altertum (Lpz. 1902).
Erbprinz, ein Titel, welden in den beutichen
Herzog: und Fürftentümern der ältefte, zur Thron:
folge berechtigte Sohn des Souveräng führt; aud
dem zur unmittelbaren Thronfolge berechtigten
älteften Entel des Souveränd wird diefer Titel beis
gelegt. Dagegen pflegen andere Agnaten, wenn fie
die nächſte Ynwartf aft zur Thronfolge nur des:
balb haben, weil Dejcendenten oder näbere Agna⸗
ten nicht vorhanden find, diejen Titel nicht zu Füb-
ren. Auch der ältejte, erbberechtigte Sohn der me:
Erbprinzenfrone — Erbrecht
vatiierten, ehemals reich3unmittelbaren deutfchen
Färftenhäujer wird E. genannt. Die Gemahlin
eines E. beißt Erbprinzefjin. — In denjenigen
Etaaten, deren Souverän den Titel Raifer oder
König führt, heißt der E. meift Kronprinz (f.d.),
in den Großberzogtümern Erbgroßherzog, wä
rend erin Kurfürjtentümern früber Kurprinz hieß.
Erbprinzenfrone, j. Kronprinzentrone.
Erbrechen (Vomitus), die jtoßmeife Entleerung
des Hüifigen ug wer nah oben durd den
Schlund und die Mundöffnung, während man das
Auffteigen des gasartigen Mageninhalts durch die
Speijeröbre als Aufftoßen (f. d.) bezeichnet. Ein:
eleitet wird das E. in der Regel durd das Ge:
[des Gtels (ſ. d.), Zufammenlaufen von Speichel
im Munde, Ausbreden von Schweiß; das Geficht
wird blaß, ein Gefühl von Schwäde verbreitet
nch über den np Örper, und der Puls wird
Hein und beichleunigt. Endlich ziehen ſich die Bauch⸗
muzsteln und das Zwerchfell ftark zujammen, und
mit größerer oder geringerer Anjtrengung wird
alles ausgeworfen, was der Magen entbält, zu:
erft die — Speiſen und Getränke, dann
Schleim aus Magen und Speiferöbre, endlich Galle,
die aus dem Zmwölffingerdarm hberübertritt und
durch ihren grünen Farbjtoff dem Erbrocenen eine
arüme Farbe erteilt, und oft aud der Schleim aus
der Quftröbre und den Lungen, in Krankheiten aud
mancderlei abnorme Stoffe, z. B. Blut S. Blut:
Streben), Kot (f. Miferere), eigentümlihe Pilz:
zmen (f. Sarcine), Eingeweidewürmer u. dg
ft das E. vorüber, fo jtellt fih Mattigteit und
chlaf oder, war die Anjtren —— ſehr be⸗
deutend, bald das vorige Wohlbefinden wieder
ein. Die Urſachen des €. find verſchieden. In der
erjten Kinpbeitsperiode ift es infolge der mehr fent:
rechten Lagerung des Magens faft normal und
obne alle Beſchwerden, jowie bei manden Tieren
das €. eine normale Rebenäverrihtung ift 4.8.
das Ausbrechen des Gemwölles bei manden Raub:
vögeln). Der Säugling entfernt das libermaß der
—— Milch durch ein dem Aufſtoßen ähn:
laches, mübelojes Brechen. Das krankhafte E. ent:
ſteht entweder durch Reizung des Magens, beſonders
bes untern Magenmundes, z. B. durd fberfüllung
des Magens, durd in den Magen gebrachte Gifte
oder Reizmittel (j. Brechmittel), durch Entzündun
oder Geſchwure des Magens, Magenkrebs, dur
Berengerung des Magenausganges, des Darms
u.f.m., oder durch eine vom Gehirn ausgehende
tranfbafte Erregung (3. B. bei Schwindel, heftigem | über
Kopfſchmerz, Himerjhütterung, ———————
dung, in Anſchluß an Nartofen, z. B. bejonders mit
Ebloroform oder Ülther, bei der Seetrantheit und
andern ſtarl jhaufelnden und drebenden Bewegun⸗
)auf refleltoriſchem Bege(f. Reflererfcheinungen),
onders vom Schlund und Zäpfchen aus (menn
man den Finger in den Hals ftedt oder das Zäpfchen
mit einer Feder ligelt), und bei Leiden anderer
Organe, am bäufigiten der Leber, der Nieren, der
Gebärmutter (namentlid das E. der Schwangeren)
und des Bauchfells, oder pſychiſch durch die Ein:
wirfung efelerregender Vorftellungen und gr
Gemütserregungen. Aberaus hartnädiges €. findet
fih bei der Bright ſchen Kranlheit (j. d.) als Aus:
drud der broniichen Hamitojivergiftung oder Urä:
mie. Pillfürlid können mande, namentlich hyſte⸗
riihe Berfonen, durch Verihluden von atmoiphäris
(ber £uft €. beroorrufen.
—
neben äußerlich auf die
115
‚Vie Bebandlung des €. ift je nad) der vor:
liegenden Grundurfache verſchieden. Wo der ei
gereizt ift, pafien nah Umftänden: das Berfchluden
von kaltem Waſſer oder Eisftüddhen, von kohlen⸗
fäurebaltigen Getränten (Braufepulver, Soda: oder
Selterwafler, mitunter Champagner), im Notfall
Nartotita (z. B. Opium, Belladonna, Bittermandel-
waſſer, Nux vomica in fehr geringer Dofis), das
i Ragengegend talte Um:
„la enfteige oder Ginreibungen mit Senf .
iritus. In andern Fällen find ätherijch:ölige
ittel (3. B. Kamille, Baldrian, Bomeranzen, auch
—*** Kaffee) oder zuſammenziehende Stoffe
(4. B. Gerbſäute, Kreoſot, Wismutweiß) oder fäure:
tilgende Mittel (z. B. doppeltkohlenſaures Natron,
Magneſia) angezeigt. Erfolgt das E. nur mit gro:
ber Anftrengung, fo kann man es dur Trinten von
warmem Wafler oder Kamillenthee ſowie dur rot:
tieren der Magengegend zu befördern juhen, Wenn
das E. vom Gehirn ausgeht oder jehr ſchnell wieder:
kehrt, J —— Lage, körperlihe und geiſtige
Ruhe, Duntelbeit u. ſ. w. am beiten. Wenn Gefunde
plöglich von heftigem E. befallen werden, vente man
zunächſt immer an Bergiftung oder Brucheinflem:
mung. Das bei Schwangern Kiuhor koztuäige €.
erfordert nur dann einen ärztlihen Eingriff, wenn
die Ernährung der Mutter darunter leidet. Häufig
widerſteht es der ärztlichen Kunſt, und ed muß dann
in befonbers heftigen Fällen —— tunſtlichen
eburt geſchritten werden. — gl Janowſti, Phy⸗
iologie und allgemeine Pathologie des E. (Lpz.
1902); derf., Allgemeine Semiotil des E. Jena 1908).
Erbrecht, einerſeits die Rechtsgrundſäte, nad
welchen der Übergang der durd den Tod eines
Menſchen nicht erlöfhenden vermögensrechtlichen
Rechtsverhaältniſſe, in welchen der Verftorbene ala
Berechtigter oder Verpflichteter ftand, auf einen ans
dern fich vollzieht; andererfeit3 das Recht einer ben
Erblafjer überlebenden Berfon, ihn zu beerben oder
das Recht dedjenigen, der Erbe geworben ift, auf
die Gejamtheit des Naclafjes. 3 €, berubt au
folgendem Örundgedanten: Der Einzelne alö end:
lie, vergängliche Perſon findet durch den Tod fein
Ende. Dieje Perfon ala Individuum und alle nur
mit der —* — enge Rechte und
Pflichten, z. B. viele * iche Rechte, aber auch
die familienrechtlihen fugniſſe, hören mit dem
Tode auf. Die vermögensrechtlihen Rechtsverhält⸗
wir aber bleiben, von gemwiffen Ausnahmen ab:
gejeben — und gehen auf andere Perſonen
ber. der usgangspuntt der Vererbung ift einer:
feitö, daß das, was der Erblafler an Vermögens:
rechten erworben bat, mit en Tode nicht ala
berrenloje Gut ins Freie fällt, fondern den *
am naͤchſten ſtehenden Perſonen, alſo ſeiner Familie,
oder dem, welchen er durch die ung ala Er:
ben als ven ihm am nädjten Stehenden bezeichnet
— verbleibt. Er hat, was er hinterläßt, mittel⸗
r für dieſe Perſonen erworben, wie ein ſorgſamer
Hausvater jür ſeine Kinder ſpart. Andererſeils muß
ſeinen Gläubigern das Recht verbleiben, ſich aus
dem Nachlaß zu befrievigen. Beides ift eine Konjes
quenz aus der Anerfennung des Privateigentums
ald einer Grundlage unjerer rechtlichen Einrihtuns
gen. Deshalb wenden fih aud die Socialiften, die
dad Privateigentum anfechten, mit bejonderer
Schärfe gegen die Fortdauer des 6. (S. Eigentum.)
Nach allen in Deutſchland geltenden Rechten tom:
men Bermögensgegenftände vor, über welche in ber
8*
ſchlaͤge,
116
Regel letztwillig nicht verfügt werben kann, z. B.
Leben, Fiveilommiffe u. f. wm. Auch dieſe Ber:
mögensgegenftände unterliegen nicht dem freien Zu:
rifte, jobald derjenige, welchem der Gegenftand ge
drte, verftorben ift; fie find aljo aud einem E.
unterworfen. Allein einmal tritt infoweit eine Ge:
ſamtrechtsnachfolge, alfo eine Haftung für Die Schul:
den des legten Beſihers, nicht oder nur mit Beſchrän⸗
hingen ein, und dann wird der Rechtsnachfolger
.na —— Vorſchriften beſtimmt oder iſt im
voraus beſtimmt (successio ex pacto et providentia
majorum), d. h. der Lehnsnachfolger, welcher nicht
Nahlomme des legten Beſitzers ift, und der Fidel:
tommißnadfolger beerben nicht ben legten rer
ober ideilommißbefiger; fie erhalten das Lehns⸗
oder Sibeilommißvermögen aus der Zuwendung des
— *— Stifters oder erſten erbers.
ur Geſamtrechtsnachfolge berufen fei, bes
timmt ſich entweder auf Grund der Gejeglichen Erb:
olge (f. d.) oder nach der Verfügung des Erblafjerd
von Todes wegen, mag dieſe eine eine, ein Teita-
ment (f. Leptwillige Verfügung und Bürgerl. Geſetzb.
. 1937) oder ein Erbvertrag (j. d.) fein. Neben dieſen
rufungsgründen kommt, ſoweit gewiſſe Perſonen
als Erben eingeſezt werden müſſen, das Noterbrecht
ſ. Noterben und Enterbung), ſoweit gewiſſen Ber:
onen nur ein gewiſſer Betrag hinterlaſſen werben
muß, das Pflichtteilörecht (f. Pflichtteil) in Frage.
Die Rechtsnormen des €. beichränten fich nicht
auf die Geſamtrechtsnachfolge und deren Grund.
Sie umfajjen aud den Erwerb der Erbichaft (f. Erb:
ſchaftserwerb und Erbteilung), die ——
durch Vermächtnis, die Lehre vom Teſtamentsvoll⸗
—5 von der Erbbeſcheini rn und dem Erb:
chaftslauf. — Bol. Koepven, Gebr uch des heutigen
römijhen €. (3 Abteil., Würzb. 1886—95); Schir:
mer, Handbuc des römiſchen E. (Lpz. 1863); Unger,
Das diterreihiihe E. (4. Aufl., ebd. 1894); Zürn,
Handbud des preußiihen E. (Berl. 1892); Artitel
Erbrecht im «Handmörterbub der Staaiswiſſen⸗
ihaften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); Gerber,
Syſtem des Deutſchen Privatrechts (17. Aufl., bear:
beitet von Coſack, Jena 1895); Strobal, Das
Deutſche E. auf Grundlage des Bürgerl. Geſehbuchs
(2. Aufl., Berl. 1901); Böhm, Das E. des Bürgerl.
Geſetzbuchs (2. Aufl., Hannov. 1900); Hallbauer,
Das neue Erbichaftärecht des Bürgerl. Geſetzbuchs
Lpz. 1900); Borderdt, Das E. und die Nachlaß:
handlung nad den geltenden Reichs⸗ und Landes»
gelegen (3 Bde. Bresl. 1899— 1901).
Erbrezef, ſ. Erbteilung.
Erbrichter, ein Richter, defjen Amt ein erb:
licher Beſitz iſt (j. Erbgerichtäbarteit); dann aber auch
wie Richter vielfab den Schulzen bezeichnet, der
Erbſchulze, aljo ver Ortävoriteber, welcher fein
Amt kraft des ererbten Erbſchulzenguts (Erbrichter:
lebng) ausübt. (S. Schulze.) Die Einrichtung iſt in
Deutſchland durch die Gejeßgebung dieſes Jahrhun:
dertö bejeitigt, in den ditl. Provinzen Preußens
erit durch die Kreißorbnung vom 13. Dez. 1872.
Erbichaft, in der Rechtsſprache das Bermögen
des Erblaſſers, welches ala Ganzes auf den Erben
übergebt. $. 1922 des a Geſetzbuchs fagt:
«Mit dem Todeeiner Perſon (Erbfall) gebt deren Ber:
mögen (Erbſchaft) ald Ganzes auf eine oder mehrere
andere Berjonen (Erben) über.» Die E. umfaßt die
Rechte und die Verbindlichleiten des Verjtorbenen.
Man jpriht auch von E. zur Bezeichnung der recht:
lien Stellung, in welder der Erbe ſich befindet,
Erbrezeß — Erbichaftserwerb
3. B. «die E. wird verlauft», «jemand bat eine E. ges
macht». Endlich wird der Ausdrud E. auch verwendet,
um das Recht, Erbe zu werben, zu bezeichnen, 3. B.
jemand bat Ausficht auf eine E,
Neben dem Worte E. wird nicht felten für die
Geſamtheit der einzelnen Stüde oder Beitanbdteile
des Vermögens des Erblaſſers, ſowohl der al:
tiven als der paffiven, wenn eine Beziebung auf den
Erben nicht in Betracht fommt, der Ausdrud Ber:
laſſenſchaft oder Nachlaß gebraudt. Wo es ſich Da:
gegen um das Verhältnis des Erben zu dieſer Ber:
mögensmafle — bedient man ſich des Aus:
druds €. (z.B. Oſterr. Bürgerl. Geſetzb. 88. 531,
532). Jedoch ift die Geſetzesſprache nit immer
genau in der Unterſcheidung, 3. B. beim Gebraud
der Worte Erbichaftsgläubiger und Nachlaßgläu—
biger. — Die Eivilprogekorbnung ſpricht im $. 27
von einem Gerichtsſtande der E. Zuftändig ift das
Gericht, bei welchem der Erblaffer zur Zeit ſeines
Todes den allgemeinen Gerichtsſtand gebabt bat.
ar diefem Gerichtäjtande können aud Klagen der
ahlaßgläubiger aus Anſprüchen an den Erb»
lafjer oder die Erben als foldye erhoben werben unter
den dort angegebenen Vorausfegungen, außerdem
Klagen, welche Erbrebte, Anſpruche aus Vermächt⸗
niſſen oder jonftigen Verfügungen auf den Todes:
fall oder die Teilung der E. zum Gegenſtande baben.
Nubende €, (Hereditas jacens) heißt die E., für
welde ein Erbe desbalb noch nicht vorbanden ift,
weil ed nad dem geltenden Rechte zuvor einer Erb:
——— (j. Erbſchaftserwerb) bedarf, oder
weil eine mwirtiame Erbſchaftsberufung noch nicht
vorliegt, 3. B. nach Gemeinem Rechte im Falle einer
auficiebend bedingten Erbeinfegung (j. Erbe). Für
die rubende €, war nab Gemeinem Rechte ein
Pfleger (curator) zu beftellen, ob ſtets oder nur in
den in den röm. Rechtsquellen bejonders erwähnten
Fällen, ift ftreitig. — Für die Rechte, nach denen
der Erbſchaftserwerb kraft Geſetzes eintritt, giebt e#
feine rubende E.; wohl aber Fürforge des Nachlaß:
gerichts (event. Aufitellung eines Nachlaßpflegers),
wenn der Erbe unbelannt oder wenn ungemwiß ift,
ob er nicht ausſchlug, oder wenn ſonſt ein Bedurf⸗
nis bejtebt, folange die €. nidt angenommen ift
(Bürgerl. Gejekb. 8. 1960).
Gegenübergeitellt wird im röm. Rechte Hereditas
und Bonorum possessio (f. d.).
Grbfchaftdanfprud, ſ. Erbſchaftsklage.
Erbſchaftserwerb, der —— der Erb⸗
chaft auf den durch Geſeß oder leßztwillige Ber
gung (Teſtament) oder Erbvertrag zum
berufenen Erben, welcher den Erblaſſer überlebt
bat. Doch giebt ed au Fälle, in melden das Recht
auf den Erwerb und jelbjt von jolden Perſonen,
welche vor dem Erblaſſer verjtorben find, auf andere
Perſonen — (S. Transmiſſion, rechtlich.)
Bezuͤglich des E. gr es zwei Spjteme; nad dem
einen tritt der E. ohne Zuthun des Erben ein mit der
Berufung (Anfall der Erbihaft), doch verbleibt
dem Erben das Recht, die ermorbene Erbſchaft ins
nerbalb geſetzlich bejtimmter Friſt wieder aus zu—
84 Das gilt nach Gemeinem Recht wenig⸗
ſtens bezüglich der sui, d. h. der Abkommlinge des
Erblaſſers, die ſich bei deſſen Tode in ſeiner väter:
lihen Gewalt befunden haben oder befunden haben
würden, wenn jte jhon geboren geweſen wären,
allgemein nah Preuß. Landrecht, nad) franz. Recht
für die gefekliben Erben und für die durch Teſta—
ment oder Vertrag Berufenen, ſofern den legtern
Erbſchaftsgebühren — Erbſchaftskauf
nicht Vorbehaltserben gegenüber ſtehen Ver eivil
124, 1006). E3 galt im Mittelalter über aupt nad
dem Grundſatz: Le mort saisit le vif (frz., d.1.: Der
Zote ergreift den Lebenden). Auch das Bürgerl.
Geiegb.$.1942 hat fich dafür entſchieden. Es jpricht
bierfür namentlich, da —— ſelten Erb⸗
Yhatten ausgeſchlagen werden und Nachlaßglãubiger
und Sculoner fo leicht willen, mit wem Te gültig
verhandeln fönnen. Die Ausſchlagungsfriſt beträgt
6 Wochen jeit Kenntnis des Anfall3 und des Grun:
des der Berufung (Tejtament, Erbvertrag, Geieh),
6 Monate, wenn der Erblaſſer jeinen legten Wohn:
fig nur im Ausland hatte oder wenn der Erbe bei
Beginn der Friſt fih im Ausland aufhält ($. 1944).
Der Erbe ijt, während die Ausihlagungsfrift läuft,
nicht gehindert, erbſchaftliche Gejhäftevorzunehmen.
Cine ſtillſchweigende Nihtausihlagung läßt ſich
bieraus leineswegs ohne weiteres ableiten. Schlägt
er demnädjt aus, fo bleibt er wie ein Geſchäfts—
führer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet
($. 1959). Annahme und Ausihlagung fünnen
nicht bedingt oder unter einer Zeitbeitimmung und
nicht bloß auf einen Teil erfolgen ($$. 1947 u. wre
Annahme und Ausihlagung können erft nad Er
fall jtattfinden. Mit Ablauf der Frift gilt die Erb:
Schaft als angenommen ($. 1943). Der Fislus fan
Die ibm als —— rben angefallene Erbſchaft
nicht ausſchlagen ($. 1942).
Nah dem andern Syitem wird der zum Erwerb
Berufene nur Erbe, wenn er Erbe fein zu wollen
erllärt (Antretung der al aditio here-
ditatis) oder wenn er fih durch jolhe Handlungen,
melde fi nur in diefem Sinne veriteben laſſen, ala
Erbe zeigt (pro herede gestio). Der Erbe kann alfo
die Erbiaft antreten oder ausſchlagen. Diejes
Spitem gilt nad Gemeinem Recht für andere Ber:
fonen als die sui, ferner nach Code civil in andern
al3 den oben bezeichneten Fällen und nah Öfterr.
Bürgerl. ip $. 547. Nah beiden Syitemen
it die Ausſchlagung (abgejehen von der Aus:
ichlagung der sui, die noch in drei Jahren zurüd:
genommen werden kann), nad dem zweiten auch
die einmal erllärte Erbſchaftsantretung (abgejehen
etwa von_einer Wiebereinjegung [f. d.] in den
vorigen Stand) re uch nah dem
eriten Spitem ſchließt die innerhalb der Frift abge:
gebene Erllärung, Erbe jein zu wollen, das Recht
der Ausſchlagung aus. Für die Erklärung der An:
nahme oder der Ausſchlagung ijt nah Gemeinem
Recht keine Form vorgeichrieben, nach Preuß. Land:
recht muß die Ausjhlagung vor Gericht oder in
notariell beglaubigter, eigenhändig unterjchriebener
Urkunde, nad Code civil 784 zu gerichtlihem Bro:
totoll, nad dem Bürgerl. Geſeßb. ($. 1945) vor
Rachlaßgericht in öffentlich beglaubigter Form er:
Härt werden. Ausidhlagung und Antritt werben
auf die Zeit des Anfalld der Erbſchaft zurüdbezogen,
fe daß ım Fall des Antritt3 der rb ala ſchon
beim Anfall gemadt, im Falle des Ausſchlagens
der Anfall als niemals erfolgt gilt ($. 1953).
Eine Erbſchaft kann derfelben Perſon aus meb;
ren Gründen anfallen. Nah Bürgerl. Geſetzbuch
lann bier, mer durch Verfügung von Todes wegen
md Gefeß berufen iſt, als eingefehter Erbe aus:
ihlagen und als gejeblider annehmen, wer durch
Seftament und Erbvertrag berufen ift, aus dem
einen Berufungsgrund annehmen, aus dem andern
uöldlagen ($. 1948). Nach Öfterr. Bürgerl. Geſetzb.
1.398 gilt Ausfchließung von der geſeßlichen Erb:
117
folge, wenn aus dem Tejtament entjagt wird. In
einem gewiſſen Zufammenhange mit dem E. ſteht
die frage, ob und inwieweit der Erbe eigenmäd:
tig von dem Nachlaß Befis ergreifen fann. Wäl
rend für das Gemeine Recht in diefer Hinficht Bes
ihräntungen nicht beitanden, beſtimmten einzelne
Rechte, dab der Erbe ſich ftetö gegenüber dem Nach—
laßgericht als Erbe auszumerjen habe, und daß
ihm der Nachlaß, erſt nachdem dies gegeben , von
dem Gericht ausgehändigt werde. Auf ähnlichem
Boden ſteht das öjterr. Necht, welches davon aus:
gebt, dab das Erbrecht vor Gericht verhandelt und
von dem Gericht die Einantwortung des Nachlaſſes
bewirft wird, daß alfo ver Rachlaß nur dem rechten
Erben auögefolgt wird, aber aud nur der reine
Rachlaß, d. h. frei von Schulden und Lajten. Andere
Rechte lajien den Nachlaß teils regelmäßig, teils
nur in gewilien Fällen verfiegeln (obfignieren) oder
fogar inventarifieren, insbeſondere wenn der
unbelannt oder abweſend oder mindberjäbrig ift, oder
ſich nicht meldet. Hierzu gehört namentlich der Code
eivil (Art. 819), dem überdies eine gerichtliche Eins
weiſung in gewiſſen Fällen belannt ift (Art. 724,
770, 773, 1007, 1008). Aud wird zum Zeil vorge:
chrieben, e3 müſſe ſtets ein Berrahren vor dem
achlaßgericht jtattfinden, falld das Inventarrecht
geltend gemacht wird. Nad dem Bürgerl. Gejekb,
. 1960 findet eine amtlihe Verlaſſenſchafts⸗
ehandlung nur in befondern Fällen ftatt, indem
das Nahlafgericht für Sicherung des Nachlaſſes,
foweit ein Bedürfnis —* nur dann zu ſorgen
hat, wenn der Erbe die Erbſchaft noch nicht ange—
nommen bat oder wenn er unbelannt oder wenn
ungewiß ijt, ob er angenommen bat. Wegen der
— vgl. 88. 72—74 des Geſetzes über die
iwillige Gerichtsbarfeit.
Menn der, dem die Erbfchaft kraft Teftamenta
als Alleinerben angefallen ift, ausfchlägt, jo wird
nah Gemeinem Recht das Teftament in der Regel
unwirkſam (destitutum), indeſſen giebt es gemilie
Ausnahmefälle (f. Transmiffion, rechtlich); find
mebrere Erben eingefekt, jo tritt Anwachſung (ſ. An-
wachſungsrecht) ein, jofern ein Erjagerbe nicht bes
zeichnet ift; in Ermangelung eined folhen und
eined Miterben fällt vie Erbſchaft an ven gefelichen
Erben. Iſt e3 ein geſetzlicher Erbe, der ausſchlügt
fo fällt die Erbfhaft nad) einigen dem Fiskus, nad
andern den folgenden ge en Erben an, foweit
nicht auch bier Anwachſung —— In An⸗
ſehung des suus, für welchen der Erbſchaftsantritt
erforderlich iſt, wird es rechtlich ſo angeſehen, als
wenn er — nicht Erbe geworden wäre. Nach
Buͤrgerl. — 1953 fällt die Erbſchaft dem an,
der berufen jein würde, wenn der eg rg zur
Zeit des Erbfalld nicht gelebt hätte; der F gilt
al3 mit dem Erbfall erfolgt. Das Nachlaßgericht
bat diefem den Ausſchlag mitzuteilen. — Der Code
civil Art. 785 bejtimmt, der Ausfchlagende fei jo
anzufeben, als wäre er nie Erbe geworden.
tbichaftögebühren, ſ. Erbihaftäfteuer.
Erb 2 gelb, ® oß.
Erbf auf. Zum es] einer Erbſchaft
ift der berechtigt, dem eine Erbſchaft angefallen ift.
ah Gemeinem Recht, Code civil Art. 1696 fg,,
Oſterrt. Geiebb. 8. 1278 fg. und dem Bürgerl. Gejebb.
8.2374 bat der E. die Bedeutung, daß der Verkäufer
die einzelnen zur Erbichaft gehörigen Gegenitände
dem Käufer zu übertragen bat, die Sachen zum
Belik und Eigentum, die Forderungen durch Abtre-
118
tung. Someit der Erbichaftöverkäufer vor dem €.
zur Erbſchaft gehörige Gegenftände veräußert, For:
derungen eingezogen bat, muß er dert Käufer den
Wert gewähren. Familienpapiere und Familien-
bilder gelten im Zweifel nit mitverfauft
($. 2373). Dagegen ijt der Käufer dem Verkäufer
verpflichtet, die Erbſchaftsſchulden zu bezablen, bie
Erbihaftslaften zu übernehmen, jo daß —— den
Vertragſchließenden dasſelbe Reſultat berbeizufüh:
ren iſt, wie wenn ber Käufer Erbe geworden wäre.
Der Erbichaftsverkäufer haftet für die Entwährung
(f. d.) einzelner Erbſchaftsſachen nicht, wenn er in
diejer Beziebung feine Garantie übernommen bat.
Dagegen bat er für den Beftand bes Erbrechts ein:
aufteben, auf deſſen Grund er veräußert bat (Bürgerl.
Geſetzb. 12000). Die Erbihaftägläubiger verlie:
ren ibre Rechte gegen den Verkäufer nicht, fie kön:
nen fih aber aud unmittelbar an ven Erbjcdafts:
fäufer halten $ 2382). Die Erbihaftstlage (f. d.)
egen dritte Perfonen und die Klagen gegen den
iterben jtehen dem Käufer nach Gemeinem Recht
ohne weiteres zu; nah dem Bürgerl. Geſetzbuch
müjjen F ihm abgetreten werden. Eine beſondere
orm iſt für den E. nur in dem Bürgerl. Geſetzb.
(8. 2371) vorgeſchrieben und zwar die der gericht:
lichen oder notariellen Beurfundung. Ein Miterbe
tann feinen Anteil am Nachlaſſe unmittelbar ver:
faufen, d. b. ohne bejondere fibertragung der einzel:
nen Gegenjtände (Bürgerl. Geſeßb. $. 2033).
Erbichaftöflage (lat. Hereditatis petitio),
A (jo das Bürgerl. Gejepb.
88. 2018 fg.). Da der Erbe alle die Nechte, welche
zum Vermögen des Erblaſſers gehören, ebenſo bat,
wie fie der Erblajjer hatte, fann er —— aus ſol⸗
chen Rechten fo anſtellen, wie fie der Erblaſſer hätte
erbeben können, 3.8. Sachen, welche fih im Befik
dritter Perfonen befinden, aber dem Erblaſſer ge:
—— von dieſen mit der —— Vindi⸗
ation) abfordern, die Kaufklage auf Leiſtung der
dem Erblaffer vertauften, aber nicht gelieferten
Ware erheben. Das find die fog. erbſchaftlichen
Singular:(Einzel:)Hagen. Behaupiet aber der dritte
Befiger von Erbſchaftsſachen oder der Befiker des
anzen Nachlaſſes, ſelbſt Erbe zu fein, fo kann der
rbe gegen ihn aud einen Gejamtaniprud (eine
Geſamtklage) auf Herausgabe alles deſſen, was er
auf Grund des vermeinten Erbrechts vom Nachlaß
innebat, erheben, wenn dies aud nur eine einzelne
Sache iſt. Dies ift die €. Es kann damit z. B. die
gablung einer Schuld verlangt werden, wenn der
tagte behauptet, von Zahlung derjelben dadurch
befreit zu fein, daß er ſelbſt der Erbe des Gläubi—
gers iſt. Im Gegenjag zum Gemeinen Recht, wo:
nad die E. auch gegen den gegeben it, der bloß
thatſächlich in die Erbſchaft eingegriffen bat, ge
währt das Bürgerl. Geſezbuch die E nur gegen den,
der ein Erbrecht für fib in Anſpruch nimmt; wie
ed ih ausdrüdt: Der Erbe fann von jedem, der
auf Grund eines ibm in Wirklichkeit nicht zuſtehen⸗
ben Erbrechts etwas aus der Erbſchaft verlangt
(eö nennt diefen Erbſchaftsbeſitzer), die Her
auögabe des (jo) Erlangten verlangen. Gegen er:
tern ift der Erbe hinreichend auf Grund des Beſitz⸗
chutes geſchützt. Da nah $. 857 der Befik von
elbjt auf den Erben übergeht, hat der Erbe gegen
ben, der bloß tbatfählih in die Erbidaft ein:
pen immer die Beſißklage ($. 861) und den An—
pruc aus früherm Befiß ($. 1007). Nur die Ber:
pflihtung des Erbſchaftsbeſihers, dem Erben über
Erbſchaftsklage — Erbichaftsiteuer
den Beitand der Erbſchaft und über den Verbleib
der Erbſchaftsgegenſtände (duch Nachlaßverzeichnis,
event. durch Offenbarungseid) Auskunft zu geben,
ift auch dem auferlegt, der ohne Erbſchaftsbeſißer zu
fein, eine Sache aus dem Nachlaß in Befik nimmt,
ebe der Erbe den Beſitz thatſächlich ergriffen bat
($. 2027). Ebenſo ift, wer fih zur Zeit des Erbfalls
mit dem Erblafjer in häuslicher Gemeinſchaft be:
fand, verpflichtet, dem Erben auf Verlangen (event.
durch Offenbarungseid) Auskunft darüber zu er:
teilen, welche erbſchaftliche Geſchäfte er geführt bat
und was ihm über den Verbleib der Erbſchafts—
gegenftände befannt ift ($. 2028). Auf dieje Weife
iſt der Erbe leichter in der Lage, feitzuftellen, wie
weit ſich in anderer Hände Nachlaßſachen befinden.
— Dem Erbſchaftsbeſitzer wird gleichgeitellt, wer
von ihm die Erbſchaft durch Vertragerwirbt (8.2030),
und bann wird eine der E. analoge Klage einer für
tot erklärten Perſon gegeben, die den Zeitpunft, der
als Zeitpunkt ihres Todes gilt, thbatjählih über:
lebte, ſowie einer Berjon, deren Tod ohne Todes:
—— Unrecht angenommen wurde. Doch
iſt der Erbſchaftsbeſißer zur Herausgabe der —
rbſchaft gehörenden Sachen nur gegen Erſatz aller
auf die Erbſchaft gemachter Verwendungen (z. B.
Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten) ver:
pflichtet, ſelbſt wenn dieſelben nicht notwendig wa:
ren und der Wert der Grbichaft durch fie nicht mebr
erhöht ift. — Wie im Gemeinen Hecht ift ed dem
Ermeflen des Erben überlafien, ob er ven Erbſchafts—
befiger mit der E. oder mit den erbſchaftlichen Einzel
a in Anſpruch nebmen will. An ſich fönnte der
Erbſchaftsbeſiher dur den Gebraud der Singular:
Hagen, namentlih was den Erjaganjprud wegen
Verwendungen betrifit, der gegenüber der Eigen:
tumsllage nicht fo umfaſſend ijt (Erjaß nur der not:
wendigen Verwendungen, $. 994), in eine ungün:
ftige Rechtslage kommen, daber bejtimmt 8. 229,
da auch gegenüber dieſen Klagen die daftung
des Erbſchaftsbeſihers nad den Vorſchriften über E.
richtet. Die E. ee auf alles, was der Erbſchafts⸗
befiker aus der Erbichaft erlangt bat. Hierzu rechnet
auch, was er mit Mitteln der Erbichaft durch Rechts:
geihänt erwirbt ($. 2019). Selbjt der gutgläubige
bihaftsbefiger muß die gezogenen Nußungen famt
den Früchten herausgeben ($. 2020).
Im Gebiet deö Code civil, der ſich völlig der
Regelung der E. enthalten bat, hat die PBrarıs fie
eingeführt. — Das Hfterr. Bürger. Geſetzbuch be:
ſchränkt ji darauf, in den $$. 823, 824 die Zu:
läffigkeit der Klage auszufpreden und in Anfchun
ber bezogenen Früchte und der Verwendungen =
die Orundfäße der Eigentumsklage zu verweifen. —
Bol. Leinweber, Die hereditatis petitio (Berl. 1899).
Erbichaftöftener, eine Rechtsverlehrsſteuer,
die dann erhoben wird, wenn ein Vermögen wegen
beö Todes feines Bejikers in andere Hände über:
geht. Man unterjheidet die Erbihajtsgebüb:
ten, welche die mitteld Stempel oder in anderer
Form erhobene Vergütung für die ftaatlihe Mit:
wirkung bei der Nachlaßregulierung daritellen, und
bie eigentlihe E. Es iſt ohne Zweifel den finanz
wiſſenſchaftlichen Grundſatzen angemeſſen, daß bie
E. mit der Entfernung der Verwandtſchaft der
Erbenden einen jteigenden Prozentjak des über:
—— Vermögens bildet, der feinen Höchſtſaß
ei den mit dem Grblafjer gar nicht verwandten
Erben erreicht. Bermäctniffe und Schenlungen von
Todes wegen find entipredend zu behandeln. In
Erbſchaftsvermächtnis
den deutſchen Staaten beſtanden bis vor kurzem jebr
verſchiedene E., die in der neuern Zeit mehrfach
wirtiamer ausgejtaltet worden waren.
Durd Gejes vom 8. Juni 1906 ift unter Beſeiti⸗
* der einzelſtaatlichen E. eine Reichserbſchafts⸗
euer eingeführt, won deren Roheinnahme den
Einzelitaaten ein Drittel (bis Ende 1910 mindeſtens
ibre Durbihnitt3einnahme aus der E. während der
J. 1901—5) verbleibt. Die Einzelftaaten können
zur Reichserbſchaftsſteuer für eigene Rechnung Zu:
ſchlage und außerdem eine E. von beftimmten Ber:
mwanbtengruppen erbeben, die von der Reichäerb:
icaftsiteuer befreit jind, nämlich von Defcendenten
und Ebegatten und von den 10000 M. nicht über:
ſteigenden Erbichaften der Aicendenten und der uns
ebeliben anerlannten und der adoptierten Kinder
inebit deren Abtömmlingen). Außer diejen bleiben
von der Reichserbſchaftsſteuer unter anderm frei:
Alle Anfälle bis zu 500 M., weiter der Erwerb
von Kleidern und rt dmg. enftänden bis
zu 5000 M. für Geſchwiſter und elhwifterfinder,
Schwieger⸗ und Stiefeltern, Schwieger: und Stief:
finder, — leibliche Aſcendenten, falls der Erwerb
in Sachen beſteht, die ſie ihren Ablömmlingen durch
Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten;
weiter Anfälle bis zu 3000 M. für Berjonen, bie in
einem Dienjt oder Arbeitöverbältnis zum Erblaſſer
geitanden haben; jodann Anfälle an ———
tungen auf Grund eines in einer Verfügung von
Todes wegen beitchenden Stiftungsgeſchäfts; Ber:
mögensvorteile bis zu 5000 M. für inländifche
Kirchen, Stiftungen, Unterjtügungsanftalten u. dgl.
mäber bezeichneter Art. Steuerpflichtige Anfälle für
inländiihe Kirchen, Stiftungen, Unterjtüßungs:
anjtalten u. ſ. w. haben 5 Proz. zu zahlen. Im übrigen
iſt der normale Saß für jteuerpflichtige Erbichaften
4 Proz. für leiblihe Eltern, Geſchwiſter und
Geihmiiterablömmlinge 1. Grades; 6 Proz. für
fonjtige Ajcendenten, Schwieger: und Stiefeltern,
Schwieger: und Stieftinder, Gefhmifterablömmlinge
2. Grades, adoptierte jowie unebelihe anertannte
Kinder (nebſt Ablömmlingen); 8 Proz. für Ges
Ichmijter der Eltern und Verſchwägerte im 2, Grad
der Seitenlinie; 10 Broz. in fonftigen Fällen. Für
die mit 6, 8 und 10 Bros. belafteten Erben werden
bei einem Erbſchaftswert von über 20000 M., für
die mit 4 Proz. belajteten bei einem Wert von über
50000 M. nad) der Höhe des Erbichaftswertes Zu:
ſchlage zum Normaljage erhoben, derart, daß bei
Erbichaften von mehr ala 1 Mill. M. im ganzen das
2’, fabe des Normalſatzes zu zahlen if und für
geringere Erbidaften eine ſtufenweiſe Ermäßigung
des Zuſchlags eintritt. Für Schenkungen unter
Lebenden gelten entſprechende Vorſchriften.
In Oſterreich beträgt die Steuer bei Anfällen an
Aicendenten, Dejcendenten 1 Broz., von Seitenver:
wandten bi3 zum 4. Grad 4 Proz., ſonſt 8 Proz,
bei unbeweglihem Vermögen find die Säbe 2"),
5,9%, Proz. Durd Gejeg vom 31. März 1890
wurden einige Erleichterungen gefhaffen. Die fran:
söfiiche E. ift Durch die Geſetze vom 26. Febr. 1901
und vom 30. März 1902 neu geregelt. Sie erfaßt
jet mur den Nettobetrag der Erbſchaft, während
vorber ein Sculpenabzug nicht gejtattet war. Die
Stmerift abgeftuft nad) Berwandtihaftägraden und
nah der Gröbe der Erbihaft. Für die direkte Linie
herägt Die Steuer 1—2'% Proz., für Ehegatten 3°,
-1, fir Geſchwiſter 8’.—12, für Ontel, Tanten,
kim, Brüder 10—13',, für Großontel, Groß:
119
tanten, Großneffen, Großnicten und Geſchwiſter⸗
finder 12—15, für Verwandte 5. und 6. Grades 14
— 17), in allen andern Fällen 15—18'/, Proz. Die
Schenkungsſteuer ift nur nah Verwandtichaftsgra:
denabgeftuft und fteigt von 1,7 auf 13,5 Proz. — Eng:
land bat jeit 1894 nur nod 3 E. (früher 5), die eine
(Estate Duty) jteigend nach der Größe der Gejamterb:
maſſe (100 bi8 500 Pfd. St. 1 Broz., über 1 Mill. Pf.
St. 8 Proz., Vermögen unter 100 Pfd. St. fteuerfrei),
die beiden andern Ergänzungsfteuern hierzu, fteigend
mit der Entfernung der Verwandtichaftsgrade, die
Legacy Duty erhoben vom Kapitalwert des bemeg:
lihen, die Succession Duty erhoben vom Kapital
des unbeweglichen Bermögeng; beide zuſammen 1—
10 Proz. betragend; frei alle Erbſchaften bis zu
1000 Bid. St. und Aſcendenten und Defcendenten,
welche die Estate Duty zu entrichten haben.
Vol.von Scheel, E. und Erbrechtsreform (2. Aufl.,
Jena 1877); Eſchenbach, Grbrechtäreform und €.
(Berl. 1891); Labus, Das Erbſchaftsſteuergeſeß
vom 30. Mai 1873 (2. Ausg. 1891); Georg Meyer,
Lehrbuch des deutihen Berwaltungsrehts, TI. 2
(Lpz. 1894); Bartoszewicz, Die E. im internatios
nalen Recht (Lemb. 1899); H. Schmidt, Das bayr.
Geſetz über die E. in der Fafjung der Belannt:
madung vom 11.Nov. 1899 (Münd. 1900); Artikel
Sröidalishene im «Handwörterbuch der Staats:
wifjenichaften», Bo. 3 (2. Aufl., Jena 1900); Aron,
Das Reichserbſchaftsſteuergeſeß Cpz. 1906); Siber,
Klein und MWeegmann, Das Reichserbſchaftsſteuer—
geile vom 3. Juni 1906 (2. Aufl., Stuttg. 1907).
Erbſchaftsvermächtnis, Univerjalfidei:
fommiß, das einem Erben (und zwar Ru
einem * Erben als einem durch den Erb:
lajler Berufenen) oder einem diefem Gleichgeitellten
(Fiduziar, Vorerbe) auferlegte Vermächtnis, die
bihaft ganz oder zum Teil an einen andern
(Fideitommiffar, Nacherben) herauszugeben. Das
., zu unterjheiden von dem Vermächtnis einer
Erbichaft, welches meilt nur vorlommt, wenn der
Erblafjer die von ibm erworbene Erbſchaft eines
Dritten durch Vermächtnis zumendet, findet fich in
den Partikularrechten unter verfhiedenen Namen
(3. B. Erbanwartſchaft, Aftererbiegung). Im Öfterr.
ürgerl. Geſetzbuch heißt es ($. 608) fideilom:
mifjarifhe Subftitution, im Code civil (896)
Substitution, im Bürgerl. Geſebuch Einſetzung
eines TU BERFARNEER SE DEE AION. Das
legtere bejtimmt: wenn der Erblafjer —
habe, daß der Erbe mit dem Eintritt eines beſtimm—
ten Zeitpunktes oder Ereigniſſes die Erbſchaft einem
andern — — ſolle, ſo ſei anzunehmen, da
der andere als Nacherbe ne fei. liber die prak⸗
tifche Bedeutung des E., der Nacerbfolge, ſ. Erbe.
Nach den meijten geltenden Rechten kann das E., die
Nacerbfolge, nur für eine beftimmte Zahl von
Fällen eintreten, bald viermal, bald nur zweimal,
nad franz. Recht (Code civil 1048 fg.) und dem
Oſterr. Bürgerl. Gejesb. ($. 608) nur einmal. Auch
nad dem Bürgerl. Geſetzbuch joll der Nachlaß nicht
— unabſehbare Zeit durch Anordnung eines E.
ebunden und dem freien Verkehr entzogen ſein. Die
inſetzung des Nacherben ſoll 30 Jahre nach dem
Erbfall unwirkſam werden, wenn nicht vorher der
Fall der Nacherbfolge eingetreten ift, es müßte denn
die Nacherbfolge von einem beitimmten Ereignis in
der Perſon des Vorerben (Tod) oder des Nacherben
(Berbeiratung) —— gemacht ſein (dann muß
aber der Vor: oder der Nacherbe, in deſſen Perſon
120
das Ereignis eintreten joll, beim Eintritt des Erb:
falls fich bereit3 am Leben befinden), oder es müßte
dem Vorerben oder einem Nacherben für den Fall,
dab ihm ein Bruder oder eine Schweiter geboren
wird, der Bruder oder die Schweſter ald Nacherbe be
ftimmt fein. Iſt Bor: oder Nacherbe, in dejien Ber:
jon das Greignis eintreten foll, eine jurift. Berjon,
jo bewendet es bei der 3Ojährigen Frift ($. 2109).
Hat der Erblafjer einem Abtömmling, der zur Zeit
der Errichtung des Teftaments feinen Ablömmlıng
bat oder von dem der Erblafjer dies nicht weiß, für
die — nach deſſen Tod einen Nacherben beſtimmt,
ſo iſt anzunehmen, daß derſelbe nur ae den Fall
eingefeßt ift, daß der Ablömmling ohne Nachkommen⸗
ſchaft jtirbt ($. 2107). Iſt bei Einfeßung des Nadı:
erben fein Zeitpunft genannt, fo fällt die Erbichaft
dem Nacerben mit vem Tod des Vorerben anbeim.
Sit eine ra Zeit des Erbfalld noch nicht erzeugte
Rerfon als Erbe eingeiekt, jo gilt dies im Zweifel
als Einjegung eines Nacherben. In diefem Fall
fällt dem Nacherben die Erbſchaft mit der Geburt
anheim. Entſpricht es nicht dem Willen, daß der
Eingeſeßte Nacherbe werden joll, fo it die Ein:
egung unwirkſam. Entſprechendes gilt bei Ein:
ebung einer juriit. Perſon, die erjt nach dem Erb:
all zur Entſtehung gelangt ($8$. 2101 u. 2106).
Der Vorerbe gilt jomit ald Eigentümer der Nadı:
laßſachen. Allein zur Sicherung der Rechte des Nadı:
erben iſt fein Recht Beſchränkungen unterworfen.
Nah manden Rechten, inäbejondere dem Hfterr.
GSejepb. $. 613 gilt der Vorerbe dem Nacerben
—— nur als Nießbraucher. Nach dem Bürgerl.
ſetzbuch darf er nur feine Verfügungen vorneb:
men, die das Recht des Nacherben vereiteln oder
beeinträchtigen ($$. 2112 jg.); dagegen iſt er z. B.
u Schenkungen befugt, durch die einer fittlichen
Sicht oder einer ar den Anftand zu nebmenden
Rüdjiht entſprochen wird ($. 2118). Seinem Ver:
waltungsrecht entipriht die ibm dem Nacherben
——— obliegende Verwaltungspflicht ($. 2131).
uch lann ihn der Erblaſſer von den meiſten zu
Gunſten des Nacherben geſehlich beſtimmten Berfü-
ngsbeſchränkungen befreien (8. 2136). Eine ſolche
Befreiung gilt im Zmeifelsfall ald angeordnet,
wenn ber Erblafjer bejtimmt hat, daß der Vorerbe
ur freien —— über die Erbſchaft berechtigt
kin fol, und bei der Nacherbſchaft auf den
bereit, bei welder der Nacherbe auf das ein:
gelebt ift, mas von der Erbichaft beim Eintritt der
acherbfolge übrig fein wird; diefes E. auf den
Überreft fannte ds das Gemeine Redt. Hier:
nad baftet der Vorerbe nur im Falle argliftiger
oder unentgeltlicher Veräußerung. Nad einer An:
ordnung von — mußte jedenfalls dem Nach⸗
erben ein Viertel des Nachlaſſes bleiben, und bier:
Ir war, jofern nicht der Erblaffer ein anderes be:
immte, von dem Borerben Sicherheit zu leiften. —
t das djterr. Recht behauptet Unger ba öfterr.
bredht», $.48, Anm. 14), daß in dem bezeichneten
Halle im weſentlichen das vorjuftinianifhe Recht
— — Mit Eintritt der Vacherbfolge hört der
;orerbe in allen Fällen auf Erbe zu fein und fällt
die Erbſchaft dem Nacherben an ($. 2139). Schlägt
der Nacherbe die Erbſchaft aus, jo verbleibt fie dem
Vorerben, ſoweit nicht der Erblajjer ein anderes be:
ftimmt bat ($. 2142).
Eu Stwappen, |. Wappen.
Erbichatz, eine bejtimmte Summe Geldes, welche
Vorfahren (Afcendenten), Seitenverwanbte oder
Erbichaftswappen — Erbſchlüſſel
andere Perſonen (Freunde) den Ehegatten unter
der Bedingung zugewendet haben, daß das Eigen:
tum den in der Ehe erzeugten Kindern vorbehalten
werden, den Ehegatten aber Befis und Genuß zus
Ken ſoll. Das Preuß. Landr. II, 1 hat dies Ins
titut ohne einen Anhalt in der bisherigen Nechtss
entwidlung geſchaffen. Es ift im Leben auch faft
völlig ohne Anwendung geblieben. Das Deutice
Bürgerl. Geſetzbuch bat das Inſtitut auch formell
außer Kraft (Einführungsgeſeß 55) gefebt.
Erbichaymeifter, Erbichenf, j. Erbämter.
Erbichein, ſ. Erbbeiheinigung.
Erbichleicherei, die Bemübung um eine Erb-
[haft unter Anwendung von widerrechtlichen oder
unmoraliihen Mitteln. Wird hierzu ein Teftament
untergefhoben oder ein ſchon errichtetes vernichtet,
F tritt die Strafe der Fälſchung (f. Urtundenfäl
hung) ein. it der Teſtator durd falihe Vor:
Ipiegelungen zu einem Letzten Willen vermocht wor:
ben, den er obne diefe Täufhung nicht errichtet
baben würde, jo kann das Tejtament wegen ber
Behinderung der Willensfreiheit feines Urhebers
ciwilrehtlih angefochten werden (Näberes Bürgerl.
Geſetzb. 2078). (S. au Erbunmürbigfeit.)
Erbichlüffel, die jpätere Bezeihnung eines aus
dem Aberglauben des Mittelalter ftanımenden
Baubermitteld, auhSieblaufen oderSchlüfjel:
laufen genannt. Es wird zuerſt von dem 1500 in
Villingen im Schwarzwald geborenen Arzt und
Schwarzfünitler Georg Victor erwähnt. Er jtellt
die urfprünglihe Form in einem Holzihnitt dar,
in dem man ein von einer gang oder Schafichere
(womöglich eine Erbſchere) gefahtes Kornfieb ertennt
und für deſſen Gebraud Sitor unter der Bezeich-
nung ber fo&cinomantie (vom gried. köskinon,
Sieb) eine ie Theorie aufitellt.
Danach halten (j.nachftehende Abbildung) zwei eins
ander gegenüberjtehbenve Perſonen mit dem Mittel:
finger ber rechten Hand das von ber federnden Zange
oder Schere gefaßte Sieb unterhalb der Feder in der
Schmebe, nennen den einzelnen Namen jeder der
des Diebitahls verbädtigen Berfonen nadeinander,
mobei fie ſechsmal bei jeder Berjon die faudermwel:
ſchen Worte (Pictor fagt: Verba nec sibi ipsis nec
aliis intellecta) DIES MIES JESCHET BENE-
DOFFET DOWIMA ENITEMANS ausfprecen,
momit fie den Dämon in das Sieb bannen und ibn
zwingen, den Dieb zu offenbaren, indem der Dä:
mon bei dem Namen des richtigen Diebes das Sieb
Erbſcholtiſei — Erbftollen
it in Bewegung ſetzt, Daß bie federnde Zange den
amgern der Beichwörenden entgleitet und nebft
dem Siebe zu Boden fällt. Statt des Siebes wird
m gend em Buch (wahrſcheinlich Gertrudenbud,
Grinngbuc oder Poſtille), das ererbt fein muß, ein
grober, jedenfalls auch ererbter, Schlüfjel (daher
der Name €.) gelent, fo, daß der Sclüfjel etwa
um ein Dritteil oben aus dem Buch berausragt.
Dat Buch wird ſtillſchweigend mit einer Schnur
feit ummidelt und nun, ganz wie oben erwähnt, mit
den Mittelfingern unter dem Ringe von zwei Per:
jonen gehalten, bis die Finger unter dem Dr
wegaleiten, wobei der in diefem Augenblid Ge
nannte ala fibeltbäter ermittelt ift.
Erbſcholtiſei, Erbijhulzgenamt, f. Dorf:
foftem, Erbrichter, Schulze.
Erbfe (Pisum L.), Pflanzengattung aus der
Genie der Leguminoſen (ſ. d.),, Abteilung ber
ilionaceen. Man kennt nurmwenige Arten, die in
den Mittelmeerländern und Weftafien vorlommen.
Es jind einjäbrige, faftoolle, blaugrüne, lahle Kräus
ter mit zerbrechlichen, äftigen Stengeln, paarig ge
fiederten Blättern, deren Stiel in eine Ranke aus:
läuft, großen blattartigen Nebenblättern und blatt»
winteljtändigen, langgeftielten, wenigblütigen Trau⸗
ben. Die Blüten haben einen zweilippigen Kelch,
eine große, Jerbegetzionene Fahne und einen an
der untern Seite tiefrinnigen, an der obern Seite
bärtigen Griffel. Die Fruct ift eine länglide, uns
reif ftet3 ne yon again aber jpäter aufgetrie-
bene, oft faſt walzige, vieljamige Hülfe. Zu diefer
Gattung gebören einige unjerer wichtigften Hulſen⸗
früdte. Es ſcheint drei Hauptlulturarten zu geben:
die Adererbje (Pisum arvense L.), die Pahl⸗
oder Rneifelerbfe (Pisum sativum L.) und die
udererbjfe (Pisum saccharatum Host.), letere
iden meijt als Gartenerbie (f. d.) zuſammen⸗
gefaßt. Bei der Ackererbſe aud oſtpreußiſche
gear €. oder Peluſchke(ſ. d.) genannt, find die
Iütenitiele einblütig, die Blumen violett oder pur:
purn, die Schalen der Hülfen ani —— mit
einer anfangs abziehbaren Baſthaut verſehen, die
gedrängt ſtehenden marmorierten Samen kuge
rund oder faſt vieredig. Die Adererbje fcheint in
Deutihland heimiſch zu fein. — Die durch ganz
Europa verbreitete Erbfentultur ift zwar alt, war
doch den Römern unb Griechen nod nicht belannt.
ne Ausfaat von 2hl liefert gebrillt pro Heltar eine
Ernte von 16 hl Körner und 40 Gentnern gutes
Futterftrob. Gegenwärtig wird der Erbjenbau in
den jüdeurop. Ländern in bei weiten gröyerm Map:
ftabe betrieben als in Deutfhland. Die Samen der
€. bieten reif und unreif Menfhen und Vieh eine
ebr nabrbafte und angenehme Speife. Liber bie
rwendung der E. zur Erbswurſt ſ. d. Auch das
Erbjenftrob ift ein gutes Viebfutter.
Unter den verſchiedenen Inſelten, melde den €.
Schaden bringen, ift namentli der Erbjentäfer
. d.) zu bemerten. Bon den pflanzlihen Para-
Rten der E. ift beſonders der Erbjenroft, Uro-
myces pisi Schröt., ſchãdlich; derſelbe bildet auf
den Stielen, Blättern und Schoten rötlihbraune
und dunllere Fleden, melde aus den Sommer: oder
Binterfporen des Pilzes befteben. Stark mit Roft
befallenes Erbfenftrob ift mit Borficht zu füttern.
Erbienbaum, j. Caragana. j. Hand.
Erbienbein, einer der acht Handmwurzeltnochen,
(Mamestra pisi L.),eine36—40 mm
Erbieneule
bannende Eule (Schmetterling), bat rotbraune
121
Borbderflügel mit hellern Fleden und Uuerftreifen
und einer Belgelben queren Wellenlinie, die Hinter:
flügel find grau. liegt im Mai und Juni, Die
rüne oder braunviolette Raupe bat vier bellgelbe
Sangsbinden, findet fi im Hochſommer und Herbfi
und wird bisweilen den Hüljenfrüchten ſchaͤdlich.
Erbſenkäfer (Bruchus pisi L.), ein bis 5 mm
groß werdender, zu den Samentäfern (j.d.) geböri:
er Käfer. Das Weibchen legt jeine Eier in die
(üten der Erbien, in deren Samen fi die Larve
Ice jung einbobrt, je eine Erbje volljtändig aus»
ibt und fih innerhalb der Schale verpuppt, um
erft nach der Ernte auszukriechen.
Erbfenmufcheln, ſ. Kugelmuſcheln.
Erbſeunroſt, ſ. Erbſe.
Erbſenſtein, Piſ au ein Kallſtein, der aus
erbjengroßen kugelrunden Körnern mit fonzentrifch
haliger und radialsfaferiger Zufammenfegung be:
tebt (1. Abbildung). Die aus Aragonit beftebenden
Sarah” fi
Schalen haben meiftend als innerften ſtern ein
Quarzlörmden, Feldipatftüdihen oder anderes frem:
des Partilelchen überkruftet. Der E. bat fib aus
beißen kalthaltigen Quellen abgejebt; im Spiel der
auffteigenden Quellen wurden die wachſenden Rü-
gelchen ſchwebend erhalten und in fteter dreben:
der Bewegung fo lange umbüllt, his fie, zu ſchwer
eworden, niederfielen und fi mit ben bereits
Pertigen vereinigten. Bismweilen überjpannt aud
eine äußere gemeinfame Schalenzone zwei oder mehr
innere kleinere Kügelchen. Abmwechjelung von bellern
und von gelblihbraunen (vielleicht dur ——
Stoffe gefärbten) Zonen macht den Schalenaufbau
noch deutliher. Die ihönften, oft zu Blatten ver:
hliffenen €. liefern die Thermen von Karlsbad in
ohmen; andere Fundpunlte find der —— pr
bei Dfen und Felſo⸗Lelocz in Ungarn, Vogelöberg
in Dberfrain, Vichy⸗les⸗Bains.
Erbfenftraud, $ Caragana.
Erbftand, gleihbedeutend mit Erbpadt (f. d.).
Erbftände, Stände, die ſich vererben, naments
ih vom Vater auf den Sobn; in focialer Ber
iebung alſo d B. die erbliben Kaſten des alten
diens und eyptens, die Leibeigenen des Mittel:
alters; in polit. Beziehung der Erbabel, 3.3. Eng:
lands, der als ſolcher polit. Rechte (Mitglienfchatt
im Oberbaufe) ausübt. (Statthalter,
Erbjtatthalterichaft (der Niederlande), f
Erbftollen, ein bejonderes, mit feinem Gruben:
eigentum zufammenbängendes Bergwertdeigentum.
med des Unternehmens ift es, den fhon vor:
andenen Gruben Wafjer: und ——
verſchaffen (das Gebirge aufzuſchließen). Die Erb⸗
ſtollengerechtigleit wird, wie das Bergwerkseigen⸗
tum, erworben. Die Gebührniſſe, worauf ein E. Anı
ſpruch hat, wenn er ſeine Leiſtungen vollſtändig er⸗
122
füllt und zugleich die Erbteufe einbringt, d. b. wenn
er in einer gewiſſen Tiefe in das Feld der Grube ein-
fommt, find in der Regel der Stollenbieb (das
Mineral, welches beim Treiben des Stollens gewon⸗
nen wird), der vierte Pfennig, beftebend in dem Er:
faß des vierten Teils des Koſtenaufwandes, und das
Stollenneuntel, der neunte Teil der Bruttoaus:
beute. Geſchieht die Loſung nicht durch ofienen Durch⸗
brud, fondern mittelbar durch Klüfte u. |. w., fo kann
der Stöller nur das halbe Neuntel beanfpruden.
Sind feine Anbrüche vorbanden, die Loſung wird aber
mittelbar durch andere Gruben bemirft, fo ftebt ibm
ein Waſſereinſtandsgeld ala Stollenfteuer zu. Wird
ein tieferer Stollen eingebradht, fo enterbt er den
obern und die Gebührnifje gehen auf den untern
Stollen über. — Die neuern Berggefege in Deutſch⸗
land und Öfterreich ertennen zwar die vorhandenen
Erbitollenrechte ala rechtsbeſtändig an, lafjen aber,
da die E. Durch den Tiefbaubetrieb und die geiteigerte
Anwendung von Dampfmafhinen entbehrlih ge
worden find, eine weitere —— nicht mehr zu.
Erbfände (lat. peccatum originale oder originis
oder hereditarium), in dem firhlichen Glaubens:
fofteme die dur Adams Fall(peccatum originans)
entitandene, durch die Jeugung auf alle Menſchen
fortgepflangte gänzliche Verderbnis der Vernunft
und des Willens (peccatum originatum), wodur
die Menſchen von Natur zur Erienntnis und Liebe
Gottes und des Guten gänzlich untüchtig und zu
allem Böfen begierig fein follen, wofür fie Gottes
Zorn teild mit dem leiblihen Tode beftraft, teils
um ewigen Tode, d. b. zur — — in der
olle, beſtimmt habe. Man gründete dieſe Lehre in
der Kirche vornehmlich auf die Stellen Gal. 3, 23;
5, ı7; Rom. 3, 23 fg.; 5, ı2; 11, ss, die indes nur
die —— Verbreitung der Sünde im menid:
lichen Geſchlechte bezeugen. Die älteſte Kirche kannte
dieje Lehre noch nicht; vielmehr hielten die ältern
Kirchenlebrer im Gegenjage zu den Gnoftilern, die
die Sünphaftigfeit der Menſchen auf ihre Natur:
beihafienheit begründeten, an der menſchlichen
Willenöfreibeit feſt, wenngleich der Tod nicht ala
Naturgefeg, jondern (nah Röm. 5,12) als Folge der
Sünde Adams betradtet wurbe. Die Meinung des
Drigenes, daß der Urfprung der Sünde in einem
—— Freiheitsmißbrauche (Seelenfall) zu
ſuchen ſei, wurde als ketzeriſch verworfen und
die Haupturſache der Sünde die Sinnlichleit bes
trachtet, deren Reizen aber der Menſch ebenio wie
den teufliihen Verſuchungen widerſtehen lönne.
Dieſe Voritellungen bielten die griech. Kirchenlehrer
im weientlichen feſt. In der lat. Kirche nabın ſchon
Zertullian den pauliniſchen Gedanten wieder auf,
daß ſich mit der Sterblichteit auch die Sundhaftig⸗
teit von Adam auf alle erg ae tortgepflangt babe;
doch wollte er den ererbten Hang zum Böfen weder
al& wirkliche Sünde noch ala unwiderſtehlich fafjen.
Die jtrenge Lehre über die E. entwidelte zuerſt
Augujtinus im Streit mit Belagius und deſſen Ge
sn u Yin (j. Belagianer) und feßte auf den
Synoden zu Rartbago (412, 416, 418) die Ver:
dammung feiner Öeaner durch, wäbrend die morgen-
länd. Spnoden von Jeruſalem und Diospolis (415)
ünjtig für fie entſchieden. Eine Modifikation der
nſichten des Pelagius war die Lehre der Semi—
pelagianer (j. d.), die unter dem Namen der Auguftis
niſchen im Mittelalter berricbend blieb, während
die echte Lehre des rg er für ketzeriſch pr
Hiernad bildete ſich ſeit Anſelm von Eanterbury
Erbfünde —
Erbswurſt
und Thomas von Aquino die ſcholaſtiſche Lehre aus,
wonach durch Zurehnung der adamitiihen Schuld
an alle natürlib geborenen Nahlommen zwar ber
Verluft der urfprünglihen Volllommenheit, aber
nureine Schwächung ber menſchlichen Natur durch die
ihres Zügelö beraubten finnlichen Triebe eingetreten
ei. Das Tridentiniſche Konzil hat diefe Lehre im
e eriake zum Proteſtantismus dogmatifiert. Hier:
nad it Ehriftus als übernatürlic erzeugt von ber
E. frei. Die im 12. yabrh. uerft aufgeitellte Lehre,
dab auch Maria ohne E. geboren jei, hat Bius IX.
(8. Dez. 1854) zum Dogma erhoben. i
Die Reformation deö 16. Jahrh. erneuerte die
Auguftiniibe Erbfündenlehre. Qutber batte im
Streite wider Erasmus die abfolute Unfreibeit des
menſchlichen Willens behauptet. Die prot. Kirchen
lebre bejchräntte dieje Unfreibeit auf die natürliche
Unfähigleit der nichterlöften Menſchheit zum wahr:
baft Guten, mies aber die Lehre des Flacius, daß
bie E. das einentlihe Weien des Meniben aus
mache, ald 5* feiner Erlöfungsfäbigfeit zus
rüd. Swingli atte, obne bei den Reformierten Nach⸗
folge zu finden, die E. nur für eine ererbte Krankheit
erklärt. Auch die Arminianer, Socinianer und einige
andere Heine Setten ein er die E. im ftreng fir»
lihen Sinne. Seit der Auftlärungszeit murde auch
in ber prot. Kirche die Lehre von der E. mit ratio:
nalen und ger Gründen befämpft. Kant bezog
die E. auf das in der Menſchennatur liegenve
«radilale» Böfe, welches er aus einer tranfcenden:
talen Freiheitsthat ableitete. Dertbeol. Rationalid-
mus lehrte dagegen, wie Belagius, nureine Shwäde
der menſchlichen Natur in Ertenntnis und Ausfüb:
rung des Guten. Scleiermader ſah in der €. die
menſchliche Gattungsjünde oder das durd das ur:
fprüngliche Übergewicht der Sinnlichleit über den
Geift begründete Böje, das erjt dur Chriſti un:
fündlihe Volllommenbeit principiell überwunden,
nah und nad in der chriſtl. Gemeinfhaft wieder
ausgeſchieden werde. Die neuere Drthodorie bat die
——— ‚Erbfündenlebre einfach reſtauriert,
ohne ſich um eine Loſung ihrer Widerſpruche zu ber
müben, wäbrend bie Ritt ſche Schule zu den pela⸗
gianifhen Anihauungen des alten Rationaliömus
jurüdgelebrt ift. (S. Sünde.)
Erbswurft, eine von dem Koch Grünberg in
Berlin erfundene, im Kriege von 1870/71 zum
erftenmal in großartigem —* e verwendete Kon⸗
ſerve. Sie pe t aus einer bung von Erbien:
mebl, Sped, Zwiebeln, Salz und Gewürz und ent:
bält im Mittel 16 Proz. Eiweiß, 30 Proz. Fett,
12 Bros. Amylum, 13,2 Bros. Salze und 28,8 Proz.
Waſſer. Zu 75000 Stüd Würften zu je Y, kg ge
dren 225 Etr. Sped, 450 Etr. Erbsmehl, 28 Schef⸗
el Zwiebeln, 40 Etr. Salz. In luftigen Räumen aufs
ewahrt, erbält ji die E. Jahre hindurch. Hinfichts
lid der Ey Si ni ftebt die E. ungefähr auf
gleiber Stufe mit Linfen: oder Bohnenmehl. Bor
dem Genuß muß fie in Waſſer aufaelocdht werben
und wirb zu dem Ende entweder in Würfel gejchnit:
ten und in Suppenform genojjen oder im ganzen ge
locht und ald Wurft gegellen. Während des Krieges
geſchah die Herftellung der E, in Berlin in einer
eigens zu dieſem Zmede auf Staatätoften errichteten
Fabril, die anfänglich täglich 14000 Pfd., ſpäterhin
aber bis 130000 Pfd. erzeugte und im ganzen
9—10 Mill. Bid. lieferte. Auch die große Militär:
lonſervenfabrik zu Main; vermag fehr bedeutende
Mengen dieſes ſowohl die Verpflegung der
Erbteil — Erbunwürdigfeit
jeßtruppen wie zur Werproviantierung der Feſtun⸗
vateiilih geeigneten Fabrilats herauitellen.
Erbteil, gejesliches, ſ. Geiehlihe Erbfolge.
Erteilung, die Auseinanderjegung unter
Nuten, welche die Erbichaft erworben haben, be:
wait Aufpebung der unter ibnen beſtehenden Ge:
neinihaft durch Teilung des Nachlaſſes. Man un
teriheivet außergerichtlihe und gerichtliche,
befier bebörbliche E. je nachdem die Auseinander:
\egung unter ben Miterben allein oder unter Mit:
mirtung einer Bebörbe oder Leitung des Berfab:
tens durch die Bebörde erfolgt. Die Rechte, welche
het eine amtliche Nachlaßregelung (f. Erbſchafts⸗
erwerb) eintreten laſſen, tennen eine bebordliche
€. Rad den meiſten findet eine bebörblide E. nur
katt, wenn eine joldye von dem Erblafjer angeordnet
oder von einem Miterben beantragt wird, manch⸗
mal aud dann, wenn Bevormundete ald Miterben
beteiligt find. Nah Reichsrecht hat das Nadlap:
geribt auf Antrag die Nuseinanderfeßung zu ver:
mitteln, fofern nicht dazu ein Tejtamentsvollitreder
vorbanden ift (8.86 des Geſetzes über die freiwillige
Gerichtsbarkeit). Someit die Erbteile wegen ber zu
erwartenden Geburt eines Miterben noch unbestimmt
iind, wird die €. bis zur Hebung der Unbeitimmt:
beit aufaeichoben, ebenfo, joweit die Erbteile unbe:
ftimmt find, weil die Entſcheidung über eine Ehelich⸗
teitserflärung, Beitätigung einer Adoption oder
einer vom Erblaſſer errichteten Stiftung nod aus:
hebt (Bürgerl. Gejebb. $. 2) Das BVerfabren
iſt in dem Geſetze über die Angelegenheiten der frei:
willigen Gerictöbarleit vom 17. Mai 1898 geregelt
(88.87 fa.). Das Nachlaßgericht lädt die Beteiligten
zu einem Berbandlungstermin. Kommt bier jojort
eine endgültige Einigung zu ftande, jo hat fie das
Geribt zu beurtunden und zu beitätigen. Wenn
man zunächſt nur über vorbereitende Maß:
regeln einig wird, fo hat dann das Gericht einen
Audeinanderjegungsplan anzufertigen, über den
in einem weitern Termin verhandelt wird. Someit
er angenommen wird, beftätigt ihn das Gericht;
ſoweit Streitpunfte verbleiben, verweiſt es die Be
teiliaten auf den u Wer zu einem Vers
bandlungstermin vor dem Nadhlaßgericht nicht ers
icheint, wird von dem Ergebnis ſchriftlich benach⸗
richtigt und fann, wenn er mit diefem nicht zu:
frieden ift, innerhalb einer ihm beftimmten Frift
einen neuen Termin beantragen. Thut er das nicht
oder bleibt er aud in dem neuen Termin aus, fo
wird fein Einverftändnis mit dem Inhalt der bis«
en Abmadbungen angenommen (vorbebältlid
der Wiebereiniegung in den vorigen Stand bei uns
verſchuldeter Säumnis). Iſt der vom Geridht nun»
mebr zu erlafjende Beitätigungsbeihluß unanfecht⸗
bar geworben, jo ift bie Auseinanderjegung für alle
Beteiligten in gleicher Weife verbindlich wie eine
vertragämäßige Bereinbarung. — Die außergericht:
liche E. kann bereits durch den Erblaſſer in dem Um⸗
fange vorgenommen fein, dab nur noch die Aus:
führung übrig bleibt, fei e& dur die Miterben
jelbit, jei eö durch einen ernannten Tejtamentsvoll-
ereder (Bürgerl. Gejesb. 8.2048). Für das Gemeine
Aecht f. Teilung der Eltern unter den Kindern. Die
Art der Zeilung ift verfchieden bejtimmt, fomeit
darüber überhaupt Borfchriften gegeben find. In
nanchen Rechten ift von der Bildung von Lojen
tie Rede, jo auch im Code civil Art. 831 fg., und
sen einer Losziehung (Bürgerl. Geſetzb. 3 752).
meine Rebte tennen ein fog.Rürrecht (dad Riefen
123
de3 Sadjfenfpiegel3 und des lübifhen Rechts): der
ältere Miterbe macht die Teile, der jüngere wählt
oder zieht zuerjt das Los.
Die E. lann von dem Erblaſſer nicht ſchlechthin
verboten, wohl aber nah den meiften Rechten in
pen des ganzen Nachlaſſes oder einzelner
Nachlapgegenjtände u en werben. Die Ber:
Ben. wird nah Bürger. Gefepb. $. 2044 unmirt:
am, wenn 30 Sabre jet dem Eintritt des Erbfalla
verſtrichen find. Jedoch kann der Erblafjer anorb:
nen, daß die Verfügung bis zum Eintritt eines be:
ftimmten Ereignijies in der Yerlen eines Miterben
oder, falls er eine Nacerbfolge oder ein Vermädht:
nis anordnet, bis zum Eintritt der Nacherbfolge oder
bis zum Bermädtnisanfall gelten foll (8. 2044). —
Scriftitüde, die ſich auf die perſönlichen Verhältniſſe
des Erblaſſers, auf deſſen — oder auf den gan⸗
zen Nachlaß beziehen, bleiben gemeinſchaftlich. Hat
der Erblaſſer angeordnet, daß einer der Miterben
das Recht haben ſoll, ein zum Nachlaß gehörendes
Landgut zu übernehmen, fo iſt das Landgut im
weitel zum Ertragswert anzurechnen, über deſſen
eititellungdasPandesrect beftimmen ann ($.2049;
inführungsgefeg Art. 137). ,
Das Bürgerl. Geſeßbuch beftimmt aud, daß bei
der E. auch die, übrigens nur unter Ablömmlingen
des Erblaſſers ftattfindende, Ausgleihung wegen
bed Borempfangenen zu erledigen jei (j. Aus:
gleihungspflict). Die Klage auf Herbeiführung
ber E. beißt Erbteilungätlage.
Die Urkunde über die erfolgte E. oder Ausein:
anderfegung nannte das ältere Recht Erbrezeß.
Erbteilvermächtnis, |. Erbe.
Erbtochter, die nächſte Verwandte des lebten
männlihen Inhaber eines primär im Manns
ftamm erblichen Familienfiveitommiß:, Lehns⸗ oder
Stammgutes; ala ſolches galt auch der Thron. Um
die Vererbung im Mannsſtamm zu befeitigen, war
es üblih, daß die Töchter eine Heierlice erzicht-
ertlärung auf die Thronfolge ausſtellten. Wenn
dies aud heute noch vorkommt, fo ift es rechtlich
bedeutungslos. Hatten die Töchter für fih und ihre
Erben ——— ſo wurde angenommen, daß
blommlinge auch im aledigen Anfall⸗
und br
ausgeſchloſſen waren, d.b. wenn der Rannsſtamm
ausjtarb. Vielfach verzichteten fie aber nur «bis
auf den ledigen Anfall». Die Frage, ob in diefem
Falle die E. oder die verzihtende Tochter und ihre
Abtömmlinge (fog. Regredienterben) vorgeben, wird
beute (anders das Rei
der €, entſchieden.
©rbtraber, ſ. Trabertrantbeit,
Erbtruchfeh, |. Erbämter.
Erbunfähigkeit, |. Erbjäbigteit.
Erbunterthänigfeit, |. Leibeigenihaft.
ErbunwärdigfeitovderIndignität. Im röm.
Rechte wurde in gewiflen von dem Geſetze beftimmten
Fällen eine teftamentarifche oder geienlihe bſchaft
und ſelbſt ein Vermaächtnis dem Berufenen oder Be:
dachten wegen Unmürbdigfeit entzogen. Es banbelte
fih bauptfählih um Impietät (Mißachtung) gegen
den Erblajjer oder deilen Willen. Das Entjogene
(MR erepticium) wurde urjprünglih nur dem
istus zugemwielen. Die neuern Rechte, insbeſon—
dere aud das Dfterr. 95 fg.) und das Deut:
Slammergericht) zu Gunſten
he Bürgerl. Geſetzb. 2339 fo.), haben das
ftitut unter Einſchränkungen der Gründe und
bweihungen im einzelnen aufgenommen. Nach
legterm bat E. zur Folge: abfichtlihe Herbeiführung
124
des Todes des Erblaſſers oder Verſuch bierzu oder
Verſehung in einen —— der den Erblaſſer bis
> feinem Tode unfähig macht, eine Verfügung von
odes megen zu errichten oder aufzubeben, Zers
ftörung, Fälihung oder Bejeitigung der Verfügung
von Todes wegen ſim Umfange von Reichsſtrafgeſetzb.
88. 267— 274), argliſtige Verhinderung an der Er:
rihtung oder Underung einer foldhen oder Beſtim⸗
mung a dur argliftige Täufhung oder durch
Drobung. Anfehtungsberedtigt iſt jeder, dem ber
Wegfall des Unmürdigen zu ftatten fommt. Die
gleihen Gründe machen auch den Pflichtteilsanſpruch
anfechtbar.
bverbrũderung (Confraternitas), ein Rechts⸗
— welches in der Regel nur unter Familien des
ohen Adels und hier ſeit dem Ende des 14. Jahrh.
häufiger vorlommt, doch war E. auch beim niedern
Adel, mindeſtens bei der reichsunmittelbaren Ritter:
ſchaft, zuläffig. €. wird ein Erbvertrag genannt,
deſſen Inhalt —* geht, daß nad dem Ausfterben
der jucceffiongfäbigen Mitglieder der einen gg
oder doch der männlichen Mitglieder derjelben, die
andere Familie, d. I: der nad deren Succeifiond:
ordnung Nächſtberechtigte, ſuccediexen foll. Vertrag:
ſchließende Parteien find die Familien. Regelmäßig
räumten die Familien ſich geseni eitig Rechte ein.
Durd die Auflöfung des Deutjchen Reichs find die
früber geichlofienen €. bezüglich ver Thronfolge nicht
— —** Es iſt nur die privatrechtliche
atur 4 her €. weggefallen, nachdem die Throns
* nunmehr regelmäßig (nit in Medlenburg)
nicht mebr privats, ſondern öffentlichrechtliche Natur
bat (. —— Daher gilt an ſich noch die zwi—
chen Preußen, Sachſen und Heſſen 1373 und 1457
abgeſchloſſene und jpäter wiederholt (zulekt 1614)
erneuerte E. allein ihre Durchführung bedarf wegen
des für die Tbronfolge nunmehr maßgebenden öffent:
lichen Rechts der Zuftimmung der Vollsvertretung.
Die E. fieht nämlich Teilung der einzelnen Länder
vor. So foll bei Ausjterben des hohenzollernſchen
Mannsſtamms Heilen und Sadjen je die Hälfte
bes brandenb, Gebietes erhalten. Teilung des
Staates bedarf aber der Mitwirkung des Landtags.
Neue E. über Thronfolge konnen, weil fie das Ber:
faſſungsrecht betreffen, nur mit Zujtimmung der
Voltövertretung abgeichlofien werden. Nach bayr.,
—* und heſſ. Verfaſſungsurkunde geben Erbver:
rüderte Age in der Thronfolge vor. Cine
noch gültige €. beftebt zwifchen den beiven Medlen:
burg von 1642. — Bol. Georg Meyer, Lehrbuch des
Deuiſchen Staatsrechts (5. Aufl., 8. 90, Cpz. 1899).
Mit den E. wurden nicht —— Erbeinigungen
uniones hereditariae) verbunden, d. h. rer die
achtommen verpflihtende Schuß und Trußbünd:
Erbvermächtnid, |. Erbe. [nijfe.
Erbvertrag, im allgemeinen ein Vertrag,
welcher unmittelbar die Beerbung eines der Vers
tragichließenden oder beider zum Gegenitande bat,
Je nachdem derſelbe die Gewährung eines Rechts
auf die Erbſchaft als Erbe überhaupt oder zu einem
Bruchteile (E. im engern Sinne, neuerlich meiſt Erb»
siniepunnänerieug genannt) oder den Verzicht
auf eine fünftige Erbfolge (Erbverzidt) zum
Gegenitande bat, jpriht man von affirmativem
oder negativem E. Werben nur bejtimmte Stüde
des Nachlaſſes oder eine Geldfumme zjugefichert, fo
nennt man den Vertrag einen Bermädtnisver:
trag (f. d.). Als folder kommt er namentlich in
bäuerlichen Rreifen vor. Das Bürgerl. Geſeybuch
Erbverbrüderung — Erbvertrag
nennt E. nur den Bertrag, durch welchen der Erb:
lafjer einen Erben (Bertragserben) einfeht oder
Vermãchtniſſe und Auflagen ($$. 2192 fg.) anord:
net, und ftellt den Erbverziht in Gegenſatz bierzu
(88. 1941, 2274 fa., 2346 fg.). In die Urkunde,
welche ven E. enthält, dürfen zwar aud andere Ber:
—*— als Erbeinſetzungen, Vermaͤchtniſſe, Auf⸗
gen, nämlich alle, die duch Teſtament getroffen
werben fönnen u | eines Tejtamentsvoll:
ftreders, familienrechtlihe Anordnungen, 3. B. Be:
nennung eines Vormundes), aufgenommen werben,
aber nit als Beitandteil des €. ala ſolchen, d. b.
nicht mit bindender Wirkung für den Verfügenden
($. 2278), fondern nur als einjeitige Verfügungen
von Todes wegen. Für eine Verfügung diejer Art
gilt das Gleihe, wie wenn fie durch Teſtament ge
troffen wäre. Die Verfügung kann aub in einem
ſolchen Vertrag aufgehoben werben, durch den eine
——— Verfügung aufgehoben wird. Wird
der E. durch Rucktritt oder durch Vertrag aufge
boben, fo tritt im Zmeifel auch diefe Verfügung
außer Kraft ($. 2299). Als Vertragderbe und als
Bermähtnisnebmer kann im E. nicht bloß der an:
dere Vertragfchließende, jondern auch ein Dritter
bedacht werben ($. 1941). Der Erblafier kann einen
E. nur perfönlih fließen; ebenfo nur, wenn er
unbefchräntt geibäftsfähig ift. Eine Ausnabme
beftebt wegen der häufigen Verbindung von Ebe—
und Erbverträgen nur für 8 und Berlobte.
Nur bedarf der nicht voll Geſchäftsfähige dann der
BZuftimmung feines gejeglihen Vertreters, oder,
wenn dies der Vormund oder Pfleger ift, auch des
Bormundfchaftsgerichts. Der E. kann nur vor einem
Richter oder Notar bei gleichzeitiger Anweſenheit
beiver Teile geichlojien werden, und zwar gelten im
einzelnen die yormvorjchriften über das vor Ric:
ter oder Notar errichtete ordentliche Tejtament (alio
insbejondere entweder mündliche Erllärung vor Ge
richt u. f. w. oder Übergabe einer Schrift). Für den
mit dem Ehevertrag verbundenen €. genügt die für
den Ehevertrag vorgeichriebene Form, der übrigens
auch vor Gericht oder Notar abgeſchloſſen werden
muß ($$. 2276, 1434). Haben Ehegatten in einem
E., durch den fie fich gegenfeitig ald Erben einfegen,
bejtimmt, daß nad) dem Tode des fiberlebenven der
beiderjeitige Nachlaß an einen Dritten fallen foll,
oder ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tode
des liberlebenden zu erfüllen ift, jo iſt im Zmeifel
anzunehmen, daß der Dritte für den gefamten Nach⸗
laß als Erbe des zuletzt verfterbenden Ehegatten
eingejegt ift und das Vermächtnis dem Bedachten
erft mit dem Tode des liberlebenven anfallen ſoll
($. 2280). Wegen Unvankbarteit des im E. Be:
dachten ift nach näherer Bejtimmung der $$. 2294
und 2295 Rüdtritt vom E. zugelaſſen. — Ein Ber:
trag, wodurd jich jemand verpflichtet, eine Ver:
fügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu
errichten, aufzubeben oder nicht aufzuheben, ift nich⸗
tig ($. 2302). Der Erbeinjegungsvertrag erzeugt
einen Anfallagrund (f. Anfall), welder ın Wirt:
amleit tritt, wenn der Erblafler verjtirbt und der
rtragserbe ihn überlebt. Aber zum Unterſchied
vom Tejtament als der einfeitigen Verfügung von
Todes wegen (lestmwilligen Verfügung, $. 1937)
kann der Erblafjer diete Verfügung von Todes
wegen nicht ohne Zustimmung des eingejegten Erben
urüdnebmen. Nur Beräußerungen unter Lebenden
ind ihm geftattet ($. 2286). Die Vertragichlieken:
den können fi gegenfeitig zu Erben einjegen. Sind
Erbverzihdt — Erchanger
in einem €, von beiden Teilen vertragämäßige Ver:
fügungen getrofien, fo hat die Nichtigkeit einer dieſer
Verfügungen die Unwirkſamkeit des ganzen Vertrags
jur Folge ($. 2298). Dem röm. Rechte war der €.
nicht befannt, wobl aber jhon dem Gemeinen Rechte.
Für das Gemeine Hecht wird von der herrſchen⸗
den Meinung angenommen, daß die Beobahtung
rg nicht erforderlich fei, fo daß ſelbſt der
mün Abſchluß genügen foll. Der Eingeſetzte
iſt nad dem Tode des Erblafjers in derfelben Lage
wie der Teſtamentserbe (f. Erbihaftserwerb). —
Bol. Stobbe, Handbuch des deutſchen Privatrehts
(3. Aufl., Berl 1893— 1901), 88.298 fg.; Hartmann,
Lehre von den €. (Braunſchw. 1860); Schiffner,
er E. nad dem Bürzgerl. — * ena 1899).
Erbverzicht, der Verzicht auf ein Erbrecht. Über
den Berzicht auf ein angefallenes Erbredt (Aus:
ihlagung) j. Erbichaftsermwerb. Nad den meiften
tft ein einfeitiger Verzicht auf das künftige
Erbfolgerecht unwirkſam, insbefondere nad Ge:
meinem Rechte und Bürzgerl. Geſetzb. 8.1946. Ge:
wöhnlich verjtebt man unter €. den Bertrag, in
dem jemand dem Erblafjer gegenüber auf fein Erb:
rebt in deſſen Nachlaß verzichtet. Das röm. Recht
tannte diefen E. nicht. Der Code civil Art. 791,
1130 beftimmt ausprüdlich, daß alle Berträge über
die Erbichaft eines Lebenden, aud wenn jie mit
dieſem ſelbſt geichlofien werben, ohne Wirkjamteit
ind. Das Gemeine deutſche Redt, in3befondere die
Braris desfelben, ertannte den dem Erblaſſer gegen:
über auögeiprochenen, von biefem angenommenen
iht an. Nicht minder kennen den vertrags⸗
mäßigen E. zablreiche andere Rechte, insbeſondere
das Dfterr. Bürgerl. Geſetzb. 8.551 und das Deutiche
Bürgerl. Gefegbud, und zwar letzteres ald E. den Ver:
| t der Berwandten und Ehegatten auf ihr geieß-
iches Erbrecht, dann jedes durd Teftament oder Erb»
vertrag Bedachten (58. 2346, 2352), immer aber nur
ald Verträge zwiſchen Erblafjer und Berzichtendem.
Der Vertrag, durch den jemand auf bg ulünfti«
aed Erbrecht einem Dritten gegenüber bei Lebzeiten
des Erblaſſers verzichtet, wird von vielen Rechten
für unzuläffig erflärt (Code civil, Öfterr. Bürgerl.
Geiegb. 8.879, Nr. 4). Für das Gemeine Recht be:
jabte die herrſchende Meinung die Zuläffigkeit, fo:
fern der Erblaſſer mitwirft. Das Deutſche Bürgerl.
Geſetzbuch erlaubt einen folchen Vertrag nur unter
tünftigen gefeglichen Erben und nur über den geſetz⸗
liben Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen
und Ya gerichtliche oder notarielle Beurkun:
. 812).
vn meijten Rechte enthalten für den E. Form-
vorihriften nicht; das Deutſche Bürgerl. Geſetzbuch
($$. 2348, 2352) forbert e richtliche oder notarielle
—— Zum €. iſt nach Bürgerl. Geſetzb. $. 2347
ehmigung des Vormund ſchaftsgerichts erforder:
lich, wenn der Berzichtende unter Vormundſchaft
hebt; ftebt er unter elterlicher Gewalt, fo gilt das
oder
bten geichlofien wird. Iſt der Erblafjer
der Geihäftsfäbigkeit beihränft, fo bedarf er
nit der Zujtimmung des geſetzlichen Vertreters.
Nah den meiften Rechten .; die Wirkung des
vertragsmäßigen Verzichtes injofern eine erbrecht-
liche, ald dem Verzichtenden die Erbſchaft gar nicht
anfällt, Der Verzicht auf das Grbredt enthält
nah Gemeinem Rechte, DÖfterr. Bürgerl. Gejepb.
$. 767 und Deutihem Bürger. Gejegb. $. 2346
x.a. aub den Berzicht auf ven Pflihtteil. Der Ver:
‚ jofern der Vertrag niht unter a beb
125
zicht kann aud auf den Pflichtteil beſchränkt werben
(ebenda $.2346). gen jemand zu Gunſten eines
andern auf das gejegliche Erbrecht, fo ift im Zweifel
anzunehmen, dad der Verzicht nur für den Fall gelten
fol, daß der andere Erbe wird. Verzichtet ein Ab:
tömmling des Erblafjerd auf das geſeßliche Erbrecht,
fo ift im Zweifel anzunehmen, dab der Verzicht nur
zu Qunften der andern Ablömmlinge und des Che:
— des Erblaſſers gelten fol (Bürgerl. Geſeßb.
).
Hinfihtlih der Wirkung für Ablömmlinge des
Berzichtenden beftehen manderlei Verſchiedenheiten.
Rad dem Öfterr. Bürgerl. Gejesb. 88. 551, 732 wird
—— durch den Verzicht auch das Erbrecht der Ab»
un. des Verzichtenden —— Die herr⸗
reis einung für dad Gemeine Recht ging das
in, das Erbrecht der Ablömmlinge bleibe unbes
rührt, wenn der Berzichtende vor dem Erblafier
pers: jedoch ſei alsdann die erhaltene Abfindung,
omeit fie auf die Ablömmlinge gelangt jei, zur
Ausgleihung zu bringen. Das Bürgerl. Gefebb.
8.2349 jagt, Br wenn ein Ablömmling oder Seitens
verwandter des Erblaſſers auf das gejegliche Erb⸗
recht verzichtet, fih die Wirkung des E. auf feine
Abkömmlinge erjtredt, fofern nicht? anderes ber
ftimmt wird. — Aud für den Vertrag, dur den
ein E. aufgehoben wird, gilt nad Bürgerl. Geſetz⸗
buch notarıielle oder gerichtlihe Form ‘ 2351). —
Die vor Inkrafttreten des Bürgerl. Geſetzbuchs er»
folgte Errichtung eines E———— ſowie
die Wirkungen eines ſolchen Vertrags beſtimmen
ſich nach bisherigem Recht. Das gleiche gilt für
den den E. aufhebenden Vertrag (Einfuhrungsgeſetz
Art. 217). Der E. fand früber für den hohen Adel
jehr bäufig Anwendung, um die Töchter von der
Succeifion auszuſchließen (j. Erbtodhter). Neuerlid
ben die Hausgeſetze diefen Verzicht zumeiit ent:
ehrlich gemacht, ſoweit er ſich nicht auf dasjenige
Vermögen erjtreden foll, weldes nicht zum Familien:
ute gebört. — Vol. Stobbe, Handbuch des deuts
chen —E (3. Aufl. Berl, 1893— 1901).
Erbzind, eine in Geld oder Naturalien be:
ftehende gleichbleibende Abgabe, ge welde ein
Grundftüd, namentlich Bauerngut t rbzinsgut),
vertragämäßig erblich verliehen wird. Der Zins
census, canon) ſteht in feinem Verhältniſſe zum
chtertrage, wie in der Regel bei der Erbpacht
N d.); er ie jedoch auch feine vereinzelte Reallaft,
ondern ftellt ein allgemeines Abhaͤngigleitsver⸗
bältnis mit Obereigentum des Zinsherrn dar. Bei
Beränderungsfällen in chender oder dienender
Hand pflegt ein das Verhältnis beſtätigender neuer
Erbzinslehnbrief ausgefertigt zu werden, wobei
dann eine entweder in Prozenten des Kaufpreiſes
oder in einem Mehrfachen des Zinſes beſtehende
Lehnware (laudemium) zu zahlen iſt. Die neuere
Geſetzgebung bat auch bier für Klärung der Eigen:
tumsverbältniffe des Erbzinsmannes durch Auf:
ung des Obereigentums und Loſung der durch
diefeö begründeten Abhängigfeitäverbältnifie_ ge:
jorgt. Meiſtens ift der Zins und die Laubemialpflicht
in eine ablösbare Geldrente verwandelt.
—— „ein mädtiger Graf in Schwaben,
der unter König Ludwig dem finde mit feinem
Bruder Berchtold zum Verwalter der königl. Güter
und Einkünfte in Schwaben ernannt war und bori
Herzog zu werben trachtete. Ihrer Abkunft nad
waren bie Brüder wahrſcheinlich Entel des Grafen
E.vom Nordgau und Breisgau. 918 erfochten fie am
126
nn einen glänzenden Sieg über die Ungarn. Ihre
*— unigunde war mit dem König Konrad
vermählt. Wegen fortgeſetzter Fehden mit dem
Biſchof Salomo von Konſtanz wurden ſie 914 vom
König des Landes verwieſen, ſchloſſen ſich aber
dennoch einem neuen Aufitande in Schwaben an,
fiegten 915 bei Wahlwies, worauf ſich E. mwirllich
als derzog ausrufen ließ. 916 vor die Synode zu
Hobenaltheim geladen, —— ſich die Brüder frei⸗
willig und wurden zu lebenslänglicher Einſperrung
in ein Kloſter verurteilt. Doch (don 4 Monate dar:
auf wurden fie, 21. an. 917, auf Befehl König Kon⸗
rads zu Adingen hingerichtet. — Bol. Roth von
Schredenſtein, Der Untergang der alamannifchen
Grafen €, und Berdtold (in den «Forſchungen zur
deutihen Geſchichte», Bd. 6, Gött. 1866); F. 8.
Baumann, Zur jhmäb. ri er (in den
«Bierteljabröbeften für württemb. Geſchichte und
Landeskunde», Bd. 1, Stuttg. 1878).
Erchtag, |. Dienst. 5
Ercilla y Züniga * -ilja i dſünjiga), Don
Alfonjo de, ſpan. Dichter, geb. 7. Aug. 1533 zu
Madrid, wurde Bage bei dem Infanten Don Phi—
lipp und begleitete ihn 1547 —51 auf feinen Reis
fen. Dann nahm er an dem Zuge gegen die auf:
ftändigen Yraufaner an der Küfte von Ehile teil und
ließ fi durch ihren Heldenmut zu dem Gedanken
begeijtern, diefen Kampf zum Gegenftande eines
roßen Epos zu machen, das er um 1558 begann.
Falicher Verdacht, einen Aufrubr geftiftet zu baben,
vermwidelte ihn nadber in eine peinliche Unter:
— und ſchon ſtand er auſ dem Blutgerüft, ala
eine Unſchuld ertannt wurde. Tief geträntt ging er
1562 nah Spanien zurüd und madıte dann eine
Reiſe durh Frankreich, Italien, Deutichland, Böh—
men und Ungarn. Er wurde 1571 zum Ritter von
Santiago ernannt und diente einige Zeit ald Kam:
merberr bei Kaiſer Rudolf IL. (1576). Doch war er
ſchon 1578 wieder in Madrid und ftarb 1595. Sein
hiſtor.epiſches Gedicht in Dttaven, «La Araucanas»,
in 37 Gejängen, ift, einzelne Epifoden abgerechnet,
eine treue Schilderung der Begebenbeiten, denen
er in Chile jelbjt beigewohnt, in der Charalteriſtik
ift es vortreiflid und in fprachlicher Beziehung Haf:
fi. Gervantes jtellt ed im «Don Quixote» den
beiten Epopöen der Staliener an die Seite, Die
erite, 15 Feine umfaflende und 1555 —63 ge
ſchriebene Abteilung erſchien zuerft allein (Madr.
1569). 1578 folgte erft die zweite Abteilung, in der
E. duxch Einflebtung romantiſcher und —
ſcher Epiſoden ſchon mehr dem Zeitgeſchmacke hul⸗
digte. Noch mehr iſt dies in der dritten Abteilung
der Fall, die mit den beiden frübern zuerſt 1590 ge
drudt wurde. Das Gedicht ift oft abgebrudt worden
(am eleganteften, 2 Bde., Madr. 1776; am korrel⸗
tejten, 2 Bde., ebd. 1828); neuerdings ward es in
die «Biblioteca de autores espanoles» (Bd. 12) auf:
enommen. Eine ortiegung lieferte Don Diego
antifte van Oſorio (Salamanca 1597; mit der
«Araucana» — 2 Bde., Madr. 1733—35),
eine deutſche üͤberſezung Winterling (2 Bde., Nurnb.
1831). — pl. Noyer, Etude litteraire sur l’Arau-
cana d’Ercilla (Dijon 1880).
Erfmann:Chatrian (pr. ſchatriäng), Kollek⸗
tioname der franz. Romanſchriftſteller Emile Erd:
mann und Alerandre Chatrian. Erdmann,
eb. 20. Mai 1822 zu Pialzburg, bejucte das
ollöge jeiner Baterftabt und begab ſich dann nad
Paris, um die Rechte zu ftubieren. Chatrian, geb.
Erdtag — Erdapfel
18. Dez. 1826 im Weiler Soldatenthal der Ge—
meinde Aberjchweiler bei Pfalzburg, befuchte eben:
falls das Gollöge zu Pfalzburg und war eine Zeit
lang in belg. Glashütten thätig, lehrte jedoch bale
in bie Heimat zurüd und übernahm die Stellung
eines Studienaufjeberd am Eollöge zu Pfalzburg.
Hier machte er die Belanntibaft Erdmanns, an
den er ſich in enger Pranbiha anſchloß. Bon
diejer Zeit ab datiert ihr litterar. Zuſamm en.
Sie gelangten glei anfangs (1848) zu einer ſolchen
Einbeit in Kompofition und Stil, daß man Er
lang unter dem Doppelnamen nur einen t
vermutete. Sie ſchrieben zahlreiche Novellen, bei
denen der Einfluß der deutſchen Litteratur unver:
fennbar iſt. Ihr erfter größerer Roman in Hoff:
mannfcer Manier, «L'illustre Docteur Mathe&us»
(1859), bildete ihren erjten Erfolg. Bald wuchs ihr
Ruf befonders wegen ibrer forgfältigen Schilderun⸗
gen der Sitten und Gebräuche ihre Heimatlan-
bed, Chatrian ftarb 5. Sept. 1890 in Billemomble,
nachdem er fich mit feinem Mitarbeiter entzweit
batte; diejer ſtarb 14. Mär; 1899 in Qundville, we
ihm 1902 ein Denkmal errichtet wurde. R
Die berporragenditen Romane der beiden Schrift:
fteller find: «Contes fantastiques» (Par. 1860),
«Contes de la montagne» (1860), «Maitre Daniel
Rock» (1861), «Contes des bords du Rhin», «L’in-
vasion ou le fou Yegof» (1862), «Le joueur de
clarinette» (1863; deutfch Lpz. 1888), «La taverne
du jambon de Mayence», «Les amoureux de Cathe-
rine», «Madame Thertse» (1863), «L’ami Fritz»,
«llistoire d'un conscrit de 1813» (1864), «Water-
loo, suite du conscrit de 1813», «Histoire d’un
homme du peuple» (1865), «La maison forestidre»,
«La guerre» (1866), «Le blocus, &pisode de la
fin del’Empire» (Belagerung von Bfalzburg, 1870),
«Histoire d'un paysan» (4 Vde., 1868— 70), «His-
toire d’un sous-maitre» (1871), «Les deux fröres»
(1873), «Le brigadier Frederic» (1874), «Maitre
Gaspard Fix» (1876), «Contes vosgiens» (1877),
«Le banni» (1882). Auch als Dramatiler find
beide Autoren mit Erfolg aufgetreten: «Le juif
lonais» (1869), «L'ami Fritz» (1877) und «
Rantzau», eine Bearbeitung ded Romans «Les
deux freres», die 1882 auf dem Theätre frangais
in Scene ging. Die beiden legten Stüde dienten
Mascagni als Vorlagen zu Opernterten. Viele Werte
von €. jind ins Deutiche (mehrere in Reclams «llni»
albibliothel») und ——— uberſetzt worden. —
Bal. Julian Schmidt, Bilder aus dem geiftigen
Leben unferer Zeit (Neue Folge, Lpz. 1871).
Ercöle del Rio, ital. Schadipieler, j. Rio.
Erefi (jpr.ertici), auch Ercjeny (fr. ertihehni),
Groß⸗Gemeinde im Stublbezirt Adony des ungar.
Komitats Stuhlweißenburg (Feier), rechts an ber
Donau, an der Linie Budapeit: Zälany: Aaram
der Ungar. Staatöbahnen, iſt Dampfihiffabrts-
ftation und bat (1900) 6197 meift fath. magyar. E.;
Spiritus: und Ölfabrilation.
Erdachſe, ſ. Erde, auch Nutation und Bräceffion.
Erdagamen (Humivagae), ſ. Agamen.
Erdalkalien, foviel wie Altaliihe Erden (f. d.).
Erdalfälimetalle, Bezeibnung für die aus
Baryum, Strontium und Galcium beitebende
Gruppe em. Elemente.
Erdan, PBjeudonym, j. Jacob, Alerandre Andre.
Erdapfel, die Knolle der Topinamburpflanze,
ſ. Helianthus und Tafel: Futterpflanzen l,
Fig. 1; auch foviel wie Kartoffel (f.d.).
Erbäquator
Errägquator, |. Aquator.
Erdarbeiten, die Arbeiten des Erbbaues (f.d.).
- de E. für Hoch bauten, welbe einen Poften
dei Bauanichlags (f. d.) bilden, umfaflen zunächſt
ve Ausſchachtung des Bodens für den Grundbau
und die Keller und bie Fortſchaffung des heraus⸗
acer Bodens. Die Härte des Bodens, das Vor:
denlein jtörender Grundmäfler, die größere Tiefe
des Örundes fteigern die Koſten des Ausihachtens.
Dichtig ift, in der Näbe einen eng gr mag für
Erde und Schutt zu befigen. Zu den E. gehören aber
auch die Auffüllungen von Boden, die J namentlich
bei Terraſſenbauten oft nötig machen, ferner das
Ausgleichen (Nivellieren) des Grundſtücks nad volls
endetem Bau, die Anlage der Beete, ferner die Pfla-
der Zufabrtämwege und Höfe, die Anlage von
Abmätlerungsgräben u. a.
Außerdem ift noch für die Beihaffung der Geräte,
als Spaten, Haden, Karren und Karrdielen (Bohlen),
15 ar des Arbeitslohnes in Rechnung zu jeßen.
Hiernach erfordert das Loſen des Grande, erfen
biö zu 4 m Entfernung (oder Berlaben in Karren)
folgende Arbeitszeiten in Stunden pro 1 cbm Erb»
reich für die verjchiedenen Bodenarten:
Sandboden.............. EIER:
Adererde und leichter Lehm... ....... 1,8
Strenger Lehm mit Thonſchichten und Gerölle 2,3
Geftein, mit Brechftangen zu löjen ...... 4,5
Felien, mit Pulver abzjufprengen ....... 7,5
Soll der Erdboden nicht von der Bauftelle ent:
En fondern auf derjelben eingeebnet werben, jo
dieſe Zablen dur einen geringen Zuſchlag
von einigen Prozenten abzurunden.
Bei Erdbewegungen auf große Entfernungen hin
fest man folgende Werte in Rechnung:
Entfernung in Metern 50 100 150 200 250 300
rbeitöftunden für Icbm 0,8 13 18 232 26 3,1
Die Ermittelung des kubiſchen Inhalts der Bau:
grube bat unter Berüdjihtigung eines Boͤſchungs⸗
raum und Arbeitäraums zu erfolgen. Im allge:
meinen rechnet man 1 cbm Erbe auszugraben und
bis auf 50 m weit zu verfarren 0,45 bis 0,75 M. Über
G. im Eijenbahnbau ſ. d. — Bol. Schwatlo, Hand:
buch zur Beurteilung und Anfertigung von Bau:
anſchlagen (9. Aufl., Karlst. 1890); Bentwis, Das
Beranjhlagen von Hochbauten (4. Aufl. Berl. 1893).
Erdarbeiter, joviel wie Grabemaſchine (f. d.).
Erbarten, j. Erben.
Erdaffeln (Geophilus Leach), eine Gattung der
Stolopendren (j.d.), ſehr langgeftredte Arten mit bis
zu 93 Beinpaaren. bis 45 mm lange, bei ung
einbeimijhe Geophilus electricus L. leuchtet im
Erdbäder, j. Bad. [Dunteln,
Erdbau, die Lehre und die Durchführung von
Erdarbeiten, welde die Gewinnung des Bodens
(Abgrabung), den Transport desjelben, die regel:
sehte Aufi —— kuünſtlicher Bobenerhoͤhungen
die Sicherung der Boſchungsflächen, die Anlagen
zum Schutze und zur Wiederberitellung gefäbrveter
oderabgerutichter dlörperjumÖegenftanbebaben.
Der €. bat ſich zu einem felbftändigen, wichtigen
Zweige des Ingenieurweſens berausgebildet und
erlangt genaue Kenntnis der chem., phyſik. und
wolog. Berbältnifje des Bodens, der ung tie:
ticher und elementarer Motoren jomwie der Theorien
kr Mafienverteilung, des Erddrudes u. |. m., welche
' Röbeiondere in der grapbiicen Statik ibre weitere
hatwidlung gefunden baben.
— Erdbau 127
Die Bodengewinnung unterfheidet: 1) Stid:
boden (Humus u. f. w.), welcher mit der Schaufel
allein gelöft und verladen werden fann; zur Löjung
großer Mengen diefer Bodenart in — Zeit hat
man beutzutage vielfab Maſchinen, die Erfavatoren
(f. Grabemajdinen), angewendet. 2) Der Hau:
boden oder Hadboden (fetter Thon u. ſ. w.), ber
mit der Breithaue, dem Krampen, gelöjt und mit
der Schaufel verladen wird. 3) Brechboden (feiter
bon, zerllüftetes Gejtein u. |. w.), den man mit
dem Pidel, der Bredftange, dem Keil oder der
Schrämmajdine löft. 4) Der Sprengboden
eld), der durch Sprengarbeit gewonnen wird.
ynamit und Sprenggelatine haben bier das früber
allgemein verwendete Schießpulver vielfach ver:
drängt, für tellung der Bohrlöcher find bei Ar:
beiten größern Umfangs, jo namentlih beim Tun:
nelbau, an Stelle der Handarbeit mehrfad die Ge:
ſteinsbohrmaſchinen (f. d.), an Stelle der Zündung
mitteld abbrennender Schnüre die Elektriihe Zün-
dung (j. d.) getreten. (S. auch Tunnel.)
Der Transport des Bodens erfolgt auf
ganz Heine Entfernungendurdeinmaligen oder mebr:
maligen Wurf mit der Schaufel, auf etwas größere
Entfernungen mit dem Schubtarren, auf meitere
mittels Handkippkarren, Pierdelipptarren, auf In:
terimsgleifen mitteld Pferbezug oder eigener Lofo:
motiven (f. Transportable Eiſenbahnen). Bei För:
derung auf langen, fteilen Lehnen wird zur Anlage
von — Aufzügen oder Bremsbergen geſchritten.
Auch Seilbahnen (ſ. d.) finden vielfach Verwendung.
Die Ermittelung der zweckmäßigſten Transport:
weiſe für die gegebene Dienge unter Berüdfichtigung
der Transportweiten und der auf denjelben zu ge
wärtigenden Steigungen und Gefälle der Bahn
gehört zu den wichtigſten, aber auch ſchwierigſten
ufgaben des disponierenden Ingenieurs. Hierbei
wird bei langgeitredten Erblörpern (Eifenbabnen,
Straßen u. j. m.) vielfach zu erwägen fein, ob z. B.
eine beftimmte Partie eines Dammes aus dem oft
weit ber zu führenden, im nädjten Einſchnitte ge:
wonnenen Material mittel Längstransportes
oder aus einer eigens bierzu angelegten Seiten:
entnabmejtelledicht neben dem fraglichen Damm,
alfo mitteld Quertransportes, bergeftellt wer:
den joll, wobei dann ber aus dem entfernten Ein:
fchnitte gewonnene Boden neben dem Einſchnitte
= Ablagerung gelangen kann. Die mittlere
ransportmweite bezeichnet den Abftand der
Schwerpunkte einer bewegten Majle in ihrer ur:
fprünglichen und ihrer neuen Lage, die reduzierte
Transportweite eine horizontale rn e, auf
welcher der Transport ebenfoviel koftet ald auf einer
beitimmten Weglänge von gegebener Steigung.
Die Herftellung der Erdeinfhnitte und
:Aufträge (Dämme) erfolgt nad beftimmten
Metboden. Man unterfheidet den Abbau in Lagen,
den Strojjenbau, den Seitenbau, den engl. Ein
ſchnittsbetrieb, bei welchem der Herftellung des Erb:
einſchnitts ein Stollen in der definitiven Baufoble
Maar wobei durh Schächte von oben ber das
abgegrabene Material in Wagen geworfen wird,
die in den Stollen auf Arbeitäbahnen eingeführt
werden. Bei Herftellung von Dämmen kommen
Schuttgerüfte (Sturzgerüite), Gerüftbrüden u. ſ. m.
in Anwendung. (S. Eifenbahnbau.)
Die Sicherung der Boſchungen (f. d.) erfolgt
dur Berafungen, Bepflanzungen, PBflafterungen
fomwie Erbprudmauern /i, d.). Die Anlagen zum
128
Schutze des Beitandes der Erbbauten beitehen außer:
dem aud häufig in forgfältig außzuführenden Ent:
wäflerungsanlagen, welche mitunter zur Heritellung
beveutender Drainierungen, Stollen u. f. wm. fübren
fönnen, in einer entfprechenden Gründung des Baus
weris bei nicht mwiderftandsfäbigem Boden (Moor
u. ſ. w.), in einem ausreibenden Schuße gegen die
Angriffe des Waſſers an Flüſſen und Meeren u. j. w.
(S. aub Durchlaß.)
Bei Wiederberftellung zerftörter Erbbauten
ift vor allem das noch Beltebende vor dem zer:
ftörenden Einfluffe zu ſichern, dann die Bejeitigung
der Entſtehungsurſache, jo 5. B. die Entwäſſerung
des Nutichterraing oder der Abbau des Wildbachs
u.j. m. vorzunehmen und hierauf die vorläufige
oder endgültige Heritellung der neuen Anlage zu
vollzieben. Unter Umftänden kann bei ungünſtigem
Terrain nur die volljtändige Umlegung der Baur
linie Sicherbeit bieten. — Bal. von Bauernfeind,
Grundriß der Vorlefungen über Erb: und Straßen:
bau (Münd. 1875); Handbuch der Ingenieurwiſſen⸗
ihaften, Bd.1—4 (Bd. 1—3 in 2. Aufl., Lpz. 1882
—%); Henz:Stredert, Praktiſche — zum E.
(3. Aufl., Berl. 1873); W. Heyne, Der E. (Wien
1876); Giejeler, Lehrbuch des €. (2. Aufl., Bonn
1895); Goering, Mafjenermittelung, Mafjenverteis
lung und Transporttojten der Erbarbeiten (4. Aufl.,
Berl. 1902). Val. auch die Litteratur zu Eiſenbahn⸗
bau und Brüde.
Erdbeben, —— des Erdbodens,
die ihre Urſache unter der Pen baben.
Nach der Verichiedenartigfeit diejer ihrer Urſachen
teilt man die €. ein in: 1) Einſturzbeben, ent:
ftanden durch Zufammenbrud —— Hohl⸗
räume; fie find ſelten und lokal und reſultieren aus
der gejteinsauflöjenden Thätigkeit des Waſſers;
2) vullanifche E. over Erplojionsbeben mer:
den dur Stöße erzeugt, die dur die aus Vul—
fanenjhlünden entweihenden Gafe und Dämpfe
bervorgebradt werben; 3) tektoniſche €. oder
Dislotationsbeben find Glafticität3erfcheinun:
en der Erdrinde und haben ihren Urfprung wahr:
Nheinlic in der libergangsjone aus dem gasfdr:
migen Erdkern in den flüjfigen und jeften Zuftand
der Rinde. Mit der Gebirgsbildung ſtehen die €.
in feinem urſächlichen Zuſammenhange. Die Riſſe
und Brüche, von denen jie ausgeben, nennt man
Stoß: oder Schütterlinien, aud ſeismiſche
Linien. Die Art der Bewegung, in melde die
Ervoberflähe durch E. verjegt wird, ift entweder
eine wellenförmige (undulatorifche E.) oder
eine jtoßförmige (ſuccuſſoriſche E.). Die unter:
jeeiiben €. werden Seebeben und Erbbebenfluten
genannt.
Die — der E. iſt bald eine
centrale, indem ſich die Erſchütterungen gleich—
mäßig nach allen Seiten hin fortpflanzen, oder
dies geſchieht nur nach einer Richtung, wodurch
lineare €. entſtehen. Das Gebiet der erſtern
nennt man Erſchütterungskreis, das der legtern
—— Der oberflächliche Mittelpunkt
eines centralen E. heißt Epicentrum; die Lage
desſelben lann gefunden werben vermittelſt der Ho:
moſeiſten, d. b. der Verbindungslinien aller der
Punkte, wo das E. gleichzeitig gefpürt wird. Die
omofeiften haben bei centralen E, Kreisform. Die
auer der E. ſchwankt zwiſchen weiten Grenzen.
Manche der verbeerenditen E. waren das Wert mes
niger Selunden, andere hielten monate:, ja jahre
Erdbeben
lang an und beitanden dann aus Taufenden von
Stößen (5. B. das pholiihe E. 1870—73, über
50.000 Stöße). Die meilten €, find von unterirbi:
fhem Donner, Rollen, Klirren, Krachen ng
andere mit Spaltenbildung, Schlamm:, fier:
und Gasausbrühen, Sentungen oder Horizontals
verjhiebungen des Bodens verlnüpft. Daß größere
E. die Zeritörung ganzer Städte und die Vernich—
tung u von Menſchen im Gefolge haben
fönnen, ijt befannt. Zur Beobadtung der Fort:
pflanzungsrichtung und des Zeitpunftes der E. die:
nen die — * (. d.).
In neueſter Zeit haben einige bedeutende E. in
erhoͤhtem Maße das Intereſſe auf dieſe Etſcheinung
elenkt. Es war dies zunächſt das €, oder in die
em alle beſſer gelangt Seebeben von Jquique in
eru (9. Mai 1877), bei dem es gelang, die Fort:
flanzung der wellenförmigen Bewegungen nament:
ich im Stillen Dcean zu verfolgen. (S. umjtebenbe
Figur, in der die punltierten Linien, Iſo rachien
— den Eintritt der Flutwelle von Stunde zu
tunde darſtellen; ſ. auch Gezeiten.) Von noch gro⸗
Bern Wirkungen verſchiedener Art war ber viel ge
nannte, überaus heftige Ausbruch des Kralatau (f.b.)
in der Sundaitraße begleitet, der in der Nacht vom
26. zum 27. Aug. 1883 erfolgte. Zu nabe gleicher
Zeit wurden auch in Nordamerifa mebrfahe €.
wahrgenommen, jo daß es jcheint, als ob diejes Er-
eignis das weit —— der bis jetzt beobachteten
€. geweien ſei. Von großem — iſt auch hier
die Verfolgung der Flutwelle geweſen, und zwar
wurden bei dieſer Gelegenheit mehrere ſolcher Wellen
an den Flutmeſſern in Indien, Südgeorgien u. ſ. w.
wahrgenommen.
Das Auftreten der E. ift nit gleihmäßig auf
der ganzen Erde. Am zablreihiten find fie in Ge:
bieten mit jungen Schichtenjtörungen, befonders an
den Bruchrändern der Gebirge. In Europa find
am meijten von E. heimgeſucht die brei jüdl.
Halbinjeln, Ungarn und die Gegend des Mittel:
rheins. In Ajien find E. am häu alten im Weiten,
dann im Indus: und Gangesgebiet, in Hinter:
indien, dem Malaitihen Ardipel und in Japan.
Afrika und Auftralien find verhältnismäßig von
€. verfjbont. Dagegen find fie zahlreicher auf den
prfeln des Stillen Oceans, befonders in Neufee-
and und den Sandwidinjeln. Am reichſten mit €.
bedacht ift die Weſtlüſte von Amerila, beſonders
von Südamerila. Noch nie von E. heimgeſucht
wurde das europ. Rußland.
Zu den bedeutendſten E. der neuern Zeit gehören
das in Lima 28. Dit, 1746, das in Liſſabon 1. Nov.
1755, das fih von Grönland bis Afrika, ja bis
Amerika ausdehnte, jo daß die gleichzeitig dadurch
erihütterte Oberfläche etwa ein Dreizehntel der ge:
famten Erdoberfläche betrug; die in Galabrien
5. Febr. 1783, in Ecuador 4. Febr. 1797, am Mit:
fiffippi unterhalb St. Louis 13. Juni 1811, in
Caracas 26. März 1812, in Balparaifo und Chile
19. Nov. 1822; ferner die E. auf Terceira 12, Yuni
1841, auf Guabeloupe 8. Febr. 1843, auf Sum:
bawa 15. April und auf Haiti 7. Mai 1842, zu
Gumana 15. Juli 1853, zu San Salvabor (Een:
tralamerila) in der Nacht vom 16. zum 17. April
1854, zu Brufja 28. Febr. und 18. April 1855, in
Wallis (Visp) 25. Juli 1855, zu Jeddo (Navan)
12. Rov. 1855; jodann im Neapolitanifhen (Atena,
Badula, Bolta) feit 16. . 1857, zu Korinth
12. Febr. 1858, zu Merito 19. Juni 1858, zu Quito
Erdbebenmefjer — Erdbeere
2 Ri 1859, zu Mendoza 3. März 1861, in
Cmader und Peru Mitte Aug. 1868, in Kalifor:
nen 21. Dit, 1868, zu Belluno 8. Aug. 1873, auf
ca 28. Juli 1883, an der Riviera 28. Febr.
1857, weitlib von Totio (Xapan) vom 28. Dit. big
15.Rov. 1892, auf Luzon am 16. März 1892, auf
Jante im Aug. 1892 bis Jan. 1893, in Theben
2.3. Mai 1893, in Lokris 20, April und fol
gende Tage 1894, in Japan 28. April und 20. Juni
18%, Sommer 1894 in Konftantinopel und an der
Oftieite des FÄtna, in Argentinien am 27. Dt. 1894,
in Südweſtdeutſchland 13. Jan. 1895 und 22. Jan.
1896, in Mittelichlefien 11. Juni 1895, bei Florenz
18. Mai 1895, bei Laibach 14. und 15. April 1895
und 15. Juli 1897, im Mijfiffippibeden 31. Ott.
1895, auf Island 26.27. Aug. und 5./6. Sept. 1896,
im Ecuador 3. Mai 1896, in Ehile 13. Mai und
ſolgende Tage 1896, in Japan 81. Aug. 1896, in
Südauftralien am 12. und 13. Mai 1897, auf
Rindanao 8. Ott. 1897, in Merito und Norbborneo
im Spätjommer 1897, in Indien 12. Juni 1897, in
Ralıfornien 30. März 1898, in Venezuela 29. Dit.
1900, in Rorbweitindien 4. April 1905, in Ralifor:
nien (San Francisco) 18. April 1906 u. j. w., wie
man denn wohl behaupten kann, daß fajt an jedem
Tage irgendwo auf der Erde ein €, jtattfindet.
i Gelegenbeit des E. an der Riviera bat fi
auch wieder die Frage über Schußmittel gegen E.
und über den Wert der VBorberfagungen joldyer Er:
rignifje in den Borbergrund gedrängt. Was die
erfte Frage anlangt, jo kann natürlih nur die
Rede fein von Mitteln zur Sicherung des Lebens
und der Gebäude. Was jedoch
die — anlangt, ſo ſind die
Anſichten darüber ſehr geteilt.
Die —— Anzahl der Forſcher
glaubt, daß ſolche Vorherſagun⸗
gen von E. im allgemeinen nicht
mit irgend welcher Zuverläffig:
feit gegeben werden können,
jomeit ſich diejelben über das |ne
binaus erftreden, was durd) die
Berbahtungen etwa an tbäs |,
tigen Bultanen ermittelt werden
tarn. (Solche Obſervatorien
deſisen bis jetzt der Veſuv und
der Atna.) DieAnbänger der entgegengeſetzten Rich:
tung, deren Hauptvertreter Ku, ab (1.d.) war, find
der Meinung, auf Grund gemifjer kosmiſcher Vor:
gänge, unter denen namentlid die Stellung von
Sonne und Mond zur Erde die größte Rolle jpielt,
bejtimmte Berioden und Zeitpunttevorber bezeichnen
su können, an denen eine große Wahrſcheinlichkeit für
das Auftreten der E. vorhanden jei. Wenn auch zu:
weilen ein €. zu einer von diejer Seite vorhergeſag⸗
ten Zeit eintrifft, fo kann dies noch nicht als Be
weis für die an und für fi) nicht ganz biagenge
Theorie gelten. Im weſentlichen beruht dieſelbe
nämlich auf der Anſicht, dab der noch feuerflüffige
Kern der Erde äbnliben Schwankungen unterwor:
ten ſei, wie man diejelben an den Oceanen als Ebbe
und Flut wahrnimmt, und daß dann durch die
mittelbare oder unmittelbare Wirkung dieſer Flut:
welle die E. beroorgebracht würden, noch unteritüßt
turb auf diefelben fosmijchen Urſachen zurüdzu:
ende Boraänge in der Atmoſphäre. Mollte
Bon einen pre Zufammenbang endgültig ent:
teiden, jo müßte bei der —— feit der wir:
den Kräfte eine jebr große Anzahl von Fällen
Brodhaus’ Konverjations-Lerilon. 14. Aufl. R. A. VL
129
der Betrachtung unterworfen werden, was bis jegt
noch nicht geichehen ift. Zum Zmede eines genauen
und ſyſtematiſchen Studiums der ſeismiſchen Vor:
gänge auf der Erde (Seidmologie), insbeſon—
dere der wohl ununterbrochen jtattfindenden Heinen
Bitterbemegungen, der jog. mikroſeismiſchen Erſchut⸗
terungen, iſt neuerdings dur von Rebeur:Bajch:
wis und Gerland vorgeichlagen worden, Erpbeben:
ftationen über die Erde hin zu verteilen, die, mit
leihen Inſtrumenten ausgejtattet, nach gleicher
Inſtruktion arbeiten und ihre Beobachtungen ein:
beitlich veröffentlichen jollten. Außer vielen andern
Erpbebenjtationen, welche daraufhin in faft allen
Kulturftaaten eingerichtet find, wurde 1900 in
Straßburg i. €. die Kaiferl. Hauptitation für Erb:
bebenforichung eröffnet. Durch die 1001 in Straß:
burg tagende erjte Internationale Erobebentonfe:
ren; (der vom fiebenten Internationalen Geo:
graphentongreß ernannten Bermanenten feismolo:
giihen Kommiffion) wurde eine Aflociation der
Staaten behufs Förderung der Erbbebenforihung
mit ber (vorläufigen) Gentrale Straßburg gegründet.
Litteratur. J. F. 3. Schmidt, Studien über
E. (Lpz. 1875; 2, Aufl. 1879); R. Hoernes, Erd—
bebenitudien (Wien 1878); derf., Erbbebentunde
(Lpz. 1893); Heim, Die E. und deren Beobachtung
(Baf. 1880); Rotb, ber die E. (Berl. 1882); Fuchs,
Statijtit der E. von 1865 bis 1885 (Wien 1886);
Belar, liber Erbbebenbeobadbtung in alter und
gegenwärtiger Zeit (Kaibach 1898); Milne, Seis-
mology (Xond. 1898); Baratta, I terremoti d’Italia
(Zur. 1900); « Mitteilungen» giebt die Erdbeben:
7
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fommiffion der AMlademie der Wiſſenſchaften in
Mien (Wien, jeit 1897) heraus; in Laibach erjcheint
feit 1901 die Monatsfchrift «Die Erbbebenmwarter,
Ausführlihe Angaben über die verfchiedenen Theo:
rien und 2itteratur bis in die neueſte Zeit finden
fih in Güntbers Handbuch der Geophyſik (2 Boe,,
2. Aufl., Stuttg. 1897 — 99) fowie in Gerlands
Beiträgen für Geophyſik (ebd. 1894 fg.) und im
—— Jahrbuch.
Erdbebenmeſſer, ſ. Seismometer.
Erdbeeräther, Fruchtäther (ſ. d.) der Erbbeeren.
Erdbeerbaum, J. Arbutus und Tafel: Bicor:
nen, Fig. 1.
Erdbeere (Fragaria), eine Gattung der großen
amilie ver Roſaceen (ſ. d.), Abteilung der Botentil:
een. Ihr wichtigſtes botan. Merkmal beftebt in dem
fleiſchig und jaftig gewordenen Fruchtboden, in dem
die Heinen Trockenfrüchtchen (Achänen) eingebettet
liegen, fo daß die E. nicht eine Beere im botan. Sinne,
fondern eine Scheinbeere ift. Die Gattung Fra-
garia ift jaft über die ganze Erde verbreitet. Sie
umfaßt ausdauernde, faſt jtammloje Kräuter mit
‚ dreizäbligen, gezäbnten, bald glatten und glänzen:
9
I
|
130
den, bald mattgrünen und mehr oder weniger
bebaarten Blättern, aus deren Mitte ſich aufrecht
abelteilige oder trugdoldig veräftelte Stengel er:
heben, welche die bald zwitterigen, bald durch Fehl⸗
lagen eingeſchlechtigen Blüten tragen. Aus den
Blattahfeln entwideln fih die Ausläufer, d. h.
über den Boden binlaufende fadenförmig lang:
glievrige ÜUſte, welhe an den Knoten Wurzeln jchla:
gen und oberjeit# eine Heine Blattrojette ald Ans
[eng einer neuen Pflanze erzeugen. Die Blumen
efteben aus einem mit einem Hülltelbe verwad:
jenen fünfteiligen Kelche und einer fünfblätterigen,
immer weißen Blumentrone. Die Einführung der
E. in die Gärten datiert erft aus dem 16, Yabrb.
Die wiſſenſchaftlich feitgeftellten Arten der €. find:
1) Diegemeine €. (Fragaria vesca L., |. Tafel:
Rofifloren II, Fig. 5), durch ganz Europa, Aſien
und Amerika verbreitet. Ihre Früchte find die Hein:
Den unter den E., aber die beiten und würzigften.
ie Blätter find oben grün, unten weißlich und
die Blütenftiele mit angedrüdten Haaren bejest.
Durch die Kultur werden die Früchte doppelt jo
groß mie die der wildwachſenden Pflanzen. Cine
wabriheinlih in den Gärten entitandene Form
derielben ift die Monatserpbeere (Fragaria
semperflorens Heyne), fäljhlib Alpenerdbeere
genannt (f. Tafel: Beerenobit, Fig. 9): Sie ift
die einzige E., die den ganzen Sommer blübt und
fruchtei.
2) Die Moſchuserdbeere (Fragaria elatior
her Sie bat einen viel befhränttern Verbrei⸗
tungsbezirt als die vorige Art, ift aber in Mittel-
europa ziemlih gemein. Die Blatt: und Blüten:
ftiele find, wie auch die Blätter oben und unten,
wei bebaart. Die Frucht (ſ. Tafel: Beerenobft,
Fig. 8) iſt ziemlich groß, ſpit und ftumpflantig,
reih und moſchusartig gewürzt. Ihre verbreitetite
Rulturform ift die Bierlander €,
8) Die Birginifbe oder Scharladerd:
beere (Fragaria virginiana Ehrh.) ift in Nord⸗
amerila zu sun und wurde erft in der Mitte des
17. Jahrh. in Europa eingeführt. Die Blattftiele
find mit abftebenvden weihen Haaren beſetzt, die
Blätter auf der obern Fläche glatt, die Frucht N
Tafel: Beerenobit, Fig. 10) groß und ihön. Diele
ausgezeichnete Art hat entweder auf dem Wege na:
türliher Wandlung oder infolge einer Kreuzung
mit andern Arten, vorzugsweiſe mit der folgenden,
viele Varietäten bervorgebradt.
4) Die Ehile:Ervbeere (Fragaria chilensis
Molin.), eine andere amerik. Art, unterjcheidet fich
dur die Größe der Blätter und der Blüten, wie
auc die Größe der Frucht, melde bei einigen ihrer
Spielarten das Volumen eines mittelgroßen Hüh—
nereies erreicht. Die Blätter und Blattjtiele find
von abftebenvden Haaren weißlich-grau. Sie wurde
1712 in Europa eingeführt und zunädft in Yyranl:
reich kultiviert.
5) Die großfrühtige Garten: oder Ananas:
erbbeere de grandiflora Ehrh. oder ana-
nassa J. Das Herlommen dieſer E. ift nicht
genau belannt, —— aber iſt ſie eine bota⸗
* oder Gartenform der vorigen. Blätter und
Blütenftiele find mit weißen abſtehenden Haaren
beſetzt, erftere nur auf der obern Fläche; Kelchblät—
ter aufrecht, die Früchte (f. Tafel: Beerenobft,
. 11) rot oder blafrot, von Ananasgeibmad.
ndere Arten find für die Gartentultur beveu:
tung2log, j. B. der in Mitteleuropa gemeine Bres⸗
Erbbeerpoden — Erbbeerfpinat
ling (Fragaria collina Ehrh.), welber in ber
Hauptſache durch den der Frucht eng ſich anſchlie—
benden Kelch charalteriſiert ift.
Von den unter 3, 4 und 5 beſchriebenen Arten
ftammen alle großfrüdtigen Spielarten (Sorten)
der Gärten ab. Dieje zäblen nah Hunderten. Die
Erdbeerzucht und aud die Treiberei derjelben bildet
einen lobnenden gärtneriihen Kulturzweig. Die €.
werben durch Ausläufer vermehrt, durch Samen
nur dann, wenn man neue Sorten oder von Monats:
erbbeeren dankbarerer tragende, weniger Ausläufer
bildende Pflanzen erziehen will. Die Zeit zur
Anlage einer Pflanzung ift der Monat Auguſt, da
ie dann jhon im nädjten Jabre ertragsfäbig iſt.
ie €, erfordert einen tiefgründigen, friihen (nit
feuchten), nabrhaften Boden und eine zwar freie,
aber weder raube, nach der Mittagsſonne aus:
geichte Lage. Das Gedeihen der Bilanzung wird
durd liberjprigen der Beete abends bei trodner
Witterung, dur mebhrmalige Zoderung bes Bo-
dens, Unterbrüdung des Unkrauts und dadurch,
daß man die Entwidlung von Ausläufern in den
nötigen Schranten hält, — Im Herbſt muß
das Erdreich nicht nur behadt, ſondern auch mit
put verrottetem Rindermijt oder mit der aus Miſt⸗
eeten ausgemworfenen Erde gevedt werben, nicht nur
um den Boden friich zu erhalten, jondern auch um
ibn gegen tief eindringenden Froſt zu ibüsen. Das
Dedmatersal aber wird in der zweiten Hälfte bes
März; wieder abgeräumt und wenn möglich durch
etwas guten Kompoft erjegt. Bei trodner Witte—
rung ift fleißig zu gießen, während der Blütezeit
nur mit bem Robr und ſtets nur am Fuß der Pflanze,
um nicht die Befruchtung zu verhindern.
Um die Früchte gegen die Berührung mit Dem
etwa aufgeweichten Boden zu fihern, küst man
die Pflanzen durch Meine Dradtgeftelle, ſog. Erd⸗
beerhalter, oder bededt den Boden rings um ben
Etod mit —— Kiefernnadeln oder Lohe.
Länger als 4 Jahre ſollte man feine Pflanzung er—
balten wollen, da die Stöde nad diefer Zeit immer
weniger leiften und die Frücte an Größe und Güte
verlieren.
Von den zahlreichen deutſchen Sorten find bejons
ders —— frübreifende: Teutonia, onia,
Deutihe Kronprinzeffin, Helvetia; mittelfrübe:
König Albert von Sachſen, eine der allerbejten
Sorten, Auftria, Otto Lämmerbirt und Profeſſor
Dr. Liebig; jpätreifende: Bavaria und Graf Moltke.
Bon ausländiihen Sorten: Königin Marie Hen:
riette Marguerite, Theodor Mulie und Jucunda.
— Vol. Göihte, Das Bud) der €. (2. Aufl., Berl.
1888); Möchte, Die E. (ebd. 1892); Hechler, Der
Erbbeerfreund (Erfurt 1898); Zürn, Die E. und
ihre gewinnbringende Freilandkultur (Berl. 1900);
Heinemann, Die Kultur der E. im freien Lande
und im Topfe (7. Aufl., Lpz. 1900); Barfuß, Das
Erdbeerbuch (Berl. 1901).
Erbbeerpoden, |. jramböfie. =
Erdbeeripiuat, zwei Arten der zur Familie
der Ehenopodiaceen (f. d.) gehörenden Gattung
Blitum L. Es find jpinatäbnlibe Kräuter mit
Ipießförmigen,, ————— Blättern und in
näuel vereinigten Blüten, deren breis bis fünf:
teilige Perigone nah der Blütezeit anſchwellen,
fleifchigsfaftig werden, über der Heinen einfjamigen
Schlauchfrucht a und fi rot fär:
ben. Dadurd befommen die frudttragenden Blü:
tentnäuel eine Übnlichleit mit den Erdbeeren.
Erbbeerwein — Erde
Tiefe Scheinfrüchte haben einen ſüßlichen, aber
aden Geihmad. Beide Arten, Blitum virgatum L.
und Blitum capitatum L., wachſen auf fettem Schutt:
beden im ſũdl. Deutfchland ſowie in Südeuropa wild
und fommen auch in Mittel: und Norbdeutichland
auf bebautem Boden, an Dämmen u. ſ. w. verwil⸗
dert vor, weil fie oft zur Zierde angepflanzt werben.
Beſonders gilt dies von Blitum virgatum, bei der
bie roten Scheinbeeren eine lange, endftändige, be⸗
blätterte Ahre bilden, während diefelben bei Blitum
eapitatum zufammengebäuft in den Adjeln der
obern verfümmerten Blätter fteben.
Erdbeerwein, ſ. Beermweine.
Erdbeicgreibung, j. Geographie.
Erdbiene (Andrena F.), eine Gattung der eins
fam lebenden Sammelbienen, deren Weibchen in
fandiger Erde traubenartig verzweigte Röhren aus⸗
graben, an deren Ende fe Blütenftaub anhäufen
und in deren jede fie ein Ei ablegen. Biele ver jehr
—— Arten fliegen im zeitigen Frühjahr an
venfägchen und Stachelbeerblüten. Zu den in
Deutihland gemeinen Arten gebört Andrena albi-
cans Müll. mit lebhaft roftrot bebaartem Bruftitüd
und glänzend ſchwarzem nadtem Hinterleib (f. Tafel:
Inieften II, Fig. 1).
Erdbirne, die Knolle der Topinamburpflanze,
. Helianthus und Zafel: Futterpflanzen I,
.1; auch foviel wie Kartoffel (f. d.).
bogen, DMauerbogen, welde bei befondern
Gründungen der Gebäude angewendet werben.
Durh aufrebte E. oder Gurtbögen kann man
die Mauern auf einzelne Pfeiler er welche
durch Bögen verbunden werben. Es Beißieht dies
meift, um an Erdarbeiten und Mauerwerk zu fparen,
wie z. B. bei leichten niedrigen Gebäuden ſowie bei
Gebäuden mit innern Pfeilerftellungen, in denen
diefe feine erhebliche Laſt zu tragen haben, wenn
der Baugrund ein guter ift oder ſich erft in größerer,
nob grundwaflerfreier Tiefe findet. Die Grund:
pfeiler — ets unter den Fenſterpfeilern anzuord⸗
nen. Als Bogenform tritt der Halbkreis und der
Flachbogen mit ein Viertel der Spannweite als
Etihbö auf. Die Lehre für die Bögen wird von
dem darunter liegenden Erdreich gebildet. Bei gleich:
mäßigem, aber nicht bejonders feftem Baugrunde
lann man die Lajten der einzelnen Pfeiler, mie
Wandpfeiler, Säulen in Speichern und Kirchen
u. ſ. w. durch umgekehrte E. aufnehmen und fie
auf den Ba nd zwiſchen den Pfeilern verteilen.
Sie bilden die eigentlichen E. und find mit ibrem
Scheitel oder der lonıveren Seitenad unten gerichtet.
Erdbohne oder Erpnnuß, [.Arachis und Tafel:
un I, Fig. 4.
bobrer, ſ. Berabobrer. ,
Eröbrand, Gruben brand, die bald kürzere
bald längere Zeit, felbft jabrhundertelang dauernde
Verbrennung ber aun = und Steintoblenlager
ever anderer brennbarer Geſteine in wechſelnder
Tiefe unter der Erboberfläde. Die Urſache eines
€. iann ein wirkliches Arzünden gemwejen fein, in
den meiften Fällen wirb man fie in der durch Zer⸗
jesung der Eifentiesbeimerigungen entjtebenden Er:
bisung fuchen müfjen, Die eine Selbitentzündu
bewirtt, wo die Luft genügend Zutritt bat. Einm
entzündet brennt ein Koblenflö; Lange fort, und nur
durch forgfältigen Verſchluß aller ugänge (Ber:
und Bermeidung aller Abbauarbeiten in
läßt ſich der Brand loſchen oder
dammung
iu großer „läbt
wenigitenö auf ein eines Gebietbeihränten. Durch
131
einen E. entſtehen, abgejeben von dem großen Ver:
lufte an Koblen und von den Gefahren für den Berg:
mann durd die ſich entwidelnden Gaſe (brandige
Metter), interejlante — — ie nahe
liegenden Geſteinſchichten werden gebrannt, zum Teil
in ſog. Porzellanjaſpis umgewandelt; iff⸗ und
Einjtürze bilden ſich an der Oberflache über dem E.,
—— entwickeln ſich Rauch und Dämpfe, zu:
weilen ſelbſt Flammen, und Salmiak und andere
Sublimate jegen [4 ab, findet der E. nahe unter ver
Oberfläche jtatt, jo erlangt der Boden eine Wärme,
die fich zur Treibgärtnerei benugen läßt, wie 3. B.
früber in Planig bei Zwickau. — Bol. Lamprecht,
Die Grubenbrandgemältigung (Lpz. 1899).
@rdbuhne, |. Bubne.
Erddrudmaner, Boͤſchungsmauer, Fut—
termauer, Stüßmauer, eine Steintonftruftion,
welche einen ſeitlich wirtenden Erddruck aufzuneh⸗
men bat. E. tommen in den verjchiedenen Zweigen
des Bauweſens vor. Sie widerfteben durch ihr Ge⸗
wicht oder ihre Stanbbarkeit dem auf Umwerfen oder
Fortibieben wirkenden Erddruck. Ihre Stärke wird
zu etwa ein Drittel der Höbe ausgeführt, wenn das
obere Terrain horizontal abgeglichen ift und keine
Auflaft auf der Mauer fteht. In legterm alle
kann fie ſchwächer werden, mogegen man die Stärte
bis zur Hälfte der Höhe —— wenn eine Erd⸗
böſchung oberhalb der E. liegt. Die E. iſt wie
jedes Bauwerk auf feſten Baugrund zu ſtellen und
wirb deshalb in Ermangelung eines folden nad
den Regeln des Grundbaues (f. d.) fundiert. Steht
die E, unmittelbar am Wafjer, fo ift fie durch eine
Spundwand ohne Steinfhüttung oder bejonders
tiefe N reset vor Unterwafhung zu jchüßen.
Die Vorderfläche der E. ift entweder vertifal oder
wird etwas geböjcht, mobei die Standbarleit mit der
Größe der vordern Neigung wachſt. Auch gelnidte
oder gelrümmte Mauerfläben (jog. Engliide
Mauern) lommen vor. Iſt der Stein ſeht loſt⸗
fpielig, dann baut man die E. nicht als einen tom:
patten Körper von gleichartigem Querfchnitt, wählt
vielmehr gegliederte E. mit hintern Berftärtungs:
pfeilern (contreforts) oder vordern Strebepfeilern,
mit ftebenden oder ſchrägen Zwiſchengewölben, baut
auch wohl die Mauer mit innern Hoblräumen, welde
als Lagerraum Verwendung finden, jo im Feſtungs⸗
bau. (©. aa ea €. am Wafler werben
Ufer: oder DQuaimauern genannt (f. Hafenbau).
Borftehende Fig. 1 ftellt im Quexſchnitt eine E. mit
geböichter Vorderflähe und geglieverter Rüdwand
dar, Die: 2 eine ſolche mit vertitaler Vorderfläche
und abgetreppter Rudwand, Fig. 3 eine engliſche E.
Erde (ajtron. Zeihen &), der von uns bewohnte
Planet, der dritte unſers Sonnenfuftems. Die Ges
g#
132
alt der E. erſcheint dem nad allen Richtungen
i um ſich blidenden Beobachter als eine flache,
eisförmige Scheibe, auf deren Rande das Himmels:
gemwölbe gleichſam zu ruhen iheint. Demgemäßk wurde
die E. im Altertum jelbft von den Griechen lange Zeit
r eine auf dem Wafjer ſchwimmende Scheibe ge:
Iten. Allein ſchon im Altertum nabmen einzelne,
zuerst wohl Eudorus, nad ibm Ariftoteles, die Kugel:
geftalt der E, an, durch die allein alle ſich darbieten-
den Ericheinungen —— erflärt werben kön:
nen. Nur die Kugelgeitalt der E. macht erflärlich,
daß die E. von jedem beliebigen Standpuntte aus
rund ericeint, daß ſich aber der Gefichtätreis in
vemfelben Maße erweitert, in dem wir unfern
Standpunkt böber nehmen; daß wir ferner die
Spigen und Giebel von Türmen, Bergen, Schif:
en u. ſ. w. aus der Ferne eber erbliden ald den
Fuß oder die untern Teile derjelben. Außer dieſen
weiſen für die Kugelgeſtalt der E. giebt ed noch
zablreidhe andere. Dahin gebören das allmäbliche
Sichtbarwerden neuer, vorber unfichtbarer Geſtirne,
jobald man jih, von den Polen berfommend, dem
Aquator näbert, der runde Schatten der E. auf
dem Monde, jobald diejer durch fie verfinftert wird,
die ungleichen Tageszeiten, in denen gleichzeitige
himmliſche Ericheinungen in verfchiedenen Gegen:
den der E. wabrgenommen werben, endlich insbe—
fondere die jeit 1519 oft ausgeführten Reifen um
die E. (die ſog. Weltumjegelungen). Die E. ıft aber
nicht genau eine Kugel, jondern ein Geoid (f.d.); ibr
Durdmefler zwiſchen den beiden Drebungspolen ift
Heiner ald der Durchmefjer im Siquator, fie ift an
den Polen abgeplattet (f Abplattung), wie ſich
teild aus Grabmejjungen (1. d.), teild aus Pendel:
beobadıtungen (j. d.) ergniebt. Die Größe der Ab:
plattung beträgt nad den neueiten Rechnungen
von Clarke "go; der Durchmefler der €, ift am
Hauator 12756498 m, an den Polen 12718 030 m.
Der Umfang des AÄquators beträgt 40.075 700 m,
aljo die Länge eines Hquatorialgrades 111307 m,
die Dberfläbe der E. 510 Mill. gkm, ihr Inhalt
1083210 Mill. cbkm. Durd beide Pole gehende
größte Kreife nennt man Meridiane (f.d.), deren
nge 40003423 m (ein Grad 110564—111680 m)
beträgt, die zu dieſen fentrecht ſtehenden Kreiſe,
deren Mittelpuntt zugleih in der Erdachſe liegt,
Baralleltreiie (f. x ey nad den Polen zu ab:
nehmenden Längen. Der 4Omillionfte Teil eines
Meridiang wurde die Einheit des metrifben Maß:
ſyſtems (j. Meter). Der größte Barallelfreis, der
die E. in eine nördl. und eine ſudl. Halbkugel (f.
lanigloben) teilt, ift der Rquator (f. d.). Dur
eridvian und Paralleltreis ift die geogr. Länge
(f. d.) und Breite (j. d.) und damit die geogr. Lage
eines jeden Ortes beitimmt. Wahrſcheinlich infolge
der wechjelnden Belaftung der Erde durch meteo:
rolog. Vorgänge (Wafjer, Schnee, Eis u. |. m.) er:
jäbrt die Erdachſe geringe Schwankungen (bis zu
einer halben Bogeniefunde = 16 m an der Erd:
oberfläche), deren Erforſchung erft neuerdings in die
Wege — iſt. Über Einteilung der E. in Zonen
J. d. Die — und ——
ſchichte der Erdrinde(ſd.) lehrt die Geologie (1. d.).
Uber die Beſchaffenheit und den Zuſtand des In—
nern der €, (deö Erdkerns) liegen keine direlten
Beobahtungen vor, da man mit Bobrlöcdern und
Schädten nur bis 2003 m (bei Rybnit in Über:
ichlefien) tief in die Erdrinde eingedrungen iſt. Ne
doch läßt fi daraus, daß die Erdwärme (f. d.) mit
Erde
der Tiefe überall zunimmt, ferner aus der allgemeis
nen Verbreitung von warmen und beißen Quellen,
aus der Eruption geſchmolzener Geſteinsmaſſen
(Laven), aus der Bildung von Geſteinsfalten durch
Abtüblung und ————— der E. ſchließen,
daß deren Inneres glübend oder glutflüſſig iſt. Fer⸗
ner weiſt das hohe ſpecifiſche Gewicht der E. (5,5)
und die Zunahme der Dichtigkeit derſelben gegen
ihr Centrum darauf bin, daß das Erdinnere aus
Metallmaſſen, vorzüglich aus Eiſen beſtehen dürfte.
Endlich gebt aus der Entwidlung enormer Gas—
und Dampfmafien aus Vullanen und Lavaftrömen
bervor, dab dieſes alutflüfjige Innere von Gaſen
und Dämpfen durctränft ilt.
Die Dichte oder das fpecifiihe Gewicht der €,
in ihrer Gefamtmafje kann nicht direft gemeſſen
werben, iſt aber durch die Einwirkung von belann⸗
ten Maſſen auf die Schwingungen eines Pendels
beitimmt worden. Mit großer Sicherheit ift ans
junebmen, daß die mittlere Dichte der E. 5,;mal
rößer ift alö die des Waſſers. Da nun das mitt»
ere jpecififche Gewicht der feiten Erdkruſte, fomeit
wir fie ala aus Geiteinen bejtebend lennen, nur
etwa balb fo aroß ift, B ergiebt fib daraus, daß
das Erdinnere jhwerer fein muß. Die Mafie der
E. —— etwa "ggsoeo der Sonnenmaſſe.
Umgeben ift die € von einer Atmoſphäre
(1. d.), die als ein zu ihr geböriger Beitandteil an—
zuſehen ift, an ibren Beweaungen teilnimmt und
weſentlich dazu beiträgt, daß auf der E. Organis⸗
men fich erbalten und gedeiben können.
Die E. ald Beftandteil des Sonnen:
ſyſtems betrachten lehrt die Ajtronomie; fie zeigt,
daß die E. ſich nebit den übrigen Planeten von
in nad Diten um die Sonne bewegt und von
derjelben als ein an fib dunkler Körper Licht und
Wärme erhält. Kopernitus jtellte zuerft die Be:
bauptung auf, daß die Sonne rube und die €, nebft
den Blaneten, Kometen u. ſ. mw. ſich um fie bewege,
eine Hypotheſe, die jetzt allgemein als unumjtößliche
Gemwihbeit angenommen wird. Durd fie alleın laſſen
fih die jo ungemein verwidelten, jcheinbar ganz
regelloien Blanetenbewegungen,, wie fie von der €.
aus ericheinen, auf einfachem eg in völlig
befriedigender Weije erllären. (S. Weltſyſteme und
Tafel: Sonnenfpitem.)
bren Weg um die Sonne, die Kevolution,
legt die E. in einem Zeitraum von ungefähr 365'/,
Tagen zurüd, den wir ein Jahr (f. d.) nennen.
Die Bahn, die die E. befchreibt, ijt eine Eilipie,
in deren einem Brennpunfte die Sonne ftebt. Dar:
aus folgt, dab die E. ey zu allen Zeiten des
Jahres gleihweit von der Sonne entfernt ift, und
zwar jtebt fie ihr am nächſten (in ver Sonnennäbe
oder dem Peribelium) zu Anfange des Jahres, alio
wenn es für die nördl. Halbfugel Winter ift, am
ferniten (in der Sonnenferne oder dem Arbelium)
um die Mitte des Jahres, wenn bie nörbl. Halb»
kugel Sommer bat. Der Unterjchied zwiſchen der
größten und Meinften Entfernung iſt indes verhält:
nismäßig zu unbeträdtlib, um auf die Wärme, die
wir von der Sonne erhalten, einen erbeblichen
Einfluß zu äußern. Die Heinfte Entfernung der
Sonne von der E. beträgt 146 Mill. km, die arößte
151 Mill, die mittlere (die der balben großen
Achſe der Erdbahn gleich iſt) 148154000 km. Hier:
aus ergiebt ſich, daß der Weg, den die E. jährlich
durdhläuft, 931 Mill. km beträgt; demnad legt
die E, (genauer ihr Mittelpuntt) in jeder Sekunde
Erde
ungefähr 29,5 km zurüd. Die Erdachſe ſteht nicht
fentrebt auf der Gbene der Erdbahn, fondern die
Mauatorebene der E. bildet mit der fheinbaren
Eonnenbabn, der Ekliptik (f. d.), einen Wintel von
23° 27’, den man Sciefe der Elliptit nennt.
Hierin haben der Wechſel der Jahreszeiten (ſ. d.)
und die verfchiedene Tageslänge ihre Urjache.
Nah neuern Beobadtungen führt die Erdachſe
Heine Schwankungen aus, die fib in den Schwan⸗
fingen der geogr- Breite eines Ortes zu erlennen
geben. (S. Breite, Bd. 3 und 17.)
Außer diejer jährlichen Bewegung um die Sonne
bat die E. noch eine zweite, täglıdhe Bewegung, die
Rotation (den Erbumfchwung), indem jie fh in
24° Sternzeit (= 23° 56= 4° mittlere Sonnenzeit),
und jwar von Mejten nad Dften, einmal um ibre
Achſe drebt. Die Folge diejer Umdrehung ift das
jbeinbare Auf: und Untergehen der Sonne und
überhaupt der Mechiel von Tag (f. d.) und Nacht
(f.d.), va mit Ausnahme der beiden Bolargegenden
jeder Drt der €. fich mäbrend eines Teil jener Im:
drebungszeit auf der erleuchteten oder der Sonne
sugelebrten, wäbrend bes übrigen Teild auf der
dunfeln ober von der Sonne abgewendeten Hälfte
der E. befindet. Die lUmpdrebungsgeibmwindigs
teit, die offenbar von den Polen oder Endpunften
der Erdachſe aus bis zu den von ihnen gleihmweit
entfernten Gegenden des Aquators allmäblid zu:
nebmen und dort am größten fein muß, iſt unter
dem Slquator etwa der Geichbwinpdigteiteiner Buchſen⸗
fugel glei, indem jeder Punlkt des ÄAquators, ganz
abgeiehen von der Bewegung ber E. um die Sonne,
in einem Tage 40076 km, alfo in einer Sekunde
464 m jurüdlegt. j
, Für die Achſendrehung der ©. liefert einen
indireften Beweis die Abplattung der E., die fich,
wenn wir berüdfichtigen, daß ſich die E. jedenfalls
urfprünglib in einem flüffigen oder doch ſehr wei:
den Zu de befunden baben muß, nur aus der
Achſendrehung der €. erklären läßt, indem diejelbe
fonft die Kugelform angenommen baben müßte.
Auch zeigt die Rechnung, daß der Betrag der Ab:
plattung, welde die E. hat, der Geſchwindigkeit,
die wir ibrer IImprebung — müſſen, und der
Schwere, die ibre Mafje ausübt, genau entipricht.
Penn nun zweitens die Pendelbeobahtungen eine
Abnahme der Schwerkraft ven den Polen nad; dem
fiquator zu lehren, jo ift Dieje Abnahme nur zum
Heinern geil aus der nicht genau kugelförmigen
Geftalt der E. zu erflären, zum größern aus ber
die Schwertraft vermindernden Schwungfraft, die
eine notwendige Folge der Achſendrehung fein
muß. Ferner kann man 31 den direften Beweiſen
für die Umdre ung der E. aud die öſtl. Abweichun
frei fallender Körper rechnen. Ein Körver, der fi
in beträhtliher Höhe über der Erboberfläce befin:
det, befikt wegen feiner größern ——
von der Erdachſe infolge der Umdrehung der €
eine gröhere nad Oſten gerihtete Geſchwindigkeit
ald ein Körper an der Erdoberfläche. Da er dieſe
aub beim Herabfallen beibehält, fo muß er beim
Fallen den Boden öjtlich von dem Buntte erreichen,
wo dies geſchehen würde, wenn die E. fih nicht
drebte. Da die Höben, die für Verſuche diefer Art
angewendet werden lönnen, immer nur Hein find
und 100 m felten überjteigen, jo Tann die ermäbnte
Abmeihung immer nur jebr gering jein; jo würde
diefelbe z. 3 am Siquator bei einer Fallhohe von
13m etwa 1 mm betragen. Durch Verſuche, die
133
Benzenberg auf dem Micaelisturm in Hamburg ans
an bat, bat er eine ſolche öftl. Abweichung deut
id nachgewieſen. Endlich ift durch die Pendel:
*560 Leon Foucaults in neuerer Zeit noch
ein jchlagender erperimenteller Beweis für die Um—
drebung der E. geliefert worden. Diefe Berjuche
beruben nämlich 1 dem Umitand, daß ein Benvel
in derjelben Ebene fortihwingt, während (wenn es
in einiger Entfernung vom Hauator, am beiten
recht nahe einem der Mole aufgehangen ift) die €,
ſich gleichſam darunter herumdrebt, jo daß dadurch
die Lage der Schwingungsebene ſich ſcheinbar ver⸗
ändert, während eigentlich dieſe konſtant bleibt und
vielmebr die €, fi) dreht. Der Einwand, daß wir
ja von der Bewegung der E. gar nichts fühlen, ver⸗
dient im Grunde gar feine ernftliche Widerlegung.
An Stößen und Erfchütterungen werden wir die
Bewegung, wenn fie jo gleihmäßig und regelmäßig
vor ji gebt, ald wir annehmen müllen, ebenfo
wenig ober vielmehr noch weit weniger wabrneb«
men können, als die Bewegungen eines Fabrzeugs
in einem volle rubigen Wafler, und das Durds
ſchneiden der Luft kann uns darum nicht merklich
werden, weil die Atmoſphäre an der Umdrehung
der €, teilnimmt.
Die Oberfläche der E., welche zu 509950714
km berechnet wird, ift teild mit Land, teild mit
ler bevedt. Das Land umfaßt (nah Wagner)
einen Flächenraum von 144,5 Mill. qkm (28,3 Broz.),
das Mafjer bevedt 365,5 Mill. qkm (71,7 Broz.).
Die größte Yändermajle liegt im norböftl. Teil der
E., die größte Wafleranfammlung im Südweſten
(Stiller Ocean) [f. die Karten: Blanigloben der
Erde). Das Land verteilt ſich auf fünf Erbteile
(j. d.), Dceanifche Inseln und Bolargebicte folgen:
dermaßen: Europa (obne Jsland, Rowaja Semlja
und atlantifche Infeln) mit 9729861 qkm (wovon
68 Proz. Tiefland und 32 Proz. Hochland) und
31460 km flüftenentwidlung (Verhältnis der Glie
der zum Stamm wie 1:2); Aſien (obne Bolarinjeln)
mit 44142658 qkm (wovon 37 Proz. Tiefland und
63 Proz. Hochland) und 56985 km füftenentmwid-
lung (Verhältnis der Glieder zum Stamm wie1:8);
Afrıla (obne Madagastar u. f. w.) mit 29207100
qkm (35 Broz. Tiefland und 65 Proz. Hodland)
und 26000 km Küftenentwidlung (Berbältnis der
Glieder zum Stamm 1:47); Amerika (obne Polar:
nebiete) mit 38334100 qkm (46 Proz. Tiefland und
54 Bros. Hochland) und 64500 km ftüftenentwids
lung (Berbältnis der Ölieder zum Stamm wie1:12);
Auftralien (Feftland und Tasmanien) mit 7695726
qkm (78 Proz. Tiefland und 22 Bros. Hochland)
und 7500 km Küſtenentwicklung (Berhältnis der
Blieder zum Stamm wie 1:36); Deeaniſche Inſeln
mit 1898700 qkm und Bolargebiete mit 4482620
qkm Flädeninbalt. s
Die mittlere Höbe des trodnen Teils der €. ift
auf ungefäbr 700 m berechnet worden (Europa 300,
Aſien 880, Airita 660, Amerita 610, Aujftralien
und Oceanien 300 m). Das ganze Feſtland vers
teilt fib auf 53 Proz. Tiefland gegen 47 Proz.
Hodland. j
Bon der Waſſerfläche fallen auf den Stillen
Dean 47 Broz., den Atlantiſchen Dcean 24 Proj.,
den Indiſchen Dcean 20 Broz., das Nörvlice Eis:
meer 4 PBroz., das Südliche Eismeer 5 Bros. Die
mittlere Tiefe beträgt beim Stillen Dcean uns
aeiäbr 3870, beim Atlantifhen 3330, beim ns
diichen 3600, insgeſamt 3500 m. (S. die Artitel
134
Sand und Meer) Über Verteilung der Wärme,
der Niederfhläge und über den Erbmagne:
tismus f. Temperatumerteilung (mit Karte: Tem⸗
BERINEM LINKEN] der Erde), Regenver:
teilung (nebft Karte: Regentarte ber Erde) und
Magnetismus der Erbe. liber die Verteilung der
Pflanzen: und Tierwelt auf der E. |. Pflanzen:
—Ar und Tiergeographie (nebſt Karten).
ie Gejamtbevölferung der E. hat Way:
ner für das J. 1900 auf 1557 Mill. Menſchen
berechnet; davon entfallen auf Europa 392 Mill,
Aſien 875 Mill., Afrita 170 Mill., Amerika
143 Mill., Auitralien und Dceanien 7 Mill. Be
mwobner. Die Bevöllerungsdichtigkeit (ſ. Bevöllke—
rung) iſt am größten in Europa, in Japan, China,
Ditindien, im Nilthal und in den Neuenglandftaaten
Nordameritas, am dünnſten in der Sabara, inner:
auftralien und in den Polarländern. (V L. bierzu
Grofarten I: Boltsdichte auf der Erde um
1900.) Den Raſſen nach verteilen fich die Dienjchen
zu ungefähr 795 Mill. auf den ind.zeurop. Stamm,
500 Mill. auf die Mongolen, 45 Mill. auf die
Malaio: Polynefier, 34 Dill. auf die Ameritaner
und Mifchlinge, 150 Mill. auf Afritaner, 60 Dill.
auf Dravida und 3 Mill. auf Papua und Auitra-
lier. (S. Menſchenraſſen nebſt Karte: Die Ver:
breitung der Menſchenraſſen nad 5. Müller
und D. Beichel.) Der Religion nad giebt es
etwa 555 Mill. Ebrijten (Europa, Norbamerila,
mit Ausnahme der Bolargebiete, Südamerika, auss
— das Amazonentiefland und Patagonien,
apland, djtl. Madagaskar, Oſt- und Süpmeit:
australien), nahezu 9 Will, Juden, 245 Mill. Mo:
bammedaner (Osmanifhes Neih, ran, Inner:
ajien, Ojtindien, inneres China, Malafa, Sumatra,
ava, Borneo), 656 Mill. Berebrer des Brabma
(Oftindien) und Buddha (Dftindien, Tibet, Mon:
olei, China und Japan) und etwa 123 Dill. Bes
enner heidn. Religionen (Slquatorialafrita, Auitra-
lien, Nord: und Oftjibirien, Amazonentiefland, Ma:
laiiſcher Archipel, Polyneſien und Bolarländer).
Bol. hierzu Erdkarten Il: Berteilung der Re:
ligionen auf der Erde, ſowie Neueres in der
Beilage: Religiongjtatiftil (Bo. 17).
Yitteratur. A.von Humboldt, Kosmos (5 Bde.,
Stuttg. 1845—62; neue Aufl., 4 Bde. 1889); Burs
meister, Geſchichte der Schöpfung (7. Aufl., Lpz.
1872); Ule, Die E. und die Ericheinungen ibrer
Oberfläche (2 Boe., ebd. 1873— 76); Sue, Das
Antlik der E. (Prag, Lpz. und Wien 1883 fa.) ; Kirch:
boff, Unfer Wiſſen von der E. (Prag, Lpz. und
Mien 1886 jg.); Roßmäßler, Geſchichte der E.
(4. Aufl., von Engel, Stuttg. 1888); Supan, Be:
völferung der E. (Gotha 1899 fa.); Vauchez, La
terre, Evolution de la vie & sa surface (Par. 1893);
Jakob, Unjere E. (2. Aufl, lien i. Br. 1895); Neu:
mayr, te (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1895);
Heiderib, Die E. (Wien 1896); Bommeli, Die Ge:
Say der €. (2. Aufl., Stuttg. 1897); Hellwald,
ie E. und ihre Bölter (5. Aufl., von Wächter, ebd.
19W5—7),; Hann, Hoditetter und Pokorny, All:
emeine Erdkunde (5. Aufl., 3 Bde, Prag, Lpz. u.
ien 1896— 99); Zimmermann, DieWunderder Ur:
mwelt(34.Aufl., von Kaliſcher, Berl.1898— 99; Suppl.
ebd. 1899 fg.); Nabel, Die E. und das Leben (2 Boe.,
Lpz. Bludau, Erdumrißkarte in flächen—
treuer Planiſphäre, 1:80000000 (Berl. 1900);
Debes’ phyſik. Erdkarte in Mercator& Projettion
(2. Aufl., Lpz. 1900). (S. auch Geogranbie.)
Erdebill — Erden
Erdebil, per. Stadt, j. Ardebil.
Erdeichel, f. Arachis und Tafel: Legumi—
nojen II, ig. 4, jomie Lathyrus.
Erdely (ipr. erveblj), ungar. Rame von Sieben»
“7 (1. d.). [mann, j. Bo. 17.
rdely (fpr. erdebli), Alerander, ungar. Staats⸗
Erpdeiyi (fpr. erdeblji), Job., ungar. Schrift⸗
fteller, geb. 1814 zu Kapos im Komitat Ung, itus
dierte im reform. Kollegium zu Särospatak, von
wo er alö Erzieber nah Peſt fam. Hier trat er ſo⸗
fort alö lyriſcher Dichter und Aftbetifch : fritifcher
Scriftfteller auf und errang folde Anerkennung,
daß ihn die Akademie ſchon 1839 zu ihrem Mits
glied wählte. 1841 machte er mit feinem Zögling
eine große Reife durch den yaye und Süpen Eu⸗
ropas. Nach jeiner Rüdtehr gab er feine gefammel:
ten Gedichte (Dfen 1844) und, im Auftrage der
Kisfaludy⸗Geſellſchaft, deren Mitglied und Sekretär
er war, ſeine xUngar. Vollslieder und Sagen» heraus,
die auf die Entwicklung der ungar. Dichtung von
roßem Einfluß waren (3 Bde., Peſt 1846—48; zum
Zeil deutich von Stier u.d. T. «Ungar. Sagen und
Pärchen», Berl. 1850). Abhandlungen über die
ungar. Volksdichtung und die Sammlung «Ungar.
Sprihmwörter» (Peſt 1851) folgten. Er gab auch
«Ungar. Voltsmärden» (Peft 1855) heraus. E., ver
1849 Veit verlafien mußte, ftarb 23. Jan. 1868 in
Särospatak als Profeſſor der Philoſophie.
Erden, in der ältern Chemie —— für
eine Anzabl farblojer, in Wafler un Böllher Wers
bindungen, dieman damals nicht verisben fonnte und
deshalb für Elementarftoffe bielt. Man unterjchied
Alkaliſche Erden (j.d.) und eigentlihe €.,
und rechnete zu leßtern Thonerde, Beryllerde, Tbor:
erde u. a. m. Nah Entdedung des Saueritofig
und der Elektrolyſe wurden die E. ald Saueritofl:
verbindungen, Oxyde und Oxydhydrate, bi dahin
unbetannter Elemente, namentlich leihter Metalle
(f. Erpmetalle) erkannt.
Sn der Geologie werben unter E. (Erbirume)
die zum Teil dur Waſſer von ihrem Urfprungsort
weggeſchwemmten und dann wieder abgelegten
ſandig⸗ thonigen Vermitterungärejte und Zerfleines
rungsprodulte der Gejteine veritanden, denen oft
verwejende organifche Subftanzen beigemiſcht find.
Der wichtigſte Beſtandteil der Erbfrume ift das
mwaflerbaltige Thonerdeſilikat, die Thonſubſtanz, die
aus der Jerjegung der Felbipatgeiteine bervorgebt.
Die E oder Erdarten der Gärtnerei find teils
organijcer, teild anorganifcher Herkunft. Zu den
aus tierischen und pflanzlichen Reiten entjtandenen
Groarten gebören: die Laube, Dünger:, Heide»,
Moor:, Raſen-, Schlamm: und Torferde. Die
Lauber de entitebt in natürlicher Weije durch Ber:
— von Blättern und andern Pflanzenabfällen
an muldenartigen ee ai oder an ſonſtigen
gegen den Wind geſchützten Stellen des Waldes. Faſt
in den meisten Gärten bereitet man fie aus reinen
Raub, welches man auf Haufen ſeht und von Zeit zu
Zeit unter Zufas des vierten Teiles Sand durch—
arbeitet, um den Zutritt der Atmoſphärilien zu beför:
dern und dadurch die Zerjegungzubeichleunigen. Die
Düngererde wird meiſt bereitet aus reinem, ftrob-
loſem ER von Weideplägen oder aus den
Ställen. Man bebanvdelt diejen wie die Qauberde,
bauptjählih zur Zeit ftarter Fröſte. Die Heide:
erde entitebt aus den verweiten Blättern der Heis
deliträucher (Vacciniaceae), wie Heidel- und Brei:
Belbeere und des Heibetrautes (Erica), ſowie aus
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Erdenge — Eroferfel
Tannennadeln an den natürlichen Standorten die:
ier Bilanzen. Am beften ift fie, wenn fie aus dem
Boden, auf dem fie ſich bildet, reihlihe Mengen
Quarzſandes aufnimmt. Sie eignet fib vorzugs⸗
weile zur Rultur —— Gewächſe, ſollte
aber immer nur in brodiger Form zur Verwendung
tommen. Eine ganz vorzügliche faferige Heideerden⸗
art wird in belg. Gärten unter der Bezeichnung
terre fibreuse jur Orcideentultur verwendet. Die
Moorerde findet man auf jog. Moormwiejen und
Iorimooren; fie ift aus den bei reichlicher Feuch⸗
tigteit verweiten Wurzeln der auf Standorten fol:
ber Art in großer Zabl vortommenden Bilanzen
iammengejest. Bei der Gewinnung jhürjt man
vorber Die darüberliegende Grasnarbe ab und ſam⸗
melt nur die obere 10—12 cm hohe Schicht. Sie
bat vor der Heibeerde eine größere wafjerhaltende
Rraft voraus, muß aber vor dem Gebraude längere
eit an der Luft gelegen haben und mit reichlihem
—— vermiſcht werden. Rafenerde iſt aus
—— iliſchen und mineraliſchen Beſtandteilen ge⸗
miſcht. Man bereitet fie, indem man auf ſchwartz⸗
grundigen, lehmig⸗ſandigen Triiten die Dichte Gras:
narbe abihält, vie Stüde mit dem Grafe nad) unten
auf Haufen jet und dieje häufig durcharbeitet, bei
dieſer Gelegenbeit Lauberde und düngende Sub:
tanzen zujeßt und dad Ganze mit Jauche übergieht.
Schlammerde wird aus dem Schlamme bereitet,
welcher fi in Teiben und Dorfgräben, die von
vielem Hofgeflügel beſucht werben, oder in den
nn voltreicher Ortſchaften zu Boden jet.
Auch fie muß unter öfterm Umftechen atmoſphaäri⸗
liſchen Einflüfen für längere Zeit ausgejeßt liegen.
Tori, die aus der Zerjegung von Sumpfpflanzen
im Waſſer entjtandene faferige, im Alter und in
trodnem Zuftande feſte Erdart, wird in der Gärt:
nerei vielfach verwendet. Bejonders geihäkt wird
der meiſt aus verweitem Sphagnum (j. Sumpf:
moos) beitebende rote braunjchweiger Torf, der zur
Bermebrung und Ausſaat von Sarnen und zur
Beimiihung für Orchideen: und Araceenerde dient.
Erparten anorganischer Herkunft fommen in
der Gärtnerei, abgejeben von dem meift humoſen,
mebr oder weniger kallbaltigen und fandgemifchten
Yebmbovden des Gemüfe: und Blumengartens, ſehr
jelten für ib, jondern meiftens nur als Beimif hung
jur Anwendung, bödjftens etwa reiner Quarzjand
ur Anzucht von Bilanzen aus Stedlingen. Als
54 für allerlei Erdmiſchungen, wenn fie von
etwas fompafterer Beſchaffenheit fein müfjen, bes
nunt mangern vermitterten Wandlehm, in Ermanges
lung deſſen auch gegrabenen Lehm, der 1—2 Jahre
an der Zuit gelegen bat und öfter durchgearbeitet
wurde, andernfalls auch Raltihutt. Hat man feinen
Quarzſand zur Verfügung, wie er fih am Ufer
mancher ylürje und Bäche in reichliher Menge fin:
det, jo fann man an feiner Stelle Grubenjand be:
nugen, der aber vorber wiederholt in Waſſer durch:
ewaſchen werden muß. Für eine große Zahl von
achſen der Topflultur genügt eine jog. Normal:
oder Durchſchnittserde. Dan bereitet fie aus vege:
tabiliiben Reften aller Art, Blättern, trodnem
Gezweig, Untraut, Strob u. ſ. w. Man jent dieſe
Materialien in Haufen, bringt fie durch Umſtechen
von Zeit zu Zeit mit den die chem. Zerjeßung be:
fördernden Armojpbärilien in Berührung, vermischt
he bei dieſer Gelegenbeit mit Kalt: und Vebmfchutt,
Eben, Abe, Ruß u. j. w. und begießt fie mit
mäjlern aus der Küche oder der Waſchküche, auf:
135
gelöftem ee Jauche und Abnlihen Flüffigteis
ten. Dieje Erde iſt fomit faft dasſelbe mie der
Kompoft, und kann durd einen reihlihen Zufag
von Lehm oder Sand ſchwerer und dichter oder
leihter und loderer gemadbt werden. Manden
Pflanzen genügt ſchon ein Erdreich, das einem ſtets
reichlich gedüngten und gut gepfie ten Gemüjegar:
ten entnommen wurde. — Über Eßbare Erben
—— ſ. Halbinſel. ſ. d.
Ervderichätterung, Erdbeben. Eten.
Erdeſſer, griech Geophagen, ſ. Eßbare
Erdfahl, eine Farbe, die, der trocknen Erde
ähnlich, eine Miſchung von Grau und Braun iſt.
Erdfall, der Einſturz unterirdifcher Hoblräume
infolge der allmäblihen Weglaugung auflöslicher
Geſteinsmaſſen (Gips, Salz, Kallſtein). Sole E.
find deshalb in allen Gips, Steinfalz, Kalt, Dolomit
ie Gegenden häufige Eriheinungen, jo in
büringen, am Südmweitrande des Harzes, im Zeus
toburger Wald, bei Lüneburg u. ſ. w., nirgends aber
roßartiger als in dem Kallſteingebirge von Krain,
Nüpre und Dalmatien, wo durch GE. unzäblige
olinen (f. d.) entitanden find. Viele ſolcher Trichter
ar von Waſſer ausgefüllt und fo in Seen oder
eiche (Teufelslöcher) umgewandelt. Den €, analog
find die foa. Pingen (f. d.) der Bergleute.
Erdfarben, diejenigen Mineraltarben (j.d.), bie
aus erdigen Mineralien (Farberden), wie Oder,
Brauntoble, Grapbit, Thon, Kreide, Schwerjpat
u. ſ. w,, entweder unmittelbar oder nach dem Bren-
nen * einſchlammen oder Mahlen hergeſtellt
werden. Als ſolche E. ſind vorzugsweiſe zu nennen:
Bergblau, Bolus, Grunerde, Kreide, Oder, Schwarz⸗
treide, Umbra (f. die Einzelartifel). Die natürliche
Farbe der Farberden wird durch verſchiedene Hitz⸗
grade bei dem Brennen (Röften), durch Miſchen
mit andern Erben, bier und da aud durch den Zus
jag von Metalloryden vielfach verändert und ab»
eituft, fodann unter nicht felten neu erfundenen
Bad oder Hinzufügungen von Ziffern oder Buch:
ftaben zur Grunpfarbe (4. B. Umbra V, Bolus F)
in den Handel gebradht. Vertreten ift diefe Induftrie
in Deutfchland vorzugsweiſe in —— (Saals
feld), zen Heſſen⸗Caſſel und im nörbl. Bayern.
Erdferfel, Erdſchwein oder Ameiſen—
ſchwein (Orycteropus), eine zu der Gruppe ber
——— geſtellte Säugetiergattung, welche ſich
ihrem innern Bau nach den ameril. Gürteltieren
näbert, während die Lebensweiſe jener der Ameiſen⸗
bären und Schuppentiere (f. d.) gleicht. Es find
große, plump und unfhön gebaute Tiere mit uns
verhältnismäßig Meinem, ihmalem Kopf, langen,
aufrehten, bünnbebaarten Obren und kurzen, mit
bufartigen Grabfrallen bewaffneten Füßen; bie
Bezabnung befteht bloß aus einer nad dem Alter
wechſelnden Zahl febr einfah gebauter Badzäbne.
Die Zunge iſt lang voritredbar, warzig und platt
bandförmig und wird in bderjelben Weiſe mie
jene der Ameijenbären und PBangoline zur Nah—
rung3aufnabme in den zuvor geditneten Termitens
bauten verwendet. Man fennt nur eine Art, das
tapſche E. (Orycteropus capensis Geofr.; |. Tafel:
abnarme Säugetiere l, Fig.4, beim Artifel
Zabnarme), dad 1 m lang mit 50 cm langem
Schwanze wird und ein nächtliches eben führt. Es
bewohnt Süpdafrifa bis zum Senegal ( f Ratte:
Tiergeograpbiel). Bel Tage gräbt es ſich in die
Erde oder verbirgt ſich in leeren Termitenbauten;
nachts gräbt es ſolche ſowie aud Ameifendügel
136
auf, um ſich der Inſaſſen zu bemächtigen. Nach der
Verbreitung und der damit auftretenden Variabilität
bat man noch Unterarten (Orycteropus aethiopicus,
senegalensis) unterſchieden. In die zoolog. Gärten
Europas gelangt das E. äußerſt felten. Doc hält es
fib gut und wird ernäbrt wie der Ameijenbär (f.d.).
Erdferne, j. Apſiden.
Erdfeſte, j. Land.
Erdfeuer, mit oft boben, lodernden Flammen
brennende natürliche Erdaaje (ſ. Bitumen), wie fie
befonders bei Balu am Kaſpiſchen Meer und bei
— mala im Apennin zwiſchen Boloana und
lorenz vortommen. — Auch brennenden Torfboden
nennt man €, (f. Waldbrand).
Erdflöhe (Haltica), eine jeht in viele inter:
attungen zerlegte Käfergattung mit viergliedrigen
faelenten aus der Abteilung der Blattläfer,
umfaßt ſehr Heine Käfer, die bedeutend verdidte
Schentel der Hinterbeine haben und viele Centi—
ineter weit fpringen, aber nur langjam kriechen
können. In Deutichland giebt es etwa 100 Arten.
Die Käfer überwintern, paaren ſich im Frühjahr
und legen dann ibre Eier. Die Larven find läng:
lih, drebrund, mit bornigem Kopf und Naden:
(sie, furzen Fühlern, ftarten Kinnbaden, kurzen
orderbeinen und Nachſchiebern am Hinterende.
Mebrere von ihnen fügen den Gewächſen bedeuten:
den Schaden zu, und unter diefen ift befonders der
gemeine Erdfloh oder Koblerpfloh (Haltica
oleracea Fabr.), welcher 4 mm lang, jtablblau oder
metalliichsgrün und unregelmäßig Fein punktiert ift,
vorzugsmeife den Gemüfepflanzen und Scoten:
—* ſen ſchädlich. Nicht minder ſchädlich und ſehr
äufig tft der geſtreifte Erdfloh (Haltica nemo-
rum L.), der 3 mm lang, ſchwarz, fen punftiert
und auf jeder lügeldede mit einem ſchwefelgelben
Längsftreifen gezeichnet ift. Sie erſcheinen beſon—
ders bei trodnem Metter und fliegen meiſt auf die
Gewächſe, die fie anfreſſen, jo daß die meiſten Ber:
tilaungsmittel, die auf ihr Springen gegründet
ind, nuplos find. Häufiges Begießen und Ab:
höpfen der Käfer und Larven ſcheinen die einzigen
ertilgungsmittel. Von den Landleuten wird, neben
dem eigentliben Rapsflob (Haltica s. Psylliodes
chrysocephala L.), aud der Rapskäfer (ſ. d.),
welcher nebft dem Pfeifer (Scopula margaritalis
Hb.) für Raps und Rübjen der jhädlichfte Käfer
ift, oft falſchlich ale Erdfloh bezeichnet.
Erdfröiche, |. Fröſche.
Erdgalle, das gemeine Tauſendgüldenkraut
(f. d. und en Gontorten, Fig. 4).
Erdgas, joviel wie Naturgas (f. d.).
Erdgeifter, ſ. Gnomen.
Erdgeſchichte, Entſtehungsgeſchichte der Erde,
beſonders der feſten Erdkruſte, Forſchungsgebiet
der —— (1. d.).
Erdgeihof, Barterre, das zu ebener Erde
gelegene Geihoß (j. d.). Im Mittelalter wie auch
in der Folgezeit enthielt das E. meist die Geſchäfts—
und Verlehrsräume, jelbit in fürjtl, Schlöfiern, wäh—
rend das 17. und 18. Jahrh. es liebte, dortbin vie
Feſträume in Verbindung mit den Gärten zu legen.
ber die Erfahrung, dab nicht gut unterfellerte €,
leicht feucht find, bat bewirkt, daß man jekt das E.
—— in Villen nicht zu niedrig, womöglich ober—
alb eines Kellergeſchoſſes als ſog. Hochparterre
Erdglaſur, ſ. Glaſur.
Erdglobus, ſ. Globus.
Erdgürtel, ſ. Zonen.
lanordnet.
Erdferne — Erdkrebs
Erdhacke, auch Breithacke oder Karſt ge—
nannt, eine Hade mit zwei Zahnen, die namentlich
in gebirgigen Gegenden und in Weinbergen zur
Bodenbearbeitung dient.
Erdharz, ſ. Aspbalt und Bitumen.
Erdhörnchen (Tamias), Gattung der Eid:
Erdhütten, ſ. Hütten. hörnchen (f. d.).
Erdig nennt man denjenigen Agaregatzuftand
ber Mineralien, bei dem mebr oder weniger feine
Beitandteile (feinerdia, groberdig) zu einem
leicht zerreiblichen oder pulverifierbaren Ganzen ver:
bunden find und auf der Bruchfläce lauter ftaub-
artige oder ſandähnliche Partikel bervortreten, 3.2.
bei vem Thon, dem Tripel, der Kreide u. ſ. m.
Erding. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.Bez. Ober
bayern, bat 777,20 qkm und (1900) 41122 (20128
männl., 20994 weibl.) €. in 48 Gemeinden, dar:
unter 1 Stadt. — 2) Bezirköftadt im Bezirfäamt
€., 36 km im NO. von Münden, in 462 m Höbe,
an der rechts zur Iſar gehenden Sempt und ber
Nebenlinie Shwaben:€.(13,#km) der Bayr. Staats:
babnen, Eis eines Bezirlsamtes, Amtsgerichts
(Landgeribt Münden II) und Nentamtes, bat
(1900) 3388 E., darunter 50 Evangelifde, (1905)
3812 E., Poit: und Bahnerpedition, Telegrapb,
3 kath. Kirchen, Fortbildungsſchule, Krantenbaug,
Waifenhaus, Bürgerjpital, Joſefianſtalt; Woll—
ipinnerei und Wollzeugmweberei, yabrifation von
landwirtichaftliben Mafchinen und Flanell ſowie
große Getreidemärfte. E. war ſchon 950 Hauptort
eines Gaues und wurde im Dreihigjäbrigen Kriege
dreimal verwüſtet. Das Erdinger Moos
(275 qkm) erjtredt jich zwiſchen far und Sempt
bis gegen Moosburg bin und findet jeine jüpl.
Fortiekung im Jamaninger Moos.
Erdiödzeg, ungar. Ort, ſ. Diöszeg.
Erdkarten, j. Landkarten, Erde und PBend.
Erdkäſten, 30—100 cm tiefe, an den Seiten
mit Brettern ausgeichlagene oder ausgemauerte
Erdaruben, zum liperwintern von jhusbepürftigen
Topfgewächſen, oder 20—40 cm bobe, auf die Erde
eftellte Brettertäften obne Boden, die mit guter
de angefüllt und mit Mijtbeetfenitern bevedt im
eitigen Frühjahr zur Ausſaat von Sämereien jarter
— und zur Anzucht von jungen Pflänzlingen
Erdfern, f Erbe. [dienen.
Erdfobalt, ein in derben, traubigen und nie=
renjörmigen Maſſen vortommendes Mineral von
der Konſiſtenz des trodnen plaftiicben Thons und
bläulibihwarzer Farbe; es iſt jebr milde, abfär-
bend, fchimmernd bis matt, im Strid etwas glän—
send. Chemiſch bejtebt es aus Kobaltoxydul (1I—
20 Proz.), Nanganjuperorvd (daber die Benennung
Kobaltmanganerz gerechtfertigt), einem gerin-
gen Gebalt an Nupferoryd, Baryt und Kali, ſowie
etwa 21 Bros. Waſſer. Salzjäure wirft löfend unter
Eblorentwidlung. Dieſer ———— E. findet ſich
3. B. bei Camsdorf, Saalfeld, Glüdäbrunn, Rie:
chelsdorf und wird zur Blaufarbenfabrilation be:
nust. Gelben und braunen E. nennt der tbü:
ring. Bergmann andersgefärbte, ebenfalld erdige Ko:
balterze von abweichender chem. JZufammenfekung,
indem fie großenteild Gemenge von waflerbaltigem,
arfenjaurem Eiſenoxyd, Kobaltorud und Kalterde
daritellen; in ibnen liegen wabrſcheinlich in eriter
Linie Zerjehungsprodulte von Speislobalt vor.
Erdfreb3, eine vorzugsweife die Nadelbölzer,
aber auch Laubhölzer jeden Alters treffende Baum:
trantheit, befonders ven jungen Navdelbolzpflanzun:
Erdkrokodil — Erdmann (Morik)
va ſhadlich. Die kranten Stämmchen zeigen ge:
nid am MWurzelftod eine Anſchwellung mit
umipender Rinve, bei Navelhölzern mit Harzaus:
wi. Urſache ver Krankheit ift ein parafitiicher
dutpil;, der Hallimajfc (f. d.) oder Honigpilz
Aarieus melleus Vahl), deſſen ſchneeweißes der:
tes Nxelium (Rhizomorpha subcorticalis Pers.)
nd fäherförmig im lebenden Stamm oder in Wur:
iin im lebenden Rindengewebe verbreitet und den
iod der bejallenen Bäume verurſacht. Das Myce
mm tritt aber auch in Geftalt von jhwarzbraunen,
barten Strängen (Rhizomorpha subterranea Pers.)
auf, ald ſolches wächſt es in der Erde fort und be:
wirt Anitedung benachbarter Bilanzen, indem es
üb in deren Wurzeln einbobrt und fi darin als
weibe& Mocelium meiter verbreitet. In bereits ge:
töteten Bäumen findet man dieje ſchwarzbraunen
Stränge auch zwiſchen Holz und Rinde. Im Herbit
hebt man an den im Boden frei wachſenden Rhizo—
morpben jomie aus der Rinde der durch den Para-
ſiten getöteten Bäume, namentlib am Wurzelitod,
die großen braunen, eßbaren Fruchtträger zur Ent:
widlung gelangen. Die weißen Sporen derjelben
werben durch den Mind verbreitet oder auf andere
Art verichleppt, entwideln zunächſt ein fädiges
Mocel,und aus dieſem gebt jodanndie Rhizomorpha
genannte Mpcelform hervor. Als Sapropbyt tommt
diejer Bil; aub an abgeftorbenen Wurzeln und
Stöden jämtliher Yaub: und Nadelbäume, jomwie
an bereitöverbautem Holzein Majjerleitungsröbren,
Bergmwerten, an Brüden u. ſ. w. vor. — Vgl. Hartig,
Bictige Krankheiten der Waldbaume (Berl. 1874);
beri., Yebrbud der Baumtrankheiten (2. Aufl., ebd.
1859). — Auch die Maulmurfägrille (f. d.) nennt
man zumeilen €. [fen II, Fig. 1).
Erdfrofodil, der Skint (f. d. und Tafel: Ech—
Erdkröte, j. Kröten und Tafel: Fröſche und
Kröten U, Fia. 3, beim Artitel Froſchlurche.
Erdfrume, j. Erden.
Erdfrümmung, die Gröhe der Abweichung der
Riveaufläche der Erde von der durch einen beftimm:
ten Buntt gelegten Horizontalebene. Die Größe
der E. muß man bei Höbenmejlungen, die zwiſchen
—E in größerer Entfernung voneinander liegenden
Buntten ausgeführt werden, jtetö ermitteln und
in Rechnung jtellen, um ein richtiges Ergebnis zu
erhalten. Fur den praltiſchen Gebraud find hierzu
bejondere Tabellen berechnet. — —* von Bauern⸗
feind, Elemente der Vermeſſungskunde (7. Aufl.,
Erdkruſfte, j. Erdrinde. [Stuttg. 1890).
Erdfufud (Geococcyx), aus zwei Arten be
ſtehende Gattung der Kududsvögel des fühl. Nord:
amerilas mit bräunlicher Färbung, hohem Lauf, lan:
gem, ftuigem Schwanz und kurzem Federſchopf auf
Erdkugel, ij. Globus. [dem Hinterkopf.
Erdfunde, j. Geograpbie.
Erdleguane, ij. Zequane.
Erdpmagnetismus, j. Magnetidmus der Erbe.
Erdbmandeln, die an den Ausläufern der Wurzel
von Cyperus esculentus L. (ſ. Cyperus), einer im
fübL Europa und in Nordafrita wild wachſenden und
aud fultivierten Cyperacee, befindlichen mehligen
Knollen in der Größe von Hafelnüjjen. Diejelben
d außen bräunlichrot, innen weißlich, von ſüßem,
jelnußartigem Gejhmad, enthalten gegen 25 Proz.
fettes Al und werden teils rob, teilö geröftet zum
Racrifh genofien, aud als Material zur Olge:
winnung und als Kaffeeſurrogat verwendet; früßer
benugte man ſie arzneilih gegen Brufttrantbeiten,
137
(S.aud Lathyrus und Arachis fowie Tafel: Legu:
minoien II, Fig. +.)
Erdmann, —— Philoſoph, ſ. Bo. 17.
Erdmann, Dapid, prot. Theolog, geb. 28. Juli
1821 zu Güftebiefe in der Neumart, ftudierte in Ber:
lin, wurde 1850 Hilfäprediger am Dom, 1851 Divi:
fionsprediger in Berlin, 1853 auch Brivatdocent an
der Univerfität daſelbſt, 1856 ord. Brofejjor in Kö:
nigsberg, wo er jeit 1857 zugleich das Pfarramt an
der altjtädtiichen Kirche belleidete. 1864 wurde €.
als Generaljuperintendent von Sclefien nach Bres:
lau berufen und 1865 zugleich ord. Honorarprofeflor
an der Univerjität datel jt. Seit 1879 war er Mit:
lied des Generaliynodalrates, wurde 1889 zum
Mirll,Oberlonjiftorialrat ernannt und 1900 von der
Ausübung feiner akademiſchen Lebrtbätigfeit ent:
bunden. €. ftarb im März 1905 in St. Blafien. Er
fchrieb : «Lieben und Leiden der erſten Chriſteny (Berl.
1854), «Primae Joannis epistolae argumentum,
nexus et consilium» (ebd. 1855), «Die Reformation
und ihre Märtyrer in Jtalien» (ebd.1855),« Der Brief
des Jakobus, erklärt» (ebd. 1881), «Luther und die
Hobenzollern» (Bresl. 1883; 2. Aufl. 1884), «Luther
und feine Beziebungen zu Schlejien» (ebd. 1887).
Erdmann, ob. Eduard, Philoſoph der Hegel:
{hen Schule, geb. 1/13. Juni 1805 zu Wolmar in
Livland, ftudierte in Dorpat Theologie, in Berlin
.. bilofopbie, lehrte 1828 nad) Finland zu:
rüd und wurde 1831 Pastor primarius in feiner
Baterftadt, legte jedoch 1833 dieje Stelle nieder, um
fih ganz der Philoſophie zu widmen, und habilitierte
fih 1834 bei der philof. yatultät in Berlin. Er er
bielt 1836 eine außerordentliche Profeſſur in Halle,
wurde 1839 ord. Profeſſor und ftarb daſelbſt 12. Juni
1892. Unter E.s Schriften, die ibm in der Ge:
dichte der Hegelichen Schule eine ebrenvolle Stel-
ung ſichern, ijt das Hauptwerk der «VBerjuc einer
wiſſenſchaftlichen Darjtellung der Geſchichte der
neuen Bbilofopbie» (3 Bde., Lpz. 1834—53). Eine
gebrän te und bis zur Gegenwart weiter geführte
Darftellung desſelben Gegenjtandes gab E. in
dem zweiten Bande feines ausgezeichneten Wertes:
« Grundriß der Geſchichte der Philojopbie» (2 Boe.,
Berl. 1865 ; 4. Aufl. 1895—96; in engl. Überjegung
von Hougb, 3 Bde., Lond. 1890). Ferner find zu
nennen: «VBorlejungen über Glauben und Willen»
(Berl. 1837; ins Holländifche 1846 überjegt), «Natur
oder Schöpfung» (Lpz. 1840), «Leib und Seele»
(Halle 1837; 2. Aufl. 1849), «Grundriß der Pſycho⸗
logie» (Lpz. 1840; 5. Aufl. 1873), «Grundriß der Lo:
git und Metapbyfil» (Halle 1841;5.Aufl., Leid.1901;
ins Polnische überjeht, Lpz. 1344), «»Philoſ. Vorlefun:
gen über den Staat» (Halle 1851), «Vorlefungen
über atademifches Leben und Studium» (Lpz. 1858)
und feine Biograpbie Hegels in der « Allgemeinen
Deutihen Biographie» (Bd. 11, ebd. 1880). In den
«Pſychol. Briefen» (Lpz. 1851; 7. Aufl. 1896) fuchte
er die Viychologie in der Form belebrender Unter:
baltung darzuftellen. Eine Anzahl geijtvoller Bor:
träge, die er in Berlin und Halle vor einem größern
Zubörerfreife gebalten, find u. d. T. «Ernjte Spiele»
(Berl. 1855; 4. Aufl. 1890) gefammelt erfchienen.
Außerdem hat E. eine große Anzahl von Predigten
und Predigtiammlungen ſowie von alademiſchen
Reden und Gelegenbeitsichriften veröffentlicht.
Erdmann, Moris, Landihaftsmaler, geb.
15. April 1845 zu Arneburg bei Stendal, beſuchte die
Akademie in Berlin fomie das Atelier von H. Eſchle
und madte dann Studienreifen durch Deutich:
138
land, Schweden und Stalien. Unter jeinen Bildern
find berporzubeben: Heide am Re DR: im Harz,
Das Morjumlliff auf der Inſel Sylt, Die grüne
Grotte auf Capri, Die Villa Habriana in Tivoli,
Römiſcher Park bei Mondſchein, Campoſanto in
Neapel; ferner: Landſchaft mit Maria Magdalena
und Maria am Grabe Ebhrijti trauernd. Neueſtens
bat der jegt in München lebende Künſtler ſich auf
einer ſpan. Reife ein weiteres Darjtellungsgebiet
angeeignet, worin er zunädjt mit Bildern aus
Segovia an die Öffentlichkeit getreten ift, welchen
er 1888 und 1889 ſchöne Stimmungäbilder aus
Capri und Tivoli zur Seite ſetzte. Auf der Inter:
nationalen re zu Berlin 1891 ſah
man von ihm die Gemälde: Die Thermen der Billa
Hadrians bei Tivoli, Puerta Sant’ Andres in Se:
ovia, Der Makmann bei Berchtesgaden; 1892
fit er in Münden aus: Straße in Segovia, in
erlin: Subiaco im Mondſchein.
Erdmann, Dölar, Germanift, geb. 14. Febr.
1846 in Thorn, ftudierte in Seipäip, Berlin und
Königsberg, wurde 1868 Gymnaftallebrer in Grau:
benz, 1874 in Königsberg, 1883 Privatdocent dort,
1885 außerord. Profeflor in Breslau, 1889 ord.
gatdier der deutſchen Sprache und Litteratur in
iel, wo er 14. Juni 1895 ſtarb. E.s Forſchungen
alten namentlich der deutichen Syntar («linter:
uchungen über die —— Sprache Otfridso,
2Bde. Halle 1874— 76; «Grundzüge der deutſchen
Spntar», Bo. 1, Stuttg. 1886); von Dtfrids Evan:
pe ienbuch veranitaltete er eine trefflihe Ausgabe
Halle 1882). Mit H. Gering redigierte er die
«Zeitfchrift für deutſche Philologie».
Erdmann, Dito, Genremaler, Sohn von Dito
Zinne E. geb. 7. Dez. 1834 zu Leipzig, bildete ſich
in Leipzig, Dresven und Münden und ließ ſich
1858 in Düfleldorf nieder, wo er in der Nat zum
9. Dez. 1905 jtarb. Er entnabm feine höchſt eleganten
KRojtümbilder meijt der Rofokozeit. Seine befannte
ten Gemälde find: Das Blindekubipiel (1863; Mu:
eum zu Leipzig), Ein kritiſcher —— (1868),
ie Schachſpieler, Die Erwartung, Die Einführung
der Braut (1878),Liebesoratel,Cin Zeitament (1886),
Gnadengefuh (1887), Das kranke Prinzechen(1888),
Die Rache des Nebenbublers (1889), Zwei Bartien
(1892) ,Runft bringt Gunſt, Im Reich ver Töne (1894).
Erdmann, Dtto Linne, Chemiter, geb. 11. April
1804 zu Dresden, Sobn des bejonders um die Ein:
fübrung der Schuspodenimpfung in Sadjen ver:
dienten Amtspbyjitus und Arztes Karl Gott:
ried E. (geb. 31. Mai 1774, geit. 13. Jan. 1835),
vierte auf der Mediziniſch-chirurgiſchen Akademie
u Dresden und in Yeipzig, wo er ſich 1825 für
bemie babilitierte. Als 1826 die —— des
Nickels zur Fabrikation des Argentans befannt
wurde, widmete ſich E. eine Zeit lang dieſem Indu—
ſtriezweige als Chemiler einer Fabrik am Harz,
lehrte aber bald nad Leipzig zurüd. Er wurde
1827 außerord., 1830 ord. Profeſſor der techniſchen
Chemie, 1842 Direltor eines daſelbſt nad feinem
Plane errichteten em. Laboratoriums. €, itarb
9. Dit. 1869 zu Leipzig. Bon jeinen Forſchungen
find vorzüglich die Unterjuhungen über das Nidel
Lpz. 1827), über den Indigo und einige andere
arbeitoffe, die von ıbm engen. mit
tarband ausgeführten Arbeiten über die Atom-
ewichte der — Körper und ſeine Unter—
en über Yeuchtgas zu erwähnen, Er aab
das «journal für techniiche und dlonomiſche Ehe:
Erdmann (Oskar) — Erdmannsdorff
mie» (Lpz. 1828—33) und teil allein, teils mit
Schmweigger:Seidel, Mardand und Wertber das
«Journal für praktiſche Chemie» (ebd. 1834 fg.) ber:
aus. Er veröffentlichte au ein «Lebrbucd der Che:
mie» (2p3. 1828; 4. Aufl. 1851) und einen «Grundrig
der Warenkunde» (ebd. 1833; 12. Aufl. von Hanauſet,
1895). Die Heine Schrift «liber das Studium der
Ebemie» (Lpz. 1861) ift mehrfach überjekt worden.
Erbmännchen, |. Alraun nebjt Tertfiguren.
Erdmaunsdorf. 1) E. in Schleſien, Dorfim
Kreis Hirſchberg des preuß. Reg.:Bez. Liegnitz, 7 km
füdöftli von Hirfhberg, an der Lomnitz, in 385 m
Höhe, an der Nebenlinie Hirjehberg: Schmiedeberg
der Preuß. Staat3babhnen und der Kleinbahn E.:
Krummbübel (7 km), hat (1900) 1256 €., darunter
187 —— Poſt, Telegraph, Kaiſer⸗Friedrich⸗
Denkmal (1899), koönigl. Schloß mit Gartenanlagen,
2 Domänen, 1 Vorwerk, feit dem %. 1840 königl.
Krongut, 1 Jobanniterfranfenhaus; eine große, der
Preußiſchen Seebandlung gehörige Flachs arnfpins
nerei und : Weberei (800 Arbeiter), Büren und
Knohenmehljabril, Aderbau und Viehzucht und ift
als Sommerfrifche viel beſucht. Im Part liegt das
Schweizerhaus der Fürſtin von Liegnig; weſtlich
davon die 1838 nad Schinlels Plan erbaute Kirche.
Süplic liegen die Schweizerhäujer der 1838 gegrün:
beten Tirolerlolonie Nieder: Zillertbal (zu E.
gebörig); Hohen: Zillertbal mit 50 €. (zu Seis
dorf gehörig) und die bejondere Landgemeinde
illertbal mit 1120 €., darunter 223 Katholiken
(1. Zillerthal). — Vol. Donat, E, Seine Sehenswür:
digfeiten und Geſchichte (Hirſchb. 1887). — 2) E. in
zagıen, Dorf mit Rittergut und Schloß in der
Amtsbauptmannihaft Flöha der ſächſ. Kreisbaupt:
mannſchaft Chemnig, 2km im NW. von Scellen
in 293m Höbe, an der Zihopau und an der Linie
Chemnig:- Annaberg der Sächſ. Staatsbahnen, bat
(1900) 1610 E., darunter 52 Ratholiten, Boit, Tele:
graph; Baummollipinnereien, Steinbrühe, Mahl:
müblen, Sägemüble, Ziegelei, Holzihraubenfabrit,
Bierbraueret.
Erdmannsddrfer, Dar von, Mufiter, geb.
14. Juni 1848 in Nürnberg, wurde auf dem Leipziger
Konjervatorium und jpäter von J. Rieß in Dresden
ebildet, war 1870—81 Hoffapellmeiiter in Sonders:
aufen, 1882—88 Dirigent ber Konzerte der Ruſſi⸗
ſchen Mufilgefellihaft in Mostau und leitete 1889
— 95 die Konzerte der Philharmoniſchen Geſellſchaft
in Bremen. 1896 wurde er zum Profefior an der
Atademie der Tonkunft und zum Hoflapellmeifter in
Münden ernannt, wo er 14. Febr. 1905 jtarb. €.
ſchrieb Vokal⸗ und Inftrumentaltompofitionen. (Bgl.
Charles, Zeitgendffiihe Tondichter, Bo. 1, Lpz.
1888.) — Seine Gattin (feit 1874) Bauline, ge
borene Fichtner, Klavierfpielerin, geb. 28. Juni
1851 zu Wien und dort gebildet, 1870— 71 von Lift
weiter gejchult, fonzertierte mit aroßem Erfolg.
Erdmannddorff, Friedr. Wilb. von, Arditett,
geb. 18. Mai 1736 zu Dresden, ftudierte in Witten:
era und begleitete dann den Fürjten Leopold von
Anbalt:Deflau auf deilen Reifen in England, Frank—⸗
rei, der Schweiz und Italien. Sein Kunjtfinn
entwidelte ſich beſonders für die Baukunſt ver
Alten. Sein eigentlicher Lehrer bierin wurde der
Franzoſe Elerifjeau, der ihm die Kenntnis der an:
tifen Bauten und Ruinen Roms und Süpfrant:
reichs erſchloß. Er baute den großen Saal im
Sclofie zu Deflau aus, entwarf die Pläne zum
Schloß und Part Wörlig (1769— 73), erbaute das
Erdmannsdörffer — Erbödy
Anbaus Luifium bei Defjau(1777)
sh Wübelm IL. fchmüdte er die Wohnzimmer in
ſansſouci und im Sclofje zu Berlin aus. End⸗
ih baute er, nachdem er 1789— 90 nochmals mit
den Erbprinzen von Braunſchweig Italien bereift
hatte, die Theater zu Deflau und Magdeburg.
Sane Werte atmen den Geiſt röm. Antile, E. ver«
anlate die Gründung der Challographiſchen Ge:
vlihaft, Die von 1799 an eine Reihe von Stichen
6.3 veröfientlichte. Er jtarb 3. März 1800. — Bol.
Rode, leben E.3 (Defjau —
Erdmanus dörffer, Bernhard, Hiſtoriler, geb.
4. Yan. 1833 in Altenburg, ſtudierte ſeit 1852 erſt
in Jena, dann in Berlin Philologie und Geſchichte,
arbeitete 1857 im Archiv und in der Marktusbiblio:
thel zu Venedig und babilitierte ſich 1858 in Jena.
1859 trat er im Auftrag der Hiſtoriſchen Kommiſſion
in Münden eine Stupdienreife nah Stalien an, um
in den ital. Bibliotbefen und Ardiven Materialien
für bie Herausgabe der «Deutfchen Reihstagsalten»
zu fammeln. Nac feiner Rückehr habilitierte er
kb an der Univerfität zu Berlin. Bon 1863 bis
1870 war er zugleich Lehrer der Geſchichte an ber
Rriegsalademie, 1869 wurde er zum außerord. Pro:
jeſſot in Berlin ernannt, ging 1871 ald ord, Profeſſor
nad Greifäwald, 1873 nad Breslau, 1874 nad) Hei:
deiberg, wo er 1. März 1901 ftarb. Gr ſchrieb: «De
commercio quod inter Venetos et Germaniae civi-
tates aevo medio intercessit» (Lpz. 1858), «Herzog
Karl Emanuel I. von Sapoyen und die deutiche
Kaiſerwahl von 1619. Ein Beitrag zur Vorge—
ſchichte des Dreißigjährigen Krieges» (ebd. 1862),
«Graf Georg Friedrih von Walded; ein preuß.
Staatsmann im 17. Yabhrb.» (Berl. 1869), «Das
talter der Novelle in Hellas» (ebd. 1870), «Deut:
be Geihichte vom Weitjäliichen Frieden bis zum
gierungsantritt Friedrichs d. Gt. 1648— 1740»
(in Ondens «Allgemeiner Geſchichte in Einzeldar⸗
—— 2 Boe., ebd. 1890—93; 1894 mit dem
unpreis gekrönt), « Mirabeau» (Bielef. 1900)
und gab in bem Werk «Urkunden und Altenitüde
zur bite des Kurfüriten Friedrich MWilbelm
von Brandenburg» Bd. 1,4, 6, 7, 8 die «Bolit. Ver:
banblungen» Bo. 1—5 (Berl. 1864—84) ſowie fer⸗
ner mit Obſer die «Bolit. Korrefpondenz Karl Fried⸗
rihs von Baden 1783— 1806» (Bd, 1—5, Heibelb,
1888—1900) heraus.
Erdmaſt, Untermait, die Nahrung, die das
Schwarzwild aus der Erde bricht (nimmt).
Erdmaus, j. Wuhlmaus. (fung.
meffung, internationale, ſ. Grabme}:
Erdmetalle, diejenigen metallifchen Elemente,
deren Uryde und Oxvdhydrate Erden (f.d.) genannt
wurden. rüber bildete man aus denſelben eine
bejondere Gruppe von Metallen, zju der man das
Aluminium, Berpllium, Eerium, Didym, Lanthan,
ttrium und Zirfonium rechnete. Da indefien dieje
Metalle teilmeife ganz verſchiedenen Elementar:
familien (j. d.) angebören, fo ijt der Name €. jekt
bedeutungslos.
Erdmilbe, die Sammetmilbe (f. d. und Tafel:
Spinnentiere und Taujendjüßer II, Fig. 4).
Erdmolche, j. Landjalamanver.
‚Erdmörfer, eine im Erbboden durch jchräges
Eingraben eines Faſſes bergeitellte Art Mörier.
Auf die Bulverladung wurde ein Hebeipiegel (f. d.)
gelegt und auf diejen Steine gepadt, welche 200 bis
400 m weit geſchleudert wurden. Zuerſt wurden jie
von den Schweden bei der Belagerung von Kon⸗
139
und fur Fried⸗ ftanz 1633 gebraudt. Der Schuß aus dem E. hieß
Erdwurf. Später murden dafür Steinmörjer eins
Erdnähe, j. Apfiden. , [gefübrt.
Erduer Treppchen, |. Mojelmeine.
Erdnuf, f. Arachis und Tafel: Legumino—
Erduühchen, ſ. Lathyrus. [fen II, Fig. 4.
Erdnuffuchen, die beim Preſſen der Eronüfie
verbleibenden Küdjtände, ein wertvolles Viehfutter,
im gejhälten Zuftande über 43,2 Proz. Broteinftoffe,
6,7 Broz. Fett und 24,4 Proz. ſtickſtoffhaltige vers
dauliche Ertraftitoffe enthaltend (f. Erpnußöl).
Erdnuköl, Arahisöl, das durch ge der
Erdnüſſe (f. Arachis) gewonnene fette Öl. Farblos
(kalt gepreßt) bis gelblih, von angenehmem Ges
Ihmad; fpec. Gewicht Om bis 0,920, eritarrt bei
—3° bis —7° C. Das E. befteht zum größten Teil
aus den Ölyceriden der Balmitin«, Hypogäa= und
Arachinſäure. Man verwendet ed als ic Ken
Brennöl und zur Seifenfabrifation. Die befjern
Sorten tommen als Tajelöl (Kronentafelöl) in den
Handel. — Bgl. Benedikt, Analyje der Fette und
Wachsarten (3. Aufl., Berl. 1897).
Erdb: Junger, d.b. Wald), häufig in zuſammen⸗
ejesten Namen von Drtichaften in Ungarn und
jebenbürgen.
Erdöbenye, ungar. Groß-Gemeinde, ſ. Bd.17.
Erdöd, Groß: Gemeinde und Hauptort des
Stublbezirtd E, (26519 €.) im ungar. Komitat
Sjatmär, 18 km im ©. von Szatmär Nemeti,
am Fuße des Büllgebirges, hat (1900) 3211 meift
tath. magyar. E., Spartlaſſe, fhöne got. Kirche,
Mufterwirtichaft der gräfl. Familie Karolyi mit
ausgezeichneter Pferdezucht, eine Glashütte und
große Kaltbrennerei.
Erdödy, ungar. Grafengeſchlecht, das wi der
wabhrjdeinlihften Annahme von Nilolaus Balacs,
einem Bruder des Kardinal: Erzbifhofs Thomas
Batacs, abjtammt und das Prädikat «de Erböd»
nach feinem Heimatäort im Szatmärer Komitat
angenommen bat. ebenfalls verdantt die Familie
diefem Erzbiihof iht Emporlommen und ihren
Reihtum. Als fie jpäter die eiibung Monyords
teret (db. i. Eberau) im Gijenburger Romitat er
bielt, nannte fie fib E. von Monyoröterdt. Bis
auf Peter ( eit. 1566), der mit dem Prädikat
«von Monyohlö» 1565 in den —— erhoben
wurde, führte die Familie den Titel Freiherren
von Monyoröterst. Gegenwärtig blüht das Ge
ſchlecht in zwei Linien, von denen die ältere in zwei
Stämme zerfällt; eine dritte Linie erlofch 1824 mit
dem Grafen —5 IL, ungar. Hofkanzler.
Belannte Mitglieder des Geihlehts find: Nillas
(Nikolaus) E., Banus von Kroatien, enthüllte im
März 1670 die Verſchwörung der Grafen Beter
— (ſ. d.) und Frangipani (f. d.), wurde 1687
anus von Kroatien und erfocht 1691 bei Roftajniga
einen —— Sieg über die Turlen. — Johann
Nepomut €, (geb. 1794, geit. 1879), t. f. Käm:
merer, Erbobergeipan von Warasdin, königl. Statt:
baltereirat, 1848 Gouverneur von Fiume, war Ans
bänger der ungar. Revolution und Gegner der kroat.
Anfprühe und als ausgegeidhneter lat. Redner bes
tannt. — Wlerander E., geb. 10. Aug. 1804,
zeichnete fih auf den ungar. Landtagen 1839/40
und 1843/44 al3 eppofitioneller Redner aus; 1848
bot ihm Graf Ludwig Battbyanyi das erledigte
Minifterportefeuille um die Berion des Monarchen
an, welches der Graf jedoch ablehnte. Er zog ſich
darauf von dem Schauplag der Politik zurüd und
140
ftarb im Yan. 1881 auf Vep bei Steinamanger
in Ungarn,
Erdöl, Bergöl, Steindl, Mineralöl,
Napbtba, Canadol, in der Natur vorlommen:
des, dick- oder dünnflüffiges, gelbes oder braunes,
durd fraltionierte Deftillation und Raffination aber
faft farblos darzuftellendes Öl, das unter dem Na:
men Betroleum (f. d.) als Yeuchtftoff dient. j
Erdorgeln, geologijhbe Orgeln, Erdpfei—
fen, enge, tiefe, mebr oder minder cylindrifche Hobl:
räume, die biöweilen in größerer Anzabl beifam:
men von der Oberfläche ber in manche Gejteine ein:
dringen und durd die auflöjende oder mechaniſch
jeritörende Wirkung des Waſſers entitanden jind.
Erbdorfeille, j. Lecanora. [€., |. Elaterit.
Erdpech, |. Asphalt und Bitumen; elaſtiſches
Erdpfeifen (geoiog.), f. Erborgeln. ,
Erdpfeiler oder Erbpyramiden, Ipislegel:
förmige Säulen aus diluvialem, fandigem, mit
größern Geiteinzftüden durchmiſchtem Lehm; fie
ep meijt auf ihrer ad. ein größeres Gejteins:
ftüd, welches die darunter liegende Maſſe der Säule
vor der Zeritörung durch den berabfallenden Regen
Ihüste, während die Maſſe zwiſchen den Säulen,
obwohl fie diefem gleihartig war, durd Regen und
zum Teil durch fließendes Waſſer binmeggei chwemmt
wurde. Am großartigſten finden ſich E. im Thale
des Rio Grande (Colorado), bei La Paz (Bolivia),
bei Sanſibar u. ſ. w., in Europa am ſchönſten in
der Nähe von Bozen in Südtirol, wo fie aus einer
bis über 30m mädytigen Schutt: oder Schottermafle,
wahrſcheinlich glacialen Urſprungs, die den Boden
eines Thals bededt, ſich berausgebildet baben. —
Vol. Kittler, Über die geogr. Verbreitung und Natur
der Erdpyramiden (Münd. 1897).
Erdphyſik, ſ. Geophyſil.
Erdpole, ſ. Pole.
Erdprofile ſind Darſtellungen des vertikalen
Durchſchnitts eines Teils der Erdoberfläche, die ähn—
lich den Relieftarten (f. d.) zur Veranſchaulichung
der Bodenunebenbeiten dienen (f. aud Profil und
Terrainzeichnung). Im Erdprofil laſſen ſich auch die
geolog. — * Kulturzonen u. ſ. w. ſichtbar
machen. Alexander von Humboldts Profil durch
Meriko iſt in mehrjacher Beziehung vorbildlich ge:
worden. Als erſtes wirkliches Erdprofil, das die
natürliche meridionale Krümmung des Meeres:
niveaus berüdjichtigt und jede Übertreibung der
Höhen: und Tiefenverbältnifje vermeidet, außerdem
mit größter Genauigfeit eine Fülle von geophyſil.
Thatladıen verzeichnet, muß das von F. Lingg im
Nedultionsverhältnifje von 1: 1000000 bearbeitete
Erbprofil der Zone von 31° (Tripolis) bis 65°
nordl. Br. (Munch. 1886) angejeben werden. Auf
Fıngg und Löble führt auch der Name Erpprofil
urüd. — Bgl. au Beuder, Drei Tbejen zum Aus:
au der tbeoretiiben Kartograpbie (in der «Geo:
graphiichen Zeitichrift», VILL, Lpʒz. 1902).
Erdpurzler, j. TZümmlertauben,
Erdpyramiden, ſ. Cröpfeiler.
Erdanader, ſ. Erdſteine.
Erdrauch, Pflanzengattung, ſ. Fumaria.
Erdraupen, die Raupen einiger Schmetterlinge
aus der Gruppe der Eulen. Sie liegen am Tage
zuſammengerollt am Fuße ibrer Futterpflanzen
unter Blättern oder flach in der Erde ag und
gehen bloß in der Nachtzeit zum Fraße. Vorzugs—
Erdöl — Erdrofjelung
jaateule (Agrotis segetum Hübn.) auf Salat,
Koblarten, Rüben, Zwiebeln, Kartoffeln u. f. m.,
auch an Welten und andern Ziergewächſen, und die
der Kreuzwurz-Ackereule (Agrotis exclamatio-
nis L.) an den nämlichen und an andern Bflanzen.
Erdre (jpr. erdr), rechter Nebenfluß der Zoire in
der Bretagne, entipringt öftlih von Cande (Maine-
et:Xoire), ließe anfangs parallel mit der Loire nad
SW., tritt bei St. Mars la Zaille in das Depart.
Loire:Anferieure, wendet fih nad der Einmündung
des Baillon nah SSW., nimmt unterbalb Nort den
Kanal von Nantes-Breſt auf, bildet die Seen Blaine
de la Boupiniere und Plaine de Mazerolles und
mündet, 105 kın lang, bei Nantes. Bon Nort an
wird fie [hiffbar und befonders zum Transport von
Brennbolz und Getreide benußt.
Erdrinde, Erdkruſte, Lithoſphäre, die fefte
Gefteinihale, die das unzugänglihe Erdinnere
umgiebt. Sie jebt fi aus Erſtarrungs-, Sedi—
mentär= und Eruptivgefteinen zujammen, und über
ihre Entſtehung bat man folgende Anfihten. Die
Erde war urfprünglih ein glutflüffiger Ball, der
fib infolge der Ausitrablung von Wärme in den
falten Weltenraum mit einer Critarrungstrujte bes
dedte. Diefe ältejte Gefteinsbildung ift mit Sicher
beit nirgends an der Erboberfläbe nachzuweiſen,
vielleicht ift fie überall von jüngern Ablagerungen
bevedt. Auf diejer im Laufe der Zeit erlaltenden
Kruste ſchlugen fich die Wafler, die ald Dampf bie
dabin in der Atmojpbäre vorhanden waren oder
dem Erdinnern entjtrömten, nieder; in dem Urmeere
bildeten ſich zunädjt die geichichteten, aber kryſtal⸗
liniſchen Gefteine der Archäiſchen Formations—
ruppe (f.d.), wie die Gneiſe, Granulite, Glimmer⸗
chiefer, Hornblendeiciefer, troftalliniichen Ralt:
jteine, Quarzite u. |. w., deren bejonbere Art der
Entjtebung uns noch unbelannt ift. Nachdem dann
organiiches Leben auf der Erde ſich zu entfalten
begonnen batte, famen in den Meeren die ſedimen—
tären Gefteine durch die mechan. und dem. Thätig:
teit des Waſſers, zum Teil au dur die Lebens:
tbätigleit von Tieren und Pflanzen zur Ablagerung;
es find das bie fih im ganzen gleichbleibenden
Sanpdfteine, Konglomerate, Thonſchiefer, Kalkiteine,
Dolomite, Steinjalj, Tbon, Mergel. Nah den
weientlihiten der Umgeitaltungen, denen ſowobl
die Flora wie die Fauna feit ihrem erjten Auf:
treten in der Vorzeit unterworfen waren, wird bie
Entwidlungsgeibichte der Erde in reg Perio⸗
den eingeteilt. Die Abſäßze des Meers während
jeder Periode, die gleihiam als Dentmünzen und
Inſchriften aus ihrer Entjtebungszeit die Reite der
jedesmaligen Tier: und Pflanzenwelt (f. Berjteine-
rungen) umjcließen, nennt man Formationen (1.d.).
Die Erſtarrungskruſte aber und die jie bededenden
edimentären ‚sormationen find gangiörmig ober
todartig durdjest von den aus dem Erdinnern
emporgedrungenen Gruptivgefteinen, aljo von Gras»
nit, Diorit, Diabas, Porphyren, Trabyt, Bar
Salt u.a. Auch beute gebt die Bilduna von jedimen:
tären Bejteinen und die Eruption von Trachyten und
Bafalten no vor fi. Die Dide der E. iſt nicht
betannt, da man in fie nicht weiter als bis zu einer
Tiefe von 1000 bis 2003 m mit Shädten und Bobr:
Löchern eingedrungen iſt: doch darf man vielleicht
50 km als geringftes Maß annehmen.
Erdrofielung (Strangulatio), diejenige Art
weile zwei folder Raupenarten machen fib dur | des gewaltiamen Erftidungstodes, bei welder bie
ibre
erbeerungen bemerllid, die der Winter: | Tötung durch feites Anlegen eines einfhnürenden
Erdrübe — Erdfteine
deheugs um den Hals (meift durch fremde
dan) bewirtt wird. Ermwürgen, bie Tötung durch
ttarlen oder anhaltenden Drud mit den Fingern
aiden Hals, entweder jeitlich oder in viel jeltenern
an ven vorn nad binten. Über Erbängen ſ. d.
gentümliche Art der E. ift das in England
un Rorbdamerita bäufig vorlommende Garrot⸗
tieren (j. Garrotte), bei welbem das auszjuplün:
dende Opfer Durch eine von binten übergemorfene
Sälinge bemußtlos gemacht wird; die engl. Gefeh:
aebung glaubte 1863 biergenen nur durch Wieder:
enfübrung des Auspeitichens (fogging, whipping)
anlämpfen zu tönnen. Beim Erbroijeln wird nicht
aur die Luftrohre und der RKebltopf zufammen:
geihrürt und Daburd der Luftzutritt in die Lungen
verhindert (wodurch der —— Erſtickungstod
eintritt), ſondern auch der Blutlauf am Halſe (beſon⸗
ders in den fog. Drofielvenen) unterbroden, mo:
durch jebr rajch Blutanhäufung im Gehirn, Betäu:
bung und Schlagfluß entſtehen kann. Bei manden
>. B. der in Spanien als gejeplihe Strafe
übliben Erwürgung —— und beim rn.
lann auch eine jhnelltötende Verlegung des Rüden:
mars, jogar ber Halsmwirbel ftattfinven.
Das Haupterfennungszeichen des Erdroſſelungs⸗
todes iſt die durch den Strang oder das einſchnü—
rende Werkzeug bervorgebradte blutunterlaufene,
aub wohl pergamentartig trodne Furche um den
Halt oder einen Teil desfelben herum, die fog.
Strangrinne oder Strangulationsmarte.
Sie bat gewöhnlich eine — und verläuft bei
Erbangten meiſt zwiſchen Kebllopf und Zungenbein
quer über den Vorderhals, wogegen fie beim Er:
drofjelten gewöhnlich tiefer, etwa in der Mitte des
Halies, angetroffen wird; auch bilden ſich dur die
Ausführung der Strangulation leicht Ercoriationen
und Sugillationen in und an der Strangrinne. Die
— —— Strangulations⸗
vertzeug ſofort nach dem Tode wieder vom Halſe
entjernt wurde oder wenn die E. durch einen weichen
Segenſtand, wie 3. B. ein jeidenes Tuch, erfolgte.
übrigens ift es häufig genug eine der jchmeriten
Aufgaben des Gerichtsarztes, felbft bei ſtattfinden⸗
ber Seltion, feftzuftellen, wie in dem einzelnen Falle
die Tötung aeibab. — Bol. die beim Artikel Ge
rid tliche Medizin genannten Hand: und Lehrbücher.
Bei der Behandlung Erdroſſelter hat man vor
allen au den einjchnürenden Körper zu löfen
oder (5.3. den —— des Erhangten) durchzu⸗
ſchneiden, wobei man die Vorſicht anwenden muß,
dab der Erhängte nicht zur Erde falle, dann die
Kleider zu öfinen, dem Körper eine halbfigende Lage
su geben, fühle Luft zuzufäceln, kaltes Wafler an:
Iprigen und bejonders auf Wiederanregung ber
Ntembenegungen binzuarbeiten. Im übrigen bat
verfa
man ganz wie beim Scheinto (f.d.) zu en. —
et en ee In F plöglien Un:
tallen , PR . .
Erpdrübe, ſ. Robfrübe,
Erdfalamander, j. Landſalamander.
Erdicheibe, Pflanzenart, j. Cyclamen und Ta:
kl: Alpenpflanzen, fig. 11.
ellad, ſ. Alaroidharz. dſchiſch.
Da b, pr in Kleinafien, |. Ar:
ergſchlipfe, Heinere Berg:
kürze, die durb Herabgleiten von Geſteinsmaſſen
auf einer durch Waſſer erweichten Schicht entiteben.
Sind die —— Maſſen beträchtlich, ſo |
bilden fie einen Bergrutid. (S. Bergitürze.)
141
Erdſchlußprüfer, ein namentlich bei Glüh—
lihtanlagen angewendeter Hilf3apparat, der dazu
dient, jederzeit über das Vorhandeniein oder Nicht:
vorbandenjein eines zent in ber Leitung
Aufihluß zu erteilen, d. b. alfo eines Jſolations⸗
—— durch den dieſelbe mit der Erde in leitender
erbindung fteht und der zu Stromverluften An:
laß giebt. Cine der einfachften Einrichtungen diefer
Art ift folgende, in nachſtehender Abbildung ver:
anſchaulichte: Eine Umſchaltekurbel K, deren Dreb»
punkt D mit der Erde verbunden ift, ftebt für ge-
wöhnlich auf dem mittlern M von drei Schalt:
Inöpfen L, M und R, in welchem Falle der Apparat
Dynam.
maschine,
Erde
ausgeſchaltet iſt. Stelltman dagegen die KurbelaufL
reſp. R, fo hat der pofitive (-+) rejp. der negative (—)
Pol Verbindung mit der Erde. Erglüht dabei die
eine der in der betreffenden Abzweigung befindlichen
beiden Glühlampen GG, fo ift das ein Zeichen, daß
auch der andere Bol Erdſchluß bat, dort alfo ein
Iſolationsfehler vorhanden ift, denn nur fo kann
die Lampe Strom erhalten. Glüht beiſpielsweiſe die
linte Lampe bei Umlegen der Kurbel auf L, jo deutet
dies auf Erdſchluß des negativen Pols, durch mel:
hen der vom pofitiven Bol in die Lampe geflofjene
Strom zur Dynamomajcine zurüdtebrt.
Srolhiwe u, das Erdferkel (f. d. und Tafel:
—— Säugetiere I, Fig. 4, beim Artikel
abnarme). V
Erdfittich (Pezoporus), Gattung der Sittiche,
mit ftufigem, verlängertem Schwanze, etwas vers
längerten Läufen und Beben, geftredten Beben:
nägeln. Die einzige Art (Pezoporus formogus Illig.)
ift von grünlicher, auf der Oberſeite mit braun:
ſchwarz vermiſchter Färbung, 31 cm lang, lebt in
Eid: und Weitauftralien, ıft eine ausgeſprochene
Bodenform, läuft ſehr jchnell, fliegt ungern und legt
feine Eier obne weitere Unterlage auf die nadte Erde,
Erbipiegel, ſ. Zauberiviegel. tein.
Erdſtein, der durch Graben gewonnene Bern⸗
Erdfteine, Erdquader, Piſeſteine, aus
Erde oder Lehm durch Preſſen oder Rammen in
eiſernen Formen hergeſtellte künſtliche Steine, welche
in Ermangelung gebrannter Steine zu den Ober:
mauern einfacher ländliher Gebäude verwendet
werden. Solche Mauern bebürfen zum Schutze
egen die Erbfeuchtigkeit einer ſichern und trodnen
ndamentierung aus natürlihen Steinen oder
gebrannten Biegeln bis 40 cm Höbe über dem Ter-
rain und ebenjo zum Schuge gegen die atmoipbä-
142
riſchen Niederfchläge eines dichten überragenden
Daches. Die E. werden bei genügender Größe
troden verfeßt, bei Heinerm format mitteld eines
Mörteld aus dünnem, mit Flachsſcheben vermiſch—
tem Lehm verbunden. Thür: und Fenſtergewände
werden aus Holz gebildet, oder e8 werden eichene,
teilförmige Klötze (Holzziegel) mit eingemauert, an
denen die Befeitigung der Verkleidungen ftattfindet.
Die innern Wände der aus E. gebildeten Mauern
werden gemöbnlih mit Lebmmörtel gepukt, die
äußern am beften mit einem mebrmaligen Xeeran:
ftrih und —— mit Anſtrich von Weißlall verſehen.
Erdſtern, ſ. Geaster und Tafel: Pil ze IV, isig.7.
Erdſtreu, Erſaß des Strohes durch Sand oder
Erde als Einſtreu im Stalle, um den Tieren ein
trodnes Lager zu ſchaffen und die Exkremente der:
felben —— en. (S. auch Torfſtreu.)
Erdſtriche, ſ. Zonen.
Erdſtrom, ſ. Bd. 17.
Erdtauben (Geotrygon), eine Taubengattung,
deren belanntefter Vertreter die Dolchſtichtaube(ſ. d.)
Erdteer, ſ. Bitumen. liſt.
Erdteil, Weltteil oder Kontinent, ein
Länderraum der Erdoberfläche, der durch feine Größe
und feine jämtlihen Naturverbältnifje ſich weſentlich
von jedem andern untericheidet. So bilden Auſtra—
lien (mit Dceanien) und Amerila oder der Kontinent
der Neuen Welt vn, dagegen der Kontinent der
Alten Welt drei E., nämlib Aſien, Europa und
Afrika. Curopa und Afien find eigentlich nur ein ein:
jiger E, den man Eurafien genannt bat; dagegen
werden jekt Nord: und Südamerifa als zwei ver:
[üiebene €. getrennt. Nicht die bloßen gegenfeitigen
egrenzungen von Land und Meer find es, welche
die Abteilung des Landes der Erdoberfläde in €.
rechtfertigen, fondern mehr nod die Verſchiedenheit
der on und des ganzen äußern und innern
(geolog.) Charalters, die jedem Teile eigentümliche
borizontale Gliederung und vertifale Oberflächen:
geſtaltung, wie fie fib in der Verteilung und Bil:
dung des Hoc: und Tieflandes ausfpricht, die von
diejer wiederum abbängigen bydrogr. Verhältniſſe
oder Verteilung und Entwidlung der Landgemäjler,
owie die von dem plaftifchen Helief und der Be:
haffenbeit des Bodens bedingten übrigen Natur:
verhältnifie, wonad jeder E. einen beftimmten Typus
binfichtlic feines Klimas, feiner Pflanzen: und Tier:
welt, feiner Bevölterung und deren Raſſen, Kultur:
entwidlung und Geihicte bat. Inſofern dürfen
aud die
oder die Inſeln als Heine Kontinente angeieben
werden. Die Engländer bezeichnen mit Kontinent
—— das europ. Feſtland. (S. Europa, Aſien,
frita, Amerila, Auſtralien, Oceanien.)
Erdtoffel, ſoviel wie Kartoffel (f. d.).
—— ſoviel wie Weltreiſe (f.Reifen).
Erdwachẽé, ſ. Gzokerit.
Erdwalze, in der Befeſtigungskunſt, ſ. Sappe.
Erdwanzen (Cydnus), artenreiche, faft fosmo:
olitifch verbreitete Gattung der Wanzen, von dunk⸗
er, meilt ſchwarzer Farbe und gemwölbter Körper:
geftalt. Die 7 deutſchen Arten find 5—7 mm lang
und finden fich bejonders an jandigen Orten.
‚Erdwärme, teils die Wärme der Erdoberfläche,
teils und vorzugämeiie die des Erblörpers in einer
gewiſſen Tiefe. Die Temperatur der äußern Erd»
oberfläde ſowie die der Luft hängt aroßenteils
von den tägliben und jäbrlihen Einwirkungen
der u an ab, Ihr jäbrlihes Mittel
ontinente nicht als die größten nfeln-
Erditern — Erdwolf
beträgt in Mitteldeutihland 9—10° C., unter dem
Aquator 27,5°C. Dieje Angaben find nur für den
Meeresipiegel berechnet und deshalb nur für jolche
Drte gültig, die nicht viel böber liegen. J böber die
Lage eines Beobahtungspunttes tft, deito geringer
wird bie mittlere Temperatur der Luft und des Bo:
dens, und bei einer gewiſſen Höbe erreicht man bie
Grenze des ewigen Schnee, die Schneelinie. br
Abjtand vonder Meeresfläcde nimmt von der ewigen
Eiöregion der Polargegenden nad dem Üiquator bin
beftändig zu, zeigt aber in diefer Zunahme Ungleic:
beiten, die von der Lage der Iſothermen (ſ. d.) ab:
bängig find. In keinem Zufammenbange mit dieſer
Temperatur der äußern Erdoberfläde jtebt die
innere E., aub Eigenwärme der Erde genannt.
Dringt man in die Tiefe ein, fo findet man zu:
nädjt, daß in Deutjchland ungefäbr bei 1,3 m
Ziete die täglihen Temperaturwechſel aufbören;
dann erreiht man bei 20—25 m Tiefe eine Re:
pion, in der auch die jäbrliben Wechſel, aljo über:
yaupt alle wechjelnden Wirkungen der Sonne gän;:
lich verſchwinden und ſomit die der eigentlichen 6.
allein herrſchen. Bon diejem unterirdiichen Niveau
an findet nun überall, wo und wie tief auch bis jekt
Beobahtungen angeftellt werden konnten (bis zu
1748 am in Schladebach bei Merjeburg und 2003 m
in Barufhomwig bei Rybnik in Schlejien), eine ftete
Iemperaturzunabme nad) ber Tiefe zu ftatt. In dem
arufhomiger Bobrlohe wurde an der tiefjten
Stelle eine Temperatur von 69,3° C. feſtgeſtellt.
Die Anzabl von Metern, die man in die Tiefe geben
muß, um eine Erbikung der Temperatur um 1° C.
wabrzunebmen, beißt die geotbermiihe Tie—
enjtufe. Dur in zablreiben Bobrlöbern und
ergwerlen vorgenommene Beobachtungen wurde
feftgeftellt, daß diejelbe im allgemeinen etwa 30—
35m beträgt. An andern Bobrlöchern und Schäch⸗
ten ergaben fib zwar teils Kleinere, teild größere
Merte (fo z. B. im St. Gottbarb 55 m), aus:
—— aber wurde feſtgeſtellt, daß eine Zu—
nahme der Temperatur nach unten hin ſtattfindet.
Die Eruption glutflüffiger Laven endlich weiſt dar⸗
auf bin, daß in uns unerreichbaren Tiefen die E.
eine fo bobe ift, daß Geſteinsmaſſen im Schmel;:
fluß erbalten werden. Die Mefjung der €. geſchieht
durb die Geothermometer (f. d.). — Bal. Bilchof,
MWärmelebre des — unſers Erdlorpers (Lpj.
1837); Franz, Die täglichen Schwankungen der
Temperatur im Erdboden (Königsb. 1896); Dunder,
Über die Wärme im Innern der Erde (Stuttg. 1896).
Erdweber (Territelarise) oder Dedelfpin:
nen, die einzige zur Hauptgruppe der Bierlunger
(Tetrapneumones) gebörende Unterorbnung der
Spinnen (f. d.), außer dur den Befis von vier
fog. Lungen durd die nah unten einihlagbare
Klaue ibrer Kieferfübler und ihre act ſehr dicht
beieinander jtebenden Augen ausgezeichnet. Die
€. bewohnen die Länder der beißen und wärmern
gemäßigten Zone, befonderd Süd: und Mittel:
amerila, und leben in jelbitgegrabenen, mit ®e-
fpmit ausgelleiveten und mit einem falltbürartigen
Dedelverjebenen Erbröbren, in Baumlödern u. ſ. w.
ge den €, gebören die größten Spinnen, wie bie
ogelipinnen (if. * und Tapezierſpinnen (ſ. d.).
rdwinde, Hebeapparat, Winden.
Erdwolf, Zibethhyäne (Proteles Lalandii
Geoffr.; ſ. Tafel: Wilde Hunde und Hyänen I
Fig. 4, beim Artitel Hunde), ein burd fein Gebi
auffallendes Tier aus dem Kaplande, das im übrigen
Erdwürmer — Eref
duch den diden Kopf mit abgeftugter Schnauze,
deboben fünfzebigen Vorderfüße, den abſchüſſigen
demaͤhnten Rüden, das ſchwache Hinterteil, den
twihigen Schwanz und den langbaarigen rauben
KU mit dunteln Streifen einer Hyäne gleicht.
Säneide: und Edzäbne find wie bei einem Fleiſch⸗
feier gebilvet; jtatt der Lüden: und Badzähne
Anden ſich aber nur einzelne kleine Spiszähne, die
möt ineinander greifen, jo daß alfo diejer Teil des
Gebiſſes durchaus verkümmert ift. Das nächtliche
Tier lebt in Erpböblen, die es fih ausgräbt, foll
nad Lammern jagen und den alten Schafen nur
den Settihwanz abfrefien; nad andern ernährt es
ib von Aas und weißen Ameifen (Zermiten).
Erdwürmer, j. Borftenwürmer.
Erdzunge, ſ. Halbiniel.
Eribo®, bei Homer der finftere Aufenthalts:
ort der Schatten der Toten unter der Erbe; bei
Hefiod ift E, ein mythiſches MWefen, der Sohn des
Chaos (j. d.), der mit jeiner Schweiter, der Nacht
Ror), ven Aither und den Tag (Hemera) zeugte.
Erebus, tbätiger Bullan auf einer Heinen, dem
antarttiſchen Victorialand vorgelagerten Inſel, in
774,° füdl. Br. und in 167° öftl. 2. von Greenwich,
der jih 3770 m erbebt, während unfern von ihm der
ſcheinbat erlojhene Mount:Terror 3317 m er:
reiht. Beide Bullane wurden 1841 von Sir James
Elarte Roß mit jeinen beiden Schiffen E. und Terror
entdedt und 1902 als auf einer Inſel liegend nad:
gewieien (j. Victorialand).
Erebus und Terror, Namen zweier Schiffe,
mit denen Sir James Clarke En (f. d.) 1839—43
nab dem Südlichen und Sir John Franklin (f. d.)
1845 nah dem Nörblichen Eismeer Entdeckungs⸗
fabrten unternabmen.
Eribudbanf, von James Rob nad feinem
Scifie Erebus benannte große gefährlihe Bant
fhwarzen Sand: und Felöbodens, die er im Mai
1840 bei Kerguelenland im Indiſchen Ocean ent⸗
Erec, ſ. Erel. [dedte.
— rag reg Are ee serien
der Tempel der Athena Polias (Stadtbefhügerin)
auf der Atropolis in Athen (f. Plan: Das alte
Atben) desbalb genannt, weil er zugleich dem
Bofeivon:Erehtbeus beilig war. Der alte Tem:
pel wurde 480 v. Ebr. von den Perſern zerftört;
der Wiederaufbau im attiſch⸗ion. Stil begann wohl
ſchon unter Perilles, warb aber nah 409
völlig beendet. Bis in das 17. Jahrh. n. Ebr.
im mejentliben erhalten, wurde ihm wie dem
Bartbenon (j. d.) die Belagerung Athens durch
die Benetianer verderblih. Doc fteht auch jest
das meifte noch aufrecht. Das E. lag auf unebenem
Boden und hatte außer der einen öftlihen von
Säulen getragenen Borballe, mit welcher es eine
e von 20 m, eine Breite von 11 m hatte,
an jeinem bintern tiefer gelegenen mejtl. Ende
eine Borballe im Norden und eine von Karyatiden
getragene (j. Tafel: Griechiſche Kunſt I, Fig. 7)
im Süden. Ebenio zerfiel das Tempelbaus in meb:
rere Räume: das Beiligrum der Athena, einen
tiefer gelegenen, der dem Bojeidon und Erechtheus
—— war, und einen mit Mauern eingefaßten
der das Heiligtum der Pandroſos enthielt.
In dieſem ſtand der Altar des Zeus Herleios und
der Olbaum der Athena, den ſie nach der * im
Wettſtreit mit — um den Befis von Ättila
berooriprießen ließ. Die angeblihen Spuren des
Stobes durch den Poſeidon in jenem Streit einen
143
Salzquell auf der Burg hervorgerufen hatte, hat
man unter der Nordhalle des E, wieder aufgefuns
den. Die Arbiteltur, namentlib an der Thürein:
afjung, an den Säulentapitälen und an den Kaſ—
ettendeden ift von großer Feinheit der Ausführung.
on dem Stulpturenihmud des Frieſes find nur
wenige Reſte erhalten. — Bol. Böttidher, Bericht
über die Unterfubhungen auf der Akropolis (Berl.
1863); Julius, Das E. (Münd. 1878); Ferguſſon,
Das E. (2pz. 1880); Michaelis und Borrmann in
den « Mitteilungen des Archäologiſchen Inſtituts
in Athen» (Bd.2, 1877, und Bd.6, 1881); Bötticher,
Die Alropolis von Athen (Berl. 1888).
Erechtheus, nah der urfprüngliben Sage
identiſch mit Erichthonios (f.d.), attijcher Heros,
deſſen Mythus mit dem der Atbene und mit der
älteften Bebauung des Bodens Attila in der
engiten Verbindung ftebt. Homer kennt nur einen
E., weldyer Sohn der Erde war und von Athene
in ihrem Tempel zu Athen auferzogen wurde; bie
ipätere Sage fennt mehrere Heroen dieſes Namens,
zunäcft den E. oder Bandion, Sobn des Erichtho—
nios und Bater der Zwillinge E. und Butes, von
denen jener die H aft, diejer das Prieftertum
der Atbene erhielt. Die Schweitern der Zwillinge
waren Profne und Philomela. Bon dem Thralier
Eumolpos, der in Attila eingefallen war, oder nad
andern von den Eleufiniern und dem von dieſen zu
Hilfe gerufenen Eumolpos (f. d.) belriegt, erhielt
E. vom Dratel die Weifung, er werde fiegen, wenn
er eine feiner Töchter opfere. Er opferte die jüngjte
oder ältefte Tochter, worauf die übrigen ſich je f
töteten. Hierauf ſchluß er die Feinde, wobei Eumol⸗
—— fiel; er ſelbſt aber wurde von Bofeidon dem
ater des Eumolpos, oder auf Bitten des Pojeidon
von Zeus getötet. Die Sage von dem Kampf des
E. mit Eumolpos e Guripides in einer verlorenen
Tragödie behandelt. Auf erhaltenen Bilpwerten ift
namentlich die fibergabe des Kleinen Erichthonios
durch Ge an Athene dargeftellt. — Vgl. E. Curtius
in ber —— — Bd. 30 (1872); Flaſch
in den «Annali dell’Instituto», 1877.
Erehthiden, die Nachkommen des Erechtheus
(f. d.), im weitern Sinne alle Athener.
Ereotis digitis (lat.), mit aufgebobenen Fin»
gern (mie bei dem Eid).
May ie 1) €. oder Herakli, Stadt im San:
dſchal Rodoſto des türk. Wilajets Adrianopel, am
Marmarameer, auf einer vorſpringenden flachen
Halbinſel, mit 2000 E., mer Fiſchern. Der Hafen ift
ziemlich gut und fiber, aber größern Fahrzeugen
nicht zugänglid. €. ift das alte Berintbos,
unter dejjen Ruinen die Refte eines Amphitheaters
erporragen. — 2) E. von den Türken zum Unter:
hiede von andern gleichnamigen Orten aud
endberegli (Bender Eregli), von den Griechen
Herally genannt, Stadt im afiat.-türf. Wilajet
Raftamuni, Sandſchal Boli, am Schwarzen Meere,
zwiſchen dem Ausfluß des Heinen Flüßchens Kili—
ai hu und dem die Reede beſchüßenden VBorgebirge
aba, bat 6274 E., einen gegen die Winde gut
— und den größten Fahrzeugen zugäng-
ihen Anterplag. Mebrere Kilometer landeinwärts
liegt ein ausgedebntes Steinlohlenbeden, das jeit
1897 von einer ehe die auch einen
Hafen in Songuldaf berjtellt, ausgebeutet wird.
E. iſt das Heraclea Pontica der Römer (f. Herallea).
@ref (vd. i. Eorik, vielleicht eine jagenbafte Er:
innerung an den Weftgotenlönig dieſes Namens),
144
der Held einer Nitterbichtung, die nach bretonifcher
Quelle zuerjt Chretien de Troyes in franz. Verſen
( ba, von MW. Förfter in der «Romaniſchen Biblio:
tbeb», Bd. 13, Halle 1896), und frei nad diefem
Muſter bald nah 1190 Hartmann von Aue deutich
bearbeitete. E. erwirbt die jhöne Enite, die Tochter
eines armen Ritters, im Turnier und vermäblt ſich
mit ihr, «verliegt» ſich aber in unthätigem Leben.
Durch ein En rl Enitens, die darüber
trauert, Ar Bewußtjein gebracht, zieht er, von
Enite begleitet, auf Abenteuer aus, verbietetibraber,
mit ihm zu fprechen, ein Berbot, das fie immer über:
tritt, wo jie ihn vor Gefahren zu warnen bat; jedes»
mal wird fie bart von ibm geſcholten. Endlich fiegt
ihre Treue über jeinen Zorn.
Ereftil (neulat.), aufrichtbar, anjchwellenp (f.
Scmelltörper).
Ereftion (lat, «Aufrihtung»), die Anſchwel⸗
lung gewijier Gewebe des tierijhen und menjch:
lihen Körpers, insbejondere der jo . Schwelltörper
(f. d.) der männlihen und weiblien Geſchlechts—
organe. Sie kommt infolge ber refleltoriſchen
Reizung gewiſſer Nerven, namentlich der Gefäß:
nerven ® d.), durd eine periodiſche — —
des Blutes in den eigentümlich verteilten Blut⸗
petaben der betreffenden Teile zu ftande und J
x die normale Verrichtung ihrer phyſiol. Funk—
tionen von der großten Bedeutung. Die Schwell:
törper beftehen nämlich aus zahlloſen ſchwammartig
untereinander fommunizierenden Hoblräumen, in
welche die feinſten Veräftelungen der betreffenden
Bulsadern einmünden, und aus welden die Venen
hervorgehen. Solange nun die Gefäßnerven ber
die Schwellförper verforgenden Arterien fich nicht
im Zuftande der Erregung — ſind dieſe
Blutgefäße ziemlich eng und fontrabiert, laſſen
nur — lut in die Schwelltörper einftrömen
und die lestern find welt und erſchlafft; fällt
jedoch infolge reflektoriiher Erregung (dur wol:
(üftige Gedanten oder durch mechan. Berübrung der
Genitalien) diefe toniiche Kontraktion der Blutge-
fäße binmweg, jo jtrömt das Blut in größerer Menge
in bie erweiterten Arterien ein, obne mit gleicher
Geſchwindigkeit aus den betrefienden Benen wieder
abfliehen 8 tonnen. Die Solge biervon iſt, daß
lämtliche — ** der Schwellkorper ſich ſtrotend
mit Blut erfüllen und die leßtern eine beträchtliche
Vergrößerung und gleichzeitig einen hoben Grad
von Härte und Starrheit erreihen. Mit dem Nadı:
laſſen der refleftorifhen Reizung tritt die frübere
toniiche Kontraltion der Arterienwände wieder ein,
die Gefäße der Schwelllörper entledigen ſich ibres
überflüfjigen Blutes, und legtere febren wieder in
den vorherigen Zujtand der Gridlaffung zurüd.
Das nervöje Gentralorgan für die erigierenden
Nerven (nervi erigentes) befindet jih im Lenden-
teil des Ruckenmarks. Bei manden Krankheiten,
.B. Rüdenmartsibwindfudt, Zuderbarnrubr u. a.,
omwie im Alter gebt die Ereltionsfäbigteit (Potenz)
verloren, andererjeits iſt fie bisweilen krankhaft ge:
jteigert. Auch die Kämme und Klunkern auf dem
Kopfe und am Halje mander Vögel, befonders der
—— (3. B. des Truthahns), beſtehen aus
ereltilem Gewebe und find der €. fäbig.
Eremit (grch.), Einſiedler (j. Anachoreten);
Joologiſch ſoviel wie Einſiedlerkrebs (ſ. d.).
Eremitage (frz. Ermitage, ſpr. -tahſch'), Einſie⸗
delei; in Parks und Gartenanlagen des 18. Jahrh.
eine mit Stroh gedeckte holzerne, mit Baumrinde
Erektil —
Eretria
befleidete oder in Felſen gearbeitete Hütte, welche
die Wohnung eines Eremiten nahabmen fol. Den
Namen E. führten au eine Anzahl von Baulich⸗
keiten, die dem Zurüdzieben aus dem Treiben
der Welt dienten. So das Haus Jean Jacques
Rouſſeaus zu Nontmorency; Ludwigs XIV. Schloß
Marly bei Verfailles; die Einfiedelei der Marl:
gräfin Wilhelmine bei Bayreutb; das mit dem Win-
terpalaft in Peteröburg (f. d.) zuſammenhängende
Palais, an defjen Stelle 2. von Klenze eine Ge:
mäldegalerie, jest €. genannt, erbaute, u. a. m.
In Mostau heißt E. das berübmte ruſſ. Reftaurant
(Zraltir) und der demjelben Beſitzer gebörige Gar:
ten, in dem im Sommer des Abends Schauftel:
lungen und Voltsbeluftigungen aller Art jtatt:
finden. — €, oder Hermitage heißt aud ein franz.
Mein, f. Hermitage.
Eremiten des heiligen Franz von Baula,
ſ. Minimen. ronymiten,
®remiten des heiligen Hieronymus, ſ. Hie
@remiteninfeln, j. Hermitinieln.
Eremit von Gauting, j. Hallberg : Broich,
Reihsfreiberr von.
Eremodicium (grd.), im alten röm. Brozefle
das auf den einfeitigen Vortrag der einen anweſen⸗
den Bartei gegen den Abwefenden ergebende Ber:
fabren, weideh auch Bemweiserbebung einſchloß.
Eren, Flur im fräutifchetbüring. Bauernhaus
Eren, mit «er» anreden, ſ. [(i. d.).
Erepticium (lat.), ſ. Erbunmürbigteit.
Ereöburg (Aeresburgum), Grenzburg ber
Sadien im Südmejten ihres Landes, an der Die
mel, heute Marsberg (f.b.), wurde von Karl d. Gr.
772 gleich auf feinem erften Zuge gegen die Sachſen
erobert, auf dem er auch das nörblih davon gele:
gene Heiligtum des Kriegsgottes Ziu, die Irminſul,
zerftörte. Bon den Sadjen wurde die E. bald
darauf zerjtört, aber 775 von Karl wieder aufge:
baut und befeftigt. Bapft Leo IIL. weibte hier 799
die Kirche des beil. Betrus, in welder 938 Dttos
d. Gr. aufrühreriſcher Bruder Thankmar (f. d.) er:
ſchlagen wurde. — Vgl. Fiſcher, Die E., Ober: und
Niedermardberg nebſt Umgegenb (Paderb. 1889).
Ereſos, griech. Stadt auf der Weſtlüſte der
Inſel Lesbos, in deren Hafen anikolis 8. Juni
1821 eine türk. Fregatte mit 84 Kanonen und
1100 Mann durd einen Brander in die Luft jprengte.
Die unmittelbare Folge dieſes Ereignijjes war das
Zurüdweihen der türk. Flotte nah den Darda—
nellen, wodurch die Inſel Samos gerettet wurbe.
Erẽthiſcher Koller, Pferdelranlkheit, ſ. Koller.
Erethismus (grch.), in der Medizin ein Zus
ftand von Reizung (erböbter Erregung), dem eine
trankhaft gefteigerte Reizbarkeit (Erreabarleit) der
Nerven zu Grunde liegt, jo daß einwirfende ‘Reize
ftärfere und intenjivere Reaktionen bedingen als im
normalen Zujtande. Bei E. der Sinneönernen fin»
det Lichticheu, Funkenſehen, Obrentlingen u. j. w.
tatt. Ein erethiſches (eretbiftiihes) Ge—
bmür ift bochrot, jehr empfindlich und ſchmerz⸗
aft. Beim eretbijtifhen Stadium mander
ieber (z.B. des Typhus) werben die Kranlen durch
die leifelien Anregungen (Licht, Geräufh, Berüb:
rung u. dgl) zu Irrereden, Zudungen u. dal. veran:
laßt, im Gegenjas zu dem torpiden Stadium, wo
fie betäubt und ſchwer erregbar baliegen.
Erethizon, j. Stadbelichweine.
Eretria, eine der älteiten Städte der Inſel
Euböa, auf der Weitküfte am Euripus, 18km ſudlich
Eretrijhe Schule — Erfindungen und Entdeckungen
won Challis gelegen, urfprünglib von Minyern
gründet, zu denen dann ion. Anſiedler hinzu:
Imen, gelangte durch Schiffahrt und Handel bald
u — Bedeutung, daß es einen anſehnlichen
Zeil der Inſel und mebrere von den Eyfladen unter
km Überberrichaft brachte und mit Chaltis zufam:
wen eine Anzahl Kolonien in Unteritalien, Sicilien
und auf der Halbinjel Chaltidite gründete. Dann
nurde die Stabt in einen — Kampf mit
Ealfis um den Befis der fruchtbaren lelantiſchen
Ebene verridelt, in dem fie fchließlich unterlag.
Im eriten verſeririege wurde die Stadt 490 v. Chr.
durh Verrat erobert und zeritört, die Bewohner
zu Ellaven gemadt und nad Sufa, von dort in
das Land der Kiſſier abgeführt; bald aber wurde
E. wabricbeinlich mit Hilfe der Athener, wiederher⸗
— und blieb bis in bie röm. Kaiſerzeit nächſt
hallis die bedeutendite Stadt der Inſel. €, iſt
die Baterftadt des Philoſophen Menedemus (f. d.),
der bier die Eretriihe Schule gründete. Seit dem
trüben Mittelalter ift E. verſchollen; ein in ber
reuern Zeit zwiſchen ihren Ruinen angelegtes Städt:
ben, in welchem die griech. Regierung die 1824
aus ihrer Heimat vertriebenen Bewohner der Inſel
Biara angefiedelt hatte, ift wegen des ungejunden
Klimas fait ganz wiederverödet. Das Theater von E.
wurde 1890— 94 Durch Die Amerilaner ausgegraben.
Erẽtriſche Schule, ſ. Menedemus.
Erfahrung, Empirie, die Erkenntnis, die
nd auf Wahrnehmung der Thatfahen, genauer,
auf die Eyntbefis (f. d.) der Wahrnehmungen grüns
det; wie ſchon Ariftoteles erllärt: viele Erinnes
rungen (mwabrgenommener Thatfachen) maden die
eine E. Daher ſchließt E. eigentlich immer die Dent:
oder Berjtandesthätigleit (Einheit der Spntbefis)
ein, während fie andererjeit3 das Gegebenfein eines
finnliben Stoffs durbaus vorausſezt. Darum
fonnte Kant die E. definieren ala Prodult aus
Sinnlicleit und Berftand. Sie berubt nad ihm
auf den Grundgejegen der Sinnlichkeit einerſeits,
des Verſtandes andererfeits. Die erjtern find Naum
und Zeit, die lektern die Kategorien (f. d.), beide
jujammen maden die Möglichkeit (d. h. den In—
begriff der gejegmäßigen Bedingungen) der E. aus.
€. bedeutet nach diefer tiefern Ableitung ihres Be:
ariffa das amtgebiet deö in Raum und Zeit
—— den Geſetzen des Verſtandes (z. B. den
etzen der Subſtantialität und Kauſalität) Er—
lennbaren. Sofern die Kritik der reinen Ber:
runft oder Tranſcendentalphiloſophie eben die
Grundgejege der Möglichkeit der E. nachweiſen
will, läßt fie ae geradezu ald Theorie der €, be:
jeichnen. — Vol. Cohen, Kants Theorie der €.
(2. Aufl., Berl. 1885).
Bon diejer prägnanten Bedeutung des Auspruds
€. iſt eine viel weitere zu unterjheiden. Da die E.
nicht bloß die Aufgabe hat, die bier und jetzt ge:
gebene Thatſache in ihrer ganzen Beftimmtbeit zu
ertennen, fondern auch auf das Gegebene immer an:
gemiejen bleibt, ja recht eigentlich die Abhängigkeit
unferer Erfenntnis von einem ſinnlich gegebenen
Stoff ausprüden will, jteht E. oder dad Empi-
riſche der Erkenntnis gegenüber dem, was pr Er:
!enntniägejegen a priori berubt, bedeutet aljo in
diejem alle nur den einen der beiden Faltoren, die
julammen die E. in der erft erllärten Bedeutun
ausmachen. €. in diefem letztern Sinne ift, na
Kant, die Materie der Erkenntnis im Unterjchied
von ihrer gefegmäßigen Form, So bilden Raum
Brodbaus’ Konverfationd-Lerilon,, 14. Aufl. R. A. VL
145
und Zeit die Form der Anſchauung, das Empirische
dagegen, d. h. die Empfindung, durd die allein
Etwas in Raum und Zeit gegeben ift, die Materie.
So beißt ein empirifcher oder Erfahrungs:
begriff, eine empiriſche (Erfabrungs:)Er:
fenntnis ein folder Begriff, eine ſolche Erlennt⸗
nis, die ſich auf bejtimmte Data der E., nicht rein
auf das aprioriihe Gejeß der Erkenntnis ftüßt;
empiriſche a od ae eine
ebenjolde Wiſſenſchaft. In jolhem Sinne ſteht auch
bei Kant das Empiriihe dem Tranicenventalen
gegenüber, während im andern Sinne tranfcenden:
tale Gejege nur Geſetze der E. find, So ift ſchon
den Alten der Gegenjak des Empiriihen und Ra:
tionalen befannt, der in der neuern Philoſophie den
großen Hauptgegenſatz erfenntnistheoretiicher Rich:
tungen, den des Empiriömus und Rationaliömus,
begründet. Kant fucht diefen Streit zu Zen
durd die Feſtſtellung (mit der er feine «Kritik der
reinen Vernunft» eröffnet), daß zwar alle unfere Er:
fenntniö mit der E. anfange, aber darum doch nicht
alle aus der E, entipringe (fofern €. jelbft, wie oben
erlärt, aprioriiche Elemente vorausjeßt).
Die man äußern und innern Sinn unterjcheidet,
fo pflegt auch zwiſchen gl 3 und innerer €,
unterſchieden zu werben, ie erjtere umfaßt dann
das u... der räumlichen Greignifje, die
legtere die Thatſachen des Bemwußtfeins. Diefe
Scheidung ift berechtigt, infofern jedes Erfahrungs:
objelt nach zwei Richtungen bin betrachtet werben
lann, nämlic nad feinen räumlichen —
als Körper (die Betrahtungsreibe der Naturwiſſen⸗
haft) und als Ereignis in einem Bewußtſein (die
pſychol. Auffafjung). -
Erfahrungsbemweis, ein Beweis, der auf er⸗
[nhrene hatſachen, nicht lediglib auf aprioriſche
rincipien fi gründen will . Indultion). Doch
ift ein Beweis auch auf dem Grunde der Erfahrung
nicht möglich, ohne daß ſolche PBrincipien ſtillſchwei⸗
gend zu Grunde gelegt werden, die vielmehr Geſetze
des Erfennens ed ausbrüden, ald aus einer be:
fondern, empirijchen Ertenntnis erft abgeleitet find
(3. B. das Geſetz der Verurfachung).
Erfahrungsfeelenlehre, die in der neuern
De faft zu ausſchließlicher Geltung gelangte Auf:
aſſung der —5 wonach dieſe ſich nur en!
die durch Erfahrung ſeſtzuſtellenden Thatſachen, au
Beobadhtung und Analyſe der einzelnen Seelen:
uftände und Erforſchung ihrer gejegmäßigen Ab:
han feit von körperlihen Vorgängen gründen
oll. Die E. hat verſchiedene Verfahrungsweiſen,
je nahdem man dieſe Erfahrung auf erperimen-
tellem, ethnogr., ftatift. oder rein innerm Wege oder
durd Kombination diefer Quellen gewinnen will.
(©. Buchologie.) ,
Erfelden, Dorf im Kreis Großgerau der heſſ.
Provinz Starfenburg, reht3 am Rhein, an den Li:
nien Franlfurt: Mannheim und Darmitadt: Worms
der Preuß.Heſſ. Staatäbahnen (Station Goddelau⸗
E.), hat (1900) 1024 E., darunter 22 Ratbolilen und
44 Jöraeliten; Aderbau und Viehzucht. In der
Nähe die Schwedenjäule (12 m) mit einem Obelisken
(T m) mit bebelmtem Löwen zur Erinnerung an
Buftav Adolfs Rbeinübergang 17. Des. 1631.
Erfinderpatent, ſ. Ratent.
Erfindungen und Entderfungen. Die Be:
griffe Erfindung und Entdedung find, obwohl fie
vielfach —— werden, doc weſentlich verſchie⸗
den. Eine Entdeckung betrifft etwas zur Zeit der
10
146 Erfindungen und Entdedungen
Entvedung bereitö Vorhandenes, das aber biäher
unbelannt war, an welchem aber durch die Ent:
dedung nichts geändert wird. Dies kann etwas
rein Materielles fein, oder etwas der Materie
nnewobnendes, eine Eigenſchaft derſelben; fo
preben wir von der Entdedung eines Planeten,
der Entdedung Amerilas, der Entvedung eines
Minerals, eines Bacillus, irgend eines Gegenſtands
der bejchreibenden Naturwitieniha ten, aber aud
von der —— Schwerkraft, des Magne:
tismus, der chem. Verwandtſchaft u. ſ. w. Solche
Entdedungen werden durch Beobachtung allein oder
im Verein mit —— durch Verallgemeine⸗
rung von aufgefundenen Thatſachen, Aufſtellung
von Hypotheſen und Theorien und demgemäß plan⸗
mäßig angejtellte Erperimente gemadıt.
ine Erfindung betrifft allerdings aud immer
eine Sade, die vorher dem Menſchen nicht befannt
war. Aber diefelbe fteht mit ſchon befannten Din:
gen in engem Zujammenbang; fie tritt nicht als
etwas völlig Neues in die Erſcheinung. Es wer:
den an befannten Dingen Anderungen vorgenom:
men, fo daß man mit dem veränderten Dinge quali«
tativ oder quantitativ befiere Wirkungen bervor:
bringen fan, als mit dem befannten. Gewiſſe
Teile an einem materiellen Dinge oder in der Ope—
rationsfolge (dem Verfahren) zur Herftellung eines
folhen werben durch andere er E Erzielung
einer neuen oder volllommenern Wirkung.
Die Entdeckungen betreffen jedoch nicht nur die
muterielle Rörperwelt, ſondern auch abjtrafte Dinge,
allgemeine Gejeße, wiſſenſchaftliche Wahrheiten, die
ala folhe einen rein geijtigen Beſit darftellen;
auch die Erfindungen können auf dem rein intellet-
tuellen, dem tüntlerifchen, dem philoſophiſchen,
dem moralifhen Gebiete liegen. Die Recentunit
mit Hilfe von Logarithmen tft als eine Erfindung
— die Logarithmen ſelbſt ſtellen eine
tdedung dar. Man kann von der Erfindung
eines Versmaßes, eines philoſ. Syſtems, einer
Staatsform u. dgl. ſprechen. Indeſſen neigt der
Spradgebraud dazu, als Erfindungen nur Neue:
rungen auf materiellem Gebiete zu bezeichnen
und fpeciell ſolche, welde, zur Befriedigung mate:
rieller Bedurfniſſe bejtimmt, eine gewerbliche Ber:
mwertbarleit geitatten. Dieſe —— fönnen
einen Körper betreffen, z. B. ein Werlzeug, eine Ma-
ſchine, oder ein Verfahren zur Heritellung eines Kör⸗
perd. Die Subititutionen, durch welde die Erfin-
dungen auseinander hervorgehen, fönnen aus einer
Formveränderung oder einer Stoffverändberung
oder einer Veränderung in ven Operationen, welche
das Heritellungsverfahren ausmachen, oder aus
mehrern diejer Elemente beſtehen. Diejen Entwid:
lungen gemäß kann man die Erfindung im engern
Eim,d.t. die gewerblich verwertbare Erfin:
dung, definieren als eine durch Subjtitution ber:
vorgebrachte Neuerung an einem Mittel zur Befrie:
bigung der materiellen Bebürfnifje des Menſchen,
welche Neuerung diefes Ziel in einer volllommenern
Weije erreicht, als es bisher möglich war.
Die erften Erfindungen, die der Naturmenſch
madte, waren einfahe Werkzeuge, die den Zweck
hatten, die Wirkjamleit feiner Organe, namentlich
des Arms und der Hand, zu veritärten. So ent:
ftand beifpieläweije, nachdem der Menſch die Ent:
dedung gemadt hatte, daß die Wucht feines Arms
durch die Benukung eines in die Hand genommenen
Steins vergrößert würde, durch befondere die Wir:
fung dieſes Steins erböhende Formgebung das
primitive Werkzeug der ——
Erfinden iſt weder als eine Kunſt, noch als eine
Wiſſenſchaft zu bezeichnen; es iſt eine eigentümlice
geilige äbigfeit, welche bei dem einen jtärker ent:
widelt ijt alä bei andern, bei verbältnismäßig me:
nigen überhaupt in beträhtlibem Maße vortommt.
Wiſſenſchaftliche Kenntnijje, befonvdere Vertrautbeit
mit den Örundlagen, auf welden die Erfindung er:
fteben fann, Konzentrierung des Verſtandes auf ein
zu erreichendes Ziel können je fih obne Mitbilfe
der angeborenen Fähigkeit faum zu Erfindungen
bren. Große Gelehrte, Foriher und Entdeder
ind nur felten große Erfinder. Die erfinderiſche
Kraft beſteht eber in einer befondern Kombination»
gebe: ie ijt deshalb auch nicht im ausfchließlichen
efiß befonderer Stände oder Berufstlafien.
enn die durch Subftitution an Belanntem er:
zielte Wirkung im nüglichen Sinne ſehr verſchieden ift
von dem, was frübhererreihbar war, jo baben wir eine
Erfindung, welche der gewerblihen Thätigkeit neue
Wege öffnet. Eine se Erfindung lann hunderte
und taufende Heiner Erfindungen nad fich zieben,
welche Verbeſſerungen an der erſtern darftellen, ohne
ihren ad Charalter weſentlich zu ver:
ändern. Diefe Veränderungen, Kombinationen mit
bekannten *8 und Formen, die nah dem Bor:
bilde analoger Fälle bervorgebradt werben, erfor:
bern oft nur eine ſehr geringe erfinderijche Thätig:
keit, fie find ein Ergebnis der gewerbliben Routine.
Dennoh können jolde anicheinend unbedeutende
Abänderungen die Haupterfindung praktiſch nüslich
maden und ihr einen techniſchen Wert verleiben,
den dieſe urfprünglih nicht bejah. Die Dampf:
maſchine in ihrer urjprünglichen ie blieb 7 Jahre
lang als einziges Eremplar ohne Wiederbolung, und
es dauerte 30 Jahre, bis fie, mit Berbejjerungen
verfeben, fabri — wurde.
In den meiſten Staaten find Mafregeln ge:
teoffen worden, weldhe dem Erfinder gejtatten, ben
ihm gebührenden Lohn an Geld und Anertennung
zu ernten, und troßdem den Segen feiner Erfindung
der Allgemeinheit zulommen laſſen. Dies wird er:
reicht durch Patente (f. d.), melde der Staat gegen
eine mäßige Abgabe erteilt. In allen Ländern mit
guter Batentgefeßgebung bat jeit deren Einführung
die Menge der Erfindungen ungemein zugenommen.
Wenn aud viele —— von geringem Wert find,
jo kann man doc behaupten, daß die Kultur, ſoweit
fie von Indujtrien und Gewerben getragen wir,
niemals rafchere und eritaunlichere Fortſchritte ge-
macht bat als unter dem Schuße der PBatentgejese.
Dies wird auch aus der folgenden Tabelle erſicht—
ih, welche in chronol. Ordnung wichtige Erfin=
dungen und Entdedungen aufzählt. Mande aus
dem grauen Altertum ftammende Erfindungen von
grober Bedeutung fehlen in der Aufzählung, wie die
arjtellung des Schmiebeeifens, der Bronze, des
Quedfilbers, die Erfindung des Spinnens und We:
ben3, der Brotgärung, der Wein: und Bierbereitung.
Beit | Gegenftand Urheber
1800
dv, Chr. | Glas Aghpter.
um 600 Waſſeruhrt Aligrer.
585 Magnetismus Thales von Miler.
um 560 | Sonnenuhr Unarimanber,
390 Rolle, Schraube Arhutas von Tarent.
350 Deitilation | Ariitoteles.
Erfindungen und Entdedungen
Urheber
Bett | Gegenftand
“0 | Papier
um 2350 Flaſchenzug, Schraube
ohne Ende, Waſſer⸗
ihraube, Hebelgeſed,
Auftrieb
em 150 | Bay —— Real»
140 en *
130 | Stereograppiiäe Karten»
roje
30 Zironiihe Roten
% nn Chr. Hydraulif er Mörtel
um 750 Scheibewafler, Stönigs-
rn Höllenftein,
um 950 | — (Edweleliäure),
1010 | Klavier (Klavidhord)
um 1280 | ——
1285 | Brillen
um 1300 Ehiekpulver in Europa
um 1300 Kompaß in Europa
um 1430 , Antimonfalze; Salzjäure
1435 Buchdruckerkun
um 1450 aupferſtechtunſt
um 1500 Wadierfunft auf Aupfer
‘ _ (&gverfahren)
10 Taſche nuhr
1530 | Epinnrad
50 | Ronius
1550 | Smalte
1557 | Gewinnung bes Silbers
durch Amalgamierver-
| fahren
1561 | Epigenklöppeln
10 | Mifrofto:
1597 Ihermof op
- | Fernrohrt
endelgeſete; Belege der
Falgeſchwindigte
1614 | Zogarithmen
1619 | ftreislauf dead Blutes
am 1620 | Natur ber Gaſe; Kohlen⸗
‚ jäure
1690 | Aitronomiihes Fernrohr
1643 Barometer
1650 | Euftpumpe
1656 Bendeluhren
1656 | Anterhemmung db. Uhren
1656 Schweiellaures Natrium |
1661 Danometer
1655 Beugung des Lichts
1665 Bleikifte aus Graphit, in
Eng ——
1669 Bbosp
1670 Slasäpung mittels Fluß»
jäure
16732 Ele kit iſtermaſchine
163Aufgußtierchen
1677 Samenfäden
1680 | Dampftefiel
16857 | Graritationdgeieg
= | Gießen von Diygrigias
| Unbdulationstheorie bes
Lichts
um 1700 | Holländer in der Bapier-
era
1703 3*
1704 — Blau
1714 | ir Bein ER
Ir | Kompenfationspendel
1723 | Abirrung des Lichts
1735 Fr ——
174 utichut
1146 —— zur Schwe ·
felläurefabrifation
u Be in der Runfelrübe
am 1750 | | Berendte Bapiertapeten
1150 , Gußftahl
1251 | Midel ifoliert
1753 Bligableiter
1752 @elbes Blutlaugenjalz
1157 Achtomatiſches Fernrohr
1160 | Gulindergebläfe
1161 Verkuſſiongin der Medizin)
17% | Baummwolliammet
Ehinejen.
Archimedes.
eron von Alexanbria.
tefibius,
pparchus.
iro.
Vitruvius.
Geber.
Rhafes.
Guido von Arezzo.
Salvino degli Armati,
lavio @icja.
afilius Balentinus,
Joh. Gutenberg.
Albr. Dürer (7).
Beter Henlein.
ürgens.
unes.
Eprift. Schürer.
Bartoleme de Mebina.
Barbara Uttmann.
harias Janfen.
alilei.
Galilei,
Napier of Merchiſton.
William Harvey.
Job. Bapt. van Hel-
mont,
Joh fe
orrice Biviani.
Otto von Bueride.
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Otto von @ueride,
Grimaldi.
Brand,
Schwankhardt.
Drto von Guericke.
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Abr. Thevart.
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John Dollond.
Smeaton.
Auenbrugger.
I. Bilion.
J
Gegenſtand
—— ine (Jenny)
Dampfmaidine
Damp Inekeriongen
Wate rmaſchine
Sauerftoff
Chlor
Muleſpinnmaſchine
Schnellgerberei
Glycerin
yrometer
uftballon
Argandſche Lampe
Waſſerſtoff
eng eb
echan. bſtuhl
orſtons·Wage
Stalenaräometer
Chlorbleiche
Galvaniſcher Strom
Sodaſabritation
Optiſch⸗mechan. Telegraph
ofen
Sduopodenimofung
Bithographie
Echweteltohfenftoff
Gasbeleudhtung
piermafchine
blortalffabrifation
Boltaihe Säule
Elettrolnfe des Waſſers
Stnallquedjilber
Blehwalzwert
—52
benzuderfabrifation im
großen
acquardinehanismus
pbrauliiche Brefie
Bar e iff
Bertuifionsgemehr
Galvanifcher u ug
Metalle der Wltalien u.
altatiich. Erden ijoliert
Bolarifation des Lichts
Bobbinnetmafhine
Scnelprefie f. Buchdruck
Zraubenzuder (@intole)
aus Stärfemehl
Elettrifher Bogen
Batuum-Berbampfpfanne
Spettrallinien
Sicherbeitslampe
Austultation
—5* le
rphiu
— Wineralmafier
Waſſerglas
unſtl. hydraul. Cement
ündhütchen
apbthalin im Steinkoh⸗
lenteer
Chinin ijoliert
Eleltromagnetiömus
Thermo-@leftricität
Glas linſenkonſtrultion
für Leuchttürme
Notes Blutlaugenſalz
Schnellefigiabrifation
Bortlandcement
Median. Flachsipinnerei
Gelfaltor
rin im
Anka (als Reine)
Schiffs ſchraube
Aluminium
Erſte ſynthetiſche Dar⸗
ſtellung einer organi⸗
Pia ae (des |
Harn
nern nase |
Stidmaidhine
apieritereotypie
ettenſtichnaͤhmaſchine
Dague rrotypie
Erite Lokomotive ·Nocket ·
Hodoienbetrieb mit er»
bigter Gebläfeluft
Baraifin
Stabljchreibfedern
147
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Schüpenbad.
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Eolin * NRobiquet.
Unverdorben.
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| fr. Wöhler.
| Chr. G. Gmelin.
eilmann.
enour.
Thimonnier,
Daguerre.
G. Stepbenion.
| Neilfon.
von Reichenbach.
Wiſe.
10*
148 Erfindungen und Entdedungen
Beit Begenftand | Urheber Beit Gegenſtand | Urheber
1831 | Magnetelektriiche Indut- 1869 | Gellulofeaus Holz mittels
tion Mid. Faraday. Natronlauge | ®. Ungerer.
1831 Elettrifhe Zündung für 1869 | Eelluloid Hyhatt.
Sprengzwecke Shaw. 1869 Kathodenſtrahlen | Dittorf.
1832 | Magnetelettriihe Mas | 1870 —— — laͤſe Tilghman.
fine Dal Negro u.von Bigii. 1870 | Betoneifenbau Monier.
1832 Stearinkerzen de Milly. 1871 — für Eiſen⸗
1833 hosphorzundholzchen — babnzüge Seberlein.
1833 —— ine \ Berrot. 1873 | Künftliche Blutleere Esmarch.
1633 ündnadelgewehr | enie. 1875 | Eleftromagnetijches Tele: |
1833 r erfte (magnet=) elef: | phon Graham Bel.
triſche Telegrap Gauß und Weber. 1875 a las U. de la Baſtie.
1834 | Phenol —— im 1877 erfeäffigun fog. perma=
Steinfohlenteer Runge. nenter Gaſe \ Eailletet und R. Bicten,
1836 | Eentrifuge zolbt, 1877 Bhonograph Edition.
1836 | @alvanoplaftif acoby. 1878 | Witrophon Hughes und Lüdtge.
1837 | Moberateurlampe andot. 1879 | Entphosphorung d. Eiſens .
1837 Eleftromagnet. Schreib» im Stonverter Thomas und Gildrif.
oder Drudtelegraph Steinheil und Morſe. 1879 | Eleftriiher Mecumufator | Gafton Plante.
1838 Vietmaſchine irbairn, 1880 | Whotophon Graham Bel.
1839 | Gasfeuerung iſchoſ. 1880 | Xcprabacillus Hanjen und Neißer.
1839 | Qultanifierter Stautichut | Goodnear 1881 | Autotypie | Meijenbad).
1840 hotographie auf Papier x Talbot. 1882 | Tuberfelbacillus od.
1840 | alvanifche Vergoldung la Rive. 1883 | Gholerabacillus Ktod.
1840 | Dgon Schönbein. 1883 | Reinzucthefe Hanien.
1841 Galvaniſche Zink Kohlen⸗ 1885 Elettrolytiſche Darſtel⸗
Batterie R. Bunſen. lung des Aluminiums Gebrüder Cowles.
1841 Vicolſches Prisma Ricol. 1885 | Gasglühlicht Auer von Welsbad.
1842 Aquivalenz zwiſch Warme 1885 Benzinmotorwagen | Daimler; Benz.
und medan. Arbeit 3, R. Mayer. 1886 | Drabtglas riedr. Siemens,
1843 Ferro aſmyth. 1886 luor ı Moifien,
1843 olzichleiferei Seller, 1887 rammophon \ Berliner.
1844 tereoſtop David Brewſter. 1868 Elekttriſche Wellen He
1845 | Roter Phosphor Schrötter. 1890 Fritter zur Funkentele-⸗
1845 Schießbaumwolle Schönbein, graphie Branlyu.
1845 Elektriſches Gluͤhlicht Starr. 1891 | Karborundbum ' Schügenberger;
1846 | Rotationsjchnellprefje Applegath. ‚ _ Adeion.
1846 | Athernartoje adjon, 1891 | Teelaftröme ' Tesla.
1847 | Chloroformnarkofe impjon. 1892 nfluenzabacillus | Rich. Pieiffer.
1847 Uodium Maynard. 1893 iphtherieheilferum Behriug (Kong).
1848 | Phosphorfreie Zünbhölz- 1894 | Argon und Helium in der | Lord Wayleigb und
en Böttger u. Lundftröm. tmofphäre entdedt | @. Ramiay.
1849 | Milzbrandbacilius Pollender. 1894 * cillu erſin; Kitaſato.
1849 | Benzol aus Steinkohlen⸗ 1895 tnematograph A und £. Qumidre.
teer im großen Mans field. 1895 füfige Luft (im großen) | Linde.
1850 | Aneroidbarometer Bourbon, 1895 Öntgenftrahlen | Röntgen.
1851 Augenipiegel von Helmbolg. 1895 Aluminotbermie Goldichmidt.
1851 | Revolver Colt. 1896 | Becquerelftrablen | Henri Becauerel.
1851 nduftionsapparat Kubmelorff. 1896 Gantenteiegennhie arconi.
1852 artgummi Gooppear. 1897 ernitlicht Rernit,
1855 eißluftmaichine Ericsjon, 1897 | Rubrbacillus Shiga. .
1856 tablergeugung im flon« 1898 | Bolonium und Radium B. und S. Eurie,
verter Henry Beſſemer. 1899 | Telegraphon Roulion.
1856 | Mnilinviolett,erfter fünft- 1900 | Bremerlicht Bremer.
liher aus bem Stein» 1900 | Damiumlicht Auer von Welsbad.
tohlenteer ftammenbder 1903 | Ultramifrojlop Bigmonde u. Bulfrie.
Farbſto W. 6. Berlin. 1904 Tantallicht d. Bolton u. Feueriein
1857 | Ringofen für Biegel, de 1905 | Syphilisipirodhäte Shaudinn und Hofi:
ment u. dgl. Dun und Licht. mann,
1857 | Regenerativgasfeuerung # — und 1905 | Spigertypie Epiper.
. Siemens, s
1857 | Duedfilberluftpumpe @eihler. Über geogr. Entdedungen ſ. Reifen.
1858 | Eellularpathologie Birchow. A *
1859 | Spettralanalyfe Bunfen und Kichhoffl.| Litteratur. 2. Darmftädter und R. Du Bois:
nn a Sinn. En 4000 Jahre Bionierarbeit in den erakten
1860 Zelepbon er eh, —— — libri = (Baj. ——
1860 | Ugofarbitoffe Grie C. Fr. Flögel, Einleitung in die Erfindungskunſi
= ——e— ———— — — — Bresl. und Lpz. 1760); Dictionnaire des origines
1861 | @loverturm für d. Schwer: 6 Boe., Par. 1777); $. Bedmann, Beiträge zur
I —— var —— En. ejhichte der Erfindungen (5 Bde., Lpz. 1786);
1862 Aufteismalhine : Kirk. Donndorff, Geſchichte der Erfindungen (6 Boe.,
1863 | Indium Reid) und Richter. Quedlinb. und Lpz. 1817); Dictionnaire des de-
1863 Difufionsverfabrent. ‚der — couvertes, inventions etc. en France (17 Bpe.,
ee. Par. 1822); Dictionnaire technologique par une
1865 | Anfluengmalchine gel und Zöpfer. soci6t6 de savants et d’artistes(24 Bde., ebd. 1822);
1866 | Sulfitcelluloje aus Holy | Zilghman. Baudrimont u. f. w., Dictionnaire de l’industrie
= — *— — Liſter. manufacturitre, commerciale et agricole (10 Bde.,
1867 | Donamoprineip Berner Siemens, ebd. 1833); 3. H. M. von Poppe, Geſchichte aller
a | —— aus Anthracen J Erfindungen und Entdedungen - Bereiche der Ge:
1569 | Sichtorud, Photolitho: | werbe, Künfte und Wiſſenſchaften (Stuttg. 1837);
graphie Hof. Albert. €. Ferd. Vogel, Geſchichte der denlwürdigſten Er:
Erfindungsbefig — Erfrierung
intungen (3 Bde., Lpz. 1842); De Jouffroy und
Kine, Dictionnaire des inventions et découvertes
Adre., Bar. 1852); Henry Dirds, Inventors and
inventions (Pond. 1867); Karmarih, Geſchichte
ver Zehnologie (Münd. 1872); Das Buch der Er⸗
findungen (9. Aufl., 10 Bpe., Lpz. 1895 — 1900;
Lolleausgabe in 1 Bp., ebd. 1900); Samter, Buch
der Erfindungen (Berl. 1893); Capitaine, Das Mefen
dei Erfindens (Ypz. 1895); Vogt, Das illuftrierte
Bub (Die illuftrierte Welt) der Erfindungen (ebd.
1895 fg.); Schmeblit, Das Erfinderredt der wid:
fgiten Staaten (2. Aufl., Stuttg. 1900); Jahrbuch
der Erfindungen, begründet von Gretſchel und Hir⸗
jel (pa. 1865 fa.). j
Erfindungsbefig, Bezeihnung für das Net
desjenigen, welcher eine von ibm zur Patentie:
rung entweder gat nicht oder ſpäter ala von einem
andern angemeldete Erfindung vor deſſen Anmel⸗
dung bereit in Benugung genommen oder durch
Benußung vorbereitet bat. Nah 8. 5 des Deut:
ſchen Batentgejeges vom 7. April 1891, weldes
jum Unterſchied von andern, namentlid den engl.
und amerif. Batentgejegen, den Anſpruch auf das
Patent nicht dem erjten Crfinder, fondern dem
eriten Anmelder gewährt ($. 3), tritt die Wirkung
des .. egen denjenigen nicht ein, welcher
mr Zeit der Anmelvung bereit3 im Inlande die
Erfindung in Benutzung genommen oder die zur
Benutzung erforderlichen Veranſtaltungen siehe
batte. Derjelbe ift befugt, die Erfindung für die
Bepürfnifie feines eigenen Betriebes in eigenen oder
fremden Werlftätten auszunügen. Dieje Befugnis
lann nur zujammen mit dem Betriebe vererbt oder
veräußert werden. Auf den E. kann fi der Be
her, aud ohne daß dies im Geſetze vorgeſehen ift,
nicht berufen, wenn er die Kenntnis der Erfindung
dem Anmelder entwendet bat. Steht er in einem
Bertragdverbältnig zum Anmelder bezüglich der
Benutzung, jo entſcheidet dieſes Rechtsverhältnis
darüber, wieweit er die Erfindung, nachdem fie
patentiert ift, gegen den nder weiter benüßen
darf. F umgekehrt dem Erfindungsbeſitzer die
angemeldete Erfindung entwendet, iſt der weſent⸗
liche Inhalt der Anmeldung den Beſchreibungen,
Zeihnungen, Modellen, Gerätihaften oder Ein:
ribtungen eined andern. oder einem von biefem
angemendeten Verfahren ohne defien Einwilligung
entnommen, jo lann diefer Einſpruch gegen bie
Batenterteilung mit dem Erfolg erheben, daß das
tent nicht erteilt wird. Hat der Einfpruc die
rüdnabme oder Zurüdweifung der Anmeldung
ur Folge, jo tann der Ein prechende, falls er inner:
eines Monats feit Mitteilung des hierauf be
ügliben Beiheids des Batentamtes die Erfindung
einerjeit3 anmeldet, verlangen, daß ald Tag feiner
nmeldung der Tag vor Belanntmadhung der frü:
bern Anmeldung feitgeießt werde ($. 3). Iſt das
Patent erteilt, jo kann der Berlegte ($. 28) die Ber:
nibtung des Patents beantragen ($. 10). Er kann
aber auch nad einem Urteil des Reichsgerichts vom
3. Mai 1892 auf die Übertragung des Patents
Kagen, wie dies außerhalb Deutihlands allgemein
Recht iſt. Hat die Vorbenugung einer ndung
vor der Anmeldung im Inlande jo offenkundig ſtatt⸗
rt daß danach die Benußung dur andere
Sadveritändige moglich erſcheint & 2), fo lann
jedermann die Vernichtung des Patents beantra:
en ($$.2, 10). Diejer Antrag ift nah Ablauf von
ir Be von dem Tage der über die Erteilung
149
des Patents erfolgten Belanntmahung gerechnet,
unftattbaft ($. 28). Bei Batenten, welche am 1. Dt.
1891 bereit3 erteilt waren, fand die Beitimmung
mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag
mindeftens bis zum 1. Dft. 1894 ftattbaft war.
Nah dem Gefege vom 1. Juni 1891 werden
Gebrauhbämufter (f. d.) für denjenigen gefhüßt,
auf deſſen Anmeldung die Eintragung in die Rolle
je Gebrauhsmufter erfolgt iſt. Das neue Ge
rauchsmuſter brauct feine Erfindung zu fein, fie
tann ed aber fein. Gleichwohl bat diejes Geſeß einen
dem 8.5 des Patentgeſetzes entiprehenden Schuß
des E. gegen den Eingetragenen nicht vorgejeben.
In der vollftändigen Unanfechtbarteit des fremden
Schubes wurde der größere Vorteil für die Induſtrie
erblidt als in der Bejeitigung diefer materiellen
Härte. Nur wenn ber mwejentliche au der Eins
tragung den Beichreibungen, Zeihnungen, Mo:
dellen, Gerätichaften oder Einrichtungen eines an:
dern ohne defjen Einwilligung entnommen ift, tritt
dem Berlegten gegenüber der Schuß des Geſetzes
nicht ein ($. 4), wie diefer auch Loſchung des Ger
brauchsmuſters beantragen kann ($. 6). Diefelbe
fann im Fall offenktundiger Vorbenugung im Ins
lande von jedermann beantragt werden ($$. 1, 6).
Das Gleihe gilt auch für den Martenihus (f. d.)
nad dem Geſetß zum Schuß der Warenzeichen vom
12. Mai 1894. Das dur die Eintragung in die
Zeichenrolle entftandene Zeichenrecht wirkt auch dem
egenüber, der fchon vor der ke das Zei⸗
2 benußte, aber nicht zur Anmeldung brachte.
Erfrierung (Congelatio), Wenn ein beftiger
Grad von Kälte anhaltend auf den Körper wirlt,
b wird diefem die nötige Wärme Fee dad
lut an der Oberfläche des Körpers ftodt ın feinen
Haargefäßen und häuft fich in den innern Organen,
bejonders im Gehirn, an, die Feuchtigleit an der
Dberfläche wird in Eis verwandelt, fo daß einzelne
Stellen und fogar ganze Glieder brüdig werben
wie Eis. Eine unmiderftehliche Neigung zum Schlaf
bemächtigt fich des Erfrierenden, die bald in völlis
gen Berluft der Befinnung abergelt: der Buls ift
nicht mebr füblbar, der Herzſchlag faum zu bören,
die Atmung faum wahrnehmbar, der ganze Körper
eifig falt. So wird durch die Einwirkung der Kälte
auf den gejamten Körper ein Scheintod berbeige:
fahrt, der nach längerer oder kürzerer Zeit, wenn
eine Hilfe fommt, in wirklichen Tod übergeht.
Nicht immer find hierzu ſehr hohe KRältegrade er:
forderlich; oft genug fommt die E. auch bei geringer
Kälte zu ftande, wenn Menſchen, durch lange
Märſche und Hunger erihöpft oder durch Brannts
mein betäubt, fih am Wege nieberfegen und ein:
hlafen und nun ein lalter Wind ihnen rajch die
ebenswärme und das Bemwußtfein entzieht. Ger
funde und kräftige Fer aa widerſtehen der Kälte
viellänger als ſchwächliche; bei nahrhafter und kräf⸗
tiger Koſt, bei der es namentlich nicht an Fetten und
ESpirituofen fehlt, und bei ausgiebiger und lebbafter
Körperbewegung vermag fi der Menſch an außer:
— niedrige Temperaturgrade zu accommo:
dieren. Bei drobender Erfrierungsgefahr ar ed von
der größten MWichtigfeit, die eintretende Müdigleit
und Sclafjuht dur —— te Muslelbewe⸗
ge en zu überwinden, da diejelbe bei paflivem
ar ſehr raſch in Scheintod und Eritarrung
übergebt; jpirituöje Getränte wirkten in Duien
Stadium nadteilig, da fie nur dur früber herbei»
geführte Ermattung die Schlafjucht befördern. Wie
150
lange ein Menih in einem folhen Erftarrungss
zuftande bei kaum erfennbaren Lebenserſcheinungen
verbleiben kann, um wieder zum Leben zurüdzuteb:
ren, ift nicht genau befannt, doch giebt es Fälle,
in denen ein folder Zuftand tagelang gedauert hat.
Die Behandlung Erfrorener erfordert große
Vorſicht. Um einen — Scheintoten wieder in
das Leben zurüdzurufen, würde man eine durchaus
faliche, bödft ſchädliche Behandlung wählen, wenn
man denjelben rafch ermärmte. Die erjtarrte Ober:
fläche würde jchnell auftauen, und dadurch würden
die Gewebe, Gefäße und Nerven gelähmt oder
felbft zerftört werben. Ein erfrorener Körper muß
vo — lein Glied zerbricht, an einen nicht
warmen Ort, welcher jedoch möglichjft vor dem Wind
geihüpt ift, gebracht werben. Hier entlleidet man
ihn mit der größten Vorfiht und bededt ihn bis
auf den Mund und die Nafenlöher mit Schnee,
oter, wo bdiefer nicht vorhanden ift, mit nafien
Tüchern, und reibt ihn tüchtig damit ab, bis die
Haut auftaut und fo das 4 Zeichen des wie—
derlehrenden Lebens erſcheint. Erſt wenn ſich Ber
weglichleit der Glieder und Lebenswärme auf der
Haut einftellt, kann man allmäblih die Tempe:
ratur des Ortes erhöhen und die übrigen Be:
lebungsverjuche wie beim Scheintod (ſ. d.), insbe:
—— fünftlihe Atmungsbemwegungen, eintreten
aſſen. Hierauf verfuht man durch NRiechmittel
Salmialgeift, Ather, Hoffmannſche et zer⸗
chnittene Zwiebeln) und innere Reizmittel (ſtarken
in, falten Kaffee) das Bewußtſein wieder zurück⸗
jurufen. Mit diefen Wiederbelebungsverfuchen höre
man nicht zu frübzeitig auf, da es —9 wiederholt
gelungen iſt, Erfrorene in das Leben zurüchzurufen,
die ſchon viele Stunden AR gene batten.
Hinfihtlih der drtlihen Wirkung der Kälte
unterjcheidet man ganz ähnlich wie bei den Ber:
brennungen (f. d.) drei Grade der E., deren eriter
I dur Rötung und ——— Haut ſowie
ebhafte brennende Schmerzen kundgiebt, wäh—
rend ſich beim zweiten mehr oder ——* —
dehnte Blaſen bilden, durch deren Zerfall die ſchlei⸗
chend —— bisweilen bis auf den Knochen
dringenden Froſtgeſchwüre entſtehen; beim drit—
ten Grad endlich wird das betroffene Glied durch
die volllommene Aufhebung der Blutcirkulation
und bie Zerſtörung der einzelnen Gewebselemente
in eine ſchwarze, gefühllofe, falte Maſſe verwandelt,
welche nur allmählich durch eine demarkierende Ent:
zundung von den geiunden Teilen abgejtoßen wer:
den fann. (S. Brand.) In leihterm Grabe erfro:
rene (jog. erbällte) Körperteile unterliegen einer
—— Entzündung, die ſich durch einen ger
äbmten Zuftand der ——— von andern
unterſcheidet und gern im Winter Nüdfälle macht.
Man muß dieje jog. Froftbeulen (perniones)
im Sommer und Herbit fleikig mit belebenven ſpi—
rituöjen Mitteln waſchen. Dazu dienen am 5 —
Kampfergeiſt, Steinöl mit Spirituoſen vermiſcht,
verdünnte Kantharidentinktur, Bepinſelung mit
—— u.dgl. Im Winter, wenn ſich die Stellen
{ch entzünden, bededt man fie mit milden Salben
oder überziebt fie mit Tifchlerleim, Ichthyolſalbe,
Jodtinktur, Hölenfteinlöfung oder Kollodium, wen:
det auch wohl nad Umftänden Blutegel und andere
entzündungswidrige Mittel an. — Vgl. Sonnen:
burg, Verbrennungen und E., in der « Deutſchen
Ebirurgie», hg. von Billrotb und Lüde (Stuttg.
1879); Esmarch, Die erjte Hilfe bei plöglichen Un:
Erfriſchungsinſel — Erfüllung (bei Schuldverhältnijjen)
Arsen 17. Aufl., Pp3. 1901). fiber das Er»
eren von Ba f. Froſtſchaden.
a nfel, ſ. Triſtan da Cunha.
Erft, linker Nebenfluß des Rheins, entſpringt
in der nörbl. Eifel, 8 km ſüdlich von Munſtereiſel
in 279 m Höbe, verläßt bei Eusfirchen (150 m) dad
Dergland, fließt faft nördlich, dann dem Höbenzug
Ville parallel nah NW., wendet ih nah NO. und
mündet bei Grimlingbaufen Neuß. Sie ift
115 km lang, 4 km vor ihrer Mündung bei Neuß
gebt von ihr ein Wafler nach dem Rhein, der Erft⸗
anal (4km), erbaut 1855—57, mit einer Soblen>
breite von 7,5 m und einer geringjten Tiefevon 1,sm,
berjelbe ift Schiffen von 7000 Etrn. zugänglid. Im
Winter wird der Erftlanal als * benußt.
Uung, bei Shuldverbältnijjen die
Leiſtung defien, was geſchuldet wurde (lat. solutio;
ber ‚le paiement), vgl. Bürgerl. Gejegb.$$.362fg.;
ei Geldſchulden heißt die E. Zahlung, damit wird
aber auch die Übergabe von Geld zu Eigentum des
Empfängers allgemein bezeichnet, alſo auch wenn
durch die geblung ein Schuldverhältnis begründet
wird, 3.8. ein Darlehn (f. d.). Die E. tilgt das
Schuldverhältnis und die zu deſſen Sicherung be
gründeten Rechte (Anſpruch gegen Bürgen, Brand»
recht). Macht der Gläubiger oder jein Rechtsnach—⸗
folger nad) der €. das Forderungsrecht gegen den
Schuldner oder deſſen Erben, den Anſpruch gegen
den Bürgen, das Recht aus der Hypothel geltend,
fo fteht ibm die Einrede der Tilgung entgegen,
melde der Bellagte freilich geltend mahen muß,
damit fie vom Richter berüdjichtigt werben kann.
Es giebt Rechtsverhältniſſe, welche durch die €.
allein nicht direkt geldft werden. Damit eine im
Grundbuch eingetragene Grundſchuld (j. d.) oder
Hppothel (f. d.) getilgt wird, muß zur €, die
Löihung im Grundbuh binzutreten. Erfolgt die
Löihung nicht, fo jteht zwar dem Inhaber, welchem
die E. geleiftet wurde, und feinen Erben eine die
Klage ausſchließende Ginrede entgegen, jeinen Ceſ⸗
fionaren aber nur unter gewiffen Borausjeßungen.
Ebenjo wird bei Inhaberpapieren (f. d.) oder bei
Drberpapieren (ſ. d.), 3. B. einem an Order ge
tellten Wechfel, der Schuldner, welcher zablt, gegen
achforderungen dritter Perjonen, auf welche das
Papier übergeht, nur dadurch gefichert, daß er jich
das Papier zurüdgeben läßt und fiher aufbewahrt
oder vernichtet. In jedem Falle hat der erfüllende
Schuldner Anipruh auf Loſchung, Rüdgabe des
Berpflihtungsiceing, Quittung (Bürgerl. Gejesb.
u 368 u. 371), Rüdgabe der — änder. Bei Grund⸗
chuld und Hypotbet kann er jtatt Loſchung Abtres
tung fordern. (S. Eigentümerhypothel.) Bei gegen:
feitigen Schulpverhältnifjen, 5. B. dem Kauf, dem
Mietvertrag, hat die Partei, melde geleijtet bat,
den Anſpruch auf Gegenleiftung; es kann ibr nun
nicht mehr die Einrede des nicht erfüllten Bertrags
entgegengejeßt werden.
ie E. hat eine fo verfchiedene Geitaltung, wie
die Schuloverhältnifje einen verjhiedenen Inhalt
haben. Hatte fih ver Schuldner verbindlich gemacht,
etwas nicht zu tbun, jo erfüllt er damit, daß er
unterläßt; bat er einen Auftrag (j. d.) übernommen,
fo erfüllt er damit, daß er die veriprocenen
and — ausführt, ohne daß der Gläubiger
ei der E. zugezogen iſt, wenn dies dem Inhalt
des Auftrags entſpricht. Wo der Schuldner zur
Rüdgabe einer entliebenen (ſ. Commodatum) oder
einer hinterlegten (j. Depofitum) Sache verpflichtet
Erfüllung (der Rechtögefchäfte des Gemeinjchuldners)
ft, erfüllt er damit, daß er dem Gläubiger den
Gemahriam der Sache einräumt. Db er dem
Gläubiger zu bringen bat (j. Bringſchuld), oder ob
der Gläubiger von ihm abzuholen hat (j. Holſchuld),
eb er von jeiner Berpflihtung befreit tft, wenn der
von ihm zur Überbringung beauftragte Bote bie
Sade unterjchlägt, richtet ſich nad} den für die ein:
—— Rechtsverhältniſſe getroffenen geſetzlichen
Feſtimmungen. War der Schuldner verpflichtet,
in Recht, 3. B. eine Dienftbarkeit, zu beftellen over
Üigentum zu übertragen, jo gebört zur E., daß das
m gewäbrende Recht in der Perſon des Empfän:
3 entjtebt. Deshalb tritt in der Perjon des
Shulonerd nad Gemeinem Recht keine Befreiung
ein, wenn er eine fremde Sade oder eine mit einem
Biandreiht bebaftete Sache leiftet. Natürlich ift dann
der Gläubiger zur —— des Erhaltenen ver:
pflichtet. Iſt Geld gezahlt, welches dem Leiſtenden
nicht gebört, jo tritt Schulbtilgung ein, wenn der
—— das erhaltene Geld in gutem Glauben ſo
— en oder mit ſeiner Kaſſe vermiſcht hat, daß
die geleiſteten Geldſtücke nicht herauszufinden find.
Rach dem Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch ($. 935
wird der gutglaubige Empfänger von Geld au
obne Vermiſchung Eigentümer und ift alſo mit dem
Empfange befriedigt. Durd) bloße untrennbare Ber:
miſchung fremder Sachen mit eigenen entjteht nad)
Dfterr. (5.415) wie nad Deutihem Bürgerl. Gejeb:
duch (8.948) Miteigentum, und es tritt fomit feine
Beiriedigung ein,
„it eine Forderung auf eine Leiftung des Ber:
plichteten in Perſon bejchräntt, fo muß diefer ſelbſt
erfüllen. Sonſt lann die E. für den Verpflihteten
jelbjt ohne deſſen Einwilligung von einem andern
geiheben, und der Öläubiger muß die E. von diefem
annehmen. Nach Bürgerl, Gejegb. $. 267 kann der
Gläubiger die Leiftung eines Dritten ablehnen, wenn
der Schuldner widerſpricht. Die E., welche der an:
dere im Namen des Schuldners leiftet, befreit dieſen.
Leiſtet ein anderer E. für den Schuldner, um dadurch
eine ibn jelbjt irgendwie gefährdende Zwangsvoll⸗
fredung abzuwenden, jo gebt die Forderung auf
ihn über ($. 268). Sihnliche Beitimmungen trifft
Code civil Art. 1251 (j. Subrogation).
Damit Tilgung eintritt, muß die E. dem Gläubiger
oder deſſen legitimiertem Stellvertreter geleijtet fein,
aljo, wenn der Gläubiger nit bandlungsfähig ift,
leinem geſetzlichen Bertreter. Iſt dem nicht hand:
lungsfähigen Gläubiger, 5. B. einem Minderjäh:
rigen oder bevormundeten Geiftestranten, geleiitet,
jo muß der Bormund oder Bater die E, gelten laſſen,
mern der geſchuldete Gegenitand an ihn gelommen
iſt, jonjt nur, joweit das Bermögen des Bevormun:
deten durch die Leiftung bereichert ift.
Wurde an einen andern als den Gläubiger ohne
deſſen Zuftimmung geleiftet, fo tritt Tilgung ein,
wenn der Gläubiger die Leijtung genehmigt, oder
wenn der Empfänger den Gegenitand erwirbt, oder
er von dem Gläubiger beerbt wird und diejer für bie
Nachlaßverbindlich eiten —— haftet (ſ. In⸗
ventarreht und Bürgerl. Geſetßb. 88. 362 u. 185).
Bisweilen gilt die Leiſtung des Zugentigen Schuld⸗
nets an einen andern als den Gläubiger als E.
Bürgerl. Gejesb. 88. BR, ,
Hat jemand in dem falſchen Glauben geleijtet, er
Khulde, jo kann er nad) Entbedung feines Irrtums
ge was der rebliche Empfänger von der
iftung oder ihrem Wert nod hat (condictio in-
debiti); wer fich miflentlih eine nicht beftehende
€
151
Schuld gun läßt, haftet ſchlechthin auf die Rück⸗
ge e. Den Römern galt er ald Dieb. War der
chuldner im Zweifel oder beftritt er die Schul,
jo fann er ſich die Rüdforderung dur einen Vors
bebalt fichern.
Bei Bedingungen (f. d.) redet man von E.,
wenn das un enie Ereignis, an welches eine
ir gelnüpft ift, eintritt,
Erfüllung der Rechtsgeſchäfte des Ge:
meinjhuldners durch den Konkursverwalter.
Die Deutfche Konkursordnung in der Faſſung vom
20. Mai 1898 (88. 17—28) giebt bejondere Vor:
fchriften bezüglich der zweifeitigen oder, wie fie
das Bürgerl. — $. 320 nunmehr nennt, der
gegenjeitigen Verträge. In $. 17 wird der
allgemeine Orundjaß aufgeitellt, dab der Konkurs:
verwalter, wenn ein zmweifeitiger Vertrag zur Zeit
der Konkurseröffnung vom Gemeinfchuldner und
von dem andern Teil noch nit oder nicht voll:
ftändig erfüllt ift, das Recht hat, an Stelle des
Gemeinſchuldners den Vertrag volljtändig zu er
füllen und von dem andern Teil die E. zu verlangen,
daß aber dem andern Teil nicht das Hecht zuitebt,
auf der vollitändigen E. zu beſtehen, ſondern er
nur feinen Entihädigungsanipruh als Konkurs:
gläubiger (f. d.) — machen kann. Der Ber:
walter muß auf Erfordern des andern Teils ohne
Verzug erklären, ob er die E. verlangen will, und
kann, wenn er dieſer Verpflichtung nicht nachlommt,
auf der E. nicht bejtehen. Hat er rechtzeitig erklärt,
daß er die E. verlange, jo iſt der Anſpruch des
andern Teils nad $.59, Ziff. 2, der Konkursord⸗
nung eine Maſſeſchuld.
Tritt bei einem eat (f. d.) die Ablie
TE erit na öffnung des Konlursver⸗
abrens ein, fo fann der Konkursverwalter nicht auf
E. bejteben, fondern nur eine Forderung wegen
Nichterfüllung geltend mahen. Die Berehnung
diefer Entihädigun et regelt $. 18,
Wie es mit Bag: und Mietverträgen zu
balten ijt, wird in den $$. 19—21 bejtimmt. War
dem Gemeinſchuldner ein von ihm gemieteter oder
achteter ®egenftand vor der Eröffnung bes Ber:
sah übetaje ‚To fann ſowohl der andere Teil
als der Berwalter das Miet: oder Pachtverhaältnis
tündigen. Die Kündigungsfrift ift, falls nicht eine
kürzere Seit bedungen war, die geſetzliche. Kündigt
der Verwalter, jo ijt der andere Teil berechtigt, Er:
fag des ihm durch die Aufhebung des Vertrags
entjtebenden Schadens zu verlangen. War dem
Gemeinfhuldner ein von ihm gemieteter oder ge
—— Gegenſtand zur Zeit der Eröfinung des
erfahrens noch nicht überlafjen, fo fann der an»
dere Teil von dem Vertrage zurüdtreten. Auf Er:
—— des Verwalters muß der andere Teil dem:
elben ohne Verzug erklären, ob er von dem Ver:
trage zurüdtreten will, — er das, ſo lommen
die Beſtimmungen des 8.17 (}. oben, Abſ. 1) zur
Anwendung. Hatte der Gemeinſchuldner einen von
ihm vermieteten oder verpachteten Gegenftand dem
ieter oder Pächter vor der Eröffnung bes Verfah—
rend überlafjen, jo ift der Miet: oder Bachtvertrag
auch der Konlursmaſſe gegenfiber wirlfam, (Eine
Sonderbeitimmung enthält jedoch Abj. 2 des $. 21.)
Die vom Konkursverwalter vorgenommene freiwil⸗
lige Veräußerung eines von dem Gemeinfhuloner
vermieteten oder verpadteten Grundjtüdes wirft,
jofern dad Grundftüd dem Mieter oder Pächter vor
der Eröffnung des Verfahrens überlafjen war, auf
152
das Miet: oder Bahtverhältnis wie eine Zwangs⸗
verfteigerung.
in in dem Haushalt, Wirtihaftsbetrieb oder
Erwerbsgeſchäft des Gemeinſchuldners angetre:
tenes Dienſtverhältnis kann nad $. 22 der Kon:
fursorbnung von jedem Teil aufgelündigt werben,
und zwar ijt auch bier, falls eine kürzere Friſt oder
nähere Zeit nicht bedungen war, die gefeßliche Frift
—— Kündigt der Verwalter, ſo iſt der an:
dere Zeil berechtigt, Erfaß des ihm dur die Auf:
bebung des Dienjtverhältnifjes entjtebenden Scha—
dens zu verlangen. Der Fall, daß der Gemeinſchuld—
ner in einem Dienftverhältnifje fteht, wird dur
die ermäbnte Vorſchrift nicht berührt. Die $$. 23,
24 und 27 bezieben fih auf Auftragsverbältnijie,
Dienft: und Werfvertrag und auf den Fall der
Sicherung von Anſprüchen durch Vormerkung im
Grundbuch. Soweit rückſichtlich einzelner, durch die
SS 18—24 nicht betroffener Rechtsverhältniſſe das
ürgerliche Recht befondere Beitimmungen über die
Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens ent:
bält, fommen bieje Bektmmun en zur Anwendung.
In $. 26 wird bejtimmt, daß in ſolchen Fällen,
in melden infolge der Konturseröffnung eine Ver:
bindlichkeit des Gemeinſchuldners nicht erfüllt oder
ein Nechtöverbältnig aufgehoben wird, der andere
Zeil nicht berechtigt ift, mit Rüdjicht darauf zu ver:
langen, daß ihm nun auch zurüdgegeben werde,
was er geleijtet bat, ſondern daß er — nicht ein
Anſpruch auf Abgeſonderte Befriedigung (ſ. d.)
beſteht, nur ſeine Forderung wegen Nichterfüllung
als Konkursgläubiger geltend mächen kann.
Wird eine nach 705 des Bürgerl. Geſetzbuchs
eingegangene Geſellſchaft durch die Eröffnung des
Konkursverfahrens über das Vermögen eines Ge:
fellihafters aufgelöjt, fo ift der geihäftsführende
Gejellihafter in Anfebung der Anſprüche, welche
ihm aus der einftweiligen Fortführung der Ge:
ſchäfte nad 8.728, Saß 2, des Bürgerl. Geſeßzbuchs
zuſtehen, aflegläubiger, in Antehung der ibm
nah $. 729 des Bürgerl. Geſeßzbuchs zuftehenden
Anſpruche Kontursgläubiger ($. 28).
Pb rt — . Eid.
Erfüllungsort, Leiſtungsort (Bürgerl, Ge:
I. $. 269), der Ort, an welchem eine geſchuldete
eiftung von dem Berpflichteten zu erfüllen ift, und
wo andererjeitö der Berechtigte die Erfüllung for:
bern kann. Der E. lommt hauptſächlich bei Schuld—
verbältnijjen (Obligationen) in Betracht, jei es daß
diefelben durch Rechtsgeſchäft, durch unerlaubte
Handlung oder durch Gejek begründet find, Aber
auch für dinglibe Anfprüde (ſ. d. und Bürgerl.
Geſetzb. $. 194) iſt er zu beftimmen, Bei Schulpver:
ältniffen aus Verträgen bat der E. nod eine be:
ondere prozefjuale Bedeutung. Nach 5 29 der
eutihen Civilprozeßordnung ift für Klagen auf
——— oder Aufhebung eines Vertrags ſowie
auf Entihädigung wegen Nichterfüllung oder nicht
eböriger Erfüllung, ferner für Klagen auf delt:
ellung des Bejtebens oder Nichtbeſtehens eines
ertragd das Gericht des €. zuftändig. Bejtimmt
fi der E. durch andere Umſtände ala den Wobnort
des Schuldners, fo lann, obwohl der Schuloner
—— Wohnſitz im Bezirk des E. nicht bat, doch
eim Gericht des E. gellagt werden. Iſt der E. der:
felbe wie der Wohnort des Schuldners zur Zeit des
Vertragsſchluſſes, jo bleibt der Gerichtsſtand des
€. bejteben, wenngleich der Schuloner, bevor er ver:
Hagt wurde, diejen Wohnfis aufgegeben bat. In
Erfüllungseid — Erfüllungsort
allen Fällen kann am E. gellagt werden, aub wenn
der Schuldner fi in dem Bezirk des Gerichts nicht
aufbält. Der E. bat dann noch befondere Bedeutung
für das Erfüllungsangebot des Verpflichteten. Da
der Berechtigte die fhuldige Leiftung nur dann an-
zunehmen braudt, wenn fie ihm am E. angeboten
wird, fo wird er durch Jurüdmweijung derſelben, weil
fie ibm am unredten Ort angeboten worden jei,
nicht in Annabmeverzug (ſ. Berzug) gejest (Deut:
ſches Bürgerl. Geſetzb. — 293).
Bei Verpflichtungen, welche durch Rechtsgeſchäft
(Bertrag, lehßtwillige Verfügung, einſeitiges Ber:
fprechen) begründet find, fann der E. dadurch ge
Ar fein, dab das mahgebende Rechtsgeſchäft
eftimmt, wo der Vertrag zu erfüllen, » . eine
bejtellte Maſchine zu übergeben, eine Geldzahlung
zu leijten ſei. * den Geſchäftsverkehr iſt wohl zu
emerlen, daß Erfüllung durch Übergabe und
Ablieferung (ſ. d.) verſchiedene Dinge ſind. Die
Übergabe kann bei einem Diftanztaut (j. d.) durd
Klee auf die Eiſenbahn jegn, jo daß ber
Aufgabeort €. ift, während die Ablieferung am
agni des Empfängers erfolgt. Auch aus dem
Umjtand allein, daß der Schuloner die Transport:
En übernommen hat, der Preis Cif (j.d.) am
Ablieferungdort beftimmt ift, iſt noch nicht zu ent:
nehmen, daß der Ort, nach welchem die Berjendung
zu erfolgen bat (Ablieferungd:, Bejtimmungsort),
der €, jein ſoll (Bürgerl. Gejebb. 8.269). Wo es an
ausdrüdlicher Verabredung des €. fehlt, kann vie
fer durch die Natur der Leijtung gegeben jein; jo
iſt eine beitimmte bewegliche Sache da zu übergeben,
wo fie ſich mit Wiffen der Kontrabenten zur Zeit
des Vertragsabichlufjes befindet, ein Grundjtüd da,
mo es liegt, vor dem zuftändigen Gericht et en,
eine Hypothel oder Grundſchuld da zu zahlen, mo
fie zu löfchen ift; ein Wechſel oder ein anderes in:
dofjables oder auf den Inhaber lautendes Papier
ijt dem Schuldner zur Zahlung zu präfentieren.
Mird der E. nicht ausprüdlich verabredet, auch
nicht durch die Natur der Leiftung bejtimmt, jo haben
die Gefeße fubfipiäre Beitimmungen über den €.
getroffen. Die * ür Handelsgeſchäfte gelten:
den befondern Borjhriften über den E. find ın das
neue Handelägejesbudh vom 10. Mai 1897 nicht mit
aufgenommen, jondern durch die Beftimmungen bes
Bürgerl. Geſetßzbuchs erſetzt worden.
Das Bfterr. Bürgerl. Gefekbud ($$. 905, 1420)
chreibt vor, wenn der Ort, wo eine vertraggmäßige
erpflibtung erfüllt werden jolle, weder aus der
Verabredung, noch aus der Natur oder dem Zwecke
des Gefhäfts zu bejtimmen ſei, jo jollten unbemweg-
lihe Sachen an dem Orte, wo fie liegen, bewegliche
Sadıen an dem Drte, mo das Verſprechen gemacht
worden fei, übergeben werden. Nicht vertrags-
mäßige ungen dagegen ift der Schuldner nur
am Orte Jeined Wohnſißes abzuführen ſchuldig. Für
— — gilt in Oſterreich nod Art. 325 des
Handelsgeſeßbuchs von 1861, wonach im Zmeifel
G. der Ort ift, wo der Verpflichtete zur Zeit des
— ——————— ſeine Handelsniederlaſſung oder in
Ermangelung einer ſolchen feinen Wohnſiß hatte.
Nach dem Code civil (Art. 1247) muß die Zab:
lung an dem im Bertrage bejtimmten Orte geſchehen
oder in —— eines ſolchen, falls es ſich um
eine gewiſſe genau bezeichnete Sache handelt, da,
wo ſich dieſe Sache zur Zeit der Entſtehung der Ver—
bindlichkeit befand. Liegt kleiner von beiden Fällen
vor, fo ijt E. der Wohnjig des Schuldners,
Erfüllungsfurrogate — Erfüllungszeit
Das Deutſche Bürgerl. Geſetzbuch enthält in
ven $$.269 und 270 über den €. bei Dbliga-
tionen die nachfolgenden Vorſchriften: Iſt ein
€. weder beftimmt noch aus den Umftänden, ins—
beiondere aus der Natur des Schuldverbältnifjes
zu entnebmen, fo ift E. der Ort, wo der Schulbner
— — Zeit der Entſtehung des Schuldverhältniſſes
en Wohnſitz hatte. Iſt die Verbindlichkeit im
Gewerbebetrieb des Schuldners entſtanden, tritt,
wenn der Schuldner ſeine gewerbliche Niederlaſſung
an einem andern Orte hatte, der Ort der Nieder:
lajjiung an die Stelle des Wohnſibes Daraus
ein, daß der — die Koſten der Verſen—
dung übernommen bat, iſt nicht zu entnehmen, da
der ‚ nad mweldem die Verjendung zu erfol-
gen bat, der Leiftungsort fein ſoll. Geld — der
Schuldner zwar im Zweifel auf ſeine Gefahr und
ſeine Koſten dem Gläubiger an deſſen Wohnſitz zu
übermitteln oder, iſt die Forderung im Gewerbe:
betrieb des Gläubiger entftanden, an ben Ort feiner
— Niederlaſſung, aber der E. iſt darum
ein anderer als der, der id aus obigen Vorſchriften
ergiebt. Erhöben jic infolge einer nach Entftehung
des Schuldverbältnijjes eintretenden Sinderung bes
Bobnfiges oder der gewerblichen Niederlafjung des
Gläubiger die Koſten oder die Gefahr der fiber:
mittelung, jo bat der Gläubiger im erſtern Falle die
Mebrloften, im legtern die Gefahr zu tragen. Im
Einführungsgejek Art. 92 ift jedoch die weitere Gel:
—— eſeßlichen Vorſchriften vorbehalten,
nach welchen — aus Öffentlichen Kaſſen an
der Kaffe in Empfang zu nehmen find. Solde Vor:
—— enthalten faſt alle —— zum
gerl. Geſetzbuch (z. B. das Preuß. vom 20. Sept.
1899 in Art. 11).
Bei gegenfeitigen Verträgen können die Regeln
über den E. dahin führen, daß jede Bartei an einem
andern Orte zu erfüllen bat, daß demzufolge eine
Partei mit der Erfüllung vorangehen muß, ohne
unmittelbar darauf die Gegenleiftung zu erhalten,
Rad) einer weitverbreiteten Anſicht ift das Necht
dei E. aud maßgebend für die Gültigkeit und den
Inhalt der vertragsmäßigen Verpflichtungen.
ungdfurrogäte, melde den Schuldner
ebenfo befreien wie bie Erfüllung (f. d.), und dem
Gläubiger den Wert der Erfüllung oder die Mög:
liheit gewähren ſich zu befriedigen, find die An-
e an Zablungsitatt und Depofition ( d.).
ungöverfprechen oder Zahlungs:
verſprechen haben einige Rechtslehrer das röm.
Constitutum debiti (f. d.) genannt, indem fie deſſen
beutige Gültigteit behaupten. Doc j diefe Anficht
nicht allgemein angenommen, wennjchon die Klag:
barteit eines unter Anerfennung einer bejtehenden
Schuld abgegebenen E. allgemein zugeftanden wird.
Erfällungdzeit, die Zeit, zu welcher eine ge:
ſchuldete Leitung erfüllt werden muß und erfüllt
werden barf. St die E. in dem maßgebenden Rechts:
aeibäft nicht beftimmt und ergiebt ſich dieſelbe
aud nicht aus den Umjtänden, jo kann der Gläu—
biger die Erfüllung fofort verlangen, der Schuldner
fe fofort bewirten. Natürlid muß dem Schuldner
die * elaſſen werden, welche zur Herſtellung oder
—5*— der Leiſtung erforderlich iſt, wenn
olche allgemein nicht jojert bewirkt werden kann.
dem Diterr. Bürgerl. Geſetzbuch kann vor Ab:
lauf der beitimmten ER der Ehulpner dem Gläu⸗
t aufdrängen ($. 1413); im
iger die Leiftung ni i
—— par die E. durh Mahnung («Eins
153
a ») bejtimmt, jet nichts Beſonderes ver:
einbart ih 1% 1417). — Nach dem Deutichen Bürgerl.
Geſetzbuch ($. 271) ift, wenn eine Zeit beftimmt ift,
im Zweifel anzunehmen, daß der Gläubiger die Leis
fund nicht von diefer Beit verlangen, der Schuldner
fie aber vorber bewirken lann. Die E. lann auf ver
chiedene Art beftimmt fein, durch Angabe eines
eiten Kalendertags, Anfang, Mitte oder Ende eines
onats, Angabe einer Frift (nah Monaten oder
Tagen), im Verhältnis zu einem andern Greignis
(auf Kündigung, nad Sicht). Wie event. der präcife
Erfüllungstag zu bejtimmen ift, darüber bat das
Bürgerl. Geſetb. S 187 — 193 Auslegungsregeln
aufgeftellt, die auch für Handelsgeſchäfte gelten, für
welche in Öfterreich jetzt noch die inbaltli übrigens
mit dem Deutfchen Bürgerl. Gefepbud nahezu voll:
ſtändig übereinjtimmenden Art. 328— 333 des
Handelsgeſetßzbuchs von 1861 gelten. Iſt als Zeit der
Leiftung das Frühjahr oder der Herbit oder ein in
ähnlicher Weile a eitpunft vereinbart, fo
entfcheidet bei Handelägeihäften im Ameifel der
Handelsgebrauch des —— ſsortes. Iſt eine Friſt
von acht Tagen vereinbart, ſo ſind hierunter bei
Handelsgeſchäften im Zmeifel volle acht Tage zu
—— Endlich kann bei Handelsgeſchäften die
Leiſtung nur während der gewöhnlichen Geſchäfts—
zeit bewirkt und gefordert werben (Handelsgeſeßbuch
von 1897, $$.358 u. 359). Bezablt der Schuloner
eine unverzinsliche Schuld vor der Fälligkeit, fo ift
er leineswegs berechtigt, Zwiſchenzinſen en
rium, Diskont) abzuziehen, wenn ibm das vom
Gläubiger oder durch Handelägebraud nicht bemil-
ligt ift (Bürgerl. Gefebb. $. 272). Iſt für die Erfül-
lung eine Zeit nad dem Kalender beftimmt, fo
fommt der Shuloner bei Bringſchulden (f. d.) ohne
Mabnung in Verzug (f. d.), wenn er nicht zu der
bejtimmten Zeit leiftet (Bürgerl. Geſeßb. $. 284).
Im übrigen bat die Feſtſtellung einer bejtimmten
€. eine verſchiedene Wirkung nad der Bedeutung,
welde die E. für das Intereſſe der Bartei bat. &
die Leiftung zu einer bejtimmten Zeit jo weſentlich,
daß eine jpätere Leiftung gar kein Intereſſe für den
Gläubiger mehr bat, wie das mit Saifonartiteln
der all ift, fo braucht der Gläubiger auch nad
Ablauf der Zeit die Leiftung nicht mehr anzu:
nebmen; und läßt fih nad Ablauf der E. die Lei—
—— nicht mehr beſchaffen, fo kann auch
der Gläubiger die engl nicht geforderte Natural:
erfüllung nah Ablauf der E. nit mehr bean:
pruchen — beides unbeſchadet des Rechts, das
nterefje zu fordern, meil nicht rechtzeitig aeleiftet
(oder abgenommen) ift. Iſt in einem gegenfeitigen
Vertrag vereinbart, daß der eine Teil genau Mi
einer feitbeitimmten Zeit leiften foll, liegt alſo
ein Firgeibäft (ſ. d.) vor, fo hat nad Bürgerl.
Gefepb. $. 361 im Zweifel der andere Teil ein Nüd»
trittörecht, wenn die Leitung nicht je beitimmten
Zeit erfolgt; er braucht nicht, wie jonit ($. 326),
erft eine Nachfrijt zu gemäbren; der Schuloner kann
ihm für Erllärung darüber, ob er zurüdtreten oder
nadträglib Erfüllung wolle, ſeinerſeits eine Frift
ſetzen (8.355). Anderes gilt nad $.376 des Handel:
geſetzbuchs von 1897 bei Handeläfäufen und was
ihnen gleichjtebt, wenn fie Firgeibäfte find. Bei
ihnen tft regelmäßige Abſicht, namentlich bei ihrer
bäufigften Art, den Geſchäften über Waren mit
Markt: oder Börfenpreis, dab verſpätete Erfüllung
ausgeſchloſſen fein joll. Daber die Vorſchrift, daß,
wenn der Gläubiger nachträgliche Erfüllung will,
154
er dies dem Schulpner unverzüglich mitzuteilen babe.
Andererieits ift bei Handelskaͤufen das Nüdtrittö:
recht nicht mebr wie bisher, von einem Verzug der
Gegenpartei abhängig, mie das ja aud nicht nad
dem Bürgerl. Gejegbud der Fall iſt. Will der Käu—
fer ftatt der Erfüllung Schadenerſatz megen Nicht:
erfüllung fordern, was nur bei Verzug des Schuld⸗
ners aulaffe ijt, fo darf er ohne weitere Begrün:
dung die Differenz zwiſchen dem (niebrigern) Kauf:
preije und dem (böbern) Markt: oder Börfenpreije
ur Zeit und am Orte der gejchuldeten Lieferung
—— (og. abſtralte Schadenberehnung). Even:
tuell darf er aber auch einen höhern Schaden for:
dern (ſog. fontrete Schadenberehnung). fann
nämlich, weil der Verkäufer nicht rechtzeitig lieferte,
anderweit kaufen (jog. Dedungstauf). Das Ergeb:
nis diejes Kaufs — falls die Ware einen Börſen⸗
oder Marktpreis hat, dem —— u Grunde
elegt werden, wenn der Kauf unverzüglich nach Ab⸗
auf der E. bewirkt iſt. Entſprechend hat der Ver:
das Recht des Realifationsverlaufs, um da:
nah den Schadenerjag wegen Nichterfüllung zu be:
mejjen Gandelsgeſetzbuch von 1897, $. 376).
Die E. kann endlich in unbeftimmten Ausdrücken
bezeichnet fein, wie «ſobald als thunlid», «ſobald
ih vermag» u. ſ. w. In diefem Fall ift bei Streit
die genauere E. vom Richter nah den Umjtänden
zu bemejjen.
Wichtig ift, Daß nad der neuen Civilprozekorb:
nung vom 20. Mai 1898 ($$. 257—259) vor Ein:
tritt der E. auf künftige Zeiftung geklagt, werden
fann, wenn bie Öeltendmadhung einer nicht von
einer Öegenleiftung abhängigen Geldforberung oder
eines Raͤumungsanſpruches an den Eintritt eines
Ralendertages geknüpft ift, ferner bei wiederlehren⸗
den Leitungen, endlich allgemein, wenn die Be:
jorgnis gerechtfertigt iit, daß fi der Schuldner
der rechtzeitigen Leijtung entziehen werde.
‚Erfurt. 1) Regierungsbezirk der preuß. Pro:
vinz Sachſen (f. Karte: Königreih Sadjen,
rovinz Sachſen u. f. w., beim Artifel Sachſen,
onigreich), umfaßt Teile des frübern Erzbistums
Mainz und Kurſachſens, das Fürſtentum Eichsfeld
(j.d.) und die Reichsſtadt Mühlbaujen, grenzt im N.
an Braunjhmeig, im ©. an die thüring. Füxſten⸗
tümer, iſt zum Teil jebr fruchtbar, zum Teil raub und
öde (oberes Eichsfeld), zum Teil ſehr gebirgig und
waldreich (Entlaven &hleufin jen und Ziegenrüd),
bat Ader: und Gartenbau, Saljbergwert und Eijen:
gruben. Der Regierungsbgzirt umfaßt 12 Kreije:
* bs “ »
Kreife F FF 5* 253
mE um 53267 532
1434| 474 &
Norbhauien® .
Grafſch. Hohen
J 6,19) 44431 1069| 192] 47726
Worbis. . . . | 446,83] 40204 30941 3) 41480
eiligenftabt . | 433,84] 39191 35821) 64| 4109
3 baujen® „| 64,29] 33428 1769| 216] 34359
Müplbauien 395,25| 34666 14867] — | 35873
Langenfalza 418,62| 37636 504] 13) 38803
Weiheniee . . | 291,77| 24922 556) 11) 25613
Edun® „.. 44,68| 85202 10672| 782] 98847
Erfurt . . . „| 280,25] 33116 3462 8 34770
Biegenrüd . 200,14) 17400 161] — | 18214
Scleufingen .| 458,04| 477261 47066 406| 215] 51236
Eumme 3531,61|466 419] 361 666101 662|1978| 497 897
Der Regierungäbezirt hat 3531,61 qkm und
(1900) 466419 E., darunter 2471 Militärperjonen,
23 Städte mit 473,47 qkm, 223851 E., 407 Land:
Erfurt
gemeinden und 155 Gutäbezirfe mit 3056,76 qkm,
242568 E., ferner 62480 bewohnte Wohnbäufer,
104181 Haushaltungen und 890 Anftalten für ge:
meinjamen Aufenthalt. Dem Religionsbelenntnis
nad waren 361666 Evangeliſche, 101662 Katbo:
lifen, 1071 andere Ebrijten und 1978 Jsraeliten.
1905 wurden 497897 E. gezäblt.
Der Regierungsbezirk zerfällt in 4 Reichdtag::
mabltreife: Nordhauſen 1906: Abgeordneter Dr.
Miemer, Freifinnige Voltspartei); Heiligenjtadt:
Worbis (von Strombed, Centrum); Müblhaujen:
Langenjalza (Eidhoff, Freifinnige Volkspartei);
Erfurt:Schleufingen-Ztegenrüd (Hagemann, natio:
nalliberal). — 2) Landkreis im Reg.:Bez. E. (f. vor:
ftehende Tabelle). — 3) Stadtkreis (44,63 qkm)
und Hauptitadt des Kea.-
Bez. E., an der Gera, die
die Stadt von SW. nad
NO. in drei Armen durch—
fließt, liegt in 200 m Höbe in
dem Vorlande des Thürin:
ger Waldes, wird ſüdlich von
ben Den des Eteiger:
waldes begrenzt und batte
1880: 53254, 1885: 58380,
1890: 72360, 1895: 78174, 1900: 85202 E. dar:
unter 10672 Katholilen und 782 Söraeliten, ein:
fchließlih der 1905 einverleibten Orte Alt: und
Neudaberſtedt 86 702, (1905) 98847 E. In Gami:
j liegen Stab, 2. und 3. Bataillon des 3. Tbüring.
nfanterieregiments3 Nr. 71 und das 1, Tbüriny.
eldartillerieregiment Nr. 19. Die Zabl der Ge:
burten betrug 1899: 2626, die der Eheſchließun—
gen 200, der Todesfälle (einſchließlich Totgeburten)
1524,
Anlage, Straßen, Brüden, Plätze. Die
Stadt, bis 1873 eine bedeutende Feitung, von der
ein Teil der Citadelle Petersberg und die Gafematten
der Cyrialsburg noch vollftändig erhalten find, zeigt
im Innern troß zablreiher Neubauten noch immer
den Eharafter einer altertümlichen Stadt ; bejonders
am — Friedrich-⸗Wilhelms⸗Platz, Wenigen
Markt und in den engen Straßen am ehemaligen
Augujtinerklojter finden ji zahlreiche interejjante
Bauten aus der Nenaijjancgzeit. Von den zabl:
reihen Brüden ift die Krämerbrüde bemerlens—
wert, bis 1325 in Holz, fpäter in Stein erbaut;
fie trägt zwei Reiben de bis dreiftödiger Häujer
mit Läden. Bon den Kirchen an ihren beiden Enden
iſt nur die jeßt weltlihen Zweden dienende Ägidien:
tirhe am Menigen Markt erhalten, während die
Benediktitirhe dem Bau einer neuen Brüde zum
Dpfer gefallen ift. Neue ſchöne Brüden führen
über den Umflutgraben, der unter Benugung des
ebemaligen Feitungsgrabens zur Bejeitigung der
Sehwalleradahr angelegt iſt. Mittelpuntt des Ber:
tebrs ijt der Anger, eine ſchöne Straße mit Baunı:
reiben, ferner die Johannes-, Schlöjjer:, Martt:,
Bahnhofs: und Löberitraße; jhöne neue Straßen
find die Wilhelms, Schiller:, Bismard: und Steiger:
jtraße fowie der Dalbergäweg. Am Norbende des
Angers das Lutherdentmal "1890. von F. Schau:
per); am Sudende ein Monumentalbrunnen, von
Stöhardt; auf dem Friedrih: Wilhelms: Pla ein
Obelist, 1770 um Andenten an den Mainzer ur:
fürjten Friedrich Karl errichtet; auf dem Hirjchgarten
genannten Blake ein Dentmal für 1866 und 1870/71;
auf dem durch Zufchüttung der Gera vergrößerten
Reihartöplage ein Standbild des ehemaligen Bür
Erfurt
ermeifters Neichart und ein Neiterftanpbild Kaiſer
Flbelms IL. (von Brunom:Berlin, 1900). _,
Gebäude. E. hat 9 evang. und 9 kath. Kirchen.
Bon den erjtern find bemerkenswertdiegot. Prediger:
Ihe (1228), mit einem ſchönen Schnigaltar von
Boblgemutb (1460—70), Kunjtwerten und Dent:
nälern, die got. Barfüßerlirche, nach dem Einſturz
1838 auf Staatäkoften mwiederhergejtellt und 1850
eneuert;, die Reglerlirche, ehemals dem um 1135
ründeten Klojter der Regulierten Chorberren ge:
drig, jeit 1850 wiederhergeitellt und in Benußung,
nit einem Altar von Woblgemutb; von den fatho:
läichen: der Dom St. Marien, auf einer Anböbe
jübmweitlih am Friedrih: Wilhelms: Plas, mit breiter
Freitreppe (die Graben), an Stelle eines 1158 ge:
gründeten Baues in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh.
errichtet, der Chor, 1349—72 im edelſten got. Stil
vollendet, rubt auf einem gewaltigen Unterbau (den
fog. Kavaten, cavatae), das Langhaus wurde
1456— 72 al3 jpätgot. dreiſchiffige Hallentirche um:
ebaut; am Norbportal eine reihgejhmüdte Vor:
Kal (1358); im Innern ein Relief von P. Viſcher,
nung der heiligen Jungfrau, ein Olbild (1499),
den großen Chriſtoph daritellend, darunter der Grab:
ftein (13. Jahrh.) eines Grafen von Gleihen mit
feinen beiden Frauen, Kanzel und Orgelbühne nad
Schinlels Entwurf, gejhnigte&horjtühle (15. Jahrh.),
ein metallener Leuchter (11. bis 12. Jahrh.), die
Figur eines Betenden darftellend, Glasmalereien
(14. Jabrb.) und ſchoner pe Kreuzgang. Die Dom:
türme, im Übergangsftil des 13. Jahrh., enthalten
10 Gloden, darunter die große Gloriosa, das Wahr:
zeichen der Stabt, 275 Etr. ſchwer. Der Dom wurde
1845— 70 durchweg reftauriert und durch ein großes
Nadonnenbild in Moſaik auf Goldgrund (von Sal:
viati) am weſtl. Giebel geziert. Im NW., dicht
neben dem Dom, gleichfalls auf der Höbe, jtebt die
lath. Severilirche da. Sabrb.) mit drei jpiken Tür:
men, 1878 rejtauriert, mit Altarreliefö (14. Jabrb.),
einer heil, Michael: (1472) und einer Madonnaſtatue
über dem Taufſtein (15. Jahrh.). Die ältejte Kirche
iſt die Schottentirche, eine Pfeilerbaſilika (12. Jahrh.)
mit got. Veränderungen. Die evang. Thomaskirche
ift im ©. der Stadt neu errichtet worden. Von den
ige Klöjtern befteht nur noch das Urjuliner:
fter, jest Erziehungsanftalt für Mädchen. Das
Auguitinertlofter, in welches Luther 17. Juni 1505
als Mönd eintrat, dient jetzt teils ald Waifenhaus,
teilö als Rettungsbaus je Erziehung verwahrloſter
Kinder (Martinsitift); Erinnerungen an Luther da:
rin wurden1872meift durch Feuer zerftört. DieKirche,
1273 begonnen, mit Schiff (1432) ift in ibrer ur:
fprünglichen Geftalt wieder * und war 1850
Sis des Unionsparlamentd. Bon weltliden Ge:
bäubden find zu nennen dad Rathaus am Fiſch—
marft, an Stelle eines ältern Baues nad dem Ent:
wurf von Baurat Tiede 1869—75 von Sommer er:
baut, mit Bandgemälden aus ber Erfurter ®eichichte
von Janſſen im Feitjaal, auf dem untern Flur die
ibenjage in nbgemälden, auf dem obern
de betreffend Luther Aufenthalt in E., in
den Treppenaufgängen unten Bilder aus der Tann
bäuferfage, oben aus ber Seuftfage, fämtlih von
Rimpffer; gegenüber das Waltherihe Privathaus
«Zum breiten Heerb» (16. Jabrb.) und die «Hohe
lie» am Friebrih- Wilhelms: Plag; das Regie:
tungsgebäude am Hirfhgarten, früher Wohnun
dei Mainzer Statthalters, zulet Karl von Dal:
bergä (f. d.) und 1808 Napoleons Wohnung, als er
155
bier die Fürſten um ſich verfammelte (f. unten, Ge:
ſchichte), und der 1894 eröffnete Gentralbahnbof; an
die ehemalige Univerfität (j. unten, Geſchichte) er:
innert das Öroße Kolleg in der Micaelisftraße, mit
prächtigem fpätgot. Bortal, jekt Realichule,
Verwaltung und ftädtifhe Einrichtun—
gen. Die Stadt wird verwaltet von einem Ober:
bürgermeijter (Dr. Schmibt, jeit 1895, 12000 M.),
Bürgermetfter (Lange, jeit 1892, 9000 M.), 15 Ma:
giſtratsmitgliedern (8 bejoldet), 48 Stadtverord-
neten und bat freimillige Turnerfeuerwebr mit 16
Sprigen, ein bedeutendes ftäbtiihes Waſſerwerk
90 km Rohrnetz), welches das Grundmwajler vom
orfe Mehmar (21 km) und vom Gerathal bei
Möbisburg nad den Hochbehaltern an der Eyrials:
burg und im Steiger leitet. Die Ausdehnung der
Kanäle beträgt 69800 m. Die 2 asanitalten
(Siß der Direltion in Defjau) gaben 1897: 3,745
Mill. cbm Gas ab, davon 711811 cbm zu techni:
ſchen Zweden. | dem ſtädtiſchen —38—
wurden 1899 geſchlachtet: 8455 Stüd Rindvieh,
27701 Schweine, 22017 Kälber, Schafe und Ziegen
und 239 Pferde. j
dinanzen. Am 1. April 1900 betrug das Ver:
mögen 18,5 Mill. M., die Schulden 8,5 Mill. M.
Nah dem Gtat 1901 betrugen die Einnahmen
3287000 M.,darunter 1906 400M. direlte, 2830800
M. indirete Abgaben; die Ausgaben 3287000 M.
gar Unterrihtöziwede wurden aufgewendet 675750
., für öffentlihe Beleuchtung 67 170 M,, für Stra:
benreinigung 52600 M., für Armenwejen 169 100
M., für Kranlenanftalten 71450M.
Behörden. E. ift Sitz der Lönigl. Bezirks:
regierung, de3 Landratsamtes für den Landkreis
E,, eines Landgericht3 (Oberlandesgeriht Naum:
burg) mit 7 preuß. Amtögerihten (E., Zangen:
alza, Mühlbaufen, Sömmerda, Tennſtedt, Tre:
rt, Weißenjee) und 5 Schmwarzburg » Sonders:
aufener Amtsgerichten (Arnjtadt, Ebeleben, Geb:
ren, Greußen, Sondershauſen), eines Schwur:
gerichts, Amtsgerichts, einer Oberpojtdireltion für
den NReg.: Bez. E., den Kreis Schmallalden, das
Großberzogtum Sachen, die Herzogtümer Sachſen⸗
Meiningen, Sahjen:Coburg:Gotba und die Fürjten:
tümer Schwarzburg-Sonderöhaujen, Schwarzburg:
Rudolſtadt und Reuß (6350 km oberirdiſcher Tele:
erg mit 26 718 km Leitungen, einſchließ⸗
ih 5424 km Stadtfernſprechanlagen, und 528
Verlehrsanſtalten), einer königlich preuß. Eifenbahn:
bireltion, einer Generaljteuer:, Forſt- und Berg:
infpeltion, eine3 Hauptjteueramtes, einer Reichs⸗
bantitelle, Handelslammer jowie Siß der Komman-
dos der 38. Divifion, 76. und 83. Infanterie- und
38. Feldartilleriebrigade, eines Artilleriedepots und
Bezirlätommandos.
Unterridht3s und Bildungswesen. €, hat
ein tönigl. Oymnafium, hervorgegangen aus dem
evang. Hatögumnafium (1561), reorganifiert 1820
und ei 1896 in einem neuen Gebäude in der
Schillerſtraße, Lönigl. Realgymnaſium, 1844 er:
öffnet, ſtädtiſche Realſchule, private höhere Handels:
fachſchule, föniglic evang. Lehrerjeminar (1820),
fimultane Bid und landſtändiſche Taub:
jtummenanftalt, 1822 dur die Loge gegründet
und mit einer ortbildungsihule für erwachſene
Taubſtumme beiberlei Gejchleht3 verbunden, 1
ftäbtiihe und 2 private höhere Mädchenſchulen,
Mittel:,5Bürgerihulen, 3evang. und 1fath. Volle:
ſchule, Handwerler- und Kunftgemwerbe:, ftaatlidye
156
Baugemwerlen:, Landwirtſchaftsſchule, — für
weibliche Handarbeiten, Seminar für Lehrerinnen,
Mufitihule, Hebammenſchule, Lehranſtalt für Huf:
beihlag. Mit der königl. Bibliothet (65000 Bände)
ift zugleih verbunden die Amplonianiſche Hand:
Ihriftenfammlung (Schriften big zum 9. Jahrh. zus
rüd; vol. Schum, 1 Verzeichnis der Am:
plonianiihen Handichriftenfammlung, Berl. 1887);
im Martinsitift die ſog. Minifterialbibliothet, meift
theol. Inhalts, mit vielen auf E. bezügliben Hand:
hriften; im Rathaus das Stabtarhiv mit Hand:
hriften und alten Druden, im Dom das Dom:
archiv. Ferner bejteben Mufeen für Kunft und
Kunjtgewerbe und für ſtädtiſche Altertümer, eine
ethnogr. Sammlung, eine Akademie der Mifjen:
ſchaften, Vereine für Gefhichte und Altertums:
kunde, Kunft und Kunftgewerbe (mit Gemäldeauss
jtellungen), KRonzertverein, Gewerbeverein u. a.,
eine fyreimaurerloge, ein ftädtijches Theater. Im
Aug. 1896 wurde dad Muſeum — Alter:
tümer und Trachten eröffnet, das feine Entjtehung
dem Thüringer Waloverein in E. verbantt.
MWobhlthätigleitsanftalten. Neues ftädti:
— und fath. Kranlenhaus, Anſtalt für Behand:
ung chroniſcher Krankheiten, Inftitut für Heilgym—
naftit und Maflage, Kliniten für Augen, Obren:
und Frauenkrankheiten, PBrovinzialentbindungsan-
ftalt, Pflegeanftalt für kath. rauen, evang. und kath.
Waiſenhaus. Die Stadt hatte Ende 1899: 8 Orts:
frantentafjen (10607 Mitglieder, 216198 M. Ein:
nabmen, 188112 M. Ausgaben, 125565 M. Ge:
jamtvermögen), 17 Betrieb3:(Fabrik:)trantentafien
(3349, 69426 M., 67403 M., 95224 M.), 6 In:
nungsfrantenlafjen (1883, 36488 M., 29584 M.,
32252 M.). In der offenen Armenpflege wurden
1899: 1263 Perſonen unterftüßt; die Selamtloften
betrugen 194624 M., wozu die Stadt 149 760 M.
uſchoß. In den evang. milden Stiften waren 189
Deren untergebradt; die Koften betrugen 57 977
. Die beiden Siehenhäufer beberbergten 142
Berjonen und erforderten 27427 M. Die beiden
Heilanftalten haben zujammen 450 Betten, 3 Ürzte
und 5 Aſſiſtenzärzte.
Industrie, Gewerbe und Handel. Bedeu:
tend ijt die Herftellung von Damenmänteln (22 Fir:
men) und die Scubfabrifation (25 Fabriten mit
etwa 1500 Arbeitern); ferner befteben 4 Gijen:
giehereien, 7 Webereien für Woll:, Baummoll:
und Zeinenwaren, 18 Bud: und Steindrudereien,
10 Brauereien, 15 Mabls, &l:, Graupen: und
Schneidemühlen, 2 Kalt» und Ziegelbrennereien,
1 Gerberei ſowie endlih Fabriten für Mafchinen,
Dampfkeſſel, Centralbeizungsanlagen, Fahrräder,
Yampen (4), Mal; (5), Gummimaren (3), Tabat
und Cigarren (3), Muſilinſtrumente (2), chem. Brä:
parate, fünjtliben Dünger, Leder, Seife (5), Stiefel:
wichſe (3), Möbel (28), Leiften (2), Nudeln (5),
Pojamenten (5) und Kartonnagen (3). Die königl.
Gemwebrfabrit — t etwa 2600, die Betriebs⸗
werlſtätte der königl. Eifenbabndireltion etwa 550
Arbeiter. Berühmt ift E. durd feinen Gartenbau,
feine Kunſt- und Handelägärtnerei, Gemüſe- und
Eämereibandel. Bon den 25 im größern Umfange
betriebenen Kunſt⸗ und Handelögärtnereien beſchaf⸗
tigen mebrere, 3.8. %. €. Schmidt, gegen 500 Ber:
jonen; 52 Gemüjegärtnereien (Blumentobl, Weiß:
und Rotlohl, Brunnentrejje) verjenden ihre Erzeug:
nifje nach allen Weltteilen, in den Sommermonaten
werben wöchentlich 40—60 t Blumentohl, jährlich
Erfurt
bis 50000 Schod Brunnentrejjenbündel ausgeführt.
(S. Dreienbrunnen.) Neben der Reichäbantitelle
(Umfaß 1905: 1595 Mill. M.), der Handels- und ber
Gemwerbetammer befteben Feuer:, Hagel: und Lebens:
eg Fine «Thuringia» (1800000 M. Altientapi:
tal), Altienbad⸗Geſellſchaft, Erfurter Bant (Bindert,
Blanchart & Eo.), Neue Erfurter Borjhußbant,
tatb. Spar: und Darlehnätafje St. Joſeph, Er:
furter Spar: und Leihbant, 8 Generalagenturen aus:
mwärtiger Verfiherungsgejellihaften und 14 Zweig:
niederlafjungen auswärtiger Handelsgeſchäfte. Bei
der ftädtiichen Spartafje (1823 gegründet) waren
Ende 1899 auf 38573 Bücher 16398341 M. ein:
gezahlt, bei ver Kreisſparlaſſe (1883 gene auf
(Ende 1899) 6569 Bücher 3847366 M. m ſtaͤdti
ſchen Leihhaus waren 1. April 1900: 12124 Pfänder
mit 74714 M. belieben. €. ift Sitz der Thüringi—
ſchen Baugewerts + Berufsgenofjenichaft und ibrer
4. Seltion, fowie der 4. Seltion ber Norddeutſchen
Edel: und Unedelmetallinduftrie: und der 13. Seltion
der — —
Verkehrsweſen. E. liegt an den Linien Halle—
Bebra, E.:Sangerbaufen (70 km), E.Ritſchen—
baufen (87 km), Nordhauſen-E. (79 km) und der
Nebenlinie E.:Langenjalja (38 km) der Preuß.
Staatöbahnen und hat eine Straßenbahn (feit 1894
mit elettriihem Betrieb). KR \
E. bat ein Poſtamt eriter Klaſſe mit vier Zweig:
ftellen, ein Telegrapbenamt erfter Klafje und ern:
ſprecheinrichtung. 1899 kamen an (gingen ab)
8616036 (15098824) Briefe, Poſtkarten, Drud:
fahen und Warenproben, 603504 (930257) Palete
ohne, 27532 (28531) Briefe und 7288 (5391) Ba:
tete mit Wertangabe, 69743 Poftnahnabmeien:
dungen und Boftauftragsbriefe. 32,106 Mil. M.mur:
den auf Poſtanweiſungen aus:, 2,11 Mil. M. ein:
geahlt; 3408258 Zeitungsnummern wurden aus:
egeben. Der Telegrapbenvertebr umfaßte 219340
elegramme, darunter 112503 abgegangene.
Vergnügungsorte, Umgebung. Bon ben
— en oͤffentlichen Garten der Stadt ſind die
beſuchteſten Vogelsgarten, die Flora und der Ste:
gergarten. Die Umgebung ift befonders nad Ci:
den fehr anmutig durch den Steigerwald, deſſen
Reftaurant3 und fchöne Promenadenwege viel be:
jucht werden. Dabei auf der ehemaligen Napoleont:
höhe ein Denkmal (1868) Friedrich Wilhelms IL
von Preußen und im Auguſtapark ein Denkmal der
Kaiferin Augufta. Auf dem Hochplateau ſüdlich von
E. wurde 1901 eine Bismardfäule errichtet. Im N.
ftößt an E. das Dorf Ilversgehofen (j. d.), dabei
ein Steinſalzbergwerk mit 400 m tiefem Schadt.
Geſchichte. iſt eine uralte german. oder ſlaw.
Gründung und wurde bald ein bedeutender Aus:
taufchplag zwiſchen fränt. und flaw. Waren. Das
741 von Bonifatius gegründete Bistum gi jedoch
bald wieder ein. Es ſcheint mit dem zu Mainz ver:
einigt worden zu fein, denn die Mainzer Erzbiihöfe
treten bald Adel He ala Herren in E. auf. Karld. Gr.
erhob E. 805 zu einem der Stapelpläge für bie
Slawen. Genauere Nahridhten beginnen erſt mit
dem 13. Jahrh., als ein faft felbftändiger Rat ent:
ftand, der die frühern mainzifhen Beamten ganz
aus der Verwaltung verbrängte. Seitdem nahm die
Stadt einen großen —— und wurde Mittel⸗
punkt des Handels von ganz Thüringen. Mit den
benachbarten Fürften, namentlich mit den Landgrafen
und fpätern Herzögen von Sachſen kam es zu hefti—
gen und lange dauernden Fehden, während deren E.
Erfurter Kongreß — Ergänzungsgefhworene, Ergänzungsrichter u. j. w.
teimal belagert wurde. Allein der Rat ging fieg:
rib aus allen Kämpfen bervor. Die höchſte Blüte
fält in da& Ende des 14. und den Anfang des
15. Jahrh. E. beſaß ehemals eine Univerjität, die,
1392 gegründet, fi bervortbat als ©ik des Hu:
manismus; fie litt jehr durch die Neformations:
kriege. Die Erſtarlung der landesherrlichen Macht
der Herzöge von Sachſen führte — einen
Stillſtand in der Ausdehnung des Gebietes berbei,
und die fibergriffe der ſächſ. Beamten veranlaßten
sablloje Klagen und Gegenllagen, in deren dei
der Etadt oft genug die Straßen m. Sachſens
geſperrt wurden. Als 1480 der Wettiner Albrecht
erzbiihöfl. Statthalter in E. werden ſollte, ließ der
Rat ibn nicht ein, worauf der Kurfürft von Sachſen
die Stadt jo bedrängte, daß fie ſich 1483 zu einem
Schutzvertrage entſchließen mußte und zur jähr:
liben Bezahlung von 1500 Gülden. 1509 und 1510
fanden infolge der Verſchwendung des Rats durch
—— e ——— Aufſtände des Volks ſtatt. Erſt
nach der Mitte des 17. Jahrh. gelang es Kurmainz,
ſeine Anſprüche auf E. volllommen geltend zu
machen; mit Hilfe von franz. und Reichsexelutions⸗
truppen wurde die Stabt durch Kurfürſt Johann
Philipp von Mainz 1664 genommen, Sachſen aber
verzichtete auf feine Schußgeredtigleit. Seitdem
blieb €. ein unbeftrittenes Befistum der Rurfürften
von Mainz, die es zugleich mit dem Eichsfeld (. d.)
durch Statthalter regieren ließen, bis es 1802 nebit
jenem an Preußen fam. Nach der Schlacht bei Jena
ging €. durh Kapitulation 16. Oft. 1806 an die
Franzoſen über und blieb unmittelbar unter franz.
Herrſchaft, wäbrend das Eichsfeld nachher zu Weit:
falen geihlagen wurde. Bom 27. Sept. bis 14. Dit.
1808 fand in E. eine Zufammentunft Napoleons
mit dem Kaijer Alerander I. von Rußland ftatt,
der jog. Erfurter Kongreß, bei welchem auch die
Könige von Sachſen, Bayern, Württemberg und
Ättalen. Vertreter Öfterreih3 und Preußens, der
Fürſt-Primas und viele andere Große erſchienen.
In dem Bertrage vom 12. Dit. wurde das Tilfiter
ündnis zwischen Frankreich und Rußland erneuert.
Im ir 1814 ergab fich die Stadt an die Preußen;
die Citadelle erjt im Mai deöfelben Jahres. In—
folge des Wiener Kongreſſes fam €, nebjt feinem
Gebiete (770 qkun mit etwa 45000 E.), von dem
jedoch etwa die Hälfte an Weimar abgetreten warb,
und dem Eichöfelde wieder unter preuß. Hobeit und
wurde 1815 Siß einer Regierung. 1816 wurde bie
Univerfität aufgehoben. Im Frühjahr 1850 tagte
in der Kirche des Augujtinerllofterd das Erfurter
Barlament (f.d.). Seit der Aufhebung der Feitung
(1873) und der Niederlegung der Feſtungswerlke
bat ji die Stadt außerordentlich fchnell entwidelt.
—* fand eine thüring. Gewerbeausſtellung in
ſlatt.
‚Bol. Fallenſtein, — und erfurtiſche Chro⸗
nila (5 Tle. Gotha 1749); Dominikus, E. und das
Erfurter Gebiet (2Tle. ebd. 1798); Conſt. Beyer, Neue
Ehronif von E. (Erf. 1822— 23); Schorn, liber alt⸗
deutibe Skulptur, mit befonderer Rüdfiht auf €.
(ebd. 1839); Buttrid, Dentmale der Baulunſt des
Mittelalter8 in Sachſen, Abteil. 2, Heft 14— 16
(%;. 1846); Konrad Stolles thuringiſch⸗ erfurtiſche
Ehronif (ba. von Thiele in den «Geihichtsquellen
der Provinz Sachſen und angrenzender Gebieten,
32,39, Halle 1900); E. Herrmann, Bibliotheca Er-
fartina (Grf. 1863); von Tettau, E. in feiner Ber:
gangenheit und Gegenwart (ebd. 1868; 2. Aufl.
157
1880); derf., Die Stadt E. und der Erfurter Lan:
freis (in der «Beichreibenden Daritellung der ältern
Bau: und Kunjtventmäler der Brovinz Sadjen»,
Heft 13, Halle 1890) ; Lambert, Die ältere Gefchichte
und Verfafjung der Stabt E, (ebd. 1868); Kirchbofi,
Die MWeistümer der Stadt €. (ebd. 1870); derj., E.
im 13. Sehrı, (Berl. 1870); Gejhichtäquellen der
Provinz Sachſen und angrenzender Gebiete (Bd. 1:
«Erfurter Dentmäler», Halle 1870; Bd. 8: «Akten
der Erfurter Univerfität», 3 Tle., ebd. 1881—99;
Bd. 23 u. 24: Beyer, «Urkundenbuch der Stadt E.»,
ebd. 1890—97); Kruspe, Die Sagen der Stadt E.
(2 Bodn., Erf. 1878); Röll, Erfurt (in den «Europ.
MWanderbildern», 3. Aufl., Zür. 1900); Karl Beyer,
Geſchichte der Stadt E. bis 1664 (Halle 1893); derſ.,
Geſchichte der Stadt E. (Erf. 1900—1); Gurlitt,
Hiftor.Städtebilder (Bd. 1: Erfurt, Berl.1901) ; Ju:
ſtrierter Führer durch E. und Umgegend (Erf. 1896);
Dvermann, Die eriten Jahre der preuß. Herrihaft
in E. (ebd. 1902); Mitteilungen des Vereins |
die Geſchichte und Altertumstunde von E, (ebv.
1865 fg.).
—— Kongrek, ſ. Erfurt.
Erfurter Barlament, die Berfammlung, die
vom 20. März bis 29, April 1850 in Erfurt tagte
und von den auf Grund des Dreilönigsbündnifies
(f. d.) zur jog. Union zufammengetretenen Staaten
zur Beratung des Verfaſſungsentwurfs für den 1
planten Bundesjtaat einberufen worden war. (©.
Deutihland und Deutiches Neih, Geſchichte.)
Erfurter Programm, j. Socialdemofratie.
Erg (vom ar. ergon, Arbeit), die Arbeitzein-
beit nad) abjolutem Daß (f. Maß und Gewicht im
abjoluten Sinne), d. i. die Arbeit, melde die Kraft
ein Dyne (if. er 1 cm Wegitrede leijtet.
Erg, El-, Areg, Teil der Sahara I d.).
Ergamönes, ätbiop. — von griech. Bil:
dung, welcher das ganze obere Nilland beberrichte.
Er war ein Zeitgenofje des agypt. Königs Pto—
lemäus Philadelphus (3. Jahr v. Ehr.). Seine
Hau e- war Napata, bei dem heutigen Berge
Barlal, Er brad die hierarchiſche Gewalt, melde
bis zu feiner Zeit die Priefter felbit über den König
re und verlegte dann * Reſidenz nach dem
üdl. Meroe, mo in der Nähe von Begerauieh noch
jest feine halbzerftörte Grabpyramibde ftebt.
Ergäne, Beiname der Athena (f. d.).
Ergänzendes Necht, ſ. Dispofitivgefeke.
Ergänzungsbillet® oder Zuſchlagsbillets,
ſ. Eifenbahntarife.
Ergän — foviel wie Komplemen⸗
tärfarben & d.). E
rgänzungögefchtuorene, Ergänzungs:
richter, PORVERSBEIRENEN fönnen bei Ber:
bandlungen von längerer Dauer auf Anordnung
des Vorſitzenden de ezogen werden. Diejelben
müfjen der ganzen ——— beiwohnen, dürfen
bei der Enticheidung aber nur mitwirken, wenn
durch Verhinderung eines Gefhmworenen, Richters
oder Schöffen ein Ausfall an der rn vor:
geichriebenen ur eintritt. (Bol. Deutiches Ge:
regte . F. 19%; Strafprozeßordn.
8. 285.) Die Dfterr. Strafprozeßordnung fagt ftatt
Ergänzungsgeihmworene, Ergänzungsrihter: Er:
faßgeihmorene, Erfaßridter + 221, 310),
und gebraudt jene Ausprüde für Hilfsgeſchworene
(j. d.) und — (f. d.) im Sinne der Reichs⸗
juſtizgeſetze ($$. 301, 302). (S. auch Schöffengericht
und mwurgericht.)
158
Ergänzungdftener, eine Steuer, welche zur
Ergänzung eines einzelnen Steuerzweigs ober des
geſamten Syſtems in das bejtebende Steuerſyſtem
eingefügt wird oder, vom rein finanziellen Stand:
punkte des Staatshaushalts aus betrachtet, einen
Ausfall in den bisher ———— Staatsein⸗
nahmen decken und ergänzen ſoll. Durch das preuß.
Geſeh vom 14. Juli 1893 iſt für den Verzicht des
Staated auf die Ertragsfteuern dur die liber:
—2 derſelben an die Gemeinden nicht nur zur
Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Staats⸗
haushalt, ſondern auch zur beſſern Erfaſſung des
fundierten Vermögens eine €. als nominelle Ber:
mögensfteuer eingeführt worden. Steuerpflictig
find alle phyſiſchen Dans nad dem Werte ihres
preuß. Grundbefikes und des in land: und forftwirt:
—— bergbaulichen oder (ſtehenden) gewerb⸗
ichen Unternehmungen in Preußen verwendeten
Anlage: oder Betriebskapitals und des ſonſtigen
Kapitalvermögend. Der Beiteuerung unterliegt,
mit Ausnahme des Mobiliars, alles bewegliche und
unbeweglihe Vermögen nad Abzug der Schulden
und des Rapitalwertes der vom Steuerpflihtigen
zu entrichtenden periodijchen geldwerten Leiſtungen.
au E. werden nicht herangezogen: Perfonen, deren
teuerbares Vermögen den Wert von 6000 M., und
folde, deren fteuerpflichtiges Cintommen den Be:
trag von 900 M. nicht et fofern das Ver:
mögen nicht mebr ald 20000 M. beträgt; weiter
gebende Erleichterungen werden Witwen, Waifen
und Erwerbsunfäbigen gewährt. Die E. beträgt
durchſchnittlich ein halb vom Taufend der fteuerbaren
Vermögen und zwar gerechnet nad dem Anfangs—
fat der Steuerftufe. Die Stufen umfaſſen bis zum
Vermögen von 24000 M. je 2000 M., aldvdann bis
um Vermögen von 60000 M. je 4000 M., weiter
ei Vermögen bis zu 200000 M. je 10000 M. und
bei no größern Vermögen je 20000 M. Die Ber:
anlagung erfolgt auf Grund einer Bermögensanzeige
in Verbindung mit, der Cinlommenjteuerveran:
lagung für eine Periode von 3 (das erjtemal 1)
Steuerjabren. Wermögendvermebrungen oder :Ber:
lufte während dieler Periode werden befonders be:
rüdfihtigt. Die E. trat 1. Yan. 1895 in Kraft. Auch
in Heſſen ift 1899, im Königreib Sachſen 1902
eine Vermögensſteuer als E. zur Einkommenſteuer
eingeführt worden (ſ. Vermögensſteuer). — Vgl.
die Kommentare zu dem — Ergänzungsſteuer⸗
eſeß von Höingbaus (Berl. 1893), Gauß (ebd. 1894),
Zweigert (Eſſen 1895), Fuiſting (2. Aufl., Berl.
1905) und Schäffle, Die Steuern, beſonderer Teil
“im «Hand» und Lehrbuch der Staatswifjenihaften»,
bg. von Frantenjtein, Lpz. 1896).
Ergänzungdtruppen, |. Criaktruppen.
Ergänzungsurteil, im deutſchen Civilprozeß
eine nachträgliche Entſcheidung, durch melde das
erlaſſene Urteil mit Bezug darauf ergänzt wird,
daß ein nad dem urjprünglich feitgeitellten oder
nachträglich berichtigten Thatbeſtande von einer
Partei geltend gemadter Haupt: oder Nebenan:
fprud oder daß der Koftenpunft bei der Entichei:
dung ganz oder teilmeife übergangen iſt. Das €.
darf nur auf Antrag einer Bartei, nicht von Amts
wegen erlafien werden. Der Antrag ijt binnen einer
einwöchigen mit der Urteiläzuftellung beginnenden
Friſt zu ftellen, und zwar durch Zuftellung eines
E hriftiages, welcher den Ergänzungsantrag und
die Ladung des Gegners zur mündlichen Verband:
Aung enthalten muß. Die mündliche Verhandlung
Ergänzungsjteuer — Ergograph
bat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsſtreits
zum Gegenitande. Aufgeboben find die landes—
geſetzlichen Vorſchriften, nad melden eine Nebenfor:
derung als aberlannt gilt, wenn über diejelbe nicht
entſchieden iſt. Befondere Fälle nadhträglicher Ur:
teildergänzung find da vorgefeben, wo ein in ber
Berufungsinftang oder im Urkundenprozeß er:
gangenes Urteil einen Vorbehalt wegen vorläufig
zurüdgemwiefener Berteidigungsmittel nicht entbält,
oder wo es überfeben ift, das Urteil für vorläufig
vollitredbar zu erflären. (Vgl. Civilprozeßordn.
88. 321, 517, 540, 599, 716.)
Erga schedam (lat.), gegen Erlaubnisicein.
Ergafterium (grb. Ergajterion), Werkſtätte,
Arbeits: oder Zuchthaus; aud foviel wie Kloſter,
als eine Werkftätte geiftliher Übungen und körper:
licher Arbeiten.
Ergäftit (gr), Thätigleitslehre; ergaftiich,
tbätig, zur Arbeit gehörig.
Ergaftiria, griech. Stadt, ſ. Laurion.
Ergaftirionbahn, ſ. Bergwerlsbahnen.
Ergaftülum (lat.),imalten Rom das Gefängnis,
worin Sklaven, auch zuweilen Schuldner zu barter
Arbeit angehalten wurden; jekt Bezeihnung des
Arbeitsortes im phbarmaceut. Dfen.
Ergeben, ſich, von dem Widerſtande geaen
den Feind ablaſſen und fich feinem Willen unter:
werfen. Eine Truppe kann fich ergeben auf ſchrift⸗
lihen oder mündlichen Vertrag (nad vorausgegan:
genen Verhandlungen) oder obne jede Bedingung
auf Gnade und Ungnade. Als Zeichen der beab:
ihtigten Ergebung dient das Aufpflangen weißer
t gen OBEN derthatſächlichen Ergebung
das Niederlegen (Streden) der Gemwebre.
Ergene oder Erteneb, im Altertum Argi:
ne3, Fluß im türf. Wilajet Aprianopel, kommt
vom ———— in weſtl. Richtung berab,
durchfließt eine fruchtbare Thalebene und vereinigt
ſich mit der Marika kurz oberhalb deren Mündung.
An ibren Ufern wurden 1371 die Serben von den
Türen geichlagen. an, j. Jergeni.
Ergeni, Höbenzug im uff. Bouvernement Miro,
Ergent, Fluß in Albanien, j. Devol.
Ergeri, türf, Name von Argyrokaſtron (j. d.).
Ergo (lat.), folglich, aljo; E. bibämus («Aljo laßt
ung trinten!»), Titel eines Goetbeichen Trinkliedes,
welches anfängt: «Hier find wir verjammelt zu
löblihem Thun». Der Spruch wird zuerſt von dem
Dante:Erflärer Francesco da Buti erwähnt, ala
von dem Papſt Martin IV. gebraudt.
Ergograph (grch.), ein von dem Phyſiologen
A. Moſſo in Turin konjtruierter Apparat, der die
Arbeit der Fingermuskeln verzeihnet. Worderarm
und Hand der Verſuchsperſon ruben auf einer pal:
fend geformten Stüße und find dort — ſo daß
nur der Mittelfinger frei bleibt, deſſen Bewegungen
(Beugungen) aufgeſchrieben werden. Gewöhnlich
werden Ermüdungsreihen geſchrieben, d. b. der
Finger bebt nah dem Talte des Metronoms ein
rößeres Gewicht (2—5 kg), das mittels Leder:
chlinge und Echnur an ibm befeftigt ift. Die Schnur
läuft über eine Rolle und führt mit ji den Schreib:
apparat, der die Zahl und die Höbe der Hebungen
auf eins der gebräuchlichen Negiftrierubrwerte ver:
zeichnet. Erfolgen die Hebungen jede Selunde oder
jede zweite Selunde, fo tritt febr bald Ermüdung
ein, die Hubböben werben Kleiner und ſchließlich
Null. Der Verlauf der Ermüdung iſt individuell
ſehr verſchieden. Anitatt die Musteln willtürlich zu
Ergolz — Erhaltung der Welt
bewegen, lann man fie auch fünftlich (elektrifch) reizen,
tirelt oder von ihren Nerven aus. Solche Reizung:
räben verlaufen in anderer Weile als die Arbeits:
reiben der willtürlichen Bewegung, jo daß die peri-
pbere Ermudung von derder — Centralorgane
unterſchieden werden kann. Der E. hat ſich nicht nur
in der Phyſiologie, fondern aud in der Bharmalo:
logie und Pſychologie ala ein wertvolles Hilfsmittel
erwieien, durch das die Wirkung der Lebensweiſe,
der Nahrungs: und Genußmittel, der Arzneimittel
u. ſ. w. in überrafhender Weiſe fihtbar wird. —
Bol. A. Moſſo, Die Ermüdung (Lpz. 1892).
Ergolz (Ergols), linter Nebenfluß des Rheins
im ſchweiz Kanton afel:2and, entjtebt aus mehrern
Duellflüflen im Jura, am Fuße der Schafmatt, bildet
bei Lieftal einen Waſſerfall und mündet bei Auoft.
Ergome, Duellitrom des Amur, ſ. Argun.
Ergoftät (grch.), ein von Gärtner angegebener
Apparat zur tberapeut. Verwendung der Mustel:
arbeit, vermittelft defien die Kranken in ratio:
neller Beife abmepbare Mengen von Arbeit, je nach
ihrem Rräftezuftande, verrichten können, Die Ar:
beit beftebt darin, dak der Krante mit beiden Hän:
den an einer Kurbel dreht, deren Länge fo gewählt
ift, daß er fich bei jeder Umdrehung ziemlich tief
büden muß. Dabei fann dur einen eigentümlichen
Bremsapparat die bei jeder Umdrehung der Kurbel
zu leiftende Arbeit beliebig verändert werben; bie
eleiitete Arbeit, ın Kilogrammmetern ausgedrüdt,
Iomie die Zahl der gemachten Kurbeldrehungen,
ajien ſich direft von dem Apparat ablejen und
eitatten jo eine ganz genaue —— der zu
leiſtenden Mustelarbeit. Der E. bat ſich bei allen
jenen Leiden, bei denen Muskelarbeit als Heilmittel
angewandt wird (Fettleibigleit, Gicht, Dralurie,
unftionelle Nervenjtörungen u. ſ. w.), ald ein nüß:
icber Heilapparat bemäbrt. 5
Ergotin (Ergotinum) oder Ergotinin, ein
von Wiggers entdedter, aber nicht rein darge
ftellter,mirffamer Beitandteil des Muttertorns (j.d.),
über deſſen Eigenihaften und Zufammenjegung
wenig belannt tft. Nach neuern Forſchungen iſt
es mindeſtens zweifelhaft, ob dem E. eine bejondere
Wirlſamleit zulommt. Nah Dragendorff iſt dies
nicht der Fall. Kobert giebt an, daß das im Mutter:
torn enthaltene Gornutin, die Sphacelinfäure und
die Ergotinjäure die Träger der Wirtjamteit feien,
und von anderer Seite wird dies dem Scleromucin
und ber Sclerotinfäurezugeihrieben. — Man bezeich⸗
net mit E. auch kurzweg dad Mutterlornertraft
(Extractum secalis cornuti) des Arzneibuchs für
das Deutſche Reich. Dasſelbe wird bereitet durch
— Ausziehen von 2 Teilen grob gepul:
vertem Mutterlorn mit 4 Teilen Waſſer. Die Aus:
jüge werden bis auf 1 Teil eingedampft, der Rüd:
and mit 1 Zeil Weingeift gemiſcht, nah 3 Tagen
abnitriert und das Filtrat zu einem diden, rot:
braunen Ertraft ———— Mutterkornerxtrakt
wird innerlich und unter die Haut eingeſprißt bei
Olutungen angewendet ; zur Beförderung der Wehen
iſt es da das Ertraft die fpecifiihen Eigenſchaften
dei Muttertorns nicht befigt, nicht geeignet. Neben
dieiem Ertralt enthält das Arzneibuh noch ein
Nutterfornfluidertralt (Extractum secalis
cornuti Auidum). ,
Ergotismm® (abgeleitet vom frz. ergot, das
Rutterforn), Bezeihnung bes Zuftandes, welcher
nad einer Bergi ng mit Mutterlorn (f. d.) ein
tritt (f, Kriebelfrantbheit).
159
Ergreifung, ſ. Deprebenfion.
Ergunt, Duellitrom des Amur, f. Argun.
Ergufgeiteine, f. Gefteinsbildung. .
Grhaben beißt ein Gegenftand, der durd feine
Größe gefällt; man unterfcheidet ertenfivuund intenfiv
Erhabenes, je nachdem ein ——— durch ſeine
Ausdehnung oder durch feine Kraft erhaben wirft.
Manche Hjthetiler führen die erfte Art der Erhaben⸗
beit auf die zweite zurüd (Köftlin, Hartmann). Ein
Gegenftand tft dann erbaben, wenn er durch feine
Unermeßlichleit in und Gefühle erregt, die und auf
ein Überfinnliches (Bernunftidee) hinweisen, wodurch
wir uns gehoben fühlen. Dies ift die Anficht Kants.
Natürlich erfcheint nicht nur die förperliche, fondern
aud die eilige Kraft erhaben, wo fie über das
gemöhnlid aß hinaus ſich äußert, Unter den
Iten f&hrieb über das Erhabene Longinus. Unter
den Neuern bat ſich um die Aufbellung dieſes Bes
griffs nad dem Vorgange Burkes in feiner Schrift
«Philosophical inquiry into the origin of our
ideas of the sublime and beautiful» (Xond. 1756;
deutſch Lpz. 1773) ganz bejonders Kant verdient
emadht in der «Stritik der Urteiläfraft» (Berl.1790).
ejentlib auf Kantſcher Grundlage hat Schiller
den Begriff des Erhabenen meiter entwidelt und
ihn auf äftbetifche und etbifche Gegenjtände ange
mwandt, und zwar in den Aufjäßen «Über das Er:
abene», «tiber das Bathetifcher u. f. m. — Bal.
ifcher, Über das Erhabene und Komiſche (Stuttg.
1837); €. von Hartmann, Die Deutiche Hitbetit
eit Kant (in den «Ausgewäblten Werten», Bd. 3,
erl. 1886).
Erhabene Arbeit, |. —
2 der Energie, j. Energie.
Erhaltung der Flächen, f. Erhaltung des
Schmwerpunttes.
Erhaltung der Kraft, |. Energie.
Erhaltung der Welt, in der hriftl. Dogmatit
diejenige Thätigkeit Gottes, die dem Weltall nad
Subſtanz und Form das Fortbeftehen fihert. Sie
wird von der Schöpfung (. d.) und von der Regie
rung der Welt unterſchieden, mit letzterer aber ger
möhnlich wieder unter dem Begriffe der Vorjebung
( d.) zufammengefaßt. Die ältern prot. Dogmatifer
ielten die Erhaltung eigentlich für ein jtetes Neu:
ſchaffen der fonjt fofort wieder in Nichts zurüd»
fintenvden Welt. Die neuere Theologie feste an die
Stelle der Unterſcheidung von Schaffen, Erbalten
und Regierung der Welt den Begriff einer ewigen
Schöpfertbätigfeit Gotted. Richtiger ift unter der
Schöpfung die göttlihe Kaufalität in Bezug auf
das Dajein, unter der €. d. W. diefelbe Kauſalität
jedoch nur in Bezug auf den gefegmäßigen Berlauf
oder auf die Ordnung der Welt zu ver neben, wo⸗
gegen bie Begerung ih * die Verwirklichung des
goltlichen Weltzweds bezieht. Die Frage, wie ſich
die endlichen im natürlihen Raufalzufammenbang
inbegriffenen Urſachen zur unendlichen göttlichen
Raujalität verhalten, wird von der altprot.Dogmatit
dur den Begriff der göttliben Mitwirkung (con-
cursus) beitimmt, vermöge deſſen jede Wirkung einer:
feit3 ganz göttlich, andererſeits ganz freatürlich fein
joll. So unbeweislich diefe Annahme aud iſt, fo
unmöglich ijt es doch, das Verhältnis von göttlicher
und natürlicher Thätigkeit näher auäzudenten,. Eos
bald man nämlich diejes verfucht, feßt man entweder
die freatürlihen Urſachen zu unjelbjtändigen Wert:
eugen der in Wahrheit alleinigen göttlihen Raus
—88 herab oder halbiert zwiſchen beiden dergeſtalt,
160
daß die göttliche Urfächlichkeit durch die endliche be
grenzt, alfo felbft verendlicht erſcheint.
Erhaltung des Schwerpunkts. Der Schwer:
punft zweier Majjen, 3. B. m und 2m, liegt in de
ren Verbindungslinie, doppelt jo meit von der
Maſſe m ald von 2m. (S. Echwerpuntt.) Da fi
nun nad Newtons Gejeb der Gegenmirkung (j. d.)
die m durch ihre Mecjelmirlung entgegen:
gelebte ejchleunigungen in der Richtung der Ber:
indungslinie erteilen, die den Maſſen umgelebrt
proportional find, fo verſchiebt fi die Mafle 2m
immer nur balb jo viel ald m, weshalb man aud
nad der Berihiebung den Schwerpunft an deriel:
ben Stelle zug wie zuvor. Diefer Sap ailt all:
emein für frei bewegliche Maſſen. Bewegt ſich der
chwerpunlt derjelben jhon vor der Wechſelwir—
fung, fo wird deſſen Bewegung durd die Wechjel:
wirtung nit abgeändert. Die Bewegung des
Schwerpunkts zweier Maſſen ift vor und — dem
Stoße dieſelbe. Der Schwerpunkt einer Bombe
beſchreibt ſeine paraboliſche Flugbahn weiter, wenn
auch die Bombe während des Fluges platzt. Der
Sap der Erhaltung der Flächen ift eine Erwei—
terung des eben angeführten Satzes, die ſich auf
drebende —— bezieht. — Bal. Mach, Die
Mechanil in ihrer Entwidlung (4. Au. 293. 1901).
Erhaltungsfutter, j. Bebarrungäfutter.
Erhaltungspulver, ſ. Konſervierunge mittel.
Erhäugen (Suspensio), die bei weitem häufigſte
Form des Selbſtmordes, nur ganz jelten in mör:
deriſcher Abſicht vorgenommen, ift diejenige gemalt:
ame Todesart, bei welcher ein um den Hals ge
&lungener und irgendwo befeftigter Strid durch
die eigene Körperſchwere der betrejienden Perjon
= eſchnürt wird und fo durch den Verſchluß der
— baldigen Erſtickungstod herbeiführt. Ger
wohnlich bleibt der Körper frei in der Schlinge
hängen, obne daß die Füße den Boden berühren,
doch lommt es auch oft genug vor, daß die Sus:
fion an fo niedrigen Gegenftänden oder an fo
ngen Striden erfolgt, daß der Körper des Selbjt:
mörbers nad dem E. mit den Füßen oder andern
Teilen auf dem Boden —— und ſo in ſtehender,
lauernder, kniender oder ſel liegender Stellung
gefunden wird. Am Halſe Erhängter beobachtet
man in der Regel eine ſog. Strangrinne oder
Strangulationdmarle, d. h. einen ringförmi—
gen, mebrere Millimeter tiefen, von der einſchnü—
senden Schlinge berrübrenden Eindrud der Haut,
in ira Grund die Lederhaut ei bornartig feit
und bläulic oder bräunlich verfärbt ericheint. Die
onftigen |... find die des aluten Er:
idungstodes: das Geſicht ift blaurot und gedun—
en, Gebirn und Lungen find ftrogend mit buntel:
rotem Blut erfüllt, die rechte Herzlammer erweitert
und blutbaltig, die linte gewöhnlich leer, auch find
Heine Blutergüjle im Gehirn, unter dem Bauchfell
und den Scleimbäuten nicht jelten. weh genug ift
die gerichtöärztlibe Beurteilung binfichtlih der
Frage, ob ein Mord oder Selbſtmord vorliegt,
außerordentlich ſchwierig und nur durch die ſcharf⸗
finnigjte Verwertung aller einzelnen Momente mit
Sicherheit zu entſcheiden. Hinſichtlich der Häufig:
feit des E. in den einzelnen Lebensaltern bat die
Statiftil ergeben, daß die jugendlichen männlichen
Eelbitmörder mit Vorliebe zum Strid greifen, daß
dagegen im mittlern Lebensalter dieje Art des
Er * abnimmt und an ihrer Stelle das
Ertränlen, Erſchießen und Vergiften in den Vorder:
Erhaltung des Schwerpunft? — Erhöhung
grund tritt, und daß erft im fpätern Alter das E.
wiederum häufiger wird. Beim meibliben Ge:
ſchlecht kommt das Ertränten als Selbjtmorb in
der Jugend häufiger vor, nimmt aber mit dem
Alter immer mehr ab und wird dann aub durch
das E. erjegt. (S. au Erprofjelung und Hängen.)
Erhard, Johann Ebhrijtian, Radierer, geb.
21. Febr. 1795 in — bildete ſich bei dem Nuͤrn⸗
berger Kupferſtecher Gabler aus. Mit Klein begab
er —* 1816 nach Wien, wo er 3 Jahre verlebte
und eine ur Anzahl Blätter berausgab. Er reijte
1819 ori om, verfiel aber in tiefe Melandpolie
über ein förperlihes Leiden und machte 18. Yan.
1822 feinem Leben freiwillig ein Ende. Seine Ra-
dierungen befunden den Einfluß des Waterloo und
Smwanevelt. Gute Blätter von feinen 185 landfchait-
lichen Radierungen find: der Schneeberg von Klojter:
tbal aus, bie Sandichaft mit der Betjäule, das
ädchen mit den Biegen, Bucberg, Hobenjalzburg
u. f. w. — Val. Apell, Das Wert von J. Ebr. E.
Maler und Radierer (2 Bde, Lpz. 1866— 75).
Erhartt, Luiſe, Schaufpielerin, ſ. Bd. 17.
— ebung (geolog.), ſ. Hebungen und Sem
en.
ger j. Erbebungätbeorie.
Erbhebungstheorie. Die meijten Vulkane be
fteben aus Schichten von Aſchen, Lapilli, Bomben
und Laven, die eine mebr oder weniger regelmäßige
Neigung von innen (vom Krater) nah außen (dem
Fuß) beiigen. Man nahm früber mit 2. von Bub
und X. von Humboldt an, daß dieje geneigte Yage
feine urfprünglice jei, fondern daß die horizontal
abgelagerten Zuffe, Aſchen u. |. m. dur die be:
bende Kraft eingeengter und hervorbrechender Erup⸗
tionsprodulte (Gaſe, Dämpfe, Laven) emporgebo:
ben und aufgerichtet worden wären. Durch Ber:
ftung follen in der Achſe der Erhebung Krater
entitanden fein, welde man Erbebungäfrater
nennt. Auch auf Schichtſtörungen, die ſich entfernt
von Bullanen zeigen, wendete man dieje Theorie
an. —— meinte man, daß die Gebirge durch
den aus dem Erdinnern radiär auf die Oberfläche
wirlenden Drud entſtanden ſeien, und nahm an, daß
Eruptivgeſteine von unten aus keilformig zwiſchen
die Schichten eingetrieben und injiziert und * da⸗
durch zerſtückelt, aufgerichtet und gefaltet, alſo zu
Gebirgsmaſſen emporgeboben worden ſeien. Dieter
Theorie widerſprechen jedoch alle Beobadhtungen;
fie ift deshalb, nachdem fie in Deutichland lange
die Geologie beherrſcht hatte, vollftändig aufge
geben. (©. ig Are ,
Erhigende Mittel, alle diejenigen Mittel,
melde die Herztbätigleit fteigern und die Eigen—
wärme erböben, wie die alloholiſchen Getränte, die
Gewürze, der Schwefeläther und andere titherarten,
der Kampfer und die ätberiihen Öle. Übermäßig
genofien, ihädigen fie die Verdauung, führen zur
berreizung des Nervenſyſtems und lönnen entzund⸗
lihe Zuitände der innern Organe zur Folge haben.
Erhöhung eines Tons um einen halben Ton,
1. B. c—cis, d—dis, wird in der Notenſchrift ber
zeichnet durch ein Kreuz (5). Die doppelte E., be
Kar, durch Doppellreuz ( $) oder Andreas
reuz (X), fteigert das betreffende Intervall um
einen ganzen Ton hinauf, 3. B. c—cisis, d—disis.
Der franz. Ausdrud für # ift diese, ber ital. diesi,
der engl. sharp, der bolländ, kruis, z.B. $c= do
diöse, ut diesi, Csharp u. f. m. — Über E. im mili⸗
tärifhen Einne ſ. Elevation.
Erhöhung des Kreuzes — Ericaceen
& — bed Kreuzes, |. Kreuzeserhöhung.
Erholen, ic, im Hanbehdie Einziehung einer
9 ober eines Teils einer rien durch
elausftellung.
Erica L., Erila, Heide, Pflanzengattung
aus der Familie der Ericaceen (j. d.) mit gegen 400
Arten, die größtenteild in Südafrila und in den
Mittelmeerländern vorlommen. Faft alle Arten
iind Sträucher oder Halbfträucer, und nur einige
erheben fi zur Baumform, z. B. E. arborea L.
Bon den europ. Arten find zu nennen: E.
einerea L., mit frugförmigen, buntelpurpurroten
Blüten und zu breien ſtehenden Blättern; E. car-
nea L., in Öfterreih und Ba und bis in bie
Schweiz hinein, jehr fenntlih an den blaßroten,
einjeitig herabbängenden Blüten mit ſchwarzroten
Staubfäden; E. mediterranea L., 2—3 m bobe,
yoramidale Büjche bildend; E. polytrichifolia Sa-
ksb., mit weißen Blumen, in dem jandigen, feudh:
ten Sande des jühweltl. Frantreichs E. ciliaris Z.,
mit gemimperten Blättern und Kelchabſchnitten und
örmigen, rroten Blüten; E. multiflora
L., von jhön bufhigem Wuchs mit bellroten auf
ismäßig —— Stielen überhängenden
Blumen; E. vagans L., mit weißen, paarig ſtehen⸗
den Blütenglödcben wie die der Maiblume; E. te-
tralix L., Sumpfbeibe (j. Tafel: Bicornen, Fig.2),
mit zu vieren ftebenden quirligen Blättern und fugel-
runden, weißen oder rojenroten Blumen; endlich
die bereit3 erwäbnte E. arborea, Baumbeide,
auf allen unbebauten ie gr der Mittelmeerländer
gemein und bier überall als Feuerungömaterial
verwendet. en ihres boben Wuchſes, ihrer
reichen Blüte im jahre und des zarten Anjebens
ibrer weißen oder rofenroten Blumen ift fie, wo fie
im freien Lande ausbauert, ein dierſtrauch erſten
Ranges. Ihr erg Ama in der Drechölerei
benußt (j. perebols). ne, wie cine car-
nea, ciliaris, vagans, tetralix, find in Deutichland
völlig winterhart. Man verwendet fie im Garten
am beften für den äußerften Rand der Moorbeete
oder für Heine blumenbeetartige Gruppen in Heide
—— een eich größerer Bedeutu
die Gärten von unglei erer Bedeutung
And die jüdafrif. (lapiſchen) — Sie ſind, wie
bie europ. Arten, Straͤucher oder Halbſträucher mit
Reifen, immergrünen, dichten, jhmallinienförmigen,
pfriemliben Blättern und in dichtem Stande zu
Riſpen, Trauben oder Knäueln georbneten Blumen.
Biele derjelben unterſcheiden fih von den europäis
ſchen dur eine viel größere, bald jchellenförmi
—— bald rohrige Blumentrone und dur
bie —— der Blutenſarben: Weiß, Roſa,
Schatlach, Karminrot in den verſchiedenſten Nuan-
cen, Duntelrot, jeltener Gelb; oft find die Blumen
Bee der Saum anders gefärbt als die Röhre.
on den Kap:Eriten jind viele in die Gewächshäu⸗
Ver eingeführt, doch ift immer nur eine mäßige Ans
yabl der ſchönſten kultiviert worben. von
1780 ab fing man in England an, förmliche Rollef-
fionen in den Gewaͤchs hauſern zu unterhalten. Seit
iener Zeit haben fie fih über den ganzen Kontinent
verbreitet, aber immer noch findet man in England
die größten Sammlungen in ——a—e Kultur,
während man die Erilen in Deutihland faſt ganz
aufgegeben bat oder doch nur nod eine Heine An:
‚bl Der bejjern reichblühenden Arten in Maſſen
ir den Pflanzenmarlt kultiviert. Zu ben Arten,
selbe bei jorgiältiger Pflege immer gedeihen, ge
Prodfan#’ Konveriatiund-2eriton. 14. Aufl. Ru. VL
161
—— E. cylindrica Wendl., von pyramidalem
Wuchs, mit zu vieren quirligen Blättern und lan
röhrigen, lebhaft roten Blumen im April und Mat;
E. Wilmoreana Knowl. et Westk., pyramidal, bus
ſchig, etwas wollig behaart, mit langröbriger, cylins
driſcher, rojenroter oder weißer Korolle, blüht zu
Ausgang des Winters; E. hiemalis Hort. angl.,
ppramidaler Halbſtrauch mit — Blättern
und mit diden, fegelförmigen Übren röhriger, am
Grunde rojenroter, am Saume weißer Blumen im
Winter; E. Bowieana Lodd., mit zu drei ſtehenden,
linienförmigen, blaugrünen Blättern und hängen
den, röhrigen, unter der Mitte etwas bauchigen,
mattweißen Blumen von Juli bi8 September; E.
ventricosa Thund., buſchiger Halbitraud mit vers
Itmiömäßig großen, quirligen, — weich
ehaarten Blättern und zu Endinäueln geſammel⸗
ten länglich⸗krugfoörmigen, glänzend weißen, am
Saum roten oder rojenroten Blumen im Mai und
ar mit zablreihen zum Teil noch weit jhönern
ac rten, —— —— — —
tricolor, porcellana, pyramidalıs; E. gracili
kisb., elegantes Buſchchen mit ſchwachen Zweigen,
auirligen, dreifantigen Blättern und großen Riſpen
Heiner, ſehr zahlreicher, — lebhaft
roſen⸗ oder dunkellarminroter Blüten, je nad) der
Varietät, von Herbftanfang bis in die Mitte des
Winters; E. persoluta L., bufchiger Halbſtrauch
mit zu vier ftebenden, linearischen, ſchlaffen Blättern
und an ben —X zu Köpfchen geſammelten
lodigen weißen Blüten. — E. vulgaris ift die
— Bezeichnung des jett Calluna vulgaris ge⸗
nannten gewöhnlichen Heidekrauts (ſ. Calluna).
Wo man gute, ſtark ſandige Heideerde und kallk⸗
freies Waſſer haben fann, da ſind die Erilen leines⸗
wegs jo ſchwierig zu kultivieren, wie oft angenom⸗
men wird. Außerdem muß man für einen guten
Abzug ded Waſſers Sorge tragen. Im Winter ers
fordern fie einen bellen, luftigen Standort und
möglichft wenig Wärme; die Temperatur darf nicht
über + 3° R. hinausgehen. Sie ertragen im Winter
auch vieles Begießen nicht, doch find fie auch gegen
völliges Austrodnen ſehr empfindlih, und das ift
die ſchwierigſte Aufgabe ihrer Kultur, den rechten
Grad der Feuchtigkeit zu treffen. Die Umpflanzung
nad beendigter Blüte und das damit verbundene
Beſchneiden der Zweige darf nicht verabjäumt wer:
den. Man vermehrt die Erilen im Februar und
ung bar den Spiken der Triebe, die man in reis
nen Sand jtedt und mit Glasgloden bebedt.
Gricacken (Ericacöae), Vflanzenfamilie aus
der Drbnung ber Bicornen (f. Bicornis) mit gegen
1000 faft über bie ganze Erde verbreiteten Arten,
wovon etwa zwei Drittel Südafrika gehören. Einige
dringen im Norden bis an die äußerften Vegetations⸗
grenzen vor. Es find meift immergrüne Sträucher
oder Halbiträuder, jelten baumartig, mit aus einem
vier: bis fünfteiligen Kelch und einer ebenfo ge
teilten, einem ande eingefügten Blumentrone bes
ftebenden Zmitterblüten, deren Staubbeutel ge
wohnlich in zwei Löchern aufipringen und eigen:
tümliche Anhänge an der Spitze oder Baſis tragen.
Der meift vier: bis fünffächerige Fruchtinoten trägt
die Eierchen an Samenträgern, die jih in bem
Innenwinfel der Fächer befinden. Auf dem wal⸗
igen Griffel befindet ſich eine ſchild- oder kopf:
örmige Narbe. Die Frucht ift eine Happige, aufs
pringende, vielfamige Kapſel. Die meijten E. find
wegen ihrer fhönen Blüten in Gärten als Bier
11
162
fträucher beliebt, wohin beſonders die Gattungen
Erica (f. d.), Azalea (f. d.), Rhododendron (f. d.)
und Kalmia (f. d.) gebören. Sie lieben der Mehr:
zahl nad einen fandigen, trodnen Boden und ſon⸗
nigen Standort, nur wenige wachſen in Sümpjfen
und Torfmooren. edras.
Ericeira (ſpr. ßeira), Linien von, ſ. Torres
ch, Name mehrerer Könige von Dänemart;
f. Dänemart und Erich (ſchwed. Könige). j
ch, ſchwed. Erik, Name mebrerer Könige
von Schweden. Der erite berühmte Träger des:
elben war E. der Heilige, König von Dber:
chweden (Spitbiod, 1150—60), berühmt alö Ge:
ebgeber und Beförberer des Chriſtentums; auch
unterwarf und befebrte er einen Teil von Finland.
Er wurde von dem dän, Prinzen Magnus, Urentel
des Spend Eitridfon, überfallen und nad tapferer
Gegenmebr bei Upfala 18. Mai 1160 getötet. Seine
Tugenden und ftrenge Lebensweiſe verſchafften ibm
=: dem Tode das Anjeben eines Heiligen. Er
alt ald Schußpatron Schweden‘, und jeine Re
iquien werden noch im Dom zu Upjala bewahrt;
jedoch ift er niemals förmlich fanonifiert worden.
Seine Nahlommen regierten abwechſelnd mit den
Enteln Sverlers (f.d.). Der legte, Erich Erichsſon,
ftarb 1250; nah ibm bemädtigten fi die Fol—
ar 4 des ſchwed. Thrones.
‚XII. von Bommern, Unionslönig von
Dänemark, Schweden und Norwegen (1396—1439),
eb. 1382 als der Sohn des Herzogs Wrati—
(a VIL von Bommern:Stolp und der dep in
aria von (Medlenburg)Schwerin, einer Nichte
der Königin Margarete, wurde von diejer zu ihrem
Erben auserjeben und 1389 von den dän, und
normweg. Ständen, 1396 aud von den ſchwediſchen
um König gemäblt. Am 17. Juni 1397 wurde €.
eierlich zu Kalmar gefrönt. Nach Margaretes Tode
1412 übernahm er allein die Regierung und geriet
bald mit Schleswig, das er als erledigtes Le
einzieben wollte, in einen langjäbrigen Krieg, in
dem re die Hanja zu Gunſten Schleswigs
den Ausſchlag gab. (©. Shleswig-sol tein.) Hier:
durch ſowie durch Bevorzugung feiner Verwandten
machte er fi äußerft unbeliebt, jo dab ſchon 1434
in Schweden unter Engelbre&t Engelbrechtſon ein
Aufitand gegen ibn ausbrach; 1439 erllärte Däne
mart, 1442 aud Norwegen ibn für abgejest. €. be
ab ſich nach Gottland, bebauptete ſich dort noch 10
—* lang und beunrubigte ſeine frübern Unter:
thanen durch Raubzüge. 1449 lehrte ernabBommern
— das ihm ſchon 1394 nach dem Tode ſeines
ters zugefallen war, und lebte in Rugenwalde bis
an ſein Ende 16, Juni 1459. €, war vermählt mit
Philippa, einer Tochter Heinribs IV. von Eng:
land. — Bol. von der Ropp, König E., der Pommer
(2p3. 1875); Erslav, Erich af Pommern, hans tamp
for Sonderjydland og Kalmarunionens oplösning
(Ropenb. 1901).
€. XIV., aeb. 13. Dez. 1533, König von Schwe
den (1560—68), der ältefte Sobn und Nachfolger
Guftav Waſas, ift durd fein tragiſches Geihid
berühmt geworden. Er war ein Mann von großer
Begabung, aber von leidenihaftliher Heftigteit,
mißtrauiſch, ſinnlichen Genuſſen und ajtrol, Träus
mereien ergeben, die ibn bis zu Verbrechen und
Geiftesverwirrung fortrifien. Die erften Jahre
feiner Regierung verliefen günftig. €. erwarb Reval
und Ejtbland, befriegte die Dänen und ſchuf zuerft
einen ſchwed. hoben Adel (Grafen und Freiherren).
Ericeira — Erichthonios
Aber durch den Gas feines Kanzlers, Göran
Persſon, ward er dem Adel entfremdet. Die Macht
—— Brüder, die der Bater mit großen Lehns⸗
erzogtümern een hatte, fürdtete er ale
eine Heti e Gefahr für feine Krone, Der ältefte,
Johann, Herzog von Finland, Inüpfte wirklich ver:
räteriiche Verbindungen mit Polen an und ward
deshalb 1563—67 gefangen gebalten. Auch den
Adel fürdtete der König und lieb endlich auf den
Verdacht einer Verſchwörung bin eine Anzabl ver
Bornehmiten gefangen jeßen und ermorden (1567).
Vielleiht war dies ſchon ein Zeichen der Geifted:
verwirrung, die nun bei €. zum Ausbruch fam. Gr
eiratete jeine Bublerin, Karin Mänsdotter, und
eleidigte dadurch jeine Familie und den boben
Adel. Als 1568 Göran Version wieder zum Ein:
fluß zu kommen ſchien, empörten fich die Brüder,
Johann, der 1567 freigelafien war, und Karl. Dat
ganze Reich fiel ihnen zu, Stodholm warb genom:
men, ber König gefangen und mit Zuftimmung
der Stände zur Enttbronung und ewiger Haft ver:
urteilt. Johann beitieg den Thron 1569 (ij. Jo:
bann IIL). Da jedod wiederholt Verſchwörungen
und Aufftände zu Gunften des gefangenen Königs
ausbraden, erwarb Johann bie — deẽ
Reichsrats zu dem Todesurteil E.s. Wahrſchein⸗
lich, aber nicht erwieſen, iſt, daß dieſes Urteil voll⸗
ſtreckt wurde. Der Tradition nad befam E. Gift
in einer Grbfenfuppe, worauf er 26. jyebr. 1577
ftarb. Die Geſchichte E.8 XIV. ift von ſchwed.
Dichtern mehrfach dramatisch behandelt worden, in
Deutſchland unter anderm von Kruſe in der Tra:
ddie «König E.» (Lpz. 1871; 2. Aufl. 1878). —
ol. Ablauift, Konung Erik XIV. (Stodb. 1879).
Einer feiner Söhne von der Karin, Guſtar
Eribfon, ward aus Schweden entfernt und bei
den Jeſuiten in Bolen erzogen, jpäter ein eifriger
Schüler des Kaiſers Rubolf IL in der Aldimie.
Er wurde vom rufj. Zaren Boris Godunomw zum
Eidam auserjeben, was er aber abſchlug, da er
defien polit. Abſichten gegen Schweden nicht teilen
wollte. Guſtav Erichſon jtarb, nad zeitweiliger Hait,
1607 in der Heinen Stadt Kaſchin in Rußland.
Erichfon, Wilh. Ferd., Entomolog, geb.26.Rov.
1809 zu Stralfund, war Brofeflor der ifien:
ſchaften zu Berlin und 18. Dez. 1848. Cr
ichrieb: «Genera Dyticorum» (Berl. 1832), «Die
Käfer der Mark Brandenburg», Bd. 1 (ebd. 1837—
39), «Genera et species Staphylinorum insecto-
rum» (2 Tle. ebd. 1839—40), «Entomograpbien»,
Heft 1 (ebd. 1840), «Bericht über die wifjenfcha lien
Leiftungen in dem Gebiete der Entomologie» (ebr.
1838 fg.), «Naturgeſchichte der Inſelten Deutid-
lands» (1. Abteil.: Goleoptera; Bd. 3, ebd. 1845—
48). Aud gab E. das «Archiv für Naturgeſchichte⸗
(ebd. 1835 fa.) beraus. j Bu
Ericht, Loch (jpr. lod Erridt oder ihridt), See in
den ſchott. Grafihaften Inverneß und Perth, in
352 m Höhe, in einer der wildeſten Gegenden bed
Grampiangebirges, erfüllt eine von SW. nad M.
gebende, 26,8 km lange, 1,8 km breite Gebirgsipalte
‚zwilben dem Ben Alder (1113 m) und dem Ben
dlaman, ift bis 155,7 m tief, 24,51 qkm groß und
fließt zum Loch Rannoch ab. Er iſt reich an Lachſen
und Forellen, ,
Erichthonios, nad der urjprünglihen Sage
identifch mit Erechtbeus (ſ. d.). In der andermeitt:
gen Überlieferung iſt E. ein Sobn des Hepbaiftes
und der Erbgöttin Ge (Baia) oder aud der Athene,
Ericsion — Eriefee
nelhe den der gemöhnlihen Sage nad ihr von Ge
ansertrauten €. in eine Kiſte legte und fo der Ban-
dreſos, einer Tochter des Kelrops, und beren
Ehmweitern Herie und Aglauros übergab, mit dem
Gebot, die Kiſte ja nicht zu Öffnen. Die Scheitern
der Bandrojos öffneten fie jedoch aus Neugierde
und tanden das Rind in Schlangengeftalt oder mit
Shlangenbeinen oder aub von Schlangen um:
fingelt, worauf Athene die Pflege ſelbſt übernahm.
Herangewadhien, vertrieb nach der aus den Mythen
undErbichtungen zufammengeitellten älteftenSagen:
eibichte Attilas €. den Amphiltyon und jtiftete das
Set der Banathenäen. Sein Sohn beißt Erechtbeus
oder Pandion. — E. hieß auch der Bater des Tros.
Ericöfon, John, ſchwed.ameril. Ingenieur und
Erfinder, geb. 31. Juli 1803 zu Längbansbyttan im
Kiripiele Syernebo der ſchwed. Landſchaft MWerm:
land, trat in die ſchwed. Armee und rüdte 1822
zum Seutnant auf. Um jeiner neu erfundenen
Heibluftmafhine (f. d.) Eingang zu verſchaffen, be:
gab er fib 1826 nah England. Obgleich er bier
zunädft feinen Erfolg hatte, beſchloß er doch, ſich
fortan dem Maſchinenbau zu widmen, nahm feinen
Abſchied als ſchwed. Offizier, ließ In in England
nieder und erjand bier die Dampfiprige und den
Aäcentondenjator. Auf ——— des ameril.
Schiffslapitäns Stodton ſiedelte E. 1839 nach den
Bereinigten Staaten über, wo er ſeitdem in Neu:
port lebte. Hier erbaute er 1843 das Kriegsſchiff
Princeton, den eriten Dampfer mit dem Propeller
unter dem Waſſer, der eine vollftändige Ummälzung
tm Bau der —— e hervorrief. Seit
dem Ausbruch des ameril. Bürgerkrieges erwarb
ſich E. durch den Bau des Monitors (f. d.) einen
gro ßen Ruf, den er durch feine Arbeiten zum Ber:
volltommnen der Torpebos (Destroyer) noch er:
böbte. Zu feinen fpätern Erfindungen gebört die
foa. Solarmaſchine, die beftimmt war, die Sonnen:
Arabien mittelö befonderer Brennfpiegel zu fam:
meln und als direlte Wärmequelle zu verwenden.
Die an diefe Erfindung gelnüpften wiſſenſchaft—
lichen Unterfuhungen bat er in zwei MWerlen: «So-
lar investigations» (Neuyort 1875) und «Contri-
butions to the Centennial Exhibition» (ebd. 1877),
veräffentlidt. Er ftarb 8. März 1889 in Neuvortl.
Sein Leihnam wurde 1890 nah Schweden über:
Cr Seine Biographie jhrieb Church (2 Boe,,
2. „Lond. 1893).
Sein älterer Bruder, Nils Ericjon (mie er fi,
nachdem er geadelt, jchrieb), ebenfalls ein ausge:
jeichneter Ingenieur, geb. 31. Jan, 1802, wurde
1823 Unterleutnant beim Ingenieurkorps der
ſchwed. Armee, 1828 Leutnant in der Armee, 1830
Kapitän, 1832 Major, 1850 Oberft im mechan. Korps
der Flotte. Seit 1855 mirlte er als birigierender
Chef der Eijenbabnbauten des Staates. Al bedeu:
tender ingenieur belundete er fi unteranderm durch
die neuen Schleufen im Trollbättatanal (1837 —44),
durch den großen Kanal zwiihen dem Saimen und
dem Finniſchen Golf in Finland (1849—56), bejon:
derä aber durch die ſchwed. Eijenbabnen, weiche recht
igentlih als fein Werk angeſehen werden können.
er 1862 von der Leitung des Eiſenbahnweſens
at, bemwilligten ibm die Reichsſtände eine
zlängliche Penſion von jährlih 15000 Ritss
dalerd. Schon 1854 mar er geabelt und 1860 in den
freiberrenftand erhoben worden. Er jtarb 8, Sept.
1870 zu Stodbolm. i .
lesfoufche Machine, [.Heihluftmafgine.
163
Eridänos, in der arieh. Mythologie der Name
eines Flufjes, der im fernen Norden in ben Dieanos
mündet. In ihn ftürzte Phaethon (f. d.) hinab,
Später er Name des Bo (j. d.).
Eridaͤnus, fehr ausgedehntes Sternbild des
jüdl. Himmels, das nicht in feiner ganzen Auss
dehnung in wem Gegenden fihtbar iſt. In dem⸗
ſelben befindet ſich ein Stern erſter Größe J arnar),
der aber für uns unter dem Horizont bleibt. Es
enthält zahlreiche, zum Teil ſehr intereſſante —*
pelſterne, von denen einer eine auffallend ſtarle
Eigenbemegung bat. (S. die Sternlarte des
füadlihen Himmels, beim Artikel Sterntarten.)
Erie (jpr. ihri), Hauptftabt des County E. im
nordamerik. Staate Benniylvanien, am Sübufer
des Erieſees, ift Eifenbabhntnotenpunft, bat (1900)
52733 €. (gegen 1880: 27737); Fabrikation von
Eijen, Eifenwaren, Wagen, Leder, Orgeln, Stiefeln
und Shuben, und bedeutenden Handel mit Fiſchen
und Getreide. Der geräumige Hafen wird durch die
vorliegende Sie resque⸗Isle geihüht; große
Flöße und Schiffe bringen Eitenerze aus Michigan
und Holz aus Canada und nehmen als Rüdladung
hauptſächlich Kohlen. €. wurde 1795 gegründet an
der Stelle eines von Franzoſen gegen 1749 er:
bauten Forts (de la Presquisle).
Eriefanal (pr. ihri-), eine das fühl. Plateau
bes Staated Neuyork von W. nad D. durchziehende,
585 km lange Wafjerftraße zwijchen dem Erieſee und
dem Hudfon. Er beginnt nabe bei Buffalo, bebt fi
auf die Höhe von Lodport (115 m über dem Eriefer),
überjchreitet den Genejeefluß bei Rocheſter ſowie
nod —— fleinere Flüſſe, bis er bei Syracuſe eine
112 km lange, jchleufenloje Kanalbaltung erreicht
und ſich von Rome ab in der Thaleinfentung des
Mohawkfluſſes allmäblih zum Hudſon binab)entt.
Hier hat der Kanal auf der Etrede von Troy bis
zum großen Baſſin unterhalb Albany mehrere Aus:
mündungen oder Durcfabrten zu dem parallel lau:
fenden Flußbett. Der Weg von Buffalo bis Troy
oder Albany wird in einer durchſchnittlichen Yabr:
it von 243 Stunden zurüdgelegt. In den Haupt:
anal münden Nebentanäle, wie der Oswego⸗-, Black⸗
River: und Ehbamplaintanal von N. In den %.
1817—25 bergeitellt, 1836 —42 und noch jpäter
erweitert und vertieft, ſowie mit den beiten Ein:
—— zum Laden, Löſchen, Durchſchleuſen,
Wiegen der Schiffe verſehen, beanſpruchte der Bau
einen Geſamtaufwand von 187647700 M. Der
Kanal befist eine Oberflächenbreitevon 21,33m, eine
Sohlenbreite von 16m und eine Maflertiefe von2 m
gegen — 1,à m. Seine 72 aus Quadern
erbauten Schleuſen ſind 1876 in — ——
umgewandelt; jedoch ſind die Schleuſenlammern
durchweg einfach, d. b. je für ein Schiff eingerichtet
mit 33,5 m Länge und 5,5 m Breite. Die laden
Kanalboote haben bei 27,70 m Länge und Se m
Breite 1,38 m Tiefgang und laden bis 240. Seine
Entjtebung verdanft der €. dem amerif. Staatsmann
De Witt Clinton. Da jeit Eröffnung der Eijen-
bahnen die Bedeutung des E. ald Berbindungsmweg
zwiichen dem Weſten und der atlantiichen Küfte
—— verringert wurde, wird ein Umbau des:
jelben für Schiffe von 1000 t Tragfäbigteit geplant.
— Bol. Mosler, Die Waſſerſtraßen in den Ber:
einigten Staaten von Amerika (Berl. 1877).
el8, ſchweiz. Dorf, ſ. Airolo.
Eriefee (pr. ibri-), der ſüdlichſte der Canadi-
ſchen Seen in Nordamerifa (j. Karte: Vereinigte
11*
164
Staaten von Amerila. II. Oſtlicher Zeil),
begrenzt im N. von Obercanada, im ®.
und ©. von den Unionäftaaten —** Ohio,
Vennſylvanien und Neuyork. Der See umfaßt
bei einer Länge von 402 km und einer Breite
von 50 bis 100 km 24491,94 qkm, liegt 172 m
0.d. M. und 4 m tiefer alö der Huronfee und
102 m böber ald der Ontarioſee, mit dem er
durch den Niagara (f. d.) in Verbindung fteht. Cr
ift wegen der ihm durch den Detroit am Huroniee
ugeführten Schwemmitoffe und bes weichen Ge:
teins feiner Ufer der ſeichteſte und ſelten mebr ala
87, an feiner tiefften Stelle aber 76 m tief. In den
€. ergießen Anl nur kurze Flüfje; die größten find:
der Grand:River (195 km lang) von N. und der
Maumee:River, der an der MWeitede bei Toledo
mündet. Der Wellandlanal ftellt eine fabrbare
——— wiſchen dem E. und dem Ontarioſee
Von ufalo am Dftende führt der Erielanal
f. d.) oftwärts zum Hudſon, von Eleveland der Ohio⸗
anal jübwärts bis Portsmouth am Obio, von To:
ledo der Miamilanal nah Cincinnati; am ihn
—* ſich bei Defiance der — —8 an.
luch durch ein dichtes Bahnıneß ſteht der E. in Ber:
bindung mit den Koblen-, Eiſen⸗, Betroleum:, Ge:
treide:, Salz: und Holzregionen der begrenzenden
Staaten, deren Erzeugniſſe über den E. zum St.
Lorenz und vr i fowie zum Meere verfcifit
werden. Die Sci rt ift von Anfang Dezember
bis März oder April unterbrodyen und wegen der
ftarten Strömungen und Stürme gefährlib. Wie
die übrigen canad. Seen weiſt aud der €. einen
Mangel an natürlichen Häfen auf; bis auf den
von Grie find alle erjt durch Kunftbauten geſchaffen.
Wichtige Pläße find: Buffalo, Dunkirk, Erie, Cleve⸗
land, — Toledo und etwas entfernt Detroit,
Erigena, ne Scotus, Gelebrter in Irland
(baber &., verborben aus Jerugena, d. b. aus Jr:
land gebürtig), geb. um 810, in einer iriſchen Klojter:
ſchule gebildet, erfheint um 840 am Hofe Karla
des Kahlen. Er wurde Lehrer und Voriteber der
Hofihule, die damals ſchon in Paris war, und
wirlte hier mehrere Jahrzehnte als Lehrer der Theo:
logie. Sein Ende iſt ungewiß; entweder ijt er um
877 in Frankreich geitorben, oder er folgte, in Frank⸗
reih wegen legeriiher Anfichten über Abendmahl
und Präbeftination angefeindet, einer Einladung
Alfreds d. Gr. nah England, lebrte ig - abre
I Drford und ftarb 882 als Abt zu Malmes:
ury, von feinen der Wiſſenſchaft mißtrauenden
Mönden erſtochen. €. bejah eine damals feltene
Kenntnis der griech. Sprahe und überfegte und
lommentierte die erlag des Dionyſius (f. d.)
Areopagita, die burd ihn dem Abendlande juerft
ugänglid und die Grundlage der mittelalterlichen
jtil' wurden. Inden dogmatiſchen Kämpien feiner
geil ftand er im Abendmablaftreit auf der Seite des
atramnus (f. d.), da er im Salrament nur ein An:
denten an das Leiden Ebrijti und ein Zeichen des
allgegenmwärtigen Gottes jab; im Prädejtinations:
ftreit Gottſchalls (f. d.) nahm er in feiner Schrift
«De praedestinatione» eine eigenartige Mittel:
tellung ein, indem er die Einbeit der göttlichen Bes
chluſſe nebft der vollen menſchlichen Freiheit ver:
teidigte. Die eigene Anficht E.s enthält jein Haupt:
werl: «De divisione naturae» (bg. von Gale, Orf.
1681; Schlüter, Münft. 1838; deutih von Noad,
in der «Philoſ. Bibliotbef», Berl. 1874). Auf dem
Grunde neuplatoniiher Spelulation fortbauend,
Erigena — Erinaceus europaeus
betrachtet er ** und Philoſophie als weſent⸗
lich identiſch, die Welt als eine —— des
allein wahrhaft ſeienden Gottes nad verſchiedenen
Stufen der Entwidlung, den Gottmenſchen ala den
Wendepunkt, mo der von Gott ausgehende Prozeh
der Weltentwidlung wieder zu ibm zurüdfebrt. €.
ift der Begründer der Religionspbilofopbie des
bendlandes und ftebt jo hoch über feiner Zeit, dab
erſt viel fpäter die von ihm ausgehende Bewegung
verwertet und zugleich das Ketzeriſche einiger Lehren
ertannt wurde. Honorius III. verorbnete 1225, dah
fein Hauptwerf überall auioehuät und verbrannt
werde. Geſamtausgabe der Werte von Floß (in
eg «Patrologia», Bd. 122, Bar. dr —
Bol. Staudenmaier, J. S. E. und die Wiſſenſchaß—
ten feiner Zeit (Franlf. a. M. 1834); Taillandier,
Scot ne et la philosophiescolastique (Straßb.
1843); Nil. Möller, J. ©. E. und feine Jrrtümer
(Mainz 1844); Chrijtlieb, Leben und Lehre des Sco:
tus E. (Gotba 1860); Huber, 3. ©. E. ein Beitrag
ur Geihichte der Philoſophie und Theologie im
ittelalter (Münd. 1861); Kaulich, Das fpetulative
Spitem des Scotus E. (Prag 1860); 3.3. Hoffmann,
Der Gotted: und Schöpfungsbegrili des J. ©. €.
(Jena 1876); Buchwald, Der Yogosbegrifi des. ©.
. (2p3.1884); Wotjchle, Fichte und E. (Halle 1896).
Erigöron L., Durrwurz, Beruflraut,
flanzengattung aus der Familie der Kompofiten
(j. d.); man kennt gegen 100 Arten, die in den ge:
mäßigten Zonen ſowie in den Gebirgägegenden
der Tropen eine ausgedehnte Verbreitung *
Es find einjährige ausdauernde Gewächſe von ſeht
verjhiedenartigem Habitus. Die gemeinjte europ.
Urt ift das gemeine Beruflraut oder Floh:
traut (E. acris L.), ein zweijähriges Kraut mit
aufrehtem Stengel und Heinen, trugdoldig angeord⸗
neten Blütentörbcben, deren rötlich : lilafarbene
Strablblümchen nad unten umgerollt find. Diele
Pflanze wächſt faſt überall an trodnen Aderrainen,
auf grafigen, fteinigen Hügeln u. f. w. und gilt
unter dem Volle als beilträftig. Früher wurde es
gegen das Beihreien (Berufen) der Kinder Fi
raucht. Eine einjäbrige, urſprünglich ameril. Art,
E. canadensis L., mit Heinen, gelblibmweißen Blu⸗
tenlörbchen, ift jhon vor langer Zeit in Guropa
eingewandert und auf Sandboden ein oft jebr läfti-
es Unkraut, Mehrere Arten haben wegen ibrer
hönbeit in den Gärten Aufnahme gefunden. Zu
biejer gehören vorzug&weife: E. speciosum Dec.,
aus Kalifornien, mit bellblauen, E. glabellum
Nutt., aus Nordamerila, mit blafvioletten Strab:
lenblüten und gelber Scheibe, fowie das in neuerer
Zeit eingeführte E. aurantiacum Kgl. mit dunlel⸗
orangeroten Blüten.
Erigerondl, das ätherifhe Öl von Erigeron
canadensis L., in Nordamerita als blutftillendes
Mittel benukt, bejteht zum größten Teile aus rechts:
drebendem Yimonen.
Erigieren (lat.), aufs, emporridten, erbeben;
davon abgeleitet Erektion (f. d.); erigibel, auf
richtbar.
an Tochter des Ilarios (f. d.). — E. beißt
Erif, ſ. Erich. auch der 163. Planetoid.
Erika, ſ. Erica; Erilaceen, ſ. Ericaceen.
Eriksſon, Kriſtian, ſchwed. Bildhauer, j. Bd. 17.
Erin, der alte kelt. Name von Irland (f. d. und
Hibernia).
Erinacdus europaeus L., der Jael (1. d.
und Tafel: Infettenfrejfer, Fig. 1).
Erineum — Erinnyen
Erindum Pers., ſ. Filjttantheit (der Blätter).
ri Bezirt im fcmeiz. a
Hrend. al d’).
a a — a LLee
Erinit (von Erin, Irland), Name für mei ganz
wrihiedene Mineralien. Das von Haidinger fo
ger Üt Imaragdgrün, von nierenförmiger Ge:
It mit lonzentrifch fchaliger Zufammenjegung
und hemilch das waſſerhaltige arfenjaure Kupfer:
od 5Cu0,As,0, + 2H,O; es findet ſich nicht,
wie —— — zu Limerick in Irland,
ondern in Cornwall, daher der Name E. überhaupt
bierfür nicht mehr paſſend iſt. —Thomſons E.
ein rotes, bolus⸗ oder ſteinmarkähnliches Mineral,
ein wafjerbaltiges Thonerdefilifat mit 6,4 progentis
gem Gijenoryd, aus den Klüften der Bafaltberge
von Antrim in Irland.
Erinna, griech. Dichterin, war wahrſcheinlich
eine —— der Sappbo (f. d.). Erhalten find
von ibr nur fünf Berje von den 300 des Gedichts
« Die Spindel», außerdem unter ihrem Namen drei
Epigramme, die jedoch nicht vor dem 4. yabrh. ver:
faßt find. Die Fragmente find von Fr. W. Richter
(«Sappbo und €.», Queblinb. 1833) ind Deutſche
übertragen worden.
Erinnerung, j. Gedächtnis.
Erinuerungsmedaille, geitiftet zum Andenken
an den bundertiten Geburtstag Raifer Wilhelms J.,
am 22. März 1897, ift aus Bronze von eroberten
Seſchutzen geprägt und zeigt auf der Vorberjeite
das Bruftbild Kaifer Wilhelms I. nebft der In:
ſchrift: Wilhelm der Große, deuticher Kaifer, König
von Preußen; die Rüdjeite trägt die Infchrift: Zum
Andenten an den bundertiten Geburtätag de3 gro:
Gen Kaiſers Wilhelms L. 1797 — 22. Närz — 1897,
darunter befindet ſich auf einem Lorbeer: und einem
Eichenzweige rubend die Kaiſerkrone, der Reichs:
apfel und das Reichsſchwert. Sie wird an einem
orangefarbenen gewaͤſſerten Bande getragen und
wurde allen Militärperjonen verliehen, die 22. März
1897 dem altiven preuß. Heere oder den unter preuß.
Bermaltung ſtehenden Kontingenten angehörten,
oder zu einem preuß. Truppenteil kommandieri
waren, jowie allen Inhabern der preuß. Kriegsdenk⸗
münze für 1864, des preuß. Erinnerungstreuzes für
1866 und ber Kriegädentmünze von 1870/71.
Erinnerungsihwäche, eine Form der Am:
nefie (f.d.). Die E. berubt entweder darauf, daß
der Gedähtmisinhalt infolge von Vernichtung der
organiſchen Grundlage im Hirn bleibend verloren
en ift, oder darauf, daß irgendwelche Ein:
ütje die Rüdtehr im Gedächtnis noch aufbewabhrter
Eindrüde ind Bewußtſein men. Letztere Form
findet ſich vorübergehend ſchon bei geringern Sto—
tungen des Selbſtbewußtſeins (Angſt, Berlegenbeit),
deögleichen bei allen tiefern, die mit Gedächtnis:
Ihwäce im engern Sinne verbunden find; erftere
tt Kennzeichen jablreicher auögebreiteter Krankheiten
des Gehirns, befonders feiner grauen Rindenſchicht.
Die E. erftredt ſich in beiden Faͤllen entweder nur
auf einen Zeil der gefammelten Erfahrungen (Am-
nesia ialis) oder auf alle (Amnesia totalis),
Die eritere zeigt ſich entweder ald Unfäbigteit, eins
jelne Eindrüde aus allen möglichen giftigen und
finnliben Gebieten ind Bemwußtiein zurüdzurufen
(3.8. bei der im höhern Alter häufigen Amnesia |
senilis die Erlebnifje der legten Jahre, während |
onders Erinnerungen aus der Jugendzeit, |
ältere,
165
fe: einzelne Wiſſensgebiete, 3.8. die Sprade (Ber:
uft des Wortgedächtniſſes, ſ. Spradftörungen), 2
Zahlen, Melodien, Thatſachen, Berfonen u. p mw. Die
Urjache ift bier die Erkrankung gewifjer Heinerer Ab»
ſchnitte der Großbirnrinde oder ihrer Umgebung.
Eriunerungdzeichen, |. —
Erinnhen, Erinyen (Erinfes; lat. Furiae,
Yurien, d.i. die Grollenden, Wütenden), fchon in
der älteften griech. Boefie die den Schidialsgöttinnen
Moiten) verwandten WäcterinnenderNaturgefeke,
tenerinnen der ig und Räderinnen jedes
Frevels. Nach Hefiod gebar fie Ge (Gäa, Erde) aus
den Blutätropfen des von Kronos entmannten Ura⸗
no3, in andern Theogonien heißen Kronos und Ge
mit dem Beinamen Euonyme, d. b. von gutem
Namen, ihre Eltern, bei Aſchylus werben die €,
Töchter der Nat, bei Sophotles Töchter von Sto:
to8 und Ge, Finfternid und Erbe genannt. Ihr
Wohnſitz ift die Unterwelt, aus der fie auffteigen,
um mit unermüblicher Ausdauer den Verbrecher zu
verfolgen. Uſchylus hatte fie in den «Eumeniden»
auf die Bühne gebracht, wie fie, furdtbar anzu»
fhauen, den Gorgonen ähnlich, mit dunteln Ge
wändern angethban und mit Schlangen im Haar,
den Dreftes, der feine Wutter auf Gebeiß des
Apollon getötet hatte, verfolgen, bis er vom atbe
niihen Areopag vermitteljt des Einjchreitens der
Athene losgeſprochen wird, den E. aber, die num
zu Gumeniden (db. b. Woblwollende) werden, ein
Heiligtum in Athen felbft, am Fuße des Areopags,
und göttlibe Verehrung als Erſatz für das nad
dem alten Blutrecht ihnen verfallene Opfer zuer:
fannt werben.
Doh wurden die Eumeniden bier nicht ſowohl
unter diefem Namen ala vielmehr unter dem der
Semnen (Semnaji), d. b. der Ehrwürdigen, —
Sie hatten eine eigene Prieſterſchaft (3 oder 10 Opfer:
priefter und eine Priefterin aus dem Geſchlecht der
Heſychiden), welde ihnen zu Ehren alljährlich ein
‘seit feierte, Dasielbe wurde mit einer Prozeffion
begangen, mobei die tiefjte Stille herrſchen mußte.
Dargebraht wurden nädtlihe Schladtopfer und
Honigtrant ohne Wein, Kuchen und Mild. Ein
— Heiligtum hatten die Eumeniden nahe bei
then im Gau Kolonos Hippios, wo nach Sopbo:
lles Divipus feine Rubeftätte fand. Wahrſcheinlich
ward dur die tragifhe Dichtung der Name Eu:
meniden zuerjt in Athen, dann pin fonft in Hellas
gebräudlicher. Zue 2 bald von der Erinys in
der Einzabl, bald von E, Semnen, Eumeniden in
unbeftimmter gahl die Rede. Die jpätern Dichter
baben die Zahl der E. auf drei firiert, Tifipbone
Br den Mord Rächende), Alelto (die unverföhn:
ih Grollende) und Megaira (die Neidifche).
Auch im Heiligtum am Areopag ſtand zuerft nur
eine Bildjäule von Kalamis. Erjt jpäter wurde die
Dreizahl sn indem zwei Statuen von der
Hand des Slopas hinzu efügt wurden. Diejelben
batten nichts Graufiges. In erbaltenen Runjtwerten
ericheinen fie, ge rg im Anſchluß an die Kult⸗
bilder, bald als rubig dajtebende, langbetleidete
Frauen mit mildem Ernft im Blid, bald raſch dabins
eilend, geflügelt, mit Sadeln, oft mit Schlangen,
bisweilen auch mit einer Geißel oder mit Lanzen
und Schwertern in den Händen, die Gemänder wie
ägerinnen bob aufgeibürzt, nicht aber, wie die
oefie fie wohl ſchildert, in graufenbafter Haßlich⸗
keit. Erft auf Vajenbildern ſpäteſten Etils tritt
no feit haften), oder als Verluſt des Gedächtnifies | auch diefer Typus hervor. — Bgl. Rojenberg, Die
166 Eriobotrya
G. (Berl. 1873). Daß der Erinnyenglaube in ur:
altem Seelentult wurzelt, und daß 3.2. «die Erinys
eines Ermordeten nicht& anderes war als jeine eigene
zurnende, ſich jelbit ihre Rache holende Seele, die erſt
in ſpäterer Umbildung zu einem den Zorn der Seele
vertretenden Hollengeiſt geworben ilt», hat neuer:
dings E. Rohde (in «Pſyche⸗, 2. Aufl., Freib. i. Br.
und Lpz. 1898, und im «Rhein. Mufeum», Bd, 50,
6.6 fg.) Har erwieien. (S. Seelentult und Keren.)
Eriobotrfa, gilanıe, f. Photinia.
Eriooam irſchblattweſpe, ſ. Blattweipen.
Eriod n DC. (Ceiba Gärtn.), ®oll:
baum, Pflanzengattung aus der familie ber
Malvaceen (f. d.) mit nur wenigen Arten, die faft
fämtlih in den Tropengegenden Ameritas vorlom:
men; nur eine Art findet fich im tropijchen Aſien
und Afrika. E3 find große, jhön belaubte Bäume,
mit ftacheliger Rinde, großen, gefingerten Blättern
und en boldig gruppierten Blüten. Die
Frucht ift eine bolzige, mit fünf Klappen auf
pringende, vielfamige Kapſel. Die Samen aller
rten find dit wollbaarig. Bon E. anfractuosum
DC. (jest fait in den ganzen Tropen verbreitet)
ftammen die unter dem malaiifshen Namen Kapot
oder ald Pflanzendunen bejonders von Java
aus in den Handel kommenden Wollbaare. Der
Same wird zur Herjtellung von Polſtern u. dal.
verwendet. Durch Einjchnitte in den Stamm kann
eine Art Gummi gewonnen werden, das jedoch, da
es in Wafjer zwar aufſchwillt, aber fich nicht Löft, ala
Surrogat des echten arab. Gummi nicht benußt wer:
den lann. Der Baum wird wegen rg fchnellen
und regelmäßigen Wachstums vielfah als Allee:
baum oder als lebende Telegrapbenftange kultiviert.
Eriomöter (grch.), |. Wollmefier.
Eriömys, j. Ebindilla.
Eriophörum L., Watte, Wollgras, Bin»
fenjeide, Pflangengattung aus der Familie der
Epperaceen (j. d.) mit zehn in der nördlichen 7
mäßigten und arltifchen done verbreiteten Arten. Es
find — Gewächſe, die ſich durch ſtarke Be:
baarung der Blütenköpfchen, die beſonders nah
dem Abblüben deutlich bervortritt, auszeichnen; fie
fommen meift auf moorigem Boden vor. Am ver:
breitetften find wohl E. latifolium Hoppe (f. Tafel:
Epperaceen, ge. 1) und E. angustifolium Rth.,
von denen bie erite flache, an der Spike dreilantige,
die zweite ige da befigt und längere Moll:
qualten trägt. Die Stengel werben, wenn bie Üihr:
hen voll entwidelt, aber die Samen noch nicht
reif find, gefammelt, in verfchiedenen Nuancen
gefärbt und ald Bouquetmaterial verwendet.
Eriphijle, die Tochter des Talaos und der
Lyſimache, die Schweiter des Adraſtos und bie
Gemahlin des Ampbiaraos. Sie ließ jih von Poly:
neites mit dem Halöbande der Harmonia (j. d.) bes
ftehen, daß fie ihren Gemabl veranlaßte, an dem
von Adraftos geführten Zuge der Sieben gegen
Theben teilzunepmen. Ampbiaraos fand dort den
Tod, den nun der eigene Sohn Alkmaion (j. d.) an
€. rädhte, nachdem he nob von Tberfandros den
eplos der Harmonia dafür erhalten, daß fie ihren
obn zur Teilnahme am Epigonenzug bejtimmt
batte. Sopholles behandelte den Stoff in einem
verloren gegangenen Traueripiel.
Eripieren lat.) entreigen.
Eris, die grieb. Göttin der Zwietracht, war
nah Homer die Gefährtin und Schweiter des Ares;
nad Hefiod giebt es neben einer guten E., dem zur
— Eriwan
Thätigleit anfeuernden Wettftreit, eine böje €,, die
Tochter der Nacht, bie kein Sterblicher liebt. Wo fie
erſcheint, iſt fie, nach Homer, anfangs Hein, ragt aber
bald mit ihrem Haupt bis zum Himmel empor, Am
belannteſten ift jie durch den Streit, den fe bei der
Hochzeit des Peleus und der Thetis aus Rack,
weil jie nicht eingeladen war, unter den Göttinnen
um den Preis der Schönheit erregte, indem fie
(nad) jpätern Dichtern) einen Apfel (daher die Be:
gihnung Erisapfel) mit der Aufſchrift « Der
hönjten» unterdie Hodyzeitögäftewarf. (S. Paris.)
Ihr nachgebildet ift die bei Bırgil und andern röm.
ichtern auftretende Discordia. AufBajenbildern
ericheint fie als langbetleivete Frau, an den Schul:
tern und Füßen geflügelt. — Vgl. Wiefeler, Über
E. (in den «Nahrichten der Königl. Gejellidaft der
Wiſſenſchaften zu Göttingen», 1885, ©. 87 fe.).
Erisapfel, ein Gegenitand, der Zwietradt er:
zeugt, ſ. Eris.
Erismaturinae, Ruderenten, Unterfamilie
der Enten, welde in einer Gattung und 6 Arten
Amerita, Afrita, Auftralien und Kleinafien nebit
Südofteuropa bewohnt. Sie haben einen etwas ver:
längerten Hals, die Nageltuppe an der Schnabel:
jpige ift wenig entwidelt, die Flügel find vertürzt,
der aus 18 fteifen, ſpitzen * gebildete Schwan;
verlängert. Eine Art (Erismatura leucocephala
Eyton.) findet fi in Südungarn und auf der Bal:
tanbalbinjel; fie ift 56 cm lang, von brauner Grund:
farbe mit ſchwarzen Fledchen, dad Männchen mit
weißem, das Weibchen mit braunem Kopf.
Eriställs, Gattung der Schlammfliegen (1. d.),
von fräftiger, bienenartiger Gejtalt. Die Larven
baben einen hwanzartig verlängerten Hinterleib,
der am Ende die Atemöffnung trägt. Leben als fog.
Rattenjbmwanzlarven in a erlei jchmußigern
Waſſer, Sentgruben u. f. w.
Erfitit (grch.), Streittunft, Disputierktunft; da:
ber Eriftiter, Philoſophen, die dialeltiſche Spis-
—— nicht in ernſter, etwa logiſcher Abſicht,
ondern um der überlegenheit im Wortgefecht willen,
aufſuchen. Vorzugsweiſe nannte man ſo die Ver—
treter dieſer Richtung in der Megariſchen Schule
(j. d.), wie Eubulides und Diodorus Kronos.
Erith (pr. ihr-), Stadt in der engl. —
Kent, 25 km öſtlich von London, rechts an der ie,
am Fuße bewaldeter Hügel —— gelegen, hat
1901) 25295 E., viele Landhäufer Londoner Kauf⸗
eute, Klubhäuſer und eine epbeuumrantte Kirche
mit Dentmälern aus dem 15. Jahrh.; Ziegelei, du
britation von Zeugen und künjtlibem Dünger.
Eritis siout Deus, soientes bonum et
malum (lat., «br werdet jein wie Gott und willen,
was gut und böje ijt»), Citat aus 1 Moſ. 3,5, von
Goethe in der Schülerjcene des «Fauft» angemandt.
Eritröa, ital. Kolonie in Afrika, ſ. Erytbräa.
Eritwän, Eriwänj. 1) Gouvernement des null.
Generalgouvernements Kaufafien im füpl. Teil
Transtautafiens (f. Karte: Kaukaſien, beim Ar
tifel Rußland), grenzt im ©. an die Türlei und
Berfien, im W. an das Gebiet Kara, im N. an dat
Gouvernement Tiflis, im NO. und D. an das Gou:
vernement Jeliſawetpol, hat 27830 qkm mit
804757 E., d. i. 28,9 auf 1 qkm. Es ift ein Hod-
land, das ganz im Flußgebiet des Aras liegt; nur
im N. gebt der Bambal unmittelbar zur Kura. Im
NO. liegt der Goltſchaſee (1398,7 qkm). Im D.
—— zuſammenhängende ſchmale, er Klei⸗
nen Kaulaſus gehörige Bergrüden das Land, an
Erf — Erkältung
andern Stellen erbeben ſich nur vereinzelte Berge,
wie der Alagös, Ararat u.a., zu bedeutenden Höhen.
Der vullanifche Urſprung iit deutlich erfennbar.
Der Mineralreichtum ift groß, doch wird nur Stein:
kalz, rüber auch Kupfererz, abgebaut. liberal fin:
den ih Mineralquellen. Der Aras gebört auf
335 km dem Gouvernement an, bildet auf 180 km
die Grenze desjelben E en Berfien, ift aber weder
Ihiff: noch flößbar. €. H fehr waldarm. Die mitt:
lere YJahrestemperatur beträgt in Alerandropol
11291 m) 4,4°, in Aralych (833 m) 11,6°.
Die Bevölkerung beitebt aus Armeniern (54 Proz.),
Zataren (40 vo.) Kurden (5 Proz.), Rufien (0,8
Vroz., meift Rastolniten), Ajfioren, Griechen, Ju:
den. Der Religion nad — 1 von 588710 E.
6468 der ruſſ. Kirche (mit ihren Selten), 288950
der armenijch=gregorianifchen, 4020 der armeniſch⸗
tatboliichen, 214 der latholiſchen an; 203674 waren
ſchiitiſche, 27596 funnitishe Mobammedaner, 4 Bro:
tejtanten, 24 Ysraeliten, 7772 Jeziden. Das Haupt
der armenijchen Kirche wohnt in Etſchmiadzin. Die
Dauptbeihäftigung der Bewohner beiteht in Ader:
bau und Viehzucht, darunter auch die Zucht von
Kamelen (17000 Stüd) ſowie Maultieren und
Eieln. Der Aderbau wird in den Flußthälern durch
Bemäflerungstanäle gefördert. Es werden bier ge:
baut Weizen, Gerfte, Mais, Luzerne, Hirfe, ferner
Baummolle (3 Mill. Bud jährlih), verjchiedene
Olfruchte, Wein (60000 hl), Obſt, Gemüje und
Zabat. Im hocgelegenen Norden wiegt die Vieh:
Ser vor, dabei beiteht Flachsbau und Bienenzudt.
ie Fiſcherei ift ftart am Goltſchaſee; Blutegel wer:
den von alters ber in den Sümpfen und Kanälen
gezüchtet und nad Perfien ausgeführt. Durd €.
gebt der Karawanenweg von Tıjlis nah Perſien,
anbererjeitö nad Kars, jomwie die Eifenbahn Tiflis:
Kars mit Zweigbahn nad E. (264km). Der Handel
liegt in den Händen der Armenier und zum Zeil der
Zataren. Das Gouvernement zerfällt in 7 Kreiſe:
E., Alerandropol, Nomwobajajet, Nachitſchewan,
Surmalin, Scharurodaralages, Etiſchmiadzin.
2) Kreis im mittlern Teil des Goupernements
E., lints vom Aras (von der Mündung der Sanga
an bis zur Mündung des Tihanahtihan) bis
zum Goftichafee, im NO. gebirgig, im SW. eben
(Arastbal), bat . qkm, 127072 €. (54 Proz.
Zataren, 36 Proz. Armenier, 8", Proz. Kurden),
gr Bewäſſerung, Weizen:, Mais⸗, woll⸗,
bitbau und Viehzucht.
3) €., perj.Rewan, Hanptftabt des Gouverne—
ment3 und des Kreiſes E., 278 km füpjüpdäftlich
von Tiflis, in 994m Höbe, links von der Sanga und
an der Zweigbahn Alerandropol-E,, in einem Keſſel,
beitebt aus 4 Stabdtteilen, mit einer Feſtung ſüdlich
von der Stadt auf einem Hügel und bat (1897)
29033 E. alten Balaft mit Spiegeljaal und orient.
nifien, 1ruff., 6 armeniſch⸗gregorianiſche
Kirchen, 5 Moſcheen, 1 Gymnafium, 1 Nädchenpro:
gymnaſium, 1 Zehrerjeminar, viele Gärten mit Obſt⸗
(berühmt find die eriwanſchen Pfirfiche) und Gemuſe⸗
bau; vier Kanäle aus der Sanga mit zahlreichen
Berimeigungen bemäfjern die Umgebung. infolge:
deiien entiteben im Sommer Miasmen, auch treten
jliegen, Müden, Mosquitos jo maſſenhaft y;
daj jelbjt die Behörden während dieſer Zeit E.
verlaffen und das ofpital an einen andern Plat
verlegt wird. . it eine ber älteiten Städte
Ameniens. Unter perj. Herrihaft war es Haupt:
habt der Provinz Ararat. 1583 fam es an die
167
Zürfen, 1605 an die Berjer, 1635 wieder an bie
Zürfen. 1780 zablte es den Georgiern Tribut, 1827
lam e3, von Bartewitfch erobert, der deshalb ven
Beinamen Eriwanjtij erhielt, an Rußland und ift
feit 1850 Hauptitabt des Gouvernements.
Erf, Ludw. Chriſtian, Muſiler, geb. 6. Jan. 1807
in Weplar, war Schüler feines Vaters, jpäter von
N. Andre, wurde 1826 —— an dem Lehrer⸗
ſeminar zu Mors und erhielt im Dit. 1835 bie
pam Stellung an dem Seminar für ———
ehrer zu Berlin. Hier gründete €, ſeit 1841 Ber:
eine re Pflege des mebritimmigen ——
und begann für dieſe Vereine in umfaſſendſter Weiſe
Volkslieder zu fammeln und zu bearbeiten. Durch
die Herausgabe diejer Arbeiten hat ſich €. be
Verdienfte um die praftiihe und wiſſenſchaftli
Pflege des deutjchen Volläliedes erworben. Die
—— Sammlungen find: «Schullieder⸗
Ejien 1828; 3. Aufl., 3 Hefte, end denen
ſich als Fortjegung und Überarbeitung der jeit 1839
in über 100 Auflagen erſchienene «Liederfrang» (mit
MW. Greef, 3 Hefte) anſchließt; « Mebrftimmige Ge:
fänge für Männerjtimmen» (7. Aufl., 2 Hefte, Eſſen
1883), «Bolt3llänge. Lieder für mebritimmigen
Männerchor» (3. Aufl., 3 Hefte, Berl. 1865 —67),
«Singvögelein. Sammlung ein:, zwei⸗ und dreiſtim⸗
miger Lieder für Schule, Haus und Leben» (6 Hefte,
das 1. Heft in 61. Aufl., Eſſen 1896), «Deuticher
Liederfhag» (Gefamtausg., 7. Aufl., Lpz. 1899),
«Die deutihen Voltsliever mit ihren Singweifen »
(mit W. Irmer, 2. Ausg., ebd. 1843), Letztere
waren ein Vorläufer der vorzüglihen Sammlung
deutjcher Volkslieder, die er als «Liederhort» (Br. 1,
Berl. 1856; neu bearbeitet von Böhme, 3 Bde. Lpz.
1893 — 94) begann. 1877 legte E. der 1857 zum
— Muſildireltor ernannt worden war, ſeine
amtliche Stellung nieder. Er jtarb 26. Nov.1888 in
Berlin. Auf dem alten Elifabethlirhhof in Berlin
wurde ihm 1885 ein Denkmal errichtet. — Vgl. Karl
Schulge, 2. Erf (Berl. 1876).
Erfa, german. Sagengeitalt, ſ. Helce.
Erfältung (Refrigeratio) oder Verluhlung,
alle diejenigen nadhteiligen Folgen, welche für
den menſchlichen Körper aus einer zu raſchen
Abnahme der Temperatur entipringen lönnen.
Einer der wichtigiten Prozejje in der Ölonomie des
tieriihen Organismus ih die Ausdünjtung der
Haut, durch deren Boren und aus deren Schweiß:
tanälchen unaufbörlich ein Teil der im Körper ents
—— Fluſſigleiten verdampft, wozu die nötige
ärme durch die Blutcirkulation geliefert wird.
Wird diefe Wärme durch längere Zeit einwirtende
bedeutende Kälte ver Oberfläche entzogen, jo erfolgt
Erfrierung (f. d.); wird fie jchnell durd einen o
verbältnismäßig nur unbedeutenden Rältegrad, be:
fonderö durch feuchte Kälte, zurüdgedrängt, jo er:
folgt E. Das Wefen der dadurch entjtehenden Stö-
rung ift noch nicht aufgellärt. Die Anficht der
ältern Arzte, daß infolge der unterbrüdten Haut:
ausſcheidung ein dem Organismus ſchädlicher Stoff
im Blute zurüdgebalten werde, —5 Anbäufung
dann die ber rä folgenden örtliben Krantbeiten
beroorrufe, ift durch die neuern phyſiol. Unterſuchun⸗
gen über die Thätigleit der Haut völlig unhaltbar
eworden. Eine andere Meinung gebt dahin, daß
er Ertältungsvorgange das Nerven» und das
—* eine wichtige Rolle ſpielt, indem bei
der Abkühlung die ſenſibeln Hautnerven in einen
tranlhaften Erregungszuftand verjegt werben, wel⸗
168
her bis zu den Gentralorganen des Nervenipitems
fortgeleitet und von bier auf refleftoriichem Wege
auf gewifle andere, ei * Reiz beſonders em:
pfängliche Nervenbahnen übertragen wird; erjolgt
die libertragung auf jenfible Nerven, jo entjteben
rheumatiſche Schmerzen, während bei Übertragung
auf das der Wärmeregulierung vorjtebende Nerven:
centrum Fiebererregungen zu ſtande lommen.
Die Organe, welche am bäuft ” durh E. er:
franten, find die Haargefähe, die Nerven, die Mus:
feln und die Schleimhäute; Entzündungen, Rheuma:
tiämen und Katarrhe find aus diefem Grunde, wie
die tägliche Erfahrung zeigt, die häufigiten Erkäl—
tungsfrantbeiten, Sende fann eine E. auch die
Gelegenbeitäurfahe zum Ausbruch gewiſſer Infel⸗
tiondfrantbeiten, 3. 4 der Lungen: und Bruitfell:
entzündung, de Mumps u. ſ. w. abgeben.
Bisweilen beftebt eine innige Beziebung zwifchen
dem ertälteten Hautteil und gewiſſen nabe gelegenen
Organen; jo führt E. des Halfes Vehr leicht ju Kebl:
— die der Bruſt zu Luftröhrenkatarrh;
Menitruationsjtörungen kn bäufig durd €.
der Füße, ———— nach E. des Leibes u. dal.
Andererſeits freilich wird bei manchen Perſonen
durch jedwelche E., gleichviel auf welchen Kürperteil
fie auch einwirlte, immer dieſelbe Krankheit erzeugt.
Zu den ſchädlichen Urſachen, die E. herbeiführen,
gebören vorzüglib Zugwind und innere oder
äußere Abkühlung durd; kaltes Waſſer. Beſonders
ſchwitzende Hautteile werden leicht durch Zugwind
erlältet, weil die durch den Du bedingte rajchere
Verdunſtung des Schweihes jo viel Wärme bindet,
dab die Haut, auch wenn der Zugwind an fich nicht
talt war, doch ſtets eine plöslihe Abkühlung er:
leidet. Am gefaͤhrlichſten find die E. ſchwißender
Füße, weshalb man nafje Strümpfe fo ſchnell als
möglidy wechſeln joll. Eine beiondere Anlage zur
€, (Erlältbarteit) ift vielen, beſonders ver:
weichlichten Perfonen eigen. Übrigens ift nicht zu
vergejien, dab der Volläglaube jebr geneigt iſt,
alle mögliben Krankheiten, alio aud ſolche, die
nie — E. entſtehen, auf eine ſolche, den ſog.
Verſchlag, zurüchzuführen. Jr neuerer Zeit in
die E. ala eigentlibe Urjabe von Kranlheiten
jebr eingejhränft worden. Hinfichtlich der Behand⸗
m it zu bemerken, daß möglichſt bald nad ge
ſchehener €. äußere Wärme, Bettrube und warmes
waſſeriges Getränf (5. B. Lindenblütenthee, Warm:
bier, hinef. Thee, weniger gut die erhigenden Auf:
güfje von Kamillen oder lieder) anzuwenden find,
weil durch eine energijche und anhaltende Schwitz⸗
kur ernſtliche Folgen der E. am eheſten verhütet
werden. Bei chroniſchen Erlältungsfrantbeiten find
beionders die rufj. Dampfbäder beliebt. Übrigens
H die einmal entitandene Erfältungstrantbeit nad
ihrer befondern Natur zu bebandeln. Gegen Er:
kältbarleit, die womöglih ſchon in früber Ks
energiſch befämpft werden foll, wendet man ent:
weder lalte Waſchungen des Körpers, Fluß: und
Seebäder, und jonftige Hydrotberapie an, oder
jhüst, wo dies untbunlih, den Kranken durch
wollene oder jeidene, auf dem bloßen Leibe zu tra:
gende Unterkleider. (©. Abbärtung.)
Erkel, Franz, ungar. Kompontit, geb. 7. Nov.
1810 zu Betes-Cyula, empfing Mufitunterrict von
feinem Bater, einem Scullebrer, ging 1835 als
Kapellmeifter und Pianiſt nach Peſt, mo er feit 1838
als erjter Kapellmeifter, ſeit 1865 als General:
mufildireltor des Nationaltbeaters (des jekigen
Erfel — Erfenntnistheorie
loniglich ungar. Opernbaufes) wirkte. 1875—88 war
er auch Leiter der Landesmufilalademie. Er jtarb
15. Juni 1893 in Budapeit. Bon E.s namentlich
in Ungarn —— au —— Opern ſind her⸗
vorzubeben: «Hunyad 6» (1844), die beite
ya Nationaloper «Erzsebet» (1857; mit Fr. und
8. Doppler), «Bänkbän» (1861), «Dözsa György»
(1867), «Nevtelen hösök» (1880), «Hönig Stefan»
1885). Von Fe Hleinern Kompofitionen und
iedern ift ebenfalls vieles unter feinen Landsleuten
populär geworden, —— die Muſil zu Koleſeys
«Hymnus» (1845). E.s Hauptlraft beſtand in der
lüdlihen Verſchmelzung der modernen ausländi-
hen mit der altungar. Nationalmufil.
ee Kreis im preuß. Reg.⸗Bez. Aachen,
bat 288,99 qkm und (1900) 36 696, (1905) 38127 €,
1 Stadt und 24 Landgemeinden, — 2) Kreisftadt
im Kreis E., 40 km im NO. von Nahen, 63 km
von der niederländ. Grenze, in 99 m Höhe, auf
einer Hochebene in fruchtbarer Gegend, an der
Linie Nahen: Düfjelvorf der Preuß. Staatsbabnen,
Sitz des Landratsamtes, eined Amtsgerichts (
gericht Aachen) und Bezirlslommandos, bat (1900)
4612 E., darunter 217 Evangeliſche und 62 Israe⸗
liten, (1905) 4619 E. Boftamt zweiter Klaſſe, Tele:
rapb, zwei ſchöne kath. Kirchen, Synagoge, Hofpital,
über Schule mit Knabenpenfionat, Boltsbant mit
parlafje, Kriegerbentmal; Fabritation von Plüſch,
Halbwollwaren, Spigen, Bändern, Leinwand, Leim,
Firnis und Lad, Deitillationen, Brennereien, Ge
treide: und Flachsbau, Viebzuct, ſowie Handel mit
Getreide und Leinſaat. — Im J. 966 ſchenkte Kaiſer
Otto I. E. an das Marienſtift zu Aachen, welches vie
Grundherrſchaft über das Erkelenzer Gebiet bis 1794
ausübte; 1326 erhielt der Ort ſtaͤdtiſche Rechte, 1648
lam €. an — Karl V., 1579 an Jülich und
Berg; 1794 nahmen die Franzoſen Beſitz von der
Stadt, 1815 fam fie an Preußen.
tfench, in der Zürlei, ſ. Ergene.
Erfenue dich felbft, j. Gnothi seauton.
Erkennen, Erlenntnis, im allgemeinen dad
Erfaſſen der Wahrheit im Bewuf ein, vermdge
einer dem Gegenftand gemäßen Borjtellung. Ihre
Grundfaltoren find Anſchauung (f. d.) und Begriff
(1. d.). Das Problem der Bezi —— Erlenntnis
auf den Gegenſtand behandelt die Etlenntnistheorie
. d.). (S. aud Intuition und A priori.)
Erfennen, ein faufmännifcher, mit gutbringen,
utjchreiben gleihbedeutender Ausdrud. Man er:
ennt einen Dritten für eine von ibm gemäbrte
au von ihm gelieferte Ware, zuge
fandte Wechſel u. ſ. w.), t jomit, daß man
ibm deren Geldbetrag in den Handelsbüchern aut:
ſchreibt, ihn dafür kreditiert.
Erkenntnis, f. Erlennen. — In der Rechts⸗
ſprache beißt E. oder Sentenz das in einem Pro:
zeß —— Urteil, im Gegenſatz zu den bloßen
prozeßleitenden Verfügungen (ſ. Urteil, Dekret und
Ent|evung i
enntniskritif, ſ. Erlenntnistheorie.
Erfeuntnistheoretifch, zur Erlenntnistheorie
. d.) gebörig oder darauf besüglih, ein in neuerer
eit aufgelommener Ausprud, wofür Kant trans
cendental (f. Tranfcendent), andere gnojeo:
ogiſch gebrauden. j
enntnistheorie, Name für die pbilof. Dis:
ciplin, deren Aufgabe die Unterfuhung der Grund:
eſetze der Erlenntnis (ſ. Erkennen) und die yet:
tellung der Grenzen ihrer Gültigfeit ift. Kant be
Erfenntnisvermögen — Erlad)
ihnet diefe Aufgabe als die einer «Kritil» des
enntnisvermögens (oder der Vernunft) oder der
Äranjcendentalpbilojophier. Der JIrrtum, als ob
die Loſung diefer Aufgabe auf dem Menge empiriſch⸗
riohol. Erforſchung der Entſtehung der Erkenntnis
—— ſei, hat den erſt außerordentlich raſch in
fnahme gelommenen Ausdruck E. wieder etwas
verdãchtig gemacht, daher H. Cohen (zuerſt in «Das
Princip der nfinitefimalmethode», Berl. 1883, $.8)
den abfihtlich auf Kant zurüdweilenden Ausprud
Erlenntniskritik bevorzugt. — Bgl. Voltelt, Er:
fabrung und Denten. Rritiiche Grundlegung der E.
(Hamb. 1886); E. 2. Fiſcher, Die Grundfragen der
€. (Mainz 1887); Domer, Das menſchliche Er:
tennen (Berl. 1887); E.von Hartmann, Das Grund»
problem der E. (2p3. 1889); Al. Schmid, Erfenntniss
lebre (2 Boe,, Freib. i. Br. 1890); Ed. Grimm, Zur
Geſchichte des Erfenntnisproblems (Lpz. 1890); Hey:
mans, Die Gefege und Elemente des wiſſenſchaft—
liben Dentens. Ein Lehrbuch der E. (2 Boe., ebd.
1890 — 94); Uphues, Pſychologie des Ertennens
vom empiriiben Stanbpuntte (Bd. 1, ebd. 1893);
Schuppe, Grundriß der €. und Logit ur 1894),
Erfenntnidvermögen, früberphilof. Ausdrud
für den Inbegriff der zur Ertenntnis zujammenmwir:
lenden Faktoren (mie — Begriff u. ſ. w.).
Erfennungsmarfe, ein Blehtäfelben mit
Angabe des Truppenteild und der Nummer ber
Kriegsitammrolle des Inhabers, trägt jeder deutjche
Soldat (einſchließlich Offiziere) im Nebe an einer
Schnur um den Hals auf bloßem Leibe behufs Feit:
jtellung der Berfönlichteit bei Bermwundungen u.|. w.
Erfer, ein aus dem Gebäude herausgekragter,
von unten nicht direkt unterftühter Gebäubdeteil, der
durch ein oder mehrere Etagen geſchloſſen ——
und als Erweiterung des dahinter liegenden Raus
mes dient. Die ſchönen E. des Mittelalters nennt
man Ebörlein (f.d.). Die deutiche Nenaiflance
bradte den Erferbau zur größten Entwidlung.
Hervorge * aus dem Befeſtigungsbau (wie
> am jog. Rafjauer Haus zu Nürnberg), wurden
€ iu einem der mictigiten Schmudgliever an
Schlöffern und Wohnbäujern und Fehlen taft niean
Bauten jener Zeit. Der Hlafficismus wußte mit
ibnen wenig anzufangen, Man verbot die E. in
vielen Städten, weil fie angeblih den Nachbarn
Licht und Ausfiht nehmen. In neuerer Zeit haben
fie in Deutichland wieder eine weit verbreitete Ver:
wendung gefunden und für die reichere Geitaltung
ſowohl der Façaden ald der Innenräume reizvolle
Motive geboten.
Erflären, durch Auseinanderjegung klar ma:
ben, dem Berftändnis nabe bringen. Einen Begriff
erllären beißt, genau angeben, was darin gedacht
iſt (f. Definition). Eine Thatſache erllären heißt, fie
auf ıbr Geieg zurüdfübren, fo daß die einzelne That:
ſache nicht in ibrer Bereingelung verbarrt, fondern
durch Erlenntnis ibrer Gleihartigteit mit andern
und genaue Fejtjtellung ihrer gejegmäßigen Be:
dingungen in einen weitern Bulommenhang ein:
ronet und dadurch verjtändlider wird. (S.
rie.) Über die Erllärung von Schriften, Ge:
ba u. ſ. w. ſ. Snterpretation; über Erklärung der
ibel f. Eregeie. _ _ EN,
Erfuer, Dorf im Kreis Nieverbarnim des
yreuf. Reg.:Be3. Botsvam, am jhiffbaren Kanal
ihen Slafen= und Dämerikjee, an der Linie
Iin:oblfurt:Breslau der Preuß. Staatöbabnen,
mit Rorortverfebr nach Berlin und Fürjtenwalde
169
und Dampferverlebr, hat (1900) 3119 E., darunter
184 Katholiten, Pot, Telegraph, Fernipredan:
ihluß, Genezaretblirdhe —* Fabrilation von
Teerprodukten und Kohlenſäure ſowie Kalkbrennerei.
Erfoberung, j. Errungenſchaft.
Erkrath, Dorf im Grub eg.Bez. und Land:
frei3 Düfjeldorf, an der Düffel und der Linie M.:
Gladbach⸗ Schwerte der Preuß. Staatöbahnen, hat
(1900) 5785 E., darunter 1467 Evangeliſche und
28 Jöraeliten, (1905) 6061 E., Boft, Telegraph, kath.”
und evang. Kirche; Weberei, Hochofen, Gerberei,
Badpapierfabritation und Ziegelei.
Erlach. 1) Bezirk im ſchweiz. Kanton Bern,
en dem Dieler und dem Neuenburger See, der
Ziehl und der dur die FJuragemäjlerregulierung
entjumpften Ebene des Großen Moors im berni:
hen Seelande gelegen, bat 78,2 qkm, (1900)
7077 €. in 14 Gemeinden. — 2) E. franz. Eerlier,
Stadt und Hauptort des Bezirls E., 15 km ſüd⸗
weitlih von Biel, in 444 m Höhe, auf dem jüd:
weitl. Ufer des Bieler Sees, am Fuße des Jolimont
er m), Dampferftation, — altertümlich gebaut,
at (1900) 849 meijt evang. E., Poſt, Telegrapb, ein
hochgelegenes Schloß, ehemals Sit der Amtöbebörs
den, mit einem uralten Turm, eine ftaatlihe Ret:
tungsanftalt für Knaben; ferner Uhrmacherei, Wein:
bau, Landwirtſchaft, Jahrmärkte und etwas Wein:
handel. Nicht weit von E. liegt das alte Klofter
St. Yohanfen, jest Strafanitalt; auch tritt in der
Nähe ein Steinfohlenflöz zu Tage. Am Djtufer des
Sees bei E., bei Lüſcherz und weiter nörblich bei
Möringen, wurden zahlreiche Überreite von Pfahl:
bauten gefunden.
Erlach, eins der ältejten Adelsgeſchlechter der
Schmeis, deſſen Stammhaus E. am Bieler See it,
urkundlich —— zwiſchen 1212 und 1220 unter den
Miniſterialen der Grafen von Welſch-Neuenburg
— erwähnt, von denen es die Kaſtellanei
von E. zu Lehen trug, ift feit 1250 in Bern einge:
bürgert, dem eö mebrere hochverdiente Kriegs: und
Staatömänner jhentte und dejjen höchſtes Staats:
amt, die — ———— von 1444 bis 1787
jfiebenmal von Gliedern diefes Geſchlechts bekleidet
wurde, Ulrich von E. follan der Spibe der Berner
am Dombühl (2. März 1298) über Pape und
den babsburg. Adel gefiegt baben (ſ. Bern). —
Rudolf von E., Ulrichs Sohn, war angeblich der
berniſche Feldhauptmann in der jiegreihen Schlacht
bei Zaupen, 22, Juni 1339, was aber von einigen
Zn beitritten wird. — Hans un von
. (1595— 1650) war ein ausgezeichneter Feldherr
und Staatömann, der zahlreiche Feldzüge im Dienite
Venedigs, Fr Ehrijtians von Anhalt, mit dem
er in der Schlaht am Weißen Berge 1620 ge:
—— wurde, des Markgrafen von Branden:
urg= Jägerndorf, Ehriftians von Braunjchmeig,
Guftad Adolfs von Schweden mitmachte, namentlich
aber am Ende des Dreißigjährigen Krieges als
Generalleutnant Bernhards von Weimar eine
wichtige Rolle fpielte, zum Gouverneur der 1638
eroberten Feitung Breiſach ernannt und nad deren
fibergabe an Frankreich auch vom dortigen Hofe in
... Stellung bejtätigt wurde. In franz. Solde
nahm er an den Kämpfenam Rbeinund in Badenteil,
entſchied 1648 den Sieg bei Lens und fämpfte an
Turennes Stelle gegen die Fronde. Vgl. von Gon:
— General Hans Ludwig von E. (3 Bde.,
Bern 1880—82). — Hieronymus von €. (1667
— 1748) diente zuerſt im franzöfifchen, dann, während
170
des Spanifchen Erbfolgetrieges, im öfterr. Heere,
in weldbem er bis zum Generalfeldmarſchallleut—
nant aufrüdte, wurde 1712 von faifer Karl VI.
in den Reichsgrafenſtand erhoben, 1745 vom Kaiſer
Franz I. in diefem Stande bejtätigt und ftand 1732
—47 ald Scultbeiß an der Spibe der Stadt und Re:
publit Bern. — Karl Ludwig von E. (1746—98)
ftand bis zum Ausbruch der Revolution in franz.
‚Dienften und wurde 1798 beim Einbrud der Fran:
ofen in die Schweiz an die Spike bes berniſchen
Geers geitellt. Von den Franzoſen unter Schauen:
burg angegriffen, erlag er in den ebrenvollen Ge:
fechten bei Fraubrunnen und im Grauholz der fiber:
macht und wurde auf dem Rüdzuge 5. März 1798
von bernifchen Landſtürmern ermordet.
Erlaf, aubErlaufund Erlapb,redhterNieben:
fluß der Donau in Niederöfterreih, fommt mit ihrer
Hauptquelle vom Zellerrain an der nördl. Grenze
von Steiermarf, an der fie auch nad dem Durchfluſſe
durch den Erlaffee nod eine Strede weiter entlanı
fließt. Sie mündet nach einem 67 km langen Sau
bei Bechlarn.
Erlangen. 1) Bezirfsamt im bayr. Reg.Bez.
Mittelfranten, bat 233,36 qkm und (1900) 13040
(6278 männl., 6762 weibl.) €. in 30 Gemeinden,
darunter 1 Stadt. — 2) Unmittelbare Stadt, nörb:
lich von Nürnberg, am Ein:
fluß der Unten Schwabach
| in die Regnisg, in 280 m
J Höhe, am Ludwigskanal, an
der Linie ar
Hof und den Nebenlinien E.:
Gräfenberg (28km) und €.
Herjogenaura km) der
Bayr. Staatsbahnen, zerfiel
, früber in die jeit 1822 zu einer
een vereinte Altſtadt und Neuſtadt,
welch lektere zu Ehren des Markgrafen Chriſtian
Ernſt von Brandenburg-Bayreutb, der dieſen Teil
den nad der Aufhebung des Edikts von Nantes
aus Frankreich vertriebenen PBroteftanten 1686 ein:
räumte, auch Ebriftian « Erlangen genannt wurde,
Die Stadt ift Sik des Bezirldamtes, eined Amts:
erichts (Landgericht Fürth), Nebenzollamtes, eines
Rente, Forft: und Aichamtes ſowie einer Bahn: und
Boitverwaltung, ftaatlichen rg ie Sanftalt
für Nahrungs: und Genußmittel, Bezirtäfomman:
dos und Bezirlögremiums und hat (1900) 22953
(12215 männl., 10738 weibl.) E., darunter 6639
Katholilen und 198 Jsraeliten, (1905) 23737 E.,
Boftamt zweiter Klafie, Telegrapb und Fernſprechein⸗
rihtung, in Garnijon das 19. Infanterieregiment
König Victor Emanuel II. von Stalten und 10. Feld⸗
artillerieregiment, 2 [uth., je 1deutſch⸗ reform., franz.:
reform. und fatb. Kirche, eine 1846 errichtete reis:
irrenanftalt, einen Vorſchuß⸗ und Kreditverein, Uni:
verjität, ein fönigl, Oymnafium (1745 gegründet),
eine fönigl. Realthule böbere Mädchenſchule, ge:
werbliche Fortbildungsſchule, Hebammenſchule, Kin:
derbewahranitalt, ftäbtiiche Rettungsanftalt, Wafler:
leitung, Kanaliſation, Gasbeleudhtung, Schlachthof
(1890) und 2 —— Bon öffentlichen
Denkmälern verdient ähnung das von
Schwanthaler mobellierte und von Stiglmayer in
Erz gegoſſene Standbild des Markgrafen Friedrich,
Stifter8 der Univerfität, welches no 1. 1843
vor dem Univerfitätsgebäube auf dem Schloßplage
errichten ließ; ferner das ebenfalld von Ludwig I.
jur Erinnerung an die Erbauung des Ludwigs—
Erlaf — Erlangen
fanala errichtete Dentmal, deſſen Skulpturen aud
von Schwanthaler find; auf dem Luitpoldplatze das
Erzſtandbild des Medizinerd Herz, von Profeſſor
Zumbuſch modelliert; der Pauliſche Kunjtbrunnen
auf dem Marltplatz, nad dem Entwurf von Wan:
derer:Nürnberg 1889 von Schwabe, Lenz und Leiftner
ausgeführt; das Kriegerdentmal (1890, von Wan
derer); im Scloßgarten eine unvollendete Reiter:
hal Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfüriten
älfhlih «Markgraf» genannt), und ein aroßer
pringbrunnen mit 45 tleinen Statuen; das Denl:
mal Kaiſer Wilhelms 1. (1897,vonSchwabe). Dieleb:
bafte Jnduftrie der Stadt erftredt fi auf Baum:
wollipinnerei, Weißgerberei, ferner Fabrikation von
—— die einen großen Teil Deutſchlands
verſieht, von elektriſchen und mediz. Apparaten,
eterie⸗ und Portefeuillewaren, Spiegeln und
innfolien, Tabat, Elfenbein:, Horn:, Kamme, Bür:
en: und Holzgalanteriewaren, Badpapier, Baum:
mwollzwirn; ferner befteben in E. 15 Brauereien,
melde jährlich über 160000 hl Bier ausführen.
Die Univerfität, feit Mai 1889 in einem nad
Entwürfen von Profeſſor Romeis: Münden erbau:
ten Gebäude, verbanft ihren Urfprung dem Mart:
rafen Friedrich von Brandenburg: Bayreuth, der
ee 1742 für feine Reſidenz Bayreutb jtiftete, fie
aber bereit? 4. Nov. 1743 nah €. verlegte. Ihre
Mittel waren anfangs jehr beihränft, in fpäterer
Zeit wurden aber Fonds und Inſtitute anſehnlich
vermehrt, jo beſonders durch den Markgrafen
Alerander, dem zu Ehren fie den Namen Friedrich⸗
Aleranderd:Univerfität führt, ebenfo unter der preuß.
und gegenwärtig unter der bayr. Negierung. Die
Zahl der Docenten betrug 1898: 60, der Studie
renden 1883 etwa 700, 1900/1: 986, 1902/3: 964,
24 Hörer und 10 Hörerinnen. * ehemaligen marl⸗
räfl. Schloſſe befindet ſich die Univerſitätsbibliothel
180000 Bände, etwa 1700 Handſchriften und viele
Handzeichnungen niederländ. und deutſcher Meijter
des 15. und 16. Jahrh., jo von Dürer allein 20 Blät:
ter), in der 1840 zu Univerfitätsjmeden eingerichteten
Schloßlirche das mineralog. Inftitut; Die übrigen
Inſtitute (das zoolog.:jootomilce Inftitut, die Ana
tomie, die beiden hem. Laboratorien) befinden ſich in
eigenen Gebäuden um den der Univerfität gebörigen
Schloßgarten herum; ein neues pbyfil. und ein phar:
malol. Inftitut wurden 1893, das neue Anatomie
gebäude 1895 vollendet, die Mittel für ein neues
pharmaceut. Inſtitut ſowie für Erweiterung des
chem. Zaboratoriums — Zur Univerfität
5* ein Krankenhaus, eine Augenllinik, chirutg.
linik, Entbindungsanſtalt mit Hebammenſchule,
ein anatom. Theater, pathol.:anatom. Inſtitut,
botan. Garten, em. Laboratorium, phyſik. und
mineralog. Kabinett, phyſiol. Inftitut u. ſ. w.
Bis zu Ende des 18. Jahrh. befand fid in E.
eine Burg der Ritter von E. — 2 der Nähe die
viel bejuchten Vergnügungsorte Rathsberg mit
Schloß und Ausfihtsturm, Aßel3berg mit Schloß,
Spardorfund Marloffftein mit Schloß. Schöne
zur änge bietet auch ver Altſtädter Berg, ein
Ausläufer des Fränkiſchen Juras, an deſſen Fuß all:
jährlih zu Pfingjten die Bergkirchweib abgebalten
wird, — E. ift ſehr alt, brannte wiederholt ab, ae
Brig zur Zeit der Gauverfafjung zum Ratenzgau,
am 1017 vom Bistum Würzburg an Bamberg,
1361 an Böhmen, erhielt 1398 Stadtrechte durch
König Wenzel, kam 1400 an die Burggrafen von
Nürnberg, 1541 an die Markgrafſchaft Bayreuth,
Erlanger Blau — Erle (Pflanzengattung)
1791an Preußen und 1810 an Bayern. —
merd, Geſchichte der Stadt €. (2. Aufl.,
1343), derj., E., ein Führer durch die Stadt und ihre
Sehenswurdigleiten (ebd. 1879); Stein und 2. Mül:
ir, Die Geſchichte von E. in Wort und Bild (ebd.
1898); Feſter, Beiträge zur Geſchichte der Univerfis
tät €, (Yp3. 1901).
Erlanger Blau, f. Berliner Blau.
Eich ‚„ Nebenfluß der Donau, j. Erlaf.
Erlaf. Wenn ein Gläubiger auf feine Forde:
rung durch einfeitige, von dem Schuldner nicht
angenommene Erflärung verzichtet, fo ift das wir:
tungslos. Der €. gilt nur als Erlaßvertrag, er
bt das Forderungsrecht auf, oder giebt dem
>huldner eine Einrede gegen den von dem Gläu-
biger troß des E. jpäter erhobenen Anfprud. Ein
E. kann wie ein jhuldbegründender Vertrag ver:
ſchiedene Causae |. Causa) haben; er kann abge
ſchloſſen jein, weil der Gläubiger dem Schuloner
damit ſchenlen will, oder fich die Parteien verglichen
baben oder der Gläubiger durch einen andern Ber:
mögenäwert entſchãdigt wird. Aber der E. wird nicht
dadurch ungültig, daß der Rechtsgrund, welcher die
Barteien zum Grlaßvertrage bejtimmt hat und dem:
felben zu Grunde liegt, in dem €, feinen Ausprud
den bat. Entbebrt freilich der E. eines gültigen
techtögrundes, jo fann der Gläubiger den €. ton:
bizieren, d. h. zurüdfordern. (S. Bereiherung und
Bereiberungsllage.) Der E. kann aud in der Weife
ftattfinden, daß der Gläubiger durch Vertrag mit
dem Schulbner anerlennt, daß das Schulpverbält:
mis nicht beſtehe (Deutfhes Bürgerl. Geſetzbuch
397, jog. negativer Anerkenntnisvertrag). Eine
ormvorſchrift beftebt für den E. nit. (S. auch
3erzicht.) — In einem andern Sinne bedeutet €.
die Berfügung eines Landesherrn, eines Staats:
minifteriums, einer Oberbehörbe.
Erlafjahr, j. Halljabr und Jubeljahr.
Erlaffünde, läßliche Sünde (lat. peccatum
veniale), nad) der kath. Moral im Unterjchied von
den Zodjünden (j.d.) eine Sünde, die vergeben wer:
den kann, auch ohne gebeichtet zu fein. (S. Sünde.)
aftag, |. Gründonnerstag.
Erlau, ungar. Eger (mittellat. Agria), Stadt
mit georbnetem Magijtrat im Hevejer Komitat
in m, früber ; ai 1 an ber €. und der
iglinie Füzes:Abony:E, (17 km) der Ungar.
Staatsbahnen, in einem tiefen, von Weinbergen
umſchloſſenen Thale, in 155 m Höhe, iſt Siß ber
Komitatäbehörden und eines kath. Erzbiſchofs und
bat vier Vorftädte, enge, vernadhläffigte Straßen
und (1900) 24893 meiſt fath. magyar. E. in Gar:
niion 2 Bataillone des 5. und 1 Bataillon des
60. Infanterieregiments, zahlreiche Kirchen, Klöfter,
öffentliche Gebäude, Erziehungs: und Wohlthätig:
katsanftalten, darunter eine große Domlirche im
ital. Stil, nah Entwürfen des ungar. Arditelten
Hild vom Erzbiihof Ladiſſaw Porter 1831 —37
erbaut, in Form eines lat. Kreuze mit Kuppel
(38 m) und zwei Türmen (56 m); ferner eine Kirche
der Barmberzigen Brüder, gegenüber ein ſchönes
Rinaret (35 m), liberrejte einer Mofchee, einen erz⸗
biihöfl. Balaft mit wertvoller Bibliothet (45 000
Bände), ein vom Erzbiihof Graf Ejterhäzy 1765
35 erbautes Lyceum mit Bibliothel und 56 m
hohet Sternwarte; ein Ciftercienfer-Obergymna:
kum, erjbiichöfl. Seminar, Lehrer: und Lehrerinnen:
mäparandie, Zeichenſchule und ein großes und reich
dotierte, von dem Dombern J. Komäromy 1830
171
a0 Lam: gegeünbeieh, teils erzbiichöfliches, teils ſtädtiſches
langen
oipital und eine Sparkaſſe. In der Nähe des erz:
biihöfl. Parks zwei gut eingerichtete Badeanftalten,
das Biſchofs⸗ und Raigenbad mit warmen (31° C.),
gegen Magen: und Hautleiden wirkſamen Mineral:
quellen. Induſtrie und Handel find bedeutend und
werben durch große Wochenmärkte gefördert. Der
Meinbau bildet die Hauptbejhäftigung; der Er:
lauer Bein ift ber befte rote Wein Ungarns und
auch im Auslande geſucht. Auf einem Ausläufer
des Almägyberges find die Ruinen des ehemaligen
Schloſſes, durch Pyrker in einen Ralvarienberg ver:
wandelt und mit jhönen Anlagen verjehen. Da:
ſelbſt das Grabmal des tapfern Verteivigerd von
E. gegen die Türken, Dobs. Seine Bedeutung ver:
dankt E. namentlich dem jehr alten, angeblich noch
von St. Stephan. 1009 gegründeten Bistum, bas
ug wegen feines Neichtums den vierten Königs:
obn auf Fin Koſten erzieben und erhalten mußte
und 1804 zum Erzbistum erhoben wurde. Es um:
aßt Teile der Komitate Heves, Abauj:Torna, Bor:
od, Szaboles ſowie die frübern «freien Dijtritte»
azygien, den Haidufendtftrilt und Großfumanien
mit über 780000 tath. E. — 1241 von den Mon:
golen zerftört, wurde die Stabt 1261 wieder auf:
gebaut und mit Ringmauern befeftigt. 1460 und
1468 fanden bier Landtage ftatt; 1552 verteidigte
ber tapfere Stephan Dobö gegen türk. Üübermacht
(150000 Mann) die Stabt vom 10. Sept. bis 12, Oft,
und wehrte unter beldenmütiger Teilnahme der
Frauen 13 blutige Stürme ab. 1563 fam €. in
König Ferbinands I. Hand; 1596 eroberte fie Sul:
tan Mohammed II. Erft 17. Dez. 1687 wurde Stabt
und Schloß aus der Türtenmacht befreit.
Erlaubt (im ethiſchen Sinne), ſ. Adiaphora.
Erlaucht (ältere Form für «erleuchtet»), ehedem
ber Titel der regierenden Reichsgrafen, fommt nad)
dem Bundesbeſchluſſe vom 13. Febr. 1829 als Prä⸗
difat den Häuptern der vormals reichunmittel:
baren, jet mediatifierten gräfl. 43 zu. Doch
fann jeder deutſche Souverän das Prädikat auch
andern Perſonen verleihen. €. und Durchlaucht
(j. d.) hatten früher gleiche Geltung; fpäter wurde
das Prädifat Durhlaudt nur fürjtl. Berfonen bei:
Erlauer, Bein, |. Erlau. [gelegt.
Erlauf, Fluß, ſ. Erlaf.
Erlbach. 1) Flecken in Mittelfranken, ſ. Martt:
Erlbach. — 2) Dorf in Sachſen, ſ. Bd. 17.
Erle, aud Eller over Elfe (Alnus L.), Bflan:
engattung aus der Familie der Betulaceen (f. d.).
Kr nicht zahlreichen, über die nördl. Halbkugel zer:
ftreuten Arten find Bäume und Sträucher mit geftiel:
ten, rundlichen oder eiförmigen, am Rande gejägten
oder gezähnten, felten fiederförmig eingejchnittenen
Blättern, und von den ihnen zunädjit verwandten
Birken vorzüglih dadurch unterfchieden, daß die
weiblichen Räschen nach der Blütezeit fib in bol-
zige Zapfen umgejtalten, die nadı dem Ausfallen
der meiſt edigen und ungeflügelten Samen (Nüß:
hen) noch lange Zeit an den Zweigen hängen bleis
ben. Außerdem jteben bei den E. unter den ſchild—
förmigen Schuppen ber männlichen Kätzchen je drei
geionderte, von vier rabförmig auögebreiteten Hüll:
blättern umgebene, viermännige Blüten, unter den
faft ganz eiförmigen Schuppen der weiblichen Kätz—
hen bloß zwei Stempel. Bei der Mehrzahl der E.
ſtehen die Kätzchen zu mebrern traubenförmig an
einem gemeinſchaftlichen Stiele, der ſich ſchon im
Sommer vor der Blütezeit entwidelt. Davon macht
172
bloß die Grün: oder Alpenerle eine Ausnahme.
Man kennt bis jegt etwa 14 Erlenarten.
Die beiden gemeinjten europ. Arten find bie
Schwarz: und die Weißerle. Die Shwarzerle
(Alnus glutinosa Gärtn.), aud gemeine, rote
oder ſchwarze E. oder Roterle genannt, be:
jet oberjeit3 Hlebrige und kahle, unterjeit3 in den
Rippenwinteln braunbärtige, ſonſt ebenfallö table,
verfebrt=eiförmige, abgerundete oder an der Spiße
eingebuchtete, am Grunde ganzrandige, fonft ein:
fach bis doppelt gezähnte oder gejägte, oben glän—
end dunfelgrüne, unten matt bellgrüne Blätter.
Die Knoſpen find geftielt, ftumpf, die Kägchen 5—
6 cm lang, violettbraun. Die Zapfen find eiförmig,
gejhtoflen 10—13 mm lang mit llebrigem, gold:
elbem Wachsharz überzogen, reif lahl und bleiben
iS Spät ins nächfte Frühjahr hängen. Die Nüß—
ben find — 2—3 mm lang, unge:
flügelt oder mit ihmalem lederartigem Saum. Der
höne, ſchlanle Baum wird felten höher als 25 m
und ift im Alter mit riffiger, tafelförmig fi) ab:
löiender ſchwärzlicher Borke bededt. Die Schwarz:
erle ift durch ganz Europa verbreitet, fommt aud
in Aſien und Afrika vor, fteigt in Norwegen noch
bis 300 m, am Harz bis 600 m, in ben ſüdl. Alpen
bis 1200, jelbjt 1300 m Meereshöbe. Vor allem
beanſprucht fie viel Feuchtigkeit des Bodens, im
Gebirge und Hügellande findet fie fich meift an den
Ufern der Bäche und Flüffe ſowie auf Heinern ver:
näßten Stellen inmitten der Nadelbolz: und anderer
Hochwälder. Ausgedehnte mädtige Hochmoore
jagen ihr nicht zu, um jo mehr Wieſen- und Grün:
landsmoore der Niederungen. Erlenbrüde, d.b.
mit Erlennieder: oder Hochwald bevedte jumpfige
Niederungen, finden ſich häufig, 3. B. in Nord:
deutihland in den Auen langjam fließender Ge:
wäjler. So im Spreewald, im Oderbruch, in der
Lüneburger Heide, in Dftpreußen; ferner find Li:
tauen, die baltiijhen Provinzen, au das ungar.
Tiefland reih an Erlenbrühen. Die Schwarzerle
entwidelt feine Wurzelbrut, der Stod behält aber
bis in hohes Alter Ausſchlagfähigleit, wesbalb fie
fih zu Niederwaldbetrieb gut eignet. Das Holz iſt
i H gefällt rötlich, färbt fih aber in Berührung
mit der Luft dunkler rot und ift nur unter beftän-
diger Feuchtigleit im Boden oder unter Wafjer dauer:
Fr t. Im Trodnen wird es bald von Nageläfern zer:
tört. Es ift gut geeignet zu Tiichler: und Drechsler⸗
arbeiten, da es eine jhöne duntle Politur annimmt.
zn Glasfabriten zu Formbolz, zum Glätten des
afelglajes wird vorzüglihd gern Erlenholz ver:
wendet, ebenjo findet es gute Verwertung bei der
Heritellung von Bürften, Bantoffeln, Spielwaren,
Cigarrenliſten u. ſ. w. Als Brennholz ift Erlenbolz
weniger geſucht, obwohl es jelbjt im grünen Zu:
tande recht gut brennt. Gefahren iſt die E. nicht fo
ehr ausgejegt ald mande andere — die
jungen Pflanzen leiden mitunter von Spätfröſten,
noch mehr durch Graswuchs, unter dem fie leicht
eritiden. Später beſitzt fie namentlich in einem
NRüfjeltäfer (Cryptorhynchus lapathi L.), deſſen
Larve im Holze lebt, einen argen Feind, der ſchon
mande Erlenanlage zerjtört bat.
Die Abbildung auf Tafel: Laubhölzer. Wald:
bäume V, Sie. 1, zeigt die Shwarzerle als
Baum, außerdem ı Zriebipige mit den für das
nädjte Jabr vorgebilveten großen männlichen und
tleinen weibliben Käschen, a männliches Blüten:
täschen im Fruhjahre, 3 dreiblütige KRäßchenichuppe
Erle (Pflanzengattung)
von der Seite gejeben, an der Spindel aufſitzend,
4 und 5 diejelbe von vorn und von unten gejeben,
6 und 7 eine vierzipfelige einzelne Blüte mit vier
Staubbeuteln von oben und von der Seite, s weib⸗
liches Blütenläschen, 9 weibliche Blütenihuppe mit
den zivei zweigriffeligen Blütchen, 10 und 11 Zapfen:
ſchuppe von innen (mit den zwei Früchten) und von
vorn gejeben, ı2 eine t, is Querdurdhichnitt
derjelben, ı4 einen reifen Fruchtzapfen, ı5 Trieb:
ftüd mit Blattlnofpe (2, ı4 und ı5 in natürlicher
Gröhe geaämen.
Die Weißerle (Alnus incana DC.), aud nor:
diſche oder Grauerle genannt, bat eiförmig:
länglihe, fpiße, am Grunde abgerundete, ganz
randige, ſonſt ſcharf doppelt geidake, nicht Flebrige,
oben duntelgrüne fable, unten bläulichgraue fein:
behaarte Blätter, gewöhnlich ohne Haarbüfchel in
den Rippenwinkeln. Übrigens ift fie ver Schwarz
erle ſehr äbnlih, doch find die Zapfen höchſtens
lcm lang, auch erlangt fie nicht die Höbe der vori-
gen; die Ninde bes glatten grauen Stammes reißt
im böbern Alter etwa3 auf, verwandelt ſich aber
nicht in losblätternde Borke. Die —— tritt
etwa drei Wochen ei ein al bei der Schwarz:
erle, in Mittelveutihland oft ſchon im Februar.
Die Weißerle ift dur ganz Europa, im weſtl.,
nörbl. und öjtl. Ajien und in Norbamerita verbrei:
tet. In den Gebirgen jteigt fie bedeutend böber ala
die Schwarzerle. In Deutihland und Oſterreich
wächſt ſie beionderd an Bad: und Flußufern, ver:
meidet jeboh faure jumpfige Auen und gedeibt
ganz gut auf trodnerm Boden, jelbjt an Berabän-
en. Die Weißerle ſchlägt nah dem Abtrieb vom
WBurzelbals und reihlih von den Wurzeln aus; fie
—— ſich daher beſonders zur Befeſtigung von
Flußufern u. R Das Holz der Weißerle iſt heller
als das der Schwarzerle und wird ähnlich ver—
wendet. Spätfröſten iſt fie weniger ausgeſetzt, da⸗
gegen ebenſo dem Fraß des Erlenrüſſelläfers.
Eine Baſtardform zwiſchen Weiß: und Schwarz⸗
erle iſt die nur einen Großſtrauch bildende weich—
haarige €. (Alnus pubescens Tausch.); dieſe
iſt namentlich im Norden heimiſch, fommt jedoch
auch in Deutſchland und Oſterreich, ſelbſt noch im
Kaulaſus vor. Ein wichtiger Strauch iſt die Al—
pen: oder Grünerle, auch Droſſel genannt
(Alnus viridis DC.). Die grünen Blattinojpen find
nicht geftielt, jigend, Diemweiblichen Blüten entiwideln
ſich erft mit vem Laubausbrud, die männlichen im
Sommer vorher. Die längliben Nüßchen jind
bäutig:geflügelt. Die Blätter find oben dunfelgrün
tabl, unten hellgrün, an den Nerven bebaart, eiför:
mig, ſcharf doppelt gelägt, in der Jugend Hlebrig.
Die Grünerle —* ſich in der lältern gemäßigten
und kalten Zone der nördl. Halbkugel faſt überall,
feblt in Norbveutihland vom Harz an und in
Standinavien. Ihre eigentlihe Heimat find die
Gebirge, fie fteigt in den ſüdl. Alpen bis über
2000 m öbe; berabgewebter Samen fiedelt
ſich oft auch am Fuße der Berge an. Wichtig tft die
Grünerle für die Aufforftung ag Hochgebirgs
itreden als Vorläuferin weiterer Forſtlultutr. Bon
den füb- und außereutopäifchen E. ift ermähnend
wert die feingejägtblätterige €, (Alnus ser-
rulata Willd.), ein norbameril. Straub, der in
botan. Gärten angepflanzt wird, in Norpböhmen
vermwildert vorlommt. Bon den beiden Hauptarten
der €, giebt es viele, namentlich auf Abweihungen
in der Blattform begründete Varietäten, jo z. B.
Erle (Bauerfchaft) — Erlöfung
die zu Alnus glutinosa gehörigen laciniata Willd.,
ineisa Willd. mit tief gelappten Blättern.
Erle, Bauerſchaft im Kreis Redlingbaufen des
peu. Reg.⸗Bez. Münjter, zur Gemeinde Buer ger
börig, hat (1900) mit Gut Berge 8117 E.
Erlenbad, Weiler und Bad im Amtsbezirk
Adern des bad. Kreiſes Baden, zur Gemeinde Ober:
jasbadı (1900: 824 kath. E.) gehörig, 3 km öſtlich
von Ahern, an der Linie Heidelberg: Bajel der Bad.
Staatöbabnen, am Weſtabhange des Schwarzwal:
des, bat etwa 110 E., laumarme (23° C.) eifen= und
jhmweielbaltige Duelle, Kurhaus, Molten: und Trau:
bentur. E. wird ſchon 1469 erwähnt als Erlibad.
Erleubruch, |. Erle. [Zertabbildung.
Erlenrüjfelfäfer, |. Berborgenrüßler net
Erlenftegen, ebemalige Landgemeinde, jeit 1899
zu —— ebörig.
Erlenze fg, ſ. Zeifig und Tafel: Mittel:
europäijhe Singvpdögell, Fig. 1, beim Artitel
Eingvögel. ,
Erler, Franz Ehrijtopb, Bildhauer, geb. 5. Dit.
1829 in Kisbüdl in Tirol, kam 1850 zu einem Holz:
ſchnitzer in Kufſtein in die Lehre, wurde dann in
brud und an der Wiener Alademie weiter
ausgebildet, beteiligte ſich zunächſt an dem bildne—⸗
riſchen Schmude für die neue Kirche von Altlerhen:
—— und ſchuf dann für diejenige zu VBöslau bei
ien mebrere Figuren von Sandftein. E3 folgte
1871 die Marmorjtatue des Grafen Niklas Salm
für die Ruhmeshalle im Wiener Arfenal, 1873 die
Figuren in der neuen Kirche in der Brigittenau,
1875 die —— in der Fünfhauſer Pfarrlirche
ferwie die lebensgroßen Apoſtelfiguren für die Votiv⸗
fire. Anläßlich der Rejtaurierung des St. Ste
phans doms lieferte E. den Adlerturm die Sta⸗
tuen Kaiſer Friedrichs IV., Maximilians J., Ma:
rias von Burgund, Kaiſer Franz Joſephs und der
Kaiferin * eth, 1878 den heil. Laurentius an
der Facçade ſowie das Epitaphium des Erzbiſchofs
Kardinal Othmar Rauſcher im Innern des Doms.
In neueiter Zeit vollendete der Künjtler neun Sta:
tuen für das Stift Kloſterneuburg. E. lebt in Wien,
Erleuchtung (lat. illuminatio), in der firhlichen
Sprache die Mitteilung der Ertenntnis der göttlichen
Wahrheit, vermittelt dur das Wort Gottes oder
durch Geſetz und Evangelium. Die fpätern luth.
Dogmatiler wiejen der E. in der jog. Heilsordnung
die ——— Stelle an, nach der Berufung (j. d.). Bon
der E. durd das Wort unterſcheidet man eine außer:
ordentliche und wunderbare E. deren die Propheten
und Apoſtel, überhaupt die Träger der göttlichen
Difenbarung gewürdigt wurden.
Erlewin, j. Erwin.
Erling, Gemeinde in Oberbayern, ſ. Andechs.
Erlitz, Nebenfluß der Elbe, ſ. Adler.
‚Erliggebirge, Gebirgszug im Glatzer Gebirgs⸗
viered, ſ. Bohmiſche Kämme.
Erlkönig, in der deutſchen ha und Mufit
der König der Waldgeiiter, der den Menſchen durch
jeine jhmeichelnpen Verlodungen Unbeil und Ber:
derben bereitet. Das Wort iſt durch Herder ins
Deutihe eingeführt, der das dän. «Ellelongen» (ent
fanden durch Vollsetymologie aus «Elvelongen»,
in Rorwegen «Elletrold», d. b. Elfenkönig) aus
Rikverftändnis (nad «Eller», d. i. Erle) mit E.
überfegte. Das urfprünglihe Lied weiß nur von
GsTöhtern, d. i. den Elfen, zu erzählen; erſt Goethe
hat aud ihren Bater zur halt gemadht.
Erlon, franz. Marjcall, ſ. Drouet d’Erlon.
173
Erlöfer (Erretter; grch. söter), gleichbedeutend
mit Heiland (j. d.) ala Beiname Ehrijti in Beziehung
auf die Wirkungen feines Todegleideng (ſ. Erlöfung).
tlöferorden, einziger griech. Orden, geitiftet
durch die®eneralverfammlung der Hellenen 12. Aug.
1829 zur Erinnerung an die Erlöfung des Landes
vom türk. Joche, von König Otto mit Statuten vers
feben 1. Juni 1833, erweitert 26. (14.) Aug. 1848,
mit neuen Statuten verjehen 9. Mai 1863. Er
bat fünf Klaſſen: 12 Großfreuze, 30 Großlomture,
70 Komture, 240 Nitter des goldenen Kreuzes und
Ritter des filbernen Kreuzes in unbefchräntter Zahl.
Um das Orbenszeichen, ein weißes, adhtipigiges
br Kari der Königskrone, befindet ji ein Kranz
von Eichen: und Lorbeerblättern, auf der Border:
feite das Bild des Crlöferd mit der Umfchrift
«Herr, Deine rechte Hand ijt verberrlicht mit Kraft»,
auf der Rüdjeite das griech. Kreuz und die In—
chrift «Geftittet von der IV. griech. Nationalver:
ammlung in Argos 1829». Der E. wird an blauem,
weiß eingefaßtem Bande getragen, von der fünften
und vierten Klafje auf der Bruft, von der dritten und
zweiten (nebjt Brujtitern) um den Hals, von der
eriten an breitem Bande von der linten Schulter zur
rechten Hüfte, (S. Tafel: Die wichtigſten Or:
den 1 Bio. 40.) [ſ. Birgittenorden.
Erldferorden, Moönchs- und Nonnenorden,
Erlöfung (lat. redemtio), in der Dogmatik im
allgemeinen Befreiung der durd die Sünde Gebuns
denen und Gefangenen. Im Alten Teftament wird
das Mort von der Befreiung des Volkes Gottes
von feinen Feinden, oder des Gerechten von feinen
Leiden gebraudt, ohne ausdrüdliche Beziehung auf
die Sünde. Im Neuen Tejtament wird es in engjte
Berbindung mit Ehrijti Werk gefebt und nament:
lih von Paulus in dem Sinne einer Loskaufung
der unter dem —— Menſchheit von dem
Fluche des Geſetzes (Gal. 3, 13; 4, 5), oder auch von
der göttlihen Strafgerechtigfeit (dem göttlichen
Zorne). Als gezahltes Löfegeld wird Shrifti am
Kreuze vergofienes Blut bezeichnet (Röm. 3, 24 fg.;
Hebr. 9, 13 fg.; vgl. Matth. 20, 28), und die Wirkung
des vergofjenen Blutes als eines Sühnopfers ijt
neben der eiung vom Geſetzesfluche die Sünden:
vergebung und Rechtfertigung wie die Annahme zur
Kindihaft bei Gott (Rom. 3, 24-26). Andererſeits
wird = Chriſti Tod die Befreiung der Gläubigen
von ber erricpaft ber Sünde im Seil (Röm.6 10.;
8, 3) oder von der Ungerechtigleit, dem böjen Wans
del jelbit (Tit.2, 14; 1 Petri 1, en zurüdgeführt.
Verwandt iſt die Vorftellung der Heinern paulini:
ſchen Briefe und des Hebräerbriefö von der durch
den Tod Ehrijti gewirlten Errettung der Gläubigen
von den Mächten der Finfternis. Im Anſchluß
ieran betrachteten die ältern Kirchenlehrer (Itenäus,
rigenes, Öregor von Nyfja, Ambrofius, or
u.a.) die E. als eine elung von des Teufels
Gewalt und göttlihe Reuſchaffung der Menſchheit
in —*0 ge on, wobei jein Tod als ein dem Zeufel
gezabltes öfegeld erklärt wurde, das diefem jedoch
entging, weil er die Seele Chriſti nicht feftzubalten
— Anſelm von Canterbury begründete
zuerſt die jpätere Lehre, wonach Chriſti Tod das
von der heleidigten Ehre Gottes geforderte Löſegeld
jei, infolgedeſſen der zn Gottes Genüge
eicheben und jo die E, der Sünder vom ewigen
erberben ermöglicht worben jei. Die Begriffe E.,
Verjöhnung, Sühnung und ftellvertretende Genugs
thuung floſſen ſeitdem ineinander.
174
Der ältere Proteftantismus bat dieje Theorie im
weſentlichen beibehalten und nur das eig
wert Ehrijti ald ein doppeltes gefaßt: als ein
dulden der Sündenitrafen und ala ein Erfüllen der
volllommenen Gerechtigleit an unjerer Statt. Die
Rationaliften jaben nah dem Vorgange der Soci-
nianer in dem Tode — nur die Beſiegelung
einer Lehre; Chriſti erloſende un fanden fie in der
erfünbigung des göttlichen Willens, befonders in
der Botichaft von Gottes unveränderlic jündenver:
ebender Liebe und in feinem zur Nachfolge im
uten aneifernden Beifpiel. Kant fand in der Lehre
vom Grlöjungstod Chriſti die emige Wahrheit von
dem rag rain eiden des idealen Menſchen in
ung für den jündigen Menſchen abgebildet. Schleier:
macher ze das Erlöjende in Ebrijtus in bie ur:
bilvlihe Kräftigkeit feines Gottesbewußtſeins, die
auf alle fi im Glauben ihm Anfcließenden eine fitt-
lih und religiös erneuernde Wirljamleit ausübt
und dadurch zuerjt Die Macht der Sünde in und und
erft infolgedeſſen das Schuldbewußtſein befeitiat.
Dagegen faßte Hegel die E. als den notwendigen
Prozeß des Geiſtes, vermöge deſſen das endliche
und im Bewußtſein feiner Endlichkeit gottentfrem⸗
dete und ſchuldbewußte Subjelt zur Erkenntnis
feines urjprünglicen geiftigen Metens oder feiner
ewigen Einheit mit Gott und dadurch zur Befreiun
von den Schranken der Enplichleit, zu denen au
die Sünde gehört, und zur abjoluten Verſohnung
gelangt. Dieje Einheit des Bemußtjeind mit Gott
iſt nach der Hegelihen Schule zuerjt in dem ge:
ſchichtlichen Shritus verwirklicht worden, doch wurde
die abjolute Urbilplichleit Jeſu feit Strauß immer
entſchiedener beitritten. Die neuere vermittelnde
—— hat ſich vornehmlich an Schleiermacher
angeſchloſſen, teilweiſe unter möglichſter Anſchmie—
gung an die alttirhlichen Formeln, wodurch fie der
ejtauration der alten Orthodoxie auch in diefem
Lebritüde die Wege bereitete. Die freifinnige ——
logie der Gegenwart findet das Erlöfende in Chriſtus
in dem in feiner Berjon voll offenbarten göttlichen
Leben, wie dasjelbe in und durch Jeſus Chriſtus
das neue Leben&princip der von ibm ausge angenen
religiössfittlihen Gemeinſchaft (der chriſtl. Kirche)
eworden ift. Doch it bei diefer Auffafung die E.
orgfältig zu unterjcheiden von der Verſohnung
j. d.) oder dem allerdings in Chriſti Berjon berge:
tellten Sindicaftsverbältniffe des Menihen zu
Gott. In welcher Art ſich die Idee der E. auch in
andern Religionen findet, zeigt Bfleiderer in den
Schriften «E. und Erlöjer» (Franlf. a. M. 1878) und
Meligionspbilofopbie aufgeihichtliher Grundlage»
(3. Aufl., Berl. 1836). (S.aub Buddhismus, Bd. 17.)
— Bol. Dilger, Die E. des Menſchen nah Hinduis:
mus und Ebrijtentum (Bafel 1902).
Erman, Adolf, Orientalift, Sohn von Georg
Adolf E., geb. 31. Olt. 1854 zu Berlin, jtudierte in
Leipzig und in Berlin und ift a 1885 außerorb.,
eit 1892 ord. Profejjor der Ägyptologie an der
erliner Univerfität und Direltor des Ägyptiſchen
Mufeums. In feinen Arbeiten: «Die Bluralbildung
bes Agyptiſchen⸗ (Lpz. 1878), «Neuägypt. Gramma⸗
til» (ebd. 1880), «Die Sprache des Papyrus Weſtear⸗
(Gött. 1889), «»Agypt. Grammatik» (2. Aufl., Berl.
1902), «Die Flerion des ägypt. Verbums» (ebd.
1900), wirkte er für die methodiſche Erforichung der
ägypt.Sprace. Wichtige Litteraturdentmälergab er
beraus u.d. T. «Die Närcen des Papyrus Weitcar»
(mit fommentar und Gloſſar, 2 Bde., Berl. 1891) und
2
3
Erman (Adolf) — Erman (Jean Pierre)
«Geſpräch eines Lebensmüden mit ſeiner Seele» (ebd.
1896). Ferner veröffentlichte er «Brucditüde kopt.
Voltslitteratur (Berl. 1897) und «Zauberjprüche für
Mutter und Kind aus dem Bapyrus 3027 des Ber:
liner Muſeums⸗ u" 1901). Agypt. Rulturgejchichte
bietet das Wert «dlgupten und ägppt. Leben im Alter:
tum» (2 Bde., Tub. 1885—87; neue Ausg. 1896).
Seit 1882 giebt er (bis 1894 mit 9. Brugfch, ſeitdem
mit ®.Steindorff) die «Zeitſchrift für ägypt. Sprache
und Altertumstunde» heraus, Seine Hauptichrift
aufnumismat. Gebiet ift die «Gefhichte der deutſchen
Medailleure des 16, und 17. Nabrb.» (Berl. 1884).
Erman, Georg Adolf, Phyſiler, Sobn von
Baul E., geb. 12. Mai 1806 zu Berlin, ftudierte
dort und in Königsberg unter Beſſel Naturmifien:
ibaften. 1828—30 madte er aus eigenen Mitteln
eine Reife um die Erde, deren Hauptzwed war, ein
Neh von möglichit genauen magnetiihen Beltim:
mungen für den Umkreis der Erde zu gewinnen.
| diefe Beobachtungen gründete Gauß zum erjten:
mal eine anne ded Erbmagnetidmus. Für den
eriten Teil feiner Reife bis nad Irlutsk ſchloß er
fih an die magnetometrifche Erpedition an, melde
Hanfteen durch den weitl. Teil Sibiriend unternabm;
die weitere Reife durch Norbafien von der Mundung
des Ob über Ochotsk nach Kamtichatla und von ba
zur See über die rufj.:amerif. Kolonien, ge
tabeiti, um Kap Hoorn und über Rio de Janeiro
zurüd nach Petersburg und Berlin vollendete er
allein. E. war feit 1832 PBrivatdocent, jeit 1834
Brofefior der Phyfil an der Univerfität in Berlin.
Er ftarb 12. Juli 1877. Die Beihreibung feiner
«Reife um die Erde durch Nordafien und die beiden
Dreane» zerfällt in eine hiſtoriſche (3 Bde., Berl.
1833 —48) und eine willenichaftlihe Abteilung
(2 Bde., ebd. 1835—41, nebit Atlas). E.3 Arbeiten
über Erbmagnetismus und andere phyſil. Fragen
w in Poggendorffs «Annalen», den «Aſtron.
ahrichten», in mebrern engl. Denen und,
fomeit fie auf Rußland Bezug haben, in dem von
ibm berausgegebenen «Archiv für wiſſenſchaftliche
Kunde von Rußland» (25 Bde., Berl. 1841—67)
entbalten. 1845—48 gewährte ihmbdie British Asso-
ciation in London und 1874 die kaiferl. deutſche
Admiralität die Mittel, um aus den von ihm ge:
mejienen Werten der magnetiſchen Erſcheinungen
die Werte der Konftanten der Gaußſchen Theorie de#
Erdmagnetismus zu berechnen. Die Ergebniſſe find
veröffentlicht in den «Reports» (1846 — 48) ber
Association und in der mit Pelerſen berausge:
— Schrift « Die Grundlagen der Gaußiſchen
beorie und die Erſcheinungen des Erbmagnetis:
mus im $. 1829 (Berl. 1874).
Erman, Jean Pierre, Hijtoriter, geb. 1. März
1735 zu Berlin, ftanımte aus einer Genfer Familie,
die 1720 nah Berlin übergefiedelt war. Bereits
mit 17 Jahren wurde er Lehrer am franz. Gym—
nafium und nod vor dem 20. Jahre Prediger der
franz. Gemeinde, um deren Entwidlung er ſich die
arößten Verdienjte erwarb, 1766 Direltor ibres
Gymnaſiums und 1783 Oberlonjiitorialrat. 1792
wurde er zum Hiftoriograpben der branbenb. Ge:
fbichte ernannt. Er jtarb 11. Aug. 1814. Sein
Hauptwerk find die noch beute wertvollen «Me-
moires pour servir & l’histoire des refugies» (mit
Reclam, 9 Bde., Berl. 1782—99). — Yal. Gatel,
Jean Pierre E. (Berl. 1804) und die Denlſchrift Butt:
manns in den «Abhandlungen der Königl. Preub.
Alademie der Wijjenfhaften» (1818).
Erman (Paul) — Ermöleben
Erman, Baul, Sohn von Jean Pierre E., Phy:
hier, geb. 29. Febr. 1764 zu Berlin, widmete ſich den
Ratumifienichaften und übernahm früh ein Lehramt
der Raturfunde beim franz. Gymnafium zu Berlin,
1791 aub an der Allgemeinen Rriegsfaule. Bei
Gründung der Univerfität (1810) erbielt er die Bro:
fenur der Phyſik; 1806 wurde er Mitglied der Alta:
demie, und 1810—41 war er Sefretär der matbem.:
boit. Klaſſe derjelben. Er ftarb 11. Dft. 1851 zu
lin. E. bat ſich namentlich um die Lehre von der
Eleltricität, dem Magnetismus, die Hpgrologie,
Optit und Phyſiologie verdient gemacht. — Val. Hu
Bois⸗Reymond in den «Abhandlungen der König.
Alademie der Wiſſenſchaften zu Berlin» (1853).
anrich, Ermanaric, bei den Angelſach—
fen Eormenric, altnord. Jörmunrelr oder Er:
menrelr, jagenberühmter got. König, wahrſchein—
lich identiſch mit dem Dftgoten Hermanarid (ſ. d.),
der 374 dur die Hunnen befiegt wurde und fi
jelbit tötete. In der Heldenjage, die jene biftor.
Geitalt mit einem Mythus vom Himmelsgott Irmin
verſchmolz, ijt er der Typus eines ſchlimmen Ty:
rannen geworben, der, durd die üblen Einflüfte:
rungen jeines böjen Hates Sibich (nordiſch Bilti)
verjübrt, ſeinen eigenen Sohn, fein Weib Sman:
bilt, jeine Neffen, die Harlungen, tötet und feinen
Bruderjohn Dietrib von Bern aus feinem Reiche
vertreibt. Nach Jahren lehrt Dietrib, von Epel
unterjtügt, zurüd und fchlägt den Obeim in der
Schlacht bei Ravenna, der Rabenſchlacht. Bon E.s
Ende durd Dietrich berichtet das in der Nibelungen:
itropbe abgefaßte niederdeutiche Gedicht «Koninc
Ermenrikes döt» (bg. in von der Hagens «Helden:
bud», Bd. 2, Lpz. 1855); dagegen wird E. in der
Eda und nad dem Zeugnis des Jordanes dur
die Brüder feiner gemordeten Gattin getötet oder
verwundet. — Vgl. Heinzel, Über die oftgot. Helven:
fage (Wien 1889); Röpdiger in der «Zeitfchrift für
Vollskunde⸗, Bo. 1 (Lpz. 1889).
Ermähigungsrecdht, j. Moderationsredt.
, Ermatingen, Martifleden im Bezirk Kreuz:
lingen des ſchweiz. Kantons Thurgau, 7 km met:
lih von Ronftanz, in 417 m Höhe, an der Linie
Ronitanz: Winterthur der Schweiz. Norbojtbahn,
auf einer Halbinjel des Unterjees (f. Bodenjee),
gegenüber der Inſel Reichenau, bat (1900) 1725 E.,
darunter 241 Katholilen, Boit, Telegrapb, ſchönes
Ratbaus; Ader:, Obſt⸗ und Weinbau, Fiſcherei
und Handel mit Fiſchen ſowie mit Getreide, Obſt,
Honig und Wein. In der Umgebung find zahl:
reihe Schlöfler und Villen, darunter Wolfsberg und
Ermeland, j. Ermland, [Arenenberg (j.d.).
Ermellöt, ungar. Weingebiet, ſ. Bd. 17.
Ermenonpille (pr. ärm’nongwil), Dorf im
Kanton Ranteuil-le-Haudouin, Arrondifjement Sen:
lis des franz. Depart. Dije, mit (1901) 444, ala
Gemeinde 498 E. Der Drt gelangte zu großer Be:
rübmtbeit durch J. J. Roufjeau, der im Mai 1778
zu E. feinen Wobnjig nahm, 3. li 1778 daſelbſt
karb und auf der jog. Pappelinjel (Ile des peupliers)
im Bart bejtattet ward. 1794 verjegte man die Aſche
des Philoſophen in das Pantheon zu Paris.
Ermihälyfalva (fpr. ehrmihahlj-), Groß: Ge:
meinde und Hauptort des Stublbezirts E. (23461€.)
im ungar. Komitat Bihar, an den Linien Debreczins
firalpbaza und Großmarbdein:E, (67 km) der Ungar.
Staatsbabnen, bat (1900) 5575 meijt reform.
maayar. E., und Sparlaſſe.
Grminonen, j. Herminonen,
175
Ermitage (fr;.), ſ. Eremitage und Hermitage.
Ermland (Warmia), aub Ermeland, Land:
ftrih im preuß. Neg.: Bez. Königsberg (f. Karte:
Dft: und MWeftpreußen, beim Artifel Weit:
preußen), zwiſchen Friſching, Bafjarge, dem Friſchen
Haff und Alle gelegen, war urjprünglic eine der elf
Landſchaften, in die fih das alte Preußen teilte,
und, nachdem es von den Deutjchen Rittern erobert
worden, eins der vier Bistümer, in die Bapft Inno—
cenz IV. das Ordensland teilte. Es war dicht von
Deutſchen bevöllert. Der Biſchof von E. ftand an:
fangs in lirchlicher Rüdjiht unter dem Erzbiſchof
von Riga, dann unmittelbar unter dem Bapft und
erlangte im 14. Jahrh. den deutſchen Reichsfürften:
ftand. Durd den Thorner Frieden fam €, 1466 mit
ganz Weftpreußen unter poln. Herrſchaft; mit ihr
egann das gewaltiame Polonijieren des Landes,
Der Biſchof gebörte feitvem dem poln. Senat an,
batte pas Recht, bei Thronerledigungen die preuß.
Stände zu berufen, präfidierte im preuß. Senat
und bieß deshalb Prussiae regiae Primas. Die be
rübhmteften Biihöfe von E. find: Aneas Sylvius
Biccolomini (f. Pius IL), Mauritius Ferber, der
1526 den Nichtlatbolifen den dauernden Aufenthalt
in E. verbot, Stanislaus Hofius (f. d.), der Begrün:
ver des Lyceum Hosianum in Braunsberg (}. d.),
deſſen ftrenge Maßregeln gegen die Reformation zur
Folge hatten, daß die Landſchaft, während rings—
um der evang. Glaube ſich verbreitete, katholiſch
blieb, und Kraficki (j.d.). Die Refidenz des Biſchofs
war Braunsberg, jpäter Heiläberg; gegenwärtig ift
Frauenburg der Sik des Domtapiteld. E. wurde
1772 dem preuß. Staate einverleibt. Friedrich d. Gr.
bob die alte Landesverfafjung auf, und der Biſchof
verlor jeine fürftl. Machtbefugnifie und Einkünfte.
Das Gebiet von E, umfaßt 12 Delanate mit 108
Pfarreien und entſpricht den jeigen vier Kreijen
Braundberg, Heiläberg, Röſſel und Allenftein, die
auf 4250 qkm (1900) 238393 meiſt fatb. E. zählen.
— Bol. Hipler, Litteraturgeihichte des Bistums E.
(2p3. 1873); derf., Analecta Warmiensia. Studien
zur Geſchichte der ermländ. Archive und Bibliothefen
(Braunsberg 1872); Bötticher, Die Bau: und Kunſt⸗
dentmäler der Provinz Djtpreußen, Heft4: Das E.
(Königsb. 1894); Bludau, E., Oberland u. ſ. m.
(Stuttg. 1901); Buchholz, Abrik einer Gefhichte E.s
(Braunsberg 1903); Zeitichrift für die Gejchichte
und Altertumsfunde E.s (ebd. 1858 fg.).
Erms, rechter Nebenfluß des Nedars in Wurt⸗
temberg, entipringt oberhalb Seeburg auf der Alb,
er durh das reizende, objtreihe Erms- oder
rachthal und mündet nad 27 km langem Laufe
bei Nedartenzlingen,
Ermöleben, Stadt im Manäfelvder Gebirgs:
frei des preuß. Reg. Bez. Merjeburg, ſüdweſtlich
von Aſchersleben und norbmweitlib von Mansfeld,
aufeinem fliesrüden an der Selte und an der Neben:
linie Froſe-Quedlinburg der Preuß. Staatöbahnen,
Siß eines Amtägerihts (Landgericht Halle) und
einer Superintendentur, bat (1900) 2950 E., darunter
65 Katbolifen und 29 Yöraeliten, (1905) 2992 E.,
Boft, Zelegraph, ſtädtiſche Sparlaſſe; Kallbrennerei,
Zuderfabrit, 2 Pechfabrilen, 4 Wajjermüblen,
2 Brennereien, Malzfabrit, Aderbau. Zu E. gebören
die Domäne E. mit Zuderfabrif und zwei Ritter:
üter. 2 km entfernt die Ruinen der Konrad3:
urg mit Kirche und Krypta. E., weldhes ehemals
zum Bistum Halberjtadt gebörte und 1648 an Bran⸗
denburg kam, ift Geburtsort des Dichterd Gleim.
176 Ermöthalbahn
Ermöthalbahn (rad: Mesingen), ſ. Deutiche
Eifenbabnen, Überjicht C, I.
Ermüdung, j. Gemeingefübl und Musteln.
Ermunduren, german. Volt, ſ. Hermunduren.
Ernährung, im weiteften Sinne alle dem. und
phofit. Vorgänge, durch welche den Zellen des Tier:
oder Pflanzenlörperö die zu ihrem Leben und zu
ihrem Aufbau notwendigen Beitandteile zugeführt
und verarbeitet werden. Das Leben einer jeben
Zelle berubt auf ununterbrochenen Zerjehungsvor:
gängen; da der Körper bierbei en Stoffe zeritört,
die zu feinem Zellbeitande gebörten, andererjeits
auch für feine Kraft: und Wärmeentwidelung Stoffe
zerftört, jo ift eine Zufubr von Nabrung erforderlich,
und zwar um fo mebr, je lebbafter die Zeriegung®:
vorgänge vor ſich geben. Wird das Leben der Zelle
durch —— — oder rn
bung berabgedrüdt (f. Anabiofe, Winterfchlaf, Som:
merichlaf), dann find die Stoffwechjelvorgänge auf
das niedrigfte Maß geſunken, jo dab monatelang
jede äußere Nahrungszufubr entbehrt werben kann.
Dieſe biolog. Gejehe haben ihre Gültigkeit im
Tierreihe mie im Pflanzenreiche. Ein mejent-
licher —— beſteht nur in der Art des Nähr—
ftoffmateriald. Die Pflanze begnügt ſich in ber
Regel mit relativ einfachen Stoffen, welche fie
aus dem Erdboden und aus der Luft aufnimmt
und unter dem Einfluffe des Sonnenlidts und der
Märme in böbere organiihe Berbindungen um:
wandelt, um mit ibnen die Zellen und den ganzen
Pflanzenleib aufzubauen und zu ernähren. Der
Tiertörper hingegen beſitzt dieje Eigenſchaften nicht.
Ihm müflen bereits hoch zufammengejegte Verbin:
dungen, wie fie die unorganiſche Natur gar nicht
darbietet, ald Näbrmatertal gereicht werben, und
die Lebensvorgänge des Tierlörpers ſtützen ſich dar:
auf, dieje hoch zutammengejekten organiichen Ver:
bindungen zu verbrauden und zu zeritören, joweit
er fie nıcht als jolde direft zum Anjap und Aufbau
eines Körpers ablagert. Hieraus folgt die große
bbängigfeit der €. ver Tierwelt von dem Pflanzen:
reihe. Die Pflanzen bilden die Nährſtoffe, welde
der tierifche Körper zu feinem Leben notwendig bat,
B daß auch der Fleiſchfreſſer nur wieder ganz die:
elben Verbindungen und Näbritoffe verzebrt, welche
vordem der Pflanzenfreſſer, auch ſchon im fertigen
Sullonte, von der Pflanze empfangen bat. Das
oblergeben und die Zunahme der Bevölkerung ift
alio ungemein abhängig von der Produktion der
Pflanzennährſtoffe, welche entweder direlt oder auf:
geipeichert und konzentriert in der Fleiſchloſt ge:
nojjen werden. Für die Kraft und Märmeproduf:
tion, auf die der bei weitem größte Stofiverbraud
entfällt, bedarf e3 nicht ſpecifiſcher Stoffe, fondern
nur der in den Stoffen aufgeſpeicherten Spann:
fräfte, jo daß fi in diefer Beziehung die einzelnen
Nabrungsitoffe nah Maßgabe ihrer hem. Spann:
kraft, d. i. ihrer Verbrennungäwärme, vertreten
fönnen. Dieje Verbrennungswärme beträgt unter
den im Organiämus bejtebenden Bedingungen im
Durbichnitt für 1g Eiweiß und Kohlehydrate 4,1,
eig Fett 9,ı Kalorien, Neben der Kraft: und
Bärmeproduftion iſt für den Erjak der jeritörten
Korperſtoffe ein Heiner Teil von Nabhrungsitoffen
erforderlib. In diefer Beziehung können fi die
einzelnen Näbritoffe nicht vertreten, jonbern jeder
Stoff hat jeine fpecififbe Bedeutung, jo daß für die
verbrauchten und ausgeſchiedenen Stoffe die gleichen
Gruppen ald Erfah zugeführt werden müſſen.
— Ernährung
Für die Zwede einer richtigen E. ift es um:
bedingt erforderlich, daß die Nahrung folgende Be
ftanbteile enthält:
1) Eiweißlörper oder Broteinftoffe (f. d.).
Die Grundſubſtanz jeder tieriihen Zelle find Ei—
weißverbindungen, und mit Recht bezeichnet man
daher die Siweistoffe als ——— he Näbhrſtoffe.
der lebenden Zelle des Tierlorpers und durch
wandeln fi die aufgenommenen Eimeißitojie
in organifiertes, lebendes Eiweiß um. Diefer Bor:
gene verläuft jedoch nicht ganz glatt. Durd die
benäprozejje wird ein Zeil der Eimeißmoletüle
ſelbſt betroffen; fie jpalten ſich und zerfallen in nie
dere Produlte, die num für das Leben der Sn
wertlos und durch den eingeatmeten Sauerſtoff
weiter orydiert und ald Endzeriegungspropulte
aus dem Körper ausgeihieden werben. So wird
beim Menſchen und Fleiſchfreſſert bie LE
ruppe bed Eiweißes größtenteild als Harnſtoff,
ei den Pflanzenfrejjern als Hippurfäure, bei den
Vögeln gr u. f.w. ala Harnfäure im Harne
abgegeben. (S.Stoffwechjel.) Empfängt der Menſch
oder der Tierlörper gar fein Eiweiß in der Nab:
rund, wie bei Hunger oder in Krankheiten, fo ift
die lebende Zelle gezwungen, von ihrem eigenen
Vorrat zu zehren. Je reichlicer vorher die Ei:
weißernährung war, und je größer der in guten
Ernährungstagen angejegte Vorrat von organi»
fiertem Eiweiß ift, deſto länger erträgt der Kür
per den Eiweißhunger und kann in diefem Falle
30 bis 40 Tage und jenr länger ohne jede Eiweiß⸗
zufubr befteben, während ein vorber ungenügend
mit Eiweiß ernäbrter Körper jchon in einer Woche
dem Eimeißbunger erliegt. Es iſt leicht verſtändlich,
daß die Zellen des Körpers nur jo viel Eiweiß ans
egen und organifieren können, als fie jelbft ver
auct haben oder zur Neubildung und zum Wachs
tum benötigen. Ein Überfhuß an Eimweißnabrung
lann jomit im Körper keine Verwendung en,
—— wird zerftört und in Form ber Endzer⸗
etzungsprodulte wieder ausgeſchieden (cirkulieren-
des Eiweiß). Darum fteigt auch mit der Eiweiß—
ufuhr die Größe des Cimeißzerfalled, und Boit
ei daß der Fleiſchfreſſer 480 g und 2500 8 Fleiih
täglih aufnehmen konnte, bei längerer Fütterung
die ganze Menge täglich zerftörte und deren Zer:
etzungsprodulte ausſchied (Stiditoff:-Gleihgemict).
ichtig iſt die Thatſache, daß der Menſch wie auch
der Tierförper bei angeſtrengter Mustelarbeit nicht
mebr Eiweiß — als in der Ruhe. Eine Stei⸗
gerung des Eiweißumſatzes tritt jedoch ein durch
reihlibes MWaffertrinten, durch Zufubr einiger
Salze, Gifte (namentlich Bhospbor) und befonders
dur Temperaturerböhung des Körpers. terer
Vorgang wirkt dirett auf die Lebensprozeſſe der
ellen und zwingt fie zu raſcherer on\umtion.
olche Fälle treten ein bei anftrengenden Märichen,
die eine Überwärmung des Körpers zur Folge
aben, oder bei unvorfihtigem Gebraude von
eißen Dampf» und Sandbädern und bei allen
eberbaften Zuftänden des Körpers. Zur E. bedarf
der erwachjene Menſch bei mittlerer Arbeitsleiftung
nah Voits Beobahtungen täglih 118 g Eiweiß.
2) Fette. Dieſe find dem Körper darum fo
wichtige Näbrftoffe, weil fie im Heinften icht
die größte Menge von Spannkräften enthalten.
Sie find aljo beſonders geeignet, innerbalb bes
Körpers große Mengen von Wärme zu bilden, die
zum Leben notwendige Eigentemperatur zu erhalten
Ernährung
jomie an der Entmwidlung der Musteltraft ſich zu
iteiligen. Zur Rejorption und einer Zerlegung im
Körper find nur jolche Fette fähig, welche unter 40°
Rüifig find. Wo Fett im Körper cirtuliert, lommt
es in Form feinster Tröpfchen vor (Milh, Chylus,
Blutierum, Lomphe). In diefer Form vermag es
vie feinften Kanäle und Spalten im Körper leicht
udurhwandern. An dem Aufbau der Zellen kann
ah das Fett nicht direkt wie die Eiweißſtoffe be:
teiligen. Es wird in beftimmten Zellen, den Fett:
jelen, an verjchiedenen Stellen im Körper ab»
gr bejonders im Unterbautzellgewebe, mo:
durh es dem Körper die runden formen verleiht.
Die Größe der Fettzerfegung und der Fettbedarf
bängt ganz wefentlich von den äußern und innern
Zuftänden des Körpers ab. So zerjtört ber
bungernde Menjc genau jo große Fettmengen, ald
er zur Gleihhaltung feiner Körperwärme bedarf. Bei
jeder körperlichen Arbeitsleiftung, dur die mehr
Kraft verbraucht wird und aud die Wärmeabgabe
infolge der ftärtern Refpiration gefteigert ift, er:
iolgt joiort eine Erböhung des Fettumfages. Wäh:
rend 5.2. ein bungernder Menſch bei körperlicher
Rube im Tage 208 g Fett zeritörte, wurde von dem:
jelben bei Hunger und Arbeitsleiftung faſt noch
einmal joviel Fett (380 g) verbrannt. Stets wird
im Schlafe weniger Fett verbraucht als beim Wa—
hen, und in dem auf einen anjtrengenden Arbeits:
tag folgenden Sclafe ift ver Fettumſaß ſogar noch
um 22 Proz. geringer als während des weniger
tiefen Schlafs nab einem rubig verlebten Tage.
Aud jede Einwirkung von Kälte erhöht fofort den
Fettumfas, jo daß ın falten Klimaten das drin:
endite Bedürfnig nad Fettnahrung befteht. Die
tmengen, welche der ftörper in feinem Fettgewebe
aufipeichert, jind als Rejervenahrung von größter
Wichtigkeit. Sie mahen den Menſchen in bejtimm:
tem Umfange unabhängig von der Nabrungsauf:
nahme. Genieht der Menſch im Dursfemit viel
Fett, ala er täglich zerftört, fo bleibt jein Vorrat
unverändert. Wimmt aber der Menſch mehr Nab:
rungäfette auf, als er braucht, jo wird der ganze
Aberſchuß aufgeipeihert, und es tann der Fettanjak
im Körper jo weit geben, daß krankhafte Fettan—
jammlungen eintreten. Für die Gejamternährun
it noch der Umftand von großer Bedeutung, da
die Darreibung von fetten den Eimeißumjaß ver:
ringert und der Körper bei gleichzeitiger Fett: und
Eiweißzufubr weniger Eiweiß zerftört, als wenn
aur Eiweiß verzebrt wird. Felt äußert aljo eine
eimweißeriparende Wirkung.
3) Koblebyprate. Sie werden vorzugs—
weiſe mit der Pflanzennabrung als Stärtemehl,
uder und Pflanzenjhleime eingenommen.
ierlörper wie in der Fleiſchnahrung finden ſich
nur Hleire und für die E. bedeutungsloje Mengen
von Koblebydraten, wie Glylogen und Trauben:
juder. Nur in der Milch fteigt der Gehalt an Zuder
Bo Größe, daß er für die €. von mwejentlicher
Bictigleit ift. Innerhalb des Körpers werden die
Koblebydprate gleich den Fetten zu Koblenjäure und
Bafler verbrannt. Entiprebend ihrer Zufammen:
fesung liefern fie jeboch nur etwa die Hälfte der Ver:
drennungsmärme und Spannträfte wie die Fette.
Geihwohl haben die Koblebydrate für die €. des
Neniben die größte Bedeutung. Sie find wegen
der leihten und * ergiebigen Produktion durch
die Pflanze der billigſte Nährſtoff. Innerhalb des
Körpers übernehmen ſie dieſelbe Rolle wie das
Brodbaus’ Konverjationt-Lerilon. 14. Huf. R. A. VI
177
Bett, fo daß der Menſch ebenfo gut mit Eiweiß und
Stärlemehl wie mit Eiweiß und Fett zu ernähren
it. Auf den Eiweißumſatz wirkt Kohlehydratnah⸗
rung nod in volltommenerer Weife erfparend wie
Fettzufuhr. Die reihlihe Aufnahme von Koble:
hydraten befördert aber auch den Fettanſatz, indem
die Kohlehydrate leichter zerjeglih find und an
Stelle des in der Nahrung aufgenommenen Fettes
und auch des Fettes, das bei der Spaltung des
Eimeißes gebildet ift, verbrannt werden. Für ein:
— Tierklaſſen, wenn auch noch nicht für den
enſchen, iſt der experimentelle Nachweis erbracht
daß ſich die aufgenommenen Kohlehydrate auch
direkt an der fyettbildung und am Fettanſatze be
teiligen. Mit Recht überwiegt daher in der menſch⸗
lihen Nahrung die Menge der von den Pflanzen
reichlichjt gebotenen Koblebyprate die Fettzufuhr.
Nah den ittelungen von Voit nimmt der er-
wachſene körperlich arbeitende un in feiner tägs
liben Nahrung als ftidftofffreie Rährſtoffe durch—
fhnittlib 56 g Fett und 500 g Kohlehydrate ein.
4) Anorganijche Näbritoffe. Die Zahl der:
von, deren der menjchlihe und tieriihe Körper
edarf, ijt jehr beichräntt; außer dem Waſſer find
es nur die kohlenjauren und phosphorjauren Salze
und die Chloride von Kalium, Natrium, Ammonium,
Calcium und Magnefium, welde nebjt Eifen für
die Lebensporgänge unbedingt notwendig find. Die
Salze beteiligen fih bei dem Aufbau der Zellen wie
bei den Umjeßungen im Körper in bervorragendem
Make. In Körperflüfjigkeiten, wie Lymphe, Blut:
jerum, überwiegen die Natriumfalze gegenüber ben
Raliumverbindungen, die bejonders In den organi=
ierten Gebilden, in den Mustelfajern und Zellen ver
rüfen und Organe vorkommen. Die hem. Eigen:
ibaften ver phosphorfauren und koblenjauren Al-
talien geitatten, daß die vom Körper gebildeten Säus
ren leicht und raſch gebunden und in einer das Zellen:
leben nicht mebr beeinträchtigenden Meife durch die
Niere ausgeſchieden werden können. Die phosphors
fauren und foblenfauren Erden find jo ſchwer löslich,
daß jie ſich vorzüglich zur Ablagerung in Knochen eig:
nen und diejen dur Einlagerung in die —
Subſtanz eine Härte und Widerſtandsfähigkeit ver:
leiben, wie fie das Stüßgerüft des Körpers erfordert.
Das Eifen ift unentbebrlib zur Bildung des Blut:
farbjtoffs (ſ. d.). Das Kochſalz, vorhanden in allen
Körperflüjligteiten, fpielt eine vieljeitige wichtige
Rolle, indem es die QDuellungszuftände der Zellen
erhält und auf die Diffufionsvorgänge und Säfte—
jtröme nachhaltend einwirkt. Durch die Thätigleit
der Magendrüjen wird das Kochſalz in freie Salz-
ig zerlegt, wodurch der Magenjaft die wichtige
ten Eigenichaften erhält, welche je die Berbauung
und Löjung der Eiweißjtoffe maßgebend find. Bei
E. mit Pflanzenkoft muß Kochſalz als ſolches der
Nahrung zugefügt werben, weil die großen Mengen
der Kaliumverbindungen in der Pflanzentoft Stö-
rungen im Zellenleben bedingen, indem die Kali—
falze der Vegetabilien fih mit dem Kochſalz des
Körpers umfegen; e3 werden Natriumpbosphat und
Kaliumchlorid gebildet, jo daß eine Verarmung an
Kochſalz zu ftande kommt. Für die Lieferung ber
erforderlihen Salze, befonderd aud des Eiſens,
iheinen bie grünen Gemüje von befonderer Bes
deutung zu fein.
Wichtig für die E. find au die Genuß: und
Reizmittel, indem fie einmal zur Nahrungsauf:
nahme anregen, andererjeit3 eine günftige Wirkung
12
178
auf die Verdauungsorgane ausüben. Bei ganz
reizlojer Nabrung tritt bald ein Zuftand der Ab:
egeilenbeit ein, in welchem die Nahrungsaufnahme
Partnädig verweigert wird. Mit Hilfe ver Nah:
rungsmittel (f. 9 ſeßen wir die Nahrung zu:
ſammen, melde dann eine geeignete und voll
fommene wird, wenn fie alle Näbritoffe in der
Menge und Mijbung enthält, wie fie der Körper:
bejtand und die ——— bedurfen. Die
en un der — alſo ihr
ehalt an Eiweiß, Fett, Kohlehydraten u. ſ. w.,
ergiebt den Nährwert — jedoch nur vom
chem. Standpunkte aus. Es iſt klar, daß für die
Zwede der €, des Körpers nur bie —— in
Frage kommen, welche vom Darmkanal aufgenom:
men und in den Blutkreislauf gelangt ſind. Je
weniger verdaulich Nahrungsmittel ſind, deſto wert⸗
loſer wird die Nahrung bei gleicher Zuſammen—
ſehung. Der wirklih pbyfiol. Nährwert der Nab:
rung und einzelner Nahrungsmittel läßt fich aljo
nur auf Grund von Berjuben über ihre Ver:
dauungs: oder Ausnukungstäbigteit beitimmen.
(S. Verdauung.) Die animalifhen Nahrungsmittel
werben viel volllommener re als die vege:
tabiliſchen. In legtern find die Nährftoffe, wie Ei:
weiß, Kohlehydrate u. ſ. w. von den Pflanzenzellen
eingeſchloſſen, deren äußere Hülle aus unverdau—
licher und ſchwer löslicher —5— beſteht. Bei
der E. mit Pflanzenkoſt it es alſo beſonders wichtig,
daß die Nahrungsmittel in geeigneter Weife bear:
beitet werben, um auf mechan. Wege (durch Zer:
Heinern, dur Koden u. ſ. mw.) die Zellmembranen
au fprengen und den Inhalt hierdurch leichter löslich
und aufnehmbar zu maden.
Pettenkofer und Voit ftellten an verſchiedenen
Perſonen zablreihe Ernährungsverſuche an und
— als mittleres Koſtmaß, daß der kräftige
rbeiter täglih 118g Eiweiß, 56 g Fett und
500 g Koblebyprate in feiner Nahrung bedarf.
Ültere Berjonen odernicht körperlich arbei:
tende Menſchen reihen mit einem —— von
etwa 80g Eiweiß, 30g Fett und 300g Kohlehydraten
aus, Die E. der Truppen ift durch ganz bejtimmte
Vorſchriften geregelt und erreiht im * die
Normen, wie ſie für den mittlern Arbeiter gefunden
find. Beim Manöver und im Kriege iſt beſonders
die ——— erhöht und es wird mehr Fleiſch
verabreicht. Voit berechnet für den Soldaten
Rost Sleiſch
obles mit
und fyett
in der Gamifon 120 56 500 230 750
beim Manöver. 1355 80 500 258 750
im Rriege. ... 145 10 500 281 750
Unter den ſchwierigen Transportverbältniffen des
Krieges bat ſich 1870/71 während des Winters die
reichliche Abgabe von Sped als ein wichtiges Kraft:
und Näbrmittel für bie Truppen bewährt. Bon dem
erforderlichen Eiweiß werben mit den die Kohle:
bydrate liefernden Vegetabilien durchſchnittlich 50 g
dem Körper zugeführt, der Nejt, mindejtens 60 g,
fann nur durch tierishes Eiweiß gededt werden,
weil jonjt der Körper nublos mit derartigen Men:
gen von Kohlebydraten belaftet würde, daß er die
ugeführten Stoffe nicht mebr verarbeiten fünnte.
Knfolgedefien ift diefer Eiweißreſt auch durch Vege:
tabilien nicht billiger zu erfegen als durch tieriſches
Eiweiß. Für die Vollsernährung kommen hier be:
Ernährung
ſonders die billigen — —— Seefiſche, abge
rahmte Milch und Käfe in Betracht.
ei der E. der Gefangenen kommt je nach
ihrer Thätigleit das Koſtmaß des mittlern Arbei—
ters oder der ruhenden Perſonen in Betracht. Über
die E. der Kranken und Rekonvalescenten
ſ. Diät; über die E. der Kinder ſ. Kinderernährung
und Kindernahrungsmittel (Bd. 17); über die E.
der Haustiere f. Futter und Futterbereitung. —
Über die wichtigften Näbrpräparate ſ.d. (Bd. 17).
Unter fünjtliber €. verjtebt man das Ein:
bringen von nährenden Flüffigteiten (Fleiſchbrühe,
Milch, Eivotter) in den Magen oder Darm mittels
der Schlundfonde oder des Klyſtiers. Sie wird
überall da nötig, wo die Zufubr von Nahrungs:
ftoffen auf dem natürliben Wege unmöglich iſt,
wie bei kranlhaftem Verſchluß des Mundes over
der Speiſeroöhre (durch Kinnbackenkrampf, narbige
Verwachſungen, ———— bei ſchweren organi⸗
ſchen Veränderungen des Magenmundes, oder wenn
von den Kranken jede Nahrungsaufnahme hart:
näckig verweigert wird, wie dies nicht ſelten bei
Geiſteskranken der Fall iſt. Nah dem Einführen
der Schlundſonde gießt man entweder die nähren:
den Flüffigkeiten direkt mitteld eines angefügten
Gummiſchlauchs und Tridhters in die Schlundfonde
und jo in den Magen, oder jprißt fie langjam mit:
tels einer angefegten großen Sprige ein. Unter
den ernährenden Klyjtieren, die überall da in
Betracht fommen, wo das Einführen der Schlund»
fonde nicht mebr möglich ijt, haben ſich befonvers
die von Profeſſor Leube in Erlangen empfoblenen
jog. Fleiſchpankreasklyſtiere bewährt, in de
nen jeinzerteiltes Fleiſch bereits außerhalb des
Körpers durch Zufas von PBantreasjaft gleichjam
verbaut wird, ebe man e3 zur Auflaugung dem
Diddvarm einverleibt. Zu diefem Bebufe wird die
forgfältig vom Fett befreite Bauchſpeicheldrüſe
(Bantreas) vom Schwein oder Rind, welche für
drei Klyſtiere zureicht, fein zerbadt, mit 250 g Glv:
cerin verjeßt und in einer Reibſchale zerrieben;
von dieſer Panlkreasglycerinmiſchung wird ein Dritt⸗
teil zu 120—150 g feingehackttem Rindfleiſch *
gefügt und in den Maſtdarm eingeſpritzt. Neuer:
dings werben aud vielfah Peptonklyſtiere zur
fünjtliben €. benugt. (S. Pepfin.) Ebenfo find
Eierklyſtiere zu empfehlen; zwei bis drei Gier
werben mit einem halben Bolumen Waſſer mittels
eines Glasftabes zu einer gleihmäßig gelblich:
weißen Flüffigkeit gejchlagen, zwölf Stunden in
den Keller geitellt, jovdann Burhgefeit auf 28° R.
erwärmt, mit etwas gelochter Stärke und einigen
rk rg eier und nun als Klyſtier
eingeiprigt. Es gelingt jevod nie, einen Kranken
längere Zeit dur Nährklyſtiere zu erhalten, da das
Näbhrbedürfnis nur etwa zur Hälfte auf dieie Weije
gededt werden kann,
Bol. Voit, Über die Theorien der E. der tieri-
hen Organismen (Münd. 1868); derf., Phyſiologie
des Geſamtſtoffwechſels und der E. (in Hermanns
«Handbud der Phofiologie»r, Bd. 6, TL1, Lpʒ.
1881); Rante, Die €. des Menſchen (Münd. 1876);
König, Chemie der menfhliben Nahrungs: und Ge:
nußmittel (3. Aufl., 2Bpe., Berl. 1889—93); Munt
und Uffelmann, Die €. des gefunden und kranten
Menſchen (3. Aufl., bearb. von Munt und Ewald,
Wien 1895); Germain Ste, Die Lehre vom Stoff:
wechjel und von der €. (deutjch Yp3. 1888); Grabam,
Die Phofiologie der Verdauung und E. (deutic,
Ernährung der Pflanze
5. Aufl, Cothen 1893); von Rehenberg, Katechis⸗
mus der menjchlichen E. (Lpz. 1894); Rahm, liber
€, Geſundheits⸗ und Krantenpflege (2. Aufl., Bai.
1896); die Abſchnitte Nahrungsmittel und E. in
# «Handbuh der Hpgieine», Bd. 3 (Jena
1896); Handbuch der Ernährungstberapie und Diäs
tetit, bg. von Leyden, Bd. 1 (%pz. 1897); Neuburger,
Die Anihauungen über den Mechanismus der Ihe:
anihen E. (Wien 1900).
Ernährung der Pilanze, Bezeihnung für
alle dem. und phyſil. Vorgänge, die teild bei
der Aufnabme der für das Leben der Pflanzen
nötigen Näbrjtoffe aus den umgebenden Medien,
teils beiden mannigfaltigen Ummwandlungen, welche
die aufgenommenen Stoffe in der Pflanze erfahren,
und endlich bei dem Berbrauce, d. b. bei der dur
den Lebensprozeß bedingten Ausſcheidung derſelben,
ſtattfinden. Den Teil der botan. Wiſſenſchaft, der ſich
mit der Unterjuchung diejer Vorgänge beihäftigt,
nenntman Ernäbrungspbyiiologie oder wohl
auch die Lehre vom Stoffwechſel in der Pflanze.
Außer dem für alle lebenden Organismen unent⸗
bebrliben Koblenftoff, Waſſerſtoff, Sauerftofi und
Stidjtoff find noch mehrere andere Elementarftoffe
in allen Pflanzen vorhanden und zu ihrem Lebens:
prozeb notwendig. Vor allem ift der game u
nennen, der ſtets an der Bildung der Eiwei ftofe
teilnimmt; jerner —— für alle Pflanzen unentbebr:
lich Pbosphor, Kalium und gewiſſe altalifche Erden.
Bon den legtern find es Calcium und Magnefium,
die ſich ſtets als Aſchenbeſtandteile vorfinden; nur
einige Pilzgtruppen, die Schimmel-, Spalt- und
Sproßpilze, machen nach Nägeli in dieſer Hinſicht
eine Ausnahme, indem bei ihnen die beiden genann:
ten Elemente aub dur Strontium und Baryum
vertreten werden können. Auch das Kalium kann
in dem Ernäbrungsprozeß der Pilze durch verwandte
Stoffe, wie Cäſium und Rubidium, nicht aber durch
Ratrium und Lithium erjegt werden. Das Eijen it
für alle dlorophyllführenden Bilanzen zur Neubil:
dung von Chlorophyll (j. d.) unbedingt nötig. Für
Bilze ift Eiſen entbebrlih, ob aud für die böbern
&loropbylllojen Bilanzen, ift no nicht genügend
unterjudt. Für alle böhern Pflanzen find demnach
als unentbebrliche Elementarftoffe außer Sauerftoff,
Waſſerſtoff, Koblenftoff, Stidjtoff noch zu nennen:
Schwefel, Phosphor, Kalium, Calcium und Magne:
fum; dazu fommt no für alle chlorophyllführen⸗
den Bilanzen das Eijen.
Außer den genannten Stoffen finden ſich nod in
taft allen Pflanzen Natrium, Eblorund Silicium, die
aber,wiejorgfältigangeftellteBerjuche gelehrt haben,
nit ald unbedingt notwendig für die Ernährun
betrachtet werden können. Zwar lommen dieje drei
Etoffe in ſehr vielen ar er in außerordentlich
reichlichen Mengen vor, fo Natrium und Chlor in
den jog. Saljpflanzen, Silicium in den Gräjern,
und zwar bauptjächlid in den Getreidearten, doch
it in beiden Fällen nachgewiejen worden, daß die
betreffenden Pflanzen ohne Eblornatrium oder Sili-
cum fib ganz normal entwideln fönnen. Fur die
Shadtelbalme (j. Equisetum), ferner für die Bacil:
lariaceen, die ganz beſonders reich an Riefeljäure Ind,
liegen allerdings noch feine Verſuche über die Not:
wendigleit oder Entbebrlicleit des Siliciums vor.
Un dieje drei Stoffe ſchließen fih noch eine ganze
Reihe anderer an, von denen jicher ift, daß jte für
die Pflanzen entbebrlih find und aljo mehr als
zufällige Beftanpteile betrachtet werden müflen.
179
Man hat bei Aſchenanalyſen bis jest noch folgende
Stoffe in den Pflanzen nachgewieſen: Aluminium,
Mangan, Zint, Lithium, Rubidium, Baryum,
Strontium, Idt Brom, Fluor, Thallium, Silber,
Queckſilber, Blei, Kupfer, Kobalt, Nickel, Zinn,
Arſen, Selen, Titan, Bor.
a man jeßt bereits für ſehr viele Pflanzen die
re normalen Entwidlung unentbebrliben Stofie
owohl in betreff der Qualität ald auch der Quan-
tität ga fennt, jo lann man Rezepte für geeiz:
nete Blungen, fog. Näbrftofflöfungen, angeben;
o wird 3.2. zur Kultur von hloropbyllführenden
Phanerogamen vielfach folgende Juſammenſetzung
angewandt. Zu einem Liter dejtillierten Waſſers
werden hinzugeießt:
1,1 g jalpeterjaurer Kalt,
0,3 g jalpeterjaures Kalium
0,3 g ihmejeljaures Magnefium,
0,3 g jaures phosphorfaures Kalium,
0,2 g phosphorſaures Gijenorypd,
2,2 g jeite Beitandteile.
Es find aljo in der Löfung ungeibe 2 Bromilie
Salze. Daraus gebt hervor, dab chlorophyllführende
Pflanzen ohne irgendwelche organiſche Subftanzen
ſich normal entwideln tönnen; aus den dargebotenen
Salzlöfungen, aus dem Saueritoff und der Kohlen⸗
ſaure der Luft jind fie im ftande, organische Körper zu
bilden. Es find jomit die chlorophyllführenden Pflan⸗
zen gewillermaßen das Zwiſchenglied zwijchen der
anorganijchen und organischen Natur. Zur Kultur
von Pilzen hat man ebenjall3 verſchiedene ähnliche
Näbritofflöfungen benugt, nur müſſen bier außer
anorganischen Beftandteilen auch noch organiſche
Körper vorhanden fein, da ja die Pilze nicht aſſimi—
lieren fönnen; man giebt dieſe organiſchen Beftand:
teile meift in Form von Robrjuder und weinjaurem
Ammonium binzu, dagegen können die Eifenjalze
nad dem Obengefagten wegbleiben.
Die Aufnahme der Nä ekoffe je in der
Pflanze jtet3 durch Diosmofe, ſowohl der gasför:
migen, ald auch die der tropfbarflüjligen Körper.
Manche Näbritoffe können den Pflanzen au in
rer dorm geboten werden, wie es ja in ber
atur au häufig genug geiciebt; in Mile Halle
erfolgt jedoch ebenfalls die eigentlihe Aufnahme
in das Innere der Pflanze nur nad) vorbergegan:
gener Loͤſung der betreffenden Stoffe. Die Loſung
geſchieht meilt in ber Weife, daß von den aufnehmen:
den Pflanzenteilen jauer reagierende Gelrete oder
auch gewiſſe Fermente ausgeſchieden werben, unter
deren Einfluß der Auflöjungsprozeß allmählich vor
ſich gebt. So wird 5.2. eine polierte Narmorplatte
durch Pflanzenwurzeln ſchon ſehr bald angegriffen
und zeigt an den Stellen, wo die Wurzeln ib ans
gelegt hatten, eine rauhe Oberfläche.
Bei den Landpflanzen wird die große Mebrzahl
der Näbrftoffe durch die Wurzeln aus dem Boden
aufgenommen. Aus der umgebenden Luft gelangen
eigentlich nur Koblenftoff in Form von Koblenfäure
und Sauerftoffindie Pflanze; da Wafjerdampfnurin
ganzgeringen Mengen an den oberirdijchen Pflanzens
organen aufgenommen wird, fo ift der Waflerftoff,
der hierbei in die Bilanze eintritt, faum in Betracht
u zieben. (Betreffs ver Aufnahme der Koblenjäure
f Affıimilation; des Sauerftoffs j. Atmung.) Alle
andern Stoffe werben nur aus dem Boden dur
die Wurzeln aufgenommen. Eine Ausnahme bier:
von bilden in gewiſſem Sinne nur die fog. ne
19”
180
jeltenfrefienden Pflanzen & d.). An den Wurzeln
iſt jedoch nicht die ganze Oberfläche zur Aufnahme
von Stoffen geeignet, jondern faſt ausnahmslos
nur die jüngften Partien, und zwar hauptſächlich
die in der Näbe der Wurzelfpigen ſich befindenben
Wurzelbaare (j. d.).
Das lebende Protoplasma befigt die Ei enfhaft,
nur beftimmte Stoffe und aud nur gewiſſe Quan—
titäten davon in das Innere der Zellen eintreten
= lafien, fo daß alfo demſelben ige Firm ein
ablvermögen zulommt, das tote Protoplasma
dagegen verbält ſich bei der Diosmofe ganz anders,
indem von allen Stoffen, für die überhaupt eine
Diosmoſe dur dasjelbe möglich ift, auch unbe
ftimmte Quantitäten bindurdgelaflen werden; es
verhält fib alſo phyſilaliſch ganz ähnlich wie jede
andere Membran.
In gewiffen Organen, die zur Fortpflanzung
bejtimmt find, wie in Samen, Knollen, Sporen
u. dal., findet eine Speicherung der bereits ajjimi:
lierten Stoffe ftatt, dasfelbe gilt von ausdauern:
den Rhizomen folder Pflanzen, die ihre ober:
irdifhen Teile bei Beginn ded Winters verlieren,
und aud von bejtimmten Zellgruppen in den
Stämmen überwinternder Pflanzen, die im Herbft
ihre Blätter abwerfen. Bei beginnender Keimung
oder Neuentwidlung von Blättern und jungen Zwei:
gen werden die aufgefpeicherten Stoffe, die man all:
gemein ald Rejerv N zufammenfaßt, wieder
—— Die Kohlehydrate find in den meiſten
ällen in Form von Stärle, feltener als Eellulofe,
nulin und Zuder in jenen Pflanzenteilen aufge:
ſpeichert; auch fette Öle jcheinen in vielen Samen
die Kohlehydrate vertreten zu können.
fiber die infolge der Ernährung abgeſchiede—
nen Stoffe, wie Gummi, ätberifche Ole u. ſ. w.,
j. Pflanzenſekrete.
l. die Litteratur bei Phyſiologie und befonders
Hanfen, Die E. d. P. (2. Aufl., Wien, Prag und
Lpz. 1898); Mayer, Die Ernährung der landmirt:
ſchaftlichen Kulturpflanzen (Berl. 1898).
Ernährungätherapie, j. Bo. 17.
Ernafölam, Hauptitadt des oftind. Vafallen:
ſtaates Kotſchi (ſ. d.).
Erne (ſpr. örn), Fluß und zwei Seen in deririfchen
— Ulſter. Der Fluß lommt aus dem in der
rafſchaft Longford in 65m Höhe gelegenen Gowna⸗
fee, jtrömt nach N., durchfließt in Cavan den Dugb:
terſee mit ſeinen zerriſſenen Ufern, ie nah NW.
um und mündet 116 km lang in die Donegalbai,
Ein Baflerfall bei Ballyibannon hemmt die Schiff:
fahrt. In der Grafſchaft Fermanagh bildet er zwei
Seen (f. Karte: Jrland). Der obere See €. (Loch
Erne Upper) ift 373 qkm groß, bis 68 m tief und
tebt durch den Uljterfanal mit dem Loch Neagb in
Jerbindung; der untere, durd einen Kanal von
6 km Länge von diefem getrennt, bevedt 113 qkm.
Die Ufer beider find reich an jhönen Landichafts:
bildern, namentlich die des untern (der irifche Win:
dermere genannt) mit feinen 400 Anfeln. Die be:
ſuchteſte unter lebtern ift die etwa 50 ha große
Devenifbinsel, welche mitteld Dampfer leicht zu
erreichen ift. Auf ibr fteben der ſchönſte der iriichen
Aundtürme, 21 m hoch, fowie Ruinen einer Abtei
und einer Kirche.
Ernee (ipr. -neb), Hauptſtadt des Kantons E.
im franz. Depart. und Arrondijjement Mayenne,
in 142 m Höbe, an der rechte zur Mayenne geben: |
Ernährungstherapie — Ernefti
Franz. Meftbabn, hat (1901) 3663, als Gemeinve
5099 E. ein Hoipital, ein Schloß im Renaiflanceftil,
röm. Altertümer; Mabl: und Olmühlen, Gerberei,
Roheiſen⸗ und Leinenfabrilation, Handel mit Schie:
fer, Kalt, Gips, Getreide, Wein und Brannıtmwein.
Ernefti, Heinr. Friedr. Theod. Ludw., evang.
Iheolog, geb. 27. Mai 1814 zu Braunfhmweig, ftu:
dierte in Ööttingen, wurde 1838 Dialonus ın jei:
ner Baterjtadt, 1842 Prediger in Wolfenbüttel,
1843 Superintendent, 1850 Nonfiftorialrat, 1858
Generaljuperintendent, 1877 Vicepräfident des Lan:
desfonjiftoriumd, präfidierte feit 1874 der Eile
nacer Kirchentonferenz und ftarb 17. Aug. 1880
u Wolfenbüttel. Die prot. Landeslirche feiner
Selma verdantt ibm bejonders die Durchführung
einer jonodalen Kirchenordnung. Er ſchrieb eine
«Erklärung des Kleinen Katechismus Dr. Luthers⸗
(Braunihw. 1859; 51. Aufl. 1895), «Vom Ur:
fprunge der Sünde nad pauliniichem weg: er
(2 Boe., Gött. 1862) und «Die Ethik des Apoſtels
Paulus» (3. Aufl., ebd. 1880).
Ernefti, Joh. Aug., Theolog und Philolog, der
Stifter einer neuen tbeol. und philol. Schule, geb.
4. ug. 1707 zu Tennſtedt in Thüringen als Sobn
des Superintendenten und tbeol. Scriftftellers
Johann Chriſtoph €. (geb. 11. Jan. 1662, geit.
11. Aug. 19, ftudierte zu Wittenberg und Leipzig
zn Theologie, machte aber, nachdem er 1731
onreltor und 1734 Rektor der Tbomasichule in
Leipzig geworden war, die alte klaſſiſche Yitteratur
und die mit ihr verwandten Wiflenibaften zum vor:
züglichften Gegenitande feiner Studien. wurde
1742 außerord. PBrofejjor der alten Literatur an
der dortigen Univerfität, 1756 Profeſſor der Bere:
Kraft erbielt 1759 noch überdies eine ordentliche
Profeſſur der Theologie und legte erft 1770die erstere
nieder. Als erſter Brofefior ver tbeol. Fakultät ftarb
er 11. Sept. 1781. Durch gründliches Studium der
Philologie wurde E. zu einer rihtigern Eregeie der
bibliihen Schriftjteller geführt. Von ihm ging aröf-
tenteil3 die tbeol. Aufklärung aus, infofern fie ſich
auf Philologie und richtige grammatiſche Erllärung
gründet. Als genauen Kritiler und Grammatiter
jeiote er fih in feinen Ausgaben der «Vlemorabi:
ien des Gofrates» von Xenophon (5. Aufl., Lpz.
1772), der «Wollen» des Ariftophanes (ebd. 1753;
neue Ausg. von G. Hermann, ebd. 1830), des Homer
(5 Bde., ebd. 1759—64; 2. Aufl. 1824), Kallimachus
(2 Bde., Yeid. 1761), Bolpbius (3 Bde. Lpz. 1764),
Suetonius (ebd. 1748; 2. Aufl. 1775), Tacıtus (ebd.
1752; 2. Aufl. 1772; zulegt neu aufgelegt von
Better, 2 Bde.,ebd. 1831), vor allem aber durch feine
vortrefflihe Ausgabe des Cicero (5 Boe., ebd. 1737
—39 u. d.), die er mit einer «Clavis Ciceroniana»
(6. Aufl., Halle 1831) als ſechſtem Bande begleitete.
Auch veranftaltete er eine neue Ausgabe ver «Biblio-
theca Latina» des J. A. Fabricius (3 Bde., ebv.
1773—74). Wegen feiner vortreffliben Latinität
erhielt er den Namen eines Cicero der Deutſchen.
Bon feinen felbjtändigen Werten find bervorzubeben:
«lnitia doctrinae solidioris» (Ypz3. 1736; 8. Aufl.,
Berl. 1802), die «Opuscula varii argumenti» (2p;.
1794), «Opuscula oratoria, orationes, prolu-
siones et elogia» (Leid. 1762; 2. Aufl. 1767), das
nad feinem Tode erichienene «Opusculorum ora-
toriorum novum volumen» (2p3. 1791). Zablrei
jind auch feine tbeol. Schriften, unter denen ſich be:
fonder® der «Anti-Muratorius» (ebd. 1755) und die
den E. und an ber Linie Mayenne: Fougdres der | «Opuscula theologica» (ebd. 1773 u. 1792) auszeich+
Erneftinifche Linie — Erniedrigt
nen. Auch feine «Opuscula philologico-critica»
Reid. 1762 u. 1776) enthalten für die Theologie
manded Wichtige. Die Schrift «Institutio inter-
is Novi Testamenti» (Lpʒ. 1809) ift in 5. a.
— *— herausgegeben. Verdienſte erwar
ih €. auch durch Die Herausgabe der «Neuen theol.
liotbef» (10 Bde., ebd. 1760—71) und ber
«Neueften tbeol. Bibliothet» (4 Bde. ebd. 1773—79).
Erneitinifche Linie, die ältere, herzogl. Linie
des jähj. Fürftenbaufes Wettin (j. d.). Als die
Söhne Kunürft Friedrichs des Sanftmütigen, Ernſt
6.2.) und Albrecht (j. d.), ihr Erbe 1485 teilten, er:
bielt ver ältere, Ernft, das ſudl. —— die weſtl.
Hälfte des Diterlandes mit Zwickau, Altenburg und
Leipzig, die vogtländifhen und fränk. Befigungen
des Haujes und die Kur mit dem Herzogtum Sachſen
und dann die Vogtei über das Bistum Naumburg.
Die Schusberribaft über das Bistum Meißen, Er:
fur und die Reichsftädte (Müblhaufen und Nord:
auſen) jowie die Bergmerle blieben gemeinſchaft⸗
lib. Der Entel diejes Stifter der E, L. Johann
—— der Großmütige (j.d.), trat 1542 ſeinem
der Johann Ernft die Pflege Coburg ab, wo:
durh eine Nebenlinie Coburg gegründet wurde,
verzihtete dur die Kapitulation zu Wittenberg
119. Mai 1547) auf die Kurwürde und verlor
feine Länder bis auf Eiſenach, Weimar, Gotha,
ena und einige andere Städte und Umter. Co:
rg, Hildburghauſen und anderes fiel 1553 an die
Erneſtiniſche el zurüd, die auch durch den
Vertrag zu Naumburg (24. Febr. 1554) Altenburg
nebjt dem Neujtädter Kreis von Kurſachſen erwarb,
Die Söhne Yobann Friedrichs des Großmütigen,
Johann Friedrich IL (der Mittlere) und Johann
Wilhelm, ftifteten 1566 durd Teilung die ältern
Beimarer und Coburger Linien. Jjamn ied⸗
rib IL. ſtarb 1595 in der Gefangenſchaft. Seine
Eöhne Johann Kaſimir und Johann Ernit erlang-
ten ſchon 1570 die Wiedereinjegung in den väter:
liben Befiß, vondemallerdings der Neuſtädter Kreis,
zunächſt als Pfand, an Kurſachſen gefallen war,
und verglichen ſich mit ihrem Obeim Johann Wil:
m 1572 zu Erfurt dabin, daß diejer Weimar,
ena, Saalfeld, Altenburg und andere thüring. und
oiterländijche Hmter, eine beiden Neffen aber außer
Coburg und andern Orten namentlih Gotba und
Eifenad erhielten. Durch eine von ihnen 1596 bes
wirkte Teilung alone abermals eine coburgijche
und eine eiſenachiſche Speciallinie. Ihre weimar.
Bettern folgten 1603 diejem Beijpiel, indem fie von
Beimar ein Fürftentum Altenburg abſchieden; doch
erloih die Altenburger Linie 1672 wieder. Die
coburgiſchen und eiſenachiſchen Befigungen waren
ibon 1633 und 1638 nad dem kinderlojen Ableben
von Jobann Kafımir und em Ernjt an Weimar
jwrüdgejallen, jo daß ſämtliche —— des Er⸗
neſtiniſchen Hauſes, ſeit 1660 noch vermehrt durch
heben Zwölftel des Erbes der 1583 ausgeſtorbenen
Grafen von Henneberg, wieder unter dem 1603
von Herzog Johann geftifteten (jüngern) weimar.
ige vereinigt waren. Bon Johanns acht Söb:
nen, unter denen Johann Ernjt durch Gelehrſam⸗
kit und als Stifter der Fruchtbringenden Gejell-
ihaft (1617), Bernhard (f. d.) als eloherr im
Vreiigjährigen ggg. Arge innen waren 1640
noch drei am Leben. Diele teilten damals das an-
jangs gemeinjchaftlich regierte Land in der Weife,
der dritte Bruder, Wilhelm, Weimar, der vierte,
Ubreht, Eiſenach, der jechfte, Ernft, Gotha erhielt.
181
Eiſenach ward jedoch ſchon 1644, nahdem Albrecht
ohne Leibeserben verjtorben war, wieder zwiſchen
eimar und Gotha geteilt.
Die noch jeßt regierende neue weimariſche
Linie fpaltete fih nah dem MWiederabgange des
altenburg. Zweigs, . Befigungen jedoch zum
Zeil aud an Gotha gelangten, in die Linien Weis
mar, Markſuhl, Eiſenach und Jena, von denen aber
die zweite 1741, die beiden leßtern 1671 und 1690
ar Ihre durh den Wiener Kongre um
1707 qkm vermehrten Lande bilden gegenwärtig
das Großherzogtum Sadijen : Weimar: Eifenad.
Die Befigungen der von Ernft dem Frommen 1640
geftifteten gotbaifhen Linie wurden 1680 von
deſſen Söhnen mittels 1686 vom Kaiſer beftätigten
Erbſchaftsreceſſes geteilt, und bb gründete 1) Fried⸗
rid I. die Unterlinie Gotha-Altenburg, 2) Albrecht
Coburg, 3) Bernhard Meiningen, 4) Heinrih Rom⸗
—— 5) Chriſtian Eiſenberg, 6) Ernſt Hildburghau⸗
en, 7) Johann Ernſt Saalfeld. Von dieſen ſtarben
Coburg 1699, Eijenberg 1707 und Römbild 1710
wieder aus, mas, abgefehen davon, daß Coburg an
Saalfeld gelommen war, abermalige Teilungen des
Erbes unter den Nebenlinien zur Folge hatte. Zu
Anfang des J. 1825 beitand demnach ber fog.
Nexus Gothanus aus den Häufern Gotha, Mei:
ningen Te und Hildburghauſen. Als
bierauf die Linie Gotba 11. Febr. 1825 mit Fried:
rih IV. ausftarb, ward 12. Nov. 1826 ein Erbtei-
lungsvertrag zu Hildburghauſen geichloffen, durch
welchen Coburg ir Saalfeld Gotha, Hildburg-
aufen für feinen bisherigen Bejig das dan tum
Itenburg, Meiningen aber Saalfeld und Hildburg⸗
haufen erbielt. Die €. £. beitebt aljo nunmehr aus
dem großberzogl. weimarifchen und dem berzogl.
—— Hauſe, das wieder in die Linien — en⸗
einingen, Sachſen-Coburg-Gotha und Sadjen:
Altenburg zerfällt. — Bol. Burkhardt, Stamm:
tafeln der E. 2, des Haujes Sachſen (Weim. 1885).
Erneftinifcher Hausdorden, 25. Dej. 1833
ala gemeinjamer Hausorden von den Herzögen von
Sadjen-Meiningen:Hilvburghaufen, von Sachſen⸗
Altenburg und von Sadjen : Eoburg : Gotha ge
ftifteter Orden, im Andenken an den 1690 von Fried⸗
rich I. von Sachſen⸗Gotha und Altenburg geftifteten
«Orden der deutfchen Reblichleit». Er hat nad) dem
erneuerten Statut vom 13. Febr. 1864 fünf Klaſſen,
Großkreuze, Komture 1. und 2. Klaſſe und Ritter
1, und 2. Klaſſe, jowie ein affiliiertes Verdienſtkreuz
und eine goldene und filberne Berdienftmebaille.
Das Großkreuz verleiht den Erbadel. Das Ordens: '
zeichen ift ein achtipigiges, weißemailliertes Kreuz,
zwiſchen deſſen Armen ſich goldene Löwen befinden
und auf dejjen Mitte ein rundes goldenes Schild
mit dem Bruftbilde Herzog Ernits des Frommen
und der Umſchrift «Fideliter et constanter» («Treu
und ſtandhaft ! rubt. Das Band ift karmefinrot
mit grüner Ein == ,
Erneuern, erfigern, in der Jägerſprache
das *8 Umziehen A Jagen (}. Beitätis
gen), ehe das Jagdzeug geftellt wird.
——— — Brudergemeine.
Erneuerungsfouds, ſ. Abſchreibung und
Eiſenbahnrecht.
Erneuerungdfchein, die Urkunde, die zum
Empfange neuer Zins⸗ und Rentenjcheine ermäd-
tigt, alfo foviel wie Talon (ſ. Coupons). ,
Erniebrigt (franz. abaisse) wird in ber Heralbit
eine Wappenfigur genannt, wenn fie dem Schildes⸗
182
fuße näber gerüdt ift, als ihr ordnungsmäßig zu:
tommt; beifpielämweije ein Schildeshaupt, wenn ſich
über demjelben noch ein ſchmaler Pla von der
Tinktur des Schildes befindet.
Erniedrigung eines Tond um einen halben
wird durch ein P oder bei Kreujnoten durd &, um
einen ganzen durch PP, bei Kreuznoten durch &P ange
zeigt. Bei den Stalienern beißt das P bemolle, bei
den Franzoſen b&mol, bei den Engländern flat.
Ernouf (fpr. -nüf), Alfred Augufte, Baron,
he . Schriftjteller, geb. 21. Sept. 1817 zu Baris,
t Ih bejonders durch Schriften über aelhictlice
Gegenſtände bekannt gemadt. Hervorzubeben find:
«Nourvelles &tudes sur la r&volution frangaise»
(2 Bpe., 1852—54), «Histoire de Waltrade, de
Lothaire II et de leurs descendants» (1859),
«Histoire de la derniöre capitulation de Paris»
(1859), «Le général Kleber» (1867), «Lies oiseaux
chanteurs des bois et des plaines» (anonym,
83. Ausg. 1872), «Souvenirs de l’invasion prus-
sienne en Normandie» (Rouen 1872), «Les Fran-
gais en Prusse, 1807—8» (1872), «Histoire des
chemins de fer frangais pendant la guerre franco-
russienne» (1874), «Souvenirs d’un officier po-
onais» (1877), «Maret, duc de Bassano» (1878),
eins von feinen beiten Geſchichtswerken, u. ſ. w. €.
bearbeitete und vollendete ferner die «Histoire de
France sous Napol6&on I» jeines Schwiegervaters,
des ehemaligen Minifters aron Bignon (14 Bde.,
1838—50). €. jtarb 11. Febr. 1889 in Paſſy (Paris).
Ernft, Fürit von Anbalt, vierter Sohn Ebri:
ftians I. von Anbalt:Bernburg, geb. 19. Mai 1608
zu Amberg, begleitete 1621 feinen nach der Schlacht
am Weißen Berg geäcteten Vater nah Schweden
und Dänemart, bereifte 1622—25 die Niederlande,
Dänemark und Italien, und fuchte nad der Heim:
kehr am kaiſerl. Hofe und im Lager Wallenfteins
pe Grleihterung der Kriegskoſten Anhalts zu wir:
. Sodann übernabm er den Befehl über ein
Wallenſteinſches Reiterregiment in Italien, blieb
aber nur widerwillig im kath. Dienft und trat 1631
u Buftav Adolf über. Er ftarb an einer in ber
chlacht bei Lügen erhaltenen Wunde 1. Dez. 1632.
., Martaraf von A 7. Olt.
1482, der jungſte Sohn des Martgrafen Ebriftopb I.,
erbielt bei der von feinem Vater vorgenommenen
Teilung der Markgrafſchaft das hochbergiſche Ge:
biet, deflen Regierung er 1516 antrat. Die Tei-
lung verurſachte Zwiftigleiten unter den Brüdern,
die durch den Vertrag zu Worms 1527 geichlichtet
wurden. Als der ältelte Bruder Philipp 1533 ohne
männliche Erben ftarb, entftand zwijchen den über:
lebenden Brüdern, Bernbard und E., neuer Streit,
bis durch Bermittelung des Kurfürften von der
Pfalz die Markgrafſchaft Baden: Baden von ver
Martgrafihaft Baden: Durlab, die €. erbielt,
vdllig getrennt wurde. Der Reformation nicht ab:
geneigt, buldete er die Verbreitung der evang. Lebre
und bob mebrere Klöfter auf, unterließ jedoch den
offenen Anſchluß an die neue Lehre. Er entjagte 1552
der Regierung und ftarb 6. Febr. 1553; ihm folgte
fein Sobn Karl I. (S. Baden, Geſchichte.)
Ernit Friedrich, Markgraf von Baden-Dur—
lab, geb. 17. Ott. 1560, ältefter Sohn Karla II.
(ſ. Baden, Geſchichte), regierte zuerjt 1577 ge:
meinjbaftlih mit feinen Brüdern Jalob III. und
Georg Friedrich, erbielt bei ver Teilung 1584 die
untere arigraff chaft mit —— Anfangs Luthe⸗
raner, ward er fpäter Calviniſt; als er 1594 die Ver⸗
Erniedrigung — Ernſt Auguſt (Kurfürſt von Hannover)
waltung des unter Eduard Fortunatus vermabr-
lojten Baden-Baden übernahm, geriet er in Konflikt
mit dem faifer, dem die Bereinigung des Fatb.
Landes mit dem proteftantifchen wiberjtrebte. €. F.
ftarb 14. April 1604 kinderlos. Ihm folgte ſein
jüngfter Bruder Georg Friedrich.
Ernft, Herzog von Bayern, f. Emft, Kurfürft
von Köln.
Ernft Auguſt, Herzog vonCumberland, ſ. Ernſt
Auguſt, König von Hannover, und Cumberland.
ruft Auguſt, erſter Kurfürſt von Hannover,
geb. 1629 als vierter Sohn des Herzogs Georg
(f. d.) von Braunjhmeig «Lüneburg, wurbe für
den geiftlihen Stand beftimmt, ftudierte in Mar:
burg und warb 1646 zum Kloadjutor von Magde:
burg gemäblt. Da das ftift durch den u ⸗
nie hen Frieden dem Ku en von Branden⸗
urg zugeiprocden wurde, p erbielt €. X. ala Ent:
hädigung die Anwartſchaft auf das Bistum Osna⸗
rüd, das ihm 1662 nah dem Tode des Fürft-
biihofs Franz Wilhelm zufiel. 1658 heiratete er die
—** n Sophie (ſ. d.), Tochter des Pfalzgrafen
iedrich V. 1673—75 nabm er an dem Reichskriege
geoen Frankreich teil. 1679 folgte E. A. feinem ältern
ruder Johann Friedrich als Herzog von Braun:
jhmeig-&alenberg:Sannover. Unter dem Einfluf
des Minifterd Grote richtete E. A. fein Beftreben
darauf, alle Befikungen feiner fyamilie, der jüngern
Linie des Haufes Braunſchweig, in einer Hand zu
vereinigen und für jein Haus die Kurwürde zu er:
werben. 7 er es, die Brimogenitur für Hanno»
ver und für Celle, wo fein Bruder Georg Wilhelm
(f. d.) eine unebenbürtige Ebe geſchloſſen batte, ji
ſichern. Durd ein Teftament, dem Georg Wilbelm
und der Kaiſer zuftimmten, führte E. A. das Erft:
geburtäreht ein. Aber die — Söhne E. As
waren nicht gemwillt, all ibre Rechte dem älteften
Bruder Georg Ludwig e überlajien. Es bildete fi
in Hannover eine förmliche Verſchwörung, an deren
Spitze der Oberjägermeifter von Moltte ſtand. Die
———— Sophie Charlotte von Brandenburg, die
Tochter E. A.s, von der Ausſicht auf die Größe
ihres Haufes durbdrungen, teilte dem Bater die
Pläne ihres Bruders Marimilian Wilhelm mit,
der fih an ben brandenb. Minijter Dandelmann
gewandt hatte. Moltke wurde bingerichtet, Mari:
milian verhaftet und gezwungen, auf jeine Rechte
eiplih Verzicht zu teiften. Um fib die Gunft des
Kaiſers zu erwerben, fandte E. A. 10000 Mann
gegen die Türken, andere hannov. Truppen foch—⸗
ten in venet. Solde ebenfalls gegen die Pforte.
Gegen Ludwig XIV., der 1688 ın die Pfalz ein-
ebrohen war, führten €. A. und der Erbprinz
eorg Ludwig beveutende Streitlräfte an den Rhein
und nad den Niederlanden. Trotzdem mollte die
dfterr. Regierung der Erlangung der neunten Kur:
würde für Hannover nicht zuftimmen; fie ftellte als
Bedingung den fibertritt des welfifjben Haufes zum
Katholicismus. Erft ald E. A. drobte, mit Frant:
reich einen Neutralitätsvertrag eingeben zu wollen,
aab der Kaiſer nah und ſchloß im März 1692 mit
dem Herjoge den Kurtraftat. E. A. veriprab da—⸗
egen 6000 Mann und 500000 Gulden Subfidien
Fir den Türlenfrieg und ging außerdem noch meb-
rere Bedingungen für die Kaiferwahl der Habs—
burger und zu Gunften der kath. Kirche ein. Im
Der. 1692 wurde Grote für feinen Herrn im Kur:
gg mit der Kurwürde belehnt; E. A. em
telt den Titel eines Reichserzihapmeiiterd. Länger
Emft Auguft (König von Hannover) — Ernſt (Graf zur Lippe-Biefterfeld) 183
mährte der Kampf mit den Reihsjürften, die unter
rag der ältern braunfhm. Linie und im An:
dus an Dänemark zu dem Bunde der «ftorreipon:
dDierenden Yürften» fich vereinigten und dem neuen
Kurbauje einen erbitterten und zäben Widerſtand
entgegenjeßten. E. A. wußte aud im Innern jein
Land zu beben und zu fördern; dem Gedanken einer
Riedervereinigung von Ratbolifenund Proteitanten
kand er —— egenüber, ebenſo wie Leibniz,
jein Hiſtoriograp J A. ftarb 23. Jan. 1698 in
Scloß Herrenhauſen. Ihm folgte fein ältefter Sohn
Georg Ludwig (f. Georg I. von Großbritannien).
Eruft Auguft, König von Hannover, geb.
5. Juni 1771 zu 2ondon, war der fünfte Sobn
König Georgs III. von England aus der Ehe mit
Ebarlotte, geborenen Brinzeffin von Medlenburg:
Strelig. Der Brinz befuchte 1786— 91 die Univerfität
Göttingen, trat wäbrend jeiner Studienzeit 1790
in den Militärbienft und nabm 1793—95 als Be:
teblababer eines bannov. Kavallerieregiments an
den gelpgügen in den Niederlanden teil. Nach dem
Bajeler Frieden kehrte er nah England zurüd
und trat 1799 ald Herzog von Gumberland in
das brit. Oberbaus ein. 1813 begab er fib in
das Hauptquartier der Verbündeten, nabm nod
an der Schladt bei Kulm (30. Aug.) teil und be:
juchte au 4. Nov. das von dem Feinde geräumte
Hannover. Doc erbielt nicht er, ſondern (1816)
fein jüngerer Bruder, ber Herzog von none.
die Würde eines Statthalter von Hannover. In
Berlin vermäblte er jih 1815 mit der Prinzeſſin
Friederile von Bag er (geit. 29. Juni
1841), Schweiter der Königin Luiſe von Preußen.
Am Hofe zu Berlin, in der Bit der Reaktion und in
enger —— zu dem Herzog Karl von Medien:
burg, gewann €. A. jeine Auffafjung der deutſchen
Berbältnifie und feine Vorliebe für das preuß. Mi:
ftärweien. Als Tory widerjtrebte er im brit. Bar:
lament der Hatbolilenemancipation. Auch war er
Großmeiiter der Drangelogen (ſ. d.), von deren Ten:
denzen er ſich jedoch 1836 difentlich losſagen mußte.
Als mit dem Tode Wilhelms IV. 20. Juni 1837
die brit. Krone der weiblichen Linie zufiel, folgte
€. A., nad dem Rechte der männlihen Erbfolge,
in Hannover. Er nahm nun als eriter jelbftändiger
König feinen Sik im Lande, fand aber die Berfaf:
fungs: und Berwaltungszujtände desjelben feinen
Anſichten jo wenig entiprechend, daß er jofort deren
Beleitigung unternahm, um dadurch jeinem blinden
Sohn die Thronfolge zu ermöglichen und um freier
über die Finanzen des Landes jchalten zu können.
Nachdem er 28. Juni 1837 die verjammelten Stände
vertagt hatte, erklärte er 5. Juli, daß das Staats:
grundgejeg von 1833 weder dem Bebürfnifje des
Landes entſpreche, noch für ihn rechtäverbindlich fei,
und bob jodann 1. Nov. das ——— förm⸗
lich auf. Mit eiſerner Konſequenz, ſelbſt Gewaltjams
keit, verfolgte E. A. jede Oppoſition, die ſich für die
aufgebobene Verfaſſung erllärte. Unterftüßt von den
beiden deutichen Großmädhten, ging E. A. aus dem
Berfaffungsitreite ald Sieger bervor, der durch eine
neue, 6. Aug. 1840 veröffentlichte Verfaſſung jeinen
Abſchluß erbielt. Am Mai 1843 unternahm er eine
Reife nah England, wo er der brit. Königin den
Untertbaneneid leiftete und als Peer im Oberhauſe
eribien. Durch die Märzereignifje von 1848 fand
ih indes E. A. bemogen, die Verfaſſung von 1840 in
liberaler Ribtung umzugeitalten und bie Vertre—
tung durch Geieg vom 5. Sept. 1848 auf neuen
Grundlagen berzuftellen, jo daß die Bewegung in
Hannover ohne grobe Störungen verlief. Bei dem
Eintritt der Reaktion zögerte der König, mit dem
neuen Spitem offen zu brechen; die auf die Juſtiz
und Verwaltung bezüglihen Gejeße wurden zwar
zögernd beitätigt, ebenjo die ———— und
die Provinziallandſchaften, nicht aber die Land⸗
Deren und einige andere Geſetze. E. A.s
erhalten feit 1848 bat die öffentliche Meinung zu
feinen Öuniten umgejtimmt, Er ſtarb 18. Nov. 1851.
1860 mwurde ihm in Hannover ein Neiterdentmal
(von Alb. Wolff) errichtet. — Vgl. Malortie, König
E. A. (Hannov. 1861); Wilkinſon, Reminiscences
of the court and times of king Ernest of Hanover
(2 Bde. Lond. 1886; deutſch, Braunſchw. 1902).
Eruſt, Landgrafvon Heſſen-Caſſel, Stamm:
vater der 1834 ausgeſtorbenen Linie Heſſen-Roten⸗
burg, geb.19. De}. 1623 zu Caſſel ald Sohn des Land»
grafen Moriß, machte große Reifen und trat 1641
in Kriegsdienfte auf jhmwed.:franz. Seite. Nach
dem er 1649 die ihm zugefallene Herrihaft Nbein:
* in Beſiß genommen, trat er 1652 zum Katho—
icismus über. Seinen Befik vergrößerte er nad
dem Tode feiner Brüder (1655 und 1658) durch den
Erwerb von Eſchwege und Rotenburg. Er jtarb
12. Mai 1693 zu Köln. Er fchrieb: «Der jo wehr:
haffte als aufrichtige und discret gefinnete catho«
liſche Discours über ven heutigen Zuftand des Res
ligions⸗Weſens» (Köln erg und «Description de
la vie du prince Ernest» (1669), eine Selbſtbio⸗
rapbie. Seinen Briefmechjel mit Leibniz gab
—— heraus (2Bde., Frankf. 1847).
Eruſt Ludwig, —J——— von Heſſen und
bei Rhein, einziger Sohn des Großberzogs Lud—
wig IV, aus deſſen Ehe mit der Prinzeifin Alice
von Großbritannien, geb. 25. Nov. 1868 zu Darm:
ſtadt, bejuchte die Univerfitäten zu Gießen und Leip:
zig, trat dann in das preuß. 1. Garderegiment, rüdte
in diejem zum Premierleutnant auf und übernahm
nad dem Zode jeined Vaters (13. März 1892) die
Regierung feines Landes. Nachdem er jchon bei ſei⸗
ner Thronbefteigung zum Oberft befördert worden
war, wurde er 1894 zum Generalmajor, 1896 zum
Generalleutnant, 1900 zum General der Infanterie
ernannt. Er vermäblte ſich 19. April 1894 mit der
Brinzeifin Victoria (geb. 25. Nov. 1876), der zweiten
Tochter des Herzogs Alfred von Sadhjen: Coburg»
Gotha, doch wurde die Ehe 21. Dez. 1901 geſchieden.
1895 wurde ihm eine Tochter, Prinzeſſin Elifabetb,
geboren, die 16. Nov. 1903 in Sternewisy jtarb. Am
2. Febr. 1905 ſchloß E. L. eine zweite Ebe mit Prins
sch Eleonore zu Solms⸗Lich (geb. 17. Sept. 1871),
die ihm 8.Nov. 1906 einen Sohn gebar.
Ernit, Herzog von Bayern, Kurfürft von Köln,
geb. 17. Dez. 1554 als Sohn Herzog Albrechts V.
von Bayern, wurde, von Jeſuiten berangebilvet,
1566 zum Biſchof von Freiſing, 1573 zum Bijchof
von Hildesheim gewählt. Nah der Exkommuni—
fation des Kurfürften von Köln, Gebhards Truchſeß
von Waldburg, wurde €, 22. Mai 1583 in Köln
zum Erzbif gewählt. Mit Hilfe des Kaiſers ver:
trieb er Gebhard aus dem Stift; 1581 war er au
um Biſchof von Lüttih und 1584 wurde er zum
D ag Münjter gemäblt, jo daß er fünf Bis—
tümer bejaß, in denen allen er ven Proteſtantismus
verfolgte. Er ftarb 17. Febr. 1612 in Arnsberg.
Ernft, Graf und Edler Herr zur Lippe-Bie—
fterfeld, Regent des Fürſtentums Lippe, geb.
9. Juni 1842 ald Sohn des Grafen Julius (aeit.
184 Ernſt Kafimir (Graf v. Naſſau-Dietz) — Ernft I. (III.) (Herzog v. S.-Cob. u. Gotha)
17. Mai 1884), feit 1869 vermäblt mit Gräfin
Karoline von Wartendleben (geb. 6. April 1844, geit.
10. Juli ck erbob nad dem Tode des Fürjten
Woldemar (geit. 20. März 1895) von Lippe (f. d.) als
nächſter Agnat Anspruch auf die Regentſchaft, mußte
aber zunädjt gegen den von Woldemar zum Regenten
ernannten Grafen Adolf von Shaumburg:Lippe zu:
rüdjteben, bis er dur den Spruch eines Schiedsge—
richts 22. Juni 1897 1 erbjolgeberedhtigt anerfannt
wurde, worauferalsbald die Regentſchaft übernahm.
€. ftarb 26. Sept. 1904. Den Streit über die Thron:
folgeberechtigung feiner Söhne hat das Reichsgericht
erſt unter E.3 Sohn Leopold (j. d., Bd. 17) zu deren
Gunſten enticieden. (©. Lippe.)
Ernſt Kafimir, Grafvon Naſſau-Dietz, geb.
1573 zu Dillenburg als Sohn des Grafen Johann
des Altern, nahm jeit 1594 an faft allen Feldzügen
Morig’ von Oranien teil, wurde 1606 niederländ.
Feldmarſchall, 1620 Statthalter von Friesland,
1625 von Groningen und Drentbe und fiel 5. Juni
1632 vor Roermonde.
Ernft der Eijerne, Herzog von Oſterreich,
geb. 1377 als dritter Sohn der og Leopolds IIL.,
erbielt nad) dem Tode — ältelten Bruders Wil:
belm 1406 bei der Teilung der Länder ihrer Linie
Steiermark und nad dem Ableben feines Bruders
Leopold IV. 1411 auch dejjen Länder Kärnten und
Krain. Er ftarb 10. Juni 1424.
Ernft, Erzherzog von Öfterreich, geb. 15. Juni
1553 zu Wien alö Sohn Kaifer Marımilians IL,
wurde 1576 Statthalter in Ober: und Unteröfter:
reich, wo er ber Ausbreitung des Protejtantismug
mit ir und Eifer widerſtand. Auch wurde er
1590 Bormund des Erzherzogs Ferdinand von
Steiermarl, des jpätern Kaiſers Ferdinand IL., und
1593 von Philipp II. zum Statthalter der Nieder:
lande ernannt. Er jtarb 12. Febr. 1595 zu Brüfjel.
Ernft, Kurfürft von Sachſen, der Stifter der
Erneftiniihen oder ältern ſächſ. Linie, geb. 24. März
1441 ald Sobn des Kurfürſten Friedrich des Sanft:
mütigen und der Erjberjogin Piargareta von Oſter⸗
reih. Als 14jäbriger Knabe mit feinem Bruder
Albert von Kunz von Kaufungen und defjen Ver:
bündeten vom Sclofje zu Altenburg 1455 ge
raubt (j. PBrinzenraub) und glüdlich gerettet, folgte
er feinem Vater 1464 in der Kurwürde, regierte
aber die übrigen ſächſ. Länder gemeinſchaftlich mit
feinem Bruder Albrecbt bis zur Leipziger Teilung
26. Aug. 1485. (S. Albertiniiche Linie und ——
niſche Linie.) Kaiſer Friedrich ILL. belehnte 24. Febr.
1486 zu Frankfurt ig mit ihren Qändern
und beftätigte die von ihnen über die gegenjeitige
Erbfolge feitgeiegten ee fomwie die Tei—
lung ſelbſt. €. forgte für den innern Wohlftand
feiner Länder jowie für den äußern Anwachs der:
felben; 1466 erwarb er mit feinem Bruder das
jegige jähl. Vogtland, 1472 erlaufte er das Fürſten⸗
tum Sagan in Sclelien von Herzog Johann dem
Wilden für 50000 Goldgulden, 1477 vom Frei:
berrn Hans von Biberftein die Herrſchaften Sorau,
Beeslom und Storfow. Außerdem nötigte er 1477
bie Reichsſtadt Quedlinburg, 1483 Erfurt zur An:
ertennung der ſächſ. Schußherrſchaft und unterwarf
Halle dem Erzbifhof von Magdeburg, feinem Sobne
Ernſt. Erjtarb 26. Aug. 1486 zu Eoldig. Bon feiner
Gemahlin Elifabetb, einer bayr. Prinzeſſin, hatte
er vier Söhne, von denen der ältefte, Friedrich der
Weiſe, und der jüngjte, Johann der Beitändige,
ihm nacheinander in ber Kurwürde folgten.
Ernft, Herzog von Sadjen: Altenburg,
ältejter Sohn De Georgs und der Prinzeijin
Marie von Medlenburg: Schwerin, geb. 16. Sept.
1826, lebte feit 1840 mit feinem Bruder Morig zu
Studienzweden in Jena und 1843—46 in Yaufanne
und Genf und widmete fich bis 1849 in Breslau den
Militärwiffenihaften. Dann ftudierte er bi 1851
in Leipzig die Staatswifjenichaften und diente 1851
—53 im 1. preuß. Garderegiment zu Fuß zu Pots⸗
dam. 1853 verließ er den aktiven Militärdienit, ver:
mählte ſich (28. April 1853) mit der Prinzeſſin Agnes
von Anbalt:Defjau (geb. 24. Juni 1824, geit. 23. Olt.
1897) und folgte 3. Aug. 1853 jeinem Vater in der
Regierung. Er ſchloß 1862 eine Militärtonvention
mit Preußen, nahm im Aug. 1863 an dem Fürſten⸗
longreß in Frantfurt teil und trat 1866 dem Bündnis
mit ray bei. Am Kriege gegen Frantreic 1870
beteiligte er fih anfangs im Hauptquartier der zum
Schuß der norddeutſchen Küjten gebildeten Armee,
dann in der vom Großherzog von Nedlenburg tom:
manbierten 18. Divifion und nahm teil an der Ein-
nahme von Toul und Soifjons, an den Kämpfen
gegen die franz. Südarmee und an der Belagerung
von Paris. Er wurde 1907 zum Generaloberit er:
nannt. Sein einziges Kind, PBrinzeifin Marie (geb.
2. Aug. 1854), jeit 1873 mit Bring Albrecht von
Preußen vermäblt, jtarb 8. Oft. 1898; jein Bruder
Prinz Moris, geb. 24. Dit. 1829, geit. 13. Mai
1907, war jeit 15. Oft. 1862 vermäblt mit Prinzeifin
Augufte von Sahjen: Meiningen, aus welcber Ehe
außer brei Töchtern ein Sohn, der eventuelle Thron:
[eipr: Prinz Ernft, geb. 31. Aug. 1871, vermäblt
eit 1898 mit Prinzeſſin Adelheid von Schaumburg:
Lippe, hervorgegangen ift. — Bol. Volger, Herzog
€. von Sahjens Altenburg (Altenburg 1896).
Ernft1. (III), Herzogvon Sadhijen:ECoburg
und Gotba, der Sohn des Herzogs Franz von Eo:
burg:Saalfeld und der Auguſte KarolineSopbievon
Reuß, geb. 2. Yan. 1784, folgte ald Ernſt II. feinem
Vater 9. De3.1806. Da er ip: an dem Feldzuge gegen
Napoleon 1806, namentlich an der Schlacht bei Auer:
ſtedt, beteiligt hatte, wurde jein Land von Frankreich
in Befig genommen, jedoch im Tiljiter Frieden auf
gariprade des Kaiſers Alerander zurüdgegeben.
eitdem war er vorzüglich mit der Organijation
der zerrütteten Verwaltung jeines erſchopften Lan:
des beichäftigt, mußte aber troß jeiner gut deutſchen
Gefinnung dem Rheinbund beitreten, ſchloß fi
jedoch nad) der Schlacht bei Leipzig an die Berbün:
deten an, übernahm den Oberbefebl über das 5.
deutſche es und brachte Mainz zur Über:
gabe. Auf dem Miener Kongreß wurde ibm in
dem jenjeit des Rheins gelegenen Fürjtentum Lich
tenberg eine Landeövergrößerung mit 20000 €, zus
geſprochen, die im zweiten Barifer Frieden, nachdem
er als Oberbefehlshaber der jähj. Truppen wieder
am Feldzug gegen Napoleon I. teilgenommen hatte,
durch eine weitere mit 5000 E, vermebrt wurde.
Doch trat er Kichtenberg 22. Sept. 1834 für 2 Mill,
Thlr. an Preußen ab. Eine bedeutende Gebietöver:
gröberung en ihm nad Erlöfchen des ——
tammhauſesdurch den Staatövertragvom 12.Nov.
1826 in dem Herzogtum Gotha zu, wojür er das
Heine Fürftentum Saalfeld nebſt der Herricaft
ſtranichfeld an Meiningen abtreten mußte. Hier:
durch wurde er ald Ernjt I. Gründer des nunmeb:-
rigen Haufes Goburg:Gotba. In Coburg gab er
1821 eine repräjentative Verfafiung; in Gotba
aber ließ er die alten Stände befteben und führte
Enft II. (Herz. v. S.-Eob. u. Gotha) — Ernft I. (Herz. v. S.-Gotha u. Altenburg) 185
nur eine der preuß. nachgebildete Städteverfaſſung
an. Seine Länder verjchönerte er durch Bauten
und Bartanlagen, wie das berzogl. Schloß, die
Rejenau und den Kablenberg, das Schauipiel-
baus in Coburg, das Schlob Reinhardsbrunn
u. ſ.w. Auh Wiſſenſchaft und Kunſt unterftüßte
a und war namentlich auf die Vermehrung der
Biblietbet in Gotha und der dort befindlichen
Sammlungen bedacht. Er jtarb 29. Jan. 1844. ae
telgte jein Sohn Ernit II; fein zweiter Sohn Albert
war der Gemabl der Königin Victoria von England.
Ein jhönes Dentmal der Bietät hat der erjtere dem
Bater im 1. Bande feiner Dentwürdigleiten «Aus
meinem Leben und aus meiner Zeit» (Berl. 1887)
ejegt. — Val. A. Bed, Geſchichte des gothaifchen
andes, Bv.1 (Gotha 1868).
Ernft A., Herzog von Sachſen-Coburg
und Gotba, als Herzog von Sadjen: Gotha
Emft IV. genannt, Sobn des Herzog3 Ernit I. (III.)
und der Herzogin Luife, einer Tochter des Her:
zogs Auguft von Sadien: Gotha: Altenburg, ge
21. Juni 1818 zu Coburg, bereifte 1836 Eng:
land, Frankreich und Belgien, ftudierte dann in
Bonn bejonders — enate und trat als
Rittmeifter in königlich ſächſ. Militärdienfte. Nach
verſchiedenen Reifen in Spanien, Stalien, ‘Bortu:
gal und Nordafrita vermäblte er ſich 3. Mai 1842
mit Alerandrine (geb. 6. De;. 1820, geit. 20. Dez.
1904), der Tochter des Großherzogs Leopold von
Baden. Am 29. Jan. 1844 folgte er jeinem Vater
als Herzog von Coburg-Gotha und Chef des Ge:
jamtbaujes —— Er ſuchte den langen Zwiſtig—
feiten mit der Coburger Ständeverfjammlung ein
Ende zu machen und vereinbarte mit ihr 1846 ein
neues Wahlgeſetz. 1848 und 1849 mußte er durd
rechtzeitige Zugeſtändniſſe und feſte Haltung fein
Land vor Unruben zu bewahren. Die Delegierten
von Gotba wurden zur Beratung eines Landtags:
wablgeieges einberufen und der Abgeordnetenver:
fammlung der Entwurf zu einer neuen Verfaſſung
vorgelegt, die 1849 ins Leben trat. Die engere
—— der beiden Herzogtümer Coburg und
Gotba erfolgte dur das Staatsgrundgeſeß vom
3. Mai 1852, In den deutſchen Angelegenheiten er:
kannte der Herzog die Frankfurter Reichsverfaſſung
an und juchte Friedrich Wilhelm IV. zur Annahme
der Kaiſerkrone zu bewegen; dann übernahm er im
März 1849 ein elbftändiges Kommando (über eine
tbüring. Reſervebrigade) im Kriege gegen Dänemart.
Unter jeinen Augen wurde 5. Aprıl 1849 der 2
bei Edernförde gewonnen. Später ſchloß ih €.
dem jog. Dreilönigsbündnis an und veranlaßte
den Fürftentongreß u Berlin (Mai 1850).
der folgenden Reaktionszeit war er eifrig be:
mübt, die nationalen und liberalen Ideen lebendig
zu erhalten und die deutjchen Interefjen zu wah—
ren. Deshalb ſuchte er während des Krimkrieges
Öfterreih und Preußen zu entſchiedenem Auftreten
gegen Rußland zu veranlajjen und knüpfte als der
erite europ. Fürtt dur einen Beſuch in Paris im
—— perſonliche Beziehungen zu Napoleon III.
an. Angeſichts der Gefahren, mit denen die nach
dem Ende des Krieges ſich vollziehende Annäherung
—— Rußland und Frankreich Deutſchland be—
drobte, verfolgte Der Herzog den Plan, einen litterar.⸗
polit. Berein zur Aufllärung des deutſchen Publi—
kums zu begründen; aber erjt die — der
Regeniſchaft in Preußen durch Prinz Wilhelm 1858
gab ihm die Hoffnung auf eine günjtige Wendung in
den deutfchen Dingen. Im Stalienifchen Kriege von
1859 bemühte erfich, freilich vergeblich, um ein öfterr.=
preuß. Bündnis. Dann aber entitand unter jeinem
Schutze der Nationalverein, und indem er den deut:
ſchen Schüßenfeften, deren erjtes 1861 in Coburg ab:
gehalten wurde, eine nationale Richtung zu geben
verjuchte, machte er jeinen. Namen in ganz Deutſch⸗
land populär. Andererjeits half er durch den Ab:
ihluß einer Militärlonvention mit Preußen 1862
die Einheit des deutſchen Heerweſens vorbereiten.
Dem Gedanken einer notwendigen Regeneration
Deutſchlands buldigend, war er ein eifriger Teil:
nehmer am Frankfurter Aürftentag 1863. Beim
Ausbruch des ſchlesw.-holſtein. Konflikts wirkte er
beim Bundestage für die Trennun
tümer von Dänemark und für die Cinjeßung des
— Friedrich von Auguſtenburg als Herzog
von Schleswig-Holſtein, mar auch bei Napoleon I.
perjönlich für dieſen Plan thätig. Beim Ausbruch
des Deutihen Krieges von 1866 ftellte er fich ſofort
auf die Seite Preußens; feine Truppen nahmen
27. Juni 1866 an der Schlacht bei Langenſalza teil.
Nachdem er bei den Kapitulationdunterhandlungen
mit den Hannoveranern mitgewirkt hatte, machte er
im Hauptquartier des — von Preußen
die zweite Hälfte des böhm. Feldzugs mit. Am
Feldzuge 1870— 71 nahm E. im Großen Haupt:
quartierteil. Erjtarb 22. Aug. 1893 zu Schloß Rein:
hardsbrunn, in deſſen Bart jein ebernes Standbild
(von Aug. Sommer) 1903 errichtet wurde.
Seine Mußeftunden widmete E. den Wiſſenſchaf—
ten, der Naturfunde und der Mufit, Bekannt find
feine Opern «Gafilda» (1855), «Santa Chiara»
(1854), «Diana von Solange» (1858). Ins Volt
gebrungen a unter anderm feine vielgefungene
«Hymne», Als Frucht einer Reife, die E. 1862 nad
Agypten und den nördl. Grenzländern Abeffiniens
unternahm, erihien das Prächtwerk «Reiſe des
Herzog3 E. von Sadhjen:Coburg:Gotha nad Ügyp⸗
ten und den Ländern ber Habab, Menja und
Bogos» (Ppz.1864). Auch veröffentlichte er u. d. T.
«Aus meinem Leben und aus meiner Zeit» (3 Bde.,
Berl. 1837—89; Bearbeitung in 1 Bd., ebd. 1892)
hodinterefiante Denktwürbdigfeiten. In Coburg
wurde ibm 1899 ein von Cberlein modelliertes
Reiterjtanpbild errichtet. — Vgl. Ohorn, Herzog
€. IL von Sachſen-Coburg-Gotha (Lpz. 1894);
Beyer, Der Borlämpfer deutſcher Größe, Herzog
E. II. (Berl. 1894); Tempeltey, Herzog E. von Co:
burg und das Jahr 1866 (ebd. 1898).
enjt I. oder a Are Herzog von
Sachſen-Gotha und Altenburg, Stier des
—— Geſamthauſes, geb. 25. Dez. 1601 zu
——— der neunte von zehn den Vater über⸗
lebenden Brüdern, deren jüngſter der Herzog Bern:
I (j.d.) von Weimar war, erbielt nad dem Tode
eines Vaters, des Herzogs Johann von Weimar
il en von jeiner Mutter Dorothea Maria von An:
der Herzog:
alt eine von dem Hijtoriter des Schmalkaldiſchen
undes, Friedrich Hortleder, geleitete, auf religiöfer
Grundlage berubende trefiliche Erziehung, die jeinen
Eharalter für jein ganzes Leben bejtimmte. Einer
ge Jugend folgten noch härtere ' hg er als
E. bei dem Ausbruch des Dreigigjährigen Krieges
mit den Brüdern nah dem VBertrage vom 2. Dez.
1618 die gemeinfame Verwaltung des Landes über:
nahm. Seine jtreng prot. Gejinnung führte ihn in
die Dienjte Guſtav Adolfs ala Oberit eines Regi:
ments (Oft. 1631); er wohnte den Belagerungen
186 Ernft II. (Herzog v. S.-Gotha und Altenburg) — Ernft I. (Herzog v. Schwaben)
von Königshofen, Schweinfurt und Würzburg bei,
fämpfte tapfer in der Schlacht am Lech, und jo
nah einer jchweren Krankheit, die er fich beim
Durchſchwimmen des Lechs geholt hatte, in den
Schladten bei Nürnberg und Lützen, in welch letz—
terer er nad dem Falle Guſtav Adolfs den Sieg
über Bappenbeim vollftändig machte. Als jein Bru⸗
der Bernhard 1633 den Oberbefehl über das ſchwed.
Heer erhielt, übertrug ihm diefer die Verwaltung
feines Herzogtums Franken, die er mit muiterbafter
Sorgfalt führte. Zwar begab 1 E. nod einmal
unter jeinem Bruder in ſchwed. Kriegsdienſt und
alf Landshut in Bayern erobern; allein nad der
chlacht bei Nördlingen 6. Sept. 1634 zog er fi
vom Kriegsihauplag zurüd und trat 1635 dem
Arager Frieden bei. vermäblte ſich 1636 mit
lifabetb Sophia, der einzigen Tochter des Herzogs
Johann Philipp von Altenburg, und befnaftiate ih
von nun an lediglich mit der Reorganijation feines
durch den Krieg zerrütteten Landes, deſſen Regierung
er je: dem Erbteilungsvertrage vom 13. Febr. 1640
felbjtändig leitete. Nach dem Tode feines Bruders
Albert von Sachſen-Eiſenach 1644 fiel ihm durch
den Teilungsreceß vom 30. März 1645 die Hälfte
des Fürſtentums Eifenah zu, dann ein Teil der
Grafihaft Henneberg 1660 und durch he,
Wilhelms IH., des legten altenb. Herzogs, Ableben
1672 fam er in den Befiß der altenb. und coburg.
Länder, von denen er jedoch mittels eines 16. Mai
1672 zu Altenburg abgeichlofienen Vergleichs einen
Teil an Weimar abtrat. Seitdem nannte er fi
Herzog von Sachſen-Gotha und Altenburg. Er
ftarb 26. März 1675. Im J. 1904 wurde ibm in
Gotha ein Standbild (von Finkenberger) errichtet.
E. bewährte als ein eifriger Anhänger von
Luthers Lehre eine ftreng lonfeifionelle Fürſorge
r alle Kirchen: und Schulangelegenbeiten feines
ndes, und fuchte den fittlichereligiöjen Zuftand
feines verwilderten Volks möglichjt zu heben. Sein
weitered Bemühen ging dabin, die dem Sande
durch den Krieg geihhlagenen Wunden durch eine
ftraff geregelte Verwaltung, die von fünf hoben
Kollegien geleitet wurde, und fparjamen, gerechten
Staatshaushalt unter beftändiger Mitwirkung der
Landſtände und Pflege des Vollswohlſtandes zu
beilen. Auch eine Landesdefenſion (Landmiliz)
wurde 1641 eingerichtet. Zugleich war er um Ver—
breitung der evang. an auch im Auslande be:
mübt, wie fein Briefwechſel mit dem Zaren Alerei
Michailowitſch über die Angelegenheiten der prot.
Gemeinde zu Moskau, des Zaren Gejandtichait
nah Gotha und die Stiftung einer —
Gemeinde zu Genf San, Sein Intereſſe für
allgemein chriſtl. en jeigen die An:
wejenbeit des Abtes Öregorius aus Abejfinien an
feinem Hofe, feine Briefe an den König von Äthio—
pien, die Sendung ob. Mid. Wanslebens aus
Erfurt nah Abejfinien und die Briefe des Batriar:
en von Alerandria an ihn. Bon feinen 18 Kindern
überlebten ihn 7 Söhne und 2 Töchter.
Bol. Gelbte, Hiftoriih altenmähige Daritellung
des Lebens E.3 des Frommen (3 Bde., Gotba
1810); Klaunigund Schneider, E. Herzog zu Sachſen—
Gotha (Lpz. 1858); Bed, E. der Fromme (2 Bpe.,
Weim. 1865); Böhne, Die pädagogiihen Beſtre—
bungen E.s des Frommen (Gotba 1888); Kreyen:
berg, E. der Fromme (Frankf. a. M. 1890); Schroevel
und Moeller, E, der Fremme. Ein Pädagog unter
den Fürſten (Gotha 1901).
Ernft II., Herzog von Sachſen-Gotha und
Altenburg, geb. 30. Jan. 1745 ald der zweite
Sohn Herzog Friedrichs LIL. und der Luiſe Dorotbea
von Meiningen. Unter dem Einflujje jeiner geiſt⸗
reihen Mutter,von trefilichen Lehrern wie durch Rei:
fen nad) Holland, England und Frantreih 1767 —69
gebildet, folgte er 1772 feinem Vater. Er brachte
in das durch den Siebenjäbrigen Krieg zerrüttete
Finanzweſen Ordnung, verbeflerte die Suftispflege,
errichtete eg ten, Arbeits- und Kranken—
bäufer, ftiftete eine Benfionsanftalt für die Witwen
und Kinder der Staatsdiener, forgte für Verbeſſe—
rung und Erweiterung der Schulen und beförberte
auf alle Weiſe Künfte und Wiſſenſchaften. Nächſt
der Sprachkunde legte er auf Matbematif und Natur:
wiſſenſchaften befondern Wert, war jelbft aftron.
Shhriftiteller, gründete die Sternwarte auf dem
Seeberge bei Gotha (1791) und war der erjte, der
in —— eine Gradmeſſung veranſtaltete.
Er ſchloß ſich dem von Friedrich d. Gr. geſtifteten
rſtenbund an und widerſetzte ſich allen fremden
erbungen in ſeinen Landen, wies ſelbſt das
Verlangen des Königs von England, feines näch⸗
en Anverwandten, ibm für anfebnliche Gelb:
ummen Truppen nad Amerika zu überlafjen, von
ib. Er ftarb 20. April 1804. Abm folgte fein
Sohn August. — Pal. Nicolai, &. IL. ( rntadt
rg Bed, E. IL, Herzog zu Sachſen-Gotha
und Altenburg (Gotha 1854); derf., Geihichte des
gotbaiihen Landes, Bd. 1 (ebd. 1868).
Ernft, Herzog von Sachſen-Hildburghau—
en, geb. 12. Juli 1655 als Sobn Herzog Ernits des
mmen von Gotha, erhielt bei der Teilung von
1680 Hildburgbaufen und 1702 nad Loſung des
fog. Nexus Gothanus die volle Souveränität über
das Land. Er nahm 1683 an der Entießung Wiens
ſowie fpäter an den Feldzügen gegen die Türken
und gegen Ludwig XIV. teil; = gründete er bas
Gymnasium illustre in Hildburgbaufen. Er ftarb
17. Dtt. 1715.
Ernſt Ludwig J., Herzog von Sabjen:- Mei:
ningen, geb. 1673 ald Sohn Herzog Bernhards L,
fämpfte mit Nuszeihnung im Spantihen Erbfolge
kriege in faiferl, Dienften, trat 1706 bie Regierung
an und wurde 1712 Reichs-Generalfeldzeugmeiſter.
Er ſtarb 24. Nov. 1724.
Ernft Auguft, HerzogvonSahfen: Weimar,
eb. 19. April 1688 ala Sohn Johann Ernſts IIL,
fubierte in Halle, Jena und Ütrebt und regierte
eit 1707 gemeinfam mit feinem Obeim Wilhelm
Ernft, nad deſſen Tode 1728 allein. Er liebte die
Pracht und baute mehrere Jagpiclöfier; auch wer:
wendete er große Summen auf das Militär und
auf feinen Hof. 1732 Siftet er den Orden der Bad:
famleit oder vom weißen Falten. Er ftarb 19. Yan.
1748 zu Eiſenach. — Val. Freiberr von Beaulieu:
Marconnay, E. A., Herzog von Sahjen: Weimar
Eiſenach (Lyz. 1872). ſtein, ſ. Bd. 17.
Ernft Günther, Herzog zu Schleswig-Hol—
Ernft L., Herzog von Schwaben, en um
970 als der zweite Sohn des Markgrafen Luitpold
von der Oſtmark. E. tritt zuerft 1002 als Begleiter
Herzog Ottos von Kärnten, des Sobnes fon:
rads des Roten, bei deſſen erfolgloier Belämpfung
des ital, Gegentönigs Arduin von Jorea bervor.
* nächſten Jahre ſchloß er ſich dem Aufſtande ſeines
etters, des Nari rafen Heinrich vom Nordgau, ge:
gen Kaiſer Heinrich II. an. Bei der Belagerung der
urg Greußen ward er gefangen und nur der eifrigen
Ernst II. (Herzog von Schwaben) — Ernft & Sohn, Wilhelm
Bermendung des Erzbifhofs Willigis von Mainz
er es, die über ihn verhängte Todesſtrafe in eine
obe Geldbuße umzuwandeln. Bon nun an blieb €.
dem König treu. Seine Heirat mit Gifela, der
Schmweiter Herzog Hermanns IIL von Schwaben, ver:
Ihaffte ihm nach defien Tode 1012 das Herzogtum
Schmaben. Doc ftarb er jhon 1015 auf der Jagd.
Ernjt A., Herzog von Schwaben (1015—380),
Sohn des vorigen, geb. 1007, wurde noch al
Kind von Kaiſer Heinrich II. zum Nachfolger jeines
Baters ernannt und ftanb während feiner Minder:
jäbrigfeit erft unter der Vormundſchaft feiner Mutter
Gijela (j. d.), dann feines väterlichen Oheims, des
biſchofs Voppo von Trier. Da die verwitwete
Giſela ſich mit dem Grafen Konrad von Franken
vermäblte und dieſer als Kaiſer (Konrad II.) mit
König Rudolf II. von Burgund einen Vertrag
86 wodurch ihm und ſeinem Sohne Heinrich die
Erbfolge in dem burgund. Königreiche geſichert
wurde, ſo geriet er in Streit mit ſeinem Stiefſohn
E. und mit dem Grafen Odo von Champagne,
die beide ald Nachlommen von Schweitern des Kö:
nigs Rudolf Anjprüce auf die burgund. Erbſchaft
madten. Der erjte Aufſtandsverſuch wurde nieder:
eihlagen, und E. begleitete darauf (1026) feinen
tiefvater nah Stalien. Bon da (1027) nad
Deutſchland zurüdgejandt, um eine dort inzwifchen
aufs neue ausgebrochene Fürftenempörung zu
dämpfen, rechtfertigte er das Bertrauen des
Königs, der ibn noch eben erft mit der Abtei
Kempten belehnt batte, nicht, fondern ſchloß ſich
den Aufrübrern (Odo, Graf Welt) an, vermüftete
das Elſaß und brab in Burgund ein, Nach des
Kaifers Rüdtehr von Stalien mußte ſich E. ihm
auf Gnade und Ungnade ergeben. Er wurde auf
die Feſtung Giebichenftein (bei Halle) gebradtt.
Do ſchon 1. Juli 1028 erjcheint er wieder frei
und als Herzog. Als er fih 1030 weigerte, feinen
treuen Freund und fiengenofien, den Grafen
Werner vom Thurgau, befriegen zu belfen, belegte
ibn Konrad mit der Reichsacht, lieh den Bann über
ibn ausſprechen und übertrug das Herzogtum
Schwaben deflen Bruder Hermann. €. vereinigte
ib nun mit Werner, ſuchte vergeblih Hilfe bei
Dvo von der Champagne, ‚eg fih dann auf die
delfenburg Faltenftein im Schwarzwalde zurüd
und lebte dort von Raub und un Am
17. Aug. fiel er Fir leih mit Werner im Kampfe
gegen den vom iechof Marmann von Konſtanz,
dem Verweſer des Herzogtums, gegen ihn ausge:
andten Grafen Mangold, der gleichfalls den Tod
and. Wenn E. aud in der Geſchichte als ein un:
otmäßiger, unbejonnener und undanlbarer Fürft
egen feinen Stiefvater erſcheint, jo bat jeine
eundestreue und das tragiiche Ende feines Lebens
ihm die Sympatbie des Vollks erhalten. Sage
und Lied bemädtigten ſich diefes Stoffs, ver:
woben damit die Schidjale anderer unglüdlichen
enjöbne und ſchufen das Volksbuch «Herzog
» (1.d.). 2. Ubland bat in feinem Trauerfpiel
«C., Herzog von Schwaben» deſſen Freundestreue
ein würdiges Denkmal geſetzt. — Val. Breklau,
ücher des Deutichen Reichs unter Konrad IL,
. 1 (£p3. 1879). „Pen f.d.).
Ernft, Dichtername von Matthias Jatob Schlei:
Eruft, Adolf, Dicter, j. Stern. 20.17.
Ernft, Adolf von, Maſchinenbaulehrer, f.
Eruft, Heinr. Wilb., Violinift, geb. 1814 zu
Brünn in Mäbren, geit. 10. Dit. 1865 zu Nizza,
187
war Schüler von Böhm, Mayfeder und Beriot,
1830—50 einer der bebeutendjten Virtuofen, der die
Borzüge der deutſchen und franz. Schule vereinigte
und mit einer jouveränen Technik einen geift: und
temperamentvollen Vortrag verband. Seine Kunſt⸗
reifen führten €. durch ganz Europa; feit Mitte der
vierziger Jahre lebte er vorwiegend in England,
mußte aber, körperlich leidend, das Violinſpielen
zulegt aufgeben. Seine Kompofitionen für Violine
find alle ſchwierig; obenan fteht in diefer Beziehung
das Fis-moll: Konzert. In der Mehrzahl gebören
Re ins Gebiet der brillanten Salonmufit. Die be
iebteften find die «Elegier, die «Dibello:-Phantafie»
und «Der Karnevalvon Venedig» (eine Nabahmung
des gleihnamigen Baganinifhen Stücks).
Ernft, Dtto, Pſeudonym des Schriftjtellers Otto
Ernſt Schmidt (f. d.).
Ernft, Wilb. und Eberhard, Verlagsbuchhänd⸗
ler, ſ. Ernſt & Sobn, Wilhelm.
Cenft- Auguft- Orden, bannov. Orden, vom
König Georg V. 15. Dez. 1865 geftiftet, zäblte fünf
Klaffen: Großkreuze, Komture 1. und 2. Rlasle, it
ter 1. und 2. Klaſſe. Das Ordenszeichen beſteht in
einem mweißemaillierten achtipigigen Kreuze, zwi—⸗
ſchen deſſen Armen abwechſelnd ein Kurbut und eine
Königskrone erfheint und deſſen Mitte ein rundes
rotes Schild mit dem goldenen Namenszuge E. A.,
umgeben von dem Wablfpruche«Suscipere et finire»
(«Uinternehmen und zu Ende bringen»), auf blauem
Grunde trägt. Das Band ift fharladhrot mit
duntelblauen Ranpdftreifen.
Ernftbahn, Kleinbahn (4 km) zwiſchen Stadt
und Bahnhof Braunfels,
Ernfthall, Saline im Herzogtum Sachſen-Co—
— in der Nähe von Bufleben (ſ. d.).
ftthal, ebemalige Stadt, ſeit 1. Jan. 1898 mit
Hobenftein zu Hobenjtein-Ernftthal (f. d.) vereinigt.
Ernft & Sohn, Wilhelm, Verlagsbudhhand:-
lung für Arditeftur und Technik in Berlin, wurde
1850 unter der Firma «Ernft & Korn» (bis 1891)
von Wilhelm Ernft, geb. 10. Dez. 1814, geft.
15. April 1894, und Heinrih Korn in Breslau
begründet dur Ankauf des Verlags von Karl Rei:
marus, der 1842 die Buchhandlung von George
Gropius (gegründet 1827) in Berlin mit einem Teil
ihres Verlags übernommen hatte. Später famen
noch Ermwerbungen aus anderm Verlag binzu. 1880
trat H. Korn aus und Wilhelm Ernſt blieb Befiger,
jet 1891 mit feinem Sohn und Nachfolger Eber:
ard Ernjt (geb. 4. April 1852, geit. 25. März 1902
in Lugano), wobei zugleich die Firma geändert wurde,
Seit 1902 find Vefiber des lektern Söhne Wil:
belm, Georg und Kurt E. Der Verlag (über
600 Werte) umfaßt Monographien aus dem Gebiete
der Kirchen-, Schul: und Krantenbaus:Arditeltur
fowie des gejamten Eiſenbahnweſens, des Hoc:
baue3 und der Ornamentil, darunter zahlreidhe
Prachtwerke mit Stihen und Ehromolithograpbien
erſten ——— von Autoren wie F. Adler («Mittel⸗
alterlihe Badjteinbaumerte»), K. Boetticher, Gott:
etreu, Graeb, E. Gropius, ©. Hagen, Hibig,
obrecht, Georg Meyer, Nafchdorfi, von Rittinger,
Rziha, Salzenberg («Altchriſtl. Baudenkmale Kon:
ftantinopels3»), Schinkel («Sammlung arditelto:
nijcher Entwürfe», «Deloration auf den königl. Hof:
tbeatern e Berlin» u. a.), von Stillfried, Strad,
Stüler, Waejemann u. a.; ferner das «Arcitel:
tonifhe Skizzenbuch» (201 Hefte), «Ingenieurs
Zafbenbuh», bg. vom Verein «Hütte» (1857;
188
18. Aufl. 1902), «Zeitſchrift für Baumefen» (feit
1851), «Zeitfchrift für Berg, Hütten: und Salinen:
wejen» (ſeit 1853), «Gentralblatt der Bauverwal⸗
hung» (fett 1881) u.a. j
ente, der nbegriff aller Arbeiten, die zum Ein:
bringen landwirtichaftlicher Gewächſe und Früchte
notwendig find. Bon größter Bedeutung ift Wahl
des richtigen Zeitpunftes, Wetter und jchnelle Förde:
rung aller Erntearbeiten. Man kann in Deutſchland
drei Haupternten unterfcheiden: die Heuernte, die
Getreide: (Hülfen: und Olfrucht-) Ernte und die
Wurzelfruchternte. Die drei Arten bedürfen natür:
lich eines verschiedenen Beitpunftes, befonderer Verf:
aeuge und bejonderer Methoden beim Einheimfen.
ie Heuernte erjtredt fihb auf alle grünen
Futtergewächſe, die in trodnem Zuftande den Win:
ter über aufbewahrt werben jollen, wie Gra3, Klee,
Luzerne, Ejparfette. Der Schnitt, der meiſtens mit
ber Senje, jet aber auch vielfach mit Mahmaſchinen
(j. d.) vorgenommen wird, hat zu erfolgen, wenn
die Pflanzen in voller Blüte Ri Bei früberm
Abbringen ift die Menge geringer, weil das Wachs⸗
tum der Bilanzen noch nicht vollendet ift; bei jpä-
term Mähen erbält man eine größere Futtermaſſe,
aber geringern Nährwert, weil die eigentlichen Nähr:
tojje in die Samen gemwandert find. Die grünen
flanzen fann man durch einfaches Trodnen, durch
Trocknen aufReutern und dur Braunbeubereitung
in Heu verwandeln. Beim einfachen Trodnen wird
das in Schwaben gemäbte Gras auseinandergeichla:
en, mebrfad) gewendet und am Abend in eine Haus:
I gelebt, um am folgenden Tage von neuem in der
eſchriebenen Weije behandelt zu werben, bis eine
völlige Trodnung erreicht ift. Klee wird nur vom
Schwad aus in Heine Haufen gebracht. Beim Klee
und der Zuzerne findet aud ein jog. Buppen ftatt;
der im Schwad abgemellte Klee wird zu etwa 30 cm
im Durchmefjer haltenden Bündeln aufgerollt, auf
die Sturzenden 78 oben etwas ſpitz ausgezogen
und mit einigen Halmen umbunden. Er leidet in
den Buppen, die bis zur Abfuhr des Heues unberührt
bleiben, wenigvon der Witterung. Beim Trodnen auf
Reutern, namentlich beim Klee üblich (j. Kleereuter),
wird derjelbe am zweiten Nachmittag nad dem Ab:
mäben auf den Reutern — feſtgepact und
trodnet b völlig nad. Bei der Braunpeuberei:
tung läßt man die grüne Mafje erft abwelten, bringt
je dann in Mieten oder Feimen und tritt fie feft zu:
ammen. Die — vor ſich * Erwärmung
des Haufens hat nad einigen Wochen ihr Ende er:
reicht; der Klee u. ſ. w. ftellt dann eine braune, aro:
matiſch riechende Maſſe dar. Der Vorteil der bei:
den letten Arten der Heugeminnung berubt in der
größern Unabhängigkeit vom Wetter und Erſparung
an Arbeit, die unter ungünjtigen Witterungäver:
bältnifjen bei der Dürrbeubereitung ſehr bedeutend
Fi Bei häufigem Beregnen wird ein Teil der im
eu enthaltenen Nährſtoffe ausgewaſchen. (S. Heu.)
Bei der Getreideernte benukt man diejelben
Geräte und Maſchinen wie zum BR des Graſes,
Klees u. ſ. w., nur mit Vornahme Heiner inderun:
* in der Konſtrultion. Die namentlich im Klein
etriebe vielerortö no) verwandte Sichel kann au
von rauen und Kindern gehandhabt werden; da=
egen leiftet fie wenig. Der richtige Zeitpunft des
täbens iſt beim Getreide außerordentlich wichtig.
Ye mehr fich die Reife näbert, dejto mehr wandern
die Nährjtoffe aus dem Stengel und Halm in bie
Körner; um fo gebaltlofer wird das Stroh, um fo
Ernte
reifer werben die Körner. Beides ift aber nachteilig,
denn die überreifen Körner fallen in großer Zahl
aus und geben verloren. Man joll desbalb mit dem
Mäbhen beginnen, wenn fid die meijten Körner über
dem Fingernagel brechen laſſen, aber noch einen
breiigen Kern befiken (Gelbreife). Bei der
Milchreife Beben fi die Eimweißftoffe und das
Stärtemehl noch in flüffigem Zuſtande. Wenn die
Körner ſchon ieh ( NN oder jogar völlig
hart geworben find (Totreife), ift der Verluſt
durch Ausfallen oft jebr bedeutend. Es kommt
binzu, daß bei günftigem Wetter die Reife jebr
Gneil zunimmt, daß dann alſo, während das erſt
Gemäbte gelbreif iſt, das Korn der zuletzt gemäh—
ten Felder me wird. Das frübere Abbringen bat
noch den Vorteil, daß dabei ein feineres Mebl und
weniger Kleie erbalten wird. Am wenigſten Scha:
den verurſacht die vorgefchrittenere Reife beim Ha:
fer, weil diefer nur wenig ausfällt.
Das Minterlorn wird beim Gebraucde der Senie
ewöhnlih an das noch ftebende angebauen, das
emäbte abgerafit und gleich mit der Hand oder
einer Garbenbindmaidine (f. d.) zu Garben (f. d.)
—— Sommerlorn dagegen in Schwaben ge
egt, nad einiger Zeit — und gebunden.
Das Verfahren beim Trocknen des Getreides,
namentlich des Weizens und des Roggens, iſt ſehr
mannigfa ig. Empfehlenswert iſt das Aufießen in
Puppen. Es wird dabei eine Garbe ſenkrecht mit
dem Sturzende auf die Erde geſtellt, hierauf meiſtens
acht andere Garben im Kreiſe an dieſelbe angelehnt
und das Ganze mit einer ſtärlern Garbe zugededt,
deren Ühren dadartig von allen Seiten über die
übrigen Garben Derukkängen. In den Buppen rei:
en die Körner im Schatten nad, und das Getreide
eidet jelbit durch heftigen Regen nicht. Die Kreuz:
manbdeln, bei denen zunädjt vier Garben, mit
ihren Ährenenden IE: auf die Erde
und oben darauf noch zwei ebeniolde Schichten ge
legt werben, find namentlich für jehr reif gemordenes
Korn geeignet. Bei den Stiegen werden je zivei
Garben mit den Sturzenden — Boden geſtellt,
mit den Ahrenenden gegeneinander geneigt und in
gone Meije eine Reihe von jehn Garben an jeder
eite errichtet. Außerdem giebt ed noh Pyrami:
den, Öarbenlajten und Dachhaufen, die aber
weniger verbreitet find. Buchmweizen wird meijtens
in Puppen, wie bei der €, des Klees angegeben,
getrodnet. Das Bergen des Getreides, wobei trods
nes Wetter bejonders wichtig ift, geichiebt in Scheu:
nen (ſ. d.) oder in Feimen (f. u die zunächſt auf
dem Felde zufammengefabren, ipäter aber auch in
die Scheunen gebracht werden. Neuerdings wird das
Getreide mit Hilfe der Dreſchmaſchinen zumeilen
leih von den Puppen oder Stiegen aus oder au
äter aus den Feimen gebroihen. Nah dem
Abbringen des Getreided vom Felde wird letzteres
mit einer fog. Hungerbarle (Pferdereden)
nachgeharlt, um die zurüdgebliebenen Halme auf:
zufammeln.
Bei der E. der Hülſenfrüchte, namentlich
Bohnen und Erbjen, find im allgemeinen diejelben
Arbeiten vorzunehmen wie bei der Getreideernte.
Das Mähen muß erfolgen, wenn die am meijten
in der Reife vorgeſchrittenen Hüljen braun werben.
Die Hülfenfrüchte werden entweder gleih nad dem
Mäben gebunden oder aud, 3. B. die Erbien, un:
ebunden in die Scheunen gebradht. Die Ölfrüchte,
Raps, Nübjen u. ſ. m., ſollen gemäbt werden, wenn
Erntedankfeft — Eröffnung des Hauptverfahrens
die Körner braune Bäckchen belommen; man bin:
det das Abgebrachte in Heine Bunde, von denen
40 bis 60 Stüd unter einer Strohhaube zufammen:
geftellt werden und bis zum Einfabren oder Dre
hen auf dem Felde bleiben. Bei erfterm jind die
Emtewagen mit Leinwandplanen auszuſchlagen,
um die —— Samen zu ſammeln.
Um die E. vom Wetter unabhängig zu machen,
um auch in naſſen Sommern Gras und Getreide Ha
trodnen zu können, baben in allerneuefter Zeit ver:
ihiedene engl. Landwirte, jo Neiljon, Gibb u. a.,
beſondere Ernteverjahren ausfindig gemacht, die
in der Hauptiache darin beiteben, daß durch das in
i aufgeſetzte Gras, Getreide u. ſ. w. mittels
eigener Maſchinen, welche durch Dampf oder Göpel
getrieben werden, erwärmte Luft geſogen wird,
die ſich mit der Feuchtigleit des Getreides ſättigt
und dadurch letzteres trodnet. Nach den bisher
vorliegenden Erfahrungen ſcheinen dieſe Methoden
ihren Zwed noch nicht vollftändig zu erfüllen.
Die E. der Wurzelgewächſe darf nicht zu früh
im Herbjte erfolgen, damit die Wurzeln und Knol⸗
len völlig reif geworden find, wenigjtens in land:
wirtichaftlibem Sinne, d. h. bis die Bildung von
Stärlemebl (Kartoffeln) oder Zuder (Rüben) u. |. w.
ihr Marimum erreicht bat. Bei den Kartoffeln be:
dient man ſich entweder des Spatens oder ber Ga:
bei, im Großbetriebe dagegen des gewöhnlichen
PBfluges oder eines bejonders konjtruierten Kartof⸗
felpfluges. Rüben werden entweder mit der Hand,
dur den Spaten oder mit einem jog. Nübenbeber,
der durd Geipanne fortbewegt wird, aus der Erde
geboben. Die Aufbewahrung der Wurzelfrücte
geibiebt entweder in Kellern oder in Mieten auf
dem Felde, was bei größern Mengen faft immer
nötig jein wird. (Näberes |. Kartoffel jowieRüben:
aufbemabrung.) liber die Ernteerträge j. die Ab:
ſchnitte Landwirtſchaft in den einzelnen Zänderarti:
tein jomie den Artilel Getreideprodultion. — 24
Löbe, Anleitung zum rationellen Betriebe der E.
(2. Aufl., Braunſchw. 1887).
Die E. wurde jhon bei den Griechen und Römern
dur bejondere Feitlichleiten nad ihrem Abſchluß
eiert. Das bei den driftl. Vollern eingeführte
blibe Erntedankfeſt oder Erntefeft, das in
Deutſchland meijtens am erften Sonntage nad
Nichaelis gefeiert wird, ift an Stelle der Erntedanl:
opjer getreten. Außerdem findet gewöhnlich noch
eine vom Gutsherrn den Arbeitern gegebene Tanz:
beluftigung mit Bewirtung, das fog. Erntebier,
ftatt, wobei leßtere dem eritern eine Erntelrone
oder einen Erntelranz übergeben.
Erutedautfeit, Erntefeit, ſ. Ernte.
Erntehüter (lat. Custos Messium), ein von
Lalande benanntes Sternbild des nördl. Himmels
bei der Kaſſiopeia, in einer an Heinen namenlofen
Sternen reihen Gegend. Es joll an den Kometen:
entdeder Meifier erinnern.
Erntemafchinen, j. Mähmaſchinen.
Erntemonat, ſ. Auguſt.
Erxuterũckſtãude, die Stoppeln und Wurzeln,
die bei der Ernte der Kulturgewächſe im Boden
feiben, und die durd ihre jpätere Umwand—
in Humus und Pflanzennäbritoffe einen be
fimmenden Cinfluß auf die Nachfrüchte und da—
mit auf die Fruchtfolge ausüben. Nach den Unter:
fuhungen von Weisle und Werner in Prostau
fanden ſich, auf 1 ha in Kilogramm berechnet, nach⸗
hebende Rüdftände bei verjhiedenen Früchten:
Luzerne .| 10811 162,6
Rotllee, 9976 | 214,6 292,9
Qupinen ...... 3943 | 69,7 ”“,1
Weizen. ...... 86
Roggen ...... 7 21
Gerite . 2.2220. 474
J „,
Eroberung, die im Kriege volljogene Befis-
ergreifungvon feindlihem Staatögebiet und Staats:
eigentum. Gie gewährt, wenn Aneignungswille
vorhanden ift, Eigentum an beweglichem Staatsgut,
onft, jolange ber Kriegäzuftand dauert, nur die
gnis, das Croberte zu allen der Kriegführu
dienliben und nicht durch den Kriegsgebrau
(f. d.) unterfagten Zweden zu benugen. Eine völter:
rechtliche Pflicht, in dem beſetzten Gebiete die Staats⸗
gewalt ſoweit möglib auch zum Wohle der Ein:
wohner auszuüben, entftebt dagegen durch E. nicht.
Das feindliche Gebietäreht und das Eigentum des
Feindes an feinem unbemweglihen Gut endigt erft,
wenn infolge der E. Abtretung (ſ. d.) der Gebiets:
bobeit dur iedensvertrag oder jog. Debellation,
d. b. kriegeriihe Vernichtung der völterrechtlihen
Berjönlichleit des feindlihen Staates und damit
völferrehtlihe Dccupation (f. d. und Annerion),
ftattfindet.
Eroburgo, Drt auf Tenos (f. d.).
Eropdieren (lat.), wegnagen, wegbeizen (f. Ero⸗
fion); Erodentla, igmittel,
Erodium L’Herit., Reiberihnabel, Pflans
jengattung aus der Familie der Öeraniaceen (f. d.)
mit gegen 50 faft ſaͤmtlich in der nördl. gemäßigten
Dom und befonders in den Mittelmeerländern vers
reiteten Arten. Die gemeinfte, in fajt ganz Europa
wachſende ift E. cicutarium Z’Herit., ver ſchier⸗
lingsblätterige Reiherſchnabel (f. Tafel:
Gruinalen, Fig. 2), häufig als Unkraut auf bes
bautem Boden und Schutt. Eine andere in Deutſch⸗
land nicht feltene und in ganz Südeuropa ver:
breitete Art ift E. moschatum L’Herit.; die ganze
Pflanze, früher unter vem Namen Herba Moschatae
offizinell, riebt nah Moſchus. Die ſüdeuropäiſche
E. ciconium Willd. und E. gruinum Willd, dienen
ihrer bygroflopifhen langen Schnäbel wegen zu
Zimmerbygrometern, d. b. als Wetterpropbeten.
Eröffuung des Hauptverfahrend, der jei-
tens des Gerichts (nicht Staatdanmwaltihaft) erfol⸗
gende Beichluß, ven Beihuldigten vor ein Strafge:
richt zu Aburteilung zu verweifen. Der Beſchluß
bet einen Antrag (Anklagefchrift) ver Staatsanwalt»
haft zur Vorausfegung. Die Anklageſchrift wird
dem Angeſchuldigten Durch den Gerichtsvorfißenden
ur Erklärung mitgeteilt, ob er Vorunte —
alls ſolche ni —— oder Vornahme einze
ner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung
beantragen oder Einwendungen gegen die E. d. H.
vorbringen will. Nach Eingang der Erllärung oder
Ablauf der für dieſelbe zu jtellenden Frijt Fakt das
Gericht Beichluß, der dabin lauten fann: 1) daß das
Bemweiämaterial durh Eröffnung oder Ergänzung
der Vorunterfuhung oder einzelner Beweiserhe:
bungen zu vervollftändigen; 2) daß das Verfahren
Sun en (j. Einjtellung des ls
3) dab das Hauptwerfabren, fei ed aus thatjächlichen
oder rehtlihen Gründen, nicht zu eröffnen jei, wel»
her Beichluß, ift er rechtöträftig, eine nochmalige
190
Klage hindert, ſoweit nicht neue, zur Zeit jener Bes
ſchlüßfaſſung unbelannt gewejene Thatjahen oder |
Beweismittel zum Vorjhein fommen; 4) dab das
Hauptverfabren zu eröffnen fei. Zu diefem Beſchluß
wird erfordert, daß der Angeſchuldigte nach den Er:
gebnijlen des Vorverfabrens der That hinreichend
verdächtig erfcheint; der Beſchluß ift für den Ans |
—— nicht anfechtbar, u fann der |
taatsanmwalt die Ablehnung der E. d. H. mit fo:
eig Beihmwerdeanfehten. Beichliebt das Gericht
im Widerſpruch zu den Anträgen des Staatsan:
walts €. d. H., jo bat diejer eine dem Beſchluſſe
entiprechende Anklagejchrift einzureichen. Die Ent:
cheidung über E. d. 9. erfolgt, ſoweit jie nicht dem
mtörichter (Deutjche Srpiiipgion gering I = 197)
zuftebt, in beratender Sigung des an die Anträge |
der Staatsanwaltſchaft nit gebundenen Gerichts
(Straftammer der Landgerichte oder 1. Strafienat |
des Reichsgerichts) auf Grund Vortrags eines Be:
richterſtatters. Ausnahmsweiſe kann ohne ſchriftliche
Anklage und ohne beſondern Eröffnungsbeihluß zur
Hauptverhandlung geſchritten werden, nämlich in
Schöffengerichtsſachen ($$.211, 451,456) und zwar,
wenn der Beſchuldigte ſich freiwillig ftellt oder in
Folge vorläufiger Feſtnahme vorgeführt oder nur
wegen lÜbertretung verfolgt wird ($. 211); ferner
wenn gegen einen amtsridhterliben Strafbefebl |
rechtzeitig Einfprudy erhoben, und wenn gegen eine |
voligeiliche Strafverfügung Antrag auf gerichtliche
Entibeidung gejtellt wird. Die Beitimmungen der
Deutihen Strafprozeßordnung (88. 196— 211) über
E. d. 9. haben den Zwech, zu verhindern, daß jemand
auf ungenügende Verdachtsgründe bin auf der Un:
tlagebant eriheinen müßte, Die Oſterr. Strafprozeß⸗
ordnung F hierfür dadurch, daß auf Einſpruch
des Angeſchuldigten eine Entſcheidung über die Zus
läjjigteit der erhobenen Anklage jeitens des Gerichts
jweiter Inſtanz jtattfindet. (S. Antlagejtand.)
Erogation (lat), Verteilung, Auszahlung ;
Erogätor, Ausgeber, Ausitatter, Verteiler einer
Erbſchaft.
Eroioo (ital.; franz. höroique), or Vor:
tragsbezeihnung: beldenmäßig, mit geiteigerter |
Kraft und mit Schwung. Beetboven benußte dieſes
Wort zur Bezeichnung des Gejamtcharatters jeiner |
dritten Sinfonie (Erolca, in Es-dur), die er ur: |
fprünglih Napoleon I. widmete, weil er in ihm einen |
ecbten Republitaner jab; als dieier aber die Kaiſer—
würde annahm, zerriß er die Dedifation. Auch Neus |
tomm ſchrieb eine Eroica. |
Ero3 (ard.; lat. Amor und Eupido), die Ber:
fonifitation der Liebe, inäbefondere der Geſchlechts—
liebe, wird von der jüngern Dichtung und bildenden
Kunjt der Griehen und Römer als der Sobn und |
unzertrennliche Begleiter der Aphrodite (Benus) |
jan ren bäufig mit den verwandten Geftalten
Himdros und Potbos (Verlangen und Sehn: |
fucht) verbunden, biöweilen auch dem aus einer
mebr pbilof. Idee bervorgegangenen Anteros (f. d.)
gegenübergeftellt. In der Heſiodiſchen Theogonie und
dann beſonders bei den ſog. Orphilern erſcheint €.
als eine der erſten und mächtigſten Gottheiten, als
der Urheber aller Zeugung und daher der Welt:
er überhaupt (der de losmogoniſche E.).
n einigen Gegenden Griechenlands wurde
aber jchon jeit uralter Zeit ald Hauptgottbeit ver:
ehrt, wie 5. B. zu Tbefpiä in Böotien, mo ihm alle
vier Jahre ein berühmtes dt (Erotidien) mit
Iymniſ und muſiſchen Wettlämpfen gefeiert
' einer Lyra in der
Erogation — Eros (Mythologie)
wurde. Dort galt er ald Sobn des ithyphallifchen
Hermes und der chthoniſchen Artemis, jo daß er ala
Gott der zeugenden Kraft der Erde zu betrachten
ift. Sein Symbol war ein rober Stein, doch ſtan⸗
den daſelbſt auch berühmte von Prariteles und
Lyſippus gefertigte Statuen. Cine andere an
faſſung des E. ald Sinnbild reiner Freundſcha
und begeifternder Liebe des Wahren, Schönen und
Guten ift dur die Philoſophie, bejonders durch
die Platoniſche, begründet worden. In der aleran-
driniſchen Poeſie iſt E. bald der alles überwindende
bald der nedifche Gott der Liebe. Namentlich mu
ſeit dieſer get jein Verhältnis zu Pſyche (ſ. d.) ein
beliebter Gegenftand der Sage (j. Apulejus) ges
weſen fein. —
regelmäßig als nadter
argejtellt wird €. in älterer Zeit
geflügelter Knabe, oft mit
Hand, vereinzelt
aub als Yüng:
ling und unge:
flügelt. Der pari:
ice E. des Prari:
teles lehnte ſich
mit dem linken
Arm auf eine
Säule; ein ande:
rer Typus dieſes
— ers legte
wohl die rechte
Hand ruhend über
den Kopf und er:
bob die linte mit
dem Bogen, der
fonft erit feit dem
4. Jahrh. als At:
tribut auftritt.
Auf ein Wert des
er jcheint der in mebrern Nachbildungen, 3.8.
im Kapitoliniihen Mufeum zu Nom, vorbandene
bogenprüfende €. zurüdzugeben. (©. vorjtebende
| zum Später erhält er auch eine Fadel als
\ Beigabe. Se
it der Zeit des Hellenismus wird er
als ind mit Heinen Flügeln und mit allerlei Spiel
beihäftigt aufgefaßt. Wie in der Poeſie diefer Zeit,
R erſcheint er auch in der bildenden Kunft, nament:
ich in Terratotten, Gemmenbildern und Gemälden
als ein nedifcher, mutwilliger Knabe, der alle Göt:
ter und Menſchen, ja fogar die wildeſten Tiere be:
zwingt und über fie triumphiert. Die röm. Kunſt bat,
bejonders in zahlreihen Sartophagrelief3, Ero:
ten in ber Mehrzahl als Knabenfiguren (Amoret:
ten) mit und obne Beflügelung (in der legtern
‚Form von mancden ohne rehten Grund Genien
— in verſchiedenen Deihäftinungen, beim
piel, bei Wettfahrten, bei der Weinlejfe, bei Trint:
gelagen u. ſ. w. dargeftellt. Auch die Verbindung
von Amor und Alpe ift von derjelben oft beban-
belt worden; die ſchönſte derartige Gruppe befindet
fih im Kapitoliniſchen Muſeum zu Rom. Auch die
neuere Kunſt hat den €, entiprehend dem Vorbilde
| der Antife dargeftellt. So haben Eanova (Amor
und Pſyche mit dem Schmetterling, Amor und
Pſyche jib umarmend; beide im Louvre zu Paris),
Thorwaldſen (Amor als Löwenbändiger), Rietichel
(Amor auf dem Panther), Frailin (Der gefangene
Eupido) meifterhafte Crosfiguren geſchaffen; unter
andern tellte der engl. Bildhauer Gibſon Amor und
ſyche in einem Relief dar (f. Tafel: Engliſche
unft II, Fig. 9). Unter den die Fabel von €,
Eros (Planetoid) — Erotomanie
und Pſyche behandelnden Malereien find bekannt
die nah Raffael3 Entwürfen von mebrern feiner
Schüler ausgeführten zwölf Daritellungen in ber
Billa — zu Rom. — Vgl, Gerhard, Über den
Gott €. (Berl. 1850); 3. Grimm, fiber ven Liebes:
gott (ebd. 1851); Furtwängler, E. in der Vajen-
malerei (Münd. 1875).
Eros, Planetoid, |. Bv. 17.
Erofion (lat.), Zernagung; in der Geologie
Bezeichnung für alle die Oberfläche des Feitlandes
geitaltenden Vorgänge, injofern bierbei das Waſſer
und die meteorolog. Verbältnifle in Frage fommen.
Hauptjaltor der E.ift das fließende Waſſer, das
in einem auch nur wenig geneigten Boden ein mit der
Zeit immer tiefer werdendes Rinnſal einſchneidet, ibn
immer weiter erodiert. Je ftärler das Gefälle iſt,
um fo mebr fann das Wafler Sand und Steine als
Schleifmaterial mit fi fortführen. Gebirgsbäde
üben eine viel jtärfer erodierende Thätigleit aus
als in der Ebene langjam dabinjchleichende große
Ztröme, die oft genug im Gegenteil ihr Bett und
ibr ganzes Gebiet durch Abjak des von der Höhe
berabaetührten Materials erhöhen. Stark erodie:
rend wirten oft Wajlerfälle durh Unterwüblung
des fturzes an ihrem Fuße; jo fchreiten die
Niagarafälle jäbrlib etwa 0,5, die Antbonyfälle
des Mifhijtppi 1,rım rüdwärts. Weitaus die meiften
Ibäler in allen nicht rein vulkaniſchen Gebirgen,
und viele auch in diefen, verbanten ihre Geitalt,
die Form und Tiefe ihres Querſchnittes der rüd:
märts f&hreitenden E. des Waſſers. Der Meg, auf
welchem die €, erfolgt, wird in den meiſten Fällen
durch die geolog. Beihaffenheit, die Zufammen:
jesung und den Bau des betreffenden Gebietes vor:
gezeichnet. (S. Canon.) Die erodierende Thätigfeit
des fließenden Waflerd wird unterftüßt und zum
Zeil wird ihr vorgearbeitet dur die Auflöfung,
Zerjegung und Bermitterung der fejten Gejtein:
maſſen dburb Regen und durch Quellwaſſer
und durch die mechan. Aufloderung der oberfläd:
lisen Maſſen durch in Spalten gefrierendes
Waſſer oder andererjeits durh Inſolation,
durch ftarle Ermärmung dur die Sonne mit dar:
auf folgender jchneller Abkühlung in der Nacht.
Auch die Bildung von Grundeis und das Gefrieren
der Oberfläche der Flüfje unterjtügt ihre erodierende
Ibätigfeit in bedeutendem Maße. Im Hochgebirge
und in ben polaren Gegenden wirkt auch das Eis
erodierend, mag es alö Gletſcher wie ein Strom,
eder mag es als Inlandeis in breiter Maſſe ſich
abwärt3 bewegen; die E. wird hierbei —*
lich durch das Abſchrammen und Abhobeln des
Grundes durch vom Eiſe mitgeführtes, zerkleinertes
Geſteinmaterial bewirkt. Nach der Annahme vieler
Geologen iſt aber die erodierende Thätigkeit des
Eiſes viel geringer als die des Waſſers. Auch be:
wegte Luft wirkt auf der Erdoberfläche erodie⸗
tend; der Wind nimmt Heinfte Mineralpartitelcen,
Staub, mit ring transportiert fie von den Höben
binab ın das Meer; der Sturm vermag ſelbſt grobe
Sandlörner vom Boden aufzubeben und mweitbin
jortzuſchaffen; dieſe wirken dabei in ähnlicher Weije
auf feites Geftein erodierend, abtragend ein, wie
das Gefteinmaterial, welches der Gebirgsbach oder
der Gletſcher mit ſich führt. (S. Sandſchliffe.) An
dem Hüften bes tlandes wirten Wellen und
Brandung zeritörendb und erzeugen oft im ein⸗
en jormen, wie jie auch durch fließendes Waſſer
gebracht werben; an ſinkenden Küften zeigt
19]
id dann wohl das Phänomen der Abrafion (f. d.).
eeresitrömungen lönnen vielleicht in den fels
tenen Fällen, wo fie auf den Meeresboden reichen,
auf legtern erodierend wirken,
n der Medizin ift €. ein oberflählihes Ge:
ſchwür; in der Zahnbeiltunde jowiel wie mangel:
bafte Bildung des Zahnſchmelzes.
Erofionsichlände, |. Schlünde,
Erofionäthäler, |. Thal.
Erotematifche Lehrform, ſ. Katechetik.
Erdten, Erotidien, |. Eros,
Erötif (grch.), Lehre von der Liebe, auch bie
erotijche Poeſie (j. Erotic).
Erotifer (grch.), Verfaſſer von erotifhen Schrif:
ten (ſ. Erotiſch), in der griech. Litteratur vorzugs⸗
meije die Verfaſſer von Novellen und Romanen, in
denen Liebesverbältniije eine bedeutſame Rolle ſpie⸗
len. Zu den novelliftiichen gehören die unter dem
Namen « Milefifjhe Geſchichten»(ſ. Milet) befanns
ten Erzählungen. (S. Bartbenius.)
Eine weitere Stufe der Entwidlung bildet der
riech. Roman (lögos erotikös). Die Grundlage
teferten die von alter ber beliebten Erzählungen
von abenteuerlihen, pbantaftifh ausgeibmüdten
Reifen, von denen ſchon die Irrfahrten des Odyſſeus,
die Abenteuer der Argonauten, die Sage von den
Hpperboreern Beifpiele gaben. In alerandriniicher
Zeit famen dazu phantaftiihe Erzählungen von
den Eroberungszügen Alexanders d. Gr. und wun—
derjame Berichte über Reifen in fremde Länder,
wie fie Lucian in feinen «Wahren Geidhichten »
parodiert hat. Aus der Verflechtung folder Er:
— mit Liebesgeſchichten gingen die griech.
Romane hervor, von denen eine —— An:
ahl noch erhalten find. Eins der ältejten diejer
ücher, deö Antonius Diogenes «Vierundzwanzig
Bücher von den Wundern jenfeit Thule» (wabr⸗
iheinlih aus dem 1. Jahrh. n. Chr., nur im Aus»
ug erhalten), gehört mehr noch zu den phantas
—2* Reiſeberichten.
Die übrigen erhaltenen Romane find durchweg
Erzeugnifje der jog. «zweiten griech. Sopbiitik», d. b.
der in der röm. Kaiſerzeit neu auflebenden rbetori:
ſchen Runft. Es war den Berfaffern vor allem darum
u thun, in Schilderungen, Reden, Monologen,
riefen diefe ihre Kunſt zu zeigen. So find denn
diefe Romane fajt alle nad einer und derſelben
Schablone gearbeitet. Ein Liebespaar findet fi,
wirb getrennt, Braut und Bräutigam werben weit
mgetrieben und erleben die abenteuerlichiten
bidjale, bis fie fih endlich wiederfinden. So ift
der Berlauf bei Jamblichus («Babyloniaca», Ge:
ihichte des Liebespaares Sinonis und Rhodanes)
und Zenophon von Ephejus, bei Heliodor, Achilles
Tatius und Ehariton, wie aud in dem nur in lat.
fiberjegung erhaltenen Roman «Apollonius von
Tyrus ». Nur Longus hat einen etwas jelbftän-
digern We eingeiälogen. Die beite und voll»
ftändigjte Ausgabe diejer Schriftjteller ift die von
Herder, «Scriptores erotici graeci» (2 Bbe., Lpz.
—— — Bal. Rohde, Der grieh. Roman und
feine Vorläufer (Lypz. 1876).
Erötifch (arh., von Eros, f.d.), Bezeichnung
für alles, was auf Geſchlechtsliebe Bezug bat.
Erotifhe Boefie ift demnach alle Liebespoefie,
vornehmlich das lyriſche Liebeslied. (S. Erotiter.)
Erotomänie (gr.) oder Liebeswahnſinn,
die Neigung zu geſchlechtlichen Ausjhmeifungen ;
in engerm Sinne ein frankhafter Geilteszujtand,
192
der den Gegenjag zum Verfolgungswahn bildet
und hauptſächlich charakteriſiert wird durch die fire
Idee, von einer (gejellihaftlich meiſt höher ſtehen⸗
den) Perſon des andern Geſchlechts ausgezeichnet
oder geliebt zu werden. Es ift demgemäß die E.
eine Unterart der Verrüdtbeit (f. d.) im Sinne der
neuern Pſychiatrie und allgemein betrachtet eine
Störung der ntelligenz. Häufig verbindet ſich in-
des mit jener firen dee auch eine ſchwärmeriſche
Liebe zu der betreffenden Perſon des andern Ge:
ſchlechts, die, weſentlich im ——— wur⸗
elnd, jeder ſinnlichen Färbung entbehren kann.
Die E. tft in der Regel unbeilbar.
Erp, Dorf bei Zülpich (f.d.).
Erpel, Enterih, die männliche Ente.
el, Fleden im Kreis Neumied des preuß.
Reg.» Bei. OR DR Bürgermeijterei Untel ge
örig, 25 km im NW. von Neuwied, rechts vom
bein, Remagen gegenüber, an der Linie Köln:
Niederlahnftein der Preuß.Staatöbabnen, hat (1900)
923 meijt fath. E., Poftagentur, Telegrapb, drei:
Kgiit e Pfarrkirche; eine Mineraljarbenfabrit,
einbau und an der Erpeler Lei (in 203 m Höhe,
153 m über dem Rhein) Bafaltbrüce.
Erpeniud, Thomas, eigentlib van Erpe,
Drientalijt, geb. 11. Sept. 1584 zu Gorkum in Hol:
land, ftudierte zu Leiden Theologie und orient.
Spraden, beſuchte England, Frankreich, Italien
und Deutichland, fam 1612 nad Holland zurüd und
wurde PBrofejjor der orient. Sprachen. 1619 erbielt
er auch die neu errichtete zweite Profefiur des He
bräijchen zu Zeiden und bald nachher das Amt eines
orient. Dolmetſchers bei den Generaljtaaten. Auch
errichtete er jelbit eine Druderei mit bebr., arab.,
fyr., äthiop. und türk. Topen, die nach jeinem Tode
mit der Elzeviers vereinigt wurde, Er jtarb 13.Nov.
1624. Nächſt feiner «Grammatica arabica» (leid.
1613 u. d.) und den «Rudimenta linguae arabicae»
(ebd. 1620) ift bejonders feine Ausgabe von El:
Makins «Historia Saracenica» (ebd. 1625) betannt.
Erpfingen, Dorf im Dberamt Reutlingen des
mürttemb. Schwarzwaldfreijes, 15 km im ©. von
Reutlingen, in der Schwäbiſchen Alb, unweit vom
Norbmweitabbange derjelben, am ſüdöſtl. Fuße des
Guppenlochfels (831 m), bat (1900) 804 — E.;
Mollerei, Landwirtſchaft und Schweinezucht. Nabe:
bei die Ruine Hohen-Erpfingen, Stammfik der
Herren von E. und 3km nordditlihbdieKarlaböble
im Höblenberge (714 m), 30. Mai 1834 entdedt.
Sie ift 163 m lang, 3—17 m breit und 3,5—
10,3 m body, gebt 14,5 m unter der Oberfläche des
Berges, von SW. nah ND., und beiteht aus fieben
Haupträumen, von denen der fünfte ein ſchönes,
den got. Bauformen ähnliches Gewölbe bildet und
&böne Tropfiteinbildungen zeigt; man fand fofjile
nochen von Menſchen, Bären u. ſ. w., ferner Waffen,
Vaſen, Ringe, Geräte aus Gold und Sr:
Erpreffung. Nah dem Deutihen Strafgeieh:
bud ($. 253) wird wegen E. beitraft: Wer, um ſich
oder einem Dritten einen rehtömwidrigen Bermögend:
vorteil zu verichaffen, einen andern durch Gewalt
oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder
Unterlafjung nötigt. Strafe: Gefängnis nicht unter
einem Monat. Der Berfuc ift jtrafbar. Wenn mit
Mord, Branditiftung oder überſchwemmung gedroht
it, jo tritt Zuchtbaus bis zu 5 Jahren, und wenn die
. dur Gewalt gegen eine Perjon oder durch An-
wendung von Drohungen mit gegenmwärtiger Ge:
fahr für Leib oder Leben begangen iſt (räuberijche
I
Erp — Errantia
E.), Zudtbaus bis zu 15 Jahren ein. Abgeſehen
von der Drohung im Falle der räuberifhen E., ge
nügt jede Drohung, auch die mit einer Handlung,
welche an fich nicht unberedtigt ift, fall fie nur
zum Zwede der Erzielung eines rechtöwidrigen Ber:
mögensvorteild geſchieht. Aus dieſem Grunde murde
ein Zeitungsreporter wegen E. beitraft,dervon einem
Angeklagten 5 M. für Nichtveröffentlihung des Be
richts über die Gerichtöverhandlung aefordert hatte.
In dem geltenden —— Strafgeſetzbuch von
1852 iſt ($. 98) die Drohung im Falle der E. ge
nauer babın definiert: es mürte mit einer Berlegung
an freiheit, Ehre, Körper oder Eigentum gedrobt
fein, und die Drohung müſſe geeignet fein, dem
Bedrohten begründete Bejorgnitie einzuflößen, und
es ilt die Strafe für die einfache E. auf ſchweren
Kerter von 6 Monaten bi? zu 1 Jahre, und für
die ſchwerern Fälle auf 5 Jabre feitgeiegt. Der
Oſterr. Strafgeiegentwurf folgt ** ich dem
deutſchen Recht. röm. Recht fam die E. als
concussio ebenfalls vor.
Eine ganz andere Bedeutung bat die E. in $. 343
des Deutſchen Strafgefegbubhs, nad welchem ein
Beamter, welder in einer Unterfuhung Zwangs—
mittel anwendet oder anwenden läßt, um Geſtänd—
nijje oder Ausfagen zu erprefien, mit Zuchthaus
bis zu 5 Jahren beitraft wird. Das gilt nicht nur
von richterliben und jtaatsanmalticaftlichen, fon:
dern auch von Beamten des Polizei: und Sicer:
beitsdienjtes, welche zu Zwedcen eines richterlichen
Strafverfahrens irgendwelbe Amtsbandlungen
vornehmen. Wegen der civilrehtliben Wirkung
der €, j. Drohung. — Val. Thurom, Beiträge zur
Lehre von der E. (Berl. 1902).
Err, Bid, Bergitod der Oberbalbiteiner Al:
en, zu den Rhätiſchen Alpen (f. Ditalpen A, 2) ge
Örend, erbebt ſich im ſchweiz. Kanton Graubünden
nördlich vom Oberengadin zwifchen dem DOberbalb-
fteintbale und ber Bever und trägt mebrere
vergletierte Gipfel, von denen der Piz d’Err
3395 m, ber Piz dellas Calderas 3393 m Höbe
erreicht. Die beiden größten Gletſcher find der Err:
gleticher, defien Abflug dem Oberbalbjteiner Rhein
zugebt, und der djtlich gegen Val Bever abfallende
Galverasgleticher, der feinen Bach zum Inn jendet.
Die Errgruppe, zu welcher aud die Stöde des
Piz Lungen (3170), Piz Julier (3385) und Piz Di
(3249 m) gebören, bejtebt fajt ganz aus kryſtalli⸗
nifchem Gejtein, während die ihr im Norden von
Bal Err und Bal Lugn vorgelagerte Nelagruppe (Pi;
d’Aela 3320 m) der Kallkdecke angebört.
Errante, Vincenzo, ital. Staatömann und
Dichter, geb. 16. Juli 1818 zu Palermo, nahm leb»
baften Anteil an den polit. Bewegungen Siciliens,
weshalb er lange in der Berbannung leben mußte.
Er ftarb 29. April 1891 in Rom als Senator und
Seltionspräfident im Staatärat. E. fchrieb: «Tra-
gedie e liriche» (2 Bde., Nom 1874), die Trauer:
\piele «La San-Felice», «Solimano il Grande»
(ebd. 1877), die Dichtungen «L’ideale», «La
libertä» (ebd. 1878) und «Storia dell’impero Os-
mano da Osman alla pace di Carlowitz» (2 Boe.,
ebd. 1882 Br
Errantia, Unterordnung ber vielborftigen
Ringelmürmer (f. d.) mit vorjtülpbarem, oft mit
träftigen liefern bewebrtem Rüſſel, deutlich entwidel»
tem Kopf, meijt mit Augen verjeben. Borjten jebr
verſchiedenartig entwidelt. Kiemen in Geftalt von
Schuppen oder verzweigter Anhänge an den Yühen
Errare —
ver obern Reihe. Sind in der Mehrzahl freiſchwim⸗
mend, andere hauſen in Röbren, alle ſind Raubtiere.
Erräre (lat.), irten; E. humänum est, lat.
Sprihwort: «Irren ift menſchlich ».
Erräta, Errätifch, ſ. Erratum.
Errätifhe Blöcke, Fi Actayi ge bie
—— und groben Geſchiebe, die ſich weit von
ıbrer uriprünglichen Heimat auf der Erdoberfläche
zerſtreut vorfinden und durd Transport auf Eis
an Drt und Stelle gelangt find. So liegen auf
den den Alpen ee Abhängen des Jura
eine Menge Felsblöde, die aus den böchften Zeilen
der Alpen ftammen; ebenfo finden ſich in Holland,
Dänemart, Norddeutichland, dem europ. Rußland
und Polen eine zablloje Dienge von Je öden,
von denen erwiejen ift, daß fie in Schweden und
inland ihre Heimat haben. Eine ganz äbnlühe
cheinung findet fih auch in Nordamerika. Die
Größe ſolcher E. B. ift oft außerordentlich; jo fin:
det ſich bei Pverbon in der Schweiz ein Granitbl
von 17 m Länge, 13 m Höhe und etwa 7 m Breite;
einer in Medlenburg hat 9 m und einer auf Fünen
15 m Länge. Die E. B. find meift nur wenig ab:
erundet, aber ſehr oft mit den charalteriſtiſchen
iben des Gletichertransports, nämlih mit
fiffläben und Schrammen verfeben. Die E. B.
des Vorlandes der Alpen find während der Dilu⸗
vial: oder Eiszeit von den damals weit vorgeſcho⸗
benen Gletihern an ihren jegigen Fundpunlt ge:
tragen worden. In äbnliber Weile wurden die
Blöde der Norbdeutihen Ebene dur eine Dede
von Inlandeis von Skandinavien ber an Ort und
Stelle geibaift. (S. Dilupium und Eiäzeit.) In
vielen Gegenden Norddeutſchlands erießen dieſe
€. B. die fehlenden anftehenden Felämafien; fie
werden zum Pflaſtern oder als Baufteine verwen:
det; aus beionders feiten und großen wurden mono»
fitbiihe Monumente bergeftellt, wie die Granit:
fbale vor —— Kae in ag Bf
Errätum (lat. rzahl Errata), et,
tum , beſonders Drudfebler; elle —
irtend, umherſchweifend.
Erregbarkeit. Reizbarkeit, ſ. Senfibilität,
Erregende Mittel, ſ. Analeptila.
Erregungätheorie, das von dem en
engl. Arzt John Brewn (f. ».) on. und von
feinen Anhängern weiter auägebildete Syſtem der
Heilbunde. Nach feiner Anihauung entiteht das Leben
durch die Tbätigleit der Grregbarteit (Incitabilitas),
deren jeder Drganiämus eine gewiſſe Menge be:
t und die ihren Sis im Nerpenmarle und in ben
usteliajern hat. Dieje Erregbarteit wird zu ihrer
Thatigleit (Incitatio) durch gemifje Reize (Potesta-
tes incitantes) veranlaft, melde teils emein,
teils örtlidy wirten und in äußere (Luft, Wärme,
Rabrungsmittel, Arzneien, Gifte) und innere (Be:
wegung, Empfindung, Thätigleit der Denttraft,
Gemütsbewegungen) zerfallen. Das Berhältnis
der Erregbarfeit zu den einmwirfenden Reizen kann
nun ein verjchiedenes jein. Das ganz richtige Ber:
bältniö mit etwas mehr ober weniger auf der einen
oder der andern Seite iſt Sejundbeit. Iſt jedoch
die Erregung zu part vermehrt, jo entſtehen Kran:
beiten mit dem Charalter der Stbenie, d. b.
bes der Kraft; ift fie zu ſtarl vermindert, fo
entfteben aſtheniſche, d. h. Schwädelrantheiten.
dieſe legtern beruhen entweder auf verausgegan:
gener liberreizung, und dann beißt die wãche
eine mittelbare (Asthenia indirecta), oder darauf,
Brechaus Konverfationd-Lerilon. 14. Aufl. R.A. VL
Erröten 193
daß überbaupt die Lebensreize mangelten oder, wie
bei Berbungernden oder Berblutenden, entzogen
wurden, und dann beißt die Schwäche eine unmit:
telbare (Asthenia directa). Dieje gegenwärtig ganz
aufgegebene Theorie (jog. Bromnianismus) ges
wann ibrer Zeit wenig Anbänger in England, mebr
in Stalien, die meiften in Deutihland. Hier wurde
e 1790 befannt und zuerft 1797 von Weilard aus»
ührlich dargeitellt, von Röſchlaub aber 1798 geift:
voll bearbeitet und bejonderd gegen Hufelands,
Cappels und Stieglis’ Angriffe aufrecht erbalten.
Unter ihren Hauptanbängern ift Joſ. Frank zu
nennen. Nur wenige nahmen übrigens das Brown:
{che Syſtem unverändert an; die meiften faßten nur
die Grundidee auf und errichteten auf ihr ein neues
Spitem y daß zu Ende des 18. und zu Anfang des
19. Jahrh. eine Menge E. entjtanden, welche aber
zum größten Zeil bald wieder verſchwanden.
Errera, Alberto, ital. Nationalölonom, geb.
14. April 1842 zu Venedig, ftudierte zu Padua und
war dann rl are Brofeflor der Nationals
ölonomie und der Statiſtik an den technifchen Inſti⸗
tuten zu Benedig, Mailand und Neapel und an ber
Univerfität Neapel. Seine Hauptwerle find: «Storia
e statistica delle industrie venete» (Bened. 1870),
«Le nuove istituzioni economiche nel secolo XIX»
(Mail. 1874), «Storia dell’ economia politica nei
secoli XVII e XVIII negli stati della repubblica
Veneta» (ebd. 1877), «Manuale delle piccole in-
dustrie» (ebd. 1879), «Le finanzi dei grandi co-
muni» (jlor. 1882), «La riforma del credito
fondiario» (Tur. 1856), «Istituzioni industriali po-
polari» (ebd. 1888), «Le operazioni di credito
agrario e le cartelle ie» (Berona 1889), «De-
mografia» (Neap. 1899), «Lezioni di economia po-
litica» (Livorno 1892).
Errhephorien oder Arrhephborien, ein at⸗
tiiches, im Monat Stirophorion (Juni bis Yuli)
zu Ehren der Athena gefeiertes Nachtfeſt, an dem
wei Mädchen zwiſchen 7 und 10 —— die ſog.
erhephoren, auf ihren Köpfen Behä tnifle mit ger
willen heiligen Gegenftänden vom Tempel der
Athena Polias nad einem in der Nähe des Tem:
pelö der Aphrodite in den Gärten gelegenen Heilig»
tum zu tragen hatten. Diejed Heiligtum beſtand
aus einer unterirdijchen Grotte, in welcher die Bes
bältnifje mit den heiligen Gegenitänden zunächſt
nieder —— worauf die Mädchen andere
—* eiligtümer in Empfang nahmen, bie fie
in den Boliadtempel binaufzutragen hatten.
Errhina (grch.), Rieömittel,
Er:Rif, Gebirge, ſ. Rif.
Error (lat.), Yrrtum, Fehler, Verjeben; E. cal-
chli oder in calcülo, net E. facti,
thatſächlicher, d. b. eine Thatjache betrefiender Irr⸗
tum; E. juris, Rechts fehler, Irrtum in einem Rechts:
jnbe: E. loci, den Ort betrefjender Irrtum; nad
oerhave die widernatürliche Ergießung oder Ans
jammlung von Säften in Teilen, Höblen u. ſ. w. des
Körpers als Krankheitsurſache; E. justus, entſchuld⸗
bares Berjeben; Erröre ebrio, im Taumel der
Trunlenheit; E. non est imputabllis, Irrtum iſt
nicht zurechenbar.
Erröten. Das E. berubt auf einer plößlichen
Wallung des Blutes nad den ———— der Haut,
insbeſondere des Geſichts. Dasſelbe iſt beſonders
deutlich bei jugendlichen Perſonen mit zarter, weißer
Haut und leicht erregbarem Nervenſyſtem. Sowohl
Erregungen des Gehirns (Scham, Zorn) als anderer
13
194
Drgane können die Thätigleit gewiſſer Nerven,
welche in der Wandung der Heinen Arterien endigen,
plöglib umftimmen, fo —— läbmen, infolge
deſſen die garten Mustelfajern der Gefäße erichlaf:
fen. Die Gefäßwände leiften deshalb dem Drude
des Blutes geringern Widerftand und dehnen ſich
aus, fo daß fie nicht nur mehr Blut faflen tönnen,
fondern auch die rote Farbe desjelben leichter hin:
durchſcheint. Dies giebt der Haut die rötere Faär⸗
bung, um jo mebr, wenn die Haut felbjt zart und
arm an Farbeftoff ift, wie bei blonden und bei
on en Berjonen. Künftlidhes E. kann man
erporrufen durch Einatmungen von Amplnitrit
oder falpetrigfaurem Amyloxyd, welches ſchon in
minimalen Diengen faft unmittelbar nach dem Eins
atmen durch Grmeiterung der Blutgefäße ftarle
Rötung des Gefihts und och radiges Hitzegefühl
im Gejiht und Kopf verurjadht und deshalb bei
allen auf Gefäßlkrampf berubenden Formen des
Kopfihmerzes mit Nutzen gebraudt wird; doch
treten bei fortgejeßtem Gebraud leiht ohnmacht⸗
äbnlihe Eriheinungen ein. Das plöplihe Er:
blafien berubt im Gegenteil auf einem Krampfe
ber Gefäßwandmusleln mit oder ohne gleichzeitig
—5—— Herzthätigleit. — Bol. Henle, Über
das €. (Bresl. 1882).
Errungene Güter, im Gegenfak zu den durch
Erbfolge oder dergleichen erlangten Gütern das, mas
jemand durch eigene Thätigfeit und Sparfamtleit er:
mworben bat. zum Ehelihen Güterredht (f. d.) ift der
Ausprud gleichbedeutend mit Errungenschaft (f. d.).
Errungenfchaft oder Erfoberung, in der
Rechtsſprache das, mas der Ehemann oder die Ehe:
frau während der Ebe holen in derjelben Errun:
enſchaftsgemeinſchaft [ſ. d.] beitebt) —— ein⸗
— der Nutzungen der Sondergüter beider
Gatten, jedoch ausſchließlich des in die Ehe Ge:
brachten und in der Hegel ausſchließlich des wäh:
rend der Ebe durch Erbichaft oder Freigebigleit eines
Dritten Erworbenen, Mitunter wird unter E. nur
das verjtanden, was durch Geihäftsthätigleit und
Eriparung erworben ift (fog. Kollaboration).
Errungenfchaftögemeinfchaft, derjenige Gü⸗
terftand, in welchem die Errungenfdaft (f. d.)
emeinschaftlihes Vermögen (108; ejamtgut
Bürgerl. Geſeßb. $. 1519) oder Samtgut) der
Ehegatten wird. Gemeinfam ir bier zwar dem We:
fen der Ebe entfprechend nicht bloß das durch Thätig⸗
teit wie dur Ertrag des Eingebrachten während
der €. Erworbene, jondern auch die Ausgaben für
diejen Erwerb und die ebelihen Laſten ($. 1529),
aber die E. bat den großen Nachteil, daß im Falle
der Beendigung eine verwidelte Auseinanderfegung
und Berechnung der einzelnen Bermögensmafjen
notwendig wird. Die E. war geſetzlicher Güterftand
nur in Heinen Zeilen Deutihlands, insbefondere
MWeft: und Süpveutichlands, und ift es noch beute
namentlich in Spanien und Südamerila. Nach dem
Code eivil und dem Bürgerl. Gejegbucd kommt die
€. nur als vertragämäßiges Güterrecht in Betracht;
nur für diefen Fall enthalten jene Rechte eine Rege:
lung. (S. aud Ehevertrag.) Nach dem Deutichen
Bürgerl. Geſeßzbuch befteben in der E. mindeſtens
drei Bermögensmajlen: außer dem Gefamtgut das
eingebradte Gut (früber Einhandsgut [f. d.] ge:
nannt) des Mannes und das der Frau (Bürgerl.
Gejekb. 88.1520 fg.), möglicherweiſe noch eine vierte,
das Vorbehaltsgut der rau; Vorbebaltsgut des
Mannes ift unzuläffig. Eingebrachtes Gut iſt, abge:
Errungene Güter — Errungenichaftsgemeinfchaft
ſehen von dem, was einem Ehegatten bei Eintritt in
bie E. gehört, namentlich 1) waservon Todes wegen
oder mit Rückſicht auf ein hünftiges Erbredt, durch
Schenkung oder Ausftattung (mehr ald Ausſteuer:
8. 1624) erwirbt, jedoch mit Ausnahme eines Er:
werb3, der den Umſtänden nad zu den Einkünften
u rechnen ift, 2) die Gegenstände, welche nicht durch
echtögefhäft übertragen werben können, fowie
Rechte, die mit feinem Tode erlöjchen oder deren Gr:
werb durch den Tod eines der Ehegatten bedingt ift,
3) was durch Ehevertrag hierfür erklärt ift, 4) was
der Ehegatte auf Grund eines zu feinem Einge
braten gebörenden Rechts oder als Erfaß für einen
dazu gehörenden Gegenſtand oder durd ein Rechts:
genäht erwirbt, das ſich auf eingebrachtes Gut be
zieht, ausgenommen den Erwerb aus dem Betrieb
eined Erwerbsgeſchäftes. Auf dad Geſamtgut
wendet das Bürgerl. Geſetzbuch im allgemeinen das
Recht der allgemeinen Güter:, auf das Eingebrachte
der rau das der Verwaltungsgemeinſchaft an; nur
daß die Nubungen des lehtern bier nicht dem
Manne, fondern dem Gejamtgute zulommen
($$. 1519 u. 1525). Alſo unterſteht Geſamtgut
und Eingebradtes beider Ehegatten in der Regel
(Ausnahme für Vorbebaltsgut) der Verwaltung
de3 Mannes und ift dieſer der Frau F die Ber:
—— ſich nicht verantwortlich. Daraus kann
ſich im Laufe der Zeit leicht Ungewißheit ergeben,
zu welchem Teil ein Gegenſtand gehört. lm
Streitigkeiten zu vermeiden, gilt daber die Ber:
mutung, daß das vorhandene Vermögen Gejamt:
ut fei ($. 1527). Um ibr vorzubeugen, ann jeder
eil gemeinjhaftlihe Aufnahme eines Verzeich—
nifjeö beider Einhandsgüter verlangen ($. 1528).
Das Gefamtgut, die Exrungenſchaft, baftet Dritten
wohl für alle Berbindlichkeiten des Mannes, aber
nur für folche der Frau, die vermöge des Zwecks der
€. dem Gejamtgut zur ?aft fallen (58.1531, 1533 u.
1534) oder aus einem Rechtögefchäft der Frau ent:
ftanden find, das mit Zuftimmung des Mannes vor:
enommen oder ohne jeine Zuftimmung für das Ge-
* wirkſam ißz 1532). Andererſeits haftet
ann für die Berbindlichkeiten der rau, für
welche das Gefamtgut haftet, auch perjönlich ala
Gefamtihuldner. — Im Berbältnis der Ehegatten
untereinander find Gefamtgutöverbindlicteiten
Eheſchulden) alle, welche von einem Ehegatten zum
Zwed der Beitreitung des ehelichen Aufwandes und
der vom Gejamtgut zu tragenden —— des ein⸗
ebrachten Guts eingegangen oder welche kraft Ge⸗
ebes vom Geſamtgut zu 5 find.
Für die Beendigung der E. gilt im allgemeinen,
dak fie aus denjelben Gründen zu Ende gebt, mie
die allgemeine Güter: unt die Verwaltungsgemein:
ſchaft. Wird die Ehe durch den Tod geiot o tritt in
der Regel aud die Beendigung der E. ein, und zwar
in der Art, daß die nach Dedung der Schulden übrig:
bleibende Maſſe zur einen Hälfte ald dem Ebemanne,
ur andern Hälfte ala der Ehefrau gebörend ange:
* wird. Bon der Hälfte des verſtorbenen Ebe:
gatten hatte nad einigen Rechten der überlebende
ar nichts, nad andern einen Bruchteil, gewiſſe
enftände oder alles zu erhalten; nad Bürgerl.
Geſetzb. 8. 1482 lommen die allgemeinen erbrecht:
liben Vorſchriften 63: 1931 fg.) zur Anwendung.
Sind gemeinjame Ablömmlinge vorhanden, jo gilt
ortgejeßte Gütergemeinihaft zwiſchen dem ber:
benden und den flindern ($. 1483). Endigt die €,
während beftebender Ehe (piemwirtichaftlice Stellung
Erſa — Erjatleiftung
der rau wird z. B. dur das Verwaltungsrecht
des Mannes gefährdet), fo gilt fürdie — üter:
trennung ($$- 1545, 1426 fg.). Die Frau haftet nicht
für die bei der Auseinanderjegung ſich ergebende
Einbuße ($. 1481), ſonſt könnte der Mann mittelbar
über ibr Sondergut —— — Bal. Schefold,
Die E. des Bürgerl. Geſetzbuchs (Stuttg. 1899).
Eria, Stamm der Mordminen (j. d.).
Erſatz, die im Frieden und Kriege erforderliche
Ergänzung der Heere. m Frieden gefchieht der E.
durd junge Mannſchaften, die erjt die militär. Aus:
bildung durchzumachen und an Stelle der in die Hei:
mat Entlafjenen zu treten haben. Im Kriege müjlen
der vor dem Feinde ftebenden Armee ausgebildete
Elemente zur ? * ung der durch Tote, Verwun—
dete, Gefangene, Bermißte entitandenen Lüden zu:
geführt werden. (S. Nachſchub.) Der E. im Frieden
pollziebt ſich, je nachdem die allgemeine pertönliche
Wehrpflicht gilt oder andere Formen für die Heeres:
ergänzung bejteben, z. B. die Werbung in England,
auf verſchiedene Meile. Für das Deutjche Neich find
alle Geſetze über das Erſatzweſen (f. d.) in der Deut:
then Webrorbnung vom 22. Juli 1901 und in der
Herrordnung vom 22.Nov. 1888 (Neuabdrud 1904)
zulammengefaßt.
über €. in ver Bedeutung von Schadenerjaß ſ. d.
und Erjasleiftung.
Eriaybehörden, im Deutihen Reich en ya
Behörden, denen die Regelung des Mannjcafts:
erjages für Das Heer und die Marine obliegt. Die
€, befteben aus Vertretern der Militär: und Civil:
verwaltung und zerfallen in vier Anftanzen: 1) Er:
ſaßzlommiſſion N d.), 2) Obererfaßlommiffionen,
3) €. dritter Inſtanz, 4) Miniftertalinitanz. (Vgl.
$.2 der Wehrordnung vom 22. Juli 1901.
Erſatzberufung, ſ. Subititution.
Erſatzbezirke, ſ. Bezirk (militäriſch).
Erſatzerbe, wer für den Fall als Erbe eingeſetzt
it, daß der in erſter Linie berufene Erbe vor oder
na dem Eintritt des Erbfalld wegfällt (ſ. Erbe).
Erſatzgeſchäft, ſ. Erſatzweſen. ſu. ſ. w.
Erſatzgeſchworene, |. Ergaͤnzungsgeſchworene
ra. f. Glied, fün liches, j
Erſatzkommiſſion, im Deutihen Reich diejenige
Griakbebörbde, welcher innerhalb der Aushebungs-
bezirte (f. Bezirk) die ftändige Beſorgung der Erſatz⸗
angelegenbeiten obliegt. ‘jede E. beiteht aus einem
Dfnzjier, in der Regel dem Bezirlscommandeur
(.d.), und einem Berwaltungsbeamten des Bezirk,
in Breußen in der Regel dem Landrat oder Polizei:
direltor. — Die ea ee bat die
Erjagangelegenbeiten innerhalb eines Infanterie:
igabebezirls zu beforgen. Sie beſteht aus einem
Offizier, meift dem njanteriebrigadecommandeur
oder Yandwebrinipecteur (Berlin) und einem höhern
Verwaltungsbeamten. ($. 2 der Deutichen Wehr:
ordnung vom 22. Juli 1901, Neuabprud 1904.
Erfagleiftung für ah a0 ie
Beitimmungen über die Haftpflicht der Poſt im
Deutihen Reich find im 2. er des Geſetzes
über das Poſtweſen vom 28. Oft. 1871 enthalten.
Hiernad leiftet die Bojtverwaltung dem Abjender
im alle reglementämäßig ie Einlieferung
Erjas für den Berluft und die Beihädigung der
Briefe mit Wertangabe, der Palete mit oder ohne
®ertangabe und für den Berluft eingejchriebener
Sendungen. fyür einen durch verzögerte Beförde—
rung oder Beitellung der Briefe mit Wertangabe
und der Balete mit oder obne Wertangabe entitans
195
denen Schaden leijtet die Boftverwaltung nur dann
Erſatz, wenn die Sache durd die verzögerte Ber
eier oder Beitellung verborben ift oder ihren
ert bleibend ganz oder teilweife verloren bat.
Auf eine Veränderung des Kurſes oder markt:
ängigen Preiſes wird jedoch hierbei feine Rück⸗
Acht genommen. Die Verbindlichkeit der Poſtver⸗
waltung zur €. bleibt ausgeſchloſſen, wenn ver
Verluſt, die Beihädigung oder die verzögerte Be:
——— oder Beſtellung durch die eigene Fahr—
äſſigkeit des Abſenders, oder durch die unabwend⸗
baren Folgen eines Naturereigniſſes, oder durch
die natürliche Beſchaffenheit des Gutes herbei—
eführt worden ift, oder auf einer auswärtigen Be:
— ſich ereignet hat, für welche die
Poſtverwaltung nicht durch Übereinkunft die Erſatz⸗
leiftung ausprüdlih übernommen hat. Für die auf
Poſtanweiſungen eingezahlten Beträge leiftet die
Poltverwaltung Garantie. Dagegen wird weder
im Falle eines Berluftes oder einer Beihädigung
noch im falle einer verzögerten Beförderung oder
Beitellung gewöhnlicher Brieffendungen Erſatz ge
leijtet. Es if daher durchaus davor zu warnen, Geld
in gewöhnliche Briefe hineinzulegen. Die Poſt ver:
— dieſe keinerlei Nachweis zu liefern.
enn bei Baleten die Angabe des Wertes unter:
blieben ift, jo vergütet die Boftwerwaltung im Falle
eines Verluftes oder einer Beihädigung den wirt:
lih erlittenen Schaden, jedoch niemald mehr als
EM. für jedes Pfund (= 500 g) der ganzen Sen-
dung. Dies iſt fo zu verftehen, daß für 2 Pfd. 6 M.,
für 3 >> IM. u. ſ. w. erjeht werden können. Für
den Verluſt einer —— * Sendung wird ein
Erjas von 42 M. gezahlt. Bei eingeſchriebenen Ba:
teten kann die Entihädigung im Falle des Ver:
luftes oder der Beihädigung unter Umftänden auch
mebr ala 42 M. betragen.
Bei Reifen mit den ordentlichen Poſten wird im
alle der körperlihen Verlegung eines Reiſenden
ür die erforderlihen Kur: und flegungätojten
Erjaß geleiftet, wenn die Beſchädigung nicht erweis⸗
ih durch höhere Gewalt oder dur die .
u line des Reiſenden herbeigeführt ift. Der
niprud auf Schabloshaltung muß in allen Fällen
an die Oberpoftdireltion des Bezirks gerichtet wer:
den, in deren Bezirk der Drt der Einlieferung
der Poſtſendung oder der Ort der Einjhreibung
gu oftreife gelegen ift. Der Anſpruch erlifcht mit
blauf von 6 Monaten, vom Tage der Aufgabe
der Sendung oder vom Tage der Beihädigung des
Reifenden an gerechnet.
Für die E. im Weltpoſtvereinsverkehr
find die Beitimmungen des Weltpoftvertragd vom
15. Juli 1897 und verfchiedener am gleihen Tage
abgeichlofjener Übereintommen maßgebend. Hier:
nad wird im Falle des Verluftes einer Einjchreib:
fendung, den Fall höherer Gewalt ausgenommen,
eine — von 50 Frs. gezahlt. Wenn
ein Brief oder ein Käſtchen mit Wertangabe oder
ein Poſtpaket verloren geht, beraubt oder beſchädigt
wird, jo wird, den Fall höherer Gewalt ausgenom⸗
men, ein dem ir gr Betrage des Verluſtes,
der Beraubung oder Beſchädigung entſprechender
Erſatz geleiſtet, jedoch nicht mehr als 15 Frs. für
Palete bis 3 kg und 25 Frs. für Palkete über 3 kg.
Für die auf Pojtanweifungen eingezablten Beträge
wird den Abjendern bis zum Augenblide der richtig
erfolgten Auszahlung an die Empfänger oder ihre
Bevollmädtigten gewährleiſtet.
13*
—
2*
196
Eine €. für Telegramme beiteht nit, doc
wird unter gewiſſen Umjtänden die Telegrapben:
gebühr zurüdgezablt. (S. Telegramm.)
‚In Ofterreih:Ungarn beträgt die €. für einen
Einichreibbrief 40 Kronen; für den Verluft oder die
Beihädigung eines gewöhnlichen Palets wird in
Diterreih als Schadenerfaß für jedes Kilogramm
ber ganzen Sendung ein Hödjitbetrag von 4 Kronen
ezahlt; in Verluftfällen wird auh das Porto er:
tattet. In Ungarn beträgt die E. bei Pateten bis
8 2 höchſtens 15 Kronen, über 3—5 kg höchſtens
25 Kronen und bei fhwerern Baleten 5 Kronen für
jedes Kilogramm der ganzen Sendung.
In der Schweiz beträgt die €. ir eine Ein:
ſchreibſendung 50, für die Verzögerung der Beför:
derung einer Polen um mehr als einen Tag, oder
einer Boftanweifung um mebr als zwei Tage, oder
für die Verzögerung der Abtragung eines Bojt:
patetö 15 Frs. Bei Wertbriefen und Wertpaleten
wird ber wirklich erlittene Schaden bis zur Höhe der
verfiherten Summe vergütet; bei gewöhnlichen Pa:
teten ijt der Hödjftbetrag 15 Frs. für jedes Kilo:
gramm. Der Anſpruch muß binnen 90 Tagen gel:
tend gemacht werben. — Bol. Dambach, Das Geſetz
über das Poſtweſen des Deutſchen Reichs (6. Aufl.,
bearb. von €. von Grimm, Berl. 1901).
Erfatreferve, im Deutſchen Reiche die Klaſſe
der Wehrpflichtigen, die zur Groänzung des Heers
bei Mobilmahungen und zur Bildung von Erfah:
truppenteilen dient. Ihr find alljährlich jo viele
Mannſchaften zu überweiſen, daß mit jieben Jahres:
Hafjen der erfte Bedarf für die Mobilmahung des
Heers gededi wird. Der E. werden zugeteilt die über:
zäbligen Mannſchaften, die eine bobe Losnummer
ezogen haben und im Frieden vom Dienit befreit
And: die wegen häuslicher Verhältnifie für den Frie⸗
den zurüdgeitellten; die mit geringen Fehlern be:
bafteten Dienfttauglihen und die im dritten Militär:
pflichtjahre noch zeitig Untaugliden, wenn ihre
Heilung zu erwarten fteht. Die Erjagrefervepflicht
dauert 12 Jahre und rechnet vom 1. Okt. desjenigen
Kalenderjahres ab, in dem das 20. Lebensjahr voll:
endet wird. Die Mannibaften der E. (Erſatz—
reſerviſten) werden in Jahresklaſſen nad dem
Zeitpunkt, von dem ab ihre Erjagrejerwepflicht be:
rechnet wird, eingeteilt. Die Erfakrefervijten find
im Frieden zur Ableiftung von 3 Übungen (10, 6
und 4 Wochen) verpflichtet. Übungen mit der Waffe
finden jeit 1893 nicht mebr ftatt. Marineerjaßrefer:
viften werben * er überhaupt nicht mehr
berangezogen (Deutihe Wehrordnung $. 117). Wer
geübt bat, tritt nad Ablauf der Erjagrefervepflicht
ur Landwehr zweiten Aufgebots, die übrigen Er:
Tahreferviften zum Landſturm erjten Aufgebots über.
Erſatzrichter, ſ. Ergänzungsgeſchwörene u. ſ. w.
hg nd er diejenigen Truppen, welche im
Kriege Mannihaften und Pferde ausbilden, um
eim Feld» und Beſatzungsheer entſtehenden
Abgang zu erfegen. Die E. bilden gleichzeitig einen
Teil des Befakungäbeers.
Erfatverteilung, die jog. Verteilung des Er:
ſatzbedarfs, d. i. des Geſamtbedarfs an Rekruten,
der zur Crreibung der etatsmäßigen Stärte von
Heer und Marine jährlich erforderlich ift, auf die
einzelnen Bundesftaaten. Der Modus der E. ift
dur NReichsgejek vom 26. Mai 1893 erheblich ge:
ändert worden. Nachdem der Kaifer für das gejamte
Reichsheer, mit Ausnahme des bayr. Kontingents,
und für die Marine den Rekrutenbedarf für das
Erjagreferve — Erſch
betreffende Jabr fejtgejest hat, verteilen die Kriegs:
minijterien der brei Kontingente (preuß., ſächſ. und
mwürttemb.) den Bedarf auf die ihnen unterfteben:
den Armeelorpsbezirle nah dem Verhältnis der
Zahl der im laufenden Jahre in dem einzelnen Be:
zirk vorhandenen dienfttauglichen Militärpflichtigen,
wobei der Ausfall des einen Bezirt3 an tauglicher
Mannſchaft auf die ——— Tauglichen der
andern Korpsbezirke desſelben Kontingents verteilt
wird. ring Kontingente, aljo z. B. von Preu⸗
Ben auf Sachſen, fann nur jo weit übergegriffen
werben, als dort —— des einen Kontin-
gent3 (alio Th und Sadjen) ausgeboben
werben. Die freiwillig eintretenden Mannjcaften
fommen bei der E. nicht in Betracht. Hieran ſchließt
fih als zweiter Teil die Zuteilung der Rekruten an
die einzelnen Truppen: und Marineteile. Den mei:
* Truppenlörpern find beſtimmte Relrutierungs:
ezirle zugeteilt. Nach den Militärkonventionen
(f. d.) baben beſtimmte Staaten Anſpruch darauf,
daß ihre Rekruten in beftimmte Truppenlörper ein:
geitellt werben.
Erſatzweſen, die Ergänzung der Heere durch
Ernie im engern Sinne die Friedenser—
gänzung. Deutſchen Reiche ift das €, durch den
eriten Teil der Wehrordnung vom 22. Juli 1901 (Neu:
abdruck 1904) geregelt. Hiernach umfaßt das Erſatzge⸗
chäft die Maßnahmen, durch die ver Mannſchaftser⸗
asfürHeerund Marine aufgebracht wird. Es zerfällt
in drei Hauptabſchnitte: 1) das Borbereitung®:
geſchäft being | der Liften über die Wehr:
pflihtigen); 2) das A äft durch
die Erfaglommiifion (f. d.); 3) das Ausbebungs:
eſchäft durch die Overerfaglommiffion. Bei dem
orbereitungögejchäft werden zunädft alle Wehr:
pfictigen in Liſten eingetragen und demnächſt zum
ufterungsgeihäft vorgeladen. Bei diefem wird
eine vorläufige Entiheidung über die Braud-
barkeit der Wehrpflichtigen oder über ihre Zurüd:
jtellung vom Militärdienft wegen privater Verhält⸗
niffe, deren Berüdfichtigung das Geſetz zuläßt, ae-
fällt. Demnädjt müfjen die Wehrpflichtigen, mit
rn Ausnabmen, fämtlib noch vor der Ober:
erfasgtommiffion erſcheinen, weldhe über die Brauch:
barkeit zum Militärdienft, für eine bejtimmte Waf:
{en ttung u. f. m. oder über die Befreiung vom
ilitärbienft oder die Überführung zum Landſturm
(ſ. d.) endgültig enticheibet. Über die Bildung
der Erjaßbezirke j. Bezirt und Bezirlscommandeur.
Näheres ſ. Erjagweien, Bd. 17. Über die Erjas:
verteilung }.d. — Bol. Brandt, Das deutſche
Militärerfagmweien (3. Aufl., Langenfalza ag
Erfatteiderftand für Bogenlampen. Will
man bei der für reine Bogenlichtbeleuchtung be-
auemjten und —— Reiben: oder Hintereinander:
ſchaltung einzelne Zampen oder Gruppen von jolden
ausſchalten, obne daß die andern dadurch beeinflußt
werden, jo muß für jede derartige einzeln zu löfchende
Lampe oder Qampengruppe ein E, vorbanden fein.
Der in der Näbe der betreffenden Lampe oder der
Lampengruppe zu montierende Apparat entbält
außer dur entfprecbend aewählte Widerſtandsſpi⸗
ralen noch einen Umfcalthebel, mittelö deſſen ent-
weder die Lampe oder aber der Widerſtand einge:
fchaltet werden fann.
Erfatzuftellung, j. Zuitelung. ,
Erich, Job. Sam., Bibliograpb, geb. 23. Junt
1766 zu Großglogau, jtubierte in Halle anfänglic
Theologie, dann die geſchichtlichen Wiſſenſchaften.
Erjcheinung — Erſitzung
ing mit Fabri 1786 nach Jena, um dort mit dem⸗
Felben die ſchon in Halle angefangene «Allgemeine
polit. Zeitung für alle Stände» herauszugeben, die
nachhet in Hammerbörferd Hände kam. Lebterer
und Fabri ermunterten ihn zur Herausgabe des
«Repertoriums über die allgemeinen deutfchen Jour⸗
nale und andere periodifhe Sammlungen für Erd:
beihreibung, Geſchichte und die Damit verwandten
Wiſſenſchaften (3 Boe., Lemgo 1790—92), Schük
und Hufeland zur Veröffentlihung des «Allgemei-
nen Repertoriums der Litteratur» (8 Bde., Jena,
dann Weim. 1793—1809) und der «Allgemeinen
Sitteraturzeitung», die jämtlihe Schriften und alle
in Journalen und andern periodijhen Sammlungen
abgedrudten Heinern Abhandlungen vollitändig
und genau verzeichnete. Zugleich bejhäftigte ihn der
Entwurf eined «Allgemeinen Schriftitellerleritong
der neuern Zeit», den er fpäter darauf befchräntte,
die neuejte Yitteratur der europ. Nationen einzeln
zu behandeln. 1795 übernahm €, die Leitung der
«Neuen Hamburger Zeitung» und verfaßte «La
France litteraire» (3 Bde., Hamb. 1797—98; zwei
Supplementbände 1802 und 1806). Als Teilnehmer
an der —— —————— 1800 nach
Jena zurüdberufen, erbielt er daſelbſt aud das
ibliotbelariat, ging aber 1803 mit der Litteratur:
zeitung nah Halle, wurde 1806 ord. Profeſſor der
Geographie und Statiftit und 1808 auch Ober:
bibliotbelar. Hier unternahm er das «Handbud der
deutjchen Pitteratur jeit der Mitte des 18. Jahrh. bis
auf die neuejte Zeit» (4 Bde. in 8 Abteil. Lpz. 1812
—14; 2. Aufl. 1822—40) und mit Gruber die
« Allgemeine — der Wiſſenſchaften und
Kinite» (f. Encyllopãdie), die er bis zum 21. Teile
der 1. Seltion leitete. Durch eriteres Wert hat E.
die neuere deutiche Bibliograpbie techniſch beagins
bet; Bolljtändigleit, Genauigleit, Anordnung And
innere Einrichtung machten e3 zu einem Muſter.
€. itarb 16. Jan. 1828 zu Halle.
Ericheinung (philoi.), |. Phänomen.
Ericheinung ti, ſ. Epiphania.
Erfichlaffende Mittel oder erweihende
Mittel, j. Emollientia.
Erſchl „ſ. Atonie.
Erſchleichen, etwas aufSchleichwegen erreichen,
ewinnen, ſich zueignen, hat rechtlich Bedeutſamleit
i Amtern, Feet gr sei Erbſchaften, ein:
zelnen Verbrechen, wie z. B. Chebetrug (f. d.). Die
Strafbarkeit ſchließt fih an beitimmte verwendete
Mittel an, 3. B. Beitehung bei Wahlen oder Be:
fesung von Umtern, ferner Fälſchung, Unterfchla-
gung, Amtsmißbrauch u.a. Das röm. Recht jtellte
den Grundſatz auf, daß die auf einjeitigen Antra
erlaffenen landesberrlihen Reffripte unter der ſtill⸗
idjweigenden Vorausjesung der Wahrheit der vom
Geiudjiteller behaupteten Thatſachen erlaffen feien.
Es wurde deshalb die Einrede der Erjchleihung
{ tio sub- et obreptionis) auoelafien, wenn der
Geſuchſteller das Reftript dur Angabe — oder
Unterdruchung wahrer Thatſachen erſchlichen hatte.
Davon iſt in der Praxis analoger Gebrauch gemacht.
(S. auch Ambitus und Beweis.)
chiwerende limftände, j. Bd. 17.
efüjvär, ungar. Name der Stadt Neus
bäufel (f. d.).
Erferüm, türt. Stadt, ſ. Erzerum.
Erſindſchau (Erfingjan), türt. Stadt, ſ.
Erfirum, türf. Stadt, ſ. Etzerum. [Erzingjan.
Erfiſch, joviel wie Gäliſch (f. d.).
197
Erfigung (lat. capio oder usucapio, auch prae-
scriptio), urjprünglid röm. Rechtsinſtitut, bedeutet
in erfter Zinie Erwerbung des Eigentums durch
längere Dauer des a eſihes, d. i. des Beſihes,
bei dem jemand die Sache als ihm gehörend beſißt
(Bürgerl. Geſetzb. $. 872). Man unterjchied im
Gemeinen Recht ordentlide E,, bei der ein der
Vermutung nad zum —— führender
Befigbeginn durch einen Titel wie auf, Schenkung,
Erbſchaft u. f. mw. Hargelegt wird, und außer:
ord „.. E., bei welcher der Beſitzbeginn unauf⸗
gellärt bleibt, jo daß der Erfikende einen Titel nicht
anzugeben braucht, die Fristen aber auch länger find.
Die neuern Gefebgebungen kennen meift nur eine,
die erftgenannte Art der E.; fie lajlen die außer:
ordentliche E, in der Anfpruchsverjährung aufgeben
(vgl. aber Oſterr. Bürgerl. Gejesb. $. 1477, fo auch
das Deutihe Bürgerl. Geſetzb. 88. 937 .; 194 fg.).
Der Zwed der E. ift einesteild, dem Beſitzer
Beweiſe feines Rechts ein en in die Ber:
angenbeit zu erfparen, hauptſächlich aber, den red»
ihen Erwerb, welcher die Erfigungszeit hindurch
unangefochten geblieben ift, definitiv zu jchügen.
Dem deutihen Recht war die E. im röm. Sinne
unbelannt, Die «rechte Gewere⸗, welche im jpätern
Mittelalter fih entwidelte, hatte nur prozejjuale
Bedeutung.
Bezüglih der Grundftüde hat das moderne
Grundbuch⸗ und Hypothelenreht mannigfadhe Ins
derungen herbeigeführt. In Ojterreich ilt das In:
—* der Tabularerſitzung hinzugetreten (Geſetzbuch
1467) die eine dreijaͤhrige Dauer der Eintragung
eined Rechts rechtsbegründend wirken läht; eine
den Angaben des Buches zumwiderlaufende E. wird
durch 1500 ausgeſchloſſen. Viele neuere Grund»
buchgejeße erklären die ordentliche E. gegen den ein:
getragenen Berechtigten für unzuläffig oder ſchließen
die ordentlihe E. von Grunditüden fogar jchlecht:
bin aus, fo das Deutſche Bürgerl. Geſetzb. $. 937
mit 902, das jedoch auch eine Art Tabulareriikung
von Örundftüden kennt (8.900). An ſich ſchon fonnte
die E. feit Einführung ded modernen Grundbud:
recht3 nur felten vorlommen. Auch für das moderne
Mobilienrehtbatdie E. jehr an Bedeutung ver:
loren. Der redliche Erwerber wird nad ihm meijt
fofort Eigentümer (f. Bona fides; «Hand muß Hand
wahren»). Code civil Art. 2279 («possession vaut
titre») und das Bur 1006 ſtellen ſogar
zu Gunſten des Beſihers ſchlechthin die Vermutu
auf, * er Eigentümer der beweglichen Sache je
Von erheblich praftiiher Bedeutung ir deshalb in
den modernen Rechten die E. nicht mehr.
Die erforderliche Beſitzzeit (im Gemeinen Recht
bei bewegliben Sachen 3 Jahre) ift im Deutjchen
Bürgerl. Gejegb. $. 937 auf 10 Jahre verlängert.
Die Zabularerfigung eines Grundftüds erfor
dert, daß jemand das Grundftüd 30 Jahre im Eigen:
befiß gehabt hat und ebenjo lange als Eigentümer
im Grundbuche eingetragen gemejen ift ($. 900).
Neben der Eigentumserfikung giebt es auch eine
E. anderer Ye Ti Rechte. Im Mobiliar:
recht fam die E. an Dienjtbarfeiten oder Pfand:
rechten bisher nicht vor; das Bürgerl, Geſeßb.
} 1033 läßt €. des Nießbrauchs an einer beweg—
ihen Sache zu, im Immobilienreht finden die
Vorſchriften über die Zabularerfigung des Eigen:
tums entjprehende Anwendung auf die zum Be:
fie eines Grundftüds berechtigenden oder nad ben
für den Befip geltenden Vorſchriften geihüsten
198
Rechte ($. 900), alfo namentlih die Dienjtbar:
keiten. — Das franz. Recht unterfcheidet zwiſchen
ändigen und zugleih offenfichtlihen Dienftbar-
eiten, servitutes continues et apparentes, und
nicht ftändigen oder verborgenen, indem es bei
jenen die E. zuläßt, bei diefen aber eine jede (auch
die unvordenkliche) E. ausfchließt. — Eine €. oder
Berjäbrung im Widerfprud zu dem im Grundbuch
eingetragenen rg iſt nach dem Deutfchen
Bürgerl. Gefesb. $. 902 unzuläffig. Jedoch hat es
diefen Grundfag dadurch durchbrochen, daß e3 in
einem Falle eine —— der Grunddienſtbar⸗
keiten durch Nichtgebrauch lennt, nämlich dann,
wenn der Berechtigte unterläßt, die Pefeitigung einer
fein Recht beeinträchtigenden Anlage auf dem be:
lajteten Grundftüd zu verlangen ($. 1028).
Selbſtändige vererblihe und veräußerliche Ge:
rechtſame, Jagdgerechtigleiten, Fiſchereien, Rega:
lien u. f. w. gelten, aähnlich wie das Grundeigen—
tum, als erfikbar, nur nicht Öffentlich:rehtliche (Ber
fteuerungd:, Münzprägungöredt u. f. w.) (Öiterr.
Bürgerl. Geſetzb. B. 1456, 1457.) — Val. Rlein,
Sachbeſit und €, (Berl. 1891). In Deutichland ift
bezüglihes Landesreht vom Bürgerl. Geſetzbuch
unberührt (Einfuhrungsgeſetß Art. 69 u. 73).
Erokiue (ipr.örklin), St. Vincent, engl. Reifen:
der in Sübdafrila, der Sohn deö Gouverneurs von
Natal, unternabm 1868 mit Mauch eine Forſchungs⸗
reife von Natal nad Transvaal und dem Dlifant:
fluß; er verfolgte alö eriter den mittlern Limpopo
bis zu feiner Mündung. Bon der Regierung in Na-
tal mit einer polit. Sendung zum Könige Umzila
im Gajalande betraut, verließ er 25. Juni 1871
Durban und landete 13. Juli in Inhambane. Hier:
- vervolljtändigte er feine 1868 begonnene Auf:
nabme des untern Limpopo und brach 25. Nov. nad
Norden auf. Am 9. März 1872 überfritt E. den
Fluß Sabi und erreichte 8. April Umzilas Ktraal
Sihamatfchame, wo er bis zum 30. Juli zurüd:
ebalten wurde. Auf der Rüdreije kreuzte er den
abi und Limpopo und erreichte 29. Sept. 1872
Lydenburg in Trandvaal.
Auf feiner zweiten Reife in das Gafaland landete
€. 30. Juli 1873 in der portug. Stadt Tſchiluane
an der Hüfte von Sofala, ging den Sabi aufwärts
und erreihte 17. Dt. Umzilas Kraal. Nach einem
längern Aufenthalt am Sabi lam er 22. Jan. 1874
wieder nad Tſchiluane, machte von bier einen Aus:
flug nad der Inſel Boene im Mündungsgebiet des
Gorongofaß, landete 2. April den Bafaruto:Infeln
gegenüber bei Singoni am Kap San Sebaltian,
reiite längs ber Kuſte nad — erreichte
dieſe Stadt 10. April und ſchiffte fih bier nad) Na:
tal ein. Als wertvollites Ergebnis dieſer Reife ift
die forgfältige Aufnahme des untern Sabi und ſei—
ne3 meitverzweigten, bis dahin faft unbelannten
Deltas zu bezeichnen.
Auf feiner dritten Reife —— E. vom
Nov. 1874 bis Juni 1875 den Diſtrilt Mazibbi des
Gafalandes in verſchiedenen Richtungen und be
ſuchte auf Verlangen Umzilas deſſen neue Refidenz
Utſchaniud. Doch ebenjo wie 1873 war auch dies:
mal Umzila nit zu bewegen, den ar et
verlebr von der portug. Küjte nach dem weſtlich ge:
legenen Matabelereih zu geftatten. E.s Reifebriefe
find enthalten in dem «Journal of the Royal Geo-
graphical Society», 1868 und 1875, und in den
«Proceedings ofthe Royal Geographical Society»,
1875 und 1878,
Ersfine — Erftattung
Ersdfine(jpr.örklin), Thomas, engl. Advolat und
Staatsmann, ſeit 1806 Lord E., war 1750 als pritter
Sohn des ſchott. Grafen eg von Buchan
eboren. 1764 trat er in die Marine, 1768 in das
andbeer, begann aber 1775 mit dem Studium der
Rechte und wurde 1778 Sadmalter in London.
Gleich in feinem erften Prozeß für den als Libellift
angellagten Kapitän Baillie errang er einen glän-
zenden Sieg und wurde nun in den .—.
polit. Progelien als Verteidiger herangezogen. Der
Prinz von Wales (nahmals Georg IV.) ernannte ibn
zu feinem Generalanwalt, doch verlor er die Stelle
durch jeine Verteidigung des Thomas Paine (f. d.),
des Berfaflerd von «Rights of man», worin die
föni des angegriffen wurde. 1800 führte erbie
Sade Hadfields, der im Wahnfinn auf den König
eſchoſſen hatte. Im Unterhaus bielt er als Whig zur
ppoſition gegen Pitt; 1806 wurde er Peer und
unter Grenville Lorblanzler, rechtfertigte aber in
dieſer Stellung nicht die von feinem Talent gebeg:
ten Erwartungen. Auch ftand feine Beredjamteit
und Wirkung im Parlament nicht entfernt der ge
rihtlihen gleih. Bon feinen Schriften fand ſchon
das anonyme Pamphlet «Abuses in the Army»
(1772) weite Verbreitung, bejonderes Auffeben er:
regte aber fein «View of the causes and conse-
uences of the present war» (1797), das 48 Auf:
agen erlebte. In feinen fpätern Jahren jchrieb er
einen polit. Roman «Armata» (Tond. 1817). Cr
tarb 17. Nov. 1823. Eine Sammlung feiner Reden
«Collected Speeches ») ge er jelbft beraus (4 Bre.,
ond. 1810—11; neue Aufl. mit Biograpbie von
Lord Brougbam, 1847). Eine Auswahl derjelben
nebft einer Biographie E.s veröffentlichte Walford
(2 Bde. Ta 1870). — Bol. Dumeril, Lord E.
(Per. 1883),
ir Ehriftian, dän. Gefhichtsforfcher, geb.
28. Dez. 1852 zu Kopenhagen, ift feit 1883 do:
—* der Geſchichte an der Univerſität zu Kopen⸗
agen. Seine hbauptfählichften Schriften find «ftonae
og Lensmand i det 16de Aarhundrede» (Kopenb.
1879), eine für die Auffafjung der lönigl. Gewalt im
16. Jahrh. grundlegende Schrift, und « Dronning
Margrete og Ralmarunionens Grundläggelfer (ebr.
1882), welche leßtgenannte Arbeit eine neue Auf
fafjung der Union und der Pläne der Königin bie:
tet, ſowie «Eril af Pommern, hans famp om Son:
deriptland og Kalmarunionens Opldösning» (ebd.
1901). Mit Steenftrup u. a. veröffentlichte er «Dan-
marl3 Riges Hiftorie» (Bd. 1-6, Kopenh. 18% —
1901). Außerdem hat er fi verdient gemadt
dur eine mufterhafte Ausgabe der Verbandlun:
en des Neihsrats in den Zeiten Chriſtians IV.
«Altitykler og Oplysninger til Rigsraadets og
Ständermadernes Hiftorie i Ehriftian IV's Tid»,
2 Bde. Kopenh. 1883—90).
Erftarren, ſ. Gefrieren. ,
en f. Geologie.
Erftarrungspunft, Erftarrungstempera:
tur, ſ. Gefrieren und Schmelzen. —
Erſtattung, Rüderjtattung, Reſtitution,
im Kaſſenweſen die Rüdgabe zu viel erhobener Ein:
nahmen, bei den Staatskaſſen namentlich die vor
dem Abſchluß der Rechnungen und vor deren Cin-
reihung an die Prüfungsbebörbe (Überrechnungs:
fammer) erfolgende Rüdgabe. Die E. erſcheint
unter den Ausgabepoften, da Radierungen und
Streibungen in den Büchern unzigſie ſind. Im
burgerlichen Recht ſpricht man von vornebinlie
Erſte Bitte —
beim Schabenerjag (j. d.) und beim Regreß (f. d.);
im Eivilprozeß bezüglich der Koſten des rend.
Erfte e (Jus primariarum precum), ſ.
veltanzen.
Eritein. 1) Kreis im Bezirk Untereljaß, bat
497 sı qkm und (1900) 62 962(31 297 männl., 31665
weibl.) E. in 50 Gemeinden und zerfällt in bie
4 Kantone Benfeld, E., —— und Oberehn⸗
beim. — 2)9 dt des Kreiſes und Kantons E.
(185,23 qkm, 13 Gemeinden, 14701 E.), 21 km
süblih von Straßburg, lints an der SU, deren
HSochwaſſer dur den 8 km langen Illhochwaſſer⸗
tanal in ben — werden, an der Linie
Straßburg:Bajel der Elſaß⸗Lothr. Eifenbabnen und
ijt mit dem 6 km entfernten Bahnhof durd Straßen:
bahn verbunden, Sig der Kreisdireftion, eines
Amtsgerihts (Landgericht Straßburg), Steuer:
amtes und bat (1900) 5593 €., darunter 760 Evan:
eliiche und 136 Israeliten, (1905) 5836 E., Boft,
Selgraph, ta . Delanat, evang. rn Bürger:
ipital; große arnjpinnerei, Bleicherei, Ger:
berei, Zohmüble, Mabl- und Sägemübhlen, Ziegelei,
ergiebig al⸗ Hanf, Hopfen: und Gemüfebau‘
— hy arb, Histoire de l’abbaye et de la
efigebozener Cohn ber Rirhe (Fils aind
eborener Sohn der e
ge YEefiee) ‚, Titel der franz. Herrſcher, angeblid
ſeit Eblodmig.
eburt. Bei den alten Ssraeliten —
der eborene Sohn ein ——— und geno
roßes Anſehen in der Familie. Er erhielt nach des
Faters Tode ein doppeltes Erbteil und die väter:
lie, vormundſchaftliche Auffiht über feine nod
ichten Geſchwiſter.
ie Erſtgeborenen
waren ſo die geborenen er der Familien oder
auch die Häuptlinge der Geſchlechter und der Stamme
(Erita el), und in der Regel war aud der
erftgeborene tönigl. Prinz ber nfolger jeines
Baters, den Geichlehtäregiftern wurden darum
aud die Erjtgeborenen regelmäßig als ſolche beſon⸗
ders bezeichnet. Doch konnte das Recht der E. auch
mit einer gewifjen Beihräntung übertragen werben
Ben 21,16, X — 48,5;1 man. 5,1, 2).
ie Erftlinge der — e, jo waren
die E. des reinen (opferbaren) Viehs Jahwe geweiht
und mußten zu Opferjhmäufen verwendet werden.
Im 7. .v. Chr. drang aus der heidn. ——
des Molochdienſtes das Opfer des erſtgeborenen Soh⸗
nes ein. Es bat in dem Geſetze, das die Loſung des
eritgeborenen Sohnes befiehlt, eine bleibende Spur
binterlafjen. Ebenjo find die ð . des nicht opferbaren
Viehs zu löfen oder durd Tötung dem profanen
—— entziehen. Auch hierin durfte eine jün-
gere Berallgemeinerung des urfprünglih nur von
den opferbaren Tieren geltenden Brau
bliden jein. Aus dem Opfer der
eburten der Herben gr fih wahrſcheinl
Baflabfeft entwidelt. (S. Erftlinge.)
rang und Vorrecht der Erjtgeborenen erklärt ſich auch
die bilvlihe Anwendung des Ausdruds «eritge:
berener Sobn» auf das ganze Volk Ysrael, ſowie
im Neuen Tejtament ee Cpriftus und deſſen
treue Belenner. — Über €. in neuerer Bedeutung
', Brimogenitur. —
ng (Suffocatio), diejenige Todesart,
welche Durch Entziehung atembarer Luft und diedar:
auf folgenden Blutveränderungen verurjacht wird.
Sie erfolgt entweder dadurd, daß die äußere Luft
verhindert wird, in die Lungen zu gelangen, alio
Er: | der Lu
Eritidung 199
“DB. dur Beidnlrung der Luftwege von außen
er, durch Erbrofjelung (j. 3 durch Verſtopfung
ege (3. B. such verf fudte fremde Rörper,
durch phaͤute), durch Anfüllung der Luftwege
und Lungen mit fremden Flüſſigleiten, wie beim
Ertrinten (ſ. d. und beim Stidfluß oder Lungenödem
92 durch Verminderung oder Aufhören der
tembewegungen bei verſchiedenen Erkrankungen
des jog. Aimungscentrums im verlängerten Mart
bes Gehirns, oder dadurch, daß ftatt der atmoſphä⸗
riſchen Luft ein anderes Gas eingeatmet wird,
welches entweder einfach unatembar (jaueritofflos),
wie die Kohlenjäure, oder direlt giftig fein kann,
wie das Kohlenoxydgas, Schwefelwäſſerſtoffgas
u. a. Das Weſen der E. bejtebt in Folgendem:
Sobald fein Sauerftoff, feine Lebensluft mehr in
die Lungen gelangt, fo verliert das Blut jeine be:
lebende pen und nimmt im ganzen Körper
eine dunlle, vünnflüffigere anotiide Beihaffen-
beit an; es färbt daber auch Lippen, Zunge, Wangen
und andere Teile blau oder jhmwärzlic und häuft
fi in den Lungen, dem rechten Herzen, den Körper:
venen und dem Gebirn an, wodurd bald heftige
Bellemmung und ‚Atemnot (Dyspnoe), Irampf-
artige Eger der Atmungsmusteln
und ſchließlich allgemeine, den epileptiichen äbn-
libe Krämpfe (Erftidungsträmpfe) entjteben.
Durch dieſe Überfüllung mit jauerftofflofem, da:
gegen ftart fohlenjäurebaltigem, wie ein narfotifches
ift wirlendem Blute wird jedoch raſch die Thätig:
teit des Gehirns gelähmt (Betäubung) und nicht
minder bie bes verlängerten Martes, ver Atmungs:
und Herjnerven. Daber erfolgt nun der Tod von
dieſen Gentralorganen aus, wie man ſich ausprüdt,
bald durd Stidfluß (Atmungslähmung), bald durch
Schlagfluß (Hirnlähmung). Da beides beim Er:
ftidungstode dur Unfall nicht gar zu raſch vor ſich
ebt, diefer vielmehr durch ein verihieden langes
tabium von Scheintod eingeleitet wird, jo find Be:
lebungsverſuche bei@rftidten niemals zu unterlafien.
Die Belebungsverſuche beginnt man damit,
dab man ben Atmungöwegen wieder die Möglich:
feit giebt, jauerftoffreiche Yuft aufzunehmen, aljo
. B. den Strid des Erhängten abjchneidet, den
tidten aus den mit ſchädlichen Luftarten ge
füllten Räumen binwegbringt, alle beengenden
Kleidungsftüde entfernt u. ſ. w. Befindet ſich der
Eritidte in einem mit Koblendunft erfüllten Zim:
mer, jo darf man nur mit der gröhten Vorficht
eindringen, um nicht felbjt zum Opfer zu fallen;
man erzeuge erjt mittelö Öffnen ver Thüren und
Einjhlagen der Fenfter von außen ber einen ge:
—— uftzug, und wenn dies nicht möglich iſt,
inde man ſich ein naſſes Tuch vor Mund und Nat,
höpfe noch einmal vor der Thür tief Atem und
pringe dann dur das Zimmer auf das nächſte
Fenſter zu, um es einzufchlagen; hat man durch das
eingeftoßene Fenſter friiche Luft geſchöpft, jo ipringe
man zum nädjten Fenſter und fahre jo fort, bis ftar-
fer Zuftzug den Koblendunft vertrieben hat und der
Bewußtloſe ohne Gefahr herausgebolt werden kann.
Dann beginne man die Wiederbelebungsverjuce
mit der fünftlihen Atmung (f. Scheintod), bis die
eriten jelbjtthätigen Atembewegungen des Erjtidten
bemerkt werben. it dies der Fall, jo find ſtarle
Riech⸗ und Niesmittel, träftige Hautreize (Beipren-
gen mit kaltem Waſſer, Reiben und Bürften des
ganzen Körpers, Einwickeln der Füße in Senfteige)
und reizende Klyitiere anzuwenden; auch jlöße man
200 Eritlinge
nun dem Berunglüdten einige Theelöffel warmes
Waſſer, Thee, Kaffee, Wein oder Grog ein. Übrigens
foll man derartige Belebungsverjuhe niemals zu
früb abbrechen, mweil wiederholt Fälle beobachtet
wurden, in denen Erftidte erjt nad mebritündigen
—— aus ihrem Scheintode erweckt wurden.
— Bol. Esmarch, Die erfte Hilfe bei plöglichen Un—
—— (17. Aufl., Lpz. 1901); Furſt, Über den
od durch giftige Gaſe (Berl. 1901).
ritlinge. Die Sitte, von Pflanzen und Tieren
alö den Gejchenten der Gottheit den erſten Ertrag
wiederum der Gottheit zu weihen und darzubringen,
ift im Altertum weit verbreitet. Erft bierdurd er:
bält die ganze übrige Ernte den Eharalter der Rein:
beit, wird ihr Genuß erlaubt. Daber bildet bei ven
alten Böllern die Darbringung der €. (Aparche)
einen mwejentlihen Teil des Opferkultus. So war
es auch bei den alten Israeliten. Doc haben nicht
alle Erftlingsopfer ihren urſprünglichen Dpfer-
Ber bebalten, viele find zu Abgaben für die
riefter geworden. Aus den u Sopfern haben
fih wahrſcheinlich die drei großen Wallfahrtäfefte
des iörael, und jüd. Volks, Dftern, ten und
Saubhütten, entwidelt. Sehr deutlich ift der Erit-
lingöcaratter noch bei der Ditergarbe und den
Pfingitweizenbroten. (S. auch Erjtgeburt.)
Erftlingddrude, ſ. Inkunabeln.
Erſtmilch, |. Coloſtrum.
Erſuchen (Requiſition), 1) um Rechts—
hilfe, dasjenige E., welches die mit einer Rechts—
ade beſchaͤftigte Gerichts- oder Verwaltungsbe—
orde an eine andere Amtsſtelle, ſei es des In:
nde3 oder des Auslandes, um Vornahme eines
zur Erledigung der Rechtsſache dienenden, aber
außerhalb der eigenen Zuftändigleit liegenden Altes
richtet. Das E. tommt im Eivil- und Strafprozeile
insbefondere vor für Zuftellungen im Auslande,
für Mitteilung bebörvliher Urkunden und Alten,
für Beweisaufnahmen im In: und Auslande, für
A 2 um range
ilfe, d. i. um Hilfe in Verwaltungsſachen. Die
deutſchen Gerichte müflen fi in bürgerlichen Rechts⸗
ftreitigfeiten und in Strafſachen Rechtshilfe (f. d.)
leiiten und ebenfo . eihögeies vom 9. Juni
1895 die Berwaltungsbebörden Berwaltungsbilfe
bei Einziehung von öffentlichen Abgaben und im
Verwaltungsweg verbängten VBermögensitrafen. —
Erſuchter Rıdter beißt im deutjchen *
der Amtsrichter, welcher von dem erkennenden Ge—
richt um Vornahme einer Beweisaufnahme oder
eines Suhneverſuchs angegangen wird.
Erſuchter Richter, |. Erſuchen.
Ertag, ſ. Dienstag.
Ertgau, im Mittelalter ein die jegigen württemb.
Tberämter Riedlingen und Saulgau des Donau:
kreiſes umfaflender Bezirk.
Erthal, Franz Ludw., Freiherr von, Fürftbifchof
von Bamberg und Würzburg, geb. 16. Sept. 1730
zu Lobr am Main, ftudierte in Mainz und Würzburg
und bielt fid) längere Zeit in Rom und in Wien auf.
Nach jeiner Rüdlehr nah Würzburg wurde er 1763
Vräfident der weltlihen Regierung des Hochſtifts
Würzburg, 1768 kaiſerl. Geheimrat und Kom:
mijjar bei der Unterjuhung des Reichslammer—
erichts in Weplar. 1776 wurde er von Kaiſer
ojepb IL zum Kommijjar am Reichstag zu Regens:
burg ernannt; 1779 ward erin Würzburg und Bam:
berg zum Fürſtbiſchof gewählt. Nach einer in jeder
Hinſicht treiflichen, unter der geiftigen Signatur der
— Ertrag
—— ſtehenden Regierung — E. 16. Febr.
1795 zu Würzburg. Er jhrieb: «liber den Geiſt ver
Zeit und die Pflichten der Ebriften» (1793) und
«Predigten, dem Landvoll vorgetragen» (Bamb,
1797; 2. Aufl, Würzb. 1841). — Vol. Bernbard
a H.Reudlin), Franz Ludw. von E. (Tüb. 1852);
tihub, Franz Ludw. von E. (Bamb. 1894).
Erthal, Friedr. Karl Joſeph, Freiherr von,
Kurfürft von Mainz, Bruder des vorigen, geb.
3. Jan. 1719 zu Mainz, wurde 1753 in das flapitel
aufgenommen, 1758 Präfident des Hofrats, 1768
Domkuftos, 1769 zum Mainzet Gefandten am
Raijerhofe ernannt und 1774 zum Erzbiſchof und
Kurfürften ze. Entgegen der freifinnigen Po:
litik feines Vorgängers Emmerich Joſeph, 309 E. die
ejuiten von neuem beran und duldete, daß die im
tus und im Schulweien begonnenen Reformen
rüdgängig gemadt wurden. Dob nad einigen
en lehrte E. in die liberalen Babnen jeines
ee zurüd und fuchte nun auch feinerjeits
die Bolizei und die Verwaltung, inäbejondere die
Unterrihtöverwaltung, zu bejlern und zu beben.
Sein Wert war 1784 die Neugeftaltung der Mainzer
Univerfität und die Entfernung der Jejuiten aus
ihr. Im —— Jahre ſchloß ſich der Kurfürſt
dem Fürſtenbunde Friedrichs d. Gr. an. Unter
— Vermittelung wurde das ſeit der Emier
unktation 1786 ſehr geſpannte Verhältnis zur
Römiſchen Kurie wieder gebeſſert; die Reform:
beſtrebungen, die Wunſche nach einer größern Un:
abbängigfeit von Rom, blieben jedoch unter ber
Mainzer Geijtlichkeit erbalten. Nah Ausbruch der
Revolution nahm ſich der Kurfürjt ſehr eifrig der
—71 Emigranten an und betrieb den Krieg gegen
die Republit, 1792 mußte er vor den En
franz. Heeren aus Mainz flühten. Dur den Frie—
den von Luneville verlor er den lintärbein. Teil
feines Erzbistums an Frankreich, bald darauf jtarb
er 25. Juli 1802 zu Aſchaffenburg.
Ertholmene, Injelgruppe, ſ. Ehrijtiansd.
Ertingen, Dorf im Oberamt Rievlingen des
württemb. Donaufreifed, an der Schwarzah im
Donautbal und der Linie Ulm:Sigmaringen der
Mürttemb. Staatsbahnen, bat (1900) 1910 meiſt
tath.E., Boit, Telegrapb, kath. Kirche; mechan. Wert:
ftätte, Seidenwinderei, Müblen und Brauereien.
Ertogrul, türk. Heerführer, Bater Osmans L.
(f. d.), des Begründers des Osmaniſchen Reichs.
Ertrag, der Überſchuß, der ſich ergiebt, wenn
von der Geſamtheit der Einnahmen, die aus einem
einzelnen Produltionsbetrieb oder einer andern be-
jondern Eintommensquelle innerhalb einer beitimm:
ten Periode, inäbejondere eines Jahres, erzielt wer:
den, die — der zur Beſchaffung dieſer Ein:
nahmen aufgewandten Ausgaben oder Koſten ab:
gesvoen wird. Der E. in diefem Sinne beißt auch
Neinertrag, indem man ihm den Wert des Bro:
duftes oder unmittelbaren Ergebnifjes einer Ertrags:
quelle alö ET —— Der Unter
fhied des E. von dem Einlommen (f.d.) liegt darin,
daß der eritere feine Beziehung auf die wirtſchaftende
Verjönlichkeit entbält, jondern fih an ein bejtimmtes
Dbjelt, z. B. ein Grunpftüd, ein Miethbaus oder an
einen ebenfalls als felbftändige Einbeit angeiebenen
Produktions⸗ oder Berufsbetrieb Mmüpft. Der €.
kann fich alfo auf mebrere jelbftändige Wirtfchaften
als Einkommen verteilen, und umgekehrt kann fit
das Einlommen einer Perfon aus den Ergebniflen
| mehrerer Ertragäquellen zufammenjegen.
Ertragsanihlag — Ertragafteuer
— ————— auch Taration, Güter:
neun. in der —— die auf Wahr:
teitärechnung gegründete Ermittelung des
Berted ſowohl ganzer Wirtihaften als einzelner
detriebs zweige derjelben oder auch einzelner Grund⸗
küde. Je nach dem Zwece des €. find verſchiedene
—— maßgebend. Bei der bypothelariichen
leibung wird nur der Sicherheitswert ins Auge
giebt: beim An- und Verlaufe fommt der kapitali⸗
Reinertrag in Betracht, der je nach dem Zins⸗
fuße, — dem der Kaäufer ſein Geld anlegen will,
vechſelt; bei ver Bachtung oder Verpachtung endlich
it nur der Reinertrag nn bare Letzterer wird in
der Weiſe berechnet, dab zunächſt jämtliche in der
Birtihaft erzeugten Rohwerte (Rohertrag, Brutto:
ertrag) feitgeitellt werden, daß das Gleiche mit den
Aufwendungs⸗(Pro dultions⸗Koſten geſchieht, und
daß letztere von den erſtern abasjogen werben; es
verbleibt dann der Reinertrag. Beim E. eines ein:
zelnen —— iſt die Berechnung des Reim
erttags einfach; ſchwieriger gpebe Ah dagegen
diejenige für eine vollftändige Wirtichaft. Es führt
dabei nicht zum Ziele, den Reinertrag eines jeden
Grundftüds u. ſ. w. für fich zu berechnen, fondern
e& kann dies nur mit Rückſicht auf die Gejamtwirt:
chaft geibeben, da die Höhe des Neinertrags der
einzelnen Teile durch ihre Wechſelwirkung aufeinan-
der, dur das Zuſammenwirken einer ganzen Reihe
von Faltoren bedingt ift.
Der €. eines Gutes jet fi aus folgenden ein:
ke Zeilen zujammen: Information oder Guts⸗
chreibung; Feititellung des Wirtſchaftsplanes;
Ermittelung des Robertrags; Beitimmung der
Wirtſchaftstoſten; Berehnung des Reinertrags
event. des Kapitalwertes.
Die Information oder Gutsbeſchreibung
bat fih namentlich zu erftreden auf die örtliche und
flimatiihe Lage, auf den Umfang und die Art des
Areals (Ader, Weide, Wiefe u. }. w.), auf die Be
iaffenbeit des Bodens, auf die biöber ebauten
und event. zu bauenden Früchte, auf die Zahl und
Beibaftenbeit der Gebäude und des Inventar,
auf die Arbeiterverhältnifje, auf die etwa vorban-
denen techniicben Gewerbe, auf die zu tragenden
Steuern und Laſten, auf die fonftigen Pflichten und
Rechte des Gutes und ſchließlich auf die Höhe und
Art der —— ſowie die Mittel zur Er:
langung von Kredit. Die Information ift der wich:
tigite Teil des E. da fie die Grundlage namentlich
für den Wirtſchaftsplan giebt.
Bei der Aufitellung des Wirtjhafts:
plans thut man gut, ſich zunächſt an den frühern
zu balten, bejonders wenn er —— zweck⸗
mäßig erſcheint; er giebt für den €. die ſicherſten
Grundlagen. Eine Änderung des Wirtſchaftsplans
iſt im der Regel mit erheblichen Kojten verknüpft,
und die barauf gegründete Rechnung bietet niemals
diejenige Sicherheit für den E., wie ſolche der alte
Birtihaftspları gewährt. In jedem Falle ift aber
die Hauptrihtung des Betriebes, ob hauptſächlich
Getreide: oder Hadfrudtbau, ob Nindvieb: oder
Shafbaltung u. ſ. w., feitzuftellen, dann die auf
eritere ſich beziehende Fruchtfolge und der Bedarf
an tieriſchen Arbeitsfräften zu ermitteln, woraus
dann auch die Zahl und Art der Maſchinen, Ge:
täte, d. b. das tote nventar, berechnet werden
lann. Bei Projektierung techniſcher Gewerbe ift
darauf Rückſicht zu nebmen, inwieweit dadurd die
eben genannten Puntte eine Underung erfabren.
201
Zulegt ift der Geldwert für das ſtehende Kapital,
das fi aus lebendem und totem Inventar zuſam⸗
meniest, und für das umlaufende oder Betriebs—
tapital zu veranſchlagen. Erſteres ergiebt fih aus
der Abjbäßung des Inventars, leßteres beträgt im
Mittel 40—50 Proz. des ftehenden Kapitals.
Es folgt dann die Berehnung des Rob:
ertrags, die zweckmäßig nad den einzelnen Be:
triebözweigen vorgenommen wird, 3. B. Rohertrag
des Aders, der Wiejen, der Rindviebhaltung u. ſ. w.,
wobei der Überfichtlichfeit wegen jeder Zweig wieder
in Untergruppen zerlegt wird, wie bei der Rindvieh⸗
Beltıng: für Moltereiprodufte, für Kälber, für
aftvieh u. |. m. Die Höhe der dem Anſchlag zu
Grunde liegenden Preiſe ift im allgemeinen na
denen ber legten 20 Jahre zu normieren; nur bei
Produlten, welche thatſächlich eine jchnelle Preis:
fteigerung aufweiſen, 3. B. Butter und Milch, lann
man bejjer die Preiſe der legten 10 Jahre benutzen.
Hierauf find die Aufwendungskoſten feſtzu—
re die der beabfihtigte Wirtichaftsplan ers
ordert; fie jegen fih namentlih zufammen aus
den Rojten für die ee für die menſchliche
Arbeitökraft, für die gefamte Viehhaltung, für die
Unterbaltung und Abnußung der Gebäude und des
toten Inventars, für Saat und Dünger, für Bers
fiherungen und Rapitalzinfen u. f. w.
Endlich ergiebt fi der Reinertrag aud dem
zu. der Aufwendungstoften vom Rohertrage.
Der Geldwert des Grund und Bodens und ber
Gebäude wird repräjentiert durch die Kapitaliſie—
rung des Reinertrags; für Deutjchland beträgt der
Zins des im Boden angelegten Kapitals im Mittel
4 Proz., jo daß die Höhe des Reinertrags mit 25 zu
multiplizieren ib Bei hoben Sandpreifen find nur
3%, Proz. und bei niebrigen 4"), Proz. Zinfen ans
zunehmen. Die Werte für das ftehende und laufende
Kapital ergeben die Höhe der e den Wächter zur
Wirtihaftsübernahme nötigen Summe. — Bgl.Graf
zur Lippe, Der landwirtſchaftliche E. (Lpz. 1862);
von der Golg, eg Zarattionslebre
(2. Aufl., Berl. 1891); Eihbolg, Die Bodeneins
Ihäßung u.j.w. (ebd.1900) ; Huſchke, Landwirtichafts
liche Reinertragsberechnungen bei Klein: Mittel: und
Großbetrieb (Jena 1901). (S. auch Bonitierung.)
Ertragsſteuer, eine direlte Steuer, welche von
den verjchiedenen Ertragsquellen als ſolchen (ſ. Grs
trag)nah Maßgabe ihrer Erträgnifje erhoben wird,
Sie richtet ſich alſo nicht nad dem Einfommen und
der A — Leiſtungsfähigleit
der Steuerpflichtigen, und fie wird daher im Gegen⸗
ſatz zu den Perſonalſteuern auch als Real: oder
Objektſteuer bezeichnet. Doch paßt dieſe Bes
nennung nicht wohl für die Beſteuerung des auf
rein perjönlicher Thätigfeit beruhenden Verdienſtes,
obwohl auch in diejem Falle eine eigentliche E. vors
liegt, wenn feine Rüdjiht darauf genommen wird,
wie viel von dem Ertrage jeiner } erufäthätigleit
} B. der Arzt, Advokat u. ſ. w. als wirkliches Eins
ommen behält und wie viel er als Schuldzinſen
abgeben muß. Die ———— der Zin⸗
ſen und Renten, welche die * aber der Ertrags⸗
quellen aus den ihnen zufließenden Erträgen ent:
richten müſſen, ijt überhaupt das Charakteriſtiſche
in dem Syſtem der E. und zugleich der Grund,
weshalb dasjelbe weniger rationell erſcheint als
die perjonale Bejteuerung des Cinfommensd. Die
Grunditüde und in geringerm Maße die Häujer
bieten, als Ertragäquelle betrachtet, allerdings jür
202
jenen Übelftand dadurd eine Ausgleihung, daß die
Steuer mit ihnen zu einer Art von Neallaft ver:
mädjft und von dem Käufer bei feinem Preiögebot
in Anſchlag gebracht wird. Grunpfteuer (f. d.) und
Gebäubdeiteuer (f. d.) find die am allgemeinften ver:
breiteten Arten der E., was ſich 2 daraus er:
Härt, daß ihre Objelte offen daliegen und auf die
bequemfte Weife zu erfahren find. Die Gewerbe:
—* (1. d.) iſt ſchon weniger ausgebildet, indem
ie als befondere E. entweder ganz fehlt, wiein Eng:
land, oder in 7 feinem beftimmten ——
mit dem wirllichen zen edsar ichen Unters
nehmer ſteht, wie in Frankreich. Die Kapitalrenten:
fteuer (f. d.) De in England als jelbjtändige €.
anz, in Preußen ift durch die Ergänzungsiteuer
ſ. d.) eine Art Kapitalrentenfteuer geihaffen, in
ankreich ift fienur in ganz unvollitändiger Ge:
talt vorhanden. Am lonjequenteiten ift das Sy:
em ber E. in Bayern und Württemberg ausgebildet.
So en in Bayern die Grundſteuer, Hausfteuer,
Gemerbejteuer, Kapitalrentenfteuer und die ſog. Ein:
lommenfteuer, welche das den übrigen Steuern nicht
unterliegende Einlommen, aljo hauptſächlich das
dur wiſſenſchaftliche Berufstbätigkeit erworbene
und die Bejoldungen und Penfionen der Beamten
trifft, wobei aber ausbrüdlih das Abziehen von
Schuldzinſen verboten ift. Die €. find wichtig, weil
fie einen fihern und gleichbleibenden Ertrag haben,
tönnen aber andererſeits dem wachſenden Bedarf des
Staates nur unvolllommen angepaßt werben. —
Vgl. Artikel Ertragsfteuern im «Handwörterbuch der
Staatöwifjenjhaften», Bd. 3 (2, Aufl., Jena 1900).
Ertragdtafeln, foritlibe, aub Zuwachs—
tafeln genannt, die tabellariihe Daritellung des
Ganges des Maſſenzuwachſes eines Beitandes. Sie
jollen für alle vortommenden Holz: und Betriebs:
arten und Bonitätäflafien auf die landesübliche
Flächeneinheit (Heltar) reduzierte Angaben von Zeit
zu Zeit — — 10:, mindeſtens 5jäbriger Ab⸗
ſtufung) über die Beſtandsmaſſe und die fie bedin—
aenden Faktoren ſowie über die verjchiedenen Sorti⸗
mente (Derbbolz, Reifig) enthalten. Die Angaben
der €. erjtreden ſich meift nur auf die Maſſe des
Hauptbeitandes (ausgeſchloſſen Stodbol;), va über
die des Zwiſchen- oder Nebenbeſtandes nod feine
recht genügenden Unterjuhungen möglih waren.
Schon Ende des vorigen Jahrhunderts erfannte
man die Wichtigkeit der E. für alle Arbeiten der
Grtragäregelung und Waldmwertrehnung; infolge:
deſſen befist ſchon die ältere forſtliche Litteratur
eine große Anzahl folder Tafeln, 3.8. von Hartig,
König, Burdbardt, Feiftmantel, Grebe, Preßler u.a,
Die große Schwierigkeit der Aufitellung der E. war
aber Urſache, daß die ältern derjelben nen zu fünft:
lich —— worden waren. Deshalb betrachtete
es der Verband der deutſchen forjtlihen Verſuchs⸗
anftalten (f. Forſtliches Verſuchsweſen) neuerdings
als eine feiner wictigften Aufgaben, auf Grund
ausgedebntejter, genaueſter Unterſuchungen in ganz
Deutſchland neue Tafeln aufzuftellen. Dergleiben
Itegen nun vor für die Fichte von Baur, Kunze und
Loren, für Kiefer von Weife, für Tanne von Lorey,
für Buche von Baur. Die Unterfuchungen werden
noch fortgejeßt, indem die Maſſen einer großen
Menge dazu beftimmter Probebejtände von 5 zu
5 Jahren neu aufgenommen werden. Aud) außer den
genannten haben ſich mebrere Foritleute neuerdings
mit der jehwierigen Frage der Aufitellung von €.
beichäftigt, jo 3. B. Guttenberg, Schuberg u. a.
Ertragstafeln — Ertrinfen
Man unterſcheidet allgemeine (auhb normale
—— und Iolale E. Erſtere gelten für ganze
änder, legtere nur für beftimmt abgegrenzte Wirt:
——— Die Angaben der lokalen E. ermög-
ichen natürlih viel genauere Entiheidung wirt⸗
ſchaftlicher Fragen als die allgemeinen, weil dieje
bob nur Durchſchnittsergebniſſe oft ſeht weit aus⸗
einander liegender Größen find. Der Wachstums⸗
gang der Beitände ift in den böbern Gebirgslagen
ein ganz anderer als in der Tiejebene. ä
erden die in den E. angegebenen Mafjen mit
ben zugehörigen durchſchnittlichen Preiſen multiplis
— Fararojpesiun arg will bar Di E.,die
natürlich nur ganz lofaler Natur fein fönnen. Sie
find noch viel unficherer als die bloßen Maſſen—
ertragdtafeln, können aber unter Umſtänden für
aldwertrehnungen, für Ermittelung finanzieller
Umtrieb3zeiten, recht wertvoll fein.
Ertrinfen, eine der bäufigiten gewaltjamen
Zobesarten, wirb dadurch herbeigeführt, daß durch
Eindringen einer tropfbaren tafk feit in die Luft⸗
wege ber — der atmoſphäriſchen Luft zu den
Lungen gehindert und die in denſelben dadurch vor
ch gene Bluterneuerung unterbrohen wird.
n3 Waſſer Gefallene jterben entweder fuffofato-
riſch, d. b. dur Unterbrehung der Lungenfunt:
tionen (f. Erftidung), ober apopleltiih, d. b. an
einer durch Überfüllung der Blutgefäße des Ge
Ba bedingten Lähmung dieſes Organs, Dft ver:
inben fich beide Todesarten. Tod durch Apo—
plerie tritt nur in feltenern Fällen ein, wenn der
Körper fehr erbigt in die ältere Flüſſigleit fommt
und fo das Blut plößlid von der Oberfläche nah
dem Innern gedrängt wird; die auf diefe Art Er:
truntenen werden nur jelten wieder ins Leben zus
rüdgerufen, wogegen bei denjenigen, deren Leben:
äußerungen nur infolge Mangels an Luft (Suffo-
tation) erlofden find, die Wiederbelebung, wenn
die Hilfe zeitig genug fommt, leichter rg ift.
Vor allen Dingen muß der Berunglüdte jebr vor:
fihtig, ohne an Bruft und Unterleib gebrüdt zu
werben, an bie Luft gebradt, völlig entlleivet an
einem mäßig warmen Orte auf ein paffendes Lager
mit wenig erhöhtem, feitwärtö gebeugtem Kopfe ae
legt, bier zuerft der Mund und die Nafe von Schleim
chlamm gereinigt und dann ber ganze Körper
* mit bloßen Händen frottiert
und
mit Flanell oder au
werben. Meiterhin muß man möglichjt eitig die
Atmung durd künstliche Atembewegungen Pokeins
tod) in Gang zu ringe ſuchen.
Nach den erſten ſtthätigen Atembewegungen
des Verunglüdten hülle man ihn in trodne Deden
ein, frottiere ihn kräftig und bringe ihn möglichit
bald in ein warmes Bett, in welhem man jeine
Körperwärme durch Auflegen von Wärmflajchen
oder MWärmfteinen auf die Magengrube, in vie
Achſelhoͤhlen, zwiihen die Scentel und an bie
Fußſohlen ſowie durch theelöffelmeiies Einflöhen
von warmem Waſſer, Thee oder Wein allmählich
wiederherzuſtellen ſucht. Verwerflich iſt es, den
nkenen auf den Kopf zu ſtellen, was zuweilen
eſchieht, um das übermäßige Waſſer aus dem
agen zu treiben. Wenn der Ertruntene ee.
eriroren iſt, ſo muß man ibn zunädjt als ore⸗
nen behandeln. (S. Erfrierung.) — Bol. außer
den Handbüchern der gerichtlichen Medizin: Baltaut,
fiber den Tod durd €. (Wien 1888); Cämard, Die
erite Hilfe bei plöslihen Unglüdsfällen (17. Aufl..
Lpz. 1901).
Erubescen; — Eruptivgefteine
Erubedcenz, Grröten, Schamrödte.
Erüca Tourn., Pflanzengattung aus der das
milie der Kruciferen (}. d.) mit nur drei Arten in
Europa und Ben alien. Es find ein« oder zwei⸗
Hbrige Irautartige Pflanzen mit fiederteiligen Blät:
ten und ziemli "großen, weiß und rot gefärbten
Blüten. on ber in ———— einheimiſchen
E. sativa Lam. (Senfkohl, Runke, Rauken—
lehl) werden die Blätter 8 und gelocht, als
Gemüje oder Salat geg Die Samen wer:
den wie Senf und — als Mittel gegen
Hautkrankheiten angewendet. [Raupen.
‚ die BEN * — ſJ.
Erucadinſäãure, |. Eruca
Erürafänre, Seaffintäure, Kr HAO.,
ietten Ol der Senffamen, aud im Rüböl als Slvceri
vortommende Säure. Siege drt derÖlfäurerei er
Aus Altohol feoftallifiert jie in weißen, glänzenden,
bei 34* C. ſchmel — Nadeln, die in Wa Waller uns
doelich, aber in Al ohol und ütherö8lich find. Siefie
det ungerfegt bei 255° unter einem Drud von 10 mm,
beilängermErmwärmen auf 100° wird fie unter Braun:
färbung verändert. Bei Einwirlung von falpetriger
Säure wird fie in die ihr ifomere, bei 56° ſchmelzende
Erucadinjäure verwandelt, ——
dieſer * ebenſo wie die Ölfäure zur n⸗
vre (
este (lat.), das Aufheben (. d.).
Erudieren (lat., «entroben»), bilden, unterrid:
ten; sen \e\en elehrte Bildung, Selehriamteit.
e &r etwas Berborgenes zu Tage
iger zu
————— (lat J; fen, aufftoßen; Erul:
tation, dad rg her ufitoßen (j. d.).
Grüler, Boll; ler.
Erülus, Sohn der Feronia (f.
Eruption (lat.), Ausbrud, das — mit donner⸗
artigem Gerauſch und Erzittern des Exrbbodens ver:
bundene, oft plöglide Hervorbr
Dämpien, lochendem Wafler, —*
nen aus ber Erdtiefe. Es lann gr an \ Bun
geideben, die feit längerer Zeit in offener Ber:
indung mit bem Erdinnern ftehben, aljo aus Ara:
tern der Bullane, aus ern, aber auch an
völlig unbeftimmten Stellen, zu denen Lava und
— dere friſch entitandene Spalten empor:
ruptiogänge, j. Lagerungsformen.
efteine, Maffengefteine, maſ⸗
ige Gefteine, Feldarten, die aus den Tiefen der
Erde emporgebrungen und zur Ablagerung gelangt
ind; im Gegenfas dazu ftehen die febimentären
Gefteine, deren Material einen mechan. oder chem.
Bodenfak aus Gewäſſern darſtellt. (Bgl. Geſteins⸗
bildung.) Die E. der heutigen Zeit, die recenten
Laven, treten in einem feurig erweichten, lut⸗
—* (pyrogenen) Zuſtande aus den Bul:-
en hervor, indeſſen ift ihre Schmelzmaſſe nicht
durbaus etwa mit derjenigen unferer kunſtlichen
dochofenſchladen zu vergleihen, weil fie mit einer
bettächtlichen Menge von überhiktem Wafler oder
Bafjerdampf beladen ift, der aber während ber
Örftarrung ausgejchieden wird. Huch ift jede
—— Eruption mit gewaltigen Dampfaus⸗
und Exploſionen verlnupft. Cine
große —— enge
ffgen
von —— en vereinigt ſich
u dem Schluß, daß die M derjenigen €.,
die in den frübern geolog. Zeitepocen an bie da:
malige Oberfläche emporgebroden find, in einem
203
noch — Maße durchwäſſert oder mit Waſſer⸗
dampf imprägniert war, als dies bei den modernen
Laven der Fall ift. Seide 0, bei deren Entftebung
neben dem Schmeljfluß fer in überbiktem Zus
ftande eine Rolle gejpielt
pyrogene u brend der Augenſchein
über die Herkunft ber — ag belehrt, muß
für die E, älterer Erd —— bei deren
Entftehung der Menſch ni Ye e war, bie erup⸗
tive Ratur überhaupt erft feit 346 oder wahr:
ſcheinlich gemacht werben, was injofern aud mit
Schwierigleiten verfnüpft ift, als dieſe ältern Fels⸗
arten mitunter von den recenten in mebrfadhen Ber
iehungen, 3. B. in ihrer — * uſammen⸗
etzung, in ihrer Struktur, abweichend beſchaſfen find.
ennoch iſt die eruptive Entſte — sweiſe mit einer
Anzahl von gewifien, für fie haralteriftiiben Ber:
bältnifien ſowohl der blagerung ls der Geſteins⸗
ausbildung verbunden, die als maßgebende Ans
altspunkte für die Gruptivität besjelben gelten
Önnen. Zu diefen Momenten gebören die durchs
greifende Zagerung, das Hindurchſetzen durch an
dere Gefteine in orm von Gängen und Stöden,
das Fehlen eigentliher Schihtung, die Auftürs
mung des Gefteinämateriald in Form von primi⸗
tiven Kuppen, feine Ausbreitung zu geflojienen
Deden und Strömen; bie Störungen des be
nahbarten Schichtenbaues, die Stauchungen und
Windungen der De Schichtenenden, bie
der ripaltungen d ebengefteind und das adern-
weile Eindringen ber Gefternsmaffei in basjelbe; die
Bermalmung des Nebengefteind und die Bildung
von Reibungsbreccien, das Erfülltfein mit Brud:
ftüden des ebengefteins die nachweislich nicht von
der Seite her ftammen, ſondern aus der Tiefe mit
emporgefördert worden find, das Begleitetjein von
Maffen, die ihrer Natur nad unfern beutigen aus:
—— vullaniſchen Aſchen, Sanden und 2a-
pilli en —— die eigentümlihen Einwirlungen
— das Nebengeſtein oder auf umſchloſſene Frag⸗
er desjelben, die jog. Kontaftmetamorpho EN,
als Frittu erglajung, Berlofung,
—* alliſieru , Erfüllung mit neugebildeten lines
ralien fundge en. Während ſich diefe Punkte auf
bie Lagerung ber —— im ——
at, werben als hydato⸗
nen beziehen, find es andererſeits auch petr
phiſche Verhältniſſe, die durch die eruptive vi
ſtehung bedingt werden, deren Fehlen aber nicht un«
mittelbar gegen diejelbe zu Ipre rechen braudt. Als
folde können folgende Eharaltere gelten: Borbans
denjein der majfigen Strultur, ſowie Fehlen echter
Scieferung, wie di bei Sedimentge teinen vor⸗
fommt; glafı gen Ic ‚f — blaſiges oder mandel⸗
fteinartiges Gegenwart von Glasjubftanz
zwiſchen den Erpftallint hen Mineralgemengteilen
des Geſteins oder von milrojlopiihen Glasein—
ſchluſſen innerhalb derjelben; diejes Glas bildet im
erſtern Falle die Schließlich verjeftigten Reſte, im
lestern die von den auslryſtalliſterenden Minera:
lien eingebüllten Teilen des geihmolzen geweſe⸗
nen ep die fog. Fluktuationsftruf:
tur, die gewöhnlich im milroflopifhen Maßftabe
die "Bewegungen, Ballungen, Strömungen und
Stauchungen innerhalb der er m enden noch
zn plaftiihen Eruptivmaſſe v er ib unjerer
ahrnehmung aufbewahrt bat. die fäulen:
förmige und ſphäroidiſche Abjonderung der E. hängt
mit ihrer Entftehung zufammen, desgleichen werben
diefelben ftet3 völlig frei von foſſilen organiſchen
204
Überreften befunden. Bon diefen Geſichtspunkten
aus ermweijen fi nicht nur die Bafalte, Andefite,
bonolithe, Trachyte ald echte eruptive Gefteine,
die der verhältnismäßig neuern ZTertiärzeit ange:
en und in jeder Beziehung, auch darin, daß ſie
ulfane aufbauen und Savaltröme i mit un:
fern modernen Laven übereinlommen; auch die den
älten Formationen zuzurechnenden Diabaſe und
Diorite, die Porpbyrite und Melapbyre, Duarzpor:
pbyre, die eigentlichen Granite und Syenite (d. i.
diejenigen, die nicht ald Glieder des Irpftallinifchen
iefergebirges auftreten und nicht als förnige
Gneije zu betrachten find) find danach wahrha
eruptive Gejteine. (S. Gefteinsbildung.) — Bal.
Lowinſon⸗Leſſing, Studien über E. (Petersb. 1899),
und die Litteratur ——
Ervalenta, ſ. Geheimmittel und Linſe.
Erve, Ervum, ſ. Linie.
Ervenlinfe, die Linſenwide (ſ. d. und Tafel:
—— II, Fig. 12). tion.
Erwählung, in der Dogmatik, |. Prädeitina-
Erwartungswert, eine Bezeihnung für die
Summe, die jih aus der Distontierung der von
einer Ertragdquelle, 3. B. einem Hauje, einem
Grundftüd, zu erwartenden Reinerträge ergiebt.
Erwedung, bei den Bietiiten und Metho—
diften der Anfang der Belehrung aus dem geijtlichen
Sclafe (Epb. 5, ı4), oder derjenige Zuftand, in dem
der Menſch er Angft über jeine Sünde und zur
Hoffnung, aber noch nicht zur völligen Gewißheit
der Sündenvergebung gelangt iſt. Nach pietijtiicher
Anſchauung bildet Diele €. den Durchgangspunkt
der reliniögsfittlihen Entwidlung jedes ——
Gläubigen, und nach der methodiſtiſchen Buß—
praris erfolgt dad «Angefabtwerden durch die
Gnade» unter heftigen jinnlihen Erregungen, oft
unter Judungen und Kraͤmpfen. Die —— chen
fog. Revivals in Nordamerika ſuchten die E. gan:
Vollsmaſſen durch die jtärkjten Einwirkungen auf
Dbantafie und Nervenſyſtem fünitlich herbeizuführen.
Erweichende Mittel, j. Emollientia.
Erweichung (Malacia), in der Medizin die
Berminderung der Dichtheit und Widerftands:
fähigkeit (Heitigleit) eines Organs oder feiner
Gewebteile. Ste iſt immer_die Folge vorausge-
gangener krankhafter Prozeſſe und bat verſchie—
dene Grade, von der einlodhen laffung zur
Mürbbeit, Brücigkeit und breiigen Weiche. n
unterjcheidet dem Weſen nah: 1) die weiße €,
wo das Drgan in mwäjlerigen Zelljäften und aus:
aeibwistem Blutwailer Hasen maceriert ift;
2) die rote E., wo das Organ der Sig von Ent:
jündung oder Blutaustretung war und außer roten
Blutlörperchen meijt Entzündungsprodufte und Ge:
webätrümmer die erweichte Stelle füllen; 3) die
gelbe E., meijt eine Folge der vorigen, wo die er:
meichte Stelle von Blutfarbitoffen, Fett, auch wohl
Eiter durchjegt ift. Die E. dehnt ſich jelten über das
ganze Organ aus, jondern ergreift meift einzelne
Stellen. Diejelbe tann jedes Organ, felbit die Nägel,
Dberbaut und Haare in gewiſſer Hinſicht befallen. Am
meiſten hat man beobachtet die €. des Gehirns (En-
cephalomalacia), des Rüdenmarts (Myelomalacia),
des Magens (Gastromalacia), was jedoch fait immer
nur Leichenerſcheinung ift, und der Knochen (Osteo-
malacia), welche durch Rejorption der Kallſalze er»
weichen und dadurch leicht zu Knochenbrüchen dispo⸗
nieren. Die Symptome der E. find oft ſehr duntel;
fie haben im allgemeinen eine große Neigung um ji
Ervalenta — Erwerben
zu greifen und geringe Neigung zur Selbitbeilung.
Letztere geichieht 3. B. bei Knochenerweichung durch
Ablagerung von Kallſalzen an der tranten Stelle,
bei Hirnerweihung dur‘ Aufjaugung des Breies
und Bildung einer Eyjte oder einer Narbe. Zur
—— dieſer Heilungsvorgange läßt ſich nicht
viel thun; die Hauptſache bleibt die Sorge für zwed⸗
mäßige Ernährung und für gehörige Pflege und
Schonung des erkrankten Organs.
Erwerben. Bermögen erwerben heißt Die Er-
langung eines Vermögens, weldes der Erwerber
bis dabin nicht hatte, oder die Vermehrung dei
Bermögens um einen Betrag, welcher dem Erwerber
bi dahin nicht zuftand. Der Erwerb ift vornehm⸗
lid die Frucht ———— Thätigkeit in Verbin⸗
dung mit Sparſamleit, welche vermeidet, das ganz
wieder auszugeben, was vorher erlangt war. Er:
worben werben kann auch ohne eineverdienftoolle
Ihätigleit des Erwerbers durd Spiel, Schenkung,
Erbſchaft, Heirat, zreishe erung der früher er:
mworbenen Güter. Dem eultat nah lann Ber:
mögen jelbft auf unerlaubte Weife dur ftrafbare
Handlungen erworben werden, wenn der Thäter
nicht entdedt oder nicht verfolgt wird. Da das Ber:
mögen ermittelt wird durch Abzug der Schulden von
den Altiven, jo begründet Erwerb einzelner Güter
oder ber Umſatz von Gütern nicht notwendig einen
Vermögenserwerb, jo wenn ohne Gewinn oder wenn
fogar mit Berluft eingelauft wird. Wer ein Dar:
lebn aufnimmt, erwirbt das Eigentum an ben ihm
eliehenen Gelpitüden, aber erwirbt fein Vermögen,
ondern kontrabiert eine Schuld. Ya es kann ein
Erwerb eines einzelnen Gutes eintreten, ohne dab
ein VBermögenderwerb des Erwerbers aub nur be
abſichtigt iſt und —— — werden darf, ſo wenn
d zwar im eigenen Namen, aber für fremde
————— (ſ. Fur Rechnung) kontrahiert. Der Er:
werber muß hier das, was er erlangt hat, dem ei
ausgeben, für deſſen Rechnung er erworben bat.
Umgelebrt kann das Bermögen ohne jeden Erwerb
neuer Güter bedeutend fleigen, wenn der Wert
dieſer Güter fteigt, 3. B. die Bauten einer Stadt
nähern fih den bis dahin rein landwirtſchaftlichen
Grundftüden, die nun Baujtellenwert erlangen.
‚ Der Erwerb von Rechten, welche die Aktiven
eines Bermögens bilden, vollziebt jih hauptſächlich
durch Rechtsgeſchäfte, welche dieſen Zweck haben.
In dieſen lommt der wirtſchaftliche Gtund des Er⸗
werbs nicht immer zum Ausdrud. So wird Eigen⸗
tum (f. Eigentumserwerb) an Waren nicht durch
den Kauf erworben, jondern durch bie zur Erfüllung
der durch den Kaufabſchluß — Schuld
des Berläufers vorgenommene libergabe des Be
fises; bei Grundftüden durch Auflaffung. Diefe und
die Übergabe können aber jebr chiedenen wirt»
ſchaftlichen Zweden dienen. Eine Forderung, eine
Hypothel over Eeifion wird übertragen und erworben
durh Geifion, ohne daß in diefer zum Ausdrud
fommt, ob eichentt oder verlauft oder geliehen ift;
ein Wechſel wird übertragen und erworben durch
—— green (f. ».), obne daß aus diefem zu er:
eben tft, wofür und weshalb der Wechſel giriert ift.
‚Nur bei der Neubegründung von Schuldverhält-
niffen tritt der wirtjchaftlibe Grund für die Er:
werbung der Forderung an den Schuldner regel»
mäßig in dem Vertragsſchluſſe felbit hervor, mie
bei dem Kauf, dem Tauſch, dem Darlehn. Er tritt
auch bier nicht bervor bei den fog. Formalverträgen,
wie beim Wechſel. So verſchiedene Rechte es nad
Erwerbsgenofjenjhaften — Erwerbs- und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften
vem Syſtem des Privatrechts giebt, jo verſchieden
altet fih deren Erwerb: anders beim Befik
. Beigerwerb und »Berluft), anders beim Eigen:
tum (j. Eigentumserwerb), anders bei der Begrün-
dung * licher Rechte, anders bei der von Forde⸗
—— Forderu —8 anders bei dem Er⸗
des Ebrechi⸗ wenn auch einzelne Er⸗
werbäarten, moiigiert, ih bei mehrern zu er
Rebten gemeinfam finden, en die ung (.
bei dem Er entum . den Dinglihen Re *
— — et —2 Befis und Eigentum,
die on (1.d.) bei An en,
——
emeinſame Regeln e er
Erna on Rechten, man muß in die Ginzelheiten
Shen bat man wohl die allgemeine
Kegel au * eder un eines Rechts fordere
einen ti adquirendi, und Beier darunter
jene Hehtag eh e, welde den wirtſchaftlichen
Grund des es darftellen, wie Kauf, Schen⸗
bung —* w., und einen modus adquirendi, wie bie
igentums: oder — gene rt Aber die Regel | €.
weder allgemein zu, noch giebt fie im beſon⸗
dern Fall einen richtigen Inhalt wieder. Gie ift des⸗
balb von der Rechtswiſſenſchaft längft aufgegeben.
Dag unterjceidet man heute noch allgemein
und ir alle Klaſſen von Rechten derivativen oder
Abgeleiteten Erwerb (f. d.) und Driginären Erwerb | In diefem
(1. d.). Den abgeleiteten Erwerb teilt man wieder
ein in Geſamtrechtsnachfolge (Univerjal:
—— wenn ein Vermogen an Altiven und
fiven als Ginbeit übergeht, mie bei ver Erbichaft,
und in eg (Singular
—— wenn ein einzelnes Recht oder eine
Eumme von Kechien, aber nid als Ginheit über:
1 Saft enoſſenſchaften.
erbsgenofſenſch Erwerbs⸗ und
————————— ellſchaft (ſ. d.)
im —— Sinne, die als Zwe ogens⸗
u ne rteil der einzelnen Mitglieder vers
folgt. find namentlich die Handelsgeſellſchaften
(f. d.), doch nicht diefe allein. Bö ——
in Anteilen von E. iſt nach Börfengejeß vom 22.
1896 nur geitattet, wenn das Rapita der betr
den €. mindeftens 20 Mill. M. beträgt. dami
die Beamten ſich nur ihren dienſtlichen Int
widmen und namentlich unparteiifch und wet ch
ibtes Amtes walten, haben die deutſchen Staats—⸗
dienitgejehe vielfach eifach angeorhnet, da te in ben
® d,den Berwaltungd: oder einer
E.nicht eintreten dürfen ohne höhere ung,
und daß diefe Genehmigung regelmäßig zu a
ift, iR, fofern die —* mit einer — — *
bunden iſt. Bol. Reichsbeamtengeſeß vom 31. März
1873, $. 16, preuß. Gejeß vom 10. Juni 1874 u. |. w.
—* im weitern Sinne auch Vereine ———— * —
m von Ermerbögeihä bu
Solde Bereine haben oft den Ramen Ge
— —— unterſcheiden ſie ſich von der E.
ern Sinne dadurch, wodurch ſich Verein und
— juriſtiſch unterſcheiden. Veränderung in
den Berfonen loͤſt die Gejelli ide auf; für den
kand des Bereins ift ein Wechſel itglieber uns
erbeblih. Ermwerbövereine Ah leichter Rechts:
periönlichfeit als nichtwirtſchaftliche Vereine und
unterfteben nicht den Bereinspolizeigefegen.
Imatnefeih deren, Deusterfifrila, Deutkc Eid
ellſcha ‚eu ‚weutia)*
** Kamerun, Kiau⸗tſchou und Togo.
en werden.
205
Erwerböftener, joviel wie Gemwerbefteuer (f. d.).
Ermwerbd: und Wirtjchaftögenoflenfchaf-
ten (engl.CooperativeSocieties;franz.Associations
—* ratives; ital. societä coo tive per ri
ellfhaften von nicht gef Ioflener Mitglied
— die Forderung des ober ber —*
ſchaft ihrer Mitglieder mittels gemeinſchaftlichen
——— und unter unbeſchrankter oder
beſchränkter Haftung der Mitglieder für Gefell:
Er tsſchulden bezweden. Huf nennt man fie
eingetragene Genoſſenſchaften, —
—A (früher Aſſociationen) ſchlechiwe
Genoſſenſchafth. m Unterſchiede von andern
— emeinſchaften wirtſchaftli
rt iſt ihr Charalterz Baum lit der Mit:
Kr aft, Selbfthil era Ho anal von Bor:
oder Zwangsrechten nad Art der Befugnifie der
alten Zünfte oder ähnliher Berbände und Ber:
ſo nal⸗, nit Rapitalgemeinihaften. Auf legterm
Umftand berubt vor allem ihre focial- und wirt:
ſchaftspolit. Bedeutung, weil * in der Bildung von
u. W. den in ihrer Iſoliertheit wirtſchaftlich
ſchwachen Perſonen möglid wird, durch wechſelſei⸗
tigen Anſchluß an Kraft zu gewinnen und an die ge:
meinfame Loͤſung von * aben zu ſchreiten, deren
Bewältigung ihnen bei der —— Mit⸗
—— ——— — möglich ch wäre.
Sinne ſtellen als ein
wichtiges Mittel dar, um nn —— zu heben
und die Stände der kleinern Landwirte und Ge
werbtreibenden fonturrenzfäbig zu erhalten ge
über dem neuzeitlihen Großbetrieb oder Ro
Bebrängnifien.
Die moderne Genoſſenſcha —— *—
ihren Ausgangspuntt in England, woſ
wien des vorigen Jahrhunderts — a. 2er
meinfamen affung von Lebensmitteln ent:
Behr Eine bef ande örberung fanden derartige
BR durch das Auftreten von Robert Owen
si He A ng Bewegung mit
EN ropaganda verband, indem
bie — denen ften gewiflermaßen ala Bor:
Ders und Borthulen für die Umgeſtaltung ber
ejellihaft angejehen wurden. Ep hend war
ſodann die Gründung des Konfumvereind der
ioniere von Rochdale (f: d.), welcher zuerft ven
rundſatz einführte, ” ielten Reingewinn nicht
nad Geſchäftsanteilen, fo nad; Maßgabe der
Einkäufe an die einzefnen Mitglieder zu verteilen,
und damit nicht nur einen gerechtern ad für
dieſe Verteilung ſchuf, jondern aud das
der Mitglieder an der — und Erhaltung ie
enofienjchaftlihen Inſtitution weſentlich erhöhte.
SB Frankreich entwidelte zuerft Buchez (f. den
lan einer Produltivgenoſſenſchaft, * wel *
Arbeiter in den Stand geſett werden ſollten, ſelb
Unternehmer zu werden. Der Blorlariondgetante
wurde übrigens in Frankreich von mehrern focia:
liſtiſchen Schulen, insbejondere au von der Louis
Blancs (f. Bd: ‚gepflegt, und zum Teil diefem Einfluß
it es ‚pa reiben, daß zur Zeit der Februar⸗
tepublit (1848) der Staat zur Unterftüg —* Ge⸗
noſſenſchaften zwiſchen Arbeitern oder zwiſchen Ar⸗
beitern und Unternehmern einen Kredit, von 3 Mill.
518. beitimmte. Durch den Staatsſtreich wurben
übrigens den meiften Genoſſenſchaften ihre Führer
entzogen und damit die Entwidlung des Genoſſen⸗
ſchaftsweſens zunächſt unterbunden, welches erjt
ſpäter wieder zu neuem Aufſchwung kam.
206
Später als in England und Frankreich tritt in
Deutihland die Genoſſenſchaftsbewegung auf;
doch betrifft fie nicht wie dort in erjter Linie den
Arbeiterftand, fondern die Handwerler. Maß:
ebend wurde bier die Wirktfamteit von Schulze:
Delipich (j. d.), melde mit der Gründung eines Rob:
ftoffvereina für Shubmader und Zifchler in Delitzſch
1849 begann. Epodemadend war aud) die 1850
im gleichen Orte erfolgte Errichtung eines Vorſchuß⸗
verein, Buch t bei den Hobjtoffvereinen und dann
aud bei den VBorfhußvereinen wurde das —
der unbeſchränkten ſolidariſchen Haftbarkeit der
—* lieder angewendet und die ————
eng geſchäftliche Unternehmungen unter
— auf —— Beibilfe durchgeführt,
eides zum großen Vorteile für die Einrichtung.
olge vervielfältigten fi die Zwede der
Genotler haften, inöbefondere fam es zur Grün. | Im
dung zablreiher Konſumvereine; auch traten ber
Arbeiterftand und die Sandıvirtfcaft in die Ge
noſſenſchaftsbewegung ein. Um eine engere Ber:
bindung unter ri ch —— fand 1869
Weimar eine Verſammlung der deutſchen —
vereine ſtatt, woſelbſt die Errichtung eines Central⸗
bureaus beſchloſſen wurde, deſſen Leitung Schulze
übernahm. 1864 ging daraus der Allgemeine
Verband deutfher Erwerbs- und Wirt:
A —— hervor. Schulze ſelbſt
wirkte bis zu ſeinem Tode (1883) als Genera
anwalt der Genoſſenſchaften und veröffentlichte in
diefer Eigenſchaft «Jahresberichte» über den Stand
des Genoſſenſchaftsweſens, gr auch nod von
feinen Nachfolgern * d und H. Cruger ſeit
1898 u. d. T. “uch uch» fortgefept werden. 1883
tam eine dem "Allgemeinen erbande angepaßte
Bereinigung der Landwirtichaftlichen Genoſſenſchaf⸗
ten (ſ. d.) zu ſtande. Die größte Verbreitung und
Ausdebnung baben die Kreditvereine gefunden, und
—81367 ſowohl die von Schulze-Delitzſ gründeten
chuß⸗ und Kreditvereine (f. d.) wie die Raiff-
Fri Spar: und Darlebnätafien (f. Darlehns⸗
taflenvereine), leßtere mehr für landwirtfchaftliche
Verhältniſſe beftimmt. gr Förderung der Einzel:
genofienfchaften baben ſich in verſchiedenen Ländern
tralgenoſſenſchaften (j. d.) gebildet; in Preußen
wurde 1895 pe Heburlg des genofi enfcaftlichen
Kredits eine Centralgenoſſenſchaftskaſſe 5 d.) ge
—— Uber die Statiftil der €. u. W. ſ. Deutſ
d und Deutſches Reich (Handel).
In Oſterreich iſt das Genoſſenſchaftsweſen ge
regelt durch Geſeß vom 9. April 1873, welches mit
dem deutichen vom 4. Juli 1868 fait toörtlich über:
einftimmt, nur daß es jhon auch E. u. W. mit be
ſchränlter "Haftpflict fennt und die — ins
Genoſſenſchaftsregiſter, alſo die Unterſtellung der
Genoſſenſchaften unter ſeine Beſtimmungen obli—
gatoriſch macht. Andererſeits iſt dem öfterr. Recht
= geſetzliche Reviſionspflicht noch fremd.
Zu einer emp Entwidlung in kurzer Zeit
aben es die E. u. ®. unter dem Einflufje der
riftenvon Schulze⸗Delitzſch in Jtalien ge Bu
wo ſich Luzzatti (ſ. d.) um die Hebung des en⸗
erg sen bervorragend verdient —— at.
uch in Belgien, Holland, Dänemark, Rußland, in
der Schwei ir den Vereinigten Staaten von Amerila,
in Ebina, Epanien und Brafilien ift es ausgebildet
oder im Entfteben begriffen. Näheres über bie Ent:
widlung des Genoſſenſchaftsweſens in den einzelnen
Etaaten ſ. Erwerbd: und Wirtſchaftsgenoſſenſchaf—⸗
Erwerb3- und Wirtjchaftsgenofjenichaften
ten, Bd. 17. Wiederholt fanden ſchon internationale
Genofienibaftätongrefie ftatt, und 1896 wurde ein
internationafer Berband der Genoſſenſchaften be
rer mit dem Zwed, die Genoſſenſchaften aller
änder miteinander befannt zu maden und fie unter:
einander in geichäftlie Beziehungen zu bringen.
Eine eigene Genofjenfhaftsgefeggebung,
dazu beftimmt, den €, u. W. eine ihrem en ent:
ſprechende Rechtsgrundlage zu verleihen, innt
in Deutichland mit dem preuß. Bejek vom 27. Man
1867, dem andere Landesgeſetze und dann das f —
auf da⸗ ganze Reich ausgedehnte norddeutſche
desgeſetz vom 4. Juli 1868 folgten, welche Befehe
alle mit Auänabme des bayriihen vom 29.
1869 (aufrecht erbalten für beftebende Vereine durch
Einführungsgejeß zum Bürgerl. Gejegbud Art. 165)
nur E. u. W, mit unbefhränlter Ha ns kannten.
terefje der E. u. W., die großes Vermögen
angejammelt hatten oder nach ihrer Art auf Kredit
nur in geringem Umfang angewiefen find, ſchuf das
im übrigen bie in der Praxis hervorgetretenen
Mängel des bisherigen Geſetzes bejeitigende neue
—— —* — mie vom 1. Mai 1889 außer der
mit unbeſchranlter Nach —*8
ie ondere die mit — Haftp or Das
Gefeg trat am 1. Olt. 1889 in Kraft. Als Haupt:
Fa er — en zäblt das Geſetz auf:
an s und #reditvereine (j. d.);
Rot pe! vereine(f.d.); 3) Vereine zum gemein:
daft! ftli uf landiwirtf aftliher oder gewerb-
lider Gneugnife(HbTa —— — da
— —— ——— ten, ſ. d.); 4) Ber:
eine zur Herftellung von enftänden und zum
Verlauf derſelben auf — * ———
(Produktivgenoſſenſchaften, |. d.); 5) Ber
eine ade emeinfchaftlihen Einlauf von Lebens
oder ürfnifjen im großen und Bertauf
im eat (‘ onfumpvereine, f.b.); 6) Bereine
Beibaffung von —— des landwirt⸗
N Haftlichen oder gewerblichen Betriebes und zur
—— — auf — — Red:
— nſchaften, f.d.); 7) Vereine
Sertelun von ungen (Baugen offen»
Baer uge efell haften und Baugenofjen:
haften). Die Novelle vom 12. Aug. 1896 bezwedt
in ber Hauptfade nur im —— des Detailge⸗
werbtreibenden die Durchführung des für die Kon»
hs | jumvereine beſtehenden Verbots, an Nichtmitglieder
u verlaufen, in erhöhter Weife —— Die
. u. W. erwerben * der eingetragenen
Benoflenihaft, wenn ierüber im Geſeß auf:
geftellten Erforderniſſen gr prechen und die Ein»
tragung in das bei ig zu führende Genoſſen⸗
ſchaftsregiſter erlangt Sie können derart
errichtet werben, daß bie einzelnen Genofjen für
bie Berbinblicteten ber — chaft er (alio
eine ‚jo Nachſchuß⸗ oder Secungenfi fomie
unmittelbar den Gläubigern derjelben mit ihrem
gar Bermögen baften (eingetragene Ge:
otfenfcaft mit unbejhränlter Haft:
oilict), ober daß fie mar mit ihrem ganzen Ber:
mögen , aber nicht unmittelbar den Gläubigern der
Öenofien/taft verhaftet, ſondern nur verpflichtet
find, der legtern die zur Befriedigung der Gläubiger
erforderlichen Nachſchuſſe zu leiten (aljo nur eine
Rachſchußpflicht, vaher der Name: eingetragene
Genoſſenſchaft mit unbejhräntter Rach—
ſchußpflicht), oder daß die Haftpflicht fomobl der
Genoſſenſchaft wie unmittelbar den Gläubigern
Erwerbs» und Wirtjchaftsgenofjenichaften
über im voraus auf eine beftimmte Summe
räntt ift (eingetragene Ra ER NIE
zit beihräntter Haftpflicht). Ob die eine
edet andere Art gewählt wird, ift wichtig für den
en. Genoſſenſchaftstonkurſes. Die Zabl der
fen muB mindejtens fieben fein. Die Firma
der eingetragenen Genojjenihaft muß vom Gegen:
kand des Unternehmens entlebnt jein und eine
&ner der vorbenannten Arten der Genojjenidaften
entiprechende zufäßliche Bezeichnung enthalten. Der
Rame von Genotjen oder andern Perſonen darf
in die Firma nicht aufgenommen werden. Jede
neue Firma muß fi von allen an ———— Drte
oder in derſelben Gemeinde bereits beſtehenden
Firmen eingetragener Genoſſenſchaften deutlich
unteribeiden. Das Statut der eingetragenen
Genoſſenſchaft ift fchriftlih zu errichten. Dasjelbe
mu enthalten Firma und Si der Genoſſenſchaft,
Gegenitand des Unternehmens, Beitimmungen
über Form der Berufung der Generalverfammlung
und der Beurkundung ihrer Beihlüffe und über
den Boris in der —— En gen
über die Form, in welder die Genofjenihaft Be
fanntmabungen erläßt, jowie über die öffentlichen
Blätter, in welche fie aufjunebmen find. Das
Etatut muß die Art der Haftpflihbt der Genojjen,
die Grenze für die Höhe des Gejchäftsanteils nad
eben und unten, die Grundfäße über Aufitellung
und Prüfung der Bilanz und über ven Reſervefonds
beitimmen. Notwendige Organe der Genoſſenſchaft
find Vorſtand und Aufſichtsrat. Vorſtands- und
Auffibtöratämitglieder müflen Genojjen fein. Der
pe Bertretung der Genoſſenſchaft — Vor⸗
and beſteht aus mindeſtens zwei Mitgliedern
und wird von der Generalverſammlung gewählt.
Tas Statut kann höhere Mitgliederzahl und andere
Art der Beitellung feitjegen. Die Beitellung ift zu
jeder Zeit widerruflihd. Die von dem Rorjtande
namens der Genoſſenſchaft abzugebenden Ertlärun:
gen find von wenigſtens zwei, und wenn das Statut
nichts anderes beftimmt, von jämtlihen Vorſtands⸗
mitgliedern zu zeihnen. Der Aufjihtsrat bat
den Borftand bei jeiner Gejhäftsführung in allen
— der Verwaltung zu überwachen. Er hat
ahresrechnung, Bilanzen, Vorſchläge über Ber:
teilung von Gewinn und Verluſt zu prüfen und
der Generalverjammlung Bericht zu eritatten. Er
nimmt die Rechte der Genoſſenſchaft gegen die Mit:
glieder dei Vorjtanded wahr und kann diejelben
—— Die Mitglieder des Aufſichtsrats dürfen
leine Vergutung (Tantieme) beziehen; der Aufſichts⸗
tat beitebt, wenn nicht das Statut eine höhere Zahl
beitimmt, aus drei von der Generalverjammlung
zu wäblenden Mitgliedern. Die Anmeldung zur
Eintragung liegt dem Vorftande ob. Sie erfolgt
unter Beifügung des Statuts, welches von den
Genofien unterzeichnet fein muß, und einer Ab:
\hrift desjelben, einer Lifte der Genofjen und einer
Abſchrift det Urkunden über die Beitellung des
Vorſtandes und des Auffihtärats. Die Mitglieder
des Voritandes haben ihre Unterſchrift vor dem
Gericht zu unterzeichnen oder die Zeichnung in be:
laubigter Form einzureihen. Das eingetragene
Statut ift von dem Gericht mit der Belannt:
machung zu veröffentlihen, daß bie Einſicht der
te der Genofjen _mährend der Dienftitunden
jetem geftattet it. Die Beröffentlihung muß ent-
alten: Datum des Statut; Firma und Siß der
Geellibaft; Gegenstand des Unternehmens; An:
207
ee der dffentlihen Blätter, in melden vie Bes
nntmadhungen der Gejellihaft aufzunehmen find
und bie Form, in welcher fie erfolgen; Zeitdauer
der auf eine beitimmte Zeit beihräntten Benoffen:
Halt: das Geihäftsjahr; Namen und Wohnort
der Mitglieder des Vorſtandes.
Vor erfolgter Eintragung in das Genoſſenſchafts⸗
regifter bat die Genoſſenſchaft die Rechte einer
eingetragenen Genofjenjhaftnidt. Die ein:
getragene Genoſſenſchaft ift Körperihaft, d. b
Hi als ſolche rechts⸗ und prozeßfähig. Sie erwirbt
echte und übernimmt —— als Ganzes, wie
eine einzelne Perſon. Die Verteilung auf die Ein:
elnen erfolgt erjt bei der Auflöfung der oſſen⸗
* und der dann eintretenden ne gi i
So nimmt die eingetragene Genofienihaft na
außen dieſelbe Stellung ein wie die Altiengefell:
ſchaft oder ein Verein mit Korporationsrechten; fie
—*——— erfon (f. d.). ;
as Gejeg bat im zweiten Abfchnitt S 17—23)
Beitimmungen getroffenüberdaö®erhä tnis der
— zu den Genoſſen. Dasſelbe
richtet ſich an erſter Stelle nach dem Statut; dieſes
darf von den Beſtimmungen des Geſetzes nur
— abweichen, als dies ausdrücklich für zus
läſſig erklärt iſt. Nach der Anmeldung des Sta—
tuts zum Genoſſenſchaftsregiſter bedarf ed zum
Erwerbe der Mitgliedſchaft einer von dem Beitreten:
den zu unterzeichnenden unbedingten Erflärung des
Beitrittö. Der bei Genehmigung der Bilanz für
die Genoflen fih ergebende Gewinn und Ber»
luft des Geihäftsjahrs ift auf die Genoſſen zu ver⸗
teilen. Den Maßſtab, nad welchem fi Diele Ber:
teilung vollzieht, bietet das jeweilige Guthaben
der —— Genoſſen, wenn das Statut nicht
anders beſtimmt. Die Verteilung des Gewinns er⸗
gt durch Zufchreibung, folange nit der Ge:
häftsanteil erreicht ift. Auch findet bis zur Wieder:
ergänzung eines durch Verlujt verminderten Gut:
—— eine Auszahlung des Gewinns nicht ſtatt.
urch Statut kann ferner feitgefegt werben, daß
der Gewinn nicht verteilt, jondern dem Nejerve:
fonds zuzuſchreiben jei. zuden von bejtimmter
Höhe für das Geſchäftsguthaben zu vergüten, ift
unzuläffig. Das Gejhäftsguthaben eines Genoflen
darf, folange er nicht —— iſt, von der Ge⸗
noſſenſchaft nicht ausgezahlt oder zum — ge.
nommen werben. Eine geſchuldete Einzahlung darf
nicht erlafjen werben, no findet gegen ſolche eine
Aufrechnung ftatt. — der Gläubiger und
ber übrigen Genofjen kann eine Herabfegung bes
Geihäftsanteild oder der auf denjelben zu leiten:
den Einzahlungen und eine Verlängerung ber
Friften nur unter Beobabtung der Beitimmungen
erfolgen, weldhe für die Verteilung des Genoflen-
ihaftsvermögens im Falle der ganz rer
Jeder Genofje hat das Recht, mittels Auflündis
"gung feinen Austritt aus ber Genoflenihaft zu
erllären; die Auftündigung findet aber nur zum
Schluſſe eined Geihäftsjahrs ftatt; fie muß min:
deitens drei Monate zuvor erfolgen, dad Statut
kann eine längere Friſt vorſchreiben, doch nicht über
zwei —— ie Kündigung kann auch durch einen
Gläubiger des Genoſſen erfolgen, welchem nad
fruchtlos verſuchter Zwangsvollſtredung in deſſen
übriges Vermögen das dem Genoſſen bei der Aus—
einanderſezung zulommende Guthaben überwiejen
ift. Ein Genojje fann von der Genofjenihaft aus:
geichlofien werden 3. B. megen Verluſtes der bürger:
208
lichen Ehrenrechte. Die Auflündigung und der Aus—
ſchluß find dem Gericht zeitig anzuzeigen und in
die Liſte der Genofjen einzutragen. Die Ausein:
anderjegung des Ausgeichiedenen mit der Genoſſen⸗
ſchaft beſtimmt ſich nah der Vermögenslage und
dem Beftande der Mitglieder zur Zeit feines Aus:
fcheideng; fie erfolgt auf Grund der Bilanz. Reicht
das Vermögen zur Dedung der Schulden nicht
aus, jo bat der Ausgeſchiedene von dem Fehlbe—⸗
trage den ihn treffenden Anteil an die Genoffen-
ſchaft zu * Der Anteil wird in Ermangelung
anderer Beſtimmung des Statuts nad der Kopf:
zahl der Mitglieder berechnet. Die Klage des
ausgeſchiedenen Genofien auf Auszahlung des Gut:
babens verjährt in zwei Jahren. Wird die Ge
nofienihaft binnen ſechs Monaten nah dem Aus:
ſcheiden des Genoſſen aufgelöft, fo gilt fein Aus:
ſcheiden als nicht erfolgt, der Benofie aftet alſo
weiter, obne daß er inzwiſchen an den Beſchlüſſen
der Genoſſenſchaft teilnehmen konnte. Sonjt wird
ihm das Guthaben nad Ablauf der ſechs Monate
ausgezahlt, ohne daß er an den Reſervefonds
und das fonftige Bermögen der Genofjenihaft
Aniprüde - Der Genofje fann im Laufe des
Geſchäftsjahrs dadurch ausſcheiden, daß er jein
ältsguthaben einem andern überträgt, wenn
dieſer an feiner Stelle Genoſſe wird, oder, fofern
verjelbe ſchon Genoſſe ift, wenn deſſen Guthaben
zufarmen mit dem Guthaben des ausjheidenden
Genoyen den Gejhäftsanteil nicht überfteigt. Wird
die Genoſſenſchaft in jolhem Falle binnen ſechs
Monaten nah dem Ausſcheiden des Genofien auf:
elöit, jo bat diejer im * der Eröffnung des
onturjes die Nachſchuſſe jo weit zu leiften, als der
Erwerber dazu unvermögend ift. Das Statut kann
beitimmen, daß bie Übertragung des Geſchäfts⸗
anteild an einen andern ausgeſchloſſen oder an
noch weitere gie son efnüpft fein fol.
Im Fall des Todes eines —* gilt dieſer mit
dem Schluſſe des Geſchäftsjahrs, in welchem der
Tod erfolgt iſt, als ausgeſchieden.
Die Genoſſenſchafi lann von der Generalver:
fammlung jederzeit aufgeldft werben. Der Beſchluß
bedarf einer Mebrbeit von drei Vierteilen der er:
—— Genoſſen. Das Statut kann noch andere
orderniſſe aufitellen. Die en ift zur Ein⸗
tragung in das Genofienfchaftäregifter anzumelven.
ft die Zeitbauer der Genoſſenſchaft nad dem Statut
ejbräntt, jo tritt die Auflöjung mit Ablauf der
Zeit ein. Sinkt die Zahl der Genofjen auf weniger
als fieben herab, jo hat das Geriht auf Antrag
des Borftandes oder von Amts wegen die Aufld«
un auszufpreben. Diefjelbe fann aud von der
erwaltungöbehörbe ausgeſprochen werben, wenn
eine Geno —— ſich geſezwidriger Handlungen
oder Unterl Kr gi —— macht, durch welche
das Gemeinwoh geit rdet wird, oder wenn fie
andere ala die oben bezeichneten geſchäftlichen Zwecke
(8. 1 des Geſetzes) —— Die Liquidation erfolgt
durch den Vorſtand, wenn dieſelbe nicht durch Statut
oder durch Generalverſammlungsbeſchluß andern
Perſonen übertragen wird. Aut Antrag des Auf:
ſichtsrats oder des zehnten Teild der Genoſſen kann
die Ernennung von Liquidatoren durd das Gericht
erfolgen. Über die Liquidation enthält das Gejes
Vorſchriften, melde der für die Altiengefellichaft
etroffenen nachgebildet find. Die Verteilung er:
Pit zunächſt nah Verhältnis der Geſchäftsgut—
aben, darüber hinaus nah Köpfen. Das Statut
Erwerbs⸗ und Wirtjchaftsgenofjenichaften
fann ein anderes Verhältnis für die Verteilung be
jtimmen oder die Verteilung des Vermögens übers
baupt ausſchließen. Letzternfalls fällt diejes Rein:
vermögen, jofern es nicht ftatutarifch einer phyſi ſchen
oder juriſt. Perjon zu bejtimmtem Zwed über
wieſen ilt, an die Gemeinde des Genojienichafts-
fies, welche die Zinfen zu gemeinnüßigen Jeden
u verwenden hat ($. 92). Die Verteilung des
Ögens unter die Genoflen darf nit vor Til
gung oder Dedung der Schulden und nicht vor Abs
auf eines Jahres jeit dem Tage vorlegen werben,
an weldem die Aufforderung der Gläubiger in den
ierzu beftimmten Blättern zum drittenmal erfolgt
iſt. Liquidatoren, welde dieſer Vorſchrift zumider:
handeln, und Mitglieder des Aufſichtsrats, welche
mit Kenntnis der Zuwiderhandlung nicht eingeſchrit⸗
ten ſind, haften den Gläubigern ſolidariſch.
Die Genoſſenſchaft wird ferner aufgelöft durch
Eröffnung des Konkurſes. Derjelbe kann auch
nad anderweiter Auflöjung eröffnet werden, fo:
lange das Genoſſenſchaftsvermögen nicht verteilt
ift. Der Konkurs ift zu eröffnen im alle der Zah⸗
lung3unfäbigteit, nad andermweiter Auflöjung auch
im Fall der Überfhuldung. Die Eröffnung erfolat
auf Antrag des Vorftandes, eines ag des
Borftandes oder der Gläubiger. Eine Aufbebung
des Konkurſes . Zwangsvergleich findet nicht
tatt. Someit die Konturägläubiger wegen ibrer
ei der Schlußverteilung berüdiihtigten Forde—
rungen aus dem zur Zeit der Konturseröffnung
vorhandenen Vermögen der Genofjenihaft nicht
befriedigt werden, find die Genofien —
Nahihüffe zur Konkursmaſſe zu leiſten.
Geiek bat das — geordnet, in welchem die
Höhe der Nachſchuſſe jo feſtgeſtellt wird, daß auf
Grund der Berechnung die Zwangsvollſtreckung
gepen den einzelnen Genoſſen ftattfindet ($$. 105 fe.).
te für vollftredbar erllärte Berehnung kann von
jedem Genofjen im Wege der Klage angefochten
werben ($. 111). Übrigens ftellt * das Maß der
zu leiſtenden Nachſchüſſe für die Genoſſenſchaften
mit verſchieden geordneter Haftbarkeit verſchieden.
Bei Genoſſenſchaften mit beſchränkter Haft»
pflicht darf die Haftjumme ber einzelnen Genofjen
nicht niedriger als der Geſchäftsanteil fein. Sie
muß bei Errihtung der Genofjenidaft ſtatutariſch
beftimmt werden; Beltimmung, wie eventuelle
Abänderung ift zu veröffentlihen. Die Haftſumme
kann dur einen Beihluß der Generalverjamms
lung mit einer Mebrbeit von drei Bierteln der er
ſchienenen Genofjen erhöht werden. Das Statut
fann nod weitere Erfordernifje vorſchreiben. Für
eine Herabjegung der Haftjumme find dieſelben
—— wie für die Verteilung des Genoſſen⸗
ſchaftsvermögens im Fall der Auflöfung maß
ebend. Das Konkursverfahren findet bei be
— Genoſſenſchaft auch in dem Falle der
überſchuldung ſtatt, ſofern die Überſchuldung
ein Viertel des Betrages der Haftſummen aller
Genoſſen überſteigt. Die einzelnen Genoſſen
fönnen über ihre Haftfumme hinaus weder auf
Leiſtung von Nachſchüſſen, noch von den Konkurs»
läubigern in Anſpruch genommen werben.
eno rg mit unbejhräntter Nach—
ſchußpflicht find die einzelnen Genofjen mit
ihrem ganzen Vermögen verpflichtet, der Genoſſen⸗
[Baft die zur Befriedi ung der Gläubiger erforder
ichen Nachſchüſſe na aßgabe des Geſetzes zu
leiſten. Im Falle des Konkurſes haften nicht bloß
Erwerbsunfähigfeit
vie innerhalb ver legten 6 Monate vor der Auf:
Ikiung der Genofjenichaft ausgeſchiedenen Mit:
glieder, auch die früber, d.h. innerhalb 18 Monate
ver Ronturseröffnung ausgeſchiedenen Mitglieder
ind heranzuziehen, wenn nad Ablauf von 3 Mo:
naten jeit dem Xermine, in welchem die Nach:
iaußberehnung für vollitredbar ertlärt iſt, die
Befriedigung oder Siceritellung der Kontursgläu:
biger noch nıcht bemirft ijt, deren Forderungen bei
ver Shlufverteilung berüdfihtigt ſind. Doc find
viejen Ausgeichiedenen die von ibnen geleijteten
Berträge aus den Nachſchüuſſen der Genojjen zu er:
ktatten, jobald die Befriedigung oder Sicheritellung
jener Konkursgläubiger erfolgt ift. Bei den Ge:
noſſenſhaften mit unbeſchränkter Haftpflicht
baften die einzelnen Genofien mit ibrem ganzen
Vermögen nicht bloß der Genoſſenſchaft, jondern
unmittelbar auch den Gläubigern verjelben im
folgender Weiſe. Sobald ſich bei der Geſchäftsfüh—
tung ergiebt, dab das Vermögen der Genoſſenſchaft
ur Dedung der Schulden nicht ausreicht, bat der
Korkand die Generalverfjammlung zur Beichluß:
jafjung, ob die Genoſſenſchaft aufgelöft werben foll,
zu berufen. Im Fall des Konkurſes find die ein:
jelnen Genofjen mit ibrem aanzen Vermögen den
KRonturdgläubigern für den —— verhaftet, wel⸗
&ben dieſe an ihren bei der Schlußverteilung berüd:
fihtigten Forderungen erleiden. Nah Ablauf von
3 Monaten jeit vem Termin, in welchem die Nach—
ſchußberechnung für vollitredbar erklärt ift, fönnen
die Gläubiger, joweit fie bisher nicht befriedigt find,
die einzelnen Genofjen in Anſpruch nehmen, obne
dab den lektern die Einrede der Teilung auitebt.
Eomeit die in Anſpruch genommenen Genojjen die
Konturögläubiger befriedigen, treten Ie in die
Rechte der leutern gegen die Genoſſenſchaft ein.
Bon den Gläubigern in Anſpruch genommen wer:
den können auch ſolche frühere Genofjen, melde
in den legten 2 Jahren vor Eröffriung des Kon:
kurjes ausgefcieden jind. Die Klage der Gläubiger
gegen die einzelnen Genoflen verjährt in 2 Jahren.
ur Siberftellung der Gläubiger wie der
einzelnen Genofien entbält das Gejeg endlib in
den $$. 53—64 Beitimmungen, nad welchen Ein:
rihtungen und Geihäftsfübrung der €. u. W. in
allen ibren Zmeigen mindeitens in jedem zweiten
Jabre der Brüfung durd einen der Genoſſenſchaft
nicht angebörigen, jelbjtändigen Revifor zu unter:
en ſind.
Einzelne Underungen an dem Genojlenihaftäge:
jeg ſind jüngit durch das Einführungsgefes zum
Handelsgeſeßzbuch vorgenommen worden, indem
danad unter anderm auch die Nichtigerllärung einer
Genoſſenſchaft wegen Abgangs wejentlider Beitim:
mungen oder Borbandenteins nichtiger Beitimmun:
—— Statut ausgeſprochen werden lann, mas bie
idlung ihrer Berhältnifje na den für den all
der Auflöjung geltenden Borichriften zur Folge dat
Dieſe Beftimmungen find 1900 in Kraft getreten.
Val. Holyoale, History of Cooperation (2 Bde.,
nd. 1885—86 ; Deutich Lpz. 1888); Hopkins, His-
tory of cooperation in the United States (Yond.
1888); Erüger, Die E. u. W. in den einzelnen Län:
ern (Jena 1892); derj., Der heutige Stand des
deutichen Genojjenicaftswejens (Berl. 1898); Webb,
Die brit. — — (Lpz. 1893);
Jeidler, Geſchichte des deutſchen Genoſſenſchafts—
wejens (ebd. 1893); Genoſſenſchaftliche Zeit: und
Streitiragen (Berl. 1895 fg.); Knittel, Beiträge
Bredbau⸗e Ronverfations-keriton. 14 Anfl. RAM vi
209
zur Geſchichte des deutſchen Genoſſenſchaftsweſens
—* i. Br. 1895); Die gewerblichen Genoſſen⸗
ſchaften in Oſterreich, bg. vom oſterr. Handelsmini⸗
ſterium (2 Bde. Wien 1895); Jeſſenberger, Die
eingetragenen Genofjenihaften (Würzb. 1897);
Barifius und Cruger, Formularbuch zum Reichs:
geiek betr. die E. u. W. (3. Aufl., Berl. 1900); Artikel
Erwerbs: und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften im «Hand:
wörterbuch der Staatsmijjenihaiten», Bd.3 (2. Aufl.,
Jena 1900); Graf, Das Genojjenichaftäweien im
Handwerk (Lpz. 1902); Ausgaben des deutichen Ge:
ſeßes, aum Teil mit Anmerlungen, veröfjentlichten
Birlenbihl (Neumied 1899), Gareid (Gieß. 1849),
Merzbacher (Münd. 1900), O. Nichter (Lpz. 1900),
Stoll (Karlär. 1900), Pariſius und Erüger (9. Aufl.,
Berl. 1901); einen ausführlichen Kommentar gaben
Barifius und Crüger (3. Aufl., ebd. 1899) beraus,
Periodiſch erjcheinen «Blätter für Genojjenihafts:
weſens (Lpz. und Berl. 1866 fg.); «Jabresberichte
über die deutſchen E. u. W.» (Lpz. 1865997; feit:
dem u.d.T. «Jahrbuch des Allgemeinen Verban—
des der beutichen €. u. W.», Berl, 1898 fg.); «Mit⸗
teilungen über die allgemeinen Genoſſenſchaftstage⸗
(ebd. 1897 fg.); «Die Genoſſenſchaft⸗ (Wien 1871 fg.).
Erwerböunfähigfeit. Die E. ift die Voraus:
jegung für faft alle Unterftügungsanfprüde aus
den Arbeiterverfiherungsgejeßen und für die Dauer
diejer Anſprüche. Bei der Kranfenverfiherung
wird zwar Arzt und Arznei bei jeder Krankheit,
Krankengeld dagegen nur dann gewäbrt, wenn bie
Krankheit mit E. verbunden iſt Ktanlenverſicherungs⸗
gef etz $.6); leztere muß in dieſem Sinne dann als vor:
iegend angeteben werben, wenn ber Berficherte durch
die Krankheit verhindert wird, feinem biöberigen
Erwerb nadyzugeben. Bei der Unfallverſiche—
rung lommt es binfichtlich der Höhe der Mente,
der Zuſtändigkeit zur Feſtſezung berjelben und
der Zuläſſigkeit der Rechtsmittel weſentlich auf
das Maß der dur den Unfall berbeigeführten E.
an; ed wird dabei völlige und teilmeife, dauernde
und vorübergebende €. unterſchieden. Böllige E.
bedingt eine Rente von zwei Dritteln des biöberigen
Jabhresarbeitsverdienftes (Bollrente); teilweiſe €,
—— einen Bruchteil der Vollrente, welcher das
nad berechnet werden muß, welden Bructeil des
bisherigen Verdienſtes der Verleßte noch ferner
verdienen fann ( — — . 9).
Diejer Bruchteil verbält fib zu der vollen Rente
wie der verlorene Teil der Erwerbsfäbigteit zu der
vollen Grwerbsfäbigteit. Wer aljo nach dem Unfall
noch ein Viertel jeines bisherigen Berdienftes ver:
dienen lann, dem find drei Viertel der vollen Rente,
aljo die Hälfte feines bisherigen Jabresarbeitsver:
dienjtes zu gemäbren. Bei vorausfihtlih vorüber:
gehender E. (d.i. nad der Praxis eine E,, die vor:
ausfichtlih binnen 6 Monaten befeitigt fein wird)
ift die Seltion oder der Vertrauensmann zur Feſt—
jegung der Rente zuftändig, auch ift in dieſen Fällen
dasSciebögerichtäurteilendgültig; beidauernder
E. ijt immer der Relurs an das Reichsverſicherungs—
amt (oder Landesverjiherungsamt) zuläjlig; auch
wird die Rente für jolde Fälle nach der gejeplichen
Regel, welche aber durch das Statut geändert werben
darf, von dem Genoſſenſchaftsvorſtande jelbit feit:
geftellt B———— 88. 69, 80). Bei
der Invaliditäts- und tersverfiderung
tennt das Gejeg (vom 13. Juli 1899) zwei Fälle
von €,, eritens eine E., welche die icherungs⸗
pflicht ausſchließt und damit von der Beitrags⸗
14
210
leiltung entbindet ($. 5, Abj. 4), und zweitens eine
E. deren Eintritt für Verficerte den Anſpruch auf
Snvalidenrente begründet ($. 15, Abi. 2). Die E.
war nad dem Gejeß vom 22. Juni 1889 für beide
gale gejeblich anders definiert. Die zweitgenannte
. war anzunehmen, wenn der Berficherte nicht
mebr ein Sedjtel des 300fahen Betrags des
ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagesarbeiter
und ein Secjitel des Durchſchnitts der Lohnjäte,
d. i. des Durchſchnitts-Normal⸗)lohns derjenigen
Lohnklaſſen erwerben konnte, in melden ir ihn
während ber lekten 5 Jahre Beiträge entrichtet
wurden. Man wollte aljo bei ver Feititellung dieier
€. den allgemeinen Durchſchnittsverdienſt der Ar:
beiter und den burdbjcnittlihen Normalſaß der
Arbeiterklafje, welcher der Invalide angehörte, kom:
binieren. Allein diefe Kombination ift für den Ar:
beitgeber, der über Die Verſicherungs⸗ und Beitrags:
pflidht eines ältern und in feiner Erwerbsfähigkeit
beſchränkten Arbeiters fih unterrichten muß, überaus
erihwert und zu kompliziert. Deswegen bat das
Geſeh vom 13. Juli 1899 es vorgezogen, die E. in
diejem zweiten Fall nach demfelben in der Praris
leicht ertennbaren,, aljo etwas niebrigern Maßitab
zu bemejjen wie im erjten Fall, nämlich danach, ob
jemand nicht mebr im ftande ijt, durch eine feinen
Kräften und Fähigleiten entſprechende Thätigfeit,
die ihm unter billiger Berüdfichtigung feiner Aus:
bildung und feines bisherigen Beruiß jugemutet
werden fann, ein Drittel desjenigen zu erwerben,
was förperlih und geiſtig gefunde Perfonen der:
felben Art mit ähnlicher Ausbildung in derfjelben Ge:
gend durch Arbeit zu verdienen pflegen — 5, Abſ. 4).
E.während derdem Intrafttretendes Geſetzes unmit:
telbar vorangehenden Jahre geftattet nicht die Anz
wendung der Übergangsbeitimmungen ($$. 189 fg.),
weil ſolche E. eben den Eintritt der Verſicherungs—
pflicht hindert und die Übergangsbejtimmungen ab:
fichtlich nur denjenigen zu gute fommen follen, welche
innerhalb der dem Inkrafttreten des Geſetzes zunächſt
vorangebenden Jahre verfiberungspflichtig geweien
fein würden, fofern das die Verficherungspflicht bes
ründende Gejek damals fchon bejtanden hätte. —
iſt nicht mit Erwerbsloſigkeit zu verwechjeln.
Erſtere beſteht, wenn die Möglichkeit, durch Arbeit
zu erwerben, aus gefundbeitlihen Gründen fort:
gefallen ift; leßtere, wenn der Mangel des Erwerbs
durch objeltives Fehlen der Gelegenheit zum Gr:
werb, freiwillige Aufgeben der Erwerb3arbeit u.a.
berbeigefübrt ıft. Ahr dient die Arbeitslofen: und
Streitverfiherung (j. Arbeitölofigleitsverfiherung
und Gemwerkvereine). — Bol. 2. Beder, Lehrbuch der
ärztlihen Sachverſtändigenthätigkeit für die Unfall:
und nvaliditätsverjicherungsgelebgebung (4. Aufl.,
Berl. 1900); Statiftil der Urjachen der E. nadı dem
enge pi und Altersverfiherungsgefeb. 4. Bei:
eft der «Amtlihen Nachrichten des Reichsverſiche⸗
rungsamtes» (ebd. 1898); Seelmann, Die Feſtſtel⸗
lung der Invalidität im Sinne bes nvalidenver:
fiberungsgejeßes (ebd. 1901). Am Sinne der Ar:
menpflege und der familienrehtliben Alimen:
tationspflicht (Bürgerl. Geſetzb. $. 1602) ift er:
werböunfäbig, wer aus irgend einem Grunde außer
ftande ift, ſich ſelbſt ji unterbalten.
Erwerbövermödgen, j. Vermögen.
Erwiderung von Verbrechen, ſ. Kompen⸗
ation.
Erwin, feit 1277 Baumeijter am Münjter zu
Etraßburg, erbaute dort die prachtvolle Schaufeite
Erwerbövermögen — Erworbene Rechte
im Stil der franz. Dome, die jedoch erit 1339 (die
Plattform erit 1365) vollendet wurde. Nurbder nörbl
Turm und zwar nur bis zu den Fenſtern des Bloden:
baufes wurde nad) altem Blan aufgeführt. Ferner er:
böbte E. das Mitteljchiff des Münfters. (S. Zafel:
Deutſche Kunſt IH, Fig. 2.) Sein Anteil an
andern Bauten ift nicht ficher zu erweifen, doch war
er zweifellos ein hervorragender Meijter in feiner
Kunft. Er ftarb 17. Yan. 1318. Aufeiner Anhöhe bei
Steinbadh wurde ibm 1844 ein Standbild errichtet.
Der Zujak zu feinem Namen E. von Steinbad
taucht erft ſeit dem 17. Jahrh. auf und gründet ji
auf eine ſchwerlich alte, aufgemalte Inſchrift am
Hauptportal. Erwiejen ift, daß die angebliche Tod:
ter und Schülerin E.s, die Bildhauerin Sabine
von Steinbad, nicht gelebt hat. Dagegen treten
nah E.s Tode feine Söhne E. oder Erlewin
(1335—38), Johannes Winlin oder Winde:
lin (1332—34, geit. vor 1342) und Gerlad (bis
1371 vortommend) auf. — Vgl. F. X. Kraus, Meitter
E. und feine Yyamilie (in der Kunſtchronil⸗, XI,
Lpz. 1876); derj., u und Altertum in Elia:
Lothringen (Bd. 1, 2 Abteil., Etrafb. 1876—77).
Eriwitte Flecken im Kreis Lippjtadt des preuf.
Reg.⸗Bez. Arnsberg, an der Nebenlinie Warftein:
Sippftadt der Weitfäl. Landeseijenbabn, Sitz eines
Amtsgerichts (Landgeriht Paderborn), hat (1900)
1569 E., darunter 50 Evangelifhe und 29 Istae
liten, (1905) 1600 €., Bojt, Telegrapb, Neltorat?:
ſchule, Krantenbaus; Cigarrenfabriten.
Erworben beißt im Unterſchied von Angeboren
(1. d.) ein aus der Erfahrung newonnener Bearifl.
Erworben find eigentlih alle Begriffe, wenngleich
die letzte Wurzel aller Begrifisbildung in urjprüng:
lichen Gejegen unſers Bewußtfeins liegt.
Erworbene Rechte (Jura quaesita, Jurs
singulorum), der Gegenfaß 1) zu den angeborenen
Rechten (f. Angeboren), die nach Anficht diefer oder
jener philoſ. over polit. ——— das Weſen
des Menſchen nicht geforderten Rechte bedeutend,
2) zu den Rechtshoffnungen und Rechtsmöglichlkeiten,
foviel wie beftehende Rechte bedeutend, in dieſem
Sinne mit dem Zuſatz «mwohlerworben» (mobler
worbene Rechte) früher verjeben, weil man ſchon
die bloßen Rechtsausſichten als wirkliche Rechte an:
fab. Der Ausprud bat jurift. Bedeutung nur im
jweiten Sinn, denn jurijtifch ift gar fein Recht an
eboren, fondern alle find erworben, d. b. durd die
Rechtsordnung gu Die jurift. Bedeutung
des Ausdruds E. R. liegt in dem Satz, daß neue
Geſetze auf vergangene Thatſachen im Zweifel leine
Anmendung finden, wie man fagt, Gejege keine
rüdwirtende Kraft baben. E3 wurde früber (©u:
vignd, a dabin ausgedrückt: «Neue Ge
fee laſſen E.R. unberührt.» Der Say ei nur für
das Privat, nicht jr das öffentlihe Recht. Wenn
eu die Gejeßgebung das geſetzliche Alter der
olljährigteit vom 21. auf das 25. Lebensjahr ver:
legte, jo würden die Menſchen, welche bereits das
21. Lebensjahr aber nod nicht das 25. Lebens:
jahr erreicht haben, nicht wieder unter Vormund-
haft treten. Wenn andererjeit3 in einem Lande,
in meldhem bisher die Soldaten geworben jind,
das Aushebungsſyſtem eingeführt wird, jo müjlen
die nach dem neuen Geſetze militärpflichtigen Leute
fofort eintreten. Auch innerhalb des Privatredts
gilt der Sat nur für Gejege, durch deren Anwen:
dung die beitebenden Rechtsverhältniſſe verſchlechtert
würden, Gr gilt nicht, wenn das neue Geich
Erwürgen — Erythem
wöhließlih eine Beilerftellung dieſet Rechtsver⸗
bälmifie zu bewirten geeignet ift. Das Einführung:
acer zum Deutichen Bürgerl. Geſeßbuch regelt in
den Art. 198 — 217 — wie weit ſich nach
dem Inkrafttreten des Bürgerl. Geſetzbuchs be:
hebende Rechts verhältniſſe nach den bisherigen Ge⸗
ſehen deſtimmen ſollen. Es iſt falſch, zu behaupten,
der Staat lönne durch ſeine Geſetzgebung E. R. nicht
beieitigen, die E. R. feien unverleglih. Cine recht:
ide Chrante für die Staatsgewalt bilden bes
de Rechte nit. Wäre * eine ſolche geweſen,
ſo würden die bedeutendſten Fortſchritte, welche wir
im Laufe des 19. Jahrh. gemadt haben, unmög-
lich geweſen jein (Aufhebung von Leibeigenſchaft,
Lehns herrlichleit, Jagdrecht auf fremdem Grund und
den, gewerblicher Zwang®: und Banntechte und
ausfcli icher Gemwerbeberechtigungen; Ablöfung
von Reallaften und Serituten; Eifenbahnverftaat:
lichungen, — — en u. ſ. w.) Nur der
Ca iſt rihtig: der Staat Joll in E. R. nur ein
greifen, wenn es burd höhere Rüdfihten des Ge
meinmwobls gefordert wird. Vermögensrechte follten
nur gegen Entibädigung aufgehoben werden. Das
Gerühmtefte an einer derartigen Entihädigung
bietet die engl. Stlavenemancipation (f. Stlaverei),
welche nicht anders erfolgte, ald daß die Eigentümer
der für frei erklärten Sklaven vom Staat entſchä⸗
digt wurden.
Eine andere, aber unbaltbare Theorie verfteht
unter E.R. im zweiten Sinne die dur einen ſpe⸗
ciellen Rechtstitel ermorbenen, individuell bejtimms
ten Perſonen juftebenden Rechte, wie das Eigen:
tum, jofern e8 durch Kauf und Übergabe erworben
it, im Gegenjaß zu den auf Geſetz —— (ſog.
—— — Ständen oder Perſonenllaſſen
uftebenden Rechten — alle, Gerber, Gierke). —
Rot. Eormar Vom te, das mit uns geboren
1893); Regelsberger, Pandelten, Bd. 1 (Lyʒ.
1893), 8.47; Georg Meyer, Der Staat und die E.
Erwürgen, j. Erbrofielung. ebd. 1895).
Eracl., bei naturmifjenihaftlihen Namen Abs
türzung für Job. Chriſtian eben (f. d.).
Errieben u he Kreis Neuhaldensleben des
reu Reg. Bei. deburg, an der Nebenbahn
— aldensleben⸗Eilsleben (Station E.Uhrsleben),
Sis eines Amtsgerichts (Landgericht Magdeburg),
erg nn 2 —— gran ae
rapb, jwei Nittergüter; Molterei, Damp e.
Ergleben, Job. briftian, Mediziner und Natur:
der, geb. 22. Juni 1744 zu Queblinburg als
Sohn von Dorotbea Chriftine E., geborener
Zeporin (geb.13.Rov. 1715, geft. 18. Juni 1762),
der erſten Frau in Deutichland, welche die mediz.
Doltorwürde erlangte. E. wurde 1771 außerorb.,
1775 ord. Brofeflor der Phyfil in Göttingen, wo er
19. Aug. 1777 ftarb. €. ſchrieb: «Anfangsgründe
der Raturgeihichte» (Gött.1767;4. Aufl. 1791), · An⸗
fangsgründe der Raturlehre» (ebd. 1772; 8. Aufl.
1794), «Bhyfil.shymifhe Abhandlungen» (2pj.
1776), «Systema regni animalis » (ebd. 1777).
ſ. Sandſchlangen.
Eryeina (Eryline), Beiname der Aphrodite
nad dem Tempel auf dem Berge Eryr (f. d.). Bei
den Römern wurde ber E. in Nom 216 v. Chr. ein
Tempel auf dem Kapitol und 181 v. Chr. ein zweiter
vor dem Colliniſchen Thor auf dem Quirinalgemeibt.
Ery ifcher Eber, |. Heralles.
Erymantho®, im Altertum Name des je
Elonos genannten weitlihiten der nordarlad.
211
Hochgebirge (2224 m), auf der Grenze von Arka⸗
dien, Elis und Achaia (f. Karte: Grieche nland),
in weldem der Sage nad Heralles ven Erymanthi⸗
ſchen Eber — gr
id De ., Pflanzengattung aus der Fa:
milie der Umbelliferen (j. d.) mit zahlreichen, *
einen großen Teil der Erde verbreiteten Arten,
meiſt dornigen, diftelförmigen, lahlen Kräutern mit
aufrechtem, äjtigem weg eblättertem Stengel
und langgeitielten Wurze lättern. Die kleinen
Blüten find in balbkugelige, von dornigen langen
üllblättern —— Köpfchen geitellt. Die ver:
eitetfte Art in Europa ift E. campestre L.,
Mannstreu oder Brachdiſtel, eine ın Deutſch—
land häufige, ausdauernde Pflanze von hell grau:
rüner Farbe. Ihre lederartigen, ftarren Blätter
And dreizäblig, zerfchnitten, die Blüten weiß oder
rünlih. Ihre Wurzel war früher offizinell. Eine
Behr ſchöne Pflanze ift das auf den Dünen am
Strande der Dit: und Nordfee und auch des Mittel:
ländifhen Meerö wachſende E. maritimum L., die
blaue Meerwurz oder Meerdiſtel, deren fleis
ſchige Frühjahrsſchoſſen wie Spargel genoſſen wer:
den können. Stengel und Blätter find blaugrün,
die Blüten und bie —— gelappten,
dornigen Hüllblätter ſchön blau. Einige Arten
baben ganz azurblau angelaufene Stengel, Üfte,
Dedblätter und Blüten, 5. B. E. amethystinum ZL.
aus Südeuropa, auch als Zierpflanze kultiviert.
ri, Berg, |. Snomdon.
Exyſichthon, der Sohn des Triopas, Königs
von Thejjalien. Er wurde nad) der griech. Sage da:
ür, daß er in einem der Demeter heiligen Haine zu
otion Bäume umbieb, von diejer mit einem nie
zu —— Hunger gepeinigt. Nach ſpäterer Sage
verlaufte er jeine Tochter Hypermneftra, Mnejtra
oder Meftra, um von dem Kaufpreis fich . fättis
en. Dieje batte aber von Poſeidon die Gabe er:
alten, ſich in verſchiedene Geitalten zu verwandeln,
und kehrte jo immer wieder zu ihrem Vater zurüd.
Zulegt aber zehrte fich dieſer dennoch felbit auf.
Erpfipel oder Eryfipelas (grch.), Roſe, Not:
lauf, wandernde Haut» oder Zellgewebsentzünbung
(. Rofe); eryfipelatds, rojen: oder rotlaufartig,
von der Roſe befallen.
fipeloid, zoonotiſches, eine fi langjam
ausbreitende entzündliche, ſchmerzhafte Nöte an den
Händen von Berjonen, die mit toten Tierſtoffen zu
thun baben, 3.8. Wildhändler, Fiſchhändler, Ködin:
nen, Fleiſcher u. ſ. w. Das E. iſt eine ungefäbrliche,
jedoch zuweilen recht langwierige Wundkranlheit; fie
entfteht durch Einimpfung einer beſtimmten Babte⸗
rienform im Anſchluß an meift leichte Verlegungen.
ieber ift gewoͤhnlich nicht vorhanden. Die bejte
ndlung beſteht in Einjprigung von 3prozentiger
rboljäure in die entzündeten Hautjtellen und
he, j. Meltau. (Umgebung.
ous rubeoüla Cw., j. Rotlehlchen und
Tafel Mitteleuropäifhe Singvögel U,
ig, beim Artitel Sinwögl.
rythem (grch.), in der Medizin eine akute
oberflählihe Hautentzündung, melde fi durch
ausgebreitete, auf Fingerdrud völlig verſchwindende
Nöte der Haut, dur mehr oder minder lebhaftes
Brennen und leichte hr der Epidermid
tennzeichnet und fi von der Roje N d.) bauptjäd:
(ih durd ihre Entjtebungsweife, ihren fieberlojen
Verlauf, die geringere Schwellung der betroffenen
Hautflähe und den Mangel von Brnfenihmwelluns
14*
212
gen unterfceidet. Am bäufigften entjteht das €.
dur mechan. Reizungen der Haut (j. Hautmwolf),
erner durch Einwirkung hoher Temperaturen, ind:
eiondere der direlten Sonnenitrablen, dur de:
mifch reizende Stoffe, wie Senföl, Kanthariden, die
Haare der = ejliondraupe u. dgl. In der Regel
enügt bie ernung der genannten Schäpdlid:
eiten, um auch alsbald das €, zum Verſchwinden
u bringen; in bartnädigen Fällen erweifen ſich kalte
midläge, Doucebäder, Aufftreichen von Bleijalbe
oder Hebrafcher Salbe jomwie gleichzeitig damit ans
newandtes Streupulver aus Sin od (1 Zeil) und
Stärtemebl (4 Teile) nutzlich. mir Lehen von dem
ewohnlichen €. ift durch feinen eigentümlichen Ver:
auf das inotige €. (Erythema nodosum), welches
bisweilen ohne belannte Veranlafjung bei jugend:
liben Berjonen auftritt und fi meiſt wochen-,
mitunter felbft monatelang binztebt. Unter Fieber:
erjheinungen, Niedergeſch —
Gelenlſchmerzen und Cclaflofigteit bilden ſich haupt:
ſächlich an den untern Extremitäten, namentlich an
den Unterſchenleln, walnußgroße, bei Drud ſehr
—— rote Hautlnoten, welche große AÄhnlich⸗
eit mitden durch Stößeentftandenen Beulen beſitzen.
Eröthrä, im Altertum eine Stadt in Böotien
nabebeim Schlachtfeld von Platää, die ſchon zur Zeit
des Paufanias verödet war, und dann aud Ihre
Tochterſtadt (jest Ritri), eine der 12 ion. Städte
in Kleinaſien auf einem Vorſprung der Küjte, gegen:
über der Inſel Ebios. Die Stadt ijt berühmt durch
die nad ihr genannte Sibylle (f. d.) und einen ur:
alten Tempel des Heralles. — Bol. Gaebler, Ery:
tbrä (Berl. 1892).
aea Rich., ſ. TZaufenpgüldentraut. E.
centaurlum L., das gemeine Taujendgüldentraut,
f. Tafel: Gontorten, Fig. 4.
Erythräa (ital. Eritrea), ital. Kolonie an der
Weſtküſte des Noten Meers (f. Harte: Abejfinien
u.f. w., Bd. 17); fie umfaßt den zwiſchen Ras Kaſar
(18° 2’ nördl. Br.) und Ras Dumeirab (unweit der
Strabe von Bab el: Mandeb ſüdlich von Nabeita,
12° 30’ nördl. Br.) liegenden Küſtenſtrich mit den
Küfteninjeln Maſſaua, Dablat und Hauatil und den
nördl. Zeil des abeſſin. Hochlandes mit den Städten
Keren, Ailet und Gura; gegen Abeſſinien verläuft
die Grenze zunädjft entlang der Mareb: Beleja:
Dluna:Linie, dann parallel der Küfte in 60 km Ab»
tand von derjelben. Die Nordarenze ziebt ſich vom
as Kaſar über den Dichebel Kureb und öjtlib an
Rajjala vorbei zum Mareb. Die fläche der Stolonie
E. beträgt 247300 qkm, die Bevölferung nad der
Zäblung 1899: 327502 Eingeborene und 2014
Fremde. Hauptorte der Kolonie find Maſſaua, As:
mara und fleren. Sik der Regierung ijt neuerdings
Asmara. liber das früber zu E. gehörige Italieniſch⸗
Eomalland f. Somalland,
Das a. abeifin. Hochland gehörende Gebiet liegt
in der Dollaregion und wird wegen jeiner Höhen⸗
lage als Gejundbeitsjtation der ital. Truppen be
nußt. Das Küftengebiet, in dem nur Winterregen
fällt, hat Steppencaratter mit jpärlicher Vegetation
und wenigen menschlichen und tierischen Bewohnern;
Zaufende von auf dem Hocdlande entiprungenen
Rinnjalen durchfurchen die aus Kalt, befonders Ma:
dreporenlalt aufgebaute Küftengegend, und im ©,,
wo ſich zwiſchen Küfte und Hochland das Land der
Danatil einſchiebt, tritt der mit tbätigen und erloſche⸗
nen QVultanen bejegte Abfall der Wüſtenfläche bart
an die Küite beran. Mafjaua bat bei einem Jahres:
Erythrä — Erythräa
mittel von 31,6” ein Junimittel von 33° C., ein
Januarmittel von 25,5° C. Die abjoluten Tempe
raturertreme von acht Jahren waren 44,5” und 18,5°.
Die jährliche Regenmenge ſchwankt von 747 mm
(bei Keren) bis 222 mm bei Mafjaua und 61 bei
Aſſab. Das Marimum fällt in Keren auf den Auguit,
fonft auf den Dezember, Die Bewohner des Landes
find arab. Urfprungs und im N. teils jehbaft, teils
nomabijierend; den jüdl, Teil bewohnen die Aiar
oder Danatlil (f.d.). Der Specialbandel der Kolonie
bewertete ſich (1899) auf 6 777736 Lire in der Ein:
br (baummollene Garne und Gewebe, Durra,
lindvieh, Holz, Wein, Mebl u. a.), auf 1289976
Lire in der Ausfuhr (Berlmutter, animaliſche Pro-
bufte, trodne Häute, Edelmetalle und Dlünzen,
Perlen u. a.). Die Durhfubr nad Abeffinien be
trug 1162364, nah dem Eudan 1131290 Lire,
aus Abefjinien wurden eingeführt für 239 158, aus
dem Sudan für 99020 Fire. An Schiffen liefen ein
2953 von 113179 Regiitertond, aus 2947 von
113095 Regiſtertons. Die Einfubr von abeljin.
Landesproduften nad €. wird jeit 1899 durd Zoll⸗
—5* derſelben begünftigt. Den wirtſchaftlichen
ittelpunft der ganzen Kolonie bildet Maſſaua
. d.), der natürlihe Hafen Abeſſiniens, in deſſen
—* eine Reihe von Ortſchaften: Arlkilo,
M'Kullu (Monkullu), Saati, Arafali u. ſ. w. liegt.
Die aus ſtrategiſchen Rückſichten erbaute Bahn von
Maſſaua über M'Kullu nad Saati bat eine Länge
von 26,9 km und foll bis zum Fluſſe Dia:Daga und
weiter in der Richtung auf Asmara (j. d.), den
jeigen Hauptort, zu verlängert werden. “oft:
ämter beiteben in ats, Asmara, Ginda,
Sagamiti und Aſſab. Mafjaua und Afjab find durd
Telegrapb (622 km) verbunden, ebenio Maſſaua und
Kaſſala (470 km), Mafjaua und Adi Ugri (180 km),
Maflaua und Adikaje (110 km) ſowie Ajjab und Pe
rim (101 km). Im ganzen hat talien 1882—96 jalt
304 Mill, Lire für die Kolonie aufgewendet, davon
124 Mill. allein 1895/96. 1900 betrug der Zuſchuß
7, Mil, Lire, Die Steuererträge find von (1894)
285500 auf (1899) 587650 Lire geitiegen. Die Be
ſatzung bildet ein dur Gejeg vom 10. Juli 1887
geichafjenes Speciallorps, das 1899 aus 187 Offi⸗
ieren, 1021 Stalienern und 5313 Cingeborenen be
hand und in Maſſaua (Forts Abd el⸗Kader, Taulud
und Gberar), Saati, Ginda, Keren, Asmara, Agor:
dat, Adi Ugri und brei andern Stationen verteilt lag.
Geſchichtliches. 1881 ftellte Italien an der
Aſſab⸗Bai die gleihnamige Stadt und eine Strede
Landes unter feinen Schuß und nabm 5. Juli 1882
das Gebiet ald Kolonie in Befis. Die Niedermeke
lung des Reifenden Biandi im Lande der Danalil
ab dann 1885 Veranlafiung zur Beſetzung des
fens von Bailul und Maſſauas mit den umliegen⸗
den Ortſchaften, ſowie zur Ertlärung derital. Schuß⸗
herrſchaft über die ganze Küfte von Has Kaſar bis
ur Bebeta:Bai. den infolgedejien mit Abel:
Knie entitandenen Streitigleiten fonnte Stalien
einen Beſiß nur mit Mühe behaupten und jab
ſich ſogar Anfang 1887 gezwungen, die Auen
pohten, wie Saati, Arkilo, einzuzieben und ſich auf
afjaua zu beichränten. Nah Blodierung der
anzen Küjte von Aſſab bis Ras Kaſar und der
ndung eines ital. Erpeditiondtarps gelang es
aber bald, die alten Bofitionen wieder einzunehmen
und noch einige neue Forts in der Umgebung von
Maflaua zu errichten. (S. Abeſſinien, Geſchichte.
Inzwiſchen hatten Die Stämme im Norden Maſſauas
Erythräifcher Thaler — Erythrit
die ital. Schugberrichaft anertannt; 9. Dez. 1888
elannıe der Eulen von Auſſa das ital. Broteltorat
über das Land der Danatlil an, und 1889 bejegten die
Yaliener die wichtigen Hodlandspläße Keren, AB:
mara, Ailet und Gura. Am 2. Mai 1889 (Bertrag
von Kccialli) ſchloß Italien mit dem —— Meni⸗
kt .d) einen Vertrag, in dem der a > Ita:
lien& anertannt und de Schupberrihaft Italiens
über Abejfinien au ageipronen wird. Doc wollte
Dientlet ſpäter den Vertrag nicht anerfennen. Die
Abarenzung der ital. und engl. Intereſſenſphären
wurde — Vertrag vom 15. April 1891 feſtge wir
der duch das 5. Mai 1894 in Rom unterzei
Brototoll ergänzt wurde. Die gegen Agordat —
gedrungenen Mahdiſten unter Hamed Ali wurden
daſelbſt 21. Dez. 1893 mit großem un von den
Italienern zurüdgeihlagen. 1894 gingen dann die
ital. Kolonialtruppen unter Beneral Baratieri gegen
Ratjala vor, eroberten 17. Juli die Stadt ..
un fie. Reue Kämpfe begannen Ende 1894 gegen
Mangaida von Tigre, der fih auf Deren afs
= Men’lets erhoben hatte. er 1895 wurde
s Mangaſcha von — atit geſchlagen.
Tigté wurde nun unter ital. Schuß geſtellt, Adua
und Adigrat erhielten Bejagungen. Nachdem bierauf
at ilet ein bedeutendes Heer von angeblich 90000
ejammelt, rüdte er im Dez. 1895 vor; bei
Kun d a zwei Tagemärſche von der ital,
SeRun Matalle, jtieß Ras Malonnen 8. Dez. auf
jor Toſelli, mit 2400 Stalienern, von denen faum
300 zurüdfamen, worauf General Arimondi Ma:
kalle dem Major "Galliano zur Verteidigung über:
ließ und ſich nad Adigrat jurüdiog, wo Baratieri
etwa 20000 Mann famme m 22. Yan. 1896
mußte Galliano nad —— Verteidigung Ma⸗
talles unter 5 freien Ab —* ugs lapitulieren,
und 1. März griff Baratieri die Abeſſinier bei Adua
an, erlitt aber eine jchwere Niederlage. Baratieri
wurde fofort des Oberbefehls enthoben; fein Nach⸗
folaer wurde General Balvifjera, dem es gelang,
5. Mai die Beſatzung von Adigrat zu entießen, worauf
aud dieſer Plag 18. Mai gegen en Auslieferung der
Gefangenen geräumt wurde. Am 26. Dft. 1896 lam
es jum ſchluß in Addis Abeba; der Vertrag
2. Uccialli wurde aufgeboben, die volllommene Un:
rang en Abejjiniens anerkannt, bie Freilaffung
= ital. Gefangenen und als —— bie Linie Mareb⸗
Beleſa-Muna beſtimmt. Am 22. Dez. 1897 ging
Kaſſala aus rg eh in engl. Hände über. —
Bal Schmweinfurtb, Il presente e l’avvenire della
Colonis Eritrea (Mail. a: von Bruchhauſen, Die
Staliener in Afrika (7. — zum ⸗· Militaͤrwochen⸗
blatt», Berl. 1895); Hitärmnchenblate, | m
Krieg 1395/96 (1. ads zum «Militärwocdenblatt»
ebd. 1897); Schöller, Mitteilungen über eine Reife
in der Colonia Eritrea (ebd. 1895) ; Naflaja, L'ayve-
nire della Colonia Eritrea(Rom 1895); onquiere,
Les Italiens en Erythrée (Par. 1897); Bellenc Les
Italiens en Afrique, 1880—96 (ebd. 1897); Bara⸗
tieri, Memorie d’Africa (Zur. 1897); Brumialti
Le colonie degli Italiani (ebd. 1897); Eritrea. I
nostri errori (ebd. 1898); Melli, La colonia Eri-
trea Jalle sue origini fino al 1° marzo 1899 (Barma
1599; neue Ausg. u. d. T.: L’Eritrea dalle sue
origini a tutto l’anno 1901, Mail. 1902); den
jahrlich erſcheinenden Estratto des ftatift. Jahrbuch⸗
Possessĩ e Protettorati in Africa». — arten:
Carta della colonia Eritrea, 1:50000 (lor. 1891
—92); Nuova carta dei dominii e protettorati
213
nell’ Eritrea e regioni limitrofe, 1: 1500000 (Rom
1895); Dalla Vedova Etiopia e Somalia. 1 Blatt,
1:3000000 oder 2 Blatt, 1:2000000 (Zur. 1896);
Carta dimostrativa della Colonia Eritres er
adjacenti (16 Blatt, 1:250000, bg. vom Mi Itärs
geogr. Inititut, Flor. 1897 u.d.); Carta della Colonia
Eritrea, 1: 100000 (ebd. 1899— 1900).
trälfcher Thaler (Scudo eritreo), eine
eg des Maria: Therefien:Thalers (f. d.),
die —* iens Bejigungen am Noten Meere
ftimmt i a... diejes Thalers find zu yo, Yıo
und *,, in Silber, zu ,, und oo In Bronze,
Diefe Zeilüde entiprehen den Münzen zu 2 Lite,
1 und Lira ſowie 10 und 5 Gentefimi.
Erpthräifches Meer, |. Arabiihes Meer.
Erythrasum ( —* ), anitedende Hautkranlheit
der ech en: und Achſelgegend, deren Urſache ein mi:
one Pill Microsporon minutissimum, ift.
Erythrin, er — für ſe verfchiedene
—— 1) € . Robaltblüte;
2) E. von Kane ift — er; 3) €. oder
Erytbrinfäure, Sweifad:Driellinfäure:
Erytbritätber, fommt in verſchiedenen Flechten,
Roccella tinctoria DC., Roccella fuciformis DO.,
vor; 4) eine Hthplverbindung des Eoſins (j.d.) oder
Monäthyltetrabromfluorescein.
‚Korallenbaum, Bilanzen:
gatung aus der Familie der Le — minoſen (1. b.),
bteilung der Bapilionaceen. n fennt 9 en
30 Arten, die in den Tropen und fubtropif
Gegenden vorlommen. Es find baum: oder ſtrauch⸗
artige, oft bedornte Gewachſe mit Bobnenblättern
ähnelnden, dreizäbligen Blättern, großen Trauben
lederartig derber, roſen⸗, ſcharlach⸗, ponceau⸗ oder
braunroter Blumen und Langen, —— den Samen
ns Hülfen. Die Blumen haben einen
lodenförmigen, — weilippigen, jeltener
Panfzähnigen Kelch und eine fehr lange, ſißende oder
agelte Fahne, welche die kurzen tügel unb das
Se füen einſchließt. Einzelne Arten ind Pracht⸗
gewächfe und werben in Deutſchland in ber Dran-
ge e oder in wärmern Gewähshäufern, je nad) ber
rt, überwintert und im Juni zur Deloration des
Gartenrafend verwendet. Die belannteiten und in
den Gärten häufigften Arten find E. crista galli L.
aus Brafilien und E. laurifolia, weld leptere nur
u eine Form ber erftern zu betrachten iſt.
Ein aus der Kreuzung zwiſchen E. crista galli
und E. herbacea L. entſtandener Blendling, Marie
Bellanger, ift — ſeines niedrigen Wu fes und
feiner reichen Fülle von zinnoberroten Blumen in
60 cm langen Zrauben zur Kultur zu empfehlen.
E. indica ‚ und eine Reibe neun baumförs
ec er Arten dienen ald Dadapbaum allgemein
Adaſien, und vielfach aud in Amerila ald Schat:
uk er in den Kaffee: und andern trop. Pflan⸗
zungen, ſowie aud als Stühe ber Pfefferpflangen.
Das weiche, rn Hol; (Korallenholz, bois
d’immortel) der in —— als Schatten⸗
baum kultivierten E. corallodendron L. (Arbol
madre) dient zu Pfropfen, Leitern u. ſ. w.
thrin rd Erythrin.
Erythrit, Erythromannit, Er Ic Hoi
cin oder Bhyeit, ein vierwertiger Altobol von der
öufammenjegung
«4,0, = CH, OH: CHOH- CHOH-C *8
der in freiem Zuſtande in einer Alge
ſellinſaureeſter oder Erythrin (f. d.) in Sm Se
ten, namentlich der Roccellaflechten, vorlommt. Gr
214
bildet inreinem Zuftande große quadratiſche, in Waſ⸗
er leicht, in Altobol ſchwet — talle, ſchmilzt
i 126° und ſiedet gegen 330°. Durch Redultion mit
Jodwaſſerſtoff liefert er Butyljodid, gemäßigte Dry:
dation führt ihn ineine Zuderart, ——— Dryda:
tion in Erytbritfäure, C,H,O, (Trioxybut—
terfäure oder Erptbroglucinfäure), über.
Wie alle mebrwertigen Altobole fchmedt er fü.
Erythritfäure, Erythroglucin, Erythro:
glueinfäure, Erythromannit, ſ. Erythrit.
Erythrodegtrin, |. Dertrin.
a rg ſ. Bo. 17.
Erythrophlöin, ſ. Casca.
phloeum Afz., Bflanzengattung aus
ber Familie der Leguminofen (f. d.), Abteilung der
Eäfalpiniaceen, mit fünf Arten, zwei im tropiſchen
Weſtafrila, je einerin Auftralien, aufden Seychellen
und in Sübdina. Es find ftachellofe Bäume mit
boppelt gefiederten Blättern und Kleinen unanfehn:
lihen, zu dichten rifpig angeordneten Trauben
vereinigten Blüten. Bon E.guineense Don.,Saj:
fybaum, Rotwafjerbaum, engl. Red-water-
tree —— an ber Weſtkuſte Afrikas), giebt
bie Rinde mit Waſſer ausgezogen eine intenfiv rote
Fluſſigleit, die ftark purgierend und erbrechenerre:
gend wirft. (5. Casca und Pfeilgifte.)
Erythrophüjll (grch.), roter Farbſtoff der Laub:
blätter, ſ. Blatt abe
Erythrophutoftöp, |. Exythroſtop. ,
Erythroſin, Diantbin, Bezeichnung füreinige
tunſtliche organische Farbitofie, die aus dem Fluores⸗
cein durch Einwirkung von Halogenen erbalten wer:
den. Das Allaliſalz des Dijodfluoresceing ift Ery—
throſin G, das des Tetrajodfluoresceing ErptbrofinB,
welch lehiere Bezeichnung auch dem Tetrabromtetra⸗
odfluoresceĩn oder Phloxin beigelegt wird. Sie
ärben Seide und Wolle gelbrot oder bläulichrot.
obann dienen fie zur Heritellung farbenempfind-
licher Platten in der Photograpbie.
Erytbhrofföp oder Erytbrophytoſtopl(grch.,
«Rot[pflangen]jeber»), Name eines optiſchen In:
ments. i bellem Sonnenſchein zeigen ſich
in blauem Lichte, etwa in einem Raiten aus Ro:
baltglas, die a Teile lebender Pflanzen,
weil fie viel Chlorophyll enthalten, wegen der
Bluorescenz (| db.) rot. vollen Sonnen: oder
jerjtreuten weißen Tageslicht ift dies nicht der Fall,
weil die in folbem Lichte enthaltenen nichtfluores:
cierenden Strablen vorwiegend find. Schaltet man
aber letztere mitteld eines blauen Glajes aus, fo
tritt die Wirkung der fluorescierenden Strahlen
iſoliert und daher wahrnehmbar auf. In ähnlicher
Weiſe verhält es fi, wenn man im Sonnenglanze
liegende friſche Bilanzen durd ein blaues Glas be:
trachtet; man fiebt diejenigen, die viel Chlorophyll
enthalten, darin rot. Hierauf berubt das E. von
Simmler (1862). (S. Melanojlop.)
Erythroxylacẽen, Pflanzenfamilie aus der
Orbnung der Asculinen di. d.) mit gegen 90, vor:
— im tropiſchen Amerila heimiſchen ürien.
Es find Sträucher oder Bäume mit lederartigen,
meift ganzrandigen Blättern und Heinen in der
Regel weißen Blüten mit zehn Staubgefäßen und
einem drei⸗ bis vierfächerigen Frudtinoten. Zu
den E. gebört die Stammpflanze der fog. Koka—⸗
blätter. (S. Erythroxylon und Koka.)
r oxflon L., Pflanzengattung aus der
Famiſie der throrylaceen (f. d.) mit gegen
90 Arten, Sträuchern oder fleinen Bäumen mit
Erythritjäure — Erz
meift lederartigen Blättern und Meinen meißlichen
Blüten. Die wichtigſte Art ift der fog. Rokaftraud
oder die Kolapflanze, E. Coca Lam. (f. Rota und
Fig.3 beim Artikel Äsculinen). Von einigen an:
dern Arten wird das ſehr barte def) (Red Wood),
welches einen roten Farbſtoff enthält, techni —*
wendet, wie z. B. das von E. areolatum L. (Reit:
inbien); wieder andere Arten liefern in der Rinde
einen braunrötliden Farbftoff.
Eryx, im Altertum der jest Monte-San Giu:
liano genannte fteile, 751 m hohe Berg an der Weit:
küſte Siciliend in der Nähe von Drepanum. Auf
balber Höbe des Berges lag eine Stadt E. auf der
Spiße der Tempel der Benus Erycina. Die Griechen
leiteten den Namen von einem Sohne der Apbro:
bite, Eryx (f. d.), ab. Stadt und Tempel waren ein
Merk der Phönizier, die bier eine Hauptftätte für
die Verehrung ihrer großen Naturgöttin jchufen.
Pyrrhus nahm die Stadt, die den Kartbagern ge
örte, 278 v. Ehr. im Sturm. Im erften Puniſchen
iege, wohl 261 v. Ehr., wurde fie von Hamillar
eritört. 249 v. Chr. bemädtigten fich ihrer die
mer, verloren fie aber bald an Hamillar as,
der fie bis 241 v. Ehr. behauptete.
Eryx, ein Sohn der Aphroditevon Poſeidon oder
von dem Argonauten Butes, wurde von den Sirenen
verlodt, von Aphrodite aber gerettet. Er ſoll Stadt
und Tempel auf dem Berge Erpr (ſ. d.) erbaut baben.
Als Heralles mit den Kindern des Geryon nad
Sicilien gelommen war, forderte ihn E. zum Ring:
tampfe heraus, wurde aber von Heralles bejient.
Erz, in der Mineralogie ein metallbaltiges
Mineral, 3. B. Bleiglanz, Eifenfpat, an
Kupferglanz, im —— und in der Technil
alle diejenigen metallhaltigen Mafien, die vom
Bergmann zur weitern Verarbeitung in den Auf:
bereitungämwerfftätten und den Hütten Ri Zug
fördert werden, z. B. Gefteine, die metallijche Mine
ralien feinverteilt eingeſchloſſen enthalten (Kupier:
chiefer, Sanpftein mit Bleiglanz), ferner folde
ineralien, die fo miteinander oder mit Geftein
verwachſen vortommen, daß fie gemeinſchaftlich ge
monnen werben müflen (Quarz mit gediegenem
Gold, Bleiglanz mit Quarz und Thonſchiefer, Kalt:
pat mit Kupferlies und Zintblende). Zum techni⸗
hen Begriff E. gehört das Vorkommen in größern
engen: ein Magneteifentroftällden, eingeipreng!
in einem Schiefer, ift nur im mineralog., nicht im
bergmännifcen Sinne ein E. Jener Begriff bängt
aber nicht allein von der Größe des Metallgebalts
ab, fondern aud von dem Handeläwert ber einzel:
nen Metalle, von der größern oder geringern Leich⸗
tigleit, mit der fie von den nicht metallifchen Neben:
beftanbteilen getrennt werden können, von den Preis
— der Arbeitälöhne, der Brennmaterialien, des
ransports. So kann man z. B. einen duntelbrau:
nen Sanbdftein, trotzdem er vielleicht 10 Proz. Eiien-
oxyd enthält, fein Eifenerz nennen, weil das Metall
nicht mit Vorteil daraus dargeftellt werben fann,
togegen eine Duarzmafie, in der fih nur 1 Proj.
Gold fein verteilt Ander, chon als ein fehr edles
und reiches Golverz gilt. Aber * hiſtoriſch ge
nommen iſt der techniſche Begriff E. inſofern ein
relativer, als die Zuzählung eines Minerals ju den
€. von dem jeweiligen Standpunkte der hüllen⸗
männifhen Erfahrungen abhängt und durd Die
Erweiterung der chem. Kenniniſſe ſowie die Ber
volllommnung metallurgifher Operationen früber
befannte aber unbeadhtete Mineralien, z. B. die
Erz... — Erzbiichof
Kobalt: und Nidelverbindungen, aud die Zintblende,
et im Laufe der Zeit zu E. geworden find.
_ Gemeinbin werben jo viele Arten von €. unter:
Wieden, al& es verſchiedene einfache Körper giebt,
die im Großen aus denſelben dargeftellt werben;
daber ipriht man von Arfenit-, Blei:, Eiſen-,
Kupier:, Gold⸗ Silber:, Bitriol:, Zink, Zinnerzen.
Entbalten die E. mebrere Körper, deren Gewinnun
zugleich beachtet wird, fo werben biefelben dur:
einen au& beiden Körpern gebildeten Namen be
jeichnet, indem man jenes Metall, das dem andern
nur zufällig beigemengt ift, in Form eines Beis
wertes vorausjegt, z. B. ſilberhaltige Blei⸗, 54*
Silber⸗, tupferige Silbererze. Gediegene €. hei⸗
ben ſolche Metalle, die mit andern Stoffen nur
wenig oder gar nicht vermijcht find. Nach den vor:
mwaltenden, den €. beigemengten Beftanbteilen uns
tericheidet der Hüttenmann behufs Gattierung und
Beibidung quarzige, —— chieferige, ſpatige,
tbenbaltige, bituminöfe, lallhaltige, lieſige, antis
monialiſche, arfenitalijbe, blendige u. |. w. E.; er
unterſcheidet ferner Glanzerze, die einen metallis
ſchen Glanz befigen, und dürre E., bei denen bie
Orgde der metalliihen Grundlagen vorberrihen,
die in der Chemie Erden beißen. Rad) der eg
barteit unterjheidet man ferner leichtflüffige E.,
welche die zur Bildung eines leichtflüffigen Sililats
nötigen Beitandteile befigen, und ftrengflüffige E.,
die nur mit — en Zuſchlägen (verſchladende,
yerlegende oder aufloſende Subſtanzen) verſchmol⸗
zen werden können. Die vor dem eigentlichen Hüt-
tenprozeſſe vorzubereitende mechan. Abfonderun
der mit den E. einbrechenden tauben Gefteine i
Gegenftand der Aufbereitung (f. d.) und das durch
die trodne Scheidung gewonnene E. wird gewöhn:
lich Scheideerz, Stufenerz, Guterz genannt;
das Prodult der nafjen Aufbereitung dagegen beißt
Schlidb, auch gewaſchenes E., oder aufbereitete ſch
dgänge, oder Waſcherz. Das Vorlommen der
. ift jo überaus mannigfaltig, und die Erſchei⸗
rungen dabei find fo verwidelt und zahlreich, daß
bier nur die her | enügen muß, wie haupt:
fächlid die Irpftallinife Id erigen Gebirgsarten
and die Gefteine der ältern geolog. Formationen
ben größten Teil der E. auf urfprünglicher Lager:
Rätte enthalten. (S. Erzlagerftätten.)
€. war von alters ber bei den Völkern deut:
ſchen Stammes (wie bei den Griechen chalkös und
bei den Römern aes) der Name für das Kupfer,
insbejondere aber für die Metallmifshungen, in des
nen das Kupfer den Hauptbeftanpteil, Zinn, Blei
oder ie den Zuſatz — ——
tft es ſoviel wie Bronze. ( gieberei, Bronze,
B, Kunftguß, Metallgiekerei.)
..., eine untrennbare, aus dem griech. archi-
entjtellte Borfilbe, die fich bereit im 13. Jahrh. bei
Verdeutſchung der Fremdworte archidux, archiepis-
copus, archipresbyter, archangelus zu Erzherzog,
Erzbifchof, Erzpriefter, Erzengel zeigt. Später wurde
dieje Borfilbe zunächſt zu Titeln und Würden ge:
tügt, um den höhern Grad anzudeuten, wie in Erz:
amt, Erzlanzler, Erjlämmerer, Erzvater (für Patri⸗
ar), dann aber auch zur Bildung fchmeichelnder,
beionderä aber jcheltender Ausdrüde verwendet, z. B.
in Erjböfewicht, Erzichelm, Erzdieb, Erzteger.
es t, ſ. ae —
ämter (archiofficia), in der aflung des
tbemaligen Deutſchen Reichs ewifje oberite Hof:
ämter, weldhe die Kurfürften (f. d.) belleideten und
215
welche fie bei feierlichen Gelegenbeiten, insbeſondere
beim Krönungsmabhl, urjprünglich zur Leiftung von
beſtimmten ———— fpäter verpflichteten,
hierbei den Hofitaat des Kaiſers zu bilden. Auf dieſe
€. und die ihnen entfprehenden Titulaturen und
Infignien wurde wegen der damit fidh verbindenden
polit. Stellung ein großes Gewicht gelegt. Heute
darf als fiher angenommen werben, daß das Erz:
amt das primitive Recht war, dem die Kurſtimme
entitammte, und nicht die Kur das Hauptrecht, dem
das Erzamt ſich ge Seit dem Interregnum
war die Zahl der Kurſtimmen fieben und demge—
mäß gab ed auch fieben E., deren Träger die Bol:
dene Bulle Karls IV. von 1356 geſetzlich feitlegte.
Die vier eigentlichen, der älteften Hofverfaſſung
entitammenden Umter hatten die vier weltlichen
Kurfürften: der Pfalzgraf vom Rhein war Trud:
feß (fi. d.), der ——— Sachſen Marſchall
N Erzmarſchall), der Markgraf von Brandenburg
ämmerer(j.d. und Kammer), der König von Böb:
men Schent(j.d.). Den drei geiftlihen Kurfürſten
wurden Ranzlerämter zugeſchrieben (j. Erztanzler).
Mäbhrend des Dreißigräbrigen Krieged wurde ins
folge der Uchtung Friedrichs von ber Pfalz die pfälz.
tftimme mit dem Erztruchſeßamt auf Bayern über:
tragen. Im MWeftfäliichen Frieden aber wurde bie
pfälz. Kur (als achte Stimme) wiederbergeftellt und
ihr das Erzfhagmeifteramt — Durch
die Vereinigung von Sm und Bayern 1777 fiel
biefe Kur weg, und die Pfalz trat wieder in die alte
Kur ein. Nun wurde das Erzſchatzmeiſteramt der
ſchon 1692 vom Raifer errichteten, 1708 vom Reiche
anerlannten braunfchw.:lüneburg. Kur (Hannover)
übermwiefen. Den 1803 dur den Reichsdeputa⸗
tionsbauptihluß geichaffenen vier neuen Kurſtellen
(Württemberg, Baden, Heflen, — wurden
€. nicht beigelegt; nur Württemberg erhielt das
on früher von ihm in Anſpruch genommene Erz:
panneramt. Den E. waren Erbämter (f.d.) unter:
—— Auch für die Kaiſerin gab es beſondere
„die von gefürſteten Üübten geführt wurden, aber
für die Reihsverfafiung obne Bedeutung waren.
Erzaufbereitung, |. Aufbereitung nebſt Tafel,
ee \ Eifenerz (Marktfleden.. Fig. 2.
Erzbifchof, in der röm.:tath. Kirche derjenige
Biſchof (f. d.), der über mehrern bifhöfl. Sprengeln
(Didcejen) einer Kirchenprovinz fteht. Nachdem im 3.
und 4. Sabrh. die Biichöfeder Hein talbauptitäbte
(Metropoliten) den Vorſitz auf den Provinzialiyno:
den und ein Oberaufſichtsrecht über die ibnen uns
tergebenen biſchofl. Sprengel erhalten, und unter
ihnen wieder einzelneeine gewiſſe bmacht gewonnen
hatten, wurden dieſe archiepiscopi oder E. und Par
triarchen (f.d.) oder Brimaten genannt. Später aber
wurde im Abendlande, wo die Metropolitanverfafs
[ung erjt inder Zeit Karls d. Gr. zu ihrer vollen Aus:
ildung dam, die Stellung der €, beruntergebrüdt,
und jegt iſt der Vorrang der E. in der Hauptſache nur
Io ein Ehrenvorrang. Außer den allgemeinen
bifhöfl. Rechten und der Verwaltung der eigenen
Erzdidcefe fommen den E. nad lanoniſchem Rechte
allerdings noch gewiſſe Rechte zu, die fie über die
anze Kirchenprovinz und über die zu derfelben ge
örigen Biihöfe (Suffraganen) ausüben, fo bes
fonders das Recht der Zufammenberufung der Pro:
vinzialjpnode und der Vorſitz bei derjelben; fernerbie
Viſitation der Briefterfeminare und die Aufficht über
die Refidenz der Suffragane; außerdem gemiffe Ehren»
rechte, insbejondere die Bortragung des Kreuzes in
216
allen Teilen der Kirhenprovinz und das Pallium (f.
Pallien). In der griech. und ruſſ. Kirche bat fich die
boppelte Bezeihnung E.und Metropoliterbalten; da
edoch — in ihren Rechten einander gleichge⸗
tellt ſind, iſt der Rame E. nur noch Ehrentitel. Von
derröm.-fath. Kirche ging mit der Ve le
auch die Würde der E. zu der anglikan. und ſchwed.
Kirche über. Die Ernennung des Öeneraljuperinten:
denten Borowſti in a part, zum evangeliſchen
€. (1829) iſt ganz vereinzelt geblieben. In Preußen
baben die E. den Rang der Wirklichen Geheimen
Räte, in Ba Baden, Öfterreich find fie Mit:
glieder der Griten Rammer. Sie haben ven Titel Er:
cellenz, in Öfterreich einige auch Fuͤrſt (f. Fürſtbiſchof).
— Bol. Maft, Dogmatifch:hijtor. Abhandlung über
die rechtlihe Stellung der E. in ver kath. Rirce
(Freib. i. Br. 1847).
Erzbifhoföhut, in der Heralpit Wappen:
zeichen ber erzbiihöfl. Würde: ein flader runder
grüner Hut mit beiderſeits abhängenden, je zehn
(1+2+3+4) Quaiten zäblenden verſchlungenen
Schnüren. Auf dem Schilde rubt die Nitra, hinter
dem Schilde jhaut ein boppelarmiges Vortragskreuz
und der Krummijtab hervor (h Tafel: Kronen II,
tg. 50). Die ebemal3 jouveränen geiftlichen
eihöfürften führten ein blankes Schwert mit dem
Krummftabe hinter dem Wappenſchilde gekreuzt,
ald Zeichen des Blutbanns (ſ. Taf. UI, Fig. 46).
Erzbistum, Erzdiöcefe, in der kath. Kirche
der Bezirk, innerhalb defjen ein Erzbifchof die kirch—
lihe Verwaltung bat. (S. Biätum und Erzbiichof.)
en er, Mineralien, mit denen erfahrungs⸗
emä bäurs —* vorlommen. Dahin gehören
altipat, Quarz, Schwerſpat u. ſ. w.
Erzbruderſchaften, ſ. Bruderſchaften.
Erzbutze, ſ. —
Erzdiöcẽſe, ſ. Bistum und Erzbistum.
‚Erzengel, in der Rangitufe der fog. bimm:
liſchen Hierarchie die Fürften unter den Engeln. Sie
beißen Michael (Dan. 10, ıs, 21; 12, ı), Gabriel
(Dan. 8, ı5 fg.; 9, 21), Raphael (Bud Tobias) und
Uriel (Bud Es: 4. Esra-Buch). Die jpätere
jüd. Theologie zählte fieben €. j
Erzerüm (Erjerüm oder Erfirüm), be:
ejtigte Hauptftabt des gleichnamigen afiat.stürt,
ilajetö (49700 qkm, 645700 €. ; }. Karte: Wet:
afien I, beim Artifel Ajien) in Türkifch: Armenien,
am Sübrande einer 38 km langen, 22 km breiten,
im Winter jebr kalten, im Sommer warmen Hod:
ebene, welche zum Teil gut bemäjlert, aber holz.
arm und ſchwach bevöltert ift und vom Kara⸗ſu oder
weitl. Eupbrat durchfloſſen wird, etwa 8 km von
diejem entfernt, in 2032 m Höbe, ift Refidenz des
Mali oder Generalgouverneursd. E. wird (nad)
Euinet) von etma 39000 Menfchen bewohnt, welche
ur Hälfte Türlen, F Haͤlfte Armenier und
Beier nebft einigen Griechen find. In neuerer
Zeit bat die Stadt ihre Phyſiognomie infolge
deö 1866 begonnenen Abbruchs der hoben, ver:
allenen Mauern der Diſch-Kaleh (d. b. äußere
a ), welche die Eitadelle oder Itſch-Kaleh um:
& i Gebt ng eek Seit 1864 wurde die
tabt mit neuen Feitungsmerlen umgeben, unter
denen die Forts auf dem Top-Dagb Medſchidine
Tepe) und Kirimitlis-Dagb die wichtigſten find. Die
Straßen find nur zum Teil gepflaltert, eng und
frumm. €. bat 65 Moſcheen, 15 Demijchklöiter,
4 riftl. Kirchen, eine trefjlihe, nad deutſchem
Mufter eingerichtete armeniſche Schule, 17 Bäder
Erzbifchofshut — Erzgebirge
und einige mit ae Anschriften bededte Mauſo—
leen. Das Scifteh-Minaret, ein Doppelturm (jent
Militärgefängnis), gilt für das älteſte Baudenkmal
E.s. Derebemals bedeutende Handel ift jebr gejun:
ten, feitdem der perj.seurop. Handel feinen Weg nit
mebr über das armenifche Hochland nimmt, und bie
früber jo belebte Karamwanenftraße von Trapezunt
über E. zur perj. Grenze ift ſeitdem mehr und mebr
verödet, obgleich zwiſchen erftern beiden Orten jeit
1870 eine Art Ehaufjee beftebt. Auch der Gewerbfleiß
der Stabt, welche vordem durd ihre Schmiedearbei:
ten in Eifen und Kupfer ausgezeichnet war und ibre
Erzeugnifje namentlich nach Berfien verjendete, iſi
infolge der Auswanderung zahlreicher geihidter ar:
menijcher Arbeiterauf ruſſ. Gebiet (1829) jebr zurüd:
gegangen, Am meiften haben die Teppich: und Leder:
manufalturen gelitten. Den Ruf ald Markt für Bel;
werf und Pferde hat E. verloren. Durch Generalfon:
pas find Perſien und Rußland, durd Konjulate
ngland und die Vereinigten Staaten, durch einen
Vicelonful Frankreich, durd einen Konjularagenten
Italien vertreten.
Geſchichte. €. ift ein fehr alter Ort, bei den
Armeniern Karin oder Garin Khalakh (Stavı
der Landihaft Garin) genannt, woraus die Ara:
ber Kalikalah machten. Der Feldherr Theo:
dofius IL, Anatolius, baute bier im 5. Nabrb.
die Feitung Theodofiopolis, die häufig x
ihauplas war. Seit 1049 zu einem reichen
porium aufgeblübt, fiel fie 1201 in die Hände der
Seldſchulen. Dann kam fie 1242 in den Befis der
Mongolen und 1517 endlich an die Türlen. Im
Ruffiih-Türlifhen Kriege von 1828 und 1829 ent:
ſchied die Eroberung E.8 durch Paskiewitſch (9. Juli
1829) den rufj. Feldzug in Afien. Frieden zu
Adrianopel (14. Sept. 1829) wurde es an die Turken
zurüdgegeben. Die Auflen hatten aber die Stadt
arg vermwüjtet, und viele Armenierfamilien wan—
derten auf rufj. Gebiet aus. Durd das Erdbeben
vom 2. Juni 1859 wurden zablreibe Gebäude in
Trümmer gelegt. Ein Verſuch der Rufen, die Stadt
9, Nov. 1877 zu überrumpeln, mißlang; erft im
Waffenftillftand von Adrianopel (Febr. 1878) wurde
ihnen die Bejegung E.3 zugeitanden, das fie jedoch
nad) dem Frieden von San Stefano wieder räumten.
Erzeugende, matbem. Linie, ſ. Cylinder.
Erzflöze, |. Erzlagerftätten.
Erzflüägeltaube, Bronzeflügeltaube
(Phaps chalcoptera Lath.), wegen ihrer Schönbeit,
pi Haltbarkeit und leichten VBermebrung ein be
iebter Bolierenvogel, der mit etwa 70 M. das Paar
bezablt und mit Hirje und Weizen gefüttert wird.
Die E. ftammt aus Sübdauftralien und iſt jtärler als
die Lahtaube. Das Männden unterſcheidet jih vom
Weibchen durd die bräunlichweiße Stirn. Beiden
gemeinſam find die metalliih glänzenden Flügel.
(S. Tafel: Tauben, Fig. 7.)
Erzfürften, |. erzog.
Erzgänge, ſ. Erzlagerjtätten und Gang.
Erzgebirge, Sächſiſches, dahförmiges Ge
birge, das 40 km breit, in einer Ausdehnung von
etwa 150 km in norböjtl. Richtung vom Elſter—
gebirge (f. d.) bis zum Sihfenpeingeßtsge (j. d.)
port (j. Karte: alien EYnteL een] . Süb:
iher Zeil), im ©. vom Egertbal und ım N. von
einer Linie begrenzt wird, die etwa über Noſſen, Hai:
nichen, Frantenberg, Chemnitz und Zwidau gezogen
edact werden fann. Nah ©. bricht es mit einem
im Mittel 500 m hoben Steilabjall ab, während
Erzgebirgijche Eijenbahn
Sich nah N. allmählich und fanft verflaht; nach
B. tritt e& in breiten Scieferplatcaus an die obere
Eaale. Infolge des Steilabjalld nah ©. öffnen
fit die zur Eger ziebenden Thäler nur in tiefen
Edluhten, während ſich nad N. langgedehnte, im
edern Zeile wildromantiſche, im untern fruchtbare
Ibäler eritreden. .Diefe beginnen nahe dem etwa
70 m boben Gebirgstamme in flahen Mulden
und eritreden ſich ala 200— 300 m tiefe, meift
ihmale,gewundene Rinnen weiter. Die Waſſerſcheide
liegt zumeift auf böbm. Gebiete. Die den nörbl.
Hohflähen aufgejegten Kuppen erheben ſich jelten
mebr als 200 m über ihre Umgebung, wie 5. B. vie
beiden hochſten einander gegenüberftebenden Gipfel
des Keilberges (f. d.) oder Sonnenwirbels (1238 m)
in Böbmen und des Fichtelberges (j. d.; 1213 m)
in Sachſen. Diefer im Uuellgebiete ver Zihopau
und der Zmwidauer Mulde gelegene Teil it der
böchite des E., das ſog. Sähfide Sibirien. Andere
Gipfel find: der Spigberg (1120 m), der Scheiben:
berg (805 m), der Bärenitein (898 m) und der Pohl⸗
berg (833 m). Zwiſchen dem Schwarzwafler, der
rang Muldeund Zwodau ragen noch der Auers⸗
e (1.d.; 1018 m), der Rammeläberg (996 m) und
der Schnedenftein (876 m) über das 800m hobe
Blateau bemwor. Der —** erreicht 942, der
Berniteinberg 921, der Kablenberg bei Altenberg 898
und der am öjtl. Flügel gelegene Haßberg 991m. Die
Waſſer des Gebirges jammeln ſich in der durch das
fog. wi iſche Beden vom Hauptlamm ge:
trennten Borftufedes ſchſ. Mittelgebirgs zur Mulde.
Als Hauptpäfle find zu nennen: der Ya von Nol-
lendorf, der von Tepliß über Birna nah Dresden
fübrt (675 m), der Zinnwalder Paß von Teplig nad)
Dippoldiswalde, der Sebaftianäberger Paß, der von
Komotau über Zihopaunah Chemnik — der Paß
von Gottesgab oder Oberwieſenthaler Paß (1085 m),
der höchſte, führt über Gottesgab und Joachims⸗
thal nad Karlsbad, die Straße Karlöbad: Platten:
banngeorgenftadt, der Wildentbaler Paß und der
& von Neuded (von Eibenftod nad Karlsbad).
Das E. wird von den Bahnlinien Eger: Adorf,
Frallenau » Graslig : Schöned, Komotau : Weipert:
nnaberg, KomotausKeigenhain-Marienberg und
Yrüz » Klojtergrab: Freiberg überfchient. Berührt
wird das Gebirge von zahlreihen Linien auf ſächſ.
und böhm. Seite. Das Klima ift im allgemeinen
raub; auf den Hochflächen gedeiht nur Hafer und
Kartoffeln. Das €. ift ſehr waldreich; bier findet
ſich der größte Teil der ſächſ. Staatswaldungen.
An dem geologiihen Aufbau beteiligen fid,
abgei von untergeorbneten jüngern Gebilden,
vor allem die ältejten Sedimentgejteine: Gneife,
Slimmerſchiefer und re und zwar in ber
Beife, daß eritere den flach kuppeljörmig gemölbten
Kern bilden, an deſſen nörbl. und weitl. Abfall ſich
die nächſtjungern Glimmerſchiefer anlegen, welche
wiederum von dem Urthonſchiefer (Phyllit) und
dann dislordant von dem otliegenden des erz⸗
oebitgiſchen Baſſins Zwidau⸗ Hainichen überlagert
werden. Die Gneiſe haben im mittlern, die Guͤm⸗
merſchiefer und Phyllite im füdweſtl. Teile ihre
eröbte Verbreitung. Die Schichten werden von jehr
zablreichen —— gang⸗ und ftodjörmig
durchiegt, jo von Granit und Syenit, Glimmer:
dierit, Borphyren und Melapbyren, denen fich eine
Anzahl ijolierter Bafalt: und Phonolithluppen zu
geſellt. Die Oberfläche ift vielfach mit Loß bevedt.
— Der Reihtum an Erzlagerjtätten bat dem €.
217
feinen Namen verfhafft. Seitdem bier 1163 eine
filberreihe Erzftufe entbedt wurde, manberten
Harzer eig 2er bierber, um die Erzſchätze aus:
zubeuten. Abgejeben von dem Vorlommen von
* (Geyer, Ehrenfriedersdorf, Zinnwald), von
idel und Kobalt (Schneeberg, Annaberg), von
Kupferlies, Rot:, Braun: und Magneteitenftein,
zieht fih von Meißen aus über Freiberg, “Marien:
berg und Annaberg bis nah Joachimsthal eine
Zone von filber: und bleierzführenden Gängen in
Adſüdweſtl. Richtung ſchräg über das Gebirge.
Das wichtigſte Gebiet für die Silberausbeute iſt
die Umgegend von Freiberg. Der Mittelpunkt für
die Gewinnung des Eifens ift Eibenftod. Zwiſchen
widau und Chemnig dehnt ſich ein mächtige:
teintoblenbeden aus. Im Zufammenbang mit
dem Bergbau, der jedoch bedeutend nachgelaſſen
bat, ſteht eine reiche Fabrikthätigfeit. Bejonders
wichtig ift die Tertilinduftrie in Chemnig, Blauen,
Glauchau, Erimmitihau, den Thälern der Mulde,
albopau, löha und Eljter. Eine dem, eigentüm:
iche Induſtrie iſt die Spigenllöppelei, die um 1560
durch Barbara Uttmann eingeführt wurde, Zur
eit beftehen über 20 —— — im E.
n Verbindung damit jteben Stiderei, MWirkerei,
ojamentierarbeiten und Seidenmweberei. Sehr vers
breitet ift Eifen:, Blech⸗, Spiel: und Holzwarenindu⸗
F auch werden Porzellan und Thonwaren,
affen und Chemilalien fabritmäßig_bergeftellt.
Dazu kommt Hausinduftrie, die ſich z. B. mit An:
fertigung von muſilaliſchen Inſtrumenten (in Mart:
neulirchen, Klingenthal, Graslis, Shönbab), Hand:
fhuben und Strobmwaren beichäftigt, und fo ertlärt
es fi, daß troß der geringen Ertragsfähigteit des
Bodens die Bevölterung, wenigſtens des ſächſ.
Teiles, zu den dichteften (207 auf 1 qkm), aller:
dings auch zu den ärmiten Deutichlands gebört.
Au) der böhm. Seite dagegen find die Bewohner
vieljah genötigt, auswärts ihr Brot zu *
(Muſilbanden, Harfeniſtinnen, hauptſächlich aus
dem böhm. Bezirl Preßnitz). Beſiedelt wurde das
E. von Koloniften aus Thüringen und Dftiranten,
deren Miihmundart jegt mehr und mebr der meiß:
niihen weight. (S. Deutihe Mundarten). Das €,
wird, jeit ein Erzgebirgsverein thätig ift, in neuerer
Zeit auch gern von Touriften befucht. — Vol. Mofer,
Reiſehandbuch für das ſächſiſche E. und das Vogt:
land (ep 1882); Weymann, Fuͤhrer vurd das böb-
miſche €. (Karlöb. 1881); I. Burgkhardt, Das E.,
eine orometriih:anthropogeogr. Studie; 9. Schurtz,
Die Bälle des E. (beide in den « Forſchungen zur
deutſchen Landes: und Voltätunde», Stuttg. 1888
u. 18%); Hardenberg, Das E. Praktiſches Reife:
bandbuch für den Zouriften (Dresd. 1888); von
Sußmilch gen. Hörnig, Das E. in Vorzeit, Ber:
angenbeit und —— (2. Aufl., Annab. 1894);
en. Das Übererzgebirge und feine Etädte
(2. Aufl., ebd. 1903); Koblihmidt, Sächſiſches E.
(Schmwarzenb. 1893); Griebens Neifebüdher: Tas €,
(4. Aufl., Berl. 1900); führer durd das Obererjge:
birge (Annab, 1901); Berlet, Wegweiſer dur das
ſächſ.bohmiſche €. (10. Aufl., ebd. 1902); Karte von
Gaebler (1:125000, 3. Aufl., Cbemn. 1902); Mein:
olds Überfichtäfarte (1:300000, Dresd. 1900). —
ber dad Ungariſche und Siebenbürgifde E.
f. Karpaten.
Erzgebirgiſche Eifenbahn, von Rieſa nad
Ehemnig, 1847 von Riefa nad Limmriß (29 km)
feitend der Erzgebirgiicben Eiſenbahngeſellſchaft er
218
öffnet, Ende 1850 vom ſächſ. Staate erworben, ſpäter
nad Chemniß (1852) und Zwickau (1858) Tortgeebt
(65 km), mit der Abzweigung Schönbörncen: Dee:
rane:-Gößnig (12 km); hiernach heißt die ganze Bahn
Niedererzgebirgiihe Staatseifenbahn.
Erzglanzitar, Singvogel, |. Stare.
guß, diejenige Operation, mitteld deren aus
den ala Erz bezeichneten Mifhungsmetallen oder
Legierungen (Bronze, Stablbronze, Kanonen: und
Glodenmetall u. |. m.) durch Gießen im flüffigen
Zuftande in Formen die betreffenden Gegenftände
(Statuen, Kanonen, Gloden u. j. w.) bergeftellt
werden. (5. Metallgießerei und Bildgiekeret.)
Erzherzog (Archidux), Titel der Prinzen des
Haufes Efterreih wegen ihrer angeblih von Kaiſer
driedrih I. 1156 ausgeſprochenen Gleichſtellung
mit den Aurfürften, die ald Verwalter von Erz
ämtern (f. d.) auch Erzfürften hießen. Allgemeine
Anerkennung fand der Titel erſt 1453 auf An:
ordnung Kaiſer Friedrichs UI.
—— ut, Erzherzogskrone, eine den
ofterr. Erzherzogen zuſtehende Krone von eigentüm⸗
licher Form. (S. Tafel: Kronen I, Fig. 13.)
— — ſ. Neltarinien nebſt Textab⸗
ildung.
——— im weitern Sinne jeder, der die Er⸗
ziehung (ſ. d.) eines unerwachſenen Menſchen leitet;
im engern Sinne foviel wie Hauslehrer (ſ. d.).
Erzieherin, Helferin oder Vertreterin der Mut:
ter bei Erziehung der Kinder, meistens auch mit dem
Unterricht betraut. Bon den €. wird daber wie von
den Lehrerinnen meiſt eine pädagogiiche und wiſſen⸗
ſchaftliche Vorbildung und das den einer Lehre:
rinnenprüfung verlangt. Es beſtehen wie für Lehre:
rinnen { d.) Heimftätten auch für E. auch für die
im YAuslande wirfenden (fo zu London und Paris).
Erziehung, im allgemeinen jede Einwirkung
auf unmündige Menihen, wodurch dieſelben an:
geregt und in den Stand gejekt werden, ſich auf
die Stufe der Münbdigfeit zu erbeben. Diefe Ein:
wirkung kann eine zufällige, unbewußte ober eine
abſichtliche, zielbewußte, planmäßige fein. Unab—
fihtlihe Einwirkungen erfährt das Kind z. B. durch
die Sprache, die es ſich nah und nad aneignet,
durch das Leben überhaupt, dur die äußern Ver:
bältniffe, in denen es aufwächſt, durch den befondern
Umgang u. 3 w. Im engern Sinne bat man jedoch
unter €, nicht dieſe, jondern eine planmäßige Ein:
wirtung Erwachjener zur Erreibung des genannten
Zieles zu verjtehen. Da die Entwidlung des Men:
den eigenen innern Geſetzen folgt und von den
befondern Anlagen der Zöglinge abhängig ift, fo
wird ber —— ſeine Aufgabe hauptſächlich darin
zu ſehen baben, dieſelbe anzuregen, zu unterjtüßen,
vor Störungen zu bewahren und in der rechten
Richtung zu erhalten. Die Stufe der Münpigteit
if erreicht, wenn der Zögling in den Stand geſeßt
it und es als feine Aufgabe erfennt, fernerbin jein
eigener Erzieher zu fein. Die E. hat ſowohl die
eritige wie die förperlihe Ausbildung des Men:
den zu betreiben. Auch die Ausbildung für einen
beitimmten Beruf bat die E. zur rechten Zeit zu
berüdjihtigen; aber immer fommt e3 darauf an,
daß dabei zugleich die Ausbildung der fittlichen
erg des Zöglings mweiter gefördert wird.
ordernis für eine gute E. iſt die auf vielfache
Beobachtung, nicht bloß auf die Theorie, gegründete
gr Kenntnis des Entwidlungsganges und ber
twidlungsgejege des menſchlichen Geiftes und
Erzglanzjtar — Erziehung
Körpers von jeiten des Erziebers jomie die Kennt:
nis der Mittel, welche anzumenden find, um bie
Entwidlung in rechter Weile anzuregen, zu unter
ftügen und in der rechten Richtung zu erbalten,
Die Einwirkung des Erziehers auf den Zögling ift
teild eine indirelte, requlierende, den verſchiedenen
Eindrüden und Einflüfjen gegenüber, melden len
terer ausgejeßt ift, teil eine direfte durch jeine
ganze Verjönlichkeit, insbefondere durch Belebrung
und Unterricht (f. Unterrihtswejen) und durch Pflege,
Gewöhnung und Zucht (j. Schulzudt). Die Geſetze
und Regeln für die Thätigleit des Erzieberö werben
in der Erziehungslebre oder Pädagogit (f. d.) darge:
ftellt. Die nächſte Stätte der €. ift naturgemäß das
elterlihe Haus (häusliche E.). Da aber die Eltern
oft nicht in der age, oder auch nicht fäbig find, die
ganze E. des Kindes zu übernehmen, da es ferner
aud von großer Wichtigleit ift, dab das Kind ſich
ſchon frühzeitig als Glied einer Gefamtbeit füblen
und bewegen lernt, fo bat fich die Notwendigleit
geltend gemacht, bejondere VBeranftaltungen zu
treffen, um die häusliche E. zu unterjtüßen, ja ın
ewiſſen Fällen ganz zu erjegen. Solde Beran:
——— ſind die Schulen, von denen einzelne
(Alumnate ſ. d.), Benftionate) die Zöglinge garı
bei fi aufnehmen, die Kindergärten (f. d.), die Hin:
derbewahranitalten (f. d.) und die Rettungshäuier
( d.) für fittlih verwabrlofte Kinder. Auch lann
die ragen. der Eltern bei der E. der Kinder
durch eine dazu befäbigte, zu dieſem Zwede in das
Haus aufgenommene Perſon, eine Erzieherin (ſ. d.)
oder einen Hauslebrer (f. d.) oder Hofmeifter itatt:
finden. Bei völliger Unfäbigleit der Eltern zur Aus:
Übung ibred Erziebungsredhts bat der Staat bie
Befugnis, für fittlih verwahrlofte Kinder die Map:
regel der en (f. d.) in Anwendung zu
bringen. In Sparta wurde nad der Befengebung
bes Yylurg die E. der Kinder ganz vom Staate
übernommen (Staatös oder öffentliche E.); in
neuerer * bat Fichte eine Nationalerziebun
in äbnlihem Sinne in Vorſchlag gebracht, und a
in der jeßigen jocialen Bewegung ſind Anjichten ver:
wandter Art aufgetaucht, obne in weitern Kreiſen
Antlang In finden. Cine eigentlihe Wiſſenſchaft
der E. giebt es erft jeit dem 16. yabıh. Beſonders
ſeitdem die Idee der Vollsſchule lebendiger wurde,
waren neben den Fragen des bloßen Unterrichts
auch die Principien der E. im allgemeinen Gegen⸗
ſtand vielfacher Erörterungen, und zwar ——
ſich daran nicht bloß die hervorragendſten Schul
männer (Trokendorf, Johannes Sturm, Midel
Neander, Wolfgang Ratıch, Amos Comenius, 4. 9.
ande, Baſedow, Campe, Salzmann, von Room,
Behtalos i und deſſen Schüler), jondern auch Philo⸗
fopben (M. von Montaigne, John Lode, Rouſſeau,
Kant, Fichte, Kraufe, Hegel, Roſenkranz, Herbart,
Ziller) und Theologen (Schleiermacher) und verſchie⸗
dentlih aud uniere Klaſſtler Goethe (in den «Wan:
derjabren»), Schiller («tiber aſthetiſche €, »), Jean
Paul («Levanas) u. I w. liber diereligiöfe E von
Kindern aus Miſcheben f. Kindererziehung, religiöie.
Litteratur. Schwarz und Eurtman, Allgemeine
Erziehungslehre (Lehrbuch der E., Bd. 1, nz. 1880);
Niemeyer, Grundfäke der E. und des Unterrichts
(neue YAusg., 3 Bde., Langenſalza 1878— 79);
Benete, Erziehungs: und Unterrichtslebre (neu von
Drebler, 4. Aufl., 2 Bde., Berl, 1876); Schleier
macher, Erziehungslehre (Sämtliche Werte, 3. Ab
teil., 9. Bv., ebd. 1849); Diefterweg, Wegweiler zur
Erziehungsanftalten — Erzlager
Abung für deutſche Lehrer (5. Aufl., 8 Bde., Eſſen
84-77), S. Baur, Geunbiäge der Erziehungs»
iebre (4. Aufl., Gießen 1887); Dittes, Schule ber
ogit (5. Aufl., Lpz. 189); Waik, Allgemeine
ogit (neue Ausg., Sangenfalza 1899); Strüm:
vl, Biychol. Bädagogit (2p5. 1880); Stop, Ency:
Nopädie, Metbodologie und Litteratur der Päda-
aogit (2. Aufl., ebd. 1878); Schiller, Handbuch der
mattiihen Bädagogil (3. Aufl., ebd. 1894); Balmer,
Evang. Pädagogit (5. Aufl., von Gundert, Stuttg.
1882); X. A. Schmidt, Encyllopädie des gefamten
—— und Unterrichtsweſens (fortgejeßt von
Schrader, 2. Aufl., 10 Bde. Lpz. 1876—87); deri.,
badagogiſches Handbuch für Schule und Haus
(2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1883 —84); Lindner, Ency:
Lopãd. anbbud der Erziehungstunde (4. le:
Bien 1891); Rein, Encyllopäd. Handbud der Pa:
bagoait (7 Bde., Langenſalza 1894—99); Schorn:
Blatb und Supprian, Handbuch der Erziehungs:
und eigen (Bd.1—2, Lpʒ. 1900, Klende,
Die Mutter ald Erzieherin (11. Aufl., ebd. 1899);
R. Lehmann, E. und Erzieher (Berl. 1901); Dtto,
Die Zukunftsſchule. Lehrgang, Einrichtungen und
Begründung (1. A. Lpz. 1901); K. Richter, Päda-
aogiice Bibliotbet (ebd. 1870 fe.); Mann, Biblio:
tbet pädagogifcher Klaſſiler (Langenjalza 1869 fg.);
Lindner, Pädagegiihe Klaſſiler (Wien 1876 fg.);
Monumenta Germaniae paedagogica, bg. von flebr:
dach (Bd. 1—20, Berl. — Padagogiſche
Zeit: und Streitfragen, Ku von Ihs. Meyer (Heft
1—57, Gotba und Wiesb. 1887—99); die Ger
chichten der — ———— von Schwarz, K. Schmidt
(4. Aufl., 4 Bde., Cöthen 1876—88), von Raumer,
Schiller (3. Aufl., Lpz. 1894), Ziegler Munch. 1895),
RK. A. Schmid (fortgejekt von G. Schmid, Bd. 1—5,
S 1884 — 1901); die pädagogiſchen Schriften
von art und Ziller (f. d.).
. Erzichungsanftalten, ſ. Alumnat, Pädago:
gtum, Rettungäbäujer und Sivangderäiehung.
iehungsfapital, die Gefamtheit der Koften,
die aufgewenbet werben müfjen, um den Menſchen
von der Geburt durd die unprobuftive Kindheits⸗
und — bis zu dem Alter der wirtſchaft⸗
lichen Selbſtaändigleit und Erwerbsfähigkeit zu brin⸗
gen. Das E. iſt natürlich um jo größer, eine je längere
und foftipieligere Vorbereitung und Ausbildung
it die von den Einzelnen gewählte Berufsthätig:
rberlich ift, und da infolge davon der Wett:
ıb in den höbern Berufszweigen verhältnis:
mäßig vermindert wird, jo wird man im allgemeinen
in dem Ertrag der letztern auch die Verzinjung eines
größern Kapitals finden, als bei den leichter zu:
wänglihen Erwerbözweigen. Doch muß aud der
gewöhnliche Arbeitälohn ausreichen, um das E. des
nob nicht arbeitäjähigen Nachwuchſes zu deden;
bie gegenwärtige Generation erjtattet das in ibr
angelegte €, ftetö dadurch zurüd, daß jeder Er:
werböjäbige eine Familie unterhält und für Aus:
bil feiner Kinder Sorge trägt.
Erz — — rziehungswiſſen—
aft, J. Padagogil.
Erz: Imprägnationen, ſ. Erzlagerſtätten.
Erzingjau, Erſingjanoder Erſindſchanlar—
meniſch Hein a), Hauptijtabt des Sandſchals E. im
ahatstürt, Wilajet Erzerum in Armenien, in 1160 m
Höbe, am rechten Ufer des Kara⸗ ſu oder weſtl. Gu:
pbrat, über den zwei, durch eine Inſel getrennte
Brüden führen, Eiß des Kommandos des 4. Armee:
lerps, bat 23000 €., meiſt Türten, einige 20 Mo:
219
fcheen, 4 armenifche Kirchen, Bazare und Bäder. Die
Ebene von E. bis Kemal (Gamadı) ift an Fruchtbar⸗
feit in ganı Kleinafien unübertroffen.
Erzfämmerer, j. Erzämter und Kammer.
Erzkanzler, eins der Erzämter (f. d.) des alten
Deutihen Reichs. Die Ausfertigung der Lönigl.
Urkunden und die Aufſicht über die tönigl. Schreiber
lag am fränf. 2 dem Referendarius ob, der in
der nachlaroling. Zeit Kanzler (f. d.) genannt wurde.
Da die Schreibtunft faft nur den Geiftlichen ver
traut war, jo waren ſowohl die Kanzliſten wie die
Vorfteber der Kanzlei (für lektere war die Bezeich⸗
nung «ftapelle» gebräuchlich) Kleriker. Dtto I. ſchuf
eine feite Orbnung. Er ernannte zum Kanzler zu:
erſt jeinen Bruder Bruno L (f, d.), dann feinen Sohn
Wilhelm, Erzbifhof von Mainz. Seitdem blieb das
Kanzleramt mit dem —— Stuhl von Mainz
fait bis zum Ende des Reichs in dauernder Ber:
bindung. Nominell gab ed im Deutfchen Reich drei
E., den Erzbifhof von Mainz für Deutfchland, den
Erzbiſchof von Köln für Jtalten und den Erzbiſchof
von Trier für Burgund. Die beiden legtern Wür—
ben waren aber ohne alle praftifche Bedeutung. Der
Erzbifhof von Mainz hatte ala E. die Borbereitun:
gen zur Königswahl zu treffen, die Fürften zu ihr
durch Briefe einzuladen, die Wablverbandlungen zu
leiten und die Protokolle audzufertigen. Diejelben
—— lagen ihm ob, fo oft ein Reichſstag ein:
erufen wurde und verfammelt war. Ferner war er
der Chef der königl. Kanzlei und ernannte und be
auffichtigte alle darin angeftellten Beamten.
Der €. hatte den Vorrang vor allen Kurfürften,
ſaß zur Rechten des Kaiſers, hatte den Borfik im
Kurfürftenfollegium und die — der allgemei⸗
nen Reichstagsangelegenheiten. Die mainziſche
Geſandtſchaft am Reichstage in — — wurde
daher als Reihspdireltorium und der Geſandte
als der Reichsdireltorialgeſandte bezeichnet.
Alle Eingaben und Schriftſtücke für ven Reichstag
mußten Bier eingereicht werben und mwurben von
bier aus azur Diktatur gebracht», d. h. vervielfältigt
und an die Gefandten der Stände verteilt. Auch die
Prüfung der Legitimation der Gefandten erfolgte
durh das Direktorium. Die Kanzlei des Reichs:
—* wurde von Mainz beſetzt; an der Spitze der:
jelben jtand der fog. Reichsdiktator, der den
Schreibern die Anfagezettel u. f. w. diltierte. Auch
das ganze Archiv des Reichstags ftand unter ber
Verwaltung des E. Die Beichlüfle des Reihstags
wurden vom E. im Original ausgefertigt, in der
mainzijchen Kanzlei ingrofjiert, gejiegelt und in be
—* Abſchriften den Ständen mitgeteilt. Die:
Ibn Rechte und Pflichten hatte der E. auch hin»
ichtlich der Reichsdeputationen. Auch verwaltete er
die faiferl. Hofkanzlei, ernannte den Vorſteher derſel⸗
ben (den Reichövicelangler) ſowie die Referendarien,
Sekretarien, Regiitratoren und Kanzliſten. Diejel:
ben Rechte übte er aus hinſichtlich der Kanzlei des
Reichshofrats, die von der «geheimen Reichshof:
fanzlei» verſchieden war. Auch die Kanzlei und das
Arhiv des Neichölammergeriht3 wurde vom E.
des Reichs bejest. Nach der Einverleibung des
linten Rheinufers in das franz. Staatägebiet und
nah dem Wegfall des Mainzer Kurfürftentums
wurde ein neues geiftliches Kurfürftentum Regens⸗
burg geihaffen und demjelben das Erzlanzleramt
übertragen. — Bgl. Seeliger, E. und Reichslanzleien
(Jnnäbr. 1889).
Erzlager, ſ. Erzlagerftätten.
220
Erzlagerftätten, örtliche zur Gewinnung geeig:
nete Anbäufungen irgendwelcher Erzarten, auch in
dem Falle, daß dieielben außer den Erzen andere,
nicht metalliihe Mineraljubitanzen fübren. Der
Form nah pflegt man die E. einzuteilen in die
regelmäßigen, wozu die Lager und Gänge
gen, und in die unregelmäßigen, mozu die
töde, Nefter und fog. Jmprägnationen
gerechnet werden. Dieje Formen jind leineswegs
immer fcharf gegenfeitig abgegrenzt, jondern geben
oft ineinander über, jo daß dann bie nd
nicht immer leicht fällt. Manche E. befteben weſent⸗
(ih nur aus einer Erzart, die meijten dagegen ent:
—— mebrere oder zahlreiche Erzarten miteinander
omie mit vielen nicht metalliiben Mineralien, den
sur oder Lagerarten, verbunden. Auf der Tafel:
Erzlagerftätten, Sig; 1, find die verfcbiedenen
ormen und Arten des Borlommens der E. über:
chtlich und ſchematiſch im Profil vereinigt.
Erzlager find Eraanhäufungen, die der Schich⸗
tung des jie einjchließenden Gebirges parallel ver:
** und ihrer ganzen Natur nach ſelbſt ala erz⸗
haltige Schichten Kr find, die ungefäbr oleid-
jeitig mit dem umgebenden u. d. b. nach ihrer
Unterlage, dem urſprünglich Yiegenden, und vor
ihrer Dede, dem uriprünglih Hangenden, gebildet
1% fein feinen (Fig. 1, a). ie eigentlichen
ager nehmen bei verhältnismäßig großer und
oft jebr wechſelnder Mächtigleit (Dide) nur ge:
ringe Flächenräume ein (3. B. die Eijenerzlager
der archäiſchen Formation), und davon pflegt man
wohl die Erzflöze zu unterſcheiden, die bei be
deutender, weientlich ununterbrochener Verbreitung
über weite Flächenräume eine ziemlich fonitant
bleibende, verhältnismäßig geringe Mädhtigfeit be
figen (3. B. die Eifenerzflöge des Braunen Juras,
das Mansfelder Kupferichieferflös). Die Erzlager
im allgemeinen bejteben vorzugsweife aus einer
oder mehren Schichten lompalten Erzes, z. B.
Brauneifenftein, Magneteifenftein; bie Grenzen
* Lager gegen das Hangende und Liegende
nd bald ſcharf und beſtimmt, bald aber finden ſich
aud allmäbhliche Übergänge in das oben und unten
einihließende Geſtein (Gegenfas zu Gängen). Da:
bei ijt die Verteilung der Erzmaſſen eine ziemlich
leihmäßige, und der Erzreichtum der Lagerjtätte
ängt mei bloß von der Mächtigkeit ab. Andere
Erzlager bejteben nur in einer Anbäufung bis:
meilen jebr jein verteilter Erzpartitelhen in einer
beftimmten Schicht (3. B. Kupferſchiefer). Wabre
Erjlager fommen nur innerhalb echt geidichteter
Geſteine vor, in denen fie aber au obne Unter:
ſchied des geolog. Alters auftreten. Unter allen
Erzen finden ſich entſchieden die Eifenfteine am
bäufigiten gerade in der Form von Lagern. Fur
die bergmänniſche Gewinnung ift die Lagerform
bei hinreichender Mächtigfeit und Qualität befon-
ders günjtig wegen ibrer Negelmäßigleit und Ver:
breitungsart, jomie wegen ber immerbin relativ
großen Bleichförmigleit des Erzgebalts.
Außer diejen in das Gebirge eingebetteten Eins
lagerungen giebt es auch oberflählibe Erzauf:
lagerungen, bie feine oder nur fpurenbafte Bes
dedung durch fremdes Gejtein befisen. * e⸗
bören z. B. die in der Tertiärzeit abgeſeßzten Ro
e im Gebiete des Weißen Juras, die alluvialen,
ſich jegt noch forterzeugenden Rajeneijenerze, Wiejens
erze, Sumpjerze, Morajterze in der großen Niebe:
rung des nördl. Gentraleuropas, vor allem aber
Erzlagerjtätten
auch die ſog. Seifenlager (Fig. 1,q), oberfläd-
liche Schuttablagerungen, namentlic folcbe von leb:
migen Sandmaſſen und Duarzgeröll, die in reichlicher
Menge edle Metalle, daneben aud Eveljteine in
fi enthalten. Dieſe lofen Schuttanbäufungen find
u betrachten als das Reſultat förmliber, von der
atur jelbit ausgeführter Waſchprozeſſe, bei denen
durh das Wegſchwemmen der leibtern, weichern
und vermwitterbaren Gejteind: und Mineralfrag:
mente der zerjtörten Felſen eine lolale Konzentra-
tion jener — harten und unzerſebaren Metall:
und Edelſteinteilchen bewirlt wurde. Bon ſolchen
Seifenlagern mit Gold, Platin, Zinnerz finden ſich
die edeln Metalle namentlich in Braſilien, Oft
indien, Kalifornien und im Ural, das Zinnerz in
Cornwall, Malata, Banka, Aujtralien. Die Ge
winnung dieſer Erze aus den Seifen ift viel lob-
nender al3 die von der urjprünglichen Zageritätte,
wo fie meift fein verteilt und ſpärlich eingejtreut
find, auch leichter wegen der Oberflächlichleit und
Loderbeit des fie führenden Schuttes. Fig. 7 ftellt
den Querſchnitt eines Goldfeifenlagers amliral
dar, wo die Goldlörner aus den Sand», Lehm⸗ und
Geröllfhichten b und e gemonnen werden, die bier
die unebene Oberfläche von kryſtalliniſchen Sciefer:
geiteinen (a) überdeden und jelbit no von einer jün-
gern unbaltigen Bodenſchicht (d) überlagert werden.
Erzgänge nennt man diejenigen Erzanbäufun
en, bie frübere, in dem feſten Geſtein aerifiene
palten ausgefüllt haben und ſich daher als mebr
oder weniger plattenförmige Körper darjtellen, die
je nah dem Verlauf der urjprüngliden Spalte
das Gejtein (Nebengejtein genannt) mie fremde
Mailen unter irgend einem Wintel durchſchneiden,
alfo aud in einem geſchichteten Gebirge allermeift
eine von der Schichtung ganz unabhängige Rid:
tung verfolgen (ig; 1,b,c,d,e,i,k). Dieſe jog.
durdgreifende agerung üft febr charalteriſtiſch
im _— zu den Erzlagern. Dod giebt es aud
echte Gänge, d. b. unzweifelhafte Spaltenausfül:
(ungen, die der Schichtung eines Gefteins parallel
** (wie in Fig. 1 bei f) und wohl als Lager:
änge bezeichnet werben, weil fie in ihrer en
cheinungsweiſe eine große Ähnlichleit mit Lagern
bejigen und leicht mit legtern verwecjelt werben
fönnen; tritt jedoch der Fall ein, daß ein der Schich
tung des Nebengeiteind paralleler vun einen an
dern oder mebrere durchichneidet («durdiegt»), mie
eö f gegenüber den eigentlihen Gängen c bemirtt,
fo ift vamit (abgefeben von der vielleicht vorhande⸗
nen lagenmweijen Strultur) feine Gangnatur, d. b.
feine Entftebung als Spaltenausfüllung, infofern
offenbar erwiejen, als ein echtes Lager, dem f viel:
leiht an andern Stellen gleiht, niemals einen
Gang zu durchſetzen im ftande ift, indem ihm die
durdgreifende Lagerung abgeht. Auch tommt es
vor, daß ein ſolcher Lagergang, nachdem er eine
Strede weit parallel zwiſchen den Schichten ſich ein:
bergezogen bat, plößlich in bezeichnender Weiſe feine
Richtung Ändert und die Schichten durchquert.
Kontaktgänge beißen die Spaltenausfüllungen,
die fih auf der Grenze a zwei verſchieden⸗
. Geiteinen, z. B. bei i in fig. 1, finden, ein
B ‚der gar nicht Feiten ift, wahrſcheinlich weil auf
olchen Grenzflächen bejonders leicht Spalten riſſen,
die nachber zu Gängen ausgefüllt wurden.
Den Durchſchnitt des Erzganges mit der Gebirg&
oberfläbe nennt man dad Ausgebende, das
Ausftreiben, Ausbeißen, feine beiden Seiten,
| ERZLAG]I
1. Verschiedene Formen der Erzlagerstätten in geschichtetem (4) und massigem (B) Gestein: a Lager.
o gangförmige, p stockförmige Im
2 Teil eines Freiberger Erzganges: a Schwefelmetalle,
(nurz, v lınels
83. Gangstiick von Freiberg mit «r
6%, Klealer Durchschnitt des Erzgebietes von Cornwall.
——— en —
i
, Durchsetzung un«l
7. boldeeifenlager nm Ir werfung.
Brocktiaus® Konversations- Lexikon. 14. Aut
STATTEN.
gewöhnliche Gänge, f Lagergang, ! Kontaktgang, k Netzgäuge, ! Lagerstock, m Gangstock, n lagerfürmige,
stionen, q Seifenlager, r Erzputzen.
Blende
Quarz
Flufsspat
Blende
Schwerspat
Schwefelkies
Schwerspat
Flufsspat
Schwefelkiex
Kalkspat
Kalkspatdrusen
Kalkspat
Schwefelkies
Flufsspat.
Schwerspat
- Schwefelkien.
Schwerspat
Blende
- Flufsspat * *
a — ———
— Quaræ
—— * — 4, Erzgänge im Kulkstein am Monte Calvi
ital. Pıovinz Pisa
8. Doppelter Erzgang. % Verästelung und Durchsetzung.
Erzlagerjtätten
alio die den wormaligen Spaltenwänden ——
gelegenen Gangteile, die Salbänder. Es giebt
Gänge, die nicht zu Tage ausgeben, indem entweder
die urfprüngliche Spalte im Geftein nicht bis zur
Oberfläche reichte oder neuere Ablagerungen das
den Gang enthaltende Gebirge bededt haben. Die
Nächtigkeit (Dide) der Erzgänge ift I wechſelnd,
nah Maßgabe der alten Spalte. Selbſtverſtändlich
bat aud ein und berjelbe Gang zufolge feiner
Spaltennatur nicht allentbalben eine gleichbleibende
Mädtigleit, bald «verdrüdt er fi», bald «thut er
hd wieder auf». Auch in der Länge, nad dem
Streiben walten große Verſchiedenheiten ob.
Dit geſchieht es, daß mehrere oder viele Grzgänge
jiemlih parallel nebeneinander verlaufen, jomobi in
ıbrer Längsrichtung als in ihrer Neigung (in ibrem
Steigen und allen), und den Kompler derjelben
nennt man alddann einen Gangzug. Wenn das
egen eine größere Anzahl von Gängen in einer
gend fih nach verſchiedenen Richtungen durch:
ihneiden (mie bei k in Fig. 1), fo bezeichnet man
diefelben ald Nepgänge, auch als einen Gang:
ftod, oder bei jchmaler Ausbildung der Gänge als
einen Trümerftod (3. B. die den Granit durd:
ihwärmenden Zinnerzgänge von Geyer und Alten
—* Erzgebirge). Wo u zwei Gänge fi
in ibrem Verlauf einfach durchſchneiden, da bilden
fe ein fog. Ganglreuz (mie 3. B. mebrfad in
sig. 6 und bei k in Fig. 1), und zwar bei faſt recht:
—— Durch jchnitt ein ſog. Winteltreuz, bei
ziemlich ſpizem Durchſchniti ein Scharkreuz. Auf
derartigen Gangkreuzen pflegen oft reichlichere oder
befiere Erze vorjulommen ald fie die einzelnen
Gänge in ihrem getrennten Verlauf enthalten. Gebt
der eine Etzgang einfach mit feinem Körper durd
den andern Da fo wird dies eine Durd:
iekung genannt, und zwar ift in ſolchem alle
allemal der durchſe zende Gang jünger ald der durch⸗
este, weil der legtere ſchon ala folder vorhanden
fein mußte, bevor diejenige Spalte durch ihn hin:
durbriß, die dann mit dem Material des durch⸗
legenden Ganges erfüllt wurde (3. B. Fig. 9, wo
ser Shweripatgang b durd den mit Blende und
Yleiglanz maſſi üllten ältern Gang a hindurch⸗
est). Sehr bäufg aber ift mit einer ſolchen Durch⸗
\efung zugleich eine ſog. Verwerfung verbunden,
d. h. die beiden ifolierten Teile des durchſetzten
Ganges haben eine gegenfeitige VBerrüdung oder
Veribiebung längs der durcfegenden Spalte er:
habren, fo daß diesſeit und jenjeit der letztern die
Stüde nit mehr aufeinander paflen (3. B. mehr:
ab in ig. 6); auch bier ift natürlicherweife der
verworfene Gang ſtets der ältere.
j die. 5, worin bie Pfeile die Richtung des Ein:
jallens bezeichnen, ftellt einen eigentümlichen Fall
von Berwerfung dar, bei dem es auf den eriten
Blid den Anſchein bat, ald ob gegen alle Wahr:
Ibeinlihleit der jüngere Gang b, der einen ältern
a jebr deutlih durchiekt bat, dennod von dem äl⸗
tern a fogar zweimal verworfen fei, was nad) der
ftreng matbem. Theorie der Verwerfungen durchs
aus unmöglich ift. Dieſer Widerſpruch löft ſich ins
deflen jebr einfach durch die Borausjegung, dab an
den Wänden des Altern Doppelganges a, nad:
dem er bereitö von b durchſeßt war, nochmals
Epalten aufgerifien find, die mit einer Verſchiebung
der Maſſen verbunden waren, ohne ausgefüllt zu
werben, d. b. ohne mwirflihe Gänge zu bilden, wie
dies jebr häufig geſchehen zu fein pflegt. Sole
221
Spalten heißen Verwerfungsklüfte. Aber nicht
alle Gragänge bie in ihren Richtungen aufeinander
ftoßen, rauen ſich zu durdjegen, bisweilen find
| ibre Mafien, zum Zeugnis einer faft gleichzeitigen
Ausfülung, an den Kreuzungspunlten innig mits
einander verwachſen, bisweilen jhleppen oder [baren
je ich, d. b. der eine oder beide Gänge ändern ibre
ichtung und laufen eine Strede weit parallel mit:
einander fort. Wenn ein Gang fi in zwei zer⸗
fpaltet, «gabelt» oder «zerichlägt», wie c in fig. 1
oder b in Fig, 9, fo wird bie lleinere Abgrenzung
derjelben ald Seitentrum bezeichnet.
Die Mafie des Erzganges beitebt nun einer
m aus metalliiben Mineralien (Erzen), anderer:
eitö aus nicbtmetalliiben Mineralfubftanzen der
ſog. ——— oder Lagerart, z. B. Quarz,
Raltipat, Schwerſpat, und beide pflegen bier weit
mannigfaltiger zu fein, als es bei den Erzlagern
der Fall if. Das quantitative Verhältnis beider
Zeile bedingt den Gegenſatz von reichen oder edlen
Mitteln zu tauben oder leeren Mitteln, den Gang⸗
artien, die ganz oder fat ganz aus Gangart bes
eben. In den andern Fällen bilden die Erz:
mittel größere oder Heinere unregelmäßige Mailen
(Nefter) in den Gangarten, oder fie ericheinen
darin bloß eingewachſen und eingeiprengt in lleinen
rundlihen oder edigen PBartiteln, auch finden ſich
Erze eingeiprengt in Erzen, 3. B. Kupferlies in
Bleiglanz. Eine intereflante —— vie⸗
ler Erzgänge iſt die lagenformige oder bandartige.
Die lagenmweife Anordnung befist oft eine große
Negelmäßigleit in der Art, daß diefelben Bänder
oder Schichten in einer gleiben Neibenfolge vom
Hangenden zum Liegenden und vom Liegenden
zum Hangenden oder von jedem Salband nah
der Mitte zu auftreten; die forrefpondierenden Ab:
fäge find gleichzeitig entſtanden.
ig. 3 liefert dafür ein Beifpiel, worin die von
a bis a geöfinete Spalte nab und nad von den
Bandungen ber dur 10 verjchiedene Mineral:
ſchichten ausgefüllt wurde, die durch die Buchſtaben
a biö k in ihrer hronol. Neibenfolge bezeichnet find.
Zuerft bildete jih an beiden Spaltenwänden bie
aus Zinkblende beftebende Pape a aus, darüber die
Quarzlage b, dann eine Flußipatlage c und fo fort
bis k, das die mitteljte aus Kallſpat beitebende
Doppellage ift. Da dieje beiderfeitig angefangene
Schicht den no übrigen Spaltenraum nicht allent«
balben völlig erfüllte, jo blieben teilweiſe flache
Hohlräume übrig, in die der Kaltipat austryitalli»
jierte und fo mittlere Drufenräume (l) bildete. Auch
die ſymmetriſche Anordnung der Lagen ift zumeilen
unterbrochen oder geitört, indem einzelne derjelben
nur einfeitig auftreten oder in einer falſchen Stel:
lung eingejchoben erfcheinen; diefe legtere Abwei—
hung von der normalen Symmetrie kann meift da⸗
durch erklärt werden, daß nad der eriten Ausfüls
lung der Spalte in dem jomeit fertigen Gange aufs
neue Spalten aufgerifjen find, die der anfänglichen
mebr oder weniger parallel verlaufen und erjt jpäter
von Mineralfubitanzen erfüllt wurden. Auf dieſe
Weiſe ſcheint ji 3. B. der in Sie. 2 dargeitellte
Fall am einfachſten deuten zu laſſen.
Fig. 8 zeigt den Durchſchnitt eines fog. Doppel:
ganges, der durch Ausfüllung zweier parallel
neben: und nadeinander aufgeriljener Spalten zu
erflären ift. In der durch a und b bezeichneten
Spalte ift zuerſt eine tryftallinifhe Quarzlage (a)
an beiden Wänden abgelagert worden und dann
222
wurde der mittlere Raum (b) durch eine Breccie
ausgefüllt, deren aus Blende und Bleiglanz be
ftebende Brucftüde durch Due verbunden find,
der die einzelnen Stüde radial umjtrablt. Die
Spalte zwijchen a und c ſcheint dann fpäter auf:
geriffen und durch ganz andere Materialien aus:
gefüllt worden zu fein.
Die Erzgänge find oftmald durchzogen von uns
regelmäßig geitalteten Höblungen, den jog. Drujen:
räumen, auf deren I{nnenwand allerhand Kryſtalli⸗
fationen zum Abſatz gelangt ſind. Während der
Spaltenausfüllung hineingefallene Bruditüde des
apa er find ziemlih häufige Erſcheinungen
in den Erzgängen; die platten Fragmente des ſchiefe⸗
rigen Nebengefteind liegen dabei meift parallel dem
Streihen und Fallen des Ganges, in deflen Maſſe
oftmals mächtige Keile und Scheidewände bildend.
Die fremden Gefteinsbruchftüde von ediger oder
aud mehr abgerundeter Geftalt find zumeilen
von fonzentrifben, zugleich radiallryſtalliniſchen
Erz: und Gangarten umbällt, förmlich lagenmeife
umtruftet und dann breccienartig miteinander ver:
bunden (jog. Kotardenerze, Ringelerze, mie
z. B. bei b ın Fig. 8).
dig 4 ftellt eine unregelmäßig zeripaltene und
von ängen durdzogene Marmorfelswand bes
Monte⸗Calvi bei Campiglia marittima in Toscana
dar, in der ſich die hiefigen Erze und Gangarten
aud — Ten gruppiert haben, jo daß
im Querbrud freisähnlide Lagen von ungleicher
Farbe und Beſchaffenheit ericheinen.
Fig. 6 liefert einen idealifierten Querfchnitt der
jebr verwidelten Gejteind: und Gangverhältniſſe
eines Zinnerzgebietes in Cornwall. Hier bejtebt die
Gegend vorwiegend auf dem von den dortigen Berg:
leuten Killas genannten Thonſchiefer (K); diefer i
zunächſt lokal unterbrochen und durchſetzt von mäch⸗
tigen Granitmaſſen (G), die bier und da auch Heine
gangförmige Ausläufer in den Thonjciefer hinein
entjenden. Dieje beiden Gefteine find nun aber
wieder mehrfach gangjörmig durchſetzt von einer Art
Quarjporpbyr (P), den die comijchen Bergleute El:
van zu nennen pflegen. Noch jpäter find dann zahl
reihe Spalten aufgeriffen, in denen ſich Zinnerze
und zum Zeil auch Rupfererze zugleich mit verſchie⸗
denen andern Minerallubftanzen ablagerten. Dieſe
Erzgänge find auf der Abbildung durch ſchwarze
Linien dargeſtellt, und es ift aus den Beziehungen
diejer Linien zueinander fofort ertennbar, daß dieje
Spalten in verſchiedenen Zeiten nacheinander auf:
erijjen und ausgefüllt worden fein müflen, denn
e treuzen fi nit nur vielfach, ſondern durchſetzen
und verwerfen fi aud ziemlich häufig, jo nament⸗
lich bei v und e. Die Heine Partie bei S deutet ein
Binnfeifenlager an, das bier offenbar durch teilmeife
mechan. Zeritörung, Ab⸗ und Anſchwemmung aus
den Zinnerzgängen entitanden iſt.
Die verſchiedenartigſten Erfahrungen liegen über
die wichtige Frage vor, in welcher Tiefe die Erzgänge
ibre * en Anbruche haben, und es iſt zweifel⸗
haft, ob darüber irgend eine feſte gemeinſame
Hegel exiſtiert. Anfänglich, fo müfjen wir an—
nebmen, bejitand das im Gange verteilte Erz für
viele Metalle lediglich oder vorzugsmeife aus einer
Verbindung derjelben mit Schwefel, aus Kupferkies,
Kupferalanz, Bleiglanz, Silberglanz, Zintblende
u. a. Schweielmetallen, wozu ſich Arjenmetalle ge
ſellen. Erze von ſolcher Beſchaffenheit lagern auch
moch allerorten unten in großer Tiefe in den Gängen,
Erzlagerftätten
ar der Nähe der Erboberfläde aber, wo die mit
sauerftoff beladenen Tagewaſſer fich bewegen, mo
die atmoſphäriſche Feuchtigkeit wirkt, da finden ſich
jene Erze auf dem. Wege in waflerbaltige Metall:
falge umgewandelt und von dem urfpränglic auch
dort vorhandenen Schwefel: oder Arjenmetall iſt
oft wenig mehr zu finden. Da treten dem Berg:
mann die zablreihen jchwefelfauren, arjenfauren,
eg toblenjauren Salze des Kupiers,
Bleies, Eiſens, auch Sauerftofjverbinbungen der
Metalle entgegen, fhöne Mineralien, oft von zier:
liber Kryitallifation und bübjcher Färbung. Die
Tiefe, bis ee der eine ſolche hem. Veränderung des
Ganginhalts von oben berabreicht, iſt oft nicht un:
bedeutend, beträgt manchmal 60—130 m, und erit
unterbalb —* Region trifft man dann auf das
alte urſprungliche Schwefelmetall. j
Mit diefen Vorgängen jteht aud der fog. Ciſerne
Hut in Berbindung. Sp nennt man In Deutib:
land das Ausgebende vieler reicher Erzgänge, weil
durch die em. Zerſetzung der meift ziemlich viel
Eijen enthaltenden Schwejelmetalle und des Eilen:
ſpats daneben viel Eifenoryd und Eifenoder gebil:
det wurde, deſſen rojtfarbene Subjtanz die gan
Gangmafje durchzieht und intenfiv braun Part.
Da nun diejer Eiſerne Hut die Anweſenbeit von
eifenhaltigen Schweielmetallen und von Eifenipat
vorausjegt und dieje häufig mit Silber: oder Blei⸗
erzen oder Gold verbunden find, jo lann er ein
Vertündiger unterirdifcher reicher Erzmittel fein.
Dasjelbe Oberflähengebilde heißt in Cornwall ter
Gofian, in Mexilo Bacos und Golorados, ın
Südamerita Negrillos.
Bei der frage nad der Bildung der Erzgänge
banbelt eö ſich um zwei getrennte Funtte, erſtens
wie die urſprungliche Spalte entſtanden, zweitens
wie die erzjührende Gangmaſſe bineingelangt ik.
Auf die erfte diefer Fragen antwortet die dynamiſche
Geologie. Den Abſaß der in den Gängen vor:
andenen metalliihen und nichtmetallifben Sub:
tanzen fann man ſich nur auf eine dreifach ver
chiedene Weife erfolgt vorftellen: die Ausfüllungs:
materialien ftammen entweder 1) von ber Erbober:
fläde, alfo von oben, oder fie find 2) aus der Ziele
in den Spalten emporgeftiegen, lommen aljo von
unten, ober fie rühren 3) aus dem recht und linke
befindlichen Nebengeftein, alſo von den Geiten ber,
Was nun die erhe Möglichleit betrifft, die jog-
Deicenfionstbeorie (1), jo hat diefelbe ſchon
feit Anfang diejes Jahrhunderts Leinen Bertreier
mehr gefunden, da jenes Material eben eine ganj
anders —*— atur beſitzt als die 9 dem
Erdboden zur Verfügung ſtehenden Stoffe.
eine Abftammung des eis aus ber
Tiefe angenommen wird, fo gliedert ſich dieſe
Xbeorie, die Aicenfionstheorie (2), wieder in
dreifacher Weife, k nad) der ipeciellen Borftellung,
die man mit dem Bildungsatte jelbft verknüpft: die
Erze könnten a. in Geftalt von Dämpfen, die ſich
verdichten, emporgeitiegen, oder b. in einem lava⸗
artig geſchmolzenen Zuftande auf den Spalten herauf:
gebrungen fein, oder c. als Erzeugnifie von Mineral:
quellen gelten, die aus der Tiefe ihren Weg nad
oben genommen und bie in ibnen gelöit entbaltenen
Stoffe an den Wänden ber Spalten zum rn
bracht haben. Als man ſich dem Studium der Vul⸗
tane und der vullaniſchen Erſcheinungen zumanbie,
glaubte man auch die Ausfüllung der ne ar
durch vultanifche Thätigkeit vermittelt. Vielfach war
Erzlagerjtätten
in den Spalten der erfaltenden Lavaſtröme, in den
Kratern der Bullane die dort durh Dämpfe und
Gaje zu ftande gelommene Bildung von —
Etjen, 3. B. Eiſenglanz u. a. Mineralien, beobach⸗
tet, mehrfach z. B. —— in den Gemäuerfugen
von Flammöfen unter Berbältnifjen erzeugt wahr:
genommen worden, daß er dort nur burd gegen:
veitige Einwirtung von Dämpfen abgejegt Jen
konnte, ja es gelang, eine Anzahl geſchwefelier Erze
aus den Metallgajen kunſtlich in Kryſtallform zu er»
balten und fo une Sublimationstheorie
2a) dur das nachabmende iment anſcheinend
weientlich zu jtügen. Andererjeit3 brach fich vielfach
die Überzeugung Babn, und fie ift lange fait herr:
ſchend geweſen, dab das Material der Gänge in
einem feurig erweichten, geſchmolzenen Buitande
aus den Erbtiefen, wo man von jeber ben .
der ſchweren Metalle vermutet batte, in den Spals
ten emporgeitiegen fei. Sie lönnten alfo vermittelft
der — Ausfüllung entſtanden fein und
durh die ſog. Injektionstheorie (2b) erllärt
werden. Doc) find ſolche Vorlommniſſe ganz außer:
ordentlibe Seltenbeiten, und es ftebt augenblid:
lih allgemein feit, daß beide Hypotheſen, die von
der dampfjörmigen Sublimation jomie die von
der rege Injektion, auf die Bildung der
um ih überwiegenden Anzahl der Erzgänge
feine Anwendung finden lönnen, und zwar bes:
balb, weil leineswegs metalliihe Erze allein die
Sangipalten erfäillen, jondern dieje darin innig ver:
wachſen vorlomanen mit einer ganzen Menge von
nihtmetalliiben Mineralien, mit Quarz, Kallſpat,
Hußipat, Schwerſpat u. ſ. w., unter Verhältniſſen,
welche die Bildung der einen nicht von der Bildung
der andern trennen lafjen. Zur Zeit aber gilt es
als ausgemacht, daß jene nichtmetalliſchen Minera⸗
lien bier weder aus Gaſen noch aus geichmolzenen
Stoffen jeit geworden find, weil ſowohl ihre chem.
Natur als auch ihre mikroſtopiſche Strultur einem
felben Bildungsporgange meiftens direlt wider:
ftreitet. Somit ıft für die allergrößte Mebrzabl der
Erjgänge diejen beiden Theorien der Boden voll:
Nändig entzogen. Erbeblih günitiger fteht ed um
die dritte der oben erwähnten Anjichten (2c), zufolge
deren man in den Erzgängen Abjäge von Mineral:
quellen zu erbliden bat, die von unten ber in den
Spalten aufgeitiegen find und ibre gelöften Teile
metallijher und urrmetallifcher Art an den Wänden
jur allmäbliben Abſcheidung braten. Die ganze
materielle Natur der Erzgänge, bie ber Subli:-
mationd und Injeltionstbeorie jo unüberwindliche
Scwierigleiten erıtgegengeitellt, ift gerade derart,
daß ſie umgelebrt dieſer jog. Infiltrationd:
theorie laut das Wort redet. Taufende von em.
Analyjen erweiſen, daß jene Stoffe, die in den Erz:
ängen fteden, wirklich in den zu Tage tretenden
‚uelmäflern, wenngleib manchmal nur in ſehr
kwaden Spuren, aufgelöit enthalten find, und
andererjeit# haben fich Die ger pn von außer:
erdentlih gehäuft, daß die auf den Erzgängen am
tiblihften vortommenden metalliihen und nicht:
metalliihen Mineralien fih aus dem Wafler und
nur aus dem Waſſer abgeichieven baben. Ferner
in es gelungen, eine ganze große Menge von fol
und Mineralien daburb vor unfern
Augen im Laboratorium und in der zugebörigen
Kryitallgeftalt zu erzeugen, dak man Gemäjler, die
mit diejen oder jenen Stoffen beladen waren, bald
bei gewöhnlicher, bald bei erböbter Temperatur
223
unter gewillen Umftänden aufeinander einwirken
ließ. Durch die fo oft zu beobadhtende ——
ujammenjeßung, ber ag einzelnen beider:
eitig forrejpondierenden en wird bie Bor:
tellung febr geitüßt, daß die Erfüllung der *
durch Abſcheidung aus Gewäſſern erfolgte. Wäh—
rend man aber bis in die neueſte Zeit in dieſen
innerhalb der Spalten cirkulierenden Gewäſſern
Mineralquellen zu ſehen geneigt war, die aus unbe⸗
lannter Tiefe in die Höbe ſtiegen, ſcheint neuerdings
eine etwas andere Modifilaſion dieſer Auffaſſung
Beifall zu —— Man behauptet, insbeſondere
nad dem Vorgang von Guſtav Biſchof, die Erze
tönnten allerdings nur als in Waſſer gelöft in bie
Spalten eingeführt worden fein; aber dieje Gewäſſer
urn feine emporjteigenden Mineralquellen gemefen,
ondern die gewöhnlichen Siderwajler des ben Erz:
ang entbaltenden Gebirgägeiteind, die auf ung
igen haarfeinen Klüftchen in den benachbarten
fen umberriejeln und aus ihnen jene Stoffe heraus:
löjen und berausfaugen, die nachher, wenn fie in
die offenen Spalten gelangen, dort von ihnen zum
Abjak gebracht werben. So würde alfo der Erzgang
nicht von unten, ſondern von der Seite ber ausge:
bildet, eine Zateraljetretion (3) jein. Doch ſtehen
auch diejer Yateraljetretionstheorie manche gewich—⸗
tige Bedenlen gegenüber, und fie iſt, wie jeve der
andern, nicht geeignet, univerjell die Bildung fämt:
liher Erzgänge zu erllären.
Erzitöde nennt man maffige, ihrer Geitalt
nad ganz unregelmäßige Erzanbäufungen in irgend
einem Geſtein oder auf der Grenze wi en zwei vers
hiedenartigen Gefteinen, wie 5.8. |, m und r in
Fig. 1; jene Unregelmäßigleit unterſcheidet fie von
den Bängen und Lagern, ihre beitimmte äußere Be:
grenzung von den Imprägnationen. Man pflegt fie
zu fondern in die Lagerftöde oder liegenden
und die Gangjtöde oder jtebenden Stöde,. Er:
ftere find folde, deren Hauptausdehnung ungefähr
der Schichtung des einjchließenden Geſteins folgt,
wie bei l, Fig. 1, leßtere —— deren Hauptaus⸗
dehnung von den Lagerungsverhältniſſen des Neben:
*— ganz unabhängig iſt, wie beim. Füllt eine
F
2
todförmige Maſſe nur eine Vertiefung der Ober:
äche aus, wie bei r, jo heißt fie wohl eine Erzbuge
oder Rahel. Auch bei den Stöden kann man vers
fcbiedenartige reichere und ärmere Regionen unter:
ſcheiden. Magneteifen tritt befonders häufig in
Stodform auf (Ural, Schweden), aber auch andere
Erze lommen auf ſolcher Lagerſtätte vor, hauptſäch⸗
lich im Kalkſtein, wie namentlich Bleiglanz, Blende,
Galmei. Die Lageritöde von unregelmäßiger Linſen⸗
geitalt geben bei geringer Mächtigleit in Sager über.
Als Erzimprägnationen werben folde
Lagerftätten bezeichnet, deren Erzteile dur bie
anze Mafje eines gewöhnlichen Geſteins verteilt
Im, obne jcharfe äußere —— ihres Vertei⸗
ungsraumes, 3. B. Magneteifen in Irpitallinifhen
Schiefern. Es ſind meiſtens lotale, förmlich wolten:
ähnliche Konzentrationen von Erzpartikelchen, die
aub außerhalb der Imprägnationszonen in dem
betreffenden Geitein, bier jedoch nur in fehr jpärs
liher Verbreitung, vortommen. Dabei können fie
auf Grund der allgemeinen Geitalt des von ihnen
eingenommenen Raums bald mebr lagerartig (mie
bei n in Fig. 1), bald mehr gangförmig (0) oder
jtodförmig 6) fein.
Litteratur. B.von Cotta, Die Lehre von den C.
(2. Aufl., 2 Bde., Freiberg 1859—61); Grimm, Die
224
Lagerftätten der nugbaren Mineralien (Prag 1869);
von Örodded, Die Lehre von den Lageritätten der Erze
(23. 1879); Sandberger, Unterfuhungen über Erz:
günge (Heft 1, Wiesb. 1882; Heit2, 1885); Bodepnd,
ber die Genefis der €. ( Wien 1895); Dahlblom,
Über magnetiſche E. (deutſch, Freiberg 1899); Bed,
Lehre von den E. (2 Tie., Berl. 1900—1).
Erzlori, Bapageienart, ſ. Breitſchwanzloris.
Erzmarfchall (mittellat. archimarescalcus),
eins der Erzämter (f. d.) des alten Deutſchen Reiche.
Das Amt des Marſchalls (f. d.) batte bereits am
fränt. Königshof eine hervorragende polit. Be:
deutung, teild wegen des Umfangs und des wirt:
ihaftlihen Wertes der königl. Gejtüte und Pferde:
ftände, teild wegen der ftet3 wachſenden militär.
Wichtigkeit der Banzerreiter. Meift hatte der Mar:
ſchall aud den militär. Oberbefebl über die Panzer:
reiter, und es erflärt fih hieraus die Berwendbun
der Worte Marſchall und Eonnttable (f. d.) ald Tite
für Feldherren. j
* Deutſchen Reiche ſtand das Amt des E. ſeit
früber Zeit dem Herzog von Sachſen zu; nach den
in dem fähf. Fürſtenhauſe 1212 und 1260 ein:
getretenen Teilungen war es unter den verichie:
denen Linien ftreitig, wurde aber unter Karl IV.
in der Goldenen Bulle 1355 und 1356 Sadjen-
Wittenberg ausicliehlich beigelegt und bi den
Schidjalen der ſächſ. Kurſtimme. Der Ebrendienit
des E. beftand darin, dem König bei deſſen Krö—
nungäfeier eine filberne Schüjlel, gefüllt mit Hafer,
darzureichen und bei der url Brozeffion un:
mittelbar vor dem König einberzufchreiten und
ihm das Reichsſchwert, eins der laiſerl. Snfignien,
vorzutragen. Dem Amt des E. verblieb im Ge:
— zu den andern Erzämtern inſofern eine ge
wiſſe ftaatsrechtlihe Bedeutung, als ibm die
Funltion oblag, bei der Königsmwahl die Polizei zu
Bandhaben und fall der König am Wahlort nicht
anweſend fein ollte, ihn jofort von der erfolgten
Wahl zu benachrichtigen. Auch in der Stadt, in
welcher ein Reichstag gebalten wurde, hatte ver E.
die Anmweifung und nein der Quartiere und
die dazu notwendige — der —— Zur
Ausübung dieſer Obliegenheiten war dem €, unter:
geordnet der Reichserbmarſchall (submarescal-
cus), ein Erbamt der Grafen von Bappenbeim. (©.
Erbämter.) Aber auch der Reihserbmarjhall war
am Reichstag nicht perjönlih anweſend, fondern
wurde vertreten durd den Untermaricall (sub-
stitutus subınarescalcus), für den der Titel Reich 3:
quartiermeijter üblih wurde. Für die Erlebis
gung ber Geihäfte beitand die jog. Reichserb—
marſchallskanzlei, beitebend aus einem Pap:
penbeimichen Hofrat, einem Negiitrator und zwei
Ranzlijten, von denen einer fatholiih und der an»
dere evangelifch fein mußte, und einem Polizei:
diener, dem jog. Reichsprofoß. Der Erbmarſchalls⸗
tanzlei lagen auch gewiſſe Kanzleigefchäfteam Reichs:
tag ob. Die nähern Beitimmungen wurden getrof:
fen in Berträgen des E. mit dem Reichserzkanzler
von 1529 und 1562 und in einem Vertrag des Reichs⸗
erbmarihalld, Grafen von Bappenbeim, mit den
Reichsſtädten vom 26. Dit. (5. Nov.) 1614.
Erzmittel, die zwiihen andern Gangarten oder
Mineralien lagernden Erze.
Erzpanneramt, j. Erzämter.
tel: im alten Deuticen Reib die Pfalz
amı Rhein, weil jie die vornebmite war.
Erzpoẽt, ſ. Arhivoeta.
Erzlori — Eſau
Erzprieſter (lat. archipresbyteri) oder Land⸗
detane (decani rurales), in der kath. Kirche ſeit
dem 9. Jahrh. die die nächſte Auffiht über eine An:
zahl Kirchen und deren Geiſtliche führenden Pfarrer.
Sie find die Mittelöperjonen zwiſchen den Geiit-
lichen ihres Bezirls und dem Biſchof und Die Organe
des legtern bei der Aufrechterhaltung der Ordnung
und der Durbfübrung neuer Einrihtungen und
Vorſchriften. Deshalb werden fie aub Bezirks:
vilare genannt. In der griecd.:lath. Kirche beißen
fie Protopresbyter.
Erzihatmeiiter, Erzichenf, |. Erzämter.
Erzſchleiche (Seps chalcides Bonap.), eine
bis 36 cm lange, nidtgiftige, gelbrote, glänzende,
oben meift mit einigen dunllern Streifen gezeich⸗
nete act: mit zwei auffallend kurzen, weit aus:
einanderjtebenden ep Ertremitätenpaaren,
durch die fie den libergang bildet zwijchen dem Stint
(f. d.) und den volllommen fußlojen Blindfchleichen
(j. d.). Sie bewohnt die Mittelmeerländer.
Erzfebetväros (pr. erſchehbetwahroſch), ungar.
Name von Elifabethitabt (j.d.) in Siebenbürgen.
Erzftahl, j. Eiienerzeugung.
Erzitifter, |. Stift.
Erzitöde, j. Erzlageritätten.
Erzteufe, die Teufe (Tiefe) eines Gebirges, die
vorzugsmeije reihe Ausbeute an Erz liefert.
Erztrucdhfen, j. Erzämter und Truchſeß.
Erzväter, j. Batriarben. _
8, älteres bis Ende Juni 1861 geieglih ae
weienes dän. Gewicht von 8 dän. Gran, *,, des
damaligen Ort, des Lots oder ss bed
Piundes (von 500 8) = 6l,ossısng. In Norwegen
wurde das Pfund (von 498,11 g) bis Ende Juni
1882 ebenfo eingeteilt wie in Dänemark; das nor:
weg. Es war daber = 60,84443 mg.
Es (ital. mi bemolle; franz. mi bemol; engl. e
Hat), in der Muſik das um einen halben Ton ernie:
drigte e (bezeichnet durch e mit einem $), ift von
dis nur enharmoniſch verſchieden.
65 (fr., ſpr. äb oder äbh), zujammengezogen aus
en les, in den, nur in einzelnen Verbindungen nes
bräuchlich: bachelier, licencié &s sciences, Bacca—
laureus, Licentiat der Wiſſenſchaften; maitre &s
arts, Magijter der freien Künſte; docteur &s lettres,
ds sciences, Doktor der Bbilofopbie.
€. S., deutiher Kupferſtecher, ver ih auf meb-
tern feiner Blätter der Initialen E. oder €. S.,
mitunter in Begleitung der Jahreszahlen 1465,
1466 und 1467 bediente. Er ſcheint im Dberrbein:
thal oder im Elſaß . um 1450 gelebt zu baben;
man kennt mebr al3 300 Stiche von feiner Hand,
darunter drei Daritellungen der wundertbätigen
Madonna von Ginjiedeln (1466), ein Figuren⸗
alpbabet und zwei Kartenspiele (ba. von Lebrs, Berl.
1891). Er kann als der geiltige Bater Martin
Schongauerö (f. d.) betrachtet werden. — Bal. Lionel
Cuſt, The master E. 8. (Lond. 1898).
farhaddon (ipr.ibjerhäpp’n),engl. Schreibung
für Aſarhaddon (j. d.).
Eſau (d. i. nah 1 Moſ. 25, 25 der Behaarte,
auch Edom, d. i. der Rote, genannt, nah 1 Mei.
25,30 wegen feines Wunjces, von dem «roten Ge
richt» zu efien), nad der bebr. Überlieferung ber
Stammpvater der Epomiter (j.d.). Der Bericht über
ihn im erften Buch Moſe jpiegelt ſpätere geſchicht⸗
lihe Verbältnifje wider. Die israel. Sage bezeich⸗
net ibn als den ältern Sobn Iſaals, d. b. die Evo»
miter find früber als Israel zu Macht und Anſeben
Esbjerg — Eiche
gelangt. Jakob (f. d.) jucht ihm ſchon bei der Geburt
j men, liftet ihm die Erjtgeburt wie den
Eegen des Vaters ab, d. b. Edom ift infolge der
———— Israels, fi ſudwarts auszubreiten
———— Die nach 1 Moſ. 27 von Iſaa
über b und €. geiprodenen Segenswunſche
nehmen außerdem auf die jabrhundertelangen
Kämpfe beider Völter deutlich Rüdjiht. _
Eöbjerg, Nordſeehaſen (Ladeplads), feit 1899
Stadt, im dän. Amte Ribe, der Infel Fand gegen:
über, an der Linie Lunderslov: Holjtebro :Pangaa
der Jutiſchen Eifenbahnen, ſteht mit der engl. Dit:
tüfte in lebbaftem region ar iſt Siß meh⸗
rerer Konſulate, darunter eines deutſchen, hat (1901)
13355 GE.; Reiterftatue Ehrijtiand IX. auf bem
Markt; bedeutende Inpuftrie, Fiſcherei und ift wich⸗
tiger Ausfuhrplag für Vieh, Sped, Yutter, Räfe
und R
Escadre (frz., {pr. -lahdr), joviel wie Geſchwader
(. dA für Flottille (f. d.).
Escadrille (fr;., ſpr. -drij), jeltene Bezeichnung
Eöcadron, |. Estadron,
@öcalade, ſ. Eslalade.
Esoalier (fr;., ipr. -Iieb), Treppe; E. de de-
gagement (fpr. -gafdh’'mäng) oder E. derobe, Ge:
beimmtreppe, Nebentreppe; Esprit d’escalier, Trep:
venmwiß, j. Esprit. .
Escalopes (ir;., pr. -Löp), Heine runde Schei⸗
ben von Wildbret, Geflügel, Fiſch, Kalbfleiſch u. ſ. w.,
die gedampft oder gebraten und mit einer Sauce
angerichtet werden.
scambia:River (ſpr. ẽslämmbie riww'r),
Küſtenfluß des nordameril. Staates Florida, ent⸗
ttebt aus der Vereinigung des im Staate Alabama
entipringenden Pigeon⸗Creel und Gonecub: River
und ergießt fi in den Golf von Mexilo. Seine
buchtenartig einfhneidende Mündung bildet den
ausgezeichneten Hafen von Penjacola (f. d.).,
Edcamstieren (frz.), durch Taſchenſpielerei,
dann auch überhaupt heimlich, unvermerlt ver:
ſchwinden lafjen, wegihafien; Escamoteur (jpr.
-töhr), Zajcenipieler; Cöcamotage (Ipr. -tabid"),
Taichenipielerei (auch figürlich).
eandal (ipr. -Tangdal), Mehrzahl Escan—
daur (ipr. -langdob), älteres, in der Preisjtellung
nob üblihes Flüffigteitsmaß in Marjeille, auch in
Toulonin — —— Der E. war ehemals
die Einheit ver Marſeiller Flüſſigleitsmaße und hatte
den Inhalt eines Kubil:Ban, war alſo geſetzlich =
15,92455 1; die Marjeiller Aicher nahmen aber den
Ban etwas Heiner an und den E. = 15,352 1. In
neuerer Zeit rechnet man den legtern bei der Preis:
notierung genau = 161. Der €. war *, der Mille
rolle und wurde ald Weinmaß in 15 Pots zu
4 Duarts (Biertel) oder Vihounes, ald Olmaß in
40 Quarterons geteilt; an Gewicht nimmt man jeis
nen Baumölinbalt zu 14'/, bis 14°, kg an,
Eöcarpe (frz., ſpr. -tärp), ſ. Estarpe.
Escarpins (ir;., jpr. -päng), Zanzihube; en
escarpins (jpr. anneslarpäng), im Ballanzug (nad)
überer, unter anderm 1890 am preuß. Hofe wie:
der eingeführter Mode, mit kurzen Beinkleivern,
eidenen Strümpfen, Schnallenj&huben).
Escaut (fpr. -Lob), franz. Name der Schelbe (f.d.).
Edcayrac de Lauture (fpr. -täräd dE lotübr),
Stanislas, Graf von, Afrikareijender, geb. 6. Dez.
1830, befuchte bereit 1847 Madagaslar, die Co:
moren, Sanfıbar, fpäter die Küjten der Berberei und
Uarrten fowie 1849 Kordofan und Talale, von wo
Grodbaud’ Komperjations-Beriton. 14. Aufl. R.U VI.
225
er über Chartum und Sualin 1850 zurüdtebrte. Er
wurde 1856 vom Bicelönig von Ughpten — Ehe
einer großartig angelegten internationalen Erpe:
bition zur Erforjchung der Nilquellen ernannt, welche
Erpebition aber jhon in Ügypten ſelbſt jcheiterte.
Als Cbef einer wiſſenſchaftlichen Miffion begleitete
er 1860 die franz. Truppen nad Peling, geriet in
chineſ. Gefangenſchaft und kehrte 1861 leidend zu:
rüd. Er ftarb 20. Dez. 1868 zu Fontainebleau.
Außer vielen Abhandlungen in Ian, anne
veröffentlichte er: «Notice sur le Kordofan» (1851),
«Le Dösert et le Soudan» (1853; deutſch Lpz.
1855), «M&moire sur le ragle, ou hallucination
du d&sert» (1855), «M&moires sur leSoudan»(1855),
«Mömoires sur la Chine» (1864). — Bol. Durand⸗
Zapie, Le comte d’E. La vie et ses ouvrages
(Bar. 1899).
Esch., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab:
ir > für Joh. Friedr. Eſchſcholtz (ſ. d.).
ära (grch.), Schorf, Brandicorf, eine trus
ftenartige Schicht abge torbenen Gewebes, die ent»
weder fpontan beim Brand oder bei Anwendung
des Gluͤheiſens oder eines Üigmittels entiteht.
Es ‚ Familie der Moostierden (f. d.),
mit talligem, blätterigem, biöweilen negartigem
Stelett,mit wechfelitändigen Einzelzellen. Zahlreiche
Arten des Meers vom Jura an bis in die Jeßztzeit.
Edöchatolögie (grch.), in der firhlihen Dogmatil
die Lehre von den * legten Dingen (lat. res no-
vissimae, d. b: ultimae; griedy. ta 6schata), d. h. vom
Enpdgeihid ſowohl der Einzelnen nad dem Tode
als aud der Welt und der Menſchheit. Dabin ges
börenZod, Zwiſchenzuſtand, ger Reich
j. Ehiliasmus), Wiederkunft Chriſti, Auferſtehung,
eltgericht, Weltende. Im Mittelalter und in der
Rejormationgzeit waren phantaftiihe Ausmalungen
der legten Dinge bei apolalyptiſchen Parteien jehr
verbreitet. Innerhalb der evang. Kirche beichäf-
tigten fih damit namentlih die Theoſophen der
Bengel:Detingerfhen Schule. Scleiermader be:
banvelte die E. unter dem Namen Ba er Lehr:
ftüde, die feine eigentlihen Glaubensſätze jeien, da
fie nıht auf fronımer Erfahrung berubten. Der
Rationalismus bielt nur die Hoffnung perfönlicer
Unſterblichleit je Die Hegelihe Schule beitritt
auch dieſe und juchte das Unendliche im Endlichen,
das Ewige im Zeitlihen als lebendige Gegenwart
zu ergreifen. Die moderne theiſtiſche Spekulation
N}: 9. Fichte, Ulrici, Weiße, Rothe u. a.) hat die
eiblihe Fortdauer der Individuen neu zu begrün:
den verſucht und auf die E. wieder großes Gewicht
gelegt. Die neuere, ziemlidy zablreiche Litteratur
über E. gehört ausſchließlich der orthodor:pietifti«
ihen Richtung an.
& baal, |. Isboſeth.
beerbaum, die Ebereice (f. d. und Tafel:
Laubhölzer: Waldbäume VI, fie. 1).
Eiche (Fraxinus L.), Pflanzengattung aus ber
Familie der Dleaceen (f.d.); man tennt gegen 30 Ars
ten, die in den nörbliden gemäßigten und fub-
tropifhen Gegenden wild wachſen. Die E. haben
egenitändige, unpaarig gefiederte Blätter und zwei⸗
äufige oder polygamijche, bühenlofe, bloß auf die
Geſchlechtsorgane reduzierte, aus Seitentnofpen ſich
entwidelnde Blüten, Die männlichen find aus zwei
Staubgefähen, die Zwitterblüten aus einem Stem:
pel und zwei Staubgefäßen zufammengejekt, die
weiblihen haben nur einen Stempel. Die Blütezeit
ı fällt in den fyrübling vor dem Laubausbrud, wo
15
226
die wegen der meiſt violetten Staubbeutel gemöbn:
lich jhmwärzlih gefärbten Blüten in Büchel oder
Riſpen geitellt erſcheinen; aus den Stempeln ent:
widelt ſich eine einfamige Schließfrucht mit langem,
lanzettförmigem, leverartigem Flügel.
nter den europ. Eſchenarten tft die gemeine E.
(Fraxinus excelsior L.) die widhtigfte. Die großen
Blätter find aus 8—15 ſitzenden Blätthen an ge
meinjamem Stiel zuſammen efegt; nur die erſten
Laubblätter der Keimpflanze And ftetö einfach, die
zweiten find zwei⸗ bis dreiteilig u. ſ. w.; die Blätt-
chen find lanzettförmig, ungleich ſcharf aefägt. Die
Knospen find dunkel ſchwarzbraun. Die gemeine
E. iß ein ſchöner Baum erſter Größe, der nicht jel-
ten biö 30 m hoch wird, in der Jugend mit grünlich:
grauer, jeinrijfiger Rinde, im Vöhern Iter mit
rauber, längärifitger Borte. Sie iſt durd fait ganz
Europa fowie die Kaufafusländer verbreitet und
mebr ein Baum der feuchten Niederungen, der Fluß:
auen als des Gebirges, doch fehlt fie legterm nicht;
in den Alpen fteigt fie bis 1200, wohl auch 1300 m
Meeresböbe. Walpbildend ift die E. nur auf ihr
[ehr zufagenden Standorten, z. B. im ungar. Tief:
ande, in Slawonien in den feuchten Jnundations:
gebieten der Flüfje; in Deutichland findet fie ſich
einzeln und borjtweife eingemengt in Laubmwäldern,
namentlih in Buchen, vielfach u angebaut an
Bachufern. Sie befikt eine große Ausihlagsfäbig:
feit ſowohl aus dem Stod ald aus dem Stamm,
weshalb ſie fich zum Niederwald-, Kopf: und Schnei:
deiholzbetrieb gut eignet; leßterer wird namentlich
ur Gewinnung von Futterlaub angewendet, z. B.
in einigen öfterr. Alpenländern. Ihr weihes, zäbes,
bartes Hol; wird von Stellmadern und Tiſchlern jebr
eſucht (j. Tafel: Fremdlaändiſche Nutzhölzer,
ge 5, beim Artifel Holz) und ſteht bezüglich der
rennfraft nabe dem ber Buche. Die fhlanten zäben
Stodlohden find von jeber zu Lanzenſchaften ver:
wendet worden, jüngere zu Beitfchenitielen. Gefahren
tft die E, in Deutichland vielfach ausgeſetzt; in der
Jugend leidet fie jebr von Spätfröjten und Verdäm—
mung burd hoben Graswuchs. Später wird ſie durch
Mild und MWeidevieb oft fo beſchädigt, daß fie ein:
gebt. Mancherlei Inſelten werden ibr gefährlich, fo
B. die Sornifle, welche die jungen Triebe fhält,
der hauptſächlich von Eichenlaub lebende, unter dem
Namen Spanische Fliege (1. d. und Tafel: Schäd—
lie Forſtinſekten I, Fig. 1, beim Artilel Forft:
infelten) betannte Käfer(Lytta vesicatoria Z.), zwei
Bortentläfer, Hylesinus crenatus Fabr. und fraxini
Fabr. (f. Tafel I, Fig. Sa und b).
Die Abbildung auf Tafel: Laubbölzer: Wald:
bäumeV, Fig.2, zeigt die gemeine E. ald Baum,
außerdem ı einen blübenvden Kurztrieb mit Zwitter:
blüten, deſſen Endknoſpe fich bereits entfaltet, 2 ein
Blatt, s und + Zwitterblüten, s männliche Blüte,
bloß aus zwei Staubgefäßen beſtehend, s Frucht:
fnoten mit weggejchnittener Vorderwand, um die
am Samenträger bängenden Samentnofpen zu
eigen, 7 Querſchnitt desjelben, s Zweigſpitze im
inter mit anbängenden Früchten, » geöffnete
Frucht mit an dem Samenfaben hängenden Samen,
10 einen Teil des auseinandergelegten Samen:
lappen® mit dem Keimling, u Querſchnitt des
Samen, ı2 Keimpflanze.
Die füdeurop. Eichenarten, fo z. B. Fraxinus oxy-
carpa Willd., find meift zu empfindlich für das deut:
be Klima, dagegen vertragen mebrere nordameril.
rten dasfelbe aut, fo namentlich die gemeine ame:
Eichel — Eſchenbach (Bezirksamt und Stadt)
ritanifhe oder Weißeſche (Fraxinus ameri-
cana L.), von der das zu Bootöriemen benußte
Eſchenholz (White Ash, Ash Wood, Bois de frene)
ftammt, die Roteſche (Fraxinus pennsylvanica
Marsh.) u.a. m., die vielfach in Gärten angebaut
werden. Die meiften ameril. Arten baben nicht
figende, jondern geftielte Blättchen. Von der gemei-
nen €, fennt man manderlei Varietäten, jo die
einfabhblätterige €. (Fraxinus monophylla
Desf. oder simplicifolia Wılld.), eine Spielart, die
früber für eine eigene Art gehalten wurde, deren
Blätter alle auf der Entwidlungsitufe der ——
Laubblätter verharren, alſo nicht gefiedert find, ſon⸗
dern einfach eiförmig bleiben; die Hänge: oder
Zrauerejce (var. pendula) mit berabbängenden
Langtrieben und Üſten, die man vielfach zu Lau:
ben verwendet; fie entitebt zumeilen von felbit
aus Sämlingen und wird durd Pfropfen auf
Stämme gemwöhnliher Form vervielfältigt; die
Goldeſche (var. aurea), deren Zweige rötlich:
elbe Rinde befigen; die frausblätterige €.
Ir crispa) mit bunfelgrünen, am Rande ge
räuſelten Fiederblättchen.
Zur Gattung E. wird gewöhnlich auch die Blu—
meneſche (Fraxinus ornus L.) gerechnet. Andere
bilden aus den Blumeneſchen eine beiondere Bat:
tung Ornus. Die meijt zwitterigen Blüten diefer
Gattung Öffnen fich erſt nach völliger Entfaltung der
Blätter, jteben in endftändigen, großen, aus Trug:
dolden zufammengejegten Sträußen, die in den
Gnbtnefpen fih entwideln, haben Heine zwei⸗ bis
vierteilige Kelche und zwei bis vier lan ——
Blu lätter. Im eng find die di er ge
börigen, in Südeuropa, Aſien und Nordamerila
heimiſchen Arten denen der — febr
ähnlich. Die bäufigfte Art ift die Blumen: oder
Manna-Eſche (Ornus europaea Pers.). Die Blät:
ter beftehen nur aus drei bi& fünf Paaren gegen:
ftändiger Fiederblättchen mit einem Enpblätten,
die Knoſpen find hell graubraun, die wohlriechenden
Blüten baben vier weiße Blumenblätter. Der mit
bell aſchgrauer, etwas rauber Rinde bevedte Baum
wird jelten bis 10 m bob; er ift in faft ganz; Sud⸗
europa und im Orient —— ſteigt in Südtirol
bis etwa 800 m Meereshöhe, ift ald mehr oder
weniger früppeliger Straub bäufig in den Stein:
meeren der arfigebiete Oſterreichs u. ſ. w. Die
Blumeneſche liefert zwiſchen Mitte Juni und Ende
li an Stämmen und Zweigen durch ſelbſtent⸗
tebende oder auch fünftlih berporgerufene Riſſe
der Rinde einen zuderreichen, fich felbit verbidenden
Saft, der ald Manna (f. d.) in den Handel kommt.
Auch infolge der Stiche einer großen Eitade (Cicada
orni L.) quillt diefer Saft aus. Die Blumeneſche
wird als Zierbaum (auch zu Allen) häufig ange
pflanzt, ebenfo einige gemeine Varietäten.
chel, die feinste Sorte der Smalte (f. d.).
Eschen, Ehen oder Höhen (d. h. Tleines
3), hieß ein — Heines deutſches Gewicht.
Die kölniſche Mark wurde in 4352 €. geteilt, und
das E. war = 53,725 mg = 9,2713 lölniihe Aa
= 1,117804 bolländ. As. (©. As.)
Eſchenbach. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.
Bez. Oberpfalz, hat 507,44 qkm und (1900) 22058
(10608 männl., 11450 weibl.) €., 53 Gemein:
den, darunter 5 Städte. — 2) Bezirköftabt im Be
zirksamt E., 50 km im N. von Amberg, in 433 m
Höbe, Sik des Bezirtsamtes, eined Amtsgerichts
(Landgericht Weiden) und Rentamtes, hat (1900)
Eichenbah (Ulrich von) — Eicher
1286 €., darıınter 26 Evangelifche, (1905) 1315 E.,
boſterpedition, Telegrapb, zwei tatb. Kirchen und ein
Beitlätrantenbaus, — 3) Stadt im ——
Gunzenbaufen des bayr. Reg.Bez. Mittelfranken,
die Heimat Wolframs von E., bat (1900) 953, (1905)
389 metit fatb. E., Vofterpedition, Telegrapb, eine
tatb. Biarrlirche und Dentmal Wolframs von €.
Eſchenbach, Ulrih von, deutſcher Epiker, der
am Hofe des Erzbiſchofs Friedrichs II. von Salz:
burg (aeit. 1284) und Wenzels II. von Böhmen
(get. 1305) lebte, verfaßte, feinen Namensvetter
und vielleiht Verwandten Wolfram von E, nad:
abmend, zwei Epen, in denen er die Lügen der Ar:
tusromane durch biltor. Wabrbeitverbrängenmollte;
er wußte nicht, daß fein «ANlerander», um 1284 be:
ſonders nad der «Alexandreis» des MWaltber von
Ehatillon gedichtet (bg. von Toifcher in der «Biblio:
tbet des Litterar. Bereind» in Stuttgart, Bo. 183),
und jein «eWilbelm von Wenden», für den er um
1290 den «Guillaume d’Angleterre» des Chrötien
von Troyes benußte (bg. von Toiſcher, Prag 1876),
nicht minder nur waren als jene Artusgedichte.
Eſchenbach, Wolfram von, ſ. Wolfram von
ad.
Eichenbaftfäfer, f. Hylesinus und Tafel:
Schädliche Forſtinſekten I, Fig.8a u. b, beim
Artitel Forftinjetten.
Eichenburg, Job. Joabim, Litterarbiftorifer,
geb. 7. Des. 1743 zu Hamburg, ftudierte in Leipzig
und Göttingen Theologie und Philofophie, kam
1767 nach Braunſchweig und erhielt dort 1768
eine Profeſſur am Carolinum, befreundete fich mit
Leffing imni (va. E.s Briefwechſel mit ibm in
Hempels «Belfing, usgabe», Bd. 20), wurde 1786
zum —— ernannt und ſtarb als Mitdirektor des
Carolinums 29. Febr. 1820. Deutſchland verdankt
ſeinen Überjeßungen die Bekanntſchaft mit den vor:
züglichiten engl. Schriftitellern im Gebiete der ae.
tif, wie z.B. Browns, Webb, Burneys, Prieftleys
und Hurds; ferner gab er die erjte vollitändige Über:
tragung von Shaleſpeares «Schaufpielen» (13 Bde.,
Zür. ing Sehr nützlich waren jeine wifjen:
Maftlich nit jelbjtänbigen, aber höchſt überjicht:
lihen und gelebrten Handbücher, jo der «Entwurf
einer Theorie und Litteratur der jhönen Willen:
ihaften» (Berl. 1783; 5. Aufl. von Binder, ebd. 1836)
mit der «Beilpielfammlung zur Theorie und Littes
ratur der jhönen Wifjenjchaften» (8 Bde., ebd. 1788
— 3), fein «Lehrbud der Wiſſenſchaftskunde⸗ (ebd.
1792; 7. Aufl. 1825), das «Handbuch der Haffiichen
Litteratur⸗ (ebd. 1783;8. Aufl.,von Fütle, ebd. 1837).
Mit jeinen «Dentmälern altdeutſcher Dichtkunft»
(Brem. 1799) und feiner Ausgabe von Boners «Evel-
ftein» (Berl. 1810) war er einer der erjten, melde
Dichtungen des Mittelalterö neu befannt madten;
aub den Werken neuerer deutſcher Dichter, wie
Zacharia, Ebert, Hagedorn, Sciebeler und einzel:
nen Schriften Leſſings wandte er feine Herausgeber:
forgfalt zu. Seine Igrifhen, epiſchen und dramat.
Berjuche, wie die Dperetten «Lucas und Hannden»,
«Der Dejerteur» u. a., find unbedeutend, nur einige
feiner geiftlihen Lieder baben ſich noch erhalten.
Eihenlohe, Dorf im Bezirlsamt Garmisch des
bayr. Kea.:Bez. Oberbayern, 9 km im ©. von Mur:
nau, am Austritt der Loiſach aus den Alpen und an
der Nebenlinie Murnau:Garmiic: Bartentirchen der
Lelalbahn⸗Altiengeſellſchaft, bat (1900) 507 kath. €.,
eine ftarte Schmefelauelle; Holzhandel, Fylößerei und
Obftbau. Auf dem nahen Beitbühl, derin früherer
227
Zeit eine Burg der Grafen von €, trug, befindet ſich
eine Kirche. j
chenmayer, Adam Karl Aug., Philoſoph
und Naturforſcher, geb. 4. Juli 1768 zu Neuenburg
im Württembergifchen, wurde 1811 außerorb. Pro:
fefior der Pbhilofopbie und Medizin in Tübingen
und 1818 ord. Brolefer der vraltilihen Philofopbie
dafelbft. Er lebte feit 1836 zu Kirchheim unter Ted,
wo er 17. Nov. 1852 ftarb. Seine — — läßt
ſich auf die Kantſche —— zurückführen.
Auch von Schelling gewann E. viele ſpekulative
Anregungen, ohne jedoch an deſſen abſoluter pen:
titãtslehre eh Unter feinen —
Schriften find zu nennen: «Süße aus der Naturmeta⸗
pbyfil» (Erlangen 1797), «Berfuc, die Gejege magne:
tiiher Erſcheinungen aus Sätzen der Naturmeta-
phyſil zu entwideln» (Tüb. 1798), «Die Philojophie
in ihrem Übergange zur Nihtphilofophie» (Erlans
gen 1803), « Verſuch, die jheinbare Magie des tie:
riſchen Magnetismus aus phyſiol. und pſychiſchen
Gefegen zu erflären» (Tüb. 1816), «Syftem der
Moralphilofopbie» (Stuttg. 1818), « Normalrecht»
(2 Bde., ebd. 1819—20), «Piychologie in drei Tei⸗
len, als empiriſche, reine und angewandte» (ebd.
1817; 2. Aufl. 1822),«Religionspbilofophie» (3 Bpe.,
Tub. 1818— 24). Die Hinneigung zu einem religid:
fen und naturpbilof. Myſticismus, die jich in diefen
Schriften bundgiebt, fteigerte ſich jpäter noch und
äußerte ſich in beftiger Polemit gegen die Hegeliche
Schule und in eifriger Verteidigung der feit der
Seherin von Prevorit (f. d.) ſich häuſenden m.
eriheinungen. Hierher gehören: «Die Hegeliche
Religionspbilofopbie verglihen mit dem chriftl.
tincip» (Tüb. 1834), «Der Iſchariotismus unferer
age» (Bd. 1, ebd. 1835), gegen «Das Leben Jeſu⸗
von Strauß gerichtet, der darauf Ich nahdrüd:
(ih antwortete; ferner: «Konflikt zwifchen Himmel
und Hölle, an dem Dämon eines befeflenen Mäd—
chens beobachtet» (ebd. 1837), «Eharalteriftit des
Unglaubend, — und Vollglaubens⸗
(ebd, ch Sein Streben, den Gebieten der drei
Ideen Wahrheit, Schönheit und Tugend das Heilige
als Offenbarung und Tranfcendenz überzuorbnen,
befunden die Schriften: «Grundriß der Na Fe:
—5* » (Tüb.1832), «Grundzüge einer chriſtl. Philo⸗
opbhie» (Baf. 1840), eOrganon des Ebhriftentums»
(anonym, Stuttg. 1845), «Sechs Perioden der
chriſtl. —*38 (Heilbr. 1851), «Betrachtungen über
den phyſiſchen Weltbau» (ebd. 1852). Bon Immer:
mann wurbe er im«Münchhaufen» unter vem Namen
Eſchenmichel veripottet.
Eichenfingzirpe (Cicada plebeja Scop.), eine
30 mm lange, in Südeuropa, einzeln aud in Süp:
deutihland einheimiſche Singzirpe (f. Singzirpen
nebſt eg
Efchenthal, ſ. Domo v’Dfjola.
Eicher, Alfred, ſchweiz. Staatdmann, geb.
20. Febr. 1819 zu Zürich, widmete ſich zu Zürich,
Bonn, Berlin und Paris jurift. Studien. 1843
ließ er fi ald Docent an der Hochſchule zu Zürich
nieder, wurde 1844 in den Großen Rat des Kan—
tons gewählt und trat ſchon damals nad der
Reaktion von 1839 mit einem entichieden frei—
—** Programm auf. Seine 1845 erfolgte
ahl in den Großen Rat des Innern und die
von 1846 in den Erziehungsrat eröffneten ihm ein
weites Feld abminiftrativer Thätigleit. Im Dez.
1846 wurde er Vicepräfident des Großen Rats,
im Sommer 1847 erjter Staatsjchreiber, im Dez.
15*
228
1847 PBräfident des Großen Rats und 1848 Mit:
lied des Regierungsrat3 und mit Furrer zweiter
Sefanbter bei der — u wo er die Annahme
der neuen Bunbesverfafjung betrieb. Hierauf er:
folgte feine Lin den Nationalrat, deſſen Vice:
präfident und fpäterer Präfident (vom 16. i
1849 bis Juni 1850) er wurde; im Dez. 1848 wählte
man ihn zum (legten) Bürgermeifter des Kantons
ürih und, nah Ein —— Direlktorialſy⸗
ems, das bauptfächlic ein ft war, zum Prä-
jipenten des neugewäblten Regierungsrats, in wel:
chem er bis 1857 verblieb. Aber auch noch jpäter
beherrſchte er durch feinen Geift die Regierung, bis
1867 dur den Sieg der Demolraten (j. Zürich)
jein Einfluß in kantonalen — ———— (das
«Spftem») gebrochen wurde. Näch tung ber
eipgenöffiichen Bolgtepniicen Hodfchule zu Zürich,
für die er auf das thätigfte gewirkt hatte, wurde er
1854 zum Vicepräfidenten des Schulrats diefer An:
ftalt gewäblt. In den 9. 1856—57 und 1861—62
war er wieder Vicepräfident und in den folgenden
Jahren Präfident des Nationalrats, Mit Eifer be
mädhtigte er ſich der Schweizer eh ragen
und wirkte im Gegenfaße zu Stämpfli bei der Be:
ratung in der Bunbesverjammlung am den Ent:
fcheid zu Gunften des Privatbaues. €. ift der Be:
ründer der Schweizerifhen NRorboftbahn und des
ftitutö der Schmeizerifhen Areditanftalt in
ürih; auch das Gottbarbbahn : Unternehmen,
defien erfter Direltor er 1871 war, iſt mwejent:
lid fein Werl. Er ftarb 6. Dez. 1882 in Zürich,
wo ihm 1889 ein Brunnendentmal (Bronzeitatue,
nad u un Modell) errichtet wurde. — Bol.
Scerr, Alfred E. (1883).
Eicheruy, Francois Louis, Graf d’, franz.
Schriftiteller, geb. 24. Nov. 1733 in Neufchätel,
machte 1764 in Motier:Traverd Roufjeaus Be:
kanntihaft und ſchloß fich dieſem vielfah auf Er
kurfionen an, die er in feinen «M&langes» anziehend
beſchreibt. Seit 1765 lebte er an verjchiedenen
europ. Höfen, von 17% an pr in Bari, wo
er 15. Juli 1815 ftarb. Seine erjte Schrift, «Les
lacunes de la philosophie» (Bar. 1783), war eigent:
lih nur ein Brudftüd aus dem größern erle,
woran er 30 Jahre gearbeitet: «Le Moi humain,
ou de l’ögoisme et de la vertu» (ebd. 1791). Dem:
nädjft erichien feine «Correspondance d’un habi-
tant de Paris avec ses amis de Suisse et d’Angle-
terre sur les &vönements de 1789 u. f. w. (Bar.
1791; wieder gebrudt u. d. T. «Tableau histo-
rique de la R£volution», 2 Bde., ebd. 1815). In
der Schrift «De l’Egalit&, ou principes généraux
sur les institutions civiles, —— et reli-
gieuses» (2 Bde., Bar. 1796; neue Aufl. u. d. T.
«Philosophie de la politique», 2 Bde., ebd. 1798)
Bu er die Gleichheit als das unfeligite, alles ver:
ebrende und zerrüttende Socialprincip dar. E.s
leßtes Werk waren die «M&langes de litterature,
d’histoire, de morale et de philosophie» (3 Bde.,
Bar. 1809; neue Aufl. u.d. T. «(Euvres philoso-
phiques, littöraires, historiques et morales»,
8 Bde., ebd. 1814).
Eſchershauſen, Stabt im braunſchw. Kreis
Holzminden, Sitz eines Amtägerichts (Landgericht
Braunſchweig), bat (1900) 1773 E., darunter 19 Ka:
tbolifen, (1905) 1926 E., Poſt, Telegraph; Asphalt:
und Dahpappenfabritation, Sandjteinbrüde.
Eicher von der Linth, Hans Konrad, ſchweiz.
Staatsmann, bervorragend durch gemeinnüßige
Eſchernh — Eiche (Hermann)
Zhätigleit, geb. 24. Aug. 1767 zu Zürih, war zu:
erjt in der Kreppfabrit feines Vaters in Zürich
thätig, ftudierte dann 1786—88 in Göttingen und
trat nad einer Reife in Italien wieder in das
väterlihe Geihäft. Daneben ftudierte er eifri
Geologie und unternahm Alpenwanderungen.
ebr. 1798 wurde er in die Landesverjammlung
gewählt, aber jhon im März, nad der Gründung
der Helvetiſchen Republit, folgte er dem Rufe in
den gejeßgebenden helvet. Rat. Hier leiftete er mit
Ufteri, teils durch Herausgabe des «Schweiz. Repu:
blitaners», teils durch (ebbafte Zeilnabme an allen
Verhandlungen, dem Baterlande bervorragende
Dienfte, trat jedoch, vom Parteitreiben angemivert,
1802 vom polit. Schauplake zurüd und begann ſich
der Hauptaufgabe jeines Lebens, der für die ſchweiz.
Bodenlultur überaus wichtigen Ranalifierung ber
Linth (ſ. Limmat), zuzumenden. Gin fhon 1784
vom Hauptmann Lanz von Bern der Tagſatzung
mitgeteilter, durch Tulla (f. d.) und E. erweiterter
Plan zu der og. Linthunternehmung wurde 1803
durch die Züriher Gejandtihaft der in Freiburg
verjammelten Tagjakung —— und 1804 an:
— E. ſelbſt erhielt dabei als Präfident der
ufſichtsbehoͤrde die Ausführung und unterzog ſich
nun jeit 1807 der großen Arbeit bis zur Vollendung
ber mit aufopferndfter Hingebung. Aud) die ſitt⸗
iche Bildung der Bewohner jener Gegenden förderte
er durch Unterftügung der Glarner Hilfsgeſellſchaft,
die auf dem durch die Zintbverbefjerung gewonnenen
Boden eine landwirtſchaftliche Armenſchule (Lintb:
tolonie) begründete, Seit 1815 Mitglied des Züricher
Staatörats, erwarb er ſich aud in diejer Stellung
Berbienfteum fein Vaterland. Erftarb9. März 1823.
Der Große Rat verlieh ihm und feinen Nahlommen
den Beinamen «von der Lintb», und die Tagfasung
ließ ihm am 2intblanal ein Dentmal errichten. —
Bol. Hottinger, Hans Konrad E. (Zür. 1852); Brief:
wechjel zmiihen ob. Rudolf Steinmüller und He.
Konrad E,, bg. von %. Dierauer (St. Gallen 1889).
Sein Sohn Arnold E. v. d. 2., geb. 8. Juni
1807 zu Zürich, ſtudierte jeit 1825 in —* und Ber⸗
lin, bereiſte zu geolog. Studien Deutſchland, Jta:
lien und Algerien, wurde 1834 Privatdocent an
der Univerfität Zürich und 1856 Profeſſor der Geo:
logie am dortigen Polytechnilum. Er ftarb 12. Juli
1872 zu Züri. Beſonders wichtig find feine Unter:
ſuchungen der —— Alpen und des Atlasgebit⸗
ges ſowie die Entdedung, daß die Sahara bis zur
partie Zeit vom Meere bededt war. Außer
eiträgen & den « Denkſchriften der allgemeinen
Schweizer Gejellibaft», zu Leonhards und Bronns
«Jahrbuch für Mineralogie» u. a. veröffentlichte er
eine «Karte des Kantons Glarus» (1849), batte
Anteil an Studers — — ber Schweiz»
und gab mit Bürkli «Die MWafjerverbältnifje der
Stadt Züri und ihrer Umgebung» (1871) beraus.
— u a Arnold €, (Zür. 1873).
E:S&cieber, bei Dampfmaſchinen eine gemifie
Bauart des einfadhen Sciebers.
Eichke, Hermann, Maler, geb. 6. Mai 1823 zu
Berlin, wurde dafelbft bei Herbig, Kramer, dem
Marinemaler Kraufe und 1849 —50 zu Paris bei Le⸗
oittevin ausgebildet und in Berlin von feinem Mit:
ner Ev. Hildebrandt beeinflußt, eröffnete jeit 1855
— ein Atelier, aus dem Kunſtler wie Douzette,
or. Erdmann, Salgmann und feine beiden Söhne
Oslar und Richard bervorgingen. Bon jeinen beion:
ders in England beliebten Küftenlandichaften gebören
Eichte (Richard) — Eschscholtzia
in dad 3. 1854 Clijabeth:Eaftle auf Jerjey, in das
ger Montorgueil auf 453 und St. Aubins⸗
Caftle. 1861 malte er die Weſtküſte von Helgoland
im Winter; 1863 die ziel euwerk an ber Elbe:
mündung, Die alte Liebe und den Leuchtturm von
Eurbaven (Danzig, Mufeum); 1865 eine Dämmes
dem Deere, Motiv von Dftende; 1868
St. Eatharina auf Jerjey; 1870 Diftjeeitrand im
Binter (Galerie zu Stettin); 1872 Rettungsboot
bei der Sandbant Bogelfang (im Beſitz des Deut:
Iben Kaiſers); 1879 Djtmole von Swinemunde und
Leuchtturm auf der Klippe bei Mondſchein (Motiv
aus Schottland; Berliner Nationalgalerie); 1880
Strand bei Spithead, Nebliger Morgen im Har:
danger Fjord; 1881 Mormähead an der Küjte von
Sübmales; 1883 Stettin vom Dunzing aus; 1885
Sturmiſche See in der water Bay; 1887 Wate
combebay auf der Inſel Wight. Auf der Inter:
nationalen Kunftausftellung zu Berlin 1891 ſah
man von ihm die Gemälde: Schwediſche Hüfte am
Kattegat, Londoner Parlamenishaus und Weit:
minfterbridge bei Mondicheinbeleubtung, Hohe See
bei Wormähead, Stranddune in Prerom; auf der
Ausſtellung 1893: Piccola marina auf Capri. Außer:
dem hat E. mit feinem Sohn Richard für das Kaiſer⸗
panorama zu Berlin: Die deutſche Flottendemon⸗
ration vor Sanfıbar, ferner das Diorama: Beſitz⸗
ergreifung von Neuguinea gemalt. 1881 wurde (
—— roſeſſor ernannt; er ſtarb 16. Jan. 1900 in
in.
Eſchke, Ribard, Marinemaler, Sohn des vori:
en, geb. 1. Sept. 1859 in Berlin; erft Schüler
ne3 Baterd und der Berliner Akademie, bildete
er ji dann in München unter Wenglein weiter aus
und verweilte mehrere Jahre in England, wo er die
Studien zu folgenden Gemälden madte: Eintritt
ber Flut an der Küfte von Lynmouth (1883), Ebbe
am Bic von Gorey auf der Inſel Jerſey, Fort von
St. Aubin auf Jerjey (1884), Markttag in Newlyn
(1887). 1886 von London zurüdgelehrt, malte er
zufammen mit feinem Vater zwei Dioramen (f. Ejchte,
) nn). 1889 nahm er an der Plankton⸗Expedi⸗
tion unter Profefjor Henfen teil. Neuerdings ſchuf er:
Barade einer Torpebobootäflottille vor Kaiſer Wil:
beim LI. (1892), Sturm im Golfitrom (Danzig, Mu:
jeum), Stürmijhe Mondnacht im Kattegal (1893).
» Berg in der Hardt in der bayr. Rhein»
pfalz, jüdlid von Raiferdlautern, 612 m ho, Aus
gangspunlt der Hauptthäler des Gebirges.
Eſchl ſ. Porree.
Aftarte, ſ. Aſtarte.
olzmatt, D
des ſchweiz. Kantons Luzern, in 853m Höbe am
Zube des Schwendelberges, an der Linie Bern:
zern der Jura-Simplonbabn, hat (1900) 3134 E.,
darunter 367 Evangeliiche, Poſt, Telegraph, lath.
Rirde (1754).
Eschr., hinter lat. Tierbenennungen Abtürzung
für Daniel Frederik Eſchricht (f. d.).
Eichref, perj. Stadt, ſ. Aſchraf.
ht, Daniel Frederit, dän. —— und
Zoolog, geb. 18. jan; Fake zu Kopenhagen, prak⸗
zierte 1822 — 25 auf Bornholm als Arzt, ftudierte
dann nochmals Phyfiologie und vergleihende Ana»
temie im Auslande und ward nad) jeiner Rüdtehr | 3
1829 zum Leltor und 1836 zum ord. Profefjor an
der Ropenbagener Univerfität ernannt, wo er biö
jeinem 22. Febr. 1863 erfolgten Tode wirtte,
di meiften feiner rein wiſſenſchaftlichen Arbeiten
im Amtsbezirk Entlebucd | defi
229
find in den Alten der Bidenflabernes Selſtab ver:
Öffentlicht worden; fo die anatom. Unterfuhungen
über die Salpen (Kopend. 1841), über die Baltlhe
er Abhandlungen, 1843—62). Zu erwähnen
ind noch «Haandbog i Phoyfiologie» (neue Aufl.
ion, «Foredrag over Laren om Livet» (1850),
olfelige fyoredrag» —— und eine Studie
über Kaſpar Hauſer («Unverſtand und ſchlechte Er:
ziehungs, Berl. 1858).
Eschsch., bei lat. Tiernamen Abkürzung für
Johann eg, Eſchſcholtz (ſ. d.).
Eſchſcholtz, Joh. Friedr. Naturforſcher und Rei:
ſender, geb. 1/12. Nov. 1793 zu Dorpat, ſtudierte
dafelbft ebizin und machte als Schiffsarzt 1815
unter Dtto von Kotzebue die Reife um die Welt
mit. In Verbindung mit Adelbert von Chamiſſo
—— E. ge ge le Reife eine Menge von
aturlörpern wie wiſſenſchaftliche Beobahtungen
und lieferte für den dritten Band von Kotzebues
«Entde eur in die Sudſee und zu. abe»
Meim. 1821) eine Reihe von Arbeiten «Über die
oralleninfeln, ihre Entftehung, Ausbildung und
Eigentümlichleiten» u.a. €. zu Ehren nannte Kotze⸗
bue eine Bucht im Kotzebueſunde Nordweſtameri⸗
kas die Eſchſcholtzbai (f. Rogebuefund) und Chamiſſo
eine neue zur Familie der Papaveraceen gehörige
langengattung Eschscholtzia (f. d.). Nach feiner
erg 1819 zum außerord. Brofefior der Ana:
tomie in Dorpat ernannt, begleitete er 1823 ala
Naturforfcher und Oberarzt zum zweitenmal Kotzebue
auf feiner Reife um die Welt. Auch diesmal ver:
ewigte Robebue €.’ Namen in den Eſchſcholtz⸗In—
feln (f. d.). Nach feiner Rüdlehr 1826 vermadte E.
jeine reihen naturhiftor. Sammlungen der Uni:
verfität Dorpat und veröffentlichte feine « Überficht
der zoolog. Ausbeute», welche 2400 Tiere umfaßt,
im zweiten Bande zu Kotzebues «Neuer Reife um
die t» (Meim. 1830). Beſonders aber hervor:
ubeben ift €. «Zoolog. Atlas, enthaltend Ab:
dungen und Beihreibung neuer Tierarten»
5 Hefte, Berl. 1829—33) und fein «Syftem der
falephen. Eine ausführliche Beichreibung aller
medufenartigen Strabltiere» (ebd. 1829). €. ftarb
7/19. Mai 1831 zu Dorpat.
Eſchſcholtzbai, ſ. Rogebuefund.
Eschsoholtzia Cham., Pflanzengattung aus
der Familie der ee (.d.). Man kennt nur
wenige im weſtl. Norbamerita einheimische Arten,
unter denen bie zuerft von Chamiſſo aufgefundene
californica — ein ſehr beliebtes und allge:
mein verbreiteted Gartenzieegewächs geworden tit,
en man fic in feiner Heimat auch als beruhigen:
des Arzneimittel bedient. Die Pflanze hat auf
eigenbe, der äftige, reich beblätterte, Taftige, zer:
echliche pi ar feingerteilte Blätter mit linealen
Abſchnitten und einzeln ftehende Blüten mit auf:
fpaltendem Kelch und großer, vierblätteriger, fhön
old: oder —— lumenkrone. Die ganze
flanze iſt kahl, bläulihgrün. Die E. iſt zwar aus⸗
dauernd, erfriert aber bei und während des Winters,
weshalb man fie ald bloßes Sommergewachs be:
rege Der im Mai ins freie Land gefäete Same
bald auf, und die ſchnellwüchſige Pflanze,
welche fhöne Büfche bildet, ziert daber ſchon vom
uli an bis in den Spät —— die Gärten mit ihren
ablreihen goldgelben Blumen. Sie gedeiht fehr
eicht auf jedem Boden ohne alle Pflege. Man bat
reiche Spielarten mit weißen, außen roten und innen
weißen und mit bunlelorangefarbigen Blumen ge
230
zogen. Faft noch ſchöner als die vorige Art ift E.
crocea ., von ihr unterfhieden dur den um:
gerollten Rand des am Ende verdidten Blütenitiels,
die länger zugeipisten Kelhblätter und zahlreiche,
größere, feurigorangefarbige Blumen.
hicholg:Znjeln, aub Biginni: oder
Bikini: —— nördlichſte Gruppe der Ralik—
anjeln im Marſhall⸗-Archipel (j. Karte: Kaijer:
ilhelms-Land u.f. m.) im Stillen Dcean, 1825
dur Kotzebue entdedt und zu Ebren feines Schiffs:
arztes 4 (ſ. d.) benannt. Sie haben 30 €.
und ſtehen jeit 1886 unter deutihem Schuß.
Eichftruth, Nataly von, Echriftitellerin, ſ. Kno—
belsvorff:Brentenboff, Nataly von.
eigwege. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. Caſſel,
bat 502,61 qkm und (1900) 43203, (1905) 44657 E.,
8 Städte, 68 Landgemeinden und 26 Gutäbezirte,
— 2) Kreisftabt im Kreis E. 41 km jüdöftlic von
Caſſel, an der Werra, in 171 m Höbe, in einem
fhönen frudtbaren Thale, an der Linie Treyſa—
Leinefelde der Preuß. Staat3babnen, beftebt aus der
Alt: und Neuftadt am linten Flußufer und der mit
beiden Ufern dur zwei fteinerne Brüden verbun-
denen Inſelſtadt Brüdenbaufen, Sitß des Landratd:
amtes, eines Amtögerichtö ( Landgericht Caſſel),
Steueramtes und einer Reichsbanknebenſtelle, bat
(1895) 10285, (1900) 11113 €., darunter 621 Ka:
tboliten und 517 Israeliten, (1905) 11846 €., Boit:
amt erfter Klaſſe, Telegrapb, ein Denkmal (30. Okt.
1893), den Opfern des — — 1806
und 1807 gewidmet, ein 1380 erbautes, 1581
wieberbergejtelltes Schloß, jest Sitz verſchiedener
Behörden, zwei evang. Kirchen, eine kath. Kapelle,
Synagoge, neues Poftgebäude, zwei Hofpitäler, ein
Landkrantenhaus, ſtaͤdtiſche "Griari : Wilhelm:
Schule (Progymnafium mit Nealprogymnafium) mit
tönigl. Kompatronat, 1840 al& Realſchule mit Bro:
oymnafium eröffnet, zwei Bürgerfhulen, Mädchen:
—— Privathandelsſchule, Handwerkerſchule,
Kreisſparkaſſe, Vorſchußverein, Freimaurerloge,
Gasanſtalt, offentliches Schlachthaus und Eifen:
bahnmaſchinen⸗Reparaturwerlkſtätte. Bon dem von
Karl d. Gr. geſtifteten Cyrialusnonnenlloſter ſteht
nur noch der jog. Schwarze Turm. Dasfelbe wurde
mit dem 1278 gegründeten Auguftinermöndsätlofter,
jest die jog. Klofterbrauerei, von Philipp dem Groß:
mütigen 1527 aufgeboben und u chulzwecken ver:
wendet. Der Leuchtberg ift mit Anlagen bededt und
bietet prächtige Ausfihten. Wegen feiner lebhaften
Induftrie wird E. das «heſſiſche Elberfeld» ge:
nannt. Bedeutend — die Gerberei (namentlich Sohl⸗
(ever aus füdamerit. Rinderhäuten, Weißgerberei),
Moll: und Haarjpinnerei, Roßhaarſpinnerei, Woll:
zeug⸗, Flanell⸗ und Leinweberei, Eigarren: und Ta-
bakfabrikation, die Schlächterei Dur mitScinten
und Wurjt), Leim: und Seifenjiederei (Eihmweger
Seifen), Fabrikation von Schuhen (2 Fabriken,
87 Schubmadhereien), Bürften und Pinſeln, Maſchi⸗
nen, Sprigen und Pumpen, Wachstuch, Tüten und
Eouvertö, Peitihen, Wichſe und die Bierbrauerei.
Der jährlihe Umſaß von Leder ift auf 2°,, von
mollenen und baummollenen Waren auf 2 und von
Zabaf auf 1 Mil. M. zu veranſchlagen. — Auf dem
Eyriafusberge bei E. foll Bonifatius 732—740
eine Klauſe, Karl d. Gr. 812 ein — ————
egründet haben. — Die Stadt iſt zu Karls d. Gr.
get oder noch früber entjtanden, wird jevoch urkund⸗
ich zuerft im 10. Jabrb. erwähnt und gebörte da:
mals zum thüring. Gau Eichsfeld; während der
Eihicholg-Injfeln — Escoiquiz
Hobenitaufenzeit war fie eine Befikung der Welfen
und fiel dann an die Landarafichaft Heilen, bei der
fie jeit der zweiten Hälfte des 13, Jahrh. verblieb.
Eſchweiler, Stadt im preuf. Reg.:Bez. und
Landkreis Nahen, ebemald zum Herzogtum Julich
gehörig, 13km im NO, von Aachen, zu beiden Sei⸗
ten der Inde, in 159 m Höbe, im Mittelpunfte des
gewerbreichen Indethals (f. Karton auf der Karte:
Rhbeinprovinz u. f. w. L Nöordlicher Teil),
an der Yinie Köln: Herbestbal und der Nebenlinie
M.:Glapbad:Fülih-Stolberg der Preuß. Staats:
babnen, zwiſchen fanft anjteigenden Hügeln ge
legen, it Siß einer Bürgermeifterei, eines Amts:
gerichts (Landgeriht Nahen), eines Steueramtes
und bat (1900) 21903 E., darunter 1130 Evan-
geliihe und 127 Israeliten, (1905) 28624 €,
— — Bojtamt erſter Kaſſe, Tele
graph, zwei lath. und eine
evang. Kirche, Progymnaſium
mit Realprogymnaſium, Hoſpi⸗
tal in dem mit Zinnen gefrön:
ten Burgbau der Familie Eng-
lertb, Kreis: Invalidenbaus,
Waſſerwerl und Gasanitalt.
Die Hauptinduftriesweige find
Fabritation von Eifen- und
Blechwaren, Maſchinen, — 22 Nähnadeln,
Eiſendraht, Seife, Leder, Dachziegeln und feuerfeſten
Steinen, auch Bierbrauerei. Erwähnenswert ſind
drei große Eiſenwalzwerle, die Fabrik für Eiſen—
bahnbedarf, die Zinktwarenfabrik, mebrere ſupfer⸗
bämmer, Robzintwerte und die großen und er
ergiebigen Steinloblengruben. Die an der Eifen-
bahn gelegenen Koblengruben des Eſchweiler Berg:
merlövereins find ebenjo bemerfenäwert wegen ber
Güte ihrer Kohlen ald wegen der bedeutenden Tiefe
(400 m) und der großartigen Anlagen zur Förderung
der Kohlen und des Waflerd. Die ganze Gegend bis
Stolberg ift reib an AInpuftrieanlagen. — In der
Nähe das Dorf Greitenic (1.d.). — Val. Roc,
Geſchichte der Stadt E, und der benachbarten Ort:
ſchaften (2. Aufl., 2 Bde., Franff. a. M. 1890).
Esolavage (fr;., jpr. wahſch'), Stlaverei,
Knechtſchaft; dann aud ein balbkreisförmiger Hals»
ſchmuch von Diamanten.
Escobär y Mendöza, Antonio, jpan. Theo:
(og, geb. 1589 zu Valladolid, trat 1604 in den Je
—— und ſtarb 4. Juli 1669. Er war als
Moralift und Kaſuiſt berübmt und jchrieb «Theo-
logia moralis» (7 ®de., 1646), «Universae theo-
logiae moralis receptae sententiae» (7 Bde. 1663)
u. ſ. w. Sein Name ift durch Pascal ſprichwörtlich
geworden. Escobardieren heißt, ſich jeſuitiſcher
Kunſtgriffe bedienen, etwas mit deren Hilfe ins
Wert ſetzen.
Escoiquiz (ipr.-tib3), Don Juan, ſpan. Staats:
mann, geb. 1762 in Bermeo (Biscaya), war anfangs
Page König Karlö III., widmete ſich ipäter dem
geiftlihen Stande und wurde Kanonikus zu Sara-
golle- Später wurbe er mit ber Erziehung des
onprinzen yerdinand betraut. Seine yreimütig:
feit 309g ihm aber die Feindſchaft des Friedens:
fürften Godoy (f. d.) je durch den er nad Toledo
verwiejen wurde. Als 1808 Ferdinand VII. den
Thron beitieg, wurde E. Staatörat. Cr begleitete
Ferdinand VII. nah Bayonne und fuchte ihn zu
beftimmen, der Krone nicht zu entjagen. Darauf
2 Bourges vermwiejen, kehrte er im Dez. 1813
nah Valencay zurüd und nahm nun an den Ver:
Escompte — Escofura
kandlungen teil, welche die Bourbons wieder auf
den ſpan. Thron festen. Nichtsdeſtoweniger fiel er
1814 in Ungnade und wurde nad Andalufien ver:
dannt. Er jtarb 29. Nov. 1820 im Eril zu Ronda.
Seine «Idea sencillaetc.» (1808), eine Auseinander⸗
kesung der Gründe, die Ferdinand VII. bewogen,
ah nah Bayonne zu begeben, wurde in, viele
Spraben überjeßt und erſchien franzöfiih mit Ans
mertungen von F. Bruand u. d. T. «Expose des
motifs qui ont engag® etc.» (Par. 1816).
Edcompte, j. Eslompte. ,
Edcvriäl(elEscoriäl, nihtEscurial), Schloß
und Hieronymitenklofter San Lorenzo el Real im
Betr! San Lorenzo del E. der Br Provinz
Madrid, liegt 40 km norbmweitlib von Madrid,
unmeit des jledens €. de abajo mit (1887) 1151
E., an der Linie Jrun: Madrid der Span. Nord:
bahn, auf deren anderer Seite die Stadt San Lo⸗
renzo del E. de arriba mit 3233 E. liegt. An den
Südabbang der rauben Sierra de Guabarrama
angelehnt, in öÖder, jeläreicher Gegend (1130 m)
und aus dem grauen Granit derjelben aufgebaut,
einem Alofter äbnlicher als einer Königsreſidenz,
entipricht jein Bau wie feine Lage dem fanatiſch
ftrengen Charalter feines Erbauerd. Seinen Ur:
— ————— der Palaſt einem Gelübde Phi—
lipps II. in der Schlacht von St. Quentin. Da ber
beil. Laurentius, den der jpan. König als den Hei⸗
ligen des Tags um den Sieg angerufen hatte, der
Sage nah auf einem glühenden Roſte den Mär:
torertod in Rom ftarb, jo ward dieſes ihm gemweibte
Gebäude in Form eines Roſtes 1563—86 von
Juan Bautifta de Toledo und deſſen Schüler
uan de Herrera erbaut. (S. Tafel: Spaniſche
unft ll, Fig. 8.) Die Spanier pflegten es das
achte mwunber (la octava maravilla) zu nennen.
Aus Granitquadern erbaut (206 m lang, 161 m
treit), bat es 7 Türme, 15 Thore und 1111 Außere
fter und dient zugleich als Schloß und Kloiter.
der nad dem Mufter der Peterskirche in Rom
erbauten Hauptlirhe (1595 geweiht), die, außer
dem unter einer 90 m hoben — gelegenen Hoch⸗
altar, 48 Altäre und 2 Orgeln in ſich faßt und
Fresten von Giordano enthält, befinden ſich zwei
betende Gruppen aus vergoldeter Bronze, Karl V.
und Bhilipp IL mit Gemablinnen und Verwandten
darftellend. Vier kolojjale quadratifche Pfeiler (je
$ m Seitenfläce) tragen das Dad. In der Sakriſtei
ift das aus Marmor und Bronze gearbeitete Satra-
mentshaus, Retablo de la Sta, Forma genannt, jo:
wie ein wertvolles Bild von Claudio Eoello, das
die Beripeltiog der Sakriftei und der Kirche Dh
darftellt. Unter dem Hochaltar befindet ſich die
1654 vollendete Begräbnistapelle des königl. Haus
ſes, Pantheon genannt, die durch ein kunftvolles
Thor aus vergoldeter Bronze verſchloſſen wird.
Marmorftufen führen hinab; aus Jaſpis und Mar:
mor beftebt der Fußboden und aus Bronze die Kup⸗
vel. Rings in ven Wänden find 26 Nifchen, in den
meiiten derfelben ſchwarze marmorne Särge mit den
Überreften der Könige und Königinnen Spaniens.
Es —9* bier die Könige ſeit Karl I. (V.) bis Ferdi⸗
nand VII., mit Ausnahme Philipps V. und Ferdi⸗
nands VL, welche in Madrid begraben find. Aus
der Kirhe gelangt man in die
die ih die Kapiteljäle mit wertvoller Gemälde:
ſammlung (beſonders Ribera) anſchließen, und dann
auf der großen Treppe, mit einem
Giordano, zum Klofter und zur Bib
iotbef. Dieje, |
231
von Philipp II. angelent, enthält große handſchrift⸗
libe Schäge, namentlich ber Halten und arab,
Sitteratur, und kojtbare Drudwerle (Codex aureus)
fomwie Porträte. Einen Katalog lieferte Caſiri in
der «Bibliotheca arabico-hispana Escurialensis»
(2 Bde., Madr. 1760—70). Der königl. Palaſt,
etwa den vierten Teil des gefamten Gebäudes ein:
nebmend, ift nicht anſehnlich, aber inwendig pracht⸗
voll * chmückt. Dasjelbe gilt von dem Pavillon
Karls IV., der Gafita del Principe im Bart, 177%
von Villanueva erbaut. Das Intereſſanteſte im
Palaſt find die Zimmer, in welchen Philipp II. faft
wie ein Mönch die legten 14 Jahre feines Lebens
verbrachte, fein Andachtſtuhl, in der Ede des Chors
neben der Galerie, mit dem Ehrijtus am Kreuz in
Lebenägröße, von Benvenuto Eellini in Marmor,
und fein Arbeits» und Sterbezimmer. Einer der
Türme des €. brannte 1. Dit. 1872 infolge eines
Blipftrahlö nieder, wurde aber rejtauriert. Der E.
ift auch jeßt noh Sommer: und Herbitrefiben; des
Hofs. — Val.Rotondo, Historia descriptiva, artis-
tica y pintoresca del monasterio de San Lorenzo,
comunmente llamado el E. (Mabr. 1862, Fol.).
Edcofüra, Don Patricio de la, ſpan. Staats»
mann und Scriftiteller, geb. 5. Nov. 1807 zu Ma:
drid, ftudierte in Valladolid und Madrid und wurde
ein Schüler des berübmten Lifta ſowohl in der
Dichtkunſt wie in der Mathematik. Als Mitglied
des polit. Gebeimbundes der Numantinod mußte
er 1824 flüchten, ging nad Paris, wo er unter Pas
croir feine mathem. Studien fortfeßte, und febrte
1826 nad Madrid zurüd. Ende 1826 trat er in das
Artillerielorps und wurde 1829 Dffizier. Zuerft er:
ſchienen von ibm der hiſtor. Roman «El conde de
Candespina» (Mabr.1832). 1834 wurde er, farlifti-
ſcher Gefinnung verdächtig, nah Dlvera verbannt
und vollendete dort den hijtor. Roman «Ni rey, ni
— (ebd. 18365). Später wurde er Adjutant und
Sekretär des Generals Cördova und ſchrieb das
epiſche Gedicht «El bulto vestido de negro capuz»
in Bamplona. Als Cördova nah dem Aufitande
von San Ildefonſo fein Kommando niederlegte,
trat auch €. aus dem Dienfte und widmete fih nun
der dramat, Produktion. Er brachte jeit 1837 meb:
tere Stüde auf die Bühne, unter denen «Bärbara
Blomberg» den meiften Wert bat, und führte zu
— eit die Redaltion der Zeitſchrift «El Eco
e la razon y de la justicia». Als im Sept. 1840
Eipartero die Regierung an ſich riß, verteidigte €.
an der Spike der Zöglinge der Ingenieurſchule von
Guadalarara, wo er jeit 1838 Provinzialchef war,
das Intereſſe der Regentin und mußte deshalb nad
Frankreich flüchten. In Paris fchrieb er fait allein
den fpan. Text zu dem Prachtwerk «La Espaäa ar-
tistica y monumental» (3 Bde., Par. 1842—49),
mwaı Rebacteur und Mitarbeiter der «Revista enci-
clopedica», fchrieb ein Handbud der Mythologie,
das ala Lehrbuch an den fpan, Univerjitäten Eins
gang fand, und begann ein epifches Gedicht «Hernan
Cortesen Cholula», Nachdem er 1843 nah Madrid
zurüdgelebrt war, ward er Unterftaatsjefretär in
dem Miniſterium Narvaez, mit deſſen Rüdtritt auch
er refignierte. In der folge verfaßte er eine Reihe
von Dramen, unter denen beſonders «Las moce-
Ktreuzgänge, an | dades de Hernan Cortös» Erfolg hatte, obgleih auch
bier, wie immer bei ihm, das dramat, Element in
der biftor. Bilderreibe nur ein fehr ſchwaches iſt, und
tried von Luca | jchrieb mehrere biftor. Romane, worunter «El pa-
triarca del valle» (2 Bde., Madr. 1846) bervors
232
- zubeben ift. Nachdem er 1847 einige Zeit die Stelle
eines Unterſtaatsſekretärs im Minifterium Soto:
mayor verjeben batte, ging erim Juni 1855 als ipan.
Gejandter nad Liſſabon, kehrte aber jhon im Jan.
1856 nah Madrid zurüd, wo er im Sabinett
Eſparteros das Portefeuille des Innern übernahm.
Aber ſchon Mitte Juli 1856 erfolgte wegen Zwiſtig⸗
feiten mit D’Donnell und der Realtionspartei der
Nüdtritt E.3 ſowie Ejparteros und die Auflöfung
des Kabinetts. Von 1872 bis 1874 fungierte E. als
Gefandter bei dem Deutihen Reiche in Berlin. Er
ftarb 22. Yan. 1878 zu Madrid. E. bat auch einige
bijtor. Schriften, darunter eine «Historia consti-
tucional de Inglaterra» (Mabdr. 1859), veröffentlicht.
Escouade (fr;., fpr. -Fuabd), in der franz. Ars
mee die einem Korporal unteritellte Mannicaft,
mit derflorporalichaft der deutichen Armee identisch;
auch die Bedienungsmannihaft eines Geichüßes;
ferner beim Sappieren eine Abteilung von vier Sap⸗
peuren. Im taftifchen Sinne bedeutet E. eine Set:
tion oder Gruppe der — Infanteriecompagnie.
Ederupülo, Skrupel, älteres kleineres Ge:
wicht in Spanien, Bortugal und Brafilien (in beiden
legtern Ländern gewöhnlicher Scrupulo genannt),
wurde in 24 Gran (jpan. Granos, portug. Gräos)
geteilt. In Spanien diente der E. nur als Mebi-
zinal: und Apothetergewicht (er war "Isa, des Mes
bizinalpfundes), in Sertuga und Brafilien bildete
er zugleich eine Stufe der übrigen Gewichtsklaſſen
mit Ausnahme des Juwelengewichts (er war bier
des Handeläpfundes, Marco des Gold⸗,
Silber: und Münzgewichts, az, ded Medizinal:
fundes, immer aber an Schwere gleih). Der
pan. (caftiliiche) €. war = 1,19816 &, der portug.
und brafilianiice €. = 1,1955125 g. Catalonten und
Aragonien hatten ein abweihendes Gewicht (doch
ganı mit der auch im übrigen Yande gebräuchlichen
inteilung); der cataloniihe E. war = 1,04427 g,
der aragoniihe E. = 1,21528 g.
oudöro (ipan., «Schildtnappe»), ein Aoliger
niedern Ranges in Spanien.
Escudillo (ipr. -dilljo), genauer E. de oro
(leiner Golbtbaler), Durillo, Eoronilla, Peſo
duro de oro oder Peſo fuerte de oro (harter
Goldpiajter) oder VBeintena (Zwanziger), eine
1730— 1848 in Spanien geprägte lleine Goldmünze,
urjprünglic im Wert von 20 Reales de vellon 94
Kupferrealen) oder eines Silberpiaſters — 414 M.
Für die Philippinen wird der E. noch jekt in etwas
geringerm Wert geprägt.
Edcüdo («Thaler»), Name einer frübern Geld:
einbeit und mebrerer Münzen Spaniens jowie einer
ebemaligen Goldmünze Hortu ald und mehrerer
Goldmünzen der jpan.:amerit. Freiftaaten.
Spanien rechnete man in Gemäßbeit des
vom 26. Juni 1864 bi8 Ende 1870 nab €, zu
1000 Mileiimas oder zu 10 Reales oder zu 100 Een:
timos, Die Währung war eine Alternativwäbrung
(j. Währung). Der €. Gold (ald einzelnes Stüd
nicht geprägt, fondern in 10, 4 und 2 E.) war
eine Menge von 16%, 3* Granos oder 0,3387 g
eines 900 Tauſendteile feinen Goldes; demnach
batte er ein Feingewicht von 15,12 caftil. Granos
oder 0,7548 g und war (zum Preife von 2790 M.
ür 1 kg Feingold) = 2 M. 10%, Bf. deutſche
brung. Der €. Silber war eine Münze von
260 caltil. Granos oder 12,3801 g eines 900 Tau:
fendteile feinen Silbers, mitbin batte er ein ein:
gewicht von 234 caftil. Granos oder 11,6820 g und
Escouade — Escurialichafe
war (zum Preiſe von 180 M. für 1 kg Feinſilber oder
den deutſchen Thaler zu 3 M. gerechnet) = 2,102#
deutſche Mark (jo daß er mit dem Goldescubo ziem⸗
lich übereinjtimmte) = 1 1. bass fr. djterr. Silber:
wäbrung (45: Gulvenfuß). Infolge der Gejege vom
15. April 1848 und 30. Dez. 1855 redhnete man
nah Neales und der E. begriff 10 Reales, mar
eine Silbermünze, die Hälfte des Duro (PBiaiter)
und eine Menge von 263'%/,, caftil. Granos oder
13,1455 g eines 900 Taufendteile feinen Silbers;
er batte fonah ein Feingewicht von 236°’...
caftil. Granos oder 11,8310 g (auf obiger Grund:
lage) = 2,1296 deutiben Marl = 1 Fl. 6,179 Kr.
öfterr. Silberwährung; demnad war diejer E. nur
um eine Rleinigleit beſſer als der vorber erwähnte
neuere Silberescudo von 1864. Silberitüde E
1E. wurden ferner ausgemünzt: a. nad dem :
jeß vom 29. Mai 1772 (fog. E. de vellon), 17 Stüd
aus dem rauben Marco, Gewicht 13,532 g, Fein:
beit 10°, Dineros oder 902’), Taufenbteile, 18°*,,,
Stüd aus dem feinen Marco, Feingewicht 12,2165 g
(auf der weiter oben angegebenen Grundlage) =
2,1990 deutſche Mark = 1,0935 diterr. Fl.; b. von
1728 bis 1772 gejehlih in dem eben angeführten
Gewicht, aber in der Feinheit von 10'*/,, Dineros
oder 909,722 Taujendteilen, Feingewicht 12,5105 g
= 2,2159 deutihe Mart = 1,1080 djterr. FL; c. von
1707 bis 1728 16°, Stüd aus dem rauben Marco,
Gewicht 18,781 g, Feinheit 11, Dineros oder
930", Taufendteile, 18 Stüd aus dem feinen
Marco, Feingewiht 12,804 g = 2,3005 deutſche
Mart = 1,1508 diterr. $t. Der achte Teil der in
Spanien bis 1848 und in Merito bis 1861 ge:
prägten Onza oder des Doblon, der €. de oro
oder Goldescudo wurde in diefen beiden Ländern
an; nah dem Münzfuße der Onza geprägt; man
ann ihn etiwa 8 M. rechnen. (©. Dublone.)
In Bortugalmar der E. eine von 1722 bis 1835
geprägte Goldmünze zu Y, Dobra (f. d.), urfprüng-
ich in der Geltung von 1600 Reis, 1822 gejeplic
(mie ſchon vorber im Verlehr thatjächlic) auf
1875 Reis und 1847 auf 2000 Reis erböbt, geiek:
fih 72 Gräos oder 1 Dutava = 3,5859 g ſchwer,
bei 916%, Tauſendteile Feinbeit = 9,ır104 deutiche
Mari. Es wurden aud halbe E. und Viertelescudos
(fog. alte Golderuzados) ausgemüngt. (S. Eruzado.)
— €, werden in Amerila als ——— ge⸗
ägt, ſämtlich 900 Tauſendteile fein: in Bolivia
eit 1871: 2,5 g jchwer, alfo */,, ber dortigen Onza
= 6,2775 M.; in Columbia ebenfalls */,, Unza oder
2. Condor = 2 Peſos, feit 1857 dem 10-Franken⸗
ftüd gleib = 8,ı N.; in Ebile feit 1860 = 2 Peſos
oder !/, Condor (i. d.).
Eöcnintla, Hauptftadt de Departamento G.
(32001 €.) in der mittelamerit. Nepublit Guate:
mala, an der Eiſenbahn San Joſe de Guatemala:
Guatemala und am Fuße der Küftentette im ©. des
Vulkans Agua nabe der Küfte, hat (1893) ald Ge:
meinde 12343 €,, Kaffee, Kakao⸗ und Juderrobrbau.
Esoulenta (lat.), eßbare Dinge, Speiien.
Escurial, Schloß bei Madrid, }. Escorial.
Edcuriälichafe, uriprünglih Bezeihnung der
zu der ſpan. Wanderihafberde Escurial gebören:
den Tiere, aus der um die Mitte deö 18. Jabrb.
die Stammeltern der heutigen Merinos (f. d.) nah
Deutſchland gebrabt wurden. Aus den ipaniichen
€. find durch bejondere Züchtung auf feine Wolle
die Elektoralſchafe (ſ. d.) ın Deutſchland bervorge
gangen, deren vielfach überbildeter und zu Zwirn
Esdragon
neigender Wolljtapel Dur Thaer verbeſſert wurde.
Gegenwärtig bat die Zucht des Eleltoral: und Es⸗
analihafs wegen der niedrigen Tale für feine
Bolle und wegen der Beheigerten achfrage nad
Heih, der das Escurial 2a nicht ge en lann,
weniger Bedeutung. — Bol. Bohm, Die Schafzucht
nah ihrem jegigen rationellen Standpuntte (neue
Ausg., 2 Bde. Berl.1883); Korte, Das Wollſchaf,
feine Wolle, Züchtung, Ernährung und Wartung
(2. Aufl., Brest. 1880).
Eödrägon, joviel wie Ejtragon, ſ. Artemisia.
en Sdrelon, griech. Aussprache für
zreel (1. d.).
Es-dur (ital. mi bemolle maggiore; franz. mi
bemol majeur; engl. e flat major), die Durton:
art, beider h, e, a um einen halben Ton erniedrigt
werden, aljo drei P vorgezeichnet find; die parallele
Molltonart ift C-moll. (S. Ton.)
Eſel (Equus asinus L.; ſ. Tafel: Einhufer,
Fa. 1), ein Haustier aus der Gattung oder Sippe
der Pferde, unterjcheidet ſich von dem eigentlichen
Bierd durch die Länge der Ohren, den Haarbüfchel
am Ende des furzbebaarten Schwanzes, die Kürze
der aufrecht ftebenden Mäbne, den Mangel der
Hormmwarzen an ben Hinterfüßen. Es giebt verſchie⸗
dene wilde Efelarten, die in ihrem Baterlande,
Afıen und Afrila, in Trupps zufammen leben,
melde von einem Hengfte geführt werden, äußerſt
Eluge, ſcheue, vorfichtige und flüchtige Tiere, die ſich
mutig gegen Raubtiere wehren und deren Jagd
als ein oh ſchwieriges und kunftvolles Wert gilt.
Man unteriheidet drei Arten wild lebender E.:
den nordafrif. Steppenejel (Equus taeniopus
Heugl.), den Dnager oder Gurfur (Equus ona-
ger Schreb.) und den Dichiggetai(f.d.und Tafel:
Einbufer, ig. 3)._ Der Steppenejel, der einige
verwajcene Dueritreifen in der Nähe der Hufe an den
Beinen zeigt, tommt wahrſcheinlich aufallen Steppen
öftlih vom Nil bis an die Hüfte des Roten Meers
vor; der Burtur bewohnt Syrien, Arabien, Berfien
und Indien; der Dſchiggetai oder Kulan endlich, wel:
ber die Größe eined Maultier bat, ifabellfarbig
iſt und dem Pferde am nächſten fommt, ift in gan
Mittelafien bis Turleitan und Tibet heimisch. Sad
Wilckens ift der nordafrik. Steppenefel der Stamm:
vater unferd Hauseſels. Bernahläffigung und Ein:
5 eines ihnen ungünftigen Klimas haben dieſe
iere in Europa jebr herabgebracht. Im Orient, wo
man fie ald Haustiere ſehr jhäßt, erjcheinen fie unter
weit eblerer Form, dienen zum Reiten und zeigen
feine Spur von jenem Phlegma und der aller:
dings übertrieben geſchilderten Dummbeit, durch
welche fie in Europa ſprichwörtlich gemorden find.
Durh Kreuzung mit Pferden entſtehen die Maul:
tiere (f. d.) und Maulejel (. d.), ungemein nüßliche
und in rg. enden faum dur andere erjeß:
bare Reit- und —* Die Eſels milch enthält
meht Milchzuder, dagegen ungleich weniger Butter⸗
und Käſ⸗ als die Milch anderer Säugetiere und
wird als leicht verdaulich und näbrend oft in Krank⸗
beiten verordnet, wo große Störung und Erichlaf:
fung der Verdauungsfunktionen vormwalten. — Bol.
Jüm, Der E. und feine Baſtarde (Stuttg. 1900).
Efel (Eifel), Nebenflub des Irtyic, |. Ichim.
Ejelöbräde, Hilfsmittel zum Verftändnis eines
fremden Schriftiteller3, das den Zwed hat, dem
Lernenden das eigene Nachdenken zu erſparen, alſo
auf defien Faulheit und Trägheit berechnet ift. Die
bei €. foll man zuerſt der Schrift «Super
— Ejerin 233
summulas» von ob. Buridan (f. d.), die «asini
pons» (d.i. E.) genannt wurde, beigelegt haben.
Heute nennt man €. (oder Schwarten, Klatjchen) im
Spradgebraude des Gymnafiums die wörtlichen
berfegungen fremder Schriftiteller.
lee f. Trinitarierorben.
Ejelödiftel, j. Onopordon.
Ejfelöfeft (lat. festum asinorum), ein im Mittel:
alter an einigen Orten in ankreich und Spanien
gefeierted Vollsſchauſpiel, bei dem zur Erinnerung
an den redenden Eie Bileams oder an die Flucht
nach Ügypten ein Eſel, in letzterm Falle mit einer
darauf jigenden Jungfrau mit einem finde, in die
Kirche geführt wurde. Damit wurde allerlei Unfug
verbunden. In Deutihland wurdevielfah am Balm:
onntag bei der zur Erinnerung an den Einzu
hriſti in Jeruſalem gehaltenen Prozeſſion ein höl⸗
zerner Eſel mit oder ohne ein Bild * darauf
er ir (in Salzburg bis 1788). Soldier Palm:
efel bejist das Germanifhe Mufeum in Nürnberg
mebrere. — Bol. Didron, Annales arch&ologiques,
VII, 26; XV, 673; XVI, 26.
Efeldgurfe oder Springgurte, f. Ecballium
und Tafel: Sampanulinen, Fig. 6.
Eſelshaupt oder Eſelshoofd, im Schiffs:
weſen ein eifernes oder hölzernes Joch, welches die
Marsitengen (f.d.) am Topp (f. d.) der Untermajten
(f. Maft) fowie die Bramitengen (1 Stengen)
am Topp der Maräftengen in Ber nn mit
den Saling3 (f. d.) feſthält. In eriterm Fall heißt
es Untereſelshaupt, in legterm Bramejels:
haupt. Das €. greift mit einem vieredigen Rod
über den Mafttopp und hat vorn ein rundes Loch
zum Durdlafjen der Stengen.
Eſelshoofd, j. Eſelshaupt.
elshuf, ſ. Klappmuſchel.
elslehen, im Mittelalter die Verpflichtung
beſtimmter Familien in vielen deutſchen Städten,
den Eſel zu ſtellen, auf dem Verbrecher, von dem
Büttel geführt, durch die Stadt reiten mußten.
Eee ad, |. Speſſart.
eldrüden (in der Architektur), ſ. Bogen.
Eſenbeck, Botaniker, |. Nee von Ejenbed.
Eſens, Stadt im Kreis Wittmund des preuß.
Reg.Bez. Aurih, 4 km von der Nordjeefüfte, am
ſüdl. Rande der Mari, an der Nebenlinie Emden:
Wittmund der Preuß. Staatöbahnen, Sitz eines
Amtes und Amtsgerichts (Landgericht Aurich), hat
(1900) 2138, (1905) 2213 meilt evang. E., Boft:
amt zweiter male: elegrapb, evang. Kirche mit
Grabmälern frieſ. Häuptlinge, Methodiftentapelle,
Synagoge, Genoſſenſchaftsbank; Pferde: und Rind:
viebzucht, Pferde: und Viehmärtte. Bon dem 4 km
nordmweitlic gelegenen Küftenorte Benjerfiel ift im
Sommer Dampferverbindung nad). den Seebädern
Langeoog und Spieleroog. E. war Hauptort des
Harlingerlandes (j. d.).
Ejerin oder Pbyioftigmin, das neben Cala:
barin den Galabarbohnen, den Samen von Phy-
sostigma venenosum (j. d.), eigentümliche giftige
Altaloid von der Zufammenfeßung C,H, N, 05,
bildet rhombiſche Kryſtalle oder eine gelbe, amorpbe,
bei 45° ſchmelzende Mafje, in allen Zöjungsmitteln
löslich, wird beim Kochen mit Waſſer, ebenfo durch
Licht: oder Luftzutritt rafch zerfeht und färbt ſich da:
bei rot. Dffizinell find das jalicyljaure E. als
Physostigminum salieylicum (Bbyfoftigminfalicy:
lat) und das ſchwefelſaure E, als Physostig-
minum sulfuricam (Phyſoſtigminſulfat). Erſteres
234 Eiher —
bildet farblofe oder ſchwach gelblihe, in Wafler,
leichter Weingeift losliche, glänzende Kryftalle, und
it das haltbarſte Phyſoſtigminſalz, leßteres ein
weißes, kryſtalliniſches, —— ſehr leicht in
Waſſer und Weingeiſt löslihes Pulver. Das E.
und jeine Salze lähmen die motorijhen Nerven und
tommen bauptfählich in der Augenbeiltunde nad
u Starker Atropinifierung (Bupillenerweiterung) zur
Verwendung; fie bewirken Verengerung der Bupılle
und leijten auch bei Nccomodationslähmungen, glau:
tomatöjen Drudjteigerungen u. ſ. w. gute Dienfte.
Auch gegen gewiſſe Nervenleiden (Tetanus, Epilepfie,
Chorea), befonverd aber gegen Rolif ver Pferde wird
E. angewendet. — Das Calabarin (1876 von
Harnad und Witkowſty entdedt) ijt in Sitber unlös:
{ih und ruft bei Fröfchen Tetanus bervor, während
E. Laähmung des Gehirns und Rüdenmarts bewirkt.
Efber (ipr. ihſch'r), Dorf in der engl. Grafichaft
Surrey, 22 km im SW. von London. Eſher—
Blace, einft Schloß des Kardinal Wolſey, iſt jeßt
umgebaut. Im naben Sandomwnparf werben
Pferderennen (Sandown-Races) abgebalten.
‚Efino (aud yejino), Fiume di Jeſi oder
giumefino, der Äſis der Römer, Fluß im ital.
Sompartimento Mare (die Marten), entipringt
meitlih von Matelica in der Provinz Macerata
auf dem Dftabbang des Römiſchen Apenning, tritt
gleich darauf in die Provinz Ancona, fließt zuerſt
nah N., dann nach NO., berührt Jeſi und mündet
nah einem Laufe von 52 km mweitlih von Ancona
an verjandetem Ufer ins Adriatiiche Meer.
Eſiuokalk, lihtgraue, petrefattenreihe Kalt:
fteine, die in den fühl. Alpen den untern Keuper
Deutichlands vertreten. [®ebeimmittel.)
Es ijt erreicht, ſ. Habys «Es ift erreicht» (unter
Efito ( u: Ausgang, Ausfuhr; Efito:
waren, Ausfubrwaren; Ejitozoll, Ausf *
Est, Name mehrerer Flüffe in Schottland, Eng:
land und Irland. Darunter: 1) Der E.,entipringtam
gube bes Ettrick Pen (688 m), durchfließt bie saott
rafihaft Dumfries, tritt in die engl. Grafſchaft
Gumberland, um, nad einem Laufe von 60 km, in
den Solway⸗Firth zu münden. Hauptnebenfluß it
der Liddel (j. d.). — 2) Der Südest, 79km lang,
fließt nad SD. aus dem Estjee im nordöftl. Teil
der ſchott. Grafſchaft Forfar, berührt Brechin und
mündet in die Bai von Montroje. — 3) Der
Nordest, entipringt ebenbort, hat einen auf von
47 km und ergieht ji 6 km nörblih von jenem
ebenfalls in die Nordſee. (0. d.).
E3fadre (fr;., fpr.-tabdr), joviel wie Geſchwader
E3fadron (fr;., pr. -dröng), Shwadron, Be:
jeihnung für die taftijche ee der Kavallerie,
war urfprünglich im 16. und Anfang des 17. Jahrh.
Bezeichnung einer Stellungsform, indem man unter
Squadron (von Quadra) jeden vieredig geformten,
d. b. aus mebrern hintereinander ftehenden Com:
pagnien gebildeten Schlachthaufen verftand obne
Unterfhied der Waffengattung. Später wurde mit
E. eine aus je 2 Compagnien beftebende Kavallerie:
abteilung bezeichnet; im preuß. Regiment Garde
du Corps beitand noch bis 1889 die abminiftrative
Einteilung der E. in 2Compagnien, und in England
ift die E. noch jetzt aus zwei abminiftrativ ſelbſtän—
digen Troops zujammengejekt. — Die Kriegsſtärke
einer E. beträgt fajt überall ungefähr 150 Pferde.
Rubland, Sfterreih und Jtalien bilden 6, in |
eutichland und Frankreich 5, in England 4 E. ein
Regiment; in Deutichland und Frankreich bleiben
Esfarpine
im Kriegdfall die fünften €. als Erjag:(Depot:-)
Eskadron zurüd und die Regimenter rüden nur
mit 4 E. ins Feld; in den andern oben genannten
Heeren rüdt die volle Zahl der angegebenen €. aus.
Innerhalb des Regimentsverbandes bilden in Sta:
Tien je 3 E. ein Halbregiment, in Rußland, Frant:
reih und Oſterreich je 2 E. eine Divifion. An der
Spitze einer E. jtebt ein Rittmeister (Deutfc-
land [GEsfadrondef, j.d.], Oſterreich, Rußland,
talien) oder ein Kapitän (Frankreich, Eng:
and), in Deutichland ausnahmsweife au wohl
ein Stab3offizier. Die Halbregimenter in Italien,
die Divifionen in Rußland, Frankreich und Ofter:
reich werben von Stabsoffizieren befebligt. Jede E.
bat außerdem einige Subalternoffiziere. Der erſte
Unteroffizier der E. (dem Feldwebel der Infanterie
entjprechend) ift ver Wacht meiſter, fein Stellver:
treter der Dicewadhtmeijter; der Quartier:
meijter bat die Verwaltung der Futtervorräte, der
Reitzeuge und der Uniformjtüde, er leitet und über:
wacht die Arbeiten der Esladronhandwerker; der
Beihlagunteroffizier(Jabnenfhmien,f.b,,
Kurſchmied, f.d.) bejorgt mit Hilfe der Esladron⸗
ihmiede ven Beſchlag. Eskadron-Handwerker und
:Schmiede find Mannjcaften aus der front und
thun für gewöhnlich allen Dienft mit. Dem Roß—
arzt (j.d.) liegt die ärztliche Bebandlung der Pferde
ob. Die €. wird im innern Dienft in Beritte (f. d.),
in taltiſcher Beziebung in 4 zweigliedrige Züge ein:
geteilt. Die gebräuclichiten taltiſchen Formationen
der deutſchen €. find Linie, Zug: und Halblolonne,
ala Marſchformationen die Kolonne zu vieren oder
zu zweien. Die Zahl der E. beträgt in Deutichland
(1901) einjhließlih 15 €, Jäger zu Pferde 480, in
Frankreich 448, Oſterreich-Ungarn 252 und 39 €.
der Yandwebr, Rufland 636 in Europa, 93 in Aiien,
Stalien 144, Großbritannien 234'),.
Eskadrouchef (ipr. röngihefi), in Deutſch⸗
land Funltionstitel des eine Esladron befebligen:
den Rittmeifter® (oder StabSoffiziers); in Frankreich
bei der Kavallerie Chargentitel der jüngjten Stabs⸗
ir en ng dem deutſchen Major entfprict.
falade (frz.), Erfteigung von Mauern oder
fteilen Boſchungen mit Hilfe von Sturmleitern.
Edfamotieren, j. Escamotieren. (ie. 7.
Eskariõl, ſ. Sartenjalat und Tafel: &emüjelI,
Eöfarpe (er) ‚ die dem Berteidiger zunädit
liegende (innere) Böihung eines Hindernisgrabeng,
von der äußern Bruftwebhrböfhung gewöhnlich
durch die Berme (f. d.) getrennt. Das Erſteigen
der E, muß dem Angreifer durch fteile ——
und Hindernismittel moglichſt erſchwert werden. Bei
Feldbefeſtigungen mit Hindernisgraben führt man
die E. ganz flach, um dieſen frontal beſtreichen zu lon⸗
nen. In der Permanenten Befeſtigung (1. d.) erhält
die E. nafjer Gräben N beſſern Saltharteit gegen
die zerftörende Einwirkung des Waſſers gewöbnlich
doppelte Anlagen; bei trodnen Gräben wurde früber
die E. mit hohen Mauern befleivet Revétements,
Suttermauern), welde zur Entlajtung vom Erddrud
vielfah mit überwölbten Strebepfeilern verjeben
(Entlajftungdmauern) und fogar fafemattiert wurben
(Decbargengalerien). Später ftellte man am Fuß
der E. eine verteidigungsfähige freiftebende Mauer
auf, welche nad Einführung der Briianzgranaten
durch ein eifernes Hinderniägitter erjeßt murbe.
Eskarpiue (frz.), gewehrähnliches Schiffsgeſchutß
| früberer Zeit, welches vorzugsweiſe zum Beſchießen
der Talelage diente.
Eski — Eskimo
Eoti ſturt., «alt»), haufig in Ortönamen, wie
B. Esk⸗Schehr, dv. h. alte Stadt.
Eökidiche, Stadt in Thrazien, ſ. Ranthi.
Edi Dinmäja (ipr. dihu-) oder Eski—
Djumna, Stadt im Kreife Sumen in Bulgarien,
am Nordabhange des Balkans, hat (1895) 8942
meit mobammed. E., mehrere Moicheen und Bä-
der, Seidenzucht, Töpferei und Mefien.
Esti-Jftambol, Stadt, j. Esti-Stambul.
Esti-Krym, Stadt, ſ. Stäryj Krym.
Eskilstuna (ipr. eſchil⸗), Stadt im ſchwed. Län
Södermanland, «Schwedens Sheffield» genannt, an
der bier fanalifierten Eskilstuna⸗a und an den Linien
Flen:Kolbäd und Södertelge-Nyby der Schwer. Pri⸗
datbahnen, beſteht aus der am Dftufer des Fluſſes
gelegenen alten Stadt und den regelmäßig gebau:
ten neuern Stadtteilen am weſtl. Ufer, bat (1900)
13663 €. (gegen 1870: 5716), eine 1814 ag
königl. Gewehrfabrik, mechan. Werlſtätten (bemer:
lenswert J. T. Munktells Eiſenwerle), Fabriken für
Stabl: und damascierte Waren (ſog. Estilstuna-
Arbeiten), Mit Stodholm beſteht lebhafter
Dune. tebr. — Schon im 12. Jahrh. befannt,
erbielt die Stadt erft durch die von Karl X. (1654)
angelegten Fabrilen und (1659) erteilten Privilegien
ee ern Den Namen bat jie vom beil. Eskil
aus = nd, dem Apoftel von Söbermanland,
der den Märtprertod erlitt und bier begraben wurde.
Eskilstuua⸗a (ipr. eſchilstuna oh), Nebenflug
de& Mälariees (f. d.).
Eskimo, Gewebe, ſ. Br. 17.
Eskimo, Bolt, dejjen Name aus der Sprache
wein benachbarter Indianerſtämme herrührt und
ohfleiſcheſſer bedeutet, während fie ſich ſelbſt In—
nuit (d. h. Menſchen) nennen. Sie bewohnen den
äuberiten Norden Amerilas und einen Kleinen
Küftenftrih_auf der afiat. Seite der Beringftraße
(j. Karte: Die Verbreitung der Menihen:
rajjenu.f.mw., beim Artikel Menihenrafjen). Nach
den neuejten Unterſuchungen von Rink und Boas ijt
ibre urjprüngliche Heimat in den fee: und flußreichen
Gegenden weitlic der Hubfonbai zu fuchen, und von
bier haben fi die Stämme ſchon vor langer Zeit
teild gegen Weiten nad Alaska, teilö gegen Oſten
nad der Nordkuſte Labradors, nad Baffinland und
Grönland verbreitet. Troß phyſiſcher, ſprachlicher
und kultureller Übereinftimmung zeigen fie doc nicht
geringe lofale Verſchiedenheiten; einige Stämme im
tübmeitl. Alaska bilden einen Übergang zu den Yn:
dianern. Sie entfernen ſich jelbft bei Jagderpeditio:
aen nur wenig von der Küjte nach dem nern, das
auf dem Feſtlande meiftwon ge er ihren
erbittertiten Feinden, bejeßt ıft. Die Entfernung der
öftlichften E. von den weſtlichſten beträgt 8000 km.
Die Anzahl der E. feſtzuſtellen iſt unmöglid. Es
dürften ihrer faum über 40000 fein. Davon wur:
den im bän. Grönland (1895) 10639 gezäblt; für
Alasla wird ihre Zahl auf der Grundlage einer Zäh:
lung auf etwa 8500 geſchätzt. Die E. find ein ty:
iſches Bolarvoll, das fih in bewundernämerter
eife jeinen ärmlihen Wohnfigen angepaßt und
deren Hilfämittel entmwidelt hat. Am beiten be
fannt find die grönländiſchen oder weitgrönländi-
iden €,,die allerdings gr ftart mit europ.
Blute gemifcht find. Es find mittelhobe, dunfel-
bäutige Peute (nie Männer 160 cm), fie haben mejo:
teybale Schädel, flaches Gefiht und ſtraffes, ſchwar⸗
jes Haar. (S. Tafel: Amerikaniſche Bölter:
tppen, Fig. 1, beim Artilel Amerilaniſche Raſſe.)
235
Sie alternrafch. Ihre Kleider machen fie von Fellen,
welche fie ſehr hübjch verarbeiten, wohnen des Win:
ter? in Erbbütten oder in balbrunden gemölbten
Hütten, die fie aus rechtwinklig ausgeſchnittenen
Quadern von Schnee herzuitellen wiſſen, des Som:
mers in — inſoweit ſie nicht mit yp und
Fiſchfang beſchäftigt find. Die weſtlichen E. bejigen
große Tanzhäuſer, die meiſt zugleich als Badeſtuben
dienen. Ihre Boote, die ſog. Kajaks, find leicht
und fchmal, ein Geitell von Walrippen mit See:
hundsfell überzogen, und werben von einem ein:
zelnen Manne gehandhabt. Daneben befigen fie
noch größere Boote, jog. Weiberboote (Umiaks),
die für Transport geeignet find und worin die Fa:
milien ihre Wanderungen antreten. Ihre Haupt:
waffe ift die Harpune, entjtanden aus dem allen
€. befannten Blafenpfeil, an dejien Schaft eine
Blafe befeftigt war, um dem Tauchen und Schwim:
men ber getroffenen Seehunde ein Hindernis zu
bereiten. Die wichtigite Erwerbsquelle ift Jagd
auf Geejäugetiere, namentlib Seebunde, deren
leifh und Sped, roh und gelocht, zu den alltäg:
ihen Nahrungsmitteln gehören; auch beichäftigen
fie fih mit Fiſcherei, Auffuchen von Treibholz und
im Sommer mit Renntierjagd, wie denn * das
Einſammeln von Beeren (Empetrum nigrum L.)
ölonomijche Bedeutung hat. Da Thran ihr Haupt:
getränt Ir ift Übertreibung; derjelbe ift zu wert:
voll für fie, da er ihnen im Winter Wärme und
Licht Spenden foll. Sie find feine eigentlihen No:
maben; nur ihre Sommerlager wechſeln fie, wie es
Jagd und Fiſchfang erfordern. Die €, find intellis
ent und befißen großes Talent für Nahabmung,
ür Mufil und Zeichnen; fie zeichnen ſogar Karten,
Eigentümlihe Züge der Fremden failen fie rajch
auf und entdeden bald deren ſchwache Seiten. Sie
baben feine Häuptlinge; Yamilien-, Haus: und
Dorfgenojien halten zufammen; aber die verſchie—
denen Dörfer haben untereinander faum Beziebuns
en. Da fie jeden Anlaß zum Streit unter ſich forg:
Mio vermeiden, befriegen fie ſich nie. Doc führen
fie gegen ibre Topfeinde, die Indianer, erbitterte
Kämpfe. Volygamie iſt felten, aber Trennung der
Ehe und MWiederverheiratung leiht. Die €. find
roße Eifer und en von Feſtlichkeiten. Als
Beiden der Begrübung gilt das Najenreiben, dod
erricht diefe echte Eslimoſitte nur noch bei den wil:
den En in Grönland begrüßen fi jo nur no Kin—⸗
der. Die Litteratur der €, ift nicht unbedeutend,
Die meijten Bücher in ihrer Sprache werden in
Dänemark, nur weniges in einer Heinen Druderei
Grönlands gedruckt. Seit 1861 beftebt ein Unter:
————— Am belannteſten unter den litterar.
zeugniſſen der E. iſt die Selbſtbiographie von
Hans Hendrik, dem Begleiter mehrerer Bolarreifen.
(Bgl. Geographical Magazine, Bd. 5, Lond. 1878.)
Die dän. Rolonifation bat den Kulturzuftand der
rönländiſchen E. vielfah verbejjert. Die Einge—
orenen der Weſtküſte, welche früber Tornarjuf und
eine unzählbare Geijterfchar verebrten und in den
fog. Angeloks eine befondere Klafje von Shamanen
ae find längjt Ehriften und genießen etwas
Schulunterricht; fie haben ftellenmeite beſſere Woh⸗
nungen und find woblbetannt mit Kaffee und Tabak.
Die oſtgrönländiſchen E. find größer als die weit:
grönländifchen, haben mehr markierte Gefihtszüge
und eine recht eigentümlicbe Sprade.
Litteratur. Cranz, Hiſtorie von Grönland
(2p3. 1772); Hall, Life with the Esquimaux (2 Bde.,
236
2. Aufl., Lond. 1865; neue Ausg. 1871); Rink, Eski—
moijte Eventyr og Sagen (Kopenh. 1878) und viele
andere Schriften desjelben; Morillot, Mythologie
etlögendes des Esquimaux (Par. 1874); 9.9. Ban:
ceroft, The native races ofthe PacificStates ofNorth
America, Bd. 1 (San Francisco 1875); Dall und
Gibbs, Contributions to North American ethno-
logy (Bafhingt. 1877); von Klutſchak, Als E. unter
den E. (Wien 1881); Cruise ofthe Corwin in Alaska
and N. W. Arctic Ocean in 1881 (Wafbingt. 1883);
een Reife an der Norbmweittüfte Amerikas
3. 1884); The E. tribes (in den « Mevveleljer
om Grönland», XI, 1887); Boas, The Central E.
(in dem «Sixth Annual Report of the Bureau of
Ethnologyr, Wafhingt. 1891); Bourquin, Gram:
matit der Eskimoſprache (Gnadau 1891); Nanfen,
Estimoliv (Krift. 1891; deutfh von Langfeldt,
Berl. 1903); Peary, My arctic journal, a year
among ice-fields and E. Lond. 1893); Ayberg, Om
Erhvervs⸗og Befoltnings:Forboldenei®rönland (in
«Geo TapbiftZipftrifte 12. Bd. Ropenb. 1893); Hoff:
man, The — art of the E. (Wajbingt. 1897);
Nelion, The E. about Bering Strait (Lond. 1901).
Eskimobai, ſ. Hamilton Jnlet.
Esfimohund, ſ. Hunde nebft Tafel: Hunde:
raf IE, .15.
8fi- ehr, Stadt im Sandihal Kutabia im
afiat.«türt, Wilajet Khodamendiljar, am Purfat,
norböftlid von Kutahia gelegen, an der Bahn
Stutari:Angora und E.-Afiun-Karahiſſar-Konia,
ift das alte Doryläum in Phrygien, war einft bes
deutenber Stapelplaß und unter den byzant. —
wichtige Feſtung, hat berühmte Warmbäder, Grä—
ber mehrerer mohammed. Heiliger, Fabrilation von
Meerſchaumpfeifen und 19000 E. In der Näbe
große —— mit jäbrliher Ausbeute
von mehr ald 30 Mill. Piaſter.
E3ti-Seräi, j. Serail.
E3fi-Stambul,bulgar.Marktfleden, ſ. Preslav.
Eski⸗Stambul (Eski-Iſtambol), Stadt und
Hafenort im turk. Wilajet Dichejairi: Bahri: Sefid,
an der Heinafiat. Kuſte der Inſel Tenedos gegenüber,
die Ruinenftätte der alten Stadt Alerandria (Troas),
eine röm. Kolonie; fie wurde nad ihrem Erbauer
Antigonia, aber von Lyſimachos fpäter zu Ehren
a d. Gr. Alerandria benannt.
#fi-Bagra, bulgar. Stara-Zagora oder Zelez-
nik, Hauptftadt des Kreiſes E. (1901: 393240 €.)
in Dftrumelien, das alte Berda in Thrazien, am
Süpdfuß der Gerna:Gora (f. Balkan) und an der
Bahn Feni:Zagra:Girpan, in fruchtbarer Gegend,
at (1901) 19428 €. (Bulgaren, Türten, Juden,
inzaren), viele röm. und byzant. Altertümer;
eppich: und Roſendlfabriken; Getreidebau. €, H
ein wichtiger Straßentnotenpuntt für die Päſſe
des mittlern Balkans, die von bier nad Philip:
popel und Adrianopel zu führen. — Bei E. warf
fih Ende Juli 1877 Suleiman Paſcha mit 35000
Mann dem ruff. Avantgardenkorps unter Gurko,
das den Ballan 13. bis 15. Juli überjchritten hatte,
entgegen, bemädhtigte ſich 31. Juli der Stabt und
warf die Ruflen nah dem Balkan zurüd.
Eskol (d. i. Traube), ein Thal nördlid von He:
bron, worin die Aunhidaer Israels neben Granats
äpfeln und eigen berrlibe Weintrauben fanden
(4 Moſ. 13,24 fg.; 32,9; 5 Moſ. 1,24fg.). Nach
1 rg 14, ıs, 24 foll €, der Name eines der drei
mit Abrabam verbündeten Amoriter geweſen fein.
Wahrſcheinlich bat fich der Name in Beit Iskahel,
Esfimobai — Esmarch (Friedrich von)
Dorf und Thal nordweſtlich von Hebron, erbalten,
gewöhnlich Bet Kabel genannt.
Eskompte (fr;., pr. -töngt), ſ. Dislont. Es:
tomptieren ift gleichbedeutend mit bislontieren.
Die Bezeihnungen E. und estomptieren Pr Die:
font und diöfontieren find befonder3 in Oſterreich
gebräudlidh.
Eskorial, |. E3corial.
Eskorte (frz.), Geleit, Ebrengeleit, Bededung
(1.d.); estortieren, geleiten, — Geleit geben.
Eödfuära, |. Basliſche Sprade.
Eskulent (lat.), eßbar.
Esla, rechter Nebenfluß des Duero in den ſpan.
Provinzen Leon und Zamora, auf der Hochebene
von Leon, die er in vorwiegend ſudſudweſtl. Rich⸗
tung durdfließt. Der E. entjpringt auf dem Süd—
abbange des Cantabriſchen Gebirges, am Pico de
Ventaniella, nimmt rechts den Bernesga (von der
Stadt Leon ber), Orbigo und Terraz, links den Eda
auf und mündet nah 250 km Lauf unterhalb
Zamora am Duero. j
Eslaru, Marttfleden im Bezirksamt Boben:
ftrauß des bayr. Reg.:Bez. Oberpfalz, 4 km von
der böhm. Grenze, Sig einer Grenzwachſtation, bat
(1900) 2541 E., darunter 13 Evangelifche, Pott:
erpedition, Telegraph; Landwirtſchaft.
Esläva, Don Miguel Hilarion, fpan. Mufiter,
geb. 21. Dft. 1807 bei kr geft. 23. Juli
1878 zu Madrid als Hoflapellmeifter, zählt zu den
erporragendften Komponiften (Kirchenmufil und
pern) des neuen Spaniend. Allgemeinere Bedeu:
tung gewann er durch die Herausgabe älterer jpan.
Meiſter. Das wichtigfte diefer Sammelmwerte ift die
«Lira sacro-hispaha» (5 Tle. in 10 Halbbon., 1869).
Edmarch, Friedrich von, Chirurg, geb. 9. Jan.
1823 zu Tönning, ftubierte feit 1843 zu Kiel und
Göttingen Medizin, wurde 1846 Aſſiſtent Langen:
bed3 am dirurg. Hofpital zu Kiel, beteiligte it
im Qurnertorps am jchlesmw.:boljtein. Kriege von
1848 und ward 9. April mit dem größten Zeile
desjelben gefangen. Nachdem er jpäter ausge
wechſelt war, wirkte er einige Zeit als Dberarit
beim Lazarett im Bürgerverein zu Flensburg. Die
beiden folgenden Feldzüge made er ala Adjutant
Stromeyers mit. zwifchen hatte fich E. mäb:
rend des Waffenftillftandes 1849 zu Kiel babili:
tiert, 1854 wurde ihm nad Stromeyers Weggang
die Direltion der chirurg. Klinik übertragen, 1857
ward er ord. Profejior und Direktor des Hoſpital⸗
zu Kiel. Während des jchlesmw.:holftein. Krieges von
1864 madıte fi €. in hohem Grade um die Lazarette
in Flensburg, Sundemitt und Kiel verdient. 1866
ward er nad Berlin berufen, um als Mitglied in
die Immediat⸗Lazarettlommiſſion einzutreten und
die Überleitung der chirurg. Thätigfeit in den dor:
tigen azaretten zu übernehmen. 1870 zum General:
arzt und konfultierenden Chirurgen der Armee er
nannt, wirkte er zunächit in Kiel, jodann in Hamburg
bei der Organifation der freiwilligen Hilfe, ipäter ın
Berlin als tonfultierender Chirurg bei dem großen
Baradenlazarett auf dem Tem elbofer Felde. In
zweiter Ehe iſt E. jeit 1872 mit Prinzeſſin Henriette
von Schleswig:Holftein-Sonderburg:Auguftenburg
(geb. 2. Aug. 1833), einer Tante (Vatersſchweſter
der jehigen Deutichen Kaiferin, apa ei 1887
wurde er in den erblichen Adelſtand erhoben, 1897
zum Wirkl. Geheimen Rat mit dem Prädilat Er
cellenz ernannt. 1905 wurde ihm ein Bronzeftand:
bild (von Ad. Brütt) in Tönning errichtet.
Esmarch (Karl) — Esocidae
€. bat fi weientliche Verdienfte um das Laza⸗
ttmeien, die Kriegschirurgie und beſonders bie
hiegihirurg. Technik erworben, aud das Ber:
jahren, Gliedmaßen ie yes blutleer zu maden
und jomit ohne Blutverluft zu operieren, erfunden
und ih um die Einführung der Samariterjhulen
(. Erg Sg rated hin Deutichland verdient ge:
mabt. Er fchrieb: «liber Nefeltionen nah Schuß:
munden» (Kiel 1851), «Beiträge zur praltiſchen
Gange (Heft 1 u. 2, ebd. 1853—60), «liber chro⸗
niihe Gelententzündungen» (ebd. 1866; 2. Aufl.
1867), «Berbanbplas und Feldlazarett⸗ (Berl. 1868;
2. Aufl. 1871), «fiber den Kampf der Humanität
en die Schreden des Krieges» (Kiel 1869; 2. Aufl.,
1899), «Der erfte Verband aufdem Schlacht⸗
felde» (Kiel 1869; 3. Aufl, 1899; mehrfach über:
\egt), «liber Vorbereitung von Refervelazaretten »
(Berl. 1870), «Über Gelentneurojen» (Kiel 1872),
«Die Krankheiten des Maſtdarms und Aiters» (Er:
langen 1873; 2. Aufl., Stuttg. 1887), «Über fünit:
lade Blutleere bei Operationen» (2p;. 1873), «Die
erſte Hilfe bei —— Gannov. 1875), «Hand:
buch der kriegschirurg. nit» (ebd. 1877; 4. Aufl.,
mit Kowalzig, 2 Bde. Kiel 1893— 94; Bd. 2 Mpe⸗
— 5. Aufl. ebd. 1901; zugleih Bv. 1
u.2 der «Chirurg. Tehnit», 8. Auf, 4 Boe., ebd.
1899), «Die erite Hilfe bei plöglichen Unglüds:
fällen. Ein Leitfaden für Samariterfhulen» (Lpz.
1882; 17. Aufl. 1901; in 23 Spraden überjest);
«liber elepbantiajtiihe Formen» (mit Rulentampff,
Hamb. 1885), «Samariterbriefe» (Kiel 1886).
€3 ‚ Karl, Jurift, geb. 3. Dez. 1824 zu
Sonderburg, ftubierte Re töifienihaf u Riel,
Bonn, Heidelberg und Berlin, nahm am ſchlesw.
belftein. Kriege 1848—51 teil und habilitierte ſich
1851 zu Göttingen für das röm. Recht. 1855 wurde
er ala on. Broefor des röm. Rechts nad Krakau,
1857 nad) Prag berufen, wo er 22. an. 1837 ftarb.
Bon E.s wiſſenſchaftlichen Arbeiten find zu er:
wäbnen: «Röm. Rechtögeidhichte» (2 Tle., Gött.
1856; 2. Aufl., Eafj. 1877—80), «Örundfäge des
VBandeltenrehts» (2 Tle., Wien 1859— 60), «Va-
cuae ionis traditio. Eine civiliſtiſche Un:
terjuchung» (Prag 1872) und «Pandelten⸗ Exegeti⸗
cum» (ebd. 1875). Unter dem Pſeudonym Karl
von Aljen bat E. auch mehrere —— meiſt
epiihen Inhalts veroffentlicht; «Der Sieg bei
Bornböved» (Kiel 1847), «Der Hort der Dichtung.
Fine Götterjage in 16 Gefängen» (Lpz. 1853), «Aus
alten und neuen Tagen» (Berl. 1860), «Knud La:
warb» (Hamb. 1865), ſowie mehrere metrifche liber:
fegungen aus dem Schwediſchen und Altnordifchen.
Eöma f. Eorbierit.
Esmenard (jpr.-nabr), Joſeph Alphonſe, franz.
Dichter, geb. 1770 zu Peliſſanne (Depart. Bouches⸗
du⸗Rhöne), wurde Mitarbeiter on Yan er royali⸗
ſtiſchen Zeitungen, verließ aber Frankreich nach dem
10.Aug.1792 und bereifte England, Holland, Deutſch⸗
land und Jtalien. Seit 1797 lebte er wieder in Paris,
wurde aber nad dem 18. Fructivor (4. Sept.
1797) verbannt, tebrte 1799 zurüd, begleitete
den General Leclerc nah San Domingo und folgte
Ipäter dem Admiral Billaret:Joyeufe nah La Mar:
tinigue. Rapoleon ernannte ibn zum Theatercenfor
in Baris; ſchließlich wurde er Direktor des «Journal
de l’Empire» und eg am Bolizeiminifte:
rim, 1810 auch in die Franzoͤſiſche Akademie auf:
aenommen. Nachdem eraber 1811eine heftige Satire
gegen Rußland veröffentlicht hatte, wurde er ver:
237
bannt, nad 3 Monaten begnadigt und ftarb auf der
Rüdreife nad) Frankreich 25. Juni 1811 in der Nähe
der Stabt Fondi. Unter feinen Werten find hervor:
uheben: eine Dve, «L’oracle du Janicule», zu
bren der Heirat Napoleons verfaßt, eine Samm⸗
lung von bonapartijtiihen Gele enheitägedichten:
«La couronne po&tique de Napol&on» (1807), zwei
Dpern, «Le triomphe de Trajan» (1808) und «Fer-
nand Cortez» (mit Jouy; fomponiert von Spontini
1809). Sein beftes Werk ift das Lehrgedicht «La
navigation» (2 Bde., 1805).
Edmeralda (jpan., « Smaragd»), aus Galop
und Polla beitehender Rundtanz in Talt. A
eine Mäpchenfigur aus dem Roman Victor Hugos
«Notre-Dame de Paris» fowie Titel danach be
arbeiteter Opern (unter anderm von Louife Ange
lique Bertin).
E3dmeraldas, norbweitlihite Provinz der für:
amerit. Republik Ecuador (f. Nebentarte zur Karte:
Columbia u. f. w.), grenzt im N. an Columbia,
im D. an die Provinzen Carchi, Imbabura und
ihinda, im S. an Manabi und im W. und NW.
an den Stillen Dcean. Diefer flachfte Teil der
Republik hat nur Höhen von 50-600 m aufzumweifen,
beitebt großenteild aus Tertiär ſowie vulkaniſchen
Hügeln am Abbang der Wejtlette und ift im Innern
ganz mit Wald bevedt. Der einzige bedeutende Fluß
iſt der E. welcher auf der Hochebene von Quito, am
be des Eotopari entfpringt und in den Golf von
ncon bed Großen Oceans mündet. Die Ausfuhr
beftebt vorwiegend in Kautſchul. Die Provinz ns
auf 19267 gkm etwa 14600, meijt an der Küſte
ſeßhafte E. (darunter 1500 Weiße und etwa 6500
civilifierte Indianer und Neger). Hauptftabt ift der
Hafen E. am Fluſſe gleihen Namens mit 3000 €.
Es-moll (ital. mi bemolle minore; franz. mi
b&mol mineur; engl. e lat minor), die Molltonart,
bei der h, e, a, d, g, c um einen halben Ton er:
niebrigt werben, aljo ſechs P vorgezeichnet find *
bei dem parallelen Ges-dur). Der unbequemen Bor:
zeihnung wegen kommt diefe Tonart ebenso felten
vor, wie die nur enharmoniſch von ihr verfchiebene
Tonart Dis-moll. (S. Ton.)
Edneh, Stadt in Dberägypten, Provinz El:
Hedud, am linken Nilufer, 45 km ra von den
Ruinen von Theben, an der Niltbalbahn, hat etwa
9000 E., ift Sigeines kopt. Biſchofs und ein reger Ber:
lehrsplatz, wo namentlich mit Kamelen, Töpferwaren
und den Malajeb genannten ſehr feinen Baummoll:
ftoffen und Shawls gehandelt wird. Die Sennarlara-
wane taufcht bier ihre Vorräte an Gummi, Strauß:
federn und Elfenbein gegen europ. Waren ein. Die
Stadt fteht auf den Ruinen des alten Latopolis.
Agyptiſch * Enyt oder Sn&; ihre Bewohner
verehrten nach Strabo die Athene (d. i. Hathor) und
den Fiſch Latus. W Tempel, der in feiner jebigen
Geitalt aus der Ptolemäer: und röm. Kaijerzeit
tanımt, in feiner urfprünglichen Anlage aber zweifel:
08 in bie älteften Zeiten zurüdreicht, ift verjchüttet
und von der jegigen Stabt überbaut. Nur feine
Vorhalle ift ausgegraben und durch eine Treppe, die
32 Stufen hat, von der Straße aus zugänglid. *
Dach wird von 24 mächtigen Säulen in 4 Reihen
getragen, deren mannigfaltige Kapitäle vortrefflich
erhalten find. Unter den Darſtellungen und In:
Ihriften an den Wänden ift beſonders die deö Kai:
jerö Decius bemerkenswert, da fie die legte batierte
—— iſt, die man gefunden hat.
Esoo ‚ die familie der Hechte (f. d.).
238
Efoterifch (grch.), bloß für die Eingeweihten
(Ejoteriter) beftimmt, im Gegenfaß zu erote:
riſch, für die Außenftebenden bejtimmt. Cinen
Unterſchied efoterifcher und eroteriicher Kr follen
die Pythagoreer gemadt haben. Ariſtoteles nennt
von feinen Schriften die nit ausſchließlich für den
Gebraud innerhalb feiner Schule, fondern für ein
weitere Publikum bejtimmten eroterifche; die Be:
nennung der andern (mozu jämtliche erhaltene
Werle des Ariftoteles gehören) als efoterifche findet
% erjt bei jeinen neuplatoniſchen Auslegern, ebenſo
aben erft diefe die Meinung aufgebradt, ald ob
jene Unterfheidung den Sinn gehabt hätte, daß
die eigentlich philer. Lehre jedem, der der Schule
nicht angebörte, babe verfchlofjen bleiben jollen.
Esox luofus L., der gemeine Hedt, ſ. Hechte
und Tafel: Fiſche J, dig
Esp., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab:
fürzung für Eugen Joh. Chriſtoph ee (f. d.).
E (fpan.), Degen; dann auch der mit dem
Degen oder Schwert Bewaffnete (f. Stiergefecte).
E (ipan.,ipr.-billja ; verdeutiht: Spa:
diller Heiner Degen.
Espadon (fr;., ipr. -böng), großes, breites,
jweihändiges Schlachtſchwert; Eipadonbieb, ſ.
Zirtelbieb. Fenſter.
Eſpaguoletteverſchlufße(frz., ſpr. -annjolett-),
Eſpalion (ſpr. -Tiöng). 1) Arrondiſſement im
franz. Depart. Aveyron, bat 1485 qkm, (1901)
55652 E,, 49 Gemeinden und zerfällt in die 9 Kan⸗
tone Entraygues, E., Ejtaing, Yaguiole, Mur:de:
Barrez, Saint Amans, Saint Chely, Sainte Gene:
vieve und Saint Genies. — 2) Hauptitadt des
Arrondifjements und des Kantons €,, 27 km nord:
oſtlich von Rodez, in 342 m Höhe, rechtö vom Lot
und am Fuße eines hoben, mit Wein bepflangten
Hügels, iſt Siß eines Gerichtshofs erfter Initanz,
einer Agritulturfammer und bat (1901) 2392, als
Gemeinde 4149 E., Poſt, Telegrapb, ein College,
ein Bellengefängnis, ein Hoipital, ein Stadthaus
(16. Jabrh.), ein altes Schloß, auf den Höben
maleriſche Ruinen der Schlöfler Calmont :v’Dlt
11. Jahrh.) und NRoquelaure; Wachs: und Hut-
abrifation, Gerberei, Handel mit Getreide, Wein,
olle und Vieh. 1 km — die roman. Kapelle
Saint Hilarion (11. Jahrh.), in Form eines lat.
Kreuzes gebaut, mit Relief, das Jungſte Gericht
daritellend; 6 km entfernt die 1147 gegründete Ei:
ercienferabtei Bonneval (Bona vallis), 1876 den
rappijtinnen eingeräumt. Haiti (f. d.).
Eſpañola, urfprüngliber Name ver ſel
Eſparraguera (ipr. -gehra), Stadt im Bezirk
San Felio de regt der jpan. Provinz Bar:
celona, 33 km im . von Barcelona, am rechten
Ufer des rechts in den Llobregat gebenden Noya,
in 185 m Höbe, am füdöftl. Fuße des Monferrat,
bat (1897) 5283 €. und nörblih am Aobregat die
warmen (29° C.) Aguas de la Buda, Schwefelwaſſer,
die zum Trinken und zu Bädern verwendet werden.
Eiparfette. der franzöfiiche, auch in die deutſche
Sprache übergegangene Name der zur Familie der
2eguminofen (f. d.), —— der Papilionaceen,
igen Pflanzengattung Onobrychis Gaertn.
oder Hedysarum L., welche ſich durch einſamige,
runzlig⸗grubige, am Rande mehr oder minder dor:
nig gezähnte Hülfen auszeichnet. Zu ihr gehört die
gemeine €. (Onobrychis sativa Lamk. oder Hedy-
sarım onobrychis L.), aub Eſper, Süßllee,
türtifcher oder ſpaniſcher Klee, Schildklee,
Eſoteriſch — Eijpartero
HafentopfundSchmeizerklee genannt (f. Tafel:
utterpflanzen I, Fig. 16), eine der trefflichiten
yutterpflanzen, die nur auf faltbaltigem, lebmigem
oden und zwar bejonders in Berggegenden ge:
deiht und langgeftielte Ähren mit rojenroten, ge
ftreiften Schmetterlingsblumen trägt. Mittelö der
E. können au dürre, unfructbare, dem Pfluge
nicht menge Berge und Abbänge, welche jonit
feinen Nuben gewähren, aufs zmedmäßigfte nup:
bar gemadht werden. Gewöhnlich giebt fie blos
einen Schnitt und nur auf gutem Boden zwei
Schnitte des beiten Heues, das an nährendem
Stoff viele andere Futterpflangen weit übertrifft.
Eine Abart ift die zweiſchürige €. Man jäet auf
das Heltar etwa 150 Samen und lann bi
120 Etr. Heu ernten. Bei geböriger Pflege in gün-
ftigen Lagen dauert die €. 10—15 Yabre uus und
läßt dann den Boden noch jo befruchtet zurüd, dat
er mehrere Ernten obne Düngung liefert. Die
Blüten bieten den Bienen viel Honig dar. Die €.
wächſt auf dürren, fonnigen Raltplägen in Mittel:
und Südbeutfchland, desgleihen in Südeuropa aus
wild. Die E, wird namentlich befallen von einem
Pilze, Uredo leguminosarum Lk., der Uredoform
von Uromyces —— Schroet. (trifolii Wint.).
Eipartero, Don Baldomero, Graf von Lu:
chana, Herzog von PVittoria, fpan. General und
Staatämann, geb. 27. Febr. 1792 zu Granatula in
der Manda ald Sohn eines Stellmaders, wurde
um geiftlihen Stande beftimmt, verließ aber 1808
eim Einfall der Franzoſen das Klofter und trat in
das fog. gebeiligte Bataillon. 2% an. 1815 fhlos
er fich der vom General Don Bablo Morillo be
ebligten Erpebition gegen die aufftändifchen Ro:
onien in Südamerifa an und kehrte nad) der Ra-
pitulation von Ayacudo (1824) nad Spanien E
rüd. Er erllärte fih 1832 offen für die Thronfe
Iſabellas, und als nad dem Tode des Königs Fer
dinand VII. der Bürgerkrieg ausbrach, wurde er
Generallommandant von Biscaya, kämpfte jedob
unglüdlich gegen Zumalacarreguy. Im Mai 1836
übernahm er interimiftiihb das Dberlommande,
rettete im Auguſt Madrid und wurde im September
um Oberbefeblöbaber ver Armee des Nordens, zum
Dicelönig von Navarra und Generalfapitän ber
bast, Provinzen ernannt. Auch als 12. Sept. 1837
die Armee des Don Carlos vor Madrid ericien,
rettete er die Hauptftabt, trieb den PVrätendenten
über den Ebro jurüd, nahm im Dezember die
Höhen von Luchana und entjeste Bilbao, worau!
er zum Grafen von Quchana ernannt wurde. Bei
Burgos vernichtete er 1838 die Erpedition des far
liſtiſchen Generals Negri. Sein glüdlicher Feldzug
1839 brachte ihm den Titel eines Granden umt
Herzogs von Vittoria. Geſchict mußte er die Um
einigleit der Rarliften zu Unterbandlungen mit Na-
roto zu benußen, die zum Vertrage von Vergare
f. Spanien, Geſchichte fürten infolgedefjen Don
los nad Frankreich floh. Als 1840 die Eortet
ein die Municipalgewalt der Städte (f. Ayunta
miento) bejchräntendes Geſeß annabmen, und bie
Königin:Regentin Maria Ehriftina gegen E.s Rat
das Geſeß genehmigte, ſchloß fi E. der Bewegung
gegen dieje Dabregel an. Die Königin ſah ſich
genötigt, E. zum Minifterpräfidenten zu ernennen
und 12. Dft. 1840 ihre Abdankung zu erflären.
wurde 8. Mai 1841 zum Regenten des Landes und
zum Vormund der Königin Iſabella und deren
Schweiter, der Infantin Luife Fernanda, ermwäblt.
Eiparto — Eſpinaſſe (Eiprit Charles Marie)
Nit Energie, Feſtigkeit und Klugheit führte er die
Staatäleitung; er widerſetzte ſich den Anforderun⸗
gen der Romiſchen Kurie, bielt die Republikaner
meter und bämpfte ben von O'Donnell zu Gunften
Ehritinens erregten Aufſtand in Bamplona. Allein
infolge des Bünpnifies der Progreſſiſten und Res
publitaner mit den Moderabos (der Ebriftinijchen
Bartei) mußte E. 9. Mai 1843 in die von dem
Rinifterium Lopez beantragte allgemeine Amneftie
willigen, 20. Mai entließ er jedoch das Miniite:
rum und löjte 26. Mai aub die Eortes auf.
Schnell verbreitete ſich hierauf durch die Gegner E.s
der Aufitand in Gatalonien, Andalufien, Arago:
nien und Galicien. Am 13. Juni beſchloß die in
Barcelona gebildete Junta E.s Abſetzung und die
Großjäbrigleit der Königin Iſabella, worauf die
1. Juli 1843 eingeſetzte Proviſoriſche Regierung
(2ope;, Caballero, Serrano) ihn als Verräter am
Baterlande der Regentſchaft für verluftig erklärte,
An die Spige des Aufjtandes in Valencia trat
Rarvass, jein perjönlicher Feind, der 22. Juli 1843
in Madrid einzog; infolgedeſſen ſchiffte ih E.
30. Juli in Cadiz nad England ein; in Spanien
wurde er durch ein Dekret vom 16. * aller Titel
und Würden für verluftig erllaäͤrt. Anfang 1848
dur ein Delret der Königin wieder in feine Würden
eingefest, kehrte er nad Spanien zurüd. In der pro:
—— Revolution von 1854 ernannte ihn die
igin Nabella zum Chef der neuen Regierung,
mäbrend ibn zugleich die Proviſoriſche Regierung zu
Saragoſſa zum Seneralijjimus der Nationaltruppen
proflamierte. €. bildete ein Kabinett, worin General
D’Donnell das Ariegdminifterium übernabm. Die
Spaltung der fiegenden Partei in reine Brogreffi:
ften, die E. anbingen, und in fonjervative, welche
die Bartei O'Donnells bildeten, madten die Her:
ftellung einer georbneten Regierung unmöglid.
Die Intriguen O’Donnells führten 14. Juli 1856
die Abdankung E.3 und feiner Kollegen berbei,
wäbrend O’Ddonnell fein Nachfolger wurde. Hier:
auf u ſich E. nad Logroño ins Privatleben zurüd.
Die Thronlandidatur, die ihm nad der September:
revolution 1868 mebrmals angeboten wurde, lehnte
er ab. Er ftarb 10. Jan. 1879 in Logroño. — Bol.
Alore;, E., historia de su vida militar y politica
(3 Bde., Mapr. 1843—44); Mariano, La regencia
de Baldomero E. (ebd. 1870).
Eiparto (ipan.,getrodnetes Gras, lat.spartum),
ala Pflanze Atocha (jpan., ſpr. atotſcha), Name
eines im weſtl. Mittelmeergebiet auf jalzfreien, trod:
nen Steppen häufig, ja oft mafjenhaft wachſenden
Grafed, der Stipa (Macrochloa) tenacissima L.
(6. Zafel: Gramineen V, Fig. 1), außerdem von
Lygeum spartum L. Die binjenartigen, äußert
zäben und biegjamen, graugrünen, 40—70 cm lan»
gen, nad der Breite zufammengerollten Blätter
(Spartos, Faden-, Strid: oder Pfriemen:
gras, fälſchlich ſpaniſcher Ginſter genannt)
werben zu allerhand Flechtwerk benutzt, find aber
erit durch ihre Weltbandelbeveutung in der ier:
fabrilation zu der jest allgemeinen Berühmtheit ge:
langt, da die Eipartofafer ſich vor andern Strob:
faiern durch die Reinheit der Gellulofe, verbunden
mit größter mechan. Leiſtungskraft, auszeichnet.
Im mittlern Algerien, zwiſchen den beiden Ketten
des Atlas, liegt eine Steppenregion, welche nad)
dem dort Alfa oder Halfa genannten Atocha oder
6. Aljaregion heißt. Algerien erntet (bejonders im
Depart. Uran) jäbrlid gegen 200 Mill. kg und
239
führte davon 1900 fait 98 Mill. kg (89 Mill. kg nach
England) aus; auch die Produltion von Tripolis,
Spanien und Tunis gebt nad England.
Eſpe oder Ai se Bappel und Tafel: Laub:
bölzer: Walpbäumel, Fig. 2.
Espöoe (fr;., ipr. eſpahß), Gattung, Art, Sorte,
bejonders Geldiorte; en especes (fpr. anneſpähß),
in Hingender Münze.
Eſpelui, Stabt, ſ. Illiturgis.
Eiper, j. Eiparjette und Tafel: Futterpflan—
zen, Fig. 16.
Eiper, Eugen Joh. Chriſtoph, Naturforſcher, geb.
2. Juni 1742 in Munfiedel, wurde 1782 außerord.,
1799 ord. Profeſſor der Naturgeihichte, 1805 Di:
reftor des Naturalientabinett3 in Erlangen und ftarb
—— 27. Juli 1810. E. veröffentlichte: «Natur:
geihichte im Auszuge des Linneiihen Syitems»
(Nürnb. 1784), «Die europ. Schmetterlinge» (5 Tle.
in 7 Bon. und 1 Supplementband, Erlangen 1775
— 1805 ; neue Ausg. 1829— 39), «Die ausländiichen
Schmetterlinge» (16 Hefte, neue Ausg., ebd. 1830),
« Die Pflanzentiere» (3 Tle., beendet von Hammer,
und Fortjegung, 2 Tle., Nürmb. 1788 — 1830),
«Icones fucorum» (7 Hefte, ebd.1797— 1802), «Nadı:
richt von den neuentbedten Zoolithen» (ebd. 1774).
‚Esperanoe (ft;., jpr.-rängp), Hoffnung; eſpe⸗
tieren, boffen.
Efperänto, ſ. Weltiprade.
Eiperanza, Aderbaufolonie in der argentin.
Provinz Sta. 6, 25 km nordweſtlich von Sta. Fe,
an der Gifenbahn von Sta. Fe nab Pilar, bat
(1895) 2649, ald Gemeinde 7540 E. Aderbau und
bedeutende rg rag von Fruchtbãumen, aud
etwas Anduftrie. E. war die erfte, 1856 gegrün:
dete Kolonie ihrer Art in den La: Plata:Staaten
und bat fi ale entwidelt.
Efperto (ital.), ein — Kundiger; na⸗
mentlich ein in einen polit. Bund Eingewebier.
Espiögle (ftz. ipr. eiplähgl, vom deutſchen
«Sulenipiegeln), Schelm, Schalt; Espiöglerie,
Scelmerei, Eulenfpiegelei.
Efpiel, Minenitadt im Bezirk Fuente Dvejuna
der jpan. Provinz Gordoba, an der Bahn Cordoba:
Almorhön, lint3 von dem in den Guadalquivir
ebenden Guadiato, hat (1897) 3185 E. und an+
Fbnliche Steinfoblengruben.
Eipinäles,mit Dorngeitrüpp ——— Gegen⸗
den der Argentiniſchen Republit (j.d., Pflanzenwelt).
Efpinaffe (ipr. näß), Eſprit Charles Marie,
franz. General, geb. 2. April 1815 zu Saifjac (De:
part. Nude), erbielt feine militär. Vorbildung in
der Militärichule zu St. Eyr, trat 1837 ala Leut⸗
nant in die Fremdenlegion in Algier, zeichnete ſich
1845 als Bataillonschef des Zuavenregiments im
Belbaus egen die Kabylen aus und wurde 1851
berit. Als folder jprengte er beim Staatsſtreiche
vom 2. Dez. 1851 die Nationalverfammlung und
unterdrüdte dann mehrere Aufitandsverfuche. Hier:
für im Mai 1852 zum Brigadegeneral und Adju—
tanten Ludwig Napoleons ernannt, befebligte er
im Aug. 1854 die mißlungene Erpedition nad der
Dobrudiha, wurde zunädjit na ankreich zurüd:
berufen, aber 1855 nad der Krim er her
zeihneie ſich 13. Aug. 1855 in der Schlacht an der
Tſchernaja aus, wurde dafür 29. Aug. zum Divi:
fionsgeneral befördert und focht ala ſolcher mit
ur Zapferleit 8. Sept. beim Sturm auf den
Malakow. Als Napoleon III. nah dem Orſiniſchen
Attentat (14. Jan. 1858) die Regierung Frankreichs
240
militärifh zu organifieren verfuchte, übertrug er
8. Febr. €. das Bertefeuile des Innern, womit
das neugebildete Minifterium der öffentlichen Sicher:
beit vereinigt wurde. In dieſer Stellung führte E.
jedoch das Schredensſyſtem des jog. Sicherheits:
—5* mit fo draloniſcher Strenge und Rudſichts⸗
ofigteit durch, daß er die allgemeine Unzufrieden:
eit erregte und ſchon 15. Juni zurüdtreten mußte;
oleon III. ernannte ihn hierauf zum Senator.
Beim Beginn des Italieniſchen Krieges von 1859
erhielt €. das Kommando über eine Divifion des
1. Armeelorps, überfchritt den Ticino und fiel4. Juni
beim Sturme auf —
Efpinaffe (ſpr. -naß), Julie Jeanne Eléonore
de l, j. LEſpinaſſe.
Eſpinẽl, Vicente, ſpan. Dichter und Muſiler,
geb- Ende Der. 1550 zu Ronda, nahm ftatt des
damens feines Vaters ——— Gomez den ſeiner
mütterlihen Großmutter an. Die ublichen Studien
in Salamanca (1570— 74, nicht ohne Unterbrechung)
ermöglichten feine Ernennung zu einer von Ber:
wandten geftifteten Kaplanei in der Heimatjtabt
1587, troß eines etwas ee foldatifchen Zwi⸗
ichenlebens, das ihn 1578 bis * 1584 nach
Flandern und Italien führte. Dod ieß er fich durch
die Pfründe ebenfomwenig dauernd an Ronda fefjeln
als dur die ibm 1591 —— Kaplanei des
Spitals. Die Gunſt der Vornehmen und Dichter
verdankte er neben feinen Verſen, der von ihm
aufgebrachten Kunftform der Ejpinelas, einer
leichten Variante der Dezima, und ganz befonders
einer anfehnlihen mufitaliihen Begabung, welde
der Guitarre die fünfte Saite gab. 1599 wurde
er geiftliher Kapellmeifter des Biſchofs von Pla:
jencta (in Madrid). Er ftarb 4. Febr. 1624. Den
Schriftſtellernamen fihert ihm feine «Vida del Escu-
dero Marcos de Obregon», ein Schelmenroman,
der troß moralifcher Weitläufigfeiten ——
charalteriſtiſch iſt, belannt zumal durch den Streit
über die Originalität von Le Sages Gil Blas, der
fib an die Anlehen aus E. nüpfte. Seine «Rimas»
erfchienen in Madrid 1591, der Roman ebd. 1618,
dann unter andern in Bd. 18 der «Biblioteca de
autores espaholes», und mit wertvoller Einleitun
von — erez de Guzman (Barcel. 1881; deutf
von Tied, 2 Bde., Bresl. 1827).
pinelas, |. Eſpinel.
Efping, tleines ſchwed. Fahrzeug.
pingole (frz., ſpr. eipänggoöll), eine (jebt
veraltete) Muslete mit fegelfürmig erweiterter Mun⸗
dung, zum Schießen von Streugeihoflen; dann
auch ein er (noch 1864 bei ben Dänen) ge:
bräuchliches Gejhüs mit mehrern Läufen. — Bol.
Wille, Über Kartätſchgeſchütze (Berl. 1871).
Eſpinhaco (ipr. -pinjabku), Serra do («Rüd:
ratögebirge»), Gebirge im brafil. Staate Mina?
Öerae (ſ. Karte: Brafilien), ftreiht in ber
dortjegung ber Serra da Mantiqueira, etwa von
22 bis 18° ſudl. Br., und trennt die obern Beden
der Ströme Rio de Säo Francisco und Rio Doce.
Sie beitebt aus archäiſchen Schieſern. Hoch auf
ihren **7 liegen im W. Barbacena und
Queluz, im O. Ouro⸗Preto, Conceicão und Serro.
Jenſeit des legtern Ortes, etwa in 18° ſudl. Br.,
gebt die Kette, nachdem fie an 400 km meit ihre
orbnorboftrichtung behalten bat, nad NO. meiter.
jüdl. Zeile, nörblih von Barbacena, bildet
te den Hauptgebirgsfnoten Brafiliens; der Ita—
columi bei Quro: Preto erbebt ſich zu 1750 m;
Eipinafje (Julie Jeanne Eleonore de 1’) — Eipirito-Santo
250 km nörblid von diefem, bei Diamantina, der
Pico Jtambe zu 1360 m.
Eipindfa de los Monteros, Stadt im Be
zirt Villarcayo der jpan. Provinz; Burgos, etwa
60 km weitfübweftlih von Bilbao, in 734 m Höbe,
am Fuße einer Kette des Cantabriſchen Gebirges,
an der mittelö der Nela zum Ebro gehenden Trucba
und an der Koblenbahn La Robla: Balmajeda,
* (1897) 3730 E. Hier wurde 10. Nov. 1808 der
eneral der Ar Gentraljunta, Blale, durd den
franz. Marſchall Victor geihlagen.
Eipirito-Santo (d. b. «Heiliger Geift»), Hüften:
ftaat Brafiliens (ſ. Karte: Brajilien), zwiſchen
18 und 21° füdl. Br., im N. dur den Nie
Mucury von Bahia, im ©. durd den Parabyba
von Rio Kaneiro geſchieden, im W. durd die
Serra dos Caymores oder Aimores gegen Minas
Geraed begrenzt, wird in der Mitte von dem
90 km aufwärts bis zu feinen Kataralten Idir:
baren Rio Doce fowie von zablreihen andern
ſchreichen, aber nicht ſchiffbaren Flüſſen durd-
ofien, bat 44839 qkm und (1890) 135997 €,
alſo 3,03 E. auf 1 qkm. Die Mündungen der Flüuſſe
find dur Barren gejperrt und unter den Einjchnitten
der Küfte bietet nur die Babia de E. einen guten
Hafen. Im füdl. Teile treten die Ausläufer der Een
do Mar oft mit jentrechtem Abfalle an das Meer;
im Innern erheben fich deren Gipfel bis zu 2100 m.
Das tropische Klima ift durch die Seeluft Gebirge
und Wälder gemäßigt, ver Boden ſehr fruchtbar und
namentlih für den Anbau des Zuderrobrs geeig-
net. Die großen Wälder liefern koſtbare Hölzer
und Droguen. Weite Streden des Landes, nament:
(ih der wilde und wenig befannte Norden dei:
felben, werden jedoch noch von Wilden bewohnt,
melde, wie namentlih die Botokuden, die Kultur
tören. Die Küftenniederungen erzeugen AJuder,
aummolle, Reis, Maniol, Mais und haupt:
ſächlich ñaffee. E. gehört zu den den meiſten
Kaffee produzierenden Staaten Brafiliens. Ein
Teil der Benöllerung nährt Il von der Fiſcherei
in den Flüffen und namentlib am Meere. Ein
Neuntel der Bewohner kann lejen und fchreiben.
Nur ein Sechſtel der Kinder von 6 bis 15 Yabren
befucht die Schulen, obwohl die Provinz ein Viertel
der jährlihen Einnahmen für den öffentlichen Un:
terricht verwendet. In E. befteben drei meift von
Deutihen bewohnte Kolonien: Rio Novo, Sta.
Jzabel und Sta. Leopoldina. In der Babia de €.
oder der Bai von E, liegt auf einer Inſel die Haupt:
ftadt Noſſa Senbora da Victoria oder Pic:
toria, in ihrer Nähe das Klofter Noſſa Senbora
da Benba, eins der reihiten Brafiliens, Wallfahrts-
ort mit wundertbätigem Marienbilde und entzüden:
der Ausficht. Eine Eifenbahn führt von dem im ſüdl.
Teile belegenen Hafen Cachoeira (de Jtapemirim)
nad (Ribeträo do) Allegre (72 km, 1887 eröffnet),
und nad —F do Mundo; weitere Bahnen von
Cachoeira, Victoria und Linhares aus find geplant.
Die Hüfte von E. entdedte der Portugieſe Vasco
Fernandez Coutinho 23. Mai 1535 (am Pfingft:
tage); nad diefem Tage wurde die Bai, in wel
der Enideder einlief, jpäter die dort gegründete
Stadt, endlih das ganze Land umber benannt.
König Johann IU. von Vortugal machte dem Ent:
deder das Land zum Geſchent. Ein Nachlomme
des Entdeders verlaufte 1674 das Land an Babia;
1809 wurde es dem Reiche Brafilien einverleibt,
deſſen Geſchiche es von nun an teilte.
Eipiritu-Santo — Esquilinischer Hügel
Eipiritu- Santo, Merena, die größte Inſel
der Neuen Hebriden (f. d.) in Dceanien, zählt auf
4357 qkm 15000 €.
Eiplanäde (fr3.), ſ. Eitabelle.
Eipouton (fr3., jpr. -pongtöng), Sponton,
dievonden In ——— im ganzen 18. Jahrh.
getragene Halbpike. Die Waffe war 2—2'/, m lang
und am obern Ende mit einem 25 cm langen, brei-
ten und u verzierten Lanzeneifen bewehrt. Auch
die Genera en als Ehefe von Infanterie
tegimentern das bei feierlihen Gelegenheiten,
wenn fie ihre Truppe zu führten.
sivo (ital.), auöbrudsvoll, mujila-
liſche Bortragsbezeihnung. j
Esprit (pr. -rih), ein franz. Wort, wofür im
Deutichen ein völlig finnentjprehender Ausdrud
[eht, etwa foviel wie Geift, Scharffinn, Wis, bie
de Begabung für wisige Einfälle und feine
Wendungen, melde einen haralterijtiihen Vorzug
des franz. Vollscharalters bildet. E. d’escalier
(fpr. -lieb) oder Treppenwitz, Bezeihnung für
trefiende gen, die jemand erjt beim Her:
unter auf der Treppe, aljo nad) der Ges
it, fie paſſend anzubringen, einfallen. E. de
eorps (jpr. fohr), Rorpögeift, nennt man in Kor
ationen (namentlid militäriihen) die thätigfte
— jedes einzelnen an dem gemeinſchaft⸗
lien Wohle aller, unter Beijeitefegung aller perjön:
lichen Rüdfiten. E. fort (pr. fohr), Freidenler (f.d.).
Eipritö (fr, jpr. -rib), Bezeihnung für ver:
ſchiedene einfa arfüme, meijt Löfungen äthe
riſcher Ole in Altobol. Über Esprit d’Amaranth
und Esprit de Menthe j. Gebeimmittel,
Eiprouceda, oje de, jpan. Dichter, geb. 1810
dralejo ın emabura, fam nad dem
Befreiu na A Mabrid, —— ur
Zeitung zeitig jeine poet. Anlagen en
widelten. Schon als 1a er Knabe jchrieb er
polit. Gedichte und war Mitglied des Geheimbuns
des der Numantinod. Dies 309 ihm eine Berban-
nung nad einem ſtloſter von Guabalarara zu. Zwar
durfte ernacd Madrid zurüdtehren, doch ging er bald
nad Gibraltar, Liſſabon, London, enblihnad Paris,
wo er fi) an ber Julirevolution von 1830 beteiligte.
Er lehrte nad der Amneftie 1833 nah Spanien zu:
rüd und erhielt fjogar einen Bla unter den königl.
Leibgarden. Ein polit.sjatir. Gedicht zog ihm jedoch
Entlafjung und abermalige Berbannung zu. In
das Städtchen Euellar verwieſen, jchrieb er einen
jeböbändigen Roman: «Don Sancho Saldaüa, 6 el
eastellano de Cuellar» (Madr. 1834), der Plan und
Dbjeltivität vermiflen läßt. Nach Octroyierung der
Berjafjung (Estatuto a lehrte E. nad) Madrid
d und nahm en Anteil an der Bolitit als
itrebacteur der Zeitichrift «El Siglo», aber auf
jo maßloſe Weije, daß er abermals flüchten mußte.
Eiftig beteiligte er jih an der Revolution von 1835
und 1836. Während des Aufftandes im Sept. 1840
trat E. in die Nationalgarde als Leutnant. Als
Berteidiger eines im republilanifchen Sinne ge:
\öriebenen Artilelö in der Zeitſchrift «El Huracan»
wurde er mit ber Stelle eines Gejandticaftsjetretärg
im Haag belohnt (1841), lehrte jedoch nach wenigen
Nonaten zurüd, da er zum Abgeorbneten für Als
meria erwäblt worden war. Er jtarb 23. Mai 1842
im Madrid. E.3 Gedichte zeigen große techniſche Ge:
wandiheit und glübende Phantaſie, der es aber an
finitleriiber Selbjtbeberribung Neo fein Vorbild
Byron überbietet er in jelbitzerfleiichenber Stepfis,
Bbrochaus Konderfationd-Leziton., 14. Huf. R.M. VI.
241
wie felbft feine beliebteften Gedichte: «EI pirata»,
«El mendigo» (ganz joctaliftifch), «El verdugo» (ein
Gegenftüd zu Vict. Hugos «Dernier jour d'un con-
damne»), «El cosaco», das graufige «El estudiante
de Salamanca» und bejonders fein berühmtes Frag⸗
ment «El diablo mundo» (Madr. 1841) beweiſen.
E.s «Obras poeticas» erjchienen zu Paris 1840
(neue Ausg. von Hartzenbuſch, 5. Aufl. 1885; von
A. Ferrer del Rio, Madr. 1876; von Eſcoſura, ebd.
1884). Ein pofthumes, erft 1874 erſchienenes Wert
von ihm find die «Paginas olvidadas». — Bol. Ro⸗
driguez Solis, Espronceda (Madr. 1883).
sg. und Esgr., engl. Ablürzungen für Es-
quire (j.d.). ,
Edquera, |. Bastiihe Sprade.
Es quilache (fpr. lilahtſche), Don Francisco de
er y Aragon, Principe de, fpan. Dichter, Urs
ente Bapf lexanders VI., geb. um 1580, erbielt
ben Tite Ga Parken von &. durch die Erbprins
zeifin von Squillace im Königreich Neapel, mit der
er ſich vermäblte. Er war 1614—21 Bicelönig von
Beru. Nach dem Tode —— IL lehrte €. nad
Madrid zurüd, wo er fortan lebte und 26. Dit. 1658
b. E. nahm ſich ——— den jungern Argen⸗
ola zum Muſter und ſtre —— — und
arheit mit ſanftem, melodiſchem Fluß des Vers⸗
baues zu verbinden; fie ermangeln aber der Tiefe,
Originalität und des Schwunges. Seine lyriſchen
Gedichte, unter denen die Letrillas, Madrigale und
die S äferromanzen leicht und anmutig find, erſchie⸗
nen juerjt zu Madrid (1639, 1648, vervolljtändigt
Antwerp. 1654, 1658, 1663). Ohne poet. Wert ı
fein epifcher Verfuh«Näpolesrecuperada por el rey
Don Alonso» (Sarag. 1651; Antwerp. 1658), worin
er die Eroberung Neapeld durch Alfons V. von
Aragon im 15. Jahrh. bebanbelt. Seinen fpätern
Lebensjahren gehört die Überfegung von Thomas’
a Kempis «Nahfolge Ehrifti» (Brüff. 1661) an; eine
Komödie ift verloren.
Esqu — ——
einer der fieben Hügel Roms (ſ. die Pläne: Rom
und Altes Rom) oder vielmehr eine Hochfläche
die im N. zum Teil mit dem Biminal und Duirin
zufammenbängt und im D. fi allmählich in das
vorſtädtiſche Zerrain verliert. Nah ©. und SW.
fpringen zwei Hügelzungen mit fcharf geichnittenen
Rändern vor, von denen bie nördlidere Cispius,
die ſudliche Opius und (die Außerfte Weitipige) Ca-
rinse genannt wird. Der Name He unficherer Ab»
leitung; die Römer ſelbſt braten ihn mit aesculus,
die Wintereiche, zufammen; und jedenfalls war in
der älteiten Zeit der E. H. mit Wald bededt, der mit
dem —— Anbau ſich in zahlreiche heilige
Hainbezirke verwandelte; unter andern werden er⸗
wähnt der Lucus fagutalis (Buchenhain), der Lucus
esquilinus (Eidhenbain) und der Lucus Lucinae,
wo fpäter (379 v. Ehr.) der Tempel der Juno Lu⸗
cina errichtet ward. Die bebeutendften Reſte aus
dem Altertum gehören den Befeitigungen an, durch
welche die Stadt nad) D., wo fie durch die natürs
lichen Bodenverhältnifje nicht geihat war, ver»
teidigt wurde. Hierift ein Erdwall von 1,5 km Länge
errichtet, davor ein mächtiger Graben (30 m breit,
9Imtief). Der Erbmwall (agger), deſſen Außenjeite
eine 4 m dide Quadermauer aus Tuffſtein mit
Binnen und Türmen bildete, begann bei der Porta
Esquilina (ihre Stelle nahm jpäter der jest noch ers
baltene Gallienusbogen ein) und reichte bis zur
Porta Collina (unweit der Via venti Settembre un»
16
242
dem inungminifterium); dazwiſchen befand ſich ein
dritted Thor, die Porta Viminalis, deren überreſte
bei dem jebigen Centralbahnhof fehtbar find, Der
mit Türmen und Graben galt ſchon im Alter:
tum als ein Wert des Servius Tullius; da aber
bie erbaltenen Refte ſämtlich unter Anwendung des
——— Fußes von O,296 m, wie derſelbe
—— Docemvim um 450 v. Chr. eingeführt
ebaut 7* darf man be ſchwerlich für älter
— 8 das 4. Jabrh. v. C ber die weitern
chickſale des €. ö: ‚Rom. — gl. D. Richter, Über
antite Steinme (Berl. 1885).
Esauimalt torrumpiert aus dem indian. Jsk⸗
oy Malt), Hafenplag in Britiſch⸗ Columbia, an der
Süpdtüfte der —— hat ne —
42m ‚ meift eisfreien Haf fen, A
ber und Dods ſowie Garniſon. €. rel nur durch eine
ſchmale Landzunge von der Hauptftabt Victoria ges
trennt und bilbet eine wichtige Vorſtadt derjelben,
Esquire (engl, fpr. Amen) Ehrentitel, in der
Schrift gewohnlich nur durch Esq. angedeutet, ift
von dem engl.mormann. Worte escuier, frj. beu er,
lat. scutifer, d. i. Schilofnappe, hergeleitet.
fen Titel fü - urjprünglib in England re
jenigen, mel Peers oder Ritter zu fein,
wappenfäbig Iwaren. Der Titel ftand in hohem An-
Mer da er eine fehr bedeutende Klaſſe des engl.
die eigentliche Gentry, gl en
—* — beßfeen * du BI Wappen:
e, die jedoch längft nicht me hr 1
—8— und vererbten ihn dann auf ihre Dahn
men. In neuerer Zeit dagegen geben in England
alle Staatsämter, vom Friebensrihter aufwärts, bie
Doltorwürbde und der Grab eines Barrifter An
fprud auf den Titel E. Doc wird der Titel aus
Höflichteit auch jedem Manne von einiger Bildung
oder im Beſitze einer gewiſſen focialen Stellung
— ber Briefadreſſe beigelegt. Zu bemerken ift,
dab Esq. — den Namen geſetzt wird, wo dann
das vorgelegte Mr. (Mister, Herr) weafällt und ber
Zaufname meift hinzugefügt wird, während umge:
fehrt jeder Titel die Ginzuf inzufügung des . aus:
ſchließt. —— eich⸗
net das Wort einen ländlichen Patronatsherrn. —
In den Bereinigten Staaten von Amerila wird
der nsrichter im gewöhnlichen Leben oft der
Sauire genannt.
Es öl (fpr. -H-), Jean Etienne Dominique
franz. rrenarjt, Schüler und Nachfolger Binels,
eb. 4. Yan. 1772 zu Toulouse, diente 1794 in dem
ilitarlazarett zu Narbonne und warb 1811 Arzt
an der Salpitridre. Seit 1817 bielt er Hinifche
Vorlefungen über die Geiftestrankheiten und ihre
Bebandlung und 1818 veranlaßte er die Ernen⸗
* einer Kommiſſion, deren Mitglied er wurde,
nterſuchung und Abftellung der Mifbräude
I ge Irrenanitalten. 1823 warb er erals
infpecteur der Univerfität und 1825 Chefarzt an
der fönigl. Maison des aliönds in Eharenton und
leitete gleichzeitig feine in der Näbe — und
—* ich organiſierte Privatirrenanſtalt. Durch
vie Julirevolution, der er ſich nicht fügte, feiner
offentlichen Umter verluftig eworben, twirtte er von
—* = nur noch als praftiicher ar und in u
It, fowie litterarijch, bis er 12. Dez. 1840
5 ah — ſeltenen — Pe Talt in *
agnoſe und prognoſtiſchen Beurteilung der vor
ihm zum Teil noch unbelannten Geiſteskrankheiten.
Seine Abhandlungen über verſchiedene Gegenſtände
Edquimalt — Esra
der Pſychiatrie erfchienen gefammelt u. d. T. «Des
maladies mentales» (2 Bde., Var. 1838; deutic
von Bernhard, Berl. 1838). Sonft find von Be:
deutung: Handbuch zur Erlenntnis und fur der
Seelenitörungen» (frei bearbeitet von Hille, Wj.
1827) und «Aliönation mentale. illusions
chez les ali&n&s» (Bar. —*
Esoquniros (ſpr. -firöß), A phone, fran 538
fteller und radilaler Politiker, i 1812
zu Baris, trat zuerft mit einem —* Gedichte,
—— mit einem biftor. Roman: «Charlotte Cor-
y» (Bar. 1840 u. 1850), hervor. Seine belann-
tehen Werte find: «L’ du peuple» (1840),
in dem Chriſtus ala —— tionär dargeſtellt iſt
und das ihm acht Monate Gefängnis zujog; «Les
vierges folles», «Les —* martyres» und «Les
vierges sages» (184142), 9) drei — ſocialiſtiſche
Schriften; «Histoire des Mon Bor,
1847) und «Histoire des martyrs de la liberte,
(1851), zwei Werte, die E.' Namen febr populär
machten. - Geſe ae a Verjammlung von
1849 gew Em ig, auf dem neuen
—— —* dem Staats ſtreich (2. —— *
verbannt und veröffentlichte von England aus
ber «Revue des Deux Mondes» Abhandlungen, die
in Buchform erſchienen u. d. T. «L’Angleterre et
la vie anglaise» (5 Bde., Par. 1859 — 70), «1a
Ne&erlande et la vie hollandaise» (2 Bde., ebr.
1859), «La morale universelle», «Les moralistes
anglais», u.f.m. 1869 zum Deputierten, 1871 indie
Nationalo —— —33. ſaß er wieder auf
der äußeriten Linle n:feit San. 1876 war er Mitglied
des u ftarb pl 12. Mai 1876 zu ailles.
Edra (bebr., «Hilfe»), jüd. Priefter und ift⸗
—** ftammte aus der Familie Zadols Cr
fh 458 v. Chr. im Auftrage des perf. Königs
—— Langhand mit weitgehenden Vollmachten
an ber Spitze einer zurüdwandernden ten:
ſchar nad Yerufalem, um die Jerufalemer
auf Grund eines in feinem Befise befinblichen Ge
* (f. Pentateuch) zu reformieren. Seine erfte
ir el nad der us! in Jerufalem richtete ſich
e zablreihen Miſch ſetzte einen Ge
—— chluß durch, der no. u löfen befahl.
Das Bud Rehemia ergiebt, daß diejer Beſchluß die
Beranlafjung großer innerer Wirren und eines An
griffes der in der wohnenden iörael. Bevölle
rung auf die Gemeinde geworben ift. Diejelbe er
en deren Angriffe, die Mauern Jerufalemd wurden
r neh die Thore verbrannt (f. Sama-
—— [ab nachdem Nebemia (f. d.) 444 v. Ehr.
die Wiederberftellung gelungen war, vermodte €.
mit feinen Plänen wieder beroorzutreten. Es er
folgte am Neumondafefte des Monats Tiihri 444
Chr. die Verleſung des Geſetzbuches in einer
Yloerfemmlung, die am 2. Tiſchri bei €. im
Kreife der Gamüienpäupter fortgejeßt mwurbe. Du
bei jtieß man auf die Beitimmungen des Geirh
no. über Laubbütten und feierte num da eriten;
mal nad den Vorſchriften desfelben Yaubbütten
D bis 23. Tiſchri). Am 24. hielt man einen groben
ußtag und darauf ya ichtete fich die Gemeinde
as 6 2 ns {en —— —— *—
das eb 3 zu befolgen a
fih im Alten Teftament = Bud, das ei
Fortjegung der Bücher der Chronil bildete, in
ir Geſtalt Fe den Berfafler der Chronil —
aber in Rap. 7, a7 bis 9, ı5 einen aus ©.
* ſtammenden Abſchnin enthält. Da dad Bud
—
in
Esromſee — Eßbare Erden 243
Rebemia mehrfach ala 2. Bud E. 8 [t wird,
fo nennt man ein in der griech. Bibel erhaltenes
ayelcyphiſches Bud) E., welches durch Erweiterung
einer alten liberjegung des lanoniſchen Buches ent:
den iſt, gewöhnlich 3. Buch GE. Kommentare
ben au (für das Kurzgefaßte eregetijche
dbuch zum Alten Teftament>, 2. Aufl., be. von
Ryſſel, Wz. 1887) und li (im «Rurjgefaßten
Kommentar zum Alten und Neuen Zeftament und
ber Apotrypben», bg. von Strad und Zoedler,
* 8, a el: in Das hr Bud —* eine
o e (f. Apolalyptik), entſtanden etwa zur
Zeit der AN Ri Jeruſalems durd Titus, Es
berihtet von einer außerordentlichen Igeifthele
riſchen Thätigleit E.3 und von einer Reihe der
mwunberbarften Vifionen. Wir bel en dasjelbe (ur:
—— wahrſcheinlich griedii ) nur in einer
und mebrern orient. Überjegungen. — Bol.
Bollmar, Handbuch der Einleitung in die Apotry
pben, Abteil. 2 (%p3. 1867); Hilgenfeld, Die Bro:
pbeten GE. und Daniel (Halle 1863); Ewald, Das
4. Esrabuch nad) feinem Zeitalter u. f. w. (Gött.
1863) ; Hilgenfelb, Messias Judaeorum (2p3. 1869);
isibe, Libri apocryphi (ebd. 1871); Rofenthal,
ier apolryphijche Bücher aus der Zeit und Schule
Rabbi Alibas: Assumptio Mosis, der 4. Brief E.
u.j.w. (ebd. 1885); Schürer, Geſchichte des ——
im Zeitalter Jeſu Chriſti (Bd. 1,4. —— d. 1901);
Kabijch, Das 4. Buch E. auf feine Quellen unterfucht
(Bött. 1889); Dillmann, Über das Adlergeſicht in
ber Apolalypie des E. (in den «Sigungsberichten der
Berliner Atademier, 1888); Holzhey, Die Bücher E.
und mia. Unterfuchungen ihres litterar. und ge:
chichtlichen nen ring Die —
ausgabe veranſtalteten Bensly und Jam —
The fourth book of E. (Cambr. 1897).
Edromfee, Binnenjee im nordöftl. Teile der
dän. Inſel Seeland (f. Karte: Dänemark und
Südihmeden), fübmeitlih von Helfingör, ift
18 qkm groß. In der Nähe der Dftküfte die Sommer:
refiden; Fredensborg (f. d.).
Eh, ala Benediltiner Leander, eigentli gr
bann Heinrich van, kath. Theolog, geb. 15. Febr.
1772 zu Warburg bei Paderborn, trat 1790 in die
Benevdiltinerabtei Marienmünfter, widmete ſich nach
ber rifierung derjelben feit 1802 dem Stu:
dium der orient. Sprachen, wurde 1812 Pfarrer und
außerord. leer in Marburg, lebte jeit 1822
als Brivatgelebrter zu Darmftadt und Alzey und
ftarb 13. Ott. 1847 zu Affolderbah im Ddenwald.
€. ift bejonders durch feine Bibelüberjegungen be
lannt, denen er nicht die Bulgata, fondern den Ur:
tert zu Grunde legte. Der infolgedejlen 1821 vom
Bapft verbotenen Überjegung des Neuen Tefta:
ments (Braunſchw. 1807; Sulzbach 1810 u. ö,,
gemeinjam mit feinem Vetter Karl van €.) folgte
die des Alten Teftament3 (2 Tle., Sulzbach 1822 u. 5.)
fowie eine Gefamtausgabe der Bibel (cbv. 1840,
mit Weser). Die Einwände, welde von ftreng
tath. Seite gegen fein Zurüdgreifen auf den Grund:
tert erhoben wurden, und das in feiner Kirche berr:
bende Vorurteil gegen das Bibellefen der Laien
lämpfte er in: «Auszüge aus den heiligen Ba:
tern und andern Lebrern der kath. Kirche über dag
notwendige und nüßliche Bibellefen» (Lpz. 1808;
2. Aufl, Sulzbach 1816) und «Bragmatischekritifche
Geihichte der Bulgata» (Tüb. 1824; gefrönte Preis:
jörift). E. beforgte aud Ausgaben der Vulgata
(3 Bve., ebd. 1822—24), der Septuaginta (Lpz.
1824; neue Ausgabe von Neftle, 1887) und des
griech. Neuen Teſtaments (Tüb. 1827).
Effäer, jüd. Selte, j. Eſſener. :
Essai (fr;., fpr. ejläb), ſ. Eſſay; über Eſſais
als Probemarken j. Bojtwertzeichen.
Es⸗Salt, Stadt, ſ. Salt.
Eſſarts (ſpr. efiabr), Charlotte des, geb. um
1580, wurde die Maitreſſe Heinrich IV., dann die
des ſtardinals von Lothringen, Ludwigs von
*8 und heiratete, ſchon im vorgerüdten Alter,
den Marichall de ’Höpital. 1633 wurde fie in die
Verihwörung Gajtons von Orléans (f. d.) gegen
Ricpelieu verwidelt und auf ihre Güter verbannt,
wo jie 1651 ftarb.
Eſſah (engl.,ipr.efieb; franz.essai, d. h. Verfuch),
furze Abhandlung populärmifjenfchaftlihen oder
litterar. Inhalts. Es jeint, daß Bacon, der zuerſt
die €. in die engl. Litteratur einführte (1597),
durch Montaigne dazu angeregt wurde, der in feinen
1580 gejammelten pbilof. Betrachtungen dieſe Gat:
tung bereits in vollendeter Form gepflegt batte.
Bon unmittelbaren Nachfolgern Bacons verdienen
Eowley, Dryden und Temple befondere Erwähnung,
die ihm in Gedantenfülle weit —— an Leich⸗
tigleit des Stils aber ihn übertrafen, ferner Defoe.
Neu belebt wurde der E. durch Addiſon und Steele,
deren «Tatler» (1709), «Spectator» (1711) und
«Guardian» (1713) ihm zuerjt die periodische Preſſe
eröffneten und burch die Beſprechung der Zuftände
des Tags einen bedeutenden Einfluß auf die Bil:
dung der Nation fiherten. Diefen vorzugsweife jo
enannten Eſſayiſten folgten in gleicher Richtung
Fohnfon im «Rambler» (1750) und «Idler» (1758),
Hamlesworth im «Adventurer» (1752), Moore in
ber «World» (1753), Colman und Thornton im
«Connoisseur» (1754), Madenzie im «Mirror» (1779)
und «Lounger» (1785). Einzelne €, ſchrieben faft
alle bedeutenden Schriftfteller jener Zeit, Gold:
ſmith, Chejterfield, Walpole, Warton u.a. Seine
legte und — e Geſtalt gab dem E. ſeit
1802 die «Edinburgh Review», der die «Quarterly
Review» und andere Vierteljabrsfchriften folgten.
Die äußere Form ift hierbei meift die einer Recen⸗
fion, doc giebt das angezeigte geiftige Erzeugnis
nur den äußern Anlaß zu jelbitändiger Behand»
lung desfelben oder eines verwandten Themas.
Dergleihen E. lieferten zuerit Sidney Smith,
Brougbam, Jeffrey, Sonthey, Eoleridge; in ftiliftir
ſcher Beziehung übertraf fie alle Nacaulay. Neuere
Scriftjteller diefer Richtung find: de Quincey, Car:
Iyle, J. S. Mil, N. W. Senior, Bulmer:Lotton,
Lord Stanhope, Lord Houghton, John Forfter, Gold⸗
win Smith und Matthew Arnold; als einer der
———— ragt der Amerikaner Emerſon hervor.
nter den Deutſchen waren die erſten Vertreter
Leſſing, Juſtus Möfer, Herder; die deutſche Littera:
tur, die von jeher mebr eine erichöpfende Erörterung
als elegante Skizzen liebte, hat fich die Gattung des
E. nur langjam angeeignet; Vertreter aus neuerer
zeit find: Otto Gildemeiiter, Hermann Grimm,
arl Hillebrand, Friedr. Spielhagen, Erich Schmibt,
Karl Frenzel, M. ©. Conrad, Anton Bettelbeim,
M. Harden, Lady Charlotte Blennerhaſſett u. a.
Als geiftvolle Schriftitellerin auf diefem Gebiete ift
aud die Schwedin Ellen Key herporzubeben.
Eſſayiften, ſ. Cijan.
Eßback, Gefäß, |. Bad (in der Schifferſprache).
Ehbare Erden, erdige Mafjen, die in manden
Gegenden gegefien werden, z. B. die fette Erde,
16*
244
melde nad dem Bericht A. von Humboldt die am
Drinoco wohnenden Dtomalen verzehren. Der
Hauptbeitandteil diefer E. E. find lebende oder foj:
file Bacillariaceen (f. d.), wie fie in dem jog. Berg:
mehl (j. Kieſelgur) fich finden, das faft ausſchließlich
aus den Riejelpanzern folder Algen beſteht. Sehr
verbreitet ift der Gebrauch des Erdeſſens (ver Geo:
pbanie) auf dem boliv. Hodland. Hier tft es eine
ichte weiße Thonerde, die in der Nähe von Druro
gegraben wird und im Aymara den Namen phasa
Führt. Sie wird entweder roh gegefien oder ge
ſchlämmt und zu Figuren (Töpfchen, Krügen, Mon:
jtranzen, Heiligen u. dgl.) geformt, Dieje Artikel
werden auf dem Markte verkauft und bejonders
von der indian. Bevölterung zur Bereitung einer
Art Sauce gebraudt und mit gefottenen Kartoffeln
gegejen. ußerdem kennt man das Erdeſſen von
den Negern von Guinea, aus dem Indiſchen Ardi:
pel und an andern Orten. Es fcheint nicht, daß
* aVerirrung des Nabrungstriebes» nachteilige
Folgen bat. Die betreffenden Bölterihaften werden
Erdeffer oder Geopbagen genannt.
bare Nefter, ’ Indische Vogelnefter.
Ehbonguet (frz., fpr. -buleh, Abkürzung vom
engl. Essence of Bouquet), beliebtes Parfüm, das
man 3. B. erhält, wenn man 2 kg Veilchenwurzel
mit 20 I Weingeiſt ertrahiert und 30 g Rofenöl,
15 g Neroli, 0,5 g Moſchus und 1500 g Jasmin:
eſſenz hinzu *
chen, Gewicht, ſ. Eschen.
Esse (der ſubſtantiviſch gebrauchte Infinitiv
de3 lat. Berbum sum), das Sein; in feinem Eſſe
be: & son aise) fein, joviel wie ſich in dem jeinen
eigungen, Fähigkeiten u. j. w. entjprechenden Zu:
ftande befinden.
Eſſe, }. Schornſtein.
Ess ſ. Gladiatoren.
@ffeg, mager. Eszek, troat. Osjek, fönigl.
iftabt mit Municipium, Haupt: und bedeutendite
nduftrie: und Hanbelsftabt von Slamonien, rechts
an der Drau, an den Linien Großmwardein: E.:
Villany und E.:Ujlapela:Batrina (108 km, Ela:
won. Lokalbahn) der Ungar. Staatsbahnen, ift
Sitz der Bebörben des Komitats Virovitik, einer
tönigl. Gerichtstafel, Finanzbezirksdireltion, Eijen:
bahnverlehrsvorſtehung, Geniedireftion, der Kom:
mandos der 7. Infanterietruppendivifion und der
13. Infanteriebrigade fowie einer Handeld und
Gemwerbelammer und beftebt aus der Feſtung, mit
ort auf dem linfen Ufer der Drau und von der
tabt burd einen 760 m breiten Zwiſchenraum ge:
trennt und mit —2* und Baſteien umgeben,
aus der Unter: und Oberſtadt und aus der Neu:
ftabt. Die Stadt bat ſchöne —— und
1900) 24930 meift tatb. €. (12436 Deutſche, 9511
erben und Kroaten; 2092 Griechiſch-Orientaliſche
und 2070 Föraeliten), in Garniſon drei Bataillone
bes 78. Infanterieregiments und das 38, Divifiond:
artillerieregiment, 6 Kirchen, 2 Klöfter, eine ſchöne
Synagoge, ein froat. Staatdobergymnafium, eine
Staatöoberreal:, höhere Mädchen: mit Mädchen:
gewerbeſchule. In der Feſtung, von Kaiſer Leo—
pold I. angelegt, find bemerlenswert die Komman—
dantenwohnung und das Rathaus in der obern
Stadt, das jhöne Komitatshaus und das Kaſino
mit Theater in der untern Stadt. Die Induſtrie
erſtredt fih auf Seidenfpinnerei und? Müllerei
(8 große Dampf, 33 Flußmüblen), der Tranfito:
bandel auf Getreide, Mebl, Holz (Dampfſägewerle),
Eßbare Nefter — Eſſen (Stadt)
eihene Faßdauben, die hauptfählih nah Franlk⸗
reih ausgeführt werben, Obſt, Honig, Slivomwis
und Spiritus, Borftenvieb, Bretter, Baranpyaer
und Syrmier Wein und Bäcier Flachs. Bei E.
befindet fih das Schloß des Grafen Pejalevid mit
hönem Bart. — E., zu Römerzeiten unter dem
amen Mursia belannt und Siß des Präfelten von
Unter: Bannonien, lam 1526 unter türf. Herrichaft.
1690 befreite Graf Guido Starhemberg E. von den
Türken; 1712 wurde die heutige Seftung angelegt.
In der Revolution von 1848 wurde Pas 8
vom Grafen Kaf. Battbyänyi für die ungar.
pierung behauptet, nad einer mehrwöchigen Be
gerung aber 23. Febr. 1849 von dem laiſerl.
General Baron Treberöberg genommen.
Effel, Nebenfluß des Irtyſch, |. Iſchim.
Effen. 1) Landkreis im preuß. Reg.Bez. Duſſel⸗
dorf, hat 182,29 qkm, (1900) 206106, (1905)
244486 E., 8 Stäbte und 18 Yandgemeinben. —
2) Stadtkreis (19,28 ha) im preuß. Reg.:Bez. Duſſel⸗
dorf(j.Rarte: Rheiniſch-Weſtfäliſches Kohlen:
und MRIELTERERIER) IRRE IN ES REEL —
ineralihäsgen
überaus reicher
| von der Stadt)
undRubr (5km)
bildenden Ar
deyberge, in
79 m Höbe, am
Limbedbahe und an der Berne, zwei linlsſeitigen
Zuflüffen des Emſcher. Die Stadt, die durch die
weithin fichtbaren zahlreihen Schornfteine als
lan gelennzeihnet wird, 2 im leßten
abrzebnt einen bedeutenden Aufſchwung genom-
men und ift ver Mittelpuntt des rhein.weitfäl. In⸗
buftriebezirl3 geworben.
evöllerung. €. hatte 1880: 56944, 1885:
65064, 1890: 78706, 1895: 96128, 1900 mit dem
1901 einverleibten Altendorf (f. d.) 182100, 1905
mit dem 1905 einverleibten Ruttenſcheidt (f. d.)
231360 E., darunter 127278 RKatholiten, 99534
Evangeliſche und 2411 Yeraeliten. Zum Stadtteil
Altendorf gehören die Arbeiterlolonien der Firma
Krupp: Kronenberg, Alfredsbof und Schederhof fos
wie die Bauerfchaften Bochelt und Vogelheim.
Gebäude und Dentmäler. E.bat6tath. Kir:
hen, darunter bieMünfter:, Narien:, Öertrubis: und
—— 4 evang. Kirchen, darunter die Pau—
us⸗, Markt: und Rreuzestirche, mehrere Kapellen und
eine Synagoge. Die Münfterlirche, eins der älteften
erhaltenen riftl. Baudenkmäler Deutfblands, iſt
1881—86 von Zindel wiederhergeſtellt; ver Weſtchor,
aus dem 10. Jahrh., die Krypta unter dem Oſtchor
1051 geweiht, das got. Schiff und der Chor nad
einem Brande 1265—1316 erbaut, die Satriftei von
1554. Merkwürdig find ein Fer Leuchter
aus Erzguß (von der Abtiſſin Mechtildis, Nichte Kaiſer
Dttos11.,998 geſchenkt) und einereibeSchaklammer;
der Kreuzgang ſtammt aus dem 11. und 12. Jabrhb.
Val. die Monographie von Humann, Düfjeld. 1904.)
ie got. Baulustirche ijt 1872 von Slügae, die got.
Gertrudislirche 1877 von Ninglale in Düſſeldorf,
die St. Joſephslirche 1896 und die roman. Kreuzes:
fire, beide von Orth: Berlin, 1897 erbaut. Von
Eſſen (Stadt)
witlihen Baumerten find hervorzuheben: das neue
&täude der Eifenbabnpirettion am Bismardplape,
dad neue Landgerichtägebäude, das got. Rathaus
in der Burgitraße, 1875 von Zindel erbaut, mit
Zurm, gemalten Fenjtern und verfchiedenen Bil:
dern ſowie einer Marmorbüfte Bismard3 von Scha:
per im Sißungsjaal, die energy
der Ejjener Kreditanftalt, des Rheiniſch-Weſtfäli—
iben Kohlenſyndikats und des Berabaulihen Ver:
ans, die Reihsbant, das ehemalige Knappicaits:
gebäude, zwei Krantenbäufer, ein Hoſpital und das
aus einem Geichent (700000M.) des Friedr. Grillo
erbaute Stadttheater (1892). Neuerbaut wurden ver
Hauptbahnhof, das Hauptpoftamt und ein Konzert:
baus im Stadtgarten. Gegenüber dem Rathaus
ftebt jeit 1889 das Bronzeftandbild Alfred Krupps
von Schaper in Berlin; ein zweites Kruppbent:
mal (3 m bobe Bronzeftatue) von Aloys ara
und W. Menges in Münden wurde 1892 enthüllt;
au; dem Kopſtadtsplatze ein Kriegerdenkmal von
Emit Seger, auf dem Burgplas das Reiterjtandbild
Kaiſer Wilhelms I. (1898) von Bolz, auf dem Bis:
mardvlage das Standbild Bismards von Felder:
boff:Ebarlottenburg (1899).
Berwaltung. Die Stabt wird verwaltet von
einem Dberbürgermeifter (weigert, jeit 1886
17000 M.), 8 Beigeorbneten (5 bejolvet) und 36
Stabtverordneten. Die Polizeimannſchaft beitebt
aus 2 Bolizeiinipeltoren, 7 Kommifjaren, 12 Wadıt-
meijtern, 151 Schugleuten; die Feuerwehr aus einer
Berufö: und mehrern freiwilligen Feuerwehren.
Das Wafjerwert in der Gemeinde Bergerbaujen an
der Rubr —* die Stadt E. mit Trinkwaſſer
(1899/1900: 9,7 Mill. cbm); die Gasanſtalt gab
1899/1900: 7,5 Mill. cbm Gas ab. Auf dem ftädt.
Schlacht- und Viehhof wurden 1899/1900 aufge:
trieben: 44941 Stüd Grofvieb, 6609 Bausen,
107 230 fette Schweine, 47 978 Kälber, 5921 Schafe,
6918 Fertel, 15686 magere Schweine, 39 Pferde; ge:
ſchlachtet: 777 Pferde, 10733 Stüd Großvieh, 47 275
Schmeine, 122 Kälber, 5574 Schafe und Ziegen.
Finanzen. Nah dem Etat für 1901 jtellten
ſich die Schulden der Stadt auf 16 Mill. M., die
Einnahmen auf 5,5 Mill. M., darunter 260000 M.
indireite Abgaben; Na er auf:
ewendet 1,1 Mill. M., für Beleuchtung 300000 M.,
t ie 60000 M., für Armenwejen
355000 M.
Bebörvden. E. ift Sik des Landratäamtes des
Landkreiſes E., eines Landgerichts (Oberlandes:
gericht Hamm) mit einer Kammer für Handelsſachen
und 9 — — (Borbeck, Bottrop, Buer,
Dorſten, E. Gelſenlirchen, Hattingen, Steele, Wer:
den), eines Schwurgerichts, Amtsgerichts, zweier
Steuer:, zweier Katafterämter, einer fönigl, preuß.
Gijenbabntvireltion, des Eifenbabnabnahmeamtes
(fi. d.), einer freisbau:, Gewerbeinipeltion, Reichs:
bantitelle, Handelätammer und zweier Bezirkslom⸗
mandos.
Schul-und Bildungsweſen. €. hat ein
fimultanes Lönigl. Gymnafium mit ftädtifchem
Kompatronat, aus der Vereinigung des kath. oje:
vbinums und der evang. Bürgerſchule bervorge:
gangen, 1819 ald Bürgerihule, 1824 als Gymna-
Kum gegründet; Rejormgymnafium mit Vorſchule,
näbtiibe Oberrealihule, jtäbtiihe Gewerbe: und
bildungsjchulen, eine ſtädtiſche und -_ private
böbere Mädchenſchulen, Provinzialtaubitummenans
ftalt, 10evang., 10 fatb., 1altfatb,, 1 israel. Volks⸗
245
ſchule, 2 Hilfsfhulen, eine Bergſchule, Handels:
ſchule und 2 Bräparandenanftalten; außerdem eine
a — und Haushaltungsſchule auf den Krupps
hen Werten. Es bejteben ein Hiſtoriſcher Verein
für Stadt und Stift E. Kolonialverein, Gewerbe:
verein mit umfangreicher Bibliothef, Potalabteilung
des Landwirtſchaftlichen Vereins für Rheinpreußen
fowie auch eine Ort2gruppe des Deutſchen Sprad:
vereins und ein Kaufmänniſcher Hüfsverein (ein:
geſchriebene Hilfstajle). —
ee Wohlthätigkeits—
anſtalten. Der ag der «Kruppſtiftung der
Stadt E.» (500000 M.) iſt zu gemeinnüßigen und
wohlthätigen Zweden bejtimmt. Ferner ==
Anjtalten für verlaffene Kinder und arme Wöch—
nerinnen, ein ſtädtiſches Hofpital für alte Leute,
evang. Krantenhaus «Huyſſens Stift», kath. Kran:
tenbaus, evang. und kath. Waifenhaus, Armen:
baus ſowie zablreihe muftergültige Wobhlfahrts:
einrichtungen der Firma Krupp.
Susukrie, Gemwerbeund Handel. Ihre
Blüte verdanlt die Stadt in eriter Linie dem großen
Reichtum an Steintohlen (f. Rheiniſch-Weſtfäliſches
Koblenbeden) und der durch dieſen 33 erufenen
Eiſeninduſtrie. E. iſt Sit des Rheiniſch-Weſtfäliſchen
Kohlenſyndikats. Im Weichbilde der Stadt befinden
fich die Tiefbauanlagen: Zehen Hercules, Graf
Beuft, Victoria Mathias und Vereinigte Sälzer und
Neuad, die 1900: 4256 Arbeiter bejhäftigten und
1062495 t Kohlen förberten. Die im Stadt: und
Landkreis E. beſtehenden 36 Steintoblenzechen be
ſchäftigten 1900: 43170 Arbeiter und förberten
12850978 t. Die Sn ift vertreten durch eine
Gußjitahlfabrit (Krupp, |. d.), die in E, allein 27462
en beihäftigt, ein Blechwalzwerk (Altien-
eſe — Schulz: Anaudi ampfleſſelfabriken
Carl Lange und Lerſch), Maſchinenbauanſtalten
(Aktien * ſchaft Union, Emil Wolff), das Rhei⸗
niſch-Weſtfäliſche Clektricitätäwerl, 1 Fabrik für
Heizungsanlagen, 1 dem. Fabrik, Fabrilen für
Sattler: und Gummiwaren, Golpleijten, Zuder:
waren u..mw., 8 Ziegeleien, mebrere Kallbrenne⸗
reien, 1 Dampfmahlmüble, 2 größere Brauereien,
4 Sägewerle und Schreinereien. Bon den Gewerben
namentlich das Baugewerbe ftarl vertreten. E.
it Siß der 1. Sektion der Rheiniſch-Weſtfäliſchen
Hütten: und Walzwerks⸗Berufsgenoſſenſchaft. Ende
1900 batte E. 1 Ortötrantentafje (8622 Mitglieder),
15 Betriebs: (Fabrik :)Krantentaflen (30373 Mit:
glieder) und 3 Innungskrankenlaſſen Pech
‚Der Großhandel eritredt fih auf die Erzeug-
nijle deö Bergbaues, der Eifen: und Stahlinduſtrie
und der Landwirtichaft ſowie auf Wolle, Kolonial⸗
und Farbewaren, Manufaltur:, Rurzs, Meiks und
Mollmaren. Der Handel wird unterftügt durch eine
Reichsbanlſtelle (Umſatz 1900: 4028 Mill. M.),
Handelätammer, Frucht: und Induftriebörje ſowie
zablreihe Vieb: und Schlahtviehmärtte. In der
jtädtifchen Sparkaſſe (1841 gegründet) waren 1900:
233,7 Mill. M. eingelegt. gr dem een Leib:
Dan (1881 gegründet) befanden ſich 1900: 5896
fänder im Werte von 59458 M. Neben verfchie:
denen Bantbäufern haben in E. ihren Sik die Efjener
Kreditanitalt (Umſatz 1899: 1896 Mill. M.), die
Weſtdeutſche Berfiherungs : Attienbant (Berjiche:
rung3fumme Ende 1899; 1996 Mill. M.) und fol:
ende Bergmerts:Aktiengefellihaften und Gewerk—
(haften: Arenbergihe Attiengejellihaft für Berg:
au und Hüttenbetrieb, Bergmwertägejellichaft Ber:
246
einigter Bonifacius, Kölner Bergwerlsverein, Berg:
wertöverein König Wilhelm, verowerisgefeliſcha
Dahlbuſch, Bergbaugefellibaft Neu⸗Eſſen, Alten»
geieiieaft Norditern, Zeche Vereinigter Sälzer und
teuad, Zeche Königin Elifabeth. I
Verkehrsweſen. €, liegt an den Linien €.
Winterswijt (73,5 km), Hamm-E.-Duisburg:M.:
Gladbach (140,8 km), Bochum⸗-E. (15 km), E. Kett⸗
wig: Düffeldorf (34,6 km), Kalt: Deu: Spelvorf-
Dortmund und E.:Altenefien (6,5km) und bat
2 Bahnhöfe, den Hauptbahnhof im S. und ben
Bahnhof Eſſen-Nord im N. der Stadt, legtern nur
Re die beiden zulegt genannten Ei ——
er Gefamtgüterverlehr auf den Eiſenbahnen be
trug 1898/99: 4124930 t, darunter 1976860 t ans
— Güter, Straßenbahnen führen nad
Borbed, —* Bredeney, Alteneſſen, Horſt,
Altendorf, Frohnhauſen, Gelſenkirchen und Steele
und beförberten 1899/1900: 12 Mill. Berjonen.
E. bat ein zn eriter Klafje mit zwei Zweig:
ellen, ein Telegraphenamt erfter Klaſſe und Fern:
preeinrihtung. 1899 kamen an (gingen ab)
8272602 (12732824) Briefe, Poftlarten, Drud:
ſachen und Warenproben, 617692 (359593) Balete
ohne, 38972 (49089) Briefe und 11228 (7144) Balete
mit Werian abe, 106789 Boftnahnahmejendungen
und 18995 Voftauftragsbriefe, Telegramme 243 172
130569). Der Wert der ausgezahlten hr
oe betrug 19,752, ber eingezahlten 33,306 Mill. M.
eihihte. Das ehemalige reih3unmittelbare
Benediktinernonnenftift €, (in lat. Urkunden des
Mittelalter Astnid, Astnide) mwurbe 874 durch ben
Bi yet Alfred von Hildesheim gerne Die Ub⸗
tiſſin Hagona, eine Schweiter König Heinrichs L.,
geitaltete den Ort durch Ummauerung im 10. Jahrh.
zu einer Stadt, als weldye fie zuerft 1003 genannt
wird. Das Stift ftieg durch Privilegien und Schen⸗
tungen zu folder Bedeutung, daß es 1275 zu einem
taiferl. freiweltlihen Stift und die Abtiſſin — Fürs
ftin erhoben wurde. Die Schirmvogtei übten die
Grafen von Berg: Altena und von der Marl, ſpä⸗
ter beren Nachfolger, die Herzöge von ülih-Gleves
Berg und Kurfürften von Brandenburg. 1598
und 1627 wurbe E. von den Spaniern, 1629 von
den Niederländern und 1641 dur die Branden-
burger unter Sparre eingenommen. Das 1808
fätularifierte Stift, defien Gebiet etwa 165 qkm,
zwei Städte (E. und Steele) und 14000 €. 552
wurde 1802 von Preußen als Entſchädigung in Be⸗
» genommen und ihm im Reichsdeputationshaupt⸗
[uß von 1808 förmli abgetreten. Seit 1807 dem
roßherzogtum Berg einverleibt, fam es 1818 (for:
te > — — eh) —— an
reußen. — Bol. Funde, ichte des entums
und der Stadt E. (2. Ausg. Elberf. 1851); Goebel,
Die Nünfterlirhe zu E. und ihre Kunftihäße (Efien
1895); Bürgerbud für die Stadt E., bg. von ber
ftäptifchen Verwaltung (ebd. 1899); rer durch
E. (ebd. 1900); — Die Induſtrieſtadt E. (ebd.
1902); Beiträge zur Geſchichte von Stadt und ut
E., vom Hiſtoriſchen Verein für Stadt und Stift
E. (ebd. 1881 fg.). — 3) Gemeinde in Oldenburg,
f. Bd. 17. — 4) Solbad bei Wittlage (f. d.).
Effen, Hans Henrit, Graf von, ſchwed. Reichs:
feldmarſchall, geb. 26. Sept. 1755 auf Schloß
— in Meitgotland, ftammte aus einer alten
livländ. Familie, bildete fi in Upfala und Got⸗
fingen und trat in ſchwed. Kriegsdienſte. Er war
Quitavs III. Begleiter auf den Reifen durch Stalien,
Elfen (Hans Henrik, Graf von) — Efjener
— —— und Deutſchland und ig ibm 1788 bei
eginn des Krieges gegen Rußland nah Finland.
r bie von ihm bemertjtelligte Entjegung von
Öteborg wurde er zum Überiten und Komman⸗
danten der reitenden Garde ernannt. €, war an
der Seite des Königs, ald diefer 16. März 1792 in
Stodholm auf dem Mastenballe tödlid verwundet
wurde. Unter den nachfolgenden Regierungen ge
noß er ebenfalls hohes Anfeben, fungierte 1795—97
ala Oberitattbalter in Stodbolm, wurde 1800 zum
———— in Bommern ernannt und ver:
teidigte Stralfund 1807 ehrenvoll 2 Monate lang
gegen een ofen, bis er ſich endlich entjchloß,
einen Waffenitillitand vom Marſchall Mortier an:
zunehmen. Als der König darüber unzufrieden war,
nabm €. feinen Abſchied und zog fi auf feine Gü-
ter zurüd, Erſt nach der Thronentjagung Guſtavs IV.
(1809) wurbe er wieder in den Reichsrat gerufen
und 29. April 1809 in den Grafenftand oben,
1810 zum Reichsmarſchall und 1811 zum Reiche
felomarjhall ernannt. Im Auftrage Karls XIIL
ging E. ald Geſandter nad Paris, um den Frieden
mit Frankreich zu fchließen, wodurch Schweden mie
der in den Bejik von Pommern kam. 1813 erbielt er
unter dem Kronpringen von Schweden (f. Karl XIV.)
den Befehl über die gegen Norwegen bejtimmte
Armee. Nah Vereinigung beider Reihe wurde er
Reichsftatthalter Aber Norwegen und normweg.
marſchall. Bon diefem Poſten wurde er Be 1816
entlafjen, aber 1817 zum Generalbefehlshaber in
Sconen ernannt. Er jtarb 28. Juni 1824 im Bade
Uddewalla in Schweden. Seinen Briefmechiel mit
Rarl XIV. Johann (1814—16) gab Y. Nielſen
(Krift. 1867) heraus.
Bon der in Livland zurüdgebliebenen Pinie er
warb ſich bejonders Graf Beter Kirilomwitih €,
geb. 1772, einen Namen. Ertrat früb in ruff. Kriegs:
dienfte, wurbe 1819 zum General der —— er⸗
nannt und ſtarb 1844 als Mitglied des Reichsrats
in Petersburg.
Essenoe d'orient frz., pr. ebängk doriäng),
ſ. Sihihuppen und Silberfiich.
senoes (fr}., fpr. äjlängß), f. Eau.
ats oder Ejjäer, Name einer adcetifchen
Genoſſenſchaft, die zu zur Zeit des Malta:
bäer8 Jonathan um das %. 150 v. Chr. vorlommt.
Unfere Quellen über fie find Philo, Plinius und
Ylavius Fofepbus. Letzterer bat fie neben ven Pha⸗
rifäern und Sabducdern als dritte jüd. Selte ge
ſchildert, und dies hat, da damit fehr Verſchieden⸗
ig jufammenge tellt wird, viel Verwirrung in
den Borftellungen über die E. erzeugt. Die Phari:
der und Sabducäer waren große, um bie Zeitung des
olls fämpfende religiöfe und polit. Barteien inner:
alb des jüd. Volls, die E bildeten einen fih vom
oltsförper ifolierenden Geheimbund, eine Art
Mönchsorden, welder die ee des Volls nie
mals in ausſchlaggebender Weiſe beeinflußt hat. Der
Name der E. wird verſchieden erllärt. Die wahr:
—“ Etymologie iſt die Herleitung vom ſyr.
(aramätjhen) Worte hase («fromm»). brend
einige den Eſſenismus aus dem ftrengen hafidäiichen
und pbarifäifhen Judentum (Derenbourg, Reuß,
Kuenen) oder doch aus dem reinen Judentum ber»
leiten (Hilnenfeld, Ritſchl, Lucius), bat nab andern
der Parſismus oder —— die Bildung
beeinflußt (Zeller, Holtzmann, Keim). Die Ein:
miſchung fremdartiger Gedanken kann nit wobl
in Abrede geftellt werden. Aber ebenfo Har iſt, daß
Eſſenkopf — Eſſenz
die —— —— Eigentumlichteiten des Orbens
ib als Ableitu ——— jud. Gedanten bes
weten lafien. P ie und Sofephus ſchatßzten die €.
a Kopfe. Nach Joſephus waren fie über ganz
balaſena verbreitet, jo da —* * in jeder Stabt
traf, Eine Nie derlaffung ver € ebi beichreibt
Yintus. Der Drven der E. * Br alle ——
ae g einheitlich organifiert. An der Spige
orjteber, denen jedes Orbendmitglied un:
kein un Gehorfam ſchuldete. Aufgenommen in
wurden bie Mitglieder nad einer
Biobeyeit 3 nach —— eines Eides, durch
welchen ſie ſich zur Geheimh g der Lehren des
—— und E Offenheit gegen bie Brüder ver:
flihteten. Sein Drdenämitalied hatte eigenen
Bei, Es herrſchte volle Gutergemeinſchaft. Aller
Erwerb floß in die von eigenen Beamten verwaltete
— Kaſſe, aus welcher die arbeits unfähigen
titglieder ihren Unterhalt bezogen. Ihre Mahl⸗
zeiten waren gemeinſam, ihr Tagemwerl wurde durch
die Vorſteher gerege Der Grundzug ihrer Ethil
war weltflüchtige Asceſe. Sie übten ftrenge Saften,
bielten das Sabbatgefeg und die Bo niften über
förperlide Reinheit mit Außerjter Sorgfalt *
en in der Schärfung der hierauf bezüglichen
—* erungen noch weit über bie Strenge des Ge⸗
binaus. Um ihrer Berwerfung der blutigen
Opfer willen vom — ausgefchloffen, rich:
teten fie ſich einen eigenen —— mit zahl⸗
reichen Balhungen, eihen, Gebeten und Opfer:
mablzeiten ein. Sie verwarfen von Eid im ——
lichen Verlehr, den Krieg und alle auf Krieg und
Erwerb von Reichtum abzielenden Beihäftigungen
und beidräntten fi daher auf Aderbau und fried⸗
lie Gewerbe. Die Ehe ward verworfen, doch nahmen
fe gern fremde Kinder an, um fie in ihren Grund»
jägen zu erzieben. über ihre theoretifchen en
wenig befannt, doch feinen fie Geheimle
über die Engel und die menſchliche Seele beſeſſen zu
baben. Ihre Auffafjung vom Sabbat und vom Ge-
jes charatterifiert fie als ftrenggläubige Juden. Da:
2% Ar — daß Solen us von ihnen erzählt,
bätten bei Aufga onne altberfömmliche
Gebete an dieſe g A Vermittelſt des Schrift:
ftudiums zus, so fie die Zukunft und die Heil
fräfte der Bilanzen und Steine. Daß Johannes der
Zäufer mit den E. in Verbindung geitanden habe,
ift ſebt unwahrſcheinlich. Völlig ausgeihloffen aber
55 die Entſtehung des Chriſtentums mit dem
enertum in Verbindung zu bringen, vielmehr
—— was KH im fa zu —* —3
mus redet ſteigertem Maße den Eſſe⸗
nis mus. Er yo) en nad Chriſtus ſcheinen
in die Chriſtengemeinden Palaſtinas ar Ele
mente eingedrungen zu fein. (S. Ebioniten.
&riftl. Gemeinde Baläftinas trugen die E. die Eng:
berzigleit deö Selienweſens und den zähen Wider:
Fe gegen fortſchreitende Entwidlung hinein. —
L. außer den efienden Werten über die Ge
ſchichte der
unb
—— ed Fade Hersfeld, Gratz
D ourg —38 der
Griechen, Bo. 3, 2. R * 1881); R eim, Ge:
ſchichte Jefu von — Bd. I (Zür. 1867); Haus:
tatb, Reuteftamentliche Zeitgeſchichte, Bd.1(3. Aufl.,
Ründ. 1879); Lipſius ın — «Bibelleriton»
(293.1875), Artitel «Efjäem; Leutbecher, Die Ejiäer
re ** Lucius, Der —S in ſeinem
Berbältnifje zum ech er ubentum (Straßb. 1881); Wein:
fein, Beiträge zur Geſchichte der Efläer (Wien 1892).
In die | Wa
247
Bol. noch die litterar. Nachweiſe bei E. S Wi
ren des — Volls im Zeitalter Jeſu
——
entialien (lat. essentialia), weſentliche Bes
ftanbteile, 3. B. eined Rechts gejhäfts (f. Acciden⸗
talien); € Ehfentiatitat, — etwas Weſent⸗
lies; el entiell, wejentlich (
985 Babeor, f. Jeſſentuli.
Efienwein, Auguft von, Architekt und Aue
&riftfteller, geb. 2. Nov. 1831 zu Karlsruhe, bes
uchte 1847—52 bie Nah u he Schule, ver:
eſen).
rachte dann mehrere Jahre auf Reiſen. Er ver
öffentlichte: «Norbdeutichlands Baditeinbau im
Mittelalter» (4 Lief., Karlsr. 1855), jiebelte 1856
nad Wien über und trat bier 1857 in die Dun
der Staatseifenbahngefellihaft. 1864 nah
als ſtädtiſcher Baurat berufen, wirkte €, dort *
Gründung des Steiermärliſchen Vereins für Kunſt⸗
induſtrie Fi! wurde 1865 Profefjor des Hochbaues
an ber Techni (den —* 1866 folgte er einem
Rufe als Borftand des Germaniſchen Mu:
ſeums nad Nlürnberg, als welcher er für umfaflende
Sammlungen biefer Anftalt ganz bejonders t .
war. Er legte 1891 feine Stelle nieder und ſtar
13. Okt. 1892 zu Nürnberg. In feinen fünftlerifchen
Arbeiten vertrat er, da er allen Kunſten und Ge
werben, die im Mittelalter zur Heritellung und Aus:
ftattung der Kirchen zufammenmirtten, gleiche Auf:
merffamleit zu 2 andte, in Deutichland die arbäol.
—— der Baukunſt. Der Ausbau der Kartauſe,
des Germaniſchen Muſeums in Nürnberg, die
auration der dortigen eg die
innere Ausftattung ber Kirhe St. Maria im Kapi⸗
tol zu Köln, die Ausmalung des Doms zu Braun:
ſchweig, die Erweiterung des Nürnberger Ratbaufes
und die Ausführung des Mofailfußbodens im Ehor
des Kölner Doms find als feine Hauptwerte zu
betradbten. An Kirchen, Altären, Glasmalereien
u. f. w. findet fich vieled von ibm an verſchiedenen
Orten Deutſchlands und Öfterreih3. Bon E.s Schrif⸗
ten ſind noch das Prachtwerk «Die mittelalterlichen
Kunſtdenkmale der Stadt Kralau« (Nurnb. 1867)
und «Die innere Ausſchmuckung der Kirche Groß:
St. Martin = Köln» (Köln 1866), «Die Wand:
gemälde im Fe u Braunfhweig» (Nürnb,
1881), «Der Bilderfe und der Liebfrauentirche zu
Nürnberg» (ebd. 1881), «Bilveratlas zur Kultur:
eſchichte des Mittelalterd» (1884), «Hand a der
olzſchnitt, darftellend die — Köni
dinands I. mit den djterr. Erbländern durch ie
Karl V.» (18 Tafeln mit Tert, Frankf. a. M. 1887),
«Die farbige hg des zehmedigen Schiffes
der Barttır e zum beil. Gereon in Köln durch
nd» und Glasmalereien» (36 Tafeln mit Tert,
ebd. 1891). Bon dem «Handbuch der Arditettur»
g. von Durm u.a.) bearbeitete er außer der «Ein:
eitung»: «Die Ausgänge der Haffiihen Baukunſt
(hriftl. Kirchenbau) und bie Aoniekmg der klaſſi⸗
en Baufunft im Oſtrömiſchen Reihe (byzant.
aufunft)» (ZI. 2, Bd. 3,1. Hälfte, 1886) und «Die
roman. und die got. Bauhunft» (<L2, Bp.4, Heft 1:
«Die Kriegdbaulunft», 1889; Heft 2: «Der Wohn⸗
bau», 1892).
Effenz (lat. essentia; franz. essence), das Mejen,
die — veſchaffenhei einer Sache, Weſen⸗
heit (ſ. Weſen); daher der Auszug irgend einer
pflanzlichen oder aus dem Tierreih ftammenden
Drogue, die deren mejentliche (ejientielle) oder wirk⸗
248
— Beſtandteile enthält. Daher werben die ätheri⸗
hen Öle im deutichen Handel ER im franzöfifchen
a oe ig €. genannt, mweil fie den charalteriſti⸗
f toff der aromatijden Pflanzenteile darſtellen.
Eine andere Art von E. find die mit Alkohol ber:
geftellten Auszüge aromatijher Subftanzen, die
man zur —— * von Riechwäſſern und
um Räuchern gebraucht (vgl. en; dabin ge
dren z. B. Ambra:, Moſchus-⸗, —— Neem
ewiſſe fonzentrierte Präparate, die nur mit Waſſer,
bee, Wein u. f. w. vermifcht zu werden brauden,
um Getränte zu — werden E. genannt, z. B
Punſch-⸗, Biihof:, — u. dgl. {ber €.
bei der Weinbereitung f. Ausbrud.
— f. Ausbruch.
Efſequĩbo. 1) Fluß in Britiſch⸗Guayana, der
alte Diſſequebe der Eingeborenen, der größte unter
den 5 en von Guayana, entjteht etiwa unter 0° 40’
nördl. Br. im SW. der Sierra Ncarai, welche fein
11500 qkm großes Beden von dem des Amazonen:
—— trennt, und ergießt j nad einem gegen
orden gerichteten, vielfach gewundenen Zaufe
von etwa 960 km burd eine 30 km breite, von
flaben Inſeln in drei Arme geteilte Mündung
unter nörbl. Br. in den Atlantifhen Dcean.
Der ftärkjte der Mundungskanäle des Aſtuars
ift vo 3 km breit und 4 m tief, bietet aber
der Einfabrt megen der vorliegenden Schlamm:
bänte große Schwierigkeiten; doch können Seeſchiffe
von 5 m Tiefgang mit Hilfe der Flut 70 km weit
aufmwärt3 gelangen bi® in die Näbe ber unterften
Stromſchnellen, bei welden bie Granitregion be:
ginnt. Troß der vielen Stromſchnellen, morunter
der Waraputa: und der Orotoloſall namentlich ber:
vorragen, wird der Fluß doch noch 630 km weiter
aufmärt# durch Boote befahren. Das größte Hin-
bernis bietet der große Kataralt King Williams IV.
unter 3° 13” nörbl, Br., ungefähr 500 km vor ber
Mündung. Der E, bat mebrere bedeutende Neben:
üfle, jedoch nur an der linten Seite. Die beträdt:
ichiten find der 370 km lange Rupununi oder
Weihe Fluß, der Potaro oder Schwarze Fluß
und der durch den Mazaruni verftärkte, 450 km
lange Cuyuni. — 2) Grafidaft in ——
u (f. — in Südamerila, zwiſchen den
ündungen de3 €, und des Waini, ein frudht:
bares und reiches Land, das im ganzen die Natur
von Demerara und Berbice teilt und ohne die wil⸗
den Indianer und das Militär eine ausschließlich
ländliche Bevöllerung von 25 000 €. zäblt.
Eifer, Heinrih, Komponijt, geb. 15. Juli 1818
in Mannbeim, war erjt Hapellmeifter an der Mann:
— Oper, dann am Kärntnerthortheater in
ien und 1857—69 an der Wiener Hofoper. Er
ftarb 3. Juni 1872 in Salzburg. €. ſchrieb die
Opern «Silas⸗ (1840), «Thomas Riquiqui» (1843)
und «Die beiden Prinzen» (1845), zwei efter:
fuiten, Sinfonien und andere Inſtrumentalwerke.
Größern und anbaltenden Erfolg hatten feine
Männerhöre und Lieder.
Eſſex, Grafihaft im öftl. England (f. Karte:
England und Wales), ſüdlich durd die Themſe
von Kent, weftlih durch die Lea von Middleſer
und Hertford, nörblih dur den Stour von Suf:
foll getrennt, im NW. von Sambridge und öſtlich
von der Nordfee begrenzt, bat 3994,28 qkm und
(1901) 1085576 E., d. i. 272 auf 1 qkm. €. wird
vom Roding und andern Themjezuflüjien jowie vom
Crouch, Chelmer und Eolne reichlich bemäflert, welche
Ejjenzweine — Eifer
in tief eingefchnittene Nordfeebuchten münden. Das
Land ift flach, an den Küſten teils arg teil, wie
auch die Inſeln Canven, Foulneß und Merjea, aus
Marien beitebend. Bodenanſchwellungen im In:
nern erreichen nur 225 m Höhe. €. ift äußerft Frucht:
bar; Wieſen und Aderland umfallen vier Fünftel
der Flache. Die Benölterung treibt Anbau von ausge:
zeichnetem Weizen, Gerſte, Kartoffeln, Hopfen, Raps
und Gemüfe, bauptfählich aber Wieſenkultur, Bieb—
* Butter: (von —— beſte in England) und
äfebereitun „auch Strobflehterei, Schifibau und
Reederei, Filcherei und Aufternfang. Leßterer fin:
det befonders bei Colcheſter, Tolleebury, Malvon,
Leigbund Briabtlingfea ftatt. Hauptftabt ift Cbelms:
ford. Bebeutender find Weſt-Ham und Eoldheiter.
Die Grafihaft wählt acht Abgeordnete in das Bar:
lament. — Das alte m. ädj. Königreich E. over
Oſtſachſen (Eaftjeare, Ejtjaronia), um 527 von
Erkenwin gegründet, umfaßte auch Hertforb und
Middleſex und batte zur Hauptitadt Lundenwyl
(Lundene), d. i. London. Es warb fpäter mit Kent
vereinigt, dann von Mercia abhängig und 823 durch
Eabert von Weiler unterworfen. — Bol. Walford,
Tourist’s guide to E. (Lond. 1882).
Eſſex, alter engl. Apelstitel, der von bem 12.
bis zum 16. Jahrh. nadyeinander von den Familien
Manveville, Fitßpiers, Bohun und Bourdier ge:
übrt ward. Heinrih VIII. verlieb ibn 1539 an
einen Minifter Thomas Erommell (j.d.). Na
eure —— bie einige Monate ſpäter er:
folgte, wurde Wi (iam Barr, Bruder der jechften
Gemablin Heinrichs VIIL., zum Grafen von €. er:
geben ftarb aber 1566 Hain Nachlommenſchaft.
ie Würde kam zunächſt an die Familie Devereur,
did ihre Abſtammung von einem Genoſſen Wil:
helms des Eroberers, Walter d’Eoreur, berleitete
und, in —— anſäſſig, ſich Generationen
indurch im Grenzkriege gegen Wales hervorgethan
atte. Aus ihr ſtammte der erfte Graf E., Walter
evereur, Lord Hereforb, geb. 1541, der mütter:
liherfeits ein Nachlomme der Grafen €. aus dem
Haufe Bourdier war. Er foht in Irland und ftarb
ald Graf: Marjball von Irland 1576; falſchlich
wurde die Schuld an feinem Tode dem Grafen
Leiceiter zugefchrieben, der E.’ Witwe beiratete.
E. Sohn war Robert Devereur, zweiter
Graf von E., ge: 10. Nov. 1567, der befannte
Günjtling der Königin Elifabetb. Er wurde durch
Gecil an den Hof gebradt, zeichnete ih 1585
unter feinem Stiefvater Leicefter in Holland aus
und wurde nad deſſen Tod (1588) fein Nachfolger
in der Gunft der Königin. Des Hoflebens über:
drüifig, machte er gegen Glijabetb3 Willen eine
friegerijhe Erpedition von Norris und Drate nad
zn. mit (1589), wurde aber bald wieder in
naden aufgenommen, jedoch erregte er der Königin
öcften Zorn dur feine heimliche Ehe mit der
ochter Waifinghams. 1591 focht er in Frankreich
auf Heinrichs IV. Seite und beteiligte fib 1596
rubmvoll an der Einnahme von Cadiz. Als er
dann nad geringen Erfolgen heimlebrte, wurde
er lalt von Elijabeth empfangen, bei einer beftigen
Auseinanderjegung mit der Königin erbielt er jo:
gar von dieſer öffentlich eine Ohrfeige. Nicht lange
darauf übertrug ihm Glifabeth jedoch 1599 den
Poſten eines iriſchen Generalftattbalters zur Unter:
drüdung der dort unter Tyrone ausgebrochenen
gern Empörung. €. ſchloß einen nadteiligen
tillftand, vielleicht nicht ohne verräteriiche Ab⸗
Eifig — Eifigfabrikation
höten, und als —— die Beftätigung verwei⸗
grie, lehrte er ohne Erlaubnis zu einer Recht⸗
krgung zurüid. Eliſabeth ftellte ihn vor das Ge⸗
nöt der Sternfammer, und als fie auf deren Urteil
vi Ämter: und Güterverluftes nicht jofort Gnade
wilten ließ, juchte E. einen Aufruhr in London
perregen, wurbe aber gefangen genommen, ver:
wteilt und nad langem Schwanten der Königin
2. yebr. 1601 ala Hochverräter enthauptet. Die
—* von dem Ring, den er an Eliſabeth,
um ihre Gnade zu erhalten, geſchickt habe, iſt eine
Fabel. €. tragiiches Ende war durchaus ſelbſt⸗
verihuldet. Er war eitel, heftig, ohne jede Selbit-
beberrihung, und obwohl tapfer bejaß er weder
zum Anfübrer, noch zum ®Bolitifer irgend hinrei-
bende Begabung. €. ift der Held in Laubes Trauer:
ipiel «Graf E.».
Bon feinen drei Söhnen wurde Robert Deve:
treu (geb. 1591) 1604 die väterlihe Würde ald
brittem Grafen von €. zurüdgegeben, er jelbft jung
mit Franziska Howard vermählt, die bald eine
Scheidung durdjeste, um fih mit Robert Earr,
Grafen von Somerjet, zu verbeiraten. 1620 diente
er im Heer des Kurfürften von der Pfalz, 1625
beiebligte er als Viceadmiral gegen die Spanier.
Eifrig wohnte er den PBarlamentöfigungen bei und
ftand ſchon 1626 zur Dppofition gegen Karls I. ab:
folutiftiihe Beftrebungen. Er gehörte zu den Füb:
rern des Langen Barlaments und erbielt 1642 den
Oberbefehl im —— Sein anfängliches
Glüd ſchwand bald, da er weni —— er
Heerfübrer befaß, 1644 mußte jein Heer vor Karl
die Waffen ftreden. Nach der Selbftentäußerungs:
atte (f. u trat er ab und ftarb 1646,
Die Würde eines Grafen E. erlojh mit ihm,
Eie ging über auf die Familie Capel und wurde
1661 an Artbur Eapel, geb. 1631, den Sobn
bes 1649 enthaupteten Ford Eapel von Hadham,
übertragen. 1672—77 war diejer Lorblieutenant
von Iland, nad feiner Rüdtehr kämpfte er im
rlament für den Ausihluß des Herzogs von
ort (nahmaligen Jakob IL.) von der Thronfolge.
Teilnahme am Rye⸗Houſe-Komplott verbädtig,
wurde er verhaftet und 13. Juli 1683 im Kerfer
mit durchſchnittenem Halje aufgefunden; höchſt
wabrſcheinlich bat er fein Leben durch Selbftmord
—— nicht, wie verbreitet wurde, durch Mord.
ein Sobn, Algernon Eapel, zweiter Graf von
€., fämpfte unter Wilhelm ILL. in Slandern. Dem
fünften Grafen von E., George Gapel, geb.
1757, geit. 23. April 1839, 5* — fein Neffe Ar:
tbur Algernon Eapel, jehiter Graf von E,,
geb. 27. Yan. 1803, geft. 11. Sept. 1892; diefem
als fiebenter Graf von E. fein Entel George
Devereur de Bere Eapel, geb. 24. Dit. 1857.
‚Eifig, im weſentlichen mit Wafler ftark verdünnte
Sirajäure (f. d.) mit einem Gehalt von 5 bis 6 Proz.,
die als Nebenbeitandteile, je nad) der Bereitungs:
weile, u. Mengen organifcher —— ver⸗
ſchiedener Art, — aus dem zur Darſtellung be⸗
nusten Waſſer herrührend, anorganiſche Salze ent⸗
bält. E. wird verwertet zum Würzen der Speiſen
(Speifeeifig), in der Bharmacie (der ald Acetum
sinelle E enthält 6 Proz. Eſſigſäure), in der
Zechnil zur Anfertigung der reinen Eifigiäure und
ehafaurer Salze. Man unterſcheidet MWeinejig,
Bier, Malz: oder Getreibeeilig, Obfteifig, Rüben:
eig, Branntweineffig und Holgejfig, von denen der
lestere aber ala Speileeifig nit verwendbar ift.
249
Hinfichtlich feiner Darftellung ſ. —— —
Aromatiſchen E., auch Vierräubereſſig oder
Peſteſſig (Acetum aromaticum), nennt man ein
pbarmaceutifches Präparat, das als Desinfeltiong:
mittel in Krankenzimmern und als Schukmittel
gegen Anftedungen, als belebendes Mittel bei Ohn⸗
madten, zu Waſchungen u. ſ. w. angewandt wird,
Der aromatiihe E. verdantt feine Wirkung auss
ſchließlich den darin gelöften ätherifhen Ölen. Er
bat den Namen PVierräubereffig, Vinaigre des
uatre voleurs, daher erhalten, daß zur Zeit der
eit in — vier Männer, die ſich durch Anr
wendung biejes Präparats geihüst batten, in die
Wohnungen der Kranten eindrangen und fie bes
raubten. Nah dem Arzneibudh wirb der aroma-
tiſche €. folgendermaßen bereitet: Lavendeldl, Pfef⸗
ferminzöl, Rosmarinöl, Wacolderöl, Zimmetöl,
von jedem 1 Teil, Eitronenöl, Cugenol, von jedem
2 Zeile, werben in 441 Teilen Weingeiſt gelöit und
dann 650 Zeile verbünnte Eſſigſäure und 1900
Zeile Wafjer hinzugefügt. Nach adıttägigem Stehen
wird filtriert. — Medizinifcher E. tft Bezeich
nung für verjchiedene durch Maceration mit ver:
dünnter Ejjigjäure erhaltene und durch einen Zufaß
von Weingeijt vor freiwilliger Zerſetzung bewahrte
Auszüge von heilträftigen Prlanzenjubftanzen. Das
Arzneibud für das Deutſche Reich enthält nur nod
einen mediziniſchen E., den Meerzwiebeleſſig (f. d.).
— Ronzentrierter oder radilaler €, (Acetum
concentratum oder radicale) ift die verbünnte Eifig-
jäure des Arzneibuchs.
Eſſigälchen, ſ. Haarwürmer und Eſſigfabrika⸗
Eifigäther, ſ. Eſſigſäureäther. ſtion.
— — f. Rhus.
Effigbildner, f. Eſſigfabrilkation.
Eifigeouleur, j. Raramel.
Eiffigeffenz, eine konzentrierte Loſung von
Eifigfäure, die nad geböriger Verbünnung mit
Matter ala Speiſeeſſig verwendet wird.
Eifigefter, ſ. Eſſigſäureäther.
Eſſigfabrikation. Bei der Darſtellung des
Speiſeeſſigs (ſ. Eſſig) kommt in erfter Linie die—
jenige
ethode in Betracht, die ei der durch Oxy⸗
dation bewirkten Umbildung von Altobol in Eſſig⸗
fäure beruht; zweitens fann ei durch Verbünnen
reiner Ejjigfäure (f. d.) mit ie bergeitellt wer:
den. Als alloholhaltige Robftoffe für die erjte Mer
thode können dienen: Wein, Bier, vergorene Malz:
auszüge, —— Obſtſafte, vergorener Rübenfaft,
verdünnter Branntwein. Werden dieſe der Luft
auögejebt, jo bildet * bald an der Oberfläche der⸗
ſelben eine zarte weiße Pilzdecke (Eſſigkahm) von
Bacterium (Mycoderma) aceti Zopf, dem Eſſig⸗
pilz oder ffioferment. ‚Die lebenden gen
dieſes Pilzes haben die Fähigkeit, Sauerftofj aus
der Luft aufzunehmen und denfelben auf verbünn:
ten Al * übertragen, wodurch dieſer in Eſſig⸗
fäure und Waſſer umgewandelt wird, welchen Vor:
ang man mit Ejf fi ärung bezeichnet. Ber:
—* man ge künft ‚md Mege den Zutritt von
ilzen zu den alloholiſchen Fluüſſigleiten, oder ver:
fegt man bdiejelben mit pilztötenden Stoffen, 3
einer Spur von Garboljäure, fo fann man Eauer:
kon beliebig lange zutreten lajjen, ohne daß eine
üdung von Eſſigſaͤure eintritt. Es ift daber die
Gegenwart von lebendem Eſſigpilz das Bedin—
gende für die Eſſigbildung, und lehtere wird be:
ünjtigt, wenn Verhältnifie geihaffen werben, die
Ar der Lebensweiſe dieſer —— am meiſten
250
anpaffen. Diefe find, außer der Anweſenheit einer
altobolifhen Flüffigkeit, deren Altoholgebalt jedoch
10 Bolumprozent nicht überfteigen darf: 1) mög:
lichſt reihlicher Zutritt der Luft, 2) eine Tems
peratur, die nicht unter 10° 0. fintt und nicht über
85°C. Reigt, 3) Vorbandenfein von wenn aud nur
geringen Mengen von Näbrftoffen der niedern Dr:
anismen (Phosphate des Ammonium, Raliums,
agnefiums), 4) eine gewiſſe Menge von bereits
fertig gebilveter Eifigfäure, da der Effigpil; vor:
ugsweiſe auf fauren Fluſſigleiten gedeiht. Begun⸗
hit und beihleunigt wird die Eſſigbildung durch
inftliche Ausſaat oder reihlichere Zufuhr des Eſſig⸗
Hr es. Daber tritt die Gifebilbung ets in Ge
ßen und in Räumen, die bereit zur Ifgbereitung
edient haben, weit rafcher ein und verläuft dort
hneller als in ungebraudten Gefäßen und in neuen
äumen. Die in den gebrauchten Gefähen und an
den Deden und Wandungen der alten ——
ets vorhandenen Eſſigpilze entfalten eben ihre
bätigteit, jobald fie in bie ihrer Entwidlung güns
Nigen Bedingungen zurüdverjegt werben.
a Bacterium aceti nur durd fbertragung
von Sauerftoff die Eſſigbildung veranlaßt, fo fann
. * —* — * eine et eier
e genheit findet, Sauerjtoff au eb:
men, db. b. wenn e3 a einer mit ns a
rübhrung ſtehenden Fluſſigleit ſchwimmt. Wird es
in dieſer untergetaucht und dadurch vom Sauerſtoff
ber Luft getrennt, fo hört feine Wirkung ſofort auf.
Die einzelnen Zellen umllei
gallertartigen Subftanz, und diefe finkt zu Boden,
wo fie ald Gallertmafie, Ejfigmutter genannt,
jo lange unwirkſam bleibt, bis ihre Zellen wieder
n Berührung mit —— fommen. Dieſe Maſſe
beſteht aus jahlreichen erien, welche dicht an⸗
einander lagern, während gleichzeitig die äußern
elatinöfen ihten der Balterienzellmandungen
rt anſchwellen (Zooglöenbildung, Batterien
bleim). Bei der E, muß daher eine einmal ge
te * moͤglichſt unberührt erhalten blei⸗
n joll daher die in Säuerung zu vers
en igleiten, das Eſſiggut, nicht auf
— e je in die ſchon in Betrieb befind:
ihen Gefäße eingießen, jondern fie von unten aufs
—— langſam einfließen laſſen. Eine Unter:
ehung des Betriebes kann mitunter auf eigen
tümlihe Weije dur eine Zerftörung des Pilz:
raſens berbeigeführt werben. In den der €. die:
nenden Apparaten fiedeln ſich leicht Heine Tieren,
die Eſſigälchen (f. Haarwürmer), an, die zum
Atmen des Sauerftoffs bedürfen. Um ihren Sauer:
ftoffbedarf —— zu können, drängen fie ſich
an die Oberfläche der Flüfjigleit und ſuchen den
Pilzraſen zu durchbrechen. So entjteht ein Kampf
ums Dafein zwiſchen Tier und Pflanze, bei dem
bei kräftiger Vegetation des Pilzes bie Tiere
unterliegen und entweder erftiden oder an bie
von der Fluſſigkeit durchnäßten Wandungen flüch⸗
ten müflen, während, wenn fie das Übergewicht er:
langen, ver Bil rafen an vielen Stellen durch⸗
brochen oder aud wohl ganz zerrifjen und in die
Sinffigteit untergetaucht wird, momit die Eſſig⸗
ildung ibr Ende erreicht und mit Erfolg erft wies
der eingeleitet werben kann, wenn die Tiere durch
Ausbrüben mit heißem Waſſer getötet worden find.
ur Darftellung von Tafeleſſig benugt man ala
Eſſiggut nur Wein oder verbünnten Branntwein.
Die Darftellung des Weineffigd wurde früber in
iden fih dann mit einer | a
Eſſigfabrilation
ſehr umfangreichem Maße in Frankreich und zwar
vorzugsweiſe in Orleans betrieben, wo der fiber:
fluß der Kleinen, obnebin wenig baltbaren Weine
auf diefe Meife vorteilhaft verwertet wurde. In⸗
olge des Auftretens der Reblaus ift diefer Indus
iezweig bedeutend zurüdgegangen.
Der Apparat der Weinejjigfabrilation be
fteht nad der in Frankreich fait ausſchließlich bes
nußten ſog. Orldansmethode in einer dem Umfang
des Betriebes angemejlenen Zahl von Weinfäflern,
die, mit dem Spundloch nah oben gerichtet, auf
Stollen gelagert find. Zur Beförderung der Luft:
cirfulation find die Fäfler oben mit Löchern ver
feben, und zum Ablafjen ift unten ein Habn ein-
ejeht. Beim Beginn der Fabritation werden bie
äffer zum etwa vierten Teil mit einer Miſchung
von Wein und heißem Eſſig gefüllt. ft ver Wein
ejäuert, jo fügt man allmäbhlih eine Mengen
ſchen Wein⸗ zu, bis das Faß zur Hälfte gefüllt
ft. Alsdann zapft man vor —— uſatz
von Eſſiggut eine gleich große Menge fertigen Eſig
ab, ber in einem Klärbehälter gejammelt wird. Hier
ift der Eſſig vor weiterm Zutritt der Luft zu bewah⸗
ren; aud dürfen feine Reſte des Eifigpilzes mit in
den Lagerbehälter gebracht werben, da diejer bei Ab»
—— von Alkohol feine orgdierende Wirkung
auf die Eifigfäure überträgt, wodurch dieſe teilmeiie
in Roblenjäure und Waller verwandelt wirb und
ein Schalwerden des Eifigs eintritt. PBafteur hat
— ——— inſoſern abgeändert, als er
uf die in Eſſig umzuwandelnde Fluſſigleit den Eſſig⸗
pilz fünftlih ausfäet. In Deutichland wird Wein⸗
ng nad einem verbeijerten und ga
dandverfahren (D.R.P. Nr. 31363) von Ri
Hengitenberg in Ehlingen am Nedar bergeftellt. Es
verdient bemerkt zu werben, daß ber weitaus größte
Zeil des ald «Weinefjig» Kuhn Eſſigs aus ge
wöhnlibem, mit wenig Weineſſig verjegten, im
günftig en Falle aus einem auf Weintreftern gela⸗
gerten Spritefjig befteht. Wirklicher Weineffig muß
aus lauter Wein oder unter Verwendung größerer
Mengen von Wein (mindeitens aber 20 Proz.) ber»
geitellt werben.
Der — — uni gehe Meife
bergeftellt werben wie der Weineifig. Diefe Art der
Darftellung ift aber durch ein weit vorteilbafteres
Verfahren, die von Schutzenbach (1823) eingeführte
re I lab verbrängt worden.
Bei diejer lektern wird das in Eifig überzufüh-
rende Ejfiggut (verdünnter, mit fertigem Eſſig ver:
mifchter Branntwein) mit der atmojpbärijben Luft
bei der erforderlihen Temperatur in die innigfte
Berührung — und dadurch die Oxydation des
Allohols zu 2 in der kürzeſten Zeit und mit
dem geringften Berluft bewertitelligt. Dazu find
ar eingerichtete Gefäße (Gradierfäfier,
Eſſigſtänder, Eſſigbildner) erforberlih, von
denen man je nad der Stärte des darzuſtellenden
Eifigs zwei bis vier braucht, die zufammen wieder
eine Gruppe ausmachen. Ein derartiges Gefaß ift
in nachſtehender Figur abgebilvet; es ift aus ſtar⸗
tem eihenem Daubenbolz angefertigt, — m body
und 1—1,3m weit. 20—30 cm body über dem uns
tern Boden find in gleichen Abjtänden im Ums
freife des Falles 6—10 Luftzuglöber m von etwa
3 cm Durchmeſſer und mit etwas Gefälle nad ins
nen angeordnet. Etwa 33 cm über dem Boden bes
findet ſich ein Boden b, der ſiebähnlich durchlochert
ift und auf den Rotbucenbolzipäne geihichtet wer
Eifigferment
ven. Die Späne werben, zu engen Spiralen zus
\ammengerollt, jo wie man fie durch Hobeln von
ginem Holz und nachheriges Trodnen erhält, an:
gemendet. Nachdem bie Eijfigftänder mit den trod:
nen Spänen beichidt worden find, fchreitet man
yum Anläuern derjelben. Zu diefem Zwede gießt
man erwärmten Eſſigſprit über die im Ständer bes
Aindlihen Späne. Die angejäuerten Fäller bleiben
4 bi8 48 Stunden bebedt ftehen, damit der Eſſig
das Holz möglichft durchdringt. 18—25 cm unter
dem obern Rand befindet ſich ein bölzerner, mit
möglihft vielen feinen Löchern durchbohrter Sieb⸗
boden a. Damit das Sifiggut durch diefe Löcher in
dünnen Strahlen über die Späne ſich ergießt, bringt
man in die Löcher Bindfäden, die etwa 3 cm unten
beroorragen und oben mit einem Anoten verfeben
find, um zu verhindern, daß fie durch die Bohr:
locher gleiten; die Fäden faugen das Eſſiggut auf
und la
en ed vom untern Ende auf die Hobelfpäne
abtropfen. In dem
ER Siebboden befin:
* den ſich ferner fünf
— —— bis acht größere
Were! Bohrldcher von
8—5 cm Weite mit
durchgeftedten
\\ Glasröhren von 10
—15 cm Länge, bie
der durch die Zug:
x lödher von unten
eindringenden, im
9 Ständer ihres
irre bes
4 ee raubten > den
— ee Austritt nad oben
* — geſtatten. Der Eſ⸗
ſigſtänder wird mit
einem gut ſchließen⸗
den Deckel d bedeckt,
in deſſen Mitte ſich
Es eine runde Off—
j ; nung 1 befinet,
durch die einerjeitö das Eſſiggut aufgegoflen, ans
bererjeitö durch geringere oder weiteres Öffnen der
Lujtaustritt geregelt wird. Infolge der Sauerftoff-
abjorption entwidelt fi im Innern des Gifig-
—— ſo viel Wärme, daß die Luft darin in
trömung von unten nach oben erhalten wird.
Nachdem die Effigftänder beihidt und eingefäuert
find, giebt man da& vorbereitete Effiggut auf. Das
aus dem erften Eſſigbildner abfliegende Cifiggut
fommt in das zweite und fließt von da, wenn der
Altobolgebalt der jäuernden Fluſſigleit 3—4 Proz.
nicht überftieg, als fertiger Eifia ab. Die in einem
Etänder nah unten gelangende Flüffigteit ſammelt
fh in dem Raume u an und wird von da durch
den Habn in das untergeftellte Gefäß abgelafien.
Die Zufammenjegung des Eſſigguts ift verjchieden;
bäufig beftebt ed aus 20 | Branntwein von 50 Bolum:
prozent Alkohol, 40 1 Ejfig und 120 1Wafjer, ver man
alt Nahrung für den Pilz einen Auszug von Rog-
genmehl und Kleieoder etwasNährjalzlöfung (. oben)
zuiest. Die Ejfigftube ſoll bis auf 20—24° C. ers
wärmt fein, in den Eſſigſtändern fteigt die Wärme
aber bis auf 36° und darüber, wodurch infolge der
Berdunftung von Alkohol und Eſſigſaure ein Ber:
luft von über 10 Proz. ftattfinde. Mit Rüdjicht
auf diefen Berluft farın man annehmen, daß 1 hl
Branntwein von 50 Bolumprozent (= 42 Gewichts:
— Eifigjäure
251
prozent) Alkohol 7,» hl Eſſig von 5 Bros. Eifipfäures
Beier liefert. Für den Verſand iſt e8 am vorteils
afteften, nur den ferien Eifig (Eifigfprit) dar
ag — ben ine‘ F des —— *
aſſer zu nnen; auch iſt zur Erzielung
ter Saltbazfeit und Reinheit das nnd ec
und Filtrieren, wodurch die Cifigälen vernichtet
und entfernt werben, zu empfeblen.
Die zweite Methode der Darftellung von Speife
eifig durch Berbünnen reiner Eifigfäure mit Wajler
macht neuerlich, infolge Berbilligung und Verbeſſe⸗
rung der Herftellung reiner Gifafdure, der Schnell:
eiglabrilation mitteld Altobol erhebliche Kontur:
renz. Zur Herftellung von Eifig wird ber reinen
Eifigfäure jo viel Waſſer Gnnugelet bis der Eifig
einen Gehalt von 5 Proz. Ejfigiäure zeigt. Solder
Gifig wird vielfach durch etwas Eſſigather oder durch
Gewürze (3. B. Eitragon) aromatisch gemacht. Zur
Gebaltsermittelung des Eſſigs bedient man ſich noch
häufig des Acetometers (f. d.). — fiber die Fabrila⸗
tion von Holzeffig f. d.
ol. Bafteur, Etudes sur le vinaigre (Par. 1868);
Berih, Die E. (4. Aufl., Wien 1895); derf., Der
rationelle Betrieb der E. (ebd. 1900); Fontenelle,
Handbuh der €. (7. Aufl., von ®. von Ziegler,
Weim. 1895); Brannt, Practical treatise on manu-
facture of vinegar (2. Aufl., Zond. 1901); Frande,
Manuel pratique du fabriquant de vinaigre (Bar.
1901); Zeitfchrift für Effiginduftrie (Berl. 1895 fg.);
Die deutihe Eſſiginduſtrie (ebd. 1897 fg.).
eifi ent, |. Fermente und Eſſigfabrilation.
@ffigfliege (Drosophila funebris F), eine
etwa 4 mm lange, plump gebaute, rojtgelbe, am
Hinterleib ſchwarz gezeichnete Fliege aus der Fa⸗
milie der Oemeiningen, Sie fliegt langjam ſchwe⸗
bend in Rellereien, Speifetammern u. f. w. umber,
wo ihre in von Pflanzenjäuren durchtrankten
Subjtangen, wie in faulem Obſt, eingemachten
Früchten, an Wein, Bier: und Eſſigfäſſern leben.
figgärung, |. Eifigfabrifation.
figgeift, joviel wie Aceton (f. d.).
figgut, Effigfahm, f. Cifigfabrilation.
Einemeiler, f. Acetometer. Bffgfabritation.
gmutter, Eſſigpilz,
figuaphtha, joviel wie fäureätber (f.d.).
Br ware, sl "COOH, nad =
fi
gfäure, H,O, = CH,-
Ametfenjäure, H-COOH, das nädjte Glied in ber
Reihe der fog. Fettläuren. Sie fommt fertig ges
bildet in manden Pflanzenfäften und in tierijchen
Slüffigleiten, 3. B. im Schweiß, vor und ift nad)
verjhiedenen Methoden ſynthetiſch erhalten worden.
Sie entfteht durd die Oxydation des gewöhnlichen
Ütbylaltobols nach folgender 8
—9— -CH,OH + 0, = CH, -COOH + H,0.
Der Altobol läßt ih durch Blatinmobr orydieren;
ur u bereitung im Großen benußt man aber die
5 & gärung (j. Effigfabrifation). Dieſe Eſſig⸗
gärung findet au beim Sauerwerben des Biers
oder Weins ftatt (Biereffig und Beineffip) E. ent»
ſteht ferner bei Fäulnisprozefien und bei der trod⸗
nen Deftillation jauerftoffreicher or ER Stoffe.
Bedeutende Mengen von €., Holzeilig (}. d.) werben
dur Deftillation des Holzes gewonnen.
Aus diefem Holzeffig wird reine konzentrierte E.
erhalten, indem man ihn durch fraftionierte Deitil:
lation von Holzgeift und dem größten Teile der
teerigen Beitandteile trennt und dann durh Soda
oder Kalkmilch in das Natrium: oder Kalkjalz über:
führt. Die Salze werden zur Trodne verdampft
252
und auf Temperaturen von 200 bis 250° erbigt, um
die legten —— Beimengungen zu zeritören.
Durh Deftillation der Salze mit lonzentrierter
Schwefeljäure und nochmalige Deftillation über Ras
liumbihromat erhält man dann reine E. mit nur
wenigen Prozenten Wafjer. Durch Abkühlen ver:
— man das Auskryſtalliſieren ganz waſſerfreier
E. Dieje N eine ftehend ſauer riechende, llare,
farblofe Flüffigteit, die bei 16° in großen Kryitallen
eritarrt (Eis eſſig, Acetum glaciale). Sie ſiedet
bei 118° und befigt hochſtens da fpec. Gewicht 1,056.
Der Dampf brennt mit blauer Flamme. Der Eis—
eilig ziebt energifh Waſſer an, indem ſich er
das Hydrat C,H,O, + H,O mit dem fpec. Gewicht
1,orı bildet. Bei weiterer Verdünnung nimmt dann
das ſpec. Gewicht wieder ab. Im Handel fommen
neben dem ganz mwajjerfreien —** noch die höch⸗
ſtens 4 Proz. Waſſer enthaltende E. (Acidum ace-
ticum) und die verbünnte E. des Arzneibuches
Acidum aceticum dilutum) mit 30 Proz. E. vor.
tere beißt im Handverlauf ſchlechthin E.
Konzentrierte E. wirkt ftarl atzend und zerjtört
die Haut fofort unter Blafenbildung; fie dient als
Riehmittel und, mit der gleihen Menge Waſſer
verdünnt, zum Ügen von Warzen und Hübneraugen.
Auch ift ie ein ausgezeichnetes Löfungsmittel für
viele Stoffe (Öle, Rampfer, Harze, Schießbaummolle,
auch Phosphor und Schwefel in Meinen Be)
und findet in ber särberei und Teerfabrilation An:
wendung. Die €. löft fi in Waſſer, At Al:
tobol, Chloroform, Glycerin in jedem Ber ältnis.
Sie ift eine ftarte einbafifhe Säure, rötet Ladmus,
geht mit den Oryden der Metalle leicht lösliche
alze (f. Siigiaure Salze) und treibt aus den Car:
bonaten die Koblenfäure aus. Durch Erſetzung ber
Waſſerſtoffatome der —— in der €. ent:
eben Subftitutionsprobdulte, 3.8. Mono:, Di: und
rıhloreffigfäure, CH,CI- COOH, CHCL - COOH
und CC, -COOH, Säuren, die in ihren Eigen:
ſchaften der E. ähnlich find und von denen die Tri:
bloreifigfäure Mor zerfließliche, rhom⸗
boedriſche, in Wafler, Weingeift und Ather [ösliche
Kryſtalle bildet, al? Acidum trichloraceticum offi:
jinell ift und als Utzmittel Verwendung findet.
@ffigfäureamülcfter, CH, -COO Hys, Ber:
bindung der Gifigfäure mit ee tie:
keit vom Siedepunkt 140°, (S. auch Birnätber.
Effigfäureanhydrid, leitet fi von der Eifig:
fäure dadurch ab, daß zwei Moleküle ſich unter Aus:
tritt von Waſſer verbinden:
2CH, - COOH = CH, -CO-0-CO-CH, + H,0.
Man ftellt es dar, indem man forgfältig getrodnetes
eifigfaures Natrium mit Wbospbororn lorid oder
bei 140° mit Phosgen behandelt und das Deftillat
reltifiziert. Das E. ift eine bewegliche, ftechend
riechende, bei 137° fiedende Zlüffigleit vom fpec.
Gewicht 1,075. An feuchter Luft nimmt es allmäb:
lih Waſſer auf unter Rüdverwandlung in Eſſig⸗
äure. Es ift ein viel benutztes Reagens, indem es
Itobole ſowie primäre und fetundäre Ammonial:
bajen in Acetylverivate überführt.
Eiffigfäureäther, Eſſigäther, Effigefter,
C,H,0, = CH, -COOC, H,, eine Verbindung der
Eifigfäure mit dem gewöhnlichen Athylalkohol, die
Kine Klaſſe der Ejter (f. d.) gehört. Die Eſter der
halte mit andern Allobolen, mit Ausnahme
des — ———— . d.), baben eine geringere
ung.
t Man gewinnt den E. am beſten, indem
man ein
emenge von Alkohol und konzentrierter
Eifigfäureamplefter — Eſſigſaure Salze
Schwefelfäure mit Effigfäure oder eſſigſaurem Na»
trium erbigt, wobei die folgende Realtion ftattfindet:
CH,-COOH + C,H,0H = CH,-C00C, H, + H,O.
Der rohe E. deftilliert Aber, wird mit einer lonzen⸗
trierten Loſung von Chlornatrium gejhüttelt, um
allen Altobol zu entfernen, der Sfler abgehoben,
über Chlorcalcium getrodnet und reftifjjiert. Der
E. ift eine ſehr bewegliche, farblofe, neutrale Fluſſig⸗
teit von ftarlem, angenehm erfrifchendem 8,
fiedet bei 77°, bat das fpec. Gewicht 0,924 bei 0”,
u fih in jedem Verhältnis mit Allobol und
üther und löft fich in der 14fahen Menge Wafler.
Er ift als Aether aceticus ojfizinell und findet als
anregende Mittel mebiginilch Anwendung, tech
niſch als Loſungsmittel und in der Liqueurfabri:
tation und Parfümerie. Im Großbandel koſten
100 kg €. (1903) 175 M.
Sffigfaure Salze oder Acetate entjteben,
indem in ber Effigjäure, CH, -COOH, der Waijer:
ftoff der Carborplgruppe durch Metalle erſetzt wird.
Sie bilden fi, indem wäſſerige Eifigfäure durd
die Metalloryobyprate neutralifiert wird, oder ins
dem Gifigfäure auf die foblenfauren Salze ver Me
talle wirkt; einzelne Metalle löfen fi in Eifigfäure
unter Entwidlung von Waſſerſtoff zu eifiglauren
Salzen, fo namentlid Eifen und Zink; mande Ace
tate laſſen ſich erhalten, indem man eſſigſaures
Blei dur das ſchwefelſaure Salz des betrefjienden
Metalls zerlegt. Als einbafiihe Säure kann die
Eijigfäure nur eine Reihe von Salzen bilden; bie
Ammoniums, Raliums und Natriumfalze haben
aber die Eigenfhaft, jog. Diacetate oder ſaure eſſig⸗
Br Salze zu bilden. Mande der mehrw en
etalle geben bafıfhe Salze. Bon den neutralen
Salzen ift nur das efjigfaure Silber und das Qued⸗
filberorybulacetat in Waſſer ſchwer löslib, alle
übrigen find leicht loslich, viele find auch in Altobol
löslich; die meiften Erpftallifieren. Bei trodner Er:
bigung geben einzelne Salze unveränderte Gifatäume
ab, andere werden dabei zerjeßt und liefern Aceton
(ſ. d). Beim Erbigen mit Natrontalt liefern fie
ethan oder Sumpfga®, CH,, und kohlenſaures
Salj. Bon den zahlreichen hierher gehörenden Sal:
zen jind namentlich zu nennen:
1) Aluminiumacetat, eſſigſaure Thon:
erde, eriftiert ald neutraled Salz, AL(C,H,O,),
nur in —25 Löfungen und wird erhalten, in:
dem ſchwefelſaure Thonerde durch eſſigſaures Blei
zerſeht wird. Diefe Flüffigkeit findet ald Rotbeize
vielfach Verwendung in der Färberei. Als antijep-
tiſche und mild adftringierende Flüffigkeit zu Umſchlä⸗
gen u. ſ. w. in der Medizin benugt, wird die als Li-
.. Aluminii acetici offizinelle Aluminiumacetat-
jung durh Eintragen von Galciumcarbonat in
eine mit eihgjäute verjeßte Aluminiumfulfatlöfun
bergeitellt. Bei gelindejtem Erwärmen oder ja
beim Eintrodnen an der Luft zerjeßt fi die Pöjung
unter Freiwerden von Eifigläure und Bildung von
unlöslichem bafifhem Salz, ALO(C,H,0,).
2) Ammoniumacetat, eſſigſaures Am-
monium, C,H,0,-NH,, entjtebt al weiße rvftal-
liniihe Salzmaſſe beim Sättigen von Eisefjig mit
mwajlerfreiem Ammonial. Cine wäflerige, 15 Proz.
des Salzes enthaltende Löfung ift der offizinelle
Liquor Ammonii acetici oder Spiritus Mindereri,
ein fhmweißtreibendes Mittel. Saure Ammonium:
acetat, C,H,0,-NH,+C,H,O,, entjtebt als ölige,
fryftalliniih erftarrende ylüffigleit beim Grbigen
eines Gemenges von Raltumacetat und Salmial,
Eifigjaures Bleioxyd — Eifipoff-Lefchetigfi
3) Nruumacetat faurer Barpt,
— On H,0,) —— * Sm von kohlen ſau⸗
— es kryſtalliſiert bei 0° mit
{Auen Das mwaflerfreie Salz ift nicht
— Exbipen liefert e8 Aceton. Cal⸗
tiums, —— en und Strontiumacetat
verhalten fih im wejentlihen wie Baryumacetat.
4 Bleiacetat, ——— — yd,
aeuttales, 40 a)a + 3H,0, i [eis
mder(j.d ). Das afitde Salz, Pb,(O CH, O.),
H der Bieieffig (j.d
5) — a. Eiſenoxydulacetat,
et Sn planzen Gijeno ydul,
6* Din e+4H,O, entſteht beim dien von
en in jäure oder durch Zerjegen von Blei:
der mit at in äquivalenten Meng —
legterm Falle ſcheidet ſich unlosliches
Hub
aures Blei aus, die davon abfiltrierte =
binterläßt nad dem Verdampfen bei Lu
Meine grünliche Kryſtalle des Salzes. Eine *
fung des Salzes wird in ber Färberei als an
(Shmwarzbeize) verwendet und für dieſe 3
entweder durch egung von effigfaurem Kalt mit
Eifenvitriol oder durch Löfen von metallifhem Eifen | d
in robem Solgel ig dargeftellt. — iſt das ſog.
bolzjaure en des Handels, eine re: ries
ende jlüffigleit won_1,0s5 fvec. Gewidt. —
b. Eijenorydacetat, en Aal igſau—
res Sllınszob, ‚(C,H,0, nn nur
in febr leicht zerfeßbarer eh * — werden.
6) Raliumacetat, GH,0,-K, eſſigſaures
Kalium, Kalium aceticum, Terra foliata tartari,
wird erhalten, indem man Effigfäure mit reinem
toblenjaurem Kalium neutralifiert und zur Trodne
verdampft. E3 ift ungemein leicht loslich in Wafler.
Bei ftärterer ie! ſchmilzt eö ohne —* und er⸗
ftarrt bei zu einer kryſtalliniſ ®. Es ift
Ber in Altobol löslich rn aber aus diefer Loſung
durch Uther gefällt. Die offizinelle Raliumacetat:
—— (Liquor Kalii acetici) enthält ein Drittel
alzes in Wafler gelöft und wird als harn⸗
treibendes Mittel verwendet. Das ir faure e Salı
oder Kaliumbiacetat, C,
entjtebt beim Löjen des neutralen * a Eh
fäure; läßt man die Löfung über Schwefelfäure ver:
dunften, jo ſcheiden fi Kryſtalle ab, die 6 Moleküle
Waſſer enthalten. Außer diefem Sal; eriftiert noch
eine —— ED mit F fäure, das fa:
liumtriacetat, C,H, 0,
7) Rupferacetat, h u Cu, € i fau:
res Aupfer, entftebt be eim Böen von Kupferoryd
in ————— und Verdampfen een | 5
bei das Sala, mit 1 Molekül Waſſer verbunden
ent Es bildet Heine glänzende grüne Kry:
5 Zeilen heißem und in 13 Teilen
A Waller sic © Altohol ſchwer, in Ather
aber unlöslih find. (S. Grünfpan und Schwein:
furter Grün.)
8) —————— C,H,0,-Na+3H,0,
eifigjaureä Natrium, Natrium aceticum,
erra foliata tartari —— entſteht bei
der Reutzliation von Eſſigſaure mit koblenjau-
tem Natrium. Es bildet fhöne große Kryſtalle, die
bei gewöhnlicher Agnes rang in 2,3 Zeilen, beim
Sieden in U,5 Teilen Waſſer, auch leicht in Wein:
geift löslich find. Das waflerfreie Salz ift in
wallerfreiem Altobol unlöslid. Das trpftallifierte
Sal; giebt fein Waſſer unter Schmelzung bei 100°
ab, wajlerfrei ſchmilzt ed ungerjegt bei 819°.
253
a Sal; abforbiert begierig Feuchtigkeit aus
der Luft. Mit Effigfäure bildet es ahnliche Ver:
bindungen wie das aliumacetat. Natriumacetat
ift offizinell und dient in Loſung ald mildes, harn-
treibendes Mittel,
9) Quedfilberacetat, effigfaures Qued—
—— —— dul wie das Oxyd
ehen Verbindungen mit ein. Da}
Sutaniiberonneulaseat, | Os), ents
jebt als weißer, aus Koalition eftebender
tiederfchlag beim Bermiihen von Löfungen von
—— Quedfilberorybul und eſſigſaurem
tatrium, ift in 133 Zeilen taltem Waſſer löslich,
erjegt fih beim Kochen mit Waſſer unter Aus:
beidung von Metall. ——— Aid
Hg(C,H, O,), dur Loſen von Due lberoppp | in
Eiligfäure zu erhalten, kryſtalliſiert in 'bierfeitigen
Tafeln, löft fi im gleichen Gewicht fiedenden, in
4 Teilen kalten Waflerd und giebt bei dauerndem
Kochen Säure ab. Das trodne Salz läßt fich bei vors
Rat emGrbigen — ohne Säure zu verlieren.
10) Silberacetat ehe aured Silber,
* —— als wei ftallinifcher Nie-
chlag beim Bermifhen von Löjungen von Gil:
bernitrat und NRatriumacetat, löslich in 100 Teis
len kaltem Waſſer, leicht 18lich i in Säuren.
11) Bintacetat, an dlanres al Zin-
cum aceticum, Zn(C,H, Os)a, bildet ſich beim Neu-
tralifieren von Sinefäur mit Zintoryd oder ioblen⸗
aurem Zink. Nah dem Verdampfen der Löjung
cheidet es fich inweißen, perlmutter ae ſechẽ⸗
eitigen Tafeln ab, die 3 Moleküle Waſſer enthalten.
ei ſtarlem Grbigen fublimiert faures Salz, wäb-
rend zugleich ein Teil in Aceton und Roblenfäure vers
wandelt wird. Binkacetat ift offizinell und wird os
wohl innerlid als Beru we rg bei nervöfen
—— und als Brechmittel, als auch äußerlich
— —— zu Augenwäflern, Einfprigungen,
Verbänden u. f. m. angemenbet.
— Bleioxyd, ſ. Bleizuder.
eree Eifigftänder, |. Eſſigfabrilation.
figft Era eine innere Berbrauds
* und
——
vom
ſſteuer auf
fäure. In der Norbdeutihen Braus
emein ft wird die E. wie die Braufteuer
Dal und den unter Bierfteuer genannten
ae erhoben (Gejeg vom 31. Mai 1872, $.2).
In Belgien wird eine E. von allen zu Gärungs:
zweden und zur Aufbewahrung dienenden Gefäßen
der Effigfabritation erhoben. Zur Zeit werden von
je 1001 Raumgehalt dreimal im * 4 Frs. (ab⸗
glich 18 Proz.) entrichtet. anfreich ift der
u! Fe —* * Prozentſaß der Eſſigſaure im
Eſſig A: r 1001, N au kg kryſtalli⸗
ſiene 3 yes 62,0 Fr
—* en Krankheit des Wins und Biers,
* dur Anfiedelung von Bacterium aceti Z f,
des Eſſigpilzes (f. Ejfigfabrikation), in den Getränten
roorgerufen wird, aber zu ihrer Entwidlung aud
noch längern Luftz utritie⸗ bedarf. Der E. beruht
auf einer Orpbation des Allohols zu Eſſigſäure.
Vom E. befallene Biere und Weine können nur noch
zur Eifigfabritation verwendet werben.
Effigweinfaure Thonerde, |. Weinfäure.
Eifipoff: Leſchetitzti, Annette von, ruſſ. Pia;
—— geb. 1. Febr. 1851 zu Beteräburg, ı murde am
Konjervatorium dafelbft unter Leſchetißli gebildet,
mit dem fie jeit 1880 vermäblt it. Sie bemäbrte
ſich auf Konzertreifen, die fie jeit 1875 in Europa
Das | und Amerita unternahm, als eine der erften leben:
254
ben Pianiftinnen. 1885 wurde fie preuß. Hofpia-
niftin. Ihr Spiel ift mehr ſtark accentuiert und
leidenſchaftlich als gefangvoll und mufitaliich fein.
Eflair (ipr. -lä I dinand, Schauſpieler,
eb. 2. Febr. 1772 zu Eſſegg in Slawonien, war in
feiner gend Soldat und ging 1795 in Innsbruck
ur Bühne, wurde dann Mitglied des Theaters zu
lau, wandte ſich 1797 nah Münden und von
* 1788 nach Prag. 1800 entwich E. aus Prag und
pielte nun erſt in Augsburg, dann in ——
und Salzburg, wurde bier flüchtig und fam Ende
1801 nad Nürnberg, wo er bis Dez. 1806 blieb,
feit 1805 als Mitdirektor. Er ging dann nad) Stutt:
art, wirfte 1807—12 in Mannheim, 1812—14 am
arlöruher, bis 1816 am Stuttgarter Hoftbeater
und feit 1820 als lebenslänglihes Mitglied und
Regiſſeur an der Munchener Hofbühne. Er jtarb
10. Nov. 1840 in Muhlau bei Innsbruck. E. glänzte
befonders in Heldenrollen und der Darftellung
bürgerlicher Charaltere. j ,
ling, Eßlingen, Dorf im Gerichtäbezirk
Großenzersborf der öfterr. Bezirlshauptmannſchaft
ridsdorf in Niederöfterreich, bei Wien, am linten
onauufer, im Marchfeld an der Dampfitraßen:
bahn Wien:Grofenzersdorf, hat (1900) 623 €. €.
iſt befannt durd die Schlaht am 21. und 22. Mai
1309 (f. Aspern und Eßling), von welder ber
Marſchall Maſſena (f. d.) den Titel eines Fürften
von €. erhielt.
Ehlingen. 1) Oberamt im württemb. Nedar:
treiß, hat 137,66 qkm und (1900) 47820, (1905)
52060 E., 1 Stadt und 15 Landgemeinden. —
2) Oberamtsjtadt im Oberamt E., ehemals ſchwäb.
— ie Reichsſtadt, 10 km dt:
> lid von Stuttgart, in 240 m
Höhe, reht3 am Nedar, über
den eine 1286 erbaute und
1838 reftaurierte, 26,3 m
lange Brüde führt, und an
der Linie Ulm:Stuttgart der
Mürttemb. Staat3bahnen,
Sig des Dberamtes, eines
Amtögeriht3 (Landgericht
Stuttgart), Kameral⸗, ——
Hauptſteueramtes und Bezirlslommandos, iſt noch
jegt mit 1216 vom Kaiſer Friedrich II. erbauten
auern umgeben und bat (1900) 27 325 E., darunter
2760Ratholiten und 133 Jsraeliten, (1905) 29145 €.,
Poſtamt erſter Klaſſe, Fernſprecheinrichtung, Altiens
bant, Gewerbebank, Konjum: und Sparverein, Ret⸗
tungsanitalt, israel. Waijenhaus, Kranlenhaus,
St. Clara⸗Hoſpital, Haus der Barmberzigleit, Gas:
anftalt,elektriiche Gentralftation; ein evang. Lyceum,
vor 1886 Pädagogium, Realanſtalt (Healjchule),
Schullebrerjeminar(1811 —— Präparanden:
anftalt, böbere Mädcenicu e, Induſtrieſchule. Uns
ter den Öebäuden zeichnen ſich aus: die Dionyfius:
Stabt-)lirhe mit zwei Türmen, Pfeilerbafilita im
bergangsitil, im 11. Jabrb. gegründet, im 14. und
15. zum Zeil umgebaut, mit alten gemalten Chor:
fenftern, ſchönem Lettner und Salramentshäuschen
von 1486, die katholijche frühgot. St. Paulskirche,
1268 vollendet, die jhöne jpätgot. Liebfrauentirche,
ein Hallenbau mit ſchlanken Pfeilern, 1406—1522
von Ulrich von Enfingen und feinen Söhnen und der
amilie Böblinger ausgeführt und 1862 unter Egles
itung reftauriert; fie gt trefflibe Stulpturen an
den drei Portalen (im Bogenfeld des Südportala
das Jungſte Gericht), Shöne Gladgemälde im Chor
——
Eßlair — Eflingen
unb neben der Orgelbühne die Grabfteine von Hand
und Matthäus Böblinger; der jhöne durchbrochene
Turm (75 m), 1520 vollendet, ift auf 267 Stufen
zu erjteigen und gewährt eine peüchtine Ausjicht auf
die Stadt, das Nedartbal und die Alb. (Val. Pfaff,
gen der Frauenlirhe in E., Ehling. 1863;
Egle, Die Frauenkirche in E., Stuttg. 1897.) Noch
böber it die ebemalige faiferl. Burg Perfried,
mit ftattlihem Edturm. Gegenüber dem Rathaus,
ehemals Schloß des Grafen Alerander von Würt:
temberg, liegt das alte, 1430 erbaute Rathaus,
einft das «Steinerne Haus» genannt; —— das
rübere Gerichtsgebäude für den Nedarfreis, das
olfäthor (1216) mit ven fteinernen bobenftauftfchen
Löwen und das im altdeutihen Stil 1882 renovierte
Haus der Familie W. Bauſch. Auf der mit Anlagen
verjebenen Maille, einer Inſel in Nedar, befindet
fi die Erzbüſte des Hiftoriters Karl Pfaff.
Die bedeutende Induftrie (etwa 80 Fabrilen)
erftredt ſich auf die yabrilation von Gold», Silber:,
Neufilber:, ladierten und filberplattierten Waren,
Del, Meßwerlzeugen, Knöpfen, Leder, Hand⸗
uben, Tertil:, Spielwaren, Ol, Farben, Seife,
fig, Senf, Champagner, ferner auf Zolomotiven-
(2000 Arbeiter) und Mafchinenbau, Kammgarn⸗
ſpinnerei (1000 Arbeiter), Baummwollipinnerei (41000
Spindeln), große Bierbrauereien und Kunftmühlen.
Hervorragend iſt auch der Wein:, —* und Ge
müjebau. In der Nähe —* ländlicher Abge⸗
ſchiedenheit die n= und —5——— Ken—
nenburg und das konigl. Luſtſchloß und Geſtüt
Weil, ehemals Dominilanerinnenlloſter, mit treff⸗
licher Viehzucht. — €. (Hetsilinga, Ezzelingin im
Mittelalter) wurde um die Mitte des 8. Jahrh. ge
gründet, gehörte in der älteften Zeit zum Nedargau
ded Herzogtums Schwaben und war ſchon 1077
ummauert, ald Rudolf von Schwaben bier jeine
Anhänger verfammelte; infolgedejlen zerftörte es
Heinrich IV. Unter dem Schuße der Hobenftaufen
gedieh der Drt jedoch wieder ſchnell und erbielt 1209
von Kaiſer Dtto IV. die Rechte einer Freien Stadt
des Reich; fie wurbe 1216 von Kaifer Friedrich II.
befeitigt und gehörte zur Niederſchwäbiſchen Land:
vogtei. Hier wurde 1488 der Schwäbiſche Bund
errichtet; auch beſtand bier bis 1733 eine reichsfreie
Nitterjhule, und 1567 und 1571 ward ber
wegen die Univerfität von Tübingen bierher verlegt.
Der Reformation ſchloß ſich E. En 1531 an. 179%
Im bier ein Treffen zwijchen den Franzoſen unter
oreau und den Öfterreichern ftatt. Die fortwäbren:
den Fehden mit dem Haufe Württemberg, welches
das Reichsſchultheißenamt in der Stadt bejaß, endig⸗
ten 1802, ald Stabt und Gebiet dem tum
Mürttemberg zugeteilt wurde. — Bal. Karl Pfafi,
Geſchichte der Reichsſtadt E. (2. Aufl. mit Er:
gänzungäbeit, Ghlingen 1852); Ströbmfeld und
dhnorr, E. in Wort und Bild (ebd. 1890); K. 9.
©. Pfaff, Chronik der Stadt E. 1802—95 (ebv.
1896); Urkundenbud der Stadt E. (Bd. 1, bearb.
von Diehl und Pfaff, Stuttg. 1899).
Ehlingen, Dorf in Oſterreich, ſ. Ehling.
Ehlingen, der Schulmeiiter von, fahrender
Spruchdichter des 13. Jahrh., der den Titel Schul:
meifter wohl nur ald Spiknamen fübrte, bat in
or polit. Sprüchen mit rüdjihtslojem, aber
ochſt amüjantem Wis die Habgier und den =
Rudolf von Habsburg verböhnt. Eine Auswah
feiner Dichtungen entbält von der Hagens Samm-
lung der «Minnefinger»(4 Bde., 2p3.1838), Nr. 96.
Efionne — Eſte (Stadt)
Ekſonne (pr. efiönn), linter Nebenfluß der Seine
n den kanz. Depart. Loiret und Seine: et:Dife,
afeht an der Grenze des Waldes von Orleans im
datt, Loiret Durch Vereinigung des 40 km langen
der Bithiviers berührt) und der fürzern Ri⸗
nude. Die E. fließt über Malesherbes nah N.,
ummt die Juine auf, berührt den Induſtrieori
Efionnes ({. d.) und mündet nad einem Laufe von
#% km (100 km bis zu ben Quellen des Deuf) bei
Gorbeil, in 30 m Höbe, in die Seine.
Efiounes (jpr. efiönn), Stadt im Arrondiffement
und Kanton Eorbeil des franz. Depart.Seineset:Dife,
1', km Pe von eil, an der Eſſonne und
an der Linie Baris: Montargid:Sens via Eorbeil
ga Serra in 34m Höbe, hat (1901)
7073, old Gemeinde 9374 E., eine Kirche aus dem
12. und 545* Bernardin de St. Pierres Haus;
Kupfer: und Eifengießerei, Maſchinenbau, bedeu⸗
tende Bapierfabriten, Mühlen, Baummollipinnerei,
RX Brennereien und Kallofen.
Eitabäl, noch vorlommendes älteres f
Zängenmaß, das in Gaftilien 4 Baras oder 12h
begrifi = 8 24062 m, im Verlehr aber, namentli
der andern Provinzen, abweichende Größen hatte, | E
zwifchen 5", und 15 Fuß fhwantte und ala Wein:
gartenma' bisweilen zu 11 Fuß gerechnet wurde,
Eftadio, Stadium, Stadion, älteres Weg:
maß Spaniens und —— war in Spanien ..
der jchon 1658 geſetzlich eſcha en, aber öfters
noch vorlommenden juridifhen Wegftunde (Legua
jaridica) oder */, der juridifchen Meile (Milla juri-
dica), und wurde zu 125 Schritt (Pasos) oder
625 (Pi6es) gerechnet = 174,147 m. or⸗
wo der €. bis 1868 ea war, bilbete er
"ja Der Milha oder Heinen Meile oder */,, der Legoa
oder großen Meile und war = 258,207 m.
ädo, jpan. Pängenmaß, ſ. Faden.
—— frz.) oder Stafette, reitender Eil⸗
bote. Beförderung von afettenfendun en
und Kurierreiſenden durch die Boft findet in Deutſch⸗
land nicht mehr ftatt. Dagegen beftebt eine ſolche
in Oſterreich Ungarn und in Rußland.
Eftagel (jpr. -ajhell), Stadt im Kanton Latour:
be: France, Arrondifjement Perpignan des franz.
—— ————— am Aglg, der bier
lin den Berbouble aufnimmt, bat (1901) 2774,
ald Gemeinde 2789 E., eine Statue des ne gebo⸗
renen Aſtronomen Arago; Wein: und Dlivenbau,
Honig:, Getreide⸗, Wein: und Branntweinhandel.
Eſtaires (ipr. eſtahr), Stadt im Kanton Mer:
ville, Arrondifjement Hazebrouf des franz. Depart.
Nord, an der zur Schelve gehenden Lys und an der
Linie Armentired:BerguettesSt. Omer der Franz.
Nordbahn, bat (1901) 3597, als Gemeinde 6635 E.,
ein Rommunal-Eollöge, eine Spartaffe, ein Waiſen⸗
us; Zeinenfabriten und :Bleichen, Sabriten von
majttafeljeug, Stärte, Seife und Ol.
Eſtajo, meril. Flächenmaß, f. Almude.
takade (frz.), eine unter Waſſer angebrachte
Berpfäblung zum Adiperren des Fahrwaſſers.
Estamento Ion.) Ständeverfammlung, den
Gortes in Spanien entiprechend.
Eitamin, Kleiderfutterzeug, |. Etamin,
Estaminet (fr3., jpr. * in Frankreich und
ien ein Kaffeehaus, wo geraucht werden darf.
‚ Estampe iftz., jpr. eitängp), Bild als Abdrud
einer Blatte, beſonders Kupjerſtich, ——
Eitampes (jpr. etängp), Stadt in Frankreich,
[. &tampes.
255
Eftamped (Etampes, ſpr. etängp), Anna von
ana — von, Geliebte L von
on,
anfreih, Tochter Antond von 0 *
—— bei der Her⸗
1508, war —* Mee d'Heill
zogin von Angouldme, der Mutter des Königs, und
trat diefem 1526 bei jeiner Rüdtebr aus der fpan.
Gefangenſchaft näher. Bald —*— ſie ihn du
Schönbeit, Geiſt und ihren litterariſch und fünftlerif
fein gebildeten Sinn dergeſtalt r fefleln, daß er
ihr die Stelle —— bisherigen Geliebten, der Gräfin
von Chäteaubriand, einräumte. Bei ihrer Schein:
beirat mit Jean de Brojie 1536 befchentte er fie mit
der zum Herzogtum erhobenen Grafihaft E. Um
on und die ihrer Gegnerin Diane de
oitiers (f.d.), der Geliebten des Dauphin Heinrich,
ruppierten ſich die Parteien, welde in Franz
päterer Zeit den Hof jpalteten. An allen ragen
der Regierung war fie damals ftarf beteiligt. Nach
dem Tode Franz’ I. 1547 wurde fie auf *
der Diane de Poitiers auf ihre Güter verwieſen.
Sie trat nun zu den Hugenotten über und leiftete
ihnen gelegentlichen Vorſchub, lebte aber jonit zubi
bis an ihren 1576 erfolgten Tod. — Bol. B. Paris,
tudes sur Frangois I, Bd. 2 (Par. 1885).
Eſtaucia (fpan., «MWohnung»), in den fübameril.
Bampas Name der Befigungen, die zur *
beſtimmt find; Eftanciero, Beliger einer E.
Sonft in Südamerila überhaupt einem Heinern
Landgut entiprechend.
Shaples, Jacques le eure d’, ass: b.
Estatüto reäl (ipan., «tönigl. Statut»), das
Verfaſſungsgeſeß, welches die Königin » Regentin
Maria Ehrijtina von Spanien 10. April 1834
eigenmädtig erließ. Dasſelbe jepte eine beichräntte
konftitutionelle Berfafjung mit zwei Kammern (die
der Pröceres als erfte, und die der Procuradores
als zweite, lehtere aus den Höchſtbeſteuerten auf
3 Jahre gewählt) ein, wurbe aber durch den Militär:
aufftand von La Granja 13. Aug. 1836 bejeitigt.
Eſtavahyer⸗le· Lac (ipr. * deutſch Staf⸗
he am See, Stabt und Hauptort des Bez
roye im ſchweiz. Kanton Freiburg, in 469 m Höhe,
auf einer Anhöhe am rechten Ufer des Reuenburger
Sees, an der Linie Freiburg: Bayerne-Nverbon der
Schweiz. Weitbahn, bat (1 1660 E., darunter
etwa 220 nz Poſt, Telegrapb, viel-
türmiged got. Schloß Chilnaur, Kirche mit wert»
vollem Altarblatt, Dominitanerinnenftift, ein ehe
maliges Jefuitenfeminar, alte8 Rathaus, Hafen für
die Dampferlinie E,-Neuhätel und Landwirtſcha
Eite, linter Nebenfluß der Elbe in der preuß.
Provinz Hannover, entipringt in der Lüneburger
—— aüug von Welle, und mündet nad einem
ufe von 57 km Blantenefe gegenüber. Sie ift
von Burtebube an (13 km) (ib
Efte, Hauptitadt des Diſtrikts E. (47896 E.) in
der ital. Provinz Padua, am kanalifierten Fraffıne,
am ſudweſtl. Borjprung der Euganeen (des Montes
Murale) und an der Linie Legnago : Monfelice des
Adriatiihen Netzes, hat (1901) ald Gemeinde
10962 E., malerische Zinnen und Mauern aus der
venet. Epoche des 15. Jahrh., eine 1334 durch Über:
tino Garrara erbaute Rocca (Burg), in Sta. Maria
delle Grazie, der größten Kirche der Stadt, eine
ſchöne Madonna (1509) von Cima da Eonegliano;
Seidenzudbt, Fabrifation von Filzbüten, Fayence,
Salpeter und Wesjteinen. — E. (Ateite), urjprüngs
lich zur Marca Veronensis et Aquileiensis gehörig,
tam im 12. Jahrh. an Padua, mit diefem 1405
256
an die Republif — 5* und teilte ſeit deren Auf⸗
loſung 1797 die Geſchice Venetiens.
‚engl. Familie, ſ. D’Eite.
Eſte, eins der älteſten Fürftenhäufer Italiens,
Ahnen der deutſchen Welfenhauſer; Vorkämpfer
der Guelfen im 12. und 18. Jahrh., waren ſie im
14. Jahrh. entſchiedene Ghibellinen und nahmen als
Vaſallen zugleich der Kirche und des Reichs im 15.
und 16. Jahrh. eine bedeutende Stellung ein, wäh:
rend fie gleichzeitig ihren Hof in Ferrara zu einem
der glänzenditen des Renaiffancgzeitalterd ausbil-
deten. — Die Ballavicini (}. d.) und Malafpina
(1. d.) beanipruchen gemeinfamen Urſprung mit den
E., welche ſich auf faroling. Statthalter Toscanas
im 10. Jahrh. zurüdfuhren. gr erwarben dann
nah und nad in —— die Lehen: E., Rovigo,
Montagnana, Caſale-Maggiore, Pontremoli, Fer⸗
rara, Modena und Reggio. Ihre m. von
Fulco 1. (f. unten) ftammende und deshalb fulcs
eſtiſch genannte Linie erlofh in ihrem Haupt:
jweige mit Alfons H. (f. unten) 1593; die ihr fol:
ende Baftardjeitenlinie ſah 8 — die kaiſerl.
— Modena und Reggio, beſchränlt und erloſch
mit Franz II. 1694; die an ihre Stelle durch Rinaldo
v’Efte getretene zweite Seitenlinie erlojch 1803 mit
Ercole Rinaldo KR unten); feine Anjprüde auf Mo:
dena, Reggio und Mafja:Earrara, für weldes er
dur Heirat mit Maria Tereia Eybö Erbredte er:
langt, gingen über auf feine Tochter Maria Beatrice
Nicciarda, deren Sohn von Erzherzog Ferdinand,
dem dritten Sohne Kaiſer
1814 Modena und 1829 — erbielt.
Mit dem Tode von dejlen Sobne Franz V. 1875
erloib aud die Linie —— ſte, die ſchon
1859 ibr Land an Victor Emanuel verloren und Ita⸗
lien verlafien hatte; der Titel Herzog von E. ging
über auf den Erzberzog Franz Ferdinand (j. d.), den
mutmaßlichen öjterr. Thron olger. — Bon Fulcos L
Bruder, Welf IV., der von Katjer Heinrich IV. 1070
wit Bayern belehnt wurde, ſtammt bie Linie Welf:
Kite (f. Weljen), welche in den Häufern Brauns
hweig und Hannover F Bedeutung gelangt iſt. —
on den italienifchen €. find hervorzuheben:
YAıjol. (get 1029), Sohn Obertos LI. (get. um
1015) und Enlel Obertos I. (get. um 972), welche
dad Martgrajentum über Tuscien beanjpruchten
und ji in den Kämpfen ber deutſchen * in
Ralien gegen Berengar und Arduin von Jorea
emerflih machten, wurde wegen Barteinahme für
legtern 1014 von Heinrich II. mit feinem Bruder
dugo gelangen geſeßt, entlam jedoch und fuchte
dann Heinrich II. Schwierigleiten zu bereiten durch
Anerbietung der Krone Italiens an Robert II. von
Arantreih ſowie an Wilhelm IV. und V. von Aaquis
tanien, Sein Sobn A ir IL. (geit. 1097) verſtan⸗
digte fich mit Heinrich IL, fuchte fich in Abweſenheit
Wilbelms von der Normandie in der Grafſchaft
Maine jejtzujegen und unterjtüste Gregor VII. und
Mathilde von Tuscien gegen Heinrich IV.
Fulco I., geb. um 1060, geit. um 1135, Sobn
des vorigen, Begründer der fulczejtiichen Linie
murde von feinem jüngern Bruder Herzog Del
von Bayern, der ihn im Bunde mit Heinrih von
Kärnten enge aus feinem Erbe vertrieben, ver:
itändiate fib aber mit ibm durch Abtretung der
Herrihaftärenie in den Städten Novigo und E.
A330 VII. geb. um 1205, geit. im Febr. 1264,
entwand den Salinguerra Ferrara, das ſie während
feiner Diinverjäbrigteit in ibre Gewalt gebracht
anz’ I., Franz IV,,
Eite (Familie) — Eſte (Fürftenhaus)
batten, und belämpfte danach an der Spike der
quelfiihen Städte Überitaliens die Romane, mit
denen ſchon 1235 eine Berihwägerung angemüpft
worden war, ohne daß fie den — * ieden
herbeigeführt hatte. Er brachte Ezzelino 16. Sept.
1259 die . von Caſſano bei, die deſſen
leuchtender Laufbahn ein Ende bereitete,
Obizzo IL., Entel Obizzos I., geb. um 1240,
geit. 13. Febr. 1293, fämpfte an der Seite Karla I.
von Anjou gegen Manfred, wurde 1276 von Rus
dolf I. von Habsburg ala Marlgraf von E. und
Herr von Ferrara beitätigt und von den Bürgern
von Modena 1288—89 und ebenjo 1290 von
Reggio zum Stadtherrn berufen. Der Streit jeiner
Söhne, Azzos VIU. (geft. 1808), Francescos (er-
mordet 1312) und Aldobrandinos (geit. um 1312),
ermöglichte zuerft die —— der Bürgerichaf:
ten, — die Feſtſezung Roberts von Neapel
als päpftl. Lehnsmannes in Ferrara. E3 gelang
jevod den Söhnen Aldobrandinos II., Rinaldo,
bizzo II. und Nicola I., durch ihre Einigteit trog
Jobanns XXI. Gegnerſchaft Ferrara wiederzuge
winnen; von bier auserwarben dann die Söhne Obiz⸗
308 III. unterftügt durch Karl IV., teild im Kampf,
teils im Bunde mit den Bisconti und Gonzaga bie
Herxrſchaft über die benahbarten Städte zurüd.
Nicola IL, Entel Obizzos III., Herr von Fer
tara, Modena, Be und Reggio, geb. 1384, geit.
26. Dez. 1441in Mailand, befand fih abwechſelungs⸗
weije im Kampf und im Bunde mit Gian Galeaj;o
Visconti; er ift berühmt als Wiederberfteller der
von feinem Bater Alberto gegründeten Univerfität
zu Ferrara und durch feine glänzende Hofhaltung
dajelbit. Seine Liebe zu den Wiflenichaften vererbte
er auf feine drei Söhne und Nachfolger, deren Alte:
fter Lionello (geft. 1. Dit. 1450) ſich außerdem
dur Vermittelung des Friedens zwiſchen Venedig
und Alfons von Neapel (2. Juli A verdient ge⸗
macht hat. Der zweite Sohn, Borfo (geft. 20. Aua.
1471), verichaffte fich 1452 von Friedrich IIL. den
Titel «Herzog von Modena und Reggio», von
Pius II. 1471 den Titel «Herzog von Ferrara», das
er als päpftl. Lehen anerkannte; unter ihm ſoll die
erfte Druderei durch Andreas Gallus in Yerrara
eingerichtet worden fein. Nicolas dritter Sohn,
Ercole I. (geb. 1433, gt 25. Jan. 1505), bielt
fi, von Sirtus IV. und Venedig 1482 angegrifien,
im Bunde mit Ferdinand von Neapel, Ludovico
Moro und Florenz in Ferrara, weldes dann jeit
dem Frieden von 1484 unter ihm wirtibaftlich auf:
blübte und zu einem der glänzendften Sammelpunite
der Dichter, Künftler und Humaniften der Zeit
wurde; beides mwejentlih durch die Mithilfe won
Ercoles Minifter, vem Dichter Bojardo (I. d.).
Alfonfol. Sohn und Nachfolger des vorigen,
geb. 1486, geſt. 31. Dit. 1535, jeit 1501 vermäblt
mit Lucrezia Borgia (f. d.), gefeiert von den Dich⸗
tern feiner Zeit, namentlih von Ariofto (f. d.),
zeichnete fih unter fehr ſchwierigen Berbältnirien
als Feldherr und Staatsmann aus. 1509 der Liga
von Gambrai beigetreten und von Julius II. zum
Gonfaloniere der Kirche erhoben, lämpfte er mit
Glüd gegen die Benetianer, wurde aber dann von
Julius IL felbjt gebannt und feiner Lehen verluftig
erflärt und fam aud um eig und Modena, als
er fich weigerte, ih von der Yıga von Cambrai los⸗
ufagen und der Heiligen Liga beizutreten. Leo X.
achte ihn 1519 aus Ferrara zu verjagen, und Ele:
mens VI. ließ ſich nur durd die entſcheidenden
Eitebanez Ealderon — Eitepa
Sup ſ. Sacco di Roma) Karls V., der ibm Mo:
voa un Reggio zurüdgab, bewegen, Alfonjo ala
haimann in Ferrara wieder anzuerfennen.
Excole IL, Sohn und Racıfo ger des vorigen,
‚4. April 1508, geft. 3. Oft. 1559, entfchiedener
F Karls V., trat 1556 über zu dem Bunde
Bayit Bauls IV. und Heinrihs II. von Frankreich
gegen Spanien, führte aber, obwohl zum Gon:
aloniere der Kirche ernannt, den Krieg mit Vorſicht
und machte ſchon im April 1558 Frieden. Seine Ge:
sahlin Renata (j. d.), Tochter Ludwigs XII. von
Ftantreih und Annas von Bretagne, iſt berühmt
dur die Berfolgungen, die fie ald Anbängerin
der Reformation zu erleiden hatte, Ercole und noch
mebr jein jüngerer Bruder, der Kardinal Ippo—
lito d'Eſte, Erbauer der prächtigen Billa d’Eite
in Tivoli, find berühmt ala Begünitiger der Künſte
und Wiſſenſchaften. j
Alfonjo IL, Sohn und Nachfolger des vorigen,
karb finderlos 27. Dit. 1597. Seinen Hof verberr:
fihte Zorquato Tajjo (j. d.) been Tjährige Gefan⸗
genbaltung feinem Andenten Eintrag that. Von
rärftl. der omendung und koftipieligen, aber ver:
eblichen Berjucen, die Krone Polens zu erlangen,
Bei er fib durd den wirtidhaftlichen
nes Landes nicht ame.
Gejare, Ente —525— I, Sohn von deſſen
aatũrlichem Sohne Alfonfo, geb. 1562, geit. 11. Dez.
1628, ließ fib von Elemens VIII. welcher jein Recht
—— Erbfolge beſtritt und unter ſeinem Neffen Pietro
dobrandini Truppen gegen ihn ausjandte, zum
Berzicht auf feine päpitl. Zehen bejtimmen; in jei-
nen Baijerl. Leben, Modena und Reggio, folgte er
dem vorigen obne Beanftandung; nur über Gar:
jagnana fam es zu Streitigleiten mit Lucca, die
—— durch Spaniens tg ibre Er:
edigung fanden. Seine Nachfolger Alfonfo IL.
(geit. 1629), Francesco I. (geſt. 1658), Alfonſo IV.
(geft. 1662), Francesco IL (kinderlos, geit. 6. Sept.
1694) find ohne Beveutung.
. ‚Rinaldo, Sobn Francescos I. und Nachfolger
ſeines Nefjen Francescos II., geb. 25. April 1655,
eft.27.D8t.1737, vereinigte diejeit 1070 getrennten
Zweige des Haufes dur Heirat mit Carlotta Feli:
cıtas von Braunjchweig:Hannover, nachdem er be:
bufs der Erbiolge auf die Kardinalswürde verzichtet
batte. Er behauptete ſich in den Kriegen zwiſchen
Sranlreih und Oſterreich ala Herzogvon Modena und
erwarb —— durch Kauf das Herzogtum Mirandola
und das Marchiſat Concordia. Mährend des Hfter:
reichiichen Erbfolgekrieges wurde Diodena ei neue
von den Kaiſerlichen bebrüdt unter dem Sobn und
Rachfolger Rinaldos, Francesco II (geb. 2. Juli
1698, gejt. 23. Febr. 1780), der indeijen in franz.
Dienjten im Kirchenſtaat, Neapel und Piemont focht.
Ercole Rinaldo, Sohn und Nachfolger des
vorigen, geb. 22. Nov. 1727, geft. 14. Dit. 1803
ohne männlie Nadlommen, flob, als Wüftling in
jeinem Lande mißliebig, 1796 nad Venedig. Für
Modena und Reggio, welche 1797 im Frieden von
Campo: Formio der Eisalpiniihen Republit ein:
verleiht wurden, erhielt er durch den Frieden von
Luncville (1801) den Breiögau und die Ortenau,
Gebiete, melde der Sohn jeiner Todter (f. oben
und Franz IV., Herzog von Modena) im Prekbur:
ser Frieden (1805) wieder verlor.
Tal. Litta, Famiglie celebri italiane, Bv.3; N.
jjjt, Memorie per la storia di Ferrara (2. Aufl.,
Ferrara 1847/48); 2. Benwenuti, Bibliografia Ates-
drechaus· Konverfations«Leriton.. 14. Aufl. R.M. VL
üdgang ſei⸗
257
tina (Bologna 1881); Venturi, L’arte ferrarese
nel periodo di Ercole I d’Este (ebd. 1888); G. Cam:
port und A. Solerti, Luigi, Lucrezia e Leonora
d’Este (Tur. 1888); Sola, Curiositä stor.- art.-
lett. tratte dal carteggio di San Riva (mit 2.9.
Muratori, Modena 1887); A. Ciscato, Storia
d’ Este dalle origini al 1889 (Ejte 1890).
Eitebanez Ealderön, Don Serafin, fpan.
Schriftjteller, geb. 27. Dez. 1799 in Malaga, ftu:
dierte in Granada, wurde 1822 biſchöfl. ital un
Lehrer der Rhetorit am Seminar jeiner Baterftadt,
1824 dajelbit Advokat. 1830 jiedelte er nah Madrid
über, wo er 1831 den erften und einzigen Band jei-
ner im veralteten Haffiihen Gefhmad gehaltenen
Gedichte unter dem von da an beibebaltenen PBfeu:
donym El Solitario (nah dem Hermite de la
Chauſſee D’Antin) erfcheinen ließ. Noch in demjelben
ahre erjchien in den «Cartas espaholas» das erfte
einer andaluj. Sittenbilder. In legitimiftifcher alt:
ſpan. Gefinnung ein entjchiedener Anhänger der
weiblichen Thronfolge, trat er 1833 in eine halb
offizielle Thätigfeit, wurde 1834 Generalauditeur
des Nordheers und dazu Jefe politico (Präfident)
von Logroño. 1836 führte der Sturz des Gene:
rals Eordova jeine Enthebung herbei. 1838 Jefe
politico von Sevilla, gründete er die bortige ——
ragende Gemäldeſammlung, die Provinzialbiblio—
thel, das Liceo Bético, mußte aber im gleichen Jahre
einem Aufſtand weichen. 1840 ließ er ſich wieder
dauernd in Madrid nieder. Von da an war ſeine
Zeit arab., biler. und litterarbiftor. Studien, vor
allem aber eifrigjter Bü —— gewidmet. 1849
beteiligte er ſich an der ital. Expedition, war wieder⸗
holt Deputierter, feit 1856 ſandiges Mitglied des
Staatsrats, doch ohne politifch hervorzutreten. Er
tarb 5. Febr. 1867. Die wertvolle Büherfamm:
ung bat die Madrider Nationalbibliotbel erworben.
Das «Manual del official en Marruecos», eine
geogr. und geſchichtliche Schilderung des Landes,
wird troß Panne Vorzüge vergefjen bleiben; eine
prob angelegte «llistoria de la infanteria espanola»
lieb unvollendet wie die Mebrzabl feiner Unter:
nebmungen; bie Gejchichte der «Expediciones y
aventuras de los Espaüoles en Africa» foll ge:
drudt werden. Einen bleibenden Namen fihern ihm
die «Eiscenas andaluzas» (1847), reigvollfte Schil:
derungen, von einem Humor getragen, der durch—
aus an Gervanteö erinnert. Zu größern Kompo:
fitionen feblte ihm die Erfindung; aud die Novelle
«Cristianos y Moriscos» (1838) Hi im Örunde rag:
ment. Eine Ausgabe jeiner Werte hat die«Coleceion
de escritores castellanos» 1883 mit den «Escenas
andaluzas» eröffnet. — Bal. Canovas del Gaftillo,
El Solitario y su tiempo (2 Bde., 1883).
Eitelin (fra., fpr. ejt’läng), altes franz. Gewicht,
f. Engels.
GSfiella (ipr. -ellja), Hauptſtadt des Bezirks €.
in der ſpan. Provinz Navarra, linl3 an dem zum
Ebro gehenden Ega, umgeben von terrafjenförmi:
gen Hügeln, bat (1897) 5284 E. — E, eine altröm.
Stadt, beberricht mehrere Defiles auf den Straßen
von Gaftilien und Aragonien und war 1872 — 76
das Hauptquartier des Don Carlos,
Eiten, ſ. Eſthen.
Eftẽpa, Hauptſtadt des Bezirks E. im O. der ſpan.
Provinz Sevilla, nahe an einem linken Zufluſſe des
Genil, in einer auf den Berggehängen mit Ölbäumen
bedeckten Gebirgsgegend, von einem maur. Kaſtell
beherrſcht, bat (1897) 8766 €, E., das alte Aſtapa,
17
258
wurde 1236 von den Gajtilianern den Mauren ent:
rifjen und jpäter Sig eine Marquifats.
Ejtepöna, Hauptitadt des Bezirks E. im SW.
der ſpan. Provinz Malaga, an der Hüfte des Mittel:
meerd, nabe der Punta de [od Marmoles, am
Rande einer Heinen, von der Sierra Bermeja be
berrichten Ebene, hat (1897) 8307 €.
Eiter oder te Ather, im all:
emeinen Verbindungen der [tobolraditale mit
äuren, die dadurch entjteben, daß Altobol und
Säure unter Austritt von Waffer ſich verbinden,
3. B. entitebt Ejfigfäureätber (f.d.) nad folgender
——
CH. COODMHM + C,H,OH = CH,-CO0C,H, 4H. O.
Die Bildung des €, erfolgt ſchon, wenn eine Säure
mit einem Alkohol in Berührung lommt, jedoch i
die Reaktion langfam und bei weitem nicht voll:
jtändig, da das austretende Wafler die E. wieder
rüdwärts in Säure und Alkohol zerlegt (Berfeifung).
Bei der Darftellung wendet man deshalb ein wafjer:
bindendes Mittel an, in der Negel konzentrierte
Scmefelfäure oder gasförmige Salzfäure, die man
in das Gemenge von Altobol und Säure einleitet
(j. Effigfäureätber). Auch indem man Säuredlo:
ride auf Altobole, oder Halogenaltyle auf Salze
von Säuren einwirken läßt, erbält man E. nad
folgenden Beifpielen:
CH, -COC1 + C,H,-OH=CH,-C0-0-C,H, +HCl
Acetylchlorid Eifigeiter
C,H,Cl + CH,-COONa=CH,-CO0C, H, +NaCl.
Athuldlorid NRatriumacetat.
Man unterſcheidet €. der Mineraljäuren, wie
J. B. —— —— oder Uthylnitrat,
Se a, oder den Schwefelfäureätbylefter,
S0,(0C, H,),, und €. der organifhen Säuren,
wie den Giligjäureätber. Zwei: und mebrbafifche
Säuren find im ftande, verichiedene Stufen von €.
u bilden, neutrale und faure E. So y> die Athyl⸗
Nhmeielfäure, („H,:0-S0, - OH, der jaure E. der
Schwefelfäure, der noch die Eigenfhaften einer
Säure befigt. Ebenfo verhält es Fi .B. mit der
Sthyloraljäure, C, H,-0-CO-COOH. Dieneutralen
E. find im allgemeinen unzerjegt flüchtige Fluſſig⸗
feiten, die zumeift in Waſſer unlöslic oder ſchwer⸗
löslich find. Biele werden ihres angenehmen Ge
ruchs wegen als Barfüme und befonders ala Frucht⸗
eſſenzen (Fruchtäther) fabritmäßig bergeftellt. Durch
Kochen mit Waſſer oder Alfalien werden die E. ver:
feift, d. i. in ihre Komponenten unter Aufnahme
von Waſſer zerleat; fo liefert der Eſſigeſter beim
Erwärmen mit Natronlauge effigfaures Natrium
und Altobol:
CH,-C00C,H, + Na0H =
CH,-COONa + C,H, OH.
Ammoniat pr die E. in Säureamide über.
Hochmolekulare €. bilden den Hauptbeftandteil
der natürliben Wachsarten.
Eine befonders wichtige Klaſſe von E. mit befon;
dern Eigenſchaften find_bie Fette (f. d.), die €. des
dreiwertigen Altobols Glycerin, C, H, (OH), ,, mit
den böbern —— — Feuſauren und Ol:
äuren. Die Berjeifung diefer Verbindungen ift
eine technisch jebr wichtige Operation, indem man
ee das Glycerin und die Salze der betreffenden
Fettſäuren, die Seifen, erhält, wober aud der Aus:
drud BVerjeifung ſtammt.
Efterel, Mont3 d’, ifolierter Gebirgsitod im
üdl. Frankreich, in den Depart. Bar und Alpes:
aritimes (f. Karte: Mittel: und Süpdfrant:
Eitepona — Eiterhäzy
reich, beim Artikel Frankreich, Bo. 17), etwa 300 qkm
groß, erhebt ſich nörblid von Frejus, an der Küjte
des Mittellandiſchen Meers, zwiſchen Cannes (wel⸗
ches er gleich einer Felſenmauer vor dem gefähr⸗
lichen Miftral ſchutzt) und Draguignan, nordöftlih
von der Chaine des Maured, von welder ihn das
ſchöne Argenstbal ſcheidet, und füplich vom Biancon»
tbale. Der höchſte Gipfel erreicht im Mont-Binaigre
616 m. Die Eifenbahn Marjeille Nizza führt durch
mebrere Tunnel des Gebirges.
Efterhäzy von Galantha (ſpr.eſterhahſih, alte
ungar. Magnatenfamilie, deren Hauptaft jpäter
zur beutichen Reichsfürſtenwürde gelangte. ey an
man den Stammbaum bi3 auf einen angeblichen
Ablömmling Attilas, Paul Ejtoras, binaufzufübren
geſucht hat, reichen doch die urlundlichen Nachrichten
nicht über 1238 binaus, in welhem Jahre Beter
und Elias, die Söhne des Salomon von Efto:
rad, das väterlihe Erbe teilten. Der erjtere er:
ya Zerhäz, der zweite Illyeshäza, fo daß fie die
tifter zweier Hauptlinien wurden, von denen die
letztere 31. Juli 1838 mit dem Grafen Stepban
Illeshäzy im Mannsſtamm erlofb. Die Nachtom:
men Peters nannten fi nad) ibrer Befigung Zer:
band, bis Franz Zerhäzy (geb. 1563,_geft.
7. März 1594), Bicegefpan des Preßburger Komi:
tat3, diefen Namen 1584 bei Gelegenheit feiner
Ernennung zum Freiberrn von Galantba in Ejter:
bäzy verwandelte. Seit 1421 befigt die Familie
Schloß und Herrihaft Galantha im Prekburger
Komitat und führt von baber den Beinamen «Frei
berren von Galantha⸗. Franz hinterließ vierSöbne:
Gabriel (get. 1628), Daniel (geb. 1580, geft. 1654),
Paul III. (geb. 1581, geft. 1641) und Nikolaus II.
(geb. 1582, geft. 1645), von denen die drei letztern
die drei Hauptzweige der Familie gründeten, und
mar den zu Glefznet im Beßprimer, den zu Alt:
jest im Sobler und den nu Sordtenftein im
denburger Komitat. Die beiden erſten Linien er:
langten 17. Nov. 1684 die aräfl. Würde; von der
legtern wurde bereit der Stifter Nitolaus UI. von
E. einer der berübmteften des Geſchlechts, 10. Aug.
1626 yon Erbgrafen von Fordtenitein, fein Sohn
Paul IV. 1687 zum Reichsfürften erhoben.
1) Die Hauptlinie 1 Giejjnel warb durch
vier Söhne Daniels I., ihres Begründers, fortge
führt, doch nur von dem dritten, Michael .
von E., der 1686 ala Generalfeldwachtmeiſter bei
Dfen ftarb, bis auf die Gegenwart verpflanzt. Mit
DanielIII. und LZavislauslll., den beiden Söb:
nen Michaels II., teilte ſich die Fabtommeniba
des lektern in zwei Nebenlinien. Nachlommen von
Ladislaus II. I nit mebr vorhanden, Die
erfte Nebenlinie ee. Pi rd abermals mit
Daniel VI. von ©. (geit. 1759 als Dberbireftor
des Landesfommiffariats in Ungarn) und Emme:
rid VII. von €, (geb. 1726, ſeit 1768 Feldmar⸗
ihallleutnant, feit 1773 General der Kavallerie,
geft. 2. Juni 1792) in zwei Ölfte. Repräſentant des
ältern Aſtes ift Graf Georg von E. (geb. 20. Juni
1848), deflen Bater, Graf Georg von €, (geb.
14. Juli 1811), jeit 1848 Gefandter am fpan. 84
war und 1854 in außerordentlicher Miſſion nach
Berlin ging, 30. April 1855 definitiv zum öſtert.
Geſandten Ni ernannt wurbe und 24. i
1856 ſtarb. Haupt des jüngern Aſtes iſt Graf
Emmerich von E., geb. 11. April 1840.
2) Die Hauptlinie zu Altfobl oder Zolvom
wurde von Paul II. von E., geb. 1581, geit.
Eiterhäzy
Il al Hoftriegsrat, 2 Bicegeneral in Un:
;e)
am und Kommandant der deſtung Neubäufel,
— Bon — drei Söhnen ehe der jüngfte,
lerander von E., geft. 1629, durd feinen
Erhn, Ste banV. von, den erften Grafen
aus diejer inie, das Geſchlech fort. Step —
hatte pwei Söhne, von denen nur der jüngere,
bannvon E. einen Sobn hinterließ, den ———
jdimahtmeifter Karl von E. Dellen drei Söhne
wurden die Begründer dreier Aſte, von denen zwei
jest erlofhen find. Haupt des nod blühenden Aſtes
it si Danielvon E., geb. 4. Juni 1843.
Die Hauptlinie von Forchtenſtein ftif-
= telaus oO. von E., geb. 8. 1582 zu
Galantha. Er fam durch feine Gemahlin Urfula
Dersfy in den Beſitz der jämtlihen Güter der
Aamilte Deröfy und Magociy und ftarb ala un:
gar. Balatin und kaiſerl. Feldmarſchall 11. Sept.
1545. Graf Nitolaus trat von der prot. zur kath.
Kirche über und war einer ber eifrigften Beförderer
der fatb. Gegenreformation in — Von ſeinen
vier Söhnen ſtarben die älteſten, Stephan IV.
von E. 1641, und Ladislaus Il. von E., Ober:
1de 3 des Ödenbur —— 1652 obne männs:
Nachlommenſ daft, während bie beiden jüns
aul IV. und $ranz V., die Stifter zweier
— "plühender Linien, der Allee und der er
lichen, wurden. — Der tifter der gräfl. Linie,
Franz V. von E., geb. 17. Jan. 1641, geſt.
16. Dft. 1683 als General der Kavallerie, zeichnete
ſich in den Feldzügen gegen die Türken vielfach aus.
Er hinterließ drei Söhne ald Begründer von ebenfo
vielen Nebenlinien. a. Der ältejte Sobn, Anton.
von son 6. bielt Fe u der Partei Franz
Raälscays und flüchtete nad Frankreich, wo ro
Nachlommen ü 2 Sabre lebten, bis fie Anfang
des 19. Jahrh Sfterreich zurüdtebrten, wo fie
feitdem die —— —— des Hauſes €. bil:
den. Dieſen Namen erhielt fie infolge der Ber:
mäblung des Grafen Nifolaus von E., franz.
Hujarengenerald, mit Maria F Be ista, "Gräfin
von Hallweil (Hallewyl). Bay enlinie ift in
Rußland reich begütert. Graf — Ladis⸗
laus Ferdinand von E ‚geb. 28. Jan. 1814,
widmete fib ber diplomat. ufbahn, mar erit
außerordentlicer diterr. Gefandter und bevollmäd-
figter Minifter zu Stodbolm, ſodann Juni 1850
bis De. 1853 zu *— Wahrend des Drient⸗
trieges wirkte er n. 1854 als diplomat.
Vertreter Öhterreich = BVeteröburg. Er ftarb
2. Nov. 1858 &, So — b. Der zweite Sobn
—— V. von ojepb von E, geb. 29. Juni
use zeichnete fih aus in den Kriegen
* öczy, in den beiden Feldzügen gegen die
ürlen (1716—18 und 1736—39) und ın den
ſcleſ. Kriegen (1740— 45). Seit 1733 war er
mmandant, Feldmarſchallleutnant und Ba-
nus von Kroatien, feit 1741, Feldmarſchall *
Judex curiae; er er ftarb 10. Mai 1748. Sein geid- ?
aa:
namiger Sohn ftarb 1759 ohne männliche
tommen. — c. Der britte Sohn Franz’ V. von
€, ah drang VI. von E. geb. 19. Juni 1682,
karb 1758 als met all und binterließ drei
Söhne, von denen ber mittlere, Graf Karl von
€, geb, 1725, jich dem geiſt lichen Stande widmete
171 legter Biiof von Erlau wurde, fi *
zahlteiche humanitäre und gemeinnüßige Stiftun⸗
gen und Einrichtu a auszeichnete und 15. März
1799 ftarb; der
ejte und der jüngfte von den | großartigen Schlofjes in Eizterbäz (f. d.).
259
Söhnen Franz’ VI. begründeten zwei Nebenzweige,
zu Zotid (Papa) und Lanj ni Der Stifter der
ältern Die u Totis, Graf Nitolaus von E.,
neb. 1711, ei. 27. Juni 1764, ift der Großvater
* Grafen Bau von E,, geb. "30. Dt. 1805, geft.
uli 1877, deſſen Entel Baulvon E., geb.
[i 1883 jeht das Haupt dieſer Linie iſt, und
rafen vloriß von E. geb. 23. Sept. 1807,
Letzterer war bis März 1856 öfter. Gejandter zu
Rom und trat 19. Juli 1861 als Minifter obne
BVortefeuille in das Kabinett Schmerlings ein. Nah
deſſen Rüdtritt im X 1865 behielt er im Mini:
fterium Belcredi diejelbe Stellung. Dt. 1866
verließ er den altiven Staatsdienit, ewabrte aber
nod feinen Einfluß ala Hauptvertreter der ftreng
tath. Richtung in der Politik Oſterreich- Ungarns.
Er ftarb 8. Nov. 1890 in einer rrenanftalt zu
Pirna. — Die jüngere Linie zu Lanſchitz be
ründete der innofte der drei Söhne Franz’ VI.,
raf Gran FI von E., geit. 1785 als Ober:
pelvan dei des Neelbanger Romtate und ungar. Hof:
nzler. Bon feinen Nachlommen ift Graf Michael
von E. geb. 11. Juli 1853, das gegenwärtige Haupt
biejes —*— des Hauſes.
ie furſtliche Linie des Forchtenſteiner Haupt⸗
aſtes ward durch Paul IV. von E., geb. 8. Sept.
1635 zu Eiſenſtadt, geft. 26. März 1718, den drit-
ten Sohn des alatins Nitolaus IL. von @,, begrün:
det. Derfelbe hatte an allen Shladten in den
Zürlenfriegen von 1663 bis 1686, bejonders an ber
bei St. Gotthard (1664), an der Entjegung von
Wien (1683) und an der Eroberung Ofens (2. Sept.
1686) teil und mirkte als Balatin von 1681 bis
1718 für fein Vaterland. Eeit 1667 General der
Kavallerie, ward er in Anerlennung_ feiner Ber:
dienfte um die Erbfolge des Haujes Habsburg in
Ungarn 1687 in den Reichsfürſtenſtand erhoben
und mit dem Münzrecht und dem großen PBalati-
nat, vererblid nad dem Recht der Eritgeburt, be
nabet. Kurz vor feinem Tode wurde ir er riten:
Rand 1712 auf den —————— eborenen
ausgedehnt. In den Räköc eanihen Unruben (1704
—11) verhinderte er den a — nen Anſchluß an
dieſe gefährliche Bewegung. Der Au war aud
ein freund und Bejörberer der Wi —— und
Kunſte, ein Wohlthäter der Armen. Von ſeinen
25 lindern find drei Söhne zu bemerken: 1) Fürſt
abet blaue der feinem Bater in dem Furſten⸗
tum und in ber Odenburger Obergeipanswürbe
Igte und 24. Mär; 1721 ohne männlihe Erben
tarb; 2) Gabrielvon E., Dbergeipan des Sza—
* und — er Romitats der 1704 ebenfalla
ohne männliche 83 verftarb, und 8) Joſeph
nton von ., get. 7. Juni 1721, der De
binterließ. Der erite m von diejen, Fürft aul An:
ton von E., geb. 22. April 1711, errichtete im
Oſterreichiſchen Erbfolgekriege 1741 auf eigene
Kojten ein Hufarenregiment, wurde 1747 Feldmar—⸗
ſchallleutnant, ging 1750 als Botjchafter nad
Neapel, avancierte 1757 zum General der Kavalle⸗
rie, 1758 zum Selomarjdall und ftarb 1762. Sein
Bruder Nikolaus epb von E., geb. 18. Dez.
1714, ftieg bis zur Würde eines Generaljelomar:
(calls, erhielt 21. Juli 1783 für alle feine Nab-
mmen bie reihsfüritl. Würde und ftarb 28, Sept.
1790 in Wien. Der war ein befonderer
> der Mufit, aus feiner Kapelle — Joſ.
aydn und Viebel hervor; er iſt der Erbauer des
Sein
17*
260 Eiterlin — Either
Sohn Fürft Baul Anton von E. geb. 1738 zu
Wien, geit. 22. Jan. 1794 als Feldmarfcallleut:
nant, war Vater der Fürften Anton von E. geit.
18. ö0 1796 als Dberftleutnant, und Nikolaus
von €., geb. 12. Dez. 1765. Lebterer bereite in
jeiner Jugend faft ganz Europa und wurbe jpäters
bin I diplomat. Sendungen gebraudt. Er ift
der Begründer der herrlihen Gemälvefammlung
in dem vom en Raunig gelauften Garten:
palajt in der Wiener Vorſtadt Mariabilf. Dort
legte er auch eine auderwählte Sammlung von
rg und Zeichnungen an. Beide befinden
ſich ſeit 1865 im alademiſchen PBalaft in Peſt als
Landeseigentum. In feiner Sommerrefidenz in
Eijenitadt, wo er Haydns Gebeine mit großer Pracht
beijegen ließ, pregie er in großartiger Weije bie
Tonkunſt und die Botanik. war durch die Er:
werbung der Herrichaft (ebemaligen Abtei) Edel
ftetten in Franlen und deren Erhebung zur gefürfteten
Grafſchaft (17. Dez. 1804) in das Heichsfü tentolles
ium eingetreten; aber bereit? 1805 gelangte das
Sürlentum Edelſtetten (5,5 qkm mit 830 E.) unter
pr. Oberhobeit. Als Napoleon 1809 damit um:
ging, Ofterreich durch Abtrennung von Ungarn zu
ſchwächen, madte er dem Fürjten Anträge bezüglich
der Krone Ungarns, die dieſer jedoch austchlug,
Er ftarb 24. Nov. 1833 zu Como in Stalien.
Seine ungebeuren Ausgaben legten den Grund
um materiellen Ruin des Hauſes. Sein Sohn, der
rt Baul Anton von E., geb. 10. März 1786,
ging 1810 als öfterr. Gejandter nah Dresden,
1815 nad London. Er kehrte 1842 in fein Vater:
(and zurüd, wo er fi der nationalen Richtung
anſchloß und als Dbergeipan des Ödenburger Ro:
mitat wie ald Bräfes der Naturforſchergeſellſchaft
(1847) den polit. wie litterar. Fortſchritt eifrig för:
derte. Dies brachte ihn im März 1848 in das Mi:
nifterium bes Grafen Ludwig Batthyänyi, worin
er als Minifter um die Perſon des narchen
die Intereſſen Ungarns am Wiener Dale * vertre⸗
ten hatte, Er wirkte für einen Ausgleich, legte aber
noch vor Auflöfung des Batthyänyi-Miniſteriums
im Aug. 1848 jein Amt nieder und zog ſich vom
öffentlihen Schauplag zurüd. 1856 ging er als
Ahern ige nah Mostau, wo er mit un:
aewöhnlibem Glanz auftrat. Er ftarb 21. Mai
1366 zu Regensburg. Sein einziger Sohn Fürft
Nilolaus von E., geb. 25. Sumi 1817, jtarb
28. Yan. 1894 in Wien; ihm folgte jein Sohn Dar
Paul von E. geb. 21. März 1843, geit. 22. Aug
1898, und diejem fein Sohn Fürft Nitolausvon
E. geb. 5. Juli 1869. Das Majorat der fürftl. Linie
G. beitebt aus 29 Herrichaften mit 21 Schlöjjern,
50 Marltfleden, 414 Dörfern und 207 Bräpdien,
die von Eiſenſtadt aus verwaltet werden, gegen:
märtig aber ſehr berabgelommen find. G3 laftet
auf denjelben der fönigl. Sequeiter, und die Fa—
milie bezieht nur eine firierte Jabresrente.
Aus einer illegitimen Eeitenlinie ſtammt ber in
ver Drevfus:Affaire vielgenannte ehemalige franz.
Major Graf Walfin:Ejterbazn.
Efterlin (ipr. — Eſterling, belg. und
franz. Gewicht, ſ. Engels.
Est, Est, Est, berühmter ital. Mustateller:
mein, ſ. Montefiascone.
Eithen (Ebiten, Ejten), die Bewohner Eſth—
lands (f. d.) und des nörbl. Teils von Livland,
finn. Stammes (f. Finnen). Bon den verſchiedenen
Dialelten der eſihn. Sprache dient der Dialekt
von Reval als allgemeine Schriftſprache. Die beften
tammatifchen Bearbeitungen des Eitbnifchen gab
iedemann, «Grammatil der ebjtn. Sprade»
(Betersb. 1875), «Ehſtniſch⸗deutſches Wörterbuch»
(ebd. 1869; 2. Aufl., redigiert von Hurt, ebd. 1891 —
93). Eine eithn. Litteratur begann im 17. Jabrb.,
als im Lande angeſeſſene oder angeitellte Deutſche
dem Volke Bücher religiöfen und moralijhen Inhalts
in eſthn. Zunge darboten; aber erft im 19. Jabrb.
fing man an, die Sprade diejer Bücher von Ger:
manismen zu reinigen. Der Paſtor Rojenpläntner
(1782 —1846), feit 1813 Herausgeber der «Bei:
träge zur genauern Kenntnis ber eitn. Sprache»,
und feine Mitarbeiter Knüpffer —— und
Heller (1786— 1849) erwarben ſich bedeutendes Ver⸗
dienft in hiftor. Kritit, Sprad: und Sachforſchung.
Einen aud) für die gebildeten Stände befriedigenden
eithn. Stil ſchrieben zuerft Mafıng eg bu
feinen «Eſtniſchen Originalblättern für Deutfcher,
und Graf Manteufjel in dem 1839 neu aufgelegten
Lejebüchlein «Zeitvertreib beim Scheine des Bergelö»
(«Ajaviite pero valgussel»; vgl. darüber Schott in
Ermand «Arhiv für wiffenihaftlibe Kunde von
Rupland», Bd.13, Berl.1854). 1838 trat die noch
bejtehende «Gelehrte Eſthniſche Gefellihaft» ins
Dafein, gegründet von Fählmann, Kreuzwald,
Boubrig, Hollmann u. f. w. Diejen verdanlt man
ründlihe Abhandlungen zur Mythologie und Ges
hichte der Heimat, Auffindung und Nacherzählung
von Mythen und Volksliedern (vgl. über die von
Neus in 3 Abteil., Reval 1851—52, herausgegebene
Sammlung ſolcher Ermans «Archiv», Bd. 13), jowie
(durch Kreuzwald) eines — voltstümlichen Epos
(Kalewi-poeg, ru alems»; 1857 fg., be. mit
ungenauer beuticher Überjegung von Reintbal; val.
Schott, Die eftn. Sagen von Kalewi-Poeg, Berl.
1863; vgl. die Monatsberichte der Berliner Ata-
demie vom J. 1866). Proſaiſch erzählte «Borzeitliche
Sagen des Eſtenvolls» («Eesti rahwa ennemui-
stesed jutud») ließ Kreuzwald (1866) den von ibm
gelammelten und geordneten Schäßen in Berien
nadfolgen. Eine der anziehenditen, von ihm ſelbſt
überjegt, ift «Der dankbare Fürftenjohn». — Val
Löme, Ebftn. Märchen (Halle 1869).
‚Neben der Gelehrten Eſthniſchen Gefellihaft,
bie ihre «Sigungsbericte» und «Berbandlungen»
berausgiebt, beitebt jeit 1873 eine nur eſthniſch
ſchreibende Litterariſche Gejellihaft (Eesti kirja-
meeste selts), zu deren Mitgliedern Hurt, Kurrit
u.a. gebören. Die regelmäßig erjcheinenden «Be-
forgungen» («Toimetused») 9 en ſind vorwie⸗
end für die reifende Jugend beſtimmte, alle Lehr⸗
(ie in mujterbafter Weiſe behbandelnde Schriften.
uszeichnende Erwähnung verdienen der oben-
genannte Kreuzwald, der Entdeder und Drdner des
epiiben Sagentreifes, wegen feiner meifterbaften
achbildungen lyriſcher Poeſie des Auslandes, be
ran Deutihlands, und Lydia Jannſen, eine
elbftändige Dichterin in Verſen und Proſa.
Ejther (vom perj. sitaröh, «Stern»), Name
der Heldin des nad ihr benannten Buchs im Alten
Teſtament. Die Fabel des Buchs ift folgende: der
erj. König Abasverus (d.i. Zerxes) feiert im dritten
Fahre feiner Regierung zu Suſa ein grobes Gaft:
mabl. Die Königin Vaſchti belommt Befehl, dabei
zu erſcheinen, weigert jib aber. Zur Strafe wird fie
verftoßen. Um einen Erſatz zu gewinnen, läßt
Terxes unter den Jungfrauen des Reichs Ausleie
balten. Unter vielen andern wird aud eine Jüpin,
Estheriidae
Hadajla Re) genannt, in den Harem ein
geliefert. Auf den Kat ihres Ontel und Bor:
munded Mardochai verjchweigt fie ihre Herkunft
und empfängt ben perf. Namen €. 7. Jahre
des Terres dommt fie in den Palaſt, findet Gnade
vor Kerred Augen und wird zur Königin erhoben.
Durh ihre Bermittelung entdedt Mardochai eine
Berihwörung. Weil er jedoch dem Günitling des
Kinigs, Haman (ſ. d.), die Adoration verweigert, jo
bittet diefer den König, alle Juden töten zu dürfen.
Der Tag dazu wird durchs Los (pür) h
—
Da läßt ſich der König eines Tages aus der Reichs: | Inſel
coronit vorlejen und ftößt hierbei auf eine Erwah⸗
nung des ibm von Mardochai geleijteten Dienftes.
Da eine Erkundigung ergiebt, daß er hierfür noch
feine Belohnung erbalten bat, jo befiehlt er Ha:
man, ihn nachträglich zu ebren. €. entvedt Kerres
Hamans Ränle, worauf diefer aufgebentt wird.
Das frübere Dekret gegen die Juden kann zwar
richt annulliert werden; dafür aber erhalten die
Auden die Erlaubnis, ihre Feinde zu töten und ihre
Habe zu plündern. Die Juden feiern die fröhliche
Kunde durd einen Schmaus. Als der Tag beran-
tommt, töten fie 75000 Berfer. Da €. hierdurch noch
nicht ganz befriedigt ift, jo erlaubt der König den
Auden, das Mordgeihäft noch am 14. Adar fort
tegen zu dürfen. Zum Andenten daran ſchreibt Mar:
dochai das Feſt der Loſe, d. b. Burimfe S: d.), aus,
Es ift offenbar, daß der Inhalt dieſes Buchs
unbiftorijch ift. feinem 7. Jahre hatte Zerres
die Ameſtris zur Frau. Zudem entnabmen die perf.
ae. ibre rauen aus den edelften * Familien,
mit Vorliebe ihrer nächſten Verwandtſchaft. Der
Gedanle, daß mit Einwilligung eines perſ. Königs
von den Juden 75000 Berjer erſchlagen worden
fein follten, ift abgeihmadt. Gleiches er
t ber afler bei Verwertung ber biblijchen
ngaben. Marbodai ift nad E. 2,6 mit Jojachin
(597 v. Ehr.) ind Eril geführt worden. Zerres fam
455 v. Chr. zur Regierung. Im 7. Jahre des Zerres
war baber Mardochai, wenn er ald Säugling depor⸗
tiert worden ift, etwa 120 Jahre, E. 60— 0 J. alt.
Daran ändert der Umftand nichts, daß der Ber:
fafler im übrigen mit Sitten und Unfitten orient.
Hefbaltungen nicht übel vertraut ift. Das Bud
€., ein Lieblingsbuch des fpätern Judentums, beab:
ſichtigt, das in fpäter Zeit von den Babyloniern
und ern entlebnte Purimfeſt ven Juden zu em:
vieblen, indem es eine nationale Begründung für
dasjelbe aufftellt. Der Berfafier Mnüpft aber an
eine Vollsetymologie pür = Los an, während in
Wirklichkeit der Name Purim ein wort ift und
die Feitihmäufe bezeichnet. Die griech. und lat. Über:
fenung des Buch E. haben einige Kapitel mehr ala
das bebr. Driginal. Sie ftehen in Luthers Bibel-
überfegung als «Stüde in €.» unter den jog. Apo:
tropben. Dramatifch bearbeitet wurde der Stoff
bauptfählih von Racine und Grillparzer (unvoll:
endet). — Bol. de Lagarbe, Burim (Gött. 1887).
Die en Kommentare find von Wildeboer (im
«Aurzen Handlommentar zum Alten Teftament»,
bg. von Marti, Freib. i. Br. 1898), Siegfried (im
«Dandlommentar zum Alten Teftament», hg. von
Romad, Gött. 1901) und Jahn (Leid. 1901).
Estheriidae, Familie der Blattfüßer (f. d.)
mit jweillappiger, den Körper völlig umſchließender
Schale. Die etwa 40 bis jetzt befannten lebenden
Irten bewohnen ausſchließlich das fühe Wafler.
Foffil treten fie ſchon im Devon auf.
— Eithland 261
Efthland, auch Ejtland oder Ehſtland, bei
den Eſthen Eesti-ma, bei den innen Wiro-ma,
bei den Letten — bei den Ruſſen
Estljandskaja gubernija, Gouvernement im weſtl.
Zeildes Europ. Rußlands, dienörblichite und kleinſte
der drei Dftfeeprovingen, längs des Sudufers des
Finniſchen Meerbufens (f. Karte: Weftrußland
und Dftfeeprovinzen, beim Artitel Rußland),
im W. an die Dftfee, im ©. an Livland, im D. an
Ingermanland oder das Gouvernement St. Peters:
burg (Grenzfluß Naroma) grenzend, hat mit den
n Dagd, Worms, Odensholm, Nargen und
etwa 40 kleinern Inſeln 20247,7 qkm, wovon 19072,5
km auf das Feſtland und 1175,2 qkm a bie In⸗
eln fommen, mit 413724 E., alfo 20,4 auf 1 qkm.
E. iſt ein faft ebenes, mit vielen Sümpfen, Sand»,
Raltjteinflächen und Granitblöden übe äctes, von
mebr als 200 Heinen Seen (552 qkm) und Eleinen
Fluſſen bewäflertes Land, das vom baltischen Höhen:
rüden durchzogen ift und im N. mehr oder weniger
fteil gegen das Meer ar gie Die Unterlage bilden
ſiluriſche Schichten, auf denen die obere, diluviale
oder alluviale Schicht, beitehend aus Sand, Kies,
Lehm, in ſehr ungleiher Höhe aufgetragen ift.
Dammerde findet ſich oft jehr fpärlih; nur einige
Gegenden Jerwens und Wierlands haben eine dichte
Humusſchicht und Lehmboden. Stellenweife finden
NE Zorjlager. Bon der Gejamtflähe fommen auf
derland 16,58, auf Wieſen⸗ und MWeideland 41,75,
auf Waldland 18,98, auf Unland 22,88 Proz. Das
Klima ift veränderlih, im Innern rauber ala an
den Küſten. Die mittlere Temperatur in Baltij
port beträgt im Sommer 15°, im Winter — 4,8,
im Jahresdurchſchnitt 4,5° C. Die Bewohner zer:
eg in Ejtben (ſ. d.) und Eſthländer. Letziere
ind alle in E. geborenen Perſonen; vorzugsmeife
verfteht man aber darunter den deutihen Adel und
die deutiche Bevölkerung in den Städten. Nad der
Nationalität find 82 Proz. Eſthen, 5 Broz. Deutiche,
5 Proz. Ruffen, das übrige Letten, Schweden (diefe
bejonderd auf den Inſeln) und Finnen; der Reli:
ion nach 94,7 Proz. Evangeliſche, 5 Proz. Ruſſiſch⸗
rthodoxe. Die Hauptbeihäftigung bildet der Ader:
bau, bejonders auf Roggen, Gerite und Kartoffeln.
Sebr entwidelt ift die Viehzucht, darunter auch die
Pferdezucht. An den Kuſten und Seen wird Fiſcherei
betrieben. In der Fabritation ſtehen Branntwein:
brennerei und Bierbrauerei in erfter Neibe; die Ge:
famtproduftion betrug 1896 : 24,4 Mill. Rubel; da:
von fommen auf die Kräbnholmer Baummwollmanu:
altur (gegründet 1857) bei Narwa allein 11 Mill.
ubel. Der Handel ift vorwiegend Tranfitbandel;
die Ausfuhr befteht aus Spiritus, Hafer, Roggen,
glac, Hede, Slkuchen u. a., die Einfuhr aus rober
aummolle, Steintoblen, Mafbinen :, Eifen= und
Stahlfabritaten, Heringen, Kolonialwaren u. a. An
Eifenbahnen liegen in E. von der Linie Beteröburg-
Reval 208, die Linie Reval-Baltifchport 48, von
der Linie Dorpat:Taps 46 und von der Linie Moife:
ful:Reval 150, zufammen 452 km, die erftern drei
Linien gebören zur Baltifhen Eifenbahn. Haupt:
bandelöpläge find: Neval, Baltifchport, Hapjal, die
zoll Dagö, die Häfen Kunda und Werder. An
ollsſchulen gab es in €. 1898: 619 mit zu:
fammen 13 584 Schülern und 10525 Schülerinnen.
E. zerfällt in 4 Kreiſe: Harrien oder Reval, MWier:
land oder MWejenberg, a. oder Weißenſtein
und Miet oder Hapfal. Siy der Verwaltung
des Goupernementö ift in Reval. Das Wappen
262
von €, ift dasſelbe wie von Reval (f. d., Tertab-
bildung).
€. wurde Anfang des 13. Jahrh. teild von Deut:
den, teild von Dänen riftianifiert und unterwor⸗
enund, da dauernde Streitigleiten mit dem Schwert:
orden . d.), der ebenfalld Anſpruche darauf erhob,
das Land zu einem unfichern Befis madten, 1346
von Waldemar IV. von Dänemark dem Hochmeiiter
des Deutichen Ordens verkauft. Nach dem Verfall
des Deutichen Ordens unterwarfen fi die Stände
von &. 1561 freiwillig Erih XIV. von Schweden.
Im Nordiſchen Kriege (f. d.) wurde €. 1710 von
den Ruſſen erobert und diefen 1721 im Frieden zu
Noftad abgetreten. 1721—1882 hatte es den Titel
eined Herzogtums, ſeitdem den eines Fürftentums.
(S. Ditfeeprovingen.)
Litteratur. Liv-, eft: und kurländ. Urkunden:
buch (1. Abteil., 10 Vve., Riga 1852—97, nebft
Sadıre a ebd. 1900);
Rat (ed lizze der orogr. und hydrogr. Berbältnifie
von Liv, Eſth- und Kurland (Reval 1852); Bei:
träge zur Runde Ebft:, Liv: und Kurlands, bg. von
der Chläntigen literärifchen Gefellichaft —
—6, ebd. 1868— 1902); Bunge, Das Herzogtum €,
unter den Königen von Dänemark (Gotha 1877);
ordan, Beiträge zur ———— und Statiſtik E.3
} 1889); Arbufom, Grunbriß der Geſchichte
v:, Ejt: und Kurlands (Mitau 1890); Serapbim,
Geſchichte Liv:, Eſth-⸗ und Kurlands (2. Aufl., 2 Bde.,
Neval 1897). Eine «Arhäol. Karte von Liv:, Eſth—
und Kurland» im Maßjtab von 1: 1000000 (Dor:
pat 1896) gab Sikta heraus. (S. auch die Pitteratur
zu Kurland und Livland.)
Eftienne (ſpr. etienn), ſ. Stepbanus.
Estilo oulto, f. Gongora y Argote.
Estime (frj., ſpr. -ihm), Schäsung, Achtung;
eftimieren, ſchäßen; ejtimäbel, ſchätbar.
Estive (fr;.,ipr.-ibm), Gleihgewicht der Schiffs:
ur’ auf beiden Seiten; eftivieren, Sciffägüter
@ftland, ſ. Eſthland. [gebörig ftauen.
Est modus in rebus, sunt oerti denique
fines (lat.), «es ift ein Map in den Dingen, es
iebt überhaupt beftimmte Grenzen», Eitat aus
oraz’ «Satiren» h ud 1,1, 106).
Efto, Ellenmaß auf Sumatra, ſ. Covado.
Estoo (fr3.), Stoßdegen.
Estooäda (fpan.; franz. estocade, fpr. -abd),
Stoß mit dem Degen; aud nennt man fo eine zus
dringliche Bitte um ein Darlehn.
Estomihi (lat., «jei mir» [ein ftarter Fels]),
—— des Sonntags Quinquagesima ober
itebenten Sonntags vor Dftern nah dem An:
iang ber Meſſe diejes Tages Pſalm 71, 8).
Ehtompe (fr3., ſpr. eitöngp), Wiſcher, an beis
den Enden mäßig zugeipiste Stangen aus Leder,
Kort_oder Papier zur gleihmäßigen Verteilung
und Abfchattierung von Kreide: und Bajtellfarben.
Zeichnungen & l’estompe find die mit Wifcher be:
bandelten; eftompieren, mit Wiſcher bebandeln.
Efton ({pr. eßt'n), Stabt im ng der
.Grafſchaft York, oſtlich von Middlesbrough, zu
deſen Induftriebezirt es gehört, hat (1901)11182 C.
Eſtrach (ipr. -atih), Caldas de, f. Caldas.
Eiträda, La, Hauptort des Bezirts E. in der
ipan. Brovinz Bontevedra (Galicien), etwa 30 km
norbnorböftlih von Bontevedra, in volfreiher Ge
birgsgegend, hat (1897) ald Gemeinde 24700 €.
ftrade (fr3.), der um eine oder mebrere Stufen
erhöhte Teil des Fußbodens; in den Kirchen zur
Eitieune — Ejtrees
Abfonderung der Chorftüble und zur Hervorhebung
des Altard oder eines Katafalls; in Thron: und
Baradejälen far den Thron u. ſ. w.; beim Schleuſen⸗
bau der erhöbte Teil der Schleuſenkammer oder des
Raums — beiden Schleuſenthoren.
Eftr gon, Pflanzenart, f. Artemisia; Eftra:
goneffig, ein durch Anfeken von Eitrag
mit MWeineffig bergeitellter aromatifcher Speiſeeſſig.
Eiträgondi, ein ätheriſches Öl, das aus dem
Kraut von Artemisia Dracunculus L. durch Dampf:
beitillation gewonnen wird. Es hat das ſpec. Ge
wicht 0,95 und bejteht hauptſächlich aus Eſtragol,
einer Verbindung, die dem Anetbol (f.d.) ifomer ift
und durd Kali in jenes übergeführt wird.
Eſtraugelo, |. Syriide Sprache, Schrift und
Literatur. Schriftprobe f. Tafel: Schrift IL, 10,
Eftrapäde (frz.), das Wippen, der Wipr:
oder Schnellgalgen, eine ai Schiffen übliche
Strafe, welde darın beftand, daß man den Delin-
quenten auf das Ende einer Segelftange beißte und
ihn darauf mehrmals hintereinander in das Meer
türzen ließ. Diefe — war auch — dem Feit:
nde in Gebrauch. Man ließ bierden Delinauenten,
an einem Seile feftgeihnürt, Hände und übe rüd:
wärts zufammengebunden, von einem Meter Höbe
auf die Erbe hinabfallen. — Place de I’E. ſſpt.
lahß de leſtrapahd), ein Platz in Paris, wo ein
ippgalgen ſtand, an dem beſonders viele Bro
teitanten gefoltert wurden. — €, beißt aud ber
Bodsfprung der Pferde, das gleichzeitige Bäumen
und Ausſchlagen derjelben.
Eftrees (ipr. -reb), altes franz. Geſchlect,
das jeinen Namen von einem Schloß in der Näbe
von Arras führt. Jean, Marquis d’E., geb.
1486, war ein ritterliher Krieger und bejaß jeit
1559 die Würde eines Großmeijterd der Artillerie.
Er belannte fi, obwohl im erſten Hugenottentriene
im Sr > Dienfte, zum Brotejtantismus und ftarb
1571. Sein Sohn Antoine d’E. war ebenfallt
Großmeifter der Artillerie, machte fih berühmt durd
Ser Verteidigung von Noyon 1593 und ftarb im
nfang des 17. Jahrh. ald Gouverneur von La Ftre,
Paris und Jsle-de: France. {
Defien Tochter Gabrielle d’E., Herzogin von
Beaufort, Geliebte Heinrichs IV. von Frankreich,
mar um. 1571 geboren. Sie ftand im Alter von
20 J. al3 der König fie auf dem Schlofje ibres
Baters, Coeuvres, kennen lernte und durch ibre
Reize gefefielt wurde. Um ihr eine Stellung in ber
Gejellihaft zu geben, wurde fie mit Herm von
Liancourt, einem Witwer mit 14 Kindern, ver
mäblt. Indes wurde diefe Ebe bald aufgelöft, und
Gabrielle, zur Marquife von Monceaug, dann zur
Herzogin von Beaufort erhoben, tonnte hoffen, dem
an. das thörichte Verjprechen, fie zur Gemahlin,
ur Königin zu erheben, abjugewinnen. Gegen
ftern 1599, als ſchon die Scheidung des König!
von Margarete von Balois eingeleitet war, begab
fi Gabrielle, ihrer Entbindung nabe, auf Anraten
ihres Beichtvaters vom Hofe weg nad) Paris, mo
e bei einem vertrauten Juden des Königs, Nament
amet, wohnte, Am Öründonnerätage erfrantte
e plößlich, wie es bie nad dem Genuſſe einer
Orange, und ftarb ſchon am Sonnabend 10. April.
Die Voltaftimme ſprach von Gift; es ift laum
zweifelhaft, daß fie vielmehr Krämpfen einer vor:
Br Geburt erlegen ift. Sie hinterließ dem
dnige drei Kinder, Teſar und Alerandre (j. Ben:
döme) und Henriette Catherine, vermäblt mit bem
Ejtreiher — Ejtremadura (Provinz in Portugal)
berzog von Elboeuf. Nicht ohne Habſucht und Ehr⸗
A war «die jchöne Gabrielle» dem Könige doch
wohl wirtlich treu; troß ihrer zweideutigen Stellung
genoß fie Snieitige Neigung und fogar Achtung.
Die unter ihrem Namen elslmenen «Mömoires»
4 Bpe., Bar. 1829) find wahrſcheinlich von einem
rer Freunde nach ihrem Tode verfaßt. Moret
oeröfjentlihte: «Me&moires secrets de Gabrielle
dE» (Bar. 1875). — Bol. Loijeleur, Questions
kistoriques du 17* sidcle (Bar. 1873); verf.,
Problömes historiques (ebd. 1867); derſ., Ra-
raillac et ses complices. L’&vasion d’une reine
de France. La mort de Gabrielle d’E. (ebd. 1873);
Desclojeaur, Gabrielle d’E. marquise de Mon-
ceaux (ebd. 1889).
François Annibal d’E., Gabriellend Bru:
der, geb. 1573, jeit 1626 Marſchall, fpäter auch
Herzog von E., war in feiner Jugend Geiftlicher,
wurde 1594 Bifchof von Noyon, trat dann aber
in den Kriegsdienſt über; unter Ludwig XIU. be:
wäbrte er Eh als Diplomat, befebligte 1624 in
Graubünden, bald darauf im Mantuaniſchen Erb:
folgelriege und endlich in Deutichland, wo er ver:
wundet wurde (1632). Er war 1636—48 ala Ge:
fandter in Kom thätig und ftarb 1670 in Paris.
Er ichrieb «Me&moires de la rögence de Marie de
Medicis» (Bar. 1666).
Jean, Graf d’E., Sohn des vorigen, geb.
1624, foht mit Auszeihnung im Dreißigjährigen
ge und gegen die mit ber Fronde verbündeten
Spanier, wurde 1655 gefangen und _erft 1659 im
enäijhen Frieden mieder frei. Seit 1668 im
ienft, befämpfte er die engl.-amerif. Kolonien
und 1669 die Raubftaaten an der afrit. Küfte.
1672 befebligte er die franz. Flotte, die mit der eng:
ktjchen vereinigt die holländ. Kuſte blodierte. Die
rüdhaltung, die er dabei, vielleicht geheimen
jungen jeines Königs folgend, in zwei See
Sladten beobadtete, machte ihm nicht nur den
Englänvdern, fondern auch den eigenen Untergebe:
nen verbaßt. Aber Ludwig XIV. vergalt ihm dies
Berbalten durch erhöhte Würden, und E. redhtfer:
tigte jeine Tüchtigteit dur fpätere Siege. Er ent:
riß den Holländern 1677 die Inſel Tabago; 1681
murde er dafür zum Marjchall und 1686 zum Vice:
könig der ameril. Kolonien ernannt. 1691 kämpfte
er nochmals glüdlich gegen die Engländer, erhielt
dann dad Gouvernement in mehrern Provinzen,
sulegt in der Bretagne. Er ftarb 1707.
R Victor Marie, Herzog d’E., Marjhall von
örantreih und Grande von Spanien, Sohn des
vorigen, geb. 1660, diente erjt in der Landarmee,
dann unter jeinem Water auf der Flotte, bewährte
ſich im Seelriege der neunziger Jahre und wurde
im Spanifhen Erbfolgelriege von Philipp V. als
Überlommandant der jpan. Flotte mit nah Spa:
nien binübergenommen und jpäter no von Lud:
wig XIV. zum Marſchall ernannt. Er führte 1704
ſeht glüdlich vie franz. flotte gegen die Verbündeten
bei Malaga. Nach dem Tode jeines Vaters erhielt
er deſſen Gouperneurjtellen; 1715 wurde er zum
Leiter des Marinerates und 1733 zum franz. Mi:
after ernannt. Er jtarb 1737.
Louis Charles Ceéſar Letellier, Herzog
dv’E, Marfhall und Minifter von Frankreich, geb.
1697, war als Sohn Michel Letellierö de Courtan:
vaur und der Marie Anne Eatherine d’E, Entel
Lorvois und Jeans d’E. Er diente zuerft in Spa:
nien unter Berroid, dann im Öfterreibiichen Erb:
263
Igetriege; als Generalleutnant unter dem Mar:
chall von Sachſen zeichnete er ſich in den Nieder:
anden mehrfah aus und erhielt von Ludwig XV.
nebft dem Marſchallsſtab im Siebenjährigen Kriege
den Oberbefehl über das große Heer in —* ⸗
land, Nachdem er 26. Juli 1757 bei Haftenbed
über den eo, von Gumberland gefiegt hatte,
mußte er das Kommando an den Herzog von
Richelieu abgeben. 1763 wurde er Herzog. Mit
feinem Tode, 2. Jan. 1771, erloſch das Geſchlecht.
Ejtreicher, Rarol, poln. Sitterarbiftorier und
Bibliograph, geb. 22. Nov. 1827 in Kratau, ftu:
dierte auf der dortigen Univerfität Rechtswiſſen—
—— und wurde Landesgerichtsadjunkt in ⸗
erg, wandte ſich aber der poln. Litteraturgeſchichte,
peciell der Bibliographie zu, die er auch an der
Warſchauer Hochſchule vertreten ſollte. 1868 wurde
er als Bibliothelar der Jagelloniſchen Univerji-
tãts bibliothek nach Kralau berufen. Außer meh⸗
rern Monographien über poln. —— über
Mickiewicz (Wien 1860), Janocki (ſtralau 1869), Bol
Lemberg 1881) u. a., Artikeln für Zeitfchriften und
x die große Orgelbrandiche «Encyklopädie», ſchrieb
er «Teatra w Polsce» («Theater in Polen», 3 Tle.,
Kratau 1874—79) u. a. Sein Hauptwerk ift die
poln. Bibliographie, «Bibliografia polska» (Bd. 1
—12, Rralau 1872—91).— g' Die poln. Biblio:
tapbie und ihr Pfleger Karl E. (im «Anzeiger für
Bibliographie», 1875, Mai).
Eftrella, Serra da (d. p Sterngebirge), das
höchſte Gebirge Portugals (ſ. Karte: Portugal,
Bd. 17), eine 60 km lange, kahle Kette, welche
ſich in, der Provinz Beira Baira zwiſchen dem
Mondego nörblih und dem Zezere ſüdlich als ein
platter, granitiiher Wall erhebt; fie ift im SW.
am höchſten und fchroff zerflüftet, nah N. ſanft
abgedadıt. Der mit Gras, Kräutern und Wadol:
dergebüſch bededte Rüden trägt vom Dltober
bis Juni Schnee; in feiner Mitte erhebt nd der
1993 m bobe auulbin da Serra. Eine öftlicher
gelegene Felsmaſſe heißt o Cantaro Delgado, d. i.
der feine Waflerfrug; zwei andere find der Can—
taro magro und Cantaro gorbo, d. i. der magere
und ber fette Krug. Von diefen Höhen erhal:
ten der Mondego, der Alva ſowie der Zezere ihr
Waſſer; auch liefern für Liſſabon das Eis.
Nahe dem Hauptgipfel liegen vier tiefe, Mare Alpen:
jeen, namentlich der Lagda oscura, von 2,5 km
Umfang, und der Zagda redonda, aus welchem der
Alva kommt. — Bol. Rivoli Die Serra da €.
—— Nr. 61 zu « Betermanns Mitteir
ungen», Gotha 1880). j
Gitremadära urjprünglid ein in Spanien er:
eugtes Baummwollgarn. Sept bezeichnet man mit
. ein meift zum Striden verwendetes ſechsdrähti⸗
ges Garn mit rundem, gleihmäßigem Faden.
Eftremabüra, a. des Hlönigreibs Por:
tugal (f. Karte: Portugal, Bd. 17), grenzt
im N. und NO. an die Provinz Beira, im D.
und S. an Alemtejo, im W. an den Atlantifchen
Dcean und bat 17382 qkm, (1900) 1232593 E.,
alſo 71 auf 1qkm. €. zerfällt abminiftrativ in die
drei Diftrikte Liſſabon (7042 qkm, 708750 €E.),
Santarem (6862 qkm, 283676 €.) und Leiria
(3478 qkm, 240167 €.), zufammen mit 95 Eon:
celhos und 471 Kirchipielen. Die Provinz mird
durch den gegen SW. ftrömenden, gegen die Mün-
dung bin injelreihen Tejo (ipan. Tajo, |. d.) in
zwei faft gleichgroße Teile geteilt, deren füdlichen
264
der aus Alemtejo kommende Sabäo (Sabo) durd:
ſchneidet. €. ift größtenteild gebirgig, indem es
den weſtlichſten Abichnitt des Scheidegebirges der
beriſchen Halbinfel einfaßt. Im N. des Tejo zieht
ich aus Oberbeira die Fortſetzung der —* Serra
da Eſtrella mit ihren ſteilen, dürren Kalkſteinbergen
herein und ſendet verſchiedene Seitenzweige durch
das Sand. Im MW. der Tejomündung if das 488 m
bobe romantiich:wilde Granitgebirge der Serra de
Eintra, welches im Cabo da Roca, der weſtlichſten
Spiße des europ. Feitlandes, endet, Im ©. des Tejo
liegen die dürren, von Sümpfen unterbrocdenen,
jest zum Teil fultivierten Heiden jomwie das auf
Sandftein liegende Kallgebirge Serra da Arrabida,
das fi bis pP 500 m Höbe am Nordrande der Bucht
von Setubal erbebt und im Gabo Espichel ausläuft.
Das Land bat ein berrlihes Klima, wirb aber
bäufiger von Erdbeben heimgeſucht als das übrige
dortugal, Es ijt, mit Ausnahme der Umgebung
iſſabons und der weiten Ebene des rechten Tejo:
ufers, der Riba-Tejo, nur fpärlich bevöltert und
taum zur Hälfte bebaut, reich an unbenußt liegen:
den Erzgängen, an wertvollen Steinen (Marmor),
an Mineralquellen (im ganzen 16 Badeorte), Sa:
linen (die bedeutendfte ijt bei Rio Major im NW.
von Santarem) fowie auf der Hüfte an Seeſalz,
befonders bei Setubal, in deifen Lagune ſich der
Sadäo oder Sabo ergieht. Von den bedeutenden
Kiefernwäldern (70000 ha, 40000 nörblih und
30 000 füdlich vom Tejo) ift der im 13. Jahrh. vom
König Dionyfius gepflanzte Pinhal del Kei (Kiefern:
wald des Königs) oder de Peiria, weitlich von Leiria,
zu nennen, welcher eine Fläche von 10000 ha be:
dedt und Hol; im Werte von 15 Mill, Frs. enthält.
Auch die Waldungen der Serra de Cintra zeichnen
ih durch prachtvollen Baumwuchs aus; die andern
Gebirge find meift kahl. Im S. und SD. des Tejo
ſowie im N. von Leiria breiten ji gewaltige Eiftus:
geben aus (die fandigen Charnecas, von tiefen
bälern durchriſſen, faum bewohnt und wafierlos),
die nur als —*—— dienen. Eine Ausnahme
bildet die Halbinſel von Setubal oder die Serra da
Arrabida mit ————— Drangen: und Wein:
gärten und hübſchen Landhäuſern. Die Fruchtbar—
feit de angebauten Bodens an Weizen, Mais,
Wein, Ol ift außerordentlich, bejonders in der
Riba⸗Tejo, auf den Leziriad und um Lijjabon, mo«
Bor alle Feld:, Garten: und Baumfrüchte, aud
ein, Öl und Orangen in Fülle und jeltener Güte
erzeugt werden. Gezüchtet werden vor allem Pferde,
Erel und Schweine, auch Maultiere und Ziegen,
aber wenig Schafe. Nicht unbedeutend ift auch die
Bienenzudt. Die Sana bat ihr Centrum in
Liffabon, der Handel zugleich in Setubal, €. bat die
beiten Landſtraßen und die meiften Eifenbabnen in
Portugal. Die Bewobner gelten als die gebildet:
ften, die Frauen als die jchönften des Königreichs.
Eftremadüra, Name einer alten Landſchaft,
früber Provinz Spaniens (f. Karte: Spanien
und PBortugal), deren polit. Grenzen ſich im
Laufe der Geihichte vielfad änderten, im wejent:
lihen aber zwifchen 30 und 40° 25’ nörbl, Br. und
5 und 7° weftl. L. blieben, zwiſchen Portugal und
Neucaftilien, zu beiden Seiten des Tajo imN. und
des Guadiana im ©., dort von Peon, bier von
Anbdalufien begrenzt. Seit 1833 auf die beiden Pro:
pinzen Badajoz und Caceres verteilt, umfaßt €.
41757 qkm mit (1900) 882410 €., d.i. 21 €, auf
1 qkm. Es bildet die mweitl. Fortiekung des neu:
Ejtremadura (Landſchaft in Spanien) — Ejtremadurit
caitil. Hochlandes, bietet aber beveutend mehr Ab-
| als diejed. Im R. breiten ji die, aui
den Südabbängen mit Getreidefeldern und en:
und Raftanienwäldern bededten Sierra de Gredos
und Sierra de Gata fajt bi zum Tajo aus. Das
am Tajo liegende, von vielen waſſerloſen Barrancos
durchfurchte Blateauvon Hod&:Eitremadura(@.alta)
trägt mit Eijtusbeiden abwechſelnde Eichenwälder.
Der weſtl. ebene Teil E.s, zwiſchen Tajo und Gua:
diana, bat jandigen Boden mit Weiden und Eiftus-
beiden und wird von einzelnen Bergzügen durch—
ogen, die, wenig über die Hochfläche aufiteigend, im
. zur granitiihen Sierra de Guadalupe (1558 m)
zujammenlaufen. Südlich vom Guadianaerbebt ib
das von niebrigen Bergreiben unterbrobene Hod:
land von Nieder-Ejtremadura (E. baja, 600 m im
Mittel), das nah ©. allmäblic zur Sierra Morena
aufiteigt. Dasjelbe ift meift baumlos, nicht be
wäſſert, an den Flußufern ungejund, ichledht an:
gebaut und beftebt aus Deheſas (Weiden) und Des:
poblados (Cinöden), bat aber aud ftellenmeiie
fruchtbaren Weizenboden. Unter röm. und maur.
Herribaft war E. eine Kornlammer Spaniens.
Seit der Vertreibung der Mauren und nachdem
das Land infolge der großen Peit von 1348 fomie
dur andere Urjachen, namentlich ftarte Auswan:
derungen nad Amerila, entvölfert worden, verödete
und verarmte ein großer Teil. Dennod liefert das
Sand noch beute große Mengen Weizen, Hüljen:
früchte und Wein. Der Hauptzmweig der Viehzucht
ift die durch die Eichelmajt begünftigte, berübmte
Schinten und Würfte liefernde Schweinezudt. In
den Gebirgen werben viele gegen ſowie aub Maul:
tiere gezüchtet. Auch die Bienenzuct ift nit un-
bedeutend. Die Gebirge E.3 find reih an Metallen,
Baufteinen und Mineralquellen, aber der früber
ergiebige Bergbau liegt längft danieder. Die In:
duitrie ift obne Bedeutung und der Handel nad
außen faſt nur auf Schmuggel mit Portugal be
ſchränkt; die Wafferftraßen des Tajo und des Gua—
diana find innerhalb E.3 ganz unbenugt. Die
Bahn Huelva:Salamanca durchſchneidet das Ge:
biet von Süd nad Nord, die von Madrid nad
Liffabon und von Eiudad:Real nab Elvas durch—
queren ed, Die Einwohner (Eſtremeños) find,
wie die Neucaftilianer, ein Mifhlingsvolt, zeichnen
ich aber vor diejen durch Ernft und ſchweigſames
ejen aus. Das niedere Volt ift roh, träge, aber
utmütig, ebrlid, uneigennüßig, gaftfrei und tapfer.
Gortes und Pizarro waren Eſtremeños.
Ejtremadurit, Bezeichnung des in der Provinz
Gäceres in Spanien vorlommenden Phosphorits
(f. d.). Derjelbe findet fi dort teild im Granit,
teils in cambriſchen Schiefern, teils im devoniſchen
Kalt über eine Fläche von 16800 qkm verteilt. Der
nörblichite Fe der Fundſtelle wird durb das
Lager von Prebejos, der weitlichite durch das von
Marvas in Portugal gebildet, während die Süb-
—— bei Albuguerque und die Ditgrenze bei
ogrojan Tiegt. Der im Granit und Schiefer vor:
fommende €, ift mebr oder weniger von Duarj
durcjegt, während der dem Devon entitammende
bäufig reihlihe Mengen von foblenfaurem Kalt,
der in jenem gänzlich fehlt, entbält. Die Haupt:
mafle des €. iſt ercigriaferig, nicht durchſcheinend,
bat Seiden: big Berlmutterglang, ift 8 häufig rein
weiß, doch fommen aud alle mögliden ſonſtigen
Färbungen vor, von gelb bis braun, von roja bis
rotbraun, febr felten violett bis bellgrün, die Dichte
Eſtremoz — Efzterhäz
wank zwiſchen 2,6 und 3. Der Gehalt des von
äußern Beimengungen befreiten E. an phospbor:
ſautem Kalt beträgt 40—87 Proz. Der E. wird
namentlih nah Hamburg und London verſchifft,
um ald Robmaterial zur Yabrilation der Super:
yheipbate zu dienen.
Eftremoz (ipr.-ob8), Ortichaft im Diftritt Evora
der portug. Provinz Alemtejo, 50 km nordöſtlich
von Evora, in 461 m Höbe auf einem Berge des
Gebirgs zugs Eaireiro, in ſehr fruchtbarer Gegend,
an der Linie Caſa Branca:€, (78 km) der Portug.
Sudoſtbahn (Zweigbahn nah Vortalegre im Bau),
bat (1900) 7857 E. und Ausfubr von in Spa:
nien und Frankreich berühmter Wolle. Weiber,
bmarzer und grüner Marmor wird gebrocen;
die Säulen des Escorial ftammen von bier. Auch
find in ganz Portugal die hier gefertigten irbe:
nen eg (Bilhas de barro, fpan. Bucaros) be:
rübmt, Berfallene Feſtungswerke mit zwei Forts
umgeben die Stadt. Etwa 9 km im NM, liegt
Santa Bictoria do Ameirial, wo 3. Juni
1663 der portug. General riedrib von Schom:
berg einen glänzenden Sieg über die Spanier er:
tocht, der die Unabhängigkeit Portugals unter dem
Haufe Braganca dauernd gegen bie Üibergrifie des
Nachbarſtaates Spanien fiherfieite,
Eftribillo (fpr.-billjo), fpan. Tanz, |. Seguibilla.
Eſftrich oder Äſtrich, jeder Fußboden, der aus
einer zuiammenbängenden, anfangs weichen, fpäter
erbärtenden Maſſe beſteht und fonac eine von keiner
Fuge —— Fläche bildet. Je nach der An—
wendung von Lehm, Kalkmörtel, Gips, Asphalt,
Cement unterjceidet man Lehm-, Kaltmörtel:,
Gips:, Asphalt-, Gementeftrih. Bei Gemwölben
giebt man eine Sandihüttung ala Unterlage, wäh—
rend auf Ballendeden —— ein dichter Bretter—
belag hergeſtellt werden muß, deſſen Fugen durch
3—4 cm ſtarlen Lehmverſtrich gedichtet werden,
worauf eine geebnete Sandſchicht die unmittelbare
Unterlage der E. bildet.
Lehmeſtrich findet namentlich bei landwirt—
caftlichen Bauten Anwendung und bildet vor:
zugsweiſe den Fußboden in Drejchtennen, auf Ge:
treide: und Dabböden. Er beſteht aus einer 20 cm
arten Lehmſchicht, welche mit aan eaeln feit ge:
ſchlagen und geglättet wird. Zu befierer Bindung
wird das Material mit Ochjenblut oder Teergalle
geitrihen und mit Hammerſchlag beitreut.
Die Kallmörteleftribe find fchon von
den Alten angewendet worden, wie Vitruv und
Blinius berichten (vitruwianifcher und griedifcher
€). Der zuiliige Kaltmörteleitrich hat
eine aus Steinen aehampfie Unterlage, wor:
auf der hydrauliſche Kalt, mit Kied im Michungs:
verhältnis 1 : 2 vermengt, gebreitet und feſtge⸗
ſtampft wird.
Gementeftrihe müfjen eine ganz befonders
feite Unterlage erhalten, wozu ſich der Beton am
beiten eignet. Zum E. verwendet man am meijten
andcement mit gewaſchenem ſcharfen Kieſel⸗
fand in einem Miſchungsverhältnis von 1:3. Er
wird geglättet mitteld Glätteifen oder ungeglättet
—* welches letztere dem erſtern vorzuziehen
iſt. Eine beſondere Art der Cementeſtriche iſt der
Traßeſtrich, welches Material im Brohlethal am
Rhein bei Andernach gewonnen wird. Derſelbe be
hebt aus 3 Teilen Kalt, 8 Teilen Traß und 6 Teilen
—55* Durch den Traß erhält der gemöhn:
t budrauliiche Eigenihaften. Der E. wird
265
25 cm hoch aufgetragen und bi auf 15 cm Stärte
ujammengejtampft, während die Oberfläche mit
ijenfeilfpänen und Kalkſtaub beftreut wird. Wer:
den in eine Gementbetonunterlage feine (bunte,
arbige) Marmorjtüde eingelegt, event. nad be:
timmtem Mujter, k entjteht der venetianiſche
oder italienifche Terrazzo, welder troden po:
liturfäbig iſt. Die Bolitur wird erzielt durch Schlei-
fen mit feinem Sand und Stein und Bimsftein, wor:
auf die En mit Leinöl abgerieben wird.
Die Gipseſtriche find namentlibh in Italien,
in Frankreich und am Harz gebräuclih. Auch fie
erhalten eine geebnete Unterlage aus feinem Sand
worauf der mit Leimwaſſer zu einem dünnen Brei
bereitete Gips 3 cm ſtark aufgetragen wird. Nah
Erhärtung desfelben wird die Fläche dreimal mit
beibem Leinöl abgerieben.
Die Aspbalteftriche werden in neuerer Zeit
am meijten angewendet und eignen fich vorzugs:
weiſe für Keller, Fluren, Korridore, Abtritte, Bil:
ſoirs u. f. w. Der Gufaspbalt wird auf eine I—
12 cm jtarfe Betonfbicht oder auf in Sand ver:
legtes Ziegeljteinpflafter in einer Stärfe von 10—
25 mm aufgetragen, worauf die Gußmaſſe mit ge:
fiebtem Sand gleihmäßig überjtreut wird, um fie
törnig zu maden. Die Eſtrichmaſſe beſteht aus ge:
ſchmolzenem Asphaltmajtir, dem man etwas Bitu:
men und rein gewaſchenen Sand oder jebr Heinkör:
nigen Ries unter ftetem Umrübren zuſetzt.
Die E, find kühl, baltbar und feuerfiher und
gewähren Schutz eo. Ungeziefer.
Eſtrun, eine Abtei der Benediktinerinnen für
er. Fräulein in der Näbe von Arras, foll von
Karl d. Gr. geftiftet worden fein. Um 1670 gab der
Biihof von Arras ihnen verbefierte Sapungen.
Die Klofterfräulein waren zu ftrengem Schweigen
gegenüber allen nicht dem Kloſter Angehörigen, da:
gegen nur zu mäßigem Faſten verpflichtet.
ſtrup, Jacob Brönnum Scavenius, dän.
Staatsmann, geb. 16. April 1825 zu Sord, begann
1854 im Folleting feine polit. Wirkſamlkeit, erbielt
1864 einen Sig im Landsting und nahm als Chef
der Gutsbeſitzerpartei eifrig teil an der Revifion
der Konftitution (1866). Vom 6. Nov. 1865 bis
18, Sept. 1869 Minifter des Innern, forgte er für
die Entwidlung der Eifenbabnen, die Übernahme
des — ——— durch den Staat und die kom—
munale Geſetzgebung. Am 11. Juni 1875 wurde
er Conſeilpräſident und — In dem
Streit mit der Mehrheit des Folleting zeigte er viel
Energie und ſuchte ſich durch mehrfache Auflöſun—
gen desſelben eine ſeinen Plänen geneigte Majo—
rität zu ſchaffen. Der negativen, ſog. Verwelkungs:
politi Kine Gegner trat er mit einer Reibe provilo:
rifher Finanzgeſetze entgegen, und erjt nachdem im
bling 1894 eine Einigung über das Budget zu
tande gelommen war, legte er im Aug. 1894 fein
Amt nieder. 1900 wurde er om Mitglied des Lands:
ting3 ernannt. (S. auch Dänemart, Geſchichte.)
ſus, Heſus, Aſus, keltifcher Gott, der durd
Menſchenopfer geehrt wurde.
Eizeg, Stabt, |. Cie
Efiztergom, ungar. Name von Gran (f. d.).
Siiterhäz (ipr. -babs), Klein: Gemeinde im
ungar. Komitat Ödenburg, nahe dem Südufer des
Neufiedlerfees, an der Raab: Ödenburg: Ebenfurter
Babn, hat (1900) 498 magyar. E. und das Stamm:
[up der fürftl. und gräfl. Familie Ejterhäzy (f.d.),
das feiner Ausdehnung und Pracht wegen vormals
266
das ungar. Berjailleö genannt wurde. Es ift in ital.
Renaijjance erbaut, hat drei Stodwerle und eine ſehr
wertvolle Schaß:, Naritäten: und Borzellantammer.
Der umgebende Bart bat 8 km im Umfang und
beberbergt das Theater, in welchem Haydns Kom:
pojitionen zuerft aufgeführt wurden,
Efzterhäzy, j. Eſterhäzy. i
Et., Abtürzung je «etwas» in Kurdzetteln,
wenn zu dem angegebenen Kurje nur Heine Poſten
gehandelt wurden. Der Zuſatß wird gemacht, da:
mit dem Kurs nicht eine der Sachlage nicht ent:
ſprechende yo ar beigelegt werde.
Eta, Voll, j. Negrito.
Etablieren (fr3.), gründen, errichten; [19
etablieren bedeutet: ſich geihäftlich niederlaſſen.
Etabliffement (ipr. -blißmäng), Niederlafjung,
no im weitern Sinne überhaupt
Geihäft, Fabrik u. ſ. w.
acismus, |. Itacismus.
Etage (fr;., jpr. etahſch'), Stodwert, Geſchoß
(1.d.); etagieren, — etagenmäßig abteilen,
namentlich das Haar fo verſchneiden.
Etagenräder (pr. -abjhen-), foviel wie Stu:
fen: oder Staffelzahnräder (ſ. Zahnräder).
Etageurojt (jpr.-abihen-),\. Jeuerungsanlagen.
Etagenventil (jpr. -abjchen-), ſ. Stufenventil.
Etagenzünder (pr. -abihen-), Shrapnelzünder
neuerer Ronitrultion, bei denen zur Erreichung einer
längern Brennzeit jtatt eined Satzringes zwei oder
———— gelegte benutzt werden. (©.
nder. E
Etagere (feh, ipr. -afhäbr), Geftell (auch Wand:
brettchen) für Nippfachen, metjt in mehrern Abtei:
u (Etagen) übereinander.
, Etain (ipr. and) Hauptitadt des Kantons E.
im Arrondifjement Verdun-ſur-Meuſe des franz.
Depart. Meuje,an der Orne und an der Linie Berdun:
Eonflans der Franz. Dftbabn, hat (1901) 2747, als
Gemeinde 2877 E., ein Koınmunal:Collöge; —
tation von Öl, Woll: und Baumwollſtoffen, Gerbe⸗
teien, ärbereien, Handel mit Holz, Getreide, Wein,
Kalt, Eiien, Vieh und Fleiſchwaren.
Etalieren (frz.), zur Schau ausjtellen, Waren
auslegen; Etalage (fpr. Tahſch'), Schauftellung,
Darenauslegung.
Etalon F ipr. löng), ſ. Normalmaß, Wäh—
rung; Etalon boiteux (ipr. böätöb), Hintende Wäb-
rung (j.d.). — E. it auch Bezeihnung für einen
Muſterzuchthengſt.
‚Etalonnieren (frz.), Gewichte oder Maße
aihen; Etalonnage (ipr. -nabid’), Aihgebühr.
Gtamieren (fr;.), verzinnen,
Etamin, Eſtamin, Stamin (vom franz. eta-
mine), ein jebr pünnes Gazegewebe (j. d.) meiſtens
aus Baummolle, jedoch auch aus anderm Faſer—
material, welches weſentlich als Futterzeug in Klei⸗
dungeitüden Verwendung findet.
Etamped (jpr. etängp). 1) Arrondiffement
im franz. Depart. Seine: et:Dije, bat 800 qkm,
(1901) 42826 €,, 70 Gemeinden und zerfällt in die
4 Kantone E., La Ferté-Alais, Mereville und
Milly. — 2) Hauptjtadt des Arronvifiements E.,
50 km ſüdlich von Paris, an der Linie Paris:
Tours der Franz. Orleansbahn, mit Zweigbahn
nab Auneau (33 km), im fruchtbaren Thale der
ine gelegen, Eik eines Gerichtshofs erjter In—
tanz, bat (1901) 8496, ald Gemeinde 9001 E.,
drei alte merlwürdige Kirchen: St. Bafıle, mit
Bortal und Turm (aus dem 12. Jahrh.), Notre:
Eizterhäzy — Etaples
Dame, im lbergangsitil des 12. Jahrh., mit
ihönem Turm, St. Martin, mit jchiefem Turm;
ein Stadthaus (16. Jahrb.), die jog. Zour Gui—
nette, den jchönen vieredigen Donjon eines zwiſchen
1150 und 1170 erbauten, von Heinrich IV. zer:
törten Sclofjes mit 27 m boben und 4 m diden
auern, in welchem Philipp Auguft feine Gemab:
lin yngeborg 1199—1201 gefangen bielt, ferner
ein Kommunal-College, Zellengefängnis und ein
ofpiz. Die Stadt hat Fabrikation von, Farben,
irnis, Liqueuren, Kalt und Gips, Ziegeleien,
üblen, bedeutenden Handel mit Getreide, Mebl,
Gemüfe, Wein, Wachs, Honig und Wolle —
Im 14. Jahrh. wurde €, zur Grafſchaft erhoben,
deren Beliger ſchnell wecielten. Als Franz I.
In Geliebte Anna von Bilfeleu an Sean de
rofje, Grafen von Penthievre, verheiratete, ver
lieh er ihr 1536 die Grafihaft E., die er zum
——— erhob, Nah Franz' J. Tode erhielt
iane de Voitierd das Herzogtum, das aber von
Karl IX. 1562 an Jean de Brofje zurüdgegeben
wurde, mit deſſen Tode es 1565 wieder an bie
Krone fiel. Heinrih IV. ſchenlte es 1598 feiner
Geliebten Gabrielle d'Eſtrées, durch die es an derer
Sohn, den Herzog Ceſar de Vendöme, kam, deſſen
Nachlommen es bis 1712 befaßen, mo es wieder
der Krone anbeimfiel. — Val. de Montrond, Essais
— a ville d’E. — *— 1836—37).
tampes, Herzogin von, |. Eitampes.
Etäng («Teich»), im ſudl. Srantreich an der Bet:
wie an der Sudkuſte Bezeichnung für die Ir aeg
Küftenfeen (ſ. Lagunen), die Dadurch gebildet wer:
den, daß die Dünenreihen die Süßmwajjer, melde
fih hinter ihnen anfammeln, hindern, in das Meer
= fließen. Namentlih liegt eine Reihe folder
., meijt untereinander in Verbindung ftebend, an
der Küjte der Gascogne, in der Sandiihaft Lande:
(. Karte: Mittelzund Südfrankreich, Br.17),
wie die E, von Soustons, von Leon, der €. du
Lit, der E. d'Aureilhan, die 28 qkm großen E. von
Biscarrofje und von Parentis, der 53,5 * grobe
E. von Cazau und von Sanguinet, der E. von Lu:
canau, der 53,7 qkm ge” E. von Hourtin oder ven
Carcand. Auch das Baſſin von Arcabon (j. d.) il
ein folder E., der fih aber eine Öffnung zum
Meere verfchafft bat. An der Südküſte, der von
Languedoc, liegen die E. von St. Nazaire, von Leu
cate (57 qkm), von Lapalme, von Bages und von
Sigean (. d.). liber den E. de Berre j. Berre. Die
Aude empfängt nabe bei ihrer Mündung das Wailer
des 19 gkmgroßen E.von Eapeftang und des 25 gkm
großen E. von Vendres. Es folgen der 80 qkm
große E. von Thau und der von Mauguio zwiſchen
den Mündungen des Herault und der Vidou
In den E. von Mauguio mündet ein Arm des
Beaucairelanald und an dem Weſtende dieſes E. be
ginnt der 44 km lange Canal des Etangs, von
dem ein Arın, der Lezlanal, nah Montpellier
Der Etangslanal endigt bei Cette im €. von Zbau
und ſchließt fi fomit an den Canal du Midi; der:
felbe wurde im 18. Jahrh. bergejtellt und gebt durch
die E. von fyrontignan, Maguelonne, Perols und
Mauguio; er ift 38 km lang und 2 m tief und trägt
Fahrzeuge von 100 bis 200 Negiſtertons. [Piertt.
Gtäng, Graf del’, franz. General, ſ. Dupons,
Etaples (ipr. etahpl), Hauptjtadt des Kanton?
E. im Arrondifjement Montreuil des franz. Depart.
Pas de Calaia, 13 km nordweſilich von Montreuil,
unmeit ber Mündung der Canche in den Kanal (la
Etappe — Etats göneraux
Rande), an den Linien Baris:Boulogne:Ealaid
und Arras-⸗Boulogne der Franz. Norbbahn, ift
An Ueiner Schiffer: und Fiſcherhafen, wichtig für
He Einfuhr von engl. Roblen und olz,
und bat (1901) 4563, als Gemeinde 4709 E., —5
des 1595 geſchleiften Schloſſes, Seebäder; Schiff⸗
bau, Salzraffinerie und Seifenfabrilation.
Etappe frz. &tape, vom deutihen Wort Stapel,
d.1. Niederlage), ein militärisch eingerichteter Ort
an einer Militärftraße (Etappenftraße), der als
Aubepunkt für die marfchierenden Truppen ſowie
al Stapelplag an den bindungslinien einer
operierenden Armee in deren Rüden dient. (©.
Etappenlinien.)
Etappenbehörden, j. Etappenlinien.
EINE DENDEBE BB, f. Oeneralarjt.
Etappeninfpettion ,- Etappenfomman:
dant, j. Etappenlinien. , j
Etappeulazarette, Yazaretteinrihtungen im
u an Gtappenorten (f. Etappe) zur Aufnahme
der Kranlen von burchrüdenden Truppen, ſowie von
Krantentrandporten und von Kranken ber der Etap⸗
peninipeltion unterftellten Truppenteile. Erforber:
li find €, befonders an ſolchen Etappenorten, mo
die Krantentransportlommiffionen (j. d.) oder Set:
tionen derjelben fi befinden, ſowie an wichtigern
Eifenbahnpuntten. Die Zuteilung von eigenen
firzten erfolgt nötigenfalld durch die vorgefehte Be:
borde des Gaypenories; nur vorübergehend follen
Mitglieder des Kriegslazarettperfonald und der
Krantentransportlommiffionen in €, Verwendung
finden. Das erforderliche Pflegeperfonal wird im all:
gemeinenvon der freiwilligen euren geitellt.
, Etappenlinien, die rüdwärtigen Verbindungen
einer operierenden Armee mit der Heimat. Der
Regel nad erjtredt fich die Wirkfamleit der Etap⸗
penbebördeneiner mobilen Armee von der Grenze
des durd die operierende Armee jelbjt beſetzten Ge:
bietes rüdwärtd bis zur Grenze bed eigenen Landes
oder aud über die heimatlihen Bezirke, die den
KRriegäihauplag bilden. Liber diefe Grenzen bin:
aus baben die Landesbehörden die Aufgaben des
Stappenwejens zu löjen, zu denen bie folgenden
Leiftungen gebören: 1) Heranziehung des Nadı:
ſchubs (j. d.) und aller Bedürfniſſe für die Armee;
2) Zurüdführung aller von der Armee zeitweilig
oder dauernd zurüdzufendenden Mannihaften,
ge und bed —— 8) Unterbringung,
flegung und Wiederberftellung der zu und
von der Armee gebenden Berfonen, Pferde und
Segenftände, jolange diejelben ſich im Bereich der
Stappenbehörden befinden; 4) Erhaltung und
Sicherung der Berbindungslinien der Armee inner:
balb des von den Ctappenbehörden verwalteten
Gebietes, alſo Erhaltung, rg ep und
Anlegung von Landſtraßen, Brüden, Telegrapben:
linien und big vi (f. Felopoft), ſowie
militär. Bejegung und Berteidigung fämtlicher
Verbindungsmittel, Handhabung der Polizei auf
den €. und in deren Gebiet; 5) Handhabung ber
öffentlichen Verwaltung im feindlichen Gebiet, bis
Generalgouvernementd eingeiet find, Das gefamte
Gtappenmwefen ftebt unter der Leitung des General:
infpecteurd des Etappen: und Eiſenbahnweſens.
ger jene Armee oder ein felbftändig operierendes
meelorp8 wirb eine Etappeninfpeltion ge
bildet, an deren Spiße ein General jteht und dem
außer den Adjutanten ein Belbgenbarmerieoffigier,
ein Intendant, ein Generalarzt, ein Auditeur, ein
267
Rokarzt, ein Telegrapbendireltor, ein Poſtdireltor,
ein Eivilverwaltungsbeamter und die Etappen:
tommandanten, jowie aud die zur Sicherung
des Etappengebietes bejtimmten Truppen
unterftellt find, Deutichland ift das Etappen»
weſen durch die Hriegdetappenorbnung vom 3, Sept.
1887 geregelt. — —* Cardinal von Widdern, Der
Heine Krieg und der Etappendienſt (2Tle. Lpz. 1892;
2. Aufl., Tl. 1, Berl. 1894); derſ., Der Krieg an den
rüdwärtigen Berbindungen der deutſchen Heere und
der Etappendienft (ebd. 1893— 96) ; Dit, Das Kriegs⸗
etappenmwejen des Deutichen Reichs (Münd. 1896).
Etappenredht, j. Durchzugsrecht.
Etappenftrafte, ſ. Etappe.
Etappenwefen, der Inbegriff der zur Einrich⸗
tung und Erhaltung der Etappenlinien (f. d.) er:
forderlihen Einrichtungen.
Etat (frz., ipr. etab), Stand, Zuftand, Staat. In
der Stantöhaushaltungslehre ift E. der Boranfchlag
der Einnahmen und Ausgaben und infofern gleich:
bedeutend mit Budget (f.d.). Gemöhnlicher noch be:
dient man fich dafür des Ausdruds Staatshaus—
balt3etat, während man €, ſchlechthin mehr von
den einzelnen Teilen des Budgets gebraudt, 3. B.
€. des are gg 7 des Innern. ee
beißt demnad im Staats: oder Gemeindebausbalt
das, mas mitdenangenommenen Feitfegungen über:
einftimmt, im Gegenſatz zu dem bloß Tranfitorijchen,
z. B. den perfönlien Zulagen für einzelne Dienite,
daher man Dh von einer Etatijierung gewüller
Gebalte, d. h. ihrer Aufnahme in den bleibenden E.,
ſpricht. Beim Militär ift etatsmäßig das, mas zum
entlihen Beſtande gebört und in den Liften auf:
geführt it; etat3mäßiger ee, neuerdings
als Dffizier (Major oder Oberitleutnant) beim
Stabe bezeichnet, der einem Regimentäftabe zuge:
teilte Stabsoffizier (Major oder Dberjtleutnant).
Ausgaben, die ihrem Gegenjtande nad im Etatd:
geſeß vorgefeben find, aber die dafür ausgeworfe—
nen Summen ü erfteigen, beißen Etat3über:
fhreitungen; Ausgaben oder Einnahmen, die
im E. gar nıcht in Ausficht genommen find, außer:
MEERE AL Der außerordentlide E. um:
jest in dem — was Einnahme und Bedarf
etrifft, das vorübergebend, einmal oder doch un:
periodife Auftretende und bildet, da er faft nur
neue Forderungen enthält, —— den Gegen⸗
ſtand parlamentariſcher Behandlung und Bewilli—
ung. (S. Bud TH
ab: €, in der Rupferftehlunit, f. d.
Etat Ind6pendant du Congo (ftj., for. etab
ängbepangdäng x offizieller Name des Kongo:
erung, |. Etat. [ftaates (f. d.).
tisme (frj., « Berjtaatlibung»), ein von
Numa Droz 1896 in das polit. Leben der Schweiz
eingeführtes Schlagwort, das der Belämpfung der
Erweiterung der Bundeskompetenz gegenüber ver
Rantonaljouveränität dient.
Etat-majJor general (fr;., fpr. etab maſchohr
fheneräll), Generaljtab.
Etats göndraux (jpr.etah ihenerob), in Frank⸗
reib Name der Reichöjtände, die, erwachſen aus
ältern feudalen Verfammlungen, zum Zwede der
Bewilligung bejonderer königl. Unforderungen zus
fammenberufen wurden. Sie nahmen eine allge:
meine und umfafjende Geftalt erſt jeit vem 14. 38*
an; 1355 trugen fie zuerſt den Namen E. g.; feit-
dem murben fie bis 1614 wieder und wieder be
268
rufen: fein fejtes Recht verfügte ihren Zufammen:
tritt. Der Grundſatz, daß neue Auflagen der jtän-
diſchen Bewilligung bevürften, wurde oft aufge
ftellt, aber niemals voll und dauernd anerkannt.
Nur wenn die Krone dur Bedürfnifje oder Nöte
ftarf gedrängt war, berief fie die Neichsjtände; dieje
vermochten, infolge des jeltenen Zufammentrittes
polit. Vorbildung entbehrend, ſich au in günftigen
Zeiten feine verfafiungsmäßige Stellung zu ſichern
und Ind fo nie eine ftändige Einrichtung geworben.
Die E. g. begleiteten die Wirren der engl. Kriege
in Frantreih (Mitte 14. bis Mitte 15. Yabrb.);
Ludwig XI. berief fie einmal; ihre Haffiihe Zeit
liegt zwifchen 1484 und 1614; 1484 fpraden fie
fib gegen Ludwigs XI. Abjolutismus aus; erft
1560/61 wieder berufen, gaben fie der Unruhe und
den Wünſchen der beginnenden Hugenottenzeit
Ausdrud; 1576, 1588 fteigerte ſich in ihnen der
ſtändiſche Gegenfaß gegen das ſchwache und doch
abſolutiſtiſche Regiment Heinrichs III. und die kath.
Ausſchließlichleit; 1614, nach Heinrichs IV. Tode,
traten ſie zuletzt zuſammen; doch zeigte ſich ſchon
damals ihre innere Uneinigleit, der dritte Stand
zog die volle Hingabe an die einheitliche und ord—
nende Monarchie vor. Die neue ſtärlere Unruhe
vor der großen Revolution rief wieder nad) Reichs:
ftänden; fie traten 5. Mai 1789 zufammen, wurden
aber alsbald des ſtändiſchen Charakters entlleidet
undleiteten vieRevolution jelber ein. (S. Frankreich.)
Nicht in ihrer, polit. Wirkſamleit rubt die hiftor.
Bedeutung der E. g., die war gering; wohl aber
ind ihre Verhandlungen, die Hefte (cahiers) von
Wunſchen und Beichwerden, die jie nad Ständen
(Klerus, Adel, dritter Stand) aufzuftellen und dem
Könige einzureichen batten, Zeugniſſe der innern
polit. Entwidlung Frankreichs: fie fpiegeln die
fortichreitenden Anſprüche des dritten Standes,
des Bürgertums, wider in feinem Bündniſſe mit
dem Königtume und mit dejjen Gentralifationsbe:
jtrebungen im Kampfe mit dem bevorrechteten Adel.
Viele der in den Heften auögejprodenen Wünjce
baben Stoff zu neuen beveutjamen Geſetzen gegeben.
— Val. Picot, Histoire des E.g. (4 Boe., Par. 1872;
neue Ausgabe, 5 Bde., ebd. 1888); Thierry, Essai
sur l’'histoire du tiers &tat (ebd. 1853); Brette,
Recueil de documents relatifs à la convocation
des E. g. de 1789 (®v. 1, ebd. 1894).
Gtatjoll, im Staatöbausbalt, f. Soll.
Etawa, Diftriktsjtadt in Dftindien, f. Itawa.
etc., Abkürzung für et cetöra (lat., «und das
übrige»), aleihbedeutend mit au. ſ. w.».
Et ego in Arcadia, j. Et in Arcadia ego.
Eten, Hafenjtadt im Depart. Yambayeque der
füdamerif.Republil Beru, mit Ferreñafe durch Eifen:
babn über Ebiclayo und Lambayeque verbunden,
bat etwa 3000 E., Baummollinduftrie, Anfertigung
von Strobbüten und Hängematten.
Etendieren (fr3., etangd-), ausbreiten; Etendue
(ipr. etangdüb), Ausdehnung (räumlich und zeitlich),
Etrede, Umfang, Bereich. .d.).
Eteogramm ga), foviel wie Chronogramm
&teöfle8, der Sohn des Didipus (j. d.), ri
von Theben, und der Jokaſte, der Bruder des Poly—
neiles, fam mit diejem überein, abwechſelnd ein
Jahr um das andere die Regierung zu führen, bielt
aber diejen Vertrag nicht. Polyneiles wandte fi
bilfefuchend an Adraſtos (f. d.), welcher, um ibm zu
feinem Rechte zu verbelfen, mit ſechs andern Fürften
den berühmten Zug der Sieben gegen Tbeben
Etatfoll — Ethelftan
(f.d.) unternahm. Theben wurbe nicht erobert, E.
aber und Polyneiles töteten ſich gegenfeitig im Zwei:
tampf. Da er als Verteidiger der Vaterſtadt e
fallen, wurbe er ehrenvoll beitattet, wäbrend Poly:
neites unbeerdigt liegen blieb. Sihylus’ «Steben
gegen Theben» und Euripides’ « Phönifjen» haben
diefe Sage zum Gegenſtand.
Gteofi on (grch.), ſ. Chronogramm.
Gternitichiefer, |. Bd. 17. [(.2.).
Etefien (grch., «FJabreswinde), die Monfune
Etez, Antoine, franz. Bildhauer und Maler, geb.
20. März 1808 in Paris, ging aus der klaſſiſchen
Schule Ingres' und Pradiers hervor und befuchte
die Afademte. 1829 erlangte er für feinen Hyacinth
den Rompreis, ging für zwei Jahre nach Italien
und bereifte dann Algier, Eorfica, Spanien, Deutſch⸗
land und England. Im Salon 1833 jtellte er die
Kolofjalgruppe: Kain und fein Geſchlecht von Gott
verflucht, aus, gen die erjte Mevaille und belam
nun die Ausführung von Gruppen für den Arc de
l’Etoile ſowie des Grabmonuments für Gericault
übertragen. Die Mebrzabl feiner Werte find öffent:
libe Denkmäler; jo für Bauban im Invalidendom,
General Lecourbe in Lons-le-Saulnier, die Statue
Roſſinis in der Oper (1842), Karla d. Gr. im Lurem:
bourg, St. Auguftin in der Kirche Ste. Madeleine,
das Ingres-Monument für Montauban, mit dem
vorzügliben Relief der Apotbeoje Homers; ferner
die Marmorgruppe der Schiffbrüdhigen (1867). In
dieſen Arbeiten ftrebte er wuchtige Kraft nicht obne
fibertreibung an. Nebenbei pflegte E. die Malerei
(Martorium des beil.Sebaftian, 8 ofen feinen Bro:
bern die Träume auslegend [1844], Flucht nach
Agypten). Er veröffentlichte: «Cours &l&ömentaire de
dessin» (3. Aufl., Bar. 1859), «J. Pradier» (ebv.
1859), «Ary Scheffer » (ebd. 1859), «Beaux -arts.
Cours public, fait A l’Association polytechnique»
(ebd. 1861). Er - 16. Juni 1888 in Ebaville.
Ethane, foviel wie Sltbane (f. d.).
Ethelbert (ditbelberbt), König von Kent, geb.
um 550, beftieg 560 den Thron, vermäblte ſich mit
Bertha, der Tochter des eig Ebaribert,
einer Ehriftin, auf deren Beranlafjung zu Eanter:
bury eine hriftl. Kirche eingerichtet wurde. Als dann
Auguftin, der Apoftel der Angeliahien, 597 nab
Kent kam, ließ €. fih taufen und that viel zur
Verbreitung des Ehriftentums. Er ftarb 616. Von
€. jtammen die ältejten angelſächſ. Geſetze.
beired (Uthelred) J., angelſächſ. König
(866—871), älterer Bruder und Vorgänger von
Alfred ald König über Weller und Kent, lebte
in beitändigem Kampf mit den Dänen. Er ftarb
bald nad einem Sieg über fie 871.
€. IL., der Unberatene, König von England (978
— 1016), bezeichnet vornehmlich die Zeit des Nieder:
gangs des Angelſachſenreichs nad der Epoche Ev:
gars und Dunttans, Dentwürdig ift er durch jei:
nen Verſuch, durd die Ermordung aller in Weiler
lebenden Dänen (13. Nov. 1002) fi diefer Dränger
zu entledigen, wodurd er aber nur ſchwerere Rabe
ige veranlaßte. 1013 eroberte König Svend von
änemark jein Reid, und E. mußte im folgenden
Jahre in Die Normandie flieben. Na Svends glei
darauf erfolgtem Tode zurüdgerufen, ftarb er im
Kampfe mit defien Nachfolger Knut 1016.
Ethelitan (Ütbelitan), — — (935
—940), Sohn Eduards des Ültern, Entel Alfreps,
debnte feine ererbte Herrſchaft über Mefler und
Mercia nad Nortbumbrien und Cornwall aus und
Ethelwulf — Ethik
mußte eine gefäbrliche —— von Schotten,
Dänen und unzufriedenen Briten bei Brunanbuſh
7) —— zu beſtehen.
Ethelwulf — bei Dramen pen id
—858), folgte jeinem Vater Egbert auf dem Thron
von Weiler. Er hatte gegen die Dänen zu fämpfen
und brachte ihnen eine große Niederlage bei Ddle
in Eurrey bei (851). 855 machte er eine Reife na
Kom und richtete dann den Beteröpfennig (Rome
scot) in England ein. af ri 858.
gea, der 331. Blanetoid.
it (vom gr. ethos, Sitte, Cbaralter),
Moral (lat.) oder Sittenlebre, der Zweig ber
Philoſophie, der die Gefege der fittlihen Beurteis
lung, d. b. der Beurteilung der Willenshbandlungen
als aut oder böfe, jeinjollend oder nicht en
Pr Gegenjtand hat (daher auch praltiſche Phi:
eiopbie genannt). Auch in ihr madt fich der
arobe Gegenfaß des Rationalismus (f. d.) und Em:
piriämus (f. d.), der Begründung auf Vernunft oder
auf Erfahrung, geltend. Yit —— nur der Aus⸗
drud für die Forderung der Rechenſchaft über die
legten begtündenden Principien oder Geſetze, jo
lann eine Theorie eigentlich nur rationaliſtiſch fein
und iſt aljo die Frage, ob die E. rational oder em:
pirifc fein müffe, einerlei mit der Frage, ob eö eine
€., als Theorie des ſittlichen Urteils, überhaupt
— oder nicht. Zudem handelt es ſich in der ſitt⸗
chen Beurteilung eben um den Standpunlt, den
wir in unjerm praltiſchen Bewußtſein dem zu be:
urteilenden Objelt (der — ——— gegen⸗
über einnebmen; um fo mehr lann die leßte Be
grünbung des ſittlichen Urteils allein geiucht werden
in dem einenen Geſetze des praftiichen Bewußtſeins,
d. b. in einer praltiihen Vernunft. Darum gilt
mit Recht Sotrates als Urbeber der E., der zuerit
erklärte, dab das Gute auf einem Wiljen, auf Be
ariff und Erkenntnis, nicht auf irgendwelche (empi⸗
riiche) Brincipien der Luft und Unluft, des Begeb:
tens und Meidens ſich gründen müfle. Der letztere
Weg ift der allein mögliche für jeden Verſuch einer
—— Moralbegründung. Er bat ſein ſchein—
bares Recht darin, daß die Willenshandlung zwar
einerſeits vom praltiſchen Bewußtſein (des Grundes,
warum wir wollen) abbängt, andererſeits aber ſtets
zugleich bedingt ift durch jinnliche Triebfedern des
Begebrens der Luſt und Widerftrebeng gegen Un:
luft, dur das unbeftimmte Verlangen nad Glüd:
veligteit, oder dur die Rüdficht auf den Nußen,
d. b. auf die von der Handlung direlt und indirekt
zu erwartenden Lujtfolgen. Daber fteht der ratio
nalen oder aprioriſchen Begründung der E. gegen
über die beboniftifche (auf die Luft), eubämontitiiche
(auf — — oder utilitariſtiſche (auf den
Rutzen); drei Standpunlte, die dem letzten Princip
nad in einen zuſammenfallen. Mit dieſem Ge
genſatze dedt ih der der autonomen und hetero:
nomen Begründung, d. b. der Begründung auf ein
eigenes, inneres Gejek des Wollens oder auf eine
fremde, äußere Geſetzgebung. Vom Zmange des
Benebrens fühlen wir und abhängig, während wir
im reınen Wollen uns frei wifjen, d. b. ung felber,
nicht irgend einer Sache aufer uns, von der wir abs
bängen, die Handlung zueignen und uns dafür ver-
antwertlih machen. Deshalb richtet ſich auch das
hitlibe Urteil auf die Handlung, nicht fofern jie
geibiebt, jonbern jofern fie gewollt iſt; nicht auf
das Äußere der That, jondern auf das Innere der
Geinmung, aus Der fie gewollt war.
269
Dad Princip, warım wir etwas Beitimmtes
wollen, beißt Zmwed (j. d.). Der Zweck iſt aljo das
voraus Gemwollte, um deswillen ein Anderes ge:
wollt wird. Nun kann der Zmwed jelbjt wieder um
eined andern Zweds willen gewollt fein u. ſ. w.;
foll nun dieje Reihe nicht ind Unendliche geben, in
welhem Falle das Wollen überhaupt grundlos
bliebe, fo muß ein legter Zwed vorausgeſetzt wer⸗
den, um deswillen alles Meitere, der Gelb aber um
feined andern willen, jondern —— gewollt
wird; dieſer heißt Endzwech, abſoluter Zwed (auch
wohl Selbſtzwech. Offenbar kann nun fein einzelner
Gegenſtand des Begehrens (Luſt oder Befriedigung)
Endzwed ſein; auch nicht etwa Luſt oder Glüdſelig⸗
feit überhaupt, oder etwa das erreichbare Maximum
der Luft und Minimum ber —— für den Ein»
zelnen oder für irgend eine Gejamtbeit. Außer daß
die Luft: und Unluftfolgen der Handlung ſich ſchwer⸗
lic je auch nur annähernd überjeben laſſen, würden
die Begriffe des Sittlihen bei diefer Begründung
in ein unſicheres Schwanfen geraten, mindeſtens
einer beventlichen Kaſuiſtil anbeimfallen. Man ver:
ftebt dann 3. B. nicht, weshalb die Handlungämeije
deſſen, der dur feinen, von feinem bemerlten Be:
trug ſich eine jehr bebagliche Eriftenz zu verſchaffen
veritebt und dabei die vorübergebenden und ſchwa—
den mr. gewiß minder es fühlt als
die Freude des Gelingens, ſittlich tadelhafter fein
jollte alö die des darbenden Ehrlichen, der den
Drud der Not pen ftärter empfindet als den
armſeligen Stolz, feın Betrüger zu fein. Somit find
Luft und Unluft nicht die alleinigen Faltoren, die
unjer Urteil über die Handlung, mithin auch den
Willen, jelbft_beitimmen. Das Sittengejeb jagt
z. B. nicht: Sei ebrlih und betrüge nicht, wofern
du vorausſichtlich mehr Befriedigung (für did und
andere) als Unbefriebigung dabei erzielft; fondern:
Sei ebrlih, auch wenn du feinen Vorteil - dich,
ja jelbft, wenn du empfindlichen Nachteil für dich
und vielleicht nicht einmal einen dagegen in Betracht
lommenden Vorteil für andere davon vorausjiebit.
Dies fommt daber, daß das fittliche Urteil nicht die
— bloß ſoſern fie geſchah und gewiſſe Folgen
(thatſächlich oder möglıder: oder notwendigerweiſe)
nad) ſich zog, ins Auge faßt, jondern die Handlung
jelbjt wie deren Folgen ausfchlieflic, fofern fie ge:
wollt ift, und das Princip, aus dem jie gewollt iſt,
zum Objeft hat. So wird im werignn eiipiel der
Eine als gut beurteilt, weil er den Willen bat, ein
ebrliher Menich zu jein, und fi durch feinerlei
Rüdjicht auf irgendwelche Folgen für ihn oder an:
dere beirren läßt; der Andere als böfe, weil er diefen
Willen nicht befist, ſondern allenfalls, ſoweit e3 fein
Vorteil erbeifcht, den Schein der Ebrlichteit behaup:
ten möchte, vor jich jelbjt aber die Masle abwirft
und nur an feinen Gewinn dent. Biel milder ſchon
wird der beurteilt, der zwar gern ehrlich jein möchte,
aber dem Drange der Not und der Stärte ber
Verſuchung bisweilen unterliegt. Die Beurteilung
beziebt ſich aljo ftet3 auf die Willensbeichaffenbeit
oder Geſinnung direkt, und auf die Handlung nur,
fofern fie die Gefinnung fundgiebt; mit den Folgen
der Handlung bat fie direlt und an ſich gar nichts
zu hun, fondern allenfallö nur, jofern auch die Rüd:
ſicht auf fie für die Beurteilung der Gefinnung in
Betracht lommt; Daher 3. B. das fittliche Urteil über
eine Handlungsweile ganz verſchieden ausfallen
lann, je nad dem Maße der Einſicht, nad) der Weite
des geiftinen Horizonte, die man bet der beurteilten
270
Berfon voraugfegt. Diejer für alles fittlihe Urteil
— Unterſchied, der dem gemeinen ſitt⸗
ichen Bewußtſein völlig ilat iſt, fordert jedenfalls
eine Erllärung. Der eigentliche Ausdrud für dieſe
Unbedingtbeit des fittlihen Gebotes ift die Pflicht
(4. d.), welcher Beariff vaber mit vollem Recht von
Rant in den Mittelpuntt der ethiſchen Unterſuchung
geitellt wird. Die Antwort nun auf die große Frage,
wie Sittlichleit in diefem Sinne des unbedingten |
Pflichtgebots zu erklären jei, lann zulegt nur darauf
fußen: daß wir Vernunftweſen find; d. b., daß wir
ein legteö unbedingtes PBrincip des Wollen eben
nicht entbebren können; daß wir, in unſerm prakti⸗
{chen wie theoretifchen Bewußtfein, der ganzen Welt
der Natur oder Erfahrung gegenübertreten, allem
empiriſch Bedingten, eben weil es bedingt üft, die
Unbebingtbeit, in der wir die fittlihe Forderung
notwendig denken, entgegenbalten und jagen können:
Fiat justitia, pereat mundus (e3 geichebe was Recht
Hg und ob die Welt darüber zu Grunde ginge).
ehr als daß mir =. Gedantens fähig, alfo in
unferm Denten, in unjerer Idee des Sittlichen nicht
anz der Bedingtheit der Erfahrung unterworfen
Ind. bedarf eö in der That nicht; denn daß, wer
den Gedanken des Unbedingten überhaupt faßt, ihn
notwendig allem Bedingten als letztentſcheidende
Inſtanz entgegenftellt, ih ſelbſtverſtändlich. Auf
dem gleichen Brincip berubt die Löjung des ſchwie⸗
rigen, aber für die E, nicht minder fundamentalen
Problems der Freiheit ( d.), das mit dem eben be:
ſprochenen eigentlich zujammenfällt.
Iſt fo die Grundfrage der E. gelöſt, jo beant⸗
wortet fich leichter die weitere Frage: was ift gut?
d. b. welche Gefeke des Handelns können jenen hoben
Unfprub der unbedingten Geltung mit Grund er:
beben? — wird kein einzelnes, ein None
tesempirisches Verhalten vorſchreibendes Gejek die:
fen — — behaupten fönnen. Es beißt z. B.:
du ſollſt nicht töten, nicht ſtehlen u. ſ. w.; allein
3. B. der Staat und wen er dazu ermächtigt, darf
mit fittlihem Fug und Recht töten, enteignen, Ehen
und jonjtige Verträge durch Zwang aufheben u. ſ. m.
In letzter Linie ift alles Empirische dem Sittengeieß
gegenüber bloß verfügbarer Stoff ;nichts Empiriſches
darf unbedingt gelten wollen, wie nichtö Unbebingtes
je empirifch werben fann. Es giebt nur ein um
wanbelbar, unter allen Bedingungen Gutes, und
dad ift die Sittlichleit des Willens ſelbſt. ia ift
überall nichts in der Welt, ja überhaupt aub außer
derjelben zu denten 88 was ohne Einſchraͤn⸗
fung für gut konnte gehalten werben, als allein ein
guter Wille», ſagt Kant.) Unverletzlich ift daher
unter allen Umjtänben die Würde der fittlihen Per:
fon jelbft. Alles andere bat feinen Preis oder Taufc:
wert, der Meni allein, als fittlihe Perſon, bat
eine Würde, die über allen Marktpreis erbaben,
deren Verluft durch nichts anderes zu erfeken ift.
Auf diefe Würde aber läßt ſich in der That alles,
was zum menjclichen Dafein gebört, au das
Niederfte und — beziehen und dadurch adeln
und verſittlichen; inſofern iſt Sittlichkeit natürlich
der Entwidlung unterworfen und eines unbegrenzten
Fortſchritts Fäbig. Das ift der Boden, auf dem die
Sonderbegrifie ver Tugenden entipringen; während
der Grund des Guten oder der Tugend überhaupt
ein einiger und unwandelbarer fein muß. Cine aus:
— Tugendlehre iſt daher nur auf empiriſcher
rundlage — und es haben bier die Er—
wägungen der Glüdieligfeit, Nutzlichleit u. ſ. w. ihr
Ethil
Recht, wenn ſie nur nicht den Anſpruch erheben, den
legten Grund, warum etwas gut ift, auszumachen,
Kine den auf anderm Boden zu begründenden
rincipien der Sittlichleit ſich willig unterorbnen.
Die Geſchichte der pbilofopbiichen E. zeigt eine
große Mannigfaltigleit von Richtungen, mwäbrend
doch diejelben Grundprobleme immer wiedertebren.
Doc bleibt der große Hauptgegenjaß der apriori-
hen oder empiriſchen, autonomen oder heterono:
men, idealiftiichen oder naturaliftiihen Begründung
immer ber allbeberrihenve. Sofrate® und Plate
batten ibre idealiftiihen Grundfäße bereit3 gegen
eine mächtige empiriftifhe Richtung der E. (bejon-
ders vertreten durch die Sopbiften) durchzuſetzen; in
Ariftoteles fiegt eigentlich der Empirismus.
die jtoifhe Moral, jo entjchieden fie einen ivealifti:
ſchen Zug verrät, I bod fie die ideale Forderung
der Sittlichkeit zu ſpannen weiß, bleibt doch in der
eigentlichen Begründung (die übrigens bei dem
—— ogmatismus dieſer Philoſophie nicht im
Vordergrunde ſteht) eudämoniſtiſch und natura-
liſtiſch; vollends die Epilureiſche E. iſt der Typus
einer empiriſtiſchen Moralbegründung. Ganz zwar
wurde dieſe Richtung zurüdgebrängt durch den Su:
anaturalismus der Neuplatonifer wie des Ebri-
tentum3, von dem erſt die beginnende Neuzeit ſich
allmählich losmachte. Männer aber wie Montaiane,
Gafiendi, Hobbes bezeichnen ſehr kenntlich die Rüd:
wendung zu einem entſchloſſenen Empirismus, ver
dann in voller Schärfe namentlih in der engl.
Moralpbilofopbie feit Yode entwidelt wurde.
Spinoza gebt dieje naturaliftiihe Richtung einen
merkwürdigen Kompromiß ein mit einem halb myſti⸗
hen Rationalidmus. Zugleich treten die ethiſchen
Brobleme feit dem 17. Jahrh. in zunehmend engern
ontaft mit denen der Staatd- und Geſellſchafts—
lehre. Diefe Richtung ift in England und Frankreich
im großen und ganzen berrihend geblieben, wäh—
rend in Deutichland das Auftreten Kants («Grund-
legung zur Metaphyſik der Sitten», 1785; «Kritit
ber praftifchen — 1788) einen ſcharfen Ein⸗
ſchnitt macht und die —— der E. auf lange
hinaus beſtimmt, ſo daß auch die Gegner ſeiner (oben
ſtizzierten) Grundrichtung unter ſeinem Einfluß
* So laſſen fi Fichte, Schleiermacher, Her:
art eigentlich nur von Kant aus richtig ver
ſtehen. Sm jüngjter Zeit ift der bei den Engländern
namentlich dur Bentham und Mill zur Herrichaft
gelangte Empirismus und Utilitarismus, ebenſo wie
der Evolutionismus Spencers, aud in Deutſchland
wieder re geworden, jo daß die Betonung der
idealiftiihen Grundfäge von neuem zur Notwendig:
feit geworden ift. — Hervorgeboben jeien von den
neuern Werfen nur die von Baumann (Handbuch der
Moral, 33. 1879),von Hartmann (Phänomenologie
des fittlihen Bewußtſeins, Berl. 1879 u. d.), Laas
(Spealiftiiche und poſitiviſtiſche E., 2. Teil von:
Idealis mus und ebd. en Steintbal
(Allgemeine E., ebd. 1885), Wundt (Etbif, Stutta.
1886; 2. Aufl. 1008), von Gihycti (Moralpbilo-
fopbie gemeinverftändlich dargeſtellt. Loz. 1888), von
Hoͤfſding (Ethik, deutih von Benpiren, ebo. 1888,,
Baulfen (Syitem ber E., Berl. 1888; 4. Aufl.,2 Boe.,
ebd. 1896— 97), Stange (Einleitung in die E., 2 le,
Lpz. 1900—1), Ragenbofer (Bofitive E., ebd. 1901)
— Aud die Geſchichte der E. iſt, nad dem Vor—
gang Silterer, wie Meiners, Stäublin, J. H. Fichte
u. a., mehrfach wieder bearbeitet worden, jo nament:
lich von Jodl (E. in der neuern Philoſophie, 2 Bve.,
Ethikotheologie — Ethnographie und Ethnologie
Etutta. 1832 — 89), Ziegler (E. der Griechen und
Amer, Bonn 1881; Chriftlice E., Straßb. 1886;
2. Auf. 1892), K. R. von Köftlin (ZI. 1, Tüb. 1887),
Yathardt (Die antike E. in ihrer gefchichtlichen Ent:
mdlung, Wz. 1887; Geſchichte der chriftlihen E.,
I Hälften, ebd. 1888—93).
Ethikotheologie (grch.), bei Kant im Gegen:
jah zur Phyſikotbeologie in der « Kritik der Urteils:
traft» diejenige Lebre vom göttlichen Weſen, vie
auf der Borausfepung des Endzwecks der Menſchen
als moraliiher Individuen beruht.
Ethiſch, auf Erbit (f. d.) bezüglid, darauf be
rubend, fittlib. Neuerdings entjtand nad dem
Vorgang von England und Nordamerika au in
Deutihland eine Jog. ethiſche Bewegung, die
die Erlenntnis des Sittlih:Guten mit dem Han:
deln in Einklang bringen will. 1892 wurbe die
Deutibe Geſellſchaft für ethiſche Kultur
begründet. Die Bewegung ftellt ſich auf den gemein:
famen Boden der fittlihen Begriffe, behauptet da:
gegen den trennenden religiöfen Befenntnifjen gegen-
über ftrengite Unabbängigfeit. Sie bat ſich auch der
focialen frage, beſonders der Frauenfrage zuge
mwanbdt und fih der Weltfrievdensbeitrebungen nad:
drüdlih angenommen. Zu den führern der Bewe:
aung zäblen in Deutichland Profefjor Wilb. Foerfter
($. d) ſowie jein Sohn F. MW. Foeriter (in Freiburg),
Brofeſſor Fr. Jodl (in Wien), Profeſſor G. von Gi⸗
(m Berlin, geſt. 3. März 1895) und deſſen Witwe
ily von Gifncki, geborene von Kregihman. Als Dr:
gr der etbiichen Bervegung gilt «The International
ournal of Ethics» (Philadelphia, feit 1891), ber:
ausgegeben von einem internationalen Komitee, vem
von deutſcher Seite Jodl angehört. In Deutichland
erſcheint jeit 1893 die Zeitjchrift «Ethifche Kultur»
(Berlin), zuerft heraus eye en von G. von Gihycki,
nach deſſen Tode von 5. W. Foerfter. — Bol. Jodl,
Was beißt etbifche Kultur? (Prag 1894); derf., liber
das yo und die Aufgabe der Ethiſchen Gejell:
Ihaft (Wien 1896); Die Eifenaher Zufammentunft
zur Förderung und —— der ethiſchen Be:
me ‚5. bis 15. Aug. 1893 (Berl, 1894).
_ moidältuochen (Os ethmoidöum), das
Sieb: oder Riechbein (f. d.).
Ethuärd (grch., d. b. Boltäherricher), in Syrien
und Baläftina zur Römerzeit häufiger Titel eines
unter der Dberbobeit Roms ftebenden Teilfüriten.
Der Rame kommt aber aud in der Bedeutung Statt:
balter vor. Ethnarchie, Bezirk eines E.
te De „ſ. Hetärie.
thuogräphie und Ethnoldgie (gr&.), zwei
enge der Wiflenichaft, Die man unter dem
Ausprud Bölterlunde zuſammenfaßt. Manche
machen einen Unterſchied zwiſchen Etbnograpbie, der
einf Beichreibung und Rlaffifitation der Völker,
ie, der tiefern Unterſuchung über Raſſe,
Bollstum, Abſtammung, Sitten und Zeugnifie des
iftigen Lebens der Völker. Das Objekt der unter
iden begriffenen Wiſſenſchaft iſt der Menſch als
Mitglied einer Familie, eines Stammes oder Volks,
furz einer durch eine gemeinjame Kultur und Sitten
oebildeten und meift auch durch eine gemeinjame
Sprache geeinten und geſchichtlich verwandten Geſell⸗
ſchaft . auch Anthropologie 8 und Menſch 3). Daraus
ergiebt ſich der Unterſchied zwiſchen der Ethnographie
und den mit ihr ſachverwandten Wiſſenſchaften, vor
allen der ſomatiſchen Anthropologie oder Anthropo⸗
logie im engern Sinne (f. Anthropologie 1) und der
Antpropogeograpbie (j.d.) und polit. Geographie, bie
271
den Menſchen und die Völter nad ihrer geogr. Ber:
breitung betradhten. Daher iſt es ul e des Eth:
nographen, die verſchiedenen Geſellſchaftsformen,
unter denen der Menſch auftritt, zu ſchildern und
2 Bedingungen zu analyjieren, alled was ben
efig des Menſchen ausmacht, vom einfachſten Ge:
rät bis zur mytbolog. Dichtung zu befchreiben, ent:
widlungsgeihichtlid 2 —— und den Einfluß
aller dieſer Dinge auf das Leben der Voller nach
uweiſen. Da die Sprache das dharafteriftifche
ertmal menſchlicher Gemeinſchaften und die
Sprachenkunde ſich verhältnismaͤßig früh an tiefere
völlerkundliche Probleme gewagt bat, bildete bis:
ber die Beichreibung und Klaſſifilation der Spra:
chen N Ethnographie) die willen:
ſchaftliche Bafıs faſt eines jeden natürlichen Syitems
der Ethnograpbie. Alle vorwiegend von deutichen
Gelehrten der Boppſchen Schule gelieferten ſprach⸗
vergleichenden Arbeiten allgemeiner Natur find
aud Vorarbeiten In die linguiftifche Ethnographie.
(S. *7*9 chaft.) Be
abrbeit ift die Sprachenkunde nur ein Heiner
Teil der Völkerkunde, ihre übermäßige Betonung
brt ebenjo auf Irrwege wie die ausschließliche
— anatom. Merkmale bei der Einteilung
der Voller. Dieſe Einteilung aber ift ja ohnehin nur
der Anfang der tiefern Forſchung; jolange aber die
Völkerkunde an den Krüden anderer Wiſſenſchaften
ebt, vermag fie nicht die ir gebübrende herrſchende
telle einzunehmen. Es iſt vor allen das Verdienſt
Ratzels, diefe Wifjenihaft auf eigene Füße geſtellt
und fie darauf bingewiejen zu baben, daß es der
geiftige wie der ſtoffliche Kulturbeſitz der Menſchheit
iſt, den fie zu unterfuchen bat. Schon vorher hatte
Baftian die Wichtigkeit des ftofflichen Kulturbejiges
erkannt und durch Feine unabläjfige ng Lem
Sammeln der rajch verſchwindenden ethnogr. Doku
mente es erreicht, daß nunmehr reichgefüllte Mufeen
dem Forſcher zur Verfügung ſtehen und vieles, mad
ſchon dem Berberben geweiht fchien, gerettet ift.
Erft feit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bes
ginnt man mit Verſtändnis ethnogr. Gegenjtände
zu fammeln, während man früher dieſe Dinge nur
ala Kuriofitäten mit heimbrachte. Nunmebr aber
find_ fie unentbehrlihe Grundlage der ethnolog.
ag — die man mit andern Worten
er als Geſchichte der Menſchheitsentwicklung be
Ki nen fann. Man erfennt aus ven gefammelten
affen und Geräten eines Volks, mie fich diejes
Volt an feinen Boden und feine Lebensbedingungen
angepaßt bat, man kann andererjeit3 verfolgen, wie
fi ein Gerät umbilvet, wie es verbeflert oder neuen
Zwecken vienftbar gemacht wird. Erlangt man damit
einen Einblid in die Rulturentwidlung der Völter,
fo lafjen wieder überrafchende Ahnlichteiten der Form
darauf ſchließen, daß in manchen Fällen ein Voll
von dem andern gelernt hat, ſo daß ſich Spuren
uralter Verkehrs: und Wanderzüge oft ebenſo deut:
lih aus dem Kulturbeſitz erkennen lafjen, wie aus
dem Wortſchaß der Sprade.
Bedentt man nun, daß Waffen und Geräte nicht
einfach Erzeugnifie förperlicher Arbeit, ſondern vor
allem des menſchlichen Geiſtes jind, der den Stofj
feinen Zwecken dienftbar macht, dann fällt die
Schranle zmifchen ſtofflichem und geiftigem Kultur:
befig wieder, und man erfennt, daß ber Ethnolog
im engern Sinne ebenjo an der Gejchichte des
menſchlichen Geiftes arbeitet wie der Linguiſt ober
der vergleihende Mytholog. Die Völkerkunde als
212
die umfafjenpfte diefer Geiſteswiſſenſchaften ift be:
rufen, die Führung zu übernehmen und vermöge
ihres allumtafjenven Überblid3 der Forſchung neue
Wege zu babnen. Ein Zweig der Völlerkunde ift die
Sociologie (ſ. d.), die Wiſſenſchaft der —
lichen Verbände, zu der auch die neuerdings raſch
emporgewachſene ethnologiſche Jurisprudenz
u rechnen iſt; eine ethnologiſche Uſthetik, die
ich mit den Anfängen ber Künite bei den Natur:
völfern befchäftigt, ıjt im Aufblüben begriffen.
Litteratur. Kain und Gerland, Antbropologie
der Naturvölter (6 Bde., Lpz. 1859—72; TI. 1,
2. Aufl. 1877); Peſchel, Völkerkunde (6. Aufl.,bg.von
Kirchhoff, ebd. 1885; 7. Aufl., unveränderter Ab:
drud des Urtertes, ebd. 1897); F. Müller, Allge:
meine Etbnograpbie (2. Aufl., Wien 1879); Hand:
wörterbuchber Zoologie, Anthropologie und Ethno:
logie (Bresl. 1879 jg.); Andre, Ethnogr. nn
— — .1878; Neue Folge, Lpz. 1889)
Ratzel, Völkerkunde (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1895);
Schurtz, Katechismus der Völkerkunde (ebd. 1893);
Voſt, Grundriß der ethnolog. Jurisprudenz (2Bde.,
Oldenb. 1894 — 95); Vierlandt, Naturvoller und
Rulturvölter (Lpz. 1896); Achelis, Moderne Völker:
funde (Stuttg. 1896); Heilborn, Allgemeine Völler:
tundein kurzgefaßter Darſtellung (2p3. 1897); Haber:
landt, Böltertunde (ebd. 1898); Keane, Man pastand
present (Cambridge 1899); De Gubernatis, I po-
li del mondo. Usi e costumi (Mail. 1900 fg.);
ampert, Die Völter der Erde (2 Bde., Stuttg. 1902).
Val. ferner die Echriften von Baitian, Tylor, Zub:
bod, Spencer, Quatrefages, Brinton u. ſ. w., den
Atlas der Vollerkunde von Gerland in Berghaus’
Phyſikaliſchem Atlas» (Gotha 1892), die Berichte
Gerlands im «Geographiſchen Fabrbudy» (jeit 1876),
die Zeitichrift für Ethnologie (Berlin), das Inter:
nationale Ardiv für Ethnographie (Leiden), das
Internationale Centralblatt für Anthropologie und
verwandte Wiſſenſchaften (Stettin), aa ſches
Notizblatt (Berlin) und die Litteratur zum Artitel
Anthropologie. [haec olim meminisse juvabit.
Et hoo meminisse juvabit, j. Forsan et
Etholögie (grch.), Schilderung des Charatterä
einer Perſon, jowie der Sitten und Gebräude
eines Volts,
Etho8 (grch., d. b. Eharalter), j. Pathos.
Etienne (jpr. etienn), Stadt, j. Saint: Etienne.
Etienne (ipr. etienn), Buchdruder, j. Stepbanus,
Etienne (ipr. etienn), Charles Guillaume, frans
zöfticher dramat. Dichter und Journaliſt, geb. 6. Jan.
1778 zu Ehamouilley (Haute: Marne), bejuchte das
Gymnafium zu Bar-le-Duc und ging 1796 nad
Paris, wo er mit der einaltigen Oper «Le Röve»
(1799) auftrat, die ziemlichen Erfolg batte. Dann
erjchienen eine große Anzabl Theaterjtüde, darunter
«Brueys et Palaprat» (1807), ein ſehr gelungenes
Luftipiel. Im Lager zu Brügge verfaßte er die Poſſe
«Une matinse du camp ou les petits bateaux»,
Ein anderes Stüd: «Une journee au camp de
Bruges» (1804), empfabl ihn dem Herzog von Baj:
ſano, der €. als Privatjelretär in feinen Dienſt
nabın. Als folder begleitete E. den Herzog nad
Deutſchland und Polen. Nac feiner Rückkehr ward
er 1810 zum Genjor des «Journal de l’Empire»
und zum Chef des Preßdepartements ernannt. 1810
fand die erite Aufführung feines beiten Stüds:
«Les deux gendres», jtatt, und noch im jelben Jabre
wurde er in die Franzöfiihe Akademie aufgenommen.
Nach der Ruückehr der Bourbonen wurde E. ſeiner
Et hoc meminisse juvabit — Etifette
Umter entſetzt; während der Hundert Tage begrüßte
E. den Kaifer im Namen des nititut3 und wurde
wieder mitder leitung bes«Journal des Debats» (des
ebemaligen «Journal de l’Empire») beauftragt.
Unter der zweiten Reftauration ward E. aus ber
demie ausgeſchloſſen, in dieererit 1829 wiebereintrat.
Er war mehrmals Mitglied der Deputiertenlammer;
1830 unterzeichnete er die Adrefje der 221; unter
ber —— ward er Mitglied der Pairs⸗
lammer. ſtarb 13. März 1845 zu Paris. €.
ſchrieb auch mehrere polit. Flugſchriften und gab
in Gemeinfhaft mit Martainville eine «Histoire
du theätre frangais depuis le commencement d»
la Revolution jusqu’& la ré union gönsrale» (4 Bode,
Par. 1802) heraus. Seine jämtlihen Werte ver:
öffentlichte A. Francois (5 Bde., Par. 1846 — 58 ı.
— Bol. Sainte-Beuve, Causeries du lundi, Bo. 4
(1859); Leon Thiefie, E., essai biographique er
littöraire (Par. 1853).
Etienne (ſpr. etienn), Michael, Bublizift, geb.
21. Sept. 1827 zu Wien, war frübzeitig litterariib
tbätig und fam 1849 wegen Preßvergehen ins Ge
ängnis. 1850 entzog er ſich durch die Flucht weitern
——— lebte bis 1855 in Paris als Korre⸗
fpondent deutjcher Blätter, eine Zeit lang aud als
Mitarbeiter an der «Correspondance Havas», und
wurde wegen jeiner Oppofition gegen den Staats»
ftreich zugleich mit Morig Hartmann in Mazas in
Haft gebalten. In Wien, wobin er 1855 zuräd-
tebrte, trat E. an die Spiße des Journals «Donau»,
bald darauf der «Prejie. Mit Mar Friedländer
(f. d.), feinem langjährigen Kollegen, gründete er
1. Sept. 1864 die «Neue Freie Prefie» und leitete
dieſe bervorragenbfie Zeitung Deutſch⸗ Oſterreichs
als Chefredacteur in deutſch⸗ liberalem Sinne bis
zu feinem 29. April 1879 erfolgten Tode.
tifette (frz. &tiquette, jpr. -fett), Auffchrift, be
—— an Waren zu deren näberer nen Serra
ngabe der firma u. ſ. w., aud die an Verkaufe⸗
gegenftänden befeftigten Zettel mit ver ——
jeichnung. In der Gärtnerei find die E., welche
den Namen jeder Pflanze angeben, je nad ihrer Be
per in Material und Form verichieden. Für
aumichulen gebraubt man angeichnittene und
auf der Schnittfläche beichriebene lurze Piäble, den
einzelnen Bäumen aber hängt man ein mit dem
Namen —— Brettchen oder Zinlblech an.
An Stanpbäume hängt man nicht ſelten Porzellan—
plättchen mit eingebrannter ſchwarzer Schrift. Für
Zierbäume, Koniferen, Sträucer, Staudengewädie
u. dgl. verwendet man eiſerne Stäbe, an denen oben
die Tafel aus Hol oder Eiſenblech bejeftigt if.
Für Topfgewächſe benugt man behufs des Ein⸗
—* in die Erde ſpiß zugeſchnittene Brettchen
oder Zinkſtreifen. — E. bezeichnet auch den Inbe—
griff der durch Herlommen und Vorſchriften gere
een Formen bejonders an den Höfen (Hofeti:
eite) und überhaupt in der vornehmen Gejellichaft.
Dieje Bedeutung bat das Wort dadurd erlangt,
dab &tiquettes («Aufjchreibzettel»), auf denen die
Reihenfolge der am Hofe zugelafienen jonen
ihrem Range gemäß verzeichnet jtand, zur Aufrecht⸗
erbaltung der vorgejhriebenen —— am
—— Hofe Verwendung fanden; fie bildeten ſo die
nfänge der jpäter erweiterten Rangreglements.
Beritöße gegen die Rangorbnung und die damıt
zufammenbängenden Bejtimmungen wurden kurz
weg als ſolche gegen die €. bezeihnet. Hieraus
übertrug fi diejes Wort auf die Bezeichnung des
Etikettieren — Eton
wlonten, am franz. Hofe geltenden Hofceremoniells
und it in X Bedeutung aud in die hen
anderer Länder übergegangen. In monarchiſchen
Staaten hat diefe E. ihre arte Macht bewahrt.
Den Traditionen — herrſcht an den alten
otſen die ſtrengere, die ftrengite E. am ſpan. Hofe.
Ein Teil der Hofetilette ift das Eeremoniell (f. d.).
Etifettieren, mit einer Gtilette (ſ. d.) verjeben.
Etin Arcadia ego (lat., «Aud id war in
Irtadien»), findet ſich zuerft auf einem Gemälde
des Schidone (geft. 1615), wo bie Worte unter
einem am Boden liegenden Totenkopf fteben, auf
den zwei jugendliche Hirten wehmutig niederſchauen.
i ouffin brachte die Worte auf dem Grab»
ftein eine berühmten Landſchaftsgemäldes (Les
bergers d’Arcadie; jest im Louvre) an; Schiller
überjegte fie in der Anfangszeile jeined Gedichts
——— («Auch ich war in Arkadien geboren»),
Goethe benugte fie ald Motto («Auch ich in Arka⸗
= feiner «talienifchen Reife». Ferner hat Her:
zog Auguft (f. d.) zu Sachſen⸗ Gotha und Altenbur
eine Sammlung von jelbit verfaßten Idyllen (1806
betitelt «Auch ich war in Arladien», [gebirge.
Etinde, Mongo:ma:Etinde, f Kamerun⸗
Et iolemeut fpr. -ol'mäng), |. Etiolieren.
‚ @tiolieren, tiolement oder Vergeilen,
die — amten Erſcheinungen, die bei längerer Ber:
h “u an ſolchen Pflanzen eintreten, die zu
er normalen Entwidlung des Lichts bedürfen.
die Chlorophyllbildung mit nur fehr wenigen
Ausnahmen (Reimlinge mancher Nadelhölzer) nur
unter Einfluß des Lichts ftattfinden kann, jo unter
bleibt viejelbe natürlich bei Pflanzen, die unter
Ausschluß des Lichts kultiviert werden. Zwar wer:
den die Bladmalörper, weldye unter normalen Be:
dingungen zur Aufnahme des Chlorophylls dienen,
vollitändig ausgebildet, aber die grüne Färbung
unterbleibt, und es tritt ftatt derjelben durch das
Etiolin (j.d.) eine Gelbfärbung ein.
Mit dem 6, treten re noch andere Ber:
änderungen auf. Zunädft fällt bei jeder etiolierten
Pflanze die unverhältnismäßige Länge der Stengel
und die geringe Ausdehnung der Blattipreite auf;
wäbrend alfo bei Ausſchluß des Lichts das Längen»
wadhstum der Stengelinternodien bedeutend ge:
fördert wird, erleiden die Blätter eine Wachstunis⸗
verzögerung in der Weiſe, daß die Blattipreite viel
Heiner wird als im normalen Zuftande. Ganz ähn:
——— treten auch ein, wenn die
Bilanzen nicht vollſtandiger Duntelbeit, ſondern
nur Licht von geringer Intenſität ausgeſeßt find,
So bemerft man ;. ». bäufig an Zimmerpflanzen,
die zu weit entfernt von den Fenſtern fteben, die
ngen des E.; allerdings unterbleibt in
ſolchen Fällen die Ehkoropbyllbildung nit gan
aber fie wird doch bedeutend rer fo vak
die Bilanzen allmählich ein bleihes Ausſehen be
lommen; aud das ftärtere Längenwadhstum ber | Stil
Stengel und das Zurüdbleiben der Blätter macht
ſich dabei oft ganz deutlich bemerkbar.
Benn bei der vollen normalen Beleuchtung die
Ehioropbylibildung unterbleibt, fo ift dieſe Grihei
sung nicht ala E,, en als Bleichſucht (ſ. d.) oder
Chlotoſe zu bezeichnen. (6. auch Buntblätterigteit.)
Etiofin, ein dem Ehloropbyll verwandter Farb:
Kofi, von dem die Gelbfärbung beim Gtiolieren
. d) der Bflanzen berrübrt, vieleidht identijc mit
dem Zantbopbyll (f. Blattjarbitofie). Seine chem.
Au fegung ift nicht genau befannt.
Orsähauß’ Konverlationd-LBeriton.. 14. Aul RW. VL
273:
@tiquette, |. Etilette.
@tlar, Earit, Pjeudonym, f. Brosböll, Job.
Karl Ehriftian. j
Etmal (niederländ., d. i. Tag), in der Nautilk die
Zeit des ajtron. Tags von 12 Uhr mittags bis zum
nädjften Mittag. Der Ausdrud wird meiſt mit
Bezug auf die von dem Schiffe während dieſes Zeit:
raums zurüdgelegte Fahrt in Seemeilen angewandt.
Durchſchnittlich ſann man für Dampfer 300 See:
meilen, für Segelichiffe 120 Seemeilen als mittleres
Reife Stmal rechnen.
ea, Zuname der Stadt Randazzo (f. d.).
Etoges (ipr. tobi’), Dorf im franz. Depart,
Marne, ArrondijjementEpernay, Kanton Nontmort,
25 km im SSW. von Epernay, an der Straße von
Chälond:fur: Marne nah Montmirail (1901) 513
E., ift geihichtlih dentwürdig durch das Gefecht
14. Febr. 1814. Blucher verfügte bei Bergeres⸗les⸗
Bertus über 18000 Mann, darunter wenig Kaval⸗
lerie, und war über das Schidfal der von Napoleon
11. Febr. bei Montmirail geihlagenen Korps Yord
und Saden in Ungewißheit, beſchloß .. den
Vormarſch auf Montmirail, Am 13. Febr. traf die
Vorhut unter Graf Zieten bei €. auf Widerftand,
doch zog fih Marmont auf Bauhamps zurüd;
Blüherd Hauptquartier fam nah Ehampaubert,
Napoleon erreichte Ehäteau:Thierry. Am Morgen
des 14. rüdten Blücherd Truppen weiter vor, trafen
aber bald auf die durch Napoleon verftärkten Streit:
träfte Marmonts und mußten Vauchamps räumen.
Blücer bejeste eine Stellung bei Janvillierd mit
den Korps Kleift und Kapzewitſch. Da Napoleon
immer neue Streitträfte (zufammen 30000 Mann)
beranfübrte, wurde 2 Uhr nachmittags der Rüdzug
angetreten. Die franz. Kavallerie verfuchte die
ai zu umgeben und den Wald von E. vor den
teußen und Ruflen zu erreichen, vermochte aber den
Marſch der Infanterie nicht aufzuhalten. Aber eine
anz. Kolonne war in E. eingedrungen, und es ent:
pann ſich ein hartnädiges Gefecht mit der ruf. Nach:
ut. Erft in der Nacht erreichten die Truppen Blä-
chers Bergeres⸗les⸗Vertus; man hatte 6000 Dann
verloren. — Bol. von Sothen, Das Gefeht von €.
(Berl. 1894).
ile (frz., fpr. etdäl), Stern; & la belle stoile
(ſpr. beil), unter freiem Himmel.
Eton (ipr. iht ). Stadt in der engl. Grafichaft
Budingham, am linken Ufer der Theme, 34 km
weitli von London, gegenüber von Windjor, mit
dem eine eiferne Brüde ed verbindet, mit (1901)
3293 €., verbantt feine Bedeutung der von Hein«
rich VI. 1440 gegründeten, anſehnlich ausgeftatteten
Gelebrtenichule: Eton College, der berühmteften
und größten von ganz Gngland. Die Schule gleicht
im Außern und Innern einer llöſterlichen Anftalt,
Ihre Gebäude mit den Klafien, Wohnungen u. |. w.
umfchließen zwei vieredige Höfe und find in got.
ile ohne ierungen erbaut, ebenſo die Kirche,
die neben dem Altar eine jhöne Kapelle enthält und
auch wegen ihrer flahen Dachlonſtruktion mertwürs
dig ift. Die geht der Freiitellen für die Alumnen,
die königl. Scholaren (aud Collegers) heißen und
ſchwarze Tudröde von Monchsſchnitt tragen, ift
auf 70 feitgefeßt und wird durch periodiſche Exami⸗
nationen ergänzt. Das Hauptlontingent der Schüs
ler beitebt jedoch aus den gegenwärtig die Zahl von
900 überjchreitenden fog. Oppidans, die in einer
Anzahl zur Schule gebörigen, meiſtens von Lebs
tern verwalteten * Häufern wohnen und für
18
274
Wohnung und Koft jährlich de 105 Pfd. St. zu ent:
richten haben. Jeder Schüler hat Unterricht im Schul:
baus, erhält aber außerdem einen Classical Tutor,
der ftet3 ein zur Schule gebörender Lehrer ift und
den ihm zugewieſenen Schülern Unterridt erteilt,
daneben aber auch die Schulaufgaben, ebe fie ein:
eliefert werden, zu prüfen bat. jeder Hausvor-
tand, der Philolog ift, ‘ Tutor der in feinem Haufe
wohnhaften Zöglinge, jo daß thatſächlich meijt der
Einfluß des Haufed weit größer ift als ber der
* e. Über der Schule ſteht ein Verwaltungs—
follegium (Governing Body), beftehend aus einem
ebr hoch befolvdeten Präjidenten, der den Titel
rovoft bat, und neun von den Univerfitäten Dr:
ford und Cambridge und verſchiedenen wiſſenſchaft⸗
lien Körperichaften ernannten Fellows, die in:
deſſen nicht am Orte wohnen und mit den vor 1872
ernannten Fellows nur ben Namen gemein haben.
Diefe legtern find aufdem Ausfterbeetat. Der Re:
form, die an die Stelle eines Stifts für emeritierte
Lehrer aus dem — Stande ein Kollegium
von Vertretern der Wiſſenſchaft geſetzt hat, folgte
eine Reform in der Erziehungsweiſe. Die Mathe:
matil wird jeht — elehrt, und es beſteht
eine beſondere Abteilung Ahr Naturmwiflenihaften
mit Unterabteilungen für Phyfiologie, Geologie,
Biologie und Chemie; ein phyſik. und ein chem.
Laboratorium, ein Objervatorium und ein natur»
biftor. Mufeum. Die Knaben, die fih auf dem Ge
biete der Naturmifjenichaften auszeichnen, werden
von Unterrihtsftunden in andern Fächern bispen:
fiert. Ebenfo ſteht es einem Zögling, der die Fifth
Form (etwa der deutſchen Selunda entipredend)
erreicht bat, frei, ftatt des Griedhifchen Unterricht in
der deutichen Sprache zu wählen. Endlich beſteht
eine Klaſſe für Schüler, die die militär. Laufbahn
mäblen. Für die körperliche Erziehung wird reichliche
Yürforge getroffen, befonders eifrig wird das Ru:
dern betri Bol. Lyte, A history of E. Col-
lege (3. Aufl., Zond. 1899); Euft, History of E.
College (ebd. 1899); Benjon, Fasti Etonenses.
Biographical history of E. (ebd. 1899); Glutton:
Brod, Eton (ebd. 1900).
Etonnieren (fr5.), in Erftaunen fegen, erftau:
nen; etonnant (jpr. -näng), ftaunend, erftaunlich.
uffieren (fr;., ſpr. etuff-), erftiden, bämpfen;
Etouffade (Eitouffade), das Dämpfen, ge:
dämpftes Fleiſch; Etouffement (fpr. etuff'mäng),
Atembellemmung.
Etourberie (fr3., ſpr. eturd’rib), Unbefonnenbeit,
unbefonnener Streich ; etourbieren, betäuben, be:
ürzt machen, verblüffen; Etourdi, unbefonnener
Renſch, Wildfang; Etourdifjement (ſpr. etur⸗
diß'mäng), Betäubung, Beſturzung.
Etrange (fr3., fpr. eträngich), fremd, befrem:
dend, feltfam; Etranger (fpr. etrangicheb), fremder.
ef, Fluß in Transtafpien, f. Atrel.
trennes (fr3., ſpr. etrenn; vom lat. strena),
Geſchenke, die man zu Neujahr in Frankreich den
— liedern u. ſ. w. macht, und die unge:
ähr unſern Weihnachtsgeſchenlen entſprechen.
Etrepaguh (ſpr. -pannjib), Hauptort des Kan⸗
tons E. im Arrondiſſement Les Andelys des franz.
Depart. Eure, 50 km im SD. von Rouen, an der
Linie Bontdel’Ar e:@ifors der Franz. Lofalbahnen,
bat (1901) 1892, als Gemeinde 2177 €. Hier wurde
in der Naht zum 30. Nov. 1870 eine Abteilung des
ſachſ. Armeelorps von den Franzosen überfallen und
zum Rüdzuge genötigt.
Etonnieren — Etrurien
Etretat (ipr.-tah), Bade: und Fiſcherort im Kan⸗
ton Eriquetot:l'E3neval, Arrondiſſement Le Havre
de3 franz. Depart. Seine: nferieure, 27 km nord
öftlih von Havre, am Meere und am Ausgange
mweier Thäler, an der Bahn Les Ifs-E. (15 km), bat
1901) 1892,alö Gemeinde 1944 „Beh Lee rapb,
neu eingerichtete Badegebäude und zahlreiche Billen.
Die Im * in der viele Altertümer gefunden
ei ‚it durd ey delsfjormen aus:
gezeichnet, darunter die 70 m hohe Nadel von €.
Etröpol:Balkan, |. Baltan. j
Etropölje (Etröpol), Stadt im flreis 5*
(Land) in Bulgarien, 60 km im DOND. von Sona,
an dem rechts zum Isler gebenden Mali-Islker,
in 550 m Höbe, am Norbabhange des Etropol:Bal:
fans, bat (1893) 3579 €.
Etruria (jpr. itruhriẽ), Ort in der engl. Graf:
chaft Stafjord, 21km im NO. von Stofe:upon:Trent,
at (1891) 5897 E., entftand aus der 1760 von
ebgwood (f. d.) errichteten Fabril feiner Fayence⸗
warenundiftjet Mittelpunft des etwa 640 qkm gro⸗
ben Thonwarenbiftrikts (j. Potteries), mitvolkreichen
Städten und Dörfern, in melden faſt nur Thon:
waren, Zerralith und Porzellan fabriziert werden.
Etrurien (lat. Etruria; gr. Tyrrhenia), im
Altertume Name ded Landes am Tytrheniſchen
oder Untern Meer, das von Ligurien durch das
Arnothal, vom ciöpabanifhen Gallien durch den
Kamm der Apenninen, dur den Tiber von lim:
brien, den Sabinern, Latinern und dem Gebiet von
Rom geſchieden war. Der Name Tuscia war für
das Fand erft in fpäterer Zeit, dagegen der Name
Tusci neben Etrusci ſchon eh ür das Boll
üblih. Das Land wird von zahlreichen Hügelletten,
teil Ausläufern des Apennin, teils felbjtändigen
Höhenrüden, durchzogen, von denen bejonders das
Ciminiſche Maldgebirge im Süboften zu nennen ft.
Zwiſchen den Hügeln öffnen fib fruchtbare Thäler,
teils von Flüffen durchzogen (unter denen der Arnus,
jest Arno, und Glanis [Ehiana] die bedeutendſten
waren), teil® mit Landſeen vultanifhen Uriprungs
bevedt, wie der Lacus Trafimenus mweitlih von
Peruſia (Berugia), der Lacus Volfinienfis bei Vol:
ſinii (Bolfena), der Lacus Ciminius (Lago di Ron:
ciglione oder di Vigo) und der Lacus Sabatinus
bei Sabate (jebt Lago di Bracciano). (S. Karte:
Das alte Jtalien, beim Artilel Italien.)
Die ältefte Bevölkerung gebörteteild dem ligu-
rifchen, teil& dem umbrifchen Stamme an. Nach den
von den Alten überlieferten Nachrichten drangen
gegen Ende des 2. Yabrtaufends v. Ehr. de
pelasgiſch⸗griechiſche, als kühne Seefahrer und See:
räuber ee KRoloniften aus der IImgebung der
Stadt Tyrrba (in Pydien) ein, bie ſich an der Hüfte
feftießten und allmählih jene Ureinwohner unter:
warfen. Während nun die Griechen für das dur
Verſchmelzung der Eindringlinge mit der Urbevöl-
ferung entjtandene Miichvoll den alten Namen
jener — * Tyrsenoi, Tyrr&noi) allezeit bei⸗
behielten, nannten ſich die Herren des Landes ſelbſt
fortan Rasenae (rasnes), d. h. wahrſcheinlich «die
GEolen»,im Gegenſaßtz zu der von ihnen vorgefundenen
Bevölkerung, die he u einer Art von Leibeigenen,
nah Weife der t efalifhen neften, machten.
Nach einer andern zuerit von Niebubr vertretenen
Anficht wären die Etruster ftammperwanbt mit dem
Alpenvolte der Rhater und höchſt wabrfcheinlich zu
Lande in Mittelitalien, von den Alpen aus vor:
dringend, eingewandert. Thatfähli findet man
Etrurien
simlih die hauptſächlichſten Sitze der Etruäter, fo:
mit unlere Kenntnis zurüdreicht, im Gentrum, meift
jogar im Diten Tyrrheniens; mit Ausnahme von
ta trifft man feine einzige größere unmittel:
bar am Meere gegründete Stadt an. Cine 1885
in Lemnos aufgefundene pelasgiſche —5* fest
illerdings die ſprachliche — — aft der tyr⸗
theniihen Pelas ger des Agaiſchen Meers mit den
Tort Italiens außer Zweifel; ſie iſt daher als
Hauptftüge der erſtern Anſicht aufgeführt worden.
Doch wäre aud eine Einwanderung der lemniſchen
Peladger von Meften ber denkbar. Bon den die
Äyrrhener umgebenden italifhen Bölterichaften
wurbe mit einem italiſchen Ableitungsjuffir der
Name Tursco- gebildet, woher der Plural umbriſch
Turscor, lat. Tusci; daneben gebrauchten die Römer
auch die ihrem U prung nad unffaren Namen
Etrusci (Boll) und Etruria —
> welcher Bölterfamilie died Bolt gehörte, ift
no nicht feftgeftellt, da feine Sprade, von der
fh zahlreiche Reſte in Infchriften, befonders Grab:
ichriften erhalten haben, noch keinen Anſchluß an
andere belannte Sprachen gefunden bat. Solder
Anſchluß ift ſchon nad den verfchiedenften Rich:
gr in gefucht worden, und eine größere An:
abl beroorragender Sprachforſcher hat in den legten
Babrjehnten diefem Problem eindringende Unter:
tuchung gewibmet. So hat unter anderm Wilh. Deede
in zablreihen Schriften enge Berwandtichaft mit dem
Lateiniſchen zu erweifen fi bemüht, Sophus Bugge
dagegen Verwandtſchaft mit dem Armeniſchen. Dieſe
—X nd jedoch, wie alle ähnlichen Verſuche,
mit guten Grunden abgelehnt worden. Drientierende
Überficht über die Geſchichie der Frage bei Fr. Stolz,
«Die Urbevölterung Tirols» (2. Aufl. Innsbr. 1892),
und Guſtav Meyer, «Ejjays und Studien» (Bp. 2,
Straßb. 1893). Die Schrift der Etrußter ift, wie die
anderer altitaliſcher Böller, eine Abart ber griech.
Schrift und gebt zunädjit auf das Alphabet der
challidiſchen Kolonien von Unteritalien zurüd.
Unter den etrusf. Städten find namentlich Veji,
gun, Volſinii (et Boljena), Elufium (Chiuf‘
fa, Eortona, Arretium (Arezzo), Fäſulä (Fie⸗
ſole), Bolaterrä, Bopulonia, ujellä, Vetulontum,
Saturnia, Eofa, Volci, Tarquinii und Cäre zu er:
wähnen. Bon diejen Städten bildeten zwölf unab:
bängige, felbftändige Staaten, die zu einem Bunde
vereinigt waren. Das Bundesverhältnis jcheint
ziemlich loſe geweſen zu fein; doc wurden zu reli⸗
es und polit. Zweden mindeftens einmal jähr:
ammlungen beim Tempel der Göttin
Boltumna gebalten. den einzelnen Staaten be:
Hand eine ftrenge Geſchlechterherrſchaſt und priefter-
lie Ariftofratie. Nur aus den Adelsfamilien, die,
wie es ſcheint, mit dem Namen Lucumonen bezeichnet
fonnten der König und die Senatämit:
gewählt werden; an die Stelle der Könige
inen freilich fpäter überall jährlich wechſelnde
getreten zu fein. Unter dem Herrenitande
befand fi ein großer Zeil der Bevölferung in
einer Klientel, die hier einen härtern und ftrengern
Charalter als bei den andern mittelitalifchen Böltern
bt zu haben ſcheint. Der Stand der Gemein:
fien in ben Städten gelangte zu feiner Bedeutung.
e Rümpfe des Volks hatten bauptfächlic nur bie
Birtung, die Staaten zu zerrütten und ihre Wider:
—— egen Rom zu ſchwächen. Der Einfluß
der — ng auf die römifche wird
fm ganzen wohl nur auf einzelne Außerlichkeiten.
275
wie die Magiftratsinfignien, die Einrihtung ber
Liltoren, die Triumpbzüge u. dgl., zu befchränten
kin Dagegen kann die Einwirkung des etrusl,
eilonsmciens auf die Geftaltung des römischen
faum geleugnet werben.
Die Religion der Etruster, tiefinnig, aber
büfter und phantafiearm, war in ge Anwendung
auf das Staats: und Privatleben jorgfältig bis in
da3 einzelnfte ausgebildet. Unter den vielen heiligen
Büchern genoſſen die des Götterfnaben Tages (f. d.)
befonderes Anſehen; daneben enthielten die Ache⸗
rontiſchen Bücher die Lehre von ber Ber:
gr der Götter, der Aufihiebung bes Scid:
als, der Bergötterung der Seelen. Außerdem gab
es weitläufigere Werte, in welchen die «etrust. Dis:
— ausführlich entwidelt war. Die Götter
felbft, Afar genannt, deren Sik im Norden gedadıt
warb, zerfielen in zwei Orbnungen, die der obern
und verhüllten Götter, und die der zwölf Götter,
melde von den lat. Autoren ald Conſentes oder
Complices bezeichnet werden. — über die Kunft
der Etrusler ‘ Etrusfifche KRunft.
Im 8. bis 6. Jahrh. v. Ehr. erreichte die Macht
der Etrusfer ihren Höhepuntt. Ganz Dberitalien
von Nizza bis Venedig und Ariminum war außer
dem eigentlichen €, in ihrem Befiß; ſelbſt der größte
Teil Campaniend war a unterworfen, und
in dem zwiſchen dieſen beiden Gebieten liegen:
den Rom regierte ein etrusk. Königsgeſchlecht, die
Zarquinier. Auch Elba und die Dftküfte Corſicas
gehorchten ihnen. Erft feit dem 5. Jahrh. v. Chr. be⸗
gann ihre Macht zu finken. Der nicht allzu zahl:
reihe Vollsſtamm der Etruster war nicht im ftande,
ein 8 ausgedehntes Gebiet, in dem er großenteils
die Minderzahl der Bevölkerung bildete, gegen die
ummobhnenden, allmählich eritarfenden Nadıbars
völter überall gleichzeitig zu ſchützen. Zuerſt bes
annen die Römer, die nach der Vertreibung der
arquinier um 508 eine Zeit lang durd den clufi
—— König Porſenna in ein gewiſſes Abhängig:
eitöverhältnis gebradht worden waren, die etrust,
Oberhoheit abzufhütteln und 499 durd die Bes
lagerung von Fidenä zum Angriffäfrieg gegen die
nördl. Nachbarn vorzugehen. 485 eröffneten fie den
Kampf gegen Beji, der, duch Waffenjtillitände mehr:
ad unterbrochen, 396 mit der Zeritörung diejer
tabt durch Gamillus endete. 445—421 wurden die
Etrusfer dur die Samniten auf immer aus Gam:
panien verdrängt, und Ende des 5. Jahrh. drangen
roße Scharen von Galliern über ‚die Alpen in
Italien ein, die in der Po-Ebene ſich niederließen und
im Berein mit den Ligurern alles Land nördlich des
Arnus, mit alleiniger Ausnahme von Mantua, an
ſich J en. Bald wurde auch der Ciminiſche Wald, der
etwa ſeit 375 die Grenze gegen die Römer bildete,
von ben legtern (unter Quintus Fabius Rullianus)
überfhritten und die Macht E.8 vollends gebroden,
namentlid dur die großen Schlachten am Babis
monifchen See, wo jener Fabius der Macht der
Etrusfer einen entjcheivenden Schlag verfeßte, und
283, wo bie Römer den Etrusfern und den mit
ihnen verbündeten Galliern eine ſchwere Nieder
lage beibradten. 280 wurde ganz E. genötigt, in
ein abhängiges Bundesgenofjenverhältnis zu Rom
zu treten; zu Anfang des Bundesgenofentrieges
wurde E., da es den Römern treu geblieben war,
mit dem röm. Bürgerrecht beſchenlt. Den Unter
gang der etrust. Eigentümlichleiten, die bis zu Aus:
gang der röm. Republil in Sprade, Sitte und
15*
276
Religion unverändert fortbeftanden hatten, beför:
derten —— Sullas Anweiſungen von Land
an ſeine Veteranen und die Militärkolonien, die
Drtavian anlegte; dieſer war es auch, der bei der
Neueinteilung taliens in elf Regionen die Ören:
pa en E.s im Nordweſten erweiterte und bis Quna und
i8 an den Macrafluß ausdebnte,
Geit dem 3. Yabrb. n. Ebr. wurde der alte Name
E. durch den Namen Zuscien verdrängt, ber nachher
in den Namen Toscana (f. d.) überging. Nur nod
einmal tauchte der alte Name des Landes wieder
auf und zwar feit dem 10. Dit. 1800, wo E. oder,
wie man es oft, obwohl mit Unrecht, ud enannt
bat, Hetrurien vom franz. Griten Ronjul Bonas
parte dem Erbpringen Ludwig von Parma als
Königreich überlajien wurde, Nach feinem Tode
1803) übernabm feine Witwe, die Infantin Marie
uife von min vie Be als Vormünderin ihres Sohnes
Karl Ludwig die Regierung, die fie jedoch ſchon
10. Dez. 1807 infolge eines zwifchen Frantreic und
Spanien gefblofienen Vertrags wieder niederlegte.
€. wurde hierauf franz. Provinz und durch Senats⸗
beihluß vom 30. Mai 1808 für einen Zeil des franz.
Reichs erklärt, 1809 aber Napoleons Schweſter,
Elija Bacciochi (f. d.), als Generalftattbalterin des
Kaiſers, übergeben, die von da ald Großberzogin
von Toscana das and vortrefilich regierte, es aber
1814 wieder an Ferdinand ILI., das — lothr.⸗
habsburg. Regentenhaus, abtreten mußte,
Litteratur. 8.D. Müller, Die Etruäter (2 Bde.,
Bresl. 1828; 2. Aufl. — Deede, Stute. 1877);
Noel Desvergers, L’Etrurie et les Etrusques
2 Bde., Bar.ıe 1863); - — Etruscan researches
Lond. 1874 W. Uber die Sprache der
Etruster (2 Ride 187475); Deede, Etrust,
Seridm en (Heft 1—4, Stuttg. 1875—80); uli,
ae (3 Hefte Gt 1879—80) ; eede
und Paul Etrust. Forihungen und Studien (Heft
1—$6, Stuttg. 1881—84); Euno, Die Etruster und
ihre Spuren im Voll und im Staate der Römer (Bor
gelei te Roms, Bd.2, Grauden; 1888); Mommien,
dichte, Bo. 1 (8. Aufl., Berl. 1888); Pauli,
Corpus inscriptionum etruscarum (2p3. 1893 fg —
Vgl.auch die ed en Artitel Etrustifheftun
Etruötfer, |.
Etrndtiiche Kun. (bier die Tafel: Etrus⸗
kiſche Kunſt) Die E. K. deren Entwidlung man
etwa vom 8. Jahrh. v. ‚Chr. bis in die bellentftifche
Zeit —** tann, zeigt, bei aller Abhangigleit
von fremder Kunſt doch einen eigenartigen Cha⸗
ralter, der fih teild in einem jtarl entwidelten
Sinn für das Praltiſche, teils in einer gemifien
Schwere und Anmutlofigleit der Formen ausſpricht.
die Zeit, bevor noch die Etruster in dem nad
nen benannten Gebiet jehbaft wurden, fällt die
eriode der jog. Billanovatultur (f.d.). Infolge der
neuen Sitten, welche die Etruster mitbrachten, und
ber regen —— des Landes mit dem
Drient verſchwand dann die alte einheimiſche Kultur.
Während für * das Verbrennen der Toten bezeich⸗
nend iſt, war es bei den Etruslern, die wie die avp-
— an eine Fortfegung des irdiſchen Daſeins glaub:
Braud, die Toten zu begraben. Es find viele
en bei Ehiufi (j. d.), bei Perugia (1. d.,
Grab der Bolumnii) und Eorneto Taxquinia (1. d. ),
erbalten, die mit ihrem architeltoniſchen Schmu
und ibrem reihen Inhalt eine wertvolle, aber wi
br die einzige Duelle für die Kenntnis der E. K
en. Für die ältere Zeit, bis in das 6. Jahrb.
Etruster — Etruskiſche Kunſt
binein, iſt der Einfluß orient. Mufter maßgebend,
die durch die Phonizier den Etrustern vermittelt
wurden. Das zeigt ſich befonvders in den Schmud:
ormen, unter welchen Rojetten, 2otosblumen,
almetten und —— en von Spbinzen,
reifen u. dgl. vorwiege Die Beziehungen zu
Griehenland beginnen * im 8. Jahrh., von der
* der Koloniengründungen in Unteritalien und
icilien an; griech. Künftler, wie Demaratos von
Korinth, famen nad Gtrurien, und grieh. Ware
fand dort reihen Abfag. Am Iebbafteiten murde
die Einfuhr kunſtleriſcher Erzeugniſſe aus Griechen:
land feit dem 6. Jahrh. v. Chr. und ſetzte ſich bie
in das 4. Yabrb. v. Ebr. fort.
Diefen fremden Einflüffen gegenüber bewabrte
bie Baukunſt am meilten ibre Eigenart. Die
Städte, meift auf Hügeln oder Bergen im Innern
des Landes gelegen, waren mit Mauern umgeben,
die aus großen, obne Mörtelverband gefhichteten,
teils unregelmäßig, teild rechtwinklig bebauenen
Steinblöden gebaut wurden. Die Etruster baben
den Bogen: und Gewölbebau juerft zur ſtunſtform
erhoben und zur Nuganmwendung nebradt. Das
jei en nicht nur die Kanal: und Brüdenbauten (3.8.
iterbo, Blera, Beji), fondern auch die arok:
—* Stadttbore (in olterra, Perugia, Falerii
6* und der Gewolbebau in den Grabern bei
Te ie in Rom das etrust. Borbild gewirkt
bat, zeigt fih in dem gut gefügten Quaderbau der
Servianifben Stadtmauer und mebr noch in den
MWölbungen der Cloaca maxima.
Die Anlage der Gräber ift je —— der Zeit, der
Art der 38* und der Bodenbeſchaffenheit
—ã te ältefte, in der Ebene vorberrſchende
en ge das Hügelgrab (Tumulus), bejtebend aus
.. elförmigen, auf einem emauerten oder
felfigen U nterbau errichteten Erbbügel in runder
oder rechtediger Geitalt, deflen Spise bäufia mit
einem fkugel:, birnen: oder fäulenförmigen dern
aeihmüdt ift (f. Fig. 3). Im Innern derj
waren Grablammern angelegt, zu denen von außen
ein oder mebrere Zugänge brten. Eine andere
Art von Grabanlagen haben die Ausgrabungen
in Bologna (äelfin —8* tennen gelehrt. Hier ſind
die Toten in ben gebettet, die oben mit
einem kreis⸗ oder, län ae Dentftein ge
ihmüdt find. Die Reliefs auf den legten, nah
orient. und fpäterhin grieb. Muftern ausgefübrt,
zeigen —— von Todesdämonen, welche
die Verſtorbenen mit fi führen, ‚ Rlmpfe, ‚ ®elage,
Tänze u.a. (Bal. — Gli scavi della 22
di Bologna, 1876.) Die in den gebirgigen Gegen
den übliche Art von Gräbern find die in den
gebauenen Kammern (f. Fig. 9), die im Grundriß
und im innern NAuspuk das etrusl,. Haus, vom ein:
5* bis an prunfvollausgeftatteten,nadhabmen.
ie einzelnen Gemäder find durch b Wände von:
einander getrennt, die mit Thüren oder
dfinungen verfeben durch Bilafter und Nif
lebt werben. mei aus dem * —
Säulen ftügen de Deden. —* lreichen Gräbern
war der Innenſchmuck in Male erei auägeführt; jo
kiet 5 Fig. 12 die nad altetrust. Weife alten
bonplatten aus einer Grablammer von
Fig. 13 die auf enge Beziebung zur griech. Kunft
deutende Wandmalerei aus einer Grablammer zu
Corneto. Vielfach wurde auch die Außenjeite der
Gräber fünftlerifh ausgeftattet, indem durch Thür
umrabmungen oder tempelartige Faraden an der
—*
ETRUSKISCHE KUNST.
} * Tr
EN en — ñ
⸗
di ren —— NT
\ vet
— 4. Knabe mit
3. Grabmal der Horatier der Gans
und Curiatier bei Ariecia. (Museum in
ee — » Leiden),
2. Thor zu Falerii.
7 ‘ Tat 3 N
1. Etruskische Säulenordnung:
“ Säuleukapitäl, 5 Pfeilerkapitäl,
e Säulenfufs der Cucumella
bei Vulci,
4 Pfeiler aus einer Grabkammer
zu Cervetri.
5. Grundrifs des etruskischen
Tempels. 6. Kapitolinische Wölfn mit Romulus
und Remus (Rom\.
eine
9. Grabkammer zu Cervetri.
11. Handspiegel:
a mit Semele und Bacchus.
10. Thonsarkophag aus Cäre. 13. Wandmalerei.
Broekhans’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
Etruskiſche Kunft
delewand gleichſam der ya ce des Grabgemades
gelennzeihnet wurde. Verſchieden hiervon war nad)
der Schilderung Varros das Grab des etrust. Königs
Borjenna, beftebend aus in Stodwerten übereinan:
der geordneten Pyramiden auf einem großen vier:
igen Unterbau,
iger fiher befannt ift die Architeltur der
etrust, Tempel und Wohnbäufer, da von ihnen
nichts erbalten ift. Nach der ſchwer verftändlichen
et bei Vitruv batte der etrust. Tempel
(. Fig. 5) nicht die länglihe Form mie der gries
chiſche, jondern eine mehr quadratifche Geftalt; er
war in der Mitte geteilt, jo daß die vordere Hälfte
von einer Säulenhalle, die hintere von der Cella ein-
enommen wurde, die, metft für eine Dreizahl von
ottbeiten beftimmt, durch Quermände in einen
mittlern Hauptraum und zwei Heinere Nebenräume
abgeteilt wurde. Nach ſolchem Plan war der große
Iempel des Jupiter Capitolinus in Rom gebaut,
der nad der Überlieferung von Tarquinius Priscus
gegründet und von Zarquinius Superbus vollendet
wurde; dann dreimal dur Brand zerftört, wurde
er nad dem alten Grundriß zulegt unter Domitian
wieder aufgebaut. Die altetrust. Säulen (f. Fig. 1)
erboben fib, abweichend von der dor. Ordnung,
auf einer wulftartigen Bafis; doc war das Kapitäl
(f. Fig. 1,a u. b) dem doriſchen ahnlich, nur von
Inapperer Form. gar den künftleriihen Schmud
wurde im weiteften Umfange gebrannter Tbon ver:
wendet. Bemalte Terracottaplatten dienten zur
Berlleivung des Gebälts, und Reliefs und Statuen
aus Thon jüllten die Giebel. Zahlreiche Reſte ders
en Schmudes find in Falerii, Conca (bei Rom)
und Alatri gefunden. Erbaltene tempelartige Grab:
mäler mögen ungefähr eine Vorjtellung von dem
Aufbau des etrust. Tempels geben (f. Sie. D. Die
Kenntnis der äubern Erſcheinung der Wohnhäuſer
ift noch viel unficherer. Beſſer belannt ift das Aus:
feben des Innern durch die plaftiichen Architekturen
und Gemälde der Felſengräber. Das von Vitruv bes
ichriebene jäulenloje Atrium tuscanicum (f. Atrium)
mit dem in der Mitte offenen Dach findet ſich bei
den Gräbern nidt.
Die StulpturinEtrurien diente wejentlich delo:
rativen Zweden. Marmor fehlte, dagegen arbeitete
man viel in Kallſtein (Zuff) und Terracotta und ver:
jab dieſes geringere Material mit einem farbigen
Überzug. Die Reliefs an den Seitenflächen der Sarto:
vdage und Eiften haben fich zum Teil —— ihrem
vollen Farbenſchmud erhalten. Auf den Sarlopha⸗
gen, vie als Rubebetten gedacht, find die Verſtorbenen
meift wie zum Mahle gelagert dargeftellt (ſ. Fig. 10).
Ramentlich in diefen Figuren fpricht ſich ein lebhaft
ntwidelter Sinn für das Individuelle aus. Die
af die einfache und entſchiedene Wiedergabe der
Birllichleit ausgebende Borträtlunft der Etrus:
ler findet in der röm. Borträttunft ihre Fortſetzung.
Berübmt war im Altertum die Bronzelunit
der Etrusler; von größern erbaltenen Bronzewerken
find die bedeutendften der finabe mit der Gans
(im Mufeum zu Leiden; ſ. Fig. 4), die Marsftatue
im Batilan, die Ebimaira (}.d.) und die eines Red⸗
"ers in den Uffizien zu Slorenz; die berühmte kapi⸗
loliniſche Wolfin { Fiß 6) ift eher ein griech. als ein
arusl. Werl. Beſſer belannt find die Erzeugnifie
des Kunſtbandwerks, von denen faft jedes Mu:
ſeum eine größere Menge beſitzt. Der Schmud weift
griech. Ginhup auf, und die auf den bronzenen Spie:
geln (f. Fig. 11) und Eiften eingravierten Bilder
277
jeigen Fe —— mit etrust, Vorſtellungen ge:
miſcht. Aud in Rom find, namentlich vom 4. .
v. Ehr. an, ald der Betrieb in den etrust, Wert:
— — zurüdging, derartige Werte zahlreich gear:
eitet, darunter fo hervorragende wie die Fico:
tonifde Eifte (f. d. und Sig. 8), bie bei Ihrer
vollendeten Feinheit der Ausführung den beften
Stüden et pri Kunſt faum nachſteht.
Die Ausbildung der Malerei ſteht in enger Ber:
bindung mit der Architektur. Thonplatten, die zur
Verkleidung der Wändeund Gebälte dienten, find mit
figürlihen Darftellungen und Ornamenten bemalt.
Größere zufammenbängende Kompofitionen find in
den Wandgemälden aus den Grablammern erhalten.
Die älteften Gemälde aus dem 6. Jahrh. v. Chr.
zeigen nicht nur in der gehuun, fondern auch in
ber Färbung den Einfluß der griech. Malerei. Die
ſchönen Bilder in der Grotta del triclinio in Eor:
neto (j. Fig. 13), welde Tanz und Gelage ſchildern,
erinnern an die kräftige Zeichnung der attiſchen
Vaſenmaler; einen freiern Stil zeigen die Gemälde
der ebenfalld zu Gorneto befindlihen fog. Grotta
dell’ Orco, die wohl im 4. Jahrh. v. Chr. entſtanden
find. Nach und nach bildet ſich eine reichere Färbung
und eine mehr malerijche Behandlung aus. In den
Darftellungen weijen die Gemälde neben vielem
Griechiſchen auch mandes echt Etrustifche auf, fo:
wohl in den ältern ausicließlih auf den Toten:
dienft bezüglihen Bildern (f. Fig. 12) ald in den
jüngern, vorwiegend mytholog. Scenen. Schilde:
rungen rein etrust. Sagen dagegen, wie in dem
drangoisgrabe von Vulci, find h ten.
Die etrust. Keramilk ftand unter dem Einflu
der hochentwidelten Bronzetechnit. Die zablrei
vortommenden altertümlihen Vaſen mit ſchwarzem
Firnisüberzug von metalliihem Glanz und mit ein:
geprebten Ornamenten oder Zieritreifen (fog. Buc:
herovajen) und die jüngern ſchwarzen Reliefſchalen,
deren Herftellung von Sampanien aus in Etrurien
u. wurde, ſind deutliche Nachahmungen cije:
ierter und getriebener Metallgefäße. Ihnen fließt
fi die befondere —— ſog. Canopusvaſen
an. Die feinere Thonware 20 man aus Griechen:
land, jeit vem 5. Jahrh. v. Ehr. aus Athen. Der
röhte Teil der zahllojen erhaltenen bemalten griech.
Ya en ftammt aus etrusl. Gräbern; in Bulci allein
wurden 1830 über 3000 woblerhaltene Gefäße auf:
efunden. Aber die mafjenhafte Einfuhr von Athen
Batte feinen Aufihwung der einheimischen Keramil
ur Folge. Etrust. Töpfer verſuchten zwar in der:
felben Technil zu arbeiten; aber die wenigen ſchwarz⸗
und rotfigurigen Bafen einheimiſcher Fabrit lom⸗
men kaum über ſtümperhafte Nachahmung hinaus.
Litteratur. Abelen, Mittelitalien vor den Zei:
ten rom. Herrichaft nach feinen Dentmalen *
ftellt (Stuttg. und Tub. 1843); Dennis, The cities
and cemeteries of Etruria (2 Bde., Fond. 1849;
3. Aufl. 1892; deutſch . 1852); Ingbirami,
Monumenti etruschi (10 Bde., Flor. 1821—26);
Durm, Baulunft der Etruster (im «Handbud der
Architektur II,2,2. Aufl., Stuttg. 1905); Martha,
Manuel d’arch6ologie &trusque et romaine (Bar.
1884); derf., L’art &trusque(ebv. 1888); Irilievi delle
urne etrusche (Bb. 1 von H. Brunn, Rom 1870;
Bd. 2 von ©. Korte, Berl. 1890—96); €. Gerbarb,
Etrust. Spiegel (Bd.1—4, Berl. 1839—68; Bo. 5
von Aluegmann und flörte, ebd. 1884—97); derf.,
Etrust. und campan. Bafenbilder (ebd. 1848);
Julius, Etrust. Kunft (in «Baumeifterd Dentmäler
278
des tlaſſiſchen Altertums», Münd. 1884 — 88);
. Girard, La peinture antique (Par. 1892);
b. Seemann, Die Kunft der Etrusfer (Dresd.
1890). Vgl. auch die Litteratur zum Artikel Etrurien.
Eiſch, bei den Römern Athesis, von den Sta:
lienern Adige genannt, feiner Waffermafje nad
nächſt dem So der bedeutendfte Fluß Italiens,
entjpringt an der Reſchenſcheideck (ſ. Scheided)
aus dem in 1494 m Höhe gelegenen Reichenfee
in Tirol, fließt gerade nah ©. über die Malſer
Heide und bis Glurns, 17km. weit, im Obern
Vintſchgau, wendet fih nun nad SD. und dann
nad D. dur das 47km ————— Vintſchgau
bis zur Paſſeiermundung bei Meran (319 a): dar:
ei füdlih und ſüdöſtlich 34,5 km weit über bie
Eifadmündung fort bis Branzoll, wo fie, 78 m
breit, {chiffbar wird. Im —— iſt ihr
Thal zum Teil verſumpft und weiter bis Bozen
eine zum Zeil von entwäſſerten Sumpfitreden ein:
gela te Thalebene. Nach ©. fließt fie nun durch das
tihland (j. Karte: Tirol und Vorarlberg),
unterhalb Rovereto durd die mwahrjcheinlich 883
durd einen Bergſturz verurfadhte Stromenge Sla:
vinidiSan Marco, dann zwifchen ſenkrechten Felſen
durch die Ehiufa di Verona (Beronefer laufe) und
tritt 120 m breit aus den Alpen in die Ebene, In
der Ebene neben von ihr mebrere Arme zum parallel
laufenden Po und zahlreiche Kanäle verbinden beide
lüjfe. Die 680 m breite Mündung bei zen
one kann als nörblichfter Bunt des Bo:Deltas
etrachtet werden, jo daß E. und Po als Zwillinge:
ftröme gelten dürfen. Die Länge der €, en
377,7 km (von denen 300 km ſchiffbar, bis Branzoll),
ihr Stromgebiet 13896 qkm. Zur Zeit der Römer
lag das Flußbett nördlicher. Durch ihr Anfchwellen
und Austreten richtet fie oft große Verbeerungen
an, fo namentlih 1721 und 1774. Eine furdtbare
Uberſchwemmung bat 588 den untern Lauf verän:
dert; 300 Jahre jpäter entjtand infolge eines Erd:
bebens der jegige Adigetto (ein Kanal, welder
fi bei Badia vom Hauptbett löft und über Lendi⸗
nara und Rovigo, zwiſchen der untern E. und dem
Ro, fließt); das alte Bett wurde Flumen Vetus ge:
nannt. Im 15. Jahrh. bildete die E. fih einen Weg
—* Tartaro, der 1838 zugejchüttet worden iſt. Die
'ossa Clodia des Plinius fcheint dem Canale
di Ponte Lungha zu entiprechen und der Togisonus
dem Bachiglione. Der Medoacus minor und major
follen zwei Arme der Brenta fein. — Vgl. Nicolis,
Sugli antichi corsi del fiume Adige (Verona 1898).
ti buchtgebirge, j. Dftalpen D, 15.
Etſchẽge, äthiop. Klofterwürde, |. Abeſſiniſche
irche.
Etſchmiadzin, Etſchmjadſin. 1) Kreis im
mweitl. Teile des ruſſ. Gouvernements Eriman in
Transtaulafien, eine offene Hochebene, im ©. vom
Aras begrenzt und im N. von Ausläufern des Ala⸗
aös und des Kleinen m durchzogen, bat
3858,ı qkm, 124237 €. (62 Proz. Armenier, 31
Bros. Zataren, 7 Proz. Kurden), Ader:, Garten:,
Baummollbau und Viehzucht. Sik der Verwal:
tung ift im Dorfe Wagarſchapat (armenifh
Wagbarjbabad), km von E. und 19km von Eri:
man, mit 2910 €. (Armeniern), Boft und Telegrapb.
— 2) Armenifh:gregorianifhes Kloſter, Mittel:
punlt der nichtunierten Armenifchen Kirche (f. d.),
ganz nabe im S. von Wagarſchapat gelegen, das
zum Kloſter gebört, am Fuße des Alagos und Kar:
nicharych und am Bemwäljerungslanal Schadr:ard.
Etſch — Ettal
Es befteht aus drei nicht weit voneinander flegen-
den und mit Mauern umgebenen Teilen, jeder mit
einer Kirche, weshalb das Kloſter von den Zürten
Utſch-⸗Kiliſſe, d. i. Drei Kirchen, genannt wird.
Der hauptfählichite und zugleich ältefte Teil ent:
geit die Kirche Schoghagat (nad alter Ausſprache
cholalath) oder das eigentlihe E. Norböftlie
davon lieg die Kirche Sta. Hripfime und füdditlib
die Sta. Kajane (Gajiane), Das eigentliche €. bat
die Geftalt einer Bas und ift von einer 9 m
boben und 2 km langen Mauer mit Türmen und
Schießſcharten umgeben. Darinnen liegt das Klo:
fter mit der zu ihm gehörigen Geiftlichen Akademie,
der Schule, der Buhdruderei, der Bibliothel (655
Nummern teils geſchichtlicher, meift religiöfer Werte,
davon nur 481 armenifh; vgl. Broffet, Catalogue
de la bibliothöque d’E., Beterb. 1840) und die
ur Aufnahme der Pilger beftimmten Bauten. Das
lofter ift feit 1441 der Siß des Katholilos (. d.)
und in neuerer Zeit auch des von Rußland einge
richteten, au8 mehrern Erzbiihöfen und Biſchöſen
beftehenden Heiligen Synod8 aller Armenier. Das
Hauptbeiligtum bildet die Kirhe Schogbagat (. b.
«Ausfluß des Lichts») oder E. (d. h. «Der einge
borene Sohn ftieg herab»), die 301 n. Ebr. von
Gregor, dem Apoftel der Armenier, errichtet worden
fein fol. Sie ift ein Kreuzgebäude mit kugelför
miger Kuppel in byzant. Stil und mit Wandmale:
reien in perf. Blumenitil. Das dem Apoitel Gre
—— gewidmete Tabernalel ſteht angeblich an der
telle eines ehemaligen Altars der Artemis, der
amt dem Götzenbilde in die Tiefe verſunlen fein
oll, alö hier der Heiland zu Gregorius in einem
lendenden Lichtglange herabſtieg (vgl. Langlois,
Collection des historiens d’Arm&nie, Bb. 1, Par.
1867). Beſonderes Anſehen genießt aud) die
durd die darin aufbemwahrten Reliquien.
An Stelle von Wagarfchapat ( gharigebe,
nad alter Ausſprache Walarſchapat) lag die alte
berühmte Stadt aleihen Namens, die angeblid
im 6. Jahrh. v. Chr. vom König Eruand IL ge
gründet fein foll, im 2. Jahrh. n. Chr. als Ref
denz und Hauptort der Provinz Kotailh von Konig
Wagharſch (Vologhefes) befeitigt wurde. Als die
Pforte und die Perſer das Anfeben des Ratbolilo:
um Drud feiner Glaubensgenofjen mißbraudten,
fob derjelbe mit den Mönden, Archiven und Hei
igtümern in das Gebiet der Rufjen. Der perf. Hol
verlangte hierauf die Auslieferung desſelben, und
die a Forderung galt als eine
der Urfachen des Krieges der Perſer mit den Ruflen,
der von Paſtewitſch durd die Eroberung von €.
27. April 1827 eröffnet wurde. Im Frieden von
Turkmantſchai (22. Febr. 1828) ward E. mit andern
Gebieten von PBerfien an Rußland abgetreten. —
Vol. Wagner, Reife nad) dem Ararat (Stuttg. 140).
Ettal, Dorf im Bezirksamt Garmiſch des bayı.
Reg.:Bez. Oberbayern, unweit der Quelleder Ammer,
in 878 m Höhe, am ſudl. Fuße des Laberberas,
deſſen hochſter Gipfel, das Ettaler Mandl!
(1641 m), in 3 Stunden p — iſt, bat (1900)
528 fath. E., Bofterpedition, Telegraph, eine lath
Pfarrlirche. Die weitläufigen Gebäude der 1802
jäfularifierten Benebiltinerabtei jind ausgebaut und
1904 wieder geweiht worden. Die Klofterkirde,
nad dem Brande von 1744 im Zopftil aufgebaut,
enthält dad vom Kaiſer Ludwig aus Jtalien mit:
neführte Madonnenbild aus carrarifhem Marmor,
das man ber Schule des Andrea Bifano zufhreibt.—
Ettaro — Ettlingen
Bal. Seivel, Baugefchichte des Domes und Kloſters
6. (Berl, 1890).
Ettäro, ital. Bezeichnung für Heltar.
Eitenheim. 1) Amtsbezirk im bad. Kreis Frei⸗
burg, hat 181 qkm und (1905) 18420 €. in 16 Ge:
meinden. — 2) Hauptitabt des Amtsbezirls E., am
Austritt des Ettenbachs in die Rheinebene und an
der Lolalbahn Rhein-Ettenheimmünfter (16 km), ift
Sig eined Bezirlsamtes, Amtsgerichts (Landgericht
Freiburg) und einer Bezirköforftei, hat (1905) 3163 €,
darunter 142 Evangelifche und 79 Jeraeliten, Poſt,
Zelegrapb,latb. Pfarrkirche mit [hönen Dedengemäl:
den, neue Synagoge, got. Rathaus, Realgymna:
ſium, Arbeitsjchule, Spital, Gewerbe: und Vorſchuß⸗
verein, Spartafje; Eigarrens und Leberfabrifation,
Ader: und Weinbau, Baumſchulen und Handels:
gärtnerei. — E., 763 zuerſt urfundlich in Verbindung
mit dem Klofter Ettenheimmünfter, das bier Patro⸗
natsrecht bejaß, erwähnt, gehörte bid 1803 zum
Bistum Straßburg, defien letzter Furſtbiſchof, Kar
dinal Prinz Rohan, 1790— 18083 hier refidierte und
auch begraben liegt, und fam dann an Baden.
€., Sammelplag franz. Emigranten war,
ließ Bonaparte in der Nacht vom 14. zum 15. März
1804 den Herzog von Enghien überfallen und ge
fangen nehmen.
Eiterbeet, Vorſtadt von Brüffel (f. d. nebit
lan), an den Linien Brüfjel-Namur und Brüffel:
eren der Belg. Staatäbahnen fowie an ber
—— Schaerbeek-JIxelles, bat (1900)
20838 E., Baummollfpinnereien, Gerbereien, Fär⸗
bereien kr PVottafche:, Seifen: und Wacholder:
beerjaftjabrilen. j
Etteräberg, Höhenzug nörblid von Weimar
ee en, Provinz
ach ſen u. ſ. w, beim Artilel Sachſen, Königreich),
der im W. mit ſeiner höchſten Erbebung (ver Hot tel⸗
ſtedter Ede, 481 m) beginnt und ſich, allmählich
niedriger werdend, auf eine Strede von 22 km F
wärtö bis in die Gegend von Apolda binziebt.
bildet nun einen einzigen, in feiner meitl. Hälfte
ftart bewaldeten Rüden, der durch die Straße Wei:
mar-Sömmerda in den weitlihen großen und öft:
lien tleinen E. getrennt wird. Er gehört durchaus
der Muſchellalkformation an. Die Ausficht von der
ftedter Ede gilt für eine der ſchönſten in gan
i Auf dem E., befonders auf dem na
imar zugelehrten Abbang des Heinen E., waren
die Lieblingsfpazierwege Herderd. Auf der meitl.
Hälfte feines Kammes liegt das in den Jahren 1706
bis 1738 erbaute groß ersopl. de und Luſt⸗
ſchloß Etters burg, auf welches acht Waldalleen
Dabei befindet ſich das ſehr alte Dorf
burg (229 €.) mit einem Kammergut und
einer i, und ein 27. Dt. 1901 eingeweibter
— Andreas, Freih Math
en, Andreas, Freihert von, e⸗
matiler und Phyſiler, geb. 26. Nov. 1796 zu Heidel⸗
berg, wo fein Vater, damals Major im dfterr.
Generalftab, jpäter General, ftationiert war, bes
trieb zu Wien neben dem Beſuch der Univerfität
auch militär. Studien und legte in der Schule des
‚ Bombardierlorps den Grund zu feinem ma:
Wiflen. 1822 wurde er zum Profeflor der
böbern Ma til an der Wiener Univerfität er:
— N — in
nalyfis» (Wien 1 und die « ungen über
die höbere Mathematik» (2 Bde., ebd. 1827) erreg:
ten damals die Aufmerkjamleit der gelehrten Welt,
279
Von 1826 bis 1832 gab er mit A. Baumgartner
die «Zeitjchrift für Phyſik und Mathematik» (Wien)
heraus. 1834 tie er die mathem. mit der
hyſil. Profeffur und 1837 zeigte er der Natur:
orſe ammlung in Prag die von .- fon:
truierte und nad ihm benannte magneto⸗eleltriſche
tajhine, eine namhafte Verbeflerung der von
na (1832) erfundenen. Seit 1844 widmete er
ic ganz der mathem. Phyſik, auch hatte er be:
deutenden Anteil an der Errichtung einer Alademie
ber Wiſſenſchaften (he) beren er. da Generalſekre⸗
taͤr er war. 1848 folgte er bei der Reorganiſation
ber Ingenieuralademie zu einer Art militär. Hoch:
ſchule dem Rufe ala Profejjor der höhern Mathe:
matik, Phyſik und Mechanik an diefer Alademie,
1852 ward er an das Wiener Polytechnikum ala
Profeſſor der höhern In any an Ko und
1853 zum Direktor des — ilaliſchen Inſtituts in
Wien fen. Er ſtarb 25. Mai 1878. Sein Lehr:
buch «Anfangsgründe der Phyſiko (4. Aufl., Wien
1860), deſſen erſte Auflage 1844 een, zeichnet
ich durd Originalität und präcife Faſſung aus, Er
trieb ferner «Die Principien der heutigen Phyſil⸗
ien 1857) und bearbeitete mit Baumgartner defjen
«Raturlehre» (7. Aufl., ebd. 1842).
Ettingshanfen, Konſtantin, Freiherr von, Bald:
ontolog und Botaniler, Sohn des vorigen, geb.
16. Juni 1826 zu Wien, ftubierte hier Medizin und
Botanik, 1850 berief ihn Haidinger an die Geo:
logiihe Reihsanftalt, wo ihm die Aufgabe zu teil
wurde, die Lageritätten foffiler Pflanzen in Öfter:
reich zu unterfuchen und den gewonnenen Pflanzen:
has zu bearbeiten. E. wurde 1854 Profeſſor der
otanik und mediz. Naturgeſchichte an der Joſephs⸗
alabemie in Wien und nad) deren Aufhebung 1870
an die Univerfität Graz verjeht, wo er 1. —*
1897 ſtarb. 1878—80 wurde er vom Britiſchen
Mufeum in London zur Unterfuhung der dor:
tigen Sammlungen fojfiler Pflanzen berufen. €.
veröffentlichte in den «Abhandlungen der Geolo:
giſchen Reihsanftalt» fomwie in den «Denticriften»
und «GSitungsberidhten» der Wiener Alademie
eine Reihe Arbeiten, von denen hervorzuheben
find: «Die Tertiärfloren der öfter. Monardie»
(1851), «Die tertiäre Flora von Häring» (1852),
«Die Steinloblenflora von Radnitz» (1854), «Die
of Im von Bilin» (1866, 1868, 1869), «Die
ojjile Flora von Sagor» (1872), «Die foffile An
von Leoben» (1888) und allber neue Pflanzenfoſſilien
aus den Tertiärfhichten Steiermarfs» (1898). Bon
IubRänbigen Werten E.3 find anzuführen: «Photogr.
Ibum der Flora Oſterreichs (Wien 1864, mit 173
photogr. Tafeln), «Die Blattflelette ver Dilotyledo⸗
nen» (ebd. 1861, mit 95 Tafeln in Naturjelbftprud),
«Die Farnkräuter der Jehtwelt» (ebd. 1865, mit 180
Zafeln in eg « Phyſiographie der
Medizinalpflangen» (ebd. 1862) und mit Pokorny
«Physiotypia plantarum austriacarum. Die Ge:
abpllanzen Oſterreichs in Naturjelbftorud» (2 Be.
ert, 10 Bde. Rupfertafeln, ebd. 1856— 73).
lingen. 1) Amtsbezirk im bad. Kreis Karls:
rube, hat 183 qkın und (1905) 27986 E. in 19 Ge
meinden. — 2) Hanptitadt des Amtäbezirts E.,
7 km füplih von Karlärube, in 186 m Höhe, am
—— des romantiſchen Thals der Alb und an
der Linie Heidelberg⸗ * der Bad. Staatsbahnen
elegen, mit Straßenbahn (3km) nad dem Bahn:
of, Sik des Bezirlsamtes, eines Amtögerichts
(Landgericht Rarlörube) und zweier Bezirlsforſteien,
280
bat Refte alter Stabtmauern, (1905) 8669 G.,
darunter 2308 Eva ". und 66 Söraeliten,
Boftamt zweiter Sue, ath. Schullehrerfeminar,
—* Bürger: und Mädchenſchule, Gewerbeſchule,
dnigl. Unteroffizierſchule (im Schloß), Vorſchuß—⸗
und Sparverein, ſtädtiſches Krankenhaus, private
Heil: und Pflegeanftalt; Gasbeleuhtung und Waſ⸗
jerleitung. Die mertwürbigften Gebäude find: das
alte fürftl. Schloß, 1728—33 erbaut, mit großem
Garten auf dem Grunde eines röm. Kaftells,
1689 von den Franzofen rliedergebrannt und im
Anfange bes 18. Jahrh. neu gebaut, die 1689 zum
Zeil erhaltene und wieder ausgebaute kath. Pfarr:
firhe, die neue prot. Kirche, das Rathaus und
das neue fhöne Knabenſchulhaus, vor welchem
ein jhönes Kriegerdentmal fteht. Die Bevölte:
rung betreibt Hopfen, Tabaf:, Obſt⸗ und Wein:
bau, verbunden mit —— Es beſtehen drei
Papierfabrilen, eine Altien⸗Baumwollſpinnerei
und Weberei (1200 Arbeiter, 30000 Spindeln),
— mt Färberei, Bleicherei und Appretur:
anftalt, Bergament:, gr Ham und 3 Kunſt⸗
müblen, 2 Eifigfabriten und Viehmärkte. — E. ift
aus einer röm. Niederlafjung hervorgegangen und
witd 788 urlundlih als Ediningom en da:
mals bejtätigte Otto I. dem Kloſter Nee m urg das
Batronat und E. fein Marktrecht. 1227 kam E. durch
einen Güteraustaufc mit Kaifer Friedrid II. an Ba:
den, deſſen Ei fe zeitweije die Pfarrrechte dem
Klofter Yichtentbal überließen. 1459 wurde die Pfarr:
firche in ein Stift verwandelt, das bis 1585 beſtand.
Im 17. Jahrh. wurde E. zerftört, aber jpäter wieder
aufgebaut. Im Spanifhen und Polniſchen Erb:
[plgetviege wurde E. befannt durch die Ettlinger
inie, die von bier bis zum Rhein gerogen wurde.
Bei E. wurde 9. und 10. Juli 1796 Moreau vom
Grzberzog Karl befiegt. — Bol. Schwarz, Geſchichte
der Stadt €, (farlör. 1900—2).
Ettmäller, Ernft Mor. Ludw., Germaniſt, geb.
5. Dit. 1802 zu Gersdorf bei Löbau in En.
ftubierte 1823 — 26 zu Leipzig, habilitierte ſich
1830 in Sena, ging 1833 ala Profefior der
beutfhen Sprache und Litteratur an das Gymna⸗
fium zu Zürih und war dort zugleich, feit 1863
ausſchließlich, an der Hochſchulet np Er ftarb
15. April 1877 in Unterftraß bei Zürid. Bon fei-
nen zahlreihen Ausgaben mittelhochdeutſcher und
mittelniederdeutfher Dihtungen find beute höch—
end . braudbar «Heinrih& von Meißen des
auenlobes Leihe, Sprüde n. ſ. mw.» (Queblinb.
1843) und «Heinrich von Veldele» (Lpzj. 1852). Da:
gegen bat E. in «Sant Oswaldes leben» (Zür. 1885),
den «ubdrunliedern» (ebd. 1841), in dem «Maere
von froun Helchen sünen» (ebd. 1846), «Drendel
und Bride» (ebd. 1858) u. a. bie **
Methode höherer Kritik und eigene willlürliche
kritiſche Grundſähe fo unglücklich angewendet,
daß dieſe Arbeiten wertlos ſind. Mehr Ertrag
brachten feine angelſächſ. («Lexicon anglosaxoni-
cum», Quedlinb. 1851) und altnorb. Studien, die
er namentlih verwandte, um altgerman. Sagen
und zen in Überfegungen belannt zu machen:
ieber ber Edda von den Nibelungen» (Zür. 1837),
«Beomwulf» (ebd. 1840), «Altnord. Sagenſchatz⸗
(ebd. 1870). Die Form des Stabreims fuchte E. auch
in einer felbftändigen Dichtung «Deutihe Stamm:
tönige» (Zür. 1844) wieder zu beleben, der er
(anonym) zwei hbumoriftifche Epen: «Rarl d. Gr. und
das fränf, Jungfrauenbeer» (2. Aufl., ebd. 1847) und
Ettmüller — Etymologie
«Das verbhängnisvolle Zahnweh, oder Karl d. ®r.
und der beil. Goar» (ebd. 1852), folgen ließ. Sein
«Handbuch der deutſchen Litteraturgejchichte» (2.
u bat einen gewifjen Wert dadürch, daß es bie
angelfädi., altnord. und mittelniederländ. Poeſie
mit berückſichtigt, während die novelliſtiſch und
dialogiſch eingelleidete Litteraturgeſchichte «Herbit-
abende und Winternächte» (3 Bpe., Stuttg. 1865—
67) verfeblt ift.
Etto, ital. ———— für das griech. Helto bei
Mapbezeihnungen, 3. B. Ettogramma für Helto:
gramm, Ettolitro für Heftoliter u. ſ. w.
Ettrick, Kirchſpiel im ſudl. Teil der jchott. Graf:
ſchaft Sellirk, im Thale des Fluſſes E., hat (1901)
331 E., ift befannt durch den ſchott. Voltsdicter
James Soga (f. d.), genannt der Ettridihäler.
— Ettrid Forkit iſt ein alter Name der Graf:
ſchaft Seltirk, im 16. Jabrh. ein drevier.
Etty, William, engl. — . 10. März 1787
zu ort, befuchte jeit 1807 die Akademie in London,
wo er Schüler von Lawrence war. Ein durd) eigen:
artige Farbenwirtung Aufſehen erregendes Bild:
—— der Kleopatra, begründete 1821 feinen Auf.
Sein Hauptwerk, die befdichte ber Judith in drei
Bildern (1831), wirkte durch Außerft geſchidt ange
bradtes Hellduntel. E. war ein Meijter in der
farbigen Wiedergabe des Fleiſches, infolge der Ans
wendung von Asphalt in der Farbe find aber jeine
Bilder jegt ſchon fait alle — Gr ſtarb 13. Nov.
1849 in York. — Val. Gilcrift, Life and letters
of William E. (2 Bde., Lond. 1855).
@tüden (frz. ötudes, ſpr. etübd, d. i. Studien),
in der neuen Muſik folbe Stüde, die zur Übung
und Ausbildung in der Technil irgend eines In—
ftrument3 verfaßt find. Der eigentliche Zwed der
E. ift, Paflagen, Figuren und Verzierungen fo
durdzuführen, daß ber Studierende fie in allen
Lagen und Wendungen beherrſchen lernt. Doc ift
vielfach der Ubungsſtoff fo verarbeitet, daß ein muſu
taliich abgerundetes, gebaltvolles Tonftüd entiteht.
So ift es gelommen, dab man fogar €. für Salon
und Konzert fomponiert bat. Für E. rein technifcher
Art gebrauht man aud den Ausdrud Exercices
Übungsftüde). Die ältere Zeit bat für die E. ver
hiedene Namen: Job. Seb. Bad nennt ein Heft
Klavieretüden «nventionen», Händel bringt E. ald
«Variationen» u, ſ. w. Die Litteratur der €, iſt
neuerdings fehr angewachſen; klaſſiſche Bedeutung
durch Bereinigung von Kunjtgehalt und inſtrultivem
Ebaralter haben die ältern E. für Klavier von Era
mer, Glementi, die neuern von Chopin und Mo
(deles ; technifch bedeutend find die von Ezerny und
ertint. Ihnen entfpreben auf dem Gebiet der
Violine die von Rode, Kreußer, Campagnoliu.a.—
n der Zeichenkunſt beißen €, die Vorlags⸗ oder
bungsblätter, 5.8. en
Etui (fr., fpr. etüib), Befted, Futteral, Behälter
für Heinere Gegenftäne.
Etuz (ipr. etüb), Dorf im Kanton Marnay, Ar:
rondiſſement Gray des franz. Depart. Haute-Saöne,
15 km nördlich von Befangon, am —** bat(1%1)
185 E. — Hier wurde nach beitinem Kampfe 22. Dit.
1870 von der 2. bad. Infanteriebrigabde der fiber:
gang über den Ognon erzmungen.
twashaufen, Borkadt von RKigingen (ſ. d.)
N 3 ie Wiſſenſchaſt, die dat
moldgie (grch. die Willen ‚die
etymon,d.b.bas ie. das x entlich zu Grunde
Liegende fucht), der Teil der Sprachwiſſenſchaft,
Etel — Eu (Stadt)
ver von der Ableitung der Wörter durch Zerlegung
in ihte Bildungsbeitandteile handelt. Dieje find
die d. b. der Teil, dem die Bedeutung an:
de jtammbildenden Suffire, die den Begriff
der in beftimmter Weiſe mobdifizieren, und
die Flerionsendungen, welche die Beziehung bes
Borted im Sage angeben. 3. B. griechiſch pösis
(Gemabl) hat als Wurzel po- (beihügen), -si- giebt
die Bedeutung einer handelnden on, po-Bi-
Beihüger), -s ift Nominativendung. Die Löfung
dieſet Aufgabe ift meift nur möglich, wenn e3 ge
(ingt, die Worte auf ihre Orumalorm, d. b. auf den
älteften erreihbaren Zautbeftand, zurüdzufübren;
es gehört aljo zur E. genaue Kenntnis der geſchicht⸗
lien Entwidlung der Laute von der ältejten Zeit
an. iebt es eine wiſſenſchaftliche E. erft
feit dem Auflommen ber ne —
Sprachwiſſenſchaft im 19. Jahrh. Die Neigung,
den Urjprung der Worte zu juchen, ift zwar ſehr
alt (eins der belannteften ältejten Beifpiele ıft Platos
«ftratylos»), allein die olog. Verjuche der griech.
und röm. Örammatiter find mijenjcafti wertlos,
fie beruben auf willtürlihen Einfällen, zufälligen
Gleihllängen und führen nur durch Zufall bier
und da zu richtigen Refultaten. Sammlungen der
€. griech. Grammatiter enthalten das ſog. «Etymo-
logicon magnum» aus dem 10. abıh, (bg. von
Splburg, Lpz. 1816, und von Baistord, Orf. 1848)
und das ältere «Etymologicum graecae linguae
Gudianum » (bg. von Sturz, Lpz. 1819) u.a. Eine
kurze Geihichte der ältern E. giebt Curtius, «Grund:
züge der griechiſchen €.» (5. Aufl., Lpz. 1879) in
der Einleitung. Nachdem durch Bopp und Grimm
die richtige Unterlage für etymolog. Forſchungen
—— war, erſchienen Potts «Etymolog. For:
chungen auf dem Gebiete der — Spra:
ben» (2 Bve., Lemgo 1833—36; 2. Aufl., 5 Bde.
Detmold 1859— 74). Die etymolog. Durbforihun
des gejamten Indogermaniſchen bezweckt auc id,
«Bergleihendes Wörterbuch der indogerman. Spra⸗
ben» (3. Aufl., 4 Bde., Gött. 1874— 76; 4. Aufl.,
Bd.1u.2, ebd. 1891 — 94). Ein«Handbud gas.
&.» (4 Boe., Lpz. 1901—2) veröffentlichte L. Mever;
die neuhochdeutſche Sprache behandelt Kluge, «Ety:
rain £ orterbuch der deutichen Sprache» 6 Aufl
Straßb. 1893— 94). (S. auch Vollsetymologie.)
@pel, we. Bergrüden und Er der Sihl⸗
in den Glarner Alpen (f. Weitalpen B, 11)
ım ſchweiz. Kanton Schwyz, erhebt ſich zwiſchen der
Sihl und dem Züriher See mit dem Hochekel,
ungefähr 6 km nördlich von Einfiedeln (f. d.), zu
1102 m Höbe.
ar (althochdeutſch Azzilo oder Eyzilo; nor:
diſch Ali), der Name, unter dem der Hunnenlöni
Attila (j._d.) in der deutſchen Heldenfage a
tritt, Im Nibelungenliede refidiert er, der zweite
Batte von Siegfried: Weibe Kriembild, in Etzel⸗
burg (Dfen oder Gran) inmitten einer gro
Schar von Helden (darunter der verbannte Dietrich
von Bern) ald milder gütiger Fürft. Die norbiiche
Sage ſchildert ihn als überaus habgierig; aus Hab-
fuht bat er die Brüder jeined Meibes Gudrun
(= Ariembild) getötet und wirb von ihr aus Rache
erihlagen. Diefer ug fnüpft an die geſchichtliche
Thatfahe an, dab Attila in den Armen eines ger:
man. Weibes Ildico (Hildchen) ftarb.
Egel, Franz Aug., anfangs Degel, fpäter
D’Epel,dannı von E.genannt,preuß.Generalmajor
Eohn eines irijchen figers, geb. 19. Juli
‚| Brennerbabn, ftarb aber noch vor deren
281
1783 zu Bremen, wurde Apothefer, jpäterhin Berg:
mann, trat 1810in das brandenb.Ulanenregiment, in
dem er an den Feldzügen 1813 und 1814 teilnahm.
Dem Feldzug 1815 wohnteerald Generaljtabsoffizier
im Blücherfchen Heere bei. Nach dem Frieden wurde
€. vorzugsweife mit geodätifhen Arbeiten beſchäf⸗
tigt, —— die optiſche Telegraphie zwiſchen Berlin
und Koblenz ein und bereitete ſpäterhin die Ein:
führung der elektriihen Telegrapbie vor. Er fchrieb
unter anderm: «Erdkunde fürden Unterricht» (3 Teile,
Berl. 1817—22) und « inlebre» (Bd. 9 der
«Handbibliothet für Offiziere», in 3. Aufl. Berl. 1850
erſchienen). €. er 26. Dez. 1850 zu Berlin.
Epel, Gottlieb Chriftian Eberh. von, Wege
baumeifter, geb. 15. Dez. 1784 zu Stuttgart, wurde
1807 Wegeinfpeltor, 1808 Sean ig a &
leitete den Bau der Gebirgäftraße von Munſingen
nad Ehingen, wurde 1817 Mitglied des Oberbau:
follegiums und 1819 techniſcher Rat im Mini:
fterium des Innern, in welder Stellung er das
Straßen: und Brüdenbaumejen Württembergs re:
or — Auch baute er die Gebirgsſtraße
«Weinſteige⸗ bei Stuttgart (1822 -80), die Do:
naubrüde bei Ulm (1827—32), die Enzbrüde bei
Befiabeim und die Nedarbrüde bei Gannitatt. €,
ftarb 30. Nov. 1840. j
N Karl von, Sohn de3 vorigen, Arditeli
und Eiſenbahningenieur, geb. 6. Jan. 1812 zu Heil:
bronn, befuchte die Gewerbefchule zu Stuttgart und
—— in Paris und England. Dann war er als
enieurin Frankreich b sartigt und fiedelte 1839
nad Wien über, mo er an der «* — arbei⸗
tete und das Dianabad bei Wien baute. E. wurde
1843 als Oberbaurat nad Stuttgart berufen, ent⸗
warf ein Eifenbahnneg für Württemberg und über:
nahm die Leitung der Linie Plohingen-Stuttgart-
Heilbronn; aud) redigierte er feit 1844 die «Eijen:
—— ». 1853 folgte er einem Rufe nad
Bafel als Oberingenieur der Schweizeriſchen Een:
tralbahn. Nebenbei baute er unter anderm das
Bantgebäude in Bafel. 1857 wurde E. Baubdireltor
der Raifer-Franz:Xofeph-Drientbabngejellihaft in
Wien und 1859 Baudireltor der Oſterreichiſchen
Sudbahngeſell en. Er entwarf das Projelt zur
ollendung
2. Mai 1865 in Kemmelbach bei Linz. Seine Büjte
wurde in der Nähe der Station Brenner aufgeftellt.
E. gab heraus: «Brüden und —— ——
Eiſenbahnen⸗ (30 ini in 2 Bon,, ? 1856 —
59), «Oſterr. Eifenbahnen, entworfen und ausge:
fübrt in den 9. 1857—60» (4 Bde., MWien)
Eheld Hofhaltung, Gedicht f. Wunderer.
Eu ſ(ſpr.doh), —— des Kantons E. im Ar:
tondifjement Dieppe des franz. Depart. Seine-In
ferieure, an den Linien Barid:Beauvaid:Treport und
Abbeville-Treport ber Franz. Nordbahn und Dieppe:
€. (33 km) der franz. Weſtbahn, an der Breäle,
38km von deren Mündung bei Treport (f. d.), wohin
ein 3375 m langer und 4 m tiefer Schiffahrtskanal
übrt, hat (1901) 4611, als Gemeinde 5398 E,, ein
ommunal:Collöge, Handels⸗ und Friedensgericht,
ihöne got. Kirche (13. und 15. Jahrh.) mit Gräbern
der Buife und Artois, ein Schloß, Chäteau d'E.
—— Fabrilation von Spitzen, Segelleinwand,
ollſtoffen, Schiffszwiebad, Glas, Papier, Öl und
Seife; Schloflereien, Moll: und Baummollipinne:
teien, Seilereien, Gerbereien, Schneide:, Mahl: und
Gipsmühlen und Ziegeleien, fowie Fiicherei und be:
deutenden Ha — In der Zeit der Kapetinger
282
erſcheint E. unter dem Namen Auga (Auca, Ou) im
Pagus Talon. Die Grafibaft E. wurde im 11. und
12. Jahrh. von einem Seitenzweige des normann.
Konigshauſes beherrſcht undlam fpäter an HeinrihL.
von Guiſe. 1675 fam €. durch Kauf an die ——
von Montpenſier, fiel dann dem Herzog von Maine
zu, von welchem es auf den Herzog von an:
und endlich, nachdem es 1793 fequeftriert und jpäter
Eigentum Napoleons I. gewejen war, an Ludwig
Fade überging. Diefer verwandte viel auf die
erſ eig er im ital, Stilvon rötlihem Stein
aufgeführten Schlofjes jamt deſſen Park von 46 ha,
der zu den fchönften in Frankreich gehört. Der erft:
geborene Sohn des Herzogd von Nemours erhielt
den Titel eines Grafen von Eu (f.d.). Bon 1852 an
gi das Schloß Napoleon LIL.; fpäter lam es in
# des Grafen von Paris, dann des Herzogd von
Orléans. In der Naht vom 11. zum 12. Nov. 1902
wurbe es durch Feuer zerjtört. — Vgl. Therin, Tr&-
port, E. et les environs (Amiens 1874).
En (ipr. db), Prinz Louis Philippe Marie Fer:
dinand Gafton von Orleans, Graf von, geb.
28. April 1842 zu Neuilly als ältejter Sohn des
Herzogs von Nemours und Entel Ludwig Phi—
lipps, wuchs nach dem Sturz ſeines Großvaters
1848) in England und Spanien heran, vermählte
ch 15. Dit. 1864 mit Iſabella, der alteſten Tochter
des Kaiſers Dom Pedro II. von Brafilien, und trat in
die brafil. Armee ein. Schon 1865 wurde er zum Mar:
fhall ernannt. In dem zu. mit Baraguay über:
nahm er 1869 den Oberbefehl über die brafil. Trup:
pen und befiegte ven Bräfidenten Lopez bei Piritebu
(12. Aug.) und bei Caraguatay (15. Aug.), womit
der Kampf beendet war. ce, araguay, Geſchichte.)
Er war Mitglied des brajil. Staatörat3 und ftand
ebenjo wie * Gemahlin — klerilalem
Einfluß. Bei dem Ausbruch der braſil. Revolution
1889 begab E. ſich mit der ganzen kaiſerl. Familie
nad Europa. lebt jest in Boulogne:fur:Seine.
Aus feiner Ehe gingen drei Söhne hervor: Bedro
(geb. 15. Dit. 1875), Ludwig (geb. 26. Jan, 1878)
und Antonio (geb. 9. Aug. 1881).
®n..., griech. Vorſilbe, dem deutſchen wohl...
entjprechend, bezeichnet im Gegen ab zu Dy3... das
te, Angenehme, Normale, efunde u. ſ. w.
Enagdrad, König des cypriihen Salamis aus
dem Haufe der Teufriden, gewann bie Herrſchaft fei:
ner Familie über die Stadt Salamis um 410 v. Chr.
durh einen Hanbftreih zurüd und wurde von
dem perſ. Hofe gegen Zahlung eines Tributs als
ng | anerltannt. Seiner Hugen Bolitit hatte es
der Athener Konon, der nah der Schlacht von
ügospotamoi bei ihm (405) eine Zuflucht fand,
weſentlich zu verdanken, daß dieſer die Führung
der perj. Flotte erhielt, mit welcher er 394 die
—— Seemacht bei Knidos vernichtete. Aber das
treben des E., ganz — ſich zu unterwerfen,
führte allmählich zum Bruche mit Perſien; ſeit
391 v. Chr. wurde E. von den ern als Feind be⸗
—— eroberte jedoch im Bunde mit ÜUghpten und
then faft die ganze Inſel, feste nah Phönizien
über, gewann bort Tyrus und mehrere andere
Städte, und bewog Eilicien, ſich mit ibm zu ver:
binden. Auch nachdem 386 infolge des Antalcidi:
ſchen Friedens die Athener ihre Hilfätruppen zurüd:
ziehen mußten, lämpfte E. noch 10 Jahre (385—376)
gegen die perf. libermadht, nur zeitweije von dlgypten
unterftügt. Zulest ſchloß er unter der Bedingung
Frieden, daß er gegen einen jährlichen Tribut Herr
Eu (Graf von) — Euböa
der Stadt Salamis bleiben und al3 König den Be
feblen des Perſerkönigs Folge leiften follte. Schon
374 wurde E. aber dur einen Eunuchen ermordet.
Von Sokrates ift eine Leichenrede auf €. erhalten,
Enagriod, byzant. Kirchenhiſtoriler, der be:
beutendite Fortjeger des Eufebius, geb. um 536 zu
Epiphania in Syrien, gejt. um 600. Seine Kir
— * (von 431 bis 594) iſt gebrudt bei
igne, «Patrologia graeca», Bd.86, II Bar. 1860),
und mit Einleitung und Anmerkungen bg. von
Bidez und Parmentier (Lond. 1899).
Enämie gb), gute Beſchaffenheit des Blutes,
Euandbrod (lat. Evander) war nad ber
Sage etwa 60 Jahre vor dem Trojaniſchen Kriege
aus Arkadien nah Italien gelommen und batte,
von Faunus gaftli —— da, wo jpäter
Rom ftand, eine Nieder ig Ba Palatiniſchen
Berge(ſ. d.) gegrundet. ſollte die Buchſtaben⸗
kart, den Gebrauch muſilaliſcher Jnftrumente ftatt
nstlofer Hirtenpfeifen, überhaupt Gefittung und
namentlid aud den Dienjt des Gottes Ban mit:
gebradt haben. Am Aventin war ibm ein Altar
errichtet. Daß der Erzählung vom €. altitaliice
Sagen & Grunde liegen, deren Geftalt fpäter durd
griech. Einwirkung verändert worden, darauf deu:
tet bie er. bin, €. fei der er oder Gemabl
der echt ital. Carmenta (j. B) geweſen.
Euagauthia, Stadt, |. Galaribi.
Eubiõtik (grch.), die Kunft wohl (d. i. gefund:
beitögemäß) zu leben.
böa (neugr&. Evvia, jpr. chwwia), die größte
nfel des Königreichs Griehenland im Ülgsiihen
eere, begleitet die Norbküfte von Mittelgriechen⸗
land daepenäber den Landſchaften Lokris, Böotien
und Attila) in geringem Abjtande, ift bei 170 km
Länge durbichnittlih nur 22 km (im Marimum
52km) breit und hat (nad Strelbitjtij) 3775,2 qkm
Flächeninhalt. Sie wird von Thefialien im R
durch den Kanal von Trikeri, von Mlittelgrieben:
land dur den Atalantitanal und den Stanal von
Eretria geſchieden, die fih in der Mitte zu einer
nur 60 m breiten, durch ibre wechjelnden Strö:
mungen belannten Meerenge zujammenzieben, den
Euripos (f. d.), neugrch. Egripo, mit weldem
Namen auch die Inſel felbft im Vollsmunde be
wars wird und aus welchem der ital. Rame
egroponte forrumpiert iſt. E. ift ein durd
einen langgeitredten Einbruch [osgelöftes Stüd des
Feſtlandes, deſſen Gebirge auf die Inſel hinüber
reihen. Sie wird daher von Faltengebirgen er
Ut, welche meift quer über die Längsrihtu
der Inſel von SW. nah ND. ftreichen; im jüb
Drittel befteben fe, als Fortjegung der attijchen Ge
birge, aus kryſtalliniſchem Schiefer und Marmor, in
dem mittlern und nördl. Zeil aus Thonſchiefer, Kall
und Serpentin der Kreideformation. Drei Gebirgs:
Die ragen bejonders hervor, nach welchen ſich dur
nfel in Nord:, Mittel: und Sudeubda teilt. Im R.
das pn mit dem Keron Dros (96 m,
beiden Alten Teletbrion) und weiter ſudlich das Kan⸗
diligebirge (bei den Alten Matiftos, 1209 m). In
der mittlern Gruppe jteigt der rm (bei den Alten
Dirpby3) 1745 m und in der ſudlichen der Dcha (jeh!
St. Eliaöberg) 1475 m hoch empor. An die Gebirge
lagern fich tertiäre Ablagerungen mit Brauntoblen:
zen (bei Kymi) an. „m . bei Adipſos treten
ilfräftige heiße, ſchwefe — Quellen zu Tage.
ortreffliche Weiden und dichte Waldungen, namen!
lich von Weißtannen, bebeden die Seiten der Gebirge
Eubulie — Eucalyptus
e nörblihern Teils der Inſel; in der Mitte findet
—* —— Kaſtan enwaldungen, während
Berge im ©. er anz tabl find. Das Klima
—* geſund, oden in den Thälern und
ebenen gt dh ert und fruchtbar. Haupt:
modutte find Baummolle, Ol, Wein, Weizen, Obft,
‚Seide und Honig. (©. die Karten: Örie:
benland und Das alte Griehenland.)
Die Bewohner der Inſel waren in der älteiten
he N. die theſſal. Heftiäer und Helloper, in der
e die Abanten und Kureten, im ©. die Dryoper;
dann wurde fie, beſonders in der Mitte und im R.,
von Attila aus ionifiert und die Bevölterung feit
dem 4. Jahrb. v. Ehr. durchaus zum ion. Stamme
gerechnet. Urjprünglih von —5— ——
nahm fie frũhzeitig —— erfaſſung a
Die einzelnen Städte wurden ſelbſtändig un
langten zum Zeil zu bedeutender Blüte, Kamentiih
Ebaltis und Eretria. Um 506 v. Chr. wurde Chaltis
und ein großer Teil der Inſel von den Athenern er:
—— = ſchloß Eh ihnen nad den Berjer-
verfudhten die Eubder
bie er — — abzuſchutteln, aber der Kamp
endete 445 mit der völligen Unterwerfung der X e
durch Berilles. Erſt in der zweiten Hälfte des Pelo⸗
vonneſiſchen Krieges vermochten die Eubder mit Hilfe
der Spartaner und Böoter ihre Selbftändigleit wie:
berzuerringen (411 v. Ehr.). Sie behaupteten die:
jelbe bis 338 v. Ehr., ftanden aber in den Kriegen
biejer Periode meijt als freiwillige Bundesgenoſſen
auf Seite der Athener. Nah der Schlacht bei
mußten ſie ſich den Macedoniern unter⸗
werfen, bie en bie Feſtung Challis als wid
tige Fwingburg gegen das mittlere Griechenland
benußten. Nah dem Sturze der macedon. Herr:
ft dur die Römer wurde E. erft der Provinz
onien, jeit 27 v. Ebr. der Provinz Adaia
verbunden. Später ein Be hanbteil des Byzantini⸗
ſchen Reichs, wurde fie bei deſſen Zertrummerung feit
1205 durch lembard. Große (die jog. Terzieri oder
— ) beberriht und zerfiel damals in bie
nien Oreos, Negroponte und Karyſtus;
* ſchon Ki 1a! gewann die Republit Bene:
tier ein beberrijchendes Anjehen und erlangte
—8 1366 den Befis der Inſel. 1470 wurde fie
von den Osmanen erobert, denen fie bis zum Ende
des griech. Befreiungstrieges (1829) blieb.
ge beutigen Königreich Griechenland bildet E.
der Neueinteilung von Fr mit ber Inſel Sty:
08 einen Nomos von 3783 sr N äcdhe mit 20 De:
or und (1896) 106777 €. Derjelbe zerfällt in drei
gzirle (Eparchien): ng —* 8 Karyſtia.
* ſudl. Hälfte bewo Die Haupt⸗
ſtadt des —* und —* des —— (Nom:
arhen) ift Ehaltis. — Bal. Baumeifter, Topogr.
Slizze der Er Euboia übed 1864); Burſian,
Geographie von Griechenland, Bd. 2 in 3 Abteil,
(2p5. 1868— 73); rn ‚Topograpbie und Geſchichte
beit.
N käne (arch. \ es Beraten, Einſicht, ze
Eubälus, Dichter der ſog. mittlern griech. Ko:
mödie, der um 376 v. Chr. lebte und über 100 Stüde
verjaßt baben fol. Deren Inhalt bildete neben
Barodien von Mythen — Spott auf Dich⸗
ter, insbeſondere Euripided. Die Fragmente des
E. fteben i in der Ausgabe der «Comicorum Attico-
rum ta» von tod, Bd. 2 (2pz. 1884).
8, atben. Staatsmann, veranlaßte im
Bundeögenofientrieg 355 v. Chr. den ilten
283
—— ber den Austritt der größten Soc aus
thens Symmadhie beftätigte. Seit 354 v. Ebr. ſtand
er mehrere Jahre ald Schagmeilter an der Spitze a.
attifchen Finanzverwaltung. In einer Zeit, wo
Athens Zukunft alles davon a bing, da ei en
F Eroberu — des macebon. 668 die
a. De Ne fammelten, bielt er daran feft,
daß Veh ülle bes Staates, ftatt wie früher
1" ——— ei verwandt zu erben, an die Ärmern
ürger verteilt —— um ihnen die Eintritts⸗
gelder in die Theater en. Ja 350 v. Chr. er:
Bee er ben PT a der jeden Antrag, die
chauſpielgelder ee) wieder zu Kriegszweden
zu verwenden, mit Todesſtrafe bedrohte. Ein eif:
* Gegner des E. war Demoſthenes; do
— zu ſpät (340—338 v. Chr.), das
zu brechen, deſſen Tod bald darauf
Seine Reden waren im Altertum ir
*
bat ſich nichts davon. — Vgl. A. S ——
nes und — Zeit, Bd. 1 (2. Aufl,
der Meibylefter einer —————
—— wirkt lokal anäfthefierend
und wird daher wie Cocaĩn ai ifhe
Eucalypto ., eine bevoni
Seelilienfamilie, *2 durch 10, je aus 2
übereinander liegenden Stüden gebilvete Ralt:
iheidewänbe u hen den 10 Armen; fie find auf
den Kelch aufgeiebt und über den Armen zu einer
Fin! fürmigen Kronenbede vereinigt.
ncalyptöl, aus dem Cucalyptusöl ——
waſſerhelle Fluſſigleit — 175°, die die
Wirkung des —— . d.) hat.
tus L’Herit., lanzengattung aus
der Familie der xtaceen ( h. d.) gegen 140 faft
fämtlih auftral. Arten: bo äume mit leder:
artigen, immergrünen Blättern und in enbftändigen
Scirmrifpen jtebenden weißen Blüten. Die Euca-
lyptus⸗Arten enthalten reichlich ätherifche Öle und
Harze und faft alle einen roten Saft, ber bei man:
hen Arten von felbit austritt und nad dem Ein:
trodnen als auftral, Kino (f (’ d.) einen wi *
Handelsartilel bildet. —* ung u er
leucoxylon F. v. — . crebra
melanophloia F. v. In neuerer Zeit ift E
globulus Lab., der Ban Gummibaum ober
Gifen-Beildenbaum Victoriad und Tasma:
niens, berühmt geworden wegen feiner außerorbent:
lien "Rafchmüdfigteit und jeines jehr harten und
dauerhaften Holzes und weil er durch feine rajche
Entwidlung zur Entwäfjerung und jomit zur Reini:
ung der Luft in —— en Gegenden beitragen
Bol. Er jr deshal ———
Deutſchland
It dieſer gra — belaubte, sem:
lich ſtark aromatijch duftende Baum im Freien nicht
aus, in Südeuropa un: B. in Stalien, Spa:
nien, Südfranfreich, gedeiht er jehr gut. Er wächſt
fo raſch, daß er binnen fieben Jahren eine Höhe von
20 m und einen Stammumfang am Grunde von
120 cm zu err vermag. Auch der höchſte Baum
der Jetztzeit, der bis über 120 m gemeſſene Riefen:
gummibaum oder id =
ygdalina za gehört zu dieſe hg
ea truftur der Rinde und oberflächlichen —*
teitenin Bezug auf das Holz werden die Eucal zn
Auftralien in verihiedene Gruppen eingeteilt, 3.8.
Ironbark, Stringybark, Box, Gumtree, Mahogany.
Namentlich bi —— ne wegen ihrer
Stärle und Halt tbarleit geichä erner werten
aud) die Mahagonies unter Br Namen neubol:
284
ländifhes Mahagoni oder White Mahogany
ald Baubolz und zu Zifchlerarbeiten vieljah ver:
wendet, jo von E. resinifera Sm. (f. Tafel: Myr:
tifloren, Fig. 2), botryoides Sm., robusta Sm.
Noch wertvoller find E. diversicolor F. v. M.
(Rarribaum) und bejonders E. marginata Sm.
(Dibarras oder Jarrabbaum), beide im füd-
weſil. Auftralien, deren ungerftörbares Holz jetzt viel:
fach zu Holzpflaiter (f. Pflafterung) benugt wird.
Eucalyptusdl, das ätheriihe Ol deö neuer:
bings als Fiebermittel vielfad empfohlenen Euca-
—— globulus DC. Es beſteht aus verſchiedenen
ehyden, aus Pinen (ſ. d. und Cineol (ſ. d). Seine
Anwendung bei Erkrankungen der Reſpirations⸗
organe wird empfohlen.
—— —— Näbrpräparate (Bd. 17).
Hornbiene.
Euchäris, Planzengattung aus der Familie
der Amarpllidaceen (f.d.) mit wenigen in Südame
rila heimijchen Arten. Es find immergrüne Zwiebel:
gewaͤchſe, von niedrigem uchſe, mit breiten Blät:
tern und jhönen weißen — Blüten.
als Zierpflange unter dem Namen E. amazo-
nica Lind. verbreitetite Art ift E. grandiflora
Planch. Ihre blendenbweißen, jehr angenehm
buftenden Blüten haben einen Durchmeſſer von 10
bis 12 cm und fipem zu mehrern auf einem Blü-
tenihafte. Sie werben in der Blumenbinderei ver:
wendet und für dieſen Zwed in niedrigen Warm:
—* entweder in großen Töpfen oder in einem
eizbaren Erbbeete ausgep —— kultiviert. Sie
ge am beiten in einer Miſchung lebmiger
fen: mit erg und werben leicht dur Brut:
—— vermehrt. Der Herbſt iſt ihre natürliche
lütezeit, doch Abt ſich era durch geeignete Kultur
en zu andern Jahreszeiten und in einem Jahre
or nehmt Blüben der Pflanze erzielen.
Gattung der Rippenquallen, mit
großem Nundlappen, anggeftielten Taftpapillen,
mit einer Anzahl Heinerer und zwei großen Fang⸗
fäden. Die einzige Art (E. multicornis Eschsch.)
wird gegen 25 em groß, lebt im Mittelmeer und
den wärmern Zeilen des Atlantiſchen Dceans. fiber
ihre Azur sad Diſſogonie.
Euchaäͤris, der 181. Planetoid.
Euchariftie (grch.) Dankſagun
der Liturgie der alten Kirche das lgebet, bas
Matth. 26,26, 27) der Konſelration des rotes und
eines im Abendmahl vorberging und teils auf
die allgemeinen Wohlthaten Gottes, teild aber auf
ben Segen der Erlöjung ſich bejog, Am mweitern
Sinne bedeutet E. die gefamte Abendmahlsfeier
oder auch die fonjetrierten Elemente, Brot und Wein.
Euchariftik (grch.), die Lehre vom Abendmahl,
Cuceläon tch.), Gebetsöl, in der griech. er
eine der Letzten Olung ber röm. Kirche ähnliche Gere
monie, die ſich auf Jal. 5, ı4 gründet.
Euoheuma Ag., Algengattun aus der Öruppe
der Rhodophyceen f. d.). Es jind rajenförmig
wachſende, reich verzweigte Algen, meift an ben
—— t. z — an ten. Einige Arten, wie E.
nb E. gelatinae Ag., werben ala
Öemife g geaen und bilden außerdem in neuerer
eit im Berein mit andern Algen ald Agar: Agar
. d.) präpariert einen wichtigen, zur Herjtellung
— Gallerten u. dgl. benusten Handelsartilel.
Euchinin, der Üthultoblenjäureefter des Chi:
* e, die durch
hplefter auf Eis
= Gebete; in
nins, farb» und geſchmack
Einwirku tung von Gblortoblenfäureät *
Eucalyptusoöl — Eudämonie
nin erhalten werben. @. wirft wie Chinin, aber
obne deſſen unangenehme Nebenwirtungen, und
wird wie Chinin, namentlich bei Reuchbujten und
Qungenentzündung, angewendet.
uo o us, ber langarmige Bin
—— f. Roſenläfer und Tafel: Käfer J, Fie.2.
Euditen, ſ. Maſſalianer.
Euchologlon (grch.; er Trebnik), das
Hauptritualbuch der ried. Kirche, entbält die drei
Liturgien des Chryſoſtomus, des Bafilius und die
der vorher geweibten Gaben, die Feiern des Drtbros
(ſ d.) und des Heiperinos (f. d.), die Sakramente,
die Ordnungen für das große und Heine Schema
(f. d.), ver A Formen für den Hagiadmos
(1. d.) und viele Gebete. Gedrudt wurde das €. zu
erit 1526 in Venedig und fpäter oft, 1703 in Bulareſt
und 1808 in ftonjtantinopel (offizielle ——*—
griechiſch und lateiniſch von Jalob Goar, Baris
1647 und Venedig 1730, ins Ruſſiſche üb
Petrus Mogilas 1646, ind Deutſche von
kai (3 Bde., Wien 1861—62) und zum aroßen
eile von A. von Maltzew (Berl. 1890 u. 1892).
Euchri (türt.), Euhry, ein Zebntel; Eudri:
jira’, Decimeter (O,ı m), Eudbri:dirbem, Deci⸗
gramm (0,1 g).
Euchröma, eine Gattung tropifh-fübamerit,
Prachtläfer (f. d.) mit nur einer Art (E. gigantea L.),
die eine der belannteften brafil. Fre us Das
6—7 em lange Tier it rotbrauntupfrig glänzend
mit goldgrünem Saum.
Eucdrön, eine duntelbfaue, in Altalien mit roter
Farbe löslihe Subftanz, bie durch Reduktion aus
der Euhronfäure, einem Imid der Mellithfäure
von der Zufammenfegung C,,H,N,O,, entjtebt und
an der Puit in diefe umgemanbelt wird.
Euchry (türf.), ein eine (f. Eudri).
Enden, Rudolf Ebriftopb, A por opb, ”
5. Yan. 1846 zu Aurich in Dftiriesland, ‚fie
1863—67 in Göttingen, 5 1867—71 als Gym:
nafiallebrer und wurde 1871 als ord. —5— der
hiloſophie nach Bafel, 1874 nach Jena berufen.
ſchrieb unter anderm «Die Methode der Ariftote
er Forfbung» (Berl. 1872), « Geicicte der
Terminologie» (2pz. 1879), «Über Bilder und
Blei nifle inder Bbilofopbie» (ebd. 1880), ——
zur Geſchichte der neuern Philoſop a vorne
der deutjchen» (Heidelb. 1886), «Die Philoſo hi
des Thomas von Aquino und die Kultur der Neu:
zeit» (Halle —X «Die Lebensanſchauungen der
großen Denter» (4. Aufl., Lpz. 1902), «Der Kampf
um einen geijtigen Lebensin alte (ebd. 1896). Auf
bem Gebiete der —— Philoſophie ſuchte €.
eine jelbftändige Überzeugung zu entwideln durch die
Schriften: «Die Grundbegriffe ver Gegenwart, bifto:
riſch und kritifchentmwidelt» (2pz.1878;2. Aufl. 1898),
«Prolegomena zu Forſchungen über die Einheit des
Geifteslebens» (ebd. 1885), «Die Einheit des Geiſtes
lebens in Bemwußtjein und That der Menſchhbeit⸗
(ebd. 1888), ee —— der Religion⸗
Euoo * Copepoden. (ebd. 1901).
Eucykliſch (ar nennt man folde Blüten,
bei venen fämtliche Blattkreife (f. Blüte) gleichzablis
find und die Teile eines jeden Blattkreiſes mit denen
des vorbergebenden und folgenden abwechſeln.
t von
Eudämdnie (grh.), Glüdjeligteit - Eus
dämonismus, die Richtung in ber ilo⸗
iopbie, die die Glüdjelinteit ala hoch = "Prindp
des Handelns betrachtet; Gudämontit, der Ber
treter diejer Richtung.
Eubes — Euborus
1601, geit.1680, ftiftete 1643 zu Caen eine Genoſſen⸗
daft von Jeſus und Maria — zu von Mif
honen und zur Zeitung von Seminarien. Dieje Welt:
peterlongregation, gewöhnlich die der Eudijten
genannt, tft fait nur in Frankreich verbreitet. Aus
der 1640 von E. geitifteten, 1651 von Innocenz X. bes
kätigten Genoſſenſchaft der Schweſtern ( Damen)
von Unjerer Lieben Frau von der hriſt—
liben Liebe (Saurs de Notre Dame de Charite
du refuge) oder Schweſtern von St. Midhael
it, die Menibaft der Frauen vom guten
Hirten (f. d.) hervorgegangen. E. war aud ein
Hauptbejörberer der Andacht zum Herzen Mariä
4. eſu). — Bol. Pinas, Der ehrwürdige
Bater E. (aus dem Franzoſiſchen, Salzb. 1890).
@udialht, ein rbomboedrifch mit dem Boltantens
wintel von 73° 80’ troftallifierendes, Be große
Individuen, auch körnige Aggregate bildendes Mi:
neral mit bafıfcher Spaltbarteit, Glasglanz, dunkel
prfihblütroter bis bräunlichroter Farbe, der Härte
5 bis 5,5, dem fpec. Gewicht 2,84 bis 2,85, von der
——— 6 . “ Si, Zr, 0,5) + NaCl.
Durch Salzjäure wird Kiejelfäure : Gallerte abge:
ſcdieden. E. findet ſich mit Sodalith und Zirton im
Spenit von Kangerdluarfut in Grönland, auf der
* Sedlovatoi im Weißen Meere, zu Magnet
in Artanfas, auch bei Brevig in Norwegen
(braumer fog. Eutolit).
‚Eudiometer (grch.), LZuftgütemeffer, Hilfe:
mittel = —— des Sauerſtoffgehalts der
atmoſphaͤriſchen Luft. Das Verfahren heißt Eudio⸗
metrie, Luftgutemeſſung. Es kommt dabei im all⸗
gemeinen darauf an, daß man einer genaueſt ge:
enen oder gemogenen Menge atmafpbär.icher
Luft mittels leiht orydierbarer Materien (Pbos:
pbors, erbigten Eiſens, Kupfers, glübenden Waſſer⸗
ſtoffs u. |. w.) den Saueritoff entzieht, dann aus
der Gewihtözunabme des orydierten Stoffs die
Saueritoffmenge berechnet und das Gewicht jenes
zwurüdbleibenden Stickſtoffs beftimmt. Im mweitern
Sinne bezeichnet man aud jede Analyſe der atmo:
ſphäriſchen Luft als Eudiometrie. (©. eg gen
und Luft.) Das einfacjite E. ift — bei dem
Endes (ipr. ohd), Jean, franz. Prieſter, fe
nach Volta (1777) durd ein gemeſſenes Gemenge
atmofpbärifcher Luft und Waflerftofis ein elettriicher
dunte geleitet wird; es verbindet ſich dann aller
vorhandene Sauerjtoff mit einem Teile des Majler:
e s zu Waſſer und ein Drittel der eintretenden
olumenverminderung jened® Gasdgemenges giebt
das Bolumen des vorhanden gemwejenen Sauerftoffs.
Eupdiften, j. Eudes, Jean.
Eudo, Odo, Herzog von Aquitanien (688—
735), war unabbängig vom Fränkischen Reich, ſchlug
721 die Araber, welche Touloufe belagerten, und
bebauptete fich gegen fie, bis er, geſchwächt dur
einen unglüdlichen Krieg gegen Karl Martell, 732,
von ihnen zur eg u den Franken gezwungen
wurde, Unter Karl Dlartell bank er dann bei
Tours und Poitiers mit und bebielt fein Land
unter der Dberbobeit Karla, Seine Söhne fuchten
kb unabhängig zu machen, erlagen aber 769,
@ndo, Graf von Paris, ſ. Odo.
Eudofia, Alia, byzant. Kaiſerin, ſ. Athenais.
Eudokla, Malremb olitiffa, byzant. Kaiſe—
rin, bie Tochter des Johannes Makrembolites, eines
vornebmen Byzantiners, war berühmt durch ihre
Ehönbeit, ihre Gelehrſamleit und ihre feine helleni⸗
Ide Bildung und wurde die zweite Gattin des Kon⸗
285
ftantin Dulas, der 1059 ala Konftantin X. den
Thron beitieg. Ronftantin ernannte fie 1067 kurz vor
—— Ende zur Regentin, worauf E. im San. 1068
omanos (IV.)zum Gatten nahm. Als fie ih 4 Jahre
darauf weigerte, auf die Intriguen ihres sy
Johannes Dulas und bes Michael Pſellos (. d.) ein:
ugehen und den beim Kriege gegen Alp Arsları
1071 gefangenen, aber dann befreiten Romanos
der Herricaft verluftig zu erklären, wurde fie durch
Dulas verhaftet und als Nonne in ein von ihr er:
bautes Klofter am Bosporus ** Das ihr
lange —— unter dem Namen «Jonia⸗
oder «Biolarium» belannte biftor.:mytholog. Hand:
buch (bg. von Flach, — — wird von der mo⸗
dernen Kritik als das Werk eines Fälſchers des
16. Jahrh. betrachtet. «Eudociae Augustae, Procli
Lyeıi, Claudiani carminum graecorum reliquiae»
gab Ludwich Em 1897) heraus. — Bal. 9. Flach,
ie Kaiferin E. Makrembolitiſſa (Tüb. 1876); derf.,
Unterfuhungen über €. und Suibas (Lpz. 1879);
Buld im « eö», XVII; derf., De Eudociae
quod fertur Violario (Straßb. 1880).
@udöra, der 217. Planetoid.
Eudogia, byzant.Raiferin, bie Tochter des fränt.
Generals Bauto, wurde 27.April8395 n. Chr. mit dem
jungen byzant. Raifer Arcadius vermäbhlt. Bei der
Willenlofigteit ihred Gatten erlangte fie erheblichen
Einfluß auf die Bolitit des Reichs und war wejent:
(ih mit beteiligt bei dem Sturze des Eutropius
(Yan. 899) durch den got. General Gainas. Ihre
Eitelteit brachte fie naher in harten Konflikt mit
dem Patriarhen Johannes Ehryfoftomus, deſſen
Berbannung nad Kappadocien fie im Juni 404 er«
jielte. Sie farb bald darauf (6. Okt.) noch ziemlich
jung. — 20 Thierry, St. Jean Chrysostome et l’im-
peratrice Eudoxie (2. Aufl., Bar. 1874); Gulden⸗
penning, Geſchichte des oftröm. Reiches unter den
Kaiſern Arcadius und Theodofius II. (Halle 1885);
Hobglin, The dynasty of Theodosius (Orf. 1889).
Eudogia, Licinia, die durch Schönheit mir
zeichnete Tochter des byzant. Kaiſers Theodoſius
und der fhönen Atbenerin Athenais (f. d.), wurde
422 n. Chr. in Konstantinopel geboren und 29. Dit.
437 die Gemahlin des weitröm. Kaiſers Valen—
tinian III., der dabei verpflichtet wurde, Yllyrien
—— Schwiegervater abzutreten. Als aber Va—
entinian (f.d.) 16. März 455 ermordet worden war,
wang fie der Senator Petronius Marimus, ihm
ihre Hand zu reichen, Bon ihm felbft r E. nun
feinen Anteil an Valentinians Untergang und rief
nad der Überlieferung den Bandalentönig Genie:
rich (f. d.) heimlich um Hilfe an, der bei der Blünde:
rung Roms 455 die Kaiferin mit zwei Töchtern ala
Gefangene nad) Karthago führte. Grit 462 bemog
der byzant. Kaiſer Leo I. den Vandalentönig, die ge
gene Raiferin nad Ronftantinopel zu entlafjen.
ubozia fFeodorotwna, —— von Rußland,
Tochter des Bojaren Feodor Lopuchin, erite Ge
mablin Peters d. Gr. feit 1689 und von ihm Mutter
des Alexej Petromwitich (f. d.), warb 1698 in ein
Klofter verbannt. Später in den Prozeß des Bares
witfch Alerej verwidelt, wurde fie in ein Kloſter bei
Schluſſelburg gebracht; erſt ald *3 Entel Peter IL.
den Thron beitieg, durfte fie nah Moskau fommen,
wo fie 7. Sept. (27. Aug.) 1731 ſtarb. — Bol. Fürftin
Schabovstoy, Drei ruf. Frauengeftalten (deutſch
dogin, |. Noſophen. [Heibelb. 1902).
Ka pn aus Knidus, Aftronom und Philos
fopb, geb. um 408, geit. 855 v. Ebr. zu Athen,
286
Schüler des Archytas und Blatos, deſſen Atademie
er eine Zeitlang angebörte, nachdem er jchon vorher
in Kyzikos eine Schule geleitet hatte. Bon allen
griech. Philoſophen und Aſtronomen fcheint er zuerſt
—— Vorſtellungen über die Krümmung der
Erdoberfläche ** zu haben. Wiewohl er, wie
es ſcheint, die Meinung von der Kugelgeſtalt der
Erde nicht auszufprehen wagte, bat er doch diefer
Anſicht wabhrjcheinlih den Weg aebabnt. Er jtellte
die Aufgabe vom «golbnen Schnitt», verfaßte das
erjte Lehrbuch der Stereometrie, fchrieb über Ber:
bültniszablen, begründete die Ühnlichkeitslehre und
teilte den Himmel in Sternbilver ein, Seine Werte
jind verloren. Aus einigen erhaltenen Brudftüden
haben Ideler und befonders Schiaparelli feine Theo:
rie der bomocentrifhen Spbären, durch melde er
die Ungleichbeit der Blanetenbewegung zu erklären
trachtete, wieder — verſucht. In der Ethil
erllärte er die Luſt für das höchſte Gut. — Bal.
Schiaparelli, liber die homocentriſchen Sphären
des E., bes Kallippus und des Nriftoteles (deutſch
von W. Horn, in der «Zeitfchrift für Mathematik»,
XXI, Supplement 101—198, 1877).
Eudromias, Vogel, ſ. Regenpfeifer.
Eu er, Vogel, |. Koal.
tes, eine Gattung der Pinguine mit 15
antarktiichen Arten, mit ziemlich räftigem, plumpem
Schnabel, teilweife mit befonderer, ftärler entwidelter
Kopfbefieverung.
Eudjtes, veralteter Name der Seetaucer (j.d.).
Enuemöroö, — Schriftſteller, ſ. Eubemerus.
Euerdorf, Marktflechen im Bezirfsamt Ham:
melburg des bayr. Reg.: Bez. Unterfranfen, 5 km
von Kifjingen, an der Fränliſchen Saale, Sit eines
Amtsgerichts (Landgericht Schweinfurt), bat (1900)
876 E,, darunter 18 Evangelifche, (1905) 892 E.,
Bofterpedition, Telegrapb, ſchoͤne got. Kirche, Di:
ftriftsjpital; Landwirtſchaft und Weinbau.
Euergétes (grch.), Wohlthäter, Beiname bes
ägypt. Konigs Ptolemäus II. (ſ. Ptolemäer).
Euegie (arc.), das Wohlbefinden.
Enfanla (ipr. jufabld), Stadt im County Bar:
bour im norbamerif. Staate Alabama, ſüdöſtlich
von er auf einem Bluff (f.d.) des Chat:
tabootcheeflufies, ift Eiſenbahnknotenpunkt, bat
(1900) 4532 E. Baummwollwaren: und Baummoll:
ölfabrilation, ein Female College und Handel mit
Baumwolle und Früchten.
Eugämmon, griech. Dichter, j. Cylliſche Dichter.
Euganden, Euganeiſche Hügel, Colli
Euganei, audy Monti isolati oder Paduani, pul:
laniſche Gebirgsgruppe im nördl. Italien (j. Karte:
Dber- und Mittelitalien), faft in Dreiecks—
geftalt, etwa 15 km von N. nad S. mefjend, 12 km
idmweitlih von Padua, zwiichen Abano und Eite,
Diefelben find, wie die 20 km entfernt im NW,
gelegenen Bericiihen Hügel (f. d.), völlig iſoliert
aus der venet. Ebene aufgeitiegen. Der Trachyt
bat bier die Kreideihichten gehoben. Das Gebirge
bildet zwei Öruppen mit dem 589 m hoben Monte:
Benda und dem 387 m boben Gero und iſt dur
feine zablreihen Schwefel: und Salzquellen, welche
zu wichtigen Badeanftalten gefaht find, und durch
die treiflichen Quabderfteine wichtig. Die E. haben
den Namen von einem den Etruäfern verwandten
Vollsſtamme, der wabrjcheinlich bier wohnte.
Eugen, Name ven vier Päpften:
E. L, ein Rönter, wurde zu Lebzeiten des ver:
bannten Martin I. 652 von Voll und Klerus Roms
Eudromias — Eugen
(Bicelönig von Italien)
gewählt, aber erft 654 vom Raifer anerkannt. Ber:
geblic bemühte er fih um Beilegung der mono:
theletifhen Streitigkeiten. Er ftarb 657 und murbe
heilig ‚gelproden; edächtnistag 2. Juni.
‚€. U. (824—827), ein Römer, räumte dem Kaiſer
ein Dberaufihtsreht über die Papftwahl ein:
Klerus und Bolt verpflichteten ſich, daß jeber frei
gewählte Bapft vor feiner Konjelration dem Katjer
den Eid der Treue leifte. Eine Synode zu Paris
1. Nov. 825 ſprach ſich gegen die Verehrung der
Bilder aus und erhielt die päpftl. Genehmigung.
Eine Synode zu Rom im Nov. 826 gab Ver:
fügungen zu ftrengerer Handhabung der Kirchen⸗
zudt und Förderung theol. Gelehrjamleit.
€. II. (1145-53), ein Pifaner, Schüler Bern:
hards von Clairvaux, vorher Abt im Eiftercienier:
Elofter des heil. Anaftafius zu Nom, mußte aus
Rom flüchten, weil das von Arnold (f. d.) von
Breſcia aufgeregte Volk die weltliche Herrſchaft dei
Papſtes Basen und die Republit aufrichten wollte,
gi na iterbo und lonnte erft nad) längern
andlungen in Rom einziehen, mußte es aber
don 1146 wieder verlaflen. Er zog dann nad
arid und Trier, kehrte 1148 nad Italien zurüd,
erzwang, mit Hilfe des Normannenfürften Roger
von Sicilien den Einzug in Rom, mußte aber jhon
1150 den Republitanern wieder weichen, lebte bann
meift zu Segni und ftarb 8. Juli 1153 in Tivoli.
€. veranlaßte den zweiten erfolglofen Kreuzzug.
Der beil. Bernhard richtete an E. die Schrift «De
consideratione sui libri V» (deutjc bearbeitet von
Reintens, Münit. 1870), worin er ihm ein ideales
Bild firhlicher Hierarchie vorhält und ihn ermahnt,
der Verweltlihung der Kirche entgegenzumirten.
€. IV. (1431—47), aus edig ſtammend, bie
eigentlich Gabriel Condolmieri, und mar ſeit
1408 Biſchof von Siena und Kardinal. Er war
fromm und jittenftreng, aber ohne polit. Klugbeit
und Feitigleit des Willens. Die Verwandten fei:
nes Vorgängers, die mächtigen Eolonna, reizte er
u offener Auflebnung, woraus ein Bürgerfrieg
hervor ing, der E. zur Flucht nad Floren ran
Das Bafeler Konzil (f. d.) iprad die Ab —
über ihn aus und wählte Felix V. zum — * do
elang es E. durch Verlegung des Konzils nach
Ferrata (1437) und von da nad) Florenz und durch
nterhandlungen mit den einzelnen Fürften feine
Stellung zu behaupten. In König Sigismund batte
er einen mächtigen Freund, aber unter deſſen Rad:
folger Albrecht IL. wurden in Deutfchland durch
die Acceptationsurtunde (26. März 1439) die Be
ſchluſſe des Bafeler Konzil® angenommen. Eril
unter Friedrich III. (feit 1440) gelana ed dem
äpftl. Geheimfchreiber Aneas Sylvius (fpäter
Bopft Pius IL) durd gefhidte Unterhandlungen
die deutfchen Fürften für E. zu gewinnen. Diefer
mußte fih zwar verpflichten, die Defrete des Kon:
ftanzer Konzils über die Würde eines allgemeinen
Konzils zu behttinen, den Beſchwerden der deutſchen
Nation abzubelfen, die abgefegten Erzbifchöie von
Köln und Trier zu reitituieren und die während be?
Bafeler Konzils in Deutſchland erfolgten Berleibun:
gen kirchlicher Amter zu beftätigen ; aber ſchon 6. Febt.
1447 erflärte er in der «Bulla Salvatoria» alle Ju:
aeftändnifie für ungültig, die dem päpftl. Stubl nad:
teilig werben könnten oder gegen die Lehre der Väter
ftritten. — 2 Abert, Papft E. IV. run 188).
Eugen (Beaubarnais), önig von
Stalien, f. Leuchtenberg, Herzog von.
Eugen (Prinz von Savoyen) — Eugen (Prinz von Schweden)
Eugen, Prinz von Savoyen, öſterr. Feld:
ter und Staatämann, geb. 18, Dit. 1663 in Paris
ald der jüngfte von den fünf Söhnen des Prin⸗
zen E. Morig von Savoyen:Carignan, Grafen
ven Soiſſons, und der Olympia Mancini, einer
Tihte des Kardinals Mazarin. Mit 10 Jahren
ihon im Beſitz des Titelö und der Einkünfte eines
Abbe, bewarb ſich E. gleichwohl um eine Stelle in
der Armee, jedoch vergeblich. Er ging deshalb nad
Eiterreih, wohin ihm fein älterer Bruder Ludwig
Julius ſchon vorangegangen war, und traf 1683
in dem Augenblid dajelbt ein, als die Türken zur
Belagerung Wiens beranzogen. Mit dem Range
eines Oberiten trat er unter dad Kommando des
Rartgrafen — von Baden. Bei Petronell,
mo ſein Bruder fiel, legte er 7. Juli 1683 zum erſten⸗
mal Proben feiner Zapferleit ab. Er kämpfte dann
12. Sept. die Schlaht mit, die den Eniſatz der
Hauptftabt und die Niederlage der Türken herbei:
führte. Zum Oberſten des Dragonerregiments Kuef:
ftein ernannt, das noch jekt jeinen Namen führt,
folgte er dem Laiferl. Heere nad) —— ee
mit Karl von Lothringen den Sieg bei Gran als
Generalfeldwachtmeifter, on hervorragenden An:
teil an der Einnahme von Ofen (1686) und entſchied
(1687) die Schlacht am Berge Harfan bei Mohacs.
Schon bei einem Sturm auf Ofen leicht verlegt, wurde
er bei der Einnahme von Belgrad (1688) ſchwer ver:
wundet. Durch 6 Jahre fämpfte nun E. in dem
Kriege gegen Ludwig XIV. als Korpsführer im
nordweſil. — egen die Franzoſen. Schon
1693 Fr eldmarſchall ernannt, erhielt er 1696
den jelbftändigen Oberbefehl über das kaiferl. Heer
gegen bie Türken, erfocht 11. Sept. 1697 den großen
Steg bei Zenta und beendigte den Feldzug durch
Fe —— * —— wo er erall die
igung der chriſtl. Benölterung empfing.
Im Spanischen Erbfolgetriege machte ® (1701
den fühmen Zug über die Alpen, fegte bei Garpi
(9. Juli) und Chiari (1. Sept.) über die Frangofen,
gewann eine Reibe von Feitungen und hielt (1702)
den an Zahl weit überlegenen Streitträften Ben:
domes vor Luzzara mitfeinen geſchwächten und durch
die Schlafiheit der Kriegsleitung in Wien verwahr:
loften Truppen ftand. 1703 ließ er ſich das Prä-
hdium des Hoffriegärats übertragen, wandte ſich
mit Energie gegen die Infurreltion des jüngern
Ratdczy in Ungarn, übernahm dann aber bei dem
Vorbringen der bayr.:franz. Armee in Oberſchwaben
den Oberbefehl über das kaiferl. Heer in Deutſch⸗
land und brachte, mit Marlborougb vereint, den
zoſen und Bayern 13. Aug. 1704 bei Höd:
täbt eine vernichtende Niederlage bei. Hierauf
eilte er nah kurzem Aufenthalt in Wien 1705
wieder nad Italien, wo zwar die Schlacht bei
Caſſano, in der E. wieder einen Streifihuß am
Halfe erhielt, — blieb, der Sieg bei Tu:
rin aber 7. Sept. 1706 die gänzlihe Vertreibung
der —— — = talien nad fi 309g. Zum
aiſerl. Generalleutnant und
Stattbalter von Mailand ernannt, führte E., der
damals den durch Peter d. Gr. ihm gemachten Bor:
ſchlag, König von Polen zu werden, ausjchlug,
1707 das Heer der Verbündeten nad Südfrantreich,
vermochte jedoch Toulon nicht zu nehmen. Um io
olüdlicher Lämpfte er während der folgenden Jahre
ın den Niederlanden, mo er und Marlborougbh
bei Dubenaarde (11. Juli 1708) und Malplaquet
(11. Sept. 1709) fiegten und eine Reihe der wich:
287
tigiten und ftärlften Feſtungen, vor allen Bau:
bang Meifterfhöpfung Lille (22. Dkt. 1708) er:
oberten, bei deren Belagerung E. wieder feine
verwegene Tapferkeit mit einem Streifihuß am
Kopfe bezahlte. Erft der Abfall Englands von der
Allianz, der auch durch E.s Reife nah London
im Jan. 1712 nicht abgewendet werden konnte, und
die Dadurch berbeigeführte Schwächung feiner Streit:
fräfte bradıten hierin eine Sinderung hervor. Der
Abſchluß des Utrechter Friedens zwischen den See:
mädhten und Frankreich zwang den Raifer Karl VI.,
auch feinerfeit3 mit Frankreich Frieden zu ſchließen.
Nach längerer Verhandlung mit dem Marſchall
Billard, wobei fih E.s ftaatSmännifhe Talente
im glä aygr Lichte zeigten, brachte er 1714 zu
Raftatt (f. d.) den Frieden zu ftande.
Als 1716 der a a die Pforte wieder aus:
brach, erfocht E. den Steg bei Beterwarbein und er:
oberte Temespär. Im folgenden Jahre gewann er
die blutige Schlacht bei Belgrad und eroberte dieſe
Feſtung. Nach dem — des — —— Frie⸗
dens (21. Juli 1718) kehrte E. nach Wien zurüd und
befleidete nun die vornehmſte Stelle unter ven Rat:
ebern des Kaiſers. Gleichzeitig wirkte er durch feine
Berrlichen Bauten (Belvedere), feine auserlefenen
—— feine Verbindung mit gelehrten Män:
nern aller Länder (darunter Leibniz, der ihm bie Mo:
nabenlehre widmete, J. B. Roufjeau u.a.) in hohem
Grade anregend für MWiflenihaft und Kunft.
den legten Jahren war er insbeſondere für die An:
erlennung der Bragmatifchen Santtion diplomatiſch
thätig. Noch einmal erfchien er 1734 im Felde, ala
fich wegen der Thronfolge in Polen ein neuer Kriea
—— dem Kaiſer und Frankreich use So
unzulanglich waren aber die Streitkräfte E.s, daß es
ſchon ald ein großer Gewinn angejehen werden
mußte, wenn bie Franzoſen außer der Eroberung
PVhilippsburgs keine entſcheidendern se zu ers
ringen vermocdten. Seit der Rüdlehr nad Wien im
Spätherbit 1735 trug er durch feinen dringenden
Hat zum Frieden nicht wenig zu an Abſchluß bei.
Mäbhrend des darauffolgenden Winters vielfach
träntelnd, wurde der Prinz am Morgen des 21. April
1786 tot in feinem Bett gefunden. Mit ihm verlor
Öfterreih den bervorragendften Feldherrn und
Staatsmann, den es je gebabt hat. «Die militär.
Korreipondenz des Prinzen E. von Savoyen» wurde
ba. von Heller (2 Bve., Wien 1848), 1865 wurde ihm
in Wien ein vom Bildhauer Ferntorn gefertigtes
Reiterftandbild errichtet; in Turin befindet fi von
ihm ein Marmorftandbild (von Simonetti).
Bol. Kausler, Das Leben des Prinzen E, von
Sapopen (2 Bde., Freiburg 1838—39); A. von Ar:
netb, Prinz E. von Savoyen (3 Bde., Wien 1858
—59); von Sybel, Prinz E. von Savoyen (Manch.
1861); Feldzüge des Prinzen E. von Savoyen.
Nah den Feldalten ft: vom f. f. Kriegsarchiv
(20 Bde. und Regifter, Wien 1876—93); Dlallefon,
Prince Eugene of Savoy (Zond, 1888); A. Schulte,
Die Jugend Prinz E.,3 (in den «Mitteilungen des
ring ür öfterr. Gefbidhtöforfhung», XIII, F
aurer, Prinz E. von Savoyen (Munſter 1894);
— er €. von Savoyen (3. Aufl., Freib.
i. Br. 1899); Landmann, Prinz E. Die Begründung
— — ðSflerrech· Ungarn⸗ (Münd.
1
Eugen, Prinz von Schweden, Herjog von
Nerite, geb. 1. Aug. 1865, Sohn König Dstars IL,
bat fih als Landſchaftsmaler einen Namen ge
288
madt. Er murbe ausgebildet unter
Paris und dem ſchwed. Maler H. Salmſon, in der
Radierung unter A, Tallberg. Prinz E. malt mit
feinem Naturgefühl die nordiihe Natur bejonders
tn ihren ftillen träumeriihen Stimmungen.
Eugen, Herzog von Württemberg, rufj. Gene:
ral der Infanterie, geb. 8. Yan. 1788 zu Öls, wurde
ſchon 1796 von feinem Obeim, dem Zaren Paul, zum
ruſſ. Oberit und 1798 zum General ernannt. Er ftu:
dierte 1802—4 in Erlangen und widmete ſich dann in
Stuttgart militär. Studien, Den Krieg von 1806—7
in Oftpreußen machte er an der Seite feines Vaters
mit, der das Reſervelorps befebligte. Ende Novem:
ber begab er ſich zur rufj. Armee, wo er dem General
Bennigien beigegeben wurde. Nach dem Frieden
befebligte er eine Brigade, nahm an dem Feldzuge
1810 in der Türlei teil und führte 1812 die 4. Di:
vifion. Infolge jeiner Waffentbaten bei Smolenst
(17. Aug. 1812) wurde er zum Generalleutnant
befördert. Ebenſo ausgezeichnet wie bier bewies er
fih bei Borodino, beim Überfall von Tarutino, bei
Krasnoj und, nahdem er —— den Befehl
über das 2. Armeelorps erhalten hatte, bei Kaliic.
In der Schlacht bei Lügen 1813 dedte er den Rüd:
zug der Armee, in der Schlacht bei Bautzen ver:
teidigte er 20. Mai die Stadt, wies 21. Mai den
Angriff Macdonalds ab, und beim Rüdzuge be
—— er am 22. den Topferberg bei Reichen⸗
ch, bis der Abmarſch der Armee gefihert war.
Nah dem Waffenitillftande bielt er während der
Schlacht bei Dresden die Rüdzugsitraße bei Pirna
befegt und wurde bier von Vandamme, ber _bei
Königftein über die Elbe gegangen war, angegriffen.
Dem Prinzen, nicht Djtermann, gebührt das Ber:
dienft, Vandamme bei Kulm —— und die
Armee gerettet zu —— In der Schlacht bei Leip⸗
zig führte er 16. Dft. eine der vier Angriffskolonnen
und kämpfte bei Wachau in heldenmütiger Aus:
dauer mit furdtbarem Verluft; am 18. vollführte
er den legten Angriff bei Probſtheida. Auch im
gelbau e von 1814 zeichnete er fi bei Bar und
rcid:fur-Aube rubmvoll aus, vorzüglich aber in
der Schlacht bei Paris, wofür er zum General der
Infanterie ernannt wurde. Im Zürfentriege von
1828 befebligte er unter Diebitſch ein Armeetorps.
Für die Dauer des Friedens vom aktiven Dienite
entbunden, lebte er nad dem Tode feines Vaters
auf der Herribaft Karlsruhe in Sclefien, wo er
16. Sept. 1857 ftarb. Er ſchrieb «Erinnerungen aus
dem Selbzuge des %. 1812 in Kußland» (Bresl.
1846) und «Demoiren» (8 Bde., Frankf. a.D. 1862).
— Bol. Nachgelaſſene Korreſpondenz zwiſchen dem
og E. von Württemberg und dem Chef jeines
tabes, Hofmann, 1813— 14 (bg. von Hoffmann:
Chappuis, Cannſt. 1883); von Helldorf, Aus dem
Leben ded Prinzen E. von Württemberg (4 Bbe.,
Berl. 1861—62). — Sein einziger Sobn aus erfter
Ebe war Herzog Eugen Wilbelm Alerander
Erdmann, geb. 25. Dez. 1820, preuß. General der
Kavallerie, erblibes Mitglied des preuß. Herren:
re geit. 8. Ran. 1875 zu Karlsruhe in Ober:
chleſien. — Der ältefte Sohn aus zweiter Cbe, Her:
og Wilhelm Nitolaus, geb. 20. Juli 1828 zu
arlsrube in Obericlefien, trat 1847 in das diterr.
er, Er madte 1849 und 1859 die Feldzüge gegen
talien mit, zeichnete jib im Deutic: Däntiben
iege 1864 bei Överfee aus und führte im Deut:
{hen Ariege von 1866 eine Brigade. 1864 wurde
er Feldmarfchallleutnant und Befehlshaber der
Eugen (Herzog von Württemberg) — Eugenie
lien in | 7. Divifion. Mit diefer rüdte er unter dem Über:
befebl des Generals Bhilippovich 1878 in Bosnien
ein, ſchlug die Aufftändifchen bei Jajce, wurde zum
(djeugmeifter und Gommandeur des 13. Armee
orp3 ernannt und unterwarf das weftl. Bosnien.
Nah Philippovichs Abberufung wurde er 18. Nov.
tommanbierender General der Befagungsarmee und
Chef der Landesregierung von Bosnien und ber
Herzegowina. 1881 wurde er lommandierender Ge:
neral in Lemberg, 1889 in Graz. Dies Kommando
legte er nieder, ald er durch den Tod des Königs
Karl von Württemberg (geft. 6. Dit. 1891) eriter
Agnat des Königshauſes wurde. Er ftarb unver:
mäblt 6. Nov. 1896 in Meran. — Bol. Magirus,
Herzog Wilbelm von Württemberg (Stutta. 1897);
Zeuber, eldzeugmeiiter Wilhelm, Herzog von Würt:
temberg (Wien 1898).
Eugene Eity (ſpr. juhdſchen Bitti), Hauptort
des County Lane im nordamerif. Staate Oregon,
200 kın ſüdlich von Bortland, am Willamettefluß
und an ber Oregon: Ealifornia:Babn, bat (1900)
3236 E. und ift Sig der Staatduniverfität.
Eugenglanz (nad Breithaupt) oder Boly:
bafit (nad H. Rofe), ein jehr wichtiges Silber:
erz, kryſtalliſiert in rhombiſchen, oft jebr bünnen
Zajeln mit einem Prismenmwintel von nabe 1%0°,
weshalb es vormald als beragonal galt; auch derb
und eingefprengt; eiſenſchwarz, in Io dünnen La⸗
mellen rot durdfceinend und optifch: zweiachſig
Härte 2 bis 2,5, milde, ſpec. Gewicht 6 bis 6,35. Die
chem. Analyjen führen größtenteild auf bie Formel
9Ag,S + As,S,, wobei ftatt Silber aud etwas
Kupfer, ftatt Arſen aud etwas Antimon, dazu ge
mwöhnlic etwas Eifen und Zinf vorhanden ift. Der
rien ar beträgt 64 bis 72 Proz. Der €. findet
ich auf den Erzgängen von Freiberg, Joachimsthal,
ndreasberg, Bribram, Schemnis, Guanazuato in
Merito, Idaho, Nevada. =
Eugenia L., Pflanzengattung aus ber Familie
der Myrtaceen (j. d.) mit 625 faft durchweg im tro⸗
pifhen Afien und Amerita, weniger in Afrika ver
breiteten Arten. Es find ſchöne immergrüne Bäume
oder Sträucher mit aromatijh duftenden Blättern
und weißen Blüten, können aber nur im Warm:
ufe kultiviert werden. Viele Arten befinen ebbare
üchte, andere finden in der Bollsarznei Verwen⸗
dung, die Früchte einzelner Arten dienen ald Ge
würz. Die Gattung iſt jehr unficher begrenzt ; einige
rechnen zu ihr auch die Gattung Caryophyllus und
Arten anderer Gattungen. (S. auch Gemwürznelle,
Pimenta und Ebelenblätter.)
Eugenia, der 45. Planetoid.
Eugeniacrinus Goldf., neben Apiocrinas
(f. d.) die eigentümlichfte Seeliliengattung bes
obern Jura, eine ſehr Heine Form von embryonalem
Gepräge, bei welder der Stiel nur aus wenigen
(5—6) langgeftredten, nad der Krone bin an Dide
zunehmenden Gliedern beftebt, die Krone aber nur
aus 15 Deditüden gebildet ift: aus einem Keld,
nicht viel dider als das oberfte Stielglied und viel
türzer, von 5 Bafaltäfelben, und aus den 5Armen,
deren jeder ein unteres und ein großeres eingebogenes
oberes, breites Stüd bat, ohne Anhänge.
Eugenie, Marie von Montijo, ehemalige Kai⸗
ſerin der — geb. 5. Mai 1826 zu Gra⸗
nada in Anvdalufien, zweite Tochter des Grafen
Manuel Fernandez von Montijo, Herzogs von
—— (aeſt. 1839), und der Maria Manuela
irtpatrid von Elofeburn (geit. 22. Nov. 1879 in
Eugenol — Euhemerus
Radriv), ſtammt väterlicherfeit3 aus dem altadli⸗
gen, im 14. Jabrb. von Genua nad Ejtremadura
ausgemanderten Geſchlecht Porto⸗Carrero, das ins
folge von Verjhmägerungen die Namen Guzman,
Cirvoba, La Gerda, Leira noch zu dem feinigen bin:
wiegen durfte und bie drei Grandenwurden erjter
Kafie von Teba, Banos und Mora vereinigte.
Turb ibre ebenfall3 in Andalufien geborene Mutter
gehört fie zu einer jchottifchen kath. Familie, Die nad
dem Sturz der Stuarts flüchten mußte. Ein Ge
rüht (vgl. Rauroy, Les secrets des Bonaparte,
Bar. 1889) bezeichnete fie ald Tochter der Königin
Ehriftine von Spanien und von biejer noch vor
ihrer Bermäblung mit Ferdinand VII. geboren.
Abwehielnd in Frankreih und England erzogen,
verlebte E. den größten Teil ihrer Jugend auf
Reifen mit ihrer Mutter, unter dem Namen Gräfin
Teba. Auf den Feiten Napoleons, die er als Prä-
hident im Elyſte gab (1851), madıte fie viel Auf:
jeben durd die Grazie ihrer Erfcheinung, und nad
feiner Erhebung zum Kaijer lenkte Napoleon III,
der vergeblid um die Hand von Prinzeflinnen
aus europ. Dynaſtien angehalten, feine Wahl auf
die ihöne Gräfin. Am 29. Jan. 1853 fand bie
Eiviltrauung in den Zuilerien ftatt, am 30. Jan.
die firliche Einjegnung in der Notre⸗Dame⸗Kirche
zu augen Am 16. März 1856 wurde fie von einem
Sobn entbunden, der den Namen Napoleon (f. Na:
roleon, ine Louis Jean Joſeph) und den
Titel Haiterliher Prinz ( — impérial) erhielt.
Bei der Abreiſe des Kaiſers zum ital, Feldzug
(1859) erbielt fie die Reichsregentſchaft übertragen,
und auch während der Reife des Kaiſers nad} Algier
im Mai und Juni 1865 war fie Reichsverweſerin.
Vielfah wurde ihrer Cinmijhung der größte Teil
der Schu dan dem Deutſch⸗Franzð hr, Kriege von
1870 unY 1871 zugejchrieben, doch bat fie Sybel in
der «Berründung des Deutihen Reichs durch Wil:
beim L», Bo. 6 und 7 (Münd. 1894), von dieſem
Vorwurf im mejentlichen entlaftet. Bei dem Aus:
brud des Krieges wurde fie wieder zur Regentin
ernannt, mußte aber infolge der Revolution, die
bei der Nachricht von der Gefangennahme des Kai⸗
ſers ausbrad, jhon 4. Sept. 1870 die Tuilerien
verlafjen und begab ſich 8. Sept. nah England.
Seit 9. Jan. 1873 Witwe, lebt fie ald Gräfin von
Bierrefonds meiſt zu Farnborough. — Vgl. Clara
ſchudi E., Kaiſerin der Franzofen m dem
Rormweg. des Erich Holm, Lpz. 1892); de ano, His-
toire a: »cdotique du second empire. L’impera-
trice E..genie Bar. 1900).
Eug?nöl, Eugenjäure, Nellenjäure,
C.. H,s O,, ein zu den Phenolen zu rechnender Kör⸗
OCH,
per von der Formel C,H, nn Es ijt der me:
5
ſentliche, fauerftoffbaltige Beftandteil des Nelken:
ols (j. Gewürznelte) findet fih außerdem in dem
ätherijcken imentöl, im Simmetblätteröl und an:
dern. „ ur Darjtellung des E. wird Neltenöl mit
tonzent::erter Kalilauge gejhüttelt, mit Wafjer ver:
dünnt das nicht gelöite Ol bejeitigt und die allas
liſche "ung dur Säure zerjegt, worauf ſich das
E. als ölige Schiht abſcheidet. Letztere wird in
einem &strome eines indifferenten Gaſes rektifiziert.
Das C. ift eine farbloje oder gelblice, ſich an der
Luft b>tunende, ftark lichtbredhende Flüfligkeit; es
ist den Geruch des Neltenöls, hat das —* Ge⸗
wicht I— 1,m0 und ſiedet bei 201 -268*. Dry:
Brechaus· Konverfationd-Leriton.. 14. Aufl, R. A. VL
289
diert man das E. in altalifher Löfung mit über:
manganfaurem Kalium, jo liefert es Banillin.
Durch Erhisen mit Altalien auf höhere Temperatur
gebt E. in Iſoeugenol (f.d.) über. Es ift ald Oleum
Caryophyllorum offizinell und wird zum Parfüs
mieren von Zahnpulvern und Zahntinkturen und
gegen tariöfe Zähne verwendet.
genfäure, ſ. Eugenol.
Eugippius, lat. Kirchenſchriftſteller, bejchrieb
511 das Leben des heil. Severinus (f. d.), mit dem
er lange im Donaulande zwiſchen Baljau und Wien
elebt hatte, in einfacher, vollstümlicher Sprache.
— hatte, in einfach tstümlicher Sprach
as durch die getreue Schilderung von Land und
Leuten wichtige Wert wurde zulegt bg. von Knöll
(im «Corpus scriptorum ecclesiasticorum lati-
norum», Bd. 9, Wien 1885), überfegt von Ros
denberg (Gejchichtichreiber der deutichen Vorzeit,
Fl 55, Berl. 1878). — gl Brunner, Das
Leben des Norilerapoitel St. Severin von feinem
Schüler E. (Wien 1879).
Euglöna, Gattung der Geißeltierchen (f. d. und
Tafel: Urtiere, dig. 5).
gubinifche Tafeln, die jieben ehernen Ta:
—— in deren Seren allein ein ——
enlmal der umbriſchen Sprache (ſ. Umbrer ſowie
Italiſche Völker und Sprachen) erhalten iſt. Sie wur⸗
den 1444 zu Gubbio, dem alten Iguvium in Umbrien,
im Mittelalter Eugubium genannt, aufgefunden und
werben noch jebt dort aufbewahrt. Die Schrift ift
auf fünf Tafeln die umbrifche, die von der etrus:
fiihen wenig verfchieden ift, auf zweien und einem
Teil einer dritten die lateinische; den Inhalt bilden
Vorfchriften über Aufpizien, Sühngebräuche, Dpfer,
Beiträge zu den Opfern und Berteilung des Opfer:
ee omwie Gebetöformeln. Die Tafeln in ums
riſcher Schrift find etwas älter als die mit lateini-
ſcher und dieje wiederholen in ber Hauptjadhe, was
auf einer von jenen fteht. Die E. T. ftammen ficher
aus vordriftl. Zeit, wahrſcheinlich aus dem 8. oder
2. Jahrh. v. Ehr.; früher wurde ihr Alter oft be
deutend überfhägt. Philipp Bonaruoti machte fie
zuerſt eg in Dempfterö «De Etru-
ria regali» (2 Bde., Flor. 1723 — 24). Ein ge
naues Abbild der Inſchriften gab zuerjt Lepfius in
den «Inscriptiones umbricae et oscae» (Lpz.
1841), eine gründliche und ausführliche Arbeit über
Sprade und Inhalt der Tafeln haben Aufrecht und
Kirchhoff in ihrem Werte «Umbriſche Sprachdenk—
mäler» (2 Bbe., Berl. 1849 —51) geliefert. Einen
weitern Fortſchritt in der a. bezeichnen das
Wert von Michel Breal, «Les tables Eugubines»
* 13 * nach —— — der Inſchriften,
t. 1875) und Büchelers Arbeiten, die jetzt in
feinen «Umbrica» (Bonn 1883) find,
Eugublum, der mittelalterlihe Name
Gubbio (f. d.).
Euhemerismus, ſ. Euhemerus.
Euhemerus (griech Euemeros), nach gewöhn⸗
licher, aber unbewieſener Annahme ein Bhilofopb
der Eyrenaifhen Schule und Schüler des Atheijten
Theodoros, lebte am Hofe des macedon. Königs
Kaſſander (311— 298 v. Chr.) und juchte zu zeigen,
daß die von den Griechen als Götter verehrten Weſen
ausgezeichnete Menſchen geweſen jeien. Dieje Art,
die alten Sagen zu erllären (Euhemerismus),
—* im Altertum vielen Beifall; ſie wurde nament⸗
ich auch von den Kirchenvätern zur Belämpfung
des alten Götterglaubens benubt, Auszüge aus
feiner Schrift «Hiera anagraphö», d. i. Heilige Urs
19
von
2%
lunde, finden fi bei Diodor, Bruchſtücke aus ber
vom röm. Dichter Ennius verfaßten liberfekung
oder aus einer Bearbeitung derfelben bei Lactan
tius. Die Fragmente des Werkes find gefammelt
von Mefleling in feiner Ausgabe des Diodor (Bd. 2,
Amfterd. 1746), von Müller in den «Fragmenta
bistoricorum graecorum», Bd. 2 (Par. 1853) und
von Nemethy (Budapelt 1889). — Vgl. Gerlach,
fiber die heilige Gefhidhte des E. (in den «Hiftor.
Studien», Bd. 1, Gotha 1841); Gauß, Quaestio-
nes Euhemereae (ftempen 1860); Sierola, De Eu-
— er —* nk om
1 ; Gruppe, Die griech. Rulte un then (Lpz.
1887); Sreinpart in ber li emeinen Encyllopäbie»
von Erſch und Gruber, I, Bo. 89,
Euiohthyes, wahre Fifche, ſämtliche File
m't Ausnahme der Lanzettfiichchen und Kreismäuler.
Eukairit, ein derb in feinlörnigen Aggregaten
belanntes bleigraues, weiches Mineral, dad nad
der Formel CuAgSe oder Cu,Se, +Ag,Se ie ammen:
geieht ift. Der E. fand fi zuerft zu Skriferum in
mäland (Schweden), dann nörblid von Tres Bun:
ta& in der Wüfte Atacama ſowie mehrorts in Chile.
Euklas, gelb, grün:, blau: oder mweißgefärbtes,
aft oder ganz durchſichtiges Mineral, das nur ſehr
elten in Ser, in einem Chloritfchiefer von Boa:
ifta in Brafilien und in einigen Goldwäſchen am
Ural in lofen Kryſtallen gefunden worden ift, ſich
auch einmal auf einer alpinen, wahrjcheinli aus
ten Raurifer Tauern ftammenden Stufe zeigte. Das:
ſelbe kryſtalliſiert monollin mit äußerft volllommes
rer Elinodiagonaler Spaltbarteit, ift etwas härter
al& Quarz und bat das fpec. Gewicht 3,1. Es bes
ſiehl aus etwa 42 Proz. * äure, 85 Thonerde,
17 Beryllerde und 6 Proz. er, das erft in ſtar⸗
ter Gluhhitze — wird (H. Be, Al Si.O..).
Säuren greifen E. nit an. Vereinzelt kommen
namentlid in Rußland, geſchliffene €. in den Handel
und werben, wenn fie grün oder tief blau find, mit
Liebhaberpreifen bezahlt (Aber 200 M. pro Karat).
Eukleia, die griech Göttin des Ruhms, welche in
Athen einen Tempel hatte, — €. iſt auch Beiname
der Artemis.
Euklides (Eukleides), von Megara, gen.
zbilefoph, einer der ältejten Schüler des Sokrates,
bildete nach deſſen Tode eine Zeit lang den Mittel:
unft des So en Rreifes und gründete die
egariſche Schule(j.d.). Er verknupfte die Eleatifche
Moilofopbie mit der Sotratifchen, indem er das
feiende Eine der Gleaten dem Guten gleichſeßzte,
es zugleih auch Gott, Vernunft oder Befinnung
(phröndsis) nannte, Die Tugend iſt ſchlechthin eine
und beſteht nur im Wiſſen des Guten; die vielen
Tugenden find nur verſchiedene Namen einer
Eade. Nur das eine Bute ift überhaupt; mie €.
von allem Übrigen, fomit Nichtfeienden, dachte, ift
unbelannt. In den Beweiſen gegen die Realität
ber Sinnenmwelt ſcheint er fih an den Eleaten Zeno
(1. d.) angeſchloſſen zu baben. In feiner Schule bildet
die Dialektit fih zur Eriftil (fopbiftifhen Streit:
tunft) aus, woher die Schule fpäter auch bie
eriftiiche heißt. — Pal. Zeller, ilofopbie der
Griehen, Bd. 2, Abteil. 1 (4. Aufl., Lpz. 1889).
Euffides ( Gutleides), der Eponymos (ber
erite Archon) unter den neun Ardonten, die Ende
Sept. 403 v. Ehr. in Athen nah dem Sturze des
dur die Dreißig Tyrannen eingeleiteten oligardi:
* Syſtems neu gewählt wurden. Da in demſelben
abre durch das Gejeg des Archinus das ion. Al:
Euichthyes — Eulen (Raubvögel)
pbabet in den öffentlichen Urkunden ftatt des biäber
gebräuchlichen altattiihen eingeführt und dadurch
in Griechenland allgemein gebräuchlich wurde, heist
es gewöhnlich das euklidiſche Alpbabet.
-uffides (Eufleides), grieh. Matbematiter,
ftudierte zu Athen in der Platoniſchen Schule und
begann um 300 v. Ebr. unter Btolemäus Soter in
Alerandria Mathematik öffentlib zu lehren. &
bat die damals belannte reine Mathematik in jet
nen «Glementen» (Stoicheia) mwiflenjchaftlib zu
jammengeftellt, welche allen äbnlihen Werten bi
auf unfere Zeit zum Vorbild gedient haben. Aus
durch eigene Unterfuhungen (Data, Borismata) bat
er die Grenzen der Matbematif erweitert, wie man
befonders aus Pappus’ (f. d.) Sammlung erfiebt.
Ausgaben feiner fämtlihen Werte beforgten Gre
gory (Orf. 1703), Beyrard (3 Bde,, Bar. 1814—18)
und Heiberg und Menge (7 Bbe., Lpz. 1883-86;
Euppl. 1899). Die ältejte grieh. Ausgabe feiner
«Stoicheia», die auf einer im 4, re: n. Ebr. ver:
anftalteten Revifion berubte, erjhien (1533) zu Ba:
jel, diejelbe gab heraus Auguft (2 Bode., .18%
— 29); ind Deutjhe wurden fie überfeßt von Lorenz
(Halle 1781; zulekt ba. von Hartwig, ebd. 1860), die
« Dedomena» oder «Data» von Wurm (Berl. 18%).
Die vielleicht nicht unmittelbar von ibm berrübren
den «Anfangägründe der Mufil» (Rudimenta mu-
sices) gab Pena (Par. 1557) heraus. — Vgl.Eantor,
E. und fein Jahrhundert ( Br 1867); Heibera, Lit:
terar:geihichtlihe Studien über E. (ebd. 18881
Eufolit, Mineral, ſ. Eudialyt.
Eukraſie (arch.), eigentlich «gute Mifchungs der
Körperjäfte (im Gegenſatz zur Dyskrafie); dann
glüdlihes Temperament.
Eufräte, der 247. Planetoid,
Eufrit, ein von ©. Nofe benanntes
geitein, das aus einem Froitallinifch-förnigen @&
menge von Anorthit und Augit beitebt, denen
accejjorifh Dlivin, Hornblende, Epibot und
fies zugejellen lönnen, Man tennt ältere und jün
gere E. Gritere, die zu den Diabafen gebören,
durchſehen 3.3. den Kohlenkall von Garlingford in
Irland, leßtere die Schichten der untern Kreibde bei
a no in Mähren gangförmig, bilden aber
auch, fo auf Island, echte bafaltifhe Lanaftröme,
Es iſt bebeutungsvoll, daß gewiſſe —
diejenigen von Stannern in Mähren, von
im Depart. Ardeche u, a.) die nämliche min
Zufammenfeßung zeigen wie die €.
Euläbes, Bogelfamilie, ſ. Stare.
Eulalia, Silberbergwerl, j. Santa Eulalia.
Eulampis juguläris L., der Strabllolibt,
f. Kolibris nebit Tafel, Fig. 4.
Eule, Hobe, Gipfel des Eulengebirget (j. b.).
Eule, czech. Iflove, Stadt in der öfterr, Bezirke
hauptmannſchaft Königliche Weinberge in Böhmen,
öftlich vom Einfluffe der Sazama in die Moldau, an
der Linie Cerdan Piſely-Wran der Öfterr. Staat
bahnen, eine der älteften Bergftäbte von Böhmen,
deren Berabau auf Gold unter Kaiſer Karl Vi. eine
jäbrlihe Ausbeute von 1500000 Dufaten lieferte,
Sitz eines Bezirlsgerichts (273,19 gkm, 20196 uch.
G.), bat (1900) ald Gemeinde 2556 «geh. €, und
ein altertiimliches Rathaus. Nad ber —
der Stadt durch die Huffiten wurde der Bergbau
wieder unter Maria Therefia aufgenommen.
Eulen (Strigidae),eine FamiliederRaubvögel,
bie durd die infolge der nächtlichen Lebensweiſe er
worbenen Gigenfhaften deutlich gelennzeichnet iſ.
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Eulen (Schmetterlinge) — Eulenberg
gie 8. find für die Zwece der nächtlichen Er or⸗
291
Eulen (Noctuidae), eine Familie von Nacht⸗
fhmetterlingen mit über 2500 Arten, wovon
allein auf Europa etwa 1000 kommen. Diele
Schmetterlinge haben einen dicht behaarten, runden
garniert, denn ihr Jeidenartiges Gefieder gejtattet
er geräufchlojen 9. Ihr Kopf ift groß und
die Augen jebr groß und nabezufammengerüdt,
—— ve und ſcharf, von der Wurzel
zn gelrümmt und faft ganz zwiſchen den Federn
gertedt, die ig bis an die Zehen befiedert und
gut ſeht Äharfen Krallen bewaffnet. Ihr Ohr fängt
IN) ae auf, indem bei den meiften
ine Art Dhrmuſchel durch einevor den Obröffnungen
yeripringende, mit einem franz jteifer Federn be:
e Hautfalte gebildet wird, und der Bau ihres
es macht ſcharfes Sehen im Dunteln möglid.
er tennt man mehrere am Tage *
ende Gulenarten. Jedoch gleichen ſich alle in Ber
ichung auf ihre Ernahrungsweiſe als Raubvögel,
nu nur friſch getötete Tiere zur Nahrung wäh:
Im. Die ftärtern (bei und nur der Uhu) ——
og rer bis zur Größe eines Hafen oder Vögel,
die ſchwächern leben von Mäufen, Maulwürfen,
Reptilien, Fiſchen und Inſelten. Ein Eulenpaar
vertilgt , zumal wenn es Junge bat, mehr Mäufe
als 10 Rapen zufammen. Die unverdaulichen Refte
er Nahrung werben als jog. Gewölle ausgewor⸗
fen. Die Färbung aller ift er aber feine Zeich⸗
nungen ſchmücken dennoch ihr efieder; die arftifche
Shneeeule N} d., Nyctea nivea Bonap., |. Tafel:
Eulen, Fie. 1), ift im Alter rein weiß, jung grau:
braum gebänbert.' Die E. find in zahlreichen Arten
über die ganze Erde verbreitet. Dem Bolte find fie
von jeber unbeimlid erſchienen, teils infolge ihres
morieiligen nädtlichen Lebens, teild wegen ihres
llagenden Geſchreies und des wunderlichen Anjebens
ihres Kopfes und Auges, teild endlich wegen ihrer
Lichtſcheu undibres jonderbaren Betragens bei Tage.
Insbeiondere wird dad Kauzchen oder ver Stein:
faua (Athene noctua So) ogar für einen Bor:
boten Des Todes gebalten. Die Alten fanden in ihnen
den Ausdruck des Ernſtes und Denkens, und daber
war die füdeurop. DmstenDennte (Asio scops L.,
ig. 3) der Minerva gebeiligt. Mebrere Arten laſſen
leicht rum, nd aber —— Geſell—⸗
chafter. Die E. find allen andern Bögeln verhaßt
und werden genedt, mo fie fich bei —* laſſen.
dieſen —— benutzt der Vogelfaänger, der zwi:
iben feine Zeimruten den Walblauz jest, während
der Fäger gi der Kräbenbütte den
Deutjchland befist 9 Arten, von welchen der Uhu
(1.d., Bubo maximus L., ig. 4) die größte, bie ges
meine Schleiereule (j.d.,Strix flammea L., Fig.2)
aber die jhönfte und gemeinfte ift. Man unterſchei⸗
det drei Hauptgruppen: die Ohreulen (Buboninae)
mit Federbuſcheln an den Obren, wozu der Uhu, die
Baldohreule (Asio otus, Otus vulgaris Flem.,
Fig. 6) und Zwergohreule gehören; die Räuze(Ulu-
Iinae) ohne Obrbüfchel, mit mebr oder minder voll:
Rändigem Schleier, wozu der Waldkauz (f. d. Syr-
nium aluco L., Fig. 5), die Schneeeule, der Stein:
lauz, die Sperlingseule (Athene passerina L.), der
amerit. Prairielauz (Speotyto) gerechnet werben;
ie Schleiereulen (Striginae) ohne Obrbüfcel,
mit vollftändig geſchloſſenem Schleier und duntel:
braunen bis ſchwarzen Augen, deren bekannter
ertreter die gemeine Scleiereule iſt. Alle E. legen
Bein weiße Eier und niften in alten Krähenneſtern
Sder in Baum⸗ und aa de por Die zoolog. Bär:
on beherbergen in der Regel die genannten Arten,
ir mit Mäufen und Ratten oder mit Pferdefleiſch,
Ns mit Haaren vermengt ift, gefüttert werden.
bu gebraudt.
rl große en und Schnurren, fadenförmige
Fuh hörner, teilförmige Vorderflügel, turzen, meift
zugeipisten Hinterleib; fie jeßen —* zum Saugen
und halten dabei die Flügel horizontal über dem Leibe.
Die Raupen, von denen manche zu den ſehr ſchäd⸗
lichen gehören, bilden drei Gruppen. Die einen, mit
act Fußpaaren, bilden durch ihre meift dichte Der
baarung ben Übergang zu den Spinnern. Sie fisen
tagsüber frei auf den Futterpflanzen. Die ber zweiten
Gruppe, der typiſchen E., haben ebenfalls acht Fuß:
yaare, find aber kahl, oft jhön gefärbt, die Schmetter:
inge meijt büfter; fie —8 meiſt bei e in
die Erde und freſſen nachts. Raupen der dritten
Gruppe bilden, durch die mangelnde Ausbildung
von einem oder zwei Fußpaaren, den Übergang zu
ben Spannern. Die Puppen 2 ge mit langer
Rüffelicheide, felten in einem eingeſchloſſen.
Es gehören dahin: die Gemuſe-, Lattich- oder
Salateule (Mamestra oleracea L.), die gelb»
braune Raupe auf Kohl, Lattih, Mangold; der
Herzwurm ober die Kohleule (Mamestra bras-
sicae L.) in den Robltöpfen; die Graseule (Cha-
raeas graminis L.), Lermüfterin der Wiefen im
Norden; die Saateule (Agrotis segetum Hl.), die
fih tags in der Erde birgt und nachts die Winterfaat
eritört; das Ypfilon (Plusia gamma L.) auf Klee,
Sudereifen: mente (Trachea piniperda
2 Zafel: Shädlihe Forftinjelten II,
dig. 3, beim Artikel Forftinjekten), eine arge Wald»
verwüjterin; dieRitterjporneule (Chariclea del-
phinii L.,f. Zafel: Schmetterlinge Il, Fig.3),eine
der 5* ten und ſeltenſten deutſchen Arten: bie im
Herbit fliegende Xanthia fulvago L. (Fig. 8); die
elbe Bandeule oder Hausmutter (Agrotis
bria L., Fig. 16), deren fette Raupe im Frũhjahr
nädtlih an Brimeln und andern niedern Pflanzen.
ißt; Catephia alchemista Ochsenh. (Fig.20), deren.
upe — nächtlich iſt und ſich von Wicken
nährt; Jaspidea celsia Hübn. (Fig. 28) und die in
Deutihland weit verbreitete Gattung Ordensband
(f. d.), darunter das rote Ordens band (Catocala
promissa Esp., ig. 31).
Eulenberg, Hermann, Mediziner, geb. 20. Juli
1814 zu Mülheim a. Rh., ftudierte von 1832 bis 1834
zu Bonn ang 3 und fiedelte dann nach Berlin über,
wo er unter Schwanns Leitung die Differtation
«De tela elastica» (Berl. 1836) als erfte monogr.
Arbeit über das elaftiihe Gewebe veröffentlichte,
Er ließ fi nad) längern Reifen als praftiicher Arzt
in Lennep nieder, wurde 1846 Kreisphyſilus in Bonn
und habilitierte fi dafelbft ala Brivatdocent für ge
richtliche Medizin und Arzneimittellehre. 1850 wurde
er Medizinalrat des Medizinaltollegiums und Kreis⸗
phyſikus zu Koblenz, begründete bier mit Erlen»
meyer in Benborf das «florreipondenzblatt ber
beutichen Gefellichaft für Piychiatrie und gerichtliche
Medizin» und beihäftigte fi eingehend mit der
endemiſchen Verbreitung des Kropfes und Kretinis:
mus in dem Kreiſe Koblenz, worüber er mit Mar:
felö «Beiträge zur pathol. Anatomie des Kretinis:
mus» (Meplar 1857) veröffentlichte. 1860 wurde
E. ald Regierungd: und Mevizinalrat nad Köln
verſetzt und bearbeitete hier feine «Lehre von den
fbädlichen und giftigen Gajen» (Braunſchw. 1865).
1870 ala Geh. Medizinalrat und vortragender Ras
19*
292
in das —— ee berufen, wurde er 1871
Mitglied der wiflenichaftliben Deputation und 1874
Geb. Obermedizinalrat. Seit 1887 lebte er nad
—— Austritt aus dem Kultusminiſterium zu
onn, wo er 4. Dt. 1902 ſtarb. E. ſchrieb noch:
«Das Medizinalweſen in Preußen⸗ (Berl. 1874), ein
«Handbuch der Öewerbebygieine» (ebd. 1876), und im
Verein mit Fachmännern ein «Handbud des dffent:
lihen Gejundheitämwefens» (2 Bde., ebd. 1881—82),
«Schulgejundbeitslehre» (mit Bad, 2. Aufl., ebd.
1900); auch redigierte er von 1870 bis 1890 die von
Casper begründete «Vierteljahrsſchrift für gericht:
liche Medizin und öffentlihes Sanitätöwefen».
Eulenburg, preuß.Grafenfamilie, die ihren Ur:
fprung von den dynaſtiſchen Burggrafen von Wettin
ableitet, vondenen ein Zweig um 1170 Schloß, Stabt
und Herrſchaft —— erwarb. Während ſich eine
Linie in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. in Böh—
men jeßbaft machte, aber ſchon 1538 im Manns:
— erloſch, fand die erſte Anſiedelung des Ge-
chlechts im deutſchen Drdenslande Preußen erit
vorübergebend zu Anfang des 15. Jahrh., dauernd
aber nad) der n enbigung des Bundeskrieges (1454
—66) Statt. Bon den Mitgliedern diefes Zweiges
wurde Ernft Chriſtoph, Freiherr zu E., 19. Sept.
1786 mit allen feinen Rahlommen von König Fried:
rich Wilhelm IL in den preuß. Grafenjtand erhoben
und ift der Stammpater aller jeßt lebenden E. Bon
feinen fünf Söhnen begründeten Botbho Wilhelm
(1778— 1865) auf Zeuneburg Brafien ‚Wenzel
Heinrich (1779— 1842) auf Widen, Alerander
Ernit (1781—1845) auf Gallingen und Friedrich
Leopold (1787—1845) auf Perknilen die noch jet
blühenden vier Zweige des Haufes zu E., deren
jüngfter 1. Jan. 1900 gefürftet wurde. Die Häupter
derjelben find zur Zeit: 1) Graf Richard zu E,,
eb. 12. Yan. 1838, Majoratöberr auf Zeuneburg-
Praſſen, Obermarihall und Vorfigender des oft:
preuß. Provinziallandtags, erblihes Mitglied des
reuß. Herrenhaufes; 2) Graf Botho zu Eulen:
urg (j.d.), —— 1831, ehemaliger Praſident
des preuß. Staatsminiſteriums und Miniſter des
Innern; 3) Gh Botho-Wend zu E., geb.
27. März 1883, Bejiger der gallingifchen Zebhngüter;
4) Fürſt Philipp zu Eulenburg (j. d.), geb.
12, Febr. 1847, 1894—1902 Botſchafter in Wien,
Haupt des fürftlihen Haufes zu E. und Hertefeld.
Außerdem find Auguſt (1. d.), Botho Heinrich
ſ. d.) und Friedrid Albredt, Graf zu Eulens
urg (ſ. bervorzubeben. — Val. von Muͤlverſtedt,
Urlundenjammlung zur Gejhichte und Genealogie
der Grafen zu E. (2 Bde., Magpeb. 1877—79).
Eulenburg, Albert, Arzt, geb. 10. Aug. 1840 zu
Berlin als Sohn des um die Einführung der ſchwed.
Seilaymnafti verdienten Arztes und Orthopäden
M. E., ftudierte feit 1857 in Berlin und Bonn
Medizin, wurde 1863 Aififtent am Univerfitäts-
trantenhaufe zu Greifswald und verfaßte bier die
(1864) von der Hufelandſchen Gefellihaft in Berlin
prämiierte Preisſchrift «Die bypodermatiihe In:
jeltion der Arzneimittel» (Berl. 1865; 3. Aufl. 1875),
Seit 1866 in Berlin als Brivatdocent für Nerven:
franfbeiten und Gleftrotberapie babilitiert, wirkte
€. als Affiftenzarzt der mediz. Univerfitätspoliklinit
und bearbeitete mit P. Guttmann die «Pathologie
des Sympatbicus» (Berl. 1873) ſowie ein treffliches,
in mebrere Sprachen überjegtes «Lehrbuch der Ner:
ventrantheiten» (ebd. 1871; 2. Aufl. 1878). An den
Feldzügen von 1866 und 1870 nahm E. ald Mili-
Eulenburg (Grafenfamilie) — Eulenburg (Botho, Graf zu)
tärarzt tbätigen Anteil und folgte 1874 einem Ruf
al3 ord. Profeſſor der Arzneimittellehre und Direl:
tor des Pharmalologiſchen Inſtituts zu Greifswald,
tebrte jedoch 1882 wieder nad Berlin zurüd, um
ſich bier als Arzt und Lehrer ausſchließlich der Ner-
venpathologie zu widmen. E. bat die allgemeine
und fpecielle Bathologie und Therapie der Nerven:
trantheiten durch wertnolle erperimentelle Arbeiten
und zahlreiche ge und nr Ein:
zelunterfuhungen außerorbentlih gefördert. Er
gen die «Encyllopäd. Jahrbücher der gefamten
eilftunde» (Wien 1891 fg.) beraus; auch redigierte
er die «Real:Encpllopädie der gefamten Heiltunde»
(15 Bde., Wien 1880—83; 3. Aufl., ebd. 1893 ja.)
und 1894—1903 mit J. Schwalbe die «Deutiche
mediz. Wocenjcrift» (Leipzig); ferner erjchien von
ihm: «Seruale Neuropatbie» (Lpz. 1895).
Eulenburg, Auguit, ir preuß. Oberbof:
und Hausmarſchall, geb. 22. Oft. 1838 zu Königs:
berg, Sobn des Sandhofmeiiters im ——
ze. Grafen Botho Heinrih zu Eulenburg:
iden, wurde 1858 Leutnant im 1. Öarderegiment,
war 1860—62 Attache der preuß. Erpedition nad
Ditafien, 1865—68 perfönlicher Adjutant des Kron⸗
prinzen, 1868—83 Kammerherr und Hofmaricall
— wurde 1871 zum Vice-Oberceremonien—
meijter, 1883 zum Oberceremonienmeijter und 1890
ugleich zum Oberhof: und Hausmarichall des Kai:
Vers ernannt. Auch iſt er Generalleutnant & la suite
der Armee und Geremonienmeijter des Ordens vom
Schwarzen Adler.
Eulenburg, Botho, Graf zu, preuß. Staats—
mann, geb. 31. Juli 1831, ftudierte 1849—52 in
Königsberg und Bonn die Nechte, wurde Ende
1857 Verwalter des Yandratsanıtes zu Marienmwer:
der und 1859 Landrat in Deutich:firone. 1864 trat
er als Hilfsarbeiter ins Minifterium des Innern,
wurde 1867 vortragender Rat in demſelben und ging
1869 als Regierungspräfident nah Wiesbaden,
1872 als Bezirkäpräfident nah Meb und 1873 als
Dberpräfident nah Hannover. 1863—70 und 1879
— 81 Mitglied des Abgeordnetenhauſes, war er 1867
Vicepräfident desfelben, und im jelben Jabre auch
Mitglied des erften Reichstags des Norddeutichen
Bundes. Als fein Ontel Grat Friedrich Albrecht €.
feine Entlafjung ald Minifter des Innern genom:
men batte, wurde €. 31. — 1878 deſſen Nach—
(eier und ſetzte das von jenem begonnene Wert ver
erwaltungsreorganifation im Einne der weitern
Entwidlung der Selbjtwerwaltung fort. Dabei fam
in der Herrenhausfikung vom 19, Febr. 1881 eine
Meinungsverſchiedenheit zwiſchen E. und Bismard
in einer allerdings von Bismarck nicht für die
Öffentlichkeit beftimmten Form zum Ausprud. €.
nabm — ſofort ſeine Entlaſſung, die er
auch 27. Febr. 1881 erbielt. Während ſeines Mi—
niſteriums war E., wie ſchon 18667 —69, gleich»
zeitig preuß. Bevollmächtigter im Bundesrate und
entwidelte namentlih in der Verteidigung und
Durchführung des Socialiftengejeßes eine energiſche
Thätigleit. Nach feinem Rüdtritt aus dem Minijte
rium übernabm er noch 1881 das Oberpräfidium
der Provinz Heflen:Nafjau, bis er 23. März; 1892
zum preuß. Minifterpräfidenten ernannt wurde.
Ein eigenes Refjort erbielt er erjt durch den Rüd:
tritt Herrfurtbs (Aug. 1892), zu dejlen Nachfolger
ald Minijter des Innern er ernannt wurde. Im
Olt. 1894 traten zwiſchen ibm, der damals als preuß.
Minifterpräfident von Reichs wegen entichiedene
Eulenburg (Botho Heinrich, Graf zu) — Eulenfpiegel
Vabregeln gegen die Socialdemokratie befürwor⸗
tete, und dem Reichskanzler Grafen Caprivi Mei:
nungsverjchiedenbeiten bervor, die ſchließlich dazu
en, daß der Kaiſer 26. Dit. beider Entlaſſungs⸗
geruh genehmigte. 1899 wurde E. zum Mitglied
dei preuß. Herrenbaufes ernannt.
Eulenburg, Botho Heinrih, Graf zu, geb.
N. Dez. 1804, war während des Waffenſtillſtan⸗
des in dem Kriege der Schleöwig:Holiteiner mit
Tänemart (Aug. 1849 bis Juli 1850) Mitglied der
Landesverwaltung in Schleswig, 1855—58 Praſi⸗
dent des preuß. Abgeordnetenhauſes, bis 1874 Land⸗
tagsmarſchall in Km, feit 1864 Mitglied des
Herrenbaufed und feit 1867 auch Mitglied des
Reichstags, 1850— 75 Präfident der Regierung zu
Marienwerder und feit 1874 Direktor der preuß.
Staatäfhuldenverwaltung. Er ftarb 17. April 1879.
Eulenburg, Friedr. Albrecht, Graf zu, preuß.
Staatämann, geb. 29. Juni 1815, wurde 1844
Regierungsafjeflor zu Oppeln, 1848 Hilfsarbeiter
im Ainanzminifterium und 1849 im Minifterium
des Innern, trat aber 1852 in den diplomat. Dienjt
über und wurde Generaltonjul in Antwerpen.
Lit. 1859 wurde er an die Spibe der preuß.
aſiatiſchen Erpedition geftellt, um Freundſchafts⸗,
Handels: und Schiffahrtöverträge mit Japan und
Ebina abzuſchließen. Troß der großen Schwierig:
teiten lam der Vertrag mit Japan bereits 24. Jan.
1861 und der mit Ebina 2. Sept. 1861 zu ſtande.
Die Umſicht, die E. dabei bewährt hatte, veranlaßte
bei der Bildung des Minifteriums Bismard E.s
Ernennung zum Minifter des Innern (8. Dez. 1862).
Mit Energie unterjtügte er Bismard in deſſen Käm⸗
pien mit dem Abgeorbnetenbauje. Die Organifation
ber 1864 und 1866 an Preußen gefallenen Provinzen
ebnete ihm den Boden für die Ausführung einer ums
afenden Verwaltungsreforn aud in ben ältern
rovinzen. Sie jollte auf tonjervativer Grundlage
cuben, jedoch unter Berüdfihtigung der Idee der
Seclbftverwaltung; doc der Auspehnung derjelben
auf die weitl, Provinzen ftellten ſich durch die oppo⸗
htionelle Haltung der kath. Landesteile Bedenten
entgegen, und fo verſuchte E. zunädjft die Verwal:
tungsreform der öftl. Provinzen durch den Erlaß
einer Städteorbnung weiter zu führen. Hier wurde
er jedoch zu Konzeſſionen an die Forderungen des
Liberalismus — fo daß er auf den Wider:
fand Bismards ftieß und fich in der weitern Auss
führung gebemmt jab. Nach längern unfruchtbaren
Berbandlungen mit dem — nabm er 30. März
1878 feine Entlaſſung. E. Be 2. Juni 1881 zu
Schöneberg bei Berlin. Dem — auſe ge⸗
börte er 1866— 77 an. Einen Überblid über ſeine
polit. Thätigleit geben die «Neden des Grafen E.,
1862— 12» (Berl. 1872); E.s Briefe über feine Miſ⸗
fien nah Dftafien veröffentlichte fein Neffe Philipp,
t zu Eulenburg, u. d. T. Ditafien 1860—62»
(ebd. 1900).
Eulenburg, Philipp, Fürft zu E, und Hertefeld,
Ziplomat, geb. 12. Febr. 1847 zu Königsberg i. Pr.,
trat während des Krieges 1866 in das Negiment der
Garde du Corps, wurde 1868 zum Dffizier befördert
und machte als ſolcher den Krieg gegen Frankreich
mit. Darauf unternahm er 1871—72 Reifen im
Orient und ftudierte 1872— 75 in Leipzig und Straß:
burg, arbeitete dann als Neferendar beim Kreis⸗
eriht in Neuruppin, trat 1877 in ben biplomat.
ienft über,murde 1879 Botichaftsjetretärin Paris,
1881 in Münden, 1888 preuß. Gefanbter in Olden⸗
293
burg und Braunſchweig, 1890 in Stuttgart unt
1891 in Münden. 1894—1902 war €. deutfcher
——— in Wien; 1900 wurde er in den Fürften:
ftand erhoben und zum erblichen en des preuß
Herrenhaujfes berufen. €. ift aud Dichter und Kom:
ponift. Er veröffentlichte außer den Briefen feines
Oheims (f. Eulenburg, Friedr. Albrecht): «Stalden:
gelänge. Dichtungen» (Braunihw. 1892), «Das
eihbnadhtsbud» (Stuttg. 1892), «Eri und Erilo
und andere Erzählungen für Kinder» (Münd.1893),
«Abenderzäblungen, Märchen und Träume» (ebd.
1894), «Drei Märchen» (ebd. 1899) ſowie zahlreiche
Lieder und Balladen.
Eulengebirge, zum eig ren der Subeten
(f. d.) gebörender langgedebhnter, breiter Waldrüden
von etwa 650 m mittlerer Höhe, ber dad Glaker
Keſſelland auf der Norboftfeite abſchließt und ſich
an bie Dftjeite des Waldenburger Gebirges anjeßt
(j.Rarte:Schlefien). ee er
amm vom Durchbruchsthal der 9 nach SO.
bis zur Glahzer Neiſſe und ſcheidet die Kreiſe Neu:
rode und Glas von Reihenbad und Frankenſtein.
Nah NO. zur Ebene fällt es ſcharf und geradlinig
ab. Seine höchſte Erhebung ift die 1014 m hohe
Hohe Eule, die, abgerundet und faft ganz bewaldet,
einen Ausfihtsturm trägt. Andere Gipfel find: die
Kleine Eule (972 m), die Sonnentoppe (952m)
mit ſchöner Ausficht, der Ottenftein (877 m) und
der Steindberg (930 m). Die Hauptmafje beſteht
aus Gneid; am Südabbange liegen roter Sand:
ftein, Steinkohlen, Kalt und Graumadenjanpdftein ;
auf der Norbjeite des dftl. Endes Serpentin. Am
Norbweftabfall beginnt das er Stein:
toblenbeden (f.d.). Das €, trägt namentlich auf dem
Nordoſtabhange zahlreiche ſtark bevölterte Dörfer,
in denen die Leinweberei, als or betries
ben, den fümmerlichen Erwerb der Bewohner bildet.
— Bol. Lehmann, Neuer Führer dur das G,
(Reihenbad i. Schlef. 1902).
Eulen nach Uthen ** ſprichwörtliche
Redensart u: etwas ganz ÜÜ ranen eginnen.
m alten Athen war die Eule ein häufiger Vogel,
ttribut der en Athena und Stadtwappen.
apagei, ſ. Nachtpapagei und Tafel:
Bapageien * 7.
Eulenfhwalm, der Rieſenſchwalm (f. d. und
gar = Kududsvögel I, Fia. 4).
lenfpiegel ( —— Ulenſpegel),
Till oder Tyll, der Held eines bis heute immer
wieder gebrudten, auch viel, überſetzten deutſchen
Vollsbuchs. Es erzählt in beinahe 100 Abenteuern
E.s oft jehr ſchmuhige Späße, deren bezeichnende
Spige meijt darin liegt, daß E., namentlich als
Handwerler, bildliche Befehle wörtlih nimmt. Wahr:
jheinlih gab es einen nieberbeutfhen E. von
1483, nah dem das bochdeutfche Vollksbuch viel:
von Th. Murner (f. d.) gearbeitet wurde.
E. ſoll danach zu Kneitlingen in Braunſchweig ge
boren und, nah Wanderungen durch Nordweſt⸗
deutſchland, Jtalien und Polen, 1350 zu Mölln in
Lauenburg an der Beit gejtorben fein. Wirklich wird
es einen burchtriebenen Handwerlsburſchen bes
Spitznamens gegeben haben, um deſſen Streiche ſich
verwandte Schmwänle aus allen md lichen Quellen,
unter anderm vom Pfaffen Amis (f. Strider) und
dem Pfaffen vom Kalenberg (f. Rablenberg) erzählte,
anfegten. Der noch vorhandene Grabſtein E.3 in
Mölln (mit Eule und Spiegel) ſtammt erſt aus dem
17. Zabrb., önnte aber die Erneuerung eines ältern
294
fein. Den ey Drud des Volksbuchs (Straßb.
1515) bat Knuſt nah dem Eremplar des Britifchen
Mujeums (Halle 1885) neu herausgegeben, den
—— von 1519 Lappenberg («Dr. Murners Ulen⸗
viegel», Lpz. 1854), mit wertvollen litterarhiſtor.
Unterſuchungen; eine undatierte Kölner Ausgabe
(um 1520—30) erjhien in phbotolitbogr. Nach⸗
bildung (Berl. 1865). Fiſchart (f. d.) bearbeitete
den €, in Reimen. Simrod bat in feinen « Deut:
yon Volls buchern⸗ (1878) auch den E. erneuert. Der
dame €. liegt dem franz. Wort espiögle (Schall)
und —— Schelmerei) zu Grunde. Mehrere
moderne Dichtungen, in deren Titel der Name E.
vortommt, Inüpfen zwar irgendwie an E.s Charalter
oder Perſon an, find fonft aber ganz felbjtändig und
fpielen, meijt tendenziös, in der Gegenwart, jo die
von Tibabufhnigg, Adolf Böttger («Tıll E.»,
Lpz. 1850), 3. Wolff und Karl Schultes «llblen:
fpegel I» (Erzäblung, Nena 1867). Dagegen wurde
die alte Aneldotenſammlung ſchon fruh ins Czechiſche
und Polniſche, Holländiſche, Engliſche (44 merge
fest of a man that was called Howleglas: Mi-
racleplay»), Dänifche, Franzöfifche (ſchon 1532),
Stalienithe, Lateiniſche und a he über:
tragen. Auc in der Litteratur mebrfad (4. B. von
9. Sachs) verwertet, machte fie den bäuerlichen
Schallsnarren zu einer viel berufenen Geftalt. Val.
Brudentius van Duyſe, Etude litteraire sur Tiel
’Espiögle (Gent 1858). — Das Ausland kennt
— Geſellen, z. B. Italien Bertoldo
roce); vgl. user, Murad Efjendi, Nafir eddin
bobja, ein osmaniſcher E. (4. Aufl., Öldenb. 1890),
und Die Schwänke des Naßr⸗ed⸗din und Buabem von
Mebemed Tewfil (deutſch von Müllenvorfi, 1890;
Univerjalbibliothel 2735). Der mittelhochdeutſche
Martolf (j. Salman und Morolt) gebört auch bierber.
Euler, Karl Philipp, Gymnaſial- und Turn:
lebrer, geb. 8. Febr. 1828 zu Kirchenbollenbad im
Reg.» Bez. Trier, ſtudierte feit 1848 in Bonn und
Berlin ———— und Geſchichte und wurde 1854
Lehrer in Schulpforta, 1860 Lehrer der Civil—
abteilung an der Gentralturnanftalt in Berlin und
war namentlich * Rothſteins Entlaſſung (1863)
mit Erfolg bemübt, das deutſche Turnweſen daſelbſt
einzuführen. 1872 wurde er zum Profeſſor und
1892 zum Schulrat ernannt. Seit 1877 war €.
Unterrichtsdirigent der königl. Turnlebrerbildungs:
anftalt zu Berlin, wo er 15. Sept. 1901 jtarb,
€, veröffentlichte: «Der Unterricht im Turnen» (in
Dieſterwegs «Wegweiſer zur Bildung für deutfche
Lebrer», 5. Aufl., Bd. 3, Efien 1877), «Die Ge:
ſchichte des Turnunterrichtö» (in Kehrs «Geſchichte
der Methodik des deutſchen Vollsfchulunterrichtö»,
2. Aufl., Bd. 5, Gotha 1891), — Ludw. Jahn»
Stuttg. 1001), «Friedr. riefen» (2. Aufl., Wien
1899), «Lehrbuch der Schwimmkunft» (mit Kluge,
Berl. 1870), «Turngeräte und QTurneinricdtungen»
(mit demfelben, ebd. 1872), «Kleines Lehrbuch der
Schwimmlunſto (ebd. 1891), «Friedr. Ludw. Jahns
Auffaſſung vom deutſchen Volklstum⸗ (ebd. 1892),
Encyllopaͤd. Handbuch des geſamten Turnweſens⸗
tim Verein mit andern, 3 Bde., Wien 1893—96).
Seit 1882 gab E. mit ©. Edler die aMonatsſchrift
für das Turnmwefen» (Berlin) beraus.
Euler, Leonh., Mathematiker, geb. 15. April
1707 zu Bafel, erbielt von feinem Vater, Baul E.,
der feit 1708 Prediger zu Niechen war, den eriten
Unterricht in ver Matbematif. re Univerfität
zu Bafel genof er den Unterricht Job. Bernoullig
Euler (Karl Philipp) — Euler (Leonh.)
und war mit Dan. und Nil. Bernoulli befreundet.
Durd die Bernoullis, die Katharina I. bei der Stif-
tung der Petersburger Alademie berufen batte,
wurde aud E. — nad Petersburg zu geben,
wo er 1730 die Profeſſur der Phyſik erbielt, bie er
1733, ald Daniel Bernoulli nad der Schweiz zu
rüdtlebrte, mit einer Stelle bei der Alademie ver:
taufchte. Seitdem arbeitete er mit großer Frucht⸗
barteit im Fache der — br als die
Hälfte der mathem. Abhandlungen in ven 46 Duart:
bänden, welche die Petersburger Alademie von 1727
bis 1783 heraus gab, find von ihm, und bei jeinem
Tode hinterließ er noch über 200 ungedrudte Abhand⸗
lungen, welche die Atademie nach und nach erjcheis
nen Tief. ‚Von der Akademie der Wiſſenſchaften zu
Bars, die ihn 1755 zu einem ihrer auswärtigen
itglieder ernannte, wurbe ihm zehnmal ber Preis
zuerfannt. Er folgte 1741 einem Rufe Friedrichs
d. Gr. an die Akademie der Willenihaften zu Ber:
lin alö Lehrer der mathem. Wiſſenſchaften, tebrte
aber 1766 nad) Petersburg zurüd und ftarb dafelbft
18. Sept. 1783 als Direktor der matbem. Klaſſe der
Akademie, nachdem er bald nad feiner Rüdtebr
en — völlig erblindet war. Sein Auf:
enthalt zu Petersburg beftimmte ihn, die Matbe
matif auch auf die uung und Lenkung ber
Schiffe anzuwenden, und fo er, Ser feine «Theorie
complete de la construction et de la manauvre
des vaisseaux» (Petersb. er Die wichtigen
—* en über das Weltſyſtem, welche Newton ſeinen
achfolgern aufzulöfen binterlaffen batte, und
byfit. Fragen waren Hauptgegenftand feiner
is chungen. In feinen «Lettres & une princesse
’Allemagne sur divers sujets de physique et
de philosophie» (3 Bbe., Betersb. 1768— 72; neue
Ausg. von — 2 Bde. Bar. 1812; deutſch von
Kried, 3 Bde., Lpz. 1792—94; mit Bufägen von
Müller, a er ® — — — —
von populärer Darſtellung wiſſenſchaftli en⸗
ſtande gegeben. Unter Bas leide matbem.
Schriften find zu nennen: «Theoria motuum plane-
tarum et cometarum» (Berl. 1744; deutfch von Ba:
caſſi, Wien 1781), «Introductio in analysin infini-
torum» (2 Bbde., Yaufanne 1748; deutſch von Michel⸗
en, 8 Bbe., Berl. 1788— 91; neue Aufl. 1836), die
r E.8 Hauptwerf geltenden «Institutiones calculi
differentialis» (Petersb. 1755; neue Aufl., 2 Boe.,
ebd. 1804; deutich von Micheljen, 3 Bde. und Supple⸗
ment, Berl. 1790—98, und von Majer, ebd. 1885),
«Mechanica sivemotusscientiaanalyticeexposita»
4 Bde., Petersb. 1736; deutſch bearbeitet von
olfers, 3 Bde. in 4 Abteil., Greifsw. ——
«Institutiones calculi in ( Petersb.
1768— 9, 3. Aufl. 1824—45; deutſch von Salo⸗
mon, 4 Bde, Wien 1828 — 30), die «Anleitung
ur Algebra» (2 Vde., Vetersb. 1770; neu bg. in
eclams «liniverfalbibliothel»), die «Dioptrica »
(8 Bve., Peiersb. 1769—71) und die «Opuscnla
analytica» (2 Bde., ebd. 1783—85). E.ö «Cor-
respondance» gab ®. 9. Fuß heraus (2 Bpe., ebd.
1843), derj. mit N. Fuß eine Sammlung der «Com-
mentationes arithmeticae» (2 Bde., ebd. 1849). —
Bol. Di Eloge de M. L&onard E. (Petersb. 1783;
deuti af. 1786); Rudio, Leonhard E. (in den
«Dffentlihen Vorträgen», Baf. 1884); Sagen, Index
operum Leonardi Euleri (Berl. 1896). Sein Sobn
Johann Albert E., geb. 8. Dez. 1784 zu Peters:
burg, geſt. 18. Sept. 1800, war bafelbit ald Pro
fefior und Aufjeber der Militäratademie tbätig und
Eulogie — Eumolpus
det ſih ala Aſtronom, Mathematiter und Phy—
her delannt gemacht.
Enlögie (ar .), eigentlich jhöne, wohlllingende
Kete. In der Liturgie bezeichnet E. ſowohl den
Stgenäipruh, mit dem ein Geiftliher ordiniert
wird, ald denjenigen, den der Presbyter oder Biſchof
den volle erteilt. Bei ber eier des Abenbmahle
ng €. urjprünglih nad 1 For. 10, ıs und
Ratth. 26, 26, 27 die Segensſprüche, durch welche
Brot und Wein geweibt wurden; aber bald ging
der Name auf dieſe geweibten Elemente jelbjt über.
Später bezeichnete man damit das zum Opfer dar:
gebrachte Brot, von dem die Hoftie genommen war
und deſſen nicht lonſekrierter Teil am Schluß der
Mefie unter die Anmwejenden verteilt (jo noch jest
als pain beni in Frankreich), oder Abweſenden, wie
Kranken und Gefangenen, überbradt, oder auch
* Zeichen der Glaubensgemeinſchaft an Ange:
örige fremder Parochien verſchickt wurde.
ae nannte m Erbmann ein dünnplatti«
ges Geltein, das bei Utterwil und Strömäbult un:
meit Zunaberg in Schweden linfenförmige Einlage:
rungen im Gneis bildet; es beiteht fajt zur Hälfte
aus einer an Eiſen⸗ und yery eig ſehr reihen
magnefiaarmen VBarietät des Olivins, dievon Salz:
jäure unter Abjheidung gelatinöfer Kiefelfäure ſehr
leicht zerjeßt wird (baber der Name); zur andern
Hälfte führt es grünlihen Augit und bräunlich⸗
roten Granat mit Apatit und Magnetit, während
Hornblende und Arjenties nur lofal vorhanden
Eulytin, j. Kiejelmismuterz. ind,
Eumaios (lat. Eumäus), der «edle Saubirt»
der Odyſſee, ein Sohn des Ktefios, Königs von
Spros, lam als Knabe durd Kauf in das väter:
lihe Haus des Odyſſeus. Er blieb feinem Herrn
wäbrend deſſen Abwejenbeit treu, nahm ihn bei
feiner Rüdtebr bei fi nn leiftete ihm dann
a Freier gute Dienite. ,
‚ein Grieche aus Karbia im Thrazi:
ſchen Cherſoneſos, geb. um 363 v. Chr., wurde, noch
Fri 20 alt, von Philipp von Macedonien zum
eimſchreibet ernannt und genoß ebenſo ſehr das
Vertrauen —** als Alexanders des Großen.
Rach deſſen Tode ſehzte der Reichsverweſer Perdiklas
322 den E. mit Waffengewalt in die diefem bei der
—— Provinzen zugefallene Statthalter:
ſchaft von Kappabocien tnihto er in das ihm gleich
falls zugejagte Paphlagonien) ein. €. fiegte über
Rraterus, als diefer mit Antipater gegen Perdillas
j0g, 321 in einer Schlacht, in der Kraterus jelbit und
jein Berbündeter, Neoptolemus, Satrap von Arme:
nien, fielen. Antigonus, dem nach deö Perdillas Er⸗
mordung Antipater den Krieg gegen €. aufgetragen
batte, wußte den größten Teil der macebon. Sol:
daten (320) dem Griechen abtrünnig zu maden,
blug aud den E., vermochte aber die Bergfeſte
tora in Kataonien, in ber E. fidh über ein Tahr
bielt, nicht zu erobern. Nach Antipaters Tod 319
entlam €. aus Nora, war fiegreid in Eilicien und
Bbönizien und wurde von dem Reichsverweſer
Bolyiperbon zum Strategen in Afien ernannt,
317 zog Antigonus jelbit gegen €., der fih nad
Sufiana, dann nad dem nördl. Perfis wandte,
Hier wurde er von feinen macebon. Soldaten 316
dem Feinde een und von biejem ee
Biographien des E. find überliefert von Plutarch
und Cornelius Repo2.
Eumines IL, Herriher von Pergamon, der
älteite Sohn und feit 197 v. Chr. der Nachfolger des
295
Königs Attalus L., war wie fein Vater den Römern
ergeben und unterjtüßte fie 195 im Kriege gegen den
lacedämoniſchen Tyrannen Nabis ſowie gegen den
Ütolifchen und. Zum Dankfürdie Hilfe, die erihnen
im Kriege gegen Antiochus d. Gr. von Syrien geliefert
hatte, erhielt er von * nad dem Siege 188 v. Chr.
den Thrazifchen Eherjones und einen großen Teil des
weſtl. Kleinafien; auch die Streitigleiten, in die er
mit Prufias von Bithynien und mit Pharnaces von
Pontus ſowie mit den Thraziern geriet, die über
feine Bebrüdungen 172 vergeblih in Rom, Be:
Komerne führten, wurden durch die Römer zu feinem
orteil entſchieden. Später änderte ſich Roms
En gegen ibn; eö hieß, daß in dem Kriege gegen
tieus von Macedonien, zu dem er vornehm x
durch feine Klagen den Römern erwunſchten Anla
gegeben, feine Treue ſich ſchwankend gezeigt hätte,
und Rom begünftigte nunmehr die afiat. Kelten
(Galater), mit denen er in Krieg geraten war, indem
es fie für unabhängig erllärte, Rom ſuchte aud,
wiewohl vergeblich, feinen Bruder Attalus gegen
ihn aufzumiegeln. Bevor es zum offenen Bruce
fam, ftarb E. 159 0. Chr. Die pergameniſche Biblio:
thek, die fein Vater * hatte, vermehrte E.
anſehnlich; den großen Altar zu Pergamon mit dem
Gigantenfries vollendete er und zeichnete ſich über:
haupt als Freund der Wiſſenſchaften und Bildung
Eumeniden, ſ. Erinnyen. [aus,
Eumeninae, |. Faltenweſpen.
Eumenius, röm. Rhetor, geb. um 255 n. Chr.
in Auguftodunum (Autun), zeichnet fi in den ihm
beigelegten vier Reden (wovon neuerdings drei ans
gezweifelt worden find) durch männliche Haltung
und PBatriotiömus aus. Die Reden finden fi in
den «Panegyrici Latini XII» von Bährens ( >
1874). — Bol. Kilian, Der Banegyrift E. (Würzb.
< ; Brandt, E. von Auguſtodunum und bie em
nuge riebenen Reden — i. Br. 1882).
umẽtrie (grch.) Ebenmaß; eumẽtriſ
Eumolpiden, ſ. Eumolpos. mäßig.
Eumolpo8 (d. b. der jhön Singende), Sohn
des Pojeidon und der Ehione, wurde von feiner
Mutter, die den Zorn ihres Vaters fürchtete, ins
Meer geworfen, aber von Poſeidon gerettet und
nad Üthiopien zu Benthefilgme gebracht, die den
Knaben aufzog. Später erhielt er ihre Tochter Ta
au; als er aber auch nad deren Schweiter Ber:
angen trug, wurde er vertrieben, gelangte nad
Thrazien und dann nach Eleufis. Hier lebte er als
Hirte und war einer von denen, welche Demeter die
Mofterien lehrte, und übte fie zuerft aus. Er war der
Heros, von dem das Ge lecht der gene a
in Athen, welhem ber Hierophant bei den Myſte—
rien in Eleufis (f. d.) angehören mußte, abjtammen
ollte. — E. ift auch Anführer in einem Kriege gegen
then ; nach einigen als Fürſt der Eleufinier, nad
andern als thraziſcher König, vereinen Einfall in At⸗
tila machte, weil er ald Sobn des Poſeidon Anſpruch
auf das attiſche Land erhob, nachdem fein Vater
im Streite mit Athene um dasjelbe unterlegen war.
Nach einer dritten vermittelnden Meinung war €.
von den Eleufiniern zu Hilfe gerufen. (S. Erechtheus.)
Eumolpus, Gattung ver Blattkäfer (f. d.), mit
didem, ziemlih plumpem Körper, großem, nad
unten überhängendem ya und dünnen fabens
—— Fühlern von mehr als halber Körpers
änge. Im tropiſchen Südamerila giebt e3 ſtattliche
Arten von lebhaften Metallglanze; in Deutſchland
tommen nur zwei Heine, unjdeinbare vor, deren
‚eben:
296
eine (E. vitis Fabr., der Weinftod-Fallläfer)
etwas über 4 mm lang und von fchwarzer Farbe
u und unter Umftänden den jungen Trieben ber
einftöde jehr ſchädlich wird.
Eumörphie (grch.), Woblgeftalt.
Eunapius, griech. Geſchichtſchreiber aus Sar-
des, lebte um 400 n. Ehr. Am befannteiten ift er
durch feine aLebensbeſchreibungen von Philoſophen
und Sophiften», eine Hauptquelle für die G Te
der fpätern Sophiſtik, bg. von Boifjonade (2. Aufl.
in «Philostratorum opera», Par. 1849).
Euneotes murinus, Schlange, |. Analonda.
Eunto8,SohndesJajon und derHypfipyle(1.d.).
Eunioldae, Kiefermürmer, Familie der po:
lychäten Boritenwürmer (f. d.), langgeitredt, mit
jzahlreihen, kurzen Segmenten, im Sclundfopf
mit fompliziertem, aus Ober: und Unterliefer be
Bepenbem auapparat. Sie befisen meijt 2 Augen.
iezablreigen (über250) Arten find meijt rötlich mit
Metalliciller, mande haben rotes Blut, einzelne
werben über 1m lang. Es find freilebende, teils
aber auch im Sande fi einbobrende oder aud
Sandhülſen bauende Raubmwürmer, die, befonders
in wärmern Meeren, in untiefem Waſſer haufen.
Eumile, der 185. Planetoid.
Eunomia (d. i. er eine der Horen
(f.d.); auch der Name des 15. Planetoiden.
Eunomius, das Hauptderftrengen Nrianer(f.d.)
oder Anomöer, die nah ibm auch Eunomianer
enannt werden, geboren in Dalora in der Provinz
appabocien, war Schüler und —— —
des Aetius zu Alexandria, warb um 360 Biſchof
von Cyzikus, aber bald ald Arianer abgefeht.
Kaiſer Theodofius verbannte ihn 883 nach Cäfarea
in Rappadocien und fpäter nad) Dakora, wo er nad
392 ftarb. Von feinen Schriften ift wenig erhalten.
Eunüchen (grch. «Bettbüter»), im allgemeinen
gleichbedeutend mit Raitraten (j. Raftration), bejons
ders Bezeichnung für die Verſchnittenen, denen im
Drient die Obhut über die Harems anvertraut ift. Die
Sitte, E. ald Frauenwächter zu balten, ift eine Folge
ber Bielweiberei; fie wird daher cn im Orient
und in Nordafrika angetroffen. In Ländern, we
Monogamie Sitte ift, fam fie nur vor, wenn afiat.
Wollüſte und Sitten eindrangen, wie 3. B. in der
eit der röm, und byzant. Kaiſer. Die Sitte der
ntmannung zu dem Ywed, Haremswächter zu ge:
innen, iſt jebr alt. Syrien und flleinafien waren
in biefer Beziebung befonders berühmt. In Griechen:
land gewann die Sitte, E. zu balten, weniger Aus:
breitung, weil — Vielweiberei dafelbit nicht
beimifh war. Von den jpätern Nömern wurden
E. zwar gehalten, doc nalen um
* u gewinnen, war bei ihnen nicht gebräuch⸗
ih. Bon den Ehriften der erjten Zeit wurde nicht
Kr die Selbitentmannung vorgenommen, um
leichter das Himmelreid zu erwerben. Später ward
in der Kirche die Selbitwerftümmelung entſchieden
verdammt. Die größte Rolle fpielten die E. im
Byzantiniihen Reihe. Am oftröm. Hofe pflegten
fie namentlih die hohe und einflußreihe Stelle
eines «Borgejebten des heiligen Schlafgemache» zu
belleiden und waren häufig die Günitlinge der
Raifer und Großen. Gegenwärtig herrſcht die Sitte,
€. zu halten und zu machen, vorzüglich noch unter
den — Vollern, denen das Geſetz die Poly⸗
gamie förmlich geſtattet. Man findet bei ihnen
—— E., weiße, denen bloß die Hoden, und
chwarze, denen alle Geſchlechtsteile genommen ſind.
Eumorphie — Eupatorium
Letztere bezieht man als Sklaven aus Afrika; ibr
Oberhaupt am türf. Hofe ift der Kyzlar Agaſſy (ſ. d..
Eunus, ein aus Apamea in Syrien ftammenbder
und nad Enna in Sicilien verfaufter Slave, wurde
in dem eriten großen ficil, Stlaventriege im 2. Yabrb.
v. Ehr. unter dem Titel eines Königs Antiochus
Haupt der vielen Taujende von Stlaven, die rau:
bend und morbend durch Sicilien zogen. Die
Stlaven beheaten vier röm. Prätoren und batten
Sicilien jahrelang in ihrer Gewalt. Die Römer
mußten zulegt drei Jahre hintereinander (134—132
v. Ebr.) Konſuln mit konſulariſchen Heeren nach ber
ziel jbiden, bis endlih mit der Eroberung von
auromenium und Enna der Aufitand niederae:
worfenwar. E. ward gefangengenommen, jtarb.aber,
noch ebe er im Triumpb aufgeführt werden konnte,
in Sicilien. — Val. Siefert, Die Stlaventriege. Ein
Beitrag zur Geichichte icilieng (Altona 1860); Bü:
ber, Die Aufftände der unfreien Arbeiter 143—129
v. Ehr. (Frantf. a.M. 1874).
Euo us, Pflanzengattung, j. Evonymus.
Eupatör (grch., d. b. von einem guten oder
edlen Bater jtammend), Beiname mebrerer ſyriſcher,
Brise und bosporanifcher Könige, bejonders
ntiohus’ V. und Mithrivates’ VI.
Eupatoria, rufj. Jewpatorija. 1) Kreis im
ruf. Gouvernement Taurien, im norbmweftl. Teile
der Halbinjel Krim, ein wafjerarmes Steppenland
mit Salzfeen und fumpfigen Hüften, bat 5904,»
qkm, (1897) 62441 €. (meift Tataren), Schafzudt
und Salzgewinnung — 8 Mill. Bud). — 2) E.
im Volksmunde Rojlom, Kreisſtadt im Kreis E.,
67 km nordweſtlich von Simferopol, nördlich an
der Bucht Kalamita auf der Weſtküſte der Krim,
bat (1897) 17915 E., meiſt Tataren und karai—
miſche Juden, je 1 rufl., armeniihe und röm.:
kath. Kirde, 3 Synagogen, 16 Moſcheen; Ger:
berei, Seifenfiederei, Handel mit Getreide, Wolle,
Häuten und Salz. Dampfſchiffahrtsverbindung be:
ſteht mit Odeſſa und —— — Zu Ende des
15. Jahrh. beſtand an der Stelle Es eine türf.
Geltung und Stadt Gößlewe. Sie lam 1783 an
ußland und erbielt zur Erinnerung an das alte,
von Mithridates VI. Eupator gegründete Gupato:
reion ihren jekigen Namen. Im Orientkrieg bildete
E., mit einer Beſahung von 21000 Turken, einen
—** Stüspunft der gegen Rußland verbün:
deten Mächte; fie fchifiten bier 14. bis 18. Sept.
1854 ihre Truppen aus und räumten den Ort erit
nad dem ‘Barifer Frieden. Ein Angriff, den Fürit
Menihitow 17. Febr. 1855 auf die Stadt unter:
nabm, ſchlug febl.
patorium L., Pflanzengattung aus der
amilie der tompofiten (f.d.). Man kennt über 400
rten,biein den ———— und warmen Gegenden
der Alten und Neuen Welt eine weite Verbreitu
befigen, zum weitaus größten Teile jedoch der ameri
Flora angehören. Es find frautartige Gewächſe
oder Sträucher mit verſchieden —— Blättern
und lebhaft gefärbten Blütentöpfchen, die in um:
fangreichen riſpen⸗ oder —— Blüten:
ftänden vereinigt find. In Deutichland findet ſich
nur eine einzige Art, der jog. Wajferbojten oder
Waſſerhanf, E. cannabinum ZL., deſſen Blätter
früber offizinell waren und nod jest ald Haus:
mittel gegen Wunden, Geihmwülfte u. dgl. ange
wendet werden; bie zu befigen ziemlich feite
Holen, die wie Hanf gebraucht werden können.
ebrere ameril. Arten And als Zierpflanzen eins
Eupatriden — Euphorbia
geführt worden. Es find ftattlihe, große Büſche
bildende, ausdauernde Pflanzen, welche für die
Ausftattung der Nabatten des Blumengartens die
beiten Dienjte leisten, da fie ſehr mwetterbejtändig
find und ng: blüben. Die interefjantejten diejer
Arten find: E. purpureum L. mit weinrotpurpur:
nen, E. aromaticum L. mit weißen, jebr wohl:
riebenden und daber für Bouquetö verwendbaren
Blumen. E. Weinmannianum Rgl. et Körn. und
ageratoides L. find Sträucher und Halbfträucher
Südamerilad, mit weißen Blumen, welde im Spät:
berbit und Vorwinter blüben und in Töpfen im
Kaltbaufe oder in fühlen Wohnräumen unterhalten
ju werden verdienen.
Eupatriden (arh.), im alten Athen der grund:
beigende Adel, die ritterlihen Cigentümer der
eropen Güter, im Gegenjaß zu den Geomoren,
der Maſſe der mittlern und Heinern ——
der bäuerlihen Bevölterung. Durch Solon verloren
die E. ihre verfaſſungsmäßigen Vorrechte, behaup:
teten aber infolge ihres Reihtums bis in des Berifles
Zeit einen bedeutenden Einfluß im Staate.
Eupen. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. Nahen,
bat 175,91 qkm und (1900) 26 083, (1905) 25414 E.,
1 Stadt und 8 Landgemeinden. — 2) E., franz.
Neaux (jpr. nob), Kreisſtadt
im Kreis E,, dicht an der belg.
Grenze, 15 km im SW. von
Nahen, am Zujammenfluß
der Hill und te in 256 m
Höbe, in einem ſchönen Thal
am Fuße des Hohen Venn,
an ber Nebenlinie Herbesthal:
Raeren der Preuß. Staatsbah⸗
nen und der Kleinbahn E.⸗
Dolbain in Belgien (10km), Sitz des Landratd:
amtes, einer Bürgermeijterei, eines Amtsgerichts
Landgericht Nahen), Kataſter⸗ und Nebenzollamtes,
einer Reichsbanknebenſtelle und Handelstammer für
den ſreis E., bat (1900) 14297 E,, darunter 423
Evangelifche, (1905) 13600 E., Boftamt erjter Klaſſe,
Zelegrapb, 8 kath. und 1 evang. Kirche, je 1 Klojter
der Franzistanerinnen und Rekollektinnen, Progym:
naſium, 2 höhere Mädchenſchulen, Gewerbeſchule,
Baiſenbaus, Verſorgungsanſtalt, Krankenhaus,
Vrivatirtenanſtalt, landwirtſchaftlichen Verein, Gas⸗
anftalt, Waſſerwerl; Kammgarn: und Streichgarn⸗
Ipinnereien, Karbonifieranitalten, Eifengiehereien,
därbereien, Waltereien, Gerbereien, bedeutende Fa:
britation von Maſchinen, Zub, Buckſkin, Kaſimir,
Handſchuhen, Trilot, Seife, Lichten, Salmiat eiſt,
Leim und Leder, Kragen, Filz, Riemen und Holz:
cement, ferner Dampf: und Waflermahlmüblen,
darbholzmahlmuhle, Kall: und Ziegelbrennereien
und mebrere Brauereien. Viehzucht, Butter: und
Kälebereitung und Viehmärlte find bedeutend. —
Val. Rutſch, E. und Umgegend (Eupen 1879).
Eupepfie (grch.), gute Verdauung; eupeptijch,
kiht verdauend oder verdaulid.
hausiidae, Familie der Spaltfüßer (j. d.),
ven geringer Größe, pelagijch lebend und mit Leucht⸗
organen an den Seiten des Körpers. — Bol. G. O.
Cars, On the propagation and early development
of E. (Rriftianıa 1898).
Euphöma, der Grasfittic (ſ. Orasfittiche und
Battibweiffittiche) ; E. pulchella Shaw, ver Schön:
Ktih, |. Tafel: Bapageien II, fig. 4.
Euphemismus (arc.), die Umſchreibung einer
anftöhigen oder unangenehmen Sadye durch mildere
297
oder beſchönigende Worte. So bezeichnen die Alten
3. B. den Begriff des Sterbens durch eine Menge
Euphemismen (3. B. si quid acciderit), wie es auch
im Deutfchen geihieht, wenn man dafür jagt: zu
feinen Bätern verfammelt werden, entſchlafen, fchei:
den, vollenden; euphemiſtiſch, beſchönigend.
Euphemiten, j. Maijalianer. j
id ön (Gupbonion, Eupbonium), mw
ſikaliſches Inſtrument aus Glasröhren, 1790 von
Ehladni (f. d.) nden. E3 werben dabei abge
probte gläjerne Röhren, wie die er timmten
Gloden der Glasbarmonila und in ziemlich gleicher
Wirkung, mit nafjen Fingern zum Tönen gebradt.
Ein dem Chladnithen äbnliches Inftrument baute
Ehr. Friedr. Quandt in Jena; er erjebte die Glas:
röhren durch 12—13 cm breite Glasſtreifen, welche
angejtrichen damit verbundene Glasgabeln zum Er:
zittern und Tönen brachten. Dieſes Inſtrument,
das nicht zu allgemeinerer Verwendung kam, batte
den Umfang G—d?. Militärlapellen beikt E.
oder Baritonhorn (j. Bariton) ein Blechblas:
inftrument.
Euphönie (grch.), Wohlklang, Wohllaut;
euphoniſche Budjtaben nannte man früber
diejenigen Laute, von denen man meinte, daß ſie
bloß des Wohlklangs wegen in ein Wort einge:
ſchoben jeien — eine jet veraltete Anſicht. Der
Gegenjas ift Kalophonıe (f. d.).
Euphoninae, linterfamilie der Sperlings:
vögel, f. Organijten.
uphonion (Cupbonium), |. Eupbon.
Euphorbia L., Wolfsmilch, Pilanzengat:
tung aus der Familie der Eupborbiaceen (j.d.). Man
fennt über 600 Arten, die größtenteild in den ge:
mäßigten Zonen, weniger häufig innerhalb ver
Tropen vorlommen. Es jind Gewächſe von febr
verjchiedenem Habitus mit eigentümlih gebauten
Blüten, Das Gebilde, welches man meijt ald Blüte
bezeichnet, iſt eigents
lih ein Blütenftand,
in welchem männlide
und weibliche Blüten
vereinigt find, aber
beide nur aus Staub:
gefäben be}. 3—
noten mit Griffel be—
ſtehen. Dieſer Blüten: |
ſtand, das jo: Evar;, ‚\F
tbium (j. beiſtehende
Figur und Tafel:
iftpflanzen I,
Fig. 4a), ift in der Negel von einigen verfchieden
gefärbten Hüllblätthen und Drüjen umgeben und
enthält drei bis zahlreiche nadte männliche Blüten,
in deren Mitte auf einem mehr oder weniger langen
Stiele die aus einem dreifächerigen Fruchtknoten mit
drei Griffeln beftebende weibliche Blüte ſich erbebt.
Alle Arten diefer Gattung enthalten reichlich Milch—
faft, der bei Berlegungen oft in großen Mengen aus:
fließt und dann zu einer barzigen Maſſe eintrod:
net. Sowohl der am Saft wie der eingetrod:
nete haben ägende Eigenſchaften und bewirten beim
Genuſſe jtartes Purgieren und Erbreden.
Die in Deutihland einbeimiihen Arten find
ſämtlich frautartige Gewächſe. Bon einigen, wie
E. cyparissias L., esula L., wird der Milchſaft
zum Wegätzen der Warzen benußt; beide jind ges
meine Unfräuter. Von andern, wie E. lathyris L,
dienen die Samen als Burgierlörner (j. Croton).
298
Ein häufiges Aderuntraut ift E, helioscopia L.
(j. Tafel: Siftpflanzen I, sig. 4). Bon ven ero:
tifchen Arten ift zu ermäbnen die im nordweſtl. Afrika
vorlommende, einem Säulentaltus ganz ähnliche,
blattlofe, vidfleiihige, fantige und ftachlige E. offi-
cinarum L. (E. resinifera Berg, |. Tafel: Tri
coccen, ig. 1), von mwelder der ———
Milhiaft ald Euphorbium (f. d.) offizinell ift. Von
äbnlibem Habitus find E. canariensis L. (Cana=
riſche Infeln), E. antiquorum L. (Oftindien) und
eine Reibe afrik. Arten (teilweife jog. Randelaber:
eupborbien). Kurze, dide Stämme mit fopfig am
Scheitel ftehenden hängenden Üſten bildet das De:
dufenbaupt, E.caput Medusae L. (f. Tafel: Tri:
coccen, Fig. 2), aus dem ſudl. Afrifa. Mehrere
ad Arten, ferner die mit fleiſchigen Blattihöpfen
verjebene E. neriifolia L. eye und die aus
einem Gewirr cylindrifcher, faſt blattlofer grüner
Ameige beſtehende, urfprünglich wohl afrif.,jegt auch
in Sübafien verbreitete E. tirucalli L. dienen als
wirtungsvolle Einfriedigungen. Andere Arten wer:
den zur Bereitung von Pieilgift (f. d.) verwendet.
Durch —— gefärbte Blütenhüllblätter befien
ein gewifles blumtftifches Intereſſe vorzugsweiſe E.
fulgens Karw. (Merilo), mit oben brennend ſchar⸗
lachroten, unten dottergelben Blütenbüllen, und E.
splendens Bojer, von Madagaskar, mit länglichen,
nad unten verfchmälerten Blättern mit fcharladhs
innoberroten Blütenbüllen. Diefe Art blüht im
Sm jabr, die erftgenannte den ganzen Winter hin:
durch. Ehenio f dn und fulturwürbig ift E. punicea
Sw. mit leuchtend purpurroten Blütenhüllen. Der
einzige Mißſtand bei diejen Gewächſen ift der un:
angenehme, fparrige Wuchs, bei E. splendens
aud bie jharfe Bewehrung des Stammes. Alle
diefe Gewächfe gehören in das Warmhaus, können
aber auch recht gut in Wobnzimmern unterhalten
werben. Im Winter müfjen fie dit unter dem
Glaſe ftehen und dürfen nur wenig Waſſer er:
balten. Im Sommer fann man fie ins Freie auf
ein jonnig gelegenes, bedachtes Geitell jtellen. Nach
der Blüte 4 man die Zweige, um eine reichere
Veräftelung beroorzurufen. Alle in Gewächshäu—
fern lultivierten Eupborbien lafjen ſich leicht durch
Stedlinge vermehren. — Einen ganz andern Wuchs
aben die meift unter dem Namen Poinsettia be:
annten, amerilanifchen, jest viel fultivierten E.
pulcherrima Willd. mit blutroten und E. hetero-
an 3er L. mit rofafarbenen Hodhblättern.
upborbiaceen, Bflanzenfamilie aus der Orb:
nung der Tricoccen (f. d.) mit gegen 3000 faft auf
der ganzen Erde, zum größten Zeile aber in ben
Tropen verbreiteten Arten. Es find Bäume, Sträu:
cher und —— Pflanzen von ſehr vericieden:
artigen Formen. Alle aubaltan reichlich kautſchuk—⸗
baltıgen Milchſaft faft in allen Zeilen. Die Blät-
ter jtehen meijt abwechjelnd und find gesmis
ungeteilt, felten bandförmig Ye ie Blüten
find ein oder zweihäuſig. Meift befigen bie jehr
— geſtaͤlteten Blüten eine kelchartige Blüten:
hülle. Die Anzahl der Staubgefäße wechſelt ſehr,
der Fruchtknoten iſt — — dreifächerig mit ent⸗
prechend gleicher, 9 zahl. Die Frucht iſt ge
wohnlich eine dreilnopfige, Happig aufipringende
Kapiel, die Samen tragen einen ſleiſchigen Wulſt.
Viele E. find offizinell oder techniſch wichtige Ge:
wächſe, z. B. Ricinus communis L., die Burgiernuß
(Jatropha curcas L.), der Erotonölbaum (Croton
tiglium L.), der Ca&carillrindenbaum (Croton Eleu-
Euphorbiaceen — Euphorion
theria Sw.), das Manihot (Manihot utilissima
Pohl), der Ceara- und der PBarafautihulbaum
(Manihot Glaziovii Müll. und Hevea brasiliensis
Müll.), der Kamalabaum (Rottlera tinctoria Rorxb.),
der Lichtnuß⸗ und ver Holzölbaum (Aleurites mo-
luccana Willd. und cordata Müll.), der chineſ. Talg:
baum (Stillingia sebifera Willd.), ver Bubsbaum
(Buxus sempervirens L.) u.a. Auch einige ſehr
giftige Pflanzen gehören hierher, wie der Manza⸗
nillabaum (f. Hippomane), verſchiedene Eupborbias
Arten, Toxicodendron, Hura, Excoecaria u. a.;
als Zierpflanzen dienen Arten von Euphorbia, Co-
diaeum, Croton, Phyllanthus u. a.
Euphorbium, der eingetrodnete Milchjaft der
im Innern Maroflos bung Euphorbia resini-
fera Berg. (f. Euphorbia). Durch Einfhnitte in die
—— weige, die man im Spätſommer oder
nfang des Herbſtes macht, fließt der Milchſaft aus
und trodnet bald zu unregelmäßigen Körnern an,
die von den —— eſammelt werden. E.
bildet linſen und bohnengroße meiſt abgerundet drei⸗
edige, häufig durchlocherle und gemöhnlih Stacheln
oder Fruchtchen der Stammpflanze einſchließende
zerreiblihe Stüde von jhmusiggelbliher Farbe.
Geruchlos und anfangs faum jhmedend, reizt es
binterber ftarf, wie aud fein Staub beftiges Nieſen
erregt und Hautentzündungen hervorruft. Beim
Pulvern des Harzes ift daher mit großer Vorſicht
zu verfahren. Das CE. beſteht aus einem Gemenge
verſchiedener Harze, Gummi, apfelfauren Salzen
und Kautſchuk. on den Harzen nennt man das
eine Eupborbon; man erhält ed, wenn E. mit
Petrolbenzin erihöpft wird; die Loſung binterläßt
es nach dem Verdunften in unreinem Sultanbe. Um
ed zu reinigen, wird der Nüdjtand in $ iber gelöit,
die ätheriſche Loſung mit verbünntem Weingeiit
verſetzt, wodurch fich gelbes Harz abſcheidet, während
die Loſung nad dem Verbunften reines Eupborben
(etwa 35 Proz.) giebt; es jchmilzt bei 67— 68° C.
und ift leicht loslich in Allohol, Äther, Betroläther.
Das E. ift offizinell, wird aber nur noch felten als
Neizmittel äußerlich zu Salben und Pflaſtern, ipes
ciell in der Zierheillunde gebraudt; früher wandte
man e3 innerlich als draftiihes Abführmittel an.
Euphorbön, |. Euphorbium.
Euphorbos, in der Ilias einer der tapjerften
der Trojaner. Er verwundete den von Apollon bes
täubten Patrollos, den hernach Heltor tötete, und
fiel dann ſelbſt beim Kampfe um den Leichnam bes
Patroklos von der Hand des Menelaos.
Euphörie (grch.), das leichte Ertragen von
etwas; das gute Belommen einer Arznei oder
Speife; auch das Wohlbefinden.
Euphorine, Bhenyluretban, entitebt durch
Einwirkung von &lortohlenfaurem Athyläther auf
Anilin und ftellt ein weißes, ſchwach aromatiih
riechendes, in Waſſer ſchwer, in Allobol leicht lös⸗
liches —— Pulver von ſchwachem gemürz
ajtem Geihmade dar, das neuerdings als anti⸗
eptifches Mittel fowie als Heilmittel gegen Gelent-
rheumatismus und Neuralgien empfoblen wird.
Euphorion, der auf den Inſeln der Seligen
geborene, geflügelte Sohn des Adilleus und ber
Helena, wurde von Zeus durd einen Blitzſtrahl ge
tötet. — —— giebt dieſen Namen im zweiten
Zeil des —* t» dem von der Sage Juſtus Fauſt
benannten Sohne des Fauſt und der Helena,
Euphorion, grieb. Dichter aus Challis aut
Euböa, geb. um 275 v. Ehr., bildete fi in Athen und
Euphranor — Euphrat
murde jpäter Bibliotbelar des Königs Antiohus
d. &r., der 222 den Thron beitieg. Beſonders ver:
jafte er Epen, in denen er in ber Weife der ge:
lerten Dichtung ber —— * Zeit eine
Rufe wenig belannter Mythen aufhäufte. Eigen—
tumlich iſt ihm die Verwendung zahlreicher mundart⸗
liher Wörter. In der letzten deit ber Republit jo:
wie in der erften röm. Kaiferzeit wurden in Nom
feine Elegien vielfah nahgeabmt (befonders durch
Gallus, 1.d.). — Über ihn giebt es eine Mono:
grapbie von Meinele (Danzig 1823), neu bearbeitet
ın deilen «Analecta Alexandrina» (Berl. 1843).
Eupbränor, griech. Maler und Bildhauer, ge:
bürtig vom lorinth. Iſthmus, Schüler des Ariſtides
(j.d.), blühte um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr.
Berühmt war feine Statue des Paris. Auf dem
Gebiete der Skulptur ſchloß er ſich der ſilyoniſchen
Säule an und war wie in feinen theoretijchen
Schriften, jo aud in feinen Kunſtwerlen auf Er:
forihung und Darftellung der rihtigen Verhältnifie
des menſchlichen Körpers bedacht. Auch über die
arben verfaßte er eine Schrift. Er ſcheint in jeinen
uren beſonders nah dem Ausprud des Groß:
artigen, eg ejtrebt zu haben.
f we; anzengattung aus der ja:
milte der Scropbulariaceen \ d.) mit gegen 20,
mit Ausnahme der Tropen, fait über die ganze Erde
verbreiteten Arten. Es find Heine einjährige, felten
ausdauernde Kräuter, die auf Brei raspläßen
und Bergtriften wachen, gegen tänbige Blätter
und äbrenförmig georbnete Blüten mit zweilippiger,
elb⸗ und violettgefledter Blumentrone be-
e verbreicetfte Art ift ver Augentroft
E. offieinalis L., eine in vielen Varietäten au
trodnen Wiejen u. f. w. wachſende und im Auguft
und September blühende Pflanze. Ihre ſchwaäch—⸗
dalſamiſch riehenden Blätter waren als Herba
Euphrasiae offizinell und galten für ein die Seh:
traft der Augen ftärlendes Mittel. Die meiften
Arten leben infofern jhmarogend, als ihre Wur—
‚ein gewiſſe Näbrftoffe nit aus dem Boden, fon-
dern aus Näbrpflanzen, in diefem Falle in der Re:
F Graſern, entnehmen. — Bgl.R. von Wettſtein,
onogtaphie der Gattung E. Cpz. 1896).
Euphräfie (grch.), Frohſinn, Heiterteit.
rat (griech. und lat. Euphrätes; bebr.
Brath; armeniſch und aramäifh Ephrät; arme
niſch aud Aradzani;arab. rät oder yurät;ba-
bolon.-afiyr. Burätu; altperj. Ufrätu, d. b. der
ſehr breite), ver größte Strom Vorberafiens, bildetmit
dem Tigris (j.d.) defien bedeutendſtes Stromfpftem.
Er ebt innerhalb des armeniſchen Hodlandes
aus zwei Duellflüfien von faft gleicher Wafjerfülle:
dem fürzern weftlicyen, für welchen der Name E. auch
im Abendlande um fo belannter geworben ift, als
jabrhundertelang ein Zeil feines aufs die Oftgrenze
des Römischen Reichs bildete (jet neben dem arab.
Namen Frät türkifh gewöhnlih nur Kara⸗fu,
—8 Schwarzwaſſer, genannt), und dem längern
ihen, aus der Mitte Armeniend kommenden,
dem (türl.) Murad:ju, der zuweilen mit dem:
jelben jemit. (aramäifchen) Namen Epbrat, eigentlich
aber mit dem echt armenijchen Aradzani (Arjanias)
bezeichnet wird, welchen die Armenier au häufig
auf den vereinigten Strom, felbjt des jemit. Un:
terlandes, anwenden. Der erſtere hat feine Quelle
37 km im NO. von Erzerum, die Duelle des legtern
liegt im SW. von Diabdin, im N. des — am
Ala⸗Dagh, in 2750 m Höhe. Der Kara⸗ſu flieht
weißer,
ſigen.
299
anfangs nah W., durchſtrömt die fruchtbare Ebene
von Erzingjan und tritt dann in ein enges, bis
Kemal reihendes Defild, wo er Hößbar wird. Dieje
Schlucht fest m meiterhin mit 350—500 m hoben
Steilwänden fort; dann folgt, nachdem der Fluß
plöglic feine Rihtung nah SSO. genommen bat,
das tiefe Thal von Egin, mit 1300 m hoben Fels⸗
wänben, welches jo eng it, dab man es überbrüdt
bat. Südlicher folgt die Furt bei den Bleiminen
von Keban: Maden, in 708 m Höhe, wo ſich der
Sub nah einem Laufe von 444 km mit dem
urad:fu vereinigt. Letzterer fließt zuerft im NW.
des MWänfees und nimmt dann weftl. Richtung an;
er bat bis Keban⸗Maden etwa 666 km Länge.
‚Von der Vereinigung der beiden Duellflüffe an
wird die Richtung eine im allgemeinen ——
Der 108 m breite Strom fließt zuerſt nah SW.
durh ein Längenthal; dann durchbricht er den
Taurus: zwiſchen den wildeſten, 650 — 1000 m
hoben — en durchſtromt er ein Erofionsthal,
in welchem er auf etwa 60 km eine Reihe von Huns
derten von Stromſchnellen und FKataralten zeigt,
bis er bei Telet an einer Stelle, weldye Gleitajch
oder Hirſchenſprung beißt, auf 20 m eingeengt ift.
Ganz nahe bei Telek im N. liegen die Quellen des
Zigris (Didſchleh oder Schatt). Bon Telet wendet
er jih nah ©., fpäter nah SSW. und WEB,
macht zwijchen den Orten Gerger und Samfat (Sas
mojata) feine legten Waflerftürze, noch immer zwi⸗
hen fteilen, rötlihen Sandfteinwänden von 100
is 130 m Höhe. Die Länge ded Stroms von
Keban⸗Maden bis hierher ift 185 km, und von bier
an wird er auf 190 km ſchiffbar.
Mit dem Eintritt in die große Se Ebene bes
innt der zweite Teil des Stromlaufs, welcher bis
Bit reicht. Bei Rum⸗Kale wendet er fih nad ©.;
bier und bei der gegenüber Biredidik gelegenen
frequentierteften Furt in ganı Syrien näbert fid
der E. dem Mittelmeere bis auf 215 km. Die
tünftlich bewaͤſſerten Ufer befteben aus Gips, Sand⸗
Bes und Konglomeraten; dahinter ift die offene
üfte im Frü Pr mit üppigem Grün bebedt.
52 unterba irebfchit folgt nah Aufnahme
bes rechts von Aintab kommenden Sadſchur (Sans
gar der Ajiyrer) der Kalaat a — und 74km
weiter Balıs. Der Strom mwindet jih nun 60 km
weit, eine öftl. Richtung annehmend, bis Ralta
(das antile Nikephorium) durch ein ſchönes, weides
reiches Land. Oberhalb Nakta, bei Phunſah (Thap-
sacus), ſtehen Reſte einer alten Brüde; hier hat der
€. 225 m Breite und feine Ufer find mit Tamas
risken —— bevedt. Bei Halebi⸗Dſchelebi (Jaba
und a ber Araber) verengen die öden, aber
nicht hohen Abuſchirberge den Stromlauf. Ober:
alb von Deir erfcheinen die erften Gruppen von
attelpalmen, von Limonen= und Orangenbäumen;
ort fpaltet ji der Strom und umfließt flache Ins
jeln. Der €. ftrömt weiter zwijhen hoben Hügeln
in einem fteinigen Bette und bat hier im Sommer
nur 1,45 m Tiefe. 45 kın unterhalb Deir mündet
bei Abu:Serai (Circesium) von lints der Chabur;
110 km weiter, bei Werdi, wirb der Lauf öſtlich
und bat 860 m Breite und 5,5 m Tiefe. pn Krüms
mungen fließt der E. 150 km weiter bis Anah
(techts) und Rawa (lints), 26 Se umſchließend;
bei der letzten durchſetzt ihn ein Felſenriff, welches
das Haupthindernis in ſeinem Bette bis Basra bil⸗
bet. 1200 km vom Eintritt in die Ebene und 890 km
von der Mündung liegt Hit. Der €. ergießt hier in
300 Euphratbahn
jeder Selunde 2065 cbm Wafjer. Bon da nehmen
die Hügel an Höhe ab; nur etwas oberhalb Hilleh ift
noch ein felfiger Strich, jonft findet fi bis zum
Meere bin nicht ein Stein. Der Strom wird bei
Hit tiefer und wilder und ähnelt der bulgar. Donau.
Gegen Ende März beginnt mit der Regenzeit das
Eteigen ded Stroms, der zwiſchen dem 21. und
28. Mai feine größte Höhe erreiht. Während die:
er ganzen Zeit follen die Dampfer für ihre Fahrt
ein Hindernis — indes geſchieht das Be:
fahren hauptſächlich nur mit Flößen, welche auf auf:
geblajenen Hammelbälgen, jog. Kelels, liegen. Am
niedrigften ift der Fluß im November und dann bietet
er die halbe Strede zwiſchen Biredſchil und Basra
(40 km) weit durd jene Felfen und Untiefen an
39 Stellen Hindernifje für die Schiffahrt. Unter:
Ib Hit find zu beiden Seiten zahlreiche Kanäle zur
ewäfjerung der Felder abgezweigt. Im Altertum
ging von bier aus auf der rechten Seite des €.
ein großer Kanal bis zur Mündung bes Er
ftet3 dem Laufe desſelben folgend; die Reſte find
noch vorbanden.
Der untere Teil des Fluffes, von Dimanieh bis
Korna, bildet von jeher eine Reihe von ſchilfigen
Lagunen, die Paludes Chaldaicae, el» Batiba der
Araber, jest Lamlumfümpfe genannt. Der Strom
ift bei Dimanieh 150, bei Lamlum, wo ſich ein Arm
abzweigt, 110 m breit und meiſt 3,4 m tief; er
römt 4,5 km in der Stunde bei Hochwafler. Nach
iedervereinigung mit dem Lamlumarme bei el:
Ebidr erreiht er wieder 180 m Breite; er um:
m. neun Inſeln und bat bobe, mit Diebangel
ededte Ufer. Bis dabin bilden die Pamlumjümpfe
die Hauptfchwierigleit für die Beihiffung; das
Klima ift peftilenzialifh, die Bewohner find wild
und ungaftlib, aber es liegen auf Bodenhöben in
den le die Reſte vieler alten Städte, offen:
bar die frübeften Sige der Eivilifation: Erech (Uruf),
jest Arla, und Ur der Ehaldäer, jegt Mugajir. Bei
Korna (31° nörbl. Br.) endet der E. indem er aa
mit dem Tigris zum Schatt el: Arab vereinigt. Der
E. ernährt treffliche Fiſche; Holz, Steintohlen,
Bitumen und nm nben 19 reichlich längs
der Ufer. Die Gefamtlänge des E. beträgt 2775 km.
Die Verſuche der Engländer, den E. mit Dampf:
booten zu beſchiffen (1835—37), ſcheinen bargetban
zu haben, daß der Blan, ibn zu einer Waſſerſtraße zwi⸗
ben Dftindien und dem Mittelmeere zu machen, in
einer gegenwärtigen Beftalt illuſoriſch ift. (S. Karte:
eftafien, beim Artilel Ajien.) — Bol. Ebes:
nep, The expedition for the survey of the rivers
Euphrates and Tigris (2 Bde., Lond. 1850); Sahau,
Am E. und Tigris (Lpz. 1900).
Euphratbahn. Im J. 1872 wurde von einem
Ausſchuß in London zur möglichit ſchnellen Verbin:
dung mit Indien eine E. (1400 km) von dem Hafen
Sueidie (Seleucia) am Mittelmeer (Eppern gegen:
über) über Antakie (Antiohia) und Haleb (Aleppo)
nah Balis am Eupbrat geplant, die dem ——
tbale folgend, bei Basra am Schatt el-Arab, der
Schiffahrtsgrenze für — enden ſollte. Die
Koſten waren auf 200 Mil. M. veranſchlagt; da:
durch wäre die Reife von England nad) Indien mit
einer einzurichtenden regelmäßigen Schiffsverbin—
dung zwiſchen Basra und Rarantichi (an der Indus:
mündung) in ungefähr 12 Tagen — worden.
Der Plan wurde jedoch nicht ausgefübrt. 1884 er:
langten ſyr. Kapitalijten die Genehmigung zum
Bau einer Babn vom Hafen Iskanderun über
— Euplectes
Haleb nad Balis, von wo der Eupbrat nach Durch⸗
führung der Schifjbarmahung mit Flußdampfern
— bis Biredſchil befahren werden ſollte.
Allein auch dieſer Plan ſcheiterte. Erſt in neuerer
Zeit ſchien der Gedanle einer E. feſtere Geſtalt an—
zunehmen, als ſich die «Merſina⸗-Tarſus-Adana
Railway Company» unter finanzieller Beihilfe ver:
pflichtete, ihre 1884 eröffnete Bahn von Merfina
am Mittelmeer nad Adana (67 km) vorläufig nad
Maraſch (210 km) zu verlängern und fpäter die
Reftitrede über Aintab nad Biredſchil am Eupbrat
(190 km) zu bauen. Auch diejer dritte Blan kam
nicht zur und: ebenio ift die bereit 1893
der Syrifchen Eifenbahn-Gefellihajt genebmiate €.
von Damaskus über Homs, Hamab und Haleb nad
Biredſchil nicht gebaut worden, aud find die 1899
von der Anatolijchen Eifenbabn-Gefellibaft unter:
nommenen Verſuche zur Regelung der Damaskus:
Biredihikfrage wieder geiceitert. In Biredſchil
würde die E. Anſchluß an die der Anatolijchen
Eijenbahn: Gefellfhaft durch einen Borvertrag mit
der türt, Regierung bereits zugeſicherte Bagdadbahn
erhalten (ſ. Osmaniſches Reich, Verkehrsweſen, und
Karte: Weſtaſien I, beim Artitel Ajien).
zumuten: eine der drei Ehariten (ſ. d.);
auch Name des 31. Planetoiden.
Euphuismus, ein nah John Lolys Roman
«Euphues. The anatomy of wit» (1580) genannter,
— antitheſenreicher, ſchwülſtiger Stil, der
ich in der engl. Dichtung der Zeit Shalejpeares
breit madıte, äbnlich dem Marinismus der Jtaliener,
dem estilo culto oder Gongorismus der Spanier,
dem style pr&cieux ber Franzoſen, der eleganten
Schreibweiſe oder dem Schwulft der ſog. ‚weiten
Schleſiſchen Dichterſchule u. a. gefünftelten Schreib:
arten in der Litteratur des 16. und 17. Jahrh. — Val.
3. Landmann, Der E., fein Wefen, feine Duelle,
eine Geſchichte (1881); Child, John Lily and
Euphuism (2p3. 1894).
ion, flüffiges Baraffın, hochſiedendes De
ftillationgproduft von Braunkohlen over Betroleum.
Eupittön, Eupittonfäure, Pittalal, ein
aus dem Buchenhbolzteer abgeſchiedener Farbitofi,
der in Verbindung mit Altalien intenfiv blau ge
färbte Salze giebt. Derfelbe ift fontbetiih aus 3b.
rogallolmetbylätbern en und ald Hera:
methoryaurin, C,, H, (OCH,), O,, erfannt worden.
Praltiſche Verwendung bat er nie gefunden.
Euplastioa (grch.), Mittel, welde die Ernäb-
rung des Organismus oder einzelner Organe be:
fördern, im Gegenjaß er Anti- oder Dysplastica,
den Mitteln, die das Machstum oder die Umfangs:
vermebrung bes Körpers oder einzelner Organe
verbindern.
Eupleotella aspergillum R. Owen, ber
Venusblumentorb, j. Glasjbwämme nebit Tafel,
Fig. 1, ſowie Eölenteraten nebit Taf. I, Fig. 3.
Eupleotes, Feuerweber, eine Gattung der
Mebervögel '. d.) mit mebrern Arten, darunter der
Feuervog⸗ E. franciscanus Isert (j. Tafel:
Meberpögel, Fig. 4); das Männden wird in der
Brunftzeit feuerrot mit fammetartiger, fchmwarzer
Befiederung des Oberlopfes, der Wangen, der Bruft
und des Bauches und verlängerten Schwanzbded:
edern. Außerhalb der Brunftzeit ift ed wie das
eibhen einfach —— arben, wie die Federn
der Schwingen und des Schwanzes immer bleiben.
Der Vogel iſt ein 12 cm langer Bewohner Mittel:
und Ditafritas. Ferner gebört zu dieſer Gattung
Euplocomus — Eure
nogaster Swains., Fig.
‚Euplooömus en: Faſanhühner,
eime artenreihe Gattung der Faſanen (ſ. d. ne
Zum. 80. 3 u. 4, ſowie die Tafel: Geflügel,
upnod (grch.), das leichte Atmen.
lis, einer der brei Meifter der alten atti-
iben Komödie, war ein etwas älterer Ha enoſſe
der Vebervogel der auaneleenänngel (E. mela-
).
und eine Zeit lang auch Freund des Ariftophanes,
bis dieſe Freundſchaft ſich ın das Gegenteil verkehrte.
Er bradte jhon im 17. Jahre eine Komödie zur
Aufführung, ftarb aber noch vor dem Ausgang des
Veloponneſiſchen Krieges, wahrſcheinlich im yo
Seine «Schmeidhler» waren gegen den reichen Kal:
liad, der «Marilad» gegen Kleons Nachfolger
Hyperbolus, «Die Täufer» gegen Alcibiades ge:
richtet. Der Reichtum der Phantaſie, der treffende
Epott und die Grazie, welche die Alten an ihm
rübmen, läßt fi nad dem Verluſte aller von ihm
gedichteten Schaufpiele nod in deren Brucftüden
erlennen. Dieje find gejammelt von Meinete in
beiten Ausgaben der « enta comicorum grae-
corum» (5 Bde., Berl. 1839—57; 2 Bpe., ebd.
1847) und von Kod in «Comicorum atticorum
fragmenta», Bd. 1 (2p3. 1880).
ompud, griech. Maler aus Silyon, be:
gründete zu Anfang des 4. Jahrh. v. Ehr. eine
neue Malerſchule, die ſilyoniſche, die neben der aſia⸗
tiſchen umd attiſchen (thebaniſch-attiſchen) blübte.
Sein bedeutendſter Schüler war Pamphilus (ſ. d.).
‚1. Bäripinner.
Eupyrin, Banillinätbylcarbonatphenetidin,das
mediziniih als ftimulierendes Antipyretitum ver:
wendet wird.
‚Eurafien, von denen, die Europa als jelbftän:
digen Erdteil nicht anertennen, gebrauchte Benen:
nung für Europa und Aſien ala Erbteil.
er(eine a wer aus Europ:Afier) oder
Halbtaften (engl. Half-casts), in Oftindien Ber
rung der Ablömmlinge von Europäern und ind,
Müttern. Ihre Zahl wird in Bengalen auf 20000,
in ge indien auf mehr alö 100 000 geihäßt.
Viele von ihnen erhalten eine europ. Erziehung und
ſprechen das Engliſche lorrelt, wiemohlmiteigentüm:
lichem Accent. Die Mädchen find troß ihrer dunllern
Farbe meift |hön und woblgebaut. Die Söhne fin:
den — als untere Beamte oder als Commis
bei Kaufleuten Beſchäftigung. In untergeordneten
Stellungen find fie im allgemeinen fehr brauchbar,
—* unglei weniger geichidt für die Ausübung
böberer jelbftändiger Amtögewalt. Obgleich dies
felben in neuerer Zeit Zutritt zu den höchſten Kreis
fen gefunden haben, werden fie von den Europäern
im allgemeinen nicht fehr geihäßt.
Eure (fpr. öbr), linter Nebenfluß der Seine im
norweitl. Frankreich, entfteht im Depart. Orne, aus
Zeiben im Walde von Longni, in 285 m Höhe, bes
rübrt Ehartres, Nogent:le:Roi, Anet, Jory⸗la⸗
Bataille, Pach und Louvierd und mündet nad)
einem Laufe von 226 km, nad Aufnahme der Vegre
auf der rechten, der Blaije, Avre und des Iton auf
der linlen Seite, unfern Pont⸗de⸗l'Arche oberbalb
— Fluß iſt von der Stadt St. Georges
ſchiffbar.
Eure (ſpr. öbr), Departement im nördl. Frank⸗
reich (nach dem Fluſſe E. benannt; ſ. Karte: Nord:
ditlibes Frankreich, beim Artikel Frankreich), be:
ftebt aus Teilen der Öftl. Normandie mit den Land»
bit | DO. an Dife und Seine:et:Dife, im
301
fhaften Due, Roumois, aus Teilen von Verde
und Berin, grenzt im N. an den Mündungsbufen
der Seine und das Depart. Seine: Anferieure, im
. an Eureret:
Loir, im W. an Orne und Calvados, bat 5958
(nad Berechnung des Kriegsminiſteriums dagegen
6037) qkm und (1901) 334 781 E., und zerfällt in die
5 Arrondifjements Les Andelys, Bernay, Eoreur,
Louvierd, Pont: Audemer, mit 36 Kantonen und
700 Gemeinden. Hauptſtadt iſt Evreux (ſ. d.). Das
Departement bildet eine fruchtbare, hier und davon
einzelnen, bis 194 m boben Hügelgruppen und
namentlih im Nordoſten von den malerijchen, fteis
len und bewaldeten Uferrändern der Seine durch⸗
zogene Ebene. Alle Flüſſe deöfelben münden in
dieſen gr nen rehts die Andelle und die
ſüdwarts fließende Epte, lint3 die Eure (f. d.)
und die Rille. Im allgemeinen ift die Ebene mit
einer auf einer Unterlage von Kallſtein, Kreide,
Feuerftein und Tuff rubenden, tiefen Schicht leh⸗
migen chtbodens bevedt. Längs der Seine
ift das Land ftrichweife jandig, an mebrern Stellen
einig und mwüft, im ganzen aber ſehr fruchtbar,
ie Üder nehmen 63,8 Proz., der Wald 19 Proz.,
Wieſen und Weiden 6,7 Proz. und ———— 5A
Proʒ. der Gefamtoberfläce ein. Der Ertrag der
legtern, namentlich an Ülpfeln und Birnen, ilt ber
deutend (1897 über 53,5 Mill. kg Upfel zur Eiders
bereitung, im Durchſchnitt 1888—97 jährlich
1052554 hl Eider). Die Weinberge an der Seine,
E. und More gaben im Durchſchnitt (1888—97)
8102, 1898 aber nur 2974 hl Wein. 1897 wurden
1486130 hi Weizen und 164251 hl Roggen ger
erntet, Außerdem baut man Hanf, Flachs, Hüls
enfrüchte und Zuderrüben. Die Weiden und Wies
en ernähren eine große re Pferde (47411),
Rindvieh (149 030), das auf die Märkte von Sceaur
und Bafly gebracht wird, Schafe (293 764), Schweine
und Bienen. Kleines Mildbret, insbeſondere Ges
Y el, giebt es in Menge und die Flüffe find ſehr
—*— Es werden Eiſen, Bau: und Müblfteine,
Topfer⸗ und Ziegelthon gewonnen. Unter den lalten
Mineralquellen bat beſonders die von Vieur—
Conches einen Ruf. Die Induſtrie iſt lebhaft und
mannigfaltig. Die Hochofen, Eiſen- und Kupferhüt⸗
ten, welch leßtere engl. und Chilelupfer verarbeiten,
bejchäftigen 3000 Arbeiter. er tehen Hammer»
werte für Eifen: und Weißbleb, Nagelihmieden,
Fabrilen für Stednavdeln und Kurzwaren. Bedeus
tend find die Fabrilation von Geweben, namentlich
Wolle und Baummolle, die Rot: und Weißgerbe—
reien, ärbereien, Bleichereien, ZTöpfereien; das
Arrondifjement Louviers ift das an Fabriken
reichte. Zudem wird ein wichtiger Ausfuhrhandel
betrieben, welchen das Meer, die Seine und die
chiffbare Berbindung mit Paris, Rouen, Havre ſehr
drdern. Das Departement befist 121 km ſchiffbare
afierftraßen, (1899) 468,4 km Nationalitraßen
und wird von den Eifenbahnlinien Baris:Evreur:
Pont:Audemer, Berfailles:Dreur:Laigle und ihren
Abzmweigungen (im ganzen 1897: 670,9 km) durch⸗
sogen. Es befist an höhern Unterrichtsanftalten
1 &yceum und 2 Eollöges. — Bal. Blofjeville, Dic-
tionnaire topographique du departement de l’E.
(Bar. 1878); Paſſy, Description geologique du de-
partement de l’E. (Evreur 1875); Joanne, Géo-
phie du departement de l’E. (ar. 1881);
erray, Hydrographie du departement de V’E.
1. ZI., Evreur 1896); Arbouin:Dumazet, Voyage
302
en France. 6. Serie: Cotentin, Basse-Normandie,
pays d’Auge, Haute-Normandie, pays de Caux
(Bar. 1896).
Eure:et:2oir (fpr. öhr e ldahr), Departement
im nördl. Frankreich ei Rarte: Norddftlidhes
Frankreich, beim Artitel Frankreich), benannt nad
den beiden Flüffen Eure und Loir, bejtebt aus Teilen
der ehemaligen Gouvernements Orleans, Maine
(here) und Isle⸗de⸗France, gran im R. an dad
epart. Eure, im D. an Seineet He, im SD. an
Loiret, im S. an Roir:et:Cher, im SW. an Sarthe,
im ®. an Drne, bat 5874 (nad Berechnung des
Kriegäminifteriums 5938) qkm, (1901) 275433 €.,
und zerfällt in die 4 Arrondiſſements Chartres,
Ehäteaudun, Dreux, Nogent le Rotrou, mit 24 Ran:
tonen und 426 Gemeinden. Hauptftabt ift Chartres
f.d.). Den weftl. und norbweftl. Teil bildet wellen:
drmiges Hügelland, reih an Thälern, Bächen und
eihen, den öftlidhen einförmige waflerarme, aber
ehr fruchtbare Ebenen. Den Norden bemwäjlert die
ier noch nicht ſchiffbare Eure mit der Vegre, Blaije
und Aore, einen Heinen Teil des Weftens die Huiane,
ben Süden der Loir mit der Conie und Dzanne. Das
Klima ift gemäßigt, die Luft rein. Der Boden be
ftebt teild aus Thon, gemifcht mit Sand oder Kiefel,
teild auch, befonders im Weiten, aus lahlen Heide:
ftreden und Sanpfelvdern. Die Hügel find bald
aus Sand: und Feuerftein, bald aus Seuerftein und
Mergel zufammengefest. Die Hauptbeihäftigung
ber Bewohner ift ver Aderbau. 82 Broz. der Boden:
fläche ommen auf Aderland, 10,4 Proz. auf Wald
34 Proz. auf Wieſen und Weiden, faum 0, auf
inberge. 1897 wurden 1883500 hl Weizen und
154200 1 Roogen, außerdem Gerite (636000 hl),
Hafer (3439000 hl), Kartoffeln, Hanf, Flachs, Rüb:
amen, Karbenbifteln und viel Upfel zur Eider:
ereitung (1897: 10,1 Mill. — — Runkel⸗
rüben werben vorzugsweiſe im Arrondiſſement Char⸗
tres gebaut. Der Viehſtand iſt beträchtlich; es giebt
vor allem Schafe (18907: 651159), Rinder (105758),
ferde(42194)und Bienen (216535 kg Honig). Eifen
ndet fib häufig, außerdem gute Baufteine, Töpfer:
und eben Die Induftrie ift, Muhlenbetrieb
und PBapierfabrilation ausgenommen, nicht nen:
nenswert. Der Handel mit en Percherons),
Schlachtvieh, Geflügel, Mehl iſt anſehnlich. Die Ver:
ſorgung von Paris mit Getreide, Mehl, Schafen und
Geflügel, ſowie die Ausfuhr von Korn und Wolle
in die benachbarten Gegenden bringt reichlichen Ge⸗
winn. Das Departement wird von den Eiſenbahn⸗
linien Orleans: Ehartres: Dreur, Paris⸗Chartres⸗
Nogent le Rotrou und verjdiedenen Abzweigungen
(im ganzen 1897: 582,6 km) durchſchnitten. Außer:
dem bejikt eö (1899) 377,2 km Nationalftraßen und
an böhern Unterrichtsanſtalten 1 Lyceum und 3 Col:
leges. — Vol. Joanne, G&ographie du departe-
ment de l’E. (Bar. 1881); Dictionnaire des com-
munes, hameaux etc. du dpartement de l’E. (Char:
tres 1887); Arbouin:Dumazet, Voyage en France,
16. Serie: De Vendée en Beauce (Par. 1898).
Eureka, ſ. Heurela.
Eureka (ſpr. jurihle), Orte in den Vereinigten
Staaten von Amerila, darunter E., Hauptitadt
deö County Humboldt im nörbl. Teile von Kali:
fornien, an der Humboldtbai (f. d.), 11 km von der
See, hat (1900) 7327 E., Sägemühlen und leb-
baften Handel mit Holz.
Eureka —— (fpr. furibte), Hauptort des
County Carroll im nordweſtl. Teile deö nordamerif.
Eure⸗et⸗Loir — Euripides
Staates Arlanfas, bat (1900) 3572 E., Sägemüb-
len und Mineralquellen.
Eurhodine, eine Gruppe künftlicher organifcher
arbitoffe, die ald Amidoderivate der Azine oder
benazine (f. d.) aufzufaflen find. Das einfachite
. ift demnach
ftitutiongformel: N
GH .C. Bs-NH,.
Es giebt verfchiedene Darftellungsmethoden für die
E. Diefe haben die Eigenfchaften Eee en
und geben mit Säuren rote bis violette Salze. Im
Handel fommen nur €, mit zwei Amidogruppen
vor, welche fpecielle Unterabteilung auch ala To:
luplenrotgruppe bezeichnet wird. Der Wafler:
fef der einen der Amidogruppen ift noch durch
hart en erſetzt. Diefe praltiſch wichtigen
arbſtoffe
midophenazin mit folgender Kon⸗
nd das Neutralviolett und das
teutralrot, die falzfauren Salze des Dimetbyls
diamidophenazins und Dimetbyldiamidotolupbenas
zins: —
(CH.). N. C. HH 1 GH «NH, - HCl
Reutralviofett
(CH N. HN ICH, (CH,)NH, -HOL
Reutralrot.
Sie werden durd Einwirkung von falzfaurem Ri:
——— auf Metaphenylendiamin und
Metatoluylendiamin gewonnen. Die Farbftofie
Löfen fi in fonzentrierter Schwe —— mit er
Farbe, die beim Berbünnen der Zöjung mit Waſſer
in Blau und dann in Violett und Rot umſchlägt.
Man verwendet fie zum Färben von mit Zarınin
und Brechweinſtein gebeizter Baumwolle. Durch
Erhigen mit Säuren auf 180° wird in den E. bie
Amibogruppe durch die Hydrorylgruppe erfegt unter
Bildung der Eurhodole.
Gurböthmie (grch.), das richtige ſchoͤne Ber:
bältnis in der Bewegung der Teile zum Ganzen,
das Ebenmaß, 5. B. im Tanze, im Takte der Mufil,
in der Rebe u. |. m.
Eurich, König der Weitgoten, Sohn des Welt:
otenlönigs Theodorich L,bejeitigte466 jeinen ältern
ruder Theodorich II. €. ae Tine olle zuerft
geichriebene Gefeke, eroberte alles nod) röm. Gebiet
jwifchen Loire und Pyrenden ſowie 468—470 Spas
nienund war damals dermädhtigfte Fürft des Abend:
landes, dabei maßvoll und Hug. Gegen die aus dem
galliſchen Adel ——— lath. Bijchöfe, die
in ihm den Arianer und den Barbaren haßten, mußte
er wiederholt einjchreiten, aber es ift Berleumpdung,
daß er den tath. Glauben verfolgt babe. Diejer
Gegenfas führte dann nad E.3 Zode (484) unter
feinem Sohne Alarich II. den Berluft des galliihen
Hauptlandes berbei.
Euricius Cordus, Humanift, ſ. Cordus.
Euripides, der jüngite der drei großen atti-
—* Tragiter, Sohn des Mneſarchus und ber
ito, aus dem attiichen Demos Phlya, wurde nad
den Berechnungen der Alten 484 oder 480 v. Chr.
geboren. €. foll fih anfangs, angeblid infolge
eined von feinem Vater mißverftandenen Drafels,
mit Atbletit, dann auch mit Malerei befbäftigt ba:
ben, bevor er fib pbilof. Studien und der Poeſie
zuwandte. Er ſchloß fi namentlid dem Pbiloſo—
pden Anaragoras an; aud foll er nit nur die
erübmten Sophiften Protagora® und Propifus
gebört haben, fondern aud mit Sokrates befreun⸗
Euripides
det geweſen ſein. Er mar einer ber erſten Athe—⸗
ner, der ſich eine größere Bücherfammlung an:
legte, daber ihn die Komiler, —— ee
ned, ald einen Stubenboder daritellen. Sein Cha⸗
salter wird als ernft und finfter geſchildert; in ſei⸗
nen a tritt ofters ein hartes Urteil über
das weibliche Geſchlecht hervor, zu welchem er durch
* trübe Erfahrungen an feinen beiden Frauen,
elito und Ebörile, veranlaßt worden fein foll.
Der Tragddiendichtung foll er ſich ſchon in feinem
18. Jahre zugewandt baben; doch brachte er -
455 jeine rften Tragödien auf die Bühne, und erit
41 en er bei einer Au ng den eriten
Preis, —— ſpãtern Jahren (etwa 408 v. Chr.)
folgte er einer Einladung des Königs Archelaus
von Macedonien. Hier dichtete er mindeftend noch
zwei Dramen, den «Archelaus» und «Die Balken»,
und jtarb (nach einer unfihern Nachricht von Hun⸗
den zerrifien) Ende 407 oder Anfang 406 v. Ehr.
Archelaus feste ihm in ber macebon. chaft Are:
thuſa ein prächtiges Dentmal, und auch die Athener
errichteten ibm an der Straße vom Peiraieus nah
Atben ein Kenotaphium mit einer ehrenvollen
chrift. Später wurde dur Lykurgus feine Bild⸗
äule, ebenfo wie die des Hichylus und Sophofles,
im atben. Theater aufgeftellt. Es find noch viele,
zum Zeil trefilihe Bülten (die beiten in Mantua
und Neapel nebit dem zu einer Büfte ergänzten
dragment in Rom) des Dichters erhalten.
€. bat nad) den aleranbrinifhen Gelehrten im
ganzen 92 Dramen verfaßt, von denen jene noch
67 echte Tragödien und 7 Satyrbramen kannten,
außer drei Tragödien und einem Satyrdrama, die
fie für unecht bielten. Auf ung gelommen find unter
des E. Namen außer ſehr zablreihen und zum Teil
umfangreihen menten ber verlorenen Stüde,
die man am beiten in Nauds «Tragicorum grae-
corum fragmenta» (2. Aufl., Ep. 1889) gefammelt
findet, noch 19 Stüde, nämlich die Tragödien «Alce⸗
ftiß», «Andromadher, «Balchen», «Helabe», «Helena»,
«Gleftra», «Herallidä», «Der rafende Heralles»,
«Ditetidved» (die Schußflehenden), «Hippolytus»,
«Fpbigenie bei den Tauriern», aspbigenie in Aulis»
(wie die «Balchen» erſt nad dem Tode des Dichters
durch feinen Sohn oder Neffen, den jüngern E. auf
die Bühne gebracht), «Jon», «Medea», «Dreited»,
«Rbejus» (dies Stüd ift aber jedenfalls nicht von E.,
ondern von einem jpätern, den Anforderungen der
ihne wenig lundigen Dichter, vielleicht des 4. vor:
driſtl. men —— das von €, ſelbſt in
jungen Jahren verfaßte gleihmamige Stüd verloren
gegangen ift), «Troades» und «Phönifjär (die Phö-
nizierinnen), ferner ein Satyripiel «Eyflops». €.
bat den Standpunkt feiner Vorgänger Achylus
und Sopbolles mit Bewußtfein verlajien; er it in
der Boejie der Vertreter der großen Umwandlung
des griech. Geiftes, des Herortretens des fub:
jeltiven Elements, der Berechtigung des Einzelnen
gegenüber der Gejamtheit und der Loslöfung von
der alten Tradition in Bezug auf Glauben und
Sitte. Er ſchaltet frei mit den mytbiihen Stoffen
und trägt in biefe ganz und gar die Verhältniſſe,
Eitten und Anſchauungen feiner Zeit hinein, ja er
iebt fie in den Bereich des täglichen Lebens herab.
adurch entjtebt freilich bäufig ein Kontraſt zwischen
der Sandlung und bem Charatter der handelnden
Berionen: die Tragödie verliert ibr ideales, reli—
iöjeg Gepräge, aber fie erhält dafür ein anthropo⸗
iihes, fie wird zu einem Spiegel des wirllichen
303
Lebens und ber darin fich kreuzenden Beftrebungen
und Pläne der Menſchen. E. hat zuerjt wirkliche
Intriguenftüde gedihtet und ift dadurch namentlich
auch für die jüngere attiſche Komödie das Vorbild ge
worden. Seine größte Stärle beftebt in der Schil-
derung der Leidenſchaften, vor allem der Liebe. Seine
ſchwächſte Seite dagegen ift, die Rompofition feiner
Stüde: nicht wenigen fehlt bie Einheit der Handlung.
Einige beſtehen nur aus einer Anzahl ziemlich [oder
verbundener Scenen, die als Einzelfcenen oft mit
Meifterfchaft bebandelt und äußerſt effeltvoll, ala
Zeile eines größern Ganzen aber entſchieden man
elbaft find. Den —— jedes Stüd3 bildet an⸗
hatt einer planvoll angelegten, die Zufchauer in
die richtige Stimmung verjegenden und gleich mitten
in die Handlung et ar Erpofitionäfcene
regelmäßig ein monologiſch bebandelter, mit der
Tragödie felbft nurlofe zufammenbängender Prolog.
Die Entwidlung der Handlung jelbit wird oft dur
rhetoriſche und pbilof. ee die ber Dich
ter einer der handelnden Perſonen in den Mund
legt, unterbrochen; die Löjung des Knotens ges
ſchieht nicht felten in ganz äußerlicher Weife durch
das unmittelbare Einjchreiten eines Gottes, des
og. Deus ex machina (f. d.). Endlich ift die Stels
ung des Chor bei E. gegenüber der ältern Tra-
aödıe eine andere geworden: er fpielt eine ziemlich
untergeorbnete Rolle; feine Gefänge find mebr.ein
äußerliher Schmud als ein wefentliher Beftandteil
der Stüde, dagegen läßt der Dichter häufig einzelne
Scaufpieler längere Gefänge (Monovien), eine Art
Bravourarien, auf der Bühne vortragen.
Die .. Gefamtausgaben des €. haben nad
Musgrave (Orf. 1778;3 Bde., Bene
tbiae (10 Bbe., Lpz. 1813—36), Dindorf, Fir u. a.,
Kirchhoff (2 Bde., Berl. 1855; neue Ausg., 3 Bde,,
1867—68), Naud (3. Aufl., 3 Bde., Lpʒ. 1869—71)
und Paley (3 Bde. Cambr. 1858—60; neue Ausg.,
Bd. Lu. 2, Lond. 1872, 1875) geliefert. Eine neue ri»
tifhe Gejamtausgabe haben Prinz und Wedlein
SH 1878 fg.) begonnen, von der bis 1900 drei
ände erichienen find. Die Ausgabe mit Kommentar
von Pflugl und Klo (Gotha, fpäter Lpz. 1829 fg.),
deren einzelne Bände zum Zeil in wiederholten
Auflagen erfchienen find, enthält bis jebt erft
11 Stüde. Eine gute Ausgabe von fieben Stüden
ift die von Weil (Bar. 1868; 2. Aufl. 1879). Unter
den Herausgebern einzelner oder mehrerer Stüde
find beroorzubeben: VBaldenaer (« Phöniſſäv und
«Hippolytus», 1755 u. 1768), Markland (1763 fg.),
Brund (1779 fg.), Borfon (1797 fg.), G. Hermann
(1800 10). Elmsley (1813 fg.), Geel, Badham,
Schöne, Köchly, Herwerben, edlein, von Wilamo⸗
wiß («Heralleö», 2 Bde., Berl. 1889; 2. Aufl. 1895,
und «Hippolytus», ebd. 1891, mit —— Uber⸗
feßung). Die Scholien und eine Auswahl der An—⸗
merkungen früberer Bearbeiter hat W. Dindorf
(«Euripidis Tragoediae et fragmenta», Bd. 3—8,
Drf. 1840—63) herausgegeben; eine neue Ausgabe
der Scholien veranftaltete Ed. Schwark (2 Bde.,
Berl. 1887 — 91). Bon neuern Überjekungen find
zu nennen die von Donner (2. Aufl., 3 Bde., Lpz.
1859; 3. Aufl., Heidelb. 1876), Hartung (griechiſch
und deutih, 19 Bochn., Lpz. 1848—53), Frike und
Rod (2 Bode., Berl. 1856—68; 2. Aufl. 1869— 70),
Mindwis (2. Aufl., ebd. 1900 fg.). Über Leben und
Merle des E. jchrieb von Wilamowiß («Analecta
Euripidea», Berl. 1875). — Vgl. Arnoldt, Die
horifihe Tecnil des E. (Halle 1878); Holjner, Stu»
304 Euripos — Europa (Lage, Grenzen, Größe, Küjten. Oberflächengeftaltung)
dien zu €. (Wien und Prag 1895); Neftle, E., der
Dichter der griech. Aufllärung (Stutig, 1901).
08 (lat. Euripus), im Itertum der
ſchmale Meeresarm, welcher die Inſel Cuböa (f. d.
eg Tg gg Site ſtlande, d. h. von
ber Oſtluſte der Landſchaft Böotien, trennt, ein
durchſchnittlich eine halbe Stunde breiter Kanal, über
befien engite Stelle, den E. im engern'Sinne, feit 411
v. Ehr. eine 200 Fuß lange, on erneuerte Brüde
binüberführt, die jeßt durch eine jolide Drebbrüde
erjegt ift. Der E. war ſchon im Altertum berüchtigt
durch feine wechjelnde Strömung, man behauptete
fogar, daß dieſelbe fiebenmal im Laufe des Tags
und ebenjo oft im Laufe der Nacht ſich ändere ſdaher
der Name im S fprihwörtlich zur Bezeihnung
eines — Menſchen gebraucht wurde).
„J. it.
Europa, Schweſter des Kadmos, ſ. Europe. —
E. beißt auch der 52. Planetoid.
Europa, einer der fünf Erdteile, der Heinfte der
Kontinente der Alten Welt.
Rage, Grenzen, Größe, Küften. €. ift der Lage
nad gewiſſermaßen eine halbinfelartige Fortſetzung
Afıend und wird von vielen mit diejem zu einem
Erbteile, Eurafien, vereinigt, aber der eigen:
artige Charakter feiner Bildung ftempelt es zu
einem felbjtändigen Erbteile. Bon felbft ergiebt fich
die Begrenzung desjelben im NW. und ©.; im O.
dagegen wird jet meift der Kamm des Uralgebirges
und ſudlich davon der Uralfluß, die Manyſſchlinie
vom Rafpifhen zum Aſowſchen Meere und dieſes
elbft als Grenze angenommen, während bie Kaſpi—
che Steppe und der Kaukaſus zu Aſien gerechnet
werben. Bei ziffermäßigen Angaben über Größe
und Bevölterung wird hier indes die polit. Abgren:
ung zu Grunde gelegt. Die äußeriten Punkte diefes
Kit andes find im U, der Berg Khaĩ udy-paĩ im
Ural (66° 8’ 40” öftl. 2. von Greenwich), im W. das
Gabo da Roca (9° 30’ weftl.2.), im N. das Norblap
(71° 12’ nördl. Br.) und im ©. das Kap Zarifa (35°
59 nördl, Br.); die größte Ausdehnung von SW.
nah ND. beträgt 5560 km, die größte Breite in
norbfüdl. Richtung zwifchen dem Nordkap und dem
Kap Matapan 3860 km; die ———— zwi⸗
chen dem Golf du Lion und dem Biscayiſchen Bufen,
at 430 km Länge. SD. nur durch die ſchmalen
afeıheaben des Bosporus und des Hellesponts
von Aſien und im SW. dur die 17,1 km breite
Straße von Gibraltar von Afrika getrennt, ift
die Weltitellung E.s back charakteriſtiſch. Im
Mittelpuntte der kontinentalen Landhalbkugel, und
doch wiederum unmittelbar an den Atlantifchen
Ocean ftoßend; nah D. bin kontinental, im ©.
mediterran, nah SW. bin unter allmäblicher Brei:
tenverfüngung oceanifch, faft durchweg in der ge
mäßigten Bone, ift ed auserloren zu einer eigent⸗
lien Kulturregion.
Die Größenberehnung für das gefamte €, fällt
verjchieden aus, je nachdem man die —— weiter
oder enger ſtedt. Rechnet man die Ditjeel fie, =
land, die Azoren und Madeira, die Canariſchen
fein das Aſowſche Meer und Nowaja-Semlja dazu,
o erhält man 9937287 qkm; ohne die polaren und
atlantifchen Inſeln 9729861 qkm. E. ift alfo etwas
größer als Auftralien, Afrika tft aber mebr als drei:
die Entwidlungfeiner Hüften. Der Rumpf, ein recht⸗
winkliges Dreied, mit den Eden am Nordufer des
Kaſpiſchen Meers, an der Waigatſchſtraße und am
Meitrande der Porenden, bededt 6547000 qkm,
d. i. nur doppelt ſoviel Fläche wie die Halbinjeln
(2686 000 qkm) und Inſeln (785 000 qkm).
Die größten Halbinjeln find:
qkm qkm
Stanbinavien 800 000 ſche Halbinfel | 39500
inland . ...» 440000 ER 25 708
a 22.20 120000 | Bretagne . . . | 23700
renäifhe Halb» Rurlanb ... . 17606
niel...... 000 | Ranin....» 10500
Ballanhalbiniel . | 474000 | Gotentin 2000
Apenninhalbinirl . | 149000
Als wichtigſte oceaniſche Eingriffe in die Feſtlands
maſſe erſcheinen das Weiße Meer (83 606,4 qkm), die
Oſtſee mit Kattegat und Slagerrak (41 987,3 qkm),
Nordfee (536 201,5 qkm), Kanal (81917 qkm) und
Biscayiſcher Solt (176 934,8 qkm); die Hauptein⸗
chnitte des Mittelländifchen Meers(2608598,» qkm)
nd der Golf du Lion (16838, qkm), die Bufen
von Genua (4145,5 qkm) und Tarent (11597,s qkm),
das Adriatifche (135231 qkm) und UÄgäiſche Ifeer
(196 350 qkm); jenfeit deö vermittelnden Marmaras
meers (11655 qkm) greift das Echwarze (423 993,5
qkm) mit dem Aſowſchen Meer (37 603,9 qkm) tief
ein. Im einzelnen ift die Auszadung der Küſten
I ftarf, daß ibre Länge (86 873 km) die des dreimal
o großen Afrikas weit übertrifft. Ja denkt man fi
die Landmaſſen des Erbteild in eine gleicharoße,
freisumfchlofjene Kugellappe umgeformt, jo würden
von je 100 km ftüfte 87,6 in orttall fommen. Und
zwar fommen von dieſem Kültenreichtum auf atlan-
tifche Küften (einjchließlich der Randmeere Oft: und
Nordfee) 57470 km, auf die des Mittelmeers
14513, die arktifchen 10552, die pontiſchen Küften
4338 km flüftenlänge. Der Atlantifche Dcean mit
66,2 Br überwiegt alfo bedeutend; der W. ift vor
dem D. bevorzugt; das ruff. Binnenland entfernt
fi um mebr als 700 km vom Meere. Bon dem D.
des vielfach gegliederten Mittelmeers ging die europ.
weg aus, verbreitete ja von bier nah W.
und N., um dann von den atlantifchen Hüften aus
nad allen Teilen der Erde zu dringen. Bei den
Inſeln ift die große Zahl der Küjteninfeln, mie die
norweg., frief. und dalmatin. Inſeln, von den ſelb⸗
ftändigen Eingelgebilden, wie Großbritannien, Si»
cilien, Sardinien und Gorfica zu trennen. Im SD.
liegt der Griechifhe Arcipel als nädfte Kultur
brüde von * und Aſien, im NW, die brit. In»
feln, ala äußerfter VBorpoften in den freien Ocean
eihoben und durd feine Lage beitimmt zur Herr:
* über die Meere und zur Vermittelung mit
Amerika; bierSicilienalslibergangsland von Afrila
nad Italien, dort der Dänische Archipel eine Brüde
ur Verbreitung des Germanismus nah N. Rur
Sland liegt vereinzelt.
Oberflãchengeſtaltung. Betrachtet man den Wech⸗
fel von Gebirgs: und Tiefland, jo erſcheint in der
äußern Anordnung eine gewiſſe Einförmigleit, ins
fofern im kontinentalen —— durch eine Linie
zwiſchen der —* und Rheinmundung der Nord⸗
often als ein großes Tiefland vom Südweſten als
vorherrſchendem Gebirgsland geſchieden wird; die
nähere Einſicht aber lehrt, daß es dort ebenſowenig
mal ſo nn bededt mehr ald das Vierfache, | an landſchaftlicher Gliederung fehlt, durch niedere
Afıen
nabe das Fünffache der Fläde E.3. Was | Erhebungen und wechſelnde Bodenbeihafjenbeit,
aber €. neben feiner glüdlihen Weltlage vor dieſen als bier dur das vielfache Eingreifen
allen auszeichnet, das ift feine reihe Oliederung und |
einerer
Ziefebenen und aushöhlender Flußthäler, und dat
Jull 1908. Westl. 0 Östl.L.v. Greenwich
Broddhaus’ Korversations - Lexikum. 1%. Aufl.
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Höhen und Tiefen Abstufungen
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Höhen -137301 und Tiefen (3730) Zahlen in Metern
Maßstab 1221000000
‚oo o 00 zu 200 “nu 00 “00 700 200 2
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F.A.Brockhaus’ Geogr.- artist, Anstalt,Leipzig.
Europa (Oberfläcyengeftaltung)
im Gegenjage zu andern Erbteilen die Mannig:
taltigteit des Reliefs einen Grundzug europ. Natur:
verhältniffe bildet. Im ganzen überwiegt das Tief:
land (wiihen 0 und 200 m Seehöhe) mit 60 Proz.
ver Gejamtfläche; 24 Proz. liegen zwiſchen 200 und
500 ım, 10 Proz. zwiſchen 500 und 1000 m, 5 Proz.
wilden 1000 und 2000 m und nur 1 Proz. über
2000 m. Die mittlere Erhebung des Erbteils ift zu
292, nad anderer Berechnung zu 296,8 m ermittelt
worden. E. ijt auch hierin Onfliger geftellt als alle
andern Erbteile. (S. Grie)
Tas große ofteurop. Tiefland Br im ©. des
rn das im nördl. Teile bis 1688 m
bed, in jeiner Weithälfte archäiſch, in feiner Dit:
bälfte paläozoifch tft, mit den aſiat. Steppen im
jammenbange und befigt im N. des Rafpifcen
I jenes große Böltertbor, durd das ajlat.
Herden eindrangen, um E.s Civilifationsentwid:
lung auf furze Zeit zu bedrohen und jein Völker:
gemiſch mit neuen Elementen zu verjehen. Es be
rübrt im R. mit den unmwirtbaren Moorfläden ber
Tundren das Eismeer, wird im SD. von der Ma:
nptihniederung, von Kautafien etrennt, umgürtet
die Rordgeſtade des Schwarzen Meers und erhält
innere landihaftliche Gliederung durch waldreiche
Höbenrüden, die —— Feld: und Seeplatte, das
Spitem ber Ruf chen Gentralplatte, den Nordruſ⸗
üihen Landrüden, den Baltiſchen Höhenrüden und
die Volhyniſch-⸗Podoliſche Platte. Dies große Ge
biet ift ein geologiieh ſehr altes, ungeftörtes Gebilde
ausungefalteten Schichten läozoifchen, Trias,
Jura: und Kreidezeit. Zwiſchen Weich Fi und Rhein
t fih die Ebene zu dem german. Tieflands:
Derjelbe begleitet die Gejtade der Dit: und
erdſee, wird ebenfalls durch zwei Höhenrüden, die
baltiihe Seenplatte im N. und den von dem fube:
uden Borland bis zur Lüneburger Heide verlaufen:
den Höbenrüden im ©. und tiefe Thalrinnen ge:
gliedert, geht von D. nah W. in feinem mittlern
Streifen aus der Form der Sandflächen in Heide
und Moorland über und finkt endlich bis in und
wilmeije unter das Niveau der Nordjee herab.
Züdmeitlich der Rheinmündungen bilden die frucht⸗
baren flandr. Ebenen den Übergang zu den franz.
Teflandſchaften, die jenfeit der flandr. Grenzhöben
und Platten der Picardie hinabfteigen zu den Flä-
den, die die franz. Mittelgebirge vom Atlantiſchen
Deean und von den Gebirgen ber Bretagne tren⸗
nen und ji jüdlich an die Sorenden lehnen.
Während jo das ſüdweſtl. Gebirgsland in einem
nördl. Bogen von Tiefland umgürtet it, greifen
von D. ber die Ebenen Rumäniens und Ungarns,
die Thäler der March und Oder, von W. ber die
Ebenen der Ahöne und des Rheins, im ©. die des
Bogebietes in den Gebirgsförper und ei vier
proße —— ab. Das wichtigſte und aus⸗
dehnteſte iſt das Alpenſyſtem. Genannt wird das:
elbe nach dem vo Ketten — der Alpen (' d.),
mit 4810 m Gipfelhöhe im Dlontblanc, einer Geſamt⸗
bafis von 230000 qkm und Rammböhe von 3250
dis 3900 m, über welche Päfje von 1000 bis 2500 m
döbe führen. Als Fortjegung der Alpen gegen ND.
gelten die Karpaten, auf einer Grundfläche von etwa
183000 qkm, Gipfelhöhen von fat 3000 m in der
Hoben Tatra und in Siebenbürgen, alfo aud noch
von Hochgebirgscharalter und die ungar. Ebene im
RL. und S.umgürtend. Gegen ©. nehmen fie den
Ramen der Trans ſylvaniſchen Alpen an und ſtreichen
run binüber zur Baltanbalbinfel, indem fie ven Bal:
drechaus' Konverfationssteriton. 14. Aufl, R. U. VL
4
305
fan (2374 m) bilden, der erſt am Schwarzen Meere
endet. Ein dritter Zug des Alpenſyſtems ift der bis
nariſch⸗ albaniſche (2528 m), der ſich von ven Quellen
der Save durch den NW. der Ballanhalbinfel, Bos-
nien, Albanien fortjegt und erſt in den füdl. Zacken
des Beloponnes endet. Ein vierter Zug ift der Apen—
nin, der in den Abruzzen 2000 m Kammböbe, im
Gran:Safjo d’Ftalia 2914 m Gipfelhöhe erreicht,
dann nad Sicilien übertritt und fi auf afrif. Bos
den im Atlasjviten weiter fortſeßt. Das Alpen:
ſyſtem ift in allen feinen Zweigen durch ſtettengebirgs⸗
natur ausgezeichnet, befist in jeinem Hauptitamm
eine archälſche Gentralgone und zu beiden Seiten
jüngere jevimentäre Züge. Diefe find zum Teil im
©. abgejunten, fo in der lombard. Ebene weſtlich
vom Lago Maggiore, fowie in Ungarn. Hier
fehlen aud giohe Teile der archäiſchen Central—
zone in den Harpaten. Auch im Apennin find von
diejer nur noch geringe Nejte vorbanden, in dem
dinarishen Zuge fehlt fie völlig. Im Ballan und
Transivlvanien aber zeigt fie Eh wieder. Vullka—
niſche Ausbrüche bezeichnen die innern Ränder
diejer Ketten, in der Lombardei die Euganeen, in
Ungarn zahlreiche Züge junger Eruptivgeiteine, im
S. des Apennin die Vullane Vefuv, die ——
Inſeln und Utna, ſowie zabhlreiche erloſchene Vulkane
um Rom ſowie auf Jschia ———— Vor
dem Alpenſyſtem liegen eine Reihe von fremden
Gebirgsgruppen; im N. desſelben zwei archäiſche
Tafeln, das — Centralplateau mit zer en
erlojchenen Vulkanen Bund), die Stöde der Vo:
gejen und des Schwarzwaldes, durd die Graben:
————— Rheinthals getrennt, und die böbm.
Scholle. An allen dreien bat fi das Alpenfyitem
bei jeiner Emporfaltung BER Sie bilden die
Kerne der deutichen Mittelgebirge, welche auf einer
Bafıs von 280000 qkm Mittel: und Süddeutſch⸗
land durchziehen. Zu ihnen gehören der Deutſche
ura (der Schweizer Jura erjtredt ſich von ber
böne zum Schwarzwald), die fränf. und lotbr.
Platte zu beiden Seiten des Nheins, der Oden—
wald, Speflart, Hardt, der große Kompler des
aläozoifhen Rheiniſchen Schiefergebirges, Harz,
büringer Wald, Erzgebirge und Sudeten. Weiter
liegen vor dem Apennin die alten Maffen von Eor:
fica und Sardinien, vor dem Dinarifchen Gebirge
die Gebirasitöde von Agram, vor dem Ballan der
Rhodope-(Despoto:)Dagb, der Rilo⸗Dagh, Schar:
Dagh jowie Olymp. Die Iberiſche Halbinfel bat
gewaltige Platten im W. und Innern, tertiäres
and, zwiſchen dem alte archäiſche Gebirgszüge ber:
vortauchen, wie die Sierra Guadarrama u. a, Im
NE. nimmt das arcbäifche Land zu im Gebirge von
Galicia; den S. nimmt die Sierra Nevada ein
mit 3481 m Höbe im Cumbre de Mulbacen; Kreide
und Jura erfüllen die Hochflädhen im SW. des
Ebro. An der Grenze der Halbinfel im N. treten
das Aſturiſch⸗Cantabriſche Gebirge und die Pyre⸗
nden auf, lehßtere mit archäiſchem Kernzug im O.,
im übrigen beide aus paläozoiſchen und Kreide—
ablagerungen beftehend. Sie erreichen 3404 m Höbe
im Pico de Nethou, tragen aber nur Heine Gletſcher.
Ein jufommengendrigeß ſehr altes archäiſches
und paläozoiſches Gebirge bilden die Bretagne,
Wales, Irland, Schottland, während England, wie
Mittels, Dit:, Nordoits und Südweitfranfreic aus
Jura, Kreide, Tertiär beſteht. Im Ben⸗Nevis er:
reicht Schottland 1343, im Snowdon Wales 1094 m.
Der Reft ift flacher.
20
306
Gin mweiteres großes, durchaus archäiſches Ge:
bir —** iſt Skandinavien ſamt Finland. Im
Galdhopiggen erreicht es 2560 m, im Sarjeftjäfto
im N. 2125 m. Nur Süpfchweden bat Quartär: und
Kreideland. Die mit —— und Gletſcherfeldern
reich überdeckte Hochfläche (1850 km lang) mit ſchroff
zerflüfteten Wänden, von N. nad ©. 650 zu 1650 m
Höhe zunehmend, tritt an die wild zerfplitterte Meft:
füfte, während zu den Dft- und Sübdoftebenen fee: und
walbdbededte Plateaus terrafienförmi wa
€. fest fi in feinem Sodel nah NW. fort. Nur
eine 50— 200 m tiefe Wafjerfläche umgiebt rings
die brit. Inſeln, und eine geringe Senkung des
Meeresfpiegeld oder Hebung des Bodens würde ge
nügen, um Frankreich, Großbritannien, Irland, die
Drfney: und Shetlanbsinjeln über die Nordſee
hinaus mit Dänemark zu verbinden und die Oſtſee
verſchwinden zu laſſen. Zahlreiche Thatſachen be:
weiſen, daß dieſe jetzige Meeresfläche vor Yabr:
tauſenden Feſtland an ift. Nod in biftor. Zeit
at an mebrern tief gelegenen Hüften, zumal an der
orbfee und im . des Adriatiſchen Meers, der
Kampf des Feiten mit Flüffigem mannigfade Ber:
Änderungen hervorgerufen; die Zeugnifle noch fort:
wirfender vulkaniſcher Thätigleit beihränten ſich
auf den Atna, die Vullane der Lipariſchen Inſeln,
den Veſuv, die Inſel Santorin und Island; bie
übrigen rein vulfanifhen Gebilde in Süditalien,
der Yuvergne, in Norbungarn, der Mitte Deutſch—
lands und Süpichottland gebören mit wenig Aus:
nabmen einer vorbiftor. Epoche an. Auf die Haupt:
ebirgägruppen und die wichtigften Ebenen entfallen
reine Fläbenräume:
Standinav. Gebirge ....... 500 000 qkm
0 1 RE Re 000 »
13 VENEN 000 *
Le 187 000 »
BDERBIE.. mr 110000 »
N N: 55 000 »
a8 große Flachland mit den
Randmeeren aber obne die flan-
dinav. und brit. Ebenen... . . 6400000 »
Die ungar. Ebene... ..... » 100 000 »
Die rumän. Ebene ........ 83000 »
Die Bo:Ebene........... 55000 »
eicht mit 4810m
Der böhfteBerg,derMontblanc
nur die balbe Ode des höchſten Berges der Erde.
Eine Höbenberehnung für die einzelnen Länder
ergiebt für die Schweiz 1300 m mittlerer Erhebung,
für Spanien und Portugal 700, für die Balkan:
balbinjel ohne Rumänien 579,5, für Öfterreich-Un:
garn 517,87, für Stalien 517, für Standinavien
430, für frankreich 400, für Rumänien 282,28, für
die brit. Inſeln 217, für Deutichland 213,66, für
Rußland 167,08, für Belgien 163,36, für Dänemarf
35,3, für die Niederlande 9,61 m. Die ——
Stadi E.8 iſt Briancon (1321m). Vereinzelte Wohn:
ſtätten, wie das St. kl (2472 . das
auf dem St. Gotthard (2093 m), liegen noch höher.
Die höchſtgelegene Hauptitadt ift Madrid in etwa
655 m Höhe; dann folgen Münden in 528, Genf
408 und Turin in 275 m Höbe.
Geologiſches, ſ. Europa, Bd. 17, nebit Karte.
Bewäflerung. Die Gegenfäge von Wafjerarmut
und Wafjerüberfluß finden ſich in E. nirgends fo
großartig vertreten wie in andern Erdteilen: nad
allen Richtungen bin öffnen Ströme den Zu:
gang zum Binnenlande und bieten dur die Näbe
Europa (Bewäfjerung)
ihrer Quellgebiete vieljeitige ——— u Kanal⸗
verbindungen. Solche Mittelpunkte der Stroment-
ang Kar in Rußland die Waldaiböbe, von der
Düna, Dnjepr und Wolga nad drei Meeren aus:
einandergeben, das Gebiet zwiſchen Rarpaten unt
dem Mäbrijchen Geſenke, mo MWeichfel, Over, Elbe
und Donau (March) ſich beinabe berühren, und in
den Alpen das Bergland zwiſchen Bernina und Et.
Gotthard, wo die Syfteme von Rhöne, Rhein, Donau
(nn) und Bo (Teſſin) zufammenftoßen. Der gröhte
Strom E.s, was Fänge des Laufs und Ausdehnung
des Flußgebietes betrifft, ift die Wolga, dann folg!
die Donau, die Hauptverfehrsader nah D., dann
eine Reibe ruff. Ströme, denen das ungebeure lab:
land bedeutende Entwidlung gejtattet; unter ben
mittel: und weſteurop. a en r der bein ver
wictigfte; weniger günjtig, weil zum Teil nidt
ſchiſſbar, find die Blateauftröme der Borenäticen
Halbinfel. Eine liberficht der Hauptflüfle des Erd
teild, ihre Länge und ihr Stromgebiet giebt die
Tabelle bei dem Artitel Flüfie (f. d.).
Die Größe nimmt beinabe — * O. nach W
zu ab. Das gewaltigſte Stromgebiet, die Wolga,
entwäfjert zum Rafpilhen Meer; das Nördliche Ci:
meer empfängt die Wafler einer Fläche von 1,
Mill. qkm, vor allem vermittelft der Petſchora, dei
Mefen, der Dina und Dnega. Zur Ditiee geben
die Adern der Südoftabdahung Skandinaviens, mie
Zorned: und Dalelf, die Abflüfeder finn. Seenplatte,
erner Newa, Düna, Niemen, Pregel, Weichſel und
der, indgefamt Flüffe aus einem Gebiete von
1,03 Mill.gkm. Der * find tributär 725000
qkm, untlächlic vermittelft ver Elbe, Weſer, Ems,
des Rheins und der Schelde. Themfe und Seven,
Seine, Loire, Garonne, Duero, Tajo, Guadiana,
Guadalquivir u. |. m. entwäflern 1,142 Mill. qkm
Land zum Kanal und zum Atlantifchen Dcean. Die
Hauptftröme des Mittelmeers find Ebro, Rhoͤne und
Bo, fein Anteil an E. beträgt 944000 qkm. Da:
größte MWafjergebiet (2,000 Mill. gkm) gebört zum
Schwarzen Meere; bier münden Donau, Dnieftr,
Dnjepr und Don.
uch Ranäle verbunden ift in Rußland das
Gebiet des Kaſpiſchen Meers mit dem Eismeet durd
Wolga (Scheläna) und Divina (Sucona), mit der
Oſtſee vermittelft Wolga und Newa auf mehrfache
Weiſe, desgleihen die Dftjee mit dem Schwarzen
Meere vermittelft Dnjepr, Düna, Niemen und
Weichſel; in der Mitte E.3 verbindet der (Lu:
330 Donau⸗Main⸗-Kanal Rhein mit Donau oder
Norbfee mit Schwarzem Meere; durch Frankreich
führen zahlreiche Kanäle vom Gebiet der Rhöͤne
zum Rhein, wie zur Seine, Scelde und Loire,
alfo vom Golf du Lion zur Nordfee, zum Kanal
und offenen Dcean, der durch Garonne und Canal
du Midi nochmals mit dem Mittelmeer verbunden
ift; in Schweden führt der Götalanal, in Holitein
der neue Norboftjeelanal aus Dftfee zur Nordſee
und auf den brit. Inſeln bat ein außerorbentlib
reiches Ranalneß im ©. und N. Oft: und Weftfüfte
in Verbindung gefebt. .
Unter den Seen ift das falzbaltige Kaſpiſche
Meer, der größte Reit ehemaliger Meeresbevedung,
u Afıen zu rechnen. Beipus:, Ladoga- und Onega:
ee, die Seen Schwedens, wie Wener: und Wetter:
ee, die große Seenplatte Finlands, die Seen Groß⸗
itanniens und Irlands, wie auch die im N. und S.
der Alpen, welch letztere zugleich als Läuterungs
beden der Flüſſe dienen, ſtehen mit der Eiszeit in ur:
Europa
achlichem Zufammenbange. Andere Formen find
die Strandfeen der deutichen Dftfeeküfte und einzelne
Seen —— Urſprungs (Eifel). Selten find
Seen in — Die finn. Seen bededen
11 Proz. der Fläche des Landes, die ſchwediſchen 8,
die n n — ——58 und iriſchen 1,12
und 1,92 u I lut größte Ausdehnung
baben vie Seen ——— mit 68435 qkm
mäbrend das gefamte Seeareal E.s, einfchlie ih
der Hofe, aber obne dad Aſowſche Meer, au
167968 qkm berechnet Fi
Sümpfeund Karl ———— Menſchen⸗
arbeit befeitigt oder beſchrankt worden; doch find
noch weite Streden, wie die Tundren Rordruß ands
und zum Zeil die Rokitnoſumpfe m FE
ze des Anbaues und des Ver Den
Feige vom Sg en zum Feſten, — Dieer zu
Land, bilden die Ma ichen ber Norbjeelüfte und die
Lagunen ded Adriatifchen Meerd. (Hierzu: Phy⸗
fitalifhe Dana von Europa.
Klima. bat von allen Erbteilen das 8
mäßigtite Klima Es liegt mit Ausnahme des
äußerften R. in der gemäßigten Zone und wird auf
der ganzen Norbmweitieite von den warmen Strö:
mungen des Golfſtroms befpült. Auch geftattet die
reiche Gliederung im NW. dem mildernden Einfluß
des Meers Eingang gegen - —— (Nordjee,
Ditjee); dasſelbe findet im ©. ftatt (Mittelmeer).
So liegen die yab tesifotbermen bier nördlider a ala
in den andern fiontinenten; die von 0° fchneidet im
R. nur die Halbinfeln Rola und — ab, nur die
allernordlichſten Gegenden haben alfo eine mittlere
Jabrestemperatur von unter 0°. Andererjeitö be:
rührt die Jahresiſotherme von 20° E. gar nit.
Man unterfcheidet fünf große Klimaprovinzen.
1) Die Mittelmeerprovinz wird durch den Wall
der Borenden und des Alpenſyſtems vor den rauhen
nördl. Winden gefhüst. Gegen D. ift die Tempe
ratur niedriger als im W., meil bier die höbern
Gebirge am Nordrand der Provinz feblen. Die
Einbeitlicheit des Klimas ift der Siſtenz deö ge:
—— Mittelmeers zu danken. Die Temperatur
Meermwajlers A Minter um 3° (Palermo)
(Klima) 307
britannien, Weſtdeutſchland, Holland, Belgien for
wie die MWeitkü ten Jütlands und Norwegend; er
liegt zwifchen den Jabresifothermen von 15° und
‚und bat nur 10—20° Wärmeihmwantung.
Starker Regenfall herrſcht an den —ãx Frant:
reichs und der brit. —— eln.
3) Die Kontinentalprovinz eigt ein Übergangs»
fima * der oceaniſchen zur baltiſchen und ponti⸗
gr Zu ihr gehören Deutichland öjtlih von der
inie Hambur g-Straßburg, die Schweiz, Oſterreich
diesjeit der Se a und Dänemarl, Hier finden ſich
ſchon höhere Wintertemperaturen, aud böbere
Sommerwärme und ftärlere Schwankungen.
4) Die baltiſche Provinz und 5) die pontiſche Pro:
vinz zeigen echtes —— ma, je — gegen O.,
deſto ſtarker. Die Waſſerumgebung G.s verliert bier
ihre Wirkfamleit, dagegen wirten die breitern Land»
mafjen im Sommer erwärmend, im Winter erlältend.
Daber find die Schwankungen bier befonbers hoch.
Niederjchläge find bier geringer (600— 400 mm),
durch eine Linie Wien⸗Kralau⸗Moslau⸗Kaſan wird
bie füdliche pontifche Provinz von der nordlichen
baltifhen geſchieden. Im * hen kalte Winter,
u u Sommer, im S,t inter, heiße Som:
m ©. ift die Bewöthing gi geringer, bie Sonnen:
ftrablung, rößer, bie —— wächer. Gegen
D. wird dieje Differenz mie fhen Sommer und Winter
noch —— Die mitteldeutſchen und ran Gebirge,
die Norw —— chottlands, Wales’ und
die Alpen aben ohenkl ima.
Die folgende liberficht, in der neun Gruppen
von Orten ungefähr ‚gleiber Breite ——
ſtellt find, giebt ein Bild von der Verſchiedenheil
der Mimati hen Berhältniffe von Weit:, Mittels,
Süd: und Diteuropa:
Bänge
D. oder W.
von Greenwich
bis 5°C. Toulon) höher als die der Luft. Schnee | grond ...... ss
üt felten. —A iſt das ſtarle Steigen der Separanda .. Leser 0,0
Wärme im bling. Der Mai ift jo warm mie | Ardangelst 643 0,4
der Juni im Mittelpeutichland. —— Abtei⸗gergen ..... on FF
lungen in der Mediterranprovinz bilden das fpan. n 59° 55° X)
Tafelland mit kontinentalerem Klima und ftarten ars 9 3
—— wankungen trog Nahe der See, ferner das —— 34 3
ittelmeergebiet mit größerer Gleichmäßig⸗
teit; dann das ſudfranzoſiſch⸗liguriſche Küftenland, — ————— un = 2
* ogebiet, wieder mit kontinentalerem Klima Ride art hen sr gs
ee zu — Jahreszeiten; Süpitalien mit | Mostau ..... 55° 46’ 3,9
aturen und geringer Feuchtig⸗ Ralan ...... 55° 47’ 2,3
ein die dalmatini &:illyrifhe Brovinz mit großer Batentia (Irland)| sı° 55° 66
‚ infolge der Lage am Fuße der Gebirge, | London ..... 51° 35° 10,3
In allen . bieten tommen Fallwinde, Niftral —— nn. x *
in Sudftantreich, Bora in Iſtrien und Dalmatien | Gamer ©: :..:. | 323 93
vor, dagegen in Sübitalien der heiße Sirocco; bie Beipnia ach 51° 90 8,5
Br des griech. Sprachgebietes zeigen größere Boten IRRE EE = = 8
* terihiede von Sommer und Winter und Abnahme | Faydeu m. Kr
tur gegen NO. (Ronftantinopel). Kurt ..... 51° 48 5.
n Die ee ober atlantiihe Provinz, Weit: 2 —
europa —— bat — oceaniſches Klima, | BErh ++, 48,28 103
—72 ur Due —* —* e 5* he jer: Stutt art * “ rn
'ält in zwei Teile. Der eine begreift Bortugal und en 2 12 *
panien, mit geringen Schwankungen und viel | Gral. | age ae | 523323388
Niederihlag. Der andere umfaßt Frankreich, Groß⸗ Sarepta... .... 48° 30° | 44° 34° lin! 2339| 75
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Aftradan .... 9,4
Eoimbra..... 14,8
Barcelona 16,9
Hiaccio. ..... 17,6
..er er.
Malta ......
Beſonders wichtig find die Temperaturfchwans
kungen zwiſchen dem kälteften und dem wärmſten
Monat. Hier ot ber ausgleihende Einfluß
der Meere im D., . und ©.; nur im D. wird
eine Differenz von 30° erreicht, —— die Atlan⸗
tiſche und Mittelmeerlüſte nur 15, faſt ganz Mittel⸗
en und Skandinavien (bis auf die Bodgebirge)
nur bis 20° Unterjchied aufmweifen.
Ein anderer wichtiger Faltor für das Klima ift
die Höbe über dem —— Die ——
wie vor allem die Alpen (f. d.), bilden Kälteinſeln,
fie tragen ewigen Schnee, deilen untere Grenze je
nach der geogr. Breite und beſondern Berhältniffen
höher oder tiefer lieat Im DovresFjeld in Nor:
megen, in 63° nördl. Br., gebt die Schneelinie bis
ji 1600 m binab, liegt aber, wie in Norwegen über:
aupt, auf der Nord: und Rordo feite höher als
auf der Welt: und Südmeftfeite, weil leßtere bei den
vorherrſchenden Seewinden die didere Schneelage
empfangen. In Lappland liegt fie beim Meere
etwas unter 1000 m, in der Schweiz, in 47° nörbl.
Br., zwifchen 2700 und 2800 m.
Das die Niederfchläge betrifft, fo erhält der
D. und die Mitte weniger Regen ald der W., im
allgemeinen der N. weniger als der ©. Die Deit:
jeite Großbritanniens und Norwegens empfangen
drei: bis viermal foviel Regen als die Mitte Deutſch⸗
lands und Rußlands, bis wohin die Winde vom
Allantiiben Meere ihre Feuchtigkeit nicht tragen.
Unendlid verſchieden zeigen fich die Dana
niffe im einzelnen. In Frantreich 3. B. fallen in
Dünlir nur 850 mm, in einem Teile von
Yslesde: France und der Champagne 400 mm;
dagegen in Teilen der Hochgebirge über 2 m. In
Spanien fallen auf Eaftilien, Murcia und Ara:
aonien 300, 400, 500 mm, aber auf Santiago
1739 mm und in Oporto 1430 mm. In Stalien
empfängt Rom 760 mm, Tolmezzo 2435, Cofenza
1177 mm, in Öfterreih:UIngarn die Donautiefebene
460 mm, der Südabfall der Alpen 1470 mm; in
Deutichland fallen in einer Gegend 500, in andern
800 und 1000 mm; in England empfangen bie
trodenften Striche 500 mm, die regenreichſten über
2000 mm, aljo mebr als das Bierfache jener. Die
maritime Mejtbälfte ift mehr mit Feuchtigkeit ge:
ſegnet ald der kontinentale D.; eine Linie vom
Kuriichen Haft zur Donaumündung ſcheidet beide
Hälften, Nur die fpan. Hocebenen erfcheinen ab»
Europa (Pflanzenwelt)
norm. Deutlich zeigt ſich diefer Unterſchied zwifcten
Meft: und Dftfeite auf den brit. Inſeln und in Süp:
flandinavien. Auf der Weſtſeite empfangen Galmay
1295, Stye 2578, Penzance 1054, Bergen 2258,
Göteborg 827 mm; auf der Ditjeite Dublin 742,
Aberdeen 748, London 624, Kriitiania 537, Stod:
bolm 401 mm; ferner Norderney 924, Hamburg
732, Sranlfurt a.D. 523 mm. Im nörblidern E.
fann jeder Tag Regen bringen; in der Mitte und
im D. fällt der meijte im Sommer, im ®. und auf
den Inſeln im Herbit, im ©. im Winter und im
grab inge, an den Südlüften im Herbjt. Die in
iNabon im Dezember fallende Regenmenge verbält
ſich zu der im Juli wie 55 zu 2, zu Palermo wie 37
zu 2"; in Neapel fällt im November 11mal joviel
als im Juli, in Rom im Dftober 10mal foviel als
im Juli; in Palermo ift von 1806 bis 1853 im Juli
nicht ein Tropfen gefallen. Hier im S. muß man
alfo bewäfjern, während der Boden im N. vielfach
Entwäflerung verlangt. Im nörbl. Italien ift die
Regenmenge im Frühling und Herbit etwa gleid,
im füdl, —S mindert ſich der Frühlings:
regen, in ber Bretagne ift er Null. In Irland und
Schottland fällt der meifte Regen im Winter, in Nor:
wegen im Herbft. Die ftärkite Regenmenge in €.
baben ee und die Inſel Skye. Mittel lann
man für Weiteuropa 800 mm annehmen; wo über
850 fallen, tft das Land feucht, wo unter 600, iſt
es troden. (Hierzu: Regenlartevon Europa)
In ganz Süd» und Wejteuropa find die wärmern
Süd: und inde, in Diteuropa Norbimeit:,
doch auch Oſtwinde vorherrſchend, welche letztern
die trodnne Kälte oder Hitze des afiat. Kontinents
mitteilen, An den Küften Südeuropas ift der Wed:
fel *8 Land: und Seewinden viel füblbarer
als in Nordeuropa und trägt viel zur Milderung
ber wärmern Tagestemperatur bei; die Luft ift im
©. Harer als im N.; aber die beißen Winde (Ei:
rocco, Solano) und die ungejunden Dünjte über
den fühl. Maremmen find dem N. unbelannt.
Pllanzenwelt. Die Verbreitung und Bhy-
fiognomie der Pflanzenwelt teilt E von Norden
u: Süden in vier, an Umfang fehr verſchiedene
Blorengebiete. 1) Die Arktiihe Flora, das
nörbl. Yappland und die flandinav. Hochgebirge, die
Nordhälfte von Kola und oftwärts bis zum nördl.
Ural die Samojeden: Tundra umfafjend, ift baum:
108 und bat leine Felpkultur. 2) Die Mitteleuro:
päiſche Biere, bis zu den Byrenden, Südalpen
und dem Balkan ſich eritredend, erzeugt jenes Bene
tationsbild von Nadel» und Laubwaͤldern mit arü:
nenden Wiefen, Mooren und Sümpfen, wie e8 aͤhn⸗
lich aud) in Sibirien und Canada den Grundton bil
bet; iedoch bilden die weiten Flächen der Heiden (mit
Grica-Arten oder Calluna vulgaris Salisb.) einen be
fondern mitteleurop. Charakter. Hier find wiederum
drei Gürtel zu unterfcheiden: der nörblihe umfaßt
Schottland, Skandinavien, Finland und Nordrub:
land. In ihr find die Birke, Fichte und Kiefer ber
nörblichjte Vertreter des Baumwuchſes, ‚und
Hafer werben kultiviert, fogar bis zum 70. Breiten:
— Der mittlere Gürtel reicht ſudlich bis zur
orbgrenze des Weinjtods. Diefe beginnt im W. bei
Bannes (im NW. von Nantes), biegt norböftlich zum
Rheinthal bei Köln, verfolgt die Nordterrafien des
Mainthald, greift in das Werrathal bei Witzen
bauen, in das Saaltbal bis Naumburg, erreicht den
nördlichften Punkt bei Freienwalde am Oderbruch⸗
und wendet alddann füdöftlich zu den Karpaten, zu
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VON EUROPA.
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Mittlere Jährliche Niederschlagshöhe
in Millimetern.
Niederschlagsarme
Unter 250 ınm Gegenden
250 - 400
Gegenden
"00 - 500 >, mit mässigen
500 - 750 " | Niederschlägen
|
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1000-2000 * |Ninderschingsreiche | .
| Gegenden. *
über 2000 * ;
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S
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FA. Brockhums’ Geogr.- artist Anstalt. Leipzig,
Europa (Zierwelt)
den untern Läufen von Dnjepr, Don und MWolga,
und verläßt E. im N. von Aſtrachan. Diefer von den
brit. Inſeln, Norbweitfrantreih, Belgien und den
Niederlanden, Norddeutihland, Sudſtandinavien,
Bolen und Mittelrußland gebildete Gürtel wird be:
Bas durch Eichen: und Buchenwälder (die Buche
ört in Polen mit 51 und 52° auf und ee” be:
ſonders gut im weftl. Gebietäteil und in Dänemarf,
feblt norböftlich von — — den obens | (V
len un
genannten nordifchen Bäumen, d Meiden,
dur die Kultur von Roggen und Weizen, im Sü-
den auch ala Wintergetreibe, von Rartofjeln, Bud:
weizen, Flachs und Hanf und von nördl. Objtbäumen,
Ter jüdl. Gürtel umfaßt die Hügel: und Berg:
länder von Frankreich, Deutihland es 52° und
50° nördl. Br., ÖfterreihUngarn, Serbien:Bulga-
rien, auögezeichnet dur ergiebige Weinkultur im
jonnigen Hügellande, durch das Auftreten der Tanne
(neben Fichte) im Bergmwald, durch die Bergliefern,
G en, Lärchen und Zirbelliefern in den obern
Bergregionen mit Alpenmatten über der Baums
pas: je nad) der Höhenlage wechſelt die Flora und
Iturfäbigteit fehr, der milde Weiten bält ſchon
immergrüne Laubhölzer (Quercus ilex L.) aufrecht.
3) Die Mittelmeerflora umfaßt das ſüdliche E.,
geidjeitig das norbieftl. Afrita und Kleinafien.
ie fann die der immergrünen Laubbölzer genannt
werden, denn in untern Regionen fehlen die nördl.
Waldbäume und überhaupt größere Waldungen;
dagegen treten im Heinern Gehölzen Bäume und
Geiträube obne periodiſchen Laubfall auf: neben
Kork: und Steineiche Forbeer, Granate, Piitazie,
Dleander, baumartige Erica, Myrte, Seefichte, Binie,
Cypreſſe, Blatane und die ehbare Raftanie. Der Ol:
baum und die Orange werden neben dem MWeinftod,
Nandelbaum, Pfirſich und Zeige feldmäßig ge
jogen, außer Weizen 5. ais; Fackeldiſteln
(Opuntien) find neben dem letztern ameril. Getreide
eingeführt und nunmehr weit und breit angefiedelt.
Eine Zwergpalme, Chamaerops humilis L., wächſt
in Südeuropa wild, die Dattelpalme wird angegen
nur hier und da kultiviert und reift felten. Die Ge:
birge ir ſich inniger an die mitteleurop. Flora
an, aber fehlt auch die jommerliche Unterbrehung
durh Dürre. 4) Das jüdl. Rußland zwiſchen Dnjepr⸗
und Wolgaunterlauf bildet eine eigene Gras dep.
penjlora, deren Angehörige bis gegen Rafan nad
Norden und durch die Theißniederung in Ungarn
bid Wien und weiterhin nah Weften verbreitet
Ind, Das ertreme Klima läßt auf der ſchwarzen
Erde (Tſchernoſem) trogdem reiche Getreideernten
su; das Baumleben ift von Natur ausgeichlofien
und endet mit Kiefer und Hainbuce. (Bol. Karte:
J———— U: Verbreitung der
wihtigften Kulturgewächſe in Europa.
Erntezonen in Europa,
Tierwelt. E. gehört zu der großen paläoarttifchen
Region (f. Tiergeograpbie). Seine Fauna ift von
Norden nah Süden zweigliedrig, fie zerfällt in bie
der Mittelmeerländer und in die des übrigen E.,
welche legtere ſich minder fcharf in die oft: und weit:
europäifche ſcheidet.
Von den Ordnungen der Säugetiere find 7 ver:
treten. Affen (1 Art) finden ſich bloß in Gibraltar,
aber wahrſcheinlich eingeführt, Fledermäufe kom—
men 26 Arten vor, davon find 13 weit verbreitet,
2 mehr nördlich, 1 in den Alpen, 10 finden ſich nur im
Süden. Bon den 14 Arten Inſeklenfreſſern find 8
Erigmäufe (5 weitwerbreitet, 1 in England, 1 in
309
Stalien, 1 in den Alpen), 2 Bifamfpigmäufe (eine,
der Wuchuchul in Sübrußland, die andere in den
———— 2 Igel (1 weitverbreitet, 1 im äußerften
Sübojften), 2 Raſſen von Maulmürfen (1 mehr nörb:
li, 1 füdlih). Raubtiere find durch 28 Arten ver:
treten: 1 echte Rabe (vielfach ausgerottet, ſonſt all:
gemein vertreten), 3 Luchſe (1 meitverbreitet, aber
vielfach ausgerottet, 1jüdlich, 1nördlich), 2 Viverren
iverra civetta eb. im Außerften Süden,
Herpestes Widdringtoni Gray bloß in ten
7 marberartige (5 weitverbreitet, 1 Jltis bloß im
Südoften, der Nörz nad Oſten — 1 Fiſch—
otter allgemein verbreitet), 5 Arten der Gattung
Hund (Fudhs und Wolf allgemein verbreitet, lektere
vielfach ausgerottet, der Eisfuchs im hoben Norden,
der Schatal und Korſal im Südoften), 2 Bären (der
braune vielfach ausgerottet, fonft allgemein ver:
breitet, ver Eisbär im hoben Norden), 1 Dachs (all:
ee. verbreitet), 1 Vielfraß (im hoben Norden).
ie Nagetiere find in E. die zahlreichften Säuger
(43), doch weichen die Anfichten über Artberechti«
ungen ſehr auseinander. Echte Mäufe (Mus) finden
Ka 7, davon find mweitverbreitet 6 und 1 bewohnt
den Süden; Wühlmäufe find 11 vorhanden, 4 weit:
verbreitet, 2in Mitteleuropa hin und wieder, in den
Alpen 1, im hohen Norden und im Süden je2. Dir
beiden Lemmingarten gehören dem Norden, bie
beiden Zieſel dem Oſten an. Hamfter finden fich 2,
ber eine im ganzen Dften, in Mitteleuropa zwiſchen
der Nord: und Oſtſee, dem Rhein und Main, ber
andere im äußeriten Südoften. Die Murmeltiere
find in den Alpen und im Dften durch je 1 Art ver:
treten. Die Birkenmaus ift rein nörblidh, die beiden
Springmäufe gehören allein der ſüdruſſ. Steppe.
Die 8 Schläfer finden ſich hin und wieder durch den
rößten Teil des Gebietes, werden aber im Dften
Päufiger. Bon den beiden Eihhörnden ift das ge:
meine überall, wo der geeignete Wald vorhanden
ift, das fliegende bloß im Norden. Der Biber,
früber meit verbreitet, ift (abgefehen von einer
Heinen Refttolonie an der Elbe zwifhen Mulde:
und Saalemündung) nad Dften gedrängt. Das
Stachelſchwein tritt auf der Pyrenätfchen Halbinfel
auf, Bon den 2 Hafen ift der eine weitverbreitet,
der andere findet fi in den Alpen und im Norden.
Das Kaninchen, vielfach vermildert, ftammt aus
Spanien. Wiederkäuer werden in 10 Arten in €.
angetroffen, 5 derjelben gehören zu den Hörner:, 5
zu den Gemweihetragenden. Bon diefen legtern ſind
2 weitverbreitet (Reh und Hirſch), 1 Art ift als wirt:
(ih wild auf den Süden befchräntt (ver Damhirſch)
und 2 (El und Renntier) auf den Norden. Bon
den Hörnertragenden find 2 Antilopen vorhanden:
die Gemfe in den Hocdgebirgen, von den Pyrenden
bis zu den Rarpaten, und die Saigaantilope in
Südrußland zwiſchen Wolga und Don. Weiter ge:
hören bierber 1 Wildichaf, der Mufflon (Ovis musi-
mon Schreb.), in den Gebirgen Sardiniens und Cor:
ſicas, ferner der Steinbod, welcher in mehrern Arten
die hoben Gebirge des eigentlichen Spaniens, die
Porenden und nurnod in wenig Individuen und febı
lofalifiert die ſchweiz. und ital. Alpen in der Gegent
des Monte:Roja bewohnt, ferner die Bezoarzieg:
auf Kreta. Ein Rind, der Wifent, wird unter menſch
lihem Schuß nur noch im Nordoften angetroffen
— Bon Seefäugetieren treten 2 oder 3 Robben
auch in der Oſtſee beftändig auf, * in der Nord⸗
ſee, eine Art iſt a Adriatifche Meer beichräntt
und im Giömeer finden ſich 5—6 Arten und das
310
Walroß. Delphine treten in allen Meeren um €.
berum auf, nehmen aber nah Norden an Artenzahl zu
und von den echten Walen werden mehrere mit dem
Rarwal bloß in den hochnordl. Gewäflern gefunden.
Die Zahl der Bogelarten beträgt mit Sicher:
+ 417, wahrſcheinlich werben aber im Norden,
doften und vielleicht im Sudweſten noch einige
Arten binzulommen, außerdem darf nicht überjehen
werben, daß die Anfichten über die —
mancher Arten gar ſehr auseinandergehen. Sing⸗
vögel find weit bis allgemein verbreitet 84, der
Süden hat 23, der Norden 29, der Dften 7, ber
Süpdoften 9, der Sudweſten 3, der Weiten 2, die
Alpen 12 eigene Arten, zufammen in €. 169. Seg:
ler finden fi 4 Arten, 2 weitverbreitet, 1 im Süben,
lim Sübmeften; nn (Rlettervögel, Schrei:
vögel) 16, davon 11 weitverbreitet, im Süden, Sud⸗
often, Sudweſten je 1 eigene, 2 in den Alpen (aber
— Norden); Nachtraubvogel 13 Arten (6 weit⸗
verbreitet, 4 im Norden, 2 in den Alpen, 1 im Su—⸗
den); Zagraubvögel 37 Arten (15 mweitverbreitet, 6
im Süden, 7 im Sübdoften, 4 im Norden, 3 im Oſten,
2in den Alpen): Hühnervögel 12 (allgemein vers
breitet 5, im Süden 4, in den Alpen 2, im Norben
1); Tauben 4 (weitverbreitet 3, im Süden und
Weiten 1); Stelz: oder Watvögel 66 (meitverbreitet
29, im Norden 21, im Süden 11, im Diten 2, im
Südoften 2, im Sübmeiten und in den Alpen je 1);
Siebfchnäbler (Enten, Gänje, Schwäne) 45 Arten,
(meitverbreitet 10, im Norden 32, im Süboften 2,
im Süden 1); Rormorane und Belitane 5 (meitver:
breitet 1, im Norden 2, im Süboften 2); Möven
und Seefhmwalben zufammen 82 Arten weitverbreis
tet 10, im Norden 19, im Süden 3); Taucher und
Alte zufammen 14 (weitverbreitet 4, im Norden 10).
Aus der Klaſſe der Reptil ien werden 6— 7 Schild:
trötenarten gefunden, 2 Land: und 1 Waſſerſchild⸗
fröte im Dften, 1 Waflerjchildfröte bis ae
land und in ganz Südeuropa und 2—8 Seeſchild⸗
tröten im Atlantıfhen und Mittelmeer. Bon den
33 Eidechſenarten find nur 3 allgemein verbreitet,
14 gehören dem Südoften, 9 dem Süden überhaupt
und 7 (darunter ein Chamäleon) dem Sudweſten an.
Schlangen find 24 Arten, 3davon giftige, vorhanden,
aber nur 8 find weit verbreitet, die Kreuzotter am
mweiteften (in Schweden bis zum 67° nördl. Br.),
8 (davon 2 giftige) bewohnen den Süden, 10 den
Süpoften und 8 den Sudweſten. — Bon den 27
Amphibien find 15 Arten Froöͤſche und Kröten, von
denen viele im Weſten big Mitteleuropa, 4 aber
bloß auf der Pyrenaiſchen Halbinfel gefunden wer:
den. Geſchwaͤnzte Ampbibien treten 6 auf, davon
weitverbreitet 5, 2 im Süden überhaupt, 1 in Frank⸗
rei, 3 in Spanien, 8 in talien, 1 in den Alpen
und 1 (der Dim) in den Krainer und Illyrer Höhlen.
Knochenfiſche find aus dem europ. Sußwaſſer
etwa 300 Artenbelannt. Die Lachſe (Lachs, Forellen,
Saiblinge) find biesfeit der Alpen bejonders im
böbern Rorden und in den Alpenjeen viel artenreicher
als im Süden. Auch der Hecht, der Wels, der Stich:
(ing, der Stint u.a. find Fiſche des mittlern und nord⸗
liben €.8. Der Aal feblt in allen Zuflüffen des
Raipiihen und Schwarzen Meerd. Der Hundsfiſch
(Umbra Crameri Filj.) ift auf einige Gemäjler Un:
garns beichräntt. Knorpelfiſche (Störe) treten etwa
6—7 Arten auf; die meiften finden fich in den Zus
Hüflen des Schwarzen und Kaſpiſchen Meeres.
Bon Infelten jind Käfer zahlreich, ihre Arten-
Europa (Mineralreih. Bevölferungsverhältniffe)
nördl. Hälfte berrihen Lauf» und Raubläfer, in
der füdlichen die Melanofomen vor. Die Miitläfer
werden biesfeit der Alpen vorzüglid durd bie
Aphodien oder Dungläfer vertreten, zu denen ſich
weiter nah Süden immer mehr und größere For:
men gejellen. Aud Pradtläfer und Eetonien neb⸗
men nad Süden zu, beögleihen die blüten: und
borfeliebenden Bodtäfer, während die Holzbodtäfer
abnehmen. In Südipanien greifen einige tropiice
—— yet Tetracha u. er. in bie europ.
auna über. Unter ven Schmetterlingen berriden
die unfceinbaren Eulen, Spanner und Alein:
fhmetterlinge vor, aud die Tagfalter find meiit
durch Heinere und unſcheinbare Arten vertreten.
Auch ihre Zahl und Schönbeit vermehrt ſich im
Süden, mo einzelne tropijche Familien binzutreten.
Die Zahl der Abendfalter und Spinner verdoppelt
ſich jenfeit der Alpen. Zu den gewöhnlichen nicht
allzu zablreihen Arten der Geradflügler treten im
Süden andere und zum Teil aus tropiiden Fami⸗
lien (Gottesanbeterin, Gefvenitheufgrreden) inzu.
Bon Hautflüglern beſitzt der nordl. Teil mebr blumen⸗
beſuchende (Bienen, Hummeln), der Süden mebr in
Sand haufende Arten. — Auch die Zahl derSpinn:
tiere vermehrt ſich nah Süden beträchtlich und es
treten Repräjentanten von in der cidalpinen Fauna
nicht vorfommenden Familien und Ordnungen (3
oder 4 Arten Storpione, die Walzenjpinne oder
Solpuga im Südoſten, 1 Minierfpinne [Cheniza
sementaria Ler.] u. |. w.) binzu. Auch die Kreb?:
fauna vermehrt ſich jenfeit der Alpen um ein neues
Element, nämlih um eine Süßwajlertrabbe (Tel
phusa pluviatilis Bel.). — Die nördl. Hälfte von E.
tft reiber an Süßmwaffermollusten und wald—
bemohnenden Landweichtieren, im Suden berriden
die bürre Stellen und Felſen liebenden vor, im feliigen
Süpoften befonders die Glaufilien, im Weiten mebr
dieSchnirkelihneden. Eine Familie von Sußwaſſer⸗
fchneden, die Melaniden, ift auch nur im Süden ver
treten. — Über die Meeresfauna ſ. Adriatiſches
Meer, Mittelländifches Meer, —* und Dftier.
Bei den Eivilifationsverbältnifjen E.s iſt es natür-
li, daß die Menge der Haustiere außerorbentlih
coß ift. Der Verbreitung des Pferdes, Rindviebs,
chafs, des Schweins und der Ziege wiberftebt nur
der äußerjte Norden, wo das Renntier und der all
verbreitete Hund kümmerlichen Erfaß bieten, ım
Süden aber gejellt ſich noch der Büffel, unter be
fonderer Pflege jogar das Kamel und weit zahl
reicher ald im Norden Maultier und Eſel binzu.
Mineralreich. €. ift befonders reich an nußbaren
Mineralien. Gold findet fih im Ural und in den
Karpaten; Silber am meiften im Ural, in den
Karpaten, dem ſachſ. Erzgebirge und Schweden,
Quedjilber in Joria in Jlyrien, Jtalien und A:
maden in Spanien; Platina nur im Ural; Zinn am
meiften und beiten in Cornwallis; Zink in England,
— und Deutſchland; Blei beſonders in Eng⸗
and, Spanien, Ungarn und Deutſchland; Kupfer
in England, Schweden, Norwegen, Rußland, U
gan; Gifen das meifte in England, das beite ın
chweden, viel in Rußland, Sjterreih, Preußen;
r Steinfoblen find namentlich England, Belgien,
ftfrantreih und Deutihland wichtig; für Sal,
Steinfalz Galizien, Quellfalz Deutſchland und Var
Ic ortugal; für die meiften und berühmtellen
ineralwäller Deutichland und Böhmen.
Bevölferungsverhältniffe. Die Bewohner leben
vabl mag ſich auf etwa 12000 belaufen. In der | in feitbegrenzten Staaten, deren polit. Grenzen
DIE VOLKSDICHTE
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sind von der Berechnung ausgeschlossen warden «50
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Europa (Bevölferungsverhältnifje)
niät ganz übereinftimmen mit denen des Erbteils.
As Übergriffe find zu betrachten die Canariſchen
Yieln, Madeira und die Azoren, melde politiſch
zu Spanien und Portugal gehören, und die trans⸗
uraliiben und fautafifchen Zeile Rußlands, welche
gesrapbilc zu Aſien gehören. Da aud das Ge:
iet von Spisbergen, die Injel Yan Mayen und
ie Bäreninjel von dem natürli begrenzten €.
auszuidließen find zur Erzielung eines enger ..
jaflenden europ. Staatengebietes, jo beſchränlt
dd diejes auf 9820504 qkm. Auf diefem Raum
leben, nach Berechnung für das 3. 1900, ungefähr
392 Mil. Menſchen, d.i. 40 auflgkm. E. nimmt
damit unter allen Erdteilen an Bevöllerung?:
dihtigleit die erſte Stufe ein, wenn aud in un:
gleiber Verteilung, je nad den natürlichen, ge
ſdichtlichen und Givilijationsverbältnifien. Am
dünniten ift die Bevöllerung (im nörbl. Rußland
und Sfandinavien) im allgemeinen im Djten und
Norden, jowie bejonders auf den Hocgebirgen und
Steppen des übrigen Teild, am dichteſten im Weiten,
den meiiten Teilen der Mitte und dem mittlern Sü:
den (Ytalien). Die höchſte 2. (mobei alle
Städte mit über 50000 €. von der Berechnung aus:
geſchloſſen jind) erreichen die großen Handeläcen:
tten, mie dad Depart. Seine in Frankreich (1723 E.
auf I gm), die Grafihait Middleſer in England
(44% €. auf 1 — die Umgebungen von Ham:
burg, Wien, Mailand, Neapel, Konftantinopel;
meiſt finden fich dafelbit aud eine größere Zabl
von Mittel» und Grofftäbten dicht beifammen
(im Depart. Seine 16, Mipplefer 13 mit über
2000 E.). An die Handelscentren reihen oft Küften
und Ynfeln, die ebenfalld den Handel begünftigen,
nabe heran. Sehr ftart bevöltert find auch die Ge:
biete der Großinduſtrie, die meift an das Bor:
tommen von Kohlen oder Erzen gebunden find. Es
wohnen bier —— weit über 200 €, auf 1 qkm,
jo in Beitengland (Lancafter und Durham), Süd:
ſchottland (Cladmannan und Renfrew), Nordfrant:
teih (Depart. Nord), im geſamten Belgien nördlich
der Maas, außer in den Kempen im Nordoſten, aber
eingeſchloſſen die hr Lüttich füdlich der Maas,
ferner im Rheiniſch-Weſtfäliſchen Induftriegebiet,
in Sachſen, Nordböhmen und einem Zeil Ofterreich.:
Schleſiens (reiftabt), fowic im Oberſchleſiſchen Rob:
den. Auch bier pflegen ſich größere Städte zu
bäufen, jo hat Lancafter 43 Städte mit über 20000 E.,
darunter 8 mit über 50000, 5 mit über 100000 und
2 mit über , Mil. €. yiyhe e3 in Durham (10
Städte mit über 20000 E.), Belgien (Brabant 10),
Beitfalen (26) und Sachſen. Gerade das Gegenteil
ift der Zall in Norbböhmen, wo ſich in dem ganzen
Gebiet mit über 100 E. auf 1 qkm nur 8 Städte
von 20—50000 E. und 1 Großftabt finden. Wo
bie Landwirtſchaft intenfiv betrieben wird, hat auch
ne große Dichtigleit erzeugt; dieſe beträgt in den
Brovinzen Nord: und Süpholland, am Mittelrhein,
in der Lombard. Tiefebene und in Gampanien um
150. Größere Stäbte find in diefen Gebieten auch
aicht jelten. Es giebt aber auch dünn bewölterte
Gegenden mit vielen Städten; jo hat Oviedo (Spas
nen) bei einer Dichtigleit von 56 E. auf 1 qkm 7,
Gadiz bei 39 E. auf 1 qkm 6, Eherfon (Rukland)
bei 30 E. auf 1 qkm 5 Städte. Mähren und das
nicht viel größere Sicilien haben ziemlich gleiche
Dichte (105 bez. 112), eritereö hat nur 3, lehteres
eima 25 Städte mit über 20000 €, (Hierzu die
Rarte: Die Bollspichte in Europa um 1900.)
311
Näheres über die Bevölterungsverhältniffe in E.
ſ. Bevöllerung. j
‚In Stamm: und Sprachverſchiedenheit zeigt E.
eine jeiner Natur und Geſchichte entiprechende große
Mannigfaltigleit. Man unterfdeidet in E. neun
verſchiedene Hauptgruppen von Volkern, melde
wei Raſſen, ver mittelländifchen und der mongolis
ſchen, angehören. :
A. Böller der mittelländifhen Rajfe.
1) Die Romanen gehören der Sprade =
zujammen, beftehen aber ihrer Abjtammung na
aus ſehr verfchiedenartigen Elementen. Die röm.
Heere und Koloniften, melde aus allen Gegens
den des meiten Reichs ftammten, baben das
Bulgär: Latein in die von ihnen eroberten Län:
der getragen, jo daß fih dasſelbe in Gallien,
Iberien und Dacien verbreitete. So entjtanden
die jeßigen roman. Völler mit ihren Spracden;
das Italieniſche mit feinen zahlreihen, unter ji
ftarl abweichenden Dialelten; das Provengalifche,
das Limoufinifche, das Gascogniſche und das Cata:
laniſche, aljo die Dialekte der Languedoc im ſüdl.
Frankreich und im Nordoften Spaniens; das Fran—
zöjiiche, feit alterö herrſchend im nörbl. Franlreid;
das Caſtiliſche oder Spaniſche, dad Portugieſiſche
und das dem Portugieſiſchen verwandte Galicifche;
das an der untern Donau entwidelte Moldo-Wla⸗
chiſche, jest Rumäniſch genannt, fomie die Sprache
der Kutzo-Wlachen (Zinzaren) im Pindusgebirge,
in Fan Epirus und im nörbl. Griechenland;
das Rhäto-Romaniſche oder Ladinifhe in einem
Zeil von Graubünden im Engadin, im ſüdl. Tirol,
in der ital. Brovinz Udine (Friaul) und der öjterr.
Grafihaft Görz und Gradiäca,
2) Der germanifhe Stamm (f. Germanen)
nimmt Deutihland, Slandinavien und Britannien
ein. Am unvermifchteiten baben ſich die Stanbi:
navier gebalten, während die Engländer ſich mit
der felt. Urbevölterung Britannieng, die len
mit den im Rhein: und Donaugebiet einheimijchen
Keltoromanen und den Slawen öſtlich der Saale
und Elbe gemijcht haben. Romanifiert worden find
die got. Völler, die im 5. Jahrh. das weſtl. Mittel:
meer beberrfchten. Die Standinavier, welde in
Schweden, Gotländer, Norweger, Jsländer, Dänen
und Süten zerfallen, haben ſich in den legten zwei
Jabrtaujenden allmählih über das nördl. Standi-
navien verbreitet, hier finn.:lappiidhe Stämme teils
vertreibend, teild germanifierend. Ysland ift von
Norwegen aus 874 befiedelt worden. Die Angel
achſen (f. d.) haben von Schleswig: Holjtein und
ütland aus im 5. und 6. Jahrh. er erobert.
ie riefen (ſ. d.) und Deutichen (f. Deutfches Volt
und Deutiche Sprache) haben den Kelten Weit: und
Süddeutihland und feit dem 12, und 13. Jahrb.
den Slawen Norboftdeutichland abgemonnen. Über
die fpradliche Gliederung j. Deutihe Mundarten.
3) Die ſlawiſch-baltiſchen Bölter (f. Slawen)
zerfallen in zwei Oruppen: a. Baltiſche Stämme;
zu ihnen p° ören bie auögeftorbenen Breußen (Alt
reußen, }. Litauifche Sprache) im heutigen Oſt⸗ und
ejtpreußen ; die Litauer in Oſtpreußen und dem an:
a ers weftl. Rußland; die Letten in Rurland
und Livland. — b. Die ſlawiſchen Völker zerfallen
in Weitflamen (Czechen mit Mährern und Slowalen;
Polen, zu denen im weitern Sinne auch die Rafjuben
und in Norbdeutichland ehemals zwifchen Elbe und
Oder anfäffigen jog. Polaben zu rechnen find; Eors
ben oder Menden der Ober: und Niederlaufik);
312
Ruſſen (Groß: und Kleinrufjen); Sudſlawen (Bul:
garen, Serben und Kroaten, Slowenen).
‚4) Die Kelten (ſ. d.) ericheinen in der älteiten
biftor. Zeit E.8 über die Alpen und ganz Gallien
verbreitet, von wo ſich ihr Bereich über die brit.
njeln, das heutige Süddeutſchland und über die
prenäen bis in das mittlere und weſtl. Spanien
ausbreitete, während ſich ſpäter Abzweigungen
nah Stalien, Thrazien und Kleinafien (Galater)
finden. Bolt und Sprade find in drei Ge:
enden vorhanden: in Wales (das Malififche oder
älſche oder eigentliche Kymriſche), in der Bre:
tagne (da8 Bas: Breton oder das Armoritanijche),
in Irland und Hochſchottland (das Iriſche in Sr:
land, in Hochſchottland das Gäliſche oder Erſiſche,
und das Manr auf der Inſel Man).
5) Die Griechen § d.) oder Hellenen bewohnen
fait den ganzen griech. Staat nebft Kreta, Teilen
von Epirus, einen Teil Macedoniens und des ſüd—
ditl. Thraziens.
6) Die Albanefen (Arnauten) oder Schlipe:
taren, die direlten Nachlommen ber alten Illyrier,
wohnen in Albanien, Griebenland, Italien und
Oſterreich (ſ. Albanefen ſowie Albanefiihe Sprache
und Pitteratur).
T) Die Basken, melde fi felbft Euscaldunac
nennen, find der einzige Reit der Ureinwohner
E.s, der feine alte Sprache noch bewahrt bat. Sie
find die Nachkommen des iber. Volksſtammes, der
einft über die ganze Porenäenbalbinjel und über
den Südmweiten Frankreichs binaus verbreitet ge
weien ift. (S. Basken und Bastifche Sprade.)
B. Völker der mongoliihen Raſſe.
8) Die ugro-finniſchen Völker. Sie find in
alter Zeit dur Einwanderer von Dften nah Nor:
den gebrängt worden (j. Finnen).
9) Dietürkifhen Völker (j. Türken). Sie ſtam—
men aus den Steppen Hochaſiens und find feit den
eriten Jahrhunderten unferer —— zu ver⸗
ſchiedenen Zeiten in das bſtliche E. eingewandert. Zu
ihnen gehören a. die Osmanen oder ottomaniſchen
Turken, durch Vermiſchung mit Griechen und Sla—
wen ſowie mit cirkaſſiſchen Sklavinnen veredelt
und dem europ. Typus ſehr angenähert; b. die
Tataren der Krim, ein Gemiſch aus Kumanen, Ds:
manen und Nogaiern; c. die Wolga-Tataren in
den rufj. Gouvernement3: Aſtrachan, Saratom,
Samara, Benfa, Simbirst, Kaſan, Orenburg, Ufa,
Diatka, Niihnij-Nomgorod und vereinzelt in Perm
und einigen mittlern Gouvernements (Kaſſimowſche
Zataren); d. die Bajchliren; e. die Tſchuwaſchen;
diejelben find nur ſprachlich zu den Türken zu rec:
nen, fie find wahrſcheinlich urjprünglich Ugrier (Bul:
garen?), hauptſächlich in den ruf. Gouvernements
Ufa und Orenburg.
Eine annähernd genaue Schäßung nimmt für E.
an auf Grund der Zahlen von 1880: 94355 000
Slawen, von denen 65270000 Rufen und Ru-
tbenen, 11580 000 ®Bolen, 7 220 000 Czechen, Mäb:
ren und Slowaken, 130000 Wenden, 6030000
Serben und Kroaten, 2865000 Bulgaren und
1260000 Slomwenen; 98948000 Nomanen und
zwar 40280000 Franzoſen mit den Wallonen,
29 570 000 Staliener, 20 810 000 Spanier und Bor:
tugiefen, 8240000 Rumänen, 48000 Rhätoroma:
nen (Zabiner); endlich 105130000 Germanen, von
denen 63 205 000 Deutiche mit den Holländern und
Nlärnen, 32980000 Engländer, 8945 000 Stan»
dinavier. Es bleiben noch die überall zerftreuten
Europa (Religion. Staatliche Berhältniffe)
— ** zu erwähnen, in größerer Menge lebend in
Rußland, Polen, dem nordöſtl. Deutſchland, Bali:
zien, Ungarn und Rumänien; die aus Aſien ſeit
dem 12. Jahrh. (nach der Zerſtörung der Stadt Ani)
Ara. eingewanderten Armenier, weldein Ga:
izien und Siebenbürgen größere Kolonien bilden
und dann in allen bedveutendern Handelsſtädten des
ditlichen E.3 ala Kaufleute, Wechsler u. f. w. an:
gefiedelt find; die Zigeuner, aus Ditindien ſtam—
mend, und die im Nordoſten E.s auf den Tundren
nomadifierenden Samojeden, bie m. nad
gl net thnographiſche Karte
von Europa.) ö .
Religion. Der ethnogr. Dreiteilung flieht ji
auch eine kirchlidhe an, indem dem romaniſchen €.
das römiſch-katholiſche, dem germaniſchen das
proteſtantiſche und dem ſlawiſchen das griechiſch—
tatholiſche entſpricht; aber eine etwas genauere
Betrachtung ſtört dieſen Zuſammenfall mehrfach
und giebt Ahr bie Weitgrenze der Verbreitung der
— Kirche eine er ag Linie an: vom
olf von Gattaro zu der mittlern Save, dem mittlern
Dnjeitr, der untern Düna, dem Peipusſee, Saĩmaſee
bis zum Weißen Meer. Oſtlich von diejer Linie
berricht die griec.=fatb. Kirche mit Ausnahme des
eingedrängten Mohammedanismus im Süden vor;
mweitlib von ihr fann man als Scheide zwiſchen
Proteftantismus und Katbolicismus eine Linie
verfolgen von der untern Düna zum untern Nie:
men, obern PBregel, zur Negemündung, obern Oder:
Elbpforte zwiſchen Sadhien und Böhmen, zum
obern Main, untern Kr nad) der Scheldemün:
dung, dem Pas-de-Calais, St. Georgslanal und
ur Weſtküſte von Island. Ausſchließlich protk-
tantiich ift nur Skandinavien und die german.
Ziefebene, ausichließlich römijch-tatholiich der Sud⸗
weiten €.8. Neben diefen drei Hauptiormen der
chriſtl. Religion (zu denen ſich 96,1 Bros. betennen)
beitebt zwar noch das Gemiſch chriſtl. Seftierer, der
Mobammedanismus, das jüd, Glaubensbelenntnis
und im äußerjten Norden noch Heidentum; wie jebr
aber die nihtchriftl. Elemente zurüdtreten, erbellt
aus folgenden Zablen: Bon 327 Mill. Europäern im
%.1880 waren Römifch:ftatbolifhe etwa 156 Mill.
(47,3 Proz.); Bekenner criftl.sorient. Religionen
81510000 (24,71 Proz.), und zwar Griehiich:Ratbo:
liſche 80 367 000 (24,86 Proz.), griech.⸗ orient. Set:
tierer 1019000 (0,51 Proz.), armeniſche Gregoria-
ner 124.000 (0,04 Proz.); PBroteitanten 79,33 Mill.
24,05 Proz.), und zwar goangeifer (Lutberaner,
eformierte, Unierte) 54,4 Mill. (16,4 Pro;.),
Anglitanifhe 18,88 Mill. (5,72 Proz.), Metbodiiten
3,51 Mill. (1,07 Proz.), andere prot. Konfeſſionen
2,7 Mill. (O,8e Proz.); Unitarier (Socinianer)
120 000 (0,04 Bro3.); aber 5 984.000 (1,81 P®ros.),
und zwar 3 Mill. in Rußland, 1005394 in Diter:
reib, 363790 in Deutihland; Mobammedaner
6 445 000 (1,95 Broz.); Heiden und ohne Konfeſſion
447000 (0,1 Broz.). Mitbin find die Nichtchriiten
nur 3,86 Proz. der Gefamtbevölterung E.s. (S.
Karte: Verbreitung der Religionen auf der
Erde, beim Artilel Erde; neuere Zablen ſ. die Bei:
lage: Religiongftatiftif, Bo. 17.)
Staatliche Verhältniffe. Syſtematiſch gruppiert
verteilen fi die europ. Staaten folgendermaßen:
4 Raijerreihe: Deutfches Reich (mit 4 Königreicen,
6 Grohberzogtümern, 5 Herzogtümern, 7 yürftentü:
mern, 3 Freien Städten und 1 Reihsland), Oſterreich⸗
Ungarn, Rußland, Türkei; 11 Königreiche: Grob:
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ETMNOGRAPMISCME
Maßartub 1:21000000
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Brockhaus’ Konversatians -Lexzikon. 14, Aufl.
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ISKARTE VON EUROPA.
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2 —
Europa (Geſchichte)
pritannien und Irland, Niederlande, Belgien,
und Norwegen, Dänemark, Spanien,
Bortugal, Stalien, Griechenland, Rumänien, Ser:
bien; das voßbergogum Luremburg; 4 Fürſten⸗
tümer: Liechtenjtein, Monaco, Bulgarien, Monte:
negro; 4 Republiten: — ——— die Schweiz, An⸗
dorta, San Marino. Als Großmächte werben be
trachtet das Deutſche Reich, Rußland, Großbritan⸗
nien, Oſterreich⸗ Ungarn, Frankreich und Italien.
(Hierzu: Politiſche Überſichtskarte von
Europa.) Auswärtige Befigungen europ. Staa:
ten f. Kolonien (mit Überfihtstarte ver Kolo—
nien europäifcher Staaten). fiber Heeres:
verbältmifje f. Heerweſen (mit Karte: Militär:
dislotation in Don,
Geſchichte. Nachdem €. jeine Bevöllerung von
Often ber erbalten batte, ward feine Geihichte auf
länzende Weife eröffnet durch den Stamm ber Hel:
die Gründer der Macht und der Eivilifation
Griechenlands. Wetteifer mit den Phöniziern
ſuchten ſich die Griechen im ganzen Bereiche des
Mittelmeers auszubreiten; aber dem Hohepunlte
ihrer Blüte um 400. Chr. folgte bald die Zertrüm:
merung ihrer Freiheit durch Aleranders d. Gr. Be:
ründung bes großen macebon. Reichs (336 v. Ehr.).
end Alerander das ſudl. Diteuropa mit den
Geſchiden feiner Herrihaft in Afien verflocht, waren
die Römer in —— mit Ausdehnung und Be—
an ihrer friegerifhen Macht beichäftigt und
durh die Entwaffnung Kartbagos zur Oberberr:
Idaftin Südeuropa gelangt. Sie erweiterten durch
Legionen den Horizont europ. Geſchichte über
dad Beden des Mittelmeer und dehnten das
Reih unter Auguftus um 30 v. Chr. aus vom
Allantiihen Meere bis zum Cupbrat und vom
Rhein und der Donau bis zu den Wuſten Afritas.
(©. die Karte: Das Römiſche Reich in feiner
röbten Ausdehnung, beim Artikel Rom.)
brend unter ber ae aft der röm. Impera:
toren mebrere barbarifhe Provinzen des Reichs,
wie Gallien, der Eivilifation gewonnen wurden und
aud die riftl. Religion in allen Teilen zahlreiche
er, jeit Ronftantin d. Gr. ftaatliche Anerten:
nung und Macht gewann, zeigte fich doch, daß der
töm. Staat und die röm. Gejellihaft dem Unter:
gang verfallen tmaren. Der Drud des Defpotis:
mus hatte die Kraft des Volls erjhöpft und zer:
Rört. Zur Bildung neuer Ordnungen in Staat und
Geiellihaft bedurfte ed der noch ungebrodenen
Kraft friiher Stämme, und diefe fand fich in den
germaniihen. Der Einfall der Hunnen von Afıen
aus um 375 n. Ehr. gab der ſog. Böllerwanderung
1.d.) einen neuen Anftoß, der röm. Staat konnte
dem Andrange der mächtigen Völterftämme nicht
mierfteben, und das MWeftrömifche Reich warb 476
durd den Heerlönig ver Herulerund Rugier,Doaler,
Kat während das morgenländijche mit der neuen
en; Ronftantinopel noch 1000 Jahre lang ein
fümmerliches ‚Leben friftete. Auf den Trümmern
des miſchen Reichs breiteten ſich german.
derrihaften aus und gelangten im 6. Jahrh. zu
ibrer größten Ausdehnung. Am bervorragenpften
war dad Reich der Dftgoten in Stalien und nord:
is zur Donau, an deren linfem Ufer da:
mald die Langobarden und die Gepiden Sitze ge⸗
vannen, dann das Reich der MWejtgoten über faſt
kan Spanien und Süpdmeitfranfreich; neben ihnen
anden das ſueviſche Reich in ——
die Reiche der Franken und Burgunder, jenfeit des
313
Mittelmeers in Nordafrila das Reich der Bandalen.
S: Hiftorifhe Karten von Europa I, 1.)
brend ſich im Weiten E.s die Völlerbemegungen
allmählich berubigten und bier und da eine feit:
ebung begann, deren Grundzüge nod durch das
eutige Staatenbild hindurchſchimmern, dauerte das
tängen Und MWogen mächtiger Völterftämme im
Diten fort. Die Hunnen zogen fi zwar nad At:
tilas Tode wieder in bie pontiſch⸗aſpiſchen Steppen
— aber turk. VBölterftämme drängten über den
ral bis zum Don und hoben die Avaren immer
weiter weitlich; die Bulgaren befegten die Norboft:
ige Pad Sour pic eichs, die Slawen erfüllten
die Hämusbhalbinfel und —— zugleich bis in die
Mitte Deutſchlands vor. Um dieſelbe Zeit verloren
die MWeft: und Dftgoten ihre ſelbſtändige Stellung;
in Spanien zog ein neues, für die Eivilifation ein:
flußreiches Element mit den Arabern und der Grün:
dung bed Ehalifat3 Cordoba ein.
Die nächte Beriode der europ. Staatenentwid:
lung fällt in das Zeitalter Karls d. Gr. Er ver:
einte faft alle Romanen und Germanen in feinem
Frankenreiche, aus dem die unter feinen Enteln
entftehenden Einzelftaaten die gemeinjchaftlichen
Grundzüge der Kultur und Berfafjung mitnab:
men. (S. Hiftorifhe Karten von Deutſch—
land 1,1.) Dann wurden die Normannen im Nor:
den mächtiger und verfuchten fich in abenteuerlichen
GEroberungszügen bis zum Süden E.s, und aus der
fog. Heptardie der Angelſachſen ward allmählich
ein Königreih England (827). Unter ven Slawen:
ämmen erfcheinen die poln. Lehen am bedeutend»
ten; von der untern Wolga bis zum Dnjeftr befeftigt
ich das Reich der hafariichen Ehane; die Bulgaren
werden am Ende des 9. Jahrh. aus ihren neuen
a an der mittlern Donau und Theiß dur
die Magyaren verdrängt; das Byzantiniſche Reich
med) elt feine Grenzen vielfach unter fteten Rämpfen
mit ſlaw. bulgar. und avariſchen ——
Um das g. 1000 find jchon wieder bedeutende Ver:
änderungen im europ. Staatengebiete fihtbar. In
Spanien treten das Königreich Leon und die Braf:
ſchaft Gaftilien fräftiger hervor, aber die arab.
Herrichaft beſteht noch; ——— und Burgund
(Arelat) als Königreiche ſtehen weit zurüd gegen
das röm.:deutiche Kaiſertum, das den Mittelpunkt
der europ. Geſchichte bildet; ein vereinigtes König:
reich Norwegen dehnt fih aus bis zum Weißen
Meere; das Chaſariſche Reich gebt unter und ein
gg wädhft jchnell heran vom La:
dogaſee bis zum Kaufafus; die den an her ge
alachen
wichenen Bulgaren werfen ſich mit den
auf einen großen Teil des Oſtrömiſchen Reichs,
und tüurk. Völker, unter ihnen die Petſchenegen,
rüden am Nordgeſtade des Schwarzen Meers näber
beran. (©. die Karte: Byzantinifhes Reich
um das d 1000 n. Ebr.) Der Entwidlung
der europ. Civilifation drohten jo große Gefahren,
und —— war Italien und in Italien Rom,
der Mittelpunft und das Haupt der chriftl. Kirche,
wiederholt in wüjfter Zerrüttung und tiefer mora:
liſcher Verſunlenheit. Aber die deutſchen Könige
- die Ordnung daſelbſt immer wieder ber, er:
oben ausgezeichnete Männer zu Bäpften und ſchutz⸗
ten die Miffen, melde das Ehriftentum über die noch
beidn. Länder im Norden und Dften E.s ausbreitete,
Dann erhob das Genie Öregors VIL die Hegemonie
des Papfttums über das Kaiſertum, und feine Nach⸗
folger riefen zu den Kreuzzügen, das Gemeingefühl
314
des chriſtlichen E.s neu belebenv. Während der Kreuz:
züge, vom Ende des 11. bis zu dem des 13. Jahrh.,
treten neue Staaten jelbjtändig auf, andere verlieren
an Nacht. Bortugalwird als jpäteres Königreich von
Spanien — Aragonien ſtrebt mit en
nad der Verdrängung der Araber, Sicilien ift blü-
end, erfährt aber einen vielfachen Herrſchaftswechſel.
ankreich wird auf längere Zeit in a weitl.
eile ein Zehn engl. Könige, das alte Burgund
ftebt in Abhängigleit des Deutſchen Reichs, diejes
erreicht unter den Hobenftaufen die größte Aus:
dehnung, Dänemark um diejelbe Zeit jeine größte
olit. Bedeutung. Schweden dehnt fi big nad
inland aus und Ungarn fchreitet bis ans Aria:
tijche Meer vor, Venedig und Genua werden mäd:
tig auf dem Mittelmeere, vu gewinnt an jelb:
tändiger Macht, ein neues Walachiſch-Bulgariſches
eich 64 ſich zwiſchen Balkan und Donau, und
das große ßſer Reich zerſplittert in mehrere
Teile und wird unfähig, die rl ni Ar Mon:
olen zurüdjumerfen. Seitdem im Kampfe der
taufer mit den Päpſten Deutichland feine Macht
und innere Feſtigleit eingebüßt, fintt jeit dem Ende
deö 13. Jahrh. auch die päpſtl. Macht immer mebr
(Eril zu Suse: England und Frankreich er:
langen größere Bedeutung, zerfleiihen fi aber
in einer langen Reihe blutiger Kämpfe. (S. Hifto:
rifhe Karten von Europa I, 2.) Am Ende
des 14. Jahrh. werden die drei ſtandinav. Reiche
(wirtiam freilib nur auf kurze Dauer) vereinigt,
Polen tritt unter Jagello in jeine Glanzperiode,
und im Sübmejten wird durch die Kraft der Portu—
gieſen der Islam bis nad Afrila verfolgt und auch
in Spanien auf die ſüdlichſten Grenzen zurüd:
geworfen, Während der Halbmond im Weften all:
mahlich finkt, fteigt er im Often um fo mächtiger
auf; 1453 erobern die Türlen Konftantinopel und
machen dem Dftrömifchen Reiche ein Ende,
Mit der Mitte des 15. Jahrh. be — E. die
Epoche, welche es zur Herrin des —* s machen
ſollte. Nah umwälzenden mechan. Erfindungen,
wie Pulver re und Buchdruckerkunſt,
olgen am Ende des Jahrhunderts die Entdedung
merilad und die bes Seewegs nad Djftindien;
1521 umjegelte Magalbäes die Erbe, In denjelben
Yabren brach Luther auf immer die ausſchließliche
at der Papjtlirhe im Abendlande, und in den
Kämpfen, welde an feine Reformation antnüpfend
bie gelamten roman.:german. Nationen in zwei
Lager teilten, bildete ih ein neues europ. Staaten:
Ipftem aus. (S. Hiftorifhe Karten von
uropa l,3.) In wiederholten Kriegen erwehrten
jih Franfreid unter Franz L, die deutichen und
ſlandinav. Proteftanten und die Magyaren der
erbrüdenden übermacht, welche Karl V. als Kaiſer
und Grbe der öſterr., burgund. und ſpan. Macht
vereinigt hatte. Seine Abdanlung (1556) trennte
die deutiche Linie des babsburg. Haufes von ber
ſpaniſch-⸗burgundiſchen und ifolierte den großen
Religionslampf wejentlih auf den Weiten E.s; fein
Sohn Bhilipp IL, unterftügt vom Papſt und den
franz. Ratboliten, leitet vie Politil der Gegenrefor:
mation; die —— die Niederländer und vor
allen Königin Eliſabeth von — halten den
Proteſtantismus aufrecht. Das Ergebnis am Ende
des Jahrhunderts ift die Selbſtändigleit der nieder:
länd. Nepublif, die Begründung der engl. Seehege⸗
monie, die ſchon auf die jpan.:amerif. Kolonien über:
greift, die innere Einigung Frankreichs unter dem
Europa (Geſchichte)
Hugenottenbaupt Heinrich von Navarra, der aber
als König Heinrih IV. den Katholicismus ans
nimmt, und bie Jjolierung und dauernde Schwä-
bung Spaniens. An entwideln ſich in Deutſch⸗
land die religiöjen Gegenjäge, melde der Aug
burger Religionsfriede (1555) verewigt batte, unter
dem neuerwachten Religionseifer der von den jpan.
Berwandten angeſtachelten deutſchen Hab&burger
in blutigem Hader. Die Stiftung der Liga, die
—— Donauwörths (1607), die Grün
dung der Union find Voripiele des großen deut:
ſchen Krieges, der dreißig volle Jahre hindurch
(1618—48) Deutihland zum Schauplaß zerrütten:
der innerer und europ, Kämpfe macht, die großen
Fragen der deutſchen Politil aber nicht lölt und
nur die Auflöjung des alten Reichs vollendet.
n dieſem Ringen lommt im Kampf gegen Site
reih und Spanien das durch Richelieu geleitete
Frankreich an die Spige der europ. Maͤchte. Wäb
tend diejer gewaltige Staatdmann bie Hugenotten
niebderwirft, alle innern Stürme gegen die firone
bändigt und die Macht des Staates durch Re
formen der Verwaltung ungemein fteigert, reiht
er in Deutichland dem Borlämpfer des Proteftan-
tismus, Gujtav Adolf, der die Hegemonie Schwe⸗
dens an allen Küften des Baltiſchen Meers in
glänzenden Kämpfen gegen Ruſſen, Polen und
die deutihen Katholilen begründet, die Hand
— eide Mächte ſtärken ſich auf Koſten
Deutſchlands, das an ſie herrliche Provinzen ab⸗
treten muß. Während dieſes Krieges erlämpfen die
Niederlande geoen Spanien * voͤllige Unab⸗
hängigkeit. S . Hiftorifche Karten von Eu:
ropa 1,4.) In England erliegen die Stuart in
ihrem Verſuch, ein abjolutes Königtum mit hHilie
der engl. Staatölirhe zu errichten. Karl. ftirbt
auf dem Schafott (1649), und Erommell grüne
die auf dem ndependentismus bafierte, Englands
Macht im Kampf gegen alle katbolifierenden Kid:
tungen gewaltig fördernde Republit. In Deutſch
land ringt fih unter allen Territorialitaaten der
brandenburgiiche des Großen Kurfürften am glüds
gaben und fräjtigften empor. hilft Karl X
Guſtav von Schweden die Polen ſchlagen und dieſen
darauf felbft vemütigen, und gewinnt dabei die
Souveränität von Ditpreußen Friebe von Dliva
1660), ein Jahr nachdem Mazarin im Pyrendiſchen
Frieden die Fronde und die En Feindſchaft zum
roßen Triumph Frankreichs beigelegt bat, in dem
elben gehe, wo für England durd die Rejtaw
ration Karls II. Stuart eine neue Epode beginnt.
Mit dem Tode Mazarins (1661) beginnt das
eitalter Ludwigs XIV. Seine immer weiter grei
enden Annerionen, die auf die direlte Beberr
dung der ganzen fpan. Erbihaft abzielen, werden
durch die Roalitionen der bedrohten Mächte, denen
jeit der Revolution von 1688 England, mit den
Niederlanden engverbunden, vorlämpit, abgemebrt.
Im Beginn des 18. Jahrh. wird Schweden
durch Rußland, das Peter d. Gr. in den Kreis der
europ. Mächte einführt, im Nordiſchen Kriege von
einer Machtitellung verdrängt; Öfterreich ermebrt
ch 1683 zum legtenmal der Türlen und begründet
dann durd die Siege Eugens jeine Macht bie an
die Donau und Save, Die jpan. Monardie mırd
durch den den Spanifchen Erbiolgefrieg abſchlieben
den Utrechter Frieden (1713) mweientlih auf die
Porenäenhalbiniel beſchränkt, und die Bourbonen
beiegen die Throne von Spanien, Sicilien und
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Europa (Geichichte)
Barma. (S. Hiftorifche Karten von Europa
0,5.) Preußen legt Frievrih Wilhelm I. die
ebenen Junbamente, auf denen Friedrich d. Gr. in
mufterbafter Verwaltung und beroiihen Kämpfen
gegen Öfterreich, j hlieblio, von England unterftüßt,
gegen —— ———— das Deutſche Reich,
Soweden und Rußland die preuß. Großmacht ſchafft.
frantreich ſinkt unter Ludwig XV. jchnell von feiner
höbe herab; fein KRolonialbefis wird ihm größten:
tald von England abgenommen.
Rußland jtreicht im Berein mit Preußen und
iterreih Polen von der europ. Staatentarte. (S.
siftorifheKartenvon@uropall,6.) Nahdem
vie Sranzöfifche Revolution von 1789 die polit. und
ixialen Zuftände €.3 tief erjchüttert, tritt aus dem
oben Sturme Napoleon I. hervor. Seine Siege
serändern den ftaatlichen Zuftand E.s, namentlich
indem fie das alte Deutjche Reich zertrümmern, und
ebeben durch die densſchluſſe zu Luneville 1801,
Brebburg 1805, Tilſit 1807 und Wien 1809 feine
Nacht 1810 auf den bödjften Gipfel. (S. Hifto:
tiſche Karten von Europa U,7.) Der Stem
Rapoleons erbleicht aber jhon 1812 in Rußland, er
zeht unter 1813 und 1814 und fladert noch einmal
1815 auf. Die europ. Mächte ftellen nicht allein
de alte Drbnnung wieder ber, jondern vereinfachen
ud durch den Wiener Kongreß von 1815 das
urop. Staatenbild und verbinden fi zur Erhal⸗
tung eines fejten Gleihgewidhts. (S. Hiſtoriſche
fartenvon Europa ll, 8.)
Als erfte Außerliche Beränderungen dieſes Gleich⸗
wichts find zu betrachten einerſeits die Neubil-
dungen des Königreihs Griehenland 1829 und
ws Königreichs Belgien 1830, andererjeits der
eweiterte Einfluß Ruplands durch das im Frieden
a Aprianopel 1829 — — Proteltorat über
imtliche Griechiſch⸗Katholiſche der griech. Halb:
iniel, die jpecielle Beihügung_ ber ——
timer und bie Erwerbung des Donaudeltas. Das
dergebliche Streben der Polen nach Wiederher⸗
kellung ihrer Selbitändigfeit in den Kämpfen 1830
-31 erhält einen neuen ——— Schlag
durch Die Einwerleibung Kralaus in Öſterreich 1846.
Räbrend das —** des Herzogtums Lucca in
loscana und die libernahme Parmas ſeitens des
derzogs von Lucca 1847 als friedliche Alte von
grin er Bedeutung verlaufen, erhebt ji aus dem
Shoße der europ. Staaten und Völler die Frei-
kitsbemwegungvon1848. DieAusgangspuntte der:
klben bildeten ber Sonderbundstrieg in ver Schweiz
und vie Kevolution in Sicilien. Dann zünbeten
tre Blige in Frankreih, Deutihland, Oſterreich,
Breußen. Aber die Reaktion nimmt den Kamp]
denen die Revolution auf; fie widerjteht mit Erfolg
m Berlin, Wien, Baden und Dresden, in Jtalien
und Ungarn und jolgt ihr auf das Feld focialer
und parlamentarijher Kämpfe. Aber ein nod
mädtigereö Triebmittel als der Gedanle der polit.
freiheit war das Hand in Hand mit ihm gehende
tionalitätsprincip. Napoleon III. deſſen Regime
ein ſchon einen Proteſt gegen das Syſtem von
1815 bildet, verbindet ſich mit ihm. So entjteht
bie mächtige re die 1859 und 1860 in ta:
km aus der fchon lange glimmenden Aſche hervor:
bad, die Throne von Toscana, Modena, Parma
up Neapel umftieß, dem öfter. Raiferftaate die
Ymbardei entrib, den Kirchenſtaat auf faum ein
Trittel jeines Areals beihräntte und Frantreich
Nie Brovinz Savoyen und den größten Teil von
315
Nizza zuführte. Während der Friede von Villa:
anca 1859 und die piemont, Erfolge 1860 in
eapel die Karte von yoallerı weſentlich umgeital-
teten und ein Königreich Jtalien hervorriefen, hatte
der Friede * Paris 1856 auch im Oſten E.s den
Stand der Dinge erheblich verändert. Der Druck
Rußlands auf die Türkei wurde ſeitens der ver:
bündeten ——— (Frankreich, England und
—— im Orientkriege und durch die Einnahme
—— 1855 nachhalti r den
Verluſt im Drientlriege —E ſich Rußland
1860 durch gänzliche Niederwerfung der Kaukaſus⸗
völler; was es an der Donau verloren hatte, er⸗
feßte es durch eg ng in Aſien. Als
weitered Nejultat des Parijer Friedens erfolgte
1861 die abminiftrative Vereinigung der Moldau
und Walachei unter einem einzigen Fürften und
demnäcft die Broflamation der Union zu einem
neuen europ. Staate Rumänien. Vorläufig ward
daburd der Befigitand der Pforte nicht berührt,
denn das Verhältnis Rumäniens blieb ein tribu:
täred. Montenegro kam nah den unglüdlicen
Kämpfen 1862 in ein ag Abbängigleitöver:
bältnis von der Piorte, Dem Thronwedjel in
Griechenland, der durch die Vertreibung des Königs
Dtto 1862 veranlaßt war, folgte das Aufgeben der
brit. Hoheitsrechte über die ion. Injelrepublif und
1863 deren Einverleibung in Griechenland.
Mäbhrend die poln. Revolution 1863 und 1864
nicht zu der eritrebten ftaatlihen Veränderung
führte, gelang es durd den Deutſch-Däniſchen
Krieg 1864 den vereinten Streitkräften Oſterreichs
und Preußens, die Herzogtümer Lauenburg, Hol:
ftein und Schleswig von Dänemark zu trennen und
damit deijen Staatöfraft wejentlih zu ſchwächen.
Das Verhältnis Scleswig:Holjteins blieb vor:
.. in der Schwebe, während 1865 das Herzog⸗
tum Zauenburg definitiv Preußen zufiel. Die im
ftillen gefammelte Kraft des preuß. Staates riß
im Deutihen Kriege von 1866 allen Widerſtand
nieder, und das Gentrum E.s erbielt nun eine ans»
dere Seftalt. Zunädft wurde Oſterreich aus dem
Deutihen Bunde verdrängt und verlor Venetien
an das Königreich Jtalien; dann erfolgte die Ber:
—— Hannover, Kurheſſen, Naffau, Franl⸗
furt a. M., Heſſen-Homburg, Schleswig-Holſtein
und einigen bayr. und heſſen-darmſtädtiſchen Ge:
bietsteilen mit Preußen und die Gründung eines
Norddeutihen Bundes, der mit den ſüddeutſchen
Staaten durh Allianz» und Zollverträge in Ver:
bindung blieb. Der Deut: Sranzöfilche Krieg
von 1870 und 1871 vereinigte jofort bei feinem
Ausbrudhe ganz Deutichland unter der Führung
Preußens. Der Kapitulation von Sedan (2. Sept.
1870) folgte 4. Sept. der Sturz des franz. Kaiſer⸗
throns und die Umgeftaltung Frankreichs zur Res
ublit, Die Verſailler Berträge des Norbdeutichen
undes mit Bayern, Württemberg, Baden und
ejlen (im Nov. 1870 abgeſchloſſen) begründeten das
Jeutiche Reich; 18. Jan. 1871 erfolgte in Berjailles
die Proflamierungdes Königs Wilhelm von Preußen
zum Deutichen Raifer und im Frankfurter Frieden
vom 10. Mai 1871 die Abtretung Eljaß⸗Lothringens
an das Deutiche Reih. Gleichzeitig benußte auch
Rußland die Gelegenheit, um ſich auf der Londoner
R as aulden von den Beihräntungen jeiner Sees
abgewehrt.
mat au] dem Schwarzen Meere zu befreien.
‚Das Deutihe Reich galt ev vermöge feiner
militär. Kraft und der meifterbaften Zeitung jeiner
316
auswärtigen Politil für die erfte Kontinentalmacht,
zumal nad) der Dreilaiferzufammenktunft in Berlin
1872, welcher, ala jpäter die Freundſchaft mit Ruß:
land ii zu trüben begann, das beutjch:öfterr.
Defenſwbundnis von 1879 folgte. Die —
ber chriſtl. Provinzen auf der Ballanhalbinſel gegen
die Pforte und der Ruſſiſch-Turliſche Krieg von
1877 und 1878 hatten große Veränderungen im
Diten E.s zur Folge. Gemäß den Beſchlüſſen des
Berliner Kongrefjes vom 13. Juli 1878 erhielt
Rußland den 1856 abgetretenen Zeil von Beſſara⸗
bien zurüd und in Armenien die Gebiete von Kars,
Ardaban und Batum; Öfterreih:Ungarn wurde
das Mandat erteilt, die türt, Provinzen Bosnien
und Herzegomina in * und Verwaltung zu
nehmen; Rumänien, Serbien und Montenegro
wurden unabhängige Staaten, und erfteres De
als Erjag für Beilarabien die Dobrudica, Serbien
einen Gebietszuwachs von 11560 qkm, darunter
die Feſtung Nice, mit 280000 E., Montenegro einen
Gebieiszuwachs von 5009 qkm mit etwa 116000 €. ;
das nördl. Bulgarien wurde ein felbftändiges und
tributpflichtiges Yürftentum; das fühl. Bulgarien
erbielt unter dem Namen «Ditrumelien» eine jelb:
—— e Verwaltung, blieb aber unter der unmittel⸗
aren Botmäßigleit des Sultans; Griechenland er:
bielt, jedoch erft 1881, das er vom Salambria-
iluß gelegene Gebiet von Thefjalien und den dftlich
vom Artafluß liegenden Teilvon Epirus. Rumänien
wurde 1881, Serbien 1882 zum Königreich erhoben,
Schon vor der Eröffnung des Berliner Kongreſſes
bejeste England im Einverjtändnis mit der Pforte
1878 die Inſel Eypern und ließ fie dur einen
engl. Gouverneur verwalten; Frankreich übernahm
1881 das Proteltorat von Tunis; England machte
durd feinen ägypt. Feldzug von 1882 feinen Ein:
uß im Pharaonenland zum faft ausſchließlichen,
onnte aber mit den übrigen europ. Staaten zu
feinem vollen Einverftändnis über figypten kommen.
Überhaupt zeigte fih in diefen Jahren eine auf:
—— Tendenz der europ. Mächte nach Aus—
reitung oder Gewinnung einer außereurop. Macht⸗
ſphäre. Frankreich befehte 1883 Tongkling, Italien
1885 Maſſauah an der Hüfte des Noten Meers;
1884 begann Deutihlands Rolonialpolitit einzu:
fegen. Das blieb nicht ohne wichtige Rüdwirkungen
auf die europ. Bolitit. Italien, gegen Frankreich
wegen Tunis verftimmt, jchloß fih Deutichland und
Dfterreih an, Frankreich erlangte durch Deutſchlands
Unterjtügung auf der Kongokonferenz 1884—85 er:
bebliben Gewinn in Afrika, und Deutſchland ſchloß
1. Juli 1890 mit England ein Ablommen, das für
den Preis erheblicher Zugeftänpniffe an England
in Dftafrifa für Deutichland den Gewinn der Inſel
Helgoland bradte. Schon vorber hatte die Ne:
volution in Oftrumelien und bie Vereinigung dies
er Brovinz mit Bulgarien unter Fürft Alerander
im Aug. 1885 wieder die Augen der Mächte auf die
Drientalifhe Frage gelenkt. Der Fürft Alerander
mußteder Feindſchaft Rußlands weichen und 7.Sept.
1886 abdanten, und aud feinem Nachfolger, dem
Brinzen Ferdinand von Coburg, verfagte Rußland
Jahre hindurch die Anerkennung, bis es ihm endlich
elang, ih den Ezaren Nikolaus IL. durch fein
——— geneigt zu machen, worauf ihn
der Sultan 14. März 1896 zum Fürften von Bul⸗
garien und zum Statthalter von Dftrumelien er:
nannte. Bald darauf —— auch feine Aner:
fennung von feiten der übrigen Mächte. Endlich
Europa (Zitteratur)
nahm feit 1895 der anſcheinend unaufbaltiame
ger all de Osmaniſchen Reichs von neuem die
ufmerkſamkeit E.s in Anſpruch. Die jhredlihen
Armeniermorde, die Aufitände in Macedonien und
Kreta veranlaften das gemeinfame Einfhreiten der
Großmädhte, die im Aug. 1896 für Kreta Autonomie
erlangten und auch für die übrigen Wilajets Ber:
waltungsreformen durchſetzten.
Litteratur. Ritter, E., Vorlefungen (bg. von
Daniel, Berl.1863); Kohl, Die Völter &.3 (2. Aufl.,
Hamb. 1872); Bracelli, Statift. Skizze der europ.
Staaten (3Abteil.,3.T.in 13. Aufl., 2pz. 1879-92);
Kolb, Handbuch der — Statiftit (8. Aufl.,
ebd. 1879); Neclus, Nouvelle göographie univer-
selle. Europe, Bd. 1—5 (Par. 1875 fg.); Bradelli,
Die Staaten E.s (4. Aufl, Brünn 1884); Bougier,
Geographie physique, politique et &conomique de
l’Europe (Par. 1885); Unfer Wiflen von der Erde,
ba. von Kirchhoff, Bd. 2 u.3: Länderkunde von E.
(rag und Lpz. 1887—93); Dubois, ag hie
&conomique de l’Europe (Par. 1889); icher,
Plantae europaeae (Lpz. 1890 fg.); Rofier, G&ogra-
or gendrale illustree. Europe — 1891);
öbler, Die Pflanzenwelt und das Klima Ge ſeit
der geſchichtli Zeit (Berl. 1892); Bhilippfon und
Neumann, Europa (Lpz. 1894); Chriftenien und
Laſſen, Europa (Kopenh. 1895 fg.); ©. Marinelli, La
Terra, trattato populare di geografia universale.
Geografia speciale: L’Europa nordica, L’Europa
centrale, L’Europa occidentale von Ricchieri
(Mail. 1896); Lehmann, Länder: und Vollerlundel:
Europa (Neudamm 1898); Scharff, The history of
the European Fauna (Lond. 1899); Chiſholm,
Europe (ebd. 1899 fa.); Ripley, A selected biblio-
graphy of the anthropology and ethnology of
surope (Bofton 1899); deri., The races of Europe.
A sociological study (2 ®de., Neuyort 1899);
Thonner, Erturfionsflora von E. (Berl. 1901); Ge
bauer, Handbuch der Länder: und Böllerkunde.
Bd. I: Europa (%pz. 1901); zur Geſchichte nal.
die Weltgeihichten von Schloſſer (24. Aufl., 19 Bde,
Berl. 1898), Weber (2. Aufl., 15 Bde., Epz. 1882—
90), Rante 8 Aufl.,4 Bde., ebd. 1896) u. a.; Al:
emeine Geſchichte in Einzeldarftellungen, bg. von
nden (45 Bve., Berl. 1878—94); beidicte der
europ. Staaten, begründet von Heeren und Ulert
Kenn 1819 fg.; feit 1901 u. d. T. «Allgemeine
taatengeihichte», 1. Abteil., d% von K. Lam:
prebt); U. Stern, Geihichte E.s feit den Ber:
trägen von 1815, Bd. 1—3 (Berl. 184—1%1);
Seignobos, Histoire politique de l’Europe con-
temporaine 1814— 96 (Par. 1897); Periods of
European History (2ond. 1901 fg.); Dyer, His-
tory of modern Europe 1453— 1900 (neue Aufl.
be: von Haflall, 5 Bde., ebd. 1901 fo.); — ——
odern Europe 1815—99 (ebd. 1901). — Karten:
Preftwich, Geological Map of Europe, 1:10000000
(1880); Rofier, Carte de la distribution en Europe
des combustibles mineraux et des principaux m&-
taux (Genf 1884); Bazin, Atlas de l’Europe &cono-
mique (Stuttg. 1887); Sydow⸗Habenicht, Methodi⸗
cher Wandatlas Nr. 2 von Habenicht, 1:30000%
(Gotha en; Coordes und Bamberg, Rlimatolo:
iſche Wandkarte von E., 1:3000000 (Berl. 1888);
aquier, Atlas de g&ographie physique et mili-
taire de l’Europe (Par. 1888); H. Kiepert, General
tarte von E,, 1:4000000 (4. Aufl., Berl. 1894)
Koh, Eifenbabn: und Verkehrsatlas von €. (Lpi-
Neuftadt 1894); Beyrich, Hauchecorne und Beyſchlag
Europa⸗Inſel — Europäisches Völkerrecht
jıternationale eolog. Karte von E,, 1:1
larte von
ter, 293.1897) , Liebenows Speciallarte von
tarte von
karte von
Nadagadlar und der Küſte des
tugieſiſch⸗O ige
@uropäiiche Cholera, j. Cholera.
Europäii
ge Frantreichs, Großbritanniens, Öfterreichs,
reußens, Rußlands, Sardiniens und der Türkel
beitebend, trat 4. Nov. 1856 in Galak zufammen,
am bie Herftellung ver Schiffbarteit, vie Uberwachung
ber ibeit der Sahrt von Sulina bis Galag und
die Eröffnung einer Einfabrt in die Sulinamündung
in die Hand zu nehmen. Durd) die auf der Barifer
Konferenz; 1866 beichlofjene neue Schiffabrtsatte
für die Donaumündungen, dur die Bontustonie:
ren; 1871 und dur den Berliner Vertrag 1878
murben die Vollmachten der Donaulommiſſion ver:
längert und erweitert. Da die Kommiſſion ibre
Aufgaben bis Ende 1882 nicht erledigt hatte, trat
20. Sebr. 1883 zur gering der ſchwebenden Fra:
gen ın London eine Donaulonferenz zufammen,
an welcher Vertreter der Signatarmächte des Ber:
(iner Bertrags (f. Berliner Kongreß) und der betei:
ligten mittlern und Heinern Staaten, leßtere abernur
mit beratender Stimme, teilnahmen. Die Konferen;
wurde 10. Mär; 1883 geſchloſſen; fie batte ihre Be:
hlüfje in einem aus 9 Artiteln beitebenden Ver:
trag niedergelegt, nad) welchem die Kompetenz der
Donaulommiijion von Galap bis Braila aus:
gebehnt wird und die Vollmachten derjelben auf
21 Zabre bis 24. April 1904 verlängert werden.
Die €. D. bat ihren Sit in Galak, ) unabhängig
von ber rumän. Regierung und hat als gemeinjame
Bertretung der ſieben Vertragsmächte und Ruͤmä—
niens gewiſſe Vollmachten mit ſouveräner Gewalt
über die Strede der Donau von Galatz abwärts,
übt die Bolizei, beſchließt und veröffentlicht Regle:
ments mit Geſetzeslraft, erhebt Schiffahrtsabgaben,
nimmt UAnleiben auf und verfügt über dieje Gin:
nabmequellen zum Zwede von Arbeiten im öffent:
iben Nutzen. Ri %. 1901 betrugen die Cinnabmen
3242930, die Ausgaben 2472159 Fr3.; die Schuld
it jeit 30. Juni 1887 Benbantig getilat.
opä ſche Nachtſchwalbe, ſ. Langhänder
nebjt Tafel, Fig. 5.
Eurspäilder Bote, rujj. Vestnik Jevropy
(Wjestnik Ewropy), 1866 gegründete, anfangs
vierteljährlich, ſeit 1868 monatlih in Bänden von
ama 40 Bogen, unter Redaktion und im Verlag
on M. M. Stafjulewitib in Petersburg erſchei⸗
ende rujj. Zeitichrift. Sie bringt Romane, Gedichte,
Sülenfbaftlibe Abhandlungen, Rrititen, polit. liber:
hbten u. J. er ag am ſich pe wiſſen⸗
i auch national unbefangene Haltung aus.
—— des Journals E. ». auf 1866—90
(eufj., Beteröb. 1891). — Eine Zeitichrift gleichen
Nmena, begründet von Karamſin, fpäter vor:
500000 | wiegend von Katſcheno
4 Blätter, Berl. 1894 fg.); von Haardt, Überfichtö:
n €, 1:3000000 (16 Blätter, Wien 1895);
Agermifien, Wandfarte von €.,1:2850000 5
i
auropa, in 164 Blättern. Neue Ausg. von L. Raven:
kein ——— a.M. 1899 fg.); Langhans, Verkehrs⸗
., Norbafrifa und dem Morgenlande,
1:5000000 (Gotba 1900); Berlebröatlas von €.,
bg. von der Geographifchen Anftalt von 3. J. Arno,
in 66 Seltionen Epz. 1901—2); Franz, Cijenbabn:
E., 1: 3000000 (6 Blätter, Glogau, all:
Europa» Zufel, Heine franz. Inſel zwifchen
aſalandes (Bor:
e Donaufommiffion, aus Dele:
317
nomwffij redigiert, erſchien halb:
monatlich 1802—30 in Mo3tau und fuchte Rußland
namentlid mit den litterar. und polit. Bewegungen
in Europa (d. i. Wefteuropa) befannt zu machen,
—— onzert, die noch im Art. 7
des Pariſer Vertrags vom 30. März 1856 feierlich
angemwendete, ſeitdem allmäblih außer Gebrauch
& ommene Benennung ber dur den Vertrag von
baumont (1. März 1814) begründeten, durch das
Protefoll des Aachener Kongrefles vom 15. Nov
1818 durch Aufnahme Frankreich ergänzten und
durch die Deklaration vom felben Tage allen Staa:
ten angelündigten Vereinigung der europ. Groß:
mädte. Weſentlicher Zwed der Vereini ung war
die Erhaltung des europ. Friedens en lid:
tung entjtehender Streitigfeiten auf Kongreſſen
ſ. d.), an deren Stelle fpäter meiſt —— Kon⸗
gi (f. d.) traten unter Zuziebung der jedes:
mal beteiligten Staaten zu den Beratungen ber
Großmädte, die allerdings nicht immer ftattge:
funden bat. So wurden, abgejehen von der In⸗
tervention in die ital. und ſpan. An ge
auf den Kongreſſen von Troppau, ai ab und
Verona (1820—22), auf den Londoner Konferenzen
1829—30 die griehiihe, 1830—39 die belgifche,
1840—41 bie orientalifche, 1850—52 die ſchleswig⸗
bolftein. Frage georonet. Der Parifer_Kongre
1856, urjprünglih nur von den kriegführenden
Mächten und Öjterreich ala vermittelnder Macht be:
ididt, ergänzte fih dur den Eintritt Preußen:
ur tung des €. K., und die hier vereinbart«
Adnung ber orient. Angelegenheiten wurde aui
einer Reihe weiterer Konferenzen bis zum Rongrek
(1878) und der Konferenz (1880) in Berlin ergänzt
und abgeändert. Das Königreich Stalien, welches
an dieſen Vereinigungen urjprünglich als Pariſer
Signatarmacht teilnahm, wurde zu der Londoner
Konferenz von 1867 über Luremburg — un:
— als Großmacht zugezogen. So hat das
. 8. bis in die neueſte Kar wenn auch nicht mehr
unter diejem Namen, fi als eine zur Erhaltung
be3 Friedens wirkſame Einrihtung im Sinne feiner
— bewahrt. [f. Eismeer.
rop * Norbmeer, Grönlandiee,
Europäifhe Sumpfichildfröte, ſ. Schild:
fröten nebſt Tafel Sp: 3. ,
Enropäifched Völkerrecht, nad geigicht
liher Anſchauung das heutige Vollerrecht (f. d.),
weil es feine — in dem durch das drei⸗
fache Band der german. Abſtammung und Einwan-
— der antilen Kulturüberlieferung und der
abendländischschriftl. Religion ujammengehaltenen
Völterkreife erlangt bat, den Ranke in feinem Grit:
lingswerle (1824) «Die roman. und german. Voller⸗
nannte. Dieſer geſchichtliche Vollerrechtskreis hat
ſich dann einerſeits über die dem Chriſtentum pe:
wonnenen Länder bes europ. Oſtens, andererjeitö
über die aus europ. Kolonien entitandenen über:
ſeeiſchen Staaten —— während die nicht
europ. und nicht drijtl. Staaten an diefer Völter:
rechtsgemeinihaft nur einen beichräntten, durch
pofitive Thatja des Volkerrechtsverlehrs und
ihre Annäberung an das Weſen der europ. Ge:
fittung beftimmten Anteil haben (Japan, Sanfi:
bar). (Bgl. Heffter, Das E. B. der Gegenwart,
95.67, und Holgendorff, Handbuch des Vollerrechts
‚88. 3—5.) In der diplomat. Sprade wird das
E.V. manhmal(;. B. Pariſer Vertrag vom 30. März
1856, Art. 7) als europ. öffentliches Hecht bezeichnet.
318
Euröpe (lat. Europa), nad der Jlias eine
Tochter des PVhoinir, u 4 Herodot und andern eine
Tochter des Königs Agenor von Phönizien und der
Telepbafla, die Eihmelter des Kadmos, gewann die
Liebe des Zeus, der, um fie zu beſitzen, ſich in einen
Stier verwandelte und in dieſer Geitalt an den
Ufern des Meers bei Sidon oder Tyrus ericien,
wo fie mit ihren Geipielinnen luftwandelte. E. fand
den Stier & berrlih und f 97— daß ſie es wagte,
ihn 3 beſteigen, worauf dieſer mit ſeiner Beute
dem Meere zueilte und nach der Inſel Kreta hinüber⸗
De ier verwandelte er jich in einen fhönen
üngling, der mit ihr unter oder in einer Blatane
den
inos und — — nach Heſiod u. a.
auch den Sarpedon zeugte. Später vermählte ſich
E. mit Aſterion, dem Könige von Kreta, deſſen
Name «der Geftirnte» urſpruünglich offenbar nur
ein Beiname des Himmels: oder Sonnengottes war,
wie E. felbft wohl eine Mondgöttin ift.
Europhen, Jjobutylort a ge
entitebt u Einmirtung von Jod auf Iſobutyl⸗
ortbofrefol, ift ein gelbes, amorpbe3, in Waſſer un:
löslihes, in Altobol und Uther leicht lösliches
Pulver von ſchwachem jafranartigem Geruh und
hervorragenden antifeptiihen Cigenfhaften und
wird neuerdings wegen feiner Ungiftigleit und ſei⸗
nes ſchwachen Geruchs als Erfagmittel des Jodo—
formd in der Chirurgie vielfach verwendet.
Europoräma, j. Banorama. ſwind.
Euros (grch.; lat. Eurus), der Dft:, Sudoſt⸗
Eurõtas, der bedeutendſte Fluß der peloponneſ.
Landſchaft Lalonien zes e Iri gran ent:
fprin taufeiner Hoche enedeö üb) l. Arkadiens un:
weit Belemina aus mehrern kleinen Bächen und fließt
nr durd ein ungefähr 30 km langes enges
bal, die antile Tripolis. Nachdem er von Diten
ber feinen bedeutendſten Nebenfluß, den Dinus (jet
Relepbina),aufgenommen,betritterbaslanggeitredte
Beden von Sparta (f. d.), durchſetzt dann eine durch
die ditlichften Borfprünge des Taygetos und durch
die ſüdweſtl. Ausläufer des Barnon umrabmte, von
den Alten Aulon genannte Schlucht und mündet in
einer fumpfigen Schmwemmlandebene, zwiſchen Gy:
tbeion und Helos, in den lakoniſchen Meerbujen.
Eurotium Link —— aus der Familie
der Periſporiaceen yrenomyceten), mit Asper-
gillus jegt zu vereinigen, da man nad) ewiejen ei
daß die als E. herbariorum Link befchriebenen
Fruchtlorper oder Beritbecien in den Entwidlungs-
ang von Aspergillus glaucus Zink gehören. Diefe
Berithecien nd Heine goldgelbe Kügeldyen, die oft
auf faulenden Pflanzen, auf Fruchtſäften u. dal.
einen goldgelben Überzug bilden. (S. Aspergillus
und Tafel: Bilge II, Fig. 6.)
Eurus (lat.), ſ. Euros.
Euryäle, eine von den Gorgonen (f. Gorgo).
Euryälos, Sobn des Metijteus aus Argos,
nahm nad der grieb. Sagendichtung am Zuge ber
—— . 9 gegen Theben, nach einigen auch
am Argonautenzug teil; in der Ilias zählt er zu
den Genoſſen des Diomedes von Troja. — Ein ans
derer €,, Sohn des Odyſſeus und der Cuippe in
Epirus, wobin jener fi nad feiner Rüdtebr nad)
Ithaka begeben baben jollte, war ver Held einer
topbotleiichen Tragödie: E. ward von feiner Mut:
ter nad Ithala geihidt, aber von Odyſſeus, dem
Penelope einredete, €. ftelle ihm nad, getötet, be:
vor er erfuhr, daß E. fein Sobn ſei. wurzel.
Euryangium sumbul Kauffm., ſ. Sumbul⸗
Europe — Eurypya helias
Eurybiädes, der Führer des ſpartiatiſcher
Flottenfontingents und zugleih der Oberanführer
der großen Bunbdesflotte, welche die zum Rampie
egen die Perjer vereinigten grieh. Staaten im
ommer und Herbſt 480 v. Ehr. ausrüiteten. In
diejer Stellung joht er in den Schlachten bei Arte
mifium und Salamis.
EuryoörosPrevostli Less. j.Nashornvögel.
@urhypdice, |. Eurydile. — €. ift auch der Name
des 75. Blanetoiden.
Eurydife (lat. Eurpdice), inder griech. Motbo:
logie eine Droade, die Gemablin des Orpheus (1.d.).
Euryfleia, nah der Odyſſee die Amme des
Odyſſeus und treue Nflegerin des Telemad. Sie
erfannte ben verlleideten und von Atbene entitellten
Odyſſeus, als er, ohne ſich noch zu ertennen zu geben,
in in Haus zurüdgelebrt war, beim ern
an einer Narbe, ward aber von ihm fofort am Re:
den rn und zum —— bis er Solljup
der Rache an den Freiern verpflichtet. — €. ift au
der Name des 195. Planetoiden.
@urylliden, ſ. Bauchredner.
Eurylaemidae, ſ. Hornrachen.
Eurylöcdyo®, der Anführer derjenigen von
Divoffeus’ Gefährten, welche dieier auf der Inſel der
Kirte auf Kundſchaft vorausfhidt. Inder Unterwelt
ei . und Perimedes die Opfertiere, die Odyſ⸗
eus darbringt. Auf der Inſel Thrinafia
E. die von Hunger gequälten Gefährten des Odyſ⸗
feus, von den Rindern des Sonnengottes Helios
einige zu ſchlachten. Dies führt den Untergang
aller mit Ausnahme des Odyſſeus herbei, da Yeus
auf Bitten des Helios das Schiff mit dem vlige trifft.
rymächo®, Sohn des Polybos, einer der
anmaßendjten Freier der Benelope, wirft nad dem
als Bettler eideten Odyſſeus mit einem Sche
mel. Nachber verfucht er eine Verſohnung berbei-
zufübren, wird aber von Odyſſeus erſchoſſen.
Eurymödon, jekt Köprüsfu, hr ‚an ber
Süpdtüfte Kleinafiens, entfpringt in Piſidien und
mündet in an gie unterhalb der alten Stabt
Aspendos in das Mittelmeer; er ift berübmt durch
den Doppelfieg, welchen Kimon 465 v. Chr. über
die perf. Flotte und das Landheer erfodht.
Eurymedon, atben. Feldherr, wurbe 427
v. Ehr. mit einer Flotte nad Kerkyra und 425 nad
Sicilien gefandt, wo er bis 424 blieb, obne jedoch
etwas auszurichten. Für diefen Mikerfolg wurde
er *3 —— gar hie 414 ſchidten *
die Athener mit zehn Kriegsſchiffen zum en⸗
mal nach Sicilien zur Verſtärkung des rate
belagernden Heers; er fiel in einer Seeſchlacht vor
a 31. Aug. 413.
rynöme (d. b. die Weithinmaltende), Tochter
des Dieanod, gebar nach Hefiod dem & bie
Ehariten und nahm nad der Ilias mit Tbetis
den von Hera aus dem Olymp berabgemworfenen
und ing Meer fallenden Hepbaiftos auf. Nach Ipd-
terer theogoniſcher Fler He batte fie vor Kronos
mit ibrem Gemabl n die Weltberrichaft. €.
batte ein Heiligtum bei dem arlad. dien ia, wo fie
für eine Artemis mitdem Beinamen E. galt. br Bild
daſelbſt hatte von den Hüften an einen Fiſchleib. —
€. i. nn Name je 79. —— gie
arynxpeleoanoides Tiefſee⸗
fiſch, ſ. — nebſt Tafel, Fig.26. [ftomen.
Euryptörus, foſſile Rrebögattung, |. Mero:
helias Illig., die Sonnenralk, |.
Eurypya
Sonnenvögel und Tafel: Stelzvögel U, ie. 5.
Eurpfthenes — Eufebius (von Emefa)
Eurpfihäues, Sohn des Heralliden Arifto:
mod und der Argeia, war mit jeinem Zwillinge:
mberBrotles König von Sparta und der Stamm
nuter des — Konigshauſes der Agiaden.
Earyſtheus, Sohn des Sthenelos, Konig von
Rolene, Tiryns und Midea in Argolis, wurde
dath eine Liſt der Hera gern: über fämtliche
terieiden und damit aucd über Heralles (f. d.).
Wei vieler ihm auf fein Gebeiß den erymanthiſchen
ber lebend brachte, verkroch ſich E. in ein Faß,
eine Scene, von der mehrere Darftellungen auf und
—— find. Nach dem Tode des Heralles ver:
e E. deſſen Söhne, die Heralliden. Als dieſe
tita bei Thejeus Schuß geſucht und gefunden
hatten, Tam e zur Schlacht; E. wurde beſiegt und
auf der Flucht erichlagen. Euripides hat die Ge:
dichte des E. in einem Satyrdrama behandelt.
Eurptanien, feit Juli 1899 Nomos im König:
rib Griechenland, vorber norböftl. Epardie des
tmmalinen Nomos Alarnanien und Sltolien, hat
217 am, 9 Demen und (1896) 43667 E.; Haupt:
tadt Karpenifion (2017 E.), füplih vom Veluchi.
Eurhtod, König von Didalia, ein ——
ter Bogenſchutze, der nad der Odyſſee wegen Über⸗
bebung von Apollon getötet wurde. Nach einer an:
dern e Dane € jene Zodıe ole en hi
jrrochen, der ihn und feine Söhne im Bogenſchießen
übertreffen würde, bielt dann aber fein Wort nicht,
als Herafles die Bedin ung erfüllt hatte, und wurde
fpäter von diefem erſchlagen. Den Bogen, melden €,
von Apollon erhalten hatte, erbte fein Sohn Jpbito2.
tiefer jhentte ihn dem Obyſſeus ala Gaftgefchent.
Scära, |. Bastifche Sprache.
Eusoorpius oarpathious L., j. Storpione
und Tafel: Spinnentiere und Taufendfü:-
Ser II, Fig. 1. [farea.
Enjebia, Hauptitabt von Kappadocien, |. Cä-
Enjfebiäner, |. Eufebius von Nilomedien.
Enfebind von Cäjarea, mit dem Beinamen
Bampbili, d. b. freund des bilus (f. d.),
ver Bater der rijtl. Kirchengeſchichte, geb. wahr:
Irre in Baläftına eden 270 n. Chr. wurde 314
iichof von Cäfarea (Ba äftina) und ftarb um 340,
Er mar der & rtejte der griech. Kirchenfchriftiteller
Des wg ltertums und hinterließ in —— zahl⸗
reichen en reiche Auszüge aus einer Menge jeit:
ber verlorener Schriften, unterftüßt durch die reich»
baltige Bibliothel des Pamphilus und die —* ge⸗
ifmeten archivaliſchen und enfigen Sammlungen
und Quellen. Seine theol. Richtung erhielt er durch
da® Stubium des Drigened. In den Arianifchen
Streitigleiten fuchte er ald Mortführer einer mitt:
lern Meinung die dogmatifche ——— der
ältern Bäter feſtzuhalten. Der ſpätern Orthodorie
it er daher als Semiarianer verdächtig, was den
Peter Untergang mancher feiner Schriften veran:
#t haben mag. (S. Arianer.) Sein Hauptwerf,
die Kirchengeſchichte (verfaßt zwiſchen 324 und 326),
bebandelt in zehn Büchern die innere und äußere
Entwidlung des Ehbriftentums bis zum 9. 324 auf
Grund umfaffenber Quellenforihung, doch ———
danlos und ungleihmäßie. (S. Kirchengeſchichte.)
Ausgaben von Valeſius (3 Bde. Bar. 1659—73;
Eambridae 1720), Heinichen (2. Aufl., 3 Bde., 1868
-70), rton (2 Bde., Orf. 1888 u. d.; dazu
«Annotationes», 2 Bde., ebt. 1852), Dinborf
4 Bde., 2pz. 1867 — 71), Wright und MeLean
nd. 1898), Neitle (2pz. 1901). Deutiche Über:
mal von Strotb (2 Bde. Queblinb. 1799) und
319
Stiglober (Kempten 1870). Sein bis tief ins Mittel:
alter hinein als Quelle aller ſynchroniſtiſchen Ge
——————— benutztes «Chronicon» enthält einen
briß der Weltgeſchichte bis 325 und chronol. Ta:
bellen, welche Hieronymus, fein lat. Bearbeiter, bis
378 fortgeführt bat (ba. von Scaliger, Amſterd.
1658). Das griech. Original ift bis auf Brucitüde
verloren; eine 1792 aufgefundene armenifhe, aus
dem 5. Jahrh. ftammende Üiberfegung gaben Aucher
(Vened. 1818) und Mai (Mail, 1818) heraus; die
neuefte und vollftändigfte Ausgabe ift von A. Schöne
(3b. 2, Berl. 1866; Bd. 1, 1875).
Von des E. übrigen Schriften find zu erwähnen
die «Praeparatio evangelica», eine Beltreitung des
Heidentums in 15 Büchern, mit zablreihen Aus⸗
zügen aus den Schriften gried. Philoſophen (be.
von Viger, Bar. 1628; Heinichen, Lpz. 1842; Gais»
ford, Dr. 1848), die «Demonstratio evangelica »,
ein apologetifcher Beweis der Wahrheit des Ehris
ftentums in 20 Büchern, von denen nur nod
zehn erhalten find (ba. von Montacutius, Bar.
1628; Gaisford, Oxf. 1852), die «Theophania», eine
kurze Zufammenfaljung des Inhalt? der zwei vor:
erwähnten Werke, nur in for. *2* erhalten
(bg. von Lee, Lond. 1842, und in engl. Überfegung,
Cambr. 1843), die Lebensbeſchreibung des Kaiſers
Ronftantiri und die Lobrede auf denfelben (bg. von
Heinichen, Lpz. 1830; 2. Aufl. 1869), worin er fi
ala ſchönfärbender Hoftheo og zeigt; dad «Ono-
masticon», ein alpbabetifches Verzeichnis der bibli«
{hen DOrtönamen, Brudftüd eines größern Werts
ba. von Larſow und Parthey, Berl. 1862, und von
garde in den «Onomastica sacra», Gött. 1870).
Die Gefamtausgabe der «Opera» des E. von Migne
(6 Bde., Bar. 1856—57) it in kritifcher Beziehung
wertlos, Unvollftändig ift die Ausgabe von Din:
dorf, «Eusebii Caesariensis opera» (4 Bde., Lpz.
1867— 71). Eine neue Ausgabe der Werke veran-
ftaltet die preuß. Akademie der Wiffenfhaften (in
den «Griechiſchen dhriftl. ee ern der erften
drei Jahrhunderte», Bo. 7 ig, j. 1902 fg.). —
Bol. Stein, E. nach feinem Xeben, Schriften und
dogmatiſchem Eharalter (Würzb. 1859); Hely, E. de
Césarée, premier historien de l’&glise (1877) ;Over:
bed, Über die Anfänge der Kirchengeſchichtſchreibung
Bi Fe Reiner Die — Apologeten der
llaſſiſchen Bäterzeit. 1. Buch (Würzb. 1896) ; Halmel,
Die Entſtehung der on eſchichte des E. von
CAfarea (Eſſen 1896); Violet, Die paläftinifchen
Märtyrer des E. (Dpz. 1896); Halmel, Die paläfti:
nifhen Märtyrer des €, in ihrer zweifachen Form
(Eſſen 1898); Schöne, Die Weltchronit des E. in
ibrer Bearbeitung durch Hieronymus (Berl. 1900);
Geßmann, Studien zu E.' Theophanien (Lpz. 1903).
Eufebius von Emefa, & Kirchenlehrer
des 4. Jahrh., geb. zu Edeſſa, Schüler des E. Pam—⸗
phili und Freund des E. von Huͤomedien Ein nüch⸗
terner Schrifterflärer im Geiſte der antiocheniſchen
Schule, aber allen theol. Spißfindigkeiten und kirch⸗
lichen Händeln feind, jhlug er den von der Synode
u Antiohien 341 ihm angebotenen Patriarchen:
I I von Alerandria an Stelle des abgefesten
thanaſius aus und nahm das Heine Bistum Emefa
an, das er bald nachher, vom Volle wegen feines
ee pe Wiſſens als Zauberer verfhrieen,
aufgab, ging nad Antiohien, wo er um 359
ftarb. Bon feinen vielen eregetifchen, dogmatiſchen
und polemifchen Schriften find nur Brucdjtüde er-
balten. — Die von Augufti, Eusebii Emeseni opus-
320
cula quae supersunt graeca (Elberf. 1829) zufam:
mengeftellten Fragmente gehören jedoch, wie Thilo,
fiber die Schriften des E. von Alerandrien und des
E. von Emifa (Halle 1832), erweist, dem E. nicht
an, jondern andern deöfelben Namens.
Euſeblus von Nilomedien, Patriarh von
Ronitantinopel, der Erzieher des Kaiſers Julian,
mit dem er verwandt war, wurde zuerit Bijchof von
Berytus, dann von Nilomedien. Er trat auf der
Synode zu Nicäa ald Beihüger des Arius und
fpäter mit E. von Cäſarea als Haupt der vermit:
telnden Partei, der fog. Semiarianer oder Euje:
bianer, auf. Unter Konſtantin 325—328 nad)
Gallien verbannt, aber bald wieder eingeſeßt, er:
(angte er das Bistum von Konftantinopel (338)
und leitete die antiohenifhe Synode (341), auf
welcher der Semiarianismus für den Drient feſt—
geitellt wurde. Er taufte Konjtantin und ftarb 342.
Enfebins Emmeran, |. Daumer, Georg Fr.
Euskirchen. 1) Kreis im preuß. Neg.:Bez. Köln,
bat 366,38 qkm und (1900) 45928, (1905) 47140 E.,
2 Städte und 46 Landgemeinden. — 2) Kreisitadt
im Kreis E. im 15. bis 17. Jahrh. Hauptort des
jülihichen Dftlanvdes, 35 km im SW. von Köln, in
167 m Höhe, nicht weit von der Erft, an den Linien
Köln:Trier, Bonn:E, (34 km), Neuß-E. (79 km)
und der Nebenlinie E.: Münjtereifel (14 km) der
Preuß. Staatsbahnen, mit Kleinbahn nah Liblar
(28 km), Sig eines Landratsamtes, Amtsgerichts
(Landgericht zen Bergrevieramtes, Eiſenbahn—
und Wegebauinfpeltion, bat (1900) 10286 E., dar:
unter 556 Evangelijhe und 241 Israeliten, (1905)
11350 E., Postamt erfter Klafje, Telegrapb, zwei
tatb. Kirchen, eine Kapelle, evang. Bethaus, Syna:
goge, fath. Progymnafium, Kranfen: und Maifen:
baus, Wafjerleitung; 20 Zuchfabrifen, 11 Gerbe
reien, Wollfpinnerei, 3 Dampfmüblen, 6 Brauereien,
Bleimeiß: und Metallmaren:, Seifen:, Zuder:,
Strumpffabrit, Zohmüble, Eifengieberei, 2 Dampf:
ziegeleien, Kram: und Biehmärlte. — Bol. Kunit:
dentmäler der Rheinprovinz. Bd.4, Abteil. 4: Kreis
E. (Düffeld. 1900). ſchwamm (if. d.).
E officinälis Bronn, der Bade:
Euftach II., Graf von Boulogne (feit etwa
1049), war durh Anſchluß an Wilhelm den Er:
oberer aud in England begütert und erwarb mit
eine zweiten Gattin Ida, Tochter Gottfricds des
—— von Niederlothringen, die Herrſchaft
Bouillon. Er ſtarb 1002. Von den drei Söhnen
aus jener Ehe folgte Euſtach III. in Boulogne; fein
Bruder Gottfried von Bouillon hatte durch Kaifer
Heinrih IV. das Herzogtum des mütterlihen Groß:
vaters erhalten und murde durch den erften ſtreuz—
zug Herriher des Königreihs Jerufalem, in wel:
chem ihm 1100 ber dritte Bruder Balduin I. nad:
folgte, während Euſtach ILL, der ebenfalls am Kreuz:
zuge mit Auszeichnung teilgenommen hatte, nad
— Er ſtarb um 1125 und hinterließ
aus jeiner Ehe mit Maria von Schottland eine Tod:
ter Mathilde, durch welche Boulogne auf deren Gat:
ten Stephan von Blois, Grafen von Mortain und
1135—54 König von England, überging. Da ihr
Sohn Euſtach IV. ſchon 1153 gejtorben war, erloſch
mit MatbildeundStepban 1154 das Geſchlechtẽ n
Euſtache, Saint, ſ. Saint Euſtache.
Euſtachio (ipr. -itaffio), Bartolommeo, ital.
Arzt und Anatom, geb. zu San Severino in der Mark
Ancona, nad andern bei Salerno oderin Galabrien,
itubierte in Rom, wo er jpäter päpjtl. Zeibarzt und
Eufebius (von Nifomedien) — Euftathius (byzantinifcher Erflärer)
Lehrer der Anatomie an der Sapienza wurde, und
ftarb im Aug. 1574 auf einer Reife zu dem Karbi:
nal della Rovere in Foſſombrone. Faſt alle Teile
der anatom. Wiſſenſchaften bat er durch wichtige
Entdedungen bereichert, die aud zum Zeil nad ihm
benannt worden find; fo die ver! von ihm beicrie:
bene Obrtrompete (Euftahijhe Röhre, Tuba
Eustachii, ſ. Gehör) und die halbmondförmige
Klappe an der Einmündung der untern Hoh in
den rechten Vorhof (Euſtachiſche Klappe, Valvula
Eustachii). Er verfaßte Die «Opuscula anatomica⸗
(Bened, 1564; Leid. 1707 und Delft 1726), ſowie die
wahrſcheinlich von Giulio de Mufi geftochenen «Ta-
bulae anatomicae», gefertigt 1552, die zuerft Lanciſi
(Rom 1714)berausgab. Der Text judenteiben cheint
verloren zu ſein; eine — Erklarung gab Albinus
— 1743). — Bol. Choulant, Geſchichte und Bir
liograpbie der anatom. Abbildung (Lpz. 1852).
Eufta ide Klappe, j. Euſtachio.
un ifche Röhre, die Ohrtrompete, |. Gebör.
Eu ins, Hei * und Märtyrer der röm.
Kirche, einer der 14 Nothelfer (j. d.), ſoll nad der
Legende vor der Taufe Placidus geheißen, mit feiner
Frau Tatiana das Chriſtentum angenommen und
mit ihr und feinen beiden Söhnen Agapus und Theo:
iftus zu Rom um 118 den Märtyrertod erlitten
aben. Seit dem 6. Jahrh. wird fein Gedächtnis ge:
eiert (20.Sept.) und Bapit Eöleftin IIL (1191—%)
ieß bereitö eine ihm geweihte Kapelle reftaurieren.
Reliquien von ibm beoß die Abtei St. D und
Ihentte fie der Pfarrkirche St. Euſtache zu Paris.
Enuftathiäner, ſ. Euſtathius von Antiodien
und Euftatbius von Sebaite. j
hius von Antiochien, feit 325 Biſchof
von Antiodhien, trat mit folder Strenge für die
Beihlüffe von Nicka und gegen den Arianismus
ein, dab ihn Raifer Konſtantin 331 als Unrubeftif-
ternad) Thrazien und ſpater nachIllyrien verbannte,
wo er um 360 ftarb. Ein Teil der antiochenifchen
Gemeinde erfannte feinen Nachfolger nicht an und
bildete unter dem fpäter zum Biſchof —
Presbyter Paulinus eine —— irhenge
* aft (Euſtathian erh die ſich bis ins 6. Jahrh.
erhielt. E. Schriften find bis auf eine und einige
Dr mente verloren gegangen. — n, Des
eiligen E. Beurteilung des Drigenes ( 1886).
Euftathins von Sebajte, geb. in Kappadoe—
cien, wurde um 355 Bifhof von Sebafte in Ar
menien, wo er 380 ſtarb. ben arianifchen Strei-
tigleiten ſchloß er fih den Anomdern an (. Arianer).
Er gründete in Sebajte ein großes Spital und fuchte
das Monchsleben zu befeitigen. Als Anhänger einer
übermäßigen Asceſe warb E. der Begründer einer
—J—— Partei, deren Anhänger
( ge allen Berbeirateten und Reichen
die Seligleit abfpradhen und von einem verbeirateten
Prieſter das Abendmahl nit annahmen. Gegen fie
richtete um 365 die Synode zu Gangra mehrere ver:
dammende Beihlüffe. — Val. Loofs, E. von Sebafte
und die Chronologie der Bafiliusbriefe (Halle 189).
Euſtathius, byzant. Erllärer des Homer und
bes Geograpben Dionyfius Periegetes (ſ. d.), war
anfangs Dialonus und Lehrer der Rhetoril in jei:
ner Vaterjtabt Konjtantinopel und feit 1175 Erz:
biſchof von Theffalonih, wo er um 1194 ftarb. Be
— ſein vorzüglich aus den Wörterbüchern der
tticiſten Alius Dionyſius und Pauſanias geſchopf⸗
ter Kommentar zum Homer (mit Devarius’ Regiſter,
4 Bde., Rom 1542—50; 3 Bde., Bal. 155960;
Euftathius (Mafrembolites) — Euthymius Zygadenus
' Bde., Lpz. 1825— 30) ift eine Fundgrube philol.
&elehrjamteit. Bon feinem Kommentar zu den Hym⸗
nen des Bindar tft nur das «Provemium» erhalten
hg.von Schneidewin, Gött. 1837). Die tbeol. Auf:
ige und Briefe des €. gab Zi zuerft heraus
«Opusenla», Frantf. 1832). Gejamtausgabe der
teol. Werte bei Migne, « Patrologia graeca», 135
16. — Bol.Tafel, De Thessalonica (Berl. 1839);
R.Reumann, E. als kritifhe Duelle für den Ilias—
gt (2p3- 1893).
athins, mit dem Beinamen Matrembo:
lite oder Barembolites, auh Eumatbius
genannt, ein bober Würbenträger in Byzanz,
verfaßte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. eine
Romangeihichte von Hysminiad und Hysmine
deutſch von Erneftine K. Reiste in «Hellas», Bd. 1,
Nitau 1778), Die ein noch weit fchlechteres und ab:
age Macmert ift als fein Vorbild, der
man des Achilles Tatius (ſ. d.). Außerdem ift
von E. eine Sammlung Rätſel überliefert. Befte
Ausgabe beider Werte von Hilberg (Mien 1876).
Euter, die zwiſchen den Scenteln gelegenen
Nilchdrüſen der Huftiere, befonders ber Wieder:
täuer und Einbufer. Die Zahl der am E. befind:
lichen Zigen oder Striche (zwei bei dem Pferde,
dem Cjel, der Ziege, vier bei der Kub, bei letzterer
jumeilen nody zwei weitere Striche, die feine Milch
geben, Afterzigen) zeigt für gemöhnlih an,
aus mie viel Drüjenlompleren das €. zujammen:
est ift; das E. der Hub jedoch beſteht aus zwei
Drüjen, die vier Stride zufammen beſitzen. In
jeder Zige findet ſich bei MWiederläuern und Ein—
bufern ein größerer Kanal (Strich: oder Zitzenkanal),
- in welchen die milhausführenden —— ein⸗
münden, wahrend die letztern bei einzelnen Säuge
tieren direkt an ber Spige der Zitze ihre Ausgangs:
dffnumgen haben. Die Milhdrüfen find modifizierte
Hautdrüjen, fie zeigen den Bau — —
acinõ ſer Drüfen auf, d. b. die Drüfenfubftans beitebt
aus traubenförmig zufammengruppierten Bläs:
ben (Drüjenlörmen), die durch Bindegewebe zu:
— zu Läppchen geeint und in ein Fett balten-
des Bindegewebänekwert eingebettet find. Kleine,
milchfübrende Röhren, die von diejen Lappchen
ausgeben, vereinen ſich zu größern Kanälen, den
Milchlanälen oder Milchgängen, melde in einen
ößern Hoblraum, in eine Art Eifterne (Milch:
ammelbeden, Milccijterne) führen, die unmittel-
bar über der Wurzel der Zitze in der Drüfe ge
en ift, mit dem Strichfanal aber fommunijiert.
Die Zisen: oder Strihöffnung ift mit einem vor:
wiegend aus Mustelfajern gebildeten Apparat ver:
ſchloſſen, welcher ſich öffnet, wenn gemollen wird,
wobei die in der Ciſterne und in dem Kanal befind⸗
liche Milch ausgeitrihen wird; die genannten Hobl:
räume füllen fih dann allmählich wieder durch Ver:
mittelung der Drüfengänge mit der in den Drüfen:
bläschen vorwiegend aus —* Blutkörperchen
oder Lymphzellen produzierten Milch. Bei Lahmung
des Verſchlußapparats der Zihenoffnung findet das
Selbftauslaufen der Milch ftatt. Je nad) den ver:
fbiedenen Tierarten können die Zißenlanäle eine
eder mehrere Ausführungsöffnungen (beim Pferd
zwei, felten drei) aufzeigen. Cine dichte Binde:
sbülle, die Milhprüfentapfel, überzieht die
ibdrüfe; die zum €. geeinten Drüfen umgiebt
die feine, wenig behaarte, mit vielen Talg: und
Shweißbrüfen verfebene Körperdede, die Haut.
Ran (hließt aus ber Geitalt, Größe, Weichbeit,
Brodbaus” Konverfations-Leriton., 14. Hull R. A. VI.
321
einbeit der Haut des E., aus Beichaffenbeit und
oße der ee auf den Milcertrag.
Das E. iſt verjhiedenen Krankheiten, naments
ih Entzündungen (Euterentzündung) und Er
krantungen der Zißen (Auffpringen, Knoten: und
Bläschenbildung, Furunkel, Verengerung), ausge:
jest. Hinſichtlich der Euterentzündungen unter
ſcheidet man nad Beichaffenbeit des Sefret3 und
der Prüfe: Entzündung ohne Veränderung der
Milch (oberflählihde Entzündung, Ein:
ſchuß, Euterödem), ſolche mit geringer Ber:
änderung der Mil und des E. (Euterlatarrb),
Entzündung mit erbeblicher Veränderung der Milch
und geringer der Drüfe (ſchleichen de Euter:
entzündung, Galt) — die Milch ift hierbei
erſt wäfferig:bläulich, wird dann fchleimig, klebrig,
gelb, bis fie allmählich ganz verfiegt —, Entzüns
dung mit erheblicher Veränderung der Drüfe und
des Sekrets (tiefe, parenchymatöſe Euter—
entzündung, meiſt auf Infektion durch Spalt:
pilze —————— und beſondere Entzundungen
(brandige, — u. ſ. w. en)
Euterfiftel, Milchfiſtel, bei Küben ein abnor⸗
mer Kanal am Euter oder an den Striden, durch
den Mil fortwährend oder nur beim Melten ab»
läuft. Die E, ift unter Umftänden ein ſehr erheb⸗
licher Fehler einer Milchluh.
Euterpe Gaertn., Pflanzengattung aus ber
Familie der Balmen (ſ. d). Man kennt 8 Arten,
die Nabe im tropiſchen Amerika vortommen. 63
ar bobe Balmen mit ſehr fhlanten Stämmen und
eberförmigen, bis 4 m langen Blättern. Die be
tanntefte Art ift die in Brafilien vorfommende
Koblpalme oder Balmito, E. oleracea Mart.
yore jungen Knoſpen liefern ein wohlſchmeckendes
emüje, ven Palmtohl, und fönnen auch rob ala
Salat gegefien werden. Aus den Früchten wird
ein beliebtes Getränt gewonnen. In den Warm
bäufern größerer Gärten findet man, wiewohl fel-
ten, die E. edulis Mart., eine dur eigentümliche
Leichtigkeit und Eleganz ausgezeichnete Art Bra—
filiens, deren gerader Stamm faum ftärler wird
als eines Kindes Arm und auf feiner Spige einen
großen Buſch der zierlichiten Fiederblätter trägt.
Euterpe, eine der Muſen (ſ. d.). — E. ift auch ber
Name des 27. Blanetoiden.
Euthanäfie (grch.), Todeslinderung, das:
jenige Berfabren, durch welches der Arzt den als uns
vermeidlich erfannten Tod für den Sterbenden mög⸗
lichft leicht und ſchmerzlos zu machen ſucht befteht
hauptſächlich in zmedmäßiger Lagerung, Fernbals
tung aller äußern Störungen, Linderung der
Schmerzen durch anäjtbetiiche und narkotiſche Mit:
tel (j. auch Arzt, Bd. 17), Sorge für friiche Luft und
zeitweiligem Einflößen von milden und labenben
Setränten. Bei dem jcharfen Gehör, welches Sters
bende bi& zum legten Augenblide zu haben pflegen,
ift die größte Vorficht binfichtlib aller Nußerungen
der Umgebung geboten.
Eutharich, Gatte der Amalafuntba (f. d.).
Euthymius —5*—— (unrichtig Ziga⸗
benus), gelehrter Monch der griech. Kirche, lebte
zu Anfang des 12. Jahrh. in Konſtantinopel, jeiche
nete ſich teild als verftändiger Ereget, teild als
Dogmatiker und Bolemiter aus und ftarb nad) 1118,
Michtig für die eig ift die von E. 3. auf
Befehl des Kaiſers Alerios I. Komnenos verfahte
«Banoplia (d. i. Ruſtlammer) des orthodoxen Glaus
ben» in 24 den einzelnen Härefien gewibmeten
21
322
Titeln. Doch find ſowohl in der griech. Ausgabe
von Gregoras (Tergovijt 1711) mie in der lateini-
ſchen von Zinus (Vened. 1555) mehrere Titel aus
dogmatiſchen Rüdfichten weggeblieben. Den Titel
«De Bogumilis» gab Gieſeler griechiſch und lateinisch
befonders heraus (Gött. 1842). Unter feinen Kom:
mentaren find am bedeutendſten der zu den vier
Evangelien, eine Sammlung älterer an
(griechiſch und lateinifdh bg. von Matthäus, 3 Tle.
in 4 Bon., Lpz. 1792; neue Ausg. in 3 Bon., Berl.
und Lond. 1845) und der zuden« Briefen des Baulus»
(ba. von Galegoras, Athen 1887).
Euthytöna (Eutbptönen, ard., d. i. Gerad—
fpanner), ſ. Wurfmaſchinen.
Eutin, Hauptſtadt des zum Großherzogtum DI:
denburg gebörigen Fürſtentums Yübed, 36 km
nördlich von Lübed, in ſehr fruchtbarer, wald: und
feenreiber Hügellandſchaft (Holjteiniihe Schweiz),
zwiſchen dem ** (27 m tief, 3km lang) und
Kleinen (29m, 1km) Eutiner See, an der
Linie Kiel-E. (48 km), der Nebenlinie E.:Neuftadt
(15 km) der Preuß. Staatöbahnen und an der
E.:Lübeder Eifenbahn (33 km), ift Si der Regie:
rung des Fürftentums, einer Adminiftration der
2 Ko l. reger pa eines Amtsgerichts
er übed), einer Oberforftmeifterei, Ober:
bau: und MWegeinipeltion, eines Steueramtes und
der Verwaltung der E.:2übeder Bahn, bat (1900)
5204 E., darunter 193 Katboliten, (1905) 5399 €.,
Poſtami erfter Klaſſe, Telegrapb, eine Säule zur
Erinnerung an den Krieg 1870—71, Dentmal des
KRomponiften Karl Maria von Weber und Bronze:
büfte des Dichters Voß, groBberzagl. Gymnafium,
böbere Mäpchen:, Gewerbeſchule, Spar: und Leib:
tafle, Kreditverein, Spar: und Vorſchußbank, Gas:
anitalt, öffentliche Bibliotbet (30000 Bände). Er:
mwähnenswerte Baumerte find die alte Michaelis:
tirche, vor 1155 erbaut, mit fpikem Turm, die latb.
Kirche, das Voßhaus, Rathaus (1791) und das groß:
berzogl. Schloß (13. 5— am Großen See mit
Gemaͤldeſammlung, zeitweiſe Reſidenz des Groß:
herzogs. Dieſes wurde, nachdem es 1689 zum Teil
abgebrannt, vom damaligen Bi Rouen aufgeführt
und fpäter verfchönert. Es beſte a
ten, Wagenbauanftalt, Ofen:, Tütenfabrit, Flachs⸗
—— nebſt Holzſchneiderei, Lohmuhle,
drei Dampfſägen, Zie —— Brauereien,
Aderbau, ihm t, Fiſcherei, Kunſt⸗ und Handels:
gärtnereien. Die Landgemeinde €. hat 2502 €.
— €. (lat. Uthina, im Mittelalter Utin) wurde zur
* der Einführung des Chriſtentums im Wenden:
ande Wagrien begründet. Anfänglich gebörte die
Landeshoheit über E. den Grafen von Holitein; 1155
tam es an das Bistum Oldenburg, deſſen Sik 1163
nad Lübed verlegt wurde, doch war E. Refidenz des
Biſchofs; 1253 erhielt die Stadt Lubiſches Recht; 1534
(ee fie die —— ein; von 1535 bis 1802
ielten die Fürftbifhöfe von Lübed bier Hof; nad
der Säkularifation des Bistums (1803) fam es
mit E. an den Herzog von Oldenburg. Ende bes
18. Jahrh. lebten bier unter vem Schuß des Herzogs
Beter von Oldenburg die Dichter Job. Heinr. Voß
und Leopold Graf zu Stolberg, der Maler Xob.
Heinr. Tifchbein, der Philoſoph Friedr. Heinr. Jacobi
und der Schriftfteller Job. Georg Schlofjer (Goetbes
Schwager). €. ft Geburtsort des Komponiften Karl
Maria von Weber, 5 km norbmweitlib Grems:
müpblen (f.d., Bd. 17). — Bal.von Bippen, Eutiner
Skizzen (Weim. 1859); Aye, Aus E.s vergangenen
Euthytona — Eutropius (Geichichtichreiber)
Tagen (2 Tle., Eutin 1891— 92); Fübrer durd die
Holſteiniſche Schweiz (5. Aufl., Altona 1901).
Euting, Julius, Orientalift und Epigrapbiler,
eb. 11. Juli 1839 zu Stuttgart, ſtudierte erſt Theo:
ogie, dann orient. Spradhen zu Tübingen (1857—
62), feit 1864 zu Barıs, London und Orford. Seit
1866 wandte er fich der bibliotbefarifhen Laufbabn
u, —— an der Stiftsbibliothek, dann an ber
niverjitätsbibliotbet zu Tübingen; 1871 wurde er
als eriter Bibliotbefar an die Univerfitätä- und
Lanbesbibliotbet zu Straßburg berufen, deren Direl⸗
tor er feit 1900 ift, und 1880 zugleih zum Honorar:
profejjor ernannt. Bon verſchiedenen wiſſenſchaft—
lichen Reifen in Europa und im Orient bat er außer
einzelnen Driginaliteindentmälern eine bedeutende
Sammlung von Vervielfältigungen aller erreihba-
ren altfemit. Inſchriften zufammengebradt, die er
der Univerfität Straßburg vermadhte. Er veröffent-
lihte: «Qolasta» (mandätfher Tert autograpbiert,
Stuttg. 1867), «Punifche Steine» (in den «Me:
moiren» der Beteräburger Altademie, 1871), «Erläu:
terung einer zweiten Opferverordnung aus far
tbago» (Straßb. 1874), «Sechs phöniliſche ab ei
aus Ndalion» (ebd. 1875), aNabatäiſche Inſchriften
aus Arabien» (Berl. 1885), «Sinaitifche Infchriften»
(ebd. 1891), «Tagebuch einer Reife in —
Zeil 1(Leid. 1896), «Inſchriftliche Mitteilungen»
in der «Beitfchrift der Deutfchen Morgenländiſchen
Gefellihaft», ven «Sikungäberichten» der Berliner
Alademie und andern Sammlungen. Bon feinen
paläograpbifchen Arbeiten find die jemit. «Schrift:
tafeln» als die beiten Wegmeijer auf dem Gebiete
der jemit. Schrift befonders bervorzubeben. Außer-
dem gab er unter anderm einen «flatalog der faiferl.'
Univerfitätö« und Pandesbibliotbet in Straßburg.
Arab. Litteratur» (Straßb. 1877), eine«Beihreibung
der Stabt Straßburg und des Munſters⸗» (ebd. 1881;
11. Aufl. 1900) ſowie zablreiche Reifeberichte beraus.
Entocins, von Astalon, Schüler des berühmten
Architekten Iſidorus, verfaßte etwa in der zweiten
Hälfte des 6. Jahrh. n. Ebr. Kommentare zu
Schriften des Archimedes und des Apollonius.
Die Kommentare zu Arhimedes find zulekt in
der von Heiberg bejorgten Ausgabe des lektern
(3 Bde., Lpz. 1880—81) herausgegeben; der zu
den vier erften Büchern der Renelfritte des Apol⸗
lonius * t in der Ausgabe dieſes Werles von
Halley (Oxf. 1710). — Bol. Heiberg, Pbilol. Studien
zu griech. Mathematikern (Lpz. 1880). (Fie.1.
Eutoxöres aqulla, ſ. Kolibris nebft Tafel,
Eutrigfch, Stadtteil von Leipzig (ſ. d.).
Eutropins, lat. Geſchichtſchreiber, der unter
— 363 n. Chr. mit gegen die Perſer focht, unter
Valens noch lebte und um 370 n. Ebr. ftarb. Sein
«Breviarium historiae Romanae», worin die röm.
Gefhichte von der Gründung Roms bis auf Jo—
vians Tod (864 n. Sr) kurz erzäblt wird, ift in
einer einfachen und ziemlich reinen Sprache mit ver:
ftändigem, unparteitfchem Urteil und geſchidter An-
ordnung verfaßt. Neuere Ausgaben lieferten Hartel
(Berl. 1872), Droyien (ebd. 1878, und eine arößerein
den «Monumenta Germaniae historica. Auctores
antiquissimi», Bd. 2, ebd. 1879), Eichert (Hannov.
1871), Wagener (Lpz. 1834) und Rübl (ebd. 1887).
Eine gried. Überjegung von Päanius ift erbalten
(ba. von Kaltwafjer, Gotha 1780). — Bal. Birogoff,
De Eutropii indole ac fontibus (Teil, .1873);
Droyfen, «Prolegomena» zur arößern Ausgabe;
Sorn, Der Spradgebraud des E. (Laibach 1892).
Eutropius (Staat3mann) — Evangelien
Eutropius, ein Eunud, der einige Zeit lang
unter Kaiſer Arcadius leitender Staatsmann des
Utrömifhen Reichs war. Auerft ein Sklave, iam er
dann an den Hof des Theodofius I. und mar bei
um Tode dieſes Kaiſers Kammerherr des jungen
Ircadiu® und Gegner des leitenden Minifters Ru⸗
mus. Erbeftimmte den Arcadius, April395 n.Chr.,
niät des ang ihn Tochter, ſondern ..n (1. d.),
det Sranten Bauto Tochter, zu heiraten. Als nad:
ber der got. General Gainas, der {freund des weſi⸗
rim. Staatsmanns Stilidho
Aufnus batte niederbauen laffen, wurde G. der
führende Staatömann des Reichs, aufden nun auch
die Würden eines PBatricius (398) und des Ronfu:
lat# (399) gehäuft wurden. Dem Rufinus folgte er
inder Bolitit thörichter Feindſcha —— das Abend⸗
landiſche Reich, zunächit gegen deſſen Lenler Stilicho,
mit dem E. im Sommer 396 n. Chr. auf Grund des
weitgot. Krieges im Beloponnes völlig brab, um
dann Alarih, Stilibos Gegner, einen günftigen
Frieden zu bemilligen unddie Mauren er u —
gegen Stilicho aufzuhetzen. Stilichos Einfluß ſcheint
er bei €.’ Ende mitgewirkt zu haben. Als
nämlich 398 in Kleinafien die Empörung des Goten
Zribigild ausbrad, —— Gainas, der dieſen
Aufſtand dämpfen ſollte, im Einverftändnis mit
der Kaiſerin Euboria Ende Jan. 399 die Abſetzung
des E.,der darauf in Ehalcedon entbauptet wurde.
Eutiches, Arhimandrit zu Ronftantinopel im
5. Jabrb., Vertreter der dogmatifchen Anfichten des
Eyrillus (f. d.) von Alerandria und der Aleran:
drinifchen Schule. Die Lehre der legtern, der Gott:
menſch babe nad der Bereinigung der beiden Na-
turen nur eine Ratur, die Natur des fleiſchgewor⸗
denen Logos, gehabt, führte er bis zu der Folge⸗
rung fort, Ebrijti Leib gi dem Leibe anderer Men:
fen nicht weſensgleich. Wegen diefer Anfichten
auf einer Synode zu Ronftantinopel 448 angellagt
und von feinem —— abgeſetzt, fand
er in der Gunſt des Miniſters Chryſaphius und
des alerandbriniihen Patriarchen Dioslorus ſowie
in der ägypt. Monchspartei eine mächtige Stutze.
Auf dem unter feinem Vorfig verfammelten Konzil
zu Epbejus 449 ſetzte Dioskorus mit Hilfe feiner be
waffneten Mönde die Freifprehung des E., die
Berurteilung Flavians und die lirchliche Santtion
der alerandriniihen Lehre von der einen Natur
durch. Indes wurden ſchon 451 zu Ehalcedon die Be:
fblnfje von Eyheſus durch die Gegen rtei annuls
tiert, die Synode des Dioslorus ald Räuberfynode
aebrandmarlt, der Eutyhianismus für Ketzerei
erflärt und gegen ihn feitgefeßt, daß in ber einen
Berfon Ehrüjti beide Naturen ohne Bermifhung und
nblung miteinander vereinigt feien. Doch
erbielten fi die Nonopbyfiten f d. von den Ortho⸗
doren Eutychianer genannt, als getrennte Kirchen;
partei in Armenien, Ägypten und Athiopien.
Euzanthinfäure, Burreefäure, Borris:
äure, C,,H,,0;:ı , eine organische Säure, bie ala
agnefiafal; den Hauptbeitandteil de Purree
bildet. Diefer Farbftoff lommt aus Oftindien und
China in fugeligen Maſſen von 100—1%0 g in den
Handel und wird aus dem Ham von Küben ge
wonnen, die mit Mangoblättern gefüttert find. Das
bafıihe Magnefiumfalz der E. ift die in der Dl-
malerei benußte farbe Jaune indien oder Indian
Yellow. Durch Kochen mit verbünnter Schwefel:
\ure wirb es gefpalten in Ölyturonfäure (f.d.) und
Gurantbom (Diorydipbenylentetonoryp).
27. Nov. 395 den | des erft
323
Euganthön, ſ. Curanthinfäure.
Eugenit, rhombiſches, felten kryſtalliſiertes, ge
wöhnlich derbes, bräunlihfchmwarzes Mineral, im
weſentlichen titanfaure und niobſaure Pttererbe (Er:
binerde) und Uranbiorgd. €. findet ſich befonders
bei Yöljter im Bergenftift (Norwegen) und im Peg:
matit bei Arendal.
Euxolus, Pflanzengattung, |. Amarantus,
Eva (bebr. Chavvä, «Mutter des Lebens»), nad
der Schöpfungsfage des 1. Buchs Mofe die Frau
en Mannes und Stammmutter des menſch⸗
lihen Geſchlechts. Die Bedeutung des Namens ift
wie die Herkunft diefer mythiſch igur noch nicht
genügend erllärt. F Adam.) — Fa auch ber
164. Blanetoid. eerung.
8
Evaouantia (lat.), ausleerende Mittel, ſ. Aus⸗
Evagdrad, lat. für Euagoras (f. d.).
Evagrins, lat. für Euagrios (f. d.).
Eva⸗Juſel, ſ. Franz⸗Joſeph⸗Land.
Evakuation (lat.), mung, ſ. Krankenzer⸗
Bars: evaluieren, auäleeren, räumen; in der
vi: einen luftleeren Raum erzeugen.
valvieren oder valvieren, das franz. 6va-
luer (aus dem lat. valere, gelten), die Geltung,
den Wert eined Objekts abſchätzen oder feftftellen,
namentlid von Münzen gebraäuchlich (f. Balvation).
Evan, j. Evoe.
Evänbder, j. Euandro3.
Soangellarium, f. Zeltionarium.
oal Allianoe (engl., jpr. imänn-
dichellitall Aleienk), f Evangelifhe Altan
oal Assooilation of MNorth-
Amerloalengl.,fpr.imänndichellitäll aͤſſoß lehſchn),
f. Albrechtsleute.
lioal Friends (engl., ſpr. imänn:
dichellitäll frennds), ſ. Qualer.
angelien und Evangelienfritif. Die Bor:
— von Jeſus als dem ienenen Heiland, ur⸗
prunglich mit dem Namen Evangelium (f. d.) be
jeichnet, wurde anfangs nur mündlich überliefert.
päter entitanden fchriftlihe Aufzeihnungen ber
Reden oder Ausſprũ brifti, bald auch größerer
oder kleinerer —— —— bis etwa ein
Menſchenalter na eſu Tod die erften zufammen:
—— Niederſchriften über Leben, Leiden und
terben Ehrifti in Um 2 famen. Um die geſchicht⸗
lie Erinnerung rantte fih im Laufe der Zeit bie
Sage; bewußt oder unbemußt fombolifhe Dar:
r ungen wurden als eigentlihe Geſchichtserzah⸗
—— Nachbildungen altteſtamentli
Vorbilder, geſteigerte Vorſtellungen über ſti
Urſprung und meſſianiſche Macht, endlich die vers
fchiedenen Auffaffungen feines meffianifchen Wertes
und bes —— —— zur jud. und zur
heidn. Welt ließen auch Lehre und Lebensbild Schu
immer wieder in neuer Beleuchtung erfcheinen. So
exwuchs bis zum Anfange des 2. Jahrh. eine ganze
Litteratur von Darftellungen des Evangeliums,
oder wie diefe Schriften fpäter hießen, von Evan:
—— Gegen Ende des 2. Jahrh. wurden die vier
angelien nach Matthaus, Markus, Lulas und
ohannes herausgehoben, von der Kirche aus:
chließlich mit kanoniſchem Anſehen belleidet und auf
die Männer, nach denen fie benannt waren, zurück⸗
geführt, die übrigen dagegen als ne (f. d.)
verw (S. auch —— ium.)
Ein nen über Urfprung und Ber:
wandtichaft diejer Evangelien gehören erſt erneuern
Zeit an. Die auffälligen wörtlihen und ſachlichen
21*
324
Berührungen, beſonders der drei eriten (deshalb ſog.
ſynoptiſchen) Evangelien untereinander nötigten
— wiſſenſchaftlichen Unterſuchung. Den erſten
erlenswerten Verſuch machte Eichhorn in feiner
«Einleitung in das Neue Teftament» (2 Tle., Lpz.
1804—10), indem er alle brei von einem gemeins
famen Urevangelium ableitete, das von ihnen in
verfchiedenen Hedaltionen vorgefunden und ausge:
fhrieben worden ſei. Die weitere Durchführung
diejer Hypotbefe machte aus den Evangeliſten bloße
reiber, die aus vier oder nod mehr Büchern
ihren Stoff mehanifch zufammentrugen. Eine Modi⸗
filation diefer Anficht iſt die Schleiermacherſche io9-
Diegeſenhypotheſe, die das Urevangelium in zahl:
lofe zerſtreute Blätthen mit einen Stüden ber
evang. Geſchichte —**— aus denen dann die Evan⸗
eliſten ihre Werte zuſammengeſtellt hätten. Den
nwahrſcheinlichleiten dieſer Theorien gegenüber
machte die zuerjt von Giejeler aufgeitellte Tradi—
tionsbypotheje viel Glüd, welche unjere Evangelien
lediglih aus mündlicher, im Laufe der Zeit jozu-
} en typiſch gewordener lüberlieferung entiteben
ieß. Die Frage, in welcher Ordnung dies geicheben,
rte zur Erwägung der Priorität unter den Evan:
gelien, und zuerit zu der Hypotheſe Griesbachs (j. 0):
daß Matthäus der ältefte, Markus dagegen, als
bloßer Auszug aus den zwei andern, der jüngfte
Evangelijt * Schon Credner (1832) aber ſtellte
—* vielmehr als den alteſten voran und hielt Mat:
tbäus für eine Kombination aus Markus und der
Sprubiammlung des Apofteld Matthäus. Diefe
Schwantungen bewogen Strauß unter Begünftigung
der Griesbachſchen Anſicht, der in feinem «Leben
Jeſu⸗ (1835—36) die evang. Erzählungen von der
motbenbildenden Gemeinde berleitete, von einer
fitterar. Kritil ver Evangelien doch abzufeben und
ig auf eine Kritik ihres Inhalts zu bejchränten.
ilte dagegen (1838) machte Martus als ven älte:
ften Evangeliften geradezu zum jhöpferiihen Ur:
—— und betrachtete ihn als einzige Quelle
r Matthäus und Lukas. Bruno Bauer —
hrte dieſe Anſicht zu der Behauptung fort, da
der Grundſtamm der evang. Geſchichte aus dem
ſchopferiſchen Selbſtbewußtſein, d. b. aus der Phan⸗
taſie eines Einzelnen, nämlich des Markus, hervor—
gegangen und deſſen Schrift von dem « Zweiten»
und «Dritten» umgeitaltet und erweitert worden fei.
Dieſen Anfichten trat zuerſt Ferd. Chriſt. Baur
(f. d.) erfolgreich gegenüber, indem er, das Unge—
nügende des rein negativen Stanbpunfte von
Strauß einräumend, die Umbildungen bes evang.
Stofis aus den allgemeinen geiftigen Gegenfägen
und Tendenzen des apoſtoliſchen Seitoltere zu er:
Hären fuchte («Kritifche Unterfuhungen über die
tanonifhen Evangelien», Tüb. 1847). Hinſichtlich
des Beranbtichaftsverhältnified der drei Spnop:
tifer bielt er die Griesbachſche Anficht feit, doc
ließ er neben der Benutzung je eines Evangelijten
dur den andern zugleih die Möglichleit einer
fberarbeitung älterer Grundſchriften offen. Be
deutiamer war, daß Baur ſich das Verſtändnis
der Rompofitionsweife der einzelnen Evangelien
vom Jobannesevangelium aus zu eröffnen ſuchte.
Lebteres, defien Echtbeit ſchon von Bretſchneider
bezweifelt worden war, erwies ſich unter der Baur:
{ben Kritil nicht als eine hiſtoriſche, fondern ala
eine planvoll angelegte dogmatifhe Schrift, in
welcher das Hiſtoriſche nur als durchſichtige Hülle ver
See, nur als künſileriſche Einlleidung eines rein
Evangelien
geiftigen Gebantengebalts zu nehmen ſei, wobei ſich
der —— Urſprung dieſes Evangeliums
von Gelbh ergab. Bon den übrigen Evangelien er
ſchien die Darftellung des Lulas am meiſten, die
des Mattbäus, da Markus als farblojer Auszug
nicht in Betracht fam, am menigiten von der dog»
a Idee beberriht, obwohl auh Matthäus
ebenſo einen judenriftlichen, wie Lulas einen pauli⸗
nifben Tendenjcharalter an ſich trage.
Die Baurſchen —— wurden durch zabl«
reihe Arbeiten des Meiiterd und jeiner üler
weiter geführt und teilweife berichtigt. Der weient:
lie Anteil der dogmatiſchen Tendenzen und Bartei-
rihtungen der Zeit an der Entjtebung und Geital-
tung jämtliher Evangelien kann jeitvem als aus:
a — Derſelbe erſtredt ſich nicht bloß auf
uswahl und Anordnung, ſondern auch auf die
ärbung, ja teilmeife auch auf die Entitebung des
toffs, Fomohl in Rebejtüden als in biftor. Bartien.
Jedoch blieb die Tendenztritil, jolange als fie nicht
durch die litterarbiftorifche Kritik, d. b. durch ein-
dringende Erforſchung des äußern ſchriftſtelleriſchen
und jtiliftiihen Verwandtichaftsverbältnifies der
——— ergänzt wurde, manden Täuſchungen
und lbertreibungen auögejegt. Die von Baur,
Strauß, De Wette, Bleel, Keim u. a. feitgebaltene
Griesbachſche Anſicht ftieß bald auf erhebliche Be
denten. Schon Chr. H. Weiße batte in feiner« Eva
Gefhidhte» (Lpz. 1838) die Crednerſche Anſicht
weiter ausgeführt, dab das geriet. re
aus zwei Hauptquellen gefhöpft jei: aus der aReden⸗
wear des Apoſtels Mattbäus, deren Bor:
andenjein der RKirchenvater Bapias bezeuge, und
aus dem Marfusevangelium, das den uriprüng-
lichen bijtor. Rabmen für Mattbäus und Yufas dar:
biete. Dieſe Anfiht wurde als Schußwehr gegen die
Tendenzkritik von allen Seiten mit vr ergriffen.
Nebenkonfervativen Theologen, wie G. A. eyer,
B. Weiß, folgten auch freier geſinnte Forſcher, wie
Reuß, Wittichen u. a., dieſer Richtung. Am gründ⸗
lichſten wurde die Hypotheſe ausgeführt in der
Schrift von Holgmann: «Die ſynoptiſchen Ebange⸗
lien» (Lpz. 1863), auf deren —— auch Schen⸗
telö «Charalterbild Jeſu» (Wiesb. 1864) beruht.
Mit mebr oder minder erheblichen Modifilationen
baben aud Weizfäder («UInterfubungen über die
evang. Geſchichte», Gotha 1864; 2. Aufl., Tüb,
1901) und B. Weiß («Das Markusevangelium»,
Berl. 1872; «Das Mattbhäusevangelium», Halle
1876; «Das Leben Dehun 2 Bpe., Berl. 1882;
3. Aufl. 1888; «Einleitung in das Neue Teita:
ment», ebd. 1886; 3. Aufl. 1897) dieſelbe kriti-
ſche Grundanibauung zu begründen verjucht, wos
gegen Hilgenfeld («Die Evangelien», Lpz. 1854),
Strauß (« Das Leben Jeſu für das deutiche Volt»,
ebd. 1864; 8. Aufl., Bonn 1895), Keim («Geſchichte
yn von Nazarar, 3 Bde, Zür. 1867—72) und
oljten («Die ſynoptiſchen Evangelien nad der Form
ihres Anbalts», Heidelb. 1886) die Baurſche Anſicht,
daß Matthäus der älteſte Evangelift fei, feitbielten,
in diefem Evangelium felbjt aber eine judenchriſtl.
Grundſchrift und eine freier gefinnte Überarbeitung
unterſchieden, wobei Hilgenfeld nicht den Markus,
fondern den Yulas als jüngiten Evangeliiten betrache
tet. Boltmar («Die Evangelien», Lpz. 1870; «Jeſus
Nazarenus», Zür. 1882) erneuerte die Anjiht Bruno
Bauerd mit der Mopifitation, daß er das «ll
evangelium» des Martus als ein vom pauliniihen
Stantpunlte verfaßtes Lehrgedicht, alle übrigen
Evangelienharmonie .
Sbangelien aber als tendenzidfe Umbildungen be
hadtete. Ebenfo legen die Mitglieder der neueften
delland. kritiichen Schule (Loman, van Danen
1.2.) ein wejentlich dogmatiſch gebaltenes «Urevan-
yelium> zu Grunde, das unter Yenupung einer mehr
—— ih gearteten mundlichen Tradition zu vie
let Evangelien verarbeitet fei, wovon die lanoni⸗
\ben Evangelien die Schlußrebaltionen daritellen.
In der heutigen Kritif herrfcht jedoch die «Zwei:
auellentheorie» durchaus vor, und wird nur immer
detaillierter aufgearbeitet. Die eine Quelle der
moptiichen Tiberlieferung wird dabei entweder
direlt in unjferm Martus oder in einer ihm fehr
sabe verwandten, jest verlorenen Schrift gejehen;
die zweite, ober «die Sprubjammlung» — im
meientlichen mit den von Papias bezeugten «Logia»,
den Sprüchen des Herrn, aramäiſch gejammelt vom
Apoitel Matthäus, identiſch gewejen, aber in etwas
veribiedenen griech. Bearbeitungen einerjeitd von
Matthäus, andererjeits von Lulas benupt worden
ein. Insbejondere ift ftreitig, wie weit Diefe zweite
Quelle auch Erzäblungsftüde enthielt. Die beiden
Hauptquellen ſtammen noch aus der Zeit vor ger
rörung Jeruſalems. Lulas ſcheint unter allen Sy:
noptitern der jüngjte zu fein, obwohl aud das Mat:
tbäusevangelium jeine gegenwärtige Redaltion erſt
im 2. Jahrh. erhalten baben kann. Unmittelbar
apoftoliic ift jedenfalls fein ein igeb unferer Evan:
ien. Der uriprüngliche bijtor. Rahmen der evang.
zäblung ijt relativ am treueiten bei Markus be
wabrt, wogegen die Sprüche Jefu und eine Reihe
einzelner Erzäblungen meift bei Matthäus in ur:
fprünglidjter Gejtalt aufbebalten find. Doc feblt
es auch bier nidt an Ausnahmen, Am mwenigiten
unter allen tragen die Reden und Erzählungen des
vierten Evangeliums einen geſchichtlichen Charakter,
wie denn die Unmöglichkeit, daß Johannes der Ver:
fafjer dieſes Evangeliums ſei, von Baur, Hilgen-
feld, Köftlin, Echolten, Keim, Thoma, Holgmann
—— erwieſen iſt. Näheres ſ. Johannes (der
eliſt). Allgemeine Orientierung über ben
gegenwärtigen Stand der Evangelientritit geben
die «Einleitungen zum Neuen Teftament» von Holtz⸗
mann (3. Aufl., Freib. i. Br. 1892) und von Yülicher
4. Aufl., Tub. 1901). Bgl. ferner Nippold, «Der
Entwidlungsgang des Lebens Jeſu im Wortlaut
der drei eriten Evangelien» (Hamb. 1895); Wernle,
«Die ſynoptiſche Frage» (Freib.i.B. 1899); Soltau,
«liniere Evangelien, ihre Quellen und ihr Quellen:
wert» (2pz3. 191). Tb. Zahn («Einleitung ins Neue
Zejtament», 2. Aufl., ebd. 1900) verteidigt die kirch⸗
ü Tradition über die Entjtehung der vier Evan:
gelien. — Kommentare zu den drei erjten Evangelien
ſchrieben B. und J. Weiß (für Meyers «Kritiſch⸗
eregctijhen Kommentar über das Neue Teftament»,
9. Huf. Gött. 1897— 1901), Holkmann (im «Hand»
tommentar zum Neuen Tejtament», 3. i
i Br. 1901), Nösgen (im
zum Reuen Teftament», bg. von Strad und Zoedler,
2. Aufl. Mänd. 1897). Zur Tertkritit: B. Weiß,
«Die vier Evangelien in berihtigtem Tert mit furzen
Erläuterungen» (2p3. 1900). (S. auch Lukas.)
Neue Brobleme find der ———— ge⸗
ſiellt durch drei neuere handſchriftliche Entdedungen,
teren bedeutendere von zwei engl. Damen, Mrs.
Gibion und Mr3. Lewis, auf dem Sinaiklofter ges
mabt wurde. Sie fanden im Febr. 1892 hier eine
Yılimpfeftbandfichrift Der vier Evangelien, unter der
Aufisrift «Die getrennten Evangelien» (im Gegen:
Aufl., Freib.
urzgefaßten Kommentar
325
ſatz deren eisen arena im Diatefjaron
bes Zatianus, j.Evangelienbarmonie). Sie erſchien
1894 im Drud (Cambridge) und in engl. Überjegun
(London), Der ſyr. Tertdiejer Handichrift erwies fü
als dem des fog. Curetonſchen Syrers nahe ver
wanbt, jedoch als älter, und wahrſcheinlich fogar
aud älter als Tatianus. (Bol. Merr, «Die vier
fanonifchen Evangelien —— alteſten belann⸗
ten Text. Uberſezung und Erläuterung ber ſyr. im
Sinaiflofter gefundenen Balimpjeitbandfchri ‚Berl.
1897.) Am meiften Aufieben erregte ver Wortlaut
von Mattb. 1, ıs: «und Jofepb, dem die Jungfrau
Maria verlobt war, zeugete Jelumm womit andere
Abweihungen in der Geburtägeihichte in Verbin:
dung fteben. Ferner fehlt im Kobannesevangelium
nod die Erzäblung von der Ehebrecherin (ob. 8,
1-11) fowie der Schluß des Marlusevangeliums
(16, 8-20). In Bezug auf diefen machte ferner der
engl. Armenijt Conybeare («Aristion, the author of
the last twelve verses of Mark», in «The Exposi-
tor», Lond. 1893) die Entdedung, daß er in ber
Handſchrift einer armeniichen Überfegung in deut
liher Abtrennung vom Evangelium einem gewiſſen
«Arifton, dem Presbyter⸗, zugeichrieben wird.
li wurden 1897 zu Oxyrhynchus in —— pten
von engl. Gelehrten viele Bücher und Papyrusblatter
entdedt, darunter ein Blatt, dad 6—8 Sprüche Jeſu
enthält, die unfere Evangelien nicht oder in anderer
orm entbalten. Es ergab ſich indes, daß man es
ier mit gnojtijh gearteten Relationen aus dem 2,
und 3. Yabrb. zu un bat, denen nur zum kleinſten
Teil Autbenticität beizulegen ift, die aber neue Auf:
fchlüfje nit geben. — Val. darüber Grenfell und
Hunt, Adyıa Inood (Fond. 1897); Harnad, Über die
—5— entdedten Sprüche Jeſu (Freib. i. Br. 1897);
od und Sanday, Two lectures on the sayings of
Jesus recently discovered (Orf. 1897); Holgmann,
Neue Sprüche Jefu (in den «Proteftantiihen Monats»
beften», Berl. 1897, ©. 385 fg.); Brufton, Les pa-
roles de Jesus r&cemment decouvertes en te
(Bar. 1898); Cauſſe, Les nouveaux logia de Jesus
(ebd. 1898); Taylor, The Oxyrhynchus logia and
the apocryphal gospels (Ort. 1899); Ihs. Weiß,
Das Äältefte Evangelium (Gött. 1903).
Evangelienharmonie, eine aus allen vier
Evangelien zufammengearbeitete Darftellung, der
Geſchichte Jeſu. Die ältefte Zufammenitellung diejer
Art ift das jog. Diatejjaron (d. h. durd vier)
des Tatianus (}. d.), dad um 170 in gried. Sprade
verfaßt, aber namentlich in ſyr. Gemeinden ver:
breitet und noch um die Mitte des 4. Jahrh. in
Edeſſa gottesdienſtlich verlefen wurde. Noch in ber
Zeit vor Fixierung des Kanons entitanden, jcheint es
den Tert unferer Evangelien ziemlich frei behandelt
"7 * und galt ſpäter für letzeriſch, daher der ſyr.
iſchof Theodoret um 400 alle in ſeinem Sprengel
verbreiteten Exemplare konfiszieren und durch unſere
lanoniſchen Evangelien erſehen ließ. Das Diateſ⸗
ſaron Tatians iſt verloren, aber ſeinem Inhalte nach
um größten Teile noch aus einem Kommentar des
eil. Ephräm belannt. Eine jüngere, ſtark veran⸗
derte Bearbeitung in lat. Sprache machte
von Capua (geſt. 544) belannt; eine althochdeutſche
—— der letztern iſt der Deutſche Tatian
g. von E. Sievers, Paderb. 1872). Bol. Zahn,
orſchungen zur Geſchichte des neuteſtamentlichen
anons, ZI. 1: Tatians Diateſſaron (Erlangen
1881). — Dem ⸗ Diateſſaron⸗ des Ammonius von
Alerandria (3. Zabrb.) lag dad Evangelium des
326
Matthäus zu Grunde; der u der drei andern
Evangelien war in zablreihe Heine Settionen ge
teilt, auf die durch Buchſtaben und Ziffern am
Rande des Grundtertes verwiefen wurde. Deutiche
poet. Bearbeitungen der evang. Geſchichte auf Grund
aller vier Evangelien find aus dem 9. Jahrh. die E.
Otfrieds (f. d.) und der «Heliand» (f. d.). — Die
Bezeichnung E. (lat. Harmonia evangelica) wird zu⸗
erft für die gelehrte Bearbeitung der vier Evangelien
von Martin Chemnig (vollendet 1593 durd Johann
Gerhard) gebraudt. Jetzt nennt man eine jolde
—— ellung des griech. Textes aller vier
— zu willenfhaftlihen Zmeden Synopſe
ober un i8.
Evangelienfeite, in der lath. Kirche die (vom
Schiff aus) linke Seite des Altars, fo men weil
2 das Evangelium verlejen wird. Sie heißt auch
rotfeite, weil bei der Kommunion auf biefer
Seite dad Brot verabreicht wird, Gegenfas
Dez heißt die ri ker ‚Epiftolar) Kelchſeite.
angelifation, bie Verbreitung ber evang.
Lehre unter den Ratholiten. In Frankrei
widmet bie —— Geſellſchaft (ſ. d.) einen
Zeil ihrer Kräfte der E. in Elſaß-Lothringen wurde
bierzu1842die@vangelifationd:Gejellihaft
geftiftet. In Spanien wirft neben von Eng
—— Sendboten der deutſche Pfarrer F.
iebner (f. d.), in feinen Erfolgen glücklicher
eine fübhnen Vorgänger Matamorod, Trigo und
Ihama, bie ihre evang. —— faſt mit ihrem
Blute bezahlen mußten. In Italien betreibt haupt:
jählic die Waldenſerlirche eine erfolgreide Evan:
gelifationsarbeit. Auch die Freie Kirche und bie
met 288 und baptiſtiſche Miſſion ſind dort ſehr
tbätig. Bari und Meffina, wo ſich viele evang.
Deutiihe aufbalten, find — . Gemeinden
in der Bildung begriffen. Ebenſo ß die €, in
andern kath. Ländern, wie in Öfterreich (Los von
Pen engen); Belgien, und in den über:
feeifchen Gebieten, wie in Brafilien, Ebilen.a.,
Erfolge. — Vgl. Eglise &vangelique vaudoise, rap-
port annuel sur l'œuvre d'évangélisation en Italie
etä l’ötranger 1895 (Rom 1896); Grape, Spanien
und dad Evangelium (Halle 1896). Zur E. *
liens vgl. «lugfchriften des Evang. Bundes», Nr.
121, 122 (Lp3. 1896). (S. auch —— Frig.)
augelilch, alles, was dem angelium (1.d.)
oder der im Neuen Teftament enthaltenen göttlichen
Heilsbotihaft gemäß ift. Die Proteftanten nennen
ih Evangel N e,weilfiedas «reine Evangelium»,
db. b. die in der Heiligen Schrift —— Heils⸗
vahrheit im Gegenſaße zum kath. Traditions- und
firhlichen Autoritätsprincip als alleinige Glaubens»
—— anerkennen. (S. Proteſtantismus.) Der
ame vangelifhe Kirche ift ſeit der Re
formationgzeit offizieller Titel prot. Landeskirchen
+ geblieben, und erjt in neuefter Zeit vorzugsweiſe
denjenigen Kirchen beigelegt worden, in denen die
Union‘ d.) eingeführt ift, im Unterſchiede von den
tonfeffionellen (luth. oder reform.) Sonderlirhen.
Die moderne ortbodor:pietiftifche Richtung in der
pr Kirhe nimmt im Gegenjage zu ber freiern
ihtung den Namen evangeliih ausschließlich für
Ir Anſpruch, weil fie an der urfprünglichen ges
hichtlihen Form des Evangeliums, mit der ihr
dieſes jelbit zufammenfällt, und inäbejondere an
der unbedingten Autorität der biblifchen Urkunden
als der Erkenntniäquellen für das «lautere Evan:
gelium» buchſtäblich feſthalten will,
Evangelienfeite — Evangelifche Kirchenverfafjung
Evangelifche Allianz (engl. Evangelical Al-
liance), eine von Schottland und England aus ins
Leben gerufene Vereinigung evang. Chriſten aller
Länder zum Schuß der prot. Sache, namentlich der
Glaubensgenoſſen in kath. Ländern, und zur Pflege
des evang. Gemeinſchaftsbewußtſeins in den ver:
fhiedenen Kirchen. Infolge eines Aufrufs vom
5. Aug. 1845 vereinigten ji) 921 evang. Männer im
Sommer 1846 zu London zu einem Ehriftenbund auf
Grundlage des gemeinjamen Glaubens an die get
lihe Eingebung und Autorität der Bibel bei Wab-
rung des Rechts felbjtändiger Auslegung, unter
Anerlennung der Lehre von der Trinität, der Erb»
fünde, ber Menſchwerdung des Gottesjohnes, fei-
nes Mittler: und Königamtes und der Redtfertir
ung allein dur den Glauben. Das apoftoliihe
laubenäbelenntniö wurde das Belenntnis der
Allianz, zu der demnach auch die prot. Freilirchen
und Selten Zutritt hatten. Sie fand vor gegen
in Großbritannien und in Amerila, — ei den
Baptiſten und Methodiſten Förderung. 1857 tagte
fie zum erftenmal auf deutjhem Boden in in
unter dem befondern Schuß des Königs Friedrich
Wilhelm IV. Das mehr und mehr bervortretende
ee Gepräge und die überhandnehmende Aus:
[lich ihleit in der Beurteilung der religiöfen und
irhlihen Zuftände Deutfchlands und der Schweiz
bat die Verdienſte nicht gg Anertennung tom:
men laſſen, welche die E. A. um die Befreundung
der glaubensverwanbten Kirhen und Sekten, um
die Abwendung von Verfolgung der Evangeliihen
in ben Gebieten der röm. und rujl. —* um die
Belampfung der Sklaverei und um die Wedung des
Solidaritätsgefühls bei den verſchiedenen evang.
Selten gegenüber dem Papſttum unſtreitig ſich er⸗
worben hat. Die E. U. bedient fi der Wanderver⸗
fammlungen, die in beftimmten Zwiſchenräumen in
einer Hauptftadt Europas oder Amerilas abgebal-
ten werden, um bie Zeilnabme an ihren t
bungen zu weden. Den gleihen Zwed haben die
«Gebetöverfammlungen» und aGebetswochen⸗, die
mit vorher bezeichneten Gebetszweden von ihr an-
geordnet werden. vereine (Bd. IT).
a Urbeitervereine, ſ. Arbeiter
Evangelifche Brüdergemeine, j. Brüder
gemeine, evangeliſche. [leute.
@vangelifche Gemeinfchaft, ſ. Albrechts⸗
Evangelifche Gefellichaft (frz. Societe Evan-
gelique), ein feit 1830 von Genf aus über Franfreih
verbreiteter Verein zur Erhaltung und Ausbreitung
des Protejtantismus. Die Geſellſchaft entjendet
Reifeprediger und verbreitet Bibeln und Erbauungs-
Ir dur Kolporteure. Auf orthodor:pietiltis
chem Standpuntt jtehend, fordert jie die Trennung
der Kirche vom Staat und befördert die Freilirche,
wogegen die E. ©. ded Nordens der Staatslirhe
dient. In der deutſchen Schweiz verfolgt eine ortho⸗
dor: pietiftifche €. ©. rc *
angeli * Kirche, j. Evangeliſch.
Evangeliiche Kirchenkonferenz, Deutih:,
f. Eiſenacher Kirchenlonferen;.
EvangelifheKirchenverfafiung. Dieevany-
Kirche ift auf die beiden Principien der unfichtbaren
Kirche und des allgemeinen Priejtertums begründet.
Beide haben zunachſt eine oppofitionelle Kg
gegenüber der kath. Kirche, denn fie leugnen da
die Zugehorigleit zur äußern kirchlichen Anftalt Be:
dingung des Seelenbeils fei, und zertrümmern bie
Drganilation dieſer Anftalt, die A dem befondern,
Evangeliiche Dftafritanifche Miffionsgejellichaft — Evangelifcher Bund
zit göttliher Weihe begabten Stande des Klerus
6.2.) aufgebaut iſt. Dagegen ift dieſe Lehre untaug:
üb für die pofitive Berfotfungsbilvung, denn eine
unſichtbare Kirche kann nicht ſichtbar verfaßt fein,
und ein allgemeines Priejtertum ift firhliche Anar⸗
die, aljo der Gegenjas jeder Verfaſſung. Darum
bedurften beide Principien ver Mopifilation, die
fe ſchon im Reformationgzeitalter jelbit gefunden
baben. Man geftand zu, daß die unſichtbare Kirche
in der ſichtbaren enthalten und aljo —
fabig ſei, und man verlangte, daß die allen zuſtehende
priejterliche Befähigung durch ein geordnetes Amt
zur Ausübung fomme. Als fih aber die Hoff:
zung auf lübertritt der Mehrzahl der Biſchöfe als
eitel erwiejen hatte, war die Zeit der frifchen ver:
faffungsbildenden Kraft unbenugt vorbeigegangen
und batten die deutſchen Landesherren in der Kirche
die Stellung eingenommen, welde vorher die Bi:
ihöfe gebabt batten (j. Summepijlopat). Daher iſt
in Deutſchland keine deutſche evang. Kirche zur Ent:
febung gelommen, und die Territorien erhielten
Krchlich nicht einmal den Zufammenbang, den die
Reihsorganifation politiih gewährte.
Die Berfafjung bat ſich demnach ſchon im 16. Jahrh.
dabin geſtaltet, daß die Landesherren und Stadt—
magiſtrate Biſchofe ihrer Kirchen wurden und fo ihr
—* liches Amt ungetrennt von dem weltlichen führ⸗
ten, denn die Forderung, fi für das legtere geijt-
lihen Beirats zu bedienen, erwies fich bald als eine
praftifh unwirtſame. Unter den Obrigfeiten führten
von ibnen beitellte, aus Geiftlihen und Nichtgeiſt—
lien zuſammengeſetzte Behörden (Konſiſtorien)
das kirchliche Regiment bald indem Umfange und mit
der Kompetenzabgrenzung wie früher die lath. Bi:
iböfe. Die Verbindung zwiſchen Konfiftorien und
Geijtlihen wurde durd von jenen delegierte Super:
intendenten oder Dekane geübt. Von irgend welchen
Rechten der Gemeinde, worin der Gedanke des all:
—— prieſterlichen Berufs allein zum Ausdruck
mmen konnte, war bald feine Rede mehr, und höch—
ſtens negativ fonnte fie bei ver Wahl der Pfarrer
m einigen Territorien ihren Willen äußern.
Die reform. Lehre iſt von vornherein auf eine
radikale kirchliche Neubildung ausgegangen und hat
auch eine hg ph aufgeitellt, die fie aus der
Heiligen Schrift ſelbſt abzuleiten unternahm. Dem:
nach regiert die Gemeinde fich ſelbſt durch ein Kolleg
gewählter Männer (Presbyterium), welches
dem Geijtlichen zur Seite tritt, ihn ſelbſt fontrolliert
und mit ibm die Gemeinde. Die organische Verbin:
dung der verjchiedenen Gemeinden wird in einem
Repräfentativförper gefunden, der aus den Geiſt—
lichen und einer gleihen Zahl von dem Presbyterium
ze Nichtgeiſtlichen bejteht und das oberfte
irhenregiment handhabt. Dies find die Grund:
danfen der hr td Freilih in
eutſchland vermochte die reform. Kirche dieje Ver:
faffungsform nur bei den aus dem Auslande dort-
bin geflüchteten Gemeinden aufrecht zu erhalten.
In den reform. Territorien nahmen die Landesher⸗
ten diefelbe Stellung für fi in Anfprud wie die
luth. Fürften in ihren. Die. preöbyteriale Organi-
fation wurde allerdings vielfah erhalten, da und
dort aueh die ſynodale, die aber dann in Unterorp:
rung zum Zandesherrn trat, indes beifpieläweife in
Yülih-Eleve-Mark, eine jolhe Kraft bewährte, daß
te dort auch auf die lutb. Kirche übertragen wurde.
Tie febre der Union (J. d.) bradıte die beiden evang.
firhen äußerlich zuſammen und mußte zu einer
327
Ne hung der Berfajjungselemente führen. Auch
die Erfenntnis, die Gemeinden, die in ihrer Paffivis
tät erjtarrt waren, wieder zu neuem Leben zu er:
weden, hatte ein gleiches Ergebnis. So * aſt
allen deutſchen Staaten, mit Ausnahme von Mecklen⸗
burg, eine presbyterialſynodale Organiſation ein⸗
geführt und mit der fonfiftorialen verbunden. (©.
—— und Synodalverfaſſung.) —
Vol. Friedberg, Das geltende Verfaſſungsrecht der
evang. Landeskirchen in Deutichland und Hfterreich
(2p3. 1888); Nieler, Die rechtliche Stellung der
evang. Kirche Deutſchlands (ebd. 1893); Kahl, Lehr⸗
ſyſtem des Klirchenrechts (1. TL., Freib. i. Br. 1894);
Köhler, Lehrbuch des —** evang. Kirchenrechts
(Berl. 1895); Friedberg, Lehrbuch des kath. und
evang. Kirchenrechts (5. Aufl, J . 19083).
Evangeliihe Oftafrifan ine Miffions:
peienkhett, I. Miſſionsgeſellſchaft für Deutſch⸗
tafrita.
Evangeliſche — ellſchaft für
Rheinland und Weſtfalen, ſ. Bd. 17.
Evangeliſcher Afrikaverein, ſ. Bo. 17.
—— Ratſchläge, ſ. Consilia evan-
gelica.
Evangeliſcher Bund zur Wahrung der
deutſchproteſtantiſchen Intereſſen, eine
Verbindung, die alle Proteftanten Deutſchlands
zur Abwehr der nad —— des Kulturkampfes
ewachſenen Anmaßungen Roms vereinigen und die
menden Gegenfäge innerhalb der evang. Kirche
überwinden will, geitiftet zu Erfurt 5. Dit. 1886,
trat 15. Jan. 1887 mit einem von —— 250
angejebenen Namen unterzeichneten Aufruf an bie
Sftentlichleit. Die Bundesverfammlung in Eifenad
(1889) wies bereit3 30 Haupt: und 430 Zweig: und
Ortsvereine mit über 60000 Mitgliedern auf. Im
. 1906 zäblte er in 1506 Zweigvereinen 238945
Mitglieder, dazu in 454 «angeichlofjenen Ver:
einen» noch 89377 Mitglieder. Seitdem bat ſich der
Bund über ganz Deutichland verbreitet und auch im
Norden und Diten Fuß gefaßt, nahdem er zuerft
überwiegend in Weſt⸗, Süd: und Mittelveutichland
Anklang gefunden hatte. Die Bundesbuchbandlung
in Leipzig verbreitet zablreiche Zlugierilten und
größere Arbeiten. Der Sitz des E. 2. ift in Halle
a.©. Organ ift die — — für die
Mitglieder des E. B.» famt Litteraturblatt und
Unterbaltungäbeilage. Der röm. Flugfchriftenlittes
ratur wird eine deutſch⸗evangeliſche — e⸗
ſtellt. In Schwäbiſch-Hall, — in Freiburg i. Br.
errichtete der E. B. Dialoniſſenanſtalten, außerdem
leiſtete er Beihilfe zu zahlreichen Diaſporaanſtalten;
insbeſondere unterjtügt er die evang. Bewegung in
Hfterreih. VBereinsverfammlungen mit öffentlichen
Vorträgen und Beiprehungen der kirhenpolit. und
focialen Zeitfragen eritreben die Kräftigung des
evang. Gemeindelebens und die Schärfung des prot,
Gewiſſens. Von den een des E. B.»,
bg. vom Borjtand des €. B. (Halle und Lpz. 1887
18), find bis 1906: 244 Hefte, von den kürzer ge:
altenen «Wartburgbeften» 35 erſchienen. 1908 iſt
in Cjterreih ein Deutich:evangelifher Bund
ins Leben getreten. — Vol. Warned, Der €. 2.
und feine Gegner (Gütersloh 1889); Meyer: Her:
mann, Der Kampf des E. B. gegen Rom (Barmen
1890); Witte, Der E. B., fein gewiejenes Recht und
fein gethanes Wert (ebd. 1896); Nippold, Die An:
fänge des E. B. und feiner Preptbätigfeit (Berl.
1897); deri., Die mei erften Jahrzehnte des E. B.
328
83 1906); Wächtler, Der E. B. nach 20 Jahren
ebd. 1906). [rervereine.
Evangelifcher deuticher Zehrerbund, ſ. Leh⸗
Evangelijcher Diafonieverein, ſ. Bo. 17.
Evangelifcher rg j. Bd. 17.
Evangelifcher Kirchentag, ſ. Kirchentag.
4 Evangelifcher Oberfirchenrat, j. Oberlir:
enrat.
Evangelifcher Troſtbund, ſ. Chriftlicher Zeit:
ſchriftenverein (Br. 17).
Evangeliihed Johannesftift in Plötzenſee
bei Berlin, f. Bd. 17.
Evangelifche Union, ſ. Union (irchliche).
Evaungeliſche VBaterlandsitiftung, |. Schwe:
diihe Miſſion. [Bp. 17.
8 :firhlicher Hilfsverein, ſ.
Evangeliſch-lutheriſche Miſſion zu Leip:
zig, ſ. Leipziger evangeliſch-lutheriſche Miſſions—
geſellſchaft.
Evaugeliſch-ſocialer Kougrefz, 1890 von
evang. Männern verſchiedener lirchlicher Richtungen
begründete Bereinigung zur Bekämpfung der Social⸗
demofratie auf dem Boden des Ehriftentums. Der
€. 8. bält feitdem aus ganı Deutſchland befuchte
Sabreöverfammlungen ab. S. Evangelifcd:focialer
Kongreß (Bd. 17). — Vgl. Göhre, Die evang.:fociale
Bewegung, ihre Geſchichte und ihre Ziele (Lpz. 1896).
Evangeliftarium (lat.), ſ. Leltionarium.
Evangelijten (d. b. —— einer frohen
Votſchaftſ in der ältern Kirche die Bezeichnung der
Apojtelgebilfen, die, von einer Gemeinde zur andern
reifend, das Evangelium predigten, wie Philippus
(Apoſtelgeſchichte 21,8) und Timotheus (2 Tim. 4,5).
Später wurde das Wort auf die Verfaffer der vier
ſchriftlichen Evangelien eingeſchränkt. In der chriſtl.
Kunjt wurden die E. jeit dem 5. Jahrh. durch die
Evangeliftenzeihen (ſ. aud an) „imbos
Lich dargeftellt: Matthäus als geflügelter Menſch,
Markus ala Löwe, Lulas als Stier, Johannes
als Adler; fpäter als vier Menfchengeftalten mit
dem Kopfe des betreffenden Zeichens. Dann vom
13. Jahrh. an wurden den Geitalten der E. jene vier
eihen als Attribute beigefügt. Berübmt find die
tatuen der E. (von Ghbiberti, Donatello, Giov. da
Vologna, Baccioda Montelupo) an den Außenjeiten
von Or San Miele in Florenz und die Frestobilver
von Domenichino in der Kuppel von Sant’ Andrea
della Valle zu Rom. — In der griech. Kirche beißen
die das Evangelium vorlejenden Diatonen E., bei
ben Irvingianern die Miffionsprediger. — Bol.
Zödler, Dialonen und E. (Münd. 1893).
Evangelium (ar. euangelion, «frohe Bot:
ſchaft»), in der chriſtl. Urzeit die Botſchaft von der An:
tunft des Meſſias; erſt jpäterhin wurde das Wort
aud von den Schriften über Jeſu Leben und Lehre
gebraucht. (S.Evangelien.) In der chriſtl. Dogmatit
wird das E. als die Botichaft von der göttlichen
Gnade in Ehriftus dem Gejeke als der fittlichen
Anforderung Gottes an den Willen des Menſchen
gegenfberge tellt und beide Stüde unter dem Namen
«Wort Gottes» zujammengefaßt. Auch wird €.
der Abjchnitt evang. Geſchichte genannt, den der
Geiftlihe beim Gottesdienjte an Sonn: und Felt:
tagen vorliejt oder (in der lath. Kirche) der Dialo—
nus beim Hochamte fingt. (S. Beritopen.)
Evangelium, ewiges, f. Ewiges Evangelium.
Evaniidae, f. Hungerweipen.
Evans (fpr. eww'ns), Sir George De Lacy, brit.
General und Barlamenterier, geb. 1787 zu Moig
Evangelifcher deuticher Lehrerbund — Evans (Mary Anne)
in Irland, begann 1806 feine militär. Laufbahn um
Dienfte der Oſtindiſchen Compagnie, wo er die Er:
oberung von Mauritius und den Krieg gegen die
Pindehris mitmachte, und trat 1812 als Yeutnant
in ein Dragonerregiment, mit dem er in Spanien
unter Lord Wellington focht. Als Offizier im Ge:
neraljtabe zeichnete er ih 1813—14 in Nordamerila
aus, nahm dann 1815 an der Schlacht bei Waterloo
teil und wurde zum Überjtleutnant bejördert.
1818 außer Altivität gelebt, wendete er ich der
Volitit zu, trat mit den Radikalen in Berbindung
und wurde 1831 und 1833 ins Barlament gewählt.
Er übernahm 1835 mit dem Range eines General:
leutnants im jpan. Heere den Oberbefehl über die
gegen Don Carlos in England geworbene Legion,
legte vor San Sebaitian, vor ages, auf den
Höhen von Amezagana, wurde bei Driamendi ge:
ſchlagen und ſchloß den Feldzug im Juni 1837 mit
Erjtürmung der Stadt Jrun. Nach England zurüd:
— wurde er abermals von Weſtminſter zum
bgeordneten gewählt und zum brit. Oberſten er:
nannt. Er ſtimmte 1846 für die Abſchaffung der
Kornzölle, wurde bei den allgemeinen MWablen von
1847 von neuem mit der Vertretung MWejtminiters
betraut und wirkte feitbem für alle von der liberalen
Partei vorgebrabten Maßregeln. Im Juni 1854
um Generalleutnant erboben, befebligte er im
rientlriege die 2, Divifion und lämpfte an der
Alma und bei Balallama, mußte aber Anfang 1855
ſich krankheits halber wieder nab England einſchiffen.
1865 zog er ſich vom öffentlichen Leben zurüd. €.
jtarb 9 Yan. 1870 zu London. u
Evans (fm. emw'ns), Mary Anne, engl. Schrift:
ftellerin, mit ihrem Verjafjernamen George Eliot,
eb. 22. Nov. 1819 zu South-Farm bei Eolton in
arwid ald Tochter eines Zimmermann, erbielt
die erjte Erziehung in einer Privatſchule in Coventry
und wohnte dann in Griff, bis ihr Vater 1841 nad
Coventry zog. Hier lernte fie Griechiſch, Lateinifch,
Deutſch, Franzoſiſch, Italieniſch und Hebräiſch und
veröffentlichte 1846 eine UÜberſezung von Strauß’
«Leben Jefun. Seit 1849 unternahm fie Reifen auf
dem Feitlande und lieh fib 1851 auf Veranlaſſung
Chapman, des Herausgebers der «Westminster
Review», in London nieder, um ibm bei der Redal:
tion behilflich zu fein. Eie felbit lieferte mehrfache
Beiträge, unter anderm eine vorzüglice Arbeit über
9. Heine, zu gleicher Zeit auch eine Überfekung von
Feuerbachs «Weſen des Ebriftentums> (Lond. 1854).
Als Schriftftellerin wurde fie indeſſen zuerft durch
die urjprünglich in «Blackwood's Magazine» er:
jchienenen Novellen «Scenes of clerical life» (2Bpe.,
Edinb. 1858) befannt, meijterhafte Charakterbilder
aus dem Leben der engl. Landgeiftlichteit, befonders
der Difjenters. Größere Aufmerkjamtleit noch erregte
der Roman «Adam Bede» (3 Bde., Lond. 1859;
deutſch in Reclams «lUniverjalbibliotbet»), der fie
in die erfte Reibe der engl. Romanſchriftſteller erbob.
Seine Vorzüge find echt epifche Kraft und Fülle,
ebenfo tiefe als glänzende Ebaralterentwidlung und
große Kunſt in der Schilderung der mittlern und
niebern Kreife des engl. Brovinzlebens. In denſel⸗
ben reifen bewegte — der Roman «The mill on
the floss» (3 Bpe., Lond. 1860; deutih in Reclams
«Univerjalbibliothel»). Weniger bedeutend, aber in
ibrer Art gleih vorzüglib war die novelliſtiſch—
pſychol. Etudie «Silas Marner, the weaver of Ra-
veloe» (Lond. 1861; deutich in Reclam allniverjal:
bibliotbel»). Hierauf folgte «Romola» (3 Bpe., ebr.
Evans (Dliver) — Evaur 329
1863), worin fie ein großartiges Bild der florentin. | auf Rädern montiertes flaches Fahrzeug, das, durch
Amaifiancezeit der zweiten Halfte des 15. Jahrh. ein von einer Dampfmajchine bewegtes Schaufel:
ausführte. In dem Roman «Felix Holt, the radi- | rad getrieben, den Schupltillfluß befuhr, um die
alı (3Bve., Lond. 1866) kehrte fie mit geringem | Dod3 von ‘ Biladelpbia zu reinigen. Der Trans
Erielg in die Kreiſe des engl. Brovinziallebens | port des Fahrzeugs von der Fabrit nad den Docks
j Dann veröffentlichte fie mehrere Romane | wurde von der Mafchine desfelben, die alfo bier ala
end Rovellen in Berjen, zuerſt «The Spanish gipsy» | Lolomotive diente, bewirkt. Im Sept. 1804 legte
(end. 1868; 5. Aufl. 1875), eine —— e Ge: | E. der Lancaster Turnpike Company einen fiber:
hihte aus der jüD.-maur. Welt Spaniens. Dann ſchlag der Koſten des Lolomotivbetriebes auf Land:
figten die fürzern «Agatha» (ebd. 1869), «Arm- | ftraßen vor, wobei er die Leiftung des Dampf:
gart, a dramatic poem» (ebd. 1871) und «The | wagens —— von zehn fünffpännigen Wagen
kgend of Jubal» (1876). Die Form diefer Dich: | entgegenftellte. Er brachte mit den bejceideniten
tungen, in denen alle poet. und ftiliftifchen Vorzüge | Mitteln die von Watt erfundene Dampfmafdine der
ver Berfaflerin bervortreten, ift meift der reimloje — — auch war er der erſte, der ernſt⸗
üinftüßige Jambus. In Proſaform veröffentlichte | lich verſuchte, die geſteigerte Kraft des Dampfes als
ke dann die Romane «Middlemarch» (4Bde., Lond. Betriebsmittel für den öffentlichen Verkehr gr
1872) und « Daniel Deronda» (4 Bde., ebd. 1876), | führen. der Müllerei verdankt man ihm eine
von denen der erftere als ihre bedeutenpfte Leiftung | ganze Reihe von Mafchinen und Mafcinenteilen,
ınerftannt wird. RX «Daniel Deronda» zeichnet fie | wie das Becherwert (den Elevator), die Transport:
ene Anzabl jüd. Ebaraltergeftalten mit oft ſchwär⸗ — (den Conveyer), den Neblabtabler den Auf:
merijcher Bewunderung der großen —— ütter und mehrere andere Apparate, Sein be
es dentumd. 1879 erſchien eine Sammlung | reit3 1797 in Neuyort erfchienenes Wert «The young
von Cfjays: «Impressions of Theophrastus Such», | millwright and miller's guide» blieb noch lange
Am 30. Nov. 1878 ftarb ©. H. Lewes (f. d.), mit | nach feinem Tode muftergültig, erſchien 1853 in
vem fie viele Jahre im intimften Verhältnis ge: | 14. — biladelphia) und wurde von Benoit
lebt batte, obne mit —* verheiratet zu fein, da | ins Franzoſiſche überſetzt Par. 1830). 1805 ſchrieb
L!ewes”’ Gemahlin, obgleih im Serenbaufe, lebte. | er «The young steam-engineer’s guide» (in franz.
Am 6. Mai 1880 beiratete fie John Walter Erof, | Überjegung von Doolittle, 3. Aufl., Bar. 1838).
karb aber nad kurzer Krankheit ſchon 22. Des. | Evansicher Lenker, |. Geradfübrung.
ISO. Auszüge aus ihren Werten erjhienen in: Evanfton (ſpr. ewwenſt'n), Orte in den Ber:
«Wise, witty and tender ep selected from the —*— Staaten von Amerika; darunter: 1) Stadt
works of George Eliot» von A. Main (Edinb. 1872 | im County Coot in Illinois, am Michiganſee ſchön
u. d.). Bon Ausgaben find zu erwähnen: «Novels gelegen Ni den Plan: Ehicago), mit (1900) 19259
of George Eliot» (6 Bde., Lond. 1867—78), «The | €., ıft Sik der 1855 gegründeten Northwestern
works of George Eliot» (20 Bde., Edinb. und Pond. | University und Wohnort reicher Chicagoer. —
1878 — 80), «The complete poetical works of | 2) Hauptort des County Uintah in der Sühmeftede
George Eliot» Dan 1880), «Complete poems | von Wyoming, in malerijher Gegend, an ber
—— Eliot», bg. von Browne (Boft. 1889). Union-Pacı c:Babn, hat (1900) 2110 €., Kohlen⸗
ch ibrem Tode erjhien die Autobiographie | bergmwerte, Eiſenbahnwerkſtätten; Viehhandel.
«George Eliot’s life, as related in her letters and Evansville (jpr. ewwenswill), Hauptjtadt des
seh Arranged and edited by her husband | County Banderburgb im nordameril. Staate Ins
J. W. Cross» (3 Bde., Lond. 1885). — Vgl. Lord | diana, auf dem rechten Ufer des Obio, 310
Acton, George Eliot (deutih von Jmelmann, Berl. | unterhalb Louisville, hat (1900) 59007 (gegen
1886); Ruſſell, George Eliot, her genius and | 1880: 29280) E., bedeutende Aus ubr von Kohle
writings ( —* M. Blind, . Eliot (2. Aufl., | Holz, Tabat, Getreide und Schweinefleisch, die dur
Zond. 1883); €. von Wolzogen, George Eliot gr —* auf dem Ohio und durch fleben bier
1885); Drustowis, Drei engl. Dichterinnen (Berl. | kreuzende Eiſenbahnen vermittelt wird. Die ein
1885); H. Conrad, George Eliot (ebd. 1887); D. | Kapıtal von 31 Mill. Doll, darftellenden 400 ge:
Bromning, Life of George Eliot (Lond. 1890); | werbliben Anlagen beſchäftigen 11000 Arbeiter.
Gaetano Negri, George Eliot (2Bde., Mail.1891); | &vaporieren (lat.), j. Abdampfen.
Ihomfon, George Eliot (Lond. 1901); 2. Stepbeng, Evaporimeter, Evaporometer, ſ. Ber
George Eliot (ebd. 1902). dunſtungsmeſſer.
Evans (ſpr. eww'ns), Dliver, amerit, Mecha⸗ Evareſtus oder Ariſtus, nach Angabe der röm.
niter, geb. 1755 in Newport in Delaware, geft. Biſchofsliſten der vierte Nachfolger des Apoſtels
19. April 1819 in Pittsburgh, erfand in Früher Sur etrud. Er foll unter Trajan ums 9. 109 den
gend eine Spinnmajdine und eine Mübleneinrich: ärtyrertod erlitten haben; Gedächtnistag 26. DE.
tung und entwarf eine Hochdruckdampfmaſchine Evafion (lat.), das Entweihen, Entwiſchen;
ohne Rondenfation, die er aud zur Fortbewegung | Ausfludt; evafdrifch, als Aus uct dienend,
von Wagen vorſchlug. Ferner erfann er eine Ra: | Cvasthal, ſ. Faſſa (Bal di).
ſchine zur Herftellung der Drabtzähne für Kragen: ‚ Evang (ipr. emob), Hauptitadt des Kantons €.
beibläge, wie fie in der Woll: und Baummwollipin: | im Arrondijiement Aubufion des franz. Depart.
nerei gebraucht werben. Um 1780 verband fid €. | Ereuje, 43km nordöſtlich von Aubufion, ander Linie
wit feinen Brüdern, die Müller waren, und wen: | Montluson : Eygurande: Merlines der Franz. Dr:
dae feine Erfindungsgabe mit ausgezeihnetem Er⸗ léansbahn, hat (1901) 1835, als Gemeinde 3443 E.,
iolg zur Berbeijerun des Mübhlenbetriebes an. Eine | Gerbereien, Ziegeleien, Färbereien, Nagelſchmieden,
um 1800 erbaute Dampfmajhine diente zum Be Wachsfabrilen, Handelmit Hanf, Leinwand, Kürſch⸗
trieb einer Getreide: ſowie jpäter einer Gipsmuhle. nerwaren, Hol; und Getreide, —F warme Quellen
Im Auftrage des Sanitätslollegiums in Phila: | (29—56,4° C.), welche Schwefel, Natron, Stidftofl
delphia baute er 1804 eine Art Dampfbagger, ein | und Eifen entbalten und ſowohl zum Trinken ale
330
uud zum Baden benugt werben. In unmittelbarer
Näbe hat man Ruinen röm. Bäder, waährſcheinlich
vom Orte Evahonium gefunden.
Evektion (lat.), die beträchtlichfte der Störungen
der —— wurde bereits von Ptolemäus
entdedt. Infolge derjelben find die wahren Längen
des Mondes zur Zeit des Boll: und Neumondes
(Epayelen) immer um 1° 20’,5 größer, zur Zeit der
ondviertel (Duadraturen) um e enfo viel Heiner
als die mittlern Längen desſelben. Die Periode,
innerhalb deren fih die E, wiederholt, dauert
81,8 Tage, alfo etwas länger als ein fonodifcher
Umlauf.
&nement (fr;., jpr. emen'mäng), Begeben:
beit, Ereignis.
Even money (engl., fpr. ihw'n mönni, «gleiches
Geld»), die bei der Buchmacherei (f.d.) abgeſchloſſene
u = mit gleihen Säßen. Gegenfaß Odds (f. d.).
entail (ir;., * ewangtäj), Fächer; Auf:
marjc en &ventail (pr. annewangtäj), früher Aus:
drud für den gewijjermaßen fäherförmig erfolgen:
den Aufmarfc einer offenen Kolonne zur Linie.
Eventilieren (lat.), durb Luftzug reinigen;
davon das Subjtantiv Eventilation,
Eventration (lat.), ein Brud, in dem ber
größte Teil der Baucheingemeide vorfällt; bei Ope⸗
rationen in der Bauchböhle vorübergehende Lage:
rung der Gedärme außerhalb der Unterleibshöhle.
ventuälbelehnung, Beriprehen des Lehns—
er an eine Perſon, je fie in Zufunft ein Lehn
ei deſſen ey erbalten folle. Das De
aus der E. ift auf beiden Seiten vererblid. €.
unterſcheidet ſich durch ihre eg Natur von
der nur ein perjönliches Necht auf Belehnung N
benden und im Rollifionsfalle ——— ⸗
wartſchaft oder Exſpeltanz. (S. Belehnung.)
Eventuälfrage, ſ. Hilfsfrage.
Eventualität (neulat.), möglicherweiſe ein:
tretender Fall; eventualiter, nötigenfalls, mög:
licherweife, vortommenven Falls.
Eventuälmagime, der frühere ee
liſche Grundſatz, wonach die Parteien ihre gleich:
artigen Verteidigungämittel und Rechtsbehelfe,
wie llagebeftreiten und Cinreden oder Beitreiten
von Einreden und Repliten, auf einmal vorzu:
bringen hatten, alfo in eventum, d. b. in dem
Sinne, daß immer das nädjtfolgende Vorbringen
in Betracht zu pen. fall das voraufgebende er:
folglos jein \ te. Der * dieſer Maxime war,
Verſchleppung des Prozeſſes zu verhüten, Der Ge:
danke war aus dem kanoniſchen in das vormalige
gemeine deutſche erg übernommen und
dur die Reichsge 2 ebung und die Praris zu
einem das ganze Ber * eherrſchenden Princip
ausgebildet worden. Mit der Mundlichleit ift, die
GE. nicht wohl gie: Die Deutfhe Reichscivil—
prozeßorbnung bat diejelbe aufgegeben. Nach ihr
können die Parteien Angriffs- und Verteidigungs:
mittel bis zum Schlufje derjenigen mündlichen Ver:
bandlung, auf welche das Urteil ergeht, geltend
maden. Zur Berbinderung der Prozekverfchlep:
pung bedient die Deutſche Civilprozeßordnung be
anderer Mittel, jo namentlich der Vorſchriften, da
das Gericht ein auf Verſchleppung abzielendes nad:
trägliches Vorbringen einer Partei zurüdmeijen,
ferner der Partei, die durch ſchuldhaft verzögertes
Vorbringen die Erledigung des Nechtäftreits bin:
gicht, auch im Falle ihres Obſiegens die Prozeß—
ojten ganz oder teilweiſe auferlegen darf.
Eveltion — Everett (Alexander Hill)
Eventuell (vom lat. eventus), möglicherweije
eintretend, ſich ereignend, auf einen etwa eintretens
den Fall berechnet.
Evöntus (lat.), Ausgang, Erfolg; E. doc&bit,
ber Erfolg wird es lehren; E. stultörum magister,
der Erfolg ift der Lehrer der Thoren, d. b. überzeugt
die Thoren; E. bonus, ſ. Bonus Eventus.
Ever (engl., jpr. emmw’r), immer; for ever, auf
Ever, Fahrzeug, ſ. Ewer. (immer.
Everaert3 (ipr.-abrt3), f. Jobannes Secundus.
Everdingen, Allart van, bolländ. Maler und
Kupferfteher, geb. 1621 zu Altmaar, war Schüler
der Landſchaftsmaler Savery und Pieter Molyn,
machte 1640—44 Reifen nad) den Hüften bes Bal:
tifhen Meers und Norwegen und gewann dadurch
die Anregung für feine eigentümliche Richtung in
der Sandı: e An melde auf naturaliftiicher
Bafıs den Zauber hoher Romantik und eine tiefpoet.
Stimmung zu erreichen wußte. Zurüdgelehrt, war
er vn: in Haarlem thätig; 1652 ließ er ſich
in Amfterbam nieder, wo er Nov. 1675 ftarb. Er
malte vorzugsweiſe einfame Gebirgsgegenden, ftille
Maldthäler, verfallene Mühlen, Einjievlertlaufen
u. dgl. anf derartige Land haften befigt bie
Dresdener Galerie, andere in Amſterdam, Berlin,
Münden, Paris und Petersburg. Als Rabierer
lieferte er über 150 Blätter mannigfaden Stoffs,
morunter ‚Bergee enden und Seeanſichten von fri⸗
cher, großer Auffaſſung vorherrſchen. Am belann»
teiten jind die 57 Jlluftrationen zu einer Ausgabe
des alten «Reinede Fuchs» (in Gottſcheds fiber:
jebung, 2. Aufl. 1752). Hier zeigt fih E.3 Bega:
ung aud auf dem Gebiete des Humoriſtiſchen. —
Bol. Drugulin, Allart van E. Catalogue raisonnd
de toutes les estampes qui forment son @uvre
grave (2p3. 1873); Granberg, Allart van E. (Stodb.
1902). lſanlar und Himalaja.
Evereft, Nount: (fpr. maunt &wmw-), ſ. Gauris
Evereft (ſpr. eww·), Sir George, engl. Inge
nieur, geb. 4. Juli 1790 zu Gmwerndale bei Brednod
in Wales, wurde 1818 Aififtent bei der trigonomes
triſchen Vermefjung Indiens unter Oberſt Lambton.
Nach dejien Tode leitete €. die Vermeffung 1823—
43 und vollendete dabei 1841 die ind. Meridian:
rabmefjung. E. ftarb 1. Dez. 1866 in London,
hm zu Ehren benannte fein Nachfolger Waugh den
aurifanlar (f. d.) Mount:Evere ,
Everett (ipr. Sf) Alerander Hill, nordamerit.
Diplomat und Schriftiteller, geb. 19. März 1792
in Bofton im Staate Maſſachuſetts, ftudierte die
Rechte und bilvete fih praltiih auf dem Bureau
des jpätern Präfidenten John Quincy Adams aus,
den er 1809 als Gejandtihaftsjelretär nad Beters-
burg — Er lehrte 1812 zurüd, ging 1815
in derfelben Cigenihaft nad dem Haag, wo er
1818—25 ala — der Vereinigten
Staaten thätig war. 1825—29 war er Geſandter
in Spanien. In der anonymen Schrift «Europe,
or a general survey of the present situation of the
principal powers with conjectures on their future
rospects» (Boft. 1822; deutſch von Jalob, 2 Bde.,
amb. 1823) jtellt er den Zuftand ber europ.
Hauptmädte als einen Kampf der Fürſten mit den
Völtern dar, worin die von lektern vertretene
polit. Freiheit fiegen werde. Als Seitenftüäd jchrieb
er jodann die nicht minder interefjante Schrift
«America, or a general survey of the political
situation of the several powers of the western
continent» (Philad. 1827; deutſch, 2 Boe., Hamb.
Everett (Edward) — Evesham
1828). Zwiichen beiden Werten erjhien von ihm
ıNew ideas on population, with remarks on the
theories of thus and Godwin» (2ond. 1828;
2 Aufl., Boft. 1826). Nach feiner Rüdtehr 1829
* er die «North American Review», welche
a bis 1836 redigierte. Nahdem er während der
weg Amtsperiode Jachſons zur demokratiſchen
ttei übergetreten, wurde er wieder zu einzel
en diplomat. Miffionen verwendet, fo 1841 zu
aner vertraulichen Sendung nad Cuba. Poll
ihidte ihn 1845 als Kommifjar nad China, wo
nr 29. Mai 1847 ftarb.
Everett(ipr.eww-), Edward, nordameril. Staat
san, Bruder des vorigen, geb. 11. April 1794 zu
dereiter in Ma as, bier ee. er:
sieltin jeinem 20. Fahre eine Bredigerftelle in ofton
und begab fich, um die griech. Sprade zu ftubieren,
1815 nad Göttingen, 1817 nad Paridunddannnad
nd. Nachdemn er noch Stalien, Griehenland und
vie Zürtei bejucht hatte, lehrte er 1820 nach Amerila
wrüd und wurbe Profefjor der griech. Sprache in
Cambridge. Zugleich übernahm er die Redaktion
ver «North American Review», Er wurde 1824 zum
Mitglied des Kongreſſes, 1836 zum Gouverneur
son Mafjachufettö gewählt und belleivete leßteres
Amt bis 1840. Unter Harrifons Präfidentidaft
wurde er 1841 zum Geſandten in England ernannt,
»o er bis zum Herbit 1845 blieb. Dann trat er
As Bräfivent an die Spitze des Harvard College in
Sambridge und folgte nad Webſters Tode ov
182) dieſem als Staatäjetretär für die legten
vier Monate der Amtsperiode Fillmores. In die
jee Stellung ordnete er die mit Spanien wegen
Euba entitandenen Differenzen, lebnte aber ven
Borſchlag Englands und Frankreichs ab, mo:
nah dieje Mächte und die Vereinigten Staaten
Spanien den Bejig von Cuba — ſollten.
Noch bevor er jeine Stelle im März 1863 nieder:
legte, wurde €. von feinem Staat zum Senator
gran. verzichtete aber frankheitähalber ſchon im
11854. Im J. 1860 lie er ſich als Vicepräfident:
ſchafte landidat aufitellen, lam aber nicht durch und
lebte fortan den ifienihaften. Er ftarb 15. Jan.
1865 in Bofton. Bon ihm erſchienen «Orations and
speeches» (4 Bde., Bot. 1869). — Bol. Bugbee,
A Memorial of Edward E. (Bojt. 1865).
Everghem (Evergem), Hauptort des Kantons
E. im Arrondifjement Gent der belg. Provinz Oft:
Handern, am Kanal von Gent nad Terneuzen und
an den Linien Gent: Eecloo-Brügge der Belg. Pri⸗
vatbabnıen und Gent:Somergem der Belg. Bicinals
babnıen, bat (1900) 7675 E. Baummwoll: und Leinen:
induftrie. Die Herrſchaft E. gebörte erft den Übten
von St. Bavo, jpäter den Biſchöfen von Gent,
Everglades (fpr. ewwerglehds), fait unpaffier:
barer Sumpf im Südende der norbamerit. Halbinfel
gloriva (j. die Nebentarte zur Karte: Vereinigte
Staaten von Amerila. II. HÖjtlidher Teil),
an das Süpdende des Sees Dleechobee anftoßend,
2357,44 km lang und 96,54 km breit, mit einem
Waſſerſtande von O,3 bi 1 m, der in der Regenzeit
—— Juni und Oltober fh vergrößert. — Vgl.
illougbbv, Across the E. (Philad. 1898).
Evernia Ach., Bandjlecte, Flehtengattung,
deren wenige Arten auf Bäumen, alten Deunen,
Schindeldãchern u. dal. wachſen. E3 find anjehnliche
Fechten mit bandartig⸗ flachem Thallus von grau⸗
grüner Farbe, auf der Unterſeite gemöhnlich anders
geiärbt. Die jelten entwidelten Apothecien (f. Flech⸗
331
ten) haben eine ſchuſſelformige Geftalt und rotbraune
—— Die beiden bekannteſten Arten find E. fur-
uracea Fr.und E. prunastri Ach. (f. un Flech⸗
ten II, ig. 1). Die erſtere, deren Thallus auf der
Unterfeite — * ausſieht, kommt hauptſächlich
auf Nadelhölzern vor, die letztere mit unterſeits
weißem Thallus meift auf Obſt⸗, befonvers Pflau⸗
menbäumen, die durch fie leicht Dürr werben.
Evers, Franz, Dichter, |. Bd. 17
—— Gemeinde im Kreis Meſchede des
preuß. Reg.⸗ a —— in wildromantiſcher
Gegend, an der Linie Caſſe —— der Preuß.
Staatsbabnen, bat (1900) 1436 E., darunter
86 Evangeliihe, Bolt, Telegrapb, Burgruine
12. Jahrh.); Eifengieberei, a Holzſchlei⸗
erei und in der Nähe Bleierzgruben und Schiefer⸗
ruche. — Vol. Engel, Die weſtfäl. Gemeinde €.
(Stuttg. 1908).
Everfchop, unrichtige Schreibung für Hevers
dep, f. Eiderſtedt. 5
verfion (lat.), Umfturz; everftn, umftürzend,
Eversm., bei naturmillenfhaftlihen Namen
Abkürzung für Eduard Friedrich Everdmann (f. d.).
Everdmann, Eduard Friedr.,Naturforfcher und
Reijender, geb. 28. Jan. 1794 zu Hagen in Weitfalen,
dierte feit 1812 ın Marburg, Berlin, Halle und
orpat. Als he trat €. 1818 in den Dienjt der
Gemwehrfabrit I" latouft im Ural und beteiligte ſich
1820 an einer Miffion unter der Leitung des Staats⸗
rats Negri nach der Bucharei, die er in feiner «Reife
von Orenburg nad Buchara» (Berl. 1823) beſchrieb.
Unter dem Grafen Friedrih von Berg nahm E.
1825 an der friegserpebition längs dem Kaſpi⸗
ſchen Meere teil und wurde 1828 orb. Profeſſor ber
Bro ie und Botanik in Rafan. Nun unternahm
. fat alljährlih wiſſenſchaftliche Reifen in die
benachbarten Gouvernements, 1829 nad Aftrahan
und an das Kaſpiſche Meer (beichrieben im «Sour:
nal für die neueiten Land- und Seereifen», bg. von
iedenberg, 23. Jabrg., Berl. 1831), 1830 nad dem
aufafus und 1834 nah Saratow. €. zeichnete
fih bejonders ala fuftematifcher Entomolog aus.
(Er ftarb 14. (26.) April 1860 zu Rafan.
Evertebräten, ſ. Wirbelloje Tiere.
Every-man (ipr. ewweriĩ männ, «jevermann»),
Titel einer engl. Moralität (f. Moralitäten) aus dem
16. Jahrh.; in Anlehnung an nn Spiele und
auf Grund einer buddhiſti arabel, die durch
den Roman von Barlaam (. Barlaam und Sofas
phat) befannt geworden mar, ftellt fie dar, wie ber
enſch (Every-man) im Augenblide des Todes von
allen $reunden (Freundſchaft, Verwandtſchaft, Geld
und Gut) feige verlafien, nur von feinen guten
Werten vor den Richterftubl Gottes begleitet wird.
Das engl. Drama ift fein Original, fondern die Über:
egung eines nieberländ. Stüdes «Elkerlijk», das
etrus Dieſthemius (van —* zu Ende des
15. Jahrh. verfaßte; das niederländ. Werk wurde
durch Ischyrius (f. d.) als «Homulus» und durch
Macropedius (f. d.) als «Hekastus» lateiniſch, 1540
biernad von dem Kölner Buchdrucker Jaspar von
Gennep frei nieberbeutfch bearbeitet und bat fo
mittelbar großen Einfluß auf das deutſche Drama
de3 16. Jahrh. gewonnen. — Vgl. Goedele, E.,Homus
[us und Helaftus (Hannov, 1865); Yogeman, Elker-
lijk, a 15'® century Dutch morality (Gent 1891).
Evesham (ipr. ihwſchämm oder ihwjämm),
Municipalborougb in der engl. Grafihaft Worceiter,
an dem zum Severn gebenden Upper:Avon, iſt Eiſen⸗
332
babntnotenpuntt, hat (1901) 7101 E. Ruinen einer
Abtei; Gartenbau, Fabrilation von Strümpfen und
Bändern. Bei dem nahe gelegenen Battlemell
befiegte 4. Aug. 1265 Prinz Eduard, der jpätere
Eduard I., Simon von Montfort und richtete den
BER Ihron jeines Baters Heinrich III. wieder
auf. Die Legende läßt an dieier Stelle eine Quelle
bervorbringen, zu der, als einem Heilwajler, lei:
dende zus jabrbundertelang wallfabhrteten.
Eveg (lat.), aufwärts gerundet.
Evhe, j. Ewe.
Evian:led:Baind (jpr.ewiäng lä bäng), Haupt:
er des Kantons Evian im Arrondifjement Thonon:
e3:Bains des franz. Depart. Haute-Savoie, 9 km
öftlih von Thonon (f. d.), in 378 m Höhe, am fühl. |
Ufer des Genfer Sees und an der Linie Bellegarbe:
E.⸗Le Bouveret der franz. Mittelmeerbabn, bat
(1901) 2078, alö Gemeinde 3105 E., Poſt, Tele:
graph, ein Collöge, ein Hofpital; Gerbereien, Brauer
reien und Müblen. Den See entlang zieben fi die
neuen Bäder und Auranftalten mit ihren Quais
und Anlagen, dem Theater und dem Kaſino. Die
neun altalijchen Heilquellen (12° C.) werden gegen
Krankheiten der Harn: und Geichlehtäorgane und
des Darmlanals jowie gegen Gicht empfohlen. Die
Lage iſt reigend, das Klima mild, aber jehr ver
änderlich. Prachtvolle Ausfiht auf den See und
den Montblanc bietet das 6 km entfernte hobe Pla:
teau von Larringes (746m). — Vgl. Beſſon, Evian-
les-Bains (Par. 1885).
Eviotio (lat.), Entwährung (f. d.).
Evidement (fr3., ipr. emidmäang), das Aus:
haben oder Austragen kariöjer Knochen vermitteljt
charfer Löffel.
Evibdent (lat.), offenbar, augenſcheinlich.
Evidenz (lat.), die unmittelbare, anſchauliche
Gewißheit 3. B. der mathem. Erkenntnis; aber auch
die durch Beweis gewonnene, die, obwohl nicht von
gleih unmittelbarem Charalter, doch einen nicht
minder unmiderfteblihen Zwang der liberzeugung
mit fich führt.
Evidenzbehörden, in Oſterreich-Ungarn die
mit der Kontrolle der nicht aktiven Militärperfonen
beauftragten Bebörben.
Evidenzburean, diejenige Abteilung des dfterr.:
ungar. Oeneraljtabes (dem Großen Generalftab des
deutfchen Heeres entjprechend), welche ſich mit der
Sammlung, Zufammenftellung und Verarbeitung
der Nachrichten über die fremden Heere befchäftigt.
Die auf das Ausland bezüglichen militärgeogr.
Nachrichten gebören nicht zum Bereiche der dienit:
liben Thätigkeit diefes Bureaus.
Eviftion (lat.), ſ. Entwäbrung.
Evil eye (engl., fpr. ihwil ei), j. Böjer Blid.
Evilmerodädh, bibliihe Form des aſſyr.
Namens Amil:Marduf (bei Beroſus: Amilmaru:
dotos, d. b. der Mann [des Gottes] Merodab),
neubabylon. König, Nachfolger Nebukadnezars I.,
561—560 v. Ebr., wurde von feinem Schwager
Neriglifiar, aſſyr. Nirgalibarufur (d. b. Nirgal
Kgirme den König), der ibm auf dem Throne
abyloniens folgte (559— 556), ermordet. Bis
jest find feine von ibm felbjt berrübrenden Terte
elannt geworden, fondern nur einige Kontralt:
tafeln, die aus den beiden Jahren feiner Regierung
datiert find. Die Bibel berichtet, daß er bald
nad feinem Regierungsantritt den Sejahin, frübern
| von Juda, aus feiner 37jährigen Kerker—
baft befreit babe. Die Kontrakte aus feiner Ne
Ever — Evofation
gierung find herausgegeben von Evetts, «In-
scriptions of the reigns of Evil-Merodach, Neri-
glissar and Laborosoarchod» (2p;. 1892).
Eving, Yandgemeinde im Landkreis Dortmund
des preub. Neg.:Bez. Arnsberg, beitebt aus den
Drtöbezirten Niedereving und Übereving,
und bat (1900) 9592 E., darunter 4363 Ratboliten
und 26 Yeraeliten, (1905) 11296 E., Wajlerleitung
(von Unna aus); Eifenwerle, Jiegeleien und Stein-
foblenbergbau (Feche Minijter Stein).
Evinzieren (lat.), entwäbren, ſ. Entwäbrung.
Evisdcerieren (lat.), die Eingeweide beraus:
nehmen; Episceration, Ausweidung; aud eine
geburtsbülfliche Operation, ſ. Embryotomie.
Evitieren (lat.), vermeiden; Evitation, Ber:
meidung; epitäbel, vermeidbar.
Evius, ſ. Evoe.
Eviva, |. Evwviva.
E. v. M., binter wifjenfhaftliben Namen von
Tieren Abkürzung für Eduard von Martens (f. d.).
Evooäti far «Aufgerufene»), die ausgedienten
röm. Soldaten, welde ſich zur Übernahme einer
neuen Dienftzeit verpflichteten. Sie wurden im
Felde nur zum Waffendienft verwendet und waren
von jedem Arbeitsdienſte befreit. (S. auch Veteranen.)
Evooatio (lat.)‚,das Herausrufen; E.sacrörum,
bei den Römern Aufforderung an die Schupaötter
einer belagerten Stadt, dieje zu verlafien (}. De
votion). — E. im Recht (franz. &vocation, ſpr. ewo-
faßiöng), ſ. Cvotation.
Evocieren (lat.), auf:, beraud:, vorrufen, vor:
laden (f. Evotation); Evofatorium, VBorladungs:
ichreiben.
Evoẽ (lat.; grch. euoi) und Evan (grd. euän),
Jubelruf beim Feſt des Dionyjos; Evan (und Evius,
griech. Eulos) tft auch Beiname diejes Gottes.
Gvofation (Evocatio), im Staatd: und Pro—
jebrecht des Fränkiſchen Reichs und des Deutichen
Reichs des Mittelalterö (vor 1495) das Recht des
Königs mit Umgebung des nftanzenzuges (alfo
der landeöberrlihen Gerichte) nah Belieben jede
noch nicht rechtöträftig erledigte Streitſache vor jein
Gericht zu zieben, jpäter die Citation eines Bellagten
vorein auswärtige Gericht. Ebenso hieß nach dem
fanonijhen Recht des Mittelalterd das Recht des
Papſtes, als ordentlicher Richter aller Katboliten
Streitſachen derfelben, die im ordentlihen Wege in
erſter Inſtanz vor bifchöfl., in zweiter vor erzbifchöfl.
Geriht abzuurteilen waren, aus jeglichem Grunde
ihon in erjter oder in zweiter Inſtanz vor fein
xorum (nad Rom) zu zieben (evocieren). Die
Erſchwerung der Rechtspflege, die ſolche E. mit
fih bradten, veranlafte die Einrichtung, daß
die nah Rom gezogenen Streitſachen nicht dort,
fondern durch einbeimifche, vom Papſt delegierte
Richter (judices in partibus) entſchieden wurden.
Das Konzil von Trient, weldhes das päpftl. Evo:
kationsrecht befeitigte, bebielt leßtere Anftitution für
die dem Papſt zukommende Entſcheidung in dritter
Inftanz (mit Ausnahme der causae majores) bei,
indem biefelbe durch jog. judices synodales, d. b.
durch Richter, welche von der Provinzialfonode dem
Papſte vorgeihlagen werden, um dann von ibm
die Jurisdiltionsgewalt delegiert zu erbalten, im
Lande der Streitfache gefällt werben follte. Seit
Wegfall der Spnodaleinrihtung werden dieje Bor:
ihläge vom Bifchof unter Beirat feines Kapitels
emacht (daber jekt judices prosynodales), in
Deutt land und Öjterreich delegiert der Papſt jeine
Evofatorıum — Evonymus
333
mitinitanzielle Gerichtsbarkeit aufje 10 Jahre den mertung findet; Fig. 12a ftellt eine Kettenlinie (f.d.)
dihöfen. Dieſelbe bat jevod heute, mo der geift: mit zugehöriger
Eiwil- und Strafgeritsbarkeit durch das |
olvente dar.
Evolution (lat.), Entwidlung, Entfaltung; Bes
deutſche Gerichts verfaſſungsgeſetz für ganz Deutſch⸗ megung, befonders die Bewegungen (f.d.) geſchloſſe⸗
and Wirkung für das ftaatlie Leben abgeſprochen ner Truppentörper;in der Phyſio
#, nur mehr Bedeutung als Disciplinargerichts:
barleit (j. Gerichtsbarteit, geiftliche).
iangte 1873— 86, Heſſen 1875—89,
Gele vom 30. Jan. 1862, 8. 1% und Sadjen
Geſeß vom 23. Aug. 1876, $. 16) heute noch, daß
vie Kirchliche Disciplinargerihtsbarkeit nur durch
dreutiche Kirchliche Behörden gehandhabt werde. Der
Bapit muß bier alfo jeine Gemalt delegieren. Im
rang. Prozeß bedeutet &vocation die Befugnis des
derichts zweiter Inſtanz, welches ein Urteil erfter
Inſtanz aufbebt, Die Cache an ſich zu zieben, d. b.
weiter zu verbandeln und in der Sache Teibft ander:
weite Entjcbeibung zu treffen. — Über €. als reli:
aöfen Alt bei den Römern f. Devotion.
Evofatorium (lat.), j. Evocieren.
Evolena oder Epolene (pr. lähn), Pfarrdorf
im Bezirk Ering des ſchweiz. Kantons Wallıs, 17 km
ſüdſüdöſtlich von Sitten, in 1378 m Höhe, in der
obern Stufe des Eringer Thals (Val d'Herens),
techts der Borgne in breitem, grünem Thalboden
ibön gelegen, bat (1888) als Gemeinde 1121 tatb. €.
und Alpenmwirtihaft. Die großartige Gebirgänatur
und das gejunde Klima haben E, in neuerer Zeit
m einer beliebten Sommerfriſche gemacht. Rechts
wird das Thal von der fette des Safleneire
(3259 m), lintö von dem ausſichtsreichen Pic
v’Arzinol (3001 m) überragt; im SO. erbeben ſich
die majeſtätiſchen Firnpyramiden der Dent Blanche
(4364 m) und der Dent d’Herens (4175 m); im ©.
teigen die Felsnadeln der Dents de Veiſivi (3189
und 3425 m) und die eifige Dent Berroc (3655 m)
auf und im S®W. bildet, an die Gruppe des Mont:
Eollon (f. Collon [Mont:], 3644 m) ſich anlebnend,
ber vergletiherte, jharf ausgezadte Felsgrat der
Hiquilies Houges (3650 m) den Abſchluß des Thals.
Enlic in das Bald’Anniviers (f. d.) führt derraube
Eol de Torrent (2924 m), füdlich in das ital. Bal
Belline der vergleticherte Gol de Eollon (3130 m),
b EW. in das Zermatt oder Nicolaithal der
großartige Gletiherpaß Col d'Herens (3480 m).
Evolute (lat.), der geometr. Ort der Krümmungs:
mittelpuntte einer ebenen Kurve (f. Krümmung).
Wenn man einen auf der E. liegenden Faden an
einem Endpunkte befe igt und p abmwidelt, vaß der
Faden immer gejpannt bleibt, jo bejchreibt der an-
dere Enppunlt die urjprüngliche Kurve, die deshalb
auch Evolvente genannt wird. Die Tangente der
E. iſt Normale der Evolvente. Der Bogen der €.
it gleich der Differenz der Hrümmungsradien der
Eovoivente, die den Endpunkten jenes Bogens ent:
ferechen. Zu einer Evolvente gehört nur eine ein:
jige E., mäbrend einer E. unendlich viele (einander
parallele) Evolventen entſprechen. Die Theorie der
€. verdantt man Huygend. Sind x, y die laufen:
den Koordinaten der Evolvente, a der Winkel, den
die Tangente derfelben mit der x-Achfe bildet, fo
find die Koordinaten £, n der E.:
dy dx
ER TNFIT TE
In Fig. 1 der Tafel: Kurven I ift eine Ellipfe
mit ihrer €., und ‘ig. 11 der Tafel: Kurven II
jeigt eine Kreißevolvente, die bei der Evolventen:
verzabnung der Zahnräder (j. d.) praftiihe Ver:
reußen vers , theorien, Theorien, die zur Erllärung aller
ürttemberg | gänge in der Natur zuerjt nach den mechaniſch und
ogie f.Entwidlung.
Evolntionstheorien oder Entwicklungs—
or:
nad beitimmten Gejegen wirkenden Urſachen in der
Natur jelbft forfhen, an deren Hand diefe Vorgänge
erllären, fomit den Hypotheſen einer außerhalb der
Natur ſtehenden ſchaffenden Kraft, die die Vorgänge
auf dualiftiihem Wege erllären möchten, diametral
entgegenftehen. In neuerer Zeit verjteht man unter
Entwidlungstbeorie meift die per je
(f. Darwinigmus), nady der fich die höhern Drganiss
men aus den niedern entwidelt haben. Die Mehr:
me der Naturforſcher nimmt hierbei an, daß der
nftoß zur Weiterentwidlung und Umgeftaltun
von den wechjelnden Einflüffen der Außenwelt au
die Tiere und Pflanzen ausgeht. Dieje werden
— teils paſſiv verändert, teils zu anderer
ebensweiſe gezwungen, wobei einzelne Organe
durch gejteigerten Gebrauch vergrößert, andere durch
Nichtgebrauc verkleinert werden. Da jeder Orga:
nismus eine Einheit darftellt, deren Teile vonein:
ander abbängen, jo werben indirelt durch die Um—
geitaltung eines Organs auch andere mebr oder
weniger verändert. Der zmedmäßige Bau der Lebe
weſen ift die yolge des Kampfes ums Dafein, ber
nur diejenigen Gejhöpfe am Leben erhält und zur
ortpflanzun angen läßt, die die beſtorgani—
terten find Ra ——*8 Einige wenige Natur:
orſcher find für eine Bone Evolution der
Organiämen aus innern Triebträften eingetreten.
K. E. von Baer wollte die Anpafjungen aus einer
innern « Zielftrebigfeit» erflären, während Nägeli
glaubte, daß eine Tendenz zur «Xervolltommnung»
den Lebeweſen zuertannt werden müſſe. Coßmann
redet jogar von einem teleologifhen Kauſalgeſetz.
Solhe Anfhauungen werden dadurch miderlegt,
daß die Organismen auf äußere Reize vielfach jebr
unzwedmäßig reagieren; außerdem fübren dieſe
Anſchauungen die Vorgänge nicht auf em. ober
pbeii. Grundurſachen zurüd und find daher nur
micdreibungen.
Evolvente, ſ. Evolute und Kreisevolvente,
Evolventenräder, ſ. Zahnräder.
Evolvieren (lat.), entwickeln, entfalten.
Evomieren (lat.), ausſpeien, erbrechen.
Evonymit, foviel wit Dulcit (f. d.).
Evonfmus L. over Euonymus, Spindel:
oder Spillbaum, Pflanzengattung aus der Fa:
milie der Celaftraceen (f. d.). Sie umfaßt gegen
40 Arten, die größtenteil& in der nördl. gemäßigten
Zone vorlommen. Es find Sträucher oder Bäume
mit einfachen Blättern und Heinen grünlichen Blü:
ten, die Frucht ift eine vier: bis fünffächerige Kapſel.
Die drei europ. Arten der Öattung find E. europaea
L., der gemeine Spillbaum, bie verbreitetite,
E.latifolia Scop.,dieBreitipille, inÖfterreihund
Schlefien, und E.verrucosa L.,dieWarzenfpille,
in Dftpreußen einbeimifh. Die erjtgenannte Art
ift ein bis 6 m hoher Strauch, der im Herbit, wenn
er mit den lebhaft roten, vierkantigen Früchten,
fog. Bfaffenhütchen (weil fie einer Biſchofsmütze
ähnlich jehen) bevedt, und fpäter, wenn das Laub
dunfelpurpurrot gefärbt ift, ein prächtiges Anſehen
bat, weshalb er oft als Varkgehölz angepflanit
334
wird, Alle Teile, befonders feine von einem orange:
gelben Samenmantel überzogenen Samen wirten
abführend und erbrechenerregend; aus ben Früch—
ten bereitete man früber eine Salbe gegen Unge—
iefer. Sein feinfaferiges, gelbliches Holz wird —
hir feine Schnißarbeiten wie au zur Heritellung
von Zahnſtochern benußt. Auch zwei feiner Spiel:
arten verdienen im Park mit verwendet zu mer:
den, die eine (var. leucocarpa) mit weißen, die
andere (var. coccinea) mit ſcharlachroten Früchten.
Die Breitfpille bat weit größere, zugeſpitzte,
länzend dunfelgrüne Blätter und größere rote,
fnftantige Früchte, Sie ift die fhönfte Art der
attung und wird ald Bäumchen gern einzeln in
den Gartenrafen gepflanzt. Die Warzenfpille
ift ein ſeht maleriiher Straub von 70 cm Höhe,
mit warzigen Zweigen und —— —— grüner
Belaubung. Am Herbſt färben ſich die Blätter der
weigipigen ſchön karminrot in mannigfadhen
uancen. Man pflanzt diefen Straub einzeln in
den Gartenrafen oder ftellt ibn an den Rand der
Parkgehölze. Bei allen diefen Arten muß man das
Auftretender Spindelbaummotte(Tinea evonymella
Scop.) zu verbindern ſuchen, deren Raupen die Blät:
ter abmweiden und den Strauch mit ibren häßlichen,
durch Kot verunreinigten Gefpinften verunzieren.
Von den exotiſchen Spillbaumarten verdienen
—— zwei japan. Arten als Ziergewächſe Be—
achtung, E. japonica Thunb. und radicans Sieb.
Die eritere ijt ein eleganter Strauch mit gegenftän:
digen Aſten und immergrünen, glänzenden, ovalen,
ea ten Blättern. Man bat von ihr auch einige
Ir dne Kulturformen mit weißgerandeten oder
bgefledten oder aud mit größern Blättern. Die:
er immergrüne Straub mit feinen Spielarten
eignet ſich vortrefflich zur Kultur in fühlen und
unse Mohnräumen. In Süddeutichland ift er
völlig winterhart und wird viel in Gärten ange:
flanzt. Die zweite japan. Art, der wurzelnde Spill:
aum, hat dünne, gebogene, ſtark verzweigte Kite,
welche am Boden leiht Wurzeln bilden und ibn mit
ibrer zierlihen immergrünen Belaubung deden.
Ebenfo können auch ihre mit filberweiß und rofen:
rot gerandeten Blättern ausgeftatteten Spielarten
verwendet werben. Damit dieſer Laubteppich recht
dicht und eben werde, haft man die ftärlern Zweige
am Boden feſt. Diejer Straud bedarf im Winter
nur einer leibten Bededung mit Strob. Eine nord:
ameril. Art, E.atropurpureus Jacq., liefert in ihrer
Wurzelrinde eine gegen Leberkrankheiten benukte
Drogue; aus andern Teilen diejer Pflanze werden
noch verſchiedene andere Präparate * die
ſamtlich Evonymin, ein Glyloſid, das in größern
Gaben ald Herzgift wirkt, enthalten und in Ame
rita gegen Waſſerſucht, Berftopfungen, Leberftörun:
en u. |. m. angewandt werben.
Evdra. 1) Diftrikt in der portug. Provinz Alem⸗
tejo (j.Rarte: Bortugal, Bd. 17),hat7088 qkm und
(1900) 127232 €., alto 18 auf 1 qkm. — 2) Haupt:
Bat der Provinz Alemtejo und des Diftrilt3 E., nad
iſſabon und Coimbra «die dritte Stadt Bortugala»,
116 km von Liſſabon, auf einem flahen Hügel in
278m Höbe, an der Linie Caſa Branca»Ejtremoz
der Portug. Süboftbahn, in einer von dem zum Sa:
dio gebenden Zarrama durditrömten Ebene, ift
Eip eines Erzbiſchofs (die Kirchenprovinz E. umfaßt
die Erpbidcele E. fowie die Suffraganbistümer
Beja und Faro) und hat (1900) 16152 E., Fabri-
kation von Tuch, Baummwollwaren, Hüten, Leder
Evora — Evreur
und Handel mit guten Rotweinen und jäbrlib um
Johanni eine ftart bejuchte Meſſe. E. ift von alten
verfallenen Mauern und neuern, jedoch unvollende:
ten Feſtungswerken umgeben und von einem, aui
dem bödften Punkte fih erbebenden alten gm
verteidigt. E. war wiederholt fönigl. Refidenz. Bon
den 5 Pfarrkirchen zeichnet ſich die erzbifchöfl. Kathe⸗
drale durch Größe und pradtvolle Ausftattung aus.
Ein 4 km langer, von Sertoriuö erbauter röm.
Aquädult (Agua da prata) verforgt die Stadt noch
jest mit Trintwafjer. Auch find noch die fiberreite
eines Dianentempels vorhanden (jet Schlachthaus
und Fleifhballe). Die 1550 vom Kardinal⸗ we
ten Heinrich geftiftete Univerfität, die im 18. Jahrb.
— mit dem Jeſuitenorden aufgehoben wurde,
ildet jetzt ein Kollegium, neben dem noch ein tbeol.
Seminar beſteht. Die Bibliothet enthält 25000
Druckwerle und 2000 Manuffripte und ein Gemälde
mufeum. Bon den 13 Möndsllöftern find die mei-
en verfallen, einige dienen andern Zmweden; ferner
ejteben noch 8 Nonnentlöjter, ein Muſeum röm.
Altertümer, ein großes Hoſpital ſowie ein Stift für
ablige Fräulein. Vor der Stadt liegt die Kartauſt
Scala Eoeli mit präctiger Kirche.
€. ift der uralte Waffenpla Ebura, der als
röm. Municipium wegen der von Cäjar verliebenen
za den Namen Liberalitas Julia fübrte.
päter erfcheint e8 al3 got. Bistum unter dem
Namen Ebora (Elbora). Vom weitgot. Könige Si:
ebet 617 befeftigt, wurde die Stadt 712 von den
auren erobert und Nabura genannt, dieſen aber
von dem 1162 geftifteten chriſtl. Ritterorden 1166
entriſſen, der z ſeit 1166 nach dieſer Feſtung, ſeit
1211 nach Aviz benannte. Im 16. F rh. mar es
ein — der Silva. 1638 gab E. das Signal
zu dem Unabhängigleitskampf gegen Spanien. Am
26. Mai 1834 mußte bier der Ufurpator Dom
Miguel (f. d.) vor feinem Bruder Dom Pedro
fapitulieren.
Evdra D’Alcobarga, Stadt in der portug.
Provinz Ejtremadura, ſ. Alcobasa.
Evorfiön, |. une
Evofium, alter Name von —— (.d.).
Evremond, Saint:, ſ. Saint:Coremond.
Evreug(ipr.ewröb). 1) Arrondiffement im franz.
Depart. Eure, hat 2153 qkm, (1901) 109638 E.
224 Gemeinden und zerfällt in die 11 Kantone
Breteuil, Conches, Damville, Cpreur:Rord,
Core Sud, Nonancourt, Pacp-fur-Eure, Rugles,
St.⸗André⸗de⸗l'Eure, Verneuil und Vernon. —
2) Hauptſtadt des Depart. Eure, des Arrondiſſe⸗
ments E., liegt 108 km nordweſtlich von Paris,
in einem anmutigen fruchtbaren Thale am linlen
Eurezufluß Ston, an den Linien Mantes-Eberbourg,
Verneuil:E. (54 km), St. Georges: E. (43 km),
E.:Rouen (69 km) und E.:-L[o8:Montfort (43 km)
der Franz. Weſtbahn, und ift Sig des Präfelten,
eines — * eines ne ba erfter Inſtanz,
eines Handels⸗ und eines Friedensgerichts jomie
de3 Kommandos der 3. Ravalleriebrigade. €. ift
— — altertumlich gebaut, bat (191)
13 380, ald Öemeinde 18292 €E., in Garnijon das
6. Dragoner: und einen Teil des 74. Infanterieregt:
ments, eine großartige Kathedrale mit zwei Zürmen
(deren einer 71 m bod ift) und 23 Kapellen, eine
re —— , er erg Ubrturm
(44 m), bifhöfl. Pal 15. Jahrh.), ein Eyceum,
2 eh ter: und 1 ae eine öffentliche
Bibliotbel (20000 Bve.), einen botan. Garten, cın
Evron — Emald (Georg Heinr. Auguft)
Kulm, ein Theater, gwei Hojpitäler, ein Departe:
amtigefingnis, ein rrenbaus und eine Filiale
ve Bant von Frankreich; Fabritation von Lein-
und, Müsen und Zwillich, ferner Eifengiekereien,
drauereien und Gerbereien ſowie Handel mit Ta
il, Betreive, Wein, Fellen und Kurzwaren. — Bon
den berühmten Luſtſchloß Navarra (1 km im
EB), 1330 von Johanna von Navarra errichtet,
#mur nod ein jpäter (1749) erbauter Pavillon
ihrig, wie auch von den Mauern und Türmen nur
neh 1 zu ig ift. Bei dem Dorfe Vieil:
foreur finden ſich Nefte eines röm. Theaters,
Balajtes und Aquäbults, die der Stadt Mediola:
mm Aulercorum (Civitas Ebroicorum) im Lande
ver Aulerci Eburovices —— werden. In
ver Merowinger- und Karolingerzeit war E. der
Rittelpunlt des Pagus Ebroicensis (oder Ebroi-
dans), des jpätern Ländchens Evrecin. Richard J.
von ber Normandie verlieh E. als Grafichaft fei-
sem Sobne Robert. Anfang des 12. Jahrh. wurde
viefelbe an das Haus Montfort vererbt, von dem
he Bbilipp IL. Auguft erfaufte. Bhilipp IV. gab fie
ds Apanage an feinen Bruder Ludwig, zu defien
ften fie 1316 zur Bairie erhoben wurde. Der
Graf Philipp von €. erbeiratete mit Johanna, der
änzigen Toter Ludwigs X., das Königreich Na:
varra. Karl III. von Navarra vertaufchte 1404 die
Srafichaft E. nebft andern auge gegen dad
neugebildete Herzogtum Nemours an König Rarl VI.
von Frantreih. Karl VII gab fie 1426 an —
Stuart, Grafen von Darnley, nad deſſen Tode
(1429) fie von der Krone eingezogen wurde. Das
Schloß Navarra wies Napoleon I. zuerft Ferdi:
nanb VII. von Spanien, dann der Kaiſerin So:
jepbine an. — Bol. Ze Braſſeur, Histoire civile et
ecel&siastique du comt& d’E. (1722); Mafion de
St. Amand, Essais historiques sur l’ancien comté,
les comtes et la ville d’E. (1813 u. 1815).
Evron ſſpr. emröng, mittellat. Aurio), Haupt:
t des Kantons €, im Arrondifjement Laval des
Depart. Mayenne, 28 km nordöftlib von
, an einem Zuflufje der zur Mayenne gehen:
den Jouanne und an der Linie Paris-Breſt der
Franz. Weftbahn, bat (1901) 2701, als Ge
meinde 4089 E., prächtige alte Abteilirche (12. und
14. Yabrb.) nebft großer Kapelle (12. Jahrh.) mit
toftbaren Wandgemälden; Fabrikation von Lein:
wand und Tafelzeug; Handel mit Mollwaren,
Zwirn, Kalt, Getreide und Wein.
Evulgieren (lat.), etwas unter die Leute brin:
gen, unbe: davon das Hauptwort Evuls:
Evviva (ital.), lebe bod! [gation.
Evzonen, die Säger des griech. Heeres (f. Grie⸗
chiſches Heermeien I). i
Exw., alte Ablürzung i Euer in Titeln (Ew.
Gnaden, Ew. Majeftät u. |. w.).
Ewafinfeln, }. Rei:Inieln.
Ewald, Heilige, zwei angelſachſ. —— zur
Unterſcheidung nad) der Farbe ihres Haares «der
Sähwarie und «der Weiße» zubenannt, famen um
6% * Weſtfalen, um den Sachſen das Ehriften:
tum zu prebigen, erlitten aber fofort den Märtyrer:
td. Ihre Leichen ließ rag von Heriftal in der
Et. Runibertälirdhe zu Köln beifegen. Sie werben
in Weitfalen als Landespatrone verehrt; ihr Ge
ift — DE. — Bol, Mertens, Die
Maler, geb. 17. März 1836 zu
%rlin, trat 1855 in dad Atelier des Profeſſors
335
Steffed ein und ſetzte 1856—63 feine künſtleriſchen
Studien in Paris, wo er Die fieben Todfünden
malte, dann 1863 —64 in Stalien fort. Seit 1865
wieder in Berlin, befchäftigte er ſich vorzugsweiſe
mit deforativen Malereien und mit den v chiede⸗
nen Arten kunſtgewerblicher Kunſtübung; hierher
ehdrige größere Arbeiten find: Wandgemälde im
Bibliothelzimmer des Berliner Ratbaujes (1869),
Dedengemälde (Nibelungencyllus) in der National:
galerie zu Berlin, Ausf müdung ber Burg Cochem
an der Mofel, Mofaiten an ber Façade des neuen
Kunſtgewerbemuſeums und zahlreicher Brivatbauten
in Berlin. An legterer Anftalt war €. jeit 1869 ala
Lehrer, feit 1874 ala Direktor der damit verbuns
denen Unterriht3anftalt tbätig und leitete zugleich
feit 1880 die königl. arg ge in Berlin,
wo er 30. Dez. 1904 ftarb. ab beraus: «Farbige
Dekorationen alter und neuer Zeit [{päter: vom 15.
— 19. Jabrh.]» (20 Lief., Berl. 1882— 96).
Ewald, * Heinr. Auguft, Orientaliſt und
Bibelforſcher, geb. 16. Nov. 1803 zu Göttingen,
dierte dafelbh wurde 1823 Lehrer am Gymna⸗
tum zu Wolfenbüttel, 1824 Repetent der tbeol.
Fakultät, 1827 außerord. und 1831 ord. —*
der orient. Sprachen zu Göttingen. Reiſen zur Be:
nußung der orient. Handſchriftenſchätze führten ihn
1826, 1829 und 1836 nach Berlin, Baris und Sta:
lien. Als einer der wire Göttinger Profeſſoren,
melde gegen die Aufhebung des hannov. Staats:
rundgefeßes proteitierten, 1837 feines Amtes ent:
etzt, folgte er 1838 einem Rufe ald ord. Profeſſor
an die pbilof. Fakultät nad) Tübingen, aus welcher
er 1841 in die tbeologifche übertrat. Die Berührun:
gen, in die er daſelbſt mit Katholiten, Neupietiften
und Hegelianern (Baur, Vifher u. a.) fam, ver:
anlaßten ibn zu wiederholten Streitichriften, deren
legte «fiber meinen Weggang von der Univerfität
Tübingen, mit andern Zeitbetrabtungen» (Stuttg.
1848) war. 1848 in feine frübere Stellung na
Göttingen zurüdgelebrt, beteiligte er ſich jeit 1862
an den firhlihen Kämpfen Hannovers und war
als Mitglied der Vorſynode 1863 Mitbegründer
des bannov. Kirchengeſetzes, eine Zeit lang aud
für den Deutihen PVroteftantenverein tbätig und
in deffen engerm Ausfhuß. Nah dem Deutſchen
Kriege von 1866 wurde er wegen feiner Weige:
rung, dem Könige von Preußen den Huldigungs—
eid zu leiften, 1867 in den Ruheſtand verjegt und
ihm im Dit. 1868 wegen Slußerungen, die er in
jeiner Schrift «Das Lob des Königs und des Volks⸗
(5. Aufl., Stuttg. 1869) getban hatte, die venia
legendi entzogen. Als dreimal —— Vertreter
der Stadt Hannover im Norddeutſchen und im
Deutſchen Reichstage ſtand E. auf ſeiten der welf.
——— Gr ftarb 4. Mai 1875 zu Göttingen.
‚3 Arbeiten über hebr. Sprade, *9 ſe des
Alten Teſtaments und Geſchichte des israel. Volls
haben epochemachend gewirkt. Die wichtigſten ſind:
are e&rammatil der bebr. Sprachen ( 8 1827),
als «Ausfuhrliches Lehrbuch der hebr. Sprache»
wiederholt neu bearbeitet (8. Aufl., Gött.1870), und
«Hebr. Sprachlehre für Anfänger» (4. Aufl., ebd.
1874); ferner das sonte Lied und der Prediger Sa:
(omo8» (ebd. 1826), «Die Dichter des Alten Bundes»
(4 Bbe., ebd. 1837—54; neue Aufl. 1865—67) und
«Die Propheten des Alten Bundes» (2 Bde., Stuttg.
1840; 2.Aufl., 3 Bde. Gött. 1867 u. 1868); endlich
die «Geſchichte des Volls Jarael» (7 Bde., Gött.
1843—59; 3. Aufl. 1864—68), zu der die «Alter:
336
tüimer des Volls Israel⸗ (3, Aufl., ebd. 1866) einen
Anbang bilden. Hieran reiben fich viele Werte zur
Kritil und Eregefe des Neuen Teſtaments: der«Com-
mentarius in Apocalypsin» (pz. 1828), « Die drei
erften Evangelien» (Gött. 1850; vollftändiger in
2. Auflage: «Die drei erften Evangelien und die
Apoftelgeihichter, 2 Bpe., ebd. 1871— 72), « Die
Sendihreiben des Apofteld Paulus» (ebd. 1857),
«Die —— Schriften» (2 Bde., ebd. 1861
—62), «Sieben Sendihreiben des Neuen Bundes»
(ebd. 1870) und «Das Sendſchreiben an die Hebräer
und Jalobos Rundfchreiben» (ebd. 1870). Die —
Ergebniſſe ſeiner exegetiſchen Forſchungen und ſeine
anze Auffaſſung der bibliſchen Religion hat E.
—8 niedergelegt in der Schrift «Die Lehre
der Bibel von Gott oder ** des Alten und
Neuen Bundes» (4 Bde., ——— Auch
über Entſtehung, Inhalt und Wert der Sibyllinen
(1858) wie über das vierte Bud Cära (1860) bat
er befondere Abhandlungen gejchrieben. Außerdem
at E. den übrigen orient. Sprachen eingehende
tudien gewidmet. Hierher gebören feine «Gram-
matica critica linguae arabicae» (2 Bde., Lpz.
1831 — 33), «De metris carminum arabicorum »
(Braunſchw. 1825), «Über einige ältere Sansttit:
metra» (Gött. 1827), jowie «Abhandlungen zur
orient. und biblifchen Litteratur» (Bo. 1, ebd. 1832).
den «Spra —** aftlichen Abhandlungen⸗
ebd. 1861 fg.), wozu «Liber die —— olge
der ſemit. Sprachen» (ebd. 1871) fommt, ſuchte er
einen neuen Weg für den Nachweis der Bermandt:
fchaft aller großen Sprachſtämme der Erde zu bab:
nen. Andere Beiträge zur orient. und bibliiden Lit:
teratur legte er in der «Zeitfchrift für Kunde des
Morgenlandes» (zu der er den Plan entworfen),
den «Abhandlungen der königl. Geſellſchaft ver
Wiſſenſchaften zu Göttingen» (feit 1838), ven «Böt:
tinger Gelehrten Anzeigen» (feit 1823) ſowie in
einen «Jahrbüchern der bibliihen Wiljenihaft»,
d. 1—12 (Gött. 1849—65) nieder.
Etvald, Herman Frederil, Entel des folgenden,
dän. Novellift, geb. 13. Dez. 1821 in Kopenhagen,
war erft Landwirt und de und widmete jich
eit 1860 ganz der Novelliftit. Bon feinen Romanen
nd berworzubeben: «VBaldemar Krones Ungdoms⸗
iftorier (5. Aufl. 1885; deutſch von Reinhardt,
2 Bode., Brem. 1876), «Familien Norbby» (3. Aufl.
1883; deutſch von Brunelewli, 3 Bde., ebd. 1871),
«Jobannes Fall» (3. Aufl. 1880), «ran; Bödmann
va Dronning Alfıfa» (1889), «Clara Bille» (1892).
Hiſtor. Stoffe behandelt E. in «Spenflerne paa ron:
bora» (5. Aufl. 1891; deutſch von Reinbarbt, 2. Ausg.,
4 Bde,, Brem. 1874), «Niels Braben (2. —5 — 1889),
«Anna Hardenberg» (3. Aufl. 18981), «Niels Ebbejön»
(1887), «Grifferfelo» (1888; deutih, Berl. 1895),
«Caroline Mathilde » (1890), «Leonora friftina»
(1895), «Kriltian den Anden» (1898), «Daniel
Rankom» (1900). Kleinere Erzählungen finden ſich
aud in der «Danſt Follebibliotbel».
Ewald, Xob. von, dän. General, geb. 20, März
1744 zu Eajjel, von bürgerlicher Ablunft, ging,
nadıdem er al& dän. Offizier im Siebenjäbrigen
Kriege mitgelämpft hatte, 1776 als Beieblsba er
einer — a bei dem den Engländern
üiberlatenen bel. Truppenlorps nad Norbamerita,
wo er bi& zum Ende des Krieges blieb und ſich viel
fach auszeihnete. 1783 zurüdgelebrt, legte er feine
Eriabrungen in der Schrift «fiber den Heinen Krieg»
(Marb, 1785) nieder, die Friedrichs I. Beifall
— — — — —— — — — — — —— — —— —— — ——— —— —
Ewald (Herman Frederik) — Ewald (Joh. Joachim)
erntete. Nachdem er 1788 ala Chef eines Jäger⸗
torps in dän. Dienſt getreten und in ben Adelſtand
erboben war, erbielt er 1801 in Hamburg das
Militärtommando. 1806 binderte er ald General
der Avantgarde des zur Behauptung der Neutras
lität der dän. Grenze in Holftein zufammengezoge-
nen Armeetorps das Eindringen der Preußen und
—— m folgenden en fhüste er wäbrenp
der Unternehmungen der Engländer gegen open:
hagen die Inſel Seeland und ward dann ;um
ouverneur von Kiel ernannt. Als Kommandant
bes dan. Korps, welches die Franzofen gegen Schill
unterftüßte, zeichnete er fich 1809 beim Sturm von
Stralfund aus, wurde infolgedeilen Generalleut:
nant, dann Kommandierender in Holftein und er:
—* 1812 die Führung einer Diviſion von 10000
Mann, die fih mit dem 11. franz. Armeetorps
vereinigen ſollte. Eine Krankheit zwang ihn, 1813
fein Kommando niebderzulegen; eg nadber ftarb
er 25. Juli bei Kiel. — Bal. feine Biographie von
feinem Sohn Karl von E. Kopenh. 1838).
Ewald, Johs., dän. Dichter, geb. 18. Nov. 1748
in Rowenhagen, entwid in feinem 15. Jabre nad
agbeburg, wo er in ein Infanterieregiment ein:
trat. Später ging er au ben Öfterreichern über, wurde
Tambour, dann Unteroffizier und nabm 1759—60
an mebrern Schlachten teil. Durc feine Familie
losgelauft, kehrte er nach Kopenhagen jurüd, wo er
1762 das theol. Examen Bean: Unglüdlice Liebe
riß ihn jedoch aus dieſer Bahn. Er gab fi mit Eifer
dem Studium der ältern und neuern Dichter bin,
unter denen ne Klopftod und Moliere ent:
ſcheidenden Einfluß auf feine äftbetifche Richtung ge
wannen. Ein Anhänger des Bernſtorffſchen Minike
riums, wurde E. von dem Gulpbergichen (1770)
zurüdgeiest; auch die Unterftügung, die ihm bie
Regierung in feinen legten Jabren gewährte, mar
nur gering. Gezwungen, mit Gelegenbeitsgedichten
feinen Unterbalt zu —— geriet er in ein unordent⸗
lies Leben. Nach längern Leiden ftarb er 17. März
1781 zu Ropenbagen. Durd eine Allegorie «Der
Tempel des Glüds» (1764), befonders aber durch
die «Trauerlantate bei dem Tode Friedrichs V.»
—9* machte ſich €. litterariſch belannt. Zumal im
yriſchen Drama leiftete er Bedeutendes. In «Adam
und Eva» (1765; umgearbeiter 1769) wird allerdings
bie aa der gewaltigen ‘dee nod nicht ge:
recht. Bei der in Erota —— Tragödie
«Rolf Krage» (1770) ift der Einfluß Shaleipeares
unverlennbar. Ihm folgten E.s dramat. Meifter:
werte«Balders Tod» (1773) und «Die ziiher» (1778),
in denen das zum dän. Nationallied__ gewordene
«König Ehriftian ftand am hoben Majt» fi befindet.
Aub als komifher Dichter erwarb fib €. einen
Namen; doch ift es nicht ſowohl der leichte, treffende
Wis als das objektiv Lächerliche in Situationen und
Charakteren, welches feine fatir. Dramen, z. B. «Die
brutalen Klatjher» (1771) und «SHarlelin Batriot»
(1772), auszeichnet. €. ift der Begründer der dän.
nationalen Lyrik; er beherrſchte Sprache, Form unt
Gefübldausdrud als unübertroffener Meiſter. Ein:
kritiſche Ausgabe feiner poet. Werte beforgte Pie
benberg (8 Bde., Kopenh. 1850—55). — €.8 Leben
beichrieben Molbech (Ropenb. 1831), MR. Hammeric
(3. Aufl., ebd. 1882) und Sage (ebd. 1888).
Ewald, Job. JZoabim, Dichter, geb. 3, Sept.
1727 zu Spandau, ftudierte in Halle und Frank—
ti a.D., wurde Auditeur beim Regiment dee
Prinzen Heinrib in Potsdam und erwarb fich die
Ewald (Joh. Ludw.) — Ewige Richtung
andihaft E. von Stleifts, 1757 machte er eine
nah England, murde dann Erzieher des Erb:
mmen von Hefien-Darkıftabt. 1759 ging er nad
Nalen, trat zum Katbolicismus über und foll ſich
162 nah Tunis oder Algier eingeſchifft haben.
Seitdem war er verſchollen. E. war dichteriſch
zeig jelbitändig; ſeine «Sinngedichte» (Potsd.
15, Neubrud von Ellinger, Berl. 1890; 2, ver:
wehrte Aufl., «Lieder und Sinngedichter, Dresd.
1157) zeigen ibn abhängig, namentlid von E. von
Aeiſt, aber auch von Gleim u. a.
Ewald, Job. Ludw., Scriftfteller und Geift:
über, geb. 16. Sept. 1747 zu Dreieihenbain bei
Ofienbad, ftudierte in Marburg, warb Pfarrer zu
ifenbab und befleidete dann nadeinander ver:
khiedene geiftliche Simter. Er ftarb 19. März 1822
als großberzogl. Minifterialrat zu Karlsruhe. Bon
jeinen Beröffentlichungen find das Drama« Mehala»
Rannh. 1808) und die Monatsſchrift «llrania»
(Hannov. 1794—96) nennenswert. Das «Bundes»
lied» (Sn allen guten Stunden») von Goethe, zu
dejien ndidaftätreife E. in den Jahren vor
jenes liberjiedelung nah Weimar gehörte, ift 1775
m E.3 Geburtstag nie
Ewartſche Treibfette, j. Kette.
Eme, Gobe, Epbe, Landihaft im NW. von
Afrita an der Stlaventüjte zwischen dem Volta und
Rono (f. Karte: Kamerun u.j.w.), im. begrenzt
don dem ofjogebirge, im S. von ber Bat von
Benin. In ibr liegen die engl. Befikungen an der
Cuitta: Lagune (Goldfüfte), die deutſchen im Togo:
land, die franzöfiichen bei Groß: Popo (Dabome).
Im meitern Sinne werden auch Dahome und Abeo:
futa bis zum Dgun (Lagos) zu den Ewe:Staaten
gerechnet; viele größere und Heinere Stämme, dar:
unter die Anto, Aveno, Agbojome, Wenji, Togo
u. a. jprechen die Eweſprache, und darin beiteht nad
unjerer jeßigen Kenntnis das eigentliche Stammes:
et des Emevolts. (S. Sklavenküfte und Togo:
fand.) — Bal. Henrici, Yehrbud der Ephe-Sprace
(Emwe), Anto:, Anecho⸗ und Dahome:- Mundart (Berl.
1891); Kloje, Togo (ebd. 1899).
wer, Ever, lleine verjbließbare, jweimajtige,
mit Gaffeljegeln verjebene Küjtenfabrzeuge, deren
Heimat die deutſche Nordjeelüfte, namentlich die
Elbmündung ift. Sie haben einen flachen Boden,
um mäbrend der Ebbe ungefährdet auf vem Grunde
sen zu lönnen. Blanteneje und Finlenwärder bei
Hamburg baben eine ganze Flotte von Fiſcherewern,
bie ftärter gebaut find als die E. für Handelszwecke.
Davon zu unterjcheiden find die Ewerführe:
reien, die im Hamburger Hafen den Transport
der Waren vom Lande zu den Seeſchiffen und um:
aetebrt vermitteln, und zwar teild mit offenen Fahr:
jeugen (Schuten), deren Führer Ewerführer heißen,
teil8 mit verſchließbaren Kaſtenſchuten, deren führer
a eg genannt werden,
erbed, Franz, Baumeifter, geb. 15. April
1839 zu Brale bei Lemgo, befuchte das Polytechni-
fum in Hannover und die Berliner Baualademie,
Bis 1870 war E. ald Hodhbautenarditelt an meh:
tern Eifenbabnen thätig, befonders in Hannover
und in Holland, und erhielt dann einen Ruf ala
Brofefior an die Techniſche Hochſchule in Aachen.
Hier entftanden eine Anzahl Privatbauten, das Che
miihe Laboratorium und die Architektur zum Krie:
gerdenkmal auf dem kath. Kirchhofe. Auch erbielt er
anläßlich verſchiedener Konkurrenzen Preife, jo für
das Brojeft der Nachener Stabdterweiterung und des
Brothaus’ Fonperfations-kezilon. 14. Huf. RX. .
337
Rathaufes in Wiesbaden, für ein Atrium vor dem
Aachener Münfter. Sein Entwurf zur Reftauratien
des Rathauſes in Aachen wurde von der Stadt
erworben. €. ftarb 16. Juni 1889 in Nahen, Er
veröffentlichte «Die Renaiffance in Belgien und
Holland» (mit Neumeifter u. a., Wpz. 1884—89;
neue Ausg. 1889—92).
Eiwerführereien, f Ewer.
Eweft, Fluß in Livland, f. Enfl.
Ewig beißt, im Gegenfaß zum Zeitlihen, was
der Bedingung der Zeit und Beränderlichkeit nicht
unterliegt, das ſchlechthin Unwandelbare. So wurde
der Begriff der Ewigleit von Blato gefaßt und von
der a platoniſch beeinflußten Philoſophie
ehalten; mit beſonderm Nachdrud vertraten ihn
uguftin und Spinoza, deſſen ganze Philoſophie
darin aufgeht, das Zeitliche im Lichte des Ewigen
(sub specie aeternitatis), nämlich der ewigen, mit
unabänderliher Notwendigteit aus dem Weſen der
einen Subjtanz fließenden Geſetzlichleit der Dinge
— betrachten. Dieſe Anſicht findet ſich z. B. bei
chleiermacher in den «Reden über die Religion».
Sonft nennt man ewig das in der Zeit Dauernde.
Ewige Lampe, die Lampe, die in kath. Ye
vor dem Altar, in welchem die konſekrierte Hoftie
aufbewahrt Fi tetö brennend erhalten wird.
twiger {Friede (lat. pax aeterna), im Böller:
recht der Friedensſchluß v d.) auf immermwährende
Dauer (& perp6tuite), im Gegenfaße zu den früher
üblich geweſenen Friedens: oder Waffenſtillſtands⸗
verträgen auf eine —— Reihe von Jahren.
= der Völkerrechtsphilofopbie wird unter E. F. ein
ujtand des Völlerrechts veritanden, in welchem
der Krieg durch eine dauernde Organifation ausge:
ſchloſſen wäre. Der Gedante leidet aber an einem
boppelten innern Widerſpruche, da eine wirkjame
Drganifation diefer Art mit der völlerrechtlichen
Unabhängigkeit und Selbitändigkeit der Staaten
unvereinbar wäre und slicmeht, wie ſchon Lei:
fings Scharfjinn (Pitteraturbriefe 5) berausfand,
unter dem Namen der Erefution den Krieg zurüd:
führen würde. Seit dem Heinrich IV. von Frankreich
untergeihobenen Plane find mande Projekte diefer
Art aufgetaucht, von denen namentlih das von
Roufjeau neu bearbeitete des Abbe de Saint: Pierre
und Kants «Philoſ. Entwurf zum E. %.» (1795)
roßen ie erlangten. rl einem etwas anbern
ege glaubt die heutige Gejellichaft der Friedens⸗
freunde (f. d.) fich ihrem Ideale näbern zu können.
Die wirkliche, ebenfo ftreng völlerrechtliche wie wirt:
jame Organiſation zur möglichiten Erhaltung bes
Meltfriedens ijt das En Europätiche Konzert ri d.),
die Gemeinidhaft der Großmächte. Thatjählich hat
in den J. 1815—90 das mittlere und weitl. Europa
nicht fo viel Kriegämonate erlebt, als in dem gleis
hen Zeitraume des 18. Jahrh. volle Kriegsjahre. —
Vol. Freiherr von Stengel, Der €. F. (3. Aufl,
Münd.
Ewige Richtung (d. k Austrag, Friebe)
wurde der von der ſchweiz. Eidgenoſſenſchaft mit
dem Erzherzog Sigmund von Tirol als Vertreter
Öfterreihs im April 1474 zu Konſtanz geichlojjene
und unter Ludwigs XI. von Frankreich Vermitte—
lung im Juni zu Senlis vervolljtändigte Vertrag
oder Definitivfriede genannt, nad welchem bie
eritere bebielt, was fie bis dahin von den vorder⸗
öfterr. Landen erobert hatte, dagegen fich zur Hilfe:
leiftung verpflichtete. Diejer Vertrag madte dem
200jährigen Kampfe zwifchen der Schweiz und Öfter
22
338
reih ein une Ende und kehrte feine Spike
gear Karl den Kübnen (f. d.) von Burgund. — Vgl.
outey, Charles le Töm6raire et la ligue de Con-
stance (Bar. 1902).
Ewiger Jude, eine fagenhafte Perſon, bie
ur Strafe für ein Vergeben aeg Ehriftus nicht
Neben darf. Die Sage vom E. J. beruht wahr:
cheinlich auf der Legende vom Apoftel Johannes,
dem man nad * 21, 20⸗28 ewiges Leben
nachſagte, in Verbindung mit der Legende vom
Kriegsknecht Malchus, der ald Thürhüter des
Kaiphas den Heiland ſchiug und nach einer ital.
Tradition des 15. Jahrh. ewig unter der Erde
um die Säule laufen muß, an die Chriſtus ge
bunden war; ihm wurde zur Strafe, was Johan⸗
ned auözeichnete. Das ältefte Zeugnis der Sage
giebt der engl. Ehronift von Wendomwer (geft. 1237),
der meldet, daß ein armenifcher Erzbifchof, der 1228
in England war, den Thürbüter des Pontius Pila—
tus, havpiuh, noch ſelbſt kenne; er heiße jetzt
getauft Joſeph, Iebe als beiliger Mann in Arme:
nien und boffe auf Vergebung für den Schlag, den
er dem Herrn verjeßte, da er ed ——— gethan.
Bei Philipp Moustes, Erzbiſchof von Tournay, der
um 1243 feine flandr. Reimchronil fchrieb, hatte ver
€. %. gebeten, mit Chrifti Kreuzigung RB warten,
damit er zufeben könne. Endlich erzählt der ital.
Aitrolog Guido Bonatti (geft. etwa 1300), Joban:
nes Buttadeus, der den Heiland auf feinem
Gange zur freuzigung geitoßen und zu dem biefer
darauf gefagt babe: «Du ſollſt auf mi warten, bis
ich wiederfommen, fei 1267 in Forli gefehen worden.
Noch heute ift der €. J. als
tare: ftoßen, Dio: Gott) in Stalien belannt, und
ald Boudedeo aud in die Bretagne gebrungen;
die Siebenbürger Sachſen nennen ihn Bedeus.
Andere Namen find Juan Esperaren:Dios
(«Hoffe auf Bott») in Spanien und Jfaac Laque:
dem in Belgien.
Die jpäter geläufige Geftalt erhielt Die Sage vom
€. J. aber er 1602 durch die Kurtze Beichreibung
und Erzählung von einem Juden mit Namen Ahas⸗
verus» (Leyden, Ehrift. Creüßer; die Vorrede fälſch⸗
id 1564 datiert), nad) der der Biſchof von Schled
wig, Paul von Eigen, 1542 in Hamburg den €. J.
in der Kirche gefeben baben will; bier heißt er
Ahasverüs, war Schuhmacher in Jerufalem und
muß, dba er Ehriftus auf dem Wege nad Golgatha
turge Raſt vor feinem Hause verfagte, ewig unitet
wandern, ein ſymboliſches Abbild feines unrubigen
beimatlofen Volls. In den fpätern zahlreichen Aus:
gaben dieſes Voltsbuches (erneuert von Simrod in
den «Deutfchen Vollsbüchern», Nr. 29) finden ſich
immer neue Zeugnijie über dad Auftauchen des
E. J., namentli im nörbl. Deutihland; es ent-
fpinnen fich leidenſchaftliche gelehrte Dispute über
die Wirklichkeit oder Unmöglicleit feiner Eriftenz,
woran der Bolläglaube in Deutſchland, Frankreich,
Belgien, Dänemarl, Schweden bis heute feftbält.
Das eigenartige Problem, diejen rubelojen Men:
ſchen, der die Welt feit bald awei Jahrtaufenden kennt
und nur nad dem Tode ſich fehnt, darzuftellen, hat
re moderne Dichter gereizt. In Deutichland
bebandelt ihn namentlich ®oetbe in feinem mun:
dervollen epifhen Fragment «Der E. .» (1774),
dann Klingemann in dem Trauerjpiel «Ahasver»
(Braunſchw. 1827), Julius Mofen in dem epifchen
Gedicht «Ahasver» (Dresd. 1838), Zeplig in dem
epii.ben Fragment «Die Wanderungen des Abas:
uttadio (ital. but-
Ewiger Jude — Ewiges Evangelium
verus» («Gedichte», 5. Aufl., Stuttg. 1855), ©.
Heller in «Nbasverus, ein Heldengedict» (2. Aufl.,
Lpz. 1868), R. Hamerling in dem Epos «Abas:
verus in Rom» (Hamb. 1866; 23. Aufl. 1892),
Carmen Sylva in —— (2p3. 1882), May
Haushofer in der dramat. Dichtung «Der E.\.»
(ebd. 1886); in Heinern Gedichten Chr. F. D. Shu:
bart («Ahasver»), A. W. von Schlegel (« Die Bar:
nung»), N. Lenau, E. von Schent, ©. Pfizer,
Smet3 u. ſ. m. Satiriſch benußten ibn W. 5. Heller:
«Briefe des E. 3.» (Offenb. 1791) und Hauff in den
«Memoiren des Satans». Bon außerdeutſchen Di:
tungen ift Eug. Sue Roman «Le Juif errant» —6*
am bekannteſten. — Vgl. Gräfie, Der Tannbäuſer
und E. J. (2. Aufl, Dresd. 1861); Helbig, Die Sage
vom E.J. (Berl. 1874); G. Paris, Le Juif errant
(Bar. 1850); Neubaur, Die Sage vom €. J. Epʒ
1084): Caſſel, Abasverus, Die Sage vom €. J.
(Berl. 1885); Violet in «Nord und Süd», Br. 37.
Ewiger Landfriede, ein auf dem Reichstage
u Morms 7. Aug. 1495 zu ftande gelommenes
eichsgeſetz, wodurch das bisher zwar ſchon durch
viele Landfrieden (ſ. d.) beſchränkte, aber immer noch
eſeklich anerkannte Recht der Fehde auf ewig abge
und die Fehde bei Strafe der Acht und 2000
art Goldes verboten wurde. Wer einen Rechts—
anſpruch zu haben vermeinte, jollte denſelben nur im
Wege Rechtens verfolgen. Eine fernere Beftimmung
ded Wormier Reichstags, daß der Reichstag jährlib
in Frankfurt zufammentretem folle, um mit dem
Reihstammergericht u. a. die Durchführung des
Landfriedens zu beraten, ift nie ausgeführt worden.
... Edift, der von den Ständen der Bro:
vinz Holland im = 1667 unter dem Einfluß de
Mitts gefaßte Beſchluß, die Statthalterwürde für
diefe Provinz abzuſchaffen und bei den übrigen Bro:
vinzen auf ihre Zrennung von der Stelle eines Ge
neralfapitäns der Union anzutragen, was bei der
feg. Harmonie 1670 von den übrigen Provinzen
enehmigt wurde. Infolge der Vollsbewegung im
Sommer von 1672 (f. Niederlande) wurde 4 Aut
das Edikt wieder aufgeboben. — €. E, von Marke
en Famene, ſ. Genter Bacifilation.
wiges Evangelium (lat. Evangelium aeter-
num), feıt Mitte des 12. Jabrb. auf Grund von Offen:
barung Job. 14,6 Bereihnung für die Verlundi⸗
ng eines ewigen Beitalters des Geiftes, der voll:
ommenen Erfenntni3 und Anbetung Gottes und
der vollen geiftigen Freiheit, das nach dem Ablauje
der beiden Zeitalter des Vaters und bes ee
demnädjt anbrechen follte. Diefe Weisjagung fand
man enthalten in ben Schriften des Abu: Jeadim
der zuerſt als Mönch und Abt des Eiltercienier:
tloſters zu Goraca in Galabrien, feit 1183 ald Abt
von Floris (Fiore) in Galabrien und Stifter einer
eigenen Kongregation mit firengen von Papft €
leitin LIL bejtätigten Regeln (Ordo florensis) lebte
und 1201 oder 1202 ftarb. Er fchrieb ſich die Gabe
zu, die biblifhen Weisfagungen richtig zu veriteben
und zu deuten, und jeine opel ie Ideen
anden namentlich in den Kreifen der ſpiritualiſti⸗
chen Franzistaner großen Anklang. Unter den ihm
zugefhriebenen Schriften find währſcheinlich nur
drei («Praefatio in Psalterium decem chorda-
rum», «Concordantia utriusque testamenti» und
vor allem feine «Expositio in Apocalypsin») edt.
Der Ordensbruder Gherardino von Borgo: San
Donnino verfaßte um 1254 eine im ſcharf antirdmt
ſchen, ja antilirchlichen Geifte gehaltene Einleitung
Ewiged Leben
ade Shriften Joachims u.d. T. eIntroductorius
ir ———— aeternum». Dieſe wurde von einer
Kpitl. Rommiifion in Anagni unterfucht und von
Kapit ander IV. verdammt, Gherardino ſelbſt
‚ lebens änglicher Kerkerhaft verurteilt (1255).
«von Joachim geitiftete Kongregation (Orden
von Slore, Winriacenier, Slorenier, Flo:
tenjer genannt) beftand nod längere Beit, um⸗
hahte chiedene Klöfter, verweltlichte aber ſpä⸗
tt und wurde 1505 dem Ciſtercienſerorden einver⸗
kibt. Das gleiche Scidfal hatten die ebenfalls von
adim geitifteten Floriacenjerinnen. — Bol.
Zöllinger in Raumers «Hijtor. Taſchenbuch⸗ (1871);
*enan in ber «Revue des Deux Mondes» (1866);
— Schneider, Joachim von Floris und die Apo⸗
Ipptiter des Mittelalters (Dillingen 1873); Pres
et, Das Evangelium aeternum und Joachim von
lorie (Münd. 1874); Reuter, Geſchichte der reli⸗
eiöjen Auſtlärung im Mittelalter, Bd. 2 (Berl.
1577), welder namentlid gegen Preger die Echt:
beit der drei Schriften Joachims verteidigt; Denifle,
Das E lium aeternum und die Kommiljion
von Anagni (im «Archiv für Litteratur: und Kirchen:
geicbichtedes Mittelalters», Bd.1,Heft1, Berl.1885).
Ewiges Leben, in der religiöfen Sprache die
yerjönliche Lebensvollendung des Menſchen, ver:
möge deren er in ber *f8 mit Gott voll⸗
endete Seligfeit — Gewöhnlich pflegt man den
Begriff des E. 2. gleihbeveutend zu nehmen mit
Ungterblichleit. So heißt es jhon im Alten Tefta:
ment, Gott habe ven Menſchen nad dem Sünden:
fall aus dem Paradiefe vertrieben, damit er nicht
ewig lebe (1 Moj. 3, 22), und auch fonft wird der
bebr. Ausdrud für Ewigleit — im Sinne einer
endloſen oder doch unberechenbar langen Zeitdauer
gebraucht. Da für den religiöſen Menſchen aber das
wabre Leben nur im Gegenſatze zu dieſem ſinnlichen
Erdendaſein in der Gemeinſchaft mit Gott, im
Segenſatze zur Sünde und ihrer Unſeligkeit in der
vollendeten Heiligkeit und Seligteit der Frommen
beitebt, jo hat das Neue Teftament eben dieſe Merl:
male in feinem Begriff des €, 2, zufammengefaßt.
Mäbrend die urjprünglice Borftellung dasjelbe in
ein zeitliches Jenſeits verlegt und feinen Eintritt erft
mit ber Totenauferitehung, dem Weltgeriht und
dem vollendeten Gottesreihe auf Erden erwartet,
findet ſich in jüngern Schriften des Reuen Teſtaments
die Anſchauung, ne die Stätte des E. 2. vielmehr
em räumlides eitö, die «obere» oder «über:
iinnlide» Welt jei, in — die —— jetzt
ihon ihre wahre Heimat erbliden, obwohl fie erſt
nach dem Tode zu jenem obern Reiche Gottes wi
lid eingeben werben. In diefem Sinne reden na⸗
mentlih die Johanneiſchen Schriften vom E. L. als
einem ſchon gegenwärtigen Beige der Gläubigen
und Inüpfen basjelbe unmittelbar an die Ertenntnis
des allein wahren Gottes und des ewigen Sohnes,
feines Gejandten. Diefer Zutunftöglaube ift ſeitdem
im der chriſtl. Kirche allgemein, egen haben
Schleiermader, Biedermann u. a. das E. 2, ala das
Einswerben mit dem Emigen mitten in der Zeit:
lichleit, oder ald ein Leben im Ewigen aufgefa t.
Ewige Stadt, Ehrenname der Stadt Rom.
Ewige Teufe (im Bergbau), ſ. Teufe.
Ewiggeld, ein Münchener Lokalinſtitut, eine an
die Stelle der hypothelariſchen Belaftung tretende
Realbelaftung mit einer Geldrente, ahnlich dem
Rentenfauf (1.2.). — Bl. Roth, Bapriihes Civil
Ewigfeit, j. Ewig. ltecht $8.176— 179.
— Eraltation
Ewitfchta, Fluß, |. Ewſt.
Emfäf, |. Batuf. j
Ewft (Eweſt) oder Ewikſchta, rechter Neben:
uß der Düna, bildet den norböftl. Abfluß dei
ſees (84,1 qkm), an der Grenze ber ruſſ. Gou:
vernements Livland und Witebat ieht zuerſt nad
Norden, darauf ſüdweſtlich dur Livland, zulepi
13 km durch Witeb3t und mündet an der Grenze bei:
der Gouvernement3. Seine Länge beträgt 102 km.
Ex (lat.), aus, wird in Deutihland vielfach in
der Bedeutung «zu Ende», «vorbei», entiprechent
dem franz. ci-devant, vor Beseidnung von Amtern,
Titeln Hürden u. ſ. m. gebraudt, z. B. Ertönig,
Errifiater, € taiferu.|.w.
uß, f. Ere.
Ex abrüpto (lat.), plöglid, unverjebend._
Ezacerbation (lat.), die —— Stei
en (ſ.
339
gerung ber Krantheitseriheinun antheit).
Ex advörso (lat.), von der Gegenjeite.
Eraggerieren (lat.), übertreiben, Eragge:
tation, lbertrei ‚ eine rbetorifhe Figur
Häufung des Ausdrucks, um den Gegenftand rei
ers ericheinen zu laflen. !
gagitieren (lat.), aufregen, reizen, neden:
Eragitation, Aufregung, Rederei.
Erätt (lat.) beißt ein Begriff, deſſen Inhalt ung
genau bewußt it der unferer Auffafjung eine klare,
unverrüdbare Grenze jest; jo namentlich die Be
griffe der Mathematik und die auf diefen beruhen:
den der matbem. a fit; daber exalte Wijfen:
Ihaften eben dieje Wiſſenſchaften, jofern fie er
nur mit eralten Begriffen zu tbun haben. DR
Eralgin, Methylacetanilid, ein Acetanilid,
in weldbem ein Wuferktoffatom durch die Methyl:
gruppe CH, erſett ilt. Es bildet weiße Krvftalle,
die bei 99,5° — — die geſchmolzene Maſſe fiebei
bei 245°. Das E. beſiht antiſeptiſche und tem:
peraturerniebrigende Eigenihaften und wirft in ber:
vorragender Weiſe auf die Senfibilität, weshalb es
—— (in Einzelgaben von 0,125 g) als
ſchmerzſtillendes Mittel gegen Migräne, ag au
und Gelentrheumatismus verwendet wird. Neben:
wirfungen des Mittel3 find Schwindel, Raujchge:
fühl, Augenflimmern, Ohrenſauſen, Brechreiz u. ſ. w.
Eraltados (ipan.), feit der Revolution von
1820 Bezeihnung der ertrem liberalen Bartei in
Spanien, im Gegenfage zu den Moderados, Ge
mäßigten, und den zwiſ beiden ftehenden Bro:
are iften; 1822 hatten fie in den Cortes das
bergewicht, doch dauerte die Herrichaft ihres Ter⸗
rorismus nur furze Zeit. Nach der Eroberung von
Cadiz durch die rn re (3.D8t.1823)
batte ihre Macht ein —
tation (lat.), die Steigerung der Gefühle:
und Willenstbätigleit zur ode des Affelts und
der Leidenſchaft. Entſteht die E. wie gewöhnlid
im Anſchluß an entſprechende äußere Einflüſſe
oder motivierbare Gedanken, fo kann fie mit einer
Steigerung der intelleftuellen Zeiftungen wie der
planvollen Willensenergie einhergehen; in höberm
Grabe leidet die Befonnenbeit, und das Handeln
wird dem entjprechend ziel: und zwedlos. Letzteres
ndet fih gan her bei jenen Eraltations⸗
ormen, die als Teileriheinungen von Geijtes-
ankheit auftreten. Die €. entitebt bier entweder
felbftändig (primär), d. h. ohne nachweisbare innere
und äußere Vorgänge, dur organiſche Hirm-
erregung, 3. B. bei der manialalifchen €. (f. Manie),
oder im —8 an Wahnideen und Sinnes—
22*
340
täufhungen ertegenden Inhalts, 5.3. bei der eral-
tierten Verrüdtbeit mit Größenwabn (f. d.).
Exaltiert (lat.), begeiftert, überipannt.
Erämen (lat., NehrzablEramina), |. Prüfung.
Ezaminatorium (lat.), auf Univerfitäten ein
Rolleg zum Zwed einer Repetition über gehörte
Vorlefungen und einer Vorbereitung auf das
Eramen, gewöhnlih von jüngern Docenten (Repe
tenten) gehalten.
Ezaminieren (lat.), prüfen, ausfragen; Era:
mination, Brüfung, Berhör; Eraminätor, ber
Brüfende; Graminand, der Prüfling.
Szaminiertrupp, frübere Bezeihnung des:
kun Unteroffizierpoftend, der nad der neuen
deutichen Felddienſtordnung nunmehr Durdlap:
poften (f. d.) genannt wird.
Eranimieren (lat.), entjeelen, entmutigen;
Eranimation, Entjeelung, tiefe Obnmadt.
Ex animo (lat.), von Herzen, mit Borjab.
Exauthem (grch.), Hautblüte, Hautfrantheit,
ſ. Ausſchlag; erantbematifch,, mit Hautausſchlag
verbunden; exanthematiſcher u ut ſ. Fled⸗
typbus; Eranthematoldgie, Lehre von ben
Hautkrankheiten; Erantbejis, Ausbrud eines
Hautausfhlags.— E. nannte man früher aud einige
durch Pilze bervorgerufene Pflanzentrankbeiten
wegen der bei der Sporenbildung ber betrefienden
Pilze auf der Oberfläche in Form von Bufteln auf:
tretenden Sporenhäufden.
Erägquation (lat.), Ausgleihung.
Ex aequo et bono (lat.), der Billigleit dee
Erärd) (grch., d. i. Vorſteher), byzant. Bezeich⸗
— für den Statthalter einer Brovinz (f. Exarchath.
— Liber E. im kirchlichen Sinne f. Archimandrit.
Exarchãt (grch), das Gebieteines Erarden (f.d.),
eine Brovinz im Byzantiniſchen Reid. on
veritebt man darunter das E. von — —————
Hiſtoriſche Karten von Italien 1, beim Ar:
titel Jtalten), das anfangs nad der Vernichtung des
Ditgotenreihs durch Juftinians Feldherren Belifar
und Narjes (655) das ganze Jtalien umfaßte, bald
aber durch die Eroberungen der Langobarben (feit
568) ſehr verkleinert und in mebrere Zeile zerrifjen
wurde. Bei Alboins Tode (573) beftand e8 aus dem
Küftenftri von Rimini bis Ancona, aus der jpä-
tern Romagna mit Ravenna, mo der Exarch feinen
Sitz hatte, aus Rom und feiner Umgebung, aus dem
Gebiet von Genua und aus Unteritalien. Der erfte
Erarch war Narſes (j. d): fein Nachfolger Flavius
Longinus (567 —584) lonnte ſich der eindringen:
den Langobarden nicht erwehren und ihre weitern
Eroberungen nicht hindern. 592 ftellte der Exarch
Romanod durh die Groberung von Sutrium,
Horta, Ameria, Perufia und andern Städten die
Verbindung zwiſchen dem röm. und ravennatifchen
Gebiet wieder ber, doch blieb der Befik dieſes Land⸗
ftrich& immer ftreitig. Um 610 fuchte ſich der Exarch
Gleutberios felbftändig zu machen und ließ fi pe
Kaiſer des Occidents ausrufen, wurde aber bald
darauf ermordet. Der Langobardenlönig Rothari
(636—652) eroberte Genua mit Ligurien; als ge
fäbrliciter Feind der byzant. Herrſchaft zeigte *
König Liutprand (712—744), der die legten griech.
Beſitzungen in Stalien feinem Reiche einzuverleiben
ſuchte. Unterftüst wurde er darin dur den ber
innenden Bilderjtreit (f. Bilderdienft), in dem bie
taliener auf der Seite des Papftes und der Bil:
derverebrer ſtanden. In Rom wurde der buzant.
Dur verjagt, und Gregor I. riß die weltliche
Exaltiert — Ex cathedra
Herrihaft der Stadt an ſich. Ravenna fiel 728
bei Gelegenheit eines Aufitandes in Liutprands
Hände, doch gelang ed dem Erarchen Eutychios im
folgenden Jahre noch einmal, mit Hilfe edind,
das ſchon ſeit 697 einen eigenen Dur gewäblt bare
und nur noch nominell unter byzant. Hobeit ftanp,
die Langobarden zu Belegen und ihnen Ravenna
wieder zu entreiken. Erſt König Aiftulf (749754)
verbrängte die Byzantiner gänzlih aus Mittelita-
lien. Schon 750 bejaß er den größten Teil des E.,
und 751 bemädtigte er fih aud Ravennas und
vertrieb den Erarhen Eutychios. Die Erardhen
mußten fortan ihren Sig in Neapel oder Syrafus
nebmen, bis die Sarazenen fie aus Sicilien und
endlih die Normannen im 11. Jahrh. den an die
Stelle der Exarchen getretenen Ratapan auch aus
Unteritalien endgültig verbrängten. Den lesten
Reſt byzant. Hoheit über Rom hatte ſchon Pippin
der Kleine vernichtet, der 754 und 756, von Barit
Stephan IL gerufen, in Jtalien erſchien und Aiftulf
zwang, feine Eroberungen herauszugeben, die durch
die fog. Pippinifhe Schenkung in den Befis
des Bapftes gelangten und den Grund zum Kirchen⸗
ftaat legten. (©. Bentapolis, — Bol. Cohn, Die
Stellung. der byzant. Statthalter in Ober: und
Mittelitalien (Berl. 1888); Grudenzi, Sui rapporti
tra l’Italia e l’imperio del Oriente (Bologna
1888); Hartmann, Unterfuhungen zur Geſchichte
der byzant. Verwaltung in Stalien (Lpz. 1889);
Diehl, Etudes sur l’administration byzantine dans
l’exarchat de Ravenne (Par. 1889).
Erartitulation (lat.), die Ablöfung eines
Bliedes in einem Gelente durch Erö g und
Durchtrennung der Gelentbänder, unterfcheidet ſich
von der Amputation (f. d.) im wefentlichen dadurch,
ders daß bei ihr der Knochen nicht durchſägt wird. Die
Amputation geftattet, das Glied in jeder beliebigen
Höbe feiner Kontinuität abzufegen und dadurch dem
eriten Grundfage der Ehirurgie, immer foviel als
möglich von dem kranken Gliede zu erhalten, gerecht
ju werden, während die €. nur an den Gelenten
möglich ift. Ob im gegebenen Falle der Amputation
oder der E. der — zu geben ift, hängt von der
die Entfernung des Gliedes erbeiihenden Urſache
und den übrigen individuellen Berbältnifien ab.
Erafperieren (lat.), ein fibel chlimmern;
Exaſperation, Erbitterung, Verſchlimmerung;
Exasperatlo poenae, Strafverihärfung.
Ex asse (lat.), völlig, ganz. Die Kupfermünze
des As (ſ. d.) nabmen die Römer ald Zeichen der
Einheit, mit den Heinern Münzen wurden bie Brüche
bezeichnet. Daber heres ex asse der Univerjalerbe.
Exaudi (lat., «böre»), der ſechſte Sonntag nah
Dftern, genannt nad feinem mit Pſalm 27,7 bes
ginnenden Introitus (f. d.).
Erauguration (lat.), bei den alten Römern
der Alt, durch den ein Tempel oder ein anderer ge
weihter Gegenftand feines heiligen Charalters ent»
Hleidet, dem profanen Gebrauche wieder anbeim-
gegeben wurbe.
Srauftorieren (lat.), aus dem Militärbienfte
entlajjen, des Eides (auctoramentum) entbinden.
Ex bene placito (lat.), nach Gutbefinden.
Exo., auf Kupferftihen — für excudit
(f. Excud.); auch Abkürzung für Exce * d.).
Exoaloeäti, joviel wieDiscalceati, ſ. Barfüßer.
Ex oapite (lat.), aus dem flopfe, aus dem Ge:
dädtnifje; aus einem Rechtsgrunde.
Ex cathödra, ſ. Cathedra.
Ercavateur — Excenter
Ercavateur (fr3., fpr.-töbr), ſ. Grabemaſchinen.
Ecedeut (lat.), a der einen Erceh (j. d.)
teneht. (j. Alimente,
enmtennertzag, in Verfiherungsmwefen,
Ereedieren (lat.), über die Grenze des Erlaub:
ten binausgeben, einen Erceß (f. d.) begeben.
encoe (fr;., ſpr. elkellangh), Vorzüglich:
tät, Egcellenz (j. d.); par excellence, vorzugsmeije,
un wahriten Sinne, recht eigentlid.
Excellent, j. Ercellieren.
‚Egeellenz (lat. excellentia, « Vortreflichkeit»),
ein Titel, welchen zuerjt die langobard., dann die
fränt, eg und deutſchen Kaiſer bis zum 14. Jahrh.
ibrten. Darauf wurde er im 15. Jahrh. von
den ital. Furſten angenommen, die ihn jedoch, feit-
dem 1593 der franz. Gefandte in Rom, Herzog von
Neverd, fich desjelben ‚bediente, was andere Ge:
ſandte eriten Denget nachahmten, gegen Alle ver:
taufchten. ie riten erhielten im Wejtfäli-
ihen Frieden, die übrigen Fürjten erſt jpäter das
Recht, Gejandte mit dem Titel E. zu ernennen,
worauf dann die Reichsgrafen, welche diefen Titel
eine Zeit lang ebenfalld geführt hatten, ftatt de3-
jelben das Prädikat Erlaucht oder Hochgräfliche
Gnaden annabmen. Seit 1654 fingen die Franzo⸗
fen an, ibren bödjiten Eivil- oder Militärbeamten
den Titel €. (Excellence) beizulegen, und dieſem
Beispiele eiferte man aud bald in Deutichland nad,
wo im 18. Jahrh. jogar alademiſche Docenten und
Brofejjoren (Sculercellenz) jene er prye- in
Anſpruch nahmen. So iſt der Titel E. fait durch⸗
sängig, mit Ausnahme Frankreichs, wo er den Ducs
—— und Italiens (Eccellenza), wo ihn jeder
plige führt, in einen Amts- oder Dienfttitel um:
ewandelt worden, der aber in Deutichland in ber
el nicht mit dem Amte aufhört, und in neuerer
Zeit nur von Miniftern, Wirklihen Geheimräten,
Überpräfidenten, von den eriten Hof: und Militär:
würden (vom Generalleutnant und Viceadmiral
aufwärts), Botichaftern und Gouverneuren der
Kolonien (von lestern nur während ihrer Amtäzeit)
efübrt wird. In Frankreich lehnten ihn 1830 die
inifter förmlich ab; doc fam er jpäter wieder in
Gebraudb. In Amerika führt der Präfident der Ver:
einigten Staaten ſowie der Gouverneur von Mafja-
chuſetts ebenfalls den Titel E. (Excöllöncy), jedoch
nicht offiziell durch die Konftitution der Vereinigten
Staaten. In Preußen baben aud die Erzbifchöfe
vom Staat den Titel €.
Excellieren (lat.), ſich auszeichnen, vortrefflich
fein; ercellent, ausgezeichnet, vorzüglich.
Egzcelfior, Name des größten, 1893 zu Jagers:
fontein im Dranje-Freiftaat gefundenen Diamanten
von 971°], Karat. .
Ercelfiormühle, eine zum Berfleinern von
tterftofien, Erzen, Salz u. a, dienende, unvoll:
men abſcherend wirlende Scheibenmüble. Sie
führt in Frankreich den Namen Triturateur Anduze,
in England bat man fie Devil-Disintegrator ge
nannt; ihrem Mejen nad war fie jchon zur Zeit der
Feldzuge Napoleons I. als Feldmühle befannt. Die
aegenmwärtige €. bejtebt aus zwei Hartgußringen A
und B (if. 4 .1), von denen der eine am Maſchinen⸗
Arm be ei igt ift, während der andere um die
bie ziemlich rafch freift. Die beiden einander zu:
etehrten Grundflächen der Ringe find nicht eben
——— als ſehr flache Hohllegel geſtaltet. Auf
tiefen Flächen erheben ſich kurze, im Querſchnitt
treiedige Leiften, welche, wie Fig. 1 erfennen läßt,
341
am Außenrande der Ringe le, am \nnenrande
weniger tief ineinander greifen. Man kann die
Ringe A und B einander mehr oder weniger nähern,
um bierburch bie Feinheit der Bermablung zu regeln.
Das Mahlgut gelangt durch eine Röhre, welche im
Fig. 1.
Innern des feiten Ringes mündet, zu ber ben frei:
jenden Ring tragenden Scheibe und wird burd
diefe in der Richtung des in Fig. 1 eingetragenen
Pfeils genen die Mablflädhen getrieben, welche es
auf dem Wege zum äußern Rande der Mahlflächen
allmählich zerkleinern. Fig. 2 giebt eine Draufficht
des or B.
Egeelfität (lat.), Höhe, Erbabenbeit. ,
Excenter, Ercentril ober ercentrifhe
Scheibe, ein Mafcbinenteil, welcher dazu dient,
von einer rotierenden Welle
tleinere hin und ber gebende i
Bewegungen abzuleiten. Das
E. iſt ald der in Form einer
Scheibe ermeiterte gaplen
einer Kurbel aufzufaſſen,
deſſen Durchmeſſer größer als
der der Welle iſt und der, auf
die Welle aufgeht, an jeber
Stelle innerhalb ihrer Länge
befeitigt werden fann. Die
Melle braudt nicht gefröpft
oder durch ercentrijche Aus:
drehungen geſchwächt zu wer:
den, wie e3 zur ——
der gleichen geradlinigen
Bewegung ohne die An—
ordnung eines E. notwendig
ſein würde. Die Ercenter:
icheibe wird fait burchndingig
aus Gußeifen bergeitellt. Um
die Bewegung berfelben auf
den gewünjcten gerade ge
führten Punkt zu übertragen,
wird fie von einem zweiteiligen
Bügel, dem Ercenter:
bügel, umfaßt, mit dem
die Ercenteritange in
Verbindung ſteht, bie
an ihrem andern Ende
mittels eines Gelents
drehbar mit dem zu
bewegenden Mai
nenteil verbunden ift.
n beiftebender Ab:
ildung des E. mit
Bügel und Stange für
eine ftehbende Dampf: zur
maſchine bezeichnet W N
die rotierende Welle,
A die mitteld Keils mit berjelben verbundene
Ercenterfheibe, E_ den zweiteiligen mit einem
Schmiergefäß verſehenen Bügel, 8 die Ercenter
fig. 2.
— — — ———
342
ftange. Die hauptfächlichfte Anwendung findet das
€. bei Dampfmaſchinen sur Bewegung der Steues
rungsfchieber, wobei die Schieberitange durch ein
bejondere3 Führun sftüd oder bei Heinen Maſchi⸗
nen nur durch die Stopfbüchſe des Schiebertaftens
Gene geführt wird, und für den Betrieb der
en, bei welchem das Ende der Excenter⸗
ae 1* und drehbar mit dem Pumpenlolben
(Blunger) verbunden —
Excentricität, in der Mathematik bei
einem Kegelichnitt der : Abftand eines Brennpunttes
vom Mittelpumtt (lineare E.); im Gegenjas zur
linearen €. bezeichnet num eriſche €. jenen Ab:
Ben dividiert durch die halbe Hauptachſe. — In
er Bi yhologie ift E. Bezeihnung der Ge:
a ober Handlungen , die auf den Mangel
eines einbeitlihen, das Denten und Handeln ftetig
beherrſchenden und nach vernunftgemäßen —*
regulierenden geiſtigen Kerns der eit
hinweiſen und dabei ven Eindrud des
und 2* —— genen
—— wie Excenter (ſ. d.).
—— — —— heißen in der Geometrie
ſolche in einer Ebene liegende Kreiſe ober ſolche
Kugeln, die feinen gemeinſchaftlichen Mittelpunft
baben. Ein —— Windkel iſt ein von
zwei Sehnen eines Kreiſes, die ſich nicht im Mittel:
punlte eg gebildeter Winkel. — E. in der
un ogie, nn Ercentricität
che "Seianfie, eiferne Hohlkugeln
— er werpunltslage, durch die man
in der legten Periode der glatten Geſchütze eine
regelmäßige —e und erhohte Treff:
—— erreichte.
eeneilder Br Räder, ſ. Unrunde Räder.
——
Geeentei
zu.
er en f. —
Scheibe, Excenter.
oeptio, Erception at.), Ausnahme, Eins
— in — —— Bedeutung die
Einrede (ſ. d.). Wenn Kläger und Bellagter im
alten Rom vor dem Prätor verhandelt hatten, unter:
ſchrieb der Prätor in einer Formel den Streitfall
durch eine an den Richter erteilte Anmeifung. Auf
—— e erg e übertragen etwa fo: «Wenn eö
eyer dem €. —— e (aus dem
an et en Drder ausgeftellten eigenen Wechſel vom
ib De 1892 per 15. Dez. 1892) zweitaufend
rt ſchuldet, verurteilen Sie ibn zur Zahlung von
—— Mart ſamt 6 Broz. Zinfen ſeit 15. Dez.
1892 n es nicht Mar tft, weiſen Sie die Klage
ab.» Die —— der Schuld gr —— e
fih unmittelbar aus dem Wedhjelr eben, der
Richter fämtlih zu unterfuhen = fe zuftellen,
aljo zunächſt, daß der Wechſel echt m abin ge
hörte aber auch die Erörterung joldyer vom Bellag:
ten vor dem Richter geltend gemachten Einreden,
aus denen fi ergab, daß geſetzlich eine —
ſchuld nicht ae: oder erlojchen fei, —
ver Bellagte handlungsunfähig war, als er d
Wechſel ausftellte, oder da der Me —J Ki
(ih in der Summe, gefäl — ei, oder daß ihn der Be⸗
flagte dem Kläger gez e. Man faßte dieſe
Verteidigung unter dem —* zuſammen, der
Bellagte ſchulde nicht von Rechts wegen (ipso jure).
* ing aber der Prätor weiter, er geftattete
einer Amtögewalt dem Bellagten Einreden,
— denen im Gefek damals noch nichts ftand.
Das war eins der Mittel, durch melde der Prä:
tor der Billigleit (f. d.) die Schranten des Rechts
Ercentricität — Exceptio
öffnete, ähnlich wie in England und Norbamerifa
wi den equity und common law unterfchieden wird.
ollte fi der —— auf ſolche durch Billigkeit
geftüpte Einreden —— ſo mußte er ſie gegen
den Anſpruch ſtren eht3 vor dem Prätor gel⸗
tend machen. Diejer machte dann einen entſpre⸗
enden Vorbehalt in der Formel, fo z. B. die be»
rübmte E. doli (Einrede der Arglift). elbe war
ald Ausnahme von der Anweiſung zur rteis
lung gefaßt: si in ea re nihil dolo malo A. A. fac-
tum sit neque fiat (e3 ſei denn, daß Kläger fi
einer Arglift ſchuldig gemacht bat oder argliitig
ordert). Nun mwürbe ſich der Bellagte * dem
ichter haben berufen dürfen, der Wechſel ſei über
eine Spielſchuld — — Bellagter babe
feine Baluta erhalten u. dg ab eine Reibe
von Geſchäften, bei —— * y/ er Einrüdung
ber E. doli in die Formel nicht bene, weil die:
jelbe von vornherein einen e. erbielt, welcher
jene E. mit umfaßte: Der Richter jollte zu dem ver:
urteilen, was der Bellagte nah Treu und Glauben,
ex bona En, — en muͤſſe. Das war der Fall bei
den ſog. dei⸗Kontralten, z. B. dem Depo⸗
fitum (}. —— (1.d.), dem Kauf (f.d.), ver
Miete (1.d.). Heute verjtebt es fih von felbft bei Ber-
trägen und Rechtsgeſchäften aller Art und in allen
Be en, daß nur zu dem zu verurteilen ift, mas
eflagte nah Treu und Glauben fchulvet.
— haben wir keine — mehr, der
Richter urteilt nicht nach der Anweiſung eines
Oberbeamten, ſondern nah dem Geſetz oder einer
onit gültigen echtsnorm. Gleichwohl zerlegen die
riften auch noch beute die Rechtsverhältniſſe in
nſpruch (actio) und Gegenanſpruch (exceptio)
—* reden weiter noch von replica, welche dem
läger gegen die E. des gten, und von
plica, welche dem Beklagten gegen bie replica
ee; Klägers ufteht. Das find Hilfsmittel der
Ka — —— n, wie ſich ſolcher auch andere
enſchaften bedienen. Und dieſe, die lorrelte Er-
— rhoringung und Aburteilung eines
vorliegenden Rechtsfalles erleihternden Hi ——
ſind auch ar obne nr Bedeutung.
wenn ber Grund ber ——— des ——
Anſpruchs in einer dem Bellagten zuſtehenden E.
liegt, fo kann der Anſpruch gültig werden, wenn
die E. 3.2. durch — — des Anfprucs,
Verzicht auf die E. hinwegfällt. In ähnlicher Weije
tann eine Replit oder eine Duplit ——
* E. wird mittels Einrede im Sinn des
rozeſſes geltend gemacht, aber nicht jeder
rede liegt eine E. im Sinne der Römer zu Gehe.
Außer der E., replica und duplica doli, melde
in gahlreichen, Froneen erden Wediielvrogefien
auf lordnu
heute Auer — 8* man
einer E. non adimpleti contractus.
gegenfeitigen Verträgen, wie Kauf, Beenden
u w. fann der Beklagte, wenn er nicht nad) dem
Geſetze oder der —— vorzuleiſten hat,
ordern, daß der ur feine Verbinplichleit er:
ülle, wenn er die
ied madt der Be
Jung des ——— fordert
} vo die Waren fordert —— den Preis — it
en. Bar bie le — und
Er 3. B. die gelieferte
der auf ben ang a belangte Bellgte vor de por der
Zahlung befiere mit der E. non rite
adimpleti contractus. t der E. divisionis be:
‚yon
Erceptionell — Ere
7* tder Korrealſchuldner (f. Einer für Alle),
Ho. mer Don mebrern Bürgen, welcher auf die
une Shuld belangt wird, daß Kläger die übrigen
anzieht. — Wal. Koſchembahr⸗ Lystomiti, Die
Ikeorie der Erceptionen (Bd. 1, Berl. 1898). —
Eplurium, die Einrede, daf während der Empfäng:
nit mehrere Männer der Mutter eines unehe⸗
2 Kindes beigemohnt haben (f. Baternitäts:
e).
"reeptisnen (fr3.), eine Ausnahme enthaltend,
ausnahmsweise ftattfindend.
Exceptis exoipiendis (lat.), mit Ausnahme
des Ausjunebmenpden.
Egrerpieren (lat.), einen Auszug aus einem
Aufias, einem Buch mahen; Ercerpt, Auszug.
‚Egeth (lat.), liberjhreitung des Maßes, Aus:
ömerfung, insbeſondere Übertretung von Polizei:
geiegen, bie die Aufrebterhaltung der öffentlichen
Ironung, Rube und Sittlichkeit bezweden; beim
Rilitär die von den Soldaten in Trunfenbeit oder
aus Mutwillen verübten Vergehen, melde nicht
unmittelbar den ey er unterliegen. Dan
ipricht auch von E. des Angeitifteten hinſichtlich der
Mittel oder der Art des Verbrechens, ebenfo von
€. bei der Notwehr (j. d.), 3. B. in Beftürzung,
Aurcht oder reden, für welche Überfhreitung
der —— der Verteidigung $. 53 des Reichs⸗
frafgejegbuches von Strafe abfieht. — Sphäri—
ſcher €. beißt in ber ſphäriſchen Zrigono:
metrie diejenige Größe, um melde die Wintel
eines Dreieds zu groß gemeſſen werden, fo daß aljo
ibre Summe nicht genau 180°, jondern einen etwas
gen Wert bat. Der E. wird erft bei folden
Dreieden bemerkbar, deren Seitenlänge mindeſtens
10 km beträgt. Kleinere Dreiede können ohne Febler
ala ebene betradhtef werden. — Bol. Baeyer, Das
Mefien auf der ſphäroidiſchen Erdoberfläche (Berl.
1862); von Bauernfeind, Elemente der Vermeſſungs⸗
funde (7. Aufl., 2 Bde., Stuttg. 1890).
„ Exeeifiv (ftz.), dad Maß uberſchreitend; rd
jived oder ertremesRlima, ſ. Rontinentaltllima.
(enal., for. tſchehndſch), Austaufc,
Umtauſch; Weniel: se.
pr. -ticheder, d. i. Schad:
Erdequer (eng “is
brett), des Schaplammergericht3 (Court of
Exchequer) in England, wahrſcheinlich wegen des
nad Art eines Schachbretts gemürfelten Fußbodens
oder Teppichs, der eine Auszeichnung des Saals für
das hödyjte Gericht der Baird war. Das Schatzlam⸗
mergericht ijt die oberjte Behörde für alle die Staats⸗
einfünfte betrefienden Angelegenheiten, und als
Schasmeifter und Siegelbewabrer desfelben führt
der engl. ——— den Titel Chancellor of
the Exchequer. (S. auch Engliſche Verfaſſung.)
Exchequer Bills (engl., ſpr. -tiheder) oder
Schätkammerſcheine, Schuldverſchreibungen,
die das engl. Finanzminiſterium auf Grund eines
Barlamentsbeihlufies ausgab, um ſich auf lurze
Ariften und ohne Bermebrung der fundierten Staats⸗
chuld Geld zu verſchaffen. Als unmittelbare Bor:
läujer der E. B. find die unter Wilhelm III. aus:
aeaebenen Exchequer tallies und Orders of pay-
ment anzujeben, die 1696 ein Disagio von 40 bis
60 Proz. aufmiejen. Spätere Ausgaben waren be:
liebter, und die Ausgabe von E. B. erreichte ſehr
bobe Dimenfionen, jedoch war es häufig nötig, die
von E. B. durd Fundierung, d. h. dur
Ausgabe von entſprechenden Beträgen der fundiers
ten Staatsſchuld, zu bewertitelligen.
343
Aus Anlaß des Krimkrieges waren 1854 aud) ſog.
ErbequerBond3 geihaffen worden, die ſich von
den Billd dadurch unterfchieden, daß fie eine Ber:
fallszeit von mebrern (3—5) Jahren hatten.
Seit 1877 endli werden auch jog. Treafury
Bills ausgegeben, welde unverzinslic find, eine
Laufzeit von 3 oder 6 Monaten haben und wie
Mecfel distontiert werden. Seit 1892 erfolgten
regelmäßige Tilgungen, und die 31. März 1896
nod) ausftehenden €. B. im Betrage von 3131100
Bid. St. wurden ebenfo wie die Exchequer Bonds im
Betrage von 325000 Pfd. St. während des Finanz:
jahres 1896/97 getilgt. Demnach beftand die game
\hmebenbe Schuld 31. März 1900 aus Treafury Bills
im Betrage von 16 133000 Pfd. St., und es find jebt
weder E. B. noch Erdhequer Bonds im Umlauf.
Exchequer Bonds, |. Exchequer Billa.
Excipiens, foviel wie Constituens (ſ. ): ,
Sreiflon (lat.), Ausihneidung, z. B. der Klitoris
(f. Beihneibung); Exciſũr, Ausſchnitt.
Egeitieren (at), anregen, antreiben; ercis
täbel, erregbar; Ercitabilität, Erregbarleit;
Exeitantla, 2 reizende, belebende Heil⸗
mittel, wie Rampfer, Noichus, Aihet, Alkohol, Kaffee,
Thee; Ercität, der Gemeinſchuldner im Konkurs;
Ercitation, Erregung, Aufmunterung; ercitas
tiv, erregend, annehmend, antreibend; Ercita:
torium, obrigfeitlihes Anmahnungsfcreiben.
Exolusiva (lat., zu ge sententia), im all:
—— Einſpruchsrecht bei Beſetzung geiſtl. Umter.
eſonders bat ſich bei der Papſtwahl herfömmlich
feit dem 16. Jabrh. die Befugnis herausgebildet,
daß die größern kath. Staaten (Öfterreih, Franlk⸗
reih, Spanien, früher Neapel) bei jeder Wahl je
einen Rarbinal für polo wahlunf ig erflären
dürfen. Diefe Ausſchließung von der Wäbhlbarleit
wird E. genannt. Rechtsſätze über die E. find nicht
— (S. Papſtwahl.) — Val. (Greppi), Über
die Rechte der Regierungen beim Konklave (Münd
1873), und Wahrmund, Das Ausſchließungsrecht.
Jus exclusivae (Wien 1888).
Exooecarla L., Blindbaum, Pflanzengat:
tung aus der Familie der Euphorbiaceen (f. d.) mit
egen 30 Arten im tropischen — Afrila und
uftralien. Es find Bäume oder ſtrauchartige Ge:
wächſe mit unanſehnlichen Blüten. Die füdafiat.
Strandpflanzge E. Agallocha L. hielt man früher
irrtümlich für die Stammpflanze des ald Räucher⸗
wert dienenden Aloe: oder Adlerbolzes (f. Agalloche⸗
bolz). Der jebr giftige Milchſaft diefer Pflanze ruft,
ing Auge gebradt, ſtarke, zuweilen mit Erblindung
endende Entzündungen bervor.
Ex oommissiöne (lat.), infolge Auftrags.
Ex oono6össis (lat.), nad dem Jugeftandenen.
Exoreta [(lat.), ſ. Erfremente.
Exoretlo (lat.), Ausleerung (f. d.).
Exoud,, Abltürzung für Excüdit (lat., «hat es
—— es wurde auf alten Kupferſtichen dem
amen des Druders beigeſetzt; sculps. et excud.
(o. i. sculpsit et excudit, «hat es gejtohen und ge:
drudt»), wenn der Stecher zugleich Druder oder
Berleger deö Blattes war. (S. auch Pinzit)
Exousez! (je, Ir. -füjeb), entſchuldigen Sie!
Exoy., engl. Ablürzung für Excellency (Er:
allen ».) j
). ſſcheids.
deoröto (lat.), auf Grund gerichtlichen Be:
Erbiftätor, |. Ex.
&ge (Er) $ in den engl. Grafihaften So:
merjet und Devon, entiprinat auf dem Ermoor:
344
böben, nur 7 km füblih vom Briftoltanal, fließt
uerft nah SD., dann nad S. berührt Dulverton,
iverton, Ereter, beginnt bei Topſham fein 13 km
langes Hlftuar und mündet nad einem Laufe von
88 km bei Ermoutb in den Kanal.
Exöat (lat.), «er mag binausgehen!» bifhöfl.
Erlaubnis für einen Geijtlihen, in einem andern
Sprengel eine — anzunehmen. (S. auch Di:
Exedentia (lat.), Amittel. [mifjorialien.)
Exedra (grch.), in den grieb. Gymnaſien eine
balbrunde, mit Sitzen verfehene Niſche der Säulen:
balle; im röm. Wobnbaus das Gefellihaftäzimmer,
deſſen beide Enden in einen Halbkreis mit einer an
der Wand umberlaufenden Bank zum Sigen aus:
liefen; im mittelalterlihen Kirchenbau foviel wie
Apfis (f. d.) oder überhaupt Anbau. In neuerer
geil nennt man €. einen nad außen go öffnenden
!iihenbau an einem Gebäude, 3. B. im Garten
ded Vatilans oder am neuen er Dresden.
Exegeie — Erllärung oder Ausdeutung;
—— zeichnung für die Auslegung der
Heiligen Schrift. Gelehrte Schriftausleger heißen
—— Iſt die E. zugleich Wort: und Sad:
erflärung und erflärt fie eine Schrift nad ihrem
Zufammenbange — fo heißt fie fommen:
tar; die Erörterung einzelner Wörter und Sätze
nennt man Scholien. Die wiſſenſchaftliche Dar:
ftellung der Regeln und Hilfömittel der Auslegung
beißt Hermeneutif (f. d.). Zur Zeit Jefu, als die
Anjhauungen des Judentums vielfah über den
urfprünglihen Gebantengehalt des Alten Teita:
ments hinausgewachſen waren, übten die Rabbiner
Alerandriad und Baläftinas die je: Allegoriſche
Auslegung (f. d.), und auf gleiche Weiſe ſuchten die
älteften Ebrijten die Mefftanität Jeſu, Baulus und
feine Schule das Recht der geſehesfreien Heiden:
miffion aus dem Alten Selament zu ermeijen.
Drigenes brachte zuerft durch Scharfe Unterſcheidung
des buchſtäblichen, moralijhen (oder tropiſchen)
und myſtiſchen (oder pneumatiſchen) Sinnes die
—— ig Ir einer, wenn auch noch
ejhräntten Geltung. Noch jtrengere wiſſenſchaft⸗
lihe Grundfäge befolgte die ſyriſche hiftor.serege:
tiihe Schule, deren nambafteiter Vertreter Theo:
borus von Mopfueftia war. Seit der Ausbildung
der firhlichen Ortbodorie ſank die Schriftauslegung
zu bloß traditioneller Fortpflanzung der in bejon:
dern Sammlungen (asp re Erllärungen
ber Väter (Catenae, ſ. d.) herab. Sole Rompilatio:
nen blieben bis in das 12. Jahrh. die einzigen
eregetiihen Arbeiten. Dabin gebören aud die
Eammlungen des Iſidor, Beda, Altuin, Rhabanus
Maurus, Haimo, Walafrid Strabo u. |. w. Tuch—⸗
tigereö wurde nur von jüd. Gelehrten, wie von
Ealomo Jarchi, Aben-Edra und David Kimchi für
die E. des Alten Teſtaments geleiftet. Erit feit dem
13. Jahrb. findet man bei einzelnen Theologen, wie
namentlich bei Nitolaus (if. 3) von Lyra, das Stres
ben nad ee rag her €. wieder. Doch
blieb die Schriftauslegung in der kath. Kirche an
das firhlihe Dogma gebunden. Vielfach ſchied
man in dem Schriftworte einen vierfahen Sinn:
I) den Wortfinn, der die Thatfache feftftellt, 2) den
allegoriſchen Einn, welcher den Glauben beitimmen,
3) den tropologiichen oder moralifhen Sinn, der
auf das fittliche Leben, 4) den anagogiihen Sinn,
der auf die Erhebung des Gemüt mwirten foll.
Durch das Wiederaufleben der Wifienichaften und
die Humaniften des 15. Jahrh. wurde wieder eine
Exeat — Exegi monumentum aere perennius
beflere €. angebahnt, namentlid durch Paurentiue
Valla, Erasmus, Jakob Faber Stapulenfis u. a.
Qutber ftellte die Forderung auf, fi ftreng an den
Wortfinn zu halten, und drang desbalb auf ein
ründlihes Studium der alten Spraben. Dod
Bat auch er von der allegoriichen E. ſich nicht frei
gehalten, und feine zahlreihen Schriftlommentare
dienen viel mehr praftiich:erbaulihen als wiſſen—
—— Zwecken. Auch ſtand die Gebunden—
eit des dogmatiſchen Denlens an die Autorität
der Schrift als des goöttlichen Wortes einem un:
befangenen geſchichtlichen Scriftverftändnifie im
Wege. Trogdem bezeichnen die Auslegungen eines
Sutber, Melandtbon, Calvin und Beza den An-
ang einer neuen Periode in der Geſchichte der E.
atthias Flacius jtellte in feiner «Clavis Scrip-
turae Sacrae» (1567) zuerft die neuen bermeneu:
tiihen Grundfäge zufammen; Glaffius und Bur:
torf madıten fib um Erforſchung der biblifchen
Sprache verdient. Allerdings führte juerft die über:
—— Orthodoxie, welche auch die Schrift:
orſchung namentlich in den ſog. Beweisſtellen für
dogmati * Sätze an eine exegetiſche Tradition
band (orthodoxe E.), danach der nur auf Erbau:
lichkeit der Auslegung jebende Pietismus einen
neuen Stillftand im Ausbaue der €, herbei; deſto
größer waren aber die Fortſchritte, melde fie ſeit
der Mitte des 18. Jahrh. machte, befonbers nad:
dem die Theologen oh. Aug. Erneiti und Job.
Salomo Semler tühtige Grundfäge über Herme:
neutif aufgeftellt batten.
Aus einer Verbindung der neuern philol. Grund:
fäße mit den Ergebniſſen der bijtor. Bibelkritif
ing die neuere, grammatifch:hiftorifche E. bervor.
* den lexilographiſchen und grammatiſchen
Arbeiten von Geſenius, Ewald, König, de Lagarde
Siegfried, Neſtle u. a. für das Alte, von Winer,
Buttmann, K. H. A. Lipſius, Wahl, Bretichneider,
Wilibald Grimm, Blah, Schmiedel für das Neue
Teſtament, find namentlic ablreihe Kommentare
zu nennen, welche die bibliſchen Schriften nad den
Grundbfäßen der neuern €. bebandeln: für das Alte
Zeftament von Gejenius, Ewald, De Wette, Anobel,
Hisig, Olshauſen, Camphauſen, Dillmann, Merr,
Smend, Dubm, Budde, Nomwad u.a.; für das Neuc
Zeftament von Frisihe, Lüde, Baulus, De Wette,
Meyer, Lünemann, Rüdert, Bleel, Holgmann,
Weiß, Holiten, Lipfius, Schmiebel, von Soden,
Schmidt, Zittel u. a. Auch die neuere Entwidlung
der bijtor. Kritit dur 3. Chr. Baur und die fog.
rruge Schule bat für die €. der neuteftament:
lihen Schriften reiche Früchte getragen. Gegen:
fage zu dieſer grammatiſch-hiſtoriſchen €. kam na:
mentlich feit der Realtionszeit 1850 die fog. theo—
logifhe €. wieder auf, eine Miſchung Ar Ani
und erbaulicher Schriftauslegung. Vertreter dieier
Richtung find: Herm. Dlsbaufen, Hengitenberg,
Harleß, Delinih, Keil, Kurz, Hävernik, von Hot:
mann (in angen), Baumgarten, Lutbardt,
Strad, Zoedler, Drelli u.a. — Vgl. Reuß, Ge:
ſchichte der heiligen Schriften Neuen Teſtaments
dene Bud; 6. Aufl., Braunſchw. 1887); Dieftel,
eihichte des Alten Teſtaments in der hrıftl. Kirche
(Sena 1868); Immer, Hermeneutif des Neuen
eftaments (Wittenb. 1873).
Exegẽten, ſ. Eregeie.
Exögi monuméntum aere perennlus,
«ein Denkmal, dauernder ald Erz, babe id er
richtet», Eitat aus Horaz’ «Den» (III, 30, ı).
Erefrieren — Erefutivftrafe
!ptler en (lat.), verwünfhen, verfluchen;
trelration, Verwünidung, Flud; ereträbel,
i ‚ abicheulic.
tieren (lat.), ausführen, vollitreden, be
vonder ein Urteil vollitreden, einen Verbrecher hin:
näten (vgl. Erekution).
ou (lat.), imallgemeinen die Erzwingung
ener geichuldeten pofitiven oder negativen Leiſtung
« awfrehtlih georbnnetem Wege. Der Weg ift verſchie⸗
ven für privat» und öffentlidh:rechtliche Leiſtungen.
vezuglich erjterer fpricht man beute in Deutſchland
von Jmangsvollitredung (f.d.), in Oſterreich dagegen
neb von. (Eretutiongorbnung vom 27. Mai 1896).
Bezüglich lesterer ift zu untericeiden zwiſchen €.
im Strafpro elle (3.B. Volljtredung der Todes:
frafe), E, im Bermaltungsmege, d. b. zur Er:
—— von Anordnungen der Verwaltungsbe—⸗
eden, Verwaltungsgerichte, und E. im ſtaats—
und völterrechtlichen Sinne. Wegen der beiden
eritern E. ſ. Strafvollzug, Hinrihtung und Verwal:
tungszwang. Die legtere beitebt darin, daß bei einem
Staatenbund oder Bundesitaat die beteiligten Staa:
ten von ber Gelamtbeit zur Erfüllung ibrer Bundes:
richten zwangsweiſe (Cinrüden von Militär, Se
aueftration der Regierung) angehalten werden. Der
Deutſche Bund jab in der Bundesalte vom 8. Juni
1315 und in der Wiener Schlußalte vom 15. Mai
1320 (Art. 31 fg.) eine Bundeserefution vor,
welche indes an ich jchwerfällig und, wie die Ereig⸗
niffe bis zum J. 1866 gelehrt haben, hinſichtlich
ibrer Wirkſamkeit zweitelbafter Natur war. Ebenjo
fennt die Verfaſſung des Deutiben Reichs vom
16. April 1871 (Art. 19) eine Bundeseretution.
Diefer Artikel beitimmt, dab, wenn Bundesglieder
ibre Bundespflichten nicht erfüllen, alfo 3.B. Reichs:
geſetze oder Beieble und Entſcheidungen der Reichs⸗
organe nicht beadten, fie rn im Wege der €.
angebalten werden lönnen, melde vom Bundesrate
zu beichließen und vom Kaifer (duch Anwendung
militär. Macht) zu vollftreden ift. Das biftor. Vor:
bild hierzu bildet die durch die Reihserelution3:
ordnung von 1555 geordnete E. reihägerichtlicher |
Urteile gegen Kreisftände durch die Reichskreiſe.
—— —— ne
Erefutiondiyftem, im enjaß zudem Aban:
donfvitem (f. Abandon), welches durch Abandon
des Ehinsvermögens oder der Ladung, die Ver:
bin der Erefution ——— er⸗
mõglicht, das Princip mancher Seerechte, nach wel⸗
Dem den Glaubigern des Reeders und der Ladungs⸗
inte reſſenten auf Grund eines zu ihren Gunſien
allten Urteils geſtattet wird, eine normale Exe⸗
ion in das Vermögen der Schuldner zu voll:
sieben, wenn auch regelmäßig nur in einen beſchränk⸗
ten Zeil des Bermögens (Schiffävermögen, f. d.)
eder zwar in das ganze Vermögen, aber nur bis
Im einer von vornherein feitgejegten Grenze. Die
stere Art der Beichräntung ih dem engl., die erftere
dem deutjchen, ſchwed. und norweg. Seerecht eigen.
Egefutive, 1) ald Vollziehung, alle Thätig:
keit des Staated umfajjend, welche nicht Geſetzge⸗
bung oder Rechtſprechung tt, aljo eine Staats:
tion, eine Thätigleitäform des Staates, Ihr
t ift umfafjender, als ihr Name jagt. Die €.
ut nicht bloß ein unjelbjtändiges Pur üben von
Geiegen und Urteilen, jondern auch ein freies, ſelb⸗
Händiges, nad Zmedmäßigteit rn Han:
deln innerbalb der Schranten von Geſeß und Ur:
teil, baber der andere und beſſere Name Verwaltung;
345
2) ala Eretutingemalt, vollziehende Ges
malt, die Gefamtheit ver Staatäorgane, welche voll⸗
ziehend thätig find, im Gegenjaß zur legislativen
und richterlihen Genaltna derjeitdem 18. Jahrh.,
namentlich unter vem Einfluß von Montesquieu ver:
breiteten Theorie von der Teilung der Gemwalten
im Staate, die dabin gebt, daß fich die Staatsge—
walt praltiſch in drei Zeile zerlegen laſſe und u
es für den Schuß der Unterthanen vor Mißbrau:
der Staatögemwalt gut fei, wenn dieje drei Zeile in
der Hand nicht eines, fondern verjchiedener von:
einander unabhängiger Organe in oberiter Initanz
liege. Dieje Theorie bat lange Zeit die wie aft:
lie Auffaffung des Staates beherrſcht, iſt in viele
Verfaffungen, namentlich aud in die der norbameril.
Union, jowie in die belgifche übergegangen und bat
nod jest eine weite Verbreitung in den polit. An-
ſchauungen der Menge. In der Wiſſenſchaft iſt fie
überwunden; es giebt drei verjchiedene Thätig:
teitsformen des Staates, aber nur eine einheitliche,
nicht drei Staatögemwalten, und die Zerlegung dieſer
einen Staatögemwalt in drei voneinander getrennte
Teile ijt praftiih unausführbar. Montesquieu
jelbft ihon maht Ausnahmen von feiner Regel.
Dazu lommt, daß es nad dem Weſen der verjcie:
denen Staatöfunftionen unmöglich ift, die drei
Thätigkeitäformen des Staates in die Hand dreier
voneinander unabhängiger Organe zulegen. Nach⸗
dem das Auflegen von Steuern ein Alt der Geſetz⸗
gebung, dieſe aber nad) jener Lehre der Voltaver:
tretung zufteben joll, andererjeit3 aber die Führung
der E. der Berwaltung, obme Geld nicht möglich
ift, liegt in Wabhrbeit bei der ſog. Teilung der Ge:
walten immer eine Barlamentäberrihaft vor. Die
deutſchen Staaten beruben auf monardiichem Prin⸗
cip, aber die Lehre und der gute Zwed der Teilung
der Gewalten bat bier dabin geführt, daß der Mon⸗
arch in der —— an die Mitwirkung einer
von ihm abhängigen Voltövertretung, in der Recht⸗
ſprechung an die Stellvertretung durb von ibm
unabhängige Richter, in ver E. an die Mitwirkung
ihm frei gegenüberjtehender Minifter gebunden it.
Egefutivgemwalt, ſ. Eretutive.
ekutivprozefz, eine Art des frühern Sum:
mariſchen Prozeſſes (f. d.), deren Cigentümlichteit
darin beitand, daß der Kläger die Anſpruch begrün:
denden Thatfachen fofort dur Urkunden liquid zu
ftellen u während im übrigen ald Beweismittel
nur Urkunden und Eideszuſchiebung zuläffig waren.
Aus dem €, ift der —— — d.) der Deuts
fhen und das Verfahren in Wechielftreitigleiten der
dfterr. Civilprozeßordnung hervorgegangen.
&gefutivftrafe, Inge —— im Gegen⸗
Inbe zu der orbentlihen, faft ausſchließlich von
tihtern verhängten Strafe, durch melde eine
begangene That gelühnt wird, diejenige Strafe,
durch welde eine zulünftige Handlung oder Unter:
lafjung erzwungen werben will. Sie wirb mehr,
als von Richtern, von Verwaltungsbebörden ver:
hängt. Ihre Hauptanwenbung — ſie zur Er⸗
—— des polizeilichen Gehorſams und des Ge⸗
orſams gegen finanzielle Vorſchriften (z. B. zur
Erzwingung der Vorſchriften über Behandlung der
Tabalspflanzen und Art der Berpadung derſelben
im fteuerlichen Intereſſe), außerdem zur Erzwingung
des dienitlichen Geborjams, der Aufſichtsbefehle
über die dem Staat unterftebenden Selbſtverwal⸗
tungälörper (Gemeinden, Genoſſenſchaften, Kaſſen),
der Berleibungsbedingungen bei öffentliben Unter⸗
346
nebmen (Eifenbabnen u. f. m.), dann im Gebiete des
Eivil:, Strafprozeiles und der freiwilligen Gerichts:
barkeit. Reichögejeglich find E. 5. B. angedrobt in
einigen Fällen der Zwangsvollitredung nah Bor:
fhrift der Eivilprogekorbnung ($$. 888, 901), in
der Civil: und in der Strafprozeßordnung ($$. 390,
69) zur Ergwingung des Zeugnijjes, übrigens unter
ewiſſen Beichränfungen, und in vielen Fällen des
andelögefeßbubs. Manchmal nennt die Geſetz⸗
gebung die E. Ordnungsſtrafe (f. d.), jo z. B. im
Staatädienftrebt. Von der Disciplinaritrafe ift
dieſe dienſtrechtliche E. dadurch unterſchieden, daß
ſie nicht, wie dieſe, beſſern will.
&zefätor (lat.), der zur Zwangsvollſtreckung be:
ellte eng Für die Zwangsvoll⸗
edung in bürgerliben Rechtsſtreitigleiten find
te bie Gerichtävollzieber (j. d.) beftellt; zur Ber
waltungserelution find nah den Landbesgejeh-
gebungen vom Staat, von der Gemeinde oder andern
Öffentlichen Korporationen befondere Bollitredungs:
beamte bejtellt, doch werben auch die Gerichtävoll:
jieber mit der Berwaltungseretution beauftragt.
Erelmand (Ercelmans, jpr. -mäng), Remy
Joſeph Iſidore, Graf, franz. Marſchall, geb.13.Nov.
1775 zu Barsle-Duc, trat 1791 in ein Freiwilligen⸗
bataillon ein, zeichnete ſich als Adjutant Murats
beſonders 1805 bei Wertingen aus, ging mit die:
ſem 1808 nah Spanien und wurde bier gefangen
genommen und nad England transportiert. 1811
gelang es ihm nad Neapel zu Murat zu entlom:-
men, ber ihn zum Großitallmeifter ernannte. Cr
trat wieder in die franz. Armee zurüd, zeichnete ſich
als —— in den folgenden Feldzügen
aus, vornehmlid an der Mostwa und bei Wawre
ſowie 2. Juli 1815 bei Verſailles. Nach der zwei:
ten Reitauration projtribiert, lebte er im Auslande;
1830 wurde er wieder in feine Würde eingefegt,
1831 berief ibn Ludwig Pbilipp in die Bairstam:
mer; 1849 wurde E. zum Großlanzler der Ehren:
legion und 11. März 1851 zum Marihall von
anfreih ernannt. Er itarb 22. Juni 1852 zu
aris infolge eines Sturzes mit dem Pferde. 1898
murde ihm in Bar:le-Duc ein Bronzeſtandbild er:
richtet. — Val. Greneit, Le comte E. (Par. 1898);
Andre, Le maréchal E. (Bar:leeDuc 1898).
Exempel (lat. exemplum), Beifpiel, Mufter,
arithmet. Aufgabe, warnendes Beijpiel (ein €,
ftatuieren); exempli causa oder gratia —
e. c. oder e. g.), beiſpielshalber, zum Beiſpiel;
exempla docent oder illustrant, Beifpiele belehren,
erläutern; exempla (nomina) sunt odiösa, Bei⸗
ne (Namen) find verbaft oder gebäflig, d. b.
nführung von Beifpielen (oder Nennung von
men) madt, wenn ein Tadel ausgeſprochen
wird, verhaßt, wird vorſichts halber unterlafjen.
Eremplär (lat.), Mujter, Borbild, einzelner Ab:
drud (von Büchern, Rupferftichen u. del.); erem:
lãriſch, mufterbaft; auch zum abfchredenden Bei-
piele dienend (4. B. exemplariſche Strafe); Erem:
plarität, Muiterbaftigtleit.
Exemplifizierea (lat.), durch Beifpiele er
weijen, erläutern; auf etwas als Beifpiel hinwei⸗
fen; Eremplifilation, Erläuterung, Beweis
durch Beifpiele; exemplificatio documenti, beglau:
bigte Abſchrift einer Urkunde,
Exemplum, j. Erempel.
Eremt, ſ. Eremtion.
Eremtion (lat.), Ausnabme, Befreiung von
einer ſonſi allgemeinen Laſt oder Verbindlichleit,
Erefutor — Erequien
daher Erimierte oder Eremte, d. i. foldhe, wel:
hen dieje Ausnahme zu gute lommt. Im Kirchen:
recht bezeichnet E. 1) die Befreiung eines kirch—
lihen Organs von der Unterordnung unter den
unmittelbaren regelmäßigen Kirchenobern. bes
dem gab es fehr viele Klöjter, Kapitel, Würden, ja
anze Orden, auch Univerfitäten, die der ordent⸗
ichen bifchöfl. Gerihtäbarleit entzogen und durch
rivileg unmittelbar dem Bapit unterworfen waren.
eſe E., mit ber Ermeiterung der päpitl. Macht
zufammenbängend, erlitten große Einfhräntungen
dur das Tridentiniſche Konzil. Später erloſchen
viele E, durch Säkulariſation. Eremte Bistümer
find beute nob Breslau, Ermland, Osnabrüch,
Hildesheim, Strabburg, Mes, die fünf Bistümer
der Schweiz. Eremte Klöfter find in Deutſchland
nicht mehr vorhanden, in der Schweiz St. Naw
rice im Wallis; dagegen ift in Preußen, wie auch
in Öfterreih, die Armee gegenüber den Biihöfen
eremt. Die meiblihen Orden unterjteben regel:
mäßig ganz, die männlichen bezüglich der von ihnen
mn Seelforge und Sakramentöverwaltung den
iihöfen. Die Vorfteber der E. find regelmäßig
Titularbijchöfe in partibus infidelium, 3. B. der
preuß. Feldpropſt. Auch in der evang. Kirche
kommen E. vor. So unterftebt das prot. Delanat
Münden unmittelbar dem Oberkonſiſtorium. (©.
In partibus.) 2) vie Befreiung des Kirchengliedes
vom Pfarrzwang, d. b. Freiheit von Unterorb:
nung unter den Pfarrer des Wohnortes, jo das
man fich eined andern Pfarrers bedienen darf. —
Über erimierten Gerichtsſtand ſ. Gerichts—
ſtand und Erterritorialität.
Eren, Drei, Burgruinen bei Egisheim (f. d.).
Exenteratio bulbi (lat.), die Ausweidung des
Augapfels, beftebt darin, daß die Hornhaut mit
der Schere umfcnitten und im — —
mit Regenbogenhaut, Ciliarkörper, Linſe, Glas:
lorper und Netze und Aderhaut unter Verwendung
eines lörffelförmigen Inftrumentes herausgenommen
wird; es bleibt dann noch die Lederhaut oder Sclera
zurüd, welche entweder durch Nabt einfach geiotoften
wird oder dur ——————— Glas⸗, Elfenbein⸗
oder Edelmetallkugel zur Erhaltung der Form des
Augapfels geitügt wird. Letztere uche ſind be⸗
züglich des dauernden Erfolges noch ſehr umſtritten.
— (lat.), die Eingeweide heraus⸗
nehmen, ausweiden; Exenteration oder Exen—
terismus, das Herausnehmen der Eingeweide,
ſ. Embryotomie.
Exequãtur (lat., «er volljiehe!»), 1) die dem
Roniul (f. d.) der fremden Macht erteilte Erlaubnis
zur Ausübung feiner Funktionen; 2) die Erteilung
des Placet (f. d.). , ,
Exeque, ein Getreivemaß in den portug. Be:
fisungen in Niederguinea, geteilt in 4 Cazungueles
und an Inhalt ungefähr der Fanga von Lijjabon
(55,68 ]) ers ,
Erequiälmeffe, ſ. Erequien.
Grequien (lat. exsequiae), bei den Römern die
feierliche Leichenbegleitung und überhaupt die Be
itattungsceremonien (j. — Toten); in
der tath. Kirche werden damit Seelenmefien für
den Berftorbenen, in der Regel in der PVfarrtirche,
zu der er gehörte, verbunden (Erequialmefien);
weitere Seelenmefien werden an andern Tagen,
namentlihb am Jahresgedächtnistage ded Todes
(Anniverfarium) gehalten. — Val. Probit, Ere
quien (Tüb. 1856).
Erequieren — Ererzierreglement
Epegnieren (lat.), vollziehen, vollftreden, durch
Erution ({.d.) Schulden eintreiben, auspfänden.
Exeroitia. spiritualla (lat., «geiftlihe Ubun—
ga»), in der kath. Kirche bejonders von Ignatius
on Loyola nah ſchon vorhandenen Muſiern ein:
gührte und burch die Sejuiten viel verbreitete,
wmier Zeitung eines Geiftlichen angeitellte Übungen
mder Srömmigteit, wie Betrachtungen, geiſtliche
geltionen, Gebete, die, in vier unbeftimmte Zeit:
abinitte (Wochen) geteilt, in vorgejhriebener Ord-
zung miteinanber wedjeln verbunden mit einem
rg en und entbaltiamen Leben. Für Prie⸗
er vor pfang der Weihen vorgeichrieben, für
Laien vor dem Genuß des Abendmahls empfohlen,
merden fie von Geijtlihen und Laien auch ohne
ſelchen Anlaß je nah Bedürfnis übernommen. —
Bal. Diertins, Historia exercitiorum spiritualium
(fteib. i. Br. 1896).
—— at.), Übung, insbeſondere die mili⸗
tär. Schulung (j. Ererzieren); im Unterricht die ſchrift⸗
liche häusliche Überjegung in eine fremde Sprade.
Egergue (fr;., jpr. -erg, «Abfchnitte), in der Nu:
mis it der Heine unter dem Gepräge einer Münze
befindliche und von ihm durch eine Linie abgefonderte
Kaum, in dem gewöhnlich die Sabraabl oder das
Müngzftättenzeiben ift; auf neuern Münzen jelten.
&zgerzieren (Tat.), üben, einüben, beſonders
im Bezug auf die Truppenausbildung gebraudt.
Unter E. im weitern Sinne veritehbt man die
Schulung und Vorbereitung der Führer und Mann:
ibaften für den Krieg. Alle Übungen müfjen daher
auf ben Krieg berechnet jein. Die wichtigiten An:
forberungen, die der frieg Bea find: ftrengjte
Disciplin und Ordnung bei hödfter Anſpannung
aller fFräfte. Diefe Eigenjhaften der Truppe jo
anzuerzieben, daß fie ibr zur andern Natur werden,
ift ein Hauptzwed aller Ü * auf dem Ererzier:
plaß mie im Gelände. Die Bedingungen des Ge:
techtsfeldes auf dem Übungsplak im vollen Um:
fange zum Ausdrud zu bringen, ift freilich nicht
id: neben den Berluften feblen auch die
fonftigen Eindrüde, die im Ernfte nachteilig ein:
wirten. Eine wejentlibe Aufgabe der Friedens:
ausbildung ift e8 daher, den moralifhen Wert der
Truppe zu begründen und zu fteigern und alle auf
diefes Ziel wie auf die Erhaltung der Manns:
zucht binwirlenden Mittel in Bewegung zu jegen.
Diefe Aufgabe wird zu einem nicht geringen Teil
agelöjt durch Erhaltung der Strafiheit in Darftellung
der einzelnen formen bei allen Übungen.
Unter €. im engern Sinne oder Schulerer:
31eren verftebt man die Einübung der Truppen in
der eg | der Waffen und in den tattijchen
Formen und Bewegungen, melde im ——
teglement (j. d.) genau vorgeſchrieben find, nebſt An:
aabe ber dazugehörigen Kommandos; das ul:
egerzieren findet meift auf bejonder® dazu be
kimmten Ererzierpläßen mit ebenem und
teftem Boden ftatt. Die Ausbildung (Schule) des
einzelnen Mannes nennt man Detailererzie:
ten; die Ausbildung des Zuges, der Compagnie
u. ſ. m. in ben gültigen taftiihen Formen Zug:
ihule, Eompagnieidule u. ſ. m.
Bericieden von dem reinen Schulererzieren des
erjierplages ift das €. im Gelände, d. h. ein
der taftifchen Formen und Bewegungen auf
beliebigem Boden mit Zugrundelegung eines Ge:
ishtägebanten®; e3 bleibt dabei jedoch immer die
finibung der Sormen ald Hauptzwed, während die
347
BERNER AEHNEEN (f. Felddienft) und größern
ruppenübungen mebr die angewandte Taktik zum
—— haben und bei den Mankvern d.)
die Übung der Führer in der Handhabung der Trup⸗
pen unter Berüdfichtigung des Geländes und ber
gegebenen Kriegslage in den Vordergrund tritt.
erzierfnochen, eine knöcherne Verhärtung
im Deltamustel und im zweilöpfigen Beugemus⸗
tel des Oberarm, melde —58 — einer chroniſchen,
mit Ablagerung von Kalkſalzen ehenden
Entzündung des Muslelgewebes bei ſolchen Ber:
fonen entjtebt, die überhaupt eine Dispofition zur
Knochenneubildung beſitzen. Veranlaffung zu einer
derartigen hronifchen, Verknöcherung herbeiführen:
den Mustelentzündung geben entweder anhaltende
Überanftrengungen oder fortgejegte mechan. Ans
riffe (Stoß, Drud, Anſchlagen des Gewehrs beim
Green u. dgl.) auf den betreffenden Mustel,
Ühnliche Verknocherungen finden fi als jog. Reit:
knochen bei manden Reitern in den großen au
—— an der Innenſeite der Oberſchenlel.
ie Behandlung beitebt bei erbeblihen Funktions:
ftörungen in der operativen Entfernung der ver:
Inöcherten Mustelpartie.
®rerziermeifter, in der deutſchen Marine die
Geſchühführer, die einen Ausbildungslurſus im
Schießen und a 2 auge auf dem Artillerie:
— durchgemacht haben, woduürch fie zur Aus⸗
ildung von Mannſchaften geeignet ſind. Sie tragen
unter dem Gejhüsführerabzeihen einen roten Wins
fel auf dem Arm und erbalten eine befondere Zulage.
Epgerzierpläte, |. Ererzieren.
Grersierte lement, die bindende *
taalle militär. Ererzierübungen. Das E. regelt alle
men, Bewegungen und Kommandos von ber
usbildung des einzelnen Mannes bis zum Erer:
zieren ber größten Truppenverbände einer Waffe
(Brigaden, Kavalleriedivifionen) und ift für bie
notwendige Gleihmäßigleit in der Ausbildung der
Truppen unbedingt erforderlich. Die neuern €. zer:
fallen meift in zwei weſentlich verfchiedene Zeile,
von denen der erfte bindende Vorfchriften für die
& rmen, ber zweite allgemeine Gefichtöpunfte und
ingerzeige für die Gefechtsthätigkeit enthält.
Das deutſche €. für die Infanterie vom
1. Sept. 1888 war der Niederichlag der Erfahrungen
des Krieges von 1870/71, und war um jo mebr ein
dringendes Bedürfnis geworben, als das alte E.
vom 25. Febr. 1847 ſchon während des Krieges nicht
mehr als Norm diente, da es der Wirkung der
neuen Feuerwaffen nicht Rechnung trug, und aud
bie inzwifchen erfolgten zahlreichen Abänderungen,
in&bejondere der Neuabdruck vom 1. März 1876,
den Anforderungen des modernen Gefechts nichtmehr
entſprach. Das neue deutjche E., das zum erjtenmal
zum Ausdrud brachte, «daß die Schüßenlinie die
Hauptlampfform der Infanterie ifte, wurde typiſch
für die Reglements der andern Staaten. Das Reg
ment gilt jeit dem 21. Nov. 1889 auch für Pioniere,
ebenjo der die Verlehrätruppen. Ein neuer Ents
wurf erjchien 2. Nov. 1905. — Die deutſche Kaval⸗
lerie erhielt 1876 ein E., das aud das Ererzie
ren in der Divifion umfaßte, den Begriff der An
verfion» durch den Grundfaß aufhob, daß aFront⸗
feite diejenige Seite einer Truppe ift, auf ber fich
der Führer befindet», und die top « Dreitreffen:
taktil» einführte. Das an die Stelle dieſes Regle:
mentö 1886 getretene umgearbeitete wurbe unter
dem 16. Sept. 1895 erneuert, wobei ſich das Streben
348
nad Vereinfahung der Formen und Einſchränkung
der Dreitreffentattil, die zu einem Schema zu wer:
den drohte, geltend madte, und 1907 abgeändert.
Die fremden Kavallerien folgten Schritt > Schritt
dem deutihen Vorgehen. — Die Einführung des
FeldartilleriematerialdC 73hatte1876 ein neues
6. fürdiefeWaffeerforderlihgemadt. Diefemfolgten
neue E. von 1889, 1892 und nad Einführung der
Schnellfeuerlanonen das vom 10. Aug. 1899. Das
legte trifft auch Beftimmungen über die neu einge:
führten Haubikbatterien und ändert die Gliederung
der Batterie im Gefecht; ein neues erfchien im März
1907. Für die Fußartillerie wurde 1876 ein dem
E. für die Infanterie äbnliches E. eingeführt, das
1889 und 1891 entiprehend dem E. für die In—
fanterie vom 1. Sept. 1888 erneuert worden iſt.
Zur Ausbildung am Gejhüß folgten ſich mehrere
E. Das jept gm tige von 1901, vorläuflg nur Ent:
wurf, behandelt auch den Dienft der neu eingeführ-
ten ſchweren Artillerie des Feldheers. An die Stelle
des E. für den Train vom 15. März 1894 trat das
E. vom 8. Dez. 1904. Das E. und die Schiehvor:
fhrift für Mafhinengewebrabteilungen er:
fbienen 14. Mai 1902, die neuen 1. Sept. 1904,
das E. für Luftſchiffertruppen 8. Dft. 1903, —
In Sfterreih:Ungarn erſchien 1889 eine fog.
3. Auflage de3 E. für die yußtruppen vom J. 1874,
die eine neue, auf die Neubewaffnung mit dem
Heintalibrigen Repetiergewehr bafierende Vorſchrift
daritellt, aber durch das noch weiter modernifierte,
im Herbjt 1901 im Entwurf erſchienene neue E.
erjest wird. Das €. für die Kavallerie ftammt aus
dem J. 1899; es enthält auch Beitimmungen für
die Gefechtöthätigleit. 1899 erbielt auch die Ar:
tillerie ein neues E,, dem 1900 ein Anbang beigefügt
wurde; neue Entwürfe von €, für die Artillerie und
den Train erſchienen 1907. — In Rußland wurde
das 1899 zum Erjaß des E. von 1881 für die Infan:
terie eingeführte E., das dem Bajonettangriff noch zu
roße Bedeutung beimaß, dur das E. von 1901 er:
est. Das €. für die Kavallerie von 1896 ſteht auf
moderner Örundlage und umfaßt auch die nationale
Fechtweiſe der Koſalen (Lawa). Für die Feldartille—
rie erſchien 1900 ein durch einen Abfchnitt für das
Gefehtverollftändigter Entwurf, 1899 eine Inſtruk⸗
tion für die reitenden Batterien bei den Kavallerie:
divifionen. — Großbritannien führte 1896 für
bie drei Waffen neue E. ein, doch bewährte ſich das
«Drillbook » He die Infanterie im Striege in Süb-
afrika nicht, jeine Beitimmungen für den Angriff
wurben von der Truppe jofort über den Haufen ge
mworfen. Neue E. für die Infanterie und Feldartil-
lerie erſchienen 1902, für die Kavallerie Sept. 1904.
— In Frankreich jtammen die neueften E. für die
Infanterie und für Luftſchiffer vom 3. Dez. 1904, für
die Kavallerie vom 12. Mai 1899 und 1. Sept. 1904,
für die Feldartillerie von 1895,1898 und 1903, für die
Gebirgsartillerie vom 26. Aug. 1905. — In Ita:
lien find die E. für Infanterie von 1892 und 3. April
1903, für Kavallerie von 1896, für Feldartillerievon
1897, für die Fußartillerie von 1899. — In Däne:
mark erſchien 1905 ein €. für die Infanterie, in
Schweden 1908 ein €. für die Feldartillerie. — In
den Bereinigten Staaten von Amerila iſt
1902 verſuchsweiſe ein neues E. für die Infanterie
eingeführt worden. (S. Fechtart.)
zefion (lat.), die oberflädhliche Zerftörung von
Organen, beionders von Knochen, durch geihmwürige
Ex est (lat.), eö iſt aus. Prozeſſe.
Exeſion — Exhaurieren
Eriter, Municipal:, County: und Parlaments⸗
borougb fowie Bifhofsfig (feit der angeljächf. Zeit)
in der engl. Grafſchaft Devon, an dem en
Ere, 15 km oberhalb jeiner Mündung in den Kanal,
in fruchtbarer Gegend gelegen und früber itart
beieitigt, bat (1901) 47185 €., im ältern Teile
enge Straßen, aber in den Vorjtädten Nortbernbay,
Southernhay, Benniplvania u. ſ. w. ſchöne Bauten,
wie den biſchöfl. Palaſt, das Denkmal Lord Iddes⸗
leighs, das Schullehrerſeminar und die Guildhall,
ſowie jhöne Pläge. Das bemerlenswerteſte Gebäude
tft die ſchon 1050 gegründete, mit Ausnahme des
roman. Querſchiffs und der Türme jedoch erft 1280 —
1370 im normann.:got. Stil erbaute Kathedrale,
124 m lang, 23 m breit, mit zwei 50 m hoben Tür:
men, mebrern Kapellen, ſchönen Fenſtern, einer mert:
würdigen Ubr (14. Jahrh.), einem pradtvollen
bifhöfl. Thron von 1470, einer der berübmtejten
Drgeln Englands, wertvoller Bibliotbel (im fpätgot.
Chapterhouſe), vielen ausgezeichneten Dentmälern
von Biichöfen und einer Minſtrels-Galery im nordl.
Schiff mit mufizierenden Engeln in Niſchen. Außer:
dem befikt E. zablreiche andere Kirchen und Kapellen,
einen Gerichtshof neben dem Cingange der Burg:
ruine Rougemont, Markthallen, Ibeater, Zuct:
und Beljerungsbaus, eine Irren:, Taubſtummen
und Blindenanftalt. Dem Unterriht dienen: ein
biihöfl. Seminar, Lateinſchule, Handwerkeranitalt,
Bolytehniiche Gefellibaft und eine Geſellſchaft zur
sörderung der Künfte, mit Bibliothek und Mufeum.
Em 18. Jabrbundert war E. Hauptfiß der Woll:
manufaltur, jest ijt neben Yabrifation von Hand:
ſchuhen, landwirtſchaftlichen Maſchinen und Spitzen
(Honiton lace) der Handel wichtig, beſonders in der
Einfuhr. Schiffe von 150 Regiitertons gelangen bis
zur Stadt. Dem Verkehr dienen Trambabnen nad
den Vorftädten und drei Eifenbabnlinien. — E.,
das Isca Dumnoniorum der Römer, das Caer-Ist
der Briten, das Eranceajter der Angeljachien, heißt
mittellateinifh Exonia. Wilhelm der Eroberer er:
jtürmte €. 1085 und baute die Feſte Rougemont;
ipäter hatte die Stadt viele Belagerungen zu er:
wagen. — Bol. Freeman, Architectural history
of E. Cathedral (neue Ausg., Yond. 1889); deri.,
Ereter (in den «Historical Towns», 1887).
Eröter, Ort im County Rodingbam des nort:
amerit. Staates New:Hampjbire, am Ereterfluß, bat
(1890) 4284 €., die 1781 gegründete Phillips Aca-
demy und das Robinson Female Seminary. Der
Ort wurde 1638 gegründet und ‚hatte wäbrend der
Indianerkriege (1690 — 1710) viel zu leiden.
Exketer Hall (ipr. babl), große Halle mit Reftau:
ration im Strand zu London, Verfammlungsplas
der evang. Partei der Anglilaniſchen Kirche (f. d.),
der Heildarmee und prot. Diſſenters.
Exöunt (lat.), fie geben, treten ab (in Schau:
fpielen zur Bezeihnung des Weggangs von Perſo—
nen von der Bühne); exeunt omnes, alle ab!
Exfestuocatio, j. Effestucatio.
Ex flammis orlor (lat.), «aus den Flammen
gebe ic bervor», Wahliprud des fürftl. boben-
lobifhen Phönixordens (f. d.).
——— (lat.), ſich abblättern, abſchiefern;
Exfoliation, Abblätterung, Abſchilferung der
Knochen; erfoliativ, ſich abblätternd, ſich ab-
ſchilfernd. von das Hauptwort Erbalation.
Erhalieren (lat.), ausbauden, ausduften; da:
Erhaurieren (lat.), aus:, eribhöpfen; Erbau:
ftion, Erihöpfung, Ermübung.
Erhaujtor
&rhanftox (Lat.) oder Saugventilator, Be
Kibnung für eine BWorrichtung, melde dazu beitimmt
# Oje und Dämpfe aus gemijien Teilen von Ap-
nraten durch anjaugende Wirkung zu entfernen
ad fie in andere Teile der Apparate überzuführen,
m in eritern einer ſchädlichen Anfammlung und
rannung derjelben vorzubeugen. Sie —— vor⸗
mosweile Anwendung in der Gasfabrilation und
in ver Teerſchwelerei der Paraffinfabriten, um bie
inden Retorten gebildeten Dämpfe und Gaſe mög:
übt raſch aus den beißen Retorten zu entfernen,
mel ſonſt Zerjeßungen eintreten würden, dur
melde die Leuchttraft des Gafes und der Wert des
Teers veringert werben würde. Um dies zu erreichen,
haltet man einen E. ein, der die Dämpfe und Gaje
indem Maße, wie fie gebildet werden, aus den Ne:
terten ey und jie ben weitern Reinigungsappa⸗
raten und Ga&bebältern oder den Kondenjatoren
wfübrt. Man unterſcheidet im mejentlichen vier
Spiteme von E., nämlih Glodenerbauftoren,
bei denen die Bewegung des Gafes dur in Wafjer
auf und ab bemwegte chlindriſche Behälter bewirkt
wird, die bei jeder Aufwärtäbewegung das Gas
durch Bentile anfaugen und bei jever Abwärtäbe:
mwegung es durd andere Ventile unter Drud vor:
wärts treiben; 2 findet faum mehr Ber:
wendung. Ferner Gentrifugalerbauftoren,
bei denen die Gaje und Dämpfe durd die mittels
eines jchnell rotierenden Flügelrades zur Wirkung
gebrachte Gentrifugaltraft angeiogen und vorwärts
getrieben werben. Eine weitere Art von E. find nad
Art der Kapjelräder (f. d.) gebaut. Von den E.
dieſer Art hat das Rootiche Gebläje günftige Re
fultate ergeben, mobei auch bei hober Umdrehungs⸗
zabl noch ein volllommen ruhiger Gang fonitatiert
wurde. Endlich find zu erwähnen die Jnjeltions:
erbauijtoren, bei denen ein aus einer bejonders
ormten Düje ausftrömender Dampfitrahl die
erwegung der Gaje vermittelt; diefe Form bat
ven Borteil, daß jie feiner ulgmabalı bedarf;
um die Konjtruftion derjelben haben ſich Gebrüder
Körting in Hannover große Verdienſte erworben.
Etheredieren (lat.), enterben; Exheredatio,
Erberevdation, Enterbung (ſ. d.).
bibieren (lat.), übergeben, einreichen, ein:
Sändigen, vorzeigen (ſ. ———— reflexiv: ſich
als etwas zeigen, bewähren; Exhibent, der Ein:
reicher einer Eingabe; Erhibitum, jhriftliche Ein:
aabe bei einer Behörde.
Erzbibition (lat.), in der Rechtsſprache die
Herausgabe, Vorweiſung oder Vorlegung einer
Sade, aud wohl einer Berfon (3. B. eines Kindes).
Der Anſpruch auf E. dient zur Geltendmachun
eines Rechts an der zu erhibierenden Sache, 3. ®
auf Einſicht von Urkunden oder auf Enke
eines Kindes, und fegt vor allem den Nachweis
eines rechtlichen Interejjes des Erbibenten voraus,
Beitebt legteres, jo unterliegt der Inhaber des Ob:
jelts der — TINEBEE LE: und fann auf deren
—— ellagt werden. Häufig dient die Er:
bibitionsflage nur zur Vorbereitung eines weiter
ebenden Anjpruch3 auf die Sache jelbit, 3. B. der
igentumsflage bei den mit fremden Objekten ver:
dindenen Saden. Cipilprozeſſe dient die €.
ven Gegenftänden und Urfunden zum Zwede ver
®meisaufnabme., (S. Augenſchein und Edition.)
Exhibition, im Englüden (fpr. he jo:
eiel wie Ausstellung beſonders Weltausitellung
kanj.Exposition),im ranzöiichen (ipr.eribiiöng)
349
die Austellung als einzelner Beitrag zur Exposi-
tion und dann namentlich Tierſchau.
Exhortieren (lat.), ermabnen, ermuntern; Er:
bortation, Ermabnung, Ermunterung; Erbor:
tatorium, Ermahnungsihreiben; Erborte, Er:
mabnung3: oder Erbauungärede.
—— (neulat.), wieder ausgraben, z. B.
eine Leiche; der Vergeſſenheit entreißen; Erbuma:
tion, Leichenausgrabung. [gemäß.
Ex thösi (lat.:occh.), der Vorausjegung
Erigieren (lat.), fordern, eine Schuld eintrei-
ben; Erigent, se per Beitreiber; Erigenz,
Erfordernis, Bedarf, inäbejondere — Auf⸗
wand, welchen ein beſtimmter * der Staats⸗
verwaltung erheiſcht; erigibel, eins, beitreibbar.
Seignität (lat.), Rleinbeit, Geringfügigteit.
u (lat. exsilium), Verbannung. 8 Alter:
tum bezeichnete damit bald den freiwilligen Aus:
tritt, durch welchen ein Bürger vem Bollsunmillen
zu entgehen fuchte (fo zur Zeit der röm. Republif
Coriolan, Berres, Cicero), bald den Zwang zur
Auswanderung mitteld Vollsbeſchluſſes, entweder
als Sicherungsmittel gegen das der freiheit ge:
Lets ——— —— Männer (wie in
tben wider Tbemiftofles, Ariftides, ſ. Oftracis:
mus), oder zur Strafe auf erhobene peinlihe Ans
klage (mie gegen T. Annius Milo wegen Tötung des
Clodius). Die Strafe des €. fiel anfangs mit der
Achtung (aquae et ignis interdictio) und dem bür:
gerliben Tode (capitis deminutio maxima) zuſam⸗
men, jpäter aber konnte die Verweifung auch nur
auf kürzere Zeit erjtredt werden, wo dann der Ber:
wieſene (exsul) zwar das Altivburgerrecht und feine
Würden, nit aber die fonftigen Perjönlichleits-
rechte verlor. Aut Kaiferzeit, wo das E. im Sinne
der zwangsweiſen Entfernung aus dem Staate ab:
fam, verjtand man darunter das Gebot, ſich zur
Strafe an einem beitimmten Orte innerhalb des
Reichs aufzuhalten. E3 ward bier zwiſchen Depor:
tation und Relegation unterjhieden. Bei jener
fiel die Wahl J— efürchtete Aufenthaltsorte, und
der Verurteilte büßte, wenn die Verbannung auf
Lebengzeit lautete, das Bürgerreht und wohl gar
das Vermögen ein. (S. Deportation.) Ahnliche Wir:
fungen wie das alte Straferil und die aquae et
ignis interdictio hatte in der deutſchen Vorzeit die
Friedloſigkeit (f. d.). Über das beutige Recht }. Aus:
— über dad Babyloniſche Eril |. d.,
Exilles (ipr. erihl), Fort, ſ. Suja (in Italien).
Erimierte, Erimierte Klöfter, |. Cremtion.
Erimierter Gerichtsftand, j. Gerichtsſtand.
Eximproviso (lat.), ———
Exin, Herzberg, Stadt im Kreis Schubin des
* .Reg.Bez. Bromberg, 18km im W. von Schu:
in und 18 km im SW. von Nafel, in 107 m Höbe
auf einem kahlen Hügel, der böcfte —— der
Provinz Poſen, an der Nebenlinie Gneſen-Nakel
der Preuß. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts
(Landgericht Brombergh und Steueramtes, bat
3086 E., darunter 632 Evangeliſche und 236
— Erine
Sraeliten, (1905) 3370 E., Poſtamt zweiter Klaſſe,
elegrapb, 2 Tatb., 1 evang. Kirche, Kapelle, Syna-
ger, lath. Schullehrerjeminar; ferner 3 Ziegeleien,
öpferei, Bierbrauerei, Molterei, Vieh: und Ge:
treivebandel. E. ift befuchter Wallfahrtsort.
Erinanition (lat.), in der Lehre von Ehriftus
die Entäußerung desjelben von jeinen göttlichen
Eigenſchaften (j. Renotiker).
Seine, Zellhautſchicht, j. Pollen.
350
€ — —— ein Satz, der eine Exiſtenz oder
ein Daſein (ſ. d.) behauptet.
Exiſtenz (lat.), Daſein (ſ. d.).
Exiftenzminimum, rang = Eintommen,
welches nad der lanvesüblihen Anſchauung für
eine felbftändig wirtſchaftende Perjon zu ihrem
eigenen Unterhalt und zur Ernährung einer Familie
unbedingt notwendig und unentbehrlid erſcheint.
Die abjolute Höhe dieſes Minimaleinlommens wird
natürlich auf verſchiedenen Kulturſtufen und in ver:
ſchiedenen Ländern eine ftart wechjelnde fein. In
edem gegebenen alle aber wird jeine Bedeutun
he dadurd geltend machen, daß die Arbeiterbevöl-
terung, fallö der übliche Lohn das E. nicht erreicht,
verfümmert und burd vermehrte Kinderſterblichleit,
Auswanderung u.f.m. allmählich an Zahl abnimmt,
bis das verminderte Arbeitöangebot eine Erhöhung
des Lohnes bedingt. Nach dem Ricarbojchen «eher:
nen Zobngejeß» würde der Lohn fih aud niemals
längere Zeit über dem €. behaupten fönnen, weil
er durch die Vermehrung der Bevölkerung wieder
berabgebrüdt werben müßte. Indes zeigt fich er⸗
—— Ir eine ſehr mannigfaltige Ab»
tufung der Lohnſätze, und zwar jo, dab die Mehr:
zabl der Arbeiter zu einer gegebenen Zeit und an
einem bejtimmten Orte in der Regel nicht der uns
teriten, fondern den mittlern Stufen angebört.
Eine praltifche Bedeutung hat das E. in der neuern
Zeit in der Steuerlehre gewonnen. Während früber
die Anficht vorberrichte, daß jeder jelbftändig ermer:
bende Bürger grundfäglich zu einer wenn auch ſehr
niedrigen direlten Bejteuerung herangezogen wer:
den müjle, wird gegenwärtig ziemlich allgemein zu:
aeftanden, daß das E. fteuenfrei bleiben foll. Als
allgemeiner fteuerpolit. Grundſatz kann aber die
Steuerfreiheit des E, nicht betrachtet werden. Denn
einmal iſt es praftifch in den meiften Fällen unmög:
lich, dieſes Minimum feitzuftellen, das ja nad Ort
und Zeit, nad den Preisverbältniflen, der Stärte
der Familie u. f. m. außerordentlih ſchwankend ift,
jo daß eine feite Grenze kaum anzugeben ift. Dann
aber, jelbjt abgeſehen von diefer praftiichen Schwie:
rigleit, liegt der ganzen fyorderung aud ein falſcher
Gedanle zu Grunde; denn die Leiſtungen des
Staates, wofür die Steuer bezahlt wird, gebören
jelbjt zu den allernotwendigſten Lebensbedürfniſſen:
der Schuß des Lebens und der Geſundheit, die
Rechtspflege, ber militär. Schuß u. f.w. Kann fo:
mit die Steuerfreibeit des E. nicht ald allgemein
gültiges Steuerprincip betrachtet werben, fo ſprechen
bob viele Zmedmäßigleitägründe dafür, bei ber
Beiteuerung, namentlich der direlten, jebr kleine
Gintommen fteuerfrei zu lafjen. — Zuerſt formu—⸗
liert wurde die Lehre vom E, dur Jeremias Bent:
bam, deſſen Schüler Stuart Mill fie annahm; feits
dem ift fie in die Litteratur und Gefeßgebung ein:
edrungen. Letztere hat die Steuerfreiheit der Heinen
Eintommen bald mebr, bald minder anertannt und
läßt fie vorwiegend bei den direkten Staatsſteuern
gelten. Die brit. Beiteuerung läßt das Einkommen
unter 160 Bid. St. fteuerfrei. Bei der Eintommen:
und Klaſſenſteuer in Deutichland beträgt die Grenze
des freien E. 300 M. in Schwarzburg » Sonder:
baufen und Lippe: Detmold, 400 M. in Sadien,
500 M, in Heflen und Baden, 600 M. in An:
balt, Bremen und Lübed, 900 M. in Hamburg und
Preußen. Das preuß. Eintommenfteuergeieß vom
24. Juni 1891 bat eine Erweiterung des fteuerfreien
E. injofern gebracht, als für jedes Familienmitglied
Erijtentialjag — Exkremente
unter 14 Jabren der Betrag von 50M. vom fteuer-
pflichtigen Einlommen des Hausbaltsvorftandes, ſo⸗
fern ed 3000 M. nicht überfteigt, in Abzug gebracht
wird mit der Maßgabe, daß bei Vorhandenſein von
drei oder mehr Familiengliedern diefer Art eine Er:
mäßigung um eine Stufe itattfindet. (S. Einlommen-
teuer.) — Bol. 9. Schmidt, Die Steuerfreibeit des
T u: 1877); Cohn, Spitem der Nationalölono:
mie, Bb. 2 Finanzwifienicaft (Stuttg. 1889);
Artikel: Eriftenzminimum im «Handwörterbuc ber
Staatswifjenihaften», Bd.3 (2. Aufl., Jena 1900).
Eriftieren (lat.), beiteben, vorbanden fein, leben.
Exit (lat.), gebt ab; Plural: Exeunt (f. d.).
Exitus (lat.), Ausgang, Ende.
Ex jure (lat.), von Rechts wegen.
Erfaifer, ſ. Ex.
Erfavieren (lat.), aushöhlen, auögraben; Er»
tavation, Ausböblung, Höhle; Erlavation der
DepnezBen, !. Glaulom; Erlavätor, Aus:
höhler, Mafchine zu Erdarbeiten, ſ. Grabemajdine.
Exklamieren (lat.), auörufen, freien; davon
das Subftantiv Erlflamation.
Erfläve, ſ. Entlaven. 3
. Erfiudieren (lat.), ausjhließen, abjondern.
Exkluſion (lat.), Ausſchließung; in ſtudentiſcher
Sprache die entehrende Ausſchließung aus einer
Verbindung (wegen Ehrenwortbruches, ſtriminal⸗
verbrechen, Feigheit u. a.). In der Regel wird
binzugejeßt c. i. (cum infamia). Der € ierte ift
eitiebens fatisfaltionsunfäbhig, und jeine Geſell—
haft wird au im bürgerliben Leben von den
Standesgenojien gemieden. Die Dffizierlorps er:
fennen die von angefebenen Berbindungen ver:
bängte E. an, indem fie Erkludierte niemals zu
—— wäblen. j
uſiv (lat.), ausfhließend; exkluſive Ge»
ſellſchaft, eine joldhe, welche alle nicht Ebenbür-
tigen ausschließt; exklluſive, ausgeſchloſſen, mir
Ausihlus von...; Ertlufivität, Ausiclieb-
lichleit, vornehme Abgeſchloſſenheit.
Exkolieren (lat.), anbauen, ausbilden, vervoll⸗
fommnen; durdjeiben.
Ertommunifation (lat.), Kirchenbann; er:
ftommunizieren, in ben Bann thun, aus ber
a ausſchließen (ſ. Kirchenbann).
Erfönig, ſ. Ex.
Exkoriation (lat.), — jeder ober⸗
iche Subſtanzverluſt der Haut, durch welchen die
etztere ihres jhüßenden hornartig feiten Epider
misuberzugs beraubt und ſomit das blutgefäß⸗
und nervenreiche Gewebe der Lederhaut bloßgelegt
wird. Die E. entſteht entweder durch mechan.
Schädlichkeiten, wie durch Quetſchung oder anbal⸗
tendes Kragen und Reiben der Haut oder durch eins
mwirlende dem. und phyſik. Reize (Berbrennung,
Blafenpflajter) oder im Verlaufe verihiedener Haut»
krantheiten, welche mit Blajenbildung und Ab»
bebung der Epidermis einhergehen (wie bas Eljem,
die —— der Pemphigus u. a.). Hinſicht⸗
lich der Behandlung genügt metjt das Bebeden ber
abgejhürften Hautjtelle mit einer milden Salbe
oder einem Streupulver (Wismut, Zinkoryd), um
den Zutritt ber —5* mit ihren Schäplichleiten zu
verhüten, worauf bald jhneller, bald langjamer
der Subitanzverluft durch die nachwachſenden Epi⸗
dermiszellen ausgefüllt wird.
Erfremente, Ausmwurfftoffe (lat. excre-
ments, excreta), diejenigen Stoffe, die der lebende
Körper als unbrauchbare durch jeine Ausſcheidungs⸗
Erfrescenzen
mane abjondert (Erfretion, Ausscheidung). Sie be:
bauptjächlich aus den durch den Umſetzungs⸗
meh im Drganis mus verbrauchten und einer rüd:
hitenden Umwandlung (Metamorphofe) unterwor:
imen Beitandteilen der Gewebe und des Blutes;
tubin gehören Harn und Schweiß, fowie das gas»
firmige ement ber Lunge, die Roblenjäure.
Außerdem bejteben diefe Ausiheidungen aus ges
zifen, beſonders mit den Nahrungsmitteln in den
Kirper gelangten, aber für dieſe Zwece nicht ver:
nendeten Aufnahmeſtoffen, 3. B. den Darmertre:
menten, die man auch im engern Sinne €. oder
Kst (faeces) nennt und deren Menge und Be:
Ihaffenbeit in bobem Grade von der Art der Er:
näbrung abhängt.
Die Darmertremente beiteben im allge:
meinen aus den unverbaulichen Bejtanbteilen der
Rabrungsmittel, bejonderö der pflanzlichen Spei-
ien, aus derbjaferigem Pflanzenzellgewebe, Cellu:
Isje, Stärtepartifelben und unverbautem Fleisch,
Best, manchen aud Eimeiß, en ſehnigen und
igen Teilen, aus Darmepithelien und Darms
ſdleim, Gallenbeitandteilen, denen fie ihre Färbung
verbanten, Salzen, bejonders ——— Am⸗
moniatmagnefia u. dal.; ein erheblicher Teil der
normalen Falalſubſtanz beftebt endlich aus Spalt»
pilzen (Hefepilzen, Bakterien, Bacillen). Die chem.
Zufammenjegung der menſchlichen €. ift natürlich
je nad) der genofjenen Nahrung außerordentlich ver:
dieden; nad einer Analyje von Berzelius fanden
Ab im Menſchenlot 75,3 Teile Waſſer und 24,7 Teile
feite Beitandteile; die legtern —— aus 0,3 Tei⸗
len gallenjauren Salzen, 14,0 Zeilen Schleim und
Gallenbarzen, 0,9 Teilen Albumin, 5,7 Zeilen Er
traftivjtofien, 7,0 Zeilen natürlichen Speijereiten
und 1,2 Teilen Saljen. Der Waflergebalt des nor:
malen Kotes beträgt durbicnittlih 75 Proz., doc
fann der legtere durch Zurüdbaltung im Darm viel
an Waſſer verlieren oder bei raſcher Entleerung
noch meit mwafjerreicher fein. Die Menge ber ent:
leerten €. beträgt im Durchſchnitt 170g in 24 Stun:
ben (davon etwa 30 feite Stoffe), doch werben bei
reichlicher Nahrungsaufnahme nicht felten noch viel
mebr, bis 500 g und darüber entleert. Mebr oder
minder tft der Kot immer in fauliger Zerjegung bes
eriffen, weshalb die Kr ng äulnisprodufte
erganijcher Körper teils jeine Beſtandteile bilden
(Butterjäure, Ejfigiäure), teils fi gasförmig aus:
ſcheiden (Koblenjäure, Waſſerſtoff, Stidjtoff, Kohlen⸗
und Schwefelwaſſerſtoff). Der ſpecifiſche Geruch
wird den €. durch die Fäulnisprodukte Statol und
eye verliehen. rantheiten erfährt der Kot
infichtlich feiner Färbung und Zufammenjegung
vielfache Veränderungen, die dem Arzte wichtige
——— Anhaltepunkte geben tönnen. So find
bei ven latarrbaliihen Erkrantungen der Darm:
ihleimbaut fomwie bei der Cholera den Darmentlee:
rungen fo maſſenhaft abgeftoßene Epithelzellen bei:
gemischt, Daß der wäſſerige Stuhl dadurch ein reis:
waflerähnlihes Ausſehen erhält; außerdem find bei
der Cholera darin die jog. Rommabacillen enthalten.
Bei der Rubr find in den Stühlen reichlicher Schleim,
Blut und Eiter enthalten; bei der Gelbſucht bat der
Kot infolge der Berbinderung des Gallenabflujjes in
ten Darm gewöhnlich eine weißgraue, thonartige
yarbe, riecht faulig und ift ungemein feitreich; beim
Fokus find dieStublentleerungendünnflüffig, blaß⸗
braum bi® gelblich gefärbt und oft von erbjenbrüb:
ähnlicher Beihaflenbeit; die bellgelben, mitunter
— Erfujjion 351
grünlihen €, der Säuglinge enthalten viel Fett,
unverdauten geronnenen Räjeftoff und unveränderte
Galle. Nah Kalomelgebraud nimmt der Kot eine
rüne, nah Eijenpräparaten eine jhmärzliche Fär:
ung an, lestere auc nad dem reihlihen Genuß
von Heidelbeeren ; Rhabarber und Safran färben ibn
lichtgelb, blutrot oder rotbraun; bei den Grasfreſſern
rübrt die grüne Farbe von Chlorophyll ber.
Die rechtzeitige und vollftändige Entleerung der
Exkretionsſtoffe ift eine weſentliche Bedingung der
Geſundheit und ihre Zurüdhaltung bisweilen eine
Quelle von Krankheiten. Die Anbäufung, leichte
Zerſetzung und Berjchleppung der Ausmurfitoffe bil«
det eine Hauptquelle der anjtedenden Krankheiten,
weshalb die — Beſeitigung der tieri:
ihen und menſchlichen Abfälle eine der wichtigiten
ragen der Hygieine und Sanitätspolizei geworden
In (S. Städtereinigung.) Über Verwertung der €.
in der Landwirtſchaft ſ. nätedünger und Poudrette.
I. van Ledden⸗Hulſeboſch, Makro: und mifro:
ſtopiſche Diagnoftik der menſchlichen €. er 1899);
Ofele, Zur ſyſtematiſchen Kotanalyſe (ebd. 1900);
Schmidt und Straöburger, Die Fäces des Men:
ſchen im normalen und krankhaften Zuftande (Berl.
1901 fg.).
—————— (lat.), ſ. ——
6 — ſoviel wie Grfremente (j.d.). (S. auch
etrete.
Egfretin, ein kryſtalliniſcher hem. Körper, der
aus menſchlichen Erfrementen ifoliert wurde. Das
E. kryſtalliſiert in gelben, bei 96° jchmelzenden Na-
deln und hat die Formel C,.H,s0.
Erfretion (lat.), die Ausiheidung, |. Aus
leerung und Erfremente.
Erfulpieren (lat.), entihuldigen, rechtfertigen;
ertulpäbel, entſchuldbar; Erlulpation, Ent:
ns, a re
Erfürs (lat.), die — von der Haupt⸗
ſache; im engern Sinne bezeichnet man damit die
einer größern Schrift mehr als Anhang beigegebene
ausfübrlibe Erörterung eines Gegenjtandes, ber
mit dem Ganzen in Verbindung ſteht.
Erfurfion (lat.), Streifzug, Ausflug. .
— (lat.), entſchuldigen; Extuſation,
die Ablehnung eines angebotenen Amtes, 3.B. einer
Vormund hatt (f. Able ung). j
Erkuffion (lat.), die Ausllagung, inſonder—
beit die VBorausflagung. Der Bürge (f. Bür ſchaft)
lann nach einer Verordnung des Kaiſers Juſtinian,
weicher die neuern Geſeßgebungen ge olgt find
(Preuß. Allg. Landr. I, 14, $. 283; eivil Art.
Ze: Sädf. Bürgerl. Gejesb.$. 1461; Schwei⸗
kr ligationenreht Art. 493; Württemberg.
ndr. II,5, 8. 1; Deutſches Bürgerl. Geſetzb. 8.771),
fordern, daß der Gläubiger zunächſt feine Befriebi:
gung aus dem Vermögen des Hauptſchuldners Bun
ae. N und Zwangsvollſtreckung; nad Oſterr.
Bürgerl. Geſetzb. $. 1355 kann der Gläubiger den
Bürgen * belangen, wenn der Hauptſchuldner
auf Mahnung des Gläubigers nicht erfüllt bat.
Das Deutfhe Handelsgeſeßbuch verfagt die Ein:
tebe, wenn bie Anrafhatt auf jeiten des Bürgen im
Handelsgeſchäft F Eie wird ſonſt allgemein aus:
geſchloſſen durch Verzicht des Bürgen; ald Verzicht
ilt die Verbürgung als Selbitibuldner. Nach röm,
echt und nach dem Code civil Art. 2170, 2171 bat
die Einredeaud der dritte Befikereinesfürdie Schuld
verpfändeten Grundftüds. Er ann die E. des perſön⸗
lihen Schuldners fordern. Das haben beinahe ſämt⸗
352
lihe übrigen neuern Gefeßgebungen bejeitigt. Be:
züglid des Pfandes an einer beweglichen Sache ift
die E. des röm. Rechts dadurch befeitigt, daß heute
mar Pfand nur noch ala ein im Bejike des Gläu:
igers befindliches Fauftpfand anerlannt ift.
Exlex(lat.),jemand, der infolge ſtaatlicher Anord⸗
nung außerhalb des Geſetzes (vogelfrei) iſt (ſ. Acht).
Exlibris (lat., «aus den Büchern»), auch
Bibliothelzeihen, Buheignerzeihen, Bit:
herzeihen, bie in Bücher eingellebten Beſitz
zeichen, benannt nad den Anfangsworten der darauf
üblichen Inſchrift. An Stelle der im Mittelalter ge:
bräuchlichen handſchriftlichen Eintragungen, welche
das Eigentum an Büchern ihren Beſitzern ſichern
ſollten, traten ſeit dem Ende des 15. Jahrb. in Holz.
ſchnitt, Metalljtich oder «Schnitt oder mit Typen ge:
drudte Blättchen, die, meift auf die Innenſeiten der
Bucher⸗ und Handicriftendedel eingellebt, denſelben
* edingleihmäßiger und gefälliger Form erfüllten.
anz vereinzelt finden ſich ſchon in früherer Zeit
handſchriftliche Einträge. Außer dem zuweilen nur
dur Anfangsbuchſtaben angedeuteten oder font
veritedten Namen des Belikers enthalten fie meijt
einen ihrer Beftimmung entiprehenden Sinnſpruch
und häufig aud einen mebr oder weniger reichen
bildneriſchen Shmud (Mappen, Symbole u. dal.).
Angeiebene Kunſtler übernabmen oft die Heritel:
fung der Platten oder Stempel; fo z. B. Albr. Dürer,
Luk. Cranach, Joſt Amman, Chodowiecki und neuer:
dings Ludw. Richter, Klinger, Greiner, Sattler u. a.
Manche der E. haben daher rt ungleid
wichtiger aber find fie für die Geſchichte einzelner
Bücher und ganzer Bibliothelen. Gegenwärtig wer:
den fie mit befonderm Eifer — und littera⸗
riſch behandelt; in England, Deutſchland und Frank⸗
reich beſtehen ſogar ſeit 1891 befondere Geiellfhaten
zu ibrer eingehenden Erforfhung mit regelmäßigen
dersfentlihunge, Wertvolle Sammlungen älterer
E. beſitzen die Bibliotbet des Börſenvereins Deut:
her Buchhändler in Leipzig und die Stabtbibliotbef
in Frankfurt aM. — Vgl. Warnede, Die deutichen
—— von ihrem Urſprunge bis zur Gegen:
wart (Berl. 1890); derſ., E. des 15. und 16. Jabrb.
(Stuttg.1894); Bouchot, Lesexlibrisetlesmarques
de possession du livre (Bar. 1890); Egerton:Gajtle,
English book-plates (Lond. 1893); Hildebrandt,
Heraldiihe Bücerzeihen (3 Sammlungen, Berl.
1893, 1894, 1898); Seyler, Jlluftriertes Handbuch
der Exlibris: Runde (ebd. 1895); von Heinemann,
Die Exlibris-:Sammlung der Bibliotbet zu Wolfen:
büttel (ebd. 1895); Geriter, Die ſchweiz. Bibliothek:
rg (Rappelen 1898); Graf zu Leiningen:Weiter:
urg, Deutſche und öſterr. Bibliotbeizeihen, E.
(Stuttg. 1901); Zur Weiten, Erlibris (Bielef. 1901);
Wenig, Erlibris (Berl. 1902); Bertarelli und David:
Henm, Gli exlibris italiani (Mail. 1902); Exlibris:
— u.ſ.w. (Berlin, ſeit 1891); Schweizeriſche
Blätter für Exlibris: Sammler (Zür. 1901 5
Ex mandäto (lat.), dem Befehl zufolge.
Ermatrikulieren (lat.), aus der Matrilel (ſ. d.)
itreiben;davondasHauptwort@rmatrifulation.
Exmiſſion (lat.), im allgemeinen die’ zwangs—
weije erfolgende Entfernung einer Berjon aus einem
von ihr innegebabten Grundftüd, fo namentlich
die Entfernung eines Pächter! oder Mieters auf
Klage (Ermiffionsklage) des Verpäcters oder
Vermieters. Es kann dieje Klage auf den Pacht:
oder Mietvertrag (3. B. wegen Ablaufs der Kon:
traktszeit oder Aufhebung des Kontrafts), aber auch
Exlex — Ermouth
als Beſitzllage (megen Störung im Befik oder Be
fibentziehung) oder als dingliche Alage (3. B. aus
Eigentum, Nießbraud) begründet werden. Es iit
dann Sache des Bellagten, jeine Einwendungen aus
Vertrag oder Gejeß einredeweiſe geltend zu machen.
Die Ermiffionällage des Verpäcters oder Bermie:
ters gebört zur Yujtändigleit des Amtägericts
Gerichtsverfaſſungsgeſetz 3 23, Nr. 2). Tas auf
äumung erfennende Urteil ift auf Antrag für vor:
läufig vollitredbar zu erflären (Civilprozekorbn.
. 709, Nr. 1). Bolljogen wird die €. fo, daß der
ericht3vollzieber den Beklagten aus dem Befis fent
und den Kläger in den Befik einweiſt ($. 885).
Ermittieren (lat.), ſ. Ermilfion.
Ermoor:Foreft (pr. exmuhr forreſt) oder Er:
moor, Hochebene im ſüdweſtl. England, im ®, von
Somerſetſhire und im ND. von Devonfbire (ij.
Karte: England und Wales), bevedt 65 qkm,
mit den angrenzenden Heiden über 260 qkm. Die
höchſten Gipfel der wilden, doch niedrigen Hügel:
reiben find Dunterry Beacon (518 m), Span Head
Di m) und Baracombe (479 m). €. fällt nad N.
in mit zerrifjenen Abbängen und Felswänden ab
und ſenkt ſich —— nach S. Berübmt find der
Ermoor: Pony (ſ. d.) und die Schafe von €.
Ermoor: Pony, ein im — (j.d.) in
England auf meift pürftigen Weiden halbwild auf:
aezogenes Pony von durchſchnittlich 1,30 m Gröbe.
Es iſt für feine Größe febr leiftungsfäbig.
Ex more (lat.), nad Gebraud oder Sitte.
Ermouth (jpr. ermötb), Stadt in der engl. Graf:
haft Devon, 16 km im SED. von Ereter, am
anal und am ee der Eremündung, gegen
Dftwinde geihügt gelegen, bat (1901) 10487 €,
Spisenfabrilation, Fiicherbafen und viel befucte
Seebäder. Etwa 6 km öftliher an der Dttermün:
dung das Seebad Budleigb Salterton.
month (fpr. ermötb), Edward Vellew, Bis
count, brit. Admiral, geb. 19. April 1757 zu Dover,
trat 1770 in den brit. Seedienit und nabm an dem
Kriege gegen die aufftändiihen ameril. Kolonien
teil. 1777 bei der Kapitulation von Saratoga ge
angen, jedoch auf Ehrenwortentlaifen,wurbeer 1750
im Kriege gegen Frankreich verwendet. Im franz.
Revolutionstriege nahm er 1793 das erite franz.
Kriegsſchiff; 1795 zeritreute er ein gerne
an der Küſte von Penmarch und blodierte 1799
Rodrefort. 1802 wurde er ald Tory ins Parlament
gewã It. Beim Wiederbeginn des Kampfes gegen
Frankreich blodierte er die feindliche Seemacht zu
* und empfing 1804 mit dem Range eines
onteradmirals der Weißen Flagge das Kommando
der Station in Oſtindien, wo er die dän. Beſitzun—⸗
gen eroberte. 1810 zum Biceadmiral ernannt, ſchloß
er mit feiner Flotte die Schelde, und 1814 wurde er
u. d. T. Ford E. of Canonteign zum Peer erhoben
und zum Aomiral ernannt. Als Commandeur der
* Seemacht im Mittelmeer wirlte er nah Na
poleons Nüdtebr von Elba für MWiedereinjehung
der Bourbons in Neapel. Von den Barbaresten-
ftaaten erlangte er 1816 die Freilafjung der Chriſten⸗
ſtlaven, Frieden mit Sardinien und Neapel, Aner:
tennung der Joniſchen Inſeln und das Verſprechen,
fih des Korfarenbandwerfe zu enthalten, wofür er
zum Viscount erhoben wurde und den Danl des
Parlaments erbielt. Die ihm 1817 verliebene ein:
träglide Stelle des Hafentommandanten von Ply:
moutb legte er 1820 nieder und lebte dann au
feinem Laͤndſihe Teignmouth bei Ereter, wo er
Erner — Exocoetus volitans
2. jan. 1833 jtarb. — Vol. Dsler, Life of Admiral
Viscount E. (Sond. 1840).
Exner, Adolf, Juriſt, geb. 5. Febr. 1841 in
drag, ftudierte in Wien, Heidelberg und Berlin,
hibilitierte ich 1866 in Wien, wurde 1868 ord.
Irojefior des röm. Rechts in Züri, 1872 in Wien.
Kuh war E. lebenslängliches Mitglied des diterr.
derrenbaufes und Mitglied des Reichsgerichts. €.
karb 9. Sept. 1894 zu Kufitein. Er veröffentlichte:
«Die Lehre vom Rechtserwerb durch Tradition»
(Bien 1867), «Die Pränotation in Öfterreich»
(ebd. 1868), «Das Publizitätsprincip. Studien
um öfterr. Hypotbelenrecdht» (ebd. 1870), «Kritik des
fandrechtsbegriffes nad röm. Recht» (Lpz. 1873),
«Das diterr. Hypotbelenrecht» (Abteil. 1, ebd. 1876;
Abteil. 2, 1881), «Grundriß zu VBorlefungen über
Seſchichte und Inftitutionen des röm. Rechts» (Wien
1882; 3. Ausg. 1891), «Der Begriff der höbern Ge:
walt (vis major) im röm. und heutigen Bertehrs:
recht» (eb. 1883), «Erinnerung an Brinz» (ebd.
1888), «fiber polit. Bildung» (Neltoratärede, ebd.
1891; 3. Aufl., &pz. 1892). — Bol. Mitteis, Erinne⸗
un an Adolf €, (Wien 1894); Benndorf, Adolf
. "orte
u a Gedächtnis (ebd. 1896).
Ezruer, % . Julius, dän. Maler, geb. 30. Nov.
1825 zu Kopenhagen, befuchte die dortige Alademie,
war Schüler von Lund und Ederäberg und machte
längere Neiien. Er widmete jich befonders der Schil⸗
derung des Bauernlebens auf Seeland und Kunert:
Hervorzubeben find: Seeleute auf Beſuch (ſ. Tatel:
Standinaviſche Kunſt I, Fie.9), Schmaus bei
einem Bauer auf Amager (1854), Gruß der Groß:
mutter, Schwarzpeterfpiel (1863), fämtlih in der
töniagl. Galerie zu Kopenhagen; jerner: Bauern:
bodzeit (1875), Krankenbeſuch (1877). E. wurde
1864 Mitglied der Kunftalademie, 1876 Profeſſor.
er, Karl, Matbematiter und Phyſiler, geb.
3. März 1842 zu Prag, ftudierte 1861 —70 in
Wien und Arie. wirkte ald Gumnafiallebrer zu
Troppau, von 1874 an in gleicher Stellung in Wien,
ward 1885 Präfident der Chemiſch-phyſilaliſchen
Geietlichaft in Wien und ift feit 1892 Docent an der
dortigen Univerſität. Er ſchrieb unter anderm:
eliber die Frauenhoferſchen Ringe» (Wien 1877),
«liber eine Rafdine zur Auflöfung böberer Glei-
bungen» (ebd. 1881), «Über das Funleln der
Sterne» (ebd. 1881), Vorlefungen über die «Wellen:
tbeorie des Lichts» (bearbeitet nah E. Berbet,
2 Bve., Braunſchw. 1881 —86), «fiber ar
eriheinungen» (ebd. 1885), «Borlefungen er
Elettricität» (Wien 1888), «liber die polarifierende
Wirkung der Lihtbeugung» (Braunihiw. 1890— 92).
Extuer, Siegmund, bafiolog, geb. 5. April
1846 ın Wien, dierte in Wien und Heidelberg,
wurde 1875 ——— der Phyſiologie in Wien.
dat zahlreiche Abhandlungen auf, dem Gebiete der
Rervenphyſiologie und der phyſiol. Optik veröffent:
lit, außerdem: «Leitfaden bei der mikroſtopiſchen
Unterfuchung tieriſcher Gewebe» (2. Aufl. Lpz. 1878),
«Bhyjiologie der Großbirnrinde» (in Hermanns
«Dandbuc der Phyſio — ebd. 1879), «Unter⸗
ſuchungen über die Lolalifation der Funttionen in
ver Großbirnrinde des Menjden» ner 1881),
«Die Bhyfiologie des Fliegens und Schwebens in
den bildenden Künjten» (ebd. 1882), «Die Innerva⸗
tion des Kehlkopfes⸗ (ebd. 1884), «Die Phyſiologie
der facettierten Augen von Krebjen und Inſelten⸗
(ebd, 1891), «Entwurf zu einer phyſiol. ärung
der piochiichen Ericeinungen» (XI. 1, ebd. 1894).
Brodhaus’ Honperiations-Leziton.. 14. Aufl. R.M VI.
353
Mit Gad gab E. 1887—93 das «Gentrajblatt für
Phyſiologie⸗ beraus.
Erner, Wild. Franz, Technolog, geb. 9. April
1840 in Bänferndorf in Niederöfterreich, befuchte das
————— Inſtitut in Wien und wurde dann
ebrer an der Realſchule in Elbogen (Böhmen);
1865—68 wirfte er an der Oberrealichule in Krems,
1869 organifierte er den neu errichteten Lehrſtuhl
F Ingenieurweſen und mechan. Technologie an der
. f. Forſtalademie Mariabrunn und wurde 1875
als Profeſſor an die foritwirtichaftliche ——
dert, £, Hochſchule für Bodenkultur in Wien berufen.
Bejonders verdient machte er ſich um den gewerb:
lihen Unterricht als ftaatlicher Inſpeltor der Fach⸗
ſchulen (jeit 1874) ſowie ald Vicepräfident des Nieder:
dfterreihiichen Gewerbevereind. Mit Banbans und
Matſcheko gründete er 1879 das k. k. Technologiſche
Gemwerbemufeum in Wien, defjen Direktor er ift.
1882, 1885 und 1891 wurde er in das öfterr. Ab:
eorbnnetenbaus gemäblt, wo er der deutjch:liberalen
Bartei angebört, die Reform des Batent:, Mujter:
und Markenſchußweſens anregte, die Gründung von
Arbeiterfammern beantragte und befonders in
Schul:, Verkehrs⸗ und Gewerbeangelegenbeiten eine
Rolle fpielt. 1890 regte E. die Errichtung eines Mus
eums der Geſchichte der öjterr. Arbeit an. Sein
itterar. Hauptwerk ift: «Werkzeuge und Maſchinen
zur Holzbearbeitung» (3 Bde., Weim. 1878— 83)
deſſen dritter Band gemeinschaftlich mit Karl Biel
verfaßt ift. Andere Werte von ihm find: «Das Holz
als Rohſtoff für das Kuntgewerbe» (Weim. 1869),
«Die Tapeten: und Buntpapierindujtrie» (ebd. 1869),
«Die Kunfttiichlerei» (ebd. 1870), «Der Ausiteller
und die Ausſte .. (2. Ausg., ebd. 1873), «Stu:
dien über das Rotbuchenholz⸗ Öfhien 1875), «Holz:
handel und Holzinduftrie der Ditjeeländer», gemein:
jam mit G. Marchet (Weim. 1876), « Das Biegen
des Holzes» (3. Aufl., von Qauboed, ebd. 1893), «Die
mecan. Hilfsmittel des Steinbildhauers» (Wien
1877), «Das moderne Transportweſen im Dienite
der Sand: und Forjtwirtichaft» (Weim. 1877). Unter
feinerRedaltionentitanden: «Beiträge zur Geſchichte
der Gewerbe und Erfindungen Öjterreich&» (2 Bde.,
Mien 1873), «Die Hausinduftrie Öjterreich3» (ebd.
1890), die « Mitteilungen des Technologiihen Ge:
werbemujeums» (ebd. 1880 I
Ex nexu (lat.), außer ——— Zu⸗
ſammenhang; davon: Exnexuation, Aufhebung
des Nexus ih d.), Trennung, Abtrennung.
Exoasous Fuckel, Biljgattung aus der Ya:
milie der Ascompceten (ſ. d.), Schmarogerpilze auf
Blättern und Früchten. Das Mycelium entwidelt
fih im Gewebe des befallenen Organs und Die
Sporenſchläuche werden an der Oberfläche gebildet,
mwodurd die betreffenden Pflanzenteile mit einem
ige Pilze überzogen werden. Die Sporen werben
ei der Reife aus den Schläuchen herausgeſchleu—
dert. Am belannteſten ift die auf den Früchten der
Bflaumenbäume häufige E. pruni Fuckel (f. Tafel:
Pflanzentrantbeiten, Fig. 9), deren Mocelium
in den 2* vegetiert und Aufſchwellen bewirkt.
Es entſtehen dadurch die als Narren, Taſchen,
Hungerzwetſchen befannten Gebilde; dieſe find
bei der Sporenbildung überall mit weißem Flaum
bededt, ver aus den Schläuchen beitebt. j
Exöche oder Eröhas (ard.), eine äußerlich
bervortretende Aftergeſchwulſt, weiche Afterbeule.
Exoooetus volitans L, der Schwalbenfild,
f. Fliegende Fiſche und Tafel: Fi che V, fig. 12.
23
354
Exodium (grd.), eigentlih Ausgang, Schluß
einer Rede, eines Schaufpiels, nannte man nament:
(ih in Rom ein Stüd, das als Nachſpiel eines
größern zum Sclufje einer Aufführung gegeben
wurde. Nachdem man angefangen batte, funft:
mäßige Schaufpiele aufzufübren, ſchloß man zuerft
die bramat. Satura (f. d.) als E. daran, dieſe mußte
aber bald den Atellanen (ſ. d.) Pla machen.
Exddus (grch.), Auszug (nämlich aus Agypten),
der alexandriniſche (jüd.:belleniftifhe) Name des
2. Buchs Moie (f. Pentateuch).
Ex officio (lat.), aus Pflicht, von Amts wegen.
Exogämie (arh.), Heiraten außerhalb des Stam:
mes oder der Stammesgruppe, eine bei vielen Völ—⸗
terichaften auf das jtrengite eingebaltene Ehevor—
chrift. Die Ebe ift ausichließlich zwiſchen ſolchen
erjonen erlaubt, die verjchiedenen Stämmen oder
innerbalb des gleihen Stammes doch gejonderten
Abteilungen desjelben, einer andern Sippe, Elan:
ſchaft oder Totemſchaft en) angebören. Bei
den Dualla in Afrika 5. B. jomwie bei den Khond in
Indien und bei den Samojeden muß die Gattin aus
einem andern Stamme erwäblt werben; bei einem
Zeil der Völker an der — —— Amerikas,
bei vielen Indianerſtämmen der Vereinigten Staa—
ten, bei den Guayana-Indianern und bei den Ein—
geborenen Auſtraliens muß ſie einem andern Totem
angehören als der Gatte; bei den Tſcherkeſſen darf
ſie nicht aus der gleichen Bruderſchaft ſtammen und
auf Neubritannien, Neumedlenburg und Dule of
orf, wo fich die Bevöllerung in zwei Hauptgruppen
heidet, dürfen die Ehegatten nicht aus der gleichen
Gruppe fein. Diefe Ehevorſchriften werden mit
äußeriter Genauigleit eingehalten und ein etwaiges
Zuwiderhandeln wird ala Blutfchande beftraft, bei
den Khond z. B. mit dem Tode. Als die höchſte Aus:
bildung der E. muß die bei den Ebinejen zu Nedht
beitebende Vorſchrift betrachtet werden, daß jich fo:
gar foldhe Perionen nicht heiraten dürfen, die den
gleihen Familiennamen führen, ſelbſt wenn aud
nicht die geringite Spur einer Verwandtſchaft zwi:
chen ibnen beitebt. (S. auch Endogamie.)
Erogene Sproffung, in der Botanik jede Ber:
jweigung, die aus oberflächlich gelegenen Zellen ber:
vorgegangen ift. Erogen entjteben z. B. alle Blät:
ter und alle normalen blattjtändigen Seitenzweige.
Erömis, j. Chiton. (S. Endogen.)
Exomologösis (grch.), Beichte (f. d.).
Ezomphälus (ar&.), Nabelvorfall, Nabelbrud
(f. Nabel).
Ezonerieren (lat.), entlaften, GEntlajtungs:
beweis (Eronerationäbemweis) erbringen.
Exophthaͤlmus (grch.) oder Glotzauge, das
Hervortreten des Augapfels durch die Lidſpalte nach
vorn, in der Weiſe, daß die Lider nur noch mit Mühe
oder gar nicht mebr geſchloſſen werden können; dabei
jeigt der Augapfel einen jtarten Glan; und eine
eigentümliche Starre und ift häufig bei längerm Be:
jteben des Leidens wenig oder gar nicht beweglich;
bisweilen fommt e3 durch den dauernden Mangel
des Lidſchutzes zu Verſchwärungen der Hornbaut.
Die höchſten Grade des Übels entjteben dur akute
oder hronifche Ent ündungen, Eiteranfammlungen,
Geſchwülſte oder übermäßige Yyettentwidlung inner:
balb der Augenböble, wodurd der Augapfel meca:
niſch nah vorn gedrängt wird; in andern Fällen
bildet der E. ein wichtiges Sumptom der Bajedom:
ſchen Krantbeit (f.d.). Der jog. pulfierende €. ift
Exodium — Exostemma
chlagader bervorgerufen und ijt die Folge eines
ropfes. giſch.
Exoplasma (grch.), ß Arbeitsteilung zoolo⸗
Eroräbel (lat.), ſich erbitten laſſend, zu erbitten.
Erorbitänt Dar ,‚ übermäßig, übertrieben;
Erorbitänz, Überjcreitung des Mafes, liber:
mäßigfeit.
Exorcismus (gr&.), die Beſchworung unter
Anrufung Gottes; in der hriftl. Kirche die Aus:
treibung des Teufeld oder der böjen Geiiter aus
einem von ihnen bejefjenen Menihen, unter An—
rufung des Namens Gottes oder Chriſti. (S. au
Beiejlene.) Dergleihen Dämonenbeihwörungen
waren im Zeitalter Jeſu bei Juden und Heiden jebr
üblich, und wie von Jeſus jelbit in den Evangelien
ſolche Beſchwörungen berichtet werden, jo war es in
der riftl. Kirche von Anfang an Sitte, dur Anru:
fung des Namens Chriſti die böfen Geifter aus den
Kranten auszutreiben. Die Erorciften oder Teu:
felöbanner bildeten daber eine eigene Klaſſe von
Kirchenbeamten (f. Exorcista), Bis in die neueite
get find ſolche Teufelsbeſchwörungen nicht bloß an
Berjonen, jondern auch an verzauberten Dingen ge:
übt worden. — Eine bejondere Bedeutung bat der
GE. noch bei der zus erbalten, Nad der altlirch⸗
liben Pebre waren alle Heiden in des Teufels Ge:
walt, mußten aljo bei der Taufe erorcifiert werden.
Seit dem 4. Jahrh. kam der E. auch bei der Kinder:
ur in Gebraub. Mit dem E. in Verbindung ftebt
die jog. Abrenunziation,d.b. das auf die Frage
des Geijtliben von dem Täufling oder in feinem
Namen von den Paten geleitete Gelöbnis, dem
Teufel und allen feinen Werten zu entjagen. Bon
der röm. Kirche übernahm Lutber (in feinem Kleinen
Katechismus) den E. famt Abrenunziation, wogegen
ihn die Reformierten abſchafften. Die Bejeitigung
des E. —* daher den ſtrengen Lutheranern als
Kryptocalvinismus und erregte z. B. in Sachſen die
ab ai Stürme. Doc batten ibn aud ftreng lutb.
Theologen für entbehrlich ertlärt, und im 18. Jabrb.
lam er faſt überall außer Gebraudb. Dagegen baben
ihn nah dem Vorgange der Aitlutberaner neuer:
dings viele orthodore Paſtoren cum des Gewiſſens
willen» wieder einzuführen verjucht, und lutb. Kir:
&henregierungen bejtanden wenigjtens auf der Abre:
nungziation, die, wenn fie auch eine minder anftößige
Deutung zuläßt, doch die dogmatiſche Grundan:
ſchauung des E. aufrecht erbält. — Vgl. Mar, The
history of exorcism (Nochdale 1897).
Exoroista (lat., «Beibmwörer»), Grorciit, Be:
eihnung der kath. Geiſtlichen des dritten niedern
MWeibegrades (f. Ordines), der feine beitimmte
Thatigleit mebr bat (j. Erorcismus). — Bgl. Wie:
land, Die genetiſche Entwidiung der fog. Ordines
minores in den drei erften Jahrh. (Freib.i. Br. 1897).
Exordium (lat.), Eingang einer Rede, Ein:
leitung.
Exorläre —— nostris ex ossibus
ultor (lat.), «ein Näcer wird aus unferm Staub
eriteben», Citat aus Birgils «flneide» (4, #5), das
der Große Kurfürst gebrauct baben joll, als er 1679
von allen feinen Verbündeten, namentlib von dem
Kaifer Leopold J. verlaffen, den ungünftigen Frie
den von Saint Germain-en-Laye (j. d.) zu Ichlieben
gejiwungen war.
Exosmöſe, ſ. Diffufion und Osmoſe.
Exostömma (Exostema) Pers., Pflanzengat⸗
tung aus der Familie der Nubiaceen (f.d.) mit gegen
durch kranlhafte Erweiterung der großen Gehirn: | 20 vorzugsweiſe weitind. Arten. Es find Bäume
Exoſtoſe — Erpedieren
ver Sträucher mit immergrünen Blättern und
kißen, einzeln ſtehenden oder zu endftändigen Trug:
tolden vereinigten Blüten. Die Rinde einiger Arten
am früber als falfche oder unechte Ehinarinde in den
dandel, ie entbält jedoch weder Ehinin noch Ein:
denin, ſondern einen andern fiebervertreibenden
Stoff, der zugleich brechenerregend und purgierend
wirkt. Am berübmteiten als Fiebermittel waren eine
Jeit lang die Rinde von E. caribaeum Jacq. (unter
ven Namen Jeſuitenrinde, jamaikäaniſche
Fieberrinde, Cortex caribaeus, China caribaea)
und von E. floribundum Roem. (alö China Piton,
China St. Laciae, China montana); aud E. peru-
vianum H.et B. fand ebemals al3 Cortex Chinae
peruvianus Verwendung.
Egojftöfe oder Djteom (grch.), Anohenaus:
wuchs oder Knochengeſchwulſt, eine vorwie—
zend aus Knochengewebe beſtehende, rundliche oder
böderige, geſchwulſtförmige Neubildung, welche
einem Bun feſt auffigt und am bäufigiten an
den großen Röbrentnoden der Crtremitäten, am
Unterfiefer, Schädeldach, jowie im Großen Beden
gefunden wird. Derartige Geſchwülſte entjteben
entweder durch eine ſchleichende Entzündung der
Anochenbaut infolge eines Schlag oder anhalten:
den Drudes, wie bei dem jog. Ererzierfnoden
1. d.), oder durd eine eigentümliche, noch wenig
erfannte frankbafte Dispofition zur Knochenneu:
dildung; bisweilen wird ihre Bildung durch kon:
titutionelle Syphilis begünftigt. Im allgemeis
nen wachſen fie nur ſehr langjam und verurjadhen
keine Beſchwerden, außer wenn fie dur ihre
Größe oder ibren Sik in der Nähe der Gelente
Beeinträchtigung der Bewegungen, Gelentiteifigkeit
und Cirkulationsſtörungen —— oder bei
Frauen durch ihren Sik im Großen Becken erheb⸗
tihere Geburtäbindernijje te ges E. der
®irbeljäule over der Schädelkapſel, welche auf das
Rüdenmart oder die Hirnoberfläche vrüden, fönnen
Lähmungen und andere ſchwere Nerventrantbeiten
zur Folge haben. Abhilfe ift in ſolchen Fällen nur
dur Operation zu erwarten, die in der Entfernung
der Inöchernen Geſchwulſt durch Abfägen oder Ab:
meißeln bejtebt und nicht immer gefabrlos iſt. Eine
beiondere Form der E. it die &.der Zahnwurzel,
auch Ercementofis genannt, eine abnorm ftarle
—— des Gement3 der —— hre Be⸗
—— eſteht in Jodpinſelung, Stidelung des
Jabnfleiihes, Extrallion des Zahns.
Exoftra, eine Theatermaſchine bei den alten
Griechen, entweder dem Ellyllema (j. d.) ahnlich zum
Heraus ſchieben einzelner Dinge auf die Bühne oder
ein vorgeſchobener Ballon des den Hintergrund der
Bühne bildenden Balajtes.
oterifch, j. Eſoteriſch.
Egothermiiche Reaftionen, ſ. Thermochemie.
Ezötifch (arcb.), ausländiſch, fremd; erotische
Gemädjfe, im allgemeinen die außerhalb Europas
vorfommenden Pflanzen, im engern Sinne aber be:
ſonders die der warmen Region der tropiſchen und
äquatorialen Zone. [und Übereinfommen.
Ex paoto et oonvento (lat.), nad Vertrag
Erpaudieren (lat.), ausbreiten, ausdehnen.
fibei (lat.), ausdehnbar; Erpanjibili:
tät, Ausdebnbarleit (j. Ausdehnung).
anfion (lat.), Ausdehnung; in der Phujit
das Beitreben der Gaſe, einen met großen
um einzunehmen. Den Drud der Gaſe auf die
kläheneinbeit der Gefäßwand nennt man die Er:
355
panſivkraft oder die Tenfion. (©. ir rg
Dampf, Dampfmaſchine und Erpanfionsmafcine.)
— Bei Schußwaffen wird E. mit Beziebung auf
Geſchoſſe Erpanſionsgeſchoſſe) gebraudt, die
im bintern Zeile eine Aushöhlung befißen, in welche
die Bulvergaje eindringen und dur Ausdehnun
der Geſchoßwände ein Eintreten der Oberfläche derſel⸗
ben in die Züge bewirken. Die bis zu jener Erfindung
notwendig gemwejene Rraftäußerung des Schüßen,
um das von oben geladene Geſchoß in die Züge zu
treiben (f. Dorngemwebr), fiel damit meg. Infolge
der bequemen Ladeweiſe und der Leichtigkeit der
Umänderung glatter Gewehre in gezogene, konnte
die gejamte Infanterie eines Heers in kurzer ae
mit gezogenen Gewehren ausgerüftet werden. Die
Verwertung der E. zum Zmwed der Geſchoßführung
it ein Verdienſt des franz. Hauptmanns Minie
$ Minisgewehr). Sein Spitzgeſchoß bat im hintern
eil eine Höhlung, in der ſich ein ſchmiedeeiſernes
Hütchen (Treibipiegel, culot) befindet. Neßler (Frank⸗
reich), Podewils (Bayern), Blönnies (Heilen) erreich:
ten denjelben Zwed obne Hütchen (ſ. Geſchoß, Fig. 11
—13). — Auch bei Gejhüsen bat man die €. zu
verwerten nefucht. Bei diejen find am Boden des
Langgeſchoſſes Vorrichtungen angebradıt, die beim
Schuß durd den Drud der Bulvergafe einen größern
als den anfänglichen Durchmeſſer annehmen, dadurch
in die Züge des Rohrs bineinragen und fo eine Jüb:
rung des Gejchofies (ſ. d.) bewirken. .. Vorrich⸗
tungen ſind meiſt napfartige Kupferſcheiben, deren
Rand in die Züge gepreßt wird (gas-check), feltener
Ninge, die ſich auf einen fe 4 am Geihoßboden
auftreiben und dadurd ausdehnen. Nur erjtere Art
wird noch bei neuern Feuerwaffen und aud faft nur
nod in England bei VBorderladern angewendet.
Erpanfiondgeichoffe, ſ. Erpanfion.
Erpanfionämafchine, im weitern Sinne jede
Maſchine, bei der das Princip der Erpanfion (f. d.)
ur Wirkung gelangt, im engern Sinne nament:
8 eine Dampfmaſchine (ſ. d.), die mit Erpanfion
arbeitet.
Erpanfionsdichieber, j. Dampfmafcine,
Erpanfionsfteuerung, mit Erpanfionsicies
ber verjebene Steuerungen der Dampfmaſchinen
Erpanfiv (lat.), ſich ausdehnend. U. d.).
Erpanfivfraft, j. Erpanfion.
Ex parte (lat.), zum Zeil; von feiten.
Expatriieren (neulat.), aus dem Vaterland ver:
weiſen; ſich erpatriieren, das Vaterland ver:
laſſen; davon das Hauptwort Erpatriation.
Expeotativa (lat), f. Anwartſchaft.
otorantia (lat.), Auswurf befördernde
Mittel. Zum Zeil reizen fie zu Husten und Räufpern,
auch wohl zum MWürgen und Erbreden; zum Teil
fördern fie die Schleimabjonderung auf den Schleim:
bäuten der Luft: und Schlingmwege; zum Teil endlich
lindern fie den Reizungszuſtand der legtern ſowie den
beftigen Huftentigel und dadurch bedingten Krampf
in den bi Hg zu den men gehören:
Apomorpbin, Pilofarpin, Brechweinſtein, Gold:
ihmefel, Jpecacuanba, Senega, Quillaia, Meer:
wiebel, Arnika, balſamiſche Mittel, Fenchel, Anis,
Ealmiat, ägendes und kohlenſaures Aumonium,
Emulfionen, Schleime, Sirupe und andere Eüßig-
keiten, warme Milch, heiße Getränte, Einatmung
feuchter Dämpfe, koblenfaure Wäſſer, Nartotita;
über ibre Anwendung j. Huſten. ,
Erpedieren (lat.), abfertigen, ausfertigen, bes
fördern; expediätur, ed werde auggefertigt; ale
25*
356
Subftantiv foviel wie Ausfertigungsorder; Ex—
pedlens, Auskunfts-, — usflucht; Er:
pediént (Erpeditor), Ausfertiger, Ausſchrei—
ber; Expedition, Abfertigung und Ort derſelben;
friegerifche oder wiflenichaftliche Unternehmung.
Erpeditiondgebühr, j. Cijenbabntarife.
Expektanzen, j. Eripeltanzen.
Erpeftieren, ſ. Eripeltieren.
Erpeftorieren (lat.), etwas ausbujten; un
erpeltorieren, jeinem Herzen (durch Ausſprechen)
Luft mahen; Erpeltoration, Herjenderguß; im
mediz. Sinne, f. Auswurf und Expectorantia.
Erpellieren (lat.), aus:, vertreiben, verjagen;
Expellentla, abtreibende Mittel.
ensae (lat.), Auslagen, Gerichtstojten, An:
waltskoſten; daher Erpens in Öfterreih gebräud:
liher Ausdruck; Erpenfarium, Koftenverzeihnis.
Erpenfilation (lat.), Austellung einer Quits
tung im Contobuche. Kalle to, koftipielig.
xpenfion (lat.), Auszahlung, Ausgabe; er:
Experientia (lat.), Erperienz, Erfahrung;
E. est optima rerum magistra, Erfahrung tjt die
befte Lehrmeiſterin; E. docet, Erfahrung lebrt.
Experiment (lat.) oder Verſuch, die Erpro:
bung einer vorläufig angenommenen Theorie (Hy:
potbeje) an den Thatſachen. Eine Wiſſenſchaft, die
wejentlich auf der Anwendung des E. berubt, heißt
erperimentelle Wiſſenſchaft. Namentlich ver:
fteht man unter E. dasjenige Berfabren, bei dem
der Naturforfcher jelbitthätig in den gewöhnlichen
Gang der Erjcheinungen eingreift und nad feiner
Abfict die zufammenmwirfenden Umftände beliebig
abänbert. aa das E, ward der Naturforfcher
Herr der zu unterfuchenden Erſcheinungen; denn
dur Bj vermag er die häufig durch mannig:
faltige zufällige Nebenumjtände verbüllten wejent:
lihen Beziehungen und Bedingungen in denfelben
deutlich bervortreten zu lajjen. Die Einführung des
€. untericheidet die jeßige Naturforfhung weſent⸗
(id) von der des Altertums und Wittelalters. Dur
diejelbe ift die [helle Entwidlung der Phyſik, Chemie
und Phofiologie im 18. und 19. Jahrh. möglich ge:
worden. — Cine foldhe Behandlung der Phyſik und
Chemie, welche die verjhiedenen Wirkungen der
Naturträfte dur Anjtellung von swedmäßig ge:
mäblten €. dem Zuhörer unmittelbar vorführt und
die Nichtigleit der aufgeitellten Geſetze daran nad:
weiſt, beißt Erperimentalpbyjit (f. Phyſih und
Erperimentaldemie (f. Chemie); in gleihem
Sinne ſpricht man aud von einer Erperimental:
phyſiologie(ſ.Phyſiologiej und Erperimental:
geologie 9 Gefteinsbildung). Man unterſcheidet
von den eigentlichen der Forihung dienenden E. die
Schul: oder Kollegien:Erperimente, die nur
eine Nachahmung oder Modifikation jener Drininal:
Erperimente zu Lehrzwecken der ertlärenden Natur:
wiſſenſchaft find. — Überär ztliche E.ſ. Arzt (Bd.17).
Erperimentäl oder —— auf Ex⸗
periment gegründet; daher Experimentalchemie,
Geologie,-Phyſit,-Phyſiologie; experi—
mentieren, Erperimente anſtellen.
Erperimentalpädagogif, ſ. Bo. 17.
Experimöntum (lat.), Verſuch, ſ. Erperiment.
— E. crucis, eine Probe durch eine Art Gottes:
urteil am Kreuz; daher foviel wie entſcheidender
Verſuch. E. in corpöre vili, ein an einem wertlojen
Körper angejtellter Berfuch, 3. B. eine an einem zum
Tode Verurteilten verſuchte gefährliche Operation.
Erperten (lat.), Sahverjtändige (ſ. d.).
Erpeditionsgebühr — Erplofion
Erpertife (fr3.), Unterfubung durch Sachver—
ftändige (ſ. d.), Bericht derjelben.
erto credite (lat.), «glaubt es dem, der es
jelbjt erfahren hat», oft citierte Worte aus Virgils
«Slneide» (11,283). An den malkaroniſchen Gedich—
ten des Antonius de Arena (geft. 1544) findet ſich
das Citat erweitert zu Experto crede Roberto
(aud) ftatt Roberto öfter Ruperto citiert).
Erpiation (lat), Sübnung, Büßung, Ber:
föhnung; erpiatörifch, als Sühne, Buße geltend,
verjöhnend; erpiäbel, verſöhnlich, jühnbar.
epilieren (lat.), plündern, berauben; Erpi:
lation, Plünderung, namentlih Entwendung von
Grbicaftsftüden; Erpilätor, Erbfcaftsvieb.
Explanieren (lat.), auslegen, erllären, erläu:
tern; Erplanation, Auslegung, Grllärung; er:
planativ, erläuternd.
Erpleten, ſ. Tetratorallier.
Explioit (lat., abgefürjt aus Volumen ex-
licitum est, «die Schriftrole it abgemwidelt»), das
uch ift zu Ende, am Schluß alter Drude und
Sanbferften, wie Incipit (fängt an) am Anfang
> en; explicite, entwidelt, ausprüdlic.
plieit (lat.), |. Jmplicit.
Erplifation (lat.), Entwidlung, Erllärung; er:
plifativ, erflärend,
Erplizieren (lat.),‚entwideln, auseinanderjeßen,
deutlich maden, erllären.
Explodieren (lat.), unter Knall zerfpringen, in
die Luft fliegen (f. Erplofion); heftig ausbrechen.
Erploitieren (fr;., ipr. -plödat-), ins Wert jegen,
ausrichten; ausbeuten, für ſich nußbar maden;
Erploitation, Ausbeutung, Nugbarmahung;
erploitäbel, nußbar.
Erploration (lat.), Ausforſchung; in der Me
dizin die kunftgemäße Unterjubung, welche der
Arzt mit dem Kranlen zur gründlichen Beurteilung
eines vorliegenden Strantbeitsfalles vornimmt, im
Gegenfaß zu den weit weniger Sicherheit gewäb:
renden eigenen Angaben bes Kranken, der Anam-
ale (1.d.). Der wichtigſte Teil der E. ift die jog.pby:
fitalifhe E. Sie geſchieht durch unmittelbare An-
wendung bes Gefübls, Geſichts, Gebörs, Geruchs
und ſelbſt Geſchmacks oder foldyer Inſtrumente, die
das Gefühl, Geſicht und Gebör unterjtügen, 3. 9.
der Sonde, der Spiegel, des Stethoſtops und Pleſſi—
meterd, der Bandmahe, Zirkel, em. Neagentien,
des Mitroflops u. dgl. In der Hegel unterjuct
der Arzt bei der E. eines Kranken die verfchiedenen
Spjteme und Organe des Körpers in einer beftimm:-
ten NReibenfolge, indem er ſich zunächſt von dem
Ausjeben, der Haltung und dem ganzen Emäb:
rungszuftand des Kranken, von der Farbe, dem fett:
reichtum und der ſonſtigen Beichaffenbeit jeiner Haut
überzeugt und feine Hörpertemperatur prüft. Dann
erſt unterjucht er die einzelnen Körperteile, und zwar
gewöhnlich zuerft denjenigen, der entweder allein
erkrankt ift oder deilen Erkrankung zunädjit in das
Auge fällt: Kopf mit feinen Höblen, Hals, Bruft,
Bauch oder Ertremitäten, woran fib dann die
povit,, chem. oder mikroſtopiſche Unterfuchung der
bjonderungen und Ertrete anſchließt. (©. Aus
fultation, Diagnoje, Perluſſion.)
Erplorieren (lat.), austundicaften, erforicen,
unterjuchen, ſ. Erploration; Erplorateur (frz,
fpr. -töbr), Ausforjcber, Kundicafter, Späber.
Erplöringinfeln, ſ. Fidſchi⸗Inſeln.
Exploſion (lat.), die unter Knall und beftigen
mechan. Wirkungen eintretende plößliche Volumen
Exploſionsgeſchoſſe — Exploſivſtofft
ogtoherung eines Körpers. So bezeichnet man mit
die raſche, zur Zerftörung führende Dampfent:
idlungin Dampjteileln(j. Dampftejjelerplofionen).
Smwöhnlich aber nennt man E. diejenige dur che:
niſche Umjesun 8 bervorgerufene Gasentwid:
(una, die durch eine Zemperaturerböbung, durch Er:
gütterung, zuweilen Durch geringfügige, kaum nad):
meisbare Urtachen eingeleitet wird, wie dies bei den
Srplofivftoffen (f. d.) der Fall ift. Auch gewiſſe
Basgemenge können erplodieren; man bezeichnet
ielbe Gasgemenge mit Rnallgas (f. d.); in den
Baslraftmajchinen (f. d.) findet die E. folder Ge
menge prattifche Verwendung. Über die E. in Berg:
werten ſ. Sclagende Wetter; über die Staub:
erplofionen |. Mühlſtaub. Je rafcher die Ber:
brennung eines Grplojivftoffs ftattfindet, deſto auf:
fallender find bie Wirkungen der E. Berbältnis:
mäßig langſam erfolgt die Umſetzung bei Schieß:
pulver, rajcher bei Schießbaumwolle, noch rafcher bei
Knallfilber und Dynamit. Scießpulver brennt im
freien Raum auf einem Brett ziemlich langjam ab,
ebenio Sciekbaummolle, während Dynamit, frei
auf einer Metallplatte liegend, zur €. —
durch die Platte ein Loch ſchlägt oder dieſelbe ganz
zertrümmert. Es erklärt ſich dies aus der hoben
Geihmindigleit, welche die Teile des Dynamits
elöglih nad allen Seiten (auch nad unten) aus:
einandertreibt, jo daß ſich diefelben wie Geſchoſſe
verhalten, die gegen die Platte fliegen. Vgl. Berthe⸗
lot, Sur la force de la poudre et des matières ex-
plosives (3. Aufl.,2Bde., Bar. 1883). — Die Verfiche:
rung gegen den durd €. entftebenden Schaden über:
nehmen in Verbindung mit der Berficherung gegen
eueriähaben die Fjeuerverfiherungsgejellihaften.
Die iherung genen die Gefahren der Seeichiff:
fabrt dedt aud die Gefahr der E, (Deutſches Han:
delsgeſeßbuch $. 820).
ERS aekhofle, aub Grplofivge:
ihojje, Sprengaeihofje, alle für euer:
waffen benusten Geſchoſſe, die am Ziel oder in defjen
Nähe durch eine in ihrem Innern befindliche Spreng:
ladung zum Springen gebracht werben (f. Geichoß);
im engern Sinne nennt man E. ſolche aus Hands
feuermwaffen verfeuerte Geſchoſſe. Sie find nur
zur Jagd auf Raubtiere gebräuchlich, wäbrend durch
die Beitimmungen ber internationalen Beteröburger
Konvention (1868) zur Kriegführung nur E. von
über 400 E Gewicht zuläffia find. (6. 2.).
E:;plofiondmotor, joviel wie Gaskraftmaſchine
Erplofiondradius, j. Trichtermine.
Erplofionswellen, die bei plößlibem und
beftinem Durchbrechen der Luft, wie z. B. bei
eleltriſchen unten, bei Schüfien, beim Knallen
der Zündbütchen u. dgl., auftretenden und fort:
breitenden Schwingungsbemwegungen. Die von
pler, Antolit, Mad ftudierten E. bringen auf
berußten Platten eigentümlice Zeichnungen ber:
vor und lajjen ſich auc auf optiſchem Wege mit dem
Schlierenapparat (j. Schlierenmethode) beobachten.
Rach Mad ift die Fortpflanzungsgeihmwindigteit
der E. größer als die normale Schällgeſchwindig—
teit, jolange die Verdichtung der Welle jebr bedeü—
tend ift. Die großartigfte bisber beobachtete Er
plofionswelle war die 1883 durch den Ausbruch des
fralatau (j. d.) verurſachte, die mehrmals um die Erde
berumlief und an mebrern aufeinander folgenden
lagen von den jelbitregiitrierenden Barographen
ter meteorolog. Stationen aufgezeichnet wurde.
Exploſiv (lat.), leicht erplodierend.
357
loſivſtoffe (Sprengjitoffe), dem. Körper over
Gemiſche leßterer, die fich durch gewifie Mittel zur
lojion (ſ. d.) bez. Detonation bringen lafjen.
n den meijten €, lit Sauerftofi, an Stiditoff
oder Ehlor gebunden, in großer Menge und außer:
dem Robin vorhanden, der bei der erplofiven
Zerjekung ſich des Sauerftoff® bemädtigt und da⸗
mit Koblenftoffverbindungen liefert. Manche €. find
vollftändig jauerftofffrei, jo 3. B. Stiditoffwailer:
kef äure, $od: und Chlorftiditoff, die fi bei den
eiſeſten Erihütterungen in ihre gasförmigen Ele:
mente jerfeßen: 2NCh, =N, + 8Cl,, over bei dieſem
momentanen Zerfalle wenigſtens ein Gas entwideln,
wie die metallifchen €, (f. unten 6). Viele E. finden
technische Berwendung zum Schleudern von Geſchoſ⸗
fen oder zum Sprengen und werben dann Treib:
mittel oder Sprengftoffe genannt.
a nah der Entzündungstemperatur und der
Heftigleit, mit der die Gasentwidlung auftritt,
fann man bie €. in drei Hauptgruppen teilen.
L Impulſive E. die bei hoher Entzündungs:
temperatur relativ langjam verbrennen; fie dienen
vorwiegend als treibende Mittel für Geſchoſſe in
Feuerwaffen, daneben aud zu Sprengzweden, na:
mentlih in Hohlgeſchoſſen und Minen. II. Bri:
fante €., die bei hoher Entzündungstemperatur
außerordentlich heftig verbrennen; fiedienenlediglich
als Sprengmittel, da fie ald Treibmittel in Feuer:
waffen zu ſehr zerjtörend auf dieje wirken würden.
IH. $ulminante E. bei welchen die Gasentwid:
lung bei niederer Entzündungstemperatur, aber mit
der größten Heftigfeit und Geſchwindigkeit vor ſich
geht; fie dienen als Zündmittel für andere E. (S. De:
tonator.) Die impuljiven E. werden gewöhnlich
durch Feuer, die brijanten E. durch hohen Drud, die
fulminanten €, durch eine geringere mechan. Ein-
wirlung zur Thätigleit gebradt. Die brifanten €.
brennen bei der Berührung mit der gewöhnlichen
Flamme meijt nur lebhaft ab, ohne eine plößliche
asentwidlung zu zeigen, find daher die weniger ge:
fährlichen, während die fulminanten E. ſehr leicht zur
erplofiven Zerjegung (Detonation) — werden,
und ihre Verwendung in größern Mengen baber zu
vermeiden ift. Bei den impulfiven E. läßt fich die
Verbrennungsgeſchwindigleit bis zu einem gewiſſen
Grade durch bie äußere Form beherrſchen, was bei
den brifanten bis jeßt nur felten gelungen it.
Nah der Zuſammenſetzung der E, unterjcheidet
man mechaniſche Gemenge undſchemiſche
Berbindungen. Beiden erſtern ift ver Saueritoff:
träger ein jalpeterfaureö oder ein hlorfaures Salz;
die Beimengungen find leicht verbrennliche Stoffe,
wie Holzlohle, Schwefel, Zuder u. ſ. w. Die chem.
Verbindungen find tnalljaure Salze oder Nitrate
von or — Subſtanzen, wie von Baumwolle,
Stärlemehl, Glycerin u. & w., melde
durch Behandlung mit konzentrierter Salpeterfäure
(unter Anwendung von Schwefelſäure) Stiditofi
und eine reihe Menge —— aufnehmen. Die
Nitrate lönnen durch mechan. Beimengungen tech⸗
niſch beſſer verwertbar gemacht werden. Bon ande:
rer Seite iſt eine Unterſcheidung der E. in «birelt
mwirtende», deren Entzündungstemperatur mit ber
Erplofionstemperatur zuſammenliegt, und in «indis
reft wirtende E.», bei denen die Erplofionätemperas
tur böber liegt, in Vorſchlag gebracht.
Die E. ten fih folgendermaßen gruppieren:
ec alpeterfqurem Kalium als Sauer:
ftoffträger, Holztoble als Brennitoff und Schweiel
358
als Zuſatz — ——— Verbrennungsprozeſſes
und Erhöhung der Aufbewahrungsfäbigteit. Hier:
ber gebört das gewöhnliche oder ſchwarze Schieß:
pulver (f. d.) und das Braune Bulver (f. d.)
und in den Verhältniszahlen abweichende Bulver:
arten von Neumeyer, Champy, Bennet u. a.
Erfakmittel des Kalifalpeters find:
a. Salpeterfaures Natrium; fo im Pyro—
none von Reynaud, ferner im Brise-rocs von Ro:
baubi, im Pyrolithe humanitaire von Terre und
Mercader, im Steinbred von Weplar, ſowie in den
re von Davey, Drland, Caton, Schwarz,
äfler und Budenberg.
b. Salpeterjaurer Barpt; bierber gebört
das Barptpulver und das Sartfragin.
ec. Salpeterjaures Ammoniaf beim grob:
törnigen Pulver c/86.
2) E. mit hlorfaurem Kalium ald Sauer:
io Euer: wie das muriatiibe Schiefpulver von
ertbollet (f. Bertbollet3 Schießpulver), ferner das
Bulver von Kellow und ia ai Hafenegger, Bubdro:
lith von Dller; zu den hlorjaures Kalium enthalten:
den E. gehören ferner die weißen Pulver (f. Augen:
pres Scießpulver, Schulkes Pulver, Udattus:
pulver) ſowie das von Krafft, Callou, Spence, Ehr—
barbt en Horslen.
Erfagm ttel des chlorſauren Kaliums ijt über:
chlorſaures Kalium: Niſſers Pulver und Ammonit.
Lepteres ift ein neuerer Sprengftoff, ein Gemiſch von
Ammoniumnitrat und Mononitronaphtbalin, aljo
dem Bellit (f. d.) ſehr ähnlich, mit welchem es auch
die meiften Eigenſchaften teilt. In Belgien wird es
von Favier fabriziert (Faviers Sprengmittel).
3) E. mit Surrogaten für die Koble. Die
Roble ist in den E. durch die verichiedeniten Stoffe
erſetzt worden, jo durd ertrabierte Gerberlobe,
Sägemehl, Kleie, Stärke, Zuder, Blutlaugenfalz,
Seignettefalz, weinjaures Kalium, bumusjaures
Ammonium, Katechu, Gerbfäure u. a. Manche der
vorbergenannten €, entbalten jolbe Surrogate.
4) E. mit Surrogaten für den Schwefel:
Halorylin (f. d.), Collodin (f. d.), Vioorit von
Bjorimann, Kantbatpulver.
5)E.mitorganifhenfitroverbindungen,
a. E, mit Nitroglycerin. Zu nalen zur aröß:
ten Wictigleit gelangten Sprengitoffen gehören
außer dem Nitrogliygcerin (f. d.) die fämtlichen Dy:
namite (ſ. d.) und viele rauchſchwache Bulveriorten
(f. Schiebpulver, rauchſchwaches) und zwar dieſe
ſtets in Verbindung mit
b. €. mit Nitrocellulofe, Scießbaummolle
(.b), nitrifiziertes Holz von Schulße, Dualin (f. d.),
bel& oder Brugeres Pulver, rauchſchwaches Schieß⸗
wollpulvce (Cotton gunpowder).
c. Die Sprengeliden E., 1870 von Dr.
Sprengel erfunden, befteben aus zwei an fich nicht
— Komponenten, die erſt lurz vor ihrem
ebrauch zufammengebract werden und dann eine
Miihung von großer Erplofionswirtung abgeben.
Der eine diefer Komponenten iſt meiit Salpeter:
fäure, jeltener ein anderer unorganiſcher Saueritofi:
lieferer, wäbrend der andere ein organiſcher, meiſt
ein Nitrat der aromatischen Reihe, wie Nitrobenzol,
Binitrobenzol, Trinitropbenol, Nitronapbtbalin, je:
doch auch Schwefeltoblenitoff, oder endlich Pilrin:
ker fein fann. (S. Panklaſtit, Hellboffit, Emmen:
t, Radarod, Nomit.)
d. €. mit Nitrorobrjuder, Nitroftärte,
Nitromannit u. a. Dieje Verbindungen find
Erponent — Erponentialfunftion
namentlid benust, um durch ibre eigene Erplofion
bie anderer E. einzuleiten, indem man fie zur Fül—
lung von Zündbütchen u. dal. verwendet bat. Hier:
ber gebört auch Udatiuspulver (ij. d.).
e. E. mit Bilrinfäure; fie führen auch die
Bezeichnung Pilratpulver (f. d.) und fpielen eine
wichtige Rolle ald Sprengladungen der Briſanz-,
Minen: und jonjtiger Granaten.
f. E. mit falpeterfaurem oder hromiau:
rem Diazobenzol (Hnallanilin).
6) Metalliſche E.: Knallgold, Anallquedjilber
und Snalljilber, welche auch den Namen Knall—
präparate (j. d.) führen.
7) Slüffige Luft (j.d.). j
Der Wert der €. ift ein jebr —— einmal zur
Erzeugung der treibenden Kraft in Feuerwaffen für
militär,, vo und jonftige Zwede, jodann ala
Sprengitoffe zu militär. Zweden, im Bergweſen,
im Straßen: und Eifenbabnbau, endlih als Zund—
mittel für Feuerwaffen und Sprengladungen. (ber
die Gejeggebung gegen den gemeingefäbrliceen Ge
braud von €, j. Sprengjtoftgeieb.
Litteratur. Rusty, Theorie der Schiekpräpa:
rate und die innere Balliftit (Wien 1870); Kerl und
Stobmann (Muspratt), Encyllopäd. Handbuch der
techniichen Ebemie (4. Aufl,, 8 Bde., Braunſchw.
1888 fg., Artilel «Schieß: und Sprengmittel»);
Bertbelot, Sur la force des matieres explosives
(Bar. 1883); derf., Les compositions incendiaires
dans l’antiquite et au moyen äge (ebd. 1891, in
der «Revue des Deux Mondes»); Ydon Gody, Traite
thöorique et pratique des matiöres explosives
(Namur 1896); Luiz Mardel, Polvoras Explosi-
vos Modernos e suas applicagdes (Liffabon 1893
— 96); Willougbby Wale, Lectures on Explosi-
ves (Neuyork 1897); Gißler, Handbook of modern
explosives (Lond. 1890); A. Ledieu und Sarrau,
Introduction à la th6orie des explosifs (Par. 1893);
Eunbill, A dictionary of explosives (Lond. 1895);
PBödmann, Die erplofiven Stoffe, ihre Geicichte,
Fabritation u. j.w. (Wien 1895); Maudry, Erplofive
räparate (ebd. 1895); Salvati, Vocabulaire des
poudres et explosifs (Bar. 1895); Nomodi, Ge:
ſchichte der E. Tu. II (Berl. 1895 — 96); Das Tona:
mit und feine fulturbijtor. und technische Bedeutung
(Wien 1896); Sanford, Explosifsnitres(Bar. 1898);
Guttmann, Scieß: und Sprengmittel Braunſchw.
1900); deri., Die Induſtrie der E. (ebd. 1901); Pictet,
Zur mechan. Theorieder E.(Meim.1902); Bichel, Un:
terfuhungsmetboden für Sprengitoffe (Berl. 1902).
Erponent (lat.), in ver Natbematit dieerböbt ge:
fchriebene Zabl einer Potenz (j.d. und Wurzel). Bei
einem geometr. Verbältnijje nennt man bäufig den
Quotienten beider Glieder desſelben (meiit des jmei-
ten durch das erſte) den E.; demnad bat das Verbält:
nis 3:12 den E. 4. Ebenfo iſt der E. einer geometr,
Progreſſion (f. d.) oder Neibe der Quotient eines
Gliedes durch das vorbergebende, & B. bei der Pro:
grejfion 1,3, 9, 27,81 iſt 3der E. Cine Erpo:
nentialgröße ift eine Potenz, deren €. eine ver:
änderlihe Größe it, 3. B. a‘. Cine Gleichung,
worin Erponentialarößen vortommen, beißteineGr:
ponentialgleibbung, eine frumme Linie, die eine
jolbe Gleichung bat, eine Erp onentiallturve,
3. 2. vie logarithmiſche Spirale.
Erponentiälfunftion, eine Botenz, die als
— — ihres Exponenten aufgefaßt werden
ann (y=a*) Der Diſſerentialquotient jeder
E. ift ein Vielfaches der E. felbit. Sucht man
Erponentialgröße
ve funktion, Die ihrem Differentialquotienten un:
sittelbar leich iſt (die einfachſte tranſcendente
Jnltion), jo wird man zu einer E. mit beſtimmter
daſis geführt, Die fich vermöge jener Grundeigen:
ihaft in eine für jeden beliebigen Wert der Urvaria⸗
kilntonvergierende unenblice Reihe entwideln läßt:
e&=1+x Hatte
Sekt man bier x =1, fo erhält man die Baſis e,
teren Zablenmwert e = 2,7182818 ++» ift. Die Umkeh⸗
rung (inverje Funttion) der E. ift der Logarithmus
(x = ®log y); nimmt man e zur Bafis des Loga-
rirhmenjvitems, fo gelangt man zu den natürlichen
Cogaritbmen. Eine E. mit imaginären Erponenten
führt durch Zerfällung in ihren reellen und ihren
imaginären Zeil zur Koſinus- und zur Sinus:
funktion: ei=cosx+tisinx — oivreſche
Formel). Es laſſen ſich fo die Reiben für cos x
und sin x aus der oben angegebenen Neibe ableiten.
Aus der Moivreihen Formel folgt, da die E. eine
imaginäre Periode behßt: ex+iri-ex, Die E.
ih ſelbſt eine eindeutige Funktion, ihre Umkehrung
aber ift unendlich vieldeutig, der Logarithmus jeder
Zabi bat neben feinem einfahen Wert unendlich
viele, die fih um ganzzablige Vielfache von 2ri
unterjcpeiden. [Erponent,
Erponentialgröfe, Erponentialfurve, ſ.
Exponieren (lat.), ausjeßen ( 3. B. einer Gefahr),
auseinanderießen, auslegen (erflären);erponibe
erflärbar, erflärlid.
Erpört, j. Ausfuhr und Handelsgeographie.
Erportbonififation, Ausfubrvergütung,
Drambad im mweitern Sinne, im Gegenſatz zu
eigentliben Ausfubrprämien (f. d.) Bezeihnung
derjenigen Ausfubrbegünjtigungen, die lediglich in
der Hüderftattung der gewiſſe Ausfuhrwaren im
Inlande belajtenden VBerbraudsfteuer: oder Zoll:
beträge beiteben. E. finden zunächſt ftatt bei der
Ausfubr von Fabritaten, welche einer inländijchen
Berbraucsiteuer unterliegen, 5. B. von Brannt:
wein, Zuder u. ſ. w., jodann bei der Wiederausfuhr
der mit einem Einfuhrzoll belafteten Rohwaren,
j. B. Getreide, ober bei der Ausfuhr von ſolchen
Fabrilaten, deren Robitoff oder Halbfabrifat bei der
Einfubr einem Finanz: oder Schußzoll unterworfen
it, 3.8. bei Baummoll:, Woll:, Eifenfabritaten,
Mebl u. j. w. (Rüdzölle). Bei der Verbrauch:
feuer und dem Finanzzoll ift die Nüdvergütun
ein Gebot der Billigkeit, weil die Steuer: oder Zoll:
belaftung den bier nicht eintretenden inländijchen
Verbrauch treffen joll; bei dem Schußzoll foll durch
die eis aiirn Bier Zolls die Ausfuhrinduſtrie
boben werden. Durch die Einrichtung von Frei—
fen oder vonzollzund jteuerfreien Niederlagen(].d.)
lann die eigentlihe E. überflüffi er werden,
indem 3. B. die zur Wieberaushubr eftimmte Ware
— nicht in den freien Verlehr tritt, oder gewiſſe
arbeitungen der unter Zollverſchluß lagernven
Baren in den Niederlagen jelbjt vorgenommen mer:
den, oder indem die Stoffe unter jteuer: oder zollamt:
liber Kontrolle außerhalb der Niederlagen verar:
beitet und dann wieder dorthin zurüdgebracht wer:
den. Sehr häufig artet die E. in eine Ausfuhrprämie
aus, indem entmeber der ſog. Identitätsnachweis
#1. ©.) abſichtlich nicht gefordert wird, oder aus tech—
niſchen Gründen nicht gefordert werden kann, oder
weil die Rüdvergütung der Steuer und des Zolls
R hoch bemefjen ift, 3. B. wenn beim Zuder das
’
uebringen (rendement) aus den befteuerten Rüben
— Erportvereine 359
oder dem Robzuder nad einem zu niedrigen Satze
angenommen wird — eine Gefahr, welche fich mit
dem Fortjchreiten der Technik natürlich immer mehr
vergrößert. Die E. wird entweder in Barzahlun
gewährt, oder nach franz. Mufter in der Form, dad
dem Fabritanten, welcher die entfprechenden Halb:
oder Sanzfabrilate ausführt, ein Exportſchein
oder eine Zollquittung (Einluhefhein;
Acquit-&-caution, f. d.) ausgeftellt wird, melde
ur zollfreien Einfuhr einer beitimmten Menge des
Rohſtoffs oder Halbjabritats ermächtigt. Bei diejer
Art der E, fällt der Identitätsnachweis weg und
find die Scheine übertragbar, jo daß fie in den Han:
del klommen und zumeilen fogar Gegenftand der Bör:
ſenſpelulation werben, 3. B. in der Eifenbrande.
Durch Reichögefek vom 14. April 1894 iſt dieſe
orm (Einfuhrſcheine) für den Erport von Getreide,
üblenfabrituten und Malz eingeführt. Die E. er:
peigt in Deutfchland bei der Ausfuhr von Tabat,
abaksfabrilaten, Rübenzuder, Branntwein und
Getreide u. ſ. w. auf Rechnung des Reichs, bei Bier
auf Rehnung der norddeutihen Braujteuergemein:
joa t oder —— Staaten, welche die Steuer
ierfür für eigene — erheben. — Bgl. Ar:
titel Ausfuhrprämien und Ausfuhrvergütungen im
«Handwörterbucd der Staatswiſſenſchaftens, Bd. 2
2: Aufl.,Zena 1899); Schönberg, Handbud derpolit.
fonomie, 2. Bd., 2. Halbband, ©. 332 (4. Aufl.,
Tüb, 1898); außerdem die Litteratur bei Ausfuhr:
prämien, (Waren ausführt.
Egporteur (ftz., jpr. -töhr), derjenige, der
Erportfommiffionär, der Kommilfionär (f.
Kommiffion), welcher Waren zum Erport nad über:
eeifchen Häfen in Konfignation (f. d.) übernimmt.
erjelbe bat neben den Pflichten eines Spediteur
f. d.) nur die Verbindlichkeit, die ihm übertragenen
ufträge an die überfeeifhen Kommiffionäre mit
der ng eines ordentlichen Kaufmanns auszu:
fahren, einem Auftraggeber die erforderlichen
achrichten zu erteilen, ihm über vie Geſchäfte
a zu geben und ihm das zu ei rt was
er ſelbſt aus den Gejchäften zu fordern hatte.
bat nicht die Pflihten eined Verlaufskommiſſio⸗
närs, wenn er diefelben nicht übernommen hat (Ent:
fcheidungen des Reichsoberhandelsgerichts, Bd. 8,
&. 121, Stuttg. 1873).
Exportfommiffionshänfer, größere private
Unternehmungen, welche für bejtimmte Induſtrie—
zweige den Warenabjaß dadurch vermitteln, daß fie
ausländische Aufträge —— den Fabrikanten
übergeben, den Vertrieb der Waren bis in die fern:
jten Gegenden mit Hilfe eigener Reifenden bewirken
und die —— entweder ri oder kurz nad
der Ablieferung der Waren bezablen. Sie erleichtern
dadurd bedeutend das Gefchäft namentlich kleinerer
und neu begründeter Fabriken. Die €. haben in
| England, Frankreich, Nordamerika und der Schweiz
weite Are een und große praftijche Bedeutun
erlanat; Deutjhland verfügt nur über einzelne E.
bauptjächlich in den Rheinlanden und in Weitfalen.
— Bol. Huber, Die Ausftellungen und unjere Er:
portinduftrie (Stuttg. 1886).
Erportmufterlager, ſ. Handelömufeen.
Ezporticheine, j. Erportbonifilation
Erporttarife, j. Eijenbabntarife.
——— Vereine von Produzenten und
Kaufleuten, welche neuerdings im Zuſammenhang
mit andern Beſtrebungen zur Hebung des Ausfuhr:
bandelö zu gleihem Zwecke entitanden und noch im
36U
Entjteben begriffen find. Sie juchen ihr Ziel durch
Anlegung von Erportmujterlagern im Inlande, Aus:
—— inländiſcher Erzeugniſſe im Auslande oder
Inlegung von permanenten Warendepots dortſelbſt,
Anjtellung von Agenten an auswärtigen Pläßen,
Einribtung von Informationsbureaus, KRolleltiv:
reifen der Mitglieder — zu erreichen. Sie ſuchen
und finden auch in der Regel die Unterſtütung der
Behörden und namentlich der konſulariſchen er:
tretungen im Auslande. (S. Handelämufeen.)
Exposse (fr;.), Darlegung, Auseinanderjeßung.
Erpofition (lat.), Ausjepung, Ausitellung (}.
aud Exhibition); Auseinanderjegung, genauere Er:
Härung der Begriffe in den einzelnen Zeilen einer
Nede oder Abhandlung, im Gegenjas zu Dispo:
Se der richtigen Anordnung diejer Zeile. —
m Drama nennt man E. die in den eriten
Scenen oder im erften Aft zu gebende Darjtellung
der Situation, von der die Handlung ihren Aus:
gang nimmt; ihre Aufgabe ift es, den Zuichauer
mit dem Gegenitand der Handlung, mit deren
mwejentlihen Trägern und Verhältniſſen befannt zu
machen. Die Kunſt bejtebt darin, diefe Grundlage
des Folgenden möglihit durdfichtig inden Anfängen
der Handlung jelbit ſich entfalten zu laffen. Die E.
im — Drama ſoll mit wenigen Zügen den
Geiſt der geibichtlihen Epoche und des Voltslebens
daritellen. Mujtergültig iſt mit Bezug bierauf die
E. in «Egmont» und «Wilhelm Tel». [pbiiches.
Erxpofitiondmeffer, j. Pbotometer, pbotogra:
Erpofitür (lat.), auswärtige Kommanbite, al:
torei. In der katb. Kirche eine Tochterlirche mit
allen Rechten einer Kirchengemeinde, ohne die Mittel,
. Seelforger (Erpojttus) die volle Congrua
(}. d.) liefern zu lönnen. — In Bosnien ijt €, eine
Abteilung ber mit der polit. und Jujtizverwaltun
eriter Snhanı betrauten Bezirtsämter, welche mei
wegen der großen Entfernung vom Hauptorte des
Bezirks errichtet wurde und von einem vom Bezirls—
amte abbängigen polit. Beamten jelbjtändig geleitet
Erpofitus, ſ. Erpoſitur. [wird,
Ex post over Ex post facto (lat.), binterber,
nad ——— That.
Expoſtulieren (lat.), fordern, ſich Aber jemand
beſchweren, ihn zur Rede ſtellen, mit ihm ſtreiten;
Erpoftulation, Beſchwerdeführung, Streit.
Erpofuremeter (engl., ſpr. erpöbidhermibter),
j. Bbotometer, photographiſches.
£pref (lat.; frz. expres, jpr. -präb), ausprüd:
li, eigens, zu befonderm Zwed; par exprös, lat.
per expressum (abgefürjt p. expr.), durch einen
eigenen Boten. In manchen Gegenden, bejonders in
Oſterreich, bezeichnet man die Dienjtmanninftitute
(j. d.) ald Erpreßinftitute.
Erprehgut (frj. colis express; engl. express
goods, parcels), auch Cilgut, Güter (j.d.), die be:
ſonders fchnell, mit Berfonenzügen befördert werden,
fojern fie fich zur Beförderung im Badwagen eignen.
In Deutſchland beitebt diefe Cinrihtung, die
jhon 1875 von mebrern jüddeutihen Eifenbahns
verwaltungen eingeführt wurde, um den Berluiten
zu begegnen, die ihnen aus der billigen Batetbeför:
derung der Boit erwuchſen, unter andern bei den
bad., bayr., eljaß:lotbr., württemb. und pfälz. Eifen:
babnen. Die Beförderungsbedingungen find ver:
bieden; im allgemeinen find fie den Bedingungen
ür die Beförderung des Neifegepäds nachgebildet,
wie denn au die Fracht gewöhnlich nah Maß:
gabe des für Reijegepäd gültigen Tarifs berechnet
Expose — Erpromiffion
wird. Auf den übrigen deutichen Cifenbabnen be
ftebt eine Beförderung von E., wie 5. B. auf den
preuß. Staatäbabnen, injofern, als Güter aller Art,
die jich zur Beförderung im Padwagen eignen, obne
Löjung von Fahrkarten zur tarifmäßigen Gepäd:
fracht mit einem Mindeitgewibt von 20 kg und
dem Mindeitfag von 1 Di. auf Gepädicein beför:
dert werden, ber entiweder in den Händen des Ver:
jenders bleibt oder mit Aorejje des Empfänger:
der Sendung beigegeben wird. Außerdem werden
auf den deutjchen und auch auf den diterr. Gijen-
babnen Eilgüter auf Verlangen der Berjender und
mit Zuftimmung der betreffenden Babnvermal:
tungen gegen eine Erböhung der Eilgutiäge (in
Deutihland auf das Doppelte, in Oſterreich um
50 Proz.) in Schnelljügen befördert. Die 1. Jan.
1893 in Kraft getretene Vertebrsordnung für die
Eifenbahnen Deutſchlands (f. Gifenbabnvertebrs:
ordnung) entbält einen ame Abſchnitt (V)
über die Beförderung von E. Danach können die
Gijenbabnen in den Tarifen bejtimmen, daß der
Transport von Gütern, die fi zur Beförderung
im Badwagen eignen, auch wenn fie nicht als
Neifegepäd zur Aufgabe gelangen, auf Geräd:
ſchein oder auf beſondern Beförderungsſchein
uläſſig iſt. Bei Abfertigung des E. auf Gepäd—
bein iſt folder in der Negel dem Abſender au:
zubändigen, in welchem Falle die Auslieferung des
Gutes am Bejtimmungsorte gegen Rüdgabe des
Gepädicheins erfolgt. Auf Verlangen des Abſenders
fann jedoch der Gepädidein au der Sendung bei:
egeben werden, wenn diefe mit der Adreſſe des
mpfängers verjeben iſt. Bei Abfertigung des €.
mit Bejörderungsihein muß diejer ftetS die Sen:
dung begleiten und das Gut mit der vollen Adrefie
des Empfängers verfeben jein. Auf die Beförbe:
rung von E. ee die Belangen über Beforde⸗
rung von Reijegepäd (Abſchnitt IV) finngemäß An:
wendung, foweit nicht dur die Tarife die An:
wendung der Bejtimmungen über Beiörberung von
Gütern Abſchnitt VILI) vorgejeben iſt.
In Dfterreih, den Niederlanden, Bel:
ien, der Schweiz, Frankreich, Italien
? Sicilianiſche Eifenbabnen ) befördern die Eiſen—
bahnen meijt ebenfalld E. In England, wo die
Poſt Palete nur in bejhränttem Umfange beför:
dert, haben die Eiſenbahngeſellſchaften die Palet:
beförderung in großem Umjange übernommen; der
Erpreßgutbeförderung entipricht bier der Parcel:
Berlebr. Auf allen größern Stationen befindet ſich
ein fog. Parcel-office. — Bgl. Ulrih, Erprebgutbe:
—— in der «Encpllopädie des geſamten Eiſen⸗
abnmejend», bg. von Röll, Bo. 3 (Wien 1892).
Erpreifion (lat.), Ausprud; erpreiito, auss,
nachdrücklich. Morten.
Expressis verbis (lat.), mit ausdrüdlichen
Erpreffivorgel, j. Grenie, ©. J.
Szprchaüge, f. Luruszüge. RR
Erprimieren (lat.), ausprüden, beicreiben.
Ex profösso (lat.), sugejtandenermaßen; vor:
ſäßlich; dem Beruf gemäß.
Erpromiffion (lat), in der beutigen Rechts—
wiflenihaft eine Novation (j. d.) oder Schuld—
erneuerung, melde ſich vollzieht, wenn unter Auf:
bebung des bejtehenden Schuldverhältniſſes, obne
Anweiſung des alten Schuldners, ein Dritter dem
Gläubiger das, was der alte Schuldner zu letiten
batte, oder ftatt desſelben etwas anderes zu leiſten
verfpricht, was der Gläubiger ebenjo wie ven neuen
Erpropriieren — Eritirpation
Shuloner annehmen will. Diefe Begriffgbeftim:
mung entipricht dem röm. Recht, nach weldyem bie
terion des Schuldners für das Schuldverhältnis
io wefentlih war, daß ein neuer Schuldner nur
turh Begründung eines neuen Schulpverhältnifies
an Stelle eines frübern Schuldners eintreten konnte.
Damit ftiimmen überein Code civil Art. 1271,
1974 ja. und Schweizer Obligationenredht Art. 142,
189, Die übrigen Gejeßgebungen, aud das Deutfche
Bürgerl. Gefegb. $. 414, laſſen den Eintritt eines
nzuen Schuldners unter Befreiung des alten in das
Shulpverhältnig zu. (S. Schulduübernahme.)
Erpropriieren (lat.), auf gejeglihem Wege
wangsweiſe des Eigentums entjeßen; Erpro:
rriation, Enteignung (f. d.).
Ex proprlis over ex proprio (lat.), aus eigenen
Ritteln; ex proprio Marte, aus eigener Kraft.
Erpulfion (lat.), Aus, Vertreibung (f. Abmeie:
rung); erpuljiv, austreibend, abführenn,; Ex-
pulsiva, abführende Mittel.
Erpungieren (lat.), ausſtreichen, tilgen; da:
von das Subftantiv Erpunltion.
Erpurgieren dat), reinigen, fäubern (3. B.
von sehlern, den Leib durh Abführmittel); Er:
purgation, Abführung, Rechtfertigung.
Erauifit (lat.), ausgeſucht, auserlejen.
Errotulation (neulat.), die Eröffnung zurüd:
gelommener, bebufs des Rechtsſpruchs verſchickt
geweſener Alten durch den Richter.
Ex sohedüla (lat.), vom Zettel (lejen).
Erfeftion (lat.), Aus:, Verjchneidung.
Erſequien, ſ. Erequien.
Erſezieren (lat.), aus-, verſchneiden.
Exsiocantia (lat.) oder austrocknende
Mittel, in der Medizin diejenigen Mittel, - welche
den Flächen und Geweben des lebenden Körpers
die Feuchtigkeit en‘: ben. Sie dienen verſchiedenen
wihtigen Heiljmeu.n Beſonders wendet man jie
an, um Krankheitsorrdukte zum Verfchorfen oder
Lerihrumpfen zu bringen, was oft der natürlichite
Beg zur Heilung Mi erner um Blutflüffe und an:
dere Ausflüfje zu ftillen; um die Vernarbung oder
Shälung zu onen u. f. wm. Hauptmittel der
Irodentur find: Verſagung des Getränk (f. Durft-
tur), Aufenthalt in trodner Luft (3. B. in Agypten,
im irifch-röm. Bad), Umbüllen des Körpers oder
des franten Gliedes mit ausgetrodneten, pulverigen
oder fajerigen Stoffen, & . mit Watte, Wolle,
Kräuterpulvern, Aſche, Sand, Kleie, Mehl, abge:
tniftertem Salz u. ſ. w., oder Bejtreuen der näflen:
den Stellen mit Einftreupulver aus Bärlappfamen,
Stärtemebl, Gummi, Kohle, Kalt u. f. w. Zum
Tail dienen auch chemiſch⸗koagulierende (gerinnen:
mahende) Mittel als E., 3. B. Zink, Blei, Eichen:
ande, Alaun, Tannin u. a. (S. Adstringentia.)
Erfiecätor (lat.), ein im chem. Laboratorium
verwendeter Apparat, der dazu dient, hygroſtopiſche
Stoffe zu entwäfjern oder, wenn biejelben ſchon
waflerfrei find, vor erneuter Aufnahme von Waſſer
bewahren. Man benust E. namentlich in der
quantitativen Analyie, um ſolche Stoffe, die man
dur Trodnen oder Ölühen wa u gemacht hat,
die zu dem Augenblid, wo man fie auf die Wage
ringen lann, vor Anziehung von Feuchtigkeit zu
Wüen. Man bat dem E, jehr verſchiedene Geftalt
— Gewöhnlich beſteht er aus einem Glas:
ß, das mit einem luftdicht aufgeſchliffenen Glas:
dedel ——— werben lann und eine waſſerent⸗
nebende Subſtanz, meift Schweielfäure oder ge:
361
ſchmolzenes Chlorcalcium, enthält, über die man
ben zu trodnenden flörper bringt. Mande E. be:
figen noch ein durch einen Habn verfchließbares An:
jarobr, durdy welches ein Auspumpen der Luft
und infolgedejien ein fchnelleres Austrodnen er:
möglidt wird.
xficcatorium (lat.), Trodenfchranl, Troden:
fammer u. dal.
Exsilium, |. Exil. ——
Ex speoiäli gratia (lat.), aus beſonderer
Ex speciäli mandäto (lat.), auf befondern
efehl. [etwas bat, Anmärter.
fpeftänut (lat.), einer, der Anwartſchaft aui
Eripeftänzen (lat. gratiae exspectativae), im
fanonishen Recht die Anwartichaften auf noch nicht
erledigte Kirchenämter. In der alten Kirche galt ala
erfte Si für die Verleihung eines Kirchen:
amtes die Erledigung desfelben, während des Mit:
telalters aber kam die Gewohnheit auf, Kirchenämter
bereit3 vor dem Ableben ihres Inhabers an andere
Bewerber zu vergeben. Daneben beanspruchten die
Landesberren (uriprünglich nur die deutichen Kaiſer)
das Recht der erjten Bitte (jusprimariarum pre-
cum), fraft defien ihnen die einmalige Beſeßung
einer Stelle in jedem Kapitel oder Kloſter zuſtand,
und forderten die Bäpfte für ihre Empfeblungsbriefe
(mandata de providendo) angeneiene Beruͤcſichti—
gung. Das führte zu mancherlei Mißſtänden, zu:
mal während des groben Schismas jede Partei dur
BVerleibung von E. Anhänger zu gewinnen fuchte,
fo. daß oft mehrere Bewerber auf dasfelbe Amt
Anſpruch erhoben. Schon 1179 verbot deshalb
Alerander II. die Verleihung oder das Versprechen
eines noch nicht erledigten Amtes, Bonifacius VIIL
unterjagte gegar das unbejtimmte Verſprechen, je
mand ein Kirchenamt geben zu wollen, N ſich
dazu Gelegenheit biete; das Tridentiner Konzil ver:
bot alle E., e3 fei denn in Ausnahmefällen durd
den Bapft. Dies ift geltendes Recht. — liber die
Bedeutung der E. im Lehnsweſen f. Anwart:
ſchaft. E. auf Staatsämter find allgemein für
unzuläſſig erflärt.
fpeftativ (lat.), in Ausficht ftehend, zur An—
wartſchaft berechtigend; erjpeltative Methode,
in der Medizin die abwartende Heilmethode, im
Gegenfak zur Abortivlur (f.d.). Erjpeltative,
foviel wie Exſpeltanz, Anwarticaft.
Eripeftieren (lat.), etwas erwarten, bofien,
Anmwartihaft auf etwas haben.
Eripirieren jan, ausatmen, aushauchen, jter:
ben, zu Ende geben, ablaufen (Frift); Gr pira:
tion, —— (. Atmung), Tod; Verfallzeit.
Exſtinktion (lat.), Auslöſchung, Vernichtung;
erftinttiv, pa tie GErjtinftivverjäb:
rung, Verjährung, infolge deren eine Forderung
oder Klage erliſcht.
Erftirpation (lat., d. i. Ausrottung), jede
&irurg. Operation, bei der ein Zeil des Körpers
aus feinem organischen Zufammenbange getrennt
und fo vollftändig aus dem Körper entfernt wird.
Die E. erfordert nicht ausschliehlich den Gebraud
des Meſſers, fondern kann auch durd Abſchnürung,
Abdrehen oder Abreißen mittels Zangen, oder
durch Uß- und Brennmittel bewerkſielligt werden.
Der zu eritirpierende Teil iſt entweder ein frant:
baftes Gebilde (3. B. eine Balggeſchwulſt, ein Po:
(op) oder ein ganzes Organ (j. B. eine mit Krebs
behaftete weibliche Bruſtdruſe, ein cyſtiſch degene:
rierter Eierſtoch, ein entarteter Augapfel). an
362 Eritirpator
{chreitet dazu natürlich nur, wenn das Übel ehr
gefahrdrohend und ſonſt nicht zu bejeitigen ift.
Eritirpätor (lat.), . Grubber.
Epftirpieren (lat.), etwas mit der Wurzel weg:
nehmen, entwurzeln, ausrotten. _ j
— Exfudation (lat.), ſ. Ausſchwißung
und Entzundung.
Exſultation (lat.), ſ. Exſultieren.
Exsultet, eine angeblich von Auguſtinus ver:
faßte lat. Hymne, weldye anfängt: E. jam angelica
turba 568 jauchze nun der Engel Chor»), wird in
ver kath. Kirche am Karjamstag bei der Weihe der
Difterferje von dem Diakon gelungen.
Egfultieren (lat.), frobloden, jauchzen, jubeln;
davon das Subitantiv Erjultation.
Extafe, fälſchlich für Gkitafe (ſ. d.).
Ertemporäle (lat.), ein ſchriftlicher Aufſatz, den
die Schüler ohne Vorbereitung und Hilfsmittel, oft
in —— Sprache, ausarbeiten müſſen.
xtemporieren, einen mündlichen Vortrag auf
der Stelle(lat.extempöre),obneorbereitungbalten.
Eztendieren (lat.), ausdehnen, ausbreiten,
erweitern; ertenjibel, ausdehnbar; Ertenfibis
lität, Ausdehnbarteit (f. Romprefjibilität).
Extenfion (lat.), Ausdehnung, Stredung. In
der Chirurgie find E., der Zug, und Kontra:
ertenfion, der Gegenzug, die entweder mittels
der Hände des Arztes und feiner Gebilfen oder
mit Zubilfenahme von Schlingen und Maichinen
auf einen Körperteil in zwei einander entgegen:
gejesten Richtungen ausgeübten Manipulationen,
meijt damit die aus ihrer normalen Lage nebrad:
ten Teile wieder in ibre richtige Yage zurüdveriept
werden. Zua und Gegenzug werden namentlich
bei der Finrichtung von Anochenbrücen und bei
der Cinrentung von Perrentungen angewendet;
ihre Anwendung erheiſcht immer große Vorficht
und Sadlenntnis, da mit gewaltfamen und un:
vorfichtigen Ertenfionsverfuchen leicht großer Scha—
den angerichtet werden fann. Grtenfionss oder
ugverbändenenntmanallediejeninen Verbände
(1. d.), durch welche man mittels Gewichten einen
Örperteil in einer beitimmten Richtung dauernd
anzuziehen und anzuipannen jucht (fog. perma:
nente E.). Man bedient fich ihrer mit aroßem Vor:
teil bei der Behandlung von Knochenbrüchen und
von entzündlichen Knochen: und Gelenttrantbeiten.
Ertenſionsſchienen find fagerungsapparate,die
6. auf ein jehlerbaft jtehendes oder entzündetes
elent einen bejtimmten Zug ausüben follen.
Ertenfität (lat.), Ausdehnung, Umfang.
Ertenfiv (lat.), ſich ausdehnend, auf (räumliche)
Ausdebnmunghe en uw enfaß:intenjiv), ſ. Große.
Extenſive rtſchaft, im Gegenſaß zur In—
tenſiven Wirtſchaft (ſ. d.) diejenige Art des land:
mwirtichaftlichen Betriebes, bei welcher die Menge
des aufgewandten Kapitals und der aufgemandten
Arbeit im Verhältnis zur bewirtichafteten Fläche
vergleichsweiſe gering iſt. Es kann ſelbſtverſtänd—
lich auch ein Heines Areal gg und ein großes
intenfiv bewirtichaftet werden. Bei der E. W. wird
der Robertrag verhältnismäßig niedrig jein, gleich—
wohl ader unter gemifjen Umjtänden ein befriedigen:
der Heinertrag erzielt werden können, weil auch die
a verbältnismäßig gering find. |
In neu bejiedelten Ländern mit einem Überflujje
an jungfräulibem Boden, aber mit dünner Pe:
völterung, ift die E. W. die volfswirtichaftlich allein |
angemeflene und thatjächlib vorberrihende. Die |
— Ertern
natürliche Kraft des Bodens, defien Vertebrämert
bort gering iſt, muß das meijte tbun, wäbrend man
an den teueriten Broduktionsfaktoren, Kapital und
Arbeit, tbunlichit jpart. In den dicht bevölferten
alten Kulturländern dagegen und namentlich in der
Näbe großer Städte wird ſich die rationelle An-
wendung eines verhältnismäßig großen Betriebs:
fapitald in der Negel als das lobnendite Ber:
fabren ermeifen. Gewiſſe Betriebsiyiteme (f. d.)
find an ſich ertenfiver ald andere, jedoch find auch
bei einem und demjelben Syſtem mebr oder weniger
ertenjive Formen möglib. Auch lann der einzelne
Landwirt durch Kapitalmangel genötigt fein, unter
Umftänden, die an fib einen intenjiwen Betrieb
zwedmäßig ericheinen ließen, bei der E. W. jteben
zu bleiben. Dur die Konkurrenz neuer frucıtbarer
Brodultionsgebiete fann in einzelnen alten ftultur:
ländern wegen der boben Produltionstoften zeit:
meile eine Ruckkehr zur E. W. erzwungen werden.
Extenſören (lat.) oder Stredmusteln, alle
diejenigen Musteln, welche ein vorber aebeugtes
Glied wieder jtreden, d. b. in den Zuſtand ber
größten Längenausdebnung bringen, und jo als
Antagoniften der Flexoren (j. d.) oder Beugemus:
teln dienen. Die 4 liegen zumeift an der Rüden:
fläche der betreffenden Extremität; eine Ausnabme
biervon maden nur die E. des Unterichentel® und
des Fußes, welche an der Vorderfläche des Über:
und Unterichentels gelegen jind.
Extenſum (lat.), ausführliche, umftändliche Dar:
ftellung; namentlid in der Verbindung in extenso
(d.b.ausfübrlidy) etwas erzählen u. ſ. w. gebräudlic.
xtenuieren (lat.), verdünnen, entkräften,
ſchwaͤchen, verlleinern, beſchönigen, verringern ; da:
von das Subjtantiv Ertenuation; Extenuantla,
Verdünnungsmittel.
Exterieur (fri., ſpr. -rlöhr), das Außere, dad
Ausjeben, Außentefte Außenwerk; die Lehre vonder
Beurteilung der Haustiere, bejonders des Pferdes.
Die Lehre vom E. nimmt in den Studienplänen
ber tierärztlihen und landwirtſchaftlichen Hod:
ichulen den Rang einer Hilfswiſſenſchaft ein. Sie iſt
bejtrebt, aus den Hlörperformen, aus ber —
Erſcheinung eines Pferdes feine Vorzuge und Män—
gel, feinen Wert und feine Leiftungsfäbigteit im al:
emeinen und feine Dienfttauglicteit für beſondere
Svede darzutbun. Die Hauptichwierigfeit in der
Beurteilung des E. beſteht darin, die weſentlichen
Punkte Ba —— des Pferdelorpers,
welche der Engländer Points nennt, zujammen:
zufaſſen und in ihrer Bedeutung für die Peiftungs:
täbigteit de3 Tiere aus den Wroportionen und
äußern Formen der einzelnen Teile feines Körpers
leichſam herauszuleſen und in ihrer Gejamtbeit
Par einen bejtimmten Zwed richtig zu würdigen.
Erterminieren (lat.), über die Grenze treiben,
des Landes verweilen; ausrotten, jerftören; davon
das Hauptwort Ertermination.
Extern (lat.), außerlich, außen befindlic; aus:
wärtig, fremd; GErterne (Erträne, Ertra:
nder, aub Hofpiten) beißen in Sculanitalten,
welche mit einem Alummnat (f. d.) verbunden find,
die Schüler, die nicht in der Anftalt wohnen; Er:
ternät, Bildungsanitalt, deren Zöglinge Erterne
ind; Erterne Bolarprojeftion, f. Kasenpro:
jettion; Erternift, ein an einem Jußern Schaden
Leidender; auch ein Kranter, welcher nicht im Hoſpi—
tal wohnt, aber von dort aus behandelt wird. —
Grternierung, |. Ausweifung.
Erternfteine — Ertincteur 363
Egternfteine, CEogefterftein, eine Gruppe
von 13 Sanpdfteinfelien am Norbojtabhbang bes
Zeutoburger Waldes, 1 km weitli von dem Städt:
den Horn, deren fünf größte, 30—40 m hoch, wie
Hieienzäbne fteil aus der partähnlihen Umgebung
aftreben. Zwei find durh Treppen eriteigbar
und gemäbren eine reizende Fernjicht. In dem
weſtlichſten Felſen ift eine 11 m lange, 35 m
breite, 3m hohe Grotte eingehauen; diejelbe wurde
nah einer darin befindlichen lat. Inſchrift 1115
vom Biſchof Heinrih von Paderborn als Heilige:
Grabeätapelle eingerichtet. Außen neben dem Ein:
gang befindet ſich ein 5 m hobes, 3,5 m breites
m die Felswand eingehauenes Reliefbild der Kreuz:
abnabme Ebhrifti (ebenfalld etwa 1115). Die mitt:
Iere Abteilung zeigt lebensgroß den toten Chriftus,
ter von Joſeph von Arimatbia und Nilodemus
vom Kreuz genommen wird, linf& Maria, rechts
vn Gvangelijten — darüber Gott Vater,
unten das erite Menjchenpaar bilfeflebend. Das
Bild iſt mar ſchon ſtark vermittert, auch mehrfach be:
isädigt, läßt aber dieurfprüngliche Kunſtvollendun
neh volllommen erfennen ; es iſt ausgezeichnet Nie
den ergreifenden Ernſt und die wahrbaft künſtleriſche
Oruppierung. Am nächſten Felfen führt eine Stein:
treppe binauf, wo in einer Höhe von 22 m eine
jmeite ausgehauene vieredige Kapelle, 5 m lang,
3—4 m breit, mit Altarniihe, anjcheinend von
awas fpäterer Entjtebung, ih befindet. Die E. wer:
den zuerft in einer Urkunde des Biſchofs Heinrich
von Paderborn von 1093 erwähnt, nach welcher der
kapis Agifterjtein von der Mitwe eines Edlen, Ida,
an das vom Bifchof Meinmwerl gegründete Klojter
*bdingbof zu Paderborn verlauft wurde. Seitdem
begannen bie Benedittinermöndye diefen in waldiger
Einfamleit belegenen Ort zum Zielpuntt für Wall:
fahrten einzurichten. — Vgl. Clojtermeier, Der Egge:
kerftein (Lemgo 1824; 2. Aufl., von Helwing, 1818);
Siejerd, Die E. (Paderb. 1851); H. Thorbede, Die
6. in Natur, Kunst, Geſchichte, Sage und Litteratur
(Detmold 1882); Dewitz, Die E. im Teutoburger
Ralde (mit 15 Taf., Bresl. 1886).
Exteruverkehr, ſ. Vorortvertehr.
Etterritoriãi (lat.), außerhalb eines Terri—
toriums, eines Staatsgebietes (extra territorium)
deſindlich; den dort aeltenden Gejegen nicht unter:
morten.
Ezterritorinlität (lat.), Bezeihnung für die
Ausnahmen von dem ftaatsrechtlihen Grundſatz,
daß jeder, der das Gebiet eines Staates betritt, für
die Dauer feines Aufenthalts in demielben der terri:
tetialen Staatägemwalt als zeitweiliger Untertban
unterworfen ift. Die betreffenden Perſonen werden
tehtlid teilweiſe ald außerhalb des Staatögebietes
seAndlich betrachtet. Die E. hat den größten Um:
ang bei nicht infognito reifenden Souveränen und
%i Befandten (hauptiächlic Privileg der Unverleb:
lichleit, Freiheiten in Bezug auf Zölle und Steuern
und Eremtion von inländifher Gerichtäbarteit),
geringern bei Landtruppen und Kriegsichiffen (im
meden), Halbdiplomaten (Rommifjären bei Kon:
ateſſen u. ſ. w.), Grenzbeamten, Aurieren, Kons
ln. Die E der Grenzbeamten beſteht darin,
dab fie, wenn ſie nach dienſtlicher Verabredung
ir über die Grenze fommen, freies Ge
kte, d.b. Sicherheit vor Verhaftung und Veſchlag⸗
nahme ihrer Reiſeeffelten und Papiere haben. Die
%iagung der Kriegsiciffe hat E., jolange fie fich
au den Schiffen befindet; darüber binaus nur,
wenn fie mit Erlaubnis des Aufenthaltsftaates zu
dienftliher Obliegenheit das Schiff verläßt. Zmeir
felbaft ijt die €, der Präfidenten von Hepubliten,
doch wird fie wohl immer anerfannt werden. Die E.
berubt zunächſt auf dem ungeichriebenen Hecht völter:
recbtlicher Tradition, Nur die Exemtion von der in—
ländiichen Gerichtsbarkeit ijt regelmäßig auch ſtaats⸗
gejeplich geordnet. Hierher gebören für das Deutiche
Neich die 88. 18—21 des Deutſchen Gerichtöver:
fafjungsgejeßes. Im Zufammenbalt beider Quellen
ergiebt jich innerhalb des Deutihen Reichs in Bes
zug auf Gerichtsbarleit eine E, in doppelter Geitalt:
1) als Befreiung von aller deutſcher Gerihtsbar:
feit; 2) alö Befreiung von der Gerichtsbarkeit eines
Bundesftaates. 1) Befreiung von aller deutjcher
Gerichtsbarkeit tritt ein: a. bei Häuptern fremder
Staaten, wenn fie das Inland nicht gegen den
Willen des Kaifers betreten; b. bei ausländiichen
Truppen und Kriegsſchiffen (nicht Handelsſchiffen),
denen der Aufenthalt gejtattet ift; c. bei Chefs
und Mitgliedern der bei dem Neiche beglaubig:
ten Mifjionen, einfchließlih der Yyamilienglieder,
des Gejchäftsperfonald und foldher Bebdieniteten,
die nicht Deutjche find. 2) Befreiung von der Ge
richtöbarkeit eines Bundesitaates tritt ein: a. bei
Chefs u. f. w. der bei demſelben beglaubigten Mif:
jionen; b. bei den nichtpreuß. Bevollmächtigten
um Bundesrate famt ihren Familienmitgliedern,
ihrem Gejchäftsperfonal und ihren Bedienſteten.
Sie find der preuß. Gerichtäbarkeit nicht unter:
worfen (Reichsverfaſſung Art. 10). Unter Gerichts:
barkeit ift ſowohl civile wie kriminelle zu veriteben;
dafür hat der Abjendejtaat die völferrechtliche Pflicht
jtrafrechtlicher ge In eriterer Beziehung
machen nur Prozeſſe über Jmmobilien Be dem.
Sefandtihaftshotel und über Mobilien, die nicht
u Haushalt und Amt gehören (3. B. ein Rennitall)
usnahmen. Die ftrafrechtlihe Unverfolgbarteit
der Erterritorialen ift nicht auszudehnen auf die in
der geſandtſchaftlichen Wohnung von einem Nicht:
erterritorialen begangenen Handlungen. Die E. der
Wohnung geht nur jo weit, ald notwendig ift, um
die perjönliche Unverleglichkeit des Gejandten und
feiner Begleitung zu gemäbrleijten.
Konfuln haben nad allgemeinem Völkerrecht nur
ür ihr Archiv (Alten) das Privileg der Unverleglich:
eit. Sie find aljo der inländischen Gerichtsbarkeit
unterworfen, fofern nicht in Staatöverträgen andere
Vereinbarungen getroffen find, a diejen (Kon:
fular:)Verträgen iſt oft auch perfönlihe Immunität
von Berbaftung und Sefangenhaltung, ausgenom:
men im Falle von Verbrechen, zugefichert. Damıt iſt
aber Eremtion von inländiicher Gerichtsbarkeit nicht
gegeben, ftrafgerichtliche wen wird aljo da:
dur nicht ausgeſchloſſen, wenn fie auch nicht zu Un:
terſuchungs⸗ oder Strafbaft führen darf. Deutiche,
welche das Recht der E. beſitzen (ſowie die im Aus:
lande angejftellten Beamten des Reichs oder eines
Bundesitaates), behalten in Anjebung des Gerichtä:
ftandes den Wohnſitz, welchen fie in dem Heimat:
jtaate hatten. Auf Wahlkonſuln findet diefe Beſtim—
mung feine Anwendung (Strafprozekorbn. $. 11;
Civilprozeßordn. $. 15). — Val. Hevling, De l’ex-
territorialit& (Berl. 1889); Artikel ——
tät im «Oſterr. Staatswörterbuch», Bd. 1 (Wien
1895); Beling, Strafretlihe Bedeutung der E.
(Bresl. 1896); Hubler, Die ei ge des vol⸗
ferrechtlichen Verkehrs und die E. (Berl. 1900).
>inctenr (frz., pr. -töbr), |. Feuerſpritze.
364
Ertorguieren (lat.), aus:, erprejien, erzwingen;
davon das Hauptwort Ertorjion,
Grtra (lat.), außer, oberhalb, außer dem Ge:
wöbnlichen, außerordentlich (in Zufammenjekungen,
J.B. Ertraausgaben, Nebenausgaben; Ertra:
blatt, außerordentlihe Ausgabe einer Zeitung;
Ertrapoit, j.d.; Ertrajtrom, j. d.).
Extra (Liber Extra), ein Teil des Corpus juris
canonici (j. Corpus juris). Der Monch Gratianus
(f.d.) batte in feinem Decretum das geltende tirchen:
recht bis etwa 1139 zufammengejtellt. Epäter fühlte
Papſt Gregor IX. das Bepürfnis, alle diejenigen
Rechtsſätze, welche außerbalb des Delrets (daber der
Name E.) vorhanden feien, in ähnlicher Weije zu:
jammenzuftellen. Dies geſchah * Raymund de
Pennaforte, und der Papſt erteilte dieſer Sammlung
den Charatter eines einheitlichen und abſchließenden
Geſeßbuches. Dasjelbe ift eingeteilt in fünf Bücher:
judex, judicium, clerus, connubia, crimen. Benutzt
find zablreiche ältere Sammlungen, insbefondere
die fog. Quinque compilationes antiquae (bg; zuleßt
von Friedberg, 1882). Vollendet war das Buch E.
1234, in welchem Jahre dasjelbe mit der Bulle Rex
Pacificus dur Berjendung an die Univerfitäten
Paris und Bologna publiziert wurde. Citiert wird
das Geſetzbuch mit X., 3.B.c.1.X. 1, 6. — Val.
Schulte, Die Geſchichte der Quellen und Pitteratur
des fanonifhen Rechts, Bd. 2 (Etuttg. 1877).
Extracteur (fr3., jpr. -töhr, «Auszieber»), eine
in verſchiedenen Jnduftrien zur Anwendung fom:
mende Vorrichtung zum Auszieben raten Na
einzelner Stoffe aus einem Gemenge. II. d.).
Extracotum, |. Crtralt; E. fuidum, Fluidertraft
Extra oulpam (lat.), außer Schuld.
Extradieren (lat.), herausgeben, ausliefern;
Ertradition, Auslieferung, Ausbändigung.
Extrados (I fpr. -dob; von extra, außer:
balb, und dos, Nüden), die äußere fonvere Linie
eines Mauerbogens (Oberbogen) oder die Mantel:
fläche eines Gemwölbes, die in der Hegel übermauert
oder mit Erde aufgefüllt wird und daber nicht ſicht—
bar bleibt. Solche Gewölbe, wie 3. B. frei jtebende
Kuppeln, bei denen die Außenfläche frei bleibt und
wie die Innere Gewölbefläche (intrados) glatt be:
arbeitet ift, nennt man ertrabdojfiert.
Extradynamit, ein Sprengftoff, der zu den
Dynamiten (f. d.), fpeciell zu den Abeliten (f. d.)
gevört: 1879 von Nobel erfunden. Er beitebt aus
titroglycerin, irgend einer Nitrocellulofe, falpeter:
faurem Ammonium und Koble; ftatt legterer fann
auch Zuder, Kampier u. ſ. w. verwandt werden,
Extra eoclesiam nulla salus (lat.), außer
der Kirche (ijt) fein Heil; Grundſaßz der (alleinjelig:
macenden) röm.:lath. Kirche.
Extrahieren (lat.), ausziehen, 3. B. die lös—
lihen Teile aus vegetabilifhen Stoffen, eine Red:
nung aus dem Geſchäſtsbuch; ferner die Verfügung
einer Behörde auswirken. Ertrabent ift der An:
tragiteller, welcher dieſen Erfolg bat.
Extraits (fr;., jpr. -täb), Ertratte oder
Eſſenzen, in der Parfümerie altoboliihe Löfun:
- von Riechitofjen, die durch Behandeln der durch
njleurage (j. d.) riehend gemachten Fette mit Alto:
bol gewonnen werden. Im mweitern Sinne find €,
alloboliiche Löjungen von Mifhungen verſchiedener
woblriecbender Stoffe, die namentlid als Tafchen:
tuchparfüme Verwendung finden.
eher Da (egtrajudiziär, neulat.),
außergerichtlic.
Ertorquieren — Ertraft
Ertraftorps (jpr. -Iobr), im öjterr. Heere bie
1859 verſchiedene jür bejondere, namentlich tech—
niſche Dienjtverrihtungen beitimmte Truppenteile,
nämlib das Ingenieur-⸗, Sappeur: und Mineur:
forps (jpäter jur Genietruppe vereinigt), das Bio:
niertorps (mit den Bontonieren) und das Flottillen:
torpe. Bevor die Yägertruppe als jelbjtändige
Maffengattung organijiert wurde, zäblten aud die
Yäger: und Freilorps, zuweilen auch die Artillerie:
truppenteile, zu den E. Die lurzen Feuergewebre,
mit weldyen die E.ausgerüjtet waren, bießen Ertra:
ld) nad kb Diele Bezeihnung bat ji für Die
turzen Werndlgewebre der techniſchen Truppen (Bio:
niertruppe fomwie Eiſenbahn- und Telegrapbenregi:
ment) bis 1897 erbalten.
Erträft (Extractum,lat.), Auszug (aus Büchern
u.ſ. w.); imengern Sinne ein pbarmaceut. Präparat,
das man erhält, indem man Pflanzenſubſtanzen mit
einem Löfungsmittel, gewöhnlich mit Waſſer oder
mit Meingeijt auszieht (ertrabiert) und die erhaltene
Flüffigkeit bis zu einer gewiſſen Konfiftenz (Er:
tralttonjijtenz) abdampft, oder indem man den
geprehten Saft einer Pflan — durch Ab⸗
dampfen konzentriert (eindidt). Die E. enthalten
daher immer nur diejenigen Beſtandteile der orga—
niſchen Subſtanz, die in dem eigenen Safte ber
legtern oder in dem verwendeten Auflöfungsmittel
löslih und während des Abdampfens nidt ver:
flüchtigt worden ir Da aber viele der auszu—
ziebenden Stoffe flüchtiger Natur find, jo ift es ein
großer Unterjhied, ob das E. bei bober oder bei
niedriger Temperatur bereitet worden ült.
Je nahdem man ald Löjungsmittel Wafler oder
Meingeift verwendet bat, unterjcheidet man wäjie:
tige oder weingeiitige E. In einigen Fällen
wendet man auch Üıber zum Auszichen an. Die
aus fleiihigen Frücten (Tamarinden) oder Beeren
(Wacolvderbeeren) oder —5* Wurzeln (Möbren)
bereiteten E. führen die Bezeihnung Fruchtmart
oder Mus (Pulpa, auch Succus, engl. Rob). Bezüg:
lich der Konſiſtenz unterjcheidet man dünne E. von
der Dichtigleit des Honigs, dide, die, erlaltet,
fih nit ausgießen lajjen, und trodne, die ſich
jerreiben lafjen. Eine bejondere Form der €. find
die Fluidertrafte (ſ. d). Das Ausziehen der
Pflanzenteile geſchieht häufig, jo auch bei den Fluid⸗
ertralten, nad der Verdrängungsmethode (ſ. De
placieren). Die Temperatur beim Eindampfen der
Extraktauszüge fol nah dem Arzneibuch für das
Deutſche Reich 85°, bei ätheriihen Auszügen 35°
nicht überjhreiten. PVieljah nimmt man aud das
Eindampien im Bacuum (d. b. im luftverbünnten
Raume bei niedrigerer Temperatur) vor. Ein un:
bedingter Vorzug lann vorläufig einem diejer Ber:
—— vor dem andern nicht zuerlannt werden. E.
ind unſichere Heilmittel von wechſelnder Zuſam—
menſeßung.
Konzentrierte Nahrungs und Genußmittel wer:
den gleihfalld E. genannt, jo Fleiibertraft und
Malzertratt, ebenjo die eingedidten Pflangenaus:
jüge, wie Blaubol ertraft u. j. w.
Das Deutfche Arzneibud entbält folgende E.:
Extractum Absintbii .... Wermutertrakt
Extractum Aloßs ....+.. Aloe ertrat:
Extractum Belladonnae .. Belladonnaertrakt
Extractum Calami.....- Kalmusertraht
Extraotum Cardui benedieti arbobenedifienegtrati
Extractum Cnscarillas ... Stastfarille t
Extractum Chinae aquosum Wäjleriged Chingertratt
Extraotum Chinas spirituu- Weingeiſtiges Gbinargtratt
sum
Estractum Colocyntbidis .
Eıtractum Cubebarum...
Extractum Ferri pomati..
Extraetum Filicis
Extractum Gentianae....
Estractum Ilyoscyami ...
Extraetum Opii ......
Ertractum Kbei
Ertractum Khei composi-
sum
Ertractum
Ertrsctum
Ertractum
Ertractum
u... *
me, 0060.
Secalis cornuti
Strychni.....
Taraxaci ....
Trifolii übrini.
Ertraftion — Ertraftrom
Roloquintenertratt
Kubebenertraft
Apielfaures Eifenegtralt
| rien
ianertraft
Bilientrautertrati
. Dpiumegtraft
Rhabarberertralt
— Rhabar:
beregtraft
Muttertornertralt
Bredhnußertraft
Lömwenzahnertralt
Bitterfleeegtratt.
Außerdem vier Fluidertrafte:
Eıtractum Condurango flui-
dum
kıtractum Frangulae flui-
dum
Kxtractum Hydrastis fui-
dum
Kıtractum Secalis cornuti
duidum
Eondurango-Fluidegtraft
Faulbaum⸗Fluidertralt
OHyijd xaſtis·.Fluidertratt
Mutterkorn⸗Fluidertratt.
In fruhern Zeiten waren viel zahlreichere E. offi⸗
inell. So ſind außer den ebengenannten noch in
der etſten Ausgabe der Pharmacopoea Germanica
(1872) entbalten:
Ertractum Aconiti
Extraotum Aloe» Acido sul-
farioo correctum
Eıtractum Aurantii...- -
ExıtractumUannabis Indicae
Exrtractum Oarnis Liebig
Extractum Centaurii ... .
£Exıtractum Chamomillae..
Ertractum Chelidonii... -
Eıtraetum Cinae.......
Exrtractum Colocynthidis
coompositum
Exıtraostum Colombo. ....
Extraetum Conii.....+ +
Eıtractum Digitalis..... . .
£ıtractum Dulcamarae ..
Extractum Fabae Culabari-
cae
Ertractum Urauminis ..
Eıtractum Gratiolae .
Eıtractum Helenii
Extractum Lactucae rirusae
Eijenhutertraft
Mit Schwefelläure verjegter
Wloergtralt
Bomeranzenichalenegtraft
er Daufertraft
Hiebigiches Fleiſchexttalt
Taujendgüldentrautertraft
Ramillenertraft
Schöllfrautertraft
iii var
ujammengeiegtes Koloquin⸗
tenertraft
Golomborztraft
Scierlingsertraft
ingerhutertraft
itterfüßertraft
Kalabarbohnenertraft
» + Quedenegtrafi
. Wottesgnadenfrautegtraft
Alantwurzelertraft
Öiftlattichertraft
Extractum Ligni Cam- Campeche holzertrakt
pechiani
Extractum Malti.....».- Malzertratt
Ertractum Malti ferratum ifijenhaltiges Malzertraft
Extractum Mezerei ..... Seideibaftertralt
Estractum Millefolii .... Scalgarbenertraft
Extractum Myrrliae....... Wyrrbenertraft
Extractum Pulsatillae ... Süchenichellenegtrai
Bxtractum Quassiae .... Duailfiargtralt
Estractum Eatanhbae .... KRatanharztraft
Extractum Sabinae ..... Sadebaumiegtraft
Extractum Scillae...... Meerzwiebelertraft
Extractum Senegae ..... Senrgaegtraft
Kıtraoetam Stramonil.... Stecdapfellrautertraft
Ertractum Strychni aquo- Wälleriges Rrlbenengener-
“um traft
Ertractum Valerianse ... VBaldrianegtrati ’
Außerdem ift Extractum Pini foliorum Fichten:
sabelertraft (j. d.), Extractum animale amarum
eingedidte Dchiengalle (f. Galle), Extractum Liqui-
ritiae Qalrige (ſ. d.), Extractum haemostaticum
Nutterlornertralt (f. Ergotin), Extractum Plumbi
Bleieſſig (f.d.), Extractum thebaicum Opiumertraft
N.2.). — liber E. in der Parfümerie ſ. Ertraits.
Extraktion (lat.), Ausjiebung; aud Herkunft.
In der Geburtäbilfe das Herausziehen der Frucht
vermitteljt der Hände oder der Zange.
Ertraftiondmehl, ſ. Baumwollſamenkuchen.
Hrn ag f. Silber (Gewinnung).
Eztraftivitofi,
365
des E. als einen färbenden, gerbenden, tragenden,
narkotifchen, harzigen, gummigen, bittern, füßen €.
ee An der neuern Zeit ijt man ver:
anlaft worden, den Begriff €. fallen zu lajien, da
die unter diefem Namen zufammengefakten Hör:
per feinen übereinftinmenden Eharalter er ker An
der Agrikulturchemie bezeichnet man noch mit €.
bei der Analyje ver Futterſtoffe alle die jtidjtoff:
De organiichen Verbindungen, die fih in den
eiden Gruppen der Fettkörper und der Holzfajer
oder Robfajer nicht unterbringen laſſen.
Grtrafttonfiftenz, ſ. Ertralt.
®rträftor (lat.), P Auszieber.
Ertramundän (lat.), außermeltlic.
Extra muros (lat.), außerhalb der Mauern,
d. b. der Stadt.
Egträne, Ertrander, ſ. Ertern und Alumnat.
Ertraordinär (lat.), außergewöhnlich.
Eztraordinarium (lat.), derjenige Teil des
Etats (f. d.), welcher außerordentlihe Einnahmen
und Ausgaben Green und keinen Beitanbdteil des
regelmäßigen Etats bildet (ſ. Ordinarium).
Ertraordinariug (lat.), außerordentlid; Pro:
fejjor ertraordinariug, außerordentlicher Pro:
fefior an der Univerfität.
Ezxtraordinarftenern, |. Steuerbemwilligung.
Extra ordinem (lat.), außer der Ordnung.
——— (neulat.), nicht zur Parochie
gehörig.
Extrapoft, neben ber regelmäßigen Perſonen⸗
poft befondere Beförderungen von Perfonen auf
deren Verlangen, wozu die Fang "erg Pferde
68 unter zwei) mit oder ohne Wagen zu ſtellen
aben. Im Deutſchen Reich werden die Koſten
dafür nah Entfernungen von 15 km berechnet, auch
wenn die Fahrt kürzer ift, und betragen, neben
25 Bf. Beitellgebübr, für jedes Pferd 20, für den
Magen 10, für Boftillonstrintgelo 10 Bf. auf 1 km,
bei Benukung einer E. zur Rüdtahrt die Hälfte diejer
Sähze. Die mit der Junabme der Eifen:, Dampf:
und elettrifchen Bahnen immer mehr verſchwinden⸗
den Berjonenpoften haben die E. in Deutichland be:
reitö zu einer großen Seltenheit gemadt. — In
Öfterreih: Ungarn gilt ald Grundlage der Be:
rechnung das Myriameter (= 10 km); dafür beträgt
das Rittaeld für jedes Pferd 17,—3 Kronen, das
Wagengeld (Kaleſchengeld) für einen ———
Wagen die Hälfte, für einen halbgeſchloſſenen den
vierten Teil dieſes Betrags, das Poſtillonstrink⸗
> 68 Heller für das Pferd. — Y der Schweiz
eträgt die Gebühr 50 Gent. für Pferd und Kilo:
meter, bei Bergfabrten mit 50 Gent. Zuſchlag für
jedes Kilometer Steigung, im Minimum 3°, Fr.
Kar das Pferd; für ven Wagen 20—30 Eent. auf das
Kilometer; dazu eine Abfertigungsgebübr für jede
E.von 2, Frs. — In Rußland ſtehen Poſtpferde
zum Reifen im ganzen Reich zur Verfügung zu einer
Gebühr von 3 Kopeten für Pferd und Werft bei
Staatd:, und 4 Kopelen bei Brivatpojtbaltereien.
Ertraftrom bat Faraday den von ihm entded:
ten Induktionsſtrom genannt, der durch die indur
zierende Wirkung der verſchiedenen Teile desielben
Stromleiterd aufeinander entſteht (ſ. Indultion,
elettrifche). Beſonders ſtark tritt der E. in einem zu
rüber Bezeichnung einer ver: | einer Spule ss (f. Fig. 1) aufacwundenen Strom:
meintlih eigentümlien, in den Bilanzen vortom: | leiter auf, in dem durd ein Bligrad (ſ. d.) u ber
uenden Subſtanz, die den wejentlichiten Bejtandteil | Strom eined Clementes k abweciclnd gejchlojien
im allen Bflangenertratten ausmachen jollte. Spä: | und unterbrochen wird. Der Schließungsertrafttom
tar wurde man veranlaßt, mebrere Mopifitationen | ift dem Hauptſtrom entgegengeſetzt und bemirlt, daß
366
derjelbe langfamer zu feiner vollen Stärte gelangt,
als dies fonjt der Fall wäre. Der Öffnungsertra:
ftrom ift dem Hauptitrom gleichgerichtet, bat aber
eine größere eleltromotoriiche Kraft ala diejer und
iebt infolgedeflen beim Öffnen des Stroms einen
räftigen, die Zuftitrede überjpringenden unten,
welcher durch den Hauptitrom nıdt in gleicher
Stärle erzeugt werben könnte. (S. Galvaniicer
Bunte.) Beide E. verzögern die Geſchwindigkeit der
Underung des
Hauptitroms.
Der Offnungs⸗
ertrajtrom fann
leicht beobachtet
werben, wenn
mandafürforgt,
daß die Spule
durd die Hand:
baben und den
menſchlichen
Körper geſchloſ⸗
ſen iſt, —— die
Unterbrechung
des Haupt⸗
Fig. 1.
oms ftattfindet; man empfindet dann eine Er:
bütterung. Es liegt in der Natur der Sade,
daß fih der Scließungdertraftrom nicht bejei:
tigen läßt. Der Öffnungsertrajtrom läßt ſich aber
unterdbrüden oder wenigitens ſehr ſchwächen, in-
dem man die Unterbrebung nicht in der Luft,
erg in einer ſehr ſchlecht leitenden Flüffig:
eit (Alkohol) oder, nad einem neuern Borfchlag
von Farlan Moore, in einem guten Vakuum vor:
nimmt. Würde der Hauptitrom ganz ohne €. ein:
und austreten, fo märe deflen Verlauf bei ber
Unterbrebung durd die Ordinaten der Aurve a
(Fig. 2) dargeftellt; dann wären die in einer andern
Fig. 2.
Spule induzierten Ströme zwar abwechſelnd ent:
6 engeſezt, aber ſonſt durchaus gleich. Wird der
ffnungsertraſtrom unterdrückt, jo verläuft der
Hauptitrom nach der Kurve b, der durch denfelben
in einer jweiten Spule induzierte Strom aber nad
der Kurve c, zwar auch entgegengejeßt mit gleichen
Eleltricitätömengen, doch wäre der Offnungsitrom
auf eine fürzere Zeit — — hätte
größere eleltromotoriſche Kraft und würde leichter
als der Schließungsſtrom einen größern Widerſtand,
3.2. eine Quftftrede, durchbrechen. Dieſe Umjtände
werben bei Heritellung des — tors (f. In⸗
duktionsmaſchinen) berüdſichtigt. lität (f. d.).
Ertraterritorialität, joviel wie Erterritoria-
Ertrauterin (ertrauterinäl, vomlat. extra,
pi und uterus, Gebärmutter), abnorm
außerbalb der Gebärmutter befindlich, ſich ausbil:
dend; 3.B.ertrauterinale ee (. Bauch⸗
ſchwangerſchaft).
Extraterritorialität — Extreme
Extravagäntes (lat.), Bezeibnung zunähit
für die von Gratianus (f.d.) nicht aufgenommenen
oder fpäter erlafienen päpitl. Defretalen (ſ. d., quia
extra decretum vagabantur), nachdem der lirchen
rechtliche Stoff (f. Corpus juris) von ibm zu einer
Sammlung vereint worden war, Später ift der
Name typiſch geworden für diejenigen Detretalen,
die nach dem liber VI. erlafjen und ın die Clemen-
tinae nicht aufgenommen worden waren. Diejelben
find von Ebappuis 1500 zu zwei Sammlungen
zufammengeitellt, haben jedoch nicht die Autori:
tät von Geſetzen. Vielmehr ift, fall die Geltung
von E. — fommt, zu unterſuchen, ob ſie in
dem betreffenden Lande publiziert oder durd Ge:
mobnbeit geltend gemacht worden find. Die be
fanntefte der E. ift die Bulle Unam Sanctam (f.d.).
Extravagieren (lat.), ab:, ausſchweifen; jic
albern benebmen; ertravagant, ausſchweifend,
ungereimt; Ertravagänz, Ausfhmweifung, Un:
gereimtbeit, Tborbeit.
Egtravafät (lat.), vornehmlich das durch Ertra:
vafation (f. d.) aus dem Gefährobr auägetretene
und im Koͤrper liegen gebliebene Blut.
Extravafation (lat.), vornebmlich das Aus:
treten (Ertravafieren) von Blut aus den verleb:
ten Gefähwandungen (Blutaustretung, Blutertra-
vafat, Hämorrbagie). Das Ergebnis der E., das
Grtravajat, untericheibet fib vom Erfudat (f. Aus:
ſchwitßzung) dadurch, daf bei lekterm die Wandungen
unverlegt bleiben und nur einen Zeil der Blutflüflie:
feit —— hindurchfiltrieren, namentlich keine
Blutkörperchen hindurchlaſſen, wogegen das Crtras
vaſat vollftändiges, blutkorperhaltiges Blut enthält.
Das Extravaſat tritt entweder nach außen (als
eigentlihe Blutung), oder ins Innere der Gemebe
(als Blutunterlaufung, Sugillatio), oder unter die
Haut (f. Betechien), oder in feinere Kanäle und Höhl-
chen der Organe (ald Blutinfarft),oder in die großern
Höhlen (als innerer Bluterguß). Es gebt jpäter ver:
ſchiedene Veränderungen ein: durch Gerinnen, Felt:
werben, teilweife Wieberauffaugung, durch Jer—
fließen zu Eiter oder Jauce, feltener durch Verlal⸗
tung. Bisweilen, wie z. B. nicht jelten im Gebirn,
wandelt ſich das Grtravajat in eine fon. Coſte
ſ. Balggeſchwulſt) um, indem fi durd gerinnbare
usſchwißungen der Umgebung ein derber geicloiie:
ner Sad bildet, welcher die EB ten Reſte des
ergoſſenen Blutes umſchließt. (S. Blutung)
— —— (lat.), Auswärtswendung; die
Ausiheidung von Säuren und Salzen.
Ertrazäge, |. Eijenbabnzüge. R
Ertrem (lat.), äußerft, übertrieben; als Eub:
ftantiv das Außerſte, ver Endpunlt; ertreme Rich⸗
tung, diejenige Richtung, melde gewiſſe Grund:
fäße auf die Spike treibt; in diefem Sinne ſpricht
man namentlih von ertremen Parteien; er
tremes (oder erceffives) Klima, f. Rontinens
taltlima. Ertremität, die Endipige, das Ende;
auch äußerfte Verlegenbeit und Not; in der Ana:
tomie verftebt man unter Ertremitäten die obern
und untern Gliedmaßen, Arme und Beine; in ex-
trömis (zu ergänzen momentis), in den lesten
Zügen, 3. B. ein Zeftament in extremis.
Epireme, einander —— Dinge; in
der Meteorologie die böchſten und liefſten
Werte, die irgend ein meteorolog. Element, wie
Temperatur, Luftdruch, Quftfeuchtigleit u. |. m.
annebmen kann. Man pflegt die abjoluten und
mittlern E. anzugeben. So berechnet man .B.
Ertremität — Eybel
ms den tiefften Xemperaturen, welche an jämt:
ten Tagen eined Monat (gewöhnlich durch
Ninimumtbermometer [f, d.]) gefunden worden
wıren, das mittlere Minimum des betreffenden
Ronate. Eine ebenjolhe Behandlung der Mari:
maltemperaturen giebt die mittlern Marima. Das
bihfte Marimum und dad tieffte Minimum ergeben
die abjoluten E. und ihre Differenz; die abſolute
Shwanfung. Die mittlern und — €. be
timmen in ber Hauptſache das Klima eines Ortes.
Ertremität, |. Ertrem und Glied.
remthermometer, Bezeibnung für das
Rarımumtbermometer (j.d.), das Minimumtbermo:
meter (1. d.) und den Tbermometrograpb (f. d.).
Egtuberieren (lat.), aufſchwellen, auflaufen;
Ertuberänz, Geihmulit, Auswuchs.
Ertumeßcieren (lat.), * anſchwellen; Er:
tumescenz, Anſchwellung, Auftreibung, befon:
ders von Knochen.
Egnberieren (lat.), in üppiger Fülle vorban:
den En üppig wachen, jhmellen; eruberänt,
riblibh, Appig; Fruberanz, liberfülle, ibermak,
Erulänt dat, Verbannter. [Schwulſt.
Exulceration (lat.) Verſchwärung, das Ab:
kerben und ber molekulare Zerfall der Gewebe,
mobei die — zu einer mißfarbigen und übel:
nebenden Maſſe (og. Jauche) verflüffigt werden
und ein mebr oder minder aroßer Subjtanzverluft,
en Geſchwur (f. d.), entiteht. Die Urſache der Ver:
'hwärung liegt entweder in äußern Schädlichleiten
und mechan. Inſulten, welde tötend auf die Ge:
mebe einmwirten (Drud, Stoß, Quetſchung, Hibe,
Kälte u. dgl.), oder in örtlihen Ernährungs:
rungen (Berjtopfung der Blutgefäße, rantbaften
Geſchwulſten), oder in einer allgemeinen Blutent:
miſchung (bei Skrofulofe, Tuberkuloje, Syphilis
und äbnlihen Dyskraſien). Die Heilung der E. er:
telgt dadurch, daß fich die Geihmwürsfläche allmäh:
ih von dem abgeftorbenen Gemebe reinigt und in
Stanulationen & d.) umwandelt, was am ſchnell⸗
fen durch rubige Lagerung, feuchte Wärme und
häufige Reinigung mit ſchwach desinfizierenden
Müffgkeiten erzielt wird; die Verſchwärung aus
innern Urfachen erfordert neben diefer örtlichen Be:
dendlung auch noch die Befeitigung der zu Grunde
liegenden Blutentmifhung. Erulcerieren, ſchwä⸗—
ten machen, verſchwären. [leben.
Exulieren (lat.), im Eril, in der Verbannung
Ezultation, Exzultet, Ezuiltieren, joviel wie
Eriultation u. j. w.
Eruma:nfeln, eine zum Arcipelder Bahama—
Inſeln (in Weftindien) gehört e Gruppe Heiner Ro:
talleneilande (f. die Karten: Antillen, Bd. 1, und
Cuba u.f.w., Bd. 17), öftlib durd den Gruma:
ſund von ven Inſeln Eleutbera und Cat-Island,
meitlib dur die Tongue of Dcean von Andro:
land getrennt, erftredt jih von NW. nah SO.
über 200 km weit in einer [hmalen Linie, welche über:
wiegend aus einer Klippenreibe (Exuma-Cays)
teftebt und nur im Südende in zwei anfehnliche
‚nieln (Groß:Eruma und Alein-Eruma) aus:
läuft, Die E. baben eine Fläche von 253 qkm, die
Klippen umfaſſen 124 qkm. Die Bewohner, etwa
30, betreiben Aderbau, namentlih aber Salz:
eminnung. Näbrlich werben mehr alö 42000 hl
Salz ausgeführt.
Erundieren (lat.), über die Ufer treten, aus:
teten (von Flüſſen); Erundation, Überjhmem:
zung.
367
Ex ungüe leönem (lat.), an der Klaue (er-
fennt man) den Löwen.
Ex usu (lat.), nach der Sitte, dem Gebraud,
Erutorium (lat.), jede künjtlich erregte Eite—
rung, welche eine Ableitung (f. d.) von einer in der
Tiefe des Körpers gelegenen Entzündung nad ber
Oberfläche desfelben bemirten joll. rüber war
dieje Heilmetbode allgemein im Gebrauch; am häu—
figiten bediente man ſich zu einer derartigen Ablei:
u. des Fontanells (f. d.).
zuvien (lat.), abgeitreifte Hülle . B. ein Tier:
balg), ausgezogene Kleider; Beutejtüde, namentlich
die dem Feinde abgenommene Rüftung.
Ex voto (lat., d. i. einem Gelübde aufolge), eine
auf altröm. Weihinſchriften übliche Formel; daber
wurden Ex-voto:Steine, «Statuen und Glied:
maßen, namentlich leßtere, aus Edelmetall, Mar:
mor, Elfenbein, Wachs u. dgl. gefertigt, zum Dant
für erfolgte Genefung in Tempel und Heiligtümer
geitiftet. (S. auch Votum.)
Eyach. Rechter Zufluß des Nedars in Mürt:
temberg, ent —— bei Pfäffingen am Nordrande
der Hohenzollernalb, bildet eins der ſchönſten Alb—
thäler, das Eyach- oder Lautlingerthal, und
mündet 54 km lang unterhalb Horb. — 2) €., linler
Nebenfluß der Enz, entipringt aus dem Milden
See im Schwarzwald, ſüdweſtlich von Wildbad, und
mündet bei Hüfen eg Neuenburg.
Eyb, Ludwig von, Geſchichtſchreiber, geb. 1417,
eft. 1502, Freund des Markgrafen Albrecht Adhils
eö von Brandenburg. Seine « Dentwürbigfeiten
brandenb.:bobenzoll. Fürjten» gehören zu den
beiten Quellen der fränf. Geihichte, fie find glei:
fam Memoiren des Geſchlechtes. Herausgegeben
wurden fie von Höfler in der «Quellenfammlung für
fränt. Geihichte», Bd. 1 erg 1849). Sein
«Kaiſerl. Buch des Markgrafen Albrecht» ift eine
Altenjammlungfürdie‘.1440—86. Den erften Teil
gab Höfler in der «Quellenfammlung», Bd.2 (Bay:
reutb 1850), den zweiten Minutoli (Berl. 1850)
Eybar, ſpan. Stadt, f. Eibar. [beraus,
Eybie), Albrecht von, Schriftiteller, Bruder von
Ludwig von Eyb, Mur 24. Aug. 1420 auf Schloß
Sommersporf bei Ansbach, jtudierte 1444—59 in
talien, wurde jpäter Archidialonus zu Würzburg,
Domberr zu Banıberg und Eichftädt, wo er 24. Juli
1475 jtarb. Er fchrieb eine treffliche, von Einflülien
des Lateins auch in Üiberfeßungen freie Profa. Sein
trefilihes Chebüdlein (Nürnb. 1472) bejaht die
Saat, «Db einem Manne ſey zu nemen ein eelich
eyb oder nit», gründlich mit Lehre und novellis
ſtiſchem Beifpiel. Si «Spiegel der Sitten» (Augsb.
1511) teilt €. volljtändig germanifierte Bearbei:
tungen der Menächmen und Bacchides des Blau:
tus und der Philogenia des Italieners Ugolino
Diienl mit,che1D —— onennamen (Heinz,
-uß, Mek) einführen Cine Anleitung zur lat. Sti—
liſtik gab er in der «Margarita poetica» (verfaßt in
Stalien, gebrudt 1472). Auch lieferte er lat. und
deutiche Rechtsgutachten. E.s «Deutſche Schriften»
ab M. Herrmann heraus (2 Bde., Berl. 1890). —
gl. M. Herrmann, U. von E. und die Frübzeit des
deutichen Humanismus (Berl. 1893).
Eybel, Adolf, Maler, geb. 24. Febr. 1808 in
Berlin, bildete fi auf der dortigen Alademie und
ging 1834 nad) Paris, wo er bejonderd im Atelier
von Delaroche arbeitete und bie 1839 blieb. Seit:
dem war er, dur die 1836 von Paris —
Ahrenleſerin in Ruf gekommen, ununterbrochen in
368
einer Heimat thätig. An Monumentalarbeiten
chuf er ein Freslogemälde in der Kirche zu Sacrow
ei Potsdam, ferner die Reformatorenfiguren in
der Schloßtapelle zu Berlin in Stereochromie, zwei
PEaNDE für das pe des Fürften But
us auf Rügen (Darite *— aus der Geſchichte
der Inſel) und insbeſondere Die Schlacht von Fehr⸗
bellin (1846; lonigl. Schloß zu Berlin). Im Genre
wählte er gern Fiſcher und Marfticenen, oder Sce
nen aus Walter Scott. Daneben war €. ala ge:
fbäkter Borträtmaler thätig. Seit 1849 leitete er
die Tierklafje der Berliner Alademie und wurde 1851
Profeſſor. Er ftarb 12. Dit. 1882 in Berlin.
Eybler, Joſeph von, ag Te geb.
8. Febr. 1764 in Schwechat bei Wien, kam im
zehnten Jahre in das Mufilfeminar zu Wien und
war gleichzeitig Schüler von Albrechtsberger. 1792
wurde er Ehorbireltor an der Karmeliterkirche,
1793 aud an dem Schottenitift, 1801 kaiſerl. Mufit:
lebrer, 1804 Hofvicefapellmeifter und nah Sa—
lieris Ableben (1825) erfter Hoflapellmeiiter bis
1833. €., der 1835 geabelt wurde, ftarb 24. Juli
1846. Obgleich er, befonders in frübern Jahren,
fih in jeder Gattung der Kompoſition verfuchte,
mar doch bie Kirchenmuſil fein eigentlibes Fach.
Seine Fruchtbarkeit bezeugen: 28 meift folenne
Mefien, 7 Te deum laudamus, 34 Grabuales,
26 Dffertorien, 1 Requiem, 3 Dratorien (darunter
«Die legten Dinge»).
Eyd, Hubert, Jan und Margarete van, drei
Geſchwiſter, Maler und Begründer der altflandr,
Schule, deren Lebensumſtände gleichwohl in Duntel
ra find. Als ihren Bater nimmt man mit
—— ann e van E. an, der, ebenfalls
Künſtler, urlundlih noch 1391 genannt wird. Ihr
Name ſchreibt ſich von ihrem Geburtsjtädtchen Maas:
eych im Bistum Lüttich ber.
Der ältere der Brüder, Hubert, ift ungefähr
1366, der jüngere, Jan, um 1386 geboren; über
das Geburtsjahr der Schweiter Margarete find
nur Vermutungen — Sicher iſt, daß Jan,
der bedeutendere der Künjtler, von feinem Bruder
unterrichtet wurde, und daß fie jämtlich Brügge ald
ftändigen Wohnort wählten, weshalb fie manchmal
aub von Brügge genannt werden. Nad 1420
begaben ſich die beiden Brüder zur Ausführung
eines großen Altarwerks (f. unten) nach Gent, wo
Hubert 18. Sept. 1426 ftarb und in der St. Bavo:
fire beftattet wurde. Yan vollendete das Wert
1432, kehrte nach Brügge zurüd und jtarb u
9. Juli 1440. Beide waren wegen ibrer Kunjt
von den Fürften des Landes, den Herzögen von
Burgund und dem Bifhofe von Lüttib, body:
er Jan wurde unter anderm von Philipp dem
uten zum Hofmaler und Hammerdiener mit einem
Jahresgebalt von 100 Pid. ernannt und machte
1428 eine Reife zu Jobann I., König von Portugal,
um deſſen Tochter Iſabella zu malen.
Die beiden Künjtler führten die Malerei ihrer
Zeit durd verbefjerte Technik, namentlich der Öl:
malerei, durch tieferes Eingeben auf die Erſchei—
nungen der Wirklichleit und deren meijterhafte
Wiedergabe einer auf Jabrbunderte fortwirtenden
Höhe der Vollendung zu. Man ſieht auf ibren
Bildern Zimmer mit Kaminen und reihbaltigem
Daudrat, Städte mit Mauertürmen, Kirchen und
belebten Gaſſen, blumenreiche Wiefen, Bäume mit
entwideltem Baumſchlage, blaue Berge und reinen
Dimmel mit zarten, weißen Wöltchen, Die Figuren
Eybler — Eyd
felbft beginnen fie anatomisch genau wiederzugeben,
menigitend an Händen, Füßen und Antlig. Bor
trefflih ift die Behandlung der Stoffe, jeien es
Gewänder von geftidter Yeinwand oder von perlens
bejektem Sammet, reichvergoldete Rüftungen, me
tallene Gefäße oder andere Gerätihaften. Der
großartige Schwung des frübern Faltenwurfs
macht einem mehr realiftiih milltürlihen, ſchar—
fen und edigen Blag. Die würdevolle Haltung der
ältern Malerei, die Einfachheit und Milde ıbrer
Figuren, die Sanftbeit und Gottjeligteit im Aug:
drud der Gefichtözüge wandelt ſich bei ihnen zu
mebr menſchlicher Jrömmigleit. Das Cigenartige
der —— tritt ſtärkler hervor, das Gattungs⸗
artige beginnt zu ſchwinden. Al dies war nur durch
die aufs höchſte vervolllommnete Technik und eine
regen Sera welche fait jeder Einwir⸗
lung der Zeit Troß bot. Auch die beiten Benetianer
baben jelten eine jo leuchtende, durchſichtige Fär⸗
bung wie die van E. und ihre Schule.
Die Hauptarbeit (1420—32) der Brüder iit
das von Jodocus Vyts in der Kirche St. Bavı
7 Gent geftiftete große Altarwert (ſ. beigefügt:
afel: Genter Altar), welches auf 12, =
Teil auf beiden Seiten bemalten Tafeln das My—
jterium des riftl. Glaubens und ald Mittelpuntt
besjelben die Anbetung des Lammes darftellt. Bon
dem Merk ftebt nur das Mittelbild (4 Tafeln) noch
am alten Blake; ſechs Tafeln von den Flügeln be:
finden fich gegenwärtig im Berliner Muſeum, die
iguren Adanı und Eva im Brüffeler Mujeum.
ine vorzüglice, von Michael Eocrie für König
Philipp II. von Spanien gefertigte Kopie — eben:
n_ zerjtreut, zum Zeil gleibfalls im Mufeum zu
Berlin, zum Zeil in der Binalotbef zu Münden.
Bon fonjtigen hervorragenden Bildern Jans jind
zu nennen: Die Weihe Thomas Beckets zum Grz
bifhof von Canterbury (1421), die Bildniffe No:
ban Arnolfinis und feiner Frau (1434; London,
Nationalgalerie), Bruftbild des Kanonikus Jan de
Leeum (1436; Wien, Hofmujeum), Die beil. Bar:
bara (1437; Antwerpen, Nujeum), Großes Bruftbild
Ehrifti (1438; Berlin, Mufeum), Madonna (1439;
Antwerpen, Mufeum). Ferner ohne Angabe des
Jahres: Anbetung der Könige (in Brüfiel), Ma-
donna von Lucca (Frankfurt; Städelfhes Jnititut),
Madonna des Kanzlers Rollin (im Louvre), Der
Mann mit den Nellen (in Berlin), Madonna mit
dem fnienden Abt und der beil. Barbara (ebd.), Ma:
bonna mit Rind in einer flirche tbronend (Flügel:
altärden ; in Dresden). — Der Grundrichtung der
eit, welcher die Gebrüder van E. mit ſolchem
olge den erjten Ausprud verſchafft, fielen bald
alle deutihen Schulen zu, zunädjt die Kölner,
bald aud die oberdeutihben. Als ibre unmittel:
baren Nachfolger find zu nennen: Petrus Eriftus,
Gerard van der Dleire, Hugo varı der Goes, Rogier
van der Wenden der Ülltere, Juſtus van Gent,
Antonello da Meffina, der die Ölmalerei zuerſt na
Ktalien gebrabt haben foll. Unter den jpätern
abjolgern nehmen Hans Memling und Dirt
Bouts den erjten Rang ein. weıtern Sinne
fönnen aub Dürer und Holbein ebenjo wie Era:
nah und Lukas von Leiden ald abbängig von den
roßen Anregungen dieſer Ge altflandriſchen
Shule betrachtet werden. — Vgl. Waagen, liber
Hubert und Johann van €, (Bresl. 1822); Hotbo,
Die Malerfhule Huberts van GE. (2 Bde., Verl.
1855—58); Crowe und Gavalcafelle, Geſchichte der
Prophet (Berlin). 2, — on (Brüssel). Prophet iBerlin'
Verkündigun > Mär: wei Siby] d Brüssel, Brüssel und Berlin).
Stifter (Berlin}, » Sara (Berlin u Juhannes der Evangrlist Stifterin «Berlin
Johannes der Täufer
3erlin).
(Berlin). (Berlin)
Brockhaus‘ Konversations- Lezikon, 16, Aut Phototypie RB, Kühlen, Mala!
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— — —
Eyder — Eylau
altniederländ. Malerei (deutih von A. Springer,
293. 1875); Yalaing, Jean van E. (Lille 1887); Kam⸗
merer, Hubert und Jan van E. (Bielef. 1898); R.
Voll, Die Werke des Jan van €. (Straßb. 1900).
Eyder, Fluß, ſ. Eider. :
Eyd. et Sou., binter den lat. Namen nieberer
Meerestiere Abkürzung für Fortund Eydour
(ipr. eduh er machte 1829—32 die ——
der franz. Fregatte La Favorite mit) und Souleyet
(1. Som), zwei franz. Forſcher, die gemeinfam zoolog.
Arbeiten veröffentlichten.
Eydtfuhnen, —— im Kreis Stallu—⸗
pönen des preuß. Neg.:Bez. Gumbinnen, 11 km
ditlih von Stallupönen, weſtlich von der rufj. Stadt
Wirballen, an ber Lepone, welche bier die poln.:
ruf. Grenze bildet, an der Linie Berlin: Königs:
berg: €, (742 km) der Preuß. Staatöbabnen und
G.:Bilna (191 km) der Beteröburg : Warfchauer
Eiienbahn, Sitz eines Hauptzollamtes, Nebenzoll:
amtes eriter Klaſſe und Grenztommiffariats, bat
(1900) 3707 E., darunter 88 Katholiken und 247 Is⸗
taeliten, (1905) 5034 E., Boftamt erjter Klafie, Tele:
graph, Spnagoge; a ne
edeutenden Speditionshandel mit Rußland, ferner
Eigenbandel mit Getreide, Holz, Geflügel, Wildbret
und Krebien ſowie ein großes Wechiel: und Inkaſſo—
geihäft. Als Endſtation der Oſtbahn (f. d.) fam €.
in wenigen Jahren zu Bedeutung.
Eye, Aug. von, Kunſt- und Kulturhiſtoriker,
geb. 24. Mai 1825 zu Fürſtenau (Hannover), ftu-
dierte in Göttingen und Berlin erjt Rechtswijjen:
ſchaft, dann Philoſophie und Gefhichte. 1853 wurde
er ald Vorſtand der Kunft- und Altertumsjamm:
lungen an das neu begründete Germanifche Mujeum |
nad Nürnberg berufen. Er lentte die noch aus den
Anſchauungen und Beitrebungen der Nomantif ber:
vorgegangene Anftalt in praftijche Bahnen ein und
gab jo für die Neubelebung des deutſchen Kunit:
bandwerfs mit die erite Anregung. 1874 unter:
nabm er eine Reiſe nab Brafilien und machte
ipäter noch mehrere überjeeifche Neifen zu kultur:
geſchichtlichen Studien. Er ſtarb 13. Jan. 1896
in Norbbaufen. E. veröffentlihte: «Kunft und
Leben der Vorzeit» (3 Bde, Nürnb. 1854 fg.;
3. Aufl. 1868, mit vielen Rupfern), «Galerie der
Meifterwerte altdeutſcher Holzichneidelunft» (ebv.
1857—61), wie das vorige Werk in Gemeinihaft
mit J. Falle herausgegeben, «Deutihland vor
dreihundert Jahren in Leben und Kunft aus feinen
eigenen Bildern dargeitellt» (Lpz. 1857), «Leben
und Wirken Albrecht Dürers» (Nörbl. 1860; neue
Ausg. 1869), «Eine Menſchenſeele, Spiegelbild aus
dem 18. Yabrb.» (ebd. 1863, den Dichter Chr. Günther
betreffend), « Weſen und Wert des Dafeins» (Berl.
1870; 2. Aufl. 1886), «Atlas der Kulturgefchichte »
(4. 1875), «Das Reich des Schönen» (Berl. 1878),
«Die neue Weltanihauung» (2p3.1891), « Albrecht
Dürers Leben und künftleriiche Thätigkeit in ihrer
Bedeutung» (Wandsbed 1892),
Eyemouth (ſpr. eimöth), Stadt in der ſchott.
Grafibaft Berwid, linls an der Mündung der Eye
in die Nordſee, bat (1901) 2377 E., neuen Hafen
und iſt Mittelpunkt bedeutender Heringsfifcherei.
afjalla («nielberg») oder Öfter:Fökull,
Bultan (1831 m) auf Jeland, hart an der Süptüfte,
im RO. der Beitmannaeyjar (MWeftmännerinfeln).
Eyjafjardar Kaupfiadr, Stadt, ſ. Akreyri.
Enjafjord, richtiger Jige rd(u)r, Fjord an
der Nordküfte Islands (|. Nebenkarte zur Karte:
Srodhaus' Konverfations-Legifon. IK Aufl R. A. VI.
369
Dänemart und Schweden), bringt zivis
ſchen 18 und 19° weſtl. L. von Greenwich fübjüd:
djtlih 64 km weit bis über den Ort Atreyri (f. d.)
hinaus ins Sand ein.
Eyfe von Repkow, ſ. Eite.
Eylau, Preußiſch-Eylau. 1) Kreis im
preuß. — — bat 1231, qkm und
(1905) 49465 E., 3 Städte, 120 Landgemeinden
und 127 Gut3bgzirte. — 2) Kreisftadt im Kreis
Preußiih:Eylau, 38km ſüdlich von Königsberg,
am Basmar, in 88m Höhe, an der Linie Königsberg:
Proſtklen der Dftpreuß. Süpbahn, Sik des Land⸗
ratsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht
Bartenftein), hat (1905) 3258 E., darunter 46 Ka:
tholifen und 19 Jraeliten, Bojtamt zweiter Klaſſe,
Zelegrapb, Spar: und Vorſchußverein, Rektorats—
ihule, Schullebrerjeminar, Siechenhaus; Eiſen—
gehen! und Majchinenfabrit, Tuchfabrik und
Möbeltifchlereien. — €. iſt sn merkwürdig
durh die Schlacht bei E. vom 8, Febr. 1807,
Die ruf). Armee unter Bennigjen batte am 7. auf
den Höhen nördlich von E. Stellung genommen.
Am Nahmittage des 7. drängte Napoleon die ruſſ.
Vortruppen nad der Stadt. Davout hatte glei
jeitig die Königsberger Straße erreicht, während
tey bei Orſchen ftand. Das preuß. Korps unter
Leſtoeq war noch 15 km von 6, entfernt. Soult
bildete den linten Flügel des franz. Heers vor E.,
das während der Nacht ruffifcherfeit3 geräumt
wurde, rechts daneben ftand Augereau, neben diefem
die Divifion Saint:Hilaire, hinter beiden die Ne:
jervefavallerie unter Murat; — der Kirchhofs⸗
öbe hielten die Garden unter Beſſieres als Reſerve.
Das franz. Heer zählte 80000 Mann. Dir Ruſſen,
58000 Dann ftart, lehnten ihren ag Flügel
unter Tutſchkow an Schmovitten; ihre Mitte unter
Saden jtand beiderjeit? der Domnauer Straße;
ibr linfer Flügel unter Oſtermann-Tolſtoy reichte
bis an die Kreegeberge; zablreiche Reſerven unter
Doctorow und Fürſt Galizin ftanden hinter der
Mitte. Die dur die Witterungsverbältnifie ver
jpätete Ankunft Davouts, das Ausbleiben Neys
und das Gintrefien des preuß. Korps Leſtocq lieben
eö zu feiner taltiſchen Entſcheidung fommen. Der
franz. Angriff der Kolonnen von Soult, Saint:
Hilatre, Augereau wurde dur das Feuer der ruſſ.
Artillerie abgejchlagen, worauf ruff. Infanterie und
die Rejervelavallerie unter Galizin in der Richtung
auf E, verfolgten, aber dur die franz. Reſerve—
favallerie unter Murat aufgehalten wurden. Um
Mittag erihien Davout in der linken Flanke ver
Ruſſen und nahm, von Saint: Hilaire unteritügt,
Serpallen; beide drangen gegen die Kreegeberge
vor, die nah tapferm Widerſtande erobert und
mit 30 Geſchützen beſetzt wurden. Der ruf). linte
Flügel war — Davout umfaßte denſelben,
eroberte Auflappen und das Dorf Kutſchitten, wos
dur er die Verbindung der Ruſſen mit Königs:
berg gefäbrvete. Gegen 3 Uhr erichien Leſtocq mit
dem preuß. Korps und rettete die Ruſſen. Ney hatte
ihn auf dem Marſche jo lebhaft angegriffen, daß
nur 5500 Mann das Schlachtfeld erreichen lonnten;
der Reit wurde nach Kreuzburg abgedrängt und von
Ney verfolgt, der erſt jpät abends vergeblich bei
Schmobditten den Kampf aufnahm. Leſtocq nahm
Kutſchitten wieder, worauf der linke rufi. Flügel
Auklappen befekte; die Kreegeberge konnten jedoch
nicht genommen werden. Die Duntelbeit machte
—— der blutigen, aber unentſchieden geblie—
24
370
benen Schladt ein Ende. Der Verluft betrug auf
jeder Eeite gegen 18000 Mann. Ein 20.Nov. 1856
—A enkmal, ein got. Turmbau auf einer
Anböhe bei der Stadt, erinnert an die Schlacht.
— Bol. von der Goltz, Von Jena bis Preußifch:
Eylau (Berl. 1907). — 3) Stadt im preuß. Reg.
Bez. Marienwerder, f. Deutich: Eylau.
ylert, Rulemann riedr., evang. Kanzel:
rebner, geb. 5. April 1770 zu Hamm in Weit:
alen, ftubierte in Halle, wurde 1794 Prediger in
einer Vaterjtabt, 1806 auf Steind Empfeblun
of: und are nediger u Potsdam, 181
evang. Biihof, Mitglied des Staatsrats und des
Bin! ertuns der geiftlihen und Unterridtsange:
legenbeiten. 1844 trat er von feinen ÜUmtern zurüd
und ftarb 3. Febr. 1852. Als Hofprediger wurde
€, ver Bertraute und Ratgeber des Königs, fo in
dem Agendenftreit (j.d.), auf den fich feine Schrift
«liber den Wert und die Wirkung der für die evang.
Kirche in den königlich preuß. Staaten beftimmten
Liturgie und Agende» (Potsd. 1830) bezieht, ſowie
bei der Einführung der Union. Ein Dentmal diejer
vertrauten Stellung find die «Charalterzüge und
gro Fragmente aus dem Leben des Königs von
reußen, Friedrich Wilhelm III.» (3 Bde. Magdeb.
1843 — 46; mohlfeile Ausg. 1847). Bon E.s Pre
—* erſchienen: «Betrachtungen über die troft:
vollen Wahrheiten des Chriftentums bei der legten
Irennung von ben Unjerigen» (Magdeb. 1803;
5. Aufl. 1848), «Homilien über die Barabeln Jeſu⸗
(Halle 1806; 2. Aufl. 1819), «Predigten über Be:
dürfnifje unfers Herzens und Berbältnife Le:
ben?» (ebd. 1813). Mit Dräfele gab er das «Neueſte
Magazin von Feſt⸗ Gelegenheitd: und andern Pre:
digten» (4 Bde., Magdeb. 1816—20) heraus,
Eymericnd, Nitolaus, ſpan. Ketzerrichter, geb.
1320 in Gerona in Catalonten, trat 1334 in den
Dominilanerorden, warb von Innocenz VI. 1356
zum Generalinquifitor und Keßerrichter ernannt
und verfubhr als folder mit graufamer Strenge
43 Jahre lang gegen Mauren und Juden, bis er
14. jan. 1399 in feiner Baterjtadt ſtarb. Bon feinen
Schriften ijt die befanntefte das «Directorium in-
quisitorum» (Barcelona 1503; mit den Zufäken
von Pina 1578 und 1587; mit Kommentar der fpan.
Ranonijten, Vened.1595; im Auszug von Morellet,
Bar. 1874), worin er die gran ition rechtfertigt und
Anmeifungen zu ihrem Betriebe giebt.
Eymoutierd (ipr. —— Hauptſtadt des
Kantons E. im Arrondiſſement Limoges des franz.
Depart. Haute-Vienne, 40 km oſtſudöſtlich von Lı-
moge3, auf einem Hügel, welcher das tiefe, malerische
Thal der Bienne beherrſcht, an der Linie Limoges:
Clermont⸗Ferrand der Orléeansbahn, hat (1901)
2261, ald Gemeinde 4213 E., eine ſchöne Kirche aus
dem 11. und 15. Jahrh., eine Brüde über die Bienne,
ein Kommunal:&ollöge; Fabrikation von Hüten,
Es wert, Leder, Spinnerei, Färberei und Handel mit
ellen, Wachs, Lumpen, Getreide, Holz und Wein,
Eynard (jpr. enahr), Jean Gabriel, Genfer
Bantlier, befonders als eifriger line belannt,
geb. 28. Sept. 1775 zu Lyon, floh zur Zeit der Re:
volution mit feiner Familie nad der Schweiz und
ließ fib in Rolle nieder. Später gründete er mit
feinem Bruder unter der Yyirma «Gebrüder Eynard
& Schmidt» in Genua ein Handelshaus und über:
nabm 1801 zu Livorno für den damaligen König von
Etrurien (Erbprinzen von Parma) eine Anleihe, die
für ihn jehr günftig wirkte. 1810 wandte er fich mit
Eylert — Eyre
einem großen Vermögen nad) der Schweiz zurüd und
lebte fortan in Genf und Beaulieu bei Rolle. Nach
dem Sturze Napoleons I. wurde €. in den Geſeß—
—— Körper Genfs gewählt. Als Sekretär der
enfer Geſandten d'Yoernois und Pictet de Roche:
mont nahm er an dem Wiener Kongreß teil. 1816
ordnete er die Finanzen des Großherzogs Leopold in
Toscana, und 1818 befand er fih aufdem Kongrek zu
Aachen abermals unter dem diplomat. Korps. In:
folge feiner Belanntibaft mit dem Grafen Kapo—
bijtria® ward E. zu Anfang der zwanziger Jabre
anz in das Intereſſe der griech. She gezogen,
Nellte fi darauf an die Spiße aller Griechenvereine
in Europa, war für die Sache der Griechen in
Paris und London thätig und unterftügte fie mit
700 000 Frs. aus eigenen Mitteln. In Genf liek
er großartige Bauten ausführen, unter andern das
practvolle Muſeum für die Societe des Beaux-Arts.
Er jtarb 5. Febr. 1863 auf feinem Schloſſe & Genf
und joll 60 Mill. Frs. binterlafjen haben. €. zeich⸗
nete fih dur eine außerordentliche Freigebigleit
und Opfermilligfeit aus. Er ſchrieb: «Lettres et
documents ofticiels relatifs aux divers &vänements
de Grece» (Par. 1831). — Vgl. Rotbpleg, Der
Genfer Jean Gabriel E. als Bhilbellene (Zür. 1900).
Eynatten, Aug. Friedr., Freiherr, öjterr. Ge
neral, geb. 1798 aus altem rhein, Adelsgeſchlecht,
lieg im öfterr, Militärdienjt bis zum Feldmarjchall-
eutnant, war Gouverneur von Berona, beging
jedoch wäbrend des Italienischen Krieges von 1859
als Generaldirektor der Militärverwaltung im Ar:
meeoberfommando große Unterſchleiſe. Nachdem
feine Schuld Hargelegt worden war, entzog er ſich
7. März 1860 durch Selbitmord der Beitrafung. —
Bol. Der Neue Pitaval, Bd. 35 (Lpʒ. 1872). j
Eynern, Ernſt von, Bolitiler, geb. 2. April
1838 zu Barmen, trat nach mehrjährigem Aufentbalt
in der Schweiz, Frankreich und England ala Teil:
er in das faufmännifche Geſchäft feines Vaters,
riedrich von €. (geit. 1884), der 20 Jahre lang
altliberales Mitglied des preuß. Abgeordnetenhaufes
war. Er wurde bald zum Stadtverorbneten und zum
Vertreter feiner Vaterſtadt im Provinziallandtage
der Rheinprovinz, 1879 von Lennep⸗Solingen in das
preuß. Abgeordnetenhaus gewählt, wo er der natio-
nalliberalen Bartei beitrat und namentlich in Eiſen⸗
bahn: und allgemeinen Berwaltungsfragen thätig
war, fo für die Berftaatlihung der Eifenbabnen und
1899 als Verteidiger der Nanalvorlage. Während
de3 Rulturlampfes trat er mit großer Schärfe dem
Centrum entgegen. Er jtarb2. Nov. 1906 in Barmen.
E. ſchrieb: «Wider die Socialdemofratie und Ber:
wandtes» (2pz. 1874), «Die Neulonjervativen im
Weiten» (Elberf. 1876), «Zur Reform der virelten
Steuern in Preußen. Gegen die Selbitvellaration»
(Barm. 1889), «Kritifche Betrachtungen zur Reform
der Kommunaljteuern» (Elberf. 1892), « Zwanzig
Jahre Ranaltämpfe» (Berl. 1901).
ze (pr. äbr), Edward John, Erforiher Auftra-
liens, geb.5. —* 1815 in Yorlſhire (England), wan⸗
berte 1833 nad Auftralien aus, wo er anfänglich in
Neufüdwales, bald aber in Sübdauftralien jeinen
Aufenthalt nahm. 1839 erforſchte er in leßterm
Lande das Flindersgebirge und die zwiſchen dieſem
und dem untern Murray gelegenen Gegenden. Dann
bereifte er die Berglandichaften im Nordweſten
des Spencergolf3 und entbedte 1840 den großen,
Bee nah ihm benannten Eyreſee (ſ. d.); fein
erſuch, vom Eyrejee weiter ind Innere des Erb:
Eyrejee
teild vorzubringen, mißlang. Im folgenden Fahre
jog er vom Spencergolf an der Südfüfte entlang
bis zum King:George-Sund. 1846 wurde er zum
Gowwerneur von Neujeeland, 1852 von St. Vincent
ernannt. 1862— 66 war er Gouverneur von Ja:
maila, wurde aber infolge der ungeſetzlichen Hin:
rihtung des aufrübreriihen Mulatten Gordon ab:
berufen. Er ſtarb 30. Nov. 1901 in Taviftod. €,
veröffentlichte: «Journal of expeditions of disco-
very into Central Australia» (2 Bbe., Lond. 1845).
reſee (ipr. äbr-), großer Salzjee im Innern
Cüdauftraliens (f. Karte: Auftralien) A zwifchen
27° 50’ und 29° 20’ füpl. Br. und 186° 40’ und
37 40 oſtl. L. gelegen, ift etwa 9500 qkm groß. Er
wurde 15, Aug. 1840 von Eyre (j. d.) entdedt, von
Babbage 1858, von Stuart 1859, von Warburton
1866 und von Lewis 1875 unterjudht. Der War:
burten im N., der Nealed und Douglas im W., der
Nargaret im ©. und der größte von ihnen, ber
&oeper, im D. jenden ihm ihre jpärlihen Wäſſer
u; meift ilt der See jo troden, daß das Salz auf
dem Boden trpftallifiert. Doc giebt es am Süb-
und Weſtufer füße Quellen, welche hier Viehzucht er-
mögliben. Das Südende des Sees liegt 11,8 m, die
etwas jüdlicher gelegene Viebjtation Stuarts Greet
‘sm unter dem Meeresſpiegel, jo daß dieſe Sente
die tieffte Stelle des Auftrallontinents ift.
Eyre & Spottiswoode (ſpr. ahr änd ſpottis⸗
vudd), engl. Hofbuchbruderei mit andern techniſchen
und Handeldjweigen in London, wurde 1735 von
Charles Eyre aus Landforb —A Wilts)
gegründet, der 1770 William Strahan als Teil:
daber annahm. Ihm folgte 1830 fein Großneffe
Andrew Spottismoode. 1901 waren Beliker:
aan Urentel Eyres, George Edward Briscoe
Epre, und zwei Entel Spottismoodes, die Brüder
Billtam Hugb Spottiswoode und Cyril
Andrew Spottiswoode. Bon ihrer Gründung
an beigt die Firma das Fönigl. Privilegium, die
autorifterte Überjegung der Bibel, dad «Common
Prayer-Book», die Terte der Geſetze und alle Doku:
mente der Regierung zu bruden und zu verlegen.
In neuerer Zeit bat die Firma eine große Auss
dehnung gewonnen. Sie widmet ſich beſonders dem
Orud der Regierungspublifationen und den Ber:
öffentlihungen des Stationery Office. 1892 erwarb
hie die Barlamentspruderei («The House of Com-
nons Printing Office») von Henry Hanſard &Sohn.
Tas Hauptgeihäft befindet ſich in der Eity, einige
Imeige in den Vororten (Hadney). Vorhanden find
ie ce der grapbiichen Künfte, 3. B. Photo:
tapbie, photogr. Vervielfältigung, namentlid das
oodburpverfabren (f. Woodburgtypie), erworben
durh Antauf der Woodbury Permanent: Photo:
aapbie: Printing: Company; ferner Buchbinderei
MNabielger der ss Hayda ir Agenturen für
ortefeuillemaren,
Fran y
eib⸗, Zeichenmaterialien,
Malerf ‚ matbem. und Beicheninjtrumente.
Vertretungen der gırma find in Auftralien, Neu:
ſeeland Neuyork, Edinburgh und Glasgow.
Exria (ipr. ahrie), Halbinſel der Süpküfte Auſtra⸗
lient (j. Karte: Auſtralien), wird im N. von ber
Gebirgätette Gamler-Range, im D. vom Spencer
aolf, im W. von der großen Auftraliihen Bucht bes
pet und läuft nah ©. in das Kap Cataftrophe
vis aus, €. ift nur ſehr fpärlic und zwar meiſt
von Biebzüchtern bewohnt.
Eyries Stacheltattus, Echinopsis Eyriesii,
\.Echinopsis und Tafel: Ralteen, Fig. 7.
— Eyth 371
Eyſchen, Paul, luxemb. Staatäminifter, geb.
9. Sept. 1841 zu Luxemburg, ftudierte in —
land und Frankreich die Rechte und ließ ſich in ſei⸗
ner Vaterjtabt als Advolat nieder. Er wurde 1866
vom Kanton Wilg in die Abgeordnetenkammer ge
wählt und 1876 zum Generaldirektor der Juftiz und
öffentlichen Bauten eher) ernannt. Sei:
ner Initiative verdankt die Juſtizpflege zahlreiche
glüdlihe Neuerungen, fo eine durchgreifende Unde⸗
rung des Strafgejeßbuches nad belg. Mujter (1879),
Neuorganifation der gefamten Gerichtäorbnung
(1880) u. ſ. w. Auf dem Gebiet der öffentlichen
auten machte er fih namentlih nah Scleifung
der Bundesfeftung Luremburg um die Nusbar:
madung der frei geworbenen Domäne und den hy⸗
gieiniſch wie architeltoniſch muſterhaften Ausbau
der Stadt verdient. Am 22. Sept. 1888 wurde E.
zum Staatsminiſter ernannt und behielt auch in
dieſer Stellung die Juſtiz in ſeinen — en.
Dazu kamen Aderbau, Handel und Induſtrie, Kul⸗
tus und auswärtige Angelegenheiten. Namentlich
auf —— ichem Gebiete entwidelte E. nun
eine rege Thätigkeit und förderte beſonders den
Aderbauunterricht. Von 1874 bis 1889 war E.
zugleich luxemb. Geſchäftstrager am Berliner Hofe.
Er jhrieb «Das Staatöreht des Großberzogtums
Luxemburg⸗ (Freib. i. Br. 1889).
telwein, ob. Albert, Ingenieur, geb. 31. Dez.
1764 zu Frankfurt a. M., trat F ala 15jähriger
Knabe in die preuß. Artillerie, wurde dann Deich:
inſpeltor des Oderbruchs und nad vierjäbriger
Thätigkeit in diefem Amte 1794 zum Geb. Oberbaus
rat ernannt. Am 13, April 1799 wurde unter feiner
Direktion die Baualademie in Berlin eröffnet. €.
rüdte 1809 zum Direltor der Oberbaubireftion und
1816 — Oberlandesbaudireltor auf, nahm 1830
ſeine Entlaſſung und ſtarb 18. Aug. 1848 zu Berlin.
E. hatte während einer mehr als 50jährigen ae
zeit die Regulierungen der Over, Warthe, Weichſel
und des Niemen, die Hafenbauten von Memel,
Pillau und Swinemünde, ſowie die Örenzregulierung
der Rheinprovinz und die Beitimmung eines befini:
tiven Maßes und * für Preußen großenteils
u leiten und zu beauffichtigen und war auch lebhaft
ri tftellerifch thätig. Außer Abhandlungen für
die Berliner Alademie der Wifjenfchaften, zu deren
Mitgliedern er zählte, find von jeinen Veröffents
lihungen zu nennen: ——— Anweiſung zur
Bauart der Faſchinenwerle und der dazu gehörigen
Anlagen an Flüſſen und Strömen» (Berl. 1800;
2. Aufl. 1817), «Bergleihung der in den preuß.
Staaten ein eführten Maße und Gewichte» (ebd,
1798; 2. Aufl. 1810; «Nachtrag», ebd. 1817), « tal:
tifche re ur Wafferbaufunft» (mit Dav,
Gilly, 4 Hefte, ebd. 1802—8; 2. u. 3. Aufl. 1820
— 36), «Handbuch der Mechanil fefter Körper und
der Hybraulit» (ebd. 1801; 3. Aufl., Lpz. 1842),
«Handbuh der Statik feiter Körper» (3 Bde.,
Berl. 1808; 2. Aufl. 1832), «Handbuch der Peripet:
tive» (2 Bde., ebd. 1810), «Grundlebren der böbern
Analyfıs» (2 Bde., ebd. 1825), «Handbuch der Hy:
drojtatil» (ebd. 1826), «Auflöjung der höhern nume⸗
riſchen Gleihungen» (ebd. 1837) u. f.w.
th, Mar von, Ingenieur und Schriftfteller,
geb. 6. Mai 1836 in Kirchheim unter Ted ald Sobn
des als Theolog und Dichter belannten Eduard E.
und der gleichfalls fchriftitelleriih begabten Julie
E., geborene Kapoll, bejuchte das Polytechnilum zu
Stuttgart, trat dann als praftijher Ingenieur in
24*
372
die Maſchinenfabrik von Kubn in Berg: Stuttgart
ein, ging 1861 nad England und wurde dort mit
Sohn Fowler befannt, der in demſelben Jahre in
%eeds feine Dampfpflugfabrit gründete. 1862 ver:
trat €. diefe Firma * der Londoner Weltausſtel⸗
lung. Hierauf brachte er 4 Jahre ald Oberingenieur
Halım Paſchas in Ägypten zu, wäbrend welcher Zeit
ibn namentlih die Dampfkultur und das Bewäſſe⸗
rungsweſen deö Landes beichäftigten. 1866 trat E.
wieder in das Fowlerſche Geichäft ein. Nachdem
ein Belgier De Mesnil die Idee gefaht hatte, bie
in diefem Etablifjement für den Betrieb der Dampf:
pflüge konftruierte Alappentrommel für die Seil:
hiffahrt anzumenden, erbielt E. ven Auftrag, bie:
e3 Brojelt nad) feiner techniſchen Seite bin zu ent
wideln. Die Folge war für ihn ein zweijäbriger
Aufenthalt in den Vereinigten Staaten, welder
aud der Einführung der Dampftultur in Amerika
—— war. In ähnlicher Weiſe war E. dann in
eutſchland, Oſterreich, Belgien, Rußland, Rumä—
nien, Italien ſowie in Algier und der Türlei thätig;
auch beſuchte er Weſtindien mehrmals ſowie Beru
und Kalifornien auf längere Zeit. 1882 verließ E.
das Fowlerſche Geſchäft und zog nad Bonn, dann
nad Berlin, 1896 nah Ulm. 1884 gründete er
die deutſche Landwirtſchaftsgeſellſchaft (f. d.). €.
ſchrieb: «Das Agrikulturmaſchinenweſen in au
ten» (Stuttg. 1867), das in feiner Art klaſſiſche
«MWanderbuc eines Ingenieurs⸗ (2. Aufl., 6 Bde.,
Heidelb. 1886), «On towing» und «Steel or iron for
boilers» (beides in der «Institution of mechanical
Engineers», London), «On irrigation in Egypt» jo:
wie zablreihe Aufjäge über landwirtſchaftlich⸗tech⸗
niſche Fragen; ferner: «Bollmar», bijtor.:romans
tiiches Gedicht (3. Ausg., Heidelb. 1876), «Der Wald:
teufel» (Heilbr. 1878), «Mönch und Sandstnecht»
(2. Aufl., Heidelb. 1886), «Hinter Pflug und Schraub:
ftod», Erzäblungen (2 Bde. Stuttg. 1899) u. a.
Ezdorf, Chriſtian, Sandichaftsmaler, geb.
28. Febr. 1801 zu Böhned im Herzogtum Meinins
gen. erbielt feine künftlerifhe Ausbildung auf der
labemie zu Münden, wußte vortrefflich die
nordiſche Natur aufzutaflen, die er 1821 in Stan:
dinavien auffuchte und vorzugsweiſe für düftere
Stimmungsbilder benuste. Auch Island bereifte
er 1827, und feit 1831 England. Dort malte er die
vorzüglichiten feiner Bilder, 8 1835 den Eiſen⸗
bammer in Schweden (Neue Pinakotbet in Mün:
hen), das Feljenufer der Inſel Magerd in Nor:
wegen (1836; jtäbtiiches Mufeum in Leipzig), Nor:
wegiſche Yandichaft ( — in Stuttgart). Er ſtarb
18. De. 1851 zu München.
Ezechlel (bebr. Jechezkel, bei Luther Hejetiel),
Prophet, der Sobn des Priefterd Buſi, gebörte
N den mit dem König Jojachin 597 v. Er. nad
abylonien graz Yuddern. 6 Yabre vor der
Zerftörung Jeruſalems, im Juni 592 v. Chr,
wurde er in Babplonien zum Propheten berufen.
Er ift die einflußreichte Figur des Exils. fein
anderer bat jo mwie er dazu beigetragen, den De:
portierten die prophetiiche Auffaſſung vom Berufe
und dem Schidjale Israels vertraut zu machen.
In Antnüpfung an das Deuteronomium und die
Reform des Joſia verwandelte er die Forderungen
der Bropbetie in ein ftatutariiches Gejek und zeich⸗
nete feinem Bolte den Blan vor, fich dur Unter:
werfung unter diejes im Befike der einft wieder
ugewinnenden Gnade Nabmwes zu erbalten. So
ildete er eine ber Brüden von der Propbetie zum
Ezdorf — Ezekiel
geſetzlichen naderiliihen Judentum. Er hat da⸗
durch die Umbildung der lebensfäbigen Elemente
des alten Volt3 Israel zur religiöjen Gemeinde der
— ermöglicht. E. hat ſeine Weisſagungen
elbſt zu einem Buche zuſammengeſtellt, das in
vieler Hinſicht den Schluͤſſel zum Verſtändnis des
Alten Teftaments giebt. Dasjelbe iſt erft nach
572. Ehr. abgeſchloſſen worden und zerfällt in drei
Zeile. Der erite (Rap. 1—24) enthält die vor 586
v. F eſprochenen Weisſagungen; er fündigt dem
Rei Tuba wegen fortdauernder Untreue wider
Gott völligen Untergang an; der — Zeil (Kap.
25—32) drobt den benadybarten Böltern mit gott⸗
licher Strafe, und der dritte (ap. 33—48) entbält
—— vom meſſianiſchen Reich, d.b. von der
Miederberitellung Jöraels und Bori hriften über die
Neuordnung des wiederbergeftellten. Die Wieder:
beritellung erfolgt als ein Geſchenl der Gnade, obne
daß Israel dur Buße fie ſich verdient. Dieſelbe
ift eine innere Notwendigteit für Gott, deſſen Name
dur die Zeritörung —— bei den Heiden
Schaden gelitten hat. Damit Israel im Stande der
Gnade bebarren kann, erbält es ein neues Herz.
Alle Verbältniffe werden im Israel der meſſiani—
ſchen Zeit von dem Gefihtäpuntte aus neu geftaltet,
daß eine Verlegung der Heilinleit des wieder in
— wohnenden Jahwe nicht eintreten lann.
ie Stadt wird vom übrigen Land getrennt ae
— rings umgiebt fie \ —* und Leviten⸗
and. Die Stadt wird vom Tempel abgerüdt.
Im Tempel findet ftrenge Sonderung zwiſchen
riejtern und Laien jtatt. Die ganze Natur des
ndes ändert fich zu dieſem Zweck. So ift €. der
Urbeber der Vorftellungen vom Neuen Ferufalem.
An der Spike Jsraels ftebt, mit der Sorge für Auf:
rechterbaltung des Kultes betraut, ein Vorjteber
ürft). In dem von Gott geofienbarten Kulte aber
at Israel ein Mittel, alle etwa doch vorfallenden
rübungen der Heiligleit des Tempel und ab:
wes jofort wieder zu befeitigen. Er ift daber die
Lebensaufgabe der Gemeinde. Gerade durch dieie
Gedanten bat €. die fpätere Entwidlung beeinflukt.
Da die von €. erhobenen Forderungen teils binter
den fpäter vom Geſetze formulierten zurüdbleiben
(3.8. bei den geiten und Feſtopfern), teils dieſelben
überbieten (3. B. bei den Vorſchriften über Prieſter⸗
ebe und den Vorſchriften für den Berlehr der Laien
im Tempel), jo ift ver Zugebörigteit feines Buches
um fanon im jpätern Judentum vielfach mibder:
prochen worden. Hiermit mag es zufjammenbängen,
daß dasjelbe in ſehr ſchlechter Tertüberlieferung auf
uns gelommen iſt. — Val. R. Smend, Der Propbet
€, erflärt (2. Aufl., Lpz. 1880); C. Cornill, Das
Buch des Propheten €. (eo. 1886); D. H. Müller,
Gzebiel-Studien (Berl. 1895); Drelli, Das Bud €,
8 Aufl,, Münd. 1896); Bertholet, Dad Buch
eſekiel (Freib. i. Br. 1897),
Ezekiel (ipr. ifibtiel), Mofes Xat,, norbamerit.
Bilbhauer, geb. 28. Dft. 1844 zu Richmond in Bir:
—* bildete ſich nach Beendigung des Bürger:
ieges, in dem er auf Seite der Konföderierten mit⸗
fämpfte, zum Bildbauer aus und ging 1869 nad
Berlin, 1874 nach Rom, wo er fib dauernd nieder:
ließ. Seine bedeutendſten Werke find: Büften von
Wafbington, Lifzt, Reliefs von Goetbe und Schiller
(1870), Farragut (1872) u. a., ein Basrelief Ban
und Amor, die Gruppe der ae für
Philadelphia, Kain, Eva, Israel, ein Märtorer
und der Entwurf zu einem Reiterdenkmal bes Ge
Ezelin — Faaker See
nerald ee, die Gruppe Natur und Kunſt in Frank⸗
furt a. M. (1887).
Ezelin, |. Ezzelino ILL (TV.)._
EziönG®eber, auch Ezeongeber oder Ezeon⸗
gäber, zu den Zeiten ber israel. Könige eine *
habt am oſtl. Buſen des Roten Meers neben Eloth
oder Elath (f. Elana), von der aus Salomo mit
Unterftügung des pböniz. Königs Hiram Handels:
verbindungen nach Ophir (f. d.) unterbielt, 1 Kön.
4,2. l. aud 1 Kön. 22, 40; 2 Ehron. 8, ı7.
Die u. ift nicht mehr nachzuweiſen; vielleicht bat
fh in El-Ghadhjan (Thal und Quelle) ——
von El-Atabab an der Weſtſeite des Wadi el-Araba
eine Spur des alten Namens erbalten.,
Ejzelino III. (IV.) da Nomano (Ezelin),
geb. 26. April 1194 zu Dnara aus dem Geichlecht
ver da Romano (ſ. vd Herr von Baſſano, Vicenza,
Verona, Padua, Trevijo, Trient, war neben jeinem
Schwager Enzio (ſ. d.) der treuejte Vorfämpfer Kai—
jer Friedtichs II. und Führer der Ghibellinen nah
defien Tod in Oberitalien. Kampf mit den
vom Lombarbenbund begünftigten Sampieri ge
warn er die Marl Verona (1231) und unterftellte
ſich der Lehnshoheit Friedrichs LI., der ihm 1236
aud die Stattbalterjchaft in Padua übertrug. Durch
jeine glüdlihen Kämpfe bereitete E. den Sieg Fried:
tichs bei Eortenuova (1237) vor. Diefer gab ihm
dafür 1238 jeine natürlihe Tochter Selvangia zur
rau, An der Seite Enzios belämpfte er 1239 —44
die queliich:päpftl. Städte, belagerte 1247 Parma,
den Mittelpunkt des Widerftandes, erlitt aber hier:
bei 18. Febr. 1248 in der Lageritadt Vittoria eine
em tieverlage. Dennoch dehnte er im felben
abre jeine Herrſchaft über Feltre, Belluno und
Ehte aus und ging darauf eine zweite Ehe mit Bea-
trice von Bontraverjio da Caſtronovo ein. Hatte
con biäber E. unmenſchliche Härte walten lajjen
und in Badua und Verona die edelften Gejchlechter
ausgerottet, um die innern Gegner niederzubalten
und ſeine Rachbarn von einem Angriffeabzujchreden,
373
o fteigerte fich feine Furchtbarkeit durch Friedrichs
od, der ihn des fihern Nüdhalts beraubte. Als
Konrad IV. in Italien erfchien, unterjtüßte er dieſen
bei feinen Unternehmungen; Manfred jedoch ſcheute
den verhaßten Tyrannen und ernannte 1259 den
Markgrafen Ballavicino zu feinem Feldhauptmann
in der Lombardei. Als E 1256 Padua angriff, zog
ein Kreuzbeer unter Erzbifchof Philipp Fontana von
Ravenna gegen ihn; es eroberte Badua, ward abrr
bei Torricella 1. Sept. 1258 gänzlich geſchlagen. €,
machte fih nun, von der matländ. Adelöpartei
egen das Volk zu Hilfe gerufen, troß der Gegner:
Pat des Pallavicino (j.d.) daran, gegen dieje Burg
des lombard.:quelfiihen Städtebundes vorzugehen,
fiel aber auf der Brüde von Eajjano 16. Sept. 1259
verwundet in die Hände der Feinde, Am 27. Sept.
erlag er feiner Berwundung. Nach feinem Tode *
ten Verona, Baſſano, Vicenza ihre ſtädtiſche reis
beit wieder ber. — Vgl. Verci, Storia degli Ezzelini
(Bafjano 1779; 3 Bde., Vened. 1844); E. Berino,
E. da Romano (Beneb. 1864); €. Cantü, E. IV da
Romano (Mail. 1879); Gittermann, Ezzelin von
Romano, Bd. 1 (Stuttg. 1890); Brentari, E. da
Romano nella poesia e nella mente del 2
(Badua und Verona 1889); Mitis, Storia d’E.IV
da Romano (Maddaloni 1896). Dramatifch bear:
beitet wurde E.s Geſchichte von Eichendorff (1828),
in einem Romanzencyllus von Pfizer.
Ezzo, ein Bamberger Scholaſtikus, faßte in
einem Liede («von dem anegenge») in edler,
bilderreicher Sprache die Hauptthatſachen der chriftl.
Heildgefhichte wirkungsvoll und mit großem Er:
folge zufammen. Das viel verbreitete Lied iſt ber
ausgegeben in Müllenhoff3 und Scherers « Dent:
mälern» (3. Aufl., Berl. 1892), Nr. 31. Nach alter
runs bat derjelbe E. auf dem Kreuzzuge
des Biſchofs Gunther von —— (Bambero)
1064 auch eine verlorene «Cantilena de miraculis
Christi» gedichtet. — Vgl. Kelle, Die Quelle von
E.s Gejang von den Wundern Ehriiti (Wien 1893).
F.
Wr der ſechſte Buchſtabe unſers Alphabets, ent:
yricht dem ſemit. Vav (Nagel, d)=u,v,f. Die
ältejte femit. Form 3 Y, die jüngere hebräifce J.
Daraus haben die Griechen zwei Buchſtaben ge
madt: dad F (Digamma, J d.) für ven Konſonan⸗
in v und das Y für den Bolal Npfilon, das als
Neubildung den 23. Plas im Alphabet erhielt. Nach
ee des —— behielten die Griechen den
vuchſtaben nur als Zahlzeichen —— d.) für
6, in der Geftalt von F oder [ oder s. — Aud alle
taliihen Stämme haben beide Formen (mit leichten
ungen) übernommen und ftet3 gebraucht.
S. Shrift, vgl. U und B.) Als Laut gebört | zu
den labialen Konſonanten. (S. Laut.)
— ren naeeihen ftebt F und fin röm,
gay Handicriften u, ſ. w. für filius, fecit
u.\.m.; auf der Stirn entflohener und wieder ein:
jefangener Sklaven bezeichnete es fugitivus (Flücht:
‚in jpätern Büchern ftand es für Folio. _ Als
jeihen ftand F bei den Römern für 40, F für
40000. Im Handel heißt fjoviel wie fein, ff foviel
wie jebr fein. Auf der Stelliceibe engl. Ubren
ftebt f für faster (gefchmwinder) im Geaenjab zu
s (slowly, langjam). In der Phyſit bezeichnet F
die Thermometerjtala nah Fahrenheit. der
Chemie ift F (dod aud FI) das Zeichen für Fluor;
auf Rezepten ftebt f. für fiat, d. b. man bereite,
J. B. f. er für fiat pulvis, d. b. man bereite es
ala Pulver. Als engl. Abbreviatur ftebt F. für
Fellow (Mitglied). Auf deutihen Reihsmünzen
bezeichnet F den Müngort Stuttgart, auf ältern
preußiſchen Magdeburg, auf ältern djterreichifchen
Hall in Tirol, 54 altern franzöſiſchen Angers.
In der Muſitkt ift F (ital, und frz. fa; engl. F)
die Bezeihnung für die vierte Stufe der C-dur-
Tonleiter. (S. Ton.) Auch bebeutet bier f forte
(tar), ff fortissimo (jebr ftarf).
Faaborg (ipr. fob-), Hafenjtabt en der Süptüfte
der dän. Inſel Funen im Amte Svendborg, an einer
Bucht des Kleinen Belt, an der Linie F.⸗Ringe
(29,3 km) der Südfünenjhen Eifenbabn, hat (1901)
4218 E.; Dampferverbindung mit Kiel und Kopen⸗
bagen und lebhaften Handel mit Getreide.
Saater @ee, j. Villach.
374
Faaſſen, Bieter Jacobus, oder, wie er ſich ſelbſt
nennt, Rofier $.,niederländ.Schaufpielerund Schau:
pieldichter, geb. 9. Sept. 1833 im Haag, betrat ſchon
b mit großem Erfolge die Bühne, erft im Amiter:
damer Baudeville Zrancaije (1850—54) und jodann
am dortigen Theater der Gebrüder van Lier (1854
—61), wo er feinen Rubm begründete. 1861—75
fpielte er im Haag und feitdem in Rotterdam. Auch
ala Buhnendichter hat F. großes Verdienſt. Seine
Stüde zeichnen ſich aus durch treffende Charakter⸗
ſchilderung. Wiederholt find aufgeführt: «De Mili-
taire Willemsorde» (Rotterd. 1873), «De oude
Kassier» (ebd. 1875), «Manus de Snorder» (ebd.
1878), «Zwarte Griet» (ebd. 1882). Seine «Anne | So
Mie» (Antw. 1878; Rotterd. 1879) erhielt im inter:
nationalen Wettlampf den erften Preis und wurde
zu London gefpielt (1881). 3.8 fämtlihe Werte
(2 Be.) —— 1884 zu Sneel.
Fab. oder Fabr., bei naturwiſſenſchaftlichen
Namen Abkürzung für Otho Fabricius, geb.
1744 in eg geit. 1822 als Biihof im
Kopenhagen. war mebrere Jahre Geiſtlicher in
Grönland und madte ſich ala Zoolog einen Namen
durch jeine «Fauna Groenlandica» (Kopenh. 1780).
Faba (lat.), die Bohne.
Fabel (lat. fabula), im weitern Sinne ber
Stoff, Gegenftand, Inhalt, die Handlung einer
epiihen und namentlih einer dramat. Dichtung.
Die F. eines Dramas kann eine frei erfundene, je
lann der geſchichtlichen Überlieferung, ja aud
äblungen, Novellen und Romanen entnommen
lin wie das am ſchlagendſten Shatefpeares Bei:
viel beweift; in der genialen Gigenart der dich:
teriihen Durbildung und Behandlung liegt dann,
bei entlehnter Erfindung, das Recht Poldıer Did:
tung, für ein jelbjtändiges Werk zu gelten.
Im engern und ——— Sinne iſt die F.
eine beſondere Dichtart, eine — die der
unbeſeelten Natur, vor allem der ierwelt, Bewußt⸗
je, Vernunft, Sprade verleibt und fo das Men:
chenähnliche der Tiercharaltere zum Schein und
Spiegel des wirklich Menſchlichen erhebt. Die Ent:
ftebung ber F. gebört den frübejten Zeiten an;
fie blüht um jo üppiger, je regiamer und finnen:
trifcher noch die — ung der Eigenheiten und
Heimlichleiten des Tierlebens iſt. Darf man auch
nicht mit Jal. Grimm von einer indogerman. Tier:
fage ſprechen, von der die meiften Tierfabeln und
Zierepen nur Bruchftüde feien, jo ift doch gewiß,
daß viele unferer jhönften Tierfabeln mittelbar
durch mündliche oder litterar. Überlieferung aus
Indien zu uns gelommenfind und daß aud Ügyp⸗
ten und Syrien fi einer reihen Fabelblüte erfreu:
ten. Ihre fünftleriihe Form bat die F. in
Griechenland gefunden, durch Heſiod (800 v. Ebr.),
Arhilohus von Paros (650 v. Ehr.), Simonives
und Stefihoros, befonders aber in jenen F., deren
Sammlung in das 6. Jahrh. v. Ebr. fällt und die
den Namen des Uſop (f. d.) tragen. Ein buntes, ſinni⸗
ges, ergößliches Allerlei feinfter Naturbeobachtung,
noch durdaus naiv, ſchlicht erzäblend, zwar be
lehrend, aber nicht lehrhaft. Selbſt bei Babrius
(1.d.) bewahrt die griebiiche F. noch dieſen vorwal⸗
tenden Zug naiver Schlichtheit. Doc lag es in der
Natur der Sade, daß, da die F. das Tierleben nur
ald den unverbüllten —— des Menſchenlebens
faßte, ſich allmählich das abſichtlich Lehrhafte mebr
und mehr vorbrängte. Griech. Redner, ſelbſt De:
moſthenes, bedienten ſich ihrer gern; auch Ariftos
Faaſſen — Fabel
teles zählt in der Rhetorik (2, 20) die F. zu den
allen Gattungen der Beredſamleit gemeinſamen
Beweismitteln,
Das abſichtlich Lehrhafte wurde bei den Römern
das ausfchließlih Beitimmende und Maßgebende.
Nicht bloß die röm. Redner, fondern aud die röm.
Dichter tennen die F. nur ald Lehrgedicht. Phädrus
(ſ. d.) benugte die griechiſche F., verflachte fie aber zu
—— Alltagsmoral. In einer in Proſa aufgeloſten
marbeitung aus unbelannter Zeit, die unter dem
Namen eines fonft unbetannten Romulus ging, be:
—— Phäbdrus dad ganze Mittelalter, ja die ge
amte neue Zeit bis zum Ausgang des 18. Jabrb.
ehr * der Stricker, der beite mittelbod-
deutſche Dichter von F. (bispel), jo jebr Hugo
von Zrimberg und Ulr. Boner ſowie Qutber, Hans
Sachs, Brant, Burkard Waldis, Erasmus Alberus,
Fiſchart bemüht find, den fühlen Ton ihres Borbildes
zu erwärmen, jo ſehr im Zeitalter der Reformation
die Tierfabel und das Tierepos zu fatir. Zeiticil:
derungen verwendet und auögeltattet wurden: die
naive Unbefangenbeit war verloren; die Tiere waren
nichts als verlleidete Menſchen, der Gehalt war eine
nüchterne moralifierende Nuganmwenbung. Die nur
auf die äußere Form und auf trodne Veritändia-
feit gerichtete Poetil der erſten Schleſiſchen Schule
und die ihr verwandte äftbetijche Theorie Boileaus
waren nicht geeignet, eine würdigere Auffaflung an-
zubabnen; jelbit Safontaine (f. d.), der einen un:
befangenen vollätümlihen Zug batte und jeine
Mufter in Nabelais und Marot ſuchte, lonnte, ob:
gleich ibn frifche naive Laune und ſchallhafter Wis
zu einem der vortrefflichſten Fabeldichter machen,
die verlorene Einfalt und Sinnenfülle nicht wieder:
berftellen; noch ferner blieb diefem Ideal La Motte,
an den fih in Deutichland der Fabeldichter Stoppe
und ber Theoretiler Triller anſchloſſen. Le Boſſu
und Gottiched lehren, dab man die 5. jo lebrreid
als möglich maden müfje und daß man keine er
finnen dürfe, in der nicht eine wichtige Wabrbeit
liege. mit dem Sturze Gottſcheds und bes
—— Klaſſicismus kam in die F. wieder friſcheres
eben. Bodmer und Breitinger ftellten fie beſon⸗
ders hoch, da fie das Berjtändige mit dem Wunber:
baren verbinde. Hagedorn, Lichtwer, Pfeffel, Gleim,
vor allen Gellert bildeten das Vollstümliche La:
fontaines weiter aus und gaben ber 5. wieber an:
iebende Friſche und nedenden Mutwillen; es war
oral, aber gemütvolle Moral in leichter an
ſprechender Erzählung. Leſſing lehnte fich in jeinen
«Fabeln⸗ an Uſop an, aber er hatte nur Auge für
das Pebrbafte und Epigrammatiſche. Treffend ſagt
Jak. Grimm von Lejjings F., dad naive Element
gebe ihnen ab bis auf die leijefte —— Zwar
ehaupten ſeine Tiere den natürlichen Charalter,
aber was ſie thun, intereſſiert nicht mehr an ſich,
ondern nur durch die erwartete Spannung auf die
toral; Kürze iſt ihm die Seele der F.; man kann
aber umgelehrt bebaupten, daß die Kürze der Top
ver F. iſt und ige finnlihen Gebalt vernichtet.
Sebr verdienftvoll dagegen waren Leſſings tbeore:
tiſche «Abhandlungen über die F.». 3. für Kinder di:
teten mit Glüd Froͤhlich und Hey, erfolgreich unter:
ügt durch die trefflihen Zeichnungen Spedters. In
ußland find die 5. von Krylom durch beitere Laune
und treffende Sentenzen zum Bolts: und Schulbud
eworben. fiber das einjeitig Didaltiſche und Mora
ifierende ift ——— unſere erböbtere Ein
fiht in das Weſen und die Grundforberung echter
Tabelepopde — Faber du Faur
boeſie weit hin ausgeſchritten. Gigenartige und finn-
tie 5. dichtete in neuefter Zeit Marie von Ebner:
Eihenbad (ſ. d.). — Bol. Jat. Grimm, Reinhart
b8 (Berl. 1834); Wendigen, Das Weſen und die
beorie der F. (ep3- 1893). j f
‚Vabelepopde, lomiſches Heldengedicht, worin
die Tiere die Stelle der Menſchen und dieſe die
Stelle höherer Weſen einnehmen, wie bie dem Homer
beigelegte « Batrahomyomahie», Rollenhagens
reihmäusler» u.a. (S. Tierfage.)
Faber (lat.), bei ven Römern jeder Handwerker,
welcher in harten Materialien arbeitet, Werkmann,
Schmied u. |. w. j
Faber, bei naturwiflenf&aftlihen Namen Be:
eihnung für Srederit Faber, geb. 1795 zu
Evente auf Fũunen, geit. 1828 ald Regimentsaubdi-
teur zu Horſens in Jütland, bereifte 1819—21 8:
land und ſchrieb: «Prodromus, der island. Orni⸗
tbologie» (Ropenb. 1822), «Drnithologifte Notitier
fom Biprag til Danmarks Fauna» (Narhus 1824),
«iiber das Leben der hochnord. Vögel Islands»
2 Boe., Lpz. 1825— 26), «Naturgefchichte der Fiſche
Slands> (Stantf. 1829). ER
Faber, Eouard, württemb. Juftizminifter, geb.
30. 1822 in Altenstadt in Württemberg, jtu:
dierte feit 1840 in Tübingen erjt Theologie, dann
die Rechte, trat 1846 in den württemb. Staats:
dienst und wurde erſt Juftisminifterialfetretär, dann
Nichter in verſchiedenen Stellungen. 1857 wurde
. vortragender Nat im Juftigminifterium, 1865
taatarat und ordentliches Mitglied des Geheimen
Rats, im Dez. 1878 Departementächef der Juſtiz, jeit
1883 ala Staatöminijter. F. war beſonders *
bei der Reform der württemb. Gerichtsverfaſſung,
die erin den «Erörterungen über den Gerichtöver:
fafjungsentwurf des württemb. Juftizminifteriums»
(Stuttg. 1862) vertrat, bei der Einführung des
deutichen Handelsgefegbucs in Württemberg und
bei den frübern Beitrebungen zur Schaffung einer
gemeinfamen deutſchen Eivilprozeporbnung. Seit
1678 wirfte er für die Ausführung ber neuen Reichs⸗
jujtiggefege und die ſich hieran jchließenden Reformen
in der Juftizverwaltung, forgte auch für bie Ver:
bejlerung des württemb. Gefängniswejens. Im Dft.
1896 trat er in den Ruheſtand. B: tarb 18. Jan.
1907 in Stuttgart. Mit A. Schloßberger gab er
beraus «Die Vorarbeiten zum württemb. Landrechte
oom 1. Juni 1610» (Stuttg. 1859).
er, Ernſt, Einolog, ſ. Bd. 17.
‚ Sotthilf Theodor von, Schriftiteller, geb.
15. Febr. 1766 zu Riga, jtudierte in Halle und
Jena Rechtswiſſenſchaft, begab ſich 1789 nach Paris,
nabm in der Armee Lafayettes am Kriege gegen
Djterreich teil und geriet 1793 in öfter. Gefangen:
ft, aus der er ſich 1795 durch die Flucht rettete,
. wurde dann unter dem Direktorium bei ver Gen:
trafverwaltung des Rheindepartements in Aachen
angeftellt, jpäter Profeſſor der franz. Sprache und
—— has) che in Köln, = Teen
bachter im ndepartement» mit Profeflor
Reinhard berausgab. Ende 1805 wandte ſich F.
nah PBeteröburg, wurde 1816 der ruſſ. Gefandt:
ſchaft am Bundestag in Frankfurt a. M. beigeorb:
net und 1818 zum Wirfl. Staatsrat erhoben. Er ftarb
28. Nov. 1847 in Paris, %. jhrieb anonym «No-
tices sur l’intörieur de la France» (Petersb. 1807;
wieder abgebrudt u.d. T. «Offrandes A Bonaparte»,
Lond. 1807), «Observations sur l'armée frangaise
1792— 1807» (Petersb. 1808; deutſch Konigsb.
375
1808), «Bagatelles. Promenades d’un déscuvrèé
dans la ville de St. Pötersbourg» (2 Bode., Petersb.
1811; deutich,2 Bde. Lpz. 1814), «Beiträge zur Cha⸗
rafteriftif der franz. Staatöverfaffung und Staats
verwaltung» (Königsb. 1815) und «Le comte J.
Capodistrias» (Bar, 1842).
Baber, Jakob, eigentlib Jacques le Fevre
d'Eſtaplhes (Stapulensis), geb. um 1455 zu Ctaples
am Pas⸗de⸗Calais, ward 1523 ——— des Bi⸗
ſchofs von Meaur, erhielt aber wegen ſeiner freiſinni—
gen Denkungsart feine Entlaſſung und wandte ſich
u Margarete von Navarra, mo er 1536 oder 1537
Hard, war einer ber hervorragendſten Huma—
niſten feiner Zeit, fommentierte klaſſiſche Schrift:
iteller, jeit 1507 aber vorzugsweiſe die Bibel, die
er (aus der Bulgata mit Zuziehung des griech.
Grundtertes) ins Franzöfifhe überfegte. — Val.
Graf, Essai sur la vie et les &crits de J. Lefövre
d’Estaples (Strafb. 1842); derf., Jalob F. («Zeit:
Schrift für biftor. Theologie», 1852); Neufch, Inder
der verbotenen Bücher, I (Bonn 1883).
aber, ob. Nit. Böhl von, f. Arrom.
aber, Xobn, engl. Kupferitecher, geb. 1684 in
Holland, fam als Kind mit feinem Bater, der eben«
falls Rupferitecher war, nach England und ftarb
2, Mai 1756 in Bloomsbury. Er ftadh über 160
Blätter, meift Borträte, in Schabkunjtmanier. Be:
fannt von ibın ift namentlich ti e der Beauties
of Hampton-Court, 13 Bildniſſe Ichöner Frauen
des engl. Hof8 in Großfolioblättern.
aber, Lothar, Freiberr von, Induſtrieller, ſ.
aber, A. W.
93* Tanaquil, Humaniſt, ſ. Lefebre.
aber, U. W., Bleiſtiftfabrik in Stein bei
Nürnberg, wurde 1761 von Kafpar F. geit. 1784,
begründet. Bon Vater auf non fi vererbend,
ging fie über auf Anton Wilhelm F, get. 1819,
nad) dem die Firma benannt iſt, 1810 auf Georg
Leonhard F., geit. 1839, dann auf Lothar F.,
geb. 12. Juni 1817, der das he aus immer
noch Heinen Verhältniſſen zu Weltbedeutung erhob
und jelbit die engl. Bleiſtiftinduſtrie überflügelte.
Gr wurde 1863 in den Adels, 1881 in den erblichen
rg erhoben und war erblicher Reichsrat.
Nach feinem Tode (26. Auli 1896 in Stein) wurde
Befikerin die Witwe Dttilie, Freifrau von F. (geit.
27. San. 1908); Teilbaber jeit 1900 Alerander,
Srafvon Faber:Eaitell. Über die Arten der her:
geftellten Blei: und Farbenftifte ſ. Bleiftift. Ferner
werden gefertigt: Schieferftifte, natürliche und fünit:
liche —— Lineale, Winkelmaße, Reiß—
ſchienen, Maßſtäbe, Tinten aller Art, Farben für
Aquarell: und Ölmalerei, feine Batentitifte von
Gold, Silber, Email, Scilofrot, Elfenbein u. f. w.
und alles, was ſich fonjt noch auf Material zum
Schreiben, Zeichnen, Malen für Schule, Bureau,
Ingenieure, Arhitelten und Maler bezieht. Das
Haus bat Jweigniederlafiungen in Berlin, Baris,
London und Neuyork; Fabrifen, neben der zu Stein,
in Gerold3grün (Oberfranten; für die Schiefer: und
Holzinduftrie), Neuyork, Noify:le:Sec bei Paris (für
Zinten und Farben); Agenturen in Wien und Ham—
burg; Dampf: und Wajlermotoren von zufammen
— — 1100 beſchäftigte Perſonen, für
die Sparkaſſen, Schulen, Arbeiterwohnungen, Stif—
tungen zu Erziehungs⸗ und Bildungszwecken u. ſ. w.
eingerichtet ſind.
aber du Faur (fpr. dit fohr), Otto von, Maler,
geb. 3. Juni 1828 in Ludwigsburg, Sohn des ala
376
Shladtenmaler betannten mwürttemb. Generals
Milbelm von F. (geit: 1857), widmete gs ebenfalls
gleichzeitig dem Militärdienjt und der Kunſt. Seine
—— en Studien begann F. 1851 in Munchen
bei Aler. von Koßebue und in Baris bei Yvon. Den
Militärdienſt verlieh er 1867, nachdem er noch den
Feldzug von 1866 mitgemacht hatte, und bildete
ich ee unter PBiloty in Münden aus, wo er
10. Aug. 1901 ftarb. F. bat hauptſächlich Darftel:
lungen aus dem Kriege und der te gemalt,
unter denen bervorzubeben find: Nüdtehr Napo—
leons I. aus Rußland (1869), libergabe der franz.
Kavalleriepferde nach ver Schlacht von Sedan (1872),
Flucht Friedrichs V. von der Pfalz aus Prag nad
der Schlaht am Weißen Berge (1873; angelauft
vom Barmener Kunftverein), Attade der Ebajleurs
d’Afrique bei Floing (1877), Lagernde Araber, Ber:
tauf Joſephs nach Unypten, Neiterbildnis des deut:
chen Kronprinzen (1878). Das Muſeum in Stutts
gart beſiht von ihm die beiden kolofjalen Schlachten:
bilder: Das württemb. Grenadierregiment Königin
Dlga im Gefeht am Part von Eoeuilly, 30. Nov.
1870, und Angriff der Württemberger auf Cham:
pigny, 2. Dez. 1870. Für Hamburg malte er 1882 ein
Panorama der Schlacht bei Wörth. Seine lehten Ge-
mälde, wie Reiterraft und Fantaſia (Münch. 1889),
Nubende Araber und Araber am Waller (Berl.
1891), Zug durd) die Wuſte (Münch. 1892), zeigen
breitejte Binfelführung und farbige Wirkung.
aberfche Buchdruderei (A. & R. Faber),
in Magdeburg, ging bervor aus der ſeit 1646 be—
itebenden Buchdruckerei von Müller, in die 1730
Gabriel Gottbilf Faber als Teilbaber ein:
trat, der der Schwiegerjohn und Erbe des Beſiters
wurde. Bon den mit übernommenen Müllerjchen
Verlagswerlen haben ſich bis auf heute das « Magde⸗
burger Gejangbud» und die «Magdeburgifche Zei:
tung» (f.d.) erhalten. Das Geſchäft hat ſich ftetig ver:
größert und pflegt vorzugsweije Verlags: und Acci⸗
denzdrud, 1874 wurde in England eine Rotations—
maſchine für die Zeitung angetauft; diefe Maſchine
war die erjte, weldye in Deutjchland zum Drud von
Zeitungen Verwendung fand. Beliger find Aler:
ander Faber und Nobert Faber sen. und *
1901) Dr. jur. Robert Faber. Das Geſchäft hat
2 Dampfmaſchinen (45 Pferdeſtärken), 3 Rota—
tions⸗, 1Zweifarbenmaſchine, 11 Preſſen, 5 Ste
reotypapparate, chemigraphiſche Anſtalt mit elel—⸗
triſchem Betrieb und beſchäftigt 225 Perſonen.
Fablan Sooiety (cngl., ſpr. fehbien ßoßeilti,
engl. al! zur Verbreitung von Anjichten, die
den jocialdemokratiihen äbnlid find, * Publi⸗
tationen («Fabian Essays», «Fabian Tracts» und
«Fabian News») find ziemlich weit verbreitet und
nicht ohne Einfluß, Die F. 8. beabfidhtigt feinen
Umjturz der bejtebenden Staatsformen, ihre Haupt:
idee ift die Monopolijierung von Aderbau, Handel
und Induſtrie durch den Staat.
Fabier (gens Fabia), eins der ältejten und
vornebmiten röm, Batriciergefchlechter, das jeinen
Uriprung bis rl Hercules und eine Tochter des
Guander zurüdführte und jchon bei der Gründung
Noms eine bedeutſame Rolle fpielte. Von ihm führt
die eine der beiden uralten focialen Genoſſenſchaften
ver Luperci, die der Fabiäni, ihren Namen.
Schon in den früheſten Zeiten der Nepublit wa:
ren die F. jehr mächtig. Drei Brüder befleideten
damals fieben Jahre hintereinander abwechſelnd
die eine Stelle im Konſulat: Quintus Fabius Vi:
Faberſche Buchdruderei — Fabier
bulanus 485 und 482 v. Ehr., Käſo Fabius Bibw
lanus 484, 481 und 479 v. Chr., Marcus Fabius
Vibulanus 483 und 480 v.Chr. Dann aber erfolgte
eine Reaktion gegen den übermächtigen Einfluß der
Familie. Die 5. verliefen Nom insgefamt, es ift
ungewiß ob freiwillig, aus Unmut über bie ein:
getretene Veränderung, oder gezwungen; doch tit
das erftere wahrjcheinlicher. 306 fampffäbige Fa
milienmitgliever zäblend, erbauten fie mit ibren
4— 5000 Klienten an der Gremera ein Raitell.
Sie lebten von Raubzügen, die fie ungeſcheut in
Vejenter Gebiet unternabmen. Da legten die Etrus
fer ihnen einen Hinterhalt und machten fie bis auf
den lebten Mann nieder. Nur ein unmünbdiger
Knabe, Duintus Fabius Vibulanus, der an
dem Kampfe nicht teilnahm, ſoll übriggeblieben
fein. Von ihm joll das fpätere Geſchlecht der F.
abjtammen. 467 und 465 war er Konſul, 451 De
cemvir und ging nad) dem Sturze des Decemvirats
449 freiwillig in die Berbannung.
Seine Söhne waren nad der fiberlieferung
Marcus Fabius Vibulanus, Konjul 442
v. Ehr., Tribun mit konſulariſcher Gewalt 433
v. Ehr., Duintus Fabius Vibulanus, Konjul
423 und 412, Tribun mit fonfularijher Gewalt 416
und 414 v. Chr., und Numerius Fabius Vibu—
lanus, Konjul 421, Tribun mit fonfulariiher Ge
walt 415 und 407. Des erftgenannten Marcus
Söhne, Quintus Fabius Ambuftus, Konjul
412 v. Ehr., Numerius Fabius Ambuftus,
Tribun mit fonfulariiher Gewalt 406, und Käſo
Fabius Ambuſtus, Konfulartribun 404, 401
und 395 v. Chr., jollen nad) den meijten röm.
Hiftorifern 391 v. Ehr. nah Cluſium ald Geſandte
zu den die Stadt belagernven Selten geſchidt wor:
den fein und, von dieſen abgemwiefen, im Heere der
Etrusker gegen fie gelämpft haben. Als hierauf die
Kelten ibre —— verlangten, % dieiem
Verlangen nicht entſprochen, die beiden F. vielmehr
ür 390 zu Konfulartribunen gewählt worden jein,
[8 ſolche gebörten fie zu den ſechs Anfübrern,
unter denen die Nömer in demjelben yabre die
ſchwere Niederlage an der Allia erlitten, Nah Ber:
treibung der Gallier foll Duintus ald der Haupt:
ihuldige an jener Niederlage angellagt und nur
durch feinen Tod der Verurteilung entgangen fein.
Der Sohn von Numerius Yabius Ambujtus,
Marcus Fabius Ambujtus, befiegte als
Konful 360 v. Chr. die Hernifer, 356 trug er,
* zweitenmal Konſul, über die Faliscer und
arquinier einen Sieg davon, 354 zum dritten:
mal Konjul, warf er die Tiburtiner nieder; 351
wurde er Diltator.
Weit berühmter als die genannten iſt Auintus
Fabius Rullianus, der ſich und feiner Familie
den Beinamen Marimus erwarb, ver Sobn des
eritgenannten Marcus Fabius Ambuſtus. Er foll
jeinen erjten Sieg im zweiten Sammitiihen Kriege
al& Magister equitum des Diltators L. Bapirius
Eurjor 325 v. Chr. erfohten haben. Da aber ver
(eßtere ihm verboten batte, ſich in einen Kampf ein:
zulafien, fo follte Fabius wegen libertretung dieſes
Verbotes hingerichtet werden und entging nur
dur die vereinten-Bitten des ganzen Volks vem
Tode. 322 fämpite er ald Konſul gegen die Samni⸗
ten und Apuler jiegreich, 315 erlitt er als Diktator
bei Zautulä (unfern Tarracina) große Verluſte, er-
rang jedoch jchließli den Sieg. Zum zweitenmal
Konful 310, drang er als der erite röm, Feld:
Fabier
tzert durch Das ciminiſche Waldgebirge (jet Gebirge
on Biterbo) in Das nöordlich von dieſem gelegene
Kinrien vor und erfocht alsdann am VBadimoni:
Ihn See einen entjcheidenden Sieg über die drei
Sauptftaaten der Etruster, Aretium, Cortona und
Veruſia. Zum drittenmal Konjul, fiegte er 308
zuerit über Samniten, Marfer und Päligner und
tradte dann ven Umbrern (bei Mevania) eine
fhnere Niederlage bei, die die Unterwerfung der
feytern gu Folge batte. Als die Samniten fi
298 v. . zum dritten flriege gegen die Römer
erboben hatten, kämpfte er 297, zum viertenmal
Konjul, mit Erfolg gegen fie und erfocht dann 295
in jeinem fünften Konjulat zufammen mit Decius
Nus, der fchon 308 und 297 fein Kollege geweſen
par, bei Eentinum einen großen und entjcheiden:
ten Sieg über die Gallier und Samniten, deren
gelohert Egnatius damals fiel. 292 half er jeinem
Sobne Quintus Fabius Marimus Gurges eine
Niederlage, die diejer von den Samniten erlitten
hatte, durch einen Sieg ausgleichen, jo daß endlich
mei Jahre aan die Samniten in den Frieden
und die Abbängigfeit von Nom milligten. Neben
feinen kriegeriſchen Leiſtungen bewäbrte ſich Fabius
namentlich im Cenſoramt 304 v. Chr., worin er
ebenfalls Decius Mus zum Kollegen hatte, auch
als einſichtiger und beſonnener Staatsmann, indem
er die von Appius Claudius Cäcus getroffenen
Maßregeln, nad welchen die Freigelaſſenen in alle
Tribus aufgenommen werden jollten, dahin bes
ſchränkte, daß nur die vier ftädtiichen Tribus ihnen
zugänglich wurden. Für diefe That, durch welche
er Die Komitien der Herrihaft des Pöbels entriß,
erbielten er und feine Nachlommen den ebrenden
Beinamen «Marimus» (d. b. der Große, der Ehr—
mürdige). Fabius ftarb im Alter von 100 J.
Noch bekannter alö der Sieger von Sentinum
ift fein Entel Duintus Fabius Marimus
Berrucojus, berübmt unter dem Beinamen
Eunctator (d. b. Zauderer), den er von feiner
bevächtigen Kriegfübrung gegen Hannibal erhielt.
Er batte jhen vor Beginn des zweiten Puniſchen
Krieges das Konſulat zweimal, 233 (mo er über
die Ligurer fiegte) und 228 belleivet, 230 vie
Eenjur. Seinen bödjten Ruhm erwarb er fi, als
er nad der Niederlage der Römer am Trafimenis
ichen See 217 zum Diktator (nach Livius, weil ihn
nicht der Konful ernannte, fondern das Bolt ihn
mwäblte, zum Brodiftator) ernannt wurde. Auf den
HSöben pen lei einer Wetterwolte, mit der
ibn Hannibal jelbjt verglichen haben joll, aber jede
Schlacht vermeidend, nötigte er durch feine ſtets
drohende Nähe den Feind, dem ed an Lebens:
mitteln gebrach, zu immerwährenden Hin⸗ und
Widermärjhen und ermüdete und ſchwächte ihn
jo, während Rom wieder Kräfte ſammelte. Doch
gelang es Hannibal, ihn bei Cafilinum (dem beu:
tigen en täufchen und ſich den Rüdweg durch
die Gebirge Samniums nad Apulien zu eröffnen,
Das Boll teilte Die Ungeduld des Marcus Minucius
Rufus, der ded Fabius Reiteroberiter war, ſah wie
diejer in dem Fugen Baudern des Fabius Mangel
an Mut (daber ver Spottname «Gunctator», d. h.
der IInentfchlojjene) und ernannte daher wider alles
Hertommen den Minucius ebenfalld zum Diktator.
Bald aber ordnete fih Minucius wieder freiwillig
unter, da er, von Hannibal in einen Hinterhalt ges
377
bius die Diktatur niedergelegt batte, den Krieg nad
jeinem Beifpiele fort. Die Konfuln des J. 216 ver:
ließen fein Syſtem, aber die Niederlage bei Cannä
war die Folge davon. 215 und 214 Beate er
als Konful (zum dritten: und viertenmal) neben
Semproniud Grachus und Claudius Marcellus
gegen Hannibal und hatte an den Vorteilen, welche
die Römer nad der Niederlage bei Cannä allmäh—
lich wieder errangen, wejentlichen Anteil. In feinem
fünften Ronfulat 209 wurde Tarent, feit 212 einer
der widtigften Stühpunkte Hannibals, von ihm
mwiebererobert. Er jtarb 208.
Sein Sohn Quintus Fabius Marimus er:
oberte 213 v. Chr. ald Konful Arpi in Apulien.
Bald nad ibm muß —* Familie ausgeſtorben ſein.
Denn man findet den Namen dann durch Adoptip—
föhne fortgepflanzt. Duintus Jabius Mari:
mus Amiliganus war ein leibliher Sohn von
Amilius Baullus, Bruder von Scipio Amilianus,
und wurde, wie leßterer einem Scipio, einem Ya:
bius Marimus ald Adoptivſohn abgetreten. Er
ing 145 v. Chr. ald Konful nah Spanien und
ämpfte das Jahr darauf mit Erfolg gegen Viria-
thus. Bon demjelben Fabius murde ein Servilier,
Quintus Fabius Marimus Servilianus,
adoptiert. Auch er kämpfte ald Konſul und Pro:
fonjul 142 und 141 v. Ehr. gegen Viriathus, warb
aber, nachdem er zuerjt mit wechſelndem Glüd den
Krieg geführt hatte und dann bedeutend im Vorteil
geweſen war, von Viriathus befiegt, eingeſchloſſen
und zu einem demütigenden Frieden gezwungen.
Quintus Fabius Marimus Allobrogi:
cu3, ein Sohn des Amilianus, ging als Konful 121
v. Chr. nad Gallien, wo Gnäus Domitius Abene:
barbus noch als Prokonſul ftand, und erfoht am
Einfluß der Jitre in die Rhoͤne einen großen und
entſcheidenden a über die Arverner, die den
Allobrogern zu Hilfe gelommen waren. Wegen
diejes Siegs, der die Unterwerfung der Allobroger
zur Folge hatte, triumpbierte er das Jahr darauf
und erbielt feinen Beinamen. Als Genfor (an:
fcheinend feit 109 v. Ehr.) erbaute er den erjten
Siegesbogen am ‘Forum, den Fornix Fabianus.
Ein Zweig des Fabiusihen Geſchlechts führte
den Namen PBictor von dem Fabius ber, der ſich
durch die Ausmalung des 302 geweihten Tempels
der Salus ausgezeichnet hatte. Diefem Zweige ge:
börte Duintus Fabius Pictor an, der im
weiten Bunifchen Rrie e zuerft die Gefchichte Roms
chrieb, der ältejte der jog. Annalijten. Er fämpfte
im zweiten Bunifhen Kriege mit und wurde nad
der Schlacht bei Cannä 216 v. Chr. ald Gefandter
—— Oralel nah Delphi geſchickt. Sein in griech.
prache ee —— Geſchichtswerk, das von der
Zeit des Uneas bis zum Hannibaliſchen Kriege herab⸗
reichte, iſt von Livius ſowie von Dionyſius von
Halikarnaß, Polybius u. a. benugt worden. Es gab
auch eine, ungewiß, ob von ihm felbft oder von einem
Spätern verfaßte lat. Bearbeitung dieſes Geſchichts⸗
wert. Die Fragmente bat zuleßt Peter, «Histori-
corum romanorum reliquiae» (Bd. 1,2p3. 1870) und
«Historicorum romanorum fragmenta» (ebd. 1883),
erausgegeben. Nicht von ihm, jondern von einem
pätern Servius Fabius Victor wurde ein
ert über röm, Satralrecht (jus pontificium) vers
sr Die erhaltenen Fragmente finden ſich eben»
allö bei Peter und in Hujchles Ausgabe der «Ju-
(odt, nur Fabius feine Rettung zu danten hatte, | risprudentiae Antejustinianse quae supersunt»
und die Ale des Jahres führten, nahdem Fa⸗ | (5. Ausg., Lpz. 1886).
378
Fabiny, Theophil von, ungar. Staatömann,
eb. 11. Oft. 1822 zu Veit, ftubierte daſelbſt und am
KRectätollegium zu Eperied. Er wurde 1850 Nichter
am Weiter Komitatägeriht, 1851 Bezirlärichter,
1854 Oberlandesgerichtsrat, 1861 Richter an ber
tönigl. Tafel (dem damaligen Oberſten Gerichtshof),
1869 am ei beraeng 1873 war er Vicepräft:
dent bei ber aeg Ta el, 2. Mai 1880 wurde er
Senatspräfident bei der königl. Kurie (dem Oberſten
Gerichtshof) und 15. Mai 1886 zum Juſtizminiſter
ernannt, welche Stelleer bis 9. April 1889 bekleidete.
ungar. Reichötag vertrat er den Töröl:Zaniziaer
ezirt, ſeit 1887 iſt erAbgeordneter der Stadt Oden⸗
burg. Als Diftriktualinjpeltor der evang. Montan:
Superintendenz iſt er jeit 1880 thätig und bat ſich
in dieſer Eigenihaft auh um Kirche und Schule
Berdienite erworben. ‚
abins, Name einer röm. Familie, ſ. Yabier.
ableaux (fr;., pr. -blob), ſ. Fabliaux.
Fable oonvenue (fr;., ſpr. fabl fongm’nüb),
vereinbarte, zugegebene Fabel, eine Erdichtung, die
jeder als folde kennt, die man aber doch ala Wahr:
beit gelten läßt; der Ausdruck ftammt aus Boltaires
«Jeannot et Colin».
Fabliaux (frj., jpr. -bliob) oder beſſer Fableaux
(au& «Fablel», Diminutiv von sfable»), in der ältern
franz. Litteratur die Erzählungen und Schwänte,
die einft von Spielleuten beim feitlihen Mable
und in Geſellſchaften vorgetragen und dann, feit
Mitte des 12. Jahrh., in paarmweis reimende, meijt
achtfilbige Verſe gebracht und niedergefchrieben wur:
den. Der Urfprung diejer Erzäblungen tft im Orient
u fuchen; feit ven Kreuzzügen find fie durch münd—
iche liberlieferung über Byzanz und Syrien nad
Frankreich gekommen. Wenige find neu erfunden
oder auf ein thatjächliche& Greignis begründet. Die
Mebrzahl der F. ift von ſcherzhaftem Charakter und
die Komik beiteht oft in einer bis zum äußerſten
Eynismus gebenden Unanftändigteit. Doc giebt
es auch moralijche und jentimentale F. und jolce,
die fih als religiöje Schwänte bezeichnen laſſen.
Da fie für Edelleute und Bürger geichrieben wurden,
find die Helden der F. namentlih Bauern und bei
alanten Abenteuern vornebmlich die «clercs», Die
‚rauen werben darin meiſt jebr ungünstig geichilvert.
Die F. waren bejtimmt, in Männergefellibaft vor:
getragenzu werben. Dasältefte Fabliau («Richeut»)
it um 1156 entjtanden, zablreihe wurden im
13. Jabrb. gedichtet, doch find Die Namen der Autoren
nicht befannt; die zulekt entjtandenen find die F.von
Jehan de Conde und Watriquet, aus dem Anfang
des 14. Jahrh. Die F. find unbefangene Schilverun:
gen einer wirkli vorhandenen bäuerlichen, geift:
ichen oder bürgerliben Welt und darum von kultur:
eſchichtlichem Werte. — Mit Unrecht rechnete man
rüber auch die Dits zu den F. Dies find urfprüng:
lich nur verfifizierte Liften von Namen oder Ginen:
ichaften eines Gegenjtandes, werden aber ſpäter zu
bejtigen Satiren; jo die Dits von Rutebeuf. — Wal.
Histoire litt6raire de la France, Bd. 22; G. Paris,
Contes orientaux (Bar. 1877); Montaiglon und
Naynaud, Recueil general et complet des fabliaux
des XIII® et XIV*® sitcles (6 Bde., ebd. 1872—90).
Fabr., bei naturwijienfcaftliben Namen Ab:
— für Rob. Chriſtian Fabricius (ſ. d.); auch
für Otbo Fabricius (ſ. Fab.).
Fabre (jpr. fabbr), Ferd. franz. Schriftfteller, geb.
1830 in Bedarieur (Herault), ftudterte erft Medizin in
Montpellier, befuchtedann, um Geiftlicher zu werden,
Fabiny — Fabre b’Eglantine
das Priefterfeminar dafelbft, gab aber diefen Ent
ſchluß auf, ging nad Paris, ftudierte bier wieder Me
dizin und wurde ſchließlich Schriftiteller. Sein erftes
Wert, ein Band Gedichte: «Feuilles de lierre» (Bar.
1853), batte wenig Erfolg. In die Heimat zurüd:
gelehrt, jchrieb er feinen eriten von der Alademie
preisgelrönten Roman «Les Courbezon; scönes de
la vie clöricale» (1862), ein Sittengemälde aus den
Gevennen; dann folgten «Julien Savignac» (1868),
«Mademoiselle de Malavieille» (1865). Doc erit
mit «L’abb& Tigrane, candidat a la papauts»
(1878), einem Priejterroman, defjen meifterbafte
Eharalteriftit die ganze Kraft feiner Begabung
ofienbarte, wurde %. al& Schriftfteller berühmt. Er
ſchrieb dann noch «T,e marquis de Pierrerue» (1874),
Roman aue der Parifer Gejfellibaft, «Barnabe»
(1876), · La petite möre» (4 Bbe., 1878), «Le ro-
man d’un peintre» (1878), eine Damen halt zuneRabie
Lebens beſchreibung des Malers Jean Baul Laurens,
al,’'hospitalidre, drame rustique en cing journ6es»
(1880), ein Buchdrama, die Bearbeitung feines
1868 erfchienenen Romans in Amyots Manier,
«Le chevrier», «Mon oncle Ce&lestin, maurs cleri-
cales» (1881), «Le roi Ramire» (1884), «Lucifer»
(1884), worin er mit poet. Kraft den Kampf zwiſchen
gallitanifhem Freiſinn und jeſuitiſchem Ultramon:
tanismus fhildert, und die länbliben Erzäblungen
«Monsieur Jean» (1886) und «Norine» (1889).
Zuletzt erfchienen die Romane «Un illumine» (1890),
« Xavidre» (1890), die Geſchichte einer Gevennen:
bäuerin, «Sylviane» (1891), «Germy» (1891), «Mon
ami Gaffarot» (1894) und «Taillevant» (1897).
U.d.T. «Ma vocation» (1889) bat 7. jein Tagebuch
aus der Zeit jo innern Kämpfe im Briefteriemi-
nar veröffentlicht. Er war Koniervator der Biblio:
tböque Mazarine und ftarb 12. Febr.1898 in Paris.
Fabre (for. fahbr), François Xavier, franz. Ma-
ler, geb. 1. April 1766 in Montpellier, gebörte ver
alademiſch⸗klaſſiciſtiſchen Schule Davids an; er gina
1787 mit dem Preife gelrönt nah Rom, 1793 nad
Neapel, dann nad Florenz, wo er als Vrofe or an
der Alademie wirkte. Die ibm 1824 von der Gräfin
Albany (f. d.) vermadte Kunftiammlung ſchenkte
er der Stadt Florenz. 1826 lehrte er nah Mont:
pellier zurüd, wo er eine Kunſtſchule gründete und
den Grundftod zu einem Mufeum und einer Biblio:
thel durch feine Sammlungen ftiftete. Er wurde 1828
Baron und ftarb 16. März 1837. Die Mebrzabl
feiner Gemälde befinden fib im Mufeum zu Mont:
pellier, fo: Der Tod Abels (1791); das Louvre be
fist von ibm: Odyſſeus und Neoptolemos rauben
dem Philoktet Bogen und Pfeile des Hercules.
Fabre d’Eglantine (jpr. fabbr denlangtibn),
Philippe Francois Nazaire, franz. Luſtſpieldichter,
eb. 28. Dez. 1755 zu Garcajjonne, gewann als
üngling bei den Blumenfpielen zu Zouloufe den
reis der wilden Roſe (&glantine) und fügte dieſes
ort feinem Namen bei. Er ging bierauf zur
Bühne, leiftete aber nur Mittelmähiges ald Schau⸗
fpieler und begab fih um 1785 nad Paris, um
dort der Litteratur zu leben. Er jchrieb feit 1787
mebrere Quftipiele, die der re von Diderot
und Beaumarcais folgten und teild ohme Inter:
eſſe, teild mit Standal über die Bühne gingen, bis
ibm 1791 die Komödie «Le Philinte de Moliere»
(neue Ausg. 1878) außerordentlihen Beifall er
warb. Ihr folgten «L’intrigue Epistolaire», «Le
convalescent de qualit6» u. a. Beim Ausbruch
der Revolution verband er fib mit Desmoulins,
Fabretti — Fabriano
Larroig und Danton, und ald legterer nad) den Er⸗
—— vom 10. Aug. 1792 das Juſtizminiſterium
erhielt, wurbe er Generaljelretär. Als Abgeorb-
neter von Paris kam er in den Konvent, wo er für
den Tod des Königs ohne Berufung ftimmte; 1793
wurde erin den Mohlfahrtsaus du gemäblt. Ob:
ibeon ded Royalismus verbädtigt und unwürdiger
Gelvipetulation bezichtigt, Hagte er doch Die Wuche⸗
rer im Nationaltonvent an und ſchlug das Geſetz
des Marimums vor. Als er aber dann mit der
Bartei Dantons gegen die Jalobiner auftrat, be
wirtten die Anſchuldigungen Heberts auch feine
Berbaftung. Am 13. Jan. 1794 der Fälſchung von
Dokumenten, der Beruntreuung öffentlicher Gelder
und des Cinverftänbnifjes mit Pitt angellagt, mußte
er mit Danton und andern 5. April 1794 das
Schafott befteigen. Seine Komödie « Les pr&cep-
teurs» fam 1799 zur Auffübrung und erntete enthu⸗
ſiaſtiſchen Beifall. Später erfchienen feine «CEuvres
möldes et posthumes» (2 Bde., Bar. 1803),
Fabretti, Ariodante, ital. Arhäolog und Ge
ſchichtsforſcher, geb. 1. Dit. 1816 zu Perugia, ſtu⸗
dierte neben Philologie und Ardhäologie Natur:
wiſſenſchaften. 1860 zum Brofeflor der Archäologie
und 1868 zum Direktor des Antiquitätenmufeums
u Zurin ernannt, gehörte er ald Abgeordneter dem
J——— an und wurde 1889 in den Senat be:
rufen. F. ftarb 16. Sept. 1894 in Turin. Zur Er:
torihung des alten Etruriend hat er durch zahl«
reihe Abhandlungen und Beröffentlihung von In⸗
ſchriften Erbebliches beigetragen und aud auf dem
Gebiete der mittelalterlihen Geſchichte Italiens
earbeitet. Hervorzubeben find unter feinen Wer:
en: «Bio e dei capitani venturieri dell’ Um-
bria> (5 Bde., Montepulciano 1842 — 46), «Ana-
logia delle antiche lingue italiche con la greca, la
latina e coi dialetti viventi» (Flot. 1866), «Cor-
pus inscriptionum italicarum antiquioris aevi»
(Zur. 1867), «Il Museo d’antichitä di Torino» (ebd,
1867), «Mosaico d’Acqui» (ebd, 1878), «Gli scavi
di Carrü» (ebd. 1879), «Necropoli della Cascinetta
nella provincia di Novara» (ebd. 1885), «Cronache
della citta di Perugia» (2 Bve., ebd. 1887—88).
Fabretti, Raffaele, ital. Altertumsforfcher, geb.
1618 zu Urbino, wurde in Rom frübzeitig durch
die Haffiiben Werte des Altertums dem Studium
der Kunſt zugeführt. Nah Ausführung einer polit.
Miſſion nad Spanien ward er zum päpftl. Schab:
meiiter, bald —— Rechtsanwalt der päpftl.
Gejandtihaft am Madrider Hofe ernannt. Nach
Hom zurüdgelebrt, wurde F. Judex Appellationum
in Capitolio, jpäter Sekretär Aleranders VIEH. Ins
mocen; XII. ernannte ihn zum Oberaufſeher des
Archivs in der Engelöburg. F. ftarb. 7. Jan. 1700,
Er jchrieb die Abhandlungen «De aquis et aquae-
ductibus veteris Romae» (Rom 1680) und «De
columna Trajani» (ebd. 1683), unterfuchte mit
aroßer Gelehrſamleit die Reliefs der Iliſchen Tafel
(j. d.) fowie die vom Kaiſer Claudius angelegten
unterirdifchen Kanäle. Die Schäße der Ratatomben
Roms beleuchtete er in der «Inscriptionum anti-
quarum, quae in aedibus paternis asservantur,
eıplicatioe (Rom 1699).
bei (Faber), Felir, mit deutfhem Namen
Schmid, Lefemeifter deö Dominilanerllofters in
Ulm und eifriger Verteidiger des Ablaßweſens, geit.
1502, ift in meitern Kreiſen befannt geworden durch
bie Beibreibung feiner Reifen in das Heilige Land.
Die erfte Reife führte ihn nur nad Jerufalem (1480).
319
Auf der zweiten (1483) bejuchte er ald Kaplan des
Truchſeß Job. von Waldburg in größerer Geſellſchaft
Jerufalem und den Sinai. liber Kairo und Alerans
dria kehrten die Pilger nah Venedig zurüd (8. Jan.
1484). Seine Reiſebeſchreibung erſchien deutich Ulm
1556, Bautzen 1557 und in Feyrabends «Reyßbuch
deß h Lands» (Frankf. a. M. 1584), lateinifc in der
«Bibliothel des Litterarifhen Vereins» (bg. von
Haßler; 3 Bde., Stuttg. 1843—49).
abri, Friedrich, evang. Theolog und Rolonials
politifer, geb. 12. uni 1824 3u Schweinfurt, ſtudierte
1841 —45 Theologie in Erlangen und Berlin, wurde
1846 Hilfögeiftliher in Münden, 1848 Stabtvifar
in Würzburg und 1852 Pfarrer in Bonnland in Un:
terfranfen. 1857 wurde er Leiter und Anfpeltor der
Rheinifhen Miffionzgefellfhaft in Barmen, legte
1884 diejes Amt nieder und zog fi nad Godes⸗
berg am Rhein — beſonders als Präſes der
«Evangeliihen Geſellſchaft für die prot. Deutſchen
in Amerifa» thätig. 1889 wurde F. zum ord. Hono⸗
rarprofeflor in der theol. Fakultät der Univerfität
Bonn ernannt. Er ftarb 18. Juli 1891 in Würzburg.
Hupe auf tbeologiihem war %. namentlih auf
tirdenpolit. und folonialpolit. Gebiete fchriftitelles
riſch thätig. Erfchrieb: «lÜber Kirchenzucht im Sinne
und Geiſte des Evangeliums» — 1854),«Briefe
gegen den Materialiamus» (2. Aufl., ebd. 1864),
«Die Entftehung des Heidentums und die Aufgabe
der Heidenmiffion» (Barm. 1859), «Die Wohnungs:
not der Arbeiter in Fabrilſtädten und deren Ab:
bilfe» (Elberf. 1862), «Die polit. Lage und die Zu⸗
funft der evang. Kirche in Deutichland» (3. Aufl.,
Gotha 1874), «Staat und Slircher (3. Aufl., ebd.
1872), «Stirhenpolit. Credo» (ebd. 1872), «Bedarf
Deutihland der Kolonien?» (ebd. 1879; 3. Ausg.
1884), «Wie weiter? Kirchenpolit. Betrachtungen
um Ende des Kulturfampis» (ebd. 1887), « Fünf
Sehr deutfcher Rolonialpolitit» (ebd. 1889), Aus
einem Nachlaß gab Frommel die Briefe «m Lenze
der Picbe» (Berl. 1895) heraus,
Fabriäno, Stabt in der ital, Provinz und im
Kreis Ancona, in 322 m Höbe, an dem zum Efino
ebenden Giano und an den Linien Ancona: Foligno,
‚Bergola (32km) und Bortocivitanova:Macerata-
. (96 km) des Adriatiſchen Neßes, Sik eines
iſchofs, bat (1901) als Gemeinde 21096 E.,
Stadthaus mit antiten Inſchriften, Kirchen und
Privathäufer mit zahlreihen Gemälden aus der
Schule des nad feiner Vaterftadt Fabriano (f.d.)
genannten Gentile fowie berühmte Bapiermüblen
und Bulverfabriten (feit 14. Jabrh.). In der Nähe
die 405 m lange Tropfiteinböhle Fraſaſſi.
Fabriäng, Gentileda, ital, Maler, geb. zwischen
1860 und 1370 zu Yabriano (Mart Ancona), wurde
der erite Vertreter der mehr realiftiichen Kunſtweiſe
des 15. Jahrh. in Umbrien. Er malte für Gubbio,
—— Urbino, Fabriano, ging ſpäter nach Breſcia
und Venedig, wo er 1411—22 manche Öffentliche und
Privatgebäude mit feinen Werken ausfhmüdte und
a} auch im großen Saale des Dogenpalaftes die
chlacht zwiſchen Venedig und Barbarofja malte,
ein jegt untergegangened Wert. 1422 war er in
Sloven,, wo er dic jebt in der Alabemie befindliche
Inbetung der heiligen drei Könige für Sta. Trinita
ausführte, dann 1425 in Siena und Drvieto, wo
im Dom fi das einzige noch von ihm erbaltene
estobild (Madonna) befindet. Bapft Martin V.
erief ihn um 1430 nah Rom und ließ ibn bie
Malereien im Lateran ausführen, die noch Rogieré
380
van der Wenden Staunen erregten. Er ftarb da:
felbft um 1427. Bilder von feiner Hand fieht man
in Berlin, Piſa, Mailand und Perugia.
Fabrica (lat.), eigentlich Werkſtatt eines Faber
(f.d.); F. ecclesiae, ſ. Kirdenfabrif; pro fabrica,
zu den Unterbaltungstoften; in fabricam scholae,
zu Schuljweden,
Fabrice (ipr.-bribf), Georg Friedr. Alfred, Graf
von, ſächſ. General der Kavallerie und Staatömann,
wurde zur Zeit der Occupation Frankreichs als
Sobn des ſächſ. Generalleutnants von %.23. Mai
1818 zu Quesnoy: fur: Deule unmeit Lille geboren.
1834 trat er aus dem Kadettenkorps in bie ſächſ.
Reiterei ein, nabm als Rittmeifter am ſchleswig—
bolftein, Kriege von 1849 teil, trat 1850 in den
Generalitab ein und war 1863—64 als Oberſt Gene:
ralftabächef bei dem Bundes:Erelutionstommando
in Holftein. 1865 zum Generalmajor und Chef des
Generalſtabs befördert, leitete F. in dem Kriege
gegen Preußen 1866 unter dem Oberbefehl des
ronprinzen Albert von Sadjen die Operationen
des jächl. Armeelorps in Böhmen mit großem Ges
—— Nach dem Friedensſchluſſe wurde er im Olto⸗
r mit der Leitung bes ſächſ. Kriegäminifteriums bes
traut und im Dezember zum Generalleutnant beför:
dert. F. ſchloß mit Preußen die noch jeht beftebende
Militärkonvention ab und führte die Umgejtaltung
der fächf. Armee zum 12. Armeelorps des norbdeut:
[ge Bundesbeerd nad preuß. Muſter raſch durch.
eim Ausbruch des Deutich: Franzöfiichen Krieges
zum Generalgouverneur für den Bezirk des 12. Ar:
meelorp8 ernannt, wurde er gegen Ende 1870
nach Verfailles berufen, wo er die altung der
eroberten nörbl. Departements leitete. Während
des Waffenitilljtandes blieb F. ala Vertreter des
Reichslanzlers in Frankreich zurüd und vermittelte
alle auf die Durchführung der Friedenspralimi⸗
narien und bie Decupationgarmee bezüglichen Ber:
bandlungen. Für feine Verbienfte im Kriege erhielt
er vom Reich eine Dotation. Im Juni 1871 kehrte
er nad Dresden zurüd und wurde 1873 zum General
der Kavallerie befördert. Zunächſt wandte er feine
Ihätigleit neben der innern organifatorijchen Ent:
widlung bes Heers vorzugsweiſe der Rajernierung
der vordem größtenteild mangelbaft untergebrachten
Zruppen zu und ſchuf in den Anlagen der Albert:
ftabt in Dresden ein mujtergültiges Vorbild. F.
wurde im Nov. 1876 zum Vorſitzenden des Staatd:
—— berufen und übernahm 1882 auch noch
die Geſchäfte des Minifteriums der auswärtigen
Angelegenbeiten. Bei Belegenbeit feines 50jäbrigen
Dienftjubiläums wurde 5. 1884 vom König Albert
in den erblihen Grafenftand erhoben. ftarb
25. März 1891 in Dresden, wo ihm von den Offi⸗
teren des ſächſ. Armeekorps 1893 ein mit feinem
ronzeftandbild geihmüdtes Maufoleum (von
ag Lie wurde. — Bol. Dittrich, General
von F. (Dresv. 1884).
Fabricius Luscinus, Gajus, einer der Män:
ner, die den jpätern Römern als Mufter alter Sit:
teneinfalt und ftrenger Nechtlichleit galten, ent:
feßte als Konful 282 v. Chr. die Stadt Thurii,
welche von den Lucanern und Bruttiern belagert
wurde, fiegte über diefe und die Samniter und bes
währte bei ver —— reicher Beute ſeine
Uneigennutzigleit. Aus Dankbarteit errichteten ihm
die Thurier eine Bildfäule. Nah dem Siege des
Pyrrhus über die Römer bei Herallea, wo er als |
Legat kämpfte, wurde er 280 zu dem König nad) |
Fabrica — Fabricius (Hieronymus)
Zarent gefandt, um die Auswechſelung ver Ge
fangenen zu bewirken. Die glänzenden Anerbietuns
gen, die ihm Pyrrhus machte, wenn er den Frieden
vermitteln wolle, joll er zurüdgemwieien und durch
die Furchtloſigleit, die er auch gegenüber den
Drohungen des Königs zeigte, diefen vermodt ba-
ben, die Gefangenen ohne Löfegeld zu entlafien.
Als er zum zweitenmal Konful war (278 v. Ebr.),
machte ihm nad der liberlieferung der Arzt oder
ein Bertrauter des Pyrrhus das Anerbieten, vielen
zu vergiften; F. aber feste den Hlönig von dem An:
erbieten in Kenntnis, der zum Dant wieder die röm,
Gefangenen freiließ. Während der Abweſenbeit
des Porrhus in Sicilien war 5. fiegreih über die
unterital. Völler und zog im Triumph in Rom ein.
Er ward 276 Eenfor mit Quintus Umilius Bapus,
der auch in feinem zweiten Konſulat fein Kollege
geweien war. Als Beiipiel alter Einfachheit wird
erzählt, daß er den Publius Cornelius Rufinus,
weil er 10 Pfd. Silber in Tafelgerät befaß, als
einen Verſchwender aus dem Senat geitoßen babe.
Fabrieius, David, Theolog und Aitronom,
eb. 1564 zu Ejens in Dftfriesland, wurde 1584
farrer in Reſterhaave und 1608 in Diteel bei
Aurich, wo er 7. Mai 1617 von einem Bauern, ben
er von der Kanzel berab des Diebſtahls beſchuldigt
batte, erſchlagen wurde, Seine meteorolog. und
aftron. Beobachtungen waren für ihre Zeit ſehr gut,
und Kepler verwendete fie bei feinen Ulnterfuhungen
über den Planeten Mars. Am 3. * 1596 ent:
dedte er den berühmten Stern o Ceti (Mira, ſ. Wal:
fiich, Sternbild). 1895 wurde ihm und feinem Sobne
—— F. auf dem Kirchhof von Oſteel ein Dent:
mal gejest. — Bgl. Sello, Des David F. Karte von
Ditfriesland und andere Fabriciana des oldenb.
Archivs (Norden 1896).
abrieius, Georg, eigentlib Goldſchmid,
Gelehrter und Dichter, geb. 23. April 1516 zu
Chemnitz, wo fein Vater Goldſchmied mar. Nad:
dem %. in Leipzig ftubiert hatte, wurde er Yeb-
rer an der Thomasſchule dafelbit, dann in feiner
Vaterftabt, feit 1538 an ber Freiberger Schule.
1539 ging er als Hauslehrer nad talien, 1543
nah Straßburg und murbe 1546 Neltor ber
ee zu Meißen, wo er 17. Juli 1571
tarb. 1570 wurde er vom Kaiſer Marimilian I.
um Dichter gelrönt und in den Adelſtand er:
oben. Er bejorgte gute Ausgaben röm. Dichter,
wie des Dr (2 Bde,, Baf. 1555, noch jest ge
ſchätzt), des Virgil u. a. guter Schulbüder, und
gab feine eigenen lat. Gedichte heraus: «Poematum
sacrorum libri XV» (ebd. 1560), «ltinerum liber
unus» (ebd, 1551), eine Beichreibung feiner Reiſe
nad Rom, fowie deren yortiekung in «Roma» (1551
u. d.) und «Antiquitatum libri II» (1549 u. 1560).
Die ſächſ. und deutſche Geſchichte behandelte er
befonderö in den «Res Misnicae» (Lpz. 1569) und
«Res Germanise et Saxoniae memorabiles» (ebd.
1609), bg. von feinem Sohne Jakob F., ebenjo wie
die von diefem vervolljtändigte «Saxonia illustrata»
(1607). — Bol. Baumgarten :Grufius, De Georgii
Fabricii vita et scriptis (Meiß. 1839); Flathe, ©t.
Afra. Geſchichte der königlich ſächſ. Füritenichule
zu Meißen (Lips. 1879). j
Fabricius, Hieronymus, nad feinem Geburts-
ort im flirchenitaat ab Aquapendente genannt,
ital. Anatom und Ebirurg, geb. 1537, ftudierte in
dua unter Fallopia, deſſen Nachfolger er als
ebrer der Anatomie und Chirurgie 1562 wurde.
Fabricius (Joh. Albert) — Fabrik
Auf feine Beranlaffung wurde in Padua ein neues
anatom. Theater erbaut. Ihm verdankt man zahl
reihe Entpedungen in der Anatomie, Entwicllungs⸗
gihihte und vergleichenden Anatomie ſowie einen
reihen Schag cdhirurg. Beobahtungen. Er jtarb
"0. Mai 1619 zu Padua, Die erite Ausgabe feiner
«Opera chirurgica» erſchien 1617 in Badua (2 Bde.),
bie beite ber «Opera anatomica et physiologica»
beiorgten Bohn (Dz. 1687) und Albinus (Leid. 1737).
Fabricius, Job. Albert, Polyhiſtor, geb.
11. Nov. 1668 zu Leipzig, ftudierte daſelbſt Phis
loſophie, Arzneitunde und Theologie und ftarb
30. April 1736 als Profeſſor am alademifchen Gym:
naſium und zugleich Reltor des Johanneums zu
Hamburg. ——— der Gründlichkeit, Vielſeitigleit
und Gelehrſamleit find feine «Bibliotheca graeca»
(14 Bde., Hamb. 1705 —28; 4. Aufl., fortgefebt
von Harles, 12 Boe., ebd. 1790— 1809; Inder, Lpz.
1838), die «Bibliotheca latina » (Hamb. 1697; neu
ba. von Ernefti, 3 Bde., Lpz. 1773—74), die (uns
vollendete) «Bibliotheca latina mediae et infimae
aetatis» (5 Bde., Hamb. 1734), der Schöttgen einen
Supplementband (ebd. 1746) binzufügte und die
von Manfi (6 Bde., Padua 1754) neu bearbeitet
mwurbe; die «Bibliotheca ecclesiastica» (Hamb,
1718), endlich die «Bibliographia antiquaria» (ebd.
1713; 3. Aufl. von Shafshaufen 1760) fowie feine
Ausgaben des Sertus Empiricus und verfchiedener
Kirchenväter, fein «Codex pseudepigraphus Vete-
ris Testamenti» (2 Bde., Hamb, 1713; 2, Aufl.
1722—41) und zahlreiche theol., lirchen- und lit
terarbijtor. Schriiten.
bricius, geb Ebrijtian, Entomolog, geb.
7. jan. 1743 zu Zondern, jtudierte zu Kopenhagen,
Leiden, Evinburgb, Freiberg in Sachſen und dann
u Upjala unter Lınnd, Er hatte fich ganz die Grund:
äße, die Methode, ja jogar die Ausdrudamweije Lin:
nes angeeignet. Durch letztern wurde er zuerſt auf
die Idee geleitet, die Inſelten nah den Organen
des ndes zu ordnen. Er wurde 1775 Xebrer
der Naturgeſchichte an der Univerfität zu Kiel, wo
er 3. März 1808 jtarb. 3. ſchuf ein Syitem, welches
zwar keineswegs ein natürliches genannt werden
darf und ſeitdem durch andere und bejjere verdrängt
worden ilt, indes der Entomologie eine völlig neue
Babn anwies. Seine widtigiten Schriften find:
« eg entomologiae» (Flensb. 1775; umge
arbeitet, 4 Bde., Kopenb. 1792—94; nebit «Supple-
mentum entomologiae», 1798) und « Philosophia
entomologica» (Hamb, 1778).
Fabricius, Job3., Aitronom, Sohn von David
-, geb. 8. Jan. 1587 zu Reſterhaave bei Aurich,
dierte von 1605 an in ge anfangs Medi:
sin, jpäter Aſtronomie. Er ie wahrſcheinlich
1615. F. wurde berübmt durch ſeine Entdedung der
Sonnenfleden (Dez. 1610) und der aus ihrem Fort:
rüden erflärten Rotation der Sonne um eine Achſe.
Er veröffentlichte diefe Entdedung in der Schrift
«Narratio de maculis in sole observatis et appa-
rente earum cum sole conversione» (Witienb.
1611). — Bol. Bertbold, Der Magifter Johann F.
und die Sonnenjleden (Ep3. 1894).
gr Hildäanus, eigentlib Wilhelm
* ty, Chirurg, geb. 25. Juni 1560 in Hilden bei
feldorf, ftudierte in Köln, praktizierte in Lau—
fanne und in Payerne (Kanton Waadt) und wurde
1614 Stadtarzt in Bern. Er ftarb 14. Febr. 1634. 7.
bob die deutſche Chirurgie auf eine ſolche Höbe, daß
jblreihe Schüler nad Bern tamen, um bei ihm
381
rivaten Unterricht zu genießen. Beſondern Wert
egte er auf das anatom. Studium und trat dafür
in einer eigenen Schrift ein: «Kurze Beichreibung
der Fürtrefflicheit, Ruß und Notwendigleit der Ana:
tomey» (Bern 1624). Sein bedeutendites Wert find
die «OÖbservationum et curationum chirurgicarum
centuriae» (Lyon 1641; Genf 1669; Straßb. 1713).
re ihrieb er: «De gangraena et sphacelo»
Köln 1593), «De combustionibus etc.» (Baf. 1607),
«Lithotomia vesicae» (ebd. 1626) u. a.
Fabrik (vom lat. Fabrica, f.d.), eine Anftalt für
induftriellen Großbetrieb (Fabrilinduftrie), im
ber eine größere Anzahl von Arbeitern vereinigt
ift, die mit Hilfe von Mafchinen oder einer die
orteile der Arbeitsteilung verwertenden Organi⸗
fation gewerbliche Erzeugniſſe beritellen. Über die
bauliche Anlage von 3. ſ. Fabriklanlagen (Bd. 17).
Bon der Hausinbuftrie (f. d.) unterjcheidet fie ſich in⸗
fofern, als deren Arbeiter in ibren eigenen Wobnuns
— auf Rechnung des Unternehmers beſchaftigt ſind.
agegen läßt ſich eine ſ mar Örenze zmiden und
— — em Betrieb (f. Handwerh) nicht zie⸗
en, obwohl dieſe Unterſcheidung in rechtlicher Be
iebung nicht unwichtig * Es giebt beſondere ge
* Beſtimmungen für Handwerk (3. B. Ber
äbigungsnahweis, Meifterprüfung) und Fabrik:
betrieb (3. B. Arbeiterihuß; |. Fabrikgeſetzgebung).
Der Umflan, daß der Handwerter in der Hegel nur
auf feite —— und für die Konſumenten, der
abrikant aber im Großen und auf Vorrat für die
ünftige Nachfrage arbeitet, kann nicht durchaus ala
unterjcheidendes Merkmal gelten. Eine Definition
der F. — in den deutſchen Geſetzen nicht ver:
Inht, ondern jtreitige Fälle jind der behörd—
ihen Entſcheidung überlaſſen. Indeſſen finden ger
* Beſtimmungen der Arbeiterſchußgeſetgebung,
3. B. der Erlaß einer Arbeitsordnung, nur auf F.,
welche mindejtend 20 Arbeiter —J Anwen⸗
dung. Das franzöſiſche Geſeß vom 22. März
1841 über die flinderarbeit betrachtete jeden Bes
trieb, bei dem mehr ald 20 Arbeiter zufammen
in einer Werkſtatt befchäftigt werben, als F., was
zur Folge hatte, dab namentlih in Paris viele
rößere MWerkjtätten je nad ber Saijon und dem
San e der Geſchäfte bald den Beitimmungen die
ſes Gefeged unterworfen waren, bald nicht. Auch
die döfterreihifche Gewerbeordnung von 1883, die
freie Gewerbe, handwerlsmäßige und fonzefftonierte
auseinander bält, überläßt im Falle eines Yweifels,
ob ein gewerbliches Unternehmen als ein fabrits
mäßig betriebenes anzufehen jei, die Entſcheidung
der polit. Landesbehörde. Doc bat der laiſerl. Er⸗
laß vom 18. Juli 1883 beftimmt, 0 als fabrit:
mäßig betriebene Unternehmungen jolde aufzus
fajjen find, in denen die Herftellung oder Vers
arbeitung von gewerblichen Verlaufsgegenſtänden
in geſchloſſenen Werlſtätten unter Beteiligung einer
Anzahl von gemwöhnlih mehr ald 20, außerhalb
ihrer Wohnungen verwendeten gewerblichen Hilfs«
arbeitern erfolgt. Hierbei bildet die Benußung von
Maſchinen als Hilfsmittel und die Anwendung
eines arbeitäteilenden Verfahrens die Regel, und
es tritt bei ihnen eine Unterſcheidung von band»
werlömäßig betriebenen Produltionsgewerben aud
durch die Perfönlichkeit des zwar das Unternehmen
leitenden, jedoch an der manuellen Arbeitsleiftung
nicht teilnehmenden Gewerbäunternebmers, dann
durch höhere Steuerleiftung, Firmaprototollierung
u. ſ. w. ein. Nach dem Bundesgejeh der Schweiz,
382
betreffend die Arbeit in den F., vom 23. März
1877 iſt «als F. jede induftrielle Anftalt zu betrach⸗
ten, in welcher gleichzeitig und — eine
Mehrzahl von Arbeitern außerhalb ihrer Woh—
nungen Beſchäftigung findet». In England ent:
balten die Fabrikgeſeße ganz jpecielle Beftimmune
gen der Betriebe, auf die fie fich bezieben. i
Unter der Herrſchaft des Aunftweleng wurden bie
F., die fich meift mit neu auflommenden Induſtrie⸗
mweigen befaßten, von den Regierungen noch durch
Brivilegien, oft durch Monopolrechte begünitigt,
da man nad merkantiliftifchen Grundfäßen in der
Hebung der Großinduitrie das Hauptmittel ſah,
um die Ausfuhr wertvoller Fabrikate und dadurd
die Einfuhr von barem Gelde zu fördern. Auch das
Liſtſche Schuszollivftem bat bauptjächlich die Ent:
widlung des Fabrikweſens im Auge, indem nad
Lift die Ausbildung der «Manufalturkraft» für jedes
Kulturvoll unbedingt hype ift, und durd
je zugleich das Intereſſe der Landwirtſchaft am
eſten gefördert wird. Der eigentliche Aufſchwung
des Fa ee beginnt freilich erjt mit den gro:
ben mechan. Erfindungen in der zweiten Hälfte des
18. Jahrh. Die zweckmäßigſte Ausnugung der dem
Menihen dienftbar gewordenen Naturkräfte konnte
nur in fonzentrierten, auf große Rapitalien geftüb:
ten Unternehmungen erfolgen (f. Großbetrieb), und
diefe waren bald im jtande, auf vielen Gebieten
nicht nur den felbjtändigen Kleinbetrieb, fondern
auch gewiſſe Zweige der Hausinduftrie zurüdzu:
— Der Notſtand gerade der lehtern war in
der Üibergangsperiode, die etwa bis zur Mitte des
19. Jahrh. reicht, bejonders empfindlich, jo daß
fogar mandye Nationalölonomen geneigt waren,
das Auflommen der mechan. Fabritinduftrie als
einen zweifelbaften Gewinn zu betrachten.
Gegenwärtig iſt jedoch die neue Verteilung der
wirtſchaftlichen Kräfte im wejentlihen vollaogen
und die Hausinduftrie auf diejenigen Produktions:
zweige beſchränlt, in denen fie ſich, wenn auch teil:
weiſe nur mit Muhe, behaupten kann. Das felb:
jtändige Handwerk konnte gegen den mit meit ge:
Fingern Broduftionstojten arbeitenden Fabrifbetrieb
auf ſehr vielen Gebieten nicht erfolgreich konkurrie⸗
ren und iſt immer mehr auf diejenigen Zweige
jurüdgedrängt worden, deren Produlte einer man:
nigjaltigen, individuell abgeituften Geſchmacks—
richtung, einem fpecififch perjönlichen oder örtlichen
Bedürfnis genügen ſollen. Immerhin bat das
Handmwert aud heute noch felbft in Ländern mit
bocentwidelter Fabrikinduftrie, — unter Aus:
nußung der geeigneten techniſchen Hilfskräfte und
durch nenoffenfantlinen Zuſammenſchluß, ein
ausgedebntes Arbeitsfeld. Außerdem veranlaft der
abritbetrieb, wenn er den mittlern Handwerler—
tand verdrängt, andererjeits das Entiteben neuer
ittelllaſſen: er befchäftigt eine große Anzabl von
Beamten, Aufjebern, Technilern, und für den Ab:
ſaß feiner maſſenhaften Erzeugnifie bedarf er der
Beibilfe zahlreicher Handelävermittler,
Sauptſächlich find es aber gewiſſe, die Fabril:
induftrie begleitende Umftände, wie die wirtichaft:
ih abhängige Lage der Arbeiter, das ungleich:
mäßige Verbältnis zwifchen ibnen und den Arbeit:
ebern, die übertriebene Ausbeutung der Arbeits:
aft durch gewifienlofe Unternehmer, die oft geift-
loje, rein mean. Thätigleit, die Vermehrung des
Arbeiterproletariats und die leicht organifierte und
neleitete Wucht zu mwirtihaftlihem Kampf und
HFabrifanlagen — Fabrikatſteuer
Erjwingung ihrer Forderungen ſich vereinender
Arbeitermajien, welche ſociale Mißſtände von ein:
— Bedeutung und Gefahren für den gefell:
aftlichen rg und die ftaatliche Orbnung
vorgerufen haben. Je weniger auf dieſem Gebiete
ii eine Ausgleihung fich widerftreitenber nterei-
en von der freien Konkurrenz felbit zu —
um ſo mehr fällt dem Staate die vermittelnde Rolle
u, durch eine * Fabrilgeſeßgebung (f. d.) die
ängel —* rilweſens zu befeitigen.
Über die Statiftil des Fabrikbetriebes in den
mwictigften Induftrieftaaten |. Gewerbeſtatiſtil und
Abichnitt Induftrie in den einzelnen ZLänderartiteln.
Val. Rocher, Nationaldölonomil des Handels
und Gewerbefleißes (7. Aufl., Stuttg.1899); Artikel
Fabrik im «Handwörterbud der Staatswifjenicaf:
ten», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); Tugan:Bara:
nowſty, Geſchichte der ruffiihen F. (Berl. 1899);
Rebber, Fabritanlagen (2. Aufl., 2p3.1900); Trillich
Kaufmänniihe und techniſche Fabrilbetriebs lunde
(ebd. 1900); €. Schmidt, Die Fabrilorganiſatien
(3. Aufl., Stuttg. 1901); Ratgeber beim Fabrilbe
triebe (Bd. 1, Lpz. 1902); Johanning, Die Organi:
* der Fabrilbetriebe (2. Aufl., Braunſchw. 1902);
ande, — ———— Fabritbauten (Halle 1902). (©.
auch Gewerbe und Handwerk.)
——— en, ſ. Bo. 17.
abrifät, brifserzeugnis, Kunftprobuft;
Fabrikation, die Herftellung gewerblicher Er
zeugnifle im Großen. en.
de rifationdmüngen, |. Münze und ser
abrifätfteuer, diejenige Form der Probul:
tionsbejteuerung (1. Brodultiong teuern), welche die
Steuer nad dem gie Prodult bemißt. Theore:
tiſch iſt fie die beite Form der Produltionsbeſteue⸗
rung, weil — an ſich geeignet ift, eine gleichmäßige
Belaftung herbeizuführen und den eigentlichen Be:
trieb nicht zu beläjtigen; auch ftebt fie dem Zeitpunlt
des Verbrauchs amnäditen und erleichtert Die Steuer:
rüdvergütung bei der Ausfuhr. Praltiſch treten
diefe Vorzüge aber nur jelten in vollem Umfange
bervor, am erjten noch ba, wo die gabl der Brodu:
zenten Klein tft und die genaue Feſtſtellung der Menge
und Güte der Erzeugnijje entweder beim Ausgan
derjelben aus der Je oder am Ende des Produl:
tionsprozeiles durch jelbftthätige zuverläffige M
apparate obne befondere Schwierigfeiten möglich ilt.
Gerade die legtere Vorausſeßung jeblt in der Regel,
jo daß man, um Steuerbinterziebungen —
meiden, eine ſehr ſchatfe Kontrolle des ebra
an ber Grzeugungsftätte zu Hilfe nehmen muß, die
unter Umjtänden den ganzen Fabritationsprozek
vom Cinbringen des Rohmaterials bis — legten
Sertigitellung der Ware umfafien muß. Der ſchwie⸗
rigen Kontrolle wegen bat man fd aud bäufig mit
der nur mutmaßlichen Ermittelung des Produfts
begnügt, auf Grund beftimmter Mertmale während
des Produltionsprozeſſes (mie Leiftungsfä
ber Deitillierapparate u. ſ. w.), die einen
auf das fertige — zulaſſen. Dieſer
iſt aber ſtets unſicher, und die verſchiedene Be
ſchaffenheit der Erzeugniſſe bleibt dabei unberüd⸗
ſichtigt. Eine volllommen gleichmäßige
rung wird auf dieſe an nicht erzielt, zumal bie
jenigen Produzenten dabei begünftigt werben, die
Bu gröbere techniſche Geichidlichleit mebr Bro:
dulte bei gleichen materiellen ——— zu er⸗
ielen vermögen. Die Kontrolle muß auch bei a
erfahren ſehr ftreng fein. Eine beſondere
Fabrikgerichte — Fabrikgeſetzgebung
wutung hat die F. bei der Bierfteuer (f. d.), der
Branntweinfteuer (f. d.), der Zabakbefteuerung
(.d.) und bei der Zuderfteuer (f. d.).
britgerichte, j. Gewerbegerichte.
ritgefengebung, Arbeiterihußgeieb:
gebung, ber bear aller ftaatlihen Maps:
tegeln, welche Die gewerblichen (Gegenjaß land: und
joritwirtihaftlichen) Arbeiter und zwar namentlich
diejenigen, welche fich jelbft nicht genügend zu
\bügen vermögen (finder, jugendliche Arbeiter und
frauen), gegen perjönlihe und wirtſchaftliche Ge-
ſahrdung — en ſollen, indem ſie Arbeitszeit, Ar⸗
beitsatt und Lohnzahlung regeln, kr
über bie ———— Streitigleiten zwiſchen Ar:
beitgeber und Arbeitern treffen und zu verhüten
ſuchen, daß die Arbeiter Krankheiten, Unfällen oder
frübzeitiger Invalidität zum Opfer fallen. In erſter
Yınie handelt es fih darum, die Verwendung von
Kinderarbeit (f. d.) und Frauenarbeit (ſ. d.) in
Schranten zu balten, und für die in ——
arbeitenden Rinder und rauen ſchutzende Vorſchrif⸗
ten aufzuftellen. Ebenſo wird der Staat im Intereſſe
der ſocialen Gerechtigleit, des Friedens zmifchen den
ejellichaftlihen Klaſſen und der Meniclichteit über:
aupt zu verhindern haben, daß die Unternehmer
den Arbeitern, aud den erwachjenen gegenüber, ihre
mwirtjchaftliche Überlegenheit mißbrauchen oder un:
umgänglibe Maßregeln — Schutze des Lebens
oder der Geſundheit derſelben außer acht laſſen.
Die neuere F. nahm ihren Anfang in demſelben
Lande, von dem auch die neuere Induſtrie auss
ging, nämlid in England. Schon im Beginn des
19. Jahrh. hatte die rüdfichtöloje Verwendung von
Kindern, namentlich der jog. Pfarrlehrlinge, in den
Woll: und Baummollfabrifen fo große Übel für Ge:
jundbeit und Sittlidyfeit im Gefolge, daß durd ein
Geiles vom 22. Juni 1802 eine Reihe von Anordnun⸗
gen zu Gunſten der Lehrlinge in diefen Fabriken ge:
troffen werden —— unter andern auüch die, da
ıbre Arbeitszeit nicht mebr ald 12 Stunden innerbal
des Zeitraums von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends
betragen dürfe. Als Ausgangspunlt der gegenwär:
tigen —* en F. jedoch iſt das Geſez vom 29. Aug.
1833 anzufeben, das ſich auf fämtliche Tertilfabriten
be3og, die Beihäftigung von Kindern unter 9 ii
gänzlich verbot, für das Alter von 9 bis 13 Jahren
nach einer fiber ger = nur 48 Stunden wöcent:
liche Arbeit * die Nachtarbeit von jungen Leuten
unter 18 Jahren verbot, die Tagesarbeit derſelben
auf 12 Stunden beichräntte und zur Herftellung
der bis dahin fehlenden wirtiamen Kontrolle das
Imftitut der Fabrilinſpeltoren (f. d.) einführte.
Turd das ebenfalld noch allein die Tertilinduftrie
betrefiende Geſeßz vom 6. Juni 1844 wurde das
Mi der Kinder auf 8 Sabre, die Dauer
it aber auf 6%, oder 7 Stunden
—— t und zugleich die ſeitdem in Kraft ge:
iebene
zu Gunften der * P
immung — die Vorſchriften
onen (unter 18 Jahren)
aud für alle erwadyjenen weiblihen Perſonen gel:
ten follen. Die 1846 eingeführte Beſchränkung der
Zagesarbeit der jungen Perjonen (in der Tertil-
induftrie) auf 10 Stunden lam daher allen Arbeite:
rinnen zu gute. Noch einige andere Geſetze beichäf:
figten fih namentlich mit den Zertilfabriten ; dur
ein Gejeß von 1864 aber wurden dann bie für dieſe
tenden Borfchriften aud) auf eine Anzabl anderer
iten ausgebebnt und durch das Geieh vom
15. ug. 1867 im wejentlihen die gefamte Fabrik:
383
induftrie unter die F. geftellt. Faſt gleichzeitig,
nämlich 21. Aug. 1867, wurde aud das Wert:
ftättenregulierungsgefes erlajien, welches die
Kinder: und Frauenarbeit nit nur in den ſchon
vorher den Fabriken gleichgeftellten großen Wert:
ftätten (mit mehr als 50 Arbeitern), jondern aud
in den kleinern Arbeitslotalen aller Art beſchränlte.
Nach einigen weitern Einzelgeiegen erfolgte endlich
eine Ausdehnung des Arbeiterfihuges auf alle
Fabrilen durch das Fabrik- und Werlſtättengeſeß
vom 27. Mai 1878, das an die Stelle aller frü—
bern Gefeße trat. Kinder dürfen biernad) erjt nad
vollendetem 10. Lebensjahre er werben, und
zwar bis zu 14 Jahren, wenn fie nur einen um den
andern Tag arbeiten, 10— 10", Stunden, fonft täg⸗
li nur die Hälfte diefer Zeit, jo daß in 2 Wochen
die gejamte Arbeitszeit fih auf 56%, Stunden bes
läuft. Ebenfo viele Stunden beträgt die Arbeits:
zeit der jungen Perſonen (von 14 bis 18 Jahren)
und ber rauen in der Tertilinduftrie innerhalb
einer Woche, nämlich 10 Stunden an den gewöhn⸗
liben Tagen und 6"), Stunden am Sonnabend.
In andern — — und in Werkſtätten iſt die
wöchentliche Arbeitszeit für dieſe legtere Arbeiter:
Hafje auf 60 (unter Umſtänden 59) Stunden feit:
ejebt. Das Geſetz beitimmt ferner Anfang und
de des Arbeitstags, die Dauer der ununter:
brochenen Beihäftigung, Verteilung der Bauen
und der Mahlzeiten, bie Feiertage, den Schulbeiud
der Kinder, die Erbaltung der Keinlichkeit in den
Fabriträumen, die Gejundheitöpflege und die nöti-
gen Schugvorrihtungen, alles mit vielen Aus:
nahme: und Sonderbejtimmungen für einzelne Ge:
werbezweige. Dem Hauptgeiebe find 1883 und 1889
Be kurze ufabgeiebe, betreffend Bleiweißfabriten,
ädereien und Baummollfabriten, gefolgt. Cins
fchneidender aber waren die Novellen vom 5. Aug.
1891 und vom 6. ie 1895. Die letztere dehnt
außer Regelung der Üiberftundenarbeit die F. haupt:
fächlid auf Dodarbeit, alle Gebäude mit Maſchinen⸗
betrieb und Wäjcereien aus, Zugleih werben bie
Sanität3vorfcriften ——
Das — und Werkſtättengeſetz von 1901, das
eine Zuſammenfaſſung aller beſtehenden Schutz⸗
beftimmungen enthält, erweitert ven Schuß in den
gefährlichen Gewerben, ſetzt die Altersgrenze, von
der an Rinder — werden bürfen, von 11 auf
12 Jahre hinauf und enthält aud einige Beſtim—
mungen über die Heimarbeit, auf Grund deren Ars
beit in ungejunden Räumen unterfagt werben kann.
Auf den Schuß von Frauen und Kindern in —*
werten beziehen ſich: das Gejek über Erzbergwerle
vom 10. Aug. 1872 und das Geſetz über Arbeit in
Kohlen-, gewiſſen Eifenbergwerten und Schiefer:
—— vom 16. Sept. 1887. Das Verbot der
rbeitervereinigungen wurde ſchon 1825 aufge⸗
hoben, und das ſog. Truchkſyſtem (f. d.) durch Gelep
von 1831 verboten.
In den deutfhen Staaten a F. ein Ers
ie nis ber neuern Zeit. 2. ebend und bahn⸗
— war die preu ßiſche Geſezgebung. Abge⸗
ſehen von den im Allg. Landrecht und den Gewerbe⸗
ordnungen von 1845 und 1849 enthaltenen Beſtim⸗
mungen über die gewerblichen Arbeiter iſt von epoche⸗
machender Bedeutung das Regulativ vom 9. März
1839, das bie Annahme von Kindern unter 9 Jah:
ren in Fabriken, Berg: und Hüttenmwerlen zu einer
regelmäßigen Beihäftigung unterfagte, den Höchſt⸗
betrag der täglichen Arbeitäzeit jugendlider Ars
384
beiter unter 16 Jabren auf 10 Stunden feitiehte
und die Nadht:, Sonntags: und Feittagsarbeit
jugendlicher Arbeiter verbot. Einen mweitern Fort:
ichritt bradhte das Gejeh vom 16. Mai 1853, nad
welchem die Deibäitigung jugendlicher Arbeiter in
Fabrifen erſt nah zurü —— 12. Lebensjahre
geſtattet und für ju — rbeiter unter 14 Jab:
ren die tägliche Arbeitäzeit auf 6 Stunden, neben
—— Schulunterricht, beſchränkt wurde. —
In Bayern enthielt das Gewerbegeſeß von 1868
gar keine Beitimmungen über die VBerbältniffe der
gewerblichen Arbeiter zu ihren Arbeitgebern. Al:
gemeine Vorfchriften aber zum Schuße der Kinder:
arbeit waren durd die Verordnung vom 15. Yan.
1840 getroffen worden, wonach die regelmäßine
Beihäftigung von Kindern in Fabriken oder in
Berg, Hütten: und Schlagwerken unterjagt war,
Kinder über 9 Jahre durften nur auf Grund von
Zeugniſſen über genügende körperlihe Entwidlung
und Schulbildung zur Arbeit angenommen, Kinder
über 12 Jahre nıcht über 10 Stunden täalid und
nicht bei Nacht beichäftigt werden. Cine Verſchär—
fung erfubren dieje Vorichriften durch die Verord—
nung vom 16. Juli 1854, die ſanitäts- und fitten:
olizeilihe Fürforge für jugendliche Arbeiter in
S abriten betreffend; jeit 1849 waren bereits ver:
ſchiedene Maßregeln zum Schuße der Arbeiter gegen
Geſundheitsbeſchädigungen beim Gemerbebetriebe
angeordnet. — Im Königreib Sachſen begann
man 1849 mit Verboten des Trudivjtems, und
das Gemwerbegejes vom 15. Dit. 1861 entbielt eine
anze Reihe von Beftimmungen für die Arbeit in
Fabriten. Als Fabriten wurden jedoch nur Unter:
nebmungen mit mehr als 20 Arbeitern angejeben.
— In gleihem Sinne faßte die mwürttember:
iſche Gewerbeordnung vom 12. Febr. 1861 die
Fabrit gg und regelte die Berbältnifie der Fabrik⸗
arbeiter, Yebrlinge und Gebilfen. — In Baden
wurden durch eine Miniiterialverorbnung vom
4. März 1840 über den Schulunterricht der in Fabri—
ten beſchäftigten Kinder einige Beihräntungen ber
Verwendung von jhulpflichtigen Kindern in Fabri—
ten eingeführt; das u von 1862 bielt diefe
Beitimmungen aufrecht und verpflichtete die Fabrik:
unternebmer, die Betriebsftätten mit allen zur ne
nung der Arbeiter gegen Gefabren für Leben und Ge
fundbeit erforderlihen Vorrichtungen zu verfeben,
Dienjtordnungen aufjujtellen und in den Arbeits:
räumenan —— In den übrigen deutſchen
Staaten beſtand vor Einführung ber norbbeutichen
Gewerbeordnung von 1869 eine eigentliche 3. nicht.
Eine einbeitlibe Regelung erfolgte zunächit für
den Norbdeutidyen Bund und dann für das Deut:
ſche Reid (mit Ausnahme von Eljaß:Lotbringen)
durch Die ®ewerbeorbnung von 1869 und die Novelle
vom 17. Juli 1878; ferner durch das . über die
Anfertigung und Berjendung von Zündbölzern vom
13. Mat 1884. Durch Reichsgeſeß vom 27. Febr.
1888 wurde bie deutſche F. 9 auf Elſaß⸗Lothrin⸗
gen ausgedehnt. Ein weiterer Ausbau der geſam—
ten —— —c—— begann mit dem Res
—— iſer Wilhelms II. Die kaiſerl. Er
ſſe vom 4. Febr. 1890 waren die bedeutungsvollen
Vorläufer einer umfaſſenden, berechtigten Anforde
rungen entſprechenden Reorganifation, die ſich teil-
weiſe in dem Arbeiterſchußgeſeß vom 1. Juni 1891
erfüllte. In Verbindung mit den Kranten:, Unfalls,
„nvalidität3: und Alteröverfiherungsgefegen (f. Ar:
beiterverfiherung) ftellt dieſe bejonders die $$. 134
Fabrikgeſetzgebung
— 189 umfaſſende Novelle zur Gewerbeordnung, bie
eingehende Beſtimmungen für den Arbeitsvertt
in jeglicher Form getroffen hat, Deutſchland au
dem Gebiete der F. an die erſte Stelle. Sie ver—
bietet mit gewiſſen Ausnahmen die gewerbliche
Sonntagsarbeit, die Fabrikarbeit von noch nicht
13jäbrigen Kindern, führt einen eliftündigen Maxi—
malarbeitstag für rauen unter Ausſchluß der
Nactarbeit ein, jchreibt den Erlak von Arbeits
orbnungen in Betrieben, die regelmäßig wenigitens
20 Arbeiter beihäftigen, vor und giebt weitere ein:
Bu Vorſchriften zum Schuß ber Arbeiter über
obnzahlung, Kündigungsfrist, Gemwerbeauffitt
u. f. w. (Näheres f. unter Dienftmiete, Yabril:
infpeltor, Sonntagsarbeit, Zrudivftem.) Durd
taiſerl. Verordnung vom 9. Juli 1900 find jeit
1. Jan. 1901 die Vorſchriften der Ss 134—139 der
Gewerbeordnung aud für die größern Betriebe des
Handwerks (Wertftätten mit Dlotorbetrieb) in Gül:
tigfeit getreten, und durd die Gewerbeorbnungs®:
novelle vom 30. Zuni 1900 baben Gebilfen, Yebr-
linge und Arbeiter in offenen Vertaufsftellen eine
Minimalrubezeit erlangt.
Eine eingreifende Neubildung bat die 5. in Dfter:
reich im Anfchluß an die Reform der rbeord⸗
nung von 1859 durch das Gejek vom 8. März
1885 erfahren. Es ijt hiernach auch für die erwach⸗
jenen Arbeiter ein Marimalarbeitätag von 11 Ar:
beitsitunden (ohne Einrehnung der Baujen) grund:
fäglich feftgefest, allerdings mit dem Zugeſtändnis,
daß der Handeläminijter im Einvernehmen mit dem
Minifter des Innern und nah Anhörung der Han-
beld: und Gemwerbetammern einzelnen Gewerbe:
kategorien wegen ihrer nadgemiejenen beſondern
Bepürfnifie die Verlängerung der täglichen Arbeits:
zeit um eine Stunde im Verordnungswege gemäb-
ren fann, was für die Spinnereien und viele
andere Induſtriezweige bereitö geicheben ift. Kin:
der unter 12 Jabren dürfen überhaupt nicht (alie
auch im Kleingewerbe nicht) zu regelmäßigen ge
werblihen Beihäftigungen verwendet werden, und
in fabrifmäßig betriebenen Gewerbeunternebmun:
en können fie erjt nad vollendetem 14. Jabre Be
häftigung erhalten. Jugendliche Hilfsarbeiter im
Iter von 14 bis vollen 16 Jahren dürfen nur zu
leihten, ibrer Geſundheit und Körperentwidlung
nicht ſchädlichen Arbeiten und nicht zur Nadhtarbeit
(von 8 Ubr abends bis 5 Uhr morgens) verwendet
werden. Die letztere Beitimmung gilt allgemein
auch für rauen, Indes können Iomobt für dieſe
ala aud für die jugenplichen Hilfsarbeiter durch
den, jebod jo, daß im ganzen in 24 Stunden bie
geſetzliche Arbeits dauer nicht überjchritten wird. In
gewiſſen Induſtriezweigen kann die Verwendung
von jugendlichen Arbeitern und Frauen ganz unter⸗
fagt werden. Wöchnerinnen dürfen erſt 4 Wochen
nad) der Niederkunft die Arbeit wieder aufnehmen.
Das Gefek enthält auch nähere Vorſchriften über
die Verteilung der Arbeitöpaufen und allgemeine
Beitimmungen für die Fabrik: und Arbeitsordn
Die Arbeiter müfjen mit Arbeitsbücern, die lau
männifchen Gebilfen mit bebörblic vifierten Zeug:
niffen der frübern Dienjtgeber verſehen fein. Ein
Arbeiter, der obne gejeglih zuläſſigen Grund bie
Arbeit verläßt, lann mit Geld g bis zu 400 Gul⸗
den und mit Arreft bis zu 3 Monaten beitra
aud zwangsweiſe zurüdgetübrt werben. In betr
der beim Bergbau bef@ältigten jugendlihen Ar
vn, Je, dab I Ausnahmen gejtattet wer:
TFabrifgejeggebung
kit und Frauen enthält das Gejeß vom 21. Juni
1 beiondere Beftimmungen. Kinder von 12 bis
4 Jbren dürfen nur ei Anfuchen der Eltern,
wer beſonderer Crlaubnis der Bergbebörde, zu
listen Arbeiten über Tag, Frauen und Mädchen
jeden Alters überhaupt nur über Tag beſchäftigt
werden. Die tägliche Schicht darf höchſtens 12, die
wirtlihe Arbeitszeit höchſtens 10 Stunden betragen.
Das Geiek vom 16. Jan. 1895 hat die bis her nur ver:
ervnungsmäßig geordnete gewerblihe Sonntags:
rube geleßlich geregelt. Die Sonntagsrube joll von
Sonntag früb 6 br volle 24 Stunden dauern,
doch find im Geſeß jelbit und in Verordnungen zahl:
reiche, das Brincip wieder recht illujorifch machende
Ausnahmen geitattet, ähnlich wie in Deutſchland.
Das Geſetz vom 23. Febr. 1897 ftrebt Verbeſſe—
rungen im Lehrlingsweſen an.
Nov. 1885 in Ungarn in Kraft ge
tretene neue Gewerbegejes hat mit dem djterreichi-
jchen leine ndtichaft. Es können ſogar noch
Kinder von 10 bis 12 Jahren mit Bewilligung der
Gewerbebehörde in Fabriken verwendet werden.
Die Arbeitsdauer ſoll im Alter von 12 bis 14 Jah⸗
ren bödjtens 10 Stunden täglih betragen. Zur
Rachtarbeit dürfen Arbeiter unter 16 var nicht
verwendet werden. Hinfichtlih der Arbeitszeit der
erwachſenen Frauen und Männer enthält das Gejeb
feine Beihräntung. Ein Gejes von 1891 regelt die
Eonntagsrube der gewerblichen Arbeit, ein Gejeb
von 1893 den Schuß der Arbeiter bei Unfällen, wie
die Gemwerbeinipeftion.
In Frankreich wurde zuerjt 1841 zum Schuße
der in Fabrilen arbeitenden Rinder ein Geſetz er:
laſſen, mweldes das Minimalalter derjelben auf
8 Jahre feſtſetzte, für die Altersitufe von 8 bis 12
Jahren nur eine adtjtündige Tagesarbeit und für
vas Alter von 12 bis 16 — höchſtens eine
ſolche von 12 Stunden zwiſchen 5 Uhr morgens
und 9 Uhr abends zuließ. Das Geſeß wurde ſehr
ungenügend ausgeführt, da es an jeder wirkjamen
Kontrolle fehlte. Durd ein Dekret von 1868 wur:
den Fabritinipeftoren geſchaffen, aber erjt durch das
Geſeß vom 19. Mai 1874 erfolgte eine ven Bedurf⸗
hart m etwas mehr entjprechende Regelung der Ber:
bältniiie. — — nach dieſem Geſetz das
Minimalalter der beſchäftigten Kinder 12 Jahre
ſein, es kann jedoch durch Dekret für beſtimmte
duſtriezweige auf 10 Jahre herabgeſetzt werden,
und ſolche Ausnahmen ind in zahlreichen Fällen
gemadht worden. Die Arbeitsdauer darf aldvann
6 Stunden täglih nicht überjchreiten. Diefelbe
Beihräntung gilt bis zum vollendeten 15. Jahre
für diejenigen, welche fich nicht über einen genügen:
den eriten Elementarunterricht ausmweifen können.
Andernfalls iſt nad Vollendung des 12. Yab:
res eine —— Arbeitsdauer bis zu 12 Stun:
den zuläffig. Nactarbeit ift bis zum vollendeten
16. Jabre allgemein und außerdem in Hütteniverten
und Manufalturen für Mädchen unter 21 Jab:
ven verboten. In Bergwerten dürfen Kinder unter
12 Jahren fowie Nädchen und Frauen nicht zu unter:
irdiſchen Arbeiten verwendet werden. In gewiſſen
befonders gefäbrlihen Induſtriezweigen ſowie zu
ewiffen Arbeiten in andern dürfen teils nach dem
Beies jelbit, teils nad) den auf Grund desſelben in
der yolgezeit erlafjenen Dekreten junge Leute unter
16 Jahren überhaupt nicht verwendet werden. Das
Geſetz enthält weiter noch Beitimmungen über den
Schulunterrict , die Wertjtättenpolizei, die Fabril:
Prothaus’ Ronveriationd-Leriton.. 14. Aufl. R. A. VI
385
inipettion u. f. w. Das Roalitionsverbot ift in
—— ſeit 1864 aufgehoben. Auf dem Papier
eftebt dort nah dem Gele vom 9. Sept. 1848
au ein Normalarbeitstag (j. d.) für Erwachſene,
indem — die Dauer der wirklichen Arbeit in
Hüttenmwerlen und Fabrilen auf höchſtens 12 Stun⸗
den feitießt. Bon den neuen Gefeken iſt bemer:
fenöwert dasjenige vom 27. Dez. 1890, weine die
Auflöfung des Arbeitöverbältnifies regelt. Bon
allgemeinerer Bedeutung war das Geſeß vom 2.Rov.
1892, welches den Geltungsbereich erweitert, indem
es fih auch auf die gewerblichen Unternehmungen,
die unter dem Dedmantel der Wohlthätigleit oder
des gewerblichen Unterrichts Kinder wie Erwach—⸗
fene auszubeuten verſuchen, erftredt. Das Auf:
nabmealter der finder wird, wenn fie im Befik
der Unterrichtscertifilate find, mit 12, fonft mit
13 Jahren angeiegt. Die Arbeitszeit ift für Kinder
10 Stunden täglich, für Berfonen von 16 bis 18 Jah⸗
ren 60 Stunden wöchentlich, für Mädchen und
— von über 18 Sehen 11 Stunden täglid.
auen ſowie männliche — unter 18 Jahren
dürfen nicht in der Nacht, Sonn: oder Feiertags
beiäftigt werben. Das Gejeg vom 12. uni 1893
—— die der Geſundheit und Sicherheit der
Arbeiter dienenden Vorſchriften, das vom 12. Jan.
1895 erflärt die Lohne von Arbeitern und Dienſt⸗
boten nur bis zum Betrage von einem Zehntel
für pfändbar.
In Belgien find die fabrikgefeglihen Arbeiten
erſt fürzlih in Angriff genommen. Eine Verord—
nung vom 28. Mai 1884 bat die Beihäftigung von
Knaben unter 12, von Mädchen unter 14 Jahren in
den Gruben verboten. Am 18. Aug. 1886 wurde
eine Kommiſſion ernannt mit der Aufgabe, die Zus
—— der gewerblichen Arbeiter zu ſtudieren. In⸗
olge der hätt feit —— find 1887 drei Geſehze,
nämlich über Yobnzablungen, über die Errichtung
von Gewerbe: und Handelskammern (conseils de
l’industrie et du travail) und über die Bejchrän:
tung der Gedierbarleit und Beſchlagnahme von
Löhnen und Beſoldungen erlafjen worden, Das
Geiek vom 13. Dez. 1889 regelt die Beihäftigung
und den Schuß der finder, der hu endlichen Arbeiter
unter 16 Jahren und der weiblichen Arbeiter unter
21 Jahren. Das geringfte Alter bei der Beſchäfti—
ung von Rindern iſt 12 Jahre; die Dauer der
rbeitzeit beträgt für Kinder, jugendliche Arbeiter
unter 16 Jahren und weibliche Arbeiter unter
21 Jahren 12 Stunden einfhließlih 1%, Stunde
Ruhepauſen. Nachtarbeit von 9 Uhr abends bis
6 Uhr morgens ift verboten. Seitdem bat die F.
erhebliche a in verjchiedenen Richtungen
gemadht. 21. Sept. 1894 wurden bie bygtei:
niſche Beichafienheit ver Betriebsftätten, am 22. Dit.
1895 die Arbeitsinfpeltion neu geregelt. Am 17. Juni
1896 wurden die biöberigen Beitimmungen über
Lobnzablungen ergänzt und am 15. Juni 1896 ber
Erlaß ſchriftlicher Arbeitsordnungen obligatoriſch
— — In Holland iſt 5. Mai 1889 ein Geſetz,
treffend Maßregeln zur Berbinderung übermäßt:
und gefährlicher Arbeit von jungen Leuten und
auen veröffentlicht worden. Zu ihm hat ih am
20. Juli 1895 ein Gejek gejellt, das aud ben er:
wadjenen männlihen Arbeitern Schuß verleibt,
vorläufig in jolhen Fabriten und Werkftätten, in
denen eine Kraftmaſchine benust wird, oder in denen
in der Regel mindeſtens 10 Leute arbeiten. — In
Italien ift wenigſtens die Kinderarbeit durch
25
386
Geſetz vom 11. Febr. 1886 geregelt und durch Geſetz
vom 17. März 1898 find Beitimmungen zur Unfall:
verhütung getroffen, ſowie die Unfallverfiherung
vorgefchrieben. — Bon den ſtandinav. Staaten bat
Dänemarleine F. bereit3 1873 erhalten und durch
das Unfallverbütungsgeieß vom 12. April 1889,
fowie dur ein Sonntagärubegejeß vom 3. April
1891 ergänzt. Ein Gejek vom 30. März 1901 er:
goht ferner das gejerlihe Mindejtalter für die
eſchäftigung von Kindern in Fabriten auf das
12. Lebensjahr und ſchafft ug Hei andere Ber:
bejierungen. Schweden bat jeine Gejehe vom
18. Nov. 1881 und 10, Mai 1889 durch ein Kranken⸗
verſicherungsgeſetz vom 10. Dit. 1891 vervollitän:
digt, außerdem durch den Zufaßartifel vom 13. Dez.
1895 die Beitimmungen des Schußgefetes von 1889
mit gewiljen Einſchraͤnlungen auf ftaatliche und Ge:
meindebetriebe ausgedehnt. Norwegen bat mit
dem Gefeg vom 27. Juni 1892 den erften Schritt zur
Regelung der Arbeiterverbältniffe getban, 1894 ein
Unfallverfiherungsgeieß erlaflen und 1897 die Ar:
beitözeit in Bädereien geregelt. — In Finland iſt
ein neues Arbeiterfchußgejeh 1. Jan. 1890 in Kraft
getreten. — In Rußland ift 1. Juni 1882 ein Gefeb
erlafien, das die Beihäftigung von Kindern unter
12 Jahren allgemein, die von jugendlichen Arbeitern
im Alter von 12 bis 15 Jahren in beftimmten Kate:
gorien von Yabrifen verbietet und deren Arbeits:
jeit in den peitgn Betrieben auf 8 Stunden
täglich befchräntt. Das Gefeß vom 12. uni 1884
befaßt ſich bauptiählihb mit der Regelung des
Schulunterrichts Minderjäbriger, die in Fabriken
arbeiten. Ein drittes Gejek vom 3, Juni 1885 be:
trifft das Verbot der Nachtarbeit von jugendlichen
Arbeitern bi 17 Jahren und von frauen. Ein
Geſetß vom 24. Febr. 1890 ſetzt an die Stelle der
durch die vorbergebenden Gejehe nur als zeitweiie
geltend gefchaffenen dauernde Beitimmungen und
die Novelle vom 8. Juni 1893 hat fie erweitert. Ein
neues Gejeß vom 14. Juni 1897 über die Dauer und
Verteilung der Arbeitäzeit in Fabriten und Berg:
werten jegt Sonntagdrube und Marimalarbeitstag
von 11?/, Stunden für Männer feft. — In Rumä:
nien regelt das gemeine Recht, d. b. der bort reci⸗
—— Code Napoléon, die Beziehungen zwiſchen
nternebmer und Arbeitern. — Weiter als irgend ein
anderer Staat, inäbefondere in der Regelung der Ar:
beitäzeit, ker Schweiz mit ihrer F. vorgegangen.
Nachdem bereit? mebrere Kantonalgeſeße in Fehr
liberalem Sinne erlafien worden maren, kam
23. März 1877 ein Bundesgeſetz zu ftande, das
neben vielen andern wichtigen Beitimmungen über
die Ginrihtung der Fabriten, die Haftpflicht der
Unternehmer u. f. w. in betreff der Arbeitsdauer
feftiegt, daß dieſelbe auch für erwachſene Arbeiter,
abgejeben von befondern Ausnahmefällen, vie
Dauer von 11 Stunden und an den Vorabenden ber
Sonn: und Feſttage die von 10 Stunden nicht über:
fchreiten fol. Nachtarbeit ift nur ausnahmsweiſe zu:
läſſig, Sonntagsarbeit nur in ſolchen Betrieben, die
ibrer Natur nad nicht unterbrochen werben können.
rauen dürfen nachts und Sonntags unter leinen
mitänden beichäftiat werden, Wöchnerinnen find
vor und nad ihrer Niederfunft im ganzen wenig:
ftend acht Wochen von der Arbeit ausgeſchloſſen.
Kinder dürfen in Fabriken vor dem zjurüdaelegten
14. Lebensjabreüberhaupt nicht arbeiten und bis zum
vollendeten 16. Jahre mit Arbeit und Schulunter:
richt im ganzen nur 11 Stunden täglich beſchäftigt
Fabrikgold — Fabrikinſpektor
werden. Neuere Kantonalgeſetze (insbeſondere in
Glarus vom 8. Mai 1892 und Zürich vom 18. Yuni
1894, dann Solotburm und ) baben dieien
bundesgeſetzlichen Arbeiterſchuß noc fortgebilvet.
den Bereinigten Staatenvon Amerila
bat die Bundesregierungnod kein einbeitlicbes Geien
egeben, dagegen findet man im Gegenjak zu den
üdftaaten in Neuporl, Obio, Maine, New:Hamp-
fhire, Vermont, Mafjahufett3, NRbode : Jsland,
Eonnecticut eine recht entwidelte Gejergebung.
Da die Induſtrie eined Landes, das die unbe
ſchränkte Ausnutzung der billigen Kinderarbeit und
bes jtebenden Kapital der Fabriken geftattet, in
der internationalen Konkurrenz mit den durch eine
ftrenge Gejeßgebung in diejer Beziehung beſchränk⸗
ten Fabrilen eines andern Yandes einen Vorſprung
befißt, jo iſt es begreiflih, daß der Gedanle einer
internationalen F. angeregt worden ift. Es ging
daraus die 1890 In Berlin zufammengetretene Ar-
beiterjhußtonfereng (j. d.) bervor, deren Ergebnijie
aber nicht weiter verfolgt wurden. Ein Arbeiter:
huslongreß, der 1897 vom ſchweizer. Arbeiter:
tand nad Zürich einberufen wurde, fuchte die inter:
nationale Beritändigung auf privatem Wege ber:
beizufübren. infolge diefer Anregung wurde 1900
in Baris eine internationale Bereinigung für geieh-
lichen Arbeiterjhuß begründet, und von diefer 1901
in rg ein internationales Arbeitsamt eingerichtet.
Bol. Bücher, Zur Geſchichte der internationalen
. (in den «Deutiben Worten», 1898); Rojenberg,
Zur Arbeiterſchutzgeſetz | in England CLpj.
1895); Die F. des Hufen Reichs (2. Aufl., Riga
1895) ; Frantenftein, Der Arbeiteribus, feine Tbeo-
rie und Praxis (Lpz. 1896); Ehalley:Bert und Fon:
taine, Lois sociales (in «Recueil des textes de la
lögislation sociale de la France», Par. 1896):
Gaire, La lögislation sur le travail des femmes et
des enfants (1896); Lohr, Laws of the United
States (1896); Herkner, Die Arbeiterfrage (2. Aufl.,
Berl. 1897); Schönberg, Handbuch der polit. Okono⸗
mie, Bd. 2 (4. Aufl., Züb. 1898); Artikel Arbeiter:
ſchußgeſetzgebung im «Hanbmörterbuch der Staatd-
wifjenfchaften», Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898); Herz,
Der gegenmärtige Stand und die Wirkjamteit der
Arbeiterſchußgeſetzgebung in Öfterreih (Wien 1898);
Evert, Der Arbeiterſchuß und jeine Entwidlung
im 19. Jahrh. (Berl. 1899); derj., Handbuch bes
—— Arbeiterſchutzes (ebd. 1900); Karpeles,
ie engl. Fabrilgeſetze (ebd. 1900); von Zanten, Die
— — gebung in den europ. Staaten
ab * —— (Jena 1901).
abrikhygieine, — Hpgieine,
abrikinduftrie, ſ. Jabrit.
abrifinfpeftor, Name von Beamten, die aus:
fchlieglich oder neben den örtliben Polizeibehörden
mit der Überwadhung der Ausführung der auf die
Arbeiter bezüglichen Beitimmungen der Fabrilgeſeß⸗
aebung (f. d.) betraut find. Solche Beamte wur:
den zuerſt durch dad engl. Fabritgejek von 1833 eins
geſeßt, und ibre Stellung iſt jeitvem in England
immer wichtiger und einflußreicher geworden. — In
Preußen wurden fie unter vemTitel Gemerberat
dur das Gejeh vom 16. Mai 1853 ins Leben ge
rufen. In der Deutſchen Gewerbeordnung
fand die Fabrikinſpeltion zunädjt durch die Novelle
vom 17. Juli 1878 und neuerdings in dem Geſen
vom 1. uni 1891 eine Stelle ($.139b). Tie Aut:
fiht der F. erſtredt ſich hiernach nicht bloß auf vie
Berbältniffe ver Fabrilarbeiter (Arbeitsordnungen,
Fabrikkaſſen
Irkiterausfchüfie,, Beſchäftigung von Kindern,
nungen Leuten und Frauen), Au auch auf die
Ausführung der Beitimmungen über Sonn: und
deietiags arbeit und Herſtellung der nötigen Ein:
nötungen im Intereſſe ver Gejunpheit, Sittlichkeit
und des Lebens aller gewerblichen Arbeiter, mes:
halb vie F. nunmehr in den einzelnen Bundesitaaten
meilt andere Namen erbielten (in Bayern feit 1892
Fabrit: und Gewerbeinfpeftoren). In mehrern Staa:
ten find neue Dienjtanmweifungen erlafien, jo in
Preußen 1891 und 1892, in Bayern, Sadfen und
Dürttemberg 1892. Für die Beitimmungen über
abritarbeiterinnen find in manden Staaten (in
Arantreih jeit 1874, in —— ſeit 1893, in
ayern, Heſſen und Sachſen-Weimar ſeit 1896, in
Wurttemberg, Baden, Königreich Sachſen und
Preußen ſeit 1900) weibliche F. oder wenigſtens
weibliche Aſſiſtenten angeſtellt. Ferner werden
zum Zwede einheitlicher Geſtaltung der Inſpektion
nad djterr. Muſter von Zeit zu Zeit ——
der F. der einzelnen Staaten abgehalten. Wejent:
lich ergänzt wird der Zweck der F. dann nod dur
die Thätigleit der jog. Beauftragten (f. 2) der Be:
rufsgenojlenihaften. Den F. jteben alle ehugnife
der spolizeibebörbe und namentlich das Recht
der Revifion zu jeder Zeit zu. Die amtlich zu ihrer
Kenntnis gelangenden, nicht gejeswidrigen Ge:
ſcheifts⸗ und Betrieböverbältnifje der Fabrıten find
fie gebeimzubalten verpflichtet. Die Zahl der im
Deutſchen Rei 1897 vorhandenen ae lehe
fichtsbezirte betrug 75 mit 284 Beamten, einichließ:
lich der Hilfäbeamten, 1899 belief jih das Perſonal
auf über 300. In Preußen ift bei jeder Regierung
im der Regel ein Kegierungägemerberat an:
eftellt; jeder Nenierungsbezirk wiederum zerfällt in
nripeftionsbezirte, und für jeden dieſer legtern ift
eın Gemwerbeinjpeltorernannt. Während früher
die Behörden bei der Bejegung der Stellen ziem:
lich freie Hand batten, ift nad der preuß. Vorbil:
Bungs- und Prüfungsordnung vom 7. Sept. 1897
für den Gemwerbeaufjichtödienft ein dreijäbriges tech—
nijches und 1", jähriges Studium der Rechts- und
Staatäwijjenihaften und die Ablegung einer Prüs
fung erforderlid. — In England waren 1899 in
der Gemerbeaufficht 132 Berfonen, darunter 7 weib:
liche, unter einen Hauptinipeltor thätig. — In
Srantreih wurden die Arbeitsinfpeltoren
durch Gejeg vom 19. Mai 1874, nah weldyem das
Sand in 15 Inſpeltionsbezirke geteilt wird, einge:
führt; durd Detret vom 27. März 1885 wurde ibre
[ auf 21 erhöht. Das Geſetz vom 2. Nov. 1892
ſowie die Dekrete vom 13. Dez. 1892 und 18. Dez.
1893 haben eine wejentlih andere Ordnung einge
führt. Sekt giebt es 92 Departementsinfpeftoren
(darunter 16 weibliche) und 11 Dberinfpeltoren (in-
specteurs divisionnaires) als Auffihtsorgane über
erftere. — Die ganze Schweiz iſt durch Fabrikgeſet
vom 23. März 1877 in 3 Inſpektionsbezirle geteilt;
3 Infpeltoren mit je 2 Afiftenten bilden das Auf:
fibtsperfonal. Die Initrultion vom 18. Juni 1883
regelt die Stellung, dieſer Beamten. — In Oſter—
reich wurde ein F. für Niederöfterreich bereits 1772
tingeiegt, aber Ende ber — ahre des
18. Jahrh. wieder aufgehoben. Erſt das eich vom
17. Juni 1883 ſchuf die gegenwärtige Inſtitution
der Gewerbeinfpeltoren, deren hätigteit, mie
ibon ibr Name f agt, ebenfalls nicht bloß Fabrilen,
ei in der Regel alle ver Gewerbeorpnung
unterliegenden Unternehmungen des betreffenden
387
Bezirks umfaßt, wozu nad bejonderer Beitimmung
die ftaatlihen Tabakfabriten, Privatpulverwerte
und mit Arbeitsmaſchinen ausgeftatteten gewerb⸗
lihen Lehranſtalten fommen. Nach dem Unjall:
verjiherungsgeieß vom 28. Dez. 1887 find fie fer:
ner an der Unfallerhebung beteiligt. Derzeit be:
ftehen 17 Auffi
Spiße ein Braga jtebt. Yür die
Ausführung der öffentlichen Vertebrsanlagen ift ein
eigener Gewerbeinſpeltor beitellt. In Ungarn find
8 Gewerbeinſpektoren und 2 Hilfsinipeltoren tbätig,
in Bombay in Indien ein 5. Auch Rußland, Sta
lien, Dänemart, Schweden, Norwegen, Belgien,
Holland und eg bejißen das Inſtitut der
Arbeitsinipeltoren. — gl. Quard, Zur äußern Ge:
fhichte der 5. in Deutichland (Frankf. a. DI. 1886);
deri., Die Gewerbeinſpeltion in Deutichland, Eng:
land, Frankreich, Öfterreich u. f. m. (Nürnb. 1896);
Brauns Arbiv für fociale Gejeßaebung (Berlin,
jeit 1887); Weyer, Die engl. Fabrikinſpeltion (Tüb.
1888); La Motte, Die deutſche Fabrikinipeltion
(Sonderburg 1891); Franlenftein, Die deutiche
BERN und ibre Reform (Münd. 1892);
ahmann, Der Fabritenrevifor (Dresvd. 1893);
Plotke, Die Gewerbeinſpektion in Deutſchland (Berl.
1899); Artitel Gewerbeinipeltion im «Handmwörter:
buch der Staatswifjenfhaften», Bo. 4 (2. Aufl., Jena
1900) fowie im «Dfterr. Staatswörterbuch», Bd. 1
(Wien 1895). — Zeitichrift: Revifionsingenieur
und Gewerbeanmalt (Berl. 1902 fa.).
— Betriebs-, Werk-, Haus—
tsbezirke mit 48 Beamten, an deren
kaſſen, Bezeihnung für Hilfs: und Unterjtügungss
taflen verſchiedenſter Art, welche ausschließlich für
die Arbeiter einer Fabrik oder eines jonftigen Be:
triebes von dem Unternehmer errichtet und in der
Kegel auch verwaltet werden. Sie baben ihre
Hauptbedeutung für die geſetzliche Krantenverfiche:
rung, für deren Bereich ſie die befondere technische
Bezeihnung «Betriebs:(Fabrik-)Rrantentafien» er:
balten haben. Die Fabritkaſſe gebört zu den fog.
re Kranlenlaſſen und tritt ——
neben die Ortäfrantentajjen (f.d.). Die wichtigſten
Vorichriften des Gejekes über die F. ($$. 59—
68) find folgende: Ein Unternehmer, welcher 50
oder mehr dem Krankenverſicherungszwange unters
liegende — beſchäftigt, iſt berechtigt, eine
air e a errichten, und er fann dazu unter
eitimmten Borausfegungen durch Anordnung der
böbern Verwaltungsbehörden verpflichtet werben,
zumal wenn der Betrieb mit bejonderer Krantheits:
efahr verbunden ift. Der Beitritt ift für die in dem
Betriebe beihäftigten Berjonen obligatorisch, fofern
fie nicht nachweislich Mitglieder einer Die Mindeſt⸗
leiftungen gewährenden eingejchriebenen oder lan:
desrehtlich begründeten Hilfskaſſe find; ſolchen Ber:
fonen, die den genannten Kaſſen angehören, ift
am Jahresſchluß der Austritt aus der Fabrillaſſe
u gejtatten. F allgemeinen finden die auf die
rtstrankentaſſen bezüglichen Vorſchriften auch auf
die F. Anwendung; für die letztern gelten aber, teils
fafultativ, teils obligatorifch, Beitimmungen, welche
einerjeit3 eine bevorzugte Stellung des Unterneh:
mers begründen, andererſeits deſſen Verantwort:
lichleit erböhen und die behördliche Kontrolle vers
ftärten. So kann durch das von dem Unternehmer
u errihtende Kafjenjtatut demjelben oder einem
Vertreter der Borfik im Voritande und in der Ges
neralverjammlung ein für allemal übertragen wer»
den; jedenfall erfolgt die Rechnungs- und Kaſſen⸗
25 *
388
führung immer unter Berantwortlichleit und auf
Koſten des Betrieböunternehmers dur einen von
demjelben (aljo nit von den Mitgliedern) zu bes
ftellenden Rechnungs⸗ und Rafjenfübhrer. Die Fabrik:
tafle ift unter anderm zu fließen, wenn der Unter:
nehmer es unterläßt, für urbnungsmäßige Kaſſen⸗
und Rebnungsführung zu forgen.
Ültere F., auch wenn fie neben der Kranten und
Begräbnisunterftügung Invaliden:, Witwen: oder
Baifenpenfionen gewährten, gelten feit dem Erlaß
des Krankenverſicherungsgeſeßes als Betriebs⸗Fa⸗
bril:)Rrantentafien ug ri des Geſetzes, welchem
ſie ihre Statuten anpaſſen mußten; dabei mußten
die Invaliden⸗, Witwen: und Waijenpenfionen ab:
ezweigt und entweder einer beſonders zu bildenden
enfionslaffe übertragen, oder in einem bejondern
ale abgefondert verwaltet werden (Rrantenver:
Bean eſes $. 86).
Eine befondere Art der Betriebötaflen regelt das
Rrantenverfiberungsaefek unter dem Namen Baus
trantenlaflen (f. d., Bd. 17). :
Auf dem Gebiet der Unfallverfiherung bat die
Berriebstrantentaffe vor andern Krantenlaflen vor:
aus, daß ihre Vorftände gegen die der Kafle an:
gehörigen Arbeiter Strafen wegen Berlekung ber
nfallverhütungsvorfhriften verbängen können,
Auf dem Gebiet der Invaliditätd: und Altersver:
fiherung bleiben folde DR welche nah Maßgabe
ihrer Statuten Invalidenbeneficien gewähren, neben
ben geſetzlichen Verſicherungsanſtalten beſtehen.
Grobe Kaſſen dieſer Art können, wenn fie die erfor:
derlihe Garantie bauernder, unbedingter Leiſtungs⸗
* bieten, vom Bundesrat zur ſelbſtändigen
urchſuhrung der Verſicherung zugelaflen werden
und treten dann in die Gejamtorganifation derge⸗
er daß fie ein Gegenſeitigleitsverhältnis mit
erfiherungsanftalten eingeben und daß ibre Mit:
glieder von der Zugebörigteit zur allgemeinen terri⸗
torialen Verfiberungsanitalt befreit find (Invali—
pe eſeß 88. 8—10). Dies bat aber
jajt ausſchließlich auf die Kaſſen der großen fißla-
lichen Eijenbahnverwaltungen, außerdem nur nod)
auf einzelne Knappſchaftslaſſen Anwendung gefun:
den. Andere F. gelten fortan als jog.«Zufhußlafjen»,
dv. b. ihre Mitglieder müflen zwar, wie andere Ber:
ſicherte, in die allgemeine territoriale Verſicherungs⸗
anjtalt eintreten, die Fabrillaſſe gewährt ihnen aber
auberdem die ftatutarifchen Bezüge weiter. Jedoch
können deren Leiftungen und Beiträge berabgeht
werden (Invalidenverſicherungsgeſeh & 52). Zur
felbitändigen Durchführung der gefeglichen Berficbe:
rung find 5. ſchon um deswillen ungeeignet, weil
dus Recht auf die Kaſſenleiſtungen meiſt an die Fort:
dauer der Beichäftigung in der Fabrik gefnüpft ift,
lekiere aber nicht dauernd geſichert ift.
Neben den eigentlihen Kranfen: und Penfions:
taflen beiteben in manchen Betrieben noch GErtra
unterjtübungstafien, welche aus den Strafgelvern
der Arbeiter, gg der Arbeitgeber, Ber:
mächtniſſen u. |. m. gebildet find. [nung.
abrifordnung, N Habril: und Werkſtattord⸗
abrifpflanzgen, Induſtriepflanzen (f. d.).
abrifrat, in firhlicer Hinficht, ſ. Kirchenfabrik.
fiber die vollöwirtichaftlihe Bedeutung des Wor:
tes ſ. Arbeiterausſchüſſe, Handels- und Gewerbe: |
lammern.
Fabrikſchulen, Schulen, die ſich häufig in Ver—⸗
bindung mit Fabriken finden zum Zmwede der leich⸗
tern Ausführung der Beitimmungen über die Kinder:
Fabrikordnung — Fabrik- und Werfitattorbnung
arbeit (f.d. und Fabrikgefeggebung). Aud in Län⸗
dern, in denen der allgemeine Schulzwang nit be
ftand, machte bie Gejepgebung meijtens die Sulalun
der Kinder zur Yabrılarbeit von dem meis
eines gleichzeitigen Schulbefuhs abhängig, und das
führte naturgemäß häufig zur Gründung eigener F.
So verlangte in England [bon das ritgeieh
von 1833, daß jedes Kind aus der geihüsten Alters:
Hafje jeden Montag dem Fabritberrn eine Beicei-
nigung darüber einreiche, daß es im der vorberge
gangenen Woche an 6 Tagen mindeitens 2 Stun-
den täglib Sculunterriht genofien babe. Die
Fabrilinſpeltoren (f. d.) hatten das Recht, dem Be
darf entiprechend neue Schulen zu errichten und die
rare zu beauftragen, von dem Lohne der
inber zur Zahlung des Schulgeldes tlich
je einen Benny zurüchzuhalten. Ähnliche Beſtim—
in dem engl. Fabrik:
arg finden fib aud
und Werkitättengejes von 1878. Nah dem franı.
abrifgejeg vom 29. Dkt. 1892 dürfen Kinder im
Iter von 12 %. nur dann beichäftigt werben, wenn
e dad dur Gejeh vom 28. Mär; 1882 einae:
übrte Schulabgangsjeugnis (Certificat d’&tudes
rimaires) befisen. Rinder von 12 bi 15 Jabren dür-
* nur 6 Stunden täglich beſchäftigt werden, fo:
ange fe nicht ein Zeugnis darüber beibringen, dat
K den eriten Elementarunterribt genoſſen baben.
n Deutihland dürfen nad dem Gejek vom 1. Juni
1891 ſchulpflichtige Kinder überbaupt nicht zur
abriltarbeit zugelaflen werden, und durch Urts-
tut können, Tomeit eine ftaatlibe Einrichtung
diefer Art nicht bereits beſteht, alle Arbeiter unter
18 Jahren zum Beſuche der Fortbildungsſchulen
(f. d.) verpflichtet werden (Gewerbeordnung $. 120).
Fabrikſparkaſſen, vielfah in arößern Unter:
nehmungen zur Förderung des Sparfinns der Ar:
beiter gegründete Einrichtungen. An der Bermal:
tung folder Kaſſen müſſen die Arbeiter beteiligt
fein, und die Spareinlagen dürfen nit im Ge
chäft deö Betriebes verwendet werden. Es find
eſonders folgende Arten von F. zu unterſchei—
den: 1) Fabrikjugend-Spatkaſſen, die nur für
minderjäbrige Arbeiter obligatorifh find. 2) Für
alle Arbeiter obligatoriihe %.; die Spareinlage er:
folgt entweder als beitimmte Wochenabgabe, für
die ein Minimum feitgefept ilt, oder als Quote des
Verdienſtes der einzelnen Arbeiter. 3) F. mit frei:
williger Benusung. 4) Einrichtungen zur Erleichte
rung der Benußung öffentliher Spartaflen überall
da, wo die Unternehmer aus irgend einem Grunde
eigene F. nicht gründen können oder wollen; die
Unternehmer vermitteln die Abführung von Spar:
beträgen an öffentliche Sparkaſſen und ermumtern
dazudurd Zuſchuſſe. Manche F. ſind jur beſon dere
beſtimmt; dahin gehören Mietzins⸗ Steuer:,
uldzins⸗- und Winterbedürfnisſparkaſſen, Spar:
laſſen zum Zwed der Ausſteuer oder Ausſtattung,
für die Militärdienſtjahre, die Heirat, ur Erwerbung
eines eigenen Haufes u. ſ. m. Zablreiche Beispiele
von F. find angeführt und ausführlich beihrieben in
den Beitfchriften «Arbeiterfreund» und «Goncorbia>,
— Vol. auch Meiningbaus, Die focialen Aufgaben
der inbujtriellen Arbeitgeber (Tüb. 1889); Hise,
Pflichten und Aufgaben der Arbeitgeber im ber
Arbeiterfrane (Köln 1888).
abriftbhram, ſ. Zebertbran.
abrif: und Werfftattorbuung, Arbeits:
ordnung, die jcriftlibe Zufammenfaflung der
Bedingungen des Arbeitsvertrags in einem einzel»
Fabrikzeichen — Facçade
sen gidzern Unternehmen. Dieſelbe wird vom Ar:
keitgeber innerhalb des von der ——
ihm gelaſſenen Spielraums nach Gutbünten er:
lajien, ee nah A örung jog- Arbeiteraus:
khüie (.d.), alfo unter Mitwirkung der Arbeiter.
Sie ftelt die allgemeinen Normen für die Disciplin
und die Drganifation der Arbeit auf und enthält in
der Regel Beftimmungen über Tageseinteilung und
Arbeitävdauer, fiber Zeit der Abrechnung und Loh⸗
nung, über die Befugnifie des Auffichtöperfonals,
über Sohnabzüge und Strafen bei Übertretungen der
.u.B,, über Kündigungöfriften und die Fälle jo:
ortiger Entlafjung ug auch noch über andere
untte, Es iſt einleuctenv, daß das Zuſammen⸗
wirten einer gro Anzahl von Arbeitern ohne
eine ſolche Strafe dnung und Disciplin nicht mög-
lich iſt. Doch kann das Übergewicht des Arbeit:
gebers leicht zu Mißbräuchen führen, z. B. in über:
mäßigen Gelditrafen, früher auch in dem Trud-
jtem (f.d.). Das Richtige ift, wenn der Inhalt der
. u. W. zum Zeil gejeglich beftimmt ift und die F. u.
. bei Einführung der Volizeibebörde zum Zwecke
der Prüfung ihrer Gejegmäßigteit vorzulegen iſt.
Namentlich drei Buntte jollte die Geſetzgebung all-
emein anordnen: 1) eine Marimalhöhe der Geld:
— 2) Verwendung der Strafgelder ausſchließ⸗
ich zu Gunſten der Arbeiter, etwa zur Unterſtühung
der Sirfste en; 3) Verbot von Strafbeitimmungen,
welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verlegen.
Nur — Länder haben bis jetzt dieſe Politik
befolgt: die Schweiz, Oſterreich, Belgien und das
Deutſche Reid in der Novelle zur Gewerbeorbnung
vom 1. juni 1891. Über die einzelnen Beitimmun-
en diejer deutjchen Arbeit3orbnung |. Dienftmiete,
rı der Schweiz ift die 5. u. W. bereits fett 1877
durch das Gejes vom 23. März geregelt, welches in
den Hauptpuntten mit dem deutfchen übereinstimmt.
In Sfterreich zählt $.88a der Gewerbeordnung vom
8. März 1885 die einzelnen Punkte auf, die in der
Arbeitäorbnung enthalten fein müffen, verlangt,
daß jie in — gleichlautenden Exemplaren der Bes
orde zur Einſichtnahme vorzulegen und in der Wert:
ätte anzuſchlagen jei. Die Beſtimmung ift obliga-
toriſch nur für — und Gewerbeunternehmun⸗
en, die mehr als 20 Hilfsarbeiter in gemeinſchaft⸗
en Lolalen bejhäftigen. In Belgien find dur
vom 15. Ju 1896 Betriebe mit wenigſtens
20 Arbeitern zur Aufftellung von Arbeit3orbnungen
verpflichtet worden. — Bol. Steinert, Normen zur
gr Sy Aufftellung von Fabritorbnungen
(Hamb. 1883; 2. Aufl. 1892); von Rüdiger, Weg:
weiſer zur Auf —— von Arbeitsordnungen (Berl,
1892); Hibe, Normal-Arbeitsordnung (Köln 1892);
Artilel Arbeit3orbnung im «Handwörterbuch der
abninneitun; d.1 (2. Aufl, Jena 1898);
Koebne, Die Arbeitsordnung vom Standpunkt der
leihenden Rehtöwifienihaft (Stuttg. 1901);
Die Arbeit3orbnnungen im deutfchen Gewerbe:
eichen, |. Marte. [recht (Berl.1901).
8, Karl, fiebenbürg. Hiftoriter, geb.
1826 zu Schäßburg in Siebenbürgen, ftubierte
1848—49 Theologie und Gedichte an der Univer⸗
fität Leipzig; heimgelehrt, ahm er die Redak⸗
fon des — —— Boten», verlor aber dieſe
Stelle, weil er fich mit dem aufleimenden polit.
Abjolutismus nicht befreunden fonnte. Er wurde
1850 Brofefjor am ymnaſium zu Scäßburg,
1855 Hilfäpriefter vafelbit, 1865 ordentlicher Alar
rer zu Apold. Wegen firhlider und polit. Diffe:
389
renzen gab er 1879 feine Stelle auf und lebte feit-
dem ap in Budapeft; 15 Jahre lang war F.
Mitglied des ungar. Reichstags, wo er fi ben
ungarnfreundlihen Jungſachſen anſchloß. Er ftarb
1882 zu Budapeft. Unter 5.3 * Arbeiten ſind
die bedeutendſten: die Herausgabe der Krausſchen
Chronik, des «Lirfundenbuchs>, und die Biographie
des Sachſengrafen Markus Bempflinger.
—— (lat.) verfertigen, insbeſondere
durch mechan. Zaulelt erzeugen.
abry, Wilhelm, ſ. Fabricius Hildanus.
abryſches Wetterrad, ſ. Kapſelräder.
abüla (lat.), Fabel (j.d.), Schauſpiel; F. docet,
die Fabel lehrt, die Moral von der Geſchichte iſt;
F. oder Comoedia palliäta, togata u. ſ. w., ſ. Co-
moedia; fabulieren, fabeln, Erdichteles erzählen;
Fabuliſt, Fabeldichter; fabulds, (beat,
Fabvier (I: fawwieh), Charles Nicolas, Baron,
franz. General, beſonders befannt als Bhilbellene,
geb. 15. Dez. 1783 zu Pont: Mouflon in Lothrin⸗
en, trat 1804 aus der Polytechniſchen Schule ala
ifiier in die franz. Artillerie, wurde 1807 von
Napoleon nad der Türkei gefandt, um Konftantis
nopel gegen die Anjchläge der Engländer zu bes
feftigen, und begleitete dann den General Garbanne
nad Perfien. Nach feiner Heimkehr trat F. 1809
als Kapitän in die Faiferl. Garde und begleitete
1811 als Adjutant den Herzog von Ra F (Mars
a) nah Spanien. Während des Feldzugs in
Sadjen 1813 wurde er Oberjt im Generalitabe und
nad der Schlacht bei Leipzig Stabschef bei den
vereinigten Trümmern ver e J Armeekorps. Im
—— e von 1814 rettete ſein Eingreifen am Abend
des ——— von Laon, 9. März, den geſchlage⸗
nen Heeresteil Marmonts. Während der Hundert
Tage ftellte ſich $. in Lothringen an die Spipe eines
Streifforps, weshalb er nach der zweiten Reftauras
tion außer Thätigleit gefeßt wurde; doch warb er
1817 wieder ald Stabschef unter Marmont zur
Unterbrüdung der von den Ultraroyaliften erregten
Unruben nad) Lyon entjendet. Zur Aufllärung jener
Vorfälle veröffentlichte er vie Schrift «Lyon en 1817»
BAR. Par. 1818). 1823 bot er den Griechen feine
ienjte an, Er erwarb fi durch Disciplinierung
des griech. Heers große Verdienſte, nabm aber ins
folge des Mißtrauens und der Eiferfucht der griech.
— die ihm die UÜbergabe der Alropolis von
then 1827 zur Laſt legten, im Sommer 1828 feine
—— und kehrte nach Frankreich zurück. Von
dort aus begleitete er im November die Ing: Er:
pebition nah Morea, nahm an der Julirevolution
von 1830 den thätigften Anteil und wurde zum Chef
des Generalitabes der Parifer Nationalgarde er:
nannt, legte jedoch 1831 feine Stelle nieder. Nach
ber Revolution von 1848 wurde F. ald Gefandter
nad Konitantinopel gefhidt, 1849 aber in bie
Legislative gewählt, wo er mit den Konſervativen
ftimmte, F. trat auch 1849 im Kriege gegen Schles-
wig⸗Holſtein auf kurze Zeit in dän, Dienfte. Er ftarb
15. Sept. 1855 zu Paris. F. veröffentlichte unter
anderm ein «Journal des op6rations du 6° corps
pendant la campagne de 1814 en France» (Bar,
1819), — Bol. Debivour, Le général F., sa vie
politique (Bar. 1904). u
Facade (kr, ipr. vepb), Dellode, Schau:
feite, die äußere Anficht eines Gebäudes oder deren
eometriſch gezeichnete Darftellung. Man unters
(dee Haupt: oder —— Seitens, Hinter:
acade u. ſ. w. Weil indes an vielen Gebäuden, bes
390
fonder& menn fie in geſchloſſener Reibe an einer
Straße fteben, nur eine Anſicht architeltoniſch aus:
ebildet werben kann, nennt man diefe, in welcher
ſich gemöbnlich der Haupteingang befindet, vorzugs⸗
weile %. Die F. ift gleichſam der Ausdrud des gan:
zen Gebäudes und muß desbalb in ftreng organiſcher
Verbindung mit dem Gebäude fteben. Von befon:
derm Einfluß auf die Geftaltung der F. ift daher die
Anzabl und Höbe der Stodwerle, deren Fußböden
oder Ballenlagen nah außen durch Gurtgefimje
Zwiſchengeſimſe) gelennzeichnet werden; ferner die
innere Einteilung, welche bei größerer Ausdehnung
ver F. durch Bor: und Rüdlagen (Nifalite) ausge:
ſprochen wird; bierdburd läßt ſich eine wohlthuende
Unterbrechung der einförmigen glatten Außenwand
erreihen. Die Größe, Verteilung und arditel:
toniſche Ausſtattung der Fenſter bilden meiter ein
wirlſames NAusdrudsmittel des Stild und Ebaral:
terö einer F. Hierzu lommen entſprechende Hori:
jontal- und Bertilalteilungen der äußern Wand—
äche durch geeignet profilierte Sodel:, Gurt-,
rüjtungs=, Kämpfer: und Hauptgefimje einerjeits
und durd Säulen: oder Bilafterftellungen, Lifenen,
Wandſtreifen, Quaderungen u. f. m. andererjeits.
Außerdem werden einzelne Teile der Wandflächen
durch Ornamentfrieje, Bildbauerarbeit, Malerei in
Soraflto oder Syresto (f. Delorationsmalerei), ein:
zelne Öffnungen, wie Portale, Ausfichtsfeniter,
durch reichere Geftaltung, durch Baltone, Erfer,
Loggien u. f. m. ausgezeichnet. Bei Kirchen ift F.
merit die Meitfeite, d. b. jene dem Chor entgegen:
geiegte Seite, die das Haupttbor entbält.
Face (fra., fpr. fahß), Geficht, Vorderjeite (f. En
face). In der Befeitigungstunit find F. die beiden
Linien einer verteidiaungsfäbigen Dedung, die zur
Beitreihung des Vorgeländes beftimmt find und
nad der Front zu einen ausfpringenden Mintel bil:
den ; fo bei leihen, Lünetten, Baftionen, Kavalieren,
Ravelinen und Tenaillen. Zur Verſtärkung des
Frontalfeuerd wurden die F. vielfah durch Eoupre:
acen, Enveloppen u. |. w. Htodmertartig verboppelt
f. Sranzöfihe Befeſtigungsmanier).
aeoos (lat.), in ver Pharmacie Niederſchlag,
Bodenſaßz; in der Phyſiologie und Medizin die Er—
tremente (f. d.), namentlich der Darmtot.
Facetien (lat. facetiae), wisige Einfälle, Scherz:
reden; befonders Heine jcherzbafte Erzählungen in
lat. — meiſt ſatir. oder erotiſchen Inhalts, die
gern auf ein Bonmot hinauslaufen. Die Litteratur
der F. eröffnete die Sammlung des Florentiners
—— Bracciolini(ſ. d.), deſſen «Liber facetiarum»
(Rom 1470) in Deutſchland ſchnellſte Nachahmung
fand, zuerſt durch Auguſtin Fr. (1486; ba. von
Keller in der «Bibliothet des Litterariſchen Ber:
eins», Bd. 118, Stuttg. 1874), dann durd den
Humaniſten Heinrich Bebel (f. d.); ferner ſammelten
5. Ottmar Nachtigall (Luscinius, «Joci ac sales»,
Augsb. 1524), Sobannes Gaſt («Convivales sermo-
nes», Baf. 1540), Nitodemus Friſchlin (f. d.), Otto
Melander («Jocorum atque seriorum libri II»,
Müblbaufen 1600) u.a. Die deutichen F. pflegen
minder unzüchtig zu fein als die italienischen, und
eine ſcharfe Tendenz gegen das lieverliche Yeben
des Klerus zu zeigen. Aus den %. erwuchſen die
deutichen Schwantfammlungen.
Facette (frz., ipr. fah-), Bezeichnung für gewiſſe
Flächen bei geicliffenen Edelſteinen (ſ. Brillant
und Gvelfteinichleiferei).
Facettenange (ipr. fab-), |. Gliederfüßer.
Face — Fächer
ach, Abteilung (einer Wiſſenſchaft, eines Regals
u. |. w.). 5. in der Baufunit, ſ. Fachwert. — In
der Botanik nennt man 7. die Abteilungen der
Fruchtinoten, die durch Scheidemände voneinander
getrennt find; hauptſächlich in Kapieln und Beeren,
aber aud in vielen andern Früchten findet fi eine
ſolche Einteilung in 5. vor. Jäcderig nennt man
demnad diejenigen Früchte, bei denen ſolche Abtei-
lungen ausgebildet find; auch ſpricht man bäufio
von fäherigem oder geTadsrten Markt und
meint damit das Mark mander Pflanzen, das
zum Teil zeritört wird, und zwar in der Weiſe,
daß nur noch dünne Gemebeplatten in gewiſſen
Zwifchenräumen zurüdbleiben, die den Hoblraum
quer oder der Länge nad burdjegen. — Über F.
in der Weberei. d.
Fachapparat, joviel wie Ablegeapparat oder
Legependel (f. Appretur nebit Tafel: Appretur:
maſchinen I, ig. 2, und Taf. II, Fig. 2 u. 4), auch
bei andern Textilmaſchinen dem gleichen Zwede
dienend.
Fachbaum, der oberite horizontale Ballen eines
Webhrs (f.d.). Da feine Höbenlage für die Stauböbe
bejtimmend ift, wird er gewöhnlich unter Zuziehung
aller Intereſſenten in einem polizeiliben Berfabren
geſetzt. In Preußen erfolgt die Sekung des Mert:
pfahls durch Rommiffionen des Kreisausſchuſſes
auf Koſten des Antragſtellers nach Ladung aller
ntereſſenten. Entftebt über die Stauböbe Streit,
ofann der Merkpfahl proviſoriſch geſetzt werden. Die
iderſprechenden werden auf den Rechtsweg ver:
wiejen. Eine Veränderung, Wegnabme, Erböbung
des F. obne Zuftimmung der übrigen Intereſſenten
ift nicht geftattet. Wer ein ſolches (oder anderes)
ur Bezeihnung eines Waflerftandes beftimmtes
ertmal in der Abficht, einem andern Nachteil zu:
zufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich madt,
verrüdt oder fälfchlich fest, fol nah $. 274 des
Deutihen Strafgeferbubs mit Gefängnis oder
Gelpitrafe bis 3000 M. beftraft werben.
Baer f. Faſergebilde.
ächer, die aus Palmblättern, Bapier, Elfen:
bein, Federn, Taffeten, Schwanenbaut u. dal. ger
arbeitete handliche Vorrichtung, mittelö welcher man
fib Küblung zufächelt oder zufächeln läßt. Der Ge
braud des F. iſt jehr alt, vor allem machte die
Hiße des Drients ein —— verſchaffendes In⸗
ſtrument nötig; heute findet er bei den kultivierteſten
Nationen als feinfter Toilettengegenftand , beions
ders der rauen, wie bei den wildeſten Naturvöltern
als einfahe Handhabe Verwendung. Bei den alten
Ügyptern waren nicht nur zierlihe %. aus Federn
oder Balmblättern im Gebraud, fondern auch große
Geremonienfäder, die die höchſten Staatöbeamten
als Zeichen ihrer Wurde trugen. Ebenſo galt auch
in Aſſyrien und Babylonien der erſte Fächerträger
als der erfte Mann im Reihe. Mit den Pfauen,
die im 5. Jahrh. v. Chr. in Griebenland
zu werben anfingen, famen die F. von Pfauenfedern
auf. Selbft in der hriftl. Liturgie fanden F. Ber:
mendung, bei der röm. Kirche bis zum 14. Nabrb.,
bei der artecbiihen und armenifchen noch beute; der
Papſt wirb bei hoben Feierlichleiten von zwei fächer⸗
tragenden Diakonen begleitet. In Stalien und Spa»
nien gebrauchte man die F. viel früber als in Franl-
reih und Deutichland, wobin fie erft im 16. Jabrb.
famen. Aud waren die eriten F. nicht sufammen:
legbar wie bie jekigen, jondern fie hatten an einem
Stiel ein bewegliches Fähnlein aus Brokatſtoff,
Fächerflügler 391
—— dgl. (f. Fig. 1), oder es befand ſich
m dm obern Ende des Stiels ein Knopf, ein | K
‚auch wohl ein Spiegel, rings mit Federn
umfelt F. Sig. 2). Grit im 17. Jabrh. verfertigte
many. mit mebrern auf einer Ach —
teten S en von verſchiedenem Material, den
jaltiäher. Dieſe Form der F. lam nad Europa
aus Ehina und Indien. Die geſchnitzten Elfenbein:
platten oder Holzitäbchen bildeten entweder allein
den 5. oder fie wurden mit Papier oder Seide über:
ipannt; auf den Stoff wurden dann ornamentale
wie Agürliche Scenen gemalt. Die franz. Induftrie
machte daraus im 18. Jahrh. (f. Fig. 3) einen Gegen:
hand des Luxus und ber feinften Kunſtarbeit in Perl
Fin. 2.
mutter, Elfenbein und Schildkrot, wie aud in Gold,
Silber und anderm Material. Solche F. jind heute
geiuchte und teuer bezahlte Antiquitäten. Nachdem
der F. während der Franzöſiſchen Revolution aus
der Mode gefommen war, wurde er im 19. Jahrh.
wieder in Aufnahme gebradt und ift ſeitdem ein
weſentlicher Beftandteil des eleganten Damenpußes
geblieben. Gegenwärtig bilbet er einen Hauptzweig
der Fabrifation won Galanteriegegenftänden, be
ionders zu Baris. Die gemöbnlicjite jegt verwendete
form in Euro — die Faltfächer (f. Fig. 8,4, 6),
velde auf Geh en von Holz, Elfenbein, Schild:
bs oder Horm in Papier, Seide, Straußenfedern
geitellt werben. Bejonders beliebt find bemalte |
; erlage dazu bildet eine gegerbte Schwa:
Eh bervorragenbe deutiche —
BE Frang, Yalıta er da. ya he —
Schale (19. Jahrh.).
Gebiet der Fäcermalerei find Malart, F. A. von
aulbah, P. Meyerbeim, ©. Bapperis, Ad. von
Medel, Ferd. Keller, Franz Simm, San Ewald
u.a. Bon Japan und Ebina fommen zablloje F.
bei weldyen bemaltes Bapier über einen gefpaltenen
Bambusjtab ausgefpannt ift. Dort find dieje F. in
jedermanns Händen. In Indien fertigt man fie von
alter her in den verfchiedenften Formen, einfach und
auch kojtbar (f. Tafel: Indiſche Kunſt I, ng
und zum Zeil in jehr großen Dimenfionen. — Bal.
©. Blondel, Histoire des &ventails (Bar. 1875);
Frauberger, Die Geſchichte des F. (2 Hefte, Lip.
1878—79); Uzanne, L’&ventail (Bar, 1881); Alt
und neue F. aus der Wettbewerbung und Ausſtel⸗
9
1
—
Mm
nn‘
EI EHER
ET ag
lung N Rarlärube 1891 (69 Taf. in Folio, mit Tert
von Marc Rofenberg, Wien 1892). — fiber ar
im Bogelauge j. Auge.
Fächerflägler, Strepfipteren (Strepsip-
tera), Name einer bödjt merkwürdigen Unter
ordnung der Inſelten, deren Männden mit rubis
mentären zeugen, Heinem Vor: und Mit:
tel-, aber je oßem Hinterbruftringe, kurzen
ftummelförmigen Flügeldeden, großen und breiten,
der Länge nad jaltbaren Hint m kurzen, meift
gabelig re Fühlbörnern verjeben find, wäh:
rend die Mei ungeflügelt find und wurmäbn:
lich erfcheinen. Aus den Eiern, welche dieſe Weibchen
roduzieren, fommen Zaren bervor von ähnlicher
ftalt wie die fog. Silberfifchchen (f. d., Lepisma)
ler auf diefem | und mit Springvermögen auögeftattet; dicjelben
392
find ſehr Hein, fiedeln fi, wie 3. B. die in der
achſte henden Figur dargeftellte Art (Xenos ves-
arum Rossi), bei uns in Europa auf allerlei
ienen: und Wefpenarten (in tropifhen Län:
dern auh auf Ameijen und Schaben) an, wer:
den von bdiejen in deren Brutftätte getragen,
bohren fi bier in eine Larve der betreffenden je
jettenart ein, häuten fih und werden zu fußlojen,
walzenförmigen Maden, die fi auf Koften ._
Wirtes ernähren und im Wachstum mit demfelben
leihen Schritt halten, ſo daß beide Larven zu glei
er Zeit fi verpuppen, wobei der Gaſt ſich mit
einem Körperhinterende zwiſchen die Bauchringel
eines Wirtes bindurh nah außen vordrängt.
ird die Buppe des Wirtes zur Imago, fo wird
es auch die des Schmarogers, aber die durch Para⸗
ſitismus fo hochgradig degenerierten Weibchen blei⸗
ben an Ort und Stelle und werden von den im
Frühling bei Sonnenſchein lebhaft herumſchwär—
menden Männchen begattet. Aus den Eiern, die
im weiblichen Körper allenthalben in großer Zahl
eritreut liegen, entmwideln fih im mütterlichen
eibe felbft die Larven, die dann durch ——
Rohren nah außen auf Blüten und von dieſen auf
die geeigneten Hautflügler und fomit indireft in
das Neft des Wirtes gelangen, oder aber aud
um Neft ſelbſt austrieben und io an die Larven
maden. Eine andere Art, den ſchwarzen F., Sty-
lops aterrimus, zeigt TR Zuchtwahl U (Ge
ihlechtliche Zuchtwahl), ig. 7a und b, beim Ar:
titel Zuchtwahl. Die 5. bilden nur eine Familie, die
Stylopiden, und man nennt mit ihnen bebaftete
Infelten ftolopifiert. Die foftematijche Stellun
der F. ift nod nicht ganz Mar: der Entdeder Roi}
ellte die Tiere zu den Hautflüglern, Lamard zäblt
ie zu den liegen, Gerftäder reiht fie den Nepflüg:
ern an, während Burmeifter, Schaum, Lacordaire
u.a. in ihnen dur Barafitismus umgebilvete Käfer
feben, die aus andern Käferformen mit Hypermeta:
morpbojfe (f. Metamorphofe) hervorgegangen find.
Manches in der te biefer Snfehten, über
die hauptjählih MW. Kirby, K. Th. von Siebold,
Weſtwood u. a. ſchrieben, ift noch lange nidt er:
tannt und fichergeitellt.
Fächerform der Obſtbäume, j. Objtbaum:
formen nebft Tafel, Sig. 8.
Fächerförmige Echichtenftellung, in ber
Veologie eine Stellung der Schichten, die durch
itarle Zufammenpreflung von Scictenfalten in
folge feitlihen, gebirgsbildenden Drudes, alfo ho:
rizontalen Schubes, entſteht. Es fallen dann auf
beiden Seiten einer Centralzone von ältern vertital
itehenden Schichten die jüngern unter die ältern ein.
F. ©. findet ſich öfters in den Alpen, z. B. an den
og. Eentralmafjiven des Montblanc, St. Gotthard,
Fächergewölbe, Baumert, ſ. Gewölbe.
Fächerform — Fachſchulen
Fächerkorallen, wirbelloſe Tiere, ſ. Colente⸗
raten (nebſt Taf. I, Fig. 5) und Oltaltinien.
cherpalme, tropiihe Pflanze, ſ. Corypha;
aud joviel wie Weinpalme (f. Borassus).
Fäcderpapagei (Deroptyus accipitrinus L.),
ein 27 cm langer, etwa 40 cm llafternder Bapageı
von Guayana, Surinam und Rorbbrafilien. Ober:
feite grün, an der Unterfeite find die rot
mit ftablblauem Rande. Die Federn des Hinter:
kopfes und Nadens find verlängert, duntelblutrot
mit blauer Spige und bilden eine aufrichtbare
Krauje. Diejemertwürdige Bapageiform iſt in Tier⸗
gärten noch jebr jelten vertreten.
Fächerſchwänzer, alle lebenden Bögel, weil
ihre Schwanzfedern im Gegenfaß zu denen des aus:
gen Archaeopteryx (j. d.) bei verfürzter
wanzmwirbeljäule fächerförmig angeordnet find.
ächertauben, ſ. Kronentaube.
ächerthor, ſ. Schleuſe.
‚ Fäoheux (fr;., ſpr. fajhöh), ärgerlich, verdrieß⸗
lih, beſchwerlich fallend; fahieren, erzürnen;
ſich fädieren, ärgerlich werden.
—340 ſ. Fachwerk.
achingen, Dorf im Unterlahnkreis des preuß.
Reg.:Bez. Wiesbaden, bei Diez, linls an der Lahn
und an der Linie Oberlabnftein:Weplar der Preuß.
Staatöbahnen, bildet mit dem Dorfe Birlenbad
eine Gemeinde von (1900) 173 meift fath. €. und ift be
kannt durch das 1745 entdedte Fachin ger Waſſer.
Diefes entipringt dicht am Ufer der Lahn in meb:
rern Quellen (jeit 1886 neu gefaßt) und gehört zu den
tärfiten allaliſch-ſaliniſchen Rineralwäſſern Deutſch⸗
ands; es enthält 3,75 Promille doppelttohlenjaures
Natron, hat eine Temperatur von 10° C., einen ange:
nehmen erfriſchenden Geihmad und viel Koblenjäure
(jährliche Verſendung 500 000 Krüge und Flaſchen).
8 wird gebraucht gegen Schleimanhäufungen in
den Unterleibsorganen, gegen Blajentrankbeiten,
Harnfteine, Giht, Magen: und Darmirankbeiten.
Die Brunnenverwaltung ift föniglih. In der Näbe
roße De Ks und Cifenjteingruben von
rupp in Ejjen. Von der Schaumburg ber führt
die Fachinger Eifenbahnbrüde über die Lahn und
jenfeit der Fachinger Tunnel (426 m) nah a. —
Val. Pieifter, Das Mineralmafier von F. (2. Aufl.,
Wiesb. 1894). j
gg iger ſ. Fachſyſtem.
achr al:din al:Räzi, Mohammed ibn’
Omar, aud Ibn al:Chatib genannt, mohammed.
Philoſoph und Theolog, geb. 1149 zu Rajj, geit.
1210 in Herat. Sein größtes und berübmtejtes
Merk ift der große Koranlommentar «Mafätih al-
der vieljeitigfte unter ben vorbandenen
ommentaren, eine wabre Encyllopädie aller auf
diefem Gebiete bis zum 12. Jahrh. — Vor⸗
arbeiten (beſte Ausgabe, 6 Bde., Bulak 1278 der
Hidſchra; nochmals gedrudt ebd. 1289 der Hidſchra).
Fachfchulen, im weitern Sinne im Gegenſeb⸗
zu den Schulen, welche eine allgemeine Bildung be—
weden (mie die Boltsihule, höhere Bürgerjhule,
Realjchule, Oberrealihule, das Realgymnafıum,
Gymnafium), diejenigen Lebranftalten, veren Haupt:
zwed die Ausbildung ihrer Schüler für einen be
ondern Berufäzmweig ift. Sie treten in drei Stus
en auf, die ſich durch Unterrichtäweife und Unter:
richtszweck, durch Aufnabmealter und Kurſusdauer
unterſcheiden.
Die oberſte Stufe er bilden die Hoch—
ſchulen und die meijten der ala Alademien bezeich⸗
Fachſchulen
wen Khranftalten (Bergatademie, Forftalademie
* z8 7 — Sochſchulſtufe haben die Aufgabe, | fhul
haymeige und Kunſte In fördern und
mübeliefern, Die ihrem ſachlichen Gebiete dienen; fie
wollen ihre Schüler zu einer geiftig führenden Stel:
insbejondere für den Staatsvdienft in ihrem
—— machen und fordern mit Ausnahme
ver Runitalademien und der Rönigl. Gemerbeatade:
mie Cbemnig (melde das Freimi igenzeugnis ver:
langt) bei der Aufnahme ven Nachmeiz einer hohern
reinen Bildung, in Deutſchland meiſt das Reife:
Kugnis eines Gumnafiums, Realgymnafiums oder
einer Dberrealichule.
In mannigjachen libergängen erſcheinen die F.
mittlerer Stufe. Sie haben nur das gemein:
jam, daß fie für bevorzugte Stellungen des Be:
rufe, dem fie gewidmet And, vorbereiten, obne ibre
Zöglinge fo lange der praltiichen Erwerbsthätigkeit
entziehen, wie e3 die Hochſchulen teils zum
juete der von ihnen vorausgefesten allgemeinen
Üdung, teils zum Zmede einer umfafjendern fünft:
lerijchen und Beine oftlien Fachbildung tbun
müjjen. In dieje Abteilung der mittlern J. gehören
iele Handelsjhulen (f. d.), die Landwirtichafts:
—— (1. d.),Kunſtgewerbeſchulen (f. d.), Schiff:
abrtäfäulen (f.d.) jowie ferner eine große Zahl ge:
werbliher oder techniſcher Schulen. Dieje techni-
ſchen Schulen der Mitteljtufe treten in zwei Haupt:
ormen auf, die ſich troß mancher Übergänge deut:
ich ausprägen, in der — der höhern Gewerbe:
ſchule Gewerbeſchulen) und einer niedern Form,
zu ber Dee net nd (j. d.) und die —
gewoerlenſchulen (f. d. gehören und zu der man au
i en j. d.) rechnen fann. Die Schulen
böbern Form bilden für leitende Stellungen in
—— und Geſchäftshäuſern vor (Direktoren,
ee), die ber niedern für Werkführer,
Liere u. dgl., an für felbftändige Führung im
— ie lehtern eig ar liber:
gärge zu ‚im engern Sinne (f. unten) und
nnd zum Zeil mit diefen verbunden.
„ Die unterfte Stufe des Fachſchulweſens bilden
die Schulen, welche eine nicht für ausermählte Vo:
jondern für alle jüngern Fachgenoffen be:
i ‚ die praltiſche Ausbildung der Yebrlinge
ergänzende, zum Teil erjegende (val. Lehrwerkſtãt⸗
ten) Sch ng beabjidhtigen, daher auch keine andere
allgemeine Bildung vorausfegen als die der Volks:
ch ule. Hausinduſtrieſchulen oder Handarbeitsſchu⸗
(j. d.) für induſtrielle Zwede wenden fi ſogar
vorwiegend an vollsjhulpflichtige Kinder. Die:
jenigen znge Schulen diefer Stufe, welche ſich
nicht auf einen bejtimmten Berufszweig befhrän:
ſondern eine allgemeine gewerblibe Ausbil:
bung, vor allem im Zeichnen, bezweden, —39
Sewerbliche Fortbildunäsſchulen (ſ. d.),
mandmal, in Baden jogar allgemein, Ge:
hulen. Die andern ‚d. ber untern Stufe
werben als 5. im engern Sinne zufammengefaßt.
So haben 5. B. gewerbliche 5. im Gegenfaß zu den
Fortbildungsiculen die Ausbildung
einen beftimmten Berufszweig im Auge; fie wer:
ben befonbers von Berufsverbänden, Innungen und
®roßinduftriellen erhalten, während die gewerbliche
dortbildungsfhule gewöhnlid von Gemeinden und
einen — wird. Zu den
im ern Sinne gebören die Aderbauſchulen
.d.), erfehulen (j._d.), Gartenbaufchulen
d.), eiereien, die Schulen für Handlungs:
a8
F
393
lebrlinge (ſ. rg die Handarbeits:
en und eine pro e Zahl gewerblicher Lebr:
anftalten, die in folgenden Einzelartiteln behandelt
find: Blecharbeiterihule. Brauerfhulen, Bud:
druderjhulen, Droguiftenfahihulen, Eiſenbabn⸗
ſchulen, Färberei⸗ und Appreturihulen, Fiiherjhu
len, Friſeur⸗ und —— Gaſtwirtſchafts⸗
ſchulen, Gerberſchulen, wehrinduſtrieſchulen,
Glasinduſtrieſchulen, Goldſchmiebſchulen, Gürtler:,
Graveur⸗ und Bronzewarenerzeuger⸗ Fachſchule,
Heizerſchulen, Holzinduſtrieſchulen, —* chlaglehr⸗
anſtalten, Keramiſche Schulen, ——
Konditorfachſchulen, Konfeitionsfachſchulen, Korb:
iechiſchulen Kunfticloilerihulen, Runftitidereifad:
chulen, Kunſttiſchlerſchulen, chmiedeſchulen,
———— —— omotivfuhrerſchulen, ae
chulen, Narmorinduftriejhulen, Mafchinenftider:
Aulen, Mafhinenwärterfhulen, Maſchiniſtenſchu⸗
len, Metalinduftriefhulen, Müllerieulen, Mufit:
inftrumentenbaufchulen, Nähſchulen, Navigations:
ſchulen, nen botograpbier
ulen, — ulen, Bolt ulen, Schiff:
abrtsjhulen, Schleifereifchulen, —
Schmiedefachſchulen, Schneiderſchulen orn⸗
ſteinfegerfachſchulen, Schuhmach achſchulen Sil⸗
berfiligranarbeitenfachſchule, Spielwareninduftrie:
ſchulen, Spinnereiſchulen, Sieinmeßfachſchulen,
Stid: und Schlingſchulen, Strobflehtichulen, Ubr:
macerjhulen, Vergolderſchulen, Webſchulen, Wirk
ſchulen / Zeihenfhulen, Sieglerfhulen, Zuderindws
ftriefhulen. Für Frauenarbeiten —— an einzel:
nen der genannten 5. Mäbchenabteilungen fowie
bejondere Frauenarbeitsſchulen (f. d.).
In Ojterreich werden alle gewerblichen Schulen,
die ſich a Abend: und Sonntagsunterridt be:
ſchränken, ala — Fortbildungsſchulen, alle
andern gewerblichen Lehranſtalten mittlerer und
niederer Stufe als F. in 5* Sinne bezeichnet.
Die oſterreichiſchen F. mittlerer Stufe werden in
öhere und Wertmei —— eingeteilt und die
ereinigung folder Lehranſtalten ala Gewerbeſchule
bezeichnet (ſ. Staatsgewerbeſchulen).
Wenn man von einigen ältern Fachſchulgrun—
dungen, die fich er erhalten haben, abjiebt, fo
dürfte das Königreih Sachſen u Land fein,
welches nicht bloß am eheiten F.
aud dieſelben bis in die neuefte Zeit herein in vor:
züglihitem Maße gefördert hat. An der fräftigen
Entwidlung jo vieler Induſtrien in Sachen find
jevenfalld die F. in hervorragender Weiſe mit
thätig gewejen; auch der Umftand, daß mehrere von
deutſchen Gefamtlorporationen erhaltene und uns
terftüßte hf nah Sachſen — worden * (fo
h . die Ührmader:, Müller:, Drechäler:, erber:,
lecharbeiter⸗, ie GL de jpridht dafür, dag
eſeſſen, ſondern
man allgemein die ſachſ. Verhältniſſe für die Enı:
wicklung von $ als ſehr günſtig anjah. Ebenſo
haben aber auch die Regierungen von Württemberg
und Baden dem Fachſchulweſen forgfame und er:
% reiche Pflege zugewendet, Zögernd und in ver:
ältnismäßig geringem Umfange ijt Preußen bierin
vorgegangen. Seit 1879 ijt nämlich auf Antrag
des Abgeordnetenhauſes (vom 21. Jan. 1879) eine
aus 26 jachverjtändigen Mitgliedern beitebende
jtändige —— eingeſetzt, welche die Aufgabe
bat, die Verwaltung bet wichtigen —— des ger
werblichen und le Schulweſens zu unter
— An ihren Verhandlungen nehmen Kommiſ⸗
are des Minifteriums teil; der Handelsminijter
394
rt den Borfig oder beftimmt den Vorſitzenden.
ad dem Voranſchlage für 1901/2 trägt der Staat
ur Unterftühung folder Anftalten 6874081 M. bei
—— 886 993 im J. 1891/92) und zwar 6430281 M.
an dauernden, 443800 M. an einmaligen und
außerordentlihen Ausgaben. Aud die Gemeinden,
in denen fidh die Anftalten befinden, oder Vereine,
die fie errichtet haben, tragen einen großen Teil
des Unterbalt3. Dazu fommen Zufhüfle für ge:
werbliche Fortbildungsichulen * Fortbildungs⸗
ſchulen in Weſtpreußen und Poſen, Beiträge zur
Ausbildung von Kunft: und andern Handwerkern
und ein für den gewerblichen Unterricht zu verwen:
dender Dispofitionsfonds. Kfterreich, welches mit
einem Schlage und mit mächtigem Anlauf zur He
bung feiner Gewerbe und feiner Induſtrien mit
Fachſchulgründungen Ende der fiebziger Jahre vor:
ing, fann fich eines reichen Erio ges erfreuen.
Frankreich, England und die Vereinigten Staaten
von Amerika haben ihr Fachſchulweſen verſchiedent⸗
liben Reorganifationen unterworfen.
Unfere deutſchen Techniſchen Hochſchulen ent:
ftammen teils dem 18., teils dem 19. Jahrh.
S. Tehniihe Hodihule.) Nachdem dieſeiben aus
einen Anfängen heraus ſich entwidelt batten,
traten an deren Stelle al3 mittlere technifche oder
höhere gemwerblihe Schulen bie Gewerbeſchulen
und Höhern Gewerbeihulen, in Preußen 1830, in
Bayern 1833, in Sachſen 1836 (jeit Mai 1900
Königl. Gemwerbeatademie) u. f. wm. Die Wert:
meiſterſchule zu Ebemnig, die ältejte ihrer Art,
wurde 1855 gegründet. Als Vorläufer der ſpe—
ciellen 5. könnte man die Schulen der Brüder des
emeinjamen Lebens (Ende des 15. Jabrh.) an:
eben. Als wirkliche %. dürften die fhon 1755 in
Öfterreich erijtierenden Spinnſchulen für Handipin-
nerei erwähnt werden, welche infolge der Maſchi—
nenfpinnerei aber wieder eingingen. Alle übrigen
5. entitammen erft dem 19. Jabrb.; jo find die älte⸗
iten ihrer Art gegrinnet worden: Spigentlöppel-
ihulen 1814, Webſchulen 1830, Strobflehtihulen
1836 u. |. w., die meijten fpeciellen F. aber erit in
ven fiebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrh.
Den F., befonders der untern Stufen, fällt eine
bobe joctale Aufgabe zu, deren Erkenntnis fich erſt
in den legten Jahrzehnten ausgebreitet hat. Den
untern Schichten des Volls kann eine ihrer fpä:
tern Zebensaufgabe angemefjene Bildung, ohne fie
dem Ermwerbsleben auf längere Zeit zu entziehen,
nur durch F. zugeführt werden. Aud die wirt:
ſchaftliche Bedeutung des Fachſchulweſens aller
Stufen ift ug; — nicht —— gewürdigt
worden. Die überſchäßung der allgemeinen Bil:
dung, ohne Bezug auf die befondere Lebensſtellung,
wirkte hemmend ein.
Litteratur. Dumreicer, Über die ie
der Unterrihtspolitit im duftrieftaate Oſter⸗
reich (Wien 1881); Schmoller, Das untere und
nrittlere gewerbliche Unterrichtämwejen in Preußen (in
ven «Jabrbüchern für Gejekgebung», Bd. 5 nt
Grotbe, Die —— F. in Europa und Amerika
(in den «Verhandlungen des Bereins zur Beför—
derung des Gewerbefleißed», Berl. 1882); Lüpders,
Denkihriften über die Entwidlung der gewerblichen
5. und ber Fortbildungsſchulen in Preußen wäh—
rend der J. 1879 bis 1890 (ebv. 1891); ebenio
mwäbrend der %. 1891 bis 1895 (ebd. 1896); Sta:
tiftit des Unterrichts⸗ und —— ens im
Königreih Württemberg auf dad Schuljahr 1890/91
Fachſyſtem — Fachwerk
(Stuttg. 1892); Zweiter Bericht über die geſamten
Unterrichts: und Erziebungsanftalten im Königreich
Sadjen (Dresd.1890); Artitel Gewerblicher Unter:
riht im aHandwörterbuch der Staatswiſſenſchaf⸗
ten», Bd. 4 (2. Aufl., Jena 1900); Klimburg, Die
Entwidlung des gewerblichen Unterrihtäwelend in
Öfterreich (Zub, 1900); Deutſchlands Fachſchul⸗
weſen I (Stegliß:Berl. 1902). — Zeitſchrift für
ewerblidyen Unterricht (Lpz. 1886 fg.); Centtal⸗
latt für das gewerbliche Unterrichtäwefen in Oſter⸗
reih (Wien 1883 fg.).
Fachiyftem, im Unterrihtäwefen die Einrid:
tung, daß die Schüler nach ihren Kenntniſſen in den
einzelnen —— in beſondere Lektionsklaſſen
verteilt find, im Gegenſatz zu dem Klafienjvitem,
nad welhem jeder Schüler für alle Unterrichts
egenjtände nah den Gejamtfortichritten derielben
laſſe angebört. Das Fach: oder Lektions ſyſtem, wel:
des, urjprünglic in den Je ——— gebräud:
lid, unter dem Namen des Parallelſyſtems ſich
von den randefhen Stiftungen aus über eine
Reihe — — Gymnaſien eine lang ausgebrei⸗
tet hatte und namentlich auch von den Philanthro⸗
pen gepflegt wurde, bietet den Vorteil dar, daß bei
ihm allein eine genaue Klaſſifikation der üler
mit Rüdfiht auf ihre Anlagen für befondere Yebr:
fäher und auf den Grab ihrer Kenntnis in jedem
einzelnen möglih ift; es bat aber den grofken
Nachteil, daß bei ihın das Ineinandergreifen aller
Lehrobjelte und damit der erziehende Cinfluß des
Unterrichts —— vermindert wird. Aus den
deutſchen Schulen iſt es längſt vollſtändig wie
der verſchwunden; aus den preuß. Gymnaſien
wurde es 1816 durch die allgemeine Unterrichts⸗
verfafjung entfernt.
er Ausdrud F. wird aud für Fachlehrer—
ſyſtem gebraudt. Unter diefem ift diejenige Ein:
rihtung zu veriteben, wonach die verjchiedenen
Unterrihtägegenitände verſchiedenen Lehrern und
zwar Fachmännern anvertraut find. Ihm ftebt das
Klaſſenlehrerſyſtem entgegen, wonad auf jeder
Unterrichtsſtufe oder in jeder Geſamtklaſſe der ganze
Unterricht, oder doch der größte Teil desſelben,
einem einzigen Lehrer übertragen ift. Während das
legtere Syjtem für die niedern Stufen des Unter
richts ausreicht, ijt das Fachlehrerſyſtem in einem
gewiſſen Maße für die höhern Stufen unentbebrlid.
achvereine, j. Gewerkvereine.
achwerk, eine für ländlibe Wohnbäufer und
untergeordnete Gebäude verwendete leichtere Baus
art. Die Fachwerkwände (Fachwände, auch
Riegelwände genannt) werden aus Holzgerüſten
gebildet, deren Zwiſchenräume (Fächer genannt)
mit Mauerwerk oder Holzwerk ausgefüllt werden,
und bejteben aus der Schwelle, den Säulen (Ed:
fäulen, Bundfäulen, auf melde innere Sceite:
wände ftoßen, Zmwifchenjäulen, Thür: und Fenſter⸗
fäulen zur Bildung der Öffnungen in der Man),
Streben, Riegeln und Rahmenholz, auf weldes
die Baltenlage aufgefämmt wird. Auf die lep-
tere wird die Saum:, Sattel: oder Bruftichwelle
elämmt, melde zur Aufnahme der folgenden
Fachwertwand dient. Die gegenjeitige Verbindung
der Hölzer geftieht durch Verzapfung oder auch
Verſatzung bei den Streben. In beiden Fällen
wird die Befeftigung dur hölzerne Nägel bemirtt.
Die umijtebende Sig: 1 zeigt das Gerüft zweier ans
ftoßenden Fachwerlswände mit einer Stodwert&
baltenlage. Die Ausfüllung der Fächer geſchieht
Fachwerk
395
em durch Aus mauerung mit Biegelfteinen oder | oder mit Cementmörtel gepußt. Innere Fachwände
vurd Ausftatung mit Staf: oder Fachholzern von | werben beiberjeit# berohrt und gepußt.
tisgera Stärke und Breite, melde mit Langftroh
und ehm umwickelt in die feitlihen Falze der Holz:
Imftrultionsteile eingetrieben werden. Ofter wer:
ten auh die Fachhölzer noch mittel3 Fachgerten
oder Ruten ſchlangenformig ausgeflobten und dann
-
G
Fig. 1.
beiderfeit3 mit Lehm und Stroh verftrihen. (S. R teit und dadurch geringe und
Flaiberarbeiten.) Damit die Ausmauerung beffern
Halt belommt und beim Zujammentrodnen des
Solzes keine durchgehenden Riſſe entitehen, werben
ar alle Hölzer vreifantige Leijten angenagelt, in
melche die Ziegelſteine, entiprechend ausgellinft, ein
—— Neuerdings hält man die Sicherung durch
ange Nägel, welde 5 bi3 6 cm aus den Verband:
enügend. Außerlich bleibt
bölzern herausſtehen, für
die Holjlonftruftion FX
ierfachwert deforativ auf (ſ. Fig. 2). Bei ſol—
em treten die Holzteile vor die Mauerfläche vor
und werden an ihren Kanten abgefaft und, bamit
das Holzwerk — wird, gefirnißt oder
mit Elfarbe angeitrihen. Das Mauerwert wird
Suterlih nur ausgefugt mit gefärbtem Gementmör:
tel oder e3 mirb mit gebobelten Brettern verkleidet
et und —— als
ie haben
den Vorteil, einer Unterſtützung nicht zu bedürfen,
wenn fie ala jog. aufgebängte oder abgeiprengte
Wände konftruiert werden. Alsdann An in ip
Holztonftruftion ein Hängewerk (f. d.) anzuorbnen,
wodurch fie fich frei tragen. Sollen fie fo leicht als
möglid hergeitellt werben h werben bie Fach⸗
wände aus ſchwachen Riegeln bergeitellt und beiber:
feit3 mit Brettern verſchalt.
Endlich werben nod bei Eishäufern und Ah
lihen Gebäuden bei gear: Fabmwände angemwendet,
welhe durch Riegel miteinander verbunden find
und deren Zwiſchenräume mit jchlecht wärmeleiten«
den Subjtanzen, wie Sägeipäne, Lohe, ausgefüllt
werben.
n neuerer zeit bat man die Fachwerlbauten
aud wieder für Villen und — aufgenom⸗
men und iſt hierbei den prächtigen Beiſpielen bes
ſonders aus dem 16. Jahrh. gefolgt, welche die holz:
reihen Harzitädte, mie — Halberſtadt,
Braunſchweig, aber auch die en boten.
Man bat durh Schnitzen der Schwellen, Ballen:
töpfe, Streben, Säulen und Riegel dem Bau eine
anmutige Geftalt, oft fogar hohen künſtleriſchen
Wert verlieben. Alter ift die Verwendung des Fach⸗
werlbaues im Stil der Echmweizerbäufer, bei dem
da3 F. mit einer Brettverſchalung abwechſelt, deren
einzelne Bretter in oft reicher Weije mit der Laub:
fäge ausgeſchnitten find. .
uh in Eifen hat man F. konjtruiert als fog.
Mände in Eiſenfachwerk. Sie haben den Vorteil
rößter Raums und Materialerſparnis, große Steis
gleichmäßige Be:
lajtung, welche fib auf einzelne Stüßpuntte leicht
übertragen läßt. Sie können leicht transportiert
und fehr fchnell errichtet werben und bieten größte
euerfiherheit und Sicherung gegen Fäulnis und
nfettenfraß. Sie lönnen ähnlich tonjtruiert wer:
den wie die F. in Holz, indem die Schwelle und
die Rahmen aus T= oder I:Eijen, die Säulen
oder Pfoften aus wı= oder mi: Eijen
ebildet merven, welche leßtere in Ent:
ernungen von 1 bis 1,20 m aufge
ftellt werden. Diefe Konitruftionsterle
werden unter fih mit Winteleifen be:
feitigt. Die Verſpannung aus Rund»
eijen, beſſer jedoch aus Bandeiſen, die
an den Enden zum Winkel aufgebogen
teilt die Hauptfächer in Neben:
ächer, welche eine Höbe von etwa 1 m
erhalten follen. Dieje F. werden ent⸗
weder in ganzer Gebäubehöhe mit durch:
— Säulen errichtet, wobei zur
ufnahme der Zwifchendedert L: Eilen
. angeboljt werden, oder es werden die
+ Säulen in den einzelnen Stodwerten
aufeinander gejekt und durch Winfel:
eifen an der Schwelle und dem Rah—
men befejtigt. Die Zwijchendedenbal«
ten ruben alsdann auf dem untern Trägerflantich
der Rahmen auf und werden durch Winkeleiſen an
den Etegen der Träger und Rahmen angelajct.
Man bat aud 5. mit Wellblehausfahung und
olche mit doppelter Wellblechverlleivung konftruiert,
estere dann, wenn es jih um ftrablende Wärme
oder Kälte handelt. Auch mittels Hängewerkes oder
Aufhängung einer folhen Wand nah dem Princip
des Gitterträgers kann man ſolche Eiſenfachwerke
396
als freitragende Wände konjtruieren, deren Stärte
alsdann 6 cm nicht überfchreitet. Über F. als Trä:
gerfonitruftion bei eifernen Brüden ſ. Eifenbrüden.
V — ‚Der Holzbau (3. Aufl. 2Bde., Lpz.
1887); ladbach, Der Schweizer Holzitil (2 Serien,
8. Aufl, ür. 1897); derſ., Die Holzarditeltur der
Scmei 2. Aufl., ebd. 1885); Schäfer, Die Holz:
arditeftur Deutjchlands vom 14. bis 18. Jahrh.
—— 1883 fg.); Lachner, Geſchichte der Holzbau—
in Deutſchland (2 Tle. Lpz. 1885—87); Neu:
meilter, Die Holzarditeltur (Stuttg. 1893—95);
Correll, Deutſche Fachwerlsbauten der Renaiffance
(Berl. 1900 fg.); Birven, Das F. (Hildburgh. 1903).
Fachwerfsmethoden, eine Gruppe von Forit:
einrihtungs: oder Waldertragäregelungsmethoden,
die zur Sicheritellung der Nahbaltigleit des Hieb—
—* (. d.) mit Hilfe eines Wirtſchaftsplans be
immte gleich lang bemefjene Zeiträume, Perioden
äcder), entweder mit annäbernd gleich großen
iebmaffen, oder mit ſolchen Siebflächen oder
mit beiden zugleih ausitatten. Man unter|ceibet
iernach Matt enfahmert (f. Maflenmetboden),
lähenfahmerf (f. Flächenmethoden) und om:
iniertes Syachmert (j. Kombinierte Methoden).
Fachwiſſenſchaft, eine Wifjenihaft, die zur
Erreihung eines bejtimmten Berufs notwendig ift
(Jurispruden;, Medizin u. N m.), im Gent zu
den allgemeinen Wiſſenſchaften. ſchulen.
—* zeichenſchulen, gewerbliche, ſ. Zeichen⸗
acial (lat.), das Geſicht betreffend, z. B. Far
eiallinie, Gefichtslinie.
eiälislähmung, ſ. Gefihtsläbmung.
aolälis nervus (at), Geſichtsnerv oder
mimijcher Nerv, der fiebente Hirnnero, welcher
mit feinen Zweigen ſämtliche mimiſchen Geſichts⸗
musteln verjorgt (f. ®ebirn).
Facies (lat., d. b. Gefiht, Antlik), der petro:
grapbifhe und paläontologiihe Geſamtcharalter
einer geolog. Formation. Da die Verhältniſſe,
unter — aus den Meeren * nämlidhen Zeit
Sedimente, aljo Formationen ablagern, ſehr ver
&biedenartiger Natur find, jo konnte ein und bie
elbe Formation jebr —— F. erhalten.
der Näbe der Küften lagern fi z. B. Sandſteine
ab, während weiter von ihnen entfernt Thone ange:
äuft werden; an manden Stellen bilden fi Kalt:
einlager aus Muſchel- und Schnedengebäufen,
während anderswo Korallenriffe emporwachſen.
Viele Tiere im Meere find aber abhängig von der
Beicaffenheit des Meeresbodens: verjchiedene,
gleiinettio gebildete Sedimente werden aljo die
eſte einer wenigftend zum Teil abweichenden Fauna
beherbergen. Die Factesverbältniffe der Formation
erichweren das Studium der legtern bedeutend, doch
richtet die Geologie jeßt mehr noch wie früber ihr
Augenmerk — Am belanntejten ift die alpine
R4 die zufammenfafjende Bezeihnung aller in den
(pen und in andern, füdlichern Gebieten Europas
vorlommenden Abweichungen von der in Mittel:
europa zue —— und deshalb als normal
geltenden Ausbildungsweiſe der geolog. Forma—
tionen, Geſicht.
Facies Hippooratica, ſ. Hippokratiſches
Facil (vom lat.faelle), leicht (zu tbun), umgäng:
lich, leutfelig; Facilität, Leichtigkeit, Gefälligkeit,
Umgänglicteit, Leutſeligkeit.
— J. Facil.
acilletlein (vom ital. fazzoletto), Name des
im 16. Jabrb. von Stalien und Frantreih aus in
Fachwerksmethoden — Fackeltanz
Mode gelommenen Taſchentuchs, mit dem beſon⸗
ders bei Brautgeichenten ſolcher Luxus getrieben
wurde, daß man ihn gejeglich zu beſchränken fuchte.
Faclo ut des (lat.), «ich tbue oder made
ſetwas), damit bu (dafür etwas) giebft», eine der
— durch welche nach röm. Rechte ein ſog.
nnominat-Realvertrag (f. Contractus) zu ftande
tam. Ob diefe Form, wie die übrigen Üracio ut
facias, do ut facias, do ut des), in allen Fällen
oder nur bei dolus des Bellagten Elagbar ſei, war
bei den Römern beftritten.
Facit (lat.,d. b. e8 macht), Ergebnis einer Red:
nung, dann überhaupt foviel ala Nejultat, Erfolg.
Facit in tio versum (lat.), «die Ent:
rüftung macht den Dichter» (eigentlich «den Verse),
d. b. giebt Anlaß als (fatir.) Dichter aufzutreten,
Eitat aus Juvenals «Satiren» (1, 79).
Facius, Friedr. Wilh., Stein: und Stempel:
ſchneider, geb. 1764 zu Greiz, fam 1788 nad Weimar
und ftarb dort ald Profeſſor und Hofmedailleur
4. Mai 1843. F. erfand eine dauerhafte Maſſe für
Stuccaturen und eine Metbode, Medaillenftempel zu
bärten. Unter feinen Medaillen find Bildniſſe von
Goethe, Schiller, Mieland —— Karl Auguſt
u. ſ. w. — Auch ſeine Toter ngelilta, geb.
14. Dit. 1806 zu Weimar, geft. 17. April 1887 da:
felbft, war eine ausgezeichnete Stempel: und Stein:
fchneiderin, Sie fchnitt die Medaille zum Jubiläum
des Großherzogs Karl Wagen (1825), die unter
Rauchs Leitung vollendete Medaille auf den Top
diefes Fürſten und fertigte viele e in Gips.
5 eldiftel, Pflanzengattung, |. Opuntia.
adellauf (grieb. Yampadebromia), ein in
Altgriehenland, bejonders aber zu Atben beliebter,
zu Ehren der Feuergötter an den PBanatbenäen,
Hepbäfteen, Prometheen, am Feſte des Ban und
der Artemis Bendis abgehaltener nächtlicher Wett:
lauf zu Fuß und fpäter au zu Roß mit brennen
den Ba eln, wobei e8 darauf anlam, dieſe unaus«
geldöiht an das Ziel zu bringen. Wer dies zuerft
erreichte, mar Sieger.
Fackeln, freibrennende, aus Hola, Holz und
Werg, das gewöhnlich noch mit Pech überzogen ift,
ober andern Stoffen beitebende, zu Leuchtzweden
befonders im Freien dienende Körper. F. waren
—— im Altertum gebräuchlich, ſowohl bei feit-
iben Fadelläufen und -Tänzen wie bei Leichen⸗
begängnijjen und den Hochzeitsfeierlichleiten ver
Griehen und Römer, die damit endigten, daß die
Neuvermäblte in das Haus des Gatten geführt
wurde, wobei ein Nüngling, der ben —— vor⸗
ſtellte, mit der Fadel voranging. Der Genius des
Todes wird mit geſenkter Fadel dargeſtellt. Auch war
fie das Attribut mebrerer Göttinnen, wie der Pros
jerpina, Demeter und Atbene fowie des Hymen, in
der Jlonograpbie der chriſtl. Heiligen, des Chryſan⸗
thus, Dominicus, Theodorus von Tyra, Theodotus,
der Eutropia u.a. Noch jekt bedient man fich der
3. bei feitlihen Aufzügen, feterlihen Leihenbegäng:
niflen ſowie zu Signalen u. |. w. (S. Yadeltanz
und Yyadelzüge.)
Sadeltanz, ein jhon im Altertum gebräud:
licher eig AA: Tanz, bei dem die männ:
lihen Tänzer Wachsfadeln tragen. kr war er
bei VBermäblungen fürjtliher und felbjt bürgerlicber
Perſonen fehr üblib, au fügte man ihn Turnier
feftlichleiten an. Albrecht Dürer hat einen F. dar
geitellt. Bei Vermählung eines Gliedes der loniglich
preuß. Familie wird noch jept regelmäßig ein F.
Tadeltelegraphen — Faden (Längenmaß)
sgalten, der den Schluß der Feſtlichleiten des
———— bildet. Die Ceremonie hierbei iſt
olgende. achdem ſich der Hof am Throne im
daldtteiſe aufgeſtellt hat, beginnen bei den Rlän:
gen einer entiprechenden Muſik und unter Vortritt
des Dberbofmarfjchalls zwölf Bagen (früher zwoif
Etaatdminifter) paarmweije, in der Hand Wade:
krgen tragend, den Umgang im Saal, dem ſich
das neupermäblte Baar anjhließt. Nachdem ein
Rundgang vollendet, nähert ſich die Braut dem
König, ihn zu einem gleichen Umgange auffordernd.
It diefer beendet, jo geidieht ein Gleiches der
Reihe nah mit allen vom Throne rechts ſtehenden
töniglihen und andern Bringen. Hierauf beginnt
der Hundgang des Bräutigams mit der Königin
und den auf der linten Seite des Thrones ftehenden
Brinzeſſinnen in entſprechender Weiſe. Bei allen
dieſen Umzügen ſchreiten die Bagen voran, die bei
Beendigung des F. mit den Fadeln dem neuver-
mäblten Paare in feine Gemäder voranleuchten.
Dieyerbeer u. a. Komponiften haben bejonvere Ge:
wegenbeitämufil diejes Namens komponiert. — Bal.
Raumer, Der 5. bei hoben VBermäblungen im
föniglih preuß. furbrandenb. Haufe (Berl. 1854).
— —— ſ. Optiſche Telegraphen.
ckelzũge, ſchon im Altertum bei gewiſſen
Ben üblich, fanden in der alten hriftl. Kirche am
terjonnabend ftatt, als Sinnbild dafür, daß dem
Ebriiiten die Nacht der Trübjal und des Todes von
dem Lichte der Hoffnung durdleuchtet ift. Jetzt wer:
den F. meijt zu Ehren einer Perſon oder zum An-
denden an ein wichtiges Ereignis veranftaltet. In
Deutihland find jie rei bei der alademijchen
Jugend gebräuhlih zu Ehren des Landesherrn,
eines Univerfitätädocenten, an patriotijchen Feſt—
tagen u. dal.
Garen! „‚Ipr. faßöng), Form, Äußeres Anſehen
vor etwas; Art und Weije; Yebensart, in der Mehr:
zahl ſoviel wie Umftände, die man madt; sans fa-
sons (fpr. Bang faböng), ohne Umftände; Fagon de
parler (ipr. -leb), bloße Rebensart.
narrak, ſ. Jaconcognac.
oucoguac ſftʒ./ſpr.faßong· Nachahmungen
des Cognacs (j. d.), die zu billigem Preiſe unter dem
Namen des echten Produkts verkauft werden. Die
Herſtellung diejer Fälſchungen geſchieht meift dur
een non gemöhnlichem Sprit mit Ejjenzen und
ungömitteln; in jeltenern Fällen findet aud) eine
mi g dieſer Nahahmungen mit mehr oder
meniger großen Mengen der natürliben Produkte
ftatt. In ebenderjelben Weife werden Fasonarrat
und Faconrum bergeitellt. — Dal. Sell, Über
‚Rum und Arrat (Berl. 1891).
roudraht, |. Draht.
oudrehbanf (ipr.fahöng-) oder Schablo:
nendrebbant, eine Drebbant, die zur —
einer großen Zahl gleicher Stüde dient. Auf F.
werben namentlich Tiſch⸗ und Stuhlfüße, Schaufel:
iele, — — Faßſpunde, Knöpfe u. j. w.
eitellt.
oneifen (ipr. faböng-), ſ. Walzeifen.
snerie (fr3., ſpr. fabonn’rib), das Modeln,
Blümen des Zeugs; faconnieren, muſtern;
faconniert, gemujtert, geblumt; $aconneur
(unfranzöfiih, ſor. fabonnöbr), Muſtermacher.
gonniermafchinen (fpr. faß-), j. Ropier:
ma
snierte Stoffe (jpr. fah-), ſ. Bildgewebe.
onnudeln (pr. jaböng-), ſ. Teigwaren,
397
agonrum, ſ. Zaconcognac und Rum.
aconftähle (ipr. —5 ſ. Drehſtahl.
arontwweine (pr. a öng) aus Waſſer, reinem
Spiritus, Zuder, Farb⸗ und Riechſtoffen dargeitellte
Amitationen füdl. Weine. Am häufigſten End es
dachahmungen von Malaga⸗, Zered: und Portwein,
die al3 F. in den Handel fommen.
acfimile, ſ. Fatjimile.
et..., Wörter, die man bier vermißt, find
unter alt... aufzufuchen.
F'aota, j. Factum.
Faotitiva (lat., zu ergänzen verba), j. Berbum.
Factory weight (engl., ipr. fädtöri weht), ſ.
Faktoreigewicht.
Faotum (lat., Mehrzahl Facta), das Gethane,
That, Thatſache (ſ. d.), Begebenheit; ipso facto,
eigenmächtig (ſ. De facto); Facta communia, Hand—
lungen, die mit Einwilligung des Klägers und Be:
Hagten vorgenommen werden; Facta concluden-
tia, Thatſachen, aus denen ſich etwas ficher ergiebt;
Facta loquuntur, Thatſachen reden; Facti ignoran-
tia non nocet, j. Ignorantia juris nocet.
Facultas (lat.), Fäbi keit, Befähigung; F.
docendi, Lebrbefäbigung, ————— zum Lehr⸗
amt; Examen pro facultäte ne Yeane in
betreif der Befähigung zum (höhern) Unterricht.
(S. Fakultät.) j
Fad, Flüſſigkeitsmaß, ſ. Fuder. bernheit.
Fadaife frz. ſpr. dähſſ), Abgeſchmadtheit, Al
Fada⸗n-Gurma, Ort in Gurma (ſ. d.).
—8 ſ. Fädlein.
Fadda, der ägypt. Para (f. d.). d.).
Faddejew⸗-Juſel, eine der Neufibiriichen Inſeln
Fadéjew, Raftiflam Anpdrejewitich, ruſſ. Gene:
al und Militärſchriftſteller, geb. 1824, J 1850
—68 an den Kämpfen im Kaukaſus, dazwiſchen
1853—56 an der Verteidigung von Sewaſtopol teil.
1877 beteiligte er jih an der Belagerung Antivaris.
Er ftarb 12. Yan. 1884 (31. Dez. 1883) in Odeſſa.
3. ift am meijten befannt durch jein Wert «Die ruf].
rieggmaht» (Most. 1868; deutſch Lpz. 1870)
fowie die fih daran anſchließende «Anficht über die
orient. Frage» (Petersb. 1870; deutih in F.s
«Neueften Schriften», Tefhen 1871), worin bie
nichtung Oſterreichs als gr Fig einer Löjung
der Drientalifchen Frage im rufj.jlam. Sinne hinge⸗
ken wird. In Übereinjtimmung mit dem Feldmar⸗
all Barjatinſtij, deſſen Adjutant F. war, jchrieb er
mebrereö gegen die Reformen des Kriegsminiſters
Miljutin; ferner jhrieb er «Sechzig Jahre aus den
Kaukaſuskriegen» (ruffiih, Tiflis 1860), «Briefe
aus dem Kaufajus» (ruſſiſch, Vetersb. 1865),
«Meine Anficht über die oriental. frage» (ebd. 1870)
und bejonders —— über die gegenwärtige Lage
Nußlands» (anonym), die zuerjt in Peipzig (ru \ ch
und deutſch 1881), dann in Petersburg (rufjiich) in
mebrern Auflagen erjchienen. 5.8 gefammelte Werte
(4 Tle. in 2 Bon., Vetersb. 1890) wurden mit feiner
Biographie herausgegeben.
eg ‚1. Neuſibiriſche Inſeln.
aden (in älterer Form Fadem), urſprünglich
ſo viel, als ein Mann mit ausgeſtredten Armen
umfangen kann, ein Längenmaß, das im allgemeinen
der für andere Zwede üblich geweſenen Klafter (f.d.)
oder dem im Bergweſen gebräuchlich geweſenen
Lachter (ſ. d.) entſpricht. Früher war der bei den
ſeefahrenden Nationen das Maß zur Beſtimmung
der Tiefe des Fahrwaſſers, des Tiefgangs der Schiffe
und der Länge des Tauwerks ſowie zur Meſſung
398
der Entfernungen auf See und an den Küſten
(1 Cable). Der engliihe 5. (Fathom), der ver: |
reitetite von allen und auch als Bergwerlsmaß
Faden (Gejpinittaden) — Fadengebilde
—— der F. von Hand unter Anwendung der ein⸗
achſten Werkzeuge (Stridnadel, Hälelnadel, Näb:
nadel) erſolgt, wird bier auf die reiche Fachlitteratur
geltend, mißt 1,8288 m, der feit 1870 nicht mebr | für weibliche Handarbeiten (5.8. auf das Bud von
erlaubte niederländifche F. (Vadem, Vaam) von
6 alten Amſterdamer Fuß ift = 1,0988, der franzb⸗
fiihe (die Brajfe) von 5 alten Pariſer Fuß= 1,6242,
der ſpaniſche bie Braza, der Eſtado oder bie
Toeja) von 2 fpan. Varas oder 6 Fuß = 1,erıs,
der portugiefifche (dieBraca) von 2 portug. Varas
oder 6 Juß=2,3, der däniſche (Favn) von 6 Fuß⸗
1,8851 (dem frübern preußiſchen F. gleich), der ſchwe—
diſche (Fammn) von 6 Fuß = 1,151 m. Der ruſſiſche
F. (die Saſchen) bat 7 rufl. oder engl. Fuß =
2,1336 m. Der frühere preußiiche $. von 6 Fuß war
= 1,s83ı ni. An mehrern deutſchen Orten war vor
der Einführung des jegigen metrijhen Syſtems der
$ aud ein — von 6 Fuß Höhe und
reite; in Dänemark ift er noch jekt ein ſolches und
(bei 2 Fuß Sceitlänge) = 72 dän, oder frübern
preuß. Kubilfuß = 2,2359 cbm oder Ster; beim
«Walpdmah» aber 69, Fuß hoch und breit und (bei
2 Fuß Sceitlänge) = 84, Kubikfuß = 2,8124 cbm
oder Ster; aud in Schweden war ber F. bis 1883
Brennholzmaß, und er hatte jeit 1863 dort 8 Fuß
Höbe, 6 Fuß Breite und 3 Fuß Sceitlänge, alfo
144 Rubiljuß = 3,7889 cbm oder Ster Inhalt, wäb:
rend vorher die Scheitlänge entweder 3 oder 2", Fuß
war. Als Garnmaß ilt der F. die Länge eines
Hafpelumfangs (j. Garn), aljo jehr verſchieden;
eine Anzabl F. bildet ein Gebinpe (f. d.).
rd (Geipinjtfaden), |. Faſergebilde.
aden, in der Heraldikein Balten (f. d.), Schräg:
balten oder Piabl (f. d.) von nur balber Breite,
Die Stelle des Ballen nimmt der Querfaden,
die des Schrägbaltens der Schrägfaden, die des
Brables der Biabliaden oder Stab ein; an
Stelle des Kreuzes tritt der Kreuzfaden.
Fadenalgen, Algen, deren Zellen in Fäden ver:
einigt jind; % nebören verfchiedenen Gruppen, zu:
meitt aber den Ebloropbyceen (f. d.) an.
adenantritte, |. Fadenkreuz.
adenbafterien, |. Bakteriologie.
adenbällchen, ſ. Fadengebilde.
adengebilde, die aus biegſamen fadenförmi—
gen Elementen zujammengefügten Kunſtprodulte.
er Umfang des mit ne Mort bezeichneten
Begriffs iſt fo groß, daß es ſchwer iſt, eine
irgendwie erſchöpfende Überficht zu geben; in den
jr allerhand Abſichten bergeitellten Verbindungen
— Fäden ſpiegelt ſich die Beweglichkeit und
lombinatoriſche Kraft des menjchlihen Geiftes wie
die Gejhidlichleit der menſchlichen Hand wider.
Während bei den fadenförmig:biegjamen Körpern,
die als Rohmaterial vorausgejekt werden, die Länge
überwiegt, kann bei den F. — das gleiche Ver⸗
haltnis vorliegen (Schnüre, Litzen, Seile,
Taue), als aud ein Jurüdtreten nur einer Dimen-
fion (Geflebte, Gewebe, Netze, Spißen), ala
auch eine gleibmäßige Ausdehnung nad allen drei
Dimenfionen vorliegen (Fadenbälldben, Trod—
deln, Quajften). Bon den jo zu bildenden drei
Hauptarten der F. find die nach ziwei Dimenfionen
er ausgedehnten (flädenartigen) von der größten
edeutung und Mannigfaltigleit; fie find dem
Menſchen als unmittelbare und mittelbare Schutz⸗
büllen gegen Kälte und Unwetter unentbehrlich ge:
worden und haben durch ihre fünitlerifhen Formen
eine große äftbetifche Bedeutung. Inſoweit die Her-
Thereſe de Dillmont, «Encytlopädie der weiblichen
Handarbeiten», Domad) 1887) zu verweijen fein.
Diejenigen en wichtigern F., deren Her:
ne: auf Maſchinen erfolgt, betradtet man be-
ufs Einteilung in erfter Linie jo, daß ausſchließ—
lih der Zmwed des gleihmäßigen Zufammenbalt:
ber vereinigten rg pin an Elemente ins Auge
gefaßt wird, daber ein figurenfreies gleihmäßiges
usjeben der Oberflächen ſich ergiebt. Auch wenn
man ſich bier nur auf die fog. Zegumente, die
zur Umbüllung geeigneten 5. beihräntt, ergiebt ſich
nad ber — rt der Fadenverbindung ſchon
eine ziemliche Mannigfaltigkeit.
Die dauernde en vieler Fäden kann er
olgen a. durh Zufammentleben, b. dvurd Ber:
hränten, c. durh Berzwirnen, d. burd Ber:
hlingen, e. durh Bertnoten; dabei können
zur Vereinigung gelangen: a. ein Fadenbündel
oder eine Fabenreibe, B. eine Fabenfolge, y. eine
Fadenreihe nebft einer Fadenfolge, 3. zwei Faden⸗
reihen mit einer Fadenſolge, e. eine Fadenteihe mit
zwei Fadenfolgen. Bon den hiernach mögli
25 Arten ungemufterter 3. find jedoch zur Zeit nur
11 von praftifcher Bedeutung. .
Das Zuſammenkleben, die Verwendung einer
beim Trodnen erhärtenden Schlichte, liegt vor bei
dem fog. Baftband (j. d.), das Verzwirnen bei
dem Näbzmwirn, dem Stridgarn, der Cordo—
netjeide, ven Shnüren, Bindfäden, Seilen
und Tauen; als ein Sonderfall des Verzwirnen?
fann das Umſpinnen oder Blattieren eines Rem:
fadens mit einem Dedfaden angejehen werben, das
die Gimpe oder die plattierte Schnur liefert.
Das wechſelnde Verſchränken einer Fadenreibe
und einer Fadenfolge (oder einer Folge von Faden⸗
lagen) führt zu ven Geweben (Fig. 1), das gejeh-
2
—
Fig. 2.
DD
Big. 1.
mäßig durchgeführte Verſchränken von zwei Faden:
folgen zu dem flachen (Fig. 2) oder runden (ſchlauch
artigen) Geflecht; der Zujammenhalt der ver:
Ihräntten Fäden, ihr Wivderftand gegen das Her
ausgleiten tft bier die Folge der wellenförmigen Gr-
italtung, welde anzunehmen die Fäden ſich gegen:
ti jwingen, und ver hierdurch bervorgerufenen
iegungselafticität, die an allen Kreuzungsitellen
eine gewifje Reibung veranlaßt; diefe Reibung wird
um jo größer, je dichter die Fäden aneinander ge:
drüdt werden. Wird bei den Geweben die Faden»
reihe nf einer Eylinderflähe angeorbnet und bie
Fadenfolge dur einen Faden erjegt, der in ſchrau⸗
Fadengebilde
en Windungen auf derſelben Cylinderfläche
‚ oder bilden bei den Geflechten die beiden
olgen ſich kreuzende Schraubenlinien, fo ent:
et das ſchlauchartige —— oder Hohlge⸗
eht. Laßt man die wechjelnde Verſchränkung der
äden nah andern Gefepen, als in Sig. 1 u. 2
angennmmen wurde, erfolgen, verwendet man z.B.
Kperbinbung ftatt Reinwandbindun ‚jo tritt eine
andere Berteilung der zu den beiden Fadenſyſtemen
verwendeten Diaterialien auf den beiden Seiten des
ae
gewifie Fläche kommenden Berfchräntungen und
damit die Art des Anfüblens, die Weichbeit, der
Griff, geändert.
Läht man bei einer Fadenreibe die Verzwirnung
in der Weife Durchführen, daß jeder Faden abwech—
ſelnd mit feinem Nachbar zur Rechten und zur Zins
ten vereinigt wird, fo entitebt eine Ware (Ketten:
gaze, Mechlinet, Drebergeflect, Fig. 3), bei
>
—
—
Be
Fig. 3. Fig. 4.
welcher die Unverſchieblichleit der Fäden auch ſchon
dann gut geſichert iſt, wenn bie Fäden größere
Zwiſchenrãume (rhombijhe — umſchließen;
denn bei der ſchraubenlinigen Berührung der Fäden:
paare an den Vereinigungsitellen tritt die gleitende
Heibung, die ſich bei einer Berjhiebung eines De
dens gegen ben andern einftellt, in Form der Um:
fangereibung auf, die mit ber Länge ber berübrten
Linien fehr raſch anwachſt.
Wendet man das Mittel der Verzwirnung in
ſo lcher Art an, daß eine Fadenfolge mit zwei Faden:
reiben vereinigt werden, jo entitebt die nad der
Heinafiat. Stadt Gaza genannte Gaze (Dreber,
Fig.4), ein durchſichtiges F., das, vorzugämeife in
Rohſeide bergeitellt, ſowohl
techniſchen als auch künſtle⸗
riſchen Zwecken dient; ſeine
Herſtellung iſt noch auf dem
ewöhnlihen Webſtuhl mög:
ich, wenn nur an Stelle des
gewöhnlichen Geſchirrs eine
abgeänderte Fachbildungs⸗
vorrihtung eingefügt wird,
welche die regelmäßige Ver:
jwirnung der paarweife ans
geordneten Kettenfäden nad
dem Eintragen jedes Schuß:
fadens bewirkt. Der Dre
bungsfinn der aufeinander
folgenden Verzwirnungen ift
bier abwechſelnd rechts und
\/
@
Ä\
N,
y
Sig. 5.
e3 ein, auch wird die Zabl der auf eine |
399
benreibe und zwei fchrägverlaufende Fadenfolgen
unter Anwendung gleidhjinniger Verzwirnung ver:
einigt find, dergeftalt, daß bei gleihmäßiger An:
ipannung der Ware nad den beiden Hauptrichtun⸗
en ein Mares durchſichtiges F. mit jechsediger Zel-
enform zu ftande fommt, einer Form, die ſich als
febr beitandfäbig ermweiit (f. Bobbinnet).
Eine bemertenswerte Stellung unter den F. neh—
men die Wirkwaren (Fig. 6, 7) ein, bei denen auf
PL
Fig. 6. Big. 7.
I
‚dem Wege des Stridend, Hälelns, Wirtens eine
| $adenfolge (Sig: 6) oder eine Fadenreihe (Fig. 7'
durch Scleifenbildung und Verſchlingung der ent:
ftandenen Maſchen vereinigt wird; diefe Maſchen,
die fich gegenfeitig ftüßen, vertragen eine erhebliche
Formänderung und gegenjeitige Verſchiebung, wo»
mit die Fähigkeit diejer F., ſich bei ihrer Verwen⸗
dung als Körperhüllen leiht den verjchiedenen Ges
ftaltungen des menſchlichen Körpers anzupaſſen,
—— Das Verſchlingen einer in
I ge oder einer Folge von —— oder von
chraubenlinig verlaufenden Fadenwindungen ges
ſchieht mit den von der Hand geführten Stricknadeln
oder mittels der Stridmajhine, mit dem flachen
Kulierſtuhl oder dem Rundkulierſtuhl (daher Strid:
ware, Kulierware, gi. 6), das Verſchlingen
einer Fadenreihe auf dem ettenwirkſtuhl (daher Ket⸗
tenwirtwaren, Fig. 7). Näheres ſ. Wirkwaren.
Die zuverläſſigſte Unverſchiebbarkeit der vereinig⸗
ten Fäden, wie fie für Fiſchernetze, ——
u. dgl. erwünjct iſt, erlangt man durch Verknoten
einer gubenfolge oder einer Folge von Fadenlagen
(Filetware, Negmwert, Fig. 8) oder einer Faden⸗
reibe mit einer Fadenfolge (auf Maſchinen hergeſtell⸗
tes Fiſcherneß, Fig. 9); die hierbei angewendeten
Big. 9.
fine, Eine gleibjinnige Verzwirnung liegt jedoch | Knoten, die in der Figur offen dargeftellt find, müſ—
vor bei dem Spisengrund oder Bobbinnet | jen natürlich von ſolcher Art jein, daß fie ih durch
ig. 5), in welchem mittels bejowderer ganz jelbit- | einen Zug in jeder der beiden Richtungen, die durch
tiger Maſchinen (Zwirnwebmaſchinen) eine Fas | die vereinigten Fadenlagen gegeben find, fliegen
400
Czuſchlieren⸗ in der Sprade der Schiffer); die Tech:
nit verfügt über eine große Auswahl hierzu geeig:
neter Anoten.
Unter Zugrundelegung der bier dargeſtellten
—— von ungemuſterten F., deren Zahl durch
ariieren gewiſſer naheliegender Momente leicht
vergrößert werben könnte, fann man ohne Schwie-
rigleit zum Berftändnis der gemufterten 5. gelan-
gen, deren mögliche Zahl ins Unendliche anjteigt,
wenn man bedenkt, daß nicht nur form und Ans
orbnnung der Mujter, jondern aud die Auswahl der
abenverbindung für Grund und Figur freijtebt;
ebt man nod * von den Muſterungen ab, die
diglich durch Farbenunterſchiede bedingt find (be
drudte 4 Ay iſt erfihtlih, daß in jedem flächen:
artigen F. ——— zu ſtande kommen kon⸗
nen, indem man innerhalb der Grenzen vorgeſchrie⸗
bener Figuren eine andere Fadenverbindung benukt,
als außerhalb dieſer Grenzen, im be: Fond. Zur
Löfung der bier angedeuteten Aufgabe find höchſt
—— Einrichtungen erfunden worden, wie das
acquardgetriebe, der Rapportapparat u. dal.
Die größte Mannigfaltigkeit in der Heritellung
gemujterter F. ift bei den Spigen (ſ. d.) erreicht
worden, bei denen dad Streben nad Verzierung bis
auf die Ausgeftaltung der Ränder ausgedehnt wurde.
Eine reichhaltige Art von F. entſteht dur das Auf:
von Figuren auf icon fertige flächenartige
„durch Cintnüpfen eines fammetartigen Flors,
durh Aufnäben befonders bergeitellter Stoff:
ausſchnitte. (S. Stiderei, Teppiche, Applitations:
arbeit.) Gewilje Arten ſolcher F. lönnen auf be
fonderd eingerichteten Webmaſchinen gleichzeitig
mit dem Grundgemebe bergeftellt werben. (S. Bro:
ſchieren, Teppiche.) — Die Heritellung von F., die
nad mebr ala * Dimenſionen erheblich ausge:
dehnt find, iſt Aufgabe ver Bofamenterie ff. d.).
adenglas, verzierte Glas, ſ. Millefiori.
adeugras, Pflanze, j. Eſparto.
enflee, ſ. Rlee.
enfreuz und Fadeunetz. Um bei der Ver:
bindung des rohrs mit einem Meßinftrument
die genaue Viſierung eines Dbjeltö zu ermöglichen,
find im Brennpunkte des Objeltivs zwei ſich unter
rehtem Winkel ſchneidende Fäden, ein Faden—
kreuz, ausgeipannt. Sobald ein Objelt mit dem
Kreuzungspuntt diefer Fäden zur Dedung gebracht
wirb, befindet es ſich in einer Richtung, die durch
biefen Kreuzungspunlt und den optiſchen Mittel:
unkt des gang Ser gebt. Der Träger des
denktreuzes ift eine Metallplatte, die Fädenplatte,
die fo mit dem rohr verbunden ift, daß fie jent:
recht zu feiner Achſe jtebt und durch Korreltions⸗
vorrihtungen genau in den Brennpunkt gebradt
werden fann. Daß der Kreuzungspunkt der Fäden
mit der optiſchen Achſe jelbit zufammenfällt, ift
nicht gerade ftreng — Die Verbindungs⸗
linie Peer ihm und der Übjeltiomitte beißt die
ber inie oder Kollimationslinie. Den
einen Faden jtellt man re ſenkrecht, fo
daß der andere horizontal liegt. Beim Bafjagen-
inftrument * (abgeſehen von den Inſtrumen⸗
talfehlern, ſ. d.) der erſtere Faden dann mit dem
Meridian zuſammen; man begnügt ſich beim
— — aber nicht mit einem einzigen
Vertilalfaden, ſondern ſpannt deren eine größere
ah auf der Fadenplatte auf, ein Fadennetz,
in Bezug auf welches man die Durchgangszeiten ber
Sterne, die yadenantritte, beobabtet. Da man
Fadenglas — Fadenmikrometer
in der Lage iſt, durch Rechnung die Antritte an die
Seitenfäden auf den Mittelfaden zu reduzieren, fo
vervielfältigt man fo die Beobachtung und erböbt
die Genauigleit. Auch in den Fadenmikrometern
(f. d.) find häufig komplizierte ‚Jadennepe einge:
zogen. — Als Material für die yäden benust man
jeßt gewöhnlich Spinnefäden. Wegen der größern
altbarleit find aber auch, namentlich bei kleinern
nitrumenten, dünne Glasplatten mit eingerikten
trihen in Gebraub.
— da j. Wirkwaren.
adenmifrometer oder Shraubenmilro:
meter, bas in der Witronomie gebräuchlichſte
Milrometer (f. d.), bei dem die Ausmeffung der im
Brennpunfte abgebildeten Gegenftände vermittelft
eine® durch eine Milrometerihraube bemegten
Spinnefadens erfolgt. Zrinerbalb eines Rahmens
a8 (j. die nachſtehende Figur) ift ein zweiter Rahmen
Il durch eine Mitrometerjchraube SS ftetig ver:
fhiebbar. Der Kopf TT der Schraube, die SStau⸗
bentrommel, ift in 100 gleiche Zeile geteilt. Die
jeweilige Stellung der Trommel wird durch den mit
dem Rahmen aa fejt verbundenen Inder ii martiert.
Die Zabl der ganzen Umdrebungen, um die 11 ver:
ſchoben wird, giebt die mit 11 fejt verbundene Stala
cc durch ihre Stellung gegen den Nullpunlt o an
ff find Spiralfedern, die der Herabbeweguna de⸗
Rahmens 11 dur die Schraube entaegenmirten
und denjelben immer ge en die Schraube prefien.
Auf jedem der beiden J find Spinnefäden in
der in der Figur angedeuteten Weiſe ausgeipannt:
die Anordnung und Zahl der Fäden ijt bei den
einzelnen 5. ſehr verſchieden, nur ift ftet3 Sorae
bafür zu tragen, daß die Ebenen beider Fabeniyiteme
einander fo nahe ald möglich liegen. Der ganze
Apparat tft mit einem parallaktiſch aufgeftellten
Fernrohr fo verbunden, dab
die Ebene der Spinnefäden
in die gemeinfame Brenn-
ebene von Dbjeltiv und
Dfular fällt. Außerdem
fann das F. um die Achſe
bes Fernrohrs beliebig ge:
dreht werden, jo daß die Fä⸗
den jede beliebige Tage
gegen den durch die Objel:
tiomitte gehenden Dellina:
tionsfreiß annehmen fön-
nen. Die jeweilige Lage
derſelben giebt ein mit dem
Fernrohr feit verbunbener
geteilter Kreis, der Poſitionskreis, an. Soll mit
dem 5. die Reltafcenfions: und Deflinationspife:
renz zweier benachbarter Beitirnegemeflen werben, fo
— man dasſelbe zunächſt ſo, daß der Faden auf
11 der Richtung der täglichen Bewegung der Sterne
— ift, dab aljo ein dem Aquator naher Stern
eim Durchgang durd das ee genau biefen
—— entlang laufen muß. Hierauf läßt man das
ernrobr völlig unverrüdt ftehen und beobachtet
die Jeitmomente, zu denen beide Gejtirne den Faden
auf aa pajfieren. Die Differenz beider Zeiten iſ
der Unterſchied der Rettafcenfionen beider Geftirne.
Mit Hilfe der Schraube SS ftellt man außerdem
aber aud den Faden auf Il auf jedes der beiden
Geftirne ein und lieft beivemal die Stellung der
Stala cc und der Trommel TT gegen ii und o ab.
Die Differenz beider Ablefungen ift die geſuchte
Dellinationsdifferen;, ausgedrüdt in Schrauben:
Fadenmühle — Faed
mrbungen. Den WMWinlelmert einer Schrauben:
umdrebumg beitimmt man durch Ausmejlung der
Zelinationspifferenzen gut beftimmter Sterne. Bei
Nahtbeobahhtungen mit dem F. muß man entweder
tas Gefichtäfeld oder bei duntelm Sebfelde die
Spinnefäben jelbjt durch 2 auf fie gemorfenes
ht erleuchten. Iſt das Fernrohr mit einem guten
Ubrwert verſehen, das es der jcheinbaren täglichen
— — der Geſutne genau nachführt, und
handelt es ſich um die Beſtimmung der gegenſeitigen
Lage zweier Sterne, die gleichzeitig im en
neieben werben können, wie z. B. Doppeliterne, jo
fann das 5. mit Erfolg . zur Beitimmung von
Diftanz und Poſitionswinkel benugt werden. Man
bat dasjelbe dann zunädjt jo zu dreben, daß der
Faden auf aa genau in die Verbindungslinie der
beiden Sterne fällt, und jtellt dann den Faden aufl1
naceinander auf jeden berjelben ein. Die Differenz
beider Trommelablefungen ijt die Diſtanz oder der
Wintelabitand der beiden Sterne. Den Pofitions:
winlel ergiebt die Ablejung des Poſitionskreiſes,
nachdem man von diejer die Ablejung abgezogen
bat, bei der ein im Slquator ftebender Stern den
Faden auf 11 entlang läuft. Ein mit genauem
Bofitionstreis verſehenes F. führt auch die Be
zeihnung Bofitionsmilrometer.
Fadenmühle, Spinnmübhle, Überfpinn:
majcine, im Bofamentiergewerbe eine Maſchine,
welde zum «liberjpinnen», d. h. fhraubenförmigen
Umminden eines innern Kernfadens (Seele oder
Futter), mit Lahn dient. Die Maſchine enthält
meiſt 8—20 Gänge, d. b. die Einrichtung, um fo
viele Fäden gleichzeitig zu befpinnen. Der zu be:
midelnde Faden wird durch die Achfe eines Kopfes
——— um welche die entſprechend ge—
bremſte Rolle herumbewegt wird, von welcher
der auf das Futter aufzuwickelnde Faden abzieht.
Die Spinnmüble wird auch gebraucht, um baum:
wollene Fäden mit Seide oder Wollgarn zu über:
fpinnen, zu plattieren, aus welder Art Gejpinft
aladann Franſen und andere Pojamentierwaren,
Seidenftramin u. ſ. w. verfertigt werben ; ebenfo zum
Überjpinnen der Kautfchuffäden mit Baummolle oder
Seide. Ein verwandtes Erzeugnis ift ferner bie
feidene Gimpe, welche aus einer von Leinen: oder
Baummollgarn gedrebten, dann mit gelocdhter und
beliebig efärbter Tramſeide überfponnenen dünnen
Schmur beitebt. Die Seide, welche eine volllommene
Dede bilden muß, nimmt man zur Abkürzung der
Arbeit vier: oder ahtfadh. Krausgimpe wird dar:
eftellt, indem man entweder eine baummollene
Schnur mit einer ähnlichen dünnern weitläufig über:
fpinnt (überriegelt), dann das Ganze mit Seide
befleidet ; oder eine mit Seide befponnene Baumwoll⸗
ſchnur mit einer dünnern der Art, ebenfalld ſchon
eideumkleideten, in meiten Windungen beipinnt.
ud Brillantgarn (f. d.) wird auf der F. bergeftellt.
Dünne Eifen: und Kupferdrähte werden öfters
mit Seide oder mit Zahn überfponnen zur Bun
aung gewifjer Arten von Kantillen; ausgeglübte
Eijendräbte mit Seide oder Baummolle für Damen:
büte und andere Bußarbeiten, deögleichen zu Drabt:
band; Kupferdrähte mit Seide zu galvaniſchen Appa⸗
taten u. ſ. w. Auch jog. Kab elſchnur wird der
#. bergeitellt; die Zeile dazu werben zuvor auf der
tiermafchine zubereitet. Beim Zufammendrehen
derjelben auf der F. ummidelt ein Zeil den andern
(das Futter) in dichten Windungen (Rabelmübhle,
Rabelmafhine). Als Plattiermaſchinen wer:
Brodhaus’ Konverfationd-Leziton. 14. Auf. R. A. VL
401
ben in der Regel ſolche F. bezeichnet, bei welchen das
Futter gleichzeitig (geforderten Falls erſt aus meh—
rern, bis zu 50 Fäden) zufammengedreht und dann
durch mebrere Fäden plattiert wird. Hierbei kann
entweder das abziehende Ende der innern Schnur
edreht werden (jog. franzöſiſche Plattierma:
p ine) oder die Spule, von welcher das Futter ab:
gezogen wird (Teller: Blattiermaidine).
dennet, ß Fadenkreuz.
adennudeln, |. Teigwaren.
denpilge (Hyphomycetes), in der Botanil
früher Bezeihnung für Pilze mit fadenförmigen
Mocelien, von denen man nur die Conidienbildung
fannte. Neuerdings find die meijten ald Entwid:
lungsftadien von Ascomyceten (f. d.) nachgewieſen
worden.
Fadenplanimeter, i.Arealbeitimmung (Bd.17).
Fadenreißer, eine Offnungsmaſchine, melde
die Abgangsfäden der VBoripinn: und Spinnmafdi:
nen auflodert, fo daß fie ald Beimengung der Rob:
baummolle wieder mit verarbeitet werden können.
Fadenſchnecken (Aeolidiidae), Bäumden:
bneden, Familie der Hinterfiemer (ſ. d.), mit
eulen⸗, fpindel: oder walzenförmigen Rüdenttiemen,
mandmaläftig und an der Spike Sädchen mit Neſſel—⸗
fapjeln tragend. Der After liegt auf dem Rüden oder
an der rechten Seite, von der veräjtelten Yeber treten
Schläude in die Nüdentiemen. Die ausſchließlich
das Meer bewohnenden zahlreichen Arten find meijt
von geringer Größe, 0,4 bi8 7 cm, oft ſehr zierlich
eig und elegant gefärbt. Die meiften leden auf
gen kriechend, einzelne (3. B. die außerordentlich
ſchöne Gattung Glaucus) pelagiih, ſchwimmend.
(S. Tafel: Weichtiere I, Fig. 1.)
Fadenfforpione (Thelyphonus), eine Gattung
der Geißeljforpione (f. d.) mit zwölf, die wärmern
Länder beider Weltteile bewohnenden Arten. Der bei
den Skorpionen (ſ. d.) verhältnismäßig fräftig ent:
widelte hintere Abſchnitt des Hinterleibs (Schwanz)
iſt bier fadenförmig geworden, beſiht aud feinen
Endſtachel und keine Giftprüfe mebr, fondern eine
Stinkorüje, deren Sefret am Ende des Fadens durd
eine Öffnung nad außen tritt. [mafcine.
Fadenfpannung, Fadenfprung, ſ. Näb:
Fadentvächter, Borribtung an Textilmaſchi—
nen, die bei Fadenriß ein felbittbätiges Stillſehen
der Maſchine bemirft.
adenmwürmer (Filariidae), |. Haarwürmer.
Fadenzähler, Weberglas, Lupe zur Beſich—
tigung der Webjtoffe und zum Abzäblen der auf
einen beftimmten Raum lommenden Fäden.
Be ar MWeintrankbeit, j. Langwerden.
ädlein, Fädchen, in der Jägerſprache ber
dünne Eröftreiten, der in der Hirſchfährte zwiichen
den Schaleneinprüden fteben bleibt.
Faed (ipr. fehd), John, engl. Maler, geb. 1820 zu
Burley Mill in Schottland. 1864 lieh er fi in Lon⸗
don nieder, wo er 22. Dt. 1902 ftarb. Unter feinen
Gemälden find bervorzubeben: Shafeipeare und
feine Zeitgenofien (1850), Samstagsabend des
Landmanns, Heimkehr des Soldaten, Der Steig:
bügeltrunt, Des Förfterd Toter, Goldſmith in
feinem Stubdierzimmer (1877), Der alte Korb-
flechter, Der Traum des Dichters (1882).
Faed (ipr. fehd), Thomas, engl. Genremaler,
Bruder des vorigen, geb. 8. Juni 1826 zu Burley
Mill in Schottland, bildete ſich auf der Alademie zu
Edinburgh unter W. Allan und ließ ſich 1852 ın
London nieder, wo er 22. Aug. 1900 ftarb, Seine
26
402
der romantifchen Richtung angebörenden Gemälde
zeichnen fih aus dur angenehme Zeihnung der
Charaktere jowie dur eine —— oft grelle
ärbung. Sein Bild: Walter Scott im Kreife einer
eunde zu Abbotsford, verfchaffte ihm 1849 die Auf:
nahme in die Edinburgher Nlademie; 1864 wurde
er Mitglied der Londoner Alademie, Zu 3.8 ber:
vorragenditen Werten gehören ferner: Die Waije
(1855), Die erjte Lüde in der Familie (1857), Groß:
mutter, Mutter und Kind in einem Bauernhauſe
(1859; Runfthalle zu Hamburg), Sonntag in den
Hinterwäldern (Galerie zu Wolverbampton), Der
Sottesader, Veilchen und Schlüffelblumen (1874),
In Kriegszeiten, Savoyarden mit einem ffchen
1879), Bon der Hand in den Mund (1880), Die
Förſterstochter (1882), Warum verließ ich die Hei:
mat (1886), Qucys Fehler (1891).
Faenza, Hauptitabt des Kreijes F. (74631 E.)
in derital. Provinz Ravenna, im SW. von Ravenna,
am Fluß Lamone, an der Via Emilia und an den
Linien Bologna-Ancona und F. Florenz (102 km)
bes Adriatiſchen Nebes, regelmäßig gebaut und mit
Mauernumgeben, Sik eines Bifchof3, bat (1901) als
Gemeinde 40370 E., in Garnijon 3 Esladrons des
21. Havallerieregiments; an dem mit Bogengängen
umgebenen und mit einem Springbrunnen von 1621
gezierten Hauptplaße, ni den die vier Hauptitraßen
einmünben, fteben die Ratbedrale San Eoftanzo (nach
dem erſten Biſchof von F. benannt), eine Yafılita
(15. Jahrh.) mit dem Grabmal San Savinios von
Benedetto da Majano (1472), das Rathaus, der ebe:
malige Palaſt der Manfredi und die jhöne San
Micele:Kirhe. Dem in F. geborenen Torricelli ift
eine Marmorftatue errichtet. Die Bibliotbet (26000
Bände) befist eine Statue Johannes’ des Täufers
von Donatello, die Binalotbet im Gymnaſium
wertvolle Gemälde. Ferner beiteben ein Kom:
munalgymnafium, eine techniſche Schule jowie
Majolitafabriten (j. Fayence und Tafel: Majolika,
ig. 1), Seidenſpinnereien und Webereien. — Bei
& (Faventia) fiegte 82 v. Chr. Sulla über Carbo,
542 Totila über die Oſtrömer; —— II. eroberte
F. 1241 nad achtmonatiger Belagerung, und 1367
warb die ſeit 1313 in der Gewalt der Manfrevi bes
findliche Stadt von dem päpftl. Heerführer Hawk—
wood geplündert, wobei 4000 Menſchen umlamen,
1500 mußte jih nad tapferer Verteidigung der
17jährige Aftorre Manfredi gegen Ceſare Borgia
ergeben, der ihn dann in Nom umbringen lieh.
Den Benetianern, die fi bierauf F.s bemädtigt
batten, nahm es 1509 Julius II. ab. — Bol. Rigbi,
Annali della cittä di F. (Faenza 1841); ©. Zuccolo,
Crouica particulare..di F. 700—1236 (ebd. 1885);
G. Bertondelli, Historia della cittä di F, (®ened.
1673); 5. Argnani, Le ceramiche e maioliche
faentine (Faenza 1890); C. Malagola, Memorie
storiche sulle maioliche di F. (Bologna).
Faes (ipr. fahs), Peter van der, niederländ.
aler, ſ. Zely.
Fafnir, der Sohn Hreidmars und Bruder des
Negin, die in der nordiihen Sagengeſchichte eine
bedeutende Rolle jpielen. Sie find im ni des
großen Goldhortes, den Odin, Hönir und Loki für
die Ermordung von 55.8 Bruder Dttr gezahlt bat:
ten. F., der babgierigite der Familie, erſchlägt fei-
nen Vater und verjagt Regın fein Erbteil. In
Dracengeitalt, ven Schredenshelm auf dem Haupte,
bütet er auf der Gnitaheide das Gold. Von Negin
angejtachelt, jtellt Sigurd ihm nad dem Leben und
Yaenza — Fagging System
durchbohrt ibn, als er zum Wafler friehen will
und in die von Sigurd gegrabene Grube gefallen
ift. Sterbend warnt F. den Sigurd, als er deſſen
amen erfahren hat, vor dem Golde, auf dem der
Fluch der Götter ruhe. .
Fagel, nieverländ. Familie, aus der bedeutende
Staat3männer und Krieger hervorgegangen find.
Kajpar F., geb. 1629 im Saag, war 1672, zur
den des Krieges mit Ludwig XIV., Staatsjelretär
Griffier) bei den Generaljtaaten und N gr ſich
damals durch Standhaftigkeit aus. Am 20. Aug.
1672 ward er als Nachfolger de Witts Ratäpen:
ionär Hollands. Als folder war er treuer Gebilfe
ilbelm3 IIL Durd jeinen Sr hauptſächlich
entſchloß ſich Amſterdam und dadurch Holland, dem
Prinzen die Expedition nach England 1688 zu er
möglichen. F ſtarb 15. Dez. 1688.
Franz Nikolaus, Baron F., ein Neffe
Kaſpars, geb. 1645 zu Nimwegen, trat 1672 in
Dienſt, zeichnete fi in der Schlacht bei Fleurus
1690 aus, befehligte bei der Berteidigung von
Mond 1691 und bewies bei der Belagerung von
Namur, bei der Cinnabme von Bonn und in Bor:
tugal 1703, in Flandern 1711 und 1712 fowie in
den Schlachten von Ramillies und Malplaquet feine
militär. Tüchtigkeit. Er jtarb 28. Febr. 1718 als
kaiferl. Feldmarſchallleutnant.
Heinrich —* geb. 1765, ſchloß als Staats:
jetretär 1794 den Bund Hollands mit Preußen und
England, folgte dann der Familie des Grbitatt:
halters nah England, trat 1809 mit dem Bringen
von Dranien als Freiwilliger in das Heer des Erz:
berzons Karl und kehrte 1813 nad Holland zurüd.
Als Gefandter in London unterzeichnete er den
Friedensſchluß zwiſchen England und Holland.
1824 von feinem Geſandtſchaftspoſten zurüdgelebrt,
wurde er 1829 Staatöminifter obne Bortefeuille.
Er ſtarb 22. März 1838 im Haag.
Fagerlin, Ferdinand, ſchwed. Genremaler, geb.
5. Febr. 1825 zu Stodbolm, trat in die Armee, gab
jedoch 1854 den Militärdienft auf und bildete ſich
zum Maler auf der Akademie in Stodholm, dann
bei K. Sohn in Düffeldorf und fpäter bei Couture
in Paris. Er lebt in Düffeldorf und wurde 1893
zum PBrofefior ernannt. In feinen Genrebildern, die
ſich dur große Lebenswahrheit und trefflidhe Eba-
ralteriftif auszeichnen, fchildert er vorzugämeife Das
häusliche Leben der bolländ. Fiſcher. Hervorzubeben
find: Fifcherfamilie (1861), Rauchende Knaben
(1862), Eiferfuht (j. Tafel: Standinaviſche
Kunſt IL, Fig. 4; leßtere beide im Nationalmujeum
u Stodbolm), Bejuch bei den Großeltern, Das
amort (1868), Obne Hoffnung, Der abgemieiene
eier (1876), Zeitvertreib (1882), Der Deferteur
1883), Ein Rival, Die Werbung (1884), Flitter:
wochen (1884), Fiſchermädchen Nehe jtridend (1885;
on. Mufeum zu Leipzig), Trauliches Heim,
Heimtehr vom Strande (1886; beide in der Na:
tionalgalerie zu Berlin), Hausandadt (1887), Ein
Liebeszeichen (1889), Überrafhung bei der Heim:
tebr (1892), Der zagbafte freier (feit 1896 in der
ſtädtiſchen Galerie zu Duſſeldorf).
F Systöm (ipr. fägg-), ein auf vielen
öffentlihen Schulen in England eingefübrter Ge—
brauch, nad welchem die Schüler der höchſten Klaſſe
das Vorrecht haben, von den Schülern der Unter
Hafien verſchiedene Dienitleiftungen zu verlangen.
Zu diefem Zwede wird jedem Zönlinge der Unter:
Hafjen (in diefer Eigenſchaft ala fag bezeichnet) ein
Faggot — Fahlcrang
fagmaster zugeteilt. Als Gegenleiftung * der
fagmaster ſeine fags bei Mißhandlungen von ſeiten
anderer Älterer Schüler. Das Syftem ſteht in einem
gewifien Zufammenbang mit dem von Arnold einge:
führten Monitorial System, —— in jedem Wohn⸗
baufe einige Schüler der —— Klaſſe (die jog. mo-
nitors) die Disciplin aufredt zu erhalten haben.
Faggot(ipr. jäggöt), in England eine Menge von
120 Handelöpfund Stahl. F. iit alfo ein Gewicht
binle), afrit. Ser, f. @r. 17
n(e), afrik. See, f. Bd. 17.
in, |. —RX
gin, ern.
agioli (ſpr. fadſchohli), Giambattiſta, ital. Dich⸗
‚geb. 24. Juni 1660 zu Florenz, begleitete 1690
den päpftl. Legaten Santa Eroce nad Warſchau,
tebrte jedoch bald zurüd, lebte in Florenz am Hofe
der legten Mediceer und ftarb 12. Juli 1742, Seine
Sprit, zum Teil burlest, erſchien ald « Rime piace-
voli» (6 Bde., Flor. 1729— 34; der 7. von G. M.
Brocchi, Lucca 1743). Außerdem ſchrieb er 19 Luft:
ee 7 Bve., Slor. 1734—36;
. 1758); feine Proſaſchriften — als
Supplementband zu den Luſtſpielen (Flor. 1737).
Eine Auswahl der Gedichte erſchien 1823 (2 Bde.,
Bologna). — Bol. Baccini, G. B. F. (Flor. 1886).
Fague (jpr. —— mittellat. Fania; vläm.Venn),
Sandfaa im ſüdl. Teil der belg. Provinzen Henne
gau und Namur, meift Heideland, begreift die Gebiete
von Bhilippeville, Marienbourg, Chimay und Eou:
vin. (S. Karte: Belgien und Quremburg.)
Fagotaille (fr ipr. -täj), Einfaſſung eines
Dammes mit NReisbündeln.
Fagött (ital. Fagotto, «Bündel»; franz. Basson),
Blasinftrument, urſprünglich als Baß zu der Oboe
(daber Basse de hautbois genannt), Icht im Or:
Ze ſowohl als Baßinſtrument wie als füllende
ittelftimme oder zur Oltavenverboppelung einer
Melodie und als Soloinftrument gebraudt. Das
F. giebt der Grundjtimme eine weiche Fülle und ift
Daber von dem Baſſe unzertrennlid; in den großen
Geſangs⸗ und Orcheſterwerlen des 18. Jahrh. gebt
e3 deshalb faſt immer unijono mit dem Grund:
baſſe. Es bejteht aus einer doppelten (gebrochenen
oder gelröpften) Röhre von Holz mit acht Ton
löchern und meiftenteild zehn Klappen und wird
turd ein doppeltes Rohrblatt angeblajen, das durch
eine gefrümmte mejfingene Nöhre, das 5 enannt,
mit dem flörper des Inſtruments in Verbindun
ſteht. Seiner äußern Klangfarbe nad) jteht das 7.
mit dem Violoncello in fibereinftimmung, und fein
Tonumfang erftredt jih vom Kontra:b bis zum zwei⸗
aeftribenen c und fogar bis es, doch fehlen das
tieffte h und cis. Notiert wird für das F. wie für
das Bioloncello: die —— Töne im Baßſchlüſſel,
die böbern im Tenorſchlüſſel. Zwei neuere Erfins
dungen jollen bei ftarlbejegter Blasmuſil den Bäſſen
angemejjene gleihe Stärle und Kraft geben: das
Uuartfagott, deſſen Töne um eine Quarte tiefer
fingen, als fie gejhrieben werden, unddas Kontra:
fagott, das um eine Dftave tiefer als das ge:
wöhnli e ſteht. Der Name Phagot — zuerſt
als der einer Erfindung des Kanonikus Afranio
zu ara, beſchrieben 1539; doch war dies
ein jehr kompliziertes Muſilinſtrument mit Blas—
bälgen, das mit dem heutigen F. wenig zu thun
hat. Pehteres iſt wielmehr aus den größern Arten
der Schalmei (f. d.) entjtanden durch Zerlegung der
wegen ihrer Länge unbebolfenen Röhre in zwei ver:
kundene Robre. Auch mwurde die die Klappen be:
403
decdende Kapſel weggelaſſen, ebenfo wie das bei der
gleiden Umwandlung der Diskantſchalmei in die
boe geihab. Die ältere Art hieß Dolcian. (S. auch
Muſilinſtrumente, Bd. 17, nebjt Taf. I, Fig. 1u. 15.)
Als Orgelregifter iſt das F. ein janftes Rohr:
werl von 16=, feltener 8:jußton (d. b. 5 m, feltener
2,5 m, im Manual, wie im Pedal geführt), an Sn:
tonation einer jonoren Mannesftimme ähnlich.
Fagöttgeige, eine Geige, die etwas Heiner war
als das Violoncell, aber größer als die Bratiche,
früher (bis zum Anfang des 18. Jahrh.) ald Baß—
instrument zu hoben Oberftimmen wie Biolinen und
Querflöten gebraucht. riler, |. Bd. 17.
Fagnet (for. fageb), Emile, franz. Pitterarbifto:
agus, ſ. Buche; F.silvatica, Rotbuche (f. Tafel:
Laubbölzer. WalpbäumelV, Fig. 1, beim Ar:
tifel Yaubbölzer; Blätter mit Aglia Tau f. Tafel:
Raupen, Fig. 4).
F tal, Stadtteil im antifen Rom (f. d.).
Hi äfa, Fiſchart, ſ. Igelfiſche.
4
abhamthee, j. Angrecum.
ähe (ehe), das Weibchen der vierfüßigen
Naubtiere, namentlich des Fuchſes und Wolfes.
ahhad, arab. Name für den afril. Gepard (f.d.).
a:hien, richtiger Fah-hien («Gejegesglanz»
oder «Keligionsglanz»), der —* Name eines
chineſ. Buddhaprieſters Schi, den ſeine Begeiſte—⸗
rung für die Heilslehre aus Indien, wie manchen
ſpätern Landsmann und Glaubensgenoſſen, nach
Oſtindien trieb. Er durchwanderte von 399
n. Ehr. ab angeblich 30 Länder und kehrte nach 14
Jahren, beladen mit heiligen Büchern, die er gründe
lich verſtehen gelernt, in feine Heimat zurüd. Schi
B- ift Verfaffer des « Syu-fwosfi» (Beicreibung der
uddhiſtiſchen Länder). Das Merk iſt zuerft von
Abel Remufat («Fo& koud ki ou Relation des
royaumes bouddhiques», Bar. 1836) und fpätervon
Beal (Pond. 1869) überjeßt worden. Neuerdings
bat Legge den chinef. Tert nach einer koreanifchen
Recenſion herausgegeben und ins Engliſche über:
fest («A record of Buddhistie Kingdoms, being
an account by the Chinese monk FA-hien of his
travels in India and Ceylon», Orf. 1886).
Fahlbänder (aud Fallbänder), gewifle Zo—
nen, Schichten oder Lagen in der Urgneisformation,
die feine Erzpartifelden, 3. B. Magneteifen, Eifen-
fies, Kupferlies, enthalten, durd deren Zerjeßung
das Geftein ein fables Ausfeben annimmt.
gab erang, Karl Xob., ſchwed. Landſchafts
maler, geb. 29. Nov. 1774 in der Provinz Dalarna
Dalelarlien), bildete fih in der Kunſt unter ver:
hiedenen Lehrern, indem er die heimische Natur in
ihrer Geſamtwirkung mit Eifer ftudierte, und wurde
der Vertreter einer romantijch-idealen Richtung. Er
wurde 1815 Profeſſor und ftarb 9, Jan. 1861.
Sein Bruder Chriſtian Erik F., geb. 30. Aug.
1790, wurde 1829 Brofefior der Theologie zu Upfala
und 1849 Bifchof zu Weſteraͤs und ift auch als Dich:
ter belannt. Seine «Noach’s ark» (1825—26) wird
als eine ebenfo witzige wie tieffinnige Dichtung ges
Knast und zeigt einen überrajchenden Reichtum an
ortpielen. Später ließ F. die epiihe Dichtung
«Ansgarius» (Upfala 1835—46) in 14 Gefängen er:
ſcheinen. Auch veröffentlichte er mehrere theol. Schrif:
ten —— Inhalts, z. B. «C. J. L. Almqvist
säsom författare i allmänhet och säsom teolog i
synnerhet skärskädad» (2 Tle., Upfala 1845 —46),
«Evangeliska alliansen» (2 Tle., ebd. 184748)
und «Rom förr och nıı» (6 Tie,, Wejteräs 1858—61).
26*
404
1839 —42 leitete er mit Anos und E. J. Almaviſt die
«Ecklesiastik Tidskrift», Eine Sammlung feiner
Schriften bat er jelbit beforgt (7 Bde. Örebro 1863
—66). Er ftarb 6. Aug. 1866 zu MWeiteräs.
Ein dritter Bruder, Arel Magnus F., aeb.
11, Olt. 1780, geit. 7. DEE. 1854 zu Stodholm ala
Mitglied der Akademie und Hofbildbauer, bat jich
durch feine ornamentalen Skulpturen jowie als
Rovellift einen Namen erworben.
Fahlerz, Tetraedrit, Shwarzerz oder
Öraugiltigerz, ein ftablgraues bis eiſenſchwar⸗
ke Erz, das in der geneigtflädig : hemiedriſchen
bteilung des regulären Syſtems, namentlich mit
—5—*— Tetraeder, auch Trigondodelaeder oder
hombendodelaeder kryſtalliſiert (ſ. nachſtehende
Figuren); die Härte ift 3—4, das ſpec. Gewicht 44 -
54. Die an der Zuſammenſeßzung der F. ſich betei-
figenden chem. Stoffe find ſehr wechſelnd, doch fin:
den fich immer 4 Molefüle elettropoiitiver Schwefel:
metalle (Schwefeltupfer, «Silber, Eiſen, Fink, auch
:Quedfilber), verbunden mit 1 Molefül elettronega:
tiven Schwefelmetalld (Schwefelantimon, Schwerel-
arien), jo daß die allgemeine yormel ARS+Q,S,,
worin R=Cu,, Ag,, Fe, Zn und Hg,, Q=Sb und
As ift; die antimonbaltigen 3. find die dunkeln und
————— (jelbft bis zu 30 Proz. Silber) und
aft ftet3 quedjilberfrei, die arfenhaltigen zugleich
die lichtern und filberfreien oder ganz jilberarmen.
Blei fommt in allen nur ſehr jelten vor, dagegen
entbalten mande Varietäten etwas Wismut und
Kobalt. Das F. findet fib auf Erzgängen (Harz,
Naflau, Freiberg, Saalfeld, Schwaß in Zirol, Un:
garn), oft mit einem feindrufigen Überzug von
Kupferkies verjeben, und wird jomobl auf & iiber
als auf Kupfer verbüttet.
ablleder, ſ. Oberleder.
ähimann, Friedr. Rob., Sprachforſcher, geb.
1. Jan. 1800 auf dem Landgute Hagewied in Eſth⸗
land, jtudierte 1818—27 in Dorpat Medizin, be
ſchäftigte fib aber noch eifriger mit der Sprad:
und Sagentunde feines Volle. 1842 wurde F. zum
Leltor der eſthniſchen Sprache in Dorpat ermwählt,
ftarb aber ſchon 21.(9.) April 1850. Seine Arbeiten
finden ficb meift in den erjten Bänden der «Verband:
(ungen der Gelehrten Eſthniſchen —— ſeit
1840 abgedrudt. Sein Hauptverdienſt liegt in der
Sammlung des Nationalepos der Eſthen, der «fa:
leviade» oder «falewipoeg» (Sohn Kalews),dasnad
5-8 Tode Fr. Kreupmwald berausgab ( Dorpat 1857
—61). — Bol. Kreutßzwald, Robert F. (ebd. 1852).
ahlmer, Johanna, ſ. Schloffer, Job. Georg.
ns, Längenmaß und Gemwidt, |. Fen.
ä chen, Schmetterlingsfamilie,i.Widdercen.
ahndung, das Streben, einen Verbrecher,
namentlih einen entlaufenen, zu entveden und
wieder einzufangen, Es gebört dies in den Ge:
ſchäftskreis der polizeilihen Organe.
Fahne, ein durch Farbe oder Bild gezeichnetes
Etüd Seuß, das am Schaft einer Stange (Fahnen:
ftange) beteitigt ift (j. Banner). Als Heerzeichen
Fahlerz — Fahne (militäriich)
waren im frühen Altertum Sinnbilder, meift Tier»
bilder in Gebrauch. Doc führten ſchon die Inder
neben der mit einem Drachen gezierten Neid:
ftandarte zablreihe bunte F. und Fähnchen, die
entweder einzelnen Anführern des Fußvolls an:
vertraut oder an den Kriegswagen befejtigt waren.
Die Agypter führten Sinnbilder mit Hieroglypben,
die Aſſyrer Tauben auf ihren Feldzeichen, die Ber:
Ki batten einen goldenen Adler auf einer Langen:
pitze. Bei den Hebräern hatten je drei Stämme bie
gleiche J. Bei den Griehen und Römern wurde jo:
dann die F. Feldzeichen jeder taltiſchen Abteilung.
Erſt durch Marius foll ald gemeinfames —
(signum) für das röm. Heer der metallene Adler ein⸗
geführt worden fein, der dann das eigentliche signum
legionis blieb. Auch für die Gliederung der Kohor⸗
ten wurden verjchiedene Zeichen angenommen, si
und vexilla: jene ei Standarten mit Mer
tallbildern, diefe gemeiniglih Meine vieredige F.
die an einer Querjtange hingen, von weißer, roter
oder purpurner ig namentlid für die Heiterei
(ſ. aud Flammula). Häufig wurden die vexilla mit
den signa verbunden. Nach dem Siege Konſtantins
d. Gr. über Marentius erbielt die Kriegsfahne (la-
barum) das Ehrijtugmonogramm (f. 9 auch wohl
das griech. Kreuz allein.
Auch die Germanen und Slawen hatten ſchon
ehr früh ihre Feldzeichen, während fie die eigentliche
erſt durch die Römer lennen lernten. Die Sachſen
atten im 6. Jahrh. eine 5. mit einem fliegenden
dler über einem Drachen und Löwen, die heidn.
Normannen einen Raben darauf. Bei den Truppen
fanden die F. neben den Bannern bereits im9. Jabrb.
als Feldzeihen Verwendung. Jede Compagnie hatte
ihre 5. und wurde danach ſpäter F. oder Fähnlein
(1 db.) genannt. Im 12. Jahrh. lamen in Deutid:
and, wie früber jhon in Italien (ſ. Carroccio), bes
fondere Fahnenwagen in Gebraud; jo wurde das
Heerzeihen Dttos IV., ein Adler auf einer Stange,
auf einem Fahnenwagen mitgeführt. Im ſpätern
Mittelalter war die Form und der Gebraud der 5.
dieman Banner (f.d.) oder Paniere nannte, je
verjchieden. Jedes Land, jeder Fürſt, die einzelnen
Herren: und Rittergefchledhter, die Städte, die Bund⸗
niffe, Gilven u. f. w. hatten ihre F., auf denen die
Wappen gemalt oder gejtidt waren, und eö war eine
Auszeichnung, fie zu tragen (f. au Episfahne). Die
Blutfabhne (f. d.) war rot als Zeihen des Raijer-
tums und galt als Reichsfahne. Ihre Führung galt
ſchon früher als ein ausgezeichnetes Ehrenamt für die
Tapferften aus dem Hoben Adel des Reichs. Kaiſer
Ludwig der Bayer belebnte 1336 mit ihrer Führung
den Grafen Ulrih von Württemverg, bei welcher
Gelegenheit fie zum erftenmal in den Urkunden
Rei sfturmfahne («des Reiches Sturmfabne»)
— wird (ſ. Deutſche Farben). Sie befand ſich
im Hauptbeer, während die Reichsrennfahne
(ſchwarz und weiß geitreift mit zwei gelreujten ro-
ten Schwertern), mit deren Fuhrung das Kurhaus
Sadjen in der Würde des Reichserzmarichalls be
lehnt war, von der Vorhut gr worden zu jein
ſcheint. Aus diefen romiſchen F. entſtand die Kir:
chenfahne, wie fie mit ihrem Querjtabe noch jeßt
bei den Brozejfionen ver kath. und gried. Kirche im
Gebraud ift. Sie zeigt nur oben jtatt der Lanzen⸗
fpige ein Kreuz und auf dem Fahnentuch find reli-
ide Daritellungen angebracht. — Die erſte F. der
oslems entitand angeblib dadurch, daß der
Feldhert des Propheten, Boreida, feinen aufgelöjten
Fahne (botaniſch) — Fahne (Anton)
Aurban an einer Stange befeftigte. Die ei
führten Ähwarze F. ein; eine angebliche F. Moham⸗
meds wird unter vem Namen Sandihat:Scerif
(1.d.)noch heute unter den Reichslleinodien in Stam⸗
bul, wohin diejelbe 1595 aus Afien übergeführt
murde, aufbewahrt. Nur in — Gefahr wird ſie
vordem Heere entfaltet. Meiſt waren die F. vieredig,
doch gab es auch zadige, fo die Driflamme (ſ. d.)
Frantreichs, die in fünf Zipfel ausging. i
In den neuern Heeren dient die F., bei ber
Kavallerie Standarte Nr d.) genannt, den jelb:
ftändigen Truppenteilen als Feldzeichen. Das Fah—
nentus) der F des beutjchen Heeres ijt quadra—
tiſch und meilt von weißer Farbe (in Württemberg
rot, in Bayern und Heilen blau, in Braunjchmweig
und Reuß orangegelb, in Sahjen:Coburg: Gotha
und Sadjen: Altenburg dunkelgrün); in der Mitte
befindet fi das Landes wappen, bei den preußifchen
und der ſchwarzburgiſchen F. (3. Bataillon des
965. IJnfanterieregiments) ein ſchwarzer Adler im
orangegelben Felde, von einem Lorbeerkranz um:
eben, bei der reußiſchen F. (2. Bataillon des 96. In⸗
artterieregiments) ein —— mit der Ilei
«Mir bauen auf Gott», in den Eden meiſt Lorbeer⸗
tränze mit Namenszügen, Kronen u. a. Die preuß.
Grenabdier: und Linienfahnen jowie die ſchwarzburg.
5- tragen ein ſtehendes ſchwarzes, die je ein gruͤ⸗
nes, die bayr. und die herzogl. ſächſiſche 5. (2. Ba:
taillon des 95. Infanterieregiment3) ein weißes
Kreuz. Die neuen königl. ſächſiſchen 3. haben auf der
Rüdjeite in gelbem (goldenem) Felde fünf ſchwarze
Ballen mit dem fchräg darüber gelegten Rauten-
franz. Die hölzerne yabnenftange trägt eine durch⸗
brodene Metallipige (in Bayern einen Löwen, in
Baden ein Dreied), in der ald Auszeichnung für die
eldzüge von 1813—15 und 1870— 71 das Eiferne
Kreuz jtebt. Unter Napoleon I. und III. trugen die
franzöfiihen F. einen vergolveten Adler. Am untern
Ende befindet fih der Fahnenſchuh (f.d.). An
der Spibe find bei einzelnen Truppenteilen geftidte
Fahnenbänder in den Landesfarben er. t, die
ibnen ald Auszeichnungen bei bejonvern Belegen:
beiten, 3.3. für einen Feldzug, für eine Schladht
u. ſ. w. von dem Landesherrn oder ald Gnadenbe:
weiſe von fremden Fürjten verliehen wurden. Die
3. galt von jeber bei allen Böltern als ein Heilig:
tum, und fie, das Symbol der militär, Ehre und
Treue, jelbjt mit Aufopferung des — Lebens zu
verteidigen, war ſtets eine ernſte ſoldatiſche Bilict,
fie zu verlieren, eine Schande für den ganzen Trup-
venteil (f. Fähnrich). Der Name eines Offizierd oder
Soldaten, der mit der F. in der Hand gefallen ift,
wird auf einem an der ‚sabnenitange angebrachten
filbernen Ring eingegraben. Im Gejecht verlegte
Fahnenſtangen betommen ebenfalls ſilberne Ringe,
auf denen der betreffende Thatbejtand verzeichnet
wird. Zu allen Zeiten wurden fämpfende Truppen
duch das Vorantragen der F. zu — gerne ren
ungen begetitert. F als einmal haben
böbere Führer perſonlich die F. ergriffen, um in Ge:
fehtöfrifen die Truppen anzufeuern, jo Schwerin
bei Brag, Augereau bei Arcole, Erzherzog Karl bei
Aöpern, zent Auguft von Preußen bei Kulm, Ma:
jor von Kaifenberg Weißenburg u. a. Hobes
ter und die Spuren beitandener Gefechte gelten
von jeber al3 beſondere Zierde einer F. Eroberte F.
und Standarten find die jhönften Siegeötrophäen,
werden in Zeugbäufern oder Kirchen aufgehängt
und felbft beim riedensihluß nicht ausgeliefert.
405
In älterer Zeit wie jet wurden der F. militärifche
Ehrenbezeugungen erwiejen, in der deutfchen Armee
durch Präjentieren der Truppen und Salutieren ber
Offiziere, und ihr Aufbewahrungsort wird ftetä
durch eine Schilowache — ojten) bewacht.
Über Fahnenwachen ſ. Innenwaächen. Früher
wurden bie F. nur vor dem Landesherrn gefentt,
jest vor jedem höhern Offizier, der eine Parade ab:
nimmt ober einen Truppenteil bejichtigt. Die Ber:
leihung von neuen F. an Truppen ift ftet3 mit
einer bejondern eier, der Fahnenweihe (f. d.),
verbunden. Im deutſchen Heere hat jedes Infan:
terie⸗, Jäger: und Pionierbataillon eine F. Die
eldartillerie führt jeit 1900 feine F. wo: jedes
Bartillerieregiment hat eine von dem 1. Bataillon
u tragende 5. liber Jahnenträger f. Fahnen
fektion: Fahnenmarſch ſ.d.
Die zerſtreute Fechtart, die im Laufe eines Ge:
fechts oft ganze Bataillone in lange Schüßenlinien
auflöft,erjchwert die ftete Aufmerkfamteit ver Truppe
auf die 3. und ihren Schug. Manche Armeen neb:
men deshalb die 5. niht mehr mit ins Feld. m
deutſchen Heere indes bleibt die F., auf die die Bi
jiere und Mannſchaften den Eid der Treue geleiftet
baben (j. Samen), auc im Kriege bei der Truppe
(j. Fabnenjeltion), ausgenommen bei den Jägern
und Bionieren. — Vgl. Gejhichte der preußiſchen
5. und Standarten jeit dem J. 1807, bearbeitet im
dnigl. Kriegäminijterium (Berl. 1889; Nachträge
1891 und 1895).
Der Name F. ift (wieFähnlein, ſ. d.) auch die Be⸗
nennung eines Kriegshaufens, der ſich um ſie ſchart.
Wie die Lanze iſt die F. ein Symbol der Beleh⸗
nung (j. Fahnenlehn), die rote Blutfahne das Sym:
bol de3 Blutbannes; in neuerer Zeit ift die rote J.
dad Symbol der «roten Republi. Als Symbri
des Gieges trägt das Lamm Gottes und der auf:
eritandene Ehrijtus die F. Die alte Wehrverfaflung
der Landsknechtsheere nüpfte an verſchiedene Ma:
nipulationen mit der F, bejondere Bedeutungen.
Eine umgelebrte 5. bedeutete Meuterei; durch
einen Stob mit der Fabnenftange wurde der Feig:
ling ehrlos gemadt; follte er rehabilitiert werden,
ſchwenkte man die F. über ihm. F. von beſtimm⸗
ten Farben dienen in allen neuern Heeren als all:
emein belannte Signale. So bedeutet eine weiße
* Abſicht zu unterhandeln. Sie wird einem
tlamentär vorangetragen oder auf den Mällen
einer Feitung aufgezogen, wenn diefe kapitulieren
will. Wo fie fihtbar wird, foll das Feuer ſchwei⸗
gen (ſ. au Flaggen und Rommandoflaggen). Cine
gelbe F. (Beitfahne) war das Zeichen, daß eine
anftedenbde Krankheit in einer Ortſchaft herrſchte,
eine weiße 3. mit rotem Kreuz ift das Zeichen
der Genfer Konvention und fhüßt vor Beſchießung
und Gefangennahme. Durch eine ſchwarze F.wer-
den Pulvertransporte fenntlich gemacht.
Fahne, inderBotanit, bei ven Schmetterling:
blüten das meiſt breit —— ausgebildete und
nad hinten ftehende Blütenblatt. (S.Leguminojen.)
Im Buhdrud ift F. ein technischer Ausdrud
br den Korrekturabjug von einem längern Stüde
riftfaß, der noch nit «umbroden», d. b. zu
Kolumnen (Seiten) jormiert wurde.
In der Jägerjpracde beißt F. der langbehaarte
Schwanz (Rute) von Jagbhunden und Eichhdrnchen.
Über die 5. alö Teil der Bogelfeder ſ. Federn.
Fahne, Anton, Hiftoriler, geb. 28. Febr. 1805 zu
Münfter in Weitfalen, ftubierte in Bonn und Berlin
406
Jurisprudenz und mar 1833—42 Friedensrichter zu
Bensberg. ftarb 12. Yan. 1883 auf jeiner Billa
‚sahnenberg bei Düfleldorf. Cine eingehende Be:
ihäftigung mit den alten kölnifchen Schreinsurkun—
ten (Hypothelenbüdern) gab den Anlaß zu feiner
«Gefchichte der kölniſchen, jülihichen und bergifchen
Befchlechter» (2 Tie., Köln 1848). Dann folgte die
Geſchichte der weitfäl. Geſchlechter unter befonderer
Berüdfihtigung ihrer Überjiedelung nad Preußen,
Kurland und Livland; mit faft 1200 Wappen und
mebr ala 1300 Familien» (Köln 1858), «Die Herren
und Freiberren von Hövel» (3 Bde. in 4 Abteil.,
ebd. 1856—60), «Die Dynajten, Freiberren und
teßigen Grafen von Bodholg» (4 Bde. in 5 Abteil.,
ebd. 1857 —68), «Geidichte der Grafen, jekigen
Fürften zu Salm:Reifferjcheid» (2 Boe. in 3 Abteil.,
:bd, 1858—66), «Chronilen und Urkundenbücher
beroorragender Geichlechter, Stifter und Klöjter»
4 Bde., ebd. 1862—81), «Dentinale und Ahnen:
tafeln in Rheinland und Weftfalen» (6 Bpe., ebd.
1376—83),« Das Geſchlecht de Numm oder Nomm»
(3 Bde., ebd. 1876—81); gr — —— aus
der kölniſchen und weſtfäl. Geſchichte, über Liv:
land u. ſ. w. Dahin gehört z. B. «Die Grafſcha
und freie Reichsſtadt Dortmund» (4 Bde. in 5A
teil., ebd. 1854—59).
ne des Propheten, |. Sandihal:Scerif.
ahnenbänder, ſ. Fahne.
ahneneid, der Eid, welcher von den Perſonen
des Soldatenjtandes bei ihrem Dienftantritt gelei-
ftet wird und das Gelöbnis der Treue gegen den
militär. —— und der Erfüllung der militär.
Prien enthält, Der Eid heißt F., weil er von
den Mannſchaften derjenigen Truppen, melde Fah—
nen oder Standarten führen, in Gegenwart der
— und gleichſam denſelben geleiſtet wird. Die
Mannſchaften der Artillerie leiſten den F. ſym—
doliſch dem Geſchütz, ſelbſt wenn der betreffende
Iruppenteil eine Fahne beißt. Bon dem Kaiſer als
[item ernannte Offiziere (das find nad Reichsver:
affung Art. 64 die Höchſtlommandierenden der Kon:
tingente, bie Bifiyere, welche Truppen mehrerer
Kontingente befebligen, die Feitungstommandan:
tur), die Elſaß-Lothringer und die Marine leiften
ibm den F. Sonft wird er dem Landesherrn bes
Staates geleiftet, in welchem der Schwörende ſtaats⸗
angebörig ift, dies auch, wenn er in einem an:
dern Kontingent dient, immer aber unter Ein:
ihaltung der Gehorfamsverpflihtung gegen den
Deutjhen Kaiſer (Reihsverfaffung Art. 64) und
wegen den Kontingentsherrn. Nur die Offiziere der
Iruppen, welche durh Militärfonvention in den
Verband bes preuß. Kontingents aufgenommen
iind, leiften den F. dem König von Preußen.
—— t, ſ. Deſertion.
ahuengaffe, in Zeltlagern diejenige Haupt:
gafle zwijchen den Beltreiben, in der die Fahnen
aufgepflanzt werden. Fest ungebräuchlich.
bnenhafer, Kammhafer, an er Ha—
fer, Haferart mit zuſammengezogener Riſpe, bie
fahnenartig nach einer Seite gewendet ift (ſ. Hafer
und Tafel: Getreidearten, Fig. 19a u. b).
Fahnenjunfer, früber diejenigen jungen Edel:
leute im Alter von 14 bis 16 J. ni der militär.
Yaufbahn widmeten und denen als befondere Aus:
eihnung das Tragen der Fahne anvertraut wurde.
In Deutihland ift 5. die dienstliche Bezeichnung für
unge Männer (bi8 1899 Avantageure genannt),
vie ald Gemeine in das Heer eintreten, um Offiziere
Fahne des Propheten — Fahnenſchuh
- werben. Zum Eintritt als F. ift_ erforderlich das
biturientenzeugnie eines Oymnafıums, Nealgum:
nafiumg, einer Oberrealjchule oder Realichule erjter
Drbnung oder das Bejtehen der Fähnrichsprüfung
Der 3. erhält nach feinem Eintritt die varfcrifts-
mäßigen Gebühren de& Gemeinen, als Unteroffi:
fe die eines Rapitulanten (j.d.). Nach mindeftens
echsmonatiger Dienftzeit kann der 5. dein Kontin—
gentäherrn zum Fähnrich (f. d.) vorgeihlagen mer:
den. Es bedarf hierzu eines vom aa | und den Off
zieren der Compagnie (Eskadron, Batterie) jomie
dem Bataillons:(Abteilungs:) und Regimentscom:
mandeur auögeftellten Dienſtzeugniſſes, das fi
über körperliche, geiftige und fittlihe Eigenſchaften,
Führung, Dienfteifer und Dienſtlenntniſſe des F.
ausfpridt, und des auf Grund besjelben von der
Dbermilitäreraminationstommiffion ausgeftellten
Reifezeugnifjes zum Fähnrich. Junge Männer, die
auf Örund eines Abiturientenzeugnijies mindeiten®
ein Jahr auf einer deutſchen Univerfität ftudiert
—— werden nad ſechsmonatiger Dienſtzeit, ohne
ir ) der Kriegsſchule und ohne ſechs Monate als
Fähnrich gedient zu haben, zur Offizieräprüfung
zugelajjen. un
n manchen Armeen (3. B. in Rußland) werden
die 5. Junker genannt.
Bahnenichn (Fahnlehn), im alten Deutſchen
Reiche die nad 1180 üblich werdende Bezeihnnung
der weltlichen Fürftentümer. Ihre — wurden
vom König unter Übergabe einer Fahne als Symbol
des Heerbanneg, den die Fürften dem König zu lei:
ten hatten, belehnt. Die Grundlage des weltlichen
ftentums war urfprünglich ftaatsrechtlich geme:
en, denn fie bejtand in der Ernennung zum Grafen,
Markgrafen, Pfalzgrafen, Herzog, d. b. zum böhern
meltliben Beamten des Reichs, ſeit 1180 war fie
lehnredhtlih. Den Gegenjab zum F. bildete das
Scepterlehn (f. Fürſt und ——— Dad Ecep:
ter ift im Gegenlak zu Ring und Stab das Symbol
der weltlichen Rechte der geiftlihen Fürſten.
Fahnenmarfch, Beet upp, in einigen
Heeren ein befonderer Marſch, der ausgeht ge:
ſchlagen oder geblajen wird, wenn Fahnen aus
ihrem Aufbewahrungsorte zu einer Truppenabtei:
lung gebracht oder von legterer nad jenem zurüd:
geliefert werden.
Fahnenfchmied, bei der Reiterei feit Jahrbun:
derten üblihe Bezeihnung für einen gelernten
Schmied. Bor der Gründung der Tierarzneifhulen
und auch noch einige Zeit darauf hatten dieſe #.
neben dem Beichlag der Pferde auch für die Heilung
von PWfervefrantbeiten Sorge zu tragen. Diele
Funktion liegt auch heute noch den im djterr. und
reuß. Deere vereinzelt vorlommenden fog. Aur:
Fomienen ob. Die jekigen F. find ihrem militär.
—5— nach Unteroffiziere (ſ. Esladron), ibrer
Thätigkeit nah Beſchlagſchmiede. Sie rüden nach
dem Dienſtalter bis zum Sergeanten LI. Ha auf.
Als ſolche heißen fie in Bayern seele nen:
hmiede Die Ausbildung der $ geliebt in
eutichland in militärisch organilterten Lehr:
ſchmieden ** wo die Schmiedeeleven ſowohl
theoretiſch über Bau, Verrichtungen und frank
beiten des Hufes, wie auch prakltiſch im Anfertigen
und Aufſchlagen von en unterrichtet werben.
Fahnenfchuh, der Metallbeihlag am untern
Ende der Fahnenſtange; zumeilen auch das lederne
Wiverlager am Steigbügel, in das der Standarten-
träger zu Pferde die Standarte ftellt.
Fahnenſektion — Fahrdienſt
Fahnenſektüon, in der deutſchen Armee früber
die zabne und Die dieſe ftet3 begleitenden fünf Unter:
offiziere. y Deutfchland und Ofterreich beftebt eine
bejondere 5. nicht mehr, der Fabnenträger ift im
Gefecht einer in Reſerve gehaltenen Compagnie zus
zuteilen. Wird auch dieje eingefest, fo gebt nad
dem Ererzierreglement der deutichen Infanterie die
Fabne mit in_die Feuerlinie und erhält zur Be:
dedung eine Sektion. Die Fahnen: und Stan:
dartenträger werden im deutjchen Heer von den
Commanbeuren der Regimenter und jelbftändigen
Bataillone aus den Unteroffizieren ernannt. Sie
tragen ein geftidtes Abzeichen auf dem rechten Ober:
arm (jwei an den Stangen —— eldzeichen,
wiſchen deren Tuch ſich eine Krone, zwiſchen deren
—— ein «W» befindet); ferner bei jedem
Dienit mit Helm einen Ringtragen (f. d.) mit Kette
aus Tombak oder Nidel nad der Farbe der Rod:
ndöpfe, und fofern fie nicht das Offizierfeitengewebr
fübren, ein bejonderes Seitengewebr, welches länger
ıft als das der Mannſchaften, in Lederſcheide an
metallenen Ortbändern.
Sahnenfpiel, auch Fahnenſchwenken oder
Sabnenfhmwingen, alte feit dem Ende des
17. Jahrh. außer Übung gelommene Volksbeluſti—
aung. Reſte haben ſich nod in der Schweiz erhalten.
Es beſtand darin, eine mit kurzem ſchweren Hand:
ariff verjebene Fahne in allerlei kunſtvolle Schwin⸗
aungen zu verjegen, fie aufaumwerfen und wieder auf:
zufangen. — Bol. Werner, Das F. (Defiau 1852).
ahnenftange, |. Fahne.
nenträger, |. Fähnrich und Fahnenſektion.
nentrupp, |. Fahnenmarſch.
E menunteroffiziere, die beiden Unteroffi:
siere, die redht3 und linls vom Fahnenträger jteben.
nentvachen, f. Innenwachen.
nentwagen, |. Carroccio.
nenweihe, eine mit einem kirhlichen Alte
verbundene militär. eier vor der überlieferung
ver Fahnen an die Truppenteile. Der kirchlichen
Weihe gebt die feierlihe Nagelung des Fahnen:
tuches an die Fahnenitange voraus, indem meift
der oberfte Kriegäherr ven erften Nagel zur Verbin:
dung des Tuches mit der Stange einfhlägt, dem
dann die Prinzen und Brinzeffinnen des Herrſcher⸗
baujes jowie die hochſten Generale folgen. Der
tirchlichen Einfegnung folgt die Übergabe der Fahne
an den in Parade ausgerüdten Truppenteil unter
Erweifung der üblichen militär. Ehrenbezeigungen.
nlehn, ſ. Fahnenlehn.
ulein, ſeit dem Anfang bes 16. Jahrh. Be:
nung für die Verwaltungseinheit der Truppen,
onders bei der Infanterie. Zunädjt zäblte ein
5. 400—600, jelbjt 1000 Mann, fpäter wurde die
Stärfe verringert, in Franlreih auf 300 Mann,
bei Frundsberg (1525) auf 380 Mann. Im Schmal:
kaldiſchen Kriege wuchs die Stärke wiederum. In
Wirllichleit waren die F. bei den Franzoſen wäh
rend der Religionstriege 100—200 Mann, bei den
Niederländern 70—100 Mann ftart, auch bei den
Spaniern erreichten fie faft niemals die Sollftärte
von 500 Mann. Die Zahl der F., aus denen ein
Regiment ſich zufammenfeste, war jehr verſchieden,
— zählte Frundsbergs Regiment 18 F. eine franz.
., bie Batfet. Parey im Sa ⸗
ieae 10 F. Ein F. beitand aus Pikenieren
—— aber auch Hellebardiere und Rund:
tartihiere befanden fich darunter. Im Anfang des
17. Jahrb. follte ein deutjches F. folgende Stärfe
ion 12
407
haben: 100 Pileniere, 160 Mustetiere, 20 Hellebar:
diere, 20 Rundtartichiere, aljo 160 Feuergewehre und
140 blante Waffen. Unter Karl V. zählte ver Rab:
men für ein deutiches %. 1 Hauptmann, 1 Leut—
nant, 1 Fähnrich, 1 Feldwebel, 1 Kaplan, 1 Fourier,
1 Fübrer, 2 Gemeinmwebel, 1 oder 2 Trommler oder
Pfeifer, 2 Trabanten zum Schuße des Hauptmanng,
1 Dolmetiher, 2 Jungen für den Hauptmann und
den Fähnrich, 1 Koh, 1 berittenen Knecht für den
Hauptmann. Allmäblid ging derName F. in Com:
pagnie über.
ähnrich, im Mittelalter der Fahnenträger,
der ein befonders tapferer und zuverläffiger Mann
pin und ſchwören mußte, Leib und Leben bei der
abne zu laſſen, fich erforderlihenfalls darin einzu:
wideln und jo dem Tode zu weiben. — Später (in
Preußen bis 1807) war der F. bei der Neiterei Kor:
nett (f. d.) genannt, der jüngjte Offizier der Com:
pagnie oder Schwadron; ihm blieb der Name, als
ftatt der Compagnien und Schwadronen nur die
Bataillone der Infanterie und die Regimenter der
Kavallerie Fahnen führten. Darauf ging dann die
urfprünglie Rangitufe ein. Am Veutihen Heer
beißen 8 die 208 Grfüllung der erforderlichen
Bedingungen dazu ernannten Fahnenjunker
(. d.); fie tragen das filberne Portepee (daher
früber Bortepeefäbnriche genannt) und ſtehen
im Range unmittelbar hinter dem Feldwebel (Wacht:
meifter). Nah fehsmonatiger Dienjtzeit bei der
Truppe, Beiuch der Kriegsſchule (ſ. d.), beſtandener
Dffiziersprüfung und Wahl dur das Offizierkorps
lönnen bie F. zum Offizier befördert werden. Bor
ihrer Ernennung zum Dffigier befommen fie die Er:
laubnis, das — ewehr zu tragen, und
werden dann außerdienſtlich auch wohl Degen—
fähnriche genannt. — F. zur See ſind in der
deutſchen Kriegsmarine die nach einjähriger Dienft:
zeit hierzu beförderten Seeladetten (. d.). Sie
werden nach Beſtehen der Prüfung zur Marine:
ſchule (f. d.) kommandiert und maden dort einen
eg Hi wiſſenſchaftlichen Kurjus durch, der mit
der Ablegung der Hauptprüfung zum Seeoffizier
endet. Darauf erhalten die F. zur See an Bord der
Artillerie: und Torpedojhulichiffe eine ſechsmona—
tige a rung im praltifchen Dienjt und
werben, falls fie bierbei gute Fäbigleiten bewiejen
haben, alsdann zu einem zweijährigen Bordkom—
mando an Bord der Schiffe des 1. Geſchwaders und
des Kreuzergeſchwaders eingejchifft. Am Schluß des
eriten Jahres dieſes Bordkommandos erfolgt bei
fonjtiger Geeignetbeit die Beförderung zum See:
offizier (Leutnant zur See). — Sie tragen die Uni:
form der Seeladetten (f. d.), jedoch filbernes Por:
tepee, filberne ſchmale Schulterftreifen und eine
Müse mit Heinem geftidten Abzeichen in Gold mie
die Seeoffiziere. Ar Dienftarad entipricht dem der
3. der Armee.
Über Fahnenträger ſ. Fabnenjeltion.
— Eiſenbahnkirchen, ſ. Betriebs—
mittel.
— —— Bremſen zur Verminderung der
Geſchwindigkeit eines Fahrzeugs beim Bergabfahren
oder beim Durchgehen der Pferde. Der früher
hierzu gebräuchliche Hemmſchuh (ſ. d.) iſt jekt bei
Kriegsfahrzeugen vielfach durch Backenbremſen (ſ.
Bremſen) und Nabenbremien (f. b.) erjebt.
Fahrbühne, bei einem Aufzug die Fläche,
worauf die Förderlaſt rubt.
Fahrdienft, j. Eiſenbahnbetrieb.
408
ähre, Anlage zur Bermittelung des Verkehrs
wiſchen zwei Ufern mittels flacher Shiffsfahrzeuge.
n die die Überführung von Eifenbabnfahrzeugen
ur Aufgabe haben, beißen auch Trajekte. Die’.
laflen ſich in frei fahrende, Seil: oder Kettenfähren
und fliegende 5. einteilen.
Bei den frei fahrenden F. erfolgt die Bewe—
ung des Fährbootes durch lange, in ven Grund ge
ste Stangen, durch Ruder, Segel und in neuerer
Zeit mitteld Dampfmafdinen ( En laseen,
wobei das Fährboot de ein Dampfer fein kann
oder durch Dampfſchiff geichleppt wird. Die größte
Dampffähre der Welt ijt derzeit wohl biejenige zur
liberführung von Eifenbabnzügen über die Meer:
enge von Garquinez zwiſchen San Francisco und
GSacramento. Das 129,283 m lange, 35,35 m breite
Fäbrboot Solano trägt vier Gleiſe, die 48 Laftwagen
ſamt der Zolomotive oder 24 Perfonenwagen auf:
zunehmen vermögen. Acht Dampfteffel verforgen
zwei gewaltige Balancierdampfmaſchinen, die Ey:
linder von 1,52 m Durchmefler und 3,35 m Kolben»
hub haben,
Bei ven Seil: oder Kettenfähren wird das
Schiff durd eine oder zwei Ketten geführt, die auf
den Grund des Waſſers gelegt und an den Ufern
in Spannung erbalten werden, während auf dem
Sail dur u. getriebene Kettenräder zur
ortbewegung desſelben dienen, wie 3. B. bei der
. zu Devonport bei Plymouth. Statt der beiden
— ſStetten verwendet man auch ein einziges
tarles Drabtfeil, das an der ſtromaufwärts gerich⸗
teten Seite des quer gegen den Strom liegenden
langen Faährſchiffs über zwei Fuührungsrollen gelegt
und an den Enden gejpannt iſt. Zur Bewegung des
Schiffs dient ein zweites ſchwacheres Drabtieil, das
ſich über Seilſcheiben auf dem Schiffe ſchlingt, die,
dur eine dafelbit befindliche Dampfmaſchine in
Umdrehung verjekt, eine VBorwärtäbewegung des
Fahrbootes bewirken. In Rheinhauſen beitand 1867
— 72 eine für fünf Gleife beftimmte Überfahrta:
Bar diefer Art. Bei ganz Heinen Anlagen wird
das Schiff an einem quer über dem Flußgrund bin:
weg (in feltenen Fällen wohl auch über dem Waſſer)
gelegtenjog. Schertau oder Scharſeil durch Menſchen⸗
fraft fortgezogen (Rollufer), oder man hängt das
Schiff bei größerer Flußgeſchwindigkeit mittels eines
eigenen Seild, den Zaum, defien Ende an einer
Rolle am Scharfeil geleitet wird, an dieſes. Durch
Sciefjtellen des Schiffs gegen den Waflerlauf wird
die Vorwärtsbewegung bewirft.
Vei den fliegenden F. iſt ein Seil, das Giertau,
firomaufiwärts der Überfabrtsitelle verantert und
pendelt um feinen Befeftigungspunlt, wenn das am
andern Ende des Taues befejtigte Boot von einem
Ufer zum andern binüberfäbrt. Zur Unterftüßung
des Giertaues dienen, damit es nicht auf der Fluß:
foble jchleift, befondere Schwimmer oder auch Heine
Käbne (Bogtnachen, Furtelzillen). Auc bier kann
die Gewalt des Stroms bei Schiefitellung des Schiffs
mittel des Steuers odermittels einer am Giertau be⸗
fejtigten Kette oder Seil (Brittelfette, Nebenfeil) zur
Borwärtsbewegungbenußtiwerden. Fliegende %., bei
denen das Fahrſchiff aus einer auf Booten rubenden
Plattform bejtebt, beißen fliegende Brüden.
Die Landevorrihtungen bei den F. befteben
meiſt aus Landungsbrüden. Bei Trajekten erfolgt
die Bermittelung zwifchen dem feiten Niveau ber
Eiſenbahn und dem tiefern des Fährbootes meiſt
durch geneigte Ebenen. Bei der Eiſenbahnfähre
Fähre — Fahrende Leute
zwiſchen Homburg und Rubrort werden Platiformen
dur bybraulifhen Drud bis zu 5,5 m geboben
und gejentt. An Seetrajettanftalten mit geri
Waſſerwechſel ann das Sri mittels Sinlafen
und Auspumpen von Wajjerballajt reguliert werben
Über die ſchwebende F. (an einer Brüde hän
gend) ſ. Brüde, Bd. 17, nebit Taf. I, Sig: 3.
Zur Zeit fehlt es noch an einer einheitlichen deut:
fhen Geſeßgebung überdie F. Die Beitimmm:
en ber deutihen Gewerbeordnung ſollen auf F.
eine Anwendung leiden. Die F. können Privat:
fähren, d. b. nur dem Gebraud des Eigentümers
dienende, und öffentliche fein. Nach deutichem Lan:
desrecht ift die Anlegung einer difentli 3. au!
öffentlichen Fluſſen er} — ———
ohne —* erleihung nicht erlaubt, die
nad den ältern Gejeßgebungen (Preuß. Allg. Landt
II, 15, 8.51; Verordnung vom 4. Juli 1840 für
den Rhein; franz. Gele vom 6. Yuni VII) nod
als Ausfluß eines Fährregals des Staates, nad
den jüngern (Bayern, Baden u. f. w.) als polizei«
lihe Konzeſſion erfcheint. Im erftern Falle kann
die Verleihung durch unvordenkliche Verjährung der
Fährgerechtigleit erfeßt werden. Nach preuß. Ge:
werbeorbnung vom 17. Yan. 1845, 8. 45, bat die
Verleihung einen —————— ur Bor
ausfegung. Privatiäbren darf nah Preuß. Landt
II, 15, 8.50, am ſchiffbaren (aljo öffentlichen) Flus
jeder Anwohner halten. In Öfterreih ijt die Be
willigung der polit. Landesbehörde vorbebalien
und wird auf 5 Jahre, für längere Zeit vom Mı-
nifterium erteilt. Das Fährgeld iſt in Fäbrere-
nungen vorgejchrieben; mande ®emeinden umd
felbftänbi e Güter haben dur Verträge oder Ber
aeg Kir ihre An en Freiheit vom Fabr:
geld erworben. Die Beihädigung von F. wird nad
dem Deutſchen —— N als ein gemein:
gefährliches Vergeben beitraft, wenn Gefahr für
das Leben oder die Gefundheit anderer oder eine
—— Korperverletzung oder der Tod eines andern
erbeigeführt ift ($$. 321, 325, 326). .
ren, im allgemeinen Fortbewegen eine?
abrzeuge3 (f.d.) durch Zugtiere, die vermittelft einer
ugvorrihtung, Geſchirt, mit demjelben in Ber:
bindung gebradt find; im befondern: Gejhidlichteit,
die angelpannten Zugtiere nad) eigenem Willen zu
leiten. Das Lenken der Gefpanne, wobei die nötigen
Hilfen mit der Beitfche gegeben werben, erfolgt ent:
weder vom Bod oder vom Sattel aus, letztere Art
ift namentlich bei allem militärischen F. fait aus:
hlieglih in Gebraub. Das F. vom Sattel bei
urusfubrwerten (mobei die Fahrer meift in Joden:
tracht find) wird F. à la Daumont genannt. —
Vol. B. Schönbed, Fahrhandbuch zum Selbftubium
(2. Aufl., Lpz. 1895); Eberhardt, Das Wagenpferd
und die Fabrkunft (2. Aufl., ebd. 1890); R. Schön:
bed, Reiten und F. (3. Aufl., Berl. 1898); beri.,
Fahr: ABE (ebd. 1893); derſ., Deutihe Fahrkunde
(ebd. 1900); Schlaberg, gebe snheuidion (2. Aufl,
Oldenb. 1894); Ahlers, Der Fahrſport (Opy. 1902).
ahrende Batterie, |. Artillerie. _
ahrende Habe, Fahrnis, |. Mobilien,
rende Leute, wanderndes, berumziebendet
Volt, Sie ericheinen bereits im frühe en Mittelalter,
zum Teil hervorgegangen aus den röm. Gaullern
und Mimen, die ſich über die Zeit ver röm. Herrichaft
binaus in den german. Ländern erhielten, beſonder⸗
aberim ſudl. Frankreich ihr Wejen trieben, Jangen und
mufizierten, tanzten, euer fraßen, quadfalberten.
Fahrende Poſtämter — Fahrnisgemeinſchaft
adgerihtete Tiere vorführten und Marionetten ſpie⸗
len eßen. Sie zogen einzeln oder in —— *
bald vermehrt durch gleichartige einheimiſche Poſſen⸗
teihet und Vagabunden. Die einheimiſchen deut:
den Vollsſänger und Harfenſpieler behaupteten ſich
lange Zeit neben ihnen in einer höhern, geachtetern
Stellung, beſonders wenn fie jehhaft waren; doch
verjhoben fich die Grenzen allmählich, da der Hels
dengejang unter dem Einfluß der Geiftlihen aus
den obern Kreiſen ſchwand und num von den F. L.
aufgenommen wurde. Einen neuen Zuwachs er:
bielten fie feit dem 10. Jahrh. durch fahrende
Schüler und lieverlihe Kleriter (Baganten, f. d.),
und eben dur ihren Cinfluß entjtand jebt eine
lat. und beutiche Spielmannspoejie von großer
Munterleit und Friſche (f. Carmina burana), dabei
reichhaltig und —— Schwänke, Novellen,
Liebeslieder, Gnomen, Lügen, Vexierſpäße, Schau⸗
fpiele, Heldengeſang, ja auch größere epiſche Did:
tungen und —— umfaſſend: die Dichtungen
von Oswald, Orendel, Salman und Morolt und
andere Epen des 12. Jahrh. find Spielmannswerte.
Die meiiten Spruddicter des 12. und 13. yabrh.,
wie die beiden Spervogel, Freidank, der Dlarner,
waren F. L., und felbjt Adlige, wie Walther von
der Bogelmeide und Reinmar von Zweter, gehörten
ihnen, freilich ihrer oberjten Schicht, an. —
blieben fie im großen und ganzen in geringer Ach:
tung. Diefe Geringſchätzung ward aud) von den Ge:
ſes en ausgeiproden;der«Schwabenfpiegel»enterbte
den Sobn, der gegen feines Vaters Willen Spiel:
mann wurde; die Stadtrechte verweigerten ihnen
den Zutritt; die Kirche behandelte fie wie Abge:
allene; das lange Haar, der Schmud des freien
annes, war ihnen gleih den Knechten verſagt,
und fie batten, war ibnen Unrecht geſchehen, ein
Recht und eine Forberung höchſtens auf Schein:
busen. Infolge diejer Härte des Geſetzes fuchten
fich die aus der Gejellihaft Geftopenen zum Zeil
unter eigentümlicher, ergölicher form abzuſchließen
und zu jhüsen. So entjtanden das «Rönigtum ber
F. 2. im Eljaß», das «Pfeifferrecht zu Rappoltftein»
u.a. Die F. L. des Mittelalters leben heute noch fort
in den herumziehenden Komodianten, wg
und Orgelipielern der Jahrmärkte. — Bol. Vogt,
Lebenund DichtenderdeutfhenSpielleuteim Mittel:
alter (Halle 1876); Benele, Bon unebrlihen Leuten
(2. Aufl., Berl. 1888); Saltarino, Fahrend Bolt
(2pz. 1895); Schaer, altdeutichen Fechter und
Epielleute (Straßb. 1901); Hampe, Die F. 2. in
der beutichen Vergangenheit (Lpz. 1902).
Fahreude Poftämter, in Oſterreich-Ungarn
diejenigen Poſtämter, die den Bojtbetrieb auf den
— * vermitteln. Die Bahnpoſten ſind
nach dem Anfangs- und Endpunlt der von ihnen
befahrenen Streden und außerdem mit Nummern
bezeichnet. In der Schweiz jind auf den Eijenbahn:
linien und auf ben Dampficiffen je nad Bedürfnis
Bahnpoft: oder Schiffspoſtbureaus eingerichtet; fie
eben in der Regel der Kreispoftdireltion, in
deren Gebiet der Poſtlurs ausmündet.
Im deutfhen Reichspoſtgebiet führen die zur
Bahrnebmung des Poitbetriebes auf den Eijen:
babnzügen beſtehenden Poftanftalten die Benennung
ftamt; ver Vorſteher eines ſolchen führt die
% jeihmung oftdireltor. [ganten.
rende er, . Bachanten und Bas
renheit, Gabriel Daniel, Berbefierer des
Ihermometers3 und Barometers, geb. 14. Mai 1686
409
zu Danzig, ließ fi, nahdem er Deutihland und
England bereit hatte, in Holland nieder, wo bie
berübmteften Männer feines Fachs, unter anderm
auch 's Gravefande, feine Lehrer und Freunde wur:
den. Er fam 1714 zuerſt auf die Idee, ftatt des
Meingeifted das Quedjilber bei Anfertigung der
Thermometer (f. d.) zu verwenden, wodurch dieſe
—— bedeutend an Genauigleit gewannen.
abei nahm er die Kälte im Winter 1709 zu Dan:
zig ala Wärmeminimum und als den Anfangspuntt
(Rullpuntt) 2. Skala an, die nad ihm benannt
it. Ferner fonftruierte F. das erfte brauchbare Ge:
widhtsaräometer in der heutigen Form und das erjte
Thbermobarometer und machte 1721 die Entdedung,
dab Waſſer bedeutend unter feinem Frojtpuntte er:
faltet werden kann, ohne zu gefrieren. %. ſtarb
16. Sept. 1736.
— ſ. Beſpannung.
ahrgeichwindigfeit der Eijenbahnzüge, ſ.
Eiſenbahnfahrgeſchwindigleit.
ahrkarten, ſ. — —
ahrkunſt, ſ. Fahren; als Beförderungsmittel
für Bergleute, ſ. Bergbau, Abſchnitt Fahrung,
nebſt Taf. I, Big: 1, und Taf. IV, Fig. 12.
ahrläffigkeit. Im Strafrecht ift die Regel,
dab man nur für den vorſätzlich berbeigeführten
rechtswidrigen Erfolgbeitraftwird. Ausnahmsweije
wird auch derjenige neitraft, welcher fahrläjjig han:
delt, d. b. einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführt,
den er nicht vorausfah, den er aber bei Anwendung
der vernünftigerweije von ihm zu fordernden Sorg:
falt hätte vorausfehen follen und lönnen. Die Aus:
nahmen find im Deutihen Strafrecht meift ausprüd:
lich beftimmt. Hierber gebören: fahrläſſige Tötung,
Körperverlegung, Branpftiftung, Eifenbahntrans:
portgefäbrdung, Störung von Zelegraphenleitun:
gen, Beſchädigung von Wafjerleitungen, Deichen
u.f.m., von Wegen, von Vorrihtungen zur Side:
rung des Bergwerksbetriebes und der Schiffahrt,
Strandenlafjen eines Schiffs, Brunnenvergiftung,
Nahdrud und die ihm verwandten Gebiete. Ge:
ftraft wird aber die F. nit jchon dann, wenn
jemand im allgemeinen unvorfichtig handelte, 5. B.
beim Mafchinenbetriebe die vorgejhriebenen Sie:
rungsmaßregeln anzubringen unterließ, ſondern
nur, wenn der Thäter bei Anwendung der gemöhn:
lihen Sorgfalt und Borficht den eingetretenen Er:
folg, der zum Thatbejtand des Fahrläſſigleitsver—
Ar —— (z. B. den Tod des Arbeiters an der
aſchine) als Folge vorausſehen konnte. Dadurch,
daß ber Öetötete (Verletzte) ſelbſt oder ein Dritter
aud noch fahrläffig gehandelt bat, wird die Schuld
nicht unbedingt ausgeſchloſſen. Wenn derjenige,
welcher eine Tötung oder Körperverlesung fahrläjlig
—— bat, zu der Aufmerkſamleit, welche er aus
den Augen jente, vermöge feines Amtes, Berufes
oder Gewerbes — verpflichtet war, 6 tritt
eine erhöhte Strafe ein, und e3 findet die Beitra:
fung der Körperverletzung ohne Antrag ftatt. (©.
Körperverlegung.) Hierher gehören auch die fog-
Kunftfebler der Ärzte; e3 wurde ein Arzt wegen
fabrläffiger Tötung beitraft, weil er die Anlegung
des antijeptifchen Verbandes unterlaflen batte.
Im Öfterr. Strafgeſetzbuch wird die F. ähnlich be
bandelt wie im Deuticen. — fiber die civilredht-
lihen Folgen der Fahrläffigkeit ſ. Culpa.
ahrnis, foviel wie Mobilien (ſ. d.).
ahrnisgemeinfchaft, ſ. Ehelihes Güterrecht
und Mobiliargemeinicaft.
410
ahrplan, Fahrplankouferenzen, |. Eifen:
babnfabrpläne.
ahrpoftfendungen, im deutſchen Reichspoſt⸗
gebiet, in Oſterreich-Ungarn und der Schweiz Be:
Bene aller Poſtſendungen (auch Briefe) mit
ertangabe und der Pakete ohne Wertangabe.
— ng egrergport
ahrrad, heutige Bezeichnung für die früber
Velociped genannte Maſchine. Über die geihicht:
(ihe Entwidlung und die verfhiedenen Benennun:
gen derielben |. Belociper.
Das Hochrad (f. Tafel: Fahrrad, 5 . 1) dient
beute beſonders zum Kunft: und Reigenfabhren ; zum
Zourenfabren hat das Niederrad (Kover) faft aus:
ah den Vorzug erhalten, da es leichter zu
handhaben (befonvers zu bejteigen) und ungefähr:
licher beim Fahren ift, al& das Hocdrad, Während
beim Hochrad die Tretkurbeln direlt das Border:
rad antreiben, liegt beim Rover die Tretlurbelachie
jwifchen beiden Rädern und ihre Drehbewegung
wird mittelö einer Treiblette oder durch Raͤder—
getriebe (f. weiter unten) auf das Hinterrad über:
tragen, und zwar (wegen der Heinern Räder) mit
einer liberfegung ins Schnelle. Einen modernen
Herrenrover ald Tourenmaſchine zeigt Fig. 2; als
Rennmaſchine ift diefelbe Form beibehalten, nur ift
die Maſchine leichter gebaut. Beim Damenrover
(‚Fig. 3) weicht der Rahmen von demjenigen des
Herrenrovers dabingebend ab, daß das Scheitelrohr
nicht in horizontaler Richtung zum Satteljtügrohr
führt, fondern entweder in gerader Linie oder in
janftem Bogen nad unten gebt, um fidh erft etwas
über dem Tretfurbellager an das Satteljtügrohr
anzuſchließen. Ebenjo wird für Militär, Jäger
u. Y w. das Scheitelrohr nad unten durchgebogen
ausgeführt, jo daß man, um die Waffe zu gebrau:
den, das Rad nicht verläßt, fondern in den Rahmen
bineinfpringt und fo das Nad zwifchen den Beinen
behält. Ebenfalld für militär, Zwecke bauen bie
Aoler-Fabrradiverle in Frankfurt a. M. ein F. mit
dem modernen fog. Humberrabmen, das ebenio
rafh zufammengellappt als wieder in feinen Ge
brauchszuſtand gebracht werden kann. Fig. 12 zeigt
das F. halb nach hinten umgellappt und die Lent:
ftange beruntergellappt. Am Scheitelrohr und un:
tern Verbindungsrohre find Scharniere angebracht,
deren jedes aus zwei Hülfen befteht, die über die
jufammenftoßenden NRobrenden aufgefchoben und
mit diejen durch Fötung verbunden find. Zum Zweck
einer abjolut eh Berbindung der Echarnierteile
und fihern Verfteifung des Rabmens find im In:
nern der Rahmenrohre Eciebbülfen angebracht,
welche mittelö eines —— über die Scharnier⸗
teile geichoben und dur Klemmſchrauben befeftigt
werden. In Frankreich find die Radfahrerbataillone
ausnahmslos mit dem von Hauptmann Gerard
tonftruierten zufammenlegbaren F. ausgerüftet.
Das Scheitel: und das untere Verbindungsrobr find
bier durch zwei ftarfe Barallelrobre erießt, deren
jedes aus zwei Zeilen beitebt, die durch ——
miteinander verbunden ſind und durch übergeſcho—
bene Ringe ſtarr gegeneinander feſtgeſtellt werden
tönnen. Das Satteljtügrohr läßt ſich in Scharnieren
vor und rüdwärtö bewegen und mwirb mit Hilfe
eined Stutzens feftgrftellt. Einen engl. Rover, der
ſowohl von Herren ald von Damen gefahren werben
tann, eigt Fig. 5. Derfelbe zeichnet fich durch
aroße Stabilität und geringes Gewicht aus. In an:
derer Weile jucht man das Gemicht purd; Anwendung
Tahrplan — Fahrrad
busrohr u. f. m.) zu verringern. Bon den doppel⸗
—95 — Zweirädern find die Sociables («Ger
ellihaftsräder»), die lange = veraltet waren, vor
einigen Jahren wieder aufgelommen; bei ihnen find
die Eike der beiden Fahrer nebeneinander (Fia. 6),
mwäbrend die Fahrer auf dem modernen Tandem
(Fig. 4) hintereinander fißen und entweder nur ber
vorn fiende die Lenkung des Fahrzeugs übernimmt,
in welchem Falle die zweite Lenkſtange feit am Rab:
men fit, oder aber beide Fahrer lenfen, wobei beite
Lenkſtangen mittels eines Stabes drebbar unterein:
ander verbunden find. Bei dem Tandem für Dame
und Herr zeigt der vordere Teil den Nabmen des
Damenroverd. Alter ald das Zweiradtandem
find dag Dreirad: und Vierradtandem, beide
gegenwärtig jelten. In den lebten rer find
auc dreis, vier: und mehrfigige Zweiräder
(Triplet3, Duadruplets u. f. m.) gebaut wor:
den, die meift zum Schrittmachen bei Wettfabrten
benußt werden. Um Mu diefem Zwed mit größerer
Geſchwindigkeit ala bisher, jedoch ohne größern
Kraftaufwand fahren zu können, ordnet Wbitwortb
auf einer Verlängerung des Rahmens binter dem
Hinterrad ein Tretkurbellager an, von welchem der
binten fitende Fahrer feine Kraft mittels Ketten:
rad und Kette auf das Hinterrad — Gebt.
Reichſtein ordnen dagegen den letzten Sitz birelt
über dem Hinterrade an, wodurch der Sechsſitzer
nicht viel länger als ein Fünfſitzer iſt. Der bin:
terjte Fahrer wirft bier direft (ohne Nette) auf
das Hinterrad. Um aber auch einfigige F. mit
möglichft bober liberfeßung fabren zu können, bringt
öhlich in Köln a. A, bei jeinem Hebelrab
ig. 7) Tretbebel an; die an lektern ſihenden Be
dale beichreiben keinen Kreis, jondern ein Oval,
bei welhem ber Tritt ein längerer und daber die
Kraftentfaltung eine größere ift. Auch im obern toten
Punkt der Kurbeln entfalten die Hebel ———
Hand in Hand mit dem Wunſch, hohe ÜÜberfegun:
en zu fabren, ging das Bejtreben, die Breite dei
retfurbellagerä zu verringern, weil dad enge Tret:
turbellager oder der «enge Tritt» eine größere Kraft⸗
entfaltung und eine beilere Ausnukung der ange
wendeten Kraft geftattet. Man bat daher die Naben:
länge von Jahr zu Jahr verringert; die Heinfte
Nabenlänge (38 mm zwiſchen den Flanſchen) erzielte
1899 Schmidt in Neumarkt bei Nürnberg dadurd,
daß ein Spannring aus zwei durch Querjtäbe ver:
bundenen Parallelringen von 5 mm Durchmeſſer
und O,s mm Wandſtärke zwiſchen die Epeichen ein
gelegt wird, wodurd diefe an dem Auflager des
Ringes ihre urfprüngliche Richtung verändern und
ſenkrecht zur Nabe geben. .
Um in gebirgigen Gegenden oder bei Gegenwind
das Fahren zu erleichtern, find ſchon die abenteuer
lichiten Erfindungen in variablen Üiberfeßungen 8
macht worden, doch konnte ſich feine behaupten, bis
vor kurzem die Necarſulmer Fahrradwerke mit dem
Variandkugellager (Syſtem Küſter) eine einfache
| Konftruttion lieferten; es bildet die Kombination
einer zwifchen ven Rugelreiben in dem ſonſt leeren
Tretlurbelgehauſe angeordneten ———————
mit einem im Kettenrad angeordneten Dijferential⸗
Planeten:Getriebe. Das Wechſeln der liberfekung
geſchieht durch Hoc: oder Niederprüden eine: am
obern Rahmenrohr angeordneten Hebeld. (Die Ab:
ı bildung des Bariandkugellagers befindet fib auf
der Beilage, Fig. 10.)
leichter Materialien (Nluminiumlegierungen, Bam-
Fahrrad.
‚ Der Rahmen beiteht aus dem Sattelſtützrohr,
in welches der Sattel verftellbar eingelegt ijt, dem
brungsrohr, durch welches die Lenkitange einer:
eitö und die Gabel des Vorderrades andererjeits
drebbar durchgeführt find, und den diefe beiden
Rohre zu einem Trapez vereinigenden Rohren, dem
Big. 1.
obern — ———— (Scheitelrohr) und dem
untern Berbindungsrohr. Die einzelnen Rohre wer:
den unter Vermittelung von Wintelftüden ee
dur Hartverlötung, Verjhraubung, durd Keile
oder durb ein Walzverfabren verbunden und find
Pr
Big. 3,
entweder nad dem Mannesmannſchen Verfahren
ewalzt oder, wie die Helitalrobre (j. obenjtehende
Sig. 1), aus einem Stablblechftreifen gemunden, wo:
die Ränder hart verlötet find.
NR
Fig. 4. Fig. 5.
Die Lenkſtange iſt aus einem Stüd und bat
verichiedene formen je nach der zu beobachtenden
Körperbaltung, die auf dem Tourenrad mebr auf:
recht, beim Rennrad mebr gebüdt if. Die ent:
ſprechenden Formen der Lenkſtangen zeigen Fig. 2
Big. 6.
u.3 für Tourenräbder, Fig. 4u.5 für Rennmafdinen.
Man bat auch Lentitangen, die aus zwei in weiten
Grenzen verjtellbaren Hälften beſtehen, und folde,
die eine geſchloſſene Schleife bilden, von welcher jede
Stelle als Handgriff dienen kann (Fig. 6, Frankie
Ronitruftion). Hölzerne Lenkitangen follen die auf
die Arme wirkenden Stöße mildern.
Bon großer Bedeutung für die Verminderung der
Reibungsarbeit find die Kugellager, welche ölbal:
Brodhaus’ Ronverfationd-L2erikon.. 14. Aufl. R. A. VL
tend und ftaubficher fonftruiert find. Wie Fig. 7 zeigt,
die ein Tretturbellager darjtellt, wird die Laufbahn
für die Kugeln einerfeit3 von einem auf der Achſe
verftellbaren Konus, andererfeit3 von einer mit dem
Lagerkörper verbundenen Taffe gebildet. Gegen das
Auslaufen von Öl und das Eindringen von Staub
—— die Lager durch Kugelhaltering, Bund am
onus, Filzring und Staubdeckel geihüst. Der
Kugelbaltering bält die J— im Lager auch dann
zufammen, wenn behufs Reinigung die Achſe und
mit derfelben die Konen entfernt werden. Nach den⸗
felben PBrincipien find die Lager des Vorder und
Big. 8.
Hinterrades — Auch die Lenkſtange im
Führungsrohr, ſowie die Pedale ſind auf Kugeln
gelagert. Das Klemmen der Kugeln wird beim
Doppelkugellager (Fig. 8) unmöglich gemacht, mel:
ches außerdem noch geringere Reibung bietet, als
das einfache. Bei der geringften Unebenbeit in der
Fig. 9.
——— des einen Lagers tritt ſofort das zweite
hätigleit. Ganswind läßt die Kugellager ganz
fallen; das Rab wird mit jeiner Nabe auf einer
Hulſe (Fig. 9) befeftigt, die genau centrifch durch⸗
bohrt ift und zur Aufnahme eines die Achſe bildens
den 1 mm ftarfen Drabtes dient, der durch Um—
biegen feiner Enden verjpannt wird und bei etwaigen
Brud jofort durch einen neuen erjegt werden lann.
Das Kettenrad wird, um es zwecks Underung
der liberjegung mit einem kleinern oder größern ver:
tauschen zu können, lösbar mit ver Nabe verichraubt.
Während der Fahrt läßt fich die Überfeßung mittels
des ſchon im Artikel beichriebenen Variandkugel—⸗
13. Gepäckdreirad.
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl. R.A.
16, Motordreirad, |
Fahrrad
lagers (dig: 10) verändern. Den ebenfall3 ſchon
beichriebenen Freilaufmehanismus zeigt Kar 11.
Eine Rollenfette für Tourenmajdinen tft in
Big. 10,
Dig. 12, eine Blodfette, die für Rennmafcinen
gebräuchlich ift, in Fig. 12a abgebildet. Ein Hegel:
räberpaar für Übertragung bei kettenlofen Rädern
a 18. j
edale, melde bebufd Verminderung der
Fig. 12.
Fig. 12a.
Reibung in Rugellagern geben, haben für Touren:
majdinen die in Fig 14, für Nennmafcinen die
fig. 13.
leichtere in Fig. 15 abgebildete Bauart. Die ge: 16
‚zeigt ein zugleich als Fußhalter ausaebildetes Pedal.
Bon den Bremfen wirken die gewöhnlichen De;
Löffelbremfen virelt auf die Gummireifen.
Schonung des lektern bat man Bremien fonftruiert,
die entweder auf die Felge, wie in ig. 17, oder auf
die Tretkurbelachſe oder auf die Hinterradachſe wir
ten. Zum Schuke des Bremsgeftänges kann das:
fig. 16,
felbe auch in das Innere des Steuerrohres verlegt
werben (Fig. 18). Bei den genannten Spitemen
wird die Bremfe dur einen an der Lenkſtange an:
gebrachten Hebel betbätiat, der fo lange gegen die
Fig. 16,
Lentitange angedrüdt werden muß, als die Brems—
wirkung dauern foll. Diefes ermüdende Halten des
Bremöhebels fommt bei den folgenden Konftrul:
tionen in Fortfall. ;
Die Carloni Brale zn
Eo.inMailandbaut
eine Bremfe, die auf
verſchiedenen Drud
eingeftellt werben
fann und in der
betreffenden Stel:
(ung mwäbrend der
Bremsdauer jelbit:
a verharrt. Die
remfe wird durch
Drebung eines an
der ah pm an:
gebradten Hand:
radchens in Tbätig:
feit gefeßt, welches
Bis eine biegfame
Mellenleitung mit
der Bremie verbun:
den iſt. Die pneu:
matifhen Bremjen (Fig. = lönnen an der Borber:
rad: oder der Hinterradgabel oder am Sattelftügrobr
befeftigt werden; ibre Bethätigung geſchieht durch
9
Fahrrad
einmaligen Drud auf den an der Lentftange an: | beigeführt, daß fich die Rollen r des Freilaufges
— Gummiball, wonach die Bremſe von felbft | ſperres ausloſen und ſomit den Kettenkranz p frei⸗
o lange in Wirkung bleibt, bis durch einen Druck geben. Tritt alsdann der Fahrer rüdmwärts, fo
dad am Gummiball angebrachte | gelangt die Bremfe zur Wirkung, und zwar mit einer
Entlüftungsventil geöffnet wird. | der Größe des Nüdirittes entiprechenden Brems—
Sehr einfad und jiher im Gebrauch * n
ift Die Citobremſe (Fig. 20). Sie hat
den Vorteil, daß bei zu ſtarkem
Bremödrud der Kurbelitift a den
Bremshebel b wieder freigiebt, wo⸗
durch Stürze infolge zu plöplihen
Bremſens ausgeſchloſſen find. Eine
Bremje für ein mit Freilauf mi.
ftatteted Rad zeigt ig. 21. Auf
der Tretkurbelachſe fit im Innern
des Lagers eine Heine Friltionslup⸗
pelung. Dur Gegentreten auf die
Rurbeln wird eine Sülfe mit der Kur:
belachſe getuppelt und daburd die
Bremsgabel verſchoben, infolgedei:
den ſich die Bremsbacken feſt gegen
vie Felge legen. Fig. 22 zeigt eine
von den Nedarjulmer Sahrrabier:
ten gebaute Nabeninnenbremfe in | kraft. Wird num die Sperrklinke hochgezogen, fo
Verbindung — Unterdem | entiteht eine ftarre Verluppelung jwiſden Ketien⸗
Kettenkrang p, der feitlih mit den franz und Nabenkörper, jo dab weiteres Öegentreten
Bremsrollen a in Berührung fteht, | nun noch direlt zur Hemmung des Nades beiträgt.
>.) befindet ſich der Freilaufmechanis⸗
u Finn I] mus. Beim Gegentreten ftoßen die
ER [FI Bremstolien a gegen bie mit einem
1 u. verjebene bewegliche
innere Bremsſcheibe d und preſſen
Fig. 18. dieſelbe gegen die fefte äußere Bremös |
fheibe e. Die Bremsſcheibe d ift an
ihrer Beripberie mit Vertiefungen verjeben, in welche
eine Eperrflinte c eingreift, die durch Federdruck
Mil
—D—
N
Fig. 19. fig. 22.
nad unten gehalten wird und mittel3 einer Draht: | Man kann mit diefer Ronftrultion bei Steigungen
verbindung vom Fahrer ausgelöft werden kann. | von 30 bis 40 Proz. auf wenige Meter Entfernung
=. den Stillftand herbeiführen.
Fig. @.
J die Sperrflinte eingeſchaltet, jo wird die innere | Der Sattel ſoll nicht reiben oder drüden, aud
temäjceibe d an der Rotation —— und iſt nicht heiß werden. Der Chriſtyſattel z. ®. (Fig. 23)
beim Ruben der Bedale der Freilauf dadurch hers | erfüllt diefe Forderungen dur feine zweckent⸗
3
Fahrrad
rechende Form und dadurch, daß bie Kiſſen behufs ſchlauches der ganze Reifen momentan untauglich
üblung auf einer durchlocherten Unterlage ru wird. Diefer Übeljtand führte ag rn
Der in Fig. 24 er Prag Zwillingsfattel befist | Dauerreifen, bie jedoch —— ſchwerer und
getrennte, als Luftkiſſen ausgeführte Sitzflächen. weniger elaſtiſch find, ald die Prneumatils, So hat
Big. 71.
man 3.9. zwifben Mantel und Luftihlaub un:
re Stöße hat man federnde Eattel: u Ce bänder elegt; der Geber
i .28) be wifchen
er von Dunlop dene und in zahlreichen reiſen von Mamjen (gig. 29) st zwiſch a;
andern Ronftruftionen (Gontinental, fior, Babl, .
mer, Macintofb, Michelin, Gormully & Jeffery, — —
th u. a.) verwendete bez. verbeflerte pneumas i
tifhe Reifen (Fig. 25) beſteht aus einem innern
——
Big. 38.
dede und Felge ein Syſtem von Blatt» und Schrau:
benfebern, die im Falle eines Bruches leicht einzeln
zu erfegen find.
Sig. 36.
Luftſchlauch und einer äußern Umhullung (Laufdede,
Mantel), ift 1°,—2 Zoll ftart und wird mit feinen
Bulftlanten auf ftählernen oder hölzernen Felgen
beietigt und mittels einer Heinen umpe dur
ein in ben Luftſchlauch führendes Bentil | etwa
14, Atmofphären im Borderrad und auf etwa
2 Atmofphären im Hinterrad aufgeblafen. Der
—
Big. Me.
Mantel ift entweder gas oder, um auf naſſen
Straßen einem Audgleiten vorzubeugen, an ber
Dberflähe gerieft (Fig. 26). Für Rennmafdinen ——
find neuerdings 1% lauhpneumatits (ig. 27) Big. m.
aufgelommen, die ſich durd geringes Gewicht und
große Clafticität auszeihnen, jedoch jhmwierig zu | Den Motor des auf der Tafel, Fig. 16, abgebilte
reparieren find. Alle dieſe pneumatifchen Reifen | ten Motorbreirades veranſchaulicht * Wegen
baben den Nachteil, daß bei Verlegung des Luft-Beſchreibung desſelben vergleiche ven Artikel.
Fahrrad
Als neuefte Mode im Fahrradbau ift der Frei:
laufmechanismus (Free- Wheel) zu verzeichnen.
Terielbe befteht aus einem Gefperre, welches beim
Bergabfabren durch Gegendrud auf die Kurbeln
den Kettenkranz der Hinterradnabe und damit bie
Kette und das Tretlurbellager außer Betrieb jeht.
Die Fühe brauchen alfo die rotierende Bewegung
nicht mitzumachen, fondern können auf den Pedalen
ruben. Die Borteile find von großem Werte, da der
Jubrer bei 80—40 Proz. feiner Wegitrede in die
Sage lommt, wo fein Rad durch Bergabjahrt, Rüden:
mind oder dgl. fich durch eigene lebendige Kraft vor:
warts bewegt. Diefem ſtehen jedoch die Nachteile
egenüber, daß dem Fabrer die Herrſchaft über jein
d genommen ift, da jedes Begentreten und fomit
die Seihmwindigfeitäregulierung des Rades zur Un:
mögligfeit wird. Es mußte aljo eine Vorrichtung
** werden, welche die Wirkung des Freilaufs
jeitweije aufzubeben im ftande ift, und umgelebrt
den Freilauf wieder berftellt. Diefe Aufgabe wurde
nun in verjchiedener Form gelöft, 3. B. dur Ans
wendung von Felgen: oder Reifenbremien, teilmeife
au dur Gegentreten, oder auch durch eine Kom:
bination des Freilaufs mit einer Hinterradnaben:
Innenbremfe. (Der Freilaufmehanismus ift auf
der Beilage ee
Immer mebr bricht fich die Überzeugung Bahn,
dab das kettenloje Rad eine git ukunft bat, da
es in Bezug auf leichten, geräufchlofen Gang und
Dauerbaftigkeit von feiner Kettenmafchine erreicht
mird; namentlich in fchwierigem Gelände und bei
Rädern, die ftarl mitgenommen werden, fommen bie
Vorteiledes lettenloſen Antriebes zur vollen Geltung.
Die erſten fette nlo ſen Rover wurden von ber
Barifer Fabrik «Mcatöne:Mötropole» auf den Markt
gebracht, nachher aud von amerifanifhen und
deutihen Firmen gefertigt. Bei dieſen Rädern
geihiebt die Übertragung von der Kurbelachſe zum
Dinterrad entweder durch zwei Kegelräderpaare
(eine Abbildung diefer Anordnung zeigt die Beis
lage) oder Sei Rollen, Zapfen u. f.w. So ver:
wenden bie eg rein das «Sager:
Getrieben, welches neben geringer Abnugung einen
leihten und ruhigen Lauf hat. Diejes Getriebe ift
ein Zufammeniirfen von Rolle und Zahn. Die
Angriffsräder beftehen aus tonifh gefräften Bahn:
rädern, die in Rollenräder eingreifen. Die dadurch
erzielte rollende Neibung erfordert weniger Kraft:
aufwand als der Gingriff ftarrer Zähne Die
Staffelradwerle benußen dagegen ein Wintelge:
triebe, bei welchem ftet3 die doppelte Zahl Zähne
un Eingriff find. Hierdurch foll erftens nahezu die
doppelte Bruchficherheit erzielt, zweitens foll das
unvermeidliche rudweije Eingreifen der Zähne auf
ein Minimum reduziert werben. Luß in Darmftadt
verwendet Stirnräber (Fig. 11 der Tafel), wobei das
Zwiſchenrad, welches von dem auf der Tretfurbel:
abje figenden Zahnrad angetrieben wird, in Trieb:
Nöde eingreift, die an dem Hinterrad figen und mit
Gummi überzogen find.
Aud um die unangenehmen Stöße zu a He
wurden wiederholt Verfuche gemacht. Man jchaltete
in den Rahmen Quftpuffer oder Federn ein, wendete
pneumat. Naben u. ſ. w. an, ohne aber recht damit
jum Ziele zu gelangen, bis die Triumph Cycle
Company in Coventry und Nürnberg für 1899 unter
dem Namen «Natural spring frame» einen Rab:
men baute, bei welchem die Rohre fo gefrümmt
And, daß fie felbit Die Federn abgeben. Denfelben
411
Zwed wollen die Mars-Fahrradwerke dadurd er:
reihen, daf fie nur das Sattel —** krümmen,
wodurch der Rahmen ein beſſeres Ausſehen gewinnt,
als der vorerwaͤhnte.
Seit längerer Zeit verſucht man auch, das J. zur
Erhöhung der Leiſtung und aus hupieintfchen rün:
den mit Hand: und gehe zugleich auszu⸗
tatten. Einigen Erfolg bierin verfprab das von
t. Liman in Berlin konftruierte, bei welchem durch
langfames Niederbrüden der Lenlſtange, die bier
auch um eine horizontale Achſe drehbar ift, mittels
eined Hebel ein bei dem Steuerrohr gelagertes
Kettenrad in Umdrehung gelebt wird, das mittelä
Kette on ein am Tretlurbellager ſihendes Ketten:
rad wirft. Die Lenkitange ift in der Mitte mit
dem Antriebshebel gelentig verbunden, der durch
eine Robrführung geht und an deren Ende burd eine
Mutter gehalten tft. Die Robrführung bat links
und rechts Anfäße, auf welchen der nad dein obern
Aurbellager führende Hebel aufgepaßt ift. Durd
einen leiten Drud kann der Handantriebsmedha:
nismus audgefchaltet werben. Ühnliche Konſtruk—
tionen rühren von Vonhauſen u. a. ber, doch haben
alle den Libelftand ver — Reibung, fo:
and der Handbetrieb nicht gebraucht wird, mes:
halb diefe Art Räder eine weitere Verbreitung bie
jest nicht haben finden können.
Das Dreirad (fig. 10) wurde zuerft 1876 kon:
ftruiert, und zwar in Modellen, die man heute ald
abnorm bezeichnen würde, Mit den ältern Drei:
rädern war das Fahren fehr anftrengend und jchmwie:
rig, und als das moderne Niederrad auflam, wurde
der Gebrauch des Dreirades immer feltener. Erſt
al3 in den legten Jahren einige gute Fabrilen Eng:
lands alle möglichen Berbefjerungen und Neuerun:
gen verwendeten, erlangte es wieder mehr Beach:
tung, befonderd als Transportmittel (Gepäddrei:
rad) für Gefchäftsleute und Landbriefträger. An
dem Gepädvreirad ift vor oder hinter dem Sike des
Dabant ein größerer abnehmbarer Kaſten oder Korb
efeftigt, mit dem mitunter nicht unbedeutende
Laften befördert werden. Es hat fich gezeigt, dab
Gepäckfahrräder mit Siß hinten (Fig. 13) fh beſſer
bewähren, ala ſolche mit Siß vorn. Außer zum
Gepädtransport werben auch joldhe zum Transport
von Verunglüdten u. |. w. bergeitellt. In mehrern
Großſtädten (3. B. Berlin, Johannesburg u. a.) find
Dreiräder zur Perjonenbe örderung (fig. 15) im
öffentlichen Verkehr, wie fie von Gebr, Heichftein u.a.
gebaut werden. Das Geftell derfelben trägt einen mit
rüdihlagbarer Plane verjebenen Sitz, 1 daß der
Babrgant vom Gegenwind nicht beläftigt wird. Einer
ejondern Form des Dreirades bedienen fih Kranle,
die ihre Fübe nicht gebrauchen können. Eine foldhe
Mafhine, Snvalidendreirad oder Manuped
genannt, wird dann mitteld zweier ſenkrecht fiehen:
den, ruberartig vor: und rückwärts zu fchiebenden
Hebel durd die Hände fortbemwegt (Fig. 9). Für be:
jondere Fälle werben diefelben auch jo gebaut, daß
der Antrieb mittels eines Armes und eines Fußes,
Ir nah dem Gebrehen des Invaliden geiciebt.
uch die Feuerwehr bedient fich des F., wodurch die:
felbe ftet3 mehrere Minuten vor der erſten Spritze
auf dem Brandplaß anlangt. Ein ſolches von Dreß-
ler gebautes Fahrzeug (Fig. 14) befist 4 Räder, wo:
von das vordere Haar lentbar ift, während dic bei:
den hintern durch zwei parallel laufende Ketten
angetrieben werben. Diefes Fahrzeug ift zur Mit:
nabme einer Schlaudrolle mit 60 m Schlaud, eines
412
Schlauhrohres, einer Löfhlanne, eines Verband:
kaſtens, einer Krankentrage, einer Laterne u. |. w.
eingerichtet. j
n den legten Jahren hat man für Zwei: und
Dreiräder au den motorifhen Antrieb ein:
eführt, wobei man ſich meistens des Benzinmotors,
eltener des Gleftromotor& bedient. Auch find Ber:
ſuche mit Drudluft, Kohlenſäure, ja f ogar mit Ace:
tolengas gemacht worden. Bei dem Motorzweirad
von der Fahrzeugfabrik Eiſenach dient das Vorder:
rad ſowohl zum Steuern, ald zum Antrieb. Der
Motor von %, Pferdeſtärken ift bei der Lenkſtange
montiert und mittel3 Schnurtrieb mit dem Vorder:
rad in Verbindung gebradt. Diefer Motor macht
etwa 1300 Touren in der Minute und wiegt etwa
10kg. Das 4 kg ſchwere Miichgefäß ift am obern
Rahmenrohr (Sceitelrobr) befeitigt und faßt 2'/, 1
Benzin, weldes für eine Strede von 120 km ge:
—* Mittels eines an der Lenkſtange angebrachten
Hebels wird der Motor bethätigt, ſowie die Ge—
ſchwindigkeit reguliert, welche bis zu etwa 45 km
ro Stunde geſteigert werden kann. Das komplette
otorzweirad mwiegt etwa 30 kg. Sinnreider in
ber Anorbnung des Motors und deſſen Zubehör:
teilen ift das Nedarfulmer Motorzweirad mit Lüthi:
Motor (Fig.8). Der Motor von 1'/, biß 1'% Nette
ftärten wiegt etwa 9 kg und ift am Tretkurbellager
durch 4 Schrauben befejtigt. Der aus Zinkblech ge:
fertigte Benzinbehälter bez. Garburateur ift in
Form einer Rahmentaſche gebalten und befteht aus
3 Abteilungen. Die vordere bildet das 3 1 fallende
Benzinrefervoir, die mittlere den Raum für bie
aus 3 Trodenelementen bejtebende Batterie für die
Zundung, die en entbält eine Ollanne und
die Induktionsſpule. Der Antrieb erfolgt auch
bier mitteld Riemenſchnur jedoch auf das Hinter:
rad, was den Vorteil hat, daß fih das Fahrzeug
leichter lenfen läßt, als wenn der Antrieb auf das
Vorderrad erfolgt. Die Geſchwindigkeit fann bis
u 50 km pro Stunde geiteigert werden, wobei
teigungen bis zu 8 Proz. überwunden werden.
Der Verbrau
an ann für 40—50 km ift bier:
bei 11. Der Lauf des Motorrades ift ftoßfrei und
dur die vorteilhafte Placierung des Motors ein
angenehmer, da weder Benzin: oder Olgeruch, noch
aufiteigende warme Luft den —5* beläſtigen, wie
dies bei der oben erwähnten Anordnung der Fahr—
zeugfabrit Eiſenach der Fall it. Das komplette Rad
wie! etwa 33—40 kg.
ie Motorbreiräder (Fig. 16) Schließen fich alle
mehr oder weniger dem Syſtem Dion & Bouton an.
Die Hinterachſe wird mittels eines Heinen, hinten
angebrachten Benzinmotors in Betrieb geſetzt. Ein
folher Motor (Dion & Bouton) wird in Deutich:
land von der Firma Eudell in Aachen bergejtellt
(eine Abbildung desielben zeigt die Beilage); es
beträgt der ** Durchmeſſer des Aluminium—
gehäuſes 220 mm, der des Cylinders 115 mm und
das ganze Gewicht des Motor? 24 kg; die Touren:
zabl ift 1500— 2000 in der Minute, die Leiftun
bei 40 km Fahrgeſchwindigleit pro Stunde glei
1", bis 2 Wierbeftärlen. Die Speifung des Motors
geichiebt dur eine langſam arbeitende Pumpe,
welche das Benzin, das 8 in einem Behälter un—
terhalb des Sattels befindet, tropfenweiſe dem Ver:
gafer zuführt. Die Entzündung wird durd einen
elektrischen unten bewirkt, den eine mit einer In—
duktionarolle in Verbindung ſtehende Trodenbat:
terie liefert, welche in einem fchmalen Käftchen am
Fahrrad
obern Rabmenrohr angebradit ift. An Stelle dieier
ündung tritt in leßter Zeit die eleltromagnetiſche
ündung von Boſch in Stuttgart. Um das Yabr:
jeug in Bewegung zu ſetzen, genügt ed, einigemal
auf die Pedale zu treten; ijt das Rab in Bewegung,
fo werden die Pedale wieder außer Eingriff ae:
bracht und erft dann wieder benußt, wenn eine er:
höhte Schnelligkeit erzielt werden joll. Die Regu—
lierung der Geihmwindigfeit ſowie das Außertbättg-
feitjegen de3 Motors geſchieht von der Lenkſtange
aus. Die Füllung des Reſervoirs mit 3 1 Benzin
reicht für eine Fahrt von etwa 80 km. Diele Art
Motorräder, bei welchen die Betriebskoſten zwiſchen
1 und 19. Bi. pro 1 km variieren, nehmen gemwöbn:
lih Steigungen bis zu 10 Proz., bei arößern da:
egen muß mit den Pedalen nachgeholfen werben.
Sir Gewicht beträgt etwa 75 kg. Um mebrere Ber:
onen zu befördern, werben diejelben entweder mit
einem Anbängewägelchen oder mit einem Borited:
wägelchen fombiniert. Bei Anwendung des lektern
wird das Vorderrad des Motorrades abgenommen.
Durch eine andere Anordnung des Motor und
feiner Mechanismen fuhen Heinle & Wegelin in
Augsburg das Gewicht des Motorrades dadurch zu
verringern, dab fie den Benzinbehälter ſowie den
Motor an Stelle des obern bez. de3 untern Rabmen:
rohrs treten laffen, wodurd die Robre an dieſer
Stelle überflüfftg werden. Diefes Motorrad fann
fomwobl von einer al3 wie von zwei, und mit Be:
nußung eines Anhängewagens aud von drei und
vier Berfonen benugt werden, Mit zwei Perſonen
beiekt, nimmt es Steigungen bis zu 20 Proz., mit
vier Perſonen joldhe von 6 Proz. Die Geſchwindig—
keit ann bis 35 km pro Stunde gejteigert werden.
Am Borderteile des Benzinbehälters, deijen Füllung
für etwa 150 km reicht, befindet jih außer dem
Gasmiſchraum ein zur Schmierung dienenver, *, |
fafjender Olbehälter, defjen Füllung für eine Fabrt
von 500 km reicht und zwangsweiſe den Cylindern
zugeführt wird. Die Cylinder befigen Küblrippen
an welchen die Luft durch die rafche Fahrt ſtark genug
vorbeiftreicht, um fie genügend abzufüblen, jo dat
der beim Motorwagen üblihe Küblwaflerbebälter
in Fortfall fommt.
m auch ein gewöhnliche Zwei: oder Dreirar
durch motorifche Kraft zu bewegen, haben Bleifina
& Co. in Gögaingen bei Augsburg einen Heinen
Motor konstruiert, der leicht angebracht und wieder
abgenommen werden fann. Am oben Rabmen
befindet fich der etwa 21 haltende Benzinbebälter.
Die Kraftübertragung geihieht auch bier mittels
Riemenihnur aufdas Hinterrad. Die Riemenjchnur
wird mittel3 einer Spannrolle durch Drud auf einen
nächſt der Lenkſtange angebrachten Hebel nah Be:
dürfnis geipannt oder gelöft, mwoburd die Motor:
kraft ganz oder nur teilmeife auf das Rad einwirkt,
event. ganz ae, wird.
liber einzelne Fahrradteile (Lenkitangen, Kugel:
lager, Bedale, Ketten, Bremjen, Sättel, Reifen u. a.)
f. die illuftrierte Beilage. — Über neuere Konſtruk—
tionen ſ. Fahrrad, Bd. 17, nebſt illuftrierter Bei-
lane und Tafel: Fahrrad Lu. II.
Der Fahrradbau bejchäftigt gegenmärtig eine
große Anzahl Fabriken, die mit meitgebender Ar:
beitsteilung und vielen Specialmaſchinen arbeiten.
Sitteratur. Wolf, F. und Radfabrer (Ppz. 1890);
Allen, Dingest of cycles or velocipedes patented in
the United States (Waſh. 1892): Sharp, Bicycles
and Trieycles (Neuyork 189); Schwaben, Apres:
Fahrradkarte — Fährte
bus der gefamten Fahrradinduftrie (Frantf. a. M.
18%); Baller, Der Fahrrabreparateur (Lpz. 1899);
Bogel, Das Motorzmweirad (Berl. 1902). Zeitichrif:
ten: Der Rad: Marft, Fachblatt für Fabrradinduftrie
und :Handel (Bielefeld); Der deutſche Fahrradhaͤnd⸗
ler und :Fabrilant (Dresden); Rad und Motor
(ebd). — Bol. auch die Pitteratur zu Radfahrſport.
rradfarte, j. Eijenbabntarife.
rradſtener, eine Steuer auf Fahrräder
und Automobile, führte zuerjt Frankreich durch Ge:
fe& vom 28. April 1893 (ergänzt dur Gejek vom
14. April 1898) ein. Italien, wo ſchon feit einigen
Jahren mebrere Gemeinden eine ſolche Steuer er:
boben hatten, folgte dem franz. Beifpiel durch Ge:
jeß vom 22. Juli 1897, Bon deutſchen Staaten bat
Bremen 1899 eine %. einzuführen beſchloſſen, und
das Großberjogtum Heflen durch > vom
12. Aug. 1899 und Verordnung vom 10. Dit. 1899
eine ſolche eingerihtet. Die Steuer ift in diefen
Ländern Staatsfteuer; ihr Ertrag fällt aber in
Frankreich zu einem Viertel, in Italien zur Hälfte
an die Gemeinden. Die Steuer erjtredt fih auch
auf die Automobile. In Heſſen ift die Steuer als
Stempelabgabe gemäß dem Geſetze vom 12. Aug.
1899 für die Löjung der Fahrkarte jährlich zu ent:
richten mit 5 M. für Fahrräder und mit 5—50M.
für Automobile je nach deren Größe, Ankaufspreis
und —— — Die Beſiher von Fahr—
rädern und Automobilen haben vor deren Inge—
brauchnabme eine Meldung an das Kreisamt ihres
Wobnortes zu richten und dort auch die Wieder:
abibaffung des Fahrzeugs anzumelden. Die von
ven fireiäämtern heführten Liften bilden die Grund:
fage der Kontrolle des Steuereingangs. Von der
Steuerpflicht befreit find unter anderm Berfonen,
die ſich zum Kurgebrauch oder nicht länger als
30 Tage im Großherzogtum aufhalten, ferner Mili:
tärperjonen und Beamte für ihre Dienfträder, mei:
ter Lobnarbeiter. die das Fahrrad ald Transport:
mittel zur Arbeitsftelle, und Gewerbetreibende mit
einem reseinfommen bis zu 1500 M., die das
Rad bei Ausübung ihred Gewerbes benußen. Die
sum Berlauf beftimmten Räder der Händler unter:
liegen der Steuerpflicht jelbitverftändlich nicht.
a Frankreich ift die Jahresabgabe bei Fahr:
räbern mit einem Gib 6 Frs für das Fahrrad, bei
Fahrraädern mit mebrern Siken 6 Frs. für jeden
Sig, bei den durb Motoren getriebenen Rädern
12 513. für jeden Eiß. Die Anmeldung erfolgt bei
der Gemeinbebehörde bis zum 31. Jan. jedes Jahres
bez. bis zum 30. Tage nach der Anfhaffung. Die
Dienfträder der Beamten und Militärperfonen und
die zum Verkauf bejtimmten Näder find frei. Die
Steuer ergab 1900 faft 5°, Mill. Fr3.; befteuert
wurden 987 130 Fahrräder und 2897 Motorwagen.
talien erhebt für jedes einfisige Fahrrad
10 Its., für jedes mebrfigige Fahrrad 15 Fr3., für
jedes dur Motor betriebene Rad 20 Frd. Die
Veiser der Räder müfjen eine Anmeldung beim
Bürgermeifter fpäteftens innerhalb eines Monats
nah der Anſchaffung richten. Der Bürgermeifter
fertigt alljährlich eine Zijte der Befiker an. Die
tifte wird 8 Tage lang öffentlih angeſchlagen und
fan durch Einſpruch innerhalb 20 Tagen nad
Beröffentfihung angefohten werben. Steuerfrei
bleiben, außer ven zum Verkauf beftimmten Rädern,
die Dienfträder der Beamten und Militärperfonen
und die Räder unbemittelter Kranler.
Fahrradverficherung, ſ. Bv. 17.
413
Fahrradvorfchrift, im deutſchen Heere vom
12. Mai 1899, enthält Beichreibung, Behandlung,
— — Erja und Kontrolle der Fahrräder,
usbildung der Radfahrer, Fahrvorſchriften, Ber
Heidung und Ausrüftung nebit Anhang über Bieje:
rungäbedingungen, Prüfung und ——— der
Fahrräder für Truppenteile.
Fahrrecht, im Mittelalter vie gerichtliche Toten⸗
ſchau bei unnatürlihen Todesfällen.
Fahrrinne, bei ſtehenden oder fließenden ſchiff⸗
baren Gemwäjlern, welche nicht überall ausreichende
Sahrtiefe bieten, Bezeihnung für diejenige Linie,
auf welcher fid die Schiffe ungebinvert bewegen
fönnen. Bei breiten Gemäjjern wird die F. durch
Betonnung (f.d.) kenntlich gemacht. —— —
Fahrs., hinter naturwiſſenſchaftlichen Namen
Abkurzung für den ſchwed. Arzt und Naturforſcher
(namentlich Käferlenner) Dlaf Immanuel Fah—
räus, geb. 1796, geſt. 1844.
a einbücher, ſ. Couponbüder (Bd. 17).
richeinhefte, j. Eifenbahntarife.
richiene, j. Einihienenbahnen.
ale ſ. Radius.
eftuhl, ein an den Füßen mit Rollen verjeber
ner oder auf einem Radgeftell ruhender bequemer
Stuhl, der befonders als Transportmittel für Krante
benugt wird. Auch dient der Name F. ald Bezeich—
nung für jeden Aufzug (f. d.). [parate,
3 eftuhlapparate, |. Zeuerwehrrettungsap:
ährte, in der Jägeriprade der Eindruck meh:
terer Tritte des edlen Haarwildes, das ie er
yasb gezählt wird, oder desjenigen, weldes Schar
en an den Läufen hat. Der einzelne Einbrud, wel⸗
er vom Lauf gemadt wird, beißt Tritt. Über
die gewöhnliche Breite der geſchloſſenen Edel«,
Reh⸗ und —— — wenn man dieſelben
zunächſt vor den Ballen mißt, und über die Weite
des gewöhnlichen Schrittes auf der Ebene, wenn der
eine Tritt mitgemefjen wird, ſei zur Verdeutlichung.
die folgende Tabelle angefügt:
85 253
— —
3
Wildarten, —33 Er
von denen die Fährten herrühren |? | 77 | 8»
ze i28| 2
3 a 7
A. Edelwild. em
Kalb im Sommer . . 2.000. 31
Kalb im Herbit ».- rennen. 34
Schmaltier im Sommer . .. 2. 43
Epieh) 1 Im Sommer ... » +... 44
Gabelhi und Hlttier „222.0. 41
i von BEER oo 0 eo nn.» 49
I von Busse BEER 5,2
i vVenRlO 0 vo. 0 rer 0%. 54
ish von 1? oo. 44 5,6
irſch von 9 oo. en en 59
irſch oni6 » 200000. 62
B. Rehwild,
Schmalreh im Sommer...» .. +.
it Er
Nebel - » vr een 00.
C. Schwarzwild.
| ling im Sommer... . 2... 24 | 23 | 0,26
ling im Binter... 2.2200. 31 | 28 | 0,29
aufener Friſchliug im Sommer. .| 3,7 | 3,5 | 0,30
überlaufener f im ®inter ...| 43 | 39 | 031
eijährige Sau im Sommer . »..] 47 | 43 | 0,32
eijährige Sau im Winter ... 5,2 | 4,6 | 0,38
reijähriger Heiler .. 2200er. 5,5 | 49 | 0,36
«| Angebendes Shwein... er 0.“ 58| 54 | 0,39
Hauptihwein „2.222200 ren. 61 | 56 | 0,46
414
Bei der Edelwildfährte fann man aus der
Größe, Form und Richtung der F. oder der Tritte
die Geichledhter (Hirfh vom Mutterwild) und uns
gejähr das Alter Jungwild) und die Stärke unter
Fig. 2.
Tritt des Edeltieres.
Fig. 1.
Zritt bes Edelhirſches.
* Die F. des Spießhirſches iſt im Herbſt
on faſt fo ſtark wie die des Alttieres. Im allge
meinen ift der Tritt des Edelhirſches (Fig. 1) mehr
ur m
Fig. 3. Fahrte des Edelhirſches beim vertrauten Biehen.
abgerundet, als der etwas sugefpipte und länglidhe
Tritt des Edeltieres (Fig. 2). Beim vertrauten
Ziehen find die Tritte in der F. des Edelhirſches mit
Fig. 4. Fährte des Damhirſches.
der Spige merllih nad auswärts gerichtet (Fig. 3),
während beim Mutterwild die F. und Tritte fait
parallel fteben. Die $. des Dammildes (din. 4)
äbnelt der des Edelwildes, nur erſcheinen die Tritte
%
=! SD
⸗
[4 — 6 *
— ——
Fig. 5. Fahrte des Rehes in weichem Boden.
eringer, ſchmäler und ſpitzer. Die für den Edel:
Birk haratteriftiihen Zeichen findet man meijt
aud in der F. des Elchhirſches; es iſt aber die
Fig. 6, Schwarzmwilbfährte beim Schreiten.
legtere weſentlich ſtärler. Beim Elchtier find die
Skalen verhältnismäßig länger und fchmäler als
beim Elchhirſch. In der Neblährte (Fig. 5) find
beim itarlen Bod die Schalen jtumpjer und ge:
ſchloſſener, die Ballen breiter und länger urd der
Fahrten — Fahrzeug
Schrant (f. d.) weiter als bei der alten Ride. In
der Schwarzmwildfährte (Fig. 6) ift bei allen
ſchwachen Sauen die eine Schalenſpihe an den Bor:
derläufen kürzer als die andere, was auch im Tritt zu
ſehen ift. Bei den Bachen (weiblichen Sauen) fallt
diefer Unterſchied nie ganz weg, verſchwindet aber
vom dreijährigen feiler (f. Sau) ab immer mehr. —
3. unterſcheidet man als kalte, d. i. alte F., die
der Hund nicht mehr annimmt, und ald warme,
d. i. friſche, welde dem Hund gute Witterung
(Gerud) yet Man fagt wohl auch vom ange:
——— Wild Fährtemachen, wenn ed Schweiß
(Blut) fallen läßt. — Bgl. Teuwſen, hai Spuren
Anleitung zum Spüren und Anipreden für Jäger
(Neudamm 1901).
ahrten, |. Bergbau.
ährtengerccht heißt der Jäger, ber aus ber
— rte Geſchlecht und Stärke des Wildes richtig
eurteilen fann.
Fährtenfandftein, der Buntfandftein (ſ. d.),
worin fi Ehirotberiumfährten (ſ. d.) finden.
I rung, |. Bergbau.
ahrwaſſer, diejenige Waſſerſtraße in der Räbe
der Hüften, welche die Schiffe wäblen müffen, um
nicht zu jtranden. Je nad der Waflertieje unter:
ſcheidet man F. für große oder Heine Schiffe. Ein
nicht mit Untiefen befegtes 5. wird freies F. ge:
nannt, Die Kennzeihnung des F. geſchieht durch
die Betonnung (j. d.) jowie durch Leuchtjeuer (ſ. d.).
(S. auch Fahrrinne.) Nach dem internationalen See:
—— für Deutſchland durch die Kaiſerliche
erordnung vom 7. Jan. 1880, Art. 21, wiederge⸗
geben, muß im engen F. jedes Seedampfſchiff, wenn
es obne Gefahr ausführbar ift, fi an der Seite der
— oder der Fahrwaſſermitte halten, die an
einer Steuerbordſeite liegt. Gemeingefährliche Ste:
rung des 5. in Strömen, Fluſſen oder Kanälen iſt
ftrafbar Deutſches Strafgeichb. $$. 321, 325, 326).
Fahrzeug, im weitern Sinne jedes unbelebte
und felbjtbewegte Transportmittel zu Yand, zu
Mafler oder dur die Luft, im engern Sinne die
dur Zugtiere in Bewegung gejekten Vorrichtungen
ur Beförderung von Perionen oder Laften. &
ha in dieſem engern Sinne bejteht aus einem Unter:
geitell, da8 in Berbindung mit der Kraft der Zug:
tiere zum Fortbewegen dient, und aus einem Über:
gene zur Aufnahme der zu befördernden Laſt
Wefentlih für die Leiſtung der F. ift nur der Bau
des Untergejtelld, während das Obergeſtell jelbft au!
dem — ſehr verſchieden angeordnet ſein
kann. Die m... des Untergeitelld berub:
entweder auf der Anwendung der Schleife oder aui
der des Rades (j. Zahrzeugipiteme).
Die F. der Artillerie dienen zur — —
derjenigen Geihüßrobre, welche nicht in ihren Yafet:
ten transportiert werben lönnen (Ranonenjattel:
wagen und Scleppwagen) oder leine fabrbaren
Lafetten haben (Mörjerfattelmagen), ferner zur Fort:
ſchaffung der Munition (Munitionswagen), der Bor
ratsjtüde (VBorratöwagen), der Schmiedeeinrichtung
(Felbſchmiede), des Batteriebaumateriald (Kaſten⸗
wagen, Leiterwagen, Rollmagen) u. ſ. w. Zu dieſen
von Pferden zu ziebenden vierräderigen F. fint
eigentlich au die aufgeprogten Geſchütze jelber zu
rechnen. Es jchließen fi ibnen die zweiräderigen
durh Menſchen zu bewegenden «Harren» an, die
— Transport leichter Rohre und Moͤrſer (Tranchee
arre) ſowie von Munition (Kugelkarre) auf kurze
Streden nur im Feſtungskriege dienen.
Fahrzeugſyſteme — Faidit
Die Gefeggebung befaßt ſich mit F. inſofern, ala
ſolche 1) für militär. Zwede zwangsweiſe requiriert
werden, 2) bei Seuchezeiten aus der Annäherung
von F. an die Landesgrenzen Gefahren entitehen
lönnen, 3)im Intereſſe des freien Verkehrs. F. welche
beim Gingang über die Grenze zum onen: und
BWarentransport dienen und nur aus dieſer Veran⸗
lafjung eingeben, find zollfrei ($.5, Nr. 5, des Deut:
ſchen —— etzes vom 22. Mai 1885). Nach
dem Deutſchen Patentgeſetz, 8. 5, erſtredt ſich die
Birtung eines nderpatent3 nicht auf Einrid:
tungen an F., melde nur vorübergehend in das
Inland gelangen.
Fahrzeugſyfſteme. Nach der Art des Unter:
geitells (Schleife oder Räder) werben die Fahrzeuge
(.d.) als Schlitten, als zweiräderige oder Karren
und vierräderige oder Wagen bezeichnet (zmeis
räderige Luxusfahrzeuge werden indes Wagen ge:
nannt). Bei den WagenderArtillerie werden nad
der Art der Verbindung des Vorder: und Hinter:
wagen3 drei Hauptiyjteme unterjhieden: Unab—
bänaigteit3:, Balancier: und Lenlſcheitſyſtem; durch
Bereinigung der beiden lektern entjtebt das Balan—
cier⸗Lentſcheitſyſtem (f. 7 ,
Faible (fr;., ipr. ji ),Ihmwad ; als Subftantiv:
Schwäche, ſchwächliche Nabfiht, Boreingenommen:
eg in der Redensart: EinF. für jemand
n, b.b. für eine Berfon eingenommen jein, fo daß
man aud gegenüber deren Fehlern Nahficht übt;
Faiblage (pr. fäblahſch'), erlaubter Minderwert
von Münzen an Gewicht und Gehalt (ſ. Remedium);
Faibleſſe (ipr. fäbleß), Schwäche, Ohnmacht.
Faida (mittellat.), urſprünglich die Fehde (ſ. d.),
Dann, ebenſo wie faidus, die Buße oder das Fehde:
eld, durch deren Zahlung der Angellagte dem Ver:
esten, welcher unter Berzicht auf die Fehde geklagt
batte, den Frieden abgewann. j
Faidherbe (ſpr. fäderb), Louis Leon Ceſar,
General, geb. 3. Juni 1818 zu Lille, beſuchte
die Polytechniſche Schule, trat 1840 in die Artillerie:
und Geniefhule von Meb, diente ala Genieoffizier
in Algerien 1844—45, als Kapitän auf Guadeloupe
1348—49 und wiederum in Algier 1849— 52, wo
er an mehrern Erpeditionen, namentlich 1851 unter
Saint⸗Arnaud an der gegen Rabylien, teilnahm. %.
wurde 1852 als Unterbireltor des Genieweſens nad
dem Senegal gefandt, wo er 1854 zum Bataillons:
tommandanten “und Gouverneur der Kolonie er:
nannt wurde. Er unterwarf 1855 mehrere aufftän:
diſche Stämme und organifierte die Länder der Walo
ala franz. Provinz. Die völlige Unterwerfung der
mächtigen maur. Stämme der Trarja (1858) fo:
wie ein Feldzug gegen den König von Cavor (an.
1861), der mıt Unterwerfung von deſſen Küftenlän-
dern und der Belegung des rechten Uferö des Ge:
negal bis jenfeit Bathel de Medina — lenn⸗
ichnete die Amtsperiode F.s in Senegambien. m
Juni 1861 febrte er — jurüd und ging
bierauj wiederum nad Algerien, wo er 1863 Bri-
gadegeneral wurde. Bald darauf wurde F. aufs
neue an die Spiße der Kolonie Senegambien ge:
felt und blieb dort bis Juli 1865, wo ihm das
Rommando über die alger. Subdiviſion Bona über:
. tragen wurde. Anjang 1870 — er die Diviſion
inSonftantine und wurde Ende November von Gam⸗
betta nah Frankreich berufen und mit dem Kom:
mando der Norbarmee betraut. 3. traf 5. Dez. in
Sile ein und war mit dem Kern feiner Armee, gegen
1000 Marın, auf feinem Vormarſch bereits bis
415
gegen 11 km nordöftlih von Amiens gelommen,
als er 23. und 24, Dez. von Manteuffel durch die
Schlacht an der Hallue zum Nüdzuge bis nördlich
binter Arras genötigt wurde, Nad einem zwei:
tägigen — bei Bapaume (ſ. d.) 2. und 3. Jan.
1871 wurde F. von Goeben unter großen Ver:
luften zum NRüdzuge nah Arras und Douai ge:
jwungen. F. — wieder ſudlich vorzudringen,
wurde jedoch von Goeben auf St. Quentin zurüd:
eworfen und bier 19. Jan. enticheidend geſchlagen.
Im Febr.1871 wurde er in Paris als eifriger Republi⸗
kaner und Anhänger Gambettas in die National:
verfammlung gewählt, legte aber ſchon 19. Febr. fein
Mandat nieder. Am 27. April 1871 wurde er in
den Ruheſtand verjest und von der —— nach
Oberägypten geſchidt, um die dortigen Denkmäler
und Inſchriften zu unterfuhen. Bei den Erjab:
wahlen zur Nationalverfammlung Juni 1871 in
drei Departements erwäblt, nahm er die Wahl in
Lille an, legte das Mandat jedoch bald nieder. Er
ftarb 28. Sept. 1889 zu Baris. Dentmäler F.s fin:
den fi in Bapaume (1891) und Lille (1896).
F. bat fi auch um die Geographie, Etbnographie
und Spradfunde hervorragende Verdienſte erwor:
ben. Außer verſchiedenen Beiträgen zu dem «Bulle-
tin» der Barifer Geographiſchen Gejellihaft gab er
jeit 1860 zu St. Louis am Senegal das «Annuaire
du Senegal» heraus, für das er jchäßbare Beiträge
zur Kenntnis der dortigen Völker und Sprachen
veröffentlichte. Ferner erichien von ihm «Chapitres
de g&ographie sur le nord-ouest de l’Afrique» (St.
Louis 1864), «Collection complete des inscriptiong
numidiques» (Bar. 1870), «Essai sur la langue
Poul» In tr. 1875), «Les dolmens d’Afrique»
(1873), «Epigraphie phenicienne» (1873), «In-
structions sur l’anthropologie de l’Algerier (Par.
1874), «Le Soudan frangais» (1884), «Le Senegal.
La France dans l’Afrique occidentale» (1889).
Nah dem Friedensſchluſſe mit Deutichland juchte
er jeine Kriegführung in der Schrift «Campagne de
l’armee du Nord en 1870/71» (Bar. 1871; deutſch
Berl. 1872) zu rechtfertigen. Die unrichtigen An:
gaben biejer Earift widerlegte General von Goeben
in der aAllgemeinen Militär:Zeitung» (Darmitadt),
Seton in «Notes on the operations of the North-
German troops in Lorraine and Picardy» (Pond,
1872). — Val. Brunel, Le général F. (Bar, 1890);
Deshaumes, L'armée du Nord. Campagne du
göneral F. ſebd. 1895).
Faid’herbe (ipr. fäderb), Lucas, niederländ,
Architelt, geb. 1617 zu Meceln, geit. dafelbft 1697,
urfprünglih Bildhauer, Schüler und Hausgenoſſe
bes Nubens, erbaute die Michaeliötirche zu Löwen
(1650—66), die Beauinentirche zu Brüflel (1657 —
76), Notre:Dame —— zu Mecheln (1673 —78)
und zahlreiche andere in Grundriß und Durchbil—
dung gleich bemerlenswerte Kirchen in einem glänzen»
den, phantafiereihen Baroditil und wurde fomit
der Lehrer einer weitverzweigten, namentlich aud
in Sübdeutichland wirlenden Schule. — Val. Our:
litt, Geſchichte des Baroditil3, des Rokolo und
des Klaſſicismus, Abteil. 2 (Stuttg. 1888).
Faidit (jpr. fädib), Gaucelm, provencal, Dichter
aus Uzerche im Limoufin, führte erft das Leben eines
Spielmanns, indem er mit feiner Geliebten, Guil-
lelma, die er fpäter heiratete, umberzog. Später
wandte er ſich dem Hofdienſte zu, verberrlichte in
—— Liedern die ſchöne und gefeierte Vizgräfin
aria von Ventadorn und kam in Gunſt bei König
416
Richard I. von — (1189— 99), den er auf
jeinem Kreuzzuge begleitete und deſſen Tod er in
einem jchönen, innigen Liebe bellagte. Auch am
* des Markgrafen Bonifaz von Montferrat fand
er Aufnahme. dichtete zwiſchen 1190 und 1240,
Er ift einer der fruchtbarjten Troubadourd, von
dem ſich über 60 Lieder und Tenzonen erhalten
haben. — Bol. Rob. Meyer, Das Leben des Tro:
badors Gaucelm F. (Heidelb. 1876); Diez, Leben
und Merle der Troubadours (2. Aufl., Lpz. 1882).
Faido, deutih Pfaid, Fleden und Hauptort
des Bezirks Livinen (Leventina) im ſchweiz. Kanton
Zeffin, in 758 m Höhe, links des Ticino an der Gott:
barditraße und-Bahn. Der Fleden, deflen Häufer
ein eigentümliches Gemisch ſchweizeriſch-alpiner und
ital. Bauart darbieten, hat (1888) 991 meift ital.
und kath. E,, darunter 14 Goangeliſche; Poft, Tele
graph, eine Kirche, ein Kapuzinerklojter und ein
ſtattliches, 1772 erbautes Gerichtshaus (Pretorio),
in welchem vor 1798 die urneriſchen Landvögte der
Leventina refidierten; Aderbau, Alpenwirtidaft,
Fremdeninduſtrie und etwas Seidenzucht. Die be:
mertenämwerteiten Punkte der Umgebung find die
Schludt von Dazio — die ſich 1 km oberhalb
5. öffnet, und dem Flecken gerade gegenüber, auf dem
rechten Ufer des Ticino, der Waflerfall, mit dem
die Piumogna aus ihrer vom Piz Campo Tencia
(3075 m) beberrihten Schlucht in das Hauptthal
Faience, |. Jayence. ar
Faienoes patriotiques (fr3., jpr. faläͤngß
-tit), Schüfleln, Teller und Trintgefdirre in franz.
Fayencemafje aus der Zeit der sranzöfifhen Re:
volution, mit Darftellungen, Erinnerungen, Em:
blemen u. f. mw. aus jener Zeit. Diefe F. p. find
obne Runftwert und nur um bes egenftanes
willen von den Sammlern geſchäht. — Bal. Ebamp:
fleury, Histoire desF. p. sous la r&volution (3. Aufl.,
Bar. 1875). (S. Fayence.)
atjäm, ägypt. Brovinz, |. Fajum.
ille NR m aj), ein leichter, aus Florett⸗
feide bergeitellter Taffet (f. d.). j
Failly (ſpr. fäjih), Pierre Louis Charles Achille
de, franz. General, geb. 21. Yan. 1810 zu Rozoy:
—— (Depart. Aisne), trat 1828 als Unter:
eutnant in die Armee, wurde 1837 Kapitän, 1843
Bataillonslommandant, 1848 Oberftleutnant und
Kommandant der Milttärvorbereitungsjchule zu
Zoulouje. Dort blieb er bis 1850, war dann als
Oberſt des 20. Infanterieregiments in Algerien und
wurde beim Ausbruch des Krimkrieges Brigade:
— Hier that er ſich in der Schlacht an der
Ima hervor, leitete 7. Juni 1855 den Sturm auf
die Weißen Werte von Semwaftopol und zeichnete
fih 10. Juni beim Angriff auf den Redan fomwie
16. Aug. in der Schlaht an der Tichernaja aus.
Gr nahm am Sturme auf den Malakow teil, wurde
Divifionsgeneral und bejekte mit der 4. Divifion
des 2. Armeelorps Eupatoria. Nah der Rückehr
nad Frantreih wurde er Adjutant des Kaiſers.
Im ital, Feldzuge 1859 entwidelte er in der Schlacht
von Solferino gegen den überlegenen Feind große
Ausdauer. Später ftand F. als Präfident an ber
Spitze des Komitees der Infanterie und beteiligte
&b an der Armeereorganifation unter Marichall
iel und der Einführung des Sholepotgewehreh,
die weſentlich fein Verdienſt ift. Im Olt. 1867 führte
er bad zum utze des Bone bejtimmte Erpe
ditionslorps nah Rom und ſchlug die Freiſcharen
Garibaldis bei Mentana 4.Nov. 1867. Im J. 1870
Faido — Fairbairn
erbielt er den Befehl über das 5. Armeelorps, blieb
während der Schlahten von Spidern und Wörth
oöllig unthätig bei Bitſch, dedte jedoch mit einer
Divifion nah der Schlacht bei Wörth den Rüd:
wo des 1. Korps (Mac: Mabon) und führte fein
orp& nad Chaͤlons zurüd. Bei dem Vormarſch der
neugebildeten Armee gegen die Maas unter Mac
Mahon wurde 5.8 Korps infolge unzureichender
Siherungsmaßregeln 30. Aug. 1870 im Biwal bei
Beaumont überfallen und zum Rüdzug gesungen.
Am Tage der Schlaht von Sedan (1. Sept.) mußte
5. noch vor Beginn des Kampfes dad Kommando
de3 5. Korps an Wimpffen abgeben, blieb aber als
Zuschauer bei der Armee und geriet mit ihr in Kriegs⸗
efangenichaft. F. wurde wegen feines Verhaltens
# tig angegriffen und fuchte ſich in der Schrift
«Campagne de 1870. &rations et marches du
5"* corps» (Brüfj. 1871) zu verteidigen. Nach dem
Frieden wurde F. nicht mehr im aktiven Dienft ver
wendet. Er ftarb 15. Nov. 1892 in Eompitgne.
Faildworth (ipr. fehläwörtb), Stadt in ber
J —8 Lancaſter, Station der Linie Man-
cheſterOldham⸗Royton der Lancafhire und Port:
hirebahnen, hat (1901) 14152 E. und bedeutende
nbuftrie.
Fain (pr. fäng), Agatbon Jean Frederic, Baron,
erfter ne Selretär * eons J., geb. 11. Jan.
1778 zu Paris, wurde ſchon im Alter von 16 J.
Sekretär des Militärausfhuffes des Nationalton-
ventd. Nach dem 13. Bendemtaire des J. IV (5. Dit.
1795) kam er durch Barras und Letourneur in die
Bureaus de3 Direktoriums. Unter dem Konſulat
wurde er 1799 Abteilungäcef in der Ardhivverwal-
tung und bald darauf Staatsfelretär. Als Bor:
teber der Staatdardive fam er 1806 in das ge
eime Kabinett des Kaiſers, der ihn fortan ftets in
einer Nähe und 1809 zum Baron ——
achdem F. Anfang 1813 Kabinettsſekretär des Kai⸗
ers geworden war, verließ er ihn nicht mehr bis zu
einer Abdankung in Fontainebleau. Mit ver Rud⸗
ebr der Bourbons verlor F. die Vorſteherſchaft der
Archive. Nah Napoleons Rüdtehr von Elba trat
er wieber in feine frübere Stellung, unterzeichnete
im Staatörate das Prototoll vom 25. März, das
die Grundfäge entbielt, die dem Kaiſer in Zukunft
als Richtſchnur dienen follten, und entwarf aud
das faiferl, Dekret von demfelben Tage, das alle
ki win Beichlüffe gegen die Bourbond von neuem
in Kraft ſetzte. 4 der zweiten Reſtauration ohne
Anſtellung, veröffentlichte er mehrere Werte, die
ur Kenntnis der diplomat. Geſchichte der vamaligen
eit ſehr brauchbare Materialien liefern. Es er
&bienen: «Le manuscrit de l’an III» (Bar. 1828;
deutſch Lpz. 1829), das eine Cinleitung zur Ge
fhichte des Direltoriums fein follte; «Le manuscrit
de 1812» (2 Bde., Bar. 1827), «Le manuscrit de
1813» (2 Bde., ebd. 1824— 25), «Le manuscrit de
1814» g98 1823— 25). Nah der Julirevolution
wurde F. im Aug. 1830 erfter Kabinettäjefretär des
Königs Ludwig Philipp, 1832 Generalintenbant ber
Eivillifte, Staatsrat und Grofoifizier der Ehren»
legion, 1834 Deputierter. Er ftarb 14. Sept. 1837.
Faindant (fr;., ſpr. fäneäng), nichtsthuend,
Mußig * Faulenzer; les rois faineants, die
legten Fan . Könige aus dem meroming. Haufe.
Fair (engl., jpr. fähr), angemeflen, ebrenbaft.
Fairbairn (Ipr. fährbern), Sir William, brit.
F enieur und Mechaniler, geb. 19. Febr. 1789 in
elſo (Schottland), arbeitete ala Lehrling in den
Fairbairnkeſſel — Faiſabad
Sblengruben von Percy Main, wo er mit George
wc. d.) betannt wurde. Nachdem er feit
1810 an verſchiedenen Drten Englands ald Tage:
lbner feinen Unterbalt erworben, ließ er ſich 1816
im Nancheſter als Maſchinenbauer nieder. Durd
keine bedeutenden Berbeflerungen an Spinnmaſchi⸗
nen erhielt er die Mittel zur Errichtung einer Fa
bit und wendete von da an feine raſtloſe Thätigkeit
aud andern Zweigen der Technik, wie der Konſtruk⸗
tion der Waflerräder und der Unterjuhung ber
igleit chiedener Materialien zu. Um 1830
n er ſich mit PVerfuhen im Bau eijerner
Schiffe zu beichäftigen; 1831 gelang es ihm, eins
der eriten eifernen Schiffe zu ftande zu bringen,
und 1835 gründete er in Millmall bei London eine
Shifjbauanftalt, aus der bis 1849 120 eiferne
ie ſowie zablreihe andere großartige Eifen-
tonftruttionen bervorgingen. zum großen Zeil ver:
dankte er dieje praftiichen Erfolge den von ihm ein:
efübrten Berbefjerungen der Hilfsmaſchinen; auch
ana er die erite Nietmafchine für Reiflel:
hlehe ſowie ein nad ibm benanntes Dampfteijel:
wſtem (ſ. Dampftejlel). Borzüglihe Aufmerkjamteit
ibentte er der Vervolllommnung des Eifenbabn-
baues, in&bejondere der Eifenbabnbrüden. Er ſtellte
jorgfältige Unterfuhungen über die zwedmäßigite
Querjchnittäform für Röhrenbrüden an und betei-
figte ſich 1847—49 mit Robert Stephenfon am Bau
der Britanniabrüde. F. wurde 1869 zum Baronet
erboben und ftarb 18. Aug. 1874 in Moor:PBart bei
Farnham (Surrey). Er war Mitbegründer und (feit
1861) PBräjident der British Association for the
Advancement of Science. F. ſchrieb: «Application
of iron to building purposes» (1854), «On cast
and wrought iron for building purposes» (1864;
4. Aufl. 1870), «A treatise on iron ship building,
its bistory and progress» (1865), «Construction of
boilers and boiler explosions» (1851), «A treatise
on mills and mill-work» (2 Bde. 1861—68; 3. Aufl.
1871), «Iron, its history, properties and processes
of manufacture» (1861; 4. Aufl. 1878), «Useful in-
formation for engineers» (3 Serien, 1856—66).
Seine Biographie gab Pole (Lond. 1877; im Aus:
zuae ebd. 1878) heraus. [teflel.
airbairnfeffel (ipr. fäbrbörm-), f. Dampf:
zfag (fpr. fährfex), Thomas, Lord, engl.
aus alter begüterter familie, geb. 17. Jan.
1612 zu Denton in Yorljbire, ſtudierte in Cam:
bridge und machte feine militär. Schule in den Nie:
derlanden unter Vere durch, dejien Tochter er 1637
beiratete. 1640 focht er noch unter Karl I. gegen
die Schotten, ftand aber feit Ausbruch des Bürger:
i auf der Seite ded Parlaments und murde
21. Jan. 1645 zum Oberbefehlähaber der zu einem
Heereälörper vereinten tlamentätruppen er:
boben. Unter ihm reorganifierte Dliver Erommell
biefe und gab aud in der Entſcheidungsſchlacht
bei Rafeby (14. Juni 1645) mit feiner Reiterei den
Ausichl Nah diefem Hauptſchlage unterwarf
alles Land weftlih von London, eroberte Bri:
I und das fefte DOrford. Vom Barlament be:
auftragt, den gefangenen König von den Schotten
in ang zu nehmen, geleitete er diefen nad
Helmby. Unmittelbar darauf brad der Konflikt
iſchen dem Parlament und dem Heere aus. F
te Beraebend pa vermitteln, und obgleich er den
nominellen Oberbefchl bebielt, verlor er doc die
derribaft über die Truppen, die er auf ihren Be
aebr im Aug. 1647 nad) London führte, mo jie Stadt
Drochaus Ronperiationd«Leriton.. 14. Huf. R. A. VI.
417
und Barlament in ibre Gewalt braten. Als nad
der Flucht des Königs der Bürgerkrieg 1648 von
neuem ausbrach, ſchlug %. die royaliſtiſche Er:
bebung in Kent nieder. ar gehörte er zu dem
über Karl I. aburteilenden Gerichtshof, aber er
blieb den entſcheidenden Sigungen fern. Nach
ber Hinrichtung des Königs trat F. in die Dienite
ber Republik, legte jebod das ihm übertragene
Heerestommandbo im Sept. 1650 nieder, weil er
den von ihm geforderten Einfall in Schottland nicht
unternehmen wollte, Er räumte damit Dliver Erom:
well ven Platz und lebte fortan zurüdgezogen mit
litterar, Arbeiten befhäftigt. Unter Richard Erom:
well ftand er im Parlament zur Dppofition, ver:
band fi mit General Mont und unterftügte deſſen
Einmarſch, der die Rüdberufung der Stuarts zur
Folge hatte. Er ſtarb 12.Nov. 1671. Seine«Memo-
rials» erfchienen London 1699. Seinen Briefwechſel
—— Johnſon und Bell heraus als «F. Correspon-
ence» (4Bde., Lond. 18348 -49). — Bol. Markham,
Life of the great Lord F. (Lond. 1870).
Sair: Head (pr. fähr a oder Benmore,
das norböftlichite Kap Irlands (j. Rarte: Irland),
an der Küfte der Grafichaft Antrim, nur 22 km
entfernt von der fchott. Halbinfel Eantire, bildet
eine 120 m bobe Bafaltmaffe aus Säulen von
mebr ald 60 m Länge.
Fairinfel (fpr. fähr-), Eiland zwiſchen den Ork⸗
ney: und Shetlandinfeln, zu legtern gehirie, ift
5 km lang und 3 km breit, bat hohe Klippen und
Borgebirge (Sheep Eraig 147 m) und ( 2 223 Bes
wobner. Hier ſcheiterte 1588 das Admiralichiff der
ſpan. Armada.
Fairm., binter lat. Infeltennamen Abtürzung
für Leon Fairmaire (ſpr. färmäbr), franz. Ento:
molog, geb. 29. Juni 1820 in Paris,
airway, I; iomedes⸗ Inſeln. oft.
ry (pr. fäbri), Port⸗, auftral. Hafen, ſ. Bel:
8, Feis, Feys oder Tromelin, eine der
deutfchen weitl. Rarolinen, 3,5 (mit Riffen 4) qkm
groß, mit 200 E.
Faifabad, Faizabad (engl. Syzabad). 1) Di-
vifion in Dudb (f.d.), unter dem Lieutenant⸗Gouver⸗
neur ber inbobrit. Nordweſtprovinzen und von Dudb,
im S. von Nepal, bat 31537 qkm, (1901) 6907034
E. und zerfällt in die 6 Diſtrikte: F., Bahraitſch,
Gonda, Sultanpur, Partabgarh und Rara Banki.
F. beſteht aus niedrigem, nah N. bin leicht aufſtei⸗
endem Flachlande, ift gut bewäljert durch nörd⸗
ihe line Nebenflüfle ver Ghagra (darunter bie
Rapti), frudtbar und gut bebaut. Das Pflanzen:
und Xierreih ift das Bengalens überhaupt. —
2) Hauptftadt des Diſtrikts F., unter 26° 47’nörbl.
Br. und 82° 12’ djtlih L., auf dem linken Ufer der
Gbagra, 125 km öſtlich von Lakhnau, ift Eifenbabn:
tnotenpuntt, Siß zweier Miffionen, batte 1891:
78921 E., darunter 58581 Hindu und 1189 Ehriften,
1901: 75085 €. gegen 43927 €. im J. 1881, ftarte
Garnifon und bedeutenden Weizen: und Reishan—
del. — F. wurde 1782 von Manßur Ali Chan, dem
eriten Nawwab Wafır von Dudh, gegründet und
von deſſen Nahfolgern, befonders von Schudicha
ud-daula vergrößert und mit einer Anzahl von
Prachtgebäuden verjeben, von denen nur noch Rui:
nen vorhanden find. 1775 hatte F. über 100000
E.; damals aber wurde der Sik der Regierung von
3. nad Lakhnau verlegt und hierdurch ein Verfall
veranlaßt, von dem fi die Stabt jekt ſchnell wie:
der erholt. Ganz in der Näbe erjtreden ſich meilen»
27
418
weit die Ruinen des alten Ajöpbiä (des jekigen
Dudh). — 3) F., Hanptftadt von Badachſchan (ij. d.).
Faisanoes (Ir;., jpr. fäjängß), Zeiftungen eines
Pächters an den Gutsherrn außer dem baren Gelbe.
Faiſchſchnur, ſ. Schweißſchnur.
Faiseur (frz., ſpr. fäjöhr, «Macher»), einer, der
etwas ind Werl fekt, ein geplantes Unternehmen
ausführt (oft in verächtlibdem Sinne); F. d’affaires
(ipr. daffähr), ſchwindelnder Bermittler von Geld:
geihäften, Schwinbler. ——
Vergabe ochene Korb:
Faift, Immanuel, Komponiſt, geb. 13.Dtt. 1823
5 Ehlingen (Württemberg), ftudierte in Tübingen
beologie, folgte aber jpäter jeiner Neigung zur
Bun in ber er fi ohne eigentlichen Unterricht in
Berlin im Umgang mit Haupt, Dehn und Thiele
ausbildete. Nachdem er in verjchiedenen Städten
als Orgelvirtuos konzertiert hatte, ließ er fich 1846
in Stuttgart nieder, wo er 1847 den Verein für Maj:
ſiſche Kirchenmuſik, 1849 den Schwäbifchen Sän:
gerbund, bei defien Liederfeiten er meift Hauptbiri-
ent war, und 1857 das Honfervatorium begründen
Balt. Seit 1859 war er Direktor letzterer Anftalt,
jeit 1865 auch Organift an der Stiftskirche. F. lei-
tete die großen Stuttgarter Mufilfefte. Er *
5. Juni 1894 in Stuttgart. Bon F.s Kompoſitio—
nen, meiſt ** und Geſangsſtücken, iſt wenig
gedruckt. Mit L. Stark ſchrieb er eine «Elementar—
und Eborgejangichule» (2Bde., Stuttg. 1880—83).
Fait (fr;., ipr. fä), Tbat, Thatjade; F. ac-
compli (ipr. fätaftongvlib), vollendete Thatſache.
Beigaben, ſ. Faiſabad.
aja (Ipan., fpr. -ba), in der jpan. National:
tracht eine breite rote Wollſchärpe, melde zweifach
um ben Leib geibhlungen wird; fie wird fomobl vom
Volt ald auch vom Militär getragen.
Fajardo (ipr. fah-), Stadt an der Nordoſtſpitze
der zul Portorico, in reich bemäflerter, hügeli—
er Gegend, bat etwa 9000 E., Zudergewinnung,
rennereien und einen bejeitigten Hafen.
Fäjö, dän. Inſel, nördlich von Laaland (f. arte:
Dänemark und Sudſchweden), gehört zu Ma:
ribo: Amt und bildet mit den Heinen Inſeln Stalöd
und Veird eine Pfarrei, bat 18 qkm und (1890)
1400 €,, die Aderbau und Fiſcherei treiben.
ajüm, Jayüm, aub Zatijüm, yayjüm
(El:), Provinz in Oberägvpten, oberbalb Kairo,
vafenartig von der Libyſchen Wüfte umſchloſſen und
nur dur ein jchmales, einen niedrigen Hügelzug
durcichneidendes Thal mit dem Niltbale verbun:
ben, bat 1897 mit den Dajen Bebarieb und ara:
frab 371006 €. auf 1317 qkm Kulturland, d. i.
282 auf 1 qkm. Dieſe Sente ift etwa 45 km lang,
50 km breit; der höchſte Buntt liegt in 24 m Höhe,
während der tiefite bis 42 m unter den Spiegel des
Meers, 65 m unter den des Nil bei Beni — hinab⸗
reicht. F. iſt die fruchtbarſte Provinz des Landes;
ſie erzeugt Aprikoſen, Feigen, Wein u. |. m. und ver:
jorgt Kairo mit Aderbauprodulten und Fiichen ; auch
ift mit Erfolg Baummolle angebaut worden. —
F. foll urjprünglid ein unfruchtbares Sumpfland
geweſen jein, welches die Pharaonen der 12. Dy—
naftie durh Deichbauten und Kanalanlagen all:
mäblidy entwällerten. Man vervollftändigte angeb:
ib den 220 km ſüdlich von Beni Suef vom Nil
nah W. abzweigenden natürlichen Hanal, den Babr
Juſſuff, der längs der Libyſchen Wüjte bis zu der
fünjtlich noc vertieften Öffnung führte, jo weit, daß
fein Waifer in geregelter Weiſe in den öjtlichen |
Faisances — Fakſimile
höhern Teil der Dafe einftrömen konnte. Indem
man nun diejen von dem tiefer abfallenden meitl.
Gebiete durch mächtige Dämme, von denen noch
beute Spuren übrig find, abſchied, bildete man einen
großen See, im Altägyptiſchen M-wöret genannt,
woraus die Griechen jpäter Möris (f. d.) madten.
Das Waſſer wurde dann, durch Schleuien reguliert,
in der Zeit des niedrigen Nils zur Bewäſſerung
teild des F. felbit, teilö der nahegelegenen en:
den des Rilthals benust, indem die überflüjjige
Waflermafje entweder dur den mit Schleufen ab-
— Kanal oder durch Seitentanäle zurüd:
trömte, Nach und nah wurde durch Ausdehnung
der Kulturen der See immer weiter zurüdgedrängt,
bis er auf die jegige Birket el⸗Kerun bejchräntt
blieb. Bon diejem See erbielt die Provinz den kopt.
Namen Phiom,d.i. das Meer, woraus die Araber
> gemadt haben. Am djtl. Rande des Möris ſees
ag das berühmte Labyrinth (j.d.) ſowie die Byra-
mide Amenembets III. und von bier quer über den
See gelangte man zu der Hauptitadt, früber Kro—
todilopolis, jpäter Arfinoe (j. d.) genannt, wo
man in jüngjter Zeit zablreihe wichtige Hand—
ſchriftenfunde gemadt bat. Südlich davon liegt
das heutige Medinet el: yajüm, eine anjebnlice
Stabt mit (1897) 33069 E., amerit, Miſſions—
baus, einem großen Bazar, einer Moſchee mit an:
titen Säulen und einiger Wollweberei, vie ala Haus
gewerbe betrieben wird. Die Eifenbabn von Kairo
nad Medinet bat zwei Abzweigungen in den Weiten
und Norden des F. — liber die in den Gräbern von
El:Fajüm gefundenen Mumienporträte j. Aleran:
drinische Kunſt nebft Tafel. — Bol. Bromn, The
Fayum and Lake Moeris (Lond. 1892); Grenfell und
Hunt, Fayum tows and their papyri (ebd. 1900).
Fäkal, auf die Ertremente (lat. faeces), be:
tat den Darmtot, bezüglib; Fälalien oder
ätaljtoffe, Ertremente (ſ. d.).
Fäfäldünger, die menſchlichen Ertremente, be:
—— wenn ſie indernatürlicen flüffigen Form zur
nwendung gelangen. In der Näbe großer Städte
wird der F. meiftens zum feldmäßigen Gemüfebau
benußt; getrodnet beißt er Boubrette ſſ. d). (Sau
äfälreferboir, j. Sentgrube. (Dünger.
ätalitoffe, Ertremente (\.d.).
aH (Bit el:), türk, Stadt, j. Beit.
akir (vom arab. fagir, «arm»), Name ber
mobammed. Derwiſche (f. d.), jebr häufig, aber ir:
tümlich, auch auf die ind. Dichögi (1. d.) angemenvet.
Fatfimile (in der Mebrzahl Faliimiles, vom
lat. fac simile, d. i. made äbnlih!), eine ver
Urichrift oder Originalzeichnung volllommen äbn-
lihe Nachbildung. So fatfimiliert man: Manur
ffripte, um denjenigen, melden die eigene An:
ſchauung abgeht, die genauefte Anficht der Schrift:
nr aus welchen fib auf das Alter derſelben
nn ießen läßt, zu verſchaffen; ferner Miniaturen,
Handzeichnungen, ſowie die Handicriften berühmter
oder Jonjt ausgezeichneter Männer und Namens:
unterſchriften auf Wertpapieren und Dolumenten;
endlich au ganze ältere Werte, deren Reuberftellung
zu toftipielig fein würde. Man bedient fi bierzu
des Kupferſuichs, des Steindruds, der Holzſchneide
funft, in neuejter Zeit befonders der Bhotoarapbie
und der pbotogr. Prefiendrudverfabren und erreicht
durch dieje eine täuichende Nachbildung des alten
Materiald mit allen feinen im Laufe der Zeit ein:
—— Veranderungen und Defelten. (S. auch
naſtatiſcher Drucd und Autographen.)
Faktion — Fakultät
agierende polit. Partei; Faltionär oder Fal—
tonift, Angeböriger einer F.; faltiös (fat:
ttos), in ver Weise einer F. parteifüchtig.
Faktis, durch Behandlung von trodnenden Ölen
mit Chlorſchwefel gemonnenes Kautſchulſurrogat.
Fattiſch (vom lat. factum), tbatjählib, auf
Ibatjachen ne dadurch erwieſen.
Saftor (lat. factor, der «Machende⸗, «Bejor:
— in England ein eigentlicher Kommiffionär
commission merchant), in Rußland ein Handels:
vermittler niedern Grades. In Deutſchland bedeutet
das Wort in der Hausinduftrie foviel wie Zwiſchen⸗
meifter ({.d.). F. find auch die Leiter der im Aus:
lande unterhaltenen großen Ein: und Berlaufsitellen
(Faltoreien, f. d.), dann die Privatbeamten zur
Leitung von Fabrılen, Hüttenwerten, Drudereien
u. j. w., ferner die Disponenten oder Geſchäftsfüh—
rer, welchen die Vertretung einer Handelsgeſellſchaft
oder die —— Handlung nach allen Richtun⸗
gen an der Stelle des Prinzipals übertragen iſt, jo
Fattion (lat.), Partei, befonders ——
daß ihre Rechtsgeſchäfte I gelten, als ob fie von
dem Brinzipal ſelbſt abgeichlofien wären.
In der Arithmetif ift der F. eines Produfts
eine Zahl, die, mit einer andern multipliziert, das
Produkt giebt und daber in dem Produkt ohne
Reft aufgebt; fo find 2, 4, 7 und 14 die F. ber
abi 28; 2, 3,5, 6, 10 und 15 die 5. der Zahl 30.
an unterjceibet einfache und zufammengejebte
3-; erftere find Primzahlen (f. d.). Den größten ge:
meinjchaftlihen %. von zwei Jablen findet man da-
durd, daß man bie größere Zahl durch die Meinere
bividiert und dann durd den Reit der Divifion
wieder den vorigen Divijor dividiert, und dies jo
lange fortjept, bis eine biefer Divifionen keinen Reit
mebr giebt. Der legte Divijor ift dann der gefuchte
größte gemeinjhaftlice 5. beider Zahlen; wenn er
1 ijt, jo baben die beiden Zahlen außer 1 feinen
gemeinjcaftlihen F., und man nennt fie prim
jweinanber ober relativ prim.
Faktorage (fr;., fpr.-abic'), eine in der Levante
für Provifion gebräuchliche Bezeihnung; in Eng:
fand aud für — angewendet.
Faktoreien, größere Handelsniederlaſſungen,
die von europ. Kaufleuten in überſeeiſchen, frem—
den Kulturgebieten angebörigen und noch keine
genügende Rechtsſicherheit verburgenden Ländern
errichtet werden. der Regel find damit umfang⸗
reihe Niederlagen für die ein: und auszuführen:
den Waren verbunden, und die jämtlihen Einrich:
tungen jteben unter der Verwaltung von eigenen,
mit befondern Vollmachten ausgerüiteten Beamten
4.Faktor). Ähnliche Handelsetablifjements beſaßen
bon im 13., 14. und 15. Jahrb. die Hanfeaten in
den Dit: und Rordfeeländern. een $. wurden |
beionders von den großen privilegierten Handels:
compagnien in Aſien, Afrita und Amerika be
ndet; fie entmwidelten ſich bald zu förmlichen
olonien. Die erften Keime zu dem Indobritiſchen
Reiche bildeten die 1612 zu Surate und Baroach
angelegten F., zu denen bald darauf Modras und
1640 das Handelsetablifjement an der Hugli in
Bengalen tam, aus welchem Kaltutta emporgewadh:
— iſt. In China wurde der Warenaustauſch zwi⸗
chen den europ. Hanbelövöltern und den Einge—
borenen bis 1842 ausſchließlich durch die großartigen
3. der erftern zu Kanton, in Japan bis 1858 dur
die niederländifchen 3. (Jeit 1609) zu Nagafati ver:
419
delsniederlaffungen fait nur noch in Afrika, wie in
Senegambien, Guinea, und in den Küſtenländern
des Indien Oceans. Die brit. Hudjonbaicom:
pagnie beberrjcht nicht nur den Handel, fondern
auch die Indianerftämme ihres ausgedehnten Ge
bietes in Norbamerifa vermittelft Faktoren (Chief
Factors), die in den einzelnen zerjtreuten Forts
befebligen. Die Engländer verfteben feit dem Ende
des 18. Yabrb. unter F. (Factories) große indu:
ftrielle liſſements, in melden das Princip
der Teilung der Arbeit zur Anwendung gelangt:
Fabriken, Hohöfen, Hüttenmwerte u. dgl.
Faftoreigetwicht (engl. Factory weight), eine
1787 eingeführte mwichtsart in der brit.:oftind.
Provinz Bengalen. Für die meisten Waren bedient
man fi in Bengalen noch dieſes ältern Gewichts
und des alten Bazargewichts (Old Bengal Bazar
weight) jtatt des brit.:oftind, Normalgewichts
(Indian Standard weight) oder neuen bengal. Ba:
zargewichts (New Bengal Bazar ph pa 54 al:
toreimaunds (f. Maund) find = 49 bengal. neuen
Bazarmaunds, 11 Faltoreimaunds = 10 alten Ba-
zarmaunds, 3 Faltoreimaunds = 2 engl. Hundreb:
weigbts. (S. Avoirdupois und Troygemwidt.)
Faktötum (lat. fac totum, d. i. made alles),
jemand, der im Dienjte eines andern alles bejorgt,
was ihm en wird, der zu allem zu gebrau⸗
een (lat.), ſ. Factum. en ift.
aftüra (ital. fattura), Cinlauförehnung,
die Rechnung, welche der Verkäufer dem Käufer oder
der Eintaufälommiffionär feinem Kommittenten ge:
wöbnlich bei Lieferung der Waren überjendet. Sie
pflegt au die Zahlungsbedingungen (per cassa
2 Proz. Sconto bei ng Car) Dreimonats:
accept u. dgl.) wiederzugeben. Überjendung der F.
ift üblich, wenn fon der Preis verabredet und dic
— —— unter den Parteien beſtimmt
ind. Weicht die F. von dem, mas unter den Par:
teien verabredet ıft, ab, fo ift nad feititebenver
deutſcher Rehtiprehung daraus, daß der Empfän:
er nicht widerſprochen bat, nicht zu ya er
— die Abweichung genehmigt. Die F. des Kom:
miffionärs enthält außer dem reinen Einkaufs—
betrage fämtlihe Auslagen des Kommiſſiondrs und
feine (gemöhnlih in Prozenten von dem Betrage
einſchließlich der Koſten berechnete) Brovifion oder
Frege en Im Buchhandel führt den Namen F.
jede Rechnung über Bücher, welche der Verleger dem
Sortimentsbändler liefert. Eine Ware De
ren heißt diefelbe berechnen, über dieſelbe 5. erteilen.
aftürenbuch, j. Einkaufsbuch.
kulent (lat.), dei, trübe; Falulenz, Boden:
äfulometer, j. Fekulometer. (eb Hefe.
afultät (vom lat. facultas), Fäbigteit, Ber:
mögen etwas zu vollbringen, Vollmacht; dann Be-
— für die vier (zuweilen auch fünf oder ſechs)
———— in bie eine Univerjität nad) den Haupt:
wiſſenſchaften (Theologie, —— Medizin,
Philojopbie, auh Mathematit und Naturmifjen:
ihaften und Staatswiſſenſchaften) zerfällt, ſowie die
Geſamtheit der zu einer ſolchen Abteilung gebören:
den Profejjoren und Docenten (ſ. Univerfitäten). —
% der Mathematik ift F. der Ausdrud für ein
rodult, deſſen Faktoren durd die Glieder der
natürlichen Zablenreibe, von 1 beginnend, gebildet
werben. Geichrieben wird ein foldes Produkt durch
den legten Faltor mit dahintergeſeztem Ausrufungs:
zeichen. So wird das Prodult 1xX2xX3X4
mittelt. Gegenwärtig beftehen derartige europ. Hans | durch die Bezeichnung 4! (gefproden: 4 5.) aus
97*
420
gebrüdt. Diefe Produkte fommen namentlich in
der Kombinationslebre fowie bei der Entwidlung
tranfcendenter Funktionen in Reiben vor.
Fakultäten ſtirchenrechtlich), Vollmachten, durch
die ein kirchlicher Oberer ſeinen Untergebenen be—
ſtimmte ihm durch fein Amt zuſtehende Rechte über:
trägt. So verleiht beſonders ver Bapft den Biſchöfen
auf Anfuchen regelmäßig für Kun sobre in den ſog.
Quinquennalfabultäten eine Reibe von Dispenfen
für die ln Ehepraris und giebt außerdem in
einzelnen Fällen eg Bollmadten. Ebenfo
fönnen au die Bilhöfe ibre Jurispictionsrechte
in 5. an ibre Organe delegieren bez. ihnen felbft
vom Bapft erteilte Ri} fubdelegieren (für einzelne
Fälle oder ein für allemal). Die F. zur Errichtung
von Bruderſchaften u.dgl. erteilen die Orbensobern.
— Bgl. befonder& Mejer, Die Propaganda, Bp. 2
(Gött. 1853), ©. 205 B: i
Fakultativ (im egenfahe zu obligatoriſch),
dem eigenen Ermefjen, Belieben überlajjen, frei:
geftellt. In Eivilprozefien vor dem Landgericht
ift Die Vertretung der Barteien durch Rechtsanwälie
obligatoriſch (Civilprozeßordn. $. 78), in Vrozeſſen
vor den Amtögerichten fakultativ. In —
erichtlichen und den ſonſt in $. 140 der t⸗
en Straſprozeßordnung genannten Verhandlun⸗
gen iſt die Zuziehung eines Verteidigers obliga—
toriſch, in andern ſtrafgerichtlichen Verhandlun—
gen fakultativ. Bon einer fakultativen Obli:
ation (nicht zu verwecjeln mit der alternativen
r Alternative]) fpribt man, wenn dem Schuloner
geltattetift, ſtatt des geſchuldeten Gegenftandes einen
andern zu leiften. Diejer andere ift, wie die Juriften
\agen, in solutione, aber nit in obligatione. Er
fommt für ven Gläubiger überhaupt nicht in Be
trat, außer in der Erfüllung (f. d.), wenn der
Schuldner mit diefem andern Gegenftand leiftet.
Fafultativzüge, |. Cifenbabnzüge.
Fa la, bei den Jtalienern Ausdruck tändelnden
Yallens, daher Name von Arietten und Volksliedern,
die mit jolbem Refrain Schließen. Elementi führte
in feiner «Einleitung zum Klavierfpielen» das Fa la
in die mufilalifche Litteratur ein.
Falaiſe (ipr. -lLäbj'). 1) Arronbiffement im
franz. Depart. Calvados, bat 873,58 qkm, (1901)
45172 E., 114 Gemeinden und zerfällt in die
fünf Kantone Bretteville:fur:Laize, Falaiſe-Nord,
——— Morteaur: Couliboeuf und Thury:
Harcourt. — 2) Hauptitadt des Arrondijlements
F. 34 km füpöjtlih von Caen an der ji Dives
— Ante, in 133 m Höbe, maleriſch auf
Klippen (Falaiſen) und an der von der Linie Pe
Mansd:Eaen in Eouliboeuf abzweigenden Bahn nab
Flers (und Laval) gelegen, Sitz eines Gerichtshofs
eriter Snjtanı und eines Handelsgerichts, bat (1901)
6740, ala Gemeinde 7657 E,, in Garnifon einen
Zeil des 36. Infanterieregiments; 2 Kirchen, ein
Bronzedentmal Wilhelms des Eroberers, der in 5.
eboren iſt, und Reſte (Mauern und Türme) eines im
ittelalter wichtigen Schlofjes der normann. Her:
zöge; Bibliothet (20000 Bände), Kommunal-Col—
löge; bedeutende Spinnerei, Woll: und Baummoll:
weberei, Färberei, Gerberei, Nadel: und Maſchinen—
fabriten, Im Auguft findet in der Vorſtadt Hui:
bray ein berübmter ‘Pferde: und Maultiermarft,
verbunden mit Pferberennen, ftatt.
Falaifes (ipr. -Läbi’), die fteilen Kreidelüſten
(bis 100 m hoch) der öjtl. Normandie, an der franz.
Nordtüfte, beginnen 20 km füdlich von der Sommer:
Fakultäten — Falat
mündung und ziehen bis gegen Havre. Der Ramı
wird auf ähnliche Bildungen (Kliffe, KRliff=
len auch andernorts angewendet.
alafa (arab.), eigentlih ein mit Schmüren
verjebenes Holz, dur das ber Fuß eines Sträf-
lings in die zur Erteilung der Bajtonnade
Lage gebracht wird; dann auch die Baftonnabe
aland, eine im Mittelbohdeutihen (rälant)
vortommende Bezeichnung für den Teufel, die im
Neubochdeutfchen als Eigenname (F., Phaland Fo:
land, Bolland) noch er ebt. Das Wort
eigentlich einen Riefen und ift mit dem
fela (in Schreden feßen, verſcheuchen) vermanbt.
Der arge Fold oder Fuld lebt no jest in ber
Frankfurter Gegend, und Goetbe läht in ber
«MWalpurgisnadht» den Mepbiftopbeles ſich «Jun
ter VBoland» nennen. Auch eine välantinne, b. i.
Zeufelin, fommt in Dichtungen vor.
Falarika (lat.), auch Phalarika, Feuer:
pfeil, ein größeres, pfeilartiges -
das aus Katapulten oder äbnlichen
geätnnben! wurde. Die %. lommt By den
— (218 v. ehr), —— b —
und Byzantinern vor und war währen
rg im — * wurde —
eitens der Verteidiger befeſtigter gegen
—— Maſchinen und —— der
elagerer gebraucht. Der zundende Stoff (Berg
mit Pech, Schwefel oder Harz geträntt) wurde umter:
* der Spitze des Pfeils angebracht und vor bem
—— an —— Bolteftemm in Abel
afcha, ein bamiti 0
MB den Abeifiniern nabe verwandt. Sie find
nicht, wie fie behaupten, Nachlommen
derter Juden, fondern Reſte einer alten, zum
tum belehrten Landes bevollerung, die
ſten hatte und noch im Mittelalter tig war,
aber von den Chriſten allmählich v t wurde;
in dem Hochgebirge von Simen ibr
batten
tes jelbitändiges Gemeinmwejen. est wo
— in den Ländern (ſ. Karte: Abe ſinien
u. |. w., Bd. 17) weſtlich vom Talafeb
in Simen, Wogera, Ballait, ar
a, Dembea,
Tanlal, Agaumeder und Duara abgeichloffen in
eigenen Dörfern, zieben aber auf Arbeit au aus:
und
wärtd. Sie gebrauden das Alte 7
einige andere Bücher in (j. Athiopiſche
Schrift und Zitteratur); fie befigen
BEE
Priefter, Mönche, Nonnen, Propheten
beobadten Sabbat, Feſte, Opfer *
eſehe und halten ftrenge Zucht. An it,
Sreinlichteit und Fleiß fteben fie zum Teil über den
Ehriften des Landes. Sie treiben
und Gewerbe, namentlid Schmiebelunft,
Weberei, und find die gejchidteiten und
Bauleute. fiber ihre Zahl ſchwanken bie
gen zwiſchen 80000 und 200000. iſt
der Agawſprache verwandt; das He ver:
teben fie nicht. An Sprade und ini
ejen nächſt verwandt mit ihnen, im
jtreng jüdiich, daher von Ehriften und Muslim als
Heiden verjchrien, find die Kamant in der Näbe
von Gondar, in Wogera, zielen, bis Scheu
bin veriprengt. — dl 33 rze
der abeſſin. Juden (Baſ. 1869); Halebvy, Le dialecte
des Falachas (Par, 1873).
ge Julian, poln. Maler, geb. 30. Juli 1853
zu Tuliglowy in Galizien, ftudierte in bei
dem Kupferſtecher Raab, dann in Rom, und ließ fi
Falawen
1889 in Berlin nieder. Bon feinen Gemälden Bi
jzunennen: Aſchermittwoch, Rückehr Kaiſer Wil:
delns V. von der Bärenjagd beim Fürſten Radziwill
in Rieswiez 1888 (im Beſiß des Deutſchen Ratlers),
Elentierjagd (1890), Speerjäger auf der ei = d,
Siebeswerbung, Kaiſer Wilhelm IL. auf der P ed
jagd in der Schorfheibe (1892), Bor der Bärenjagd
(1892; Berliner Nationalgalerie), Ele in den
Sümpfen (1900). Bei Gelegenheit der Berliner
Kunitausftellung 1892 erhielt 5. die Bern goldene
Medaille. Außerdem fertigte er einen Cyllus von
28 Aauarellen und Zeihnungen mit Darjtellungen
der 1886 vom Fürften Anton Radzimwill veranjtalte:
ten Bärenjagd. Mit A. von Koſſal zufammen malte
er die Banoramen: Koſciuſztos Sieg bei NRaclamice
(1894), Rüdzug der Franzoſen über die Berefina
im Nov. 1812 (1896). 1900 wurde F. ald Direktor
der Kunſtalademie in Krafau berufen.
lawen, j. Rumanen. j j
b, etymologiſch mit fahl identiſch, Bezeich⸗
n für alle verjchofjenen oder dieſen ähnliche
Serben namentlich ein ind Graue fallendes Gelb.
Falb, Rudolf, befannt durd jeine Erpbeben-
theorie und Wettervorausfagen, geb. 13. April 1838
zu Obdach in Steiermart, ftudiertein Graz Theologie,
wurde zum Priefter geweiht und war in der Seel:
orge eat, Später war er Lehrer, ftubierte in
noch Mathematik, Phyſil und Aftronomie und
in Wien Geologie und trat 1872 zum Proteftantis:
mus über. Bereitö 1868 batte er die populäre
aftron. Zeitichrift «Sirius» gegründet; dann ver:
tlichte er «Grundzüge zu einer Theorie der Erb:
und Bullanausbrüder (Graz 1870) und «Ge:
danken und Studien über den Bullanismus» (ebd,
1875). 1877—80 unternahm er zum Smede vul⸗
—- aräol. Studien eine Reife nach Süd:
unb merila. 1887 fiebelte er nach Leipzig und
von da fpäter nad) Berlin über. Er ftarb 29. Eept.
1903 in Schöneberg bei Berlin. Liber feine Erb:
bebentheorie |. Erdbeben; über 5.8 Kritiſche Tage
.d. Die wiſſenſchaftlichen Kreife verhalten ſich ab:
Theorien. Bon feinen Schriften find
noch zu erwähnen: «Sterne und Menihen» (Wien
1882), «Bon den Ummälzungen im Weltall» (ebv.
1881; —9 «Das Land der en in feiner
Bedeutung für die Urgefhichte der Sprade und
Schrift» (Dpz. 1883), « re ien 1888),
«Das Wetter und der Mond» (2, Aufl., ebd. 1892),
«über Erbbeben» (ebd. 1895), «Kritiiche Tage, Sint:
Aut und Eiszeit» (ebd. 189%). Außerdem gab F.
ahrlich einen «falender der kritiihen Tage mit Be:
auf Witterungserfheinungen, Erbbeben und
5 tter» (Wien) heraus. — Bol. Tarnuzzer,
‚und die Erdbeben (Hamb. 1892); Bernter, 5.3
i l. 1892); Ule, F.s Theorien im
e
te ER enichaft (ebv. 1897). [Heivern.
[, ein kraus gejogener Bejag an Damen:
e, ſ. Rate nebftZafel: Rapen I, Sig1.
Fale. b:
‚ bei naturwiſſenſchaftlichen Namen
für Hugb Falconer (f. d.).
ina, j. Ausjab.
(fpr. -käung), Chriftovam, portug. Did:
ter ud dem Anfang des 16. Jahrh. *
ugendgebichte ſtehen im Liederbuch des Garcia
de Reiende. Sein Hauptwerl, die Eploga « Chris-
fals madte ihn zum Mitbegründer einer neuen Ge:
idmadsribtung und fomit zum Vermittler zwiſchen
ver alten bifpanifterenden Schule des 15. und der
neuen italianifierenden Renaiſſancedichterſchule des
— Fald 421
16. Jahrh. Jenes Idyll behandelt die unglüd«
lihe Liebe de® armen Edelmann zu der reichen
Maria Brandäo, aus der Familie des königl. Schatz⸗
meifters, die von ihrer Familie im Eiftercienferklojter
Lorväo verftedt gehalten wurde, während der Dichter
fünf Jahre lang im Privatgefängnifie ——
mußte. Die Weichheit und ſehnſuchtsvolle Melan—
cholie des ng ationaldaralters zeigt ſich in
feinem andern Gedicht jo unvermittelt und ans
Iprehend wie bier. Darum ward es denn auch un:
— beliebt und berühmt. Zuerſt in datenloſen
usgaben in ———— gedruckt, wurden die
«Trovas de Crisfal» ſpäter der «Menina e moga»
des Bernarbim NRibeiro beigegeben (Köln 1559) und
exſchienen in Einzelausgaben 1619, 1639 und 1721.
Neue Ausgabe mit Biographie von Th. Braga
(Oporto 1871), _,
Faloes (lat.), Siheln, dann fihelförmige Wert:
euge überhaupt; F. muräles, Stangen mit ſtarken,
— — eiſernen Enden, bei Be—
agerungen zum Einreißen der Mauern u. ſ. w. die:
nend; F. naväles, jharfe, fihelförmige, an langen
Stangen befeitigte Mefjer, womit man das Segel:
und Tauwerk der feindlihen Schiffe zerfchnitt.
Faleidifche Quart (Quarta Falcidia), das:
jenige Viertel einer Erbſchaft oder eines Erbteils,
weiten nad der fog. Lex Falcidia, einem röm.,
etwa 40 v. se ergangenen Geſetze, dem Erben,
auf fein Verlangen, unbefhmwert von Vermädt:
niſſen verbleiben mußte. Das Senatus consultum
Pegasianum dehnte das 2. aus auf Fidel:
fommiffe. (S. Vermächtnis.) Später wurde das
Gefep noh auf Schenkungen auf den Todesfall
und andern Empfang von Todes mwegen ausge:
dehnt. Juſtinian geftattete dem dert den Ab:
vu ganz zu verbieten. In diefer Geftalt fam der
zug noch im Gemeinen Nechte und auch im Bayri⸗
chen Landr. III, 6, $$.14,15, vor. Dagegen ift er in
den meijten Bartitularrechten ſowie im Deutfchen
Bürgerl. Geſetzb. $ 2147 u. 2189 aufgegeben wor
den. Das Bfterr. Bürgerl. Geſetzb. $. 690 hat noch
einen gewiflen Erfaß: dem Erben ſoll eine billige
Vergütung oder angemefjene Belohnung für feine
Bemühungen gewährt werden. Soviel befannt,
elangen die leßterwähnten Vorfchriften überaus
elten zur Anwendung. Nicht im Zufammenbange
eht mit der %. D. diejenige engen, welche die
ermädtnisne ad J— dem Grundſatze: Nie⸗
mand kann mehr belaſtet werden, als der ihm zu:
gegangene Vorteil reicht (nemo — magis one-
rari quam est honoratus), gefallen laſſen müffen.
Diefer Sap ift faft überall geltendes Recht, jteht
aber zumeift im Zufammenbange mit der Schulden:
Faloinellus, Ybisart, j. Wiſſe. [baftung.
Yaleiü, Zaltihilu). 1) Kreis im Königreich
Rumänien (Moldau, ſ. Karte: Rumänien u. ſ. w.),
bat 2120 qkm und (1899) 93317 E. 2.1.44 €. auf
1 qkm; Hauptftadt tft Hugi. — 2) Ort im Kreis F.,
am Pruth, hat (1894) etwa 2500 E.
Fald, Nitolaus, Jurift, geb. 25. Nov. 1784 zu
Emmerlef in Schleswig, ftubierte zuerft zu Kiel
Theologie und Philologie, widmete fih dann der
Rechtswiſſenſchaft, trat in Kopenhagen in die
—— anzlei ein und wurde 1814 zum
ord. Profeſſor der Rechte in Kiel ernannt. Er ſtarb
5. Mai 1850. F. war Präfident der ſchlesw.⸗hol⸗
Bein Ständeverfammlung und vertrat in gemä-
igter Weife die Selbitändigleit Schleswig Hol:
fteind, Unter feinen Schriften find hervorzubeben:
422
Das Herzogtum Schleswig in feinem jegigen Ber:
hältnis zu Dänemark nebft Anhang über das Ber:
bältnis der Sprachen im Herzogtum Scleöwig»
(Kiel 1816), «Juriſt. Encyllopädie» (ebd. 1821;
5. Ausg., Lpz. 1851), «Sammlungen zur näbern
Kunde des Vaterlandes> (3 Bde., Altona 1819—
25), «Handbuch des ſchlesw.⸗holſtein. Privatrechts⸗
‘Bd. 1—5, Abteil. 1, ebd. 1825—48). Mit andern
gab er heraus: «Staatd- und Erbrecht des Herzog:
tums Schleäwig» (Hamb, 1846) und die Zeitichrif:
ten «Staatsbürgerlibes Magazin» und «Neues
Staatöbürgerlibes Magazin» (zufammen 20 Bde.,
Schlesw. 1821—31 u. 1833 —41). — Val. 5. Brod:
haus, Nikolaus F. (Kiel 1884).
Faldenftein, Eduard Vogel von, preuß. Ge:
neral, ſ. Bogel von Yaldenftein.
Faloo (lat.), der Falke (1 E F. gyrfalco,
ſ. Oierfalte; F.peregrinus, ſ. Wanderfalleund Tafel:
allen, ia. 1; F. tinnuncülus, ſ. Turmfalte.
Falcon, Staat im NW. der ſüdamerik. Kepublit
Benezuela (f. Karte: Columbia u. . w.), im D. ber
Paguna und des Golfs von Maracaibo, mit der Halb:
injel Baraguana, bat auf 23222 qkm (1894) 141689
Der Boden iſt troden und nur mit Kakteen und
Gupborbeen beftanden. Man treibt Blantagenbau
(bauptfählih Mais) und Viehzucht. Hauptitadt ift
Coro (j.d.). — F. früber mit Julia vereinigt, ift feit
1881 Staat und nah dem Marichall Falcon, dem Be:
gründer der ——— Federation, benannt.
Falcon, Inſel, ſ. Tonga-Inſeln.
Falcon., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen
Ablürzung für Hugb Falconer (f. d.).
aleonbridge (ſpr. jabt'nbrivih), Thomas,
Baftard von, ein illegitimer Neffe des im Koſentriege
berühmten Warwick, wurde 1471 von Eduard IV.
belaıaen genommen und enthauptet. Shalefpeare
läßt im «König Johann» einen Philipp von F. als
unebeliben Sohn von Rihard — auftreten.
alcöne, Aniello (Angelo), ital. Schlachten—
maler, geb. 1600 in Neapel, geſt. daſelbſt 1665,
bildete fih anfänglich unter Ribera, gründete jedoch
bald ſelbſt eine eigene Schule, die ſtark befucht wurde.
Als der Aufftand unter Mafaniello (f.d.) 1647 aus:
brach, bildete er mit feinen zablreiben Schülern und
Anbängern unter dem Namen des Todesbundes eine
den Spaniern verderbliche Bande und flüchtete au
Unterdrüdung des Aufitandes für einige Zeit na
reg eine Bilder, die ſehr felten find (zwei
efigt das Pradomuſeum zu Madrid), ftellen meijt
Kampfſcenen dar und find mit ſolcher Meifterichaft
ausgeführt, daß er davon den Namen eines Dratels
der Schladbten (Oracolo delle battaglie) erbielt.
Man bat von ihm auch einige gejtodhene Blätter.
Falconer (fpr. fabE'ner), Hugh, engl. Paläonto:
log, geb. 29. Febr. 1808 in orres in Schottland,
jtudierte in Aberdeen und Edinburgb Medizin und
trat dann als Wundarzt in die Dienfte der Dit:
indiſchen Compagnie, die ibm 1832 die Aufficht
über den botan. Garten in Sabaranpur am Fuße
des Himalaja übertrug. Von bier aus unternahm
er geolog. Unterfubungen der dem Hauptzuge des
Himalaja vorliegenden Kette der Simalikberge und
entdedte dort die erften Refte einer bis dabın un:
befannten fubtropifhen miocänen ————
1837 ging er im Gefolge Sir Alexander Burnes’
nad Piſchawar und Kaſchmir, entdedte unter an:
derm die Asa foetida: Pflanze, lebrte 1838 nad
Sabaranpur zurüd und nabm 1842 einen mehr:
jährigen Urlaub. Die J. 1843—47 brachte er, mit
Taldenftein — Talconetto
der Ordnung und —— ſeiner Sammlungen
beſchäftigt, in England zu. Der größte Teil feiner
botan. Gammlıngen tm nab Kem; die geolog.
und paläontol. Sammlungen wurden dem Britt:
ſchen —— überwiejen. Auf Koſten der Oft:
ken ompagnie begann er 1846 fein Haupt:
werf, die «Fauna antiqua Sivalensis» (9 TIe., 1846
—49, unvollendet). 1848 ging %. wieder nad In—
dien, wurde Direktor des Botaniſchen Gartens und
Profeſſor der Botanik an dem Mediziniſchen Kolle-
gium in Kalkutta, nabm 1855 feinen Abſchied aus
dem Dienjte der Compagnie und durchforſchte feit:
dem für die Ausführung feines Wertes über die
Siwaliffauna jämtlihe geolog. Mujeen Europas.
Mäbrend feiner legten Lebensjahre unterfuchte er
beſonders die in Höhlen erhaltenen paläontof. Reite.
. ftarb 31. Jan. 1865 in London. Sein wifjen:
chaftlicher Nachlaß wurde u. d.T. «Dr. Hugh F.'s
palsontological memoirs and notes» (2 Bde., Lond
1868) von Murchiſon berauggeneben.
Falconer (fpr. fabl’ner), William, engl Die-
ter, geb. 11. Febt. 1732 zu Edinburgh, lam ale
Rajütenjunge auf ein Kauffahrteiſchiff. Als zweiter
Maat an Bord der Britannia litt er auf der Fabrt
von Alerandria - Venedig beim Kap Eolonna
Schiffbruch, rettete jih mit zwei Kameraden und
ihilderte die Gefahren des Seelebens in einem
Gedichte von drei Gefängen: «The shipwreck »
(anonym, Zond. 1762; jeit 1764 unter 5.5 Namen,
1887 bog. von Adams, 1901 von Friedrich). Der
Dericp von York, dem F. jein Werl gewidmet batte,
ließ ibn zum Midſhipman und Schiffszablmeifter
ernennen; aus Dankbarkeit jchrieb er unter dem
Namen Theopbilus Thorn eine polit. Satire «The
demagogue» (1765) gegen Ebatbam, Willes und
Ehurdill. Sein lektes und gediegenftes Merk iſt
«A new universal dictionary of the marine» (?onv.
1769; neue Aufl. 1815 und 1830). Nochmals litt
‚im Britifchen Kanal Schiffbrub; dann fubr er ala
ablmeifter aufder nah Indien beitimmten Fregatte
urora 1769; jie verſcholl, nachdem fie die Ray adt
verlafien batte. %.3 «Poems» wurden mit einer Ein:
leitung hp: von Mitford (1836) und 1858 mit einem
Lebensbild des Dichters von Carruthers.
alconet (jpr. -neb), Etienne Maurice, franz.
Bildhauer, geb. 1716 zu Vevey am Genfer See,
ing nad Paris, wo er fih unter Qemoine aus:
ildete. Erft 23%. alt, wurde er für feine Gruppe:
Milon den Löwen tötend, in die Pariſer Alademie
aufgenommen. Es entitanden jodann die Meifter:
werte: ein Pygmalion und ein drobender Amor,
die Voltaire bean; ferner der beil. Ambrofius für
die Invalidenlirche, der fterbende Erlöjer für die
Rochuskirche. 1766 berief ihn die Kaiferin Katbarina
nad) Beteröburg, wo er das folofjale Reiterſta ndbild
Peters d. Gr. (f. Tafel: Ruſſiſche Kunft I, Fie. ı)
in Erz ausführte. 1778 kehrte er nah Barig zurüd,
wo er Alademiedireltor wurde und 4. Yan. 1791
ftarb. In den legten Jahren feines Lebens beichäf:
tigte er ſich meift mit litterar. Arbeiten; er ſchrieb:
«Röflexions sur la sculpture» (Bar. 1761), a«Obser-
vations sur la statue de Marc-Aur@le» (1771),
«(Euvres de F.» (6 Bde., Laufanne 1781—82) u. a.
Falconetto, Giovanni Maria, ital. Architekt
und Maler, geb. 1458 in Verona. In jeiner Jugend
fcheint er fih Mantegna zum Vorbild genommen zu
baben. In Verona malte er Freslen in San Nazzaro
(1493), im Dom (1503) und ın San Pietro Martire
(um 1515). Sein beſtes arditeftonifhbes Wert if
Falcuneulus — Falk (Wdalbert)
der 1524 in edlem Kenaifjancejtil vollendete Palazzo
Giuſtiniani in Badua. F. ftarb 1534.
Falounoülus Fieill., Saltenwürger, Gat:
tung auſtral. Würger mit drei Arten, kräftige, LI—
16 cm lange Vögel vom Habitus des Eichelbebers,
mit einer Federhaube aufdem Kopf. Oberſeite dunkel
olivenfarben, Unterjeite gelb, am Kopf weiße und
ſchwarze Abzeichen. Die befanntejte Art iſt F. fron-
tatus Lath. (©. vorjtebende Figur.)
Faldistolium, j. Faltſtuhl.
alealili, Hafen auf Upolu (f. d.).
aleme, linter Nebenfluß des Senegal im nord»
weitl. Afrika, — in Futa⸗Dſchalon und mun⸗
det oberbalb Bakel.
alerti, eine an der Stelle des heutigen Eivita-
Eaitellana auf feljiger Höhe gelegene Stadt im ſudl.
Gtrurien, wurde von den alteinheimiſchen Falis:
tern bemobnt, die eine der lateinijchen nahe ver:
wandte Sprade und Schrift hatten, in der einige
Inſchriften auf uns gelommen find. Die Stadt
gelangte frühzeitig in den Befiß der Etruäfer, In
dem Kriege Bejis mit Rom (405— 3%) trat F. auf
vie Seite Bejis, mußte aber 394, durch Camillus
bejwungen, Frieden jchließen. Nachdem die Stabt
ieit 357 v. Chr. nochmals gegen die Römer ge
tämpft hatte, jab fie fih 343 v. Chr. zum Anſchluß
an Rom genötigt, worauf jie noch 293 und 241
v. Chr. kurze erfolgloje Verſuche machte, F— Selb⸗
ſtandigleit wiederzugewinnen. Die alte feſte Stadt
wurde hernach zerjtört und 4 km nörblid von ihr
in der Ebene eine neue Stadt angelegt und ſpäter
aud eine Kolonie röm. Bürger begründet, die den
Namen Junonia Falisca erhielt. F. hatte einen
berühmten Rult der jalisfiihen Juno; aud waren
die Linnenfabrikate der Falister und ihre Stiere ge:
ihäst. — Über das Thor von F., einen alten Ge—
wölbebau, j. Etrustifche Kunft nebit Tafel, Fig. 2.
— Bol. Deede, Die Falisler (Straßb. 1888);
Oronte del rate, Guida della Faleria Etrusca
m 1898).
er — ein berübmter altröm. Bein, welcher
im ifchen Felde (ager Falernus) in Campa-
ib vom Gebirge Mafficus (jept Monte:
sion, fabl a Flufie Savo (jest Savone) wuchs.
Hauptiorten waren bas Vinum Caucinum, Vinum
Faustianum und ber 5. im engern Sinne Man
unterihied berben und füßen, gelben und ſchwar⸗
423
in 5. Noch jekt wird eine Sorte campanifchen
eins Bino Falerno genannt.
Falguiere (pr. -giäbr), Alerandre, franz. Bild:
bauer und Maler, geb. 7. Sept. 1831 in Touloufe,
bildete fih in Paris bei Jouffroy und in Rom, wohin
er ſich 1860 begab. Zunãchſt widmete er feine fünft:
leriſche Thätigkeit der Plaſtik; jo ſchuf er 1864 den
Sieger im Habnentampf, 1868 den driftl. Mär:
tyrer Tarciſius (beide im Lurembourg : Mujeum zu
Hari) Für die Neue Oper in Paris fertigte er die
igur des Dramas, ferner für das Theätre frangais
die figende Figur Gorneilles (1872), die Statue La:
martines für Mäcon (1878), die Marmorftatue des
beil. Bincenz von Paula für die Kirche Ste. Bene:
viöve (1879); ſodann eins feiner Hauptwerle: eine
Pfeilabſchießende Diana (1882), die 1887 in Bronze,
1891 in Marmor ausgeführt wurde; die Marmor:
ftatue des Generals Larochejacquelin in St. Aubin,
die Bronzeftatue Gambettas für Cahors (1884), die
Statue der Mufit (1889), die Frau mit dem Pfau
—— eine Tänzerin (1897), die Bronzeſtatue des
tzted Charcot für Paris (1898) und des Kardinals
Lavigerie für Bayonne und Bisfra (1900). Seit
1873 pflegte er daneben auch die Malerei; jo ent:
ftanden Rain feinen erjhlagenen Bruder Abel fort:
tragend (1876), Enthauptung Johannes' des Täu:
fers (1877), Sufanne (1879), Sphinx (1883), Opfer
für Diana (1884), Acis und Galatea (1885), Groß:
mutter und Rind (1886), Juno (1889). F. war Mit:
glied der Akademie der jhönen Künfte in Baris, wo
er 19. April 1900 ftarb.
Balieri, Marino, Dogevon Venedig, geb. 1278,
warf Zara, welches fih 1346 gegen Venedig erhoben
batte und durch Ludwig I. von Ungarn unterftüßt
wurde, nad ſchwerem Kampfenieder. Darauf wurde
er 11. Dit. 1354 zum Dogen gewäblt in dem Augen:
blid, als die flotte Venedigs unter Piſani bei
VBortolongone eine vernichtende Niederlage durch
die Genuefen erlitt; doch gelang es F., edig
durch einen Waffenſtillſtand vom nahen Untergang
zu retten. Als, wie die ſpätere Überlieferung ans
giebt, der Senat den Batricier Michele Steno, der
des Dogen Gattin und dann ibn ſelbſt beleidigt hatte,
febr mild beftrafte, verband fih Marino F. mit den
Führern des Volks zur Aufrichtung einer erblichen
Herrichaft der F. Allein am Borabend des zur Aus:
brung verabredeten 15. April 1355 wurde der An:
lag verraten, und F. 17. April 1355 aufder großen
Treppe des Dogenpalajtes hingerichtet. — Dichte:
riſch bebandelten F.s Schidfal namentlih Byron in
einem Drama, E. Th. A. Hoffmann in einer Novelle
«Doge und — * Franz Kugler, Albert Lind⸗
ner und Caſimir Delavigne und W. Walloth in einer
Tragödie; einer Oper legte es Donizetti zu Grunde.
— Bal. Ronteix, Marino F. (Par. 1829); Senger,
Hiftor. : kritiiche Studien (Münd. 1878); Venoſta,
Marino F., racconto storico del secolo XIV. (Mail.
1879). [ler (f. d.).
Se un die Einwohner der etrur. Stadt Ya:
alf, Adalbert,preuß. Staatömann,geb. 10. Aug.
1827 in Metichlau im Kreis Striegau, wo fein Vater
Ludwi ß F. (fpäter Konſiſtorialrat und erſter Paſtor
der Hoftlirchengemeinde zu Breslau, geſt. 20. Aug.
1872 alö Pfarrer zu Waldau bei Liegnis) damals
Bajtor war. F. ftudierte in Breslau, trat 1847 als
Austultator in den preuß. Staatsdienſt, wurde 1853
Staatsanwalt zu Lyck, wo er 1858 von den Kreiſen
2yd, Diesto und Jobannisburg ind Abgeordneten:
baus gewählt wurde, in dem er ſich den Altliberalen
424
anſchloß. Im Frühjahr 1861 wurde F. ald Staats:
anmwalt an das Kammergericht zu Berlin berufen,
gleichzeitig als Hilfsarbeiter im AYuftigminifterium
verwendet und ſchon im Juli 1862 zum Rat bei
dem Appellationsgerict zu Glogau beförbert. Hier
beteiligte fi $., wie ſchon vorber in Lyd, an den
uriprünglid von Gräff, Ko, Rönne, Simon und
engel, fpäter von Rönne allein herausgegebenen
und unter dem Namen «Fünfmännerbud» bekann⸗
ten «Ergänzungen und Erläuterungen der preuß.
Rehtsbüher». Bon dem Glogauer Wahllreiſe wurde
er im Febr. 1867 in den Konftituierenden Nord:
deutſchen Reichstag gewählt. 1868 zum Geb. Juſtiz⸗
rat und vortragenden Rat im Juftizminijterium er-
nannt, war er zunächſt für die Herftellung der neuen
Subhaftationsorbnung für das Rechtögebiet der
Allgemeinen Gerihtsorbnung thätig, die 15. März
1869 als Geſeß verfündet wurde, und erbielt dar:
auf das Referat in allgemeinen Verwaltungsſachen.
Auch war er Mitglied der Kommiffionen, die im
preuß. Yuftizminifterium mit der Umarbeitung bes
Entwurfs einer Civilprozeßorpnung ſowie mit
der Aufftellung eines Entwurfs der Strafprozjeß-
ordnung für das Deutfche Reich beauftragt waren.
Im Febr. 1871 wurde F. zum preuß. Bevollmäch⸗
tigten beim Bundesrate und zum Geb. Oberjuftiz:
rat ernannt und auch in die Kommiſſion für die
Ausarbeitung einer Civilprozekorbnung gewählt.
Am 22, yon. 1872 wurde F. an Heinr. von
Mübhlers Stelle zum Kultusminifter ernannt, in wel:
her Stellung ihn ungewöhnlich ſchwere Aufgaben
erwarteten. Sein leitender Grundſatz war, der
Kirche und den Kirchengemeinſchaften ihre volle
freie Bewegung zu lafjen, aber mo Rechte des Staa-
tes in Frage fämen, alle unberechtigten Anfprüce
surüdzumerien. Er vertrat zunächſt im Landtage
mit Erfolg das no von feinem Vorgänger einge
brachte Schulauffichtägeieß, das dem Staate die
Auffiht über alle öffentlihen und Privat: Unter:
richts⸗ oder Erziebungsanftalten zumies. Er bob
zn die das Vollsſchulweſen betreffenden Regu:
ative von 1854 auf und erjehte fie Durch andere
a arme wobei ihn die Üiberzeugung leitete,
daß die Regulative das Gegenteil von dem bewirkt
ätten, was fie beabfichtigten, und einem großen
eil des Lehrerjtandes Haß und Widermwillen gegen
das pofitive Ehriftentum *— bätten. Ferner
jorgte er für eine erhebliche —— der Semi⸗
nare, höhere Dotierung der Lehrer und Verbeſſerung
des Lehrplans der Volksſchulen. Als eine feiner
Hauptaufgaben betrachtete er den Abſchluß des durch
die Verfaſſung verheißenen Unterrichtägefeges. Nach
langen Vorarbeiten hatte er 1877 einen Entwurf
vollendet, der jedoch wegen der Höhe der erforder:
lichen Gelomittel auf ven Widerſpruch des Finanz⸗
minifterd Camphauſen ftieß und wegen der ſich vor:
bereitenden Sinderung in den innern Verhältniſſen
Preußens nicht weiter gefördert werden konnte,
Während der Arbeiten für das Vellsſchulweſen
nabm die Siceritellung ver Rehtsipbäredes Staates
in dem mit der kath. Kirche ausgebrochenen Kultur:
spe die unausgejepte Thätigleit 5.8 in Anſpruch.
Dieje Thätigkeit führte zu den eingreifenden kirchen⸗
polit. Gejegen (den jog. Maigejegen, f. d.), deren
Reihe mit dem im Nov. 1872 eingebrachten Enttwurfe
über die Grenzen des Rechts zum Gebrauche lirch⸗
licher Straf: und Zuchtmittel eröffnet wurde,
Um auch der evang. Kirche gegenüber die Grenze
der jtaatlihen Machtbefugniſſe dauernd jejtzuftellen
durch feine
Falf (Johs. Daniel)
und zugleich der Kirche ſelbſt eine gan Selbftän:
digleit zu geben, wirkte F. für ven Erlaß der zunähft
für die act ältern Provinzen geltenden Kirchenge⸗
meinde und Synodalordnung vom 10. Sept. 1873
und der Generalſynodalordnung vom 2%. Yan.
1876. Die ortbodor:prot. Partei, ſchon längft durd
das Schulauffichtägejeß, die Einführung der obliga-
toriſchen Eivilehe, die Errichtung von Simultan:
ſchulen und andere Maßregeln erbittert, belämpfte
nun von dem Boden aus, den ihr die neue Synodal:
verfaflung gab, das F. ſche Spjtem mit aller Ent:
ihiedenheit. Infolge des Rüdhalts, den fie beim
Könige jelbit fand, — es ihr auch, die Stellun
des Miniſters in Fun rade zu erjchweren, jo dab
a 1878 feine Entlafjung forderte, die Ben
mals abgelehnt wurde, Als aber nad dem Tode
des PVapftes Bius IX. deſſen Nachfolger Leo XII.
mit der preuß. Regierung Unterbanblungen an:
Inüpfte, um den Frieden zwiſchen Staat und Kirche
wiederberjuftellen, und fe ein Frontwechſel des
Centrums anbabnte infolge der Unterjtügung, die
eö dem Reichslanzler bei der Zoll: und Steuerreform
—* erachtete F. ſeine Stellung für zweifellos un
baltbar. Er erbat im Juni 1879 feinen Abicied,
den er 14. Juli erhielt. In Anertennung jeiner
Verdienſte wurde ihm bei diefer Gelegenbeit der erb-
lie Adel —8 jedoch von F. nur für ſeinen
im Heere als Offizier dienenden Sohn angenommen.
Seine öffent [de Thätigleit beſchränlle ſich wäh:
rend der nächſten Zeit vorzugsweiſe auf den Reichs
tag, worin er ſeit 1873 den Wabltreis Bunzlau⸗Lüuben
vertrat, und das preuß. Abgeorbnetenbaug, für das
er im Oft. 1873 ın ſechs verſchiedenen engen
ewäblt worden war und ein Mandat des Hreiies
jien-Duisburg: Mühlheim angenommen batte. Als
Landtagdabgeorbneter trat F. namentlich berver
oppofition gegen den von jeinem Rad:
folger im Rultusminijterum von PButtlamer 18%
eingebradhten Geſetzentwurf, dur den die Regie
rung die Befugnis in Anſpruch nahm, gewiſſe
ftimmungen der Maigejebe außer Kraft zu fepen.
1882 zum Präfidenten des Oberlandesgerichts in
Hamm ernannt, gab er jeine parlamentariide Wırl:
famteit auf. Er har dafelbit 7. Juli 1900. Seine
«Reden, gehalten in den J. 1872—79» (3 Ze. in
1 3b.) erihienen 1880 in Berlin. — Bol. Fiber,
Adalbert F. (Hamm 1900). .
Falk, Jobs. Daniel, Schrüftjteller und Pbilar-
tbrop, geb. 28. Dit. 1768 in Danzig, ftudierte in
Halle und lebte feit 1797 als Privatgelebrter in
Deimar. Hier machte er ſich 1806 beim Einmarſch
der Franzojen um Stadt und Land verdient und
wurde dafür zum Legationsrat ernannt. Roc
— Verdienſte erwarb er ſich 1813 durch die
ig Mo «Gejellichaft der Freunde in der Rot»
und die Gründung einer Rettung: und Erziehungs:
anſtalt für verlajjene und verwahrlofte Kinder, welche
legtere, feit 1829 vom Staate übernommen, als
«Faltibes Inftitut» noch beftebt. 5. ftarb 14. Sehr.
1826. Seine erften Satiren: «Der Menic» (2p.
1795), «Der Menſch und die Helden; zwei jatir. Ge
dichte» (ebd. 1798), « Die beiligen Gräber zu Kom
und die Gebete» (ebd. 1796 u. 1799), find mebr all:
gemein gebalten, doch reich an trefiendem Wis;
aud) die jieben Jahrgänge feines «Taſchenbuchs für
— des Scherzes und der Satire» (1797 - 1803),
eine «Groteöten, Satiren und Naivetäten» (Tüb.
1806— 7) und «Dceaniden» (Amijterd. 1812) ent
balten vieles Gelungene. Nach 5.8 Tode erichienen:
Falk (Mar) — Falle
ur Lebre und Beflerung» (Lpz. | manifhen Mufeum in Nürnberg, 1858 Bibliotbe
ü Boltsipiegel
1826), eine Sammlung feiner «Satir. Werte»
(1 Bve., ebd. 1826) und nad Goethes Tode, wie
8 bejtimmt hatte, «Goethe aus näberm perjön:
den —— — (ebd. 1832; 3. Aufl.
1856; engliſch von ©. Auſtin), neuerdings: «Ges
heimes Pig: oder Mein Leben vor Gott. 1818
22» (2 ., Halle a. ©. 1898—1900). — Bal.
Yobannes F. Crinnerungsblätter aus Briefen und
bübern,, gejammelt von deſſen Tochter Ro:
ſalie 5. (Weim. 1868); Heinzelmann, Johannes F.
und die Geſellſchaft der Freunde in der Not (Erfurt
1879) ; Armin Stein (H. Nietihmann), Johannes F.
Kr Wo Polititer und Publizift, geb
ar, ungar. Politiler iziſt, geb.
7. Dit. 1828 zu Weit, ftudierte dafelbft und am
Bolgtehnitum in Wien, wo er 1848 aud in bie
Alademiſche Legion eintrat. In Wien war %. am
radikalen «Studentenkurier» und am «reimütigen»
beihäftigt; ſpäter wurde er Mitarbeiter bei der
«Diterr. Zeitung», nad) deren Unterdrüdung Haupt:
mitarbeiter ded «Wanderer», wo er für die Intereſſen
Ungarns, namentlich für die Miederberftellung der
ungar. Berfafjung, mit Entſchiedenheit eintrat, was
ibm eine dbreimonatige Kerkerſtraſe eintrug.
gleihem Geifte wirkte er 1852—67 ald Hauptmit-
arbeiter des «Pesti Naplö» und vieler anderer ungar.
Blätter. Seit 1851 mar er Beamter der Wiener
Sparlafle. Seitdem 1865 die Ausgleihäverhand-
lungen mit lingarn wieder in Fluß gelommen
waren, gewann auch F. an Beachtung in ben
maßgebenden Rreifen. 1866 und 1867 hielt er ber
Kaiſerin Eliſabeth täglih Vorträge über ungar.
Geſchichte und Fitteratur. Ende 1867 zum Chef:
rebacteur des «Beiter Lloyd» (f.d.) berufen, machte er
dieſe Zeitung zu einer der bedeutenditen Ungarns.
1863 wurde 5. zum Mitglied der ungar. Alademie
der Wiſſenſchaften und 1869 in den ungar. Reichs:
tag gewählt, dem er jeitbem ununterbrochen ange:
hört. Als Kolititer chloß F. fih von Anbeginn ber
— t liberalen Richtung eines Dedt, Eotods,
ndrafiy u. f. w. an; aud wirkte er mit zur Herbei-
brung des ftaatärehhtlihen Ausgleihs von 1867.
der ar. Reichstagsdelegation zur Beratung
der gemeinjamen —— enheiten ver Oſterreichiſch⸗
Ungariſchen Monarchie fungierte F. ſtets als Re
ferent für die auswärtigen Angelegenheiten. An
litterar. Arbeiten publizierte F. (in der «Gfterr,
Revue») die Studien: «Die Krönung ded Königs
von Ungarn», «Die fürftl. Familie Ejterhäzy», «Der
ungar. — Ladislaus Szalay» und «Graf
Stephan Szehenyi und feine Beits legtere auch
ungariſch, Beit 1868). Im Berein mit elli gab
er 1859—60 die 12. deutſche Auflage von Ballettis
«Allgemeiner Beltbunde» heraus.
taune, j. Falle (Geihüp).
, er f. Falten.
„Falkaune, Fallonett (franz. faucon;
ital. falcone), eine ſchon im Mittelalter gebräuc-
liche Bezeichnung für gewille Wurfmafdinen, wurde
im 15. A abrb. auf leichte Feldſchlangen (f. d.) über:
en; im 16. Jahrh. findet fie fich allgemeiner.
, Guftav, Dichter, j. Bd. 17.
, Zal., Ritter von, Kultur und Kunſthiſto⸗
riler, geb. 21. Juni 1825 zu Ratzeburg, jtubierte
in Erlangen und Göttingen, war 1850 Gymnaſial⸗
lebrer in Hildeöbeim, dann bis 1853 Erzieher im
Haufe des Brinzen Wilbelm von Solms-Braunfels
ju Düflelvorf. 1855 wurbe 3. Konſervator am Ger-
425
tar des Fürften Liechtenftein in Wien, 1865 aud
erfter Kuſtos am f. f. Mufeum für Kunft und In—
duftrie, 1872 Vicedireltor, 1885 Direktor desfelben.
1895 trat er in den Ruheſtand und ftarb 9. Juni
1897 in Lovrana bei Abbazia. Seinen Ruf ala
ra a begründete F. mit dem Werte «Die
deutiche Trachten: und Modenmwelt» (2 Bde., Lpz.
1858). Schon vorber hatte er fih an der Heraus:
abe von Eyes «Kunſt und Leben der Borzeit»
3 Bde., Nürnb. 1855—59; 3. Ausg. 1868) und
«Galerie der Meifterwerte altdeuticher Holzichneide:
tunſt» (12 Lfgn., ebd. 1857—61), fowie an der
von feinem Bruder Johannes Falle (f. d.) be
onnenen «Zeitſchrift für deutſche Kulturgefchichte»
(eb. 1856 —59) beteiligt. Er ſchrieb ferner: « Zur
Roftümgeihichte des Mlittelalterö» (Wien 1861),
«Die ritterlihe Gejellihaft im Zeitalter des
Frauentultus» (Berl. 1863), «Geſchichte des moder⸗
nen Gefhmads» (Lpz. 1866; 2. Aufl. 1880), «Die
Runftinduftrie der Gegenwart. Studien auf der
zen Ausftellung im J. 1867» (ebd. 1868), «Die
unft im Haufe» (6. Aufl., Wien 1897), «Die Kunft:
induftrie auf der Wiener Weltausftellung» (2 Tle.,
ebd. 1872), «Geſchichte des fürftl. Haufes Liechten-
ftein» (3 Bde., ebd. 1868—83), das Pradtmert
«Hellas und Rom» (Stuttg. 1880), «Roftümgeichichte
der Rulturwölter» (ebd. 1882), «Slfthetit des Kunft:
gemwerbeö» (ebd. * «Der Garten. Seine Kunſi
und Kunftgeichichte» (ebd. 1884), «Die k. k. Wiener
Borzellanfabrit» (Wien 1887), «Das Runftgewerbe»
(ald Bd. 5 der Groteſchen «Geſchichte der deutichen
Kunft», Berl. 1889); ferner in den Beröffentlichun:
gen des Vereins für deutfche Pitteratur: «Aus dem
weiten Reiche der Kunſto (2. Aufl., Berl. 1889; ins:
bejondere Studien über orient. Kunft), «Geſchichte
des chmacks im Mittelalter» (ebd. 1893) und
«Aus alter und neuer Zeit. Neue Studien zur Aul:
tur und Kunft» (2. Aufl.,ebd.1895). Seine «Lebens:
erinnerungen» erſchienen 1897 (Leipzig).
Falke, Jobs. Friedr. Gottlieb, Gelhictäforfcer,
Bruder von Yalob von F., geb. 20. April 1823
u Ragebur dierte feit 1843 in Erlangen Theo:
ogie und Wbilologie, widmete aber ſchon bier
Ye Zeit fait ausfchliehlich dem Studium der Ge:
chichte ſowie der deutichen Sprade und ältern
deutfchen Pitteratur. Seit Herbit 1848 war
Hauslehrer in Münden, lebte dann einige Zeit in
feiner Baterftadt, bis er im Sept. 1855 einen Ruf
als eriter Selretär an das Germanifhe Mufeum
in Nürnberg erbielt, bei weldhem er 1859 Konſer⸗
vator der Handichriftenfammlung wurde. In Ge:
—— mit Johs. Müller und feinem Bruder
tob begann er die Herausgabe einer «Zeitichrift
r deutſche Kulturgeſchichte⸗ (4 Bde., Nürnb. 1855
—59), in der er die Gefchichte der deutſchen Volta:
wirtſchaft alö eines Hauptteil der deutſchen Kul⸗
turgefhichte in den Vordergrund zu ftellen fuchte,
Re elbjt ſchäzbare Abhandlungen über älteres
deutihes Zollmefen und über deutſchen Handel
niederlegte. Im Mai 1862 ging F. als Sefretär
des Hauptftaatsardhivs nad Dresden und wurde
ipäter zum Archivar ernannt. Er ftarb dajelbft
2, März 1876. Bon Era Schriften find bejon:
ders zu nennen: die «Beichichte des deutichen Han-
delö» (2 Bde., Lpz. 1859—60) und «Die Hanfa als
deutiche See: und Handelsmacht⸗ (Berl. 1882), ferner
«Die Geſchichte des Kurfürften Auguft von Sad
fen in vollswirtſchaftlicher Beziehung⸗ (Lpz. 1868).
426 Falken —
Sein Hauptwerk ift die «Geſchichte des deutichen
Zollmeiens» (Lpz. 1869). Unter feinen Abbandlun:
gen im «Archiv für ſächſ. Geſchichtes ijt beſonders
die über die Gejchichte der «Ermerbung der Vogt:
lande durd Kurfürft Auguft» von ——
Falken (Falconidae), die größte Familie ber
Raubvögel (f. d.), weldhe mit Ausnahme der von
manden Ornitbologen neuerdings als felbitändige
Vogelorbnungen angejehenen familien der Eulen
(ſ. d.) und Geier (f. d.) alle übrigen Raubvogel:
— umfaßt. Der Kopf der F.iſt mit kleinen
ebern bebvedt, welche hinten im Naden ſich bis:
mweilen zu einer Haube verlängern. Ihr Schnabel ift
verhältnismäßig kurz, am Anfang am böchſten, mit
gleihmäßig gewölbtem Firft, freier Wahsbaut. Die
Flügel find lang und fpik, die erite Schwungfeder
iſt am Innenrand meift ausgefchnitten. Die Ständer
find nicht febr hoch, manchmal befiebert, mit fräfti:
gen ſtark gebogenen Krallen. Dieje große Familie
zerfällt in folgende acht Unterfamilien: 1) Echte
5. (Falconinae), von gebrungener, mohlproportio:
nierter Geftalt, mit großem Kopf und kurzem Hals;
der kurze Schnabel tit jebr kräftig mit einem mebr
oder weniger deutlichen Seitenzahn. An den lan:
pen, ſpihen Flügeln ift die zweite Schwungfeder die
ängjte, der Schwanz iſt meijt mittellang, die Stän:
der jind groß und kräftig, ein Kreis um die Augen
oft — Die Läufe haben eine eigentüm:
lihe Befiederung (Hoſen). Nah Geſchlecht und
Alter zeigen je aber bedeutende Verſchiedenheiten,
wodurch in ſyſtematiſcher Beziehung lange Zeit
große Verwirrung im Aufitellen und Klaſſifizieren
neuer Arten entitand. Die Weibchen der F. find in
der Regel etwas größer ald die Männchen. Die F.
find kühne, graufame, ftet# fampfbereite Vögel, die
ih hauptfählich von lebendiger Beute näbren; fie
jtoßen diejelbe oder ſchlagen fie, wenn fie fliegt,
läuft oder fiht. Diefe Art des Bemädhtigens der
Beute veranlaßte die Einteilung der echten F. in
«edle» und anicht edler. Zu den Edelfalten ge
bören der isländ. alle oder große nn (Falco
candicans Gm.), der edelfte aller Jagdfalten; ver
Geer: oder Gierfalle (Falco gyrialco L.), der
Saderfalte (Falco sakker Gm.), der Feldeggfalke
(Falco Feldeggii Schinz), der Wanverfalte oder
tleine Blaufuß (Falco peregrinus L.; ſ. Tafel: Fal—
ten, Sie, 1), der Lerchenſtößer oder Lerchenfalle,
Baumtalte (Falco subbuteo L.), der Zwergfalte
oder Merlin (Falco aesalon Gm.). Zu den nidt
edlen F. werben gezählt: der QTurmfalte (Falco
tinnunculus L. oder Tinnunculus alaudarius Gray),
der Rötelfalte (Falco cenchris Naum.), der Rot:
lat (Falco rufipes Beske), Mebrere Arten der
F. richten in den — unter den Feldhuh⸗
nern, Wacteln, Droſſeln, jungen Hafen ſowie
auch unter dem Hausgeflügel großen Schaden an;
andere dagegen, bejonders die nicht edlen, find
der Agritultur dur Bertilgung von Mäufen, Heu:
ihreden, Raupen und andern ſchädlichen Inſelten
nüslih. 2) Adler (f.d.). 3) Bufjarde (ſ. d.,
Buteoninse), mit dem Raubfußbufiarb (Buteo s.
Archibuteo lagopus Gm.; ſ. Tafel: alten, Fig.2).
4) Milane (f. d., Milvinae), mit dem gabelſchwän⸗
sigen Königämilan (ſ. d., Milvus regalis Brisson,
Fig.9. 5) Sperber (f. d. Accipitrinae), mit dem
Sübnerbabicht (ſ. d., Astur palumbarius Gessner,
dig. 5) und dem Sperber (}. d., Nisus communis
Owv., Fig. 6). 6) Die Weiben (f. d., Circinae),
mit der Kornmeibe (f. d., Circus cyaneus, fig. 3). |
«| bel, febr lange
Falkenau
7 Die Polyporoidinen (Polyporoidinae), ein
aus einer Gattung und zwei Sübafrila und Mada:
aslar bewohnenden Arten bejtebenve Familie, be
—— durch einen anſehnlichen, geſtredten Schna
— und nadtes Geſicht ausge
zeichnet. 8) Die Geierfallen (f.d., Polyborinae).
Mebrere Arten der echten F., in&befondere der
Bande und ber Wanbderfalte, wurden zu der einit
jo beliebten und hoch gehaltenen Reiberbeize
(f. Beize) oder Fallnerei benugt. Um bie 5. ju
diefem Zwed zu gebrauchen, werben fie, wenn nid:
jung eingefangen und gezäbmt, durch Hunger und
Entzieben des Schlaf und des Lichts sabm ge
macht, an das Tragen der Haube, das Sisen aui
der Fauft, an das «Luder» und an den Lärm ge
wöhnt und zum Zurüdlebren zum Jäger auf deilen
Lodung bin abgerichtet. Wenn der Falle völlig «ab
etragen» und «berichtigt» ift, wie es in der Fallner—
prache beißt, jo wird er behufs der Jagd mit der
ı Haube verjeben, «verlappt», auf der Fauſt bes
Salfners entweder frei oder mitteld eines dünnen
Xeberriemeng, dem «Gejhube», feitgebalten in dat
Revier getragen und beim Erbliden eines Jagr-
objeltö, von Feſſel und Haube befreit, in die Höb:
geworfen. Nach jebr kurzer Drientierun t ſich
der Falke auf die Beute, padt fie und A fie dem
Jäger zutragen, ohne fie vorber zu fröpfen. (Über
die Abrichtung der F. und ihre —— im
Mittelalter vgl. Meiſter Eberhard Hicfelts Aucw
patorium Herodiorum, bg. von Dombrowſti, Alt:
deutſches Weidwerk, Bd. 1, Wien 1887.) Am ſpan—
nenditen ift die Jagd auf Reiber, bei der ſich bäung
jebr wertvolle 5. am Schnabel der geſchidt ſich ver:
teidigenden Reiber ipießen. Beiden og. Habichte
lebnen im 14. Jahrh. wurde dem Bajallen bir
Pflicht auferlegt, ſich jährlich bei jeinem Lehnsherrn
namentlih mit einem abgerichteten Habicht, wie
damals häufig der Falle genannt wurde, einzuitellen.
Unter Koni vo I. feierte die Fallnerei in De
reich ihre % anzperiode. Die ‚salknereianitalten
ftanden damals unter dem Befehl eines Oberfallen⸗
meiſters, der 50 Edelleute und 50 Fallenmeiſtet
unter fich batte, über 300 Beizuögel gebot und das
Net batte, im ganzen Königreich nach Belieben zu
jagen. Die jährlihen Ausgaben betrugen etwa
40000 Livres. Auf allen Reijen des Königs wurde
der kolofjale Apparat mitgenommen. (©. )
Falkenau. 1) Bezirlähaupim in Böb-
men, bat 506,49 qkm und (1890) 71789, (35210
männl., 36579 weibl.), (1900) 88097 deutſche €.
in 84 Gemeinden mit 123 Drtibaften und umfaßt
die Gerichtöbezirte Elbogen und 5. — 2) F. an der
Eger, cjech. Falknov, Stadt und Eik der Bejirls⸗
er F., rechts an der Eger, in melde
ier lint8 die Zmodau mündet, an den Linien Prag:
Komotau⸗ Eger und Klingenthal⸗F. (30 km) der
Buſchtiehrader Eifenbabn, Sik eines Bezirksgerichts
(299,26 qkm, 46438 €.) und eines Revierbergamtes,
ift nach dem Brande von 1874 neu gebaut, bat (1900)
7376 meift deutſche E., eine eiferne Brüde (132 m
lang) über die Eger, ein 1480 vom ln Nitel,
lid erbautes gräfl. Noſtitzſches Schloß mit vier
Türmen, eine Fideilommißberrihaft und im ber
Umgebung bedeutende Steintoblengruben, Spin
nereien und Glasbütten. F. litt ſehr durch einen
aroben Brand 1874. — 8) F. bei Haida, Darf im
Gerichtsbezitl Haida der öfterr. Bezirtöhauptmann:
haft Bohmiſch-Leipa in Böhmen, an der Linie⸗
odenbach⸗Warnsdorſ (Station %.:Hillemühl) der
FALKEN.
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1. Wanderfalke (Falco Persgriaum. Länge 0,47 m. 3. Kornweihe (Circus eyaneus).
2. Rauhfufsbussard (Buteo lagopus). Länge 0,66 m. Länge 0,46 m.
Bee 3 Zu
# a. un re \ * —2 =) \ x h ae
4. Königsmilan (Milvus regalis), 65. Hühnerhabicht (Astur palumbarius). Länge 0,55 m.
Länge 0,68 ı. 6. Sperber (Nisus communis). Länge 0,32 m.
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
Falkenbeize — Falkenorden
Böhm. Nordbahn, bat (1890) 648, als Gemeinde
1606 deutiche E.; eine Glasraffinerie, Glasmale—
reien und ein Dampfjägewerf. 1443 wurde bier eine
Blasbütte, eine der ältejten im Lande, errichtet. Sie
wurde jpäter aufgeiafien, aber Mitte des 18. Jahrh.
vom Kreibiker Glasmeijter Joſ. Kittel wieder er:
rihtet. Mit der neuen Unternehmung entjtand das
Dorf F., wo namentlib Glasſchleiſer angefievelt
wurden, deren Leiſtungen den Drt berühmt machten.
alfenbeize, j. Beize und Falten.
Ifenberg. 1) Kreis im preuß. Neg.: Bez.
Oppeln, bat 604 qkm und (1905) 38068 E.,
3 Städte, 77 Landgemeinden und 79 Gutsbezirle.
— 2) $. in Oberſchleſien, Kreisftadt im Kreis
}., an der Steinau und der Nebenlinie Deutic:
deipe-Schiedlow der Preuß. Staatöbahnen, Sitz
des Yandratäamtes, eines Amtsgerichts (Landge—
richt Neifje), Katafter: und Steueramtes, bat (1905)
2158 €., darunter 845 Cvangelifhe und 38 8:
raeliten, Boftamt zweiter Klaſſe, Telegraph, katb.
und evang. Kirche, Ko bannitertranten aus, Schloß,
Vorihußverein; Cigarrenfabrit und Ziegeleien. —
3) F. in Zotbringen, franz. Faulquemont,
—— des Kantons F. (11696 E.) im Kreis
Bolden des Bezirks Lothringen, an ver Deutſchen
Nied und der Linie Mes: Saarbrüden der Elſaß—
Yorbr. Eifenbahnen, Si eines Amtsgerichts (Land:
geriht Saargemünd), hatte 1900: 1070 E., darunter
42 Cvangelijhe und 75 Israeliten, 1905: 1029
C. Poſt, Telegraph, Npätgnt. Rathaus; Brauerei,
Müblen, Gemüfe: und Obſtbau. — 4) Dorf im
Kreis Oberbarnim des preuß. Reg.: Bez.
6 km im NW. von Freienwalde, am Oderbruch
und an der Linie Eberswalde-Freienwalde der
Preuß. Staatöbahnen, hat (1905) 1116 evang. E.,
Boit, Telegrapb, viele Landhäuſer von Berlinern,
ein Pädagogium (BVictoriaftift), Badeanftalt; Pa:
pierfabrit, In der Näbe Braunlohlengruben und
ein Bart, — 5) Marftfleden im Bezirlsamt Tirfchen:
reutb des bayr. Neg.::Bez. Oberpfalz, im wildroman:
tiſchen Thale der Waldnaab, hat (1905) 674 kath.
€., Bofterpedition, großartige Schloßruinen auf
einem Felſen, ſchöne Pfarrlirhe, Mineralquelle;
Yeinenweberei und Garnhandel. — 6) F. (Bezirt
Halle), Dorf im Kreis Liebenwerba des preuf.
Reg.: Bez. Merjeburg, an den Linien Halle: Cott:
bus, Berlin: Röderau, Koblfurt : Wittenberg ver
Preuß. Staatsbabnen und der Nebenlinie %.:Lüb:
ben (73km) der Niederlauf. Eiſenbahngeſellſchaft,
batte 1900: 2280 E., darunter 40 Katholiken, 1905:
2798 €,, Boft und Telegrapb.
erg, Seejtabt im ſchwed. Län Halland,
an der Mündung des Atran in das oo. an ber
otsdam,
Linie Halmjtad:Warberg der Schwer. Privatbah—
nen, bat (1900) 2537 E., Refte einer mittelalterlichen
Feſtung; bedeutende Lachsfiſcherei und Aderbau.
enberge, j. Fiſchbach.
euburg, Stadt im Kreis Dramburg des
vreuß. Neg.: Bez. Köslin, 15 km öftlih von Dram:
— an der Drage und der Nebenlinie Ruhnow⸗
Reuitettin«Konig der Preuß. Staatsbahnen, Sig
eines Amtägerichts (Landgericht Stargard), hat
11900) 4371, (1905) 4702 meift evang. E., Boft,
tönigl Webeſchule; drei Tuchfabrilen, Dampfläge:
müblen gr Saltenhöhle, avff
urger e, sallenböble, Kyff—
bäuferhöble, richtiger Warbarattaböhle,
Höble bei dem Dorfe Rottleben, 4 km meitli von
granlenbaufen in einer Abdachung des Kyffhäuſer—
427
gebirges, ift 350 m lang, bis über 30 m breit, 3—7m
bob, bat mebrere Heine Seen und fhöne Gips:
bildungen; fie wird eleltriſch beleuchtet.
alföner, |. Fallenierer.
—— ſ. Fallenlappe.
alkenhayn, Julius, Graf von, öfterr. Staats⸗
mann, geb. 20. Febr. 1829, diente zuerſt im Kaiſer—
Hufarenregiment Nr. 1 und nahm an dem Feldzuge
gegen Piemont, dann gegen die ungar. Inſurreltion
1849 teil. Als Rittmetjter verließ er den Dienft und
— ſein Gui. Von der Kurie des Groß—
rundbefiges wurde F. wiederholt in den oberöſterr.
andtag gemäblt und war auch eine Zeit lang Landes⸗
— und Präſident der Landtagsverſamm—⸗
ung. In der konſervativen kath. Partei (Rechts:
artei) fpielte F. eine leitende Rolle, Nah hartem
abltampfe wurde er alö Kandidat der Kleritalen
vom Städtebezirt Wels in das Abgeordnetenhaus
gemäbhlt und 12. Aug. 1879 zum Aderbauminifter im
Kabinett Taaffe ernannt; er bebielt fein Amt auch
unter Windifch:Gräß, trat aber mit diefem 18. Juni
1895 zurüd. Cine Reihe von abminiftrativen Ber:
bejjerungen bewiejen feine fachliche Tüchtigfeit. 1876
veröffentlichte er «Materiale zu Studien über das
dfterr. Budget», 1879 eine Brojchüre gegen die mo:
berne Wirtiha tstheorie u. d. T. «1868— 77. Das
Jahrzehnt des erſten Ausgleichs» (Wien). Er jtarb
12. Jan. 1899 in Wien,
Sein älterer Bruder Franz, Graf von F., Majo—
ratsherr, geb. 17. Nov. 1827, diente anfangs gleich:
falls in der Armee und machte die Selbaüge 1848—49
in Ungarn, 1859 in Stalien, 1866 in Böbmen mit.
Darauf verließ er die Armee mit dem Range eines
Majord, um feine Güter zu verwalten. Bon der
Gruppe des niederöfterr. Großgrundbefibes wurde
er wiederholt in den nieberditerr. Landtag und von
diejem in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats ge:
wäblt; 1867 wurde er als erbliches Mitglied in das
Herrenhaus berufen, wo er als führer der konjer:
vativen Gruppe der Rechten galt und im Der.
1893 zum Vicepräfidenten gewählt wurde. Er ftarb
8. Sept. 1898 in Ottenſchlag.
re eg — Fallenburger Höhle.
alkenierer (Falkener, Falkenier, franz.
fauconnier), bei der Fallnerei verwendeter Jäger,
beſonders der, der die Fallen zur Beize abrichtet.
se Sr ſ. Beize und Falten.
altenfappe, Falkenhäube, eine leverne
Kappe, die den abgerichteten Naubvögeln über den
Rp) Aion wird, damit fie nicht eber etwas ſehen,
als bis man fie «wirft» (fliegen läßt).
Falkenorden oder Falkner, eine 1379 in Weit:
falen und bejonders im Baderbornichen geftiftete Rit:
tergefellihaft zur Erhaltung und Befeftigung ritter:
licher Rechte gegen Fürſten und Städte, die jedoch
weitaus nicht die Bedeutung der gleichzeitig in Sud⸗
und Mitteldeutichland beftebenden ähnlichen Gejell-
ſchaften ver Schlägler, vom Löwen, vom Sternu. ſ. w.
erlangte, gegen die Landesfürjten und Städte nicht
recht auflam und fidh fchon 1382 auflöfte.
Faltenorden, Orden der Wachſamkeit
oder vom weißen Fallen, fahien:mweimar.
Orden, geitiftet 2. Aug. 1732 vom derzog —
Auguft, 18. Oft. 1815 vom Großherzog Karl Auguſt
erneuert, ift Berbienftorden für Civil und Militär
und befteht aus drei Klaſſen. Das Ordenszeichen
ift ein achtediges, mit einer goldenen Königskrone
gefröntes, arün emailliertes, goldenes Kreuz mit
einem weiß emaillierten, goldenen Falten ; zwiſchen
428
dem Kreuz ift ein Heiner, vierediger roter Stern
mit weiß emaillierten Spigen. Das adhtedige Kreuz
ift auf der Rüdfeite weiß emailliert, der vieredige
Stern grün; darauf befindet fich ein blau emaillier:
ter Schild mit der Inſchrift: Vigilando ascendi-
mus («durch Wachſamleit fteigen wir empor»), der
ür das Civil mit einem goldenen Lorbeerkranze,
ür das Militär mit Waffen umgeben ijt. Die 12
Großkreuze (unter dem Grofberzog ald Groß:
meifter) tragen den Orden an breitem, hochrotem,
gewäjlertem Bande über die rechte Schulter und
dazu einen ähnlichen filbernen Stern auf der linken
Bruftjeite; die 25 Commandeure tragen ihn an
etwas jchmälerm Bande um den Hals; die 50 Rit:
ter in etwas Heinerer Form im Knopfloche. Ordens:
fanzler ift der jedesmalige Vorfigende im Minifte:
rium. Im Zufammenbang damit ftehen noch eine
fupferne Medaille mit der Auffchrift «Treuen Krie:
ern», und eine goldene, filberne und bronzene
ivilverdienſtmedaille. (S. Tafel: Die wichtig:
ten Orden I, Fig. 39.)
alfenftein. 1) F. in Sachſen, Stadt in der
Amtshauptmannihaft Auerbach der ſächſ. Kreis:
hauptmannſchaft Zwidau, an der Gölkich auf einer
568 m hoben Anhöhe, an der Linie Zwickau⸗-F.⸗
Elönig und der Nebenlinie HerlasgrünsKtlingenthal
der Sächſ. Staatöbahnen, Sig eines Amtsgerichts
(Landgericht Plauen), hatte 1900: 9536, 1905: 12724
E., darunter 751 Ratholiten und 30 Israeliten,
oftamt zweiter Klaſſe, Bismardſtandbild (1900),
Schloß, ftädtiihe Spartafie, Wafjerleitung, Kranten:
baus; jtarte Baummwollweberei (Gardinen, Kon:
greßſtoffe), Schiffhen: und Handmajcinenitiderei,
chem. Blei: und Appreturanitalten für Gardinen
und Stidereien, engl. Gardinen: und Spigenfabri:
ten (Fallenſteiner Gardinenweberei und Bleicherei,
Altiengejellihaft). Inder Nähe ruinenartige Quarz:
jelfen. — 2) F. am Taunus, Dorf im Obertaunus:
treis des preuß. Reg.Bez. Wiesbaden, 1 km nord:
öftlih von Königjtein, in 400 m Höhe, hatte 1900:
426 E., darunter 278 ——— und 20 Is⸗
raeliten, 1905: 872 E., Heilanſtalt (hygieiniſch⸗
diätetifche Behandlung) für Lungentrante, äbn:
lich denen von Davos und —— eingerichtet,
und ein Offiziergeneſungsheim. Nahebei auf einem
——— die Trümmer der Burg F. (499 m) mit
berrliher Ausfiht, Stammburg des Erzbiſchofs
Kuno von Trier, an Stelle der alten Grafenburg
Nüring im 14. Jahrh. erbaut, 1688 zerjtört. Nord⸗
(ih von F. der höchſte Teil des Taunus, der Große
Feldberg (880 m). — 3) F. in Bayern, Markt:
een im Bezirtdamt Roding des bay. Heg. «Bez.
berpfals, hat (1905) 678 kath. E,, Poſterpedition,
Zelegrapb, beſuchte Viehmärtte, eine ——
dem Furſten Thurn und Taxis gehörige Burgruine,
nabebei auf einer Höhe die allfabrıstir e St.
Quirin. — 4) 5. am Harz, Burg im Mansfelder
Gebirgskreis des preuß. Reg.:Bez. Merjeburg, 5km
von Ballenftebt, auf einem vo Berge rechts
über dem bewaldeten Seltethal, ftammt aus dem
Ende des 11. Jahrh. und ift fpäter öfter erneuert,
der Turm im 16. Jahrh. erbaut (im Innern alte
Waffen). Die Burg F. war feit dem 12. Jahrh.
Siß des im Halberftädtifchen und Anhaltiſchen reich
begüterten gleichnamigen ee
das 1137—1237 die Schirmvogtei über das Stift
Quedlinburg befaß. Der ausgezeichnetfte unter die:
fen Dynaſten ift der in der Vorrede zum «Sachſen⸗
{piegel» gejeierte Graf Hover von F. in der erjten
Falkenſtein (Ortichaften) — Falkenftein (Julius)
Hälfte des 18. Jahrh. Burdard IV. von F. deſſen
jüngerer Bruder Dtto (geft. 1341) dem geiftlicen
Stande angehörte, vermadte 1332 feine weitläu:
been Befigungen dem Stifte Halberitadt, welches
ie 1386 an die Herren von der Aljeburg (if. d.)
wieberfäuflich überließ, 1449 aber ihnen völlig zu
Lehn reichte. Seitdem war die Burg F. fortwäbrent
der Wohnfig einer Linie diefer Familie, bis diese
1761 fih nad dem nahen Meisdorf wandte. 1840
wurde von dem flönige von Preußen die anfebnliche
errihaft zu einer Mindergrafi eft F. erboben.
er jedesmalige Befiker der Re aft führt den
Namen Graf von der Aſſeburg-Fallenſtein. — Bol.
Niemeyer, — (Halberit. 1840).
Faltenftein, Joh. Baul, Freiherr von, ſächſ.
Staatdmann, geb. 15. Juni 1801 zu Pegau, ftu:
dierte feit 1819 die Rechte in Leipzig, babilitierte
ich dort 1822 ala Privatdocent und wurde 1824
berhofgerihtsrat dafelbft, 1827 Hof: und Juſtiz⸗
rat in der Landesregierung zu Dresven, 1 Geh.
Regierungsrat im Miniftertum des Innern, 1835
Kreispireltor in Leipzig mit dem Borfig und der
Leitung der Provinzialregierung und der ae
rialbehörde. Im Sept. 1844 zum Staatäminifter
des Innern ernannt, erwarb er ſich namentlich in
den Zeuerungsjahren 1846 und 1847 Berbdienite
um Abhilfe der drüdenden Not. Infolge der Mär;
bewegungen nahm er 5. März 1848 feine Entlafjung,
trat jevoh im März 1850 wieder in den Staats:
bienjt ein und übernahm das Präfipium des Lan:
destonſiſtoriums, 1853 das Minifterium des Kultus
und öffentlichen Unterrichts, in bellen Reſſort unter
—— Leitung eine Reihe der einflußreichſten Ber:
ungen und Ginrihtungen im Kirchen: und Schul:
weſen getroffen wurden. Ihm verbantt die Landes:
univerfität Leipzig die Grundlage ihrer jebigen
Blüte. 16. Juni 1866 wurde F. an die Spitze der
zur Fortfuhrung der vorlommenden ——
gel ü —— Zandestommiffion» geftellt.
2 der Rücklehr des Königs übernahm er den
N)
is im — — 1871 wurde die
erſte evang.⸗luth. Landesſynode von ihm einberufen,
nachdem die Einjegung von Kirchenvorſtänden aus
freier Wahl der Gemeinden 1868 —— en
und eine bedeutſame Umgeſtaltung des kirchlichen
Verfaſſungslebens dadurch angebahnt worden war.
Nachdem F. Ende Sept. 1871 aus dem ſächſ.
Staatsdienſt ausgejhieden, übernahm er unter
Beibehaltung des Amtes ald Ordenslanzler 1. Dit.
1871 die Leitung des Minifteriums des königl.
Haujes. Er jtarb 14. Jan. 1882 in Dresden. 7.
veröffentlihte: «Yobann, König von Sadjen»
(Dresd, 1878). — Bol. Petzholdt Job. Baul Frei:
berr von F. Sein Leben und Wirlen nad) feinen
eigenen Aufzeichnungen (Dres. 1882).
Faltenftein, vu tus, Afritaforjcher, geb. 1. Juli
1842 zu Berlin, bildete id daſelbſt zum Milttär:
arzt aus und ftudierte außerdem Zoologie. An
der Deutihen Loango:Erpedition 1873—76, melde
die «Afrikaniſche Gefellihaft» entjendet hatte, be
teiligte er ih und bradte außer wertvollen Samm:
lungen den erſten lebenden Gorilla zurüd. Er wurde
dann Dberftabsarzt an der Hauptladettenanitalt
und lebt jegt als praftifher Arzt in Groß-Licter:
elde. 1881 begründete er ven Allgemeinen Deutſchen
&hulverein. (S. Schulverein.) F. veröffentlichte:
«Die Loango:Küfte in 72 Driginal-Bhotograpbien»
(Berl. 1876), «Die Loango: dition», Abteil. 2
(Lpz. 1879), «Afrilas — Vom Ögome bis
Falfenfteiner Höhle — zalklandfund 429
ren rer (ebd. 1885), «Ürztlicher Reiſe⸗
er und Hausfreund» (10. Aufl., Berl. 1893).
enfteiner Höhle, Kallſteinhöhle bei dem
Dorje Grabenjtetten im Oberamt Urach de3 würt⸗
temb. Schwarzwaldkreiſes, bildet ein weites Ge:
wölbe, an manden Stellen 12, an andern nur
wenig über 1 m hoch, und enthält einen See, aus
welchem die Elſach entiteht.
alfenvitriol, foviel wie Adlervitriol.
entwwürger, ſ. Falcunculus.
altieren, in der Reitkunſt eine plößlicdhe
Parade, beftebend in Senten des Pferbelopfes und
Hinknieen des Pferdes auf einem oder beiden Knien;
in erſterm Fall ift der andere Vorderfuß nad vorn
aejtredt.
sFalkirk (pr. fabltörf), Stadt in der ſchott. Graf:
ſchaft Stirling, am Forth- und Elydelanal, aus
dem bier der Unionlanal oftwärts nad Edinburgh
fübrt, bat (1901) 29271 €., eine alte, 1810 neu ber:
geitellte Pfarrkirche; große Eifenwerte und Kohlen⸗
aruben, Brauerei, Brennerei (Rosebank distillery),
Serberei, dem. Fabriten und Ziegeleien, Als Hafen
dient Grangemouth (ſ. d.). An Stelle der drei
Bichmärtte (trysts), auf denen im Jabre für etwa
ı Mill. Pfo. St. Vieh zum Verlauf gelangte, find
in neuefter Zeit möchentlihe Berfteigerungen ges
treten. Weſtwärts von %. bis Glasgow dehnt ſich
das reichfte Steinloblenfeld Schottlands aus, Bei
dem weſtl. Stadtteil Gamelon begann die röm,
Mauer, Grahams Doyle, die 140 Antoninus Pius
vom Garton zum Elyde führte. — Bei F. wurden
22. Juli 1298 30000 Schotten unter Sir William
Wallace von 87500 Engländern unter Eduard I.
befiegt. Am 23. Jan. 1746 ſchlug der Prätendent
Karl Eduard mit 8000 Mann auf dem Fallirk⸗
Muir im SW. der Stadt ein 9000 Mann ftarles
engl. Heer unter Hawley.
fkirt Burghs (Ipr. — borgs), Gruppe
ſchött. Städte (Airdrie, Fallirk, Hamilton, Lanark
und Linlithgow), die ein gemeinſames Barlaments:
mitglied wählen, mit (1895) 9900 Wählern.
andinfeln fpr. fahlländ-), ſpan. Las
Malvinas over Islas Malvinas, brit. Kron-
tolonie, Arhipel im Atlantiihen Dcean, 450 km
öftlih von PBatagonien und der Magalbäesitraße
(1. Karte: La Blata-Staaten u. |. mw.), beftebt
aus zwei großen, burd den Falklandſund ge
trennten Injeln, Dft: und Weſtfalkland, und etwa
200 Heinern mit insgejamt 12532 qkm und (1901)
2043 €. Ditfaltland, 300 km lang, bis 100 km
—— nur eine Reihe von Halbinſeln, wird
im R. von einer Kette paläozoiſcher Schichten (bis
680 m) durdzogen. Bon Mineralien hat man
Eiſen, Blei und Steinlohlen gefunden. Im ©.
breiten ſich janft gewellte, gutbewäflerte Ebenen
aus; der Strand ih lab, fandig und ſchlammig.
ya Weſtfalkland, 200 km lang, bis 60 km breit,
die Erhebungen, ebenfall3 aus paläo ——
erungen gebildet, von N. geoen ©. Mehrere
Fre ben 500, der Mount:Adam fogar 700 m
Höbe. F Archipel umgiebt ein Seegrasmeer, das
fi in der Breite von 10 bis 15 Längengraden bis
über40° ſudi. Br. gegen NO. eritredt. Beide Inſeln
find reich an Baien mit Häfen, bie den Walfiichfab:
tern im Antarktifhen Meere ald Stationen dienen,
Das Klima ift jehr gejundes Seeflima. Der Ja:
nuar bat 9,8, der li 2,5°, das Jahr 6,1 C. Mittel:
atur; der Regenfall (550 mm im Jahre) ift
gleihmäßig verteilt. Die Luft ift ſehr bewegt, Weit:
winde herrſchen vor. Eine Folge davon ift der völlige
Mangel an Baumwuchs, doc giebt es niederliegen:
des Myrtengeſträuch und befonders hobe, gerundete
Raſen von einer dicht verzweigten Dolvdenpflanze,
Bolax glebaria Commers., deren sr es Gewebe
leicht Feuer fängt. Sonit ift das Tufjolgtas (Dacty-
lis caespitosa Forst.) mit feinen übermanndbo
Halmbitiheln noch bemerlenswert ald Weide. Der
Weizen kommt felten zur Reife; Gerfte und Safe
gedeihen, ebenjo alle europ. Gemüfe. Steinkohle
tritt nicht in abbaumürbiger Menge auf. Die
Tierwelt ift arm. Es findet fih von einbeimifchen
Säugetieren ein nur u. vorfommender, aber mit
einer patagonifhen Art nabe verwandter Fuche
—— antarcticus Shaw) und eine Maus.
andvögel find 18 Arten (darunter 7 Raubvögel,
mebrere Finten, Tyrannen u. ſ. w., aber fein fo:
libri) vorhanden, von denen 4 den Inſeln eigen:
tümlich find. Wafjervögel find zahlreich, befonders
Pinguine, von denen 8 Species bier angetroffen
werben. Amphibien und Reptilien find nicht vor:
banden, wohl aber eine Ynjhl zum Teil origineller
Käfer. Schweine, Pferde, Rinder und Kaninchen
find verwildert. Seefäugetiere und Fifche find zahl:
reih an der Hüfte.
Haupterwerbszmweig iſt die Schafzucht (1899:
77990 Stüd). Die wichtigſten Gegenftände der
Ausfuhr bilden Wolle, Leder und Häute, Talg;
eingeführt werden bejonders Lebensmittel, Klei:
dungsjtüde und Eifenwaren. Der Gejamtwert der
Ausfuhr betrug 1900: 111539, der der Einfuhr
67948 Pd. St. Die Kolonie hat etwa 13000 Pfd.
Et, Einkünfte und Ausgaben und erfordert feine
Zuſchüſſe vom Mutterlande. Dane ift Port:
Stanley an der Norboftlüfte von DOftfallland mit
789 €. und einem ſchönen, —— Hafen.
Geſehen wurden die F. zuerſt 14. Aug. 1692 von
John Davis, entdedt von Rich. Hawkins 2. Febr.
159. Der Engländer Strong gab as ber
Gruppe nad) feinem Gönner, Lord Falkland, den
jesigen Namen. Zahlreiche ae von St. Malo
hen jährlich bierber, ne nen gas die In:
eln Malwinen. Als erfte Niederlaſſungen wurden
von Beangeten unter Bougainville 1763 Port⸗Louis
auf der Dftlüfte von Dftraltland, 1766 von Eng:
ländern Bort:Egmont auf einer Infel vor der Nord:
weftlüfte von ftfallland gegründet. Spanien
kaufte dann 1767 den Franzoſen Port⸗Louis ab und
zwang 1770 die Heine engl. Befakung von Port:
Egmont zur Kapitulation. Aber fhon 1771 er:
zwang fi England die rechtliche Anerkennung der
Kolonie. Die Inſeln blieben unbewohnt, wurden
1820 von Argentinien aus beficdelt, doch, nachdem
die Anfiedelung infolge eines Streites mit den Ber:
einigten Staaten von Amerita von diefen zeritört
war, 1833 wieder von England bejegt, und 1840
beſchloß die —— die Koloniſation, die guten
Erfolg hatte. Doch wird das engl. Beſitzrecht von
der Argentinifschen Republik angefohten. — Bel
Dom Pernetty, Histoire d’un voyage aux ilen
Malouines (neue Aufl., 2 Bve., Par. 1770); Du:
mont d'Urville, Flore des Malouines (ebd. 1825);
Darwin, On the geology of the Falkland Isles
(im «Quarterly Journal of the Geological Society»,
IL, 267, Lond. 1846).
Falllandftrom (ſpr. fabllänv-), ſ. Atlantifcher
Deean und die Harte: Meeresftrömungen,
beim Artilel Meer.
Falllandfund, ſ. Falllandinfeln.
430
altuer, |. Fallenorden.
alfnerei, j. Beize und Falten.
Falknis (ver), Bergdes Rhätiton in den Allgäuer
Alpen (j. Dftalpen C, 10), erbebt fi nörblib vom
Prättigau zu 2566 m Höhe. Mit der gegenüberlie
genden Galanda bildet er vie Tbalpforte, durch welche
der Rhein aus Graubünden in die Ebene binaustritt.
Am Weitfuße liegt der befeitigte Bergpaß St. Luzien⸗
. d.). Beize und Fallen).
fondrie (franz. fauconnerie), Falknerei (f.
Ikonett, |. Falle (Geſchutz).
öping (Ipr. rear Stadt im ſchwed.
Län Staraborg, weitlih vom Wetterfee, an den Li:
nien Stodbolm-®öteborg der Weſtbahn, reg yon
(380 km) der Sudbahn und F.⸗Uddagaͤrden, bat
1000) 8134 E., eine jchöne Kirche und Getreide:
andel. In der Näbe der fteile Möfjeberg (326 m)
mit ee — 3 ftammt aus dem
8. Jahrh. Bei F. ſchlug 24. Febr. 1389 Margarete
von Dänemark den ſchwed. König Albrecht.
all, im grammatiſchen Sinne, ſ. Caſus.
al ober |reier Ball, die Bewegung gegen den
Erbmittelpunftt bin, die nicht unterftügte ſchwere
Körper in vertitaler Richtung, d. h. in der Nic:
tung eine& frei hängenden 2otes, annehmen. Ein
fallender Körper ift defto ſchwerer mit den Augen
zu verfolgen, je tiefer derfelbe bereits ge en
iſt, und in gleichem Maße wird deſſen Stoß auf
die auffangende Hand empfindlicher. Hieraus er:
fennt man, daß die Gejchwindigleit des Körpers
im Berlauf des F. wächſt. Galilei (1602) ver:
mutete, daß die Gejhmwindigleit der Fallbewegun
proportional der allzeit wachſe, d. h. da
die erlangte Endgeſchwindigleit nad 2:, 3:, Afacher
allzeit auch 2, 3+, Afab, daß ſomit die Fall:
beme ung eine gleihmäßig beſchleunigte Bewegung
ſei (f. Bewegung). it g die Endgeſchwindigkeit
nah der erjten Fall:
jefunde, t die Fallzeit,
v die zugehörige End:
———— ſo läßt
ſich dieſer Saß einfach
in der Form v= gt aus⸗
drüden. Denkt man
ſich den Berlauf der Zeit
durch die gerade Linie
OA (Fig. 1), das gleichmäßige Wachstum der Ge:
ſchwindigleit aber durch die bis zur geraden OB
binanreibenden vertitalen Linien dargeftellt, fo
fiebt man leicht, daß der in einer Fallzeit t zurüd:
gelegte Fallraum s ebenfo groß ift, ald wenn der:
jelbe mit der der halben allzeit entiprecbenden bal:
ben Endgeſchwindigkeit CD = > — 5 in gleich⸗
förmiger Bewegung zurüdgelegt worden wäre;
denn In von dem Halbierungspunkt der Zeit aleich
weit abftebenden Zeitpunkten vorber und nachher
(E und 6) 4 die Gejhmwindigteit (EF und GH)
am gleich viel Meiner und größer als die halbe End:
aeibmindigkeit im Halbierungspuntt. Was aljo in
der erjten Hälfte der Zeit gegen die gleihförmige Be:
mwegung mit der Geſchwindigleit 5 verjäumt wird,
wird in der zweiten Hälfte nachgeholt, jo daß
Mit Rüdfiht auf v=gt ift auch
s —* wird
2 ”
sm * d. b. nach der 2, 3», 4fachen Fallzeit wird
*
Falkner — Fall (phyſikaliſch)
der 4, 9%, 16fache Fallraum zurüdgelegt, oder die
Fallräume find den Duadraten der Fallzeiten
proportional. Diejes letztere Geſetz, das eine not:
wendige Folgerung der Annahme der gleichmäßigen
—— der — leit iß fand Galilei durch
den Verſuch beſtätigt. dum Zwede der Prüfung
wäre ein frei ’r ender Körper wegen der zu raſchen
Bewegung nicht geeignet gewefen. Galilei ließ daber
eine Kugel in einer ſchwach gegen den
—— geneigten Rinne abwärts rollen
und fonnte annehmen, daß diejelbe wegen
des geringern gleihmäßigen Antrie
auf der —— Ebene (. d.) abwärts
langſamer, aber nach demſelben Geſeß
ich bewegen würde, wie im freien F
ie rg wurden, in Ermangelung
von Uhren, durch aus einem Gefäß in
dünnem Strahl ausfließendes und nad:
er gemogenes Wafjer gemeflen. F der
hat entſprach der doppelten ſſer⸗
menge die vierfache durchlaufene Rin—
—— u. ſ. w. Heutzutage weiſt man
das > gejeb namentlich durch die Fall:
majdine (f. d.) nad.
ab der von Galileis Zeitgenofien
vertretenen Ariftotelifhen Anficht fuchen
die ſchweren Körper bei der Fallbewegung ®
ihren Ort auf. Der Ort der fhmeren | 9
Örper ift biernach unten, jener der leih: | !
ten oben. Das Weſen der Schwere be:
ftebt aber nad Galilei nicht in der An» |
mweifung eines bejtimmten Ortes, ſon-
dern in der ya deln gleihmäßigen
{
h
j
Vermehrung der Geihmwindigleit vertikal i
abmwärtd. Der Gef mwindigfeitszumahs | #
in jeder Sekunde wird Fallbeihleunis |;
gung genannt und gr nah ge
nauern, namentlih mit Hilfe des Pen:
dels (f. dv.) ausgeführten Berjuchen
9,5ı m. Derjelbe iit, wie Nemton durch
Pendel aus verſchiedenem Material nad:
ee bat, an demielben Orte ver
Erde für alle Körper oleih groß. Auc ein
Körper von größerm Gewicht fällt nicht,
wie die Ariftoteliter meinten, rafcher, fon:
dern wie Galilei durch Verſuche nachwies,
in derjelben Weife wie ein leichterer Hör:
per. Der Luftwiderftand kann allerdings
den F. einer Feder mehr verzögern als
jenen eines Bleiftüdes; in einer luftleer gepumpten,
mit einem Habn verjchloffenen Röhre (Fig. 2) *
aber beide Körper denſelben Fallraum in der glei⸗
chen Zeit zurüd.
Beſteht das Weſen der Schwere in der unaus—
geſetzien gleihmäßigen Geſchwindigleits vermebrung
vertilal abwärts, ſo ce
müfjen wir erwarten,
daß die Geſchwindigkeit [ Fr
v eines vertital aufe\ |/
wärts geworfenen Hör ‘. / . RE
pers ganz gleichmäßig —
bis 0 abnimmt, wobei Fis 3.
der Körper, indem alle
Geihwindigleiten in umgekehrter Drpnung auf
treten wie beim %., ebenjo hoch und ebenjo lange
fteigt, als er fallen müßte, um die Gefchiwindig:
teit v zu erlangen.
Beim F. auf der jhiefen Ebene CB (Fig. 9
verhält fih die in ber Rihtung CB wirlendt
Fall (Längenmah) — Fallen (zum Fangen)
Schwertraftlomponente (j. Kraft) zur gefamten
Schwerkraft wie CA: CB. Jit g die Beſchleuni—
gung des freien F. jo jtellt 8 jene auf der ſchie⸗
fen Ebene vor. Die längs CA und CB gleichzeitig
durchfallenen Räume werden ſich demnach mie
CB zu CA verhalten. Während ein Körper CA durch⸗
tällt, wird —— auf CB die Strede CD zurüd:
gelegt, wobei AD Fenfrect Rx CB ift. Hieraus
folgt weiter, daß der vertitale Durchmefjer eines
vertifalen Kreiſes in derjelben F durchfallen wird,
wie irgend eine vom Durchmeſſerendpunkt aus ge:
zogene Sehne. Für den F. auf der ſchiefen Ebene
lann man aus dem Obigen leicht ableiten, daß die
Endgeſchwindigleit der CA und CB durchfallenden
Körper in A und B gleich find, fo daß die im F.
erlangte Endgeſchwindigkeit nur von der vertitalen
Fallböbe abhängt.
Fall (fpr. jahl) oder Rood, ein bis Ende 1825
geſetzlich geweſenes großes Längenmaß in Schott:
land von 6 fchott. Ellen oder 18 ſchott. Fuß =
6" we Yarbs = 5,669 m.
‚ in der Seemannsſprache diejenigen Taue,
welche dazu dienen, die Segel in die Höhe zu zieben,
wenn dieje gelebt werden Sal, Sie werden nad
den Segeln benannt, zu denen fie gebören, z. B.
Klüverjall, Bormarsfall, Bramfall u. j. w.
Fall., bei naturwiljenichaftlihen Namen Abtür:
Pmo für Karl Fallen, geb. 1764, geft. 1830 ala Pro:
efior der Mineralogie in Lund, belannt als Entomo:
log. Nach ibm heißt eine — Fallenia.
Fallacla (lat.), Täuſchung, Trug; F. optica,
Augentäuſchung; fallacıda, täufchend, trügeriſch.
—— oder Waldaxt, auch Maishacke und
Schrotart genannt, zum Fällen der Bäume, zum
Abbauen größerer Hjte und Spalten der Holzftüde
benuste Art. Faſt in jedem Lande, mitunter jogar
in gewiſſen Diitrikten, find die Formen und Abmej:
lungen der 5. verfchieden. In nachſtehender Fig. 1
ift eine ſteiriſche F. abgebildet. Ihre Länge beträgt
780 mm, die Breite der Schneide ijt 80 mm, die ganze
Länge des eigentlichen Artlörpers beträgt 225 mm,
der Rüden h; 55 mm lang und 40 mm breit, das
Geſamtgewicht beträgt 2,5 kg; ber Zuſchärfungs⸗
mintel iſt 12°. In Fig. 2 iſt eine anierilaniſche F.
öig. 2. /
dargeitellt. Die Schneide ift zweifeitig zugeichärft,
ſehr ſchlank und verläuft in jtarfer ln a
Stiel ift aus zähem —— gebildet und zeichnet
ſich dur eine eigentümliche Krümmung aus. Die
Breite der Schneide iſt 115 mm, die Länge des Art:
törperö 195 mm, ihr Gewicht beträgt 24 kg. Der
werpunft des ganzen Wertzeuges liegt jo nabe
ald möglich an jeiner Schneide, und im Verein mit
der Richtung und Elafticität des Stieles fichert
dies einen wirtungsvollen Hieb ohne Prellung der
Hände. Ihr Zufhärfungswintel beträgt 15—30°,
Die Seitenflächen find bei ihr fonver gefrümmt, fo
431
daß jie fih nad jedem Hieb leicht aus dem Holze
— läßt.
Fall bach, einer der ſchonſten Waſſerfälle Deutich:
lands im bad. Schwarzwald, oberhalb der Stadt
Triberg. Die Gutach (f. d.) bildet hier 7 Kastaden
von indgejamt 150 m Höbe.
allbänder, j. Fahlbänder.
allbeil oder Fallſchwert, f. Buillotine.
allbefchleunigung, j. Fall.
allblocdverfchlufß, Fentrechter Keilverſchluß
für Schnellfeuergeſchütze (ſ. Gruſons Schnellfeuer:
fanonen, Hotchliß-Schnellfeuerlanonen, Geſchüßtz,
Verichluß).
Fallbd oder Fallwind, ein plöglih aus den
Thalſchluchten einer Küjte hervorſtoßender Win.
allbrüde (ar. sambyks&; lat. sambuca), eine
Be agerungemaline der Alten. Die F. war ent:
weder eine gu lappe am Wanbdelturm (Angriffs:
turm), oder fie war, zwijchen Maſten bängend, auf
niedrigem Wagen fabrbar (die eigentliche sambuca).
Durch die 5. verfuchten die Belagerer die Wälle zu
aa opt zu den Mauern zu erlangen und
— den Angriff au ermöglichen. Sie waren meiſt
o angeordnet, daß fie aulggogen die Sturmtolons
nen deckten, durch ihre Schwere den Gegner auf der
gegenüberliegenden Mauer bedrobten und, nieder:
gelaſſen, dem Sturm den Weg bahnten. F. ift auch
gleichbedeutend mit Zugbrüde (f. d.).
allhronometer, |. Chronometer.
alle, am Fallenſchloß, j. Schloß.
allen, VBorrihtungen, welche zum Fangen von
Wild, namentlich Raubzeug, verwendet werden. Die
eijernen F. werden vom ‘Jäger befonvders Eijen
Fig. 1.
ieh Die wichtigſten F. find: 1) dag Berliner
ifen (j.d.) oder der Shwanenbals. 2) Das
TZellereijen (ſ. *
3) Die eiſerne Hoh
——
BES von von dan: NA
tein (Sig. 1), welche in 4
—5
BOB
N { an
Aa pi
mr
—9
einen natürlichen oder |
kunſtlichen Fuchsbau ein: Tin)
eihoben oder in ein
a eingefeilt wird,
nachdem hie übrigen Roh⸗
ren feſt verſtopft worden
find. Das dur den |
Hunger aus dem Bau ge: |
triebene Tier gelangt
durh ein bewegliches
Thürchen in den Innen: 1
raum der vorn geichloi:
enen etwa I m langen ||
alle, welche fo eng ift, Kai mat ae
daß ſich das Tier nicht fie. 2
ummenden kann. Da ——
das zufallende Thürchen nur von außen zu öffnen iſt,
wird das in die Falle eingejchlüpfte Tier lebendig
n derſelben fejtgebalten. 4) Die Weberſche
432
Naubtierfalle, wofür Fig. 2 die äußere Anficht
in aufgeftelltem — Fig. 3 diefelbe Anſicht in
abgejogenem au tande und gi . 4 die innere Ein:
ribtung barftellt. Diefe Fr ijt im weſentlichen ein
Schwanenhals mit unterhalb der vieredigen Bügel
Fig. 3.
liegender bujeifenförmiger Feder. Nachdem diejelbe
zum Yang fertig geftellt ift, liegen ſämtliche Eiſen—
teile in einem flachen Holzkaſten eingebettet, auf dem
IE ET — —⏑ ⏑ I V
a. 4.
nur der Fangbroden zu jeben iſt. Diefe wenig ver
räteriſche Falle iſt ſehr gebräuchlich zum ange von
Mardern und Iltiſſen und aud für den Fuchsfang
verwendbar. 5) Die Klappfalle. Sie fann ein:
und zweillappig fein; die zweillappige (Fig. 5) iſt
swedmäßiger. Sie wird namentlih in Zauns
öffnungen, an Durchgängen bei Fafanengebegen
und in Gebäuden verwendet und bejtebt aus einem
Brettlaiten, deſſen Seitenteile beweglich und als
Baier zu bezeichnen find. Das durch die Klapp-
alle kriechende Wild tritt die Stellung nieder, mo:
durd ein Herabfallen der Schieber und ein Schlieken
des etwa 2 m langen und 40 cm breiten und hoben
allen (geologiih) — Fallhammer
Kaſtens — wird. 6) Die Mord: oder
Rafenfalle. Sie ftellt ſich als eine rechtedige Dede
aus Holztnüppeln dar, weldye durh Querbalten ver:
bunden find. Dieje mit Rafenftüden befhwerte Dede
liegt mit einer Kante auf dem Boden auf und wirb
ander ent —— eite durch eine ziemlich ein⸗
ache Stellung gehoben und gehalten. Die St
ällt zuſammen, ſobald an dem mit ihr in Verbindung
tehenden Köder gezogen wird; die Dede ſchlägt dat
ier tot. — Bl. —* Der Fang des Raub:
eugs (3. Aufl., Berl. 1897); Gille, Anleituna sum
bon en des ale (5. Aufl., Liegnis 1899);
tab, Raubzeugverti guna (Berl. 1898).
allen (geolog.), |. Bang, Streichen und Fallen.
ällen (dem.), }. Fällung.
allender Stollen, ſ. Schleppſchacht und Mine,
allende Sucht, ſ. Epileniie.
allenfchlof, ein Thürſchloß, j. Shloh.
allersleben, Fleden im reis Gifhorn des
preuß. Reg.:Bez. Lüneburg, 21 km im NO. von
Braunſchweig, 4 km lint3 von der Aller, an der
Linie Stendal:Hannover der Preuß. Staatöbabnen,
Siß eined —— Candgericht Hildesbeim),
bat (1900) 2001 E. darunter 99 Katholilen, (1905)
2271 E. evang. Kirche, Poſt, Telegrapb, Schloß,
Vorſchußverein und Zuderfabrit. F. ift Geburtsort
des Dichter A. 9. —— . > 1830 wurde
in gar erfte Artefiihe Brunnen in Deutihland ger
graben, der ſchwefel⸗ und eifenhaltiges Waſſer liefert.
alltangichere, ſ. Bergbobrer.
allgatter, im mittelalterliben Feſtungsweſen
das aus ftarten, nad unten zugeipisten Balten be:
ſtehende Thor, weldbes im Thorturme mittels Het:
ten und Wellen aufgezogen werden konnte. Häufig
wurde e8 dazu verwendet, um nad Sprengung bes
eigentlichen Thors dem eingedrungenen Feinde den
Rüdzug abzufhließen. zn den neuern Befeftigungen
fommt das F. nicht mebr vor.
Fallgefete, die für den freien Fall (f. d.) der
Körper geltenden Geſetze.
Fatisiter foviel wie Fallgatter (f. d.).
allgruben oder Wildgruben, Gruben, die
bazu dienen, ſchwer zu erlegendes oder in Fallen
zu bringendes größeres Wild, insbeſondere Raub:
tiere, zu fangen. Die Tiefe der F. richtet ſich nad
der Größe und Stärle des Wildes. Unten find die
. meijt etwas erweitert, oben find fie mit Ge
tänge oder Zweigen verbedt, auf denen der Köder
befeftigt it. In die Grube tönnen zum Aufipießen
der Tiere ſpihe Pfäble eingeichlagen werden. F.
werden noch angelegt für Bären, Wölfe, Hpänen,
Pantber, Tiger, Löwen, Rbinocerofje, Elefanten.
Fallgut, Fall- oder Shupflebn, ein Bauern:
gut, mit welchem der Bauer nur für feine Lebens:
eit belieben war. Nach feinem Tode fiel ed dem
utsberrn heim. Solde Güter famen namentlich
in Württemberg vor.
Fallhammer oder Se amıer, eine in
Bau: und Betriebsweiſe eigentümliche Art Hämmer,
bei der ein qußeiferner Klo (Hammer over Bär)
mit ftäblerner Bahn zwiſchen Führungen ſenkrecht
Den wird und [ran zur —— des
chlags frei herabfällt. Derſelbe wird Fallwerk
(1. d.) genannt, wenn die Hebung des Bären durch
die Kraft eines Arbeiters, Dampfbammer (ſ. Kr
wenn jie burh Dampffraft erfolgt, TZransmiir
fionäbammer, wenn bie Hebtraft von einer Kraft:
maſchine geliefert und durch ein Zwiſchengetriebe
auf den Hammerbär übertragen wird. Iſt dies ein
Fallibel — Fallmajchine
Daumenrad, jo heißt der Hammer Daumenham:
mer (j. d.), iſt es ein Neibungsgetriebe, jo wird er
rittionsbammer (f. d.) genannt, geſchieht die
— und Senkung durch ein Kurbelgetriebe, ſo
nennt man den Hammer Kurbelhammer (. d.).
el (ital.; franz. faillible), dem m
unterworfen, jeblbar; Yallibilität, Fehlbarteit.
Fallieren (fran;. faillir), feine Zahlung einftel:
len, tt werben.
Fallieres (ipr. -Tiäbr), Element Armand, achter
Präfident der Ftanzoſiſ blit, geb. 6. Nov.
1841 zu Mein (Depart. Lot⸗et⸗Garonne), ftudierte
die Rechte und war big 1873 Maire ver Stadt Nerac.
1876 in die Deputiertenfammer gewählt, jchloß er
ih der republifanifchen Linlen an und gehörte
1877 zu den 363 Mitgliedern der Linten, die das
Kabinett Broglie ftürzten. Im Mai 1880 wurde er
Unterjtaatsjelretär im Minifterium des Innern.
Als ſolcher war er insbeſondere im Sinne Gam-
betta& thätig, wofür ihn Freycinet im Jan.1882 ab»
jeste. Nach deſſen Sturz aber überfam F. im Auguft
des ſelben Jahres das PBortejeuille des Innern und
bildete Ende Jan. 1883 jelbjt ein Kabinett, worin
er die auswärtigen Angelegenheiten übernahm. Das
Minifterium fiel aber Tao 17, Febr., da der Senat
das Prätendentengejes ablehnte. In dem darauf
folgenden Kabinett erhielt F. im Rov. 1883 das
Minifterium des Unterridts, das er bis zum Sturz
des Kabinetts, Ende März 1885, verwaltete. Zwei
Yabre jpäter, Mai 1887, trat er an die Spiße des
Niniftertums des Innern, das ihm Rouvier über:
wies, und das er in dem folgenden Kabinett Tirard,
12. Dei. 1887, gegen das der Juſtiz vertaufcte.
er April 1888 dimiffionierte er mit Tirard,
doch als dieſer 21. Febr. 1889 ein neues Kabinett
bildete, trat F. wieder ein, diesmal als Unterrichts:
minifter. Im fabinett Freycinet: Conftans ver:
waltete er 16. März 1890 bis 27. Febr. 1892 das
Juftizminifterium. Ein von ihm eingebrachtes Ge:
noſſenſchaftsgeſetz, das ſich hauptſächlich gegen bie
fibergriffe der Geiftlichleit richtete, fand nicht die
Billigung der Kammer und gab den Anlaß zum
Küdtritt des Kabinetts. Am 8, Juni 1890 wurbe
er vom Depart. Lot-et-Garonne zum Senator,
3. März 1899 zum PBräfidenten des Senats erwäblt.
Nah Ablauf von Loubets Amtstermin erhielt er
bei der Neuwahl bes age gen der Republit
17. Jan. 1906 eine große Stimmenmehrheit; am
13. Febr. trat er jein Amt an.
we ift eine Forderung, deren llungszeit
(i. d.) gelommen iſt. Eine noch nicht fällige Forde—
rung lkann nod nicht eingellagt werden, wenn aud
unter Umftänden eine Feititellungsllage f d.) zu:
läffig ift. Der Bellagte wird aber verurteilt, wenn
vie Forderung vordem Urteil, au vor dem Endurteil
böberer Inſtanz fällig wird. Nu die Civilprozeßord⸗
ung —— — * * e vom u Mai Er
olgende bier intereffierende Baragraphen eingeſcho⸗
ben: $. 257. SE Geltendmachung einer nicht
von einer Gegenleiftung abhängigen Geldforderung
oder die Geltendmahung des Anſpruchs auf Räu—
mung eines Grundftüds, eines Wohnraumes oder
eines andern Raumes an den Eintritt eines Ra:
Iendertages gelnüpft, jo fann Klage auf künftige
gehlung oder Räumung erboben werben. $. 258.
i wiederlehrenden Leiſtungen kann auch wegen
der erſt nach Erlaffung des Urteils fällig werden:
den Peiftungen Klage auf künftige Entrichtung er:
inben werden. $. 259. Klage auf künftige Leiſtung
Brsthaus’ Konverjationd-Leriton. 14. Aufl R. A. VL
433
fann außer den Fällen der 88. 257, 258 erhoben
werden, wenn den Umjtänden nah die Bejorgnis
gerechtfertigt ift, daß der Schulpner ſich der recht:
eitigen Zeiltung entziehen werde. Bor Eintritt der
Keliget läuft die — —————— (j.d.)in der
egel nihtab. Bor Eintritt der Fälligkeit der For:
derung und Gegenforbderung kann wider den Willen
des Gegners nicht fompenftert werben. Anders im
Konkurte (f. Aufrehnung). Hat der Schuldner eine
noch nicht jällige Forderung erfüllt, weil er irrtümlich
annahm, fie jei fällig, jo kann er das Geleijtete nicht
zurüdfordern. Die Fälligleit bat Bedeutung bei
der Ausübung des Zurüdbebaltungsrets (1. d.).
Realifierung des Pfandes (f. Fauftpfand) und der
Hypothek jest Fälligkeit der Forderung voraus.
Niment (ital. fallimento) oder Falliſſement
(mine franzöfiich, vielmebr franz. faillite), vielfach,
o befonvders in den Gebieten des rhein. Rechts
Bezeichnung für Konkurs, und Fallimentsver—
fabren für das Konkursverfahren (f. d.).
Fallimentskommiſſär, unter der Herrſchaft
des franz. Rechts der Richterkommiſſär, der mit der
Zeitung des Konkursverfahrens beauftragt war.
Fallingbojtel. 1) Kreis im preuß. Neg.: Bey.
Limeburg, bat 983 qkm, (1900) 27805, (1905)
29089 €., 1 Stabt, 90 Landgemeinden und 5 Gute:
bezirte. — 2) Dorf und Hauptort des Kreifes F., an
der zur Aller gehenden Böhme und der Nebenlinie
Hannover:Soltau der Preuß. Staatöbahnen, Sik
des Landratsamtes, bat (1900) 1072, (1905) 1187
ewang. E., Ei Zelegrapb, evang. Pfarrkirche,
Spartafje; PBulverfabrit, Lobgerberei, Färberei,
Mebl:, Ol: und Sägemüblen.
alliffement, j. Salliment.
allit, jemand, der jeine Zahlungen eingeftellt
bat; Fallitmaffe, joviel wie Konkursmaſſe (ſ. d.).
alltäfer, Weinftode, j. Eumolpus.
alliehn, ſ. Fallgut.
alllinien, in der Mathematik die Linien, an
denen ein jchwerer Punkt auf einer Fläche berab:-
gleitet; fie geben ortbogonal zu den Niveaulinien
der Fläde. Die F. fpielen eine praltiſche Rolle in
der Geologie (ſ. Streiben und Fallen) und bei der
Terrainzeichnung (ſ. Abfallslinien).
Fallmafchine, ein von Atwood 1784 erfunde-
ner Apparat, der dazu dient, die Fallgeſetze (ſ. 31
bequem zu erklären, indem an demſelben die Fall—
beſchleunigung fich ſehr verkleinern und alfo bie
Seihmwindigteit fich jo berabfesen läßt, daß bie
Beobabtung leiht wird. Die F. bietet jo, wie die
ſchiefe Ebene, verkleinerte Beſch eunigungen, jedoch
mit dem Unterſchiede, daß hier der Fall, wie beim
freien Fall, lotrecht geſchieht, während er dort auf
eneigter Ebene erfolgt. Die F. beſteht (ſ. um—
tebende Fig. 1) im weſentlichen aus einer um eine
wagerechte Achſe äußerſt leicht prebbaren Rolle, die
auf einer etwa 2 m hoben lotredhten Säule ange
bradt ift. In der Rinne jener Rolle liegt ein nach
beiden Seiten age er langer Seidenfaden,
an deſſen Enden je ein Gewicht m und n geknüpft
ift. Diefe Gewichte find glei groß (P) und halten
ſich daher Gleihgewiht. Bringt man nun auf das
Gewicht n ein Heines fibergewicht von der Größer,
das wenigſtens die Reibung der Rolle zu über:
winden vermag, jo wird es fich lotreht längs
des jeitlihen lotrechten Maßſtabes herabbewegen,
Allein feine Beihleunigung J viel Heiner als
jene des freien Falls, denn es bat nicht nur feine
eigene Mafle, jondern auch jene der Gewichte m
28
434
und n, ferner des Rädchens und der Schnur in
Bewegung zu feßen und bat aud die Reibung
des Hands zu überwinden. Die Belchleuni:
gung iſt ohne Rüdjicht auf die Mafje und Reibung
r . .
bes Rädchens 3Prr 6— wenn g die Beichleuni-
gung des freien Falles bedeutet. Diejer Wert er:
giebt fih durh Anmendung bed Satzes: Kraft
leih Maſſe mal Beicleunigung (ſ. Bewegung) oder
Beichleunigung oleih Kraft durch Mafle, jo daß
man für die geſuchte Beſchleunigung p
ar -), dar die
g
2P+r
belommt: =r: (
bewegende Kraft und
wegende Maſſe ift.
Man kann nun mit der F. bequem
—— ob die Bewegung an der—
elben wirklich gleihförmig beſchleunigt
i. Hat man das Übergewichthen r
o angepaßt, daß jein Fallweg in ber
eriten Sekunde einen Stalenteil des
ee an ber %. beträgt, jo find
die Fallitreden nad 2, 8, 4, 5 Sefun:
den = 2%, 3°, 4%, B’=4, 9, 16,
25 Stalenteile an jenem —
Hieraus berechnet man leicht, daß der
1., 2., 3., 4. und 5. Selunde die Fall:
wege 1,8, 5, 7 und 9 entiprechen, was
mit dem Fallgeſetze übereinstimmt.
Um Berjuhe über die Endgeſchwin—
digkeit anftellen zu können, muß das
Übergewichthen nad 1, 2, 3, 4 Se
funden automatifch abbebbar fein, da-
mit dann die im Gleichgewicht fteben:
den Gewichte m und n nur vermöge
ihrer Trägbeit mit der erworbenen End—
geſchwindigkeit ſich wei:
ter bewegen. Zu dieſem
Behufe muß das Liber:
gewichtchen r (f. Fig. 2)
> eine länglide * er:
die zu be:
halten, jo daß es auf
s einem am Maßitab ver
N verſchiebbaren Ning
iegen bleibt. Stebt z. B.
jener Ring bei 16, ſo
wird bier das UÜbergewicht am Ende
ver 4. Selunde abgehoben. Da ver
Weg in der 1. Selunde = 1 Stalenteil,
jo beträgt die Beihleunigung 2 Sta-
lenteile, was für 4 Selunden bie
———— von 2X4= =
alenteile giebt. Zur Beſtim⸗ CE
mung der Sekunden und noch klei⸗ —
nerer Zeitteilchen dient das am
Ständer der F. angebrachte Pendel,
deſſen Auslöjung dem Gewichten n die Unter:
lage 8 (ig. 1) entzieht, wobei leßtere aus der wage:
rechten In die herabhängende Lage gerät. Infolge:
pefjen beginnen an der F. die aber angeführten
Bewegungen, nebſt ven Pendelſchlägen, welche durch
eine Ölode und einen Gabelhbammer h hörbar ge:
macht werben. Anders eingerichtete F. ftellen das
Fallgeſeß graphiih dar, nad Poncelet und Morin
auf einem rotierendem Eylinder, nach Laborde, Lip:
Ei 29 und andern auf berabfallenden Schreib:
Fig. 2.
*
—
Fallmerayer
Fallmerayer, Jal. Phil, Geſchichtsforſcher
Schriftſteller und Reiſender, geb. 10. Dez. 1790 zu
Tſchötſch bei Briren, befuchte die Domſchule zu
Briren, verließ aber im Herbit 1809 beimlic vie
Anitalt und ging nah Salzburg, wo er ſich der
Theologie, daneben aber aud den femit. Sprachen
und der Geſchichte widmete. In Lands hut ſtudierte
er anfangs Jurisprudenz, wandte Air: aber bald
ganz der Geihichte, der Haffifchen Pbilologie und
Sprachkunde zu. Nachdem er die Freiheüskriege
mitgemacht hatte, erhielt er 1818 eine
Lebreritelle erft am Gymnafium zu
Augsbur ‚ 1821 am Progomnafium
zu Yandsbut, 1826 eine Profeffur am
neuerrichteten Lyceum daſelbſt. 1831
folate F. der Einladung des rufl. Gene
rals Grafen Oftermann-Tolftoy zu einer
Reiſe in den Orient. 1836 bereiite er
das jüdl, Franfreih, ging dann na
Florenz, Nom und Piſa und bradte
vier Jahre größtenteils bei dem Grafen
DftermannsZolitoy in Genf zu. 1840
unternabm er eine zweite Reife in den
Drient. Schilderungen aus diefen zwei⸗
jährigen Wanderungen erfcienen zu:
erit in der «Allgemeinen Zeitung» unt
dann mit einer berühmten Vorrede in
den Haififhen « Fragmenten aus dem
Drient» (2 Bde., Stutta. 1845; 2. ver:
mebrte Aufl. in einem Bande mit Ein:
leitung von G. M. Thomas, ebd. 1877).
Bon einer dritten Reife, die er 147
über Ronftantinopel nah Baläftina,
Sprien und Kleinafien unternahm, rief
ibn 1848 die Verleihung einer Broschur
der Geſchichte an der Univerfität Mün-
hen in die Heimat zurüd. Bon Mun
en in die Deutiche Nationalveriamm:
lung nad Frankfurt gewäblt, nabın F.
feinen Plaß im linfen Centrum und
folate fpäter dem Reſte der Verjamm:
lung nad Stuttgart, was ihm den Ber:
luft feiner Profeſſur zuzog. Den Pin
ter 1849 auf 1850 verlebte F., ftedbrieh
lich verfolgt, in Appenzell und St. Gal:
len, bis der Amneftieerlaß ibm im
April 1850 die Ruckehr nad Deutſch
land geitattete. Er bielt fich ſeitdem
meift in Münden auf, wo er in ber
Naht vom 35./26. April 1861 ftarb.
Bon 5.8 Arbeiten find be
ſonders hervorzuheben: die
von der Ropenhagener Geſell⸗
ſchaft der Wiſſenſchaften ge
frönte «Geſchichte des Kaiſer
N ————
1831), « i agmente,
Ebronilen u.ſ. w. zur Geſchichte
des Kaiſertums Trapezunt» (ebd. 184344) und
die «Geſchichte der Halbinjel Morea im Mittelalter»
(2 Bde., Stuttg. 1830—36). Seine darin und jpäter
in den Unterjuhungen über «Das albanei. Eile
ment in Griebenland» (3 Abteil., Münd. 1857
— 60) niedergelegte Anſicht über die je gäny
liche Ausrottung des autochtbonen Hellenentums
im Mittelalter und die großenteild flaw. Ab:
itammung der Neugriehen bat zu vielen litterar.
Streitigkeiten geführt und zablreihe Ge enſchrij⸗
ten hervorgeruſen. F.s « Dentichriften» über Gol⸗
en
Fallopia — Fall-River
gatba und das Heilige Grab (1852) und über
das Tote Meer (1853) wurden aus den «Abhand⸗
tungen» der Münchener Alademie bejonders ab:
— Die nach F.s Tode von Thomas beſorgte
usgabe feiner «Geſammelten Werte» (3 Bde.,
xz. 1861) enthält außer den «Neuen Fragmenten
aus dem Drient» auch kulturbiftor. Auffäge ſowie
fitterar. Kritiken,
Fallopia over Falloppia, Gabriel, Anatom,
b. 1523 in Modena, ftudierte in Padua unter
alius und wurde in jeiner Vaterſtadt Kanoni⸗
tus. Er machte Reijen nach Frankreich und Griechen»
land und betleidete nadheinander die Profeſſur der
Anatomie Rn Ferrara, Piſa und Papua, wo er
aud die Aufficht über den botan. Garten hatte.
. itarb 9. Ott. 1562. Die Anatomie bereicherte
er mit ——— und wichtigen Entdeckungen, und
einige Teile des menſchlichen Korpers, wie der Fal⸗
loviſche Gang (canalis Fallopii), die Eileiter
orer Fallopiſchen Muttertrompeten (tubae
Fallopii) u. a., wurden nad ibm benannt. Seine
«Üpera genuina omnia» erjcienen zu Venedig
(3 Bpe., 1606) und zu Frankfurt (1600),
Falloug (for. -lub), Alfred Frederic Pierre,
Eomte de, franz. Schriftfteller und Bolititer, geb.
7. Mai 1811 zu Angers aus einer Familie, die
unter der Reftauration geadelt, 1830 für königs⸗
treue Gefinnung in den Örafenitand erhoben wurde,
machte fich zuerit durch — erte konſervativ⸗ultra⸗
montaner Richtung bekannt, nämlich «Louis XVI»
(Bar. 1840; 6. Aufl. 1860) und die «Histoire de
Pie V» (2 Bbe., ebd. 1844; 3. Aufl. 1859). _1846
wurde er vom Depart. Maine⸗et⸗Loire in die Depu:
tiertenlammer gewählt, wo er ſich zur Oppofi:
tion der Rechten bielt und die Freiheit des Unter:
richts eifrig verteidigte. Nach der Februarrevolu⸗
tion von 1848 gebörte F. zu den erften, die im
Interefle der Kirche die aus dem Aufftande ber:
vorgegangene Staatögemalt anertannten. Nach der
Wabl Ludwig Napoleons zum Präfidenten wurde
er ind Minifterium des öffentliben Unterrichts be:
rufen, in welcher Stellung er feine zehnmonatige
Amtsfuhrung mit der Ausarbeitung eines organi:
ſchen Geſetzentwurfs über das Schulmefen bezeidh:
nete, der zwar unter feinem Nacfolger zur
Durbfübrung gelangte, aber den Namen feines
Urbebers bebielt und dem tath. Klerus einen über:
wiegenden Einfluß auf die Schule ficherte. Beim
Herannaben des Staatäftreihs trennte ſich jedoch
F. von der Bolitit Ludwig Napoleons gänzlich und
zog fi nad) dem 2. Der. 1851 auf feine Güter in
Anjou zurüd, wo er fib fortan mit Landwirtſchaft
beiäftigte. Am 26. März 1857 wurde er in die
Franzöfiihe Akademie aufgenommen. 1871 lehnte
er zwar ab, in die Nationalverfammlung zu treten,
beteiligte fich aber eifrig an den Verſuchen, eine Ber:
jöb zwiſchen dem Grafen von Chambord und
den ans zu ftande zu bringen. Dies führte zu
völigem Bruch zwiſchen ihm und jeiner Partei, be:
fonders nachdem er ſich jür das Septennat und die
erung der Gemwalten Mac: Nahons erklärt
batte (Cent. 1873). Seitdem bielt fib F. von der
Bolitit gänzlich fern. Er ftarb 6. Jan. 1886 zu
Angers. Bon feinen Schriften find zu erwäbnen:
«Le parti catholique, ce qu’il a &t&, ce qu’il est
deyenu» (Bar. 1856), «Souvenirs de charite» (ebd.
157 u. d8.), «Madame Swetchine, sa vie et ses
"ırres» (2 Boe., ebd. 1860 u. d.; deutſch Regensb.
Ixg0), «La question italienne» (1860), «Dix ans | Neuvorf, Newport und
435
d’agriculture» (1863), «La convention du 15 sep-
tembre» (1864), «Itineraire de Turin à Rome»
(1864), «Questions monarchiques, lettres à M. Lau-
rentie» (1873), «Augustin Cochin» (1874 u.d.); fer
ner veröffentlichte er eine Sammlung von «Lettres
de M"* Swetchine» (2 Bde., 1862; 5. Aufl., 3 Bde.,
1881) und « Nouvelles lettres de M”* Swetchine»
(1875). Seine Dentwürbdigleiten erſchienen u. d. T.
«Mö&moires d’un royaliste» (2 Bbe., Bar. 1887). —
Val. Du Sauſſois, Le comte de F. (Bar. 1886);
Veuillot, LecomtedeF.etsesmömoires (ebd. 1888).
re f. Fall.
allrecht (lat. Jus recadentiae oder revolutio-
nis), der früber befonders inSchwaben und Franten,
außerdem aber auch inndrblichern Gegenden geltende
Rechtsſatz, wonad der Nachlaß eines ohne lekt:
willige Verfügung und ohne Abtömmlinge Ber:
—— in der Weiſe zu teilen iſt, daß die von der
aterſeite auf ihn gelommenen Vermoͤgensbeſtand⸗
teile den Verwandten von dieſer Seite, die von
der Mutterſeite auf ihn gekommenen Vermogens⸗
beſtandteile den Verwandien von der letztern Seite
zufallen (paterna paternis, materna maternis). Der
Rechtsſaß bezieht fich in der Regel nur auf vererbte
Grundjtüde (Erbgüter, Stammgüter); zumeilen
wird auch erfordert, daß Vorfahren (Aicendenten)
nicht berufen find. Der Sap wird bier ausgedrüdt:
«Erbgut gebt wieder den ‚ den es gelommen.»
Im weitern Sinne macht noch der Code eivil (Art,
733, 753, 755) von dem Satze Gebrauch. Dana
wird, fofern —— des Erblaſſers nicht vor⸗
handen ſind und alſo Vorfahren oder Seitenver⸗
wandte zur geſetzlichen Erbfolge gelangen, der Nach⸗
laß in zwei gleiche Zeile geteilt; der eine fällt an die
väterliche Seite, der andere an die mütterliche Seite.
Fallreep, —— eine aus Tauwerl Neep)
hergeſtellte Leiter, welche man an der Schiffsſeite
binabfallen ließ, um aus einem Boote an Bord
Hettern zu können. Sept ift das Wort jedoch auf
die Öffnung in der Verſchanzung übertragen, durch
die man die Fallreepstreppe Eeraulagtene, das Ded
eines Schiffs betritt und welche ſich gemöbnlich in der
Mitte des Schiffs befindet. F. geben iſt eine Ehren:
begeigung auf Kriegsſchiffen, welche darin beitebt,
daß Matrofen als Fallreepsgaften am F. an:
treten und der Bootsmann oder Bootdmanndmaat
h2 Beil! (mit der Trillerpfeife). Alle Difiziere und
im Offiziersrang ftebenden onen, auch Ronjuln,
erhalten 2 Fallreepsgajten, wenn fie Stabsoffizierd:
Hr, baben 4, und die Admirale 6. Wenn Fürſt—
lichleiten an Bord fommen, fteben 4 Seetabdetten F.,
wenn der Raijer an Bord kommt, 4 Unterleutnant?
ur See. Der wahbabende Dffizier, und bei höherm
eſuch auc der erſte Offizier und Kommandant,
empjangen am %. Der urfprünglibe Sinn ber
Fallreepsgajten ift der, bei ſchlechtem Wetter die aus
demanlegenden Boote Ausiteigenden zu unterjtügen.
Fall:River (Ipr. fahl rimm’r), Stadt im County
Briſtol des nordamerit. Staates Mafjahufetts, an
einem Arme der Narraganfettbai, auf dem öftl.
Ufer des Taunton: River, hat (1900) 104863 €.
(gegen 1880: 48961), einen fihern, den größten
Seeſchiffen zugänglichen Hafen. F. befikt die ent⸗
wideltite Baummollmaren:, namentlich Drucklattun⸗
inbuftrie in den Bereinigten Staaten (42 große
Etabliſſements mit 1897: 2, Mill. Spindeln).
Eiſenbahnen geben nad Newport, New: Bedford
Taunton und Propvidence, Dampfer täglib na
Vrovidence. 3. bat gute’
28”
436
Schulen, darunter die Durjee Higb:School, und eine
öffentlihe Bibliothel. Urfprünglid ein Teil von
Freetown, wurbe 5. 1808 als bejonderer Ort infor:
poriert und erbielt 1854 als Stadt ibren Freibrief.
wi e, be * Feldmaß, ſ. Faltſch.
allſcheibe,
allihirm, eine Vorrichtung, die dazu dient,
vom Luftballon auf die Erbe Vinabyulafen. &
at die nn. eines ——* der gegen das
Umklappen ſichert iſt. Da ſeine Flache ſehr groß
ir und ber tand ber Yuft mindeftens mit dem
uadrat der Geſchwindigleit wächſt, jo wird bie
- Abmwärtsbewegung bald eine gleihjörmigejein. Ein
Körper von 100 kg würde mittel 5. von 20 qm
Dane etwa mit 6,3 m Geſchwindigl t finfen; dies
eine Geihmwindigfeit, die ein Körper erreicht, wenn
er obne Luftwi tand aus einer Höhe von nur
2m frei berabgefallen wäre. fiberhaupt ift dieſe
zum Vergleich —— allhöhe dem Ge
wicht des Körpers birelt, der Fläche des F. um:
elehrt proportional. Der erfte Gedante eines F.
man gleich vielen andern flugtechniſchen Ideen
von Leonardo da Binci 1514; ausgeführt wurde
er zuerſt von Lenormand 1788; erprobt erjt 1797
von Jacques Garnerin i in Barig, der fi aus einer
Höhe von 1000 m mit einem 5. von 7,s m Durch⸗
meſſer fallen ließ. Mit einem F., der zur Ber:
meibung bes jtarlen Pendelns die Geftlt eines
umgefebrten Regelitumpies batte, verunglüdte ver
Engländer Eoding 1836 durch Sturz in die See;
ebenjo verunglüdten 1889 Lerour bei Riga und van
Taſſel auf Honolulu und 1892 die Luftſchifferin Frau
Großmann in Weißenſee bei Berlin. — F. wird
auch eine Anordnung von Schirmteilen genannt,
die einen Luftballon ringförmig am Aquator um:
geben und ven Zmwed haben, ven Fall des Ballons
zu mildern, Er wird jept nur noch jebr jelten an-
gewendet, da im allgemeinen aus den oben berübr:
ten Gründen des Luftwiderſtandes jeder unverjebrte
Ballon jhon von jelber bald eine ziemlih mäßige
rößte Fallgeſchwindiglkeit erreicht. Auch die oben
eſchriebenen ſelbſtandigen, zum Abjpringen ein ri
—5* F. dienen heute faſt ausſchließlich zur
friedigung der Schauluſt. — Über F. in der Bis
logie ſ. Flughaut; F. bei Ralteten ſ. d.
alli irmbombe, |. Gejcoh.
allſchwert, f. Guillotine,
allfucht, i. Ber fie.
allthor, eine Art Las Burgtbor, |. Burg
und Tafel: Burgen!
Falltiere, ſolche Tiere (befonvers Käfer), welche
die Gemohnbeit haben, * bei Herannahen einer
an. von ibrem jeweiligen Aufentbaltsorte, na-
mentlih von Buſchen und Kräutern, auf den Boden
allen zu laſſen, wo fie ſich, ſei es dur ihre ſchüßende
ürbung oder durch Flucht den feindlichen Bliden
eicht entziehen können,
Füllung, Nieverfhlagung ober Präcipi—
tation, in der Chemie und in der Technik ders
jenige Vorgang, dur den in einer Flüffigkeit
ein unlösliher, darin zu Boden finfenver jeiter
Körver —— Präcipitat) abgeſchie—
den wird. In den meiſten Fällen wird vie $, ver:
anlaft dur Sufah eined andern Stoff3, den man
alsdann das Fällungsmittel nennt und ber
eine Fluſſigleit, ein Gas oder ein feiter Körper jein
kann; jo wird durch Zujag von Schwefelfäure aus
einer Chlorbaryumlöfung, ſchwefelſaurer Baryt ge
fällt, in Kalkwaſſer geleitete Koblenjäure bewirkt
Fallſche —
Fallwerk
die F. von —— Kalt, ein Stüd
— erlöfung einen —— *
metalliſchem Silber. einigen K t
Zufuhr von Wärme, um .. Niederihlag ent
fteben zu la aan: jo trübt jih Kallwaſſer beim Ro:
hen, da Kallhydrat in heißem Wafler u
in altem * ift; eine Loſung von Mon
Bl I giebt beim Kochen einen Ri Henker
ricalciumſaccharat. Ferner werden bei
pern Niederſchläge durch Zuſatz von Waſſer
gr: IY giebt eine wäfjerig jalzjaure
ntimondlorür beim Verdunnen mit Waller e
weißen Nieverfhlag von Antimonoxychlorur. a
Niederichläge, meift neugebildete Verbi aus
— — ni Flüfligleit und des ung®:
mittels, find mebr oder weniger ch Gel No an
arbe und du — fien od
itallinif ar ); einige von i
orhandenjein beitimmter Stoffe zu
es berubt die Wirkung der meijten Sm. —
tien (f. d.) auf (en Bra, Dur von —— Pa.
wieder auf a man einen fib
lungsmittela oder eine beftimmte 33
Den eleltrolytiſchen Proze
Kupfer, Silber, Nidel ifen ir w., ——
gufeht. Hierdurch gewähren fie die Mo
niebergeihlagen werben, nennt man
fiber das ällungsverfabren in ber hen
tion ſ. Melajjenentzuderung. Die Bereitung vieler
Mineralfarben (3. . Berliner Blau, ——
fommt auf eine . binaus. — Die 7
et 8 von der Fluſſigleit — —*
— d.) oder durch Delantieren (
Fallwerf, ein Fallbammer (f. d.), —
gewicht durch Menſchenkraft x en wird.
den hauptſächlich zum Stangen, Preſſen ober —*
angewendet und dann meiſt in der durch
und 2 in Seiten: und Vorderanſicht d elien
Form 26 k ift der Klotz oder Samen, der
in den Leitihienen a geführt wird Mittels tes
über die Rolle r laufenden Seils d wird der Hams
* ehoben und ſodann zu der gewuͤnſch⸗
tärfe des Schlags aus —— Höbe fallen
gan en. Der Hammer k tigt an an jeinem untern
den Stempel s,. Die demjelben entfpredyende
Fallwild —
—* s ruht, von vier Schrauben b gehalten, auf
dem Amboß A, der auf einem Fundament auffist,
das ftark genug jein muß, um die durch die Schläge
bervorgerufene —— in ſich aufzunehmen.
Ein am Ende des Seils angebrachter Steigbügel ges
kattet dem neben dem F, ſihenden Arbeiter, ven
Hammer mit dem 534 heben.
Fallwild, das Wild, das durch Krankheiten,
Hunger, Kälte u. f. w. zu Grunde gegangen ift.
Dasselbe unterliegt dem Jagdrecht desjenigen, We
deilen Jagdgebiet eö gefunden wird. Wilddiebſtah
(6. d.) liegt nur dann nidt vor, wenn 3. B. durch
Verweſung eine den Begriff eines jagbbaren Tieres
aufhebende Zerftörung eingetreten war, als es von
dem, welcher auf ** ebiet zu jagen nicht be⸗
rechtigt war, occupiert wurde.
allwiud, ſ. Fallbd.
Ozeit, |. Fall.
allzünder, aub Aufihlagzünder ober
9 eimouth Nor, fällmöch), Barlamentsb
mout . fällmötb), ment3boroug
und ala an der Sübfüfte der eng
eng a rn weitlihb am Cingange des
tief ins Land eindringenden Falmouthhafens (Fal-
mouth Harbour), in deſſen Hintergrunde bei Truro
das Flußchen Fal mündet, bat (1901) 11773 €,
einen geſchützten Hafen, deſſen Eingang die Feftung
ennis:Gajtle ſchutzt, und ift Standort mebrerer
riegsſchiffe jowie beliebter Badeort. Im 18. Jahrh.
Ausgangspuntt der Schiffahrt nad Amerika und
den Mittelmeerländern, ilt die Stadt ald Handels:
ylag jeßt unbedeutend. Kupfer, Zinn, Wollmaren
und Fiſche (Pilchards) werben ausgeführt. Wichtig | Ta
ift die Ausrüftung und Verproviantierung fremder
Schiffe, die bier anlaufen. Die eigene flotte zäblt
(1899) 125 Fahrzeuge. F. ift Sig eines deutichen
Vicelonfuld. — Penvennis » Caftle und das Fort
Mames find von Heinrich VIIL angelegt.
Falmouth (ipr. —— Stadt an der Nord⸗
tuſte der brit. Inſel Jamaila, bat (1891) 2517 E.,
einen Hafen mit Depots und Marinebofpital.
Falret (ipr. -räb), Jean Bierre, en Irren⸗
arzt, geb. 1794 zu Marcillac im Depart. Lot, tu:
dierte in Paris und gründete 1822 mit Boifin eine | 2
——————— zu Vanves bei Paris, welche
ſowohl ihrer baulichen Einrichtung als auch der
Kranlenbehandlung wegen großen Ruf erlangte.
F. ftarb 28. Dit. 1870 zu Marcillac, fchrieb:
«De l’hypocondrie et du suicide» (Par. 1822;
deutſch Lpz. 1822), «Inductions tirdes de l’ouver-
ture des corps des aliönes» (Bar. 1826).
Falsa oausa (lat.), irrtümliher Beweggrund.
Bei Rechtsgeſchäften unter Lebenden iſt der irr:
tumliche Bemwegarund, welcher den Urheber des
Rechtsgeſchäfts oder, bei einem Bertrage, beide
— zum Abſchluß beſtimmt hat, nach allen
ten in der Regel ohne jede rechtliche Bedeu:
* Ber Roggen kauft, weil er irrtümlich glaubt,
in Ausland, England und Amerika ftänden die Saas
ten ſchlecht und die Preiſe würden fteigen, thut dies
auf jeine Gefahr. Die Sache liegt ander, wenn
fi der Irrtum (f. d.) auf wejentlihe Momente des
Geihäfts eritredt; anders, wenn beide Teile aus:
drüdlic oder ftillfchweigend das Gejhäft von einem
Umftand abhängig gemacht haben, ‚ melden
fie feine genaue Kenntnis haben, zumal einem zu:
fünftigen. Das war anzunehmen bei vielen Ge
ihäften über Spiritus, melde vor dem 1. Dit.
187 in Sraft getretenen Branntweinfteuergejege
Falſcheid 437
in dem Glauben —— ——— der damaligen
Branntweinſteuer abgeſchloſſen waren. L. Bolʒe,
—— des Reichsgerichts in Civilſachen, VII, 566.)
nders auch, wenn der Irrtum einer Partei von der
andern betrügerifch hervorgerufen oder benußt ift
(f. Betrug); ferner nad pofitivem Recht bei der Ge⸗
mwäbrleiftung (f. d.) für Mängel; bei ver Rüdforbe-
rung einer Leiſtung, welche der Kläger in dem Blau:
ben gemadt hat, er ſchulde diefelbe — condictio in-
debiti(j. Bereicherung und Bereiherungsflage). An:
ders ferner bei einem Bergleih, infofern Parteien
das Nichtvorbandenfein eines Umftandes voraus-
eſezt haben, welcher den Streit oder die Ungemwiß:
bei ausgeſchloſſen haben würde (Deutiches Bürgerl.
ejehb. 8. 779). dlich ift dem irrtümlihen Be:
weggrund die Wirkung der Nichtigkeit oder Anfecht⸗
barteit bei legtwilligen Verfügungen dann einar:
räumt, wenn anzunehmen ift, der Erblafler würde,
wenn er feinen Irrtum gelannt hätte, die Verfügung
nicht getroffen haben (Bfterr. Bürgerl. Gelehb.
8. 572; Deutiches Bürgerl. Geſetzb. $. 2078).
Falsa demonstratio non nooet (lat.),
Rechtsregel: eine falſche Bezeihnung (3. B. des
Namens einer Perſon, der Hausnummer oder ber
Lage eines Grund ds) ift nicht nachteilig, d. b.
dann nicht, wenn der wirkliche Wille des ren:
den bei dem rechtlichen Alte ertennbar ift.
Falsarlus (lat.), Falfär, Fäljcher von Urkun
den; Falfation, Falſchung.
fche Atazie, ſ. Robinia. [falfhe.
alſche Anl
Huldigung, ſ. Anihuldigung,
aliche Bai (engl. Falſe Bay), pe
elberges an der Süpjpige Afrikas gelegene halb:
freisförmige Bucht (f. den Karton zur Karte: Kap:
ftadt und Umgebung), zwilhen Kap der Guten
Hoffnung im W. und Kap Hanglip im D., mit fteiler,
81 km langer Hüfte, Sie befist einen vorzüglichen
Hafen in dem mit Kapſtadt durch Bahn verbundenen
Simonstomn (f. d.), der einzigen Sciffsftation
ber brit. Marine in Süpafrifa, und beveutenden
Fiſchfang (au —3 — Kalt Bay Station
und Somerjet Weit find befuchte Seebäder. Die
Romantllippen in der Simondbai tragen einen
euchtturm.
alſche Bränne, ſ. Rebltopf (Rebllopflatarrh).
e Bunt f. Mole (mediz.).
alicheid. Die Arten des F. find nad dem Deut:
ſchen Strafgeſetzbuch se 154— 163): 1) Meineid
(«mein», mittelhochdeutſch ſoviel wie falſch), d. i.
wiſſentliches Falſchſchwübren, und zwar entweder
eined Barteieneides oder eined Zeugen: oder Gut:
achtereides. Dan erſten Falle muß der Eid —5*
ben, zurüdgeichoben over auferlegt fein (f. Eid); ein
von den Parteien vergleichsweiſe vereinbarter (fog.
Kompromißeid) gehört nicht hierher. Im zweiten
—* lann auch das abſichtliche Verſchweigen einer
atſache ſelbſt dann, wenn der Zeuge den Umſtand
t unerheblich hielt, wenigſtens in dem Falle ſtraf⸗
ar ſein, wenn er danach beſonders befragt wurde.
Im übrigen kommt es darauf, ob die Zeugen⸗
ausſage in ae nfen oder unmefentlihen Bunt:
ten von der Wahrbeit abweicht, niht an. In
beiden Fällen ift die Strafe Zuchthaus bis zu
10 Jahren, Berluft der — ichen Ehrenrechte
und dauernde Unfäbigteit, als Zeuge oder Sad:
verftändiger eiblih vernommen zu werden. Zucht:
baus nicht unter 3 Jahren tritt ein, wenn das ug:
nis oder Gutachten in einer Straffahe zum s
teile einedö Angeſchuldigten abgegeben und diejer
438
u. Tode, zu Zuchthaus oder zu einer andern mebr
als 5 Jahre betragenven Freibeitäftrafe verurteilt
iſt. Dagegen tritt Strafermäßigung ein, wenn die
Angabe der Wahrheit Strafverfolgung wegen Ber:
brechens oder Vergehens nad ſich eh konnte,
Es wenn geihworen ift zu Gunſten von naben
Ungebörigen ohne vorherige —— des Rechts
der Zeugnisverweigerung und endlich im Falle recht⸗
eitigen Widerrufs. Der Ableiſtung eines Eides
hebt gleich die Berufung auf einen frübern und der
generelle Sadverjtändigeneid, ſowie die Beteue—
von formel, die peieslih einigen Religionsgeſell⸗
aften geftattet i iſt. 2) Die wiſſentlich falſche Ver:
Sau an Cidesitatt vor der zuftändigen Bebörbe.
Strafe: Gefängnis von 1 Monat bis zu 3 Jahren
und die oben erwähnten Nebenftrafen. Hierber ge
bört z. B. die falſche eidesftattliche VBerfiherung vor
der preuß. Steuer-Nellamationstommiffion und die
ur Glaubhaftmachung eines Arreftgefuhes im
ivilprozeß abgegebene. 3) Die verfuchte Verlei:
tung zum Dleineid ae: uchthaus bis zu 5 Jah⸗
ren) und zur wiſſentlichen Angabe einer falſchen
Berfiherung an Eivdesftatt (Strafe: Gefängnis bis
zu einem Jabre); zu unterſcheiden von der, gleich
dem Meineide zu beitrafenden, Anitiftung, bei wel:
ee die Ableiftung des Meineids vorausgefept iſt.
4) Die | eines andern zur Ableiftung eines
falſchen Eides (Strafe bis zu 2 N ren mit fakul:
tativem Ehrverluſt, ober bis onaten, wenn
ur Ableiftung einer falſchen Verfiherung an ‚Eides:
han verleitet wurde). Dies ift der bem diterr. Rechte
unbefannte Fall, wo der Berleitete in der Meinung,
die Wahrheit zu jagen, in Wirklichkeit die Unwabhr:
beit beihwört, während der Perleiter weiß, daß
falſch geihworen wird. 5) Der fabrläffige $. (Strafe:
Gefängnis bis zu 1 Jahre; Straflofigteit bei recht⸗
geiti g- Widerruf). (S. Eidesbruch. 9* Iſt in einem
Civil⸗ oder Strafprozeß ein F. geleiſtet ee fo
lann das den Grund für eine Wiederaufnahme f. d.)
des Verfahrens darbieten.
licher Baf, ſ. Falso bordone.
alſcher Demetrius, ſ. Demetrius (Groß:
füriten von Rußland).
ade —— EEE
N, transverjale Sdie:
ferung, eine —* east erzeugte Art der
Schieferung, die darin beitebt, daß die Scyieferigteit
des Geſteins, und zwar namentlich der Thonſchiefer,
nit der Schichtung parallel läuft, fondern legtere
quer durchſchneidet. In vorftebender Abbildung ift
die F. ©. bei a, die normale Schieferung bei b er:
— Sie ii oft jo volllommen ausgebildet, daß
fie bie *8 Dar mas und hear ine
gänzlich verwiſcht. — Regelmaßigleit
und — An fie ich oft durch ganze Berg:
Die durch bejonders regelmäßige
he ‚Sehnen benden dünnen Platten liefern die Dach⸗
ee d.), wäbrend durch zwei fich kreuzende
re vſteme Örifelicten
ſches Johannisbrot, |. Cercis.
* er erzeugt werden.
„ge ſches Stimmbaud, bäutiges Gebilde, |.
ltopf nebit Tafel, Fig. 5,7.
Falſcher Baß — Yäljhung
ren Denn Beim Abſchließen von
Verträgen und im Civilprozeß iſt die Bartei der
andern Partei gegenüber zu einem anjtändigen,
der Wahrheit entiprehenden Berbalten in ibren
Behauptungen verbunden. Ein davon abweichen:
des Verhalten kann verantwortlib madhen. Wer
fih dem gegenüber, wel — den Beſiß einer ihm ae
börigen Sache verloren fäliblih für den Ye
jiger der Sache ausgiebt, aan dem getäujchten
Eigentümer nad Dfterr. Vürgerl. Geſetzb. 8. 377 auf
das Intereſſe. Diejed kann darin beitehen, daß der
Bellagte au den Werterfa verurteilt wird, ala ob
er bejäße. feinem IR; ontrabenten voripiexelt,
er könne ſich dur Verträge verpflihten, obwohl
das nicht, oder bezüglich des beabjichtigten Vertrags
nicht der all ift, kann, wenn er für ein &ulden
beiden Bien. 9 ift, auf Scabdeneriag belangı
werben (Öjterr. Bürgerl. Geieub. $. 866). Wo es
—ER poſitiven Beſtimmungen fehlt, wie im
tſchen Burgerl. Geſezbuch, tommen die allge
meinen Beitimmungen über Arglift (f. d.) und
(f. d.) zur Anwendung.
Fr alihe Waflerfucht, f. Sadwaflerfuct.
alf erei, ſ. Münzfälibung.
alichuchflügler(Pseudoneuroptera), eine aus
den Unterorbnungen der Amphibiotica und Cor-
rodentia gebildete Gruppe ber —— (1. 2.).
landen, f. ——
lſchung (lat. Falsum), die zu betrügeriichen
Zwecken vorgenommene achbildung oder Ber:
änderung eines Gegenitandes. Die hauptſachlichſten
Fälle ftrafbarer F. find die Nünzfälihung (i. d.),
die Urtundenfälihung (f. d.) und die Wehielfäl-
hung f.d.). Die civilrehtlihen Folgen einer
. ftellen ſich dabin, daß nur derjenige aus einer
rtunde haftet, weicher eine verpflichtende Urtunde
auögeftellt (unterzeichnet) ba’, und nur diejenige
Verfügung gilt, melde in eines echten Urkunde vor:
genommen it. — Ein weites und von jeher, auch beut:
Butoge nod, ſtart benugtes Feld für F. bietet die
itteratur,. Im griedh. Altertum wurbe auf Die
fem Gebiete die Luft am Fälſchen hauptſachlich
bervorgerufen durch den Wetteifer der ägypt. und
der pergameniſchen Könige, ihre —— zen
möglichit viel —— zu bereichern. D
Beſtreben verbanten ;. —— Briefe =
rübmter Männer ibren Ur —* Nicht immer
war Gewinnſucht dad Motiv; auch bie
Religion jpielt eine Rolle, 3. v. bei den
og. Sibylliniſchen Drateln und ſchon
et n früberer Zeit bei den «Schriften» des
.T Mofterienfängerd Orpheus und äbı:
a lihen Werten, in Rom bei den «beiligen
Büchern» des Königs Numa Bompilius,
fpäter in der Korreipondenz zwiſchen dem Pbilo-
ſophen Seneca und dem Apojtel Paulus. Das groß-
artigfte Beifpiel einer aus pfeudoreligiöfen, in
Wahrheit ſeht materiellen Motiven hervotgegange
nen F. iſt die (von feinem Kritiler mebr anerlannte
Urkunde, durch welce Kaifer Konjtantin dem päpitl.
Stuble die Provincia Romana famt den Inſeln Cor:
fica und Sardinien geſchenkt haben joll. (S. Douatie
Constantini,) Es ift nicht immer leicht zu entf beiden,
ob die wirtliche Abſicht zu täufchen odernur eine bloße
—8 rhetoriſche Übung vorliegt, z. B. in dem
ampblet des Salluft a Cicero und der Ant:
wort Ciceros auf Dasfe e, in der Anllageichriit
gegen Milo, dem Seitenitüd zu Eiceros berühmter
erteidigungsrede, in den dem Horaz ſchon früb-
Falſchwerbung — Falſet
zeitig zugeſchriebenen Elegien, in den ſog. Anakreon⸗
tea, d. h. Tandeleien in Anakreons Manier, in eins
jelnen der jog. Heroidenbriefe des Ovidius. Kaum
ju bezweifeln ift die Abficht des Fälfchens in dem
Lehrgedicht des Pjeudo-Photylides, in den Elegien
und —— des ſog. Cornelius Gallus, in
den «Supplementen» bed Petronius aus einem
Belgraber Coder, in dem «Guriofum» des P. Victor
Feſtus Rufus) und in zahlreichen Eitaten des My⸗
tbograpben Fulgentius Planciades.
In dieſer Beziebung haben aud die fog. Huma⸗
aiften manches auf dem Gewiſſen. Sigonius hat die
verloren gegangene Schrift Ciceros «De consola-
one» mwiederbergejtellt, d. b. in prächtigem Latein
und echt ciceronianifchem Geifte verfaßt. Wollte er
jeine Zeitgenofjen und die Nachwelt betrügen oder
ift nicht vielmehr bei ihm wie bei mandem dieſer
begeifterten Wiederherſteller des Altertums bloße
naive Nahahmungsluft anzunehmen? Ein anderer
Humanift wagte jih an die (teilmeife) Keftitution
bes altröm. Reichsanzeigers» («Acta diurna po-
puli Romani»); ein dritter «fand», d. b. erfand zahl:
reiche neue Fragmente eines längft verlorenen Dich:
ters (bed Ennius); ein vierter, Pirro Ligorrio, hat
unter jeinen nicht weniger ald 40 Bänden Manu⸗
ſtript ein Inſchriftenmaterial jondergleichen hinter:
lafien, deſſen Driginalien niemand gejeben bat;
ebenjowenig bat jemand die alten verjchollenen
Schriftfteller griech. und lat. Zunge, welche der Viter:
benfer Giovanni Nanni in jein aufgenommen
bat, zu Geſicht befommen. Biel feiner, aber um
nichts glaubwürbiger, bat der elegante Bomponio
Leto, wo es ihm gerade paßte, falſche Inſchriften
und Brudjtüde in jein Werk verwoben. Aus dem
17. Jahrh. find mebr als nur verdächtig verfchiedene
Beröfjentlihungen des Philologen Kafp. Barth
(4. B. fein Vestricius Spurinna). Im 18. dh.
bat der Abbe und Akademiker Fourmont feine In—
ſchriftenſammlung mafjenbaft gefälicht, und in neue:
ter Seit bat der —— Franz Lenormant durch
Inf riftenfälihung feinem Andenken ein Brand:
mal aufgebrüdt.
Eine der großartigften F. im 19. Jahrh. war die
Bagenjelds aus Bremen, der das Wert des alt:
pböniz. Hiftoriferd Sanduniatbon (f. d.) in griech.
Üiberjegung berausgab. Einer der größten Be:
rufsfälicher der neueften Zeit war der Grieche Si-
monides. Gleichzeitig mit ihm wirkte auf diefem
Gebiete fein Landsmann Minas Minoides. Aber
das 19. Jahrh. erlebte auch noch andere litterarifche
5. als ſolche, die auf dem altllaffifchen Boden fpie-
n; jo, um nur einiges zu nennen, die angeblichen
Briefe der Königin Marie Antoinette, die Schiller:
briefe (ein aus Gewinnjudt unternommenes Fabri:
tat des Graveurs Gerftenberg), fo der großartige Be:
— (mit angeblichen maſſenhaften Autographen von
ilei und deſſen Opfer der franz. Mathe⸗
matiter und Alademiler M. Chasles geworden ift.
Auch auf dem Gebiete der Run ft find ſchon früh:
jeitig F. zu verzeichnen. So ließ Michelangelo einen
von ibm felber verfertigten marmornen Eros ala
antifen Urſprungs «ausgraben». Zu erwähnen find
ferner die gefäljchten Sammlungen des Mufeums
Ehiellini in Livorno, die Ebermayerfche Gemmen:
jammlung in Nürnberg (melde nur Sabritate Dorſch
enthält ; auptjälfcher in diefem Genre waren Pic:
ler und Natter) und die Daftyliothel des Fürften
Stanislaus Poniatowſty. In Rheinzabern beitand
tineföormliche Antiquitätenfabrit; ähnliche Anftalten
439
eriftieren ferner in ÜAgypten, in Teheran (Specia⸗
htät find € —— in Smyrna, Athen,
—* Paris, Neapel und auf Cypern. Eine der
en
F., was Ma ——— des Materials
etri — 19. Jahrh. (zu Anfang der ſiebziger
abre) in den «Moabitiihen Altertümern» l. b,
jest im Berliner Mujeum) erlebt.
Am bedeutenditen war, und ift heute noch, der
Betrieb der F. beiden Münzen (f. Numismatit),
mo neuern Fäljchern bie —— in der Galvano⸗
plaſtik mä tigen Vorſchub leiiten. (S. auch Anti⸗
quitätenhandel.) — Bol. Eudel, Le truquage (Bar.
1884; deutih von B. Bucher u. d. T. Die Sülicher.
fünfte, 2pz. 1886); Furtwängler, Neuere F. von
Antiten (Lpz. 1899); Thudihum, Kirchliche F.
(6 Bde., Berl. 1898—1900).
Über F. von Nabrungsmitteln ſ. Berfäl-
fhungen.
Falſchwerbung, das in $. 141 des Deutichen
—— bedrohte Vergehen deſſen, der
einen Deutſchen zum Militärdienſt einer ausländi⸗
ſchen Macht anwirbt oder den Werbern der letztern
zuführt; nach Oſterr. Strafgeſeßb. 8. 92 das Ver:
ehen deſſen, der ohne beſondere illigung der
tegierung für andere als kaiſerlich öfterr. Kriegs:
dienfte wirbt. Strafe nad deutſchem og e⸗
fängnis von 3 Monaten bis zu 3 Jahren. Verſuch
—— nach öſterr. Recht wird nach den hierüber
eſtehenden beſondern Vorſchriften beſtraft. Wäb:
rend eines Krieges begangen wird die F. als Kriegs:
verrat (f. d.) beitraft.
Be e Bay (ipr. fahli’ beb), ſ. Falſche Bat.
fen, Enevold de, norweg. Staatsmann und
Dramatiker, geb. 17. Dit. 1755 in Kopenhagen,
wurde 1789 Oberrichter im Amt Norbland, 1791
Mitglied des dän. höchſten Gerichts, 1807 Mitglied
der proviforifchen Regierungstommiffion. Bon ven
Unglüdsfällen, die jein Vaterland betrafen, tief
eriknttert, nahm er ſich 16. Nov. 1808 das Leben.
Als Dramatiler zeichnete ſich F. aus durch die Luft
fpiele «Dragedutten» (1797), «De fnurrige Fottere⸗
und «funftbommeren». 1808 gab er die Zeitun
«Bupftiften» heraus, Cine Sammlung feiner Schrif⸗
ten erſchien 1821 in zwei Bänden.
alfen, Kriftian Magnus, Po. Juriſt und
olititer, Sohn des vorigen, geb. 14. Sept. 1782 zu
&lo bei Kriftiania, trat in Staatsdienfte und war
1808 Sorenftriver (Bezirkörichter). Nach dem Frieden
u Kiel 1814 trat F. als einer der eifrigiten norweg.
Batrioien roor, wollte nichts von einer Vereint:
gung mit Schweden wiljen und arbeitete zuſammen
mit dem Privatjefretär des Statthalters, des fpätern
Königs Chriſtian VII. von Dänemark, einen Ver
fafjungsentwurf aus, der der normweg. Ronftitution
von Eidsvold zu Grunde liegt. (S. Norwegen.) Nach
der Konvention von Moß — 1814) ſohnte er
ſich allmäblih mit den neuen Berbältniffen aus,
wurde 1814 Amtmann in Norbre Bergenhus⸗Amt,
1825 Stift3gamtmann in Bergen und ftarb 13. Jan.
1830 in Kriftiania ala —— (PBräfident) des
«Heielte ret»(Oberappellationdgerichts) Norwegens.
Von feinen Schriften ift hervorzuheben die «Ge:
Ihichte Norwegens» (4 Bde. Kriſt. 1823—24).
Falſet, Hauptort des Diftrikts F. in der ſpan.
—— Tarragona (Catalonien), 46 km im W. von
arragona, ſüdlich vom Mont-Sant (1071 m), an
der Bahn Saragoſſa-Reus, hat (1897) 3595 E.
Man gewinnt hier aus ezeichnete Haſelnüſſe; in der
Umgegend ſtaatliche Blei und Manganbergwerke.
440
Das Land erzeugt ——— rote Prioratweine,
die beiten in ganz Catalonien.
Falfett, auch Kopf: oder Fiftelftimme, die
jenigen höchſten Regifter der menſchlichen Stimme,
ei deren Erzeugung nicht vorzugsweiſe die Bruft:
und Bauchböhle, fondern vielmehr die Höhlungen
oberhalb des Stimmorgand die Rejonanz bilden.
Hiernach unterſcheidet man die Stimme in Bruft-
und Kopfitimme. In der Gejangstunft find fie
(eich wichtig, und die Ausbildung und
——— eider Stimmweiſen bildet eine der
Hauptaufgaben der Geſangſchule bei der Auss
bildung von Frauenftimmen und von Tenören.
Über aud den tiefern Männerjtimmen iſt die Be
berrfhung des F. unentbehrlich, wenn fie Geſangs⸗
tünftler fein wollen. In neuerer Zeit ift das F.
bauptjählid bei dem Frauenſopran ausgebildet,
weil die Komponiſten hoch aufiteigende Roloraturen
pr ausſchließlich für dieſe Stimme geſchrieben ha⸗
. Hieraus iſt Die Meinung entſtanden, daß das
* ſich vorzugsweiſe für Sopran eigne und dieſer
timme belonbers natürlid ſei. Die Mufitgef chichte
lehrt aber, daß fie zuerſt bei Männerftimmen aus—
ebildet wurde und dort eine Bedeutung erlangt
bat, melde die der jegigen Sopranfiftel noch über:
wiegt. Als im Kunftgejange nur Männer und Ana:
ben zur Verwendung kamen, was bis zum J. 1600
ausichließlih und im Kirchengeſange noch mebr als
bundert Jahre jpäter geſchah, bildete fi im Tenor
ein hohes Regijter mit Hilfe der Kopfſtimme aus,
das deshalb aud den Namen Alt (Altus, Alto,
d. i. hoch) erbielt; bie Singart, im der foldes ge:
hab, hieß F., und bie Sänger desſelben, alfo die
t: Zenorijten, wurden Falſettiſten genannt.
Noch Händel fchrieb die Altpartien feiner Dratorien
höre für ſolche Falfettiften. Bon diefen rührt daher
ſowohl die Kunjt wie der Name des Faljettgefangs
ber. Aus diejem Urjprunge folgt auch, daß die
Unterſchiede, die man zwifhen F. und männlicher
Ropfitimme angenommen bat, auf Irrtum beruben.
Ballett, ital. Form für ale (1. d.).
‚Salfifizieren (at) verfälfben; Falfifitas-
tion, bung; Fa fi
filät, etwas Gefäljchtes;
Balfifitätor, Falſcher.
Falso bordöne (ital., «faljher Baf»; frz. faux
bourdon), bei den ältern Gejangstomponiften ein
dreiitimmiger Sag über Melodien der Pſalmodie,
bei dem der Sopran den Cantus firmus hatte und
der Tenor eine Quarte, der Baß eine Serte tiefer
ihn begleitete. — Vgl. Guido Adler, Studie zur Ge
Khichte der Harmonie (Wien 1881).
Falftaff (ipr. fabljtäff), Sir John, bei Shate:
eare der, ftete Begleiter des ausjchmeifenden
ringen Heinrich von Wales, nahmaligen Königs
einrich V. (get. 1421), ift die originelljte dramat.
Perjon, die Shatefpeare in «Heinrich IV.» und (an:
geblih auf Berlangen der Königin Clifabetb) in
den «Luftigen MWeibern» gezeichnet bat. F. ift ein
Heros der Zaugenichtfe, dabei unterhaltend, unver:
wüjtlih an Laune und Wis, er iſt ein ebenjo feiger
Soldat als lügenbafter —8 im Wohlleben
ergraut und noch im Alter lüftern und liederlich.
Unter einem plumpen Uußern verbirgt er den ge
wanbtejten Schalt, der geſchickt einlentt, ſobald die
Dreiftigleit feiner Spähe übel empfunden wird,
umaler das Leben und die Anftandspflicten genau
ennt. Zuerſt bieß die Figur, welde jpäter h ge:
nannt wurde, Dldcaftle. Darauf deutet noch jegt
ein Wortfpiel in «Heinrich IV.», TI.1, I, 2, 44, und
Ber | ftolf (vgl. «Heinrich VL», TI.1; HI, 2, und
Falſett — Falsum
er. ineiner Quartaudgabe des 2. Teils von «Hein«
ich IV.» Old (d.h. Dlvcaftle) voreiner Rede F. s fteben
geblieben ift. Sir John Dldcaftle, Lord Cobham,
war eifriger Anhänger Wiclif$ und wurde als Keßer
1417 verbrannt. Seine Feinde ftellten ihn als feig
und —— dar, daher ſtammt die Geſtalt bei
Shaleſpeare. Später ſah der Dichter fein Unrecht
ein (vgl. Epilog zu «Heinrid IV.», TI.2) und änderte
den Namen in 5. in Anlehnung an Sir un Fu:
‚1),bem
er aber gleichfalld unrecht getban zu haben jcbeint.
Oldcaſtle war der Held eines pjeubofbalejpeareichen
Stüdes. F. bildet auch den Rittelpuntt von
neuern Opern, 3. B. von Ditter&dorf (1796), Salieri
1798), Balfe (1838), Nicolai (1849), Adam (1856),
erdi (1892) u.a. — Bal. Hallimell, On the cha-
racter of Sir J. F. (Lond. 1841); Morgann, Essay
on the dramatic character of Sir J. F. (ebd. 1777;
neue Aufl. 1825), und befonbers Hairbner, The
historical element in Shakspere’s F. (in der «Fort-
nightly Review», Mär; 1873).
alfter, dän. Inſel in der Oſtſee, ſüdlich von See
land (f. Karte: Dänemartund Süpjhmweden),
dur den Grönfund von Möen, dur den über:
brüdten Guldborgſund von Laaland getrennt, bat
nebſt dem durch Dämme mit ihm verbundenen Eiland
Haſſeld und fünf Heinen Holmen 474 qkm, it nie
drig und fteigt nur im NW. im Bavneböj zu 44 m
auf. F. ift überaus fruchtbar und gut angebaut.
Die Regenböbe beträgt 587 mm. Die Bevölterung,
1901) 34422 E. treibt vorzugsmeiie Aderbau und
iehzucht. Mebrere Ortsnamen find wend. Ur
fprungs, und bei Bötö haben Holländer koloniftert.
Hauptitadt ift Nytjöbing (j.d.) am Guldborgſund.
Stubbetjöbing war die ältefte dän. Flottenftation.
Eine Eifenbahn durchzieht die Inſel von ber ſchmalen
SICH (Giedſerodde) nad Norden (Dreboved).
Sie bildet eine Strede der nur durd die Dampfer:
ie Warnemünde: Gjedfer unterbrocenen Ber:
indung Berlins mit Kopenhagen und zweigt bei
Nyljobing nah Maribo auf Laaland ab. — rüber
im Beſitze mebrerer Adelsgeſchlechter, war die Inſel
vom 16. bis 19. Yabrb. königl. Domäne.
Falfter, Ehriltian, dän. Dichter und Philelog,
eb. 1. Jan. 1690 zu Branderslev auf Laaland,
war Lehrer, Konrektor, zuletzt Rektor an der Latein
ſchule zu Ribe und ftarb als folder 24. Dit. 1752.
5. mar neben Holberg der bebeutendfte Satiriler
Eine Zeit, in feiner Übertragung des Juvenal
eißelt er die damaligen Zuftände, Seine pbilol.
Mbbandlungen erſchienen u. d. T. «Amoenitates
philologicae sive discursus varii» (3 Bde. Amiterb.
1729—32). — Bol. Chr. Thaarup, Ehriftian 5.3
Satirer med en Afhandling om Digterens Levnet
og Strifter (Ropenb. 1840).
Faliterbo, Städtchen im ſchwed. Lin Malmö:
bus, an der ſüdweſtl. Spige des Landes, bildet jeit
1754 mit Standr (2,5 km) eine Gemeinde mit
(1900) 983 €, Beide Drte waren im Mittelalter
ala Mittelpuntte des Heringsfanges, der no 1522
an 40000 Berfonen beibäftigte, von großer Bedeu⸗
tung und ftanden in lebhaftem Verlehr mit der
Hanja. Stürme und Flugſand verſchütteten im
17. Jahrh. den Hafen, und die Fiſcherei zog fib nad
den nördlichern Küjten. Bemerlenswerte Dentmäler
früberer Größe find die alten Kirchen. Bor 3.
ziebt ih nab SW. das gefährliche Falfterbort
mit Leuchtfeuer.
Falsum (lat.), etwas Falſches; Faͤlſchung (f. d.).
Falsus procurator — TFaltenwefpen
Falsus proourätor (lat.), falſcher Vertreter.
eweit jemand, der als Vertreter einer andern
on auftritt, obne dazu berechtigt zu fein, ins:
befondere ohne eine rechtögültige Vollmacht zu ha⸗
ben, ſich dadurch erjaspflichtig made, war in ber
gemeinrechtlichen Theorie beitritten und ift von den
neuern — 79 verſchieden geregelt. Wah⸗
rend der Code civil feine nähern Vorſchriften giebt,
macht das Oſterr. Bürgerl. Geſetzbuch ($. 1035 fg.)
den F. p. für alle Folgen verantwortlich; diefe
Haftung fällt weg, wenn der Vertreter zur Abmwen-
dung eines bevorjtebenden Schadens oder zum kla⸗
ren überwiegenden Borteil deö andern gebanvelt
bat. Das Deutſche Bürgerl, Geſetzbuch ($. 179) läßt
— den, der als Vertreter einen Vertrag ge:
ſchloſſen bat, dem andern Zeile nad deſſen Wahl
Uung oder Schadenerjaß haften, wenn der
eter jeine Vertretungsmacht nicht nachzumeifen
vermag und ber Bertretene die Genehmigung bed
Vertrags verweigert. Hat der Bertreter den Mangel
ber Vertretungsmacht nicht gelannt, fo foll er nur
für den Erſaß des Schadens haften, ben ber
andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Ber:
tretungsmadt vertraut hat, jedoch nicht über den
Betrag des Intereſſes hinaus, welches er an der
Wirkſamleit des Vertrags bat. Der Vertreter haftet
nicht, wenn ber andere Teil den Mangel der Ber:
tretungsmacht kannte oder fennen mußte. Der Ver:
treter joll auch dann nicht haften, wenn er in der Ge:
bäftsfäbigleit beſchränkt war, es jei denn, daß er mit
uftimmung jeines ‚geeniten Vertreters handelt.
Bei einjeitigen Rechtsgeſchäften ift Vertretung
obne Bertretungsmadt unzuläffig, außer unter ge
wifjen Borausfegungen mit Wiflen der Gegenpartei.
Dieje Beftimmungen gelten aud für das Handels—⸗
recht, die ſachlich damit übereinftimmenden Säge,
die bierüber das alte Handelsgeſetzbuch entbielt,
find in das neue von 1897 nicht mit aufgenommen
mworben. — Ein F. p., der eine MWechjelerflärung
unterzeichnet, baftet perfönlich ebenfo, wie der an-
eblihe Machtgeber . baben würde, wenn die
ollmacht erteilt gewejen wäre; dasjelbe gilt von
Bormündern und andern Vertretern, die mit fiber:
eitung ihrer Befugniſſe Wechielerflärungen aus⸗
llen vr Large ha 95). — Im Eivilprozeß
nn jemand ohne Beibringung einer Bollmadıt als
Vertreter einer Partei zugelajien werden, jedoch
muß er deren — in einer ihm bejtimmten
Friſt beibringen; unterläßt er das bis zum End»
urteil, jo wird er zum Erjaße der dem Gegner in:
folge der Zulafjung erwadienen Koſten verurteilt
und bat ibm auch die fonjtigen Schäden zu erjeken
(Eivilprozgeßordnnung $. 89).
Faltboote, Fabrzeuge zur jhnellen Heritellung
von libergängen über Wajlerläufe. Die Boote be:
heben aus je zwei Kaffen(End-)itüden und einem
Nittelitüd; ihre Konſtruktion (Holzgeitell mit ins
nerm und äußerm Leinenbezug) geftattet ein fächer⸗
artiges Zufammenfalten. Die — Länge beträgt
65m, die Höhe O,s m, der Überbau wird durch
Prettervon 4 m Länge und 1m Breite gebildet.
Ein Regiment kann mit diejem Material Brüden-
fege dis zu 20 m Länge bei 1m Breite beritellen,
wobei die Mittelftüde und je zwei verbundene
Kaftenftüde vier Unterjtüsungen abgeben; eine
Hrüde von 3 m Breite fann 8m Länge erhalten.
fz fann auch aus beiden Booten eine Überſetz
naibine bergeitellt merben, die Raum und Trag:
dermögen für e
441
Pferde oder für ein triegämäßig beladenes Geihüs
mit Protze und vier Bedienungsmannfcaften, oder
für Sättel, Gepäd und Ausrüftung von 45 Kar
valleriften, oder für 25 Mann Infanterie mit .
Durch Vereinigung des Materiald mebrerer Regi⸗
menter find längere Brüden (pro —— 8 m) her⸗
zuſtellen, die das lübergehen aufgeſeſſener Kavallerie
und das Hinüberziehen von Feldgejhüsen geſtatten.
Die jedem deutihen Kavallerieregiment b zu⸗
eteilten F., die auf einem eigens hierfür gebauten
Wagen (: —— verladen wurden, wer⸗
den jetzt durch Stahlboote erſetzt, deren je zwei (Halb⸗
pontons), ineinander geſetzt, auf einem Wagen ver:
laden werden. — & terreih: Ungarn bat verſuchs⸗
weile im Manöver Dlaterial verwendet, das für ein
Ravallerieregiment vier F. enthält undeinenBrüden-
fteg von 50 m Länge und 1 m Breite berzuftellen
eitattete. — Abweichend ift das ruſſ. Segeltudb:
oot von Tſchernow, das 14 Mann mit völliger
Augrüftung tragen foll und im Sommer 1892 er:
probt wurde. Es ift eine weitere Entwidlung ber
ruſſ. Segeltuchboote, die 1814 beim Übergang über
den Rhein und 1877 über die Donau verwendet
wurden; fie unterſcheiden fi) aber von diejen durch
eringered Gewicht (234 gegen 300 kg). Auch in
ar eich find Verſuche mit F. gemacht worden.
ie engl. Kavallerie erprobt jegt zwei Arten von F.,
bie auf zweiräberigen Karren oder —— Pad:
pferd mitgeführt werden können. Ihre Brauchbarteit
fann durch den leichtern Transport nur gewinnen
(f. Lanzenboote).
—— ſ. Klappbrüde,
alten, in der Geologie die ſtarlen welligen
Biegungen, welche die ———— Geſteine durch
eine nachtraͤgliche ſeitli en ibrer
Schidten erfahren Der ine einfache Falte be
fteht aus einer Mulde und einem Sattel, der mit
der Mulde einen Flügel, den ſog. Mittelfchentel,
emeinjam bat. Mebrere folder F. fönnen zu einem
Salteninftem aneinander gereibtjein. (S. Gebirgs⸗
ildung, Mulden und Sattel.)
altengebirge, |. Gebirgsbildung.
altengecko (Ptychozoon homalocephalum
Kuhl,, |. Tafel: Ehen IU, ig. 4), Fältler, eine
va bewobnende, 20 cm lange Art der Gedonen
. d.), welche durch eine Seitenfalte ausgezeichnet
find, die den bintern Teil des Kopfes, die Glied:
maßen und Zeben, den Rumpf und, bogig ausge:
ſchnitten, den Shwanz umgiebt, Die Farbe ift matt:
raubraun, oben mit dunflern, im Zidzad verlau:
Eben Querbinden.
Faltenhornvogel, ſ. Nashornvögel und Tafel:
Rududsvögell, Fig. 3.
Faltenjura, Kettenjura, geolog. Bezeich:
nungen des Schweizer Jura, ſ. Jura 1.
Faltenlegmafchine, eine Einrichtung, die bes
ftimmt ift, das Legen von Falten oder Zollen in
Stoffen oder Geweben auf mechan. Wege jelbftthätig
u verrichten. Bejondere Verwendung finden die F.
bei der Yabrikation gefältelter Hemvdeneinjäge und
der Heritellung von Nüfchen, Pliſſes u. f. m.
altenmorchel, ſ. Helvella.
sera + ſ. Hausſchwamm.
Faltenſchwein, eine in Japan gezogene Abart
des Hausſchweins.
Faltenweſpen oder Weſpen im engern
Sinne (Vespidae), eine Familie der ſtacheltragen⸗
den Hautflügler (f. d.), mittelgroß bis groß, meift
tmwa 2750 kg bietet, d. b. für drei | ſchwarz und gelb gezeichnet, die Vorderflügel der
442
Länge nach faltbar, was beſonders charalteriſtiſch
ift. Sie näbren ſich von füßen Eäften, Objt, ans
dern Inſekten, aub wohl vom Fleiſch größerer
Tiere. Man unterjcheidet 1) die hauptſächlich in
mwärmern Ländern lebenden Shmarogermweipen
(f.d., Massarinae); 2) die —— lebenden Mauer:
weſpen (Eumeninae). Sie legen ihre meijt röbren:
förmigen Nejter in Lehmmauern, alten Pfoſten
u. f. w. an, bringen in jeder Zelle ein Ei und
eine Anzahl dur einen Stich geläbmter Inſekten⸗
larven ald Futter für die Larve unter und ver:
ni gi dann die Zelle; 8) die geiellig lebenden
apierweipen (Vespinae). Das Neft der lektern
findet fih in Erbböhlungen, boblen Bäumen oder
—8 an Baumzweigen, Mauern u. dal. befeftigt. Es
eitebt aus einer papierartigen Maſſe, die aus zer:
fautem Holz bereitet wird, und fest fih aus einer
größern Anzahl von wagerecht gelagerten Waben
mit nah unten ofjenen regelmäßig: iechslantigen
Zellen zufammen. Außen ift e8 oft mit einer rund»
lichen ülle umgeben. Das Neft wird im Frübjabr
von einem überwinterten Weibchen begonnen, das
unädjt nur Arbeiterinnen erziebt. Diefe ſetzen den
au fort, füttern und pflegen die Larven, während
das alte Weibchen ich nur noch mit Eierlegen beſchäf—
tigt. Der Bau und die Zabl ver Bewohner wächſt
auf dieje Weife während des Sommers außerorbent:
li ſchnell. Erft gegen Ende des Sommers werben
auch Männchen und Weibchen erzogen. Die Weib:
chen werben befruchtet und überwintern, um im näch⸗
ften Srübjabr ein neues Nejt zu gründen, während
alle übrigen Tiere mit Beginn des Winters fterben.
In Deutihland gehören zu den häufigiten Arten
die beutjhe und die gemeine Weſpe (Vespa
germanica F. und vulgaris L., f. Tafel: Injet:
ten II, Fig. 3), die Horniffe (f.d.) und die Feld»
mweipe (Polistes gallica L.) mit Heinerm Neſte
obne Hülle. Hierher gehört auch Polybia sedula
Sauss. (j. Zafel: InfeltenI, Fig.2) aus Brafilien.
Faltentwurf, |. Gewand.
altenzahn, foijiler Haififch, |. Ptychodus.
alter, joviel wie Schmetterling; dann fpeciell
eine Familie der Tagichmetterlinge.
altfächer, ſ. Fächer.
altitſcheni (Falticeni), rumän.
ältler, ein Reptil, ſ. Faltengecho.
altmaſchine, eine Maſchine, welche Gewebe
in Faltungen von beſtimmter Länge übereinander—
legt; dient meiſt gleichzeitig als Meßmaſchine.
altſch, Faltoſch, Faliſche, moldauiſches
Feldmaß = 2880 Quadrat⸗Stingene = 141 a.
altichi, rumän. Kreis und Ort, f. Falciu.
tſtuhl, Klappſtuhl (mittellat. faldisto-
lium, daraus franz. fauteuil), eine Form des Stubles
oder Seſſels, bei der die Stäbe der Füße und Seiten:
teile fich freuzen und, in der Kreuzung durch einen
Querjtab verbunden, um diejen Stab ana fi
zujammenflappen lafjen. Die einfache Form des F.
war fhon dem Altertum bekannt und diente bei ven
Römern als die Form des Kuruliichen Stublä (f. d.).
Auf den mittelalterliben Darftellungen ift fie über:
ausbäufig. Der ältejte erbaltene F., der aber nur die
orm entlebnt bat und übrigens fteif ift, weil aus
3 — iſt der im Louvre zu Paris befindliche
og.
Folticeni.
Stadt 8
bron des fränk. Königs Dagobert. Beſonders
intereſſant durch ſein hohes Alter ſowie durch ſeine
ſchone — — in Bronze und Elfenbein iſt der
Thronſeſſel der Äbtiſſinnen im Kloſter Nonnberg in
Salzburg aus dem 13. Jahrh. Im 14. und 15. Jahrb.
Faltenwurf — Falz
erhielt der F. reichere Verzierung in Schnitzerei oder
Marquetterie, wurde aber ſteifer, minder beweglich
und meift mit einer niedrigen Rucllehne verjeben.
Gegenwärtig find F. jelbit in einfachſter Form als
fog. Faulenzer bergeitellt, ſehr beliebt.
Satutan, f. Dalelarlien.
alun, Stadt in der ſchwed. Landſchaft Dalarna
(Daletarlien, f.d.), Hauptitadt desfopparberas:Yän,
liegt in einem Thale auf beiden Seiten eines Baches
an defien Münpung in den Runnjee und an den
Linien Gefle:Dala, %.:Rättvil: Mora und F.-Kil—
Göteborg der Schwed. Privatbabnen. F. iit Sis
des Landeshauptmanns, beftebt aus neun Stadt:
teilen, ift jeit dem Brande von 1761 regelmäbia an⸗
gelcat, aber infolge des Hüttenbetriebes von düfterm
njeben. Die Stadt hat (1900) 9606 E., zwei fir:
den, eine böbere Schule, ein Altertumsmuſeum
mit reihen Sammlungen und ein großes Arbeits:
baus. F. ijt berühmt durd fein Kupferwerl. Die
Grube Fa grufpa oder Stora Kopparber:
get, 1,3 km im SW. der Stadt gelegen, bejtebt aus
einer offenen Pinge, Stöten genannt, einem Ab:
grunde, der im 17. Jabrb., namentlich 1687, durch
den Ginjturz alter Grubenbaue entjtand und durch
Erdrutſche 1833 und 1876 erweitert wurbe. Die
Grube iſt 385 m lang, 211 m breit und bat eine
größte Tiefe von (1895) 354 m. Unten am Boden,
den ungeheure Schutthaufen bededen, befinden ſic
die Eingänge zu den tiefern, jetzt im Betriebe jteben:
den Gruben. Die Maſchinen werden durch Waſſer⸗
traft getrieben. Seit 1888 ift das Bergmwert im Bela
einer Attiengejellihaft. DieAusbeutean Kupfer war
früber ſehr beveutend; f betrug im 17. Jabrb., me
das Bergwerk zu F. in feiner Blüte ftand, im Durch
fchnitt jährlich 1760 t, vom 13. Jahrb. bis jekt im
ganzen etwa 500000 t. In ben legten Jabren wur:
den die Kupfererze bauptiäblih zur Gewinnung
von Bitriol verwendet; außerdem wird nod Gold,
Silber und Schwefel gewonnen. Mit der Kupfer:
rube find eine Schrotfabrif ſowie Anftalten zur
Bereitung von Vitriol, Schwefel und Braunrot ver:
bunden. Das Wert beijhäftigt 520 Arbeiter, vie .
meift eigene Wohnpläge befisen. 1716 fand man
in einer Tiefe von 134 m die in den vitrioliſchen
Gewäſſern unverfehrt gebliebene Leiche eines 1670
verjhütteten jungen Bergmann, welchen ein altes
Mütterhen ala ihren einftigen Bräutigam erkannte
H. Heine benugte den Stoff zu einer Ballade, E. T. A.
Hoffmann zu einer Novelle. — Bol. Friedmann, Die
Bearbeitungen der Gejchichte von dem Bergmann
von F. (Berl. 1887). ,
Faluner Brillanten, Faluner Diaman—
ten, Binnbrillanten, ber ftarlalängende, dia:
mantäbnlihe Zinnſchmuck der Theatergarderobe, be
ftebend aus einer Legierung von 29 Mer unt
alunit, j. Cordierit. 19 en Blei
alu (arab.), eine Heine arab. Münze (f. Tafel:
Münzen IV, Fig. 11).
Falva (ungar.), Dorf; häufig in zujammen:
geiekten ungar. Ortsnamen.
Falwen, rufj. Vollsſtamm, ſ. Rumanen.
Falx (lat.), Singular von Falces (f. d.).
Falz, eine bei Holz» und Blechverbindungen fo
wie bei Verſchlüſſen vortommende Vertiefung ober
Falte des einen Teils, in die ein Rand oder Bor:
iprung des andern Teils eingreift. So tommt ber
B vor bei der Verbindung von Brettern zu Schu:
ungen und Fußböden auf Nut (Sal) und Feder
(Spund); bei der Verbindung ver Ballen mit dem
Falzeiſen — Familie
Shwarteneinjchube der Feblboden; bei dem An:
ihlag der Fenſter⸗, Thür: und Ladenflügel an die
Sutter derjelben oder an die Gewände u. |. m. Er
wird meijt mittels eines bejondern Werkzeugs,
dem Falz- oder Nutbobel (j. Hobel), und auf der
Falz⸗ oder Hobelbant bergeftellt. Bei Fenftern tommt
noch der jog. Kittfalz vor, der zur Befeſtigung
und Dichtung der Glasſcheiben mitteld des Fen—
her: oder Glaſerkittes dient. Bei den Metallpäcern,
wie Kupfer⸗, Zink⸗, Bleis und Eijenblehdadhungen,
443
Biihofsfis, fpäter ſeit Ausgang des 12. Se.
n. Chr. unter Guido von Yufignan und deſſen Nach—⸗
eig die reichite Stadt der Inſel. Später fam
ie an die Genuejen (1373) und an die Venetianer
us9). die ftarke, zum Teil noch beute vorhandene
efejtigungen anlegten. Doch mußte ſich die Stadt,
nad zebnmonatiger Belagerung, 1571 den Türten
ergeben. Seitdem ift je in Verfall geraten.
amarö (ipr. -mabr), Flecken im franz. Depart.
Nord, 5 km ſüdlich von Valenciennes, bat (1901)
942 E, und ijt befannt durch
feine röm. Altertümer (28000
Gegenftände). Eine Mauer iſt
der Reit des alten Fanum
Fig. ı. Big. 2. Big. 3. Big. «&
fowie bei der Heritellung von Blechgefäßen, dient
der 5. häufig an Stelle des Nieten? und Lötens
zur Bereinigung der Einzelteile (ſ. Falzen). Je nad)
der bejondern Bildung des F., bie Jeine Haltbarteit
bedingt, unterjheidet man den einfachen (f. vor-
ſtebende Fig. 1 u. 3) und doppelten F. (Fig. 2 u. 4),
den ftebenden (Fig. 1u.2) und liegenden F. (Fig.
3 u. 4) fowie den F. mit bejonderm Falzſtreifen oder
Dedialz (Fig. 5). Bei jedem F. hängt die Feitigteit
der —— von der Preſſung ab, unter der die
Falznaht geſchloſſen wurde. Eine ſchwache Preſſung
geſtattet bei gerader Falznaht die gegenieitige er:
\hiebung der zufammengefügten Zeile und madıt
den 5 da er zugleich einen waſſerdichten Abſchluß
e- rt, au einem gejhäßten Berbindungämittel bei
ach dedungen aus Blech.
zeifen, |. Hufeifen und Leberfabrifation.
zen, im allgemeinen das Umbiegen und
ammenlegen einer Fläche; in der Blechbearbeis
tung (j. d.) das Verbinden zweier Blechteile durch
Zujammenbalen der halenförmig umgebogenen,
eraben oder gerümmten Ränder derjelben. Die
Berbinbung | bft heißt Falz (f. d.). Über F. in der
Bud binderei ſ. d. in der Lederfabrilation f.Dollieren.
en, in der Jägerſpräche, ſ. Balzen.
Hobel, j. Falz und Hobel.
alzmafchine, eine mean. Cinrihtung zum
—— des geraden Randes einer Blechtafel oder
einer pe, auch zum Brechen (Falzen) von Drud:
— (f. Blechbearbeitung und Buchbinderei nebſt
Taj. I, Fi
a J . 8).
werihiuf „ſ. Blehbüdfen.
am, Famthee, f. Angrecum.
ma (lat., «Gerücht»; grch. Pham& oder Ossa),
Berjonififation des Geruchts oder der Sage, die ſchon
von Heftod pen wird. Sie hatte in Athen einen
Altar. Birgil nennt F. die jungſte Tochter der Erde,
vie Schmweiter des Enceladus (Enlelados) und Cous
Koios). Die Erde gebar fie, um ſich wegen Nieder:
werfung ibrer Söhne, der Titanen und Giganten,
an den Göttern zu rächen. Dvib bejchreibt ihre
Bobnung als einen PBalajt mit taufend Öffnungen
und aus tönendem Erz —
Famaguſta (geb. Ammachöſtos), Hauptort
des —— F. auf ber Oſtkuſte Cyperns, hat (1901)
mit Barofia 3825 E., eine Mojdyee (ehemals Kathe⸗
drale), ein Muſeum, Ruinen von Kirchen und Ba:
lälten und einen Hafen, der, von den Engländern
verbeflert, der berabgelommenen Stadt neuen Auf:
ibwung zu geben veripridt. In der Nähe Sala:
mis (f. d.). — F., als Fama Augusta, vielleicht
an Stelle einer ältern Stadt Arfinoe, in der röm.
Railerjeit gegründet, wurde unter den Byzantinern
Bis. Martis (Marstempels). Bei
3. hatten die Franzoſen 1793
ein verfhanztes Lager angelegt, aus dem fie am
23. Mai von den Öjterreidhern vertrieben wurden.
Famatina (Sierra F.), Gebirgszug in der
argentin, Provinz Rioja, ditlih von den Eorville:
ren (ſ. Karte: 2a PBlata:Staaten u. ſ. w.), im
Mittel 3000 m hoch, erreicht im Nevado de F. (29°
der Breite) 6020 m Höhe und ſetzt ſich unter andern
Namen nah ©. bis nah Mendoza, nah N. bis
Gatamarca fort. Die Haupttette bilvet Granit, zu
defien Seite ſich ſiluriſche Schiefer und rhätiiche
Sanpjteine anlagern. Dazu treten Porphyr und
Trachyte. Gegen den 30.” wird das Gebirge ſchnell
niedriger und wendet fih nah SO. Im mittlern
Teil gewinnt man Silber, Gold, Kupfer und Wis:
mut, namentlich am teilen Ditabfall. Im S. vom
Drte F., in 1150 m Höhe, liegt Chilecito (Billa
Argentina, 1049 m), der Mittelpunkt des Berg:
baues, mit (1895) 2557 E. einer Bank und Drabt:
feilbahn (35 km) nad) La Meiicana (4585 m).
Famenne, aut angebaute Landſchaft in ben
belg. Provinzen Luremburg und Namur, zwiſchen
dem Gondroz und den Ardennen, mit dem Hauptort
Mare, von der Zeile und der Durtbe durchfloſſen
(. Karte: Belgien und Luxemburg).
Familia charitätis ed, Familiſten.
Familiär (lat.), Vertrauter, Hausfreund; auch
Diener (namentlich der Inquiſition); familiär,
in der Meife eines zur —— Gebörigen, vertraut;
Samiliarität, ad iäreö Benehmen; ji fa:
miliarifieren, fi vertraut machen mit jemand
oder etwa. Familiäres, in den Klöjtern die in
einem gewiſſen Verbande mit dem Orden jtehen:
den Dienerund Handwerter; Familiaresdes Papſtes
(famiglia .—. oder der Bilchöfe, die zu ihrem
Hofbalte oder Haushalte gehörenden PVerfonen.
Familie. Diejed von dem lat. familia herkom⸗
mende Fremdwort ift erft feit dem Beginn des
18. Jahrh. in Deutihland gebräuchlich geworden.
Vorber gebraudte man dafür das Wort Haus, wie
denn auch das röm. familia urjprünglid das Haus:
weien, d. b. den Hausvater mit den feiner Gewalt
unterworfenen Perſonen, feinen Stlaven und jei:
nem fonjtigen Eigentum umfaßte. Heute bat F.
— Debtuiengen, Man ſpricht von F. haben
im Sinne von Kinder baben, jodann verjteht man
unter 5. die Gemeinſchaft der Ehegatten und ihrer
Kinder, in noch weiterm Sinne die Verwandtichaft,
die Sippe, das Geſchlecht, den Kreis der durch ge
meinfame Abſtammung Verbundenen, ohne Rüd:
iht darauf, ob die Wurzel der Verwandtſchaft
abrhunderte weit zurüdliegt, und ob Die Verwandt⸗
haft durh Männer oder frauen vermittelt wird.
er Sprabgebraub, nah dem man zur F. auch
444
Nihtwerwandte, 3. B. das Geſinde rechnet (fo noch
im Breuß. Landrecht), ſcheint fi nah und nad zu
verlieren. — Das Deutfhe Bürgerl. Geſetzbuch
priht von Unterbringung eines Kindes in einer
. (88. 1666, 1838, ebenjo das Einführungsgeieh
rt. 34, I und 135) und gebraudt im übrigen das
Mort nur in Zufammenjeßungen. Das Bjterr.
Bargerl. Geſetzbuch definiert 5. dahin, daß darunter
die Stammeltern mit allen ihren Nachlommen ver:
ftanden werben jollen ($. 40).
Das Familienreht (Deutfhes Bürgerl. Ge
ſehbuch 4. Abſchnitt) umfaßt die Vorfchriften über
die Ehe, die Verwandtſchaft und die Vormundſchaft.
Das Familienverbältnis wird nicht ausschließlich
durch Rechtsſätze geregelt. Es ift zugleich ein fitt:
lies Verhältnis. (S. Ehe und Eltern.) Liebe, Ge:
orfam, Wohlwollen und Sorge für die Perfon
ollen das Familienverhältnis durchdringen; dies
nd innere Beziehungen, welche das Sittengejek
aufftellt, und welche das Recht nur teilweiſe vorſchrei⸗
ben, der Richter nicht erzwingen kann. Es bejteben
nit einfache Schulpverbältniffe, durch welche bes
ftimmt begrenzte Rechtsverhältniſſe ſich ergeben,
vielmehr wird der ganze Menſch davon ergriffen.
Selbſt die vermögensrechtlichen Verbältnifie, melde
fih neben den dem Perſonenrechte angebörenden
ergeben, laſſen ſich nicht in allen Einzelbeiten durch
eite Säbe regeln. — Der Aniprub aus einem
amilienrehtlihen Verhältnis unterliegt der Ber:
äbrung im Gegenſatz zu andern Anfprüden nicht,
Tot er auf die Heritellung des dem Verhältnis
entſprechenden Zujtandes für die Zukunft gerichtet
ift (Deutſches Bürgerl. Geſeßb. $. 194; Oſterr.
ürgerl. Hg 88. 1458, 1481).
Zugleich ift aber die F. die wichtigſte Grundlage
des —— Rechts; auf ihr beruht die ſtaat—
liche Ordnung. Deshalb findet ſich auch die An—
ß t vertreten, das Familienrecht geböre dem öffent:
ihen Rechte an. Daber weiſen mande Rechte der
Gemeinde, als der weitern F., eine mwejentliche
Mitwirkung bei der Bormundihaft zu. So bat
3. B. das Deutihe Bürgerl. Geſetzbuch die Einrich⸗
tung des Gemeindewaijenrats (j. Waifenrat), deſſen
Drganifation aber der Landesgeſeßgebung über:
lafien ift. Ein eigenartiges Familienrecht batten
bisher die hochadligen und zum Zeil auch die adli—
7 F. Die hochadlige F. zeigte insbeſondere die
eſonderheit, daß fie Autonomie hat und nach der
Anſicht mander eine jurift. Berfon ift, alfo in ihrem
Beitand vom Mechfel ibrer Glieder rechtlich unberübrt
bleibt. Das Bürgerl. Geſetzbuch läßt piejes Familien:
recht der lanbeäberrlichen — der Häuſer
Hohenzollern, Hannover, Kurbeſſen und Naſſau, das
ber reichsſtändiſchen F. und des übrigen vormali—
en Reichs⸗ und des ihm gleichgeftellten landſäſſigen
dels beftehen. (Einfübrungsgejeß Art. 57 u. 58.
Über die Entwicklungsgeſchichte der F.
erricht infolge der neuern Forſchungen auf dem Ge
iete der vergleichenden Völtertunde in der Mifjen:
oft lebbaftejter Streit. Die ſich befämpfenden
einungen find als Mutterrechtd: und als Vaters
rechtötheorie zu bezeichnen. Die Vertreter der eritern
lehren, mit vielerlei Abweichungen im einzelnen,
im ganzen folgendes: Die jeitgefügte Einzelfamilie
mit dem Zufammenmwobnen und wirtſchaften von
Mann und Weib (gleibgültig, ob dabei Polygamie
oder Bolyandrie berriche), mit der Vorberrichatt des
Mannes, ſei ein relativ ſpätes Produkt böberer
Kultur ; vorber babe bei der ganzen ältern Menich:
Familie
dei ein anderer, angeblidy bei primitiven Bölter-
haften, 5.8. in Auftralien, noch heute vorlommen⸗
der Zuftand geberriht: der der Promiskuität, d. b.
es habe ein durch feinerlei ceremonielle Berbindung
bedingter völlig freier Geſchlechtsverleht zwiſchen
fämtlichen Mitgliedern eine® Stammes oder doch
ewijjer Unterabteilungen des Stammes beftanden
\ Gemeinihaftsehe). Manche eigentümliche Sitten,
o daß die junge Frau vor der Heirat fib allen
Stammesgenofjen preisgeben muß, oder daß bei
ewiſſen Feierlichleiten oder ſchweren Unglüdstagen
oft nur auf einige Stunden) allgemeiner Geicledtös
verlebr eintritt, bat man als Überbleibjel von Ges
meinſchafts⸗ oder Öruppeneben gedeutet.
Auch aus der Geſchichte des Eigentums fucht
man Beweife gegen das urfprüngliche Befteben der
Einzelehe. Wie man in der Urzeit den individuellen
Beſitz nicht oder höchſtens an Werkzeugen und Waf—
fen tenne, während das Grundeigentum kolleftiver
Natur fei, wovon ſich noch beute Nefte erbalten ba=
ben (f. Haustommunion), fo beitebe auch eine jeruelle
Gemeinſchaft mit allen. Bon diefem Standpuntte
aus muß man notwendig aud zu einer gegen früber
— veränderten Auffaſſung der F. und ber
erwandtichaft fommen. Unter der Herricaft der
Promistuität kdann jelbjtverftändlich die Verwandt:
ſchaft nicht dur die Zeugung, jondern nur durch
die Geburt, durch das ſinnlich wahrnehmbare Band
zwiſchen Mutter und Kind vermittelt werden, von
einem fittlihen oder religiöien Berbältnis des
Kindes zum Vater fönnte nicht die Rede jein, ein
ſolches wäre vielmebr nur zwiſchen dem Rinde und
dem Bruder der Mutter möglib. Das Recht des
Vaters dagegen babe urfprünglih mit der Ber:
wandtſchaft gar nichts zu tbun, jondern fei eine
Herrengemwalt, die weit über die Grenzen der Bluts:
verwanbtichaft binausgreife. Demgegenüber wird
von der andern Seite bebauptet, e8 gebe fchlechter:
dings fein primitives Volt, deſſen Geſchlechtsver—
bältnifje fich einem Zuſtande von Promiskuität aud
nur annäberten, und ebenfomenig babe diejer früber
jemals bei einem Bolte geberriht. Was man dafür
ins Feld führe, feien nur die allerdings ſehr lojen
Beziehungen zwiſchen der männlichen und meib-
lichen unverbeirateten Jugend, die ältern Männer
aber befänden fich ſtets im dauernden und aus:
en Beſit beftimmter Frauen. Das unleug:
ar vortommende engere Verhältnis zwiſchen den
aus einem Mutterleibe ftammenden onen babe
einzig und allein die Bedeutung, daß unter dielen
die Heirat verboten fei, alle andern Lebensverbält:
nifje würden nur durch die Stellung zum Vater,
nicht zur Mutter oder ihrem Bruder bejtimmt.
tiberall auf der ganzen Welt, beute und immer jei
es die F., beitebend aus Vater, Mutter und Kind,
die ald Grundlage der focialen an
fproden werden müjje. Eine endgültige Entibei:
dung der Frage dürfte faum möglich jein; eingeben:
dere etbnolog. Forſchungen haben jedoch ergeben,
daß die Entwidlung ſich durhaus nit überall
gleichartig volljogen bat.
Die frühere große Bedeutung der Mutter in der
. (fie ift das Haupt der Geſchlechts-, der Vater das
aupt der Hausgenofjenihaft) zeigt übrigens heute
nod die Auffafiung bei den Serben, Kroaten und
andern ſlaw. Völlern in Anfebung der F. auf dem
Sande, welche Inokosna genannt wirb. Vgl. darüber
Bogidid, De la forme, dite —— la famille
rurale (Bar. 1884). Diele F. ift eine Genoſſenſchaft.
Familienanwartihaft — Familienfideitommiß
der ein männliches und ein weibliches Familien:
baupt vorjteben. (S. aud Familie, Bo. .
In der Naturgefhihte nennt man F. jede
Heinere Abteilung des natürlichen —— in
welche die in gewiſſen nen baftlihen Merkmalen
näher miteinander übereinjtimmenden Gattungen
von Naturlörpern nad) ihrer natürlichen Verwandt:
ſchaft zufammengeftellt find. Der Eharatter ver F.
wird dur allgemeine Analogie aller Zeile be
ftimmt. Die F. —— weiter in Unterfamilien
und Gattungen; mehrere verwandte F. zuſammen
bilden Ordnungen und mehrere zufammengebörige
Ordnungen Klaſſen. Natürliche F. aus der Ord:
nung der Singvögel find 5. B. die echten Sänger
(Sylviidae) mit den Gattungen Sylvia, Lusci-
nia, Regulus u. j. w.; natürlihe Pflanzenfamilien,
j. Syſtematik.
Bal. außer der Litteratur zu den Artikeln Ehe und
Mutterrecht: Qaveleye, De la propriste et de ses
formes primitives (Bar. 1874; deutſch bearbeitet
von Bücher u.d. T. Das Ureigentum, Lpz. 1879);
Giraud:Teulon, Les origines du mariage et de la
famille (Genf und Bar. 1884); Lippert, Geſchichte
der F. (Stuttg. 1884); MacLennan, Studies in an-
cient history (2ond. 1876); deri., The patriarchat
theory (ebd. 1885); Morgan, Ancient society ſebd.
1877); Starde, Die primitive F. (Lpz. 1888); Hell:
wald, Men —— (ebd. 1889); Bolt, Entwid:
—— te des Familienrechts (Oldenb. 1889);
derj., Grundriß der etbnolog. Jurisprudenz (2 Bde.,
ebd. 1894— 95) ; Brentano, Die Volkswirtſchaft und
ihre konkreten Grundbedingungen (Freiburg und
£pz. 1893); Engelö, Der Uriprung der %., des
ee sr und des Staates (8. Aufl., Stuttg.
1900); Diude, Horde und F. (ebd.1895); Groſſe, Die
ormen der 5. und die Formen der Wirtfchaft Freib.
L Br. und Lpz. 1896); Schmoller, Die Urgeſchichte
der 5. (im «Jahrbuch für Gelebgebung, Verwaltung
und Bollswirtihaft», Bd. 23, I, %pz. 1899); Artitel
Familie im «Handmwörterbucd der Staatswiſſenſchaf⸗
ten», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900). miß.
—5——— ſ. Familienfideikom—
amilienbrüder, eine Kongregation des
Mönchäordens der Franziskaner (f. d.).
Familiendiebitahl, der gar nicht oder nur auf
Antrag verfolgbare Diebjtabl, welcher gegen ge:
wifje, dem Thäter nahejtebende Berjonen begangen
wird. Straflos ijt der Diebſtahl (und die Unter:
&lagung), welche von Verwandten aufiteigender
inie gegen Berwandte abjteigender Linie oder von
einem Ebegatten gegen den andern begangen wor:
den iſt. Nur auf Antrag zu verfolgen iſt, wer einen
Diebjtabl (oder eine Unterfhlagung) gegen Ange:
börige, Bormünder oder Erzieher begebt (Deutiches
Strafgeiesb. $. 247).
Familienfideifommih, jjamilienanwart:
ſchaft, eine Vermögensmaſſe, die vermöge einer
Privatanordnung in der Weije für umveräußerlich
erflärt ift, daß jie für immer bei einer gewiſſen
Familie verbleiben und in ihr ſich nach einer vom
Stifter vorgejchriebenen Ordnung weiter vererben
joll (man 555 daher von einer successio ex
cto et providentia majorum). Dem Fidei—
mmißbefiger ijt daber jede Verfügung unter:
fagt, durch welche das Vermögen aus der Familie
berausgebracht oder defien Beitand gefäbrdet wird;
er darf auch eine lestwillige Verfügung darüber
nicht treffen. Der Zwed dieſer Rechtsbildun
ift, der Familie eine gemifje wirtihaftliche, gefell:
445
—— und polit. Stellung dauernd zu ſichern.
as F. iſt daher wohl zu unterſcheiden von dem
Fideilommiß (j. d.) des röm. Rechts. (S. Erbſchafts⸗
vermächtnis und Vermächtnis.) Zwar bat man das
F. aus dem röm. fideicommissum familiae, das
aber in der vierten Generation erloſch und auch
nicht gegen Dritte wirkte, geichichtlich berzuleiten
ejucht, doch hat es ſich thatſächlich aus dem fpan.
ajorat entwidelt, vielleicht unter Anlehnung an
das deutfchrechtlihe Inftitut der Stammgüter.
‚ Die Franzöſiſche Revolution betrachtete die F. als
eine volföfeindliche Einrichtung und defretierte ihre
Aufhebung (Code civil Art. 896), daher giebt es
auch in Eljaß:Lotbringen und der bayr. Pfalz feine
F. Die 1848 vom Frankfurter Barlament beſchloſſe—
nen Deutihen Grundrechte (j. d.) hatten diejelbe
Tendenz, daber erfolgte ein Verbot der F. in Frank—
furt a. M. und Oldenburg. Für Preußen ift das in
der Verfaſſungsurkunde ausgefprochene Verbot, F.
zu errichten, durch Geſetß vom 5. Juni 1852 auf:
geboben.
Die Errichtung eines F. ſeßt eine ausprüdliche
Millenserklärung des Begründers unter Lebenden
oder von Todes wegen voraus; biejer darf dadurch
weder feine Gläubiger noch Pflichtteiläberechtigte
verlegen. Nach dem bayr. und bad. Rechte können
5 nur für adlige Nachfolger errichtet werden.
ac einer Mehrzahl von Rechten iſt landesberr:
lihe Genehmigung erforderlih (in Braunſchweig,
Baden, Hannover, Heſſen, Sachſen, den thüring.
Fürjtentümern; in Preußen nur, wenn der Rein:
ertrag 30000 M. überjteigt), nad andern Rechten
——— Beſtätigung (in Preußen bei geringerm
Reinertrag, in Bayern); nach dem öſterr. Geſetz
vom 13. Juni 1868 iſt die Errichtung nur dur
Reichsgeſeß zuläſſig, das überdies nicht auf einem
nitiativantrag beruben darf. Durchweg ijt die
Gintragung der Eigenjchaft als F. in das Grund:
buch vorgejchrieben.
Gegenjtand des F. können nur ſolche Gegen:
ftände jein, welche einen dauernden Ertrag pewäb-
ren und jelbjt von Dauer find. Bon den Grund:
jtüden find nad preuß., bayr. und braunſchw.
Recht nur landwirtichaftliche geeignet. Selbjtändige
Rechte und Rechte, welche Renten gewähren, kön:
nen nad) den meiiten Nechten ala Gegenjtand die:
nen. Beweglihe Sachen können nur ala Zubehör
von Grundjtüden Gegenitand eines F. fein. Gelp:
tapitalien können in Bayern, Sadjen, Baden,
Heſſen und Braunfhweig nur in Verbindung mit
Grundftüden Gegenftand eines 5. jein, nad andern
Rechten auch felbitändig, fofern ſie gebörig fundiert
ind. Das preuß. Necht erfordert für den Gegen:
— einen Reinertrag von mindeſtens 7500 M.,
ebenſo das ſächſ. Recht, für Geldfideikommiſſe ein
Kapital von 30000 M.; für Hannover find 3600 M.
Reinertrag ausreichend; für —— ſind
9000 M. Reinertrag erforderlich u. ſ. w. Einige
Rechte ſehzen feſt, dab ein gewiſſer Höchſtertrag,
z. B. in Baden von 8000 bis 30000 Gulden Rein—
ertrag, je nach dem Stande des Stifters, nicht
uberſchritten werden darf. Für das Gemeine Recht
ichrieben einige dem jeweiligen Befißer nur Nub:
eigentum an dem Gegenftande zu, andere erflärten
ibn für einen befchräntten Cigentümer. Für die letz—
tere Auffafjung baben fih entſchieden das ſächſ.
und das bad. Necht, für die eritere das preuß., bayr.
und heil. Recht, ſowie das Siterr. Bürgerl. Geſetz—
buch; jedoch bejtimmen die Ausführungsvoricrif:
446
Familienherd — Familienpakt
ten zur Reichsgrundbuchordnung jest fait überall, Entwidlung und vollswirtſchaftlichen Bedeutung
daß der Fideilommißbeſitzer als Gigentümer einzu:
u jet.
Die geltenden Rechte regeln im einzelnen die
Rechte und Pflichten des Fideilommißbeſiters Io
wie die Haftung des F. für Schulden, zum Teil fo,
dak nur die von allen Anmwärtern, d. b. denen, die
künftig Rechtsnachfolger werden können, gebilligten
Schulden Familienfideilommißihulden Im (He:
fen), zum Teil daß nur landesberrlich geneb:
migte Schulden Familienfideitommißichulden find
(Braunfhweig, Hannover), zum Zeil dabin, daß
der Beſiher mit Genehmigung des Gericht? oder
der Anwartſchaftsbehörde (Sachſen) verfhulden
kann (Öfterreich), jedoch mit Haftung nur der Ein:
fünfte und in Ofterreih nur bis zu einem Drittel
des Merts, teild mit näberer Untericheivung ver:
fchiedener Arten von Schulden (Preußen, Bayern).
Das F. erlifcht, wenn kein Anwärter mebr
vorbanden ift; jedoch ift auch für diefen Fall in
Baden der — auf weibliche Familienglieder
eſetzlich geregelt. Ob ein F. durch Familienſchluß
F d.) aufgehoben werden kann, iſt für das Ge—
meine Recht ſtreitig. 3 Preußen iſt die Aufhebung
zugelaſſen. Nach ſic Recht iſt fie erſt in der drit:
ten Hand und nur mit Genehmigung der Anmärter
und der Anwartſchaftsbehörde zuläſſig. Bayern
und Oſterreich fordern die Zuziehung eines Pfle—
erö für die Nachkommen. Bavern und Anbalt ver:
ngen gerichtliche, Baden und Braunſchweig lan:
deöherrliche Genehmigung der Aufhebung. Someit
ein Zwangsverkauf des F. wegen gewijjer Schulden
zuläifig ift (Preußen, Heilen, Braunfchweig), erlischt
das F. mit dem Zwangsverkaufe, nach bad. Rechte
durd Verkauf außer der — —
Verſchiedene Staaten inüpfen an das Beſtehen
von F. wichtige oöffentlich-rechtliche Einrichtun—
en. So kann in Bayern der König nad der Ber:
aflung (Tit. VI, $. 3) zu erblichen Reichsräten nur
eben eine? größern mit Leben: oder fideilom:
miſſariſchem Verband belegten Grundvermögend
ernennen. einer Reibe von Staaten bilden die
Domänen ein Fideilommiß der landesberrlichen Fa:
milie (Baden, Yippe u. f. -
Das Vorbandenfein von F. ift wirtſchaftlich und
olitiſch gerechtfertigt, die F. —— die wirt⸗
ih fo wichtige Erhaltung größerer Wald:
omplere und fie erhalten eine vor revolutionärer
oder cälariftifcher Entartung bemabrende, fonjerva:
tiven Tendenzen buldigende Grundari tofratie, Die
Nachteile (Aufiau ung des kleinen Grundbeſitzes,
Ausschluß der Pacge orenen) fönnen durch Gejeh
emildert werben. Das Deutſche Bürgerl. Geſeßzbuch
bt daber mit Recht die F. nicht befeitigt, anderer:
eit3 aber aud nicht abändern eingegriften, ſondern
die Gef —— Landesrecht vorbehalten (Ein:
fübrungsg eb Art. 59), weil die partikulariftifche
erjchiedenbeit des beſtehenden Rechts überwiegend
in der Verſchiedenheit der thatſächlichen Berbältnifje
ihren Grund bat. Daraufhin ift in Sachſen eine um:
fafjende und intereffante Neuregelung erfolgt (Geſetz
über Familienanwartihaften vom 7. Juli 1900).
(S. aub Familienftiitung und Hausfideitommiß.)
Dal. Lewis, Das Recht des F. (Berl. 1868); Ar:
titel Fideilommifle im «Handmwörterbuc der Staats:
wiſſenſchaften⸗, Bd.3 (2. Aufl., Jena 1900) und im
«Oſterr. Staatäwörterbuh», Bd. 1 (Wien 1895);
Hager, Familienfideilommiſſe (Jena 1897); Selen
Die Familienanwartſchaften in ihrer geihichtlichen
(Dresd. 1900); Morik, Die Hamilienfideitommifie
Preußens und ihre Bedeutung für die deutſche Volls⸗
wirtſchaft (Berl. 1901). [Ke. 1.
amilienherd, |. Kocheinrichtungen nebit Taf. I,
a ee lrecht.
ilienname, ſ. Perſonenname und Namen:
milienorden, ſoviel wie Hausorden (f. d.).
milienorden (Thulah Chaum Kl'ow),
ſiameſ. Orden, geſtiftet von Kaiſer Chulalonglorn
16. Nov. 1878. Er bat drei Klaſſen (20, 30 und
100 Mitglieder), wird nur an Inländer verlieben
und an blaßrotem Bande getragen.
amilienpaft, Samilienitatut, Haus:
geſetz, eine Rechtsſaßung, melde die Mitglieder
einer Familie über familienrectlihe Angelegen-
beiten, insbefondere über die Ehe und die
folge, trefien. Das Motiv zu ibrem Erlaß be
ſtand hauptjäclich darin, die durch das Gemeine
Hecht drohende rg des Vermögens ab:
zuwenden. F. find daher vorzugsweife in ber
Zeit nad dem Cindringen ded röm. Rechts in
den adligen Familien üblich geworden und foll-
ten diefen einen Schuß gegen die Romaniſten ge
währen, melde alle Nechtäverhältnifie ausſchließ⸗
lich nad den Regeln des röm. Rechts beurteilten.
Man bediente ſich zu dieſem Zwede der Formen
des röm. Rechts ſelbſt, und zwar entweder der des
Vertrags oder der des Fideilommiſſes, und ſuchte
durch falſch angewendete Stellen des Corpus juris
ihre Gültigfeit zu ftüßen; in MWabrbeit ıjt weder
ein Vertrag noch eine legtmillige fideilommifia-
riſche Anordnung im ftande, die folgenden Gene:
rationen zu binden und aud für dritte Perjonen
Rechtswirkſamkeit zu baben. Die 5. waren viel:
mehr Alte einer Familiengeſezgebung oder Autono:
mie, und fie werden daber mit Recht Hausgeſete
genannt. Das Recht zur Gejepgebung ftebt nun
aber den Familien im allgemeinen nicht zu; nur ge:
wiſſe hervorragende Familien, melde fidh ihre for:
porative Verfaſſung erhalten haben, und deren Fa:
miliengüterordnung in engem Zufammenbange mit
dem Öffentlichen Recht ftand, genofjen das Vorrecht
der Autonomie (f. d.), nämlih die Familien des
boben und des reichäritterfchaftlichen Adels.
Mit dem Untergang des Reichs wurde ihnen von
den fouverän gewordenen Rheinbundsfürſten dieſes
Recht vielfach beitritten und die Anwendung der
Hausgefepe in künftigen Erbfällen unterfagt; die
Bundesafte, Art. 14, erfannte jedod für die media:
tifierten reichsſtändiſchen und reichsritterſchaftlichen
Familien das Recht der Autonomie, jedoch nur für
ihre Güter und Familienverbältnifie, und die fort:
dauernde Geltung der beſtehenden Hausgeſetze wie:
der an und legte den Familien nur die VBerpflich:
tung auf, hausgefegliche Anordnungen zur Kennt:
nis des Souveränd zu bringen. — Das Cinfüb-
rungägefes zum Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch
ver für die landesherrlihen Familien, die Fa-
milie Hobenzollern, das — Königsbaus, das
furbefl. und berzogl. naſſauiſche a auf
die Hausverfafjungen und auf bie andesgeſetze
(Art.57); für die mediatiſierten und die ihnen durch
Bundestagsbeihluf oder Landesgeſetz gleichgeſtell⸗
ten Familten, fowie für den Reichsadel und den
diefem gleichſtehenden landſäſſigen Adel bleibt es
bei der Ihnen etwa durch Landesgeſeß eingeräumten
Autonomie, aber nur binfihtlib der Familienver-
bältnifje und Güter (Art. 58). — Ausſchließlich für
Familienrat — Familienſtiftung
die landesberrlihen Familien und die Familie
Hohenzollern gilt das Vorrecht, dur F. die Be:
ftellung beionderer Standesbeamten anzuordnen
(Berjonenitandsgefek vom 6. Febr. 1875, $. 72) und
über das Alter der Großjährigkeit befonvdere Be:
immungen zu treffen (Gejeß vom 17. Febr. 1875,
. 2). — Die der regierenden deutichen
ritenbäufer gab H. Schulze beraus (3 Bde—.,
na 1862—83).
Familienrat, das Drgan, dur das die Fa-
milie an der Führung der Vormundſchaft über einen
ibrer Angebörigen teilnimmt. In vielen Rechten
febit ein ſolches Organ, in manchen haben die Ber:
wandten ſchlechthin gewiſſe Pflichten “a der
Vormundſchaft (Dfterr. Bürgerl. Geſetzb. $. 189),
oder fie find vom Vormundſchaftsgericht bei wich:
tigen re u bören (Deutiches Bürgerl.
Geiesb. 8. 1847). ee dem Code civil (Art.405 fa.)
iſt der F. obligatoriih und führt die Obervormund:
fbaft. Das au in ai irren 8.1858 jo.)
tennt den F. jedoch nur als fakultative Einrichtung.
Rach ihm wird ein F. vom Vormundſchaftsgericht ge:
bildet, wenn Bater oder ehelihe Mutter des Mundels
es angeorbnet bat oder ein Verwandter oder Ber:
ſchwagerter des Mündels oder Bormund oder Gegen:
vormund es beantragen, und das Gericht ed im In—
terejie ded Mundels für angemeſſen erachtet, es
müßte denn der Bater oder die eheliche Mutter des
Münveld e3 unterfagt haben. Der 5. beiteht aus
dem Vormundſchaftérichter ald Vorſißendem und
aus minbeftend 2, höchſtens 6 Mitgliedern, die ent:
weder vom Vater oder der ebelihen Mutter benannt
find oder, joweit dieſe Art der Berufung nicht vor:
liegt oder die Benannten ablehnen, vom Bormund:
—— ausgewählt werden, und zwar in der
egel nur aus dem reife der mit dem Mündel
Verwandten oder leg a doc können aus:
nabmsweiſe au Fremde Mitglieder des F. werden.
Die Mitglieder werden vom Borfikenden mittels
Sandſchlags an Eidesftatt verpflichtet. Der F. hat
die Rechte und Pflichten des Vormundſchaftsge⸗
richts. Die Mitglieder find in gleicher Weife ver:
antwortlih wie der Bormundfhaftsrichter. Die
Einberufung des F. muß erfolgen, wenn 2 Mitglie:
der, der Bormund oder Gegenvormund, fie bean:
tragen oder das Intereſſe des Mundels jie erfor:
dert. Unentihuldigtes Ausbleiben kann Berurtei-
lung in die dadurch verurfachten Koften oder in
eine Ordnungsſtrafe bis zu 100 M. nad) ſich zie:
— Gegen feinen ®illen kann ein Mitglied von
dem Amte nur duch das dem VBormundicafts:
gericht vorgefegte Gericht entlaffen werden. Gegen
die Entlafjung ift Beſchwerde ans Oberlandesgericht
juläjfig. Recht.
ienrecht, ſ. Familie und Bürgerliches
ütenfchluß, der über die Anderung der
Berfafjung einer —— oder über deren
Auflöfung von den ſämtlichen Mitgliedern der be:
rechtigten Familie peiabte up, im meitern
Sinne auch ein folder Beſchluß bezüglich eines
Samilienfideilommifjes, Stammgutes oder Lehens
(i. d.). Zmwed eines F. ift, die Stiftungen,
welche an ſich wenig der Veränderung unterliegen
\olen, umjugeftalten, wenn dies dem veränderten
Snterefje. der Familie oder den veränderten Zeit:
verhältnifjen entfpricht, und fie fogar aufjulöjen,
iofern fie dem beabjichtigten Ziele nicht mebr zu
dienen vermögen.
Der Ausdrud F. findet je noch | mitglieder, Ausftattungen für weibliche !
447
buch für Preußen tvom 20. Sept. 1899), Anhalt
(vom 18. April 1899) und Walded (vom 11. Dez.
1899), die diefen Gegenſtand jum größten Teil
wörtlich übereinitimmend gerege — Hervor⸗
uheben iſt, daß Underung oder Aufhebung einer
Familienſtiftung durch F. auch dann zuläſſig iſt,
wenn das durch die Stiftungsverfaſſung ausdrück⸗
lich verboten ift. Der F. bedarf der Aufnahme und
Genehmigung durch das die Aufſicht über die Stif:
tung führende Geriht und muß einftimmig gefaßt
werden. Doch können Yamilienmitglieder, deren
Leben oder Aufenthalt unbelannt ift, im Aufgebots⸗
verfahren ausgejhlojjen werden. — Die Befugnis
zum Crlaß folder — Beſtimmungen
wird aus $. 85 des Bürgerl. Geſetzbuchs abgeleitet,
wo die Regelung der Verfaflung einer Stiftung der
privaten Anordnung oder der Landesgeſetzgebung
überwiefen wird, während im übrigen die Stiftun:
en, auch die Familienftiftungen, allein dem Bürgerl.
ejeßbuch unterliegen. — Soweit Familienfiveitom:
mijje, Leben und Stammpgüter in Frage lommen,
bleibt die Zuftändigteit ver Landesgeſeßgebung völ⸗
lig unberührt (Einfübrungsgefep tt. 59). — Bol.
en ber en br Entwid — Hand⸗
des deutſchen Privatrechts, Bd. 2 (3. Aufl.,
rl. 1897); von Miaskowſti, Das Erbrecht und die
Grundeigentumsverteilung im Deutſchen Reiche,
Abteil. 2 Epʒ. 1884).
Familienſtand, Perſonenſtand, die durch
Zugebörigleit zu einer beſtimmten Familie (nach
En und gegen die yamilienmitglieder) begrün:
dete Redhtöftellung. Der F. entiteht durch Geburt,
wird verändert durh Annahme an flindesitatt,
Legitimation, Selbitändigteit, Volljährigkeit u.j.w.,
Säliebung und Löjung der Ehe und beendigt
—— Tod. Erbat pridatrechtliche Bedeutung
dur feinen Einfluß auf die Handlungsfäbigteit
N d.), welche nad) dem verjchiedenen F. derſchieden
it. So ift 3. B. wichtig, ob eine Frauensperſon
unverbeiratet oder ob fie verheiratet ift und des»
balb zu Verfügungen der Zuftimmung ihres Ehe—
mannd bedarf, ob jemand jelbftändig und deshalb,
wenn er volljährig ift, fich verpflichten kann, oder
ob er Hauslind und als joldes, wenn er minber:
jübrig iR, durch den Vater vertreten wird, fo daß ihm
ein Bormund beftellt zu werben braudt. Der F.
bat 2) jtrafrehtliche Bedeutung, indem die Ent:
ziehung der durch den F. gegebenen Familienrechte
durch Unterbrüdung (VBerbeimlihung) und Ber:
änderung des F. ftrafbar ift. Unterbrüdt wird er,
wenn durch rrtumerregung Dritten dauernd bie
Kenntnis der Zugebörigleit einer Perſon zu einer
Familie entzogen wird; verändert, wenn bei Dritten
der Irrtum hervorgerufen wird, eine Berjon gehöre
einer Familie an, deren Mitglied fie in Wahrheit
J it (f. Kindesunterſchiebung).
we
bu
Be
amilienftatut, |. Zamilienpalt.
amilienftiftung, die Widmung eines be:
ftimmten Vermögens zum dauernden Vorteil der
einzelnen nacheinander in bag Leben tretenden Mit:
lieder einer gewiflen Familie oder einzelner Ange:
— **— der Familie. Unerheblich iſt, ob vorge—
chrieben Ei daß die für den Stiftungszmwed be
timmten Bermögensgegenftände ſelbſt oder deren
ert dauernd zu erhalten ift. Vorzugsweije werden
in diefer Geftalt zugewendet beftimmte Hebungen
für alle oder nur für gewiſſe (z. B. reg porn
titglieber,
in den Ausfübrungsgefegen zum Bürger. Gejeb: | Zubußen für ftubierende Söhne (Familienitis
448
pendium) u. dgl. Es ijt bisweilen nicht leicht,
namentlich bei der Fafjung der Urkunden, fejtzu:
ftellen, ob eine F. oder ein yamilienfipeitommiß
(ſ. d.) vorliege. Das preuß. wir zum
Bürgerl. Geſetzbuch vom 20. Sept. 1899 (Art. 1,
8.1), ebenfo das anhaltiſche vom 18, April 1899
und das mwaldedidhe vom 11. Dez. 1899 umſchrei⸗
ben %. ald «Stiftung, die J— der Stiftungs⸗
urkunde ausſchließlich dem Intereſſe einer beſtimm—
ten Familie oder mehrerer beſtimmter Familien
dient». fibermiegend wird in der Wiſſenſchaft der
Unterſchied darin gefucht, 2 5 vorliege, wenn
die Anordnung einer feiten Rechtsnachfolge nicht
beabjichtigt fei, und wenn den einzelnen Beteiligten
ein perjönliher Anſpruch gegen die Stiftung, nicht
ein unmittelbares dingliches Recht an dem gewid—
meten Vermögen zuſtehen foll. Der Hauptunter:
ſchied aber it der, daß die 5. neben der Familie
—— jurift. Perſönlichleit beſißt, das Fami—
ienfideitommiß nit. — Eine F. unterliegt, wie
jede andere —— Vorſchriften des Bürgerl.
Geſetzbuchs. Doch leitet man aus deſſen 85, der
fagt, daß die — 5 einer Stiftung, ſoweit ſie
nicht auf Reichs- oder Landesgeſeß berubt, durch
das A esgeiocl: bejtimmt wird, die Befugnis
ab, über die Berfafjung der F. bejondere landes—
rechtliche Normen zu erlaſſen (}. die oben angeführ:
ten — 1 Die wichtigſte von dieſen
ift, daß danach die Aufhebung einer F. durch Fami—
lienſchluß (f. d.) herbeigeführt werden fann, auch
wenn e3 bie Etiftungsverfafjung ausdrüdlich ver:
bietet. — Für h% die die Form von Stammgütern
oder Familienfideilommiffen angenommen baben,
gilt — andesrecht (Einfuührungsgeſetß
rt. 57). — Vol. für das frühere Recht Stobbe,
Handbuch des deutſchen Privatrechts, Bd. 1 (3, Aufl,
Berl. 1893); Neubauer, Zufammenftellung des in
Deutichland geltenden Rechts, betr. Stammgüter
2. f. w. (ebd.1879); Die Hamilienftiftungen Deutſch⸗
lands und Deutih:Bfterreihd (5 Bde., Münd
1890 —1901). [Stipendium.
| entries tr ſ. Samilienftiftung und
amilienwohnhäufer für Arbeiter, j. Ar:
beiterwohnungen.
Familienzucht, ſ. Anzucht.
Familiörement (fr;., jpr. -[iärmäng), vertraus
li, ungeswungen, frei.
miliften (lat. Familia charitatis, Liebes—
brüderſchaft; boll. Huis der Liefde), religiöie
Selte myſtiſcher Richtung, fam im 16. Jabrb. in
Holland und England auf. hr Stifter, Heinrich
Niclaes, geb. um 1501 zu Münjter, ein Schüler
des David orig (f. d.), wirkte in ven bedeutendſten
Städten der Niederlande, dann 20 Jabre in Emden,
vorübergebend aud in England, wo Elijabeth 1580
feine Schriften verbrennen ließ, und ftarb in den
tiebziger Jahren des 16. Jahrh. Gegen Glaubens»
jäge und ——— leichgültig, ſah er
das Weſen der Religion in der Liebe. Die F. ver:
ſchwanden um die Mitte des 17. Jahrh. — Bol.
Rippold in der «Zeitjchrift für die hiltor. Theologie»
(Gotha 1862).
amiliftere (fr3., ſpr. -jtäbr), ſ. Phalanſtere.
amine (jpr. füämmin), Borts, Dofen an dem
Famine-Reach genannten Teile der Magalbäes:
trage auf der Brunsmidhalbinjel Batagoniens. Cr
erhielt feinen Namen («Hungerbafen»), weil in
einer bier 1584 begründeten Kolonie von 300 fo:
(oniften 298 den Hungertod ftarben.
Familienſtipenduum — Fämund
aminziuſFaminzyn), Andrej —— d,
ruſſ. Botaniler, geb. 29. (17.) Juni 1835 in Sololnili
bei Mostau, bejuchte die Univerfität zu Petersburg
und bielt an derjelben feit 1861 Borlefungen über
Botanik; 1867 wurde er außerord., 1872 orb.
Profefjor der Botanik, F. bat zablreihe Schriften
veröffentlicht, von denen die widtigften find: «Zur
Entwidlungsgefhichte der Gonidien und Zoofporens
bildung der 38 (in Verbindung mit Bora»
ai teröb. 1867), «Beitrag zur Keimblattlebre
im Bflanzenreihe» (ebd. 1876), «Embroologiiche
Studien» (ebd. 1879), «Studien über Arvitalle und
Kryftalliter (ebd. 1884), «Beitrag zur Symbioſe von
Algen und Tieren» (ebd. 1889), « Überficht über die
Leiltungen auf dem Gebiete der Botanik in Rußland
während des J. 1890/91» (deutich Beteräb. 1892/93)
und während des J. 1892 (ebd. 1894).
aminzin (Faminzyn), Alerander Sergjeje
witih, Bruder des vorigen, ruſſ. Mufiter, geb.
5. Nov. (24. Dt.) 1841 zu Kaluga, ftudierte auf der
— ——— ——— Naturwiſſenſchaften und
uſik, leßtere allein jeit 1862 in Leipzig, ſeit 1864
in Lowenberg. 1865—72 war er Profeffor der
Mufitgefhichte am —— zu Petersbur
Seitdem wirkte er als Sekretär der Kaiſerlich rufi.
Muſilgeſellſchaft, ald Mufikkritiler, Üüberjeßer und
Schriftjteller. 5. ftarb 6. Juli 1896 in Ligowo bei
euren veröffentlichte unteranderm: «Aufl.
inderliederbucdh», «Bajan» (eine Sammlung von
Volksweiſen verſchiedener Völter), «Die Götter der
alten Slawen» (ZI. 1, 1884), «Die Volksnarren im
Rußland» (1889), «Die alte indochineſ. Tonleiter in
Aſien und Europa» (1889), eine Studie über «Gufili,
rujj. Nationalinftrument» (1890). Bon Kompo⸗
fitionen And zu nennen die Dpern «Sarbanapal»
1875) und Uriel Acoſta⸗ (1883), eine ruf. Rbapjodie
ür Violine und Orchefter, zwei Streichquartette.
Sm ({hmwebd.), gaben (1. d.).
ämö, dän. Infel in der Smaalandjee, nörbli
„| von Laaland iſ. Karte: Dänemarklund Sadſchwe—
den), zu Maribo gehörig, 11 qkm, (1901) 708 €.
amõe (lat.), ver Ableitung von fama (Gerücht)
nad eigentlich das, wovon vie —— wird, im
Guten und im Böſen, daher berübmt, trefflich und
berüchtigt, verrufen; famösa actio, ebrenrübrige
Klage; famosum judicium, entebrendes Urteil;
famosum carmen, Schmäbgedidt.
— j. Angrecum.
amũlus (lat., d. i. Diener), früber und zum
Zeil no jetzt auf deutſchen Univerjitäten Berjonen,
meist Studierende, die für die einzelnen Brofefjoren
chiedene Geſchäfte bejorgen, die ih auf das
Außerliche der verichiedenen Vorlefungen bezieben
(f. Amanuenfis); dann aud jüngere Mediziner, bie
ältere Arzte in deren Praris unterftügen ( ihnen
———— jetzt meiſt Aſſiſtenten genannt. —
Im frühen Mittelalter waren die Famuli eine be—
vorzugte Klaſſe der Unfreien, welche dem König oder
einer reichen Grundherrſchaft perjönlibe Dienſte im
Haufe leifteten, au als bewaffnetes Gefinde für
Jagd und Fehde verwendet wurden. Sie wurden auch
vassi, ministeriales, pueri genannt. Später bießen
Famuli die Knappen im Gegenfaß zu den Rittern.
zus Hochgebirgsige im mittlern Norwegen
(f. Rarte: Schweden und Norwegen), größten:
teils im Amt Hedemarken, nabe bei Röraas (f. d.),
in 668 m Höbe, ift (von N. nad ©.) 58 km lang
und bevedt 202 qkm. Ihm entjtrömt die Trofilelo,
die jpäter den Namen Klarelf (}. d.) führt.
Fan — Fanega
Langenmaß und Gewicht, ſ. Fen.
(M'Fän), auch Pahuins, Oſſieba,
Oſcheba, Bolt des weſtl. Aquatorialafrikas, in
anzöfiich = Kongo, wohnt vom Ogowe nöordlich
id nad) Batanga und ... den Jvindo auf:
wärt3 (j. Karte: Aquatorialafrika, beim Artikel
Afrita). Man bält die 5. bei ihrer auffallenden
Berihiedenbeit von den umwohnenden Bantunegern
für eingewandert und für verwandt mit den Niam⸗
Niam; fie haben mie dieje eine bellere Hautfarbe,
weniger gelräujeltes Haar, etwas Vornehmes in Hal:
tung und Gebärbe, ähnlichen Shmud und ähnliche
Ballen. Nur ihre Sprache nähert fih mehr der der
Bantu. Erft zu Anfang des 19. Jahrh. find fie auf
der Hochfläche des Innern erſchienen und dann all:
mäblih ın dichter Menge, über 200000 ſtark, zur
Küjte jogar bis in das Delta des Ogowe, vor:
erüdt. ch Fourneau (im «Bulletin de la Societ6
hique», Bar.1891) zerfallen fie in drei Haupt:
tämme, in die 5. Bethis im W., die 5. Madais
im D. und die F. Bule im N. — Bol. Largeau,
Encyclopedie pahouine (Congo Frangais). Ele-
ments de grammaire et de dictionnaire frangais-
houin r. 1901).
Fanäl ital. fanäle), Lärmjtange, eine Stange,
die jenfrecht aufgejtellt wird und an ihrem obern
Ende eine mit brennbaren Stofjen angefüllte Tonne
trägt oder durch Ummideln mit Werg und Ein:
tauden in flüfiiges Pech und Teer brennbar ge:
madt if. Durch Anzünden des F. entjteht eine
ftarle Dampfmolle und eine intenfive Flamme, fo
daß dasſelbe bei Tage wie bei Nacht zum Signal-
8 en benugt werben fann. Man ſtellt die 3. auf
yochgelegene Bunkte und bedient fi) ihrer nament:
lih ım Gernierungäfriege, um weit ausgedehnte
Borpoftenftellungen und die in Standquartieren zer⸗
ftreut liegenden Truppen raſch alarmieren zu fönnen.
am, Fanum, Fanon, Name verjchiedener
oftind. Münzen und Geldrehnungsitufen. Im brit,
Dftindien iit das F. oder Baundea eine Gold:
münge zu ’, =. oder 5 Silberrupien, die ins:
beiondere in der Bräfidentihaft Bombay F. beißt,
nad der heutigen Prägung ein Stüd von 60 engl.
ropgrän oder 3,8879 g Gewicht, "*/,, oder 916°,
Zaujendteilen Feinheit, 55 Troygrän oder 3,5639 g
eingewicht = 9,9454 deutſchen Mark. In ven franz.
sungen auf der Hüfte Koromandel, dem Gou—
vernement Bondichery, ift das Fanon eder F. eine
Geldrechnungsſtufe von *, Pondichery-Rupie oder
„. Sternpagede und wird feit 1887 = 23"), franz.
time® = Inapp 18°, deutihen Piennig ge
rechnet. — Aud als Gold: und Silbergewicht
tommt das F. vor, wenigitens in Kotſchin, mo es
Ya, des —— Sicca = 5,1057 engl. Troygrän
Benär, ;
Yanarioten. [oder 0,5156 g ift.
aridten heißen im allgemeinen die gried.
Bewohner des Fanar {türf, Fener), eines Stadt:
teil in der Altſtadt von Konitantinopel im Nors:
weiten, am Goldenen Horn, der von dem daſelbſt
früber befindlihen Leuchtturme (phanarion) den Na:
men erhielt; bier war nad) der türt. Eroberung der
Dauptfis der Griehen und nah 1601 auch das
Batriarhat. Im engern Sinne bezeichnet man mit
5. eine Art von Geburts: und Amtsarijtolratie,
bie größtenteils von den edeln griech. Familien ihren
Uriprung ableitet, die fich nad der Eroberung Kon:
Rantinopel® in Stambul behaupteten. Aus der
Mitte der F. wurden jeit der zweiten Hälfte des
17. Jahrh. die Dragomans oder Dolmetſcher der
Brodbaus’ Konverjationd-Lerikon., 14. Aufl. R.A. VI
*
449
Pforte und bis zum Ausbruce der griech. Revolus
tion (1821) die Hofpodare der Moldau und Walachei
Fern Obgleich die F. vieles zur Bildung ihrer
ation, z. B. durd Errichtung von Schulen u. ſ. w.,
fowie zur Erleichterung des auf den Griechen laſten⸗
den Drudes und zur Hebung des Wobhlftandes in
den Donauprovinzen beigetragen haben, jo galten
doc Ehrgeiz und Egoismus, ab: und Herribfucht
ſowie ein Hang zur Intrigue als unerfreuliche Züge
ihres Charafters; fie waren im allgemeinen jelbjt
bei ihren Landsleuten wenig beliebt. An der griech.
Revolution 1821 beteiligten fh viele F. eifrig im
nationalen Sinne. est haben die F. den polit,
Shub in Ronftantinopel großenteilä verloren.
Biele find längft nah Athen übergefiedelt. — Bal.
allony, Essai sur les Fanariotes (2, ul.
arjeille 1830) ; (Eugen Rhangabe), Livre d’or de
la noblesse Phanariote en Gr&ce, en Roumanie,
en Russie et en Turquie (Athen 1892).
Fauatiker, ein von Fanatismus (j. d.) erfüllter
Menſch, Eiferer, Schwärmer; fanätiſch, eifernd,
verfolgungsfüdtig; fanatifieren, in Fanatismus
eben.
Fanatismus (lat.), tadelnde Bezeichnung einer
Überzeugungsftärfe, die jede abweichende Meinung
rt unjittlih oder doch menſchenunwürdig hält,
de Überzeugung, die jich auf eig Fady ar en:
iten bezieht, kann in 35. ausarten. Man —*
det beſonders religiöfen, politiſchen, wiſſenſchaft⸗
lichen und küunſtleriſchen F. — Bol. Löwenſtimm,
Der F. als Duelle der Verbrechen Berl. 1899).
Fauchou(ſpr.fan ———
ranzisfa), eben: dann eihnung einer
_ —— nd eh [ Fancen)
anoy (engl., ipr. fännpi, Mehrzahl Fancies),
Phantafie, Laune, Geſchmads⸗ Modeſache; Fancyz
artilel, Modemwaren; F. fair (I. fähr), Modes
warenmarft, beſonders ein zu wohlthätigen Zmweden
veranftalteter Bazar; Fancy-dress, Rastentoftüm;
Fancy-net, gemujterter Spikengrund.
Fandango, der ältefte und beliebtefte fpan. Nas
tionaltanz. Er wird immer nur von einem Paare
etanzt und mit Quitarrefpiel, fekten mit dem Tam⸗
urin, begleitet, während die Tänzer mit Eaftagnet-
ten, die Zuſchauer durch Händeklatſchen den Talt
Sechsachtel, jetzt auch Dreiviertel) angeben. Die
elodie des F. iſt ſehr eigentümlich, monoton, mit
eppenden Kadenzen. In Andaluſien, der eigent⸗
ichen Heimat des F., werden zu dieſer Melodie teils
von den Zuſchauern, teild von den Tänzern ſtets im:
provifierte «coplas» ( Couplets) gejungen. Ballett:
mäßig eingerichtet und mit veränderter Mufit wird
der F. als Bolero (f. d.) auf den Theatern aufgeführt.
e (jpr. fehn), wallif.zengl. Adelsfamilie, ſ.
moreland (Grafenwürbe).
Fauẽga, Hanega, ein älteres noch vieliad ge
braudtes jpan. Getreide: und Feldmaß, in Mittels
amerifa noch gejeblich vorgefchrieben. 1) Setreider
maß: die fpan.:caftiliihe 5. von 12 Gelemines =
55,501 1; in den Provinzen ſehr verſchieden und
zwiſchen 21,40 1 (zu Teruel in Aragenien), dann
22,42 1 (zu Saragoila in Nragonien) und 74,14 }
fin Aſturien) ſchwanlend; in ver Hauptjtadt Madrid
= 55,34 1. In der Republit Merilo war die F. von
12 Almudes ein geſeßliches Maß und zwar im alls
gemeinen von 3600 merik. Rubilzoll = 90,8149 1 =
1,636 275 caftiliibe F. In Ehile iſt die F. der nörbl,
Provinzen = 90%, 1 = 1,656 caftilifche F.; man legt
dort gewöhnlich das Gewicht zu Grunde und rechnet
29
450
fie z. B. bei Weizen zu etwa 160 caftil. Pfund. Ein
Gele von 1848 giebt ihren Inhalt zu 971 an, und
fo rechnen aud Handelsberichte. In der Argen:
tiniihen Republik ift die F. des Staates Buenos:
Aires von 4 Euartillas oder 12 Almudes = 9856
argentin. Rubilzoll = 187,20 1 = 2”, caſtiliſche F.
In Uruguay ift die ebenfo —— weſentlichen
diejelbe = 137,272 1. Die F. von Paraguay enthält
288 1, die von Bolivia und Beru ift etwa = 751.
Das entiprechende portug. Maß i —IX (. d.).
(S. auch Carga.) — 2) Feldmaß im feſtländiſchen
Spanien, auf der Inſel Cuba und den Canariſchen
ſeln. Die nbes, fanega de tierra oder
Fanegada, gleichfalls geteilt in 12 Celemines, ift
ebenjo verſchieden wie die Getreidefanega. Die ge
feßliche caſtiliſche F. begriff 576 Quadrat-Ejtada
ober 9216 Duadrat-Baras = 64,3956 a; fie ſchwankte
aber im Verlehr, namentlid der Provinzen, ganz
außerordentlich. Im Gebiete ver Hauptitadt Madrid
entbielt die F 4%00ccaftil.Duadrat:Baras ⸗34 assi a
= (0,5517 ca neh: Auf der 8* Cuba war die
Ba nur etwa 1°, Proz. größer als die caſtiliſche.
uf den Ganarifchen njeln enthielt die Fanegada
von 1600 Brazas 7511, caſtil. Duadrat: Varas
= (0,3150 caftiliiche $. = 52,109 a. (S. Almude.)
anegäda, jpan. Feldmaß, j. Sanega.
anfani, Pietro, ital. Philolog und Schrift:
fteller, geb. 21. April 1815 zu So in Toscana,
ründete 1847 in Piftoja die philol.=litterar. Zeit:
&rift «Ricordi filologici», die großen Erfolg ——
aber 1848 einging, das. als Freiwilliger den Feldzug
in der Lombardei mitmadte. Bon den Öfterreichern
aefangen, ward er nah Thereſienſtadt abgeführt.
Nach jeiner Befreiung erbielt er eine Anftellung im
Unterrihtöminifterium und wurde 1859 Bibliothe:
tar der Marucelliana in Florenz. Seit 1875 ließ er
fib in eine Polemik gegen die Chronik des Dino
——— (. d.) ein. g Harb 4. März 1879 zu Flo:
renz. ſchrieb: «Vocabolario della lingua ita-
liana» (Flox. 1856; 3. Aufl. 1890), «I diporti
filologiei» (Neap. 1858; 2. Aufl., Flor. 1871),
«Osservazioni sui primi fascicoli della quinta im-
pressione del Vocabolario della Crusca» (Modena
1849), die ihn in einen beftigen Streit mit der
Accademia della Crusca vermwidelten, aus dem er
zuletzt aberfiegreich hervorging. rei ge par
zablreihen Schriften, die fich in feiner «Bibliografia»
(Mail. 1874) verzeichnet finden, verdienen Erwäh—
nung: «Lettere precettive di eccellenti scrittori»
(ebd. 1855; 2. Aufl. 1871), «Vocabolario della pro-
nuncia toscana» (Flor. 1863), «Studj ed osserva-
zioni sull’ testo delle opere di Dante» (ebd, 1873),
«Vocabolario della lingua italiana parlata» (ebv.
1875). Außerdemleiteteer die Zeitſchriften «Etruria»
(2 Boe., ebd. 1851—52), «Il Borghini» (ebd. 1863
—65 u. 1874— 77) und war 1876 Mitbegründer
der Florentiner «Rivista internazionale», — Val.
Eerquetti, Pietro F. e le sne opere (‘}lor. 1879).
Fanfäre (fr;.), ein Meines kriegeriſches, für
Trompeten und Bauten gejebtes Tonftüd von gläns
zendem und namentlich lärmendem Eharalter; von
diefem Worte ftammen die Bezeichnungen Fanfaron
ſ. d.), Fanfaronnade u. f. w. Eu auch jedes kurze
agdtonftüd für zwei Hörner. Nicht zu verwechieln
mit dieſer als Mufiljtüd u er F. ift das
gleibnamige Kavalleriefignal Marih! Marſch!,
welches unmittelbar vor dem Einbrucd in den Feind
gegeben wird ala Zeichen, daß zur —* ang⸗
art übergegangen und Hurrah! gerufen werben joll.
Fanegada — Fangheuſchrecken
Fanfaron frz. ſpr. fangfaröng), Brabler, Auf
Ichneider, Renommift; Janfaronnäde, Brablerei,
Großipreberei; Fanfaronnerie (fpr. fanala
tonn’rib), aroßiprecheriiches Weſen; fanfaron-
nieren, prablen, auffchneiden.
Fanfreluche (fr;., jpr. fangfr&lübib), Flitter-
kram, Schnurrpfeiferei; auch Name einer böfen Fee.
Fang, in der Jãgerſprache Vorrichtung zum
Fangen von Tieren (Saufang, Entenfang). (©.
auch Fänge.)
Fanga,vortug. Maß, das yo e des Alqueire
ſ. d.). Fur Steintohle war das Maß ein weit arö:
jered, wenigſtens in Liſſabon, die F. entbielt näm⸗
ich dort 8 5* Alqueires; man rechnete ſie —
219, alte engl. Kohlenbuſhels = 769",, 1, alſo bei⸗
nabe 14mal der inhalt der Liſſaboner Getreidefanga.
Fangbäume, |. Forſtinſelten.
Fangdamm oder Fangedamm, eine bamm-
artige, waſſerdichte Umſchließung einer am oder im
Waſſer gelegenen Bauftelle, welche den Zwed bat, den
Grundbau zu erleichtern. Nad erfolgter Heritellung
des F. wird die Bauftelle ausgepumpt, worauf die
Gründung und Ausführung des Mauerwertö im
Irodnen vorgenommen werden kann. F. finden ins:
bejondere bei Erbauung von Brüdenpfeilern in nit
zu tiefen Gewäflern, bei Herftellung von Ufermauern
undWiderlagern Verwendung. Nah Art des Damm;
förpers unterjcheidet man F. aus Erde, ſolche mit ein:
feitiger Begrenzung durch Holzwände, freiftebende
Spundmwände und Raftenfangbämme aus zwei oder
mebrern Holzwänden und dazwiſchen gefüllter Erde,
Thon, Lehm, Dünger oder Beton. Die Krone des F.
wird 0,,—0,5 m über den höchſten Wafjerftand, wel:
hen man abhalten will, gelegt. Die Verwendung der
3. iſt feit der Verbefjerung der — ——
und der Einführung der Betonfundierung ſehr
ſchränkt worden. (S. Grundbau.) In Häfen, we
von einer Seite ber die Flut einbringt, während
andererjeitö der Ebbeftrom abfließt, bat man, mie
u Willemdoord und Nieume:Diep, in einer be
Eden Entfernung vom Ufer, 3.8. 150 m, einen
Leitdamm (Leidam) bergeitellt und mittels eines ſich
an diefen unter fpigem Winkel anfchließenden Fila:
gels oder F. (VBangdam) das Ebbewaſſer der Ser
gelangen, ierdurh zum Abfluffe zwiſchen diefem
amme und dem Ufer gezwungen und burd bie
dabei entjtebende or der Berjandung bes
Hafens vorgebeugt. Bei Anlage von ren
an Fluͤſſen endlich pflegt man mitunter ala 5. aud
denjenigen dammartigen Teil zu bezeichnen, welder
zwiſchen dem neu bergeftellten = ichgraben und
dem alten lußbette verbleibt und erſt bei der eigent-
lihen Eröffnung des Durchſtichs bejeitigt wird.
Fänge, Bezeihnung für die Füße der Raub»
vögel und die langen Echzähne der Raubiäugetiere.
Faugeiſen, |. Saufeder. [Fia. 25, f.
angfäden, j. Schwimmpolypen nebſt Tafel,
Fanggebäude, f. Holjtransportweien. j
Seusbeuireien (Mantidae), eine Familie
der eigentlihen Gerabflügler (f. d.). An dem lang-
geftredten Körper der F. ift der Kopf jr beweglich
und mit langen, borftenförmigen Fuhlern verſe
der erfte Bruftring in der Regel ſtark in die Yänge
gesogen. Das vorderfte Beinpaar ift in ein Baar
räftige Raubarme umgewandelt, mit denen bie
efräßigen F. ihre Beute erfaflen, bie in andern
—— bei manchen tropiſchen Arten ſelbſt in
Heinen Wirbeltieren beſteht. Sie halten ſich meiſt
im Graſe auf, wo auch die Weibchen ihre Eier
Yanginftrumente — Fanſaga 451
in Haufen abfegen und mit einer anfangs flüſſi⸗
gen, aber bald erbärtenven Hülle umgeben. Die
meilten Arten der F. find groß und teilweise ſchön
ärbt. Sie find zum 2 Teil Bewohner der
ißen Zone, der Alten und Neuen Belt (aus Bra:
hlien * B. ſtammt Vates orbus Burm.; ſ. Tafel:
Inſekten I, Fig. 8), nur wenige Arten finden ſich
in Südeuropa und nur eine, die Gottesanbeterin
(1.d. und Taf. IV, Fig. 12), ftellenweife in Suddeutſch⸗
anginftrumente, h Bergbobrer. (land,
ugkloben, j. Forſtinſelten.
feine, der Strick zum Führen der Jagd:
bunde; auch die von einem anlegenden Boot der
Landungsſtelle oder einem größern Schiff, oder um:
getebrt, zugeworfene Leine.
gmajchine, |. Wirtmafcine.
ngo (ital., Schlamm»), Mineraliblamm, der
aus den euganeijhen Thermen, namentlih von
Battaglia (f. d.) in Stalien, gewonnen und in trod:
nem Zuftand verjendet wird. Neuerdings wird er
aub ın Deutichland vielfah in Form von Um:
ihlägen und Bädern gegen Rheumatismus, Neu:
ralgien, alte Exſudate, Gicht u. ſ. w. benutzt, ohne
anicheinend mebr alä die gewöhnlichen Moorbäder
u nügen. — Val. Davidf em, Ergebnifje ver Fango⸗
ebandlung (Berl. 1898).
pflanzen, 5 Nübennematode,
ngrinden, |. Forſtinſelten.
gichaufel, ſ. Bergbobrer.
ngichnur, Gordon, eine Schnur, die mit
bem einen Ende an der Kopfbedeckung (deren Ver:
lorengeben fie verhindern foll), mit dem andern Ende
an der Uniform des Soldaten befeftigt oder auch
nur um feinen Hals —— iſt. Die F. bildet
ein Ausrüftungsftüd der Kavallerie, in Deutic
land der Hufaren und Ulanen, und dient zugleich ala
Zierat, gehört jedoch feit 1897 nicht u zur Feld⸗
audrüftung ber Ulanen, ſondern nur zur Barade:
uniform. Seit 1894 trägt die deutſche Infanterie
eine Art F. als Schügenabzeicen (f.d.).
Sangihuf, legter (tötender) Schuß auf ein an»
geichoflenes oder von den Hunden geitelltes Wild,
aftoh, I. Bajonettfechten.
vorrichtung, Sicherheitövorrihtung beim
Sabrftublbetrieb, f ufzug.
gwerke, ſ. Geiperre.
gwot, Hauptort der Inſel Rotumah (ſ. d.).
ner (Lycodontidae), Wolfszähner,
Rleinäugler, zn der harmlojen Schlangen
von meijt rundlihem, jeltener jeitlich zufammenge:
drüdtem Körper. Der Kopf iſt länglich ovalmit abge:
rumdeter Schnauze. Die Augen find fehr Hein und
—— eine ſchlitzförmige, ſenkrecht ſtehende Pupille.
er vordere Zahn iſt in beiden Kiefern der längſte;
zähne find nicht vorhanden. Die Familie be:
aus 11 Gattungen und 35 Arten, welche das tro:
piihe Afrika, mit Ausnahme von Madagastar und
ben Mascarenen, jowie die ind.:orient. Region bi
und mit Neuguinea bewohnen.
Fanninginfeln, Amerita:Injeln, Ardi-
pel von Koralleninſeln im Stillen Ocean (j. Karte:
Dceanien), umfaßt die zwifchen 0° 40’ fühl. und
5° 49° nördl. Br., 156° 40’ und 163° weitl. 2. von
Greenwich aelegenen Riffe mit 668 qkm und etwa
200 E. Die fünf größten find Jarvis (4 aan), a
ra (1 qkm), Wajbington (16 qkm), Weihnachts:
injel (f. d.) oder Chriſtmas Island (607 qkm) und die
Sanninginjel; estere hat 40 qkm, 150 E., Kolos⸗
balmen, gute Duellen und gehört den Engländern.
— Stadt im Kreiſe Dim der ital. Provinz
Bejaro:Urbino, an der Linie Bologna:Ancona des
Adriatiſchen Netzes, maleriſch am Adriatifhen Meere
und an der Mündung eines Arms des Metauro ge:
legen, Sit eines Biſchofs, gut gebaut, mit Mauern,
Türmen und Graben umgeben, bat (1901) als
Gemeinde 24848 E., in arnifon 2 Bataillone
des 37. Infanterie und 2 Batterien des 14. Feld⸗
artillerieregiments; eine Kathedrale (San Fortu:
nato) mit Bildern von Domenihino und Gar:
racci, zahlreihe andere Kirchen, wie Sta. Maria
Nuova mit einer Madonna von Perugino, San
Pietro mit Fredten und einer Verfündigung von
Guido Neni, viele Klöfter, eine Fortunaſtatue auf
einem Brunnen, Überreite eines Triumpbbogens des
Auguftus, Rationallonvilt, Gymnafium, Gewerbe
chule, öffentliche Bibliothek und ein prächtiges
beater. F. ift auc beliebter Seebabeort. Wichtig
ift die Seideninduftrie und Fiſcherei. — %. (Fanuın
Fortunae, fpäter Colonia Julia Fanestris) verbantt
feine Entjtehung einem ortunatempel. In der 1463
von den Malatefta an den Kirchenſtaat gelommenen
Stadt wurde auf Koften PBapft Julius’ II. eine
Druderei errichtet, aus der 1514 der erſte befannte
Drud in arab. Lettern hervorging.
Fand, dän. Inſel an der Norbfeefüfte vor ber
Mündung der Königsau und durd das Graue Tief
(Graadyb) von der Halbinfel Stallingen getrennt
(j. Karte: Dänemark und Südſchweden),
gebört zum Amt Ribe, bat 54 qkm und (1901)
3177 €. Die Oberfläche befteht aus Dünen, Flug:
um und Heide; nur in unmittelbarer Nähe der
obnpläge ift der Boden angebaut. Die Ein:
mohner treiben nur jpärlich Fijcherei, aber bebeu:
tende Frachtfahrt (Handeläflotte 1900: 78 ——
F. zerfällt in zwei Kirchipiele Norbby und Sönderhoe
mit den gleihnamigen Hauptorten; erſterer befist
ein Seebad und eine Navigationsichule Auf der
Meftküfte in der Dünenregion find mehrere größere
Babdeetablifjements.
Fanon (frz., jpr. -nöng, vom althochdeutſchen
fano, sahne), in Frankreich die fleine, nicht als
Feldzeichen geltende Sahne, die auf den Lagerpläßen
den Standort ber einzelnen Compagnien marlierte,
ebt wirb dafür der Ausdruck guidon gebraudt.
. beißt aud das fonjt Manipel (ſ. d.) genannte
ewandftüd der kath. Prieſter, auch das Schulter:
velum, unter dem bei der feierlichen Mefje ver Sub:
dialon die Patene hält und ein vom Papite bei der
feierlihen Meſſe getragenes ſeidenes Humerale
(aub Orale genannt). Ferner bezeichnet F. den
Banbitreifen (sudarium) an den einwärts —
Stäben der Äbte und die zu beiden Seiten ber
Krone der deutihen Kaiſer herabhängenden Bän:
der. In der Chirurgie ift F. eine Art Schrein
(Stroblade), deren man fich früher bei Beinbrüchen
bediente. Falſcher F. (faux fanon) war eine Lein—
wandkompreſſe, welche zwiſchen Strohlade und Bein
gelegt wurde. N zer
bean (fpr.-nöng), franz.:vorderind. Öeldgröße,
anfaga, Cofimo, ital, Baumeijter der Barod⸗
zeit, geb. 1591 zu-Bergamo, geit. 1678, lebte zu:
nädjt in Rom, jeit 1626 in Neapel und gab dieſer
Stadt ihr baulihes Gepräge. Er baute bajelbit
verfchiedene Kirchen, Paläſte und Dentmäler, dar-
unter die Thereſenkirche mit ftattlicher ——
| (1625), die Ferdinandskirche (1628), den prachtvollen
Hauptaltar in der neuen Sefulirhe, die Guglia,
| d. b. den Dbeliäten mit dem Standbilde des beit.
29*
452
Dominicus, den Medinabrunnen (den er vergrößerte
und mit reicherm Schmud ausjtattete), die Kirche
Sta. Maria Maggiore (1657), die Sapienza, ein
edles Wert mit breiteiliger Halle, von ierliber
Bauart, den — (jeßt National
bant) ſowie zahlreiche Privathäuſer.
nt (ital. fante), junger Burſche, mit dem
Mebenbegriff des Unreifen und Leichtfertigen.
Santafia (vom griech. phantäsia, |. — —
als Fremdwort in die neuern orient. Sprachen auf⸗
genommen, bedeutet alles, was auf höhern Lebens⸗
genub Bezug hat, wie 3.B. Gefang, Tanz, Tummeln
des Roſſes u. dgl.; dann eine an Waffen und Ge:
rät angebrachte Verzierung, Blumenihmud im
Haar und auf der Speifetafel, kurz jeden über das
Notdürftige hinausgehenden Lupus. Insbeſondere
bezeichnet man jedoch mit F. im Orient öffentliche
Gelaufange, Produktionen von Künftlern, die von
fit teten mimifchen Tänze und Gefänge der
Almehs (}. d.), und in Spanien bie Scheinfämpfe,
die bei verſchiedenen Feten zwifchen Ehriften und
Mauren aufgeführt wurden. reutb.
antäfle, Schloß zu Donnvdorf (f. d.) bei Bay:
— ſ. Rotwelſch.
ti, Negerſtaat an der afril. Goldkuſte ſudlich
von Aſchanti (f. Nebenlarte zur Karte: Guinea).
Die Bewohner find mit den Aſchanti gleiher Ab:
Rammung und ſprechen diefelbe Sprache (das Odſchi
ober Kuh beide Staaten führten zu Beginn des
19. Jahrh. blutige Kriege miteinander, infolge deren
die Macht 5.8 gebrochen wurde. Seit 1864 ift das
Land völlig unter brit. Oberboheit. (S. Golptüfte.)
Fauti, Manfredo, ital. General, geb. 26. Febr.
1808 zu Garpi bei Modena, beſuchte die Radetten:
ſchule zu Modena, wurde In enieurleutnant und
nahm im Febr. 1831 an der Erhebung gegen den
Deriog Fran von Modena und die Oſterreicher
teil. entlam nad Frankreich, trat dann 1835 in
pen. Dienfte über, — ſich durch Tapferkeit
m Kampf mit den Karliſten aus und rüdte zum
Dberft im Madrider Generalftab auf. 1848 nad
Italien zurüdgelebrt, trat er ald Generalmajor in
den Dienft der Brovifprifcen Regierung von Mai:
fand und ſchutzte Karl Albert perfönlich gr en die
Vollawut nad dem Abſchluß des Maffenftillitands,
Er kämpfte 1849 im Dienjte Piemontö gegen die
Öfterreicher, führte im Krimtriege eine Brigade und
im Kriege von 1859 eine Divifion mit Auszeihnung
und übernahm dann von den Proviſoriſchen Regie:
rungen von Toscana, Parma, Modena und der
Romagna die Führung ihrer vereinigten Truppen.
1860 in das erite ital. Kabinett unter Gavour
als Kriegsminiſter eingetreten, ſchuf er neue Trup⸗
nlörper, verftärfte die Feitungen Pavia und
igjigbettone, erneuerte die Heereseinrichtung und
vernichtete in den Marten und Umbrien die päpftl.
Truppen unter Lamoriciere, bewirkte auch als Fuührer
von Victor Emanueld Generalftab in Unteritalien
Molas und Gaetas Einnahme. F. mar 1849 Mit:
glied des zweiten piemont. Parlaments und wurde
1860 zum Senator ernannt. Als Ricafoli 1861 fein
Minijterium bildete, übernahm F. den Oberbefehl
des 5. Militärdepartementd. Er jtarb 5. April 1865
u Florenz, mo ihm 1872 ein Bronzeftanbbild (von
di) errichtet wurbe. — Vgl. Relazione sulla cam-
pagna Ji guerra nell' Umbria e nelle Marche Sett.
1860 (Zur. 1860); Garandini, Vita di Manfredo F.
(Berona 1872 u. 1884); Galori, Manfredo F. nella
storia del risorgimento italiano (Modena 1901).
Fant — Farad
Fanum, Münze, |. Fanam.
Fanum (lat.), heiliger, der Gottheit geweihter
Platz, beſonders als Tempelplatz, daher auch Tempel.
Fanum Fortũ ‚I. Fano.
Fanum Sanoti Viti, }. Fiume.
Fao, befeitigter Hafenplag im türk. Sandſchat
und Wilajet Basra, rechtd an der Mündung des
Hauptarmes des Schatt el:Arab, Kusbah gegen:
über, ijt der Sik der türf. Behörde für die Eupbrat-
ſchiffahrt und eines brit. Konjularagenten, Duarans
täneitation. Hier endet das perj. Goljlabel, bie
inboeurop. Telegrapbenlinie und beginnt die Land⸗
linie nach Konſtantinopel. I. dj.
Faprefto, Beiname des ital. Malers Giordano
Faquin (fr;., ſpr. fäläng, vom ital. facchino,
Badträger, Dienftmann), Holzfigur, nad welder
man beim Panzenrennen mit der Lanze jtieß und die,
ungeihidt getroffen, dem Stoßenden einen Schlag
zurüdgab (j. auch Karufjell); dann: Schlingel, Wit,
Yump; Faquinerie (pr. -kin’rib), Schelmen;,
Far (lat.), Dintel, Schurlenſtreich.
Färäbi, Abü Naßr Mohammed ibn Moham—
med ibn Tardyän al:, mohammed. Philoſoph, wurde
gegen Ende des 9, Jahrh. in Farab (Budara) nes
oren. Sehr früb wandte er jih nad der Nefidenz
Bagdad, wo er Gartenhüter wurde, dabei aber mit
robem Fleiß das Studium des Artjtoteles betrich,
o daß fich viele Schüler um ibn ſcharten. Später
ging er nah Haleb, wo er an dem Sultan Seif al:
daula einen Beſchüßer fand, den er aub nah Da:
mastus begleitete. Dort ftarb er 950. Die Zahl
eg nur zum Teil im arab. Tert (zum Teil aud in
ebr. Üiberjegungen) auf uns gelommenen Schriften
iſt febr aroß. Beſonders berühmt machte er fih durch
feine Bearbeitung des Arijtoteles, vorzugsweiſe de⸗
«Drganon». Seine Autorität berubte vorzugsme.je
in der Entwidlung der Logil. Aber aud jeine me: ı-
pbofiichen Lehren werden vielfah erwähnt, ſowie er
auch in der Lehre vom Intellelt für die jpätere arab.
Philoſophie babnbredend war. Auch beſaß F. cın
bedeutendes muſilaliſches Talent. Aus einem ſeiner
muſikaliſchen Werke, von welchen Koſegarten fin ter
Vorrede zu feiner Ausgabe der «Aghäni») eine Ana»
lyſe lieferte, find von J. P. Yand in den Alten
des 8. Drientaliftenlongrejjes (Veid. 1885) Auszüge
im Original nebjt einer orientterenden Abbanblung
erſchienen. Einige der pbilof. Abbandlungen des
5. find in lat, Überjegung von Camerarius («Al-
pharabii vetustissimi Aristotelis interpretis opera
omnia, quae latina lingua —— reperiri po-
tuerunt», Par. 1638) ——— en. Im arab.
Driginal haben Schmölders (in «Documenta philo-
sophiae Arabum», Bonn 1836) und Dieterici (2eid.
1890) Abhandlungen des 5. ebiert; Dieterici bat fie
auch ins Deutſche überjekt (ebd. 1892) und F.8
Abhandlung «Der Mufterftaat» beraus * en
(ebd. 1895) und überjekt (ebd. 1900). — 8 S.
Munt in «Melanges de philosophie juive et arabe⸗
(Bar. 1859); Steinſchneider in ben «M&moires (le
l’Acadömie des sciences deSt. Pötersbourg»(1850).
Farad (benannt nah Michael Yarabay), vie
eleftromagnetifce praltiihe Rapacitätseinbeit (f.
Eleltriſche Kapacität) im Eentimeter: Gramm: €»
tunden (C-G-S):Spftem (f. Maß und Gemwi.ht
im abjoluten Sinne, und Eleltriſche Einheiten);
fie itellt die Kapacität eines Leiterd vor, der mit
der Ginbeit der Glektricitätämenge (f. d.), d. i
1 Coulomb, zum Potentialmerte (f. Eleltriſches Po⸗
tential) der Einheit der Eleltromotoriſchen Kraft
Faraday — Farbe
6.2), d. i. 1 Bolt, geladen wird. Das F. beträgt
rur das Zaufenbmillionftel 1000000000 = 10?
der tbeoretifchen Einheit des C-G-S:Spftems und
wird daher ausgedrüdt durch 10-9 em. g. sec. Diele
bedeutende Verkleinerung der tbeoretiichen Kapaci⸗
tät3einbeit ift dadurch notwendig, daß letztere für
die PBraris * ihrer unbequemen Größe nicht
Bt, indem 3. B. die Kapacität eines transatlanti:
hen Kabels nur etwa den anderthalbbillionften
eil diefer Einheit beträgt. Ja jelbft das F. ift
nod zu roß, fo daß man gewöhnlich das Milro:
farad, d. i. ben millionften Teil des F. ala Kapa-
eitätäeinheit anwendet. Das Mitrofarad, für wel:
ches die übliche en mi ift, beträgt numerifch
alfo 10-15 cm.g.sec. Wie groß auch noch das Mikro⸗
farad ift, geht daraus hervor, daß die Kapacität
eines Kilometers des überfeeiihen Kabels nicht
mebr als etwa 0,2 rn ausmadt. Die Ha:
pacität der gewöhnlichen Leidener Flaſchen mißt nur
nad Zebhntaujendfteln des Mikroſarad, und felbft
die mächtigen Kondenfatoren mit einer Belegung
nad Tauſenden von Quadratmetern, wie fie 3. B.
beim Betrieb der enal.:amerif. Kabel in Gebrauch
find, befigen bloß einige hundert — ———— Zur
leichten Meſſung von Kapacitäten in Mitrofarad
dienen aus Stanniol und Glimmer —— latt:
fondenfatoren, deren Kapacität möglichit genau auf
1 miodereinfache Bruchteile desſelben abgeglichen iſt.
Faraday (ipr. färrede), Michael, engl. Chemiter
und Phyſiler, der =. eined armen uf mieds,
geb. 22. Sept. 1791 zu Newington Butt bei London
in der Grafihaft Surrey, fam 1804 nad London
in die Lehre zu dem Buchhändler und Buchbinder
George Riebau, bei dem er neun Jahre arbeitete.
In feinen Mußeftunden fertigte er eine Eleltrifier:
mafdbine und andere Apparate an und erbielt 1813
durch Dany den Poſten eines Nifiitenten an dem
pbpiit. Yaboratorium der Royal Institution. Zu
Ende desſelben Jahres begleitete er Davy auf einer
Reife nad dem Kontinent und kehrte 1815 zu feinen
Arbeiten im Yaboratorium zurüd, 1827 wurde er
Brofejjor der Chemie an der Royal Institution in
London und wirkte 1829—42 aud als Leltor an
der Militäralademie in Woolwich. 1835 verlieh ihm
das Minijterium eine Benfion von 300 Pfd. St.
F. ftarb 25. Aug. 1867 in Hampton:Court.
Bon Bereutung für die Wiſſenſchaft wurden feine
Berjuche über Legierungen des Stahls (1820 und
mit Stodart 1822); die Berflüffigung mehrerer Gas:
arten, wie Roblenjäure, Eblor u. ſ. w. (1823 und
1845); feine Darftellung verfchiedener mit Üthylen
iſomerer Roblenwafjerftoffe (1825 und 1826); die
Darftellung eines optiihen Glafes aus Kieſelerde,
Borarjäure und Bleioryd (1825—29); feine Stu:
bien über Thaumatropie (1831) und ſchwingende
Blatten (1831). Das größte Auffehen erregten in:
defien feine Entvedungen der e gg er
Rotationen (1821) und der Boltas oder —
——— (1832); 1838 — 34 folgten feine eleltro⸗
Unterſuchungen, 1835 entdedte er den as
itrom, 1845 —48 machte er feine berühmten Berjuche
über den Diamagnetismus und 1845 entbedte er,
daf jede Durchfichtige diamagnetiſche Materie mittels
Gleltricität oder Magnetismus das durchgehende
Sicht freisförmig polarifiere. F. gab eine Reihe lauch
in voggendorffs « Annalen» übergegangener) Ab:
kandlungen («Ex erimental researches in electri-
city», 3 Bve-, zulest Lond. 1882; deutſch von Ka:
453
licher, 3 Bde., Berl. 1889—91 ; auch von von Öttin-
en in Ditwalds «Klaffitern der eralten Wiſſen
haften») über alle elettriijhen Phänomene und
deren Zufammenbang heraus. Ferner erſchienen
von ibm: «Lectures on light and ventilation»
(2ond, 1843), «Lectures on the nonmetallic ele-
ments» (ebd. 1853) und «Lectures on various
forces of matter» (4. Aufl., ebv. 1874). Seinen
Briefwechſel mit Schönbein ß Letters») gaben
Kablbaum und Darbijhire (Bafel und Lond. 1899)
beraus. — Bol. Dumas, Eloge —* de
Michel F. (Bar. 1868); Bence Jones, The life
and letters of F. (2 Bbe., Fond. 1869; 2. Aufl. 1870);
Tyndall, F. as a discoverer (ebd. 1870; beutich von
Helmboli „Braunſchw. 1870); Gladſtone, Michael
F.(deutih Glogau 1882); Thompfon, Michael F., hie
life and work (Lond. 1898; deutſch Halle 1898) ; derf..,
Fund die engl. Schule der Elektriker (Halle 1901).
Yaradayın, Produkt der trodnen Deftillation
des Kautſchuks, in der Hauptſache identiſch mit
Iſopren (ſ. d.).
Faradays Gefen, ſ. Elektrolyſe.
aradifation, ſ. Elektrotherapie.
araͤfrah («Sprubelquellen»), die kleinſte dei
pr ägypt. Dafen der —— MWüfte (ſ. Karte:
Ügppten), 8—10 Tagereifen weitlih von Siut
im Nilthale, liegt in 76 m Höhe in einem nur nad
©. * eten, ſonſt rings von Nummulitentalt:
Steilrändern abgeſchloſſenen Thale mit talligem
Thonboden, der jtredenmeife mit Quarzfand bededt
ift. Die wafferreichfte der zahlreichen, die Vegetation
bervorrufenden Sprubdelquellen, ſüdlich vom Drte
F., hat eine Temperatur von +26°; nad Rohlfe
zählt die Dafe 320, 1897 nad) Beadnell 542 E. Eine
Regierungsbehörde, die hier, wie in andern Dafen,
die patriarhalifche Herrſchaft der begütertften Fami⸗
lienhäupter beauflichtigte, ift nicht vorhanden. Die
Religionsihule (Zawije) des Senuſſiordens A
Snuffi) ift bier allmächtig und hat einen großen Zeil
des Örundeigentums an fi gebradt.
——— indobrit. Stadt, ſ. ——
arallones de los Frayles( F -alljobnes),
Gruppe Keiner Infeln, parallel der Küfte von Kalı:
fornien, etwa 50 km im W. vom Eingang zur Bai
von San Francisco. Auf ihnen nijten viele See:
vögel, deren Eier nah San Francisco gebracht
werben; die nörbl. Inſel trägt einen Leuchtturm.
Barandodle, ein provencal. Rundtanz von mun:
terer Bewegung, gemöhnlid im Sechsadteltaft.
arafinna, Kanalvon, f. Quarnero.
araſſel, —* Faraſſila, arab. Han:
delsgewicht, ſ. Fraſil.
Farbe, in der Phyſil Bezeichnung für irgent
eine beſtimmte Lichtart, die man durch bie ent.
ſprechende Schwingungszahl ber Sltberteildhen, oder
durch ihre Wellenlänge im freien Ather bez. in Luft,
oder endlich dur ihre Fortpflanzungsgejhmwindig:
teit in einem bejtimmten Stoff, d. b. durch deſſen
betreffenden Brechungsexponenten, dharalterifieren
fann. (5. Farbenlehre.) Außerdem verjteht man
darunter auch die Beichaffenheit eines Körpers, in:
folge deren er von dem auf ihn fallenden farblofen
Sonnen: oder Tageslicht nur Schwingungen von ge
wiſſen Wellenlängen durchläßt, die übrigen Strab-
len aber abjorbiert. Infolgedeſſen erjheint der Hör:
per im auffallenden oder durchgelaflenen Lichte mit
einer Farbe, die Abforptionsfarbe heißt. Eub:
ftanzen, die dieſe Eigenſchaft in hervorſtechendem
Grade befigen, heißen Farbftoffe (f. d.).
454
rbeeroton, ſ. Crozophora.
arbe des Himmels. Betrachtet man eine
üffigkeitsjchicht, in der feine Körperchen ſchweben
eine ſolche erhält man z. B., wenn eine Auflöfung
von Maftir mit Waſſer verbünnt wird), fo erſcheint
diefe Snake Ibön blau, wenn man fie gegen
eine dunlle Wand ftellt und Sonnenlidt von vorn
auffallen läßt. Betrachtet man aber die Sonne
—* dieſe Fluſſigleitsſchicht, fo erſcheint dieſe rot.
Ahnliches Verhalten zeigt auch Rauch von Cigarren,
Papier, überhaupt jedes durch äußerſt * Örper:
den getrübte, fonft durchſichtige Mittel. Dies muß
alfo auch bei der Luft der Fall fein. In gewiſſer
Entfernung von der Sonne muß die bejtändig feine
Körperhen als Staub und Waſſerkügelchen ent:
baltende Luft blau erfcheinen. Die Intenfität und
Schönheit diefer blauen zer. bängt von der
Trübung ſelbſt ab. Abfolut reine Luft müßte ſchwarz
ericheinen. Werden aber die ſchwebenden Körper:
ben zu und zu groß, dann gebt das Blau
immer mebr in Weiß oder Grau über, wie dies bei
Bildung der Sommermwollen wahrzunehmen ift.
Die Teile der Luft in der Nähe der Sonne müſſen
eine gelbe bis rote Färbung haben. Dies ſehen wir
dei ftarlen Trübungen, namentlih durch Raud,
beſonders aber, wenn die Sonne am Horizont ftebt
und Schichten getrübter Luft durchſtrahlt. Hierauf
berubt die Morgen: und Abendröte, Einen be
fondern Glanz foll diefe Färbung bei Vorhandenſein
von Wafjerdampf im Zuftand des libergangs aus
dem gasförmigen in den flüffigen Zuftand haben,
während beim Untergang der Sonne ala rötliche
Scheibe dies mehr von Staub berzurübren fcheint.
— Bol. Zettwuch, Ricerche sul bleu del cielo
(Spoleto 1901).
rbefuöterich, ſ. Polygonum.
ärbelad, f. Lac-dye. [maren.
arben, |. Farbe, Fäxberei, Farbjtoffe, Farb:
arben (in der Heralbit) oder heraldiſche
Zintturen, Als folde fommen in Betracht die
. rot, blau, ſchwarz und grün, felten purpur und
raun, endlich gelb und weiß. Lebtere beide werden
in der Heraldik — durch Gold und Silber
—5* und im Gegenſatz zu den vorgenannten F.
etalle genannt. Zu dieſen ift aud das mit der
purpurnen und braunen Farbe in die fpätere He
raldit eingeführte Eijen zu reinen, Abftufungen
der genannten F. in bellern oder in dunllern Tönen
oder weitere Miſchfarben kennt die Heraldik nicht.
Es ift ein heraldiſcher Grundſatz, nur Farbe auf
Metall und Metall auf Farbe zu ſetzen oder mit
beiden zu wechſeln. Bei nicht farbiger Darftellung
ber Wappen wurde in ältern Mappenbüchern die
arbe dur ihren Anfangsbuditaben, die grüne
arbe aud vielfah dur ein laubartiges Zeichen
angedeutet. In der eriten Hälfte des 17. Jahrh.
tam die noch heute allgemein übliche Schraffierung
ur Farbenbezeihnung in Aufnabme. Nah diefem
Spitem wird Rot mit fenfrechten, Blau mit wage
rechten, Schwarz mit ſenkrecht und wagerecht gelreuz⸗
ten, Grün mit jhrägrechten (\), Purpur mit ſchräg⸗
linten (/) Strichen oder Linien bezeihnet. Schwarz
wird aud dur Ausfüllung der ganzen Fläche mit
ihwarzer Farbe bezeichnet. Punkte bedeuten Gold
(Gelb), eine leer gelafjene Fläche Silber. (S. Tafel:
Heraldifhe Typen I, Fig. 1—7.)
Färben oder Berfärben, in der Jägerſprache
ber Wechſel ber verichiedenfarbigen
Sommerhaare des Wildes,
inter: und
Färbecroton — TFarbenblindheit
arbenbindemittel, |. Bindemittel.
benblindheit, Ahromatopfie, Dys—
hromafie, Dyshromatopfie, Ebromato»
pieubopfie, das Unvermögen, Farben wahrzu⸗
nehmen oder richtig zu unterſcheiden. Die typiſche
iſt ſtets angeboren, betrifft dann immer beide
lugen und iſt entweder total, wenn der Betreffende
die verjchiedenen Farbentöne nicht unterjcheidet, jeine
anze Umgebung nur in Schattierungen derſelben
Far e (grau in grau) fieht, oder partiell, wenn
das Auge nur für eine oder mehrere Farben blind
ift, die übrigen dagegen richtig wahrnimmt. Am
äufigiten fommt vor die Rotgrünblinpbeit
Anerptbropfie nad, Goethe): Not und Grün
werden unter ſich und mit grauen, gelben, braunen
Tönen verwechſelt. Das Farbenipektrum beftebt
nur aus einem gelben ie dem roten Ende bin)
und einem blauen (nad dem violetten Ende bin)
Zeile, die in der Gegend des Grüns zujammen:
foben. Der Rotgrünblinde teilt, wenn von reinem
iß und Schwarz abgeſehen wird, alle farbigen
Dbjelte in drei Reiben ein: 1) die Neibe der gel
arben: Rot, Rotgelb, Gelbrot, Gelb, Gelb R
rüngelb und Grün, ferner Blaugrün, wojelbit das
Grün das Blau, und Burpur, in dem das Rot das
Blau überwiegt, endlich Grau, das noch einen Stich
ins Rote, Gelbe oder Grüne bat; 2) die Reibe der
blauen Farben: Blau, Violett, Blaugrün und Pur⸗
rt, wo Blau —— Grau, wenn es wirllich
Blaugrau ift; 3) die Reihe der grauen Farben:
Grau, Blaugrau und Burpur, die das betreffende
Auge mit der gleihen Intenſität wie die fie foniti-
tuierenden Grundfarben treffen. Dan zerlegt die
Rotgrünblindheit nah Helmholtz und Young in
zwei formen: 1) die Grünblindbeit (Rots
grünblindheit mit unverlürztem Speltrum Achlo⸗
topfie]), bei weldyer der rote Teil des Speltrums
arblos hell oder gelb erſcheint, zwiichen Gelb und
lau meiſtens ein neutraler grauer Streifen liegt,
Hellgrün mit dunkelm Not verwechfelt wird; 2) vie
Rotblinpbeit (Rotgrünblinpheit mit verkürztem
Speltrum [ —— bei weldyer der
rote Teil des Speltrums duntel erſcheint, helles Rot
mit dunfelm Grün verwechſelt wird. Selten ift die
Violettblinpheit (Blaublindheit [Eyano:
ienjiel, Blaugelbblindbeit tyano⸗
blepjie nach Goetbe]): Gelb und Blau werben
nit erfannt, das Speltrum bejtebt nur aus Grün
und Rot, der violette (blaue) Teil erſcheint duntel,
Alle farbigen Stoffe erfcheinen grün, rot oder 2.
Gelb wird für Grau, Grün und Rot, Blau für Grau
ober Grün, Violett und Burpur für Rot gebalten.
Die Erſcheinungen der F, lajlen ſich aus den bis
jet geltenden Farbentheorien (j. Farbenſinn und
Farbenlehre) nicht ohne Zwang erklären. Während
nah der Anfiht von Young:Helmbolg bei par
tieller F. eine oder pe ferarten in der Bedeu
fehlen, bei der totalen %. überhaupt nur eine Fafer-
art vorhanden ift, erflären Hering und Preyer bie
pen: F. aus dem Fehlen der rotgrünen oder
laugelben Sebfubitanz(Doppeljapfen),die totale F.
aus dem Fehlen jeder farbenempfindenden Subftanz.
F J. 1777 zuerſt von Huddart erwähnt, wurde
bie Bar von dem ſelbſt rotblinden engl. Ebemiter
John Dalton 1794 beihrieben und ſeitdem von Brer
vojt mit dem Namen Daltonismus belegt. Nach⸗
dem 1837 Seebed methodische — Far ·
benblinder vorgenommen hatte, gaben zuerſt Helm«
bols und Marmell Erklärungen der F. Die Unter*
Farbendruck
uchungen wurden in der neueſten Zeit von vielen
Seiten fortgejekt, namentlich ſeitdem der Schwede
Holmgren die öfjentlihe Aufmerkjamteit auf die Ge:
täbrlichleit der F. wegen der beim Eijenbahn: und
Marinedienfte gebräuchlichen farbigen Signale ge:
richtet hatte, und fie ergaben, daß auf 1000 Männer
etwa 30 Farbenblinde, auf 1000 Frauen nur 3 Far:
benblinde fommen. Man erklärte dies dadurd, daß
vom Beginn des Menſchengeſchlechts an die Be:
ihäftigung mit farbigen Objelten hauptſächlich den
Frauen aunel, und einige Forſcher (Gladſtone u. a.)
zogen hieraus und aus der Armut der Homeriſchen
Sprache ſowie der meiften beutigen Naturvölter
an Farbenbezeihnungen den von anderer Seite
vielfah angefochtenen Schluß auf eine Weiter:
entwidlung des Farbenſinns von Generation zu
Generation. Man glaubte daher nicht nur dur
Erziehung des Farbenfinns der F. fpäterer Genera:
tionen vorbeugen, jondern jogar die bejtebende F.
beilen zu können, In lesterer Beziehung bat fich
nun ergeben, daß Farbenblinde beim Sehen dur
Sudhfingläfer allerdings Farben, die ihnen ſonſt
völlig gleich erſchienen, zu unterjcheiden vermögen,
ohne indefjen den richtigen Fyarbenton zu empfinden.
Die F., wenigftens die Rotgrünblindheit, ıft erb:
lich, häufig in der Art, daß fie von dem Großvater
auf den Sohn der farbenfräftigen Tochter übergebt.
Die erworbene F. gebört in das Gebiet der Netzhaut⸗
und Sebnervenpatbologie. Man bedient fi zur
Brüfung des Farbenfinns entweder verjchieden:
farbiger Wollproben (j. Wollprobe Holmgrens),
oder verſchiedenfarbiger Täfelben, oder ver fog.
Bſeudoiſochromatiſchen Tafeln (ſ. d.), zur aenauern
Brüfung au des Farbentreijeld, des Speitroitops
oder des Roſeſchen PBolariilops. — Bal. Magnus,
Die F., ibr Wejen und ihre Bedeutung (Bresl. 1878);
Kaliicher, Die F. (Berl. 1879); Holmgren, Die 3.
in ibren Beziebungen zu den &ifenbahnen und der
ine (deutſch Lpz. 1878); Stilling, Das Seben
der Farbenblinden (Caſſ. 1880); derſ., Pſeudoiſo—
bromatiihe Tafeln (ebd. 1883); Oblemann, Die
. und ibre Diagnoie (Braunſchw. 1897); Daae,
. und deren Erfennung (deutich von Sänger,
3. Aufl., Berl. 1899); Nagel, Die Diagnofe der
xraltiſch wichtigen angeborenen Störungen des
Farbenſinns (Wiesb. 1899).
ck oder Buntdruck, im Gegenſatz
u dem einfachen Schwarzdrud, die Kunſt, Schrift,
jerungen oder Bilder mitteld der Drudprejie ın
iedenen Farben darzuftellen. Der F. findet
Anwendung ſowohl im Bud: und Steinvrud, als
aud im Licht⸗ und Kupferbrud; für die Praris
tommt .. ber farbige Kupferdrud (f. d.) feiner
boben often wegen wenig in Betracht. Bereits die
eriten Ausüber der Kunſt Gutenbergs drudten Ini—
tialen, Anfangs: und Schlußfäge, Merttage in den
Ralenbern und ähnliches mit roter Farbe. Das be:
rübmte Bialterium von Schäffer und Fuſt von 1457
ingt nitialen in roter und blauer Farbe,
die Shlußichrift ſogar in drei Farben, in game
fer Weife gedrudt. Die mangelhaften meban. Bor:
rihtungen damaliger Zeit liegen jedoch feine große
g des 5. zu, und man überließ es no
der Kunſt des Malers, bie Jnitialen nad:
mit ber Hand auszjumalen. Schon zeitig
famen Holzichneider und Kupferſtechet auf den Ge:
danlen, dur Platten mit ausgeſparten Lichtern
oder burch verfchiedene Tonplatten, für newöbnlich
nur Nuancierungen einer und derjelben Farbe, eine
&
455
lebendigere Wirkung in ihren Bildern bervorzu:
bringen, mitunter indem fie ſowohl Holz» ala
Aupferplatten zufammen verwendeten. Es war dies
ber fog. Elairobjcurdrud (ſ. Elairobfcur), der na:
mentlic im 16. Jahrh. in Deutihland und Stalien
eübt wurde. Spieltarten in drei Farben wurden
Ken A Anfang des 16. Jahrh. gedrudt (f. Tafel:
Spiellarten, Bd. 17), und von 1520 befigt man
einen in acht Farben gedrudten Holzichnitt. Wah—
rend des Darniederliegend der Drudkunft im 17.
und 18. Jahrh. geriet auch der F. in Verfall und
nahm erft zu Ende des erften Viertels des 19. Jahrh.
wieder einen Aufſchwung, und zwar von England
aus, William Eongreve ‘. d.) * 1824 den nad
ihm genannten Congrevedruck Eine Metall:
platte wird in verfchiedene Teile, je nach der Farbe,
die verwendet werben foll, ausgelägt, die Teile wer:
den eingefärbt, wieder zu einem Ganzen ineinander
lc und dann gleichzeitig abgedrudt. Das Ber:
— ren iſt heute faſt außer Gebrauch, häufiger findet
der Jrisdrude(ſ. d) Anwendung. Bet leßterm
werden die verſchiedenen Farben in Längenſtreifen
an dem Farbetiihe der Handprefje vorjichtig ver:
rieben, auf der Schnellprefe wird der Farbelaſten
in entjprecbende Felder geteilt, fo daß jede Farbe
für ſich bleibt; nur wo fie aneinander grenzen, ver:
ſchmelzen fie wie in dem Regenbogen. Bei Auto:
typie dDrudt man häufig unter das Bild eine zu dem
Sujet pafjende Tonfarbe, in deren Platte die Lichter
—— ausgeſpart wurden. Die letztern er:
ſcheinen dadurch noch heller und die Tiefen mehr
get fo ei bie Blaftil des Bildes mit geringen
Mitteln erböbt wird. In neuefter Zeit verwendet
man zu diejem Zwede auch ſog. Dupler-Autotypie.
Der eigentlihe Bilderbrud wurde um 1820
von William Savage in London ausgeführt, der aber
von G. Barter 1827 bedeutend übertroffen wurde.
Barter gravierte die Umriſſe eines Bildes in Kupfer,
nabm jo viele Abdrüde davon, als er Farbenplatten
—— und ſchnitt alle diejenigen Teile des
ildes, welche eine und dieſelbe Farbe haben ſollten,
in eine Holzplatte. Dieſe Platien wurden nun der
Reihe nah aufeinander gedrudt, wobei das richtige
Treffen der Umrifje große Schwierigleiten bot, weil
das Drudpapier früber ftetö feucht verbrudt wurde
und ſich ee eiht verzog. Der typo—
rapbifche %. befaßte ſich meift, durch die Zwei—
— dann auch durch Vielfarbemaſchinen
(für drei bis fünf Farben) unterſtüht, mit den ſog.
Accidenzarbeiten und in aeringerm Maße auch mit
dem Landkartendruck mitteld Hochäkungsplatten.
In neuerer Zeit bat jevod der typographiſche F.
mittel des Farbenholzſchnittes, in welchem befon:
ders Anöfler in Wien und Bong in Berlin Boll:
endetes leiften, oder dur in Zink geäßte autoty:
piſche Farbenplatten eine hohe Stufe der Volllom—
menbeit erlangt und eine derartige Berbreitun
gefunden, daß man typo ee F. jest in fat
allen bejiern Zeitjchriften —* er Erfinder des
Steindrucks, Senefelver (f. d.), bat ſchon alle Arten
bes litbogr. Buntdruckes praftiih ausgeführt; der:
jelbe wird gewöhnlich ald Chromodrucbezeich—
net und Aquarellfarbenvprud — wenn
es ſich um graphiſche Reprodultion als Nachahmun
von Aquarellzeichnungen handelt. (S. Lithographie.
Der eigentliche vielfarbige Bilderdruck iſt auch heute
noch im großen und ganzen wegen der relativ billi:
en Heritellung der 'Blatten, zu denen in neuerer
Bit vielfah Aluminium Verwendung findet, eine
456
Domäne der Lithographie, doch macht ihr die quan:
titativ leiftungsfäbigere Buchdrudſchnellpreſſe mit
ber fortfchreitenden Bervolllommnung des Drei:
farbendrudes, um den fich der 1901 verftorbene
Dr. €. Bogel große Berdienite erworben bat, immer
mehr Gebiet treitig. Der Dreifarbendrud bafiert
auf der Theorie, daß ſich alle Farbentompofitionen
in die drei Grundfarben gelb, rot und blau zer:
legen und durd den libereinanderbrud dieſer drei
Nuancen mitteld entiprechender Platten fi alle
Barbentöne wiedergeben laffen. Die Hauptichwie:
rigteit liegt in der Herftellung der Platten, deren
jede die verfchiedenen Tonwerte der betreffenden
arbe in richtiger Verteilung enthalten muß. Um
dies zu erreichen, wird bei der photogr. Aufnahme
für die gelbe Platte, welche alfo nur alles im Dri—
ginal enthaltene Gelb josujagen herausziehen joll,
eine Glasſcheibe zwiſchen Objektiv und Original
geſchaltet, welche komplementär zum Gelb, alio
violett gefärbt ift und demzufolge nur gelbe Strab:
len hindurchläßt; für die rote Aufnahme wird eine
g und für die blaue eine orange gefärbte
eibe benußt. Die gewonnenen Negative werden
auf Kupfer kopiert und hochgeätzt. Der Dreifarben-
drud erfordert neben einem gejhidten Druder genau
abgeitimmte Farben und vorzüglide Maſchinen;
er giebt jedoch bei richtiger Anwendung alle Einzel:
—— des Originals ſo getreu wieder, wie dies bei
einem andern Verfahren — iſt. Auch im
Stein- und Lichtdruck wird der Dreifarbendruck,
wenn auch bei weitem nicht jo häufig ala im Buch:
drud, angewendet. (S. auch Lichtdruck und Natur:
farbenprud.) — Bol. Ihm, Die bunten Farben in
der Buchdruckerei (2. Aufl., Wien 1874); Waldom,
Anleitung zum 3. auf der Buchdrudprefie und Ma:
{cine (£p3. 1883); Hoffmann, Spftematiiche Farben:
lehre (Zwidau 1892); Krüger, Die Technik der bun:
ten Hccidenz (2. Aufl., Berl. 1900); Müller und
Detlef, Buntfarbenbuchprud (Lpz. 1900).
Farben dünner Blättchen, j. Newtons Far:
benglas.
rbenempfindungen, ſ. Farbenſinn.
— j. Ehromogene.
rbengebung, Färbung, Kolorit (ital.
eolorito), die Behandlung der Farbe dur den
Maler. Sie ift es, die feinen Werten individuelle
Lebendigkeit und Wahrhaftigleit verleiht. Hat die
Skulptur es hauptſächlich mit der Körpergeitalt zu
tbun, bie fie in leibbaftiger Rundung beraus-
arbeitet, jo ift es Aufgabe der Malerei, ven Schein
der Rundung der Geitalten und der perſpeltiviſchen
Fernſicht er der Fläche herporzubringen, Beides
geſchieht weſentlich durch die Farbe. Die primis
tive Kunſt ſetzt meiſt mit kräftigen, ungebrochenen
Farben ein und beſchränlt ſich auf die Ausfüllung
der durch Umriſſe gegebenen Zeichnung. So in den
ägyhptiſchen, frühgriechiſchen, mittelalterlichen und
andern Malerſchulen. In zweiter Stufe entwidelt
fi die Kunſtfertigleit dabin, daß die einzelnen Far:
ben in ihrer Wirlung aufs höchſte gefteigert werben
und body dur einen das Bildwerk verbindenden
Gejamtton mit den übrigen Farben barmonieren.
zu ne in diefem Sinne find die Brüder van
End, Dürer, die früben Jtaliener. Die dritte Stufe
eigt das Borwalten ded Gejamttones; die Einzel:
arbe bat nur innerbalb der Wirkung desjelben
einen bejtimmten, maleriſch erjtrebten Zwed. Die
vorwiegend goldigbraune Stimmung, welde na-
mentlich bei den Benetianern und Correggio, fpäter
Farben dünner Blättchen — Farbenharmonie
bei den Niederländern zu Haufe war, kennzeichnet
dieſe en! ber F. Die Hellmalerei (j. d.) er:
ftrebt an Stelle des in der Wirklichkeit nur felten
anzutreffenden, meijt nur dem geſchloſſenen Raume
eigenen goldigen Kolorit3 ein dem thatſächlichen
Einfluß des Sonnenlichts entſprechendes weißbläu:
liches zu fegen. Das Wort Kolorift wurde in ber
Zeit der vorwiegend zeichneriihen Kunſtrichtung
ber erjten Hälfte des 19. Jahrh. in Deutſchland in
tadelndem Sinne gebraudt und durch K. von
Piloty und ſeine wieder zu Ehren —
las, Newtons, ſ. Newtons englas
arbenharmonie, Bezeichnung für die dem
Auge angenehme Zuſammenſtellung von
Man hat verſucht, eine Harmonielehre der Farben
analog jener der Töne au uftellen (Newton 1666,
Radide 1839, Unger 1852, Drobiſch 1852 u. a.), und
fogar durd —— eine Art Farbenmuſil ber:
vorzubringen (Eaftel 1725—35 und Ruete in jünge:
rer Zeit). Allein bei aller phyſil. Analogie zwiſchen
Shall und Licht beruhen ihre beiderjeitigen Wabr:
nebmungen und Gefühläwirtungen vod auf jo ver:
ſchiedenen Grundlagen, daß von einer Anwendung
der Grundfäge der Zonharmonie wi die F. abge:
N en werden mußte. Ebenjo wenig haltbar erwies
für die F. die Lehre Fields («Chromatics», 1845),
nad der den einzelnen Farben bei ihrer Kompo—
fition eine —— nad beſtimmten Verhält⸗
niſſen (achromatiſchen Aquivalenten») derart erteilt
werben follen, daß fie, zujammengemtjcht, neutrales
Grau geben. Eine alte Regel, die aud Goethe aner⸗
kannte, ift, vaß Romplementärfarben (j.d.) eine wobl:
gefällige ujammenftellung geben. Später zeigte
bevreul (1839), daß die angenehme Wirkung der
Komplementärfarben von ihrem «gleichzeitigen Kon:
traft» (j. Rontraftfarben) herrühre («De la loi du
contraste simultan& des couleurs», Etraßb. 1839;
deutſch: «Die %.», Stuttg. 1840; 3. Aufl. 1902.
Man unterjcheidet bei ben Serbenjulommenftellun
gen nad Brüde (1866) die Heinen und großen Jnter:
valle. Die Farben mit Heinem Intervall liegen im
Speltrum (f. d.) nabe aneinander und lafjen ji als
einund — mit etwas verſchiedener Wellen⸗
länge auffaſſen, fo 3. B. Grün und Gelblichgrun,
Duntelblau und Eyanblau. Sielommen in der Natur
äufig vor, ftellen ſanfte und kaum merkliche Jar
enübergänge vor und wirken meijt angen
Farben mit großem Jntervall nennt man jolbe,
die durch einen größern Abftand in der Farbenſtala
oder im Epeltrum voneinander getrennt find, jo
.B. Rot und Gelb, Rot und Grün oder Blau.
Kon den Farben mit großen Intervallen wirten im
allgemeinen die Komplementärfarben ald Berbin:
dung angenehm; es gefallen jedoch aud andere
Sardenlombinationen ut. Später ift von A. Leb:
mann (1884) und J. Cohn (1894) die harmoniſche
Wirkung von Farbenzujammenftellungen erper
mentell unterſucht worden. Dabei ergaben ſich in
der Hauptjache zwei Regeln: 1) Eine Kombination
von zwei Farben ift um jo wohlgefälliger, je mebr
die Komponenten voneinander verſchieden find,
2) tombiniert man eine Farbe mit einer farblojen
Helligkeit (weiß, grau, ſchwarz) oder zwei Farben
von verſchiedener Helligfeit, jo wird immer der
5* Helligleitsunterſchied vorgezogen. Die
oblgefälligleit der Zuſammenſtellung von Kon:
traſt⸗ oder Romplementärfarben ſcheint danach, weil
ſolche Farben immer ein Maximum der Verſchieden ⸗
beit voneinander zeigen, nur ein Specialfall dieſet
Farbenholzſchnitt — Farbenlehre
allgemeinen Regeln zu ſein. Zu beachten iſt aber,
daß die obigen Regeln nur für die rein ſinnliche
Bohlgefälligteit einfacher farbiger Flächen gelten.
Sie würden aljo in der Praris des Kunſtgewerbes
da Anwendung finden, wo, wie bei Teppich:
muftern, geometriſchen a Fer in Glas: over
Mofailgemälven u. ſ. w., jolde einfahen Farben:
flähen nebeneinander treten. Überall da hingegen,
wo bie farbigen Flächen nit ala ſolche wirken
follen, fondern wo die Farbe dazu dient, Gegen:
fände, die durch Form oder Bedeutung gefallen,
in ihrer Ajtbetifchen Wirkung zu beben, rolgt die F.
tompliziertern, bisher noch unbelannten Geſetzen.
Daber mipfallen ung, jobald die Farbenzufammen:
ftellung über jene einfachiten Fälle hinausgeht, ſtark
Iomtraftierende Kombinationen und gelten ſogar für
Zeichen eines roben Geihmad3.
Die Rebeneinanderjtellung von ſehr verſchiedenen
Farben, iell der Kontraftfarben (ſ. d.), wirkt
wabrſcheinlich einerfeit? darum angenehm, weil
das Auge ſchnell für Farben ermüdet, und die Er:
mübung für eine bejtimmte Farbe die Netzhaut zu:
gleih weniger empfänglich für ſehr ähnliche, da:
egen beträchtlich empjänglicher für eine von ber
Ermüdungsfarbe ſehr verſchiedene Farbe madt;
andererjeitd wird beim Kontraſt, mern eine Farbe
auf die Netzhaut direlt wirft, ohnedies auf der
Racbaritelle die Ergänzungs: oder Komplementär:
farbe erregt, woraus it, dab jih benachbarte
Er änzungsfarben gegenfeitig ſtärlen.
itteratur. Brüde, Die Phyſiologie der Farben
für die wie der Kunftgewerbe (2. Aufl Lpz.
1 ; Berold, Die Farbenlehre im Hinblid auf
Kunſt und Kunftgewerbe (Braunſchw. 1874); Ewald,
Die bewegung (Berl. 1876); Farbenkreis in
15 een und 20 Anmwenbungstafeln. Na
Brofefjor Brüdes Phyfiologie der Farben wuter
deſſen Anleitung zujammengeitellt (Wien 1877);
Rood, Die moderne Farbenlehre (Lpz. 1880);
Guihard, Die Harmonie der Farben (mit 765 Far:
bentafeln, 3 Boe.; deutſche Ausgabe mit Tert von
G. Franltf.a. M. 1882; kleine Ausg. 116 Taf.,
ebd. 1892); Woumermang, Farbenlehre (2. Aufl.,
Bien 1891); Kirihmann, Die — Bedeutun
des Helligleits· und Farbenlontraſies (in ven «Philoſ.
Studien⸗, VII, 1892); J. Cohn, ——
der Farben, Helligkeiten und ibrer
(in ven «Bhilof. Studien», X, 1894).
Farbeuholzfchnitt, ein mit farbigen Platten
im Drudverfabren bergeftellter Holzichnitt (}. Holz:
f&neidelunit). (farben.
teaft, ſ. Farbenharmonie, Rontraft:
freifel, |. Newtons —
benlehre, Chromatik, derjenige Zeil
der Optil (j. d; ber ſich mit den Geſetzen der Far:
ben ewton 3 nachgewieſen, daß das
icht aus einer ſehr 3 Anzabl verſchie—
er Lichter von ungleichen Brechungsexpo⸗
(S. Diiperfion.) Zerlegt man
weißes Licht durch Brechung, z. B. mitteld eines
— in feine Beſtandteile, fo erhält man die
arben (f. Speltrum); vereinigt man bieje
wieder, jo er man wieder weißes Licht. Jede
Pihtart bebält bei allen Brechungen und Neflerionen
ombinationen
ibre fiche Farbe bei. Bei der Phosphores⸗
ten; (f. d.) und ssluorescenz (j. d.) tritt jedoch
fine verwanblung ein.
Die ber Korper, die Pigmentjarben
bi. —— entſtehen dadurch, daß die Körper
457
von dem hindurchgehenden weißen Licht einige Be:
ftandteile aufnehmen (abforbieren, daber blorp-
tion der Lichtſtrahlen), andere hindurdlafien,
welch legtere deren farbe beſtimmen. Zinnober z. B.
läßt vorzu Auer rotes Licht durch. Fällt weißes
Licht auf Sinnober, jo werben alle Strahlen von
der Oberfläche teilmweife zurüdgeworfen; ein Teil
des weißen Lichts dringt ein, von demjelben kom:
men aber vorwiegend rote Strahlen aus dem Innern
—— Entfprecend ift die Entjtehung der Fär—
ung farbiger Gläſer zu denken. Die Farben der
Pigmente und farbigen Gläſer find felten rein, fo
daß man beiihnen meiſt nur von einer dominierenden
Farbe ſprechen ann. Ein Körper tan, Phosphores:
cenz und Fluorescenz abgerechnet, nur jenes Licht
wiedergeben, das auf denjelben fällt. Ein Stüd
Binnober, durd das Speltrum (f. d.) geführt, zeigt
überall nur die Farbe des auffallenden Lichts, iſt
aber am belliten im Rot, am buntelften im Grün.
Bei Betrahtung mit einer Weingeiſt-⸗Kochſalzflamme
find alle Körper, weil fie nur gelbes Licht erbalten,
elb und unterfcheiden fih nur dur die Helligkeit.
Nur die Körper mit Oberflädhenfarben (f. d.) re:
flettieren ſchon von dem auffallenden weißen Licht
vorwiegend gewiſſe farbige Beitandteile.
Menn weiße Sibikännelwiteinanberinterferleren,
fo löjhen ſich bierbei gewiſſe farbige Beftandteile
des weißen Lichts aus und der Heft ericheint gefärbt.
So entijteben die Interferenzfarben,
Von größter Wichtigkeit für die Farbenlehre find
die Miihungsgefebe der Farben. Dieje find
teilweise verjchieden für die homogenen Farben des
Speltrums und für farbige — die wegen
ihrer oben hervorgehobenen Unreinbeit notwendi
andere Mijchfarben ergeben müjjen wie die Spel
tralfarben. Nur für die letztern laffen ſich ftrenge
Miſchungsgeſetze aufitellen, als deren wichtigſtes
das folgende gilt: Die Miſchfarbe zweier Farben
entfpricht der zwiſchen ibnen liegenden Speltralfurb:
und ift um — geſättigter, je näber ſich bie Farben
liegen, je ähnlicher % find; biejelbe ift um je
weißlicher, je verjchiedener die Farben find, bie
man bei der Miſchung der fog. Komplementärjar:
ben (f. d.) reines Weiß erhält. Not und Blaugrün,
Gelb und Blau, welche je zueinander fomplementär
IR ergeben Aa — Weiß. Dagegen ent:
tebt bei der Miſchung von fomplementären Big:
mentfarben niemals Weiß, fondern aus Blau und
Gelb z. B. Grün, aus Rot und Blaugrün ein Burpur:
ton, Zum Teil ift mit diefer Unreinbeit der Pig:
mentfarben auch die Thatſache zu erflären, daß
man in der Malerei und Technik mit drei Pig:
menten oder Örundfarben, Rot, Gelb und Blau,
auslommen kann, indem ſich alle andern ar
ben durch Mifhung diefer Grundſarben beritellen
lafien, was die Veranlajjung zu den verfchiedenen
Theorien über die Jarbenempfindungen
(f. Farbenfinn) gab. Um die DVlifchfarben zu
dunfeln, dienen ſchwarze, um fie aufzjubellen,
weiße Pigmente. Jede durch Miſchung von Pig:
menten erhaltene Farbe kaun durch kleinere oder
rößere Beimifhung einer andern (man fagt dann,
te ziehe oder babe einen Stich in dieje oder jene
arbe), durch verſchiedenen Glanz, verichiedene
ebbaftigteit, Reinheit, Sättigung u. f. w. unend—
lid viel Schattierungen und Nuancen geben. Man
bezeichnet die bauptläclicften Farbenabitufungen
entweder mit gewiſſen bergebradten Namen oder
nad gewiſſen Öegenftänden, die diefe Nuancen am
+55
ſchärfſten zeigen, oder envlich durch Beifähe, mie:
bell, dunkel, hoch, tief, warm, kalt, brennend, grell,
fantt, lebhaft, matt, —— ſchmutzig, rein u. ſ. w.
ah den Eigenſchaften der Farbenempfindung
untericheidet man Farbenton (oder Tinte, Qualität),
»Sättigung und »Helligkeit. Unter Farbenton
verfteht man das, mas in der Empfindung bieje
beftimmte Farbe im Unterfchiede von andern von
ihr verfchievdenen ausmacht, 3. B. Not, im Unter:
ſchiede von Gelb oder Grün, objektiv wird derſelbe
durch die Lage der Farbe im Spektrum beitimmt;
unter Sättigung verfteht man die Deutlichleit und
Stärfe, mit der der Farbenton ausgeprägt iſt; fie iſt
um fo größer, je weniger ſich die che dem Weiß,
Grau oder Schwarz annäbert. Pit Helligteit
der Farbe bezeichnet man ihre Lichtjtärle oder
Intenfität. Für naturwifienichaftliche Zwede, bejon:
ders für die Farbe alö mineralog. Kennzeichen, bat
man, um einige Übereinftimmung in Benennung
der Karben zu erlangen, beſondere Sarbentafeln
oder Farbenſtalen. Bon lehtern dürfte die
Wernerſche auch jest noch am befannteiten fein.
In jüngerer get giebt es au zu pädagogiichen
Sweden, zur Ausbildung des Farbenſinns, Farben:
tafeln, z. B. von Batel u. a.; ferner zur Prüfung des
Farbenjinng, } B. von Holmgren und Radde, ebenjo
zu kunftgewerblichen Zweden, J. B. von Bolboevener
in —— — ittigebendau.a.m. (S. Far⸗
benfinn.) Bei der praltiſchen Verwendung der Far—⸗
ben in Kunst und Kunſtgewerbe iſt vorzugsweiſe der
äfthetifche Eindruck einzelner Farben und farben:
fombinationen = berüdjichtigen. Die Woblgefällig-
teit der Einzelfarben unterliegt natürlib indivi—
duellen Schwankungen, doch hat eine ſyſtematiſche
Prüfung zablreiher Perfonen die durchgängige Ab:
neigunggegen Gelbund Hofaergeben. In geeigneter
Zujammenitellung mit andern Farben können je:
—* alle Nuancen eine wohlthuende Wirkung aus:
üben. (S. Farbengebung und Farbenbarmonie.)
Bol. Helmbols, Handbuh der phyſiol. Optit
® Aufl., Lpz. 1888— 96); Lommel, Das Wejen des
ichts (ebd. 1874); Pisto, Licht und Farbe (2. Aufl.,
Münd.1876); Le Eonte, Die Lehre vom Sehen (Lpz.
1883); Hering, Lehre vom Lichtjinn (2. Aufl., Wien
1878); Mautbner, Farbenlebre (2. Aufl., Wiesb,
1894); Berger, Katechismus der F. (Lpz. 1898);
Hurſt, Colour. A handbook of the theory of co-
lour (Lond. 1900).
Farbenlichtdrud, pbotomehban. Drudverfab:
ren, ſ. Lichtorud und Photographie.
arbenmühlen, j. Farbenreibmaſchinen.
arbenphotographie, Bezeichnung für Ehro:
mopbotograpbie (j. d.), Naturfarbenprud (j.d.) und
Photochromie (f. d.). Auch die Dreifarbenpboto:
grapbie Jollys und ber —— —
von Ducos du Hauron und Selle gehören hierher.
(S. Bbotoprapbie, Abſchnitt: Die photomechaniſchen
Vervielfältigungsverfahren.)
Farbenreibmaſchinen oder Farbenmüh—
len, mechan. Einrichtungen zum Feinreiben von
Mineralfarben und zum Miſchen der Farben—
pulver mit Gummiwaſſer oder einem trocknenden
Öfe, welche bei der Aufarbeitung großer Material:
mengen die früber allein übliche Handarbeit mit
Reiber und Neibftein zu erſetzen beftimmt find.
Diejenige Art F., deren Wirkungsweije die meiſte
Ahnlichleit mit der Handarbeit zeigt, bat einen
großen runden Reibftein mit ebener Arbeitsfläche,
auf weldem ein kleinerer unter Drud dur einen
Farbenlihtdrud — YFarbeufinn
Mechanismus im Kreife berumgeführt und dabei
beftändig um feine eigene Achje gebrebt wird.
Eine jehr gebräuchliche Farbenreibmajcine zeig!
diena ———— Die wirkenden Teile der⸗
ſelben find ber rotierende Regel a und der ihn umge:
bende Steinmantel a,. Die Farbe wird in dem Füll:
trichter t aufgegeben, aus welchem fie in den Rüttel-
{hub s und über dieſen in ven die Steine ——
und über dieſelben hinausragenden gußeiſernen
Mantelm gelangt. Die verriebene Maſſe fällt in die
unterhalb der Steine liegende —— e Rinne, die
mit einer Ausflußöffnung e verjeben i Der Ans
trieb erfolgt mittels der Handkurbel k und die Bes
ng wird dann durch die koniſchen Zahnräder z
auf die vertifale Welle übertragen. Das an dem
untern Ende der lehtern befeitigte Schwungrad r
ift von einem Mantel k, umgeben, deijen Dede zu
gleich als Fundamentplatte der Maſchine dient.
Eine andere Art der F. > diejenige, bei welder
ftatt der Steine cylindriihe Walzen angewendet
find, bie, zu zweien oder dreien feit aneinander ge
drüdt, 8 mit ungleicher Geſchwindigleit drehen.
Dieſes Syſtem findet hauptſächlich zum
der Bud: und Steinprudfarben Anwen
arbenringe, j. Newtond Yarbengla® umb
Nobilis Farbenringe. benſcheibe.
arbenſcheibe, Newtons, ſ. Newtons Far:
benjcheu, eine ſelten vorlommende abs
norme Empfindlichleit gegen gewiſſe Farben, deren
nun Hr Augen Schmerzen verurſacht und uns
erträglich iſt.
Sarbenfehen, Chromopfie, Ehromatop:
ie, Chroopſie oder Chrupſie, fubjeltive
arbenerjbeinungen, das Auftreten von Far—
en, meijtens Not, Grün, Violett, im Geſichtsfelde,
denen leine objeltiven Farben in der A ent⸗
ſprechen, die vielmehr durch einen Reizungszuſtand
in Retzhaut und Sehnerv hervorgerufen und daber
auch von erblindeten Augen in oft belaſtigender Weiſe
wahrgenommen werden. Verſchieden hiervon iſt das
Regenbogenſehen beim grünen Star (ſ. Star). —
Bol. Ebbingbaus, Theorie des F. (Hamb. 1893).
Farbenfinn, das Vermögen, die Farben rich
tig zu erfennen. Während die Nebhaut farbloſe
Lichteinprüde in ihrer ** Ausdehnung em⸗
pfindet, bat nur eine beſchränkte, den gelben
Farbenſtalen — Farbenwechſel
dled umſchließende Region volltlommenen F., und
auch hier iſt Dem Erkennen der Farben nit nur
eine gewiſſe Lichtjtärte und Sättigung zen
aud eine gewiſſe Größe des farbigen Fe des er:
forderlih. Die Lehre von den Barbinemplin
dungen ift nod nicht abgeſchloſſen. Die ältern
Theorien vermengten vielfah die phyſil. Ent:
ftebungsbebingungen ber ben mit den pby:
Kologiih nf ol. Bedingungen der Farbenem:
pfindung, fo die berühmte Goetheſche Farbenlehre;
aber fhon der an Goethe anknüpfende Schopen:
bauer gebt von der findung der Farbe und
ibren pbofiol. Bedingungen aus. Unter den
jest noch geltenden Theorien nimmt die Young:
Helm olbihe (zuerft aufgeftellt von Chr. Ernit
Wünſch in Leipzig 1792) drei Grundfarben an:
Rot, Grün, Violett, und demgemäß in der Neb:
re drei Arten von Faſern, rot⸗, grün: und vio:
ettempfindende, die fämtlich durch jede Lichtart er:
regt werben. Aubert und Mac laſſen Violett, in
welchem man deutlib Rot und Blau ertennen joll,
als einfache Farbe nicht gelten und nehmen die vier
Brinzipalfarben Leonardo da Vincis an: Rot, Gelb,
Grün, Blau. Diefe Theorie wird hauptſächlich von
Hering vertreten, der dieje Grundfarben in zwei
Paare von Gegenfarben gruppiert und dem ent:
Iprechend derNießbaut außereiner —— eine
rotgrüne und eine blaugelbe Sehſubſtanz zuſchreibt.
Keuerdings haben namentlich Kries, König und
Dieterici, Mauthner und Ebbinghaus a rund
anatom. und phyſiol. Sorkhungen über Bau und
Thätigfeit der Netzhaut die ältern Theorien des
3. zu motifiieren gefudh. Ebbinghaus (1893)
nimmt ebenfall3 drei Sehfubftanzen an, eine Weiß:
ſubſtanz, deren Zeriegung ung nur farblofe Hellig:
feit vermittelt, während das Sehrot und Geb:
grün je nad ihren a Br gar die Empfin:
dungen blau und gelb, bez. rot und grün erzeugen.
Allen diefen Theorien des. haftet ver Mangel an,
daß fie eine Heine Zahl von ndempfindungen
annehmen, aus deren une die übrigen Far:
benempfindungen entjteben jollen, während in der
Empfindung aud Ex ber ſog. ge are
einfah eriheint. Diefer Thatjahe fuht Wundt
gerecht zu werden, indem er in ber Netzhaut
jmei verjdiedene GErregungsvorgänge annimmt,
einen chromatiſchen und achromatiſchen; fie werben
erzeugt durch die Zerfehung einer einzigen Sehſub⸗
Bas von höchſt komplizierter chem. —X
t, deren einzelnen Zerſetzungsſtufen die verſchie—
denen Stufen inder Nuancierung der Farbenempfin:
dungen entiprechen, wie ie die reinen Farben des
Sonnenſpeltrums zeigen. Abgejehen von der eigent:
lichen reg a (f. d.), ſchwankt der F. in
weiten Örenzen. Zur quantitativen Beftimmung des
5 Pens! man Tafeln, die die vier Grund "bes
t, Gelb, Grün, Blau, mit verfchiedenen Mengen
u a gemiie entpalten, 1. bie Xefeinnen le
Bull (Ehromatoptometrifhe Tabelle, Krift. 1882),
ferner die «internationale Farbentafel» von. Radde
(Hamburg), die von Holmgren u. a. — Val. Allen,
Der F. Sein Urfprung und feine Entwidlung
— — ig A
iihe Erziebun . (2. Aufl., i
A en, ſ. Farbenlehre.
fteindrud, Chromodrud,Chromo:
litbograpbie, ein erfahren, ſ. Farbendruch,
botographie und Tafel: Lithographie.
Farbentafeln, ſ. Farbenlehre.
459
en Gruppe der Haustauben (f. d.).
arbenton, Tinte, die der Beleuchtung in der
Natur entiprechende Abitufung der Farben im Bilde,
3. B. die rötliden $- der ————
Farbenwechſel, eine bei Tieren ſehr allgemein
vortommende Erjcheinung, welche darin beitebt, daß
gewifle Tierarten, und zwar diejelben Individuen,
zu verfchiedenen Zeiten verfchiedene Färbung zeigen.
Der F. bat jehr verjchievene Urfachen und berubt auf
ſehr —— Vorgängen. Zunächſt ſind es
äußere, chem. und phyſil. Einfluſſe, die auf die Farbe
einwirfen können: icht, Wärme, * des
umgebenden Mediums, der Luft oder des Waſſers
und der Rahrung. Bei manchen Tieren erhöhen ſich
die Farben unter Einfluß des direlten Sonnenlichts
bei andern (namentlich bei Vogeln) blaſſen fie hierbei
ab, verſchießen. Füttert man Gimpelanbaltend bloß
mit Hanffamen, jo neigt ihr Gefieder zum Schwarz:
werben (Melanismus), durch den Genuß von Safran
werden Ganarienvögel orange, und Indianer fo:
wobl wie Malaten veriteben die Runit, die Farbe des
Gefieders der Papageien, fei ed durch das Futter
oder durch äußerliche Behandlung der Haut, zu ver:
ändern. Häufig find Farbenveränderungen mitdem
verjhiedenen Alter verbunden: Jugendkleider find
oft (3.8. Schwarze junge Füchſe, junge geitreifte
Löwen, Schweine, gefledte junge Hambirie, Hüb:
ner, Enten u. ſ. m.) ganz anders gefärbt als die der
erwachienen Tiere. Die Prachtfarben der männ-
lichen Vögel entwideln ſich erjt mit der eintretenden
—— ichen Reife, bei vielen Säugetieren, auch
eim Menſchen, verlieren die Haare mit zunehmen⸗
dem Alter, gelegentlich auch durch Kranlkheiten, ihr
Pigment, werden weiß. Ob ein plögliches Ergrauen
— Schred wirklich vorkommt, ſcheint indeſſen
weifelhaft. Ein Verfärben (auch ne Haar: oder
Federwechſel) nach der Jahreszeit iſt häufig: nor-
difche und alpine Tiere werden im Winter neh
wäbrend fieim Sommerfarbig find, bei vielen Vögeln
erhalten die Männchen während der Fortpflanzungs:
zeit befondere Färbungen, ſog. Hochzeitskleider,
welche auf Mauferung beruben können, aber nicht
immer beruhen müſſen. So färben fich beim männ-
lichen Hänflingdie Bruſtfedern rot obne Neubildung,
das Gefieder der Pelikane, Möven u. ſ. w. über:
iebt fih mit einem rofigen Haud, der jpäter ohne
ederverluft verſchwindet.
Andere F. werden aber durch Nervenreize tem⸗
porär erzeugt, dürften aber wohl alle feine aktiven
Außerungen der Nerventhätigleit, jondern bloße Re;
flererfheinungen fein. So vollziebt fih das Er:
röten und Erblaſſen gewifjer Hautpartien beim
Menihen, vielen Säugetieren und Bögeln unter
Erweiterung oder Berengung der Hautlapillaren
zufolge der Erregung des ſympathiſchen Nervus, aber
unabbängia vom Willen. Viele Kopffüher, Fiiche
Schollen, Butten, auch Forellen), Froͤſche, Chamä-
eond und andere Eidechien ändern ihre Färbun
nah Gemütsjtimmung, Beleuhtungsgrad oder auc
— der Umgebung. In letzterm Falle iſt die
ermittelung des Geſichtsorgans nicht zu leugnen:
geblendete Schollen reagieren nach den Unterſuchun⸗
gen Pouchets nicht mehr durch F. auf die Faxben
der Umgebung. Aber damit iſt noch nicht geſagt,
daß deshalb der Vorgang milllürlih iſt; das
Auge empfängt allerdings den Farbeneindrud der
Umgebung, teilt ihn dem Gehirn mit, und diejes
reagiert, aber unbewußt, durch den ſympathiſchen,
teilweife auch durch den berumfchweifenden Nerv.
460
Menn Pouchet gewiſſe Üfte der Hautnerven durd:
ſchnitt, hörte die Veränderung der Farbe in den
von ihnen verforgten Hautpartien Bei den
nambaft gemachten Tieren berubt die Berfärbung
nicht — Vorgängen in den Hautkapillaren, fon:
dern auf der Bewegung gewiſſer Zellen der Haut,
fog. Chbromatophoren (grch., ——
oder Farbſtoffzellen). Dieſe Zellen liegen oft in
mehrern Schichten übereinander in der Haut, haben
einen farbigen Inhalt und find ſtark kontraltil, doc
treten nicht, wie man früber meinte, feine Mustel:
bündelchen an fie heran und requlieren das Spiel
ihrer Ei fondern fie empfangen unmittel:
kar feinjte Nervenfäjerhen. In der Ruhe find fie
sufammengezjogen und die Farbe ihres Inhalts
ommt nicht zur Geltung; tritt indejien bie ent:
ſprechende Erreaung durch den Hautnerven auf, fo
erweitern fie fich beträctlib und übermalen ge:
mwifjermaßen mit ihrem bunleln Inhalte den bel:
lern Untergrund. Durch das Wechſelſpiel dieſer
tontraftilen Chromatophoren treten dann einzelne
Farbentöne hervor, während andere abblaffen, und
bei bejonders empfindlichen Tieren ftellen ſich diefe
erg mit großer Schnelligkeit ein. — Bol.
Nabl, fiber Bau und Entwidlung der Ehromato:
pboren bei Gepbalopoden (Wien 1900).
arbenzerjtreuung, j. Difperfion.
arbeprlanzen, die Bilanzen, aus denen in
ber Induſtrie verwertbare Farben gewonnen werben.
rüber war die Zahl derjelben eine viel größere als
jest, und bie Kultur einiger davon, die befonders
wichtig für die Färberei waren, hatte in mandyen
Ländern große Bedeutung für die Landwirtſchaft
gewonnen. Seitdem jedoch die Teerfarbitoffe aus:
gedehnte Verwendung gefunden haben, iſt die Kultur
der F. ſehr zurüdgegangen. Diejenigen F. die auch
jekt noch für die Färberei wichtig find, gebören faft
ſämtlich den außereurop. lorengebieten an.
Die Farbitofie finden ſich in den verfjchiedenften
Teilen der F. Im Holz find fie enthalten bei den
ton, Barbydlgcen (1. d.).
on einigen Pflanzen werben bloß die unterirbi:
fchen Teile zum Färben benußt; zu dieſen gebören
vor allem die Färberröte oder Krapp, Rubia
tinctorum L. (j. Tafel: Rubiinen, Fig. 4). Der
fog.levantinifbeftrapp,aubfizarioderAli-
jari genannt, wird vorzugsweiſe in der Levante,
aber auch in der Provence kultiviert, er ftammt von
Rubia peregrina L. Außer diefen beiden Arten
RL noch einige andere derielben Gattung, wie
. B. die oftind. Rubia cordifolia L. und Olden-
andia umbellata L. (Chay), Wurzeln, die zum
Rotfärben dienen, doc find diefe im europ. Handel
taum von Bedeutung. Von einer andern Pflanze
aus der familie der Rubiaceen wird ebenfalls die
Wurzel zum Rot: und Orangefärben benust, näm⸗
lih von der ojtind. Morinda citrifolia L.; aller
dings ift auch diefe Farbeware für die europ. In—
duftrie belanglog, fie verdient immerhin Erwähnung,
weil fie in Indien eine ausgedehnte Verwendung
zum Färben von Zeugen findet. Von der in Dit:
indien, Geylon, Java und neuerdings aud in Weit:
indien fultivierten Curcuma longa L. lommt die
Top Eurcumemurzel (1. —— die einen
ge ben Farbſtoff entbält und hauptſächlich zum Fär⸗
en von Zuderwerf, Liqueuren u. ſ. w. benußt wird,
Geringe Bedeutung hat nur noch die fog. Al:
fannamwurzel (ſ. d.), von Alkanna tinctoria
Tausch (j. Tafel: Tubifloren, Fig. 6), aus Un:
tarbenzerftreuung — Farbepflanzen
garn und Frankreich. Die Blätter der füdamerit.
Bignonia Chica Humb. (Arrabidaea chica P. D.C.)
liefern dad Ehicarot, die jungen Triebe der norb-
amerif. Amorpha fruticosa L. den ſog. Baftarb:
Indigo, die aber nur lolale Verwendung finden.
Unter den Pflanzen, von denen die Blüten oder
einzelne Blütenteile zum Färben gebraucht werden
find bauptiächlich zu nennen der Saflor, Cartha-
mus tinctorius L. (f. Tafel: Aggregaten |,
dig. 2) und die Safranpflanze, Crocus sati-
vus L. Y Tafel: a Fig. 3).
Bon beroorragender Bedeutung für die Induftrie
* diejenigen Pflanzen, welche Indigo (f. d.)
iefern; eö gebört bierber vor allem die Indigo:
pflanze, Indigofera tinctoria L. (f. Tafel: 2e:
uminofen I, Fig. 2), die befonders in Indien,
va, Amerifa angebaut wird. Ferner find nod
einige Pflanzen aus andern Familten zu erwäbnen,
die aleihfalld Indigo oder indigoäbnlide Farbe:
jtoffe liefern, fo der vom Himalaja durch Eüdchina
bis zu den Liu⸗kiu⸗Inſeln kultivierte Strobilanthes
flaccidifolius Nees und das im norböftl. Aiien
wachſende Polygonum tinctorium L. Wichtig war
rüber der Waid (f. Isatis und Tafel: Rhöadinen,
ig. 2), der vor der Einführung des Andigos nad
ropa zum Blaufärben benußt wurde.
Bon den zum Gelbfärben Berwendung findenden
Pflanzen find außer den oben bereit genannten
vorzüglich noch Quercus tinctoria Willd. (j. Eiche)
und Reseda luteola L. (f. Zertfigur 4 beim Artifel
Bi loren) anzufübhren; die erjtere Pflanze, ein
in Norbamerifa wachjender Baum, liefert die fog.
Quercitronrinde und die leßtere, aub Wau,
Gelb: oder Gilbkraut genannt, wurde in vielen
Gegenden Deutichlands, Englands und Frankreich
fultiviert, doch bat feit Einführung der Uuercitron:
rinde und des Gelbbolzes die Verwendung desſelben
bedeutend abgenommen (f. Reseda). Das lektere
gilt auch nod für einige andere zum Gelbfärben
enutzte Pflanzen, fo für den jog. Färberginiter
( Genista) und die Färberfarte (j. Serratula);
eide find über einen großen Teil von Europa
verbreitet. Die fog. Gelbbeeren dagegen, die
Früchte mehrerer Rbamnusarten, bauptijähli von
Rhamnus infectoria L., finden noch ziemlich aus-
gedehnte Verwendung in ber Färberei; die bi:
neſiſchen Gelbſchöten, die chte von Gar-
denia florida L., die in ihrem Heimatlande ſchon
ſehr lange zum erg benußt werben, find für ben
europ. Handel bis jegt noch belanglos. Der mit
dem Namen Drlean Y d.) bezeichnete Farbitoff
ftammtvon den im tropijchen Amerika einheimijchen,
aber in den gejamten Tropen kultivierten Bixa
orellana L., er wird bier und da zum Yyärben von
Speijen verivendet. Der Sarbftof Henna ftammt
von Lawsonia inermis L. (j. Lawsonia). DieDr:
jeilie (ſ. d.) fowie der Lackmus (f. d.) und der
og. Berfio ftammen von verjchiedenen Flechten:
arten, vorzugsmweije aus den Gattungen Roccella
dj d. und Tafel: Flechten IL, Fig. 9), Variolaria
(1. d.) und Lecanora (ij. d.).
Außer den bisher genannten Pflanzen find noch
einige zu erwähnen, die wegen ihres Gehalts an Ra:
techin oder an Öerbitoffen zum Gerben und Schwarz:
färben angewendet werben. Es gehören bierber die
Katechu, Gambir und Kino liefernden Pilan-
jen, wie Acacia Catechu W. (f. Tafel: Legumi:
noſen III, Fig. 1), Pterocarpus marsupium Rorxb.,
die beibe in Dilindien heimiſch find, Uncaria Gam-
Färber — Färberei
bir Roxb. vom Malaiiſchen Archipel, ſowie mehrere
Eucalyptusarten, von denen das ſog. auſtraliſche
Kino ſtammt. (Näheres ſ. Katechu, Gambir und
Kino.) Ferner find zu erwähnen die auftral. Gerb:
rinnen mehrerer Atazien (wattle), die Früchte einiger
Arten von Terminalia (f. d.), bauptfählih von
Terminalia chebula Roxb., die unter dem Namen
Myrobalanen (f. d.) in den Handel kommen, jo:
wie bie chte von Caesalpinia coriaria Willd.,
die ſog. Dividivi (f.d.) und die ald Bablab oder
Bablad (f.d.) bezeichneten Hüljen mehrerer Acacia⸗
arten; alle dieſe —6 ſind reich an Gerbſtoffen.
Gleichfalls ihres Reichtums an Gerbftoffen wegen
langen dieRinden mebrerer@ichenarten, die Frucht⸗
er (Wallonen oder levantiniſche Anoppern) von
QuercusVallonea Kotschy undbmacrolepisKotschy,
fowie die Galläpfel verſchiedener Eichen: und Rhus⸗
arten in den Handel. Endlich mag nod der Su:
mac mit hier angeführt werden, der beim Gerben
und Echmarzfärben des Leders ausgedehnte Ver:
menbung findet; er wird gewonnen von den Blät-
tern und Zweigen zweier in den Mediterranländern
machjenden Arten von Rhus (f. d.), Rhus cotinus L.
und Rhus coriaria L.
#ärber, die Handwerter, die die Färberei (f. d.)
ausüben. hr Wappen zeigt Tafel: Zunft:
mwappenl, Fig. 9.
arberden, j. Erbfarben.
ärberbiftel, j. Carthamus und Serratula.
ärberei, das techniſch — Verfahren,
durch welches Stoffe mit einer ihnen urſprünglich
fremdartigen Färbung verjeben werden, wobei aber
zur Nuftragung der Farben feinerlei mechan. Hilfs:
mittel verwandt werden. Durd letztern Umſtand
unterjcheibet ſich die 5. von dem Anftreichen, von ber
Malerei, von dem Buntdrud. Nur in einem Zweige
Des Farbendruds (f.d.), bei einer beftimmten Art des
eugdruds (f. d.), bedient man ſich der gleichen
Methoden der Bildung der Farben wie in der F.
und deshalb ijt der Beugbrud zur F. im weitern
Sinne zu redinen; man bezeichnet denfelben aud
als Örtliche oder topiſche F.
Rah Witt find die hem. Färbungen als Loſungs⸗
eribeinungen 68 at die Faſer bie größere
Löjungsaffinität, jo wird fie alöbald fämtlichen
Farbſtoff an ſich gerifien haben; ift dagegen das
Yöjungsvermögen des erö bedeutender, fo muß
diejed durh Zufag gewiſſer Subftanzen (Aus:
jalzen) vermindert oder die Löfungsfähigleit der
In der F. lommen hauptſächlich 5 iedene
Methoden in Anwendung. Bei der einen rn die
fertig gebildete Farbe unmittelbar von dem zu färs
benden Stoffe aufgenommen, bei der andern ent:
jtebt die —* in und auf dem Stoff durch
chem. Realtionen. Die erſte lommt faſt ausſchließ⸗
lich bei der Woll⸗ und Seidenfärberei zur Anwen:
— Die gereinigten Woll⸗ und Seivenfaern haben
die igenfhaft eine g Reihe von verfchiedenen
en ihren öfungemitteln zu entziehen und fie
feft auf, fich niederzuſchlagen, da durd
ſchen mit Waſſer von den Safern nicht wieder
entfernt werden können. In den meiften Fällen be
rubt das Färben auf der Erzeugung unlöslicher
Verbindungen der Farbitoffe innerhalb der Pflan-
fafer, in manchen Fällen kann aud die Über:
Bi iehung von entjdeidendem Einfluß auf
das Färben fein. Bei der Wollfafer foll es ein
eigentümlicher Körper von ſaurer und bafijcher
461
Eigenſchaft (die Zanuginfäure) fein, die mit bafifchen
wie mit jauren Farbſtoffen unlösliche Nieverichläge
liefert, mit Gerbfäure und Chromſäure ſich ver:
bindet und Aluminiumfulfat unter Aufnahme von
Ihonerde und Freiwerden der Schweteljäure zer:
ſetzt. Da die Pflanzenfafer feinen farbitoffbinden:
den Beitandteil enthält, wird fie meift nicht dauernd
5* Sie fann aber durch Chlorkalk und andere
rydationsmittel oberflählid in Orgcelluloje um:
ewandelt werden, die vermöge ihrer jauren Eigen:
Ihaften bafifhe Farbitoffe feitzubalten vermag.
Farbſtoffe, die fih unmittelbar mit der Fafer ver:
einigen, beißen jubjtantive Farben. Erft in
neuerer Zeit hat man eine Reihe jubjtantiver Baum:
wollfarbitoffe (z. B. Benzivinfarbftoffe) aufgefunden.
In manden Fällen wird die Farbe erft in der zu
färbenden * durch chem. Zerſetzung gebildet.
Einer der einfachſten hierher gehörenden iſt
die Küpenfärberei mit Indigo (ſ. d.). Ähnlich iſt das
Nantingfärben ( eg und die Krappfärberei
aufBaummolle(f. Krapp). Bei milroſtopiſcher Unter:
ſuchung folder gefärbten Faſern und namentlich
von Baummollfajern fieht man den innern Hoblraum
mit Stüden von gefärbten Niederſchlag erfüllt.
Solde Subftanzen, die, wenn auch gefärbt,
erſt durch ein Befeitinungsmittel (Mordant
oder Beize, f. d.) Farbſtoffe geben, beiten ad:
jeftive Farben. die Beizen gehören ebenjo gut
zur —— wie der Farbſtoff gebende Körper, und bie
Entjtehung der Farbe berubt auf der Bildung einer
chem. Verbindung zwischen Beitandteilen der Beize
und dem Farbfto. Je nad der diejen Verbindun:
en eigentümlichen Färbung fann ein und berfelbe
—* mit verſchiedenen Beizen ganz verſchiedene
arben . (polpgenetifche Farbitoffe). Träntt
man z. B. einen Streifen Zeug an der einen Stelle,
wie oben, mit eſſigſaurer Thonerde, an einer zweiten
Stelle mit ejfigiaurem Eifenoryd, an einer dritten
Stelle mit einer Mifhung von eſſigſaurer Thonerde
und Eifenoryd, und führt ihn in eine Aligarinlöfung
ein, jo erſcheint die erſte Stelle jhön rofa, die zweite
ſchwarz, die dritte lila gefärbt, weil die Verbin:
dung der Thonerde mit dem Alizarin rofa, die
des Gijenoryds ſchwarz und die Mifchungen bei-
der lila gefärbt find. Farbſtoffe, die mit verſchie—
denen Beizen ftet3 diefelbe Färbung liefern, nennt
man monogenetijc. In manden Fällen behan:
belt man die Pflanzenfajer gleichzeitig neben ben
Beizen noch mit Eiweiß, um jie für Farbftoffe auf:
nabmefäbiger zu machen. (S. Animalifieren). Ge
wiſſe jubjtantive Farben wirken durch ihre Sabig:
feit, andere Farbſtoffe niederzuichlagen, ebenfalls
wie Beizen (jetundäres Färben). Die jo be
feftigten Farbjtoffe fönnen dann jogar noch einmal
Harbftoffe aufnehmen (Auffegen, Remontage).
Die wichtigiten in der F. gebrauchten Farbitoffe
oder Zeugfarben find außer den unter Farbe
pflanzen und Farbhölzer genannten die folgenden:
1) Zum Blaufärben: Berliner Blau (f. d.),
blaue Teerfarbitoffe, wie Metbylenblau (f. Lauths
Violett), Mlizarinblau (f. d.), Altaliblau (f. d.),
Induline (ſ. d.). 2) Zum Braunfärben: Bis:
mardbraun (ſ. d.), Georgine (f. d.), Phenicienne
.d.), Wiener Braun (f.d.); auch erzeugt man braune
ärbungen dur Zufammenfeßung entweder meb:
rerer Farbſtoffe oder mehrerer Beizen mit einem
Harbftoff ſowie endlich durch fuccejjives Ausfärben
in verjchiedenen Farbebrühen; eine gebräuchliche
braune Farbe ift auch Bifter (f. d.). 3) Zum Gelb»
462
ärben: Ehromgelb (f. Bleihromat), d
afer dadurch erzeugt wird, daß die Stoffe rit in
ein Bad von Bleizuder und nah dem Auswringen
in ein foldes von rotem hromfaurem Kalium (f.
Kaliumchromate) gebracht werden; Roſtgelb, Eijen:
chamois oder Nanlıng ( d.); Flavin (f. d.); Anilin:
und Teerfarben: Phosphin (j. d.), Chryſoidin (f. d.)
Flavaurin (f. d.), Bitrinfäure (1. d.), Napbtholgelb
G. Martiusgelb), Ebryfoin (f. TZropäoline), Eitronin
(}. d.), Echtgelb (f. Sy Ehryjamin (f. d.). 4) Zum
rünfärben biente früber ein aweimaliges Aus:
färben in blauen und gelben Löjungen; jo wurde
.B. Wolle in der Regel blau gefärbt, dann in der
iedehige mit Alaun und Weinjtein gebeizt und
endli in einem Maus oder Gelbholzbade ausge:
I Grün auf Seide erzeugte man ebenfalls durch
ishen von Blau (Säcfifeblau) und Gelb (ge:
möhnlih Wau) oder auch dur Färben mit einer aus
Ehina fommenden, aus Rhamnusbeeren bereiteten
Drogue, dem Lo:fao. Gegenwärtig färbt man das
Tuch, wie das zu Billarbüberzügen und Spieltijchen
dienende, zwar immer noch mit Sähfifhblau und
Gelbholz, Dagegen finden une Grünfärben der Seide
ft allgemein die vom Anilin abgeleiteten grünen
arben Anwendung (f. Brillantgrün, Görulein, Licht:
grün, Maladitgrün, Met olgrün, Nitrofefarbftff,
forcingrün). 5) Jum otfärben: Cocenille,
Alizarin Bun Cofin, Ponceau, Scharlach,
Kongo, Safranin (ſ. die Einzelartitel). Ein ſchönes
Rofa erzeugt Pyronin (f. d.). 6) Zum Schwarz:
ärben benugt man, da es eine eigentliche ſchwarze
Farbe nicht giebt, intenfiv dunkle Yarben: oder
arbenmijhungen. Die meiften jog. ſchwarzen
ul erweijen fich bei genauer Betrachtung als
blaujhwarz und braunſchwarz. Je mehr es dem
Färber gelingt, diefe eigentlichen Farbentöne durch
geihidte Behandlung zum Verſchwinden zu bringen,
um jo geihäßter it die Ware. Cinzelne En
ierin große Fertigleit erlangt, fo die Geraer F. a
ollftoffe, die Krefelder für Seidenwaren. Die
Grundlage des Schwarz auf Wolle und Baummolle
—— eine Verbindung von Blaubolzertralt mit
jenoryd, Kupferoxyd oder am d; auf Seide
Gerbjäure und ——— eide Methoden wer:
den auch miteinander fombiniert. So wird na:
mentlih Baummolle mit Gerbfäure enthaltendem
Material —— Sumach u. dgl.) galliert,
dann in Eiſenoxydſalzen grau gefärbt und endlich
im Blauholzbade ſchwarz gemacht. Tuche wer—
ven häufig tief indigoblau gefärbt und dann mit
einer der obigen Beizen und Blaubolzertraft über:
ärbt. Beim Zeugdrud wird fat ausſchließlich Ani:
inſchwarz verwandt. Cine mit etwas Schwefel:
fupfer oder einer Spur von Banadinjäure verjekte
und mit dem nötigen Verdidungsmittel verjebene
— 5*—— chlorſaurem Anilin wird auf das Zeug
edrudt, worauf ſich beim Dämpfen ein intenſives
warz entwickelt. Je nach den verſchiedenen
ärbearten unterſcheidet man PVienne, ae
enfer Schwarz, Tours-, Seerojen: und Ebrom:
oder Neufhmwarz. — Die Seide nimmt bei geeig:
neter Behandlung mebr als das Doppelte ihres
Gewichts von den färbenden Subſtanzen auf und
wird daber beim Färben bebeutend beichwert.
Das Färben enthält folgende Einzeloperationen:
das Beizen (mern nötig); das eigentliche Färben,
»%. b. das Eintauchen des Stoffes in die In dem
Bärbegefäb (Küpe, Wanne) entbaltene Farbe:
übe (Flotte); das Auswringen (bei Garnen Che:
Färbereiche — Färberei- und Appreturfchulen
as He | villieren genannt), um die überjhüffige Farbe
brübe vom Stoffe zu entiernen; das Spülen; bas
nodhmalige Auswringen; das Trodnen; eventuell
das Avivieren (f. d.). Die einzelnen Operationen find
für loſe Fafern anders als für Garne und für dieſe
anders als für Gewebe und werben entweder durch
bloße Handarbeit oder mit Hilfe mechan. Einrid-
tungen ausgeführt. Bon lestern find namentlich die
Klotzmaſchinen oder Elapot3 zu erwähnen, die
zum Färben baummollener Gewebe dienen. Sie be:
iteben aus einfachen Käſten aus Holz oder Eiien, in
denen ſich ſowohl am obern Rande, als nahe am Boden
eine Reihe von Leitrollen befinden, über welche ber
Stoff derartig läuft, daß er ſich im Zichzad durch die
Sslotte auf und ab bemegt; am Ende des Behälters
wird er durch zwei Quetichwalzen von der über:
ihüffigen Farbenbrübe befreit. Oft find drei Clapots
bintereinander angeorbet, jo daß ber Stoffim erften
gebeizt, im zweiten gefärbt, im dritten geſpult wird.
Unter Echtheit einer Färbung verfteht man ibre
Miderjtandsfähigteit gegen die Wirkung des Waſſers
der Eeifen, Alltalien und Säuren, des Lichtes, der
Wärme und der Neibung.
Die Kunſt der F. ift bereits bei den älteften Böllern
ausgebildet; die Pbönizier verftanden einen uner:
reichten Burpur berzujtellen. Bon dielen lernten die
Romer und fpäter die Bozantiner. Zur Römerzeit
järbte man mit Färbeginſter, Krapp, Rotbolz, Al:
tanna, Maid, Galläpfeln, Katechu, Nußrinde, Um
1300 lernte man in Stalien die Orjeille verwenden.
Im 16. Jahrh. famen von Indien der Indigo,
von Amerila das Blaubolz, die Cochenille u. a. x
Guropa benukt man jeit der eriten Hälfte des
18. Jahrh. den Indigo, feit der zweiten Hälfte den
Krapp, die Bilrinfäure feit Beginn des 19. Yabrb.
Seit 1856 kennt man die Anilinfarbjtoffe, feit 1868
das fünftliche Alizarin, feit 1876 die Azofarbitofie.
Litteratur. Ganswindt, Handbub der #.
(MWeim. 1889); derf., Einführung in die moderne J.
(Ypz. 1902); Herzfeld, Das Färben und Bleichen
(2. Aufl., Berl, 1901 fg.); Sanfone, Zeugbrud,
Bleicherei, F., Druderei und Appretur baum:
wollener Gewebe (ebd. 1890); Hummel, Die F. und
Pleicherei der Geipinitfafern (deutſch von Knecht,
2. Aufl., ebd. 1891); Sorblet, Die F. der Baummolle
(Stutta. 1891); Delmart, Die Etüd: und Kamm:
aarnfärberei (Reichen. i. B. 1892 fg.); Loewenthal,
Handbud der F. der Spinnfajern (2. Aufl., Berl.
1899— 1901); Zipfer, Apparate und Maſchinen
der Wäſcherei, Bleicherei, F., Garn: und Zeug:
druderei (Wien 1894); Reimann, 5. der Baummolle
und der andern vegetabilijchen Faſerſtoffe (3. Aufl.,
Berl. 1897); Thomas, Guide pratique de teinture
moderne (Bar. 1900); Gnebm, Taſchenbuch für
die F. und Syarbenfabrilation (Berl. 1902); ch,
Lerilon der Farbentechnik, F. u. ſ. w. (Wien 1902 jg.).
— Leipziger Färberzeitung (1852 fg.); Reimanns
ee (Berl. 1870 fa.); Mujterzeitung für
F. (Berl. und pr. 185080; fortgefeht u. d. T.
‘särberei-Mufter: Zeitung, ebd. feit 1881); Deutjche
‚särberzeitung (Müblbaufen i. Th., Dresd. und
Münd. 1865 fg.); Lehnes Färberzeitung (Berl.
1890 fa.); Zeitichrift für Farben» und Zertildhemie
(Braunicm. 1902 fa.); Tertil: und Färbereizeitung
(ebd. 1903 fa.).
ie, ſ. Eiche.
ärberei: und Appreturſchulen, meiſt an
Lehrinſtitute für allgemein induftiielle oder beſen⸗
ders für tertilinduftrielle Ziwede angejchlofien, ver
Färberflechte — Farbige
vanten ihre Entſtehung namentlich dem Umſtande,
daß mit ber fortſchreitenden Entwidlung der Farb—
kofjberjtellung in der Neuzeit chem. Kenntniſſe in
der Ausübung des Färbergewerbes immer mebr
zur Rotwenbigteit wurden. Faſt alle Färberſchulen
baben auch die Appretur in ibren debrplan auf:
genommen; während jedoch praftiiche libungen in
ber Färberei in den mit den Schulen verbundenen
chem Laboratorien an allen Schulen vorgenommen
werben, find praktiſche Übungen in der Appretur
wegen ibrer Koſtſpieligleit in verhältnismäßig ge:
ringerm Maßjtabe durchgeführt worden. Diellnter:
ribt&bauer beträgt 1, 1"/,, 2, aub 3 Sabre;
einige Färbereifchulen verlangen ala Borbildun 8
nur die Vollsſchulbildung, andere eine mittlere, der
Berebtigung zum einjährig : freimilligen Militär:
dienjt entiprecbende mwiljenicbaftliche Befähigung;
bei manchen ijt eine mindeiteng zweijäbrige praf:
tiſche Thätigkeit im Färbereigewerbe Aufnahme—
bedingung. Einige Schulen bilden nur Vorarbeiter
oder jyärbermeifter aus, andere dagegen auch Fär—
berei iter und Färbereidirigenten. Die ältefte
dieſer Schulen ift die zu Mülbaufen i. E. die andern
find Mitte oder Ende der fiebziger oder Anfang der
achtziger Jabre des 19. Jahrh. errichtet. Die haupt:
fäblichften Schulen find: die königl. Färberet: und
Appreturſchule zu Krefeld, die königl. Färberſchule
zu Chemniß, Ecole municipale de chimie indus-
trielle in Mülbaufen i. E,, die Färberſchule zu
Müblbeim a. Rh., die Färberſchule zu Reutlingen;
in Öfterreih: bie Färberſchule (niedere Abteilung)
und bie Särbereifehule (böbere Abteilung) an ber
t. t. Staatägewerbefchule zu Reihenberg in Böh-
men, die Niedere Fachſchule für Färberei, die Höbere
Fachſchule für Färberei und das Seminar für Tint:
torialdemie an der II. Seltion des Technologiſchen
Gewerbemufeums zu Mien.
ärberjlechte, Pflanze, ſ. Roccella.
re Ba Pflanzenart, f. Genista.
rberfamille, Bilanze, ſ. Anthemis,
ärbermaulibeerbaum, ſ. Maclura.
ärbermorinde, Pflanze, ſ. Morinda.
wärberrinde, j. Quercitron.
Färberröte (Rubiatinctorum L.), die wichtigſte,
aber durch künftlibe Farbftoffe ſchon ſtark zurüd:
gedrängte Farbepflanze Europas aus der Familie
ber Hubiaceen (j.d.). Aus dem kriechenden, langen,
beilblutroten Wurzelitode (Rrapp, ſ. d.) erbeben ſich
vierfantige, auf den finoten mit abwärts gebogenen
Stacheln bejeste, äftige Stengel, welde 1—2 m
boch werben; die Blätter, in vier: bis ſechszäh—
ligen Wirteln, ſind elliptiſch — am
Wande und am Rückennerven ſtachelig-ſcharf, Die
Blüten find Mein und von arünlichgelber Farbe,
die Frücte find zuerft rötlib, dann ſchwarz.
S Tafel: Rubiinen, gig. 4.) Die urjprüngliche
Heimat der Pflanze find die Mittelmeerländer. Zum
erfolgreiben Bau der F. iſt ein Boden mit jebr
tiefer, leichter, burchläfliger, humus⸗ und beſonders
taltbaltiger Aderkrume und Feuchtigleit haltendem
grundendötig. Der Wurzelftod tanın im dritten
Jahre geerntet werden.
ärbericharte, Bilanzenart, ſ. Serratula.
ärberivaid, Planzenart, ſ. Isatis.
rberwau, Bilanzenart, ſ. Reseda.
rbhölzer, meiſt außereurop. Holzarten, bie
techniſch perwenbbare Farbſtoffe enthalten. Die F.
in zarbholzmůuhlen (j. d.) zerkleinert und
befeuchtet und bleiben mehrere Wochen in bunten
463
luftigen Räumen liegen, wodurd der Farbitoff fid
entweder erjt entmwidelt (fermentierte 5 oder dod
ein lebbafteres Ausfehen erbält. Außer den Höl
ern ſelbſt kommen auch die Farbholzertrakte (f. d.)
in den Handel, Die wichtigiten F. find folgende:
Das Fernambukholz oder Rotbolz (f. d.) ift
das Holz einiger fübamerif. und weſtind. Arten von
Caesalpinia, das befte ep von Caesalpinia
echinata Lamk. (S. Tafel: Leguminofen II,
Sie, 5.) Das fog. Sappanbolz, ebenfalls ein
otholz, ftammt von dem oſtind. Baume Cae-
salpinia Sappan L., dasjelbe wird aud bäufig als
oftind. Fernambulholz bezeichnet. Das Blaubol;
oder Gampedebolz (log wood) fommt von Hae-
matoxylon campechianum L. (f. Tafel: Legu:
minojenIl, Fig. 2). Die beite Sorte Campede:
bolz joll diejenige von ber Zenit Yucatans jein,
die unter dem Namen fpan. Blaubolz in den Handel
fommt. Das Gelbholz (f. d.) ftammt von Maclura
aurantiaca Nutt. (Chlorophora tinctoria Gaud.),
einem aufden mweitind. Inſeln einheimifchen Baume;
ed findet in ber Färberei eine ausgedehnte Berwen:
dung. Ein anderes Holz, das ebenfalld zum Gelb:
färben dient, das Fifetbolz (f. d.), ftammt von
dem in Südeuropa häufig vortommenden Berüden:
baum, Rhus cotinus L. Das rote Sandel:
bolz (f.d.), von dem oftind. Baume Pterocarpus
santalinus L. fil., ebenjo das gelbe Wurzelbolz des
Sauerborns, Berberis vulgaris L., das rote Cam-
wood (f. d.), Barwood u. a. werben heutzutage nur
noc wenig benußt.
Farbholzertrafte, die aus den Farbhölzern
(f. d.) und der Quercitronrinde bargejtellten Er:
tratte. Zu ibrer Gewinnung werben die gerafpel:
ten und mitunter, aber nicht vorteilhafterweife,
——— Hölzer entweder nach dem urſprüng—
ihen franz. Verfahren in offenen, oder nach dem
amerif, Syitem in gefchlofienen Ertracteuren unter
— von geſpannten Dämpfen oder Hochdrud
ausgelaugt und die Farbbrüben verdunſtet. Das
Grtraft wird noch warm in Kiſten von 25 bis 90 kg
nbalt gefüllt, wo e3 erftarrt, oder man dampft die
rübe nur bis zur Sirupdide ein und bringt das
Ertraft flüffig (mit einer Dichte von 20 bis 25°
Baume) in den Handel. Nicht felten werben zu den
Grtralten, um fie zu verbilligen, Zufäße (Melaffe,
Dertrin, Slauberjalz u. ſ. w.) gegeben, weshalb für
ihren Wert nur der Gebalt an wirklichen Farb:
jtoff, den man am beiten durch Ausfärben ermittelt,
maßgebend ift. Während die Fabrilation der F.,
unter denen Blaubolzertraft die Hauptmenge (vier
Fünftel) ausmadt, urfprünglic in Dane! bei:
miſch war und fpäter in großem Maßſtabe in Ame:
rifa und England ausgeübt wurde, bat ſich Deutſch⸗
land erjt Ausgang der fiebziger Jahre in größerm
Maßſtabe beteiligt und fabriziert heute 3. in etwa
23 Fabriten. Die Einfuhr von F. ing Deutfhe Reich
betrug troßdem 1900 noch über 3,25 Mill. kg im
Merte von 2,47 Mill. M., die Ausfuhr 1,1 Mill. kg.
Farbholzmühle, eine Fräsmajhine zum Ber:
panen von Farbhölzern, in welcher das zu zer:
einernde, gut unterjtügte Holzftüd einer Fraͤſe dars
Deal wird, die aus jägenartig gezahnten Stabl-
lättern oder einer, kräftige Schneipmefjer tragen:
den, raſch rotierenden Scheibe befteht. Auch ein
Mablgang zur weitern Zerkleinerung des zeripan-
ten Farbbolzes wird F. genannt.
Farbige, in Amerika im allgemeinen im Gegen:
fage zu dem Europäer und Kreolen (f. d.) die ein-
464
geborenen — die eingeführten Neger und
die durch Vermifchung diefer untereinander oder
mit den Weißen entjtandenen Mifchlinge; im be:
jondern jedoch werben bloß diefe Miſchlinge im
Begenfaß zu den Weißen, Negern und Indianern
reinen Blutes F. genannt. Zu den am häufigsten
vorlommenden Miſchungen gehören: die Mulat:
ten oder Bardo, die Mifchlinge von Weißen und
Negern, wobei die Mutter meijt eine Schwarze und
nur in ſehr jeltenen Fällen eine Weiße ift. Mit
dem Namen Meftizen, welches Wort eigentlich
bloß Miſchlinge bedeutet, bezeichnet der Sprachge—
braub nur die Miſchlinge von Meißen und In:
dianern; in Brafilien nennt man diefe Mame:
(uco. Die Kinder von Negern und Indianern
. ambo, auch Ebino (d.i. Chineſen), in Bra⸗
lien Cariboco, Cafuſo, Caburet, Tapan—
huna, Xibaro. Aus der wiederholten Vermiſchung
der Mulatten oder Meſtizen mit Europäern entſtehen
dieTerceronen (Kinder Weißer mit Mulattinnen),
Quarteronen (Kinder Weiher mit Terceronen),
Quinteronen (Rinder Weiher mit Quarteronen)
u. ſ. w. MWäbrend nur der Mulatte dur das wol:
(ige Hauptbaar feine Negerablunft deutlich zeigt,
näbert fich der Tercerone in feiner Phyſiognomie
ihon dem Guropäer; jein Haar ift nicht mebr
mollig, doch die Hautfarbe no etwa8 braun. Die
Uuarteronen find von den Weißen faum mehr zu
unterfcheiden. Die Tuinteronen werden überall ſchon
ven Kreolen gleichgeachtet. Außer diejen werden
noch viele andere durch bejondere Namen unter:
ihieden. So heißen z. B. Cholo die Kinder der
Zambo, Cabern oder Zamboneger die Kinder
von Negern mit Mulattinnen, Zambaigo oder
Zamboclaro die von Zambo mit Indianerinnen,
ambo Preto die eines Negers mit einer Zambo,
eitisoclaro (oft jebr jhön) die von Indianern
und Meitizen, Gambujo die von Zambaigo mit
Mulattinnen, Coyoten die von Quarteronen mit
Meitizen u. j.w. Die Kinder mulattiſcher Eltern
beißen Casco. Aufdie fernern Abjtufungen, welche
durch Vermiſchung von Mejtizen mit Meißen ent:
jtehen, werden bäufig aud die Namen Terceronen,
Quarteronen u. |. w. angewendet. Meift haben die
jarbigen Raijen in Amerika nur die Fehler, jelten eine
vorteilbaite Seite des Charalters IK farbigen El:
tern geerbt. Die Anzahl aller Neger und Regermiſch⸗
linge in Amerita beträgt jest über 12 Mill. Davon
mohnen in den Vereinigten Staaten 6 580 000,
Merilo 60 000, Gentralamerita 50.000, Wejtindien
3 700.000, Brafilien 2 Mill. Verhältnismäßig am
zahlreichſten find fie in Weſtindien, wo fie 83 Broz.
der ganzen Bevölterung ausmachen. Hier haben
fie auch zwei jelbjtändige Staaten gegründet: Santo
Domingo und Haiti. [srapbie.
arbige Photographie, ſ. Farbenpboto-
arblade oder Lad farben, unlösliche Berbin:
dungen von organiſchen Farbſtoffen mit Metallory-
ben, die man erhält, wenn man die wäſſerigen Ertralte
von Farbſtoffen mit Thonerde, Eiſenoxyd-, Zinn:
oryd:, Chromoxvdſalzen, die meiſt in Bar Form
verwendet werden, verjegt. Sie dienen als Malerfar:
ben, außerdem find aber viele Operationen der Zeug:
färberei auf die Bildung von F. aurüdzufübren. —
Dal. Jenniſon, Die Heritellung von F. aus fünftlichen
Yarbitoffen (deutich von Nübencamp (Dresd. 1901).
arbmalsz, j. Malz.
Barbigreiser, f. Telegrapben.
arbftift, farbiger Zeichenftift, |. Bleiftift.
Farbige Photographie — Farbſtoffe
Farbſtoffe, Pigmente, diejenigen farbigen
Subſtanzen, die geeignet ſind, andern Bes
durch Überzug oder Beimiſchung Farbe zu
d. lommen teils fertig gebildet in den Pflan-
en (ſ. ——— vor, teils enthalten die
9 gewiſſe Stoffe, Chromogene — d.), die
durch chem. Ummandlung F. liefern, teils werben
diefelben fünftlih aus den verſchiedenſten —
hen und anorganiſchen Stoffen erzeugt. Die J.
nden in der Färberei, Malerei, im Hunjtorud und
zur Verzierung aller möglichen ftände Ber:
wendung. Außer den tednifh nusbaren find ein
elne andere F. von großer phyſiol. lee
er Blutfarbitoff ermöglicht allein den M
und Tieren die Atmung, indem er der Träger
des Sauerftoffs if. Nachdem er dieſem Zwed ge:
— bat —58 er als — ——
der Harnfarbſtoff in engſter Beziehun fe
dem Körper entleert. gl rote Haufe ift be:
dingt dur das Durchſchimmern des in ben
Seten der Haut enthaltenen roten Blutes
elbe Farbe, weldhe die Haut bei
a annimmt, ift durd eine Auffpei
Gallenfarbftoffen hervorgerufen. Die ſchwarze
der Neger wird dur einen ſchw
Melanin (f. d.), der in den Hautzellen
verurjadt. Auf einer noch völlig rätjelba
hung des grünen Farbftofjs der lebenden m
jelle, des Chlorophylls (j. d.), berubt die Bildung
der organifhen Subftan; der Pflanzen aus ben
unorganifhen Beftandteilen (Kohlenſäure und
Waſſer) der Luft. j
Bei den — unterſcheidet man je nach
* Herlunft und Bereitung Mineralfarben
(ſ. d.), und zwar natürlich vorfommende oder Erb-
Farmer (f.d.) und fünftliche, ferner Metallfarben
Bronze: und Brofatfarben) und Organiſche
Farbſtoffe (f.d.), dieteild Kunftprodufte find, teile
von Farbepflanzen (f. d.) oder Tieren wit
Cochenille (ſ. d.) Kermes (ſ. d.) und Lac-d .d.).
e nad ihrer Verwendung fann man bie 5. in drei
ruppen bringen: Zeugfarben (ij. >
Malerfarben (f.d.) eb mei 5 }
Sehr viele 5. find in hohem Grabe gi
— alle Bräparate, die einen der ee
toffe entbalten: Antimon, Arjen um (außer
Schweripat), Blei, Chrom (au L
Kadmium, Kupfer, Quedfilber (außer 3
int, Zinn, Gummigutt, Pilrinfäure. Die Ber:
wendung aller diejer F. bei ber Zu von
Nahrungs: und Genußmitteln ſowie zur Be
von Gebrauchsgegenſtänden ijt dur 9
vom 5. Juli 1887 verboten. Zur von
Spielwaren ift dagegen die Verwendung von Zinl:
weiß und Ehromgelb in Fimis oder Ölfarbe ge
ftattet. Arjenhaltige F. dürfen weder im Tapeten:
drud nod bei der Anfertigung von Belleivungs:
ofen benußt werben. (S. Yarbiwaren.)
itteratur. Berſch, Yabrılation der Ani:
linfarbftoffe (Wien 1878); derj., Fabrilation der
Erdfarben (2.Aufl., ebd. 1893); ., Habrilation
der Mineral: und Sadfarben (2. Aufl., ebd. 1898);
Gentele, Lebrbud der Fyarbenfabrilation (2.
Braunſchw. 1880); Häußermann ren
farbftoffe (Stutt 1681); Miet ie Erb, Mi-
neral» und Zadfarben (Weim. 1881); derj. Hand:
buch der Farbenfabrifation (Wien 1897); Rerteh,,
Die Anilinfarbftoffe (Braunfchw. 1888); Rupe,
Chemie der natürliben F. (ebd. 1900); Farben»
Harbitofflörper — Faria
zeitung (Dresd. 1896 fa.). — S. auch die Litteratur
zu den Artileln Organſſche Farbſtoffe und Färberei.
arbitofftörper, j. Zelle.
bitoffzellen, j. Farbenwechſel.
ärbung, in der Malerei, ſ. Farbengebung.
biwaren, alle Artitel, welche zum Für:
ben, Malen, Anjtreichen u. j. w. gebraucht werden.
(S. Farbjtoffe.) Je nab der Verwendung unter:
iheidetman Drudfarben, Schmelz:, Maler:, Wajierz,
Paſtell⸗, Buhdrud:, Steinvrud:, Öl, Wachs,
Anjtreihfarben. — Die Farbwareninduſtrie ijt in
Deutihland beſonders ſtark entmidelt und über:
trifft namentlih in den Teerfarbftoffen, Alizarin,
Ultramarin, in Blaufarben die der meiiten andern
Länder. Ausgeführt wurden 1900: Alizarin für
10,1 Mill. M., Anilin und andere Teerfarbitoffe
für 78,47 Mill. M., anderweite Farbe: und Gerbe:
materialien für 38,8 Mill, M., mäbrend für
4,2 Mil. M. Blaubolz und für 3,95 Mill. M. In:
digo eingeführt wurden. Die Hauptfige der Farb:
wareninbuftrie find jür Erdfarben Thüringen und
Brovinz Heſſen; für Blaufarben Schneeberg im
Konigteich Sachſen; für Farbholzertralt die See:
ftäbte; für Ultramarin Nürnberg, Hannover, Rhein:
land; für Anilinfarben die Umgebung von Frant:
furt a. M., die Rheinprovinz, Hannover; für Bud:
und Steindrudfarben Leipzig, Berlin, Stuttgart
unb Dresden, während die Heritellung der Anſtreich—
farben, der Drudfarben für Gewebe, der Schwärzen,
ſchließlich der Malerfarben weniger konzentriert iſt.
(S. aub Farbwareninduſtrie, Bd. 17.)
twerfe vormals Meiſter, Yucius und
Brüning, j. Bo. 17.
Farga (jpan.), j. Entremes.
Farce (frz., ſpr. fark), in der Kochkunſt ein Ge:
miſch von gebadtem te, Fiſch u.j. mw. mit Sped,
Marl, Fett, Eiern, geriebenem Weißbrot, Kräutern,
Sarbdellen, Trüffeln u. j. w., das zur Fuüllung von
Geflügel, Fleiſchſtücken, Fiſchen, Gemüſen u. ſ. m.
benußt wird; farcieren, vollitopfen, füllen. —
fiber 5. in der Litteratur ſ. Poſſe.
ceur (fr3., ipr. -Böhr), Bojienreißer.
el oder Fardehl (ital. fardello; engl. far-
del; franz. fardeau; deutſch Bündel) begriff ehemals
in Sübbeutichland (Nürnberg, Ulm u. ſ. w.) eine An:
zabl von 45 Bardet, Barchet oder Stüd Tuch zu 24,
auch 22 Ellen. Auf der Inſel Ceylon bedeutet F. ein
Bündel (oder einen Ballen) Zimmet (j. d.) im Ge:
wichte von 100 engl. Handelspfund = 45,359 kg (in
Deutihland = 45 kg gerechnet). In England üt F.
— auch ſoviel wie Farthingdeal (j. Farthing).
ing, brit. Scheidemünze, f. Farthing.
am (pr. jährämm), Stadt in der engl.
Stafibaft Hampibire, 26 km ım SSO. von Winde:
iter, in ber Nordweſtecke der Bai von Bortsmoutb (i.
die Karte: Bortämoutb und Southampton),
an der Eiſenbahn Windefter:Chicheiter, bat (1901)
8246 €. ; Yabrilation von Seilwert, Säden, Töpfer:
waren, Handel mit Korm und Roblen.
Farel, Wilb., Reformator der franz. Schweiz,
eb. 1489 zu Gap in der Daupbine, wurde durch
saber Stapulenjis und Biſchof Briconnet von
‘ für evang. Anjhauungen gewonnen, mußte
b Franlreich verlaſſen und wandte ſich nad
Bajel. Hier bielt er 15. Febr. 1524 eine ſiegreiche Dis:
vutation über 13 reformatoriſche Thefen, wurde aber
aus der Stadt gemiejen und ging nad Straßburg,
barauf nah Mömpelgard, wo er mit Erfolg predigte;
1536 warb er Prediger in ber den Bernern unter:
Brodbaus' Konverfationssterilon. 14. Aufl. RU, VI
465
worfenen franz.Herrihaft Aigle und unternahm von
bier au& nad der Berner Disputation Ban. 1528)
erfolgreihe Cvangelifationsreifen durch die franz.
Schweiz; 1530 erreichte er in Neuenburg die Durdy:
führung der Reformation. Später kam er nad
Genf und wirkte durch Teilnahme an dem Religions:
gelpräch vom 29. Jan. 1534 dazu mit, daß durch
Spilt vom 27. Aug. 1535 in Genf die Reformation
eingeführt murbe. Aug. 1536 veranlaßte er
den durchreiſenden Calvin in Genf zu bleiben, be:
teiligte fich mit diefem Olt. 1536 an der Disputa:
tion zu Zaufanne, wodurd die Waadtländer für die
Reformation gewonnen wurden, wurde aber mit
ihm 1538 aus Genf verwiejen. Er wandte fi nad
euenburg, lebrte 1541 nad) Genf zurüd, machte
noch mehrere Miffionsreifen und jtarb 13. Sept.
1565 in Neuenburg. Seine Schriften find meift
Gelegenbeitsichriften, am bedeutenditen dag «Som-
maire» a) und «Du vrai usage de la croix»
(1540). — Vgl. Kirchhofer, Das Leben Wilhelm F.s
2 Bde., Zür. 1831—33); Schmidt, Etudes sur F.
Straßb. 1836); derf., Wilhelm 5. und Peter Viret
(Elberf. 1860); Goguel, Histoire de Guillaume F.
— und Neuenburg 1873); F. Bevan,
William F, (4. we Lond. 1893).
Farensbach, Jürgen von, livländ. Feldherr,
wurde vom livländ. Orbensitaat als Geſandter
an den rull. Zaren Iwan den Schredlichen ge:
jeidt, um einen Frieden abzufhließen. Vom Zar
ewogen, in jeine Dienfte zu treten, gab 5. in der
Schlacht an der Ola 1. Aug. 1572 gegen die Ta:
taren den Ausichlag. Später trat er In däniſche,
dann in polnische Dienjte. Dort erhob ihn Sigis:
mund IIL., dem er zum Thron von Polen verbolien
hatte, 1586 zum Senator der Krone Polens. In
dem poln.⸗ſchwed. Erbfolgelrieg landete F. ın
Echweben, wurbe aber geſchlagen. Dann leitete er
mit Glüd die Verteidigung D Beim Sturme
a die Burg Fellin fiel 3. 17. Mai 1602. — Vgl.
Schiemann, Charalterlöpfe und Sittenbilder aus
der baltiſchen Geſchichte (2. Ausg., Hamb. 1885).
Farewell(engl.,ipr.fährmell), lebewohl, adieu;
der Abſchied.
ee (engl., jpr. fährwell), dän. Far:
vel, niederländ. Staatenbhoel (zu * der hol⸗
länd. Generalſtaaten benannt), Süd pie Grön:
lands unter 59° 49’ 12” nördl. Br., 43° 53° 55”
mweitlid von Greenwich y. der Eggersinſel. —
3. iſt au der Name des Norblaps der Süpdinjel
von Neufeeland, am weitl. Eingang zur Coolſtraße.
Fargo, Hauptitabt des County Caß im nord»
amerif, Staate Norbdalota, an dem von bier ab
ihifjbaren Ned:River, Moorhead in Minnejota
gegenüber, Knotenpunkt mehrerer Bahnen, darunter
der Hauptlinie der Nortbern: Pacific, die größte
Stadt des Staates, hat (1900) mit Moorhead 9589
E., lath. Biſchof; Handel namentlich mit Weizen, der
nad dem Oſten geht, Aderbaugeräten und Hol;.
Fargot (ipr. god), Teenaet, Frangotte,
im franz. Depart. Nord, beſonders in Lille, dann
auch in Belgien, ein Frachibalien Manufaktur⸗
waren im Gewichte von 150 bis 160 alten Livres
oder Pfund, was in Lille = 64,7—69 kg, in
Bel ien = 70, —75'; kg it. j
aria, Manuel Severim de, portug. Hiftoriler
und Altertumsforjcher, geb. 1583 oder 1585 zu Liſſa⸗
bon, war Doltor der Theologie, Kantor und Ka=
nonifus zu Evora, wo er 25. Sept. 1655 jtarb. Er
bejaß eine reihe Bibliotbet voll koſtbarer Hands
30
466
fhriften und hat über die Geſchichte, die Litteratur j
und die berühmten Männer Vortugals mande
brauchbare Werte geſchrieben. Die wichtigften find
die «Discursos varios» (Cvora 1624; Lifjab. 1791),
unterdenen fihdieBiograpbienvon João de Barros,
Diego do Couto und Camdes befinden. Die letztere,
der ein authentiſches Bildnis des Dichterö beigegeben
ward, iſt die Grundlage aller übrigen Lebensbeſchrei⸗
bungen de3 Camdes geworden. Bon Bedeutung
find auch feine «Noticias de Portugal» (Lifjab. 1655,
1740 u., in 2 Bbn., 1791).
aria e Soufa (jpr.ijoißa), Manoel de, portug.
Geihichtichreiber und Dichter, geb. 18. —* 1590
in einem Landhauſe bei Bombeiro (Provinz Minbo),
befuchte die höhere Schule von Braga, lebte zuerft
in Oporto bis 1618, bann in feinem Öeburtäorte bei
feinen Eltern bis 1619, in Madrid bis 1628 und
in Lifjabon bis 1631, mit litterar. Arbeiten be
Keäftiat. 1632 begleitete er ven Marquis von Eaftel:
odrigo nah Rom, wo er die Aufmerklfamteit des
Papſtes Urban VII erregte. 1634 kehrte er nad
Madrid zurüd, mo er 3. Juni 1649 ftarb.
Unter jeinen zahlreichen, meiſt ſpaniſch gejchriebe:
nen Werten zeichnen fih aus: «Discursos morales
y politicos» (2 Bde., Madr. 1623—26), «Epitome
de las historias portuguezas» (2 Tle.,ebd. 1628 u.ö.;
am beiten mit Fortſeßzung u. d. T. «Historia del
reino de Portugal», Brüfj. 1730); ferner «Asia
portugueza» (3 Bde., Lifjab. 1666 — 75; engliſch
von %. Stevens, Lond. 1694—95), «Europa por-
tugueza» (3 Bde., Liſſab. 1678—80), « Africa por-
tugueza» (ebd. 16831), «Lusiadas comentadas»
(2 Bde., Madr. 1639) und « Rimas varias de Luiz
de Camöes comentadas» (Bd. 1 u. 2, Liffab. 1685
—89). Das leptere Werk ift nicht vollftändig heraus:
egeben, die fehlenden drei Teile find vielleicht noch
Bandfchriftlich vorhanden, Bon feinen Gedichten,
die er u. d. T. «Fuente de Aganipe, rimas varias»
in fieben Teilen fammelte, erſchienen nur vier
(Madr. 1624—27); außerdem «Fabula de Narciso
€ Echo» (Liſſab. 1623 u. 1737), «Divinas y huma-
nas flores» (Madr. 1624 fg.), «Noches claras»
(ebd. 1624 u. Liſſab. 1674). Durch dieſe letztern
Gedichte, die überaus gelünftelt find, ſowie durch
die beigegebenen theoretiihen Abhandlungen über
Poeſie, voll paradorer unkritiſcher Anfichten, wirkte
er ungünftig auf die Entwidlung der portug. Poefie
ein. Die moderne Camöes-Kritik wirft F. vor,
dab er feinem pol zu Liebe wiſſentlich alle mög:
lihen portug. Dichter ihres Eigentums beraubt
und fie des Diebftabls bezichtigt und fib aud nicht
geſcheut hat, Camdes:Dolumente zu fälſchen.
Faribault (ipr. —— Hauptſtadt des
County Rice im nordamerilk. Staate Minneſota,
in fruchtbarer Gegend, mit (1900) 7868 E. iſt Sik
böberer Lebranitalten, des Blinden: und Taub—
ftummeninftitut3 des Staates und eines Kloſters.
Faridpur (engl. Furreedpore). 1) Diftrift der
Divifion Dhaka der indobrit. Lieutenant: Gouver:
neurſchaft Bengalen, zwiſchen dem Hauptarm des
Ganges im D. und dem lub Madbumati im W,,
bat 5871 qkm und (1891) 1797320 E. darunter
1096030 Mobammevdaner, 697669 Hindu, 3539
Chriſten u. j. w. F. beitebt fait ganz aus jumpfigem
Alluvialland und jtebt in der Regenzeit größtenteils
unter Wafjer; im N. und NW. iſt der Boden böber
und frudtbar. Der böbere Boden erzeugt Zuderrobr,
Baummolle, Indigo und Ölpflanzen, der niedrig
gelegene vor allem Neid. Mittelpuntt des aus:
Faria e Soufa — TFarinati
gebreiteten Handels ift Gralanda. — 2) Hauptftabt
des Diftrifts F., unter 23° 36’ nördbl. Br. und
89° 53° öftl. 2., auf dem rechten Ufer des Ganges,
ein unbedeutender Ort mit (1891) 10774 €. (5711
Hindu, 5008 Mohammedaner).
arilhões, Inſeln, ſ. Peniche.
in, he (vom lat. farina, ſ. d.),
verihiedene Arten des Verbrauchs- oder Konjum:
zuders, welche die Form eines feinern oder gröbern
Mebles haben. Es giebt weißen, bellgelben (blon:
den) und dunfelbraunen F. Bei der großen Ber:
—— des F. wechſelt ſeine Zuſammenſetzung,
einheit und Sauberleit ſehr, doch enthält F. fa
immer mehr Unreinigkeiten als Brotzuder, Würfel⸗
und Stüchzucder, und zwar um fo mehr, je dunkler
er ift; dastelbe ilt von feinem Gehalt an Feuchtig:
feit. (S. — erbraudszuder.)
Farina (lat.), Mebl. F. Amygdalarum, Man:
dellleie; F. Lini, Leinmehl; F. lactea, leguminosa
und nutriens pro infantibus, Kindermeh
Farina, Job. Maria, angeblih Erfinder ver
Eau de Cologne (ſ. d.).
Farina, Salvatore, ital. Romanicriftiteller,
geb. 10. Jan. 1846 zu Sorfo bei Saflari, jtudierte
ın Zurin und Pavia die Nechte, widmete ſich jedoch
nad Vollendung feiner Studien der litterar. Lauf⸗
bahn; er lebt in Mailand. Unter feinen zahlreichen
Erzählungen find zu nennen: «Due amori» (1869),
«Il romanzo di un vedovo» (1872), «Fiamma vaga-
bonda» (1872; neue Ausg. u.d.T. «Frutti proibiti»,
1878), «Fiante di picche» (1874), «Capelli biondi»
(1876),«Dalla spuma delmare» (1876), «Un tiranno
ai bagni di mare» (1877), «Il tesoro di Donnina»
(1877), «Racconti e scene» (1878), «Oro nascosto:
scene della vita borghese» (1878), «Mio figlio»
(ein Cytlus von Novellen: «Prima che nascesse»,
1879; «Le tre nutrici», 1879; «Mio figlio studia»,
1879; «Mio figlio s’innamora», 1880; deutſch
u. d. T. «Mein Sohn», 2 Bde., Berl. 1884), «Ill
marito di Laurina» (1881), «L’intermezzo e la
pagina nera» (1881), «Amore ha cent’ occhi»
(1883), «L’ultima battaglia di Prete Agostino»
(1885), «Pe’ belli occhi della gloria» (1888),
«Don Chisciottino» («Der Meine Don Quirote»,
1889), «Piü forte dell’ amore?» (1890), «Vivere
per amare» (1890), «Per la vita e per la morte»
(1891), «Che dirä il mondo% (1894), «Il numero
13» (1896), Madonnina bianca» (1897), «Fino
alla morte» (1902), «Le tre commedie della
vita» (1903). Die meiften find in mebrere europ.
Sprachen überjegt (deutſch in Auswahl von Bor:
ers, «Novellen», 3 Bde,, Lpz. 1876 — 77; mebrere
auch von andern für Neclams «llniverjalbibliotbebs
und Engelborns «Romanbibliotbet»). F. redigiert
aud den litterar. Teil der «Gazzetta musicale«
und giebt die «Rivista minima» und eine Biblio
—* — Romane in ital. Üüberſezungen
eraus.
Farinãti, Paolo, ital. Maler, geb. 1525 in
Verona, geit. daſelbſt 1606, war ein älterer Zeit:
enofje Baolo Veronefes, an den er fi fpäter an:
— Seine Kompoſitionen ſind ſchwungvoll, faſt
türmiſch bewegt und zeugen von äußerſt lebbatter
bantafie; jo jeine Freslen in San Nazzaro und
San Giovanni in Fonte zu Verona. Bon feinen
Elbildern ift das Hauptwerk: Die wunderbare Spei:
ung, in San Giorgio Maggiore zu Verona (1608).
m Hofmujeum & ien find von ibm: Maria mit
dem Leihnam Ehrifti, Ein heidn. Opfer; in der
Farinelli — Farm
Dresdener Galerie: Darſtellung Chriſti im Tempel.
Man bat auch Radierungen von ibm.
Farinelli, Carlo, eigentlib Brosdi, ital.
Sängerlaftrat, geb. 24. San. 1705 in Neapel. Er
ing 1734 nad) London, erregte bier großen Enthu⸗
asmus und fammelte beträchtliche Reichtümer.
Kurze Zeit bielt er fi dann in Paris auf und ging
1737 nad Madrid, wo er 10 Ja indurch jeden
Abend vor Philipp V. fang. Als hierdurch deſſen
tiefe Melancholie fich endlich befierte, wurde er des
Königs Liebling und fpäter erfter Minifter. Durch
Huges Benehmen mußte er fih auch unter Phi:
lipps V. Nachfolgern zu halten, bis er 1761 nad
talien zurüdtebrte. ftarb 15. Sept. 1782 auf
einem Landhauſe bei Bologna.
äring, Föring, isländ. Handelsgewicht =
10 alten dän. oder normweg. Pfund = 4,sıı kg.
Faringbon (jpr. färringd’n), Stadt in der engl.
Grafibaft Berls, 3 km füdlih von der Themſe,
an einer Zmeiglinie (5,1 km) der Great⸗Weſtern⸗
Bahn, bat (1901) 5326 E.; Hopfenbau und große
Schweineſchlächtereien (40—50000 jährlid). Be:
rübmt find die Schinken von %. In der Näbe
White-Horſe-Hill, ein Hügel (270 m), an deſſen
Abhang eine 113 m lange Pferdegeitalt ſchon in
angelſachſ. Zeit eingefchnitten ift; auf dem Gipfel
Uffin ton Eajtle, eine Schanze dän, Urfprungs.
ba, Balmenmebl, f. Copernica.
arini, Quigi Carlo, ital. Staatdmann und
&bichtichreiber, geb. 22. Dit. 1812 zu Ruffi bei
Ravenna, ftudierte in Bologna Medizin, nahm
an der Erbebung der Romagna (1831) teil und
war dann als Arzt tbätig, mußte jedoch, der päpftl.
Polizei verdächtig geworden, 1843 auswandern. Er
ging nad Frankreich, lehrte aber 1846 nad Pius’ IX.
tonbejteigung zurüd und trat 1847 in defjen libe⸗
tale Regierung als Generalfelretär im Miniſterium
des Innern ein, um bierauf die Leitung des Sani-
tätömejend in Rom zu übernehmen. Nach Berkün:
dung der Republif ging er nad Piemont. Im De.
1851 in die Kammer gewählt, übernahm er im erften
Kabinett Azeglio den Unterricht; 1859 ging er als
königl. Kommifjar nah Modena, wurde dort zum
Diktator gewählt und vermittelte zuerft in Modena,
dann aud in Parma, Bologna und Florenz die Er:
Härung für Victor Emanuel, Nachdem er 1860 von
Eapour mit dem Minifterium des Innern betraut
worden war, ging er als königl. Statthalter in das
neu angegliederte Sübitalien, um 8. Dez. 1862 nad
Rattazzis Sturz die Neubildung des Kabinetts zu
übernehmen defien Borfig er jedoch kranlkheits—
balber im März 1863 an Mingbetti abtrat, Er
je 1. Aug. 1866 auf feinem Landſitz bei Genua.
n Ravenna wurde jein Denkmal 1878 enthüllt.
3 Schriftfteller bat F. in feiner von Gladſtone
ind Engliſche überjegten «Storia dello stato ro-
mano 1814—50» (4 Bbe., Zur. 1850—53; 3. Aufl.,
Zlor. 1853) und feiner Fortfeßung von Bottas
«Geihichte Italiens von 1814 bis 1850» (Flor.
1850; 2. Aufl.,4 Bde.) —— ame: außerdem
begründete er 1850 das jatır. Blatt «La Frusta»
und trat für Cavours Politik in der von ihm ins
eben gerufenen Zeitung «Il Piemonte» und im
«Risorgimento» ein. — Bgl. Finali, Ricordi della
vita di F. (in der «Nuova Antologia», 1878).
Eein Sohn Domenico F., geb. 2. Juli
1834 zu Montefcudo, trat 1850 in die Militär:
alademie zu Turin, nahm als Hauptmann an den
Feldjügen von 1859 und 1860 mit Auszeichnung
467
teil und wurde 1861 dem Generalftab zugeteilt, in
dem er den Krieg von 1866 mitmachte. Den Borfig
in der Kammer, der er ald Mitglied des linten Een:
trums ſeit 1864 angehörte, übernahm er 1878, legte
ibn aber erft 1880 und endgültig 1884 nieder, um
fih ind Privatleben zurüdzuzieben. Allein 1886
wurbe er in den Senat berufen, deſſen Vorfig er feit
1887 fübrte; er ftarb 18. Jan. 1900 in Rom.
arindfe, |. Stärlemehl.
arinzuder, |. Farin.
arley (ſpr. -I2), James Lewis, engl. Journas
lift und Schriftiteller, geb. 9. Sept. 1828 in Dublin,
ftudierte an dem dortigen Trinity College, wurbe
nad dem Krimkriege range ne bei der neu
begründeten Dttomanifhen Bank in Beirut und
war von 1860 an General:Rehnungsführer der
türf. Staatsbank in Konftantinopel. Zugleich war
er journaliftifch thätig und fuchte beſonders durch
fahmäßige Arbeiten in der engl. Preſſe die finan⸗
* und kommerzielle Lage der Tuͤrkei in ein
lares Licht zu ftellen. 1870 wurde er türf. Konſul
in Briſtol. tb 12, Nov. 1885 in Ton:
don. Bon F. erfhien außer feinen journaliftiichen
Arbeiten: «Two years’ travel in Syria» (Fond.
1858), «The massacres in Syria» (1861), «The
ressources of Turkey» (1862), «Banking in Tur-
key» (1863), «Turkey, its rise, p and present
condition» (1866; deutih von A. Kolb ala «Der
finanzielle und polit. Verfall der Türkei», Berl,
1875), «Modern Turkey» (1872), «Turks and
Christians, a solution of the Eastern ——
(1876), «Egypt, Cyprus and Asiatic key»
(1878) und «New Bulgaria» (1880).
Farm (angeljähi.feorm; franz. ferme; im mittels
alterlihen Latein firma, urjprünglich Feftmabl, dann
Lebenämittel, dann bie ftatt der Lebensmittel in Geld
entrichtete Baht, dann auch das Pachtgut jelbit),
im heutigen engl. Spradgebraud jedes von einem
Landwirt bewirtichaftete Out, gleichviel ob dasjelbe
ei Gigentum oder ob es gepadtet if. Farmer
eißt jeder Landwirt; Farming heißt die Bewirts
Ihaftung eines Gutes. Ein Großgrunbbefiger bes
wirtichaftet meift nur eine F. felbit, die fog. Home
Farm. Bewirtſchaftet wurden 1895 in Großbritans
nien mit Ausſchluß von Irland von Pächtern
27937470 Acres, von Eigentümern 4640043 Acres.
In Irland ift die Statiftif über das Verhältnis
der von Eigentümern bemirtichafteten Güter zu den
verpadhteten jehr mangelhaft. 1897 zählte man
533 043 Landiwirte, von denen 601283 weniger als
1 Acre, 56672 bis 5 und 140312 bis 15, alſo
257 107 weniger ald 15 Acres bemirtfchafteten.
Das Berbältnis der Pächter (temants) zu den
Berpäcdhtern (landlords) ift verſchieden je nach ven
Zandesteilen. In Schottland kommen vielfa
Pachtverträge auf eine Reihe von Fahren vor, do
find in England und Irland die jog. yearly tenan-
cies die Negel. Bei legtern gebt die Pacht von
Jahr zu Jahr weiter, wenn nicht 12 Monate vor«
er gelündigt wird (vor 1883 war die Kündigungs⸗
ift nur 6 Monate). Da infolge diejes unfichern
efißftandes die Verwendung von Kapitalien zur
Aufbefjerung des Gutes für die Pächter ftet3 ge
fäbrlihb war, hat die Gejeßgebung eingegrifien
und bie Agricultural Holding Act von 1883 dem
engl. Statutarrecht einverleibt. Dieſes Geſeß ficbert
dem Pächter im —* des Aufhörens der Pacht
vor Ausnutßzung feiner mit Kapitalaufwand vers
anftalteten Beilerungen unter gewiſſen Voraus—⸗
30 *
468
egungen Entihäpigung zu und mildert die Be
immungen über das geſetzliche Pfandrecht des
erpäcters. Für Schottland wurde 1883 ein ähn:
lies Geſeß erlaflen; über das Gejes vom 25. Juni
1886 ſ. Erofters.
Wenn auch diefe Gejepe beweijen, daß in Eng:
fand und Schottland das Verhältnis zwiſchen Ber:
pädtern und Pächtern reformbebürftig war, fo ift
dasjelbe doch im allgemeinen ein günftiged. Die
Grundbefiger haben in diejen Ländern in der Regel
ihren Hauptwohnfig in der Mitte ihrer Güter und
nehmen perfönliches Interefle an ihren Bächtern, die
vielfah durch Generationen denselben Hof bewoh—
nen; fo ift es z. B. Gewohnheit, jedes Jahr je nad
dem Ertrag der Rente einen Heinern oder größern
Abzug von der Pacht allen Pächtern zu bemilligen.
Ganz anders liegen die Berhältnifie in Jrland, wo
die ix“ Grundbefiger nicht felbjt ihren Wohnfig
aben (f. Abfentismus) und namentlich früher ibren
ächtern gegenüber äußerfte Strenge auszuüben
gewohnt waren. Auch bier hat die Geſetzgebun
mehrfach eingegriften , namentlih durch die Lan
Law (Ireland) Act von 1881, welche den iriſchen
Pächtern die fog. «brei > (fixity of tenure, free
sale, fair rent, d. i. feiten Befis, freied Verkaufs⸗
recht, angemefjene Pacht) zuzuſichern beabfichtigte.
Demnad bat der Pächter bei Kündigung Anſpruch
auf Entſchädigung, er darf fein Pachtrecht (tenant
right) ohne Einwilligung des Verpächters einem
Dritten verlaufen und kann Herabjegung der Pacht
durch ein gerichtliches —— ren, wenn
er nachweiſen kann, daß dieſelbe nicht dem wirt:
lichen Werte entſpricht. Die gerichtliche — *——
lung der Pachtſumme iſt auf 15 Jahre hinaus bin:
dend. er haben verſchiedene Geſetze in neueſter
Seit dahin geftrebt, den iriſchen Pachtern den An:
tauf ihrer Bachtgiiter zu erleichtern; jo nament:
lid die Purchase of Land (Ireland) Act von 1891
und die iriſche Landbill von 1896, die auch ſonſt
den Bächtern Erleichterungen gebracht hat.
n England hat man in den letzten Jahren ver:
t — den wenigftbegüterten Klaſſen Gelegen⸗
eit zu geben, ſich mit Landwirtſchaft zu befaſſen.
s geſchah dies namentlich durch die Allotment
Acts von 1884 und 1890, welche die County Coun-
cils (f. d.) ermächtigen (event. durch Erpropriation),
Ländereien zu erwerben, um diejelben in Parzellen
von höchſtens 1 Acre zu verpadten. Es foll da
durch Tagelöbnern und ähnlich geftellten Berjonen
die Möglichleit geboten werben, gegen Entrichtung
einer Heinen Baht ein Grundftüd für den eigenen
Bedarf zubaben. Die 1892 erlafjene Small Holding
Act bat dagegen den Zwed, einen jelbftändigen
Bauernitand zu ſchaffen, indem fie Die County Coun-
cils ermächtigt, aud für die Zwede diejes Geſetzes
(jedoch nicht zwangsweiſe) Brundeigentum zu er
werben und in Barzellen von 1 bis 50 Acres unter
ſehr jbonenven Zablungsbebingungen zu verlaufen.
Bol. t, Relations between landlord and
tenant in England and Scotland (Lond. 1876);
Brodrid, English land and English landlo
(ebd. 1880); Pollod, The land laws (ebv. 1883;
2. Aufl. 1887; deutſch von Schufter, Berl. 1889);
Rogers, History of agriculture and prices in Eng-
land (6 Boe., Orf. 1866—88) ; Reienftein und Naſſe,
Agrarifhe Zujtände in Frankreich und England
Epz. 1884); Protbero, Pioneers and progress of
English farming (Lond. 1888); Herkner, Die iriſche
Wgrarfrage (in den «Jahrbüdern für Nationaldlono»
Farmerbund — Farne (botaniſch)
mie und Statiftil», Bo. 21, Jena 1890, ©. 449 fg.);
Diron, Law of the farm (Lond. 1892).
armerbund (Farmers' Alliance), ſ. National
ara, |. Farne. [Farmers’ Alliance.
aruborough (fpr. -börd), Stabt in der engl.
Grafſchaft Hampibire, an der Grenze gegen Surrev,
dient ald Babhnjtation für Alveribot (j. d.), bat
(1901) 11499 €. und ausgedehnte Erpbeerpflan:
nungen für den Londoner Markt. 5. ift —
tig Wohnſiß der Exkaiſerin Eugenie; im Mauſoleum
ruben feit 1888 Napoleon III. und fein Sohn.
Farubühl, Bad in der Gemeinde Wertbenftein,
Bezirk Entlebucd des ſchweiz. Kantons Quzern, 14km
weitfüdmweitlich von Luzern, in 750 m Höhe, an der
Bramegaitraße, die das untere Thal der Kleinen
Emme mit dem Entlebub verbindet, beitebt aus
einem großen, 1862 im Oberländer Stil erbauten
Kurhaus mit Trinkballe, Badehaus u. ß w. und
befigt eine feit 300 Jahren befannte eijenbaltige
Natronquelle, die namentlich bei Schwächezuſtänden,
Anämie und Ehlorofe angewendet wird. Die an:
mutige, geihüste Lage im Voralpenthale bat F. auch
zu einem beliebten Zuftlurorte gemadt. Nahebei
der Luftkurort Schwarzenberg.
arne (Harn, Farren over Farnkräuter),
Filicineen (Filicineae, Filices), eine Abteilung
aus der Gruppe der Gefäßkryptogamen (f. d.); fie
unterjcheiden fich von den beiden andern Abtei:
lungen der Gefäßlryptogamen, den en
und 2ycopodiaceen, hauptſächlich durch die Art
ihrer Blattbildung und die Stellung der Sporan:
gien. Während bei jenen die Blätter nur Hein und
unanfehnlid ausgebildet find, der Stamm dagegen
reich gegliedert ift und eine oft bedeutende Längen:
ausdehnung zeigt, finden fich bei den 5. meift mäch⸗
tig auögebildete Blätter, wogegen der Stamm ge
wöbnlid nur geringes Langenwachstum befigt. Die
Sporangien ftehen bei den F. jtetö auf den Blättern
und es jind bei Bildung von Sporangienftänden
niemals Teile des Stammes beteiligt, während dies
ftetö bei den Sporangienftänden der Equifetaceen
und in den meijten Fällen bei den Pycopodiaceen
ftattfindet. Man teilt die F. nad der form der Spo⸗
ren in foldhe, die einerlei Sporen bejigen, bomo:
rd d., und in foldhe, die zweierlei Sporen, fog.
afro: und Mikrofporen befiken, beterojpore s
Die homoſporen Formen zerfallen wiederum in ſolche,
bei denen die Sporangien ftetö aus einer Epidermis:
elle bervorgeben und im fertigen Zuftande mit einem
og. Ring verjeben find, mittels dejien fie fich öffnen,
und ferner in foldye, bei denen die Sporangien aus
einer Gruppe von Epidermiszellen entite und
feinen Ring befigen. Die eritern bejeihnet man
wohl auch als leptofporangiate und die lestern ala
eufporangiate 3. — Die leptojporangiaten
bomojporen F. werben eingeteiltin: 1) Hy meno:
pbyllaceen(i.d.) oderHautfarne, lauter äußerft
zarte ht deren Blätter gewöhnlich nur aus einer ein:
igen Zellſchicht beftehen. Die Sporangien (f. Tafel:
efähfrpptogamen, fig. 2a) derielben baben
einen ſchief oder quer verlaufendenvolljtändigen Ring
und fpringen mit einem Längsriß auf; ſie fteben
an der Epike ber über den Blattrand etwas hinaus:
ragenden Nerven. 2) Evatbeaceen (f. d.), ſamtlich
Baumfarne, mit großen und weit auägebreiteten
Blättern. Die Sporangien (Fig. 4c) haben eben:
falld einen volljtändigen und fdiefen, aber ercen-
triijhen Ring und fpringen mit einem quer ver:
laufenden Rib auf. 3) Bolypodiaceen (f.d.) oder
Farne (botanifch)
Züpfelfarne. Die Sporangien (Fig. 1b) haben
einen unvollftändigen, längs verlaufenden Ring und
—— quer auf. 4) Gleiheniaceen (f.d.). Die
porangien ftehen wie bei den drei zulest angeführ⸗
ten Familien auf der Unterfeite gemöhnlicher Blät-
ter, fie find mit einem vollftändigen quer verlaufen:
den Ring verſehen und öffnen ſich miteinem Längäriß.
5)D8munbdaceen (f.d.) oder Rifpenfarne. Bei
diefer Familie find die fporangientragenden Blatt:
partien anders —— als die übrigen (Fig. 5);
die Sporangien jelbft haben an Stelle des Ringes
nur eine Gruppe bejonders —— Zellen auf der
einen Seite und ſpringen auf der gegenüberliegen⸗
den Seite mit einem Längsriß ei 6) Schizãa⸗
ceen (j.d.). Auch bei den hierher gehörenden 75. ſitzen
die Sporangien in den meiften Fällen an beſonders
auägebildeten Blättern; die Sporangien tragen eine
tapuzenförmige Gruppe von eigentümlichen Zellen
auf ihrem Scheitel und reißen mit einem Längs
riß auf. — Bei den eujporangiaten homo—
fporen F.fehlt jede Ringbildung; fie zerfallen wie:
der in die $amilien der Opbi ee (Fig. 8)
und der Marattiaceen (Fig. 8). Bei eritern jind die
Eporangienindas Blattgewebeetwas eingeſenlt und
—— an beſonders ausgebildeten Teilen der Blätter;
i den letztern dagegen liegen die Sporangien ober:
er auf der Unterſeite normal ausgebildeter
lattfiedern. — Die hbeterofporen F. auch bäufig
ala Rhizokarpeen oder Wurzelfarne (Mailer
farne) bezeichnet, bilden ihre Sporangien in bejon-
ders metamorpbofierten Blättern, die wie Früchte
ausjeben und wohl aud Sporenfrüchte genannt wer:
den. Sie werben ebenfalls in zwei samilien geteilt,
in dieder Salpiniaceen und der Narfiliaceen,
Die erftern find auf dem Waſſer ſchwimmende F.
und die Sporenbäufchen oder Sori enthalten ent:
weder nur Makroſporangien oder nur Mikroſporan⸗
gien (Fig. 9 a, b); die legtern dagegen, welche auf
= Erde hinkriehen und nur Teilen f wimmen,
enthalten in ihren Sporenfrüdhten Sori, die zugleich
Makro: und Mitrofporangien befiken.
Man kennt ug re 3000 Farnarten, von denen
jedod die aroße Mehrzahl, etwa 2500, den Tropen
ausihließlih angebören; fie wachſen fait alle nur
in enden, wo andauernd feuchte Fu ak
deshalb finden fie ih aud zur ächlich auf Injeln
und in Küftenländern oder im Schatten der feuchten
Urmälder; in Deutihland fommen wie in allen
Binnenländern der gemäßigten Zone verhältnis:
mäßig menige F. vor, und dieſe gehören faft aus:
fhließlih den Polypodiaceen an; aus den übri-
gen Familien finden fih nur no einige Ophio—
gloſſeen aus den Gattungen Ophioglossum (f. d.)
und Botrychium (f. d.), ferner zwei Marfiliaceen
aus ben
und von den beiden Familien der Salviniaceen und
Dömundaceen je eine Art. Alle in Deutſchland eins
beimiichen F. find — kleine und nie
drige Pflanzen, nur von wenigen Arten werden die
Wedel etwa mannshoch, und nur die des ziemlich
verbreiteten Adlerfarns (f. d.) erreihen im güns
—* alle eine Höhe von 3m. Viel größer werden
jablreiche tropiſche F., hauptiählich die aus der Fa:
milie ver Cyatheaceen, von denen viele 10 m und dar:
über hoch werben; bei biejen ift der Stamm meift
ſchlank, etma 20—50 cm im Durchmefler, feltener
murzelitodförmig ausgebildet. Viele werben ihres
äbtigen Ausſehens halber in den Gemähshäufern
iviert, hauptſächlich Arten der Gattungen Cya-
attungen Marsilia (f. d.) und Pilularia, | dem
469
thea (f.d.), Alsophila (f.d.) und Cibotium (f. Agnus
Scythicus). Ebenfo erreichen die Wedelder Marattia:
ceen eine bedeutende Ausdehnung; ibr Stamm ift
jedoch nicht ſchlank, fondern tnollenförmig und hat
ei einigen Arten einen Umfang von 1 bi$ 2m, die
Wedel werden bi 5 m lang, b bei Angiopteris
evecta Hoffm.(f. Angiopteris). Dagegen beſtehen die
Hymenopbyllaceen, die größtenteild ebenfalls den
Tropen angebören, aus lauter ſehr zarten, fait moos⸗
ähnlichen Pflänzchen. Aus der Familie der Schizäa-
ceen find einige windende F. befannt, Arten der Bat:
tung Lygodium (f. d.); diefelben haben jedoch nicht
etwa einen windenden Stamm, fondern die 6—10 m
lang werdenden Blattftiele,an denen fiederförmig ans
eorbniete Blättchen fißen, winden in ganz derſelben
eife wie die Stämme fchlingender Bbanerogamen.
Die 5. baben ebenſo wie die übrigen Gruppen
der Gejäßlroptogamen und die Mooſe zmeierlei
Generationen, eine ungeſchlechtliche, ſporenbildende,
und eine geichlehtlice, Antheridien und Archego⸗
nien bildende. Das, was man für gemöhnlidy als
Farnkraut bezeichnet, alfo die blattbildende Ge
neration, ift bie —— Die Sporen wer:
den bei allen F. in befondern Behältern, jog. Spo⸗
rangien, gebildet, die in den meiften Fällen nicht
einzeln, fondern in dichten Gruppen fteben. Diele
Gruppen beißen Sporenhäufhen oder Sori (beis
ftebende Fig. 1 zeigt den vergrößerten Durchſchnitt
eines an der Uns F —
terſeite des Farn⸗ REN Sn ET
blattes b ſißen ae
den Sorus); die: 9 KR TRER NER:
jelben liegen ftet3 ZA
auf der Unter: *
ſeite der Wedel @
und find bei vies ,
len 5. mit einer Hülle bevedt, dem fog. Schleier
(Indusium), einer Bildung der Epidermis, melde
emöhnlih nur aus einer einzigen Schicht von
Bellen beftebt (Fig. 1i). Die Form und Stellung
der Sporangien, der Sori und des etwa vorhan⸗
denen Schleiers jeioen viele Verſchiedenheiten, auf
denen hauptſächlich die ſyſtematiſche Gruppierung
in den einzelnen Familien und Gattungen beruht.
Die Sporangien (Fig. 2) find meift fugelige oder
birnförmige oder aud noch anders geitaltete Be:
bälter, in denen bie Sporen erzeugt werben; bei den
meiften Familien befigen fie einen fog. Ring (annu-
lus, $ig.2r), der aus mehrern in einer Reihe liegen:
den Zellen befteht, die größer und didwandiger
find als die übrigen Zellen des Sporangiums; diejer
Ring fpielt eine wichtige Rolle beim Auffpringen
der Sporangien, indem die Zellen, aus denen er
zufammengejeßt iſt, ſich bei Zrodenbeit, und nad:
die Sporen zur Reife gelangt find, ftärter
zufammenziehen als die übrigen und fo ein Ber:
reißen der Sporangienwand an den zarten Stellen
—— Die Sporangien entwickeln ſich bei
ämtlichen F. aus der Epidermis. Es bildet ſich
allmählich aus einer papillöfen Ausſtülpung einer
Epidermigzelle ein mebrzelliger Körper, in deſſen
Innerm ſich mehrere, bei den homojporen Formen
gewöhnlih 12—16 jog. Sporenmutterzellen
entwideln, aus denen durch Teilung je vier Sporen
bervorgeben. Bei den beterojporen Formen find die
Sporangien in eigentümliche Kapſeln —
die bei einigen au& metamorphoſierten Blattzipfeln
beftehen. Die Sporenentwidlung in den Milro⸗ und
Makrofporangien ift in den erjten Stadien dieſelbe
Fig. L.
470
und ftimmt auch mit der der übrigen 5. überein; in
den Mikrofporangien bilden ſich aus je einer der
16 Sporenmutterzellen 4 Sporen, in den Makro—⸗
fporangien dagegen, ey 1 dieſelben Teilungen
ftattfinden, wird eine Spore bebeutenb größer als
bie übrigen, die fpäter nur mehr rubimentär vorban-
den find; es find demnach
in jedem Nifrofporangium
zablreihe Mitrofporen, in
jedem Mafroiporangium
aber nur eine Mafrojpore
vorhanden.
Aus den ungeſchlechtlich
erzeugten Sporen ent:
widelt fi bei der Kei⸗
mung ebenfo wie bei den
übrigen Gefäßlryptoga-
men die Geſchlechtsor—⸗
gane tragende Generation,
das fog. PBrotballium,
an dem eine Sceibung
von Blatt und Stamm
nicht ftattfindet. Diejes
Prothallium ähnelt ganz
dem Thallus mander laubartigen Lebermoofe, es
ift ein Hächenförmig ausgebreiteter Zelltörper, deſſen
vegetativer Teil aus ziemlich aleihartigen, mit Chlo⸗
rophyll gefüllten Zellen beftebt. An der Unterjeite
desjelben ſtehen ſchlauchartige ungeglieberte Wurzel:
rear mittels deren das Prothalltum im Boden feſt⸗
ist (Fig. j Die Entwidlung der Prothallien ift
bei ben meijten F. eine ziemlich einfache; aus der un:
geſchlechtlich erzeugten Spore tritt bei der Keimung
ein Keimſchlauch hervor, der ſich durch Querwände
in mehrere Bellen gliedert; an ber Spitze dieſer Zell:
reihe treten ſodann Längsteilungen auf, wodurd
ein Wachstum in die Breite entftebt (ig. 4). Durch)
meiteres Fortſchreiten dieſes Breitenwachstums er:
bält ſchließlich das Prothallium eine nieren⸗ oder
herzförmige Geſtalt, wobei immer der Vegetations⸗
punft in ber dabei entſtehenden Einbuchtung liegt
(Fig.3v). Hinter diefer Einbuchtung bildet ſich ein
Gemwebepoliter; das Prothallium wird hier mehr:
ſchichtig, und auf diefem Polſter, und — ſtets auf
_ der Unterſeite, ent:
N, wideln ſich die
739 weiblibenOrgane,
nn i / die Archego—
en IE nien; bie männs
lichen Organe, die
Sn Antberidien,
find gewöhnlich
— — gi
e bed Pro—
— ver⸗
ſtreut; die Antheri⸗
bien ſtehen eben:
falls in den aller:
meijten Fällen nur
auf der Unterieite.
Bei den Dpbio:
lofjeen find die
rotballien nicht
flähenförmig, jondern tnollenartig ausgebildet und
wachſen unterirdiſch, enthalten deshalb auch kein
Chlorophyll. Sie beitehen aus einem parenchyma⸗
ti * Gemwebelörper, in den die Antheridien je
wohl als auch die Archegonien eingefentt find; bei
den übrigen bomofporen Familien, mit Ausnahme
Farne (botanijch)
der Marattiaceen, bei denen die Geſchlechtsorgane
ebenfalld in das Gewebe des Prothalliums einge
jentt find, ſihen diejelben jtet3 auf dem Protballium
und e3 ijt nur die unterjte Bartie von den Zellen
des legtern umſchloſſen.
Bei den beterofporen Formen ift die Entwidlung
ber Prothallien eine wejentlih andere: es lommt
bier nicht zur Entwidlung eines lebermoosahnlichen
Thallus, fondern es werben verhältnismäßig wenige
Zellen gebildet. Aus der Matrofpore entitebt das
weibliche Brotballium, das meift nicht viel größer
wird al3 die Spore ſelbſt
und aud von diefer mäb:
rend feiner ganzen Vege-
tationgjeit beinahe um:
ſchloſſen bleibt; gewöhnlich
wird auch nur ein einziges
Arhegonium gebildet, das
in den Gemwebelörper des
Vrothalliums eingefentt it.
Die aus den Mikrofporen
entjtebenden männlichen
Prothallien beftehen eigent: Fig. «.
lich nur aus einer einzigen
Zelle; die Mitrofpore wachſt zu einem Schlaud aus
und in diefem Schlauc treten zwei Wände auf, io
daß nunmehr drei Zellen io ade find; davon
ift die unterfte ald rudimentäres Protballium auf:
ufe en, die beiden andern dagegen bilden das
ntberidium; in jeder derfelben entjteben bei den
Marfiliaceen 16, bei den Salviniaceen dagegen
bloß 4 Spermatozoiden. Der Bau der Arche—
— der heteroſporen Formen ſtimmt mit dem
ei den übrigen Familien der F. im weſentlichen
überein. e
Man unterfcheidet an den Archeg onien (Fig.5) '
gewöhnlich zwei Teile, den Bauchteil und den Hals»
teil; im erjtern liegt die weibliche Befruchtungszelle,
bie Eizelle (Fig. de); der Halsteil beſteht aus vier
peripberiih liegenden Zellreiben, welche die fc
Halstanalzelle (ig.5h) umſchließen. Bei der Reiſe
der Arhegonien weichen jene vier Zellreiben an der
Spige auseinander und die Wände der Halskanal—⸗
elle werden verfchleimt, worauf die dadurch ge
ildete Gallerte ſamt dem Protoplasma der Kanal»
zelle berausgetrieben wird (ie. 6). In diefem nun⸗
mebr vor der Öffnung des Arhegoniums liegenden
Schleim fammeln fih die Spermatozoiden, einige
davon dringen bis zur Gi: —
zelle vor und vermiſchen ſich
—— — die ng
tung volljogen wırd.
Die Antberidien be:
En bei den homofporen
ſtets aus mebr Bellen ald
bei den Salviniaceen und
Marfiliaceen. Es find in -
den meiften Fällen kugelige
Behälter, in deren Innerm
die Spermatozoiden in grö⸗
Berer Anzahl entjteben
(Pia. 7); die Entleerung
der legtern bei der Reife erfolgt dadurch, daf die
MWandzellen an der Spige auseinander weichen und
die Spermatozoiden beraustreten lafjen (Fig. 8).
Die Spermatozoiden find bei allen F. ſchrauben⸗
linig gemundene Bladmalörper, die mit jog. Cilien
oder Wimpern bejegt find; fle zeigen eine lebbafte
Bewegung, natürlih nur dann, wenn Wajjer in
Farne (botanijch)
tropfbar-flüffiger Form vorhanden ift; die Befruch⸗
tung der F. findet deshalb nur bei Sugegenfein von
Waſſer ftatt. (S. Befruchtung.) Aus der befruchteten
Eizelle entwidelt ſich die fporenbildende Generation,
Zunädft treten mebrere Teilungen in der Eizelle
auf; es —
99— ein mehrzelliger
N a? ——
—A — gebildet, an
dem vorerſt
noch keine wei⸗
tere Differen⸗
zierung in
Stamm, Blatt,
Wurzel erkenn⸗
bar iſt; dieſer
* I —
— 4 \ wird a ms
a — bryo bezeich⸗
/ net; feine Ents
mwidlung von
, der Eizelle an
bi? zum Auftreten der erften Sprofjiungen iſt bei
allen Gefäßtryptogamen im weſentlichen diejelbe.
S. Gefäßtryptogamen.) Nah dem Auftreten der
eriten Blätter und Wurzeln, die verhältnismäßig
Hein bleiben (Fig. 9) und gewöhnlich bald verlüm⸗
mern, entwideln fih allmäblih die eigentlihen
fporenbildennden Pflanzen mit ihren normalen Blät-
tern, Wurzeln u. j. m. Übrigens iſt eine Befruchtung
nicht immer unbedingt nötig, damit aus dem Pro:
tballium die jporenbildende Generation hervor:
wachſe; es ift an einigen d
bauptjählid aus der Familie
der Polypodiaceen, eine
Sprojjung an beitimmten
Stellen des Protballiums be
obachtet worden, die ebenfalls
ur Bildung eines normalen
Barnteaus bren lann; man
at dies, weil feine geſchlecht⸗
liche Fortpflanzung dabei aufs
tritt,apogameSprofjung
oder Apogamie genannt.
Der Habitus der aus dem
Brotballium hervorgehenden
ungeſchlechtlichen flanzen
eigt eine außerordentliche
annigfaltigkeit, und zwar
weniger in ber Ausbildung des Stammes als in der
der Blattorgane; während mande F. ein fait moos⸗
ähnliches Aussehen haben, wie z. B. die zu den hetero:
Iporen Formen gehörende Azolla (j. d.) und ber
eil der Hymenopbyllaceen, baben andere
471
podiaceen, Eyatheaceen und Marattiaceen. ee
allen Blattorganen zeigt ſich eine eigentümliche Ein⸗
tollung der Spike, die den jängiten und noch wach⸗
ſenden Teil des Blattes darſtellt; dieſe Einrollung
eht erſt dann verloren, wenn das Blatt ſeine volle
twidlung erreicht bat. Eine ganz ähnliche Ein»
rollung der Begetationsipige, oder wie man dies
auch nennt, ein dorjiventraled Wadhstum,
weil dabei eine Bauch⸗ und eine Rüdenfeite unter:
ſchieden werben kann, befigen auch mande Stamm:
organe, fo hauptfächlich die Arten der Salviniaceen.
etreffs des anatomischen Baues zeigen die
F. manderlei Eigentümlichleiten. Vor allem ift der
au der Gefäßbündel bei den meiften ein weſentlich
anderer als bei den übrigen Gefäßpflanzen. Die
Gefäßbündel find ſowohl in dem Stamme wie auch
in den Blättern, allerdings nicht ausnahmslos,
fonzentrifch gebaut, d. h. es findet ſich eine lonzens
trifche Anordnung der einzelnen Elemente des Ge:
fäßbündel3 in der Meife vor, daß der fog. Sieb»
teil immer den Gefäßteil rings umgiebt (f. Ges
fäßbündel); dabei braucht jedoch der Querfchnitt des
ganzen Bündel nicht gerade ad irn eines Kreiſes
u baben, fondern kann auch elliptiih oder ſichel⸗
* oder noch anders geſtaltet ſein (Fig. 10). Ri
den Wurzeln dagegen iſt die Anordnung der Ges
fäßbündelelemente nicht weſentlich verichteden von
der bei den übrigen Gefäß: ’
pflanzen. (S. Wurzel.) Der
Verlauf der Gefäßbündel im
Stamme geftaltet ſich meiſt
in der Weiſe, dab die ein:
zelnen Bündelzu einerRöhre ASS
mit nekartig burhbrode I En
ner Wand vereinigt find
(Fig.11). Die Durchbrechun⸗ *
gen finden ſich immer, wo Fig. 10,
ein Blatt angefügt ift, und
die in das Blatt tretenden Bündel werden von dem
die Durhbrehung (Blattlüde, Fig. 111) umges
benden Teil ver Gefäßbündelröhre abgezweigt. Sebr
mannigjaltig ift der Verlauf der Gefäßbündel in
der Blattipreite; das ganze Spyitem der Bündel
ftellt die Nervatur der Blätter dar. Da diefe Nervas
tur für die ſyſtematiſche Unterſche: dung
hauptſächlich ee F. von großer
Wichtigkeit if, fo hat man eine grö-
Bere Anzahl Typen aufgeftellt, unter
die mandie Abdrüdevon jFarnblättern,
die und aus ber Vorzeit und zwar
bauptjählih aus der Steinkohle er:
balten find, begreift. So bezeichnet
man 3. B. die Nervatur, bei der von
einem Mittelnerven fiederfürmig Sei:
tennerven und von diefen wiederum
fieberförmig Seitennerven zweiter Orb:
nung abgeben, welher Vorgang ſich
nochmals wiederholen fann, als Ner-
vatio Pecopteridis, und faßt bie
meiiten folder Blattabdrüde von %.,
welche dieſen Bau zeigen, unterder Bat:
tung Pecopteris zuſammen. Eine andere Art der
Nervatur wird alö Nervatio Taeniopteridis bezeich:
net; bier geben von einem Mittelnerven in einem
rechten Wintel Seitennerven ab, die fi ein⸗ oder
mehrmal gabelig teilen, aber jo, daß fämtliche
Verzweigungen der Seitennerven untereinander
öbte
Arten große, vielfach zerteilte und gefiederte Wedel, | annähernd parallel bis zum Rande des Blattes ver:
jo bauptjäclich Arten aus den Familien der Poly: | laufen. Bon einer Nervatio Cyclopteridis ſpricht
412
man, wenn fein Mittelnerv vorhanden ift, ſondern
alle Nerven vom Grunde des Blattes aus ftrablig
nad dem Rande verlaufen und fich dabei wiederbolt
gabelig teilen. Zwiſchen diefen Typen ber Ner:
vatur, deren e3 noch mebrere giebt, finden fi na:
türlich verfchiedene Übergangsformen, die zum
Teil auch wieder bejondere Bezeichnungen erhalten
baben. An den Blattabprüden foſſiler F. find nur
jelten Sporangien, Sori u. f. w. erhalten, fo daß
man nicht mit Sicherheit auf die Familie fchließen
lann, der fie zugurechnen find, man bat eben
deshalb die verjhiedenen Formen der Nerva:
tur gewählt, um eine Überfiht über die ſehr zahl:
reihen Abprüde zu ermöglihen. Die wichtigſten
Gattungen find Neuropteris, Sphenopteris, Hy-
menophyllites, Pecopteris, Taeniopteris. Auch
Stämme von fofjilen Farnkräutern find in ziem:
liber Anzahl erhalten, da fie aber in den meiften
ällen nicht im Zufammenbang mit Blättern ge:
nden wurden, jo fann man audy bei dieſen die
ugebörigteit zu einer beftimmten Familie nicht
icher entſcheiden. (S. Psaronius.) Von ben bete-
rojporen Formen find ebenfalls foffile Überreite er:
halten, und bei diefen fann man leichter beftimmen,
mwobin fie gehören; fo find z. B. in der Braunkohle
Blätter einer Salviniaart erhalten, auch kennt
man foffile Sporenfrüchte einer Marsilia aus dem
Tertiär. Die reihhaltigfte Farnflora ſcheint nad
der Anzahl der erhaltenen Reite in der Steintoblen:
zeit vorhanden geweſen zu fein. (Näheres über das
erfte Auftreten der Farne f. Gefäßkryptogamen.)
Litteratur. W, J. Hoofer, Genera filicam
(Lond. 1842); derf., Species filicum (5 Bde., ebd.
1846—64); Hofmeijter, Über die Entwidlung und
den Bau der Vegetationdorgane der F. (in den «Ib:
Zum en der Lönigl. Sächſiſchen Geſellſchaft der
iſſenſchaften⸗, 1857); Diettenius, Filices horti
botanici —— (2p3. 1856); derſ., liber die
Hymenophyllaceen (in den «Abhandlungen der
tönigl. Säch —* Geſellſchaft der Wiſſenſchaftens,
1864); Sadebe reg ige wehrte
«Handbuch der Botanik», Bd. 1, Bresl. 1881); Sa-
porta und Marion, Die Kryptogamen (Lpz. 1888);
Ehrift, Die Farnträuter der Erde (Jena 1897).
Farne (pr. fabrn), Gruppe von 17 Inſelchen
an der Ditküfte der yon Grafſchaft Nortbumber:
land, etwa 3 km vom Lande (f. Karte: England
und Wales). Auf Houfe Island jtebt der Turm
einer dem Andenlen des beil. Cuthbert errichteten
Priorei. Die Durhfabrt ift höchſt gefährlih. Zwei
Inſeln tragen Leuchttürme.
Farnefe, ital, Fürſtengeſchlecht. Die Stamm—
burg des in das 13. Jahrh. zurüdreihenden Ge
ſchlechts ift Farneto bei Orvieto. Nach Bejeitigung
der Eſte — d.) und Erlöfchen der Rovere (ſ. d.) nah⸗
men die F. die erjte Stelle unter den Lehnsträgern
der Kirche ein; fie erlofhen im Mannsitamm 1731.
Giulia F. die Shöne Gemahlin des Giulio oder
Francesco Orfini, verichaffte durch ihre Beziehungen
u Papſt Alerander VL (j.d.) ihrem Bruder Aleſ⸗
{andre 3., dem fpätern Bapit Baul IL. (f.d.), die
ufnahme unter die Karbinäle; diefer begründete
die Größe des Haufes F. — Sein natürlicher Sobn
Bier Luigi F., geb. 19. Nov. 1503 zu Nom, wurde
juerit von ihm mit den Herrihaften Eaftro, Ron:
ciglione und Nepi ausgejtattet und zum Herzog
erboben, dann 1545 zum Herr von Novara und
Herzog von Barma, welches Julius IL. für die Kirche
erobert hatte, und von Piacenza ernannt. Als Haupt
Farne (Infelgruppe) — Farneſe
der eg Karls V. in Italien, wurde er auf Ver:
anlafjung —— Gonzagas, des kaiſerl. Statt:
halters in Mailand, 10. Sept. 1547 ermordet nah
der verunglüdten Verſchwoͤrung des Fiesco (j. d.),
die er begünftigt hatte, worauf Ferrante Gonzaga
Piacenza befebte. — Val. Affö, Vita di Pier Luigi
F. (Mail. 1821); Gofellini, Congiura di Piacenza
contro Pier Luigi F. (Flox. 1864); Scarabelli, Del-
l’ultimo Duca Pier Luigi F. (Bologna 1868). — Die
Herausgabe von Parma an Pauls IIL Entel Dt:
tavio 5. (geb. 1520, geit. 1586), den Sohn des
vorigen, verweigerte Camillo Orfini, der päpitl. Be
fehlshaber desfelben, eigenmädtig; dod gelang es
Ottavio bald, fi in * Parmas zu ſehen, und
Karl V. ſah ſich im April 1552 auch zur Rüdgabe
von Piacenza gemmungen. Vermäblt (1538) mit
Karls V. natürliher Tochter Margarete (f. d.) von
Parma, regierte er das Land trefflic.
Aleifandro F. Sohn und Nachfolger des Dita:
vio F., geb. 1547 zu Rom, focht unter jeinem Obeim
Don Yuan d’Aujftria bei Yepanto, folgte fpäter jeiner
Mutter nah den aufſtändiſchen Niederlanden, mo
er den Sieg von Gemblours über die Geufen erfocht,
fih vor Maaftricht (1579) und bei Dudenarbe (1582),
Gent, Brügge, Ppern, Brüfjel, Antwerpen (1585),
Grave, Be Neuß (1586) und Sluys (1587),
die er zur Ergebung zwang, auszeichnete; nach dem
Scheitern der Armada, deren Unternebmung er mit:
machte, trat er an die Spitze eines Hilfsheers für
die franz. Katholilen und zwang 1590 König Hein:
rich IV. zur Aufbebung der Belagerung von Paris,
Be aber weder in Frankreich nod von Spanien
er die zum Erfolg nötige Unterftügung; er ftarb
3. Dez. 1592 in Arras an einer vor Rouen erbal:
tenen Berwunbung. Durch die Huge Benusgung des
religiöjen Gegenjaßes zwiſchen den jüdl. und nordl.
Provinzen hat er erjtere für Spanien gerettet. Ihm
wie feinem Sohne Ranuccio wurden 1620 —24 in
BPiacenza Reiterftatuen (von Franc Mocki) errichtet.
Vol. Fea, Alessandro F., duca di Parma, nar-
razione storica emilitare (Tur. 1886) ; Terrier San:
tans, Campagnes d’Alexandre F. (Par. 1888).
Ranuccio L, geb. 1569, get. 1622, der älteite
Sohn und Nachfolger des vorigen, von Natur finfter
und babgierig, benußteeine angebliche Berihwörung
des Adels dazu, deſſen Macht durch zahlreiche Hin:
rihtungen und Gütereinziebungen — brechen.
Odoardo F. Sohn und Nachfolger des vorigen,
ge. 28. April 1612, geit. 12. Sept. 1646, nicht ohne
eiſt und Kübnbeit, aber obne polit. Einſicht, dabei
ohmütig und von kindiſchem Ehrgeiz, verwidelte
ich durch einen Rangftreit mit den Barberini (f. d.)
in den berüchtigten Krieg um Caſtro, der zum ſchließ⸗
lichen Berlufte diejer Herrichaft führte. — Bon jeinen
Nahfolgern, Ranuccio U., Francesco F. (geft.
27. 5ebr.1727)und N
geriet der letztere mit der Kurie in Zwieipalt durch
Beiteuerung feines Klerus und die angebabnte Los—
löfung von ihrer Lehnsherrlichleit. Bei demielben
untertüpte ihn Herzog Eugen von Savopen (1706),
und Joſeph I. erhielt durd ihn die Möglicteit, die
Lehnsherrlichleit des Reichs über Barma und
Piacenza neu aufzuricten. Da er kinderlos jtarb,
fielen Barma und Piacenza an den Infanten Don
Carlos (III) von Spanien, ben Sohn Philipps V.
und der Glifabetb ;.
Der Bau des geivaltigen Palazzo F. eines der
ſchönſten Roms, am gleibnamigen Plage, wurde in
den eriten Jahren Leos X. begonnen von dem jün«
Farneſina — Farnkrautwurzel
en Sarı Gallo (Antonio Bicconi), fortgejegt von
ihelangelo (von ibm das herrliche reihe Haupt:
ad: das große Fenſter über dem Bingen ‚der
of) und vollendet 1580 von Giacomo della Worta
- (oggia an der Hinterjeite des Hofs). Die Galerie
ihmüden umfangreiche und wertvolle mytbolog.
eötogemälde von Annibale Carracci. Dem Ba:
zo F., welcher den Hauptaufentbalt Franz IIL
nach ſeiner Vertreibung aus Neapel bildete, gegen:
über liegt rechts am Tiber die ep (i. 3 Die
man hie Gärten auf den Palatin umfafjen den
il des Hügels, auf welchem die romulifche Stadt
und die Paläſte des Tiberius, Caligula und der
Flavier ftanden. Napoleon IH., in deſſen Befiß fie
übergingen, unternabm in ihnen bedeutende, jeit
1870 von der ital. Regierung weiter geführte Aus:
—— — Bol. Leſſing und Mau, Wand: und
edenfbhmud eines röm. Haufes (Berl. 1892).
PFarnefina, Name einer Billa im Stadtteil
Traätevere zu Rom, die 1508—11 im Renaijjances
ftil von Baldaſſare Peruzzi für den päpitl. Bankier
Agoitino Ebigi (f. d.) erbaut wurde. Kardinal
Alejjandro Farneſe, ein Bruder des Ottavio Far:
neje, laufte jie 1580; fie blieb dann bis zum
Ausjterben der familie (1731) deren Eigentum.
Dann kam die Villa an die Könige von Neapel
und 1861 ald Erbpadtgut an den Herzog von
Ripalda (geft. 1883). Berühmt ift fie vor allem durch
die berrlihen Freslen Naffaeld. So ift die Dede
der Eingangshalle (19,5 m lang, 7,15 m breit) mit 12
Daritellungen aus der Geſchichte der Pſyche (f. Apu—⸗
lejus) geihmüdt, die 1518—20 Entwürfen
Rarfaels von mebrern feiner Schüler, GiulioRomano
und Francesco Benni, ausgeführt wurden. Der an
die Cingangäballe anjtopende Saal enthält den
Triumph der Galatea, von Raffaels eigener Hand
(1514). Es ftellt die Meeresgöttin dar, wie fie in
ibrem Muſchelwagen, begleitet von Nymphen und
Tritonen, über die Fluten fährt. Daneben malte
Sebajtiano del Piombo: Polyphem und Galatea,
ferner Bald. Beruzzi mehrere Dedenbilder und Seb.
del Piombo in den Lünetten Daritellungen aus den
ge ra des Dvid. Das obere Stodiwert
der 5. enthält jhöne Arcitelturmalereien von Bald,
Berussi, im Schlafzimmer das 1512 vollendete Mei:
fterwert Sodomas: Hochzeit Aleranders d. Gr. und
der Horane, und an der Ausgangswand das eben:
falls von Sodoma berrübrende Bild: Die Familie
des Darius vor Alerander. — Bol. A. Weeſe, Bald.
Peruzzis Anteil an dem maleriſchen Schmud der
Billa F. (Dʒ. 1894).
Farnefiicher Herafles (oder Hercules), die
tolojjale Marmorjtatue (5,3 m hoch) des Heralles,
eine von dem athenienſ. Bildhauer Glyton gefertigte
Rahbildung eine Bronzewerles des Lyſippus,
wurbe 1540 in den Thermen des Caracalla zu Rom
gefunden. Sie war früher im Befiß der Familie Fars
neje zu Rom (daber der Name) und befindet ſich jetzt
im Museo Nazionale zu Neapel. Die Statue ftellt
den mit riefigen Formen und einer aufs höchſte ges
feigerten Mustulatur ausgeitatteten Heros dar, wie
er nach der Erbeutung der Hejperidenäpfel, die er in
der Hand hält, exſchöpft und auf feine Keule geftübt,
ausrubt (f. vie Tertfigur beim Artikel Heratles).
Farnefifcher Stier (ital. Toro Farnese), eine
früber im Befig der Familie Farneje (daber der
Name), jegt im Museo Nazionale zu Neapel befind:
lie folofjale Marmorgruppe, ein Werk der Künit:
ler Apollonius und Tauriscus aus Tralles. Die
413
Gruppe ftellt einen wilden Stier dar, an beilen
Hörner Amphion und Zethos die Dirle, die ibre
Mutter Antiope —— hatte, zu binden im Be:
griff find. Der pathetifhe Charakter des Werles
wie die Kompofition entjpricht der ——
im 2. Jahrh. v. Chr. Die Gruppe war urſprünglich
wahrſcheinlich als Schmuck einer Gartenanlage ſo
aufgeſtellt, daß man ſie von allen Seiten betrachten
konnte. Sie wurde 1546 oder 1547 in den Thermen
des Garacalla zu Rom in einem jehr verftümmelten
uftande aufgefunden, jo dab die Geitalten des
tierö, der Dirte, der Antiope und der Zwilling:
brüber ſowie des unten fißenden Hirten und des
Hundes neben ibm bedeutend ergänzt wurden.
(S. Tafel: Griechiſche Kunſt II, Fig. 8.)
arnertraft, |. Farnkrautwurzel.
arnhaar, bisweilen Bezeihnung für den
Stamm von Cibotium Barometz J. Sm., |. Agnus
Sceythicus.
arnham (pr. fahrnämm), Stadt in ber engl.
Grafſchaft Surrey, in den Rorth⸗Downs, am linken
Ufer des zur Themſe ae enden Wey und an ber
Eiſenbahn Windejter-Guildford gelegen, hat (1901)
6124 E., ein Schloß des —5 von Wincheſter,
im 12. Jahrh. vom Biſchof von Blois erbaut, 1662
—84 erneuert, mit Turm aus dem 13. Jahrh., und
ift Mittelpunft einer bedeutenden Hopfenbaugegend.
In der Näbe Alderſhot (ſ. d.) und die alte Waverley:
abtei (1128), nad der W. Scott feinen Geſchichts⸗
roman «Waverley» benannt hat.
Faruham (pr. fahrnämm), Elizabeth Woodfon,
gms Burbaus, amerit. Vhilanthropin und
riftftellerin, geb. 17. Nov. 1815 zu Renfjelaer-
ville im Staate Neuyort, war 1844—48 Oberin
ber Abteilung für weibliche Gefangene im Staats⸗
gefängnis zu Sing-Sing, melde Stelle fie angenoms
men batte, «um zu beweijen, dab es möglich ei,
eine derartige Anjtalt durch bloßes Wohlwollen zu
leiten», Bon 1849 bis 1856 lebte fie in Kalifornien,
lehrte dann nad) Neuyork zurüd und widmete ihre
Liebesthätigkeit eingewanderten Frauen. Sie ftarb
15. Dez. 1864 in Neuyork. Sie ſchrieb: «Life in
prairie land» (Neuyort 1846), «California indoors
and out» (1856), «My early days» (1859) und
«Woman and her era» (2 Bbe., 1864).
Far niente (ital.), Nihtstbun, Müßiggang.
J———— Farne.
arukrautwurzel, Farnwurzel, Wurm—
farn oder ——6 der als Band⸗
wurmmittel dienende fleiſchige Wurzelſtock von As-
Term Filix mas Sw. (ſ. Aspidium), al3 Rhizoma
ilieis offizinell. Diefer Wurzelftod, auf dem Bruce
von grünlicher Farbe, mit ringförmig geitellten, gro:
pen Gefäßbündeln, liegt horizontal im Boden und
iſt mit den dicht übereinander liegenden Blattitiel:
reiten der abgefallenen Wedel bevedt. Die Blatt:
—— find außen mit roftfarbenen Schuppen be
leidet, innen fleifhig und auch von grünlicher
Narbe. Die im Ditober gefammelten Wurzeln wer:
den von den Wurzelfaferreften befreit, der Länge
nad balbiert und getrodnet (halb mundiert), oder
Blattitielrefte und Wurzeljtod werden ganz geſchält
und getrodnet (ganz mundiert). Die Vorräte an
5. in den Apotheken find jedes Jabr zu erneuern.
Wirkjame Beitandteile der F. find Filirfäure, äthe:
riſches Sl und Gerbftoff. Das Mittel wird entweder
in Bulverform, oder ald Latwerge oder Ablochung,
meift aber in Form des ätheriſchen Extralts (Farner⸗
trafts,Wurmfarnertrafts, Extractum Filicis
414
des Arzneibuches für das Deutſche Rei) ange
mandt, entweder löffelmeife, oder in Kapſeln oder
Pillen; zu Mirturen wird ed mit arab. Gummi
emulgiert. Das Ertralt iſt friich bereitet am mirt«
famjten; mit der Zeit geht die darin enthaltene Filix⸗
jäure (j. d.) aus dem amorpben in ben kryſtalliſierten
Susan über, wodurd die Wirkung ſchwächer wird.
aruworth (ipr. —— Stadt in der
l. Grafſchaft Lancaſter, an der Eifenbahn Mans»
cheſter⸗Bolton⸗Preſton, bat(1901)25927 E. ;wichtige
Baummollindujtrie, Eiſenwerkle und Papierfabrita-
arntourzel, |. Sarntrautwurzel, [tion.
aro, Halardipiel, ſ. Pharao.
aro, Name eines befonders in Brüffel und Um⸗
gegend gebrauten Biers (f. Bier und Bierbrauerei,
chnitt Bierforten und Analvfen).
aro (ital.), Leuchtturm, ſ. Pharus.
aro, Punta del (das Promontorium Pelo-
rum der Alten), die nordöſtlichſte Spike ber Inſel
Eicilien, am nördlichften —— der Straße von
Meffina (ſ. d.), die auch F. di Meſſina genannt
wird. Das Kap trägt einen Leuchtturm (Faro)
mit Schöner Ausjicht; nabebei das Fiſcherdorf F.
Ward (Fjuro), linter Nebenflub bes Binue, in
Adamaua in Norbmweitafrifa, entipringt im Gebirge
nördlih von Ngaundere, nahe den Quellen des
Hauptſtroms, nimmt lint3 den anjehnlihen Maodeo
auf, der in den Genderobergen (2000 m) entjpringt,
und mündet oberhalb der Stadt Jola bei Taepe.
Faro (ipr.-ru), Hauptitadt des portug. Diſtrikts
5, der frübern rovinz Algarve fi d., 4850 qkm,
1900: 254 851 E.), Bifchofafis, liegt an der Sübfüfte
im NW, der Südſpiße (Gabo de Sta. Maria) des
Königreichs, im Hintergrunde einer von Sandinfeln
umgebenen Bai, und hat(1900) 11835 €. Die Stadt,
Endſtation der Süd: und Süboftbahn (von Lijjabon),
bat einen jhönen Pla (Braga da Rainba), Kathe⸗
drale, ehemalige Klöfter, theol. Seminar und Milis
tärjchule. Am öſtl., höchſten Teile ftebt das alte, von
maur. Befejtigungen umgebene Schloß. Der Hafen,
am Ausgang des Heinen Rio Balformos, ift ge:
räumig, aber aud bei Flut nur 5m tief und der
Verſandung ausgefebt; doc wird lebhafter Handel,
namentlid Ausfuhr von Südfrücten, betrieben.
Färöer (d. h. Schafinfeln), zu Dänemark gehö—
rige Injelgruppe im Atlantiihen Dcean, zwiſchen
61’ 26’ und 62° 24’ nördl. Br., 445 km füdöftlich
von Island, 305 km .norbmweitlih von den Shet:
landsinjeln, von denen fie eine 1000—1100 m
tiefe Rinne trennt, beſtehen aus 24 Felseilanden
17 bewohnt) und umfajjen (1333, nad neuern
eflungen) 1325 qkm mit (1901) 15230 €. (©.
Nebenkärtchen zur Karte: Dänemark und Süd»
fhmweden.) Die größten Inſeln find Strömd (398
qkm), Diterö (284 qkm), Sandd, Suderdund Vaagbð.
Die F. find hoch und fteil mit zerriſſenen Küften,
beben fi oft in Terraſſen (Hamre) und erreichen
in Slattaretindur auf Diterd eine Höbe von 882 m.
Sie befteben aus etwas Miocän und vultanifchen
Gefteinen (Dolerit, Anamefit) in faft horizontalen
Deden, welche oft mit Tuff wechſellagern; auf
Suderd findet man Koblen. Daß die Gruppe
früber ein Ganzes gebildet bat, iſt fiber; das
Meer, ftrömendes Wafler, Froft und Eis baben
bie Zerteilung durch Fiordftraßen bewirkt. Seit der
Eiszeit (eigene Dede) bat die eruptive Thätigleit
aufgebört. Das Klima ift durch die Seeluft fehr
geridet, aber fo feucht, dab man auf einen bellen
a drei Nebeltage rechnen fann. Der Winter ift
Farnworth —
Farquhar
infolge der Lage im Golſſtrom ſo milde, daß Pierde
und Schafe ftet3 im Freien gehen und die Fjorde
niemals zufrieren; in Thorshavn ift die mittlere
Temperatur des Winters 3,ı° C., ded Sommers 10,5;
die —— Regenmenge beläuft fih auf 1600 mm,
thtbare Stürme find bäufig._ Die Thalaründe
ind mit [himmerndem Grün von Wiefen und Moos⸗
ezügen erfüllt, die Felfen darüber reih an arttis
fhen Pflanzen. In diefen Breiten feblt faft ganz
der Baumwuchs, und die Getreidetultur (nur in der
Nähe der Hauptorte) ftebt an «ir Grenze. Das
Vieh ift nur Hein; die Pferde febr ſtark und fiber.
Eine Merkwurdigleit bildet der jog. Bogelberg oder
die Kluft bei Weſtmanshavn, 25 Bogelllippen in
einem graufigen, von ar ala 300 m hoben Felſen
umſchloſſenen Hafen. Große Mengen von Seevögeln
umſchwärmen die Klippen, aber die verſchiedenen
Arten haben befondere Wohnſitze. Es brütet bier
die Felſentaube (Columba livia L.), und der Koll
rabe fowie der Zaunkonig (Troglodytes borealis
Nils.) bilden lofale Rafjen.
Die Einwohner find von ftartem Schlage, bieder
und dienjtfertig und in ihrer Lebensweiſe böchit ein»
ah und nüdhtern. Sie jprecben einen Dialelt des
ltnordiſchen, aber Kirhen:, Schul:, Gerichts⸗ und
Scriftiprade ift das Däniſche. Die Hauptnab-
rungszweige bilven Bieb:, befonderd Schafzucht,
Fiſch⸗ Vogel: und Wal: (d. i. Grinde:) Fang. Das
chachſpiel ift bei Männern und Weibern ein Lieb⸗
lingövergnügen. Die Inſeln haben (feit 1854) ihr
eigenes Lagting von 18 gewählten Mitgliedern, an
deſſen Spiße der Amtmann und der Bropit jteben.
n weltlicher und kirchlichet Hinficht find fie dem
tiftsamtmann und dem Bifchof von Seeland uns
tergeordnet, haben jedoch in Thorshavn einen Amts
mann, einen andfoged, der zugleich Polizeimeiſter,
Notar und Steuereinnehmer ift, einen Sorenſtriver
(aeihmorenen Schreiber) und ſechs Syſſelmanner.
Die einzige Stadt iſt Thors havn auf Strömd mit
(1901) 1656 E., gutem Hafen (Wert der Ausfuhr
1899: 1616408 Kronen) und Realſchule. — Die F.
urjprünglich Färeyjar genannt, wurden im 9. Jahrh.
von den Normwegern folonifiert und 1380 mit Dänes
marf vereinigt. — Bol. Niels Ente, erernes
—— (Ropenb. 1858— 75); Rafn, Fœrevin⸗
gafa a (ebd. 1833); Helland in der «Beogr. Selſtabs
idsjfrift» (1880); Baumgartner, Ysland und
die F. (Freib. i. Br. 1889; 3. Aufl. 1902); Anderfen,
arserne 1600—1709 (Kopenb. 1895); Ruſſel⸗
eaffrefon, The Faröe Islands (Lond. 1898); Loms
olt in «Nord og Syd» (1898); Renne, Faerserne (Ro:
penb. 1900); Botany of the Faröes (ebd. 1901 fg.).
Eine neue Specialfarte (1:20000) ift feit 1895
in Arbeit. Über die Sprade vol. Hanmersbaimb,
eröjt Anthologi med litterar.:biftorifl og grammas
tiſt ——— amt Gloſſar (1886); Holm, Skild⸗
ringer fra F. (Ropenb. 1887).
Farouche (fr;., pr. -rujch), wild, ſcheu, roh.
Farquhar (ipr. fabriw’r), George, engl. Bühnen»
dichter, geb. 1678 zu London in Irland, ſtu⸗
dierte zu Dublin und ging zur Bühne ald Schau⸗
er dann als Dramatiter. Bon feinen acht Luſt⸗
pielen find u ee «The constant couple»
(1700; von 5.2. Schröder ald «Der Ring» für die
deutſche Bühne bearbeitet), «Sir Harry Wildair»
(1701; deutich von Schröder ald «Die unglüdliche
Ehe durch Delitatefje», Berl. 1790), «The incon-
stant» (1703), der « Wild goose chase», von Beau⸗
mont und Fletcher nadhgebildet, und «The recruiting
Farr — Farruchabad
officerꝰ (1706); das beſte ſein legted: «The beaux
stratagem», das wenige Tage vor feinem Tode
(1707) mit großem Beifall zur Aufführung kam.
Echte Romit, glüdliche Erfindung und leichter Dialog
find die Lichtfeiten, Mängel in der Charalterijtit
und Verftöße gegen die gute Sitte die Schatten:
feiten jeiner Stüde. Bon jeinen Werten erſchien die
10. Ausgabe (2 Bde., Lond. 1772; neuefte Ausgabe
mit Zebensbild von A. C. Ewald, ebd. 1892).
Seine Luftipiele allein wurden von Leigh Hunt und
Moron zugleich mit denen von Wycherley, Vans
brugb und Gongreve (Lond. 1849) herausgegeben.
—— tſche PER ENTER EEE anken⸗
g überſetzt in der «Bibliothek engl. Luſtſpiel⸗
dichter», Bd. 2Epʒ. 1839).
Farr oder Jarren, in Suddeutſchland Bezeich⸗
nung des mannbaren Stiers (ſ. Rindviehzucht).
aginös (vom lat. farrago, Miſchmaſch),
aus verſchiedenen Stoffen zufammengefekt, einen
Miſchmaſch bildend. j
Farragut (ipr. eig ziel David Gladgom,
Admiral der Vereinigten Staaten, geb. 5. Juli 1801
in Campbells Station bei Knorville (Tenneflee),
ftammte aus einer angejebenen Familie jpan. Ab:
funft. 1810 trat er ald Seefabett in die Marine
der Bereinigten Staaten. 1815 wurde er auf die
gatte Macedonian fommanbdiert, um mit einem
eſchwader von 15 Schiffen nad) Algier zu geben.
Er blieb bis Ende 1818 in Tunis, nahm 1823 an
einer Kreuztour zur Ausrottung von Piraten an der
Mosquitoküfte teil und wurde 1825 zum wirllichen
Leutnant bejörbert. Seit 1834 machte er ald Be:
febläbaber verſchiedener Schiffe größere Reifen. Bei
Ausbruch des Krieges zwiſchen den Bereinigten
Staaten und Merito erhielt er den Befehl über die
Korvette Saratoga, wurde aber nur zu Blodaben
verwandt. 1848 wurde er zum zweiten Kommans
danten der Kriegämwerft Norfolt ernannt. 1854 ent:
kannte ihn das Marinedepartement nad) der Inſel
re an der laliforn. Hüfte, um dort eine Kriegs»
werft einzurichten. 1858 erhielt er den Befehl über
die Schraubentorvette Brooklyn, mit der er bis
Herbit 1860 im Meerbufen von Merito freuzte.
Nah Ausbruch des Bürgerfrieges, als es ſich
um die Öffnung des von den Konjöderierten ges
perrten Mij iifippi und um die Eroberung von
euorleans handelte, ernannte man ihn zum Be:
febläbaber der für dieſe Erpedition beitimmten
Flotte. Dieje beftand nur aus Holzſchiffen, und
zwar aus 6 jchweren Kometten, 16 Ranonenbooten,
21 Mörſerſchonern und 5 leihtern Schiffen mit 200
Geibüsen. F. brad in der Naht vom 24. April
1862 zwifchen ben den Miſſiſſippi ——
Forts Jackſon und St. Philipp mit der konföderier⸗
ten Flottille durch und nahm 26. April Neuorleans
ein; wenige Tage darauf kapitulierten die Forts
Jadſon und St. ——28 und der untere Miſſiſſippi
| damit wieder in die Hände des Nordens. Als
—— für dieſe glänzenden Siege wurde F.
ver Konteradmiralsrang und der Dank des Kon—
refjed zuerlannt. Im Verein mit den Generalen
Bants und Grant nabm er 1863 Bidäburg und
Bort:Hudfon und bradte damit auch den obern
Riffiffippi in die Gewalt der Union zurüd.
Seine glänzendſte That aber volliührte 3.5. Aug.
1864, indem er mit 7 hölzernen Rorvetten,8Ranonen:
booten, 6 Raddampfern und 4 gepanzerten Moni:
toräden Eingang in die Mobilebaierzwang, der von
3 Forts, Barritaden, Torpedos und 4 gepanzerten
475
Kanonenbooten, darunter das mächtige Widderſchiff
Zennefiee, verteidigt mar. Durch ie Sieg ver:
loren die Konföderierten den legten Punkt an ber
Küfte, Dez. 1864 wurde F. VBiceadmiral und
zwei Jahre fpäter Apmiral der Uniongmarine,
den J. 1867 und 1868 beſuchte F. mit einem
Geſchwader die größern Häfen Europas und wurde
überall mit Entbufiasmus empfangen. Bald nad
feiner Rüdtebhr ftarb er 14. Aug. 1870 in Ports-—
mouth (New: Hampfhire). In Neuyort und Waſh⸗
ington find ihm Bronzeftatuen errichtet worden.
— Sein Sohn Loyall F. verfaßte eine Biographie
u. d. T. Life and letters of Admiral David Glas-
gow F. (Neuyort 1879); vgl. außerdem Mahan, Ad-
miral F. (2ond. 1893). [Farruchabad.
arrakhabad, brit.ind. Diſtrikt und Stadt, ſ.
arre (ſpr. farr), Jean Joſeph, franz. General
und Kriegsminiſter, geb. 5. Mai 1816 zu Valence
Depart. Dröme), trat, auf der Polytechniſchen
chule für den Geniedienft vorgebilvet, ala Difizier
in die franz. Armee ein. Er zeichnete ſich bei den
Erpeditionen gegen die Kabylen aus und wurde
1859 Kommandant der Genietruppen des Dccu:
pationstorps in Rom. Bei Ausbruch des Krieges
1870 war er Direktor der yortifilationen zu Arras.
Nah dem Sturz des Kaiſerreichs betraute ihn die
Regierung der nationalen Berteibigung unter Er:
nennung zum Brigadegeneral mit dem Auftrag, in
den nördl. Departements die Streitkräfte zu orga—
nifieren, über die General Bourbali den Oberbefebl
übernahm; F. wurde deſſen Stabschef. Als Bour:
bali 19. Nov. nad dem ſüdl. Frankreich berufen
wurde, erbielt F. ven Oberbefehl über die aus drei
—— Diviſionen beſtehende Nordarmee. Er
ezog vor Amiens eine für ſein Heer zu ausgedehnte
Verteidigungsftellung, aus der ihn General Man:
teuffel 27. Nov. 1870 vertrieb, Die franz. Norde
armee ing bis Arras zurüd und trat 3. Dez. unter
den Beteh des Generals Faipherbe, bei dem %. bis
zum Sclufie des Krieges als Stabschef verblieb.
1875 wurde F. zum Divifionsgeneral ernannt und
23. Sept. 1880 mit der Leitung des Kriegsminiſte⸗
riums betraut. In diefer Stellung entfernte er alle
als Legitimiften oder Bonapartijten befannten Offis
ziere aus den einflußreihen Stellungen, hatte je
doch fein Glüd in der Auswahl des Erſatzes und
erwies fich bei ver Vorbereitung des Feldzugs genen
Zunis fo unfähig, daß er 14. Nov. 1881 in den Ruhe—
ftand verſetzt wurde. Seit diejer Zeit bielt er jich
von polit. Thätigfeit fern. Er ſtarb 24. März 1887
arren, Bilanze, j. Farne. [zu Paris,
arren, Stier, ſ. Farr.
arrera, |. errera.
arruchabad (Farralhabad). 1) Diftrift ver
Divifion Agra der brit.:ind. Lieutenant:Gouverneur:
haft der Norbmweitprovingen, hat 4455 qkm und
1891) 858687 €., darunter 756194 Hindu, 99476
Mohammebdaner, 828 Ehriften u. ſ. w. Der Boden ift
bügelig, fandig und unfruchtbar. Indigo, Zuder:
rohr und Kartoffeln bilden die Haupterzeugniffe. —
2) Hauptſtadt des Diſtrikts F., offiziell 3. cum
Fatihgarh, unter 27° 24’ nörbl. Br. und 79° 37
öftl. 2., hat 1891: 78032 E. (gegen 1881: 62437),
darunter 56041 Hindu, 20869 Mobammedaner,
1901: 67338 E. F. durd feine Rage rechts vom
Ganges, der bis 320 km aufwärt3 und biö zum
Dean abwärts jhiffbar ift, bejonders begünitigt, ift
ein gefunder Ort mit reinlichen, breiten und hate
tigen Straßen, großen Bläken und vorzüglicer
476
Bentilation. Die Umgebung ift frudtbar und gut
angebaut. Der Handel bat dur die Eifenbabn:
verbindung (Grand Trunt Road) mit allen Haupt:
ſtädten Norbindiens einen neuen Aufſchwung ge
nommen. Vorſtadt ift Fatihgarh.
ars, perf. Provinz, ſ. Farſiſtan.
arfan, |. Farſaninſeln.
arjang N a
fatb),das frühere‘ — gatſch(ſ.d.),
Name des bis 1874 geſetzlich geweſenen Meilen:
maßes in der Türfei und des jeht noch in Perſien
gejeslihen, die Wegitunde voritellenden ——
en, nach den früher üblich geweſenen Meilenſteinen
o benannten Maßes. Während das eigentliche
türfifche F. eine Länge von 5001 m war, iſt das
perſiſ het. amtlich eine Strede von 6000 Zer:i:resmi
(alten Volksellen) zu 1,035 m = 6210 m, bezeichnet
aber in Wirklichkeit Entfernungen von ſehr verjchie:
denen Größen und wird (als jog. «leihtes 5.») =
5065 m, in manden Gegenden jedoch zu 12000
Schritten = ungejähr 6110 m gerechnet. Durch:
chnittlich kann man es = 6020 m annehmen.
m Altertum war das arabiihe und perfiiche
5. = 3 arab. Meilen oder 18000 Dub = 5760 m,
das armenifche, ſyriſche und ägyptiiche = 3 armeni-
hen Meilen oder 3600 Schritt = 6480 m. Das
ur * F. der Perſer, Chaldäer, Phönizier
u. f w. begriff 250 Schebel oder 10000 ägyptiſche
fönigl. Ellen = 5250 m.
Farfaninfeln (aub Farifaninfeln), Gruppe
fleiner Eilande im ſüdl. Teile des Roten Meers,
49 km vor der Küfte Arabiens, entbält zwei größere
Inseln mit Perlen: und Rorallenfiicherei. Auf Kumb
deutiches Kohlendepot. (S. Karte: Abeſſinien,
Erptbräa u. f. w., Bd. 17.)
arſchut, Stadt in Oberägppten, IK Bo. 17.
ärſe, weibliches Rind, |. Rindviehzucht.
rſel (Farfil), Handelägewidt, — Fraſil.
arſeng, perſ. Megmaß, ſ. Farſang.
arderinten, Vollsſtamm, ſ. Rumänen.
Farfil, Handelsgewicht, ſ. Fraſil.
Farſiſtan (Fars), perſ. Provinz, grenzt im D.
an Kerman und Lariſtan, im N. an Iralb-Adſchmi,
im W. an Chuſiſtan, im S. an den Perſiſchen Meer:
bufen (f. Karte: Weſtaſien II, beim Artifel Ajien).
Das Land fteigt terraijenförmig vom Meere zur
Hochebene — Die reichbewäſſerlen Thäler gehören
zu den fruchtbarſten Gegenden der Erde, wie das
von perſ. und arab. Dichtern als irdiſches Pa—
radies ge * Schabbevan. Nur der heiße
Küſtenſtrich, Deſchtiſtan oder Germaſir genannt,
zeigt außer einigen Palmen keinen Pflanzenwuchs.
Hinter demſelben erhebt ſich das Land zum Tengſir
«Land der Bälle»), dann zum Serhad (« Kaltes
and») und zulekt zur Hochebene. Unter den Flüf-
fen find ver Sefid-rud, der Mand und der in den
Salzjee Niris mündende Bendemir die bedeutend:
ſten. Das Klima ift, die Küfte ausgenommen ge:
mäßigt und gefund, der Sommer jebr heiß, der Wins
ter jebr falt, aber Frühling und Herbft köftlih. Man
baut Reis, Obit, Datteln, Bein, Oliven, Baum:
wolle, bo& eihäskten Tabak, ze Cochenille,
Seide und Rojenöl. Die Stadtbewohner find iran.
Stammes, die ländliben Hirtenftämme, furd, Fu:
ren, zerfallen in die 10—12000 Seelen zäblenden
Mamazeni, zwiſchen Schiras und der Küfte, und
die mebr als 30000 Seelen zählenden Kugbelu,
nördlich von erftern. Hauptjtadt iſt Schiras, Haupt:
handelsſtadt Bujcebr (f. d.), von wo der wichtige,
Fars — Faſanen
aber beſchwerliche Handelsweg über Schiras nad
spahan führt. — F. iſt das alte Perſis (ſ. Ber
ten, Geſchichte), das Stammland der Verſer, von
deren Städten Perfepolis (ſ. d.) und Paſargadä ſich
großartige Ruinen finden. ,
Farfund, Stadt im normeg. Amte Lifter und
Mandal, —— von Kap Lindesnes, auf der Dit:
feite der Halbinjel Lifterland, Sik eines deutichen
Konfularagenten, bat (1900) 1747 E. und bedeuten:
den Fiſchfang (Matrelen).
arthing (angeliädi. feorthung, vom angel
ſächſ. feower, vier), in veralteter /yorm aub Far—
ding, eine kleine brit. Brongemünze, der vierte Teil
deö Kenn. Bis 1860 wurde das F. aus Kupfer
geprägt. Als Bruchteil (.50) des goldenen Pfundes
Sterling (des Sovereign) iſt der 5. = etwa 24, Bi.
deutſche —— Auch das kleine Geld
aus unedelm Metall überhaupt führt in England
den Sammelnamen F. Ferner nennt man in Groß⸗
britannien und Irland fardingdeal, farthingdeal
(d. i. yartbingteil, Viertel), fardel oder farundel
das Viertel des Acre Landes; gebräuclicher dafür
—— Acre). — —
sa engl., ſpr. jättin, d. b. ars
thingatlas), engl. en für jhmales Seiden-
band, Eeitenborte. Fatruchabad.
arukhabad, brit.ind. Diſtrilt und Stadt, ſ.
arvel, dan. Name des FarewellKap(. d.).
. A. 8. (auch F. 8. A.), in England Abtũurzung
für Fellow of the Art Society (Society of Arts),
d. b. Mitglied der Gefellihaft der Künftee
Fas (lat., von fari, jagen), was den eng
Ausiprüchen gemäß ift; daher dad moraliſch Rechte,
Erlaubte, im Gegenjas zu Jus, dem menſchlichen
Geſetz. Per fas et nefas, durch Recht und linredht,
durch erlaubte und unerlaubte Mittel, auf jede Weiſe.
ds, Stadt in Marolto Eat
aſan, Bogelgattung, — Faſanen.
aſana, Dorf in der öjterr. Bezirlshauptmann⸗
[galt und dem Gerichtsbezirk Pola in Iſtrien, zwi⸗
en dem Feſtlande und den Brioniſchen Inſeln
{ d.), an der nah ibm benannten Meeresitraße
analedi F. hat (1890) 717 ital. E., eine Reede,
Schiffsverlehr und Fiſcherei.
Faſänchen, Name mehrerer Bradtfinten (f. d.).
Die bekannteſte Art ift ver Wellenaſtrild oder das
Helenafafänden (Habropyga undulata Pal.),
ein etwa 12 cm langes munteres, zierlihes Bögel-
hen, auf der Öberjeite hellbraun mit ſchwarzen Quer»
linien, die Seiten des Kopfes und die Keble find
weißlich, Unterfeite bellbräunlihrofa, an Bruſt und
Bauch zu ſcharlachrot ſich hebend. Dur die Augen
eht ein roter ſog. Zügelftreif. In ganz Mittelafrila
Däufig, auf Madagastar, Mauritius und St. Helena
eingetübrt und vermilvert.
afanen (Phasianinae), Name einer jebr ſchö—
nen, aus 6 Gattungen und gegen 30 Arten
ftebenven,, in Afien einheimiſchen (f. Harte: Tier-
geograpbiel) Unterfamilie ver Faſanvögel (f. d.),
die ih dur den Mangel von Kämmen und den
langen, teilförmigen rer N von den eigent-
lihen Hübnern unterfcheidet. Der Körper ift ges
redt er: der Kopf meijt mit Kragen oder
derbu chen geziert, die Männchen ſtets weit grö⸗
er und prachtvoller gefärbt als die Weibchen.
Die meiften F. ertragen die Gefangenſchaft aut,
nemöbnen ſich leicht an eine einfache, von ibrer na»
türlihen Nahrung verſchiedene Koſt und ſchreiten
jelbjt unter wenig günjtigen Verhältniſſen zur Forts
FASANEN.
N
\'
\
\
— —
sarı (Phasianus Reevesi Gray
) 2. Bunt
nenne Swinhoei Gould. 4. Edelfasan (Euyj
uplı mus I
Amherstiar ;. Ohrfasan
r
10AG0,)
Brockhaus Korwerwaftens Lerikon N Aufl
—
F.A. Brockhaus beogr- arast Anstalt, Leiprig
„ge!
.». “-.
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Faſaneninſel — Faſanvögel
pflanzung. Sie find dadurch Gegenſtand einer aus:
gedehnten Liebhaberei geworden, und zwar fommt
von den Edelfajanen zumeiſt in Betracht der ge:
meine Faſan (Phasianus colchicus L.), welcher
aus Kaulaſien ftanımt, jchon in den frübeiten Zeiten
belannt war und zu dem ſchmachafteſten Federwild⸗
bret gezählt wird. Er ijt ein dummer Vogel, gebört
aber zur hoben Jagd und wird in Guropa meiſt in
xafanerien gehalten, d. b. Anlagen zur Hegung
der F., wozu man teilö des Megfliegens, teils der
Kaubtiere wegen ein möglichſt vom Walde ent:
ferntes, Überjhwemmungen nicht ausgeſetztes, mit
Wieſen abwechſelndes Feldgehölz wählt. In wil—⸗
den Faſanerien ſorgt man bloß für den Schutz
gegen Kaubtiere und für Winterfütterung; größere
Sorgfalt und Koften erfordern dagegen die zahmen
Faſanerien, namentlih hinſichtlich der Züchtung
und yütterung der Jungen. Die meiften Faſa—
nerien finden fh jest in Böhmen, das aud den
Parijer Markt mit diefem Wildbret verfieht. Die
wertoolliten F. find bie, welche im Herbit einge
fangen, eine Zeit lang in den Kammern gefüttert
und dann gejedert, d. b. getötet werben, indem
ihnen mit einer Feder das verlängerte Mark, da
mo der Schädel mit dem Rüdenmarl verbunden ift,
durhitochen wird. Weit weniger Wert haben die
geibofjenen 5. Um den vollen Wobhlgeihmad und
den bohgeihästen feinen Barfum zu erhalten, muß
der Faſan je nach der Jahreszeit fürzer oder länger
aufgehängt bleiben, allerdings nicht, wie Die landes⸗
läunge Jägerregel lautet, am Schwanz, e lange
biö der Vogel von jelbit berunterfällt. liber An:
lage von Faſanerien vgl. A. N. Schulz, Der Fa:
lanengarten (Wien 1872). Namentlich in der neuern
Zeit ih der Faſan an vielen Stellen Deutſchlands
verwildert. Andere Arten der Evelfafanen find:
der Königsfajan (Phasianus Reevesi Gray, |.
Zafel: Faſanen, Fig. 1), von ſchwarz⸗weiß⸗gelber
—— mit außerordentlich langem Schwanz, aus
ordchina; der Buntfaſan (Phasianus versicolor
Viall., |. Tafel: Faſanen, Fig. 2), in der Farben:
verteilung dem gemeinen Faſan ähnlich, aber Heiner
und glänzend grün jchillernd, aus Japan; ber Ring:
faſan — para apache er ee
ring, aus China; der Goldfaſan (Phasianus pic-
tus L., Abbildung auf Tafel: Geflügel, Fig.41),
von roter Örundfärbung, mit mennigrotem, ſchwarz⸗
blau gebändertem Kragen und goldgelbem Shop! :
der Lady-⸗Amherſt- oder Diamantfajan (Pha-
sianus Amherstiae Leadb., |. Tafel: dafanen,
Fig. 5), unterjeit3 weiß, oberſeits metallifh grün,
dalstragen weiß mit ſchwarzen Säumen, an Farben⸗
pradbt alle andern in Deutſchland gehaltenen F.
übertreffend; beide lestgenannten aus China.
Von den Ohrfaſanen bat der mandſchuriſche
(Crossoptilon auritus Swinh., |. Tafel: Be anen,
519.6) mit den Federbüſchen binter den Ohren mei:
tere Verbreitung gefunden, während die Gattung
der Jaſanhühner (Euplocomus) der Liebbaberer
mehrere Arten bietet. Die betanntefteift verSilber:
'ajan (Euplocomus nycthemerus L., f., Tafel:
Geflügel, Fig. 40) aus China, der ſich ohne
beiondere Mühe und Sorgfalt züchten läßt. Der
dahn ift oben filberweiß, mit feinen ſchwarzen
Luerlinien, unterjeit3 blaufhwarz. Weniger auf:
tallend gefärbt iſt ver Strihelfaian(Euplocomus
lineatus Vig.), bei dem an Stelle des bellen Weiß
an ;artes Grau getreten ift, wogegen der or:
mojafaian (Euplocomus Swinhoei Gould, ſ.
477
Zafel: Faſanen, Fig. 3) wieder durch glänzend
blaufhwarze Färbung und den weißen, ee
braun eingefaßten Rüden, und der Edel: oder
Borneofafan (Euplocomus nobilis Scl., ſ. Tafel:
Bat anen, Fig. 4) durd das ebenfalla glänzend
laufhwarze Gefieder, den kaftanienbraunen Unter:
rüden und die rotbraune Bruft auffällt.
Alle genannten F. find er zu jeder Zeit von den
Tierbändlern (3.8. G. Voß, Köln; Re Alfeld)
oder von dem Zoologiſchen Garten in Antwerpen
u bezieben. Die Preiſe betragen für gemeinen,
ing:, Silber: und Goldfafan 20—40 M. das
Baar, für Königs:, Amberits, zus Borneo:
jelam 80—1%0 M., für Obrfafan 250 M. Ihre
altung ift jehr einfach, da fie faft das ganze Jahr
Gindurg im eien bleiben können und nur in
harten Winternächten eines gejcbüsten, aber un:
gebeizten Raumes bebürfen. Ihr Gehege muß
natürlich rings geſchloſſen fein, vamit fie nicht fort⸗
fliegen, oder man muß fie sul diejelbe Weije, mie
eö bei den Enten angegeben ijt, amputieren, doch
werben fie dadurch beim Balzen entjtellt. Als Fut⸗
ter reicht man Weizen, Mais, Hirfe und Spisfamen,
dazu in der Fortpflanzungszeit Hanf und ein Weich:
Die 3 8 Spratts tentgeflügelfutter oder
ißbrot mit Ei. Die Eiablage beginnt zeitig im
jahr; da aber die Faſanhennen in der Regel
hlechte Brüterinnen find, jo muß man zum Aus:
rüten der Faſaneneier leichte Haushühner nehmen,
die jene in etwa 24 Tagen zeitigen. Zur Aufzucht
der jungen F. find friſche Ameijeneier erforderlich,
denen man geriebenes Weißbrot, gelochtes Ei und
ebadten Salat und nah 5 Tagen Hirfe, Spik:
—* und geringe Gaben phosphorſauren Kalt
aufept: Die jungen F. muſſen bis zum Federwechſel
vor Näffe behütet werben. Die Berfärbung beginnt
meift im zweiten Jahre und im dritten erjt find
die F. fortpflanzungsfähig. — Bol. Eronau, Die
I flege und Aufzucht (Straßb. 1884) ; Wittmann,
er Evelfafan (Wien 1891); Schinte, Die Fafanen:
ucht (Hamb. 1894); Goeddes Faſanenzucht (3. Aufl.,
erl. 1895); Hlamwenfky, Die zahme Fafanerie (Neu:
damm 1899); Eronau, Der Jagdfaſan (Berl. 1902).
äneninfel, |. Bidafioa.
änente oder Spießente, f. Enten.
andrie, Fafänhühner, |. Faſanen.
fäno, Stabt in der ital, Provinz und im
Kreis Bari, nahe am Adriatiſchen Meere, an der
Linie Bari: Brindifi des Adriatiſchen Nebes, bat
(1901) 16 848 €. und blühenden Wein: und Dliven:
bau. Zwiſchen F. und Monopoli, dicht am Deere,
die Ruinen der Stadt Egnatia (Önatbia), beute
Anazzo, Fundort von antifen Bafen und Schmuck⸗
egenftänden. Egnatia war ein ſehr belebtes Hafen:
Räbtehen, weil bier die Via Appia die Hüfte erreichte.
Fafänfchnerte (Phasianella), Gattung der Krei:
jelichneden (f. d.) mit etwa 60 lebenden, den wär:
mern Meeren angehörigen, und 70 fofjilen, ſchon im
Devon auftretenden, meijt Heinen Arten mit eirun:
den, bei ven lebenden meiſt jhön gefärbten und glän:
zenden, glatten Schalen. j j j
Fafanvögel (Phasianidae), im weitern Sinn
eine große aus 18 Gattungen und gegen 90 Arten
beitebende Familie der Hübnerwögel, welche haupt:
fählich die Alte und nur in ein paar Arten die Neue
Welt bewohnen. Die F. befiken einen geitredten
Körper, ziemlich hohe Läufe, welche im männlichen
Geſchlecht meiit mit —— verſehen ſind, runde,
nicht ſehr große Flügel, einen ziemlich, bisweilen
478
fehr langen Schwanz. Der Schnabel ift kräfti
mittellang, am Kopfe und am Halfe finden fich jebr
häufig table, lebhaft gefärbte Hautftellen und Haut:
appen, namentlih im männlihen Geſchlecht, das
fih auch meift durch ein weit jchöneres Gefieder
vom weiblichen unterjcheidet. Die Tiere leben in
Bolygamie. Man bat die Familie in eine Reibe
von Unterfamilien geteilt, von melden folgende
bervorzubeben find: Faſanen (Phasianinae), Hüb:
ner (Gallinae), Pfauen (Pavoninae), Perlhuhner
(Numidinae), Trutbübner (Meleagrinae), Glanz⸗
fafanen (Lophophorinae) und Hornfafanen (Cera-
torninae). (S. die betreffenden Artitel.)
Fasoes, bei den alten Römern Bündel von
Auten oder Stäben, aus deren Mitte ein Beil her
vorragte, ſymboliſche Zeichen der höchſten Gewalt
über Yeib und Leben. Sie wurden von Liltoren
den Königen, in der Zeit der Republik den Dikta:
toren, Konjuln und Prätoren, den eritern 24, den
zweiten 12, den dritten wenigftens in der Provinz 6,
endlich nad Untergang der Republik auch den Kai⸗
fern vorangetragen. Die ganze Einrichtung ſcheint
aus Etrurien gelominen & u nnerbalb der
Stadt Rom mußten feit Balerius Publicola, der
auch zuerſt die F. vor den Verſammlungen des
Bolls zur Anerkennung von deſſen Obergemalt
fenten ließ, die Beile herausgenommen werden; nur
dem Diktator war ihre Beibehaltung *——
Faſch, Karl Friedr. Chriſtian ſiler und
Komponiſt, geb. 18. Nov. 1786 in Zerbft, wo fein
Bater Hapellmeifter war, war feit 1756 in der
Kapelle zn II. angejtellt und ftarb 3. Aug.
1800 in Berlin. In feinen Werten ift tiefe Kennt:
nis der muſilaliſchen Kunft mit innigem Ausprud
—— Im vielſtimmigen Chorſatze zeigte er
große Meiſterſchaft, beſonders in einem 16ftimmi-
en Kyrie und Gloria, das nebft einigen andern
ompofitionen von ibm gebrudt ift. Beſonderes
Verdienſt erwarb er ſich durch die Stiftung und Lei:
tung der Berliner Singalademie, die als der erfte
deutjche Verein diejer Art allen ähnlichen Inſtituten
— Vorbild diente. — Bol. Zelter, Karl Friedrich
briftian F. (Berl. 1801). [Darfur (f. d.).
gel er (El-Faſcher), Hauptitadt des Reichs
ſchinen, mwalzenförmige, 3—4 m lange und
0,35 m ftarle Straudhbünbdel, die Durch Bänder aus
Drabt oder Weidenruten (Wieden) feſt zufammen:
gehalten werden. Sie dienen im Padwerkbau (f. d.)
zur Belleidung (f. d.) von Böſchungen; * bei
ber Herſtellung bombenſicherer Dedungen für Unter:
funftsräume, wo fie, auf eine Baltendede aufgelegt
und mit Erbe beihüttet, vermöge ihrer Elafticität
dazu dienen jollen, die durch Bombenſchlag hervor:
— Erſchütterungen zu vermeiden. Eine dritte
rt ihrer Berwendung tft die Anlage ——
dämmen durch Gemäljer oder ſumpfige Stellen des
Geländes. Man macht fie zu diefem Zwed biswei⸗
len nur 1 m lang und 0,25 m jtarf, bindet fie mit
brei Bändern und beſchwert fie durch eingelegte
Steine (Waſſer- oder Senkfaſchinen).
Faſchinendrain, Abzugslanal, ſ. Drainierung
nebft Tafel, Fig. 4.
ee Drängen ein etwa 30 cm langes, 5 cm
breites Meſſer mit Griff, zum Abbauen von Straud:
werl bei der Anfertigung von Faſchinen (f.d.). Die
mit gerader Klinge verjebenen Seitengemwebre der
Yußtruppen wurden früber, weil man fie ähnlich be-
nugen fann, ebenfalls 5. genannt; die amtliche Ber
zeihnung in Deutſchland ilt jet Seitengemebr (f.d.).
Fasces — Fascinieren
Sie haben zumeilen einen gezähnten Rüden und
lönnen dann ald Säge gebraucht werden.
ing, f. Karneval und Faftnadıt.
afchoda, jeit 1904 Kodof genannt, Nieder:
laſſung in Igpptiih- Sudan, am Weftufer und auf
einer Inſel des Bahr el-Abiad, in 9° 53’ 21,2” nörpl.
Br., 32° 7’ 37,5" öftl. 2, von Öreenwid, in jumpfiger,
ungejunder Gegend. Urfprünglih eine Straftolo:
nie für Berbannte, wurde F. allmäblid ein großes
Hüttendorf mit einem Fort und Regierungsgebäu-
den. 1864 war die Brovinz F. erobert und 1867 die
Stadt F. gegründet und zur Hauptitadt des neuen
Bezirks, Bahrel:Abiad, gemacht worden. Im Mahdi⸗
Aufjtande (1884) verließ fajt die ganze Bevöllerung,
Scillufneger, den Drt. Am 10. u 11898 erreichte
eine franz. Erpedition unter Marchand F. und heißte
ier die be lagge. Nah dem Siege über die
abdiften bei Omderman (2, Sept. 1898) rüdten
auch die Engländer unter General Kitchener in F.
ein und nahmen es als ebemals zu ÜUghpten aebö-
riges Gebiet in Anſpruch. Nah Fehr erregten Ber:
andlungen, bie faft zu einem Kriege führten, räumte
antreih im Nov. 1898 den Ort. — Vgl. Eair, F.
a France et l’Angleterre (Bar. 1899). — Der bis⸗
ber F. genannte Diſtrikt von ———— führt
feit 1904 den Namen Upper Nile Brovince.
Fasola (lat., «Band»), bei den alten Römern
der Name für verfchiedene Arten von Gurten und
Binden, wie je 3. B. Frauen auf dem Leibe oder
über der Tunila unter dem Bufen trugen. In der
Architeltur ift F. ein Glied, welches eine ebene
läche in getrennte Teile jondert, ;. B. beim ioni⸗
den und lorinth. Arditrav; in der Anatomie
eine ſehnig faferige Bindegewebshaut, die ein-
zelne Organe oder Organteile umgiebt und zur
geftigung ihrer Lage beiträgt; fasciieren, mit
inden umwiceln.
Fasciation (lat.), Ummwidlung mit Binden. In
der Botanik ift F. oder Berbänderung eine
eigentümlihe Mißbildung an Stammeorganen, vie
darin beftebt, daß ſonſt cyhlindriſche Stengel ſich
breit bandförmig entwideln. Die F., ein rankhafter
Zuftand, tritt bauptfächlich bei iu reichlichet Nab-
rungszufuhr ein, entweder infolge jebr günftiger
Bodenverhältnifie oder infolge des Berluftes größe:
rer Partien der betreffenden Pflanzen. Fasciierte
Stengel können faft bei allen Pflanzen ein:
treten. Einer der befanntejten Fälle findet fich bei
Celosia cristata L. (f. Celosia), dem Habnenfamm,
wo dur Kultur die 5. gewiſſermaßen konjtant ge-
worden, der ganze Blütenftand verbändert iſt und
dadurch bei der roten Färbung ungefäbr das Aus:
feben eines Habnentammes bat. ‚
Fasoi döi lavoratöri (jpr. faihi), Arbeiter-
bünde, die fich jeit 1892 über ganz Sicilien verbreite-
ten; fie richteten fich befonders gegen die Mißbrauche
derofalverwaltungen und waren 1893 und 1894 die
Träger der blutigen Unruben auf der Iniel, die zur
Verbängung des Belagerungszujtandes führten und
mit der Verurteilung ber rer zu langjährigen
Yreibeitsitrafen endigten (30. Mai 1894).
Fascien, lat. Fasciae, Mebrzabl von Fascia
(f.d. und Aponeurojen).
ne... (lat. fascicülus), Heines Bündel, etwas
* ammengebundenes oder Geheftetes, z. B. Alten⸗
ascikel; fascikulieren, in F. binden, heften.
Fascinieren (lat.), bezaubern, verblenden;
Fascinierung oder Fascination, Bezaube—
rung, Verblendung (f. Fascinum).
Fascinum — Faſergebilde
Fasolnum (mwahriheinlih vom griech. bAska-
oon, baskänion, Zauber, Zaubermittel), bei den
röm. Schriftjtellern fehr oft, und zwar im Sinne
eined Gegenzaubers, eines Schutzes geom Zauberei
vortommendes Wort. (S. Boſer Blid.) Gewöhnlich
ift damit ein Amulett in Geftalt eine männlichen
Bliedeö gemeint. Ein ſolches F. wurde in das den
Kindern umgehängte Medaillon, die bulla, gelegt;
aud hing ein F. zur Abwehr des Neides unter dem
Triumphwagen eines fiegreic in Rom einziehenben
Feldhertrn. Wenn aber aud die Veftalinnen ein F.
unter den röm. Heiligtümern bewahrten, jo wird
dabei aud an die Bedeutung des männlichen Glie⸗
des als Symbol der Fruchtbarkeit zu denten fein,
und vollends gilt dies von der Eitte, daß ein ſol⸗
des F. an agen zu Ehren des Gottes Liber
auf Wagen Beer au wurde. Es wurde jogar
von einem Gotte Fascinus geipraden, — Bol.
Jahn, Über den Aberglauben des Böjen Blids bei
den Alten (2p3. 1855).
Fasciolaria fimbriata, verfteinerte Muſchel⸗
form aus dem Miocän, f. Tafel: Betrefalten der
Känozoiſchen dei pe Sg beim Ar:
titel Kanozoiſche Formationsgruppe.
Fasois (lat.), Bündel, Meh J Fasces (f. d.).
Seh abgeihrägte Kante, ſ. Faſen.
fel, Bezeihnung eines beſtimmten Geſchlechts
oder Alters beim Rinde und Schweine. Faſelſtier
oder Faſelochs ift ein ein: bis dreijährige männ-
liches Rind; Faſel- oder Läuferſchwein nennt
man die zur Maſt beitimmten, eins bis zweijährigen,
meijten3 tajtrierten Schweine, im erften Sabre
Kleinfajel, im zweiten Jahre Großfajel.
fel, Frucht, f. Dolichos und Gartenbobne.
fen, Abfaſen, im Baufach das Abſchrägen
oder Verbrechen der ſcharfen Kante, das eine größere
Haltbarleit oder beſſeres Ausſehen bezmedt; die ent:
ſtehende Abſchrägung nennt man Faſe. Das Ab:
fafen kommt bejonders bei frei ftebendem Bauholze
und Ssachmerlöbauten, bei dem Rahmenholze und
den Füllungen einfadyerer Thürflügel, an den in:
nern Kanten der jteinernen Thürgewände und der
bölzernen Tbürbelleivungen, an verpugten Mauer:
und Fenſterſchafteden u. j. w. vor,
er, in ber Botanik Bezeihnung für Zellen,
die eine jpindelförmige Geftalt beſihen, d. b. lang⸗
nd und an beiden Enden ſpitz zulaufen.
ugleih verbindet man mit dem Begriff F. die
orausſetzung, daß die Zellen, die mit diefem Nas
men bezeichnet werden, eine gewifje Zugfeftigteit be:
fisen, fo daß fie ald Rohſtoffe für die Tertilinduftrie
oder in anderer Weiſe technijche Verwendung finden
fönnen. Es gehören demnach nicht bloß Baſtzellen
(1. Baft) und ähnliche Elemente, die im Gewebever:
band in der Pflanze vortommen, bierber, wie die
Baitzellen des Leins, des Hanfs, der Linde u. ſ. w.,
fondern aud ſolche faſerähnlich gebaute Zellen, die
als Haare auf der Oberfläche von Pflanzenteilen
fteben, wie die Baummolle. In der botan, Ter:
minologie hat man für langgeitredte, an beiden
Enden jpig zulaufende Bellen die zeihnung Pros:
endym (f. d.) eingeführt, aber nur für ſolche Zellen
im Innern der Planze. — Über die F. in techni—
fdem Sinne j. Zaſergebilde.
erbänder, |. Öelent.
ebilde, die Vereinigung vieler Faſern zu
fadenjörmigen, blätterjörmigen und büllenförmi-
en Gebilden, deren Heritellung ausgedehnte und
kitungsfäbige Induſtrien, die Spinnerei (f.d.),
479
die Bapierfabrikation (j. Bapier) und die Filz:
fabritation (f. d.) beſchäftigt. Als Balern im
tehnifhen Sinne find alle natürlichen, leicht bieg:
famen Gebilde von fadenförmiger Gejtalt anzufeben,
deren Dide jehr gering ift; ihr Urfprung ift nur aus:
nahmsweiſe in der unorganifhen Welt (Asbeſi—
fafern), häufiger in der tieriſchen Welt (Schafmolle
und andere Tierhaare) und am allerhäufigften in der
Pflanzenwelt (Baummolle,Lein, Hanf, Jute u. |. m.
zu ſuchen; von den Fajern der organiſchen Welt i
die Seide (f.d.) ala ein erhärtetes Sekret ftruftur:
[08, die Baummollfafer eine Elementarzelle mit
Bd Hohlraum, die Leinenfafer und ihre Kon-
rrenten ein leicht fpaltbares Faferbündel, das aus
vielen neben und nacheinander zufammenbaftenven
— beſteht, vie Shafmwolle gleich den übri⸗
gen Tierhaaren ein Aggregat von längsgeſtreckten
und lãngsgelagerten Hornzellen und ſchuppenförmi⸗
en, dachziegelartig — den Hauptkörper
edeckenden Plattenzellen. (©. Geſpinſtſaſern)
Als das — * ohne Zuhilfenahme eines
flüſſigen Körpers herſtellbare F. iſt der zunächſt nur
als Halbfabrikat zu betrachtende Flor (Rrempelflor)
und die Fache zu bezeichnen, flächenartig ausge⸗
debnte Fafergemwirre, die fih von den Verbindung:
formen der natürlichen Faſerſtoffe nur dadurch uns
ierſcheiden, daß alle buſchelweiſe (geftapelte) Anord⸗
nung der Faſern zerftört und durch eine gleichartige
Verteilung zwifchen zwei äquidiftanten Flächen erjegt
ift. Bei der Heritellung einer Fade, als Grundlage
eines Gefilzes, führt die Anwendung einer in er
gung verfegten Saite, die man mitteld des Fach:
ogens durch ein Haufwerk trodner Tierhaare bes
wegt, zu ber erforderlichen Umlagerung der gegebe⸗
nen Faſern; bei vem Flor, der nicht auf Tierhaare
beſchränkt ft, führt nah dem heutigen Stande
der Spinnereitechnif eine befondere Mafchine, die
Krempel, mit Hilfe fein — Oberflächen —
dem gleichen Ziele. Durd bereinanderlegen vieler
lore entjtebt das in beliebiger Dide erreichbare
ließ (Watte). Beiteht dasjelbe gleich der Face
aus Tierhaaren, fo kann durch das Filzen und Wal⸗
fen, d.i.ein mechan. Durdarbeiten in feuchtwarmem
und flahliegendem oder gefaltetem Zuftande, das
ertige Gefilz hervorgehen, bei deilen Zuſtande—
mmen bie oben gelennzeichnete Oberflächenbeſchaf⸗
fenheit im Verein mit der yormbarfeit eine bedeu⸗
tungsvolle Rolle fpielt. Andere Faſern als Tier:
aare * auf dem angedeuteten Wege nicht zur
erſtellung eines haltbaren F. * net.
Der * der Krempel aus * Baum⸗
wolle, Werg u. ſ. w. bergeftellte Flor bildet die
Grundlage der wichtigern fadenförmigen F., die aus
demfelben auf zweierlei Art hervorgehen können:
durch einen Zeilprozek oder einen Stredprozeß.
Der Teilprozeß, für die Streihgarnipinnerei \
Spinnerei) haratteriftifch, wird in Folder Art durd:
geführt, daß man mittels beſonderer, der legten
empel —— Apparate (Florteiler) den
Flor in parallellantige Streifen von großer Länge
zerlegt, die zwifchen transportierenden Würgelmwal:
jen gerundet und verdichtet werben; es entiteht fo
il gabs, der bei loderer Beichaffenbeit eine
weitere Verdünnung und Feſtigkeit durch gleichzei-
tiges Streden und Verdrehen (Feinipinnen) erfahren
tann, bei größerer Dichte aber ſchon das fertige
(verwebbare) F. darftellt. an den meijten Zweigen
ber Spinnerei erfolgt die Ummandlung des Flors
in Feingefpinft durch einen wiederholten Stredpror
480
jeb, neben welchem behufs Erzielung größtmöglicher
Bleihmäßigkeit ein wiederholtes Zufammenlegen
Segment, mebrerer Faſerbänder bewirkt wird;
das Verfahren jhließt mit dem Feinfpinnen, d. b.
einem mit dem Stredprozeß gleichzeitig erfolgenden
Drehungsprozeß ab und liefert ven zur Zwirnerei,
Weberei, Flechterei, Wirkerei u. |. w. verwenbbaren
Gejpinftfaden.
Nur bei ver Seide, ſoweit diefedenabhafpelbaren
Zeil der Coconbülle der Seidenraupe daritellt, res
duziert ſich dieBildung eines beliebig langen Fadens
auf ein abjegendes Zufammenlegen mehrerer ein:
facher Coconfäden in feuchten Sufande es entitebt
der glanzvolle Rohſeidenfaden, bei deſſen Heritel:
(ung der Fall vorliegt, daß in einem Zuge ein na:
türliches F. zerftört und ein ac erzeugt wird.
Alle Abfälle, die fi beim Abhafpeln des Seiden-
fabens ergeben, müfjennad energiichen erg &:
und Teilprozeflen die Form des Flors und Vließes
(der — durchlaufen, um in fadenförmige
Gebilde von beliebiger Länge (Florettjeiden:
geipinft) umgewandelt zu werben.
Auf die F. aus Pflanzenfafern befchräntt ift der
von der uch A ek ee eingeichlagene Weg,
die Fafernelementarzellen der Baftfaferbündel und
des Holzlörpers oder deren Bruchſtücke mit jo viel
Waſſer zu umgeben, daß fie darin frei ſchweben kön:
nen, die jo erhaltene Flüffigkeit («Ganzzeug») auf ein
feinmaſchiges Drabtgemwebe (die «Formo) zu ſchöpfen
und unter jehüttelnder Bewegung der sem, die
das Waſſer ablaufen läßt, einen Niederſchlag von
afern entitehen zu laſſen, der nachträglich durch
nmwendung von Druck und Wärme vollitändig ent:
wäflert, aljo Iufttroden gemacht wird. Das ſo er:
— F. (Bapier) iſt wegen der Geſchloſſen—
eit und leicht erreihbaren Glätte feiner Ober:
flähen zur Aufnahme farbiger Linien und Schrift
züge mwobl geeignet.
— —— ſ. Fibroid.
aſerkieſel, Mineral, ſ. Sillimanit.
aferftoff, j. Fibrin.
aferftoffeglinder, Erſudatmaſſen im Harn
bei der Brightſchen Krankheit (j. d.).
aferftoffe, j. Geſpinſtfaſern.
ee ubftanz, j. Haare.
afertourzel, eine Wurzel (j.d.), beider nichteine
fog. Hauptwwurzel oder Pfahlwurzel entwidelt wird,
jondern nur eine größere Anzabl dünner faferför:
miger Seitenwurzeln. 5. finden ſich bei den Mono:
totyledonen 55 äufig; bier gebt die Hauptwurzel
icon früh zu Grunde und das ganze Wurzelſyſtem
beitebt dann aus Seiten: oder Nebenwurzeln. Am
deutlichiten find die F. bei den Gräjern ausgebilbet.
Faſhion (engl., ſpr. fäſch'n), Mode, Ton der
vornehmen Welt; fajbionable (jpr. fäſch'nebl),
modiſchfein, der feinen Welt und Lebensart gemäß.
asnacht, ſ. Faſtnacht.
aſohle, j. Gartenbohne.
afofl (Faſ joal), Landſchaft im öftl. Sudan,
der ſudlichſte Teil von Dar-Sennar (j. Karte: Abeſ⸗
ſinien u. ſ. w, Bd. 17), ein bewaldetes, reich be:
rwäjlertes Gebirgsland, wird vom Bahr el: Näörat
durcfloffen. Die Bewohner, die Fundſche (f. d.),
liefern vorzüglihen Honig, Gummi, Elfenbein,
Gold, Tamarinden und Sennesblätter. Das Ort:
hen Famala am rechten Ufer des Blauen Nils war
ſtets ein wichtiger Militärpoften,
Faſold, ein Rede aus der deutſchen Heldenfage,
der mit der Sage von Dietrich von Bern verfloch«
Faſergeſchwulſt — Faß
ten iſt. Seine Heimat iſt Köln am Rhein; er hat den
Beinamen «der Stolze» und führt, mie fein Bru—
der, den Löwen in feinem Schilde. Er trifft auf
Dietrich, als diefer F.s Bruder Ede erihlagen und
dejien Rüftung angelegt bat. Es kommt zwiſchen
F. und Dietridh zum Kampf, in dem 5. unterliegt
und gezwungen wird, des Berners Dienjtmann zu
werben. Bis bierber ift die Sage in Ober- und
Niederdeutichland ziemlich glei ausgebildet; wäh:
rend aber von nun ab nad der niederdeutichen (mie
fie namentlich in der norbijchen Thidrelsſaga erbal-
ten ift) 5. ein treuer Genofje Dietrich wird, fucht er
nach der oberdeutichen Sage, wie fie in «Eden Aus
abrt» erhalten ist, jeinem neuen Herrn und Genoſſen
inde zu erweden, um feinen Bruder zu rächen, und
wird deshalb von Dietrich felbit erjchlagen.
adquelle, €. (ipr. fastell), franz. Verlags:
buchhandlung, ebemals Eharpentier, G. & €. Fass
quelle (f. d.), ift ſeit 1896 im alleinigen Befiß von
E. Fas quelle und trägt feitdem dejjen Namen.
af, ein aus Dauben und Reifen zufammenges
festes hölgernes Gefäß, welches oben und unten
dur einen Boden rer ift. Der Boden paßt
enau in die Nut oder Zarge ein, welde in die
auben eingerifjen ift. Bei allen 5. muß die Weite
nah dem Boden zu Heiner ald in der Mitte fein,
weil fonft das Antreiben der Reifen bis zum Weit:
Den derjelben unmöglich wäre. Ebendeshalb pür:
en auch alle übrigen Gefäße, die der Küfer aus
Dauben mat, keine cylindriſche
Geſialt haben; fie müfjen ver +-d—
jüngt zugeben. Ein %. wölbt ſich
um jo mebr, je größer fein Faß⸗
De oder ber rg feiner
äußern Weite am Baude und
über den Anden genommen wor:
den ift. Außer den runden F.
ftommen aud ovale F. vor. Zur
Beitimmung des Inhalts des %. benußt man den
Vifterftab (j. d.) oder folgende Formel:
J=!arh(2D* + d?),
in welcher nach vorſtehender Figur h den Abftand der
Böden, D’ den Spunddurchmeſſer, d den Bodendurch⸗
mefjer und m die Ludolfſche es (f. d.) bedeutet.
über die Herftellung der F. ſ. Faßfabrilation.
af, älteres Getreide und or feitäömaß von
verſchiedener Größe, und älteres Flüfligleitamaß in
Deutſchland, einigen Schweizer Kantonen, Diter-
reich, Ungarn und andern Ländern. Im Deutjchen
Reihe war 5. nad der Maß- und Gewichtsord⸗
nung vom 17. Aug. 1868 eine Nebenbezeihnnung
für das Heltoliter von 100 1, die durch das Geſeß
vom 11. Juli 1884 wieder abgeicafft wurde.
1) Getreidemaß. In Hamburg und Altona
war das F. von 2 Himten oder Himpten jeit Mai
1844 = dem preuß. Scheffel = 54,615 1, vorber aber
= 52,74 1 = 0,0597 preuß. Sceffel. In Lübed
war das F. zmeierlei: im Großvertebr für Weizen,
Roggen, Gerite und Erbien = 8,735 1, im Groß:
andel für Hafer und auf dem Markte für alle
Früchte = 9,8785 1.
2) Flüffigleitsmaß. In Preußen war beim
Biermaß das F. von 2 Tonnen = 2300 Quart =
12800 preuß. Kubitzoll = 229 1. In Seipiig (bis
Ende Dit. 1858) war beim Meinmuß das F. von
5 Leipziger Eimern = 379", 1; beim Spiritusmaß
im Großhandel das F. von 3 Dresdener Cimen —
202,087 1, meijt dem preuß. Orboft (von 206,105 1)
aleichgerechnet; beim Biermaß das F. von 2 Vier-
Faſſa — Faßfabrikation
rin, 4 Tonnen oder 6 Eimern = 520, 1. In
Iresten und jeit 1. Nov. 1858 in ganz Sachſen
war das F. für Mein u. ſ. w. von 6 Dresdener oder
läd. Eimern oder 432 Kannen = 404,17 |, das
J. für Bier von 2 Vierteln, 4 Tonnen oder 5°],
neimern oder 420 Kannen = 392,8 1. In
Bapern (mit Ausnahme der Rheinp a) batte das
B- ter 24 Bifiereimer oder 1536 Map = 66048
apr. Decimaltubitzoll = 1642,08 1. In Hamburg
begrifi das 5. Thran 7'/, Stechlannen oder 1*), alte
Ibrantonnen = 1471 und wurde an Gewicht zu
135 kg gerechnet. In Lübed war das F. für Brannt:
mein dem Meinorboft gleich, alſo = 218”), 1, das
5. für Bier von 4 Antern oder 20 Vierteln=149,021.
In — begriff das F. für Mein 10 Eimer oder
400 Maß = 565,89 1, das F. für Bier 2 Eimer oder
5 Mak = 113,181. In Böhmen war bid Ende
Vai 1856 das 5. von 4 Eimern für alle Flüffig:
leiten = 172,8 Wiener Maß = 244,481. In Ungarn
famen drei verſchiedene Weinmaße des Namens F.
vor: das oberungarifce F. oder Tofajer Weinfaß
von 2°, ungar. oder Preßburger Eimern oder 176
Halben (ungar. Icze) = 149,s184 1 (j. Antal), das
Grlauer F. von 3 ungar. Eimern oder 192 Halben
= 162,928 l und das Göngzer F. von 2"), ungar.
Eimern oder 160 Halben = 135,789 1 (in Preu en
= 128 preuß. Quart gerechnet); der ungar. Eimer
von 64 Halben war = 54,2976 1; man rechnete in
Sjterreih auch wohl 100 ungar. Eimer = 94 Wie
ner Eimer. Im Schweizer Kanton Bern war das
«gemeine %. von 4 Saum, 16 Brenten (Eimer)
ever 400 Maß (Pinten) = 668°), 1, das Landfaß
aber = 1'j, gemeine F., 6 Saum, 24 Brenten oder
600 Maß, jonad = 1002, 1. In den Niederlanden
ist 3. (Bat) eine Nebenbenennung für das Flüſſig⸗
teitämaß Heltoliter.
Fafſa, Dal — nd
die oberite Stufe ded vom Aviſio durcflojjenen
Tbals in der Bezirläbauptmannihaft Cavaleſe in
Zirol (j. Karte: Tirol und Vorarlberg), 25km
lang, 1—2 kın breit, in 12— 1500 m Höbe gelegen,
umgeben von den ſchroffen Dolomit: und Porphyr⸗
gipieln der Marmolada (3494 m), des Langtofl3
(3179 m) und des Roſengartens (2986 m), bildet
einen eigenen Gerihtäbezirt (235,38 qkın) mit 7 Ge
meinden, 12 Ortichaften und (1890) 4247 ladi«
niiben €. Der Hauptort Vigo di F. (1388 m) an
der rechten Thaljeite zählt 738 E. Der wichtigſte
Buntt nädjt Bigo di * iſt Campitello (1453 m),
10 km oberhalb Vigo, mit 518 E. Der Aviſio ent:
feringt aus den Gletichern ver Narmolada, fließt im
allgemeinen nah SW. und mündet in der Nähe von
Lavis in die Etſch. BeiMoena (1757 E.,1181m) bes
ginnt die zweite Stufe, das Fleimjer Thal (Val
di Fiemme), gegen 38km lang. Hauptort ift Cava⸗
leſe (j. d.); für Mineralogen und Geologen wichtig
Predazzo (2912 €., 1017 m). Das safja: und
Fleimſer Thal ift in geognoft.mineralog. Beziehung
weltberübmt. Die unterjte Stufe Baldi Gembra
(Zimmertbal), von Bal Floriana an 34 km lang,
it eng. Hauptorte find Gembra (1692 €.), Sitß des
Bezirfägerichtä, und Segonzano (1744 E.). Die Be:
wohner des Fleimſer und Zimmerthals find jetzt ital.
Zunge, während früher eine große Zahl deutſch war.
Falfä, Feſa over Baja, Stadt in der perſ.
Provinz Farfiftan, im SO. von Schiras, in hobem
Thale der Rafrehberge, bat ihren alten Glanz gänz-
lich eingebüßt, ift jedoch durd ihre Golpitidereien
und Brolate noch jest berühmt. Bis zum 13. Jahrh.
Brodbaus’ Konveriationdsteriton., 14. Aufl. X. A. VI
481
unter der Herrſchaft der Bujiden und der Seldſchulen
rivalifierte F. mit Schiras.
aſſade, j. Façade.
affait, ein laͤuch⸗ oder ſchwärzlichgrüner, in
meiſt jtarl glänzenden, jbarflantigen Krpitallen vor:
fommenber, nad jeinem Hauptvorkommen im Faſſa⸗
thal genannter Augit (ſ. d.).
affäner Dolomite, f. Faſſa und Dftalpen
affathal, ſ. Faſſa. [D, 16.
afbinder, ſ. Faßfabrilation.
afibrũcken, Brücken, die aus untereinander ver⸗
bundenen, waſſerdicht verſchloſſenen leeren Fäſſern
beſtehen, welche, im mn ſchwimmend, die Unter:
lage für einen Balten=, Bretter: oder Boblenbelag
bilden, wie er bei liberjchreitung von Gewäſſern be:
nugt wird. %. fpielen insbeſondere als Feldnot—
brüden im Kriege und als vorläufige Verlehrswege
wäbrend des Baues an Flüfjen eine wichtige Rolle.
Fahfabrifation, die jabritmähige Heritellung
der mit Faß (f. d.) bezeichneten hölzernen Gefäße.
Die Anfertigung von Fäſſern aller Art war jeit den
beiten Zeiten der inbuftriellen Entwidlung Gegen:
tand eines eigenen,vonden$aßbindern(invielen
Teilen Deutichlands auch Böttcher, Büttner oder
Küfer genannt; das Gildenwappen zeigt Tafel:
—J—— appen U, Fig. 8) zunftmäßig betriebenen
andwerks; noch um 1860 bildete diejelbe in allen
Kulturländern einen Zweig des Kleingewerbes. In
Amerita begann man um dieje Zeit die Heritellun
ber Seller im großen mit Hilfe geeigneter Special:
maſchinen zu betreiben, und die Wiener Weltausitel:
lung von 1873, welche die amerifanijche 5. mit ihren
gewaltigen Hilfsmitteln zum erjtenmal zur allgemei»
nen Anſchauung brachte, regte aub in Deutjchland
zu gleihartigen Beitrebungen an. Gegenwärtig hat
dieje noch junge Induſtrie ſchon eine hervorragende
wirtihaftlihe Bedeutung erlangt. — Dauben und
Böden werden meijt aus gutem Eichenbolz, zu
Fäſſern fürtrodne Materialien (Cementfäſſeru. ſ. m.)
auch aus geringwertigern Hölzern verfertigt. In
neuefter Zeit wurde auch verjucht, das Rotbuchen:
bolz dur Jmprägnieren für Petroleumfäſſer ver:
wendbar zu mahen. Die Reifen werden entweder
aus Holz oder Eifen bergeftellt. Die deutſche Me:
tbode der F. beſteht im mejentlihen aus folgenden
Arbeitsprozefien. Die geipaltenen und getrodneten
Daubenjtäbe werden zuerjt auf einer Daubenab»
fürzjäge zu der für das betreffende Faß erforder:
lihen Länge pejnsätten. Eine Daubenbobel:
maſchine bobelt die für die äußere und innere
Faßfläche bejtimmten Breitfeiten. Die Dauben tom:
men dann in die Daubenfügemajdine, in der
vie als Fugenflächen bejtimmten Schmaljfeiten ab:
negliben werden, was auch auf der einfadhern
Daubenfügefäge gefheben kann. Die fo vorbe—
reiteten Dauben werden mittel3 der Au Jiebfo rm
zufammengejeßt und durh die Faßbiegema—
ſchine zur genauen Faßform zufammengebogen.
Hiernach wird das noch bodenloje Faß über einem
‚euer getrodnet. Leichte Fäljer, die auf der Faß—
—— oft 5. werden, übergiebt man noch
einer beſondern Egaliſiermaſchine. Nach dem
Irodnen und — bei großen Fäſſern zum
Teil auch vor dem Trocknen, werden mit der Rei—
fenziehmaſchine die Arbeitsreifen aufgezogen.
Bei kleinern Fäſſern wird dieſe Operation zuſam—
men mit dem Egaliſieren auf einer einzigen Ma—
ſchine ausgeführt. Zur Bildung der Böden werden
die einzelnen, auf einer Bandſäge vorgeſchnittenen
31
482
Brettitüde aufperBodenausgleihe:und Füge:
maſchine jauber bearbeitet und dann durch Dübel
Free ei worauf der Boden noch auf der
odenabrundemajhine gerundet und am
Rande abgefalzt wird. Die zur Aufnahme der Böden
dienenden Furchen (Kröjen, Zargen) auf der Innen:
feite des Faſſes werden auf der Kröſemaſchine,
einer Art Drebbant, bergeitellt. Die Faßſpunde wer:
den auf Facondrebbänfen angefertigt. Bierfäfler wer:
den auf Faßpihmafchinen gepicht. Die amerif.
Methoden der %. find von den deutichen abweichend.
— Pol. Voigt, Fabrikation, Berechnung und Bifieren
der Fäller (Wien 1893); Schmidt, Der Großböttcer.
Ein Hand: und Lehrbuch für Faßbinder (2. Aufl.,
Elberf. 1897).
Fahgeläger, der beider Nachgärung des Weins
am Boden des Faſſes fich bildende Abſatz, ver
wefentlih aus Weinſtein und Hefe beftebt.
afglafur, ſ. Bed.
affion, aub Fatierung (vom lat. fateor, be:
fennen), Geftänpnis, Belenntnis; dann Angabe,
befonders der zu verjteuernden Summe bei der Ein:
fommenfteuer; dazu das Zeitwort fatieren.
afnacht, ſ. *
afſogl, Landſchaft im Sudan, ſ. Fafoll.
akfhnede, f. Tonnenfchneden (Bd. 15) und
Tafel: Shusmittelder Tiere, Fig. 15 (Bd. 17).
Faßſteuer, f. Bierfteuer.
aftonnen, |. Betonnung.
affung, bei Sg re die Befefti-
gun der Edelſteine (ſ. d. in Gold: oder Silberblech.
ie geſchieht entweder «im Kaſten⸗ —— ſo daß
vie untere Seite des Steines von einem Blech um—
eben ift, oder & jour (f. d.), jo daß die Rüdfeite
rei liegt. Im erjtern Fall wird durch den Glanz des
Metalls das Feuer des Steines noch erhöht.
Faffungsfraft, Kapacität, die Fäbigteit,
eine mitgeteilte Borftellung oder Vorjtellungsreibe
oeikie aufzunehmen und zu verjteben.
aftzug, ein Hilfswerkzeug für Böttcher, das
den Zmwed bat, die Dauben eines Fafies, welche an
ihren obern Enden bereit3 dur Reifen verbunden
find, unten aber noch weit auseinander ſtehen, auch
bier zufammenzuzieben, um die Reifen antreiben
zu können.
—8* (pr. -abiche), f. Fuſtage.
aften, in phyſiologiſchem Sinne die gänz:
lihe oder teilweiſe Entbaltung vom Genuß der
Nahrungsmittel, namentlih der fräftigern, blut:
erzeugenden, z. B. von Fleiſchſpeiſen. fiber die
— Wirkungen des F. ſ. Hunger.
as F. als religiöſer Gebrauch war zum Zei:
chen der Trauer, zur Förderung der Andacht, zur
Vorbereitung auf wichtige Entſchlüſſe und Thaten,
urlibung in der Enthaltſamleit, endlich als der Gott:
eit wohlgefälliges Wert der Selbftverleugung bei
vielen Völlern des Altertums üblih. Die Juden
waren durch das Gejeh nur am Berjöhnungsfeite
Be 5. verpflichtet, fafteten aber auch an ben jäbr:
ichen Erinnerungstagen nationaler Unglüdzfälle,
und im pharifäiichen Judentum zur Zeit Jelu galt
regelmäßiges F. als Wert befonderer Frömmigkeit.
Später ordnete der Talmud das %. in bejtimmter
Meife. Jetzt haben die Juden außer dem Verſoh—
nungstage vier Hauptfajttage. Aus dem Juden—
tum und aus gleichzeitigen ascetiſchen Richtungen
des Heidentums ging, troß der freien Stellung, die
Jeſus in Beziehung auf das F. eingenommen und
als Grundfag verkündet hatte (Mattb. 9, ı14-ı7;
Faßgeläger — Faſten
vgl. 6, 16—18), das regelmäßige F. auch in die chriſtl.
Kirche über. Sehr gefördert wurde es durch Die Mon:
taniiten (ſ. d.) und das Klojterleben ſowie durch die
rl —— Meinung, dab es ein vorzüg:
iches Mittel fei, bei Gott Vergebung der Sünden
zu erlangen. Anfangs pflegte man während der
40ftündigen Zeit ver Örabesrube Jeſu (nab Matth.
9, 15) und jeden Mittwoch, ald dem Tage des Ber:
rats, und Freitag, ald dem Tage des Todes Jeſu,
ufaften. Die griech. Kirche bat diefe beiden Wochen:
ajttage feitgebalten, in der abendländifchen wurde
der Mittwoch ſchon im 4. Jahrh. mit dem Sonn:
abend vertauict.
Die wöhentlihen Fafttage, an denen jedoch
nur halbe %. (semijejunium, d. h. bis 3 Uhr nach⸗
mittags) beobachtet wurden, hießen Wachtage
lat. stationes oderdies stationum). Das 40ftündige
. vor Dftern verlängerte fih bald nad dem von
ojes, Elias und Jeſus gegebenen Vorbilde in ein
40tägiges (jejunium quadragesimale, Duadra:
gelimetiehen, franz. caröme). In der gried.
irche, die das F. am Sonnabend ald dem urfprüng:
lihen Schöpfungsfeiertage verwarf, begann das 5.
am Montage nah Seragefimä, in der römischen am
Aſchermittwoch (j.d.). An den Sonntagen wird in
beiden Kirchen nicht gefaitet. Später lam nod das
5 an den Borabenden der wichtigſten Apoitel: und
eiligenfefte (Borbereitungsfaften, Vigilienfaften)
binzu, fowie das F. in der Adventszeit und das
Quatemberfajten (f.d.). In der gried. Kirche haben
ch neben einigen andern Faſttagen vier große
aftzeiten ausgebildet: das Weihnachtsfaſten oder
poſtel⸗Philippus⸗Faſten, vom 15. Nov. bis 24. Deʒ.
das —— vor Oſtern; das Apoſtel⸗
aften vor dem Peter: Paul: Feit, vom Montage nad
rinitati3 bis 29. Juni, und das Muttergottes-
faften vor Mariä Himmelfahrt, vom 1. bis 14. Aua.
Die röm.:tath. Kirche unterfcheidet das natür-
lie F. — naturale oder totale), die voll⸗
tommene Nüchternheit 3. B. vor Empfang der bei-
ligen Kommunion, und das kirchliche ö (jjunium
ecclesiasticum), bei diefem wieder volles 5. (jeju-
nium plenum), d. b. nur eine Mahlzeit täglih und
dieje ohne Fleiſchgenuß, und Abſtinenz (jejunium
semiplenum), Entbaltung von Fleiſchgenuß, mozu
Fiſche und im Wafler lebende Tiere, wie Fiſchottern,
nicht gerechnet werden. Zur Abjtinen; find Die
Kinder vom 7. Sabre an verpflichtet; die flich⸗
tung zum kirchlichen F. beginnt mit dem 21. Jahre
und dauert bis zum 60. Krankheit, Armut und
ſchwere Arbeit entbinden von der Bfliht. Außerdem
aber find vielfahe, dur die Biihöfe oder in ein:
— Fällen duch die Beichtiger zu erteilende Er:
eihterungen und Dispenje üblih (ſ. Faftenbrief
und Butterbrief). Während das allgemeine Fajten:
ebot —— auch den Gehorſam gegen Die
irche üben joll, wird in befondern Fällen das F.
nad der Erklärung des Tridentinifchen Konzils ein
vorzügliches Mittel zum Abtöten des Fleiihes, für
die Einzelnen zur Buße und jur Gewinnung von
Abläjfen angeorbnet. — Qutber erflärte das F., Das
er allem kirchlichen Zwange enthob und durch das
man nicht etiwas bei Gott verdienen könne, für eine
«feine äußerliche Zucht». Als ſolche bat es ſich in
der evang. Kirche allgemeiner bis in die Mitte des
18. Zabrb., in manden Gegenden und Bevölke—
rungstreijen noch viel länger — — Bei den
— — wird das F. als ſehr verdienſtlich
angeſehen. Der Koran gebietet ed vornebmlich im
Faftenbregel — Fasti
Nonat Ramadan und beftimmt, daß Krante oder
Reilende, die im Ramadan nicht feiern können, zu
anderer Zeit fajten follen. Außerdem beobadten
die Mobammedaner aub F. an heiligen Tagen,
jo am nen Tage des Monats Mubarrem, der mit
dem Berjöbnungstage der — zuſammentrifft.
enbre regel.
» Jaftenmandat oder Falten:
patent, das Ausicreiben, das der Biſchof vor
dem Quabragefimalfajten — an die Gläu⸗
bigen jeiner Diöcefe zu erlafien pflegt, um mitzu⸗
teilen, wie eö mit dem Falten oder den Dispenfen
davon gebalten werben joll, in der Regel mit einem
Hirtenbrief (f. d.) allgemeinen Inhalts verbunden
(Faften:Hirtenbrief).
enmonat, ſ. Mubarrem. ,
ftenpredigten, in der latb. Kirche die wäh:
rend der 40tägigen Faften vor Oſtern in außer:
ordentlihen Gottesdieniten, namentlih in großen
Städten, meift von angefebenen Repnern gehaltenen
Bußpredigten. Auch in der evang. Kirche find in
elben Zeit (Paſſionszeit) befondere Predigten
über die eg erg Ehrifti üblih.
Faſtenrath, Johs., deutſch-ſpan. Schriftiteller,
geb.3. Mai1839 ii emſcheid, widmete ſich 1856—60
ın Bonn, Heidelberg, Münden, Baris und Berlin
juriftifchen und daneben litterarhijtor. Studien, gab
aber bie jurift. Laufbahn auf. Er —— 1862
Italien, 1864 Spanien, bearbeitete das Luſtſpiel
«Hezept gegen Schwiegermütter» des fpan. Dichters
Don Manuel Juan Diana & bie deutſche Bühne
und bidtete dann in deutſcher Sprade im Geijte
der jpan. Boefie: «Ein fpan. Romanzenjtrauß» (Lpz.
1866), «Klänge aus Andalufien» (ebd. 1866), «Die
Wunder Sevillas» (ebd. 1867), «Hefperifche Blüten»
(ebd. 1869) und «Immortellen aus Toledo» (ebd,
1869). 1869 begab er De abermals nad Spanien.
Die Frucht diefer Reife war «Das Buch meiner
fpan. Freunde» & Bde., Lpz. 1870), das außer
Driginalpoefien Übertragungen der beiten Gedichte
der zeitgenöffiihen Poeten Spaniens enthält. 1870
veröffentlichte 5. «Den deutjchen Helden von 1870.
Kriegs: und Siegeslieder» (1. bis 6. Aufl., Leipzig).
Sein Buch «La Walhalla y las glorias de Alema-
nia» (Bd. 1—6, 1872—87) führt den Spaniern
beroorragende Kerfönlichteiten eutihlands von
Armir bis zur neuejten zeit in Ejjays vor. 1879
reifte F. zum bdrittenmal nah Spanien und bes
ichrieb 1882 in dem Buche «Galderon in Spanien»
(2. Zeil feiner Feſtſchrift «Galveron de la Barca»,
2ps. 1881) die Madrider Galderon : Feitlichleiten.
Außerdem überfeste er «Bruder Martins Vifion»
von Nuñez de Arce u.d.T. «Luther im Spiegel
ipan. Poeſie⸗ (3. Aufl., Lpz. 1881), die «Leyenda de
Noche-Buena» von Ventura Ruiz Aguilera u.d.T.
« Stimmen der Weihnacht⸗ (ebd. 1880), ——
Simenez» von Yuan Valera (ebd. 1882), die beiden
ramen aIm Schoße des Todes» (ebd. 1882) und
«Die Frau des Rächers» (Wien 1883) von Jose
€ rap, gab «Bon Hochzeit zu Hochzeit, Lieder
aus jonnigen Tagen» (ebd. 1883) heraus, jpäter
Granadiniſche Elegien» —— 1885), durch das
furhtbare Erdbeben in Andalufien hervorgerufen,
und «Fi de l’Allemagne contemporaine»
(2. Aufl., Bar. —— Den Manen Alfons’ XII.
widmete er «Die zwolf Alfonſos von Caſtilien⸗ (Lpz.
1886), ein poet. Bild der ſpan. Geſchichte. Ferner
veröffentlichte _&. «Catalanifhe Troubaboure der
Gegenwart» (2p3. 1890), die Übertragung der cata=
483
laniſchen Trilogie «Die Pyrenäen» (ebd. 1892) von
Victor Balaguer und die Studie «Chriſtoph Colum⸗
bus» (Dresp. a ber die von F. ins Leben
gerufenen Blumenfpiele in Deutihland ſ. Jeux
oraux.
aftentuch, foviel wie Hungertuch (f. d.).
asti I —— dies), ſeit den fruheſten
Zeiten in Rom Name der Tage, an welchen Recht
geſprochen werden durfte, im Gegenſatz zu den dies
nefasti, an denen dies unftattbaft war. (©. Dies.)
Mit der Zeit dehnte man den Ausdruck F. auf die
Verzeichniſſe aus, die über die —— Ge
richtstage aufgeftellt wurden. Auf Grund eined von
dem Adil Gnäus Flavius (304 v. * veranlaßten
Voltsbeihlufjes wurden dieſe Verzeichniffe, welche
die Bontificed anfertigten, bis dahin aber niemals
veröffentlicht hatten, von da ab auf Tafeln
aufgeihrieben und allgemein belannt gemacht; fie
vertraten nunmehr die Stelle eines Kalenders (j. d.).
Sie führten alle Tage des Jahres, durch bie 12
Monate hindurch, einzeln auf, zeigten die Tage,
auf welde Kalendae, Nonae und Idus fielen, an
und machten die Tage, an welchen Gericht gehalten
wurde, mit einem F. (F. dies) lenntlich, die andern
mit einem N. (Nefasti dies), die zu Gerichtöfigun:
ge ſowie zur Wahl der Obrigfeiten, Faſſung von
eſchluſſen über Gejege u. |. w. geeigneten Tage
mit einem C. (Comitia), die Tage, auf welche Feite
fielen, mit NP., endlich die halben Gerichtätage mit
EN. (Endotereisi oder Intercisi). Außerdem find
in den erhaltenen Kalendarien die Tage in Ab-
ſchnitte von je acht geteilt, indem in ununterbrodyes
ner Reihenfolge ven Tagen je die Buchſtaben A—H
beigefchrieben find. Es werben dadurch adhttägige
Wochen ähnlich unjern Wochen bezeichnet. Seit der
Belanntmahung des Kalenders durch Gnäus la:
vius wurden aud von Privatperfonen Kalender
a auf Tafeln und in Büchern veröffentlicht,
owie mit erflärenden Kommentarien verjehen.
re ift eine amtliche Redaktion aus dem
4. Jahrh., geichrieben von F. Dionyfius Philocalus,
und eine chriſtl. Umarbeitung von Polemius Syl:
vius aus dem 5. Jahrh. n. Ehr. erhalten. Bon den
inſchriftlich überlieferten Kalendarien, welche jämt:
li aus der erjten Raiferzeit herrühren, ift das ein
dee vollitändig aufgefundene, von jeinem erften
ejiger Maffei das Calendarium Maffeianum ge
nannt ‚im Original wieder verloren gegangen und
nur durch alte Abfchriften und Ausgaben erhalten.
Unter den Brudjtüden auf Stein gegrabener F.,
deren Zahl durch neue Funde fich immer mehr ver:
—— bat, find wichtig die 1770 entbedten F.
raenestini (die Monate Januar bis April und
den Monat Dezember enthaltend, bg. von Foggini
u. d. X. «Fastorum anni Romani reliquiae»,
Rom 1779) wegen der auf ihnen angebrachten Be:
merkungen des gelehrten Grammatiterd Berrius
Flaccus, der fie für die Stadt Präneſte (Paleſtrina)
abfaßte, ferner das Calendarium Vaticanum (die
Monate März, April und Auguit enthaltend), das
Calendarium Venusinum und Esquilinum (in beis
den Mai bis uni), Farnesianum (Februar bis
März). Verſchiedenen Inhalts waren die F. consu-
lares oder F magistratuum, Verzeichniſſe der jähr:
lichen höchſten Magiftrate. Bon einem ſolchen, unter
Auguftus auf Marmortafeln eingegrabenen, bie
765 nad —— Roms reichenden Verzeichniffe
wurden 1546 n. Chr. am forum Romanum be
deutende Fragmente aufgefunden, zu denen im
31*
484
19. Jahrh. noch einige neuentdedte famen. Sie wer
den auf dem Kapitol im Palazzo dei Confervatori
als F. Capitolini aufbewabrt und wurden von Bor:
gheſi («Nuovi frammenti dei fasti consolari capito-
liniv, 2 Tle. in 1 Bd., Mail, 1818—20) heraus:
gegeben. An fie ſchließen ſich die F. triumphales
an, Verzeichnifie der Namen der Triumpbatoren in
chronol. — nebſt Angabe des beſiegten Volts
und des ge des Triumphs. Aucd von ihnen
und andern F., namentlich von Prieſterſchaften (F.
sacerdotales), haben fich innerbalb und außerhalb
Roms Fragmente erhalten. — Vgl. de Boor, F.
censorii (Berl, 1873); Webrmann, F. praetorii
(ebd. 1875); Hölzl, F. praetorii (%pz. 1876); Klein,
F. consulares (ebd. 1881); Cichorius, De fastis
eonsularibus antiquissimis (ebd. 1886); Seed, Die
Ralendertafel der Pontifices (Berl. 1885); Kauf
mann, Die Falten der jpätern Kaiſerzeit (im «Phi:
(oqus», Bo. 34, Gött, 1874); Leviſon, F. praetorii
(Bre3l.1892); Schön, Das capitoliniiche Verzeichnis
der rom. Triumpbe (Mien 1893). Eine Ausgabe des
geiamten auf die F. bezüglichen inſchriftlichen Da:
teriald findet fih in Band 1 des «Corpus inscrip-
tionnm Latinarum» (Berl. 1863; 2. Aufl. 1893 fg.).
Faſtidiös (lat.), Ekel, Wivderwillen erregend
oder: jolden begend, dußernd.
Fasti Limburgönses (over Fasti Limpur-
enses), Chronik von der Stadt und den Herren zu
imburgan der Lahn, bas Wert des Notars (clericus
uxoratus bezeichnet er fib audb) Tileman Elben
von Wolfbagen (Nieverbeiien), geb. 1347, ge
ftorben wabrſcheinlich 1402. Er machte fich ſeit 1377
Aufzeichnungen und ging wohl bald darauf an die
Ausarbeitung, die mit 1398 plötzlich abbricht und
fpäter von van und Adam Emmel und dann no
einmal von Xobann Mechtel (bis 1612) weiter ge:
führt ward. Die F, L. find befonders dur die Auf:
nabme voltstümlicher Erzäblungen, Schwänte,
Moveberichte, Sprüche und namentlich der damals
efungenen Lieder wichtig, ein vortreffliches Seiten:
tüd zu der oberdeutihen Zimmeriiben Ebronit
(1. d.). Neuere Ausgabe von A. Wyſs in den «Monu-
menta Germaniae historica» («Deutfche Ebronilen»,
Bo.4, Abteil. 1, Hannov. 1883). — Val. Wois, Die
Limburger Ebronif unterfuht (Marb. 1875).
Faſtnacht, in der Schweiz, in Schwaben, im
Elſaß und in Thüringen richtiger Faßnacht (Fas—
nacbt, Faſenacht, vom alten Verbum fasen =
fajeln), ſchon in der ältern deutichen Sprade Name
des dem Aſchermittwoch (f. d.) vorangehenden Tags.
Um jich für die beporjtebenden Entbehrungen der
Faſtenzeit, wodurch auf vollsetymolog. Mege F.
entitanden ift, ſchadlos zu balten, beging man jeit
frübeiter Zeit die F. mit Gelagen (Faſtnachtſchmäu—
ſen), Voſſen (Faſtnachtſpielen, j. d.), Tänzen, Mas:
feraden u. ſ. w., woraus ſich allmäblid der Kar:
neval (ſ. d.) oder Faſching berausbildete. Die
Eitte aebt in die altgermaniiche beidn. Zeit zu:
rüd, mo man das Feſt der wieder erwachten Natur
feierte. Hiermit bängt es zujammen, daß in vielen
Gegenden die Zeit der F. noch beute als beilig gilt;
beionvders für den Flachs, das Geflügel und den
häuslichen Wohlſtand ift fie von Bedeutung. Ge:
wiſſe Gerichte müflen an diefem Tage gegeſſen
werden, vor allem Hirje. Gewiſſe Verrichtungen
müjlen gemieden werden; jo darf man nicht aufs
Feld neben, nicht ipinnen; die Hausfrau darf nicht
zum Brunnen geben. Dagegen joll getanzt und
Bier getrunfen werden. Träume in der F. neben
Faſtidiöss — Fatalismus
ebenfo in Erfüllung mie die Träume der Zwölf
Nächte. — Bol. Wuttle, Der deutiche Vollsaber:
glaube der Gegenwart (3. Aufl., Berl. 1900).
Faftnachtipiele, die ältejte Form des deut⸗
hen Luftipield. Sie werden häufiger im zweiten
rittel des 15. Jahrh. und verichwinden im
17. Jahrh. Der Haffiihe Boden der F. war Nürn:
berg; einige find fonft in Suddeutſchland, in Tirol
und der Schweiz zu Haufe, wenige in Niederdeutich-
land (beionders in Lübed). Die alteſten find zu Faſt⸗
nacht nicht öffentlich, wie dies ſpäter der ift,
jondern in Brivatbäufern von jungen Leuten aus
dem Bürgerjtand, die von einem Haufe ins andere,
aus einer Kneipe in die andere zogen, ohne beſon⸗
dere fceniihe Vorbereitungen aufgeführt worden.
Sie ftellen in kurzen Scenen und mit ausgelaflenem
derben Wi, der die gröbiten Boten und Unfläte—
reien nicht fcheut, Charaktere und Scenen aus dem
täglichen Leben, namentlib auch des Bauernſtan⸗
des, dar; meift find fie nur undramat. Aufzüge
tomifcher oder topifcher Figuren, die jede fih mono=
logiſch ſelbſt fhildern; beliebt war aud die Form
eines Prozejjes mit Anklage, Gegentlage oder Ver:
teidigung und endlibem Sciedsiprub; aud der
Arzt inmitten tranter Bauern, die Bauernhochzeit,
die komiſche Disputation waren häufige Themata.
Auf einer jpätern Stufe behandeln die F. Aneldoten,
Schmwänte und Novellen von beiterm Ebarafter;
auch politifch:fatiriihe und moraliſche F. tommen
vor, doch gebübrt ibnen beſſer der Titel «Spiel».
Von den wenigiten der zahlreichen F. des 15. Jabrb.
fennt man die Berfafler; von einigen werben Hans
Nofenblüt und Hans Folz als Dichter genannt,
denen au noch mande andere gebören werben.
Im 16. Jahrh. find als Dichter von F. vor allen
Hans Sad, deſſen F. zu feinen beiten Shöpfungen
gehtren, t. Rrobtt und Jalob Ayrer zu rübmen.
ine reibe Sammlung der F. des 15. Jahrh. beforate
A. von Keller (3 Bde. und 1 Bd. Nachleie, Stutta.,
«Bibliothek des Litterariichen Bereins», 1853—59);
andere bieten Dsw. Zingerle, «Sterzinger Spiele»
(Mien 1885), Seelmann, «Dlittelniederdeutihe 5.»
(in den «Druden des Vereins für niederdeutiche
Sprabforihung», Bd.1,Norden 1885), diedes Hans
Sachs giebt E. Götze in den «Neudruden deuticher
Fitteraturmwerte des 16. u. 17. Jabrb.» (Halle 1880—
87). — Vol. 2. Lier, Studien zur Geibichte des
Nürnberger Faſtnachtſpiels (Nürnb. 1889); Michels,
Studien überdieälteften deutſchen F. (Straßb. 1896) ;
Kaifer, Die F. von der actio desponsu (Gött. 1899).
Fastöso oder fastosamente (ital.), mufilalifche
Vortragäbezeichnung: prädtig, feierlich.
Fafträda, Tochter des ojtfränt, Grafen Radolf,
warb 783 die dritte Gemablin Karla d. Gr. Ihre
Grauſamkeit joll veranlaft haben, daß ih 792
mebrere Franken mit Karls Sobn Pippin dem
Hödrigen genen das Leben des Königs verihmworen.
F. ftarb 10. Aug. 794 in Frankfurt.
Faesülae, der alte Name für Fieſole (. d.).
Fat (fr;., ipr. fatt), Ged, Einfaltäpiniel.
Fata, Mebrzabl von Fatum (f. d.); ald Weſen
der roman. und telt. Vollsſage, ſ. Feen.
Fatal (lat.), vom Schidfal beftimmt, verhängnis⸗
voll, widerwärtig; Yatalität, Schidung, Mißge—
ſchick, unangenehmer Zufall,
Fatalien (lat.), ſ. Notfriſten.
Fataliémus (lat.), die auf dem Glauben an ein
Fatum (f. d.) berubende, weder von Furcht noch won
Hoffnung berübrte Gle’hgültigleit gegen die Zu—
Fata morgana — Fatra 485
tuuft, befonders in Beziehung auf das eigene Wohl:
ergeben. Der F. iſt bauptfäclie be Gebiet des
lams verbreitet. Fataliſt, ein Anhänger bes F.
Fata morgäna (ital.), atmofphäriiche Erſchei⸗
uungen, die auf Lu tfpiegelung (f. d.) beruhen. (©.
atehpore, ſ. Fatihpur. lauch Morgana.)
teſh. 1) Areis im nördl. Teil des ruſſ. Gou—
vernements Kursl, hoch gelegen, längs der Fluß:
tbäler bergig, mit Schwarzerbe, bat 2698,7 qkm
und 127087 E.; Aderbau und Bienenzudt. —
2) 5., beim Volle Fitifb, Kreisftabt im Kreis F.
47 km nordweſtlich von Kuräf, in bergiger Gegend
an der Münduna des F. in den Uſſoſh, hat (1897)
4959 E., zwei Kirhen, ein Progymnafium für
Mäpcen; Handel mit Getreide und Hanf.
Fathipur, verderbt aus Fatihpur (f. d.).
Fathom (pr. fäth'm), engl. Maß, |. Faden.
tieren, Fatierung, |. Faſſion.
atigieren (lat.) oder Fatiguieren (frz.), er
mũden, erjhöpfen, langmeilen.
Fätiha(arab.,d.b. die Eröffnende,nämlidy Sure),
das erfte Kapitel des Korans, das bei den Moham:
medanern die Stelle des driftl. Vaterunſers eins
nimmt; jedes Gebet beginnt mit ber F.
Fatihpur (engl. Fatebpore). 1) Diftrift ver
Divifion Allababad der brit.sind. Lieutenant:Gou:
verneurſchaft der Norbmweitprovingen, im Doab des
Ganges und der Dibamna, bat 4230 qkm und
(1891) 699157 €. (621923 Hinbu, 77061 Moham—
medaner). Das Land ift fruchtbar, gut angebaut
und mit Städten und Dörfern überdedt. — 2) Haupt:
ftadt des Diſtrilts F., unter 25° 55’ nörbl. Br. und
80° 52° ditl, L., an der Linie Allahabad:Ränpur,
eine betriebiame Stadt, hat (1891) 20179 E. (var:
unter 10995 Hindu, 9170 Mohammedaner).
Fatifo, eine der frübern ägypt. Militärftationen
in der Aquatorialprovinz Emin Paſchas, 240 km
füplich von Ladd, in 3° 2’ nördl. Br., am Fuße des
onaberg3.
ätima, die jüngfte (vierte) Tochter des Pro:
pbeten Mobammed, wurde um 606 in Mella gebo:
ren. m Alter von 15%. heiratete fie den nachma⸗
figen Ehalifen Ali ibn Abi Tälib; fie ift die Mut:
ter von Hajan und Hufain und als foldhe die Ahn—
frau der Nahlommen des Propheten. Sie ftarb,
einige Monate nah dem Tode ihres Vaters, in
Medina 632.
Fätimiden, Name einer arab. Dynajtie, welche
ibren Uriprung auf Fätima (f. d.) zurüdfübrte, Ihre
ge daft (909—1171)entiprang der ismã ilidiſchen
ropaganda, melde im 9. Jahrh. ein perj. Aben:
teurer, Abdallähibn Maimun, und nad deſſen Tode
fein Sohn Ahmed in verſchiedenen Gebieten des
re betrieben. Einem idmä’ilidiihen Sendling,
bü Abvalläb al:Schi’i, gelang es, während der
Vilgerfabrt nach Mekka einige Berber in das Neß der
igmä’ilidifchen Propaganda zu ziehen; 893 erſchien
Abü Abdalläh felbit in Afrika, und feiner geſchickten
Agitation glüdte e3, in der Bevölterung dem Obeid⸗
alläb, einem angeblihen Nadhlommen des Dſcha'far,
einen großen Anbang jr verjbaffen und ibn als
Mabdi anertennen zu lafjen. Für Obeid:alläh er:
Härten fich fo viele Anhänger in Xordafrila, daß Abü
Abdalläh mächtig genug wurde, das zu Kairuan (in
der Näbe des on Tunis) herrſchende Geſchlecht
ber Aghlabiden (1. d.) 910 n. Chr. zu ftürzen und
den Obeid-alläb al⸗Mahdi auf ihren Thron zu ſetzen.
Derfelbe gründete dic Stadt Mahdija und machte
fie zu feiner Refiden;. In raſchem Siegeslauf dehnte
er feine Eroberung auf weitere Gebiete in Afrita aus
(f. Rarte: — ————— Reid um das
1000) und befriegte auch Sicilien. Verſuche, aud
Agypten unter ſeine Botmäßigfeit zu bringen, ſchei⸗
terten an der —— des agypt. Feldherrn Munis.
a ftarb nad faft —— —5— 934.
Ihm folgte fein Sohn Abül:Käfim: a
mit dem Beinamen al: fäim bi:amr Alläh (934—
946), und diefem wieber fein Sohn Isma'il mit
dem Beinamen Al: Mankür Billab (946 — 953).
Defien Sohn und Nachfolger, Abü Tamim Ma'add,
mit dem Beinamen Al:Mu’izz li⸗din Alldh (953 —
975), gelang es endlich durch die Energie und
Zapferleit feines Feldherrn Dſchauhar, in den
Belis von Agypten (970) zu gelangen, das er zwei
Jahre fpäter, nachdem er den Chalifentitel ange
nommen batte, zum Hauptfiß jeiner Herrſchaft
machte. Er fchlug jeine Refidenz in der neu begrün:
deten Stadt Al:Kähira (Kairo) auf, wo noch jegt
die Mojchee Al-Azhar das dauerndfte Monument
jeiner Regierung tft. Seine Herrſchaft dehnte fich
nad und nad über Baläftina und unter der Regie:
rung feines ae bus Mankür Nizär, mit dem
Beinamen Al:’Aziz (975— 996), au über einen
roßen Teil von Syrien aus, deflen Befik den F.
eilich ſeht oft wieder jtreitig gemacht wurde. Dem
Nizär folgte pi erſt elfjähriger Sohn Al-Hälim
(bisamr Alläb), der fi bald aus der Vormund—
ihaft des Weſirs Arghuan jelbjtändig machte und
feine überfpannte graufame Sinnesrihtung dur
eine Reihe unfinniger Verordnungen und bie Ans
derögläubigen bedrüdender Gejeke befundete. 1017
erllärte er ſich als Infarnation der Gottheit und
führte fortan tolerantere Regierungdgrundjäße ein;
1021 verfchwand er, nad einigen wurde er auf An:
ftiften feiner eigenen Schweiter ermordet.
Sein Sohn und Nachfolger Abül:Hafan "Ali,
genannt Al⸗Zaͤhir (1021—86), war ein milder und
erechter Fürft, der, wie fein Sohn Abü Tamim
Ma’add, mit dem Beinamen Al: Muftankir (geft.
1094), nicht die Kraft hatte, die von allen Seiten
auf das Reich bereinbrechenden Stürme n beſchwd⸗
ren. In Syrien, Paläſtina und Afrila war bie
Herrſchaft des faͤtimidiſchen Ehalifen faum noch
vorhanden; in Agypten elbft gewannen die Türken
immer mehr Einfluß, und am Ende der 58jäbrigen
Regierung des Muſtanßir Billäb, die er ald Kind
von eben Jahren angetreten hatte, war das Fäti:
mibijche Reich der Au Hung nabe. Zwar 5*
es feinem Nachfolger Abül:Käfım Ahmed el-Mufta
ii Billaäh (1094—1101), fib auf kurze Zeit wie:
der in den Befig von Serufalem zu —* aber
er vermochte es doch nicht, dem Andringen der
Kreuzfahrer zu widerſtehen. Unter feinen ſchwach⸗
lichen und unthätigen Nachfolgern, Amir (1101—
30), Hafis (1130—49), Zafit (1149—54), kr
(1154—60), Adhid (1160—71), wurde das Reich
eine Beute ihrer herrſch⸗ und u each
und verfiel immer mehr. Mit Al⸗NANdhid erlifcht die
Dynaſtie der F.; ed gelang ihm nicht, feinen Sohn
Daͤwud auf den Thron zu bringen. Schon vor
dem Tode des legten F. war die Herrfhaft von
dem Kurden Saläb al:din (Saladin) ausgeübt,
der die Dynaftie der Ejjubiden (f. ein) begründete,
dieden Scheindalifen von Bagdad als Oberhäuptern
des Islams buldigen lieb. — Val. Wuſtenfeld, Ge
ſchichte der Fätimiden-Chalifen (Gött. 1881).
Fätra, zwei Gebirgszüge in ben norbweitl. Kar:
paten (f. Karte: Ungarn und Galizien). Die
486
Kleine %. over das Kleine Krivangebirge, eine
150—165 km lange fette zwiſchen den Flüuſſen
Maag und Neutra einer: und Gran und —
andererſeits, erreicht ſuüdlich vom Waagdurchbru
im Mindol 1364 m, nördlich davon im Krivän F.
1666 m Höhe. Die Thäler find raub und wenig be
wohnbar. Wildromantifch find die Thäler von Szulyd
und Uratna. Oſtlich davon parallel zieht die Große
5. oder Ungarijches Erzgebirge, zwiſchen den Turocz⸗
und Revucatbälern im Großen Krizſna, an ber
Grenze der Komitate Turocz, Liptau und Sohl,
1542 m body. Beide F. find ftark bewaldet. Die
Große F. ift reich an eveln Metallen. Die Päſſe von
Hermanek und Sturek find die wichtigften.
Fat⸗ſchan, Fu⸗-ſchan, Stadt in der chineſ. Pro:
vinz Kwang⸗tung, im Delta des PBei-tiang, an einem
ſchifſfbaren den Si:-fiang mit dem Kantonftrom ver:
bindenden Kanal (f. Karte: Kanton und Ran:
tonjtrom), bat etwa 400000 €,, Induſtrie und
Fatsla, |. Aralia, [Hanvel.
—5* chineſ. Name des Amu (f. d.).
ttöri, Giovanni, ital. Maler, geb. 28. Sept.
1825 in Livorno, befuchte die Atademie iu Florenz,
an der er feit 1877 als Brofefjor thätig ıft. Er hat
beſonders Schladhtenbilver geichaffen, die ſich dur
dramat. Lebendigkeit und große Naturwabrbeit aus:
zeichnen. Eine jeinererften bedeutenden Schöpfungen
war: Die Schladht bei Magenta (1859; Alademie
u Florenz); diefem Bilde folgten dann: Schlacht
ei Madonna della Scoperta (1868; Pinalothek in
Livorno), Ravalleriegefecht bei Montebello, Das
49. Regiment bei Cuſtozza (Rom, Galleria Nazio-
nale), Verwundung des Bringen Amadeo bei Euftozza
(1870; Brera in Mailand). Bon feinen Genrebil-
bern find zu nennen: Übrenlejerinnen (1866; Gol⸗
dene Medaille), Pferdemarkt in Terracina, Pferde:
markt auf der Piazza della Trinita in Rom.
Fattüra eier Yaltura,
atũa, altital. Göttin, f. Faunus.
ität (lat.), Albernbeit.
atum (lat., Mehrzahl Fata), das Schidfal ala
eine durch menſchliche Handlungen nicht zu beein:
fluffende Macht, die alle wichtigen Ereigniffe im
voraus unabänderlid 8 ſo daß weder That⸗
Bu noch Läſſigleit auf den Gang der Dinge irgend
melden Einfluß haben. Der Glaube an ein %. ift
uralt; felbft die antilen Götter waren dem %. (der
Moira) gegenüber machtlos. Philoſophiſch formus
liert bat man den Glauben als Lehre von der Prä⸗
deitination, ing praltifche Leben übertrug ihn ber
atüns, |. Faunus. [Fatalismus (f. d.).
aublas (ipr. foblab), Held eines frivolen Ro«
mans von Louvet (f. d.) de Couvray.
Faubourg (fr;., ſpt. fobuhr), Vorftadt.
Fauche:Borel (fpr. fohſch borell), Louis, Unter:
—* der Bourbons während der erſten Franzöfi-
hen Revolution, geb. 12. April 1768 zu Neuchatel,
mwurde Buchdrucker. Man bediente fich feiner zu den
Berbandlungen mit Pichegru, zu welchem Zwed er
fih in Straßburg als Buchhändler niederließ. Hier
wurde er zwar auf Befehl des Direktoriums 1795 ver:
baftet, aber bald wieder freigelafjen. Als Pichegru
nah England geflohen war, trat F. mit Barras
wegen der Reftauration der Bourbons in Unter:
—— wurde aber deshalb aus Frankreich ver⸗
bannt. Deſſenungeachtet wagte er nach der Thronbe⸗
ſteigung Napoleons J. das Manifeſt Ludwigs XVIII.
an die franz. Nation zu verbreiten. Von 1806 ab
bielt er ſich in England und Schweden auf, bis er
Fat⸗ſchan — Faucher
1814 mit den Verbundeten in Paris einzog, mo er
nun von Hardenberg zu geheimen Unterbanblungen
ebraucht wurde. Nach der Rüdlehr Napoleons er:
Belt er von Wien aus eine Sendung an Lud—
wig XVII nad Gent, wurde aber in Brüſſel feft:
enommen und erit auf Verwenden bes preuß. Ge
andten in Syreibeit sei. Später ſchidte man ibn
als preuß. Generaltonful nah Neuchaͤtel. Die Bour:
bons bemiejen fih gegen F. Ich: undankbar; erji
Rarl X. gewährte ihm eine Benjion von 5000 rs.
. ftarb 4. Sept. 1829. Nach feinem Tode wurden
eine «M&moires» (4 Bde., Bar.1828— 29) von Beau:
champ veröffentlicht.
Faucher (ſpr. foiheb), Jul. VBollswirt, Mir:
begründer der deutſchen Freihandelspartei, geb.
13. Juni 1820 zu Berlin, ftudierte dafelbft Philo-
jopbie und Nationalötonomie. feinen erjten
itterar. Arbeiten vertrat er ald Anbänger Adam
Smiths mit großer Wärme die Richtung Cobdens
und ber engl. Freihändler. 1846 übernahm er die
Redaktion der in Stettin erjheinenden «Börfen:
nachrichten der Ditfee» und vertrat 1848 in dem zu
ers a. M. tagenden fog. Zollparlament ver
ae agree binger Kaufmannſchaft, fiedelte
aber bald darauf nad Berlin über, wo er unter
dem Namen «Die Abendpoit» das erfte in Deutic:
land erfchienene Organ der reinen Freibandelälebre
begründete. Gleichzeitig bildete F. mit H. Beta,
E. Wiß, 3. Prince-Smith, E.Nobad u.a. den erften
— Freihandelsverein, aus welchem ſpäter
die Berliner vollswirſchaftliche Gejellihaft ber-
vorging. Nahdem unter dem Minifterium Man:
teuffel-Weftphalen die «Abenppojt» 1850 unterbrüdt
worden war, ging F. nad England und trat 1856
in die Rebaltion des «Morning Star», der eriten
ihändlerifhen Londoner Zeitung. 1861 kehrte
. nah Deutihland zurüd und begann eine be
deutende agitatorifhe Thätigleit für Gewerbefrei-
eit, Freizügigkeit und internationale Handelsfreis
eit. Im preuß. Pandtage, in welchen ihn 1861 der
abltreis Bitterfeld: Delisih wählte, ſchloß er ſich
der Fortjchrittäpartei an und nahm lebhaften Anteil
an ihrem Kampfe gegen die Armeereorganijation.
1863 gründete er in Berlin mit Hilfe der no leben:
den Mitarbeiter der « Abenbpojt» —— Dtto
er die «Vierteljabröfhrift für Vollswirt⸗
haft, Bolitit und Kulturgeſchichtey. 1866 hatte 7.
nteil an der Gründung der nationalliberalen
—— Im Deutſch⸗Franzoſiſchen Kriege begleitete
. das deutſche Heer als Verichterftatter der Zon-
boner ge Sahne Bis 1877 redigierte er die oben:
genannte «Bierteljahräfhrift». Er ftarb 12. Juni
1878 in Rom. Seine vollswirtſchaftlichen Abband⸗
lungen find in der « Vierteljabräjchrift» enthalten.
Außerdem ſchrieb F.; «Ein Winter in Italien,
Griehenland und Ronftantinopel» (2 Bve., Magpdeb.
1876), «Bergleihende Kulturbilder aus den vier
europ. Millionenftäbten» (Hannov. 1877) und
«Streifzüge durch die Küften und Inſeln des Archi⸗
pels und des Joniſchen Meers» (Berl. 1878).
Faucher (fpr. foſcheh), Leon, franz. Bublizift und
Nationalölonom, geb. 8. Sept. 1803 zu Limoges,
ud. — erhielt auf dem College zu Toulon
eine erſte Bildung und ging ſpäter nach Paris,
mo er anfangs philol. und archäol. Studien trieb.
Später wandte er fi der Journaliftil und Ratio-
nalötonomie zu, war in der Zeit von 1830 bis 1842
Dberrebacteur de8 «Temps», des «Courrier de
Paris» und de? «Cnnstitutionnel» und gab meb-
Faucigny — Fäule
tere bebeutenpe ſtaatswirtſchaftliche Schriften ber:
aus. Reims murde er 1846 in die Kammer
gemäblt, wo er mit der bynaftiihen DOppofition
timmte. Ein gemanbter, aber keineswegs glänzen:
der Redner, trat er als einer der Hauptagitatoren
für den Freibandel hervor und veröffentlichte in
der «Revue des Deux Mondes» und im «Siöcle»
eine Reibe nationalölonomifcher Aufjäge. Nach der
Revolution von 1848 vom Depart. Marne in die
Eonitituante wie in die Legislative gewählt, ftimmte
er mit der Majorität und wurde nad der Wahl
Ludwig Napoleons zum Präfidenten (10. Dez.)
Minifter des öffentlihen Bauweſens, 29. Dez.
Minijter des Innern, legte 14. Mai 1849 fein
Bortefeuille nieder, das er jedoch 10. April 1851
wieder übernahm. Am 26. Dtt. 1851 gr! vor dem
Staatäftreibe, zog er fih vom polit. hauplaß
surüd, beteiligte jih an der Gründung des Credit
foncier und arbeitete an einer «Histoire financiere
de la seconde r&publique», deren Vollendung fein
14. Dez. 1854 zu Marjeille erfolgter Tod verhinderte.
Seine ausgezeichneten ölonomifchen Arbeiten er:
ſchienen fpäter auch zum Teil von Wolowſti geſam⸗
melt alö «Melanges d’&conomie politique et de
finances» (2 Bbe., Par. 1856). Außerdem veröfient:
lichte er verichiedene Schriften felbjtändig, darun—
ter«Recherches sur l’or et sur l’argent»(Bar.1843),
« Etudes sur re erg (2 Dbe., ebd. 1845;
2. Aufl. 1856) und «Du droit du travail» (ebd. 1848).
Faucigny (fpr. fokinnjih), Landihaft in Sa:
vopen füblih vom Ehablais (f. d.), früher eine der
acht Brovinzen des Herzogtums Savoyen, feit 1860
das Arrondiffement Bonneville des franz. Depart.
Haute-Savoie, umfaßt die obern und mittlern Thal:
ftufen der Arve (ſ. d. und Karte: Die Schweiz).
Die Bergletten, melde das Land von EM. nah
NO. durchſetzen, beſtehen vorherrſchend aus Kalt:
fteinen, Sandſteinen und Sciefern der Jura⸗, der
Kreide: und der untern Tertiärformation, bi
an der Grenze gegen Wallis und das Noftatbal,
erhebt ſich die kryſtalliniſche Montblanegtuppe. Im
Voralpenlande gedeihen Getreide, Obſt, Wein und
Edellaſtanien. Die Haupterwerbsquellen bilden
Ader: und Weinbau, Alpenwirtſchaft ſowie Aus:
beutung ber Erz:, Marmor: und Schiefergruben und
das Fuͤhrerweſen (namentlih im Ehamonirthal).
Hauptorte find Bonneville, Chamonir, Sallandes
und Cluſes. Der wine Verkehrsweg iſt die
Straße Genf:Chamonig. Der Name ftammt von
einem jest verfallenen Schlofje unweit Bonneville.
Faucille (ipr. foßij), Col de la, Paß (Paßhohe
1323 m) des franz. Juras, zmwifchen der Döle und
dem Mont⸗Colomby, verbindet Genf und das Pays
de Ger mit dem Dappentbal und der franz. Grenz
feitung Les Rouſſes; in Champagnole erreicht die
voſtſtraße die Eiſenbahn.
Faucilles, Monts (fer. mong foßij, «Sichel:
berge»), waldreihe Hügeljüge im franz. Depart.
Bosges, verbinden die Vogejen und das Plateau von
Langres (f. Karte: Elfab-@otbringen u. f. w.).
Sie haben nur 200—300 m relative Höhe, bilden
aber die Waſſerſcheide gie Maas und Moſel
(Rordjee) und Saöne (Mittelmeer).
Faujas, bei ge in Bezeich⸗
nungen Abkürzung für Barthelemy Faujas de
Saint-Fond (f. d.).
Faujas de Saint:-Fond (ſpr. foſchah dẽ Bäng
fong), Bartbelemy, franz. Geolog und Baläontolog,
geb. 17. Mai 1741 zu Montelimar, machte zu
487
geolog. Zmeden, namentlih zum Studium vullas
nifcher Erjcheinungen und Produfte, Reifen durch
ganz Europa, mar dann Profefjor am Jardin
des Plantes in Bari und ftarb 19. Juli 1819 in
St. Fond (Dauphine). F. verfaßte unter anderm:
«Recherches sur les volcans &teints du Vivarais
et du Velay» (1778), «Histoire naturelle du Dau-
phin6» (1782), «Minöralogie des volcans» (1784),
«Voyage en Angleterre» (2 Bde., 1797; deutich von
Miedemann, Gött, 1799) u. f. m.
aufumba, Stadt, ſ. Fugumba.
aulaffen, bisweilen Bezeichnung der größern
Arten unter den Halbaffen (f. d.).
aulbäche, ſ. Bad. j
aulbaum, ſ. Rhamnus; zumeilen auch foviel
wie Traubenlirjde (ſ. Prunus).
aulbaumrinde, ſ. Rhamnus.
aulbraud, |. Brand (des Getreided).
aulbrüchigkeit, Eigenſchaft des filiciumbal:
tigen Eiſens (ſ. d.).
ulbrut, Bienentrantheit, |. Biene. ,
aufbrutfliege (Phora incrassata Mg.), eine
etiva 4 mm lange, —— Art der Budel:
fliegen (f. d.) mit didichenkligen, borjtigen Beinen.
Das Weibchen dringt in Bienenftöde ein und bringt
mit einer Legeröhre gm Eier in faft erwachſenen
Bienenlarven unter. Wenige Stunden fpäter kriecht
die Made aus, frißt den Fettlörper der Bienenlarve
und ift ** einigen Tagen zugleich mit letzterer er⸗
wachſen. Sie bohrt Rd nun burd die Haut ihres
Wirtes und den Dedel, mit dem unterbefien die
Belle verfchloffen wurde, hindurch und verpuppt fich
auf dem Boden des Stodes oder außerhalb in der
Erde. Die F. hat ihren Namen daher, daß man
früber irrtümlich meinte, das Inſekt rufe dur ihre
Tbätigkeit die unter dem Namen Faulbrut betannt«
Krantbeit der Bienen hervor. Diefe wird jedoch durch
®ehinie, Saulfuct, Faulfein, Anbrus
nie, Faulfuht, Faulfein, Anbrud,
PR ehr Bezeihnun für {chleihende Er:
franfungen des Scha es, welche mit Ernährungs⸗
jtörungen beginnend zu bleichſüchtigen und waſſer⸗
tüchtigen a en führen und ſchließlich unter
den Zeichen der Erjhöpfung mit dem Tode endigen.
Die F. ift eine gefürchtete Herbefrantheit; die Ur:
ſachen derfelben find außer ungenügenden Futter:
verhältnifien (nah Mißjahren, Ki nalen Ya ——
gen) auptfählid Wurminvafionen, von welchen
die Leberegel:, Magen: und Lungenwurm⸗, fchließ:
ih die Bandwurmſeuche (ſ. die Einzelartifel) in
Betracht fommen. Diefe Barafıten entziehen ihren
Wirte unmittelbar einen Teil der aufgenommenen
Nahrung, jodann verhüten fie dur Störung der
Abfonderung der Verdauungsſäfte (Magenfaft,
Darmfaft, Galle) die Aijimilation der Nahrungs:
mittel. Die Tiere nehmen daber wohl genügend
Futter zu fi, find aber nicht im ftande, es auszu⸗
nügen und in das Blut und in die Gewebe überzu:
führen. Die nächſte Folge davon ift eine Berarmung
des Blutes an roten Blutkörperchen (daher die blaſſe
Farbe der Haut und Schleimhäute) und eine Ver:
wäſſerung besfelben, in deren Verlaufe waſſerſüch⸗
tige Anſchwellungen an allen tiefer gelegenen Kör:
erteilen (Hals, Unterbruft, Bauch) ſich ausbilden.
eim Weiden jentt fi das Waſſer in dem Binde:
ewebe des Kopfes, jo daß dieſer unförmlich did wird.
Gemöhnlich lafjen die jo erkrankten Tiere einen mat:
ten * hören. Die Wolle iſt troden, glanzlos
und gebt leicht aus. Bei der Bebandlung ber Krank⸗
488
beit müffen vor allen Dingen die Urſachen befeitigt
werden; bei der Bandwurmſeuche z. B. tft zuerit ein
Bandmwurmmittel zu verabreihen. In den übrigen
Fällen, in denen die Urjache nicht entfernt werden
kann, wie z. B. bei der Leberegelſeuche, hat man das
Hauptaugenmert auf kräftigende Ernäbrung zu rich:
ten. Zur Hebung der Verdauung werdenden Schafen
fog. Yeden vorgeient, die als wirtfame Beitandteile
Eiſenſalze oder bittere Stoffe (Eiheln, Eichenrinde,
Wermut, Kalmus) und aromatiihe Pflanzenteile
(Kümmeljamen, Wacolderbeeren) nebft Haferſchrot
und Gerftenmalz entbalten. In allen Fällen, in de
nen die F. ſchon größere Fortichritte gemacht bat,
it es das Nätlichite, die Tiere ohne Verzug der
Schlachtbank zu überliefern. Bapier).
äulen, ein Prozeß der Papierfabrilation (f.
aulenfee, Dorf und Bad im Bezirk Nieder:
finmentbal des ſchweiz. Kantos Bern, zur Ge
meinde Spiez gehörig, liegen 19, km ſüdöſtlich von
Epiez, in 5850 m Höbe, am Thuner See. Das Bad,
1 km jüdlih vom Dorfe, in 800 m Höhe, beitebt
aus einem eleganten, 1875 im ſchweiz. Stil erbauten
Kurhaus mit mebrern Nebengebäuden und befist
eine erdige Mineralquelle (+ 11° C.), die, ſchon
1585 urkundlich erwähnt, mit Erfolg gegen ro:
niſchen Rheumatismus und Srantbeiten der At:
mungsorgane angewendet wird. Auch als klima:
tiiher Kurort und Aufentbalt für Retonvalescenten
wird F. viel beſucht. — Vol. Das neue Faulenieebad
(Bern 1875); Gjell: Feld, Die Bäder und klima:
tiiben Kurorte der Schweiz (3. Aufl., Zür. 1892).
Faule See oder Faules Meer, Seitenbajlin
des Aſowſchen Meers (j. Siwaſch).
—5 Gold, ſ. Porpezit.
Faulfieber, putride Fieber, Fieberzuſtände,
bei welchen das Blut infolge der Aufnahme fauliger
Stoffe zur Zerſetzung geneigt iſt. Der Ausdrud F.
ift vollftänkig veraltet, er wurde früber für Krank⸗
beiten wieTypbus (f.d.), Boämie (j.d.), Septihämie
(i. 2 u.f.m. angewandt. — F. als ferdefrantbeit
ſ. Blutfledentrantbeit ver Vferde.
Faulfiſch, Nitolaus, ein Böhme aus vorneb:
mem Geſchlecht, der in Oriord ſtudierte und 1407
oder 1408 ein (echtes oder aefälichtes?) Zeugnis
der genannten Univerlitat zu Guniten ber Recht—
—— Wielifs nach Prag brachte, das die
usbreitung Wiclifitiſcher Lehren in Böhmen be
rörderte. In neuerer Zeit bat man lange dem Hie—
conpmug (1. d.) von Prag den Namen 5. beigelegt.
Faulhorn, Gipfel der Berner Alpen im ſchweiz.
Kanton Bern, ſüdlich vom Brienzer See, in der vom
Lbaı der Lutſchinen zum Tbal der Aare ziebenden
Herglette, beſteht aus ſtark vermitterten (faulen)
KRalkiteinen der Juraformation, trägt am Fuße aus:
gedebnte Waldungen, inden obern Stufen prächtige
Weiden und erbebt ſich zu 2683 m Höbe. Das F.
wird (meift in 4%, Stunden von Grindelwald aus)
jebr häufig beftiegen; die Ausſicht umfaßt den franz
der Berner Alpen mit ibren Bergrieien und blin:
tenden Eid: und Firnfeldern, die grünen Voralpen
bis zum Pilatus und Rigi im ND. und bis zum
Aura im W. an Großartigkeit übertrifft fie weit die
Maiaueſicht ſteht ihr jedoch an Anmut nach. Das
Gaſthaus auf dem Gipiel beſteht ſeit 1831.
Faulmaumn, Karl, Stenograph und Schriftſteller,
aeb. 24. Juni 1835 in Halle, urſprünglich Bud:
druder, wirtte jeit 1855 in ber k. k. Staatöbruderei
in Wien an der Heritellung jtenoar. Topen mit und
mar jeitbem dafelbit Yebrer der Stenoarapbie und
Fäulen — Fäulnis und Verweſung
Lektor der Univerfität. Er ftarb 28. Juni 1894 in
Wien. $. veröffentlichte Schriften über Stenogranbie,
beionderd « Gabelsbergers jtenogr. Yebraebäupde »
(Wien 1860; 35. Aufl. 1899) und «Stenogr. Unter:
richtöbriefe» (ebd. 1877; Voltsausg. 3. Aufl. 1895),
und jtellte in «Anleitung zur pbonetiihen Steno:
grapbie» (6. Aufl., ebd. 1896) ein eigenes Soſtem
auf. (S.Stenoarapbie). ferner verfaßteer das« Bud
der Schrift » (Mien 1878; 2. Aufl. 1880), «lluftrierte
Geihichte der Schrift» (ebd. 1880), «Illuſtrierte
Kulturgeihichte» (ebd. 1881), «Alluftrierte Geſchichte
der Buchdruderkunjt» (ebd. 1882), «Handbuch der
Buchdruderkunit» (ebd. 1884), «Hiftor. Grammatik
der Stenograpbie» (ebd. 1887), «Erfinvung der Bud:
druderfunit» (ebd. 1891), «Etymolog. Wörterbud der
deutihen Sprace» (Halle 1893), «m Reiche des
Geiſtes. Illuſtrierte Geichichte der Niffenibaften»
(Wien 1894), «Geibichte und Pitteratur der Eteno:
rapbie» (ebd. 1895) u. a. a Area erg
Feines jtenogr. Syſtems zeigen bie Zafeln: Steno⸗
grapbie I, 12 und II, 12,
Fäulni® und Verweſung, die Zeriekungs-
vorgänge abgejtorbener Organismen, durch melde
die Beitandteile der lestern in einfacher zufammen:
geiegte Körper zerfallen, um enplich zu unorgas
nifhen Verbindungen zu werden. Im gewöhnlichen
Leben werden die Worte Fäulnis und Verweſung
meift als gleichbedeutend gebraucht, wiſſenſchaft⸗
lid werden die Begriffe aber voneinander ge:
trennt. Unter Fäulnis oder fauliger Gärung ver:
ftebt man die Zerlegung ftidjtoffbaltiger, baupt:
ſächlich eiweißartiger Subftanzen durch Spaltpilze
unter Abſchluß von Sauerſtoff, bei welcher gaſige
übelriehende Brodufte gebildet werben; die anal
Serjekung ftidjtofffreier Körper bezeichnet man ale
ärung (}. d.). Schtießt man die Batterien völlig
aus, jo fünnen vie — ———— Stoffe, wie
Fleiſch u. dal., beliebig lange aufbewabrt werden,
ohne irgendwie verändert j werden, mäbrend bie
geringite Ausjaat von yäulnisbatterien genügt, um
unter rapider Bermebrung dieſer Organismen die
Fäulnis einzuleiten. Auffallend ift, dab Milch jebr
wenig zur Fäulnis neigt und jogar andere jehr fäul-
nisfäbige Stoffe, wie Fleiib, gegen Fäulnis zu
ſchüten vermag. Die bei der Fäulnid gefundenen
taten Eablanscn werden — in
drei Gruppen geteilt: Fettlorper, aromatiſche Ber:
bindungen der Benzolreibe und anorganiihe Ber:
bindungen. Bon ettlörpern finden ſich flüchtige
ette Säuren nad ber — C. H.O., von ver
meifenjäure bis zur Gapronjäure; ferner Leucin
und Tyroſin; aromatische Verbindungen find Indol,
Statol, Bhbenvleifigiäure, Pbenol; zu den anorga:
niſchen Berbindungen endlich gebören Ammoniat,
Kohlenſäure, Schwefelwaſſerſtoff, Waſſerſtoff, da:
neben ſubſtituirte Schwefelwaſſerſtofſe, die Mer:
faptane, und Spuren fubitituirter Ammoniale, ver
Amine oder Anımoniakbajen. Bei ver Faulnis treten
nicht ftetö die gleichen Brodufte auf, jondern Die
Art des Abbaues der Cimeißmoletüle richtet ſic
nah ven zufällig vorbandenen Balterien une
je nachdem für die eine oder die andere Balterien-
art die Exiſtenzbedingungen günftiger find; vielfach
bilden ſich aud giftige organiſche Bajen, die Leichen:
altaloibe (f. d.). Zu Beginn der Faulnis beobachtet
man meiſt verichievene Mitrotoften ſowie große Ba:
cillen, jpäter treten zablreiche Hleinere Bacilien auf,
darunter bejonders der Bacillus fuorescens lique-
faciens. Nicht jelten tommt die Fäulnis auf eıner
Fäulniswidrig — Faure
beitimmten Stufe der Zerfegung 8 Stillſtand; die
Urjache hierfür muß man in der Bildung von Sub:
tanzen juchen, die in einer gemifien Konzentration
Kulnismwibrig, antijeptifch wirken. Sobald zu den
Jeriegungsprozeijen die Luft freien Zutritt bat, ift
der Verlauf ein anderer, dann werben die organi—
ſten Etoffe orydiert und es treten als Endprodukte
KRoblenjäure, Waſſer, Nitrate und Sulfate auf. Die
jen Borgang bezeichnet man ald Verweſung. Meift
geben Fäulnis und Berweſung nebeneinander her, ſo
ann an der Oberfläce einer Faulflüſſigkeit vollſtän⸗
dige Berwefung erfolgen, während in der Tiefe unter
anacroben Bedingungen Faͤulnisprozeſſe vor ſich
geben. Reine Fäulnis kommt leicht da vor, wo der
Feng: be ommen fehlt, vollftändige Verweſung
dagegen ohne Entwidlung übelriehenver Gaſe ift viel
feltener, weil hierzu be tändig eine Außerft innige
—— des Faulnismaterials mit Quft erforder:
Kid ift. Am günitigiten liegen hierfür die Verhält:
nifje in leicht durchgängigem, zeitweise durchfeuchte⸗
tem Boden, wo eine vo Br ineralifierung
organiiher Subjtanzen zu Koblenfäure, Sulfaten
und Nitraten vor ſich geben kann.
Begünftigt wird die Fäulnis durch mittlere Tem:
peraturen, die bis zu der der Blutwärme fich ftei:
gern können; verzögert wird ihr Eintritt dagegen
durch niedere Temperaturen. Man ſchützt daher
leiſch u. dgl. vor der Fäulnis durch Aufbewahrung
m Eisjchrante. Unbedingt erforderlich für ven Ein:
tritt der Fäulnis ift die Gegenwart von Wafler, da:
ber die Konfervierung verſchiedener Nahrungsmittel
durh Austrodnung. Verhindert wird die Fäulnis
endlich durch alle bakterientötenden Mittel, jo durch
Siedehitze, Altohol in konzentrierter Form, Garbol:
fäure, icpljäure, an und äbnlidhe Stoffe.
— Fäulnis des Holzes, f. Holztonjerwierung.
Flügge, Mitroorganismen (3. Aufl., 1.Bp.,
aulniswidrig, j. Antiſeptiſch. (Lpz. 1896).
lquemout (ipr. mind), franz. Name von
Fallenberg (f. d.) in Yothringen. (ſ. Fäule.
aulfein, Fra ucht, Krankheit der Schafe,
Itiere (Tardigrada, Bradypodidae), eine
amilie von Säugetieren, die, nur im tropi:
ben Südamerila vorfommend, zur Ordnung der
—— .d.) gerechnet wird und durch den
Mangel an Schneidezähnen und große gebogene
Krallen ſich — Die F. haben einen run:
den, affenähnlichen Kopf, im — verborgene Ohr⸗
muſcheln, ſehr kurzen oder feinen Schwanz, drehbare
lange Vorderarme und teilen ſich in zwei Gattun:
‚ die breizebigen F. (Bradypus), mit drei
en Siceltrallen an jedem Fuße, kleinem
Schwanzitummel und Heinem erjten Badzabhne,
unter denen der Mi (Bradypus tridactylus Cuv.,
E Aal Sehnarms Säugetierell, ig. 2, beim
titel Zahnarme) die befanntejte Art, und die
sweizebigen %. (Choloepus), mit nur zwei Sichel:
trallen an den Borderfüßen und Edzähnen in den
Kiefern, ohne Schwanzitummel, von welchen der
Unau (Choloepus didactylus Illiger) die einzige
belannte Art ift. Die F. vermögen Kb nur fletternd
zu bewegen und find daher wahre Baumtiere,
die jih vom Laub, namentlih des Trompeten:
baums (Cecropia), nähren. Die vordern Glied:
maben der 5. find jo unverhältniämäßig viel länger
als die bintern, daß fie am Boden nur dann N
fortbewegen fönnen, wenn jie auf dem ganzen Bor:
derarıne aufliegen. Die F. find harmloje, jonderbare
Geihöpfe von 0,50 bis Im Länge und mit grobem,
489
trodnem, langem Haar bevedt. In die europäifchen
pe. Gärten find ſchon eine ganze Anzahl ge:
angt; eine Art ift auch gezüchtet worden. Man
fonnte fib auch durch die Gefangenen überzeugen,
daß die F. höchſt ſtumpfe, langfame Nachttiere
ſind, die meiſt den ganzen Tag an einem Aſte, den
Kopf nach unten, hängen, one ſich an bewegen.
Als Futter gab man Blätter, Salat, Mobrrüben,
Obſt, gefochten Reis und Eier. Kleinere F. find zu:
weilen für 150 M. zu kaufen, werden aber jelten
ern genommen. In den Urzeiten bat es in
venos: Aires und Patagonien jehr gewaltige
Ziere gegeben, welche bei der Größe eines. Ele:
fanten oder Nashorns im Bau einige Ähnlich—
teit mit den F. zeigten, aber doch eine eigene yamilie
der Groftiere (Megatheriidae) bilden müfjen.
Dabin gehört das Niejenfaultier (Mylodon ro-
bustus Owen, |. Tafel: Zabnarme©Säugetierell,
ne 4, beim Artikel Zabnarme), das Megatherium
(j. d.) und das Grypotherium (f. d.), von denen man
in jenen Gegenden Reſte gefunden bat. Auch Nord:
amerita bejaß in ber Urzeit 8 von der Größe der
Ochſen, wiedieaufgefundenen überreſte des Rieſen—
trallentiers (Me ve, beweijen.
aun, mytbol. Geftalt, ſ. Faunus.
auna (neulat.; nad dem Gott Faunus ſ. d.),
die Gefamtheit aller jowie das Verzeichnis der be:
fannten, in einem Erbteile oder Lande einbeimi:
ichen Tiere. (S. Tiergeographie.) — Über F. in der
Motbologie f. Faunus.
aunaffe, |. Rollibwanzaffen.
aunalia, ſ. Faunus.
aunus, einer der altital. Hauptgötter, wurde
namentlich als Wald: und Yelogott verehrt. Als
ein guter gnädiger Gott (der Name F. hängt mit
faveo, günftig fein, zufammen) jpendet er den Fel⸗
dern wie dem Vieh und aud den Menſchen Frucht:
barfeit. In dieſer Eigenihaft ift er mit Inuus
und Qupercus (f. Quperlalien) verwandt oder iden:
tiſch, während er ſich als Waldgott mit Silvanus
berührt, Das ihm ji Ehren auf dem Lande began:
gene Felt, Faunalia genannt, fiel auf den 5. Dez.,
an welhem Tage man ihm befonvers Böde opferte
und alles Vieh frei berumfchweifen ließ. Außer:
dem erjcheint er noch als weisſagender Gott, dejjen
Stimme man aus dem Didicht des Waldes zu ver:
nehmen glaubte. Als folder bat er den Namen
Fatuus, wie jeine Tochter oder Gemahlin außer
Fauna aud A beißt, und hatte namentlidy
im Hain bei Zibur an der Quelle Albunea ein
Heiligtum. In Rom hatte F. ein foldyes am Aventin
und jeit 196 v. Chr. einen Tempel auf der Tiber:
injel. Spätere Deutung machte ibn zu einem alten
Landestönige von Latium, Sobne des Picus und
Entel des Saturnus, der feinen Unterthanen Ader:
bau und Viebzudt gelebrt habe, während die unter
riech. Einflufje ſtehenden Dichter F. mit dem griech.
Yan (f.d.) identifizierten und jogar, entſprechend den
griedh. Satyrn (ſ. d.), von einer Mehrheit von Fau—
nen fpraden, die fie ſich als mißgeitaltete Wald:
götter, mit fleinen Hörnern, jpißigen Ohren, Schwän⸗
en und Bodfühen voritellten. — F. ift aud eine
Bereihnung des Orangelltan (f.d.).
Faunus ater, Turmſchnecke, ſ. Weichtiere
nebſt Taf. IL, ig. 8.
Faure (ipr. fobr), Felir, ſechſter Präſident ver
Franzöſiſchen Republik, geb. 30. Yan. 1841 in Paris,
widmete ſich der faufmännischen Laufbahn und machte
feine Lehrzeit in einem Gerbereis und Ledergeihäft
490
durch. Er begründete varauf ein Heedereigeihäft in
Havre, wurde Mitglied und endlich Bräfibent der
Handeläfammer datelbit und Richter am Handels:
gericht. Seine polit. Laufbahn begann er 1881, wo
er in die Deputiertenlammer gewählt wurde und
ih den Opportuniften anſchloß. In den Rabinetten
Gambetta (1881/82), Ferry (1883/85) und Tirard
(1887/88) war er Unterftaatsjelretär der Kolonien.
Im zweiten Kabinett Dupuy (Mai 1894 bis Jan.
1895) übernahm er das Marineminifterium. Bei
der Bräjidentenwabhl, die nad dem Rüdtritt Gafimir:
Beriers, 17. Jan. in Verfailles ftattfand, erhielt der
andidat der Rabilalen, Briſſon, 338 Stimmen,
während auf die beiden Kandidaten der Opportus
niften, 9. 244, Waldeck-Rouſſeau 184 Stimmen
fielen. Da MWalded: Roufjeau zu Gunften F.s ver:
jichtete, wurde diefer im zweiten Wahlgang mit 430
gegen 361 Stimmen — Wenn auch F. nicht
wie ſein Vorgänger Caſimir-Perier einen entſchei⸗
denden Einfluß auf die Zeitung der Regierung aus—
zuüben fuchte, fo ftrebte er doch dahin, etwas mehr
zur Geltung zu gelangen als Grevy und Carnot.
So übernahm er 3. B. bald nad feinem Amtsantritt
wieder den Vorſiß im Oberften Kriegsrat und fuchte
ſich durch häufige Reifen über die Lage und die Be:
dürfnijje des Landes zu orientieren. Im übrigen
blieb die franz. Politik unter feiner Regierung in den
alten Gleisen; einen großen Triumph feierte er durch
den Bejuc des Kaiſers Nikolaus II. 1896 in Paris,
den er im folgenden Jahre in Petersburg ermiderte,
bei welcher Gelegenheit die rujj..franz. Allianz pro:
Hamiert wurde. Der Reviſion des Dreyfusprozeſſes
egenüber verbielt er fih ablehnend, doch wurde troß
eines Widerjtrebens 26. Sept. 1898 vom Minifter:
rat beſchloſſen, diefelbe einzuleiten. Er ftarb 16, Febr.
1899 in Paris. $: ſchrieb das von der Alademie
preiögetrönte Werk: «Le budget de France et des
rincipaux pays d’Europe depuis 1888.» — ®al.
Maillard, Le president F. (Bar. 1897); Bluyfen,
Felix F. intime (ebd. 1898); Saint-Simonin, Les
propos de Felix F. (ebd. 1901).
uriel (ſpr. foriell), Claude Charles, franz.
Bhilolog, Hiftorifer und Kritiker, geb. 21. Dit. 1772
zu St. Etienne (Loire), wurde 1830 Brofefjor an der
Facult& des lettres zu Paris und ftarb daſelbſt
15. Juli 1844. 5.3 Hauptwerk ift die «Histoire de
la Gaule meridionale sous la domination des con-
querants germains» (4 Bde., Par. 1836), das
Fragment einer im Geifte Aug. Thierrys entworfe:
nen Kultur: und Litteraturgeſchichte Frankreichs.
Außerdem gab er die provencal. «Histoire de la
eroisade contre les heretiques albigeois» (Par.
1837) beraus; nad feinem Tode erſchienen die auf
Vorlefungen berubenden Merle: «Histoire de la
poesie provengale» (3Bde., ebd. 1846) und «Dante
et les origines de la langue et de la litt&rature
italiennes» (2 Boe., ebd. 1854). Mitglied der Ata:
demie (feit 1836) und der von Guizot eingefekten
biftor. Romitees, fchrieb F. au für das «Journal
des Savants», die «Bibliothöque de l’Ecole des
chartes» und die von den Benediktinern begonnene
«Histoire litt6raire de la France». Die Arbeiten
5.8 zeigen ein glänzendes Darftellungstalent und
ausgebreitete Kenntniſſe, lafjen aber Kritif und Me
thode vermifien; doch haben fie das Verdienft, für
die Aufnahme dermittelalterlichen Studien in jeinem
Vaterlande erfolgreich newirtt zu haben.
Fausse (fr, jpr. ob), Feminin zu Faux (f. d.);
auch fubftantivifh: eine Fauſſe (fausse carte),
Fauriel — Fauft -
ebltarte, Feblfarbe, eine Farbe, die nit Trumpf
it; fausse alarme (jpr. alarm), blinder Lärm; fausse
ng br (fpr. attäd), Scheinangrifi; fausse couche
(pr. tufch), Syeblgeburt; fausse fenetre (fpr. Pnäbtr),
blindes Fenſter; fausse page (jpr. pahſch) Schmus:
oder Blantjeite (erfte, leere Seite) eines Buches.
Fausse braie (fr;., jpr. foß brä), Nieder:
oder Untermwall, eine Anlage der Niederländischen
Befeftigungsmanier (f. d.), die dem naſſen Graben
und der Kontereskarpe eine rajantere frontale Be:
ftreihung verſchaffte und jo den toten Mintel vor
dem Hauptmwall möglichft bejeitigte. Die F. b. be
tebt aus einer dem Oberwall parallel laufenden
ruftwebr, die auf einer breiten Berme am Fuß
der Eskarpenböſchung des Oberwalld angebradt
war, mit ihrer Feuerlinie etwas die Glacitcröte
überböbte und mit ihrem Wallgang nur um geringes
über dem Wafleripiegel lag, fiber die der nieder:
ländifchen F. b. verwandte Anordnung des Nieder:
walls der neuern Feſtungsumſaſſungen ſ. Niedermwall.
Fauffieren (fr3., ſpr. foß-), verbiegen, frümmen,
verdreben.
Fauſt, in Sfterreih Pferdemaß zu 4 Strid =
10,556 cm. F. (Balma) in Rumänien joviel wie Fuß,
in Bulareft zu 10 Fingern = 19,8213 cm, in Jafiy
zu 8 Fingern = 24,7645 cm.
ft, Buchdruder, ſ. Fuſt.
auft, Bernhard Chriſtoph, Hygieiniler, geb.
23. Mai 1755 in Rotenburg in Heilen, ftudierte in
Göttingen und Rinteln und wurde 1788 Leibarzt
in Büdeburg. Er ftarb 25. Jan. 1842. %. mar
einer ber erjten Impfärzte in Deutichland; er jchrieb
aliber die Kubpoden und deren Impfung» (Büdeb.
1801), «Öffentlihe Anftalten, die Blattern durch
Einimpfen der Kubpoden auszurotten» (Hannov,
1804). Bon feinen zablreihen bugieinifhen Werten
bat fein «Gefundheitstatehismus zum Gebrauce in
den Schulen und beim häuslichen Unterriht» (Büdeb.
1794 u. d.; aud in viele Spraden überjest) die
meifte Verbreitung gefunden.
aut, Doktor Sobann, der Sage nad ein berüd-
tigter Schwarztünitler und oft mit dem Buchdruder
Ku oder Fuſt (f. d.) verwechfelt, mar eine bijtor.
erfönlicteit, ein vagierender Humanift, geb. um
1485 wohl in Simmern bei Kreuznach, nah Me
landtbon u. a. in Anittlingen (bei Pforzheim); er
wurde dur die Gunſt Franz von Sidingens Schul:
meiſter in Kreuznach, erwarb, dort unmöglich ae:
worden, 1509 das Baccalaureat in Heidelberg und
son feitvem als Nativitätenfteller unftet und ſchwin⸗
delbaft durch Deutſchland, bis er um 1540 in Staufen
im Breisgau oder im Württembergifhen ftarb.
Ähnlich wie Tritheim (f. d.), der ihn kannte, aber in
betrügerifher Abſicht, bat fi diejer Vagant 7.
ee in den Ruf übernatürliher Kräfte ge:
racht. Die Sage übertrug auf ihn bald eine Menge
älterer Zauberjagen; er Polte bei Wittenberg, wo
er jtudierte, auf 24 Jahre einen Bund mit dem
le geſchloſſen haben, der ihm den Geift Mepbi:
ev eles zum Diener gab, und endlich im Dorfe
imlid bei Wittenberg vom Teufel erbroflelt wor:
den jein. Er wurde das typiſche marnende Abbild
der feden Humanijten, die ein «ſäuiſch epiluriſch
Leben» führten, aud in ihrem Wandel gern das
antife Heidentum nachahmend, wie ſich denn 7. die
Helena beihmwört, und die vor allem in der Natur:
ertenntnis nit die Schranten achten wollten, die
die Kirche zieht. Der maßloje Forſcher F. den der
Teufel bolt, ist für die Zeit das Gegenitüd des beichei⸗
Fauſta —
venen Gottesmanns Luther. (Bol. Erich Schmibt,
‚und Sutber, in den «Sigungsberichten der Ber:
er Atademie», 1896.)
Die —* von F. wurde auf Grund der volls⸗
tümliben Tradition zu einer Art pſychologiſchen
Romand ausgeführt und mit billigerabgeichriebener
Gelebriamteit_aufgepugt von dem unbelannten
lutber. Verfafier der «Hiftoria von D. F Joh.
Fauften» (gedruckt zuerſt Frankf. a. M. bei Spieß
1587; danach hg. von Braune in den «Neudrucken
deuticher Litteraturmerte des 16. und 17. Zabrb.»,
Rr. 7 u. 8; in pbotolitbogr. Nachbildung 2 von
Scherer, Berl. 1884; eine wenig abweichende Wolfen:
büttler Handſchrift publizierte Milhfad, Wolfenb,
1892; vgl. Wilb. Meyer, Nürnberger Fauſtgeſchich⸗
ten, Münd. 1895). Der große Erfolg des Buches
veranlaßte Georg Rud. Widmann (f. d.) iu einer
breit moralifierenden Neubearbeitung (Hamb. 1599;
neu bg. in Scheibles «Klofter», Bd.2, Stuttg. 1846),
die Joh. Nik. Pfizer (Nürnb. 1674; Neudrud von
Keller in der «Bibliothel des Litterariichen Vereins
in Stuttgart», Bob. 146, 1880) auftlärerifch um:
— aus dieſer Faſſung endlich ging das ver:
reitete Vollsbuch des «Ebriftlih Meinenden» hervor
Stanlf. 1712; neu bg. von Szamatolſti nach einem
Drud von 1725, Stuttg. 1891), das vielleicht Goethe
u — Vol. Dum 'e, Die deutichen Voltsbücher
von F. (2p3. 1891); Tille, Die Fauftiplitter in der
Litteratur des 16. bis 18. Jahrh. nach den älteften
Quellen —— 1900).
Schon früb bemächtigte fih die Dichtkunft des
Stofj3: der geniale Engländer Marlowe (f. d.) dich:
tete 1589 auf Grund einer engl. liberjegung des
Spießſchen Faujtbuchs feine «Tragical history of
Dr. F.» (bg. von Breymann, Heilbronn 1889). Auf
dieier, welche durch engl. Komödianten nah Deutſch⸗
land gebracht wurde, berubt das deutiche Buppen-
ipiel, das in zahlreichen ſtark auseinandergebenden
Faflungen bis auf die neueite Zeit eins der belieb:
teiten Marionettenjtüde —— iſt (ba. von Sim:
zod, Syranli. 1846; von Scheible in «Rloiter», Bv.5,
Stuttg. 1847; von Bielſchowſty, Brieg 1882; in
Engels «Deutichen Buppenlomödien», Bd.1, 9, 10;
von Kralil und Winter, «Deutſche Yuppenipieles,
Wien 1885; von Lüble in der «Zeitfchrift für deut:
ſches Altertum», Bv.31u.a.; vgl. Creizenach, Verſuch
einer Geſchichte des Vollsſchauſpiels vom Dr. F. Halle
1878). Auch Vollkslieder wurden auf F. gedichtet, jo
ſchon 1588 eine engl. Ballade u. ſ. w. Rt Tille,
Die deutihen Vollslieder vom Dr. F. Halle 1890.)
Mit Vorliebe bebanvelten die Stürmer und
Dränger den genußjüchtigen, wiſſensdurſtigen Ti-
tanen F., vor allen Goethe ‘. d., nebjt ver über 5.
verzeichneten Litteratur), der von 1775 bis zum
Zode an jeinem «Fauft» jhuf, dann Lenz, Maler
Müller in jeinem rohen, aber kräftigen yragment
«5.3 Leben» (Mannb. 1778), Klinger in dem Ro:
man «5.3 Leben, Thaten und Höllenfabrt» (Petersb.
1791). Leſſing zuerft bat mit kongenialem Ber:
Hänpnis für 5.3 ungeftümen Wifjensprang in fei-
nen jeltfamen Faujtplänen F. s Seele vor der Hölle
gerettet und damit Goethe beeinflußt. Von fpätern
auftdramatifern find zu nennen Graf Soden
1797), Chamifio (1803), Schint (1804), R. Schöne
(1809 und 1823), Rlingemann (1815), Julius von
Voß (1824), Grabbe («Don Juan und ;5.», 1829),
Braun von Braunthal (1835), Marlom (1839),
— (1843), 8. Heine (Zanzpoem, 1847), Stolte;
dazı Lenaus Fauftdihtung 71836). Bilder aus
Fauſtleier 491
Goethes F. haben Cornelius, Resih, WB von
Kaulbach, Kreling, Liezen: Mayer u. a. entworfen.
Fauſtopern fomponierten Spobr, Gounod, Boito
und Heinr. Zöllner, eine Fauſtouverture Rich. Wag-
ner, Nauftjinfonien Berliog und Liſzt, Mufit zu
Goethes « Fauft» Lindpaintner, Fürſt Radziwill,
Laſſen, zu ausgewählten Teilen Robert Schumann.
Bol. Scheibles Klofter, Bd. 2, 3,5 u. 11 (Stuttg.
1846—49); Erih Schmidt im «Goethe: Jahrbuch»,
Bd. 2—4 (Frankf. 1881—83); Faligan, His-
toire de la lögende de F. (Bar. 1888); el, Zus
jammenitellung der —A (2. Aufl. Oldenb.
1885); Kieſewetter, F. in Geſchichte und Tradition
(2p3. 1898).
aufta, Flavia Marimiana, Tochter des röm.
Kaiſers Marimianus und der Syrierin Eutropia,
war jeit 307 mit Konftantin d, Gr, vermäblt, dem fie
die jpätern Kaiſer Konſtantin II. Conſtantius II. und
Eonitans und mehrere Töchter gebar. (S. Erifpus.)
ea Spiel, ſ. Bo. 17.
Fäuſtel, ein beim Bergbau verwendeter Heiner
Hammer (j. Tertfigur 7 u.8 beim Artikel Bergbau).
aufthbandichube, ſ. Kampfhandſchuhe.
auſthuhn, ſ. Steppenhuhn.
auſtin J., Pruſidentund ipäterflaifer von Haiti,
ſ. Soulouque.
Fauftina, Name 1) der 141 n. Chr. geſtorbe⸗
nen Gemahlin des röm. Kaiſers Antoninus Pius,
2) ihrer 175 geitorbenen Tochter, die mit dem Nach⸗
—* des Antoninus Pius, mit Marcus Aurelius
ntoninus vermäblt, wegen ibres fittenlofen Lebens
berüdhtigt war. Zu ihrem Andenten wurden Stif:
tungen für arme Mädchen, die puellae alimentaria
Faustinianae genannt wurden, gemadt.
Fauſtkampf (ariech. pygmö; lat. pugilatus), eine
der gymnajtifchen libungen ver Alten. Um die Hand
trugen die Kämpfer Riemen aus Rindsleder (Cästus,
ſ. d). Mebrere plaftiihe Darftellungen von Fauſt⸗
tämpfern baben fih aus dem Aitertume erhalten.
Uber den modernen %. |. Boren.
Fäuftle, Joh. Nepomuf von, bayr. Staats:
mann, geb. 28. Dez. 1828 in Augsburg, ftudierte
in Münden Rechtswiſſenſchaft, wurde 1857 Aſſeſſor
am Kreis⸗ und Stadtgericht Augsburg, 1858 Nat
am Bezirtögeriht Donauwörth, 1860 Aſſeſſor am
Appellationsgeriht für Schwaben, im Juli 1862
bei der Neorganijation der gefamten * Juſtiz⸗
verwaltung Vorſtand des Stadtgerichts Munchen,
1864 Aſſeſſor und Referent im Juſtizminiſterium,
1868 unter Fortdauer feiner Verwendung im Mini:
jterium Oberappellationsgerichtärat, 1870 Mini:
iterialrat und im Aug. 1871 an Stelle von Zus
Juftizminifter. In diefer Stellung fand F. vie
reichite Gelegenheit, fein hervorragendes organi:
ſatoriſches Talent zu verwerten, fo beſonders bei
der Einführung der norddeutſchen Bundesgeiehe
als Reichägefege in Bayern, der Vorbereitung und
Durbführung der neueiten Geſeßgebung, insbe:
ſondere der neuen Reichsjuſtizgeſehe, bei den Ber:
andlungen des Bundesrats, bei der Ausgeftal:
tung der fpeciellen bayr. Yuftizgeießgebung, den
vielfahen Reformen der innern und Finanzver⸗
waltungsgejeße und der praltiihen Durchführung
derielben, der Reform der Strafanftalten u. f. w.
1875—81 war F. aub Mitglied der bayr. Abge:
ordnetentammer als liberaler Vertreter des Bezirks
Kempten. Er jtarb 17, April 1887 in Münden.
Fauftleier, foviel wie Drebbobrer (f. Bobrer
nebit Zertfig. 12).
492
Fauftmann, Martin, Foritmann, geb. 19. Febr.
1822 in Gießen, ftudierte dafelbft feit 1841 Theo:
logie, dann Forſtwiſſenſchaft. 1857 wurde ihm
die Verwaltung der Überföriterei Dudenhofen mit
Wohnung in Babenhaufen übertragen, wo er
1. Febr. 1876 ftarb. F. mar nder eines
Spiegelbypjometers zur Meflung der Baumböben.
Beſonderes Verdienſt erwarb er fich durch Loſung
von Aufgaben der Waldwertrechnung; fo veröffent⸗
lihte er in der «Allgemeinen Forſt- und Jagd:
zeitung» (Frankf. 1849) «Berehnung des Wertes,
weldyen Waldboden ſowie noch nicht haubare Holz:
beitände für die Walpwirtichaft befiken». Die darin
entwidelten Örundjäpebaben pie Waldwertrechnung
mit gr der Formeln für Bodenerwartungsmwert
und Beitandslojtenwert in neue Babnen gelentt,
fie barmonieren auch mit der von Preßler bald dar:
auf begründeten ſog. foritlihen Reinertragslehre.
Aud die Jahrgänge 1853, 1854, 1855, 1865 der:
elben Zeitung enthalten wichtige, foritmatbem.
bbandlungen F.s.
Fauftpfand (im djterr. Recht Handpfand,
lat. pignus), die Gejtalt des Pfandrechts (f. d.), bei
der die Pfandſache fih im Beſitze des Gläubigers
befindet, im Gegenfaß zur H — (f. d.), bei der
der Öläubiger ven Befik der and ade nicht erhält.
Während im röm. Recht F. wie Hupotbel ſowohl
an Grundftüden ald auch an beweglichen Saden
mögli war, gebt die Tendenz der modernen Rechte
dahın, ald Immobiliarpfandrecht nur die Hypothek,
ala Mobiliarpfandredt nur das F. anzuerlennen.
* letzterer Beziehung iſt für Deutſchland von be:
onderm Einfluſſe geweſen, daß die Reichslonkurs⸗
ordnung vom 10. Febr. 1877 im Konkurſe nur dem
8: an beweglihen Saden eine Wirkung zuſprach.
ierdurch wurde die Bartitulargefehgebung veran:
laßt, die Mobilienbypotbel, wo jie noch beitand, zu
bejeitigen. Doch gab es im einzelnen noch immer
mancherlei Berjchiedenheiten ; jo genügte vielfach zur
Beitellung des F. die Übergabe nicht, ſondern e3
war, wie noch heute im Code civil (Art. 2074) bei
Sachen von mehr als 150 Irs. Wert, Aufnahme
einer öffentlihen Urkunde erforderlich.
Das heutige deutſche Reichsrecht bezeichnet das F.
als das Pfandrecht an beweglichen Sachen ſchlechthin
und vermeidet den Ausdruck F. außer in 8. 804 der
Givilprozeporbmung. Nach dem Deutichen Bürgerl.
Geſetzbuch entftebt das Pfandrecht an einer beweg⸗
lihen Sache dadurch, daß fie der —— dem
Gläubiger übergiebt, und beide darüber einig find,
daß lekterm das Pfandrecht daran zufteben fol
($. 1205); unter Übergabe ift die förperliche liber:
* zu verſtehen, doch genügt auch die ſog. tra-
itio brevi manu, d. b. wenn der Gläubiger ſich
bereits im Befise der Pfandſache befindet, bedarf es
zur Pfandbeftellung nur der Einigung. Ferner ge:
nügt es auch, wenn der Eigentümer, der nur mittels
barer Befiger ift (und das ift der Fall, wenn ein
anderer fie auf Grund eines Niekbraubs, eines
Pacht⸗ oder eines Hinterlegungsvertragd oder dergl.
in Händen bat), dem Gläubiger, unter gleichzeitiger
Benachrichtigung des unmittelbaren Befikerd von
der VBerpfändung, den mittelbaren Beſitz überträgt,
endlich genügt auch die Einräumung des Mitbefikes,
menn nur die Sade unter den Mitverichluß des
Hläubigers kommt oder, im Falle mittelbaren Bes
figes, der unmittelbare Beſitzer fie dem Gigentümer
und Pfandgläubiger nur gemeinſchaftlich beraus:
neben darf 3 1206). Unzuläffig ift dagegen die Be:
Fauftmann — Fauſtpfand
ftellung durch constitutum — d.b. in
der Weiſe, daß die Sache im Beſitze des Verpfänders
verbleibt und dieſer ſie nunmebr als Stellvertreter
des Gläubigers befißen will. Genau jo wie an
beweglihen Sachen wird das Pfandrecht an In:
baberpapieren beitellt ($. 1293), bei ſolchen Bapieren
aber, die durch Indoſſament übertragen werben, ift
außerdem vorhergehende Indoſſierung notwendig
.1292); auf die zu einem papiere gebörenven
ind:, Renten: oder Gewinnanteilſcheine erftredt
ih das Pfandrecht nur, wenn dieje auch mit über:
geben worden find ($. 1296). Die lörperliche fiber:
abe kann aud durch Übergabe eines fog. Dispo-
itionspapiers, wie 3. B. eines Lagerſcheins, fton-
nofjements, erfeht werben (Handelsgeſetzb. 88. 424,
, 647). — Auf den gutgläubigen Erwerb des
Pfandrechts vom Nicdhteigentümer finden die Bor:
ſchriften über den gutgläubigen Eigentumsermwerb
(f. Bona fides) entſprechende Anwendung.
Ein F. kann aud an Rechten bejtellt werben. Ala
ice fommen vor allem das Pfandrecht an der dem
fandgeber ala F. gegebenen Sade eines Dritten
j. Aiterpfand) und das Forderungsrecht (j. d.) in
etracht. Someit ein Recht nicht übertragbar ift,
wie nach Bürgerl. Gejesb. $. 1059 der Niekbraud,
fann aud fein F. an dem Rechte beftellt werden
($. 1274). Nah dem Bürgerl. Geſetzbuch erfolgt
die rer, des Pfandrechts an einem Rechte nach
den für die —— des Rechts geltenden Bor:
ſchriften. Iſt zur lübertragung des Rechts die Liber:
gabe der Sache erforderlich, ſo finden die oben F
nannten 88. 1205, 1206 Anwendung ($.1274). Die
ag Bi Forderung, zu deren fiber:
tragung der Abtretungdvertrag gang: ($. 398) ift
jedoch nur wirlſam, wenn der Gläubiger fie Dem
Schuldner anzeigt ($. 1280). Die Folge der Ver:
pfändung ber Forderung ift, daß der Schuldner
nur an den Pfandgläubiger und den Gläubiger ge
meinſchaftlich leiften und jeder von diefen verlangen
tann, daß an fie gemeinſchaftlich geleiftet werde. Zur
Abtretung einer Hypotbelforberung genügt die form:
Iofe Abtretungsdvereinbarung nicht; hierzu bedarf es
der ———— in ſchriftlicher Fotm oder
der Eintragung in das Grundbuch und ber Ubergabe
des Hypothekenbriefs (8.1154). Alfo muß auc die
Verpfändungder Hypothefforderung ſchriſilich (Durch
Eintragung) und unter Übergabe des Hypotbefen-
brief geſchehen, andererjeitö bedarf e# feiner Ans
aeige an den Schuldner.
ie ihm zum Pfand übergebene Sache bat ver
Pfandgläubiger orbnungsmäßig — verwahren und
nad Tilgung der Schuld an den Verpfänder zurück⸗
zugeben. Für den infolge feiner Fabrläffigkeit ein»
getretenen Verluft oder die —— baftet er
auf Erjag. Er darf bie werpfändete e nicht
nußen, wenn ibm dies Recht nicht eingeräumt tft.
Anders bei von Natur frudttragenden Sachen, die
ibm zum Alleinbefig übergeben find. Hier ift der
Piandgläubiger im Zweifel zum Fruchtbezug be
rechtigt. Stebt ihm das Recht, die Nubungen zu
zieben, zu, fo ift er aber aud, wenn nichts anderes
vereinbart wird, verpflichtet, für die Gewinnung
derjeben zu forgen und Rechenſchaft zu legen, fo:
mie den Weinertrag auf die Schuld und zwar zu:
nächſt auf Koſten und Zinfenanzurechnen (88.1213 fg
und 1223). (S. Nugungspfand.)
Das Pfandrecht erliicht zugleih mit der Forde⸗
rung, für die es beftellt ift, ferner wenn der Pfand⸗
aläubiger die Sadbe dem Eigentümer zurüdgiebt,
Fauſtrecht
wobei ein Vorbehalt der Fortdauer des Pfandrechts
unwirtſam iſt, endlich durch einſeitige Aufgabe
ellärung des Pfandglaͤubigers gegenüber dem Ber:
Mänder (88. 1252 fg.). Unfreimilliger Befisverluft
berührt das Beftehen des Pfandrechts nicht. ,
Für die Verwertung ded Pfandes kommen brei
verihiedene Syſteme vor. Entweder ift der Verkauf,
wenn der Schuldner bei Berfall nicht zahlt, im Wege
der Zwangsvollſtreckung, aljo Dean nad) vor:
gängiger Klage und Verurteilung, herbeizuführen
(jo 3. 2. = Oſterr. Bürgerl. —— $. 461),
ober er erfolgt auf gerichtliche Verkaufsermächti⸗
gung (Code civil 2078), oder es bedarf weder bes
einen noch de3 andern, es findet aljo reiner Privat:
verfauf ftatt, jedoch in einem im — des Ver⸗
—— eßlich geordneten Verfahren, ohne daß
dem Gläubiger dabei verboten wäre, den Weg
der Zwangsvollitredung ——
Dies iſt auch das Syſtem des Bürgerl. Geſetzb.
88. 1233 fg. Hiernach muß der Berfaut dem Eigen:
tümer regelmäßig zunächſt vorber angebroht und
dabei der Gelpbetrag bezeichnet werben, wegen deſſen
der Bertauf ftattfinden jol. Dem Eigentümer ift jo
Gelegenbeit gegeben, —* Einlöfungsreht auszu:
üben. Der Verkauf jelbft darf in der Regel der An:
drobung nit vor Ablauf eined Monats folgen
und bat im Mege öffentlicher Berfteigerung zu er:
folgen. Bei Bändern mit Markt: oder Börjen:
preis ift Verlauf aus freier Hand durch einen Kurs:
malfler ———— $. 34) oder eine zur Öffentlichen
Berfteigerung gte Berjon zum laufenden Preife
ftattbaft. Die er ag bat der Regel nad
an dem zu erfolgen, mo das Pfand aufbewahrt
wird. Zeit und Ort find öffentlich befannt zu machen,
Eigentümer und Dritte an dem Pfand Berechtigte
bejonders zu benadhridtigen. Der Kaufpreis iſt
bar zu entrihten. Bon dem Verkauf und feinem
Ergebnis ift der Eigentümer, wenn thunlich, und
war unverzüglih zu benadrichtigen. Etwaiger
Überjauß (hyperocha) ift dem Berpfänder heraus:
use * Teil kann, wenn es nach billigem
eſſen ſeinen Bang ler entipriht, eine Alb:
weichung von dieſen Vorjhriften verlangen, nur
nicht von der über vorgebende Androhung und Frift.
Außerdem können Abweihungen vereinbart wer:
den von beftimmten Vorfchriften, insbefondere von
der über öffentliche Verfteigerung, aber erft nad
Eintritt der Verkaufsberechtigung, d. b. erſt nad
gänzlihem oder teilmeilem Fälligwerden der For:
derung ($$. 1245 u. 1228). Eine vor dem Eintritt
der Verkaufsberechtigung getroffene Vereinbarung,
nad mwelder dem Vfandgläubiger, falls er nicht
oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das Eigentum
an dem F. zujallen oder —— werden ſoll, iſt
35 1229 u. 1277). — Aus einem verpfän:
beten Rechte lann der Biandaläubiger Befriedigung
nur auf Grund eines vollitredbaren Titels im Wege
ber Zwangsvollſtredung juchen, ed müßte denn eine
andere Art der Veräußerung vereinbart werben
1277). Für die Beirienigung aus verpfändeten
gen geitattet das Bürgerl. Geſetzbuch dem
fäubiger ſowohl die außergerichtlibe Ein-
wie den Weg der Zmangsvo!litredung, der
nad Öjterr. Bürgerl. Geſetzbuch und Code civil allein
Im Konkurje verleiht ein Pfandrebt an einem
zur Kontursmafje gebörigen Gegenftande ein Recht
auf Abgejonderte Befriedigung (f. d.; Konkursord:
nung 8.48). Die übrigen Sondervorſchriften des
493
—— Relchslonkursrechts über das F. ſind auf:
gehoben.
Ko das handelsrechtliche Pfandrecht gelten im
weſentlichen bie Vorichriften des bürgerlihen Rechte.
Nur erftredt fich der gute Glaube beim Erwerb vom
Nichteigentümer auch auf das Verfügungsrecht, nicht
nur auf das Eigentum des Verpfänders (Handels:
geießb. $. 366). Weiter beiteht eine Abweichung
IS die Beurteilung des guten Glaubens gejtob:
ener oder verlorener {nbaberpapiere (8.367; |. Bona
fides), endlich beträgt die Androhungsfriſt für den
Pfandvertauf nur eine Woche ($. 368).
Die im Vorftehenden entwidelten Rechtsfäge gel:
ten unmittelbar nur für das durch Rechtsgeſchäft
beftellte Pfandrecht, finden aber entſprechende An—
wendung auf gejesliche (Bürgerl. Gejekb. $. 1257)
und auf im Mege der a ET erwirkte
Pfandrechte (Eivilprogekorbnung $. 804).
An einem im St ihr Inder eingetragenen Schiffe
— Faute
ift ein Pfandrecht nicht in der Form des F., ſondern
als eine Art Hypothel durch Eintragung des Pfand:
rechts ins — zu beſtellen Bar erl. Ge:
ſetzb. 1259 fg.; Geſetz über die freiwillige Ge:
richtsbarkeit 88. 100 fg.).
Fauftrecht (Jus manuarium), ein erft in neuerer
Zeit aufgelommener Ausprud für einen Zuftand, in
welchem es an einem öffentlichen Rechtsſchutz gänz⸗
lich fehlt und wo deshalb niemand mehr Recht er:
ält, ala er ſich durch eigene Kraft und Gemalt ver:
haffen fann. Ein folder Zustand beftand nament:
ih in Deutichland zur Zei
' .d.). Das F. war ein Mi
Fehde).
auſtriemen hrsg dragonne), ein am Bügel
der Hiebwaffe befeftigter Riemen, der, um das Hand»
get des Neiterd gefchlungen und mitteld eines
chiebers befeftigt, verhindern foll, daß die Waffe im
Handgemenge dem Reiter entfällt; auch erlaubt fie
diefem von ſeiner Feuerwaffe Gebrauch zu maden,
ohne die Hiebwaffe vorher in die Scheibe fteden IM
müfjen. In vielen Heeren dient der mit Troddeln
verichiedener Farben verjehene F. zugleich als Ab:
zeihen gewiſſer Formationseinheiten. In letzterm
Sinne fommt ber F. unter dem Namen Säbel:
trodbdel (f.d.)auch beider Infanterie vor. Der F. der
Dffiziere und einiger Unteroffizierklaffen ift in den
meijten Heeren von Silber: oder Goldgefleht und
wird Bortepse (f. d.) genannt.
—A— Tariſche.
aufts Höllenzwang, ſchwarzer Rabe,
roßer und — — eergeiſt, Mira—
ulkunſt und Wunderbuch u. ſ. w., Titel einer
Reihe alberner Zauberbücher, die ihre meiſt ſinn—
loſen Beſchwörungsformeln («Charaktere») dadurch
empfehlen wollen, daß fie ven Schwarzkunſtler Fauſt
.d.) alö deren Verfaffer und Benußer auögeben.
inige deutſche drudt Scheibles «Klofter», Bd. 2
und 5 (Stuttg. 1846—47), ab. Ein handſchrift—
lihes Exemplar mit Zubehör, d. b. einem fog. Erd»
fpiegel und Streifen aus Jungfernpergament (von
ganz jungen Böden), befindet fi im Welfenmufeum
zu Hannover. j
Fanftülus, in der röm. Sage der Hirt, der die
am Tiber ausgejebten Zmwillingsbrüder Romulus
und Remus —* (f. Acca Larentia).
Faute (frz., Ipr: tobt), Fehler, Verjeben; Schuld;
adjektiviih: aus Mangel; F. d’argent (fpr. dar:
ſchäng), aus Mangel an Geld; F. de mieux (fpr.
midb), in Ermangelung eines Befjern.
eit ded Interregnums
brauch des Fehderechts
494
Fauteuil (ar fpr. fotöj, aus dem mittellat. fal-
distolium, ſ. Faltſtuhl), Armſeſſel, Lehnſtuhl, meijt
gepolſtert; er Präfidentenftuphl.
acht
im Seefrachtgeſchäft derjenige Teil der bevunges
nen Fracht, welchen der Verfrachter zu fordern be
rechtigt ift, wenn der Befrachter, die vertragsmäßige
Lieferung der Ladung unterlajfend, vom Frachtver⸗
trage zurüdtritt. Nach allgemeinen Rehtögrund:
fägen müßte in folhem alle der Befradhter dem
Verfrachter die ganze — t zu zahlen
haben unter Abzug der vom Verfrachter während
der fraglihen Zeit etwa anderweitig verdienten
Fracht. Im Snreile des Handel3 aber, um den
aufmann in feinen Spekulationen nicht zu ER u
beengen, bat ji der Grundſatz Geltung verf aflı,
daß der Befrachter, wenn er vor Antritt der Reife
den Fractvertrag kündigt, nur einen Teil der Fracht
zu entrichten habe. Diejer Grundfag ift in den
meiften neuern — freilich mit Abwei⸗
chungen über den Zeitpunft, bis zu welchem der Be⸗
achter den Rüdtritt erklären — angenommen.
bweichend insbeſondere das engl. Recht, welches
ein Rüdtrittörecht des Befrachters gegen Zahlung
einer geſeßlich feſtgeſeßten Entſchädigung nicht an:
ertennt, fondern im einzelnen Falle die Höbe der
Entfhädigung unter Berüdfichtigung der Umſtände
des Falles feftitellen läßt, wobei principiell der Scha:
den dem Betrage der Fracht abzüglich der Unkoſten
der Reife und eines etwaigen andermeitigen Fracht:
verdienftes gleichgejtellt wird. Nach dem Deutſchen
Handelsgefehbud kann bei Verfrahtung des gan-
zen Schiff der Befrachter vor Antritt der Be
von dem Vertrage zurüdtreten unter der Verpflich—
tung, die Hälfte der bedungenen Fracht als 5. zu
zahlen. Die Reife gilt fhon dann als angetreten,
wenn der Befrachter ven Schiffer abgefertigt bat,
oder wenn er die Ladung bereit3 ganz oder zum
Teil geliefert bat und die Wartezeit verjtrichen ift.
Nachdem die Reife angetreten iſt, kann der Befrach—
ter nur gegen Berichtigung der vollen Fracht jowie
der —2 Forderungen des Verfrachters vom
Vertrage zurüdtreten und Wiederausladung der
Güter verlangen. Nur dann kann der Befrächter
ſich jtatt Zahlung der vollen Fracht durch Zahlung
von zwei Dritteln derjelben als F. befreien, menn das
Schiff zugleich Ba Nüdladung verfrachtet war und
der Nüdtritt vor Antritt der Rückreiſe erflärt wird,
oder wenn das Schiff bebufs Einnahme der Ladung
nah einem andern Hafen fegeln mußte und der
Nüdtritt vor Antritt der Reiſe aus diefem Abla-
dungshafen erllärt wird. Auf die F. wird die Fracht,
weis der Verfrachter anderweitig verdient, w.
abgerechnet. Nur bei zufammengejeßten Reifen joll,
wenn der Rüdtritt vor Antritt des legten Reife:
abſchnittes erklärt ift, für andermeitigen Frachtver—
dienjt unter Umftänden eine angemefjene Quote von
ver vollen Fracht in Abzug gebracht werden. Wenn
der Frachtvertrag nicht das ganze Schiff, fondern
einen verbältnismäßigen Teil oder beftimmten Raum
desjelben oder den Transport von Stüdgütern zum
Gegenitande hat, jo muß der zurüdtretende Befradh:
ter regelmäßig die volle Fracht bezahlen. Es kommt
jedoch von derfelben die Fracht für diejenigen Güter
in Abzug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht
gelieferten angenommen bat (Deutiches Handels:
gie. 88. 580—589). Die Grundgedanten diefer
ejtimmungen find durch Reichögeje vom 15. Juni
1895 auch auf den Frachtvertrag der Binnenſchiff⸗
fr3. fautede fret, mangels Fracht»), | F. delicti, ya eines
Fauteuil — Favart (Charles Simon)
—— übertragen worden ($$. 36 I: Die F. vor
ntritt der Reife beträgt bier ein Drittel.
Fautor (lat.), Gönner, — ehr Beförderer;
erbrechens.
Fauvel (ſpr. fowell), Sulpice Antoine, er
Mediziner, geb. 1813 in Paris, ftubierte dajelbft,
mwurbe 1847 Sanität3beamter in Ronftantinopel,
1848 Mitglied des türk. Reichsſanitätsrats, Lehrte
1866 nah Paris zurüd und wurde bier General:
infpeftor des franz. Sanitätömwejend. Er ftarb als
Vicepräfident der Alademie der Medizin 5. Nov.
1884. F. bat ſich bejonderd um die Epidemiologie
verdient — Seine Arbeiten über die orient.
Bet, dieCholera und Tuphus waren epochemachend;
die Quarantänevorſchriften der meisten Staaten find
nad feinen Vorſchlägen verfaßt. Seine Hauptar:
beiten find: «Le cholera, etiologie et prophylaxie»
(Bar. 1868), «Rapports sur l’organisation du ser-
vice des quarantaines en Turquie» (ebd. 1873)
und «Röglement général de police sanitaire ma-
ritime» (ebd. 1876).
Faux (fr;., ſpr. fob), falſch, unecht, nachgemacht;
faux bourdon (fpr. burdöng), ſ. Falso bordone;
faux ménage (fpr. 4 ‚ wilde Ebe; ſaux pas
(pr. pa), Fehltritt, Verfeben; faux titre (fpr. titr),
chmutztitel. (S. auch Fausse.) F. incident civil
ift im franz. Eivilprozeß das Verfahren, in welchem
egen eine Öffentlibe Urkunde der Beweis der
Hälihung eführt wird, beginnend mit einer Er:
lärung auf der Geridhtsfchreiberei (inscription en
faux); F.criminel, ftrafredhtlihes Verfahren wegen
Urkundenfälfhung. i f
avära, Stadt in ber ital. Provinz und im
-Kreis Girgenti auf Sicilien, 10 km im D. von
Girgenti und 15 km vom Meere, in 325m Höbe, bat
(1901) 20398 €., an dem Hauptplage ein Schloß der
im 14. Jahrh. politifch bedeutenden Familie Ebiara-
monte; Bergbau auf Schwefel, Nlaunund TZurmalin,
Marmorbrüde und Handel mit Südfrüchten.
Faväro, Antonio, ital. Mathematiter, geb.
21. Mai 1847 zu Padua, ftudierte dajelbjt, im
Turin und Zürih Mathematik und Mechanik. Er
wurde 1870 Docent und 1872 Profeſſor der Mathe⸗
matik an der Univerfität feiner Vaterſtadt. Unter
einen jehr zahlreihen Schriften find die bedeutend:
ten: «La statica grafica nell’insegnamento tec-
nico superiore» (Bened. 1873), «Lezioni di statica
grafica» (ebd. 1873; 2. Aufl. 1877), «Inedita Gali-
leiana» (ebd. 1880), «Galileo Galilei e lo studio di
Padova» (2 Bar. ‚Nor 1882), «Seritti inediti di
Galileo Galilei» (Rom 1884), «Miscellanea Gali-
leiana inedita» (Vened. 1887), «Nuovi studi Gali-
leiani» (ebd, 1891), «Galileo Galilei e suor Maria
Celeste» (Flor. 1891), «Vent’anni di studi Gali-
leiani» (ebd. 1896). Die Herausgabe der National:
ausgabe der Werte Galileis ift 5. anvertraut,
avart (ipr. -wabr), Charles Simon, franz.
Opern: und Zujtipielbichter, geb. 13. Nov. 1710 zu
Paris, gewann ſehr hung, durch fein Gedicht «La
France delivr&e par la Pucelle d’Orlö&ans» einen
Preis bei den Jeux floraux, und ſchrieb jeit 1734 für
die franz. komiſche Oper (Thöätre de la Foire). 1745
beiratete er eine Sängerin diejes Theaters, die
jelbjt einige Stüde, 3. B. «Annette et Lubin»,
verfaßt haben fol. Ste wurde gemöbnlih «La pe-
tite Chantilly» genannt und bieß eigentlib Marie
Juftine Benedicte Duronceray,geb. 15. Juni
1727 zu Avignon. Bon ihr war der erjie Berjud
ausgegangen, Soubretten und Landmädchen in dem
Favart (Marie) — Favre (Gabriel Claude Jules)
vielen Rollen en Koſtum zu fpielen.
Als die komische Oper 1745—52 ſich auf die Auf
übrung von Ballettpantomimen eingeihräntt jab,
ibenabm 5. die Direktion der ———
welche der Marſchall von Sachſen auf ſeinen Feld⸗
ügen nach Flandern mit fi führte. Später wurde
die grau Mitglied der Jtalieniichen Oper, während F.
ſeit 1752 die glänzend erneuerte fomijche Oper der
Foire Saint - Laurent leitete und in ihr gute Sitte,
Geibmad und feinen Scherz einführte. Unter feinen
Stüden, die meijt auf dem Lande fpielen und ver:
fünftelt naive Bauern und Bäuerinnen vorführen,
find die ausgezeichnetften «La chercheuse d’esprit»
(1741), das erjte Stüd, das F. druden ließ, «Le coq
du village», «La fille mal gard&e» und «Ninetteä la
cour», wonad Eh. %. Weiße jein «Lottchen am Hofe»
dichtete. Seine beite Komödie war «L’Anglais à
Bordeaux». Seine Gattin ftarb 22. April 1772, er
jelbft 12. Mai 1792, 5.8 und feiner Gattin Werte
erſchienen gefammelt als «Theätre de monsieur et
madame F.» (10 Bde. Bar. 1763 — 72). Ferner
«Theöätre choisi» (3 Boe., Par. 1810), «CEuvres
choisies» (3 Bde., ebd. 1813). Bon Wichtigkeit find
feine «Mömoires et correspondance litteraires »
(3 Boe., Bar. 1808).
Beider Sohn, Charles Nicolas F., neb. 1749,
geſt. 1. Febr. 1806, bat ebenfalls einige Stüde ge:
\chrieben, war jedoch mehr als Sänger auf dem
ital. Theater denn ald Dichter ausgezeichnet.
Favart (jpr.-wabr), Marie, eigentlih Bierette
Sanace PBingaud, franı. Scaufpielerin, geb.
16. Febr. 1833 zu Beaune, bildete jih auf dem Kon:
jervatorium zu Baris und debütierte 1848 auf der
Bübne des Thöätre frangais, dem fie jeitbem (mit
Ausnahme einiger Monate, während deren fie auf
ven Varietes fpielte) ununterbrodhen bis 1881 als
eins der gefeiertiten Mitglieder angehörte. Seit
1854 ift fie Societaire des Theaters. Durch An:
mut und Vornebmbeit fich auszeichnend, fpielte fie
bauptfählich tragiiche Rollen des alten Spiclplans
neben modernen Partien, wie Dona Sol, Marion
Delorme u. ſ. w. Sie verbeiratete jih mit dem
Schauſpieler Louis Arjöne Delaunay (f. d.).
Faventinus, Divomus, Pſeudonym für Me:
landtbon (if. d.).
eriham (ipr. fäww'rſchämm), Stadt in der
engl. Grafſchaft Kent, an einer Heinen Bucht der
Rordlüfte, 14 km im WNW. von Canterbury, an
ben Pinien Sondon:Dover und F. Margate, bat
(1901) 11 290 €., eine jtattlihe Pfarrkirche mit alten
Skulpturen, Scifibau, Ziegeleien, Auiternfang
und dient als Hafen für das Stourthal, Die Haupt:
einfubr bejtebt aus Baubolz; und Kohlen, vie Aus:
fubr aus Hopfen und landwirtfhaftlihen Erzeug:
niffen. Die eigene Flotte zäblt (1899) 226 Yabr:
zeuge. In der Näbe Wulverfabriten. Von der
berübmten Abtei mit den Gräbern Stepbans von
Blois und feiner Gemahlin ift faft nichts erbalten.
Favöte lingüis (lat.), «bütet die Zungen!»
entbaltet euch unbeiliger Rede! dann überhaupt:
ihmeigt! Urjprünglic der Zuruf, welchen die röm.
Brieiter bei Beginn des Dpfers an die Anmwejenden
zu richten pflegten.
Faveur (frz., ipr. wöhr), Gunft, Gewogenbeit.
Favierd Sprengmittel, j. Erplofivitoite 2, jo:
wie Sicherbeitsiprengitofie.
ignana (ipr. -winjahna), die größte der
Agadiſchen Inſeln (1. d.).
Fabn, dän. Längenmas, ſ. Faden
495
Favonius, bei den alten Römern Name des
ig eg entiprechend dein Zepbyros (f. d.)
der Griechen. (S. Föhn.)
unjt, Begünfti
Favor (lat.), ; F. defen-
siönis, im Sriminalprogeß die Begünftigungen,
welche dem Angeihuldigten zu jeiner Verteidigung
au tommen, 3. B. daß ihm immer das ẽ
ort gebührt, daß er feinen Verteidiger frei wählen
darf u. a.; in favörem, zu Guniten; fav oräbel,
günftig, geneigt; favoriſieren, begünitigen,
Favorabiles oausae (lat.), Bntige Rechts⸗
fälle, die von der Geſetzgebun — evorzug⸗
ten Rechtsverhaliniſe oder Rechtsgeſchäfte, als eine
zweideutige Erklärung im Zweifel günſtig ausgelegt
wird. Das waren im röm. Recht die Freilaſſung,
die Dos (ſ. Dotalſyſtem und Mitgift) au Gunſten
der Frau, letztwillige Anordnungen, welche eher zu
Gunſten des Bedachten, vor allem zur Aufredht:
baltung der eg ausgelegt werden follten.
reg aus Arelate (Arles), grieh. So:
phiſt, Schüler von Dio Ehryfjoftomus, ein Freund
von Plutar und Fronto, verfaßte um 120 n. Chr.
mebrere philoſ. und biftor. Schriften, inäbefondere
ein ausführliches Werk u.d.T, « Pantodapö hyl&»,
morin er eine große Menge encytlopäd. Willens
zufammentrug. Eine Sammlung der Fragmente
diefer und zweier anderer Schriften des F. findet
jih im dritten Bande der «F enta historico-
rum Graecorum», bg. von C. Müller (Par. 1849).
— Val. Maaß und von — in den «Philol.
———— Heft 3 u. 4 (Berl. 1880).
Favorit (ital. favorito; frz. favori), Günftling,
Liebling; Beet Favoritin, inöbejondere
ertlärte Geliebte eines Fürſten ( Favoritſultanin).
a
avorite, Luftihloß bei Raltatt (f. d.).
aboriten, Bezirt von Wien (f. d.).
aboritfultan
diejenige unter den Kabinen
( d.), die fich der befondern Bevorzugung, ihres
ebieters erfreute. Sie erhielt den Titel Haſſeki
und hatte oft großen Run Sole Bevo u
at indeilen unter Abd ul-Hamid II. —* Ört.
enTitel Sultanin führen rechtmäßig nurdiejenigen
Baum, die felbjt kaiferl. Abkunft find, und Die
abine, deren Sohn den odman. Thron bejtiegen
bat. Sie wird dann Walideb Sultan, d.h. Sul⸗
tanin: Mutter, genannt (f. Waliveb).
avdofitiden, f. Tabulaten.
avras (jpr. -wrab), Thomas, Marquis, Graf
de Mahy, geb. 26. März 1744 zu Orleans, ging ala
Zeutnant in der Schweizergarde 1787 nad Hol:
land, wo er eine Pegion der «Patrioten» lomman⸗
dierte. Nah Paris zurüdgelehrt, verwidelte er ſich
in eine fonterrevolutionäre Verſchwörung, die auf
die Aufhebung der konftitutionellen Gejeße und die
Entführung des Königs nad Peronne abzielte. Der
Anſchlag ward entdedt und F. im Dez. 1789 des Hod
verrats ——8 erklärt und 19. Febr. 1790 gehängt.
Bald nach ſeinem Tode erſchien ſein «Testament de
mort» (Par. 1790) und die «Correspondance du
Marquis et de la Marquise de F. pendant leur
detention» (ebd. 1790). — Bol. Stillfried-Ratenic,
Thomas de Mahy, Marquis de F. (Wien 1851).
Favre (jpr. jahr), Gabriel Elaude Jules, franz.
sauer, geb. 21. März 1809 zu Lyon, Sohn eines
aufmanns, ftubierte in van die Rechte, erwarb
jih dann als Advokat in Won bald eine angejebene
Stellung und fam 1835 nach Paris, wo er vor dem
Pairshofe die wegen des Lyoner Aufſtandes Anges
Hagten kräftig verteidigte. Beim Ausbrud der
496
bruarrevolution ernannte ibn Ledru⸗-Rollin 1848
zum Generaljetretär des Minifteriums des Innern,
und die offentliche Meinung bezeichnete ihn, wenn
aud nit als * en, wenigitens ala Inſpirator
des berüchtigten ulars, das den auberordent:
lichen Rommifjarien dittatorijche Gewalt in den
Provinzen übertrug, und des 16. Bulletin de la
Republique. Als Vertreter des Departements
Loire nahm er Anteil an den Arbeiten der Kon:
ftituierenden Berfammlung und gebörte bier zu den
Gemäßigten. Eine Zeit lang verjah er auch das
Amt eines Uinterftantäfefretäss des Außern. Nah
der Wahl des Präfidenten der Republil trat jedoch
in der Gejeggebenden Berfammlung feine demo:
fratifche Oppofition mehr hervor. Nach dem Staats⸗
ftreihe Napoleons (2. Dez. 1851), der ihn poli«
tiſch En legte, widmete er ſich ſechs Jahre lang
* abvoiaioriſchen Praxis. In Paris 1858 zum
Deputierten gewählt, war er Hauptmitglied der
antiimperialiftifchen Gruppe der berühmten «Fünf»
und nad feiner Wiedererwählung 1863— 68 das
wirflihe Haupt der demokratiſchen Oppofition und
mit Thiers der gefürchtetite Gegner Rouberd. Am
23, April 1868 wurde er an Couſins Stelle in die
—— Alademie aufgenommen,
In der Sitzung vom 15. Juli 1870, in der Olli—
vier meldete das die Regierun ibre Unterband:
lungen mit —— abbreche, erllärte F. den Krieg
für ungerechtfertigt und ſtimmte gegen ewilligunß
des Kriegskredits. In der Sitzung nachts vom 3.
auf den 4. Sept. beantragte 5 die Abjegung der
Napoleonifhen Dynaſtie, die Einf feßung einer Re:
gierung der Nationalverteidigung und die Beftäti-
gung des Generals Trochu ald Generalgouverneur
von Paris. Bei der Bildung der Regierun ber
nationalen Verteidigung übernabm %. das Porte:
jeuille des Minifterd der auswärtigen Angelegen:
heiten, Am 6. Sept. richtete er an die diplomat.
genten ein Rundjchreiben, in dem er Deutſchland
fürdie Fortfeßung deö Krieges verantwortlich machte,
und erklärte, daß Frankreich «feinen Zoll von feinem
Landeögebiet und leinen Stein von feinen Feftungen»
abtreten werde. Nach diejer Sprache ließ fich fein
Erſolg erwarten, ale bald darauf, 19. und
20, Sept., in Haute: aifon und Ferrieres mit
Biömard eine Jufammentunft batte, um jede Ge:
bietsabtretung für unannehmbar zu erflären und
nur eine Enthävigungsfumme anzubieten, Sein
Proteit vom 9. Jan. 1871 gegen die Beſchießung
von Paris und fein en n, an der Pontus:
Konferen — Vertreter anireich⸗ teilzunehmen
und das Ausland zu einer Intervention für
reich zu bewegen, hatten teinen Erfolg. Als die
Wirkungen der Einſchliehung von Paris in empfind⸗
lichſter Weiſe hervorzutreten begannen, mußte F., im
Auftrage der Brovilorifcen Hegierung, von neuem
Unterbandlungen mit dem deutichen Hauptquartier
in Berjailles anfnüpfen, wo er 28. Jan. 1871 die
Bedingungen der Kapitulation und den Abſchluß
eines Warfenftilftandes unterzeichnete. Dadurch,
daß er bei ein Verhandlungen ſich der Entwaff:
nung ber Barijer Nationalgarde widerjegte, machte
er bie militär. Organifation der Commune möglid.
Das Gambettafbe Proſkriptionsdekret vom
81. Jan. wurde von F. für ungültig erflärt. Bei den
Wablen 8. Febr. wurde F. von acht Departements
in die Nationalverfammlung abgeordnet. Thiers er:
nannte ibn, als er Chef der Exekutivgewalt —
war, zum Miniſier des Auswärtigen: als ſolcher
anl:
Favre (Louis) — Favretto
nahm F. teil an den Friedenspraͤliminarien in Ber:
jailles (26. Febr.) und unterzeichnete den definitiven
iedensvertrag in Frankfurt a. M. (10. Mai). Ins
olge der Debatten, die eine die Miederberitellung
des Kirchenſtaates be mwedende Petition der Bifchöte
veranlaßten, gab er jeine Entlajjung (22. Juli) und
Silit fi herein ſehr wenig an parlamentari:
ſchen Verhandlungen, wozu aud fompromittierende
—— — über ſein Familienleben beitrugen.
Bei den Wablen vom 30. Yan. 1876 wurde er im
Depart. Rböne zum Mitglieve des Senats ge
wählt. Er ſtarb 19. Yan. 1880 in Berjailles. Bisei
Verteidigungsichriiten in Bezug auf feine Amts:
führung find: «Rome et la Republique frangaise»
(Bar. 1871) und «Gouvernement de la defense na-
tionale» (3 Bde., ebd. 1871—75). Außerdem er:
fchien von ibm «Conferences et discours littöraires»
(Bar.1873). Seine Witwe gab feine «Discours
lementaires» (4 Bde., Bar. 1881), Maritain jeine
«Me&langes politi ues» (ebd. 1882) heraus.
Favre (ſpr. fahwr), Louis, Ingenieur und Bau:
— eb. 29. Jan. 1826 zu Chene⸗Bourg
bei Genf, bilbete fh in Srantreid) als Cifenbahns
ingenieur aus. Nachdem er ſich bei verfchiedenen
großen Bauten dur praltifhes Geſchid und Dr:
— hervorgethan, fiegte er 1872 bei
der Konkurrenz; um die bauung des Gotthard»
tunnel® und verpflichtete fich zur edge
felben in acht Jahren. Er führte das wer
mit Überwindung zahlreicher Schwierigteiten jeiner
Vollendung zu, erlag aber noch vor Eintritt des
Stolendurctchla & 19. Juli 1879 einem Schlag:
anfall im Tunnel ef. An Göſchenen ift ihm 1889
ein Denkmal errichtet worden. °
Favre (ſpr. fabwr), Peter, oder Lefevre, lat.
Faber, Witbegründer des Jejuitenordeng, geb. 1506
zu Villaret in avoyen, Klee feit 1527 zu ——
und wurde hier — (. d) als Repetitor
eben. Ihm und Fr. Xaver \ d.) machte diefer zuerfi
itteilung von feiner Abſicht Tan den zu =
den, und fie legten —— 15.4 ug. 1534 auf dem
Montmartre das rdensgelübde ab. 1537 ward F.
Lehrer der Theologie in Rom, darauf in Parma,
1540 wobnte er dem Religionsgeforäc zu Worms,
1541 dem Reichötag in Regensburg bei und wirfte
[tr Ausbreitung des Ordens in Deutſchland, begab
ih 1544 nad Spanien und gründete mebrere
Ordenshäuſer. Zur Teilnahme am Tridentiniichen
—— zurückberufen, ſtarb er 1. Aug. 1546 auf der
Reife in Barcelona. — Seine Lebensbeihreibung
Per: in der «Historia Societatis Jesu» von Nic,
rlandini, Bd. 1 (Rom 1615; beionderd gedrudt
Lyon 1617). Vol auch R. Cornely, Leben des jeligen
. 5. (Freib. i. Br. 1873).
Favretto, Giacomo, ital, Maler, geb. 12. A
1849 in Venedig, erbielt feine fünftleriiche Ausbil:
dung auf der dortigen Alademie unter Molamati
und 8. Blaad, Er tarb bereit 12. Juni 1887 in
Venedig. Die Motive zu feinen Bildern, die ſich
durd große Feinheit des Einzelnen, individuelle
Ebaralteriftit und lebendiges olorit auszeichnen,
wählte er mit Vorliebe aus dem venet. Voltsleben
des 18. und des 19. Jahrh. Zu feinen beiten
Bildern gebören: Vogelverkäuferin, Markt auf dem
Campo San Polo in Venedig, Strabe in Venedig,
Markt auf der Rialtobrüde, Ranalfäbre bei Santa
Margberita; ferner: Moderne Promenade (tönial.
Galerie zu Monza), Golvoni ſucht auf dem Mar-
tusplase Stoff für feine Luſtſpiele (Mündener
Favus — Fay (Andr.)
—— 1888), Venet. Bilderhaͤndler
(1893 für die Münchener Pinalothel angelauft).
Favus, Wabengrind oder Erbgrind (Tinea
farosa), eine bartnädige, zumeiſt bei unreinlihen
Berionen vortommende Krankheit der Haut, ind:
beiondere der bebaarten Kopfhaut, welche auf dem
Vorhandenſein parafitärer Pilze beruht. Ob allein
das 1839 von Schönlein entdedte Achorion Schön-
. leinii oder auch andere Pilzformen die Krantbeit
erzeugen können, iſt nod nicht mit abjoluter Sicher:
beit jeitgeitellt. Sich jelbit überlafjen zerftört der F.
durd ————— die umliegende Haut,
beſonders die Haarwurzeln, und erzeugt ſo dauernde
unbeilbare Kablbeit. Die Kranlheit charalteriſiert
ſich durch Heine rundlice, badjhüfjeljförmige, mode
rig riechende gelbe Borlen, die aus Pilzelemen:
ten beſtehen und bei ihrer Entfernung eine ge:
ſchwürige, leicht blutende, fpäter in ein dünnes
Narbengewebe übergehende Hautitelle zurüdlafien.
Der 5. wird häufiger bei jugendlichen als bei ältern
ndivibuen angetroffen; das Wohnen in unreinen,
euchten und jonjt gejundheitäwidrigen Räumen
fcheint die Entwidlung der Krankheit zu begünitigen.
F. findet ſich auch bei einzelnen Haustieren, zumal
hei ven Mäufen, Kaninchen und Haushühnern, und
tann durch direlte Berührung mit Yavuslranten
übertragen werden. Heilung iſt nur von einer mög:
licht frübzeitigen und energiſchen örtlihen Behand—
bung IM erwarten, wozu ſich ein der Entjernung
der orten und dergrö ten Neinlichleit insbejondere
Abreibungen mit Löfungen oder Salben von fog.
a er Mitteln, wie Quedfilberjublimat, Alto:
bol, Earbolfäure, Napbtbol, Byrogallusfäure, Teer,
E chmierjeife u.dgl., am beiten eignen. — Bol.
bardt, Der Erbgrind (Wien 1901). —
Fawcett (ipr. fahßẽt), Edgar, amerif, Dichter,
geb. 26. Mai 1847 zu Neuyork, ſtudierte am Colum-
bia College dafelbh und widmete fi dann litterar.
Ihätigleit. Nach mehrfachen Reifen in Europa ließ
er fich in London nieder, wo er 1. Mai 1904 ftarb,
Er fchrieb die Novellen «Purple and fine linen »
(Neuyort 1873), «Ellen Story» (1876), «A hopeless
case» (1880), «Rutherford» und «The adventures
of a widow» (1384), «Social silhouettes» (1885),
«The house at High Bridge» (1886), «Olivia Dela-
> (1888), «Solarion» (1889), «How a husband
orgave» (1890), «Women must weep» (1892), «An
beir to millions» (1893), «Her fair fame» (1894),
«Life’s fitful fever» (1895), «A romance of Old
New York» (1896), «Two daughters of one race»
(1897) u. a.; die Kinderlieder «Short poems for
sbort people» (1871), ein Schaufpiel «The false
friend» (1880), die Gedichte «Fantasy and passion»
(1877), «Song and story» (1884), «The buntling
ball» (Satire, 1884), «Romance and reverie»
(1886), «Blooms and brambles» (1889) und die
Eſſays «Agnosticism and other essays» (1889).
Famweett (pr. tabbtt), Henry, engl. Polititer
und Nationalöfonom, geb. 26. Aug. 1833 in Salis-
bury, ftudierte in Gambridge. Bei einer Jagd verlor
er 1858 beide Augen, feste aber feine Studien mit
prößter Energie fort. Neben kleinern Arbeiten er:
Ibien 1863 fein «Manual of political economy»
(6. Aufl., 1883), woraufhin er zum Profeſſor der
Nationalölonomie in Cambridge ernannt wurde,
1865 trat er ins Barlament, bielt zu den Radikalen
und erwarb fich durch feine Kenntniffe, fein Urteil
und feine Beredſamleit eine angejehene Stellung.
1876 beteiligte er ſich in hervorragender Weije an
Brodhaus’ Stonverjationdsßerilon. 14. Aufl. R.R. VL
Bern:
497
der Oppofition gegen die Drientpolitit Beaconsfields
und wurde 1880 unter Gladſtone — ——
Außer mehrern andern wichtigen en führte
er bejonders die Paketpoſt ein. Er ſtarb 6. Nov, 1884
zu Sambridge. Bon feinen Schriften find zu ermäh:
nen: «Pauperism, its causes and remedies» (Lond.
1871), «Essays and lectures on social and political
subjects» (1872), «Speeches on some current poli-
tical questions» (1873),«Free trade and protection»
1878; 6. Aufl. 1885 ; deutſch u. d. T. xFreihandel und
ollihuß», Lpz. 1878), «Indian finance» (1880),
«State socialism and the nationalisation of the
land» (1883), «Labour and wages» (1884). — Bgl.
Leslie Stepben, Life of Henry F. (Lond. 1885).
3.8 Gattin, Millicent Garrett F., geb.
11. Juni 1847, ftebt unter den Führerinnen der
Frauenbewegung in England in erjter Reihe und
trat mit mebrern Werfen, darunter «Political eco-
nomy for beginners» (1870; 6. Aufl. 1887; deutſch
Berl, 1888), «Some eminent women of our time»
(1889),«Lifeofqueen Victoria» (2, Aufl.1892),«Life
ofSir William Molesworth» (1901), aud) ſelbſtändig
als Schriftitellerin mit Erfolg auf.
Fatvfes (ipr. fahls), Guy, ein Hauptteilnehmer
an der engl. Bulververihmwörung (f. d.), geb. 1570
in York, war zum Katholicismus übergetreten,
diente unter den Spaniern in Flandern und wurde
nach jeiner Nüdfehr 1605 von den Anftiftern des
Plans gewonnen. Er wurde bei den in den Kellern
bes Parlamentshauſes angebäuften Bulverfäflern
5. Nov. 1605 ergriffen, durch die Folter zum Ge
ftändnis gebradt und 31. Jan. 1606 als leßter unter
feinen Genojjen hingerichtet. Noch heute wird in Eng:
land 5. Nov. der Guy-Fawkes-Day gefeiert, wobei
eine F. vorjtellende Strobpuppe verbrannt wird,
Faex (lat.), Bodenſatz, Hefe; beionders gebraͤuch⸗
li in ver Mehrzahl Faeces (ſ. d.).
Faxekaltk, ein Kaltjtein, der faft nur aus fo:
rallenſchutt — ahlreiche Reſte von Mollusken
(Belemniten, Nautilus, Gaſteropoden) ſowie von
Krabben einſchließt und der oberiten Kreideformas
tion (f. Danien) der dän. Inſeln angehört. i
* (ipr. fahj), Andr., ungar. Dichter und Schrift⸗
ſteller, geb. 30. Mai 1786 zu Kohäny im Zempliner
Komitat, machte feine pbilof. und jurift. Studien am
Särospataler reform. Kollegium und begann jeine
Apvolatenpraris wie feine amtliche Laufbahn als
Stublrichter in Peſt, mußte jedoch der legtern feiner
geſchwächten Geſundheit halber bald entjagen,,
worauf er ſich mit Eifer der litterar. Thätigleit zu⸗
wendete. Auf die Gedichtiammlung «Bokröta»
(d. i. «Strauß», Peſt 1807) folgte 1818 «Friss bo-
kröta» («Neuer Strauß»), womit er feinen Dichter:
ruhm begründete. Noch ungeteiltern gr fanden
die «Mesök» («Fabeln», Wien 1820; 2. Aufl. 1824;
deutih von Pes, Raab 1825). Sein Trauerfpiel
«A köt Bäthory» («Die beiden Bäthory», Peſt 1827)
und mehrere Luftipiele (befonders «Die alten Mun—
zen oder die Siebenbürger in Ungarn», 1824, und.
die «Jagd in der Mätra», 1860) gelangten mit Er:
folg zur Aufführung. Der fociale Roman «A Bel-
teky-häz» («Das Haus Beltely», 2 Bde., Beft 1832)
und bie meift in Zeitjchriften erfchienenen Erzäbluns
en ftellten %. in die Reihe der beiten ungar. Pro:
aifer. Bis zum Aujtreten Koſſuths (1840) war F.
im Peſter Komitat, das er 1835 aud auf dem
Reichstage vertrat, der Wortführer der Oppofition
und wirkte aud fpäter in verichievenen Stellungen
eifrig für den getftigen und materiellen Fortſchritt
32
498
der Nation, Unter den zahlreichen Schriften, die er
in diejer Hinficht veröffentlichte, find hervorzubeben:
«Nönevelös és nöneveldö intezetek hazankban»
(«Frauenerziehbung und ihre Inftitute in Ungarn»
Belt 1840) und «Kelet né pe nyugoton» («Das Boll
des Oſtens im Weften», ebd. 1841), Nach den Er:
eigniffen von 1848 und 1849 en F. noch mehrere
bumoriftifhe Romanzen und Erzählungen, worunter
«Jävor orvos 68 ** Bakator Ambrus» («Der
Arzt Javor und fein Diener Ambrofius Balators,
2 Bde. Peſt 1855). Er ftarb 26. Juli 1864. Die
Beier Spartaffe ründete mit 20000 1. die «Fäyfche
tiftung», deren Zinfen jährlich zur Belohnung einer
ausgezeichneten (nicht belletriftifchen) litterar, Arbeit
beftimmt De. Eine Geſamtausgabe Ver belle:
triſtiſchen e erſchien in adht Bänden (Peſt 1843—
44), jeine «Sämtlichen Novellen» in neuer Ausgabe
(3 Bde., ebd. 1888). Sein Peben beichrieben Baul
Erbelyi und Franz Badics (beide Budapeft 1890).
Fay (ipr. Fä), Charles Alerandre, franz. General,
geb. 23. Sept. 1827 zu St. Jean Pied de Bort (Des
part. Bafles: Borendes), wurde in Pondicheéry er:
e en, mo fein Vater ald Kapitän in Garniſon ftand,
ehudite dann zwei Jahre die Militärfhule von
Et. Eyr und trat 1847 ald Leutnant in den franz.
Generalſtab, in dem er mit Bermefjungsarbeiten in
den Pyrenäen und fpäter in Algerien —
wurde. 1854 nahm F. als Adjutant des Genera
Bosquet am Krimkriege teil; 1864 wurde er Stabs⸗
offizier, bereifte 1868—69 im Au trage feiner Re
—— Deutſchland und machte ſich mit den militär.
en tnifien des Norbbeutfhen Bundes befannt.
Am Deutich: Franzöfifchen Kriege nahm er als Oberſt⸗
leutnant im Generaljtabe des Marſchalls Bazaine
teil und geriet durch die Kapitulation von Mep in
deutſche ſtriegsgefangenſchaft. Nach dem Friedens:
ſchluſſe wurde F. Oberſt und leitete 1874 die Orga:
nifation des Großen —— wobei er ſeine
frühern Studien in Deutſchland geſchict zu ver:
werten und den franz. Militärverbältniffen anzu:
paſſen wußte. F. wurde 1879 zum Brigadegeneral
befördert, zum Sous:Chef des Großen General:
ftabes ernannt und vielfach mit wichtigen polit.
und organifatorifchen Aufgaben betraut. 1885 zum
Divifionsgeneral befördert, erhielt er 1890 das
Kommando über das 11. Armeelorps in Nantes
und fchied 1892 aus dem aktiven Dienfte. Auch
(itterarifh war F. ſehr tbätig und fchrieb unter
andern: «Souvenirs de la guerre de Crimöe» (Bar.
1867; 2. Aufl. 1889), «Etude sur la guerre d’Alle-
magne en 1866» (ebd. 1867) und «Etude sur les
optrations en Bohäme en 1866», «De la loi mili-
taire» (1870), «Journal d’un officier de l’arm&e du
Rhin» (®Bar. 1871; 5. Aufl. 1890; deutſch Pofen
1871), «Projet d’organisation et de mobilisation
de l’armee .. & propos d’un ordre inedit
de mobilisation de l’arme&e prussienne» (1873) und
«Marches des armées allemandes du 31 juillet
au 1° septembre 1870» (Par. 1889). ;
Fay, Rofenb Maler, geb. 10. Aug. 1813 in Köln,
war 1833—41 Schüler der Düffelborfer Atademie,
dann von P. Delarode in Paris. Später ließ er
fih dauernd in Düfjeldorf nieder. F. malte zuerft
Hiitorienbilver, die feine hervorragende Begabung
verrieten; jo 1843 al fresco den nicht mebr vor:
bandenen großen Fries für das Rathaus in Elber⸗
feld, — Leben und Sitten der alten Deut⸗
ſchen. Von feinen Olgemalden find zu nennen:
Simion und Delila (1840; Muſeum BWallraf:
Hay (Charles Alerandre) — Fayence (Thonwaren)
Richartz in Bun Schlußſcene aus Goethes u
Romeo und Julia (1846 in Baris gemalt). Später
malte er ausſchließlich Darftellungen aus dem ital
Vollsleben mit bejonderer Betonung der landſchaft⸗
lichen und arditettonifhen Scenerie. Hervorzu:
beben find: Badende Römerinnen am Brumnen
(Bremen, Kunfthalle), Mönd von einem Bettler
um ein Almojen angeſprochen (1862; Mufeum in
Hannover), Ehriftnaht (Hamburg, Runjtballe),
Ernte in der röm. Campagna (Städtifhes Muſeum
in Stettin). F. ftarb —— 1875 in Duſſeldorf.
ay (ipr.feb), ag edgmwid, amerik. Schrift:
Re er, geb. 10. Febr. 1807 in Neuyork, war zuerit
doolat und dann Redacteur des «New York
Mirror», alö welder er verſchiedene Gedichte und
Novellen herausgab. 1837 —53 war er Gejandt:
ſchaftsſelretär in Berlin, 1853—61 Minifterrefident
8 ern. Seitdem lebte er teils in Berlin, teils in
uskau in der Laufik. Er ſtarb 1898. Seine Werte
find: «Dreams and reveries of a quiet man» (1832),
«The minute book» (1833), «Norman Leslie»
(1835; eine Geſchichte aus dem alten Neuyork, auch
ala Bühnenftüd bearbeitet von großem Erfolg),
«Sydney Clifton» (1839), «Countess Ida» (1840),
«Shakespeare in France» (1843), «Views of chris-
tianity» (1856), «History of Switzerland» (1860),
«Great outlines of geography» (3. Aufl. 1869),
«First steps in geography» (1873) u. a. m.
Fayäl, eine der portug. Azoren (f. die Rebentarte
zur Karte: Spanien und Bortugal), die weit:
lichfte Infel der Gentralgruppe, iſt von der gröfern
Pico im SO. nur durch einen ſchmalen Kanal getrennt
und bildet mit ihr und der Gruppe von Flores und
Eorvo den Diftritt Horta, der (1900) auf 786 qkm
55456 €. zählte. F. 14 km lang, bebedt 179 qkm,
ift vullaniih, im höchſten Gipfel, der Galdera,
1021 m hoch; der Bico de gan (566 m) hatte 1672
einen furchtbaren Ausbruch. Die Infel erzeugt Ge
treide und Orangen; der Wein ift durch die Reblaus
vernichtet; Wafler und Wald mangeln; das Regen-
waſſer wird in Eifternen gefammelt, an der Küjte
bat man Brunnen ge raben. Die —— be⸗
ſchäftigt ſich mit Flechten von Weiden oder Stroh
und mit Arbeiten aus Aloe und Feigenmark; Bieb-
zucht, Aderbau und Objtbau find bedeutend. Kar⸗
toffeln und Zwiebeln werden ausgeführt. Haupt:
ort ift Horta mit (1900) 6734 E. und gutem Hafen;
dafelbft Einmündung des erjten 1900 vollendeten
deutſch⸗ ameril. Kabels (Bortum:Neuyorf).
ence, Faience (fr., Ipr. falä ‚
Thonwaren (f. d.) mit ftark jaugendem
Man unterfheidet feine F. oder Steingut und
meine F. oder Majolita. Den letztern ſchli
—*— — Töpferwaren eng an.
brend die feine %. einen barten llingenden,
rein weißen Scherben mit durchſichtiger Gla ——
haben die gemeinen F. einen gelb bis roten
pernden Scherben mit durb Zinnoxyd ge
Slaſur (f. Majolita). Als Glajuren werden neben
Blei: namentlih Barytglaiuren verwendet. Die
Maſſe beiteht aus etwa 50 Proz. Thonſubſtanz,
45 Proj. Quarz und 5 Proz. Feldipat. Die geringe
Menge ber Flußmittel bedingt den ſaugenden Scher:
ben. Schlechtere %. haben no einen Zujak von
Kreide erhalten. Das Wort ift von der Stabt
Faenza (f. d.) in Italien abzuleiten, in welcher Stadt
die Fayencetöpferei namentlih im Mittelalter zu
gr {üte gelangt war. Die F. ift eins ber älteften
nftaebilve. Man bat ibren Urſprung aus Indien
FAYENCE.
> ”
| I. Blumenvase von Strafsburg. 2. Persisch-rhodische ag 3. Krug von Kreufsen. 4. Teller von Rondn.:
5. Krug von Hirschvogel. 6. Wandteller von Delft. 7. Englische Schüssel. 8. Französische Schüssel. : * -
— — —
——— RA Brockha us —— Anstalt, Lecutiꝙ
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4,
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.. .
.
22*
[FL —
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Fayence (Thonwaren)
berzuleiten, wen man nicht ſchon äguptiiche und
afigrifche glafierte Thonarbeiten (mie fie Tafel:
Agpptifde Kunſt III, Yig. 15, beim Artikel
igppten, zeigt) dazu rechnen will. Bon Indien,
wo fib insbeſondere liefen aus alter Zeit ald
Wandbelleidung erhalten haben, ging die Fayence⸗
tunittöpferei zu den Perſern und Arabern und
fand überall in den von den Arabern gegründeten
mobammed. Staaten eine reiche Anwendung, und
Be in der doppelten Weife ald Gefäße wie als
Yanbbefleidung in farbigen, mit Arabesten über:
dedten Fliefen. Der Grund ift in der Regel weiß
—— die Arabeslen ſind in Braun oder in
ürfid: und Kobaltblau, auch mit Grün und ſchͤnem
innoberrot. Letzteres zeichnet befonders bie fog.
„der Inſel Rhodus aus, Teller, Schüfieln (f. 2. -
ayence, Fig. 2), Sliefen mit fhönen Arabesten,
deren Yabrifation durch perf. —— auf der
—* entſtanden ſein ſoll, zur Zeit, als ſie noch im
eſißz des Johanniterordens war. Eine beſondere
Eigentumlichleit der arabiſchen und En en F.
bertebt in ihrem ſtarlen opalifierenden Metallglanze,
der bald rot, bald gelb, bald tupferfarben ericheint.
Diefe Dekoration wurde —— im Drient wie
im arab. Spanien geübt, daher man dieſe Gefähe
als ſpaniſch⸗ ma-riich bezeichnet. Sie blühte wäh:
tend des ganzen jpätern Mittelalter und ging,
—* erldſchend, durch die neuern Jahrhunderte
als Arbeit der Mauresten fort. Noch jetzt werben
he, allerdingd nur in einem Drte, in Manifes bei
Valencia, fabriziert. Mit ag orient, Art
And noch jest viele Paläſte und Mofcheen des
Crients, überhaupt in den mobammed. Ländern,
bededt. Bon Spanien ging die ——— der F.
über Majorca (daher der Name Majolita) und
Sicilien nad Italien hinüber. (S. Majolita.) Im
16. Jahrh. blübten, aber nur für kurze Zeit, befon-
dere Arten der Fayencetöpferei in Deutjchland wie
in Frankreich. Deutihland waren e3 buntfar:
bige Gefäße und Öfen, welche gewöhnlich nad dem
ar Tag rn er und —**
ugu irſchvogel (f. d.) benannt werben (ſ.
Fig 6). In hei waren e3 zweierlei Arten
von F., welche unter den Runftfreunden zu großem
Rubm und boben Preifen gelangt find, die Ar
beiten von Bernard Balifiy (o) und die fog.
Henri-deux»ayencen (f.d.). Beide blieben Spe-
cialitäten, an welche ſich ein größerer Erzeugungs⸗
betrieb nicht anſchloß, wie diefer durch ein Yahr:
bundert in Deutfchland bluhte. Doc wurden in
Kreußen bei Bayreuth (f. Fig. 3 und den Artikel
Kreußen: Fayencen) braune, buntgefärbte Thon:
gefäße, ferner am Niederrhein Steinzeug, weißes,
gas, braunes und blauverziertes Geſchirr, ge:
t, deſſen Fabrilation im 16. ee. bis zum
Dreiigjäbrigen Kriege ibre Sige in Siegburg, Raes
ten, en, Höchſt und Grenzbaufen hatte, an welch
lestern Orten fie jeßt wieder belebt worden ift. Bon
meitgreifenden Folgen für die Gefchichte der %. war
die Beränderung, welche im Anfang des 17. Jahrh.
von Holland und zwar von der Stadt Delft aus
a0 (j. Fig. 6 und den Artikel Delfter Fayencen).
ie weißgrundierten %. wurden nun burd das
17. Jabrh. und ebenfo im 18. neben dem ſich neu
emporarbeitenden —— Porzellan das allgemeine
deſſere ra irt. Fabrilen entitanden
erall in großer Zahl; in Frankreich erblühten ins⸗
iondere Rouen (f. Fig. 4), Nevers, Mouftiers, in
Deutſchland trat neben Straßburg f. Fig. 1) Nurn⸗
499
berg an die Spige, in Schweden entftanben bie
beiden noch beute eriftierenden Yabriten von Rör:
ftrand und Guftafäberg; die ital, Majolitafabriten
nahmen bie neue Richtung an; in England erhielten
alle 3. des Gebrauhsgelbirts den Namen Delft.
Borberrfhend war die Dekoration blau auf wei:
Dem Grunde; aber au andere Farben wurden
inzugefügt, zumal in der blumigen Dekoration
des 18. Jahrh. Mit der wachſenden Berallgemei:
nerung des europ. Porzelland gegen Ende bes
19. Sue. erlitt die ig legen wohl einen
I Stoß, bei der Reform ded modernen Ge
chmads ift fie aber wieder belebt worben, und
war, was die fünftlerifhe Seite betrifft, In er
ohtem Maße. Faft alle Länder beteiligen ih an
biefer Wiedergeburt der Fayenceinduftrie, und alle
alten Manieren und Arten werben wieder geübt.
So wird die Delfter Art in Belgien, Holland, Schwer
den, Dänemarl außgeführt. England —— die Luxus⸗
fayence (f. Fig. 7) und bunten liefen wieder zu
reicher und ———— Entfaltung gebracht; zu
nennen find die Fabriten von Minton, Doulton t.
nachſtehende Tertfigur und den Artikel Doulton:
TS Ei * —* * un
& ‚ nr RN Pi FA 8
u)
ER — Pk
| - 1
ware), Royal Worcefter Works u.a. Frankreich übt
alle feine alten Arten (Balifiy, Rouen, Mouftier®),
daneben die orient. Arabestenmanieren und bat bie
Fayencemalerei als bilvlihe Dekoration (f. Fig. 8
und den Artilel Faiences patriotiques) zu einer
._. Stufe der Vollendung geführt. In Deutſch⸗
and liefern die Fabriten von Billeroy u. Boch im
Mettlah im Rheinland ausgezeihnete eingelegte
* und eingelegte Steingutarbeit; die Altien⸗
& alter für nie und Steingutfabritation
eſſel) in Poppelsdorf bei Bonn vorzüglice
enceplattenbilver, fiber bie technifche Heritellung
32*
500
f.TZhonwarenfabrilation.— Bol. Brongniart, Traite
des arts c&ramiques (3, Aufl., 2 Bde., Bar. 1877,
mit Rupfern); Marehal, Les faiences anciennes
et modernes, leurs marques et döcors (2. Aufl.,
2 Boe., ebd. 1874); Ris-Paquot, Histoire generale
de la faience ancienne francaise et étrangère
(2 Bde., ebd. 1873—74); Ded, Faience (ebd. 1877);
Malagola, Memorie storiche sulle maioliche di
Faenza (Bologna 1880); %. Argnani, Le ceramiche
e maioliche faentine della loro origine fino al
rincipio del secolo XVI (Faenza 1889); Teller.
ee stürfische 5.08 Narbentafeln, Heft 11 der
«Borbilderbefter, Berl. 1890); Fr. Jännide, Marten
und
1878); Smwoboda, Die Farben zur Deloration von
Steingut, F. und Majolita (Wien 1891); Dammer,
Handbuch der hem. Technologie, Bd. 1(Stuttg.1895).
—— (ipr. falängß), Hauptort des Kantons
m Arrondifjement Draguignan des franz. Depart.
ar, ampbitbeatraliih an einem Berge gelegen, an
ber Linie Meyrargues: Nizza der Sudbahn, hat
(1901) 796, alö Gemeinde 1421 €. und Fabrifation
von Fayencen (f. den vorhergehenden Xrtitel).
ud ß Fayencedruck.
ayencedruck (ſpr. falängß⸗), Fayenceblau,
Engliſchblau, eine Methode des Zeugdrucees, bei
der das Jen mit einer Mifhung von Sndigo und
Eifenvitriol bevrudt, dann zunächſt durch ein Rall:
bad, darauf durch verbünnte Schwefeljäure genom:
men und endlich der Luft ausgeſetzt wird. Der auf:
vn Indigo wird dabei im Kalfbade durch den
ifenvitriol in Indigweiß verwandelt, das durch
die Wirkung der Säure auf der Faſer firiert wird,
während diefe zugleich das entitandene Eijenoryd
und den Überjhuß des Kalls fortnimmt; durd das
Lüften wird dann endlid das Indigweiß wieder in
Indigblau verwandelt.
Fayencegrün, eine Zeugdrudfarbe, welhe man
erzielt, wenn man der Mifchung, weldhe zur Erzeu:
ung des Fayenceblau (f. Fayencedruch) dient, Zinn:
lorid zujeßt und das Zeug mit einer Beize (4.2.
Quercitron) ausfärbt.
Fayetteville (pr. fejettwill), Hauptort des
County Eumberland im norbamerif. Staate Nord:
carolina, 86 km ſuüdlich von Raleigh, —— rechten
Ufer des bis hierher ſchiffbaren e Fear-River,
dat (1900) 4670 E., bedeutenden Terpentinbanbel,
aummwollmanufaltur und Baummollölfabrilation.
Fayäm, ägupt. Provinz, ſ. Fajum.
Fazenda (portug., pr. faj-; * Hacienda),
Landgut, befonders in Brajilien; F. real, königl.
But, Staatsſchatz; Fazendeiro, Befiker einer F.
—33 andſchaft im Sudan, ſ. Faſokl.
azy (ipr. -jih), James, ſchweiz. Staatsmann
und Barteiführer, geb. 12. Mai 1796 zu Genf.
Er widmete &® zu Paris rechts⸗ und ſtaatswiſſen⸗
fbaftliben Studien und war Mitarbeiter verſchie—
dener liberaler, die Bourbonenregierung betämpfen:
der Blätter. Als nad) der Thronbejteigung Ludwig
Philipps die Berfolgungen der demokratiſchen Preſſe
— kehrte F. 1833 in feine Heimat zurüd
und jchwang ſich in Genf bald zu einem der ein-
flußreichiten Fuhrer der Oppofition auf. Durd die
evolution von 1841 erzwang er den Rüdtritt bes
Staatsrats und die Annahme einer demokratiichen
Verfaffung, wurde 1843 in den Großen Rat auf:
genommen, trat bei der Revolution im Dt, 1846
(1. Genf) an bie Spige der Proviſoriſchen Regierung
und bradte nun mit Hilfe feiner Partei (ver Radis
Monogramme auf — u.ſ. w. (Stuttg.
Fayence (Ort) — Fea
lalen) eine liberal-vemotratijche ——— zu ſtande.
Er erwarb ſich um Beſeitigung der Feſtungswerle,
die Erweiterung und Verjhönerung der Stadt, die
ſeitdem einen ungewöhnlichen Aufibwung aud in
Handel und Indujtrie nahm, große Verdienfte und
ewann bedeutenden Einfluß auf die eidgenöffiichen
ngelegenbeiten, erſt ala Abgeordneter (1847) zur
Zagjasung, dann zur rear gan
nzwiſchen bildete ſich jebod in Genf jelbjt nad
und nad eine DOppofition gegen den herrſchenden
Radikalismus, der denn aud bei den Staatöratä:
wablen im Herbit 1853 unterlag. Allein ſchon 1855
elangte 5. mit Hilfe der kath. Partei, die er für
ich gewonnen hatte, wieder and Ruder und war auf
einige Zeit populärer als je. Nach und nad} jtei-
gerte ſich indes der Einfluß der Oppofition (die ſich
jest den Namen Independenten gab) wieder fo,
daß F. bei den Staatsratswahlen im Herbit 1862
unterlag und nie mehr and Ruder gelangte; ein
Aufitandsverfud) feiner Anbänger im Duartier St.
Gervais im Aug. 1864 war erfolglos. 7. wurbe
gefangen, entfioh, tebrte aber wieder nad Genf
jzurüd und ftarb 5. Nov. 1878. Er war ein fäbiger,
aber kein haralterfeiter Staatömann; jeine perlön:
lihe Machtſtellung — ihm böber als das öffent»
lihe Wobl, Unter feinen —— chen Leiſtun⸗
en, die ſich auch auf die iete des Romans und
ramas erſtreden, find «Essai d'un précis de
l'histoire de la république de Gendve» (Genf 1838)
und «De l’intelligence collective des soci6etes »
(ebd. 1874) bervorzubeben. — Vol Henry Fazy,
J. F., sa vie et son @uvre (Genf 1887).
Fb., bei naturwilenf&aftliben Namen Ablür-
zung für Job. Ehrift. Fabricius (f. d.).
F. Cuv., binter der lat. Benennung von Tieren
Abkürzung für Frederic Euvier (f. d.).
F-dur (ital. fa maggiore; frz. fa majeur; enal.
unge), die Durtonart, bei der h um einen bal-
ben Zon erniedrigt wird, aljo ein 9 vorgezeichnet
ift; parallele Molltonart ift D-moll. (S. Ton.)
Fo, chem. Zeichen (Abtürzung von Ferrum) für
Eiſen (f. d.).
€, Santa, Stabt, f. Santa Fe.
ea, Carlo, ital. Archäolog, geb. 2. Febr. 1753
zu Bigna bei Nizza, erlangte zu Rom die Priefter-
mweibe, mußte jedoch 1798 den Kirchenftaat verlafien
und nad Florenz flieben. Bei feiner Rucklehr 1799
wurde er von den Neapolitanern, die vamal® Rom
bejegt bielten, aus Irrtum als Jakobiner einge-
fperrt, bald aber wieder in Freibeit gefeßt und bier-
auf zum Commissario delle antichitä jowie zum
Vorfteber der Bibliotbel des Fürften Ebigi ernannt.
5. ſtarb 18. eg 1834 zu Rom. Außer mebrern
jurift. und polit. Schriften find von F. zu erwäbnen:
die fiberfegung der Windelmanniden « Geichichte
der Kunjt» (Nom 1783—84), die Noten ju dem
Bianconiihen Werle über die alten Cirkus und
namentlich den des Caracalla (ebd. 1789), die «Mis-
cellanea filologica, critica e antiquaria» (2 Bope.,
ebd. 1790—1837). 3.8 Hauptverdienit beitebt in
feiner Leitung der Ausgrabungen in und um Rom,
die er in feiner treiflihen Monograpbie «L’in-
tegritä del Panteone rivendicata a M. Agrippa-
(Hom 1807 ; 2. Aufl. 1820), den «Frammenti di fast;
consolari» (ebd. 1820), «Iscrizioni di monumenti
ublici» (ebd. 1813) und «Descrizione di Roma»
3 Bde.,ebd. 1822) wifjenfchaftlich verwertete. Mebr:
fahen Tadel dagegen erfuhr feine Ausgabe des
Horaz (Rom 1811).
Fear — Fechner (Guft. Theod.)
ar, Kap, ſ. Cape yearsRiver.
arnl (ipr. fernli), Carl email, normweg.
nom, Bruder de3 Malers homas ., geb.
19, Dez. 1818 in — N in Rrıftiania
Rathematit und wurde 1844 Aſſiſtent Hanfteend am
Atronomijchen und Magnetiihen Obfervatorium
in Rriftiania. 1850—52 hielt er ſich ftudienbalber in
Bonn und Königsberg auf; 1857 wurde ihm Hans
ſteens Profefiur und 1861 aud die Direktion des
Dbfervatoriums in Kriftiania übertragen. In diefer
Stellung ftarb er 22. Aug. 1890. Bon jeinen aftron.
Arbeiten find man zu erwähnen die Beftim-
mung der Koordinaten der Sternwarte in Kriftiania
(«Beihreibung und Lage der Univerfitäts : Stern:
warte in Ariftiania», 1849) und pers
tungen der Sterne zwifchen 64° und 70° 10°
nördl. Deklination» (1888). Mehr theoretiſcher
Ratur find feine Arbeiten über die Höhe des Nord:
lichts (1859) und über die terreftrifche Refraktion
(1884). Auch nahm F. Anteil an den in Norwegen
ausgeführten Arbeiten der europ. Gradmeſſung.
arnley (pr. fern), Thomas, normweg. Land⸗
ſchaftsmaler, geb. 27. Dez. 1802 zu Frederilshald,
widmete ſich anfangs dem andern e und bildete
fih dann ſeit 1821 auf der Atademie in ——
und 1823—27 in Stockholm. ea Studienreijen in
Schweden und Norwegen und I 1829 unter der
Leitung jeines in Dresden anfälfigen Landsmanns
Dahl entwidelte er fein Talent, ging 1830 nad
nden, von dort nad der Schweiz, Italien,
Frankreich und England und kehrte nad acht Jah:
ren in die Heimat zurüd. 1841 begab er fi von
neuem nah Münden und ftarb dajelbft 16. Yan.
1842. Unter feinen Gemälden, die ſich durch poet.
Auffafjung, forafältige und elegante Behandlung
und barmonijche —** auszeichnen, ſind her⸗
vorzubeben: Hüge fc
Weimar), Anſicht von Stodholm (in Betersburg)
Molovon Girgenti, Labrofoß, Brienzer See(alle drei
in der Nationalgalerie zu Kriitiania); ferner: Juſte⸗
dalgletſcher, Romsdalshorn, Partie aus Vindhellen,
Sorrento, Caſtellammare, Gravensfjord (1839; Ham⸗
burg, Kunſthalle), Norwegiſcher Waſſerfall (1841).
Heather: Biber (ipr. feth'r rimmw’r), linfer Ne:
benjluß des Sacramento in Ralifornıen, entitebt
aus den auf der Sierra Nevada entipringenden
North: und Middle: Forl, durdftrömt eine reiche
Goldregion und mündet oberhalb ver Stadt Sacra=
mento. Bis Marysville, am Einfluß des Yuba,
iſt er für Dampjboote joinber. Der Mipple-Fort
fließt durd einen gewaltigen Cafion.
Febricüla (lat.), rudimentäres Fieber, j. Fieber.
Febril (lat.), fieberhaft.
Febrisi(lat.), jieber. F. biliösa, ſ. Gallenfieber;
F. bullösa, f. Pemphigus; F. flava, ſ. Gelbes Fie
ber; F. — T Wechfelfieber; F. miliäris,
ſ. Englifher Schweiß; F. mucösa, ſ. Schleimfieber;
F. puerperälis, ſ. Rinbbettfieber; F. recürrens, j.
Rüdfalltypbus, j i ,
nius, yukinus, j. Hontheim, J. N. von.
ebrüa (in der Einzahl Februum), bei den alten
Römern Gegenitände, von denen man glaubte, daß
durch deren Beſitz oder Berührung die Menſchen den
Göttern gegenüber von Berfündigungen gereinigt
und etiwa begangene Frevel gefühnt würden. Zu
den F. gehörten namentlid die Riemen, mit denen
die Luperci an den Luperlalien (f. d.) die ihnen
bea den Frauen jchlugen. Auch führte Juno
als —— den Namen Februäta.
landibaft (1829; Mufeum in-
501
Februar, im Deutihen Hornung, ber zweite
Monat des gebe bat in einem Gemeinjabre 28,
im Scaltjahre —— 29 Tage. Bei den Römern
war er bis zur Einführung des Sulaniaen Ralen«
der3, der den 1. Yan., an dem fchon feit längerer
en die Konſuln ihr Amt antraten, aud >
alenderneujahrätag machte, der legte Monat. Den
Namen mensis Februarius, d. b. der Sühn: und
Reinigungsmonat (von februäre, d. h. reinigen),
erbielt der F. davon, daß in ihm, als dem letzten
Monat des Jahres, namentlich am Feſte der Luper⸗
falien (f. d.), —— und Reinigungen vor:
enommen wurben. (S. Februa.) Nah Grimms
Örterbud ift Hornung anzufeben als eine Ab»
leitung von Horn, einem Namen des Januar, der
im Voltsmunde als der große Horn von dem Heinen
Horn, dem F. unterfchieden wurde. Der Zuſammen⸗
bang dieſe Monatsnameng Horn mit dem Worte
Horn (Gehörn) wird angenommen und von dem
—— Froſte hergeleitet. In den erſten zwei
ritteln des F. ſteht die Sonne im Zeichen des
Waſſermanns, im legten Drittel in dem der Fische.
bruarrebolution, die Revolution in Frank—⸗
reib, die, durch die liberale Oppofition gegen das
Kabinett Ludwig Philipps und durch deren Reform⸗
bantette vorbereitet, 24. Yebr. 1848 in Paris aus»
brach und den Sturz des Julildnigtums berbeis
führte. (S. Frankreich, Geſchichte.)
Feo., Ablürzung von Feecit (f. d.).
Fecamp (fpr. Lang), früher Fescamp, Haupt:
ort des Kantons F. im Arrondifjement Havre des
Depart. Seine:nferieure, an der Mündung des
Küftenfluffes F. in den Ranal (La Mande) und ander
Linie Beuzeville$.(19km) der Franz. Weftbahn, von
—— Höhen umgeben und von altertümlichem
usſehen, Sitß eines Handelsgerichts, einer Handels⸗
fammer, je eines dän., engl., portug. und ſchwed.
Vicekonſuls ſowie eines öjterr. und eines ſpan.
Ronjularagenten, hat (1901) 14675, alö Gemeinde
15381 €,, ein ſchönes Stadthaus, eine Kirche
St. Etienne (16. Jahrh.), byprogr. Schule, Biblio:
thet, Mufeum und großes Hofpital. Berühmt ift
die Kirche der Benediltinerabtei (11. bis 16. Jabrh.)
mit reich ausgeftattetem Innern. Die 12. Jan. 1892
niedergebrannte große Liqueurfabrik des Klofters
ift wieder aufgeführt und 30. Juni 1895 eingeweiht
worden. Der Hafen, jekt verbeflert und eriveitert,
ift nächſt Boulogne Hauptplag zur Ausrüftung der
hiffe zum Heringd: und Stockfiſchfang. Beliebt
find die Seebäder m Die Induftrie erftredt ſich
auf Leder⸗, Kalilo⸗ Segeltud: und Liqueurfabri-
kation (Benedictine), Schiffbau und Baummwollfpin:
nerei. — F. verdantt feinen Urjprung einem 660 ge:
gründeten Frauenklofter, dad 1006 in eine Bene
diktinerabtei der Dreieinigleit verwandelt wurde. —
Vgl. Gourdon de Genouilac, Histoire de l’abbaye
de F. (Fecamp 1872); Martin, Histoire de F. il-
lustr&e (ebd. 1894). }
Fechenheim, Dorf im Landkreis Hanau dee
preuß. Reg.⸗Bez. Caflel, am Main, bat (1900)
6409 E., darunter 1829 Katholilen und 53 Israe—
liten, (1905) 7621 E., Poſt, Telegrapb, evang. und
kath. Kirche * Lad: und Firnis⸗, Anilin⸗
fabrilation, Schmirgelwerl, Litenweberei und Ges
müfebau. Zur Gemeinde gehört der Bahnhof Main:
fur der Linien Frankfurt: Ajchaffenburg und Franl:
furt:Eberbad der Preuß. Staatsbahnen.
Fechner, Buft. Tbeod., — *— und Bbilofopb,
geb. 19. April 1801 zu Groß:Särden bei Muskau
502
in der Nieberlaufig, ftubierte feit 1817 in Leipzig
Medizin und Naturwifjenihaften und habilitierte
ch dann zu Leipzig, wo er 1834 die ordentliche
Born der Phyſik erhielt. Durch ein Augenleiven | Guf
veranlaßt, gab 75.1839 fein phyfil. Lehramt auf und
wandte fih der Naturphilofophie, Anthropologie
und Aſthetik zu, und dieſer Richtung gehörte en.
feine jpätere alademifche Lehrthätigleit an. Er fta
18. Nov. 1887 in Leipzig, wo ihm 1897 im Roſen⸗
tbale ein Denkmal (Bronzebüfte) gefest wurde.
Die frübeften Terran and 5 betreffen vor:
melih den Galvanismus und find in den Abhand⸗
ungen in Poggendorffs «Annalen der Phyſik und
Chemie», in feinen « Maßbeftimmungen über die
** Kette» (Lpz. 1831) und in dem von ihm
earbeiteten dritten Bande feiner Überfegung von
Biots «Lehrbuch der Erperimentalphyfit» (2. Aufl,
ebd, 1828) entbalten. Außerdem überjegte er
Thenards «Lehrbuch der Ebemie» (7 Bde., Lpz.
1825—83), redigierte bis 1835 das von ihm 1830
begründete «Pharmaceutifche Centralblatt» (ebd.
und gab das «epertorium der Erperimenta
phyſil⸗ (3 Bde., ebd. 1832), das «Hepertorium
ber neuen Entdedungen in der unorganiſchen
Chemie» (3 Bde., ebd. 1830— 33), dad «Reper⸗
torium der neuen Entdedungen in der organiſchen
Ebemie» (2 Bde., ebd. 1830 — 83) und die erfte
Auflage des «Hausleritons» (8 Bde., ebd. 1834
=. beraus, Auch gab F. unter dem Namen
Dr. Mijes in der «Stapelia mixta» (Lpz. 1824),
einer Sammlung bumoriftifher Aufſätze, die jelbjt
Jean Pauls Aufmerkjanteit auf ſich zog, und in
andern Werten (aKleine Schriften» von Dr. Miſes,
ebd. 1875) Beweiſe eines reihen und glüdliden
Humord. Eine ernitere Richtung, —— mehr
im —— Spiele einer dichtenden Phantaſie
als durch wiſſenſchaftliche — verfolgte
fein «Büchlein vom Leben nach dem Tode» (Lpz.
1836; 4, Aufl., Hamb. 1900); aud gab er «Ge
dichte» (Ypz. 1841) und ein «Nätjelbüchlein» (4. Aufl,
ebd. 1878) — Seine naturphiloſ., anthropol.
und äſthetiſchen Forſchungen betreffen: allber das
—* te Gut» (Lpj. 1846), «Nanna, oder über das
enleben ber ——— (ebd. 1848; 2. Aufl.,
Hamb, 1899), «Zend⸗Aveſta, oder über die Dinge
deö Himmels und des Jenjeitö» (3 Tle., Lpz. 1851;
2. Aufl. 1901 fa.), « Profefior Schleiden und ber
Mond» (ebd. 1856), «Über die Seelenfrage» ſebd.
1861), «Die brei Motive und Gründe des Giau⸗
bens» (ebd. 1863), «Cinige Ideen zur Schönfungd-
und Entwidlungsgejbichte der Organismen» (ebd.
1873), «Erinnerungen an die legten Tage der | Angri
Dplehre» (ebd. 1876), «Borjchule der Aſthetik⸗
(2 Bde., ebd. 1876; 2. Aufl., ebd. 1897—98) und
«Die Tagesanſicht gegenüber der Nachtanficht»
(ebd. dt Ferner —38 F. «liber die phyſik.
und philoſ. Atomenlehre» (2. Aufl., ebd. 1864)
und fein Hauptiwert, «Elemente der Biphopbyfil»
( ‚ebd. 1860; 2. Aufl. 1889), womit er
eine neue Wiſſenſchaft begründete — —
Noch ſchrieb er: «In Sachen der Pſychophyſilo (Lpʒ.
1877), «Reviſion der Hauptpunkte der Pſycho—
pbufit» (ebd. 1882), «liber die Frage des Weberſchen
Beiehes und Periodicitätsgeſetzes im Gebiet des
Zeitjinnes» (ebd. 1884), «Über die Methode ber rich⸗
tigen und faljchen Fälle in Anwendung auf die Maß:
a unocn der Feinheit oder ertenfiven Empfind⸗
lichleit des Raumjinnes» (ebd. 1884), «Über die
piphiihen Maßprincipien und das Weberſche Ges
Fechner (Hanns) — Fechtart
fe» (in Wundts «Philoſ. Studien», Bd. 4, ebp,
1887). Aus feinem Nachlaß gab Lipps «Kolleltib⸗
Baden (Lp3. 1897) heraus. — Bol. Kunke,
uſt. Theod. 5. (2p3.1892); Laßwitz, Guft. Theod. J.
.1896) ; Wundt, Guft. Tbeod. 3. (Lpz.1901).
uer, Hanns, Maler, ſ. Bo. 17.
fer, die unterirbifchen Stammftüde, welche
wu dortpflanzung beim Hopfen, Wein, ich,
rapp u.a. dienen. Beim Hopfen werben bie F. im
Fruhjahre beim Schnitt ald 10—12 cm lange Stüde,
welche 3—5 en baben müfjen, gewonnen.
Selm ‚ Öiterr. Benennung für Ernte, Ernte⸗
ertrag; fehlen, joniel wie ernten.
Fecht, linter Zufluß der JU im Elſaß, entipringt
in 482 m Höhe am Wiſſortberge in den Bogeien,
durchſtrömt in norböftl. Richtung das ſchone Pün
fterthal und mündet nad einem Laufe von 49 km
öftlih von Gemar. Sie nimmt die Weib aus dem
eißen See auf. Bon Zürkheim führt der Logel⸗
bad nad Eolmar.
Fechtart, die Weife, wie die Truppen zum Ge
fecht geordnet werden, wie fie in den Kampf eintreten
und ihn durdfübren. Außer dem jeweiligen Ge
fechtö3mwed, dem Gelände und ber verfügbaren Krafi
(Zabl, ——— wird die F. bedingt durch den
Kulturzuſtand der Völler, oft auch durch das Ein-
greifen hervorragender Feldherren. Die F. ent:
widelte ſich, ſobald die Gefechte nicht mehr aus
loſe zufammenbängenden Einzellämpfen beftanden;
mit der jteigenden Kultur wurde fie Gegenjtand des
Studiums, findet heute ihren Ausprud in den Erer-
jierreglements (j. 9 und taktiſchen Lehrbuchern und
iſt ein Zeil der Taltif (f. d.).
Bei den beiden Hauptkulturvöltern de Alter:
tum$, den Griechen und Römern, bejtand die Haupt»
—* aus dem mit der Nahwaffe ausgeruſteten Fuß⸗
voll. Der Kampf war demnach hauptſächlich Rabs
gefecht und wurde in gefchlofjener, tiefer Orbnung
durchgeführt. So bildete ſich bei ven Griechen vie
PBbalang (f.d.) aus, in der die einzelnen Unterab⸗
teilungen des Fußvolls dicht neben» und bis zu
16 Gliedern dicht hintereinander ftanden. Diein den
bintern Glievern aufgeftellten Zeichtbewaffneten er⸗
ur ausgeſchwärmt ven Kampf, dann festen ſich
Schwerbewaffneten, die Hopliten (f.d.), in Bes
wegung; nad dem Zujammenftoß mit vem Gegner
löfte ſich das Gefecht in Einzellämpfe auf. Späterbin
(Stu
ftrebte man nad) größerer eglichleit und befierer
—* durch Reiterei. Epaminondas ſchuf die
ſchiefe Sch
achtordnung, bei —— lagel,
der den eigentlichen Stoß ausführen follte, alſo ver
iöflügel, aus ben bejten Truppen zuſammen⸗
gefegt und * aufgeſtellt war. Der andere Flügel
dagegen, aus Reiterei und leichtem, in wenigen Glie⸗
bern formiertem Fußvolt beftebend, batte ſich nur
beobadıtend zu verhalten und diente gewiſſermaßen
als Reſerve. Die thebaniſche Taltikl wurde von den
Macedoniern weiter ausgebildet und hierbei nament⸗
lid) der Reiterei, die ſich bereitö in ſchwere und leichte
ſchied, eine ausgiebigere Rolle zugeteilt. Auch Kriegs:
maſchinen wurden mehr verwendet. Taltiſche Einbeit
bildete bei den Römern vie Legion (f. d.), die, ans
fen 8 der Phalant ähnlich zufammengejeht, jpäter
n Unterabteilungen zerlegt wurde, die mit Zwiſchen⸗
räumen neben= und in mebrern Sxefien bintereins
ander aufgeftellt wurden (f. NManipularftellung).
Im Mittelalter überwog mit wenig Ausnab:
men bie Reiterei, die fi, in Geſchwadern zen
ander anrennend, zum Einzeltampf auflö Das
Fechtart
kooll trat [en nur da ber ſchwer⸗
affneten Heiterei gegenüber zur Geltung zu tom-
men, wo ed von nationalem Geiſte getragen wurde,
wie bei ven Engländern und Schweizern. Mit der
wachſenden Macht der Fürften und Städte zerfiel
dad Lehnsweſen, und damit trat die Reiterei allmäb:
ih gegen das Fußvolk zurüd,. Um die Wende des
15. und 16. Nabrb. beginnt überhaupt ein neuer
Abſchnitt des Kriegsweſens im allgemeinen, der ſich
tennzeichnet nicht nur durch die Anerlennung bes
—— als einer der Reiterei ebenbürtigen Waffe,
ondern auch durch die Entwickllung einer gewiſſer⸗
maßen internationalen europ. Infanterie. Das
Außovolt des Altertums war vorherrſchend national;
Zattil, Gliederung und Bewaffnung waren bei den
einzelnen Nationen verſchieden geweſen. Das Mittel:
alter jhuf dann zwar ein europ. Heerwejen im all
gemeinen und im Rittertum eine Reiterei von inters
nationalem Gepräge, aber noch feine europ. ns
janterie. Um die angegebene Zeit lam das Fuß—
volt, beſonders durd die Leitungen der Briten,
Schweizer und Böhmen (Huffiten), zu bobem Ans
leben. Ganz bejonders traten feit ben Burgunder»
triegen die Schweizer bervor, deren Ordonnanz
(triegeriihe Einrichtung, taktiſche EL
allen Heeren nachgeahmt wurde, wodurd in Wahrs
beit ein europ. Fußvolk entjtand. Someit es deut:
ſchen Urfprungs mar, trug es anfangs die Namen
Heifier, Reisläufer (f. en. dann den
zu MWeltrubm gelangten Namen Landsknechte
(f. Landsknecht). Die taktiſche Einheit dieſes haupts
fählih mit dem Spieß bewaffneten Fußvolts war
der Haufen (f.d.),dernad dver®eviertordnung,
d. b. annähernd quadratiic gebildet wurde.
Das Landsknechtweſen einerjeits, bie zunehmende
Einführung der Handfeuerwaffen andererfeits find
das Bezeichnende für die Infanterie des Refor—
mationszeitalters. Neben dem mit 2*
und blanler Waffe ausgeſtatteten ſchweren Fußvo
Pileniere) eribeintmebrund mehr das mit der Feuer⸗
waffe —— leichte Fußvolt (Mustetiere, Artes
bufiere). Aus der von den Schweizern und Lande:
Inehten angewendeten Geviertorbnung entwidelt
fh zunädft unter Karl V. die unter dem Namen
ipanijhrungarijde Drbonnanz belannt ge
wordene Kampfform der ——— große in
Quadrat formierte Pilenierbataillone, welche ent:
weder mit mebrern äußern, aus Musfetieren gebil-
beten Gliedern umgeben oder denen befondere in
— Tiefe formierte Mustetierabteilungen,
hügenflügel genannt, ———— dieſer
een ſteht die faiferl. Infanterie Tillys und Wallen:
eins im Dreibigjäbrigen Kriege.
Ebenfo unbebulflic war die Aufftellungsform der
Reiterei. Die ſchwere Reiterei ftellte fich acht, die
leichte fünf Glieder tiefauf. Diefe Reitermafien wur:
den aber leineswegs zu einem kräftigen Stoß, fon:
dern zum Feuergefecht gebraucht. Erft wenn durch
legtereö in den feindlichen Reihen eine Lücke ents
ftanden war, griffen die Reiter zur blanten Waffe,
Bas die allgemeine Schlahtorbnung (ordre de
bataille) der nad fpan.=ungar. Ordonnan ge
aliederten Heere betrifit, jo war im 16. Jabrh. m
allgemeinen die Bezeichnung Vorhut und rechter
Flügel, Bataille und Gentrum, Nachhut und linter
lügel gleihbebeutend; jeder dieſer Zeile beitand
aus Infanterie und Savallerie. Die Infanterie
eines jeden dieſer drei Teile bildete einen Schlacht⸗
haufen (Bataillon), aus welcer Dreiteilung ji in
503
Spanien allmähli der Name Terzia (Drittel) als
Bezeihnung für eine Formationseinheit der Im
fanterie, etwa dem Regiment entiprechend, heraus⸗
bildete. Gegen Ende des 16. Jahrh. entwidelte ſich
in ben niederländ. Kriegen aus ber a er re
Kampfform die pi lpuntine Bri abe lung,
eine Zufammenitellung von 4 Bataillonen der ſpan.⸗
ungar.Orbonnanz,von denen 1 Bataillondie Avant
garbe, 2 Bataillone die Bataille und 1 Bataillon
die Arriöregarde bildeten,
Als neue Waffengattung tritt jent die Artillerie
auf, die infolge ibrer großen Schwerfälligteit in»
deſſen in der Feldſchlacht zunächſt no
enticheidenden Bedeutung ift.
Ein beſonderes Berbienit, die F. den veränderten
Verbältnifien angepaßt zu haben, gebührt Morig
von Dranien und Guſtav Adolf von Schweden.
Eriterer gab der nfanterieaufitellung eine gerin:
ere Tiefe und verlleinerte die unbebilflicen großen
hlahthaufen, wodurch die Infanterietaltil (im
biefer Form niederländifhbe Ordnung ge
nannt) beweglicher wurde; der Grundgedanle diejer
Ordnung war: die Mustetiere, deren Feuerwirkung
ald das entiheidende Moment anerlannt wurde,
in möglicft flacher Aufitellung zu entwideln und
badurd die Zahl der zu gleichzeitiger Wirkung lom⸗
menden Feuergewehre möglicft groß zu geitalten,
dabei aber in angemefjenen Entfernungen Pilenier⸗
aufen in die Schüßenfront einzufügen, welche die
inie ftügten und binter welde die Schüßen fi
flüchten fonnten, wenn fie von Reiterei angefallen
wurden. Als taktische Einbeit bildete fich im nieder:
länd Heere das Halbregiment zu etwa 500 Mann
heraus, der Zahl nah halb Piteniere (Spieher),
balb Mustetiere (Schüsen); aus diefer tattiichen
Unterſcheidung der abminiftrativen Einheit des
Negiments entwidelte fich das jegige Bataillon (im
Gegenjag zu dem alten Bataillon der Geviertorb:
nung). Die Schlachtordnung Draniens- if die
Niebderländiſche Brigadeſtellung (ſ. d.).
Guſtav Adolf formierte die Infanterie zu 6, die
Reiterei zu 4 bis 3 Gliedern und ſiellte die Pileniere
und Mustetiere derart zuſammen, daß eine beſſere
egenfeitige Unterftüßung gemwäbrleiftet war. Die
chwed. Compagnie beitand aus 2 Truppe Mus:
fetieren und 1 Trupp Pilenieren. Die Brigaden (ſ.
Schwediſche Brigabeitellung), in ſich nach Breite und
Tiefe mehrfach gegliedert, jtanden mit Abitänden
neben: und in zwei Treffen bintereinander. Eine zahl⸗
reiche Artillerie war teild der Infanterie unmittel:
bar zugeteilt (Regimentsftüde) und begleitete diefe
in das Gefecht, teild war fie als ſchwere Artillerie
in Batterien vor der front aufgeftellt, um die großen
Geviertbaufen der Gegner fhon aus der Ferne zu
ſchaͤdigen. Aud die 5. der Kavallerie wurde von
Bujtav Adolf weſentlich umgejtaltet. Während die:
felbe bisher nur im Trabe angegriffen hatte, mußte
& ſich jest im Galopp und Carritre auf den Feind
türzen. Anitatt der bisberigen tiefen Gliederung
wurde bie Rangierung zu nur drei Gliedern ein»
eführt, wodurd die Frontbreite erheblich zunabm.
Smifchen die Kavalleriegeſchwader wurden beim Auf:
marih zur Schlaht Mustetiertrupps eingeitreut,
um bei mißglüdter Attade die Reiter 1. Naht. m
von feiner
Den Übergang von der F. des 17. Yabrb. zu
der beö 18. U th. bildet das allmäblihe Ber:
chwinden des Schügengefechts und ber gleichpeitige
eginn eines regelrechten Ererziereng, die Abjchais
fung der Pile und die allgemeine Einführung des
604
Bajonettgewehrs, d. b. die Schaffung einer Ein-
beitsinfanterie. Mit dem Ererzieren bing zuſam⸗
men die fait in allen Heeren auflommende jeite
Bataillongeinteilung der Regimenter, d. b. die enge
Verbindung taktijcher Formation und abminijtra®
tiver Organijation.
Die F. des 18. Jahrh. wird nach ihrer Form
gineartaltit (f. d.) und nad dem Feldherrn, der
fie am genialjten anzumenden verjtand, Friedrich
d. Gr., die Fridericianifhe Taktik genannt.
Die Infanterie ift in 4, jpäter in 3 Gliedern auf:
eftellt. Die Grundaufitellung ift die Linie; Ko—
onnenformationen dienen nur zu Marſch- und Ma—
növrierzweden. Die Zahl der Formationen iſt gering,
der Hauptnachdruck liegt im geſchloſſenen Vorgehen
Taltſchritt) des in Linie formierten Bataillons jo:
wie im rafchen Laden und Schießen.
DieRKavalleriebeitandin Preußen aus Küraffie-
ten, Dragonern und Hufaren. Die erftern waren
nur zum Stoß in gejchlofiener Dronung bejtimmt,
die Dragoner waren zu Pferd ausgebildet, mußten
aber aud zu Fuß a wie die Infanterie
ererzieren. Den Hujaren lag die Handhabung des
Sicherheitsdienſtes ob; im geſchloſſenen Ererzieren
u Fuß wurden fie nicht ausgebildet. Küraffiereund
ragoner fochten zu Pferd in 3, Hufaren in 2 lie
dern. Während nad dem öſterr. Reglement von
1749 und dem franz. von 1755 die Kavallerie zur
Attade im Trabe vorrüden, auf 30 Schritt vom
Feind die Pijtole abfeuern, den Degen aufnebmen
und einbauen joll, war Schießen wäbrend der Attade
bei der preuß. Reiterei verboten. Die Vorſchriften
der letztern legten vielmehr auf fchnelles,aber ruhiges
Aufnehmen der Richtung beim Aufmarſch großen
Wert; die Estadrons des erften Treffens hatten
12— 20, diejenigen des zweiten 40—60 Schritt
wilhenraum, der Treffenabitand betrug 300
dritt. Den D zieren der preuß. Kavallerie war
bei «infamer Kaflation» verboten, fih vom Feinde
attadieren zu lajjen, fie follten vielmehr «allemal
den Feind attadierenn.
In diefem energiiben Grundgedanten erzogen
und von hervorragenden Neitergeneralen (unter
denen Seydlig und Bieten topiihe Berübmtbeit
erlangten) in wahrhaft mujtergültiger Weiſe ge
führt, wurde die preuß. Kavallerie bald jeder andern
in Ausbildung des einzelnen Mannes, Manövrier:
fähigfeit und Ungeftüm in der Attade überlegen.
Die Artillerie, deren Beipannung erjt bei Be
inn eines Krieges beichafft wurde, war teild der
Snfanterie (2—3 Geſchutze zu jedem Bataillon) zus
— teils in Batterien vereint. Die Regiments:
tüde waren leichter, gingen mit ibren Bataillonen
vor und feuerten von 400 Schritt ab mit Kartät⸗
ſchen; der Reit der Artillerie führte ſchwere Kaliber.
Taktiſcher Verband war in ae die Artilleries
brigade zu 10, in Öfterreich die Batterie zu 5 Ges
hügen. Die Beweglichkeit der Artillerie war noch
ering; die geichlagene Partei verlor meijt ibre ge
* Artillerie. Dieſe Übelſtände veranlaßten
iedrich d. Gr. 1759 zur Aufſtellung von reitens
der Artillerie. Die franz. Armee bat reitende
Artillerie feit 1763, die djterreichiiche feit 1776.
Für den Kampf fuchte man ebene, nicht durch⸗
f&hnittenes Gelände auf. Der Aufmarfc zur Schlacht
dauerte mehrere Stunden. Die Ynfanterie, nur
ein ſchwaches zweites Trefien ala Rüdhalt Dinter
fich, ftebt in der Mitte, die Kavallerie auf den Flu—
aeln. Die Artillerie eröffnete ven Kampf. Erfuhr
Fechtart
auch die Wirkung der Artillerie durch die Zerſplitte⸗
rung ihrer Kräfte und teilweiſe Verwendung als
Regimentsartillerie eine Abſchwächung, ſo war doch
in der Art ihres Auftretens (Vereinigung der Wir:
fung geoen ein Ziel) der Grundjas der Mafjenmir:
kung bereit3 angedeutet. Da die Artillerie bei den
geringen Schußmeiten ihre eigene —— nicht
überfhießen konnte, fand fie ihre Aufſtellung auf
den Flügeln. In den erjten Schlefiihen Kriegen
berrichte der parallele Angriff vor, jpäter wurde im
Umfajjen eines Flügeld die Entſcheidung zu
Bei diefem Streben nad Flantenumfaffung bewegte
man ſich in einzelnen Schlachten (f. Zorndorf) voll
fommen im Kreiſe umeinander m. Ausgiebige
Verfolgung nad der Schlacht fand nicht ftatt, war
auch faum angängig, weil die Hauptwaffe der Ber:
folgung, die Reiterei, bereit3 bei der Entiheidung
eingejest war und die Infanterie zunächſt ibre zer:
breblide Ordnung miederberjtellen mußte. ie
Schlachtenführung beftand bauptiählib in dem
Aufbau und Anſetzen der Armee. In legterm
lag die Entiheidung; mißlang es, jo ging die
Schlacht verloren. Die Einwirkung der Führung
während ver Schlacht konnte über den engen Rabmen
des perjönliben Beiipield nicht weit binausgeben.
Das zweite Treffen wurde bald in Mitleidenjcaft
ezogen, das Borfchieben der meift —— Re⸗
erve war die hauptſächlichſte Einwirkung während
des Kampfes. Die Thätigleit der Kavallerie mußte
im allgemeinen den ftavallerieführern auf den Flü-
geln überlafien werden.
Ein großer Umſchwung der F. wurde durch bie
zu Ende des 18. Jahrb. beginnende Ausnugung
des Geländes bervorgegerufen. Es verdient als
charalteriſtiſch Besen zu werben, daß bie
Lineartaltik nicht etwa deöwegen verſchwand, meil
man fie für veraltet bielt, ſondern weil die raſch auf:
ejtellten Boltäbeere der Norbamerifaner und ver
anz. Republik zunächſt ſich nicht in geregelter
Schlachtordnung zu Schlagen vermochten. Siebatten
weder genügend Uffigiere, die die Ausbildung in der
Lineartattil zu übernehmen verftanden, noch Zeit,
um ihre Mannſchaften in der peinlihen Weife zu
ererzieren und zu —— die die Fridericianiſche
Schule auszeichnete. Außerdem fehlte e8 in vielen
Fällen an einer Vorbedingung der Pineartattit,
nämlih an dem ebenen, nicht durchſchnittenen Ge:
lände. Obwohl die franz. Neglements von 1791 und
1805 fi in den Yyormationen nur wenig von denen
der preuß. Reglements von 1743 unterſchieden, brach
man zunächſt unbeabfichtigt mit der Yineartaftif, in⸗
dem die Kolonne (f. Kolonnentaltif) und eine im
Reglement nicht vorgejebene F. angewandt wurden.
Nah dem Reglement von 1791 ftand die franz. In—
fanterie in 3 Öliedern, das Bataillon hatte 8, Ipäter
6 Eompagnien. Das erjte franz. Infanterietreften
löfte fih anfangs ganz in ungeordnete Tirailleur:
Ihwärme ung bu drang fo vorwärts. Bei der un:
genügenden Vorbereitung des Angriffs, dem fajt
gänzliben Mangel an Rejerven, waren Ruckſchläge
unausbleiblib. Franzöfiicerfeit3 verfiel man zu⸗
nächſt darauf, entjcheidende Schlachten zu vermeiden,
den Krieg durch zahlreiche Heine Gefechte zu fübren
und dabei die ———— an Zahl den Gegnern weit
überlegene Mannſchaft rucſichtslos ——
ſchlechtet als um die taltiſche Ausbildung
der Infanterie ſtand es bei Ausbruch der Revolution
mit Remontierung und Ausbildung der franz. Ka—
vallerie. Da fie im Einzellampf gegen preuß. oder
Fechtart
oſtert. Reiterei ſtets den kürzern zog, fuchte man
durh die Maſſe zu wirken und vereinigte bis zu
H Schwadronen unter dauernder Zuteilung von
1618 2 Batterien zu Havalleriedivifionen.
Unter Napoleon bat die franz. Kavallerie eine
der Fridericianiſchen nicht nadjitebende Rubmes:
erohe. Obwohl nicht aus durchgebildeten Neitern
beitebend, gab fie in vielen Schlachten die Ent:
ſcheidung, weil fie, in Maſſe und am rechten Ort
eingeieht, fi obne Rünjteleien ungeftüm auf den
Feind warf. Dbmohl jelbit ein jchlechter Reiter,
mußte Napoleon jeiner Kavallerie die rüdjichts-
Iojeite Bravour einzuprägen, und feine Reiter
enerale, unter denen bejonders Murat, ee
elmans, Sebajtiani, Latour-Maubourg und Mil
baud hervortreten, veritanden es, ſelbſt ſchlecht
Dee pe Zruppen auf elenden Pferden in
Marie zu bewegen und mit ihrer Wucht den Gegner
niederjurennen, Einen eigentümlihen Gegenſatz
bierzu bildete die preuß.:diterr. Kavallerie, die,
an jich von weit beſſerer Beſchaffenheit und im all:
gemeinen der Zabl nad weit überlegen, vielfach
untbätig blieb, höchſtens in vereinzelten fleinen
Abteilungen auftrat und niemals einen wirklich
enticbeidenden Erfolg davontrug.
Die franz. Artillerie ſtand bon bei Beginn der
Revolution auf einer hoben Stufe wiſſenſchaftlicher
Ausbildung, blieb aber zunädft an Zahl gegen:
über dem ſchnellen Anwodien der Maflenaufgebote
ſchwach. Sie war in Batterien zu 6—R Geſchützen
formiert und in der Stärtevon 2 bis 3 Batterienan
die Fnfanteriedivifionen verteilt. Regimentsſtücke
aab es nicht mehr, da die Fechtweiſe der Infan—
terie in Zirailleurjhmwärmen die Beigabe von Ge
ſchütßzen an die einzelnen Bataillone unmöglich
machte. Erſt ſpäter bildete fih der Grundjak aus,
daß vie Artillerie den Stoß der andern len
vorbereiten muſſe Dementſprechend vereinte Na:
poleon I. die Artillerie in großen Batterien und
jonderte ſich große Geihüsrejerven (bis zu 100 Ges
ibüsen) aus, die fi in feiner Meifterband außer:
ordentlich bewährten, die aber bei ungeichidter Bes
nusung jeitens feiner ihm nachahmenden Gegner
bäufig nicht zur Wirkjamteit kamen.
Seine njanterie formierte Napoleon in Armee
forps, die aus 2—4 Divifionen beitanden und
denen je 1 Divifion oder Brigade leichter Kaval—
lerie zugeteilt war; die Hauptmaſſe der Kavallerie
formierte er anfangs in N a Divifionen,
die zulammen zwar den Namen favallerierejerve
führten, ſtets aber zum ftrategifchen Aufllärungs:
dienjt vor der jFront der Armee verwendet wurden;
in den Feldzügen von 1812 bis 1815 wurde auch
die Kavallerie in mehrere Ravallerielorps, jedes
aus mehrern Divifionen bejtehend, zuiammenge:
jogen; ihre Verwendung in dieſer Epoche mar
übrigens mebr taltiicher als —— Natur.
Das in der Fridericianiſchen Zeit ſo entſcheidende
Aniegen der Truppen zum Gefecht verlor einen
Teil feiner Bedeutung. Der Kampf nahm einen
langjamern Verlauf. Fehler in der eriten Anlage
lonpten durch das m... friicher Truppen wieder
gut gemacht werden. Neben die Kunſt des Anſetzens
m Gefecht trat ebenbürtig die Leitung im Gefecht.
Die die ftrategiiche Thätigkeit Napoleons darau
gerichtet war, in überrafchender Weife Kräfte au
einem Punkte zu vereinigen, jo erfcheint als Zie
jeiner lachtenleitung häufig das Durchbrechen
der feindlichen Mitte als enticheidende Altion.
505
Die den Napoleonifchen Feldzügen folgende u...
Friedenszeit, bis 1859, nur durch vereinzelte, lolali⸗
fierte yeldzüge unterbrochen, zeitigte in den meiſten
Armeen ein pedantifches Weſen. Liber dem reinen
Ererzieren vergaß man den Felddienſt.
Die Infanterie iſt teild in 3 Gliedern formiert
(Rupland, Öjterreich), teild in 2 Gliedern er
reich, England), in Breußen bald in 3 Gliedern
(zum Ererzieren und zur Barade), bald in 2 Gliedern
(zum Gefecht). Seit der Witte des 19. Jahrh. wird
die Bewa vo. der Infanterie mit —— Ge⸗
wehren (Vorderladern) verſchiedener Syſteme durch⸗
eführt, —— allein führte feit 1848 den Hinter
ader (Dreyieihes Zündnadelgewebr) ein; aus der
Kolonnentaltit der Napoleontihen Zeit entmwidelt
fih allmählich eine neue, das Schüßengefecht mehr
und mehr in den Vordergrund rüdende Tattil,
die, zuerit in Preußen, zur Jerlenumg der großen
Bataillonstolonnen in bewegliche Compagnielolon⸗
nen (f. d.) führt. Auch in diefer Beziehung ift die
preuß. Taktif für alle andern Heere vorbildlich ge
weſen; nad den preuß. Erfolgen im Kriege 1866
wird der Hinterlader und die Compagniekolonnen⸗
tattit von der Infanterie aller europ, Heere ange
nommen.
Verwendung und Leitung der Kavallerie al?
Truppe war, troß forgjältiger — von
Mann und Pferd im einzelnen, ſeit den Napo—
leoniſchen Kriegen übera rg ihre
Tätigkeit in den Kriegen um die Mitte des Jahr:
bunvert3 war niemals entjcheidend, meift überhaupt
obne Bedeutung. Im Nordameritanifchen Bürger:
kriege ipielte die wenn auch taltiſch wenig —
Kavallerie beider Parteien in fteoteaii cher Beziehung
(j. Raids) eine eigenartige Rolle. Im Kriege
1866 jtand ir preuß. wie auf dfterr. Seite eine
ebenjo zahlreiche wie tüchtige Kavallerie zur Ver:
füqung, und auf beiden Seiten fam bei der allge:
meinen Formation der Heeresmaſſen der richtige
Grundgedanke zum Ausdrud: daß die Kavallerie
in aroßen Maflen zur Thbätigleit gebracht werben
mühje; Oſterreich formierte demgemäß feine fa:
vallerie der böbm. Armee, den Snranterietorp nur
je einige Esladrons zuteilend, in fünf ſtarke Divi—
— Preußen formierte außer einigen einzelnen
Diviſionen ſogar ein ganzes Kavalleriekorps von
über 8000 Pferden — aber die Verwendung dieſer
ſchönen Reitermafjen ließ febr viel zu wünſchen
übrig. Strategiih kam die Kavallerie auf keiner
Seite zur — ** taktiſch verſtand es wenigſtens
die dfterr. Heeresleitung, durch rückſichtsloſes Ein:
ſeßen eines Teils ihrer Kavallerie bei Königgräß
der geſchlagenen Armee einen leidlichen Rüdzug zu
ermöglichen; preußijcherfeits konnte, * einzelner
tapferer Thaten, von einer taltiſchen Wirkfamteit
der Kavallerie nicht die Rede fein.
Die Artillerie nabm um die Mitte des 19. Jahrh.
einen bedeutenden Aufibwung durch Einführung
der gezogenen Geſchütze; in Preußen zunächſt kam
auch hierbei das Syſtem der Hinterladung zur Gel:
tung, indefien war beim Ausbruch des Krieges
1866 die Neubemwaffnung der preuß. Artillerie erjı
zum Teil durchgeführt, eine grobe Anzahl von Bat:
terien rüdte noch mit den alten glatten Geſchützen
ins Feld. Dieſer Umftand, in Verbindung mit un:
richtigen Grundfäßen in der taftiichen Verwendung,
ließ die Leiftungen der preuß. Artillerie 1866 ſehr
in den Hintergrund treten, während die mit ge
jogenen Vorderladern ausgerüſtete dfterr. Artillerie
506
oielfach mit gutem taktiſchem Verftändnis in großen
Maſſen vereinigt zur — fam und in
mehrern fällen durch heroiſche Selbitaufopferung
ihrer aufs äußerfte bevrängten Infanterie das Los:
löfen aus dem Gefecht ermöglichte.
Der Deutſch-Franzoͤſiſche Krieg von 1870 und
1871 war epodhemachend für die F. aller drei Waf-
fen. Zum erjtenmal ftanden fich zwei mit Hinter:
labern bewaffnete Infanterien pomäber: das Re:
jultat der hierbei gemachten überaus blutigen Er:
fahrungen war das Aufgeben der alten Kolonnen:
taktit und ihr Erfaß dur die moderne Schüßen:
taktil. Die deutihe Kavallerie, der Hauptmaſſe
nad in eine Anzahl jelbjtändiger Divifionen for:
miert und von ber Heeresleitung mit Gejchid ver:
wendet, leijtete, wenn aud im einzelnen manche
Mängel bervortraten (4.3. mangelhafte Ausrüftung
mit Feuerwaffen), ſehr Beveutendes im ftrategijchen
Aufllärungs: und Verfchleierungspdienit; die taktis
ſchen Leiftungen auf vem Schlachtfelde waren, wenn
aud Beweije glänzender Tapferleit, fo doch durchaus
nicht bervorragend. Die franz. Kavallerie hatte
ſtrategiſch —* verſagt, ihre taltiſchen Leiſtungen
beſtanden in glänzenden, aber gänzlich ergebnis—
loſen «Todesritten». Die deutſche Artillerie, in
großen Mafien vereinigt und mit hervorragenden
Geihid verwendet, wurde ein ausjchlaggebender
altor der Entſcheidung; fie batte in der franz.
ttillerie einen bis auf das weniger gute Material
durchaus — Gegner.
‚Bei der F. der Gegenwart läßt ſich zunächſt
die Thätigleit der Heeresleitung dahin chärakteri⸗
fieren, daß der Schladhtenverlauf durch die jtrates
giiche Anlage, durch die von langer Hand vorbereis
teten Bewegungen beherrſcht wird. Sit aud die
anfängliche Trennung der Heeresteile und die Selb:
ftändigleit der Divifiond- und Korpscommandeure
eine nn und die Ginbeitlichleit der Kampfeshand⸗
lung gefährdende, fo ſichert doc die Anlage des
zu. den Sieg. Der Feind wird oft weniger durch
den Mißerfolg der Waffen ald durch die allgemeine
Kriegslage genötigt, ſich für überwunden zu erklären.
Die F. der Snlanterie, welche jest überall in
zwei Gliedern rangiert, hat ihren moderniten Aus:
drudin dem neuen deutichen Ererzierreglement (j. d.)
von 1888 gefunden, weldes alle frübern künſt—
lihen Formationen ſowie alle ſchematiſchen Be:
ftimmungen über Führung des Gefechts bejeitigt
bat, und dejjen, der Jnitiative der Führer und In:
telligen; der Sruppen einen weiten Spielraum
lafiende allgemeine Direltiven auf dem Grund:
fag beruben: der Schützenſchwarm ift die Haupt
lampfform der Infanterie,
Jede Schematiſierung des Angriffsverfahrens iſt
unterſagt. Wahrend im Begegnun acht ber
Fuhrer die — Gelegenheit ergreifen ſoll, muß
der Angriff auf eine vorbereitete Stellung geplant
ſein und hat nur dann Ausſicht auf Erfolg, wenn
ihm die Herbeiführung der Feuerüberlegenheit ge⸗
lingt. Bei jeder Verteidigung kommt es auf aus
giebige Verwertung der Feuerwaffen an, zu denen
neuerdings noch die Maſchinengewehre (f. d.) hinzu⸗
getreten ſind. Die Stellung muß in Abſchnitte eins
geteilt werben, —— iſt für die Beſetun
Vorbedingung. Die Ausbildung der Infanterie ilt
nad richtigen Grundjäßen erfolgt, wenn fie das
fann, was der Krieg erfordert, und wenn fie auf
bein Gefechtsfelde nichts von dem wieder abzuſtrei—
fen bat, was fie auf dem Ererzierplage erlernte.
Fechtart
Die Kavallerie iſt in allen Heeren neben der
blanten Waffe (Säbel allein oder Säbel und
Lanze) mit einem SInfanteriemunition verfeuern:
den Karabiner bewafinet, der fie zum Führen
eines Feuergefechts zu Fuß befähigt. (©. Aub-
geieht der Kavallerie.) Alle großen Heere des
eſtlandes bilden im Kriege (teilmeiie ſchon im
Srleven) befondere Rovalleriedivifionen von 4 oder
6 Negimentern mit einigen reitenden Batterien
(f. Divifion [2] und Divilionskavallerie). Als 5.
— Kavalleriemaſſen ſteht zwar (mad dem
organg der deutſchen Stavallerie) die jog. Drei:
treffentaktik noch überall in Geltung, doch
machen fich vielfab Stimmen börbar, weldye deren
ſchematiſch Eritillofe Anwendung belämpfen. Das
deutihe Reglement von 1895 bat dem bereits
Ausdrud gegeben durch die Beitimmung, daß die
dem erften Treffen folgenden Teile als zweites
Treffen auf einem Flügel, oder hinter beiden Flü-
geln geteilt, oder hinter dem einen Flügel als zwei:
tes, Einter dem andern Flügel oder der Mitte des
eriten Treffens als drittes, oder endlich hinter einem
Flügel als zweites und drittes Treffen geitaffelt fol:
gen. Das zweite Treffen ſoll den Sieg des gerade
aus auf den Feind attadierenden eriten Treffens
fiherftellen, indem es nabe berangehalten mit feinen
Hauptlräften hinter dem bedrobten Flügel folgt,
einige Estadrons binter die Front des eriten
Treffens verteilt. Das dritte Treffen, deſſen Plat
MM nad) den Berbältnifien richtet, bleibt für Wechſel⸗
älle in der Hand des Divifionsführers.
Weſentliche Fortichritte in Bezug auf Bewaffnung
und Verwendung zeigt die Artillerie, die nun:
mebr in Batterien von 6 bis 8 Gejchügen vereinigt
und teild als Divifionsartillerie den Infanterie⸗
divifionen zugeteilt ift, teils als Korpsartillerie un-
mittelbar unter dem fommandierenden General jtebt.
Die F. der Feldartillerie ift allgemein die durch
das Grerzierreglement für die deutſche Feldartille⸗
rie vom J. 1899 ——— es iſt darin die
Maſſenwirlkung hauptſächlich betont und die Ber:
wendung ber Öelartilerie im Abteilung&: oder im
Regimentöverbande als die Regel bingeitellt. Die
Geſechtsformation ift allein die Linie, die Entfer-
nung vom Feinde meift außerhalb des wirkſamen
—— der Infanterie; doch darf die Artil⸗
erie im entjcheidenden Augenblid aud Infanterie:
feuer nicht ſcheuen. Eine bejondere Bededung wird
im allgemeinen nicht für erforderlich erachtet. Die
Feldheere der Großmächte führen außer der neuer:
dings neben den Schnellfeuerlanonen vielfach auch
mit leichten Haubiken ausgeſtatteten Feldartillerie
noch bejondere Batterien ſchweret Kaliber,
vorwiegend Steilfeuergeichüße (ſ. d.). i aller
dings geringerer Beweglichkeit als die Feldbatte—
rien haben diefe ſchweren Batterien eine erböbte
Wirkung, überhaupt eine ſolche auf weitere Entfer:
nungen, und find zum Belämpfen mwiberitands
Iabiaer Ziele geeignet, namentlich foldyer, die fi
inter Dedungen befinden,
Seit Einführung des rauchſchwachen Pul—
vers ift mehr noch als jeither für den Füprer
Aufklärung vor dem Gefecht wünichenswert, aber
von der Kavallerie jchwerer zu leiten; anderer:
feitö ift die Nauchwolle der feuernden Schüßen-
linien fortgefallen, melde die Bewegung rüd:
mwärtiger Staffeln verjcleierte. Die Wrtillerie,
biöber ihre Stellungen jhon auf weite Entfer-
nungen durch den Pulverdampf verratend, ift jest,
Fechtboden — Fechtkunft
aamentlich wenn fie verdedt ſteht, ſchwerer *
jaſſen. J —— wird ſie in vielen Faͤllen im Ge⸗
linde eingeniſtete Schügen laum zu entdeden und
yu befchießen vermögen. Nah mie vor wird bie
Kavallerie in den Arifen der Schlacht rückſichtslos
änuiegen ſein. Um fıch bis dahin intakt zu balten,
zu fie weiter zurüdbleiben; die Attadenlängen
werden daher wachſen, das Tempo, in dem die vom
Feuer beberrichten Räume durchritten werben
müfen, wird fich fteigern, die Momente, in denen
einzugreifen ift, ſchwerer zu erfennen fein. — Rauch⸗
ſchwaches Bulver wie Vervolllommnung der Feuer:
waffen begünftigen in erfter Linie den eidiger.
Dennod wird der Gegner angreifen müjjen, wenn
er bie Entſcheidung herbeiführen will und die euer:
überlegenbeit gewonnen zu haben glaubt. Auf die
operative Thätigleit der Heeresleitung bleibt aljo
rauchſchwaches Pulver ohne Einfluß.
DB, von Boguflawiki, Fechtweiſe aller Zeiten
(Berl. 1880); Jähns, Geſchichte des Kriegsweſens
ebd. 1880); el, Zruppenführung (ebd. 1890);
oebells Jahresberichte (ebd., feit 1874).
Fechtboden, der Saal, in dem die Studenten
ihre Fehtübungen vornehmen. Hier wird haupt:
jählih von den Verbindungen unter Leitung ihrer
Sechtmwarte das menjurmäßige Kontraſchlagen im
‚sechtzeug geübt, während dieeigentliche Menfur (f.d.)
im a auf dem Paukboden jtattfindet.
echten, j. Fechtlunſt. — F. ift auch ein üb:
deutjcher Ausprud für Aichen (ſ. d.); es wird ferner
feit dem 17. Sek. in der Bedeutung von betteln,
namentli der Handwerlsburſchen, gebraucht,
ter, j. Gladiatoren. — Sterbender $.,
f. Gallierftatuen.
Fechter (ipr. fältähr oder fäſchtähr), Charles
Albert, franz. engl. ufpieler, geb. 23. Olt.
1824 au Belleville bei Paris, verjuchte ſich als
Bildhauer, bevor er in der Salle Moliere feine
theatralifhe Laufbahn eröffnete, die ihm nad kur
sem Bejuc des Eonfervatoire einer reifenben Truppe
zuführte, an deren Wanderungen in Stalien er teil
nahm. Gr fpielte 1845—46 auf dem Franzöſiſchen
Theater in Berlin, trat dann in den Mitglieverver-
band des Barifer Baudeville und wirkte, nachdem
er einige Zeit aud in London aufgetreten war,
1847—53 auf den Bühnen des Ambigu, der Ba:
rietes, des Hiftorique, der Porte St. Martin, des
Vaudeville. Später fpielte er au im Odéon, das
er 1857—58 mit de la Rounat leitete. 1860 —61
—* er mit glänzendem Erfolg im Londoner
tinceß⸗Theater ——— Hauptrollen in
rtiger Weiſe dar. Als Direltor des Lyceum⸗
erwarb er ſich dann nicht minder die An⸗
als Darjteller moderner engl. Rollen
und * te ſeinen Ruhm als engl. Darſteller
durch piele, die er 1870— 78 in Nordamerika
b. 1872 begründete er in Neuyorf eine für bie
ufführung franz. Stüde beftimmte Bühne. Zum
lestenmal Priete F. im Okt. 1878 in Bofton und
farb 5. Aug. 1879 zu Qualertomwn bei Philadelphia.
tkunft, im allgemeinen die durch Übung
und Unterricht erlernte Fähigleit, Hieb- und Stoß:
waffen im Kampf gegen einen oder mehrere Gegner
u führen. Die F. erfordert Mut, Geihid, Kraft,
es Auge, geichmeidige Glieder, Kaltblütigteit;
ibre Ausübung bat daber die Unerziehung diefer
igenfchaften zum Zwed umd zur 8 2
‚im beſon dern it die in ein Syſtem gebrachte
re vom ten, die ſich je nach der Waffe ver:
507
ſchieden geftalte. Man unterfcheidet Stoß« uno
Hiebfechten. Zu den gewöhnlihen Stoßmwaffen
gehört das Florett und der Degen (in easy Zeiten
auch der ſog. Raufdegen) ; befondere Arten find die
Lanze und das Bajonettgewehr, deren Gebraud
von den eritgenannten Waffen weſentlich abweict.
ZudenHiebwafien gebörtdas Rappier, der gerade
und rummeSäbel. Hiernach unterfcheidetman: Sä:
bel: over Hiebfehten (j.Hieb), Florett⸗ oder
eigentlihes Stoßfehbten und außerdem Lanzen:
fehten(f.d.)und Bajonettfehten(j.d.). Degen
und gerader Säbel können zum Hieb- wie zum Stoß:
fechten verwendet werden. Dad Stodfehten
(bAton:Schlagen) ift IN ganz außer Übung gelom:
men und wird nurnoch im nördl. Frankreich gepflegt.
Die F. ala Syſtem unterſcheidet yundeft Uns
oriff(Hieboder Stoß) und Berteidigung (Pa
tade); fie regelt die KRörperftellung (Bofttion), die
Armlage (Auslage) und den Abitand (Menfur)
der fämpfenden Gegner; fie lehrt die Bewegungen
(Motionen) der bewaffneten Fauſt zur Ausfüb:
rung des Angriffs dur Hieb oder Stoß; fie lehrt
die entweder vom Gegner gegebene oder durch dies:
jeitige Finte gegebene Blöße zum eigenen ——
enutzen, ſich ſelbſt aber gegen den feindlichen An»
griff decken; fie lehrt endlich die verſchiedenen, wäh:
rend bes tens zur Anwendung fommenden Be:
mwegungen, die teild eine einfache Anderung der
Menfur begweden (Avancieren, Retirieren,
—*—** aſſadieren), teils mit BEER em
eigenem Angriff verbunden find (Ausfall, Ka:
minieren, Boltieren, — Der
Zweck bes Fechtens iſt: den Gegner durch Verwun—⸗
dung oder Entwaffnung kampfunfähig zu machen.
Der Fechtunterricht — mit der Unter⸗
weiſung des Einzelnen ohne gner bierauf folgen
Übungen mit einem foldyen, wobei Art und Reiben-
folge der anzuwendenden Angriff: und Berteibi-
gungsmittel zunächſt vom Lehrer angegeben (kom⸗
mandiert) oder auch vom Gegner vorber angefagt
werben; das freie Kontrafechten bildet die End-
tufe ber Ausbildung. Mehrere aufeinander folgende
ngriffe und Baraden nennt man einen Gang;
Hieb: und Stoßfechten zufammen vereint nennt man
Relontrafehten. Zur Vermeidung von Ber:
legungen beim Schulfehten dienen: Fechthand—
ſchuhe, Gefihtämasten, Fechtbrillen, mattierte
Schürzen, Halstücer u. a.
Geſchichtliches. Die F. ift uralt; das Alter
tum pflegte diefelbe in den Fechter- (Gladiatoren-)
chulen, deren Kunſt nad dem Zerfall des röm.
Weltreichs ‚verloren ging. Im Mittelalter kann
von einer eigentlichen 3. nicht die Rede fein, da die
Abwehr nicht dur die Trußwaffe, fondern durch
Schild, Helm und Harniſch zu erreihen geſucht und
das Hauptgewicht auf ungeftüme regellofe Hiebe
und Stöße gelegt wurde; nirgends ift in den
Kampfſchilderungen jener Zeit von einer kunſt⸗
gemäßen Abwehr, von einer Parade die Rede. Die
ganze Turnierkunft des Mittelalterd berubte dar
auf, den feindlichen Lanzenſtoß mit der Bruft oder
dem Schilde aufgufangen, ohne ſattellos zu wer:
den. rüber als bei dem turnierenden Adel bildeten
je in den Städten jhon frühzeitig den Bürger:
eifen angebörende Fehtverbrüderungen, die
eine den Innungen verwandte Öliederung erhielten.
Die ältefte derſelben war die von St. Markus von
Löwenberg in Frankfurt a. M., die fog. Marks:
brübder (ſ. d.), die ihre Geheimniſſe Nichtzünftigen
508
aegenüber mit derfelben Eiferfucht büteten, wie A
damals allgemein Künftler und Handwerker in
ug auf ihren Beruf an den zoo legten. Von den
Ip ſich bildenden rg ſchaften waren die
erühmteſte die Freifechter von der Jedervon
Greifenfels (ſ. d.). (S. aud Federhannſen.) Mit
der Erfindung des Schießpulvers traten zunächſt
die Waffen für den Nahkampf mehr in den Hinter:
— aber gegen Ende des 15. Jahrh. entwickelte
ch überrafchend fchnell eine theoretiſche Ausbil:
dung der F., die fi) in ihren Grundzügen bis auf
die heutige Zeit erhalten bat. Zuerft in Ftalien und
dann in Deutichland und Frankreich wurde die neue
Kunft heimisch und bald unbedingtes Erfordernis
für jeden waffentragenden Mann. Die mit dem
Schmwinden des QTurnierwejens einreißende Duell:
manier des Adels, der Soldaten und Studenten
verichafite der 5. die weitefte Verbreitung; die Uni:
verfitäten blieben in Deutſchland aud) im 18. und
19. Jahrh. ihre hauptſächlichſten Pflegeftätten.
Die jest allgemein auf deutſchen Univerfitäten üb:
liche Fechtart ift Das Hiebfechten, doch ift das Stoß:
fehten erft zu Anfang des 19. Jahrh. abgelom-
men und erhielt ſich namentlich in ‚Jena noch bis in
die vierziger Jahre. Schon 1550 wird eines Fecht⸗
—— in Jena gedacht; bier erlangte ſpäterhin
Wilhelm Kreußler (geb. 1592) als Begründer der
deutfchen Stoßfechtlunft große Berühmtheit. Eine
andere noch heute blühende Fechterfamilie find die
von vertriebenen Hugenotten abjtammenden Rour.
Litteratur: J. A. 8. Rour, Anweiſung in der
deutichen F. auf Stoß und Hieb (Jena 1799; 2, Aufl.
u. d. T. Die —** F., theoretiſch-praktiſche An:
weiſung zum Stoßfechten, Lpz. 1817); Joh. Wilh.
Roux, Anleitung zur F. nach mathem.phyſik. Grund⸗
fägen (Jena 1808); Lüpſcher und Gömmel, Theorie
der F., nad dem «Traite d’escrime» von Chatelain
(Wien 1819); von Böllnik, Das Hiebfechten gi Fuß
und zu Pferde (Halberit. 1825); W. Nour, Anwei:
fung zum Hiebfechten (2. Aufl., Jena 1849); derf.,
Die Kreußlerſche Stoßfehtichule (2. Aufl.,ebd. m:
derf., Deutſches Baufbud (2. Aufl.,ebd.1858); Not
jtein, Das Stoß: und Hiebfechten mit Degen und
Säbel (Berl. 1863); W. Lübed, Lehr: und Hand:
buch der deutſchen F. (2. Aufl., Frantf. a. O. 1869);
G. Hergſell, Die F. (Wien 1881 F— Lion, Das Stop:
Sr (Hof 1882); von Dreſty, Anleitung zum
echten mit dem Stoßdegen — Offizier⸗Fechtvereine
und militär. Bildungsanſtalten (Berl. 1891); Mon:
tag, Neue praltiiche Fechtſchule auf Hieb und Stoß
(3. Aufl., Lpz. 1884); CäfarNour, Die Hiebfechtkunſt
(3. Aufl., Jena 1901); Eifelen, Das deutiche Hieb:
jechten (neu bearbeitetvon Böttcher und Waſſmanns⸗
dorff, Lahr 1882);: Die deutiche Stoßfechtichule nad
——5 — Grundſätzen, bg. vom Verein deutſcher
Fechtmeiſter (Cpl. 1892); Schmied⸗Kowarzik und Ku:
fabl, Fechtbüchlein (ebd. can ‚von Arlow und Lito⸗
mysth, Spitematiiches Lehrbuch für den Unterricht
im Säbelfechten (Wien 1894); Rijtow, Die moderne
3. (Brag 1896); Hergiell, Die F. im 15. und
16. Jahrh. (ebd. 1896); Ezeipel, Die F. im Duell
(Graz 1897); Thimm, A complete bibliography of
feneing and duelling (2ond. 1896); Yarba etti,
Das Säbelfechten (deutſch von Brojc und Tenner,
Mien 1898); derſ., Das Stoßfechten (deutſch von
Dimand und Ernit, ebd. 1900); Deutſche Hiebfecht:
jhule für Korb: und Glodenrappier, ba. vom Ber:
ein deutſcher Univerfitätäfechtmeijter (2. Aufl.,
£p3. 1901).
Pr
*
Fechtſchulen — Feder
Fechtſchulen, Vereinigungen, die durch Samm⸗
lung freiwilliger Beiträge —— Einrich⸗
tungen zum Wohle der Armen und Waiſen ins
Leben zu rufen oder zu unterjtüßen beſtrebt find.
Neben der Deutſchen ee ule (}. d.)
verjoloen diefen Zwed die Generalfechtſchule
in Lahr jowie die Verbände in Leipzig und Ehemnis,
die ſich alle drei 1883 von der Deutſchen Reichsfecht⸗
ſchule — haben.
echtverbrüderungen, ſ. Fechtkunſt.
echtwart, ſ. Fechtboden.
Fooit (lat.), abgeturzt Fec., «hat ſes) gemacht⸗
Signatur beſonders unter ——
eckert, Guſtav, Lithograph, geb. 3. März 1820
zu Cottbus, ward an der Berliner Alademie durd
Gottfried Schadom fowie bei dem Litbograpben
Albert Remy gebildet. F. widmete fich meiit der re
produftiven Thätigteit, obwohl er ih auch in Aqua⸗
tell: und Bajtellmalerei jowie Ölporträten verſucht
bat. Seine beiten Blätter find nad Ed. Meyerbeim,
Guft.Richter, L. Gallait, Begas, Marterjteig, Mag:
nus, Knaus u. a. 1895 erhielt er den Brofeftortitel:
er ſtarb 5. Oft. 1899 in Berlin.
Feddaͤn, das hauptfächliche ägypt. Feldmaß, ein:
eteilt in 24 Kirät (Teile) und von zweierlei Größe.
m gewöhnlihen Gebraude ift der F. 20 große
Kaſſabeh oder Kafjab (Ruten) zu 6°, Pit Beledi
oder Landesellen, aljo 133'/, Pit Belevi lang und
ebenfo breit, enthält demnach 400 große Quadrat:
fajjabeb = 59,30% a. Der amtlib angewandte
Steuerfeddän für die Abgabenerbebung begreift
333", Heine Quadratlafjabe (deren Zängentaflabeb
6°, Bit Belevi hat) = 44,591 a. Der Steuerfeddan
entbielt früher 400 Kleine Quadratlaſſabeh, wurde
aber durch Mehemed Ali verlleinert.
edderfen, Berend Wilhelm, ſ. Bd. 17.
bdberwarden, Dorf in Oldenburg, ſ. Bd. 17.
eder,Oberhautgebildeder Vögel, ſ. Federn. —
3m Maſchinenbau heißt F. eine in Wellen und
Ichfen eingeſetzte vorſpringende Leifte aus Schmiede:
eifen oder Stahl von redtedigem Querfchnitt,
welche die Drebungsbewegung der Welle auf ent:
ſprechend genutete Scheiben und Kuppelungen über:
trägt und eine Verſchiebung derlegtern auf der Melle
in deren Achſenrichtung zuläßt. — Bei einer Art der
Holzverbindung (Verbindung mit Nut und F.)
eine auf der Kante eines Bretis angebracte, in
die Langsnut auf der Kante eines andern Bretts
paflende leiltenförmige Hervorragung.
Herner verſteht man unter F. ein Stüd Metall, das
vermöge feiner Glajticität fofort in feine urfprüng-
liche Lage zurüdtebrt, jobald die äußere Kraft, welche
dasjelbe aus der Gleihgewichtslage gebracht bat, zu
wirlen aufbört. Nach der Art der Berwendung lann
man die F. in folgende Gruppen teilen: Drud: und
Eoansfebıre. welche zur Ausübung eines kon⸗
ftanten Druds und Sugs, dienen; Triebfedern
e jelbjttbätigen Hervorbringung einer Bewegung;
Reaktionsfedern zur Erzeugung einer teilweifen
Rüdwärtsbewegung; Tragfedern zum Schug
egen Stöße und Grihütterungen jowie zur Unter:
tügung ſchwerer Laften. Cine fernere Art find die
dynamometriſchen F. zur Beitimmung der
Größe einer auf fie einwirkenden Kraft aus dem Grad
ber ;sormveränderung, welde die F. dadurch erleidet;
endlich auch die Tonfedern zur Hervorrufung eines
Schalls durch Vibration. Nach der Art der Be—
anſpruchung des elaſtiſchen Körpers unterſcheidet
man andererſeits Biegungs- und Torſions—
Feder
ſedern; die Verwendung von Biegungsfedern iſt
die bei weitem allgemeinere.
‚Drud« und Spannfedern dienen als Erſat
für Gewichte; erjtere werden ftatt ſolcher beiſpiels⸗
weile an Ventilen und Walzen angewendet. Ferner
benußt man Drudfedern, wenn ed fi darum handelt,
eine jtete Berübrung zweier Körper zu erreichen ; bier:
ber gebören die Schleiffedern in Thürſchlöſſern,
un Seltionshuppelunge u. |. w.; aud die 5. in
Kerjettö, Strumpfbändern und Bandagen, zur Er:
kelung einer gefälligen Form und eines gelinden
ruds. Als Beiſpiele für Spannfedern dienen die
eg == an Nähmaſchinen und Webftühlen,
—28— ER - |. Di um von ; —
dien pan zu geben; ferner der Bohr
oder —— woher 2 —— der um den
Bohrer geſchlungenen Saite bewirtt. Die Form der
PDrud: und Spannfedern tft je nach der Stärle der
ſelben und dem Raum, welden fie einnehmen dürfen,
verjchieden: fie find entweder einfache elaſtiſche Stäbe
oder Bänder oder jhraubenförmig aufgerollt, wie fie
beijpielämweife in den Frig. 1—4 gezeichnet find.
BES
Fig. 1. Fig. 2. ig. 3, Fi. 4. Fig. 5.
Die Elafticität ald treibende Kraft kommt in den
Trieb: oder Gangfedern zur Geltung, melde in
Uhrwerlen aller Art, Spielwerten, Automaten und
einer befhräntten Anzahl Mafchinen, unter anderm
auch bei Nähmaſchinen, zur Verwendung gelangen.
Immer bejweden bie Triebfedern die m hr
einer gemifien Arbeitömenge, welche zur Berrich:
tung einer Funktion nad und nach wieder abgegeben
wird. Die für dieſen Zmed bergeftellten 5. beiteben
aus gebärtetem und meijt violett angelafienem Stabl
von möglidft volllommener Earicität (Feder:
ftabl). Die Form derfelben ift ein langer, dünner
Streifen, deſſen Breite und Dide von der zu leiften:
den Arbeit abhängt; die Enden des Streifen find
mit je einem kleinen Loch oder Halen verjeben zur
Befehinung der vorerft fpiralfürmig zufammen:
erollten 75. im Gehäuſe und an der Federwelle.
im Aufzieben legt fih der Streifen in dichten
Windungen um die Welle und bewegt fodann in
folge des Beftrebens, fi wieder aufzumideln, das
Gebäufe oder die Welle, je nachdem der eine oder
andere Zeil drebbar oder feft angeorpnet ift. Da:
mit die jo angefammelte Arbeit nicht jofort wieder
verloren gebe, ift dem Mechanismus des Uhrwerls
eine Hemmung eingefügt, welche ein allmäblides
Ablaufen der 5. bewirkt; die jog. Stellung des Uhr:
wertö bezwedt die Gleichmäßigleit ver Bewegun
für die — Dauer derſelben, während die af
der F. allmählich ſchwacher wird.
Die Fabrikation der Triebfedern zerfällt in
das Malzen und Streden, das Schleifen, das Här-
ten und Anlafien und die Reltifitation. Barren oder
Etäbe aus : oder Gärbjtahl werden zuerft
in beiler Rotglut bis auf 1 mm ausgewalzt und
dann kalt geitredt. Am Schleifen werden jchnell
rotierende Schmirgeliheiben verwendet, zwiſchen
melhen der Stablitreifen langſam hindurchgeführt
wird. Das darauf folgende Härten erfordert große
509
Eorgfalt, um eine völlig —— Härte in
allen Zeilen der gejamten Yänge zu erzielen. Zu
diefem Zwed werben die Streifen um Zähne ge:
widelt, welche fammartig aus einer Scheibe hervor:
ragen. Die Sche mit den aufgemidelten F.
werden zufammen einer gleihmäßigen Erbigung
—— und ſodann nu in einem Olbade ab»
etüblt. Die fomit glasbarten F. werden von den
heiben abgenommen und angelafjen, was, falls
nicht mafcinelle VBorrihtungen zur Anwendung
fommen, in der Weiſe zu geſchehen pflegt, daß man
die beiberjeitigen Enden einer Anzahl F. in den
Schraublolben einer Spannworrihtung einjpannt,
um dem Berzieben vorzubeugen, und die Streifen
auf die vorber zu ermittelnde Anlaßtemperatur er:
bigt. Bei Anwendung von Majcinen zum Härten
und Anlajjen werden die langen Bänder auf Rollen
ewidelt, durd ein eifernes Rohr des Glübofens
indurd in den Ölbebälter, aus diefem über einen
Irodenapparat zu der Anlafvorrihtung geführt.
Die letztere beftebt in diefem Fall aus einem Dfen,
der eine Eifenplatte erbigt, auf welde das vom
Trodenapparat fommende Federband mittels eines
Gewichts aufgebrüdt wird. Cine fernere Rolle
nimmt den Streifen auf, nachdem er nod einen
Scleifapparat von einer je nach der Größe der F.
größern oder Hleinern Anzahl Schmirgelicheiben
pajjiert hat. Die Reltifilation erftredt ſich auf die
Beitimmung und —— von Länge und
Breite, die Politur und das Ausglüben der Enden,
um fie weich zu maden. Die fo weit fertigen F.
müfjen noch die fpiraljörmige Geftalt erhalten, was
mitteld deö Federwinders, eines kleinen Kurbel:
mechanismus, leicht bewerfitelligt wird.
Reaktionsfedern kommen zur Anwendung,
wenn eö fi um die Hemmung und Umlehrung einer
Bewegung handelt, wie bei den gemundenen F. in
— Hahnfedern an Flinten, ſolchen an Dreh⸗
orgelb aſebãgen und namentlich den Spixalfedern
der Unruben in den Uhren. Als Material für Real:
tionsfedern wird gehärteter und angelafjener Stahl,
ebämmertes Eifen oder Meifing verwendet. Die
‚ermen find im ganzen diefelben wie die der Drud:
edern; in Fig. 5 ift Die Form der Unrubfedern ver:
anſchaulicht. Eine befondere Art der Spiraljedern
find die Shraubenfedern, welde ſich dadurch
auszeichnen, daß fie nicht in einer Ebene liegen,
fondern dak ihre Windungen eine Segel» oder
Cylinderflache entlang laufen; fie beiteben entweder
aus Drabt (3.8. Matragenfedern) oder aus Blech⸗
ftreifen und können ſowohl auf Zug und Drud
als auf Torfion beanſprucht werben. Je nad der
Beanjpruhung auf Zug oder auf Drud find die
einzelnen Windungen im unbelajteten Zuſtand
der %. nahe aneinander oder voneinander entfernt
angeordnet. Für Torfion find die beiden Enden
der cylindrifhen Schraubenfeder gerabe —
und an dem beweglichen und dem feſten Teil des
Mechanismus befeſtigt. Beiſpiele bierfür bilden
Doſen und Taſchenubrgehäuſe mit Springdedeln,
Thürſchließer u. ſ. w. Zur Herſtellung von Schrau⸗
benfedern bedient man ſich — tiger Vorrich⸗
tungen, welche alle in der Hauptſache aus einem
um die Achſe drehbaren Cylinder oder Kegel be:
fteben, um welchen der für die F. beitimmte Drabt
ewunben wird; bie Heritellung der Sofafedern er:
Pordert einen Dreblörper in Gejtalt eines Doppel-
tegelö, der, um die fertige %. abnehmen zu lönnen,
jweiteilig angeordnet ift.
510
Die weitgebendfte Verwendung, welche die Trag⸗
federn finden, ift die an fFubrwerten zur
rung ber Stöhe, welche diejelben während des
Fahrens auszuhalten haben. Die hierzu dienen:
ö —— find: 4 er
Fig. 6 * Ans
ordnung von zwei
Blattfedern (2a:
mellenfedern),
aus je 4 Stahl:
blättern beftebend. Die beiden F. find an *
Enden verbunden, während bie Due ..
ell und der Achſe des Wagen
ig. 7 ftellt eine F. dar, bei we
van einem ———
ts) der ihm
* ommende
Kt Teil der Da:
4 genlaft von
einer andern
übertragen
wird. fiber die
Herftellung der Lamellen läßt ſich kurz angeben,
daß fie aus halbweichem Stahl von etwa 0,5 Proz.
——— durch Auswalzen in weißglüben-
dem Zuſtand gefertigt werden, a6 fernern Walz:
werten in, gen gebogen, ijenfcheren zus
—— ärtet und zu — attfedern mittels
olzen zuſammengeſetzt werden. Als Wagenfedern
benust man in neuerer Zeit, namentlich an Eiſen⸗
bahnfahrzeugen, ftatt der Samellenfedern auch kraf⸗
tige Spiralfedern; doch iſt dieſe Anwendung keines⸗
wegs allgemein. Die Spiralfeder als Tragfeder
findet ſich in den Puffern der Eiſ —— —
und zwar iſt dieſelbe entweder aus jtartem
draht oder aus gerolltem Flachſtahl gefertigt. Wie
bereit3 bemerkt, bient bie F. auch 3 im⸗
mung der Größe von Kräften, feien iefeiben Körs
Human, Zug:, Drud- oder drebende Kräfte,
Beitim von Gewichten dienen die fog.
ee n (1. d.), bei melden 5. in mancherlei
ormen, meift aber ald Schraubenfedern mit Bes
anſpruchung auf Zug, zur Anwendung lommen.
Für die Ronitruftion der Dynamometer (|. d.) haben
die F. überhaupt in allen möglichen Seren ber»
vorragende Bedeutung. Andere Beiipiele hierfür
De neben ben bereit? erwähnten Federwagen die
anometer zur Meſſung von Dampfipannungen
u. ſ. m., bei melden die angemwendete F. eine kreis⸗
förmige, mwellenförmig gebogene Sta Licheibe ift.
Hierher gebört al —* e auch die Verwendung
der F. in Form einer Sch enfeder in Indilatoren,
welche den Zwed a Die von dem Kolben einer
Dampfmaſchine übertragene mean. Arbeit aufzu⸗
eihnen. Ein Beifpiel für die Benugung der Tor:
fonsivem zur Meſſung von Kräften liefert die in
— ur Beſtimmung elektriſcher und magne⸗
räfte dienende Coulombſche Drehwage.
Beiſpiele für die Anwendung der F. zur Er:
aung von Schallbemegungen find die Shlag:
Dan in Wanduhren, welde meift aus einem fpir
Örmig — Draht beſtehen, deſſen eines,
inneres Ende mit Schraub en an der Wand d des Uhr:
mes befeftigt wird. Die Höhe des Tons ergiebt
ch aus der Länge des Drabts und läßt ſich dem⸗
nad ziemlich genau vorausbeftimmen. Ferner find
die Stimmgabeln fowie die Stimmftäbchen in Spiel:
doien ala ebern zu nennen.
über Schreibfedern ſ. d.
Tederalaun — Federlade
Federalaun, natürliber Alaun, Haar:
ſalz, in der Natur vorlommende faferig: Reise
oder haarförmige Salze von der allgemeinen
fammenjeßung der Alaune (f. d.), namentlich au
dem Thonerdejulfat mit Kalı-, Ammoniat:, Magne
I: und Eifenorydulgebalt; doc fcheinen diefe Sub-
tanzen vielfach nicht regulär (mie der kunſtliche
Alaun) zu froftallifieren, fondern einem der boppelt:
bredenden Syſteme anzugebören, aud einen etwas
andern Waflergebalt zu befigen. Sie finden fid in
den Klüften von Laven und fratern, aud in der
Nachbar —5* von Fumarolen und Solfataren, fer:
ner im Braunfloblengebirge, in der Alaunerde und
dem Alaunjciefer, in alten verlafienen Gruben:
bauten, wegen ibrer leichten Löslichkeit in Wafler
niemals in großer Menge. — Mit 5. wirb an eini-
gen Drten au der Amtant (f. Asbeſt) bezeichnet.
Federal Convention (pr. febp’räll lom:
wennſch'n), |. Berfafjungstonvent.
ederbarometer, foviel wie Aneroid (f. d.).
ederblumen, ſ. Blumen, künftlie.
Federborſtengras, j. Pennisetum.
Federbuſch, ein Schmud der Kopfbededung des
Soldaten jowie militärifb uniformierter Korpora
tionen, aus Straußen:, Reiber-, Habnen- und an:
dern Federn beitebend, wurde früher von ganzen
Zruppenteilen getragen, ift aber jekt für dieſe men-
gefallen oder dur den Haarbufd (f. d. er und
ift in den meilten Armeen nur no
nung für die Generale gebräudlid.
ederchen, in der Botanil, f. Plumula.
Federeifen, Wertzeug, ſ. Hobel.
edererz, Mineral, j. Heteromorpbit.
ederfliege, |. Schwebfliegen.
derfluren, |. Federn. [V, Fig. 2.
edergras, j. Stipa und Tafel: Gramineen
ederhafen, das Werkzeug zum Zuſammen⸗
drüden der Gewehrſchloßfeder.
Federhammer, ein mean. Hammer, f. Daw
menbammer und Kurbelhammer.
Federhannfen, gegen Ende des Mittelalters
Leute, die im Waffenhandwerk Unterridt erteilten;
je waren meijt erprobte Krieger und ftellten fürm-
iche Lehrbriefe aus,
ederhärte, ein Härtegrad, |. Härten.
ederharz, joviel wie Kautſchul.
ederharzbaum, foviel wie Kautſchulbaum,
ſ. Siphonia und Tafel: Tricoccen, Fig. 4.
fFederhemmung, ſ. Ubren.
Federhut, Beitandteil der zur Zeit des Dreibia-
jährigen Krieges üblichen Tracht, f. Tafel: Koft üme
Fig. 1. u. 2.
— ee
ederici N ihtichi), amilio ital. Luftipiel-
dichter, ſ. Viafjolo, Giovanni Battifta,
Federige Hanfenwolte, j. Eirrocumulus;
federige Schichtwolke, ſ. Cirtoſtratus.
Federighi, Antonio, einer der bedeutendſten
Künjtler von Giena im 15. Jahrh. (get. um
1492), der fi zugleih ald Baumeifter und Bild.
bauer auszeichnete. Der anmutige Palazzo ve‘
Diavoli und die 1460 nad) dem Muſier der florentin.
Loggia dei Lanzi geihaffene Loggia del Bapa find
von ibm. Unter feinen Skulpturen find mebrere
Figuren in der Loggia de’ Nobili die bedeutendſten
— in der Zoologie, ſ. Gefieder.
ederkohl, ein Gemuſe,
——— Elafticität.
ederlade, Teil des Webitubls, |. Weberei.
. Brassica.
Teberlappen — Federwage
derlappen, ſ. ao eug.
derleintwand, Bettbardent, ſ. Barchent.
erlinge, auf Vögeln jhmaropende Pelz.
freiler (j. d.).
ermotor, eine felten verwendete Kraft:
malhine, bei welcher die Glafticität einer aufgezo:
genen Feder als Betriebötraft benußt wird.
Febermotten (Pterophoridae)oderGeijthen,
eine Familie der Kleinſchmetterlinge, ausgezeichnet
burc jeberartig gefpaltene Flügel und äußerft dünne
und lange Beine mit vier Sporen. Ihre Raupen
jegehmfübig, bebaart oder kahl und leben von
Blüten und Blättern frautartiger Pflanzen, mande
im Mark bolzartiger Gewächſe. Die Familie wird
eteilt in die Gattungen Pterophorus (mit nur
im leßten Drittel geipaltenen Oberflügeln und dreis
fappigen Unterflügeln) und Alucita, bei welcher
Dber: und Unterflügel in ſechs gefiederte Strablen
bis Wurzel geipalten find. (©. Zwolffeder.)
ern, die den Haaren der Säugetiere und
den Schuppen der Reptilien —— Ober⸗
bautgebilde der Bögel. Sie entſtehen in Einſtulpun⸗
gen ber Lederhaut, in welche jih auch die Epidermis
eins t. Im Grunde des jo zu jtande gelomme:
nen ens (Balg) wächſt die Lederhaut wieder
in Geitalt einer gefäßreihen Bapille empor, welche
den fie überdedenden Epidermißteil ieh: reichlich er:
näbrt, jo daß derjelbe unter lebhafter Zellenentwid:
t wuchernd zur Feder auswächſt, welche ge
alt einem Syitem von auf der Nährpapille be
findlichen Furden, als deren Ausguß fie erjcheint,
verdankt. Die Feder wächſt unter gelegentlichen,
teil® auf Alter, teil3 auf Jahreszeiten beruhenden
periodijchen Mandlungen (i. ee) von unten
nad) oben, während ſchließlich die Papille größten:
teils abftirbt und zur je: Federſeele wird. Cine
Feder in höchſter Vollendung zeigt einen Stamm:
teil, der unten ald Spule drebrund, hohl und von
der Seele nur teilweiſe ausgefüllt iſt, weiter nad)
oben in einem größern Abſchnitt als auf der Ober:
fonverer, auf der Unterjeite längsgefurchter
Schaft die ſymmetriſch oder auch aſymmetriſch
(große Schwungfedern) entwidelte Fahne trägt.
ge ng a ger aus einer beveutenden
An dem datt eitlih mit der Bafıs anſitzen⸗
ber lanzettförmiger Üjte, die wieder jederſeits dicht
aneinander gelagerte Strablen tragen, die ſich
mit denen ber benachbarten Uſte mittels Wimper:
ben und Hälchen vergeitalt verbinden, daß die
Sahne, bei flugfäbigen Vögeln —— eine kon⸗
nur mit einer gewiſſen ewalt zu tren:
nenbe bildet. Bei vielen Bögeln entipringt
inder e bes Schafts, da, wo diejer in Die Spule
üb t, eine zweite Feder, der Afterſchaft.
Buijden diejen hödhft entiwidelten F. die als Kon:
tur en — er (binguine,
Strauße gleihmäßig über den Körper
verteilt fteben, meiſt aber in gewifjen, nach ben
verjchiebenen Langsreihen (jog. Jeder:
iluren, mit dazwiſchen befindlichen feverfreien
oder nur von Dunen beitandenen Federrainen)
angeordnet find, finden ji noch Beer kleinere
von verſchiedener Geitalt, Dunen
Daunen), Federhbaare u. ſ. w. Cine ausge:
ift ein tote, dem tierifchen —
enes Gebilde und beſteht aus Luft:
baltigen ornten Epidermiäzellen. Die ſtets
auf der Öberf, e lebbaftern . der F. beruben
entweder auf in ihnen befinblichen Pigmenten, oder
611
die metalliſchen auf Interferenzerſcheinungen reflel⸗
tierter Lichtſtrahlen. — Bol. Ch. L. Nitzſch, Syſtem
der Pterylographie (9: von Burmeifter, Halle 1840).
©. auch Körperbededung der Tiere.) — Über die
erwenbung ber F. zu Betten ſ. Bettfevern, zum
Schmud, j. Schmudfedern. — Über F. in der Mecha:
nik ſ. Feder. — liber Schreibfedern (f. d.).
In der Jagerſprache beißen F. die Dorn:
ortjäge der Rüden: und Halswirbel oder auch die
tippenjtüde (beim Zerlegen) des Wildes, auch wohl
die langen Rüdenborjten des Schwarzmwildes. — F.
oder frellen beißt, mit der Kugel nur die ge:
nannten Dornfortiäße treffen. Hierbei bricht das
Wild zufammen, wird aber bald wieder hoch.
dernelfe, ſ. Nelte.
ederpelzwerf, |. Pelzwerk.
derplattenpulber, ſ. Bo. 17.
ederpunftiermanier, |. Lithographie.
ederraine, |. Federn.
ederreinigungsmafchine, ſ. Bettfedern:
Reinigungsmajcine,
* erſchnecken, ſ. Kammſchnecken.
ederſee, See im württemb. Donaukreiſe,
nördlich von Buchau, in 575 m Höhe, am Fuße des
Buffen, 5 m tief, reih an Seegras, aber arm an
Fiſchen, iſt jebt bis auf 256 ha troden gelegt. Das
eberjeeried, ein jumpfiger Moor: und Torf:
boden, erjtredt ſich bis Waldſee hinauf.
Federſpiel, in der Jägerſprache Bezeichnung
für die an eine Schnur gebundenen Flügel einer
weißen Taube. Damit werden die zur Beije ver:
wenbeten Raubvögel wieder berbeigelodt. Auch die
Beige (j. d.) jelbjt wird F. genannt.
Federfiod, ein Hilfswerkzeug ver Sammetweber,
um bei vortommendem falſchen Schnitt und dadurch
bedingtem Zurüdweben die Florfaden jo lange feſt⸗
zubalten, bis fie von neuem eingewebt find.
Federtapeten, WERCHEENP Ne, Deden oder
Teppiche, in welche bunte Vogelfedern eingewirkt
find, ein Braud der Indianer Sübamerilas, der auch
auf die dortige Teppichwirferei — — iſt.
Federung, die Durchbiegung, welche das Ende
einer Feder (ſ. d.) durch die auf fie einwirkende Kraft
ährt.
Federvieh, ſ. Geflügelzucht.
—— e, eine Wage, bei welcher das Ge
wicht eines orpers durch die Formveränderung
einer elaſtiſchen Feder beſtimmt wird. Da die Ela—
fticität der Federn feine abſolut gleichmäßige iſt und
auch Temperaturveränderungen dieſelbe beeinfluſſen,
wendet man F. entweder nur da an, wo im Ver:
bältnis zu der Stärke der Feder geringe Laſten ab»
gemogen werben, oder mo ed me u die Schnel⸗
igleit ded Abwägens als auf eine abjolut genaue
Gewichtsbeſtimmung anlommt, wie dies beim Ber:
fauf von Heu, Stroh, überhaupt in der Land: und
Hausmirtihaft, beim Abwägen des Paijagierge:
päd3 in den Eifenbabn : ütererpeditionen u. f. w.
der Fall ift. Die einfachfte und leicht transportable
Form der F. befteht aus einer Schraubenfeder, deren
eines Ende an einen feften Hafen aufgehängt wird
und an deren anderes Ende man den zu wägenden
Körper hängt. Die durd die Belaftung entſtehende
Ausdehnung der Feder wird durch einen mit dem
untern Ende verbundenen Zeiger fihtbar gemacht,
der, auf einer mitdem obern feſten Ende der Feder ver⸗
bundenen Skala fpielend, direlt das Gewicht angiebt.
In England iſt allgemein die Salderſche Wage
für den Hausbedarf im Gebraud. Bei derjelben
612
fließen zwei tellerförmige, durch Flanfchen mittels
chrauben vereinigte Metallplatten ven ganzen Ne
chanismus der Wage in ſich, wobei zwei Schrauben:
federn nächſt dem Blattenrande in Nuten feitgebalten
werden, während ihre untern freien Enden durch einen
Unter vereinigt find. Diefer Anter dient zur Auf: | fiemer) und die Wendeltreppen ( d.).
nahme einer geraden Stalenplatte, an deren tiefitem
Ende der Halten — Aufbängen einer Wagſchale
angebracht it. Mit der Achſe des vorhandenen
ge erö iſt ein Jabngetriebe verbunden, das beim
F und Niedergang einer Zahnſtange in ent:
ſprechende Umdrehung verjegt wird.
Durch J. Sylveſter wurde die vorbeichriebene F. zu
einer Art Zafelmage umgeftaltet, in welder Form
— gegenwärtig ſehr verbreitet ift. Die nachſtehenden
bbildungen zeigen die Anordnung diefer Wage.
Mit dem Tiſch oder der Tafel e, auf welche der zu
wägende Gegenſtand gelegt wird, ift eine Stange
d verbunden, die an einem Rabmen c befeſtigt iſt,
der nad unten in eine Stange g ausläuft. Der
Rahmen c ift an zwei Spiralfedern h aufnehängt,
deren obere Enden an Vorſprungen i des Gebäujes a
befeitigt find. Zum Zmwed der Vertitalfübrung iſt
der Rahmen mit vier Lenlern k, |, m, n vereinigt,
deren jeder mit dem einen Ende drehbar in dem
Gehauſe gelagert ift. Mit dem andern Ende find
zwei von ıhnen, nämlich m und n, an der Stange
g, der dritte k an der Stange d und der viertel an
dem Rahmen c jelbft befeitigt. Innerhalb des Rab:
mens iſt eine Zahnſtange — in welche
ein Zahnrad r eingreift. Mit der Achſe des letztern
ift ein Zeiger t verbunden, der das Gewicht des
betrefienden Gegenftandes auf einem Zifferblatt
anzeigt. Eine Heine Feder u dient dazu, die Zahn:
ftange q ftets im Eingriff mit dem Zahnrad r zu er
Federwechſel, |. Mauſer. [balten.
eberweift, Bezeihnung des Moftes (f. d.) im
weiten Stadium der Gärung, ferner verjchiedener
einen Mineralpulver, die den beftreuten Flächen
einen gemiljen Grad von Schlüpfrigfeit erteilen,
3. B. Speditein und Tallpulver. In einigen Gegen:
ben wirb mit 5. aud der Amiant, eine bejondere
Art Aöbeft (f. d.), bezeichnet.
ederwild, alles zur Jagd gehörige Geflügel.
olke, |. Eirrus.
ederzange, |. Vincette.
3 zei nung, |. Handzeihnungen. — F.auf
Etein, ſ. Lithographie.
Federzirkel, |. Greifzirkel.
Federwechſel — Fedotow
Federzũngler (Pteroglossa), feine Gruppe der
Vorderkiemer (j. d.) mit burger, breiter Zunge, an ber
jede Zahnreihe aus vielen feinen Seitenzäbnden be-
itebt, aber der Mittelzäbne ermangelt. Hierber ge
bören unter anderm die Veilchenſchnede (ſ. Hamm:
Fedi, Bio, ital. Bildhauer, geb. 1815 in Biterbe,
wandte jich im 16. Lebens jahr der Hupferftechkunft zu
und begab ſich deshalb 1838 nah Wien. Durd ein
Augenleiden gezwungen, eing er zur Bildbauerei
über, in der er fich auf der Alademie zu Florenz
und in Rom ausbildete. 1846 nad Florenz zurüd:
etebrt, erhielt er vom Großberzog Xeopold U. den
Auftrag, für die Façade der Ufftiien die Stand:
bilder des Bildhauers Niccold Pijano und bei
Arztes Andrea Cefalpino, 1849 dann die Gruppe:
Pia dei Tolommei und Nello della Pietra nad
Dante («Purgatorio», V, 133) auszufübren. t
den ruſſ. General Swoff vollendete F. dann 1852
einen Schußengel als Grabdentmal und 1856 für
den Marcheſe da Zorrigiani eine Koloſſalgruppe
mebrerer von deſſen —— Schon in dieſem
Werke äußert ſich ſeine Neigung zu ſelbſterdachter
Allegorifierung, die in dem an den Brüſten der Hoff:
nung faugenden Amor (1861) den Gipfelpunti er:
reichte. Die befanntejte Schöpfung 5.8 iſt die 1860
—65 — Marmorgruppe: Raub der Po—
Iyrena dur rrhos, den Sohn des Achilleus;
dieſelbe wurde in der Loggia dei Lanzi in Floren
aufgeftellt. (S. Tafel: Jtalieniſche Kunft V,
9. 8.) Don ihm jtammt ferner das Bro ⸗
ild des Generals Fanti (1872) auf dem Martus-
plag in Florenz. F. ftarb 1. Juni 1892 in Florenz
Fedia, Pflanzengattung, ſ. Valerianella.
Fedkovie ( je -öwitih), Oſſip Horodenkut,
Heinrufi. (galisiiher) Dichter, geb. 1834 in der Bu:
fowina, war öjterr. Offizier, 1867— 72 Kreisichul:
infpettor in feiner Heimat, ſpäter Redacteur der
Heinrufj. Zeitung «Bukovina» in Ejernomwik, mo er
11. Jan. 1888 ftarb. Er dichtete anfangs deutich,
dann in feiner Mutterſprache, und ſchrieb «Gedichte»
(«Poezii», 3 Bde., Lemb. und Kolomea 1862—67)
und «Erzählungen» («Povisti», Kiew 1876).
edor, |. Jeodor.
edötotw, BaulAndrejewitic, rufj. ®enremaler,
geb. 1811, geit. 1852 in Petersburg. Er diente
anfangs im Heer und bejuchte ſchon als ier
die Kunftalademie in Peteröburg, mo Al. Sauer:
weid fein Lehrer war. Unter deſſen Leitung wid:
Fedtſchenko — TFegefeuer
mete er ſich anfangs der Schlachtenmalerei, ging
aber bald, vom Fabeldichter Krylow beeinflußt,
zum Genre über und wurde der erſte rufj. Künitler,
der es wagte, dem alademifchen Klaſſicismus ent:
gegenzutreten und Scenen aus dem Boltäleben in
derber, oft — aber realiſtiſch wahrer
— zu ſchildern. Seine vom J. 1848 an in Pe:
teräburg auögeftellten Bilder, insbejondere Der
erfte Orden, Die wäblerifche Braut, Der Major auf
Freiersfüßen, Die Witwe u. a., waren von großem
Ein uß auf die Entwidlung der Hr Malerei.
dtichenfo, Alerei Pawlowitſch, rufj. Natur:
forjcher und Reifender, geb. 7. Febr. 1844 in Itkutsk,
ftudierte in Moskau die Naturmifjenihaften und
machte 1868— 71 die erjte größere Reiſe nad
Turkeſtan und nad dem untern Syr:darja; nad):
dem er den Serafihan bis zu feinen Quellen ver:
folgt batte, begab er fih nad Samarkand. Eine
weite größere Forſchungsreiſe machte 3. 1871 im
Zrübja r nad der Sandwüſte Kiſil-kum und im
Sommer nad Kokan; er erreichte als erfter Euro⸗
der den Weitfuß des Tereldahanpaſſes und ges
angte jüdlid über das Alaigebirge in das Thal des
Kifil-fu. Nah Europa zurüdgelehrt, verunglüdte er
15. Sept. 1873 bei einer Befteigung des Montblanc.
Das naturbiftor. Material feiner gi wurde von
mebrern Gelehrten bearbeitet und herausgegeben
u. d. T. «F.s Reife in Zurfeftan» (ruffifch, 13 Hefte,
Betersb. 1873— 76). Aus 5.3 Briefen wurden ver:
öffentlicht: «Aus Kolan. Mitteilungen über die Reife
p im Chanat Kolan im J. 1871» (ruffiib, Taſch⸗
ent 1871; deutic in «Betermanns Mitteilungen»,
1872). — Bol. Frau Fedtſchenko, A.
Turkeſtan 1868—71(in« Betermanns
1874; mit Karte).
Feen, —— weibliche Weſen der roman.
und felt. Vollsſage, in denen ſich verſchiedene my:
tbifche Geftalten mischen. Sie find ebenfalls in die
deutiche Vollsdichtung eingedrungen. Sie erjchei-
nen in älterer Zeit bald als Feie, bald als Feine.
Zu den 5. gebören: 1) Die alten drei röm. Schidjald:
Öttinnen, die tria fata, von denen die %. auch den
amen baben ge altfranz. feie; jpan. hada; franz.
fee). Mit diefen mifchten fich die drei matres oder
matronae, mütterlihe Schußgöttinnen felt, Ur:
prungs. In den Bejuchen, welche die F. namentlich
in der Neujabrönaht den Häujern der Menſchen
abftatten, jowie in ihrer Teilnahme an dem Ge
ichide der Kinder leben bie Erinnerungen, viefer
Klafje fort. 2) Weibliche Elementargeijter, die vor:
züglich gern im Walde, in Hügeln und Felſen und
an Gewäſſern leben. Sie lieben ven Tan, defien
Spur die); inge (cercles des f6es), gleich den
deutjchen Elben: und Herenringen, verraten, und
werben oft wajchend gejeben, wonach fie ihr Linnen
an den Steindentmälern trodnen, in denen fie auch
wobnen ttes oder chambres aux fees), Ver:
ſchiedene Orte, namentlih alte Schlöfjer, wurden
ala Feenorte genannt. Als Königin der F. wird
im 13. Jahrh. die Domina Habundia (Dame
Abonde) genannt, die ſchon im Namen auf die
Segensfülle deutet, die fie fpenden kann. End—
lib 3) ftanden menſchliche Weiber im Rufe, F. zu
fein; dieſe unterjte Art berübrt ſich mit den Heren.
Schon frübzeitig bemädhtigte ſich die Poeſie des
reiben Stoffs, der in den Seenia en liegt. Be:
teitö in den breton. Lais und den franz. yabliaur
tritt das hervor. Bedeutender erjcheint dieſes Ele:
ment in einigen Romanen: dem «Lancelot au lac»,
.& Reifen in
itteilungen»,
Brodhans’ Konverfationsd-Lerilon.. 14. Aufl. R.M. VI.
513
dem «Ysaie le Triste» und der «Melusiner. Die
ital. Dichter des 15. und 16. Jahrh. benugten vie
F. reihlih. Auch das eigentliche Feenmärden ift
in Stalien ausgebildet, durch Straparola und
Giamb, Bafile, den Berfafjer des «Pentamerone»,
Daraus jhöpften die franz. contes aux fees; außer:
ordentlich beliebt und verbreitet waren namentlich
Perraults «Contes de ma möre l’Oye» (1697) und
Madame Aulnoys «Contes des f6es» (1698). Eine
Sammlung von Feenmärcen giebt «Le cabinet des
fées, ou collection des contes des f&es» (41 Bde.,
Amiterd. 1785— 89). Was über jpan.:arab. und
perj. Urfprung ber F. gejagt wird, tft faljh. Unter
ital. Einfluß iſt auch das deutſche Feenmarchen ent⸗
tanden. — Val. Keightley, Fairy mythology (neue
usg., Zond. 1851; deutſch von Wolff, 2Bde., Weim.
1828); Schreiber, Die F. in Europa (freiburg 1842);
Maury, Les f6es du moyen Age (Par. 1843); Halli
well, Illustrations of fairy mythology (Lond. 1845);
Hartland, The science of fairy tales (ebd. 1891).
—— ———— ſ. Hexenringe.
eer:Herzog, Karl, ſchweiz. Politiler und Nas
tionalöfonom, geb. 23. Dt. 1820 zu Rixheim im
Eljaß, war Induftrieller in Aarau und je 1852
Mitglied, — auch Präſident des Großen Rats
daſelbſt. leitete als Generallommiſſar die Or:
aniſation der Schweizer Abteilung auf der Variſer
Meltausftellung von 1867 und war feit 1865 Ver:
treter der Schweiz in den Konferenzen der Staaten
des lat. Münzbundes, wo er für den Übergang
zur Golpwährung wirkte. F. ftarb ald Präfident
der Banf von Yarau 16. Yan. 1880 dajelbft. Er
ſchrieb: «Die aargauifhe Bank» (Narau 1868)
«L’unification monetaire internationale» (Genf
1869), «La France et ses alli6s monetaires en
presence de l’unification universelle des mon-
naies» (Par. 1870), «Gold oder Silber?» (Aarau
1873), «Bericht an den ſchweiz. Handels: und In:
duftrieverein über den gegenwärtigen Stand ber
Münzfrage» (Zür. 1878).
Feerie (fr3., ipr. ferib), eine Gattung des Aus»
ftattungsftüds, in der übernatürlibe Weſen han
delnd eingeführt werden und die Bedeutung ber
Maler, Koftümiers und Mafciniften weit über der
des Dramatiters fteht. Die F., deren früheite Spu⸗
ren bi3 ins 17. Jahrh. reihen, ift mit der früher,
befonders in Wien beliebten een: oder ee
verwandt. Das ——— weiblicher Schön:
FR ftammt von den Parijer Bühnen; neuerdings
pielt das Ballett in den F. eine große Rolle.
Fegaro, ber ital. Name des Adlerfiſches \% d.).
Fegefeuer (Fegfeuer, d. i. Reinigungäfeuer,
lat, Ignis purgatorius, Purgatorium), in der röm.:
lath. Lehre das (meift materiell vorgeftellte) Feuer,
das diejenigen abgeſchiedenen Seelen völlig läutert,
die für läßliche Sünden oder * ſolche, deren ewige
Strafe ſchon durch das Bußſakrament erlajjen in
zeitlihe Sündenftrafen noch abbüfen müfjen. Ab:
gelegen davon, daß das ganze Altertum dag dene
als Symbol der Reinigung lennt, Inüpfte die Lehre
vom %. an 1 Kor. 3, 13-15 an, wo ber Apojtel die
Werte jedes —— im Jungſten Gericht im Feuer
geprüft werben läßt, mas Yuguftinus ie deutet,
daß vielleicht nad dem Tode noch die Seelen einiger
Gläubigen dur Feuer geläutert, d. i. das Irdiſche
ihnen ausgebrannt werde. Als Mittel zur Ab»
büßung der läßlihen Sünden betradtet bereits
Gregor d. Gr. das F. und lehrt > leih, daß gute
Werte, Fürbitten und befonders Meßopfer die Dauer
33
514
und die Qual diejer Büßung zu mildern vermögen.
Völlig ausgebilvet ift die Lehre vom v: durd Tho⸗
mas von Aquino, wonach das F. nicht mehr der
ſittlichen Läuterung, fondern der Xbleiftung der bei
der Beichte auferlegten, aber unerledigt gebliebenen
Bußen dient. Dieje Lehre wurde zum wirkſamſten
Mittel der Beherrſchung der Gemüter, da fich die
Kirche die Vollmacht zulegte, auch für das Jenſeits
noch die Nachholung folder Bußen im %. gegen
andere Leiftungen erlaffen zu können. (S. Ablaf.)
Denn die Gläubigen erlangen in der priefterlihen
Abjolution (f.d.) zwar die Befreiung von ewigen,
aber nicht von zeitlichen Strafen ; leßtere werben teil:
meije auf Erben, teilmeife im 55. verbüßt. Die Kirche
bat aber vermöge ihres Verfügungsrecht3 über den
Schaß der guten Werke und vor allem durch das
für die Seelen der Verftorbenen dargebrachte Meß—
opfer (Seelenmeffe) die Mittel, auch den Toten noch
an dem Verdienſt Ehrifti Anteil zu verſchaffen. Der
enge Zufammenbang ber Lehre vom %. mit dem
Mekopfer, dem Ablaß und dem gefamten kirchlichen
Gnadenmehanismus forderte die Reformation zu
ihrer entſchiedenen Verwerfung heraus. Dagegen
wurde die thomiſtiſche Fegefeuertheorie in der
25, Sikung des Tridentinijchen Konzils lirchlich ges
billigt. Die griech. Kirche follte auf der Kirchenver:
ſammlung zu Florenz (1439) zur Annahme eines
Neinigungszuftandes nad dem Tode vermodt wer:
den, ba aber in der Confessio orthodoxa jeden
Mittelzuftand zwischen Himmel und Hölle verworfen.
— Pol. Schmid, Das F. nach kath. Lehre (Brixen 1904).
egen, in der Jägerſprache, ſ. Baſt und Geweih.
egfeuer, ſ. Fegefeuer.
eh, im Pelzhandel der Name des gemeinen
Eichhörnchens oder ſeines Fells, im beſondern des
im hohen Norden (Sibirien) wohnenden grauen
Eichhörnchens, deſſen Pelzwerk von den Franzoſen
etit-gris, bei uns auch Grauwerk genannt wird.
a nicht alle Teile des Körpers Haar von gleicher
Farbeſchattierung tragen, fo jortiert man ſie jorg:
art Die ausgeſchnittenen Rüdenteile heißen
ebrüden, die Baudteile Fehwamme.
Seht in der Heraldif, ſ. Eijenbütlein.
ehde. Beiden Germanen der vorfränkiſchen
2 hatten nur die todeswürdigen Verbrechen, ſog.
eidingswerle, als Verletzungen eines höhern Frie⸗
dens, allgemeine Friedloſigkeit, d. h. Verluſt aller
Rechte, vollſtändiges Rechtloswerden, Ausſtoßung
aus der Rechtsgenoſſenſchaft zur Folge. Alle andern
Poren zogen feine öffentlihe Strafe nad
ih, ſondern batten nur F. zur Folge, d. h. das
Recht des Verlesten und feiner Sippe, an bem Ber:
leger und defjen Sippe im Wege der Selbitbilfe
Genugtbuung zu ſuchen (Brivatfrieg, Geichlecter:
trieg). Wörtlich heißt F. (abd. fehida, von fehan,
haſſen; latinifiert faida) Feindſchaft, d. i. ——
ſchaft, die durch das Verbrechen zwiſchen den Sippen
entſteht. F. war zuläſſig um Blut (Mord iſt jedoch
Neidingswerkh) und Ehre. Jede im Wege der recht—
mäßigen 5. verübte Gemaltthat war aljo jtraflos.
Statt der F. fonnte die verlegte Sippe «Sühne»,d. h.
Zablung einer Buße (Wergeld, compositio), fordern
oder ſich darauf einlafien (außergerichtlib, Sühne:
vertrag, oder gerichtlich), mas unter Umſtänden für
ſchimpflich galt. Die Feindſchaft der Sippen war da⸗
mit aufgehoben, Urfehde, d. h. Unfehde, geſchaffen.
In fränkiſcher Zeit wird infolge Erſtarkung
der öffentlichen Gerichtsgewalt die F. auf gewiſſe
Hauptverbrechen (Totſchlag = Blutrache, gröbliche
Fegen — Fehler (ethiſch und juriſtiſch)
rg der Ehre eines weiblichen ——
des, Ehebruch, Unzucht, Frauenraub) und den Ber:
brecher ſowie deſſen nächſte Angehörigen beichräntt,
und die Rarolinger fuchten, jedoch erfolglos, dieſelbe
ganz zu befeitigen. Auch die folgenden kräftigen
deut ? hen Könige haben vergeblich große Anitren:
ungen zur Aufbebung der F. gemacht. Sie erbielt
Ki ala Race für Totihlag. Ja, es entwidelte ſich
mit dem Berfall der öffentlihen Gerichtägemwalt
durd die Feudalifierung derjelben infolge der damit
gegebenen fchlehten öffentlichen Rechtshilfe vom
11. Jahrh. an fogar neben dem alten ein neues
Fehderecht, das Fau ſtrecht. Dasielbe ift nur zu:
läffig in Ermangelung gerichtlicher Hilfe, d. b. bei
Nechtövermweigerung oder Ohnmacht des Gerichts,
eine Bedingung, die allerdings oft mißachtet wurde,
dann aber wegen eines jeden Anſpruchs, nicht bloß
wegen Totſchlags, und dann gebt ed nur von on
u Perſon, nit von Sippe zu Sippe, und enblic
at ed nur, wer Waffenrecht bat, und iſt es bedingt
durch — e (mindeſtens 3 Zage) Anfage (Ab-
fage, diffi tio). Kirche und Staat befämpften die
alte und neue F., die Kirche durch Gottes-, der
Staat durch Landfrieden. Durch den Gottesfrieden
(f. d.) —— man bie F. auf beſtimmte Tage zu be
ſchränken und friedlichen Perſonen Schuß zu ver:
ſchaffen. Aber diefe von der Kirche ausgebenden
Einſchränkungen wurden nur mangelbaft beobachtet.
Wirkſamer waren die Landfrieden (f. d.). u
befriedete Perfonen und Sachen (Geiftlihe, Bil
er, Kaufleute, Kirchen, on u. dgl.) war
jede %. unterfagt. Jede unerlaubte Fehdeübung
wurde als — geſtraft. t auf dem
Reihstage zu Worms 1495 konnte Kaiſer Mari:
milian I. den Emwigen Landfrieden aufrichten und
das Fehderecht für das ganze Reich befeitigen.
Thatjählih kamen aber noch im 16. Nabrb, viele
F. vor. Eine der berüdhtigtiten it die des Herzoa?
Ulrih von Württemberg gegen die Stadt Reutlingen
1519 und die Franz von Gidingens mit dem Cry:
bifhof von Trier. — Vgl. Schröder, Deutjche Rechts:
geſchichte (3. Aufl., Loz. 1898), ©. 77, 333, 723 fa.
Fehdebrief over Abi a ebrief, ein Schreiben,
mit welhem man im Mittelalter jemand die Fehde
(f. d.) anfündigte.
Fehdehandſchuh, ver Handſchuh, der nad Rit-
terbrauch demjenigen zugeworfen wurde, ven man
zum Zweila — * wollte; die Aufnahme
des Handihubs galt ala Annahme der Herausforde⸗
chderecht, j. Fehde. rung.
e, |. Fahe.
er (ungar., ſpr. fehehr), weiß.
ehergyarmat (ſpr. djär-), Groß⸗Gemeinde
und Hauptort des Stuhlbezirks 3,181 012 €.) im
ungar. Komitat Szatmär, zwiſchen Theiß und Sza-
mos, an der Linie Szatmär-Nemeti⸗F. (40 km) der
Ungar. Staatöbahnen, bat (1900) 4220 reform. €.;
Tabalsbau.
Per ungar. Name von Weißlirchen.
eher:tö (d. i. Weiber See), der bedeutenpite
Puſztenſee —— im N. von Szegedin, wegen
ſeines großen Natrongehalts ſo benannt.
Ibetrag, * wie Deficit 6 d.).
ehlboden, Yoviel wie Einihubdede, |. Dede.
ehler, die Abweichung von dem Normalen
und Zuläfiigen. Der hierauf bezügliben Beur:
teilung unterliegen eine einzelne Handlung oder ein
Mente in feinen geiftigen oder förperlihen Eigen:
ſchaften, ein Tier, eine Sache. Der F. kann in dem
Fehler (in der Ajtronomie) — Yehlgeburt
Mangel einer guten oder in dem Vorbandenfein
einer ſchlechten Eigenjcaft liegen. Net wird
für die 5. (Bürgerl. Gefesbuh: Mängel) ver:
äußerter oder zur Benugung eingeräumter Sachen
in weitem Umfang — (f. Gewährleiſtung).
Fehlerhafte Sachen brauchen, wenn eine erſt ber:
de oder eine der Gattung nach beſtimmte
Gegenſtand eines Rechtsgeſchäfts iſt, als Er:
füllung nicht angenommen zu werden. Der F. kann
die natürliche Nasen der Sache (Mängel
der Sade; Ser — > 88. 459 ig.) oder
das Recht des re 2 im Rechte,
Bürgerl, Geienb. SS. 439 fg.;, 3. B. die Sache ge:
einem Dritten, fie ift mit einem Pfandrecht
ftet) betreffen. Andererjeit3 wird im Inter—
e der Sicherheit des Verlehrs in mweitgehender
je bei Rechtserwerb troß F. im Rechte doch
gültiger Rehtserwerb angenommen. So wird
eine jonft den geſetzlichen Erforderniffen ent:
de Veräußerung oder Verpfändung einer
liben Sache der Erwerber oder Gläubiger
auch dann Eigentümer oder Pfandgläubiger, wenn
die = nicht dem Beräußerer oder Verpfänder
gedant, ofern er zu gegebener Zeit des guten Glau⸗
war, daß die Sade dem Veräußerer oder Ver:
pfänder geböre, oder im Handelsrecht, wenn au
nicht das, jo doc, daß er (3.2. ein Kommiffionär
ng über die Sade (gleihgültig ob im
oder im fremden Namen) befugt jei. Außer
Snbaberpapieren und, was au für den Hans
delöperfehr neu ift, Geld und öffentlich verfteiger:
ten Saden wird der gute Glaube des Erwerber
oder —— nur dann nicht geſchützt,
wenn die Sachen dem Eigentümer geſtohlen, ver:
loren oder font abhanden getommen find (Bürgerl.
Gejesb. -. fg., 1207; Dandelsgeje von 1861
FE ier tritt alfo wieder die Wirkung eines F.
Rechte ein. Jedoch hat der redliche Erwerber einen
Anſpruch auf Erftattung des gezahlten Preifes. Im
rom. Recht jchließt der F. der Sadıe,
geitoblen oder dem Eigentümer durd ee
entjebung entzogen iſt, jelbit die Er:
(j.,d.) des redlichen erber3 aus, Von
. eines Rechtsgeſchäfts fpriht man, wenn
alle Erfordernifje der Gültigkeit vorliegen,
von dem 5. (Bürgerl. Geſeßbbuch: Fehlerhaftig⸗
T
teit ) des Befikerwerbs (j. Bejigerwerb und
wenn der Befis dem bisherigen Befiker
obne n Willen widerrechtlich entzogen ift, von
dem J. des Erwerbs eines Rechts (Eigentums, ding:
fihen Nechts), wenn etwas an dem gültigen Erwerbe
Der 5. bed Beſitzerwerbs bat zur Folge, daß
der Befik durch die geeigneten Rechtömittel wieder
werben fann ($8.859— 861). Es giebt heil:
E
“
dere maden das Ge Sal (1. Ben; an
tr ımmer nichtig.
Wnnen gene. ine Mebtiemere vanc Je
( ung, |. b.) gebeilt werben, andere nicht.
Shente giebt 8 5. progefjualer Alte, welche durch
Verzicht auf ibre Geltendmadhung zu beilen find
andere Im allgemeinen gilt die Regel, va
fie Erfordernifje rechtlicher Handlung
melde aus öffentlich-re&tlihen Gründen
aufgeitel „durch Verzicht auf die Geltend:
bung t zu beilen find.
Fehle perfönlider,j.Gleihung,perjönlice.
Fehlerdreic, jeblerzeigendes Dreied,
ungsfunjt dasjenige Dreied, wel:
menn man bei nicht ganz zutreffender
LEITEN
in
&e3 entitebt,
515
Drientierung, des Meftifches über drei Bildpunfte
nah ven zugehörigen Naturpunlten Viſierlinien
ziebt. Dieſe Vifierlinien ſchneiden fih alsdann
hit in einem Punkte, dem Stationspuntte, wie
dies bei rihtiger Orientierung geiheben müßte,
ſondern fie ſchneiden ſich in drei Buntten, bilden
aljo ein Dreied, das den Fehler in der Orientieru
anzeigt. Das Baia en des F. geihieht am zweck
mäßigften nad) der }og. Lehmannſchen Annäherung:
methode mit Hilfe proportionaler Perpendilel auf
die drei Viſierlinien oder durch das Schlagen dreier
Kreife um Is einen Edpunft des F. und Nur ber
gegebenen Netzpunlte. (S. Pothenotihe Aufgabe.)
Fehlergrenze, ver Spielraum, innerhalb deſſen
ein Maß, ein Gewicht, eine Wage von der 959*
Vorſchrift, eine Münze von dem geſeßtzlich vorge:
Ichriebenen Gewicht oder Feingebalt (f. Remedium),
eine vermeflene Sache von der durh Vermeſſung
gefundenen Ausdehnung abweichen kann, ohne be:
anjtandet werden 8 dürfen. Die betreffenden Vor:
fhriften für das Deutſche Reich find enthalten in
der Aichordnung vom 27. a ar ( ya er
blatt von 1885, Beilage zu Nr. 5), in dem Gefek
betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen
vom 1. Dez. 1871 und für die einzelnen Länder in
den im Bulammenbang mit den Grundbuchgeſetzen
erlaffenen Vorſchriften über die Vermefjung von
Grundftüden. — Bol. Baumann, F. der aihpfichti
gen —— (2. — Berl. 1895).
ehlgeburt, aub Abortus, Mißfall, Uns
rihtiggeben, — franz. fausse couche,
die Geburt eines unreifen Kindes in den eriten 28
Moden (7 Monaten) ver Schwangerſchaft. Diefes
Kind (unreife Frucht, unreifer Fötus oder Embryo),
welches entweder don tot zur Welt fommt oder
doc fehr bald nach der Geburt ftirbt, befikt noch
nicht die Fähigkeit eines felbitändigen Bebens, Grit
von der 28. Woche an vermag die menſchliche Frucht
unter günftigen Umftänden außerhalb des mütter:
lihen Organismus fortzuleben. Bon diefer Zeit an
erbält das vorzeitige Ende der Schwangerichaft den
Namen Frübgeburt (f. d.). Am bäufigiten fommt
die F. in den erften 3 Monaten vor; fie fann übri-
ge. felbjt bald nah der Empfängnis erfolgen.
fonders bäufig abortieren rauen zu der Zeit,
mo im nihtihwangern Zuftande die Dienjtruation
eingetreten wäre. Vom vierten Schwangerjchafts:
monate an werden die F. feltener, und zwar um jo
mebr, je weiter die Schwangerfchaft in ihrer Dauer
vorrüdt; nur der fiebente Monat fcheint wieder
mr jur vorzeitigen nn der Frucht geneigt
zu fein. Die Urfaen der 5. liegen zunädit ent:
weder im mütterlichen Körper, oder im Ei (Frudt),
oder e3 find Äußere Einflüfle. Von den Krankheiten
der Mutter ſowie von den angeborenen und erwor:
benen Abnormitäten des Eies und der Cibäute ab:
geſehen, find e3 vorzüglich folgende Einflülfe, welche
die F. hervorrufen: be e Erſchutterungen des müt:
terlihen Körpers (dur Stöße, Sprünge, Fall, Fehl⸗
tritt, Tanzen, Fahren, roh ausgeübten Beiichlat,
Heben und Tragen fchmerer —7 — übermäßigen
Huſten, een Erbrechen), Mißbrauch erregender
Speiſen und Getränke, zu lange fortgefehtes Falten,
Nachtwachen, geijtige Anıtrengung, Deftine Gemüts-
erſchütterungen, ſtarkes Schnüren, Mißbraud all:
nemeiner Bäder, ſcharſe Abführmittel, barnver:
mebrende und fog. fruchtabtreibende Arzneimittel.
Die abfihtlih und widerrechtlich berbeigeführte F.
nennt man Abtreibung (f. d.) der Leibesfrucht.
33 *
516 Tehlgejchlagene® Berbrechen
In den erften drei Monaten erfolgt die F. häufig
obne alle Borboten, indem plöglich ein ftarker, einige
Tage andauernder Blutabgang eintritt, welcher
mit der Ausftoßung des Eies aufhört. In den fpd-
tern Monaten ftellen fe oft gewiſſe Vorboten der
5. ein: Öftered Fröfteln mit — ender Hitze,
allgemeine Mattigkeit, Gefühl von Schwere in den
Gliedern, Schwindel, Anmwandlungen von Dhn-
macht, Herzllopfen, Schlaftohgteit, trübe Gemüt:
itimmung, Appetitlofigleit, Dehnen und Ziehen
in der Lenden= und Leiſtengegend, Spannen und
Schwere im Kreuze, Abgang von Flüffigkeit oder
Blut aus den Gejhlehtsteilen. Zeigen ſich dieſe
Vorboten, oder haben 5 den Zeitpunlt in ihrer
jegigen Schwangerſchaft, in welchem fie bei frübern
Schmwangerfhaften eine F. machten, erreicht, fo
muſſen fie bie — uhe bed Koͤrpers und
Geiſtes bei horizontaler * im Bette und mäßiger
Temperatur des Zimmers beobachten und ſich aller
Fe Speiſen, Getränte und Arzneien ent
ten. Bei jeder $ unbedingt ein x urufen,
da die eintretende Blutung lebensgefährlich werden
fann. Nach erlittener F. bebürfen die Frauen noch
einer Läng ‚Sorgfamen Pflege und follen, um bleis
benden Nachteilen vorzubeugen, mindeſtens 8 Tage
das Bee fiber die —— 3.1. Fruhgeburt.
— Bol. Rentoul, Abortion. Causes and treatment
—— iering, über den Abortus (Berl.1899);
un, Die Therapie bei Abortus (Stuttg. 1901).
ber die F. der Haustiere ſ. V en.
lgeſchlagenes Verbrechen, j. Verſuch.
‚se ‚ Hermann, Ehemiler, geb. 9. Juni 1812
in Zübed, |tudierte in Heidelberg und trat dann in
das Liebigſche Laboratorium zu Gießen. 1839 wurde
er Brofeflor der Chemie am Holgtehnitum in Stutt:
art, wo er 1. Juli 1885 ftarb. Bon Bedeutung ift
ein Verfahren zur Beitimmung des Zuckers di. *
lingſche Löjun Auch leitete er die neue Auflage
des von Liebig, Poggendorff und Wöhler begrün:
deten « Handworterbuchs der Chemie» (Braunſchw.
1871 fg.) und 22 Payens «Pre&cis de chimie in-
dustrielle» (2, Pen 1852) deutſch heraus,
Fehlingiche Löfung, zur volumetriſchen Zuder-
beitimmung (ſ. Sacharimetrie) dienende Flüffig-
feit, wird bergeftellt, indem man 34,4 g reinen
Rupfervitriol in 200 ccm beitilliertem Waſſer löft,
mit einer kalt bereiteten Löfung von 173 g Kalium:
tartrat in 500—600 ccm Natronlauge (fpec. Gewicht
1,13) vermifht und das Ganze mit Wajler auf 11
verdünnt. Beabfichtigt man längere Aufbewahrung
der Löſung, jo fügt man vor dem Auffüllen mit
Waſſer 150 g reinftes Glycerin hinzu. 10 cem diefer
Haren, tiefblauen Loſung werden gerade durch 0,05 g
Zraubenzuder vollftändig zu Kupferorydul reduziert.
Fehlſchluß, jeder Berttoß ge en die Regeln des
Syllogismus (f. d.), in deren Aufzählung die Logis
ter von Ariftoteles an großen Schar inn ——
haben. vielleicht häufigſte Fehler iſt die ſog.
—— terminorum, darin beſtehend, daß der
llogismus ſtatt der erforderlichen drei Grund:
beſtandteile (Elemente oder Termini) deren vier
enthält, indem — Be File infolge einer Doppel»
finnigfeit ded Auspruds für identiih genommen
werden, ohne es zu fein. (S. Trugichluß.)
Fehmarn oder Jemern, eine zum Kreiß Olden⸗
burg bes preuß. —— Schleswig gehörige Inſel
ber Oſtſee, von der Nordoſtſpihe Holſteins durch den
1500 m breiten Fehmarnſund getrennt (f. Karte:
Hannoveru.f.w.),bat 185qkm und etwa 10000 E.
— Fehn⸗ und Moorfoloniern
B. ift meifteben, wafler- und holzarm, aber mit feinem
etten Boden ſehr geeignet zum Anbau von Weizen
und Raps ſowie zur Viehzucht. F. iſt in vier Kirch⸗
fpiele geteilt, enthält 3 Amtöbezirte mit einer Stadt
und 44 Dörfern und trägt vier Leuchttürme. Die
Bevölkerung ift zumeift dithmarfisher Herkunft.
4 km von der Stadt Burg auf F. (ſ. d., Bd. 17)
entfernt ftand die at, lambelt; 7,5 km norb:
mweitlich liegt der größte Ort Peters doxf (6% E.).
— F. gebörte urfprünglid & Bagrien (f. d.);
der Name %. wird aus dem Slawiſchen ve-morje,
d. b. im Meer, —*7* F. ward 1248 von dem
dän. König Erich IV. Dlogpenning erobert und fam
1326 als dän. Lehn wieder in den Befik des boljtein.
Grafenhaufes. F. wurde 1420 durd König Erich
von Dänemark und 1644 durch die Schweber ver:
mwüjtet. Erit feit Anfang des 17. Jahrh. warde F.
zum Herzogtum Schleswi gerechnet, bis es 1867
wieder (politifch) mit dem bo ftein. reife Oldenburg
vereinigt ward. Inder Naht vom 15. bis 16. Mär;
1864 fegten die Preußen nad %. über, mo bie dan.
Beſatzung überrumpelt und arfangen wurde. m
Frieden zu Prag (1866) wurde die Inſel preußiſch.
ehme, ſ. Femgerichte.
chn, Senne, Fenn lalthochdeutſch fenni;
niederländ. veen), Sumpfland, Moorland, Bruch.
Fehn: und Moorfolonien,. Febntolonien
werden in Torfmooren zu dem Zwed angelegt, die
unter dem Moor gelegenen Flächen in Ader:, Wie
fen: und Weideland zu verwandeln (Febnlultur).
ur Verfrachtung des abzugrabenden Torfes werben
hiffbare Kanäle (Fehntanäle) von den nädt-
gelegenen Waflerftraßen aus ind Moor hinein ber-
geitellt; an dieje Zlieſt ſich ein Ne von Seiten⸗
und Parallelkanälen zur Entwäſſerung und zum
Transport des 2er an den Hauptlanal. Vorteil
baft läßt man die Quergräben (Inmwielen) nidt
in diejen felbft, ſondern in Barallelgräben (Achter:
mieten oder Nebentanäle) münden, die nur an
einigen Stellen mit dem Hauptlanal in Berbinbung
fteben und alſo aud nur var Brüden im Zuge der
den Haupttanal begleitenden Straßen nötig ma
Die abgetorften Flächen werden mit Bunferbe (ben
ald Brenntorf minverwertigen, aber verbältnis-
mäßig gut zu Anbauzweden —— Schichten
zunächſt ver Pflanzendecke des Moors), Sand, Hlai,
Seeſchlich, natürlichem und künſtlichem Dünger
uberdedt und bebaut, Der Koloniſt (Beentjer in
Holland, Febntjer oder Fehnker in Deutichland
genannt) gewinnt in dem ausgehobenen Torf ein
wertvolles Objekt und gleichzeitig den Grund für
feinen Aderboven. Bedingung tit aber, dab ber
Torf guten Abfas findet, und daß Sand, Klai u. ſ. w.
billig in den Hauptlanal geſchafft werden können;
gleih wichtig find die planmäßige Geftaltung des
ganzen Fehns, zwedmäßige Ausmweifung der Kolo-
nate, Befreiung der Koloniften von allen Zaften,
bie die erite Anlage des Hauptlanals, der Achter⸗
wiele, ver Schleufen, Brüden und Straßen erforder:
lih macht. Diefe Laften müfjen die Unternehmer
des Fehns (Genofjenihaften, ſiädtiſche oder provin-
ialftändische Verbände) tragen; die Berzinfung und
mortifierung des aufgemenbeten Kapitals erbalten
fie durch die Kadıt der Kolonate, aud in Form von
Torf und durd die Schleufengelder.
Die Anlage eines Fehns wird ſchematiſch durch
umitebertve Figur veranſchaulicht. Im erjten Jabre
bebt man in Heinen Profilen im Zuge des Haupt:
und Nebentanals auf etwa 90—100m Länge ein Neck
Fehn⸗- und Moorfolonıen
von Längs- und Quergräben (Raygräben) aus,
die man, während man gleichpeitig mit dieſem Neb
um je eine Abteilung vorrüdt, allmählich in den
—— 4 Jahren auf 1 m Breite und O,ss m
iefe bringt; die Zmwifchenfelvder werden durch Hei-
nere Gräben (Grüppen) in jene entwäjlert.
ſechſten Jahre etwa wird man in der eriten Ab»
teilung die eigentlibe Kanalaus hebu eginnen
und fie im elften Jahre beendigt haben. Inzwiſchen
iind die Inwielen durd die —— in ahnlicher
Weiſe vorbereitet und ausgehoben, ſo daß im zwolf⸗
ten Jahre ungefähr die mit der Abtorfung ans
fangende Bebauung des erften Rolonat3 beginnen
fann. Ein ſolches Kolonat (Blaatfe) wird auf je
einer Seite durd die 6 m breite Inwiele begrenzt
und erhält etwa 90—100 m Breite; der Teil des
Kolonat3 zwiſchen Haupt: und Nebentanal wird
—— Vooraffe genannt. Jenſeit des Neben⸗
nals wird die Austorfung des Kolonats erſt in
Angriff genommen, wenn die der Vooraffe beendet iſt.
Sn Holland wurden Fehnlolonien zuerſt
um das % 1600, anfangs von Privaten und
zu enofjenihaften, teilmeife mit reich:
icher Staatäunterftüßung, fpäter von der
Stadt Groningen angelegt. Und zwar waren
die erjten Fehnkolonien Pelel Aa (1704 in
Dude und Nieume Pelel Aa — und Zuid⸗·
broef, dann (1648—83) Vilderwank, Veendam,
Doogeganb Sapemeer, ferner unweit Belel Ya
Stadslanal 1764 (f. den Blan: Fehnkolonien
und ehnlanäle in Dftfriesland und Olden⸗
burg, ©. 519). Auf dieje folgten in der Pro:
vinz Drenthe dad Hoogeveen und Smilve
(1772) ſowie in —* die von Baron Dedem
1809 begonnene und ſpäter von der Landſchaft
übernommene Dedemävaart. Diefe Beene (zu:
fammen 100000 ha) find faft ganz ausgetorft
und in Ader:, Wiejen- und Weideland umge:
wandelt.
In Deutſchland folgte dem holländ. Bei-
piele 1630 zuerft der Münfterjche Graf Lands»
g:Belen mit der Anlage einer Fehntolonie bei der
Papenborg, aus der fi die Stadt Papenburg (f. d.)
entmwidelt hat. Weniger glüdlic haben fich die o ſt⸗
friejifhen Fehnlolonien entwidelt, während das
oldenburgiiche Auguftfehn im Lengener Moor
namentlich durd) die dort 1856 gegründete, mit Torf
beizende Eijenbüttengeiellihaft gedieh. Immerhin
ift, wenn man berüdjihtigt, daß es den oſtfrieſ.
ntolonien für den Tor abfaß an nahe gelegenen
tädten —— ihre Entwidlung —
ar an uguftfehn umfaſſen jest ihre Haupt-
tanäle (j. die Tabelle, ©. 518) 196,9 km gegen
64,6 im J. 1789, ihre Inwielen 60,5 gegen 17,5 km,
ibre tultivierten Moorflähen (diefe ohne Auguit:
febn und die andern oldenb. Fehnkolonien) rund
10000 ha gegen 1392 im J. 1816; die Einwohner:
zahl ift von (1816) 5236 auf rund 17000, der Raums
halt der dort bebeimateten Torf⸗, Küjten« und
Eeeichifie von etiwa 8000 auf etwa 17500 Regiſter⸗
ton3 geitiegen. Die Heinen oldenb. Fehntolonien
erö-, Eliſabeth⸗, Bargerz, Friedrichs⸗Fehn u.a.)
iegen meiſt an ſchiffbaren Wajlerläufen, haben
guien Torjabjag und jind, namentlich in Bezug auf
be der Kolonate (nicht unter 4 ha), zmedmäßiger
t, fo daß fie gut vorwärts fommen.
einem gewiſſen Gegenjaß zu den Fehntolo:
nien ftehen die Moorlolonien. Denn wenn aud
von ihnen aus Torfverihiffung ftattgefunden bat
517
und noch ſtattfindet, jo ijt bier der Endzwed ver
KRolonifierung nicht die Kultivierung des Moor:
untergrundes, fonvern der Mooroberfläde
felbft © Moorkultur). In den ehemaligen Herzog:
tümern Bremen und Verden auf dem rechten Uier
der Wejer, entlang der in dieſe bei Begefad münden:
den Wümme und ihres rechten Nebenflufjes, der
Hamme, ebenjo an ber Dfte, ferner in Ditfriedland
und in den Mooren des jebigen Reg.:Bez. Osna⸗
brüd, fowie in Olvenburg, wurden in den J. 1720
— 1850 und 1786 (oder 1765) bis in die neuefte
Zeit hinein Moortolonien gegründet, fo daß deren
über 250 mit etwa 55000 ha Fläche und 60000 €.
vorhanden find. Auch auf den fisfalifchen Mooren
(Moorbrüden) Dftpreußenz find feit 1756 Kolo⸗
nien gegründet und im ganzen über 1300 ha beſie⸗
delt. Viel geihieht neuerdings für die Moore in
den großen Staatsforften im allgemeinen und im
bejondern für die in Hinterpommern und Dftpreußen
(Zeba: und Augftumaler Moor).
..
Die Moorkolonien gediehen am beften, wenn ſie,
am Rande des Moord im Zufammenbang mit be
nenn — angelegt, bequemen Torf:
abjaß fowie die Möglichleit des Bezug von natür:
lichem Dung batten, oder wenn ſie in der Näbe
rößerer Städte und an fhiffbaren Waſſerſtraßen
agen; dies traf zumeift für die Kolonien zwiſchen
Weſer und Elbe zu, die eine —— Kolonats⸗
größe ausgeſetzt erhalten hatten. Auch von den
münjterihen Kolonien lint3 von der Em3 im Bour:
tanger Moor, die [eh ohne jede fahrbare Verbin:
dung waren, gedieben die gut angelegten (Rüten:
brod, Twiſt u. a.) recht wohl, während die Hümm-
lingstolonien rechts von der Ems, noch mehr aber
die —— unter der Mittelloſigleit der Kolo⸗
nijten zu leiden hatten. — Seit 1870 bat auf An:
regung des Miniſterialdireltors Marcard die preuß.
Regierung viel für die Erjchließung der ojtfriejifchen
und Emdmoore gethan, ebenſo die oldenb. Regierung
ür die oldenb. Moore; eine große Reihe von Dloor:
biffahrtstanälen find gebaut, und jo iſt in dieſer
ihtung mwenigjtens ein Zuſtand geſchaffen, wie
ihn die Moore rechtö von der Weſer, die nur ein un:
ureihendes Kanalnetz aus dem 18. und dem An-
* des 19. Jahrh. beſitzen, nicht haben. Die preuß.
egierung laßt im Kehdinger Moor an der Elbe jo:
wie im Steam und Wiejeder Moor ſudlich vom
Ems: Fade: anal großartige zufammenbängende
518 Fehn⸗ und Moorkolonien
: FE eg
: &|,|s Ka
“ Bezeihnung 3 5 s |r8-
E z o wein
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3 7 E58
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I. Nordlich vom Emd-Jade-Ranal.
A. Dentfdhe Fehntanäte. |
1 | Berumer» oder Rorberfehnfanal . . . |1794
Ubelig-Moorborfer Kanal... . . - 1872
Io. Süblih vom Ems-Jabesftanal.
GroßesfgchnsHanal . . 2.2.2...» 163
Speyer Fehnkanal nebſt Bohbarger
BREMER 66666 1746
—— BB 25 sus 2. 1780
llener 1639
.. 1 SR RE 1660
Stidelfamper — ea 1660
— F 1647
h * WERNAL-. = 1660
rfingeehnlanal . .. : 2»... 1736
III. RNordlich von der Leda.
Norb-Weorgs-FFehnkanal mit Abzweig. |1R25
Süd-Weorgssfehnfanal mit Abzweig. |1825
Stilhaufer Fehnlanal ....... 1825
Auguftefgehnlanal. . ».» 2. 2... 1841
IV. Süblih von ber Leba,
DOft:Rhaudersisehnfanal mit Abzweig. 1649
Weſt⸗Rhauder⸗Fehnkanal mit Abzweig. 1649
Berbindbungsta sur N 1649
Holtersfgehntanal mit WVerbindungs-
tanal nad) dem Kanal 17T ..... 1825
V. Bapenburger Kanale.
Vapenburger Stadtkanaaa 1631
Bapenburger Hauptfanal mit Abzweig. —
Splittinglanal . - +». 2.2220. —
Börgerwaldlanal ..... - . 1868
Buiammen
B. Deutſche Hochmoor-⸗Schiff⸗
fahrtöfanäfe,
VI Weftlih von der Emp.
Kanal Haren-Rütenbrod. .. . . . .
5 | Kanal Meppen«hoogeveen (projeftiert)
Kanal Picarbie-fkoeverben. . . . . .
Ems:Bedite-fanal (f.Emb) - .. . .
Sid Rorbfanal .. 2». 2...2..
vo. Bwifden Ems und Beier.
Ems-Zabe:ftanal (f.d.) . ». -»..» »
untes&mdsftanal . -.......
aaterlänbifcher Weſtlanal
Norbloher Kanal . . 22 22.4
Sriefogther Kanal -. . - . 22 2..
vIH. Zwiſchen Weſer und Eibe.*
Hadeler Kanal zwiſchen Bederfefa und
der Elbe bei Diternborf. . . . . .
Bederlefar@ecfte-ftanal zwiſchen dem
Kanal 36 und ber Geelte . . . . .
Heiler Kanal von ber Kolonie Heife bit
DREEES len
Die in die Oſte münbenden Kanäle von |
erg. Fahrendorf, Derel, Fre⸗
fenburg, Rieberochtenhauſen, Otten⸗
amme-Dfte-Stanal mit Geitenfanälen |
fterholger Safenlanal zwiſchen der
—— und dem —* olzet Hafen
W — zwiſchen Tüſchendorf und
——555 —
St. Jurgen⸗Kanal zwiſchen der Hamme
bei Moorhaufen und ber Wümme .
Reu:St. Jürgenfanal 55 Neu ⸗
“0
4
4
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St. Jürgen und der Hamme ...
Umbeds Fahrt zwiſchen Schlußborf und
MHSIRE.. 0 en /a m.
& | Semtenfahrt zw. Mbolfsdorf und Bremen |
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UtendesBollingen-Barfjeler Hanäle. .
borf-Hdnau, Mebedorf (Mehetanal) . '
Kanal Rhede⸗Bell — (rojektiert) =
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1872
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Die Kanäle 3—1
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Kanäle die B nad
der Ems; burdy Bortreiben
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und dadu mit VII
bunben werben.
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328
B. Die Kanäle 24— 28 ver ·
bolländ. Hanalnep.
Der Kanal 29 wird, wenn
er bis Stanal 24 verlän-
Fehrbellin
NL
——
Fehntkolonien und Fehnkanale in Dftfriesland und Oldenburg.
Kolonien mit vorbereiteten Rolonaten berjtellen, die
bannov. Brovinzialverwa bejegt im Groß:
or, etwa am freuzungspuntt des Süd:
td» und bed Meppen: Hoogeveen:Kanals, ein
428 ha großes «Provinzialmoor», und ebenda wird
das etwa 1800 ha große Schöninghämoor allmäb-
lich ſyſtematiſch kultiviert. Im Provinzial und im
Marcarbmoor find die Kolonien — *
men 59) je 10 ha groß und verzinſen ihr Anlagelapi⸗
tal 1—3 Freijahren mit 3—4 Proz. Die vom
Baftor Eronemeyer zu Bremerhaven gegründete,
bei Loxſtedt gelegene 77 ha große Kolonie Friedrich⸗
Wilhelmsdorf bat bis jest ebenfalls gute Erfolge
aufzumeifen. Sie wird nad Anleitung der Bremer
Moorverſuchsſtation, welche jelbit eine 15 ha große
Verfuhswirtihaft dicht am «Brovinzialmoor» eins
gerichtet hat, bewirtſchaftet. Bis vor furzem befaßen
nur Holland und Deutſchland eigentlihe F. u. M.;
doch geht man feit einigen Jahren auch in Dfter:
reih, Dänemarl, Schweden, Norwegen ſowie auch
in Frankreich mit der Gründung von Moorlolonien
vor. — Bol. die Litteratur unter Moorkultur.
Sehrbellin, Stadt im Kreis Dithavelland des
preuß. Reg.:Bez. Potsdam, 13 km im ©. von Neu-
ruppin, an dem vom Rhin durchflofienen havelländ.
Zub und an der Baulinenaue: Neuruppiner Eifens
520 Fehrücken
bahn (Nebenbahn), bildet mit der Kolonie F. und
dem Dorfe Feldberg, wo die evang. Pfarrkirche
fe befindet, eine Kirchengemeinde, iſt Sitz eines
mtögeriht3 (Landgeriht Neuruppin) und bat
(1900) 1602 €., darunter 67 Katholiken und 8 Is⸗
raeliten, (1905) 1939 E., Poſt, Telegrapb; Torf:
gräbereien, Fabrifation von Holzpantoffeln.
F. tft befannt dur den Sieg des Großen Kur:
fürjten über die Schweden unter MWrangel 28.
(18.) Juni 1675. Ein 15 000 Mann ftartes ſchwed.
Heer jtand jeit 1674 in Brandenburg, gegen das
der Große Kurfürft 5. Juni aus Franken mit 8500
Mann Fußvolk und6500 Reitern heranzog; 21. Juni
erreichte er Magdeburg. Die Schweden hatten ſchon
Havelberg, Rathenow und Brandenbura genommen,
auch Spandau angegriffen; der Kurfürſt beſchloß
ie unverzüglich anzugreifen, zog vor Natbenom, er:
türmte die nur ſchwach bejekte Stadt am 25. und
ejegte aud Brandenburg. Als dieSchmeben darauf
binter dem aropen Sud) über 5. nad Havelberg
zurüdgingen, folgte der Kurfürft, erreichte 26. Juni
Barnewis, nahm am 27. Nauen und ließ durch den
mit 120 Reitern auf Nebenmwegen nad F. vorge
jendeten Oberjtleutnant Hennigs die dortige Brüde
im Rüden der Schweden zeritören. Den Schlüſſel
der brandenb. Stellung bildeten die Sandhügel bei
dem Dorfe Hatenberg, zwiſchen F. und dem 9 km
entfernten Dorfe Linum (f.d.). Am 28. erreichte die
brandenb. Vorhut unter dem Prinzen von Hom:
burg bei Zagesanbruh die Schweden. Wrangel
ftellte fein 10000 Mann (darunter 4200 Reiter)
und 38 Gejhüse ſtarkes Heer bei Linum auf, ging
jedob in die Stellung von Halenberg zurüd und
wurde von der beim ichtenhügel aufgefabrenen
brandenb. Artillerie heftig in der rechten Flanke
beſchoſſen. Ein gegen den Fichtenhügel unternom:
mener Angriff der Schweden ſcheiterte an dem per:
jönlihen Eingreifen des Kurfürften, der nun die
ganze Reiterei von diefem Punkte aus zum Angriff
vorgeben ließ, worauf Wrangel gegen 10 Ubr vor:
mittags ben ans antrat, den die Brandenburger
in der Flanke begleiteten. Die ſchwed. Gejhüke ant⸗
worteten, und bierbei zerfchmetterte eine ſchwed.
Kanonenkugel dem neben feinem Herrn reitenden
Stallmeijter von Froben (f. d.) das rechte Knie. Die
Verfolgung der Schweden murde eingeitellt, als dieſe
F erreicht hatten; 29. Juni wurde F. beſetzt. Die
randenburger verloren in der Schlaht und bei
der Verfolgung gegen 500 Mann.
Bei Linum wurde 1800 auf einer Anböbe von
dem Domberrn von Rochow auf Relabne ein Dent:
mal errichtet mit der ge «Hier legten die
braven Brandenburger den Grund zu Preußens
Größe»; 1857 errichtete der Kriegerverein des Havel:
landes auf dem Schlachtfelde ſelbſt ein zweites
Dentmal; 1879 wurde bei Halenberg ein drittes
Denkmal (turmartige Säule mit einer Victoria) und
18. Oft. 1902 auf dem Kanonenberge bei F. ein
Bronzeftandbild des Großen Kurfürften enthüllt. —
Dal. Schottmüller, Fehrbellin (Berl. 1875); von
Wisleben und Haflel, yehrbellin (ebd. 1875); Sello,
Fehrbellin (in der «Deutſchen Zeitihrift für Ge:
chichtswiſſenſchaft⸗, Jahrg. 1892, Freib. i. Br.).
ehrüden, Fehwamme, Fellteile des Eid:
iertage, . Seittage. _ [börndens, f. Feb.
eifelgeichtwulft, Tierkrankheit, ſ. Mumps.
igbohne, ſ. Lupine.
eige (Ficus) oder Feigenbaum, Pflanzen:
gattung aus der Familie der Urticaceen (f.d.), deren
— Feige
zahlreiche Arten, lauter Holzgewächſe teild mäd-
tige, mittelgroße oder unanjebnlihe Bäume, teile
Sträucher und Kletterpflanzen, in der tropiicen
und in der warmen gemäßigten Zone beider Halb:
tugeln einbeimifh find. Sie enthalten einen mei:
ben, an Kautſchuk reihen Milchſaft, haben abwech⸗
jelnde, gewöhnlich immergrüne, ganzrandige oder
bandförmig gelappte Blätter. Die Blüten find jebr
Hein und ſtehen dicht beifammen in der innern
Höhlung eigentümlih geformter fleifhiger Blüten:
ftände, die, meijt mehr oder weniger geftielt, einzeln
oder paarmweife in den Blattadhjeln, oder aber zu
mehrern aus den an ältern Zweigen und Stämmen
befindlichen Blütenpolitern entjteben oder aud an
bejondern blattlofen Zweigen oder Zug men
wachſen. Die nur durch eine Heine durch Schuppen
veriperrte Öffnung am obern Ende mit der Luft in
Verbindung jtebende Höhlung der kugeligen, bim:
förmigen oder halb freifelförmigen Blütenjtände (Re-
ceptacula) ift umgeben von zablloien, ee kleinen
und einfach gebildeten eingeſchlechtigen Blüten. Die
wenigen männlichen Blüten jteben in dem boblen
Blütenträger zu oberft, die weiblihen und Gall:
blüten nehmen den übrigen Teil des Receptaculums
ein. Nach dem Berblüben wirb der Blütenträger zur
fog. Feigenfrudt (ſ. d.). Aus dem Fruchtknoten ent:
ftebt ein ſehr Eleines, einfamiges Nüßchen.
Die wichtigfte Art der Gattung ift der gemeine
fyeigenbaum, Ficus carica L. (}. Tafel: Urti:
cinen J, Fig. 2). Dieſer im Orient urfprünglid
einheimiſche Baum findet fi gegenwärtig wild oder
vermwildert in allen Mittelmeerländern, mo er meift
ftraucdartig oder als Heiner, rummftämmiger Baum
inHeden, an Waldrändern und Felſen vorlommt und
nurfleine,ungenießbare Frücdteträgt. Dagegen wird
der kultivierte Feigenbaum in Südeuropa und allen
wärmern Ländern bei gehöriger Pflege zu einem, wenn
auch nicht hohen, aber wegen jeiner breitäftigen, ma:
leriih aeformten und ſchön belaubten Krone jtatt:
lihen Baum. Die Rinde ift weißgrau, die Zweige
find behaart, die Blätter berzförmig und drei⸗ bie
fünflappig,iböngrün, aberibarfbaarig. Die Fruchte
find zulegt birnförmig oder kugelia, jebr verſchieden
an Öröße, Form und Färbung der Haut wie des
leiſches, denn es giebt von diejem feit den älteften
eiten kultivierten Baume zablloje Abarten, Spiel:
arten und Varietäten. Die gemeine zit im reifen
Zuftande außen purpurblau und fein bereift, innen
grünlichweiß. Ferner giebt eö Heine weiße und Feine
arünlichgelbe 5. mit rotem Fleiſch. Die große, weiße
Genueſer FF. ift fugelig mit bünnem Stiel, außen
weiß, innen rot. Dieje und die F. von Savoven
nelten für die beften. Die F. der Yevante oder die
Smoyrnaer $. find gleichfalls ſehr geihäst und
fommen getrodnet in den Handel. —
Berühmt iſt ſeit alten Zeiten die Kaprifikation
der 5. Es giebt nämlich eine Heine Gallmeipe, die
Heigengatlmeine (Blastophaga ssorum
av.), die die W. des wildwachſenden Baums an:
ftiht, um ihre Gier bineinzulegen. Infolge davon
wird bie wilde %. viel größer und faftiger, auch zuder:
reicher, als es fonft der Fall jein würde. Schon im
Altertum bing man deshalb angeftochene wilde F. an
die Zweige der angebauten TFeigenbäume, um deren
Früchte durch die ausfchlüpfenden Weſpchen eben:
falls anſtechen zu laſſen, ein Verfahren, das noch
jegt in vielen Gegenden des Mittelmeergebietes
angewendet und Kaprifilation genannt wird, meil
der wilde fFeigenbaum caprificus, d. i. Geißfeige,
Feigenbaum — Teil
dieß. Viele Feigenforten werden indes ohne Ka:
prinlation ebenſo jaftig. i
ie Rultur des Feigenbaums bildet in den
wärmern Ländern einen gepr wichtigen Zweig ber
Dbftbaumzucht, denn die Feigenfrucht ift dort nicht
allein ein allgemein beliebtes Obſt, ſondern aud
ein jebr —— Handelsartilel. Der Baum
macht wenig Anſprüche an den Boden, verlangt
aber viel Wärme (nnige Lage), Licht und Wafler
und eine jorgjame — beſonders hinſichtlich des
Schnittes. En Deutihland wird er meiſt ald Topf:
ewächs behandelt und muß in einem frojtfreien
—* oder im Kalthaus übermwintert, oder wenn
man ihn in ge üster Lage im freien Sande ſtehen
t, gut in Stroh eingepadt, noch beſſer mit Bretter:
ften, die eine Yaubumbüllung erhalten, umgeben
werden. In großen Dbfttreibereien wird er auch
an Spalieren in Gewächshäuſern oder Mauern
obne Heizung kultiviert. Die getrodneten %. kommen
entweder an Schnüre gereibt (Rranzfeigen, Wert
etwa 50 M. für 100 kg) oder in runde Schadhteln
Trommel: oder Kalamatafeigen) oder in
ifthen verpadt (3. B. die Malagafeigen) in
den Handel und werden ald Defiert und zu arznei«
lihen Zweden verwendet. Zu legtern nimmt man ge:
wohnlich die —— en, welche aus geringern, dick⸗
ſchaligen Sorten ri Haupthandelsplag für
3. ift Trieft. Man braudt die getrodneten F. un:
präpariert oder in Milch gekocht ald erweichendes
und tüblendes Mittel bei entzündlichen Geſchwulſten
Zahngeſchwuren u. f. w.), Entzündung der At-
mungsorgane, namentlid der Kinder u. f. m., ge:
röftet au als Feigentaffee (f. d.). Der Feigen:
täjfe aus Spanien und der Feigenkuchen aus
Griehenland find in Käſe- oder Kuchenform mit
Kräutern und Gewürzen zufammengepreßte F.
Zu der nämlichen Gattung gehören einige in ihrer
Bahstumsweife dem Epheu fih anſchließende Ar:
ten Chinas, nämlich Ficus pumila L., ein ſtark ver:
amt Strauch mit immergrünen ovalen oder ellip:
hen Blättern, der, gegen eine Mauer gepflanzt,
dieje bald mit einem dichten Netze von Zweigen und
Laubwerk überziebt, und Ficus villosa BI., von jener
durch berzförmige, größere und ſchönere Blätter
unterjhieden. Beide werben in Gewächshäuſern an:
anzt, um Mauerwände und Felſen zu befleiden.
wird auch ald Ampelpflanze verwendet.
on den übrigen Ficusarten jind noch erwahnens⸗
wert die Sylomore (f.d.) und ber in Dftindien ein:
beimifche, in Europa als Zimmerpflanze beliebte
Gummibaum,Ficuselastica L.(j.Summibaum).
Aus feinem Milchfafte wird der in Mengen in den
Handel lommende Aſſamlautſchuk gewonnen, ebenſo
dienen andere Arten Sudaſiens, Amerikas und Afri⸗
las zur Kautſchulgewinnung. Ferner liefert der den
Indien heilige Gögenbaum oder Pipul, Ficus
religiosa L., Gummilad oder Schellad (j.d.). Die
foa.Banianbäume (Banianen), z. B. Ficus ben-
plenss L. (Borderindien), benjamina L. (Ma:
ſcher Archipel) und utusa L. (Hinterindien und
Sudchina) zeichnen ſich dadurch aus, daß aus den
ten zahlreiche Luftwurzeln entjteben, die in die
Erde eindringen und nun als jäulenförmige Stügen
die mãchtig auögebreitete Zaubtrone tragen, fo daß
allmählich aus einem Eremplare eine ganze Gruppe,
ein Meiner Wald bervorgebt, der eine gemeinichaft:
lie Belaubung befißt; fie werben deshalb viel auf
ofienen Blägen und in Alleen gepflanzt. Sie gehören
ju den jog. Würg: oder Mörderfeigen, die, in
521
Aitwinteln anderer Bäumeleimend, diefepäterdurd
Umfchnüren zum Abfterben bringen und dann jelb:
ftändige Bäume bilden. — Vgl. von Solms:Laubadh,
Die Herkunft, Domeftitation und Verbreitung des
gewöhnlichen Feigenbaums (Gött. 1882); Ring, The
species of Ficus of the indo-malayan and chinese
countries (Raltutta 1888).
ie ige und Tafel: Urticinen],
eigenbdiftel, |. Opuntia. (dig. 2.
eigeneisblume, j. Mesembryanthemum.
eigenfrucht. Dieje De die Gattung Ficus
(f. Feige) charalteriſtiſche chtform entjtebt aus
einem gemeinfamen Blütenboden, der krugfürmig
nad oben und am Scheitel einwärtö gebogen und
bier durch Schuppen verſchloſſen ift. (S. die Tert:
abbildung zum Artifel Urticaceen.) An der innern
Wand des hohlen Blutenkrugs, der zur fleiſchigen
N 2 auswädt, ftehen die Blüten, jpäter die
rühthen (Nübchen). Die F. gehört in die Kate:
gorie der Scheinfrüchte (f. Frucht).
gengaiweine, . Feige.
eigenfaffee, Kaffeezuſaß, der aus getrodneten,
in Stüde zerjchnittenen und wie die Kaffeebohnen
braun geröjteten Feigen bergeitellt wird, Man mablt
oder jtößt die geröfteten Feigen zu Pulver und fegt
ein wenig dem gemahlenen Kaffee zu.
igenfaftus I Opuntia. j
eigenfäfe, Fe — ſ. Feige.
igenwurz, ſ. Ranunculus.
eigheit, die Reigung, ſein Handeln durch Furcht
beſtimmen zu laſſen. Die militäriſche F. it die
Verlegung einer militär. Dienſtpflicht aus Furcht vor
erfönlicer Gefahr. Wer während des Gefechts aus
. die Flucht ergreift und gleichzeitig (einen oder
mehrere) Kameraden dur Wort oder Zeichen zur
Flucht verleitet, wird mit dem Tode beftraft.
— oder Kondylome, gewiſſe krank⸗
hafte Wucherungen der obern Hautſchichten und ge:
wiſſer Schleimhautpartien, welche ſich als begrenzte,
d flache, bald warzenförmige, bald —
(hahnenlammförmige) Erhebungen darſtellen, aui
deren Oberfläche ſich eine Feuchtigleit abſondert.
Man unterſcheidet zwei ganz verſchiedene, jchari
voneinander zu jondernde Arten von .: 1) S pipe
oder gemöhnlihe Kondylome (Condyloma acu-
minatum), Aluminaten, mwarzenförmige, meijt
geitielt auffigende Wucherungen ber Haut, melde
dur den andauernden Reiz ſcharfer blennorrhoi:
ber Sefrete (bei Weißen Fluß, chroniſcher Rubr,
ripper u. |. —* der Umgebung der ——
und weiblichen Genitalien und des Afters entſtehen
und in der Regel bei fleißiger Reinigung der be—
treffenden Teile und Anwendung von zuſammen—
iebenden und audtrodnenden Mitteln (Mlaun,
annin, Salicylkollodium u. a.) von ſelbſt wieder
verſchwinden, oder mit der Schere oder mittels des
Galvanokauter abgetragen werden; 2) Breite
Kondylome (Condyloma latum), breite, flache,
meijt rundliche, leicht in VBerfhwärung übergebende
Erhebungen der Haut und der Mundſchleimhaut (im
legtern Fall auch Schleimpapeln, Plaques mu-
queuses, genannt), die ein Symptom der koniti:
tutionellen Syphilis (f. d.) find, durch Anftedung
ehr leicht übertragen werden und nur durch energi:
he Behandlung des Grundleidens entfernt werben
igwurz, |. Ranunculus. (können.
eijenoord, Maasinſel, f. Rotterdam,
eil, verläuflib von Saden, aud unbemweg: °
lihen. Schon das gewerbsmäßige Feilbalten von
522
Begenftänden, welche einem andern patentiert find,
oder für welche ein anderer ein Gebrauchdmufter
bat eintragen laflen, ift ohne defien Genehmigung
nad dem Deutichen — ——— $. 4 und dem Ge:
feß vom 1. Juni 1891, $.4, verboten. Die Feilbal:
tung von Sprengftoffen ohne polizeilibhe Genebmi-
gung wird nad dem Geje vom 9. Juni 1884, $.9,
mit gg ey von 3 Monaten bis zu 2 Jahren
beftraft. Wer bei der Feilbaltung von Giftwaren,
Arzneien, Schiefpulver oder von Feuerwerken die
deshalb ergangenen Verordnungen nicht hg
wird mit eloftrafe bis zu 150 M. oder Haft be:
Bar (Straf un $. 367, Nr. 5). über öffentliche
Feilbietung 1. Auftion.
eilding, engl. Familie, ſ. Desmond.
eile, ein Werkzeug, das an feiner Oberfläche
mit zablreihen feinen Zähnen beſetzt ift und dazu
dient, Metall: und Holzflähen durch Abnehmen
dünner Späne zu bearbeiten. Die F. werden aus
dem vorzüglichiten Stahl gefertigt; nur ſehr grobe F.
befigen einen Eifentern mit aufgeſchweißtem Stabl.
Die erfte Arbeit bei Anfertigung der F. iſt das
Schmieden, wodurd fie ihre äußere Form erbalten.
Alsdann werden fie geicliffen, und hierauf folgt
die wichtiafte Arbeit, die Bildung der Zähne. Man
ftellt die Zähne durch Reiben paralleler Einſchnitte
ber, die dur Meißelhiebe gegen die Oberfläche der
. gebildet werden. Su infchnitte werben ber
Sieh, die Arbeit der Heritellung wird das Hauen
der F. genannt. Cine —— F. befist nur
eine Reibe ſolcher querdurdlaufenden Hiebe, welde,
wenn man die 5. quer vor ſich hinlegt, von oben links
nah unten rechts laufen unter einem Winfel von
ungefähr 70° gegen die Mittellinie der 5. Derartige
.„, deren Zähne die ganze Breite der F. einnehmen,
ind nur zur Bearbeitung ganz mweider Metalle
rauchbar und werden deshalb auch Zinnfeilen
enannt. Die meijten F. find — —— d.h.
ihre Zähne werden burd zwei Reiben ſich kreuzen⸗
der Hiebe gebildet, von welchen der zuerſt bergeitellte
Unterbieb von rechts oben nad links unten unter
einem Winfel von 52° gegen die Mittellinie ges
richtet ift, während der Oberhieb oder Kreuzhieb
von links oben nad unten rechtö läuft und einen
Winkel von 70° gegen die Mittellinie einſchließt.
Der Oberhieb bildet die eigentlihen Zähne; dur
den Unterbieb werben die fonjt breiten Zähne in
zahlreiche ſchmälere zerlegt.
Das Hauen der F. —* in lleinern Werkſtätten
von Hand mit Meike und Hammer, in größern
bisweilen durch Feilenhaumaſchinen, obgleich
dieje auch im Großbetriebe no nicht im ſtande ges
wejen * die Handarbeit völlig zu verdrängen.
Je nach der beabſichtigten Verwendung der F. ſind
die Hiebe mehr oder weniger tief und näher oder
weiter voneinander angebracht. Je großer die Zähne
find und je größer der Abſtand der Zahnreihen von—
einander ift, deſto ftärlere Späne wird die F. von
der zu bearbeitenden Fläche abnehmen, während
umgeltebrt feine Zähne und enge Zabnreiben vie
Abnahme feiner Späne bedingen. Die Bearbeitung
einer Fläche mit der F. pflegt daber in der Weiſe zu
erfolgen, dab man zuerjt grob gebauene, dann &
von mittelfeinem Hieb, und endlich, wenn die zu bes
arbeitende Fläche ſehr genau und fein gehauen fein
muß, eine %. mit ganz feinem Hiebe anwendet. Nach
der Größe und dem Abitande der Zähne voneinander
ar man den F. verſchiedene Namen. Die gröbiten
eiben Armfeilen und Strobfeilen; die mittel:
Feilding — Feile
feinen Bajtard: oder VBorfeilen; die ganz feinen
An eilen (mit den Abftufungen Halb»
chlicht, Shliht und Doppelſchlicht). Eine
harfe Grenze zwiſchen den einzelnen Hiebjorten zu
ziehen ijt nicht möglich, weil die Art des Hiebes auch
wieder von der Länge der F. abhängig iſt.
eine F. von 500 mm Länge (ohne Angel) ſchon
den Sclichtfeilen gezählt zu werden pflegt, wenn
60 Oberbiebeinfhnitte auf 25 mm Länge befißt, be:
darf eine nur 100 mm lange F. faft der doppelten
Anzahl Einſchnitte, um ald Schlichtfeile, und etwa
200 Einſchnitte auf der gleihen Länge, um als Fein:
ſchlichtfeile gelten zu Lönnen. .
Deutlicher ald dur die Art des Hiebes werben
die Sorten durd die Verſchiedenheit der Querſchnitts⸗
—— gelennzeichnet. F. mit quadratiſchem Quer⸗
chnitt, auf allen vier Seiten gehauen, beißen Vier:
tantfeilen (j. nachſtehende Fig. 1a, b). Zu dieſer
Sorte gehören die ſchon erwähnten Urmfeilen die
—— aller JF. 300—600 mm „in der Mitte
—50 mm im Quadrat haltend, nad beiden Enden
bin verjüngt und vorn in eine Spike auslaufend;
auch Baftard: und Schlichtfeilen von diefer F
und bis zu 75 mm Länge abwärts find in Gebraud.
F. mit rehtedigem Querſchnitt, auf einer ſchmalen
und beiden breiten Seiten gebauen, die zweite
chmale Seite glatt, beißen flabe F., Anjas:,
and: oder an en (fig. 2a, b), fie
find so. gebaudt und faft in der ganzen Länge
gleich breit. Die meiften dieſer F. Ad Baſtard⸗
und gg von 75 bi8 400 mm Länge. Eine
andere Art der flahen 5. find die Spißfeilen,
von baudiger F und vorn in eine Spitze aus⸗
laufend. Sie find_auf allen vier Seiten gehauen.
Dreiedige oder ——— haben gleid-
feitig-breiedigen Querſchnitt (Fig. 2c), Hieb auf
allen drei Flächen und laufen vorn ſpitz zu; fie lom⸗
men vorwiegend als Baſtard⸗ und Schlichtfeilen in
Heinen Größen vor, biöweilen werden jedoch auch
rößere breiedige —— — i
5 mit ſchmalen gebrodenen Kanten und einbiebig
gehauen (Fig. 2d) heißen Sägefeilen und dienen
zum Schärfen der Sägeblätter. Halbrunde F.
Die 2e) haben, wie
ihr Name andeutet,
einen balbrunden Pan
Querſchnitt von der b
orm eines Kreis⸗
abjchnitts; beide V
—— dieſer F. ſind —
gehauen, vorn endi⸗ a
gareh eine u 3 v
ine halbrunde F., * b
bei denen nur die =
Node —239
iſt, heißen Wälzfei⸗ >
len; fte dienen den ie x
Ubrmadern und | \®
Feinmedanilernzur nd
Abrundung der
Zähne Heiner Zahn⸗ gig. ı. ig. 2. Fig. 3.
räder, F. mit den in £
gie. 2f und g dargeftellten Duerjbnitten nennt man
2 DOC INEGEN, Die runden F., Rundfeilen
(Fig. 3), haben freisförmigen Querſchnitt, in
der Mitte gebaudt und vorn jpig. Der Hieb iſt,
wie auf der gelrümmten Fläche der ba
nur aus einzelnen kurzen Einſchnitten zujammen:
geſetzt und bei —— nur einhiebig. Große
Feilenhauer — Feime
Aundfeilen (Strobfeilen) find jeltener; ganz Heine
merden Rattenſchwänze genannt. Alle andern
Sorten der F. dienen Sonderzweden und finden
nur bejhräntte Verwendung. 3. B. Meſſer—
teilen, mit mefjerartigem Querſchnitt, dünn und
teilförmig, zur Erzeugung ſchmaler Einſchnitte;
Shmeiffeilen mit_trapezförmigem Duerjchnitt,
zum Schmweifen von Schlüfjellähern; Badenfei-
‚en mit Längsfurchen und einfahem, querliegen-
dem Hieb, zum no. der ald Verzierung an
den Metallbaden der Mefjerichalen dienenden Quer:
jurhen; Liegefeilen, breite flahe F. ohne Heft,
auf welchen von Gold: und Silberarbeitern Heine
Arbeitäftüde mit der Hand bin und ber geführt
werden. Napdelfeilen und Riffelfeilen find
eiierne F., die ſich beliebig biegen laſſen müſſen,
um ſchwer zugänglihe Stellen des Arbeitsftüds
bearbeiten zu können. ,
An das Hauen der F. reibt ſich als legte Arbeit
das Härten, welches ganz beſondere a er:
heiſcht, damit Die F. ſich nicht verziehe oder fpringe.
Die Angel der F. wird nach dem Härten mit dem
glühend gemadten Maule einer Schmiedezange
erfaßt und bis zur blauen Anlauffarbe erwärmt,
um auf diefe Weiſe ihrer Spröbigfeit beraubt und
vor dem fpätern Abbrechen gejchüßt zu werben; die
3. felbft wird nicht angelafjen. Iſt die F. ftumpf ge
worden, jo wird fie ausgeglübt, abgeſchliffen, ap
neue aufgehauen und gehärtet, bi fie zu dünn iſt,
um ein neues Aufhauen zu ertragen.
drüber wurden die beiten F. in England, na:
mentlid in Lancaſhire (3. B. Warringten, unfern
Liverpool) —— die größte Menge engliſcher F.
lommt aus Sheffield. Die F. aus Remſcheid, Yüden:
ſcheid, Hagen u. f. w. ftehen den engliſchen 3. ganz
gleih. — Vol. Wildner, Handbuch der Feilenktunde
Duſſeld. 1885), und die Zeitichrift « Mefler und
Feile⸗ (Ludwigshafen 1894 fg.).
enhauer, Arbeiter, deilen Gewerbe das
Hauen der Feilen ift (f. Feile).
ilenhaumaſchinen, ſ. Seile.
Feilenmuſchel (Lima), eine Muſchelgattun
mit gleichllappiger, ſchrägeirunder Schale, die meiſt
Trend ni und gerippt ift und auf den Rippen
bisweilen noch feine Zähnden trägt, felten aber
glatt erſcheint; das Schloß iſt zahnlos. Der Fuß
üt gering entwidelt, die Tiere J——— wie die
Kammmufcheln (f. d.), mit denen fie auch nahe
verwandt find, und bejigen gleichfalld am Mantel:
rande Augen. Man kennt etwa 20 lebende Arten,
von denen eirıe au in der Rordſee vorkommt,
und über 200 ausgejtorbene, melde zuerit in ber
oben Steinloblenjormation auftreten. (S. Tafel:
Beidtiere II, fig. 6.) ”
Feiligfch, Mar, Graf von, bayr. Minifter, geb.
12. Aug. 1834 in Trogen bei Hof, wurde 1862
Bezirlsamtsaſſeſſor in Neuftadt a. d. Aiſch. 1865
trat er als Sekretär in das Minifterium bes Innern,
wurde 1866 Regierungdrat und 1872 Oberregie—
tungärat, 1873 Direktor der Polizeidireftion Mün:
hen, 1876 Regierungsdireftor und 1877 Polizei:
fident, 1879 Präfident der Regierung von Ober:
ei und mar vom Juni 1881 bis April 1907
Staatäminifter des Innern. Im Aug. 1904 wurde
er zum Grafen ernannt. Auf landwirtſchaftlichem
Gebiete find feiner Anregung die Geſetze über Flur:
bereinigung, über e
g, einer Zandestultur:Rentenanitalt
Errichtung einer ſtaatlich geleiteten
* über Körung der Zuchtſtiere u. |. w. zu danken.
523
Feilfloben, ein —— zum Einſpannen und
Feſthalten Heiner Arbeitsſtüde, in feiner Wirtungss
weiſe dem Schraubjtode (f. d.) äbn:
lich, aber nicht, wie er ur Be
Ent am Arbeitätij eben,
ondern mit der Hand zu halten, um
ein Dreben und Wenden der Arbeits:
ftüde beim Befeilen, Löten u. ſ. m. zu
ermöglihen. Schloſſer, Uhrmacher,
Mechaniker benuhen den F. vielfach
ſJ. —— Das Zujammen:
chrauben der Baden, die für gewöhn⸗
ich durch eine Feder auseinanderge—
balten werben, geſchieht durch eine
Flügelmutter. (5. auch Reiflloben.)
geimelgi . Schraubjtod.
eilmafchine, ſ. Shapingmajdine. _
Feime, Feim, Feimen, auh Schober,
Dieme, Diemen, Trifte, die geſchichteten
Haufen von Getreide, Stroh oder Heu im Freien
(1. Fig. 1u.2). Weſentlich bei der Errichtung find:
Glei abge Aufbau, Schuß vor der Witterung
durd feſte Schichtung und fihere® Dad, Bewah⸗
rung vor Mäufen, Inſelten u. ſ. w. durd einen paf:
enden Unterbau, und joldye Größe, daß die einmal
angebrochene F. auch rajch hinweggenommen werben
fann. Am weiteſten ift man im
imenbau in England, wo ſämt⸗
iches Getreide, Stroh und Heu
in 5. aufbewahrt wird, entweder
im freien Felde oder in einem an
die Wirtihaftögebäude angren-
enden Feimenhof. Die englijchen
. find zum Schuße gegen von un: 1:
ten eindringende Näfle oder Tiere —
auf einem —36 errichtet, welcher aus einem
franzartigen Mauerwerte (Fig. 3) oder einem eiſer⸗
Fig. 4.
nen, mit Füßen verſehenen Geſtelle beſteht (ig
4).
Die holländischen F. beiteben aus einem ſechsedigen
Stangengerüjt mit auf und ab bemegbarem Bretter:
dab Feldſcheunen, Fig.5). Der Vorteil folder
Getreiveaufbewahrung, die dur Lolomobilen einen
524
ſchnellen Ausdruſch der F. an Drt und Stelle ge:
ftattet und die in Deutſchland fi immer mehr ver:
breitet, bejteht in der weſentlichen Verringerung bes
landwirtſchaftlichen Baufapitald, wogegen ein Nach⸗
teil die Wertverminderung namentlich des Strobes
als Futter ift. — Bol. Ehubert, Diemenihuppen
und Feldſcheunen (Lpz. 1900).
ein, in Beziehung auf die Gold: und Silber⸗
miſchungen der techniſche Ausdrud für rein. Da
Gold und Silber nur mit einem Zufaß unebler
Metalle verarbeitet werden, jo unterſcheidet man
bei den aus ihnen bergeftellten Münzen, Barren,
Geräten und ——— mit Beziehung auf den
Stoffgehalt den Anteil an Edelmetall und an Zuſatz
oder Legierung. Der erſtere wird die Feinheit
oder der Feingehalt genannt und in den meiſten
Ländern jetzt in Tauſendteilen ausgebrüdt. Ein
Gold» oder Silberfabrifat ift 3. B. 750 Taufendteile
«fein», wenn die Gewichtsmenge des in ihm entbal:
tenen Edelmetalls — 8— oder drei Viertel des
Ganzen beträgt. Während die Feinheit ſonach ein
Relatives, ein Bruchverhältnis iſt, bedeutet Fein»
— die abſolute Menge des in einem einzelnen
elmetallgegenftande enthaltenen Goldes ober
Silber; fo iſt 3. B. das Feingewicht des deutſchen
20: Martftüds 7,185 g. Die Feinheit der Münzen
wird auch deren Korn genannt; einige wandten
jedoch früher dieje Bezeichnung für das Feingewicht
an (was mit der urjprünglicen Abwägung der Mun⸗
zen mit Gerftenlörnern zujammenbängt). rüber
nannte man in Deutichland die Zeinheit beim Golde
9— wohl hp Wk beim Silber Lötigleit,
weil man ſich zur Beitimmung derjelben der Teils
größender Munzgewichtseinheit, ver Mart, bediente,
welche für Gold in 24 Karat & 12 Gran, für Silber
in 16 £ot & 18 Gran, für beide Metalle alfo in
288 Gran geteilt wurde. Feines Gold war daher
24taratig, feineö Silber 16lötig. Diefe Art der Fein⸗
beitöbezeihnung nannte man aud das Probier:
ewicht (j.d.); wie man heute noch bei Gold: und
ilberbarren und »@erätichaften ftatt von der Sein:
beit von der Brobe derjelben fpridt. Dem Fein—⸗
gewicht gegenüber fteht dad Raub: oder Brutto:
ewicht, bei ven Münzen gewöhnlich Schrot genannt
& Schrot und Korn, Münze). Über die entiprechen:
den reichsgeſetzlichen Vorſchriften ſ. Goldwaren.
Fein, Eduard, Juriſt, geb. 22. Sept. 1813 zu
Braunjchweig, ftudierte die Rechtswiſſenſchaft in
Heidelberg, wurde 1834 Advolat in feiner Vater:
ſtadt, 1844 ord. Brofejjor des röm. Rechts in Zürich,
1845 in Jena, 1852 in Tübingen. Er jtarb 28, Dit.
1858 in der Nähe von Eisleben. Unter feinen
Schriften find hervorzuheben: «Das Hecht der Kol:
lation» (Heibelb. 1842), «Beiträge zur Lehre von
Fein — Feinprobe
der Novation und Delegation» (Jena 1850), «Das
Recht der Kodicille» (in Glücks «Erläuterung ber
Banvelten», TL. 44 u. 45, Erlangen 1851—53).
inblau, |. Anilinfarben.
einbreumen, j. Silber —
eindliche —— gegen befreun:
bete Staaten werben ebenfo wie in ben meiften
modernen Strafgefeßgebungen aud in Abichnitt 4
des 2. Teils des Deutihen Strafgeſetzbuchs unter
Strafe geftellt, wobei in der Regel unter befreun:
beten Staäten alle diejenigen verftanden werden,
mit denen fich der betrefiende Staat nicht im Kriegs:
zuftande befindet. Ein Deutſcher, welcher im Inlande
oder Auslande, oder ein Ausländer, weldyer wäh:
rend feines Aufenthalts im Inlande gegen einen nicht
zum ei up Reiche gehörigen Staat, mit welchem
die Gegenfeitigleit verbürgt iſt, oder deſſen Landes:
bern eine Handlung vornimmt, welde, wenn er jie
gegen einen Bundesitaat oder Bundesfürften began-
en hätte, nach $$. 81 bis 86 (als Hochverrat Iſ. d.],
erfuch oder Vorbereitung desfelben) zu beitrafen
ein würde, wird mit Feſtungshaft beitraft ($. 102).
Außerdem gebört hierher: Beleidigung eines frem:
den Landesherrn oder Regenten ($. 103), von Ge
—— oder Gejhäftäträgern ($. 104) und bösliche
egnabme, Zerjtörung, Beihädigung, Beſchim⸗
plung eines Hoheits zeichens oder Zeichen? ber öflent:
ihen Autorität eines ſolchen Staates (8.109 a). —
Bol. Elunet, Offenses et actes hostiles commis
par des particuliers contre un Etat &tranger
(2. Aufl., Bar. 1887).
Feindfchaft, aenenfeitiges Üibelmollen zweier
Perſonen, das auf einem Wiberftreit materieller
oder ideeller Intereſſen beruht. 5. mit einer Bartei
ift ein Grund für die Ablehnung (ſ. d.) eines Richters,
chiedsrichters, Sachverſtändigen oder ein Grund,
der Ausübung eines andern Anıtes zu widerjprechen
oder die fibernahme jolhen Amtes abzulehnen, wel
ches eine Vertrauengftellung voraugjekt, wie die des
Vormunds. (Öiterr. Bürgerl. Geſeßb. $. 193.)
Zeineifenfeuer, Felnen, f. Eifenerzeugung
nebit Taf. I, Fig. 7 u. 8.
einerde, derjenige Teil des Bodens, der nah
Abfiebung der gröbern Gemengteile und Geſteins⸗
trümmer al3 feines Pulver zurüdbleibt und der
eigentlihe Träger ber Nährto e der Rulturger
wächſe iſt. Schrot und Korn.
eingehalt und Feingewicht, ſ. Fein, Munze,
eingold, geſchlagenes, J. Blattgold.
— im Munzweſen, ſ. Fein, Goldlegierun⸗
gen, Münze, Schrot und Korn.
einheitönummern, |. Spinnerei.
einforn, Feinforneifen, j. Eijen.
infrate, |. Spinnerei. i
einmachen, in der Metallurgie, j. Affinierung.
einmechanit:Berufögenoffenfchaft, i. Be
rufsgenoſſenſchaft der Feinmecanil,
Feinprobe, Münzprobe, Brandprobe,
Rupellieren, ——* Verfahren zur Be—
timmung des Silbergehalts in Legierungen. Zur
usführung der Probe wird die Legierung mit
einer je nach dem Feingehalt wechſelnden Men
von Blei in einem lleinen, aus ausgelaugter Ho Y
aſche und — Knochen — did»
wandigen Näpfchen, Kapelle, im Diuffelofen unter
Zutritt von Luft jo lange geihmoljen, bis die Orvde
der unedeln Metalle in der Bleiglätte gelöft und
von ber pordjen Majje ver Kapelle aufgeiogen find.
Auf der Kapelle binterbleibt dann ein balbtugel-
Feinſchlag — Feith
jörmiges Korn von reinem Silber, aus deſſen Ger
wit ſich der Feingehalt berechnet. — Da nad dies
jer Methode nicht hinlänglic genaue Refultate er:
zielt werden, fo benugt man in den Münzwerkftätten
die Probe auf naſſem Wege, d. b. man fällt die
Loſung einer gewogenen Menge der j prüfenden
Legierung mit einer titrierten Kochſalz⸗ oder Rho⸗
danldjung (Methode von Gay:Lufjac oder Volbard).
chlag, j. Straßenbau.
pinumafchine, |. Flachsſpinnerei.
zit, |. Entfufeln und Spiritusfabritation.
einte (fr. pr. fängt), Lift, Ausflucht, Finte.
einzeugholländer, f Bapier (tabrilation).
Feira, Stabt im Difirift Aveiro der portug. Pro:
vinz Beira, 10 km vom Meere, bat (1900) 2670 E.,
ein Kaftell, die ſchönſte Ruine Portugals, und ein
Klofter. F., bei den Römern Lancobriga, war feit
Mitte des 13. Jahrh. eine Grafſchaft der Bereira,
Feirefiz (franz. vair fils, der bunte Knabe), in
Wolfram! von Eſchenbach «Parzival» der Sohn
Gahmurets (j.d.) und der Mohrentönigin Belatane.
Schwarz und weiß am Körper wie cine Elfter, aber
ein glänzender edler Held, wird er durch feinen Halb:
bruder Barzival r das Chriſtentum gewonnen und
führt die fhöne Prinzejfin Nepanfe de Schoie heim.
8, Feys, Rarolineniniel, ſ. Fais.
„eigentlich Scheich Abdulfaſil, mit dem
oet. Beinamen F. (der Überfluß Habende) oder
iſullah, in Indien lebender perſ. Dichter, geb.
1547 £ Aara, m —— im 20. gi an den Hof
des Mogullatferd Albar, der ihn zum Erzieher
feine Sohnes Muräd machte (1579), zum Hof:
poeten ernannte und ihm wichtige Stellungen im
Staatsdienſt übertrug. Er ftarb 1695. Sein drei
Jahre jüngerer Bruder Abu ae den, 1551,
ft. 1602), der Verfaſſer einer Gejhichte Albars
(CAkbar-nämes und des «A’in-i Akbari» (einer
Statiftil des Reichs), ftieg bis zum Miniſter.
Beide Brüder haben großen Anteil an den Thaten
und en Albars und gelten für die beiten
perj. Schriftjteller Indiens, wurden aber von den
Drtbodoren als Atbeiiten, Sonnenanbeter und Ans
fifter des Abfalls Albars (f. d.) gebrandmartt.
. übertrug die «Liläwati», eine in Sanskrit ver:
faßte Schrift über Algebra und Geometrie von
dem berühmten Bhäslara Atihärja (Mitte des
12. yabrh); die Überfegung erſchien zu Kallutta
1828. Andere Werte —* ſind die arabiſch geſchrie⸗
benen «Sawäti’u '1-ilham» («Strahlen der Eins
gebungen»), ein Rorantommentar, die «Mawärid
ul-kilam» («Pfade zur Träne der Worte»), ein
lexilographiſches Wert (Ralkutta 1825). Der Dichter:
rubm 55.3 gründet fi auf feinen etwa 9000 Doppel:
verje enthaltenden «Diman». Die Abficht, nad dem
Borbilde des Nifämi einen Eyklus von fünf epiſchen
Gedichten (Khamse) herauszugeben, fam nicht zur
führung, nur das erite berjelben («Markas-i
adwär», «Mittelpuntt der freije») wurde 1587 und
die aus dem Sanätrit in 4000 perſ. Reimpaare
este Geſchichte von Nal-Daman 1595 vollen:
det (lithograpbiert, Kallutta 1831; Lalhnau 1846).
Der « n» enthält zablreihe Kaſſiden (Lob:
gedichte) auf Albar, Elegien, das «Zarra u Khur-
shid» («Das Atom und die Sonne»), worin ber
perj. Sufismus mit der zoroaftrifchen Lichtlehre und
vem brahman. Pantheismus vermählt erjceint;
krner Ghaſelen und Rubä'i oder Bierzeilen (litbo:
apbiert, Debli 1845). Zahlreiche Gedichte hat 5.8
der in jeine Geſchichte Albars eingefügt, ja die
525
von Albar geprägten Münzen haben Vierzeilen 5.3
alö Legenden. Überfeßungsproben feiner Gedichte
enthält Hammers «Geſchichte der fhönen Nevekünfte
Perſiens⸗ (Mien 1818) und Blochmanns engl. Über:
jekung von «The A’in-i Akbari» (Kalkuttä 1873).
Feiſt, in der Jägerſprache bei Elch:, Evel:, Dam,
Gem3: und Rebwild das Fett, mit Ausnahme jedoch
des im Innern des Leibes befindlichen, das Talg
oder Unjhlitt genannt wird. Feiitzeit, die Zeit,
wo dieſes Wild am fetteften ift, furz vor der Brunft
(j.d.). Feiſthirſch, der Selhirſch in der Feiftzeit.
Feiftmantel, Rud., Ritter von, Foritmann,
eb. 22. Juli 1805 zu Dttafring bei Wien, be
Jude dad Gymnafium und die Univerfität zu
ien, 1825—27 die Forſtalademie Mariabrunn,
war dann praktiich thätig und murde 1838 Berg:
rat und Profeſſor an der Berg: und oritafademie
zu Schemnib und 1847 der Hoflammer für Münz-
und Bergmwejen zugeteilt. 1848 zum Seltiongrat
und 1851 zum Minifterialrat im dfterr. Finanz:
minifterium ernannt, wurde er ala folder tech—
nifher Chef des gefamten Forftwejens in Hiter:
reih. Er trat 1869 in den Ruheſtand und jtarb
7. Febr. 1871 in Wien, nachdem er 1865 in den
Nitterftand erhoben worden war. F. bat das Biterr.
Forftgejeb vom 3. Dez. 1852 verfaßt. Er ſchrieb:
«Die Forſtwiſſenſchaft nad ihrem ganzen Umfange
yſtematiſch dargeitellt» (4 Abteil., Wien 1835—37),
ein Hauptwerk, dejien naturwifienichaftlicher Teil
indejien obne Bedeutung ift; «Allgemeine Wald:
beitanpstafeln» (ebd. 1854; neu bearbeitet von
A. Rokitanſty, 1876), «Die polit. Öfonomie mit
Rückſicht auf das foritlihe Bedürfnis» (ebd. 1856).
Feiftrig. 1) Winpifchfeiitris, ſlowen.
Bistrica Slovenska, Stadt in der Bezirkshaupt—
mannſchaft Marburg in Steiermarf, an der Süboft-
feite des Bachergebirges, an dem zur Drau geben:
den Feiſtrißzbach, in einer frucht- und weinreichen
Gegend, an der Linie Wien⸗Trieſt der Oſterr. Süd:
bahn, Sitz eines Bezirksgerichts (289,72 qkm, 19468
E.), bat (1900) 1252 €., in Garnijon 2 Esla—
drons des 4. Dragonerregiments, roman. Pfarrkirche
(13. Jahrh.), Rathaus, Schloß des Grafen Attems;
Rupferbanımermwert, Blech- und Drabtfabritation,
Handel mit Lederwaren, Weinbau («Brandner»),
Borzellanerdegruben und Brüche von weißem Mar:
mor. — 2) Deutſchfeiſtritz, Markt im Gerichtö-
bezirt Frobnleiten der EN EOKDOIER EINE Graz
in Steiermarf, rechts an der Mur, wo der libelbadı
einfließt, mit dem gegenüber liegenden Peggau durch
eine Brüde verbunden, hat (1900) ald Gemeinde
2676 E.; Feldwirtihaft und Viehzucht, Senjen-
fabrit, einen Großzeughammer und Bergbau auf
jilberbaltiges Blei und Zinn, der aus lelt.:german.
Beit ftammen ſoll. 8) Wocheiner F., jlowen.
Bistrica Bohinjska, Markt in der Bezirtsbaupt:
mannſchaft und dem Gerichtsbezirt Radmannsdorf
in Krain, in der landſchaftlich berrlihen Wocein
(Bukova Dolina,d. i. Buchenthal), an ver Wocheiner
Save, in die ſich bier der Feiſtrizbach in Kaskaden
ftürzt, bat (1900) 586, als Gemeinde 1667 ſlowen.
E.; 11 Käſereigenoſſenſchaften (jäbrlihe Erzeugung
bi8 60000 kg). Auf dem nahen Heidenbügel Spuren
rom. Gebäude. Bei F. beginnt der im Bau begrifiene
Tunnel (6365 m) der jog. Woceiner Eijenbahn (Linie
Klagenfurt-Trieft). j J
eiſts Hühnerangenpflafter,i.Gebeimmittel.
Seith, Rhijnvis, holländ. Dichter, geb. 7. Febr.
1753 zu Zwolle in Oberyſſel, ftudierte in Leiden bie
526
Rechte und lebte jeit 1776 in feiner Baterjtabt, wurde
1780 Bürgermeifter und dann Steuerbeamter. Er
ftarb daſelbſt 8. Febr. 1824. 5. verfuchte ſich faſt
in allen Formen der Dichtlunſt; in frühern Zeiten
neigte er ſich ſehr zu einem lächerlich empfindſamen
Tone, der in ſeinem Roman «Ferdinand und Kon—
ftantia» (1785) ſowie in feiner «Julia» (Leid. 1783;
2. Aufl. 1793) vorherrſcht und aud in feinem Lehr:
gebicht «Het Graf» (Amiterd. 1792; 2. Aufl. 1819;
deutih von Eichftorf, Zütphen 1821) no durd:
klingt. Frei davon, aber ohne beſtimmten Plan, iſt
«De ouderdom» (Amiterd. 1802; 2. Aufl. 1819).
Unter feinen «Oden en gedichten» (5 Bde., ebd. 1796
— 1810) find mehrere Hymnen und Oden durd
Schwung und Gefühl ausgezeichnet. Von jeinen
Trauerfpielen wurden befonders «Thirza» (Amiterd.
1784; 4. Aufl. 1822), «Johanna Gray» (ebd. 1791)
und «Ines de Castro» (ebd. 1793) geihäkt. Seine
«Brieven aan Sophie over den geest van de Kan-
tiaansche —— (Amſterd. 1806) ſind ein
ſchwaches Werk. Unter ſeinen proſaiſchen Werten
zeichnen ſich die «Brieven over verscheiden onder-
werpen» (6 Bbde., Amſterd. 1793) durch Poeſie aus.
Eine Gefamtausgabe feiner Werke in 11 Bänden
erihien in Rotterdam 1825.
ejer, ungar.Rame von Stublweißenburg —*
er, Georg, ungar. Hiftoriter, geb. 23. April
1766 zu Keſzthely im Jalaer Komitat, war 1802—4
Brofefer der Dogmatik in Stublweißenburg, 1808
an der Peſter —— ſpäter Domberr von Groß:
warbein, Studienoberdireltor des Raaber Schul:
dijtrift3 und jeit 1824 Univerfitätsbibliothelar in
Veit. Er ftarb 2. Juli 1851 zu Peſt. Bon feinen
siftor, Arbeiten ift bejonders jein «Codex diploma-
ticus Hungarise» (43 Bde. und 2 Bde. Regiſter,
Dfen 1829—44) zu nennen.
Bejerväry de Komlös-Kereſztes (fpr.
tömmlobid terreitele), Geéza, Freiherr von, ungar.
Staatämann, geb. 15. März 1833 in Joſefſtadt, trat
1851 aus der Wiener-Neuftädter Militäralademie in
die Armee. 1872 trat er als Oberſt in die ungar.
Landwehr über und wurde bald zum Staatsſekre—
tär im Sanbesverteidigungäminifterium, 1884 *
Landesverteidigungsminiſter ernannt; im ſelben
Jahre ſchied er als Feldmarſchallleutnant aus dem
altiven Militärdienſte aus. Seitdem iſt er zum Feld⸗
eugmeiſter befördert und zum Inhaber des 46. In—
anterieregiment3 ernannt worden. Die Organtjas
tion der ungar. Landwehr ijt bauptfählic F.s Ber:
dienst. 1892 führte er das Minijterium am lönigl.
Hoflager ad interim und 1894 auch proviſoriſch
das Aderbauminifterium. Die auf die Loderung
des Verbandes der gemeinjamen djterr..ungar. Ar:
mee gerichteten Beitrebungen fanden in ihm ihren
entſchiedenſten Gegner, weshalb er 14. Juni 1903
fein Amt ala —— — Sminifter nieder:
legte. Während des ſchweren Konfliktes zwischen Re:
gierung und Kammermajorität in Ungarn (f. d.)
wurde F. nach der Entlafjung Tiſzas Juni 1905 mit
der Bildung eines Kabinett betraut; doch trat Died
14. Sept. zurüd, weil es feine Einigung mit der Kam:
mer erzielen fonnte, Da ein anderes Minifterium
nicht au ftande kam, fo wurde F. 16. Dit. wieder zum
Minifterpräfidenten ernannt. Er führte die Geſchäfte
bis zur Bildung des Minifteriums Welerle 9. April
1906. — Bol. Szalav, Geza Baron F. (Preßb. 1901).
Fejüm, ägypt. Provinz, ſ. Fajuͤm.
Fekete (ungar.), ſchwarz, bäufig in Ortsnamen,
wie Felete-Patak, Schwarzbad.
Fejer — Felchen
x Hit oder Fälulometer, Stärte-
mejjer, ein von Bloch —— ftrument
jur gen tellung des Wafjergebaltes im Stärtemehl,
zur Brüfung der Stärke auf ihre Reinbeit. Die Ein:
richtung desfelben beruht auf der Thatfache, daß das
Stärfemehl beim Benegen mit Wafjer fein Bolumen
in einem bejtimmten Verhältnis vergrößert, und bes
ftebt im mejentlihen aus einem mit einer empi-
riſchen Skala verjehenen Glasrohre, in welchem die
Volumenzunahme einer bejtimmten Menge ber zu
unterfuhenden Stärfe unter der Einwirkung bes
min genau gemefjen werden kann.
ad (lat.), joviel wie Fökund (j. d.). ö
Fol (lat.), vie Galle; F. carpionum, Karpfen:
galle; F. tauri, Rinbsgalle; F. vitri, Glasgalle.
— „Stadt ım ſüdöſtl. Teile der ſpan.
njel Mallorca (Balearen), hat (1897) 11372 E.
einbau und Brennerei. Der Hafen Buerto:Eolon,
mit Leuchtfeuer, ift 12 km entfernt. In der Näbe
Buig de San Salvador, ein Wallfahrtsort und
ein verfallenes Schloß. — F. ift das alte Canati.
Felbel, Felpel, Felper oder Belpel, aud
Pelzjammet, ein fammetartiged Gewebe, dem
die langen, durch Bürften nad dem Strich nieder:
gelegten Florfäden ein pelzäbnliches Ausſehen geben;
dient zum Überlleiden der Cylinderhüte.
elber Tauern over BelberTZauern, 2540 m
bober libergang in den Hohen Tauern, j. Tauern.
Ibiger, Jgnaz von, Päbogon, geb. 6. Jan.
1724 zu Groß-Glogau, ftudierte in Breslau Theo:
[ogie, trat 1746 in das Stift der Auguftiner-Ebor:
berren in Sagan ein, wurde bier 1758 Prälat und
Abt des Klofterd und reformierte erjt Die Saganer,
dann alle Schulen feines Sprengeld nad) dem Muſter
der Nealichule Heders in Berlin. Im Auftrag der
Regierung verfaßte er das «General: Landiul:
Reglement für die Romiſch⸗Katholiſchen in Städten
und Dörfern des fouveränen Herzogtums Schlefien
und der Grafſchaft Glas» und jorgte eifrig für deſſen
Durhführung. 1774 wurde er nad Oſterreich be:
rufen, um auch bier die Neueinrihtung des Volls—
chulweſens durdzuführen, und wurde 1778 zum
berbireltor des gejamten Normaljchulmeiens in
den öjterr. Erblanden ernannt. Unter Yojepb II.
ſank jein Einfluß raſch, 1782 wurde er auf die Propitei
Preßburg verwiefen und nun jeine ſtark formaliſtiſche
und mean. Methode vielfad angegriffen. Er ſtarb
17. Mai 1788 in Breßburg. — Vgl. Boltmer, 3. 3-
von %. und feine Schulreform (Habelihiwerdt 18);
Wiedemann, Die pädagogiſche Bedeutung des Abtes
Jgnaz von 5. (Blauen 1890).
Felchen, Folchen, Maräne, Renten (Core-
onus), eine Gattung der Familie der Lachſe oder
Salmoniden, melde fih durch das Heine, voll:
tommen zabnloje Maul und die durchaus einfache
ren ohne Fleden von den orellen unter:
cheidet. Der Kopf ijt Hein, der Oberkiefer ragt
meist über den Unterkiefer ſchnauzenförmig vor, die
gg fteht genau oberhalb der Bauchfloſſen
in der Mitte des walzenförmigen Körpers, dabinter
die allen Salmoniden zulommende Kleine Fettfloſſe
über der Afterflofje, das befte Unterjheidungsmert-
mal gegenüber den dur Geftalt, Größe und Fär-
bung oft jebr ähnliben Weißfiſchen; die Schwanz:
floſſe ift groß, meift tief ausgeſchnitten. Die Farbe
ift dunfelgrün oder dunfelblau auf dem Rüden, ſil⸗
berweiß auf den Seiten und dem Bauche. Die F—
find meift Suüßwaſſerfiſche der gemäßigten und fäl-
tern Zonen, die vorwiegend in den großen Strömen
Feld — Feldbefeſtigung
Sibiriens, bei uns aber in den Alpenſeen, gewöhn⸗
(ih in großer Tiefe, ſich aufhalten, ausſchließlich
von Heinen Krebstierchen ſich nähren und meift als
umniße ſehr gefhäst find. Die (etwa 40) Arten
nd ſehr ſchwer zu unterſcheiden, und faſt jeder See
t eine bejondere Varietät. Die befanntejten Ars
ten der mitteleurop. Gewäfler find: ver Shnäpel
(Coregonus oxyrhynchus L.), mit weit vorgezoge⸗
ner Schnauze, an den jüdöftl. Nord: und weitl. Oſt⸗
jeetüjten; die große Maräne (Coregonus maraena
Bl.) in den pommerjhen Seen, ee dem
Madüfee; die Bodenrente, Weißfelchen oder
dera (Coregonus fera _ des Genfer Sees,
die Gangfiſche oder Blaufelchen (f. d.) und der
Kilch des Bodenſees, der Albock des Thuner Sees,
die Palée, Lavaret u, f. w. des Neuenburger
Sees und Bourgetiees.
Feld, im Bergbau, ſ. Grubenfeld; in der Land:
wirtfhaft, ſ. Ader und Betriebsiyftem; F. bei ge
zogenen Feuerwaffen, f. Felder; in der Heraldik be
zeichnet F. den Art für eine Wappenfigur.
18, elettrifches, ſ. Elektriiches Feld.
eld, magnetijches, derjenige Teil des einen
Magneten umgebenden Raumes, innerhalb deſſen
fih die Wirkung desjelben bemerkbar madt. Man
denkt ſich dasjelbe nah Faraday durchzogen von
Linien, die für jeden Bunt des 5. die Richtung der
tejultierenden ——— Kraft angeben und die
man deshalb Kraftlinien nennt, gleichzeitig aber auch
durch die größere oder geringere Diehte, mit der fie
den Raum erfüllen, die Stärke des F. an der be:
treffenden Stelle ausdrüden. Nah Analogie mit
elettriihen Borgängen nennt man die das F. er:
zeugende Urfahe magnetomotorijhe Kraft
und ſpricht aud von einem ———————
obgleich ein Strom in Wirllichkeit nicht vorhanden
iſt. Die Geſamtzahl der erzeugten Kraftlinien iſt
der magnetomotoriſchen — proportional, die für
Elettromagneten ihrerjeitö wiederum proportional
der Zahl der Windungen, in denen der eleltriſche
trom ihn umkreiſt, multipliziert mit der Strom:
ftärte viejes, d. i. der Zahl von Windungd:
ampere ober Amperewindungen. Die Zahl
der Kraftlinien ift andererfeit3 aber auch propor⸗
tional der magnetifhen Kapacität des ſich
ihnen darbietenden Weges, oder umgelehrt pro:
portional dem reciproten Werte dieſes, dem man,
immer wieder in Analogie zu den ähnlihen Bes
zeichnungen bei eleftrijhen Strömen, den Namen
magnetijber Widerftand gegeben hat; und
diefe Kapacität oder der Widerſtand binwiederum
ift abhängig von den Dimenfionen und den be
ondern ——— Eigenſchaften des den Kraft:
inienftrom führenden Körpers, und zwar von den
Dimenfionen in derfelben Weife wie die entſprechen⸗
den Werte bei elettriihem Strom. Die Analogie
ift alfo voll u hei die Er in Ri ag
ebung mithin berechtigt. (S. Feldſtärke. — Val.
ben, Magnetifche —A — (2 Zle., Wz. 1896
— 97); Cohn, Das elektromagnetifche F. (ebd. 1900).
a, linter Nebenfluß der Werra, entipringt
auf dem ee der Hohen Rhön, flieht
vorwiegend in nörbl. Richtung und mündet bei
Dorndorf. Die Eijenbahn benupt jest das Thal
bis Kaltennordheim. , [D, L
et Deutſche Eifenbahnen, Überficht
achiel
de, die beim Beginn des Deuts
den Krieges von 1866 in ber — . Armee einge
rten Ghargenabzeiden für Offiziere und böbere
527
Militärbeamte. Sie wurden nad dem Frieden für
Dffiziere beibehalten und find 1889 aud für fämt:
lihe Militärbeamte im Frieden eingeführt. Seit:
dem führen fie die Bezeihnung Adjeljtüde (ſ. d.).
Feldafing, Luftkurort in Bayern, am Starn⸗
berger See, }. Bd. 17.
Beinaborn, Pflanzenart, ſ. Aborn.
Idampfer, Pflanzenart, ſ. Rumex und Tafel:
Bolygoninen, Fig. 3.
eldapothefer, die zur mobilen Armee einbe
rufenen Oberapotbefer ver Referve und die mit der
Befähigung zur Beförderung zum Oberapotheler zur
Nejerve entlaffenen Unterapotheler. Sie haben bei
den Sanitätäbetachements, Feld: und Kriegslaza⸗
retten fowie bei den Lazarettreſervedepots den Dienſt
in den Apotheken zu leiten (ſ. Militärapotheler).
Feldarmee, der zur Ausführung der Opera:
tionen auf dem Kriegsfchauplage bejtimmte Teil
ämtlicher Lanpftreitkräfte eines Staates im Gegen:
aße zur Bejakungsarmee 0) Deiagung).
Feldartillerie, ſ. Artillerie. Der Gedante, die
5. aus der Artilleriewaffe ſchon durch die Friedens:
organifation —— bat ſich mehr und mehr
Bahn gebrochen. Ein Zuſammenhang der verſchie—
denen Zweige der Landartillerie findet entweder gar
nicht mebr oder nur noch durd die höchſten Wafen
behörden ftatt. Durch die Trennung der F. von den
übrigen Zweigen wird e3 ermöglicht, ihre Friedens⸗
verbänbe —— in die Heeresformation einzu⸗
fügen. liber die F. in den einzelnen Armeen ſ. das
Heerweſen der betreffenden Länder. ,
Feldbach. 1) Bezirkshauptmannſchaft in Steiers
mark, hat 988 qkm und (1900) 83997 E. in 149
Gemeinden mit 251 Drtihaften, und umfaßt die
Gerichtsbezirke Fehring, F. Fürſtenfeld und Kirch⸗
bad. 2) Stadt und Siß der Bezirtshauptmannfcaft
5. fowie eines Bezirkägerichts (362 qkm, 32820 E.),
an der Raab und der Linie Graz: Fehring:Hartber
der Hfterr. Staat3bahnen, hat (1900) 1781 meilt
deutiche E.; Brauerei und Ziegelei. * der Nähe
die Riegersburg (130 m über der Raab, 512 m
ü.d. M.), die allen Angriffen ver Türken erfol reich
wideritand. Ein Bulenneg hrt durch fieben Thore
in das Schloß. Die Kapelle enthält das Grabge:
mölbe der gräfl. Somit Sur tall, ein Altargemälde
von Krafft und eine tojtbare \ affenfammlung.
Feldbäckereien, jür die Truppen im Felde ein»
gerichtete Bädereien. Jedes mobile Armeelorps ift
mit einer Felvbädereilolonne (f. Train) ausgeitattet.
Die dur dieje errichteten F. folgen den Armeen
ſprungweiſe. Beim Stillftand der Bewegungen wer:
den F. meiſt in —— Magazinen errichtet
und durch Erbauung von Badöfen oder Benukung
von Privatbädereien —— gemacht.
—3 ſ. Transportable Eiſenbahnen.
eldbatterie, im allgemeinen ſoviel wie
Batterie der Feldartillerie; im deutſchen Heere
bezeichnet es die fahrende Batterie (im Gegenjag
jur reitenden, |. eg
elobefeiti pafjagere Befeftiaung,
umfaßt alle Ge — Aut dh für ven Gefechts—
zwed, ſoweit fie mit den Mitteln der Feldarmee
ausgeführt werden fönnen und nur den von ihr ver:
wendbaren Kampfmitteln entſprechen jollen. Die
Arbeiten können ſich aljo von der in Fürzeiter Seift
von der fämpfenden Truppe bergeitellten Dedung
der flüchtigen Befeftigung jteigern bis zuden ver»
ftärften Formen, —* in tagelanger Arbeit eine
Stellung zur Abwehr ſelbſt des mit der ſchweren Ar⸗
528
tillerie des Feldbeeres ausgeführten Angriffs vor:
bereiten follen. Wie die durch die modernen Feuer:
waffen mächtig gefteigerte Widerſtandskraft der F.
den Angreifer zur Mitführung von Feld-Steilfeuer:
und ſchweren Geihüken zwingt, wird wiederum bier:
durd eine jorgfältige Benugung aller Mittel der F.
notwendig, und in Zukunft ihre Anwendung vor:
ausfichtlich in erböbtem Maße ftattfinden.
Die Arbeiten der F. umfajjen die Einrichtung des
Vorfeldes, Ausſtattung der Stellung jelbit mit
Dedungen und Hinderniffen und Fürjorge für Be
wegungserleichterung binter der Front. Die Aus⸗
führung erfolgt durch die fechtenden Truppen (Sin:
fanterie und Artillerie) jelbjt, bei ſchwierigern Ir:
beiten unter Anleitung der techniichen Truppen.
Arbeiten, welche größere techniſche Vorbildung er:
fordern, fallen diejen zu. Jedoch ift diefer Grundjas
am ftärfften betont in der deutfhen Armee, während
j. B. in der franzöſiſchen die Infanterie nur die
allereinfachiten Erdarbeiten jelbftändig berftellt. Die
Werkzeuge werben als tragbares Schanzzeug oder
auf Magen mitgeführt. Als Material dient das
vorgefundene, hauptſächlich Erde, Holz und Eiſen—
Ichienen; nur ſelten wird man vorbereitetes Material,
wie Wellblech für Hoblbauten, beihaffen fönnen.
Die Vorfeldarbeiten bezweden Verbeſſerung des
Schußfeldes und das Marlieren wichtiger Entier:
nungen; die Dedungen werben in der Berteidigungs:
linie, welde dem Gelände mit Ausnutzung aller
gebotenen Vorteile fih anjchmiegt, in Geftalt von
Schüsengräbenund Geihüsdedungen (f.d.)
bergeftellt, jomweit nicht günftig gelegene Gegenitände
zu benugen find. Hierzu brauchbar find Gruben,
Gräben, Hohlwege und Dämme, welche leicht jur
Verteidigung einzurichten find; Heden, wenn dicht
und hoc, können als Maske benußt werden (f. nad:
ftebende Fig. 1), Mauern fihern jelbit gegen Gewehr:
Fig. 1.
feuer erſt bei 50 cm Stärke und find nur ſelten und
mit Borficht zu benußen wegen der von den Geſchoſſen
abgerifjenen Splitter. Holz ift als Bruſtdeckung
unverwendbar. Bon —— Wichtigleit ſind
dem Shrapnel⸗ und Steilfeuer gegenüber die Ein:
dedungen, mittelö deren Heine Hohlräume ge:
bildet werden. Da gegen Volltreffer fihernde Deden
mit dem Material der F. nicht gebaut werden können,
muß man die Sicherung gegen gezieltes Feuer ba:
durch erreihen, daß man die Eindedungen nur in
tleinen Abmejjungen und vereinzelt, aber zahlreich
anlegt und die ganze Linie der fünjtlichen —
in welche ſie eingebaut werden, durch geſchickte An—
lage und Maskierung der Beobachtung des Feindes
entzieht. Die Eindedungen werben teild unter der
Bruftwehr eingebaut, teild durch Überdedung des
anzen Einjchnittes gebildet. Zur Beobachtung des
eindes dienen Beobahtungsitände mit Schrälip
(Fig. 2a und Fig. 2b [Grundriß zu 2a]). Zur
Gewinnung von Stüspunlten, als melde man
teldbefeftigung
früber Feldſchanzen (f. d.) oder Ortſchaften mü
Vorliebe benußte (diefe find dem gezielten Steil:
teuer pe ſtark ausgejegt und haben nur noch Wert
al3 Maske), bilvet man Gruppen von Schügen
gräben mit zahlreichen Eindedungen. Nur wenn
der Angriff mit Steilfeuergeihüs und Brifanz
granaten ausgeſchloſſen ift, wird man ftarte Ge
Fig. 2b.
bäude, Geböfte und Ortſchaften zur ——
vorbereiten durch Schließen und Verſtärklen der Um—
aſſung und Einrichten der Mauern für Gewehr—
euer Mae). Bei der Benukung von Wald—
den und Wäldern ift dad Gewicht auf Heritellung
guter Verbindungen im Innern und einer Dedung
am Rande, am beiten ihm neeclasbem, zu legen.
Die künftlihen Hindernifje (j. d.), welche na
mentlih zur Veritärtung von Stüßpunkten An:
wendung finden, müſſen dem feindlihen Auge ent:
zogen und im Bereich der kräftigiten Gewehrfeuer:
wirlung angelegt werden. Die eigene Bewegungs:
freiheit ift vaber gebührend zu berüdfichtigen.
Bei Anlage der Dedungen für die Feldartillerie
ift zuerit Schuß für die Mannſchaft (durch einge
chnittene Dedungen), dann für die Gejhüse zu
haften. Im allgemeinen wird die Artillerie ihre
Stellungen binter der Infanterielinie nehmen.
An Flußlinien wird die F. zur Heritellung von
Brüdentöpfen (f. d.) Verwendung finden.
Für die Ausführungsarbeiten der F. find verſchie⸗
dene Vorichriften erjhienen. In Frantreid (1892)
«Instruction sur les travaux de cam e&l’usage
des troupes d’infanterie»; in Deutihland (1893,
Neudrud April 1903) die «Felpbefeftigungsvor:
fchrift» und (30. Dft. 1894) die «Feldpioniervorſchrift
für die Infanterie»; in Öfterreih: Ungarn (1894)
«Tehnifher Unterriht für die Infanterie und
Jägertruppe»; in Stalien (1895) die «Istruzione
sui lavori da zappatore per la fanteria». —
Bol. Brialmont, Über Befeftigungen im Feldkriege
(deutſch von B. von Prejjentin, Loz. 1870); von
Brunner, Leitfaden für den Unterricht in der F.
(7. Aufl, Wien 1898); derj., Beijpiele für die An:
wendung der flüchtigen Befeſtigung (ebd. 1883);
Schueler, Die F. in Beifpielen (Berl. 1886); Krebs,
Kriegsgeſchichtliche Beifpiele der $ (2. Aufl., ebe.
1892); Grundfäge der Schlachtfeldbefeſtigung und
des Kampfes um verſchanzte Stellungen (Bern 1896);
von Löbelld «Jahresberichte» (Berlin, jeit 1874).
Feldbereinigung — Felddiebſtahl
Feldbereinigung, in Suddeutſchland Bezeich⸗
nung für bie Neuordnung der Feldflur. (S. Gemein:
beitsteilung und Zufammenlegung der Örundftüde.)
—*4 1) Der höchſte Gipfel des Schwarz:
des im dag ce Baden, bei Todtnau,
an der Wiefe: und Wutachquelle, ift 1493 m hoch
und demnad der vierthöchſte Berg des Deutjchen
Reichs. Sein Gipfel hat 2 Stunden im Umfang,
iſt ohne Holz und wird ald Viehmeide benukt. Bon
ihm gehen 6 Thäler aus, und an feinem Fuße liegen
mebrere Seen, 6 der Feldſee (ſ. d.), der Titijee (f. d.)
und der Schluchfee. Auf feinem mächtigen Budel,
dem Höchſten, ſteht ein 13 m hoher Ausfichtäturm
(Friedrich : Luiſen⸗ Turm), von dem aus man einen
roßen Zeil der Alpen, die Vogeſen, den ganzen
chwarzwaldzug und die Kegelberge des Hegaus
überbliden lann, und feit 4. Oft. 1896 ein Bismarck⸗
dentmal(Dbelist aus Gmanitfindlingen mit Bronze:
we Im ©. des F. die ausſichtsreichen Gipiel
des Großen Spießhorns (1351 m) und des Herjonen:
born® (1417 m). — Bol. Müller, Moo3flora des
Feldberggebietes (Karlst. 1900). — 2) Großer und
Kleiner %., die zwei höchſten Gipfel des nus,
in der preuß. Provinz Hefjen:Naffau, 880 und 827 m
ob. Der erjtere ift mit Wald bedeckt; nur oben wächſt
008 und Heidelraut. Aufder Spike fteht ein neues
Gaſthaus. Der 12 m breite, 3 m hohe Quarzblod
unweit desjelben heißt das Brunbildenbett und wird
ihon in einer Urkunde von 812 erwähnt; über den
Rordweſtabhang zieht der röm. Pfahlgraben (f. d.).
Ein Ausfihtsturm ift 1902 errichtet worden.
Feldberg. 1) — in Mecklenburg-Strelitz,
auf einer Halbinſel im Hausſee, Siß eines Amts:
gerichts (Landgericht Neuſtrelitz), bat — 1424,
(1905) 1377 meijt evang. E., Poſt, Telegraph; Bür:
—— er: und Goldleiſtenfabrilen, Sägemühlen,
ollerei. In der Nähe eine — ns
ftalt zwifchen dem Haus: und Lucinfee und eine
Rirhenruine. — 2) Dorf bei Fehrbellin (j. d.).
berger See, |. Feldſee.
binde (franz. &charpe, woraus das jeht
deutiche Wort Schärpe entitanden iſt), ein um Schul:
ter, Arm oder Leib getragener Schmud der kriege:
riſchen Kleidung, findet ſich mehrfach ſchon im Alter:
tum und erjcheint im Mittelalter als Beſtandteil des
ritterlihen Anzug, meift zur bejondern Ehre der er:
wählten Dame und daher in deren Farben getragen.
ur Zeit der Reformation beginnen die F. als Cr:
ennımgözeichen zu dienen. I Schmallaldiſchen
Kriege trugen die Vroteſtanten gelbe, die Kaiſerlichen
rote F., im Dreibigjäbrigen Kriege die Kaiſerlichen
ebenfalls rote, die Schweden grüne F. 3 der folgen:
den Zeit wird die F. das bejondere Abzeichen der
„ſpäter das Zeichen dafür, daß en Träger
ſich augenblidlih in Ausübung des Dienftes befin-
det. Inn diefem Sinne ift in der Deutſchen Armee eine
befondere F. (Schärpenband ohne Quajten mit je
nach der Farbe ver Knöpfe bronzenem oder filbernem
Schloß) zum Zuhalen 1896 für die Dffigiere der In:
fanterie (Jäger), Zußartillerie, des Ingenieurkorps,
der Pioniere, Eijenbabntruppen u. |. w., des win er
minijteriums, Generalſtabs u. ſ. w. wieder eingeführt
worden an Stelle der bisherigen Schärpe (f. d.), die
nur nob zum Paradeanzug getragen wird. Zu den
d. gehören gewiſſermaßen aud die bier und da
von verbündeten Heeren ald Ertennungszeicen ge:
tragenen gemeinfamen Abzeichen (weiße Binde um
den linten Arm bei den Alliierten 1813, bei den
Preußen und Sjfterreihern 1864, bei der preuß.
Brodpaus’ Ronverſations-Lexilon. 14. Aufl. R. U. VI
529
Mainarmee und den ftontingenten der norbbeuts
ſchen Staaten 1866).
Feldbrüden, Kriegäbrüden (f. d.), aus unvor:
bereitetem, d. b. an Ort und Stelle aufgetriebenem
Material. F. zerfallen in Uferbrüden, deren
Stredbalten von einem zum andern Ufer reichen,
und in folde mit Mittelunterftübungen, die
entweder ſtehende (Böde, Piahljohe, Wagen,
Brettitapel) oder ſchwimmende (Schiffögefäße,
Holzflöße, Tonnen) find. Je nad Breite und Trag:
fähigkeit unterfcheivet man Brüdenftege, Lauf:
brüden und Kolonnenbrüden, (S. Faltboote.)
Felddiafönie, von 3. H. Wichern (f. d.) im
Deutſch⸗Däniſchen Kriege 1864 ind Leben gerufene,
inden Kriegen von 1866 und 1870weiter ausgedehnte
Einrichtung, dieder Pflege der Berwundeten auf dem
Schlachtfelde und in den Lazaretten gilt; außerdem
dienen die Felddialonen als Gehilfen der Feld:
prediger durch Vermittelung der Korreſpondenz,
Zujprud und Gebet bei den Kranken. Ihr Ab:
eichen ift die weiße Binde mit dem roten Kreuz.
ugelafjen werden nur unbefcholtene, gefunde und
eltige un e Männer, die einen VBorbereitungs:
furjus im Krankenhauſe erfolgreih durchgemacht
haben und das — —— unbedingten ®ehor:
ſams gegen die militär. Vorgeſetzten leiſten. In—
folge eines 1886 vom Rauhen Haus (ſ. d.) er:
angenen Aufruf hat ſich eine Genoſſenſchaft
reiwilliger Kranfenpfleger im Kriege ge:
bildet, der jich viele junge Männer, bejonders aus
alademijchen wel angeichlofien haben. Sie
find dem Chef der freiwilligen Krankenpflege unter:
jtellt. — Bol. Kriegsdienſte der —— Liebes⸗
thätigleit (Hamb. 1874); I. Wichern, Die frei:
willige Pflege im Feld verwundeter und erfranfter
Krieger (ebd. 1887). j
Felddiebftahl, der Diebitahl an Früchten auf
dem Felde. Im deutichen Recht ift 5. won jeber von
emeinem Diebftahl unterſchieden worden. Schondie
einliche Gerichtsordnung hat einen bejondern Ar:
titel: «Bon Früchten und —— auf dem Felde,
wie und wenn damit Diebſtal gebraucht werde»,
Vach $.2 des Einführungägejeges zum Deutſchen
Strafgefeßbuce ift die Gejehgebung über F. dem
Landesftrafreht vorbehalten und reich3gejeglich
nicht geordnet, Demgemäß iſt 3. B. in Preußen
das Feld⸗ und Forftpolizeigefek vom 1. April 1880
ergangen. In Bayern find im Bolizeiftrafgefehbud
vom 26. Dez. 1871 die entiprechenden Strafprohun:
gen entbalten. Den Früchten auf dem Felde find
die Früchte aus Gartenanlagen aller Art gleichge:
ftellt. So lautet der $. 18 des preuß. Geſehes
(ähnlich das bayrifhe): «Mit Gelpitrafe bis zu
150 M. oder mit Haft wird beitraft, wer Garten:
früchte, Feldfrüchte oder andere Bodenerzeugnifie
aus Gartenanlagen aller Art, Weinbergen, Obſt⸗
anlagen, Baumſchulen, Saatläm en, von dern,
Dielen, Meiden, Plägen, Gewäflern, Wegen oder
Gräben entwendet.» DBorausgefekt ijt dabei nad
preuß. Recht, daß der Wert des Entwendeten 10 M.
nicht überjteigt. Der F. ift vom Mundraub (f. d.)
zu unterfheiden. Ob gemeiner Diebjtabl oder F.
vorliegt, das kann im einzelnen Falle zweifelhaft
werben. Angenommen ift, — gemeiner Diebſtahl,
der härter beſtraft wird, vorliegt, wenn geerntete
Feldfrüchte aus Mieten (Schobern) auf dem Felde
entwendet werden, ſofern ſie in die Mieten zur
dauernden Aufbewahrung gebracht werden. Da—
gegen wurden die Strafbeſtimmungen des F. zur
34
530
Anwendung gebradt in Fällen, wo Blumen von
einerrabjtätte auf einem gartenäbnlic angelegten
Het und wo Pflanzen in dem Borgarten eines
tädtifhen Haujed zum Zwecke der Entwendung
ausgerifien waren. Das Hfterr. —— von
1862 ſtraft den Diebſtahl an Früchten auf dem
Felde, wenn der Wert der geſtohlenen Sache mehr
als 5 Fl. beträgt, als Verbrechen ($. 175, Ila).
Felddienft, in weiterm Sinne die gejamte
Thätigkeit ver Truppen im Ariege; in engerm Sinn
nur Mari, Aufllärung, Siherung und Unterkunft.
Felddienſtübungen find Übungen im Gelände
in kleinern Verbänden zur Ausbildung der Trup:
pen. Übungen in größern Verbänden beißen Trup:
penübungen oder Mandver. (6. aud Erer:
zieren.) Yür die Handhabung des F. find die Beitim-
mungen der Feldpdienftorbnung (j.d.) maß:
ebend. — Vgl. Zobel, Der F. Ein Unterribtsbud;
er. Aufl., Lpz. 1893); Walpftätten, Die Taktit, TI.2
(10. Aufl., Wien 1896); Verdy du Vernois, Studien
über F. (Berl. 1899); von Pelet Narbonne, Der
Kavalleriedienſt (5. Aufl., ebd. 1901).
elddienftorduung. Die deutſche F. vom
1. Jan. 1900, die an die Stelle der B: vom 20. Juni
1894 getreten ift, umfaßt alle Beitimmungen für
die Handbabung des Felddienſtes (f. d.) und 'glie:
dert fi in eine Einleitung (allgemeine Regeln für
die Ausbildung und den Gebraud der Truppen)
und zwei Teile. Von diefen behandelt der erjte den
Dienit im Felde, befonders die Beftimmungen über
die Kriegdgliederung, die Befeblöerteilung, das
Melveweien, die Aufllärung (Avantgarden, Pa:
trouillen), die Sicherung (Borpoften), Marſch, Un:
tertunft, Bagagen, Verpflegung, Sanitätsbienft,
Munitionsergänzung, Eifenbahnen, Zelegrapben
und die Feldgendarmerie. Der zweite Teil enthält
die PER für die größern Truppenübun-
en. Die andern Armeen baben teild gleichfalls
5 erlaſſen, teil entiprechende Vorſchriften für die
nzelnen Waffen, teils in Dienftreglements das Ent:
fprechende niedergelegt. So bat Rußland 1899
eine «Verordnung über den Fyelpdienjt» erlafien, da:
neben noch eine Inftruftion zur Ausführung bemeg:
licher Manöver und eine Vorſchrift für Winterübuns
gen gegeben. Frankreich bejikt ein Reglement
über den Dienft im Felde von 1895, mit Underun—⸗
en vom 7. Aug. 1905. Für das dfterreihifche
eer finden fich Die Beitimmungen für den Dienft im
— im zweiten Teil des Dienſtreglements. Ita—
ien beſißt von 1899 das Regolamente di servizio
in gen. Eine F. für die ſchweiz. Armee erſchien
1. Mai 1904. England bat nod eine einheit:
liche F. Die betreffenden ———— finden ſich in
den verſchiedenen Drillbooks. Japan hat 1900 die
deutſche F. in faſt wortlicher Üüberſeßung eingeführt.
Dänemark hat ein Felddienſtreglement ſeit 1904,
Schweden eine neue J eit 1907.
elddienftuntauglich, |. Dienftunbraudbar.
eideggfalke, |. Fallen. truppen.
eldeifenbahnabteilungen, ſ. Eiſenbahn⸗
eldeiſenbahnen, ſ. Transportable Eiſen—
ahnen.
eldeiſeubahnweſen, der Inbegriff der Ein⸗
richtungen, die die Eifenbabnen der Kriegführung
dienſtbar machen. Der Chef des F. leitet und ordnet
im Ariege nah den Anmweifungen des General
infpecteurd des Gtappen: und Eijenbabnmwejens
oder aud auf unmittelbare ———— oberſten
Heeresleitung den Eiſenbahndienſt für Kriegszwede.
Felddienſt — TFelderbede
An feine Stelle tritt bei der Mobilmahung der Ebef
der Eijenbabnabteilung (f. d.) des preuß. Großen
Generalitabes. (S. auch Eifenbabntruppen.)
‚Belder, Ballen, bei gezogenen Feuerwaſfen
diejenigen Zeile des er welche zwiſchen je zwei
Zügen (f, d.) ſtehen bleiben. N
eider, Gajetan, Freiherr von, öjterr. Politilet,
geb. 19. Sept. 1814 zu Wien, promovierte 1841 an
der Miener Univerfität, widmete fi dem Lehramte
und der Advofatur, war mehrere Jahre Docent für
diplomat. Staatengefhichte, Völferreht und Stati-
tif und wurde 1848 Hof: und Gerichtsadvolat. Die
ewegung dieſes Jahres führte F. ind öffentliche
Leben ein. In den konitituierenden Gemeinderat
ewäblt, nahm er an der Feititellung der Grund:
übe des für die Selbtverwaltung günitigen Sta
tuts lebhaften Anteil. Bon da ab widmete er ſich
nur der Eivilpraris und unternahm zu naturwiſſen⸗
Ihaftlihen Zweden mehrere Reifen in die Boları
und Tropenzone. Als aber 1861 in Oſterreich wie
der das Verfafjungsleben begann, betrat F. die
polit. Laufbahn. Er wurde in den Landtag und in
den Gemeinderat gemwäblt und von dieſem 1868
um Bürgermeijter von Wien berufen, welche Wabl
* noch dreimal erneuerte. 1869 erfolgte jeine Be:
rufung in das Herrenhaus als Mitglied auf Lebens:
zeit, 1878, nachdem er vom Bürgermeijteramt zurüd:
getreten war, die Erhebung in den Freiberrenitand
und 1880 die Ernennung zum Landmarſchall von
Niederditerreih. Anfolge eines Augenübels3 mußte
er fih 1884 von ben öffentlichen Geſchäften zurüd:
ieben. Auf tommunalem Gebiete bat ſich 5. um das
ujtandelommen gemeinnügiger Bauwerle (Stadt:
erweiterung, Hochquellenleitung,Donauregulierung)
u. um das Schul:, Sanitäts:, Armen: und Ver:
ehrsweſen verdient gemacht. (S. Wien.) %. bat
auch gemeinſchaftlich mit feinem 1871 veritor
Sohne Rudolf zahlreiche in das Gebiet der Entos
mologie gehörige Arbeiten veröffentlicht, deren be
beutendite der lepivopterolog. Teildes Wertes «Reife
ber diterr. Fregatte Novara um die Erde» (mit
140 Tafeln, Wien 1864— 75) tft. Ferner fchrieb er:
«Die Gemeindeverwaltung der Heihebaupt: und
Nefidenzitadt Wien in den I. 1867— 70» (2, Aufl,
ebd. 1872), welchem Werte noch zwei weitere Bände
über die %. 1871—76 (ebd. 1875—78) folgten. F.
ftarb 30. Nov. 1894 in Wien.
Felder, Franz Michael, Scriftiteller, geb.
13. Mai 1839 zu Schoppernau (Borarlberg), bil:
bete fi durd Selbjtubium und trat ald Schrift:
jteller zuerft auf mit «Nümmamüllerö und das
Schwarzokaſperln. Ein Lebensbild aus dem Bre
genzer Walde» (Yindau 1863; neue Ausg., Dornbirn
1879); dieſem folgten «Sonderlinge. Bregenzer
Wälder Lebens: und Ebarafterbilder aus neueiter
eit» (2 Bde., Lpz. 1867) und «Reich und Arm.
ine Geſchichte aus dem Bregenzer Walde» (ebp.
1868; neue Ausg., Dornbirn 1891), treffliche Ro:
mane, welche die intimfte Kenntnis des Vorarlberger
Lebens mit gefunden jocialen Tendenzen verbinven.
Durch feine Arbeiten erregte er den Haß der ultra:
montanen Geiftlichleit. arb 26. April 1869,
— Bol. Sander, Das Leben 5.8 (2. Aufl., Innäbr,
1876); Franz Micdael 3. u. ſ. w. zur Aufllärung
für vas Voll entnommen aus F. M. 5.6 Leben und
Schriften. He. von Homobon (Bregenz 1890).
elderdede, im Gegenjah zur Kaſſettendede
(f. d.) eine Art von Verzierung de obern Raum:
abſchluſſes, bei welcher ungleih große, nad mehr
Felderſyſtem — TFeldgendarmerie
velorativen Grundfägen gebildete Abteilungen durch
‚ die Baltenlage gebildet werden. Die F. bildete
ein bevorzugtes udglied der Renaifjance aller
Länder, an der durch Stud und Malerei in Holz die
reiten Wirkungen erzielt wurden.
Ideriyftem, |. Betriebsſyſtem.
pda = Gefäß aus Holz, Glas, Thon oder
Metall zum Mitführen von Getränten auf Reifen
und Märjchen, meift von platter Form und (zum
Schuß gegen Beichädigungen — zur längern Er⸗
baltung des urſprünglichen Wärmegrades des Ge:
tränls) mit einem liberzug von Leder oder Filz ver:
eben nebjt Ofen zum Durchziehen einer Schnur ober
eines Riemens. %. waren ſchon im Altertum in
Gebraub, wurden im Mittelalter beſonders von
Bilgern getragen (Gurde, Pilgerflafche) und
bilden neuerdings einen Beitanbteil der Ausruſtung
dei Soldaten, nachdem man erfannt hat, daß das
Trinlen von Waſſer, Kaffee oder Thee während des
Mariches zur —— der Marſchfähigleit und
Bermeidung des Hisichlags beiträgt. F. müſſen
moglichſt geringes Gewicht mit Widerſtandsfähig⸗
teit gegen Stoß und Schlag vereinigen, leicht zu
reinigen fein, einen einfachen Verſchluß bejiken,
beibed und kaltes Getränt aufnehmen können und
den urfprünglichen Wärmegrad desjelben möglichſt
lange feithalten. Die deutihe Armee hat F. aus
Aluminium,
— —— ſ. Feldtauben.
Idfrevel, die mit geringern Strafen be
drobten Übertretungen der zum Schuß der Land:
wirtihaft gegebenen Normen. Zum lleinern Teil
ind diefe im Deutichen Reichsſtrafgeſeßzbuch ent:
halten: Zumwiderbandeln gegen die Anorbnungen
wegen Schließung der Weinberge und wegen ge
börigen Raupens, unbefugtes Abpflügen von
Grundftüden, unbefugte Entnahme von Erde, Lehm
uf. mw. aus fremden Grundftüden, Nichtabhalten
der Kinder von der Begehung von F.; zum grö:
bern Teil in den Landesgeſehen, denen fie aus:
drüdlid vorbehalten find. — gehören die Be⸗
fimmungen über Viehweide, —— Nachleſe
und andere Selopoli —— (©. Feldfrie⸗
ed Iodiebttahl. Feldpolizei, Feldpolizei⸗
aelehgebung.
BER TESEREBL ER DaB ErbeTeh Beh Te
ten, Reiten oder Biehtreiben über Gärten oder Wein:
berge, oder vor beendeter Ernte über Wiefen oder
beitellte der, oder über ſolche der, Wiefen, Weiden
oder Schonungen, welche mit einer Einfriedigung
verfeben find, oder deren Betreten durch Warnungs⸗
sihen unterfagt ift, oder auf einem durch War:
nungszeihen geichlofjenen Privatwege. Es wird
nad $. 368, Nr. 9 des Deutichen Stra geienbuc
mit ftrafe bis zu 60 M. oder mit Haft bis zu
14 Tagen beftraft. Nach dem Breuß. Feld: und Sort:
volizetgefege vom 1. April 1880 wird außerdem
(auf Antrag) beftraft das unbefugte Reiten, Karren:
abren, Biehtreiben, Holzicleifen, Pflugwenden über
Grundftüde ſchlechihin, und das Gehen über Acer,
deren Beitellung vorbereitet oder in Angriff ——
nommen iſt. Der —— bleibt aber
traflos, wenn er dürch die ſchlechte Beſchaffenheit
aned an dem Grundjtüd vorüberführenden und zum
Gebraud beftimmten Wegs oder durch ein anderes
auf dem Wege befindliches Hindernis zu der Liber:
retung genötigt worden iſt ($. 10; Strafe bis zu
10 M. over Haft bis zu 3 Tagen). Gleicher Strafe
verfällt auf Antrag nad $.9 derjenige, weldyer, a
631
geſehen von den Fällen des eigentlichen Hausfrie:
densbruchs (f. d.), ſich eines F dadurch ſchuldig
macht, daß er von einem Grunpftüd, auf dem er
ohne Befugnis fih befindet, auf die Aufforderung
des Berechtigten jich nicht entfernt.
Fel te, alle auf dem Felde gebauten
—— 3. B. Getreide, Futterkräuter u. }. w., im
ke zu den —— — über Dieb:
ftabl an F. ſ. Felddiebſtahl.
ldfuff, Ma, ſ. Fuß.
Idgärtuerei, . Spatenkultur.
eldgemeinfi ‚ im ftrengen Sinne das
yſtem des Gemeinbejiges an Grund und Boden,
wie e3 fi) bei den german, Stämmen in der erften
Periode nah ihrer feiten Anſiedelung vorfindet.
(S. Dorfiyftem.) Beripiele einer ähnlichen Agrar:
verfaffung finden fih in den meijten Ländern der
Alten und Neuen Welt, in Europa, Indien und
China, bei den amerit. Indianern. Man hält die
$ daher nicht für eine Cigentümlichleit einzelner
ölter, fondern für das Kennzeichen einer gewiſſen
Kulturjtufe, welhe von den meiften Böltern im
Übergang vom Nomadentum zum Aderbau einmal
durchlaufen worden ilt. (S. auch Gehöfericaiten.)
Über die noch heute in Rußland und bei einzelnen
ſlaw. Bölterftämmen beftehende %. |. Mir und Haus:
tommunion. — Vgl. Roſcher, Nationaldtonomil des
Aderbaues (12. Aufl., Stuttg. 1888); E. de Laveleye,
Das Ureinentum (deutſch von Bücher, Lpz. 1879);
Artitel Feldgemeinſchaft im «Handmwörterbucd der
Staatöwiflenichaften», Bd. 8 (2. Aufl., Jena 1900);
Zihuprow, Die F. (Straßb. 1902).
Feldgendarmerie, die zur Ausübung ver
lopolizei im Kriege beftimmte Truppe. — In
rankreich ſchuf zuerft Napoleon L eine F. in
eutigem Sinne, melde eine Glitetruppe war und
deren Aufgabe zunächſt darin beftand, im Gefecht
den — zu folgen und Ausreißer wieder in die
vordere Linie zu führen. Der Erſaß dieſer Truppe
erfolgte durch Unteroffigiere, welche mindeſtens zehn
eye vorwurfsfrei — hatten. In Öfterreid:
ngarn werben im Kriege berittene und unberittene
erg aufgeitellt, welche zu
WERE Feldpolizeidienften, Aififten:
zen, Kurier-⸗ Örbonnanz: und befondern Sicherheits:
dienjten Verwendung finden. Im deutſchen
Heer wird für jedes mobile Armeelorps und für
jede Etappeninfpeltion ein unter einem Rittmeijter
der Landgendarmerie ftebendes Feldgendarmerie⸗
detadhement in der Stärle von 51 und 21 Feld:
gendarmen gebildet; diefe Mannſchaften beiteben zu
einem Drittel aus wirklichen Gendarmen (f. d.) der
Landgendarmerie (Obergendarmen), zu einem Drit:
tel aus Unteroffizieren und > einem Drittel aus
Gefreiten, welche von den Kavallerieregimentern
abgegeben werben. Alle Feldgendarmen find be:
ritten, tragen bie Uniform der Yandgendarmen und
als Dienftabzeichen einen breiten metallenen Hals:
fragen mit heraldiſchem Adler. Die F. bat bei der
Feldarmee und auf den Etappenitraßen die Heeres:
polizei audzuüben und zwar hauptſächlich dort, wo
einzelne Mannſchaften den Augen ihrer direkten
BVorgefekten ent ger find; eine felbjtändige Ein:
wirkung auf ** oſſene Truppenteile hat die F.
nicht. ——— dieſer Grenzen hat die F. z. B.
Plundern und unberechtigtes Requirieren zu verhin⸗
dern, für das Offenhalten der Straßen zu ſorgen,
alle im Gefolge ver Armee befindlichen Eivilperjonen
zu überwaden, Telegraphen und Eijenbahnen vor
34*
632
Zerftörung zu fhüßen, fanitätöpolizeilichen Anord⸗
nungen Geltung zu verfcaflen, Spionage zu vers
bindern, Verwundete auf den Schlachtfeldern zu be
fhügen u. dgl. Die F. bat weitgehende Mad:
befugniffe: ihre Mannſchaften ſtehen zu allen Militär:
perfjonen mit Ausnahme der Offiziere in dem Ber:
bältnis der Wachen, d. b. der VBorgefegten in Aus:
übung ibres Dienftes, ,
Feldgerät, das tragbare Schanzzeug fowie die
Nusftattung der Truppenfabhrzeuge.
Be rei? — ilitarſtrafverfahren.
eldgeſchrei, Erkennungszeichen im Vorpoſten⸗
dienſt, ſ. Loſung.
Feldgeſchühe, Feldtanonen, die Aus—
rüftung der Feldartillerie. Bei ausreichender Wir⸗
tung gegen —— Ziele müſſen fie einen hohen
Grad von Beweglichkeit beſitzen, der die Feldartille⸗
rie befähigt, im Verein mit den andern Waſſen zu
kimpfen. (S. aud Artillerie.) Die heutigen 5. find
in allen Artillerien gezogene Hinterlader, in den
meiften ald Schnellfeuergeihüge konftruiert.
Die Syſteme der verſchiedenen Armeen wieſen
bis zur Einführung der Schnellfeuerjeldgeihüpe
große Ahnlichkeit auf; Deutichland ging damit 1897
voran (f. Geihüs nebit Tafeln).
Das Robrmaterial ift mit Ausnahme von Öfter:
reich, das ſich mit der billigern Hartbronge bebolfen
bat, durchweg Stahl. Anfangsgeihmindigteiten
jwijchen 430 und 500 m find fämtlihen Syitemen
eigen; Deutihland, Öfterreih und Rußland haben
an ihren 5: Keilverſchluſſe, Frankteich den Schrau:
u
benverſchluß, den neuerding® auch Rußland ein:
führt (f. Verf ei Die F. waren zuerft für
Scmwarzpulver fonjtruiert; fämtliche größere Staa:
ten find indes jebt zum rauchlofen Pulver über:
egangen. Die Gelhokaudräftung beftebt aus
brapnel3 und ®ranaten; feltener beſtehen das
neben noch Rartätichen.
Die Fortfchritte der Technil, das Bedurfnis nah
größerer und jchnellerer Feuerwirkung ſowie na
erhöhter Beweglichleit waren von großem Bun
bei der Ronftrultion und Einführung neuer F. Das
— Selbaeibäb 9%6 befigt einen Schnellfeuer-
verfchluß; der Hüdlauf ift dur Anbringung eines
umtlappbaren ftarren Sporns unter dem Lafetten:
Ihwanz verringert bez. beinahe aufgehoben. Die
auch außer ber Feuergeſchwindigleit erreichten grör
bern Leitungen beruhen vorwiegend auf verbeijerter
Konftruftion des "gran und der Munition.
Das Gefamtgewicht iſt geringer geworben. Einzel:
beiten über dieſes Geſchüß f. unter Geihüg. Ruß—⸗
land und Öfterreich verſuchen vorübergebend durch
tinderung ihrer bisherigen }5. (8,7 cm) den neuen
Anforderungen gerecht zu werben. Die Lajette hat
dabei einen Sporn erbalten, die Richtvorrichtungen
find verbefiert. Eigentliche Schnellfeuereinrichtung
befigen dieje F. nicht, die Munition ift unverändert
eblieben. Beide Staaten dürften aber bald dem
eifpiel Deutichlands und Franlreichs folgen und
Schnellfeuerfeldgefhüße einführen. Thatſächlich find
Re in dahin zielenden Verſuchen beprifien, ebenjo
wie faft alle andern Staaten.
Zu den F. find in weiterm Sinne auch die Feld:
mörfer und Feldhaubitzen zu rechnen. Rußland bes
fist einen 15 cm: Feldmörſer, Frankreich eine lurze
12 cm: Felblanone, England eine 12,7 cm:, Deutſch⸗
land eine 10,5 cm:Haubige zur Belämpfung von
— —— Dedungen und dieſen ſelbſt. (©. auch
».
Feldgerät — Teldheufchreden
Feldgeftänge, in horizontaler, anfteinenber oder
eneigter Richtung parallel untereinander binlaus
ende Stangen, die in gewiſſen Abitänden durch
vertifale, an einer Achſe ſchwingende Balten (Hunt:
ſchwingen) gelentartig verbunden find und bazu
dienen, die Bewegung eine® Motors, meijt eines
Waſſerrades, auf große Entiernungen mittels Kur:
bel. und Pleuelſtange zu übertragen, indem bie
lehtere in die erfte Schwinge eingreift und derſelben
beim Umgang des Waflerrades eine bin und ber
ſchiebende Bewegung erteilt. (S. Tafel: Berg:
bau IIl, Fig. 3.)
ee er, |. Generalgemwaltiger.
Feldgottesdienſt, der von einem Militärgeiſt
lichen vor den Truppen abgebaltene Gottesdienit im
Freien, im Kriege vor und nah Schlachttagen üblich.
se ne f. Koppelwirticaft.
eldgrifle (Grylius campestris L.), eine %0
bis 25 mm lange, glänzend ſchwarze Grille (f. d.),
bie auf bürren Feldern und Wieſen in felbitgegra:
benen Löchern lebt. Im heißen Sonnenicein zirpen
die Männden, am Eingange ihres Loches jugend,
laut und unermüdlid.
Idhaubite, ſ. Feldgeſchüze und Gefhüs.
Idhauptmann, zur Zeit der Lands te Be:
feblähaber von Regimentern, größern Kriegsbaufen
und ganzen —— Frundsberg war F., auch
Wallenſiein und Tilly werden von —— ungen
vielfach als Feldhauptleute bezeichnet. — Über die
deldbauptleute im mittelalterliben Rom f. Capitani.
Feldherr, der Oberbefehlshaber eines kriegfüb-
renden Heers odereiner größern Heeresabteilung, der
auf einem bejondern ſtriegsſchauplatz felbftändige
Aufgaben zufallen. Das Symbol des berren:
tums ift der yeldherrenftab (f. Kommanboftab).
——— (poln. polny hetman), im ebe:
ma —— poln. Heere urfprüngli der Feldhert, der
die Landesgrenzen gegen die Einfälle der Tataren
u verteidigen batte, Npäter der dem Großbetman
eigegebene Unterfelpberr. (S. Hetman.)
eldheuſchrecken oder Schnarrheuſchreden
(Acrididae), eine Familie der Geradflügler (f. d.) in
engerm Sinne, haben jeitlih zujammengedrüdten
Körper, ziemlich kurze, höchſtens 24glieprige Fyübler,
mit diden Schenteln verfebene Hinterbeine (Spring:
beine)unddreigliedrige Fübe. Die Flügeldeden (Bor:
derflügel) find, wo fie vorbanden find, lang und
ſchmal, ericheinen aber ebenfo wie die Sinti
öfters verfümmert. Am erſten Hinterleibsring findet
fich jeverfeits ein Gebörorgan in gorm einer mit einer
—— Haut überfpannten Grube. Die Männden
ringen durd Streiden einer fein gezahnten Leiſte
ihrer Hinterjchentel gegen eine vorjpringende Ader
der —— zirpende Töne hervor. Die F. leben
auf Feldern und Wieſen und nähren ſich ausſchließ—⸗
lich von Vi rund en. Sie find im Epätjommer
und Herbjt volljtändig entwidelt. Die Eier, in Hau:
fen abgelegt, überwintern und liefern im jabr
die ungeflügelten Larven, die ſich im Laufe der war:
men Jahreszeit zum volllommenen Inſelt entwideln.
Mande Arten treten unter Umftänden in —
Scharen auf und richten dann furchtbare 1
rungen auf den Feldern an, fo namentlich die Wan:
derbeufchrede (f. d.). Es giebt, beſonders unter
den tropischen F., febr Kan gezeichnete Arten (3.2.
Rhomalea miles, ſ. Tafel: Jnjelten I, ia. 6), bei
denen, wie auch bei der einbeimifchen befannten
Oedipoda nıiniata Pall., auf ven Hinterflügeln Rot
vorberridt.
Feldhuhn — Feldlazarett
—X ſ. Rebhuhn.
Dhühner (Perdicinae), eine Unterfamilie
der Rauchfußhühner (j. d.), welche ſich durch den
an der Spike halenförmig übergebogenen Schna:
bel, die ipaltenförmigen Naſenlocher mit unbe:
hederten Deden, den kleinen Warzenfled über den
Augen, die burzen abgerundeten Flügel mit harten
Schwingfedern und durch die unbefieverten Yäufe
und Zeben unterjcheidet. Man teilt heute die Öruppe
in einige 20 Gattungen mit über 100 Arten, welche
über ganz Europa, ganz ne mit Madagastar,
Alien und über die auftral. Negion bis Neuteeland
verbreitet find. Zu ihnen gebören unter andern die
echten F., wie das Reb-, Hot: und Steinbubn, die
Wachtel und die Franlolinhühner (f. diefe Artikel).
Feldhüter, Flurſchützen, von Gemeinden oder
Grundbejigern angeitellte Perſonen, welche die Feld:
mart zu beauflictigen und für Wahrung der feld:
volizeiliben Vorſchriften (j. Feldpolizeigeſezgebung)
Sorge zu tragen haben. In Preußen und Heilen
bedarf ihre Ernennung der staatlichen Genehmigung.
An Stelle ver F.lönnen die Gemeinden auh Ehren:
jeldbüter ermwäblen; 5. wie Ebrenfelohüter find
jur Führung von Dienftabzeichen verpflichtet.
Feldjäger, früber die zum Kriegsdienſt heran
gezogenen und in Gompagnien eingeteilten gelern:
ten Jager, fpäter in Breußen it Stier d. Gr.
als Kuriere amischen den einzelnen Armeen, jeßt ala
diplomat, Kuriere im Frieden zwiichen den Gejandt:
haften im Auslande und dem Monarchen fomie
den Minifterien benust. Die F. bilden das Wei:
tende Felpjägerlorps, das fih aus jungen
Leuten ergänzt, die im höhern Forſtfach angeftellt
zu werben wünfchen und bereits den Dienitarad
eines Leutnants der Referve bekleiden. Unter einem
General der Infanterie ald Chef wird das Korps
befebligt von dem Inſpelteur der äger und Schügen
(Generalmajor) und zäblt (1905) 3 Oberjäger (Über:
leutnants) und 67 Seldjäger (3 Oberleutnants und
64 Leutnants), von denen nur ein Teil im Dienfte
des Korps, der Reſt im Foritfach verwendet wird.
Rad der Anftellung als Oberföriter jcheiden fie aus
dem Korps aus. — Das ruf. Neitende Feldjäger—
torps beftebt bei gleihem Dienit aus Offizieren aller
Grabe vom Oberſten abwärts, bat jedoch feine Be:
— zum Forſtfach. — Die öſterr. Armee bat
32 5eldjägerbataillone, die zufammen mit
den Hegimentern Tiroler Raijerjäger (j. d.) eine Art
ite-Infanterie darftellen. — In manchen Staaten
bedeutet F. joviel wie Gendarm.
Feldfanonen, vienitlihe Bezeichnung der Flach⸗
babngeihüße (ſ. d. und Geſchutz) der deutichen Feld—
artillerie.
Dkaplan, lath. Geiftlicher, |. Feldprediger.
tirch. 1) Bezirföhauptmannfchaft in Bor:
arlberg (j. Karte: Tirol und Vorarlberg), bat
456 qkm und (1900) 56636 €. in 33 Gemeinden mit
Ortihajten und umfaßt die Gerichtöbezirte Dorn:
bim und 5. — 2) Stadt und Sik der Bezirtshaupt:
mannichaft, eines Generalvilars, des Biſchofs von
rigen, eines Kreisgerihts, einer Finanzbezirts:
direltion, eines Hauptiteuers und Hauptzollamtes,
einer Handeldfammer und eines Bezirksgerichts
‚sı qkm, 28364 G.), an der Ill, in 457 m Höbe,
in maleriicher Lage, in der Mitte weier Felſenengen,
deren Paſſe eine natürliche Fejtung bilden, und an
den Linien Innsbrud⸗F. (157 km), 5.:Buchs (18km)
und %.:Bregenz (36 km) der Biterr. Staats:
babnen, bat (1900) 4616 mcift kath. E., got. Piarr:
533
firhe (1487) mit ſchönem Prebigtitubl (15. Jahrh.)
und Altarbild (angeblib von Holbein), Kapu—
zinerlirhe mit ſchönem Altarbild der Florentiner
Schule, Rathaus mit fhönem Saal, neues Kur:
haus, va Spital und Pfründhaus, botan.Garten
mit alpiner Anlage; ein f. t. Real: und Obergym:
nafium, große Erziehungsanftalt der Jeſuiten (Stella
matutina), Voltsſchule, Privatmärchen: und Yadı:
Barmen fowie Baummwollipinnereien, Mühlen,
ewerfe u. ſ.w. Über der Stadt auf einer Anböbe
am Fuße des Steinwaldes die Ruine der im9. Jahrh.
erbauten Schattenb ne Sitz der Örafen von
Montfort. GrafRudolf VII. von Montfort verkaufte
die Herrichaft F. 1375 an Öfterreih. Etwa 1,5 km
weitlih von %., am linten Ufer der Ill, liegt der
Margaretenta f (557 m) mit Barlanlagen und
Ihöner Ausficht Aber das ganze Rheinthal vom Falt:
nis bis zum Bodenfee. Der Margaretentapf wurde
1799 von 5000 Bfterreihern gegen 18000 Frangofen
unter Maſſena fiegreich verteidigt. — Bol. %. und
feine Umgebung (Feldkirch 1896).
Feldfirhen, Marlt in der dfterr. Bezirls⸗
—— Klagenfurt in Kärnten, an dem
n den Oſſiacher See fließenden Tiebelbace, in
549 m Höhe, an der Linie St. Michael : Billa
der Öfterr. Staat3bahnen, Sitz eines Bezirkägerichtö
(693 qkm, 20284 deutſche E.), hat (1900) ala Ge:
meinde 2079 E. und Flachsbau. y der —
zahlreiche Stahlhämmer, Senſen-, Pfannen⸗, Nägel:
und Drahtfabriken, Pulvermühlen, Sägen und Fär:
bereien ſowie das große Bledh:, — und
Walzwerl der Alpinen Montangeſell oh zu Bud:
ſcheiden mit 130 Arbeitern und Torfbetrieb. 7 km
nördlich der Alpenturort Bad Sankt Leonhard
(1109 m) mit einer Quelle von 8° C.
eldkoft, |. Verpflegung der Truppen.
eldfreuz, joviel wie Betfäule (ſ. d.).
eldfriegdgericht, |. Kriegsgericht.
eldfröte, j. Kröten und Tafel: Fröſche und
Kröten II, Fig. 3.
Feldküchen, bei — Verbleiben an einem
Drt von den A dlazaretten u. a. errichtete
Küchen, die für die Mannſchaften beim Mangel
der ———— die Speiſen zubereiten.
eldkulte, ſ. Aderkulte.
eldfümmel, Bflanzenart, re Carum
und Tafel: Umbellifloren I, Fig. 2.
Yeldlazarett, eine ſchnell bemeglihe Feld⸗
rag ge (h d.) der — Armee,
dazu beſtimmt, den Verwundeten ſofort nach der
Schlacht ſichere Pflege zu gewähren. Das F. wird
in den erſten Mobilmachungstagen formiert, folgt
ſeiner Truppe dicht auf dem —*— und wird bei
einem Gefecht ſo nahe an das chtfeld (außer
Schußweite) herangezogen, daß es in geeigneten
feiten Räumen oder unter Benugung von Kranlen:
pe Baraden u. f. w. errichtet werben kann.
8 übernimmt die Schwerverwundeten vom Haupt:
verbandplag (ſ. d. und Sanitätsdetahement) und
fendet fie rüdwärtß in die Er Kriegslazarette
(f. d.) und Etappenlazarette (j. d.). Die Ausrüftung
der F. mit Lagerungsgegenitänden, Berbanpmitteln,
hirurg. Injtrumenten, Arzneien iſt für 200 Ber:
wundete —— Den Sanitätswagen eines
. zeigt Tafel: Sanitätsweſen, Fig. 11. Jedes
rmeetorp& madt 12 5. mobil. Das F. verfügt
unter dem Befehl des älteiten ———
(meiſt ein Oberſtabsarzt als Chefarzt) über 5 Urzte,
1 Felvapotheler, 21 Sanitätsunteroffiziere und
634
militär. Kranlenwärter. Andere Staaten haben
ähnlihe Einrichtungen. (S. Ambulanz, Feldſpital.)
Feldlazarettdireftor, ein Obermilitärarzt bei
jedem mobilen deutſchen Armeelorps, welder ber
Gtappeninfpettion (ſ. Etappenlinien) oder dem
Etappenarzt unterjtellt ift und durch perjönliche
Einwirkung für das ungeftörte Ineinandergreifen
ber innerhalb des Etappendienftes ſich begegnenden
und in ihrer Wirkjamleit aufeinander angewiejenen
elofanitätöformationen (f. d.) verantwortlich zu
orgen bat. Zu feinen Dbliegenheiten gehört die
inrihtung von ftehenven Kriegs: und Etappen:
lazaretten, bie Regelung der Krantenverteilung im
Bereich der Etappeninfpeltion, die Sorge für recht:
zeitige Ablöfung der Feldlazarette, die Merwachung
bes Dienftes bei den Leichtlranlenſammelſtellen und
die Revifion der Lazarettrefervedepots (j. d.).
Feldlerche, |. Lerche ſowie Singvögelnebit Tafel:
Mitteleuropäifche ——— V, Fig. 8.
eldlgeſchũtz, eine vierläufige Gewehrmitrail:
leuje, vom — J—— Ingenieur Feldl erfunden
und von den Bayern 1870/71 mitgeführt, konnte
400 Schuß in einer Minute abgeben, war aber nicht
einfach genug, um völlig friegäbrauchbar zu fein.
eldmagnete, bei einer Duuamenieiöine die
zur Erzeugung des magnetifhen Feldes (j. Feld,
magnetijches) derfelben dienenden Eleltromagnete.
Geipmen, Wilhelm, — — f. Bd. 17.
Idmann, Leop., Zuftipieldichter, geb. 22. März
1801 zu Münden, von israel. Ablunft, war kurze
Zeit bei einem Handwerler in der Lehre, ging dann
wieder zur Schule und fchrieb ſchon im 5%. 1817 ein
Schauſpiel «Der falihe Eid»; darauf wurde er
Kaufmann, widmete ſich aber fpäter ausſchließlich
litterar. Arbeiten. Nach fünfjährigen Reifen war F.
1850 — 54 Dramaturg beim Theater an der Wien.
Er ftarb 26. März 1882 zu Wien. Seine zahlreichen
oe («Der Sohn auf Reifen», «Das Porträt
der Geliebten», «Der höfliche Mann», «Der Red:
nungsrat und feine Töchter» u. a.) zeichnen ſich durch
frifche Heiterkeit, unbedenlliche Situationstomil,
gewandte Benugung von Zeitideen und Zeitereig:
nifien aus, wenn Im fih aud in der Charalteriftit
zuweilen der Karifatur nähern. Drud ließ F.
—— Driginalluftipiele» (6 Vde., Wien 1845
—52; Neue Folge, 2 Bde., Berl. 1855—57) ericheinen.
Feldmark, die Fläche jämtlicher, einer Gemeinde
oder einem Landgut gehörigen Adergrundftüde,
beren Grenze burh Bäume, Gräben, Marljteine
bezeichnet wird.
amtlich
Feldmarſchall, im Deutihen Reid
Generalfeldmarfhall, zur Zeit die höchſte
militär. Würde in den meiften Armeen. Das Ab:
en der Würde eines F. ift derFeldmarſchall—
ha oder der Interimsfeldmarſchallſtab (f. Kom:
manboftab.) Im deutſchen Heere trägt der F. auf
den Adielftüden (Epauletten) der Generalduniform
zwei gekreuzte Kommanbojtäbe. Im Mittelalter
wurbe der unter dem Befehl des Generals oder Feld⸗
oberften den Aufmarſch und die Verpflegung der
ganzen Armee leitende Befehlshaber der Reiterei
eines Heers F. genannt. Die Würde eined Mar:
ſchalls (f. Hr) von Frankreich, feit dem Sturze des
zweiten Kaiſerreichs nicht mehr verlieben, entipradh
der eines Generals der Infanterie oder Kavallerie
in Deutichland. Letzteres gilt auch von der Würde
des Marſchalls in der Türkei. — Das deutſche Heer
bat (1906) fieben Generalfeldmarfhälle: Prinz Al
t von Preußen (Regent von Braunſchweig),
Feldlazarettdirektor — Treldmeßfunft
Kaifer Wilhelm II., Prinz Leopold von Bayern,
von Hahnke, Graf Haefeler, Freihert von Loẽ und
Kaiſer Franz Joſeph von Dfterreih. Außerdem
wurbe einigen Generaloberften (f. d.) Feldmar—
—— verliehen. Das dfterr.:ungar. Heer
atte feit 1895 überhaupt feinen 5. (abgekürzt FM.)
mehr, bis im J. 1900 der Deutfche Raifer Wilhe m IL
dazu ernannt wurbe.
marfchalllentnant (abgelürzt FML.), in
Öfterreih-Lingarn der dritthöchſte Generalär
entfpricht dem deutfchen Generalleutnant. Dies
baben das Präpditat Ercellenz.
Feldmahe, Flächenmaße, nach welchen die Größe
der zu land⸗ oder forftwirtihaftlihen Zweden ver:
wendeten Bodenflähen beitimmt wird. W d
nod bis in das 19. Jahrh. hinein fait jede Landſchaft
und jeder Gau Deutichlands wie der übrigen europ.
Länder fein eigenes Feldmaß befaß, bat fi in
neuerer Zeit die Zahl der F. vermindert, zunächſi
durch Aufitellung von Landesmaßen für die ein:
einen Staaten, dann infolge der Annabme des
rang. ut, Maßſyſtems in fait ganz Europa.
Ein Teil der 5. bezeichnete urfprünglib das Stüd
Land, das in einem Tage von einem Joh Ochſen
umgepflügt werben fann. So ſchon das Jugerum
(j. d.) der alten Römer. Die Einbeit des fran:
zöfifchen und des nunmebrigen (feit 1872) hen,
1876 aud in Oſterreich Ungarn und 1877 in ber
Schweiz eingeführten metriſchen —— iſt dag
Ar (f. d.); meiſt wird jedoch die Große der Boden:
flähe in Heltar (zu 100 a) audgedrüdt. In den
meiſten deutfchen Jandern galten früher der Ader
ſ. d) und der Morgen (f. d.) ald Einheit des Maßes
dei: gi — — —
eutſchland auch die Hufe (f. d.) zu einem g
ldmaß geworben. Ha en nad Schef:
eln Landes oder Ausjaat famen ebenfalls in
Deutichland vor (3. B. in Sachſen zu 1 Morgen oder
Ya = Oſterreich war das geſetzliche Feldmaß
das Joch (ſ. d.). In der Schweiz diente feit 1858
ala a —— Feldmaß die Juchart (ſ. d.). Das
alte Adermaß in Frankreich war der Arpent (ſ. d.).
In Großbritannien und den brit. Kolonien ſowie
in den Bereinigten Staaten von Amerita ijt das
Adermaß das Acre (ſ. d.). Im Ruſſiſchen Reiche gilt
die Dejlätin F d.). In Finland war bis 1892 noch
das ältere ſchwed. Feldmaß, die Tonne Landes
(Tunnland) von 49,3658 a, nejeblich. In Rumänien
ift die Einführung des metriſchen Syſtems noch nicht
vollitändig erfolgt, 10 daß noch die frühern 5. gelten,
nämlich in ver Walachei der Pogone von 49,3056 a
und in der Moldau die Faltic (}. d.). Die
des jekigen griech. Feldmaßes lit dad Stremma von
10 8. Neue 5 tönnen ſich nur vergleichsweiſe lang:
fam und allmäbhli —— und einbürgern, da
nicht nur die Gewohnbeit, jondern durd Jahre wei:
ter gehende Nupungsverträge, die Einträge in den
Grundbüdern und die Feitießung der Bodenab-
gaben einem rafhen Übergang zu neuen Größen
dmans, ſ. Wühlmaus, [entgegeniteben
Idmeifter, ſ. Abbeder. j
Idmeffer, ſ. Landmeſſer und —
Idmehkunft, Geodäſie, Meblunft, Ber:
mejfung, Landesvermeſſung, das g
Gebiet der Ausmefjung und zeihnenden (grapbt:
ſchen) Darftellung von Teilen der Erboberfläde
oder aud von dieſer ſelbſt in ihrer pn
um daraus deren Gejtalt, Größe und äu Be
ſchaffenheit fiher ertennen zu lönnen. Gemöbnlid
Feldmeßkunſt
teilt man die F. ein in eine höhere und in eine nie
dere und rechnet zur höbern 5: oder Geopäfie alle
diejenigen nn. welche ſich auf die Ermitte
(ung der Größe und Gejtalt der ganıen Erde oder
doch jo großer Näume auf der Erdoberfläche be:
ieben, da nur unter fteter Berüdfichtigung der
"bärsibifchen Geftalt des Erptörpers gelöft wer:
den lönnen. Der niedern F. verbleiben dann alle
diejenigen zn, bei deren ang von der
ſpharoidiſchen Geitalt der Erve im allgemeinen ab:
aejeben werden kann. Cine bejondere Schwierigteit
entftebt für die —2 Darſtellung der Erbober:
aus der lugelähnlichen (ſphärdidiſchen) Ge:
alt der Erde, da ſich die Oberfläche einer Kugel
nicht in eine Ebene abmwideln läßt. Siebt man
aber ab von der plaftiihen Nachbildung des gan:
sen Erblörpers (Globus), welche immer nur in ſehr
einem Maßitabe ausführbar und aud nur für
jeher wenige Zwede praltiih verwendbar ift $
müfjen Mittel gefucht werden, um die Grooberflä e
in ft geringer Verzerrung ihrer wahren Ber:
bältnifje auf der Ebene abzubilden. Zur Erreihung
dieſes Zweds lommen die verjhiedenften Arten
der Projeltion (f. d.) zur Anwendung, die jedoch
jämtlih die graphiihen Mißverhältniſſe niemals
ganı befeitigen lönnen, folange es ſich um bie
bbildung größerer Gebiete handelt. Bei enger
begrenzten Flächen fann man jedoch auch hierbei
die Erdoberfläche ala borizontale Fläbe annehmen,
und daher werden fait alle fartogr. Darftellungen
der niedern %. in orthographiſcher (rechtwinkliger)
Horizontalprojettion ausgeführt.
Die Beinen im Felde zu löfenden Aufgaben
ver 5. lafien ſich einteilen in das Beitimmen von
ten, das Mefien von Längen (Abjteden von
Linien) und dad Meſſen von Winteln (Horizon:
tale und Bertitalmintel), Bei Ausführung diejer
Arbeiten wird jtet3 aus dem Großen ins Kleine
angen, p daß die Operationen der niedern
B. Het on nihluß und feiten Rahmen finden
den von der hohern Geodäjie mit allen Mitteln
der — * und Technik ausgeführten grund:
legenden ungen. Die Aufgaben der höhern
daſie find daber unter Benußung der beiten
Mebinitrumente: 1) die Ermittelung der Größe und
wabren Geitalt der Erde (ſ. Gradmeſſung), 2 die
Aus ng einer gründlichen Triangulation (f. d.)
als Vorarbeit für die daran anzuſchließende Detail:
des betreffenden Landes. Dieſe lehtere
bildet dann die u. der niedern F., die ;
nad den befondern Sweden, denen fie dienen joll,
| er Weiſe zur Durchführung gelangt (mis
(itär. YAufnabmen, Katajtervermeljungen zu ſtaats—
öfonomijhen und — weden, techniſche Ver:
meſſungen für bauliche Arbeiten u. a.). Die Aus:
ieſer VBermeflungen erfolgt entweder ala
ufnabme, die das betrefiende Gelände
unmittelbar in einem äbnlichen Bilde wiedergiebt
— Aufnahme) oder als geometr. Vermeſſung,
der die Großenverhältniſſe der betreffenden
Landftreden in Zablen ausgedrüdt erhalten werden,
aus en m en en erit ——
Konſtrul geſtellt wir ataſtervermeſſung).
Den Ausgangspunlt jür alle dieſe Kehren bilden
fletö die durch die höbere F. bereits gegebenen Feſt⸗
von denen aus weitere Bunttbejtimmungen
durd oder Horizontal: und Vertital:Wintel:
en vorgenommen werden. Zur Beitimmung
he, 2. er Dimenfionen von Flächenräumen
535
fann man bierbei je nad den Umftänden in vers
—— eiſe verfahren, und man unt cheidet
olgende Vermeſſungsmethoden: 1) Die Polar—
oder Gentralmetbode, mobei die Bruchpunlte
des Umfangs einer Fläche von einem gegebenen
Buntte innerhalb oder außerhalb diefer Fläche aus
in der Weije feitgelegt werben, daß man die Horizont:
winkel mißt, die die Verbindungslinien des Stand:
punttes mit den einzelnen Bruchpuntten bilden und
auf den betreffenden Wintelichenteln die gleichfalls
durch Mefiung ermittelten Horizontalentfernungen
zwiſchen Standpunkt und Brucdpunft aufträgt.
2) Die Koordinatenmethode. Eine innerhalb
oder außerhalb der zu vermefjenden Flächen be
jtimmte gerade Linie dient als Abſciſſenachſe, auf die
von den Bruchpunlten des — Senkrechte ge⸗
fällt werden. Die Abſtände dieſer Senlrechten von:
einanderund die Länge derjelben beitimmen dann die
Lage dieſer geluchten Punkte. 3) Die Abſchneide—
methode. Von den beiden Endpunkten einer genau
rar ie geraden Linie aus werden die Horizontal:
winfel nad den neu zu —— unlten ge⸗
meſſen, fo daß nach jedem Punkte zwei Viſierlinien
gezogen werden, deren Schnittpunkt dieſen geſuch⸗
ten Bunte felbit ergiebt (geometr. Triangulieren
oder Neplegung). 4) Die Umfang: oder Peri—
metermetbode. Die Umfangslinie felbjt und die
Mintel, unter denen ihre einzelnen Teile in den
Bruchpunkten zufammentreffen, werden gemejjen.
5) Die Diagonal: oder Dreiedsmethode.
Eine beliebig begrenzte Fläche wird durch Diago—
nalen in Dreiede zerlegt, deren Größe man aus
den drei Seiten oder aus Seiten und Winteln er:
mittelt. — Alle diefe verfchiedenen Mefjungsmetho:
den find zunächſt nur Hortzontalmefjungen, d. b. fie
dienen dazu, bie Grundrißverhältnifje in der Hori:
jontalprojeltion zur Darftellung zu bringen. Sollen
in einer Karte auch die Höbenverbältnifle, d. b. die
dur abjolute Höhe und Böihungsgrad bedingten
Bodenformen zum Ausdrud gelangen, jo müjlen
auch nod Vertikal- oder Höbenmejjungen (ſ. d.)
ausgeführt werden. Die genauejten Höhenbejtim:
mungen liefert dad geometr, Nivellieren (ſ. d.),
doch genügt für jehr viele Zwede volllommen das
trigonometrijche oder auch das barometriihe Hö:
benmejien (j. Barometrijhe Höbenmeilung). Alle
Höbenmefjungen müfjen auf einen gas
Horizont bezogen werben, und zwar wird meijt das
Meeresniveau als Ausgangspunlt genommen, in
Preußen feit 1879 der Normalnullpuntt (j. d.).
liber die ul he Darftellung der gewon—
nenen — Terrainzeichnung, Aufnahme.
Bal. Bohn, Die Landmeſſung (Berl. 1886);
Loewe, Anfangsgründederniedern Geodäſie (Lieben:
werba 1892); Jordan, Handbuch ber Vermeſſungs⸗
lunde (3 Bde., a 1. Bv., 4. Aufl. 1895; 2. Sb.
5. Aufl. 1897; 3. Bb., 4. Aufl. 1896); Bauern:
feind, Elemente der Vermeſſungslunde (7. Aufl.,
ebd. 1890); Kahle, Landesaufnahme und General:
tabslarten (Berl. 1893); Wüft, Leichtfaßlihe An:
eitung zum Feldmeſſen und Nivellieren (5. Aufl.
von Nachtweh, ebd. 1901); Läska, Lehrbuch der
Vermeflungstunde u 1894); Baur, Lehrbuch
der niedern Geodäſie (5. Aufl., Berl. 1895); Hart:
ner, Handbuch der niedern Geodäjie (8. Aufl. von
Waſtler, Wien 1897); Pietſch, Katechismus der F.
(7. Aufl., Mz. 1903); Vogler, Geodätifhe Übungen
(2. Aufl., Berl. 1899— 1900); —— Kompen⸗
dium der Geodäſie (Wien 1900); Miller, Die Ber:
636
meflungäfunde (2. Aufl., Hann. 1903); Abenprotb,
Der Landmeſſer im Städtebau (Berl. 1901); Tapla,
——— ber niedern Geodaſie (TI.1, Wien 1901);
Baule, Lehrbuch der Vermeſſungskunde (2. Aufl.,
fFelbminze, |. Calamintha. [2p3. 1901).
Feldmochinger Pferd, ein nad jeiner Hei:
mat, dem Dorſe Feldmoching bei Münden, be:
nannter Pferdeſchlag, der daburd eine gewifie Be:
deutung er 8 hat, daß die ihm zugehdrigen Tiere
mit einem im Starnberger See gefundenen foffilen
Bferde im Stelettbau genau übereinftimmen. Das
F. P. ift wahrſcheinlich ein primitives Pferd, direl:
ter Nachkomme eines urfprünglicen Pferdetypus.
Iomörfer, j. Selbgeihühe und Gchhüß.
ldmunitionsp ſJ. ERSTE:
eldoberft, im 16. und Anfang des 17. Jahrh.
Dienfttitel der Führer größerer Heere, gleihbedeu:
tend mit dem fpäter üblichen Titel Generaloberſt
Ido den, |. ——— (1. d.).
eldpolizei, 1) die Aufitellung a. von Polizei:
vorſchriften mit Strafandrobung zum Schuß der
deldgrundftüde, Pflanzungen und Bodenfrüchte
gegen Beihädigungen durch Perſonen oder unbe:
auffichtigte Tiere ſowie gegen Entwendung von Pro:
dukten, b. von Feld⸗ oder Flurhutern (f. Feldfrevel);
2) die Handhabung aller nicht unmittelbar in das
Gebiet der Truppendisciplin oder der Taktik ge:
börenden Maßregeln, welche im ing A Auf:
rechthaltung der Ordnung auf dem Kriegsſchau⸗
plag, namentlih im Rüden der Armee und auf
den rüdwärtigen Verbindungslinien, getroffen wer:
den. In frühern Zeiten wurde die F. gehandhabt
von dem Feldgewaltigen oder Generalprofoß mit
ben ihm ——— rofoſſen, Trabanten, Stock⸗
meiſtern und Steckenknechten; gegenwärtig liegt bie
3. in den Händen der Feldgendarmerie (ſ. d.).
Feldpolizeigefchgebung, derjenige Zweig der
Agrargeſeßgebung, welcher fi A Bee (1.d.)
im erftgenannten Sinne bezicht. Urſprünglich alleis
nige und ſelbſtändige Aufgabe der Yandbau treis
benden Gemeinden, wurde die F. feit dem 17. Jahrh.
mebr Gegenftand ver landesberrlichen Geſezgebung.
Eine für ganz Preußen einbeitlihe F. wurde nad
dem Vorbild des franz. Code rural von 1791 ge:
Ihaffen durch das Feld: und Foritpolizeinefek vom
1. April 1880, welches durch zablreihe Bolizeiver:
orbnungen örtlicher Natur ergänzt wird. Die fibris
en Staaten Deutichlands haben die feldpolizei:
ihen Borjchriften entweder in einem elpitraf-
eſeß vereinigt (Sachſen, Heflen) oder fie in dus
Bofeiftrafge eßbuch aufgenommen (Bayern, Würt:
temberg, Baden, Elſaß⸗Lothringen). In den diterr.
Kronländern iſt fie durch Landesgeſetze geregelt.
eldpoft, die Einrihtung, durch melde die
PVojtverbindung einer Armee im Felde einerjeits
mit der Heimat, andererſeits nad und von den ein-
zelnen Truppentörpern bergeitellt und bis zum Ein-
tritt des Friedens unterbalten wird. Bereits im
Altertum und im Mittelalter finden fi Anfänge
einer ſolchen Nadrichtenbeförderung im Kriege.
Eine eigentlihe F. aber entwidelte ſich erſt im
18. Jahrh. in Preußen unter dem Einfluß der
jablreihen Kriege, namentlich des ——
Se er 1778 bei Ausbruch des Bayrifchen
folgetriegeö wurde eine umfafjende Inſtruktion aus⸗
— Zur Zeit der Napoleoniſchen Kriege bes
anden fid bei den Armeen ebenfalls Feldpoſtämter
(bei der preuß. Armee 1813/14 3. B. 3 Feldpoſtämter
mit 27 Setretären, 4 Briefträgern und 79 Boftillo:
Feldminze — Feldpoſt
nen); doch dauerte die Beförderung von Nachrichten
ſehr lange, beifpielsweife Paris Berlin 12 Tage.
Die mächtige Entfaltung neuer Bertebrsmittel,
der Eiſenbahnen und Telegrapben, hat im Feldpoſt⸗
mejen bedeutende Ummälzungen und Leiſtungen
bervorgerujen. Während des Krieges von 1866
wurden täglich etwa 30000 Briefe nad und von der
Armee durd die preußifche F. befördert. Die in die:
jem Kriege gefammelten Erfabrungen wurden bei
der durch die Dienftorbnung für die Feldpoftan:
talten 1867 eingeführten neuen Organifation ent:
prechend verwertet. Außer den Feldpojtämtern
jedes Armeelorps und den Feldpoiterpeditionen für
jede Divifion wurden bejondere Etappen:Boit:
direltionen errichtet, bie unter der General:
Etappeninſpeltion der betreffenden Armee ftanden
und namentlich die Aufgabe hatten, die ——
bindungen für die vorrüdenden Armeen durch Er:
rihtung von Feldpoftitationen berzuftellen und nad
dem wechjelnden Bedürfniſſe zu unterbalten.
Der Deutſch⸗ Franzoſiſche Krieg von 1870 und 1871
ab Gelegenheit, die neuen, von dem damaligen
eneralpoftmeijter St an ausgearbeiteten Feld:
pofteinrihtungen — zu erproben. Die Stärle
der mobilen norddeutſchen F. belief ſich in dieſem
Kriege auf 77 Feldpoſtanſtalten mit 292 Beamten,
202 Unterbeamten, 294 Bojtillonen, 869 Pferden
und 188 Fahrzeugen. Zur richtigen Leitung der
Feldpoſtſendungen waren die umfaflenditen Bor
tebrungen getroffen. Bei den ſechs Sammeljtellen
an der franz. Grenze ftrömten die Poſtſachen aus
der Heimat vor ihrer Weiterjendung an die Truppen:
teile zufammen; bier waren die gebeimgebaltenen
Bewegungsüberfihten der großen Truppentörper
befannt und die Sendungen fonnten von der Sam:
meljtelle aus ibrem Pe Leitwege zugeteilt wer
den; Feldpoſtrelais, Feldpoſtſtationen, Paderei—
depots führten dann bis in das Centrum der einzelnen
Truppenteile, und der deutſche Soldat erhielt täglich
feine Korreipondenz. Für das Hauptquartier des
Königs von Preußen hatte Stepban eine beſondere
Kurierpoft bis zur deutichen Grenze eingerichtet und
verftand ed, unter Benußung der Eijenbabn bis
Bont:a:Moujjon erg den Weg nad Berlin
(1200 km) bis auf 24 Stunden abzjulürzen. Die
Dperationen des deutſchen Heeres erjtredten ſich
über ein Gebiet von 170000 qkm; von den 411
hen wurden über 90 Mill. Briefe,
Eh ill. Zeitungen und 2 Mill. Batete befördert.
reißig Jahre nah der Mobilmahung von
1870, am 9. Juli 1900, wurde die F. für die deut:
ſchen Streitkräfte in Dftafien in Thätigkeit geſetzt
und von dem damaligen Leiter des Voſtweſens.
Generalleutnant von Podbielſti, eifrig gefordert.
Das Feldpoſtperſonal beſtand aus 1 Armee-⸗Poſt⸗
direltor (Schellhorn), 1 Armee-Poſtinſpeltor, W
on pie 15 Feldpoſtſchaffnern und 10
Idpoftillonen. Zur Ausrüjtung des m.
gr die fog. Tropenuniform aus beilbraunem
rillih mit Kortbelm. Die F. beförderte Briefe bis
50 g und Feldpoſtlarten portofrei, Zeitungen gegen
eine Umfchlaggebühr, ferner Palete bie 2 ie
Poſtanweiſungen bis 800 M. (auf blauen Formu⸗
laren) und Briefe mit Wertangabe. Als Sammel:
telle für die Feldpoftiendungen galt das Marine:
Boftbureau in Berlin. (©. ar aaa Im
inblid auf die langwierige Seebelörderung war
die Poſt zu einer jehr ſorgſamen und toftipielinen
VBerpadungder Felppoftiendungen gezwungen.
Feldprediger — Feldſchanzen
amtlicher Zählung hat das Marine⸗ Poſtbureau vom
1. Aug. 1900 bis 31. Aug. 1901 5230000 Brief:
ſendungen in beiden Richtungen befördert. Abge:
ſendet an Kriegsſchiffe, Transportdampfer und Feld:
poitanftalten u. f. m. wurden in etwa 1800 Poften
indgefamt 2630000 Brieffendungen; davon ent:
fallen auf die Marine etwa 1730000 Brieffenbun:
en, der Reft auf die F. Bon China aus bat das
arine: Boftbureau 2570000 Briefpoftfendungen
empfangen und an die Empfänger in der Heimat
weiter geleitet. Als die Auflöfung des oftafiat. Er:
itionslorps im Juni 1901 erfolgte, wurde die
. nicht aufgelöft, jondern nur verringert; Ende
ug. 1901 erfolgte die Aufhebung, und mit dem
1. t. hörten die für die Truppen in Dftafien bis:
ber gewährten PBortofreiheiten und Portoermäßi:
gu auf. Letztere blieben bloß nod in Kraft für
den — — mit den Truppen der oſtaſiat. Be⸗
ſatzungsbrigade.
Die geſamte obere Leitung der F. gebört zu den
Beiugnifien des — age in Berlin. Die
Anordnungen eritreden ih auf das Perſonal, die
Betriebömittel, die Leitung der Sendungen und den
Gang der Feldtransporte. Naturgemäß tft die Boft:
verwaltung in erfter Linie darauf bedacht, für jeden
Kriegsfall eine a eur meer ger und kriegs⸗
tüchtiger Feldpoſtbeamten bereit zu haben; das nö:
tige Berjonal wird aud) in Friedens zeiten fortlaufend
ergänzt. Die beftebende Dienitorbnung für die
F. vom 12. Juni 1889 gehört zu den Beitimmungen
über die Mobilmabung und wird darum gebeim
ehalten. Für die Manöver befteht keine ————
.jedoch werben die bier in Betracht fommenden
bältnifje durch eine befondege Mandverpoft:
ordnung geregelt.
Feldprediger, bei den Karholiten Feldka—
plane, die beim Heere Im Seelforge im Felde ange:
ftellten zerm: in Öjterreich beißen fieapojto:
life Feldvikare. Früher hatte jedes Regi—
ment feinen F.; jest find in den meiften Heeren
nur Brigade: oder Divifionsprebiger angeitellt.
Sie ſtehen nad ihren Konfeffionen unter einem
Selopropft ((.d).
2 ‚, die beiden (evang. und lath.)
oberiten geijtlihen Vorgejekten aller Militärgeiſt⸗
lichen IL d.) in Preußen,
Weldraben, die Arten der Gattung Corvus,
aljo der Kollrabe (f. d.) und die verfhiedenen Ar:
ten der Krahen (f. d.).
ldraute, |. Fumaria.
ritterfporn, j. Delphinium.
Idrofe, }. Roſe.
1d , |. Ulme.
Ipfalat, Lämmerſalat, Rapunzel, Ra:
pünzden, Shafmäulden, Fettmännden,
mebrere Arten der Pilanzengattung Valerianella
1.d.), die zur Bereitung eines wohlſchmedenden Sa:
5 benust und beſonders im 5* Frühjahr zu
Markt gebracht werden. Die Blätter des F. bilden
eine Heine Rojette. Am häufigſten findet man Vale-
rianellaolitoria L. und dentata Poll. Inden Gärten
wird eine aus Holland eingeführte Form mit brei:
tern, runblidern, fubjtanzreihern Blättern kulti-
viert (f. Tafel: Gemüjell, Fig. 8), in neuerer Zeit
aud das ital. Rapunzchen (Valerianella coronata
D.C.) und eine Form deöfelben, der man den Namen
derfalatblätterigen beigelegt bat. Man fät die
Samen Mitte September aus undlann die Pflanzen
noch in demſelben Herbit nad der Entwidlung des
537
vierten Blattpaares ftechen, bei offenem Boden auch
mitten im Winter. Die Dltoberjaat giebt einen an:
genehmen Frühlingsfalat. Der F. gedeiht am beften
in einem thonigen, mäßig feuchten Boden.
Feldfanitätsformationen, in ſich abgeſchloſ⸗
ene, eigener Führung unterjtellte, feſt *
ereinigungen von Sanitätsperſonal und Material
[er die Krantenpflege im Kriege. Sie werben erſt
ei der Mobilmabung nad —— gebildet und
den mobilen Truppenkoͤrpern beigegeben. Zu den F.
gehören in der deutſchen Armee: das Sanitäts:
detachement, Felblazarett, Etappenlazarett, jtehende
Kriegslazarett, Lazarettrefervedepot, immobile
Güterdepot, Krantentransportlommiffion, Sani:
tätäzüge, —— ©. dieſe einzelnen Ar⸗
tifel ſowie Reſervelazarett.) Bei den andern europ.
—— und in den Vereinigten Staaten von Amerila
eſtehen ähnliche Einrichtüngen, die in neuerer Zeit
(außer in Rußland) den deutſchen nachgebildet find,
eldfanitätötwefen, ſ. Sanitätämejen.
Idöberg, Stadt in der diterr. Bezirlshaupt⸗
mannſchaft Miſtelbach in Nieveröfterreih, am Rande
des Hügellandes gegen die Thaya: und Marchniede:
rung, nabe der mähr. Grenze, an der Linie Qunden:
burg: Zellernvorf der Kaiſer⸗ ———
Sißtz eines ee ögerichtö (408 qkm, 23900 €.), hat
(1900) 3086 €., ſchoͤne Kirche, Kloſter der Barmberzi:
en Brüder mit Spital, Schloß der Fürften von
iechtenftein, 1640 und 1718 umgebaut, mit 244 Ge:
mädern, Schloßkirche und Reitſchule ſowie eine
Ader:, Objt: und Beinbaufchule. Der Theimmwald
bei %. (Tiergarten, 2300 ha) ift 1660 von dem
riten Karl Euſeb von Liechtenftein auf einer Hoch⸗
äche von Weider und Aderland angelegt. — Die
Geſchichte von %. läßt fih urlundlich bis in das
12, Jahrh. —53 — wo es mit dem Schloſſe
Eigentum des Domſtifts zu Paſſau war. Ihre Ent:
wicklung dankt die Stadt dem fürſtl. Hauſe Liechten⸗
ſtein, von dem fie als Sommerſitz begünſtigt wurde.
Bee ſchweiz. Ort, & Selsberg.
eldfchaden, der widerrechtliche Eingriff in das
Eigentum an einem landwirtſchaftlich benußten
Grunpftüd und defjen Erzeugnifien, ſoweit fie noch
nicht geerntet find (Seldirevel) ferner die Schä:
digung des Feldes und feiner
Vieh, Wild (Wildſchaden)
Krieg u. |. w. —* erträ e treffen gewöhnlidy Be:
jtimmung, ob ber F. vom Pächter oder Verpächter
m tragen ift. Zur Erjagleiftung für 5. haben die
andwirtſchaftlichen Verfiherungen eine immer mei:
tere Anwendung gewonnen,
Feldſchanzen, mit Mitteln der Feldbefeſtigung
künjtlich bergeitellte fefte Buntte bez. Stüßpuntte in
befejtigten Stellungen; früher die hauptſächlichſten
Glieder einer ſolchen. Man unterſchied geſchloſ—
fene F. (Redouten) und offene, in ber rüd:
wärtigen Seite (Keble) nicht ge loflene $.; balb«
eihlojjene F. hatten einen Kehlſchluß aus einer
— Bruſtwehr oder Paliſſadierung. Beide
legtern waren je nad) der Grundrißanordnung Fle—
fben, Halbredouten oder Lünetten. Stern:
und baftionierte F. gehören ältern Zeiten an. — Der
Aufriß zeigte noch ın den ſechziger Jahren des 19.
Jahrh. 2,50 m Yeuerlinienböhe, dahinter angejhüt:
tet Bankett und Gejhüsbänte, außen einen Hin:
derniögraben von 3 m Tiefe. Man Ai dann zu
niebrigerm Profil über mit innerm Einſchnitt und
äußerm Materialgraben, nur für Infanterie, In Zu:
kunft werben F. nur noch felten angewendet werben
eugniſſe durch
aturereigniſſe,
538
wegen bed erforderlichen großen Arbeits aufwandes
und wegen ihrer Zieljäbigteit für die feindliche Ar
tillerie. Die deutiche Borichrift empfieblt fie nur für
ifolierte Befeftigungen und umſchließt einen Heinen
um für 1—2 Compagnien mit einem Schüßen:
graben von 0,6 biß 1 m Feuerlinienhöhe; in Frank⸗
reich find «ouvrages de compagnie» mit balb offener
Keble, 1,30 m euerlinienhöbe, innerm und äußerm
Graben vorgejehen; in Italien balbgefchlofiene | ſpr
Lünetten mit innerm und äußerm Graben, Front
1,30, Kehle 0,10 m Feuerlinie; in Öfterreich: Ungarn,
mo man noch eine häufigere Anwendung ins Auge
* ebenſo mit 1,45 bis 1,80 bez. O,95 bis 1,45 m
euerlinienböbe, Unter allen Umftänden müjjen
zahlreiche Hoblbauten in den F. bergeftellt werden,
um die Befakung einigermaßen gegen das im Heinen
Raum jehr witlom Geſchützfeuer zu fihern.
Feldſcher, Feldſcherer, früber in der deut:
ten Armee Bezeichnung für die unterfte Stufe des
ilitärarztes in feiner weg untergeorbneten
Stellung und Ausbildung (f. Bader). Später trat
an feine Stelle der Compagniechirurgus. — In der
ruf). Armee giebt ed noch beute ähnliche Stellungen,
unſern Santtätäunteroffizieren entiprechend.
eld —— ſ. Feime.
Feldſchlaugen, Geſchutze, die früher bei der
Arlillerie vorlamen und zu der allgemeinen Gattung
der Schlangen gebörten, Die Schla
tommt in Deutſchland feit 1440 vor) hatten unter
den ältern Gejchüßarten die geringften Kaliber, aber
die verhältnismäßig größten Längen (20—40 Kugel:
durchmeſſer), durch welche man die Sicherheit des
Schuſſes zu erhöhen trachtete. Die geringern Ra:
liber der Schlangen wurden im Felde mitgeführt
und ald F. bezeichnet. Die leichtern F. bießen Fal⸗
ten und Falkonetts. Die F. gingen fpäter in der
Feldtanone auf. (S. auch Geſchütz.)
eldſchmiede, ſ. Schmiedefeuer.
ldſchũtzen, zu —* des 16. Jahrh., als
die Artillerie noch feine Waffe, ſondern eine Zunft
war, Bezeihnung für die Artilleriften, vie die deid
ftüde bebienten, im Gegenfag zu den Bücjfen:
meiftern und Feuerwerlern, von denen erftere die
Mauerbrecer, letztere die Böller unter ſich batten.
Weldfee oder Feldberger See, See im bad.
Kreis Sreiburg, am öftl. Fuße des Feldbergs,
1113 m ü.d. M., 4 ha groß und 34 m tief; in ihm
werben qute Lachöforellen gefangen. Er ftebt durch
die Gutach mit dem Zitifee (f. d.) in Verbindung.
Feldfervituten, Servituten oder Dienftbartei:
ten (f. d.), die auf Feldgrundftüden liegen. Die
Unterfcheidung von F. und Gebäudefervituten (ser-
vitutes praediorum rusticorum und urbanorum)
fnüpft an den Zwed — Zmed,
en (der Name
Wohnzwech) der Dienjtbarleiten an, iſt indeſſen
ſchon im röm, Necht nicht von rechtlicher Bedeutung,
im franz. Recht ebenfo wenig, und im Bürgerl. Ge
fepbuch für das Deutiche Reich übergangen.
Feldfpat, ein Mineral, das die weſentlichſten Wach
Gemengteile der kryſtalliniſchen Felsarten bildet,
indem es nicht nur in faft jämtlichen reichlich vor:
fommt, —* auch die —— eines Geſteins
zu einer beſtimmten Gruppe in erſter Linie auf Grund
der Natur des darin vorwaltenden F. erfolgt. Alle
‚enthalten Kiefelfäure und Thonerde, die einzelnen
lieder der Familie daneben noch entweder Kali
oder andererjeits Kalloder Natron. Eifen und Mag:
neiia jind ihnen ganz fremd Die %. kryſtalliſieren
entweder im monollinen Syſtem und werben dann
Feldſcher — Feldtauben
Orthotlas (f. d.) genannt, oder im trillinen
Epitem, wozu der Mikroklin (f.d.) fowie der Bla:
ER eerrere
Feldſperling, j. Sperling und Tafel: Mittel:
europäifhe Singpögel I, Fig. 9, beim Ar
titel Sinavögel.
Feldfpital, Feldfanitätsformation der dfterr.:
ungar. Armee, dem deutſchen Feldlazarett (ſ. d.) ent:
elditandgericht, ſ. Standrecht.
eldſtärke oder Intenſität des
bei einer Dynamomaſchine oder einem gneten
überhaupt die Kraft, mit welcher das Feld (ſ Feld,
ma netiiche®) an der betreffenden Stelle auf einen
Vol von der Stärke Eins wirkt. Andererjeitö wird
diefelbe aber auch gemefjen durch die Kraftlinien:
dichte an der betreffenden Stelle, d. i. die Zahl der
Kraftlinien, die an derjelben auf dienormal zu ihnen
— Fläheneinbeit treffen, als welche man den
uadratcentimeter angenommen bat. Bei Dynamo:
majcinen pflegt man unter %. allgemein die mitt:
lere 5. zu veritehen, d. i. die Geſamtzahl der über:
baupt in 2 e fommenden Kraftlinien, dividiert
durch die Größe der Austrittäfläde.
Feldftecher oder Krimfteher, urfprünglic
ahromatifhe bolländ. Ta —— die mit
mehrern auf einer kleinen Drehſcheibe befindlichen,
verſchieden ftarten Hohllinſen fo verſehen find, daß
fie fi revolverartig nacheinander vor die Dular-
Öffnung bringen lafien, wodurd die Vergrößerung
verändert wird. Bis 1829 galten die befonders von
den böbern Offizieren gefuchten engliſchen F. ala die
beften. Um dieſe Zeit wurden fie durch die 5. von
8 oßl in Wien verdrängt, welde die engliſchen an
elligteit und Schärfe weit übertrafen. Der Ploßlſche
3. hatte ein Objeltiv von 2", cm Öffnung, ein f
und zwei drehbare Dkulare, wodurd ſich nacheinan⸗
der eine 4=, 8: oder 12fache Vergrößerung beritellen
ließ. Er geitattete bei der dritten Page feines Augen:
glaſes einige Doppelfterne getrennt wahrzunehmen ;
der Jupiter famt [einen Monden erſchien durch vie:
ſen F. lichtträftig und deutlich. Neuerdings be—
zeichnet man mit F. jedes Doppelfernrohr für den
Handgebrauch. In der Konſtruktion dieſer F. ſind
in den letzten Jahren bedeutende Fortſchritte ge—
macht und dabei die holländ. Ferntohre durch ter:
reſtriſche und aſtronomiſche in Verbindung mit Re
flexionsprismen und weitem Oktularzwiſchenraum
verdrängt worden, wodurch neben großer Helle und
breitem Sebfeld eine früher unbelannte Plaſtik er:
reiht wird. (S. Fernrohr.)
— u, ſ. Drainierung nebſt Taf.,
ini
echend.
— ſ. Spißzmaus.
eldes,
eldſteine, |. Bruchſteine.
Intauben oder Feldfluchter, eine Grup
von Haustauben (f. d.), die von der Felſentau
(f. Tauben) abftammen, pr Kopf ift Hein, glatı
oder behaubt; der Schnabel lang geitredt, dünn, die
shaut weiß, nicht beſonders aufgetrieben; die
Augen groß, meift grellfarbig, der Augenrand alatt,
fleiſchfarben; die Füße find nadt, unbehebert: röße
834—36 cm; Gefiederfärbung ——— Bei den
F. läßt ſich die Nußzucht noch mit der Liebhaberei aut
verbinden. Am wertvollſten find fie durch das Fel⸗
dern, fo daß alſo ihre Erbaltung billig und ihr Ertr
als Shla tgeflügel einträglich fein fan. — Bal.
Prüß, Arten der Haustaube (3. Aufl., Lpz. 1878);
derf., Illuſtriertes Muftertauben: Bud (Hamb.1886):
Dürigen, Katehismus ber Geflügelzudt (Lpz. 1890).
Feldtelegraphen
Seldtelegraphen, vie Telegrapben (f. d.) im
Dienfte ver Militärbehörden im Kriege. Den eigent-
lihen Feldtelegrapbentruppen fällt bier:
bei beſonders die Berbindung des Hauptquar:
tiers mit den operierenden Armeelorpd und Divi⸗
fionen zu, während das den Etappenbebörben bei-
Zelegrapbenperfonal die rüdwärtigen
bindungen und Anihlüfle an die beſtehenden
Linien berzuftellen und in Betrieb zu erhalten bat.
Die Feldtelegrapbie foll bei den in vorderer Linie
operierenden Korps ibre Linien m bis an die
dem Feinde zunächſt ftebenden Abteilungen vor:
ſchieben, um wichtige, bei den Bortruppen eingehende
Rabrichten fchnell an das Hauptquartier zu beför:
dern. Bei Einſchließung und Berteidigung feiter
Bläge läßt ſich dies unſchwer erreichen und gain
bei der gewaltigen — der großen Waffen⸗
aße der Neuzeit dem Oberlommando der Ein:
liebungstruppen vorzugsmeife Vorteil, da ed nur
mit diefem Mittel möglich ift, rechtzeitig an den be:
drobten Stellen die zur Abwehr großer Ausfälle
erforderliben Truppen zu verfammeln. Im Be:
wegungskriege foll die Feldtelegraphie mit ihrem
Material den Truppen obne Schwierigteit folgen
und die höhern Kommanbobebörben andauernd in
Berbindung erhalten. Deshalb wird eine möglicite
Grleihterung des Materiald und der damit belajteten
Jahrzeuge fowie ein fchneller Bau und Rüdbau der
itungen angeftrebt. Die blanten Drabtleitungen
erfordern immer Stangenmaterial und diejes einen
ben Berladungsraum, verlangfamen —38*
rbeit. Deshalb gebt man dazu über, die Feld⸗
telegrapbentruppen mit leiten Kabeln (f. d.) aus:
jurüften, die. nur auf dem Erbboden abgerollt und
dur an den Fahrzeugen angebrachte Vorrichtungen
elbjtthätig wieder aufgenommen werden. Nur zur
lLung permanenter 2eitungen muß von
den betreffenden (Armee:Telegrapben:) Abteilungen
der dritten Zone noch Stangenmaterial mitgeführt
werden. Um aud die Truppen in der Front und
die Bortruppen telegrapbiich zu verbinden, wird in
dieſer (der vierten) Zone 2 leichteres Material
pay nämlih dünner blanter Draht, wel⸗
* bei Anwendung von Telephon, Summer und
ifrophon gg + auch ohne io:
lation vollftändig genügt. Außer Eleltriſchen Tele:
erapben benugt man auch Optiſche Telegrapben
(ſ. d.); 3. B. baben ſich Spiegelinftrumente, bei
denen man das reflektierte Sonnenlicht oder künft-
lich erzeugte Lichtftrahlen zum Geben von Signalen
benugt, ferner Flaggen, deren Bewegungen auf be
beutende Entfernungen durch das Fernglas erkannt
werden können, dort praltiſch bewährt, wo die Luft
troden und durchfihtig war. Die Ruſſen verwende:
ten ſolche Signalapparate (f. Heliograpb) in Een-
tralafien und Chiwa, die Briten in Afgbaniftan,
Zululand, Tranebaal und am Kap, die Franzoſen
in Algerien und Tunefien, die Öfterreicher in
nien. Auch optiihe Signale anderer Art (farbige
oder Scheiben verſchiedener Form, in
aud Metallbuchftaben auf dunkler Unter:
ſich bei Marer Luft mittel3 guter m
weite Entfernungen für Zmede der Feld⸗
telegraphie verwerten. an 5* Zeit ſind zur
deldielegraphie die Ballonte le (f. d.)
und die Telegrapbie Arne raht getreten.
Die Kar apbie bat ihre Leiftungstäbigteit
in dem ch⸗Franzoſiſchen Kriege von 1870 und
1871 erwiejen. Sieben Feldtelegrapbenab-
639
teilungen hatten ven telegr. Verkehr zwifchen ven
im Felde operierenden Heeresabteilungen zu ermög-
lihen und zu unterhalten. Fünf Etappenabtei:
lungen batten die für vorübergebenden Dienit
gebauten Feldtelegraphenlinien nach Bedarf durch
bauerndere zu erjegen und mit dem bleibenden Netze
ber Friedensleitungen in Verbindung zu erhalten.
Den Feld: wie auch den Etappenabtetlungen waren
ionterbetahements von ungefähr 80 Mann unter
brung eines Dffiziers beigegeben. Drei mit der
berleitung der gejamten Feldtelegraphie in dem
bejegten feindlichen Lande aute Kriegstele⸗
nn batten zugleich die von den
ruppen zerjtörten Zelegrapbenlinien möglichft
fchnell wieder betriebsfähig zu machen. An der
Spiße der ganzen 5. ftand der damalige Vertreter
des Generaltelegraphenvdireltord, Oberſt Meydam.
Als Elektricitätöquellen kamen aufdeuticher Seitedie
Batterien von Marie Davy, auf franzöfifcher die von
Leclande zur Berwendung. Die Anforderungen an
die F. haben fich ſeit 1870 weſentlich gefteigert, je
daß die biaherige Friedensvorbereitung nicht mebr
enügte. An Stelle der bei ver — —— aus
elegraphenbeamten und Pionieren gebildeten
Kriegsformationen treten mobiliſierte Abteilungen
der Telegraphentruppen (ſ. d.), die für den
Dienft des F. vollftändig ausgebildet und auch bei
ben Friedensuabungen beteiligt werden. Bis zum
Jahre 1876 war die Leitung der F. einem ald Chef
der Militärtelegrapbie zur Generaltelegrapbenbirel:
tion fommanbdierten Stabsoffizier unterftellt, der
die zweithochſte Stelle in der Neichstelegraphen:
verwaltung einnahm. 1877 wurde die Militärtele:
arapbie von der Reichstelegraphie vollftändig ab:
geneigt und einer befondern «Inſpeltion der
ilitärtelegrapbie» übertragen. Gelegentlid der
Schaffung der «Anfpeltion der Verlehrstruppen⸗
und der Zelegrapbentruppen wurde die Inſpektion
der Militärtelegrapbie unter Umwandlung in eine
—— der Telegrapbentruppen» jener der Ber:
tebrätruppen unterftellt (1899).
Deutihland ift auf dem Gebiete der Feldtele⸗
ga auch in neuerer Zeit bahnbrechend gemeien.
äbrend alle Felvtelegramme bisher nad gewöhn⸗
lihen Säsen Die werden mußten und felbft
für Offiziere zu koftipielig waren, wurden für das
oftafiat. Erpeditionstorpa (1900—1) zum erften:
mal Telegramme in verabredeter Sprade, ſog.
Sammeltelegramme, eingeführt. Jever Soldat
erbielt einen gebrudten «Schlüfjfel für Feldtele⸗
tamme», in welchem 100 ben re ded
rieges angepaßte Nachrichten (auch ſolche geſchäft⸗
lichen Inhalts) zuſammengeſtellt waren. Zum Zwecke
der Nachrichtenſendung war jedem Soldaten oder
Militärbeamten vor der Ausreiſe eine Nummer ge:
geben worden, wobei er die Perſon nambaft zu
machen hatte, die er zur Empfangnabme aller von
ibm abzufendenden Drahtnachrichten beftimmte.
Bei Aufgabe von Feldtelegrammen war dann nur
die Nummer de3 Soldaten und die aus dem Schlüffel
br Idtelegramme gewählte Rummer anzugeben.
o bedeutete 1: Bolllommen gefund. Gruß. 2: Ge:
cht mitgemacht. Volllommen gefund. Gruß u. ſ. w.
ur Übertragung der Telegramme in den urjprüng:
ichen Tert und zur Übermittelung an den aus der
Nummer erfihtlihen Empfänger erbielt vie Militär:
verwaltung in Berlinein befonderes Ehiffrierbureau.
Das rg See der Sammeltelegramme bat bie
Koſten für Drahtnachrichten auf den zehnten Zeil
540 Feldtreiben
verringert. Nachrichten über Verwundungen wur:
den auf Erfordern unentgeltlich nad) der Heimat
—— — Vol. —* Geſchichte der Kriegs:
telegrapbie in Preußen (Berl. 1875); Buchholtz,
Die Kriegätelegrapbie (ebd. 1877); U. * Ne:
. von
nefle, Der Militärtelegrapbiit (ebv. 100;
Fiiher: Treuenfeld, Kriegätelegraphie (ebd. 1879);
derj., Die Kriegätelegraphie in den neuern Feld:
zügen Englands (ebd. 1884); derf., Die Fortent:
widlung der deutichen Feldtelegrapbie (ebd. 1892).
Feldtreiben, in der Jägerſprache die Hafenjagd
im Felde; unterſchieden als J————
Bohmiſches Treiben, Keſſeltreiben (ſ. dieſe
eldulme, ſ. Ulme. [Artitel).
elbvifar, |. Feldprediger.
ſldviscacha (pr. -wistätfcha), ſ. Chinchilla.
Feldwachen, die kleinſten gejchloffenen Ab:
teilungen der Vorpoſten, die ſich ihrerjeit3 durch
vorgejhobene Doppelpoiten (bei der Kavallerie
Vedetten) und el fibern.
Zur unmittelbaren Sicherung des ruhenden Teils
der Feldwache wird ein Schnarrpoſten oder aud
ein ‘ een aufgeftellt. Infanteriefeldwachen
ben die Stärle eines halben oder ganzen Zug;
alleriefeldwachen die Stärle eines Zugs.
Feldwachtmeifter, der frühere Titel des Ma-
jorö der Neiterei, der dann aud auf die gleiche
Eharge bei der Infanterie übertragen und jpäter
in Oberſtwachtmeiſter abgeändert murde, welche
Bezeihnung noch in einzelnen Armeen bei der An:
rede des Majors üblich iſt.
Feldwebel, früber Feldwaibel, bei der Kaval-
lerie und Feldartillerie Wacht meiſter, ift der erfte
Unteroffizier einer Compagnie, Esladron oder Bat:
terie, Bei den Landsknechien des 16. Jahrh. findet
in diefer Name zuerjt, vom altveutfchen «weibeln»,
haften, thätig fein. Der F. hatte damals für die
taktiihe Ordnung und Ausbildung der Mannſchaft
in ber Fahne (Compagnie) zu forgen und war mit
bejonderer Autorität bekleidet; jet bat er den innern
Dienft nad den Befehlen des Hauptmann zu fom-
manbieren, diejem alle Meldungen, Geſuche u. |. w.
der Unteroffiziere und Mannſchaften, ſoweit fie nicht
unmittelbar dem Hauptmann zugeben, zu übermit:
teln, die Ordnung zu überwaden, die Compagnie
— Dienſte oder Appell antreten zu laſſen, zum
rerzieren abzuteilen, die Löhnung auszuzablen,
den größten Zeil der fchriftlihen Arbeiten zu fer:
tigen und-die Dienftbücher zu —— — Der F.
trãgt das Offi — —— ortepee. Durch
eine zweite (male) refje am Unterarm unter:
ſcheidet fich feine Uniform von der des Bicefeld:
webels (j. d.) oder Vicewachtmeiſters.
Feldwebellentnant, ein in der deutſchen Ar:
mee 1877 eingeführter Dienftgrad, der nur bei dem
Beſatzungsheer vorlommt. Zu F. können genen
erfahrene inaktive Unteroffiziere, die nicht mebr
dienſtpflichtig find, unter J—— Bedingungen
ernannt werden. Sie erhalten lein Offizierspatent,
tragen, wenn ſie zum Dienſte einberufen werden, die
Feldwebelabzeichen mit den Achſelſtücken eines Offi⸗
ziers, das Seitengewehr am Bandelier und thun bei
den Truppenteilen des a er Offiziers⸗
dienſte. Auch die aus civilverſorgungsberechtigten
Unteroffizieren hervorgegangenen Hausverwalter
der Kadeltenanſtalten werden meiſt zu F. ernannt.
eldwefpe, j. Faltenweſpen.
eldzeichen, beim Militär im allgemeinen
äußere Zeichen, durch die ih Truppen eines Staates
— Feldzug
von fremden unterfheiden, insbeſondere die dab
nen (j. d.), Standarten, Schärpen, Feldbinden,
Degenquaiten (Bortepees), Nationales oder Kolar:
den ander Kopfbededung. ur Kenntlichmachung der
Verbündeten verfhiedener Staaten werden vielfach
Armbinden als F. gebraudt (j. Feldbinde).
Feldzeugmeifter, zur Zeit der Landsknechts-
eere der oberite Berebläbaber der Artillerie.
ächſt dem Feldhauptmann und dem Feldmarſchall
war er der höchſte Offizier des Heerd. Unter dem
«Zeug» verftand man nämlich beim Heere, ebe ein
förmliches Artillerieforps organijiert wurde, das
Geſchüt mit feinem —— Material, das von
Buchſenmachern (Ronkab ern) und deren Hand:
langern nad einem —— Vertrag mit dem
Kriegäherrn bedient wurde. Dieſes Zeug oder Ge
zeug ſtand unter einem Generalfeldgeugmei:
ter. Bei den Franzoſen hieß er Grand maitre
d’artillerie, welcher Titel ſchon vor Einführung der
—— alſo auf die frühern Kriegsmaſchinen
ezüglich, unter Philipp VI. (1828—50) vortommt.
— In Preußen wurde 1898 an Stelle des Waffen:
departement3 des Kriegsminiſteriums eine Feld:
nemeibunt geihaffen, an deren Spitze ein 5.
itebt. Er befleivet ven Rang eines Divifionscom:
mandeurs und bat für Beibafung, Anfertigung und
Verwaltung der Streitmittel und des Feldgeräts
fowie für das hierbei verwendete Perjonal zu for:
— —6 für die Feldzeugmeiſterei vom
22. März 1906.) In Bayern ijt die Inſpektion der
techniſchen Inſtitute 1906 durd eine Feldzeug-
meijterei erjeßt worden. Sachſen bat eine Zeug:
meifterei mit einem Generalmajor (Dberzeug:
meijter) an der Spige. Ein Generalfeldyeugmeifter
ift gegenwärtig nicht vorhanden; der Rang eines
ſolchen iſt gleih dem des Generalfeldmarſchalls.
Er trägt als Abzeichen auf den Achſelſtücken (Epau:
letten) der Generalduniform zwei gekreuzte Kano⸗
nenrobre. Die Würde des Generalfeldgeugmeiiters
ift zumeilen an königl. Brinzen ne worden.
— In Öfterreid: ago ift der Dienftgrad
eines F. (abgekürzt FZM.) der zweithöchſte Ge
neraldrang, die Stildenufe zwiſchen Feldmar⸗
ſchallleutnant und Feldmarſchall (f. d.) für die aus
der — und Artillerie hervorgegangenen
Generale, entſprechend dem deutſchen General der
Infanterie und dem der Artillerie, während die aus
der Kavallerie hervorgegangenen Generale den Titel
General der Kavallerie erhalten. Die F. bab
dementfprebend das Prädikat Ercellenz.
eldzeugmeifterei, |. Feldzeugmeiſter.
eldzirfel, Dreblatte, eine bejondere Art
der Meßlatte, beitebt aus einer leichten, meijt 3 m
langen Holzlatte, die in der Mitte mit einem Griff,
an jedem Ende mit einer jentrecht zur Latte fteben:
den, etwa 30 cm langen eijernen Spiße verjeben ift.
Beim Gebraud wird der F. längs einer ausge
ipannten Schnur um die eine feiner Spiken, die in
den Boden geſtoßen ift, umgeſchlagen wie ein ge
wöhnlicher Zirlel auf dem ier. Die ——
geht mit dem F. raſch von ſtatten und liefert ebenſo
genaue Reſultate wie die Kettenmeſſung.
Feldzug, Campagne, im mweitern Sinne die
gejamte Thätigleit der Truppen im Kriege; im
engern Sinne ein größerer ſelbſtändiger Abſchnitt
eines Gefamtlrieges. Bei Kriegen von längerer
Dauer jpridt man von den Feldzügen der einzelnen
Jahre (im Siebenjäbrigen Kriege der X. 1756, 1747
u. ſ. w.), weil die ——— Kriegshandlungen
Felegyhaza — Felix (Päpfte,
meift durch die Winterzeit unterbrochen wurden,
beſonders dur Beziehen ber Winterquartiere
feitend der beiderjeitigen Heere. In den neuern
Kriegen werden die Operationen auch während des
Winters fortgejegt. Beifpiele ſolcher Winterfeld:
süge: 1814 in Frankreich, 1848/49 in Ungarn,
1870771 in Frankreich, 1877 im Baltan.
elegyhäza, Bin RAN Bilseaydle (pr.
jeblepjbabia), Stadt mit georbnetem Magiſtrat
im fomitat Beit: Bilis-Solt: Kleintumanien —*
mals Vorort des 1876 — freien Diftri ts
Kleinlumanien, an den Linien Budapeſt-Szege⸗
din, 5.:His-Kun:Majja (26 km), 5.:Szolnot (66 km)
und F.⸗Cſongräd (25 km) der Ungar. Staats:
babnen, hat (1900) 33081 meift fath. magyar. E.,
ſchoͤne neue Kirche, fath. Kommunal: Untergymnas
fium, Staats-Lehrerſeminar; Getreide-, Dbjt-,
Zabal» und Weinbau, Viehzucht und große Vieh:
märfte. Die von den Türten gänzlich zerſtörte Stadt
wurde erft im 18. Jahrh. wieder befiedelt.
Felgen, die Holzitüde, aus denen der Kranz
eined Wagenrades beiteht. Sie erhalten ihre frumme
Geſtalt entweder dur Buslagen, Behauen mit dem
delgenbeil (f. d.) oder durch Biegen.
Igen, im Aderbau foviel wie das Brachjeld
umpflügen oder die Stoppeln umbrechen.
eigenbeil, ein Beil für Wagner, dient zum
Bebauen der Felgen (f. d.); es bejigt eine doppelt
jugeihärfte, 150—170 mm lange Schneide und
einen 370 mm langen Stiel.
Felgpflug, Bezeichnung des Jäte- oder Had:
pflugs, in einzelnen Gegenden auc des Eritirpa:
tord . Grubber).
Fölibre (pr. felibbr; provengal. Felibrige, das:
jelbe wie das ſpan. Feligres, Bfarrkind, Einwohner
eined lirchipield, aus dem lat. filius ecclesiae),
der Name, den ſich die neuprovengal. Dichter und
deren Genoſſenſchaften 1854 auf Antrag Frederic
Mijtrals (f. d.) beilegten. Die erjten, die unter
diefem Namen den erjten «Armana prouvengau»
(1855) berausgaben, waren: Th. Aubanel,%.Brunet,
A. Mathieu, 3. Noumanille, A. Tavan, P. Giera
und 5. Miitral. 1876 wurde eine Academia feli:
brenca für die Provence, für Languedoc und Cata⸗
lonien gegründet, bei deren jährli im Mai ab»
baltenen —————— lumen und ſonſtige
reife in Silber und Gold erteilt werben. Die
terejien der Bewegung vertreten befonders die
«Revue du Lyonnais» (feit 1881) und die mehr ge:
lehrte «Revue des langues romanes» (Montpell.
1870fg.). Miftral veröffentlichte ein großes Wörter:
buh: «Tresor dou Felibrige» (2 Bde., Niren:
Provence 1879—86), Koſchwitß eine «Grammaire
historique de la langue des Felibres» (Greifswald
1894). — Bol. Saint:Rene Taillandier, La re-
naissance de la po6sie provengale (in den «Etudes
litt&raires» , Bar. 1881); Böhmer, Die provencal.
Boefie der Gegenwart (Halle 1870); Koſchwitz, Über
die provengal. Feliber (Berl. 1894); Jourdanne,
Histoire du Felibrige (Apignon 1897).
lieia, Rame des 294. Planetoiden.
licitas, allegorijhe Göttin der Glüdjeligteit,
wurde in Rom jeit Zucullus und Sulla in mebrern
—— verehrt. Ihr Bild erſcheint häufig auf
den Münzen der Kaiſer, zum Teil mit ſpecieller Be:
ziehung auf das Glüd des Herrihers (Felicitas
Augusti) oder ber Zeit (Felicitas saeculi). Ihre
Attribute find Heroldsitab und Füllhorn oder Öl:
zweig. — F. ift auch der Name des 109. Blanetoiden.
541
Felicitas, Name zweier Märtyrerinnen ber
eriten — Die eine von ihnen tft hiſto—
riſch; fie war eine Sklavin und wurde unter Sep:
timius Severus mit ihrer Herrin Berpetua in
erpetuae et
Karthago bingeridhtet. Die «Acta
Felicitatis» End eine der berübhmteften altchriftl.
Schriften, unbezweifelt echt und neuerdings Genen:
urn interefjanter Unterfuchungen geworden. Bal.
endbel: Harria und Gifford, The acts of tlıe
martyrdom of Perpetua and F. (Lond. 1890);
Armitage Robinfon, The passion of Perpetua
(Cambr. 1891). — Die zweite F. ift fagenhalt, fie
ſoll mit fieben Söhnen bereits im 2. Jahrh. bins
gerichtet fein, ijt aber dad Erzeugnis jpäterer Le:
——— die Alten eine Erdichtung etwa des
6. Jahrh. — Vol. Führer, Ein Beitrag zur Loſung
ber Felicitasfrage (Tpz. 1890); derf., Zur Felicitas:
frage (ebd. 1894). s
Felicitas Julla, röm. NRamevon Piffabon(f.d.).
Felicitieren (frz.), beglüdwünfden; pour feli-
eiter (fpr. pur felißiteh), auf Vijitenfarten (gewöhn⸗
ae efürzt p. f.), um Glüd zu wünfchen.
„ſ. Rapen.
elinus, Aretius, ſ. Bucer, Martin.
elipe, San, Städte, |. San Felipe.
elis (lat.), die Rage; F. concölor, f. Buma; F.
leo, der Löwe (f. d. nebft Tafel: Afrikaniſcher
Löme); F.leopardus, f. Leopard; F.pardälis, ſ. Oze⸗
lot; F. tigris, der Tiger ie nebit Tafel: Rd»
nigätiger). an Feliu de Guirols,
Belt de Guixols, San, fpan. Hafenftabt, f.
elix (lat.), glüdlih; felix Austria, glüdliches
Sfterreih, namentlih in dem Hexameter: Bella
gerant alii! tu, felix Austria, nube (f. d.).
Bee Santt, Borftabt von Cadoeira.
elig, Antonius Claudius, röm. Brokurator
über Paläftina, Freigelafiener des Kaiſers Claw
dius, wurde 52 n. Ehr. von diefem eingejekt, hatte
aber faſt ununterbroden Aufftände zu betämpfen,
befonders den eines ägypt. Juden, der mit einer
roßen Schar von Anhängern aus der Wüſte vor
Seren gezogen war. Den jüd. Hobenprieiter
onathan ließ er ermorden. Bon ibm wurde aud
der Apojtel Paulus zwei Jahre in —— — zu
Cãſarea gehalten. Als die Streitigleiten zwiſchen
den jüd. und tr Bewohnern Cäſareas um das
Bürgerrecht daſelbſt in Straßentampf ausgebrochen
und 5. gegen die Juden militäriih eingeichritten
war, wurde er durch die Juden Cäſareas bei Nero
verklagt, zwar auf die Fürſprache feines Bruders
Pallas, eines Bünftlings des Kaiſers, freigefpro:
chen, jedoch 60 (oder 61) abberufen.
elig, der Heilige, mit feiner Schweiter Re:
gula Märtyrer und Schußheilige der Stadt Zürich
und ihrer beiden Munſter. Die ältern Berichte er:
zäblen nur, daß fie am Ausfluß der Limmat aus
dem Züricher See unter Decius den Tod erlitten und
Engel ihre Leihen bis auf den Münjterplag trugen.
Nach der jpätern Sage gebörten fie zur Thebäiſchen
Legion (f. d.) und wurde ihnen als dritter Heiliger
ein Erjuperantius (Unterbefeblöhaber jener Legion)
beigegeben; doc iſt der Gedächtnistag der er
der 22. Sept., der des F. ber 11. Sept. — Bal.
Lütolf, Glaubensboten der Schweiz (Luz. 1871).
lig, Name von fünf Päpften:
.L, röm. Bifhof 269—274, beteiligte ſich am
Streite gegen Paulus (f. d.) von Samojata. Daf
er (unter Kaifer Aurelianus) Märtyrer geworden
fei, ift unbeglaubigte Tradition.
542
. U. wurde nad) der Verbannung des Liberius
( .) 355 zum röm. Bifchof — Nach deſſen
üdberufung wurde F. vom Volle vertrieben (358),
behauptete ſich aber in der von ihm erbauten Baſi—
lita an der aureliſchen Straße und jtarb erjt 22. Nov.
865. Er wurde 1582 von Gregor XII. beilig ge
ſprochen. Tag: 29. Juli. j
5. II. (483—492), ein Römer, that auf einer
Spmode zu Rom 484 den Batriarhen von Kon:
——— Acacius in den Bann, weil dieſer dem
aiſer Zeno geraten hatte, zur Gewinnung der
Monopbofiten das Henotilon (f. d.) zu erlaflen.
Acacius antwortete mit dem Bannfluh gegen F.,
und jo entitand das erjte Schisma zwiſchen Morgen:
und Abendland, das bis 519 dauerte.
5. IV. (526—580), aus Benevent gebürtig, wurde
dur den ojtgot., arianishen König Theodorich
d. Gr. auf den päpftl. Stuhl erhoben, der . für
bie Folgezeit dem Klerus und Volt das alte Wahl:
recht zujicherte und den Fürften nur das Bejtäti:
gungsrecht vorbebielt.
8. V., früher Herzog Amadeus VIL. (f. d.)
von Savoyen, übergab 1433 jeinem Sohn Lu:
dovico die Regierung feines Landes und zog ſich
mit einigen Genofien nah Ripaille am Genfer See
urüd, wo fie nad) den Sagungen des ritterlihen
emitenordens des heil. Mauritius lebten. Als
das Bafeler Konzil Eugen IV. abgejept hatte, wußte
er feine eigene Wahl zu veranlajjen, die 5. Nov,
1439 erfolgte und 5. Yan. 1440 angenommen
ward, worauf er fi F. nannte. Als es Nitolaus V.
gelang, mit den meilten weltlichen Mächten ſich
zu vergleichen, mußte 5. 1449 abdanlen. Er erhielt
den Titel eines Kardinals von San Sabina, die
Würde eines päpitl. Generalvilars für Savoyen,
Bajel u. ſ. w., zog ſich in die Einſiedelei nad Ri:
paille zurüd und jtarb 7. Jan. 1451 zu Genf.
Felix, Biſchof von Urgellis, geft. 818, |. Adop⸗
tianismus,
‚Selig von Valois (Felir Balefius), ein
Einfiedler in einem Walde der Didcefe Meaur, be:
gründete mit Johann von Matha 1198 den Trini:
tarierorben (ij. d.). Gebädtnistag: 20. Nov.
Belig, Eugen, Maler, ge: 27. April 1836 in
Wien, bildete ſich auf der Akademie daſelbſt unter
Walpmüller und ging dann nah Paris. Später
unternabm er Reiſen burh Europa und ließ fich
1868 dauernd in Wien nieder; er ftarb daſ. 21. Aug.
1906. Auf der Wiener Weltausitellung 1873 trat
er mit zwei Gemälden: Träumende Bachantin und
Der erite Freund (beide vom J. 1869), hervor, von
denen das legtere für die kaiferl. Galerie erworben
wurde, 1876 mit Pan und Bachantinnen, 1882
mit einer Leda. In lester Zeit hatte er ſich der
Borträtmalerei gewidmet.
Feligdorf, Dorf in der öfterr. Bezirklshaupt⸗
mannſchaft und dem Bezirtögeriht MWiener-Neu:
ftabt in Niederdjterreih (f. Karte: Wien und
umgebung), an der Linie MWien:Trieft der Oſterr.
Süpbahn und Wien: Wiener: Neuftabt:Afjpang der
Wien : Aipang » Eifenbabn, bat (1900) 2568 €E.;
wei Baummollfpinnereien, Baummollweberei mit
pretur und Bleicherei und eine Bulverfabril, die
größte des Landes. 6 km entfernt Blumau mit
einer ärariihen Fabrik für rauchſchwaches Pulver.
F. wurde erſt 1823 gegründet.
elix⸗Rachel, er . Schaufpielerin, ſ. Rachel.
elta (Bolt), Groß:Gemeinde im Stublbezirt
Tatra des ungar. Nomitats Zips, links von der zum
Felix (Biſchof) — FFelleifen
Popräd gehenden F., an den Linien Kafcbau:Ruttla,
F.Podolien (31 km) und F.Szepes-Bela-Barlan—
ghiget (23 km) der Kafhau:Dderberger und an der
atra⸗ Lomnitzer Eijenbahn (Station Bopraäd-F.),
bat (1900) 1120 meijt deutiche evang. E. Leinenwebe⸗
rei, Branntweinbrennerei, Bapiermüble und Land⸗
wirtſchaft und wird als Eimatifher Kurort und
Sommerfrijche befucht. Im Felkathale, in 1641 m
öbe, der grüne, von dem Felkabach durchſtrömte
eltafee (Felter See, 1, ha aroß, bis 50 m
tief). Oberbalb desfelben an der Granatenwand
gelangt man zum Felker Lanajee (1931 m),
unterbalb des Polniſchen Kamms (2196 m).
Fell, |. Häute, Lederfabritation und Pelzwert
—— die Einzelartilel Bärenfelle, Kalbfelle art
elle u. ſ. w.; in ver Spinnerei foviel wie Blie$ (j.d.).
Fellah oder Felläch («Bauer», vom arab.
falaha, pflügen), die aderbautreibende Bevölle:
rung in Ügupten, macht etwa brei Viertel der Ge:
app aus. Der F. ift der direlte Na:
omme bed alten Ägypters, von dem er fich neben
unmejentlihen tinderungen im leiblihen Typus
bloß durch Sprade und Religion unterſcheidet. Er
nämlich feit der Eroberung Ügyptens durd die
raber nach und nad feine Sprade (das Koptiiche)
ganz aufgegeben und famt ber Religion (dem Jslam)
die Sprade feines Herrn, das Arabifche, angenom:
men, das er zu einem eigenen Dialelt (dem ägppt.
Dialekt des Bulgärarabifchen) entwidelte. Der Hör:
perbau des F. ijt —** derb, muskulds. Der Schä⸗
del iſt ſchmal, oval, das Geſicht breit und rund;
die Körpergröße liegt zwiſchen 1,60 und 1,g m. Die
Ertremitäten find kräftig, namentlich die Füße, indes
obne jo —— Waden wie bei Europäern.
Die Hautfarbe iſt hellrötlich:gelbbraun wie friſch ge:
— Sohlleder oder Milchlaffee bis dunlelbraun.
ie Frauen zeichnen ſich meiſt durch ſchlanken
Wuchs und ſtattliche — überhaupt durch
einen edlern Typus aus. Die Tracht iſt: im Som:
mer ein blaues oder weihed Hemd aus Kattun,
um bie Mitte mit einem Gürtel jufammengebun:
den, eine kurze Hofe und eine weiße oder dunlle
ilzlappe als Kopfbededung; im Winter wirb ein
tantel oder eine Dede aus grober Wolle darüber
angelegt. Die Weiber tragen ein etwas längeres
Baummollbemd und meijtens einen ſchwarzen diden
—— der nur die Augen freiläßt, während
in vielen Gegenden die Frauen unverſchleiert geben.
Als Shmud find Armbänder, Obrringe, feltener
Nafenringe und Fußbänder aus Glas, Silber over
Kupfer beliebt. Stets findet man aud blaue Tätto⸗
wierungen aufdem flinn, den Armen und der Bruit.
Die F. wohnen in großen Dörfern in niedern, mit
flaben Terraſſen bededten Hütten aus Luftziegeln.
* Fellata, Voll in —— j. Fulbe.
ellbach, Markt im Oberamt Cannſtatt des
württemb. Neckarkreiſes, 5 km oͤſtlich von Cannſtatt,
am Fuße des Kapellberges und an den Linien Stutt:
art-Nördlingen und Stuttgart: Badnang: Erails:
ai der Württemb. Staatäbabnen, bat (1905)
4999 E., darunter 79 Katholilen, gr tapb,
Dienftbotenaiyl; Thonmwarenfabrit, Ader-und Bein:
bau und Weinhandel.
elleifen (frz. valise), eine Art Neifefad zum
Aufbewahren von Kleidern, Wäſche u. ſ. m. auf
ver Reife; bei der alten Fahrpoſt der Behälter
m Briefe und Balete (Bojtfelleijen). Das
erübmtejte F. diefer Art ift La valise (oder la
malle) des Iudes, d. h. die zwiſchen London und
Fellenberg — Fellow
Bombay : Kalkutta auszuwechſelnde ind. Briefpoit.
(S. Überlandpoft. j“
Fellenberg, Phil. Emanuel von, ein um Schule,
Landwirtſchaft und Gemeinwohl vielfach verdienter
Mann, geb. 27. Juni 1771 zu Bern, ftudierte jeit
1789 in Tübingen die Rechte, ging 1795 nad) Paris
und übernahm bei der 1798 in Bern ausgebrochenen
Kevolution das Amt eines DQuartierfommandanten
der obern Diftrikte des Kantons. 1799 taufte er das
Gut von Hofwyl in der Näbe Bernd und veranlaßte
Beitalozzi, feine Schule von Burgdorf nah dem
Schlojie Buchjee, ganz in der Nähe von Hofwyl, zu
verlegen. Allein ihre durchaus verfchiedenen Eharal:
tere ließen es zu feiner Einigung kommen, jo daß
Fehalogi ſich nad NYverdon im Kanton Waadt be:
gab. F. jete Dagegen mit Eifer feine Beftrebungen
jort, durch neue Einrihtungen den Ertrag feiner
Bejipung zu heben und ſowohl durch fein Beifpiel wie
durd die Herausgabe landwirtſchaftlicher Schriften
gemeinnüßig zu wirken. Auch gründete er ein In⸗
itut für verlaffene Kinder, an welhem Joh. Jalob
Bebrli (ſ. d.) 20 Nabre wirkte, ein Lehrerſeminar,
eine landwirtſchaftliche Lehranſtalt, wozu die Berner
Regierung das Schloß Buchfee einräumte, eine Er:
ebungsanftalt für Kinder höherer Stände (1808),
eine Nealihule (1830) und eine Kleinkinderſchule.
1820 wurde er in den Großen Nat feines Kantons,
1833 zum Landammann von Bern gewählt, welches
Amt er jedoch 1834 niederlegte. Er ftarb 21. Nov.
1844. Die Anftalten zu Hofwyl wurden eine Zeit
lang von einem feiner Söhne, Wilhelm von F.
(geit. 1880), fortgeführt, dann gänzlidy aufgegeben.
— Bol. Hamm, 55.8 Leben und Wirten (Bern 1845);
Schöni, Der Stifter von Hofwyl. Leben und Wir:
len 5.3 (Schaffh. 1874); Wiget, Das pädagog.
Leben in Hofwyl (im «Jahrbuch des Vereins für
wi tlihe Pädagogik, Bd. 11, 12 u. 14).
(ipr. felltäng), Hauptort des Kantons
im Arrondijjement Aubuſſon des franz. Depart.
teufe, auf einem 582 m hohen Berge rechtö von der
Ereufe, an der Linie Bufleau d'Ahun⸗F. (36 km) der
tanz. Orleansbahn, bat (1901) 2690, ald Gemeinde
3206 E,, Teppichfabrifation und Bapiermüblen.
ammer, Dorf im Kreis Waldenburg des
vreuß. Reg.:Bez. Breslau, an den Linien Breslau:
Halbitadt und Görlig: Hirfchberg :Niederfalzbrunn
der Preuß. ——— hatte 1900: 4890 E.,
darunter 1987 Katholiken, 1905: 6340 E., Poſt
und Telegrapb.
Fellin. 1) Kreis im nördl, Teil des ruſſ. Gou:
dernements Livland, eine fruchtbare, maldreiche
Niederung, die fih nad ©. zu hebt, mit vielen Seen,
darunter dem Een im D. hat 4569,5 qkm,
7688 E. Gzß ausſchließlich Eit en), Getreibe:,
achsbau, Viehzucht, Branntweinbrennerei und
ierbrauerei. — 2) Kreisftadt im Kreis F., in
120m Seehöhe, am Fuße des Schloßberges (mit
Auine eines alten Ordensſchloſſes), am Felliner
See und an der Zufuhrbahn Moifeküll: Reval
(Hafen), hat (1897) 7659 E., meift Deutfche und
ben, zwei evang. (eine —— eine eſthniſche),
eine ruſſ. Kirche, ein Fräuleinſtift (gegründet
1797 von Paul L), eine Litterariſche Geſellſchaft
mit Provinzialmuſeum und großen ferdemarlt am
15.8.) Febr. — Bal. Holjt, Die Entwidlung der
Stadt F. und ihrer Berfafjung _ 1864).
Be Stadt in der engl. Grafihaft Durham,
im SD. von Newcaitle, an der Nordofteifenbahn,
unfern des großartigen Viadults über den Tyne,
53
0
543
bat (1901) 22467 E., Glasinduftrie, em. Fabri⸗
ten, befonders für Farben. &
ellitin, ſ. Geheimmittel.
elimafı ine, Belztrempel, in der Streich⸗
garnſpinnerei eine Bezeichnung für die zweite Krem⸗
pel, welche die Wolle in Form einer breiten pelz:
artigen Fläche empfängt. ü
‚ Fellner, Ferdinand, Maler, geb. 12. Mai 1799
in Frankfurt a. M., at ın Heidelberg und.
Göttingen dic Rechtswiſſenſchaft, ward 1825 Advo⸗
fat in jeiner Vaterſtadt, ging aber dann zur Kunft
über und bildete fih 1825—31 auf der Alademie
in Münden. Später ließ er in Stuttgart nie:
der, wo er 4. Sept. 1859 ftarb. F. war einer der
eriten, welche auf die archäologiſche und Koftüm:
richtigleit in feinen Darftellungen wieder den ge:
börigen Wert legten, und blieb dadurd nicht
obne Einfluß auf die Mündener Schule. Für den
Nömerfaal in Frankfurt a. M. malte er die Kaiſer
Konrad IL. und Friedrich den Schönen; ferner
ihuf er Madonnenbilder; aud war er ald Illu⸗
itrator thätig (12 Federzeichnungen zu den «Gier
ben Schwaben»).
Fellner, Ferdinand, Baumeifter, geb. 19. April
1847 zu Wien, bildete ſich bei feinem Vater, dem
Arcitelten Ferdinand F. (1815—71), aus und bes
gann 1871 eine felbftändige Bautbätigleit; 1873
vereinigte er fi mit Hermann Helmer, worauf
beide ſich vorzugsweiſe ald Theaterbaumeifter ber:
vortbaten. Nach ihren Plänen entftanden die ter
N Temesvär (1872), Wien (Stadttheater 1872,
oltstbeater 1889), Budapeft (Voltötbeater 1874,
Luftipieltheater 1896), —* Stadttheater
1876), Brunn (1881), Reichenberg (1881), Szegedin,
Preßburg und Karlsbad (1882), Ddeſſa und
(1883), Prag (Deutſches Theater 1886), Zürich
Stadttheater 1890), Berlin (Theater Unter den
inden 1892), Wiesbaden (1894; f. Tafel: Thea:
ter IL, Fig. % Graz (Stadttheater 1899), Hambur
(Deutihes Schaufpielhaus 1900), Fürth (1902
u.a. Außerdem bauten %. und Helmer die Stern:
warte in Wien, die Sprubdeltolonnade ſowie das
Raiferbad (1895) in Karlsbad, die Schlöffer Hapfelb,
Mauerbah, Tülbing, Nagy Kärolyi, das Valais
Sanctoronfli in Wien, das des Grafen Kärolyi in
Budapeſt und andere Bauten, zumeift in den jpd-
tern Renaiſſanceformen der Wiener Schule, in
neuerer Zeit aber vielfach in bald Eräftigem, bald
zierlihem Barod. F. zum Baurat ernannt, gilt
zur Zeit für einen der erſten Theaterbaumeifter.
Fellow (engl., fpr. jellob), Gejelle, Genoſſe,
Mitglied, ein Ausprud, der hauptſächlich für die
hödjitberechtigten Mitglieder gelehrter Körperſchaf⸗
ten in England angewandt wirb, bie Fellows ber
—— in Oxford und Cambridge, welche unter
der Oberleitung des Head (Master, Warden, Presi-
dent u. . w.) die Angelegenheiten des Eollege ver:
walten und einen Zeil der aus dem Stiftungäver:
mögen bemjelben zufallenden Einkünfte beziehen
(regelmäßig 2— 300 Pfd. St. für den einzelnen
F.). Die Zahl der Fellows in einem Gollege beträgt
in der Regel 10— 20, felten mehr. Nach dem frübern
Syſtem wurbendie Fellowships meiftend auf Lebens:
eit verlieben, erlojhen aber, wenn der F. ſich ver:
—— Jetzt werben die Fellows in der Regel auf
eine beftimmte Reihe von Jahren ernannt, kön:
nen aber nah Ablauf der Zeit im Amte bleiben,
wenn fie als Tutors oder Lecturers im College
tbätig find. Auch giebt e8 eine Anzabl von Bro»
544
feffuren an den Univerfitäten, mit welchen eine
Fellowsliip in einem Gollege vertnüpft ift. Der
Name des Eollege wird dann in der Regel in den
Titel des betreffenden Profefjors eingefügt (fo iſt
en Mertou Professor of English Language der
itel de& Profeſſors der Geſchichte, der zugleich ex
officio F. vom Merton College in Orford ijt). Die
Fellows eines Eollege wählen meijteng bei einer ein:
.tretenden Balanz; den lead. Bei der Univerfität
von London wird der Titel F. den Mitgliedern des
Rollegiums gegeben, welches unter der Bezeichnung
«Senate» die Grelutivbehörde der Univerfität ift.
Die Fellows des College of Physicians (f, College)
ſind konjultierende Arzte, weldye die höchſte Stufe
Ihres Berufs erreicht nn und fih gemifjen Be:
Ihräntungen in Ausübung desfelben unterwerfen
müjjen; fie dürfen 4. B. ihr Honorar nicht ein:
Magen und fein Honorar annehmen, das nicht
einen gewijjen Minimalſatz erreicht.
Der Titel F., der von wiſſenſchaftlichen Vereinen
den Mitgliedern erteilt wird, wird häufig als ein
wertvolles Prädikat angeſehen; namentlich gilt dies
von der Royal Society (j. Alademien), der erjten
wiſſenſchaftlichen Geſellſchaft in England, deren
ers zur Führung der Initialen F. R. S.
binter dem Namen berechtigt. Da es aber Gefell-
alten giebt, die den Titel jedem beliebigen Sub:
tribenten gewähren, kann man aus der Führung
besjelben nicht ohne weiteres fließen, daß der
Inhaber von der betreffenden Wiſſenſchaft mehr
als den Namen kennt.
Üver die als Fellows bezeichneten Mitglieder
des Kollegiums, welches Oberaufſichtsbehörde der
Schule von Eton iſt, ſ. Eton.
eſlowo (pr. fellohs), Sir Charles, engl. Alter:
tumsforſcher, geb. 1799 in Nottingham, durch⸗
wanderte ſeit 1832 Italien, Griechenland und die
Levante und entdedte die Ruinen von Tanthus,
der alten Hauptſtadt Lyciens. 1839 bereiſte F. mit
Georg Scharf Lycien noch einmal und —28 die
Ruinen von 13 andern Städten mit zahlreichen an⸗
tifen Reſten. Seine archäologiſchen und natur:
wiſſenſchaftlichen Sammlungen aus Lycien jchentte
er dem Britiihen Mufeum. Die engl. Regierung
verlieh ihm 1845 die Ritterwürbe. Er ftarb 8. Nov.
1860 in Nottingham. Die Nefultate feiner Ent:
dedungen veröffentlichte F. in: «A journal written
during an excursion in Asia Minor» (1839), «An
account of discoveries in Lycia» (1841; deutſch
von J. T. Zenter, Lpz. 1853), «The Xanthian Mar-
bles, their acquisition and transmission to Eng-
land» (1843), «The inscribed monuments at Xan-
thus» (1843), «Travels and researches in Asia
Minor» (1852), «Lycia, Caria and Lydia, illustrated
by G. Scharf» (1847), «An account of the Ionic
trophy monument excavated at Xanthus» (1848),
«Coins of ancient Lycia before the reign of Alex-
ander, with an essay on the relative dates of the
Lyciau monuments in the British Museum» (1855).
Fellowship (engl., ſpr. fellohſchipp, «Genoſſen⸗
ſchafto), Stelle eines Fellow (ſ. d.).
Fells, die meiſt von Schafen beweideten Hoc:
ebenen Nordenglands.
ellihes Eyftem, ſ. Bergbahnen.
elönie, Lehnsfehler, ein Wort felt. Ur:
ſprungs (ein iriſches Wort feall bedeutet betrügen,
täufchen und hängt wobl mit dem lat. fallere zu:
fammen), das die Verlegung der Lebnstreue nn
von feiten des Lehnsherrn gegen den Bafallen ala
Fellows — Felsberg
von dieſem gegen jenen bezeichnet. F. des Lehns-
berrn gegen ven Belehnten oder Bajallen wird be
gangen durch alle Handlungen gegen Leben, Ehre,
ejundheit und Bermögen bdesjelben; von dem
Vafallen gegen den —— durch Verweigerung
des Lehnseides oder der Lehnsdienſte, Ableugnung
des Lehnsverbandes, Verlaſſung des Lehnsherrn in
Gefahren, Bündnis mit deſſen Feinden, Verrat, An:
Hage, Offenbarung der —— desſelben und
Nacftellungen nad feinem eben; ferner durch grobe
Beleidigung der —— und Familie des Lehnsberrn,
auch unkeuſchen ——— deſſen Frau, Tochter
oder Schweſter. An dem Lehnsherrn wird die F. mit
Verluft der Lehnäherrlichkeit, bei dem Vaſallen mit
dem des Lehns —5 Die F. wirkt regelmäßig
nur gegen den Vaſallen und feine Deſcendenz, nicht
gegen die Agnaten. Der Vaſall verliert fein Recht
aud wegen Quafifelonie. Darunter verjtebt man
den Verwandtenmord, Verrat an Mitvafallen und
alle ehrlos machenden Verbrechen. vildiich wird das
Wort F. wohl auch von Verlehungen ähnlicher Ver:
haͤltniſſe gebraucht, die ohne eine perjönliche Ber:
trauenswürbdigfeit nicht beftehen können. Über die
Abſchwächung der Lebnstreue y Preuß. Alla.
Sandr. I, 18, 88. 143 — 165; Bayr. Lebnsevitt
von 1808, $$. 80, 188; Bad. Edikt vom 12. Aug.
1807, $. 24.
Im engl. Rechte beißt Felony ein Verbrechen,
das früher Konfiskation des ganzen Vermögens
nad) ſich 30g und bis 1836 den Angellagten der Be:
fugnis beraubte, fi eines Rechtsbeiſtandes (coun-
sel) zu bedienen. Da Einziehung des Vermögens
bei allen Kapitalverbrechen eintrat, jo verftebt man
weiter unter Felony jedes mit ſchweren Strafen,
wie Tod, Transportation, bedrohte Verbrechen, das
Hi alö Treason, Berrat, erfcheint, wie 3. B. Münz:
fälihung, Tötung, Branpdftiftung. Den Felonies
werden bie Misdemeanors als leichtere, nur mit
Geld: oder Befängnisftrafen beprobte Bergeben ent:
gegengejest. Als Felony gilt auch noch nad beu:
tigem Recht in England der Selbjtmord (felo-de-se).
egen der Härte des Geſeßes nimmt die Coroner’s
Jury allgemein Irrſinn des Thäters an.
eipel, Felper, j. Felbel.
els, maroft. Geldgröße, ſ. Udia.
eldarten, ſ. Geſteine.
elsberg, Gipfel des Odenwaldes, öftlih vom
Melibocus (}. d.), in der heſſ. Provinz Startenburg,
bat 517 m Höbe und befteht aus Spyenit. Merl:
würdig ift die ungeheure Menge riefiger Blöde, die
am Abhange loje und bloß lagern, das jog. Felſen⸗
meer (300 m lang, 120 m breit). — Bal. Slorihüs,
Der z.und feineröm.Steinbrüde(Zwingeberg1893).
— ** Stadt im Kreis Melfungen des
preuß. Reg.Vez. Eaflel, gegenüber von Genjungen,
lints von der Eder, in 199 m Höbe, am Fuße eines
Bafalttegeld, Sik eines Amtsgerichts (Zandgerict
Caſſel), hat (1905) 941 E., darunter 10 Ratholiten
und 117 Israeliten, Poſt, Telegrapb und zwei
Kirhen. Über der Stadt befinden ſich die wohl:
erhaltenen Ruinen der Burg F.
Feldberg oder —J——— roman. Vavugn,
Gemeinde im Kreis Trins, Bezirt Imboden bes
ſchweiz. Kantons Graubünden, 4 km weitlid von
Chur am Süpdfuhe des Calanda (2808 m), linke
vom Rbein, beitebt aus den Dörjern Alt: Fels:
bera, dicht am Bergfuße, und Neu: yeläbera, in
der Rheinebene gelegen, und bat (1900) 639 €,
darunter 78 Katholilen; Alpenmwirtihaft, Aderbau
Felſenbein — Felfenfittich
ſowie etwas Weinbau. 1834, 1842, 1843, 1850 und
1867 fanden bei F. mächtige Felsſtürze ftatt, und
wegen dieſer beitänbig drohenden Gefahr wurde
1844 das Dorf Neu⸗Felsberg gegründet.
Felfenbein (Pars er ossis temporum), der
innerfteund feſteſte Teil des Schläfenbeins, worin das
Gehörorgan verborgen liegt, ſ. Gehör nebſt Tafel:
DasGebörorgandes Menſchen, Fig.1,ı2,und
elfenbirne, j. Amelanchier. Schläfe.
Ifengebirge ober — Me es
meinfamer Name der Hochgebirgsmaſſen im an
Rordamerila, zwijchen dem 35. bis 64. Breiten- und
dem 104. bis 130. —— erfüllt Teile der
Unionsftaaten Arizona, eumerito, Eolorabo, Utah,
Wooming und Montana und von Britiih:Eolum:
bia (j. Phyfitaliihe Karte von Amerika.
I. Rordamerila, beim Artitel Amerika, ſowie
Bereinigte Staaten von Amerika. I. Weit:
liber Zeil). Das F bildet als Quellgebiet der
ne Stromſyſteme Rio Grande, Colorado und Ar:
lanſas die Grenze der Gentralebene im D. gegen die
duch die Sierra Nevada vom Stillen Ocean ge
trennten Hochflächen und Stufenländer im W. Das
Gebirge fteigt aus den Ebenen verhältnismäßig fteil
auf und fällt zu dem großen Beden des W. janfter
ab; es beftebt aus Waralleltetten, die gr ere
und Heinere Flächen und Hoctbäler =. ießen;
Seitenzüge geben nad verjchiedenen Richtungen
aus; die Höhen erreichen 4700 m. Es ift ein nord:
mdlib verlaufender —— archaiſcher Geſteine,
dem ſeitlich ſedimentäre ichten anlagern; die
er erfolgte bauptjählih zur Tertiärzeit.
Das F. birgt ungeheure Schäge an Gold, Silber,
Kupfer, Blei, Eifen, Koblen und andern Mineralien.
Charalterbäume find die gelbe Kiefer a pon-
derosa Dougl.) und der Bergmabagoni (Cercocar-
pus) mit ſeht ſchwerem Holz, dazu noch andere Nadel:
böljer, Bappeln und der jilberglänzende Buffalo:
Beeritrauch (Shepherdia argentea Pursh.). Die
Baumgrenze erhebt ſich in Colorado bis über 4000 m,
dann folgt ein Gürtel von Krummbolzfträuchern,
dann eine reiche Alpenflora.
Das Gebirgsfuften wird durch die Durchbruchs⸗
!bäler des Nord: Blatteflufjes (43° der Breite) und
des Mifjouri (47°) in drei Teile geteilt. Der jüdl.
Abſchnitt beginnt im N.der Sente de3 Sierra Madre:
plateaus an der meril. Grenze und zieht 900 km in
rördl. Richtung; von 35° ab umſchließen die beiden
Hauptletten der Sangre de Ehrifto-Range und
der San Juan: Mountains das San Luisthal des
obern Rio Grande del Norte. An fie jchließen fi
die Bart: und Eolorado:Range und die Blad:
Mountains an, während nah W. zu Querzüge
die Berbindung mit dem Wahjatchgebirge und an-
dern fetten beritellen und nörblich des Arkanſas—
thals elliptiihe Hochebenen, die Region der Parts,
entiteben lafien. Der Sodel des Gebirges liegt in
15—1600 m Höbe; die höchſten Gipfel jind Blanca
Beat (4409 m), Pile's Peal (4312), Long Beat
(4350) und Mount:Harvard (4381 m). Die Päſſe
liegen meift nicht unter 3000 m Höbe; der wichtigite
it ber Evanspaß (2514 m), den die Union:Bacifc:
benußt. — Der zweite Abſchnitt des F. ift
— km lang en rad * ee ——
angeordneten Zügen mit der Hauptrichtun
nad FE. Mittelpunkt des Syſtems ift bier die
Bind-River-Gruppemit dem Fremont Peal(4200 m).
Hier entipringen der Wind: River (zum Rifjouri),
der Snate-River (zum Eolumbia) und der Green:
Brodbaus’ Konverjationsd-Lerikon.. 14. Huf. R.U, VL
545
River yum — . SW. davon liegt der
Nellowitone: Nationalpark (f. d.) mit feinen vullar
nifhen Bildungen. Zahlreiche Flüffe durchbrechen
die Ketten, die fich jenfeit des Miſſouriquerthals
im dritten Zeile des 5. wieder zu Parallelen und
allmählich niedriger werdenden Zügen zufammen-
—— Die Laͤngsthäler find die des Columbia
und feiner Nebenflüfle. Auf brit. Gebiet finden ſich
Gipfel bis zu 4300 m (Mount:Columbia, Mount:
Bryce, Mount:Alberta, Mount-Forbes); die bisher
als höchſte Gipfel geltenden Mount:Hooler und
Mount:Bromwn find nah neuern Forſchungen unter:
—— Erhebungen von höchſtens 2750 m Höhe.
ie langen fetten, bie ſich von bier bi8 zum Jukon
ig baben Mitte gebirgscharalter und bilden
eine Wafjerjheide mehr.
elfengräber, in Keen eingebauene Grab»
ftätten. Die F. von Benibaflan zeigt Tafel: Agyp⸗
tifhe Kunſt I, Fig. 4, beim Artifel Ugypten.
Felfenhahn oder Klippenhubn (Rupicola
crocea Vieill.), Name eines 30 cm langen, im
männlichen Gefhleht prachtvoll orangerot gefärbs
ten, zur Gruppe der Fruchtvögel (ſ. d.) gehörigen
Vogels mit braunſchwarz geränderten Flügeln und
Schwanz und roter Haube, der in den Gebirgen
Guayanas und Nordbrafiliens heimisch ift, einen
bis ee die Schnabelipike nd ausdehnenden Feder:
famm bejigt und durch die jeltijamen Tänze befannt
ift, welhe die Männchen zur Paarungszeit auf
führen. Die Weibchen und die jungen Männden
find einfach braun. Cine verwandte Art (Rupicola
peruviana Latham) bewohnt Peru und Bolivia,
eine andere (Rupicola sanguinolenta Gmelin) Ecuas
dor. Die Bälge dienen als Federſchmuck.
elfenbhimbeere, j. Rubus.
lu rn, j. Ränguru.
Ifenfrähe, ſoviel wie Alpenkrähe (f. d.).
elfenmeere a eu Blod:
anbäufungen, die durch Vermwitterung ber Öranite
—53 Syenite, auch des Sandſteins entſtehen. Ig
eſteine find von einem Netze von Abſonderungsklüf⸗
ten durchzogen, welchen die von oben eindringende
Berwitterung folgt. Die Rifje werben dadurch weiter
und weiter, gleichzeitig runden fidh die Eden und
Kanten der jo entitehenden Blöde ab, die Wafler
fpülen die lodern, fandigsthonigen — —
dukte weg, bis endlich die Kldtze ihren Halt verlieren,
umftürzen und ein oft gewaltiges Haufwerk von
chaotiſch aufeinander getürmten, wollfadäbnlihen
Blöden bilden. So find ade Ber des Brodend
im Harz, der Luiſenburg im Fichte gebirae, des Oden⸗
waldes, der 5 des Böhmer Waldes, Schwarz:
waldes, Riefengebirges u. f. w. entjtanden.
elfenmifpel, |. Amelanchier.
el feffer, |. Sedum.
elfenfchlangen (Bungarus), Gattung aus ber
—— der Bruntottern (ſ. d.), mit langem Körper,
em Schwanze, breitem, dreiedigem Kopf; be
wohnen Ditindien bis Sudchina, werden bis 2 m
lang und find außerordentli piitie.
Belfenjome be, j. Schwalbe.
Ifenfegler (Cypselus melba Illig., |. Zafel:
Langhänder, ig. 6), Alpenjegler, ein bie
Länder um das Mittelmeer bis in die Schweiz hinein
bewohnender Segler (f.d.) von 22,5 cm Länge, wo⸗
von 8,5 cm auf den Schwanz entfallen. Oben rußs
farben, unten graulich weiß.
Felfenfittich (Conurus patagonus Pieill.), ein
großer Keilſchwanzſittich, der in den Höhlen jteiler
85
546
Felswände Patagoniend und Argentiniens niftet
und kr oft nad Europa gebradt und mit 75 M.
das Paar bezahlt wird. Der kräftige Vogel kann
Sommer und Winter im Freien gebalten werden,
Felfenftraudh, f. Azalea und Tafel: Kalt:
bauspflanzen, De 4.
elfentaube, j. Tauben.
elfentempel, } Höblentempel.
elfenwüjften, ſ. Wüite.
Ming, Jalob, Kupferftecher, geb. 22. Juli
1802 zu Darmſtadt, ward erjt von feinem Water,
dem Hoftupferiteber Job. Konr. F. (geit. 1819), in
ber Kupferſtechkunſt unterrichtet und lernte dann in
Mailand bei Longhi. Später wandte er ſich nad
gloren, wo er eins feiner vortrefjlichjten Blätter:
briftus am Ölberge, nad Carlo Dolci, vollendete;
biefer Stich trug ihm 1828 den großen Preis ber
Mailänder Akademie ein. Hierauf jtudierte er in
Rom und andern Drten und fehrte erft nad) zehn:
jähriger Abwejenbeit nah Darmſtadt zurüd, wo er
9. Juni 1883 ſtarb. Zu feinen vorzuglichſten Stichen
ebören ferner: Mater dolorosa nad 2. da Vinci
1827), Madonna del Trono nad Andrea del
Sarto (1830), Bermäblung der heil. Katharina
nad Eorreggio (1831), Der Biolinfvieler nah Raf—
* (1833), Heilige Familie nach Overbeck (1838),
eremias auf den Trümmern von Jeruſalem nad)
endemann (1838), Genoveva nab Steinbrüd
(1839), Poeſie nad Köhler (1840), Poeſie und Liebe
nad Kaulbach (1844), Salvator Mundi nad 2. da
Vinci (1844), Yautenjpielerin nad Dräger (1844),
Heilige Katbarina nah Müde (1845), Hagar und Js⸗
maelnad Köbler(1848), Ausfeßung des Moſes nad
Köhler (1849), Loreley nah Sohn (1854), Gefangen:
nebmung Ebrifti (1862) und Heilige Cäcilia nad
Hofmann (1868). Durh Gründung des Rheini—
ſchen Kunſtvereins 1836 machte ſich 5. verdient.
Sein Bruder Johann Heinrid F., pi
18. Sept. 1800 in Darmftadt, geft. daſelbſt 30. März
1875, ward ebenfallö von jeinem Bater im Stedyen
unterrichtet und ſuchte fich in Baris zugleich auch mit
den technischen Verbefferungen des Kupferbrudes be
kannt zu machen. Nac feiner Rücklehr übernahm er
1819 die Rupferbruderei jeines Vaters, die er zu einer
der eriten in Deutfchland erhob. Auch die Verviel-
ältigung von Kupferplatten auf galvaniſchem Wege
etrieb er. Er gilt ala Erfinder des allgemeinen
Turnerzeichens — Friſch, frei, fröhlich, fromm).
Felſit, die Grundmaſſe des —— 7 (ſ. d.)
und des Quarzporphyrs (f. d.); fie erweiſt ſich dem
bloßen Augegegenüber als volllommen homogen und
fplitterigebornfteinähnlid, dabei fo hart, dab fie am
Stahl ſtarke Funken fprübt, bald etwas matter und
von unebenem Brud), dabei etwas minder homogen.
fiber die mitroflopifche Zufammenfeßung und Strut:
tur dieſer felfitiihen Grundmajle ſ. Quarzporphyr.
Rötlicbe, bräunliche und grünliche Farbentöne find
die bäufigiten. Der F. ſchmilzt troß feines Kiejel:
fäureseihtumsd und jeines Gebalt3 an mitrojto:
piſchem Quarz vor dem Lötrobr wie der Feldipat
allein; wegen diefer Schmelzbarleit haben franz. Mi:
neralogen füribhn den Namen Eurit aufgeitellt. Die
Ifitmafje wird aud für ſich allein, ohne ausge:
chiedene Kryitalle, ald Geftein gefunden (Felfit:
els genannt), das meijt in ag geolog. Beziehung
zu bem —— ſteht, z. B. das Salband mäch⸗
tiger Gänge desſelben, oder die peripheriſchen Teile
feiner röbern Eruptionsmaſſivs bildend.
Felſitfels, ſ. Felſit.
Felſenſtrauch — Feltre
elfitkugeln, ſphäroidiſche Maſſen von Felſit⸗
ſubſtanz, die mitunter über 1 m im Durchmeſſer er
reihen und namentlich in der balbglafigen Maſſe
der Pechſteine, 3. B. Sachſens, eingebettet vorlom—
men, bisweilen im Innern fternförmig zerboriten;
die größern derfelben gelten wohl mit Recht als
von der eruptiven Pechſteinmaſſe eingebüllte und
bearbeitete Brucdftüde von Porphyr, die kleinern
Kügelben fcheinen aber auch wohl als uriprüng:
libe Zufammenballungen von felfitiiher Entgla—
fung3materie aufgefaßt werden zu dürfen, alä
Analoga der Sphärolitbe, mit denen fie vielfach
in ibrer Struftur übereinfommen.
Se ran ſJ. Bechftein.
elfitporphyr, ein —— vielfach angewandtes
Synonym für Quarzporphyr (ſ. d.); neuerdings
pflegt man, nad dem Vorſchlage von Ticbermat,
den Namen F. auf — Geſteine zu beichrän:
fen, die zwar, was ſowohl die dem. Zufammen:
feßung und die mikroſtopiſche Struktur der Grund:
maſſe als auch die geolog. Zufammengebörigteit
betrifft, durchaus mit den Quarzporpboren über:
einftimmen, aber unter den Ausiceidungen feinen
Quarz mit freiem Auge erfennen lafjen; bei ibnen
ift der Duarz in den meiiten Fällen in der Grund:
maſſe verborgen; fie fönnen vemzufolge füglich weder
als Quarzporphyre bezeichnet, noch von dieſen ge:
trennt werden. Zu ſolchen Vorkommniſſen aebört
unter anderm ber jchöne, zu manden Shmudjaden
verfchliffene Porphyr von Elfvalen in Schweden,
mit feiner parallel lichter geftreiften, rötlich» oder
duntellajtanienbraunen, ſehr barten und kiejelfäure:
reiben Grundmaſſe, in der bloß Krvftalle von Ortbo:
klas und Plagioklas liegen, der Borpbor von Raibl
in Kärnten, vom fidelbabn bei Jlmenau, von Alten:
diez in Naſſau.
Felfö... (ungar., jpr.-jhö), foviel wie Ober:...,
vaı in ungar. Ortänamen.
elföbänya (ipr. -jböbahnja), Stabt mit ae
ordnetem Magiftrat im ungar. Komitat Szatmär,
öftlih von ———— (1. d.), hat (1900) 4584
meift magyar. €. (2484 Romiſch-, 1247 Griechiſch⸗
Katholiſche, 687 Reformierte und 142 Ysraeliten),
Pfarrkirchen der einzelnen Konfeffionen; Schmel;:
dfen, Eifenbämmer, Töpferei und einen guten Sauer:
brunnen. Der Bergbau (Gold, Silber, Kupfer: und
Kane ist im Abnehmen begriffen.
elöftürze, \ Bergitürze.
Itre, deutih Felters, Hauptitabt des Di:
trifts 5. (43033 E.) in der ital. Provinz Belluno
Venetien), 15km von der Grenze Tirols, in 311m
Höbe, unweit des Piave und an der Linie Tre:
vifo: Belluno des Adriatifben Nekes, Sik eines
Generalvilard und eines Katbebrallapitels, bat
(1901) ald Gemeinde 14494 E. eine ſchoͤne Kathe—
drale, Stadthalle, ein biihöfl. Seminar und Gymna⸗
fium, Spital, Waifenhaus, Leihbaus (15. Jabrb.),
das ältejte in Europa, ferner Seidenjpinnereien,
MWachsbleihen und Handel mit Seide, Wein und
Ol. F. ift Geburtsort des berühmten Pädagogen
Vittorino da F. [act 1447) und des Buchbruders
Pamfilo Eaftalvi (f. d.), dem 1868 ein Dentmaol
errichtet wurde. Das ebemalige Bistum ift mit dem
von Belluno vereinigt. — Nah Ezzelinos Tod an
die da Camino, dann an die della Scala und die
Garrara gelommen, ergab fih F. 1404 Benedig.
Nach Einverleibung 3.8 In das Napoleonifche König:
reich Italien (1805) erbielt ver Marſchall Elarte (j.d.)
den Titel Herzog von F.
Felucke — Femelſchlagbetrieb
Felucke (ital.), kleine —— e nach Art
der Galeeren, die vorzugsweiſe — eidiebun der
Küften im Mittelmeere gebräuchlich waren. Sie führ:
ten Ruder und Segel zugleih und waren mit eini-
en leichten Kanonen und Drehbafjen armiert. Die
jegigen 5. find Küftenfahrzeuge des Mittelmeers
mit zwei etwas nad vorn —— Pfahlmaſten
mit Lateinſegeln, mit oder ohne Klüwerbaum.
Felup oder Fulup, Negerjtamm in den waldi⸗
en Diftrilten an der — Weſtlüſte zwiſchen den
Ken en Gambia und Caſamance, ift jpradlid von
den Joloff wie au von den Mandingovöllern ges
ſchieden, aber mit dem Volle der Serer verwandt.
Felviucz (jpr.-minz), deutſch Obermwinz, Stabt
und Hauptort eines —— (17782 E.) im
Komitat Torda⸗Aranyos in Siebenbürgen, rechts
an der Maros, an der Linie Budapejt:Kronitadt:
Predeal der Ungar. Staatsbahnen, hat (1900) 1840
meijt reform. magyar. E. Der ihön gebaute Ort
wurde 19. Nov. 1848 von den aufſtändiſchen Rus
mänen gänzlich verwüftet und in Brand geftedt. F.
war ehemals Hauptort des Szellerſtuhles Aranyos.
me, joviel wie Fomgerichte (ſ. d.).
emel, männlihe Pflanze des Hanf (f. d.).
emelbetrieb, oder auch Plenterbetrieb,
Benel: oder Plenterwirtichaft, eine beitimmte
oritlihe Betriebsart. Die jährlihen Fällungen er:
itreden ſich über eine ganze Betriebsllaſſe (j.d.) oder
über größere Teile derjelben derartig, dab man bie
ältern, ſtärkern fowie die —— Stämme ver:
einzelt, borjt oder jtreifenweije heraushaut (aus:
— ‚ausfemelt), die jüngern Hölzer verſchont.
ehtere bilden mit dem Nachwuchs auf den Stand:
räumen der gefällten Bäume jebr ine
Beitände. ine vollitändige Räumung der Alt:
bölzer erfolgt nie. Im Laubholzwald gebt der F.
von jelbjt in einen unregelmäßigen Mittelmald:
betrieb (f. d.) über, weil an der Berjüngung die Aus:
ihläge der im Boden zurüdbleibenden Stöde der
geiä ten Bäume mehr oder weniger teilnehmen.
an unterſcheidet —5—— elten und geregel—
ten F. Erſterer iſt die älteſte Art der Waldbenußung
und gebört ber unterſten Kulturſtufe an. Man nutzte
aus den unerſchöpflich ſcheinenden Vorräten der
Urwälder das, was man gerade brauchte, ohne
Rüdjiht auf irgend welche Ordnung des Hiebes.
Die Wiederverjüngung des Waldes, Ausfüllun
der entitandenen Lüden, überließ man anfängli
ganz der Natur. Die neuere Zeit hat, zunächit mehr
als ein theoretijdhes Ideal, den jog. geregelten F.
eing . Die Ordnung der Mirtihalt wird durch
eine eilung bedingt, d. h. eö werden dem
fter für beftimmte mehr oder weniger eng
begrenzte Zeitabfchnitte beftimmte Waldfläden zur
demelung zugemwieien. Letztere beiteht in der Ent-
a. der haubaren, gewöhnlich älteiten Bäume;
ei findet eine Bflege der jüngern Stammgruppen
der Horite mit Hilfe von Durdforjtungen, Läute⸗
rungen und Unterbau ſtatt, entitandene Yüden wer:
den ausgepflanzt oder Pa ſoweit nicht von Natur
genügende Bejamung erfolgt. Die Beihädigungen
des bleibenden Beitandes bei der Fällung ein:
jelner Bäume, die Transport: und mandyerlei an:
dere Schwierigleiten werden den F. nie jene Aus:
dehnung gewinnen lalien, die von einzelnen Forſt⸗
wirten heutzutage gewunſcht wird. Diefe Betriebs⸗
art wird in der Hauptſache aul die Hochgebirgs⸗
lagen beſchränkt bleiben, wo der Wald Schuß gegen
Laminen, Abrutſchungen u. j. w. gewähren foll, da
547
den eritrebten Schuß ein Wald am beiten gewäbrt,
in dem die verfchiedenen Altersftufen der Bäume
nicht räumlich getrennt, jondern wie im F. unter:
einander gemengt find. — Über planmäßige Ein-
richtung des 5. vgl. Der Blänterwald und deſſen
Bebandlung (Mien 1878).
Femelichlagbetrieb, Plenterfhlagbetrieb,
Borverjüngung, eine Unterart des ſchlagweiſen
Hochwaldbetriebes (f. d.) der Foritwirtichaft, beidem
mehrere Jabresschläge zu einem Verjungungsſchlage
——— werden; der darauf ſtockende alte
eſtand wird zuerſt gelichtet, dann allmählich voll⸗
ſtändig abgetrieben, unter Umſtänden mit Aus—
nahme einiger beſonders dazu geeignet erſcheinen—
der Bäume, ſog. Überhälter ri d.) oder Waldrechter,
die einzeln oder horſtweiſe für einen zweiten Umtrieb
übergebalten werben. Die Der Banung erfolgt nad
der Lichtung durch natürlihe Befamung oder dur
fünftliche Unterfaat oder Unterpflanzung, alfo vor
dem volljtändigen Abtrieb des Altholzes, dem die
Aufgabe zufällt, ven jungen Beitand eine Zeit lang
egennadteiligellimatifge@inwirkun eidg
reßler führte deshalb den ſehr bezgeihnenden Aus
drud Borverjüngung in die Litteratur ein, im Gegen:
ſaß zu der beim Kahlſchlagbetrieb (j.d.) ——
Nachverjungung. Unter den deutſchen Waldbäumen
eignen ſich vorzugsweiſe Buche und Tanne für den
F. da ſie in erſten Jugend eine Beſchattung
durch die gelichteten Althölzer ſehr gut vertragen,
unter gewiſſen — * fogar wohl bean—
ſpruchen. Werden ſehr viele Jahresſchläge aufam:
mer und wird baburd) der Verjüngungszeit:
raum ſehr lang, fo nähert ſich der F. in feiner Form
fehr dem geregelten Femelbetrieb k d.). Den Aus:
na bat zuerjt C. Heyer angewendet, während
G. L. Hartig diefen Betrieb Samenfchlagbetrieb,
andere ältere Schriftiteller Dunkelſchlagwirt—
ſchaft u. ſ. w. nennen. Die erjte ſchwache Lichtung
erfolgt durch den ſog. Vorbereitungsſchlag (. da,
dieſem folgt der Beſamungs⸗ oder Duntelichlag (j.d.),
dann der 325 (f. d.), und endlich werden die
legten alten Bäume allmählich geräumt oder durch
einen Räumungsfchlag (f. d.) entfernt. Das Ber:
fahren muß jedoch nad den Örtlihen Verhältniſſen
ein ſehr verfchiedenes jein.
Der Vorteil des F. beiteht in der Gewinnung
eines nicht unerheblichen Lichtungszuwachſes an dem
allmäblich abzutreibenden Altholz, in der Sicherheit
der Serjüngung der Holzarten, die in der eriten
Augend einen Schuß durd die alten Bäume lieben
(Bude, Tanne), und in der leihtern Möglichkeit,
emiſchte Beitände zu erziehen. Nachteile find die
ſchwerung und Berteuerung der Fällung ſowie
der Aufbereitung des Holzes, namentlich aber des
Transportes, daher oft Berminderung des Nup-
bolzes, die Beihädigung des Nachwuchſes durch die
—— Erntearbeiten, die Abhängigleit vom
intritt eined Samenjabres (f. d.), * Ausblei⸗
ben den Wirtſchaftsbetrieb ganz erheblich erſchwert.
Die natürlihe Beſamung vermag wohl einen jo
flanzenreichen jungen Beitand zu ſchaffen, daß der:
elbe die durch die weitern Erntearbeiten eintreten-
den Beihädigungen auf gutem Standort leicht über:
windet, nicht fo die durch Saat, noch weniger die
durch Pilanzung —— Vorverjungung. Der
$. wird in Suddeutſchland bei weitem mehr ange—
wendet als im Norden; genen Ende des 18. Yabrb.
und nad Anfang des 19. Jahrh. war er nod viel
verbreiteter als jebt.
95*
548
elwirtichaft, — ——
emern, Inſel, ſ. Fehmarn.
emgerichte, Fehme, Vehme (abgeleitet vom
althochdeutſchen veme, Strafe), aud heilige Fem
oder Feyme, Freigerichte, weitfälifche oder
heimliche Gerichte genannt, die vollätümlichen,
nicht auf den Adel und nicht auf eine Beamten:
hierarchie gegründeten fönigl. Gerichte des deutichen
Mittelalters in Weftfalen, die Bedeutung und Zu:
ftändigleit für ganz Deutſchland dadurch erlangten,
daß fiein den Zeiten des Fauftrechts (f. Fehde) im letz⸗
ten Viertel des 14. und im 15. Jahrh., wo die orbent:
lichen Gerichte vielfach verjagten, den Verbrecher zu
richten und das Urteil zu volljtreden wußten. Man
bat im Mittelalter ihren Urjprung auf Karl d. Gr.
zurüdgeführt, der fie begründet haben ſoll, um den
Nüdfall der gewaltfam zum Ehriftentum belehrten
Sadjen zu überwadyen. Das gehört natürlich in das
Neich der Fabel; aber mit Karl d. Gr. fan man fie
infofern in Verbindung bringen, als fie auf der faro:
ling. Geridhtöverfafjung beruben. Die F. a die
alten fränf, Grafengerichte. In Weftfalen erbielt fich
das Bewußtſein eines allgemeinen freien Standes,
welcher dieſer Gerichtäverfaflung zu Grunde lag,
und damit un das allen Freien gemeiniame Ge
richt früberer Zeit. Dies vermittelte wieder, daß
der Zufammenbang des Grafengerichts mit dem
Königtum fich hier —9 erhielt, als in allen andern
Territorien das Recht zur Verleihung des Blut:
bannes, d. b. der Ausübung der hoben Gerichts:
barkeit (die and Blut geht), von dem König an die
Landesberren überging. Die weſtfäl. Grafen er:
ielten immer noch den Blutbann unmittelbar vom
Önig, und ihre Gerichte erfchienen der Quelle der
Gerichtsgewalt nad) fo ala königliche, als Reichs-,
nicht als landesberrlihe Gerichte. Dieje Eigen:
ſchaft als königl. Gerichte ift ed nun, welche au dem
beiondern Charakteriſtikum der weſtfäl. Gerichte
und F. führte, Die Gerichte, deren Richtergewalt
auf fönigl. Verleihung zurüdführte, unterſchieden
fih von jeber durch gewiſſe Förmlichkeiten von
andern. Da fih die Verleibung des Blutbannes
unmittelbar durch den König allmäblich nur bei
den F. erbielt, nahmen dieſe Förmlicdhleiten den
Charakter des Gebeimnisvollen und Bejondern an.
Nicht jeder kannte fie mehr, und jo fam es, daß nur
die in das Schöffentolleg, in den Bund (veme) Auf:
enommenen darum wußten. Die Schöffen hießen
Wiſſende. sFreigerichte hießen die F., weil die
Grafengerichte in Weitfalen nicht wie die oftfäli-
ſchen Gerichte nur über Adlige wurden, fondern auch
Gerichte über freie Bauern, die fich bier befonders
zablreih erhalten batten, blieben. Die Stellung
von fönigl. Gerichten verblieb den F., auch nad:
dem ſeit Wenzel (1382) der Grzbiichor von Köln ala
Stattbalter der heimlichen Gerichte den frei:
arafen im Namen des Königs den Blutbann verleiben
durfte; ein Oberauffichtörecht über die F. hatte er
ion früber erlangt. Er war ald Herzog von Weit:
falen oberjter Stublberr. Stublberr war jeder
Inhaber einer dreigrafihaft; ein ſolcher Bezirk um:
faßte eine Anzahl von jFreiftüblen. Der Stublberr
batte die Freigrafen auf Lebenszeit zu ernennen.
Sreiftublbieß der Ort, wo das Gericht gebegt wurde,
gewöhnlich ein Hügel oder eine im Freien gelegene
Stätte. Einer der berübmtejten Freiſtühle war der
von Dortmund. Der Freigraf führte ven Vorfiß, die
Freiſchöffen fanden und vollftredten das Urteil,
ftellten au die Ladungen zu und hatten die Pflicht,
Femelwirtſchaft — Femgerichte
Verbrechen zu rügen, d. h. dem Femgericht anzu⸗
jeigen. ie mußten frei, ehelich geborene Chriſten und
unbefcholten fein und durch einen Eid geloben, «dte
wu e Fem balten & belfen und zu verbeblen vor
ibund Kind, vor Vater und Mutter, vor Schweiter
und Bruder, vor Feuer und Wind, vor allem, was
die Sonne beſcheint und er benest, vor allem,
was zwiſchen Himmel und Erde ift». Urſprünglich
ollten Wifjende nur auf der Roten Erde, d. 1. in
ftfalen, aufgenommen werben. Allmäblih breitete
je der Kreis der Freifchöffen über ganz Deutſch⸗
and aus. Dies kam daber, weil die F. fich des:
wegen, weil ihr Blutbann auf den König zurüdging,
leihe Gerihtsbarteit wie die Gerichte am ur
of, das königl. Kammergericht anmaßten, d. b. bei
verweigerter Rechtshilfe Zuftändigfeit für das ganze
—— Anallen enden waren fo jeitdem 14.Jabrb.
Freiihöffen in außerordentlid großer dat vorhan⸗
den. den Städten und in den Raãten
aßen Wiſſende, ja zu felbft lieken fi in den
reiihöffenbund aufnehmen. Die Freiſchoffen be:
aßen nicht nur großen Einfluß, fondern fie batten
aud eine befjere Stellung im Verfahren ver F.,
wenn fie angellagt waren. Zufammen mit ibrer
Zuftändigleit auf das ganze Neich es nit
wenig zu ihrem Anſehen und ihrer Macht bei,
daß allerorten Wiflende bereit waren, Verbrecher
dem Arme der F. zu überliefern und das Urteil an
den Schuldigen zu vollftreden. In den traurigen
erg des Fauſtrechts bildeten daber die F. einen
ort zur Unterbrüdung der Rechtsunſicherheit.
Selbft uote Fürften fürdhteten ihre Macht und
beugten fich ihrem Sprude. Einrichtung und Ber:
fahren bei den F. war in den Grundzügen das ber
altveutfhen Gerichte. Die Frei Bye waren ba:
er urfprünglich ſowohl offene, echte, die bei «rechter
geszeit und fcheinender Sonne» gebalten wurden,
zu welchen alle Dingpflichtigen Zutritt hatten, wie
ebotene, heimliche, bei melden nur Wiſſende er:
—— durften und in welchen über die von aus:
wärt3 fommenden Saden, die jog. Femwrogen
(Femrügen), verbandelt wurde. Seit dem
14. Jahrh. wurden offene nicht mebr — das
—** ſchlechthin zu einem unter Ausſchluß der
ffentlichkeit ſtattfindenden Stillgericht (beimliche
Acht). Das Verfahren beruhte * Grundſatzen
des Anklageprozeſſes. Ein Freiſchöffe mußte die An:
Hage erheben. Nichtwiffende wurden binnen ſechs
Wochen und drei Tagen, Wiſſende binnen einer drei:
[nten Frift vorgeladen. Die Ladung beforgte ein
iffender, der fie unter fombolifhen Zeichen an
der Thür des Vorgeladenen befejtigte (event. an
einem Kreuzwege, am Stabttbore). Der Angellagte
konnte fih dur Eid reinigen, der Ankläger a
biefem einen Eid mit Eideshelfern entgegen:
Beben, Leiftete hierauf der —— den Eid mit
echs Eides —— jo lonnte der Ankläger denſelben
durch einen Eid mit 14 Eideshelfern entträften.
t auf den Eid des Angellagten mit 20 Eides—
belfern mußte notwendig die Freiſprechung erfolgen.
Der liberwiejene jowie der der Ladung nicht fol
gende Angellagte wurden verfemt, d. b. die Ober:
acht ausgeſprochen. Die Vollitredung erfolgte durch
den Strang. Alle Freifhöffen waren verpflichtet,
den mit der Bolljtredung betrauten Genoſſen bei:
ufteben. —* Zeichen, daß an dem Getöteten ein
rteil der Feme volljogen worden jei, wurde ein
Dold mit den Buchſtaben S. S. G. G. (d. b. Etrid,
Stein, Gras, Grein, die geheime Lofung der Freis
Femina — TFenelon
ihöffen) neben feinen Leihnam geleat. Das ordent-
ibe Berfabren fand nur auf «toter Erde» 8 in
We — ſtatt. Dagegen konnte auch außerhalb
Weſtfalens bei Ergreifung eines Verbrechers auf
bandbafter That ein Notgeriht am Ort der That ge
balten werben, zu welchem nur drei Freifchöffen, aljo
kein Freigraf, zugezogen werden mußten. Nach Fal—⸗
lung des Urteils wurde es alsbald vollzogen. Dies
ſes jummarifche Verfahren führte jedoch alsbald zu
argen Ausjchreitungen. E3 wurde häufig zur Be
friedigung perſönlicher Rache mißbraucht, und fo
wurden die %., bie einft fo heilſam der allgemeinen
gt A entgegengemwirlt hatten, zum Gegen:
ftande allgemeinen Schredend. Damit begann ihr
Niedergang, um fo mehr, als fie ihre Gewalt au
in der Richtung mißbraudten, = jie Saden
von auswärts annahmen, wo Rechts it gar nicht
verweigert war. Man reagierte gegen diefelben.
Fürften und Reichsſtädte gründeten Vereine, in
—— te ſich verſprachen, einem jeden bei ſich
Neht (Gericht) zu geben; mißbräuchliche Ladung
vor die F. wurde in einzelnen Territorien unter
Strafe opel. Diefe Reaktion, ganz beſonders
aber die Verfündigung des Emigen Landfriedens,
die Einfeßung des Reichslammergerichts (1495)
und die Verbefierungen im lanvesherrliben Ge
richtsweſen macten den F. ein Ende. Gie ver
loren die Grundlage ihrer Ausnabmeftellung und
wurben felbjt feit dem 16. Jahrh. zu Tandesherrs | fi
lien Gerichten berabgedrüdt, als melde fie in
Weitfalen bis ins 19. Jahrh. (auf Polizeiübertres
tungen beſchränkt) ein jchattenhaftes Dafein fort
führten. — Bol. Wigand, Das Femgericht Welt:
falens (2. auf, Halle 1893); Lindner, Die Veme
(Münft. und Baderb. 1888); Thudichum, Femgericht
und Inquifition (Gießen1889) ;gegen legtere Schrift:
Lindner, Der angebliche Urfprung der Bemegerichte
aus der nquifition (Paderb. 1890); Schröber,
Deutſche Rechtsgeſchichte (3. Aufl., Lpz. 1898).
Femina (lat.), Weib, Frau; feminin, weib-
ib; Femininum (genus), weibliches Geihledt (f.
Genus); feminini genöris, weiblihen Geſchlechts.
Femme (fr;., jpr. famm, vom lat. femina), Frau,
Weib; F. de chambre (fpr. jhangbr), Kammerfrau;
F. du monde (fpr. dü mongd), Weltvame; F. de
charge (fpr. ſcharſch), Beichließerin, Aufjeberin der
Wäſche, des Silberzeugs, Wirtfchafterin; F. entre-
tenue, ſ. Entretenieren. [betreffend,
oräl (vom lat. femur), den Überjchentel
emur (lat.), Oberſchenlel, ſ. Bein.
Fen, San oder Jahn, Teil, Linie, Meines
Längenmaß in China und Annam, *,00 des Ellen:
und ech (des chineſ. Tibi und des annami:
tiichen Thuok). In China wechſelt das F. zwiſchen
etwa 3 und 4, in Annam zwiſchen 4 und 6°, mm.
5. beißt aud ein lleines Gewicht (f. Candarin).
Fendel, —— ſ. Foeniculum und Tafel:
Umbellifloren lJ, fin. 3
—324 ſ. Saſſafras.
elhonig, ein mit etwas Fenchelol gemiſch⸗
ter gereinigter Honig. Er findet Anwendung bei
et der Atmun —**
löl. das ätberiihe Öl des Fenchels (Foeni-
eulum, ſ. d.), eine farblofe, jtart aromatifch riechende,
erit füß, dann bitterlih fampferartig ſchmeckende
Flüffigleit vom jpec. Gewicht O,96s—0,975. Es wird
durh Dampfbeitillation der zerquetichten Früchte
onnen und beftebt aus ®Binen, Dipenten,
bellanpren, Anetbol und Fenchon, einem mit
549
Kampfer ifomeren Keton von der Zufammenjegun
C,.H,s0 und dem Siebepunfte 193°; doch enthal⸗
ten nicht alle Öle alle diefe Beſtandteile N - leid.
An der Luft färbt es ſich gelb bis braun. Es findet
Verwendung in der Liqueurfabrilation, zur Berei-
tung bes ren ii (f. d.) und in der Medizin,
mo e3 als Oleum Foeniculi ag Te ift und **
weiſe als blähungtreibendes Mittel und ala Ge
ſchmackskorrigens dient. Das Kilogramm kojtet
(1901) 8 M.
Fenchelwaſſer, eine anfangs trübe, ſpäter Har
werdende Flüffigkeit, die aus einer Miſchung von
gequetſchtem eachel und Waſſer abdeſtilliert wird,
als Aqua Foeniculi offizinell iſt und häufig zu
Augenwaſſer benutzt wird.
end, Fender Thal, ſ. Oßthal.
Diiteikt, Region an der Dfttüfte Englands,
den Dee rings umfchließend (f. Karte: Eng:
land und Wales), ift 118 km lang, 58 km breit
und bebedt 3380 qkm. Gräben und zabllofe Kanäle
durchziehen das Land, überall ſchüßen Dämme vor
Uberſchwemmungen. Bäume find felten, nur Weiden
begleiten die Ufer. Wo Lehmboden fi findet, ift
chtbarer Boden und ſtarle Befiedelung, der junge
orfboden wird erft der Kultur gewonnen. Auſtern⸗
und Mufcelrefte bei Beterborougb (45 km von der
Küfte) beweiſen den Rüdzug des Meers, defien
alte Uferlinien an der Dufe vielfach durch Feuer:
teinwaffen und Werkzeuge präbiftor. Menſchen ge:
mengt mit Berfteinerungen kenntlich find. — Val.
Miller und Stertchley, The Fenland past and pre-
sent (Wisbech 1878).
Fendous (Fennecus), Fenet, Fuchs, ſ. Fennel.
genden (ipr. fen’löng), —— de Salignac
de Ya Motbe, franz. Schriftiteller und Kanzelredner,
geb. 6. Aug. 1651 auf dem Schloſſe 5. Nachdem
er durch feinen Obeim, den Marquis von F., zu
Cahors die erfte Erziehung erhalten, trat er ın
das Seminar St. Sulpice zu Paris ein, wurde
1675 zum Priefter geweiht und erbielt drei Jahre
—— vom N von Paris, Harlay, die Auf:
fiht über die zur kath. Kirche übergegangenen Pro:
teftantinnen. Seine Erfolge bewirkten, daß er zum
Vorfteber einer Miffion zur Belehrung der Hugenot:
ten in der Provinz Saintonge berufen wurde (1686);
feine früber viellad pe ilde den Huges
notten gegenüber wird neuerdings in Abrede ge
—— (Bal. Douen, L'intolérance de F., neue
usg., 1875.) Nach Veröffentlichung feiner
für die Zeit bedeutenden — chrift «Del’&du-
cation des filles» (ebd. 1687; deutſch von Arnſtädt,
Lpz. 1879; von E. von Sallwürk in «%. und die
Litteratur der weiblihen Bildung in Frankreich»,
Langenſalza 1886) vertraute ihm Ludwig XIV. 1689
die Erziehung feiner Entel, der Herzöge von Bour:
gogne, Anjou und Berry, an; für die Untermweifung
des erjtern verfaßte 5. eine Neibe nach Form, Ins
balt und Tendenz wertvoller Werte («Fables», «Dia-
logues des morts», «Aventures de Töl&maque»).
8, wurde 1693 Mitglied der Alademie und 1695
zbifhof von Cambrai. Ein Streit über den Duies
tismus mit Boſſuet . d. hatte zur Folge, daß er
1697 von Ludwig XIV. in feinen Sprengel verwiejen
wurde, und endbigte bamit, daß feine in der «Expli-
cation des maximes des Saints» (1697) entbaltenen
Lehren durch ein Breve Innocenz XIL vom 12. März
1699 verdammt wurden, worauf er fih ohne Vor:
bebalt unterwarf. Um dieſe Zeit kritifierte er Lud⸗
wigd XIV. Regierungsſyſtem fehr freimütig in
550 Tenerife
einem Schreiben, das erft in neuerer Zeit («Lettre
de F. à Louis XIV», Par. 1825) im Drud erſchien.
Seitdem lebte 5. in feinem Sprengel, mit philof.
Studien beihäftigt, und ftarb 7. San. 1715. In
Perigueur wurde ıhm ein Bronzeftandbild errichtet.
An feinen philoſophiſchen, tbeologiihen und in
den Unterhaltung mit Belehrung verbindenden er:
zieheriſchen Werten ertennt man einen feingebilve:
ten und durd eine lebendige und anmutige Phan—
tafie befeelten Geift; in kirchlicher Hinfiht war er
ein Gegner der Janſeniſten (f. d.) und beriet Ele:
mens XI. bei der Bublitation der Bulle Unigenitus
(j. d.). Sein Stil tft fließend und harmonisch. Sein
vorzüglichftes Werl, «Les aventures de Tölema-
que», worin er als Erzieber des Prinzen Mufter
der Meisheit und einer fürſtl. Erziehung aufftellte,
wurde ohne fein Wifien (Bar. 1699) veröffentlicht
und fogleich verboten, da es für eine Satire auf
den König, feine Regierung und feine Umgebung
ausgegeben wurde, während die perjönliche Satire
5. aänzlich fern lag. Erft nad 5.8 Tode konnte der
«Tel&maque» (2 Bde., Bar. 1717) wieder gedrudt
werben; er wurde ſeitdem bis in die neuefte Zeit in
—— Auflagen (von Adry, 2 Bde. ebd. 1811;
von Billemain, 2 Bode., ebd. 1824; von Janin, ebd.
1842; von Leftore, 2 Hde., ebd. 1853; mit deuticher
Crllärung von Vockeradt, 2 Bde. Berl. 1879) ver:
breitet und in faft alle lebenden Sprachen überjekt.
Eine Ausgabe der «(Euvres de F.» beforgten Goſſe—
lin und Garon (22 Bde., Verfailled 1820—24), die
nad Tertlritif und Material vollftändiafte ift die in
10 Bänden 1852 fg. in Paris exſchienene. «(Euvres
choisies de F.» — mit biogr.litterar. Notiz
von Billemain (6 Bde., Bar. 1829). Aus den
Driginalbandichriften gab die «Correspondance de
F.» (11 Boe., Par. 1827—29) Caron heraus, Eine
deutiche Überſetzung erſchien 1781 —82 (5 Bde.,
Leipzig). 5.8 Werte eg anti wurden vor:
züglih durch Claudius den Deutihen zugänglich
gemacht (2 Bde., Hamb. 1800—9; neue Aufl.,
3 Bde., ebd. 1823; 3. Aufl., Lpz. 1878) und von
Silbert (4 Bde., Regensb. 1837—39) überjegt. —
Ral.Ramfav, Histoire delavieetdesouvragesdeF.
(2 Bode., Lond. 1723 u. d.); Bauffet, Histoire de F.
(3 Bde., Bar. 1808; neue Ausg., 4 Bde., 1856;
deutſch von Feder, 3 Bde. Würzb. 1811—12); Ta:
baraud, Suppl&ment aux histoires de Bossuet et
de F. (Bat. 1822); Wunderlib, $., Erzbiſchof von
Cambrai (Hamb. 1873); Hunnius, Das Leben 5.8
(Gotba 1873); Lear, F., Archbishop of Cambrai
(neue Aufl., Lond. 1884); Broglie, F.& Cambrai
d’aprös sa correspondance (Bar. 1884); Mabren:
bols, F., Erzbiichof von Cambrai (2p3. 1896); San:
ders, F. His friends and his ennemies (Lond. 1901);
&t. Eyres, The life of Frangois de F. (ebd. 1901).
Fenerife, Hafenplas auf Madagastar (f. d.).
Fenestella Goldf., eine ſehr verbreitete pa:
läozoiſche — von Moostierchen oder Bryozoen
in teilmeife mehr als handgroßen, blattförmigen
und vielfach ausgelappten Kolonienetzen auftretend.
(S. Tafel: Petrefakten der Paläozoiſchen
Formationsgruppe IV, beim Artifel Paläo:
zoiſche beein ag
enttrange, Stadt in Lothringen, ſ. Finſtingen.
eng: fchui (dinef., «Windwajjer», d. b. etwas
Unfaßbares), eine Art chineſ. Geomantie, die aus
der Zujammenlage von Fluſſen, Bäumen, Hügeln
u. ſ. w. die Zukunft vorausbeftimmt.
Feug⸗tien, Name der chineſ. Provinz Scheng:
— Fenis
st std Ye Feuer.
nier (engl. Fenians), rteiname eines
repolutionären trifchen Bundes, der die gemaltfame
Trennung Irlands von England erftrebt. Sein
Auegangepunn iſt die Jung: Irland⸗Partei (f. Jun⸗
ges Europa), die in Auflehnung gegen O'Connells
vermittelnde Haltung entſtanden war. Der Fenier⸗
bund, deſſen Name auf den altiriſchen Kriegernamen
ber Fiann zurüdgefübrt wird, wurde von ausge
wanderten Iren zuerft in Nordamerifa begründet
und war dort wie in Irland weit verbreitet. Die
Hauptftifter waren in Amerila John D’Mabonep
und in Irland James Stephend. Im Winter 1861
—62 gegründet, wuchs die Brüderſchaft jun:
Herbit 1863 tagte ſchon ein Kongreß in Ebicage,
und im November erjchien die Zeitung «The Irish
People» ald Organ der F. in Irland. Aber im
Sept. 1865 fchritt die engl. Regierung gegen die F.
ein, ließ das Geſchäftslokal des alrish People» be:
feßen, beſchlagnahmte die Papiere und verbaftete
die führer, Um diefen Iwan Schlag zu vermin-
den, wurde um jo energilcher in Amerita agitiert, es
bildete fich in Neuyork 1865 eine förmliche Regierung
der zu gründenden iriſchen Republif, aber wieder
wurde jeder Losbruch in Irland 1866 durch das
rechtzeitige Einfchreiten gegen die Agitatoren ver:
bindert; ein gleichzeitiges bemwaffnetes Unternebmen
egen Canada endete nad einem eriten Anlauf mit
Niederlage und Entwaffnung. Dasjelbe Schidjal
wurde im März 1867 binnen wenigen Tagen einer
eniſchen Erbebung in Irland jelbft zu teil, an der
ih etwa 2—3000 Infurgenten beteiligten. Die
ittel ded Bundes ftanden nicht entfernt im Ber:
—— zu den von ihm erſtrebten Zielen, daher
cheiterten alle Angriffsverſuche. Jedoch blieb er
als Organiſation beſtehen, arbeitete in geheimer
Verſchwörung weiter und verpflanzte den Schau—
latz ſeiner 8 Hätigteit nah England jelbft. In
andeiter und London wurden Verſuche unters
nommen, gefangene Iren zu befreien und das Ger
fängnis durch Sprengungen zu zerftören. Mit der
rabitalern Wendung der Politil der Home-Rule—
Liga unter Barnell und der Gründung der Yand«
liga dur Davitt erhielt auch der Fenierbund neues
Leben; 1880 wurde er für England und Irland neu
organifiert und voneiner Gentraljtelle,dem «Dberiten
Rat» (Supreme Couneil) in London geleitet. Zu
verftärlter revolutionärer Propaganda rief der
Dberfte Rat eine neue Rey. in den «lInbe
ep (1. d., Invincibles) ing Yeben, die ſich im
ov. 1881 in Dublin tonftituierte, und deren Zwed
geradezu polit. Mord fein follte. Durch ihre Mit-
lieder geſchah 6. Mai 1882 im Pbönirpart zu
Dublin die Ermordung des erjten Selvetärd für
een Freberid Cavendiſh, und des Unterſtaats⸗
efretärd Burke. Durch Verrat eines Genofien
fonnten die Hauptmitglieder verbaftet und beftraft
werben, die Mordgeſellſchaft aber arbeitete unter
D’Donovan Rofja von Amerita aus meiter und
ging 1883—85 mit Dynamitiprengungen gegen bie
öffentlichen Gebäude in London und andern engl.
Städten vor. Seitdem bat die Wachſamkeit der
engl. und amerit. Behörden die Tbätigfeit der F.
immer mebr labm gelegt; obendrein ift 25. Juni 1886
wiſchen England und den Vereinigten Staaten ein
uslieferungsvertrag abgefchlofjen worden. — Bal.
Rutherford, Secret history of the Fenian con-
fing. | spiracy (2 Bbde., Lond. 1877).
[von Fenis.
Fenid, Rudolf von, — ſJ. Seren
Fenn — Fenſter
enn (Fenne), ſ. Fehn.
ef, Fenek, V.nfuds oder Zerda
(Canis s. Fennecus s. Megalotis Zerda Zimmerin.,
1. Zafel: Wilde Hunde und Hpänen |, Fig. 1,
beim Artilel Hunde), Heiner Fuchs von beller Kar
bellenfarbe, der die Sabara und überhaupt die
Wuſtengegenden Afrikas nordlich vom Aquator be:
wohnt, Er zeichnet Id bejonders durch die ungemein
großen, löffelförmigen, jtart bebaarten, aufrecht ge:
tragenen Obren aus. Der Pelz tit jeivenartig weich,
der Schwanz ſehr buſchig, die Fußballen behaart.
Der F. lebt ganz nad der Weiſe der Füchſe, gräbt
fih Baue, vorzugsweiſe unter Alfabüjchen, und be:
ibleiht näch tlicherweiſe Vögel und kleinere Säuge:
tiere. Er ſchmiegt jih gern nah Hundeart dem
Menihen an, muß aber warm gebalten werben.
NRach Bistra werden faft jtets lebende F. zum Verkaufe
gebracht und gelangen von bier in europ. Tiergärten,
die das Stüd mit etwa 100 M. bezablen. Sie müſſen
außer mit robem und gelochtem Fleiſch, Sperlingen,
Tauben auch mit Früchten gefüttert werden.
Feuner von fFeuneberg, Daniel, Fübrer des
pfälz. Aufitandes von 1849, geb. 1820 zu Trient
ın Tirol, 4 des diterr. Feldmarſchallleutnants
Freiherrn Franz Philipp F. (geb. 1762, geſt.
19. Olt. 1824), trat 1837 als Kadett in die Armee,
nahm aber jhon 1843 jeine Entlajjung. Nach
Veröffentlihung der Schrift «Diterreih und feine
Armee» (1847), in der er die öfterr. Armeeorgani:
lation angriff, verließ F. Ofterreich, febrte aber 1848
nad Wien zurüd und war während ber Oltoberereig:
nifie Chef der Feldadjutantur bei den Aufftändifchen.
Bei der Erhebung des Volls in der Pfalz 1849
begab er ſich dahin und wurde zum Überbefehlö:
baber und Chef des Generalitabs des pfälz. Volls⸗
beerö ernannt. Der unglüdliche Verſuch einer Über:
rumpelung der Feſtung Landau war Anlaß, daß
er noh am Tage des Ereigniſſes jeine Entlafjung
erbielt,. Die Niederwerfung des Aufftandes in der
ea und in Baden bradte ihn in die Schweiz.
Er wurde jedoch von Zürich ausgewieſen und wandte
ih nah Amerila, wo er feit 1851 in Neuyorl eine
deutſche Wochenſchrift «Atlantis» herausgab. Seine
Erlebnifje in der Revolutiongzeit jchilderte er in den
Büchern «Geſchichte der Wiener Dltobertage» (TI. 1,
*3* 1849) und «Zur Geſchichte der rheinpfälz. Re:
volution und bes bad. Aufitandes» (2, Aufl., Zür.
1850). 1858 wurde er geijtestrant, kehrte nad
Europa zurüd und ftarb 15. Febr. 1863 zu Bregenz.
Feunner von Fenueberg, Job. Heint. Chri⸗
top Matthäus, Badearzt und balneographiicher
Säriftiteller, geb. 25. Dez. 1774 zu Kirchhain in
Kurbeiien, bejuchte die Univerfität zu Marburg,
babilitierte ſich daſelbſt als Docent und wurde jpä:
ter Arzt in Schwalbad, ſodann Phyſikus zu Na:
Hätten. Seinem Wirken verdantt Schwalbad zum
— Zeil die gegenwärtige Blüte und Berühmt—
beit. 5. jtarb 16. Dez. 1849. Seine badeärztlichen
Sähriften bebandeln namentlih Schwalbah und
jeine Heilquellen. Wie früher das «Journal über die
Bäder und Gefundbrunnen Deutichlands» (2 Heite,
Marb. 1800— 2), gab er jpäter das «Tajchenbud
für Gejundbrunnen und Bäder⸗ (3 Bde, Darmit.
1816—18) und im Berein mit Döring u.a. die «Jahr:
her der Heilquellen ep (2 Bbe,,
Biesb. 1821 — 22) heraus. Bon poet. Arbeiten
veröffentlichte 5. unter anderm «Das Gebet des
derm in vier Gejängen» (Wiesb. 1816) und
«Winterblumen» (ebv. 1819).
551
ichhirſe, ſ. Hirſe.
N ——— Partei in Finland (ſ. d. Ge
ichte).
Fenny-Stratford (ſpr.ſträttf'rd), Stadt in der
engl. Grafihaft Budingbam, am Grand » June:
tion Kanal, ift Gitenbabutnakersuntt, bat (1901)
4799 E, und Spißentlöppelei, aieaeldi, trob:
flechterei jomwie Fabrikation von Eiſenwerkzeugen.
enoarivo, — auf Madagaskar (f. d.).
rir, Senriswolf, in der nordifhen My:
thologie ein Dämon des Meerd. Nach dem Ber
richte der Edda ijt er ein Sind Lokis (j. d.) und der
Riefin Ungrboda («Kummerbringerin»), ein Bruder
der Hel und der Midgardsſſhlange. In feiner Jus
end wirb er von den Bötlern mit der ungerrei
aren gef! Öleipnir gebunden; Tyr gl d.) volls
bringt dieſe Arbeit, verliert aber dabei feine Hand.
Im tiefiten Dunkel liegt F. gefeflelt bis zum Götter:
eihid (j. d.). Zu diefem entledigt er ſich ee
geie und zieht mit den böfen Mächten zum legten
ampfe; er kämpft mit Odin, verſchlingt dieſen,
wird aber von Odins Sohne Vidar getötet.
enristwolf, ſ. Fenrir.
uſter, Offnungen in den Umfaſſungsmauern
oder dem Dache der Gebäude, welche dazu dienen,
den innern Räumen Licht und Luft zuzuführen, das
bei aber den nötigen Schuß Sa a gegen bie
Temperaturunterfhiede und das Regen: und Schnee-
waſſer nicht eindringen laflen, au welchem Zwecke
je zeitweilig geöffnet und geſchloſſen werden konnen.
an unte Bidet bei den 5. 1) die Konſtruktion
der en, Lichtöffnung im Mauerwerk, und
2) die Konftruftion des ! es luſſes dieſer Öffnung,
der aus dem Holzwerk, den Beſchlägen und der Ber:
glaſung beiteht. , \
Im erftern Falle ift zunächſt die äußere ee
des F. zu berüdjichtigen, welche fich nach dem Stile
richtet, in weldem das Gebäude errichtet werben
fol. Die äußere . der F. ift im allgemeinen
bie eines jtehenden Rechtedes, mit einem näberung3»
weifen Verhältnis der Breite zur Höhe von 1:2
* eſtellt. Hierbei iſt aber zu beachten, daß die in
olchem Verhältnis hergeſtellten Fenſteröffnungen
eine ſehr ſchlanke Geſtalt erhalten, weshalb es vor⸗
teilhaft ift, die Höhe des F. um ein Siebentel bis
ein Neuntel der — geringer zu machen.
Der obere Abſchluß des F. klann aber auch durch einen
Halbtreis:, Spitz⸗ Korb oder Segmentbogen ges
bildet werden. Wird das F. in Werkjtein ausgeführt,
jo erhalten feine Begrenzungen —— amen,
und zwar bezeichnet man den untern horizontalen Ab:
chluß ald Sohlbank, Fenſterbank, die ſeitlichen
enkrechten Einfaſſungen als Fenſtergewände,
enſterſtöcke, den obern Abſchluß, welcher gerad⸗
linig oder bogenförmig fein fann, als Fenſter—
Pass ALS ſolcher ift er durch einen jog. Entlaſtungs⸗
ogen von dem auf ihm rubenden uerwerk zu
entlaften. Konſtruktiv hängt die Höhe eines F. von
der Stodwerlshöhe ab, indem die Höhenlage der
Soplbantoberlante, die pe. Brüftungsböbe,
0,75 bis 0,90 m über der Baltenoberlante beträgt.
Da die Stodwerlähöhe von Oberkante zu Oberlante
der Balten im Rohbau gerechnet werben muß, fo
ift ferner in Rechnung zu jegen 0,24 bis 0,26 m Bals
tenhöbe für normale Zimmertiefen, O,se m Stärte
des Bogens, welcher die eigentlihe Fenſterniſche
oberhalb überwölbt und als balkentragende Scheide:
mauer 1'/, Stein ftart gemacht werden muß, dann
die Pfeilerhöhe dieſes Bogens, welche der Fenfter-
552
nifchenbreite entiprechend groß wird, endlich 12 cm
als Anſchlag für die Rouleaur, Eifen u. j. w., damit
bei borizontalem Sturz der —— geöffnet
werben kann, jo daß unter Berüdjichtigung aller
diejer erforderlichen Höhen etwa O,so m für die obere
Konitruftion, 0,75 bi8 O,som für die Brüftungshöbe
von der Stodwerlähöbe in Abzug gebradt werben
muß. Wird das F. in Ziegelitein gebildet, jo tritt die
Sohlbant häufig ald Rollſchicht auf, der Sturz ift
ets ein an foll er wagerecht jein, jo ift ein
&eidrechter Bogen anzuordnen, der ſeinerſeits wieder
durch einen Entlaftungsbogen gefichert werden muß.
Bei den hölzernen Fenftergerüften der Fachwände
wird bie ger ung durch bie beiberjeitigen
Feniterfäulen, die Sohlbank dur den Brujtriegel,
der Sturz durch den Sturzriegel * n⸗
nern tritt das Mauerwerk vor der Lichtoffnung
eitlih zurüd um 10—12 cm, wodurd der ſog. An:
chlag gebildet wird, welcher zur Befejtigung ber
fterrahmen dient. Bei ftärlern Mauern wird die
rüftungsmauer in der —— zum bequemen
Offnen des F. und Hinausſehen ſchwächer gebildet,
und damit die äußern Witterungseinflüſſe fi inner:
lich nicht geltend machen können, mit einer ifolie
renden Luftichicht konftruiert, welche 4—8 cm breit
ift und durch eine innere /, Stein jtarle Mauer be:
grenzt wird. Sie wird dur das Fenſterbrett
abgededt. Behufs Ablaufs des Regenwaſſers ift
die Oberfläche ver Soblbant abzuſchrägen und unter:
balb mit einer Unterjchneidung oder Waflernaje zu
verjeben, die verhindert, daß dad Regenwaſſer an
den äußern Wänden des Gebäudes berabfließt.
Die Stellung der F. nebeneinander ift abhängig
von der Breite der Fenfterpfeiler, der Schäfte oder
Mauerpfeiler zwifchen den F., und diefe wiederum
von der gewählten Achsweite (ſ. Adie).
Das Holzwerkbeiteht aus dem Fenſterfutter
oder den Blindrahmen und den Fenjterflügeln,
Ir welchen vorzugsweiſe harzreiche Holzarten, wie
iefernholz, au Eichenholz, feltener Lärchenholz
verwendet wird. Die "malen in erfter Beziehung
ut fließen und leicht zu öffnen fein. Ein zwei—
Angelines 5. erhält eine lichte Breite von O,s bis
1,50 m, ein dreiflügeliges 1,50 bis 2,50 m. An ven
Fenſteranſchlag aus Sandftein oder Siegelftein wird
Beat der äußere oder Futterrahmen mitteld
anteifen oder Steinfhrauben mit Schraubenmut:
tern befeftigt. Er erhält eine Breite von 7 bis 10 cm
und eine Stärle von 3 biß 6 cm. In dem Futter:
rahmen befeftigt, befindet fich ein horizontaler Duer:
ftab, das jog. &osbol ‚ welches die Höhe des F.
in einen boben untern dir die Unterflügel) und in
einen niedrigen obern Teil (für die Oberflügel) teilt.
Werden beide Teile noch durch einen zn. Höhen:
ab (Pfoſten) getrennt, jo erhält man ein feſt—
tebendes Fenſterkreuz, wie dies bei ältern
ohnhaus enſtern und jett noch bei ſehr breiten F.
üblich iſt. Der Pfoſten kann aber auch «aufgehend»
fonjtruiert werben und tritt als erg in Geftalt
einer am Flügel befeitigten Schlagleifte auf; ſchmale
5. erhalten aufgebenden, breite dagegen feſt—
ehenden Mittelpfoſten. Die untern Teile des F.
lonnen durch Sproſſen ie Verwendung Heinerer
Glastafelnin2oder3 gleich hohe Teile geteilt werden,
während bei bejiern ——— die untern Fen⸗
ügel nur eine Glasſcheibe (alſo ohne Sproſſen⸗
teilung) erbalten. Die Fenfterflügel werden aus 4
bis 6°, cm ftarten Bohlen gefertigt, deren Teile
dur Sälizapfen miteinander verbunden find.
Fenſter
Jeder Fenſterflügel erhält an engen untern Rab:
menteil einen jog. Waflerfchentel, welcher mit dem
eritern aus einem Stüd Holz gefertigt wird. Die
Glasſcheibe wird in einem Schliß des untern Rab:
menteild gelegt, da der Kitt zum Fenſterverſtrich
leiht ausfault. Der obere niedrigere Teil des F.
erhält gewöhnlich einen feftitehenden Mittelpfoiten,
weil diefer dem Losholz den nötigen Halt verleibt.
Für das deutihe Klima find aber außer ven
eigentlihen $. nob Doppel: oder Winterfen-
er erforderlich, die entweder von außen oder von
innen vor bie fejten F. eingejeht werben. y erſtern
alle werden ſie als Flügel- oder als Schiebe—
enſter konſtruiert, im leßtern Falle als Kaſten—
enſter. Sind keine Doppelfenſter vorhanden, ſo iſt
das durch den —— der innern und au
Temperatur erzeugte Schwitzwaſſer abzuleiten. Das
fann geſchehen durch eine im oder J dem Fenſter⸗
brett angebrachte Sammelrinne, mit einem zwei:
feitigen Gefälle nad) der Mitte, von welder aus das
Schwitzwaſſer durch eine Heine Zinfröhre nad einem
er aren Zinkblechtaſten unter dem eniter:
rett oder direlt nach der mit Waſſerſchräge gebilde⸗
ten Oberfläche ver Sohlbank abgeleitet wird.
Für Schulen, Krantenhäufer u. ſ. w. werden häu⸗
sa der obere Fenſterflügel ald Klappfeniter zu
eſſerer Luftzuführung konftruiert. Die Klappfenfter
läßt man beſſer berunterflappen als aufwärts, da
im letztern Falle leiht Zugluft entiteht. Dreb-
fenfter werden häufig in Ställen, Aborten ange
wendet und erhalten in ihrer Mitte zwei Zapfen,
durch welche fie ſich um ihre horizontale Achſe drehen
laſſen. Schiebefenftereignen when. für Wohn⸗
gebäude, werden höchſtens bei Erlerbauten, Veran—
den u. dgl. angewendet. Ihre Flügel werben in der
Regel nad oben, in feltenen Fällen nur zur Seite
eihoben, während fie durch Gegengemwicte oder
edern in ihrer neuen Sage erhalten werben.
Das Beſchläge der F. Wii in $enfterbaten
oder Banteifen, welche zur Befeftigung des Futter
rahmens am Anschlag dienen; in 68 Schein—
winkeln zur Verſtärkung der Edverbindungen der
Flügel; in Wintel- over Fifhbändern zur Be:
wegung der Flügel und in denjenigen Vorrichtun⸗
gen, welche zum Angriff und Verſchluß der Flügel
ejonders dienen. Dies find bei feſtſtehendem Mittel:
be die ganzen und bei einzelnen F. die halben
orreiber, Einreiber oder Qappenreiber
und der Ruder: oder Dreberverjhluß; bei auf:
gehendem Mittelpfoften der Eifpagnolette- und
der Basquillverfhluß, au asculeſchloß
enannt. Die beiden letziern find, da fie den Ber:
chluß der Flügel gleichzeitig und an drei Punkten be:
mwirten, ferner dad Sichwerfen der Fenfterflügel ver:
Den, die ziwedmäßigften und gebräudplicjiten
eihläge. Auch hat man VBorrihtungen zum Felt:
tellen der Flügel und Fenſterläden, Bet läge für
ntilationgfenfter u. ſ. w. (S. aud Schlofler: und
Schmiedearbeiten.) Die Verglaſung der 3. it
—* alt. Schon die alten Romer fertigten die Fenſter⸗
cheiben aus Spiegelſtein, was der Beſchreibung
nach anſcheinend nichts anderes iſt als blättriges
Frauen: oder Marienglas. Außerdem hat man aber
im 2. Jabrb. n. Ehr. mit Marmor oder dünn ge
hliffenem Adat, aub aus Horn die Fenjter ver-
chloſſen. Daß man bei den Ausgrabungen in Pom⸗
peii ruchftüde von Ölastafeln aufgefunden, ift noch
ein Beweis, daß man ſchon in jo Fübe Zeit allge:
mein Glasfenfter gelannt habe. Die erften ſichern
Fenſterachſe — Fenſterladen
—— von Glasfenſtern finden ſich im 6. Jahrh.
bei Gregor von Tours, welcher Kirchenfenſter von ge
färbtem Glafe erwähnt. In Deutichland hatte be:
reits im 10. Jahrh. das Kloſter Tegernſee F. mit
bunten Glasſcheiben. An vielen Kirchen aus dem
Mittelalter find die F. mit hexrlichen Glasmalereien
eziert, jo 3.B. am Dom zu Mailand, Dom zu Köln,
tünfter zu Straßburg, Dom zu Amiens u. f. w.
(S.Tafel: Glasmalerei Lu. II.) Die Wohnhaus:
fenfter befeßte man ſchon im Mittelalter mit Glas
und zwar mit den zwilchen Blei gefaßten runden
Butzen ſcheiben, melde vem Raum ein malerijches
rünliches Licht geben, ſich aber nicht zum Hinaus⸗
eben eignen. Daher waren nebenbei noch Schiebe
—— mit Tafelſcheiben angebracht (ſo in der van
ube u errang men nod in Bauernhäufern
der Alpentbäler). Mit dem Fortichritt in der Tech:
nit der Glasbereitung begann man die Scheiben
immer größer zu maden. Doc noch in der zweiten
Hälfte des 16. —* waren Glasſcheiben (meiſt
venet. Herkunft) eine Sache des Luxus. Neuerdings
iſt man dahin ere, das ganze F. aus
einer, oft um feine Achſe drehbaren Scheibe zu
machen. So gut jo ausgejtattete F. auch find, um
den Blick ins Freie zu gewähren, fo wenig befriedigen
fie fünftlerifch, weil fie nicht raumabfchließend wirten,
dem Zimmer nicht die zur Gemütlichkeit erforder:
lihe Sonderung von der Außenwelt geben. Daber
mwurben mit dem Wacfen der Scheiben mehr und
mehr die Gardinen eingeführt, welde das an Raum:
abſchluß erjegen jollen, was die Butzenſcheiben früher
boten. a in neuerer Zeit hat man fich diefer primi⸗
tivften — wieder zugewendet, da man einſah,
daß fie kunſtleriſch höher ſteht ala die Spiegelſcheibe.
Ebenjo giebt man den Kirchen und Sälen jekt, wenn
möglich, wieder ihre Scheiben in gebrochenen Far:
ben, nachdem die Farblofigleit und MWafjerklarbeit
lange Zeit allein für ſchön gegolten bat.
teäußere Geftaltungder Fenfterumrabmung
ift für den Charakter der Façade eines Gebäudes
von hoher Bedeutung und tft in den verjchiedenen
Bauftilen eine wechielnde. Während in der Antite
. mit fhrägftehenden Gewänden einfach profilierter
mrahmung beliebt waren, begannen ſchon die
Nömer ihnen Friefe und Verbahungen zu geben.
Diefe Motive nahm die Renaiffance auf, um fie in
reichfter Weife fortzubilden. Das Mittelalter gab
den Gemwänden eine breite, oft kräftig profilierte
aje und jchloß fie meift im Bogen ab. Beide Sy:
eme finden in zahlloſen Abwechjelungen aud) heute
nod Verwendung. Eine befondere Konſtruktion ver:
langen die Dachfenſter. Sie befinden fich auf der
Dachfläce felbft, während der gleihe Zmed unter
Umftänden aub durd an den Giebeln oder in der
Berjentungsmauer angebrachte Öffnungen erreicht
werden fann. Man unterſcheidet im allgemeinen
ftebende und liegende Dachfenfter. Die ftebenden
Dachfenſter haben vertikale Fenſterfläche, dergleichen
feitliche Begrenzungen (Baden) und jtehen entweder
unmittelbar auf der Umfaffungsmauer über dem
Hauptfims, in welchem Falle fie fteinerne Gewände
und Badenmauern erhalten fönnen, oder fie befin-
den ſich mitten in der Dachfläche und find dann von
Holz, Eifen oder Zint mit Schalung und Dachung
überdedt. Man giebt ihnen eine dem Stil des Ge:
bäubes ſich anpafjende Form und eine nad den
Stodwerksfenftern ſich rihtende oder fommetrifche
Einteilung oder Stellung. In — auf ihre Form
unterſcheidet man bie ijeßt nicht mehr üblichen)
553
Schwalbenfhwänze, Froihmäuler oder leder:
mäufe; die runden oder ovalen Ochſenaugen (eeils-
de-beuf), Dacherker, Dachnaſen u. j. w. Die lie:
genden Dachfeniter baben eine mitder Dachneigung
aujammenfallende oder wenig abweichende yenfter:
fläche, find gewöhnlich aus eifernem Rahmen oder
Zint mit nd sin Rande und dergleihen Siügel
ebilvet, welcher nah außen aufwärts gellappt
(Rlappfenfter) und durch Stelbügel feitgeftellt
werden kann. Sie werben mit jtarlem Glaſe
(Hagelglas) verglaft und ftören, da fie von ber
Straße aus nicht oder nur ———— das Aus⸗
ſehen des Gebäudes nicht. Zur Beleuchtung kleiner
untergeorbneter Dachräume begnügt man ſich mit
gläfernen Dachziegeln oder in die Schiefer geded:
ten Glasſcheiben.
Bol. Fink, Der Bautifhler (3. Aufl., Lpz. 1877);
Graef, Moderne Bautifchlerei (10. Aufl., Weim.
1886); Gremer und Wolffenftein, Der innere Aus:
bau (Berl. 1886 fa.); Baukunde des Architekten,
Bp.1, Tl. 2 (2. Aufl., ebd. 1891); Schwatlo, %. und
Oberlichter von Holz und Gijen (2. Aufl., Fulda 1894).
enfterachie, ’ Achſe.
euſterbeſcheukung, |. a
enfterfled? (Thyris fenestrella Scop., ſ. Tafel:
Schmetterlingel, Fig. 17), ein 15—18 mm klaf⸗
ternder Schmetterling, ſchwarzbraun mit goldenen
Pünktchen, jeder ginge! mit 2—3 weißen, glaſig
durchſcheinenden edchen. Die Raupe lebt im Juli
in zuſammengerollten Blattſpitzen der Waldrebe.
Fenſtergeld, Fenſterbeſchenkung und Fen—
fterbier, Bezeichnungen der Sitte, nach der beim
Bau eines neuen Wohnhauſes Verwandte, Nad:
barn und gute Freunde Fenſter mit Gemälden,
Mappen und Namen ftifteten, ferner Geld dazu
ibentten und Schmaufereien und Trinlgelage ver:
anftalteten. Dieje Sitte artete fo aus, daß Polizei:
verordnungen erlaſſen wurden, um ſowohl ven Kreis
der Beifteuernden einzufchränten, wie das F. ſelbſt
auf einen Marimalbetrag zu fegen, fo in Lüneburg
1577 und 1583 auf 8 Schillinge, in Braunſchwei
1579 auf 6 Mariengrojdhen, in Bremen 1593 au
10 Grote u. f. w. Namen und Mappen in den ge:
ſchenlten Fenſtern anzubringen blieb geitattet; die
R — aber wurden meiſt verboten. — Vol.
5 Meyer, Die ſchweiz. Sitte der Fenfter- und
Wappenſchenkung (Frauenf. 1884),
—— ſ. Glas.
enfterfitt, J. Glaſerkitt.
enfterladen, Vorrichtungen an Fenſtern und
Glasthüren, welche dazu dienen, die babinter lie:
enden Räume vor direlten Sonnenjtrablen, Hiße,
Sugluft, welbe am Futterrahmen eindringt, und
vor Diebeseinbrud zu ſchützen. Man unterſcheidet
innere und äußere F. Die innern %. bilden zuoleih
eine Bekleidung der Fenfterleibungen und beiteben
für jede Fenfterhälfte aus zwei Teilen, weldye, wie
eine Thür mit geftemmtem Futter gelertigt, durch
Scharnierbänder verbunden find. Werden fie zu:
ammengellappt, jo legen fie fi in das Futter der
eibungsbelleidung der Fenſter hinein, während ihr
Verſchluß dur eine Vorlegeftange, Eipagnolette:
ftange oder durch Basquillverfchluß bewirkt wird.
Die äußern F. kommen nur noch bei ländlichen
Mobngebäuden und in Heinern Orten vor und werben
meijt mit beweglichen Saloufiebrettchen bergeitellt,
welche ſich an ihren Enden um eiferne Zapfen dreben,
die ihrerfeits fich in einer an ven Rahmen des Ladens
feſtgeſchraubten Schiene bewegen und durch dieje an
554
jedem Flügel befindliche ſenkrechte Stellitange ge:
öffnet und geſchloſſen werden können. In neuerer
Zeit find diefe F. durch die Rollladen oder Rolls
jaloujien (f. Jaloufie) verdrängt worden.
niterpflanzen, f Bd. 17.
enfterrecht oder Lichtrecht, 1) der Inbegriff
der gefeßlichen Vorſchriften nachbarrechtlicher Natur,
die das Anlegen von Fenitern, Öffnungen, Altanen,
Erkern u. ſ. w. nah dem Nabbargrundjtüde zu ver:
bieten oder nur unter Beobahtung gewiſſer Be:
Ihränfungen in Bezug auf den Abjitand vom Bo:
den, die Bergitterung u, Er geitatten. Schon in
den ältern Rechtsquellen, Sachſenſpiegel, Lübifchem
Recht u. ſ. w., famen dergleihen Vorſchriften vor,
ebenſo noch jest im Code civil 675 fa. Das Deutiche
Bürgerl. Gelepbuch bat keine bejondern Vorſchriften
über das F., es gelten vielmehr die allgemeinen Be:
jtimmungen über den Inhalt des Eigentums (f. Nach:
barrecht) und über Grundpdienftbarleiten (f.d.). 2) Ein
bloßes Recht aufungebindertes Einjtrömenvontidt,
oder au auf Ausjicht, das durch längeres Beſtehen
der Fenſter, Erfigung oder erworbene Recht,
Fenſter zu haben, die nah dem Nachbargrundſtüd
binausgeben und nicht verbaut werden dürfen.
Feniterrofe, Roienfeniter, im Gegenjaß zum
Radfeniter (j. d.) die Nusfüllung eines Fenſters mit
rundem Maßwerk, das aus Blättern, Päſſen (f. Drei:
paß), Fiſchblaſen u. dgl. beſteht (f. beiftebende Figur).
Eie findet fi über dem Bortal der Kirchen, nament:
_ 2 lich der franz. Kathe⸗
dralen, z. B. zu
Amiens, Chartres
ZEN und Reims (ſ. Ta:
IN fel: Franzöſiſche
—MNMKunſt I, Fis. 1,
2 u. 4), ſeltener in
'! Deutihland, 3.2.
.// an der Meitjeite
des Münfters zu
Straßburg, welche
13 m im Durd:
/ ’ meſſer (ſ. Tafel:
Deutſche Kunſt
III, Fig. 2), und an der Sankt Lorenzkirche zu Nürn:
berg, die 9 m im Durchmeſſer hat.
Fenfterftener. Thür: und Fenſterſteuer ift eine
Form der Gebäude: oder Häuferfteuer (f. Gebäudes
teuer), bei weldyer jich die Höbe der Abgabe nad
dem äußern Merkmal der Zahl der Feniter oder
überhaupt der Öffnungen des Hauſes bemißt. Eine
F. wurbe 1695 in England anjtatt der Herdfteuer
eingeführt, und es galt als ein bejonderer Vorzug
derjelben, daß man bei ihrer Veranlagung das
Innere der Räume nicht zu betreten brauchte. Gleich
wobl bat jie fich bis zu ihrer 1851 nach mebrfachen
rw en erfolgten Aufbebung nie einer be
fondern Beliebtheit erfreut. Sie war übrigens nicht
ſowohl eine Ertragsjteuer (ſ. d.) als eine von den
Hausbewohnern erbobene Aufwandjteuer (ſ. Ber:
braucsiteuern), da fie nur dann, wenn das Haus
an aa Barteien vermietet war, von dem Cigen:
tümer jelbft zu entrichten war. In Frankreich bejtebt
ſeit dem J. VII der Republit(24.N0v.1798) eine Thür:
und Fenſterſteuer, deren Ertrag ſich auf 60 Mill. Frs.
jtellt. Sie richtet ſich nach einem Tarif, in dem außer
der Zahl der Öffnungen aud die Bevölterung des
Drtes (mit einer Unterfheidung von 6 Klaſſen) maß:
ebend ift. Das zu beiteuernde Haus muß bewohnbar
ein; jtebt eö leer, weil man es nicht vermieten konnte,
Fenſterpflanzen — Feo
ſo iſt es ſteuerfrei; wollte man es nicht vermieten, ſo
iſt es ſteuerpflichtig. Auch wird das Haus nur dann
zur Stadt gerechnet, wenn es innerhalb der Octroi⸗
grenze liegt. ——— find die Thüren und Fenſter
der landwirtſchaftlich benußten Räume, der Keller,
der Dächer und der im öffentlihen Dienft ver:
wendeten Gebäude. Die %. wird vom Eigentümer
(oder Hauptmieter) erboben, der fie von den Mietern
nad ihrem Anteil an den Öffnungen wieder ein:
ziehen darf. Daß die F. mit die Schuld trage, daß
in Frankreich Häufer mit ein big drei Öffnungen noch
verhältnismäßig zahlreich jeien, und daß man über:
baupt ſparſam mit ver Anlagevon Fenſtern verfabre,
läßt fi zwar nicht erweifen, aber es ift ſicher, daß
fie eine irrationelle, ungleihmäßige Steuer ift, die
weder den Gebäubdeertrag nod den Mohnungsauf:
wand annähernd richtia trifft.
enfterursen, |. Bo. 17.
enton (jpr. fennt’n), Stadt in der engl. Graf:
ſchaft Stafford, 1,5 km im DSD. von Stole⸗upon⸗
Trent, bat (1901) 22742 E.; Maſchinenbau (Eifen-
babnmaterial), Borzellan: und Fayencefabriten.
Fentfch (fra. Fentoy, fpr. fangtdd), Dorf und
Hauptort des Kantons F. (113 qkm, 16050 €.) im
Kreis Diedenbofen: Weit des Bezirls Lothringen,
2 km von der franz. Grenze, 16 km ſüdweſtlich von
Diedenbofen, an der Linie Diedenhofen-F. (16 km)
der Elſaß⸗Lothr. Eifenbabnen, Sig eines Nebenzoll:
amtes eriter Klafje, hat (1900) 1949 E., darunter
119 Evangeliſche, Poſt und Telegraph.
Fenyes (ipr. fehnjeſch), Alerius, ungar. Sta:
tiftiter und Geograpb, geb. 1807 in Gjotaly im Bis
barer Komitat, wurde 1828 Advolat, widmete ſich
aber vorzüglich litterar. Arbeiten. Seit 1836 lebte
er in Peſt und entfaltete ala Schrijtiteller und Beam:
ter landwirtichaftlicher und induftrieller Vereine eine
raftloje Wirljamteit. Sein erjtes großes Wert: «lln-
garns und feiner Nebenländer gegenwärtiger Zu:
jtand in geogr. und ftatijt. Beziehung» (6 Bde., Peſt
1836—40) erbielt einen Preis der Alademie, die
ihn 1837 auch zu ihrem Mitgliede wählte. Großen
Beifall fand auch jeine «Statiftit Ungarns» (3 Boe.,
Veit 1842— 43), melde gleichzeitig in deutſcher
Sprade erſchien (2 Bpe., ebd. 1843—44), und jein
«Allgemeiner Hand: und Schulatlad» (ebd. 1845).
Die «Beihreibung Ungarns» (2 Bde. ebd. 1847)
ift ein Auszug aus jeinen größern Werfen, den
Horn («Ungarn im Bormärz», Lpz. 1851) deutich be
arbeitet bat. 1848 wurde F. Ebef der ſtatiſt. Sektion
im Miniitertum des Innern und 1849 Bräfident des
Peſter Militärgerichts; ſpäter lebte er teils in Peſt,
teild in Gödölld. Er ftarb 23. Juli 1876.
Fenz (vom engl. fence), Cinfriedigung, nament:
(ih in Nordamerika; fenzen, mit einer 5. umgeben.
Feo, Francesco, ital. Komponiit, geb. um 1699
in Neapel, jtudierte dafelbjt unter Domenico Gizzi
Geſang und Kompofition und ging darauf nad
Rom, um Unterricht im Kontrapuntt zu nehmen.
Hier ſchrieb er die Opern «Ipermnestra», «Arianna»,
«Andromacca» und «Arsace, F. kehrte 1740 nad
Neapel zurüd und übernahm die Leitung der dorti—
en berühmten, von Gizzi gegrünbeen Geſang⸗
chule. Er ſtarb daſelbſt 1752. Bon feinen Kompo—
ſitionen kennt man außer den ermäbnten Opern ver:
ſchiedene Pſalmen und Meſſen, darunter eine von
10 Stimmen, ferner ein Oratorium «La distruzione
dell’esercito de’ Cananei», Litaneien und ein Re:
uiem, die zu dem Beiten gebören, was die neapolit.
chule um 1730—50 in diejer Gattung geichaffenhat.
Feodor — Ferdinand I.
Feodor (Fedor, fpr. fiödor, ruſſ. Form für
Theodor), Name dreier ruſſ. Zaren:
Feodor I. Sohn Iwans des Schredlichen (f. d.),
eb. 11. Mai 1557, regierte vom 18. März 1584
is 7. Jan. 1598. wach von Geiſt und Körper
und fajt nur mit gottesdienftlihen Übungen be
ihäftigt, überließ er die Herricaft feinem Schwa-
ger Boris Godunom (f. d.). Mit F. on Rurils
Stamm ey dem rufi. Throne und ihm folgte Boris
Godunomw felbit, nachdem er F.s Bruder Demetrius
batte umbringen lajien.
FeodorlI., der Sohn Boris Godunows, geb.
1589, folgte feinem Vater 13. April 1605 in der
Negierung, wurde aber jhon 10. Juni desfelben
Jahres ermordet, nachdem die Armee unter ibrem
‚sübrer Beter Bapmanom 10. Mai von ibm abge:
fallen war; jtatt feiner wurde der erite falſche De:
metrius zum Zaren erhoben.
Feodor IIL., der ältejte Sohn des Zaren Alerej,
eb. 8. Juni 1656, berrichte vom 28. Jan. 1676
is zum 27. April 1682 und befriegte mit ab:
mecjelndem Glüd die Bolen und Türken. Er be
jeitigte die Rangjtreitigleiten des Adels (ſ. Meit:
niticheftwo) dadurd, daß er die Geſchlechtsregiſter
(razrjadnyja knigi) verbrennen ließ. Unter ibm
murde * 1680 die erſte ruſſ. Gelehrtenſchule im
Kloſter Saikonoſpaßt zu Moskau gegründet. Er
ſtarb kinderlos; ihm folgte fein Stieföruder Beter I.
Feodoſia (Feodoſija). 1) Kreis im öſtl. Teil
ter zum ruf. Gouvernement Taurien gebörigen
Halbinfel Krim, mit vielen Salzjeen und der Land:
unge von Arabat, bat 7001,8 qkm, 158119 E. (dar:
unter die Hälfte Tataren); Aderbau, Viehzucht,
Salz: und Naphtbagewinnung in den Steppen des
Nordens, Dbjt:, Wein: und Tabalsbau im gebir:
gioen Eüden. — 2) F. oder Kaffa, tatar. Hefe,
reisftadt im Kreis F., an der Südoſtküſte der
Krim und am Buſen von F. des Schwarzen Meers
jomwie an der Zweigbahn Dſchankoj-F. der Linie
Sojowaja: Semwaftopol, mit geräumigem, nur nad
D. nicht geſchüßtem Hafen, einem viel beſuchten
Seebad und Dampfſchiffahrtsverbindung mit Jalta
und Kertih. F. it ſchön gebaut und hat (1897)
27238 E. alte Bauten aus der Zeit der Genuejen,
Denkmal Raifer Aleranders III, neun driftl. Kir:
hen, eine talmudijche und eine faraimiihe Sy:
nagoge, vier Moicheen, ein Knaben:, ein Mädchen:
ymnaſium, ein Lehrerſeminar und andere Schulen;
Altertumsmufeum, Sammlung von Gemälden des
Viarinemalers Ajwaſ soft, der in . geboren wurde
und ftarb, Städtiſche Bank; Ader: und Gartenbau,
Fiſch⸗ und — Ausfuhr, namentlich von
Getreide, (1898) 13,8 Mill. Rubel; Einfuhr unbe:
deutend. Im Hafen von %. liefen ein (1899) 113
Schiffe mit 144921 — * — es liefen aus 116
Schiffe mit 148162 Regijtertons.
F. iſt die ruſſ. Form des altgriech. ug ojia
oder Theudoſia, im Altertum einer berühmten
Handelsjtadt und milefiihen Kolonie, die an ver
Etelle des heutigen F. lag und Griechenland be:
ſonders mit Getreide verfab. Sie wurde im 2. Jahrh.
n. Chr. zerjtört und an ihre Stelle trat das ältere
Gapba, ın dejjen Nähe erit 1266 das neuere Capba
over Caffa der Genuejen errichtet wurde. Lehteres
—8 ſich bald z einem bedeutenden Handelsplatz
bis 150000 €.), wurde ftarf befeitigt und 1318
der Siß eines röm.slath. Biſchofs. 1475 ward es
von den Türlen erobert. Unter der nadfolgenden
Zatarenberrijbaft war e3 ein belannter Sklaven:
(römiſch⸗ deutſcher Kaiſer) 555
markt, wo mitunter gegen 30000 Sklaven ausge—
boten wurden. 1771 ward es von den Ruſſen er:
obert und blieb feit 1774 in deren Befis. 1798
— 1828 war F. Freihafen, tonnte aber gegen Odeſſa
und Semwaftopol nicht auflommen. ſeitdem
leßteres in einen bloßen Kriegshafen verwandelt
iſt, fteigt der Schiffäverfehr in E
Feodum, ein mittellat. Wort, aus welchem fpäter
Feudum, das Zehn (f. Lehnsweſen), gebildet wurde.
Die Abſtammung des Wortes ftebt nicht bejtimmt
feit. Nach einigen ift es althochdeutſchen Urſprungs:
Fe-od; die Sılbe od (öt) würde wie in Allod (f. d.)
das Eigentum, den Befis, bezeichnen, während die
erste Silbe nad} einigen von fides, die Treue, oder
von foedus, der Bund, nad andern von foeden, d.b.
ernähren, oder von Feo, d. b. der Lohn, abzuleiten
wäre. Nach nod andern ijt das Wort vom gotischen
faihu (Vermögen, Habe), althochdeutſch fihu, feo
(Bieb, Gut) abzuleiten. Daraus — die juriſt. Bedeu⸗
tung Lehn hervorgegangen. Der Gegenſatßz iſt Allod.
Fer., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab»
fürzung für Andre Etienne Feruſſac (f. d.).
era, Fiſch, ſ. Felchen.
Ferae (lat.), wilde Tiere, Raubtiere.
Feradſché, Kleidungsftüd der türk. Frauen,
wird außerbalb der Wohnung getragen und beitebt
aus einem den ganzen Körper von den Schultern
bis auf die Knöcel einbüllenden Überwurf aus
Seide oder feinem Wollſtoff, in Agypten und Syrien
auch aus Baummolle mit einem breiten ragen, an
den fich oberbalb der den Hals und Kopf bevedende
Schleier (Jaſchmak) anſchließt. Neuerdings wird
ſtatt Den: vielfach der Tſcharſchaf (ſ. d.) getragen.
Feralien, verlegteund Haupttag der dies paren-
tales (f, Barentalien), an weldhen im alten Rom vom
13. bis 21. Febr., dem legten Monat des vorcäja:
riſchen Sata die gemeinjame Totenfeier begangen
wurde. An den F.wurden den Toten aufibre Gräber
Speifen und jonjtige Gaben gebradt; nur den unter:
irdiichen Göttern durfte an den F. geopfert werben.
— Gewicht, ſ. Fraſil.
eraxolin, Fer Bravais (fr;., ſpr. fähr bra⸗
wäb), j. Geheimmittel.
* (arab.), Umbüllungstud ber Orientalen.
erdinand I., römiſch-deutſcher Kaiſer
(1556—64), geb. 10. März 1503 zu Alcala:de:He:
nares in Spanien, war der Sohn König Philipps 1.
von Spanien und der Bruder Karls V. In feinem
Geburtsland erzogen, ſchien er ji ganz zum Spa:
nier berausbilden zu tollen, als ihn der Wille Karls
21. April 1521 in den Bejis der babsburg. Haus:
macht in Deutſchland ſetzte, wozu noch durch F. s Che
mit Anna von Ungarn (Mai 1521) die Ausſicht auf
dies Land und die böhm. Krone fam. Am 7. Febr.
1522 übertrug der Kaiſer ihm die gefamten ober: und
niederöfterr. Yänder und das Herzogtum Württem:
berg, das 1519 dem Herzog Ulrich entrifjen und von
Habsburg erworben war. Ebenſo ehrgeizig und ein
ebenio eifriger Gegner ber Neformation wie fein
Bruder, den er eine Zeit lang als Statthalter im
Neich vertrat, ſehte er nad) dem Untergang jeines
Schwagers Lubwig von Ungarn bei Mobäcs (Aug.
1526) feine Wabl zum König von Böhmen (22. Dft.
1526) und von Ungarn (16. Dez. 1526) durch; bier
bebauptete ſich freilich der von der nationalen Partei
erhobene Gegenlönig Johann Zäpolya, und Sultan
Suleiman U., der dieſen begünftigte, trug feine
Maffen 1529 bis vor Wien, 1532 und 1541 bid an
die Örenze der deutich:öfterr. Lande. Nach Zäpolyas
556
Tode (1540) war defien Witwe Iſabella beftrebt,
ihrem Sobne das väterliche Erbe zu retten. Im Reid)
verlor F. das Herzogtum Württemberg, als Land:
traf Philipp von Heſſen 1534 den verjagten Herzog
Irıh mit Gewalt zurüdführte. Im Jan. 1531
wurde F. in Aachen zum röm. König gewäblt, aber
ſchon feine Stellung als öfterr. Herriher brachte
ihn eg und mehr in einen ber zu dem
taiſerl. Bruder, bis nach dem Schmallaldiſchen Krieg,
an dem er eifrig teilnahm, die Abſicht Karla V.,
die weitere Na Apr im Reich dem eigenen Sobne
Philipp zu verichaffen, eine tiefgehende Entfremdung
zwiſchen der fpan. und der diterr. Linie des Haufes
Habsburg bervorrief. F. der fhon früher mehr ald
einmal zwijchen dem Kaifer und den Proteitanten
vermittelt hatte, trug wejentlich zu dem Zuſtande⸗
tommen de3 Paſſauer Vertrags von 1552 und des
Religionsfriedens von 1555 bei. Biegfamer als der
Bruder, der ihm 1556 auch formell die Regierung
in Deutſchland überließ, als deſſen Nachfolger im
Kaifertum er aber erft im März 1558 zu Frankfurt
gehrönt wurde, fand er fi troß eines Glaubens:
eiferd, der ihn in feinen Erblanden zur baldigen
Unterbrüdung des Proteftantismus peie, in die
Unmöglichleit, die neue Lehre in Deutichland wieder
auszurotten, und hielt bis zu feinem Ende, obwohl
unter Begünftiaung der vordringenden kath. Reftau:
ration, am Weligionsfrieden feit. Seiner kaiferl.
Würde wurde die päpftl. Anerlennung ger IV.
verjagt und erft von Pius IV. erteilt. Auf dem
Tridentinifhen Konzil forderte er, fonft im *
Einverſtändnis mit Bhilipp II. von Spanien, Auf:
bebung des Cölibatzwanges und Freigabe des Laien:
telche3 für Deutichland und erlangte — die
päpftl. Zuſage künftiger Bewilligung dieſer Kon:
zeſſionen für Öfterreic und Bayern. E3 war ent:
{heidend für die Zufunft des deutſchen Ratholicis
mus, daß e3 F. gelang, jeinen Sobn Marimilian
durh Drohungen und Yodungen vom Anſchluß an
die neue Lehre —— darauf hin ſetzte er
die Wahl desſelben zu * Nachfolger im Reich
Nov. 1562 durch. Den Jeſuiten hatte F. ſchon 1551
ein Kolleg in Wien eröffnet. Er jtarb 25. Juli 1564
in Wien. Ceine Gemahlin, die ibm 15 Kinder
fhentte, war ihm 1547 im Tode vorangegangen. —
Val. von Bucholtz, Geſchichte der Degerung F.s J.
(9 Bde. Wien 1831—88); Roſenthal, Die Bebörben:
organijation Kaiſer F.s 1. (ebd. 1887); Huber, Die
Verhandlungen 5.3 I. mit Yfabella von Sieben:
bürgen 1551—55 (ebd. 1891).
rdinandb IL, romiſch-deutſcher Kaiſer
(1619 — 37), Sohn von Kaifer Marimilians U.
üngerm Bruder Karl, der Steiermarf, Kärnten und
rain erhalten hatte, geb. 9. Juli 1578 zu Graz.
Seine Mutter, Marie von Bayern (vgl. Belican,
Leben der Erzberjogin Maria von Steiermarf,
Wien 1903), und Feine jejuitifhen Erzieher zu
Ingolitadt erfüllten ihn mit dem glübenditen Haſſe
egen den Proteftantismus. In feinen Erbländern
führte er die ſchärfſte kath. Reaktion gegen den
eingedrungenen Sa gern ein und ebenfo in
Böhmen, als er noch bei Mattbias’ Lebzeiten feine
Ernennung zum König von Böhmen (1617) und
Ungarn (1618) durdhgefegt hatte. Hier aber fam
es zu der Erhebung der prot. Stände, die den 1619
auch zum röm. König gewählten F. für abgeſetzt
erllärten und an feiner Statt den Kurfürſten ‚ie
rich V. von der Pfalz zum König von Böhmen
erhoben. F., von Spanien, der deutfchen kath. Liga
Ferdinand II. (römifch-deuticher Kaifer)
unter Marimilian von Bayern und vom prot. urs
fürften von Sachſen unterftüßt, befiegte in der
Schlacht am Weißen Berge bei Prag 1620 die
Böhmen unter Friedrich vollftändig. Hier wie in
Ofterreih wurden die Aufſtändiſchen auf das här—⸗
teſte beitraft, der Proteftantismus binnen wenigen
Jahren — —— Aus eigener Macht⸗
volltommenbeit übertrug F. die ebensalls bejekte
Oberpfalz und die ———— auf Marimilian
von Bayern und wußte die anfangs widerjtrebenden
Kurfürften von Sachſen und Brandenburg zur Nach⸗
—— zu bringen, Der Krieg (f. Dreißigjähriger
rieg) verpflanzte ſich durch Tillys Züge mweiter
nad Norden in den niederſächſ. Kreis, wo nun in
Ebriftian IV. von Dänemark ein Bundesgenoſſe der
hin eritand. Auf die wachſende Macht der
ababurgereiferfüchtig, mifchten fich jest auch Frank⸗
reih, England und die Niederlande in den Kampf.
Vor diejer Koalition ſchien F. erliegen zu müſſen,
als ihm in Mallenftein ein Retter erichien, der
1625 die Vollmacht zur Aufitellung eines eigenen
— Heers neben dem der Liga erhielt und mit
dieſem die Gegner mehrfach glänzend ſchlug. Als
er aber an der Oſtſee erſchien und durch die Erobe
rung der Küſtenplätze eine kaiferl, Meeresberrihaft
begründen wollte, jcheiterte fein Plan an dem Mider:
—— von Stralſund (1628). Das weitere Streben
allenſteins, die kaiſerl. Autorität im Reich wieder⸗
herzuſtellen, brach ſich an dem Widerſtand der alten
Genoſſen des Kaiſers, der Fürſten der kath. Liga.
Mohl waren fie mit dem Erlaß des Reititutions:
edifts von 1629 einverjtanden, welches die Nüd:
abe aller von den Proteitanten jeit 1555 gemachten
erbungen aus kirchlichem Gut forderte, aber
eiferfüchtig auf die wachſende Macht Wallenfteing,
den der Kaiſer bereit3 mit den Ländern der ab:
efesten Herzöge von Medlenburg belehnt hatte,
orderten und erreichten fie auf dem Regensburger
Kurfürjtentag 1630 die Entlaſſung Walleniteins.
Und das —28 gerade, als Guſtav Adolf von
Schweden in Deutſchland erſchien, der 1631 Nord:
deutichland jäuberte, 1632 Süpddeutichland unter:
warf und jelbjt ven Raifer in feinen Erblanden be:
drohte. 5. hatte gegen den fiegreihen Schweden:
fönig Wallenftein wieder zu Hilfe rufen müflen,
aber nun erwuchs ihm eine neue Gefahr in diejem
elbft. Durh Wallenfteins Ermordung in Eger
Febr. 1634) wurde F. von ihm befreit. Nah
dem Siege der Raiferlihen bei Nördlingen (1634)
fhloß Sadfen den Frieden von Prag (1635) mit
dem Raifer, Aber nur mühſam konnten ſich bie
Habsburger und ihre Genofien gegenüber den
Schweden und den in den Kampf eintretenden
granojen behaupten. Nachdem %. noch bie
Mahl feines Sohnes Ferdinand zum röm, König
durchgeſetzt hatte, jtarb er 15. je 1637 nad
langen Leiden an der MWafferfubt. Im perjön:
lihen Verkehr mar dieſer fanatijche, aber geiftig
höchſt unbedeutende Fürft behäbig und freundlich:
ein zärtlicher Gatte und Vater, gutmütig gegen feine
Umgebung bis zur ſchlaffen Nachgiebigteit, die ihm
oft genug durch Unorbnungen und Unterjchleife ge:
lohnt wurde; nad außen freigebig, lebte er für 16
ver ftet3 in den Geſchäften thätig, obne ſich
doch zu ihrer Beherrſchung erheben zu lönnen. Auch
En Politik ift weniger durch ihn als feine Räte,
eſonders Eggenberg, Trauttmansborff u. a., ge
macht worden. Die «Rorreipondenz Raijer F.s II.
und feiner erlaudten Familie mit M. Becanus und
Ferdinand II. (römifchdeutfcher Kaifer) — Ferdinand II. (König von Aragonien) 557
W. Lamormaini, taiferl. Beichtoätern», gab Dudil
beraus im «Archiv für öfterr. Geſchichte⸗ (Bd. 54,
€. 219-350, Wien 1876). — Val. Khevenhüller,
Annales Ferdinandei (12 Bde., Lpz. 1721— 26);
Hurter, Geſchichte Kaiſer 3.3 IL und feiner Eltern
(11 Bde., Schaffh. 1850—64). j
Ferdinand III., römiſch-deutſcher Kaijer
(1637—57), der Sohn und Nachfolger des vorigen,
geb. 13. Juli 1608 zu Graz, ward von den Jeſuiten
erzogen, 1626 zum ungar., 1627 zum böhm. Köni
etrönt, 1636 zum röm, König erwäbhlt, führte na
allenjteins Tode, zu deſſen Afrigften Gegnern er
gehört hatte, den nominellen Oberbefebl über das
in Wirklichkeit von Gallas befebligte Heer, welches
28. Juli 1634 Regensburg eroberte und 6. Sept.
darauf den rettenden Sieg über die Schweden bei
Nördlingen erfoht. Nah dem Tode des Vaters in
Sfterreih und dem Reich Herricher geworden und
eifrig für den Frieden wirfend, trat er ſelbſt noch
sweimal, 1645 bei Janlau und 1647 vor Eger, den
Schweden entgegen. Obgleich e3 ihm gelang, Würt:
temberg, Zweibrüden und Hanau zur Annahme des
Prager Friedens zu bewegen, hielt doch der Einfluß
Spaniens auf 5. und fein unerſchütterliches Wider⸗
itreben gegen die Freigebung der Religion in Öfter:
reich wie gegen die Begnadigung der vertriebenen
Rebellen das Kriegsfeuer lebendig, bis er fich end»
ih 24. Ott. 1648 zur Unterzeihnung des Met:
fäliihen Friedens beſtimmen ließ. $ blieb auch
dann in den ſchroffſten Bahnen kath. Politik. 1653
—* er die Königswahl feines älteſten Sohnes
erdinand Maria durch, der aber ſchon 1654 jtarb,
und präfidierte als legter Kaifer perfönlih einem
Reichstag 1653—54. Nachdem er noch ein Bünd-
nis mit den Bolen gegen Karl X. Gustav von Schme:
den geſchloſſen, jtarb er 2. April 1657. Perſonlich
alih 5. dem Vater, übertraf ihn jedoch an Kennt:
nijjen, Thatlraft und Umſicht in der Verwaltung.
— Bol. M. Koh, Geſchichte des Deutichen Reichs
unter F. IIL (2 Bde., Wien 1865—66).
Ferdinand Friedrich, Herzog von Anhalt:
Cothen, geb. 25. Juni 1769 als ar de3 lee
Friedrich Erdmann von Anhalt⸗Pleß (}. Anhalt), trat
1786 in preuß. Kriegsdienſt und zeichnete ſich 1792
— 94 in den Feldzügen am Rhein aus. Er übernahm
1798 die Güter feines Vaters, lebte zu Pleß in Ober:
ſchleſien und trat 1806 wieder in den aktiven Mili-
tärdienft. Nach der Schlacht bei Jena fchlug ſich E
d. bei Zehbenid mit feinem Regiment — durch,
murde jedoch gegen die dfterr. Grenze gedrängt und
auf böhm. Gebiet von den Öfterreihern entwaffnet.
Gr nahm bierauf den Abjchied, bereifte Holland und
Frankreich und lebte dann zu Pleß. 1818 trat F. 5.
an die Spitze des fchlef. Landfturms und — *
bei deſſen Organiſierung eine hervorragende Thätig⸗
teit, vermäblte ſich dann 1816 mit Gräfin Julie von
Brandenburg, der Tochter König Frievrih Wil:
—* U. und deſſen Gemahlin linker Hand, Gräfin
önboff, und trat 1818 den ea 3 des Herzogtums
Anhalt⸗ Cothen an, nachdem fein Vetter Herzog Lud:
wig geftorben war. 1821 bradte F. 5. die über
die Örenzzölle und Verbrauchsſteuern mit Preußen
‚entitandenen Streitigfeiten (ſ. Zollverein) vor bie
Bundesverfammlung, ſchloß jedoch 1828, da Preu⸗
ben nicht nachgab, mit diefem und Anhalt: Dejjau
einen Vergleich ab. F. F. der ftark unter vem Einfluß
des dfterr. Generaltonjuls in Leipzig, Adam Dlüller
ſſ. d), itand, trat 1825 mit feiner Gemahlin in Paris
jur fath. Kirche über und zog zahlreiche Jefuiten ins
Sand, darunter auch den fpätern Jeſuitengeneral
ge den er zu feinem Beichtvater machte. Er ftarb
23. Aug. 1830 zu Göthen.
Ferbinand J. der Gerechte, König von Ara:
gonien,geb.1380. Als Entel des erg Peter IV.,
von deſſen mit König Johann I. von Caſtilien ver⸗
mäblter Toter Eleonore, wurde %. von den aragon,
Ständen, melde nad dem Ausiterben der Grafen
von Barcelona 1409 allein das Reich regiert hatten,
1412 zum König erwäblt, hatte aber in feinen An:
fängen mit feinem Mitbewerber um die Krone, dem
Grafen yarıne (Jakob) von Urgel, Sproß einer
üngern Linie, zu fämpfen und jtarb ſchon 1416.
hm folgte fein Sohn Alfons V.
Ferdinand IL., der Katholifche, König von
Aragonien (1479—1516), geb. 10. März 1452,
Sohn Johanns II. von Aragonien, ift durch feine
deſpotiſche Regierung und.argliftige Bolitit belannt.
No bei Lebzeiten jeined Vaters bereitete ſich die
nadmalige Bereinigung der beiden ig Ba Ga:
ftilien und Aragonien vor. Nah dem Tode Hein:
richs IV. von Eaitilien (1474) bemädtigte je dejien
Schweſter Iſabella (f. d.), welche inzwiſchen mit
dem aragon. Prinzen Ferdinand ſich vermählt hatte,
des caftıl. Throns. Als bierauf 3 durh den
Tod feines Vaters 1479 * von Aragonien ge⸗
worden, vereinigten ſich die beiden chriſtl. König:
reiche Aragonien und Eaitilien in 5.8 und Iſabellas
Händen, welche wegen diejer Vereinigung, nit aus
lirchlichen Gründen, reges catholici, d. h. Gejamt:
fönige, genannt wurben. Doc blieb Jfabella, jo:
lange fie lebte, Königin von Caſtilien und F. dort
ohne polit. Einfluß. F. s gan e Regierung war eine
Reihe glüdliher Kriege. 2 er ſiegreich gegen
Alfons V. von Portugal gefochten hatte, unterwarf
er IM 1492 in einem zehnjäbrigen Kampfe Granada,
daslegte Rei der Mauren in Spanien. (S. das Bild
von Vradilla: Übergabe Granadas an Ferdinand
und Sjabella, auf Zafel: Spanifhe Kunſt III,
Sie. 6.) 1508 beitieg er ald Ferdinand ILL den
-hron von Neapel, nachdem fein Feldherr Gonjalvo
di Cordova das Königreich erobert hatte, 1512
unterwarf er fih auch Navarra bis an die Pyrenäen.
Den höchſten Glanz gewann feine Regierung durch
die von ihm blrbere Entdedung Ameritas,
(S. Eolumbu3.) F. und Iſabella gründeten ein
ganz neues Regierun — Sie brachen die Macht
des Feudalismus, rten Inquiſitionstribunale
in Gajtilien (1480) und in Aragonien (1484) ein,
welche —— nur zu religiöfen, ſondern auch
u polit. Zwecken, zunächſt zur Vertreibung der
Fuden (1492) und Verfolgung der Mauren (1501)
benußt wurden. In dem Beltreben, eine unum:
ſchränlte Königsmacht zu begründen, unterftüpte fie
der Kardinal Zimenes (f. d.). Nach dem Tode aller
en Kinder, mit Ausnahme der jüngjten Tochter
obanna, welche 1495 Philipp, Sohn Kaiſer Maris
milians 1., heiratete, verlor 5. 1504 aud feine
Gemahlin, fo daß nunmehr die Regierung Gaftis
liens an feine Tochter oder vielmehr an deren
Gemahl Philipp überging. Als Philipp 1506 ftarb,
Johanna aber wahnjinnig ward, fam die ihrem
5— Sohne Karl gebührende —*5335— Caſti⸗
iens an F., der als Herricher von Caſtilien F. V.
eißt. Er ſtarb 28. Jan. 1516 zu Madrigalejo.
hm folgte als der erite König des geſamten Spa=
niens Karl I. (als deuticher Kaiſer Karl V.). — Val.
Prescott, Gefhichte F.s und Iſabellas von Spanien
(deutich, 2 Bde., Lpz. 1842).
558
Ferdinand Marin, Kurfürft von Bayern
(1651 — 79), geb. 1636 ald Sohn Marimilians 1.
aus deſſen zweiter Che mit Maria Anna, Kaijer
Ferdinands IL Tochter, ward von den Sejuiten in
Ubgeicloffenbeit und Unfelbjtändigfeit erzogen. Er
vermählte ſich 1650 mit Henriette Adelheid, ver Toch⸗
ter Victor Amadeus’ von Savoyen, und folgte ein
Jahr darauf ſeinem Vaterin der Regierung. ir ka
von jeiner Mutter, dann beſonders von jeiner bigot:
ten Gemablin beeinflußt, wirkte er befonders für die
Befeftigung des Katholicismus im Kurfürjtentum,
war aber auch bemüht, die Wunden, die der Dreihig:
jährige Krieg dem Lande geichlagen hatte, zu heilen.
In dem ſchroffen Auftreten gegen die Stände und
in der Neigung zu alangvollem Hofweſen wetteiferte
F. M. mit den meijten jeiner Standeägenofjen. Er
iſt der Erbauer der Schlöffer Berg und Nymphen—
burg. In dem Kriege gegen Frankreich feit 1673
war er der Führer des Fürſtenbundes, der eine
neutrale Stellung zu behaupten ftrebte. 5. ftarb
26. Mai 1679 zu Schleißheim.
Ferdinand Albrecht IL., Herzog zu Braun:
fbmweig:Bevern (1. März bis 13. Sept. 1735),
Etifter der 1884 auägeftorbenen Linie des Haufe
Braunfhmweig:Wolfenbüttel, geb. 19. Mai 1680 als
Sohn des Herzogs Ferdinand Albrecht I., des Be:
gründers der Linie Braunſchweig-Bevern. F. X.
that jich als dfterr. General in den Türkenkriegen
unter Prinz Eugen hervor, wurde 1717 General
feldzeugmeiiter und Gouverneur von Komorn und
tämpfte 1734 im Polnischen ee A am
Rhein ebenfalld unter dem Brinzen Eugen. Am
1. März 1735 wurde er Nachfolger jeines Vetters und
Schmwiegervaterd Ludwig Rudolf in der Regierung
von Braunschweig: Wolfenbüttel, jtarb aber ſchon
13, Sept. 1735 zu Salzdahlum. Bon den Kindern,
die ihm jeine Gemahlin Antoinette Amalia gebar,
aht Söhnen und ſechs Töchtern, wurden die be:
Tanntejten fein Nachfolger Karl, ferner Anton Ulrich
(j.d.), der preuß. Feldherr Ferdinand (ſ. d.) und der
in der Schlacht bei Hochlirch gebliebene Friedrich
Franz. Die älteſte Tochter Eliſabeth Chriſtine (f. d.)
heiratete Friedrich d. Gr., die weite, Luiſe Amalie
. d.), den Prinzen Auguſt Wilhelm von Preußen.
Ferdinand, Herzog von Braunſchweig,
preuß. Generalfeldmarſchall, geb. 12. Yan. 1721 zu
Braunſchweig als vierter Sohn des Herzogs Fer:
»inand Albrecht II. (f. d.), trat 1740 als Oberit in
preuß. Dienite und machte den eriten Schleſiſchen
Krieg im Gefolge Friedrichs d. Gr. mit. Im zweiten
Schleſiſchen Kriege führte er eine Brigade und zeich:
nete jich bei Hohenfriedberg und Gaslau aus, wo er
egen einen feiner Brüder, der in dfterr. Dienſten
tand, kämpfte und verwundet wurde. MWäbrend des
e endenFriedens entwidelten fich feinekriegerifchen
alente durch eigene Studien und die Lehren des Kö—
nigs, der recht eigentlich jein Lehrer in der Kriegs:
tunjt wurde, F. wurde 1750 Generalleutnant, 1755
Gouverneur von Magdeburg und Chef eines Sn:
tanterieregiments. Im Siebenjährigen Kriege trug
er 1757 bei Prag nachſt Schwerin zumeift zur Ent:
iheidung der Schlacht bei. Bei Roßbach fomman:
bierte er den rechten Flüge. Schon vor dieſer
Schlacht hatte ihn Georg IL. von England zum Ober:
befehlshaber der alliierten Armee erbeten. Der
König — ſeine Einwilligung, und mehr als fünf
Jahre behauptete der Herzog das ihm anvertraute
weitl. Kriegstheater in Niederfachien, Heilen und
Weitfalen mit einem kleinen Heere gegen die Reichs:
Ferdinand Maria (Kurfirft von Bayern) — Ferdinand (Fürft von Bulgarien)
armee und die zahlreichen franz. Streitkräfte. Am
23. Nov. 1757 übernahm er in Stabe den Befebl
über das nad der Konvention von Kloſter Zeven
moraliſch niedergedrüdte Heer, drängte die franz.
Armee bis zum April 1758 über den Rhein zurüd
und flug fie 23. Juni bei Krefeld. Die Verbält:
niffe nötigten den Herzog zwar wieder über den
Rhein zurüdzugeben und jeine Winterquartiere an
ber Lippe zu nehmen, doch ſchon im April des fol-
zo Jahres ging er wieder zur Dffenfive über.
nfangs vom Glüd nicht begünftiat, erlitt er
13. April bei Bergen in der Näbe von Hanau dur
Broglie eine Schlappe, mußte aber dann dur den
glänzenden Sieg bei Minden, 1. Nug. desfelben Jab:
res, der Sache des Königs wieder eine glüdliche Wen»
bung zu geben. Die faſt doppelte Überlegenbeit eis
nes Gegners drängte ihn für die nächiten zwei Jabre
immer mebr in die Defenfive, dennoch gelang es
ibm durch geihidte Beweaungen, jeinen Gegner in
Schad zu halten. Troß jeines Sieges bei Velling:
baufen 15. und 16. Juli 1761 wurde er durd
die feindliche Übermadt zurüdgebrängt und mußte
dem Feinde Heflen preisgeben. Die Winterrube
benuste F. zur Vermehrung feines Heers, fo daß er
im legten Feldzugsſjahr 1762 nad den Siegen von
Wilhelmstbal (24. Juni) und Putterberg (23. Juli)
das verlorene Helen wieder in Befik nehmen konnte.
Nah dem Hubertusburger Frieden wurde er zum
Feldmarſchall ernannt und febrte in feine Stellung
ald Gouverneur von Magdeburg zurüd, konnte ſich
aber nicht mebr in ein untergeorbnetes Verbältnis
finden. Zwiſchen ibm und dem Könige entitand
1766 eine Spannung, in deren Folge er den Ab:
ſchied nabm und fih nach Braunſchweig zurüchzog.
Hier oder auf feinem Luſtſchloſſe Vecheide lebte er
jeitdem als eifriger Freimaurer und Beſchützer
wiſſenſchaftlichen und fünftlerifchen Strebens, be
fonders der Malerei. Die Neigung zum Ausländis
ſchen, namentlid zur franz. Hoffitte, teilte er mit
vielen Fürjten feiner Zeit. Er ftarb 3, Juli 179.
Seinen Namen führt jetzt das 8. weitfäl. Infanterie:
regiment Nr. 57. — Vgl. Mauvillon, Geſchichte F.s
von Braunſchweig (2 Bde., Lpz. 1794); Schaper,
Vie militaire du maröchal prince F. (anonym,
2 Bde., Magdeb. 1796—98); von dem Kneſebed,
3, Herzog mu Braunſchweig und Lüneburg, wäh:
rend des Siebenjäbrigen Krieges (2 Bpe., Sion
1857 — 58); von Meitpbalen, Gedichte der u
züge des Herzogs F. von Braunfchmweig: Lünebur
(6 Bbe., Berl. 1859— 73), fowie dad Tagebu
—— Adjutanten von Reden (bg. von von ber
ten, oe der alliierten Armeen 1757—62»,
3 Bde., Hamb. 1804—5).
Ferdinand, Marimilian Karl Leopold Maria,
Prinz von Sachſen⸗Coburg, Fürft von Bulgarien,
eb. 26. Febr. 1861 in Wien als jüngfter Sohn des
rinzen Auguft von Sadjen-Eoburg (geft.1881) und
ber Srin ihn Glementine, der Tochter des Königs
Ludwig Bhilipp von Frankreich, gehört dem kath.
Zweige Kobäry der gothaiſchen Linie an. (©. er:
dinand, Herzog von ag Er unter:
nabm 1878 mit feinem Bruder Auguft eine Reiie
nad) Brafilien, deren botan. Ergebnifle in vem Werte
altinera principum 8. Coburgi», bg. von Fernſee
und Bed (2 Bde., Wien 1883—88), verwertet find,
wohnte 1883 der Krönung des Kaiſers Aleranderlil.
in Moslau als Vertreter feines Haufes bei und war
in der ungar. Landwehrreiterei Premierleutnant,
als ihn nad dem Sturze des Fuͤrſten Alerander
Ferdinand I. (König v. Eaftilien) — Ferdinand (Erzbifchof und Kurfürft v. Köln)
die große Rationalverfammlung zu Tirnova a
1887 zum SFürften wählte. Er begab fih nad Bul-
garien, leijtete 14. Aug. in Tirnova den Eid auf
die Berfaflung und trat, obwohl er weder von der
Pforte no von den Großmächten anertannt wurde,
die Regierung an, deren thatſächliche Leitung aber
der Minifterpräfident Stambulow batte. F. ver:
mäbltefich 20.April1893 mit Marie Louiſe von Bour⸗
bon (geb. 17. Jan. 1870, geſt. 31. Jan. 1899), der
ältejten Tochter des Herzogs Robert von Parma,
die ihm zwei Söhne: Boris, geb. 30. Jan. 1894,
und Kyrill, geb. 17. Nov. 1895, und zwei Töchter:
Eudorie:Augufta, geb. 17. Jan, 1898, und Na:
deſchda, geb. 30. Jan. 1899, gebar. Er fam jeinem
iel, ih Rußland geneigt zu machen, durch den
üdtritt Stambulows (Mai 1894) und den Tod
des Kaiſers Alerander III. immer näher, und ala
er 14, Febr. 1896 den Übertritt feines älteften Sob:
nes Boris, Prinzen von Tirnova, zur griech. Kirche
veranlaßte, erfolgte 14. März durch zwei Fermane
de3 Sultans jeine Ernennung zum Fürften von
Bulgarien und zum Stattbalter von Dftrumelien,
der die Anerkennung der übrigen Staaten alsbald
folgte. (S. Bulgarien, Geihicte.)
erdinand I. oder der Große ward durd
den Tod feines Vaters Sando III., Königs von
Navarra, 1035 erjter König von Eaftilien, entriß
— Schwager Bermudo 1037 das Konigreich
eon und geriet mit ſeinem Bruder Garcia IV. von
Navarra in Streit, welcher letzterm das Leben
tojtete. F. eroberte einen Teil von Bortugal, war
im Kampfe gegen die Mauren glüdlih und nahm
zulegt 1056 ſogar den Titel eines Kaiſers an, mo:
burd er feine Dberherribaft über ganz Spanien
andbeuten wollte. Ihm verdantt Caſtilien eine geord⸗
nete Verfaflung. Er ftarb 1065.
erdinand II., König von Gaftilien, der
Sohn und Nadfolger Alfons’ VIII. in den König:
reihen Leon, Niturien und Galicien feit 1157,
tämpfte glüdlih gegen die Mauren und Portu—
giefen. Seine Regierung mar jevod ein Gewirr
von Widerſprüchen, da er ftetö nach augenblidlihen
Eingebungen der Laune handelte. gu feiner Zeit
entjtand der Orden von Nlcantara, Er ftarb 1188,
erbinand MW. oder der Heilige, geb. 1199,
feit 1217 Rönig von ———— wo er ſeiner Mut⸗
ter, und ſeit 1230 von Leon, wo er feinem Vater
Alfons IX. folgte. Unter feiner Regierung wurden
1230 Eaftilien und Leon ein einiges, unteilbares
Königreih. Er eroberte im Kriege gegen die Maus
ren Cordoba 1236, Murcia 1361, Noen 1246, endlich
Sevilla 1248 und machte fich felbit den Moham—
mebanern in Afrifa furdtbar. Um die Wifjen-
ſchaften erwarb er ſich Berdienfte durch die Stiftung
der Univerfität zu Salamanca (1239). Er ftarb 1252
und wurbe 1671vom Bapft Clemens X. unter die Hei-
figen verjegt. Er war in erster Ehe mit einer Tochter
des deutſchen Königs Vhilipp von Schwaben ver:
mäblt; ein Sohn derjelben ift der 1257 in Deutſch⸗
land erwählte Alfons X. N d.). 5.8 Leben be
ſchrieb fein Minifter, Erzbiihof Rodrigo Zimenes
von Toledo, in «Cronica Hispaniae», lib. IX. —
Bol. Schirrmader, Geſchichte von Spanien, Bd. 4
(Gotha 1881).
Ferdinand IV., Sandos IV. Sohn, geb. 1285,
König von Eaftilien und Leon jeit 1295, aber erit
1305 durd ein Schiebögericht gegen die Anjprüce
feiner Bettern bejtätigt, hatte heftige Kriege erit
mit Portugal, dann mit Aragon zu befteben, in
559
denen er fi jedoch glüdlich behauptete. Gegen die
Mauren tämpfte er erfolgreih. Er ftarb 1312, und
zwar, wie die Sage erzäblt, am legten Tage einer
30tägigen Frift, binnen welcher ihn diebeiden Brüder
Grafen —— vor den Richterſtuhl Gottes gefor:
dert hatten, als er fie unter Anſchuldigung eines
Meucdelmordes ungebört von den Stabtmauern zu
Martos hinabjtürzen ließ. — Vgl. Memorias del
rey F. IV de Castilla, bg. von Benavides (2 Boe.,
Madr. 1860).
Ferdinand V. von Eaftilien, ſ. Ferdinand IL,
der Katholiſche, König von Aragonien.
Ferdinand, Maria, Herzog von Genua, geb.
15. Nov. 1822, zweiter Sohn des Königs Karl
Albert von Sardinien, nabm an dem Kriege von
1848 und 1849 teil, zuerit als Artillerieoberft,
dann ald General der A. Divifion, und wurde
von dem aufftändifchen Sicilien um Annabme ver
Königsktrone gebeten. F. ftarb 10. Febr. 1855 zu
Turin. Er fchrieb «Memorie della campagna del
1848». Am 22. April 1850 vermäblte er ſich mit
ad ler Glifabethb, Tochter des Königs Johann
von Sadien. Aus diefer Ehe gingen zwei Kinder
bevor: Margarete, geb. 20. Nov, 1851, ver:
mäblt 22. April 1868 mit Humbert (f. d.), fpäterm
König von Jtalien, feit 29. Juli 1900 Witwe, und
Thomas, Herzog von Genua (geb. 6. Febr. 1854),
Admiral und Senator (feit 1875), ift ſeit 1883 mit
Maria Iſabella, Tochter des Prinzen Adalbert von
Bayern, verbeiratet, die ihm drei Söhne (Ferdi—
nand 21. April 1884, Philibert 10. März 1895 und
Adalbert 19. März 1898) und eine ** gebar.
erdinand, Heint. Friedr., Landgraf von
Heſſen-Homburg, geb. 26. April 1783, jüngjter
Sohn des 1820 verjtorbenen Landgrafen Friedrich
Ludwig, diente viele Jahre in der öfterr. Armee
und war General ber ftavallerie, ald ibn der Tod
feines Bruders, des Landgrafen Guſtav (8. Sept.
1848), zur Regierung der Landgrafſchaft berief.
Er gab dem Verlangen nach einer Berfaflung nad,
berief April 1849 den Landtag und veröffentlichte
im San. 1850 eine mit diefem vereinbarte Ber:
fafjung, die jedoch nicht zur Einführung gelangte,
da mit dem Siege der Reitaurationspolitit auch der
Landgraf in die alten Wege zurüdlentte. Er war
unter den eriten Fürften, die Sept. 1850 den reſtau⸗
rierten Bundestag bejhidten. Bei feinem Tode,
24. März 1866, fiel das Land, da er keine Nach—⸗
tommen batte, an Hejlen:Darmftabt, mußte aber
noc im felben sr an Preußen abgetreten werden.
erdinand, Erzbiſchof und Kurfürft von Köln,
Sohn Herzog Wilhelms V. von Bayern, geb. 7.Dtt.
1577, ftubierte mit feinen Brüdern jeit 1589 in
golſtadt, ward mit päpftl, —— 1595
vabjutor jeines Dheims, des Kurfürſt⸗Erzbiſchofs
Ernſt von Köln, 1612 fein — olger und noch
in demſelben Jahre Biſchof von — Münſter
und Hildesheim und 1618 von Paderborn. Der
Gedanke einer kath. Liga, wie jein Bruder Mari:
milian I. von Bayern jte ſchuf, fand in F. den eif⸗
rigſten Vertreter; doch konnte er die oberbeutichen
Stände nicht zu feiner Aufnahme in den Bund be
wegen. Nach Ausbruch des Dreikigjährigen Krieges
trat F. in die kath. Liga ein; fein Yand hatte durch
die Brandfhagungen holländ. Truppen, fpäter
durb ſchwed. Belagungen viel zu leiden. Auch
5.8 Beitritt zum Prager Frieden 1635 half feinem
peyingten —5 wenig. Erſt der Friede von 1648
rachte die Erloͤſung. Er ſtarb 13. Sept.1650in Arns⸗
560 Ferdinand I. (König von Neapel) — Ferdinand (von Ejte, Erzherzog v. ſterreich)
berg. F. bethätigte feinen Eifer für die Relatholi:
fierung auch durch Kirchenbau (3. B. auf dem
Kreuzberge bei Bonn, 1627) und Begünftigung der
Orden, befonders der Jeſuiten, deren Belehrungs⸗
eifer er polizeilich unterjtüßte.
Ferdinand I., eriter König von Neapel, geb.
1423, natürliber Sohn Alfons’ V. (ſ. d.) von
Aragonien, welcher ihm Unteritalien 1458 hinter:
ließ, während Alfons’ V. Bruder Johann Sicilien,
Aragon und Navarra erbte. Troß der Ränte, zuerit
der Rurie, dann Ludwigs XI. von Frankreich, und
troß der Neigung der Barone zur Erhebung os
banns von Anjou und troß der anfänglichen ſchwe⸗
ren erg von Sarno (1460) wußte er, vers
bündet mit Standerbeg (ſ. d.), fih in ben Befig
des Landes zu ſehen, um nun jeine Macht rüd:
fihtölos auszunügen zur Brebung der Anſprüche
des Papſtes und des Adel3 und zur Befriedigung
einer tüdischen Rachſucht. Während er durch eine
mbildung des ſchon unter Alfons V. bedenk⸗
lien —— zur reinen Ausbeutung das
Verderben von Handel und Gewerbe anbabnte,
aber Kunft und u are eifrig förderte, gelan
es ibm infolge der ——— der übrigen ital.
Staaten nicht, Italiens Küfte vor den Türken voll:
ftändig zu ſchützen, welche 1480 Dtranto wegnabmen,
jedoch 1481 wieder räumen mußten. Er ftarb25. Jan.
1494. Sein — war Alfons II. — Vol Co-
dice Aragonese, bg. von Trinchera (3 Bde., Neap.
1866— 74); Regis Ferdinandi I. institutionum
liber, bg. von Volpi (ebd. 1861); Porzio, La con-
iura de’ baroni del regno di Napoli (Rom 1565;
Site 1818); D. Giampietro, Un registro aragonese
nella biblioteca di Parigi (Neap. 1885).
Ferbinand IL., König von Neapel, Entel
dinands I. von Neapel, geb. 26. Juli 1469, über:
nabm nad der Abdankung feines Vaters Alfons IL
.d.) die Regierung 23, Jan. 1495, mußte aber vor
önig Karl VII. von Frankreich nah Sicilien
fliehen. Begünftigt von dem Bunde Kaiſer Maris
milians, Ferdinands V. von Eaftilien, Lodovico
Moros, Venedigs und Aleranders VL., gewann er
Neapelim Juli 1496. Er jtarb linderlos 7.DEt.1496;
fein Nachfolger war Friedrid von Altamura.— Bal.
9. 5. Delaborde, L’exp6dition de Charles VIII en
Italie (Bar. 1888).
Ferdinand MW., König von Neapel, f. Fer
dinand II, König von Aragonien.
Ferdinand IV., König von Neapel, ſ. Fer:
dinand I., König beider Sicilien,
Ferdinand I., Karl Leopold Franz Marcellin,
Kaiſer von Oſterreich, mit dem Beinamen der
Gütige, älteiter Sohn Raifer Franz’ L aus deſſen
meiter Che mit Maria Zberefia, Prinzeffin beider
icilien, wurde 19. April 1793 in Wien geboren.
Gine 1815 unternommene Reife durch mehrere diterr.
Provinzen nah Ftalien, der Schweiz und einem
Zeil von Frankreich wirkte ftärtend auf feine
Ihmädlihe Geſundheit. Mit Vorliebe befhäftigte
er fih mit technolog. und botan. Studien. Seine
28. Sept. 1830 zu Preßburg vollzogene Krönung
zum Könige von Ungarn, unter dem Namen Ferdi—
nand V., gemäbrte nur nominellen Anteil an
der Reichsregierung. Am 12, Febr. 1831 vermäblte
er ſich mit der Prinzeffin Maria Anna Sarolına
Pia, der dritten Tochter des Königs Victor Ema—
nuel I. von Sardinien; doch iſt feine Ehe kinderlos
geblieben. Er folgte 2. März 1885 feinem Bater
auf dem Raifertbrone, überließ die Regierung feinem
Oheim Erzberzog Ludwig, Staatstanzler Metternich
und Kolowrat und bielt an dem abfolutiftiichen
Spitem feines Vaters nad deſſen legtem Willen feit
bis 13. Mär; 1848, an welbem Tage Metternich
fiel. (S. Oſterreichiſch-Ungariſche Monardie.) In:
—*— der Maiunruhen zu Wien flüchtete er mit
einem Hofe nah Innsbruck und fehrte Mitte Aug.
1848 nad der Hauptitadt zurüd. Während des
Miener Aufitandes Anfang Dftober verließ er fein
Schloß zu Schönbrunn abermald und wandte fib
nah Olmüß, mo er 2. Dez. 1848 zu Gunjten feines
Neffen Franz Joſeph die Regierung niederlegte. Seit:
dem nahm er feinen bleibenden Aufenthalt zu Prag,
wo er auf der Hrabihiner Burg 29. Juni 1875
ftarb, Seine Witwe ftarb 2, Mai 1884.
Ferdinand, Erzberzog von Oſterreich, geb.
14. Juni 1529 zu Linz als zweiter Sohn König
Ferdinands I., nahm 1547 mit jeinem Bater an dem
Schmalkaldiſchen Kriege teil und verwaltete jeit 1548
die Stattbalterihaft von Böhmen. Hier lernte er
1556 die Augsburger Patricierstochter Philippine
Welſer (f. d.) fennen, die ibn fo fejlelte, daß er ſich
1557 zur geheimen Ebe mit ihr entihloß. Bald
erfubr auc fein Vater davon, der 1559 beiden ver:
zieh und ihren Kindern, die nicht thronfähig waren,
eine Verforgung veriprab, aber fie zur Gebeim:
baltung der Ehe verpflichtete. Erft 1576 löfte der
Papſt den Erzherzog vom Eide, den er darüber
ausgeſtellt hatte, Beim Tode des Vaters 1564 Re:
gent Tirols und der diterr. Borlande geworden,
tn er die Verbindung len lanbesfürit:
liben Machtſtrebens mit Relatbolifierungseifer auf
diefe von zablreihen Proteftanten bemobnten Län:
der und ſeßte gegen dieſe wie auch gegen lath. ftän-
diihe Selbjtändigleitägelüfte feinen Willen durd.
Der Hatboliciämus Tirols ift auf ibn weſentlich
urüdzufübren. 1580 ftarb feine Gemablin in
Innsbrud, in defien Nähe F. das Schloß Ambras
(1. d.) dur jeine Kunſt⸗ und Bücerfammlungen
bleibend berühmt gemadt hat; F. ſchloß 1582 eine
zweite Ehe mit Anna Katharina von Mantua, die
ihm aber nur Töchter fchentte, jo daß bei feinem
Tode (24. Yan. 1595) feine Befigungen als Ge:
jamterbe an die habsburg. Seitenverwandten fielen.
— Bol. Hirn, Erzberjog F. I. von Tirol (2 Bpe.,
Innsbr. 1885—87),
Ferdinand, Karl Jof., von Efte, Erzberjoa
von Oſterreich, diterr. Feldmarſchall, geb. 25. April
1781 zu Mailand, der zweite Sohn des Etzherzogs
Karl Anton Joſ. Ferdinand (geb. 1754, geit. 1806),
der durch die VBermäblung mit Beatrir von Eſte die
Erbfolge in Eſte erbielt und deſſen älteiter Sobn
Franz IV. (geit. 1846) Herzog von Modena war.
Im Kriege 1805 erbiet den Dberbefebl des
3. Armeelorp3 von 80000 Mann, dad Bayern be»
feßte und jih in Schwaben aufftellte. Nachdem Mad,
der das Ganze leitete, in feiner Stellung an ber
Iller jih batte umgeben laffen, wurde F. an ber
Spige des linten Flügels 9. DR. von dem Marſchall
Ney bei Günzburg geſchlagen. F. beſchloß, das
Scidjal des in Ulm eingeſchloſſenen Heers voraus»
febend, fih mit 12 Schwadronen durchzuſchlagen,
fübrte feine Schar durch das feindliche Heer nad
Öttingen und zog die Trümmer des Hobenzollern-
ſchen Korps an fib. Bei Gunzenbaufen an der Alt-
mübl entging er laum ber ——— durch
den ihn verfolgenden Murat, dem bie Infanterie
5.8 in die Hände fiel; doch fam er nad 8
mit noc 1500 Reitern nah Eger. Hierauf erbielt
Ferdinand I. (König von Portugal) — Ferdinand I. (König beider Sicilien)
er ben Oberbefehl über die kaiferl. Truppen in Böh:
men, organijierte den Landſturm und machte den
Bayern in mehrern glüdlichen Gefechten jeden Fuß⸗
breit Landes ftreitig. Mit etwa 18000 Mann dedte
er den rechten Flügel der verbündeten Armee, bis
dieſe bei — itz geſchlagen wurde. F. wurde 1899
Oberbefehlshaber des 36000 Mann ſtarlen 7. Ar:
meelorpg, mit dem er 15. April ins Herzogtum
Warſchau einrüdte, deſſen Hauptftadt ng ihm
22. April ergab, Während nun F. gegen Kaliſch
7 und Thorn angriff, umging Poniatowſti die
erreiher und brad in das Ser. Galizien ein,
fo daß F. Warſchau aufgeben mußte. Zwar eroberte
er Galizien wieder, doch wurde er jebr bald dar:
auf von Boniatomjli abermals vertrieben. F. zog
fih nun nach Ungarn zurüd. Im Feldzuge von
1815 übernahm er den Oberbefehl über die öſterr.
Rejerve am Rhein. 1816 wurde er Kommanbdieren:
der in Ungarn, 1830 Generalgouverneur von Ga:
lizien, legte dieſe Stelle jedoch nad den Unruhen
von 1846 nieder, lebte dann meift in Stalien und ftarb
5. Vov. 1850 auf Schloß Ebenzweier bei Gmunden.
Ferdinand J., König von Bortugal (1367
—88), geb. 31. Dit. 1345 ald Sohn Pebros L,
geriet in Streit mit König Heinrid dem Unechten
von Gaftilien über die Krone und hatte außer:
dem mit innern Unruhen zu kämpfen, welde zum
Teil durch feine Bermählung mit Eleonore Tellez
de Menefes veranlaft wurden, die er ihrem rechten
Gatten Johann Lorenz da Eunba vorentbielt. Mit
. ging 1383 das altburgund. Fürftenhaus zu
ide, welches * Zeit des erſten Kreuzzugs durch
Heinrich von Burgund begründet war. Eleonore
verſuchte zwar gegen die Erbfolgeorbnung die Krone
für ihre Zochter Beatrir, Gemahlin Johanns I.
von Gaftilien, zu behaupten, erlag aber dem natür:
lien Bruder des Verftorbenen, Jobann, der 1385
bei Aljubarota auch die Eaftilier befiegte und fo das
neuburgund. Königshaus in Portugal begründete.
FerdinandIL., Auguft Franz Anton, Königvon
Portugal, älteiter Sohn des Der: & Ferdinand
(f. d.) Georg Auguft von Sachſen-Coburg, geb.
29. Dit. 1816 in Wien, vermäblte ji 1. Jan. 1836
na Profuration und 9. April in Perſon mit
der Königin Maria II. da Gloria von Portugal.
Er erbielt als Gemabhl der .. Titel Herzog
von Braganca und nad der Geburt feines eriten
Sohnes, des Infanten Dom Pedro von Alcantara
(geb: 16. Sept. 1837), der nteflune gemäß den
Önigätitel. Nah dem Tode jeiner Gemahlin
(15. Nov. 1858) führte er die Regentſchaft für den
noch unmündigen Kronprinzen biö zum 16. Sept.
1855. Seine deutihe Abkunft verfchaffte ihm in
Portugal mehr Ungunft als Gunjt, aber durd fein
Muges und verjafjungsgemäßes Berhalten erwarb
er ſich allmählich große Popularität. Den ihm 1869
angetragenen Thron von Spanien lebnte er ab.
Er vermäblte fih zum zweitenmal 10. Juni 1869
mit Elife Henäler, die - Gräfin von Evla erhoben
murbe. Er ftarb 15. Dez. 1885 in Lifjabon. Die
Kinder jeiner erjten Ehe nd: König Pedro V., geit
11. Nov. 1861; König Ludwig I., geit. 19, Dit
1889; Brinzeffin Maria Anna, geb. 21. Juni 1848,
eit.5. Febr. 1884, vermäblt 11. Mai 1859 mit dem
se Georg von Sadjen; Prinzejfin Antonia,
geb. 17. Febr. 1845, vermäblt 12. Sept. 1861 mit
dem Erbprinzen, jegigen Fürſten Leopold von Hohen:
zollern; Prinz Augujt, Herzog von Eoimbra, geb.
4. Nov. 1847, geit. 26. Sept. 1889.
Brodbans’ Konveriationd-Lerifon.. 14. Aufl, R. A. VL
561
Ferbinand der Heilige, yrjant von Bor:
tugal, geb. 1402 ala Sohn des Königs Johann
des Unechten, wurde von feinem Bruder, dem Kö:
nig Eduard I. (1433—38), in Gemeinjchaft mit dem
jüngern Bruder Heinrich ausgefhidt, um Tanger
den Nohammedanern zu entreißen; aber von dieſen
gefangen genommen, blieb er, da die Cortes nicht
in feine Auslieferung gegen Abtretung Ceutas
willigten, ſechs Jahre in harter Gefangenichaft bis
zu feinem Tode 1443. Seinem Schidjal entnahm
Ealderon den Stoff = dem Trauerſpiel «Der jtand-
bafte Prinz». — Bol. Schäfer, Geſchichte von Bor:
tugal, Bd. 3, ©. 331— 363 (Hamburg).
dinand, Victor Albert Mainrad, Prinz von
Numänien, geb. 24. Aug. 1865 zu Sigmaringen
als zweiter Sohn des Fürſten Leopold von Hohen:
zollern, des ältern Bruders des finderlojen Königs
KarlI. von Rumänien, wurde, nachdem fein Vater
und fein älterer Bruder auf die rumän. Krone
verzichtet hatten, 14. Nov. 1886 durch Aufnabıne
in die rumän. Armee alö event. Erbe des rumän.
Thrones defigniert. Am 14. -. 1889 wurde
er zum Senator ernannt und 18. Mär; 1889 im
Einverſtändnis mit der Landesvertretung mit dem
Zitel «Bring von Rumänien» als event. Erbe des
rumän. Königsthrons anerlannt. 1898 wurbe er
zum General der rumän. Armee befördert. Am
10. Yan. 1893 vermäblte er ſich mit Maria, der
ältejten Tochter des Herzogs Alfred von Sadjen:
Soburg: Gotha. Aus diefer Ehe gingen hervor:
Brinz Karl, geb. 15. Dit. 1893, die Prinzeſſinnen
Elifabeth, geb. 11. Dit. 1894, Maria, geb. 8. Jan.
1900, und Prinz Nikolaus, geb. 18. Aug. 19083.
Ferdinand, Georg Auguit, Herzog von Sad:
jen:Coburg, Sohn bes Herzogs Franz von
Sadjen » Coburg: Saalfeld und der Prinzeſſin
Auguste von Reuß:Ebersporf, geb. 28. März 1785,
trat in dfterr. Militärdienite und vermäblte fi
2. yan. 1816 mit der Prinzeffin Marie Antonie
Gabriele, Tochter des reihen Fürjten Franz Joſeph
von Kohäry, trat 1818 zur fatb, fire über und
wurbe 1827 * Staatsbürger. Er ſtarb in Wien
27. Aug. 1851. Bon feinen drei Söhnen: Ferdinand,
Auguft und Leopold, traten die beiden legten gleich:
allg in diterr. Militärdienfte, während der erite als
erbinand IL (j. d.) König von Portugal wurde,
er jüngfte Sohn des Prinzen Auguft, Ferdinand
(l. 4 i£ Furſt von Bulgarien.
Ferdinand J., König beider Sicilien, als
König von Neapel Ferdinand IV., geb. 12. Yan,
1751, erhielt das mit Spanien auf Örund der Ber:
träge unvereinbare Unteritalien und Sicilien, als
In Bater Karl ILL. (j. d.) 1759 den ſpan. Thron bes
ieg. Tanucci leitete für den gleihgültigen Fürſten
an ber Spige der Regentſchaft und jeit 1767 als
erſter Minifter die Geſchäfte zwar trefflich, wurde
aber von F.s bereichfüchliger draw Karoline Marie
1777 verdrängt und durd) Ya Sambuca, 1784 durch
Acton (f. d.) erfeßt. Neapel, das ſich nun dem ipan.
Einfluß entzog, um ſich England und Öfterreih ans
zuſchließen, beteiligte ſich jeit 1798 an den Koali⸗
tionsfriegen gegen Frankreich, nad einem vorüber:
ebenden Frieden 1796 ſah ſich F. nach der Nieder:
age Mads genen Championnet zur Flucht nad
Palermo (24. Dez. 1798) genötigt, während in
Neapel nad Niederwerfung der Lazzaroni die Bar«
thenopäiſche Republik (j. d.) errichtet wurde (23. Yan.
1799). Der Abzug der franz. Truppen ermöglichte
jedoch jhon im Juni 1799 dem Kardinal Ruffo (f. d.)
36
562
und feinen Banden die Rüderoberung von Neapel,
wo unter Neljons Augen überaus blutige Race an
den Republitanern genommen wurde. ;y. febrte im
Jan. 1800 ſelbſt nah Neapel zurüd, wurde aber
1801 von den in Deutichland fiegreihen Franzojen
eswungen, den «stato dei presidj», Piombino und
Borto: ngone abzutreten und ſich der Kontinen:
taljperre anzufhließen. Bei Ausbruch des Krieges
von 1805 nahm jebod F. engl. und nf: Truppen
auf und rüftete de zur fräftigen Beteiligung am
Kampfe gegen Napoleon. Dieſer aber bejegte nad)
dem überrajhend ſchnell errungenen Sieg bei Auſter⸗
fig 5.3 vollftändiges Gebiet, welches Joſeph Bona-
parte und fpäter Murat befam, und zwang ibn fomwie
dann auch Karoline Marie zur Flucht nad Sicilien.
Ser behaupteten fie fich unter dem Schuß der engl.
otte. Als Karoline Marie, müde der Bevor:
mundung durch England und des von diefem der
Berfafjung gewährten Schußeß, ſich mit Napoleon in
— erhandlungen einließ, ſorgte der Admiral
.orb Bentind 1811 Par ihre Entfernung aus Gici-
lien, worauf er auch F. im Jan. 1812 zwang, feinen
England mehr ergebenen und einer verfaflungs:
mäßigen Regierung geneigtern Sobn Franz (1.) zum
Statthalter zu ernennen. Nach Bentinds Abga
(Jan. 1818) übernahm F. die Regierung wieder jelbit
und erhielt nach Napoleons Niederlage aud Neapel
von den Mächten wieder zurüd. Murats verfpäteter
Verſuch, fi in den Befik von Unteritalien zu ſetzen,
mißlang, und duch ®Delret vom 8. Dez. 1816
vereinigte F. feine Staaten zu einem Königreich
beider Sicilien. Als, angeregt durch Spaniens Bei
fpiel, 1. Juli 1820 eine Revolution ausbrach, über:
trug F. die Statthalterjhaft wieder an Franz, ber
die geforderte Verfafjung alsbald gemäbrte, melde
dann 55. beihmor, um unmittelbar darauf, unteritüßt
von diterr. Truppen, auf Grund der mit Öfterreich,
Rußland und Preußen zu Laibad getroffenen Ber:
einbarung, feine unbeichräntte Gewalt wiederber:
allen. Aud) die von Öfterreich verlangte mebr-
ährige Bejehung des Landes ge 5. 1822 zu
erona zu. Er id 3. Yan. 1825 zu Neapel. Sein
Nachfolger war Franz I. ⸗ V — Memorie
storiche diF.I (Neap. 1897): Eolletta, Storia del
reame di Napoli dal 1734 sino al 1825 (2 Bde.,
1834); Bo330, Nuovi documenti di F. (IV) Borbone
(im «Archivio storico italiano», ae
Ferdinand II., König beider Sicilien, Entel
deö vorigen, geb. 12. Jan. 1810, führte, 8. Nov.
1830 zur Re —* ekommen, im Gegenſatz zu
ſeinem Vater Fran & d.) anfangs Berbeflerungen
ein, jäuberte dad Beamtentum und erhob Heer: und
inanzwejen aus ihrem Häglichen Auftand, wandte
ich aber bald wieder dem herlömmlichen Abfjolutis:
mus und der überlommenen Anlehnung an Oſter⸗
reich au. Nach dem Tode feiner erften Gattin, Marie
Ehrijtine von Savoyen (1836), beiratete er 1837
Maria Thereſia Iſabelle, Tochter des Erzberjogs
Karl von Oſterreich, mas zu einem Gegenſatz llden
ibm und feinem Sobn Franz (II.) führte. Harte
Steuermaßregeln, Rüdberufung der Jejuiten, Auf:
bebung der ficil. Verfaflung, verbunden mit äußern
Unfällen, führten zu den Erhebungen von Syrafus
(1837), Aaquila (1841) und Coſenza (1844) und zu
dem Verſuch der Brüder Bandiera (Juli 1844),
welche zablreihe Hinrichtungen und Einterterungen
im Gefolge hatten und F. mit wachſendem Mißtrauen
und zunehmender Rachſucht und Härte erfüllten.
Ein neuer Ausbrub des öffentliben Unwillens er:
Ferdinand II. (König beider Sicilien) — Ferdinand VI. (König von Spanien)
folgte in Sicilien nah Pius’ IX. Erhebung und
en liberalen Erllärungen. Balermo gab 12. an.
1848 der ganzen Inſel und Unteritalien das Zeichen
zum Aufitand, und F. ſah ſich zur Entlafiung feiner
verhaßten Minifter, zur Gewährung einer Verfaſſung
(10. Febr.) und fogar zur Entjendung von Truppen
gegen die Öfterreicher gezwungen. Während jedoch
die von Mißtrauen ten Abgeordneten Schwie:
rigfeiten machten, bereitete F. den Staatäjtreich
vor, den er, gejtüßt auf die Schweizertruppen und
Lazzaronihaufen, 15. Mai 1848 ausführte; nur
General Pepe trat auf die Seite des Volls über.
Nah Karl Alberts Niederlage bei Euftozza lonnte
aud Sicilien, das die Errichtung eines felbjtändigen
Königreich3 unter Ferdinand von Savoyen geplant
atte, niedergeworfen werden, doch erſt nach N, een
ämpfen, — Tg Lg ng ag ame
Meifinas Sept. 1848, die F. den Namen Bomben:
tönig (R& Bomba) eintrug. Im aanzen Königreich
erreichten nun das polit. Verdachtigungs⸗ und Ber:
pie Sbirrentum , Einterferungen und
erbannungen ihre —— weder W. F.
Gladſtones —— ffentlichungen («Two
letters to the Earl of Aberdeen», 1. Ausg. 1851;
die 2. Ausg. 1852 und die folgenden enthalten eine
Prüfung der «Dffiziellen Erwiverung der neapolit.
Regierung»), nad melden 1850 zwiſchen 15000
und 20000 polit. Berbächtige in den Gefängnifien
lagen, noch dievon Cavour auf dem Barifer Kongrek
veranlaßten Borftellungen Englands und Franl:
reichs brachten F. von feinem Berfahren ab; die
Ablehnung der legtern als eines Eingriffes in die
tönigl. Hobeitärechte führte zur Abberufung des engl.
und des franz. Gefandten von Neapel. Nad dem
Morbverfuh des Soldaten Milano (8. Dez. 1856)
—8 F. Sicherheit in gänzlich zurüdgezogenem
eben zu Caſerta, wo er an den or der Ber:
wundung im Obericentel, die ihm Milano beige
bradt hatte, 22. Mai 1859 a * folgte ſein
einziger Sohn Franz IL — Bol. Nic. Nisco, Ferdi-
nando II e il suo regno (Neap. 1884).
Ferdinand J. bis V, von Spanien, identisch
mit F. L bis V. von Eaftilien (f. ©. 559).
inaud VI., König von Spanien, geb.
23. Sept. 1712, der dritte Sohn König Philipps V.
aus deſſen erfter Ehe mit Maria Ludovica Gabriele
von Savoyen, folgte 9. Aug. 1746 feinem Bater
auf dem Throne, überließ die eg? faft voll:
ftändig feinen Miniftern und ftarb 10. Aug. 1759
in einem Kloſter zu Villaviciofa, ohne Kinder zu
binterlaflen. Ibm folgte fein Halbbruder Karl IL.
Ferdinand VIL., König von Spanien, geb.
14. Dt. 1784, Sobn König Karls IV. und ber
Prinzeſſin Marie Luiſe von Parma, erhielt durd
ben roch von Alcudia (j. Godoy) eine ungenügende
Erziehung und wurde 1801 mit Antoinette Thereſe,
der Tochter des nahmaligen Königs beider Sicilien,
Yerbinands I., vermäblt, die jedoch ſchon 21. Mat
1806 ftarb. Vornehmlich in der Abit, ihren Haß
egen den Herzog von Alcudia zu befriedigen,
arten ſich mehrere Große, an deren Spitze der
Herzog von Infantado ftand, um F., der in einem
Schreiben vom 11. Dft. 1807 an Napoleon I. den
Wunſch zu ertennen gab, ſich mit der älteiten Toter
Lucian Bonapartes zu vermäblen. Die Folge war,
daß der Prinz 28. Dkt.im Escorialverbaftet und durch
eine königl. Kundgebung für einen Verräter erllärt
wurde. Doch die Erbitterung des Volls gegen
Alcudia führte 18. März 1808 die Revolution von
Ferdinand (Infant von Spanien) — Ferdinand II. (Großherzog von Toscana)
Aranjuez herbei, wonach der König der Krone ent:
fagte, die nun auf F. überging. Diefer begab ſich
nah Bayonne zu oleon, der ihn jedoch zur
Thronentlagung (10. Mai) zwang. Indes hatte F.
ie der von ihm in Madrid errichteten oberften
gierungsjunta uneingeſchränlte Vollmacht und
das Recht erteilt, die Cortes zu berufen und frie
mit Frankreich zu führen. (S. Spanien, Gejhichte.
Er erhielt von Frankreich ald Apanage eine 1 sen
Rente von 600000 Fre. und das Schloß Balencay
um Aufenthalt angewiefen, wo man ibn aufs
Iren fte bewachte. gegen Ende 1813 bot Napo⸗
eon 5 die Wiedereinjegung an, und auf Grund des
von den Cortes nicht beitätigten Bertragd vom
11. Dez., durch den F. Spaniens Intereſſe von der
Sache Europas trennte, tebrte 5. im —— nach
Spanien zurüd, Allein noch vor feiner Ankunft in
Madrid verweigerte 5. den Eid auf die Ronjtitution
ber Cortes von 1812, ftieß dieſe um, e
monardijche Gemalt zu er beſchränle, und ließ die
Mitglieder der Regentichaft, mehrere Deputierte ber
Eorted und die Minifter verhajten. Am 14. Mai
1814 bielt F. feinen Einzug in Madrid, alle Libe⸗
ralen wurden verfolgt, und Hinrichtungen, Gefäng-
niöftrafen, Verbannungen und Bermögenstonfis:
tationen fanden in allen Teilen des Reichs ftatt.
Die Monchsorden, die Inquifition —— der Folter
wurden wiederhergeſtellt und jede lußerung geiſtiger
Freiheit mit Härte unterbrüdt.
Endlich kam eö im a. 1820 zum Yufftande,
fo Be F. ich gendtigt ſah, 9. März die Konftitution
der Eorteö von 1812 zu beihmören; doch durd die
bewaffnete Intervention Frankreichs wurde 1823
die abfolute Gewalt in Spanien mwiederbergeitellt.
F. hatte fi 1816 mit der zweiten Tochter des Kd⸗
nigs Johann VI. von Bortugal, Maria Yabella
Sranzista, wieder vermählt, die aber ſchon 26. Dez.
1818 ftarb. Zum drittenmal vermäblte er fi im
Aug. 1819 Bel ner Deingeifin Solep
des Prinzen Marimilian von fen, und nad
deren Tode (17. Mai 1829) noch in demſelben Jahre
um viertenmal mit Maria Ehriftina (f. d.), einer
ochter ranz' I., des Königs beider Sicilien, di
e, einer Tochter
bie
ihm 10. Oft. 1830 die nahmalige Königin HabellaIL rich IV
und 1832 die Infantin Luiſe Fernanda, fpätere
Gemahlin des Herzogs von Montpenfier, gebar.
Durh den Einfluß Maria Ehriftinas wurde 4
bewogen, die von den Cortes 1822 beantragte Auf⸗
hebung des Saliſchen Geſees 29. März 1830 durch
eine jog. Pragmatiſche Sanktion, welche die alte
caſtil. fognatische Erbfolge wiederheritellte, zu ver:
wirklichen. Dieſer Schritt führte ſchon bei Yebzeiten
des Königs zur Koalition der Anhänger feines
Bruders Don Carlos und brachte nad) feinem Tode
ben Bürgerkrieg zum Ausbruch. Bald von der
liberalen, bald von der realtionären Bartei bebrobt,
von Intriguen am Hofe beherrſcht, übertrug der im
Oft. 1832 ſchwer erkrankte König feiner Gemablin
die Leitung der Staatsgeſchäfte bis zu jeiner Ge
nefung. Der für die larliſtiſche Partei wirtende Mi:
niſter Galomarde, der den faſt bemußtlojen König
ein Dekret, das die Pragmatiſche Santtion von 1830
aufbob, hatte unterzeichnen lafien, mußte flüchten. F.
ärte 31. Dez. das Dekret für erſchlichen und über:
nabm 4. Jan. 1833 wieder die Regierung; doch ftarb
er ſchon 29. Sept. 1833, yom folgte feine minder:
jährige Tochter Iſabella IL (f. d.). — Bol. Baum:
arten, bichte Spaniens vom Ausbruch der
anzöfifhen Revolution (3 Bde., Lpz. 1865— 71).
563
Ferdinand, Infant von Spanien, der 3
Kardinalinfant, kaiſerl. General im Dreißig—
— en Kriege, geb. 17. Mai 1609 als dritter Sohn
0 ilipp3 III. von Spanien, wurde ſchon 1619 Erz:
biſchof von Toledo, dann Kardinal und von feinem
Bruder Philipp IV. zum Nachfolger der Erzberzogin
Iſabella in der Regierung der Niederlande aus:
erie Bon Mailand aus an der Spige eines
ftarten Armeelorps nah Deutihland vorrüdend,
trug er wejentlid zu dem großen Siege bei Nörb-
lingen über die Schweden und rd von Wei:
mar bei (6. Sept. 1634) und zog 4. Nov. in Brüfjel
ein. Um den vereinten Angriffen der Franzoſen und
Niederländer zu begegnen, er er, unterjtüßt von
Biccolomini und Johann von Wertb, 1636 die Offen:
five, eroberte die Ricardie, nahm alles Land zwiſchen
Somme und Dife und eine Reihe feiter Pläge; aber
ge und Defertion in jeiner Armee zwang
‚zum Nüdzuge. 1638 erfocht er einen Sieg über
den Grafen Wilhelm von Nafjau bei Kalloo und
entjegte Geldern, das verfuchte er Aug. 1640 mit
bem Herzog von Lothringen vergebens den Entſaß
von Arras. F. ftarb 9. Nov. 1641 in Brüfiel,
Ferdi I., de’ Medici, Großberzo von
Toscana, geb. 1549, Sohn Eofimos L. de’ Medici,
nahm, von Hius V. ſchon mit 14 Jahren zum far:
dinaldiaton erhoben, unter Gregor XIIL und Sir:
tus V. zu Rom eine einflußreiche Stellung ein. Nach
dem Tode feines Bruders Franz L (f. d.) übernahm
er die Regierung von Toscana und beiratete nad
Niederlegung der Kardinaldmürde Ehrijtine von
Lothringen, eine Entelin Katharinas de’ Medici,
25. Aprıl 1589, welche ihm fieben Kinder fchentte.
Die bedeutenden, von Franz I. angefammelten
Mittel verwandte er zur Hebung des Yandes und
Verſchonerung feiner Städte Florenz, Pifa, Livorno.
Mit fefter Hand ſchuf er Drbnung; 1591 ließ er den
von Spanien gegen ihn unterftüten Briganten:
führer Alfonfo — bängen und machte auf
dem Meere feine Flagge geachtet durch die Angriffe
der Ritter von San Stefano auf Famagufta in Ey:
nen und Bona in Algier (1608). Gegenüber
dem fpan. Übergewicht in Italien unterftübte 5. Hein»
. von Frankrei gegen die ſpaniſch geſinnte
Liga (1. d.). Ihren Bund befeftigte Heinrihs IV.
Heirat mit Maria de’ Medici, der Tochter Franz'L
Seine ftaatsmännifce Atuodeit verf&affte F. den
(allerdings vorübergehenden) Befis von If, Bo:
megues und Saluzjo, den bauernden von
aliano und von Stena als fpan. Lehn. Er
7, Febr. 1609, Sein Nachfolger war Eofimo II.
Ferdinand IL, de’ Medici, Großherzog von
Toscana, geb. 14. Yuli 1610, folgte feinem Bater
Eofimo II., zuerft (1621—28) unter der ſchwachen
Vormundihaft feiner Mutter und Großmutter,
Unter 5.3 Regierung wurde Toscana dur den
Mantuanifhen Erfolgelrieg verwüftet. Den gejun:
fenen Handel und Wohlſtand vermochte er erft all-
mäblich wieder zu heben, namentlich in den Friedens:
jahren ſeit 1649, nachdem er ſchon in dem Kriege
um Caſtro (1641— 44), verbündet mit Modena
und Venedig, kräftig für Parma batte eintreten
lönnen. Sein eigenes Land rundete er ab durch den
Kauf von Pontremoli, In dem Streit zwiſchen
Ludwig XIV. und der Kurie (1664) übernabm er
die Vermittlerrolle und unterftügte 1668 die Unter:
nebmung Benedigs gegen Gandia, Er ftarb 24. Mai
1670. Sein Nachfolger wurde fein älterer Sobn
Eofimo II.
36 *
564
Ferdinand IIL., Joſeph Johann Baptiit, Groß:
berjog von Toscana und Erzherzog von Oſterreich,
6. Mai 1769 in Florenz, zweiter Sohn Kaiſer
eopolds II., folgte diefem 2. Juli 1790 ald Groß:
berzog von Toscana. Als Freund des Friedens
beobachtete eritrenge Neutralität in dem Striege gegen
die Franzöſiſche Nepublit und war der erfte Souve:
rän, der diefelbe anertannte und mit ihrin diplomat.
Verbindung trat. Er wurde jedoch durch Rußland
und England gezwungen, 1793 der Roalition gegen
Frankreich beizutreten, ſchloß aber ſchon 9. —
1795 Frieden und rettete durch den * von 1797
unter ſehr mißlichen Umftänden die Neutralität
jeined Yanded. Doch mußte er fih, als die Bläne
Frankreichs in Bezug auf Italien immer Hlarer
kevoruaten, wieder dem Wiener Hofe nähern, was
ankreich —— ab, ihm im März 1799
den Krieg zu erklären. füge infolgedefien nad
Wien. Frieden zu Lundville 1801 mußte er
auf Toscana Verzicht leiften. Als Entihädigung
erhielt er durch den Vertrag zu Paris (26. Dez.
1802) das neu geihalene Kurfürftentum Salzburg.
Allein ſchon im — ieden 1805 mußte
er feinen Kurſtaat an Öfterreich und Bayern abtreten
und erhielt dafür Würzburg, auf das die Kurwürde
übertragen und das infolge feines Beitrittö zum
Rheinbunde zum Großherzogtum erhoben murbe.
Der erite Pariſer Frieden — ibm 1814 das Groß:
—— Toscana zurũck, dem der Kongreß zu
ien noch den Stato degli Preſidii und bie Lan—⸗
bed: und Lehnshoheit über das Fürftentum Piom⸗
bino binzufügte. No einmal mußte F. feine Refi-
verlafjen, ald Murat 1815 Jtalien unabhängig
maden wollte und pegen Djterreih zu Felde zog
bob ſchon 20. April 1815 konnte er nad Florenz
urüdtehren. Er war in erfter Ehe v It mit
uife, der Tochter des Königs beider Sicilien, Fer⸗
dinands I., die 1802 zu Wien ftarb. 1821 vermäblte
er fi mit der Prinzeifin Marie, der Tochter des
Prinzen Marimilian von Sadjen. F. —— 18. Juni
1824; ihm folgte fein en. Sohn Leopold I. —
lol. Erzherzog %. IL, Großherzog von Toscana,
ald Kurfürft von Salzburg (Saljb. 1878).
Ferdinand IV., Geoblruss von Toscana,
eb. 10. Juni 1885, Sohn Leopolds II. und der
rinzeffin Marie Antonie, Tochter Franz' J. Königs
beider Sicilien, nahm nad der Erg
feines Vaters 21. Juli 1859 den großberzogl. Zitel
an und proteftierte 26. März 1860 gegen die Ein-
verleibung Toscanas in Sardinien. F. vermäblte
ch 24. Nov. 1856 mit Anna, Tochter des Königs
obann von Sadjen, und nad deren 10. Febr. 1859
erfolgtem Tode 11. Jan. 1868 mit Alice, Tochter
des Herzogs Karl III. von Parma ; aus diefer zweiten
Ehe entitammen 4 Söhne und 5 Töchter, derenältefte,
Luise, fib 21.Nov. 1891 mit dem Prinzen Friedrich
Auguft von Sachſen vermäblte, von dem fie 11. Febr.
1903 gejchieden wurde. F. lebt teild = einer Billa
bei Lindau am Bodenſee, teils in Salzburg.
Ferdinand Wilhelm, Prinz von Württem:
berg:Neuftadt, geb. 12. Sept. 1659, trat jung in
dän. Kriegsdienſt, kämpfte 1681 —87 im faiterl.
Dienfte genen bie Tarien und
1690 in Irland die König Wilhelm IIL zu Hilfe
geſendeten dän. Truppen, führte diefe 1692 nad
Holland gegen die Franzofen und age jih an
deren Spige in den Schlachten bei Steenterten
(3. Aug. 1692) und bei Neerwinden (29. Juli 1698)
aus, worauf er zum General der Infanterie und
anzojen, befebligte
Terdinand III. (Großherzog von Toscana) — Fere
Oberſt der Leibbrigade ernannt wurde. 1694 ver
teidigte er Nieuport gegen die Franzoſen, kämpfte
1695 mit Auszeihnung vor Namur, deſſen Fall
großenteild ihm zu verdanlen war, und wurde nad
dem Ryswijler Friedensſchluſſe Gouverneur des bol:
länd. Flanderns. F. W. trat 1698 in poln. Dienft,
wo er unter Auguft II. ald Generalfeldmarſchall
den Dberbefehl über das ſächſ.⸗ poln. Heer in der
Ukraine übernahm und durch eine Reihe glüdlicher
Dperationen den Türken einen Teil von Bodolien
entriß. 1700 führte 3. W. in Holftein den Dberbefehl
gegen die Schweden, kehrte dann nah Holland
jurüd und ftarb dafelbft 7. Juni 1701 zu Sluys.
Ferdbinanden, eine 1831 mitten im Sicili—
Kost Meere durch unterfeeiihe Cruption aufge:
hüttete, doch bald wieder verſchwundene Inſel,
war etwa 60 km von Sciacca gelegen. Der deutiche
Geolog Friedr. Hoffmann näberte ſich 24. Juli der
Eruptionöftelle bis auf 1 km Entfernung und lieferte
dann in der Schrift oe . Beobadtungen»
(Berl. 1839) eine Bus: eibreibung der Vor⸗
änge. Durch eine Reihe aufeinander folgender
usbrüche wurde an einer vorber 200 m tiefen
Stelle eine Inſel von vulkaniſchem Schutt aufge
worfen, die fich gegen 60 m über den Meeresfpiegel
erbob, jedoch ſchon im Dezember infolge der Bran⸗
dung völlig wieder verſchwunden war.
Berpinansstene dort bei Naubers (f. d.).
erdinanddorben, - dar des beiligen
Ferdinand und des Verdienſtes, ficil. Dr:
den, von König Ferdinand IV. 1. April 1800 in
drei Klaſſen (Großlreuze, Komture und Ritter) ge:
ftiftet, 1861 aufgehoben. Das Ordenszeichen iſt
ein aus abwechſelnd ug goldenen Strahlenbün:
deln und ſechs filbernen Lilten gebilveter gefrönter
Stern, auf dem ſich innerbalb eines kreisrunden
blauen Randes, der in goldenen Buchſtaben die
Worte: Fidei et merito («Der Treue und dem Ver:
bienjt») trägt, auf goldenem Grunde das Bildnis
des heil. Ferdinand befindet, der das Schwert in
der Rechten, einen Lorbeerkranz in der Linten bält.
Der Orden wird an rot eingefabtem blauem Bande
von den Großkreuzen von der rechten Schulter zur
finten Seite (nebit Brujtitern), von den Comman⸗
beuren um ben Hals und von den Rittern im Knopf:
loche getragen. — 2) Militärorden bes heiligen
Ferdinand, jpan. Orden, von den Eortes für aus:
ezeichnete und heroiſche Thaten 31. Aug. 1811 ge
—38 von Ferdinand VII. 19. Jan. 1815 erneuert,
mit neuen Statuten verſehen 18. Mai 1862, Er hat
fünf Klaſſen. Ordenszeichen ift ein goldenes, weiß
emaillierted, achtipigiges Kreuz mit goldenen Rus
eln; im Mitteljchild der heil. Ferdinand in blauem
hei mit der Devife: Al merito militar («Dem
Militärverbienft»), auf dem Revers die goldenen
efrönten Welttugeln. Bei der zweiten und vierten
afje, verlieben für heroiſche Thaten, liegt das
Kreuz auf einem Lorbeerkranz und hängt an einem
ſolchen. Das Ordensband ift rot mit gelben Streifen.
(S. Tafel: Die wichtigsten Orden II, Fig. 19.)
Fere, La (ipr. fähr). 1) Hanptort des Kantons
5: im Arrondifjement Laon des — Depart.
ine, Feftung weiter Klaſſe, am Zufammenfluß ver
Serre und der Dife, an der Linie Tergnier-Laon der
Franz. Norbbahn, Sig des Kommandos der 2. Feld⸗
artillesiebrigade, bat (1901) 3083, als Gemeinde
4982 E., in Garnijon das 17. Feldartillerieregis
ment, ein bedeutendes Arienal, eine Artillerieſchule
(feit 1719), zwei Krantenbäufer; Pulver: und Ger
Ferentarii — Ferghana
treidemüblen, Seifenfabrifation, Drillich⸗ und Lein⸗
wandhandel. — F. wurde 1589 von Ligijten über:
rumpelt und 1595 von Heinrich IV. durch Kapitula⸗
tion gewonnen. Am 1. März 1814 fiel eö ohne
Widerftand der preuß. Brigade Thiimen des Bülow:
jden Korps zu, leiftete aber 1815 tapfern Widerſtand.
m 27. Nov. 1870 kapitulierte 3. nad) zweitägiger
—— Nach dem Friedensſchluſſe iſt es durch
mehrere Forts an der Somme verſtärkt worden. —
2) La F. Champenoiſe (fpr. ſchangp'ndahſ'),
befeſtigter Hauptort des gleichnamigen Kantons im
Arrondiſſement Epernay des franz. Depart. Marne,
am Pleurs, an den Linien Romilly: Epernay und
Sezanne⸗ Vitry le Francois der Franz. Oſtbahn, bat
(1901) 2211 €, und ift befannt durch das Gefecht
25. März 1814, in weldhem die in drei Kolonnen auf
Paris vorrüdenden verbündeten Heere die Korps
der Marſchälle Marmont und Mortier zurüdiwarfen.
Auf jeiten der Verbündeten (14000) fochten nur
Kavallerie und Artillerie gegen überlegene Streit:
träfte aller Waflen (29000 Dann). F. erbielt nad)
1874 drei detachierte Forts, Vendeuil und Liez weit:
lih, Mayot und 1 Batterie djtlich der Diie, 6 km
vorgejchoben, in der Richtung auf Laon 2 Batterien,
erentari (lat.), Wurfihüßen, unter den röm,
Kaiſern eine Art leichter Truppen. Gewöhnlich
wurden fie auf den Flügeln in Schlahtorbnung ger
ftellt und mußten mit ihren Wurfgeſchoſſen das
Gefecht eröffnen; bisweilen jtanden fie aber aud,
wie die Rorarii, zwiihen den Reihen der Schwer:
bewaffneten, um den Feind zu beunrubigen.
Ferentino, Stadt im Kreis Froſinone der ital.
Provinz Rom, im WSW. von Alatri,in 393m Höbe,
an der Linie Rom-Neapel (Babnbof 3 km ent:
fernt) des Mittelmeernebes, Siß eines Biſchofs, bat
(1901) ald Gemeinde 12398 E. Gymnafium; Wein:
und Dlivenbau. Dabei die Ruinen des alten Feren-
tinum,einerStadt der Herniler. Diealte,ausgroßen
Steinpolygonen erbaute Stadtmauer ift ziemlich gut
erhalten, auch ein Thor ift noch vorhanden.
erentinum, j. Ferentino und erento.
Ferento, heutiger Name der Stelle des alten
Ferentinum in Etrurien, belannt als Geburtsort
des Kaiſers Otho. Die Stadt lag nordöſtlich vom
beutigen Biterbo und wurde im 12. Jahrh. n. Ehr.
jeritört; es find noch zahlreiche Trümmerrejte(Stabt-
mauern, Theater, Bäder) vorhanden.
us (von feretrum, d. i. Bahre), ein Bei-
name Jupiters, unter dem ihm ein uralter, angeb:
ih von Romulus geftifteter Tempel auf dem röm.
Burgbügel geweiht war. In diefem wurden bie
spolia opima, d. h. die von dem röm. Feldherrn
dem Führer der Feinde im Kampfe abgenommene
per aufgehängt. Während der Republik
geihah dies zweimal, durch A. Cornelius ofus
437 0. Ebr. und M. Claudius Marcellus 222 v. Chr.
Fergband, Fergand, zum ————
ment Zurlejtan gehöriges Gebiet (oblastj) in
Ruſſiſch⸗ Centralaſien (j. d. nebit Karte), grenzt
in feinem nörbl. Teil an die rufj. Gebiete Samar:
kand, Syr:darja und Semirjetihenst, im füdlichen
an Buchara, Afghaniſtan und Dftturteitan und hat
150062 qkm mit (1897) 1560411 E., d. i. 10,3
auf 1 qkm. Der Hauptſache nad) beſteht es aus
dem Thal des obern Syr-darja, das fih von
Weiten ber, am Eingang nur 7, jpäter nicht über
100 km breit, zwiſchen dem Wlaigebirge im ©.
jowie dem Tſchotkal- und dem Yerghanagebirge
im RN. in einer Länge von über 200 km nad 18,
565
hineinſchiebt und durch die Hochgebirge abgeſchnit⸗
ten wird, die F. oſtwärts vom Tarimbeden trennen.
Es liegt durchſchnittlich in 300—500 m Höhe und
iſt von großartigen Feljenmauern — deren
ättel und Päſſe ſich gegen 3000 m über die Thal:
ſohle erheben. Querdurch geben viele niedrige
Höhenzüge und teilen das Thal in eine Menge
Abteilungen. Südlich vom Alaigebirge, zwiſchen
biefem und dem Trandalaigebirge, ziebt ſich das
Thal des weſtſüdweſtlich zunm Amu=darja gebenvden
Kifilsfu mit einem Gefälle von 700 m bei einer
Länge von 138 km; e3 it ſehr wajjer: und gras⸗
reich, aber jpärlich bewöltert. Während des Som:
mers wird ed von nomadijierenden Kirgijen bejucht
(10000 Kibitlen). Südlich vom Transalai folgt der
Pamir (f. d.), der, ſoweit er zu Rußland kam, x us
eteilt wurde. Bon der geſamten Bodenfläche ir
nd nur 12500 qkm im Thal des Syr:darja ange:
baut, das übrige „ Steppe oder Bergland, meiſt öde
und baumlos, jelbft nicht zur Viehzucht überall ver:
wenbbar, Das Klima ſchwankt von tropifcher Hitze
in den Thälern bis zu arktifcher Kälte auf den Höben.
Gemeinjam allen Lagen find der Mangel an Nieder:
ſchlägen und die Oſtwinde. Die mittlere Jahres:
temperatur im Thale beträgt 16,5, im März durch⸗
fchnittlih 25, vom Mai bis September 43—45, im
Winter zumeilen bis — 20°C. Mit Wald find nur
4000 qkm auf den Vorböben der Gebirge bejekt.
Den Hauptitamm der Bevölterung bilden Sar:
ten, dann Tadſchik und Karalirgijen (letztere meiit
in den Bergen), alles Belenner des Yslams; die
ruſſ. Einwanderung konzentriert fih um Margelan.
Das Kulturland beiteht aus Lößboden und ijt fehr
chtbar, foweit es bewäfjert wird, was ſchon im
ltertum durch Anlage befonderer Bewäſſerungs—
tanäle (Arylen) geſchah. Angebaut werden Weizen,
Reis, Gerjte, Kuluruz, Hirſe ee lacı 1895
1,47 ini Bi, Ernte 25,77 Mill. Bud), Obft, Wein,
Gemüfe (Melonen, Kürbifje, Zwiebeln, Span. Pfef⸗
fer; auf einem Gejamtareal von 810000 Deſſätinen).
Mit Baummolle werden bebaut 109000 Dejjätinen
und geerntet 5,5 Mill. Bud, darunter von amerik.
Pflanzen 4,7 Mill. Bud. Berühmt war F. von alters
ber durch jeine Seidenzudht ; die rufj. Regierung ſucht
ie wieder zu heben durch Errichtung von Verſuchs⸗
tionen und Schulen. 1895 wurden 9910 Pud
objeide erzeugt. An Mineralien find 4% Lager
von Blei, Steintohlen, Graphit und Naphtha ge:
funden worden, doch wird bisher nur das lektere
ewonnen. Die ſchon im Mittelalter ——
—** F.s ſteht noch in Blüte; es gab (1895)
73 größere Betriebe mit 8,5 Mill. Rubel Produk⸗
tion; am wichtigften davon find die Baummollreinis
ungsanftalten. Ausgeführt werden nad Rußland:
aummwolle, Seide, Gewebe, elle, Teppiche, Wolle,
Reis; nah Kaſchgar: Manufatturen, Eifen, Zuder,
baummollene und jeidene Gewebe; nach Budara:
feivene Gewebe, Mefier, Sättel. Die Einfuhr be
ſteht aus ri rer KRolonial:, Salanteriewaren,
Thee u.a. Die Geſamtſumme der Ausfuhr und Ein:
fuhr (1895) betrug31,, Mill. Rubel. F. zerfällt in ſechs
Kreiſe: Rolan, Andidihan, Margelan, Namangan,
Dih und Bamir; die Hauptftadt it Neu: Margelan.
Seit 1899 et: Eifenbahnverbindung von Samar:
land aus über Tſchernajewo, Chodſchent; auf F. jelbit
fommen 248 km Eifenbabn mit den Hauptitationen
Kokan, Margelan, Andidſchan. Namangan, —*8*
Gultſcha, Utſch-kurgan ſind durch fahrbare Straßen
mit den Bahnſtationen verbunden.
566 Fergus Falls
F. ift der nördl. Teil des Landes, das im Alter:
tume Soghd, bei den Griechen Sogdiana ge
nannt wurde. Im 7. und 8. Jahrh. n. Chr. am es
—— mit den Chineſen in Berührung; während
des Ehalifats Welids L (705— 715) drangen die
Araber in 5. ein und verbreiteten dort den Sları
De zweiten Hälfte des 10. Jahrh. war 5. ein
il des Samanibenreih3, ums J. 1002 gehörte
die Landſchaft dem Ilel Chan. Bon 1055 bis ins
12. Yabrb. war F. ber ditlihite Teil von Mawarãn⸗
nahr; Anfang des 13. kam ed an ven Chowaresm⸗
ab. Dann wurde es von den Eroberungszügen der
ongolen unter Dſchingis-Chan und unter Zimur
betroffen. In fpätern —— ſpielt das
Land eine hervorragende Rolle, zuletzt unter dem
Namen Ehanat Kolan (f. d.). Diefes hörte auf, als
1876 die Rufjen die Stabt Kokan und damit den
Hauptteil des Chanats eroberten und unter dem
Namen F. mit dem Generalgouvernement Turleſtan
vereinigten. 1891 bejegten die Ruſſen aud das
füdlih von F. liegende Bamirgebiet (bis zum Hin-
dukuſch), weil dieſes ein Beitandteil des frübern
Ehanat3 Kolan geweſen jei. Es kam deswegen
zu diplomat. YAuseinanderfegungen mit England,
weldhe das Ergebnis hatten, daß 1895 Wlan
in den Beſitz bes weſtl. Teild des Bamir
gelangte. — Bol. A. von Middendorff, Einblide
ın das Ferghanathal (in den «M&moires de l’Aca-
demie imp£riale des sciences de St. P&tersbourg»,
1881, Bo. 29).
Fergus Falld (jpr. forgeß fahls), Hauptftabt
des County Otter⸗-Tail im nordamerik. Staate
Minnefjota am Red-River, Knotenpunlt dreier
Bahnen, von denen eine bier Werkitätten unterhält,
pi (1900) 6072 E., zwei böbere Schulen; Mehl,
ier: und Wollwarenfabrifation. ,
ergufon Ne foͤrgeß'n), Adam, engl. Hifto:
rifer und Philoſoph, geb. 20. Juni 1723 zu Logie⸗
raith in der ſchott. ler} rtb, ſtudierte Theo:
logie, wurde Profeſſor der ir dann der Moral:
iloſophie in Evinburgb, 309 ich 1785 ins Privat:
en zurüd und ftarb 22. Febr. 1816 zu St. Ans
drews. F.s wichtigſte Schrift ift: «Institutes of
moral philosophy» (Edinburgh; deutich von Garne,
;. 1772). er ſchrieb er: «Essay on the history
civil society» (Ebinb. 1767 u. d.; deutſch von
Junger, Lpz. 1768), «History of the progress and
termination of the Roman republic» (BBte. Lond.
1783 u. ö.; deutſch von Bod, * 1784—86 u. b.).
— Bol. Small, Memoirs of A. F. (1864).
Sergufon (pr. förgeß'n), James, Mechaniker
und Aitronom, geb. 25. April 1710 zu Keith in der
ſchott. Srafihart Banff, hütete in feiner Jugend
Schafe und fand erſt, ald er durch PBorträtieren
einen Unterhalt erwerben konnte, Muße zu wiſſen⸗
haftlihen Studien. Er jtarb 16. Nov. 1776 zu
Edinburgh. Sein Hauptwerk ift die «Astronomy
explained upon Sir Isaac Newton’'s principles»
(Zond. 1756 u. d.; neue Aufl., 2 Bde, 1841).
Geine «Select mechanical exercises» (?ond. 1773)
enthalten eine Selbftbiograpbie.
Ferguffon (dee: — James, engl. Ar⸗
chilelt und Kunſiſchriftſteller, geb. 22. Jan. 1808 in
Ayr in Schottland, ging 1829 nah Indien und
wurde Teilhaber eines Handelshauſes, löjteaber nach
einigen Jabren jeine — re zu demfelben, um
fih dem Studium der Arditeltur zu widmen. Zu
diefem Zmede bereifte er zunächit den Drient. Als
erfte Frucht diefer Studienreifen erichienen nad
— Ferguſſon
feiner Rüdtehr nach England 1845 «Illustrations
of the rock-cut temples of India». Sein «Essay
on a new system of fortification» (1849) madıte
ibn als fharfblidenden Ingenieur befannt. Bon
fünftleriihem Geſchmack und Phantaſie zeugt das
Wert: «The palaces of Nineveh and Persepolis
restored» (1851). Darauf unternahm er den Bau
des Niniveb:ECourt im Kryftallpalaft in Sydenbam,
Ferner erſchien ein illuftrierted «Handbook of archi-
tecture» (2 Bbde., 1855; 3. Aufl. 1875), jodann «The
mausoleum at Halicarnassus restored» (Lond.
1862), «History of architecture in all countries»
3 Bde., ebd. 1865— 70; 2. Aufl. 1878— 76). Auf:
eben erregte das glänzend ausgeftattete Wert «I'ree
and serpent worship, or illustrations of mythology
and art in India» (don, 1868; 2. Aufl. 1873), dem
nod mehrere andere Werte folgten, darunter «Das
Erechtheion und der Tempel der Athene Polias in
Athen», bg. von Schliemann (Lpz. 1880). Er ftarb
9. Yan. 1886 in London. ,
erguffon (ſpr. forgeß'n), Sir James, engl.
Staatämann, geb. 1832 in Edinburgb, murde ın
Rugby und Orford herangebildet, 1851 Offigier und
Aue am Krimkrieg teil, nad deſſen Beendigung
er jeinen Abſchied nahm, um fich dem polit. Yeben
zu wibmen. wurbe ins Ber gewäblt, mo
er jich den Konſervativen anſchloß, war 1866 — 67
Unterftaatsjetretär für Indien, 1867—68 Unter:
ftaatäjelretär im Minifterium des Innern. 1868—
73 war er Gouverneur von Sübdauftralien, 1873
—75 von Neujeeland, 1880—85 von Bombay,
1885 lehrte er nad England jurüd, wurde von
Manceiter ind Unterhaus gewählt und von Lord
Salisbury im Aug. 1886 zum Unterftaatsjelretär
im Auswärtigen Amt, im Sept. 1891 zum Generals
pojtmeifter ernannt. Mit dem ganzen Minijterium
trat er im Aug. 1892 zurüd; er vertritt jegt nod
Mancheſter im Unterbhauje.
a (pr. forgeß'n), Rob., ſchott. Dich⸗
ter, geb. 5. Sept. 1750 zu Edinburgh, bildete ſich
auf der Univerjität zu St. Andrews. Ein aus:
ſchweifendes Leben verhinderte feine Entwidlung;
er ftarb 16. Dit. 1774 im Irrenhauſe. Seine engl.
Gedichte * unbedeutend; dagegen weht durch alle
ſeine in ſchott. Vollsmundart geſchriebenen Lieder
ein innig⸗poet. Geiſt. F.s geſamte Dichtungen er
chienen als «Poetical works» (Edinb. 1773; mit
iograpbie von T. Rudiman, 1779; in 2 Bon,
Perth 1785). Spätere Ausgaben der Werte be
orgten: Dav. Sving (Glasg. 1800), U. Vetertin
Lond. 1807), R. Chambers (1840) und 4. 3.
rofart (1851). 5. gilt ald Vorläufer von Rob.
Burns. — Vol. Fiedler, Geſchichte der vollätüms
lihen ſchott. Rederdichtung (2 Bpe., Zerbft 1846);
Grofart, Robert F. (Lond. 1898). E
Ferguffon (ipr. förgeh'n), Sir William, engl.
Ehirurg, geb. 20. März 1808 in Breitonpans in
Schottland, ftudierte in Edinburgh Medizin und
wurde dann 1826 Gehilfe am dirurg. Gollege zu
Edinburgh. Nachdem er 1839 Chirurg an der Royal
Infirmary dajelbit geworden, fam er 1840 als Bro:
feflor an das King's College zu London und wurde
1870 ——— des Royal College of Sur-
eons erwählt, war auch Leibchirurg der Königin.
ſtarb 10. Febr. 1877 zu London. Seine wichtig⸗
ſten Arbeiten betreffen die Aneurysmen, die Re
fettionen und die Steinoperationen, auch bat er
zablreihe chirurg. Inftrumente erfunden. Sein
Hauptwerf ift dad «System of practical surgery »
Ferguut — Ferienkolonien
(5. Aufl, Lond. 1870); feine «Lectures on the pro-
gress of anatomy and surgery during the present
century» exſchienen 1867. — Sein Leben bejchrieb
9. Smith (Zond. 1877).
zer an, Pjeudonym, j. Droogenbroed.
„ſ. en.
Feriäna, Dorf im ſudl. Tunis, am Wadi Bu⸗
Haja, zählt 600 E. In der Nähe Medinet el⸗Kedima,
die «alte Stadt», das find die ausgedehnten Ruinen
der röm. Kolonie Thelepte oder die von Thala.
erid:ebdin Uttär, —* Dichter, ttaͤr.
erid Paſcha, turk. Staatsmann, ſ. Bd. 17.
erien (Feriae), bei den alten Römern die Tage,
an denen eine Geſchäfte vorgenommen, ——
gottesdienſtliche Handlungen verrichtet, Opfer dar⸗
ebracht, auch wohl Feſtmahle gehalien wurden.
ie zetflelen in ſoiche die nur Einzelne oder Fa:
milien betrafen (feriae privätae), wie Geburtätage
u. ſ. w., und in folde, die vom Staat angeordnet
wurden (feriae publicae); die leßtern wiederum in
—— bewegliche und außerordentliche, von Kon⸗
uln oder Senat beſonders feſtgeſetzte, wie die Bitt⸗
und Dantfejte. Später ging das Wort in den röm.
Kirchentalender über, in welhem man ven Montag
feria secunda, den u feria tertia u, f. w.
nannte, teilö um die heidn. Namen zu verbrängen
teild auch um die Ehriften daran zu erinnern, da
ein jeder Tag zum Gottesdienst beftimmt fei. —
Feriae stultörum, ſ. fornar; Feriae Latinae, ſ.
Latinae Feriae; Feriae rogatiönum, j. Bettage;
Feria bona quinta, j. Grundonnerstag.
Bei Lehranftalten bezeichnet man, wie aud
ſchon im Altertum, mit 5. oder Balanzen den
Zeitraum, wo feine Unterrihtöftunden (Borlefun:
gen u. ſ. m.) ftattfinden (j. Schulferien), bei Ge:
rihtsbehörden den Zeitraum, während deſſen,
abgejehen von beftimmten Ausnahmen (f. Ferien:
\ en und Gerichtäferien), weder Termine abge:
alten, noch Entiheidungen erlaſſen werben.
erienaustaufch, j. Bo. 17.
erienfammern, bei den Landgerichten Kam:
mern zur Erledigung der Ferienſachen (f. d.).
Ferienfolonien, zmedmäßiger aub Anſtal⸗
ten zur Sommerpflege genannt, Einrichtungen,
die dazu bejtimmt jind, die Gejundheit kränllicher
und ſchwächlicher Stabtlinder durch — Land⸗
und Seeaufenthalt während der Sommermonate,
und zwar in der Hauptſache während der Ferienzeit,
zu kräftigen. Die F., welche re nur für
arme Kinder als mohlthätiges Geſchenk beftimmt
waren, werden jeit 1896 auch für Kinder bemittelter
Eltern eingerichtet, und zwar einerfeit3 von gemein:
nügigen Bereinen gegen Rüderftattung der Selbfts
often, andererjeitö von Lehrern als Srivaınter
nehmung. Auch mebrt ſich die Zahl der Arbeitgeber,
welche auf eigene Rechnung Kinder ihrer Angeftell:
ten und Arbeiter in geeignete Sommerpflegen und
Milchſtationen jhiden. Als Begründer der 5. erſt⸗
gedachter Art wird der Pfarrer Bion in Zürich an:
geieben, der, nad) einer 1871 erfolgten Anregung,
1876 zum erſtenmal 68 arme jhwächliche Kinder aus
ürich in die Appenzeller Ken entjandte. Indeſſen
eierte ſchon 1899 der erfte Wiener erientolonie:
verein jein 25jähriges iläun, und der wohl:
thätige Schulverein zu Hamburg jandte auch ſchon
1876, alfo im gleichen Jahre wie Pfarrer Bion,
T arme finder zur Erholung aufs Land, während
1878 Sanitätsrat Barrentrapp in Frankfurt a. M.
bie Entjenbung von 97 Schullinvern ing Wert jegen
567
tonnte. Dem Borgange von Hamburg und Franl:
furt find nach und u eine große Anzahl deuticher
Städte gefolgt. Im Auslande haben dieſe Beitre:
bungen außer in der Schweiz und in Oſterreich—
Ungarn nod in Frankreich, Italien, Belgien, Eng:
land, in den Niederlanden, in Dänemart, Rußland,
Spanien, Japan, Nordamerika u. ſ. w. feiten Fuß
gejaßt. 1881 hielten die deutichen Komitees für F.
die —* 1885 (in Bremen) eine zweite und 1887 (in
Frankfurt a. M.) eine dritte Konferenz ab. Während
die Bremer Konferenz zur Errichtung einer « Central⸗
jtelle ver Vereinigungen für Sommerpflege» führte,
welche Erhebungen anitellt und Jahresberichte ver:
öffentlicht, wurden auf der! Frankfurter Konferenz
wichtige gemeinfame Grundhäße für die Förderung
ber F. vereinbart. BE
Ein internationaler Kongreß für F. fand unter
Leitung des Pfarrerd Bion 1888 in Zürich ftatt.
Man unterſcheidet drei Hauptformen der Som:
merpflege: 1) diejenige in den Kinderbeiljtätten
(1. d.) der deutſchen Sol: und Seebäbder; 2) die Som:
merpflege in ven eigentlihen * und 8) diejenige
in jog. Mildftationen, Halb: over Stadt:
tolonien, auch Milchpflege genannt.
Bei den F. beſteht ein erheblicher Unterfchied zwi:
ſchen der Bilege in geſchloſſenen Kolonien und der
Familienpflege. Bei der erjtern werden Gruppen
von 20 bis 30 Kindern unter der Leitung eines
Lehrers oder einer Lehrerin in einem geeigneten
Lotale, womöglich in eigenen Vereinspflegebäufern
untergebracht, gemeinſchaftlich beföftigt und beſchäf—
tigt. Außerhalb der Ferienzeit werden dieſe Heime
haufig für fränlliche Kinder und Rekonvalescenten
enutzt. Die Familienpflege beſteht darin, daß die
Kinder einzeln oder zu zweien in Familien auf dem
Lande untergebracht und bier unter der Kontrolle
der Bereindorgane verpflegt werden. Wenngleich die
Familienpflege manche Vorzüge gegenüber der ge
ſchloſſenen Pflege bietet, jo treten doch diejer Ber:
pflegungsmetbode durch jtetige Abnahme des An:
ebot3 geeigneter Familien und durch die Umſtänd⸗
ichleit der Kontrolle große Schwierigleiten entgegen.
Bei beiden Arten der Pflege ſpielt neben der reich:
lien und zwedmäßigen Belöjtigung die ausgiebige
Bewegung im Freien die Hauptrolle zur Erreihung
des angeitrebten Zwecks. Bei den Stadt: oder Halb:
folonien übernadten die Kinder bei ihren Eltern
und werden nur tagsüber in Sommerpflege ge
nommen. Die betreffenden Rinder verfammeln Ih
täglich in einer Milchwirtſchaft oder an einem an
dern Orte, wo fie Milh und Frübftüd heec
und unternehmen dann unter Leitung eines Lehrers
oder einer Lehrerin gemeinſame —S e und
Spiele. Die bisherigen geſundheitlichen Erfolge der
. find recht zufriedenſtellend, wie insbeſondere
r. med. Schmid⸗Monnard in Halle an der Hand
von über 2000 Unterfuhungen erwiejen bat; auch
in erzieberifcher Hinficht ift bei richtiger Zeitung der
Erfolg der F. ein befrievigender. Um den Übergang
in die ärmern Verbältnifje am Ende der Sommer:
pflege weniger ſchroff zu geitalten und zu verbüten,
daß der erreichte Erfolg wieder verloren gebe, hat
man jtellenweife der Sommerpflege eine Art von
Winterpflege, beitebend in täglicher Verabrei-
dung von | His und Weißbrot oder zeitweiler
Speijung in der Vollsküche, ae lajien.
Diefe Winterpfleglinge werden durch Beſuche im
elterliben Haufe kontrolliert, Im Winter 1898/99
eritredte fih bei 21 Vereinen die Winterpflege auf
668
6114 Kinder beieinem Koftenaufmande von 22049M.
Kontrollbeſuche wurden etwa 2000 auägefübrt.
Eine — — mit der Ausſendung einer aus
25 Pfieglingen beftehenden «Kleinkinderfolo:
nie» wurde 1898 vom Dresdener ——— en
Verein eingeführt. Die Kinder befanden ſich im Alter
von 6—9 N und bedurften daher wegen der ver:
mebrten Hilfe und Auffiht zweier Fübrerinnen.
Die Zahl der Vereine, Komitees u. f. w., die fi
der Sache der F. in Deutichland widmen, beträgt
(1899) etwa 200. Won biejen hatten 171 aus 111
Drten der Centralftelle Angaben über die für
5. aufgewendeten Mittel gemacht; dieſe betrugen
932833 M. 1898 belief fih die Gejamtausgabe
I 5. auf 1086236 M. Von diefem Betrage ent:
elen auf Mitgliederbeiträge 237 086 M., außer:
ordentlihe Schenkungen 176769, Haußtolletten
144 383, Veranftaltungen 48651, Legatenzinjen
33045, Staatsmittel 15411, Gemeindemittel88486,
Kapitalzinjen 58176 M. u. ſ. w. Es wurden im gan:
zen einfchließlich der von den Kinderbeilitätten auf
eigene Rechnung verpflegten Kinder verjorgt: 1885:
13907, 1890: 25827, 1896: 31159, 1898: 30414,
1899: 32124 Rinder; im ganzen Zeitraum 1885 bis
1899 zufammen 382805. In geihlofjenen F. waren
1885: 4400, 1890: 7271, 1896: 9923, 1898: 12841,
1899: 13951 (davon 5761 in Vereinspflegebäujern)
untergebradt. In Familien wurden 1885: 1833,
1890: 2893, 1896: 3025, 1898: 2564, 1899: 2652
verpflegt; in Stadtlolonien 1885: 2500, 1890: 7603,
1896: 7054, 1898: 9765, 1899: 9853 Kinder; in
Eolbädern 1885: 4574, 1890: 6241, 1896: 8436,
1898: 3466, 1899: 3692; in Seebädern 1885: 600,
1890: 1819, 1896: 2721, 1898: 1778, 1899: 1976
Kinder. Es verdient Erwähnung, daß einzelne
Etädte in ihren Haushaltplan Summen einitellen,
—— alſo dieſe Einrichtung zu einer öffentlichen
ngelegenbeit ſtempeln. — Vgl. Beröffentlihungen
der «Gentralitelle der Vereinigungen für Sommer:
pflege» (Berl. 1885 In: Büfing, Die eriten 20
Jahre des Sommerpflegemejens in Deutichland
in der «Hygieiniſchen Rundſchau», ebd. 1897);
rtitel Ferientolonien im «Handwörterbuch der
Staatöwifjenihaften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900);
Neumann, Offentlicher Kinderſchuß (in Bd. 7 des
Weylſchen «Handbuch der Hygieine», ebd. 1895);
Verbanlungen des internationalen Kongrefies für
(Hamb. und Lpz. a: Schriften der «Gentral:
telle für Arbeiterwohlfabrtseinrihtungen», Nr. 4
(Berl. 1894); Bion, Die F. und verwandte Beitre:
bungen auf dem Gebiete der Kindergeſundheitspflege
(Zür.1902); ya er Ferienlolonien (Frankf.a.
1902). Wochenſchrift Voliswobi⸗ (Dresd. 1876fg.).
rienkurſe, ſ. Fortbildungskurſe.
ienfachen, folde Bengebfaden, in mei
erienfachen, ſolche Prozeßſachen, in en
aud während der —532 — (1. d.) Termine ab:
Een und Entſcheidungen erlafien werden. Ge:
wiſſe Saden find vom Gejek als F. bezeichnet; es
können aber auch andere Sachen, joweit fie bejon-
derer Beichleunigung bedürfen, auf Antrag vom
Gericht und, vorbebaltlid ber Entſcheidung des
Gerichts, vom m... als %. bezeichnet werben.
Nah $. 202 des Deutichen ichtsverfaſſungs⸗
eiches vom 27. F 1877 find F. 1) alle Straf:
achen; 2) Arreſtſachen und die eine ———
gung betreffenden Sachen; 3) Meß: und rt:
acyen; 4) Streitigleiten zwijchen dem Vermieter und
dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder
Ferienkurſe — Fermanagh
andern Näumen, oder zwiſchen dem Mieter und dem
Untermieter ſolcher Räume wegen Überlafiung, Be:
nubung oder Räumung fowie wegen Zurüdbaltung
der von dem Mieter oder dem Untermieter in bie
Mietsräume eingebrachten Sachen ; 5) Streitigteiten
wiſchen Dienjtberrfhaft und Gefinde, zwiſchen
rbeitgebern und Arbeitern hinſichtlich des Dienft:
oder Arbeitöverhältnifies, ſowie die im $. 3, Abi. 1,
Nr. 1,2 des Geſetzes, betr. die Gewerbegerichte, vom
29. Juli 1890 bezeichneten Streitigfeiten; 6) Wechſel⸗
fadyen; 7) —— ‚ wenn über Fortſeßzung eines
angefangenen Baues geftritten wird.
Serienfenate, die bei den deutichen Oberlandes:
erihten und dem Neichögericht zur Erledigung der
Elke (f. d.) gebildeten Senate.
Ferif (arab., «Abteilung»), in der türl, Armee
fopiel wie Divifion; daber Ferik Bafcha (f. Paſcha)
gleichbedeutend mit Divifionsgeneral,
Bee Vorort von Konjtantinopel (f. d.).
erkel, Bezeihnung desjungenSchweinsbiszum
Altervon einem Vierteljahre. — Ferteln, F. werfen.
Ferkelratten (Capromys), Gattung der Trug:
ratten (ſ. d.) mit ziemlich gleichgroßen Badzäbnen,
von denen die obern zwei äußere und eine innere
Schmelzfalte haben, während bei den untern das
easy rm Verbältnis jtattfindet; an den Füßen
finden ſich fünf Zehen; das Fell ift weich, die Obren
und der Schwanz find nadt. Es giebt nur zwei
Arten auf Cuba von faft gleicher Körperlänge (50
—60 cm), bei der einen aber iſt der Schwanz nur
20 (Capromys pilorides Desm.), bei ver andern
bingegen 46 —56 cm lang (Capromys prehensilis
Desm.). Die Tiere Hettern viel auf Bäumen.
Ferlach, Dberferlab, Dorf in ber djterr,
Bezirtsbauptmannicaft —— in Kärnten, an
dem zur Drau gehenden Ferlachbache, an der Nord⸗
ſeite der Karawanken, in ſchöner Gebirgsgegend,
Sitz eines Bezirkögerichts (308,79 qkm, 10867 meiſt
ſlowen. hr? bat (1900) ald Gemeinde 2543 €., ftaat:
liche Fachſchule für Gewehrfabrilation (jeit 1878),
Probieranftalt für Gewehre; in der Nähe Eiſen⸗
werte mit Nägelfabrilation. Das ſudlich anſtoßende
Dorf Unterferlad bat (1900) als Gemeinde 1101
— E. Beide Dörfer nebſt Umgebung haben jeit
Jahrhunderten berühmte Hausinduftrie (Gewehr:
abrilation). Sie begann 1558 dur niederlänv.
ertmeifter, die Kaiſer Ferdinand L. ins Land rief,
und nahm einen bedeutenden Aufſchwung. Bon 1800
bis 1815 war der größte Teil der öfterr. Armee mit
Ferlacher Gewehren verjorgt; gegenwärtig werben
nur noch Jagdgewehre daſelbſt pergefeilt.
— Ortſchaft in Salzburg, f. Fuſcherthal.
erm (fr3.), feſt, ſicher.
F (fr3., ſpr. -mabich), ſ. Bodenrente.
F (frz., Ipr. -mäj), Schnalle, Spange;
fermailliert, mit Spangen verjeben.
Ferma in posta (ital.), poitlagernd.
Fermän (perf., «VBefebl»), in der Türkei fpeciell
jeder im Namen des Sultans vom Großweftr in
vorgeichriebener Form men Befehl.
— pr.formanne), Grafſchaft der Pro⸗
vinz Ulſter im Norden Irlands (f. Karte: Irland),
grenzt im N. an Donegal und Tyrone, im OD. an Mo:
nagban, im ©. an Gavan und Zeitrim, im W. an
die Donegalbai, hat 1850,84 qkm und (1901) 65243
E,,d. i. 35 auf 1 qkm (gegen 156500 im 9. 1841 und
74170 im $. 1891). Etwa 56 Proz. find latholiſch.
F. lit teild eben, teild mit Bergen, Sngeln und Wal:
dungen bededt. Im ©. erbeben fi die Berge im
Fermat — Fermente
Euilcagb bis 667 m. Die Mitte nimmt der Erne
(f. d.) mit feinen Seen ein. Der Boden ift ziemlich
chtbar und im nörbl. Teile befier, in ven Heinen
tungen des Südens aber mangelbaft bebaut.
fer, te, Weizen, Flachs und Kartoffeln find
die Hauptgegenftände des Aderbaues. Kohle, Eifen
und Marmor find in Heinern Mengen vorhanden.
>= den Berggegenden wirb viel Vieh gezogen, auch
r die Ausfuhr. Fleiſch, Milh, Butter und Käje
—— dem Bedarf; allgemein verbreitet iſt die
einenweberei. Wohlſtand findet ſich faſt nur bei der
zen. Bevölkerung, während die fatholiiche in tiefiter
mut lebt. Rechts vom Erne zieht eine Eifenbahn,
die eine zweite Linie bei Enniskillen kreuzt. F. ſendet
u“ Mitglieder in das Parlament; Hauptitadt ift
nistillen (f. d.).
Fermat ( x -mab), Pierre de, franz. Mathema⸗
titer, geb. im Aug. 1601 zu Beaumont:de:fomagne
bei Montauban, geriet ſchon in feiner Jugend mit
feinem Freunde Pascal auf eine finnreihe Betrach⸗
tung der Fiaurierten Zahlen (f. d.), auf die er fpäter
feine Wahrſcheinlichleitsrechnung baute, als deren
Schöpfer er betrachtet werben kann. Die Barabel
quabdrierte er auf eine viel einfachere Weiſe als
Arhimeded. Sein Berfahren, die größten und
Heinften Orbinaten der frummen Linien (Marima
und Minima) zu finden, entiprad völlig der Me
tbode der damals noch unbelannten Differential
rebnung. Mit Descartes kam er in heftige Strei-
tigleiten, als er ee Geometrie und Optik und
dieſer dagegen 5.3 Theorie de maximis und mini-
mis nicht gelten lafien wollte. Nach neuern For
ſchungen bat man jeine wichtigften Entvedungen in
die J. 1686—41 zu jeßen. Er ftarb 12. Jan. 1665
als Rat des Parlament von Touloufe. Eine
Sammlung feiner Werte erſchien nad feinem Tode
(2 Bde., Touloufe 1679); eine neue Ausgabe der:
jelben beforgen auf Beranftaltung des Unterricht3:
minifteriums Tannery und Charles Henry (Paris,
feit 1891). — ®gl. Genty, L’influence de F. sur
son siecle (Orleans 1784).
Fermäte (ital. fermata, «GStillftand»), Te:
nute, Rubepunft ober Ruhezeichen, in ber
Mufit ein Beihen (=), durd welches angebeutet
wird, daß die betreffende Note oder Pauſe länger
auszuhalten iſt, als ed nad) deren wirklihem Werte
ber Fall fein würde. Über ver Schlußnote ftehend,
giebt die F. dad Ende des Mufitftüds an. Oft
wird fie aud) kurz vor den Schluſſen von konzertie⸗
renden Sägen oder Abichnitten angebracht, womit
der Komponift gewöhnlich den Sängern oder Spie:
lern einen Wink giebt, frei empfundene oder von
ihm vorgezeichnete Berzierungen und Phantafien
(Radenzen) forgfältig auszuführen.
Ferme (fr;., jpr. färm; vom lat. firmus), Bad:
Ber Pachtvertrag, Pachtgut, Meierei; Fermes du
roi for. färm dü rdäh, in Frankreich ehedem königl.
Finanzpachten; Fermes, die VBerwaltungsbehörbe
derjelben, das tönigl. a
F . Azymit
ilen.
Fermentation (fat), foviel wie Gärung (f. d.);
ſ. auch Papier (Fabritation).
Fermente (lat.), organische Subftanzen, die an:
dere organische Verbindungen chemiſch zu verän:
dern, namentlid) zu jpalten vermögen, ohne babei
jelbft wejentlihde Ummandlungen zu erleiden. Es
enügt daher meijt eine verhältnismäßig geringe
enge des Ferments zur Zerſetzung ſehr großer
Mengen der andern Subftanz. Obgleich man einige
569
chem. Prozeſſe genau kennt, die in dieſen Ber
enges den Fermentwirlkungen ganz ähnlich vers
aufen, wie 3. B. die Umjegung großer Mengen
von Altobol durch Scwefeljäure in Wafler und
Uther, find die Vorgänge doch im allgemei—
nen noch recht dunkel, und zahlreiche aufgeſtellte
Hypotheſen haben die Frage daum gefördert, fon:
bern ek wie die Annahme einer Katalpti:
63 Kraft (f. d.) und Kontaltwirkung der F., um:
&rieben. Die durd die F. bewirkten Zerjegungen
werden Bärungserfheinungen, die burd fie
eu. organiſchen Stoffe gärungsfäbige
Örper genannt. Die $ find entweder lebende
Weſen (organisierte %.) oder von Pflanien und
Tieren produzierte, in Waller lösliche dem. Verbin:
dungen von nicht genau befannter Ronititution, die
löslichen %. oder Enzyme oder Zymofen.
Die organifierten 5 find ausnahmslos ein:
zellige Organismen: Spaltpilze (Schizomyceten, Bat:
terien) oder Sproßpilge (Sacharompceten, Hefen).
Wenn fie zu den gärungsfähigen Stoffen gelangen
und biefe — Quantitäten von Waſſer und
andern namentlih unorganifhen Nährſubſtanzen
(falpeterjaure und —— Salze) enthalten,
je bewirlen fie die Gärungsvorgänge, indem fie ſich
ebhaft vermehren. Diefe Übertragung der organi:
ierten 5. lann durch direfte Zuführung einer einen
enge von fchon in dem betreffenden Gärungd:
vorgange befindliher Subjtanz ( fung) oder
aud dur die Luft geiheben, melde die F felbft
oder ibre Heime als jtaubförmige Beitandteile ent:
hält. Subjtanzen, bie, ſich jelbftüberlafjen, in Gärung
übergeben, verlieren dieſe Fähigleiten durch Tötung
der in ihnen angefiebelten organijierten F., 3. 2.
durd längeres Erbigen auf höhere Temperaturen,
60—100°, fie werben dadurch fterilifiert. Läßt
man dann die Luft ungehindert hinzutreten, fo ber
ginnen aldbald die Bärungsvorgänge wieder, un:
terbleiben aber, wenn die Sterilifierung in luftdicht
oder nur durch Baummollpfropfen verſchloſſenen
Gefäßen vorgenommen wird. Durch die lektern
kann die Luft zwar an fi ungehindert zu dem gä⸗
rungsfähigen Körper binzutreten, läßt aber in dem
— ———— alle Staubteilchen und da—
mit auch die F. zurüd, die nun nicht mehr zur gä:
rungsfähigen Subftanz gelangen. Die Art der Ber:
fegung der legtern hängt von der fpecifiichen Natur
der F. ab. So jpaltet 3. B. der ſich durch Sprof:
fung vermehrende Hefepil; (Saccharomyces cere-
visiae Meyen und Saccharomyces vini Meyen) ge:
löften Traubenzuder in Atbylaltohol und Koblen:
fäure; ein in —55 Eiweißſtoffen vorlommender
Spaltpilz denſelben Zucker in Milchſäure, ein anderer
wandelt ihn in Schleim um; das Butterfäurefermen:
fpaltet die Milhjäure in Butterfäure, Roblenfäure
und Waflerftoff. Die Fäulnisfermente, gewifje Bat:
terien, zerfeßen namentlich die Eiweißjtoffe in zahl:
reiche Produlte (f. Fäulnis und Verwejung). Wäh—
rend alle diefe F. anfcheinend nur Spaltungen,
zuweilen unter Mitwirtung des Waflers, hervor:
rufen, bemwirten andere die Übertragung des Luft:
fauerftoff3 auf den gärungsfäbigen Körper und
wirken baber ſtark orydierend. Hierber gehören das
Ejjigferment, Bacterium aceti Zopf, das Wein:
eiſt zu Ejfigfäure und Waſſer orydiert. Auch die
ger epidemiſcher, anjtedender, jeptiicher Krank⸗
zum gebören zweifellos zu den —— F.
on ihnen hat man neuerdings den Tuberkelbacillus,
den ECholerabacillus u. a. genau kennen gelernt.
570
Die nibtorganifierten (ungeformten), [d8:
liben F. find entweder in gewiſſen Pflanzenteilen
enthalten, wie das Emulfin (f. d.) in dem Samen
ber Amygdaleen, over fie bilden jich während gewiſſer
Vegetationsftadien, wie die Diaftafe (f. d.) bei ver
— Getreideſamen. Andere werden durch
drüfige Organe des Pflanzen: und Tierlörperd ab:
geihieden. Nah ihrer Wirkungsart unterjcheidet
man verſchiedene Hauptgruppen, wie 3. B. diaſta—
he F., die Stärke in Dertrin und Zuder (Mal:
toje) verwandeln, wie bie Diaftafe jelbit und das
Ptyalin des Speichels; invertierende F., die
Rohrzuder unter Waſſeraufnahme in Traubenzuder
und ruchtzuder zerfeßen (Invertin im Hefenzellen:
fafte); alytofidfpaltende F., wie 3. B. das
Gmuljin; peptonifierende $., die Eiweißftoffe in
Peptone ummwanveln: das Pepfin des Magenfaftes,
Irypfin des Bauchſpeichels; fettipaltende F.,
die Fette unter Mitwirkung des Waſſers in Glycerin
und Fettſäure zerjeßen, wie 3. B. ein Ferment der
Bantfreasflüffigfeit u. a. m. ,
Die Wirkung der F. hängt meift von befondern
Umftänvden ab. Zu dieſen gehören außer der An:
weſenheit von Waſſer (genügende Verdünnung) und
Nährftofien namentlich beftimmte Temperaturen.
Sind diefelben zu niedrig, gegen 0°, fo tritt ein
Ruhezuſtand ein. Die Bierbee ift noch bei 4° wirl:
jam, dad Mildjäureferment wirkt erſt oberhalb 20°,
Die günitigfte Temperatur liegt meift bei Blut:
wärme; Temperaturen von 60° und mebr töten fat
alle F., nur für die Diaftafe ift diefer Wärmegrad
der günftiofte; fie verliert ihre Wirkſamkeit auf die
Dauer erſt bei noch ftärlerm Erhitzen.
Viele Stofie beeintrachtigen oder verhindern
die ——— anz. Alle F. werden durch Chlor,
Brom, Jod, Ömeletfäure, arjenige Säure, Qued⸗
jilberdlorid zeritört, die organifierten durch Carbol⸗
und Salicyljäure getötet, während die Wirkung der
nicht organijierten meift durch letztere Stoffe nicht
beeinträchtigt wird. Die organifierten F. ertragen
jerner von den durch fie gebildeten Gärungspro:
duften nur eine beftimmte beſchränkte Menge; wird
dieſelbe überjchritten, jo hört zuerft die Wirkung auf
und das Ferment jtirbt dann ab. So kann ;. Bi die
Hefe nur fortvegetieren, jolange der erg
nicht über 15—16 Proz. in der gärenden Flüſſig—
teit beträgt. Sie jtirbt — chon in ſchwach alka⸗
liſchen Zöjungen, während die ejungsbalterien
nur in alkaliſcher Flüſſigkeit vegetieren und auf die
Dauer wirken tönnen, wogegen wieder das nicht:
organifierte Pepjin allein bei Gegenwart freier
Säuren Eiweiß in Peptone verwandelt.
In neuerer Zeit hat das Studium, ja fogar die
techniſche Anwendukg der F. durch die Heritellung von
Reinkulturen (j. Balteriologie, Unterfuhungs:
methoden) einen bedeutenden Aufſchwung genom—
men. So werben 5. B. in der Bierbrauerei neuer:
dings mit großem Erfolge Reinkulturen der Bier:
beje ald Gärungserzeuger der fterilifierten Maiſche
zugeſetzt und damit das früher jo häufige Verderben
eined Subes dur fremde, dem Biere feindliche
Gärungserreger vermieden.
Val. Green, Soluble ferments and fermentation
(2ond. 1899; deutib von Windifh u. d. T. «Die
Enzyme», Berl. 1901); Oppenbeimer, Die 5. und
ihre Wirkungen (ent. 1900).
Fermentintoxikation, eine Vergiftung der
Körperjäfte (Blut, Lymphe) durch Aufnahme von
Fermenten (}. d.), welche gewöhnlich unter hohem
Fermentintoxikation — Fermor
— verläuft und häufig tödlich endigt. Solche
. entfteben teils durch die eiftigen Stoffwechſel⸗
produfte der Balterien (f. d.), teils ohne Mitwir:
fung von niedern Organismen durch rein chem.
Stoffe, 3. B. Bepfin, Bantreatin, Hiftocym, Fibrin
ferment u. a.
Fermentöle (Fermentolca), dlähnliche Flüſſig⸗
feiten, die fih durb Gärung in manden Pflanzen
bilden und durch Deftillation gewonnen werben.
Solche Öle find erhalten worden aus dem blühenden
Kraut von Anthriscus sylvestris Hoffm., aus den
Wurzeln von Chelidonium majus L., aus Scier:
lingäfraut (Conium maculatum L.), aus dem Kraut
von Erythraea centaurium L., aus dem Heidelraut
—— vulgaris Salisb.), aus Meiden:, Eichen;,
einblättern u. a. Sie find bislang fo gut wie
gar nit unterfuht. Das Bittermandelöl ſowie
das Senföl aebören ebenfalls bierber, da fie nicht
in den betreffenden Pflanzen fertig gebildet find,
fondern ihre Entſtehung einer Fermentwirkung ver:
danken; doch rechnet man dieje nicht B den F. fon:
bern zu den eigentlichen ätberifchen Ölen.
Fermerdleben, Dorf im Kreis MWanzleben des
preuß. Reg.:Ber. Magdeburg, bat (1900) 4245,
(1905) 5180 meijt evang. €., 3 Güter und 1 Ziegelei.
Fermier (fr;., jpr. -mieb), Pächter; F.göneral,
in Frankreich ehedem der Generalpächter der Steuern.
ermo, Hauptitabt des Kreiſes F. (123 806 €.)
der ital. Provinz Ascoli Piceno, unweit der Haupt:
itraße von Ancona nah Neapel, in 310 m Höbe,
an einer teilen Feljenböhe, mit herrlicher Ausficht
auf das Gebirge und das Adriatiſche Meer, Sis
eines Erzbifchofs jeit 1589 (die Kirchenprovinz F.
umfaßt die Erzdiöceje 5. und die Diöcefen Mace:
rata und Tolentino, Montalto, Ripatranjone, San
Sewverino), bat (1901) ald Gemeinde 20703 E.,
eine Kathedrale (auf dem Unterbau eines berühmten
Junotempels), Refte alter Mauern, ein zum Teil aus
dem 14. Yabrb. ftammendes Stabthaus mit Alter:
tümern auf dem hochgelegenen Hauptplage, eine
bifhöfl. und acht Viarrlirhen, viele Klöfter, ein Ly⸗
ceum, Kommunalaumnafium, Theater unb eine
öffentliche Bibliothel; wichtigen Getreide: und Woll⸗
Tree Als Ausfuhrbafen dient Borto San
iorgio ſdas alte Castellum Firmanum), 7 km
entfernt, am Abdriatifchen Meere und an der Linie
Ancona Foggia,mit(1901)4544 E.,einem ftattlichen
Kaftell und Hauptzollamt. der Näbe die Ruinen
des alten Firmum Picenum, jeit 264 v. Chr. röm. Ro:
lonie, die von Auguftus erneuert wurde. — Während
ber Langobarden: und Frankenzeit war %. Hauptort
eines Herzogtums (Ducatus Firmanus), dann einer
Mark (Marchia Firmana, Marca Guarnerii); nad:
dem es von Francesco Sforza zum Kirchenftaat
—— bildete es den Hauptort der gleich⸗
namigen Delegation und Sitz einer Univerfität. —
Bol. B. Cari, Guida storica ed artistica della cittä
di F. (Fermo 1864); 5 Colvanni, Notizie storiche
e statistiche di F. (ebd. 1861—66).
Fermor, Wilhelm, Graf von, rufl. General,
eb. 28. Sept. 1704 zu Pilom, trat 1720 in die
rmee ein, zeichnete ſich als Major bei der Be
lagerung von Danzig und 1736 gegen die Türten
aus, warb 1746 Generalleutnant und erbielt 1751
das Generallommando für Petersburg, Finland und
das Gouvernement Nowgotod. Nach der Schlaht
von Großjägeräporf — er 1758 an Apraxins
Stelle den Oberbefehl über das rufi. Heer, belagerte
Eüftrin, wurde aber ven Friedrich d. Gr. in der
Fermoſelle — Fernando Po
Schlacht bei Zorndorf (25. Aug.) bejiegt. Gleich⸗
wohl wurde er von der Kaiſerin Elifabeth in den
—— erhoben; doch überließ er den Ober:
befehl noch vor der Schladht bei Kunersdorf dem
General Saltytow. Bon Katharina Il. wurde erzum
Generalgouverneur von Smolenst ernannt, zog ſich
aber 1768 auf jein Gut Nitau zurüd, wo er 8. Febr.
1771 ſtarb. — Val. Gadebuſch, Verſuch einer Le:
bensbeſchreibung des Grafen von F. (Reval 1773).
Fermofelle, Stadt der fpan. Provinz Zamora
(2eon), nahe der portug. Grenze, in der Gabel
zwifchen Duero und Tormes, hat (1900) 4624 E.
Fermoy (ipr. förmeub), Stabt in der Grafſchaft
Cort der iriſchen zn unfter, 32 km im NND.
von Cork, am rechten Ufer des Bladwater, über
den eine 1866 erbaute Steinbrüde von 13 Bogen
führt, hat (1901) 6126 E., ein biſchöfl. Schloß, zwei
Klöjter, ein College; ierfabrifen, Handel mit
Bier und landwirtſchaftlichen Erzeugnifien. Links
am Fluffe große Baraden für Infanterie und Ra:
vallerie (3000 Mann). [Ditalpen A, 2.
yermuntgruppe, Zeil der Silvretta:Alpen, I
ern oder Fernpaß, Paß im nörbl. Tirol,
Sr die Allgäuer von den Nordtiroler Kallalpen.
ie Straße, von Reutte im Lechthal bis Telfs im
mie etwa 60 km lang, jteigt zur Ehrenberger
laufe hinauf, ſenlt fi in den Keſſel von Heiter:
wang und zieht von Lermoos an der Loifach in
Windungen am en und Blinbjee vorbei zur
Paßhöhe « Auf dem 5.» (1210 m). Hier gabelt ſich
ber Weg: rechts führt die alte Straße zum Schlofje
Fernſtein, das früher wie die Ehrenberger Klauſe
um N. den Paß fperrte, lints die neue Straße am
ee ee vorbei nad Nafjereit (836 m) und
Yübmeitlich durch das Gurglertbal nach Imſt im Ober:
innthal, öftlich über Obfteig nad Telfs und zur Arl⸗
berababn.
ehe „ſ. Rothol;.
ernan Gaballero (pr. -walljehro), ſpan.
Schriftſtellerin, ſ. Arrom.
Fernandez de los Rios, Angel, ſpan. Bolis
titer und Schriftiteller, geb. 27. Juli 1821 in Ma-
drid, wo er die Rechte jtudierte und bernad als
Advolat thätig war. Bon Sugenb an hat er eine
rap Thätigfeit entwidelt und als Verfechter
(iberaler Ideen in mehr ald 30 Zeitungen und Zeit:
jchriften zuerjt gegen Ferdinand VLI., dann gegen
die ganze Dynajtie der Bourbons gelämpft. Er ift
— Deputierter, Senator und vier Jahre lang
Geſandter in Liſſabon geweſen (18668 — 72). Seit
1876 lebte er Berbannter zuerjt in Portugal,
und als er auch von bier verwiejen ward, in Franlk⸗
reich, wo er 1879 ftarb. Er verfaßte unter anderm
eine Sammlung von Erzählungen: «Tesoro de cuen-
tos», «Todo o nada», eine antidynaſtiſche Streit:
(prä, «El futuro Madrid», eine Geſchichte ber Stadt
Madrid in Führerform: «Guia de Madrid» (1876),
«La Espaüs del porvenir», «Mi mision en Por-
tugal» (1877), «La exposicion de 1878» (Par. 1879).
; Iurraneg-Gueree y Orbe, ipan. Gelehrter,
J. BD. 17.
Fernandez y Gonzälez, Manuel, ipan. Ro:
manichriftiteller, geb. 1826 zu Sevilla, trat 1850 an
die Oftentlichleit mit einem Bande «Poesias», dem
1858 ein zweiter («Poesias varias») nachfolgte. Beide
enthalten manches Gute in der Art der Sevillaniſchen
Schule. Hierauf verſuchte ib F. nicht ohne Erfolg
im Drama; fein «Cid Rodrigo de Vivar» (1858) iſt
bervorzubeben, auch die «Aventuras imperiales» zu
571
nennen. Bald jevod widmete er ſich ausschließlich
und nad kurzer Zeit handwerksmäßig der Proſa—
darftellung in Romanen und a ng Die
feine Dramen, fo bewegen fi auch jeine Romane,
die er «Novelas histöricas», « Tradiciones popu-
lares», «Crönicas», «Cuadros del natural», «Me-
morias» oder «Leyendas nacionales» nennt, faft
ausfchließlih auf nationalem Boden. Die Grund:
lage bilden flüchtige Auszüge aus Ehroniten und
Voltsbüchern, die er mit überreicher, nur auf die
— — Phantaſie höchſt willkürlich bes
andelt. Nur wenige ſeiner älteſten Erzeugniſſe wer⸗
den F., den man den ſpan. Dumas genannt hat,
überleben, wie etwa «El cocinero de Su Magestad»
(1857), «Martin Gil», «Los Monfies de las Alpu-
jarras». F. war ein bedeutendes Talent, das aber
dur Mangel an Erziehung und Vieljchreiberei ver»
loren ging und durch die falſche Geihmadsrihtung
auf Bublitum und zahlreihe Nachahmer verhäng⸗
nisvolleinmwirfte. Er jtarb 16. Jan. 1888 in Madrid.
Fetnandina, Hauptort de County Nafjau
im norbamerif. Staate Florida, auf dem weſtl.
Ufer der Inſel Amelia, bat (1900) 3245 E., einen
eräumigen und fihern Hafen, ven beiten st der
beiapeafebai, und bedeutenden Handel, hauptſäch⸗
lid Holzausfubr. F. dient wegen jeines im Sommer
und Winter milden Klimas das ganze Fahr hindurch
als zen Kurort und ald Seebad. Dampfer
fahren nah Savannah, Eharlefton und Neuyork.
Fernandineprozeh, die Firierung von Farben
aut Zeugen mitteld Kollodiums.
ernando (jpan.), Ferdinand.
Fernaudo, San, j. San Fernando.
ernando » Noronha (jpr. -ronnja) oder
Zerels de Noronba (fpr. -naung), Inſel im
tlantifben Ocean, 350 km im OND. vom Eabo
de San Rogue, in 8° 50’ füdl. Br. und 32° 28° weit.
L. ift 10 km lang, 2 km breit, beſteht aus Baſalt,
Phonolith, Tracht, fteigt im Innern zu dem 332 m
boben pbonolithifhen Pico auf und fällt teil zu der
buchtenreihen Hüfte ab. In ihrer nordöftl, Verlän⸗
gerung liegen lleine Inſelchen, welche, von Korallen:
bildungen umgeben, fchwer zugänglid find. Das
Klima ift gefund; der fruchtbare rote Boden ger
wäbrt drei bis vier Ernten im Jahre. Das Dorf
Nemedios, an der Norboftfeite, eine brafil. Sträf⸗
lingäfolonie, zählt nebjt dem Fort 2000 E., darum:
ter 1300—1500 Sträflinge und 160 Solvaten.
Fernando Po, die der Küjte am cl
liegende der vier Guinea⸗Inſeln in der weſtafril.
Bai von Biafra (f. Karte: Kamerun u. ſ. w.), in
ſpan. Beſitz, vullaniſch, ſehr gebirgig, im Krater⸗
erg Sta. Iſabel⸗ oder Clarence⸗Pik 28350 m hoch,
bat 1998 qkm, teils felfigen, teil$ ſehr fruchtbaren
Boden und großen Reichtum an Quellen, Bächen,
Waldungen und Heinem Rotwild. Das Klima ift
ſehr ungeſund, ja nahezu mörderiſch, die Mittels
temperatur beträgt im Jahre 25,8°; im Fühlften
Monat (September) 23,8’, im beißeiten (Januar)
27°C. Man baut Bananen, Mais, eis, Maniof,
VYams; in den Plantagen Kalao, Vanille, Kaffee,
Audertohr, Baumwolle und Tabak. Das von
Suropa eingeführte Hornvieb gedeiht gut. Die Inſel
zäblt (1900) 20742 E., arößtenteild eingeborene
Neger, Adiah oder Bubi, ein ebemals feindfeliges,
jest aber ver ipan. Behörde folgjames, ſchmußiges,
nadt gehendes Bolt, welches das Innere bis zu
1000 m Höbe bewohnt, nur 445 Weihe. Der Handel
(Ausfuhr von Kakao und PBalmöl) hat nody feine
572
nennenswerten Erfolge erzielt. — 3. B. wurde 1471
von dem Portugiejen Fernão do Poo entdedt, 1778
an Spanien abgetreten, aber 1827 von den Eng:
ländern bejegt, die auf der Nordkuſte an einer ge:
räumigen, won ber befeitigten —— Point⸗
William gebildeten Bai die Kolonie Clarence—
town, jest Santa Iſabel, mit (1900) 1421 E.,
—— jedoch 1845 die Inſel wieder zurüdgaben.
nter den Engländern wurde fie benußt zur Be:
wadhung der Stlavenküfte und des Nigerbeltas, als
Handels: und Miffiongitation ſowie ald Ausgangs:
punkt —— nach dem Innern Ari:
las. tſchland erwarb 1882 das Recht zur An:
lage einer Koblenftation an der Bucht Carboneras
oder Gravinas. — Bol. Baumann, Eine afrit.
Tropeninfel. 3. P. (Wien 1888).
Fernan- Nähe (ſpr. nunnjez), Stadt in der ſpan.
are Eorboba — 25 km ſüdlich von
tboba, in frudhtbarer Ebene, 5 km von der Eiſen⸗
bahn Cordoba⸗Malaga entfernt, hat (1900) 5499
€. In der Näbe das Schloß der Herzöge von F.
ernän de Noronha, j. Fernando⸗Noronha.
ernbahnen, elektriſche, die elektriichen
Schnellbabnen (f.d.). , —
erndorf, Dorf im Kreis Siegen des preuß.
Reg.:Bez. Arnsberg, 2 km öftlih von Creuzthal,
an ber Nebenlinie Marburg-Ereuztbal der Preuß.
Staatöbahnen, an dem rechts zur Sieg gel ⸗
den Fluſſe F., welcher durch ein breites, an Eijen:
erzen und Eiſenwerken reiches Thal flieht, hatte 1900:
Koh E., —— = Katholiken, nn 1529 E.,
oftagentur, prechverbindung; Ziegeleien, Fa⸗
en von Dampftejjeln, Eijenwaren und Ang
erne, in der Malerei, ſ. Hintergrund.
euer, |. Firm und Gletſchet.
ruey, jebt Ferney-Voltaire (pr. neh
wolltähr), Hauptort des Kantons F. im Arron:
difjement Ger im franz. Depart. Ain, 7 km von
Genf, bat (1901) 921, ald Gemeinde 1269 meift
—— E. und iſt berühmt durch Voltaire, den
hi al von F.», der durch Heranziehung &
fhidter Arbeiter (bejonders Uhrmacher) den
vorübergebend hob. Das Schloß, vielfach umgebaut,
enthält 3 Ye — —— Mi are fahri
ern das mit waffen (j. d.) geführte
—— Fernſprecher. —
ernitz, Dorf in der öſterr. Bezirlshauptmann⸗
ſchaft und dem Gerichtsbezirk Graz in Steiermark,
10 km von Graz, lints von der Mur, mit dem gegen:
über liegenden Kalsdorf (1502 E.) durch eine Brüde
verbunden, hat (1890) 598 E. und eine jhöne, 1160
erbaute got. Kirche (Wallfahrtsort). Oſtlich von F.,
auf dem Fernitzer Feld, wurde 1532 das türf,
Heer von den Kaiſerlichen geſchlagen.
rukorn, Anton Dominik, Bildhauer und Er
gießer, geb. 17. März 1813 zu Erfurt, lam in Stig
mayers Gieherei in Münden, arbeitete 1836—40
an der Alademie zu Münden und bei Schwantbaler,
edelte 1840 nad Wien über und ſchuf 1852 (als
runnenfigur im Hofe des Palaſtes Montenuovo)
ein Reiterbild des heil. Georg im Kampfe mit dem
Drachen, mit dem er feinen Ruf begründete. Dann
vollendete er 1858 ſechs Kaiſerſtatuen für den Dom
u Speyer. An die Spige der neu errichteten kaiſerl.
Grznieherei geitellt, goß er dort feine berühmt
Werte, wie das koloſſale Reiterjtandbild des Erz:
berzogs Karl (1860, auf dem Burgplag in Wien)
und das des Prinzen Eugen (1865, ebd.). Für das
Scladtjeld non Aspern ſchuf er einen kolofjalen
Fernaͤn⸗-Nuñez — Fernrohr (Inftrument)
Löwen in Sanditein und goß die von Gaſſer model
lierte Statue der Maria Therefta für die Militär
alademie in Wiener:Neuftadt, rüber ſchon arbei-
tete 5. am Modell einer Reiterjtatue Jellachichs für
Agram, jowie er ein gleiches des Dichters Friedr.
Hebbel modellierte, das in Marmor ausgeführt
wurde; auch vollendete er (1863) dad Monument
B: Reſſel, den Erfinder der Schiffsſchraube, in
ien und follte jeb3 Statuen von Kundtmann für
die Schwarzenbergbrüde gießen, ald er 1866 in
Irrſinn verfiel. Er ftarb 16. Nov. 1878 in der Lan⸗
desirrenanftalt am Brunnlfeld bei Wien.
Fernlinfe, joviel wie Teleobjettiv (f. Photo:
grapbie). a
Fernmelder, alle diejenigen Apparate, dur
die ein zu beobadhtender Zuſtand oder Vorgang
durd irgend ein Mittel auf größere Entfernungen
fihtbar gemadht wird. Das beite Übertragungs:
mittel für —* Apparate iſt die Eleftricität. (S.
Elektriſche Fernmelder.)
Fernow, Karl Ludw., Kunſtſchriftſteller, geb.
19. Nov. 1763 zu Blumenbagen in der Ulermark,
war urfprünglic Schreiber und fpäter Apothefer,
wurde aber dur die Belanntihaft mit Gartens
in Zübed der Kunſt zugeführt. "nn Jena lernte er
Reinhold und Haase fennen, welch lekterer ibn
mit nad Italien nahm. Mehrere Gönner fehten
ihn in den Stand, ſich 1794 nad Rom zu begeben.
Hier, wo er mit Gartens wieder zufammentraf, ftu:
bierte er die Gefcbichte der Kunſt fowie die Sprache
und die Litteratur Italiens. Er lehrte 1802 nah
Deutſchland zurüd und wurde bieraufaußerord. Bro:
feflor zu Jena, 1804 Bibliotbelar bei der verwitweten
Herzogin Amalie zu Weimar. Dort ftarb er 4. Dez.
1808. 3. ichrieb das «Leben des Kunſtlers Carſtens⸗
(Lpz. 1806; neu bag. von Niegel, Hannov. 1867),
«liberden Bildhauer Canova» (Zür. 1806), «Arioftos
Lebenslauf» (ebd. 1809), die reihbaltigen «Röm,
Studien» (3 Bde., ebd. 1806—8) u. a. Auch gab
er heraus: «Raccolta di autori classiei italiani»
(12 Bde., Jena 1806— 10) ſowie Tafios «Geru-
salemme liberata» (2 Boe,, ebd. 1809),
ernpah, |. Fern. ,
ernphotographie, j. Photographie.
rupunft des Auges), j. Accommodationd
vermögen, '
Fernrohr oder Teleilop, jedes optiſche In—
itrument, das —— egenitände unter einem
arößern Sehwintel als mit freiem Auge, aljo ver:
3 zeigt und zwar jo, als ob ſie näher gerüdt
wären. Jedes F. beſteht im mejentlihen aus zwei
Teilen, dem Objektiv, weldes ven Zwed bat, von
dem fernen Gegenſtand ein Bild zu erzeugen, und
dem Okular, durd welches dieſes Bild vergrößert
wird, Nach der Art des Objeltivs unterfcbeidet man
zwei Klaſſen von F.: ſolche, bei denen das Bild des
Gegenſtandes durch Brechung (Nefraftion) in Glas:
linfen entjtebt und die daber Nefraltoren oder
dioptriſche %. genannt werden, und jolde, bei
denen es durch Spiegelung (Reflerion) an Hobl-
fpiegeln erzeugt wird und die daber Reflettoren,
Spiegeltelejtope oder katoptriſche F. beiken.
1) Die Refraltoren. Die Geſchichte der eriten
Erfindung der dioptrifchen F. ift noch immer nicht
völlig aufgeklärt: gewiß bleibt, daß fie in Holland
um das Ende des 16. oder zu Anfang des 17. Jabrb.
gemacht worden ijt. Anſpruch auf —* machen
Jan Lapprey (Hans Lippersheim auch Lipperſeim
geſchrieben), Jat. Metius und Zadar. Janſen; nad
Fernrohr (Imjtrument)
ben Forſchungen van Swindens ſcheint dem erjtern,
einem Brillenmader in Middelburg, die Priorität
u gebübren. Um 1608 famen 5. aus Holland ins
usland; 1609 erhielt Galilei Nachricht von der
Erfindung und ve — ſelbſt und zwar mit
gutem Erjolge die Herſtellung eines F. Jedenfalls
iſt Galilei der erſte geweſen, welcher zeigte, wie man
F. verfertigen und fie zu aſtron. Zweden benutzen
x, fönne Die erſten %., hollän⸗
diſche oder Galileiſche 5. ge
nannt, hatten ein boppelt:fonveres
Objektiv: und ein tonlaves Olular⸗
glas und zeigten die Gegenjtände
aufredht oder in ihrer natürlichen
Stellung. Bei dieſem Inſtrument
(ji N fucht eine fonvere Objel-
tiv fe 00 von einem entfernten
Gegenftand AB nahezu in ihrer
Brennweite (j. d.) ein umgelehrtes
wirklihes Bild ba zu erzeugen.
Allein bevor noch diejes Bild zu
ftande fommt, er die nad) jedem
einzelnen Buntte desjelben konver:
1° gierenden Lichtitrablen auf die lon⸗
ave Dkularlinje vv_und werben fo
gebrochen, daß die Strahlen hinter
der letern divergent austreten. zn
Big. 1 ift der Gang der Strah
bargejtellt, melde von dem Buntte A
ausgeben und, nachdem fie Objeltiv
und Okular getroffen haben, aus
legterm bivergierend austreten. Ein
Auge, welches dieſe austretenden
Strahlen empfängt, fieht in dem
Buntte a’ ein virtuelles Bild des
Bunttes A. In gleicher Weiſe lann
man für jeven andern Puntt des
Gegenftandes AB den ihm zuge
börigen Bildpunkt konftruieren, jo
daß man von dem Gegenitand AB
ein vergrößertes, aufrechte Bild
erblidt. Das Verhältnis der beiden
Winkel, unter welhen vom Auge
das Bild a’b’ vermitteljt des 5. und
der Gegenitand AB birelt gejehen
werben, heißt die Bergrößerung
bes F.; man erhält diejelbe, wenn
man bie Brennweite des Objeltivs
durd die des Olulars dividiert. Je
größer aljo die Brennweite des Ob⸗
jeltivs und je Heiner die des Olulars
Ey beito ftärfer vergrößert das F.
er auf einmal im F. überjebene
Raum heißt das Geſichtsfeld;
derjelbe it nur abhängig vom
Durchmeſſer des Diulard und ver
Entfernung des Dtulard vom Ob⸗
jettiv, nicht aber vom Durchmeſſer
x des Objeltivs. Die Größe des Ge
chtsfeldes nimmt ab in dem Ber:
ältnis, inmweldhemdieBergrößerung
urchmejler des Objeltivs heißt die
Fig. 1.
unimmt. Der
ee! bes ; von der Größe der Öffnung eines |
eine
F. hängt ihtftärte ab. Je gröber die Off—
nung ijt, um fo mehr Licht wird von dem nämlichen
GBegenitand ind F. gelangen, um jo heller wird daher |
aud jein Bild erſcheinen. Andererjeitö wird aber
die ———— wieder mit der zunehmenden Ber:
arößerung abnehmen, da bei gleihem DObjeltiv dann
573
die nämliche Lichtmenge auf eine immer größer wer:
dende Bildfläche verteilt wird. Um ftörendes Seiten:
licht zu vermeiden, find Objektiv und Olular in eine
innen geſchwärzte Röhre eingefegt. Bei kleinern F.
macht man biejelbe des bequemern Transportes
wegen meijt ausziehbar. Die ie; der Galileiſchen
F. ift gleich der Brennweite des Objeltivs weniger
ber des Dfulard. Gin erheblicher Nachteil dieſes F.
ift fein geringes Geſichtsfeld; da dieſes bei Ans
wendung ftärlerer Bergrößerung \ıA
noch weiter verkleinert werden . ya
würde, fo leuchtet ein, daß die IN
vergrößernde Leiftung des Galis
leiſchen oder holländiſchen F. nur
eine mäßige ſein kann. Wegen ſei⸗
ner Kürze tft es jedoch jetzt noch ſehr
beliebt ala Ealatnverine tiv,
Dpernglaß (ſ. d.) und Feld:
fteber (f. d.). Troß feiner ſchwa⸗
hen Yeiltungen wurden mit dem
bollänviihen 5. gleich nad feiner
Erfindung von Galilei, Fabricius,
Sceiner u. a. doch die großartig:
ften Entdedungen am Himmel
gemadt (f. Aftronomie).
Sept ift das holländische F. aus
der Aitronomie vollftändig ver
drängt durch das weit volllomme:
nere aftronomifche ober Kep—
lerſche F. Dieſes von Kepler,
der überhaupt die erſte theoretiſche
Grilärung des F. gab («Dioptrice»,
Augsb. 1611), erfundene F. be
ſteht aus einer lonveren Objeltiv:
linjfeoo (ig. 2) und einer ebenfalld
fonveren Olularlinſe vv. Bon
einem entfernten Gegenjtand AB
erzeugt die Objeltivlinſe oo in
ihrem Brennpuntte ein umgelebr:
tes Bild ba; dieſes liegt zugleich
aber auh im Brennpuntte des
Dtulard vv und erjcheint dem
durch dieſes Dkular ſehenden Auge
bei b’a’ vergrößert und in Bezug
auf den Gegenſtand AB nt.
Die Länge des aſtronomiſchen F.
ift gleich der Summe der Brenn:
weiten von Objeltiv und Olular;
feine Vergrößerung wird wie bie
des hollaͤndiſchen F. berechnet.
Bor dem bolländiiben F. hat das
aftronomiiche große Vorzüge, na:
mentlich den, daß es ein größered
Gefichtöfeld und eine größere Licht:
ftärte gewährt. Der Umſtand, daß
nur bei dem legtern ein wirkliches
Bild des Objetts im Brennpuntte
entitebt, läßt es aud allein zu
aftron. Meſſungen geeignet er:
fig. 2.
feinen. Das — zeigt die Gegen⸗
ſtände umgelehrt. Für die Beobachtung der Ge—
ſtirne iſt dies — ültig; um das —— F.
aber auch zur ——— jelte brauchbat
zu machen, muß man ein aus mehrern Linſen zu—
ſammengeſetztes Okular an Stelle der einfachen Olu⸗
larlinfe anwenden. Ein ſolches terreſtriſches (d. h.
ein für die Betrachtung der Gegenſtände auf der
Erde geeignetes) Diular iſt vom Kapuziner Ant.
Mar. de Rheita 1665 erfunden worden. Dasielbe
574
beſteht aus vier in einer Röhre befindlichen Linien,
melde bier wie ein ſchwaches —— —
Mitroftop (f. d.) wirken, das im Keplerſchen F. um:
gelehrt erfcheinende Bild nochmals umlehren, aljo
wieder in aufrechter Stellung erſcheinen laſſen. In
Verbindung mit dem Keplerſchen F. bildet dieſes
Oktular das allgemein belannte Taſchenauszug⸗ oder
Reiſefernrohr (Fig. 3).
Bald nach Erfindung der dioptriſchen F. fand
man, daß —— Vollkommenheit derſelben
hauptſächlich hler im Wege ſtanden, die man
als «ſphäriſche Abweihung» einerſeits und ala
achromatiſche Abweichung» andererſeits bezeichnet.
Näheres über dieſe
eiden Begrifie |.
Linfentombinatio:
nen). Diefe Män:
gel traten um fo ı
mebr bervor, je ſtär | >
tere Bergrößerun:
en man anmwanbte.
ollten fie möglichft
unjhädlih gemacht Ba:
und eine febr ftarle Verarößerung mit bins
reichender Lichtftärte und Bildſchärfe verbunden
werden, jo mußten die 5. eine bedeutende Yänge
erhalten, was diefelben für den Gebraud in
obem Grabe unbequem machte. Divini und
mpanti, beide in Rom, Huyghens, der um bie
Theorie des F. große Verdienſte hat, Auzout u, a.
fertigten F., die 30 und no mehr Meter Brenn:
weite hatten und zu ihrer Faſſung Röhren von
gleiher Länge erbeifht hätten. Die Schwierigleit
der Heritellung folder Röhren gab Beranlafjung,
5. obne Röhren oder fog. Zuftferngläfer zu
Y Be « Y
verfertigen, die zuerſt 1684 von Hupgbens an:
gegeben wurben.
Sohn Dollond war der erſte, welcher thatſächlich
achtomatiſche Linſen beritellte, die von Farben:
fäumen freie Bilder lieferten (ſ. Achromatiſchſ. Seit:
dem find die achromatiſchen F. von Peter Dol-
lond, Ramsden und namentlih von Fraunbofer
Fernrohr (Inftrument)
weſentlich vervolllommnet worden, Die bei großen
F. neuerbings angejtrebte Befeitigung der felun-
dären Farbenzerjtreuung (f. Linfentombinationen)
ift bei dem dreifachen aſtron. Fernrohrobjeltiv von
Eoote and Sons in Vorl gelungen; dasfelbe ift eine
Kombination von drei Linien aus gewöhnlichem
Crownglas, Borofilikatflint und Barptleichtflint.
Durch diejes Objektiv ijt eine für mande feinere
Beobachtungen (3. B. von Planeten, Sternipeftren
u. ſ. w.) wünfchenämwerte größere Schärfe des F. er-
reicht. Außerdem liefert nun dasjelbe F., das zur
direften Beobahtung dient, auch photogt. Bilder
von derjelben Schärfe, während die gewöhnlichen
achromatiſchen Objektive nur im ftande waren, ent»
weder nur die auf dad Auge oder nur die auf die
pbotogr. Blatte wirkfamen Strahlengattungen ge
nügend gut zufammenzubalten, aber nicht beide
nk Auch die Dfulare des aſtronomiſchen F.
baben ſeit Kepler bedeutende Verbeflerungen erfahren.
Eine einzelne Linſe als
Olular iftzwargenügend,
um in ber Mitte des Seh⸗
feldes deutliche ſcharfe
Bilder zu geben, ſchon in
geringer Entfernung von
der Mitte aber werden die Bilder undeutlich. Diefem
Mangel hat man durd Anwendung mehrerer Lin
fen, gewöhnlich zweier an Stelle einer einzigen ab»
hellen. Die —— gebrãuchlichen Olulare
ind das ———— che oder Campaniſche und
das Ramsdenſche. Beide beſtehen aus zwei plan:
tonveren Linſen und unterſcheiden ſich nur durch deren
Anordnung voneinander.
Karl Bamberg in Friedenau jertigt F. mit ver:
änderlicher —— Der Typus iſt der des
Galileiſchen F. Das Princip, das ſchon von Wolff,
Brewſter, Barlow u. a. ausgeſprochen iſt, beſteht
darin /daß wiſchen Objeltiv und Olular eine Konlav⸗
linſe ein elhaltet ift, deren Abitand vom Objeltiv
veränderli ift. So giebt ein ;5., das zufammen-
eiboben 15 cm F iſt, durch verſchieden weiten
Kahn 4—15fache Vergrößerung. Es iſt eine Ein-
richtung getroffen, daß das Objelt, wenn der Be
obadter einmal iharf eingeitellt bat, bei Iinderung
der Vergrößerung eingejtellt bleibt.
Eine andere bemerfenswerte Neuerung find die
von Gar Haß In era, De ür Handgebraud
'Y Big: 8. Y:
von Garl Zeiß in Jena. Der Topus ift der des
aſtronomiſchen F., befist daber aud alle Borzüge
bezjelben; namentlich) iſt das Gefichtäfeld groß (etwa
40°) und gleihmäßig bel, das Bild bis zum Rande
dezjelben ſcharf und frei von Farbenfäumen, Die
Bildumkehrung wird bier nicht wie beim terreftriichen
3. durch ein beſonderes Linienſyſtem, fondern durch
vierfache Spiegelung (nach Porro) des vom Objeltiv
—— Bildes erzeugt. Als Spiegel fungieren
totalrefleltierende Prismen aus dem hochſt farbloſen
und lichtdurchlaſſigen Jenaer Boroſilikatcrownglas.
Durch dieſe Art der Bildumlklehrung läßt ſich ein
Fernrohr (Imftrument) 575
turzer, fompendidier Bau erzielen, der den des Bali: | müßte daber das Dfular ſowie das beobachtende
leihen F. noch übertrifft. Der ermähnte Vorzug | Auge ſich ebenfalls zwiſchen beiden befinden und es
tritt befonders bei dem erjten Modell Felditeber | würde dann ein großer Teil des vom Gegenitand
bervor (f. Fig. 4, in welcher Ob die Dbjeltive, Ok | auf den Spiegel fallenden Lichtes durch den Beobad-
die Dfulare und P die Prismen bedeuten). Die | ter meagenommen werben. Je nad der Art, mie
Objeltivachſen fommen bier um etwa das 1°, face | diefe Schwierigkeit überwunden wird, unterfeeidet
der Augenmweite des Beobachters voneinander ab- | man drei Formen von Refleltoren. Die ältefte Form
zufteben;; es müjjen fo die von den einzelnen F. ent: | ift das Gregoryſche Spiegeltelejlop (Fig. 6),
worfenen Bilder größere ftereojtopiiche Verſchieden⸗ 1663 von Gregory vorgeihlagen, aber erſt —*
heiten aeigen ala beim gewöhnlichen Doppelfern: | ausgeführt. Bei diefem Anjtrument entwirft der
robr, die Wahrnehmung der Tiejen:
unterfchiede wird gefteigert, jo daß
das Bild aud auf größere Entfer:
nung plaſtiſch ericheint. In noch
erhöhtem Maße iſt leßterer Vorzug
unter Verzicht auf größtmögliche
KRompendiofität bei dem zweiten
Modell Relieffernrobr (Fig. 5;
Bezeihnungen, wie bei ig. 1)
durch ftärleres Auseinanderrüden
der Objeltivadhjen geltend gemacht
(Zeleitereojfop von Helmbols). Das Relieffern: | in feiner Mitte durchbohrte Chjeltivfpiegel ss von
rohr gejtattet außerdem unter Dedung (hinter einem | dem entfernten Gegenitand ein verfebrtes verklei—
Baum oder über eine Mauer hinweg) zu beobadh: | nertes Bildchen a. Letzteres liegt nabe dem Brenn:
ten. Bei dem «ßentapriömabinoclen» von | punfte des Lleinen Hoblfpiegelä V, der vom Bild:
Henſoldt & Söhne in Weßlar wird der Yichtitrabl | ben a ein vergrößertes aufrechtes Bild b erzeugt.
nur breimal refleftiert, wodurch die Lichtſtärle Diejes Bild wird mit dem Dtular o geſehen, wodurch
größer ift als beim Porroſchen Prisma. ed vergrößert erſcheint. Die richtige Einitellung
Die Bolllommenbeit der ——
tags angefertigten Refraktoren läßt
taum noch etwas zu wunſchen übrig.
Welche Fortſchritte man auch in Bezug
auf die Größe der Objeltive gemacht
bat, kann man daraus erfennen, daß
nod 1840 der Rejraktor der Sterne
warte in Pulkowa von 38cm Öffnung & . m
ber größte eriftierende war, während a Fig. 7.
gegenwärtig die Nerles : Sternwarte
in dem Nefraltor, welcher auf der Chicagoer Melt: | des Spiegelbens V wirb mitteld des Schrauben:
ausſtellung des J. 1893 ausgeftellt war und deſſen jtabes nm bewirkt. Caſſegrain erjegte bei feinem
Objektiv mit einer Öffnung von 101*/, cm ausge- | Spiegelfernrobr das vohlſpiegelchen V durd ein
jahr ist, das größte dioptrijche F. der Melt befist. | tonveres Spiegelden.
en find in Gentimetern die Öffnungen Weil bei Gregorys F. der mittlere, alfo der beite
ber ar sten Refraktoren angegeben: Teil des Hohlſpiegels durchbrochen wird, jo ſuchte
erlfe®Sternwarte ». -» 22... 01
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2) Die Refleltoren. Auch bier ift der erjte Erfin: | Newton diejen Übelftand zu vermeiden, indem er
ber nicht mit Sicherheit befannt. Veranlafjung zu | 1668 jein katoptriſches 3. (ig. 7) wie folgt
ihrer Erfindung gab der Umjtand, daß man lange | lonjtruierte: Am bintern Ende eines vorn offenen
Zeit die Befeitigung der Farbenzerftreuung bei den | Rohrs befindet fich ein metallener Hoblipiegel ss,
auf der Bredhung des Lichtes in Glaslinſen beruben: | der von einem entfernten Gegenſtand ein verlehrtes
ben Nefraftoren für unmöglich bielt, während die | und verfleinertes Bild a erzeugen würbe. Bevor
von Hohlipiegeln erzeugten Bilder von Farbenzer⸗ | die Strahlen ſich zu dieſem Bild vereinigen, werden
ftreuung frei find. In die Braris eingeführt wurden | fie von einem gegen die Rohrachſe unter 45° ge:
bie erjten Neflettoren von Gregory und Newton, | neigten ebenen Spiegel p feitwärts geworfen, wo
epochemachende Leijtungen erzielten aber erjt vie von | fie jich zu dem Bilde b vereinigen, das mitteld des
Herſchel bergeftellten Spiegeltelejlope. Als Objektiv | Okulard o vergrößert gefeben wird.
dient beim Refleltor ein Hoblipiegel von parabo: Die riefigen katoptriſchen 5. von Herſchel (1789)
(ifher oder ſphäriſcher Gejtalt. Das durch diejen er: und Roſſe (1843) waren front view, d.i. jo gebaut,
zeugte Bild eines Gegenitandes liegt zwiſchen dem | daß der Beobachter vorn in das Rohr ſah, mithin
Spiegel und dem Gegenitand; um es direft zu jeben, | dem zu beobachtenden Objekt den Rüden zulebrte,
576
Diefe Anwendung hatte den Vorteil, daß ein zwei⸗
te3, lihtraubendes Spiegelchen (mie fie die obigen
Spiegelfernrohre bejaßen) entfiel, mithin das Se
ftrument lichtkräftiger wurde. Damit der Kopf des
Beobachterd dem —— nicht zu viel Licht
entziehe, ift jedes derartige F., z. B. das Herſchel⸗
ſche Spiegelfernrohr (Fig. 8), fo eingerichtet,
daß der Hohlſpiegel etwas gegen die Rohrachſe
geneigt ſteht, wodurch das wirtlihe Bild a an den
untern Rand des Rohrs fällt und bier dur das
Dular o vergrößert wird. Hier fann es ——
nommen werden, ohne daß der Kopf des Beobach⸗
terö den Cihtzufluß nadteilig hemmt. Eine ſolche
Anordnung ift jevoh nur bei Hoblipiegeln mit
großen Durchmeſſern vn wi Auf die eben ge
nannten drei Typen ber fatoptriihen F. (öig, 4,
5, 6) laſſen ſich auch bie Spiegelfernrobre der Neu:
zeit zurüdführen. Während die Spiegelfernrobre
vor den Linfenfernrobren den Vorteil volljtändiger
Achromaſie voraus haben, ſtehen fie denjelben in Be:
zug auf die Lichtftärte weit nah. Als Material für
die Spiegel benugt man der leihtern Bearbeitung
megen Metall; ver Lichtverluft infolge mangelhafter
Heilerion an ſolchen Metallipiegeln beträgt etwa
60 Broz., während beim Durchgang durch Glaslin⸗
fen nur etwa 25 Proz. des auf das Objeltiv fallen:
den Lichtes verloren gehen. Um aljo mit Reflettoren
gleiche Lichtftärte wie mit Nefraktoren zu erzielen,
muß man bei den erjtern die Öffnung weit größer
machen als bei legtern, wodurch fie unhandlich wer:
den. Dies ift auch der rund, warum Herſchel fein
Rieſenteleſtop nur vg benugte. Auch erblinden
die Metallipiegel rajch durch den Einfluß der Atmos
pbäre und müflen daher öfters aufpolierı werden.
Dazu fommt no, daß die großen Spiegel infolge
ihrer enormen Schwere nicht in allen Lagen des F.
die Bolltommenbeit ihrer Gejtalt bewahren, fondern
vielfach jich verbiegen und dann entiprechend ver:
jerrte Bilder geben. Trog aller Borfihtämahreneln,
die man dagegen anmwenbet (Hebelvorridtungen
und Quftlifjen), läßt fich diefer Übelftand bei großen
Spiegelfernrohren nicht ganz vermeiden und beein:
trächtigt deren Brauchbarteit erbeblih. Mit gutem
Grfolge haben Steinbeil (1856) und Foucault (1858)
Dbjeltive aus zwedmähig geformten verjilberten
Glasſpiegeln bergeftellt. Für leinere Spiegel bat
fih aud die 1876 von Fritſch und J. Forſter er:
!tundene und von ihnen als Brachyteleſtop (vgl.
Klein, Das Brachyteleſtop, Wien 1882, mit einer
Geſchichte des Spiegeljernrobrs überhaupt) bezeich:
nete Form der Spiegeltelejtope bewährt. Die Frage,
ob Spiegel: oder Linſenfernrohre vorzüglicer find,
läßt ſich nicht allgemein beantworten, eine jede der
beiden Formen hat ihre Licht: und ihre Schatten:
jeiten, und eine Art Wettjtreit, bald ſich mebr zu
Gunften der einen, bald mehr zu der der andern
neigend, bat von jeber ftattgefunden. Die meitejte
Verbreitung und ausgedehntefte Anwendung haben
edenfalls die Refraltoren gefunden, während der
Gebrauch der Reflettoren im weſentlichen auf Eng:
land beſchränkt geblieben ift. Nachſtehend find in
Gentimetern die Öffnungen der größten, auch jest
nod in Gebrauch befindlichen Reflettoren angegeben:
Barjonstown (Lord Rofle)........ 183
Melbourne. . 2:2: 2222 1
JJ.... ee te 1
Paris .
Das Herſchelſche Riejenteleitop und das in Malta auf⸗
geitellt geweſene Spiegeltelejtop von Laſell, beide mit
Spiegeln von 122 cm Öffnung, eriftieren nicht mehr.
Fernrohr (Injtrument)
Um die größern F. zu aftron. Zweden bequem
benugen zu können, bat man ihnen eine Baral:
laktiſche Aufftellung (f. d.) gegeben, die es
geitattet, diejelben mit Leichtigkeit nach allen Bunt:
ten des Himmels zu richten. Yıt das zu beobachtende
Geitirn einmal im F. eingeitellt, fo kann es dann
mit Hilfe eines Uhrwerls, welches das F. genau
der täglihen Bewegung der Geſtirne am Himmel
jolgen läßt, aud dauernd im Sehfelde des F. ge
balten werben. — Zum raſchen Auffinden einer be
jtimmten Stelle des Himmels dient der Sucher (ſ. d.).
r die Beurteilung der Güte eines F. fommen
in Betracht jeine Bildihärfe oder trennende Kraft,
Farbenfreiheit oder Achromaſie und Lichtftärle. Ein
— . joll die hellſten Firxſterne als möglichſt
leine, Rrablenfreie Scheibchen, umgeben von meb:
rern regelmäßigen Beugungdringen, ſchwächere
Sterne aber als ſcharfe Punkte zeigen; der Mond,
augen und Saturn müfjen als jharfbegrenzte Schei⸗
en ohne farbige Säume erfheinen. Die trennende
ib wird am beften an Doppeliternen geprüft; je
rößer die Öffnung des F. ift, um fo engere Doppe
—* müffen ſich mit ihm trennen laſſen; ein gutes
. von 4 Barifer Zoll (= 108 mm) Öffnung muß
3. B. Doppelfterne von 1” Diſtanz als ſolche erten:
nen lafien. Die Lichtftärte prüft man an ſchwachen
Sternen oder noch befler an Nebelfleden oder Kometen.
Das Erkennen von feinen Detaild auf der Mond:
oder Yupiteroberfläche bietet ebenfalld einen guten
Prüfftein für die Güteeines F. Terreftrifche F. prüft
man an irdiſchen Gegenjtänden; die Bilder entfern:
ter Gebäude z. B. müflen jharfe Konturen, frei von
farbigen Säumen zeigen und möglichſt viele Details
erfennen lafien. Alle dieie Prüfungen müflen bei
rubiger und durchſichtiger Quft vorgenommen wer:
den, wenn man jich ein ficheres Urteil über die Güte
eines F. bilden will. Sind die Brennmweiten von
Dbjeltiv und Dkular nicht befannt, jo beitimmt man
die Vergrößerung vermitteljt des Dynameters (f.d.).
Seine vorzüglichſte Berwendung erhält das F.
in der Aitronomie, Mit feiner Erfindung begann
für diefe eine neue Epoche. Hier dient eö aber nicht
nur zum Anjchauen der Geitirne, zum Stubiumibrer
formen und Oberflächenbeſchaffenheit, jondern auch
zum Meilen. Der erite Schritt, um das F. biersu
brauchbar zu machen, geſchah durch Anbringung des
—— im Brennpunkte des Objeltivs (durch
ascoigne 1640), wodurch zuerjt die genaue Viſie⸗
rung eines Objelts ermöglicht wurde. Bei der einen
Gruppe aftron. Meßinitrumente, bei der direlt die
Koordinaten eines Geitirns gemefjen werben, dem
Baflageninftrument, Meridiantreis,Univerfalinftrus
ment und Aquatoreal ebenjo wie bei Sertant, Pris⸗
menkreis und verjhiedenen phyſik. Jnitrumenten,
dient das F. nur zum jcharfen Sehen und Bifieren;
bei der andern Gruppe, ben verſchiedenen Arten von
Mitrometern (f.d.), durch welche relative Koordinaten
bejtimmt werden, ijt das F. ein weit weſentlicherer
Beitandteil, indem durch das F. erit das Bild eı-
zeugt wird, an dem die Ausmeſſungen vorgenommen
werden. In der Himmelspbotograpbie (j. d.)
tritt an Stelle des Dfulars die photogr.
F. Heiner Dimenfionen dienen bei — An⸗
zabl der verſchiedenſten Apparate als Hilfsteile und
baben dann lediglich den Zwed, ein ſcharfes Seben
und Viſieren zu ermöglichen. — Geodätiſche In:
jtrumente mit F. find Heliotrop, Kippregel, Theo:
dolit. — In der Phyſik dient das FJ. bei ver:
ſchiedenen optifhen Demonftrationsverfuden, z. B.
Fernrohr (Sternbild) — Feronia (botanifch)
denen über Beugung, jowie bejonders zum genauen
Mefien von Abitänden durch das Kathetometer (ſ. d.)
und zur jog. Spiegelablefung (ſ. d.) der Galvano-
meter (j. d.). MNäberes über alle die genannten
Inſtrumente |. in den Einzelartiteln ſowie im Ar:
tifel Sternwarte nebſt den beigebejteten Tafeln.
Deutſche Firmen für die Heritellung von Fernrohr:
objektiven > ganzen F. find: in Berlin: K. Bam
‚®. B. oerj, 9. Haede, Ev. —— Th.
Wegener. In Braunſchwei : Voigtländer Sohn.
Dresden: ©. Hende. Sn Hamburg: Repſold
Söhne. In Jena: Carl Zeiß. In Münden:
J. Merz, Reinfelder & Hertel, J. Rodenitod, &. 4.
teinheil Söhne, D. Wernhard. In Rathenow: 2.
Friedrich, Nitihe & Günther, Gebr. Picht & Comp.
In Werlar: M. Henfolot & Söhne. In Würzburg:
Hartmann & Comp. Einige die er Firmen ftellen
die Objektive nicht ſelbſt ber. — Bol. Servus, Die
Geibichte des F. bis auf die neuefte Zeit (Berl.
1886); Strebl, Theorie des F. (XI. 1, %pz. 1894).
enrohr, Sternbild am füdlihen Sternhimmel,
9 ternlarte des füdlihen Himmels, beim
ilel Sterntarten.
rohrauffat, J. Viſiereinrichtung.
rohrbuſſole, ſ. Kompaß.
ohrviſier, j. Viſiereinrichtung.
eben, eleltriſches, ſ. Eleltriſches Sehen.
tigkeit, |. Altersſichtigkeit.
guale (auf Schiffen), |. Flaggen.
fprechanulagen, j. Zelephonanlagen.
precher, in der deutſchen Amtsjprade
Bezeichnung der Telephone (f. d.). Als man den als
Empfänger (zum Hören) benußten Zelephonen eine
etwas andere Einrihtung gab ald den Telepbon:
gebern, belegte man die eritern zum Unterſchiede
von den F. amtlich mit dem Namen Fernbörer.
Ferniprechgebührenordnung vom 20. Dei.
1899 beitimmt die Gebühren für Benutzung ber
öffentlihen Fernſprecher im Gebiete des Deutichen
Reichs, ausgenommen in Bayern und MWiürttem:
berg. Die F. untericheidet Baufchgebübren, nad
der Zahl der — —————— und Grund: und
Geiprähsgebübren, nad) der Za (der einzelnen Ge:
ipräde. (S. Telepbonvertebr.)
prechkabel, foviel wie ZTelepbontabel,
L Kabel. [anlagen (f. d.).
erniprechitelle, Spreditelle in Telephon⸗
eb, joviel wie Kraftübertragung (f. d.).
ernverkehr, |. Borortvertehr.
fier, j. Bifiereinrihtung.
affen, die in die Ferne wirkenden Waffen.
Sie berubten im Altertum und Mittelalter auf
mecan. Treibmitteln, namentlich der Glajticität fefter
Stoffe (Holz, Stahl, Sehnen u.j.w.) und zerfielen in
Handfernwaffen (f. d.) und Wurfmaſchinen
(f. d.), denen fich ergänzend die * elage:
rungsmaſchinen anreibten. Diefe Wurf» und
Belagerungsmaſchinen faßt man aud unter vem Ge:
famtnamen — 1 (. d.) zuſammen.
Die F. der Neuzeit beruhen ug chem. Treib:
mitteln, namentlich dem Bulver, und heißen Feuer⸗
u) zerfallen in Handfeuerwaffen (f.d.)
und Gej in e(i. a re
Fernwirfung, die Wirkung einer von einem
Körper ebenden Kraft auf ſolche Körper, die
aus
den eriten Rörper nicht berühren. Man ftimmt
neuerdings darin überein, daß eine F. von Körper
su Körper nur durd Vermittelung eines zwiſchen
den Körpern liegenden Mediums möglich ſei.
Brodhaus’ Ronveriationd-Berilon.. 14.Mul R.U VI
577
Am *— ausgebildet ift die Theorie über die
‚der galvaniihen Ströme. Ein gerabliniger
ehr langer Stromleiter erzeugt ein magnetiſches
eld (f. Feld, magnetiſches), deſſen Kraftlinien (j. d.)
Kreije find, deren Ebenen zum Stromleiter jentreht
und deren Mittelpunfte in demjelben gelegen find
(j. Eleltromagnetismus). Die magnetiihen Poten:
tialflächen, die zu erjtern Linien überall ſenkrecht
tehen, find durch den Stromleiter gelegte Ebenen.
a beim libergang eines magnetiidhen Teilchens
zwiſchen zwei gegebenen Potentialflächen die Arbeit
(Weg mal Kraft) dieſelbe, der Abſtand dieſer Flä⸗
chen (der Weg) aber der Entfernung vom Strom:
leiter proportional ift, fo kann die Kraft des Strom:
leiterd auf das magnetiſche Teilhen nur dem Ab:
ftande vom Stromleiter umgelebrt proportional fein.
Biot und Savart haben dies dur Verſuche gefun:
ben, indem fie eine fehr Heine Magnetnabel wie
ein Pendel unter dem Einfluß eines jehr langen
Stromleiterd jhwingen ließen; daher nennt man
das Gefeg auch Biot:Savarts Gejeb. Laplace
folgerte hieraus, daß ein ſehr kurzes Stromelement
von der Länge 8 und der Stärfe i auf eine magne:
tiſche Menge m in der Entfernung r die Kraft
ausübt = sin a, wobei « der Wintel des Etrom:
elementes mit der Berbindungslinie * m iſt. Die
Kraft ſteht fentreht zur Ebene, welche durd das
Stromelement und m gelegt wird. Auf dieſem ein-
fachen Gejeg beruht die Konjtrultion der Tangen:
tenbufiole (f. d.). Biegt man den Stromleiter zu
einem freisförmigen Ring zufammen und hält dabei
die eg t, daß die magnetifchen Kraftlinien
die Teile des Stromleiter8 noch immer ringförmig
umſchließen, fo fieht man, daß der Verlauf derjelben
jenem ber Kraftlinien einer Magnetiihen Doppel:
chale (ſ. d.) entipricht, deren Umfang vom Strom
umflofjen wird. In der That lehren Erperiment und
Theorie, daß man fich die magnetiſche Fernwirkun
——— enen Strömen durch jene ſolcher Doppel:
ſchalen erſeht denken tann. Zwei Ströme aufeinander
wirken ebenfo wie zwei Doppelſchalen, was ſowohl in
Bezug auf die mechan. Wirkung (f. Eletrodynamit),
als aud in Bezug auf die Induktion (f. d.) gilt.
Mit Rüdfiht darauf definiert man als die eleltro-
magnetijhe Stromjtärle Eins jene eines Stroms,
der die Flacheneinheit umfreijend fo wirkt, wie eın
durch die Schlinge — ————— ſehr kurzer
Magnet vom Magnetiſchen Moment (f. d.) Eins,
welche Definition mit der in dem Artikel Strom:
ftärte gegebenen übereinftimmt.
— phyſiologiſche F. ſ. Fernwirkung
Bd. 17).
Bol. Hoppe, Zur Geſchichte der F. (Hamb. 1901);
Danilewſty, Die phyſiologiſche F. der Eleltricität
em 1902). h
eröoe (ital., fpr. -tiche), mufifalifche Vortrags»
bezeichnung: wild, ungejtüm. i
——— (lat.), Wildheit, Robeit, Grauſamkeit.
erolia guianensis Aubl., ein in Guayana
vortommender Baum, dejjen ſyſtematiſche Stellung
nicht genau befannt ijt; einige rechnen ihn zur
amilie der Rojaceen (}. d.). Das Holz fommt als
erolienbol;, — bois satine, in den
andel und wird in der Möbeltifchlerei verwendet,
Es ift ſehr hart und ſchwer, rotgelb und nimmt beim
Polieren einen atlasartigen Glanz an.
Feronia Corr., Pilanzengattung aus der Fa:
milie der Rutaceen (f. d.) mit nur einer Art, dem
37
578
Elefantenapfelbaum, F. elephantum Corr.,
im tropiſchen Indien und in Java. Es ift ein zu:
weilen in den Blattacjeln Dornen tragender Baum
von fehr hartem Holze; die Blättex find unpaarig
nefiedert, die in Trauben oder Rifpen ſtehenden
Blüten find weiß. Die Frucht hat apfelartige Ge-
ftalt und Größe; in der harten Rinde befindet ſich
ein ſäuerliches, viele Samen enthaltendes eßbares
Fruchtmus. Blüten und Blätter duften anisartig.
Aus der Rinde flieht das fog. Feroniagummt,
das fowohl in Indien vielfad erwendung findet,
als auch in Europa häufig ftatt des arab. Gummis
benugt wird. ; en
Feronla, ſehr artenreiche Gattung (allein in
Deutichland über 60 ſchwer unterſcheidbare Arten)
von Laufläfern der nörbl. Erbhälfte, von durch:
—— b bis 18mm Länge, einfarbig, meiſt bräun:
ih oder ſchwarz, jeltener —— einige
metalliſch glänzend. Die Arten leben beſonders im
Gebirge unter Steinen, moderndem Holz u. ſ. w.,
geben in den Alpen bis zur Schneegrenze, nörblid)
i8 über den Polarkreis hinaus,
Feronia, altital. Göttin, die beſonders im Sa:
binerland zu Trebula Mutuesca, in Etrurien im
— der meer: Feroniae) am Berge Soracte, in
tium zu Pränefte, im Bolsterland bei Tarracına
verehrt wurde, Sie war wohl eine Göttin der im
Frühling — Vegetation und als ſolche
mit der altital. Venus, der Flora, auch der Libera
verwandt. Als einer Göttin der Freigelaſſenen weih⸗
ten ihr auch die (weiblichen) Libertinen aus Rom
Gaben. Virgil nennt einen Sobn der $ zu Präneſte,
Erulus (oft nad faljher Lesart Herilus ge
nannt), ber gleich Geryon drei Leiber gehabt haben
und von Euander erfchlagen worden fein foll. —
F. beißt auch der 72, Blanetoid. [Firozpur.
erozepore, brit.:ind. Diſtrilt und Stadt. !.
erado, älteres Feld- und Getreidemaß in der
ipan. Provinz Galicien, ald Feldmaß von 625 bis
300 Quadratvaras (4,367 bis 6,595 a); ald Getreide
maß wurde der F. in 24 Guartillos geteilt und bil:
dete den vierten Teil der Fanega (f. d.).
Ferraillieren (vom frz. ferraille, pr. -räj, «altes
Gijen»), mit dem Degen raſſeln, ſich herumſtreiten,
händelſuchtig fein; Ferrailleur(ipr.-rajöhr),Rauf:
errand, Eduard, |. Schulz, Eduard. [bolv.
errandina, Stabt im Kreis Matera der ital.
Provinz Potenza, in 481 m Höhe, unmeit rechts
vom Bajento und an der Linie Potenza : Tarent
des Mlittelmeernekes, bat (1901) ald Gemeinde
7401 €.; Wein: und Ölbau. F. murbe 1494 von
den Bewohnern des durch Erdbeben zerjtörten Städt:
chens Uggiano gegründet.
Ferrara. 1) Provinz im Königreich Stalien
in der Landſchaft Emilia (f. Karte: Dber- und
Mittelitalien, beim Artilel Jtalien), grenzt im N.
an die Provinzen Rovigo und Mantua, von denen
fie durch den Po getrennt wird, im D. an das Adria⸗
tiihe Meer, im ©. an die Provinzen Ravenna und
Bologna, im W. an Modena, hat 2625 (nad) Strel:
bitjkij 2627) qkm und (1901) 271 776 E. und zerfällt
in die 3 Kreiſe Cento, Comacchio und F. (189 695 €.)
mit zuſammen 16 Gemeinden. Das Land bildet das
unterſte Mundungsgebiet des Po auf deſſen rechter
Seite, wird von gr ner feiner ſüdl. Arme und Zu:
flüffe ſowie von zablreihen Entwäflerungsfanälen
durdzogen, iſt flah und zum Zeil jumpfig (Balli
di Comachio) und ungefund, aber außerorbentlich
fruchtbar. Die Bewohner bauen Getreide, Hanf,
Feronia (zoologiſch) — Tyerrara (Provinz und Stadt)
Reis, Wein, treiben Seidens und Viehzucht, auch be»
I&äftigen fie ſich mit Shen (Uale, Meeräichen),
der burch die zahlreichen Kanaljchleufen außerordent⸗
li begünitigt wird, jomie mit Räuchern und Ein-
falsen der Bilde und mit Salzgewinnung.
2) F., lat. Ferraria, dad Forum Alieni der
Römer, Hauptftabt der Provinz F., 120 km im
SW, von Venedig, 9 km füplih vom Bo, in 7 m
Höhe (Schwelle des Rathaufes) und faft 1 m unter
dem Flußſpiegel, in einer ſum⸗
figen und ungefunden, aber
rußhtbaren Ebene, an den Li⸗
nie ———— na (123
km) und %.-Rimini (124 km)
\ — des Adriatiſchen Neges und an
N) ẽ der Anfhluflinie Suyara: F.
b) (82 km), ift mit alten Befeiti-
ungen, Stabtmauern und Ba⸗
ionen verſehen, Siß eines Mi:
litärbiftrift3 und bat (1901) als Gemeinde 87 648
E., in Garnifon das 14. Felbartillerieregiment
(außer 2 Batterien) nebft einer TZraincompagnie und
ein Bataillon des 2. — iments. F. bat
breite, aber ftille, dde Straßen, 30 Kirchen und zahl»
reiche große und fchöne, aber verödete Paläfte,
Kirchen. DerDom San Giorgio, ein Prachtbau
lombard. Stils, befist eine großartige F mit
drei Rundbogenitellungen übereinander; der untere
Zeil der Front und die Seitenfagaben find von 1135,
der Oberbau aus dem 13. Jahrh., die Skulpturen
aus dem 13. und 14. Jahrh. das Innere, dreiſchiffig
mit zwei Duerkniteen, ift 1712 modernifiert und
enthält zahlreiche Wanbmalereien. An der ſudl.
Ede des Doms ein Glodenturm mit vier gewaltigen
Stodwerten, unter Herzog Ercole II. (1534—58)
erbaut. San Francesco, ein Baditeinbau von
Vietro Benvenuti (1494), mit Ruppeln übermölbt,
ift vreifchiffig mit Rapellenreiben; im Innern Grab:
mäler der Familie Eſte. San Benebetto im Eorjo
di Porta Bo, 1496—1553 von —— und
Alberto Triſtani erbaut, iſt eine dreiſchiffige Pfeiler⸗
tirche mit Kapellenreihen. Die ehemalige Kirche
San Romano mit zierlicher Backſteinornamentik des
ieſes und der Fenfterbogen wird durch Anbauten
aft verbedt. San Baolo enthält Gemälde von Bo-
noni und Scarfellino; Sta. Maria in Vado, eine
der älteften Kirchen der Stabt, jeit 1495 von Biagio
Rofletti und Bart. Triftani umgebaut, dreiſchiffig,
Mittelfhiff mit flaher Dede auf zehn Säulen,
Fresten von Bononi. Die Kirhe San Eriftoforo
Zi dem Campo Santo, einem frühen Kartäuſer⸗
tloſter, 1498—15583 erbaut, ift ein ſchoͤner Renaif:
fancebau. Die Kirhe Corpus Domini enthält die
Gräber von Lucrezia Borgia, Alfons L u.a. Die
Kirhe Sta. Maria della Roſa auf der Via degli
Armari fteht vor der Borta Romana. In der Kirche
San Giorgio, mit Grabmal des Biſchofs Roverella
von Ant. Rofellino und ſchönem Turm von Biagio
Rofietti, eröffnete Papſt Eugen IV. 1438 das Fer
rara⸗Florenzer Konzil (. d.). j
Weltlihe Bauten. Den nörblihen, im
14. Jahrh. von Ercole L erbauten Stabtteil dur:
ſchneiden zwei Hauptitraßen, ber Corſo Vittorio Cma»
nuele und der Corſo di Porta Po und di Porta Mare;
die Kreuzung bezeichnen vier ftattlihe Paläſte darun⸗
ter ber Kalanıs rosperi oder de’ Leoni mit ſchoͤnem
Portal, und der Ion de’ Diamanti, benannt nad
den das Gebäude betleidenden facettierten Duabern,
für Sigismondo d' Eſte von Biagio Roſſetti im
Ferrara (Francesco)
aiflance errichtet und 1567 vollendet, mit
der ftäptifchen Gemälvdefammlung in dem Ateneo
civico, deren Bilder meijt der ferrareſiſchen Schule
(GBarofalo, Dofio Dojfi) ne und aus ebes
maligen Kirchen ftammen. Das ehemalige berzogl.
Schloß (Eaftello) in der Mitte der Stadt, ein altes
(Ende des 14. Jahrh.), viertürmiges Gebäude von
maleriihem Uußern, jest Siß mehrerer Bebörven
und des Telegrapbenamtes, enthält Dedenfresten
von Doffi. Der Palazzo Schifanoja an der Strada
della Scandiana, jet Taubftummenanftalt, einft
Luſtſchloß, 1891 von Alberto d'Eſte begonnen, 1469
von Borjo vollendet, enthält ſchöne Freslen von
Eofimo Tura, Lorenzo Coſta u. a., 1840 unter der
Zünde entdedt. Der Palazzo Communale war
einft Sig der Eite. Der Palazzo Coſtabili, mit
fhönem Hofe und zwei Sälen mit Dedenfresten
von Ercole di Giulio Orandi , wurde für Ludovico
Moro erbaut. Der Palazzo della Ragione, ein got.
Badfteinbau (1315—26), 1840 rejtauriert, ift noch
jest Siß des Gerihts. Das einfahe Haus Arioitos,
welches der Dichter felbft erbaute und wo er zulegt
lebte, ift feit 1811 Eigentum der Stadt. Die Cafa
degli Ariofti, bei der Kirche Sta. Maria di Bocche,
ift des Dichters Vaterbaus. Das Haus des Did:
ters Guarini gebört noch deſſen Familie an. m
St. Annenhoſpital befindet ſich die Zelle, in welcher
Taſſo 1579—86 auf Befehl Alfonfos Il. gefangen
— worden ſein ſoll; in derſelben ſind die
damen Byrons u. a. Dichter angeſchrieben. An
des Dichters Liebe zu Eleonore von Eſte erinnert
die vor der Stadt gelegene Villa Belriguardo. Ein
Standbild Arioſtos erhebt ſich **8* Säule auf
der Piazza Arioften von Franc. Vidoni, 1833 ers
richtet; die Säule war im 15. Jahrh. zu einem Dent:
mal für Grcole I. beftimmt und trug 1810— 15
ein Standbild Napoleons I. Zwiſchen Schloß und
Dom das Denkmal des in F. geborenen Girolamo
Savonarola, von Stefano etti, 1875 errichtet;
vor dem Schloß ein Dentmal Victor Emanuels IL
(von Monteverbe).
$ ift Sig eines Bräfetten, eines Erzbiſchofs, eines
Tribunals, eines Affifenhofs, eines Handelsgerichts
und einer Handelälammer und hat eine freie (nicht:
ftaatliche) Univerität ibera Universitä di F.), ein
eol. Seminar, ein Öymnafium, mehrere andere
nterridtsinftitute, eine Accademia Ariostea, vers
ſchiedene Wohlthätigkeitsanftalten und vier Theater.
Die Univerfität, 1264 gegründet und 1391 reorganis
hat gi — ein = — er be ..
richtung nur d . „znfolgedejjen wurde
1442 vom Ma — — wiederhergeſtellt und
fehr berühmt (Savonarola und Arioſt wirkten an
derjelben). Nach 1593 ging fie — und wurde
Ende des 18. Jahrh. geſchloſen. Nachdem die 1802
egründete höhere Hydrauliſche Schule wieder ges
chloſſen war, wurde die Univerſität 1815 wieder
eröffnet und mit einer Ingenieurſchule verbunden.
Sie hatte (1899/1900) 128 Hörer und umfaßt eine
jurift., mathem.⸗ naturwiſſenſchaftliche und mebiz.:
chirurg. zent, legtere mit einer Bharmaceutens
ſchule. Dit ihr verbunden find ein botan. Garten,
ein phyſil. Kabinett, ein anatom. Theater und eine
reihe Sammlung von Münzen, gried. und lat. In⸗
chriften, einige röm. und althriftl. Sartophage
owie eine ausgezeichnete Bibliotbef (91 000 Bände,
1690 Ferrareier und 421 andere Handſchriften,
darunter 52 Ausgaben des Ariofto , mehrere Autos
arapbien ber dieſes Dichters [«Orlando
579
furioso»],, ſowie Taſſos und Guarinis («Pastor
fido»], 3191 Autographen, 2350 Kupfer: und Hands
zeihnungen, alte Drude und Eborbüder mit Minia-
turen des 13. bis 16. Jahrh.). In einem der Biblio:
thefiäle ift das Grabdenkmal Arioftos. j
Geſchichte. Als nambafterer Wohnort wohl erit
mittelalterliben Urfprunge, kam F., welches die
BVärfte auf Grund der Schenkungen Pippins und
Karls d. Gr. beanfprudten, Ende des 10. Jahrb.
als päpftl. Lehn an die Markgrafen von Tuscıen.
Nah dem Tode der Großgräfin Mathilde gab fi
5. eine freiftäptifche Regierung und trat dem Lom⸗
bardenbund bei. Aus dem Adelätampf ver kaifer:
lich gramm Salinguerra und der päpftlic gefinn:
ten Marcheſelli, an deren Stelle dann die Ejte traten,
ingen dieje 1208 als Stadtherren or. Die Eſte
( d.), 1312 vorübergehend vom ft Clemens V.
und dem mit ihm verbündeten König Robert von
Neapel verdrängt, erwarben fi im 14. Jahrh. nicht
nur die erneuerte päpftl. Beftätigung ihrer Herrſchaft
über $., ſondern aud die taiterfiche ihrer von F.
aus gemachten Eroberungen in der Nachbarſcha
und erreichten 1471 — IL die Erhebung F.s
zum Herzogtum. Wie jhon früher gab ed auch
in ber Folgezeit namentlich des Salzes wegen viel:
fache Neibungen mit Venedig. Schon im 13, Yabrb.
ein Sammelplap provencal. Dichter, wurde der Hof
der Ejte zu F. im 15. Jahrh. ein Glanzpunkt des
Nenaifiancelebens, und bier erhielt fich die geiftige
Blüte no dur das ganze 16. Jahrh. hin, als ſie
im übrigen Stalien bereits gefnidt war (f. Kriofto,
Taſſo, Guarini, Calvin, Renata). Nah dem Tode
—— II. gelang es deſſen illegitimem Better
Gejare, nur Modena und Keggio ſich zu erhalten,
das Herzogtum F. wurde von Clemens VIIL 1598
mit Gewalt zum Kirchenſtaat eingezogen, um ale:
bald geiftig und mwirtichaftlic völlig aufammenzu:
finten und jich zu entvöllern. Die Verſuche der Eite,
während des Krieges zwiſchen den Farneſen und
Barberini und während des Spaniihen Erbfolge:
—* mit Hilfe des Kaiſers F. wiederzugewinnen,
mißlangen. Nachdem es 1797 mit der Cisalpiniſchen
Republik, ſpäter mit dem Koönigreich Italien ver:
einigt worden war, fam es 1814 an den Papſt zurüd.
außer einer Strede im Norden des Po, welche dem
Wiener zufolge famt dem Beſahungsrecht
in ben Städten 5. und Gomacdjio («dans les places
de Ferrare») an Öfterreih fam. 1859 tam das Lan
an das neue Konigreich Italien.
Bol. Antonio Frizzi, Memorie per la storia di
F. (5 Bde., Ferrara 1791; 2. Aufl., ebd. 1847—48):
G. Manini Ferranti, Compendio della storia sacru
e politica di F. (6 Bde. ebd. 1808); Luigi Unbi,
Dizionario storico degli uomini illustri ferruresi
(ebd. 1804); 3 Gonti, Storia di F. in compendio
(ebd. 1851); ©. Antonelli, Saggio di bibliogrufia
storica f ‚ publicato in appendice del
secondo volume del Frizzi; €. Azzi, Vocabolario
domestico ferrarese-italiano (errara 1877); Canti
polari di F., Cento e Ponte lagoscuro (ebd. 1877);
—S universitä di F. (ebd. 1879); Ferraro
e Antolini, F. nella storia del risorgimento italiano
1814—21 (ebd. 1885). Weitere Litteratur f. Eite.
Ferrära, Francesco, ital. Nationalötonom
und Bolititer, geb. 7. Dez. 1810 zu Palermo, ward
18834 Leiter des Statiftifhen Bureaus für Sicilien
und gründete das «Giornale di Statistica», wurde
en Beteiligung an den Unruben von 1847 ver
haft und trat 1848 in bie proviforische Regierung
37*
550
von Balermo ein, nah deren Sturz er fib nad
Piemont begab. An der Univerfität zu Zurin,
ipäter zu Pija lehrte er 184964 Staatswiſſen⸗
icbaften, wurde dann zum 2eiter des Steuerweſens
ernannt und trat 1865 in die Hammer ein, in ber
er auf der Linken jaß. Unter Rattazzi übernahm
er das Finanzminifterium vom Mai bis Juli 1867.
1868 wurde F. Direktor der königl. Handelsſchule zu
Venedig und 1881 Senator. Er jtarb 22. Yan. 1900
in Venedig. F. ſchrieb: «Importanza dell’economia
politica» (zur. 1849) und leitete die erften —— Se⸗
rien der «Biblioteca dell’ economista» (27 Bbe., ebd.
1850-68), worin er durch Einleitungen (gefammelt:
2 Bde., ebd. 1890) in das Verftändnis der national:
dlonomiſchen Verfaſſer einfü Seine ſtatiſt. Ab⸗
handlungen find in einem Bande der «Annali di
Statistica» ( 1890) zufammengefaßt.
‚WSerrära:Florenzer Konzil (1438—42), Ron:
zil, auf dem eine Union zwiſchen der röm. und griech.
Kirche abgeichlofjen wurde. Obgleich die Abneigung
zwiſchen dem abenbländ. und morgenländ. Katholi⸗
ciamus gro war, bielt doch der griech. Kaiſer —*
hannes VII. Paläologos, von den Türten hart be⸗
brängt, die Hilfe des Abenblanbes um keinen Preis
r zu teuer erfauft. Bapft u IV. ergriff vie Ge⸗
enbeit, um gegenüber den Anfprüchen des Baſe⸗
ler Konzils (f. d.) das Anſehen des päpftl. Stubles
zu heben. Nachdem bie päpftl. Partei des Kon—
Ur 7. März 1437 Baſel verlafien hatte, verlegte
gen IV. dasſelbe 30. Dez. 1437 nach —— wo
e3 8. jan. 1438 eröffnet wurde, Anfang März trafen
die Griehen ein, mworunter ber Raijer und ber
Batriarh von —— Am 9. April 1488
wurde die Verſammlung als Unionsſynode eröffnet.
Ohne Erfolg zogen ſich die Verhandlungen über das
«Filioque» (d. 4 ob der Heilige Geiſt, wie die Grie⸗
hen lebrten, nur vom Vater ausgehe, oder, wie
die Römer lebrten, von Bater und Sohn) pin, bis
der Papſt aus Gelbnot das Konzil im Febr. 1439
nad Florenz verlegte. Hier gaben die Griechen das
«Filioque» zu, verwahrten ſich nur dagegen, es ins
Symbol ————— Nachdem 10. Juni 1489 der
Patriarch von Konſtantinopel zu Florenz —
war, hatten die Verhandlungen raſchern Erfolg.
Der Gebtauch von neiäuertem oder ungefäuertem
Brot beim Abendmahl wurde für leihanltig er:
Härt, die röm. Lehre vom Fegefeuer, von den
lenmeſſen und den guten Werten wurde anerlannt
und über den Primat des Papſtes eine jo zweideu⸗
tige formel aufgeitellt, daß beide Parteien ſich da-
bei berubigten. So erfolgte 6. Juli 1439 in ber
Hauptlirhe zu Florenz der feierlihe Abſchluß ber
Union. Der Theolog Markus Cugenicus, Erz
biſchof von —R— igerte ber Unionsurlunde
ſeine Unterſchrift; ſämtliche orient. Patriarchen,
außer Metrophanes von Konſtantinopel, ſprachen
1443 auf einer —— zu Jeruſalem den Bann
über alle unierten riechen aus; nach der an
Konſtantinopels durch bie Türlen 1453 wurbe ſchon
aus polit. Gründen ein Gegner ber Union zum
Patriarhen erhoben und 1472 auf einer Synode
die Union von Florenz feierlich widerrufen. Nach
der Abreife der Griehen bielt das Konzil nod
5 Sikungen (bis 1442), in welden es Unionen mit
den Armeniern (12, Nov. 1439) und den Jalobiten
(4. Febr. 1442) jhloß, und wurde 1442 nad Rom
verlegt. Die beiden lekten Sikungen in Rom
(30. Sept, 1444 und 7. Aug. 1445) brachten noch
Unionen mit der ſyriſchen, der chaldaäiſchen (neftos
Ferrara⸗Florenzer Konzil — Ferrari (Giufeppe)
rianiſchen) und maronitiſchen (monotbeletifchen)
Kirche. — mmann, Kritiſche Beiträge jur
Geſchichte der Florentiner Kirheneinigung (Halle
1872, und in ben —*8 für deutſche Theo⸗
logie», 1877); Hefele, Konziliengeſchichte, Bd. 7,
A —— Br. en; Drä Y um —
einigungsverſuch des Jahres 1439 (4Byʒantiniſche
Beittährefte Bd. 5, 2pz. 1896).
Ferräri, Benebetto, ital. Mufiter, geb. 1597 in
Reggio, get. 22. Dit. 1681 zu Modena, eröffnete
1637 in Venedig die erſte öffentliche Dpernbübne.
. mar Jmprefario, Komponift und Dichter. Cine
eihe von Jahren wirkte er am kaiſerl. Hofe zu
Wien. Am längjten weilte er in Modena. Eins
feiner Bücher bat Monteverdi, ein anderes Cavalli
in Mufit gefegt. Auch als Virtuos auf der Laute
—— tiorba) war F. jo berühmt, daß er den
inamen della tiorba führte. Die Biblioteca
Estense in Modena befist viele Rompofitionen von
ihm banbihriftlid, darunter zwei Dratorien.
Ferräri, Gaudenzio, ital. Maler, geb. 1471
zu Balduggia im Mailändijchen, geit. 1546, bat
wahrſcheinlich feine Lehrjahre in der Schule von
BVercelli zugebrabt und fih dann an den Werlen
Leonardos und Luinis weiter gebildet. Den jtrens
ern ältern Stil verlafjend, zu ——— Lebendig⸗
eit neigend und doch phantaſievoll fühn, bat er
eine bejonders fruchtbare Thätigleit ald Wand⸗
maler entfaltet. Seine figurenreichen Kompofitionen,
in denen er liebt, feine Kunſtfertigleit in perſpelti⸗
viſchen Verlürzungen zu zeigen, zeichnen ſich durch
fräftige Jarbengebung und ein eigentümliches Hell»
duntel in den Köpfen aus. Bon feinen Werten ent»
bältdie Brerain Mailand unteranderm: Martyrium
der beil. Katharina, das ibn auf feinem Höbepuntte
zeigt; ferner die früher in Sta. Maria della Baffione
eweſenen Freslen mit Darftellungen aus der Ges
&hichte der Jungfrau Maria. Sein umfangreichites
erl find die den Tod Chriſti darftellenden Freslen
in 40 Kapellen zu Barallo in Piemont. In Bercelli
entbält das Refeltorium von San Baolo ein Abend:
mabl, das den Einfluß von Leonardos Darftellung
ertennen läßt. Sodann find hervorzuheben: eine
Kreuztragung auf dem Hochaltar zu Cannobbio
fowie ein präctiges Tafelmerk in San Gaudenzio
zu Novara (1515), Vermäblung Mariä und Flucht
nad Agypien im Dom zu Como. — Bol. Colombo,
Vita ed opere di Gaudenzio F. (Zur. 1881). _
Ferräri, Giufeppe, ital. Bhilofoph und Hiſto⸗
rifer, geb. 1812 in Mailand, ſtudierte in Pavia,
wurde Mitarbeiter ei en polit. Zeitſchriften
und Freund des Philoſophen Romagnofi. Ruf er
langte er durd eine Ausgabe von Vicos fämtlihen
Werten (6 Bve., Mail. 1836—37), denen er einen
Band über Vicos Geiſt beifünte, 1839 ging F.
nad Frankreich und veröfientlichte «Vico et l’Italie»
(Bar, 1839). 1840 erhielt er eine Brofeffur der Litter
ratur an der Univerfität in Rochefort; doch mußte er
fie focialiftifher Tendenzen halber 1841 wieder auf⸗
eben. 1840 fchrieb er «De l’erreur» und «De re-
igiosis Campanellae opinionibus». wiſchen
hatte F. einen Ruf an die Univerſität Straßburg
erhalten. Dort denunzierten ihn die Ultramontanen,
indem fie eine Stelle des Plato für eine ſolche aus
3.5 Werten ausgaben, wegen kommuniſtiſcher Leh⸗
ren, weshalb er von Billemain abgejegt ward. Zu
feiner Rechtfertigung gab F. «Id&es sur la politique
de Platon et d’Aristote» (Bar. 1842) beraus.
1843 erjchien der bedeutende «Essai sur le principe
Ferrari (Luigi) — Ferrazzi
et les limites de la philosophie de l’histoire»
(ebd. 1843). Nach der Februarrevolution von 1848
verlieh ibm Garnot fein Amt wieder, doc ging er
nod 1848 nad Bourges, wo er bald von neuem
abgejeßt ward. 1859 tehrte F. nad Italien zurüd,
- Ss ’ edle: —— und en au
a er: i ament trat. F. 1. Juli
1876 in Rom. Er ſchließt ſich an — und
Vico an, leugnet die Exiſtenz einer übernatürlichen
Glaubenswelt und vertritt einen antimetaphyſiſchen
Realismus. F. gab nody folgende Werte heraus:
«Machiavel, juge des r&volutions de notre temps»
(Bar. 1849), «Les philosophes salari6s» (ebd. 1849),
«La federazione repubblicana» (Gapolago 1851),
«La filosofia della rivoluzione» (Mail. 1851;
2. Aufl, 2 Bde., 1873), «L’Italia dopo il colpo di
stato» (ebd.1852), «Histoiredesrevolutions d’Italie,
ou Guelfes et Gibelins» (4 Bde., Bar. 1857—58),
«L’annexion des Deux-Siciles» (ebd. 1860), «His-
toire de la raison d’Etat» (ebd. 1860), «La Chine
et l’Europe, leur histoire et leurs traditions com-
es» (ebd. 1867), «Corso sugli scrittori politici
italiani» (Mail. 1862—63 u. d.), «Storia delle
rivoluzioni d’Italia» (3 Bde., ebd. 1871—73), «Teo-
ria dei periodi politici» (ebd. 1874). — Bol. Nayjo-
leni, G.F. (Mail. 1877); Werner, Die ital. Philo⸗
jopbie des 19. Jahrh., Bo. 3 (Wien 1885).
Ferräri, Luigi, ital. Bildhauer, Sohn von Bar:
tolommeo F. (geit. 1844), geb. 1810 zu Benebig,
madhte feine Studien unter des Vaters Leitung und
war an dem Grabdentmal für Canova in Sta.
Maria dei Frari beihäftigt. Sodann ſchuf er einen
Laokoon, einen Endymion, ein Standbild des Marco
Polo, David als Befieger Goliaths. Für die Jo:
bannitertirche in Venedig arbeitete er ein Marmor:
denfmal des Erzherzogs Friedrich von Oſterreich;
ein Standbild des heil. Zuftus in Marmor fertigte
er für den Altar in der diefem Heiligen geweihten
Kirche in Trieft. Außerdem bildeten Grabmäler und
Genreftulpturen die Hauptthätigteit des Künitlers.
1851 wurde er Profeſſor an der Akademie in Bene
dig, wo er 12. Mat 1894 ftarb.
äri, Paolo, ital. Luftipielvichter, geb.
5. il 1822 zu Modena, ftudierte bajelf die
Rechte, widmete ſich gi 1847 der dramat. Dichtun
und warb 1860 Brofeflor der Geſchichte an der wit
ſenſchaftlich⸗litterar. Alademie zu Mailand. Er
ftarb 9. März 1889. F. begann ſeine ee a
Dramatiter mit dem Luſtſpiel «Bartolommeo 0-
lajo» (1847; jpäter «Il codicillo dello Zio Venanzio»
betitelt). Seinen Ruf begründete das I
fchriebene Meifterwert «Goldoni e le sue sedici
commedie», das die Runde über alle Bühnen
taliens machte. Großen Beifall erzielte auch das
piel «La satira e Parini» (1871). Seitvem
nahm F. den erjten Rang unter den gleichzeitigen
Dramatifern Italiens ein. Außer den beiden zu:
legt genannten Stüden find zu nennen: «Il Tartufo
moderno» (1858; ſpäter «Prosa» betitelt), «La
donna e lo scettico» (1864), «Dante a Verona»,
«Poltrona storica», «La medicina d’una ragazza
amımalata» (1862), «Il duello» (1868), «Gli uomini
seri» (1869), «I,’attrice cameriera» (1871), «Cause
ed effetti» (1872), «Il suicidior, «Amici e rivali»,
«Le due dame» (deutſch in Reclams «llniverjal:
bibliotbel»), «Il ridicolo» (1878), «Il perdono»
(1879), «Per vendetta», «Un giovane ufficiale»,
«L’Antonietta» (1880), «Fulvio Testi» (1889) u. a.
Die volljtändigfte Geſamtausgabe jeiner «Opere
581
drammatiche» erfhien Mail. 1877—80 (14 Bpe.).
Einige feiner Stüde wurden ind Deutſche überjegt. —
Vol. Fortis, P. F., studio biografico (Mail. 1839);
Vittorio Yerrari,P.F., la vita, il teatro (ebd. 1898).
Ferräris, Carlo Francesco, ital National:
blonom und Statiftifer, geb. 15. Aug. 1850 zu
Moncalvo (Aleffandria), war 1874— 76 Mitglied
des ital. Statiftiihen Bureaus, wurde 1878 außer:
ord. Profeifor an ber Univerfität Bavia, 1883 Di:
reftor im Minifterium für Aderbau und 1885 ord.
Profeſſor der Statiftif in Padua, 1886 wurde er in
dad Abgeorbnetenhaus gewählt. März 1905 bis
—* 1906 war er Miniſter der öffentlichen Arbeiten,
fchrieb unter anderm: «La statistica e la scienza
dell’amministrazione.nelle facoltä giuridiche» (Ba:
dua 1878), «Moneta e corso forzoso» (Mail. 1879),
«Saggidieconomia, statistica escienza dellaammi-
nistrazione» (Tur. 1880), «La statistica del movi-
mento dei metalli preziosi» (Rom 18883), «L’assi-
curazione obbligatoria e la responsabilitä dei pa-
droni ed imprenditori per gli infortuni sul lavoro»
(2. Aufl., ebd. 1890), «Die Banlen in eg (im
«Handmwörterbud der Staatswiſſenſchaften⸗, Bd. 2,
2. Aufl., Jena 1899), «Principiidiscienza bancaria»
(Mail. 1892), «La questione sociale e la trasforma-
zione del sistema tributario in Italia» (Como 1898),
«Il materialismo storico e lo stato» (2. Aufl., Ba:
lermo 1897), «Teoria del dicentramento am-
ministrativo» (2, Aufl., Mail. 1899).
Ferraris, Galileo, Phyſiler und Elektrotech⸗
niter, geb. 81. Olt. 1847 zu Livorno Bercellefe (No:
Saral, It 1878 Profeffor der technischen Phyſik an
dem Reale Museo Industriale Italiano zu Mailand,
ſeit 1880 auch ord. Profeſſor der Bhyfit, richtete 1886
—87 die eleftrotechnifche ngenieurfchule u Turin
ein, die erfte Staliens; er war mebrmals bei inter:
nationalen Elektrotechnifer-Rongreiien der Vertreter
Italiens ſowie Bräfident der «Italieniſchen elektro:
techniſchen gi Mailand. Er jtarb 7. Febr.
1897 zu Turin, wo ibm 1908 ein Denkmal errichtet
wurde. Seine Arbeiten erjtreden ſich vornehmlich
auf eleftrifche Kraftübertragung, Transformatoren,
— *5* : und Mehrphaſenſtromtechnik. Er
fchrieb: « Wiſſenſchaftliche Grundlagen der Eleltro:
technik» (deutſch von Finzi, 2pz. 1901).
Ferraſch (arab.,«Teppichbreiter»), im Drient ein
Diener, der in den Häuiern der Großen die Teppiche
und Matten jowie die Sipoliter und Betten in Ord⸗
nung au balten bat. Speciell heißen 5.40 ſchwarze
Eunuchen zu Medina, deren Amt es iſt, die mit koſt⸗
baren Teppichen ausgelegte Grablapelle (Türbet)
Mobammeds zu reinigen und zu bebüten.
Ferratin, Ferrialbuminfäure, ein aus
Hübnereiweih und weinfaurem Eifenorybnatrium
dargeitelltes Präparat, das dem Organısmus zum
wede der Ernährung und Bejeitigung frantbafter
Suftände das Eijen in derjelben Form zuführen
ol, in der es im natürlichen Zujtande bereits vor:
anden iſt. E3 enthält etwa 6—10 Proz. Eifen
und wird als jene Subftanz bezeichnet, aus der ſich
| —— ame
„Giuſeppe Jacopo, ital. Dante: For:
ſcher, Bihlancaph und Batriot, geb. 20. März 1813
zu ialiano bei Baflano, ftudierte im Seminar
zu Vicenza, erhielt 1835 die Briefterweibe und dann
eine Vebreritelle am Gymnafium zu Baſſano, aus
welcher Kabesip ihn 1849 wegen feiner patriotifchen
Gefinnung entfernte. Na der Einigung iend
wurde er Brofehlor und Sculinjpeltor zu Baffano,
682
in welder Stellung er bis zu feinem Tode, 3. Mai
1887, verblieb. Er ſchrieb: «Di Bassano e dei Bas-
sanesi illustri» (Bafjano 1847), «Elogio storico di
M. Zaccaria Briesto, arcivescovo di Udine» (ebd.
1852), «Degli instituti di beneficenza della cittä di
Bassano» (ebd. 1854), «Del debito di fare il proprio
testamento in perfetta serenitä di mente» (ebb. 1854
u. d.), «Antologia italiana» (2 Bde. Wien 1858—
69), «Bibliografia Petrarchesca» (Baflano 1877),
«Torquato Tasso. Studi biografici-critici-biblio-
grafici» (ebd. 1880), «Bibliografia Ariostesca» (ebd.
1881). Sein Hauptwerk ift das von großem Sams
melfleiße zeugende «Manuale Dantesco» (5 Bpe.,
ebd. 1865—77)..— Bol. Brentori, Della vita e
degli scritti di G. J. F. (Bafjano 1887).
‚Seresten, Antonio, portug. Dichter, geb. 1528
u Liffabon, ftubierte die Rechte in Coimbra, bes
Nhäftigte fi aber bauptfächlid, mit dem Stubium
der Dichter des Maffishen Altertums. 1556 warb
er Obertribunalsrat in Lifjabon, wo er 1569 an der
Peſt ftarb. Er war nebft Saͤ de Miranda der haupt⸗
jählichfte Begründer des jo8- Haffiihen ——
oder der — der lat. und ital. Dichter in
der portug. Poeſie, wodurch dieſe eine neue Rich⸗
tung erhielt. Seine Tragödie «Ines de Castro» wird
nod jest von den Bortugiejen als eins ber ſchönſten
Dentmäler ihrer Litteratur betrachtet. Seine beiden
Quftipiele «Comedia do Bristo» und «Comedia do
Cioso», YJugendarbeiten nad den von Sa de Mi-
randa gegebenen Muftern, werben noch immer ges
ſchätht; namentlich gilt das zweite («Der Eiferfüd:
tige») für das ältefte neu⸗ europ. Eharalterluftipiel.
1825 wurde ed von Musgrave ins Engliſche, 1835
von $ Denis im «Theätre europsen» ind Fran:
zoſiſche überfegt. 5.8 Werte erſchienen Lifjabon 1598;
in 2Bdn. ebd. 1771, 1829 u. 1875. — Val. Eaftilbo,
Antonio F. poeta quinhentista (3 Bde., Rio de
aneiro 1875); Theophila Braga, Historia dos
uinhentistas (Porto 1871). [Dichter, ſ. Ribeiro.
erreira, Thomaz Antonio Ribeiro, portug.
erreira de Badcancelloß (ipr. di waslong⸗
be uh), Jorge, dramat. Dichter Portugald um
die Mitte des 16. Jahrh., befleivete verſchiedene ho⸗
fiihe Amter und foll 1585 in Lifjabon geftorben
ein, Seine e erſchienen anonym. Es find drei
tofatomödien: «Eufrosina» (1527 gefchrieben, ge⸗
drudt Evora 1560 u. 1561; Lifjab. 1616 u. 1786;
ipanifh von Fernando de Ballefteros y Saavedra,
abr. 1681 u. 1735), «Ulysippo» (Lifjab. 1618 u.
1787) und «Aulegrafia» (ebd. 1619). Die beiden
legten find Komddien im Haffiihen Geſchmad. 3.
ſchtieb ferner einen dem Kronprinzen D. Joäo ges
widmeten Ritterroman, der an ben Sagentreis von
König Artus anlnüpft, betitelt zuerft «Triumpho de
amor» (Coimbra 1554) und fpäter, mit neuer
—— König Sebaſtian, «Memorial das
— segunda tavola redonda» (ebd, 1567 u.
ifjab. 1867). Demjelben find viele Romanzen und
Bilancetes, aber auch einige Ganzonen und Oben ein:
efügt. Ungemiß ift es, ob F. identiſch ift mit einem
orge de Basconcellos, der zu den Poeten des Can⸗
cioneito de Rejende gehört. Einige moraliſche Traltate
von ihm («Obras moraes», 1560) zur Unterweiſung
des jugendlichen Sebajtian ſcheinen verloren zu ſein.
Ferrel, William, amerit. Meteorolog, geb.
29. Yan. 1817 zu Pennſylvanien, war 1882 —86
Aifiitent beim Signal Service zu Waſhington
und jtarb 18. Sept. 1891 in Maywood (Kanſas).
Seine Arbeiten beziehen ſich auf die Einwirkung
Ferreira — Ferrerius
der Achſendrehung der Erde, der —— von
Sonne und Mond, der Wärmeftrablung der Sonne
u. ſ. w., auf die —— und Zuſtände im
Meer und dem Luftkreis. Ein vollſtandiges Ber:
eichnis feiner Schriften befindet fi) im «American
eteorological Journal» (1891).
en in Mastlat, = 801.
errenafe, Stadt im Depart. Lambayeque im
nödrdl. Peru, am weſtl. Fuße der Küftencorbillere,
bat (1876) 7043 €, und bedeutenden Reisbau;
zum Hafenort Eten führt eine Eifenbabn.
Ferrera (Farrera) oder Eiſenhüttenthal
die untere Thalitufe des Avers (f. d.) im Bezirk
Hinterrbein des ſchweiz. Rantond Graubünden, be
ſteht aus einer Reihe wilder, waldiger Felsſchluch⸗
ten und enger Thaltefjel, durch welche der Aver:
— in zahlloſen Stromſchnellen und Waſſer⸗
ällen dem Hinterrhein zueilt. Bon ©. nach N.
—2 9 km lang, öffnet ſich das Thal 2", km
oberhalb Andeer gegen das Schams; in den Ge
meinden Ganicul oder Inner⸗Ferrera (in 1480 m
Höhe) und Außer⸗Ferrera (in 1321 m Höhe) bat es
—— 163 evang. romaniſch ſprechende E., deren
aupterwer le die penwirtichaft ift. Ver:
laflene Hüttenwerte und Hochbfen mweilen auf den
bern Bergbau hin, der Silber, Kupfer und nament-
ib Eifen lieferte. 1873 wurden eine Anzahl alla⸗
life Thermen (+ 84° C.) entbedt. j
erad, Juan de, ſpan. Geſchichtſchreiber,
geb. 7. Juni 1652 zu Labañeza, vollendete ſeine
geiſtlichen Studien der Univerfität zu Sala⸗
manca. Er wurbe zu hoben Ehren befördert und
elbft bei der Kongregation der Inquiſition ange
tellt. Philipp V. ernannte ihn zum königl. Biblio:
thelar. Gr ftarb 8. Juni 1735. Durch jeine «Historia
de Espaöa» (16 Bbe., Madr. 1700—27; neue Aufl.,
17 Bpe., 1775— 81; deutſch mit Anmerkungen und
Wiere bis 1648 von Baumgarten u.a., 13 Vde.,
alle 1754—72), die er bis 1598 herab führte,
machte er ſich um die Aufbellung der fpan. Geſchichte
febr verdient. -
Ferrerind, Bincentius, Dominilaner, geb.
23. Ian. 1857 in Balencia, war 1874—80 Mönd
im Klofter zu Valencia, ftubierte darauf zu Barce
lona und Lerida Theologie, wirkte 18384—91 als
Lehrer der tbeol. iffeniha en und Prediger in
Balencia, durchzog dann als Prediger einen großen
Zeil Frankreichs und murde jpäter Ratgeber des Kö⸗
nigs Johann I. von Aragonien, bis Benedilt XI.
ihn 1395 al® Magister sacri palatii an ben päpitl.
Hof nad Avignon berief. Die Überzeugung, daß
wegen des tiefen fittlihen und religiöfen Verfalls
der Ehrift t das Ende der t nabe bevor
ftebe, veranlaßte ihn, von 1397 an Buße se
gend Spanien, Frankreich und Italien, nad uns
wahrſcheinlichen Angaben aud England, Schott:
land und Irland zu durchziehen. Gleichgeſinnte
Laien und ic — ſich ihm an, und ſeine
Züge geſtalteten ſich bald zu demonſtrativen ‘Bros
eſſionen einer größern Gemeinſchaft, deren erſtes
Gebot die härteſte Selbftlafteiung war und die nas
mentlich in Italien dem Flagellantenweſen (j. Fla⸗
gellanten) wieder neuen Aufſchwung gaben. F. ſoll
8000 Sarazenen und 35000 Juden belehrt und
über 100000 Ketzer der Kirche wiedergemonnen
ben. Er jtarb 5. April 1419 Fee in ber
etagne und wurde von Papſt Galirtus IIL 1455
beilig sn Sein Gedächtnistag iſt der
5. April. Nach ihm ift eine im 17. Jahrh. entitan-
Ferret — Ferro
dene Dominilanertongregation benannt. — Bol.
Heller, Vincentius Ferrer nad) feinem Leben und
Wirken (Berl. 1830); Hobentbal, De V. Ferrerio
(2p3. 1889); Ranzan, Leben des heil, Bincenz errer
(deutih von Eoudenbove, Mainz 1869).
Ferret, Col de (pr. -reb), Pak am Dftfuße der
Montblancgruppe, 7", km —— vom
Großen St. Bernhard, in der Waſſerſcheide zwi⸗
ſchen Drance und Dora gelegen, verbindet den Bes
zirt Entremont des ſchweiz. Kantons Wallis mit dem
Kreis Aoſta der ital. Provinz Zurin. Der Meg
zweigt bei Drfitres (882 m) von der Straße bed
Großen St. Bernhard ab und fteigt durch das enge,
erz⸗ und walbreihe Val F. hinauf über Alpmweiden
u dem Joch Ryan m), das eine großartige Aus⸗
Ft auf die Montblancgruppe bietet. Der Abjti
durch das ital. Dal F. führt über Entröves Lu
Gourmayeur (1208 m) im Thale von Aoſta.
errette 65 rett), Dorf im Elſaß, ſ. Pfirt.
——— uigi, rom. Dialektdichter, geb. 26. Febr.
1836 zu Rom, war von Kindheit an mit dem yo
Belli befreundet, wurde zuerft Architelt, 1871 In⸗
jpeftor der Stabtfhulen in Rom. Wegen feiner
onette in röm. Mundart gilt er als der or⸗
ragendſte lebende Dialeltdichter Italiens. Er ſchrieb:
«La duttrinella» (Flox. 1877), «Centoventi sonetti
in dialetto romanesco» (ebd. 1878).
— — Ciro, ital. Maler, geb. 1634 in Rom,
dafelbit 13. Sept. 1689, war ein Schüler des
Bletrn da Gortona, defien Hüchtiger Malmeife er
folgte. Er wurde 1660 von Eofimo III. nad Florenz
perufen, um die von feinem Lehrer unfertig binter:
ajlenen Arbeiten im Palazzo Pitti zu vollenden;
unter Bapft Alerander VIL mar er ein viel beichäf:
tigter Maler, und man findet in ben Kirchen Roms
feine Werte häufig. Bon Tafelbildern befinden fi:
Madonna mit dem Kind und der heil. Martina
omwie Rube auf der Flucht nach Slgypten in der Alten
inafotbef zu Munchen, Ehriftus als Gärtner und
aria Magdalena im Hofmufeum zu Wien,
rri, Enrico, aeg geb.
25. Febr. 1856 zu San Benebetto:Po (Mantua),
ftudierte in Bologna, ae und Bari und elne
von 1880 an in Turin, Bologna, Siena, Piſa (bis
1895). Zur Zeit ift er Aovolat in Rom. F. ift feit
1886 Mitglied der Deputiertentammer, wo er als
eter der intranfigenten revolutionären Rich»
tung der ————— artei angebört. Im Winter
1895/96 bielt er an dem neuen Institut des hautes
etudes in Brüffel Vorträge Aber Kriminalfociologie.
Seine Haupticriften find: «Teorica dell’ imputa-
bilitä e negazione del libero arbitrio» (Bologna
1881), «I nuovi orizzonti del diritto e della pro-
cedura penale» (ebd, 1881), jpäter u. d. T. «Socio-
logie criminelle» (Zur. 1893; engliſch Lond. 1895),
«La scuola positiva di diritto criminale» (Siena
1883; deutſch Frankf. a. M. 1908), dazu (mit Lom⸗
brofo, Garofalo und Fioretti) «Polemica in difesa»
(Bologna 1886), «L’omicidio-suicidio» (ebd. 1884),
«Estudios de antropologia criminal» (Madr. 1892),
«L’omicidio nell’antropologia criminale» (mit
Atlas, Tur. 1895), «Socialismo y ciencia positiva»
(Madr. 1895; deutſch von H. Kurella, Lpz. 18%),
«Socialismo e criminalitä» {(2. Aufl., Zur. 1896),
«Difese penali e studi di giurisprudenza» (ebd.
1898), «Deliquenti nell’arte» (Genua 1901).
Ferriacetät, ſ. Eifigfaure Salze 5b.
albuminfäure, ſ. Ferratin.
lorid, ſoviel wie Eifendlorid (f. d.).
683
errichän, |. ——
errichanfalium, |. Blutlaugenſalz, rotes.
erribeyän oder Ferricyan, ein in freiem
Zuſtande nicht befanntes dreiwertiges Radikal von
der Zufammenjegung Fe(CN),, dejien Waſſerſtoff⸗
verbindung, bie Bersievanbarterheft äure,
Fe (CN), oder H. Fe, (CX- je wie eine
f —— verhält. Die be lannteſte Fer⸗
ridchan⸗ Verbindung iſt das dcyankalium,
ichantalium oder rote Blutlaugenjalz (f. d.),
Fe(CN),. Das Eifen, das ſich bier im ds
(oder dreiwertigen Zubene vorfindet, fann nicht
dur die gewöhnli Methoden vom Gyan ge
trennt und nachgewieſen werden, ebenfo wie in den
Verbindungen des Ferrocyans (f. d.). Das Eijen-
orgbulfalg diefer eigentümlichen Ferrichanwaſſer⸗
ftofffäure ift das Turnbullblau (f. d.).
errideyanfalium, |. Blutlaugenfalz, rotes.
rridverbindungen (Ferriverbindun—
gen), f. Eifenverbindungen.
Ferrieres (jpr. -Tähr), Ort im Kanton Lagny,
Arrondifjement Meaur des franz. Depart. Seines
et⸗Marne, bat (1901) 961 E., eine jhöne Kirche
(13. Jahrb.), ein Schloß Rothieilds im Stile ital.
Spätrenaifjance, mit vielen Kunſtwerlen und pracht⸗
vollem Part. Hier befand fi 19. Sept. bis 5. Dit.
1870 das Hauptquartier König Wilhelms. In F.
anden 19. und 20. Sept. zwiſchen Bismard und
es Favre die erſten Friedensverhandlungen ftatt.
errigni (pr. -rinji), Piero Francesco Leo⸗
oldo Eoccoluto, betannt unter dem Pſeudonym
Dorid, ital. Schrijtfteller, geb. 15. Nov. 1836 zu
ivorno, ftudierte ın * und Siena die Rechte,
begann ſchon mit 16 Jahren an litterar. Zeitſchriften
zu arbeiten, nahm 1859 an der Bewegung in Tos⸗
cana teil und fämpfte unter Garibaldı in Sicilien.
Er ftarb im Dez. 1895 in Florenz. F. war der geiſt⸗
volljte und be open illetonift Italiens, ſeit
1868 ber geſchätzteſte Mitarbeiter der «Gazzetta
del Popolo», der « Nazione», des von ihm mitbe⸗
er «Fanfulla» u.a. Ungemeine Verbreitung
anden feine Flugichriften, von denen diejenige über
die Mahliteuer in 750000 Eremplaren gebrudt
wurde. In Buchform find erſchienen: «Viaggio
attraverso l’esposizione italiana del 1861» (Florx.
1861), «Cronache dei bagni di mare», «Fra quadri
e statue» (Mail. 1872), «La festa dei fiori» (lor.
1874), «Vedi Napoli e poi...» (Neap. 1877; zum
Teil deutih in der «Kölniihen Zeitung»), «Sü e
it per Firenze» (Flot. 1877), «Il r& & morto»
ebd. 1878), «La veritä intorno al progetto di
legge per la tassa sui teatri» (ebd. 1879), «Pas-
seggiate» (ebd. 1879), «Climatologia Viennesse»
(ebd. 1881), «Storia dei burattini» (ebd. 1884).
ee ein Salz, ſ. Eitronenjäure.
Ferrihexahydrãt, Ferrihydrate, j. Eiſen⸗
oxydhydrate.
erriniträt, ſ. Eiſennitrate.
xijd, |. Eiſenoxyd. [parat,
tön, ein longentriertes Eijenpeptonpräs
yriu, joviel wie opyrin (}. d.).
errilalze, j. Eijenorybjalze.
errifulfät, ſ. Eiſen ul j
berbindungen, j. Eijenverbindungen.
erro, fpan. Hierro, die weſtlichſte und unter
den bemohnten die Heinfte der Canariſchen Inſeln
.d. und die Nebentarte zur Karte: Spanienund
ortugal), bat 275 qkm und 6184 E. Sie
ift ein balbmondförmiges, bis 1415m hohes Gebirge,
584
ein Teil eines Krater, der nad der vom Meer er:
füllten Seite, dem Golfo, fteil abfällt und N auf
der Außenjeite allmählich abdacht, von vielen Lava⸗
ftrömen und Heinen gene Regeln bededt.
Die Infel ift fruchtbar, trägt Ihönen Kiefern, or
beer: und Gritawald und liefert die jhönjten cana-
rifchen Feigen. Aderbau ift infolge der mangelnden
Bewäſſerung befhräntt. Der Hauptort ift der Flecken
Valverde auf ber ee — F. wurde zur
Zeit Ludwigs XI. (1634) als weſtlichſter Punkt
der Alten Welt zum Ausgangspunlt der Meridian:
legung beitimmt. (S. Länge, geographiſche.)
—— ſ. Eſſigſaure Salze.
erro⸗Aluminium, die Legierungen des Alu⸗
miniums mit Eifen. Man gewinnt diefelben bei ver
elettrolytifhen Darftellung des Aluminiums (f. b.)
durd Sujab von Eifen. Härte, Feſtigleit und Elaſtici⸗
tät des Eifend werben durch Beimiſchung von Alus
minium beträchtlich gefteigert. Ein F. von 10 Proz.
Aluminiumgebalt ijt hart wie Glas. Heinen
Mengen dem Stahl oder Eifen zugefebt (bis zu etwa
. Broz. Aluminiumgebalt der ganzen Schmelze),
macht e3 dieſelben weſentlich dünnflüffiger und ver:
bindert außerdem die Blafenbildung beim Guß.
Dieſe Wirkung erklärt ih dadurch, u; das Alu:
mintum Meine Mengen von Eifenorydul, welche die
Schmelze jhmwerflüffig maden, reduziert, wodurch
gleichzeitig einerjeit# eine bedeutende Temperatur:
erböbung bemirft und andererſeits die Bildung von
Koblenoryd aus dem Eifenorybul und der im Eifen
vorhandenen Kohle verhindert wird.
errocarbonät, ſ. Eifencarbonate.
errocarbonfl, ſ. Eiſenlohlenoxyd.
errooarriles (ſpan.), Eiſenbahnen (f. d.).
— rg ſ. Eiſenchlorür.
errochän, ein in freiem Zuſtande nicht exi—
tierendes vierwertiges Radilal, Fe(CN),, deſſen
rbindung mit a llerkofl die vierbafiiche Fer:
a äure, H,Fe(CN),, iſt.
Das Ralifalz diefer Säure, K,Fe(CN),, tft das
eg re oder gelbe Blutlaugenialz (f. d.).
ieſes Salz läßt de als ein Doppelcyanid von
Gifencyanür und Evanlalium auffallen, nämlid
alö Fe(CN), + 4KCN,
Mäbhrend nun aber die gewöhnlichen a
chanide (j. d.) von verbünnten Säuren in der Kälte
ebenſo wie das Eyanlalium unter Freiwerden von
Blaujäure zerlegt werben, ſcheidet fih aus dem
Ferrocyanlalium nur die Ferrocyanwaſſerſtoffſäure
als Niederichlag aus. Das Eifen, das in derjelben
enthalten iſt, zeigt nicht das Berbalten der gewöhn:
liben Eifenverbindungen, indem weder durch Schwer
jelammonium Schwefeleifen, noch durch Kalihydrat
Eiſenhydroxydul gefällt wird. Auch das Cyan iſt in
ſeinen Eigenſchaften verändert; denn während ſonſt
alle Eyanverbindungen eiftig find, find die F. feine
Gifte. So verhält ſich aljo die Gruppe Fe(CN),
mie ein felbjtändiges Radikal, wie etwa CN oder
die Halogenatome, und kann nur durch energiſche
Eingriffe, wie 3. B. durch Erhitzen mit konzentrier⸗
ter Schwefelfäure, zerſtört werden, wobei dann
Eiſenſulfat, Kaliumſulfat, Ammoniumſulfat und
Kohlenoxyd entſtehen:
K,Fe(CN), +6H,S0, +6H,0 =2K,S0, +
FeS0O, +3(NH,), SO, + 600.
Mit den Metallfalzen iebt eine Löfung von Ferro:
cvankalium meist unlöslihe Niederichläge, mit
Kupferjulfat 3. B. rotbraunes Ferrocyankupfer,
Cu, Fe(CN), (Rupferbraun), mit Eifenorydialzen
Ferroacetat — Ferrotypie
Berliner Blau (ſ. d.). Unlöslihes Berliner Blau
ift Fe, Fe, (CN),, = Fe, (CN),„, Serriferrocpanip,
während das losliche Berliner Blau noch Kalium ent:
u und bei Anweſenheit —— Ferrochan⸗
aliums entitebt: KFeFe(CN), = KFe,(CN),.
rochäneifen, ſoviel wie Berliner Blau (j.d.).
ocyänfalium, ſ. Blutlaugenjalz, gelbes.
ofix, Zötpaite zum Hartlöten von Gußeijen
(D. R. P. Str. 110319), enthält Reduktionsmittel
(Sauerftoffverbindungen von Metallen), welche die
Bußjtüde an den Lotflächen entloblen.
errohämödl, ein Cifenpräparat, das durch
Ta ung einer mit —— verſetzten Blutlöjung
durch Sodaldjung dargeſtellt wird. Es iſt ein brau⸗
nes, ———— Pulver und wird als Mittel
gegen Bleichſucht angewendet.
Berroppbrat, f. Eifenorpbul.
erro-Kali tartarioum, ß Eiſenweinſtein.
et Tg f. Oxalſaure Salze.
erröl, El, Stabt (Ciudad) der fpan. Provinz
La Coruña in Galicien, auf einer Landzunge am
nörbl. Ufer der 15 km langen, bis 375 m engen
gleihnamigen Bucht des Atlantifhen Oceans,
20 km nordöjtlih von La Eorufia, in fhöner Um:
ebung verjtedt gelegen, einer der drei Hauptkriegs⸗
Däen Spaniens, bat (1897) 24957 E., neuerdings
verjtärkte Feſtungswerle, einen fibern, durd bie
Forts Palma und San Felipe ——— Hafen
deſſen enge ge immer nur ein Kriegsſchi
und zwar nur bei bejtimmter Windrichtung paſſieren
fann. F., 1752 noch ein unanfebnlicher Fiſcherort,
ift jet regelmäßig angelegt, beſitzt eine ſchoͤne Pfarr⸗
firhe, ebemaliges Franziskanerkloſter, Marine
alademie, Schiffahrtsſchule und das größte Arjenal
Spaniens (8 ha), mit Werften und Dod3, das unter
u Leitung 3— 4000 Arbeiter beibäftigt. Das
neben beitebt Segeltuch- und Leberfabrifation,
Sarbdellenfifcherei und Leinweberei. Eingefübrt
werben vor allem Koblen, Eijen, Holz, Baummolle,
Getreide; ausgeführt Grubenholz, Eijen und Fiice.
Mit Coruña befteht regelmäßige Dampferwerbin-
dung. F. ift Sik eines deutſchen, uruguayaniſchen
und venezuelanifhen Konſuls ſowie von Bicelon:
fuln oder Konfularagenten jajt aller andern Han
belöftaaten. Gegenüber La Graña, mit Werften
und Magazinen.
errolaktät, ein Salz, |. Eiſenlaltat.
erromalät, ſ. Eifenmalat.
erromangän, |. Eiſen und Manganeijen.
erronitrat, ſ. Eijennitrate,
errooghd, |. Eiſenoxydul. j —
erropprin, Verbindung von Eiſenchlorid mit
Antipprin, ein rotes, in Wajler lösliches Pulver,
das die Wirkung ber Eifenpräparate mit ber bes
Antipyrins vereinigt.
errofalze, j. Eijenorydulfalze.
errofilicium, j. Eijen (Tehnifhes).
erroftyptin, ein blutitillendes Antifeptifum,
he — aus Acetanilid (Antiſebrin) und Eiſen⸗
almia
errofulfät, ein Salz, \ Eiſenſulfate.
errofulfid, ſ. Eiſenſulfide.
errotijpie (lat.⸗grch.), die Aufnahme eines
Bildes nach der Natur gi ollodium, weldes auf
ſchwarze, mit Asphalt überzogene Eiſenbleche ge
goſſen, halb getrodnet, dann gehbert wird. Die da:
durch erhaltene lihtempfindlie Schicht wird in ber
Camera nur jebr kurze Zeit belichtet, dann ent:
widelt, firiert und nad dem Waſchen jofort abges
Ferroverbindungen — Ferry
lieſert. Das dünne Bild iſt eigentlich ein untererpo⸗
nierte® Negativ, aber gegen den jchwarzen Unter:
nd fiebt es pofitiv aus. Schon 1850 fertigte man
olche Bilder auf ſchwarzem Glafe (Bannotype) in
Deutihland. Da das Glas zerbrehlic war, nahmen
die Amerikaner ſchwarz oder braun ladiertes Eijen-
blech ala Unterlage. So fam das alte Verfahren ala
—3 nach Deutſchland zurüd und wird hier mit Vor⸗
tebesald amerikaniſche Photographie oder
Sänellpbotograpbie auf Jabrmärkten u. ſ. w.
ausgeübt. Das in der Aufliht geſehene Bild er-
fcheint jedoch hierbei nie rein weiß, ſondern höchſtens
graumweiß. Neuerdings fertigt man auch Bromfilber-
gelatineplatten auf asphaltiertem Eifen, auf dem
derjelbe Zwed in zwanzigfach kürzerer Erpofitions:
it erreicht wird. — Bol. Ferrotypie (12. Aufl.,
üffeld. 1898); Mercator, Die F. (Halle 1902).
eier ug en, ſ. Eilenverbindungen.
ereucei (fpr.-uttichi), Andrea, ital. Bildhauer,
geb. 1465 zu Fieſole, geſt. 30. Juni 1526 in Florenz,
war außer in leßterer Stadt feit 1490 auch für König
erbinand I, in Neapel beichäftigt. Er ſchuf Ver:
chiedenes für die Kirchen Sta. Annunziata und Sta.
aria del Fiore. 1512—18 war er Überbaumeiiter
des Florentiner Doms; unter den folofjalen Apoſtel⸗
fiquren in den Pfeilerniſchen dafelbit ift der beil.
Andreas fein Werk (1514) fowie die Büſte des
Marfilio Ficino (1521). Auch über den Bau der
Bafılita San Lorenzo führte er feit 1514 die Auf:
it. Im Dom zu Biftoja ift von feiner Hand das
ufbeden und der Altar mit Figuren Ebrifti und
Johannis’ des Täufers, in Volterra zwei marmorne
el, ferner in Fieſole zwei fchöne Holzcrucifire.
Ferruginöe (vom lat. ferrügo, Eifentoft), eiſen⸗
baltig; be re eifenbaltige Heilmittel.
Ferrum (lat.), Eifen. Offizinell find: F, car-
bonicum saccharätum, zuderbaltiges errocarbo:
nat; F.citrilceum oxydätum, erricitrat; F.lacticum,
errolaftat; F.oxydätum saccharätum, Eifenzuder;
‚ pulverätum, gepulvertes Eifen; F.reductum, re
duziertes Eifen; F. sesquichloratum, Eiſenchlorid;
F. sulfuricum, bverrofullat; F. sulfuricum crudum,
Eifenvitriol; F. sulfuricum siccum, getrodnetes
Ferrofulfat.
Ferrum oandens, j. Ölübeiien.
Best Gabriel, ſ. Ferry de Bellemare,
erriy, Jules, franz. Staatömann, geb.5. April
1832 in St. Die im Depart. Vosges, ließ fih nad
Beendigung feiner jurijt. Studien zu Paris 1854
dajelbit als Advolat nieder, wurde Mitarbeiter an
der «Gazette des Tribunaux» und verfahte gemein:
fchaftlih mit Herold, Elamageran und Dreo einen
«Manuel &lectoral» , von dem bei den allgemeinen
Wablen 1869 die 8. Auflage erihien, 1863 ver:
öffentlichte er eine Flugichrift: «La lutte dlectorale»
(Baris), und betämpfteim «Temps», in deſſen Redat:
tion er 1865 eintrat, und in den «Comptes fantas-
tiques d’Haussmann» (ebd. 1868) die Barifer Stadt:
verwaltung. Bei den Wablen 1869 wurde F. Depu⸗
tierter von Paris und nahm in dem Geſetzgebenden
Körperjeinen Bla = der Linlen. Da er zu den Ba-
rijer Abgeorbneten gebörte, wurde er 4. Sept. 1870
itglied der Regierung der Nationalverteidigung,
5. Sept. deren Gelretär und 6. Sept. mit der Ber:
mwaltung des Depart. Seine beauftragt. Bei dem
Aufitande der Commune vom 31. Oft. wurde er
efangen gejebt, aber durd die Nationalgarde bes
Freit und 15. Nov. an Stelle von Etienne Arago
zum Chef der Gentralmairie von Paris ernannt.
585
Bei den allgemeinen Wahlen zur Nationalver:
fammlung, 8. Febr. 1871, erbielt F. ein Mandat
vom Depart. Voſsges und wurde nad ber Bemäl:
tigung der Gommune 24. Mai 1871 von Thiers
zu inepräfeften ernannt, gab aber nad) wenigen
gen diefen Poften wieder auf. Bon Thiers
15. Mai 1872 zum Gefandten in Athen ernannt,
legte er ſchon 1873 nad) defjen Rüdtritt —* Stelle
nieder. In der Nationalverſammlung hielt er ſich
nun zur republilaniſchen Zinfen, die ihn zu ihrem
mäbhlte. In dem 4. Febr. 1879 gebildeten
inifterium Waddington übernahm %. die Stelle
des Unterrihtsminifterd und legte zwei
entwürfe gegen ben übermädhtigen Einfluß der Kon:
tegationen auf das höhere Unterrichtsweſen vor.
$. der aud nad dem Rüdtritt Waddingtons in
dem Minifterium inet (feit 29. Dez. 1879) fein
Vortefeuille behalten hatte, übernahm 23. Sept.
1880 felbft die —————— Obgleich
des von tta vorgeſchlagenen Liſten⸗
wahlſyſtems, machte er ihm 2 feine ofition,
Am 14.Nov. 1881 trat das Minifterium F. zurüd,
um Gambetta Bla zu machen. Nach deſſen Sturz
übernahm F. 80. Jan. 1882 unter der Praſidentſchaft
Freycinets das Unterrichtsminiſterium wieder und,
nad dem Rüdtritt der drei einander folgenden Mi⸗
nifterien Freycinet, Duclerc und Fallidres, 21. Febr.
1883, als eine Proflamation des Prinzen Yeröme
Napoleon die Prätendentenfrage hervorgerufen
atte, neuerdings die Minifterpräfidentihaft. Er
ieß auf Grund des Geſetzes von 1834 die De:
frete veröffentlichen, wonach die der Armee ange
drenden Prinzen ihrer dienftlihen Stellungen ent:
oben wurden. In F. s zweite Minifterpräfidentfchaft
el die Ausdehnung der franz. Kolonialpolitit in
fa und in Dfiaflen. a der in Tongling ge:
I rte Krieg in Frankreich fehr unbeliebt war, fo
heute —3 immer neue Kriegskrebite zur Aus:
rüftung von ärfungömannfhaften den Ram:
mern vorzulegen. Daber trat Frankreich von Anfang
an mit ungenügenden Streitträften auf dem Kriegs⸗
er auf und erlitt infolgedeſſen mande ſchwere
erlufte. Die Nahricht, daß das franz. Heer bei
Langſon überfallen und zum Rüdzug gezwungen
worden fei, veranlaßte die Kammer, in der man F.
wegen feiner Deutſchland weniger feindlichen Bolitit
und feines Zufammengebens mit Bismard in ber
Kongofrage zürnte, 30. März 1885 & einem Mi:
trauensvotum, worauf er fein Entlaſſungsgeſuch
einreichte und der bisherige Kammerpraſident Brif:
on ein neues Minifterium bildete, Seitdem war
. da8 Haupt der gemäßigten Republilaner und
alt Unbefangenen ala Frankreichs h end:
ter Staatömann. Er erfannte zuerjt die Gefahr,
die dem Staat in der Perjönlickeit Boulangers
drobte, gegen den er 1887 einen Redelrieg begann,
ber ihm ben Haß der damals mit dem General ver:
bündeten Radikalen zuzog. Sie befämpften beim
Rüdtritt Grevys von der Präfidentihaft 3.8 Kan:
didatur mit folder Leidenſchaft und drobten mit
Aufftand und Bürgerkrieg, wenn er gewählt würde,
daß fein zahlreiher Anbang nit den Mut fand,
ihn durchzuſetzen. Er erbielt im erſten ya e
8. 1 eg nur 212 Stimmen und bat nun jelbit,
dieſe Sadi Garnot zuzumenden. So arg waren bie
Heßereien gegen ibn, daß fie einen balbverrüdten
Menſchen, Namens Aubertin, veranlaften, 10. Dez.
auf F. zu ſchießen, der jedoch nur leicht verwundet
wurde, und jo aroß war bie Unbeliebtbeit des «Ton-
586
kinois», wie man ihn nannte, dab ihm Carnot tein
Ministerium anzubieten wagte, und daß er 1889 bei
den Septembermwablen in feinem alten Wahlkreiſe
unterlag. Ein andered Mandat anzunehmen mei:
gerte er x 309 ſich zurüd und beicäftigte fi da:
mit, feine Bolitit in der Tonglingfrage in dem Buch
«Le Tonkin et la mere-patrie» (Bar. 1890) darzu⸗
legen und zu rechtfertigen. Erſt im San. 1891 wurde
er in Epinal zum Senator gemäblt und trat damit
wieder aftiv auf. Am 24. Febr. 1893 wurde er zum
Präjidenten des Senats gemäblt, ftarb jedoch ſchon
17. März desſelben Jahres. Er wurde auf Staats:
toten beerdigt. 1896 wurde ihm in St. Die (von
A. Mercie), 1899 in Tunis ein Dentmal errichtet.
Seine «Discours et opinions» gab Robiquet beraus
(7 Bde. Bar. 1893— 98). — Vgl. Jules F. 1832—93
(St. Die 1896).
Ferry de Bellcmare (fpr. bell'mabr), Gabriel,
betannter unter dem Pſeudonym Gabriel Ferry,
franz. Schriftiteller, geb. im Nov. 1809 zu Grenoble,
machte viele Reifen ın Amerita und fam auf einer
abrt nad Kalifornien bei dem Brande des Schiffs
mazone um (5. Jan. 1852). Seine Schriften er:
fhienen zuerft in der «Revue des Deux Mondes»
und wurden meift ind Deutfche überfest. Zu er
wähnen find: «Le coureur des bois» beutie, Halle
1851, und in Reclams «Univerjalbibliotbei»), «La
chasse aux Cosaques» (deutich, 2 Bde. Braunſchw.
1853), «Costal l’Indien» (deutſch, 2pz. 1853),
«Scönes de la vie militaire au Mexique» (deutich,
2 Bde., Halle 1860), «Les Squatters» (deutich,
2 Boe., —— 1860).
Sein Sohn, gleichfalls Gabriel genannt, geb.
30. Mai 1846 in Paris, jchreibt unter demfelben
Pſeudonym wie fein Vater. 1868 veröffentlichte er
einen Einalter «L’&clipse de lune», dem mebrere
Dperetten folgten. Ein breiattiges Drama erſchien
1874: «Röginah», Bon feinen Romanen und lit
terar. Arbeiten find bervorzubeben: «Les der-
niöres anndes d’Alexandre Dumas, 1864— 70»
(1883), «Les deux maris de Marthe» (1884), «Cap
de fer» (1887), «Balzac et ses amies» (1888), «Les
exploits de C6sar, roman parisien» (1889), «Les
exploits de Martin Robert» (1890), «Les derniers
jours du roi-soleil» (1896).
een (pr. freba), ſ. Tayport.
erſakh⸗a' chary (turt.), Myriameter, =
erfäla, ſ. P gr, [10000 m.
erfe oder Hade (Calx), der jtarte, jtump
endende Knochenfortſatz, welcher den binterjten Tei
des yußlnochengerüftes bildet und durch ein ziemlich
ftraftes Faſergewebe umbüllt wird, deſſen Maſchen
mit Fett ausgefüllt find. Auf diefe Weit eift um jenen
Knochen, das Ferſenbein (Calcaneus oder Calca-
‚ neum, ſ. Tafel: Das Stelett des Menſchen,
1, 52 und 2,44, beim Xrtifel Stelett, und Tafel:
Die Nerven bes Menſchen, Fig. 3, 14), gleich:
fam den fern der F. ein elaftifcbes Golfter erzeugt,
welches bei Gang und Sprung die Kraft des Stoßes
zes empfängt und feine Fortpflanzung auf den
ochen milder. Am bintern obern Ende bes
Rnohenvorfprungs, dem Ferſenhöcker (Tuber
calcanei), jest fich die jtarte Ahillesfebne(Tendo
Achillis) an, welche nach oben in die Wadenmusteln
übergebt. Die Hornſchicht (Epidermis) der feiten
Ferjenbaut iſt meiftens — ſtark entwickelt und
bildet oft dicke, hornige Schwielen, wie ſolche an den
Stellen der Haut vorlommen, welche einem häufigen
Drud auögejekt find.
Terry de Bellemare — Ferſen
Be mweibliches Rind, 1. ——
erſe, linter Nebenfluß ver Weichſel, entſpringt
auf dem Plateau von Karthaus im preuß. Reg.⸗Beʒ.
Danzig, ſüdlich vom Turmberge, durchzieht einige
feine Seen, fließt in zablreichen Krümmungen nad
SD., und mündet bei Mewe. Sie ift 112 km lang,
von Rifchau an flößbar und empfängt von Norden bie
Fietze aus dem Marienſee. DasGefälle beträgt 160m.
g en, — en, ſ. Pergine.
erſen, ein altes Schroed. -eitbländ. Geſchlecht,
der Sage nach aus Schottland ſtammend, das ſich
ſpäter über Nordeuropa verzweigte. In Schweden
iſt das Geſchlecht 1839 in der männlichen, 1879 auch
in der weiblichen Linie ausgeſtorben. Der Stamm⸗
vater der ſchwediſchen und der jekt noch in Rußland
blübenden Linie ift Lorenz von F., der 1540 aus
Hinterpommern nah Eſthland einwanderte, Ein
Entel im vierten Grade von ihm war ber ſchwed.
— ——— Fabian von F., Freihert von
ronendahl auf Schonen. wurde 7. Febrt.
1626 zu Reval geboren, kämpfte im ſchwed. Heere
1644 gegen die Dänen und 1646—48 in Deutſch—
land. Nach dem Weitfälifhen Frieden kehrte F. als
Oberſt nad Ejtbland zurüd, nahm fpäter an den
poln. und dän. Kriegen teil und wurde nad dem
Seetreffen bei Kronenburg (1658) zum General:
major befördert. 1663 wurde er zum Gouverneur
von Livland und Riga ernannt, hierauf ald General
der Infanterie nah Stodbolm berufen und 1674 in
den Freiherrenſtand erhoben. Als Ebriftian V. von
Dänemark, verbündet mit dem Großen Kurfürften
von Brandenburg, Schweden wieder den Krieg
erflärte, wurde 8 ald Generalfeldmarjhall zum
Generalgouverneur über die angegriffenen Herzog:
tümer Schonen, Halland und Blekinge ernannt,
ſchlug die Angriffe des Feindes auf Malmö zurüd
und zwang ibn fchließlih, die Belagerung ver
Feſtung aufzugeben. 1677 wurde er Reichsrat, ftarb
aber in demjelben Jahre in Malmö.
Graf Fridric Arel von F., Freiherr zu
Cronendahl, geb. 5. April 1719 in Stod«
* war während ver fo —— eine der
ervorragendſten polit. Perſonlichkleiten Schwedens
und lange Zeit Führer der Partei der «Hüter. Be
guet am Reichstage 1755—56 ſpielte er eine große
olle im Streite gegen die Verſuche zur Erweiterung
der fönigl. Gewalt. Während der eriten Regierungs⸗
jahre Guftavs IIL. gebörte F. der königl. Vartei an;
als aber Die Souveränitätsbejtrebungen bes Königs
deutlicher hervortraten, warb er der einflußreice
Führer der Oppofition und als foldher beim Reichs:
tage von 1789 verhaftet. Darauf zog er fih vom
polit. Qeben zurüd und ftarb 24. April 1794. Seine
Memoiren («Historiska Skrifter», Bd.1—8, Stodh.
1867— 72) find von geringem Werte. F. mar Feld⸗
marichall und Reichsrat.
Graf Hans Arel von F., des vorigen Sobn,
geb. 4. Sept. 1755 au Stodholm, ging nad vollendes
ten Studien nad àug machte als Oberſt des
Regiments Royal Sukdois den amerik. Freiheits—
krieg mit und zeichnete ſich bei Ausbruch der Fran⸗
zöſiſchen Revolution durch feine Anbanglichleit an
die konigl. Familie aus. Er leitete deren Flucht nach
Barennes ein, fubr fie, ald Kutſcher verlleidet, aus
aris und fuchte während ihres Aufenthalts im
emple auf jede Weiſe ibre Lage zu erleichtern. Als
er Srantreich verlaſſen mußte, bielt er fi in Wien,
Dresden und Berlin auf und kehrte enblih nah
Schweden zurüd, wo ihn der König nadeinander
Ferſenbein — Fertit
zum Kanzler der Univerfität Upſala, Reichsmarſchall
und zum General ernannte. F. galt —— Ent⸗
thronung Guſtav IV. Adolfs als ein eidiger
der Rechte der Familie des Königs; nach dem
chnellen Tode des Kronprinzen Karl Auguſt, des
doptivſohnes Karla XIII, verbreitete a Aa
Gerücht, daß F., feine Schweiter, die Gräfin Piper,
und mehrere andere Große an dem plößlichen Tode
des Prinzen jhuld feien. Als daher 20, N 1810
die Leiche des 1 in großer Prozeſſion von
Liljeholmen nach Stodholm gebracht wurde, warf
das Boll mit Steinen nad $., den General Silf-
parre unter dem Vorwande, ihn ald Gefangenen
nah dem Rathauſe abzuführen, zu retten fuchte.
Doch kaum hatte er die Treppe eritiegen, als ihm
ein Haufe nacheilte, ihn herabſtürzte und au Tode
marterte. Die nachher eingeleitete Unterfuhung
ergab die Unfhuld F.s und feiner Familie, Über
jeine Beziehungen zum franz. Hofe berichtet das von
KAlindomftröm veröffentlichte Dlemoirenwert «Le
Comte de F. et la cour de France» (2 Bbe., Bar.
1877— 78). — Bol. Flach, Grefre Hans Axel vonF.
Minnesteckning jemte utdrag ur hans dagbog och
— (Stodh. 1896).
Verfenbein, |. Ferſe und Tafel: Das Stelett
des Menſchen, Fig. 1, 52 und 2,44, beim Artitel
elett.
werfenthal, Bal Ferfina, f. Bergine und
Suganatba
erftel, Heinrich, Freiherr von, Baumeifter,
eb. 7. Juli 1828 in Wien, widmete fi an der
fademie unter van der Nüll, Siccardsburg und
Rosner der Architektur, trat 1851 in das Atelier
eines Onkels Stade und beſuchte ſodann Deutſch⸗
d, Belgien, Holland und England. Bei der Kon—
furrenz für die Wiener Votivlirche (1855) ala Sieger
hervorgegangen, fehrte er von Stalien zurüd, um
die Aus Mbrung zu leiten (1856— 79; ſ. Tafel:
Wiener Bauten II, Fig. 3). Auch feine Kon:
furrenzarbeit für den Bau des Banfgebäudes wurde
angenommen unb wenige Tage nad der Grund:
fteinlegung der Votivkirche auch dieſer Bau be:
gonnen. Die Stabterweiterung gab Anlaß zu der
in Gemeinschaft mit Eitelberger 1859 aßten
Brofhüre «Das — ohnhaus und das
Wiener Zinshaus» (Wien). 1860—64 entſtand eine
Reihe von Wohnhäufern und Billenbauten in Brünn
und Wien, darunter auch das Palais des Erzherzogs
Ludwig Bictor im Renaifjanceftil, die Kirchen ın
Brünn und Schönau bei Teplig. F. ward 1864 Mit:
re Kuratoriums des Öfterreihifhen Mufeums
n
der Baukunſt am Polytechniſchen Inſtitut in Wien.
Seitdem entftanden die Bauten des k. k. öfterr.
Mufeuns, einer Billa des Etzherzogs Karl Ludwig
in Reidhenau bei Wien, der prächtige Bau ver
Univerfität in Wien 1871—84, das Winterpalais
des Erzherzogs Ludwig Victor zu Klesheim bei
Salzburg 1880—82, der Bartenpalaft des Fürften
Johann Piechtenftein in der Rofjau in Wien, 1880
—83 das Palais des Öfterreihifch » Ungarijchen
Lloyd. F. wurde 1879 vom Kaiſer von Öfterreich
in den reiberrenftand erhoben und befleidete den
Rang eines Oberbaurat3. Er ftarb 14. Juli 1883
in u. Dien,
F.E. T., Devife des ital. Annunciaten:
Ritterordens: Fortitudo ejus Rhodum tenuit, d.i.
fien (Amabeus’ VL, Herjog3 von Savoyen, Ber:
teidiger8 von Rhodus) Tapferkeit bat Rhodus be-
und Induftrie und 1866 orb. Profefior | ba
: 587
bauptet. Diefelbe Randſchrift (Fert) führen auch
die ital. 5sLireftüde,
Werte, La (lat. Firmitas, das deutſche «Burgp),
Name von 24 Orten in Frankreich; darunter: 1) Ya
FertéBernard (jpr. nahr), Hauptort des Ran-
tons La F. im Arrondifjement Mamers des Depart.
Sarthe, an der Linie Parid-Breft der Weftbabn, hat
(1901) 4343, als Gemeinde 5080 E., eine ſehr jchöne,
reich ausgeftattete Kirche Notre-Damerded:Marais,
ein in ein altes Feſtungsthor eingebautes Stadt—
—— Leinwandinduſtrie, Sägemüblen, Vieh: und
treidehandel. — 2) Ra Ferte:Dlack (fpr. -Beb),
— des Kantons La F. im Arrondiſſemeni
omfront des Depart. Orne, an der Linie Eou:
terne⸗Briouze der Weſtbahn, hat (1901) 4215, als
Gemeinde 6467 E., Gemwerbelammer, Friedensge⸗
riht; Fabrikation von Zwillih und Buhsbaum:
arbeiten, Brennerei, Färberei ſowie anſehnlichen
Handel. — 3) sa ertd:Milon (fpr.-löng), Flecken
im Kanton Neui 2 Front, Arrondifjement Ehä-
teau:Thierry des Depart. Aiöne, am Durcq, an den
Linien Villers-Cotterets-La F.⸗Milon (14 km) der
Norbbahn, Meaur: Reims und Chäteau «Thierry:
La %.:Milon (41 km) der Dftbahn, hat (1901)
1577, als Gemeinde 1669 E. und Refteeines Schlofjes
(Wall und Türme), ift Geburtsort von Racine (1639),
dem eine Statue von David d'Angers errichtet ift. —
4) La Ferte-ſous-Jouarre (fpr. Bu fchüahr),
—— des Kantons La F. im Arrondiſſement
eaur des Depart. Seineset:Marne, an der Müns
dung des Petit Morin in die Marne, an der Linie
Meaur: Chäteau: Thierry und an der bier yo
den Nebenlinie nah Montmirail (45 km) der
ftbahn, hat (1901) 3782, als Gemeinde 4822 E.,
Steinbrüde und Müblfteinbearbeitung. Hier wurde
9. Febr. 1814 Macdonald von der ruſſ. Vorhut
eſchlagen. Gegenüber linl von der Marne
rer mit 2319 E., Schafzubt und Kaltöfen.
Fertigung, die ——
richt (Indeſtitfur) ohne den bei der Auflaſſung üb:
lichen Verzicht. Mittels di welcher richterliches
Aufgebot und richterlihe Friedenswirkung folgten,
wurde im Mittelalter die Leibzucht, die Sakung
as deutſche Pfandrecht), die Leihe zu Zinsrecht
egründet. So erfolgte die Belehnung. — In Öfter-
reich bedeutet F. die Namendunterfchrift.
ertigwalzwerk, ſ. Münze (Münztechnif).
gaünuder, ein Geſchoßzunder (f. Zünder),
der bereitö während des Transports fich fertig zum
Schießen im Geichoß befindet.
(lat.), fruchtbar; fertilifieren, frudt-
r maden; Fertilität, Fruchtbarleit.
e Übergabe vor Ge
n ‚Dar er Kredj (Kredſch), Land
in Innerafrita (j. Karte: Agypten), im ©. von
Darfur und im N. von den Niam-Niam, eine faft
unbewobnte Wildnis. Schon feit langer Zeit haben
die Stlavenbändler (Dſchellabahs) dieſes Gebiet
üdlih vom Bahr el: Arab heimgeſucht; einige der:
elben haben fi darin feftgefegt und ausgedehnte
efeitigte Niederlaffungen, jog. Dem oder Seriba
(Städte), ald Depots F ihre ſchwarze Ware ge⸗
gründet. Allmählich ſchloſſen ſich ihnen die Elfen:
beinjäger mit ihren bewaffneten Banden an, und
damit wurben die vereinigten Seribas die Martt:
pläße de3 Sudan. Schweinfurth, der dad Land
1870—71 al3 erfter Europäer durchreiſte, bat im
F. fünf folder Hanvelspläße kennen gelernt, deren
wichtigſter, Dem Siber, nad der Eroberung durch
Geift (1878) zur Hauptftabt der ägypt. Provinz
588
Bahr el-Ghafal erhoben wurde. In ethnogr. Be
aiehung bietet 5. ein wunderliches Volkergemiſch:
neben den Bongo finden fi Golo und Siere, grup⸗
venweiſe verteilt find die Kredj, entſchieden die häß
tichften von allen; außerdem trifft man Togoi, Schir
und Manga. — F. nennt man im Sudan aud den
Guineawurm. Sees N d.).
ertdö-Taba, ungar. Name des Neufiebler
— — ab? (f.d.).
Ferüla L., Ruten» oder Stedenfraut,
Afenengattung aus der Familie der Umbelliferen
(j. d.) mit gegen 60 Arten in den Mittelmeerlän:
dern. Es find ftattlihe Stauden, die mit ihren
—— zuſammengeſetzten oder drei⸗ bis vierfach⸗
ſpaltigen Blättern oft mächtige Büfche bilden, über
tenen ſich 2—3 m hohe Stengel mit großen Dolven
gelber Blüten erheben. Mehrere Arten werden ein:
jeln ober gruppenmeife auf den Gartenrajen ge
pflanzt, mo fie längere Jahre dauern, namentlich
das in Südeuropa einheimifche F. communis L.; die
Stengel wurden von den Alten zur Züchtigung der
Ellaven benugt; in dem Marke diefer Bflanze
(Narthex) foll Prometheus das Feuer zur Erbe
gebraht haben. Won mehrern in den Steppen⸗
egenden Turkeſtans, Afgbanijtans, Weſttibets und
Serkens vorlommenden Arten wird das ald Asa
oetida (f. d.) befannte Gummiharz gewonnen, be:
ſonders von F. scorodosma Bentl. & Trim. (Sco-
rodosma foetidum Bunge, ſ. Tafel: Umbelliflo:
ren I, Fig. 4) und F. narthex Boiss. (Narthex
Asa foetida Falconer). Bon zwei andern per].
Arten, F. galbaniflua Boiss. et Buhse und rubri-
caulis Boiss., wird ein andere Gummibarz, das
Galbanum gewonnen. F. sumbul Hook. fil.
(Zurfeftan) liefert die Sumbulmwurzel N d.), F. per-
sica W. (Perjien) das in Europa nicht mehr offi:
jinelle Sagapenum und F. tingitana L. (Mittel:
meergebiet) dad Faf rl das wahrſcheinlich
mit dem Ammoniat (f. d.) der Alten identiſch ift.
Ferülafänre, * H,. 0, , eine einbaſiſche or:
ganifche Säure, die fertig gebilbet in der Asa foe-
tida (f. d.) vorfommt und daraus durch Ertration
mit Alkohol gewonnen werden kann, Sie läßt, fh
fünftlih darftellen durch Kochen von Banillin
mit na RER und efjigfaurem Natrium,
ift in Allohol leiht löslich und fcheidet fih aus
biefer Löfung in farblojen, langen Nadeln ab.
f fie unlöslid. Sie ift als der Me
2 Waſſer i
tbolätber der Kaffeefäure aufzufaſſen.
Ferufiae (ipr. -rüjjad), Andre Etienne Jufte
Pascal Jof. Francois d'Audebard, Baron de, franz.
Naturforicher, geb. 30. Dez. 1786 zu Ehartron im
Depart. Zarn:et:Garonne, war Profeſſor der Geo:
rapbie und Statiftif an der Generaltiabs chule in
Barıs und ftarb dafelbft 21. Jan. 1836. Als Na:
turforjher machte er ſich namentlich bekannt durch
Vollendung der von ſeinem Vater Jean Bap—
tiſte Louis D’Audebard, Baron de F. (geb.
1745, get. 1815) begonnenen «Histoire naturelle,
generale et particulitre des mollusques terrestres
et fluviatiles» (fortgejegt von Deshayes, 4 Bde.,
Bar. 1821—51).
allgruppe, ſ. Oſtalpen A, 2.
ervent (lat.), heiß, glühend, beftig.
erver, bei den Parſen fröhar, im jüngern
Aveſta fravashi (weiblich), die Schußgeijter der Ge:
rechten in der Religion Zoroafterd. Sie forgen für
den gerigang der guten Schöpfung, die Umdrehung
der Geſtirne, den Lauf der Gemäller, das Wachs⸗
Tertö-Tava — Fes
tum ber Bäume, die Geburt der Kinder u. f. m., fie
belfen den Frommen in der Schladht zum Sieg, er:
retten fie in Nöten und kämpfen ala Heeriharen
des Ormuzd gegen die böfen Mächte. Ihre Zahl
ift unendlich, da alle guten Weſen, die leben, ge:
lebt haben und leben werden, ihre F. haben, wie denn
auch Ormuzd und die guten Geifter. Der Kultus der
F. deckt Fri nur teilweife mit dem Manentultus,
da e3 au F. der Lebenden und ber nod 2.
borenen giebt. Die F. ift nicht die Seele des Ge—
ftorbenen, fondern überhaupt eine dem Bemußtfein
und ber Seele verwandte, aber von ihr verſchiedene
feelifche Botenz, die, ewig und unvergänglid, vor
der Geburt wie nah dem Tode des (frommen)
Menſchen beitebt. Das Wort fravashi (aus fra-
varti) ift lautlich faft gleich mit fraoreti (aus fravrti),
das Glaubensbelenntnis bedeutet,
Ferverdin, ber erſte Monat der mohammed.
Perſer, beginnt mit dem 20, März.
es ober Fez, eine bei ben heutigen Türken,
Grieben, Albanejen und andern Drientalen für
Männer und Frauen gebräuhlihe Kopfbededung
aus rotem Wollzeug, eine Art eng anliegender
ihirmlojer Müße, gewöhnlich mit blauer feidener
Quaſte (die bei reicherer Kleidung durch eine filberne
ober goldene erjegt wird), nach der Stabt Fes in
Marofto benannt, wo diefe ben —
verfertigt wurden. Der hierzu verwendete Stoff
wird durch Wirken aus Schafwollgarn, nachfolgen⸗
des Walken, Färben, Rauhen und Scheren (melde
beiden legten Operationen mittel Mafchinen aus:
geführt werden, die von den für die Tuchfabrila—
tion üblihen nur bezüglid der Form und der Be:
wegungsmechanismen abweichen), durch Dämpfen
und fchließliches Prefien bergeftellt. In der Türkei
ift der F. ſtatt des Turbans gi 1826 für Staats:
beamte jowie für die reguläre Armee vorgefhrieben.
Die beiten F. kommen jest aus Tunis, doch wird
diefe Ware auch in Deutfhland (Sachſen), in
Böhmen und Mähren fowie in Frankreich und in
der Schweiz ald wichtiger Handelsartitel I den
Erport nad) der Levante fabritmäßig bergeftellt.
Fes(ital.fa bemolle; franz. fa b&mol;engl. flat),
in der Muſik das um einen Ton erniedrigte
f; ed wirb durch f und vorgezeichnetes bezeichnet
und ift bei Zajtinftrumenten dem Tone e gleid.
Als Grundton eines Accord8 oder einer Tonart
trifft man es nie an.
es, Fez (FA), eine der beiden Haupt und
Refidenzitädte des Sultanats Marofto, liegt etwa
200 km im ©. der Straße von Gibraltar, in 350 m
ie untere Altftabt nur in 250 m) Höbe, in einer von
oben Bergen umſchloſſenen, 25 km langen Thal⸗
ebene, —* — Blumen⸗ und Frucht⸗
gärten, am Fuße des Dſchebel⸗Salah, und wird
von einem waſerreichen, durch mehr als 60 Quellen
enährten Nebenfluß des 6 km entfernten Sebu oder
bu, dem Wad F. in zwei Teile geteilt: im W. Fes
el:Bali, das alte F.; im D. auf einer Terrafie Fes
el⸗Dſchedid, das neue, im 18. Jahrh. gegründete
$ ; beide Städte vereinigen fi im Norden an einem
erge, der die Kasbah trägt, und find von 10—
13 m hoben Mauern umgeben. Die engen Straßen
find ohne re die ganze Stabt ift verfallen
und büjter. F. hat etwa 140000 E., meiſt Mauren,
Araber und Berber, 10000 Juden, die ein bejons
deres Viertel, Milha, bewohnen, und Neger; ed hat
130 Mofcheen, von denen die des Muley⸗Edris mit
dem Grabmal des Gründers und die Karubin bie
Feſan — Feſſan
beiligiten und berühmteiten find. In der letztern be⸗
Sen fih eine weithin berühmte Schule mit großer
Bibliothel, die viele mohammed. Theologen aus
Marotto und Algier heranbilvet und F. zum geiiti-
gen Mittelpuntt des Landes madt. Außerdem giebt
es noch fieben höhere und viele niedere, jtarf bejuchte
Schulen. Der alte Balaft der Sultane ijt groß, aber
verfallen. Im übrigen gleicht F. mit jeinen vielen
—— Karawanſerais, Bazars und G
im Außern allen mohammed. Städten, und nur
die Menge von Wirtshäu —— und Kaufläden giebt
ihr ein europ. Gepräge. m Treffpuntt wichtiger
Handelsſtraßen gelegen, treibt 5. noch bedeutenden
Rarawanenbandel mit den regen. und öjtlih ans
grenzenden Ländern, jelbit bis Timbultu, und ift
aud der Hauptjik der marokl. Indujtrie, welde
edoch faft ausſchließlich Handbetrieb hat. Man
riziert wollene Beduinenmäntel, Gürtel, wollene
eden, Sättel, jeivene Tücher, treffliches "Leder zu
Bantoffeln, Küfien, die weltberühmt ji Kane ; ferner rote
—— Mügen, & einen, Teppiche, Ranonenpulver,
Geſchmeide und ſchlechte Fayence. — 5
An an der Stelle einer röm. Nieder:
die, von Bandalen zerjtört, im 6. Jahrh.
während der Ausbreitung des Slam u neuer
Blüte gelangte. Sie wurde die Haupt tabt bes
Reiches F. und Marollo, zählte 400000 E., 785
Moſcheen, zabhlreihe Prachtbauten und Bildungs
anjtalten und galt nächſt Mella für die beiligite
2. der Mohammedaner. Seit der Mitte des
abrb. ſank fie indeflen wieder und ift heute nur
atten röße. — Bol. Moulitras,
— ſ. Feſſan. [Fez (Bar. 1902).
Friedr. Emft, Biolinfpieler und Kom:
port, —*— 15. Febr. 1789 zu Magdeburg, wirkte
zig, Divenburg und Caſſel ald Violinift im
Dre er, bis er 1815 als Sonzertmeifter nad
Rarlörube berufen wurde. Hier ftarb er 24. Mai
1826. Seine Kompofitionen, bie ji in allen Gat-
ihre weltliher und geiftlicher Mufit bewegen,
nen ſich dur Friſche und gewählte Form aus.
Steben Ach Sinfonien waren die Werte für Kam:
mermufit (20 Quartette, 5 Quintette, mehrere
Trios) beſonders verbreitet.
Sein Sohn Alerander —— geb. 22. Mai
1820 in Karlsruhe, erhielt feine höhere muſilaliſche
Ausbildung in Berlin und brachte 1838 die einaltige
Dver «Mariette» in Karlörube zur — —
Seit 1889 unternahm er Kunſtreiſen als Klavier:
jpieler. 1841 ließ er die Oper «Die Franzoſen in
Spanien» über die Karlsruher Bühne ge geben päter
lebte erin Braunjchweig, wo er 21. Fe 1849| ſtarb.
cenninen oder las Berfe,
na einigen von der im Süben Etruriend gelegenen
Stabt yedcennium, nad andern von dem in gro:
tesler Form berumgetragenen Symbol der zeugenden
Naturtraft (Fascinum, ſ. d.) fo gen enannt, bilden einen
Zeil der altital. Voltspoefie. ie waren in älteiter
Zeit im ſaturniſchen Metrum verfaßt und beſtan⸗
den in Wechielgejängen, mit denen ſich bei feitlichen
Gelegenheiten die end vergnügte und nedte.
Sehr oft artete jedoch die Ausgelafjenheit (die
licentia Fescennina) in unzüdhtige Wise und ver
legenden Spott aus.
F. E. Sch., hinter —— res Abkürzung
ranz Eilhard Schulze (
ea — diloe von Lyon,
war der Stiefbruder der Mutter Napoleons L, da
ſein Vater, Schweizer und Kapitän eines Schweizer:
589
regiments in Tran. © ienften, 1757 die Witwe Ras
molini, Lätitiend Mutter, gebeiratet hatte. F. war
3. Jan. 1763 zu Yjaccio ge en widmete fich dem
geiſtlichen Stande, verließ ihn aber beim Ausbruch
ber —— Revolution, wurde 1795 bei der
Kriegöverwaltung angeitellt und 1796 unter jeinem
a in Jtalien Kriegstommifjar, ein Amt, das
Id wieder nieberlegen mußte, da er in den Vers
dacht geraten war, ed eigennüßig ausgebeutet zu
baben. Nachdem Bonaparte 1801 das Kontordat
mit Bapft Pius VIL geſchloſſen, kehrte F. zum
geiftlihen Stand zurüd und wurde 1802 zum Erz⸗
iſchof von Lyon, im folgenden Jahre zum Kardi—
nal, dann zum Großalmofenier des Kaiſerreichs,
Grafen und Senator erhoben und 1806 von Dal:
berg, dem Fürſt⸗Primas des Rheinbundes, zum
Koadjutor und Nachfolger gewählt. 1804 hatte er,
am Vorabend der aan. zo oleons I. und Jo⸗
fepbineng, heimlich die fire! iche Trauung der u.
—8 1810 praſidierte er dem in Pa u
einem Rationaltonzil verjammelten —— die sie
rifalen Anfichten, die er dabei mit großer R nbeit
feithielt, brachten ihn in Ungnade bei dem Kaiſer.
Er verlor feine Reihswürde; au wurde ihm da:
durch, daß der Bicelönig Eugen die re
auf das Großberzogtum Frankfurt erbielt, die Aus:
ſicht auf den Primat genommen. Seitdem lebte F.
in einer Art Verbannung in jeinem Biſchofsſiße
Lyon. Bei Annäherung der Ofterreicher 1814 flob
er von bier mit der Mutter des Kaiſers nah Ron,
wo er vom Tophe e mit offenen Armen empfangen
wurde. Die ebr Napoleons brachte ihn zwar
nad Frankreich zurüd, und während der Hundert
Tage wurde er ® gair; allein nad der Schladt von
Waterloo mußte er wieder nad Italien eg
Der Aufforderung von feiten der Bourbons, Tem
Mr Rechte niederzulegen, widerſtand er hart
—— erſt 1825, nachdem ibm ein päpſtl. Breve
die übung der ee Gerichtöbarteit unters
agt, verzichtete er auf das Amt, nicht aber auf die
ürdejelbit. 1837 wurde dann ein Berjuch zu feiner
Wiedereinfegung gemacht, dieſe aber von der franz.
Regierung verweigert. Mit feiner Stiefſchweſter
lebte er bis zu deren Tode in enger Freundſchaft.
Erftarb13.Mai1839. Seine weltberuhmte Gemalde⸗
fammlung wurde nad jeinem Tode in Rom verfteis
gert. Der Briefwechſel Napoleons mit F. wurde
von Du Caſſe (2 Bpe,, Par. 1855) berausgegeben.
— Val. Lyonnet, Le cardinal F. (2 Bde., Lyon
1841); Ricard, Le cardinal F. Free 1898).
Fes-dur und Fes-moll, j. Fes.
Fefelen, Melhior, Maler, * in Regens⸗
burg oder Paſſau, geſt. 10. April 1538 in Ingol⸗
Bi war ein fleißiger Detaillit im Charalier des
borfer oder SE der obne geiftig an erſtern
———— der Munchener Pinalothel be:
et ſich von ihm eine Belagerung Roms durch
König Porſenna (1529) und die Belagerun ——
Alefia durch Julius Cäjar (1533); eine Maria
dalena im Mujeum des Sitoricen Vereins
egenäburg, anderes in Nürn
Mean, ezan — —* n, die Die Fopfichfte Pro:
vinz der ti Regentihaft Tripolis in Nordafrita
(fj. Rarte: Sahara), ein großes Daſenland, ijt etwa
500 km breit und 620 km ri und hat ungejäbr
400000 qkm mit etwa 43000 . wird im NW.
von der wajjerlojen, jteinigen Hoch äce Hammada
elsHomra dur einen Gebirgäbogen getrennt, der
200 km lang in einer Breite von 50 km nad D.
590
sieht. Das Gebirge, das ſudlich von der Dafe
Dihofra 900 m erreicht, befteht aus Kallſtein, der
auf Thon rubt und von ſchwarzem Sandſtein über:
lagert ift, und beißt in feinem weſtl. Teile z..
bel es⸗Soda (d. i. Schwarze Berge); hieran ſchließt
ſich djtlich der Diebel-Schergija an Höhe abnehmend
und allmählich ſich verflachend. Im ©. lehnt ih an
das Gebirge eine Salzwuſte, und erſt 130 km jüplih
vom Bebirge kommt man in die bewohnten Teilevon
F. Die Bewohnbarkeit und die Kultur des Landes
eritredt ich lediglich auf die Wadis, die in diejem
Zeile wejtöftlih verlaufen: der Wadi es: Scäti
zwiſchen 27 und 28° nörbl. Br., an den fi ſudlich
eine Dünenzone mit natronhaltigen Seen anſchließt,
welche zur Natrongewinnung und Zucht eßbarer
Würmer (Feſſanwurm oder Dut) benugt werben.
Der jüdli hiervon fih auf 200 km von SW. nad
NO. binziebende Wadi el-:Scherti ift die fruchtbarſte
Gegend ber nanıen Gruppe und beißt kurz «das
Mapi»; die Oberfläche ift falzhaltiges, jandiges
Alluvium, unter dem das Waſſer in 3”, m Tiefe
ftebt. Südlich folgt dann die Hammada von Mur:
ful, im ©. begrenzt von der 100 km langen, 15—
28 km breiten mwajjerreihen Bodenjente, »eren
tieffte Stelle ein mächtiger Salzſumpf einnimmt.
Der blickt bewohnte Buntt iſt Tedſcherri im füd-
nördlich gerichteten Wadi Etema, und die Südgrenze
5.8 bildet dad Tümmo oder MWargebirge, die
& eide zwiſchen Tibbu und Tuareg.
as Klima ift im Sommer ſehr heiß (bis 45” C.),
im Winter kalt. Regen fällt wenig; auch Gewitter
in felten, Sturm dagegen bäufig. Tier und
flanzenleben iſt jebr fümmerlih und außer auf
den einjhließenden Gebirgen und in den Wadis
taum zu finden, Wildwachſende Bilanzen giebt
es außer einem Tamarixſtrauch und einer ald Ka⸗
melfutter dienenden ftadligen Papilionacee nicht;
in den Dajen, von denen nur die im Norden
aute Viehweiden haben, kultiviert man mittels
tünftlier Bewäflerung etwas Gerjte, Weizen und
Mais und erntet gerade fo viel, ald man zum
Lebensunterhalt braudt. Hauptnabrungsauelle ift
die Dattelpalme, von mwelder der Neijende Vogel
in der Umgegend von Murfjut 37 Varietäten zäblte;
auch trefflihe Waflermelonen, Granat: und eigen:
bäume werben vereinzelt gefunden. Bon Haus:
tieren zieht man vorzugsweiſe Ziegen, auch Kamele,
Ejel und Pferde und Schafe mit Fettſchwänzen,
aber mangels guter Weideſtriche nur in beichräntter
Zahl; man ißt daher neben Hühnern und Tauben
bie eßbaren Würmer, bie 2 cm groß find und mit
Dattelteig gemengt verzehrt werden. Größere wilde
Tiere giebt es nicht, nur Gazelle, Scatal und
— werben angetroffen.
Die Bevölterung ijt ſtark mit Negern vermifcht
und im ſüdweſtl. Zeil der Daje Sebha und dem
Wadi el⸗Scherli, wo zur Römerzeit Garama bei den
jept Alt-Germagenannten Ruinenlag, vom Stamme
der ea DER ift Murful (f.d.). Die nos
madiſchen Bewohner des Nordens gehören haupt»
fählic drei arab. Stämmen an: den Riab, Hotmän
und Megärba. Der einft blübende Handel zwiſchen
Tunis, Tripolis und Agypten und den Negerlän:
dern, ber in F. feinen Mittelpuntt batte, ift feit dem
Aufbören des Stlavenhandels und dem Rüdgang
der Küftenländer unbedeutend geworben.
F. ift das Phazania der Alten, das Qand der
Garamanten, über welche der röm. Protonful
2. Cornelius Balbus 19 v. Chr. einen Triumph
Feſſanwurm —
Feſſelballon
zu. Zeugnis von der Römerberrfdaft in dieſen
egenden giebt ein noch gut erhaltenes Dentmal
in der Nähe von Germa. Auch die im öftl. Teile
der Natronjeengruppe liegenden Ruinen und eine
Gruppe von etwa 50 Pyramidengräbern find von
ch Intereſſe. 567 nahmen die Garamanten das
rijtentum an. legten Drittel des 7. Jahrh.
wurde F. eine Beute der Araber, melde ben
Mohammedanismus einführten. Im Mittelalter
wurbe %. unter arab. Oberherrſchaft (300908 der
Aghlabiden, feit 908 der Fatimiden u. a.) von eiger
nen Fürjten regiert (im 12. Jahrh. Reich der Bend-
Khattab, weldhes 1190 an die Ejjubiven fommt), die
fpäter den Paſchas von Tripolis zinsbar waren.
1811 ward deren Dynaftie vom Bei Mohammed
el: Mulni ausgerottet, der ji im Namen des
Paſchas von Tripolis des Landes bemädtigte und
unter deſſen Oberhobeit die Regierung fübrte.
Fefſanuwurm oder Dub, ein Tier, das in großen
Mengen in gewifjen Salzſeen der Sabara (f.b. und
Feſſan) vorlommt und von der dortigen Bevölterung
genofien wird. Es find Fliegenlarven und eine Art
von Kiemenfuß (f. Blattfüßer).
Sellet, egenftand, mit dem man etwas «faht»,
im Mittelalter jeder Riemen, an dem etwas getragen
wurde. Schildfefjel ift der Riemen, an dem der
über die Schulter geworfene Schild, Hornfeffel
der Riemen, an dem das Hifthborn hing. Im
14. Jahrh. wird fie, obne dem erwäbnten Zmwede zu
dienen, ein bei Männern und Frauen beliebter
Schmud und mit Schellen bebängt. — Jett wird das
Wort F. meift nur nod für die Ketten gebraucht, die
gewiſſen Gefangenen angelegt werden. %. bürfen
Unterfuchungsgefangenen im Gefängnis, im Fall
der Gefahr auch bei einzelnen Vernehmungen, bei
beſonders gemwalttbätigem Benehmen zum Schuß
anderer, zur Berbütung von Selbjtmord und Ent:
weichung angelegt werben. An der Hauptverband:
lung (f. d.) ſoll der Angefchuldigte ungefeflelt fein.
(Deutſche Strafprozeßordn. $. 116; Oſtert. Straf:
prozehorbn. 88.188, 198, 239.) Bezüglich der Felle:
lung von Strafgefangenen gelten landesrechtliche
Vorſchriften, doc ift die Anlegung von Feileln aud)
bier meiltens nur als Sicherungdmaßregel erlaubt.
(S. au Rettenitrafe.)
Feffel, Fellelgelent, Köte oder Kötenge:
lent, bei Tieren mit Hufen die Gelentverbindung
zwiſchen dem untern Ende deö Vorder: und Hinter:
mittelfuhes und dem obern Ende des erften Zeben:
glieds (Feſſelbeins).
Feſſelballon (frz. ballon captif), ein Quftballon
(j. d.), der während der Auffahrt an einem Geile
feitaebalten wird. Sein vornehmlichſter Zwed iſt,
einen hoch und frei gelegenen Beobahtungsort und
war für Menſchen oder Neniftrierapparate zu
Ihaffen: er dient biermit der Schauluft, der Me
teorologie oder dem militär. Intereſſe. Paſſende
Beiipiele der beiden erſten Arten find der von La:
&hambre 1889 zu Paris und der vom Berein für
Luftſchiffahrt zu Berlin 1890 aufgeftellte, der nur
Regiftrierapparate trug; für ſolche wifjenichaftliche
ſowie für militär. Aufitiege werden jedoch in neuefter
Zeit ihrer größern Stabilität in friſchem Winde
wegen ganz überwiegend nur Drachenballons (f.
weiter unten) verwendet, wäbrend für Bergnügungs:
zwecke meiſt noch Kugelballons in Gebrauch find, da
diefelben viel groͤßer gemadt werben lönnen und
fib dann für die betreffenden Unternehmer geſchäft⸗
lich befjer rentieren. Um nit ſchon — einen
Feſſelbein — Feßler (Ignaz Aurelius)
ſchwachen Wind ſtark ſeitwärts und abwärts ge
trieben zu werben, bebürfen fie eines ſehr ſtarlen
Auftriebes (f. d.), der fie bei einer Freifahrt in
anz bedeutende Höhen führen würde. Cr belief
he bei eriterm, der 5000 cbm Waſſerſtoff ent:
ielt, troß der Aufnahme von 8 bis 12 Paſſagieren
nod auf 500 bis 800 kg, bei legterm, ber mit nur
130 cbm Leuchtgas gefüllt war, troß jeiner Kleinbeit
noch auf 25 kg. Trogdem erwies ſich diejer Auf
trieb als nicht ausreichend, jo daß eine Vergrößerung
des Ballons nötig wurde. Damit das Gas nicht
dur den Winpprud aus dem Appenpir (f. Luft:
ballon) berausgedrängt werde, muß der F. unten
verjhlofien fein, muß aber, wenn der Drud eine
gewille Grenze überjcreitet, dem Gafe durch ein
yelbitthätiged Ventil den Austritt gejtatten. So
bejaß jener von Lachambre außer einem obern Ventil
von 1m Durchmeſſer zwei untere, deren eined von
80 cın Durchmeſſer das Gas bei 20 mm Waſſer Über:
drud, deren anderes von 70 mm Durchmeſſer die
Luft aus dem 300 cbm großen Ballonet (f. d.)
ſchon bei halb jo großem Drud entließ; dieſes
wirtte daher ald Gasfparer.
Das Kabel ift,momöglic unter Einfhaltungeines
Dynamometers, in der Regel am Trapez bejeitigt,
das dazu dient, die das Beobachten erſchwerenden
Drebungen und Schwankungen des Ballons zu
dämpfen. Man befeitigt am Ring (f. Luftballon)
eine wagerechte hölzerne Stange, parallel dazu in
mebrern Metern Abitand eine zweite und verbindet
die gleihen Enden durd ein Seil, das unterhalb
der zweiten im flahen Bogen berabhängt. An
dejien Scheitel greift das Kabel an, am oben Teil
des Trapezes hängt die Gondel (f. Tafel: Luft:
jalfiepe I, dig. 5). Bei den großen F. der
anz. Ausitellungen fowie der Berliner von 1896
und der Leipziger von 1897 ging das Kabel dur
den Hoblraum der ringförmigen Gonbel direlt zum
Trapezring. In Vorausſicht plöglicher Winpftöße
und ber baburd veranlaßten ftarfen Spannung
iebt man dem Kabel eine fo große Feltigteit, als
(ic mjt der nötigen Leichtigleit irgend verträgt.
usgezeichnet hierin war das des zweiten oben ge
nannten %., das bei 800 m Länge nur 16
wiegt und bei feiner Syejtigleit von 500 kg bie
erjtaunliche Neihlänge von 25000 m hatte, Hiermit
tam es der Seitigfeit eines Geidenfeiles von
gleicher Länge und gleihem Gewichte nabe, über:
traf es aber durch feine Feinbeit und geringe dem
Windprud gebotene Fläche. No günftiger für llei⸗
nere Regiſtrierdrachenballons find Klavierfaiten:
drähte, wie fie in neuerer Zeit für wiſſenſchaftliche
Dradenaufftiege (j. Drachen) verwendet werden, nur
muſſen fie für Ballons entiprechend dider genom:
men werden. Man erreicht mit denſelben eine Reißs
fejtigleit von 500 ur Ger einer Drabtftärte von nur
1,66 mm und einem Gewicht von 18 kg per 1000 laus
fende Meter. Dabei ift ibre Durchwehung infolge
des Winddruds naturgemäß eine erheblich geringere
als die des beiten Kabels von gleicher Leiftungs-
fähigkeit. Die Winde zum Aufwideln des Kabels
wird bei großen 5. von einer Dampfmaſchine oder
einem Glektromotor in Bewegung gejebt (f. Taf. I,
g. 6). Das aus Seide, Hanf oder viel gemöhn:
icher aus Stabhlbrabtligen gedrehte Kabel läuft zus
erſt über eine allfeitig drebbare Rolle, dann über
die Fuhrungsrolle, die ſich bei jeder Umbrehung ber
roßen Trommel um die Dide des Kabels verſchiebt,
eo daß ſich diefes in parallelen Windungen regel«
591
mäßig auflegt. Es muß ebenfo wie dad Netz eine
5—10fadhe Reißſicherheit (bei Mitnahme von Men:
ben, fonft eine 1, — 2fache) bieten gegen die
größten Drude, die bei ftärtern Winden auf ben F.
einwirten; bei ftürmifhem Better ift allerdings der
gewöhnliche F. Überhaupt nicht brauchbar, da er
zur Erde niedergebrüdt wird. ep ift deshalb
neuerdings der Draben-Feijelballon —
den (ſ. weiter unten). Der größte F. war bisher ber
von Giffard, Paris 1878; er maß 25000 cbm und
wog insgeſamt 14000 kg (f. Taf. I, Fig. 4), der
rößte deutjche derjenige der Berliner Gewerbeaus⸗
tellung von 1896 mit nabezu 6000 cbm.
Eine neuere wichtige Abart des %. ift der vom
Hauptmann von PBarjeval in —— und vom
Hauptmann von Siegsfeld in Berlin konftruierte
Drabenballon (j. Taf. II, Fig. 4), bei welchem
das aẽroſtatiſche Princip des gemöhnlihen Gasbal:
long mit dem Brincip des Drachens (j. d.) verbunden
worden iſt. Diefe Doppelwirkung wird erzielt durch
Teilung des Ballons in einen Gasballon und einen
nur mit Luft 52 ballonetartigen Raum von
veranderlichem Volumen, welcher offen iſt und, vom
Winde vollgeblaſen, dem Drachenballon ſtets eine
rallvolle, von «Windtaſchen » oder «Dellen» freie
orm bewahrt, dur entſprechende Geftalt des
llons (Draenfläde), durd Anbringung eigen:
artiger Bentile, durch eine neue Art von Ber
fung, dur eigentümliche Steuerung mitteld eines
unter dem eigentliben Ballontörper angebradten,
leih dem Ballonet offenen Luftjads, feitlicher
* und eines aus 4—5 «Winbtuten» gebildeten
wanzes, durch abweichende Art von Reg: und
Rorbaufhän ung u. ſ. w. Diefer Dradenballon bat
fi fowobl für militär. als für meteorolog. Zwede
dem gewöhnlihen Gasballon ald durchaus über:
legen erwieſen.
— eſſelgelenk, ſ. Feſſel (bei Tieren).
eſſeluug Gefangener, ſ. (1. d.).
ehler, Feſſelfroſch, die Öchurtähelferfröte
er, Janaz Aurelius, Geiftliher und
Schriftiteller, geb. 18. Mai 1756 zu Ezurenborf
bei Odenburg, beſuchte die Schulen zu Krehburg
und Raab, trat 1773 in den Kapuzinerorden und
lebte ala Mönd in verſchiedenen Klöftern zu Dfen,
Großwardein und Schwechat. 1781 in das Kapu—⸗
zinertloſter zu Wien verfegt, machte er in einem
gebeimen Schreiben dem Kaiſer Joſeph Mitteilun:
gen über die Mißbräuche der Kloiterdisciplin, was
war eine ftrenge Unterſuchung derjelben, aber für
5 die erbittertiten Anfeindungen von feiten der
eiftlichleit zur Folge hatte. Durch kaiferl, Dekret
aus dem Orden entlajlen, ward er 1784 zum Leltor
und fpäter zum ord. Brofeflor der orient. Spradyen
und der SHermeneutit des Alten Tejiammus in
Lemberg ernannt. Wegen feines als gottlo8 und
aufrübrerifh angefeindeten Zrauerfpield «Sipney»
(Breöl. 1784) mußte er fein Amt niederlegen und
1788 nad Schlefien flüchten. Hier fand er bei dem
Buchhändler W. ©. Kom zu Breslau Aufnahme
und wurde Erzieber der Söhne des Erbprinzen von
Garolatb. F. trat 1791 zur prot. Kirche über. Seit
1796 lebte er in Berlin, wo er die ſog. Mittwochs⸗
und Humanitätsgejellichaft ftiftete und von der bor:
tigen Loge Noyal:Yort beauftragt wurde, mit Fichte
die Statuten und das Ritual diefer Loge zu refor«
mieren. Bald darauf erbielt er eine Anftellung als
Ronfulent für die katholifchen neu erworbenen poln.
Provinzen. Aus dem Freimaurerorden trat er 1802
592
wieder aus. Infolge der Schlacht bei Jena 1806
verlor F. fein Amt und lebte in bürftigen Verhält:
nifien, bis er 1809 als Hofrat und Profeſſor ver
orient. Sprachen und der Bhilofopbie an die Aleran:
der: Newitij« Akademie nah Peteröburg berufen
wurde. Doc aud den Amt verlor er bald, weil
man in feinen philoſ. Vorträgen atheiſtiſche Ans
fhauungen finden wollte, Seit 1811 war er Mit:
voriteber der Erziebungsanftalt des Rollegienrats
Slobin in Molst im Gouvernement Saratom. 1817
ihloß er fih in Sarepta der Hermbuter Brüder:
— an und wurde 1819 Superintendent und
onfiftorialpräfident der evang. Gemeinden in Sara⸗
tow, 1833 Generalſuperintendent und Kirchenrat der
luth. Gemeinde zu Petersburg, wo er 15. Dez. 1839
—— F. bat außer einigen ———— Abhand⸗
ungen zahlreiche belletriſtiſche, religios-kirchliche
und Freimaurerſchriften veröffentlicht. Sein bedeu⸗
tendſtes Wert ift aber die «Geſchichte der Ungarn und
ihrer Sandfajjen» (10 Bde. Lpz. 1812— 35; 2. Aufl.
u. d. T. «Gejhichte von Ungarn», von Klein bear:
beitet, 5 Be., 1867—83). Seine hiftor. Romane
«Marc Aurel» % Boe., Bresl. 1790—92), «Ariftides
und Themiftolles» (2 Bde., Berl. 1792), «Matthias
Eorvinus» (2 Bde. Bresl. 1793—94) und «Attila»
(2Bde.,ebd. 1794) find Ben Intereſſant tft feine
Selbftbiograpbie: «Nüdblide auf meine 7Ojäbrige
Bilgerfhaft» (Brest. 1826; 2. Aufl., Lpz. 1851).
Fehler, Joſeph, kath. Theolog, geb. 2. Dez.
1818 zu Lochau in Vorarlberg, ftudierte in Salz:
burg, Innsbrud und auf dem Kleritalfeminar zu
Briren, erbielt 1837 die Priefterweibe, wurde dar:
auf Präfelt im adligen Konvilt in Innsbruck und,
nachdem er in Briren und Wien feine Studien fort:
geſetzt, 1841 ordentlicher Lehrer der Kirchengeſchichte
und ſeit 1843 auch des Kirchenrechts am Seminar
in Briren; 1848 war F. Mitglied des Frankfurter
— 1852 übernahm er die Profeſſur der
irchengeſchichte an der Univerfität Wien, vie er
1856 mit der des Kirchenrechts vertaufchte. 1861
—62 gehörte er in Kom der Kongregation für
die Angelegenheiten der orient. Kirchen an, 1862
wurde er zum Weihbiſchof und Generalvitar von
Vorarlberg, im Sept. 1864 zum Biſchof von
St. Pölten ernannt, nachdem er 1863—64 ala
Unterhändler der öfterr. Regierung in Saden des
Kontordats in Rom geweſen war. Auf dem Vatila—
niſchen Konzil, zu deſſen Generalfefretärihn Pius IX.
1869 berufen hatte, war F. ein eifriger Vertreter
der päpſtl. Unfehlbarkeit. Er ſtarb 25. April 1872 in
St. Pölten. Sein Hauptwerk find die «Institutiones
trologiae» (2 Bde., Innsbr. 1850—51; 2. Aufl,
bn.von ungmann, 1890—96); jonft ſchrieb er: «Ge⸗
* der Kirche Ehrifti» (4. Aufl., Wien 1877),
«Sammlung vermifchter en über Kirchenge⸗
dichte und Kirchenrecht» (Freib. i. Br. 1869), «Die
wahre und die faliche LUinfeblbarleit der Päpite.
Zur Abmebr gegen Herrn Prof. Dr. Schulter (Wien
1871), «Das vatikaniſche Goncilium, defjen äußere
Bedeutung und innerer Verlauf» (ebd. 1871). —
Bol. Erdinger, Hof. F. (Briren 1874).
ft (lat. festum, dies festus), ſ. Feſttage.
eſt, als phyſil. Eigenihaft der Körper, f. Ag:
gregat ujtand und Feſtigkeit. — F. bedeutet im
berglauben auch foviel wie unverwundbar; vgl.
—— — Die feſte Verbindung beweglicher
achen mit einem Gebäude macht die beweglichen
bezweckt
Sachen, wenn die dauernde Verbindun
eſtandteil
iſt, zum Zubehör (f. d.) oder auch zum
Feßler (Joſeph) — Felter Spiritus
bed Gebäubes. Man hat als feit vielfach bezeich⸗
net, was erd⸗, wand:, band:, mauer:, niet oder
nagelfeit it (3. B. Oſterr. Bürgerl. Gejekb. $. 297).
Richtiger ezeihnet das Deutſche Bürgerl. Geſetzb.
F. 93 als Beitandteile einer Sade, an welden ein
von dem Recht an der Sache im ganzen abgejonder:
tes Recht nicht ftattfindet, diejenigen, welde von:
einander nicht getrennt werben können, obne baß der
eine oder andere Beftandteil jeritört oder in feinem
Weſen verändert wird —— Beſtandteile),
im $. 94 als weſentliche Beſtandteile eines Grund:
ſtüds die mit dem Grund und Boden feſt verbun—
denen Saden, insbefondere die Gebäude. Als we:
fentlihe Beſtandteile eines Gebäudes follen die
demjelben zu defien Heritellung eingefügten Saden
gelten, oje nicht die * nur zu einem
vorübergehenden Zwed erfolgt it. Zubehör einer
Sade ($. 97) find diejenigen beweglichen Saden,
melde, ohne Beſtandteil der Hauptſache zu fein,
DE bleibend zu dienen beftimmt und in ein
dieſer Beſtimmung entiprechendes Verhältnis zur
Hauptſache gebracht find, es fei denn, daß foldhe
Sachen nad der Verlehrsſitte nicht als Zubehör ans
gejeben werben. Das jtimmt im ganzen mit dem
Gemeinen Recht und mit den neuern Geſetzgebungen
überein.
Fefta, Coftantio, ital. Romponift, geb. in Flo:
renz, trat 1517 als Sänger in die päpftl, Kapelle
und jtarb 10. April 1545. Er war der erfte bedeu⸗
tende Kontrapunttift Staliens und kann ala Bor:
läufer Paleſtrinas bezeichnet werden. Bon feinen
Kompofitionen find Motetten, Litaneien, ein Te
deum und ein Gredo erhalten.
eſteyklus, ſ. Feittage und Kirchenjahr.
Feſtdekoration, die bei feſtlichen Gelegen:
—— übliche rt N der Straßen durch
piche, Gobelins, gemalte Züher (Velarium),
Blumengebänge (Gutrlanden, Feſtons) und leichte,
ſchnell aufgerichtete Bauten. Die F. waren zu allen
Zeiten Sitte, erhielten ihre moderne Ausbildung je:
doch in der Kenaifjancezeit. Später baute man aus
Latten Ehrenpforten, umtleidete fie mit Stoffen
und bemalte fie. Schon im 14. Jahrh. war Florenz
in dieſer Beziehung maßgebend, päter ftand Deutſch⸗
land Italien nit nad. Di böchite Entfaltung in
—— Beziehung ** die Bi des 17. Jahrh.
ſowohl in Belgien, wo Rubens für —— ar⸗
beitete, als in Italien, wo die Barockünſtler groß⸗
artige Werte ſchufen. Berühmt ift ei ur
Jeſuit Pozzo als Feitvelorateur. Die Kunſt verfiel
mit dem Klaſſicismus und wurde in Deutihland
erit in neuerer Je wieder angeregt, namentlidy
durch die Maler 9. Matart, X. von Werner u. a. —
ae Er und Meyer, Die F. in Wort und Bild
. 1897).
eſt der Begeguung, f. Lichtmefle. [feit.
ft der heiligen Dreieinigkeit,}. Trinitatis⸗
eſt der heiligen Drei Könige, |. Epiphania.
efte, veraltete und bichterifche Bezeichnung fü
tung; in neuerer Zeit für große Forts gebraucht.
ce in der Bedeutung von Feſttage ſ. d.
eitenberg, Stabt im Kreis Großmwartenberg
bes preuß. Reg.:Bez. Breslau, an der Linie Gnefen-
Ols (Station Großgraben:F.) der Preuß. Staats:
bahnen, Siß eines Amtsgerichts (Landgericht Ols)
und Steueramtes, hat (1900) 2315, (1905) 2338 meijt
evang. E., Poſt, evang. und kath. Kirche; Tuch⸗
und Möbelfabrilation.
Feiter Spiritus, ſ. Hartipiritus.
Teftes Teuer
eſtes Feuer, j. Leuchtturm nebit Tafel, Fig. 4.
efte Stellung, in der Kriegswiſſenſchaft jede
mit Hilfe der Bereftigungstunft bergerichtete Ge:
fechtsſtellung (f. Feldbefeſtigung und Stellung).
eſtigkeit, im allgemeinen der Widerftand, den
die feiten Körper der Trennung ihrer Teile ent:
gegenjeken. j j
Wenn äußere Kräfte auf einen feiten Körper ein-
wirfen, fo erleidet derfelbe eine ——
Belaſtet man z. B. einen an einem Ende ſenkrecht
eingeſpannten Stab, welcher als Cylinder vom
Durchmeſſer d und der Länge 1 gedadıt ſei, an ſeinem
andern Ende mit einem Gewicht, jo werben die Stab:
teilen angeipannt. Die Größe der Anipannung
wird durch die ald Spannung bezeichnete Kraft
angegeben, welde in der Querjchnittseinbeit des
Stabes wirkt. Als Querjchnittseinbeit wird dabei
in der Regel 1 gem genommen. Wird mit P die auf
den Stab wirkende äußere Kraft, mit q der Quer:
ſchnitt des unbelafteten Stabes bezeichnet, fo erhält
man die innere Spannung o des Materiald durch
die Gleibung p
gm,
q
wobei man die Annahme macht, daß fich die äußere
Kraft gleihmäßig über den Stabquerſchnitt verteilt.
ede derartige Belaftung eines Stabes bat eine
ergrößerung der Länge | des Stabes um X und
eine ae de des Durchmeſſers d um 3
ur Folge. Die auf die Einheit der urfprünglihen
änge bezogene Ausdehnung in Richtung der Stab:
achſe, d. i. j = e, die verhältnismäßige (ſpecifiſche)
Längenänderung, heißt kurzweg Dehnung. Die
auf die Einheit des urfprünglichen Querſchnitts be-
jogene Querzufammenziebung, d. i. Fl wird
zu der Debnung e dur 2 min Beziebung ge:
bradt (für Metalle ift m = 0,333 zu feßen). Zwiſchen
der Dehnung e und der Spannung o des Stab:
materiald beflebt ber Su lemenhang € = ao, worin
a den Debnungskoäfficienten bedeutet. Der:
ſelbe erweift fich für eine Anzahl von Stofien (Eijen,
Stahl u. |. m.) innerhalb gewiſſer Belaftungsgrenzen
unveränderlid. Die Spannung, bis zu welder din
viejes a führt den Namen Broportiond:
grenze. Manche Materialien zeigen bei einer ge:
—— oberhalb der Proportionsgrenze liegenden
Belaſtung eine vergleichsweiſe außerordentlich raſche
und bleibende Zunahme der Dehnung. Die Span:
nung, bei welcder dieje —— eintritt, wird
als Stred: oder Fließgrenze bezeichnet. Der
umgefebrte Wert des Debnungstoefficienten,, d. i.
2, wird Elafticitätömodul genannt. Die Aus:
dehnung des Stabes verſchwindet nad Entfernung
der Belaftung entweder ganz oder teilweife, je nad:
dem die jog. Elajticitätögrenze eingebalten oder
uberſchritten wird. (S. Elajticität.) Die Spannung
des Materials an der Elafticitätögrenge wird Trag:
modul genannt. Bei verjchiedenen Körpern er:
folgt, nachdem die Elaſticitätsgrenze überfchritten
it, fofort ein Bruch (fpröde Körper); andere er:
tragen die Einwirkung der ziebenden, drüdenden,
biegenden Kräfte uud noch über die Glajticitäts-
renze binaus, obne dadurch, wenn fie ſchon Ger
altsänderungen erleiden, doc in ihrem innern Ge:
füge geftört zu werben (gejchmeibige, duftile, zäbe
Brodhaus’ Komverfationd-Leriton. 14. Aufl. R.U. VL
— Feitigfeit 593
Körper). Auch dies bat eine Grenze, und endlich
werden felbft bei den buftiliten Körpern dur bin:
reichend große Kräfte die Teile voneinander getrennt,
wonach die gejamte F. des Körpers überwunden it.
Die zu der Zerjtörung des Zujammenbanges des
Körpers notwendige Kraft wird dabei ald Bruchbe:
laftung (oder Traglraft) und die Spannung, bie
biejer entipricht, ala #., Feftigteitstoefficient,
Brubmodul oder Bructoefficient bezeichnet.
Ein Körper lann durd äußere Kräfte gezogen,
gedrüdt, abgefchert, gelnidt, gebogen und
gedreht werden; den Widerſtand, den er diejen
verjhiedenen Beanſpruchungsarten entgegeniekt,
bezeichnet man als Zugfeitigleit, Drudfeitig:
teit, Scherfeftigleit, Rnidfeltigleit, Bie:
— und Drehungs- oder Tor—
— eit. Endlich ſpricht man noch von zu⸗
ammengeſetzter F., wenn ein Körper gleichzeitig
mehrern Beanſpruchungsarten ausgeſetzt iſt. Zug:
und Druckfeſtigleit werden, obgleich phyſilaliſch ver⸗
— Begriffe, rechneriſch zuſammen behandelt,
o daß man folgende fünf Arten von F. erhält:
N ug: und Druckfeſtigkeit. Denkt man ſich
3. B. einen Eifenftab an einem Ende befeftigt, am
andern gezogen, fo ift derſelbe auf Bugfeitfgteit
(auch abjolute F. genannt) in Anſpruch genom:
men; ftellt man ibn ſenkrecht auf eine horizontale
Unterlage und belajtet fein oberes Ende, fo wider:
jtebt er der Zerftörung, wenn feine Höbe Meiner ift
als das Funffache des Durchmeſſers, dur feine
Drudfeftigfeit (rüdmwirtende %.).
Um die Zugfeſtigkeit zu beftimmen, verfertigt
man aus den zu prüfenden aterialien cylin⸗
driſche oder prismatiſche Stüde mit etwas verftärt:
ten Enden, bringt fie mit den lektern in die Ein:
fpannvorrihtungen der Feitigleitsprüfungs:
majchine (j. Materialprüfungsmaſchinen) ein und
fest fie fo lange einem immer wachſenden Drud
aus, bis fie zerreißen. Dabei erhält man durch
eine an der Maſchine befindliche Zeichenvorrich—
tung ein Diagramm (f. Graphiſche Daritellung),
bei dem die Fängenänderungen als Abſciſſen, die
zur Hervorrufung derjelben notwendigen Kräfte als
Drdinaten erſcheinen und aus dem man zu jeder
Kraft die‘ zugehörige Längenänderung abnehmen,
ferner den Elaſticitätsmodul, die Proportions—
prenge, den Bruchmodul u. ſ. w. ermitteln, über:
baupt über das ganze Verhalten des Materials
ziebenden Kräften gegenüber Aufſchluß erbalten
fann. Derartige, mit den widtigften Materialien
angeftellte Verſuche haben zur Yujammenitellung
beitimmter Zablenwerte für obengenannte Größen
eführt (j. die Tabelle ©. 595). Aus den Unter:
Fucyungen zeigte es ſich, daß Körper gleicher Natur,
> ein und dasjelbe Metall, unter verſchiedenen
mftänden ganz verſchiedene Werte ergaben, was
offenbar nur daher rühren kann, daß die fcheinbar
gleihartigen Körper im Innern doch nicht glei:
artig waren. Wenn man z. B. nad der 7. des
Kupfers fragt, b fommt es ganz darauf an, in
welchem phyſil. Zuſtande fi) das Kupfer befindet.
Die F. wird eine andere fein, wenn das Metall ge
goſſen ift, eine andere, wenn es zu Drabt gezogen,
und noch eine andere, menn ed gebämmert iſt; auch
iit e8 von Einfluß, ob das betreffende Metall
—2*8 rein ift oder Beimengungen enthält. Ohne
Zweifel ift in allen dieſen Fällen die Lagerung der
Heinften Teilhen im Innern eine andere, ein Um⸗
ftand, über welchen man von vornherein feine ger
38
594
naue Kenntnis haben tann, weshalb man auch da—
von abjehen muß, für Körper, die gleihen Namen
tragen, unter allen Umjtänden od die gleiche F.
vorausjeken zu dürfen. Man muß namentlich bei
den Metallen die erwähnten Zuftände unterſcheiden,
wenn man in der Beurteilung der %. nicht allzu:
weit feblgreifen will. ,
Mas ferner die Änderungen der F. bei einem
und demfelben Körper betrifft, wenn bie äußere
Form desſelben ſich ändert, jo laſſen fi darüber
chon eher allgemeine Geſetze aufitellen, wenngleich
diefe auch nur innerhalb gewiſſer Grenzen Gültig:
teit haben. Da die Zugfeſtigleit nur von der Stärte
des Zuſammenhangs zwijchen den kleinſten Teilen
abhängt, fo muß, wenn man nad) der F. eines Kür:
pers von gewiſſen Dimenfionen fragt, diejelbe um
\o größer En je mebr folder Teilden aneinander
baften. Handelt es ſich demnah um die F. zweier
Stäbe von verihiedener Dide, jo wird der didere
dem Zerreißen einen größern Widerſtand ——
ſetzen als der dunnere, und zwar ae. boppelt je
viel, wenn fein — doppelt ſo groß iſt als
ver bes lehtern; bie —— von Stäben
aus Material gleicher Natur verhalten ſich demnach
wie die Querſchnitte. Neuere genaue Verſuche haben
aber gezeigt, daß ſich dieſes Geſetz nicht unter allen
Umftänden bemwahrbeitet. Es ergab fi, daß bei
dünnen gezogenen Metallvrähten oder Stäben der
Bruchmodul für Zug größer ijt als bei diden. Dies
bat feinen Grund in der Art und Weiſe, wie ſolche
verjchiedenartige Metalljtäbe oder Drähte bergeftellt
werden. Werden nämlich die Metalle im Drabtzuge
ausgezogen, fo erleiden die Teile an der Oberfläche
einen hoben Grad von Jufammendrüdung; dadurd
werben die äußern Teilchen ber zufammengerüdt
als die innern und erlangen infolgedeſſen auch eine
oröbere Kobäfion. Sind die Dräbte fehr dünn, fo
tritt natürli der innere weniger feite Kern gegen
die äußere Hülle mebr ren als bei diden Dräbten,
und jene müflen natürli auch im Berbältnis fefter
jein. Diejer Umstand ift wohl zu beachten, wenn
man aus ber durch Berjuche —— F. eines
dünnen Drahts die F. einer ſtärlern Metallmaſſe
nach dem oben angegebenen Geſetze berechnen will.
Ferner haben die Verſuche gezeigt, daß die Zeit,
innerhalb welcher die ** nahme bis zum
Zerreißen ſtattfindet, von weſentlichem Einfluß ne
die Größe der Brucbelaftung wird, fo zwar, da
letztere größer ift, wenn das Zerreißen us erfolgt,
als wenn es langjam vor fidh gebt.
Auch bei den Sdlsern nden ſolche Verſchieden⸗
beiten ſtatt. Das Holz, welches unmittelbar am Mart
des Stammes liegt, iſt das ſchwächſte, und zwar bei
alten Bäumen weit mehr als bei jungern. Auch der
Splint, der zunächſt unter der Rinde liegt, iſt we:
niger jet als der übrige Teil. Das Holz aus der
Mitte des Stammes ift ftärter als in der a7 der
Aſttnoten oder an der Wurzel, und das Holz der
Aſte ift jchmwächer ald das des Stammes. Bei allen
Bäumen, welde in unjern europ. Klimaten wadjien,
it das Holz auf der Nordſeite am ſchwächſten, das
auf der —— am feſteſten. Das Herz des Baums
liegt nie in feinem Mittelpuntte, ſondern ſtets näher
an der Nordſeite, auf welcher auch die Jahresringe
dünner werben; daher nimmt man meiſtens an, daß
das Holz fefter ift, deſſen Jahresringe dider find.
Endlich ift alles grüne Holz feiter ald dasjenige, wel:
bes ſchon einige Zeit ze Pie ift. — Seile oder
Bänper mie überhaupt alle ähnlichen Gegenitände,
Feſtigleit
welche aus organiſchen Faſern durch Spinnen oder
Flechten hergeſtellt werden, ſind ihrer Zugfeſtigkeit
nach ebenfalls ſehr veränderlich, und man fann des⸗
halb nicht im allgemeinen von der F. der Hanfſeile
u. dgl. ſprechen. Übt ſchon der Boden, auf welchem
die betreffenden Pflanzen gewachſen find, und bie
Art, wie die lg bearbeitet wurden, einen be
deutenden Einfluß aus, jo tommt bei dem fertigen
Seile nod der Grad der Drebung und die äußere
Beichaffenheit hinzu. Eine zu ftarte Drebung jo:
wie Feuchtigleit beeinträchtigt die F. der Taue.
Daber finden wir in den betrefienden Feſtigleits—
beitimmungen Unterjdiede von 450—800 kg pro
Quadratcentimeter Querſchnitt.
Die Drudfeftigkeit erjcheint el den erften An:
blid ala das Gegenteil der Zugieitigleit, da bier jo:
wohl die äußern Kräfte wie die widerftebenden in-
nern im entgegengejesten Sinne wirten als bei Ju
Allein die ——— Größe der Drudfeſtigleit —9
ſich leineswegs nach der Größe der Zugfeſugleit be:
meſſen, da eine Trennung nicht durch ein einfaches
Losreißen zweier benachbarter Teilchen erfolgt, jon:
dern nur ftattfinden lann, wenn zugleich der Wider:
and der — gelegenen überwunden iſt. Es ſind
daber beſondere Verſuche zur Beſtimmung der
Druckfeſtigkeit notwendig. Bei einigen Körpern bat
fie ſich mit der Zugfeftigkeit annäbernd gleich groß
ergeben, bei vielen andern aber zeigt fie B betracht⸗
rößer. Unter die leztern gehören die Steine,
weh bei der Honftruftion von Gebäuden aud:
ſchlieblich mit ihrer Drudfeitigleit widerfteben.
Übrigens —— die Verſuche gelehrt, daß die Größe
der Brucbelaftung für Drud proportional ift der
Größe des Querſchnitts, und injofern zeigt ſich
eine UÜbereinſtimmung rud:
age Aug: und
feftigfeit. Der Mörtel beſigt eine jehr geringe rüd:
wirtende F.; fie fteigt hochſtens auf 35—45 kg pro
QDuadratcentimeter. Er darf baber nicht zum Tragen
von Laſten benust, jondern nur ald Verbindung
mittel in Aniprud genommen werden. Mit dein
Alter vermebrt ſich übrigens feine F. und kann bie
u 60 kg ſteigen, wie ſich namentlich an der Unter:
— von Moͤrtelmaſſen aus antilen Baumerten
gezeigt bat. Erheblich größere Drudfeftigteit befikt
der Cement, der nicht nur als Mörtel, jondern auch
ur Bildung ganzer Baukörper und zur Herftellung
nftliher Steine dient, die, befonders längere Zeit
nad ihrer Herftellung, mande natürlihe Steine
anz bedeutend an Drudfejtigteit übertrefien. Cine
Behr bedeutende Drudfejtigfeit bejist dad Guß—
eifen; fie übertrifft die Sugieftigtei desſelben Ma:
teriald beinahe um das Sechsfache. Aus diejem
runde wird das Gußeifen auch bejonders ale
Stüge zum Tragen von Laften angemenbdet.
Auc bei Drudwirkungen unterſcheidet man Ela:
fticität3modul, Proportionsgrenze und Bruchmodul.
Un Stelle ver Stredgrenze tritt bier die Quetſch—
grenze. Übrigens erfolgt die Zerjtörung eines Kör—
pers durch Zerdrüdung nur bei kurzen und diden
Stüden, während bei längerer und dünner Form (in
einzelnen Fällen ſchon, wenn die Länge fünfmal jo
grob ift als die Dide) die Zerftörung dur Zer:
idung (f. unter 3) erfolgt.
In der folgenden Tabelle find für verfchiedene
Materialien (Metalle, Hölzer, Steine) die durch die
Verſuche erhaltenen Werte der Clajticitäts: und
Feſtigleitsloefficienten —— wobei ein
Stabauerihnitt von 1 qmm zu Grunde gelegt ift
und die Kräfte in Kilogramm angegeben find:
Feſtigkeit
—E
citätd» u mobu
mobul FH: 285
Material für Bug * S 38 für für
” “ ci = Bug | Drud
E= 7 Op 9: E, K
en,
Fabel zur Erb.
— 20000 | ıs—ır 22⸗ 23240 22—28
Das ſelbe ſen *
zur Sehnenri |
—B—— _ _ — 11-5 | —
ußeilen .... » 91500 | 20-24 1235-30] 4 35—30
ußftabl ..... 2000 |35—50| 9 |s—1o0 9
idelitahl, mit |
5 Nidel — “50 | — s | —
mit |
25 Bros. Nidel| — 3 — | 1-0 | —
fe ‚sebärtet| 22000 75, =» soumehr, —
» ungehärtet| 22000 408 © | 75-50 | _
Stablguß. .. . - - 21500 m FEi 3 | 5-0) 9
u, mehr
Bußelfen.. 7500 s) — | 12-18 70-80
bis
10500
Rupfer,aebämmert| — — 30 —
— 54 — — — 31,5 —
elettrolgtifihes 2 — — 38 —
ſupferblech, ge⸗
* ugeae 11000 | 2—49)| — | 0-3 | —
* —cX—— 9000 3 _ 20 —
Geſchubbro 11000 3 — 30 —
verdichtet 11000 9 — 32 _
Deltametall, hart
gewalst -..... 9917 22 58,8 _
1 RA 1500 _ 19 10
BR ha en. 4000 — — 3,5 _
lei, weich gemwalzt |
ober gegofien. .. 500 — — 1,25 —
d0lj * 41800 — — 13,4 32
. ichte) ... 920 — 75 2,45
Granit, Diorit,
Epmit.....- — — — — 8—20
wphut 2.2... — — _ — 10-26
Bi a.0ie 2. - — — — 1032
Aaltſtein... — — — — 5146
Stunftfanbftein....| — _ —- | o1 |
Biegelmauerwert | — _ - | -
") 28 und mehr; bärteres Material ohme Stredgrenze.
N) wenn weich, wie or; wenn bart, KK, ?), *) wie
Flufftahl. 5) a nimmt mit wachlendem > En s op kann
durd; wiederholte Auftrengung anf das Bimwei- bis Dreifache
gefteigert werben.
2) Scherfeftigkeit. Ein Körper wird auf Scher:
jeftigteit in Anfprud genommen, wenn zmei ent:
gegengefehte Schub: oder Scherträfte im ber
Trennungsebene wirken (entipredend
| beiftebender Slizze, ð . 1), wie beim
Zerſchneiden mit der u Hierbei ift
die Kraft, die zur Trennung der Körper:
t teilhen erforderlich ift, um jo größer, je
größer der abzujcherende Querſchnitt und
Me 1. je größer die Kraft ift, um die Flächen⸗
einbeit des Querjchnitt3 (1 qem) abzu⸗
icheren, alfo der Bruhmodul fürSchub. Dieier
ift in der Regel Heiner als der Bruchmodul für Zug.
Auch iſt die Höhe der Bruchbelaſtung für Scherfeitig:
keit noch von der Form des abzufcherenden Quer⸗
ſchnitts abhängio-
3) Anidfejtigkeit. Wird ein Stab (eine Säule),
deſſen Länge vielmal größer als jein Durchmeſſer
ift, an feinen Enden von zwei Drudträften be:
anfprucht, die in der Richtung feiner Achie wirken,
0 wird er, wenn die Kräfte eine gewiſſe Größe über:
reiten, ausbiegen und zerfniden. Die Kraft, welche
nicht überjchritten werden darf, wenn nicht eine Zer⸗
eintreten joll beißt bie intra für
gleit. Diefelbe ift proportional dem Elaſti⸗
etätdmodul des Stabmateriald und der Länge des
695
Stabes, ferner abhängig von der Form bes Stab-
auerfchnitte8 und von der Art der — tigung der
Stabenden. In Bezug auf letztere unterſcheidet man,
ob die Enden feſt in der Richtung der Stabadhfe ein:
gefpannt oder frei dreh⸗ f }
ar find, und erbält jo
die vier, den ſchematiſchen
iquren entiprechenden
älle: ein Ende einge:
annt, das andere frei
KR ; beide Enden frei
' ig. 3); ein Ende einge: fig.2. Wig.3. fig. 1. Big.s.
pannt, das andere Ende
drebbar, aber in der Richtung der Achſe des ge
raden Stabes geführt (Fig. 4), und beide Enden ein:
oelpem (Sig. 5).
ie Bruchbelaftungen für Anidfeftigteit (nid:
belahunaen) verhalten ſich für diefe vier Fälle nad
den Unterfuhungen Eulers wie */,:1:2:4, jo daß
aljo ein Stab, deſſen beide Enden feft eingeipannt
nd (ip, 5), erft zerbricht, wenn in der Richtun
einer Achfe eine Kraft auf ibn einwirlt, die 16ma
o groß iſt als die, die einen jonft gleichen Stab bei
der Beanipruhung nach Fig. 2 zum Bruch bringt.
4) Biegungsfeitigleit, au relative F. ge:
nannt, ift eine viel zujammengejehtere Erſcheinung
als die Zug: und Drudfeftigteit. Wenn man einen
Stab durd; Biegen zu zerbrechen ſucht, fo trümmt
er fih und wird an der einen Seite fontan, an der
andern fonver. Denkt man ſich einen ſolchen Stab
aus Elementarfafern zufammengejest, fo erleiden
die auf der fonveren Seite liegenden eine Dehnung,
die an der tontaven liegenden eine Zuſammen—
drüdung. Dazwifhen wird eine Schicht auf ber
anzen Yänge des Stabes vorhanden jein, melde
ihre urfprünglice Länge bebalten bat, wo aljo die
Fafern weder gedehnt noch gedrüdt find. Dieſe wird
die neutrale Schicht oder elaſtiſche Fläche ge:
nannt. Sie enthält ſämtliche werpunfte ber
Stabquerjchnitte, die in ihrem Bufammenbange die
elaftifche Linie bilden. Ferner unterjdeidet man
an einem beftimmten Querjchnitt jentrecht zur elaſti⸗
—— Linie die neutrale Achſe als die Schnitt:
inie des Querſchnitts mit der neutralen Schicht.
In der neutralen Achje des Querſchnitts ift demnach
die Zug: und zen Null, auf der fonveren
Seite derjelben herrſcht zwiſchen den *
Zug⸗, auf der andern Drudipannung, und zwar find
viele Spannungen den Abjtänden des Querſchnitts⸗
elements von der neutralen Achſe proportional. Der
Bruch eines ſolchen Körpers beginnt auf der fon:
veren gefpannten oder auf der fontaven fompri-
mierten Seite, je nachdem die Zerreißung oder die
Serbrüdung leichter eintritt, und zwar tritt er an ben
äußerften, am ftärkiten in Anfprub genommenen
Fafern zuerft auf. Sobald die äußerte Faſer nad:
gegeben bat, folgen auch bie innern.
ie marimale Spannung in einem Querſchnitte
ift num abhängig von dem Moment der äußern
Kräfte, die auf den Balten wirken, in Bezug auf
den betrachteten Querfchnitt, ferner von der Form
des Querſchnitts ſelbſt und von dem Abſtande der
äuberften Faferfhicht von der neutralen Achſe. Das
Moment der äußern Kräfte wiederum hängt ab von
der Größe der ii den Balten wirkenden Kräfte,
von der Art derfelben, ob es fonzentrierte, d. h. in
einem Buntte wirkende Laſten find, oder ob die La⸗
ften gleibmäßig über Streden des Ballen verteilt
find, und von der Art, wie der Balten feſtgehalten
38*
596
ift, d. h. ob er frei auf Stügen aufliegt, oder einjeitig
oder auf beiden Seiten eingejpannt ift u. ſ. w.
Am menigiten vermag ein Ballen zu tragen,
menn er an 9 einen Ende eingeſpannt iſt und
von der Laſt am andern Ende in Anſpruch genom⸗
men wird. Bezeichnen wir feine Tragfähigleit in
di „u. mit 1, fo fteigt diejelbe zu der vier:
fahen Größe (4), wenn er an beiden Enden frei
aufliegt und bie Laft in der Mitte wirkt; die Trag⸗
äbigfeit nimmt den Wert 8 an, wenn der Ballen
a. feitgellemmt (eingemauert) ift. Außer:
dem ift zu berüdfichtigen, ob die Laft nur an einem
oder ob fie an mehrern Punkten wirkt, oder ob fie
über die ganze Länge des Baltens verteilt ift. Im
(egtern Falle beſißt ein einfeitig feitgetlemmter
Ballen die Tragfähigkeit 2, ein beiderſeits frei
aufliegender die Tragfähigkeit 8, ein beiderfeits
jeftgeflemmter bat dagegen die Tragfäbigteit 12.
Bei Ballen oder Stangen von quabdratifchem oder
rechtedigem Querſchnitt iſt die Tragfähigleit pro:
portional der Breite, dem Quadrat der Höhe und
umgefebrt proportional der Länge, d. b. ein Bal-
ten, der doppelt jo breit ift als ein anderer, trägt
unter ſonſt gleihen Umftänden das Doppelte, bei
voppelter Höhe dad Vierſache und bei doppelter
Länge die Hälfte. Unter Höhe wird bier ſtets die
Dimenfion verjtanden, in deren — die Kraft
wirkt, alſo bei horizontal liegenden Ballen, welche
durch einen Zug von oben nad) unten in Anfprud
genommen werden, die jentrechte Dimenfion. Wirkt
dagegen der Zug in horizontaler Richtung, h ver:
ſteht man unter Höhe die horizontale Ausdehnun
u.j.w. Aus obigem folgt, daß es ſtets vorteil»
bafter ijt, die Höhe beträdtliher zu maden als
die Breite, da dieſe von bedeutend größerm Ein:
flufle auf die Tragfähigkeit ift als legtere. Nimmt
man z. B. an, man habe zwei Stangen von gleihem
Querſchnitt, 3. B. 4 gem, der Querſchnitt der einen
aber jei quadratiſch, folglich jede Seite = 2 cm,
während ber Querjhnitt der andern rechtedig ei,
aljo bei 1 cm Breite 4 cm Höhe habe, jo wird die
Tragfäbigkeit der quadratiſchen Stange zu der ber
rechtedigen ſich verhalten wie 2X 2°: 1x4” oder
wie 8:16; dies folgt unmittelbar aus den vorber:
gegangenen Regeln. In der Praris läßt ſich nun
aber die Höhe im Verhältnis zur Breite nicht be:
liebig fteigern. So iſt man beim Anfertigen eines
Balkens aus einem runden Stamm genötigt, das
Verhältnis der Höhe zur Breite mit 7:5 anzus
nehmen, wenn bie größtmögliche Tragfäbigfeit er:
reiht werben foll. Für den Fall aber, dak man
—— oder runde Träger anwenden müßte,
gelten folgende Regeln:
Die Tragfähigkeit zweier quadratiſcher Balten
von verſchieden großem Querſchnitt verhält ſich wie
die Ruben der Seiten; demnad trägt ein quadratis
ſcher Ballen von 2 cm Seite 8mal mehr, ein folder
von 3 cm Seite 27mal mehr als ein anderer von
1 cm Seite, Bei runden Trägern gilt dasjelbe;
ibre Tragfäbigleit wächſt mit dem Kubus der
Durchmeſſer. Vergleicht man die F. eines quadra⸗
tiſchen und eined runden Trägers miteinander, fo
leiftet jener etwa 1*,mal foviel als diejer, wenn
die Seite des Quadratquerſchnitts gleich dem Durch:
meſſer des kreisſormigen tft. Wenn man es, wie
bei metalliihen Trägern, in ver Gewalt bat, dem
Querſchnitt jede beliebige Form zu geben, jo weicht
man mit Recht meiſtens von den eben beiprodenen
sinfachen Formen ab. Da namentlich bei der Vie: '
Feſtigkeit
ungsfeſtigleit vor allem die von der neutralen
he entfernten Teile in Anſpruch genommen wer:
den, während die der Achſe nähern einen viel ge:
— Widerſtand leiſten, ſo muß man danäch
ſtreben, jene in Bi > auf diefe beſonders hervor:
treten zu lafjen. Dies geſchieht 3. B. bei der An—
wendung von hohlen (cylindriſchen) und den I-för
—* Trägern. Es iſt aber keineswegs dahin zu
verſtehen, daß von zwei gleichdichken chlindriſchen
en der hohle härter fei als der maffive, da
in Wirklichkeit meift das Umgefebrte der Fall fein
wird; es gilt vielmehr nur in Berug auf die an:
ewenbete Maſſe des Metall. Wenn, wie es bei
lehröbren der Fall ift, mehrere Höhren von
verſchiedenem Durchmefjer aus Material von ders
Em Wandſtärke verfertigt werben, jo wädjt die
. mit dem Quadrat des Durchmeſſers, alſo nicht
wie bei maffiven Eylindern mit dem Kubus. Das:
felbe Brincip, welches ven hoblen Trägern vor den
mafjiven den Vorzug verleiht, führt, wenn maj:
five fonftruiert werden müfjen, darauf bin, daß
man den einfachen quadratijchen oder reftangulären
Querſchnitt vermeidet und dafür den I-förmigen
vorzieht. Die — ſolcher Träger muß natür:
lid eine folde fein, daß die Laft in der Richtung
des verbindenden (bier ſenkrechten) Mitteljtüds
wirft. Hierbei ift ebenfalls den äußern Zeilen ein
größeres Volumen gegeben als den innern.
5) Drehungs- oder Torfionsfeftigleit ift
derjenige Miderftand, der einer — der
Körper (Wellen, Transmiſſionswellen u. ſ. m.) ent:
—— Hierbei kommt die Widerftandsfäbig:
eit gegen Schub: oder Scherfräfte in Frage, %
daß, um das Verhalten der Materialien drebenden
Kräften gegenüber auszudrücken, auf den Schub:
elaſticitätsmodul (= *, E bis *, E), Tragmodul
und Bruchmodul für Schub Rüdfiht genommen
werden muß. Wirkt eine Kraft an einem Hebel:
arm (ein Kraftmoment, Drehmoment, Torfiond:
moment) auf einen —— einerſeits feſt⸗
gehaltenen Körper verdrehend ein, jo werden ein⸗
mal die Teilchen einer Spannung und die Ober:
flächenteilchen einer größten Spannung unterliegen,
dann aud die Stabquerjchnitte — ver⸗
dreht werden, fo daß eine urſprunglich auf der Seite
des geraden Stabes längs gezogene Gerade nad
der Verbrebung eine Scraubenlinie bildet. Der
legte Querfchnitt (an dem das Moment wirkt) ift
jedenfall® um einen gewiſſen Wintel gegen den
eriten (in dem der Stab gebalten ift) verdreht, den
Verdrehungswinkel oder Torfionsmintel.
Die Marimalipannung, welde dabei durch ein ge:
wifles Torſionsmoment in einem Träger bervor:
erufen wird, ie nicht abhängig von der Länge,
ondern nur ab ängi von der Querſchnittsſorm
und Größe und zwar letzteres derart, daß bei einem
Träger von —— Querſchnitt (Welle) die
Spannung umgelehrt proportional iſt der dritten
Potenz des Querſchnittsdurchmeſſers, bei einem
Balken von rechtedigem Querſchnitt umgelehrt pro⸗
portional dem Prodult aus der größern Seite und
dem Quadrat der Eleinern Seite. Das zum Fer:
dreben notwendige Moment (Bruhmoment) ift alio
bei freisjörmigem Querſchnitt des Stabes der drit⸗
ten Potenz des Durchmeflerd und bei rechtedigem
Querſchnitt dem obgenannten Produkt direlt pro:
portional. Es wird demnad eine runde Welle von
2cm Durchmeſſer erft bei dem Achtfachen derjenigen
Belaftung auf Torfion brechen, bei welcher eine Welle
Feſtigkeit
von 1em Tide bricht. Der Verdrehungswinkel
ben en,ber für lange Wellen (Transmiſſionswellen,
S —— en u. ſ. w.) ſehr beträchtlich wer⸗
den lann, iſt direlt proportional der Wellenlänge
und dem wirkenden Moment, dagegen umgelehrt
proportional dem Schubelafticität3modul und ver
vierten Potenz des ag ji bei freisförmigem
Querſchnitt, daß von zwei ſonſt gleichen Wellen
die von doppelter Länge um den doppelten Wintel,
die von * freisförmigem Durchmeſſer um
nur */,. des MWintels verbrebt wird.
Wenn in dem Biöherigen die abfoluten Grenzen
der F. aufgeftellt wurden, jo erübrigt jebt nod, die
Grenzen für die Praris zu normieren. Es i
offenbar, vaß in allen Fällen, wo eine Subſtanz mit
ihrer F. zu widerſtehen hat, man niemals fi den
oben angegebenen Grenzen der F., dem Bruchmodul,
erheblich nähern darf, wenn anders eine genügende
Sicherheit geboten fein foll.
Zupdrderft ift man über die innere Beſchaffen—
beit der Körper von vornberein niemals im Haren,
und die Verſuche find meiſtens nur mit auserwähl⸗
ten Broben angeftellt worden, während im kontreten
—* die zu benutzende Subſtanz in ihrem Innern
ebr ihabhaft fein kann. So hat das Holz oft eine
Menge zerjebter Faſern, deren F. jehr beträchtlich
geringer ift ala die — Faſern; der Stein iſt
nicht ſelten zum Zeil verwittert, und die Metalle,
namentlich die gegoflenen, befisen häufig Fehler;
ferner muß man darauf rechnen, daß alle Metalle
den Einflüflen der Zeit ale find und daburd)
eine allmählich fortſchreitende ——
Feuchtigleit, Temperaturwechſel und Urydation
wirten gemeinſchaftlich — die F., wenn auch
unmerklich, jo doch ohne Unterlaß zu vermindern.
Zwar lafien ſich manderlei äußere Schußmittel
gegen dieje zerftörenden Kräfte anwenden, wie z. B.
ei Holz bie ſog. Jmprägnationen, bei Gifen wafler:
dichte Anſtriche u. dgl.; alles dies aber verzögert
nur die Zerftörung und bebt fie niemals ganzie
auf. er ift 8 berüdfichtigen, daß in allen ven
len, wo die Laſt nicht rubig wirkt, fondern an⸗
Itende Heine Erichütterungen ausübt, der Drud
ein viel größerer ift als bei völliger Rube, da bier
außer der eigentlichen Laft die Wirkung des Stoßes
in Rechnung zu bringen ift, welche die * be⸗
deutend mehr in Anſpruch nimmt. Dies gilt z. B.
von Brüden, Wagenachſen, Gebäuden, in denen
andauernd mechan. Bewegungen hervorgebracht
werden. Endlich ſolche chutterungen bei
gewiſſen Materialien geradezu fähig, das Gefüge
derfelben zu ändern und daburd bie F. herabzu⸗
ftimmen. Die F. des Schweißeiſens 5. B. berubt
um Teil auf dem rg Gefüge diefer Subftanz.
urd lange dauernde Heine Erſchütterungen aber
ändert ſich das Gefüge in ein kryſtalliniſches um,
welches eine bedeutend geringere 5. bejikt ala jenes.
Daher brechen Maſchinenteile, welche an fi ſtark
genug 8* waren, mitunter ſcheinbar ganz
—* äußere Veranlaſſung, namentlich dann, wenn
die Maſchine einen ftoßenden Bang hat. Aus allen
dieſen nden befolgt man in der Praris die Re⸗
geh — ———— — nur auf einen gewiſſen
hrer F. in Anſpruch zu nehmen, welcher um
ſo geringer ausfallen muß, je mehr Einfluß die eben
erwähnten Umftände ausüben können. nem
Falle joll man über das Drittel binausgeben; häufi
aber muß man im Interefle der Sicherheit —
weit unterhalb dieſer Grenze bleiben. Die Zahl,
Kuderadorfer Raltitein
'®
j ie
597
melde angiebt, bis zu welchem Teile man bie F. be»
nußt, nennt man die Sicherbeit; man ſpricht von
drei⸗, vier⸗, ſechsfacher Sicherheit, je nahdem man
die 5. bis zu einem Drittel, Viertel oder Sechſtel
beaniprudt.
Man führt die Berechnung der notwendigen Di:
menfionen von Mafchinenteilen und Baumerten in
der Weiſe aus, daß unter allen Umftänden nur eine
ewifle geringe Beanfpruhung, welche die auläf:
fie Spannung genannt wird, in den Materias
ien auftreten kann. In nachſtehender Tabelle gel-
ten die zuläffigen Spannungen unter I, wenn die
Belaftung eine rubende, diejenigen unter II, wenn
die Belaftung eine beliebig oft wechſelnde ift,
derart, daß die durd fie hervorgerufenen Span:
nungen abwechſelnd nad einer Richtung bin ftetig
wachſen und dann wieder auf Null zurüdfinten, die
zulä ni —— unter III dagegen, wenn
die Belaftung eine beliebig oft wech ſeln de ift, der:
art, daß die Spannungen abwechſelnd nad ent:
gegengelesten Richtungen bin ftetig wachſen
und dann wieder abnehmen.
Für zwifhenliegende Arten der Belaftung
find sn. den Spannungägrenzen ent:
ſprechende Werte zu nehmen.
Zuläffige Spannungen in kg/gem, nad) C. Bach.
| | |$|z
Art der Flup- AHH
Feſtigleit Ar
und eifen g|3|2
.».%#
Belaftung Ivon] bis 2/5
ı [soo ‚150|300
Bug. . ı1 [soo 500/200
111 [300 250| 100
ı 900 300
1 |900| 900 |1300|1300 1500| 750 1050| — 750 300
Biegung‘ II |600| 600 | 800 500) 700| — ‘500 200
ı11 |300| 300 250) 350| — 950 100
1 |720| 790 480| 8401500) — | —
Edhub . | 11 |480| 480 320| 560,200) — | —
111 [240| 240 160| 380 100| — | —
ı |s60| 600 480) 840) — soo, —
Dresung! II [2340| 400 320) 560) — 1200) —
zıı |120| 200 160| 280) — ido —
Die nad den Vorſchriften der Berliner Baupolizei
vom 21. Febr. 1887 und ber Bauabteilung des preuß.
Miniftertums der öffentlihen Arbeiten vom 16. Mai
1890 zuläffigen Spannungen für Baumaterialien
find in der nachſtehenden Tabelle in Kilogramm pro
Quabratcentimeter aufgeführt.
Schweiß und Flußellen. . . -
Gemödibtes Eifenwellbleh .
Eiiendrabt. 22: 2200.
Qußelfen - .. 2.200000]
Eichen» und Buchenholz.. . . -
Kiefern: und Tannenholg . . - |
BOB nn an ae we ae —
Sandſtein je nach ber Härte | _
Sanbftein im Mittel —
s2s218535
sus]
es
u. 0. #f
afffeinmauerwertinkaitmörtel| —
— nliches —
ie —— ements |
: |
Beftes Mlintermauerwert . . . |
Mauerwerk aus poröjen Steinen
Guter Baugrund (aus feitge-
lagertem Sand und ies). .|
—
[>
|
—
—
11
598
Bol. Clebſch, Theorie der Elafticität feſter Körper
Lpz. 1863); Grasbof ‚ Theorie der Elajticität und
i a Aufl., Berl. 1878); Bad, lafticität und F.
(4. Aufl., ebd. 1902); Glinzer, Grundriß der Feitig-
teitälehre (2. Aufl, Dresp. 1898); Müller-Breslau,
Die neuern Methoden der Feſtigleitslehre und der
Statik der Baufonftruftionen (2. Aufl., Lpz. 1893);
Clauſſen, Statik und Feſtigleitslehre (Berl. 1893);
oe Einführung in die gr (Hild:
burab. 1895); Schmid, Statik und Feſtigkeitslehre
(3. Aufl, Stuttg. 1902); Rebber, Die Feltigleits:
lebre und ihre Anwendung auf den Maſchinenbau
(4. Aufl., Mittweida 1899); Föppl, ergaiBlente
(Bd.3 der «Vorlefungen über techniihe Mecanil»,
2. Aufl., Lpz. 1900); Lauenftein, Die Feſtigleits—
—* (7. Auf, Stuttg. 1902); Seipp, Feſtigleits—
lehre für Per Ah u. ſ. w. (pa. 1899);
Hecht, Die Feſtigleitslehre (Bo.2 des «Lehrbuchs der
reinen und angewandten Mecbanik», Dresd. 1900).
Feftigfeitöprüfungsmafchinen, |. Material:
prüfungsmafdhinen.
Festin(ft;.,ipr.iöitäng), Seit, Feſtmahl, Gaſterei.
Festina lente (lat.), «eile mit Meile», Worte,
weldhe nah Sueton im «Leben des Auguitus»
(Kap. 25) diejer Kaifer oft gebrauchte.
eitiniog, Stadt in der Grafſchaft Merionetb
des engl. Fürftentums Wales, unweit der Hüfte
ſchön gelegen, bat (1901) 11435 E., bedeutende
Scieferbrüde und Hupferbergwerte. Die ſchmal—
fpurige (60 cm) Feitiniogbahn von Vortmaboc
nad den Schieferbrüchen (23 km) wurde 1832 ala
Trambabn eröffnet.
Festino (ital.), foviel wie Festin, Feſt, Felt:
mabl; namentlib auch Koſtümball.
eitivität (lat.), Feſtlichleit.
Festivo (ital.), in ver Muſik: feierlich.
eftfreis, ſ. Feſttage und Kirchenjahr.
eſtland, ſ. Kontinent.
eitlanddinen, Sandhügel, ſ. Dünen.
eitmachebojen, im Seeweſen, ſ. Bojen.
eſtmachen oderbannen, unverwundbargegen
Kugeln oder Eiſen machen. Nach dem Aberglauben
kann man ſich feſtmachen durch Zauberzettel, mancher⸗
lei Segenäfprüde, oder indem man ſich ein Stückchen
Nabelſchnur, ein Stück a gr und ein Stüd
ledermaus in die Kleider näbt, oder ein Hemd ans
jtebt, deſſen Garn von einem fiebenjährigen Kinde
geiponnen it, oder indem man eine geweihte Hoftie
ın einer Wunde verwachſen läßt, oder einem Er
—— die Kugel auszieht und ſich dieſelbe an—
pängt u. dal. m. Auch die Wurzel des Allermanns-
—— (Allium victorialis Z.) gilt als Mittel zum
F. gegen Hieb und Stich. Als Paſſauer Kunſt war
jeiben Aberglaube im Dreißigjährigen Kriege ver:
reitet, angeblich nad dem Scharfrichter von Baflau
benannt, der um 1611 derartige Yauberzettel den
Kriegern des damaligen Erzherzogs Matthias ver:
kaufte, 5. kann man auch einen Dieb, d. b. ihn an die
Stelle ves Diebſtahls feitbannen. — Vol. G. Frey:
tag, Bilder aus der deutfchen Bergangenbeit, Bo. 2
(22, Aufl., Lpz. 1899); Wuttke, Der deutiche Bolla-
aberglaube der Gegenwart (3. Aufl., Berl. 1900).
Feitmeter (abgekürzt fm), ein in der Forſtwirt⸗
haft gebräuchliches Raummaß, das im Gegenfak
zu Raummeter (ſ. d.) ein Kubitmeter feiter Holzmaſſe
(ohne Zwifchenräume der Schichtung) bedeutet und
namentlich für die Langnusbölzer dient. Der ge:
ve Hiebsſaß eines Maldes wird jekt meijt, mit
usnahme des Stodbolzes, durch F. bemeflen.
Feftigfeitsprüfungsmafchinen — Feſton
Feftnahme, vorläufige, eine proviforifche,
dem Zmwede der Strafverfolgung dienende, ohne
richterlihen Befebl erfolgende Freibeitsentziebung.
ge vorläufiger $ find bei Gefahr im Berzuge und
orliegen der Vorausjegungen eines ——
Haftbefehls (ſ. d.) die Staatsanwaltſchaft ſowie
Polizei⸗ und Sicherheitsbeamte befugt. Wird eine
ftrafbare — in einer Gerichtsſißzung ver⸗
übt, p it nah Deutſchem Gerihtäverfaffungs
ejeb $. 185 das Gericht in geeigneten Fällen be
It, die vorläufige F. des Thäters zu verfügen.
te vorläufige F. durch Wachen ift in Preußen durch
die —— vom 27. Juli 1850 geregelt. Sie
erfolat, wenn eine Perſon bei Ausführung einer
frafbaren Handlung oder gleich nad derielben be
troffen oder verfolgt wird und wenn zugleich dieſe
Perſon der Flucht verdächtig ift oder ihre *
lichkeit nicht er feitgeftellt werden kann. Übrigens
ift in Deutichland jedermann zur F. befugt, wenn
jemand auf friſcher That len oder verfolgt wird,
alls er ver Flucht verdächtig ift oder feine Perſonlich⸗
feit nicht fofort feftgeftellt werden fann. Der Feit-
enommene ift, mern gegen ihn bie öffentliche Klage
bon erhoben ift,dem zuftändigen Gericht oder Unter:
uchungsrichter, ig dem Amtärichter des Bezirks,
in welchem die F. erfolgt ift, unverzüglich vorzu:
führen. Letzterer bat ibn jpäteftens am Tage nad
der Vorführung zu vernehmen und entweder Haft-
befehl zu erlafjen oder die reilafjung zu verordnen
($$. 127 fg. der Deutſchen Strafprozekorbnung.
Die Oſterr. Strafprogekorbnnung gejtattet den
ganen der Sicherheitäbehörben die Verfolgung und
vorläufige Verwahrung von yore en zum Be:
buf der Vorführung vor den Unterſuchungsrichter
obne ſchriftliche Anordnung des legtern im Fall der
Ergreifung auf friiher That und bei Gefahr im
Derzuge in den in $. 175, Nr. 2, 3,4 bezeichneten
Fällen. Der in Berwabrung Genommene foll von
der Behörde entweder jogleich freigelaffen oder bin-
nen 48 Stunden an den Unterfuhungsricter ab:
geliefert und von diefem binnen 24 Stunden ver
nommen werben.
Das Deutſche Bürgerl. Geſetzb. 8. 229 bat bie
—— aufgenommen: Wer zum Zwede der
Selbitbilfe .. einen Verpflichteten, der der Flucht
verdächtig üft, feitnimmt, .. handelt nicht widerrecht:
lib, wenn obrigteitlihe Hilfe nicht rechtzeiti
erlangen ift und obne jofortiges Eingreifen 34
vorliegt, daß die Verwirklichung des ver⸗
eitelt oder weſentlich erſchwert werde.
Feſton (frz., ſpr. vng, «Blumen, Fruchtgehange,
ruchtſchnury), in der Baulunſt ein natürliches oder
unſtleriſch nachgebil⸗
detes Gewinde aus o<
belaubten Zweigen,
Blumen und ch⸗
ten pr Bmed der
Belebung arditelto:
ine Maflen. Tem:
ßz Altäre, Triumph⸗
ögen bei feſtlichen ’ ‚
Gelegenheiten mit Blumengewinden zu zieren, war
ihon bei den Alten Eitte. Die bildende Kunft
nabm diefen Brauch durch Nachbildung der F. in
Farbe und Stein auf, beſonders ald Verzierung
ion, und lorintb. Frieſe; aud auf antilen Bajen,
Altären und Terrakotten find F. nicht felten.
der neuern Kunſt bat ſich befonders die ital. s
renaiffance und der holländ. Klaſſicismus durch
Teitonnierapparat — Feſttage
ebenſo anmutige als großartige Behandlung der 3.
ausgezeichnet; die F. Im Barod und Rotokoitil find
— meiſt von feinem Sinn für delorative
Flächenfüllung. Auch in neuerer Zeit werben die
, vielfach zur Detoration von Flächen benust. (©.
umſtehende Figur.) — Val. Gerlach, F. und delora-
tive Öruppen (3. Aufl., 150 Taf., Wien 1898— 1901).
Über F. in der Stiderei j. Yanguette.
onnierapparat, |. Stidmajdine.
onftich, j. Stidmajchine nebit Taf., Fig. 426.
ontwolfe (ipr. -öng-), ſ. Bodenmolte.
eitpunft, Firpunkt, im Vermeſſungsweſen
jeder Bunkt, der feiner geograpbifchen oder Höhen⸗
lage nad genau beftimmt und an Ort und Stelle
im Gelände in dauerhafter Weije bezeichnet ift. Es
gehören dahin alle trigonometr. Bunlte, die ent:
weder an Bauwerlen (Kirchtürmen, Schorniteinen
u. ſ. w.) beftimmt oder dur eingegrabene Steine
im Gelände bezeichnet find, ebenjo auch alle F. der
Nivellements, welche durch eiferne Bolzen u. dgl.
tenntlib gemadt find, die in vorhandene Baulich—
feiten oder in eigens für diefen Zwed geſehte Grund:
pfeiler eingelafien wurden. [tage (f. d.).
Here ‚ Berechnung der kirchlichen Feſt—
e —— Riemenſcheibe.
eſtſetzung, der Ausſpruch einer Bebörbe, ob
und wie weit eine ziffermäßig berechnete Forderung
erhoben werden darf. So die F. der von einer Partei
berechneten Prozeßlkoſten durch ven Richter.
ftfigende Tiere, j. Seifilität.
ftitellung, die gewöhnlich ſchriftliche Wieder:
e einer Barteierllärung, eines Antrags, einer
Deu enausjage. Man fpricht deshalb auch von F.
zu Brotololl. Thatſächliche F. ift der in den
Gründen eines richterlichen Urteils u Aus:
pruch, weldye für die Entſcheidung erbeblihen That:
achen von dem Richter ald wabr angenommen wer:
den, — liber die F. der Konlursforderungen
ſJ. ve ar
ftellungsflage. Nah der Deutſchen Civil
prozeßoron. $. 256 kann auf Feſtſtellung des Be⸗
jteben® oder Nichtbeftebens eined Nechtäverbält:
nifjes, auf Anerlennung einer Urkunde oder auf
Feititellung der Unechtbeit derjelben Klage erhoben
werben. Ein Bedürfnis dazu kann namentlich da
bervortreten, wo der a noch nicht
gegeben ift (4. B. bei mangelnder Fälligkeit oder bei
noch ſchwebender Bedingung), oder wo ein Eingriff
in ein Recht des Klägers dur Behaupten, Sid:
— — Beſtreiten, Widerſprechen abzuwehren
iſt. Nach den frühern deutſchen Prozeßrechten wurde
dieſem Bedürfnis nur ungenügend * ge⸗
tragen. Vorausſetzung der F. iſt, daß der Kläger
ein rechtliches Intereſſe daran hat, daß das ha rn
verbältnis oder die Echtheit nder Unechtbeit der Ur:
funde dur 8 Entſcheidung alsbald feſt⸗
eſtellt werde. Die * bezweckt nicht vollſtred⸗
re Verurteilung des Bellagten zu einer Leiſtung,
fondern vornehmlich — hen Feſtſtellung des
ofitiven oder negativen Beitandes eines Rechtsver⸗
tniſſes, durch welchen Rechtsſpruch eine fichere
Grundlage oder Vorbereitung für die weitere Rechts:
entwidlung erzielt wird. Die jog. negative F.
erjeht die frübere gemeinrechtliche provocatio ex
lege diffamari. (©. Diffamation und Jneident.)
Die F. unterbribt nad dem Deutiben Bürgerl.
. $. 209 die Verjährung.
ge, Feſte, Feiertage (religiöfe), Die der
nnerung an wichtige Greignifie oder Perſonen
599
eweibten, durch öffentlihen Gottesdienft und durch
e von der Alltagsarbeit ausgezeichneten Tage.
Solche Feite nüpften fih an die Erjcheinungen des
wechſelnden Naturlebend, an das Griterben der
Natur im Herbit und ihr Erwachen im ling,
an Mittfommer: und Winterjonnenwende, |päterhin
an große Greigniffe im geihichtlihen Leben der
Völfer. Sie waren teild a —— Volls⸗ und
nn teils allgemeine Bitt⸗ Buß- und Ver:
öhnungsfefte. So feierten die Ägypter die Epi-
phanie des Dfiris, das he de? Harpolra=
tes, die Parſen das Feſt des Mithras u. ſ. w. Auch
die Griechen und Römer feierten zahlreiche Götter:
fefte, daneben verſchiedene Gedächtnistage aus der
nationalen Gedichte. Die Römer rechneten auch
die fog. Ferien (f. d.) im weitern Sinne des Wortes
zu ben Seiten. Die Geſetzgebung der Juden kennt
als ge e Feſte das Paifab (f. d.) und Yaubhütten:
feit (ſ. d.), den großen Verſohnungstag (f. d.) und
das Neujahräfeit (f. d.). Der Sabbat (f. d.) ijt der
wöchentliche Felt: und Feiertag; als ſolchen beobach⸗
ten die Mobammedaner den Sreitag: Deren große
Feſte find das Bairdm (f.d.)unddasRamadän — d.).
n der chriſtlichen Kirche entwidelte ſich all:
mählich eine große Anzablvon ———
an die erg in der Lebensgeſchichte Jeſu
und an folgenreihe Ereignifje in der Geſchichte
feiner Kirhe. Man unterfheidet wöchentliche F.
(dies hebdomadarii), zu denen der Sonntag gebört,
und Pees: (dies anniversarii). Die legtern
zerfallen in große oder hohe (festa primaria,
majora, z. B. Ditern, Bfingiten, Weihnachten) und
tleine (festa minora, secundaria, 5. B. die Apoftel-
eite); in unbeweglide (festa immobilia), die
tets auf den einmal feit beitimmten Kalendertag
allen, z. B. Weihnachten, Neujahr, Yohannis:,
Micaelisfeft u. a. und in beweglide (festa mo-
bilia), zu denen das Diterfeft und die dur *
Lage beitimmten Seite, wie Himmelfahrt, Pfingiten
u. a. gebören; in ordentliche (festa statuta),
d. b. die jährlich wiederfehrenden, und in außer:
ordentliche (festa indicta), z. B. die Kirchweihfeſte,
die von der Obrigleit eines Landes angeordneten
Buß: und Bettage, Sieges- und Trauerfefte u. a.
Werden die Felt: und Feiertage mit Bor: und
Nahmittagsgottesdienit begangen, fo beißen fie
ganze F. (festa fori, dies integri), wird aber nur
vormittags Gottesdienſt gebe ten, fo nennt man
fie halbe (dies intereisi). Doppelte F. (dupli-
cia) nennt man diejenigen, die durch Zujammen:
ung eines Feſtes mit dem vorbergebenden oder
folgenden Sonntag entitanden jind (3. B. in ben
verſchiedenen evang. Landeskirchen das Neforma:
tionsfeft), oder an denen das Andenlen zweier Er:
eignifje oder Perjonen gefeiert wird (wie in ber
tath. Kirche Philippus und Jakobus 1. Mai, Beter
und Paul 29. Juni, Simon und Judas 28. Dit).
Man unterfheidet aud allgemeine und beſon—
dere Seite; jene werden von der geſamten ——
it, dieſe nur von einzelnen Teilen derſelben ges
eiert. Die kath. Kirche unterjcheidet die nur vom
erus durch Mefje und Breviergebet gefeierten festa
chori von den auch von den Gläubigen durd Ent:
—85* von der Arbeit zu feiernden festa fori.
ie Feier des Feſtgottesdienſtes wird in der prot.
Kirche durch die Agenden, in der katholiihen durch
Dfficium in Mefje und Brevier bejtimmt.
Die Feſte, die ſich allmählich entwidelten, waren
zu einem Zeil Chriftusfefte, d.h. fie verberrlich
600
ten beftimmte Momente und Heilsthatſachen im
Leben Jeſu. Abgejeben von der Sonnt de
und den Fafttagen Mittwoch und Freitag (1.$a ten)
find Oſtern und Pfingften, die Auferſtehung Ebrifti
und die Ausgießung des Heiligen Geijtes, im Ans
ſchluß an die vorhandenen jüd. Feſte bie älteſten.
Die Geburt Ehrifti wurde feit dem 3. rh. im
Morgenlande dur das Epipbaniasfeft (1. Epipba-
nia), im Abendlande durd das Weihnachtsfeſt ge:
feiert ; dazu fam bald das Himmelfahrtäfeft. So bil:
deten fich im fejtlihen Halbjahr deö Herrn (semestre
Domini) des Rirhenjabres (ſ. d.) der Weihnachts-
Oſter⸗ und —— mit Vorfeier (Vigilie)
und Vachfeier (Oftave) aus. 6. Jahrh. entitand
das Feſt der Beichneivung Ebrifti, das Fronleich-
namsfeſt \ db.) als Folge der päpitlich recipierten
Transfubitantiationslehre im 13., dad vom Namen
Jeſu im 15. Jahrh. Andernteils find die Feſte Hei:
ligenfefte, die teilö in die —— teils in die
—3 Hälfte des Jahres verlegt wurden. In den
eriten Jahrhunderten fhon wurde das Andenken
der Märtyrer, Belenner und Apoſtel durch Opfer
am — ihres Todes gefeiert. So entſtanden
die mehr oder weniger lokal beſchränlten Heiligen⸗
fefte, die ſich mit der Zeit auf die ganze Kirche aus»
che Seit dem 5. Sabrh. famen die Marien:
teite (f. Maria) und Engeljefte binzu, dann bie
nicht Berfonen, fondern Sachen (3. B. das Kreuz und
die Dornentrone) betreffenden Seite. Der Rang
der Fefte beftimmt ſich nad der Wichtigkeit der be
treffenden Thatfache im Leben Jeſu oder der Bedeu:
tung bes Heiligen. Die kath. Kirche unterjcheidet
daber festa duplicia, semiduplicia und simplicia.
Die Reformation verwarf mit der Heiligenver-
ehrung auch die Heiligenfeite, a. das Michaelis:
jeft als Feſt der Engel, einige Gedächtnistage von
pofteln und folde Marienfefte bei bie eine un
mittelbare Beziebung auf das Leben Ehrifti uließen.
Seit dem 18. Jahrh. beſchränkte man bie Zahl der
Feftenod mehr, jo daß gegenwärtig von den Evan-
geliſchen meiſt nur noch gefeiert werben: Weihnach⸗
ten (2 Tage), Neujahr, Karfreitag, Ditern (2 Tage),
Himmelfahrt, Pfingften (2 Tage), und dazu die Sans
deöbußtage (f. Bußtag), Erntedantfeit, Neforma>
tionsfeft und Totenfet, Bapft Urban VIII. redu⸗
zierte 1642 die Zahl der Feite außer Sonntagen
und Hauptpatronatäfeften auf 33, Benebilt XIV.
orbnete 1748 eine weitere Rebultion an, die aber
nicht allgemein, jondern auf befondern Antrag für
beitimmte Länder ftattfinden jollte. Danach —
außer den hohen Feſten nur das Feſt der Be nn
dung und ber Himmelfahrt Chriſti, das Fronleich⸗
namsöfeft, die Feſte Der Geburt, eng Te Em:
pfängnis, Reinigung und Himmelfahrt Mariä, die
Feſte des Betrug und Paulus, Allerheiligen und der
bejondern Schußbeiligen eines Landes und Ortes
geleient, die übrigen Feſte aber auf die nächſten
onntage wer = werben. Auch fpätere Bäpite re:
duzierten auf Grund der Verhandlungen mit den
Staatöregierungen in einzelnen Ländern die Feier⸗
tage. Frantreib bob während der Revolution alle
Seite auf. Erjt nachdem der Nationallonvent 1798
das Dafein des höcften Wefens und die Uniterbs
lichleit der Seele defretiert hatte, wurden ganz neue
an den Deladetagen von der Republik zu feiernde F.
angeordnet, die jedoch den chriſtlichen wieder mei:
hen mußten. 1802 wurden in Frankreich bie gebote:
nen Feiertage auf 4 feftgejeßt (Weihnachten, Him:
melfahrt Ebrifti, Himmelfahrt Mariä, Allerheiligen).
Feſttage
Seit Juſtinianus galten die chriſtl. Feiertage als
erien, d. b. als ſolche Tage, an denen alle oͤffent⸗
ichen und gerichtlichen Arbeiten unterbleiben
ten. Auch wurden durch die —— ſolche Luſt⸗
barleiten verboten, die der Heiligleit der F. Eintrag
thaten. Die chriſtlichen oe en in den verſchie⸗
denen Staaten ein verichiedenes Maß ftaatlichen
Schutzes, das teild auf dem Herlommen, teils auf
bejtimmten Abmahungen mit der Kirche berubt.
Auch üben die Staaten das Recht, bei befondern
Veranlaſſungen, 3. B. Friedensihlüffen, Geburts
und Todesjöllen in den Herriherbäufern u. dal.,
Feſte mit Gottesdienſt anzuordnen, wobei die Art von
deſſen feier der Kirchenbebörde vorbehalten wird.
r den Privatrechtsverkehr und den Bro:
zeß gelten als F. in Deutihland nur die Sonntage
und die allgemeinen Feiertage. Welche als ſolche
zu gelten haben, beftimmt die Gejeßgebung bes ein:
—— Landes. An dieſen u... darf eine Zuſtel⸗
ung, fofern fie nicht dur Aufgabe zur Poſt be
wirft wird, nur mit richterliher Erlaubnis, eine
Zwangsverſteigerung nur mit Erlaubnis des Amts:
richterd, in deiien Bezirk die Handlung vorgenom⸗
men werben foll (Eivilprozeßorbn. 88. 171, 681;
ee 188 u. 761 in ver Faſſung vom 17. Mai 1898),
attfinden. Die aenen biefe Vorfchrift vorgenom:
mene Zuftellung it indefjen gültig, wenn die An:
nabme nicht verweigert iſt ($. 171 oder $. 188); auf
ſolche Tage find Termine in Civilprozeßſachen nur
in Notfällen anzuberaumen ($. 193 oder $. 216).
Fällt das Ende einer Frift auf einen ſolchen F., jo
endigt die Friſt mit Ablauf des nächſten Werktags
($. 200 oder $. 222; Strafprogeßordn. $. 43). $
an einem beitimmten Tage oder innerhalb einer
ift eine Willenserklärung abzugeben oder eine
eiitung zu bewirken, und fällt der bejtimmte Tag
ober der lebte Tag der Friſt auf einen Sonntag oder
einen am Erllärungs: oder Leiftungsorte ftaatlic
anerfannten allgemeinen Feiertag, fo tritt nad
Bürgerl. Geſetzb. $. 193 an die Stelle des —
oder de Feiertags der nächſte Werktag. Dasſelbe
beftimmte bisber ſchon das Handelsgeſeßb. von 1861
Art. 329 und 330 für Handelögeihäfte und die
Wechſelordn. Art. 92 und 93 für den Sablumgötan
binfichtlic eines Wechſels, Herausgabe des Wechfel:
duplifats, Erllärung über Wechſelannahme, Broteft:
erbebungu.f.m. Diefelbe —— findet auf die
erg Anwendung (Wechſelordn. Art.98).
ad allen diefen Beftimmungen wird auf die durch
die Konfeffion der Parteien normierten bejondern
Feiertage jelbit dann keine Rüdfiht genommen,
wenn beide Barteien diejer Konfeſſion angehören.
Ein bober jud. Feiertag ändert an dem einmal ur
geitellten Erfü ungstage, Zahlung des Wechſels
uf. w. nichts, auch wenn beibe Barteien Juden
find. Umgelehrt darf einem Juden gegenüber auch
an einem Sonntage von einem jüd. Notar kein
Wechſelproteſt aufgenommen werden. Nach Preuß.
Allg. Landredt ift, wenn die ſchuldige Handlung
nab den Religiondgrundfägen des Berpflichteten
an dem Erfüllungstage nicht vorgenommen werden
darf, diejer zur Leiſtung an dem darauffolgenden
e verbunden.
rt die gemerbepolizeiliche Arbeitörube an
Sonn und Feittagen fommen nicht bloß allge
meine F. in Betradt. Welche Tage als F. gelten
bien, wird bier von den Landesregierungen unter
erüdfihtigung der Örtlihen und konfeifionellen
Verhaltniſſe beitimmt (Gewerbeordn. $. 1068).
Festuca — Feſtungen
fte ver Ehriften (3 Bde. Lpz. | Zur Zeit der Meinen Armeen und ber bürftigen Ent:
Dal. Augufti, Die
1817— 20); Krüll, Ebrijtl. Altertumstunde (2 Bde.,
Regensb. 1856); Strauß, Das evang. Kirchenjahr
(Berl. 1850); von eg gr eld, Das jeit-
liche Dabe (2p3. 1863; 2. Aufl. 1898); Albers, Die
Kriftl. Feite (Gotba 1879); Duchesne, Origines
du culte chretien (Bar. 1889); Albers, Populäre
ftpoftille (Met 1891); Wyß, Hilfebud für die
eſte der hriftl. Kirche (Winterthur 1892), (S. aud
Kirchenjahr.)
Fostũoa (lat.), Halm oder Stab, welchen im
alten Rom der Herr bei der gerichtlichen Freilaſſung
eines Sllaven dieſem auf den Kopf legte; im deut⸗
ben Mittelalter diente die F. ald Symbol ftatt der
affe bei ver Münbigipredung, bei der Adoption,
bei der Verbürgung, bei der Auflafjung (f. Effestu-
catio), bei der Erbeseinjegung durch —— —
gel Shröber, Deutſche Rechtsgeſchichte (3. Aufl.,
p3. 1898).
Festüca L., Schwingel, Pflanzengattung
aus der Familie der Gramineen 1 d.) mit etwa
100 Arten, welde fait alle nahrhafte Futter
pflanzen und über die ganze Erde zerjtreut find.
Sie baben mebr: oder vielblütige, längliche, in
Nifpen geftellte Ahrchen. Zu diefer Gattung gebört
der Wieſenſchwingel (F. elatior L.; f. Zafel:
— l, Fis. 5), eins unſerer nahr⸗
afteften und geſchähteſten Futtergräſer. Es hat
vielblütige, vor dem Aufblüben walige Ührchen,
die in eine ſchmale, traubige Riſpe geſtellt ſind, und
rannenloſe Blüten. Belannt iſt ferner ver Schaf:
Fhwingel (F. ovina L., ſ. Taf. II, fig. 11), wel:
auf dürren, fonnigen Hügeln und Bergen wädit,
einzeln ftebende, aus ganz feinen, borjitenförmigen
Blättern zufammengeiebte, ſehr glatte Raſen bildet
und für das beite Schaffutter gilt. Seine Halme
Di ebr zart, höchſtens fußhoch, feine Rifpen fhmal,
eine Ährchen ſehr Hein, wenigblütig, die Blüten kurz
begrannt. Auf den fetten Marjchwiefen Norddeutſch⸗
lands wächſt ver Rohrſchwingel (F. arundinacea
Schreb.) häufig, eine etwa 1,; m hoch werdende
Grasart mit Veverkielvidem, fhilfartigem Halm,
breiten Blättern und großer, überhängender Rifpe.
Auch der Riefenihwingel (F. gigantea Vıll.)
ift ein ertragreiches Futtergras und bejonbers ala
ldgras wichtig. Der rote und der verſchie—
deublätterige Schwingel (F. rubra und durius-
cula L.) find zur —2 loſen Bodens geeignet
und liefern auch gutes Heu.
Festum (lat.), Felt; post festum, eigentlich nad
dem Feſt, db. b. zu fpät; F. azymörum, Feſt der
ungejäuerten
norum, ſ. Ejeläfeft; F. circumeisionis, j. er
und offen, |. Brämiengeihäft. dung.
E gen, durch Friedensvorbereitung gegen
die @ehbergreifung —— und durch eine mini⸗
male Streiterzahl Beſatzung) gegen jeden Angriff
der Feldarmee mit Erfolg zu verteidigende Orte.
I. In — ategiſcher Beziehung als
Stutzvunkte der Landesverteidigung. Die
ren Tape Feſtung für die Kriegfübrung ift
deshalb deſto größer, je wichtiger die mıt dem Orts:
bejis verbundenen Vorteile für den Verteidiger und
feine Armee bez. für die des Gegners find. Sie tft
zu verſchiedenen Zeiten eine wechſelnde geweſen,
weil dieje Vorteile keine unmittelbaren, jondern in
—* Werte abhängig find von der Entwidlung des
egsweſens, der Armeen und ibrer Bepürfnifle fo:
wie der kulturellen Anlagen des Kriegsihauplages.
rote, das jüd. Paſſah (f. d.); F. asi-,
601
widlung des Straßennebes, d. b. der Bewegungs:
linien und der Verbindungslinien der Armeen mit
ihren Hilfsquellen, mußte fib die Kriegführung
vielfach auf. ftügen, indem dieſe * erſamm⸗
lung (den Aufmarſch) ſicherten, die Überſchreitun
von Defileen (Brüden, Gebirgspäſſe u. f. m.) au
angeſichts des Feindes ermöglichten (die F. als
Brüdentöpfe), die der Armee nötigen Bedürf—
nifje an Lebensmitteln und Kriegämaterial zuver:
läſſig zur Verfügung bielten 223 wich⸗
tige militärtechnifche Anſtalten der Betriebsſtörung
und Staatdeigentum der Befikergreifung durch den
Gegner entzogen und ber geihlagenen Armee den
Ruchug burh Sperrung der wichtigiten Straßen und
Übergänge erleichterten oder jogar Aufnahme in
ihren Wällen gewäbrten,
Mit der Entwidlung des Straßennetzes wurde
die Bedeutung der Marſchſtraßen aber wächt, an
Stelle der Landſtraßen traten die Eifenbahnen,
welche nicht nur einzelne Depotplätze, fondern die
Hilfsquellen des ganzen Landes mit der Feldarmee
in direkte Verbindung bringen. Die Bedeutung der
5. ald Depotpläge ward verringert; es blieb aber
ihr Wert zum Schuß wichtiger militärtechnifcher
Anftalten und der Magazine De Kriegämittel,
welche nur an beitimmten Örtlichleiten berageitellt
und dort gelagert werden können (Waffen, Munis
tion u. ſ. 5 In den Vordergrund trat die Siche⸗
rung der Eiſenbahnen, deren die Armee beim Vor—
marſch in Feindes Land als Verbindungslinien be⸗
darf, und deren Vorenthaltung dem ins eigene Gebiet
eindringenden Gegner die größten Schwierigleiten
verurſacht. Dieſe Sicherung erfolgt am günitigften
an Defildpunkten, und unter diejen am beiten an
großen Strömen, wo die Brüden mit Knotenpunkten
der Eiſenbahnen und mit großen Städten meiſt zu:
jammenfallen und deren Befeitigung den beiden
Zwecken der Sperre und des Brüdentopfes gleich:
jeitig entipricht. Leßterer Jwed läßt, den er
rmeen der Neuzeit entſprechend, nur mit groben
Fortsfeſtungen rechnen, wäbrend Heine F. wohl noch
dazu dienen können, auf Nebenkriegsſheatern die
Aufitellung neuer Truppenkörper zu fihern. Grup:
pen von F. (FeitungssDreiede oder «Bier:
ede) werden namentlich in folder Lage der Armee
als DOperationsbafis dienen können; fie find aber
auch als Hauptjtüspunfte der Landesverteidigung
eihaffen worden und umfallen dann aud Forts:
eitungen,, wie 3. B. das ital. Feitungsviered Ve:
rona⸗Legnago⸗Mantua⸗Peschiera, das ruff. Dreied
Darihau:fwangorod:Breft-Litomst und Paris
mit feinen drei großen Berfhanzten La:
ee Letzterer Name, auch der verlagerfeitung,
rmeefeftung, ward zeitweife irrtümlich allen
Fortäfeftungen beigelegt, Indem man bie Idee damit
verband, daß die Fortlinie das vorbereitete Schlacht-
feld für eine Armee bilden folle. Thatſächlich eriftiert
in Deutſchland nicht eine Feftung, auf welche ſich
diefer Name und dieſe Abficht anwenden ließe. Man
lann aber andere F., 3. B. Langres und die großen
. der Heinen Staaten, Antwerpen, Klopenbagen,
mfterdam, Butareft, fo bezeichnen, erfteres, weil es,
wie mehrere franzöftiche F. tbatiächlich einer Armee
ald Sammelort und Bafispunft dienen foll, auch
einer jolden zur Verteidigung bedarf, die andern,
weil fie beftimmt find, den gefamten Streitträften
der Staaten ald Reduitpunkt zu dienen und ihrer
Mitwirkung zur Verteidigung bedürfen. Derartige
602 Feſtungen
F. find wohl dazu geeignet, auch zum ſtriegsentſchei⸗
dungsfelde zu werben oder jo lange gebalten zu wer:
den, bi das Eingreifen der Bolitit oder befreundeter
Mächte eine Underung der Kriegslage berbeiführt.
Hiermit können die gro:
a Ben Staaten nicht rechnen,
! und ed wird deshalb ver
& Grundſatz feitgebalten, daß
\ die Feldarmee durch die
Not wohl gezwungen wer:
den kann, den Schuß der
Feſtung aufzufucben, dab
he aber deren Schickſal nie⸗
mals mit dem ibrigen ver:
einigen und zur Feſtungs⸗
verteidigerin werden darf,
fondern die erfte mögliche
Gelegenheit benußen muß,
durch eine offenfiv geführte
Schlacht ſich wieder von ihr
zu trennen, Die 5. haben
ihre Aufgabe ji erfüllen,
indem fiebie Feldarmee von
der Sorge um die Sicher:
jtellung wichtiger jtrategis
ſcher Punkte befreien und
ihr volle Bewegungöfrei-
beit verichaffen; je weiter
im allgemeinen voneinan:
der Feſtung und Armee,
deſto mebr dienen fie ein:
ander, Während das deut:
ſche Feſtungsſyſtem dieſen
Grundſätzen entſpricht, iſt
das franzoſiſche unter dem
Geſichtspunkt des direlten
Zuſammenwirkens von F.
und Feldarmeen geſchaffen,
ſteht alſo ganz auf opera⸗
tiver Grundlage, und erſt
neuerdings ſind die großen
‚in .. ortgürtel mit
üdfiht auf minimale Be:
fagungvervolljtändigt,d.b.
die zu großen Lüden ge:
ſchloſſen worden, welche die
Beteiligung Starker mobiler
Iruppenfräfte bei der Ber:
teidigung erforderten.
Irrtumlich hat man aud
angenommen, dab die
. Schlagmweite der. durch
die Erweiterung zu Forts:
feftungen weſentlich zuge:
nommen haben müjje, d. b.
daß die Beſatzung, je größer
ie ſelbſt und die Feſtung
ei, deſto weiter ihre Offen:
ivunternebmungen aus:
dehnen und demnad große
Landftreden beberrichen
lönne. Das frübere franz.
Syſtem war darauf bafiert,
daß die ſchachbrettartig gelegenen F. jeden feindlichen
Vormarſch durch Offenſivſtöße hindern follten. Man
glaubte die F. dadurch entwertet zu jeben, daß man
diefe große Schlagmweite vermißte. Der Gedante
widerſpricht aber der Aufgabe der Feſtungsbeſatzung,
welche jede Unternehmung vermeiden muß, die nicht
dem Zwed der eng dienlich oder gar ge:
fährlic werden kann. Die Belämpfung der feind-
lien Feldarmee ift nicht ihre Sache, fondern die
ber eigenen Feldarmee; fie foll jene aber auf ſich
und den dem Feinde unentbehrlichen Punkt heran:
ziehen und dann in günjtiger Stellung fie betämpfen,
II. In taktifch-tecwifcher Beziehung als An:
lagen ber permanenten Befeftigung (f. Ber
manente Befeftigung). Zur lung der den F.
zufallenden politifch-ftrategifchen Aufgaben (f. L)
müfjen die $ 1) den Ortsbefig bei möglichit ge:
tinger Beſahung egen alle überrajchenden und mit
den Mitteln der Nentigen Feldarmee möglichen
Unternehmungen fihern; 2) dem hierdurch Im Her:
anziehung teäftigerer Mittel gezwungenen Angreifer
gegenüber möglidhit günftige Kampfbedi gen
gewäbren. Der eriten Anforderung entipricht eine
ufammenbängende, den Ort umſchließende Kampf⸗
Heilung (Ummallung) mit jtartem und gut flan-
tiertem Hindernis. Eine ſolche genügte vor —*
rung der gezogenen Geſchutze auch der zweiten An-
—— ‚und die Umwallung wurde mit allen
itteln für die Abwehr des Förmlichen Angriffes
ausgeitattet. Man unterjhied damals nad der
* des Platzes und feiner Beſatung F. erſtet
Klaſſe (Köln, Mainz), zweiter Klaſſe (Neiffe, Glo⸗
gau) und dritter Klaſſe (Saarlouis, Boyen). Man
erachtet jet dieje einfach umwallten x im all:
gemeinen einem Förmlichen A oz mebr ge
wachſen, bezeichnet fie in Deu d als F. mit
Armierung zweiter Ordnung und ftattet fie nur mit
den Mitteln gegen die Unternehmungen der Feld:
armee aus, wobei allerdings r berüdjichtigen ift,
daß auch dieje jetzt befpannte IngerungBacihüße
in bejchräntter u. ih führt. Die F. mit
Armierung erfter Ordnung find im allgemeinen
— — . d) und werden mit Kri
eſatzung und Geſchützarmierung für den hartnädig:
ſten Wiverftand gegen den ——— Angriff (. d.)
ausgeftattet. Sie bieten injofern günftigere Kampf
bedingungen, als die Verteidigung nicht auf eine
dem ;yeinde ein gutes Ziel bietende Walljtellung
beſchränkt ift, jondern das Gelände in gleicher Weile
wie jener audnugen kann, und 2 den wei⸗
tern Vorteil eines gewiffen Schuges der Stadt
gegen Beſchießung. Dieſen abſolut zu erreichen, iſt
nur bei ausländiſchen F. (Antwerpen, Paris) an-
geitrebt worden und bat nur bei Küjtenfeftungen
(j. Küftenbefeitigungen) einen hervorragenden
Die Fortöfeftungen bedürfen natürlich dem ni
—— Umfang entſprechend auch einer ftärlern
abung, welder der Fortgürtel ald Hauptvertei-
—— beſtimmt iſt. Die Stadtumwallung
(Noyau, Kernumwallung) kann deshalb bei
ihnen lediglich mit Rückſicht auf gewaltſame An-
arifie gebaut, viel einfacher geſtaltet und ausgejtattet
werben als bei den F. ohne Forts.
Neben den Fortsfeſtungen 6 db.) und F. mit
einfaher Ummwallung bilden die Sperrforts
(f. d.) eine befondere Klaſſe befeftigter Puntte,
Die Ummwallung wurde nody bis zum neunten
Jahrzehnt des 19. Jahrh. durchweg als Stellung
gegen den Förmlihen Angriff ausgeftattet; neben
den alten Stabtummwallungen findet man alfo aud
bei Fortsfeftungen foldhe nad neuern Grundfähen
gebaute vor (Straßburg). Die einzelnen Seiten
(Fronten) des den Umfang bildenden ——
tönnen nach dem Baſtionierten, Tenaillier—
ten oder Polygonalen Grundriß (f. dieſe Ar
Feſtungen
titel) angeordnet werden. Bei neuern F. (auch in
Frankreich feit 1870) fommt faft nur der legtere zur
Anwendung; bloß bei * räben kann der baſtio⸗
nierte Vorteile bieten. Die Länge der Fronten be:
ftimmt fih nad ber der Defenslinien (f. d.),
welche beim Bolygonalen Grundriß beiderfeits der
Hauptgrabentaponniere gemejlen werden. Im übris
gen wird die Front derartig gegliedert, daß (meift in
den Brucpuntten) überböhende und beberrichende
Stützpunkte (Kavaliere) gewonnen merden; die
Stärke der einzelnen Front wird der Wahrſchein—
lichleit de3 zu erwartenden Angriff auf
fie, worauf dad Vorfeld von größten
Einfluß ift, angepaßt. Die Haupt:
[ronten oder fog. wahrſcheinlichen
ngrifföfronten erbalten die in Artikel Wall (f. d.) —
erläuterten gie und Einrichtungen bes
Malld und eine reihlihe Ausjtattung mit Hohl:
räumen und Traverſen; die dem Angriff durch
— — des Vorfeldes u. dgl. entzogenen
Nebenfronten können mit 6 m Bruftwehrjtärle
und beideidenerer Ausftattung gebaut werden.
Durchweg ift aber ein ftarles Fronthindernis erfor:
derlich und wird bes:
balb dem Hauptgraben
meift noch ein flacher
re binzuges
fügt, defjen Sohle, mit
Hindernifien bededt, in
der Rafante bes Walles
liegt. Im Graben wird
neuerdings die Hinderniämauer am Fuß der Es—
larpe durch ein Hinbernisgitter erfeht und die Kon—
tereslarpenmauer durch ein ſolches verftärkt, bie
Flanklierung von der Eskarpe aud in die Konter:
eslarpe durch Anordnung von Reverdlaponnieren
verlegt, da die Eslarpenkaponnieren zu leicht zu zer»
ftören find. Fig. 1—4 zeigen eine Hauptfront der
Stabtummwallung nad deutihem Syſtem vor Ein:
führung der Brifanzgranaten, ohne Berüdfihtigung
der ſeitdem not⸗ —
wendig gewor · urp
denen Berän:
De endet
ig. 1 bebeutet
a — b
Rampe, c ge
Sohle
mauerte
räume; Fig. 2 ift der Querſchnitt AB, Fig. 3: CD,
dis 5: der Fig. 1; in Fig. 4 kommt aud die
norbnung eines Niederwalles zur Anfhauung.
Auch die Feitung mit einfaher Ummallung kann
durd einzelne vorgeſchobene und mehr oder weniger
felbftändige Werte (Forts) auf den Fronten verftärft
IH welche nad Lage der Örtlichleit am meiften ge:
Ahrdet find; immer behält die Ummallung den Cha⸗
ralter der Hauptlampfitellung. Bei den Fortsfeſtun⸗
gen verliert fie diefen, und man glaubt deshalb ſich
neuerdings mit einer viel einfadhern Geftalt der
Kernummallung begnügen und dort, wo das Wachs⸗
tum der Stabt eine Ermeiterung notwendig macht,
eine ſolche anwenden zu fönnen. Man bildet fie aus
Wallgang
“ununnsians
....
...
— * — ·· —
— r nn hen nn anne
ar *
4 %
EN er,
603
einzelnen felbftändigen Werken und langen Berbin:
dungslinien; jene follen ald Stüßpunlte dienen und
die langen Linien kräftig beftreihen, erhalten aljo
meift ven Charalter Heiner Infanteriefort3 mit Tra⸗
vitorlafematten, leßtere werben durch ſchwache Erd:
mwälle mit vorliegendem permanentem oder wohl
aud zu improvifierendem Hindernis gebildet. Die
chwere Artillerie fteht auf bez. hinter den langen
inien, wenn nicht örtliche Verhältniſſe zur Auf:
ftellung (und dann aud Panzerung) in den Stük
punlten zwingen,
en
.n......
...
...
—
—
**2
Neuerdings iſt vielfach die Anſicht hervorgetreten,
daß eine Fortsfeſtung der Stadtumwallung ganz
entbehren tönne. Dagegen iſt geltend zu machen,
daß die Stadt für die Verteidiger der Fortslinie
die ftrategifche Bafis, das Depot all ihrer Hilfs:
mittel bildet und deshalb einer Sicherung bedarf;
ein Durchbruch des Fortgürtelö ift immerhin dent:
bar und würde eine puren Stadt gefährven,
biermit leicht das Schidfal der Feltung ent:
ren 15 jcheiden, zumal leicht Panik entjteht, wenn
Pig. 3. NE:
bie Einwohner fih ungeibüst und bie Freie en
des Fortgürteld ſich im Rüden bedroht fehen. Die
ummallte Stadt bildet eine ftarte Nejerve des Gür:
teld und verdoppelt damit dejien Stärle. Nur mo
thatfähli ein Stabtihug hinter dem Fortgürtel
im Gelände vorhanden ift, wie bei Kopenhagen in
einem breiten Inundationsgurtel, kann diejer wohl
die Ummallung erſetzen.
Der Entwurf von Feitungs: und andern Militär:
— — — on.
— —
* er
—
11 —
.
1:1}
144
11:
N a Dr
bauten und die Leitung der Bauausführung liegt
im Deutihen Reiche dem Ingenieurkorps (f. d.) ob,
deſſen Generaldireltion aud die F. unterfteben. In
Oſierreich und Frankreich unterfteht die Verwaltung
des artilleriftiihen und Geniemateriald der F. der
Artilleriedireltion und Geniedireltion. ,
III. ee Entwicklung. Befeſtigungs⸗
art und — find vom Kulturzuſtande
der Volker abhängig und fteigern fi fortwährend
604
gegenfeitig. Einen einfchneidenden Wendepunkt
bildet in diefer Beziebung, wie überhaupt in allen
triegerifhen Berbältnifjen, die Einführung des
Schießpulvers als treibende Kraft der Fernwaffen.
Eolange der Angreifer zur Zerftörung von Befefti-
gungen auf die unmittelbare Stoßkraft (alle nad
rt des Sturmbods fonjtruierten Maſchinen) und
auf die auf der Elafticität berubende Schleuderfraft
(alle nah Art des Bogens konſtruierten größern
oder kleinern Mafchinen) bejchräntt war, beitanden
die Befeftigungen mwejentlih aus Mauerwerk, und
ihre Stärle wurde fait ausjhließlih in der An:
orbnung ihres Aufriſſes gt der Grundriß
rar d gut wie gar feine Rolle. In diefem Sinne
ind die Städtebefejtigungen des Altertums
und des Mittelalter3 ausgeführt: bobe ſtarke
Mauern mit Aufitellung des Verteidigers auf der
Mauerkrone und in den die Mauer überragenden
und beberrjhenden Türmen. Mit der Erfindung des
Schiekpulvers und der Feuerwaffen trat eine mejent:
lihe Ünderung im Kampfe um Befeitigungen ein.
Dur die Pulvergeihüse war es dem Angreifer
möglich, die ungededten Feltungsmauern aus der
Ferne zu zerjtören, während der Verteidiger weder
die ſchmale Mauerkrone noch die engen Türme zur
Geihüsaufitellung benugen konnte. Die Einrid:
tung der ——— Geſchützverteidigung batte
daher zunächſt eine Verbreiterung des Aufſtellungs⸗
raumes und eine Vergrößerung der Türme zur
Folge. Man legte nun entweder vor oder hinter
die Mauer einen Erbmwall mit Bruftwebr und Wall:
gang, der die gebörige Breite zur Gefhügaufftellung
ot; im erjten Fall diente die Mauer als Abſchnitt,
im —— gab ſie dem Walle die Sturmfreiheit.
Bei Neuanlagen ſtellte man die vorwärts des Walles
liegende Mauer auf die Sohle eines breiten und
tiefen Grabens, wodurch ihre untere Hälfte dem
direkten Schuß des Angreifers entzogen wurde. Die
Türme wurden geräumiger gebaut; es entitand an
ibrer Stelle die vorn balbrunde, binten vieredige
Baftei, die jo weit in den Graben vorfprang, daf;
fie diejen flankieren konnte.
Mit dem Ausgange des 15. Jahrh. entwidelte
Wi in Italien (aus Anlaß der in diefem Lande ge:
übrten fast unaufbörlichen Kriege) ein Befeftigungs:
vitem, welches in Fortbildung der bisherigen An:
orbnungen die Anfänge der baftionierten Be:
Flhigune darſtellte und als Altitalieniſche
efeſtigungsmanier (! d.) bezeichnet wird.
Die Formen diejer Befeitigung verbreiteten fi
unter dem Einflufje der diterr.:fpan. Herrſchaft durch
die erfahrenen ital. Kriegsbaumeifter über ganz
Europa. Aus der altitalienifchen entwidelte fih um
die Mitte des 16. Jahrh. die Neuitalieniſche
Befeitigungdmanier (f. d.), die die Fronten ver:
kürzte und die immer mehr vergrößerten Baftione
zu den Hauptpofitionen des Verteidigers machte,
In den Niederlanden entitand während des
Unabbängigteitsfampfes dieſes Landes gegen die
Spanier ın der Po Hälfte des 16. Jahrh. die
durh Maflergräben, Erdwälle obne Mauerbellei:
dung und zablreiche J—— gelennzeichnete
Niederländifche Befeitigungsmanier (f. d.)
und ward in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. durch
Coehoorns Befeltigungsmanier (j. d.), bie
großen Mert auf tbätige und —— Vertei⸗
digung legte, weiter entwidelt und vervolllommnet.
Deutichland bildete ſich, wenigſtens in ber
Praris, feine einheitliche Befeftigungämanier ber:
Feſtungen
aus; die deutſchen an rege des 16. und
17; Sabrb. braten jum Zeil ganz moderne Grund:
fäge auf der Baſis der polygonalen Grundrißform
zum Vorſchlag (Deutſche Befeftigungsma:
nier, ſ. d.); aber die innere Zerrifienbeit Deutich:
lands ſowie die Sucht, alles Fremde beſſer zu fin:
den, ließen die Anfichten diefer Männer nicht auf:
fommen. — Die beiden Landsbergs (Mitte des
17. und Mitte des 18. Jabrh.) bildeten den Tenail:
lierten Grundriß (f. d.) aus, und in Preußen
entwidelte fih, namentlih unter der Einwirkung
Friedrichs d. Gr., im 18. Jahrh. die fog. Alt:
preußiſche Befeftigungsmanier (j. d.).
In Frankreich entftand im Laufe des 17. Jabrb.,
aus der Neuitalienifchen bervorgebend, die yranzd:
665 Befeftigungsmanier (j. d.), die den Ba:
tionierten —— (. d) weiter ausarbeitete und,
von Bauban auf einfache Formen und Principien zu:
rüdgeführt, von feinen Nachfolgern (Cormontaigne)
aber immer mebr verfünftelt wurde. Gegen die mweit
verbreitete franz. Manier erhob fih gegen Ende des
18. Jahrh. ein lebbafter Widerſpruch, indem Monta:
lembert ein mitzahlreihen Hohlbauten ausgerüftetes
Tenaillenſyſtem (f. Montalemberts Befeiti:
ungsmanier) und Garnot eine auf mehr aktive
übrung der Berteidigung berechnete Anordnung
des Aufriffes vorſchlug Ju Carnots Befeſti—
ungsmanier). In Frankreich ſelbſt, das am
aſtionierten Grundriß feſthielt und nur unbedeu⸗
tende Underungen der franz. Manier zuließ, fanden
die Vorjhläge Montalembert3 und Garnots keine
Beachtung, dagegen bildeten fie die Grundlage der
in Deutſchland nad 1815 ſich enhwideinben Ron
preußiiben Befejtigungsmanier (if. d.).
Das Auftreten der gezogenen Geſchüte (Anfang
ber zweiten Hälfte des 19. Jahrh.) bezeichnet auch für
die Befeftigung einen epochemachenden Abicnitt.
Solange die genen ber mit dem beichränften
Wirkungskreis und der Treffficherbeit der glatten
Gefhüse und ihrer geringen Befähigung zum in:
direlten Schuß zu —*— hatte, beſaß das neu:
reuß. Syſtem große Vorzüge; dem gezogenen Ge:
büß gegenüber konnten die Anordnungen dieſes
— nicht mehr als genügend ——
fähig erachtet werden. Dies führte zu umfaſſenden
Underungen, die in der zur Zeit maßgebenden
Preußiſch-deutſchen Befejtigungsmanier
(j. d.) zum Ausdrud kamen, Aber aud diefe Ma:
nier, welche bejtrebt war, der großen Schußmeite,
ne Le Ang Durdiclagstraft und Spreng-
wirfung der gezogenen Gerhüpe nah Möglichkeit
Rechnung zu tragen, jab * den allerneueſten
ortſchritten auf artilleriſtiſchem Gebiet (ſchwere
— oſſe mit briſanter Sprenglabung) gegen:
über feit 1886 zu mebrfahen Anderungen ner
Anordnungen genötigt; man mußte unter ⸗
behaltung der Grundformen der Manier zu andern
Baumitteln und Konjtruftionen greifen, um den
in Bezug auf die Dedung geiteigerten Anforberun:
gen gerecht werben zu können. — Über die Eher
anlagen der einzelnen Länder ſ. Deutiches Feſtungs⸗
fuftem, * eſtungsſyſtem, Großbritan⸗
niſches Heerweſen II, Italieniſches Fe soſyſtem,
Maasbefeſtigungen, Niederländiiches Feſtungsſy⸗
ſtem, Oſterreichiſch- Ungariſches Feſtungsſyſtem,
Ruſſiſches Heerweſen I, XU, Schweizeriſches Heer:
weſen, Spaniſches Heerweſen.
IV. Ya ſtaatsrechtlicher Beziehung. Die Be:
fugnis zur Anlage von F. fteht nur dem jouveränen
Feſtungsartillerie — Feſtungskrieg
Staatsoberhaupt, im Deutſchen Reiche, ausge—
nommen Bayern, ausſchließlich dem Kaiſer zu. Er
ernennt auch die Feſtungskommandanten.
V. Das Feſtungsperſonal umfaßt alle Kom—
mando⸗ und Verwaltungsbehörden einer Feſtung
im Krieg und Frieden. An der Spiße ſteht in einer
roßen Fortsfeſtung der Gouverneur (f. d.) mit dem
ouvernementsftab, ihm direkt unterftellt ift der
Kommandant (j.d.) und Blakmajor (f. d.) jowie die
Chefs der einzelnen Verwaltungszweige: der In—
genieur: und Artillerieoffizier vom Pla, melde
mit Hilfe des ihnen unteritellten Perſonals der
Fortifitation (f. d.) einerfeit3, des Artillerievepots
anderjeit3 die Verteidigung des Platzes im Frieden
vorzubereiten, im Kriege jih an der Leitung der
Verteidigung im Rahmen ihres Dienftbereichs zu be:
teiligen — die Intendantur mit den ihr unter:
jtellten Beamten des Garnifonbaumejens, der Gar:
nijonverwaltung, des Proviantamtes, welche für
Unterkunft und alle Bebürfnifje der Garnijon zu
forgen haben; der Garnifonarzt, welcher die militä:
— — — und fanitätöpolizeilihen Verhält⸗
nifje zu überwahen hat; die Militärjuftizbeamten
zur Beſetzung der Kriegsgerichte, der Garnifon:
pfarrer. In Heinern F. tritt der Kommandant an
Stelle des Gouverneurs; damit entfällt auch der
Gouvernementäftab und beichränten ſich die Ver:
waltungsbehörden. — Berichte über das Feſtungs—
wejen finden ſich in von Löbells «Jahresberichten
über die Beränderungen und Fortſchritte im Militär:
weien» (Berl. 1876 fg.). Weitere Litteratur ſ. Ber:
manente Dejeitigung
ne artillerie, ſowohl derjenige Zweig der
Artillerie (}. d.), dem die Handhabung der Belage:
rungs: wie der Feſtungsgeſchütze obliegt, in Deutich:
fand jest Sußartillerie genannt, als aud) das be:
eichnete Öe hüsgmaterial jelbjt, welches urfprüng:
ich für den Feſtungskrieg beftimmt tft, neuerdings
aber alö ſchwere Artillerie des Feldheers
oder unter anderm Namen auch einen Beitanbteil
der Feldarmee in allen größern Staaten bildet und
damıt aus der Gefamtbeit der F. ausſcheidet ald
Zwiſchenglied zwifchen ihr und —————
gobau, j. Permanente Befeftigung.
Sbaugefangenichaft, ſ. Kettenitrafe.
gebanoffiziere, ſ. Feſtungsbauſchulen.
ugsbauſchulen, zu Charloitenburg (bis
1897 zu Berlin) und Ingolſtadt (feit 1898), bilden
in zweijährigem Kurſus aus PBionierunteroffizieren
das geſamte technifche Bureau: und Bauperjonal
der deutſchen Feſtungen aus: Feftungsbauoffi:
ziere (Feſtungsbauhauptleute, »Dberleutnants
und :2eutnants), die bei gemeinfamem Dienft immer
dienftjünger find als ngenieuroffiziere gleichen
Grades, Feitungsbaufeldmwebel, Feftungs:
bauoffizieranmärter (vor dem Befuch der 8),
Der Bejuc der F. verpflichtet zu vierjäbriaem Dienft
nad Erledigung der Prüfung. Die Wallmeifter
werden auf der Mallmeifterichule in Straßburg
i. E. in 10monatlihem Lehrgang ausgebildet und
können nad 25jäbriger vorwurfäfreier Dienftzeit
zu Dbermwallmeijtern ernannt werben.
gedreied, j. Feitungen.
Sgefchüütge oder Defenſionsgeſchutze,
hüse, die zur Armierung der Feſtungen die:
nen; jie umfafjen lange 12cm: und 15cm:fanonen
als Hauptfernfampfgeihüße (mit großer Shrapnell:
wirkung), hurze 15cm: und 2icm:Sanonen (Hau:
biken) für den indirelten Shuf und Mörjer von
605
15 cm, 21 cm und größerm Kaliber zur Husnukung
der Dlinenwirtung. Der Grabenbeitreibung, Wir:
fung ins nächſte Vorfeld und Unterjtüsung der In—
—— dienen Mitrailleufen, Schnellfeuer: und
evolverlanonen. Neben neuen Geihüsen pflent
man meijt auch veraltetes Material der Feſtungs—
und Belagerungsartillerie zu verwerten. die ealer
tierung ber 7. iſt zum Kae Teil mit der der Be:
lagerungs:, zum geringern mit der der yeldartillerie
übereinjtimmend; 5. in Kaſematten und in Banzer:
ftänden bedingen eine bejondere Lajettierung. (S.
Geihüs, Panzerbrehtürme und Lafette.)
_ Yeltungshaft (in vielen andern Strafgejeken
Seltungsitrafe, im Oſterr. Strafgefeßentwurf
von 1889 Staatsgefängnis), im Deutſchen
Strafgeſetzbuch Bezeihnung derjenigen Art der
Freiheitsſtrafen (f. d.), die in Freibeitsentziehung
mit Beaufjichtigung der eihäftigung und me
weiſe der Gefangenen beſteht. liber die Art der
Beauffihtigung jagt das Geſetz nichts, das ift dem
Reichsſtrafvollzugsgeſetz überlaſſen, und da es an
einem ſolchen bis jest fehlt (f. Strafvollzug), der par:
titulären Gejeggebung. Der Mangel des Arbeits:
zwanges unterjcheidet die 5. von Zuchthausſtrafe
8 und Gefängnisſtrafe (ſ. d.). Mit der Haftſtrafe
(1. d.) hat E das gemein, daß fie feine entehrende
Strafe ijt (bei wahlweifer Androhung von Zuchthaus
und F. darf auf Zuchthaus nur erfannt werden, wenn
die jtrafbare Handlung aus einer ehrloſen Geſin—
nung entjprungen ift), he unterjcheidet ſich aber von
ver Haftjtrafe dadurch, daß fie die fchwerere, auf
Berbrehen und Bergeben angedrobte Strafe ift.
Die F. iſt eine lebenslängliche oder zeitige; Höchſt—
betrag 15 Jahre, Mindeſtbetrag 1 Tag. Als aus:
hließliche Strafe lommt die F. nur vor beim Zwei:
ampf (j. d.) und bei bochverräterifchen Unterneb:
mungen gegen befreundete Staaten, foweit dieje
überbaupt jtrafbar jind. Meijt ift fie wahlweiſe
neben Zudtbaus und Selingeis angebrobt, jo bei
Hoch- und Landesverrat, Majejtätsbeleidigung,
Sprengung von — Verſammlungen und
Nötigung von Abgeordneten zur Stimmabgabe.
Die 5. wird in Feitungen oder andern dazu bejtimm:
ten Räumen vollzogen, Andere Räume werden
regelmäßig nur dann benußt werden, wenn e3 jich
um ganz kurze Strafen oder etwa um eine gegen
eine Frauensperſon zu vollitredende 5. handelt.
Ein von den Örundjägen des Reichsſtrafgeſetz
buchs wejentlih abweichender Strafvollzug findet
bei der F. des Signale nahe yes nicht ftatt; nur
bat die gejeglich zugelafiene Beſchäftigung der Ge:
angenen zu milıtär. Zwecken und unter militär.
ufjicht jtattzufinden.
ftungdinfpeftion, ſ. Ingenieurinipettion.
eſtungskrieg, Gejamtbezeihnung für alle um
den Befik von Ar ein geführten Kämpfe und ge:
trofienen Maßnahmen. In den Beſitz einer Zeitung
I t jih der Angreifer entweder durch Einſchlie—
ung, die ſchließlich durch moraliſche Einwirkung,
namentlich aber durch Aushungern zur Übergabe des
Plapes führen kann, oder durch wirklichen An:
ri er zu ſehen. In legterm Falle muß der Angreifer
I zunädjt zum Herrn des Vorgeländes machen, ji
dann den Werfen näbern, die Berteidigungs: und
Hindernismittel der Feitung zerjtören oder ander:
weitig überwinden und jchließlih in die Umfajjung
der Feitung mit ftürmender Hand eindringen. Die
Annäherung des Angreifers fann gededt oder un:
gededt ausgeführt werden. Die ungededte An:
606
Feſtungskrieg
näherung iſt dem Üüberfall (f. d.) und dem Ge: ! aufgehängt war. Beim‘; ea Angriff wurde in
waltjamen er
Förmlichen Angriff (f. d.) eigentümlich.
Den Verteidigungsmitteln der Feſtung entipre:
hend verlangt der F. auch vom Angreifer die Aus:
rüftung mit ftärtern Kampfmitteln und fie bevienen:
den Truppen (Belagerungstrain, Feltungsartillerie
und Feitungspioniere).
Geſchichtliches. Die gefhichtliche Entwidlung
weiſt drei große —e— auf: 1) die Zeit
des Altertums und Mittelalters bis zur ——
der Pulvergeſchütze; 2) die ei der glatten Gejchüße
bis zur Mitte des 19. Jahrh.; 8) die Zeit der ge
Pe Gefüge, die Gegenwart. Die für die erften
are ragen entworfenen Angriffstheorien
find in zabllofen mehr oder weniger volllommen
durchgeführten Beifpielen praltiſch erprobt worden;
die neuere Theorie des %., durch die lekten Kriege
zwar gefördert, hat noch feinen Abſchluß erreicht.
Im Altertum kommen bei den Griechen in der
voralerandrinifchen Zeit beſonders Einſchließung
und fiberfall zur Anwendung, leßterer meift mit
bejondern Kriegsliften oder mit Verräterei im In—
nern ber Feitung verbunden. Mußte man zur förm⸗
lihen Belagerung fchreiten, jo ſchloß man den Plas
mit einer (aus Mauerwerk oder nur Baliffadierung
oder nur Erdwall und Graben beftehenven) Kontra⸗
vallationslinie ein und ficherte fih häufig aud gegen
von außen kommende Entſaßverſuche Durch eine ähn:
liche Linie. Die eigentliche Belagerung zerfiel in die
Herftellung eines Jugen e3 zur Feſtung und in den
Sturm. Um eine Sturmlüde in der Ringmauer ber:
uftellen, bediente man fich entweder des Sturm:
od3 und ähnliher Maſchinen, die gg" are oder
beweglihen Schugdähern gegen die Mauern in
Thätigleit gefet wurden, oder man drang mittels
eines unterirdiichen Ganges bis unter die Mauer
vor, untergrub diefe in einer gemwiflen Breite und
ftüßte fie dabei zunächſt durch Hölzer, an die man
jpäter Feuer legte, jo daß die Mauer, der Unter:
ftüsung beraubt, einſtürzte. Ein anderes Angriffs:
mittel, um die Sturmfreiheit der Mauer zu über:
winden, bildete der Hochbau, der entweder in einem
Erddamm oder in hölzernen MWandeltürmen on.
Der Erddamm wurde in einer anfehnlichen Breite
außerbalb ver Shußmweite der Verteidigungsmaſchi⸗
nen angeſchüttet und dann gegen ven Plaß zu all:
mäblich verlängert und erböbt, bis er ver Mauer an
Höbegleichlam ;über die Krone dieſes Dammes wurde
dannder Sturmausgeführt. Die Verteidigung fuchte
durch Ausfälle und Geſchoſſe —— inen die
feindlichen Arbeiten zu ftören, die Anndherungs⸗
arbeiten durch Erhöhung an der betreffenden Stelle
unjhäplich zu maden und die hölzernen Dedungen
durch Feuer zu zerftören; dem unterirdifchen Angriff
trat der Verteidiger mit Gegenminen entgegen, was
bisweilen zu erbitterten Kämpfen unter der Erbe
führte. Die Hilfsmittel des — s wie der Ver:
teibigung erfuhren unter ven Nachfolgern Aleran:
ders d. Gr. eine außerordentliche VBervolllommnung;
in Bezug auf Angriffsmittel und Angriffsverfahren
or befonder8DdemetriusBoliorletes(«derStädte:
elagerer») einen hervorragenden Namen erworben.
Die Römer wien in ihrem Angrifföverfabren
nicht mwefentlih von dem der Griehen ab. Die
Kontravallationslinie wurde durch Kaftelle ver:
ftärkt. Zum gemaltfamen Angriff diente entweder
die Leitererfteigung oder die Breſchhütte, d. h. ein
bewegliches Schutzdach, unter dem der Sturmbod |
(f. d.), die gededte dem
der oben beichriebenen Art der Damm an die Mauer
berangeführt. Die MWandeltürme benußte man zu
> Zeit lediglich ala wandelnde Batterien zum
Schuß ded3 Dammbaues; zur Sicherung ihrer rüd:
wärtigen — wurde aus Holz und Strauch⸗
werk eine Art gededter Laufgänge hergeſtellt. Zu
den Mitteln der Verteidigung tritt in ſpäterer Zeit
der Feuerpfeil aan und das Griechiſche Feuer.
Im Mittelalter wurden Dedungdmittel und
Stoßzeug der Alten im allgemeinen beibehalten,
das Wurfzeug (Antwerk, ſ. d.) berubt auf andern
Principien; die Belagerungstunft als ſolche machte
entſchiedene Rüdichritte.
ie Erfindung des Schießpulvers und
feine Benusung zu Kriegszweden bradte einen
ründlihen Umſchwung in den Mitteln des J.
erbor, der fich zunächft bei dem Alngrifföver:
—— geltend machte. An die Stelle der hölzernen
Innäberung3: und Deckungsmittel traten die Lauf:
räben oder Trancheen. Indem man diefe vervoll:
ommnete, entftanden nah und nah Parallelen,
pin ra 4 und Annäberungsmwege. Der
Angreifer begnügte ſich anfänglich mit einer etwa
250 m von ber gefung entfernten Parallele, in der
die Batterien aufgeftellt wurden. Bon da aud
ingen die Annäberungswege zuerft jchlangen:
drmig, jpäter zidzadförmig vor und erhielten zum
Schu gegen usfälle in gewiſſen Abftänden ge
—* ene Schanzen. Die per Stellung —
ildete dann ſchon die Glaciskrönung. Die Aus:
führung der Erdarbeiten zur Heritellung der Lauf:
räben murde im allgemeinen mit dem Namen
appe bezeichnet, wobei man die verjchiedenen For:
men der flüchtigen, völligen und bevedten Sappe
unterfchied. Der Krtillerieangriff der damaligen
zei brauchte nur wer Demontier:, Konter: und
— — eidenin der Blaciströnung).
Zur möglichſt be chenden on der De:
montierbatterien baute man oft ſehr hohe Tranchee:
ſtavaliere. Statt der Untergrabung der Mauer end—
lih wurde (feit 1500) die Pulvermine angewendet,
was allmählich zu einer ſyſtematiſchen Entwidlung
des Minentrieges führte, da aud der Belagerte die
Vorteile der Minenwirkung ſich nutzbar zu maden
trachtete. Auf dem geſchilderten Standpuntte blieb
ber 5. bis gegen Ende des 17. Jahrh., um melde
Bent der franz. Ingenieurgeneral Vauban (über
eine Thätigkeit ala Feſtungsbaumeiſter ſ. Baſtio—
nierter Grundriß), geſtützt auf ſeine umfaſſenden
Erfahrungen Lier bat 53 Belagerungen geleitet), vem
Förmlihen Angriff diejenige ſyſtematiſche —
gab, welche diefer bis 1870 bebalten bat. Durch
nmwendung zufammenbängender nfanteriepofi-
tionen (Parallelen) und Einführun de3 die ange:
riffene Linie der Pänge nach beitreichenden Ri—
oſchettſchuſſes ſicherte er dem Angriff —
eit eine unverlennbare Überlegenheit über die
erteibigung. Gewöhnlich legte Vauban drei durch
Annäbherungs: und Verbindungswege untereinan:
der verbundene Parallelen an und errichtete in der
RN Demontier-, Enfilier:, Riloſchett⸗
und —* in der zweiten und dritten
zus urfbatterien, in der Glaciäfrönung
onter: und Brejchebatterien. Über dienäbern An:
orbnungen des Vaubanſchen Angriffs j. Förmlicher
Angriff. Die Engländer juchten 1812, 1813 und
1815 mit der ſog. Artilleriebelagerung oder
Schnellbelagerung ſchneller zum Ziele zu kom:
Feſtungslazarett — Feſtungsmanöver
men, indem fie beim Angriff jpan., franz. und holländ.
Feſtungen, obne wejentlih die Feitungsartillerie
zu befämpfen, von weitem Breſche ſchoſſen und (oft
erfolglos) ftürmten. Dem Baubanjhen Angriff
gegenüber juchte der Verteidiger zunäcft den Bau
der erjten Parallele und der zugehörigen Batterien
durch überlegenes Gefchüßfeuer zu hindern; mußten
feine Gejchüge ſchweigen, jo wurde das Vorjchreiten
der Zaufgräben durch majlenbaftes Gemwebrfeuer,
Heine Ausfälle und Minen verhindert, jpäter aber
die Brejche zäb verteidigt.
Die Einführung der gezogenen Gejhüße um die
Mitte des 19. Jahrh. brachte in den bis dahin
gültigen Grundfäßen des Feitungsbaues eine voll:
fommene Ummälzung bervor und mußte natur:
gemäß auch eine volljtändige Umgeſtaltung des
Angrifjsverfahrens zur Folge haben. Die Grund:
jäße, welche vemgemäß für den neuern förmlichen
Feftungsangriff aufgeltellt find, haben eine praf:
tifche Erprobung noch nicht erfahren, weshalb über
verſchiedene Punkte die Anfichten noch fehr ausein-
andergeben. m allgemeinen wird man bei dem
neuern Förmlichen Angriff verſuchen: den Gegner
aus dem Gelände vor jeinen Werten auf diele zu:
rüdzutreiben und das eroberte Gelände durch ver:
teidigungsfähige Dedungen zu fihern, durch die
Wirkung ſchwerer Gejhüse die Streitkräfte und
Streitmittel des Gegners planmäßig niederzu:
tämpfen, und fchließlich nach Zerjtörung ver Sturm:
freibeit und der Flankierungsanlagen jtürmend
in die Werte einzubringen. Der Förmliche Angriff
aliedert ſich demnach in den Fern: und Nah:
angriff. Der erjtere foll das Feſtſeßen der In—
fanterie in dem zur Durchführung des Angriffs un:
entbebrlichen Gelände unterjtügen und die Kampf:
mittel des Gegners (Geſchütze und ihre Dedungen,
Hohlräume, Wälle, Sturmfreibeit der Gräben) ver:
nichten, um den Nabangriff, d. b. das Durd:
fchreiten des unmittelbar vor den Werten im wirf:
jamen Gewebrfeuer liegenden Teils des Angrifis:
feldes und dann den Sturm zu ermöglichen. Hat
die Feſtung geringe Ausdehnung und wenig Hohl:
räume, jo fann bon der Fernangriff ald Bom:
bardement die Übergabe des Plaßzes nah ſich
sieben. Gegen kleinere geftungen mit mangelbaften
Berteidigungsanlagen oder ſchwachen Bejagungen,
oder gegen einzelne abgejondert gelegene Werte,
die feine äußern Nejerwen haben, kann der abge:
türzte Angriff angemenbet werben, indem man
von vornherein möglichjt nahe an die Werte beran:
gebt, den Verteidiger durch überwältiaendes Feuer
aus dem Vorgelände und vom ofienen Wall ver:
treibt und den Sturm aus größerer Entfernung
über das freie Feld hinweg unternimmt, ohne vor:
ber die Sturmfreibeit (Flanktierungsanlagen) ver:
nichtet zu haben. — Obwohl die von den deutſchen
Truppen in den neuejten Striegen ausgeführten Be:
lagerungen der Form nah noch in Baubanicher
Manier geführt wurden, machten ſich dabei durch
die Verwendung der gezogenen Geſchütze doch ver:
jhiedene Momente geltend, die eine neue Geital-
tung des F. einleiteten. Während Toul, Dieden-
bofen und Neubreifady Beifpiele eines erfolgreichen
Bombardements, Mes und Paris die einer zur
Übergabe führenden Einſchließung bieten, führte
das Bombardement Straßburgs nicht zum Hirt
ver gegen dieſes wie gegen Belfort durchgeführte
Formliche Angriff, im allgemeinen noch auf Bau:
bans Princiyien bafirt, zeigte bereits weſentliche
607
Abweihungen und gab lehrreiche Fingerzeige na—
mentlich für eine andere Verwendung der Artillerie,
Litteratur. Bauban, Traite de l’attaque et
de la defense des places (2 Bde., Haag 1737; Leid.
1740; deutſch, 2 Bde., Berl. 1744; Überjekung von
Glair, ebd. 1770); derſ., Trait& de la döfense des
places (Par. 1769; bg. von Valaze, ebd. 1829);
de B. (Bousmard), Essai general de fortification,
d’attaque et de döfense des places (4 Bde, mit
Atlas, Berl. 1798 —1803 u. d.; deutſch von Kos:
mann, 2 Bde., Hof 1805); derj., Memorial de
Cormontaigne pour l’attaque des places etc.
(Berl. 1803); Carnot, Anweifung zur Verteidigung
der Feſtungen (nad der 3. Aufl. des Franzöſiſchen
übertept von Brejiendorf, Stuttg. 1820); Aiter,
Die Lehre vom F. Niederer Teil (Dresp. 1835);
von Rüjtow, Die Lehre von neuern —* (2 Bde. Lpz.
1860); Brialmont, Etudes sur la defense des Etats
et sur la fortification (3 Bde. und Atlas, Brüfj.
1864); derf., La defense des Etats et les camps
retranches (Par. 1876); verf., La defense des
Etats et la fortification & la fin du 19° siecle
(ebd. 1895); von Prittwig und Gaffron, Lehrbuch
der Befeitigungstunft und des F. (Berl. 1865);
von Bonin, Feitungen und Taklik des %. in ber
Gegenwart (ebd. 1878); derj., Die Lehre vom F.
(ebd. 1881); Wolf, Der F. in feinen Grundzügen
(Köln 1879—80); Jähns, Geſchichte des Kriegs:
weſens (mit Atlas, Lpz. 1880); (Anonym) Studie
über den F. (2 Tie., Berl. 1880—81); von Sauer,
Beiträge zur Taktik des F. (ebd. 1882); derf,, Über
Angrik und Verteivigung feiter Pläße (2. Aufl., Lpz.
1898); 9. Müller, Geihichte des F. feit allgemeiner
Einführung der Feuerwaffen (2. Aufl., Berl. 1892);
von Leithner, Die beitändige Befeftigung und der
5. (3 Bde., Wien 1894— 99); Nollinger, Bor:
träge über F. (ebd. 1895; 3. Aufl. 1899); €. Eng:
mann, Die Verteidigung neuerer jungen (deutich
von Gremat, Berl. 1898); von Rehm, Principien
des Feſtungsangriffs (Wien 1898); Deguije, At-
taque et defense des — (Brüff. 1898); von
Brunner, Der F. (8. Aufl., Wien 1899); Sta:
venhagen, Grundrik des F. (Sondersb. 1901);
Frobenius, Kriegsgefhichtlihe Beiſpiele des %.
(Berl. 1899f9.); Krebs, Kriegsgeſchichtliche Beifpiele
der felobefeitigung und des F. (3. Aufl., ebd. 1901);
Smetal, Der Angriff im F. (Wien 1902).
Feftungslazarett. Bei einer Mobilmahung
oder bei NAusrüjtung einer Feſtung erhalten alle in
derjelben und in den Forts vorhandenen oder neu
einzurichtenden Lazarette der Militärverwaltung
den Namen F. Leiter derjelben ift der Garnijonarzt,
der für ihre Ausjtattung mit geſchultem Perſonal
und mit Material zu ſorgen hat. Letzteres wird dem
nt: entnommen, das den
ebarf für 200 Krante auf 3 Monate entbält. Das
. dient grundſätzlich ausſchließlich zur Bilege der
erwundeten und Kranken aus der Feſtung, nur
ausnabmsiweife für jolhe vom Kriegsſchauplatz.
Feſtungsmanöver, Übungen im Angriff und
Verteidigung der Feitungen, wozu Truppen aller
Maffen erh werben, um die ragen des
Feftungskrieges zu Hären und die Führer wie die
Truppen in ber ineinander greifenden Thätigkeit
der Feldtruppen mit den tehnifchen und mit der
ſchweren Artillerie zu unterweijen. Einzelübun:
en in beichräntten Dienftobliegenbeiten bilden die
— welche nur von den
Feitungsgarnifonen abgehalten werden und meijt
608
den kriegsmäßigen Feſtungswachdienſt zur Aufgabe
jaren, die Armierungsübungen ber Fußartil—
erie, während bei Belagerungsübungen alle
Waffen beteiligt zu fein pflegen.
Feftungdrayon (ſpr. -räiöng), Bezeichnung
für eine bejtimmt begrenzte Zone der Umgebung
von Feſtungswerlen, in welder dem Grundeigen:
tum aus militär. Gründen gewiſſe Baubefchrän:
fungen gele lich ** ſind. Die ri auf
die möglichſt günftige Wirkung der eigenen euer:
waffen zwingt den Verteidiger, bei der Armierung
von — auf einem gewiſſen Abſtande von
den Werten das Vorgelände freizulegen, d. b. alle
Gegenftände zu entfernen, die vem Gegner Dedung
geben könnten, und weiter hinaus zur Beitreihung
der Hauptanmarfchwege ſich Shut ichtungen freis
zulegen. Damit im Kriegsfall die Wegräumung
der durch Bebauung und andere Veränderungen der
Erdoberfläche entjtandenen Dedungsmittel des Geg⸗
ners möglichit raſch und ohne zu große Härten für
die Bewohner geſchehen tann, erlafjen die Staaten
Geſetze für den F., welche die Bebauung und Bes
* der Grundſtücke in Dem regeln,
ac dem für das pe eih maßgebenden
Geſet vom 21. Dez. 1871 ift die nächjte Umgebung
der Feſtung mie der detacierten Forts in drei F.
geteilt. Der I. F. umfaßt das bis auf 600 m vor
tem gebedten Wege belegene Gelände, der II. reicht
bis 375 m von den Örenzen des I., der II. um:
faßt das Gelände von den Grenzen des II. bis
1275 m von den äußerſten Berteidigungslinien.
Detachierte Forts haben feinen IL. Rayon, dagegen
unterliegt bei ihnen das Gelände von den Grenzen
des I. F. bis 1650 m den für den II. F. geltenden
Beihräntungen. Liegen bei einer Feitung mehrere
ujammenhängende Befeitigungslinten voreinander,
ho wird das Gelände zwijchen diefen als Zwiſchen⸗
rapon —— und unterliegt im allgemeinen den
Beſchränkungen des I. F.
In ſämtlichen F. bedürfen alle dauernden Höben:
veränderungen der Geländeoberflähe ſowie alle
Neuanlagen und Veränderungen von Wafjerbauten,
die Anlage großer Parts und Waldungen ſowie
die Errichtung und Veränderung aller turmartigen
Bauten der Genehmigung der Kommandantur.
Innerhalb des II. Rayons find alle Maffivbauten
und zu gewerblihen Zmeden bejtimmte Ofen von
arößern Abmefjungen (wie Ziegel: und Kaltöfen)
unzuläffig, die Anlage anderer Gebäude in Holz
oder ausgemauertem Fachwerk ſowie von Beerdi—
ungsplägen bedarf der Genehmigung. r den
. Rayon find alle Wohngebäude jeder Art aus:
geſchloſſen, ebenjo andere Baulichkeiten, wenn fie
nicht aus Holz oder einer leicht zerjtörbaren Eijen:
tonjtrultion beſtehen, desgleihen die Neuanlage
lebender Heden. Die Anlage bölzerner Windmüphlen,
bölzerner und eiferner Einfriedigungen ſowie von
runnen bedarf der Genehmigung.
‚ Zur Entſcheidung aller Streitfragen auf dem Ges
biete der Rayongeſetzbeſtimmungen ift in erfter In⸗
ftanz die Feitungstommandantur, in höherer die
jog. Reichsrayonkommiſſion berufen, d.i. eine
durch den Kaiſer eingejeste ftändige Militärkom—
miffion, in welcher alle Bundesftaaten, in deren
Gebiet Feitungen liegen, vertreten find. Ihrer
Entſcheidung unterliegen aud die Entwürfe größe:
rer Unlagen in den %., ala Chauſſeen, Eifenbabnen,
Feitungsrayon — Feſtungsviereck
der Straßen zu genebmigen. Das bei Neu und Er-
mweiterungsbauten von ap Po in den %. binein-
ejogene Grundeigentum, welches bis dahin noch
einen geſeßlichen Beichräntungen unterlag, bat
Anfprud auf ENG für die hierdurch ver:
anlafte Entwertung. Die Kojten für das Nieder:
legen der darauf befindlihen Anlagen trägt das
Reich und zahlt dafür eine befondere Entfhädigung,
falls nicht die Anlagen ſchon vor Verkündigung des
Geſetzes ven Beihräntungen unterlegen haben oder
nad Feſtſtellung der Nayonlinien neu errichtet find.
In lestern beiden Fällen müſſen die Beliker die
Roften der Befeitigung tragen. Ähnliche Beichrän-
tungen bat das Reichsgeſetz vom 19. Juni 1883 im
Intereſſe des Fahrwaſſers für die Reichskriegshäfen
aufgeitellt. Die Organe find Marineſtationschef
und Bundesrat. In andern Staaten berubt die
Gejengebung für die 5. auf ähnlichen Grundfägen.
&n Frankreich gebt der1. 5.bi8 250m, der ll. bie
500 m, ber IIL bis 1000 m. m I. F. darf gar nicht,
im IL. nur in Holz gebaut werden. m IH. unterliegt
jede Geländeverwandlung der Benebmigung der Be:
gehunss afe, |. Seftungebait [börden.
eitungsfyftem, die Gejamtbeit der zum
Schug eines Landes gegen Angriffe von außen an:
elegten Permanenten Befeftiqungen, f. Deutiches
— Franzöfisches Feſtungsſyſtem, Ita:
ieniſches Feſtungsſyſtem, Niederländiihes Fe—
ſtungsſyſtem, Oſterreichiſch-Ungariſches Feſtungs⸗
ſyſtem, Ruſſiſches Heerweſen XII.
Feſtungsthore, die Wege, welche aus dem In⸗
nern einer Feſtung dur die Umwallung in das
Vorgelände führen, werden bei ven alten Stabt-
ummallungen unterſchieden in Friedensthore,
Kriegstbore und Nebenkriegstbore oder Ausfall:
tbore. Friedenstbore dienen dem bürgerlichen
Vertebr, find daher möglichſt bequem anzulegen.
Durb den Wall führt ein offener Einfhnitt, jel:
tener eine überdedte Boterne (f. d.); über den
Graben eine Brüde over aud ein Erbdamm. Das
Glacis wird von einem Einſchnitt (Sortie,f.d.) durch⸗
brochen. Friedensthore werden im Kriegsfall ge:
ſchloſſen, die libergänge befeitigt. Kriegstbore
jollen den militär. Verkehr in gropem Mae ermög-
lichen; ſichere Lage ift in erjter, Bequemlichkeit in
zweiter Linie zu berüdfichtigen. Sie durchſchreiten
die Umwallung als tief gelegene Boternen, münden
ewöhnlich auf der Grabenfoble oder dicht über dem
BBafferipienel, überjchreiten den Graben auf einem
chauſſierten Wege oder auf einer gemauerten Brüde,
führen mitteld Rampen in einen Waffenplag mit
Wachraum und durch ein gelämmtes Sortie ins
Vorgelände. Nebentriegsthore (Ausfall:
tbore) vermitteln den Heinen militär, Verlehr.
Uhnlich den Hauptkriegstboren, aber ſchmäler an:
geordnet, überjchreiten fie einen trodnen Graben
auf der Sohle, einen naflen Graben mittels Fabr:
eugen. Die Konteresfarpe wird durch fchnell wer:
Thllehbare Rampen oder Treppen gangbar gemadht.
ee 4 j. Steinverbände,
eitungäviered, Bezeichnung für eine Gruppe
von vier Feſtungen, die ſich —— ihrer gun⸗
ftigen Lage (meiſt an größern Waſſerläufen mit ge:
ſicherten übergängen über dieſe) gegenſeitig unter⸗
ſtühen, fo daß der Angriff gegen die eine Jeſtung
jtet3 durch die Wirktungsipbäre einer oder mehrerer
anderer Feſtungen ftörend beeinflußt wird, Eine
Deiche u. ſ. w. Sie bat bei Feititellung von Bes | verartige Feſtungsgruppe bietet für eime auf bie
bauungsplänen im Ill. F. die Breite und Richtung
Verteidigung angemwiejene ſchwächere Armee
Feſtus —
richtiger Benugung die Möglichkeit, ſich dem über
mädtigen Angriff zu entziehen und einen Ent:
fheidungsfampf unter ungünftigen Umſtänden zu
vermeiden, obne doch das Feld volllommen zu räu-
men. — Am befanntejten ijt in der Kriegsgeſchichte
das lombardo⸗venetianiſche F. Mantua-Beschiera:
Berona-Legnago, welches feine Berühmtheit zuerſt
ben glänzenden Operationen Radetztys im Feldzuge
von 1848 verdanfte. Belannt ift ferner das oit-
bulgariihe F. Siliftria: Barna-Schumla-Ruftihul
und das polnijche F. Nowogeorgijewät- Warihau:
Imangorod: Breit:Titomst.
Feitus, Vorctus, der von Kaiſer Nero ernannte
Nachfolger des Felir (1. d.) als Proturator von Pa⸗
* von 60 (oder 61) bis 62 n. Chr. Er ſuchte
mit Strenge und Gerechtigleit die —2* im
Lande wiederherzuſtellen. Den bei ſeinem Amts⸗
antritt als Gefangenen in Cäſarea vorgefundenen
Apoſtel Paulus ſandte er auf deſſen Appellation an
das Urteil des Kaiſers (Apoſtelgeſch. 20, 11) nach Rom
ab. F. ſtarb nad kurzer Verwaltung der Provinz.
ſtus, rom. Geſchichtſchreiber, j. Rufus Feitus.
ſtus, Sertus Pompejus, röm. Grammatiler
aus der Mitte des 2, Jahrh. n. Ehr., fertigte einen
Auszug aus dem Merle «De verborum significatu»
des Grammatilers Berrius Flaccus (f. d.). Diejer
in 20 Büchern alphabetiſch geordnete Auszug, der
in ſprachlicher wie antiquariiher Hinficht gleich
wichtig iſt, wurde in der zweiten Hälfte des 8. Jahrh.
durch Paulus Diakonus abermals verkürzt; doch
bat ſich die urfprünglihe Schrift des F. von ber
Mitte des Alpbabets an, nebit andern Hleinern
Stüden, freilich in trümmerbafter Geitalt, erbalten.
Das Manuftript, ald «Codex Festi Farnesianus»
in Neapel aufbewahrt, wurde in Falfimiledrud von
Thewrewl de Ponor veröffentlicht (42 Taf., Buda-
pei 1893). Ausgaben von C. O. Müller (Lpz. 1839;
eudrud mit Anbang, ebd. 1880) und Thewrewl
de Bonor (Bubdapeit 1889). Einen Teil hat Momm⸗
fen in den «Abhandlungen» der Berliner Atademie
von 1864 veröffentlicht.
t, Aianafıj Afanafjewitich, eigentlib Schen—
ſchin, ruf). Dichter, geb. 5. Dez. (23. Nov.) 1820 auf
dem Erbgutder Familie Nowoſſelli im Gouvernement
Drel,ſtudierte an der Moskauer Univerfität, trat aber
dann in den Militärdienft. Er machte den Ruſſiſch⸗
Turkiſchen Krieg von 1853 bis 1856 mit, nabm
bierauf jeinen Äbſchied und zog fih auf jein Gut
urüd ftarb 4. Dez. (22. Nov.) 1892 in Mostau.
Seit den vierziger Jahren begann F. Gedichte zu
veröffentliben, von denen mehrere Sammlungen
erſchienen (2 Te., Most. 1883); zu den u
ebören die «Abende und Nächte», die Lieder an
Bpbelia, Melodien, Schneefelver. Ferner lieferte er
vorzügliche Überjegungen des Horaz, Juvenal, von
Goethes «Hermann und Dorothea» und «Fauift»,
von den Liedern des Hafis, von Stüden Shale:
ſpeares («JuliusCäjar» «Antonius undfleopatra»),
endlib von Werten Schopenbauers. — Bol. 5.3
Memoiren (2 Bde. Most. 1890).
etan, ſchweiz. Dorf, ſ. Fettan.
öte (irz., ipr. jäbt), ‚seit; Fete-Dieu (fpr. diöb),
franz. Bezeichnung des Fronleichnamsfeſtes.
edei (Feteihti), Ort im rumän. Kreis
x omita, an der Linie Bulareft:5.-Küjtendje und
raila⸗F. der Numän. Staatsbabnen, bat etwa
1300 €, Hier beginnt die neue 28 km lange Über:
brüdung der Donau ; fie beftebt aus der Borceabrüde,
dem Damm und Biaduft auf der Baltainjel und aus
Brodbaus’ Stonveriations-Leriton.. 14. Aufl. R. A. VL
Fetialen 609
der Donaubrüde ſelbſt, die, 31 m über Hochwaſſer⸗
and hoch, auch den größten Dampfern die Durch:
ahrt ermöglicht. Die Brüde murbe 26. Sept. 1895
eröffnet. Sie jihert Rumänien die Verbindung mit
dem ſtets eiöfreien Hafen Küftendje und ermöglicht
den kürzeiten Schienenmweg zwiſchen dem Nord» und
— et und dem Drient.
, Domenico, ital. Maler, geb. 1589 zu
Rom, sd: 1624 in Benedig, hatte Eigoli zum
brer brachte den größten Teil feines Lebens
am bergool. Hofe in ntua zu, wo er nad
Giulio Romano ftubierte, von dejjen kräftiger und
dunller Manier er jedoch zum ausgeiprodeniten
Naturalismus fortging. Er liebt draftiihe Auf:
fafjung, faßt namentlich die religiöfen Stoffe durch⸗
aus genrebaft auf, ift aber oberflählid in der
Charakteriftil. Die meijten feiner Werte find in
Dresden, di B. David mit dem Haupte Goliatbs,
ſowie 8 Gleihnifje Ehrifti; 10 andere im Hof:
mufeum zu Wien, unter denen bervorzubeben find:
Flucht nad Agypten, Bermählung der heil. Katha⸗
rina, Der tote Leander, Jakobs Traum von der
Himmelgleiter; Die Melandolie, im Louvre.
Betiälen — bei den altitaliſchen Völler⸗
haften, insbeſondere den Römern, ein Vrieſter⸗
ollegium, welches darüber zu wachen hatte, daß
der Abjhluß von Staatöverträgen und bie Er:
llärung von Kriegen in einer Form ftattjand, daß
das göttliche Recht und damit die Götter ſelbſt nicht
verlegt wurden. Mit dem materiellen Inhalt der
Verträge oder Erklärungen hatten fie nichts zu
allen In Rom foll König Numa, nah andern
achrichten Ancus Marcius das Kollegium ein
geiest haben. Das Kollegium der F. in Rom beftand
aus 20 —— Mitgliedern, die aus den
vornehmſten Geſchlechtern ſich ſelbſt ergänzten. Zu
Amtshandlungen, womit gewöhnlich zwei oder auch
vier 5. betraut wurden, mußten fie ein Stüd Rajen
vom Kapitol (mit der Erde ausgerifjene er,
verbenae oder ina genannt) ald Zeichen ihrer
Unverleglicheit mitnehmen. Der Fetiale, der dieſes
1 ber Verbenarius, machte dann den andern,
deſſen Kopf und Haare erdamit berübrte, zum pater
atratus, d. b. zu einem Hausvater, der als folder
lein Volk vertrat. Bei der Einleitung einer Kriegs⸗
ertlärung gingen dann dieje zwei oder nod häufiger
vier Mitglieder des Kollegiums (oratores, legati)
ins feindliche Land und ſprachen die ihnen aufs
getragene Forderung (clarigatio) an den Grenzen
des Yandes, an den eriten, ber ihnen begegnete, an
den Thoren und auf dem Forum ber Hauptjtabt
aus, wobei fie eine Friſt von 33 Tagen 8
Wurde der Forderung nicht genügt, jo erhoben fie
feierlichen Proteſt und kehrten dann zurüd. Nach⸗
dem ern ber Krieg in der Heimat beichlofjen
war, begaben ſich die F. wieder nach dem feindlichen
Gebiet, um den Krieg mit einer vorgeichriebenen
ormel und einer ſymboliſchen Handlung zu er
lären. Letztere bejtand darin, dab ein }yetiale
unter Ausrufung ber Formel: Bellum indico fa-
cioque, eine blutige, an der Spitze verjengte oder
mit Eiſen beichlagene Lanze über die Örenze in®
feindlibe Land warf. j j
um Abſchluß von Bündnifjen mußten die F.
außer den ina ein im Tempel ded Jupiter
Feretrius aufbewahrtes Scepter und einen eben⸗
dort ald Symbol des Donnergotted aufbewahrten
Kiejeljtein (silex) mitnehmen. Waren fie dann
vom König oder Magijtrat mit ihrem Auftrag be»
39
610
traut und ber eine zum Sprecher ber Geſandtſchaft,
um pater patratus gemadt, fo er dieſer den
Sriebende oder Bündnisvertrag (foe an), indem er
den vorgefchriebenen Eid ablegte und mit dem Stein
ein Schwein ald Opfertier für Jupiter tötete. Noch
in der republitaniihen Zeit fand das —*—
von foedera durch die F. ſtatt. Doch muß die Ver:
wendung ber F. in ſolchen Fällen immer mehr ab:
gelommen fein. Wenn der Kaiſer Claudius *
durch die F. Bundniſſe —— ließ, ſo geſcha
dies zufolge ſeiner gelehrten Liebhaberei das
Altertum. Länger erhielt ſich, wie es ſcheint, ein
Reit von der Anjage des Kriege durd die 5. Die
Anſage —— päter durch Abgeordnete des Feld⸗
berrn. Aber der ſymboliſche Alt des Schleudern
der Lanze verblieb ven F. Man hatte, ald der Krieg
in immer fernere Länder — wurde, zur Zeit
des Krieges mit Pyrrhus ein Stüd Land von einem
Kriegägefangenen laufen lafien, und nun jchleus
derten die F. ihren Speer über eine Säule, die ald
Grenzfäule galt, in dieſes Stüd Land, das fortan
das Feindesland vorjtellte. Diefer Brauch erbielt
fi bis in fpäte Zeit. — Bol. Eonradi, De feciali-
bus et feciali populi Romani jure (Helmjtebt 1784;
au in Eonradis «Scripta minora», Bo. 1, Halle
1823); Wetſels, De fetialibus (Groningen 1854).
fFetieren ( u), jemand feiern, ihm Ehre er:
weiſen, ihm zu Ehren Feitlichleiten veranitalten.
Fetiß (fpr. fetiß * ois Joſ., belg. Muſik⸗
xz 1784 zu Mons, wo ſein
—— geb. 25. 0 B
ater Va war, mwurbe von ng mit fo
glüdlihem Erfolg unterrichtet, daß er ſchon in ſei⸗
nem 10, Sabre eine Organiftenftelle feiner Bater-
ftadt vertreten fonnte, und fam 1800 in das Pa⸗
rifer Konfervatorium. Bon einer längern Reife,
auf der er fich mit deutfcher und ital. Mufit ver:
traut gemacht hatte, nad er urüdgelebrt, trieb
er dort Studien über die eihicte der Muft, 30
ſich aber 1811 in die zn urüd und wurde 181
Organiſt und Profefjor der Mufifichule in Douai.
1818 kam er ald Profeſſor des Ronfervatoriums
der Mufil nad Paris und gründete 1827 die erſte
fritifche mufitaliihe Zeitſchrift in Frankreich, die
«Revue musicale», die bald eine Autorität wurde,
Bon 1833 bis zum Tode, 26. März 1871, war er
Rapellmeifter des belg. Königs und Direktor des
Ronjervatoriumsin Brüffel. F.’erfte größere Schrift:
afiber die Verdienſte der Niederländer um die Ton:
tunft» (Amſterd. 1829), erhielt (zugleich mit einer
äbnlihen Arbeit von Kiefewetter) den von der Nie
derländifhen Mufitgejellihaft ausgeſetzten Preis.
Sein Hauptwerk: «Biographie universelle des mu-
siciens et bibliographie generale de la musique»
(8 Bde., Brüff. 1838—44; 2. Aufl., Bar. 1860—65 ;
dazu Supplement, 2 Bde., 1878— 81), wird nod
a abrzebnte hinaus die Grundlage für die mufi-
kaliſche Lexilographie bilden. Die Behandlung des:
jelben Materials ala «Histoire generale de la mu-
sique» (5 Bde., Brüfl. und Bar. 1869— 76), ift weni:
er glüdlich geraten und & tnur bis ind 15. Jahrh.
Weniger Anerfennung als feine geſchichtlichen und
theoretiihen Werte fanden 3. Kompofitionen für
Kirche, Kammer und Theater, Do wurden jeine
Opern «L’amant et le mari» und «La vieille» ſehr
* im Theater Feydeau aufgeführt. Gemein:
haft mit Mofcheles gab F. ein großes
piano» (Par. a beraus,
t
Fetiſch, Gegenitand religiöfer Berebrung, ſ. Fer
Fẽetieren — Fettbildung
Fetiſchberge, Name des Gebirges, das von
Süpmweit nach Nordoſt das Togoland (f. d. und
Agomegebirge) durchzieht.
Fetiſchismus (von dem portug. feitigo, Zaur
berei), die aus einemroben Polytheĩsmus entwidelte
Religion der Naturvöller, bei welcher finnlihe Ge
— (Fetiſche), denen Zauberkraft zugeſchrie⸗
en wird, religidje Verehrung genießen. Das zu:
jetie gleichzeitige Bufenmenitlen zweier Voritel:
ungen giebt dem unentwidelten Bewußtſein Ver:
anlafjung, einen gar nicht vorhandenen lauſalen
Zufammenbang zwischen diefen zu vermuten, fo daß
ein —— ſinnlicher, meiſt unſcheinbarer Gegen⸗
ſtand (z. B. ein Nagel, ein Stein u. dgl. m.) ala
wirkende Urſache eines mit ibm gleichzeitig in die
Erſcheinung tretenden Ereigniffes gilt. Weſentlich
ift dabei, daß der Fetiſch weder ald Sumbol noch
als Vermittler einer überfinnlihen Welt angejeben
wird, ſondern als jelbjt mit Zauberfraft begabt gilt.
In ſolch engerm Siyne kann man nur bei benjeni-
nen Negervöltern Afrilas, welche feinen Unſterb⸗
ichleitöglauben haben, von wirklibem F. ſprechen,
während der jonft jo genannte ;y. meift auf Dämonen:
fultus und Abnenverebrung (}. d. und Animismus)
beruht. Abbildungen von Fetiſchen zeigen die Ta:
en: Afrikaniſche Kultur, dq,6 u.7,und I,
ig.3 u. 10, beim Artikel Afrika. — Val. F. Schulse,
er 3. (2p3. 1871); Baftian, Der Fetifch an der
Küfte Guineas (Berl. 1884); derf., liber F. (ebv.
1894); Wagner, Die heidn. Aulturreligionen und
der F. (Heidelb. 1899); de Viſſer, De Graecorum diis
non referentibus speciem humanam (Leid. 1900).
ar, eine der fchott. Shetlandinfeln (f. d.).
ett, ſ. Fette. — Sn ber Yägeripracde wird das
Mort F. nur bei Raubtieren und dem zur niedern
Jagd gehörigen Wild gebraucht.
Fett, in der Buchdruderkunft die Bezeichnung
für Lettern, Linien, Einfaffungen u. f. w., welche
* durch Breite der Grundſtriche oder der Linien:
äche hervorheben, wie in dem vorliegenden Wert
die Stichwörter; findet dies in geringerm Grade
ftatt, fo nennt man die Lettern u. |. w. halbfett.
ettammer, Bogelart, ſ. Ortolan.
ettan oder Fetan, roman. Stan, Pfarrdorf
im Kreis Untertadna, Bezirk Inn des ſchweiz. Kan:
tons Graubünden, 1 km nörblid von Tarasp auf
der linten Seite des Unterengabin, in 1647 m Höbe,
bat an) 399 ladiniſch ſprechende €., darunter
33 Katholiken. Die Schöne Lage am Sudfuße des Piz
Minihun (3071 m) und das milde Klima haben
dem Dorfe in neueiter Zeit einen ziemlich lebhaften
Kur: und Fremdenverkehr gebradt.
Fettbildung. Das im tierijhen und menſch—
lihen Körper bei —— Nahrungszufuhr abge⸗
lagerte Fett wird nicht ausſchlie aus dem mit
der Nahrung zugeführten und reſorbierten Fett an:
geſetzt, ſondern es entiteht zum guten Zeil erit in:
nerhalb des Körpers aus andern chem. VBerbindun:
en. Das eingehende Stubium der Zufammen:
egung der Nahrung des Pflanzenfreflers, die Kennt:
nis von den merkwürdigen Ummandlungen orga:
niſcher Stoffe in andere außerhalb des Organis—
mus und das Nachdenlen über die Bedeutung der
einzelnen Nabrungäbeitandteile führten Liebig ju
der Überzeugung, dab die Kohlehydrate (Stärte,
tubienwerl | Dertrin, Zuder) der Nahrung innerhalb des Hör:
für das Pianoforte: «Methode des möthodes de | pers eine wichtige Quelle der \
ſtiſchismus. Grund feines Ausſpruchs galt Jahrzehnte hindurch
| die Entſtehung von Fett aus Koblebydraten für
5. liefern, und auf
Fettblume — Fette
eine unumſtoßliche Thatſache. Als Beweis hierfür
wurde insbeſondere die —— angeführt, daß
bei den Fleiſchfreſſern, melde er dem Fett kei⸗
nen ftiditofffreien Rahrungsitoff genießen, die F.
meift nur unbedeutend ift, dagegen bei gemifchter
Nahrung mit einem Überfhub an Roblebupraten
erbeblih zunimmt, daß die Hauptmafle ver Nah—
rung bei der Mafle der Pflanzenfreſſer aus Roble-
bypraten beiteht, und daß endlich die Bienen bei
längerer yütterung mit wachsfreiem Honig oder
Zuder doch noch Wade, alfo einen fettartigen Rör-
per produzieren, ohne ſich in ihrem — —
er oder Gewicht zu ändern. Neuere Verſuche von
oit und Bettenkofer haben dagegen zu ermeifen ver:
fucht, daß die hauptſächlichſte Quelle der F. außer
dem Nabrungsfett die eimeißartigen — —— —
find, und daß dem unleugbaren Einfluß der Kohle⸗
hydrate auf die F. eine weſentlich verſchiedene Deu-
tung gegeben werden muß; bie legtern ſtellen bier
u t das eigentliche Material dar, aus welchem
direlt das im Körper abgelagerte Fett hervorgeht,
aber fiemüffen, wenigſtens dem Pflangenfrefier, nad)
wie vor gegeben werden, um fett zu gewinnen.
Eine fihere Entiheidung der —* e, ob Fett ſich
direlt aus Eiweiß bilden fann, iſt aber noch nicht ge⸗
monnen, da die oit: Bettentoferichen Bemweisgründe
von andern Autoren, insbejondere von Pflüger,
angegriffen werben. Nach neueften Berjuchen ſcheint
es, als ob bie F. aus Eiweiß indirelt durch Vermit⸗
telung des Glytogens (ſ. d.), das ſeinerſeits bei Ei⸗
weißfutterung entſteht, zu ſtande lomme. — fiber
die übermäßige F. ſ. Fettfucht; über die F. bei den
Haustieren f. Mäftung.
ettblume, ſ. Caltha.
(Baumefen), ſ. Dachſtuhl.
und fette Sle, Stoffe des ehr en:
und Ti 8, die fi eigentümlich Kpfrig
(fettig) anfühlen und auf Papier oder Geweben
durchſichtige, beim Liegen an der Luft und beim
Ermwärmen nidt verfhmwindende Frleden ( eden)
erzeugen. Sie find nicht flüchtig, leichter al Waſſer
und in diefem unlöslich, dagegen löslich in Alkohol,
Ather Schwefeltohlenitoff, nzin u. ſ. w. Man
unterſcheidet feſte Fette (Talg, Butter u. ſ. w.)
und Öle (fette Öle Nr Unterſchied von ätberifchen
und Mineralölen). Nah den Entvedungen Chevreuls
(1811) beftehen die Fette fait ausichließlih aus
Gemiſ der Glycerineſter der Fettſäuren Pal⸗
mitinjäure, C,. H,, O,, und Stearinfäure,
C,H, 05, und der ungefättigten Säure Ölfäure,
» Ha, O,. Dieje Eſter des dreimertigen Altohols
Glycerin {i. d.), au —— (}. Glyceride)
genannt, bezeichnet man kurz durch die Endung
ein» alaBalmitin,C,H,(0C,H,,0),,Stearin,
C;H,(0C,5H,50),, und Dlein, C,H,(0C,„H,,0),.
Palmitin und Stearin find bei emwöbnlicher Tem:
peratur feit, das Dlein flüffig. Die fetten Öle ent:
balten daher vorzugsweiſe Dlein; je mehr Stearin
dagegen in einem Fette vorhanden ift, deſto höher liegt
fein Schmelzpuntt (bis zu 60°). Außer den genann-
ten drei Säuren lommen in geringern Mengen aud
die übrigen Fettfäuren (oft 3. B. Butterfäure, Ca⸗
pronfäure u. ſ. w.) und die Säuren der Öljäures
reihe vor. Unter den Ölen unterfcheidet man trod:
nende und nicht trodnende Öle. Die trod>
nenden Öle werden an der Luft dur Aufnahme
von Saueritoff feit. Es berubt dies auf einem Ges
balt von Glyceriden waflerftoffärmerer Säuren, die
fib an der Luft opudieren. So enthält 3. B. das
611
Leindl die Leinölfäure, C., Hz, Oz. Solche trodnnen»
den Öle (Nußöl, Leinöl Mobnöl) dienen daher zur
Herftellung von Firniffen. Die nicht trodnen»
den Öle, wie Mandelöl, Dlivendl, Rüböl, haben
die Eigenſchaft, bei Behandlung mit falpetriger
Säure zu feſten Maflen zu erftarren, indem bierbei
die Oljäure in die ijomere Elaĩdinſäure (f. d.), und
Dlein in Elaibin (f. d.) umgewandelt wird.
Die natürlih vortommenden Fette find
immer Gemenge der verfhiedenen Glyceride, In
reinem Zuftande find fie farblos, geruchlos und ge
Ihmadlos. Der Gerub und Gefhmad man
roben Fette rührt von fremden Beimengungen ber.
Das Ranzigwerden der fette —— auf einer teil⸗
ee ns ———— bewirkten Serfeßung
derſelben in Glycerin und Fettſäuren, die aber
durch Waſchen mit Waffer entfernt werben können.
Dur Altalien werden die Fette verfeift, indem fie
leihfalls in Glycerin und die Altalifalze der Fett
—— (Seifen) zerfallen. So wird z. B. das Pal⸗
mitin nad) folgender Gleihung gefpalten:
a a
3 O. K.
Te
Aufdiefem Prozeß berubt die Fabrikation der Seifen
und des Glycerind. Es ift umgelehrt gelungen,
durch Erhigen von Glycerin mit Fettfäuren ſynthe⸗
tifche Fette darzuftellen. Beim Erhigen zerfeßen ſich
die Fette und e3 entjteht dabei aus dem Glycerin
Arolein (f.d.), das den unangenehmen ſcharfen
Geruch angebrannten Fettes bedingt. Eine eigens
tümliche Eigenſchaft der Fette ift ferner die Emul⸗
———— enn man Waſſer, das mit wenig
ohlenſaurem Natron verſetzt ift, mit etwas Fett oder
Ol fchüttelt, das bereitö etwas freie Säure enthält,
} vereinigen ſich die beiden Schichten, troß der Uns
öglichleit des Fettes in malen, zu einer undurd:
fihtigen,, weißen, ſcheinbar homogenen Flüffigteit,
und erft durch das Mikroflop kann man ertennen,
daß die Flüffigkeit mit Heinen Fetttröpfchen erfüllt
ift. Dieter Umftand ift wichtig F die Reſorption
der Fette im Darmlanal. Die Milch iſt eine ſolche
Emulfion. Die Pflanzen enthalten die Fette
meift in den Samen, felten, wie die Dliven, im
eiſch der Früchte. Bei den Tieren findet ſich das
tt bauptfächlich im Zellgewebe, fo unter der Haut,
in ber Umgebung der Gebärme, zwifchen den Mus:
teln, in den Knochen, in fein verteiltem Zuftande
auch in den Drganteilen, 3. B. ber Leber, im Gebirn
und in den Nerven. Über die Entftehung der Fette
im ZTierlörper ſ. Fettbildung.
Zur Gewinnung der Fette werben die organi:
ſchen (pflanzliche wie tieriſche) Gewebe in der Regel
wiſchen ermärmten Platten ausgepreßt (f. Olpreſ⸗
Ras) oder auch nur ausgeſchmolzen. Eine volltom:
mene Entziehung ber Fette gelingt durch Ather oder
Schwefellohlenſtoff, melde die Fette löfen und beim
Abpdeftillieren unverändert binterlaffen. Auch dieſe
Methode findet praktiihe Anwendung. Die rohen
Fette bedürfen oft nod einer Reinigung, die man
durch Erbigen mit Schwefelfäure erreicht. Die feiten
Zierfette nennt man auch Talg, Unfclitt. Rinds⸗
und Hammelstalg enthalten zum größten Teile
Stearin; Schweineſchmalz und das diefem ähnliche
Menſchenfett beſtehen meift aus Palmitin und
Dlein. Die Butter enthält etwa 5 Proz. Butorin
Glycerid der Butterfäure). Der Thran von Wal—⸗
fhen, Robben u. ſ. w. beſteht hauptſächlich aus
89*
612 Fettembolie
Dlein und enthält noch Säuren, wie ——
und Gapronjäure und deren Glyceride. Die Pflan⸗
zenfette find zumeift Öle, doch kommen auch ſolche
von butterartiger Konfiftenz vor. Die wictigiten
& Palmöl, Kotosöl, Kalaobutter, Olivenöl,
andelöl, Rüböl, Mobnöl, Leinöl, Nußöl u. f. m.
Zur Ermittelung des Fettgehalts von Pflanzen:
teilen, Preßluchen u. ſ. w. dienen verjchiedene Ertrat:
tionsapparate. Zur Feltftellung der Echtheit und
Reinheit prüft man Geruch, Geihmad und Farbe,
den trungspunft, das elektrifche Leitungsver⸗
mögen und das jpecififche Gewicht. Letzteres be:
ftimmt manentweber mit dem Pyknometer (von ®intl)
ober mit ſog. Ölwagen, das find —* empfindliche
Aräometer (f. d.). Außerdem prüft man die Fette
nod durch verjchiedene chem. Reaktionen bezüglich
ihres Verhaltens gegen Salpeter-und Schwefelfäure;
man ermittelt die Senn, weite angiebt, wieviel
Prozent od das Feit a forbiert, und die Verfeifungs«
jahl, welche angiebt, wieviel Milligramm Kalihydrat
jur eifung von 1 g Fett erforderlich find.
Die Fette bilden für den Menſchen einen der
unentbehrlichſten Nabrungsftoffe, indem fie ſowohl
zum Erſatz und zur Bermebrung der Körperfubftang
dienen, ald auch dur ihre Orydation im Körper
Wärme und Kraft erzeugen (f. rung). Außer
dem dienen fie zahlreichen praltiſchen —— wie
jur Bereitung von Seifen, Kerzen, O genen, Fir:
nifien, en; als Heizmaterial, zur —
als Schmiermittel für Maſchinenteile u. ſ. w. (©.
äuren und oa reg Age 2 Schäp-
er, Technologie der 2 und Öle (2. Aufl., Lpz.
1892); derj., Unterſuchungen der Fette und Öle (ebd.
1889); Bornemann, Die fetten und flüchtigen Öle
Dei 1889— 91); Benedikt, Analyſe ver Fette und
achsarten (4. Aufl., von Ulzer, Berl. 1903); Thal:
mann, Die Fette und Öle (2. Aufl., Wien 1892);
Andés, Die vegetabilifhen Fette und Öle (ebd.
1896); derj., Animaliſche Fette und Öle (ebd. 1897);
Fajans, Einführung in die Praris der Fettinduftrie
(ebd. 1897); Zecocq, Les corps gras industriels et
leur application au graissage (Gent 1901); Lew—
towitih, Laboratoriumsbuc für die Fett: und Ol-
induftrie (Braunſchw. 1902). Chemiſche Nevue über
die » und Harzinduftrie (Berlin, feit 1893).
ettembölie, die Verjtopfung der Haargefäße,
bejonders in den Lungen und im Gebirn, mit Fett:
tropfen, welche nach Knochenbruchen oder ausge:
dehnten Zerquetichungen des Unterbautfettgewebes
in den Blutjtrom gelangen. Die F. kann Atemnot
und felbft ven Tod zur „folge baben. (S. Embolie.)
en aut ſ. Verfettung.
ette und SI liefernde Bilanzen, ſ. Öl und
Fette liefernde Pflanzen.
Fettfell (Pinguecula), eine partielle Verdidung
der Augapfelbindehaut in Form von gelblichen
jtednabeltopf bis linfengroßen Knötchen, die am
innern oder äußern Hornbautrande im Lidfpalten:
bezirt, auch wohl auf beiden Seiten oder jommetrifch
an beiden Augen ſihen. Das F. iſt unſchädlich.
ettflechte, |. Hautkrankheiten (ver —
offen, Heine, nicht von fnöchernen Stra
len geRüste Rückenfloſſen, die bei manchen Fiſchen
(3. B. den lachsartigen, zahlreichen + u. |. w.)
ettgänie, j. Pinguine. ſich finden.
ettgas, |. Olgas.
ettgerberei, ſ. Lederfabrilation.
ettgeſchwulſt oder Lipom
eine häufig
vortommende kranlhafte Geihmwulit,
welde vor:
— Tettleber
wiegend aus Fettgewebe bee und ganz ber Fett ⸗
maſſe entipricht, die bei wohlbeleibten Menſchen
in großer Verbreitung im Körper, namentlih im
Unterbautzellgewebe, vorlommt. Die Form diefer
Geihmülite iit gewöhnlich eine länglihrunde, mehr
oder weniger gelappte; ihre Größe ſchwankt von
ber eines Hanflorns bis zum Umfang eines Manns
fopfes und darüber; ja mwieberbolt find derartige
Geihmwüljte beobachtet worden, die ein Gewicht von
15 bis 20 kg und noch mehr befaßen. Am häufig:
ften fommen Lipome, die vorwiegend eine Krankheit
des mittlern und böbern Lebensalters find, aber
auch in jüngern Lebensjahren und felbjt angeboren
& vorfinden, im Unterhautzellgewebe des Halfes,
üdens, Nadens, der Schultergegend, der ——
täten und des Bauchs, ſeltener an —* tellen
vor; ihr Wachstum iſt meiſt ein fe ——
In der Regel machen F. gar feine wer⸗
den und werben vom Kranken gewöhnlich erit be⸗
merkt, wenn fie bis zu einer erbeblihen Größe
—— find; nur wenn fie ſehr groß wer⸗
den, können fie durch ihr Gewicht oder durch ihren
Drud auf die benachbarten Organe läftig und be
Ihwerli fallen. Immer aber find fie rtige
Geſchwülſte, die ſtets ein rein drtliches dar:
bieten und niemals wiederlehren, wenn fie einmal
—— mit dem Meſſer entfernt wurden. Die
ehandlung beſteht in der Ausſchälung der Ge
ſchwulſt vermittelt des Meſſers.
ettgetwebe, & Hiltologie.
lanz, ſ. Glanz.
aut oder Unterhautzellgewebe (Pan-
niculus adiposus), eine dehnbare, aus ne
websfafern und dazwiſchen liegenden en
tebende Unterlage der Haut (ſ. d.), welche die Ver
indung der leßtern mit den tiefer gelegenen Gebil⸗
den vermittelt und hauptſächlich die Berichiebbarteit
ber Haut bedingt. Im normalen Zuſtand beſitzt
bie F. nur eine geringe Dide und iſt arm an fett
an allen ven Stellen, wo die Haut unmittelbar auf
Knoden und Anorpeln aufliegt, wie am Schädel,
auf dem Bruftbein, der ulterhöbe und ben
Stredjeiten der Gelente, und feblt gänzlich unter
der Haut der Augenliver, Obrfnorpel und ber
männlichen Geſchlechtsteile; am biditen und fett»
reichften pflegt fie an der weiblihen Bruft, in der
Baucgegend, an den Hüften, Oberſchenleln und
den Fußſohlen zu fein. Bei allgemeiner Fettleibig-
feit erreiht auch das Unterhautzellgewebe eine be:
trächtlihe Dide (nicht jelten von 4 bi 6 cm und
darüber); namentlich zeichnen ſich weibliche Körper
bierin aus, und dieſer yettreichtum des Unterbaut:
— bedingt weſentlich die runde Fülle der
weiblihen Formen. Der Nusen der 5. für ben
Körper beitebt pen darin, daß fie als wei⸗
es elaitiiches Polſter ver Haut und den unterlie
—— Organen einen gewiſſen Schuß gegen Drud,
toß und äbnlihe mechan. Inſulte verleiht, ſowie
als ſchlechter Wärmeleiter für die Ökonomie des
Körpers von nicht geringer Bedeutung ift,
etthenne, Bilanzenart, |. Sedum.
ett —— ſJ. Hering.
ett erh . Herzverfettung.
ettfoblen, j. Steintoble.
Örper, f. Fettverbindungen.
aut, j. Pinguicula und Tafel: Injelten»
"Fettieh Pflanzen, Fig. 4.
ettleber (Hepar adiposum), ein abnormer
Zuſtand der Leber, bei welhem aus dem Blut der
Fettleder —
Piortader überfchüffiges Fett in das Innere der
Leberzellen abgelagert wird und die ganze Leber
eine beträcdtlihe Vergrößerung und Gewichts—
unabme erfährt. Die 5: fommt ald chroniſches,
ih ſehr langſam entwidelndes Leiden häufig bei
allgemeiner Fettſucht (. d.) des Körpers vor, findet
ſich aber auch bei ſonſt magerm Körper bei Schwind:
—— ganz beſonders aber bei Säufern, mo fie
äufig mit interititieller Leberentzündung, der
eigentlihen Säuferleber, verbunden ift. (S. Leber:
entzündung.) Nicht zu verwechſeln mit der F. iſt
bie alute Fettentartung der Leber, welde bei mans
ben Vergiftungen, bejonder8 der Arjenil- und
Bbosphorvergiftung, vorlommt und auf einer jet:
tigen Entartung der 2eberzellen beruht. Bei ge
ringen Graden der 5. pflegen jubjeltive Be
fchmwerben zu feblen; bei höbern Graden Hagen die
Kranten über das Gefühl von Drud und Vollſein
in der Lebergegend und infolge der verminderten
Gallenabjonderung über allerband Berbauungs:
ftörungen (Appetitlofigfeit, Aufjtoßen, Beritopfung
u. dgl.), verfallen auch wohl in hypochondriſche
Stimmung. Die F. ift recht wohl einer Rüdbil-
dung zum normalen Zuftand und damit einer Hei-
lung zugänglich, doch ift hierzu ein fonfequent und
lange fortgeleßtes energifches diätetifches Verhalten
durchaus erforderlih. Kranke mit F. müflen für
ausreichende förperlihe Bewegung forgen und ſich
aller 5— füßen und ſtärlemehlreichen Nahrungs:
mittel, der alloboliihen Getränte jowie des Nach—
mitta Lu entbalten; auch pflegt der wieder:
gan rmäßige Gebrauch der Quellen von Karls—
ad, Marienbad, Kiffingen und Homburg die Be-
feitigung der F. zu befördern.
Wettleder, Crownleder, ein Leder, zu deſſen
Heritellung man die vorbereitete Haut erſt in eine
Alauntochtalzlöfun bringt und dann mit einem aus
Mebl, Hirn und Klauenfett beſtehenden Brei bear:
beitet. (S. Pederfabrifation.)
eibigfeit, |. Fettfucht,
ettmännuchen, Dilanze, ſ. Feldſalat.
etamorphöje, j. Verfettung.
ettpjlanzen oder Sultulenten, alle durch
ſtart fleiihige Ausbildung von Blättern oder Sten:
geln ‚ausgezeichneten Pflanzen. Sie gehören den
—— der Kakteen, Craſſulaceen, Euphorbiaceen,
maryllidaceen (Agaven), Asklepiadeen, Portu⸗
laccaceen, Aizoaceen, Liliaceen und sa
an. Das harakteriftiihe Ausſehen fteht jedenfalls
in Beziehung mit den klimatiſchen Verhältniſſen,
unter denen he vorfommen. Sie find zum größten
Zeile Bewohner von Gegenden, in denen lange
Perioden von Trodenbeit von nur kurze Zeit ans
dauernden, aberjehr ausgiebigen Regengüffen unter:
brochen werden. Während diejer Negengeiten find
die 5. im ftande, in ihren fleiihigen Zeilen große
Mengen von Wafjer aufzufpeihern, aud find jie
durch ihre ftarle mit Kallſchuppen bededte Oberhaut
gegen eine ſchnelle Verdunſtung geibüst. Wegen
ihrer eigentümlichen oft bizarren Formen baben
viele F. für die Gärtnerei große Wichtigkeit erlangt.
(S. aud Kakteen.) Sie werben fomohl zu Delora⸗
tionszweden wie auch als Zimmerpflanzen verwen:
det. — Bol. Rümpler-Schumann, Die Suftulenten,
3. und Kakteen (Berl. 1892).
etträude, ſ. Hautkrankheiten (der Haustiere).
ettreibe, j. Fettverbindungen.
äuren, eine Öruppe oder homologe Reibe
fifcher organifcher Säuren von der allgemeinen
Fettfucht 613
rmel C,H,.0,. Sie leiten fi von der Ameiſen⸗
äure, H-COOH, dadurch ab, daß das am Kohlen:
off befindliche Dafl toffatom durch Altobolradis
e vertreten wird. Viele derjelben, namentlich
die höbern Glieder, find in den fetten F d.) als
Glycerineſter enthalten. Es gehören hierher außer
der Ameifenfäure die folgenden Säuren:
0H,.000H = 0;H,0, Eiflgfäure (Methylcarbonfäure)
H,O. njäure O, Moriftinfäure
38 —*— 333 —e
. Balerianfäure C,;H,40, Margarinfäure
C;H,30g nläure C,„H,,0, Stearinjäure
538 ri ng 2338 er äure
1 ure
0,H ‘0, elargonfäure —— ——
—* nfäure
„43 Os otinfäure
O,5H4,05 Baurinjäure OyHnlz Weliffinfäure,
Die vier erften Glieder mit den Butterfäuren find
leicht bewegliche, ſcharf faure, in Wafler ſehr leicht
löslihe Flüffigleiten, von da an werden fie öliger
und im Waller immer ses löslih; von der
Gaprinjäure an find fie bei gewöhnlicher Temperas
tur feſt, die Stearinfäure ſchmilzt erft bei 69°,
Die böcften Glieder find nicht mehr unzerſetzt
deitillierbar. Bon der Butterfäure (j. d.) an find von
—* Gliede dieſer homologen Reihe Iſomere mög:
ich, und zwar um ſo mehr, je höher die Anzahl der
Kohlenſtoffatome iſt. Die 5 find nad ſehr zahls
reihen Methoden ſynthetiſch darftellbar; eine fehr
allgemein anwendbare Methode berub
m. durch Aceteſſigeſter (f. d.).
habe (Pyralis s. Aglossa pinguinalis L.)
oder Fettzünsler, ein 32 mm Hafternder Klein:
hmetterling mit grauen, feidenartig glänzenden
lügeln, von denen die vorbern mit zwei dunteln,
außen bellern Querbinden unbeftimmt gezeichnet
find. Die glänzend braune R näbrt dh den
anzen Sommer durch von allerlei tieriihen Sub:
nzen (Sped, Talg, Butter u. ſ. w.) und ift be
ur in — * 49 dien (Schaf
wanz „Fettſteißſchaf, ſ. Schaf.
— Fler i Far
€
— 5* (Adipositas oder Lipomatosis, auch
Pimelosis oder Polysarcia), eine allzu reichliche, big
ur Erzeugung krankhafter Erfheinungen und Be
chwerden gejteigerte Anfammlung von Fett im gan
ee. er Sri Fettleibigleit oder
orpulenz, Obesitas, Lipomatosis universalis)
oder in einzelnen Organen desſelben (partielle F.,
Lipomatosis — Geringere Grade der allge⸗
meinen Fettleibigleit werden als Embonpoint
bezeichnet. Ein mäßiger Grad von Anfüllung des
Be er mit Fett ih nichts Krant un fondern
als Aufſpeicherung eines zur Lebensfriſtung brauch⸗
baren Materials und als ein Schuß gegen mancherlei
mechan. und andere Schäblichteiten zu betrachten,
Unter normalen Berhältnifjen beträgt das Fett bei
einem männlihen Erwachſenen von mittlerer Größe
den 20., bei dem weiblichen Geſchlecht hingegen den
16. Zeil des gejamten Körpergemwichtd. Bei ber
5. nimmt das Fett zunächſt an allen jenen Körper:
tellen zu, wo ſich aud im normalen Zuftand Fett:
gewebe findet, am ftärkiten unter der Haut, wo es
eine 5—8 und mehr Gentimeter dide Schicht als
jog. Fetthaut (f. d.) bildet, insbeſondere in der
Bauchgegend (joe. Schmerbaud), an den Hüften
und Oberſchenleln, an ven Fußſohlen und der weib⸗
liben Bruſt; aber au im Nes, im Gekroſe, in der
Umgebung der Nieren, am Herzen, im Herzbeutel
und im Innern der Leberzellen ſ. Settleber) fomwie
t auf den
614
wifhen den Musteln und Mustelbündeln lagert
ich bei Korpulenten Fett in übermäßiger Menge
ab. Dagegen find mande Körperitellen auch bei
den höchſten Graben von F. von der Fettablage—
rung fajt gänzlich verjchont, fo die äußern Genita:
lien, die Augenlider und Ohrmuſcheln. Fettfüchtige
von ungewöhnlibem Gewicht finden fich zahlreich
in der Litteratur verzeichnet, jo erwähnt Gräfe
einen Holländer, der 503 Pfd. wog, und Wadd giebt
das Gewicht eines von ihm gejehenen Fettfüchtigen
gar auf 980 Pid. an. Am ve endjten iſt die Ju:
nahme bes Korpergewichts beifettfüchtigen Kindern.
So berichtet Barkbaufen von einem 1*/,jäbrigen
Knaben mit einem Körpergewicht von 53 Pfp., Käft:
ner von einem 4jäbrigen Mädchen mit 82 Pip.,
Weinberger von einem 5jährigen Knaben mit 189
Pip., Cidenmape von einem 10jäbrigen Mädchen
mit 219 Bfd., Regneller jogar von einem 11jährigen
Mädchen mit 450 Pfd. Körpergewicht.
Die Urfahen der allgemeinen %. find nicht
immer binlänglic nachzuweiſen. In vielen Fällen
beitebt obne —— eine erbliche Anlage zur re
leibigleit, injofern in gewiſſen Familien alle Mit:
glieder, unbeeinflußt von ihrer Lebensweife und
ihrem Beruf, unter allen Umftänden abnorm fett:
leibig werben, wahrſcheinlich infolge einer eigen:
tümlıchen erblichen lutbeſchaffenheit, welche eine
erböbte Fettinfiltration der Gewebe zur Folge ——
Auch gewiſſe Nationalitäten, wie die Orientalen,
Ungarn und Walachen, befigen eine ſolche Neigung
u übermäßiger Korpulenz; Perſonen von ſchlaffer
onſtitution und phlegmatiſchem Temperament, die
8 orperlich und geiſtig wenig anſtrengen, zeichnen
ich beſonders ere Neigung zu Früßgeitiger
und übermäßiger Settleibigleit aus. Eine der häu-
figiten Urſachen der F. liegt aber in der übermäßi-
en Zufuhr von Nahrungsmitteln, insbefondere
ebr fetter, zuderreiher und jebr ftärtemeblbaltiger
Nahrungsmittel und alkoholiſcher Getränte, na:
mentlich wenn fie mit ungenügender körperlicher Be:
wegung, mit einem rubigen und beihaulichen Leben
und vielem Schlafen verbunden ift. Das weibliche
Geſchlecht ſcheint mehr als das männliche zu krant:
vie Fettanfammlung geneigt zu fein, was zum
eil in der Vorliebe der Frauen für fette und füße
Speijen, in ihrer Neigung Rube zu pflegen und in
dem bäufigern anhaltenden Siken, zum Teil aber
auch in gemifien jeruellen Borgängen begründet ift;
fo iſt es betannt, daß bei vielen rauen mit dem Auf:
bören ver Geſchlechtsfunltionen eine größere Fett:
entwidlung eintritt, und daß aud jüngere Frauen
bei vaniederliegender Geſchlechtsthätigleit oft außer:
ordentlich jchnell fettleibig werden. äbnlicher
Weiſe begünftigt die Kaſtration de Mannes bei
diejem die Entwidlung erceffiver Er
Ber Säuglingen ift die F gewöhnlich die Folge
von unzwedmäßiger Ernährung, namentlih von
tiberfütterung mit mebligen Subſtanzen und andern
ungeeigneten Milhjurrogaten.
ie Beſchwerden, melde die F. verurjacht,
können ſehr verfchiedener Art fein. Bei geringern
Graben von are: dem jog. Embonpoint,
ijt meift vollftändiges Woblbefinden vorhanden, und
felbft bei erhebliherm Yeibesumfang empfinden
mande ettleibige, abgejeben von einer gewiſſen
Schwerfälligteit und Unbebolfenbeit bei den Bewe—
gungen, nur wenig fubjeltive Beſchwerden. In den
öbern Graden here ‚ bejonders wenn die F. fich
auffallend jchnell entmidelte, jtellt fich eine Reibevon
Fettſucht
Störungen und Beſchwerden ein, welche das Leben
direlt gefährden können. Gewöhnlich Hagen ſehr
fettjüchtige Perſonen über große Muskelſchwäche,
über quälende Kreuzichmerzen bei anbaltendem
Geben, über erg zu übermäßigem Schwigen,
u Rurzatmigleit, Bellemmung, windel und
nfällen von beftigem Herzklopfen. Letztere Sym⸗
ptome jowie das nicht jeltene Ausfehen des Pulſes
rühren meift davon ber, daß bei ſolchen Patienten
das Herz von Fett umwachſen oder ſelbſt mehr oder
weniger lettin entartet ift (j. Herzverfettung). Auch
werben die Kranten bäufig von manderlei Ver:
dauungsbeſchwerden (Appetitlofigkeit, Aufftoßen,
Verftopfung, Hämorrhoidaltnoten u. dgl.) heim:
ejucht, die in der "year ang ra des mit
jan überladenen Nagendarmtanals, in der fettigen
nfiltration der Leber und dadurch bevingten
minderung der Gallenabfonderung (f. Fettleber),
aber aud in Blutſtockungen im Pfort ebiet ihren
Grumd haben. Daß endlich bei länger bejtebenver
hochgradiger 3. aud die pfohiihen Funktionen
mebr oder minder beeinträchtigt werben, indem ſich
bei den meiſten Kranten eine große Unluft ei:
ftiger Arbeit, eine auffallende Trägheit im Denken,
er und Handeln bemerkbar mat, ift bin»
län —* efannt und wohl hauptſächlich durch bie
5 lutarmut bebingt, welche fait immer bei
heben Graden von F. vorhanden ift. Auch begün:
tigt —— Fettleibigleit die Entwidlung ge
iwiller anderer Krankheiten, inäbefondere der Gicht,
der Furunkuloſe und des Diabetes ſowie ber
atheromatöfen Entartung der Arterien, welche leicht
zum Gehirnſchlagfluß führt (f. Arterienentzündung).
Aus dem eben Angeführten erhellt, daß jede
hocarabige F., namentlich wenn fie auf einer erb⸗
ihen Anlage beruht, ala eine ernite Krankheit
aufzufaflen tft, welche womöglich jhon in ibren
frübern Stadien energiih befämpft werben muß.
Freilich ift die Behandlung der F. in der Regel
mit großen Schwierigkeiten verknupft, da es ge
wöhn “ den Stranlten an der hierzu durdaus
erforderlichen Ausdauer und Willensftärke gebricht.
Mer zur F. neigt, muß jederzeit eine ftreng gere
gelte Diät einhalten; er lebe nur mäßig *
nieße möglichſt wenig fette, zuckerhaltige und jtä e
meblreihe Nahrungsmittel (Mei ſpeiſen, Gebäde,
Kartoffeln) und vermeide foviel als möglich, die
altoboliihen Getränke. Am ftrengften in diejer
Beziehung ift das nad dem Engländer Bantin
benannte Rurverfabren egen orpulenz, welch
in einem nabezu austh ießlichen Fleiſchregime
mit vollſtändigem Vermeiden jeden Fettes beſteht
(. Bantingkurj.
So wirkſam auch die Bantingkur auf die Ver—
minderung einer übermäßigen Fettanhaufung im
Körper wirkt, jo darf fie dog nie auf zu lange Zeit
angewendet werden, da I leıht Magen: und Darm»
fatarrbe, Schwächegefühl und ernitere Ernährungs:
ftörungen zur Folge haben kann. Aus diefem Grunde
bat Ebftein eine neue biätetifche Kurmetbode gegen
die F. angegeben, melde die allmäblihe Abnahme
der überfhüffigen Fettuorräte des Körpers dadurch
m erzwingen jucht, daß bie an ſich geringe täg-
ihe Nabrungszufubr aus einer Mijhung von
Eiweiß mit relativ reihli Fett und wenig Kohle⸗
hydraten beitebt (Ebfteind Entfettungstur).
Das Fett foll hierbei die günjtige Wirkung baben,
das Hunger: und Durjtgerühl zu vermindern und
dadurch die Hauptaufgabe der Kur, die Beihrän-
Fetttopf — etwa
weſentlich zu erleihtern. Ebjtein geitattet
feinen Kranken nur drei Mahlzeiten, worunter
eine reichliche, und emo als ri Anhalt
folgenden Speifezette er Sum gen bftüd Thee
obne Zuder und —* 45 mit reichlich
Butter; zu Mitta ppe — mit Knochen⸗
marf), 120180 g I“ mit fetter Sauce, mäßig
Gemüfe (am beiten Leguminojen), etwas Salat
oder friſches Obft, dazu 2—3 Gläfer leichten ne
meins; des Abends ein Ei oder etwas fetten Bra⸗
ten, oder auch ——— oder Wurſt, oder Fiſch, 30 g
Brot mit viel Butter. Da bie gemäbrte tägliche
Nahrungsmenge eine ziemlich Inappe iſt, I kann
die eben beichriebene Kurmethode t wohl eine
Berminderung des Ric _. zur ——
—— —— nach i —D———— en bei
der Behandlung der DaB Hauptgewicht auf eine
Beihräntung * Flüffigteitszufubr und verbieten
—* —* Suppen und ya Getränk während der
leßteres iſt erſt 1—1', Stunden nad
Da heit eitattet. Örtel verorbnet aber au =
eher Aufnahme von Eiweiß und geringe
—— und —— — Der tägliche Diät ee
nt: Zum Frübftüd eine Taſſe Kaffee oder
mit — ne und 75 g zent u Mittag
ejottened oder gebratened D J eiſch,
— ‚ Wildbret oder nicht zu fettes Ge —*
Salat ober leichtes Gemuſe u elieben, 25
Brot oder zeitweile Meblipeifen (höchſtens bis J
100 g); als Deſſert 100 g friſches Obſt — feine
Suppen, kein Getränk; nachmittags Kaffee
Zu des Abends 1—2 weiche Gier, 150 g Fleiſch
Brot, allenfalld ein sr Salat oder
81 als Getränt 7,—!, 1 Wein und vielleicht
Is 1 Wafler dazu.
"Neben Imedimäßiger Regulierung der Diät müj-
—* — ſich durchaus hinreichende körper:
iche Bewegung im Freien machen, die ſihende Le
bensweiſe moglichſt vermeiden, nicht über 6—7
Stunden ſchlafen, regelmäßt en und ergiebigen
Stublgang jorgen und durch häu —— und
gebörig tiefe — ihren —* moglichſt viel
ra fe zuführen, deſſen der Körper zur Ber:
brennung bes überjchü gi m detted unumgänglich
gi der Rabrungszufubr auf ein möglichft nappes
ae * häufi erner eine zweckmäßige,
hrung des ötelapparatö und verjtärl:
= eu und bamit Fettverbrauchs ee ielende
paifive Gymnaftif ſowie längere * origeſetzte
Maſſage zu empfehlen. —— gen jun —
auen iſt die angemeſſene Regulierung der
chlechtsfunltionen von groper ihtigleit. Ligent-
iche .. find bei der ganz unnüß,
namentlich ift der noch immer —34 beliebte Ge⸗
brauch der draſtiſchen Abführmittel (Aloe, Kolo⸗
quinten u. a.) ſowie ber Jodpräparate ganz ent:
ſchieden zu wiberraten, ba durch fie die obnedies
bei der , vorhandene Blutarmut und mäflerige
Beicaflenheit des —— gewöhnlich ſehr raſch nur
noch rg ei wird. Dagegen pflegen öfter wieder:
bolte und —— ——* ſtets aber unter ärzt⸗
licher Kontrolle betriebene Brunnenkturen mit ge
wiſſen allaliſch⸗ſaliniſchen Mineralmäfjern (Marien
bad, Tarasp, Karlsbad, Kijfingen) und mit nad:
folgendem Aufenthalt im Hochgebirge oder an ber
See einen günftigen Einfluß auszuüben.
Neuerdings ift zur Belämpfung der F. der inner:
lihe Gebraud von tieriiher Schilvprüfe oder des
daraus gewonnenen Thyreoidins vielfah verſucht
615
worden. Die entfettende Wirkung der Schilddruſen
Sllen ei ftebt feft, doch ſcheint in einer Reihe von
ällen eine gewiſſe Diät = eine erfolgreihe Kur
nicht nur von Bedeutung, jondern direkt notwendig
zu fein. Da gelegentli die Wirkung der Schild:
drüfenpräparate auf den Körper zu ſchweren Ers
(ik dern Thyreoidismus) Veranlaſſung giebt,
o iſt der nicht ärztlich verordnete Gebrauch dringend
zu widerraten.
Bei jeder Entfettungskur iſt im allgemeinen ein
ne chneller Fettverluft zu
t Mattigleit, * “ren Dbnmadtsanfälle,
Neroofität u. f. w fen werben können.
Mande Fettleibige aim en ihrer Blutarmut
neben der Entfettungstur: au blutverbejlernde
Mittel (Eifen, ae f. mw.) gebrauchen.
Bol. 3. Vogel, Korpulenz * e Urſachen, Bers
bütung und Heilung (22. Aufl, erl. 1897); Kiſch,
Die Fettleibigleit (Stuttg. 1888); derſ., Tiih für
—* Karlsb. 1892); derſ., Die Kur der fett:
eibigkeit in Marienbad (3. Aufl. "Marienbad 1895);
Ebftein, Die Fettleibigteit und i re Behandlung nad
pbyfiol. Grundfägen (7. Au — 1886);
Schmweninger und Buzzi, Die F. (RB ien 1894); Brouft
und Mattbieu, L’'hygiene de l’oböse (Bar. 1897);
von Noorden, Die 5 (Wien 1900); Kiih, Ent
— (Berl. 1900); Leber, die F. hang,
ur ‚\. —— —
erbiudungen e rper, Fett—
reihe, aliphatiſche Rei ————
die große aſſe organifher Verbindungen
I vom Methan oder Sumpfgas, CH,, Vurd &
jebung ber Waſſerſtoffatome ableiten a lien; Fett⸗
törper heißen fie, weil die Jette und die aus ihnen
erhältlichen Verbindungen hierher gebören. Dieje
zum. — alle Verbindungen mit ſog. offe⸗
hlen mn, Den Gegenjas bilden bie
Meomatiihen. an (1. d.)._Dieje leiten
fih in gleicher ee e vom Benzol, C,H,, ab, in
dem die Koblenftofjatome ring örmig angeorbnet
find. Dieje Einteilung läßt ſich nicht mit volllom⸗
mener Strenge durchfuhren, da Übergänge von
einer Reihe zur andern vorlommen, auch gemijchte
Verbindungen erijtieren und eine große bl von
Subjtanzen weder zur einen nod zur andern Klaſſe
in in Beriehung fteben. — zeigen ſich bei den
hen weſentliche Verſchiedenheiten. Wäh⸗
on die a von Salpeterjäure entweder nur ſchwer
angegriffen oder orgdiert werden, geben die aromatis
ſchen Berbindungen Nitroderivate. Die konzentrierte
Schweieljäure ie auf die einfachern F. meift ohne
ra während aromatijhe in Sulfojäuren
übergeführt werden. Die aromatiihen Halogen-
verbinbungen balten das Halogen feiter, find aljo
weniger realtionsfäbig, die Hydrorylverivate der
aromatijchen Reihe (Mhenole) find von ftärfer faurer
Natur ald die entiprechenden fetten Verbindungen
(die Alkohole). Diazoverbindungen (f. d.) find bei
den F. von anderm Ebaralter al3 bei den aromas
tiihen Verbindun 1
ttvogel, i Juacaro und Tafel: * hän⸗
ettwachs, ſ. Adipocire. ig. 3.
ettwaren, die aus Nett RER oder aus
— dargeitellten Handelsartitel, jo Ol, Schmalz,
utter
Fettſchabe.
gem t Sihänkier € Schmetterling, ſ.
a (arab.), das Gutadten des Mufti (f. d.),
das einigermaßen ben responsa prudentum der
u vermeiden, weil dadurch
616
röm. Rechtspflege entſpricht. In Anbetracht aber,
daß der Mufti ala Vertreter des religiöjen Geſetzes,
Scher'i⸗ſcherif, redet, hat jein Ausſpruch unbedingte
Gejepeötraft und muß von dem rechtiprechenden
Kadi (j. d.) berüdfichtigt werden. Daher wird F. in
den civilifierten Ländern Europas für eine an-
ipruchsvoll auftretende Behauptung gebraudit.
Feucheres (jpr. jöihähr), Baronin, Geliebte des
Prinzen Ludwig Heinrih Joſeph von Eonde (j.d.).
Feuchteröleben, Ernſt, Freiherr von, Arzt,
Dichter und Philoſoph, geb. 29. April 1806 in
Wien, erbielt feine Bildung auf der Thereſianiſchen
Nitterafademie und widmete ſich jeit 1825 mediz.
Studien. 1845 wurde er Delan der mediz. Fakultät
zu Wien, 1847 Vicedireftor der mebdiz.« hirurg.
Studien. Im Juli 1848 als Unterjtaatöjelretär in
das Minifterium des Unterrichts berufen, trat F.
ſchon im Dez. 1848 wieder ins Privatleben zurüd.
Gr ftarb 3. Sept. 1849. F. war nidt nur ein
vieljeitig gebildeter und erg Arzt, fon:
dern auch ein mit lebensfriihem Humor begabter
Dicter, ein Schriftfteller von durchaus idealer
Lebens: und Kunſtauffaſſung. Er ſchrieb «Über das
Hippofratifche erfte Buch von der Diät» (Wien 1835),
«Die Gewißheit und Würde der Heiltunjt» (ebd.
1839; neue Ausg. u.d.T. «Arzte und Bublitum»,
1848) und das trefflihe «Lehrbuch der ärztlichen
Seelentunde» (ebd. 1845). Seine Gabe, den Ernit
der Wiſſenſchaft in anziebende Form zu fleiden,
betundete er vor allem in der für weitere Lejerfreife
beftimmten Schrift «Zur Diätetit der Seele» (Mien
1838; neu bg. in Reclams «Univerjalbibliothet»).
Der Sinn für Poeſie fand während feiner Studien:
jabre im Verkehr mit den bedeutenditen djterr. Did):
tern jener Zeit Bildung und Anregung. Anfangs
verfuchte er ſich vorzugsweiſe in der Lyrik. In reis
ern Fahren trieb es ibn, feine Beobadhtungen und
nfihten über Leben, Kunft und Natur in poet.
«Lebensblättern», «Ronfejfionen» und «Refultaten»
auszuſprechen. Bon feinen « Gebidhten» (Stuttg.
1836) ift «E8 ift bejtimmt in Gottes Rat» zum Volks⸗
lied geworden. F.s «Sämtlihe Werte. Mit Aus:
ſchluß der rein mebizinifhen» hat Hebbel (7 Bde.,
Wien 1851—53) herausgegeben.
Feuchtigkeit, im allgemeinen der Zuftand eines
mit einer tropfbaren Flüffigleit benegten oder ge:
träntten Stoff3. In der Mont und Deteorologie
verſteht man darunter die Wajjerdampfverhältnifle
der Atmojphäre. Man unterjheidet abjolute und
relative 2 Erſtere wird beftimmt dur die in
1 cbm der Yuft enthaltene Menge Waſſerdampf (in
Grammen); legtere ift das Verhältnis der abjoluten
F. zu der Menge Waſſerdampf, die die Luft bei glei:
——— und gleicher Temperatur überhaupt (im
arimum) aufnehmen könnte. (S. Luftfeuchtigkeit.)
chtigfeitömeffer, j. Hygrometer.
chtwangen. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.
Bez. Mittelfranken, bat 453,21 qkm, (1900) 25898
(12344 männl., 13554 weibl.) E. in 51 Gemeinden,
darunter 3 Städte. — 2) Bezirksſtadt im Bezirke:
amt F., 28 km im SW. von Ansbach, an der zur
Wörnig fließenden Sulzach und an der Nebenlinie
Dombübl:Nördlingen ver Bayr. Staatsbahnen, Sig
des Bezirlsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht
Ansbach), Rent: und Foritamtes, bat (1900) 2385
E., darunter 178 Katholilen und 83 Söraeliten,
(1905) 2428 E., Pojterpedition, Telegraph, Spar:
laſſe, drei Kirchen, eine lat. Schule; Leinen, Woll:,
Damajtfabritation, Sandjteinbrüde.
Feucheres — Feudalismus
Feudãl (von Feodum, ſ. d.), auf das Lehnsweſen
bezüglid; dann in weiterm Sinne: nad Erhaltung
der Vorrechte des Adels und der —* Stände im
modernen Staat jtrebend; auch gleihbedeutend mit
reaktionär. — Feudalberrihaft, die Herrſchaft
des Lehnsweſens.
eudalismus, Feudalweſen, Feudal—
ſyſtem, diejenige Organiſation der Staatsgewalt,
bei welcher die ſtaatlichen Hoheitsrechte (Gerichts⸗
barkeit, Polizei, Militärgewalt, Münz: und Zoll—⸗
einheit u. ſ. w.) den Gegenſtand von Lehnen, d. h.
nicht willkürlich entziehbarer, vererblicher privat⸗
rechtlicher Nutzungsrechte der Unterthanen bilden,
die Staatsgewalt alſo —— und ihre Spitze
außerordentlich geihwädht ift. Der $ war das in
Deutihland vom 12. bis 15. Jahrh. berrichende,
im Verhältnis der Landesherren zum Kaifer nomi:
nell bis zum Ausgang des Reichs fortbauernde
Spitem ftaatliher Organifation. Es war bier be:
ſonders ſtark no dadurch ausgeprägt, daß der
König (durh Ausfterben, Felonie oder jonjtwie)
beimgefallene Fürjtenlehn binnen Jahr und Tag
wieder verleiben mußte, aljo nicht ſelbſt bebalten
tonnte, Im einzelnen war die feudale Staatsauf:
—— des —8* Mittelalters dieſe. Kirche und
eich bilden eine große, die ganze Chriſtenheit
umſpannende Gemeinſchaft, an deren Spitze auf
der einen Seite der Papſt, auf der andern Seite
der Kaiſer ſtand, ohne daß die von dem Papſt an⸗
geſtrebte Unterwerfung des Kaiſers unter ſeine Ge
walt zur allgemeinen Anerkennung gelommen wäre,
Bapit und Kaifer haben ihre Gewalt von Gott, von
ihnen herunter wird jede Gewalt als eine von dem
Höbern an den Niedern verliehene ausgeübt, fie ift
regelmäßig, wenn ſchon nicht durchgehends, in ben
Formen der Belehnung übertragen. Das Lehn kann
nur wegen Felonie d.) abgefproden werden;
denn den Höhern und Niedern bindet ein Berhältnis
wechſelſeitiger Treue, melde in einer Stujenfolge
böbern und niedern Beburtsftandes die ganze Na:
tion umſchlingt. Auch das Grundeigentum wird
in Verbindung mit perjönlihen Verpflichtungen
gegen ven Lehnsherrn (3. B. Ritterdienjten, Hof:
bieniten und Abgaben) und mit nußbaren Rechten
und Gemalten, die wir heute als öͤffentlich-recht⸗
lih anfeben, vielfadh in den Formen der Belebnun
übertragen, fo daß es als nußbares Eigentum dureh
das Obereigentum des Lehnsherrn eingefhräntt iſt.
2 nad der volllommenen Idee des F. ftebt dem
dnig das Dbereigentum an allem Lande feines
Reichs zu (Bodenregal; franz. nulle terre sans seig-
neur), eine Idee, welche in England von Wilhelm
dem Eroberer mit äußerjter ——— durchgeführt
wurde. Der Vaſall hatte wieder ſeine Untervaſallen;
jener aber ſeine hörigen Bauern, die mit ſchweren
Fronen dienten. Der F. verlor an Bedeutung, als
das Schießpulver erfunden war, die Feuerwaffen an⸗
gewendet wurden und an die Stelle der Ritter und
ibres Dienjtes im Mittelalter ver Militärdienft und
die Heere der neuen Zeit traten. Der F. hatte jeinen
idealen Gehalt und einen großen Teil feines innern
Beitandes verloren, nur die den Bauernitand be
drüdenden Feudallajten waren geblieben. Der Ber:
ſuch, ſich derjelben gewaltſam zu entledigen, war
im Bauerntriege (ſ. d.) niedergejchlagen worden;
erſt die neuere Geſetzgebung bat auch dieſe auf recht:
lichem Wege bejeitigt. (S. auch Agrargejekgebung,
Grundeigentum und Lehnsweſen.) Staatsrechtlich
bildet der F. den direften Gegenfas zur Theorie der
Feudaliſt — Feuerbach (Marktfleden)
Vollsſouveränität; denn ausgeſchloſſen iſt bei ihm,
daß die Gewalt im Auftrag derer geübt wird, welche
elben unterworfen ſind.
eudaliſt, Kenner des Feudalrechts (auch Feu⸗
diſt genannt); Anhänger des Feudalismus.
älpartei, die Verfechter des Lehnsſtaates
(j. eudalismus) und der Bevorrehtung des Adels.
alftände, Landjtände, welche ſich kraft
eigenen Rechts vertreten. So in Medlenburg die
———— und die durch ihre ——
vertretenen Städte. Auf dieſem Princip beruht es,
dab in Sachſen, in Württemberg und im Groß:
erzogtum Hefjen die Standeöberren, denen bie
itgliedſchaft ın der Erften Kammer zuftebt, ihr
Stimmrebt durch Stellvertreter ausüben können.
eudalſyſtem, Feudalweſen, ſ. Feudaliss
. Erblehne. mus,
eudenheim, Dorf im bad, Kreis und Amts:
bezirt Mannheim, mit Dampfitraßenbahn (4,5 km)
nab Mannbeim, bat (1900) 4489 €., darunter 1533
Katholiten und 71 Israeliten, (1905) 5007 E., Poſt⸗
agentur, Telegrapb, evang. und kath. Kirche, Dar:
lebnstafjenverein: Cigarrenfabrit und Tabalbau.
tft, ſoviel wie Feudaliſt (f. d.).
Feudum (mittellat.), das Zehn, ſ. Feodum; F.
femininum, Weiberlebn (f. d.). —
„jede Erſcheinung, bei der gleichzeitig eine
kräftige Wärme: und Lihtentwidlung auftritt. Das
5. tft weder ein eigenes Clement, wie die Alten
meinten, noch entipringt es aus der Verbindung
der Hörper mit einem —— Stoffe, Phlo⸗
giſton genannt, wie die ältere Chemie bis auf La-
voifier annahm (jf. —e—* Chemie), ſondern
es tritt meiſt bei ſehr energiſchen chem. Prozeſſen
(f. Verbrennung) oder Ru auch bei phyſik. Vor:
ängen 6 B. beim eleltriſchen Glühlicht im Luft:
eren Raum) als begleitende cheinung auf.
Feſte und flüſſige Körper, welche die Erſcheinung
des F. zeigen, nennt man glühend, oder man
ent: fie find in Glut; feurige Gafe bilden eine
amme (j.d.). Es giebt er eigentümliche Licht:
eriheinungen ohne bevdeutendere Wärmeentwid:
Ems (1. Phosphorescen;). Man benußt das F. ſo⸗
wohl ald Lichtquelle, wie ald Wärmequelle. Die
Materialien zur Erzeugung von F. find die Leudht:
ftoffe (ſ. d.) und die Heizmaterialien (f. d.). Zur
ung des F. dienen die Feuerzeuge (1. d und
Feueranzunder —* — Sat iges F. ift ſoviel
wie Phoniziſches Feuer (ſ. d); über Bengaliſches
Feuer ſed. — Über die Verehrung des F. als reli⸗
idfen Brauch ſ. Feuerdienſt. ge Verhütung von
Beuers gefahr verbietet das Deutjche Strafgeſetz⸗
ud $. 368 unter 5, 6, 7 bei Gelvitrafe bis 60 M.
ober Haftitrafe bis 14 Tagen Scheunen, Ställe,
Böden oder andere zur Aufbewahrung feuerfangen:
der Sachen dienende Räume mit unverwahrtem F.
oder Licht zu betreten oder fich denſelben mit unver:
wahrtem F. oder Licht zu nähern; auch an gefähr-
lihen Stellen in Wäldern oder Heiden oder in ge
fährliher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden
Sachen F. anzuzünden, in gefährlicher Näbe von
Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuer:
geweht zu ſchießen oder Feuerwerk abzubrennen,
ber die Beitrafung der Brandftiftung h d.
eralarım, der Aufruf der zur Loͤſchung eines
Schabdenjeuers nad der Entdedung desjelben erfor:
derlichen Feuerwehrkräfte. Derjelbe erfolgt in Heinen
Oriſchaften durh den Feuerruf oder durh Ans
fhlagen einer Feuerglode oder burh Sturm:
617
läuten, in Induftriegebieten durch Dampfpfei:
fen oder Nebelbornrufe, in Gebirgsgegenden
duch Kanonen» oder Böllerſchüſſe nah be
jtimmter Vorſchrift. Diefe Hauptalarmzeichen wer:
den unterftüßt dur Signale mitteld Horns und
Alarmbupe (Alarmtrommel), welde in den
Straßen feitens der Tages: und Nachtpolizei oder
———————— abgegeben werden. In großen
täbten bedient man ſich des Feuertelegrapben (ſ. d.)
oder Fernſprechers zur Feuermeldung und Alarmie⸗
rung. Die Alarm⸗-(Feuer-) bereitſchaft ift der
für ein geregeltes Löjchwejen geforderte jchlagfertige
uſtand ber Feuerwehr, welcher e8 ermöglicht, eine
eingehende Feuermeldung fofort in Empfang zu
nebmen und die geforderte Loͤſchhilfe ſchnell auf dem
Brandplage zu leijten. Den hochſten Grad von Feuer:
bereitſchaft und Schlagfertigfeit bejigt vermöge ihrer
Drganijation die Berufäfeuerwehr ( f erive
und Feuerloſchweſen); heit im ftande, bereits bis
2 Minuten nah Eingang der yeuermeldung abzu-
rüden und unter Benugung guter Aene in fürs
zeiter Zeit auf der Brandftelle zu erjcheinen, dort
aber mit eingeübten Mannſchaften und guten Ge
räten nad einem taktiſch und techniſch richtigen Plan
das Feuer anzugreifen und zu befämpfen.
eranbeter, j. Feuerdienſt.
eueranzünder, im allgemeinen leicht brenn⸗
bare Stoffe, die zur fchnellen und leichten Ent:
zündung der Heizftoffe in Öfen und fonjtigen Feue—
rungsanlagen dienen. Gebräudliche F. find Hobel:
päne, Bapier, Strob, Kienipäne u. j. w. Hobel
päne, mit Teer und Pech getränkt, werden oft durch
lebten und Zufammenrollen zu Heinen Cylindern
—— verarbeitet. ÄAhnlich ſind die aus mäßig
langen, in ———— Terpentin u. ſ. w. getauchten
und zu Bündeln vereinigten Holzſtäbchen; dieſe
Bündel werben mit einer Schicht trodnen Holzes
und einer Lage Harz umgeben, um die Ausdunſtung
der zum Imprägnieren verwendeten Ylüffigleit zu
hindern. Andere F. bejteben aus pulverförmigen
vegetabiliihen Subjtanzen, die, unter hohem Drud
zujammengepreßt, mit Kohlenwaſſerſtoffdämpfen im:
prägniert und jchließlib, um die VBerflüchtigung der
Dümpfe zu hindern, mit einer Schicht Harz überzogen
werden. %., deren Hauptbeftandteil wiederholt ver:
wendet werden fann, find meift boble oder poröje
Körper aus feuerbejtändigem Material, die mit leicht
entzündlichen Stofien (Betroleum) angefüllt werben.
euerart, die Art und Weiſe des Feuerns —*
tender Truppen. Das Infanteriefeuer wird ab⸗
—— als Salve, d. h. gleichzeitiges Feuern einer
bteilung auf Kommando, over als Schützenfeuer.
Durch die Salve wird die Truppe am ſicherſten in
der Hand behalten; da jedoch im Gefechtslärm die
Kommandoſtimme ſich nur —— geltend
macht, bleibt die Anwendung der Salven im deut:
jhen Heere auf Ausnahmefälle beihräntt, während
in Ofterreih « Ungarn und rantreidy die Salve
bäufig angewendet wird. Meiſt wird das euer als
Schükenfeuer abgegeben, bei dem die Leitung
nur die Abſtufung der Lebbaftigleit des Feuers bes
ftimmt (langfames Feuer, lebhaftes Feuer, Schnell»
feuer), während die Abgabe jedes einzelnen Schufies
dem einzelnen Schüßen überlafien bleibt.
— ſ. Feuerverſicherung.
euerbach, Marttileden im Oberamt Stutt—
art des württemb. Nedarfreijes, 4km im NW. von
Stuttgart, an den Linien Stuttgart » Bretten und
Stuttgart:Calw der Württemb. Staatöbahnen, hat
618
(1900) 9052 €., darunter 603 Ratboliten, (1905)
11523 €., Bot, Telegrapb, Gasanftalt; Fabrikation
von Ehemilalien (30 Fabriten), Buch⸗ und Stein:
drudiarben, Dachpappe und Asphaltprodukten (2),
Preßhefe, Lad, Sprit, Degras, Wagenfett, Fett:
laugenmehl, Brechweinſtein, Kupferwaren, Müllerei:
maschinen, Stüblen, Bapier, zwei Brauereien, Stein:
brüde, Ader: und Weinbau, Baumſchulen.
Feuerbach, Anjelm von, Hiftorienmaler, Sobn
des Archäologen Anjelm %., geb. 12. Sept. 1829 in
Speyer, erbielt feit 1836 feine wiſſenſchaftliche Vor:
bildung auf dem Lyceum zu Freiburg und begann
dann 1846 unter F. W. von Ehabow feine Studien
an der Düfjeldorfer Alademie, die er feit 1848 in
Münden unter Rabl fortjegte. Nach kurzem Aufent-
balt in Antwerpen bejudte er 1850 Paris, wo
Couture groben Einfluß auf ihn hatte, ihn aber auch
Ingres' Werte lebhaft intereifierten. 1852 trat er
zuerjt mit dem Gemälde: Hafis in ber Schente hervor,
u te 1853 Karlsruhe zu feinem Aufenthalt und
malte dafelbit ven Tod des Nretino (1854), ein
Wert, das fomohl den Einfluß Couture wie den
der Venetianer aufmeift, aber auch feine Neigung
für kalte, trodne und graue Töne verrät. Während
eined Aufenthalts in Venedig fopierte er 1855
Tizians Affunta meifterbaft, ferner entitand feine
Figur der Poeſie (beide Bilder in der Galerie
u Rarlörube). Seit 1856 lebte 3. längere Zeit in
Rom, wo er die großen Cinquecentiften mit Be:
geifterung ftudierte. Sein erſtes Merk in diejer
neuen Richtung ift das 1858 vollendete Bild: Dante
mit edeln frauen zu Ravenna luftwandelnd, ein Wert
fo eigenartig in jeinem Geiſte wie in der Erfchei:
nung, daß die Karläruber Galeriedireltion, freilich
ver eblich, genen feine Aufitellung proteftierte. 1860
entjtand die Madonna mit dem Kinde von mufis
ierenden Engeln umgeben (Galerie zu Dresden).
nfang der ſechziger Jahre trat F. zu dem kunſt⸗
—— Freiherrn von Schack in Münden in nähere
! —— als deren Ergebnis eine Reihe wert:
voller, in deflen Galerie bewahrter Schöpfungen zu
betrachten find. N erfter Linie find von diejen zu
nennen: bie ergreifende Bietä (1863), Nymphe von
mufizierenden Kindern belauiht, Francesca da
Rimini (1864), Hafis am Brunnen (f. Tafel:
Deutſche Kunft VIII, Fig. 7), Mutter mit ihren
Kindern am Brunnen (1866); dann Ariofto mit
vornehmen Damen im Part zu Ferrara. Das Gaſt⸗
mahl des Platon, ein Stoff, der den Künſtler
lebbaft fejlelte, entwarf er 1867 in feiner erjten Ge:
ſtalt (neuerdings in die Galerie zu Karlsruhe ge
langt). Die zweite Darftellung diefes Vorwurfs in
aropen Verbältniffen erfolgte 1873 (Berliner Na:
ttonalgalerie). 1869 malte er Orpheus und Eury⸗
dite (Privatbefik in Zürich). 1870—71 entjtanden
unter anderm: Medeas Abichied (Entwurf von 1869
in der Berliner Nationalgalerie, Ausführung von
1870 in der Neuen Pinakothek in Münden), Das
Urteil des Paris (Hamburger Runftballe), Ipbigenia
(Galerie zu Stuttgart). In diefen Werfen batte 5.
feinen Höbepuntt erreicht. Die Amazonenſchlacht (der
Entwurf von 1870—71 in der Berliner National:
galerie, Ausführung von 1878) zeigt bereits jene
nefteigerte Formenfprace, die namentlich das große
Dedenbilo: ——— (Slizze von 1875 in der
Neuen Pinakothek zu Münden, Ausfübrung von
1879 in der Akademie zu Wien), beberricht. 1873
—77 Brofeflor an der Wiener Nlademie, wandte
jih der Künjtler 1877 nah Venedig, mo er das
Feuerbach (Anjelm von) — Feuerbach (Ludwig)
MWandgemälve: Kaiſer Ludwig der Bayer in Nürn-
berg, für den Nürnberger Juftizpalaft malte und
1878 noch Das Konzert (Berliner Nationalgalerie)
ihuf. F. itarb 4. Jan, 1880 in Venedig. Ein Selbit:
porträt 5.3 it eit 1898 in der Berliner National»
galerie. — Bol. A. F. Ein Vermächtnis (5. Aufl. Wien
1902); Allgeyer, . Sein Leben und jeine Kunft
(Bamb, 1894); von Djtini, Anjelm F. Munch. 1902).
Feuerbach, Ludwig, Philoſoph, vierter Sobn
des Kriminaliften Baul Joh. Anjelm von 5., geb.
28. Juli 1804 zu Landshut, ftudierte jeit 1822 in
Heidelberg unter Paulus und Daub Theologie. Um
Hegel zu hören, ging er 1824 nach Berlin, mo er fi
ganz der Philoſophie zumandte. Er habilitierte ſich
1828 in Erlangen mit der Schrift «De ratione una,
universali, infinita» (Erlangen 1828) ald Privat»
docent, 309 ſich jedoch 1832 vom Katheder zurüch, weil
die Autorſchaft der anonymen Schrift: «Gedanlen
über Tod und Unfterblichkeit» (Nürnb. 1830; 3. Aufl.,
Lpz. 1876), in weldyer er —— a ohne —**
feit von der Hegelſchen Lehre, aber doch ſchon
—— Denter mit der Belämpfung des Uns
terblichleitsglaubens auftrat, ihm jeden Fortſchritt
in der alademifhen Laufbahn verjhloß. Hierauf
og er ſich zuerft nach Ansbach, 1836 auf das nahe⸗
ei gelegene Schloß Brudberg zurüd, bis ihn 1860
Bermögensverlufte beftimmten, auf den Rechenberg
bei Nürnberg überzufiedeln. Erftarb 13. Sept. 1872.
In fine eriten Schriften: «Geſchichte der neuern
._ opbie von Bacon von V m bis Spinoza»
(Ansb. 1833) —— der neuern mn ie
Darftellung, Entwi lung und Kritik der Leibnizſchen
Vhilofophie» (ebd. 1837), «Pierre Bayle, nad feinen
für die Geſchichte der Philofophie und Menſchheit
interefianteiten Momenten» (ebd. 1838), erwies ſich
. ald Meifter der gejbichtlihen Foribung; die
este Schrift zeigt bereits je eigenes Denken im
vollen Gegenſatze zu jeder theol. Tendenz der Philo⸗
pbie, und in biefer Richtung gewann F. in dem
erte «tiber Philoſophie und rien, in Be:
ziehung auf den ber Kr bilofopbie ge
madten Borwurf der Undriftlichleit» (Mannb.
1839) —— volle Selbſtändigleit zunachſt der Hegel⸗
ſchen Schule, ſodann aber auch dem Meifter ſelbſt
egenüber, von dem ihn das Bedürfnis voraus:
ee Raturertenntnis trennte. Im Mittel:
puntte feines Interefjes fteht das Problem der Reli⸗
gion. F. ift der fonfequente Vertreter einer rein ans
thropol. Theorie, die, von dem Gedanten ausgehend,
daß der Menſch in feiner Gottesvorftellung nur
feinen eigenen idealifierten Gatungsbegi ans
ſchaut und im Glauben für wirklich hält, eine pſychol.
Grllärung des religidjen Lebens zu geben verjudt.
Diefe Gedanten vertreten feine Hauptwerle: «Das
Weſen des Chriftentums» (Lpz. 1841; 4. Aufl. 1883)
und «Das Weſen der Religion» (2. Aufl., ebd. 1849);
fie wurden von ihm im Winter 1848—49 in Heidel-
berg vor einer Anzahl von Bürgern und Studenten
vorgetragen und u. d. T. «Borlefungen über das
Weſen der Religion» (ebd. 1851) aud in die Werte
aufgenommen; fie fanden endlich —— Be⸗
ftätigungen mannigfacher Art in ſeiner «Theogonie
nad den Quellen des llaſſiſchen, bebr. und chriſtl.
Altertums» (ebd. 1857; 2. Aufl. 1866). Inzwiſchen
entfremdete er ſich der metapbyfiihen Spelulation
immer mebr und führte immer jhärfer die jenjualijti-
ſchen Anſichten durd, die er bereit3 in jeinen
«Örundjäßen der Philofopbie der Zutunft» (Zür.
1843) ausgeſprochen hatte, wonad die Philoſophie
Feuerbach (Paul Joh. Anjelm, Ritter von)
nur als die Lehre vom ſinnlich Gegebenen aufgefaßt
wird. Später wendete er ſich etbiihen und jocialen
Broblemen zu, wie jeine Schrift «Gottheit, Freiheit
und Unfterblichteit vom Standpuntte der Anthros
pologie» (Lpz. 1866; 2. Aufl. 1890) und fein nad:
gelaſſenes Brucdftüd der «Moralpbilojopbie» be
weifen, we: x jedoch auch bier zum religiöfen und
polit. Radilalismus. Seinen «Sämtlihen Werten»
(10 Bde, Epz. 1845—66; einzelne Bände öfter auf-
gelegt) ſchließt fih Karl Grüns Wert «Ludwig F.,
in feinem Briefwechfel und Nachlaſſe ſowie in feiner
pbilof. Charakterentwidlung dargeftellt» (2 Bde.,
ebd. 1874) an. — Bol. Beyer, Leben und Geift Lud⸗
wig 5.3 (2. Aufl, Lpz. 1873); EN. Starde, Lud⸗
mwig F. (Stuttg. 1885); Engels, —2 F. und
der Ausgang der klaſſiſchen deutſchen Philoſophie
2. Aufl. ebd. 1895); Bolin, Ludwig F. ſein Wir:
en und ſeine Zeitgenoſſen (ebd. 1891); Kronenberg,
Movderne Philoſophen (Münd. 1898).
Feuerbach, Paul Joh. Anjelm, Ritter von,
Kriminalift, geb. 14. Nov. 1775 zu Hainichen bei
Sena, befuchte das Gymnafium zu Frankfurt und
widmete jich feit 1792 auf der Univerfität zu Jena
jurift. und philof. Studien. Er war ein Schüler
Reinholds, und feine erſten litterar. Verſuche be-
trafen die kritiſche Philoſophie. 1799 begann er
alademiſche Borlefungen in Jena und erhielt 1801
dafelbit eine ord, Profefjur, die er 1802 mit einer
ſolchen in Kiel vertauſchte. 1804 ging F. an bie
Univerfität nah Landshut, fiedelte aber, mit der
Ausarbeitung des Entwurfs zu einem bayr. Kri—
minalgejeßbuc beauftragt, 1805 nad Münden über,
wo er 1808 geadelt wurde. Seit 1814 wirkte er erſt
als zweiter Bräfident des Appellationägerichts ir
Bamberg, jeit 1817 als erſter Präſident des Appel:
lationdgerichts für den Rezatkreis zu Ansbach. 1821
wurde er zum Wirll. Staatsrat beförbert. F. ftarb
29, Mai 1833 zu Frankfurt a, M. Unter feinen
pbilof. Schriften ragt namentlich hervor die «Kritil
des natürlichen Rechts ald Propädeutik zu einer
Wiſſenſchaft der natürlihen Rebtes (Altona 1796).
Es folgten « Anti⸗Hobbes, oder über die Grenzen
der hochſten Gewalt» (Gieh. 1798) und «Philoſ.⸗
juriſt. Unterfuchung über das Verbrechen des Hoc:
verrats» (Erfurt 1798).
Eine hervorragende Stelle in der Geſchichte der
Krimin —— nimmt F. als Begründer einer
neuen Strafrechtätheorie, der ſog. pſychol. Zwangs⸗
oder der Abjchredungstbeorie, ein. Nachdem er dieſe
zuerjt in der Schrift «Mevifion der Grundfäße und
Grundbegriffe des peinlihen Rechts» (2 Tle., Er:
furt 1799 und Chemnik 1800), und der von ibm,
Grolman und von Almendingen herausgegebenen
«Bibliotbet für die peinlihe Redhtäwirienicaft»
(Herborn und Gött.1798 fg.) angebahnt batte, führte
er fie in feinem berühmten «Lehrbuch des gemeinen,
in Deutichland geltenden peinlichen Rechts» (Gieß.
1800; 14, Aufl. von Mittermaier, ebd. 1847) ſyſte⸗
matiſch durch. Bon feinen Arbeiten im Fach der
Gejepgebung iſt, außer dem «Strafgeſetzbuch für
das Königreich Bayern» (Münd. 1813 u. 3 Bde.,
1819— 21), das 1813 zur Einführung in Bayern
gelangte und aud in einigen andern deutſchen
taaten angenommen wurde, nod zu erwähnen bie
Umarbeitung des Code Napoléon zu einem allge:
meinen bürgerlichen Geiegbuch für —— welche
er 1807 auf königl. Befehl unternahm, die aber nicht
in Wirkfamleit trat. 5.83 «Betrahtungen über das
Geihworenengericht» (Yandsb. 1813), in denen er
619
bie franz. Jury verwarf, riefen viele Schriften für
und wider hervor. F. erklärte ſich unbedingt für
Offentlichleit und Mündlichkeit der Gerechtigteitd:
pflege in den Schriften «Betrachtungen über Offent⸗
lichfeit und Mundlichkeit der Gerechtigteitspflege»
(Gieß. 1821) und «Über die Gerichtöverfaffung und
das gerichtliche Verfahren Frankreichs» (ebd. 1825).
Als Bere Braftiter jeiot 1% ‚in den «Mert:
würdigen Kriminalrechtöfällen» (2 Bde., Gieß. 1808
—11; 3. Aufl., ebd. 1839), momit zuerſt einer tiefern,
pſychol. Behandlung folder Fälle Bahn gebroden
wurde. Später folgte die «Aftenmäßige Darftel
lung mertwürdiger Verbrechen» (2 Bde., Gieß. 1828
—29; 3. Aufl., Frankf. a. M. 1849). Zur Beit der
Befreiungstriege bezeugte F. feinen Nationalfinn
und Gemeingetit durch mehrere Schriften, unter
anderm durch die «fiber die deutſche Freiheit und
Vertretung deutſcher Voller durch Yanpftände»
ragen } 1814). Da er allem, was das öffent:
iche Leben betraf, feine Aufmerlſamleit widmete,
überdied auch auf dem en und firdlichen
Gebiete dem Grundſatz der Freiheit und Gerechtig⸗
teit huldigte, jo befand er ſich in einem beftändigen
Kampfe_gegen die, hierarchiſchen Tendenzen und
Übergriffe feiner Zeit. In den legten Jahren feines
Lebens interefjierte ihn —— das ickſal
Kaſpar Hauſers ‘ d.). Ernahm jich defien in Nürn«
berg und Ansbach eifrigft an und veröffentlichte die
Schrift «Kt. Haufer, ein Beifpiel eines Verbrechens
am Seelenleben» (Ansb. 1832). Eine Sammlung
einer «flleinen Schriften vermifchten Inhalts» er
bien in Nürnberg (1833). Bon hohem Intereſſe
tft die von feinem Sohne Lubwig F. nad) Briefen
und Tagebüchern bearbeitete Biographie «Anfelm
von 5.8 Leben und Wirlen» (2 Bde. Lpz. 1852).
Der ältefte Sohn, Anjelm %., geb. 9. Sept.
1798, geſt. 8. Sept. 1851 ala Bf or der Philos
logie zu Freiburg, bat fih als Archäolog beions
ders durch das Wert «Der en e Apollo»
(Nürnb. 1833; 2. Aufl., Stuttg. 1855) belannt ge
madt. Seine «Nachgelaſſenen Schriften» (4 Bde.,
Braunſchw. 1853) enthalten im erften Bande «Leben,
Briefe und Gedichte» (bg. von Henriette F.), im
weiten und dritten eine «Geſchichte der griech.
N laftit» und im vierten Bande « Hunftgefchichtliche
a re (beides bg. von Hettner).
arlWilbelm F. der zweite Sohn, geb. 30. Mai
1800, gejt. 12. März 1834 ald Profeſſor ver Mathe
matif am Gymnafium zu Erlangen, hat ſich in ber
Schrift «Eigenſchaften einiger mertwürbiger Buntte
des gerablinigen Dreieds» (Nürnb. 1822), befon:
derd aber im «Grundriß zu analytischen Unter:
fuhungen ber, dreiedigen Pyramide» (ebd. 1827)
ala Matbematiter bewährt.
Eduard Auguit F., der dritte Sohn, geb.
1. San, 1803 geh. 25. April 1843 als ord. Bros
ejlor der Rechte zu Erlangen, ſchrieb über die «Lex
lica und ihre verjdiedenen Recenfionen» (Er:
langen 1831). — Der vierte Sohn war der Philo:
fopb Ludwig Feuerbad (f. d.).
Friedrich Heinrich F., der fünfte Sobn, geb.
29. Sept. 1806, geft. 24. Jan. 1880 in Nürnberg,
widmete ſich längere Zeit ın Bonn und Paris dem
Studium der orientaliihen, dann aber dem der
neuern Spraden. Außer trefflichen metrifchen Übers
feßungen aus dem Sanskrit, Italieniſchen und
Spaniſchen in verſchiedenen geiticriften veroffent⸗
lichte er ſpäter die populären religionspbilof.
Schriften «Theanthropos» (anonym, Yür. 1838),
620 Feuerballen
«Die Religion der Zukunft» (3 Hefte, * und Nürnb.
1844 — 45), «Die Kirche der Zukunft» (Bern 1847)
und «Gedanken und Thatfahen» (Hamb. 1862).
Seuerballen, euerwertätörper, die vom Ver:
teidiger einer Feſtung zur Beleuchtung der Feſtungs⸗
räben im Moment des Sturms benußt werben.
er F. bejteht aus einem gepichten Zwillihjad mit
einer Füllung von Leuchtſaß (Salpeter, ya
Meblpulver, Antimon) und einem Zünder und hat
im ganzen ovale Form. Dan legt die 3. in Wall:
lampen, d. i. aus Eifenfchienen beftehende, durch⸗
brodene Körbe, die an der Eskarpenmauer befetigt
werben. Man bedient fich der F. auch als Stank—
oder Dampflugeln, um unatembare Luft in vom
Feinde bejesten Kaponnieren, Minengängenu.f.m. zu
erzeugen, ſowie ald Mittel, um leicht feuerfangende
Begenjtände in Brand zu fegen. In frübern Heiten
warf man fie auch mit der Hand auf die die Brejche
erftürmenden Truppen, oder aus Mörfern, um das
nächſte Vorterrain der Feſtung zu erleuchten, ähn:
lid wie fpäter die Leuchtlugeln {. d.). ,
Fenerbereitichaft, j. yeueralarm. Militärifch
bezeichnet man mit F. den Zujtand einer Truppe,
wenn dieje ihre Vorbereitungen für ven Beginn des
Feuergefehts beendet hat.
Feuerbeiprechen, eine abergläubiihe Hand:
lung, die vor der Feuers .. fbüßen und eine aus:
ebrochene Feuersbrunſt bemältigen fol. Fe er:
ae finnlofe Zauberformeln, oder beitimmte
Sprüce, oder CH M+B (die Anfangsbuchftaben
der heiligen drei önigänamen) u. ſ. m. werben in
mebrern jog. Zauberbüchern mitgeteilt. Die Alten
Pe das euer als ein lebendiges, mit der Zunge
edendesTier an, das durch Stodichläge zurüdgetrie:
ben und durch getragene Kleidungsftüde nachgiebi
gemacht werben könne. Das Feuer ift auch dadur
zu erftiden, daß man breimal um dasſelbe berum:
gebt oder herumreitet, oder den Feuerſegen auf beide
eiten eines Tellers jchreibt und dieſen ins Feuer
wirft. manchen Gegenden wurden foldhe Zeller
für vorfommende Fälle von der Obrigkeit in Bereit
ſchaft gehalten. Auch ein mit der Aufihrift Aghela
verjebenes Brot, das mit einem Spruche ins Feuer
eworfen wurde, follte —— ne Age — Bol.
uttle, Der deutihe Volksaberglaube der Gegen:
wart (3. Aufl., Berl. 1900).
beitäudig, |. Feuerfeſt.
—— ſ. Leichenverbrennung.
euerblume, |. Papaver.
erbod, ein aus zwei durch eine Kette oder
eine Querftange verbundenen Füßen oder Böden
beſtehendes, oft reich verziertes Geſtell aus Bronze
oder Eijen, das im 16. und 17. Jahrh. zum Auf:
legen de3 Holzes vor dem Kamin benußt wurde.
erbohne, |. Türkifhe Bohne.
euerbohrer, ſ. Feuerzeug.
euerbrand, Bilanze, |. Ixora.
euerbrüde, ſ. Feuerungsanlagen.
Feuerbüchſe oder Feuerkaſten, bei Lolo:
motiv⸗, Lotomobil⸗ und Schiffsleſſeln derjenige Be
bälter, welcher den Rojt entbält und der jeitlih und
oben von Wafjer umgeben ijt. In demjelben geht
die Verbrennung vor fi; die Feuergaſe fammeln
ſich darin an und —— en von hier aus durch die
Heizrohren in die Rauchlammer und in den Schorn⸗
ftein. (S. Lokomotive nebſt Taf. I, ain Fig. 1.u.4.)
euerdarre, |. Samendarre.
geuerdienft, Feuerverehrung, bie in vielen
Religionen, fo bei den Indern (Verehrung des Agni),
— Feuerfeft
ftattfindende Verehrung des Feuers, häufig Bezeich⸗
nung der Religion der Parſen, die man Feuer:
anbeter nennt. Die Bezeichnung kommt daber,
daß die von den Parjen dem Feuer erwiefene Ver:
ehrung den Anderögläubigen befonvers auffiel. In
der —— iſt Ormuzd die höchſte Gott:
heit, dem eine Menge von guten Geiſtern zur Seite
ſteht. Einer iſt das ganz ſchwach (und keineswegs
Immer) perſonifizierte reine Element des Feuers
(Atar, im Nominativ Atarsh, neuperſ. Adhar, ätash),
dem die Zoroaftrier zu allen Zeiten Berebrung er:
mwiefen haben und heute noch erweijen. Es iſt er
Härlih, daß in der —— des Lichts das Feuer
als Bundesgenoſſe des uzd im Kampf gegen
die Dämonen erſcheint. Es werden mehrere Arten
von je unterſchieden (dad gewöhnliche Feuer,
das Blikfeuer, das Feuer im Menſchen u. }. w.),
andererjeit3 unterfcheidet fih das Hausfeuer von
Feuern höherer Art, von denen einige in ien
weithin berühmt waren und in Feuertempeln ver:
ehrt wurden. Auch das Hausfeuer muß nad be
ftimmten Vorſchriften unterhalten und rein gebal:
ten werden. Es dürfen weder Waſſer noch Unrat,
vor allem keine Leichenteile ins Feuer gebracht wer:
den, weshalb auch das —— troden und rein
fein muß; DMenftruierende, die als unrein gelten,
dürfen dem Feuer nicht nabe fommen, noch hinein⸗
[en u. f. m. Berunreinigtes euer muß vor:
hriftägemäß wieder gereinigt werden.
Feuerdisciplin, die gewiſſenhafte Ausführung
ber im Feuergefecht (f. d.) erfolgenden Hr here
die genaue Beachtung der Vorſchriften für die Hand⸗
babung der Waffe und das Verhalten im Gefecht.
Die F. muß aud dann ihre Wirkung behalten, wenn
die Feuerleitung durch die Führer mangelhaft wird.
euerdorn, j. Crataegus. [j. Aufbänten.
euer durdhftohen, in der Dampficifiabrt,
euereimer, Gefäße von 10 bis 15 1 Inhalt,
welche zum Ausgießen von kleinen Bränden und,
namentlich in frübern Seiten, wo die Feuerſpritzen
Saugvorrihtungen nicht bejaßen, zum Zutragen
von Waſſer für die Sprigen dienten. F. werben aus
Holz, Eijen oder Zintbleh, Hanfgewebe oder Leder
ſowie aud aus durch Pech gedichtetem Korbgeflecht
bergeitellt. Am gebräuchlichſten find gegenmärti
Hanfeimer; diefelben befiken entweder eine dur:
vier Rohrſtege verfteifte und aus ſchwerem Gewebe
bejtehende Form, die unten und oben mit Seil:
einlagen verfeben, mit Ölfarbe geitriben und ge
firnißt wird, ober fie find ebenfalld aus ſchwerem
Gewebe, aber obne Stege und Anftrih ausgeführt
und zufammenklappbar (Hanftlappeimer).
(S. aud Feuerlöjcher.) j
ger ahne, N Luntenſpieß.
eu ter, |. Feuerlinge und Tafel: Schmet:
terlinge I, Sig. 1lu.13. j
Feuerfeft, jeuerbeftändig, feuerſicher,
nennt man im allgemeinen das der Wirkung bes
Feuers Widerftebende. Zur feuerfihern Aufbemab:
rung von Geld, Wertpapieren u. ſ. w. dienen die
euerfeften Shränte (1.d.). Die Flammen:
chutzmittel (f. d.) dienen dazu, leihtentzündliche
leider: und Delorationgftoffe fenerbeitändig zu
maden. Die Feuerbeftändigleit der Gebäude richtet
fih nad ven einzelnen hierzu verwendeten Baus
materialien. Die weitverbreitete Anſicht, ein Bau
von «Stein und Eifen» fei dur einen Brand nicht
zu zerftören, trifft keineswegs zu. Die gebrannten
fünftliben Baufteine widerjtehen zwar dem euer
Teuerfefte Schränfe
iegelftein behält ı
—* gut. Der gebrannte
eine Tragfähigkeit und fein Gefüge in der ſtärkſten
Gluhhitze; er iſt das ſicherſte und feuerbeitändigite
Baumaterial, dad wir befigen. Die ungebrannten
fünftlihen Baufteine, lufttrodne Lehmſteine u. ſ. w.,
Lehmſtampfwände, der Piſebau und die verſchiede⸗
nen Arten von Fachwerkbau können aber auf Feuer:
ſicherheit feinen Anſpruch machen. Nur mit Ziegeln
ausgemauertes und mindeſtens 12 cm ſtark ver:
blendetes Fachwerk gewährt on von außen kom:
mende Brandgefahr eine an iche Sicherheit wie
eine maffive Hiegelmauer. Die natürlihen Bau:
fteine, Sandftein, Granit und Kallſtein widerſtehen
dem feuer und hoher Gluhhitze nicht. Sandftein-
mauermerf von weniger al3 45 cm Stärle zer
brödelt im Feuer in der Regel. Stärkere Steine
blättern auf der dem Feuer ausgeſetzten Seite um
10 und mebr Gentimeter Dide ab. Guten Schuß
gegen die Feuereinwirkung auf Sandfteinmauermert
ga: eine innere Verblendung dur Baditeine.
ie grobtörnigen, waſſerhaltigern ſowie die kalt:
baltigern Sandfteine leiden im Feuer mehr als bie
feintörnigen, waſſer⸗ und fallärmern. Granit vers
liert in der Hige jein kryſtalliniſches Gefüge, leiſtet
egen Drud und Stoß nur nod geringen Wider:
ſtand und zerfällt zu Sand; die Duarzteile ſchmelzen
und baden zujammen. Das Verhalten ver verſchie⸗
denen Kalkiteinarten (Muſchellalk, Dolomit,
Grobtalt, Kalltuff, Rallmergel, Marmor, Gips) im
euer ift gleich I ei allen wird durch die
ige der Waſſergehalt ſowie die Kohlenſäure oder
Schwefelſäure auögetrieben und der vorher fefte
Raltftein in feinem Zuſammenhang gelodert und
brüdig. Er fällt infolge ver Einwirkung des Löſch⸗
waſſers oder des nad dem Brande eindringenden
Regenwaſſers auseinander. Die Überrefte von Kalt:
teinmauern nad dem Brande find wertlos. Eiſen
jeder Art lann nur bei forgfältiger Ummantelung
mit *5 Materialien als feuerbeftändig gelten.
S. Eifenkonftruttionen.) Was die verjhiedenen
olzarten anlangt, fo ift die Entflammbarteit
im Eichenholz am geringiten, beim Kiefernbolz
am größten. Unter den Anjtrichen, die zur Vermin⸗
derung der Entzündbarleit des Holzes angewendet
werben, bewährt ſich am beften der Anftrich mit Waf:
ferglas. Die Imprägnierung mit Eifenvitriol, Chlor⸗
calciumlöfung, ferner mit Chlorzint oder Kupfer
vitriol vermindert die Brennbarleit des Holzes.
Gut verftrihenes, doppelt eingededtes Ziegel:
dab, ferner die neuern Falzziegel- ſowie die Ce:
mentplattendacdhungen bieten dem feuer Widerftand.
Geringer ift derjelbe jchon bei einfahem Ziegeldach.
Die mit Strob unterlegten Ziegeldachungen find ge:
fäbrlih. Gut hergejtellte und unterhaltene Raſen—
und Holzcementdahungen find feuerjicher,
Eiſen- oder Kupferblehdahungen fo lange,
als nicht höhere Hikegrade einwirken, die das Metall
zum Schmelzen bringen. Schieferdach ſchützt im
allgemeinen gegen die Weiterverbreitung des Feuers;
bei mebr ala 500° C. fpringen die Schiefer ab und
legen die Verſchalung oder das Innere des Daches
frei. Die Dornſchen Dahungen, aus rt
mörtel auf Latten bergeftellt und mit Steintoblen:
teer überitrichen, find gegen Flugfeuer widerſtands⸗
fähig. Glas, nur zur Überdachung Heinerer Räume
geeignet, jpringt je nad der Stärke jchon bei niedern
und ſchmilzt bei böbern Hißegraden. Steinpapp:
dahungen halten, jelbit wenn fie gut unterhalten
und gejanbet find, in größerer Hitze nicht aus.
621
Bon ben verfchiedenen neuern Baulonftruftionen
und Baumaterialien zeichnen fi mehrere durch
hohe — — gegen Feuer aus. Dies
gilt namentlih von Wänden und Deden aus Ra-
ibpuß, von nad dem Monierſyſtem bergeftellten
rege Wänden, Deden, Umkleidungen eiferner
äulen und Träger, ferner von den Kleineſchen
Dedenkonftrultionen, den Gementvielen, Gipsdielen,
Magnefitplatten, Superator : A3beitplatten ſowie
von Tylolithplatten und von Korkſteinen. Zum
Dfenbau dienen als feuerfefte Materialien nament:
lg Ehamotte (j.d.), Dinasziegel (f. d.) und
Magnefiaziegel(f. d.). Die Feuerfeſtigleit der
Thone ift bedingt durch ihre Zufammenfegung, und
je mehr ſich dieſe der reinen Thonfubftanz, d. b.
einem reinen Thonerbefilifat nähert, um fo Kae
chmelzbar find die Thone. Thone von diefer Rein:
t fommen in ber Natur nur felten vor, fie ent-
alten meift entweder Reſte von Gefteinen, aus deren
erwitterung fie hervorgegangen find, fo Feldipate
und zu den Feldſpaten gehörende jonitige Mine—
ralien, Sand, Glimmer, oder eingeſchwemmte
Stoffe, Eifenoryd, Kalt, Magnefia u. a. In der
Hige wirken dieje baſiſchen Körper auf das vor:
—— Thonerdeſililat und bilden mit dieſem
Doppelilitate, die um fo leichter ſchmelzbar find,
e größere Mengen von fremden Bajen vorhanden
ind. Die rationelle Analyje giebt einen Auf
chluß über, die Brauchbarkeit der Thone. Die
euerfeitigleit hängt — ab von der Art der
erung. Der Thon leidet weniger bei Gasheizung
als bei Steintohlenfeuerung, da im letztern Falle die
in der Flugaſche befindlichen Bafen als Flußmittel
wirlen. Feuerfefte Thone finden fich bei Paſſau und
Klingenberg in Bayern, Groß: Almerode in der
Provinz Hefien, Saarau in Sclefien u. ſ. w. Die
zum Schmelzen des Platins dienenden Öfen werben
aus Blöden von gebranntem Kalt geſchnitten. —
Vol. Keller, Über die Fabrikation und Anwendung
feuerfeiter Steine (2. Aufl, von —* Aachen
1890); Biſchof, Die feuerfeſten Thone (2. Aufl., Lpz.
1895); Richters, Unterſuchungen über die Urſachen
der Feuerbeſtändigkeit der Thone (Berl. 1897);
Andes, Feuerfiber:, Geruchlos- und MWaflerbicht:
machen aller Materialien (Wien 1896).
euerfefte Schränfe ober diebesfihere
Schranke, aus Eifen oder Stahl bergeftellte Be:
bälter zur fihern bg von Geld, Wert:
apieren, Dokumenten, Geſchäftsbüchern, über:
ke folher Gegenftände, deren Berluf durd
euer oder Diebitahl den Befiper ech! & {hä
digen würde und für die ed eine icherung
nicht giebt. Die weſentlichen Erforderniſſe eine?
feuer: und diebesſichern Schranls ſind: ſolide Bau⸗
art bei Verwendung beſter Materialien; ſtarke, nicht⸗
leitende Füllung der Räume zwiſchen ven Doppel⸗
mänden; genaue und feite Zujammenfügung, Ber
nietung und Verſchraubung der einzelnen Teile,
bermetiiher Schluß der Tbüren, melde deshalb
mit zahlreichen Feuerfalzen verjehen werden; Ver:
wendung guter, widerſtandsfähiger Schlöſſer und
Vermeidung alles deſſen, wodurch bei ausbrechen⸗
dem feuer der Zutritt der Hike in das Innere des
Schranks ermöglicht wird.
Die Wandungen jollen etwa 110—120mm Stärte
baben; bei Schränten, die in ſehr feuergefähr:
lihen Räumen aufgeftellt werden, madt ſich noch
die Cinfügung ifolierter, d. b. im Innern des
Schranks J—— Wandungen notwendig, wie
622
N bei dem in Fig. 1 dargeftellten Geldſchrank der
irma Karl Käjtner in Leipzig vorgejeben ift; aus
der Fig.2 (Grundriß) find die iſolierten Wandungen
deutlich erfichtlih. Das geeignetite Material zur
— des Hohlraums zwiſchen den Wänden ift
olzaſche, die oft noch einer befondern Zubereitung
unterworfen wird. Die Sicherheit gegen Einbrud,
welche ein Geldſchrank bietet, hängt, außer von der
Big 1.
en Ausführung desjelben, hauptfählic von der
tärfe des verwendeten Materials ab. Eijenplatten,
bie in Verbindung mit guten Schlöfiern genügenden
Schus gewährten, find nicht mebr feſt genug, jeit:
dem ſich das Bedürfnis nah Vorkehrungen gegen
das Einfräfen von Löchern herausſtellte.
Die VBernolllommnung der Diebeswerkjeuge hat
immer weitere Fortichritte in der Ronftruftion der
Geldſchränke zur
Folge gehabt.
Mäbhrend die bis:
er bei den Ein:
rehern beliebte
ManierdesEinfrä-
ſens von Löchern
von einem leicht
zur@ntdedung füb:
renden Geräuſch
begleitet war, gebt
durh die in ber
Big. 2.
neueiten Zeit aufgelommene Anbohrungsmethode
der Einbruch in geräuſchloſer Weile vor ſich, wenn
nicht durd eine Panzerung der Eifenwandungen
mit Stablplatten demjelben ein wirtjames Hinder:
nis entgegengefeßt ift. Vorzügliche Aufmerkſamleit
ift bei der Anfertigung von Geldſchränken auf die
Anbringung eines guten Verſchluſſes zu richten, der
ein unbefugtes Öfinen des Schranls mittels gach⸗
ſchluſſels u. ſ. m. zur Unmöglichleit macht. Zu den
verbreitetſten und am meiſten angewendeten Schloß⸗
konſtrultionen für Geldſchränke gebören die von
en und von Ehubb. Die Erfindung des
Bramahihlofies wurde zu Ende des 18. Jahrh.,
die des Chubbſchloſſes zu Anfang des 19. Jahrh.
gemacht. Durch die lebhafte Konkurrenz, welche die
genannten Syiteme einander machten, wurden fort»
Feuerfink — Feuergefecht
wãhrende Verbeſſerungen derſelben hervorgerufen,
aus denen um 1860 eine Kombination beider Sy—
fteme, das ſog. Bramah-Chubbſchloß, entftand,
das nod gegenwärtig ald das befte Geldſchrank⸗
chloß gilt. Bei den neuerdings angewendeten Zeit:
hlöfjern ift ed vermöge der Einwirkung eines
rwerkes nur zu * a möglid, das
Schloß zu öffnen. (©. Schloß.) Die erften F. ©. im
heutigen Sinne wurben 1834 von W. Marr in Lon⸗
don gebaut. In Deutichland traten zuerft ©. J.
Arnheim, M. Fabian und C. 2. Düng (alle drei in
Berlin) in den dreißiger Jahren des 19. Jahrh. mit
brauchbaren Fabrifaten hervor. Der Name «Arm:
beim» bat ſich bauptfählich in Berlin ald Bezeich-
nung für einen feuerfeften Geldſchrank eingebürgert.
Die erite öfterr. Geldſchrankfabril gründete 1852
3. Wertheim in Wien. Nach der Londoner Welt:
ausftellung 1855 verbreitete fich der Geldſchranlbau
mebr und mehr in Europa und in Amerila. — Bal.
Hoch, Der we rer (Dresp. 1893).
a — Euplectes.
ege, ).
rg t, das mit Feuerwaffen geführte
Gefedt. leuder, Wurfipieß, Bogen und Arm:
bruft waren die Vorläufer der fien, welche
legtere nachweisbar um die Mitte des 14. Jahrb.
zuerit auftraten, aber erit etwa 150 Jahre jpäter
bie Armbruft verbrängten. i
Neben der am meilten verbreiteten Feuerwaffe,
der Mustete, blieb aber die blante Waffe, die Pile,
nod lange Zeit die Hauptwafle. Die Entſcheidung
der Schlacht lag im Stoß der dichtgeſcharten Pite:
nierhaufen, auf die fi die wenigen Schügen nad
Einleitung bes Gefecht? zurüdzogen. Bon der Mitte
des 16. Jabrb. an trat eine raſchere Entwidlung und
Vermehrung der Feuerwaffen ein, und jomit eine
Vergrößerung der Zahl der Schü usletiere
im ältnis zu den Pilenieren. m Dreikigjähri-
gen Kriege trat das F. der Mustetiere in den Bor:
dergrund und wurde beſonders von Guſtav Adolf
ausgebildet, der eine leichtere Mustete und anitatt
der tiefen Gewalthaufen eine flache jehöglienrige
Aufitellung einführte, die fi in bejondern Fällen
dur Dublieren auf drei Glieder jegen lonnte, von
denen das erfte zum Feuern nieberfniete, jo daß
zeitweilig alle Gewehre in feit gebracht wer
den tonnten. Die PBileniere verſchwanden mit ber
Erfindung des Steinſchloßgewehrs und des Bajo:
nettö um ben Anfang des 18. Jahrh. ganz aus den
Armeen. un entwidelte ſich die eigenartige
i
wurm.
Lineartaktik (f.d.) oder Feuertaltik. Die von
Leopold von Deſſau geſchulte preuß. Infanterie wurde
bierfür vorbild —* und das Genie Friedrichs des
Großen, ber mit ihr feine unſterblichen Siege erfocht,
verſchaffte der Lineartaltil die Anerlennung und
Nachahmung von ganz Europa; die ganze militär.
Entmwidlung des 18. Jahrh. erfolgte in den von der
Lineartaktit vorgeſchriebenen nen. Aus ben
gewaltigen Ummälzungen aller Berhältnifje durch
die ranzöfiihe Revolution entmwidelte fi, zunächſt
als Notbehelf der ungejhulten franz. Mafjenauf-
ebote, das Spitem der Kolonnentaftit(f. d.)
n Verbindung mit Schüsenfhmwärmen. Sehr bald
aber erwarb ſich dieſe neue Taltik, mit welder
Napoleon Sieg auf Sieg erfodht und vor der bie
alte überlebte Lineartaltik — Aner⸗
lennung und fand überall Nachahmung. Sie blieb
zunädit die Grundform des infanterielampfes,
tonnte aber auf die Dauer den Anforderungen nicht
Feuergeiſter —
mebr genügen, melde die durch die fortichreitende | mit dem Ventilgehäuſe des Hahns.
i
Technit ſich entwidelnde Feuertraft der
und Artillerie, in altiver wie in paſſiver Hinſicht,
an die Kampfform der Infanterie ftellte. Nachdem
bereits die Cinführung der Periuſſionszundung
und der verſchiedenen gezogenen Gewehrſyſteme
den Charakter des Infanteriefeuer® weſentlich ver:
ändert hatte, brachte der Hinterlader, deſſen eriter
Vertreter das preuß. Zündnadelgewehr war, um
die Mitte des 19. Jahrh. eine völlige Ummälzung
der Örundlagen des F. bervor; die in Preußen zu«
erit angewendete Gompagnielolonnentattit
Il; Compagnietolonne) jhuf für die veränderten
erbältnifie des 5. neue Formen, in denen die
preuß. und beutfihe Infanterie die zahlreichen
Schlachten der deutiben Einigungstriege 1866 und
1870/71 flug. Hinterlader und Compagnielolonne
fanden bald allgemeine Aufnahme, und wäbrend
ber Hinterlader Durch die fortichreitende Tattif zum
Mebrlader vervolltommnet wurde, bildete die Com:
pagniefolonnentaftit den Übergang zu der neuern
Schutzentaktil, die zur Zeit die Normalform des
5. bildet. (S. auch Fechtart.)
euergeifter,Glementargeifter ({.d.)de3 Feuers.
Iude, Schmetterling, ſ. Gluden.
euerhahn, eine in Waſſerleitungen einzufchals
tende Borrichtung zum Anſchluß eines Spriken: oder
ubringerſchlauchs an bie
eitung. ig. 1 zeigt eine
gebräuchliche Konſtrultion
des F. für einen Fabrik:
ober anperbef er F.
wird mit feiner untern
lanſche a auf eine ent:
prechende Flanſche der
zaſſerleitung geſchraubt
und ſperrt durch ſein Ven⸗
til v das Waſſer ab. An
das Rohr Bwird der Löſch⸗
ſchlauch angeſchraubi.
Drebt man alsdann mit:
tele eines auf das Vierlant
k aufgeitedten Schluſſels
die mit Gewinde verſehene
— Ventilſtange 8 und ſomit
auch das Ventil v in die Höhe, fo tritt das Waſſer
durch das geöffnete Ventil v in das Rohr B und in
den Schlaub. Für das Innere von Gebäuden hat
ber 5. die in Fig. 2 darge:
ftellte Form. ad Bentil
fann bier von jedermann
dur das Handrad H geöff:
net werden; das Rohr B,
das zum Anſchrauben des
dich hlaudes dient, ift mit
einer Üiberwurfmutter M ver:
ſchließbar.
vielen Orten, die eine
nach neuern —*2— ein⸗
gerichtete Waſſerverſorgungs⸗
anlage befien, wird der F.
an das Straßenrobrneg un:
mittelbar angeſchloſſen und
führt in diefem alle den allgemeinen Namen Hy:
brant oder Waſſerpfoſten, und zwar wenn feine
Auslaßoffnung unter dem Straßenniveau: Unter:
flurbydrant, über demfelben: Überflurbydrant. Bei
den nter{lurbudranten verbindet ein winllig
gebogener
Fig. 2.
obrfrümmer das Wafjerleitungsrobr
Feuerkugeln 623
n letzterm
liegt das meiſt mit Lederdichtung verſehene Ab:
ſperrventil, alfo in unmittelbarer Näbe des in froſt⸗
freier Tiefe liegenden Leitungsrohrs. Vom Ventil:
Be führen zwei Eiſenrohre zu dem der Straßen:
ur gleihliegenden Hydrantentaiten (Stra:
Benlappe). Das eine der Rohre dient zur üb:
rung der Bentilfpindel und
ift demzufolge mit Stopfbüchie
verſehen, das andere hingegen
dient zur Ableitung des Waſ⸗
ſers nach oben. Leßteres mün:
bet aus in einen Stußen mit
Schlauchgewinde oder Bajos
nettflauen zur fchnellen Ans
bringung eines ſog. Stand»
robres für Schläude. Bei
Gebraud dieſes Hahnes ift
der Raftenvedel und die am
——— Sftußen ſitzende und
vor — jhüßende
Verſchlußkapſel zu entfernen
und das Ventil durch mebr:
malige Drehung der Ventil:
Ser mitteld eines Schlüi:
els, der auf ihren vierfan:
tigen Kopf aufgejest wird, zu
öffnen
nen.
Der Uberflurhydrant
( Sig. 2) ift in feinem untern
Zeile (Bentilgebäufe) dem Un:
terflurbybrant ziemlich gleich, |
nur liegt die Lentilfpindel D
mit im Steigrobr und gebt
durch die oberhalb der Aus:
lafmündungen a befindliche
Stopjbüdhie S. Das Ventil V
wird geöffnet, indem der Hopf
E durch einen Halenſchlüſſel
gedreht wird. Die Entwäſſe⸗
rung findet felbjttbätig durch
die Öffnung G jtatt, die fi
beim Heben des Bentils ſchließt.
Die Hydranten werden auch
— Füllen der Sprengwagen
enußt.
Feuerhaken, das Schüreifen der Heijer von
Ofen, Dampftefleln u. 1 w.; aud ein Werkzeug der
Feuerwehr (j. Feuermebrfabrgeräte).
Feuerhemd, in frübern Seetriegen angewandtes
Kampfmittel, Yeinwandftüde u. ſ. w., die, mit brenn:
baren Stoffen geträntt, an den feindlichen Schiffen
befeftigt wurden, um fie in Brand iu jepen.
euerhöhe, bei Lafetten der Abitand der page
rechten Seelenachſe vom Erdboden; meijt gleidhbe:
deutend mit Pagerböbe (f. d.).
euerfäfer. j. Inſelten (II, D, 2) und Tafel:
Käfer IL, Fig. 7.
Feuerkröte, ſ. Unte und Tafel: Froſche und
Kröten I, Fig. 2, beim Artitel Froſchlurche.
Fenerfugeln, auch Meteore, jeuermeteore
oder Bolide genannt, die meift ganz vereinzelt aufs
tretenden Sternſchnuppen (f.d.) von ganz bejonderer
Größe und Helligleit. Diefelben erreihen mand:
mal die fcheinbare Größe des Vollmondes und ver:
breiten durd das von ihnen ausitrablende Licht
— Zageshelligteit. Selbſt bei vollem Tages:
icht find F. plöglic fichtbar geworden. Die Narbe,
in ber fie erfcheinen, ift außerordentlich verfchieden,
624
ebenfo ihre ſcheinbare Geſchwindigleit und die Dauer
ihrer ganzen Erſcheinung. Die 5. hinterlafjen oft
einen hellen Schweif, der nicht felten längere *
(bis zu einer halben Stunde) fortleuchtend geſehen
wird, nachdem die eigentliche Erſcheinung der Feuer⸗
tugel ſchon verſchwunden ift. Viele F. zerfpringen
am Ende ihrer fheinbaren Bahn unter unten:
fprüben, oft mit bonnerndem Geräuſch, und fallen
als Meteorfteine (f. d.) nieder. — Mit dem Namen
F. bezeichnet man auch die Kugelblitze (ſ. *
Feuerland, Feuerlandarchipel, jpan.
Tierra del RS ed are
üdl. Br. und 65— 75° weſtl. L. im äußerften Süden
merifas, von dem Feſtlande durch die Magalbäes:
ftraße getrennt (f. Karte: La:-Plata»-Staaten
u. j. w.), bejist ein Areal von 73140 qkm und
beiteht aus der früher König Karla Südland, jest
Tierra del Suego genannten dftl. Hauptinfel, den
ſüdlich davor gelagerten Infeln Navarin (2480 qkm),
ojte mit cd injel Hardy (6660 qkm), Gordon,
onbonderry, Stewart, welche durch den Beagle:
Ranalvom F.getrennt find, und den Infeln Dawſon
1320 qkm), Elarence (2750 qkm), Sta. Ines und
ejolation, welche die Magalhäesitrage im SW.
abſchließen. Alle diefe Inſeln bilden zujammen die
nad SO., D. und ſchließlich nah OND. gerichtete
— der urſprünglich nordfüdlich ſtreichenden
ilen. Küſtenletten und beſtehen aus Schiefern und
Sandſteinen. Ihnen vorgelagert find im S. und
SD. die Hermite-Infeln mit 220 qkm, Wollafton,
Lennor, New: Jsland und die Stateninel (f. d.).
Letztere und bie öjtl. Hälfte (im D. des Meridians
63° 34°) des eigentlihen F. gehört als Territorium
5. zur 0 Sein re Republik (zufammen 21499
km); die Weſthälfte und alle andern Inſeln find
eit 1881 chileniſch.
Durch die Hauptinjel Ye 6 drei Gebirgs⸗
züge gegen WSW. und W.: die Sierra Balmaceda
im N. zwiſchen dem Kap Eipiritu Santo und dem
Broad Read, die Sierra Carmen Sylva zwiſchen
dem Kap Sebajtian und der Babia Jnutil (Ufeleß:
er in der Mitte und das vulkaniſche Küftengebirge
im S. mit dem Monte-Sarmiento (2070 m) und dem
Monte-Darwin (2100 m); nörblid von der Sudlette
liegt Tertiär mie in Batagonien. Überhaupt wieder:
bolen die Hüften die Eigentümlichteiten der Weft:
und Dftlüfte des Feftlandes. Der Weiten ift ſtark
eingeihnitten (Uſeleß-Bai, Aomirality Sun), der
Diten ift flach, fandig, faft hafenlos. Das Innere
bat ſich nad) Liſtas 1886 angeitellten Unterſuchungen
ala fruchtbarer heraus ee, ald angenommen
wurde. Es finden ſich breite Thäler, waflerreiche
— und Wieſen im N., waldreiche donen im ©.,
owie am Wejtabhang der Sierra Balmaceda, dar
über ewiger Schnee auf den höhern Bergen. Die
Wiejen find zur Schafzucht geeignet.
Das Klima ift ein fübles Seeflima mit geringen
Ertremen. Die Mitteltemperatur des Januar be:
trägt in Uſchuia (61° 41’ ſudl. Br.), wo feit 1896
eine meteorolog. Station beftebt, 11,5°, die des
Nr — 0,6°, die des Jahres 54°C. Auch der Regen
iſt ziemlich gleihmäßig über die einzelnen Monate
verteilt. Stürme find häufig. Die Pflanzenwelt ift
antarltiſch, d. b. jie entjpricht der in ſübl. höhern
Breiten allgemeiner verbreiteten von immergrünen
Gebüjchen, unter denen ſtrauchförmige Buchen nicht
feblen, aber fein neuer Nadelwald wie im N. unter
entiprechenden Breiten erjtebt, jondern Doldenge—
wächſe, einige Heiden (Pernettya) mit Fuchſien,
Feuerland — Tyeuerleib
Ranunkeln, Gräfern und Binfen bilden den Teps
pich. Einige Arten finden fi bier aus dem nördl.
Europa wieder, die Hauptmaſſe aber ift die des
—* Weſthanges von Patagonien (f. d.). In der
ierwelt fehlen Reptilien und Amphibien gänzlich,
Sand: und Sußwaſſermollusken fowie Infelten fin
den ſich äußerft felten, doch werben einige merkwür⸗
dige Käfer angetroffen. Außer Rolibris und Papa⸗
eien jomwie einigen Geiern und Habichten giebt es
eine Zandvögel. Die einzigen vierfüßigen Tiere
einen eine Hunbeart und das Guanaco zu so
agegen giebt es viele Walfiſche, Seehunde, See
löwen, Scaltiere und Wafjervögel.
‚ Die Eingeborenen (nicht mehr alö 3000) zerfallen
in brei der Sprache und Abſtammung nad) verfchies
dene Stämme. Im öftl. Teil der Hauptinjel wohnen
bieOna,eingro en lag,
der in Sprache und Lebensweiſe ben Tehueltſchen
nörblid von der Magalbäesftraße verwandt ift. Jı
denWalbviftrikten des ſudl. und weſtl. Teils des Archi⸗
pels wohnen an ben Buchten und Fjorden diſcher⸗
und Jägerftämme, die im engern Sinne als Feuers
länder zu bezeichnen find. frühern Reiſeberich⸗
ten werben fie Peſcheräh genannt. Diefer Name
ift nad einem Worte gebildet, das die Schiffahrer
von den Eingeborenen hörten; ein Stammname ift
es nicht. Im S. am Beagle-fanal und in der Näbe
de? Kap Hoorn wohnen die Jahgan, weſtlich von
ihnen die Alacaluf. Beide Stämme näbren ſich
von dem Ertrag der Jagd auf Robben und Belztiere
und auf Wafjervögel. Ihre Behaufungen find aus
Stangen und Baumzmweigen erbaute Hütten. Es ift
ein Heiner Menſchenſchlag mit groben Zügen, gel:
ber Hautfarbe und langem ſtraffen Haar (j. Tafel:
Amerilanifhe Böllertypen, ðc 21 u. 22,
beim Artitel Amerilaniſche Raffe). Seit 1863 find
engliſche prot. Mifjionare unter ihnen thätig.
Seit 1881 ift die Erforjhung, namentlih von
argentin. Seite, jtärfer betrieben worden. An der
Ditfeite der Hoſte-⸗Inſel in Orange-Bai mwurbe
1882/88 die franz. Bolarftation errichtet. Die Häfen
und die Injeln der Süpfeite bejuchte 1881 Boſſi,
1882 unterfuchte Bove den Beagle-Stanal, die Sta⸗
ten: und bie Clarence⸗-Inſel. 1834 durchzog er mit
Noguera die Inſel F. von Uſchuia bis Admirality
Sund. Das eigentlihe Innere erforſchte 1886 Ra⸗
mon Lifta, aud Popper durchquerte dasjelbe von ver
Magalhäesitrafe aus. 1887 fand J. Scheltze im
hilen. Teile Reihtum an Edelmetallen. Die neue
ſten Forihungen find die von Popper, Roufjon und
Willem (1890— 92) und von Dtto Nordenſtiold,
a und Dujen (1895— 97). — Bol. Blagmann,
Gloſſar der feuerländ. Sprache (Lpz. 1882); G.
Bove, Patagonia, Terra del Fuoco ecc. (Genua
1883); Lifta, Viaje al Pais de los Onas (Buenos:
Aires 1887); R. Serrano, Derrotero del Estrecho de
Magallanes, Tierra del fuego etc. (Santiago 1891);
Mission scientifique du Cap Horn. Tome VII*®:
Anthropologie et Ethnographie, par P. Hyades
et J. Deniner (Par. 1891); Svenska Expeditio-
nen till Magellansländerna 1895 —97, Bv. I, 1
(Stodh. 1899); Conway, Aconcagua and Tierra
del Fuego (Lond. 1902).
euerlandarchipel, |. Feuerland.
erlanzen, |. Brandgeſchoſſe und Geihüs.
erleib (Pyrosoma), Feuerwalze, Name
einer Gattung der Seeſcheiden (ſ. d. und Tafel:
Manteltiere, Fig. 1, ſowie Tafel: Leucht ende
Tiere, Fig. 3, Bd. 17).
Feuerleitern
eitern, die zum Beſteigen brennender
Gebäude dienenden Leiten. Es find 1) Haken—
ober Hängeleitern, 2) Dacleitern, 3) frei:
ftebende und Anitellleitern. — Die Ha:
fenleiter ift ein Steiggerät, mit deren Hilfe
der Feuerwehrmann (Steiger) an der Außen:
jeite eines Gebäudes mit einem Schlauche em:
vorfteigen fann. Sie beitebt aus einem oder
wei aus leihtem und zähem Holz (meift Eiche)
ergeftellten, mit Sproſſen verjebenen Bäumen
(Holmen) von 3%, bis 5 m Länge, an deren
oberm Ende ein jchmiebeeiferner verzabnter Ha:
ten (Sägehalen) —— igt iſt. Nach
der Anzahl ihrer Holme bezeichnet man die
Leiter als einholmige (j. Fig.3) und
meibolmige (Fig. 4 u. 5). Mit Has
tern, die einzeln übereinander
in die Feniteröffnungen der Stod-
werke eingebängt werben, läßt fib 4
vom Erdboden nur bis zum
. over! eine nei
eitergang) berftellen;
zur Sortfepung bes Weges
vom Fenſter des oberiten
Stodwerfs über die Kante
des Hauptfimfes
dem Dache aber mu
man fi, und zwar mit
ßter Vorſicht, des
ims⸗ oder Steig:
bodes bedienen; ber:
——— aus einer
tplatte mit
verſtellbarem
Zio.d. BVia.·. Fis. 6.
Fe. 2.
Brodyaus’ Konverjationd-Lerikon.. 14. Aufl. RU VL
nad dem Dad anzulegende leichte Leiter.
x
der Neuzeit durch die mechan. Schiebeleiter faft gan
verdrängt worden.
Dadleitern die:
nen zum Befteigen
von Dädern und
Pe weiholmige
eichte Leitern von
etwa 2%, bis 3”, m
Länge mit auf den
Holmen befeitigten
En Sprofien und mit
— =. beweglichen eifernen
Halen zum Einſchla⸗
gen und feitlichen
Einhängen. Lenz in Dans
sig bat 1889 eine fombi:
nierte Hafen: und Dad
leiter bergeftellt.
DieAnjtellleiterin
ihrer einfachſten Form iſt
allbetannt; jehr lange
Anitellleitern (&—10 m)
ya ſchwer, erhalten be
ondere Stügen zum Auf:
rihten und zur Ermög:
lihung des Freiſtandes.
Stedleitern find Leis
tern zum Anlegen, bie
dur einanderfteden
von 2 bis 3 Leiterteilen
von 4 bis 5 m Länge ge
bildet werben.
Schiebeleitern ein:
fachſter Ausführung wer:
den jomohl ala Anſtell⸗
wie als freijtebende Lei⸗
tern verwendet. Zur Er⸗
reihung von Höhen über
12 m gebraudt man in
ber Neuzeit die jog. me:
chaniſchen Schiebe—
leitern mit mechan.
ar um
eine Achſe drehbar ge im“
pe
— — —
ee
De
—
—
- — * 9
Ermugmamauım —
———
7
=
lagert auf einem zwei⸗
oder auch vierräderigen
— — —
arm gene er 7 a
625
befeftigt wird und jo die Stübfläche bietet * em
in
626 Feuerleitung — Feuerlöſchbeſen
Wagen, ver gleichzeitig ald Baſis zum Aufrichten
und zum Transport dient. Sie ermöglichen in den
en, wo im Innern von Gebäuden oder in deren
achbarſchaft ein Aufitieg nicht möglich ift, auch
Halten: und einfache Anitellleitern nicht ausreichen,
einen bequemen und fchnellen Aufitieg und be:
figen außerdem nod den —* ‚dab fie ſich
auch völlig freiftehend beiteigen —*
aus 2—4 Teilen von je 8 bis 10 m Länge, welche
im Aubezuftand flab aufeinander zufammen:
geihoben find und mittel3 Windevorrichtungen
aufgerichtet und in die Höhe auseinander geſcho—
ben werden. Den maningfaltigen Berhält:
niſſen entfprechend werden die mechan. Schie⸗
beleitern verſchieden gebaut. Einige Haupt⸗
arten von neuern Schiebeleitern, wiefiegegen:
mwärtig von C. D. Magirus in Ulm, J. ©.
Lieb in Biberach ausgeführt werden, find in
den fig. 1, ehe Hi re So zeigen
Fig. 1 u. 2 eine Schiebeleiter für Höhen
von 14 bi8 30 m und zwar ſowohl auf
dem Wege zur Branbitelle (ig. 1) als
im aufgerichteten Zuftande (Fig. 2). Hier
eſchieht das Aufrihten durh Minden.
si 6 jeiat eine fog. Ballafts over Ba:
anceleiter(nab Weinhardt) für Höben
von 12 bis 16 m. Diefelbe ift zweiraderig
und derartig auf der Radachſe aus:
balanciert, daß fie zum Aufrichten /M
feiner beſondern * bedarf. Die /#
Feſtſtellung dieſer Leiter geſchieht 4
durch befondere Stüken.
Bei Turm: oder Dreh⸗Schiebe—
leitern kann die auf einem turmäbn:
lihen Gerüft drehbar gelagerte Leiter
mit erjterm auf dem Wagengeitelleine
treisförmige drebtranähnliche Be:
mwegung machen, obne daß, wie bei
den vorgenannten Leiterſyſtemen,
der Wagen mitzubreben iſt. Zum
Betriebe derjelben wird Men—
fchentraft oder fomprimierte Luft,
Ktoblenfäures oder Wajlerbrud
vertvendet. Eine berartige pneu:
matijche Turmleiter, wie jie von
ied, Sohn, in Frankfurt a. M.
n neuelter Zeit ganz in Eijen
ausgeführt wird, zeigt Fig. 7.
Der Turm ift zugleich ein Luft:
windlefjel, in dem die zum Be
triebe verwendete ftomprimierte
Luft mit einer Spannung von
10—11 Atmojphären * e⸗
peichert wird. Die Leiter ſelbſt
eſteht aus 4—5 teleſtopartig
ineinander geftedten Robren,
an deren —— die einzel⸗
nen Leiterteile befeſtigt ſind;
mittels Windewerk wird ſie in
beliebiger Weifenahvom oder —
ſeitwärts gerichtet und durch
die vom Turm in das Teleſtop
(Mait) q
fter Zeit wie ein hydrauliſcher Tele
Ku8 nebit Taf. Il, Fig. 1 u.2) boden oben. Eine
reb: Schiebeleiter mit eifernem Drebgeftell zum
Betrieb mit Menichentraft zeigen Fig. 8 (Fahrſtel⸗
. Die Leiter
ſelbſt beitebt je nad der verlangten Steighöhe
—— aller großen Schiebeleitern iſt Die größere
Sicherheit des Feuerwehrmanns beim Steigen. Man
begnügt fi, wenn eine an die Spige der vollftändig
ausgezogenen, unter den Normaljteigwintel (etwa
80° genen den Horizont) geneigten Leiter ange
bingte Laſt von ungefähr 250 kg (3 Mann)
getragen wird. ferner muß jede diefer Lei⸗
tern bis zu einem gewiſſen Grade vorwärts
und feitlich neigbar ſein und außerdem zu der
Ermöglihung oder Sicherung ihrer ſenkrech⸗
ten Aufitellung auf unebenem Boden eine Re⸗
aulierung befigen.
Feuerleitung, im 32 die Ein⸗
wirtung der verſchiedenen Vorgeſetzten (Grup⸗
penführer, Zugführer, Compagnieführer, Ba:
taillonscommandeur) auf das Feuer einer
Schüsenlinie. Die — umfaßt: Beſtimmung des
zu beſchießenden Zieles, Schaͤtzen der Entfernung
desſelben (Entfernungsſchaͤtzen, |. d.), Eröffnen
und Einftellen (Stopfen), Art und Lebhaftigkeit
des Feuers (Feuerart, |. d.) und Übermwahung
des Munitionsverbraubs; endlich auch bie
Sorge für rechtzeitigen Munitionserfag.
ini nn f, Lilium.
enerlinge (Polyommatus), Seuerfalter,
Goldfalter, eine zu der Familie der Bläulinge
(1. d.) gebörige Gattung der Tagſchmetterlinge mit
egen 330 Arten und fait kosmopolit. ® tung.
Särbung auf ver Oberfeite meijt in verſchiedenem
Umfange und mit verfchiedener Lebhaftigleit des
Glanzes golvigrot oder bräunlichrot mit gelben
Aleden, of auch violettbraunem Schiller, Unter
ſeite meiſt grau mit ſchwarzen, weißgefäumten
äleden. Die affelfürmigen Raupen leben meift auf
niedern Pflanzen. Hierher gebören acht deutſche
Arten, von denen bejonders zu erwähnen find der
aefledte Keuerfalter (Polyommatus Phlaeas
1.,1.Zafel: Schmetterlingel, fig. 11), der ge:
meine Feuerfalter (Polyommatus tenfalte
Ochs. , |. Taf. I, ig. 18) und der Dulatenjalter
(Polyommatus virgaureae L.), auch Dulaten:
vogel oder Öoldrutenfalter; die erftern beiden
im männlichen Geſchlecht oben glänzend golvigrot
mit dunkelm Saum und dunkeln Fleden, tim weib⸗
lichen matter bläulihrot mit zablreidhern Sleden ber
letztere im männlihen Geſchlecht pradtvoll gebig
rot, im weiblichen den beiden vorigen ähnlich.
rünen, gelb gezeichneten Raupen leben im Fruh⸗
ing auf Ampferarten, ver Goldrute u. f.w. Mande
einheimische Arten haben zwei
Generationen.
Fenerlinie, diejenige Linie
oder Kante, melde durch den
Schnitt der Krone und der ins
nern Boſchung einer zur Ver
teidigung eingerichteten Del
tung gebildet wird. Da längs
* die zum Feuern beſtimm⸗
ten Mannſchaften und Geſchu
Aufſtellung finden, ſo
Umfang und ihre Lage (ſowohl
Höbenlage wie Richtung) für
die Beurteilung der betreffen
brte Luft auf beliebige Höhe in kürze: | ven Dedung überhaupt maßgebend. (S. aud Linie,
Knaulıng (j. Auf: | militär,, 3.
L f. Polyporus.
uerlöcherpilz, unebterfeuerfhwamm,
Iöfchbefen oder Patſche, ein flacher,
fäcerartig gebundener großer Reifigbefen, oder ein
lung) und Fig. 9 (feitlih aufgerichtet). Ein Haupt: durch Anbinden von Hanftuchlappen oder fonjtigen
Feuerlöſchbrauſe —
Stoffen an eine Stange —— beſenartiges
Gerät, welches mit Waſſer benetzt zum Ablöfchen
von Funlen Verwendung findet.
—— He 4 Sicherheitsvorrichtungen
nebſt Tafel, ig. 1.
euerlöfchdofe, ein Feuerldſchmittel (f. d.), das
ich dazu eignet, Brände in geile enen Räumen zu
elämpfen, und all Wirkung auf der reichlichen
Entwidlung von Gajen (Stidftoff, ſchwefliger Säure,
Roblenfäure) beruht. Die jog. Bucher * F. die
1846 vom Geh. Bergrat Kühn in Meißen —
und von Bucher in Leipzig zuerſt in den Handel
gebracht wurde, enthält in einer Pappenhülſe eine
Miſchung von 66 Proz. Salpeter, 30 Proz. Schwefel
und 4 Proz. Kohle. Im gefahrdrohenden Augen:
blide wird die um die Dote gewidelte Zundſchnur
entzündet und die Dofe in den betrefienden Raum
eworfen, worauf durch die Verbrennung des
nbalt3 die das ‚Feuer erftidenden Dämpfe ent:
widelt werben. Man rechnet etwa 1 kg Maſſe auf
10 cbm geſchloſſenen Raum. Da bie 8 auch für
brennende Fette, Spiritus u. f m. anwendbar ijt, fo
iſt fie für feuergefährlihe Etabliffements (Ölmüblen,
— Brennereien) an manchen Orten
polizeilich eingeführt.
erlöſcheimer, ſoviel wie Feuereimer ß d.).
euerlöjcher, Spareimer, ein von Zehnder
in Bafel zuerft hergeftelltes vlechgefaß mit breiter
———— Ausgußoffnung, um den aus 8— 121
aſſer beſtehenden Inhalt beim Löihen Meiner
Brände in ſparſamer und wirkſamer Weiſe in breitem
Etrable audzumerfen. (S. auch Feuereimer.)
— flaſche, ſ. Feuerlöſchgranaten.
euerlöſchgranaten, eine amerik⸗engl. Erfin⸗
dung, rundliche mit einem Dal verjehene Glas:
flaſchen, mit etwa */, bis *, 1 Ylüffigteit, beftebend
aus einem Gemisch von Waſſer und aufgelöjten Sal:
zen; fie find bei entſtehenden Heinen Bränden mit der
Hand auf das brennende Objekt zu werfen und follen
beim Zerplagen durch den augfließenden Inhalt den
Brand * Angeſtellte Proben haben ergeben,
daß die gläſerne Loſchgranate auf einem Bett, einer
Draperie u. dal.nicht plagt, bei ihrer Zertrümmerung
aber leicht Verlegungen der Umjtebenden verurſacht
und mit Rüdficht auf die Heinen ug von Che
milalien in der Löfung nur geringe Löſchwirkung
bejist. Der Preis ift dabei im Verhältnis zum
wirklichen Mert ſehr EM So 5.3. 1) Haymarda
Driginal: Feuerlöjb:Handgranate;Gefamt:
ewicht 1120 g, 700 g Flüffigkeit, gelblich wäſſerige
öfung von 15,7 Proz. Eblorcalcium und 5,5 Proz.
Ehlormagnefium mit Waſſer. Beim Aufgießen auf
ammen verbampft das Mafler, Eblorcalcium bleibt
wejentlichen unverändert zurüd, en
zerjept fihund giebt DämpfevonSalzjäure. 2) Har:
dens Jeuerlöihgranate; Geſamtgewicht 900 g,
555 g Fluſſigkeit, gelblich wäſſerige Lölung von 19,5
Proz. Kochſalz, 9 Proz. Salmiat in Waller; beim Ges
brauch bleibt erfteres im wesentlichen ungerjest, letzte⸗
res verdampft. 3) Schönbergs Feuertod & euers
loſchflaſche); Geſamtgewicht 700 g, Inhalts:
ewicht 440 g, farblofe Löfung von 1,7 Proz. lohlen⸗
(turen Natrium (Soda) * roz. Chlornatrium in
aſſer. Beide Salze bleiben bei Verdampfung uns
zerſetzt und bilden feine Dämpfeund Gafe. 4) Ympe:
trial: Feuerlöfhgranaten; Waflermit25 Proz.
Ehlorcalcium, *, Proz. Salmiat, 5) Labbegras
naten; 600 g Flüſſigkeit mit 30 g Chlornatrium,
40 gEhlorammoniumcarbonat, 40 grobe Salzfäure,
Feuerlöſchweſen 627
nerlöfchmittel. Unter den naturlichen
Loſchmitteln nimmt das Waffer infolge feiner wirt:
—— Löfchkraft die erſte Stelle ein. Außer dem
afjer wendet man beim Erftiden von Bränden
ſprit⸗ und teerartiger, —— und fetter Stoffe als
natürliche Loſchmitiel Sand, Lehm, Erde, Dünger,
Grünfutter (Klee) u. a. an. Rünftlice Cafhmittel
> iſchungen von verſchiedenen Stoffen, um die
erbrennungstemperatur abzukühlen und den bren:
nenben Körper mit einer Schicht zu überziehen, fo daß
der zur Verbrennung nötige Sauerftoff von außen
nicht zutreten kann, ſowie Mifhungen und chem.
Stoffe, bie bei ihrer er den zur VBerbrennun
nötigen Sauerjtoff aufbrauchen oder dur Entwid:
— von Gaſen und Dämpfen flammenerſtickend
wirken. Hierher find zu rechnen Gemenge von Waj:
fer mit unverbrennbaren Stoffen, wie Lehm, Kreide,
Thon, Kochfals u. a., foivie Schwefel, Schtekpulver,
Alaun, Eijenvitriol, Salmiat, Soda, Waflerglas,
Borar, phosphorjaure Salze u.a. Ein Gemenge von
60 Proz. an 80 Broz. Alaun und 10 Proz.
Soda bat fi ald gutes kunſtliches Loſchmittel
(Löjhpulver) erwiejen. Bon den chem. Löſch⸗
mitteln find zu erwähnen hauptſächlich die Feuer:
löſchdoſe ſowie in neuerer Zeit die Feuerlöſch⸗
tanaten (f. d.). — Bol. Gautſch, Das chem. Feuer:
oſchweſen in allen feinen Teilen (Münd. 1891);
Rudolfi, Die Brandlöfhung vom wiſſenſchaftlichen
Standpunlt aus betrachtet (2ypz. 1901).
Feuerlöſchpulver, Löſchpulver, f. Feuer
löfchmittel.
Feuerlöſchquaſte, einem Anftreicherpinfel ähn⸗
lihe Vorrichtung; fie beftebt au8 einem etwa 12 cm
langen und etwa 8 cm diden Borftenbündel, mel:
ches an der Stelle, wo die einzelnen Borjtenzöpfe
im Holje eingepict find, mit einem Metallringe
umgeben ift. Man verwendet biefelbe bei Zimmers
bränden, um Beihädigungen durch große Wafler-
mengen zu vermeiden.
Feuerlöfchtuch, ein vierediges oder ben Gegen:
ftänden, die es beveden foll, — geformtes
Pacdtuch von dickem, nicht zu loſem guten Gewebe. Es
wird über Gegenjtände gedeckt und naß gehalten, um
diefelben vor Flugfeuer, Funlen u. f. w. zu ſchützen.
euerlöfchtwefen, ein Zeil des Feuerſchu
weſens (f. d.), bie Gejamtbeit derjenigen Einrich⸗
tungen, die in georbneter Weife die raſche Loſchung
und Verhinderung der weitern Ausbreitung von
Schadenfeuern jowie Rettung von Gut und Leben
ermöglichen. Yeuerlöfhung und Feuerrettung wird
ausgeführt durch die Feuerwehr (f. d.) Die
Feuerlöfhung erfolgt mittels —*6 und an⸗
haltender Anwendung der Feuerldſchmittel (f. d.),
insbeſondere des Waſſers, unter Beſeitigung be:
drohter feuerfangender Stoffe aus dem Feuerbereiche.
Die Feuerrettung hat im allgemeinen die Auf:
gabe, alles von Flammen Bedrohte dur rafche
öfchung des Feuers vor Vernichtung zu ſchühen
und ſchnell außer Gefahr zu bringen. Dan unter:
DUO ERRHR NIE EHI ERESEIREE Eritere
eſteht in der fchnellen Entreißung wertvollen be:
weglichen Eigentums aus dem Feuerbereihe. Die
Entfernung sg 7 oder leicht brennbarer
Stoffe aus der Nähe des Feuers behufs Verbin:
derung ber weitern Ausbreitung des Feuers iſt ala
zur Feuerlöſchung gebörig zu rechnen. Die Sachen:
rettung erftredt I nur jo weit, ald dadurch die
Feuerlöfhung nihtbenadteiligt wird. Die Menſchen⸗
rettung ift die vornehmſte Aufgabe der jeuerwebr;
40*
628
fie ift eine von der gegebenen Lage und a pri
Zufälligteiten abhängige Thätigleit; für fie kann
daher weder ein geregeltes Syitem nod eine be
ftimmte Vorjhrift gegeben werden. Lebendes und
toted Material (Geräte, Löjchmittel) müfjen fo
verwendet werben, daß gie — ————
Genüuge geleiſtet wirb: raſches und möglichft fiheres
Belanntwerben der Brandftelle, ſchnelles Herbei:
eilen der mit den Geräten ausrüdenden Mann:
[Baften, gute Gerätichaften, Feuerlöjchmittel, ins⸗
ejonbere ausreichende Mengen Wafler, eingeübte
Mannſchaft, einheitliches Kommando.
Zu den Einrihtungen und Geräten eines
geordneten % gehören: die Melde: und Alarmvor:
richtungen (}. Feuertelegraphen, Feuermelder, Feuers
alarm), die Einrichtungen zur Waſſerbeſchaffung (f.
erhahn, ri: Feuerſpritzenſchlauch), die
euerlöjchmittel (ſ. v.), die Feuerwehrfahrgeräte
. d.), die Feuerwehrrauhapparate (f. d.), die
—— sappartate (ſ. d.), jerner bie zur
Feuerwehrausruſtung 6 d.) gehörenden Geräte,
owie die ee (1. d.).
fiber die Bedeutung des F. in den deutſchen
Städten von mehr ald 50000 E. Ende 1900 giebt
die fiberficht auf Seite 629 Aufihluß.
Behufs Förderung und Ausbildung des Feuer:
wehrweſens im Deutihen Reihe und in Deutſch⸗
em wurde auf dem eriten, 8. Sept. 1854 in
Ulm abgebaltenen Feuerwehrtage als eine Art freier
Bereinigung der Dzutſche Feuerwehrverband
—— Derſelde umfaßle 1898 in Deutſchland
6061 Feuerwehren mit 1451123 altiven Mann:
ſchaften und in Deutfch:Öfterreich 4496 Feuerwehren
mit 218500 Mannicaften, die ji auf 36 Landes:
und Provinzialverbände verteilten. Letztere beſtehen
wieder aus den Bezirklsverbänden, die den Zwedk
haben, die Art der —— Hilfeleiſtung der
einzelnen Nachbarfeuerwehren zu beſtimmen —
onders auf dem Lande das Intereſſe für Feuer:
löiheinrihtungen —— Am 2. Dez. 1900
traten die 8 deutfch-dfterr. Yandesverbände aus und
die öfterr. Feuerwehren gründeten den ſter—
reichiſchen Feuerwehr-Reichsverband mit
16 deutſchen und nichtdeutſchen Landesverbänden.
Oſterreich zählte 1. Jan. 1901: 9849 unentgeltlich
Hilfe leiftende Feuerwehren mit 441 925 Mann, mo:
von 9361 Feuerwehren mit 378638 Mann dem
Reichsverbande angehören. Deutichland befikt
(1901) 50 Beruföfeuerwehren. Am 14. uni 1899
gründeten Offiziere deutſcher Berufs feuerwehren den
«Verband Deuticher Berufsfeuerwehren»; ald Mit:
Kies können eintreten alle altiven und ehemaligen
ziere deutſcher ——— und Feuer⸗
loſchinſpeltoren oder in ähnlicher Stellung befind⸗
e Beamte in Deutfchland (Mitglieder 1901: 130).
Die Berliner Feuerwehr iß die größte deutſche
Berufsfeuerwehr. Sie beftebt 100) aus 5 Com:
pagnien mit 19 ftändigen Wachen (1 Hauptfeuer:
mwade, 5 Compagniewachen) mit 21 Dffizieren,
7 Felowebeln, 81 Überfeuermännern und Über
maſchiniſten, 738 Feuermännern und Sprigen:
männern, jujammen 847 Köpfen und 132 Pier:
den. An Fahrzeugen waren vorhanden 10 Dampf:
fprigen (davon 3 in Referve), 10 Tender, 18 große
andiprigen, 16 Perſonenwagen, 19 Schlaud:
wagen, 15 Wafferwagen, 4 Geräte:, 4 Trandport-
und 7 medan. Leitern. Das Perjonal der auch
Polizeismeden dienenden — ————
zählt 33 Köpfe (einſchließlich ĩ Telegrapheninge—
Feuerlöſchweſen
nieur); vorhanden find 946,5 km Leitungen, 257
Spredjtellen, 498 ermelder ra lid 146
um öffentlichen Gebrauch). Der Geſamtwaſſerver⸗
raud betrug 1899: 5589757 1 (in 286 Fällen),
1898: 10454288 1 (323), 1897: 7274217 Dae7):
bei Bränden außerhalb des Weichbildes 1899:
12150161. 5283334 (einſchließlich außerhalb) ver
Gejamtmwafjermenge (5589757 1) wurden aus der
MWafjerleitung entnommen. 1900 waren 5332 5
dranten und 816 Brunnen im Betrieb. Die Babı
der 1899/1900 angemeldeten Brände betrug 10035,
morunter 104 Groß:, 174 Mittel: und 1456 Rleins
feuer, 75 Schornfteinfeuer und 8226 ohne Alarmies
rung der Feuerwehr von Privatperfonen gelöfchte
Kleinfeuer, die Summe der Alarmierungen 2524.
Die jährlihen Koften des F. in Berlin betrugen
1899/1900: 1661611 M.
Die Wiener one beitebt (1900) aus
461 Mann —— 7 Dffigieren) mit 112 Ber:
den. Die Mannſchaft ift kaſerniert und beziebt jtän«
dig I Gentrals, 1 Hauptfeuerwace, 4 Dampfiprigen:
ugmwadhen, 9 Filialen und 2 Hausfeuerwadhen. An
abhrjeugen waren vorhanden: 7 Dampfiprigen,
5 Tender, 30 Roblenjäurelöfh:, 8 Berjonenmwagen,
17 Univerjal: Löjchgerätes, 17 Wajler:, 5 Geräte:
wagen, 7 große Schiebeleitern, 12 Fabrfprigen. Im
Betrieb befinden ſich 1527 öffentlihe Hydranten,
1680 Feuerwechfel in öffentlihen und Privatgebäus
den. Der Telegrapbendienft umfaßt 780 km Leis
tungen, 45 Telegrapben: und 207 Telepbonftationen,
445 automatifche Feuermelder. Außer der Berufs:
feuerwehr beſtehen noch die Freiwillige Net:
tungsgejellihaft, die unter anderm aud eine
Dampfiprige befist, und 34 Freiwillige Feuer:
webren (1028 Mann) mit 42 Fa ern 3 Loſch⸗
wagen, 44 Wajlerwagen, 31 Mannidafts: und
Rültwagen, 19 Schiebeleitern und 2 Dampffpriken,
1900 betrugen vie Koften für die Berufsfeuerwehr
1090273 Kronen, für die Freiwillige Feuerwebr
136 050 Kronen, zulammen 1226323 Rronen, die
Einwohnerzahl (Ende — 1660 000 €.
Die Barifer Feuerwehr (Sapeurs-pompiers)
wird durch ein —— — gebildet und ſteht
bezüglich ihrer Organiſation unter dem Kriegs—
minijter, in militär. — ——— dem Gouver⸗
neur und in ihrem techniſchen Dienſt unter dem Po:
lizeipräfelten. Das Regiment wird von einem Oberft
fommanbdiert, beftehbt aus 2 Bataillonen von je
6 Compagnien und zählt (Ende 1900) 52 Difiziere,
476 Unteroffiziere und 1225 Sappeure, zufammen
1753 Mann. Commandeur und Dffiziere bleiben
nicht beim Regiment und avancieren in der Infan⸗
teriewaffe gerade wie die andern Infanterieoffiziere.
Die Feuerwehr ift in 12 Kaſernen und 1 Hauptwade
verquartiert. In jeder Kajerne befinden ſich 3 Offi⸗
iere und 140 Mann, in der Hauptwache 20 Mann.
e ein Teil der lajernierten Mannſchaft ſteht jür
24 Stunden unter einem Offizier in yeuerbereit
haft. Die Kaſernen befegen ferner mit Manns»
haften 25 in Mietöräumen, öffentlihen Gebäuden
oder Dentmälern untergebradhte Stadtwachen in
denjenigen Teilen der Stadt, welche noch feine teles
phoniſchen Feuermelver haben. Die Stadtwachen
find 1—8 Mann ftart und werben nad) 24 Stunden
abaelöft. An Fahrzeugen find vorhanden: 25 Dampf:
iprigen, 21 Dampfiprigentender, 1 Elektromotor:
automobiliprige, 22 Mannfhaftswagen, 3 Eleltro:
automobilmannjhaft3wagen, 24 beipannte et:
tungsleitern. 1 Rettungsleiter auf Gleltroautos
Feuerlöfchwejen 629
Das Feuerlöſchweſen der deutschen Städte von mehr ald 50000 €. Ende 1900.
Name Es
der Städte | ©
5 n
Berlin... .(1a5| 2.1851 | 7 | — | — | — | s7|10 |— | 18 — [5333| 153 | 524 |1 661 611] 0,88
Samburg. . .| zorsoo| ®. 1872 | 58) — | — | sl sıiesis | 63 |4749| 124 | 88 |1964 830 1,79
Ründen . . .| 499932 K Bla) — | 90] — Ju] 3 |— | — |as04l 34 | 46460 631 0,90
Seipgig. . . „| assoss | ®. 1865 | 12 | — | ar| — | 280| 70 1m ıs 2 110 | 198 | 446 395] 0,98
Breslau . . .| 418000| B. 1859 | 208 — -— — 201 2|6|1ı 29 | 2526| 170 131 | 357240] 0,85
Dresden . . .| 3550| 8. 168 | 11 | — | — | — | ıaıl 2 |— | 13 — las) — | 2| 36864810,
Bln..... 3867| 8.10) o| | —- I — I ıulıl- | 6 so |3292| 77) 10| 2961841 061
Frankfurt a. m. 297818 | 8. 1874 | ı8| — | sıl — | ı88| & I— | 5 120001550 | 1700 12 | 330.499] 1,15
Rürnberg . .| 260700 | SS: 189% 18 [1452| — 1500| 1 — | 29 | sosslera | 769] 96] 27 105800] 040
dannover ...| ss ih 1a | — | 58] 12 | 100] 1 | 8 | 8 |asoolsss Jusso] 65| 8] 14924010,68
Ragdeburg . „| aaaso| 8. 17 ls | — | — — | ıs| a | 3 | al Tıocd 5 J1s90l 86! a2] ası14alı,oo
Yürleldorf ..1 218767 | 8. 1872 | 16 — 0| — | ıl ı— | 40 1632 77| 12) 168 160) 0,76
Stettin.... aio eso uu — | al — is] aa m 13 |ıs25| 74 | 19 | aursss| 1ı8
Ghemnig . . .| 206000 SE 1] 551 — | 588] — | sis] 2 | 2W| 1 so |1s01) 83) 60] 1sıa75 or
Charlottenburg | 189 308 % | —-|- | ss || « 36 |1osıl 78| 13 | 197 r18l 1,0
Eönigäbergi.ßr.| 185787 | 8. 1855 | | a | — — la Im ı3 | so 79) 49] 109163l 0,91
Srutigamt ..| zis B. is | 56 | 128 | 462] — | 03 3 |— | 12 1 au 141) 31| 198600] 1,18
Hltona ... .| 169178 N 1008 sl o|I nji— | ml 67 2 a ı0 | 075) 39) o7| ısızaal 2,1
Bremen ...| 100800 | 8. 10 lıs| — | — | — | ı5| 88) 4 | 6 Jisasslıso 1460 62) 32] s10478lı9s
@iberfe® . . .| 156997 1 | 1 6 | 30] — | | — = ss 70311 — Inımol 7) — | soıslo,s
Tea®...|ıssoool wm. ıse | ss! — | sl — | ur) 2 | ı | 7 |as0oleoa | 92 40 83] sso00lo,ss
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Dortmund . „| 143000 I 2= „| —- I] —-|ısi-—|- |5 20 | ss6 sr! — | 3000010291
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Danzig... 10421) Biel al 2 | s| — !ısıl ala | 7 | 63 —| —| wezıolıor
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“Mannheim . .| 132000 5 nl 2 — | om) — | ml al | 7 — | al | 15| sısıHlo,s
Braunfhweig .| 196652 K we) | — | 328) — Iasl ılılae 9ı |1005| 34 | 1983| 73600l 0,59
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Yugäburg . .| 88900 N | 26 — | Mol — | 96| — a — | soo) | — | 47100l 0,8
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Meiny . ...| 50 a | — | — | ızl — | ui — I— | 16 62 | 862 23| — | 32000 0,37
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Liegnig . . .| 54900 N —* 20 eo “| ias |— | » | 2500| 6 | a0 16 10 800 0,19
bezahlte Feuerwehrmänner. 3 Einfchliehl. 3 rer, 4 Einichliehl. 390 Ma eitv. Habrifäfeuerwehr. 3 Einichliehl. 13 Schi mpte
— ande +4 Dampfiprigen mit Gasiprige —— 7 23336 1 Ehifedempiiprige, s —* ieh 2 Sa amp
Einſchließl. 27 Sahrer. 2 Beitand: 7 freiwillige Offiziere in Ehrenftellung, 16 von der Stabt geftelte Beamte, 100 Be
prigen. Einſchließl. 4 Echifispampfiprigen. % @asiprige mit Handfraitiprige fombiniert. 1! Benzinmotoriprige,. 12 Saugbrungen.
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63U
mobile, 21 zweifpännige Karren, 3 Dienftmagen für
Offiziere. Betrieb befinden fih 6780 öffentliche
und 355 private Hydranten. Die ———
und ⸗Telephonie umfaßt 455 km Telegraphenhaupt⸗
leitung, 237 km Telephonhauptleitung nebit 473 km
Fmeigleitungen, 486 öjfentlibe Feuermelder und
334 private, Die Barifer Feuerwehr wurde 1900
1718 mal alarmiert zu 1507 Bränden (darunter
131 Groß: und 197 eig und 1495 Schom:
fteinbränden; außerdem 381 blinde Lärme. Der
durch 1507 Brände verurfadte Schaden betrug
1900: 10346199 Frs., die Unterhaltungstojten
1900: 2620727 Fre.
Die Londoner Feuerwehr zählte 1901: 1140
euermwebrmänner (einjchließlih der Offiziere und
bargierten), 17 Piloten, 136 Kutſcher und 235
Pferde mit 62 Landdainpfiprigen, 8 Dampffpriken
auf Booten, 27 große und 6 Heine Handfraft-
igen, 7 Steam Zug3, 106 Schlaubmagen, 196
ettungdapparate, 84 beipannte Rettungsleitern,
204 Feuerleitern, 12 Boote, 12 Schnellruderer,
9 Leiterwagen, 2 Leitertrollys, 2 Sprigentrollyg,
melde Geräte auf 62 Land-, 4 Yluß:, 28 Wagens,
161 Feuerleiter⸗, 45 Schlaubmagen:, 9 Schlaud:
bafpel:2eitermagenftationen verteilt find. Die Tele:
graphie umfahte 112 Telephone zwifchen den ein:
ng Stationen, 62 gr zu
Stationen mit 592 Melveftellen, 20 Telephone
im PVoligeibureau, 12 Zelegrapben und 120 Tele:
pbone an öffentliben und andern Gebäuden,
8 Alarmapparate mit Gloden, 111 Wachen, 16425
Hydranten. Die Feuerwehr rüdte 1900: 4654mal
aus. Zu bedienendes Areal: 118 engl. Quadrat:
meilen. Unterhaltungstoften 1900: 203000 m St.
Die Beteröburger Bexufsfeuerwehr beſteht
aus 20 Brandmeiftern, 10 Maſchiniſten für die Land⸗
dampfiprigen, 3 für die Dampfiprigendampfer auf
der Newa, 981 Feuermehrmännern und 410 Bier:
den; fie ift eingeteilt in 18 in Depots liegende Loſch⸗
fommandosd. Die Stadt zahlt jährlib für Unter:
baltung 483776 Rubel. 1900 fanden 1039 Brände
itatt, die einen Schaden von 3658225 Rubel
verurſachten.
Die Konſtantinopeler Feuerwehr wurde, nach⸗
dem 1870 bei dem großen Brande von Pera 6000
Häufer zerftört worden waren, unter dem Sultan
Abd ul⸗Aſis von ibrem jetzigen Dbertommandanten,
dem ungar. Grafen Szechenyi (früher Präjident der
und Gründer der Buda⸗
peiter Feuerwehr), nad europ. Mufter militärifch
organijiert und kann jetzt einen Vergleich mit den
erwebren anberer europ. Großitädte aushalten.
ad Feuerwebhrregiment unter Kommando von
—— Paſcha beſteht gegenwärtig aus 6 Ba⸗
taillonen mit 2 Oberſten, 1 DOberftleutnant und
4 Majoren an der Spike und (feit 1889) aus einem
Marinebataillon mit 1 Biceadmiral, 1 Oberftleuts
nant und 2 Dlajoren; es ln neben dem oſch⸗
— außerdem gemeinſchaftlich mit der Polizei
den Patrouillendienſt in der Stadt. Neben dieſen
militärifh organiſierten Korps beſtehen noch die
alten Korps ber 4000 Löſchmänner, die ſog. Tus
lumbadſchis, 800 Waflerträger, fowie die Mann:
ihaft von 2 Signaltürmen, die den Ausbruch eines
Brandes ausrufen. Am kleinaſiat. Ufer befindet fi
außerdem eine vollftändige Batterie, die bei Aus:
bruch eines Brandes 7 Schüfle abgiebt.
n Nordamerita bilven die Berufs: und die
freiwilligen Feuerwebren jedes Staates einen Unter
Feuerlöſchweſen
verband, die ſämtlichen Unterverbände den «Nas
tional = Nordamerilaniſchen Feuerwehr⸗ Verband»,
Jeder Unterverband bat feinen «Ausfhuß», aus
jedem dieſer Ausihüfje wird ein Mitglied in dem
«National-Ausfhuß» — lt. Behufs Förderung
des F. werben neben Ausihußfigungen auch Dele-
iertentage abgehalten. Das Feuerwehrweſen führt
n Etädten mit eg" — die Bezeichnung
«Fire Department». Neben den Berufsfeuerwebren
beiteben auch freimillige erwebren, in Mittel»
und Heinern Städten meijt nur freimillige Feuer-
wehren. Der Ehef des Geſamtfeuerwe ens und
Kommandant einer groben Berufsfeuerwehr im
einer Stadt führt den Titel «Fire Marshal» (Brands
direltor), der einer freiwilligen Feuerwehr «Cap-
tain», In größern Städten bejteben die Berufs—
euerwebren aus bem Fire Marsbal, dem zur
tändigen Inſpeltion 2 —— oder Aſſiſtenten
unterſtellt find; dieſen folgen 5—7 Brandmeiſter,
je 24—80 Kapitäns, Leutnants, Maſchiniſten und
tſcher, verſchiedene Sekretäre, die gleichzeitig Tele⸗
graphiſten ſind, ſowie Oberfeuerwehrmänner, Leiter⸗
und Feuerwehrmänner. Die Dienſteinteilung in
den großen Städten iſt folgende: 20—30 Dampf:
—* ationen ſind in der Stadt verteilt. Jede
ampfiprigenftation iſt beſetzt mit je 1 Kapitän,
Leutnant, Telegrapbiiten, Maſchiniſten und Kut—
ber, 4—6 Pompiers und 2—4 Pierden ſowie einer
ampfiprige mit Schlauchwagen. Neben diefen bes
iteben ebenſo viele Leitercompagnien, zufammen»
gelent aus je 1 Kapitän, Leutnant, Sekretär und
utiher, 7— 10 Steigern (Retter), 2 Pferden,
1 Gerätewagen mit Yeitern, einer mechan. Leiter
ſowie Seilen, Rettungs- und Selbftrettungsappa-
raten. Behufs fchneller Unterbrüdung von Brän-
den befinden fid in allen Straßen fog. Ertincteur:
ftationen mit je 1 Kapitän, Yeutnant und Tele
graphiften, 3—4 Bompiers, 2 Bierden und 1 leichten
abriolett mit Ertincteuren (f. Feuerfprige). Mit die
Io Ertincteuren werben erfahrungsgemäß von 100
ränden 50 gelöfcht, ebe fie zum wirklichen Ausbrud
tommen. Die freiwillige Feuerwehr ift in Nord:
amerifa jebr jtart vertreten; der Staat Neuyort zählt
die mwenigjten —— Feuerwehrlorps (Ende
1891: 385). Die freiwilligen Feuerwehren zerglie⸗
bern ſich mie die deutſchen in Sprigen:, Hanbfprigen,
Schlauch-, ringe ui und Schußabtetlungen;
die meiften befigen Dampfiprigen, welche in der
Station gebeizt jtet3 zum Ausrüden bereit ſtehen.
vielen nordameril. Städten unterhalten die
erfiberungsgejellibaften die erwebren auf
ihre eigenen Roiten. Die vereinigten Berfiche:
Eunasgeieliäaften unterbalten ferner eine größere
Anzabl, in Compagnien eingeteilte Batrouilles
mannfchaften, deren Hauptaufgabe es ift, bei Feuers⸗
brünjten Waren und Mobilien mit wafjerdichten
Deden zu belegen und fie vor dem Ruin durd ein»
dringendes Loſchwaſſer u ihügen.
Die Feuerwehr von Neuyork ift eine Berufs
feuerwebr; fie zäblt insgeſamt 1084 Mann, und
zwar 1 Feuermarſchall, 3 jtellvertretende jog. Cbefs.
12 Bataillonschefs, 1068 Feuerwehrmänner, mit
Ausihluß von über 300 nit uniformierten Hilfss
mannjcaften, ferner 368 Pferde, 90 u 1 a
3 Feuerboote (Dampfiprigendampfer), 3 Waller
türme, 37 Halten» und Leiterwagen in 37 Depots.
Der Telegrapb umfaßt 1950 km Leitung mit 1213
euermeldern. Nur 16 Selunden Zeit find erforder»
ich vom erſten Alarmzeichen bis zur Abſahrt der
Feuerloſer Dampfwagen — tFeuermelder
bejpannten erften Fabrzeuge. Die jährlichen Koſten
betragen (1892) 2148000 Doll, Die Neuyorker
Feuerwehr wurde alarmiert 1887: 2929, 1888: 3422,
1889: 3089, 1890: 3700mal. Die Gejamtbrand:
ſchäden betrugen 1889 bei 2836 Bränben 4142777,
1890 bei 3463 Bränden 466 963 Doll.
Die Feuerwehr von Chicago zählt (Ende 1900)
1 Feuermarſchall und Brigadechef, 4 Untermar:
ſchaͤlle, 1 Feuerinſpeltor, 17 Bataillonscefs, 113
Rapitäne, 123 Leutnantd, 188 Mafciniften und
Heizer, 695 Feuerwehrmänner, zufammen 1142
aktive yeuerwehrmänner, wozu nod 93 Mann in
drei freiwilligen, in den Außerften Vorſtädten lie
ende Gompagnien, ſowie 43 Mann der ——
—* raphenabteilung kommen. Der Löſchapparat
beſteht aus 102 Dampfſpritzen, 5 Feuerbooten,
2 Waflertürmen, 4 Handiprigen, 27 em. Sprigen,
81 Schlauchwagen, 35 Halen: und Leitermagen und
102 tragbaren Handpumpen; ferner 200 Fuß
Schlauche, 500 Pferde, 19500 Hydranten und 2700
reuermeldeftellen. Die Waſſerleitung, welche durch
ein großartige Tunnel: und Röhren ger mit dem
Mibiganfee in Berbindung ftebt, kann zur Be
tämpfung von Bränden ungeheure Wafjermengen
abgeben. Die Chicagoer Feuerwehr wurde 1899:
7811:, 1900: 7195 mal alarmiert, Der Verein der
Feuerverſicherungsgeſellſchaften unterhält auf feine
Roften Batrouillen in der Stärte von 6 Compagnien,
itteratur. Weiſer, Die deutſche Feuerwehr
(Mainz 1855); Ottomar Fiedler, Geſchichte der
deutichen Feuerlöich: und Rettungsanftalten (Berl,
1873); Shaw, Fire protection (Yond. 1876); Mar
ge: Das F. in allen feinen Teilen Ulm 1877);
. B. T. Young, Fires, fire engines (and fire bri-
ades (Pond. 1877); Döbring, Handbuch des Feuer:
dſch- und Rettungsweſens (nebjt Ergänzungs:
band, Berl. 1881); Weigand, Hanbbud für die
ächſ. Feuerwehren (Chemn. 1888); Czermad, Zehn
abre Feuerwehrverbandsweſen in Böhmen ( ep:
15 1888); Handbud für den preuß. Feuerwehrmann
(Danzig 1892); die Berichte über die deutfchen Feuer:
mehrtage (1874 in Eaflel, 1877 in Stuttgart, 1880
in Dresven, 1883 in Salzburg, 1888 in Hannover,
1893 in Münden, 1898 in Charlottenburg, Sue
nationaler Feuerwehrkongreß 1901 in Berlin); F.
Hönig, Löihen und Retten (Köln 1894); Konr.
Gautſch, Das chemiſche 5. in allen feinen Teilen
(Münd. 1891); Faller, Das Yeuerlöih: und Ret:
tungemejen in Eljaß: Lothringen (Rappoltsweiler
1863); Srameyer, Organifation der Feuerwehren
(Berl. 1897); Schiders, Leitfaden für freiwillige
Feuerwehren (2. Aufl., Brünn 1897); E. Krameyer,
ie Belämpfung der Schabenfeuer (3. Aufl., Berl.
1898); Belleivung und Ausrüſtung der preuß.
Feuerwehren (Lpz. 1901); die Berichte und Regle:
ments der größern deutihen Feuerwehren; zahl:
reiche Feuerwebrzeitungen, wie Archiv für Feuer:
hub, Nettungs: und Feuerloſchweſen (Leipzig,
eit 1834), Deutfche — — (Stuttgart,
eit 1860), Zeitung für 5. (Münden, fett 1867), Die
euerjpriße (Leipzig, feit 1874), Der norddeutſche
SGeuermehrmann Danzig, jeit 1883), Zeitjchrift für
die deutſche Feuerwehr (Dlünchen, feit 1871), Oſterr.
Berband3 : jeuerwebrzeitung (Brünn, feit 1877),
Schweiz. gr ie ern), Feuer und Waſ⸗
fer (Sranffurt a. M.), Fire Record (Neuvort),
Western Fireman (Chicago), The Vulcan (London),
Journal des sapeurs-pompiers (Baris). — S. auch
die Pitteratur zu Feuerſpriͤze.
631
enerlofer Dampfiwagen, |. Straßenbahnen
nein Taf. I, Fig. 3.
eueriuftmajchine, ſ. Heißluftmaſchine.
ermal, Gefäßmal, Teleangiektaſie
— flammeus s. vasculosus), ſ. Angiom und
uttermal.
Feuermelder, Apparate zur Meldung von Bräns
den. Man unterfcheidet den F.für abgeſchloſſene
Räume (Thermoftop), der bei einer beitimmten
Temperatur jelbitthätig eine Alarmglode zum Er:
tönen bringt, und den Straßenfeuermelber.
Einfahe derartige Einrihtungen der eriten Art
lafjen ih mit Benutzung eleltriſcher Ströme ſcha
fen. Solche F. beruhen darauf, daß ein im Norma
zuftand die eleftrifche Zeitung unterbrochen balten-
der Metallpfropfen dur die Hitze eines entiteben:
den Brandes geihmolzen, durch Auslöfung einer
KRontaltfeder der Strom geſchloſſen und eine Alarm⸗
glode zum Ertönen gebracht wird.
Eine Einrichtung zur Alarmierung bei Feuers⸗
efabr, die in jedem mit elettriiher Klingel ver:
ebenen Raume ohne fahmänniihen Beijtand ber:
geitellt werben kann, ift folgende. Nabe an der Dede
der betreffenden Räume werden in pafiender Höhe
dünne, mit Wachs getränkte Fäden gezogen, die
eine in den Stromkreis der Haustelegrapbenleitung
eingeichaltete Kontaltfeder in ſolcher Stellung feſt⸗
balten, daß die zur Alarmglode führende Leitung
unterbrochen ift. Sobald im Augenblid der Gefahr
einer der Fäden durchgebrannt ijt, wirb die Feder
aus ihrer Spannung befreit und ftellt die eleltriſche
Berbindung der getrennten Leitungsteile ber, jo daß
der Strom von der Batterie zur Alarmglode ger
langen tann, worauf dieje den Brand meldet.
in gleichjalls einfacher, durch jeden Telegraphen⸗
mechaniker leicht ausführbarer 5. für ausgedehnte
Gebäude ijt der nacjftebend beſchriebene. Zwei
dünne Blei: oder Zintoräbte, die von den Polen
einer fonftanten (3. B. Meidingerihen) Batterie
ausgehen, werden an allen gefährdeten Holjteilen
des Gebäudes mittelö Heiner Nägel befeitigt. Die
zur Signalitelle zurüdgeführte Leitung ift bier mit
den beiden Enden einer mit ifoliertem Kupferdraht
ummidelten Spule verbunden, an deren Eifentern
ein Heiner eiferner Anter mit vorjtehendem Meſſing⸗
ftift derart befeftigt ift, daß er im Ruhe vorm etwa
2 mm von dem Eijentern abjtebt und h an einen
Feder: oder Schraubentontaft anlehnt. Dieſer Kon:
takt wird mit dem einen Bol einer im Signalzimmer
befinvlihen, aus Leclandye: Elementen beſtebenden
2otalbatterie verbunden, während der andere Pol:
drabt der Batterie zu ber eleftriihen Glode geht,
die ibrerfeitö durch einen Drabt mit dem Anter in
Verbindung gelegt if. Solange nun durch Ber:
mittelung der Schmeljdrähte der Strom der Meis
dinger:Batterie um den Eijentern cirkuliert und
diejen magnetifch macht, wird der Anter vom Eiſen⸗
tern angezogen und fomit vom Scließungsfontaft
der Lolalbatterie entfernt. Sobald jedoch der Strom
in den —— durch das Schmelzen eines der:
felben unterbrochen wird, ſchnellt der Anter ent:
weder durch Federkraft oder durch fein Gewicht
zurüd, fchließt dadurd den lokalen Strom und ver:
anlaft das Ertönen der Signalglode,
Der automatijhe Straßenmelder beitebt
aus einem Gebäufe, in welchem fi ein Laufwerk
mit Morſeſchrifträdchen, Kontaltſchlüſſel und Blik:
fänger, in einigen Syſtemen, wie z. B. den von
Siemens & Halste in Berlin und Fein in Stutts
632
gart, aud ein Galvanojtop befindet. Diejes zeigt
eleltriſche Ströme in der Leitung an; feine Ma
nadel ift bei Ruheſtrom aus i —
abgelentt und kehrt in dieſelbe zurüd, ſobald die
Leitung an irgend einem Bunte unterbrocen wird.
Da die in eine Rubeftromleitung eingejchalteten
Galvanoflope alle diejelben Zeichen martieren, fo
wird das Depeſchieren —— wei Stationen auf
der ganzen Linie angeie at. In Arbeitsftromleitun:
en giebt dad Galvanoſtop durch Ausihlag der
abel nur die Thätigleit deö eigenen Apparats an,
welche ent enenaeient von dem vorhergehenden Ber:
balten der! ben ſenkrecht ftebt, fobald der Kontalt⸗
Ihlüffel gebrüdt wird. Das Schrifträpchen wird
dur das Laufwerk bewegt, deſſen —— bei
Entdedung eines Feuers mit der Hand durch Nieder:
ziehen eines Handgriffes oder Dreben einer Kurbel
erfolgen fann. Das Rädchen hat auf jeinem Um:
fange DI vorjpringende Zähne, die auf
einer Kontaftfeder ſchleifen und dadurch den Strom⸗
freis jchließen, in welchem = der Eentralftation ein
ſich jelbit auslöfender Morjeapparat eingeicaltet
ift, der die on eichen des automatifchen F. wieders
giebt. Bei Aus hung des Radchens dreht es ſich eins
oder mehreremal und fignalijiert dasſelbe Zeichen
wiederholt bei jeder Umpdrebung auf der Eentral:
jtation. Der fg nr (Zafter) dient dem Tele
atap Garen dazu, bejtimmte Zeichen oder ausführ:
he Mitteilungen über die Art des Feuers zu mas
hen, was jedod Kenntnis der Morſeſchrift voraus:
fest. Der Bligableiter im Apparat ſchützt denfelben,
er lommt nur bei Anlagen mit oberirbifcher Leitung
in Anwendung.
Die in neuefter Zeit in vielen deutihen Städten
nad Eyjtem Hoffmann: Döhring eingeführten autos
matifchen P von Groos & Graf in Berlin unter:
ſcheiden fi von den ältern Syitemen —*2—
dadurch, daß die Laufwerke der in eiſerne Schuß:
gebäufe eingebauten Meldeapparate erjt beim Mels
den aufgezogen werden. Das Melden erfolgt hier:
bei ebenfalld durch Umdrehen einer Kurbel oder
Ziehen am Feuermeldegriff. Durch dieſe Einric:
tung wird ein zufälliges Ablaufen der Werte, durch
Erſchütterung u. ſ. w., und dadurch entſtehendes
ſog. «blindes» — vermieden. Die Melder⸗
gehäufe find bei den meiften Modellen dieſes Syſtems
durh eine gußeiſerne Thür verfchlojjen, die nur
durch befondere im Beſiß der öffentlichen Beamten,
Hauseigentümer und jene: juverläffiger Per:
fonen befindlibe Schlüſſel geöffnet werben kann.
Diefe Schlüffel find numertert und werden nad
Offnen des Melders im Schloß durd eine Borrich:
tung feſtgehalten, bis fie dur die — 5——
Feuerwehr mittels beſonderer Loſeſchlüſſel freige⸗
geben werden. Die Nummer des im Schloß befind⸗
lihen Schlüſſels giebt der Feuerwehr an, falls der
Meldende nicht une zur Stelle ift, wer gemeldet bat.
Der Meldende verbleibt, jofern er mit dem Taiter
nicht Ausführliches an die Eentralftation depeichieren
fann, entweder am Apparat bis zum Eintreffen der
Feuerwebr oder er jchreibt Straße und Hausnummer
der Brandftelle auf eine im Meldergebäufe befind»
liche Schreibtafel. Die Meldung beitebt in der Ab⸗
gr eined gewiſſen Morjezeihens, welches für jede
tation ein anderes it. Die Meldeapparate bes
nie meiſt eine Sicherbeitäfchaltung, melde ſchema⸗
ti
Melden von einem der automatiſchen Melder At,
A’... wird das Laufwerk aufgezogen und biermit
L verſch
eThatigleit befindliche
Dies
ch in nachſtehender Fig. 1 dargeſtellt iſt. Beim
Feuermelder
—— Hebel u von Kontalt x auf Kontakt
N) Hierburd wird ber betreffende in
elder an Erde rm
ejwedt, dab von zwei Stellen gleichzeitig
abgegebene Meldungen ri He in der Eentrale ein»
laufen, deren Morjezeihen alſo nicht verftümmelt
werben, ba ftetö die hinter der in tigleit be⸗
finvlihen in der Leitung liegenden tellen
ausgeſchaltet find. Iſt z. B. Meldeſtelle A! in Bes
trieb, ſo nimmt der Strom fol⸗
enden Weg: Batterie B! der
ntralftation, MorfeapparatM,
Galvanoflop G, Telephon⸗Um⸗
fhalter U, Taſter T, Bligab»
leiterleitung, Meldejtelle A!, Bligableiter, Kontakt:
üd x, Einſchalter e (zum Einſchalten eines trans
aren Morjeapparats, Telephons oder Galvanoſtops
bejtimmt), Wechielitromglode i, er t, Rontalts
eder, Morfezeihen:Rontaktrad, Hebel u, Rontatts
üdy, Blipableiter, Erde:Erve E der Eentralitation,
atterie B', Auf dem Morfeapparat M in der en:
tralftation erfcheinen die der Meldeftelle A! ents
ſprechenden Morfezeichen unter Ertönen der von Bat:
terie B*betbätigten Feuerglocke W, meld legtere durch
Bedalausfcalter Pausgejchaltet werden fann. Na
einer eingelaufenen —— wird in der Cen⸗
trale durch Drüden des Taſters T ber ee
duftor J in die Leitung eingefchaltet und nad
Meldeftelle Wechfelftrom gejandt, modurd der Mel:
dende ein Glodenzeihen («Verftanden») erhält. Der
Hebel u wird durch Scliehen der Thür des Melde
apparat3 auf Kontakt x zurüdaefübhrt, fo daß der
Ic
Aubeftrom mieder dur jämtliche in der Linie vor:
bandene Melveitellen A!, A!,... fließt. Während
eined Brandes bei Revijion der Anlage lann von
jeder Melveftelle aus mit der Gentrale telephoniſch
verfebrt werden, wenn vermittelft Schnurund Stöpiel
in den Einſchalter e des Melders ein Telepbon ein:
geftedt wird. In der Eentrale ift hierbei das Tele
pbon vom Umschalter U zu entfernen, wodurd letz⸗
tereö in die Linie eingejchaltet wird,
Fig. 2 ftellt eine neue, der Firma Groos & Graf
—— Schaltungsweiſe für J. dar, bei welcher
eitungsſtoͤrungen keinen Einfluß auf das richtige
Einlaufen einer Meldung haben; ebenfo fönnen von
jweien der Meldejtellen 3!, S®, 3® gleichzeitig Mel⸗
dungen abgegeben werben, die beide richtig in der
Gentrale anlommen. Beim Melden ſchaltet ſich auch
bier der Apparat automatifch dur Feder c und
Feuermeteore — Feuerſpritze
enter d an Erde. Die erſte Hälfte der Meldung
trifft dann über Kontaktfeder a auf Morſeapparat
M*, die zweite Hälfte der Meldung über Kontattfeder
d auf Worfeapparat M! in der Eentrale ein; dabei
ertönt die von der Batterie B* bethätigte Feuer:
glode W, die dur den —— alter P auss
geibaltet werden kann. In der Ruhelage cirkuliert
von den hintereinander geſchalteten Batterien B*
und B* ein Strom durch die S et: Beim
Melden jedoch wird durch die Einjchaltung der Erde
E der Stromtreis in zwei Teile geteilt, deren jeder
Teil eine Batterie befigt. Es muß alſo bei jever
Leitungsftörung ſowie auch beim Melden von zwei
Stellen gleichzeitig wenigſtens die Hälfte der Feuer:
meldung (aljo etwa von 6 Zeichen wenigſtens 3 Zei:
den) richtig in der Gentrale einlaufen, fo daß die
groͤßtmögliche Sicherheit erreicht iſt.
euermeteore, |. erfugeln.
euermilchling, Vils, |. Lactarius.
euern, Brennen, eine befonderd an Renn:
pferden vorgenommene Operation zur Heilung von
oder zur Vorbeugung gegen Knochen: und Sebnen:
leiden. Beim F. wird mit befonders glübend ge:
machten Brenneifen die Haut über den erkrankten
Teilen ftrich: oder punttförmig angejen t. — F.
heißt auch ein Verfahren bei der Weinbereitung
(j. d.). — Militäriſch Ausdruck für Schießen (f. d.).
euerneilfe, |. Lychnis.
euerortözeiger, Ortſchauer, Drientie:
tungsapparate, Vorrichtungen, die auf einem
erböbten Buntte (meiſt Kirchturm) des Ortes aufge
ftellt, namentlich während ber gm ermöglichen,
mit Hilfe von topogr. Tafeln die Lage eines aus:
wärtigen Brandes (Xandfeuer) feitzuftellen. Hierber
gebören das vielfach en botojtop (1799
erfunden von Pausner in Jena), das nad Art der
Camera lucida (1842 zuerst von Steinbeil in Mün:
hen) ausgeführte Pyroſtop, die Apparate von
Meber in Gotha, Lieb in Biberach u. a. Bei Bränden
im Ort wird in vielen Stäbten der feuerort vom
Kirhtürmer (Feuerwächter) durch Ausbängen einer
roten Fahne bei Tage, einer Laterne bei Nat in
der Richtung der Branpitelle angezeigt.
enerpfeil, ſ. Falarila und Brandgeſchoſſe.
euerpifett,biejenigemilitär. Abteilung, welche
bei ausbrecender Feuersbrunſt (namentlid; bei Ges
—— fislaliiher Gebäude) ſofort nah dem
tandplage zu eilen, denjelben abzujperren und die
geretteten Gegenijtände zu überwachen hat.
uerplatte, j. Dien.
euerpolizei, die von der Baupolizei und ber
Feuerwehr gemeinſchaftlich ausgeübte Thätigkeit,
mweldyer al& einem .._ des Feuerſchutzweſens die
Aufgabe zufällt, Schadenfeuer möglichft mu verbüten
und zu beichränten. Die feuerpolizeilihen Bors
ſchriften erjtreden fih daher im allgemeinen 1) auf
den Umgang mit euer und Licht, Reinigung der
Schornſieine u. f. w. ſowie den Vertebr und bie
Unterbringung von jeuergefährlihen Gegenftänden.
Zu legtern jind aud) die Stoffe zu rechnen, melde
bei ihrer Lagerung in großen Mengen, bei dichter
Berpadung oder bober Belaftung dur ſchwere
Gegenjtände zur Selbitentzündung geneigt find, wie
. B. ungenügend getrodnetes Heu, Strob, Säge
Ipäne, ünger, Hanf, Flachs, geölte oder fettige
ppen von Wolle oder Baummolle u. a.; 2) auf
euerjihere Bauart, Dabung, Schornſtein⸗ und
erungsanlagen, jeuergefäbrliche Betriebe (4. B.
ulvermüblen, Tbeater u. ſ. w.) in Gebäuden.
633
nerprobe, ſ. Gottesurteil.
euerpumpe, Feuerquirl, |. Feuerzeug.
euerräder, j. euerwertäjtüde.
euerröhren, vie Heizröhren der Heizröhren⸗
leſſel. (S. Dampiteflel.)
euerfäge, j. Feuerzeug.
euerfalamander, ſ. Landſalamander und
Tafel: Urodelen, Fig. 5.
Feuerſäule und Woltenfänle, nad der Sage
ber \jöraeliten das Zeichen der Gegenwart Gottes, -
weil Jahwe in der Gemitterwolle und im Feuer ers
heinend gedacht wird (j. Eberub und Serapb). So
äßt ſich Jahwe in einer Wolle und unter Donner
und Bliß auf den Sinai nieder, ald er Moſes fein
Geſet offenbart. Als Feuerfäule und Woltenfäule
ziebt er mit den Kindern Israel dur die Wuſte
(2 Moj. 13, 21— 23). Als er in den Tempel Salomos
einziebt, füllt eine Wollte das ganze Haus (1 Kön.
8, 10 f9.). Das Buch der Weisheit fieht in ber
Feuerfäule und Wollenfäule die Weisheit Gottes
(10, ı7) und Philo den göttlichen Logos. (S. auch
Heiliges Feuer.)
Feuerichiffe, Schiffe, die in der Nähe von Un»
tiefen verantert werden, um die Seefahrer zu warnen,
Man legt fie an ſolche Buntte, welche die Erbauung
eines Leuchtturms nicht geſtatten. Da die F.aufihrem
Platze ſchwerem Sturm und Seegang Troß bieten
müſſen, werden jie befonders ſtark gebaut und haben
ſtarles Ankergeſchirr. Ihre Anler find meiſt Pilz
anter, die, wie ein Pilz geformt, ſich tief in den
Grund graben. F. haben zur Unterſcheidung von
einander ein big brei Maſten, an deren Spige fie
während des Tages große weit fihtbare Körbe und
nachts Lichter führen, die durch ihre Zahl und Farbe
dem Seemann angeben, welches Feuerſchiff er vor
fih hat. Die zu rot angeftrichen, weil diefe
Narbe auf dem Wafler am weiteſten fichtbar iſt, und
tragen ihren Namen in großen Buchftaben auf den
Seiten. Auf den meiften F. befinden ſich Rettungs:
boote. (S. Seezeihen und Betonnung.)
euerfchröter, i. Hirichläfer.
erſchutzweſen, die Gejamtheit derjenigen
Einrihtungen, welche bezweden, Schabenfeuer zu
verbüten, zu löjchen und zu befchränten, ſowie Leben
und materielled Gut aus Feuersgefahr zu retten.
Es gebören alfo zum Feuerfhuß die Feuerbütung
ober Feuerpolizei (f. d.), die eu
und die Feuerrettung (f. Feuerloſchweſen).
euerfchwamm, ſ. Polyporus.
euerfchtwindung, |. Tbon.
euerjegen, |. ——
euerſehen, ſ. Bergbau. [mittel,
euerfiher, ſ. Feuerfeit und Flammenſchutz⸗
euerfocietät, ſ. Feuerverſicherung.
euerſpeieunde Berge, ſ. Vullane.
Feuerſpritze, leicht transportable Maſchine,
deren Aufgabe darin beſteht, Waſſer auf brennende
Gegenftände zu werfen oder darüber u ergiehen.
Sie bildet das wichtigſte Gerät zur Bekämpfung
von Bränden (Scadenteuern). Nach der Art der
Kraft, welde zum Betriebe der Sprigen verwendet
wird, unterjcheidet man: Handkraft-, Dampfs,
Gas-, elettrifhe und Betroleummotor:
jprigen. Die Verwendung von Tieren zum
Sprigenbetrieb ift verjucht, jedoch nicht —
worden. Die weſentliche Einrichtung größerer
Handkraftiprigen erbellt aus der Tafel: Seuer
fprigen I, fig.1u.2;a, a, find die beiden Cylinder
des Sprißenwerles. In ibnen können ſich die beiden
634
Kolben b, b, auf und nieder —— Dabei iſt die
Berührung zwiſchen der innern Cylinderfläche und
dem Umfange des Kolbens eine ſo innige, daß der
Raum unterhalb des letztern gegen den Raum ober⸗
halb luftdicht abgeſchloſſen wird. Die Kolben ſtehen
durch die Kolbenſtangen in Verbindung mit dem
um d N gie Sprigenhebel c,dc,, an deſſen
Enden die für das Angreifen der pumpenden Manns
{haft beftimmten Drudftangen c, c, fich befinden.
- Bei Abmwärtäbewegung von c, wird fi der fol:
ben b, beben; infolgedefjen entjteht unter demiel:
ben eine Luftverbünnung, das Saugventile, öffnet
ih, und Waſſer tritt aus dem Kajten r durch den
Seiber h nad dem Saugraum g und von bier aus
unter den Kolben. Nachdem ber Kolben b, in feiner
bödjten Stellung angelommen ift, beginnt er ſich
abwärts zu bewegen, das Saugventile, hat ſich ge:
chloſſen, das Drudventil f, geöffnet, um die beim
—— des Kolbens aus dem Cylinder ge
drängte Flüſſigkeit nach dem Druckraume o und
von hier aus durch die bei ———— Drud⸗
chläuche nach der Brandſtelle gelangen zu laſſen.
derſelben Weiſe wirken bei der Bewegung des
olbens b, die Ventile e und f,. Soll das Waller
nicht dem faften r, fondern durch die bei i an—
uſchließenden Saugihläube entnommen werden
m ijt der bei n mit der Hand zu erfaſſende Hebel
nl oben nad lints zu bewegen. Hierburd wird
das Ventil k nad rechtö bewegt, der Saugraum
g nah r bin abgeſchloſſen und mit i in Verbin
dung gebracht. Über o ift der zum Teil mit Luft ge
füllte dwinbfefjel p angeorbnet zu dem Zwede,
eine gleihförmige Warlerlieferung, alio einen mög:
lichft unveränderlichen Strabl zu erzielen. Sprißen
obne Drudwindtejjel geben einen jtopenden Strahl,
verurſachen fortwährende —— der Druck⸗
fhläuce und damit ihre ſchnelle Abnutzung. Ebenſo
vermeidet man das nachteilige Zuden der Saug⸗
ſchläuche durd Anbringung eines Saugwindleſſels,
d. b. eines zum Teil mit Luft gefüllten und mit dem
Saugraum g in Verbindung ftehenden Gefähes.
Mir Rückſicht auf die Art des Transports werden
die Handkraftſpritzen eingeteiltin TZragsund Fahr:
fprigen. Sit bei ven lestern die Verbindung des
Sprißwerkes mit dem Fahrzeuge eine fette, fo ſpricht
man von Wagen: oder Harreniprißen, je
nachdem die Anzahl der Räder, welde das Fahr:
eug befist, vier oder drei, zwei oder eins beträgt.
Iſt die Verbindung eine lösbare zu dem Zmwede,
beim Gebraucd der Sprike eine Trennung der eigent:
lihen Maſchine vom Transportmittel zu ermög:
lichen, fo jpricht man von Abproßſprißen. Das
Spritzwerk pflegt hierbei auf einem Schlitten bes
feſtigt zu werden, der jeinerjeit3 auf dem meift zwei⸗
räderigen Fahrzeug rubt. Bor Beginn des Betriebes
ift Abprogen, d. b. Herunternabme des Schlittens
von dem Karren, nötig. Die abgeprokte Sprike läßt
fih dann (insbefondere zum eaug von Waſſer)
an Orte bringen, welde für gleich leiftungsfäbige
Wageniprigen nicht mehr zugänglich find. Taf. I,
Fia. 3, ftellt eine Wagenſpritze dar.
Die durd die Natur beichräntte Arbeitäleiftung
des Menſchen fomwie der Ilmftand, daß nur eine
begrenzte Anzabl Menſchen zugleich an einer Sprike
arbeiten fönnen und daß die menschliche Arbeitätraft
—— bei Berufsfeuerwehren) teuer iſt, veran⸗
ßten den Bau der Dampffeuerſpritzen. Eine
folde beftebt aus dem Dampfleſſel, ver Dampf:
pumpe und dem Fahrzeuge. Damit fie möglicit
Feuerſpritze
ſchnell —— — iſt, foll die Seit vom Entzüns
den des Feuers im Dampferzeuger bis zum Augens
blid, in welchem der zum Betriebe nötige Dampf
entnommen mwerben fann, gering fein. Es ift ge
lungen, diefen Zeitraum auf 8—10 Minuten, bei
Anwendung von VBorwärmeinrihtungen auf 3—4
Minuten zu reduzieren, * die Betriebsſicherheit
zu beeinträchtigen. Ebenſo iſt den seen
der Mandvrierfäbigleit des ganzen Fahrzeugs ent-
fprohen worden, wie die in Taf. I, Fig. 4, dar:
geftellte Dampfiprige (E. Bachs jäd, Batent vom
27. Zuli 1876) ertennen läßt. Die bei der Berliner
—— angeſtellten Verſuche, die ſofortige In⸗
etriebſezung der Dampfſpritzen durch flüffige Kob-
lenſäure zu ermöglichen, welche zum Betriebe der
Dampfpumpe jo lange Verwendung findet, bis die
erforderlibe Dampfipannung erreicht ift (Wittes
deutſches Neihöpatent Nr. 21931, 1882), haben zu
feinem befriedigenden Refultat geführt.
Eine F. die durd das in fomprimierten Flüſſig⸗
keiten enthaltene Arbeitövermögen in Betrieb ge
fest wird, beißt Ertincteur oder Gasſprißze.
Seine Erfinder, F. Ebarlier und Ingenieur A.
Vignon in Paris (1864), füllten ein geſchloſſenes
Geläp mit Wafler, in welchem boppeltloblens
faures Natrium aufgelöft war. Bei Hinzufünung
von MWeinfteinfäure entwidelt ſich Kohlenſäure,
melde, am Entweichen gehindert, die Fluſſig⸗
feit unter einen Drud ſeht, der binreicht, fie in
träftigem Strable hoch zu ſchleudern. Dieſe Ein-
richtung erwies ſich befonders infofern mangelbaft,
als es ſchwer möglich war, den Drud im Gefähe
auf Xabre hinaus zu erhalten. Die Preſſung nahm
allmäblib ab, wodurd der Apparat unbraudbar
wurde. Dem begegneten (1873) Did & Comp. in
Glasgow erde daß fie die Entwidlung der Kob:
lenjäure erſt bewerfitelligten, wenn der Ertincteur
ebraudt werben follte. Sie benußten bierbei nicht
einjtein, jondern Schmwefelfäure, die fie in einer
gem Flaſche in das mit doppelttoblenfaurem
atrium geſchwängerte Wafler bängten. Ein von
außen kommender, durch Stopfbüchſe abgedichteter
Bolzen legte ſich gegen die Flaſche. Im Falle des
Gebrauchs ſchlägt man mit einem Hammer auf den
Bolzen, die Flaſche zerbricht und die Kohlenſäureent⸗
mwidlung beginnt mit großer Heftigleit. Ein neues
Princip führteRaydt in Hannover deutſches Reichs⸗
patent Nr. 15039, 1880) ein, indem er tropfbarflüfs
fige Roblenfäure (bei 0° 36 Atmofpbären d) in
das zu verfprikende Waſſer leitet. Die nad dieſem
m. gebauten %. (Koblenfäureiprigen.
asſpritzen, Taf. III, Fig. 1) wurden zuerft
a von Dittmann in Bremen eingeführt (1901
efanden fi 86 Stüd in 20 Städten im Betriebe).
Hierdurch fallen alle Unannehmlichkeiten, die durch
Verwendung von Ehemilalien, beſonders Säuren
entiteben, fort. Den Ertincteuren, welche durch Tra⸗
en oder Fahren transportiert werden, baftet die
nvolltommenbeit an, daß der Betrieb unterbrocden
werden muß, mern das Waſſer im Gefäße verſprigt iſt.
Die Kombination einer Dampffprige mit einem
großen Ertincteur wurde von Bach & Witte 1881
einmal ausgeführt. Seit 1900 find bei der Leipziger
Feuerwehr vier von Bandau fonjtruierte Gas:
dampjiprigen, Kombinationen von Koblenjäurer
asiprike mit Heiner Dampfiprike, eingeführt. Dier
elben führen einen Wailervorrat von etwa 360 1
mit ſich und geitatten den Betrieb mit Gas⸗, Dampf:
oder Hydrantendruck ohne Auswechſelung des Loſch⸗
FEUERSPRITZEN. 1.
FEUERSPRITZEN. 1.
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2. Petroleummotorspritze.
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl.
FEUERSPRITZEN. Il
UHT
FLAT al
2, Gasdampfspritze.
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl, R.A.
FEUERSPRITZEN. IV.
2. Automobildampfspritze.
Brockhaus’ Konversations-l,exikon. 14. Aufl. R.A.
Feuerſpritze
geräts und unter Benutzung ein- und derſelben,
nur einmal zu legenden Schlauchleitung, ferner die
Anwendung der Dampipumpe als Luſtpumpe zur
Speifung von Rauchhauben unter gleichzeitiger
Waſſerabgabe von demielben Kabrzeug, Anwär—
mung von Waſſer und Auftauen von etwa einge:
frorenen Teilen mittelä Dampf oder heißem Waſſer.
Der Wafjerbebälter dieſer Gasdampfiprige wirkt
beim Vetrieb mit Gas: und mit Hudrantendrud als
Drudwindtefiel, bei ſolchem mit Dampforud als
rg ee Fig. 2 der Taf. III zeigt eine joldhe
ald Univerjallöjchtrain ausgebildete Bandauſche
Gasdampfiprige. Neben dem vertitalgn Siederobr:
feel mit vertifaler Dampfpumpe ijt der MWajler:
bebälter ſymmetriſch angeordnet. Letzterer jtebt durch
ein ſeſtes Rohr mit dem Saugraum der Dampj-
pumpe, andererſeits dur ein bejondereö Zulei—
tungsrobr mit Kohlenſäureflaſchen in Verbindung,
zum Anſchluß von Hydrantenſchläuchen jind Ben:
tile am Wafferbebälter vorhanden. Das Fahrzeug
mit auf Blattfedern rubendem Eijenrabmen trägt
außerdem ſechs Sitzplätze und Heizeritand, ein Ge:
rüjt mit Schlaucmellen, Steig: und Nettungsgerät,
Rauchapparate, Abräumzeug, Brennmaterial, Die
Wagenräder find bebufs Erzielung leiter Fahr—
barteit mit Kuppellagerachſen verjeben.
Die Verwendung fomprimierter Quft zum
—— von Waſſer iſt ſchon im vorigen
ahrhundert verſucht worden. In neuerer Zeit hat
unter andern Engel-Groß dieſe Idee wieder aufge:
nommen bei ſeinen großen Gasſpritzen, welche etwa
1500 1 Waſſer und 500 1 auf 20 Atmoſphären kom—
primierte Luft enthalten,
Da in neuerer Zeit ge Städte mit eleltri:
ihem Licht, eleltriſcher Starkitromanlage verjehen
jind, fo lag e& nabe, einen Eleltromotor zum
Berricbe einer 5. nußbar zu machen. Kummer
& Co. in Dreäden und die Lauſiher Maſchinenfabrik
in Baugen haben eine elektriſche 5. (Taf. II,
Fig. 1) bergeftellt, bei welcher der die Antriebe:
aft lieiernde Gleftromotor mit einem zweicylin:
rigen Sprigmwert durch ein Zabnradvorgelege ver:
bunden ijt. Um ein Zeerlaufen des Motors obne
Erböbung der Umdrebungszabl zu ermöglichen, tit
ein Nebenſchlußmotor mit geeigneter Wirkung an:
gewendet. Das Pumpwerk bingegen beſitzt ein Re:
gulierventil, welches je nach der Stromſtärle und der
u fördernden Wafjermenge eingeitellt werden kann,
— daß man bei konſtanter Geſchwindigkeit der Dy:
namomaſchine im Drudſchlauch jeden beliebigen
Atmoipbärendruderzielentann. Unter dem Kutſcher⸗
fig find die ar Bedienung des Eleftromotors er:
torderliben Schalte: und Regulierungseinrichtungen
angebracht, welche es ermöglicen, die F. mit einer
Spannung von 65 bis 120 Volt zu betreiben, jo da
diejelbe an jede eleftrifche Starkitromanlage, die in
den Straßen u. j. m. äbnlich wie die Hydranten der
Wafjerleitung mit Anſchlußſtellen zu verjeben wäre,
angeichlofjen werden kann. Unten feitwärts am
Kuticherbod find die Anſchlußllemmen, an welden
die zweckentſprechend eingerichteten, im Wagen mit
eführten Verbindungstabel befeitigt werden. Ge
amtgewicht der lompletten Spriße beträgt 1300 kg,
Kraftbevarf 5500 Voltampere, minutlibe Wafler:
lieferung 5001, Strablwurfmweite 40 m.
Fig. der Taf. IV zeigt eine 1901 von J. Chr.
Braun in Nürnber aute Elettromobil—
fprige. Der eiſerne Wagenrabmen rubt auf Blatt:
federn. Mitteld Handrad am Führerſitze iſt die Yent:
Es ift die
635
vorrichtung des durch lenfbaren Wagenvordergeitelld
* handhaben. Auf dem Wagen ſitzt auswechſel⸗
ar der Accumulator. Der Accumulatorkaſten dient
leichzeitig ald Eis für Mannſchaften, jowie zur
Mitnahme von Leitern, Schlauch: und Kabelrollen
und anderer Geräte und Werkzeuge. Dabinter ſitzt
die doppeltwirtende Pumpe vor 500 1 minutlicher
Majierlieferung. Der Antrieb erfolgt direft vom
Motor durch Stirnrad, das Aus: und Einrüden
der Bumpe durch Verihieben einer Klaue. Dur
dasjelbe Stirnrad erfolgt aud das Einſchalten einer
Kuppelung bebuf3 Übertragung auf die Wagen:
räder. Fa — 15—20 km pro Stunde.
nordnung getroiien, daß mittels ein
fachen Handgriffs die Umſchaltung von der Batterie
auch auf direkte Zuleitung mittels Kabel von einer
vorbandenen Startitromanlage erjolgen kann.
Ebenſo jchnell wie bei der elektriihen F. lann
die Inbetriebjegung auch durch die in Taf. Il, Fig. 2,
dargeitellte Betroleummotorfpriße, wie fie
von der Daimler: Motorengejellihaft in Cannſtatt
ausgeführt wird, erfolgen. Der Motor iſt eine
Zwillings:Gastraftmajbine (jog. Daimler⸗Motor),
welche ſich das zum Betriebe erforderliche Gas aus
Petroleum oder Benzin automatiſch erzeugt. Das
Bumpmwert befiht nah Bauart der normalen Hand»
trajtipripenzmeivertilal ftebendeEylinder mit Bentil:
conusgebäuje und Drudregulierventil. Die Kolben:
ſtangen der Sprikefind —— an zwei um 180°
verſete Kurbeln, deren Wellenende ein Zahnrad
trägt; letzteres erbält feine Bewegung vom Zahn⸗
getriebe eines durch Friktionsicheibe mit dem Motor
verbundenen Vorgeleges. Mitteld Handbebel kann
das Vorgelege fofort ein: und ausgerüdt und damit
während des Ganges vom Motor die Sprike jofort
in oder außer Betrieb gejekt werden. Sein Kühl
wajler erbält der Motor dur ein Nobr aus dem
Drudraum der Sprige, nad jeiner Benukung fließt
dasjelbe in den Saugraum der Sprike zurück.
Das Geſamtgewicht beträgt 1400 kg, die Leiſtung
6 Vierdejtärten, minutlihe Wafjerlieferung 270
—300 1, Strablwurfweite 32 m Die Inbetrieb:
jeßung erfordert ®, bis 19, Minuten.
Eine Automobildampijeuerfpriße der
Waggonfabrik (vormals W. C. F. Buſch) Aktien
geſellſchaft in Bautzen, wie ſolche auf der inter:
nationalen Ausſtellung für Feuerſchutz und Feuer—
rettungsweſen in Berlin 1901 ausgeſtellt war, zeigt
Taf. IV, vie 2. Diefelbe befikt neben dem Dampf:
pumpwerk (Spriße) eine aa 10pferdige Zwil⸗
lingsdampfmajcine zur jelbittbätigen Fortbewe—
gung des Babseugs Beide Maſchinen find ftebend
und entnebmen ibren Betriebödampf aus einem ges
meinscaftliben Dampfleſſel. Das zweicylindrige
doppeltwirtende Pumpwerl liefert 1000 1 pro Mis
nute. Zur Umfteuerung der Fahrrichtung iſt die
betannte Stepbenfoniche Eoulifje angewendet. Die
Regulierung der Fahrrichtung und «Geihmwindig:
feit erfolgt vorn durch einen vom Fahrſitz aus bes
dienbaren Steuerbebel. Die Are ertragung von
der Betriebsmaicine die Hinterräder erfolgt
mitteld Gelenttetten und Zabnrädern. Von lektern
befigen die an den Hinterrädern befindlichen Innen:
verzabnung, außen find diejelben als Bandbremss
ſcheibe ausgebildet. Zur Lenkung des Magens ift
die Vorderachſe nah dem Syſtem der Schwenlkachſe
ausgebildet. Die Lenkung erfolgt durd ein Hand:
rad vom Fahrerjik aus. Das Fahrzeug bat vorn
5 Sikpläße und einen Heizerftand binter dem Kefiel,
636
Die fon gg gg ya teit beträgt 20 km
pro Stunde, die Tourenzahl der Betriebödampfs
maſchine 350. Mit 10 km Fahrgeſchwindigkeit
fönnen Steigungen von 5 Proz. genommen werden.
Automobildampffprigen wurden zuerft in Amerika
eingeführt. Durd Einführung der Spiritusheizun
bejeitigte Branddirektor Reichel in Hannover (1903)
die Rau WANN wäbrend der Fahrt.
Vol. Bach, Die Konftruktion der F. (Stuttg.
1883); Fried, Katechismus für die Sprikenmann:
haft der Feuerwehr (Munch. 1893); Magirus,
as Feuerloͤſchweſen (Ulm 1877); Hönig, Loſchen
und Ketten (Köln 1894); Fried, Katechismus des
Feuerloſch⸗ und Feu eſens (Lpz. 1899).
euerſpritzenſchlauch, ein biegſames Rohr,
welches zur Leitung des Waſſers nach der Spritze
ju und von ihr weg nach der Brandſtelle dient. Je
nachdem die Schläudye einer innern Preſſung oder
einem äußern Überdrud zu — im ſtande ſind,
unterſcheidet man Drud: und Saugſchläuche.
Nach dem Material unterſcheidet man Hanf-,
lachs- Baumwollen-,Leder-und Gummi:
chläuche. Die erſten drei Sorten werden ohne
aht gewebt; und zwar ſind rohe Hanfſchläuche am
gebräuchlichſten Gummierte Schläuche find von
leichem Gewebe wie die rohen Hanfſchläuche und
inwendig mit ſchwarzem oder rotem Paragummi
dünn ausgelleidet; dieſelben vereinen die bequeme
Handlichleit des roben Hanfihlaudes mit der ab»
foluten Dichtigleit des Lederſchlauches. Häufig im:
prägniert man das Hanfgewebe nod mit Gerbiäure
oder Katechu, um ed gegen Fäulnis widerſtands—
fäbiger zu machen. Lederſchläuche werben aus
utem Rinds(tern)leder von möglichft gleihmäßiger
eihaffenheit und gleiher Stärke _bergeftellt und
jwar mit ſchwach gepichtem ftartem Hantbraht (Spi:
nal) genäht oder, was gebräudlider und vorteil:
bafter ift, mit Hupferftiften genietet. Lederſchläuche
werden bei den Feuerwehren mebr und mehr durch
die gummierten Schläuche verdrängt. Gummi:
ſchlaäuche aus vullanifiertem Kautihul mit ein
oder mehrern Hanfeinlagen find ala Drudihläuce
nicht zu empfehlen, fie finden nur als Saugſchläuche
Verwendung und erhalten zu diefem Zwed in der
Mandung eine Spirale von galvanifiertem Eifen-
drabt, Kupfer oder Meffingbrabt. Zur Schonung
gegen außen erhalten die Gummiſpiralſchläuche
noch eine Umlage von Segeltuhüberzügen. Als
Schlaudverbindungen bat man Shlaud:
verjhraubungen (Holländer) mit einem den
Landesvorſchriften entiprehenden Normalgeminde
und die ſog. Bajonettluppelungen, bei wel:
chen beide Zeile volltommen gleich find und das bes
liebige Vertauſchen der zu verbindenden Schlaud:
enden zulafien, was bei den Verſchraubungen,
melde je aus einer jog. Baterjhraube und aus
einer Mutter befteben, nicht der Dar ift. Die Ba:
jonettfuppelungen find eine Erfindung der Neuzeit
und in verjchiedenen Modifilationen ausgeführt,
unter denen das Syſtem Storz und Gretber:Witte,
Zerlinden, Hönig am meiften benußt werden.
Munpdjtüd wird das metallene Schlußftüd einer
Drudiblaudleitung genannt, welches den Zmed
bat, die ihm zuftrömende En ie in Form eines
Strahls von gereifier Beſchaffenheit austreten zu
lafjen. Es giebt Munpdftüde zur Herftellung eines
a geſchloſſenen Strabls und folde, melde das
Waſſer über eine gegebene Fläche möglichit verteilen.
Leptere führen den Namen Braufemundftüde.
Feuerſpritzenſchlauch — Feuerſtehler
Das koniſche Nobrftüd, welches das Schlauchende
mit dem Mundftüd verbindet und die allmäbliche
Uberfuhrung desSchlauchquerſchnitts auf den Mund»
ſtücquerſchnitt bezweckt, nennt man Strablrobr.
Zum Verbinden ſchadhafter Schlauchſtellen benutzt
man die Schlauchbinde, einen mit vier Shnüren
— ea east en _
an Stelle der Bänder wendet man auch Blebbü
und Ercenterverjdhlüffe an. Der Shlaubmintel
oder Sattel, ein aus Holz oder Metall beftebendes
Wintelftüd mit Riemen zum deitihmallen ber
Schläuche, findet Anwendung als Unterlage des
Schlauches hei lÜbergängen an Mauerwerteden,
— ern engen = ers haar Schlauch⸗
einen, Rettungsſeilen, beim Aufziehen und Ablaſſen
von Schläuchen, Geräten u.a. Die Schlauch—
zange, eine aus Eifen bejitebende * ange mit
Zwinge oder Schraube, ſowie vie Schlauchkllemme
dienen zum Abſperren von mit Waſſer gefüllten lan⸗
gen Schlaudleitungen, wenn aus legtern ein defekt
— ausgewechſelt werden ſoll. Die
chlauchleine iſt eine 15—18m lange, einerſeits
mit ſog. Karabiner, andererſeits mit Ring oder
Seilöfe verſehene Hanfleine, welche jeder Rohrführer
der Feuerwehr mit ſich zu führen hat zum Aufziehen
und Herablaſſen von Schläuchen u. m.; fie muß
eine Tragfähigkeit von mindeſtens 250 kg befiken,
damit fie der Rohrführer im äußerſten Notjalle
zu feiner eigenen Yebengrettung verwenden kann.
Shlaubbrüden verwendet man zum Schuße
beim liberfahren der Schlaudleitungen. Diejelben
befteben entweder aus ſchmalen Brettern oder find
aus quer und der Länge nad) zujammengenäbten
defelt gewordenen Hanfſchlauchſtücken bergeitellt.
Der Brüdenkörper muß bierbei unten offen fein
und den unter ibm liegenden Schlau umſchließen,
fo daß der Schlauch ohne Schaden mit fortrüdt, wenn
die Brüde verſchoben wird. Zur oberirdiſchen Füh⸗
rung von Schläuchen über Übergängen benußt man
fog. Shlaudftügen oder-Ständer, bie, ſtativ—
artig mit 3 Beinen verjeben, je 2 an jedem liber-
ge aufgeftellt werden. Shlaudbaipeln zum
ufrollen,, zur Aufbewahrung und zum Transport
von Drudihläuchen werden trag: oder fabrbar aus
Holzund Eijen bergeftellt.— Val. Bandau, Schlauch⸗
fuppelungen mit gleihen Hälften Lpz. 1894).
Feuerſtahl, als euerzeug (}. d.). — In
Heraldik bezeichnet F. eine dem zum Funlkenſchla⸗
aen gebrauchten
Werkzeug ähnliche, 5) /
— — zwei
necken bildende
fog. gemeine Figur;
fie ig bejonders an
DOrbenstetten häufig (f. vorſtehende Fiaur).
Fenerftätte, die Stelle in einem Gebäude, wo
u wiederlebrenden Zeiten zur Erwärmung des
Raums oder zu wirtſchaftlichen Zweden Feuer nes
madt und unterhalten wird; aud ein Gebäude mit
5. in jenem Sinne. Zur Erridhtung einer neuen F.
oder Verlegung einer 5. an einen andern Ort ift nad
8,368, Nr. 3, des Deutſchen Strafgeſetzbuches Eins
bofung polizeiliher Genehmigung bei Gelvitrafe bis
KOM. oder Haft bis 14 Tagen erforderlih. Gleiche
Strafe trifft ven, welcher es unterläßt, dafür zu
forgen, daß die F. in feinem Haufe in baulichem und
brandjiherm Yujtande erhalten werden.
Feuerftehler, Goldſchmied, f. Golpläter
und Tafel: Käfer I, ie. 21.
Feuerſtein — TFeuertelegraphen
Feuerftein, Flint, eine nichtkritallifierte,
aber Eryitallinifche Varietät des Quarzes, mie
biejer weſentlich nur aus Kiefelfäure beftebend, von
dem jpec. Gewicht 2,59 biß 2,01. Der F. bat feine ur:
ſprüngliche Lagerftätte in Form von Knollen und
latten in der weißen Kreide, 3. B. im nördl. Frank⸗
reib, an der Südküfte Englands, der Norbojtküfte
Rlands, auf den dän. Inſeln, auf Rügen. Die
„berfläche feiner grauen, gelblichen oder ——*
lichen Maſſe, die ſehr leicht zu äußerſt ſcharflantigen
Stüden zerſprengbar iſt, wird gewöhnlich von einem
weißen, an ber Yunge klebenden Kiejelmehl über:
zogen. Im Feuer brennt ſich auc der dunkle F.
weiß, da die Färbung von einer koblenitoffbal:
tigen Subſtanz berrübrt. In den F. der Kreide be:
obachtet man bäufig milroftopijhe Organismen,
namentlich Kiejelpanzer von Diatomeen und Fora:
miniferen, wie denn der F. überhaupt auc als Ber:
jteinerungsmaterial, 3. B. von Seeihwämmen, ala
Sfüllungsmafle von Muſchelſchalen, dient. Man
findet Ne übrigens ſehr häufig aus der viel
leiter zeritörbaren Kreide ausgeipült als Ge
ichiebe oder Knollen in den weit verbreiteten dilu:
vialen Ablagerungen der norddeutſchen Niederung.
Die Scherben des barten F. wurden früber ge
wöhnlih ala Flintenfteine benutzt (die Hertel:
lung berjelben erfolgte namentlib in der Ebam:
pagne und Picardie, wo ein gefchidter Arbeiter in
einem Tage 500 vieredige Steine zurichten konnte)
und ſtehen noch immer zum ge im Ge
braud. Schon in den Grabbügeln der Steinzeit
findet man Pfeilipigen, Ovfermejier, Streitärte aus
3 (©. die Tafeln: Urgeſchichte I, Sig. u. 2,
und II, Fig. 2—6.) Auch werben Mörjer, Reibſchalen,
Reibfteine, Glättfteine aus ihm gelötfien, und er
wird überbaupt jo auf ähnliche Weife wie der Achat
benust. Sodann liefert der F., der geplübt und
gemablen Jon chemifch reine Kiefelfäure darftellt, ein
wichtiges Material bei ver Heritellung des engl. Flint:
alajes, des Frittenporzellans und des Waſſerglaſes.
euerfteinpapier, ein auf einer Seite mit
einer feit haftenden dünnen Lage gepulverten Feuer:
eins bevedtes Papier, das zum Schleifen von
den benukt wird,
nerfteinfchlof, |. Handfeuerwaffen.
euertaftif, ſ. Cineartattit.
ertanfe, bildliche Bezeihnung für die erfte
Teilnahme am Gefecht auf dem Schlachtielve.
Feuertelegraphen, elettriſche, Tele
arapbenanlagen, welche lediglich Feuerwehrzwecken
dienen; fie bezweden die ſchnelle Beförderung von
Feuermeldungen und Alarmierung der Feuerwehr
und finden bauptfählih in Städten mit ftän-
digen Feuerwacen Dee Die Urt ver
Ausführung der elettriihen F. 2 abbängig von
der Größe ber Stadt und der Organifjation der
Feuerwehr. In Heinen Städten genügen einzelne
direkte Verbindungen zwifchen der Feuerwehr, der
Bolizei und dem Türmer, während bei größern An:
lagen eleftriiche Verbindungen zwiſchen den einzel:
nen Besirten der Stadt und der Feuerwehr berzu:
ftellen find. In der einfachiten Ausfü * ge
ſchieht dies durch Tafter und eleltriihe Weder
mit vorfallender Scheibe, welche den Bezirk des
Branded genau anzeigen und dur Signale be
mte Meldungen ermöglichen. Durch gleichzeitige
nwendung des Telepbons kann nad erfolgtem
Anruf dur —— eine genaue Angabe über
Ort und Größe des Brandes ‚rfolgen. In Städten
637
mit —— ee einer Feuerwache
bat man neben diejen tungen in der Stadt
bäufig noch mebrere größere Läutewerte aufgeftellt,
melde behufs Alarmierung der freiwilligen Loſch⸗
mannſchaften von der Gentralitation aus gleich
zeitig in Thätigleit geſezt werden. Das Princip
eines guten F. für Großftädte mit Kir via
beftebt in der Aufftellung einer —— Anzahl
auf das aa an gleihmäßig verteilter und leicht
zugänglicher Apparate, von denen aus jedermann
ohne Kenntnis des Telegrapbierens in wirklich zus
verläffiger Weiſe den Ausbruch eines Brandes nad
der nächſten Feuerwache, Polizei: oder Gentral:
ftation melden fann, von welder dann das Ber:
jtandenfignal dem Meldenden zurüdgegeben und
die Alarmierung der Feuerwehr veranlakt werden
muß (f. Feuermelder).
Dieele — Jan Ah bad Maigink m
werden nad zwei Syſtemen ausgeführt: entweder
verbindet man die Meldeftationen (Feuermelver)
mit der Hauptſprechſtation durch |hleifenförmi
oder dur ftrablenförmig gelegte Leitung.
beiden ger fönnen fämtliche Meldungen direkt
mit der Gentraljtation in Verbindung fteben und
diefe dur bejondere Leitungen (f. nachſtehende
Fig. 1u.2) nad den übrigen Haupt(bezirtö)itationen
Fig. 1. Fe. 2.
verbunden fein oder die Schleifen» und us
leitungen ( t 3 u.4) lonzentrieren ſich auf die
nächfte Haupt(bezirks)ftation, bie ihrerfeitö mit der
Gentraljtation durch befondere Leitungen für bie
Morfefhreibapparate verbunden tft. — Die elek
triſche Feuertelegrapbie ift jchon feit langer Zeit in
Fig. 3. Fig. 4.
den meiften mit georbnetem 2 —* verſehenen
größern Städten Europas und Amerikas eingeführt
und bat ſich vorzüglich bemäbrt; denn es ſtehen er»
mare emäß die großen Brände unter den ge
amten Schadenfeuern in direltem Verhältnis zu
der Zeit des frübern oder fpätern Eingreifens der
serien Nach einer —— von R. von Fiſcher⸗
reuenfeld haben Städte mit volllommenem
ertele ir wlan ihre Großfeuer im Durch⸗
chnitt auf 4 Proz. vermindert, während Städte mit
weniger vollftändigen, unvolllommenen %. durd»
638
ſchnittlich 17 Proz, Städte ohne F. durchſchnittlich
29 Broz. der geſamten Brände aufweiſen.
enerthür, die Thür, welche bei Keſſelfeuerun⸗
gen den Berbrennungsraum abſchließt.
Feuertod, eine ſchon früb bei den alten Römern
wie bei den Germanen für Brandftiftung und Ver:
rat angewendete Strafe. Derjelben Strafe wert er:
&ienen Diebftahl an Gott geweibten Gegenjtänden,
erwanbtenmord, Zauberei, einige Fälle ver Dia:
jeſtätsbeleidigung gegen röm. Kaiſer, die freilich
den F. auch bei Ehriitenverfolgungen vollitreden
ließen. Ihre Heren zu verbrennen hatte Karl d. Gr.
—* den heidn. Sachſen verboten. Der Kirche er⸗
chien aber dieſer Tod die angemeſſenſte Strafe für
die Keher. (S. Auto de Fe.) Hunderttauſende von
Menſchen endeten wegen ihres Abfalles vom ortbo:
doren kath. Glauben, wegen Zauberei oder als
Heren auf dem Sceiterbaufen, in Spanien und
Bortugal, in Frankreich, in Deutfchland, in Oſter⸗
reib, in England, überall, wo die röm.slath.
Kirche berrfchte, der ſich Staaten und ſelbſt Füriten,
wie ber Kaijer Friedrich IL, unterwarfen, um bie Ur
teile der Inquifitionsgerichte volljtreden zu lafjen.
Männer wie Savonarola (f. d.) und Huf wurden
von ber Kirche verurteilt und verbrannt. Luther hatte
zur Duldung gen Andersgläubige gemahnt, aber
Galvin ließ Servet wegen abweichender Lehrmei—⸗
nungen verbrennen und fand bie Zuftimmung Me
abe. Ya feit der Reformation wurde in Zu:
fammenbang mit religiöjen Auffafiungen die Ber:
brennung von Heren und Zauberern in prot. wie
in kath. Ländern in gleihem MWetteifer jo lebbaft
betrieben, daß man am Ende des 16. Jahrh. feine
Eng ausſprach, wo die Heren alle ber:
tämen. Die Carolina drobte den F. Für Zauberer
(Art. 109), Müngzfälfcher (111), für widernatürliche
Unzudt (116), Brandſtiftung (125) und Diebjtabl
der Monjtranz (172) an. Im 16. und 17. Jahrh.
een die Herenprozefje und der F. in voller Blüte.
iedrich Wilhelm I. von Preußen ſetzte nod 1725
auf Sobomiterei die Strafe lebendiger Berbrennung,
nod) 1728 wurde eine Here in Szegedin lebendig ver:
brannt. In Würzburg, wo wie im gefamten
— ——— 1627, 1628 und 1629 Hunderte von
Zauberern und Heren dem Scheiterhaufen übergeben
worden waren, wurde noch 1749 und zu Glarus noch
1783 eine Here gerichtet. Im Preuß. Landrecht
(2. Teil, 20. Tıtel) von 1794 findet ſich fogar noch
die Strafe des F. angedroht. Das Leipziger Schöffen:
gericht bat noch 1821 ein Urteil auf 3. efällt; doch
iſt nicht bezeugt, daß es auch vollitredt jei. Aber
die Aufllärung des 18. Jahrb. hatte den Abſcheu
egen dieſe Strafe wie gegen die Stempelung der
eberei zum Verbrechen und gegen den Glauben an
Heren und Zauberer dem Vollsgemut fo tief ein
—* daß ihr die gerichtliche Praxis und die Ges
esgebungen folgen mußten. In kultivierten Län:
dern giebt es dieje Strafe nicht mebr.
uertod, Art der yeuerlöichgranaten (f. d.).
ztoune, |. Feuertöpfe; auch ſoviel wie
Leuchtboje, ſ. Betonnung.
Feuertöpfe, jeuertonnen, aub Sturm:
töpfe, Sprengtonnen, Sprenglufen, Ton:
nen oder Gefäße verſchiedenen Materiald, welche,
mit Brennftoffen und Zundungen gefüllt, im Alter:
tum und Mittelalter bei agerungen viel ge
braucht wurden. (S. auch Wurffeuer.
Fenertroß, eine Art jet erer Ummantelung
für Eiſenlonſtrultionen (ſ. d.).
Feuerthür — TFeuerungsanlagen
uerturm, j. Leuchtturm. :
euerungsanlagen, techniſche Einrihtungen,
in denen durh Verbrennung von Heizmaterialien
ſ. d.) Wärme entwidelt und auf andere Körper nuß:
ar übertragen wird. Durch dieje libertragung lann
bezweckt werben: 1) die Erhöhung der eratur
eines Körpers (Heizungsanlagen); 2) die Abände:
rung ber pbufil. Eigenſchaften eines Körpers (Glüb-
und Schweißöfen, Berbampfapparate, Schmelzöfen
u. dgl); 3) die Sonderung von Körpern (Troden-
einrichtungen, Eindampfapparate u. f. w.); 4) die
chem. Umſetzung von Körpern (Hodhöfen, Gementier-
dfen, Röjtöfen u. f. mw.). ,
Die Verbrennung des Brennſtoffs in den F. be
ftebt in der chem: pie Br in demjelben ent:
baltenen Koblenftofjs und Waſſerſtoffs mit Sauer:
jtoff, der in Form von atmoſphäriſcher Luft dem
glübenden Brennftoff augeleitet wird. Je nad der
zugeführten Sauerjtoffmenge ift die Berbrenn
eine unvolljtändige oder volljtändige und dan.
auch der Wärmegewinn verjchieden groß. Die ent:
widelte Wärme bleibt zum Teil an den Brennftoff
—— und erhält denſelben auf der für die dem.
mfeßung erforderlichen Temperatur, zum Zeil gebt
* an die ſich bildenden brennbaren Gaſe und gas:
drmigen Verbrennungsprodulte (Koblenorydgas,
Roblenwafieritoffe, Roblenfäure, Waſſerdampf) und
den mit der Luft eingetretenen Stidjtoff über.
In den F. erfolgt entweder vornehmlich die Ber
wendung der an ben Brennitoff gebundenen Wärme
(Glutöfen) oder diejenige der : oder Flammen⸗
wärme (Flammöfen). Je nachdem ſich die Ber:
brennung in einer offenen Grube (Herd) oder in
einem jbadtförmigen Naume volljiebt, werben
Herdfeuer (3.8. Schmiedefeuer) und Shadt:
en (3.B. Hodhöfen) unterſchieden. Brennitoff und
ärmgut treten hierbei in der Regel in unmittel:
bare gegenjeitige Berührung und Einwirkung, jo daß
durch geeignete Leitung der Verbrennung entweder
nur, oder doch vorherrſchend, phyſil. oder pbufil.:hem.
Umänderungen des Wärmgutes hervorgehen. Bei:
ſpiele hierfür bietet unter anderm der zum Umſchmel⸗
zen des Roheiſens dienende Kupolofen der Eijen-
giebereien oder der für die Eifendarftellung hoch
ie we Hochofen. In den Sylammöfen werden
Brennitoff und Wärmgut zur Verhinderung gegen:
feitiger@inmwirkung getrennt und die Berbrennung des
eritern in einen Raum (Berbrennungslammer,
raum) verlegt, der von dem zur Aufnahme des Wärm⸗
.. beitimmten Raume (Heizraum, Herdraum, Ar:
itsraum) jo getrennt ift, daß nur die glübenden
Heizgaſe in diejen überzutreten vermögen. Nad ibm
werden derartige %. auch Herböfen genannt.
Die Geftaltung des Schachtes und Herdes iſt
durch den bejondern Arbeitöiwed des Diens bedingt.
Der Herd, d. i. die untere Begrenzungswanb oder
die Sohle des Herbraums, iſt zur Stüßung und
Aufnahme des Arbeitägutes beftimmt. [8 ift er
ebenflädig (Glüh: und Schweihöfen), teild mulden-
förmig vertieft geitaltet (Schmelzöfen). Meift ift
er unbemweglich angeorbnet, zumeilen wird ihm zum
Zwed der Miichung des Arbeitögutes oder beitimm:
ter mechan. Einwirkung auf dasjelbe Be ng er:
teilt (rotierende Buddelöfen, Sodadfen, Tr enöfen).
Sowohl im Schadtofen ald Herbofen fann bie
Einwirkung des Brennitoff und der Heizgaſe auf
das Arbeitämaterial durch Einfluß des legtern im
Gefäße verhindert werben, welche teilweiſe over all⸗
feitig geihlofien find und der im Ofen herrſchenden
Feuerungsanlagen
Temperatur zu widerſtehen vermögen. Man pflegt
derartige F. Gefähöfen zu nennen und unter:
ſcheidet Gefäß-Glutöfen und Gefäß-Flammöfen, je
nadıdem die Erbikung der Gefäße (Pfannen, ar an
Muffeln, Kefiel) entweder dur Einbettung derjelben
in den alübenden Brennitoff oder auf dem Herd eines
Herbofens erfolgt. Beiipiele: die Tiegelihmelzöfen
der Metallgießereien und Gußftahlfabriten, die
Mufjelöfen der Thonmwarenfabriten, die Abdampf:
piannen ber Salzfiedereien, die Dampfteflelanlagen,
die Luft: und unse.
Der Berbrennungd: und der Arbeitdraum
der F. jind nah außen durch Wandungen um:
chloſſen, welche nicht allein das Entweichen der ge
ildeten gasförmigen Stoffe verhindern, den Abfluß
der Wärme möglihft einichränfen und vermöge
ibrer Geitaltung die Einwirkung des Brennftohß
auf das Wärmgut regeln, jondern auch Zerftörun:
en infolge der erzeugten Temperatur auf längere
get zu widerſtehen vermögen. Nur da, wo die Ein:
übrung des Brennitofid und der Berbrennungs:
luft, das Eintragen und Entfernen bed Arbeits:
autes jowie die tung der unter die Wirkungs⸗
temperatur abgeluhlten erbrennungsprodulte er:
jelaen foll, find diejelben mit dur Thüren oder
Sieber verichließbaren Öffnungen verjeben. Bei
den Schachtofen dient in der Regel die obere Schadt:
diinung fomobl dem Eintragen des Brennitoffs und
Wörmgutes (der Beſchidung) ald dem Entweichen
der gasförmigen Berbrennungspropulte, während
am untern Schadtende das Austragen des Märm:
utes nad deſſen Umwandlung erfolgt. Bei den
Gerpöfen durchftrömt der in der Verbrennung:
fammer entwidelte ylammenjtrom den Herbraum in
borizontaler oder vertitaler Richtung. Zur moͤglichſt
vollhtändi en Ausnutzung der Wärme der Abgaſe
werden dieſe, bevor fie ind Freie gelangen, wenn mög:
lich noch durd andere geeignete u ern bebufs
Märmeabgabe bindurbgefübrt, 3. B. bei Dampf:
keſſeln durch Borwärmer (f. d.) oder durch Lufterhitzer,
in denen die Berbrennungsluft angewärmt wird, be:
vor fie in den Feuerraum tritt. enn die Abgaſe
um Teil noch brennbar find, wie die Gichtgaje der
Ho en, fo leitet man fie nad befondern F., die
er inderbikung oder Dampferzeugung dienen
Önnen. Entgegen der frübern Anjchauung werben
enwärtig mit Erfolg nah dem Vorgange von
Siemens weite, geräumige Herbräume angemen:
det, in denen bie freie Entwidlung und volljtändige
Ausbrennung der Flamme erfolgen kann, infolge
dejlen im erjten Stadium der Verbrennung bie
Wärme bauptfählihb durh Strahlung auf das
Arbeitägut übertragen wird.
Die zur Berwendung feiter Brennftoffe beftimmte
Berbrennungstammer tft in der Regel nach der einen
Seite, meiit nad abwärts, durd einen Roſt ges
ehe; berjelbe ſtüht den Brennftoff, gewährt der
den Zutritt zu demſelben und ermöglicht die
Entjernung der bei defjen Verbrennung zurüdbleis
benden unverbrennbaren Mineralteile (Aſche und
Schlacke). Nur bei manchen Schadtöfen, wie 3.8.
den Hod und Rupolöfen, jeblt der Roft; bier dient
ein ſich nad) unten verengenber, legelförmiger Einbau
—* ft) aur Stü ung von Brennitoff und Arbeitsgut.
& richtige Wahl der Beſchickungshöhe und der
chem. Zufammenjeßung des Brennſtoffs angepaßte
vemeſſung der zutretenden Luftmenge wird eine mehr
oder weniger volllommene Verbrennung und eine
mebr oder weniger hohe Temperatur der Verbren⸗
639
nungsprobufte erzielt. Die gebildete Flamme wirkt
daber entweder reduzierend (menn Kohlenoxydgas
entbaltend), neutral (bei volllommener Verbrennung
obne Sauerftoffüberihuß) oder orodierend (bei
Sauerjtoffüberihuß). Bei dem Puddeln des Eiſens
(f. Eifenerzeugung II, A) wird beifpielämweije im
erſten Zeil der Arbeit die Verbrennung des Kohlen⸗
off durch eine orpdierend wirkende Flamme ge:
drdert, am Schluß ber Arbeit dagegen die Oryda:
tion der gebildeten Schmiedeeifenluppe durch An—
wendung einer neutralen oder rebuzierend wirlen⸗
den Flamme verhindert.
Die une res ober der Zug ber F. wirb
teils mittel3 erwärmter uftfäulen(Schornftein),teil®
mittels maſchineller Einrichtungen (Erbauftoren und
Gebläſe) hervorgebracht. Durch entſprechende Be:
meſſung der Luftzufubr und Luftpreſſung gelingt es,
verſchieden große Brennftoffmengen in ber Zeitein:
beit zur Verbrennung zu bringen und damit die frei
werdende Märmemenge jowie die Temperatur ber
Verbrennungspropufte zu regeln.
Bei manden Gefäß⸗Flammöfen, : B. bei Dampf:
teflelfeuerungen, unterfbeidet man Borfeuerung,
Unterfeuerung und Innenfeuerung. Unter
Vorfeuerung verjtebt man eine Feuerungsanlage,
bei der die ——— in einem beſondern Ber:
brennungsgemwölbe ſtattfindet und nur die Verbren:
nungsgaje an die Gefäßheizfläche geleitet werden.
Bon Unterfeuerung ſpricht man, wenn der Roft dicht
unter dem Gefäßmantel liegt, de das Flamme und
———— an die Keſſelwand anſchlagen.
nnenfeuerung iſt vorhanden, wenn der Roſt in das
efäß (die Flammrohre) eingebaut iſt.
er Rost beftebt aus einer —— Anzahl ein⸗
— Stäbe, der Roſtſtäbe, welche zwiſchen ſich der
uft den Zutritt zu dem glühenden Brennmaterial
geftatten. Die Zuführung des Brennmateriald auf
den Roſt erfolgt entweder von Hand oder durd ber
fondere meban. Einrichtungen. Der Verbrennungs⸗
raum über dem Roft ift ringsum abzujchließen bis
Ey den anal, in dem die federn rg ab:
zieben. Den bintern Abfhluß der Roftfläce bildet
die Feuerbrüde, welde eine innige Mifhung der
brennbaren Gafe mit der Berbrennungsluft bezwedt.
Die Art, insbefondere auch die Stüdgröße des Brenn:
materials bedingt die ſpecielle Geſtaltung des Roftes
und die Abmeffung der Roftipalten. Die leptern
werben burc die Neben: oder Übereinanderlagerung
der Roftftäbe gebildet und machen in ihrer Gejamt:
tdi sfläce des R 9.
8 eckig on eye Aue ——
dem Brennmaterial in der Zeiteinheit zuitrömenbe
640
Luftmenge. Der Roft ift ein Blanroft, oder ein
Schrägroft, oder ein Treppenroſt, je nachdem
die Roſtſtäbe in einer horizontalen oder geneigten
Ebene nebeneinander liegen ober jtufenförmig über:
einander angeorbnet find. Verſchmelzungen beider
Anordnungen derart, dab die Stufen des Treppen:
roftes aus ſchmalen Blanrojten gebildet werben,
eißen Eta — — —— zeigen bie auf Ta:
1: Dampflejjell— —— Feuerungen.
in Treppenroſt iſt durch ig. 1 (©. 639) und
Fig 1a, ein Gtagenrojt dur Fig. 2 dargeitellt.
ie Wege, melde man einjchlagen kann, um auf
dem Roft eine dkonomiſche und babei_ zugleich
rauchfreie Berbrennung zu erzielen, find ver:
ſchieden, entſpre⸗
= chend den Urſachen
des Raucens. Will
man, bei abge
branntemFeuer,auf
einen gewöhnlichen
Planroſt neues (tal:
fig. ta. tes) Brennmaterial
bringen, fo muß
die Feuerthür geöffnet werden. Bei jever Öffnung
derjelben tritt aber, befonders wenn nicht gleich:
zeitig der Rauchſchieber zur Verminderung bes
Buge® beruntergelafien wird, eine große Menge
alter Luft in den Feuerraum ein und zieht die Tem:
peratur desjelben jo weit berab, daß die brennbaren
Gaſe ihre Entzündungstemperatur nicht mehr bebal:
ten und nur unvolljtändig verbrannt werben, daher
Ruß entwideln. Wird ferner beim Neubeichiden des
—— eine — Menge friſchen Brennmate:
8 auf die glühende, abgebrannte Schicht auf:
frin. 2.
gebracht, fo wird das neue Material erhikt, e8 ent:
wideln ſich aus demſelben zunächjt Kohlenwaſſerſtoffe,
und ba die aufgebrachte Koble die Wärmeausftrab:
lung der darunter liegenden Schicht verhindert, fo
wird der Berbrennungsraum wiederum jo abgetüblt,
daß die entwidelten Gaje nicht oder nur unvoll:
ftändig verbrennen können. Aus den beiden vor:
—5 Gründen wird beim Planroft na dem
eſchicken ſtets eine Periode des Rauchens eintreten.
Dieſe läßt ich nun zwar durch rationelles Beſchicken
von jeiten des Heizers ſehr ermäßigen, namentlich
durh möglichit häufiges Aufmwerfen von Heinen
Quantitäten Kohle von entſprechender Korngröße,
wobei die Thür nur kurze Zeit offen gebalten (daber
der Zug gemindert) und die Bededung des Roſtes
mit friiher Koble nie über die ganze Fläche *
erjtreden wird; ganz rauchfrei wird man aber do
Teuerungsanlagen
bei Blanroitfeuerung nicht verbrennen förımen. Der
gewöhnliche Treppenroit (Fig. 1u. 1a) begünftigt eine
rauchfreie Berbrennung ſchon mehr dadurch, daß die
Zuführung des Brennmaterials durch den Einfüll
trichter faſt kontinuierlich ftattfindet, wobei ſchäd⸗
libe kalte Luft weder beim Vorftoßen des Brenn»
materiald nod beim Schüren und Scladen ein:
tritt. Beim Langenſchen Etagenroft (Fin. 2) wird
das Rauchen dadurch au verbindern gelucht, 2
das friſch auf die Schürplatte jeder Etage auf
gebrachte Brennmaterial nicht auf, jondern unter
die glübende Koblenihicht aebrabt wird, fo daß
die entitebenden Kohlenwaſſerſtoffe ihren Weg erit
durd die glübenden Schichten nehmen müflen und
dabei verbrannt werden. Ein anderes Mittel e
Erzielung einer rauchlojen Verbrennung kommt bei
der Ten: Brink: Feuerung in Anwendung. Dies
jelbe tritt in vielen verfchiedenen Formen auf,
die alle das gemeinfam baben, daß das Brenn:
material auf dem Rojte vorwärts wandert in einer
Richtung, die derjenigen der Berbrennungsgaie
über dem Roſt entgegengeſeßt ift. Eine reine Ten:
Brink Feuerung tit in Fig. 3 dargeftellt. Das
— — 4
Fia. ®.
Brennmaterial wird durch die mit einer Klappe
verichließbare Öffnung oben auf den ſtark ge
neigten Roſt gebradıt, der in einem quer zum
Hauptleſſel angeordneten Cylinderkeſſel gr aut
it. Durch die Wirkung der Schwerkraft rüdt das
rennmaterial beim Abbrennen von jelbit nach
unten, jo daß fih bald am Ende des Roſtes ein
Aſchenlegel anjammelt, der die untere Öffnung
dauernd verſchloſſen hält. Die friih aufgebrachte
Koble wird ftetö auf der obern Stelle des Roſtes
liegen. Bon den untern, in vollem Glüben befind:
lihen Kohlen aber müjjen die heihen Verbrennungs:
gafe über dieſe frifchen Kohlen hinwegſtreichen, jo daß
die aus dieſen deitillierenden Kohlenwaſſerſtoffe
unter Zutritt von Luft aus einem in feiner Weite
regulierbaren —— über ber Kohlen⸗
einfüllöffnung vollftändig verbrennen. Dieie Me:
tbode der Rauchverbrennung bat nicht nur bei diefen
reinen Ten⸗Brink⸗Keſſeln Anwendung, ſondern auch
im allgemeinen für alle = ür Loko motiv⸗
euerungen und Feuerungen bei Waſſerröhrenleſſeln
erbreitung gefunden.
Eine ſehr große Zahl weiterer rauchverbütender
Feuerungen berubt darauf, ohne Öffnung der euer:
tbür, auf gewöhnlichen Planroften oder beſonders
Feuerverehrung — TFeuerverficherung
ausgebildeten Rojten pi ri fontinuierlih das
Brennmaterial in jtet3 gleihmäßiger Weije über
den 653 Roſt zu verteilen, ſo daß nie eine größere
den Prozeß jtörende Abkühlung eintreten kann. Die
einen | erfolgt dann in der 5* vom
Heizer unabhängig, automatiſch durch Antrieb von
der Trandmiifion aus, jo daß dem Heizer nur bie
—— der Kohletrichter ſowie die Überwachung
ber Feuerung und das Abjchladen verbleibt. Beiden
automatiihen Beijhidungseinribtungen
kann die Zuführung der Kohle wiederum entweder
von unten durch den Roſt zur Brennftoffjchicht oder
von oben ber auf die sr Koblen erfolgen.
eres ift der Fall bei der Helir-Jeuerun
(j. Ste. 4 u. 5; ig. 4 iſt ein Schnitt nah O
in ig. 5, und Fig. 5 ein Schnitt nah MN
in Fig. 4)._Die Koble wird in die Yülltrichter
a gegeben. Bon dort gelangt fie, von den Quer:
fchneden A erfaßt und von den langiam rotieren:
den Längsichneden b vorwärts bewegt, in den
für die Längsihneden ausgeiparten Hoblräumen c
in ber ganzen Längsrichtung auf den Roſt, auf dem
fie fich jeitlich verteilt. Drei jolher Längsichneden
liegen in der gezeichneten Rojtanlage nebeneinander.
Die Koble muß dabei gleihmäßig feinlörnig fein,
641
ewerbliche Zmede (Karlär. 1889) ; deri., Taſchenbuch
fir Feuerungstechniter (4. Aufl., Stuttg. 1901);
ew, Feuerung mit flüffigen Brennmaterialien (ebd.
18%); Haafe, Die 3. Epz. 1893); Häufjermann,
—— F. (Stuttg. 1894—97); Haier, Dampf:
eflelfeuerungen zur Erzielung einer möglichit rauch⸗
freien Verbrennung (Berl. 1899); Herre, Moderne
Dampfkefjelfeuerungen (Stuttg. 1901); Barr, Cate-
chism on combustion of coal and prevention of
smoke (2ond. 11). —
erverehrung, ſoviel wie Feuerdienſt (ſ. d.).
ervergoldung, ſ. Vergolden.
Fenerverfiherung, Brandverſicherung,
deuerajjeluranz, Brandaſſekuranz, iſt ber
mittels eines beſondern Vertrags in ber hierfür ge⸗
ſetzlich als unerläßlich vorgeſchriebenen ſchriftlichen
Form des Verſicherungsſcheins, der Police (ſ. d.),
ewährte Schuß gegen den Schaden, den unbeiweg:
iches —— Immobiliar, Gebäude, daher m:
mobiliarbrandverjiherung) oder bewegliches Eigen:
tum (Mobiliar; —— — ohne
«Schuld» (dolus) des Beſihers durch Brand, nie
19 Erplofion oder deren Folgen, wie —— |
eim Brande, jonftiges men ommen oder Wert:
loswerden dabei, erleiden
ann. Der dieje Berpflic-
weil fi fonft leicht der Apparat verftopit. Die
Schneden werden durch Transmiffionsriemen an:
etrieben. Ein Beifpiel für die zweite Art ver mechan.
Beihidungen ijt die Borrihtung von Wbittater.
Bon den Fülltrihtern gelangen die Koblen zwiſchen
zwei Zuführungs: und Brechwalzen, die in der Mi:
nute etwa eine halbe Umdrehung machen und die zer:
Hleinerten —— zwei Schaufelrädern zuführen, die
die Koblen beftändig über die ganze Fläche des Roſtes
werfen. Ahnlich find die automatiſchen Beibidungs:
einrichtungen von —— Hodglinſon und Leach.
Von flüjfigen Brennſtoffen finden Teer und
Teeröl, Erböl und Erdölrüditände (Majut) Be:
nußung. Um die Entzündbarteit zu erböben und die
Verbrennung zu beichleunigen, werben jie mit Die
von Gebläfen (Forſunka) zerjtäubt, welche gleich:
zeitig die zur Verbrennung erforderliche LT liefern.
Über Gagfeuerungen ſ. d.; über Staub:
euerung.d. — Näheres über 5. mit flüffigen
rennftoffen, fowie über die Betriebstontrolle der
F. undderen Apparate. Feuerungsanlagen (Bd. 17).
Litteratur. Ramdohr, Feuerungsfunde oder
Theorie und Praris des Verbrennungsprozeſſes und
der F. (Halle 1887); Siemens, Über die Vorteile der
Anwendung hoch erbigter Luft Kr die Verbrennung
(2.Aufl., Berl. 1887); Fiſcher, F. für häusliche und
Brodhaus’ Konverfations-Lerikon. 14. Aufl R. A. VI.
tung zum Erſatze des Schadens eingebende Zeil der
Vertragſchließenden (Berficerer, Aſſelurant) iſt eine
Vereinigung Mehrerer zum Zwede des Betriebes von
Verſicherungen, nämlich entweder eine Gegen⸗
ſeitigkeit beruhende private —— (j. Gegen:
jeitigteitBgeiel ichaften) oder eine Altiengeſellſchaft
(f. Altie und Attiengefellichaft), oder aber eine öffent:
lihe Inſtitution des Staates, der Provinz, der
Gemeinde oder einer andern öffentlich-rechtlichen
Korporation unter der Verwaltung öffentlicher Bes
Be. (Feuerfocietäten, Landesbrandlafjen). Die
bernahme von Verficherungen durd eine einzelne
Berfon, wie fie bei der Seeverfiherung (f. d.) vor:
fommt, findet ſich in der F. nicht. j
Der Berfiherungsvertrag wird aufeinen gewiſſen
Beitraum oder * unbeſtimmte Dauer unter Ver:
einbarung einer Kündigungsfrift abgeſchloſſen. Die
Leiftungen der Verficherten (Berfiberungsbeiträge,
Prämien) follen im ganzen dem wirklichen Bedarfe
an Mitteln zur Dedung der Schadenanſpruche und
Beitreitung der Verwaltungstoften entſprechen; ſie
müfjen im einzelnen dem Umfange (der Berfiche:
rungsfumme) des zu ſchützenden Gegenjtandes, dem
Rifito, und der mit deſſen Schuge verbundenen
rößern oder geringern Gefahr, die man gleich:
Als Riſiko nennt, angepaßt jein und werben In ber
41
642
Regel in Promille (%0) der_Berfiherungsfumme
a ein Jahr ausgedprüdt. (S. Prämie.) Riſiko
(f. d.) im allgemeinen ift jeder verfiherbare Gegen:
tand an —— ohne Rüdficht auf die Nachbar⸗
haft; fobald diefe aber in Betracht kommt, tritt
noch eine weitere Bedeutung des Wortes auf, der Be:
er ein Rifito, d. i. die Geſamtheit von Gebäuden
nebit Inhalt, deren Bauart und Lage zueinander
die Zeritörung dur ein Feuer unter ungünftigen
Umjtänden als mwahrjceinlid annehmen laflen.
Als eine Gruppe bezeichnet man einen Rompler
von Rifiten, welche durch einen innerhalb desſelben
ausbrechenden Brand in Mitleivenihaft gezogen
werben können. Das Feſthalten an den über die
Trennung ber Riſiken durh Brandmauern, unbe:
baute Zwijchenräume u. ſ. w. aufgejtellten Grund:
fägen iſt die Borausfegung für richtige Begrenzung
ber Marima, d. b. der Summen, bis zu denen im
äußerjten alle ein Berficherer für eigene Rechnung
zeichnet. Darüber hinaus tritt die Heranziehung
von Rüd: oder auch von Mitverficherern ein.
Der Wert der F. für ven Volkswohlſtand befteht
abgejeben von ihrem fittlihen Moment und den au
der Hand liegenden Vorteilen, welche ihre Benugun
unmittelbar bietet, in der Vermebrung der Brodul:
tion, der Förderung ded PBerfonal: und Realkredits
und in der Hebung der Induſtrie. Die F. ift dem⸗
nad nächſt der Lebensverſicherung als die wichtigfte
und verbreitetfte Verfiherungsart zu bezeichnen.
Die Geſchichte der 3. zeigt in England ihr
erites Auftreten bereit im 17. Jahrh. Zunächft ent:
ftanden öffentliche Brandhilfslaſſen für Immobilien,
dann für Mobilien, fpäter erft Privatanftalten. Die
erſte ſolche Anſtalt war die in London 1710 gegrün-
bete Sun: Fire-Dffice; der Londoner Phönir bes
febt jeit 1782, North: Britifb and Mercantile zu
ondon:Evinburgb feit 1809, Liverpool: London:
Globe feit 1836. Außerdem find nennenäwert:
Gommercial-Union in London, Imperial in London
(1803), Zancafbire in Mandheiter (1852), London
and Lancajbire in Liverpool (1862), Mancheſter in
Manchefter (1824), National: Afjurance: Company
of Sreland (1828), Northern in London (1836 in
berbeen gegründet), Queen in Liverpool (1856),
Royal in Liverpool (1845), Scotiſh⸗Imperial in
Glasgow und Standard in London (1871). In
mobiliar:
— Derdg se ſchon 1745 eine
aſſe hatte, beſtehen Feuerverſicherungs⸗Aktiengeſell⸗
ſchaften ſeit 1319. In dieſem Jahre wurde die Com⸗
pagnie d'Aſſurances Gendrales gegründet, eine bes
deutende Geſellſchaft, ver Vorläufer zahlreicher an:
derer guter und geadhteter Anftalten, wie Phenir,
Nationale, Union, Soleil, France, Urbaine, Bro:
vidence, Nord, Aigle, Baternelle, Abeille u. ſ. w.
Belgien befist ſeit 1821 und feit 1830 die Com:
ge nie ded Propridtaires Reunis und Compagnie
elge d'Aſſurances Generales, beide in Brüjiel,
Lion Belge in Lüttich u. ſ. w. Die ältefte der abl:
reihen Anſtalten des Zweiges in Holland ift die
von 1771 zu Amfterdam. Rußland hat größere Ges
fellihaften in Beteröburg (Salamander, Nadeſhda,
Erite und Zmeite Ruſſiſche Compagnie u. f. w.),
Moskau (Mostowiihe Compagnie, Jakor), War:
bau, Kiew, Riga u.f.m.; Rumänien in Bulareft
(Dacia⸗-Romania, Nationala). In Oſterreich—
Ungarn beftehen 8 öffentliche Feuerverfiherungss
anftalten (in den deutſchen Landesteilen; die älteſte
feit 1811), 12 —— und mittlere private gegenſei⸗
tige und 10 Altiengeſellſchaften (darunter die größte
Teuerverficherung
öiterr. Geſellſchaft, die Afficurazioni Generali in
Trieſt, jeit 1831). Inder Schweiz befteht neben ven
beiden Altiengejellichaften — zu St. Gallen
(1861) und der Basler Verſicherungsgeſellſchaft
gegen Feuer in Baſel (1863) ſowie den mit Monopol
ausgejtatteten 17 öffentlihen Rantonalbrandtajien,
deren erfte (für —— 1805 errichtet wurde, jeit
1826 in Bern die Schweizeriſche Mobiliarverfiches
———— auf Gegenfeitigfeit, die nur in
ber Schweiz arbeitet, hier aber ein ſehr bedeutendes
Geſchäft hat, und ſeit 1874 die Emmenthaler Mobis
liarverfiberungd:Gefellihaft in Biglen. Däne:
marl, Schweden, —— und Finland
befigen öffentlihe und auch zahlreiche private, mehr
oder weniger bedeutende Inftitute; Spanien, Ita:
lien und Griehenland haben das Feuerverjiches
rungsweſen bisher weniger entwidelt. In den Ber:
einigten Staaten von Amerika ijt die ältefte
Gejellihaft die Aniderboder-Gompany in Neuyort
von 1787. Außerdem befteben dort Home, Eonti:
nental, Manhattan, Phenir, Germania Niagara
und zahlreiche andere in Neuyork und fn andern
Staaten der Union,
In Deutfhland geben die Anfänge einer
Unterftügung bei Brandihäden weiter zurüd als
anderswo. Bereit die mittelalterlihen Gilden ſuch⸗
ten nad Kräften ihren durch Brand geſchädigten
Genoſſen aufzubelfen. Kleine Gegenfeitigfeitsanital-
ten finden fich feit dem 15. und beſonders dem
17. Jahrh. vielfab in Norddeutſchland, namentlich
auf dem Lande, Eine größere Landesbrandtafie bes
ftand bereit3 im 17. Jahrh. in Schleswig-Holitein,
in Hamburg wurden 1676 mehrere Heinere, gilden⸗
artige Brandlaflen zu einer großen vereinigt. An
Stelle diefer aus Selbitbilfe und genofjenjchaft:
lihem Princip bervorgegangenen Anftalten über:
nahm dann die Staatägemalt die Neugründung und
Meiterfübrung. So zunädft in Preußen für Dorf:
freife in Brandenburg 1701 und 1705, für Berlin
1706, in den Lu rer Jahren für andere Teile der
Monardie, in Kurfahien 1729 und fodann in an:
dern deutſchen Landesteilen.
Die Entſtehung der deutſchen bffentlichen
Landesbrandkaſſen, in Preußen meiſt Feuer:
focietäten genannt, ift geſchichtlich k r einfach
nadzumeifen. Die Fürften pflegten, um Berarmung
zu verhüten, ihren Unterthanen, wenn deren Häujer
abgebrann! waren, Baubolz und wohl aud Gel zu
ſchenlen. Dies fiel jedoch den Staatstafjen nah und
nad beſchwerlich und reichte auch nicht aus, wes⸗
balb Brandkaſſen errichtet wurden, von denen aber,
{emeit nicht Beitrittöjwang eingeführt wurde, die
enölkerung erſt allmählich umfaſſenden Gebraud
machte. Der erſte Zwed der F. war alſo die Lei
ftung einer Beibilfe zur Befriedigung des Woh—
nungsbedürfnifies der Menichen; fpäter erft
wurde daran gedacht, daß aud der Inhalt der
Wohnungen, die Mobilien, des Schußes bedarf.
DieMobiliarverfiherung, weldeallervings
einige öffentlihe Brandkafjen mit in den Kreis ibrer
Wirkſamkleit gegooen, dann aber wieder aufgegeben
batten, fand in Deutichland zugleich mit der privas
ten ſpelulativen Verfiherung am Ende des 18. Jahrh.
mweitern Eingang. Der eigentliche Aufſchwung der
zn 3. feste an mit dem Abſchluß der großen
iege am Anfang des 19. Jabrb. Bedeutungsvoll
für die moderne Entwidlung der Privatfeuerverfiches
rung war bie Thätigleit des Kaufmanns E. W. Ar:
noldi (f. d.), der 1821 in Gotha die Feuerverſiche⸗
Teuerverjicherung
rungsbant für Deutſchland ins Leben rief. Kurz
vorher waren 1819 in Leipzig, 1812 ſchon in Berlin
die beſtehenden älteiten Altiengefellihaften entitan-
ben, die jedoch erſt nach Jahren wirkliche Bedeutun
erlangten. Seit jener Zeit erftanden nad und na
die andern der heutigen großen deutichen Privat:
geſellſchaften. Hier find hervorzuheben die 1825 2
gründete Aachener und Munchener Feuerverfiches
rungsgefellicaft (f. d.), die ihren Schwerpunkt im
landwirt —— Geſchäft hat, ſowie die 1844 von
Friedr. Knoblauch errichtete Magdeburger Feuer:
verfiherungsgeiellichaft, welche ihren Sauptihup
der Induſtrie zumendet.
Diefen Aktiengejellibaften verdanft man aud
die erjte Einführung der Nüdverfiherung (j. d.).
Die größten unbe ältiieeosteliäniten
(in Köln, Aachen, Magdeburg, Frantfurt a. M.,Stet:
tin, Hamburg, Gladbadı u.j. mw.) haben eigene Rück⸗
verfiberungsfilialen; andere nehmen Rüdvedung
bei befreundeten Anftalten des eigenen Zweiges oder
bei befondern Rüdverfiherungsbanten, unter wel:
hen in den lebten Jabren die Müncener Rüdver:
fiherungsgefellibaft fi zur größten in Deutichland
aufgeihwungen bat. Auch die öffentlichen Feuer:
— beſihen ſeit 1876 eine eigene
Nüdverfiherungsabteilung.
Die dffentliden A Feuerver:
fiberungsanftalten (f. Überjiht I, ©. 644 u. 645),
Brandlafjen, Landesbranplafien, Feuer:
focietäten, find teilmeife mit Monopol ausge:
ftattet (d. b. der Gebäudebefiger muß bei der betref:
enden Kaſſe verfihern, wie in Bayern, andernfalls
muß er unverfichert bleiben), oder auch mit Bei:
tritis zwang, wenn nämlich überhaupt alle Gebäude
deö zu ihrem Betriebe gehörigen Bezirkes (Land,
——— Stadt) geſetzlich bei der dafür errichteten
afje verficbert werden müſſen, wie in Anhalt, Ba:
den, ver ri Hamburg, Heilen, Lippe, Olvden:
burg, Sachſen, Sahjen: Weimar, Sadjen: Alten:
burg, Walded und Württemberg. In Preußen gilt ver
Verfiherungdzwang bei den Öffentlihen Anjtalten
nur für einzelne Städte (Berlin, Breslau, Stettin)
und Landesteile (Oſtfriesland, Provinz Hejlen:
Nafjau, Regierungsbezirf Sigmaringen). Soweit
die öffentlichen Feuerverfiherun Banftalten Mono:
pol oder Fr rt befigen, rim fie feit 1868
meift aud die Mobiliarverfiherung aufgenommen
bez. wieder aufgenommen,
Bei der Brivatjeuerverfiherung haben die
Altiengefellihaften an Geſchäftsumfang die gegen:
feitigen Anftalten bedeutend überflügelt. Nurmenige
private gegenfeitige deutiche Feuerverſicherungsge⸗
ſellſchaften haben es zu größerer Ausdehnung ges
bracht, jo bejonders die Gothaer Feuerverſicherungs⸗
bant. Einen Mittelweg zwiichen Altien- und Gegen:
jeitigfeitöprincip hat man in ven Verbänden gefun:
den. Die in Verbänden Berficherten geniehen die
Borteile der Mitglieder gegenjeitiger Geſellſchaften,
Anteil an Verwaltung und Gewinn, bleiben aber
von der Nabihußpflicht frei. Derartige Verbände
beiteben beia Magdeburg» bezüglich der Rübenzuder:
fabrifanten, Müblenintereffenten und Landwirte.
„Die Überficht II (S.646 u. 647) giebt ein Bild über
die Thatigleit verdeutichen Feuerverfiberung8:
altiengejellfhaften, liberficht III (S.646) der
privaten zesenieitt en Feuerverſiche—
rungsgejellihaften in Deutihland für 1900.
Die Gejamtjumme des Geihäfts der deutichen
Feuerverfiherungsanitalten 1900 betrug in Marf:
643
rämiens
nnahmen
Geſellſchaften
I. Offentliche Anſtalten ..
11T. Brivare gegrufeltige @e.
felichetten IT
49 877 694 762
16 967 287 495
65 191 046
167 281 106
Außer den einheimifhen Anjtalten arbeiten in
Deutichland auch gleichzeitig zahlreiche Vertretungen
großer ausländifcher, namentlich engl. —
ten, und die immer mehr wachſende Konkurrenz Hilft
fowohl die Benugung der Verfiherung an und für
ſich verallgemeinern als die Prämien auf das dent:
bar niedrigfte Maß herabprüden. Die Thätigkeit der
— erungsgeſellſchaften trägt auch, nament⸗
lich Zr t jie Barmittel aus ihren Fonds bierzu be
willigen, mit dazu bei, das euerlöich: und Rettungs:
weſen bis zu der heutigen Vervolllommnung zu ent:
mwideln (f. Feuerloͤſchweſen), ſowie bie uerfiderbeit
in baulicher und fpecialtechnifcher Hinficht bedeutend
zu erhöhen, auch den Brandbettel zu verringern.
Das Feuerverſicherungsrecht ift für die
öffentlichen Anftalten in ven einzelnen deutſchen
Staaten durch befondere Geſetze bez. landesberrlich
betätigte Reglements, für die privaten Geſellſchaf⸗
ten in Breußen durch Gefeß vom 8. Mai 1837, in
den * deutſchen Staaten ebenfalls durch bes
ondere Geſetze, geregelt. Danach darf kein Gegen⸗
and gegen —— ahr höher verſichert werden als
is zum gemeinen Wert zur Zeit der Verſicherungs⸗
nabme; aud ist Doppelverfihherung, d. h. die Verſiche⸗
rungeines PER no
jeitio über den Wert, verboten. Die einheitliche Rege⸗
ung nicht nur des Feuerverficherungss, fondern des
gejamten Verſicherungsrechts für das Deutſche Neich
iſt erfolgt durch das 1. Jan. 1902 in Kraft getretene
eichsgeſeß überdiepriv ten Berficherungsunterneb:
mungen vom 12. Mai 1901 (f. Berfiherungswefen).
Die Örundlage der aus einem Feuerverficherungs:
vertrage ſich ergebenden Rechte und Pflichten
find die aus dem — ——— der Police,
erfichtlihen «Allgemeinen Berfiherungsbedingun:
en» und bie etwaigen «Befondern» Bedingungen.
titere regeln das Verhalten des Berficherten bei
Stellung des Antrages (Dellaration des zu ver:
ichernden Gegenftandes), während der Dauer der
erfiherung und im Brandfalle, die verſchieden⸗
artige Behandlung des Schadens bei Gebäuden
und Mobilien, das Be wi beim Schabenerfaß,
bei Nichtigteitäfällen tattungsanfprüden und
Streitigleiten, bezeihnen auch die von der Vers
iherung uüb rhaupt ausgeſchloſſenen oder nur unter
orbebalt in Dedung zu nehmenden Gegenftände.
Die «Bejondern» Bedingungen aber verpflichten ven
Verficherten je nach der Natur des Riſikos (Land⸗
wirtichaft, Warenlager, Gewerbebetrieb u. f. ee =
bejondern Vorfihtsmaßre ein, die der Brandgefabr
vorbeugen oder ihre Wahrfceinlichteit herabmin⸗
dern ſollen, oder fie bezweden bie Beſchränkung des
Schadens auf einen möglichſt geringen Zeil der
verjicherten Gegenftände, jowie die Vereinfahung
und Erleihterung der Schadenermittelung (Liquis
dation) im Brandfalle Die Entihäpdigung für
Brandverluft muß verweigert werden, wenn ſich im
Brandfalle ergiebt, daß die Verficherung wegen un:
richtiger oder abſichtlich falſcher Deklaration beim
Untrage auf falihen Vorausſetzungen berubt, der
Verſicherte jelbft etwa der Branpitiftung verdächtig
41*
644 Feuerverſicherung
I. Die öffentlichen Feuerverfiherungsanftalten
& Einnahmen
&
E Berfierungs- Antett
z Name * ſummen Er⸗ * Rid- *
be 1900 obene verſicherer nen
2 der Feuerverfiherungsanftalt ns Beiträge | am den
H Schäben
M. m. m. m.
A. Brenfen.
1 hädenfonds. . - 20.2.0... ../ Berlin... . 161 269 980 333 952 — 290
2 Pia side en SDrreone ... . | Rönigäberg ie. 468187626 | 1385998 176 985 49 585
3 e Städtefeuerforietät.. -. . . - - Au Königsberg tB. 54 742140 113 256 21.058 1079
4 ocietät ber Frege Yin Dion zn “00 + | KRönigäberg i. 301 845 500 852 505 — 48 446
ocietät ber Stadt — m road 748 356 EB — 10 163
6 ocietät ber Provinz we en ap Danzig - 141434 950 690 733 — 43 463
7 och ber w * en Landſchaft ne —— 124 175900 481971 — 5075
8 | Feuerfocietät der Stadt &ib Ne ae Ebing .. - 8 838 880 5181 300 9239
9 ocietät ber Stadt Thorn . . » 2: 2.00. ion... . 21733 999 11 566 896 54511
10 | Bofeniche —————— ....... .. .Boſen. -»| 1127430975 | 2659990 | 773997 | 149424
11 Pommerſche Feuerlocietät -. . » 2...» .. +. . | Stettin F 712998100 | 2515569 — 8537
13 etät ber Stabt Stettin...» ».» » . + „| Stettin . 89339 719 59533 87 30 370
13 ocietät der Stadt Etralfund. . » - 2...» . Stralfund 23 011643 18 287 — 2539
14 ocietät ber Stadt Berlin . .. 2...» . + Berlin. 4017244100 | 2023673 —
15 Stäbtefeuerfocietät ber Provinz Brandenburg Berlin 590 257 540 600582 | 105536 46 215
16 —— ocietät ber urmark und der Niederlauflp . Berlin 542974075 | 1366525 — 15582
17 | Banbdfeuerjocietät der Neumarl . » - 2.0 ne erlin 319603 100 615469 30 433 20 465
18 3 € BrovingialsQandfenerfocietät.. . . - » » » Breslau 1909758600 | 3013956 | 356046 205 841
19 Schl "der Eiabı Breklau oreee Breslau - - -» 497 139100 343847 19 762 73 3917
2 echt der Stadt Bredlau. - .. 2.2...» Breslau - - +» 454 892 500 192 846 32 329 133 229
2 — ber Brovinz Sachſen. Merfeburg -. „| Mos 184 200 1298016 590 525 115 629
22 | Landfeuerjocietät bes preußiſchen a Sachſen Merieburg . . | 1069092090 | 1493861 | 7141008 | 183918
2 — e Landfeuerfocietͤtttt . | Altenbaufen*.| 1846158800 | 1682047 _ 193 876
2 er e ritterfchaftliche Feuerjocietät . . » » Zen: don 10758049 14036 5230 174
25 nie e Landeäbrandlafie .... - . ne 1512048650 | 2569877 | 110483 80 756
26 er Peineiniig e adelige Brandgilde . . - . » Biel ou... 86933800 | 478142 — 1503
2 —* e vereinigte gr ————— annovber . „| 1844510405 | 2983498 _ 234 645
2s e für die Stäbte von Dftfriesland . . . . Hurih... - 78 644 620 53962 _ 1955
29 Se e für das platte Land wo — ...Aurich · 13280740 | 255045 1815
20 be Brovin —— — ———— Münfter L @.| 1997275460 | 3214071 T14 568 173 935
8 geil ranbver re — Eaflel . . » „| 1131645700 | 1902512 — 117556
» afauifche —— Herungsanftalt 0 0... . | Wiesbaden. „| 1071007080 voTr283 | 3385937 | 107455
33 | Rheiniihe Provi yilgee eierät —urernıe.+ re = 3120132678 | 4312243 247503
3 | Hobengo fe Be 1777” Te 14 629 290 77781 43 785
B. Übriges Deutſchland.
35 | Brand erungd-Anftalt des Nönigreichs Bahern .
36 | Brandverfiherungs-Anftalt des Hönigreihs Gadien .
37 | Branbverfiherungs-Anftalt des Stönigr. —
38 | Groß 234 Fels Generalbrandtafle . - =
39 Großherzoglich Heide Brandverfiherungsanftalt r
a40 Wedienburgiihe Domanial:Brandverfiherungsanftalt
4 en ritterjchaftl. ae —
42 Brandverſlcherungsauſtalt der Stadt 7
43 | Brandverficherungsanftalt ber Stadt Wiämar. . . -
“4 ge ogl. Braunihweigiihe Brandborrfiherungsanftalt
“5 berzogl. 6-Weimar. Brandverfiherungsanftalt .
46 | Grohheraogl. —335*3*888 Bandesbrandtalle .
47 | HergoglL S.-Mltenburgi * Brandverfiherungsanfialt .
4 u“
=
rzogl. Sachſen · Go che Brandverfiherungsanftalt
* ul ae —8 Landesbrandkaſſe
Byyrmonter — — —
—9 ie 2 peide Branbverfiherungsanftalt . . .
59 | Branbpe ngsanftalt der Stadt Lübed.. . . .
5| —— —— der Borftäbte von Lübed.
54 | Suntuzger — ı 1 EEE
Rotod ...
Wismar...
——
Beimar .. .
Oldenburg . .
Altenburg .
Golha. . -
Summe B
Eumme A unb B zufanmen
1 Die Garantiemittel der Ö
* Bei Erzlebe
geführten reinen Drrmlgrnöpehen und in der Nachſchußpflicht ber
tlihen
5837911760
5606 649 210
2833 420 094
2015502136
1549 263 000
168 756 850
291439 165
74 276 335
409 544 250
75662010
150 966 100
77350110
35005510
1985 535 152
23 225 239 167
49 877694 769
115311
211753
45399
14877
2457847
26 523 234
65 191 046
55,3 =
PLILIC IE RIEF T IHEEUR
E338:8 3 225
— 290 677
1324 299
5 343 838
2346 574
4738 189
Iten in b
ermäerien für ben Bat Dep Bedarf, 7
in Deutfchland im Jahre 1900.
Feuerverſicherung
1900
m — — — — — En — — — — — — — — — — —— —
11 360
110 855
8634
2 134 536
— — — — — — — — — — — — —— ——— — —
337 132
1624401
135401
901041
10222
147079
493 406
14 720
67227
3694 266
2526 202
99384
20 826
2026699
753 741
1385119
671468
3585 714
437611
395 113
2.005 307
2401269
1892 987
19440
2813010
496 940
3231 360
121660
46 001 184
6713461
1959 323
3643 095
2439419
1207 348
577364
31455425
77456 609
Scha-
Schaden» | den
der · erhe«
gütungen | bungs«»
toften
M. M.
|
4270| —
968 305 | 20132
68 210 2009
B46 841
832027 1565
445133 7386
601 —
1343 47
2595012 | 22869
1963037 | 17808
13421 716
11542 62
896 473 9377
303147 5888
1146143 7118
430 867 5113
2166946 | 35663
281663 1156
86 194 1293
590 528 6388
741008 | 10262
1758897 | 16466
5230 43
2294689 | 18840
432 605 —
2770797 | 23778
22776 717
200 761 2813
3486834 | 24579
2319721 8189
646 008 6303
3352797 | 38978
68 240 344
32185516
5301055 | 1730
4453 087 —
2913192 | 12951
2113313 | 15281
872344 —
500 980 —
mu —
19301 —
3142| —
604265 | 10168
323 931 —
833775 2126
279 6668 —
273932 | 346
198104 | 1782
1460| —
231277 388
38925 —
1740 —
1580888 | 28960
21592875 | 716872
53 778391 | 372 639
Ausgaben 1900
’ Für Ber»
m Für das | andere |waltungd«-
rungb- euer⸗ Kr koften Summe
prämien loſchweſen liche und
Bwede | Sonftiges
M. M. M. M. M.
— — — 47148 479 868
216 69 17474 | 29526 | 242018 | 1487149
31 476 1159 973 30 595 134422
— 11 261 5797 83 015 946 B44
— — — 823 823
— 5463 883 64 804 904 742
— 2 239 _ 52 300 507 058
— — — 6995 17596
10 902 2442 | 20000 8253 42987
619841 83 622 — 388 532 | 3709876
— 23 258 | 171810 249675 | 2271591
7915 15 000 — 17634 44 686
5409 — — 788 17801
— 967 172 — 124 834 | 1998456
209 219 12 701 — 128 764 664 719
— 18 058 1959 181 508 | 1354781
45 452 7725 — 64 992 554149
460 842 25 831 52% 500858 | 3195430
45 853 5156 4305 | 105404 443537
80 768 50 068 — 68 624 286 947
827 485 29 247 5805| 263271) 1722724
1135517 19 291 | 16622) 287649 | 2210349
— 61 919 3430| 2566% | 2097402
14 017 — — 1295 20590
127 450 33838 | 200483 | 2693536 | 2858396
— 1756 94 51 117 486 442
— 97 904 25| 465279 | 3357783
— 1029 — 6539 30421
— 4908 — 25 513 233 995
420 708 19 329 552 172 | 4503622
— 111 956 — 183559 | 2623425
417969 24 792 5985 | 194620 | 1295627
— 51 926 | 161 306 | 1083 307 | 4688313
— 2217 400 130 71831
1295 241
5 972 758
661 752
370 682
132 252
11 851
2 034 274
3743615
J
—
-
oo
A
224141
u»
85
56 672
350 677
28 403 650
73 668 032
3347 716
9439 952
Mebr-
einnahme
(— Mehr
ausgabe)
im Jahre
1900
3 061 775
3198 577
— 3714| 1
1404597 | 2
21229 | 3
571508 | 4
am134| 5
1038 309 | 6
176489 | 7
241446 | 8
1574117 | 9
8133 503
129 107
923 397
66 642
904 812
1 313 283
607 308
620 097
6 614 785
1940 253
3 720 845
3995 234
5 283 216
5116497
1609 181
75478
5915 117
335 379
468 316
2 172 058
1360 389
3 245 780
6 835 800
1231 133
65 771 441
| 128 179 987
646 Feuerverſicherung
oO. Die privaten Feuerverſicherungs⸗Aktiengeſellſchaften
Einnahmen 1900
5 ®
} — Brämien | Binfen,
Feuerverſicherungsgeſellſchaften * — ——
* (nad) dem Miter georbnet) Babe 200 überträge) referve | Gebühren | unb Summe
aus 1899 |aud 1899| der Ber- | Son⸗
fiherten | ftiges
Mm. M. m. M. Mm. M.
1) Derliniſche. ..Derlin. » »| 2679390958) 1698817] 165700) 3949256! 157459! 5971 232
2 Beipgiger . 2 220m nn nen» Beippig » » » | 3098904388] 3086154] 108080) 5527 951 463 188 9185373
3| Baterländif zen e nn.» Elberfeld . »| 4786076085] 2419831] 247577| 7923876 397 183| 10 918 467
4 Hahener und Mündener . . . Wachen . . .| 9861880042] 7544767] 761788) 17967 085/11 195 7163| 27 469 408
b — Ohpotheten· u. Eeeibani Maunchen . .| 3857248538) 3912143] 1120 366 11 724 061 43 16 998 713
6 Colonia . . 2222000 - |RöIn .- . . . | 4900990561| 2908163] 182000) 6668 951| 538 678| 10297 792
7 Deutf —— er] n.e» a 3609 184 6492| 2253423) 284635| 6595649) 304441) 9438 138
8 Mag —— . 110402000000 7919688| 2612120] 27 148 594| 518701) 38 799 103
9 Ei Gerungsgefetid. * .2988 8710654 3101602 293000| 6688 038| 367 702 10 350 242
10 Ehlefihe - - 222... nd » „| 2798388406) 2915975] 281100/ 4501012] 256093] 7254 180
1X une neen en x + „| 2626139534) 2247235] 336362 68829 732| 109252) 11 522 581
13 ambutg Bienet ee ee mburg . . | 2835801651) 3130000) 759437| 10009 7183| 422 732| 14 315 952
13 vide ——— n a.M. | 2814296564| 1644995] 137753) 3458 742) 6747| 5308467
14 —— . Qbenburg.. 173331795) 847644 72695) 1029615 140 864 2090 818
I De Berlin... . 832562440| 690000 88000 1714019} 7T2850| 2544 959
16) Slab a EEE U DT IM -Wlabbad . | 3336284 370) 1079699] 329168! 5456613] 97462 6962872
17 Breußtiöe .00%s .IBerlin. . . .| 1195115452) 806589 70753!) 2047106| 59338| 2983 786
18 ftbeut| „ "Berfiherungsbent . -Iäfien . - . „| 2152676906] 97859] 176240) 3758 831) 111283) 5024 948
19 Rorbdeutihe . - » 2 2200. A 8 - -] 1999150045) 18921984/] 304051) 7189 822| 147713] 8963 570
20 —— 44 mburg . . | 1750000000| 1700688 574 500| 6989 332] 211 727] 9476447
21 Union -...... .. . . Berlin. . . „| 1914881108] 692000 86249 2450325) 82427) 3311001
22 — a de a CR Br rg -| 564998789] 620000) 18519%0| 222067561 70209) 3095974
2 chen⸗ F EEE hen .. 945 774283) 512966] 248839 22155061 57520| 3034831
24 rg Een-Koupagnie von 1877 Burg .. 3500000001 3600001 160656| 1515102) 238083 2059 561
2 Sr ee ee e 1045 117485| 453297 54827| 1381 8692| 110027! 2000013
er en = Moll... ee -1& Le. 1367439637) 1091591] 245276) 22230911 233675) 3793633
a1 Ullatia . -. - 2 2 2 0 2 0 rn +16 — E. 268 399 940| 269454 69 824 597 5807| 66855 1003 90
28 Eibpeuifde Beuerverfiherungsbant . + Münden. . 1068 894 3220 6830169| 262182) 4519559 59521) 5671431
29| Badiſche Feuerverfiherungsbant . . |Rarlörube i. ®.| 184567707 46416 199 385 2911| 35893 469 514
umme |76967 28749556 383 844110210 442|167 281 1066 441 549,240 316 MI
+ Ein icher Zeil dieſer a eg läuft im Auslande, ba verſchledene ber au nd Berfäe Gejelihhaften
auch 1b lande arbeiten. —— * gr Gefellißaften .. — —— m nde
anderer aufgeführten ——— in Kahn Di de rfierten Summen find ebender Aufftellung
pelt enthalten. Die Aus —— —— Izi da bie Sefeliaften —— bes Ra erfiherungsgeichäft
geionberte aben nicht ze ud = Dates b eier Zabelle beziehen fih auf das geſamte Feuerverfiche-
III. Die privaten gegenfeitigen ke in Deutſchland im Jahre 1900.
Berfiherungs:| Erhobene Geihäfts| Weines
ngB+- e
Sitz oder Name der Gefellihaft * funmen unfoften |Bermögen
(legtere nad) dem Alter geordnet) Ende 1900 | für 1900 für 1900 | Ende 1900
Laufende Nr.
ı u... 4 .. 200 924 416 323
DIGSEE - oo 0 0 0 0 na er ee ne 4691674 | 2740968 2232 971 42678
3. 2* ee er . 2484 516 1767347
4 Ae⸗ —— — 4 100 000
5 | Rorben, Dftfriesland . . » 22... en 314 293
ERofod... 222. ee“ ‚ 309 540
1|Etuttgartt . 2... — Rear 12370570
U Itona.. » .. Pu — — .. 711603
| @üfrem . ....». Pr re 108 701
10 | Marienwerber - ». 220 nenne. 248 691520
Ka BEE en Er ES en nee 859 231
18 | Brandenburg a. d. - » » 0000. . 226 530
13 | Marne 1. Holftetn 237 552
14 nnover, Ronkorbia . - » 220200. 1370 000
15 83wickau, — herungd-Berein. . 648 831
16 Olde egen Me 5% =
17 | Dresbe rtſcha g enoſernſcheit 1368 200
18 | Berlin, — —— —— — N 221545
19 | Berlin, taatseifenbahnbeamten 7175233
umme | 11160206504 | 14334915 | 8899664 | 2058046 | 4302631 | 2259269
t Außer dieſen eu in Deutfdland noch etwa 300 örtlich beichränkte, bisweilen nur einzelne Ge—
meinden a An Ai gi —— A re deren Ergebn Affe von Jahr zu Jahr Tag + Schwankungen
aufmweiien, fo baf bergleia en Betrine niat“ nicht felten eingehen, Dr vere auch neue entſtehen. Die pe nung
ummen er Bereine * en —— etwa a Abzug der etwaigen Prämt erven für
te folgenden Jahre, der Prämien tte unb ber Dividenden an bie * 3 Branbihäden und Rüdverfice-
rungepramien. «Die Sarantiemittel ber privaten ge ** ee re befteben in ben bier
aufgeführten reinen Bermögenspoften und in ber Nachſchußpflicht erſicherten für ben Fall des Bebarfs.
Feuerverſicherung 647
in Deutſchland im Jahre 1900.
Ausgaben 1900 | Garantiemittel Ende 1900
da —— itnentepuei
Schaden ·⸗ t das enlapita
ver» Rüd. Feier Ber- —— Altionär- — ſtapital ·
gütungen loſchwe · waltungs · (— Meder Zioldende | und |
und | derfihe- | jemund | koften, |Brämien- Summe ausgabe) für 1900 davon | Ähnliche
Koften | rungs- | andere | Brovifio- | überträge im Jahre r ge ei Rejerven |3
ezahlt | yeämien a nen unb 1900 zeichnet * F F
A er e | Steuern gezahlt | Schuld)
ferbiert) Bimede 3
M. M. M. M. M.
14662925| 1562795| 6456 678 186 1418 675] 1
1128895| 3199 248| 19219 657 085 4382 154| 2
2639831] 3826535) 27489 | 1069 101 6357 633] 3
6458994 8012810] 549548 | 2 724 891 6 908 248| 4
6075018) 6792971] 63425 | 1143 256 9445| 5
1869499] 3172853) 19975 888 337 8 914 99%0| 6
2019131) 2995826| 3642 | 1042515 2702 370| 7
14323036 11 055 628| 109 155 | 4 862 156 3849 424| 8
2486406| 2131040] 2590| 1568 789 2 037 600| 9
15346011 2390 746) 9286 574 863 1490 000110
3048379| 3787182] 3670) 1764042 3 000 000/11
4877909] 2 966 707 5860 | 2 624 750 1176 383/12
1108445] 1304472) 4562 106 600 2 594 286/13
396606| 291 162] 2933 308 444 1272 986/14
4980501 988 946 630 283 477 653 433] 15
1981858) 2922 339| 10760 188 472 600 000'16
109 893 165 491 59 434 619 53000017
1168043) 1847526) 2298 745 692 696 659/18
2655279) 4260419 6298 | 1289 068 53 361/19
2834 021) 4078752) 13368 | 1068511 1076 920/20
1755433] 1176 099 1946 500 650 600 000121
920695) 1272693) 3714 319 145 384 00023
1233143] 898536) 1806 382 319 600 000|— 13493123
905 273 799 258 — 232 609 320 000|— 147 32524
407857) 7625201 2118 231 457 1462 500 285 880.25
12388601 603% — 615 042 1478 267/26
323182) 1093501) — 168 996 59 043/27
2605865) 1465610] 1675 | 1049 634 —1 145 41228
84 297 196 319 — 322 235 87 114 689 965 220 451 — 4000 000 1000 000 — 404 046 29
67 754 7234| 75 637 936| 873 017 | 29 024 931| 57 655 097/230 945 705| 9 371 236]
rungsgeichäft der Geſellſchaften, alfo einſchließli
mit tr das Einbrudsbiebftahläverfiherun er
verfiherungsgeihäft. eögleihen 1}
Lebens», Unfall, Transport», Ein
und Transportverfiherungsgeicäft.
bruche diebſtahls und Glasverfiherungsgeichäft.
oder ſchuldig befunden wird oder die von ihm ein:
—— Verpflichtungen zu möglichſtem Schutze
vor Schadenfeuer verſäümt bat. Als recht und
billig gilt allgemein ver Gebrauch, beſonders ge
fährdete Gegenftände, 3. B. Warenlager, Feime
= freiem Felde u. f. w., nur dann in Dedung zu
nehmen, wenn der Beſitzer auch fein befjered Eigen:
tum, namentlid Vieh und Mobiliar, bei derjelben
Anftalt verfihert hat. Diefe weniger gefährdeten
Gegenftände werden naturgemäß auch mit niebri-
gern Beiträgen belegt als jene mehr bebrobten.
Zur Bemeſſung der entſprechenden Verſicherungs⸗
beiträge, Brämten, giebt der Tarif einen Anhalt;
in außergewöhnlichen Fällen ift bejondere Vereins
barung geboten. Die Jahresprämienfäße ſchwanken
von *, oder bis zu etwa 10 Promille und mehr.
Bei Würdigung der zu übernehmenden Gefahr
bat der Berficherer die Bauart, Bedahung, Be
nußgung ber Verſicherungsgegenſtände und die Nach:
barjchaft zu berüdjichtigen. Ye nad der Klaſſe, in
welche der Gegenitand diefer Gefahrenfumme nad
gehört, bei der Verficherer für denjelben den
eitragsfas ſowie auch ſein Marimum für eigene
Rehnung. Die für übernommene Gefahr zu zabs
lende Prämie zerfällt techniſch in die reine Riſilo⸗
prämie (zur Schädendedung erforderliche Prämie),
den Zufhlag für die VBerwaltungstojten und bin
Unternehmergeminn (bei Erwerbsanftalten).
des auslänbifihen unb bes — ge äfts.
le
sbiebftahls» und Glas ge
* — — ——
8 925 500| 185 676 794 |44 890 373, 49 821 481]
% Haftet auch
en für bas Transport» unb Unfall»
eichäft. 4 Desgleihen für bas
Desgleigen für das Lebens», Unfall
Desgleichen für das Ein-
2 Desglei
häft.
Bei allen Anftalten, die Gebäude verfichern,
kann fi der Hypothelgläubiger durd einen
befondern —— 66 ſeine Rechte an dem
abgebrannten Gebäude ſchützen laſſen. Wenn auf
verjicherte Gebäude Hypotbefihulden oder andere
Realverpflihtungen eingetragen und bei der An:
ftalt angemelvet find, jo wird die Entihädigung
nur bebuf3 der Wiederberitellung und nachdem letz⸗
tere gejichert worden, bezahlt, die fämtlihen Hypo»
tbel: oder Realgläubiger müßten denn in die unbe:
dingte Auszahlung willigen oder jelbjt zur Em:
fangnabme beredtigt fein. Gebt aber der Ent:
chädigungsanſpruch des Berficherten durch feine
Schuld verloren, jo verwendet die Geſellſchaft die
Entihädigung, Bun nötig, zur Befriedigung der
erwähnten Gläubiger gegen Abtretung ihrer Rechte,
Die Gejeggebung hatte bisher nicht überall in
Deutichland (ir die Sicherftellung der Hypothel⸗
läubiger im Falle eines Brandes gei orgt. Mit dem
nfrajttreten des Bürgerl. Geſetzbuchs am 1. Jan.
1900 ift die nun durch die Beitimmungen der
S 1127—1130 in gleihmäßiger Weife geicheben.
ie lauten: 8.1127. Sind Gegenftände, die der Hy:
pothel unterliegen, für den Eigentümer oder den
I — des Grundftüds unter Verjiherung
gebracht, je eritredt fih die Hypotbel auf die For:
derung gegen den Berjicherer. Die Haftung der
Forderung gegen den BVerficherer erliſcht, wenn ber
648
verficherte Gegenftand wiederhergeſtellt oder Erſatz
r ibn befchafft ift. 8.1128. Iſt ein Gebäude ver:
ichert, jo kann der Berficherer die Verſicherungs—
umme mit Wirkung gegen den Hupotbetengläubiger
an den Verficherten erh zahlen, wenn er oder ber
Verficherte den Eintritt des Schadens dem Hypo:
tbetengläubiger angegeiät bat und feit dem Em—
pfange der Anzeige ein Monat verftrichen ift. Der
ppotbelengläubiger Tann bis zum Ablauf, der
ift dem Verficherer gegenüber der Jablung wider:
preben. Die Anzeige darf unterbleiben, wenn fie
unthunlich ift; in dieſem Falle wird der Monat von
dem Zeitpunfte an berechnet, in welchem die Ber:
fiberungsfumme fällig wird. Im übrigen finden
die für eine verpfändete Forderung geltenden Vor:
fhriften Anwendung; der Verfiherer kann ſich je
bob nicht darauf berufen, daß er eine aus dem
Grundbuce erſichtliche Hypothek nicht gelannt habe.
5: 1129. Iſt ein anderer Gegenjtand als ein Ge
äube verfichert, jo beftimmt —9 die Haftung der For⸗
derung gegen den Verſicherer nach den Vorſchriften
des 8. 1123, Abſ. 2, Sat 1 und des 8. 1124, Abſ. 1,3.
1130. St der Verficherer nad den Baer
ejtimmungen nur verpflichtet, die Verjiherungss
umme zur Wiederberitellung des verficherten Gegen:
tandes zu zablen, fo ift eine diefen Beitimmungen
entiprechende Zahlung an den Berficherten bem
Hppotbetengläubiger gegenüber wirkſam.
Bejondere, weitergehende Beftimmungen über die
Sicherung des Hypotbefgläubigers find in den lan:
deöberrlich genehmigten mine pen egpeene
der — Feuerverſicherungsanſtalten getrof:
fen. Die privaten Verſicherungsgeſellſchaften wie
aud die öffentlichen, ſoweit dies nicht jhon durch
deren Reglementäbeftimmungen geſchieht, überneb:
men mitteld des obenerwäbnten Sicherungsicheing
noch die Verpflihtung, unveränderte Fortießung
ber Verfiherung zu bewirken, und falls der Ver:
fiherte die Prämie nicht zahlt, den Hypothelen—
gläubiger davon zu benadridhtigen und ibm eine
gewiſſe Frift zu gewähren, damit er durch Zablung
der Prämie die Fortdauer des Vertrags fichern
kann; ferner im alle, daß die Gefellichaft die
Verficherung gar nicht oder nicht zu den alten Be:
dingungen ———— oder ſie vermindern oder auf:
beben will, dem Hppotbefengläubiger zeitig vorber
davon Anzeige zu machen und nad einem Schaden,
der die Hälfte der Verfiherungsfumme überjteigt,
ftatt wie in allen andern Fällen die Verſicherung
aufzubeben, auf Verlangen noch eine gewiſſe Zeit
nad dem Brande für den Reſt zu Gunften des
Hypotbetgläubigers Verfiherung zu gewähren.
In einzelnen Fällen muß vermittelft der fog.
Selbſtverſicherung (ſ. d) der Verſicherte (wegen
ſeines Intereſſes an der Erhaltung des beſonders
geſährdeten oder ſchwer erſeßzbaren Verſicherungs—
gegenſtandes) je nach dem Wortlaut des Werfiche:
rungsſcheins, der Wolice, in einem vorber ver:
einbarten bejtimmten Verhältnis den Schaden im
Brandfalle tragen belfen; dies ift z. B. der Fall bei
Modellen, Reihenſcheunen, Strobdiemen und Ge
bäuden unter weichem, d. b. Stroh: oder Schindel-
dad u. f. w. (obligatorische Selbjtverfiherung). Zu:
fällige Selbftverfiherung liegt vor, wenn fich bei der
Regulierung eines Schadens ergiebt, daß der Wert
oder die Menge deö am Tage des Brandes Vorban:
benen diedarauf genommene Berfiherung überfteigt.
F ſolchen Fällen hat der Verſicherte Teilſchäden im
erbältnis des ungededten Werts zum Geſamtwerte
Feuerverſicherung
der verſicherten Gegenſtãnde mitzutragen, während
er bei Vollſchäden das die Berfiherungsfumme über:
fteigende Mebr auf fich nimmt. th Zablung
einer höhern Prämie für den fog. «premier risque»
fann ſich der Berficherte den Erjas des em
Partialjhadens, obne daran durch zufällige Selbit:
verſicherung mitbeteiligt zu fein, in voller Höhe bis
zu der durch die Verfiherungsiumme gezogenen
Grenze fihern; diejes Verfahren ift in England
aufgelommen und von den Franzofen angenommen,
in Deutichland jedoch wenig ge — Bei den
gewerblichen Verſicherungen find hauptſächlich Be:
triebslraft, Beleuchtung, Heizung und Trodnung
die zu prüfenden Gefahrenmomente. Der Landwirt:
—— haben die Verſicherer zwei bedeutende Zuge⸗
tändnifje gemacht, erſtens; das Recht der Freizügig⸗
feit der verficherten Gegenitände innerhalb des gan-
Verfiherungsgeböfts, zweitens: die gegen eg
usgleihung der Werte für die Erntefrüchte. Na ch⸗
verjiherungen, Ortöveränderungen oder Wechiel
des Eigentümers der Berfiherungsgegenjtände in
andern als Erbichaftsfällen und ſonſtige Berände:
rungen des Vertragsverhältniſſes werden entweder
durd einen Anbang zur Police oder (wenn die Gefahr
fih nicht erhöht) durch einen Veränderungsicein,
aud Genehmigungsvermerk genannt, beicheinigt.
Für die ganze fahtehnifhe Behandlung
des Feuerverficherungsgeihäfts haben langjährige
taris und Erfahrung bei allen Geſellſcha im
runde übereinftimmende Gebräude und formen
ausgebildet und feftgeftellt. Achtzehn deutiche Privat⸗
feuerverſicherungsgeſellſchaften Aachener und Mün-
chener, Berlini J reußiſche, Magdeburg, Colonia,
Schlefiihe, Elberfeld, Thuringia, Eiien, Gladbach,
Leipzig, Stettin, Gotha, Deutiher Bhönir, Provi⸗
dentia, Transatlantische, Rhein und Mofelund Bap-
riihe Hppotbeten: und Wechſelbanh) bilden einen
unterm 25. Dez. 1873 ftaatlih genehmigten und mit
jurift. Berfönlichkeit verfebenen befondern Verband
Kar gleihartige Bebandlung des Geſchäfts ſowie
au gemeinfamer —————— Abwehr unlautern
onturrenztreibens. Auch die deutſchen öffentlichen
euerverfiherungsanftalten haben ſich —F einem
erbande zuſammengeſchloſſen, welcher ſeit 22. Mai
1872 jurift. Perſönlichkeit befikt und die rennen,
der Intereſſen des öffentlichen Feuerver yon ®:
wejens bezwedt fowie die gegenjeitige Nü ide:
rung dieſer Anitalten in jeiner Rüdverficherungs:
abteilung bewirkt.
In den deutſchen Staaten unterliegen zur Ver:
meidung von liberverficherung die Dale
rungsverträge nach ihrem Abicluffe einer Prüfung
durd die Ortspolizeibebörde, In Frankreich kann der
Mieter die Gefahr verfichern, von dem Hausbeſitzer
für einen durch Schuld des erftern auf dem Grund:
jtüd entitandenen Brand in Anfpruc genommen zu
werden; ebenfo fann der Beſitzer ſich gegen die aus
Feuerſchäden bergeleiteten Anlrüde | ner Mieter
durch —— ſchüßen. Jeder lann dort auch
für einen durch Schuld feines barn bei ihm
entitandenen Brand geſeßzlich Regreß am Nachbar
nehmen; auch biergegen kann leßterer ſich verfichern.
Außerdeutſche Gejellihaften haben auch die fog. Chd-
mageverfiberung (j. d.) als Ergänzung zur eigent⸗
liben F. In Deutichland ift fie jedoch verboten.
Der Betrieb des privaten Feuerverfi 8:
geſchäfts, der landesgeiehlich der ſtaatlichen
nehmigung bedarf, wird zunächſt durch die Agenten
im Verkehr mit dem Bublitum vermittelt. Diele
Feuervogel — Feuerwaffen
plan einem Generalagenten zu unterfteben, ber
t einen größern Bezirk (Provinz) die Vertrags:
urfunden u. ſ. w. ausfertigt und mit ber Haupt:
verwaltung der von ihm vertretenen Gejellichaft in
Abrehnung ftebt. Der fachmänniſche Leiter, Dis
reftor der Anitalt, ift dem Auffichtsrat verantwort⸗
li, deflen Mitglieder aus der Gejamtbeit der Ber:
fiherten (bei gegenfeitigen Anftalten) oder der Al⸗
tionäre (bei Attiengefellihaften) in der Generalver:
mmlung gewäblt und bejtellt werden. Die Ge:
bäftsführung ift durch eine Satzung (Verfaſſung)
geregelt, deren Form und Inhalt der Genebmigung
ber Raatlihen uffichtäbebörde bedarf.
Die Litteratur über das Feuerverfiherungs:
weſen ift, abgeieben von den dem großen Bublifum
meiſt nicht zugänglichen Fachblattern und den Flug:
fchriften der einzelnen Anftalten zu Privatzweden,
ziemlich arm, und die F. in den größern Werten nicht
getrennt von den andern Verſicherungszweigen be
arbeitet. Das verbreitetite Fachblatt iſt die wöchent:
lich in Berlin erſcheinende «Zeitichrift für Berfiche:
rungäwefen» von %. Neumann; zahlreiche andere
da zeitichriften erfcheinen in Berlin, einig, Straf:
urg i. E, Wien u. |. m. — Val. von Hüljen und
H. Brämer, Die öfjentlihen Feuerverfiherungs:
anftalten in Deutichland und ibre rechtliche Stellun
gegenüber den Brivat-seuerverfiherungsgefelli dar
ten (in der «Zeitjchrift des königlich preuß. Statiftt:
ſchen Bureaus», 1874, Ergänzungsbeft IV); Ar
titel —— Reberung im «Handwörterbuch der
—5 aften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900);
A. Wagner, Der Staat und das Verſicherungsweſen
(Heft 1, Züb. 1881); derf., Artikel Verſicherungs⸗
wejen in Schönbergs «Handbuch ber polit. Okono⸗
mie», Bd. 2 (4. Aufl., ebd. 1896 fa.); W. Schäfer, Die
Verftaatlihung des Berfiherungswejens (Hannov.
1884); 3. Hopt, Aufgaben der Geſetzgebung im Ge
biete der F. (Berl. 1880); Schramm » Macdonald,
Das Feuerverfiherungsmeien (Dresd. 1883); Kum⸗
mer, Die hung der europ. Staaten betr.
die Staatsauf icht über die privaten Verfiherungs:
anftalten (Bern 1883); Kaßner, Rechts⸗ und Verwal:
tungsgrumdfäße in — — —
beiten (Berl. 1885); Raſch, Zur Frage des Verſiche⸗
rungswertes in der 5. (Jena 1892); 9. und K. Brä-
mer, Das Berfiherungsmejen (Lpz. 1894); Brange,
Die Theorie des Berfiherungswertes in der F. (TI. 1
—2, Jena 1895 — 1902); Silberberg, Handbuch
jr die Leitung und Praris der deutſchen und ber in
eutſchland arbeitenden nichtveutichen Feuermer-
cherungsgeſellſchaften (Altona 1895); Braune, Die
tjiherung gewerblicher Anlagen gegen Feuers:
efahr (Müniter i. W. 1896); Rüdiger, Die Recht⸗
Een des deutſchen Reichögerichts in Verfiche-
rungsſachen (Lpz. und Wien 1899); Ublemann, Die
preuß. Feuerverſicherungsgeſetze nebſt 9 ergange⸗
nen Verordnungen und Rechtsjprüden (Königsberg
i. Pr. 1899); Braune, Die Rüdverfiherungsabtei-
lung des Verbandes öffentlicher Feuerverſicherungs⸗
anitalten in Deutſchland (Merjeburg 1900); Hager,
Die öffentlich-rechtliche Regelung des Privatverſiche⸗
Smejens in Deutichland (Berl. 1900); Braune,
NR mumoßergebmifle der deutſchen Feuerverſiche—
rung&-Altiengejellihaften i. J. 1899 (Merjeburg
1901). vögel, ie. 4.
nerbogel, j. Euplectes und Tafel: Weber:
i erwarten, diejenigen Fernwafſen, bei denen
bie das Geſchoß bewegende Triebkraft durch die bei
Verbrennung von Pulver oder andern Spreng-
649
ftoffen fi entwidelnden Gafe erzeugt wird. Sie
allen in große F. oder Gejchüse (1. d.), welche
zu ihrer Bedienung der vereinten Anftrengung
mebrerer Menſchen, zu ihrer Fortſchaffung gleich:
fall bedeutender, meilt tieriſcher oder mechan.
Kräfte bevürfen, und in kleine F., kleines Ges
wehr oder Handfeuerwafien (f. d.), melde von
einem einzelnen ſchen gehandhabt und an-
dauernd transportiert werben können. Die Ger
fhüße bilden _die Bewaffnung der Artillerie, die
Handfeuerwaften die Hauptwaffe der Infanterie und
eine Nebenwaffe der andern Truppengattungen.
Die eriten F. —— bald nach dem Belannt:
werben des Schi — in Europa, alſo zu Ende
bes 13. Jahrh. in Gebrauch gelommen zu fein, was
übrigens bei der Unſicherheit und Unklarheit der
Quellen ſchwer zu beftimmen ift. Ob, wie einzelne
Schriftſteller angeben, in der Schlacht bei Erecy
1846 die F. zum eritenmal —— als Feld⸗
geſchütz — nwendung gekommen, iſt zweifelhaft;
edenfalls aber fand ihre Anwendung ſchon im
ufe des 14. th. eine immer weitere Ber:
breitung und verbrängte allmäblic bie alten auf
mechan. Kraft cn Schießmaſchinen voll:
ftändig. Die Unbehilflickeit der erften F. wies
ihnen naturgemäß ihren Platz zunächſt beim Ans
iff und der Verteidigung feiter Pläge zu, aber
Id führte ihre allmählich ſich fteigernde Wirkfams
feit und Bedeutung zu einer neuen Richtung in ber
pin, are Be zu einer Umgeltaltung bes
ganzen Feltungstrieged. Noch tiefgehender und von
größerer Bedeutung aber ald im Feſtungskriege
ve Ar Be Einwirkung, der F. im Feldkriege.
or Einführung der F. fpielte in allen Gefechten
der perfönlibe Kampf, Mann gegen Mann, die
Hauptrolle, weshalb man den Körper durch Ruſtun⸗
en und fonjtige Schußmwaffen gegen bie feindlichen
affen zu hüßen ſuchte. Die immer allgemeinere
Einführung der F. ließ die Rüftungen, da fie gegen
die ** der neuen Waffen doch nicht jchüßten,
mebr und mehr verjhminden und gab dem Fern⸗
gefecht eine bis dahin ungeahnte Bedeutung. Zus
nädjit und zwar bis in das 17. Jahrh. hinein wurde
dieſes faft ausſchließlich von der Infanterie geführt,
da bis dahin die Unbebilflichkeit der Gefchüge deren
Verwendung im Feldkriege ſehr befchräntte, aber
die allmähliche —— und namentlich Erleichs
terung der Feldgeſchutze gab alsbald auch der Artil⸗
lerie eine neue fich immer fteigernde Bedeutung. Die
allmäbliche Entwidlung der 5. und des Feuergefechts
machten ſich auch in einer völligen Wandlung der tal:
tiihen Formen geltend (j. Fechtart). Zunaͤchſt ver:
wanden bie tiefen gevierten Haufen, in denen die
fanterie zum Zeil noch in der eriten Hälfte des
11. Jahr. fochten, vollftändig ; der Wunſch, mög:
lichjt viel 5. der Infanterie auf einmal wirken zu
lafjen, führte zu breitern, weniger tiefen Aufftelluns
gen. Die namentlih von Guſtav Adolf angenom⸗
menen flachern Formationen der Infanterie, die von
Friedrich d. Gr. ausgebildete, auf die höchite damals
denkbare Feuerwirkung berechnete Lineartattit (f.d.),
die in der Zeit der franz. Nevolutionstriege aufge
fommene zerſtreute Fechtart der Infanterie ſowie die
Vereinigung zahlreicher Geſchutze zu artilleriftiicher
Maſſenwirkung find Hauptmomente in der Entwid:
lung der Taktik (f. d.), welche mit der Entwidlung
der F. in enger Verbindung fteben. Die neuejte
zeit zeigt eine in rajhem Tempo ——
twmidlung der F. Das mehrfach verbeſſerte glatte
650
Gewehr wurde durch das gezogene Gewehr ver:
drängt, welches demnächſt durch Annahme der
Hinterlabung, des Heinen Kalibers und der Magazin:
ladung in feiner Leiftungsfäbigkeit mehr und mebr
geiteigert wurde. get n von zahlreichen ——
Ar ni der Artillerietechnik ift namentlich
durd die Annahme der —— die Leiſtungs⸗
fähigleit der Artillerie in hohem Grade geſteigert
worden. Der Gebrauch tiefer —— im wirt:
famen Feuerbereich ift is zur Unmöglichleit gewor⸗
den; man ift in weit böberm Maße al früber auf
die geöffnete Ordnung hingewieſen, und das Feuer:
gefecht (ſ. d.) ift mehr als je ver enticheidende Faltor.
Feuerwalze, j. Seeiheiden und die Tafeln:
Manteltiere, Fig. 1 (Bd. 11), und Leuchtende
Tiere, Fig. 3 (Bp. 17).
Feuerwanze (Pyrrhocoris), eine Gattung ber
Landwanzen mit ziemlich flahem, geitredtem Kör⸗
per, mit lebhafter, meift rot und ſchwarzer oder gelb
und ſchwarzer Färbung. Bon den beiden deutſchen
Arten ift Die gemeinfte die befonders am Fuß alter
Lindenbäume gejellfhaftlich lebende gemeine 0
(Pyrrhocoris apterus L.), vollstümlih aud Sol:
dat oder Dragoner genannt, 9—10 mm lang,
| warz mit rotgerandbetem Bruftftüd und Hinter:
eib, Flügeldeden zinnoberrot, jeve mit einem ſchwar⸗
ermweber, ſ. Euplectes. [zen led.
euerwehr, die vereinigten Menfcoenträfte,
welche berufen find, unter Benugung von ſog. totem
Material (Geräte und Sofchmittel) in georbneter
Weile Schabenfeuer fchnell zu löfchen, die meitere
Ausbreitung, beöfelben zu verhindern ſowie Gut
und Leben bei Feuersgefahr zu retten und zu bergen
(f. ———
ie Organijation des Dienſtes der F. er
folgt entweder auf dem Grunbjake ber vollen ober
teilmeifen Berufsmäßigleit, der Freiwilligleit oder
der Pflicht. Dementiprehend unterjcheidet man Be:
zufös, bezahlte, freiwillige und Pflichtfeuermehren.
Die Berufsfeuerwehr befist eine ri laſer⸗
nierte Mannſchaft, welche jeden Augenblich bereit iſt,
nad einem Brandplatze abzurüden. Unter bezahl⸗
ter %. verſteht man eine ſolche, deren Mitglieder
für ihre auf dem Brandplage geleifteten Dienfte
zwar bezahlt werden, entweder nach der Zeit oder
u eine feitgefegte Summe, die ſich jedoch in
der Regel auf das Alarmzeichen wenigſtens zum
Zeil erit fammeln müflen. Der Dienft bei der F.
ift aber nicht ihr ausschließlicher Beruf. Der Natur
der Sache nad kann eine pe d. der Berufs:
Keinen — nahe gebracht werden. Die
—————— r bildet ſich aus den dienft-
äbigen Angehörigen eines Gemeinweſens durch bes
oͤrdlichen, auf Grund des Reichsſtrafgeſetzbuches,
B368, Ziffer 8, geübten Zwang, oder unter Umſtän—
den, 3. B. bei Fabriken oder dergleichen, auch durch
privaten Zwang. In neuerer Zeit hat man begon:
nen, die Vorzüge der Berufsfeuerwehr binfichtlich
bes raſchen Erſcheinens auf dem Brandplatze durd
Errichtung von ftändigen Wachen, namentlich bei
Nacht, au den übrigen F. wenigitens teilmeife zu
verleiben. Nach — der angegebenen Grund⸗
fäße eine F. zu organijieren ift, bängt von den bejon:
bern Berbältnijien ab. Neuerdings ift der Organi:
fation der F. auf dem platten Lande in Deutichland
überall dur die Verwaltungsbehörden die ange:
ftrengtejte Aufmerkſamkeit zugewendet worden.
Die Ausbildung der Feuerwehrmann:
ſchaften bat ſich bei den Berufsfeuerwehren auf
Feuerwalze — TFeuerwehrausrüftung
alle Geräte und Einrichtungen zu erftreden, bei freis
willigen und Pflichtfeuerwebren bat es ſich hingegen
swedmäßiger erwiejen, für jede der vorgenannten
Gerätegruppen eine befondere Bedienungsmanns
{haft zu bilden. Ein größeres Korps wird hiernach
eingeteilt in 1) eine — für Waſſerverſorgung
oder Hydranten, 2) eine Abteilung für Sprigen,
3) eine Rettungs: und Steigerabteilung, 4) Bioniere
(Einreißer), denen häufig eine Orbnungsabteilung
(freiwillige Schußmannſchaft) zwed3 Abſperrung
des Branbplabe® und ſiberwachung geretteter
—22 beigegeben iſt. Bei geringerer Ans
zahl von Mannidaften teilt man das Korps nur
in a. Sprigen: und Hydrantenmannſchaften und
b. Steiger: und Rettungsmannſchaften. Bei ſehr
Heinen 55. bilden alle Mannſchaften nur eine Abteis
lung mit verſchiedenen Rotten, die fih nad Bedarf
bei den verſchiedenen Arbeiten gegenfeitig zu unter:
—* haben. Zur Ermoglichung ſchneller Hilfe
eiftung bei Unglüdsfällen wird in der Regel ein
Zeil der Mannjhaften im Sanitätsdienft aus—
gebildet. liber die Organifation der F. in verſchie⸗
denen großen Städten ſ. Feuerlöſchweſen. — Val.
Schumann, Taktik der Berufsfeuerwehr (Berl. 1868);
aber, Die freiwilligen 5. (3. Aufl., Lpz. 1874);
iebler, Geſchichte der deutſchen Feuerloͤſch- uns
ttungsanjtalten (Berl. 1873); Hönig, Loſchen und
Retten (2. Aufl., Köln 1894); Krameyer, Die Orga:
nifation der F. (Berl. 1897); Schiders, Leitfaden
für freiwillige 5. (2. Aufl., Brünn 1897).
Fenertwehrausräftung. Die 5. fol jo be
ſchaffen fein, daß ber erwebrmann ohne Ber:
sögenung bie auf der Branditelle nötigen Hands
arbeiten und Berrihtungen ausführen fan. Zur
perjönliben Ausrüftung bes Feuerwehrmanns
(Steiger) gebören Helm, Gurt mit Karabiner
und Notnagel, Beil, Laterne und Signals
pfeife oder Hupe; bei ben Senänenithalitn
der Sprißen —— Feuerwehren meiſt nur
lestere und Leibgurt, Mübe oder Helm. Der Helm
gewährt Schuß 9— en herabfallende Gegenſtände
und wird aus e Leder und Filz her⸗
neftent, in neuejter Zeit hat man aud) das belannt-
ch ſehr leichte Aluminium verſuchsweiſe bierzu
verwendet. erbelme find die gebräudlichiten.
um Schuß bes Feuerwehrmanns gegen Wafler:
trablen und glübende Aſche werden an den Helmen
og. Nadenleder angebradt. Steigergurte
dienen zum feiten Anjchluß des Rod3 und zur An
bringung des Beilgebänges, Karabinerhalens und
Notnageld; fie werden aus Geber, Moll: oder Hani-
er von 8 bis 12 cm Breite und mit Riemen und
chnallen verjeben angefertigt und müfjen zur
Sicherheit des Mannes, der ſich mittelö des an i
befeitigten Karabiners beim Steigen an Leiterſproſ⸗
fen anbängt, höchſt —— ausgeführt fein und w
der Karabiner eine Zragfäbigteit von mindeſtens
250 kg befißen. Der Notnagel ift ein Hafen, der
in einem am Geeigeram angenäbten Täſchchen auf:
bewahrt und im Notfall vom Feuerwehrmann an
fiender Stelle eingeihlagen wird, um ſich an feiner
eine, die neben Rettungszweden auch zum Schlauch»
ablaſſen u. a. dient, aus einem enjter nad unten
mangels einer andern Rüdzugslinie berabzulafien.
Die keine, jog. Steigerleine, mußausbeitem Hanf
bergejtellt, je nach den örtlihen Verhältniſſen 18—
22 m lang jein und eine ————— mindeſtens
250 kg ohne Nachteil aushalten. Das Beil (Spitz⸗
hacke, Fläche mit Hammer) benußt der Feuerwehr⸗
Feuerwehrfahrgeräte —
mann zum Aufbrehen von Dielen, Durchſchlagen
von Mauerwerk u. ſ. w., e8 wird in einem Gebänge
Taſche) am Steigergurt getragen. Die Laterne
(Steigerlaterne) ift für den Steiger ein unentbehr⸗
liches chtungsmittel; dieſelbe wird verſchieden⸗
artig ausgeführt; Ha —— ſicheres helles
Licht, einfache dauerhafte Anordnung bei mäßigem
Umfang und geringem Gewicht. Die Uniform er—
ſtredt ſich bei freiwilligen Seuerwehren meijt nur
auf einen Rod (Joppe, Nittel), bei ee
wehren außerdem aud auf eine Uniformbofe; fie ſoll
dem Klima angepaßt fein und den Mann vor Er:
Ieitung FoRben. Es eignet fich hierzu beſonders ein
olljtoff; Drill findet ebenfalld Verwendung.
tfahrgeräte, alle außer den euer:
fprigen (f. d.) und fahrbaren Yeitern (f. Feuerleitern)
zum Transport von Mannſchaften und Gerätichaf:
ten dienenden Fahrzeuge der Feuerwehr. Mann:
ſchaftswagen erfordern Pferdebeſpannung und
dienen zur Beförderung der Loͤſchmannſchaften, jo:
weit diefe nicht ſchon auf andern Fahrzeugen des
Loſchzugs transportiert werden. Gerätewagen
dienen zur Aufbewahrung und Transportierung der
Steig⸗ und Nettungsgeräte (f. Feuerleitern ſowie
hg nee ange und ber ſonſt auf dem
randplage erforderlihen Werkzeuge zum Abräus
men und Einreißen (Üirte, Peuerhe en, Ausräum:
aten, Einreißhalen mit Seil oder Kette, Loſchbeſen,
Mulden, aufeln, Sägen u. ei der Zubehör:
ftüde für Schläuche (. Feuerfprigenihlaud), der Be:
leuchtungsmittel ſowie Gegenftände für erite Hilfe:
leiftungen bei Unglüdsfällen (Medilamente, Ber:
bandsmittel, einfache Tragbahre) u. ſ. w. Häufig
werden Mannſchafts- und Gerätewagen vereinigt
und bilden, fofern noch eine Handfraftiprige ein-
—— ober ſahrbar angekuppelt iſt, einen ſog.
niverſallöſchtrain. Ferner giebt es auch noch
Schlauchwagen, Waſſerwagen, ausgerüſtet
mit den zur Waſſerverſorgung nötigen Gegen:
—** —— —— u. a. — Bol. Magirus,
as Feuerlöfchweien in allen feinen Teilen (Ulm
1877); Hönig, Loſchen und Retten (Köln 1894).
uertwehrrauchapparate, Borrihtungen,
die dem Feuerwehrmann den Aufenthalt in mit ſchäd⸗
lichen Gafen und eg erfüllten Räumen er:
möglichen jollen. Nach Art ihrer Verwendung kön:
nen fie in drei Hauptgruppen eingeteilt werben:
1) en — —— rg
von au mgeführt wird; aucapparate, bei
denen Luft I einem bejondern Gefäß, welches der
Mann vorn, feitli oder auf dem Rüden trägt, mit:
efabrt wird; 3) Raucapparate, welche Stoffe ent:
Balten, duch welche die eingeatmete, auch ver:
borbene Luft gereinigt wird.
Bur erjtern Gruppe gebören unter anderm der
Een eApparat; er beitebt aus einer Leder⸗
lufe mit Kapuze und Fenfterben vor den Augen,
melde über den Oberkörper einſchließlich Kopf ges
zogen wirb und mittel Feuerfprige oder Luftpumpe
{ ajeralg) mit Luft von außen gejpeift wird. Ferner
tudefhe Rauchhelm und die Stolzſche
Rauchmaske, beide aus der Neuzeit. Erſterer
beitebt in einem Helm, der mit einem Ausſchnitt
vor den Augen verfjeben ift und durch drei Kanäle,
wovon zwei unter Mund und Nafe, einer über
ber Stirn ausmünden, feine Luft ‚puofübrt erhält.
Die Kanäle jelbit find durch drei eine Gummi:
ſchläuche mitteld Teilſchraube mit dem Haupt-Luft:
zufübrungsihlaud; verbunden. Bei der Stolzſchen
651
Rauhmaste find nur zwei Luftzuführungstanäle,
unter der Naſe ausmündend, in ähnlicher Weiſe mit
dem Luftichlauche verbunden, und die Nugenöffnuns
gen find mit feiner Meffinggaze verfeben. Bei bei-
den wird bie vom Feuerwehrmann ausgeatmete ver:
dorbene Luft durch den beim Bumpen innerhalb der
Haube erzeugten Luftdrud durch die ———
gen ausgetrieben und der Eintritt ſchädlicher Gaſe
verhindert. — Bon der zweiten Gruppe find unter an⸗
derm zu nennen der er aa Batent Fleuß und
der Touriftenapparat nad dem Syſtem Rouquayrol⸗
Denaprouze von 2, Bremen & Eo. in Kiel. Der
leußapparat bezwedt, ausgeatmete Luft für die
inatmung dadurd wieder brauchbar zu maden,
daß diefelbe durch chem. Stoffe von Kohlenſäure be
freit und mit zugeführtem friihem Saueritofi gemengt
wird. Der Apparat beſteht aus einem Torniſter, in
dem fi mit Werg und Soda nes Rautichuffilter
und fomprimierter Sauerftof efinden. Die aus:
geatmete Luft tritt durch ein in der Gefihtämaste
vorhandenes Ventil in die Kautſchukfilter, giebt ihre
Koblenjäure an die Soda ab und gelangt aladann
in ein auf der Bruft zu tragendes Luftlijien, welches
mit Hilfe eines vom Mann zu regulierenden Ben:
tils Sauerftoff zugeführt erhält. Die wieder für
Ginatmung brauchbare Luft gebt dann aus dem
Luftkiſſen nah der Kautſchukgeſichtsmasle, welche
Naſe und Mund des Mannes luftdicht verſchließt.
Der Rouquayrol:Denayrouze-Apparat er:
fordert das Abichliehen der Nafe durch einen Nafen-
Hemmer und ermöglicht den Aufenthalt von 20 bis
25 Minuten in hleihter Luft und Erleuchtung
des Arbeitäplaßes; er beftebt aus drei Stahlblech⸗
cylindern, die, auf dem Rüden getragen, dur
kleine Öffnungen untereinander verbunden find und
mit Luft von etwa 25 Atmofphären Überbrud ge:
füllt werden. Ein Quftverteilungsregulator bringt
die einzuatmende Luft auf den gewöhnlichen Drud,
leßtere atmet der Mann durch einen Schlauch ein,
Da Ende er mittel3 Gummimundftüd im Munde
bält. Durch Öffnen und Schließen eines Schraub:
ventils findet Drudregulierung jtatt. Ein aus zwei
Gummiplättchen bejtebendes und vor dem Munde
des Mannes auf dem re ange:
brachtes Ventil ermöglicht das Ausitoßen der aus:
geatmeten Luft. Eine gleichzeitig mit dem Apparat
verbundene Sicherheitölampe erhält ihre Luft eben
fall durch einen Schlauch vom Luftverteilungs:
regulator. Die Luftipannung wird durch ein Heines
Manometer angezeigt, das wie eine Taſchenuhr vom
Mann an pafiender Stelle in der Kleidung unters
gebracht werden kann. — Unter den Apparaten der
dritten Gruppe verdient der Loebſche Apparat
Beachtung. Derjelbe beſteht aus einem blechernen,
mit einem gefeuchteten Schwamm und Schichten von
Watte, Glycerinwatte und Kohle gefüllten Atmungs:
gebäuje, durch welches die einzuatmende Luft bin-
durchdringen muß und in weldem fie gereinigt
und abgetüblt wird, bevor fie in die Lungen ein:
tritt. Beim Gebrauch bängt der Feuerwehrmann
den —— mittels Halsriemen vor den Mund
und bält ein Gummimundſtück desſelben zwiſchen
Lippen und Zähnen feſt. Das Amen durch die
ie wird durch einen Naſenklemmer verhindert,
während zum Schuß für die Augen eine mittels
Band feit um den Kopf gebundene Schußbrille dient,
welche Gummimülfte aum hermetiſchen Abſchluß der
Augen und Heine Wiſcher zum ag m der Gläjer
bejigt. Zur VBerftändigung des im Rauche befind-
Feuerwehrrauchapparate
652
lihen Mannes nah außen bin und zur Abgabe
von Signalen wird dem Manne ein jog. Signal:
ballon mitgegeben, d. i. ein Gummibeutel mit auf:
ejepter Pfeife, Die einen — beim Drucken des
Beutels abgiebt. Der Apparat geitattet nah den prak⸗
tiſchen Erfahrungen in mit jtarlem Rauch —
Räumen einen Aufenthalt von 10 bis 12 Minuten.
euerwehrrettungsapparate. Die F. müſſen
fo beſchaffen fein, daß fie ohne —— er
ebraucht werden können und ſelbſt von ſehr hoben
ebäubdeteilen eine Rettung ermöglichen; Einfad:
beit derjelben ijt daher Hauptbedingung. ee
gehören die Leiter (j. Feuerleitern) und die Leine,
welde beim Herablafien am Karabinerbalen
(j. Feuerwehrausrüftung) gebremit wird. Andere
tunitvolle Konftruftionen, wie 3. B. Fahrſtuhl—
apparate, mit Xhüren und Fallbrüden vers
ſehene —— Rettungstürme, Scheren—
türme, durch welche man verſuchte, die Leiter zu
erſetzen, haben ſich bisher nicht bewährt. Seil: und
Gurtleitern geitatten keinen Angriff zu maden,
= find nur ala Rettungsgeräte für ſehr gefährliche
obnräume zu verwenden und erfordern für ihren
Gebraud Kraft und turnerifche Gewandtbeit. Höchſt
wichtig und vieljeitigverwendbar ift ver Rettungs⸗
ſchlauch, ein etwa 15—20 m langer und etwa
80 cm weiter Schlau aus Segeltuh, welcher in
einer Yenfteröffnung befeitigt und außerhalb des
Gebäudes nad dem Erdboden berabgeleitet wird.
Die zu rettenden Menſchen, felbit ganz bilflofe,
werden in die obere Öfinung bes Schlauchs einge
jtedt und gleiten in dem Rettungsſchlauch ſchnell
und gefahrlos nad unten. Die das untere Schlaud:
ende haltende Feuerwehrmannſchaft läßt bei An:
kunft des Geretteten den Schlau nah und bilft
demjelben beim Ausjteigen aus der im Schlauche
befindlihen fdligartigen Öffnung. Bei Rettun
einzelner Berjonen lommt auch der Rettungsſa
oder ee in Anwendung, der an einem
Seil (Fahrjeil) mit Rolle befeitigt auf und ab
ejogen wird. Derjelbe dient —— für Men:
chen⸗ wie für Sadenrettung. Das Rettungss
oder Rutſchtuch findet Anwendung bei Maſſen—
rettungen und ift ein 27,—3 m breites, 16—20 m
langes offenes Segeltub, welches am Fenfter von
baten Gebäuden bejeitigt, von den Nettungsmann:
haften auf der Straße gehalten und jtraff u
jogen und von ben Bedrobten als Rutſchbahn bes
nußt wird. Das Sprungtud, ein etwa 16 qm
großes quadratiiches, mit Öurten verjebenes Segel:
tuch, dient als legtes Hilfömittel in allen den Fällen,
wo ein —— zu den bedrohten Menſchen
auf andere Weiſe nicht mehr möglich iſt. Beim Ge:
brauch wird dasjelbe an allen vier Seiten von 24 bis
30 Dann —— und unter dem Fenſter auf⸗
—— aus welchem die zu rettende Perſon in das
prungtuch herabſpringt. Verſuche, mittels Ge—
jangen (nad Art der bei Rettung von Schiff:
ng verwendeten Naletenapparate) Leinen
oder Stridleitern zu den Gefährdeten emporzu—
ſchleudern, haben bei den deutſchen Feuerwehren
feine Beachtung erjielt. Selbitrettungsappa=
rate nennt man Apparate, die zur Rettung ber
eigenen Perſon Verwendung finden; fie jind in den
verſchiedenſten Konſtruktionen ausgeführt und be:
fteben faſt alle in einem langen Seil mit Gurt zum
Einjhnallen der zu rettenden Perjon und einer
Bremsvorribtung, die langſames Herablafien am
Seil ermöglidt.
TFeuerwehrrettungsapparate
— Feuerwerkslaboratorium
——— deutſcher, ſ. Feuer⸗
löſchweſen. En
Feuerweihe, eine Geremoniein der fatb. Kirche,
früber am Abend des Gründonnerätags, jebt am
Morgen des Karſamstags. Es wird vor ber Kirch:
thür aus einem Steine feuer gefhlagen, damit Holz
angezündet und das Feuer unter Gebeten und Se:
enswünjchen geweiht. Zugleih wird in dieſem
— das im Vorjahre übriggebliebene geweihte Ol
verbrannt, daran ein Licht und dann erſt mit dieſem
die Kerzen in der Kirche angezündet.
Feuerwerk, das Hervorbringen von Licht: und
Rnalleffetten in größerm Maßitabe und in wirtungs-
voller Zufammenftellung mittels leiht brennbarer
und erplofiver Gemenge. fiber die beim F. ange
wandten Säge, Feuerwerlslörper, Feuerwerksſtücke
f. die Einzelartitel.
Feuerwerker, gewöhnlich Berjonen, die die Ans
fertigung und das Abbrennen von Luſtfeuerwerken
(f. Quftfeuerwerterei) als Gewerbe betreiben. In der
ältern Artillerie waren die F. zur Bedienung ber
Wurfgeihüge (Böller, Mörjer) beftimmt und bil
deten mit den Büchfenmeiftern die erfte Rangklaſſe
der Artilleriften. Außerdem lag ihnen die Beforgung
der Kriegsfeuerwerkerei (f.d.) ob. Im 18. Nabrb.
wurden die F. den Artillerietorps als Unteroffiziere
einverleibt. Seitdem iſt F. die Bezeichnung eines
öbern Unteroffizierdgrades der Artillerie, oder die
. find Mitglieder eines mit der Anfertigung und
ufbewahrung der Munition und der Revifion des
gejamten Artilleriemateriald betrauten Artillerie
jweige3, und bilden bad Feuerwerkerkorps
oder :Berjonal. Man unterſcheidet Oberfeuer—
werker und %., eritere haben Feldwebel⸗-, letztere
Sergeantenrang. Das Feuerwerlerperſonal jtand
in Preußen Früher unter einem bejondern Artillerie
offizier ala Feuerwerlömeijter. Dann wurde
es den Artillerieregimentern und 1901 ber Feldzeug⸗
meifterei (ſ. Feldzeugmeifter) unterftellt. Seit 1868
werben im deutſchen Heere geeignete Oberfeuerwerter
nad Ablegung einer befondern Prüfung zu Feuer:
wertsleutnants, Oberleutnants und Haupt⸗
leuten beförbert. Bei der Marine gebören die F. zu
den Dedoffizieren (f.d.). ZurAusbildung der F. dient
die Dberfeuermwerlerihule (f. d.) in Berlin.
Feuerwerkerei, auch Feuerwerbskunſt oder
vrotechnit genannt, die Anfertigung und der
ebraub von jFeuerwert (j. d.). Sie zerfällt in
Rriegsfeuermwerlerei (ſ. d.) und Quftfeuer:
werterei (j. d.). Die F. iſt jehr alt. Schon 1379
wurde in Vicenza zum Friedensfeſt ein Feuerwerl ab»
gebrannt, und 1519 ließ Jakob Fugger in Augsburg
zur Feier der Erhebung Karls V. zum röm. König
ein ſolches veranjtalten. Die meiften und ſchönſten
Erfindungen im Fade der Luſtfeuerwerlerei ver:
dankt man zwei Jtalienern, Ruggieri (Vater und
Sohn), die in Rom, Paris u. f. m. ſich durch biftoriich
berühmt gewordene Leiſtungen er —
Bol. Eſchenbacher, Die F. (3. Aufl., Wien 1897);
Bujard, Leitfaden der Pyrotehnit (Stuttg. 1898).
enerwerföförper, aus den Zuſammenſtel⸗
lungen der einfachen Säße (f. d.) entitebende Feuer:
werksgegenſtãnde; aus den F. jelber werben mie:
derum die Feuerwerksſtücke (f. d.) zufammengeitellt.
Man teilt die F. ein in Flammen⸗, Funlen:, Dreb:,
Wurf: und Steigfeuer oder NRateten. (S. die einzel-
nen Artitel.)
euerwerkskunſt, ſ. Feuerwerlerei.
euerwerkslaboratorium, ſ. Laboratorium.
Feuerwerksſätze — Teuerzeug
enerwerktöfähe, |. Süße.
euerwerföftüde, aus den Zufammenftellun:
en der einfachen euermwerlälörper entitebende
erwerlsgegenſtände; man teilt fie im allgemeinen
in feitftebende und bewegliche. Zu den feit-
tebenden Stüden gehören die Kombinationen von
randern in den verſchiedenſten rg als
Gänſefuß, Fächer, Sonne, Glorie, Moſaik und Kas—
fade, fomwie die Delorationen. Leßtere beitehen
aus jarbigem Feuer, welches entweder die ganzen
Maſſen oder nur die arditeltonifchen Linien oder
Konturen de3 darzuftellenden Bildes hervortreten
läßt. Dft ift auch das Farbenfeuer fo eingerichtet,
daß es in gemwifjen Zeiträumen wechjelt, was durch
verſchiedene Säße in den Lichterhülfen bewirkt wird,
Die Detorationen werden mit einer über jeden ein:
zelnen Brennpunkt binlaufenden Zünbfhnur in
einem Augenblide angezündet. Die beweglichen
Stüde dreben fich entweder in horizontaler oder in
vertifaler Richtung; die Bewegung erfolgt entweder
auf einer Achje oder auf einem Zapfen. Hierher ge
bören die Feuerräder, die Windmühle, die
Gaprice, die Spirale u. ſ. w. Die Bapirrröhren
find bier auf Unterlagen ar we aufgenagelt, daß
die Gewalt des Gajes bei der Ausftrömung die Un:
terlage zugleih umtreibt und jo das euer einen
Kreis bildet. Man bedient ſich außer dem Brillant
- auch bier des Farbenfeuers; da dasſelbe jedoch
ngjam abbrennt, muß man den Trieb durd eine
Röhre mit weißem Feuer bemirken.
—— fen, j. Manteltiere und Seeſcheiden.
euerzeichen, jur Sicherung der Schiffahrt auf
dem Meere wie auf Flüflen angewendete Lichtfignale.
Am belannteften jind die Leuchttürme (f. d.). Wer
vorjählich ein zur Sicherung der Schiffahrt beftimm:
tes F. zeritört, wegſchafft oder unbrauchbar macht
oder ein ſolches J aus löſcht oder ſeiner Dienſt⸗
rfliht zuwider nicht aufſtellt oder ein falſches Zei⸗
den, welches geeignet iſt, die Schiffahrt unſicher zu
machen aufſtellt, insbeſondere zur Nachtzeit auf der
Strandhohe Feuer anzündet, welches die Schiffahrt
zu gefährben geeignet ift, wird nach dem Deuticen
Strafgejesb. $. 322 mit Zuchthaus bis zu 10 Jah⸗
ven beitraft; wenn dadurch die Strandung eines
Schiffes verurſacht ift, tritt Zuchthausſtrafe nicht
unter 5 Jahren, und wenn ber Tod eines Menſchen
—— t iſt, Zuchthausſtrafe nicht unter 10Jahren
oder lebenslangliche Zuchthausſtrafe ein. Das mit
lebenslänglihem Zuchthaus bedrohte Verbrechen i
mit dem Zode zu beitrafen, wenn es in einem Teile
des Reichsgebietes begangen wird, welchen der Kai⸗
fer in Kriegszuſtand erllärt hat, oder wenn es wäh⸗
rend eines gegen bad Deutiche Reich ausgebrochenen
Krieges auf dem Kriegsſchauplaß begangen wird
. 4 ded ie Fear — zum Strafgejekbud).
ird eine ber oben bezeichneten Handlungen fahrläj:
fig begangen, fo ift auf Gefängnisitrafe zu ertennen,
menn ein Schaden entjtanden ift ($. 326).
Feuerzeug, Vorrichtung zur Erzeugung von
Wärme, um damit brennbare Körper zu entzünden.
Man unterjcheidet je nach der Art der zur Anwen:
dung fommenden phyſil. Mittel mechaniſche, ches
miſche und eleltriihe 3. Bei den erftern erzeugt
man die Wärme durch Reibung, Stoß, Schlag,
Drud oder Bug.
Wohl das ältefte mechaniſche F. ift das Reib—
bolzfeuerzeug, das bei den religiöien Handlun—
gen des indogerman. Urvolt3 ald «Doppelbolz» eine
große Rolle jpielte und deſſen fih einige uncivili-
653
fierte Boltöftämme ſowie bei den Indiern die Brah⸗
manen noch heute bebienen. Ein am untern Ende
zugeipister Holzitab(Feuerbohrer, Feuerquirl)
wird jentrecht auf ein anderes Holzftüd in eine leichte
Anbohrung desjelben geftedt und ſchnell zwiſchen
den Handflächen oder mitteld einer mehrmals um:
gelhlun enen Schnur quirlartig hin und ber gedreht,
i3 die ſich abreibenden Holsipänden, beigejtreute
Baummollfafern oder Martitüdchen Feuer fangen.
Ein anderes Reibholzfeuerzeug ift die in Indoneſien
ebräuchliche zu rjäge, bei welder ein zuge:
bärftes Stud Bambusrohr wie eine Säge auf
einem andern Bambusrobritüd bewegt wird, bis
die Wandung des legtern durchbrochen it und eine
darunter liegende Kugel aus den vom Innern des
Rohres losgefhabten Teilen zu glimmen beginnt.
Bei den Römern war eö zur det des Tacitus
üblih, die Spike eines Schwe —— in
vermodertes Holz zu fteden und dieſes durch Reis
bung an Steinplatten zu entzünden. Im 14. Jabrb.
fannte man ſchon den Gebrauh des Stahls
(Feuerftahl), Feuerfteind und Zunders oder
Schwamms, dem fi der Schwefelfaden und das
ga beigejellte. Dieje 5. waren bis 1820
wohl ausſch — in Anwendung und leiſten noch
jest im Freien vortreffliche Dienſte. Dieſelben find
in verſchiedenen Formen aufgetreten, die das viel
Mübe und Geſchickichkeit erfordernde Feuerſchlagen
erleichtern ſollten, ſo das von Glaeſer erfundene
F., aus einem geriffelten Stahlrädchen beſtehend,
das durch einige Räderüberſeßungen und eine keine
Kurbel in ſchnelle Rotation verjegt wird und gegen
das durch eine Feder ein Stüd feinlörnigen Sand»
—* gebrüdt wird; der Apparat iſt bequem in der
aſche zu tragen. Hieran ſchließen fi die Zünd-
blättchen, Zündpillen u. ſ. w, die durch einen mits
telä einer Syeder audgeübten Schlag, ähnlich wie bei
Schußwaffen, erplodieren und den Zundſchwamm
oder Schwefelfaden entzünden. ,
Hierher gehören ferner aud alle Arten der heuti⸗
gen Sundhölshen (j. d.), die fih zwar aus den
unten erwähnten dem. Präparaten entmwidelten, aber
durch Reibung des leicht entzündlichen Phosphors,
der bei ven gewöhnlichen Zundholzchen in der Zund⸗
maſſe, bei ven ſchwediſchen an der Streihfläde (in
der befannten roten, amorphen Movifitation) wor:
banven it entzündet werben. In neuerer geit find
wiederholt abjolut phosphorfreie Zundhoͤlzer auf
getaucht, die jedoch ven phosphorhaltigen feine
ernftlihe Konkurrenz maden konnten. Das Kom:
prejfionss oder pneumatijche F. befteht aus
einem hohlen Glas: oder Metallcylinder, in der
durch das Hineinftoßen des Kolbens die Luft fr
ſchnell verdichtet wird, daß ein an der untern Seite
des Rolbens befindliches Stüd Schwamm fi ent:
zündet, da bei der raſchen Verdichtung ein Teil
der aufgewendeten Arbeit in Wärme umgewandelt
wird. Birma und Indonefien ift das pneumati⸗
joe F. auh Feuerpumpegenannt, ſehr verbreitet.
er Eylinder beſteht dort aus Holz oder Büffelborn.
Unter den chemiſchen %. hat namentlich die
1823 von Döbereinererfundene Zündmaſchine
Aufnahme gefunden, die heute noch vielfah im Ge
braud ift. Diefe Maſchine beruht auf der von
Döbereiner jelbft entdedten Gioenj&aft fein ver:
teilten, poröjen Blatins, des fog. Platinſchwamms,
große Basmengen zu abforbieren und zu verdichten,
und beitebt aus einem zum Zeil mit, verbünnter
Schmefeliäure gefüllten Gefäß, in das ein von einer
654
Glasglode umichlofjenes Stüd Zint ——
Innerhalb ver Glasglode, die unten offen iſt, alſo
gleihfalld verbünnte Schwefeljäure enthält, ent:
mwidelt ſich durd Zerjekung des Zints Waflerftoff,
der burch einen Habn am obern, gejchlofjenen Ende
der Glode abgeblajen werden kann. Se mehr Waj:
ferjtoffgas ſich in der Olode bildet, deito mehr wird
die Flüffigkeit aus derjelben verdrängt, jo daß, da all:
mählich Zint außer Berührung mit der Säure tritt,
die Gasentwidlung aufhört und erjt wieder beginnt,
wenn man einen Teil des Gafes verbraucht hat. Das
Gas wird aus dem erwähnten Hahn, deſſen Öffnung
eine feine Spike bildet, auf Platinſchwamm geleitet,
wo es fich durch die plöglihe Verdichtung entzündet.
Durch Feuchtwerden ſowie aud dur den Aufent:
balt in Ammonialvämpfen, ſchwefliger Säure, wie
dies in Wohnräumen und in ber Wr von Stal:
lungen der Fall ift, wird der Platinſchwamm für
dieſen Zwech unbrauchbar und muß, um die oben:
genannte Eigenjchaft wiederzuerhalten, mäßig ſtark
geglüht werden.
Eine wichtige Epode in der Geſchichte der he:
miſchen F. bildet dad Tauch- oder TZunlzünd:
hölzchen, das bereit3 1812 —— aber erſt
um das J. 1820 Ben befannt wurde. Man
nennt jo Schmwefelbölzer, deren ——— Ende
mit einer Zundmaſſe aus 1 Teil Schwefel und
3 Zeilen hlorjaurem Kalium mit einer Beimengung
von Zinnober oder Indigo als Farbſtoff umgeben
war, die, beim Benehen mit fongentrierter Schwefel:
äure verpuffend, die —5*55 der Schwefel⸗
chicht und dem Holz mitteilte. Man bediente ſich
ierbei kleiner Gläſer, die mit Schwefelſäure impräg—
nierten Asbeſt enthielten. In England waren ſie
unter dem Namen Prometheans gebräuchlich, und
war in Form von Papierröllden, die eine geringe
enge &lorfauren Kaliums und Schwefel und
ein mit konzentrierter Schwefeljäure gefülltes, ge
ſchloſſenes Glasröhrchen enthielten; zerbrüdte man
diejes, jo fand eben bejchriebener Vorgang ftatt.
Nachdem jeit 1820 der Phosphor verſuchsweiſe,
namentlich in Bezug auf feine Selbitentzündlichteit,
in feinverteiltem Zuftand zur Erzeugung von euer
angewendet worden war, famen unter dem Namen
Congreveſche Streich: oder Zündhölzer 1833
die pi brauchbaren phosphorhaltigen F. auf. Ur:
fprünglich enthielten fie über dem Schwefel noch einen
aus Kaliumchlorat und Schwefelantimon beſtehenden
tiberzug, der jest ftatt Schwefelantimon Phosphor
enthält. Auch wird das Kaliumdlorat dur andere
—— Verbindungen (Salpeter, Braun—
tein, Mennige und Bleijuperoryd) erſetzt. (©.
Bünpbölzcen.)
Die Wirkungen der Elektricität find ſchon früb
für die Herftellung von F. verwendet worden, und
zwar in Verbindung mit Waferftoffentwidlungs:
apparaten, ähnlich der Döbereinerjhen Maſchine,
mit Leuchtgasbrennern und Petroleumlampen, un:
ter Benutzung des eleltriihen Funlens oder in den
Stromlreis einer galvaniſchen Batterie eingeſchal—
teter glübender Platinſpiralen. Bis jekt haben indes
alle derartigen Apparate wenig praltiſche Bedeu:
.. erlangt. !
eit längerer Zeit find Benzinlämpdhen von
verjchiedener Form in Verbindung mit einer Zünd:
porrichtun ala Zafchen: und Tifchfeuerzeuge vielfach
in Gebrauch gelommen, Als Zünder dienen bei den:
jelben die jog. Zundblättchen (f. d.), die, bandförmig
aufgerollt, fi in einer an dem Lämpchen befeſtigten
Feuerzüge — Feuillet
Blechkapſel befinden und deren je eins bei einmaliger
Umdrehung des ſeitlichen Heinen Handgriffs erplo:
diert, wodurch bie Lampe entzündet wird; oder es
dient als Zünder ein eleltrijher Strom, der in einem
der Yampe beigefügten galvaniſchen Element erzeugt
oder von einer etwa vorhandenen Haustelegrapben-
leitung abgezweigt wird und, indem er eine in näch⸗
iter Näbe des Lampendochts in den Stromkreis eins
——— Platindrahtſpirale — en macht, das
enzin entzündet. — Bol. Ziſtl, Über Zündung.
Hiftor. Darftellung, kritiſche Beiprebung und Ein⸗
teilung der 5. (Programm; Straubing 1897).
Feuerzũge, bei jeuerungsanlagen, namentlich
Dampftefjeleinmauerungen, die Wege, welde vie
beißen Berbrennungsgaje zurüdlegen müflen, wäh⸗
rend fie ihre Wärme an das zu ermwärmende Gefäß
(Muffel, Keſſel u. dgl.) abgeben. — Über F. ald Art
der Eijenbabnzüge ſ. d.
‚ Fenillantö (fr;., fpr. föläng; lat. Fulienses)
ein Zweig der Eijtercienfer, benannt nad) der Abtel
Feuillans bei Touloufe, begründet um 1580 von
dem Abt Jan de la Barriere (geſt. 1600). Sirtus V.
beftätigte die Genofjenihaft 1589; Clemens VIIL
trennte fie 1595 von ben Gijtercienfern und mil:
derte ihre Regel. Urban VIIL teilte fie 1630 in
zwei Kongregationen, jede mit einem befondern
General, die franz. Congrögation de Notre Dame
de Feuillans und die italienifhe: I Riformati di
San Bernardo (verbefjerte ———— Eine
mit den en pri ee tegation (Feuils
lantinnen, Fulienferinnen) hat nur geringe
Verbreitung gefunden und ging wie die männlichen
Kongregationen in der Revolution unter. — F.
nannte man 1755 die Partei des Kultusminifters
—— de la feuille) Boyer, die auf der Ver:
ammlung der Geiſtlichleit bei dem Streite über
die Bulle Unigenitus die mildere Richtung vertrat.
— Das ehemalige Klofter der F. zu Paris diente
während der Revolution 1790 ald Verſammlungs⸗
ort eines polit. Klubs (anfangs « Gejellihaft von
1789», fpäter «lub der %.» genannt), welcher die
Herftellung einer Verfaſſung nad engl. Muſter er
jtrebte; auf Drängen der Jakobiner wurbe ihnen
das Lokal 27. Dez. 1791 verboten, worauf der
Klub feine Sisungen noch einige Zeit im Palais
Nichelieu fortiekte, ohne jedoch groben Einfluß auf
den Gang der Revolution ausüben zu fönnen.
Feuille (fr;., ipr. [öl Blatt; feuille-morte (fpr.
mort),bellbraun;F.a s Huf ſigleitsmaß, j. Seuillette;
feuilles anglaises, f. Gummiwarenfabritation.
Feuillet (ſpr. fojeh), Octave, franz. Romans
ſchriftſteller und Dramatiker, geb. 11. Aug. 1821
zu St. Lö (Mande), erhielt ſeine Schulbildung
ın Bari und trat bier 1845 im «National» mit
dem Roman «Le grand vieillard» hervor, dem 1846
«Le fruit döfendu» in der «Revue nouvelle», «Le
conte de Polichinelle» und einige bramatifierte Sce⸗
nen im «Diable à Paris» folgten. Anfänglich ſchrieb
3. unter dem Pſeudonym Defird Hazard. Bon
1848 an veröffentlichte er in der «Revue des Deux
Mondes» eine Anzabl von Proverbes und Komö—
dien, Novellen und Romanen, wie: «Le pour et
le contre» (1848), «La partie de dames» (1850),
«La clef d’or», «L’ermitage» (1851), «La fee»
(1854) und «Bellah» (1850), «La petite comtesse»
(1856), «Le roman d’un jeune homme pauvre»
(1858; deutic u. d. T. «Ein verarmter Evelmann»,
Votsd. 1859). Der legte Roman machte zuerft 5.3
Namen berühmt. Später folgten: «L’histoire de Sy-
Teuillet de Conches — Feurs
bille» (1862), «Monsieur de Camors» (1867), «Julia
de Tr&ecaur» (1872), «Un mariage dans le monde»
(1875), «Les amours de Philippe» (1877), «Le
journal d’une femme» (1878; deutſch in Engel:
orns «Romanbibliothel»), «Histoire d’une Pa-
risienne» (1881) und «La morte» (1886; deutſch
in Engelhorns «Romanbibliothel»). Teilmeife find
diefe Romane für die Bühne bearbeitet worden,
wie «Julia de Treceur» als «Le Sphinx» (1874);
daneben verfaßte F. auch eine Anzahl von Drigis
nalftüden, wie dad Scaufpiel «Dalila» (1856)
das wirkungsvolle, gegen die Bee 3moral
des zweiten Kaiſerreichs gerichtete Quftipiel «Mont-
joye» (1863), den Einalter «L’acrobate» (1873)
u.a. F. erwarb fi durd die bisweilen aufdring⸗
liche, fittliche Tendenz, adlige Gefinnung und Fein:
it des Tones feiner frühern Romane den Beifall
ſonders der gebildeten vornehmen rauen; fpäter,
unter bem Sinfuß von Dumas dem Jüngern, wen:
dete er fi in Roman und Drama aud an gewag⸗
tere fittlihe Probleme, denen feine mebr für feine
eihnung und zarte Schattierung des Dargeftellten
eanlagte Natur nicht gewachſen gr Gerade jeine
fleinerndramatifhen Schöpfungen (gefammelt inden
«Scönes et proverbes» und «Scenes et com&dies»,
5 Bpe., Bar.1853 fa. ; ferner«Ledivorcede Juliette»,
«Charybde et Scylla», cur& de Bourron», ebv,
1889) find Mufterftüde ihrer Gattung, mit liebens⸗
würbiger Grazie und Sauberleit ausgeführte Seelen:
emälde und Zuſtandsbilder nad) einer idealifierten
elt von vornehmer Lebens: und Dentart. F. feit
1862 Mitglied der Akademie, ftarb 29. Dez. 1890 in
Paris, Sein «Thöätre complet» (5 Bde) erſchien
1892—93 ; mehrere feiner Dramen enthält Reclams
«lUlniverfalbibliotbet» in deuticher Überjegung.
Fenillet be Couchces (jpr. fdjeh de longſch),
Felix Sebaftien, franz. Schriftiteller, geb. 4. Fr
1798 zu Baris, war unter dem zweiten Raiferreich a
Hofceremonienmeifter und «ntroducteur» ber Ges
andtſchaften thätig, on im Febr. 1874 feinen
bichied und ftarb 6. Febr. 1887 in Paris. Unter
feinen Werten find zu erwähnen: «Leopold Robert,
sa vie, ses auvres et sa correspondance» (Par,
1849), «Causeries d’un curieux, variötes d’histoire
et d’art tirdes d’un cabinet d’autographes et de
dessins» (4 Bde., 1861—67), «Lettres inédites de
Montaigne et de quelques autres personnages»
(1863), «Correspondance de M=* Elisabeth de
France» (1867); die in dem Werte «Louis XVI,
Marie Antoinette et M=* Elisabeth, lettres et docu-
ments inedits» (6 Bde. 1864—73) veröffentlichten
Briefe, namentlih die Marie Antoinettes, find,
wie Sybel ——— hat, größtenteils unecht.
Die «Souvenirs de jeunesse d’un curieux septuagé-
naire» (1877, anonym und nicht im Handel) enthal⸗
ten feine Selbjtbiograpbie. Ferner ſchrieb F. die
«Histoire de l’&cole anglaise de peinture» (1883).
‚ Senilletieren (frz., fpr. föj't-), durdblättern;
ſich feuilletieren, ſich abblättern.
euilleton (fra., ſpr. ——æzW «Blättchen»), im
meiteften Sinne der Abſchnitt einer Tageszeitung,
welcher durch den Strid von dem polit. Hauptteil
etrennt, daher auch Rez-de-chaussee (frz., «Erbge:
H oß») genannt wird und nichtpolit. Stoffe der ver:
ſchiedenſten Art in einer befondern Daritellungs:
weiſe behandelt, die das wejentliche innere Kenn:
eihen de3 F. ausmachen. Gegenüber der erften
bficht der Zeitung, zu berichten, will der Schreiber
de3 F. feine Leſer dadurch anziehen, daß er ibnen
655
die Dinge, die er bebanbelt, in durchaus fubjeltiver
Weife, wie fie in feiner Perjönlicteit ſich wider:
piegeln, vorführt. In diefem Sinne ift das F. in
antreih entitanden, mo = lien Louis
jeoffroy (f.d.) zur Zeit des he aiſerreichs durch
feine Berichte über das Theater Auſſehen erregte.
Einige Jahrzehnte nach ihm hat er (. d.),
eitvem er 1836 für dad «Journal des Debats»
chrieb, das dramaturgiſche 5. zur Vollendung, fi
elbft zum Typus des «Lundiiten» (weil die dramat.
eferate in Frankreich am Montag [Iundi] erſchei⸗
nn erhoben. Ihm ift auf dem Gebiete der zeitge
nöffifhen Kulturgeſchichte Neftor Roqueplan (f. d.)
ur Seite getreten; eine große Reihe hervorragender
euilletonijten (Alfpronie Karr, Sainte:Beuve,
ancisque Sarcey, Ulbach, About, ——
autier u. a.) ſind dieſen beiden Meiſtern gefolgt;
andere haben ſich ver Muſik (He «Marbdiften», wei
fie ihre Berichte am Dienstag [mardi] brachten)
und den Fachwiſ alien zugewendet. Hervor⸗
ragende Romanſchriftſteller endlich, wie Eugen Sue
und Alerander Dumas, haben den Raum unter dem
Strid in den vierziger Jahren für ihre Senſations⸗
romane in Befiß genommen und diefem Zeil der
Beitungen (wie «Presse», «Constitutionnel», «Jour-
nal des D&bats») zu überwiegender Bedeutung, den
Blättern felbft zu einem außerordentlihen Abſatz
verholfen. Bon Frankreich hat fi das F. nad) den
andern europ. Qändern verbreitet. In Deutichland,
two unter Lewalds Leitung zuerft der «Nürnberger
Korrefpondent» ein regelmäßiges F. einrichtete,
baben die ſog. Jungdeutihen nad franz. Mujtern
das moderne F. geihaffen; mit der —— Be⸗
deutung der Zeitungen und Zeitſchriften iſt es auf
allen Stoffgebieten zur Ausbildung gekommen und
mit befonderm Sri in Berlin und Wien gepflegt
worden. Das kulturbiftoriihe F., das alle menſch⸗
liben Zuftände von einft und jest in feinen Kreis
—* at in Adolf Glaßbrenner, Hans Wachen⸗
hu en, Julius —— E. Wellmer, $ Spiel:
agen, Schmidt⸗Cabanis, Daniel Spiger, L. Pietſch
u.a., das litterarifh-tritifche F., welches ſich teild
die Kritik eines beftimmten Wertes, teils die Schil-
derung einer 4657 litterar. Kategorie zur Aufgabe
tellt, in 2, Rellitab, Rud. von Gottſchall, Karl
enzel, Paul Lindau, Fr. Mauthner, D. Brahm
und in zablreihen Wiener Schriftftellern (mie Spei⸗
del, Thaler, Wittmann), das philoſophiſche F. in
Hieron. Lorm, Karl du Prel, Ferd. Kürnberger, das
mufilalifhe F. enbli in Ferd. Hiller, Gumpredt,
Hanzlid, Ambros, H. Ehrlich u. a., glänzende Ber:
treter gefunden. — Bol. E. Editein, Beiträge zur
Geſchichte des F. (2 Bbe., Lpz. 1876).
enillette (pr. föjett) oder Feuille, ein ang
maliges franz. Flüffigleitgmaß, die Hälfte des Muid,
geſeßlich = 18 Veltes (Viertel) oder 144 Pintes,
daher = 184,11 1 oder 6760,8 alte Barifer Rubitzoll,
Das Maß war im Großhandel etwas reichlicher,
und zwar die F. = 136,9736 1, wie fie noch heute im
Entrepot von Paris gerechnet wird. In Borbeaur,
mo nod die alten örtlihen Weinmaße im Gebraud)
find, bat die %., der Inhalt der halben Barrique
(f. d.) oder der halben Borbelaife, nur 15 Veltes,
und man rechnet dafelbit die Velte gemeinhin zu
7,81 (ftatt genau R 7 7,0964 1 = 383,0108 Barifer
Kubitzoll), in fo zu 1141.
euriger Schwaben, ſ. Schlagende Wetter.
ð er. föhr), Hauptort des Kantons F.
im Arrondiſſement Montbrijon des franz. Depart.
656
Loire, oberhalb der Mündung der Dife in die Loire,
an der Linie Roanne:St. Etienne der Mittelmeer:
bahn, bat (1901) 3201, ald Gemeinde 3766 E. eine
fhöne got. Kirche, Bronzeftanpbild des Hauptmann?
Combes, der vor Eonftantine fiel; Fabrilation von
Drainröhren, Getreidehandel. In der Nähe eine
Scmefelquelle (17° C.).
eval (ſpr. fewall), Paul, franz. Romanſchrift⸗
fteller, geb. 27. Sept. 1817 zu Rennes, ftudierte die
Rechte in feiner Vaterftadt, widmete fih aber dann
anz der Litteratur. Cine in der «Revue de Paris»
1841) veröffentlichte originelle a reg «Le club
des Phoques», und ber Roman «Les chevaliers du
firmament» öffneten ihm die Spalten vielgelefener
Tagesblätter. Der Beifall des «Loup blanc» im
Yeuilleton de «Courrier frangais» (1843) bewog
einen Spekulanten, ihm die Abfaſſung der«Mystöres
de Londres» (11 Boe., Bar. 1844) zu übertragen,
unter ber Bedingung, daß er fie mit dem engl. Namen
rancis Trollope unterzeichne. Diejer aus dem
tegreif gefchriebene Roman, mit ebenjo viel Kraft
uld Feuer hingeworfen und voll ſchauerlicher Be:
—— fand großen Beifall, wurde in mehrere
prachen überſetzt und 1848 als Drama im Theätre
historique geſpielt. Beſonderes Glüd machten fer:
ner: «Le fils du diable» (1847 als Feuilleton in
der «Epoque» und ald Drama 120mal binterein:
ander im Ambigu-Comique gefpielt), «Le bossu»
(der 1858 als Feuilleton im «Siecle» erfhien und
ald Drama 250mal hintereinander in der Porte
St. Martin zur Aufführung fam), «Le capitaine
Fantöme», Roman und Drama (1862), die Ro:
mane: «Madame Gil Blas», «Les habits noirs»
u. f.w. Zu 5.3 Romandihtungen der neuern Zeit
gebören: «Le dernier vivant» (2 Bde., Bar. 1873),
«La fontaine aux perles> (1874), «Le chevalier
de Köramour» (1874) u. a. Seit 1876 hatte %. ſich
in einen gläubigen Ratholiten umgewandelt und
—* religiöfen rg sn in feinen lebten
omanen niedergelegt: «Chäteau pauvre» (1877),
uLes &tapes d’une conversion» (1877), «Les mer-
veilles du mont St. Michel» (1879). Ein großer
Zeil von F.s Romanen ift auch in deuticher fiber:
feßung erſchienen. F.s Werte find mit einer außer:
ordentlichen Leichtigkeit der Darftellungsgabe aus
einer überreichen bantafıe geihöpfte Erzeugniſſe
des Augenblids, denen es bei aller — nicht
an Leben und Seele fehlt. Er ftarb 8. März 1887
in Barid. — Bol. Buet, Paul F., souvenirs d’un
ami (Par. 1888).
Fer, dfterr. Provinzialismus für Kretin; be
fonders gebraudt in der Verbindung Bergfer für
diejenigen, die das touriftifche Bergfteigen fport:
mäßig übertreiben. j
ydeau(ſpr. fedoh), Erneft, franz. Schriftfteller,
eb. 16. März 1821 in Paris, trat zuerft 1844 mit
ner Sammlung von Gedichten («Les Nationales»)
auf, machte fidh aber erft 1858 allgemein befannt
dur den frivolen Roman «Fanny», der einen
febr glänzenden Erfolg batte. Hierauf folgten die
Romane «Daniel» (2 Bde., 1859), «Catherine
d’Overmeire» (2 Bbe., 1860), «Sylvie» (1861), «Le
mari de la danseuse», « Monsieur de Saint-Ber-
trand» und «Un debut & l’Opera» (1863), lekterer
mit einer Vorrede, worin fich der Verfaſſer lebhaft
egen den Vorwurf naturalijtiiher und unmora=
5* Tendenzen verteidigte. Von ſeinen ſpätern
Romanen machte nur «La comtesse de Chalis ou
les meurs du jour» (1868) noch einiges Aufjeben,
Feval — TFeyerabend
weil fih darin Anfpielungen auf vornehme Ber:
fonen fanden, und meil F. fi den Anſchein gab,
als Moralift zur raffinierten Darſtellung fittlicher
Berirrungen verpflichtet zu fein. Als Dramatiter
verfuchte er fih in den Zujtipielen «Monsieur de
Saint-Bertrand» (1865) und «Un coup de bourse»
(1268) ohne Erfolg. In dem Werte «Du luxe des
emmes, des mœurs, de la littörature et de la
vertu» (1866) behandelte er ven Aufwand als Beförs
derung der Eivilifation. Auch hat man von ihm eine
«Histoire des usages fundbres et des sépultures
des peuples anciens» (unvollendet, Lief. 1— 22,
zu; 1857 —61, mit Rupfertafeln), «Alger» (eine
tubie, 1862), «L’Allemagne en 1871» (1872),
«Th£eophile Gautier, souvenirs intimes» (1874). F.
begründete 1869 die «Revue internationale des arts
et de la curiosit&», Er ftarb 29. Oft. 1873 in Paris,
Feyenoord oder Fijenoord, Maasinſel bei
—— > (for. fel äng), Auguſti
yen-Berrin (pr. feläng perräng), Auguftin,
Fans. Maler, geb. 1829 zu Be fur Serlle in
otbringen, bildete fih in Paris bei Eogniet und
Hoon aus. Seine Bilder find bemerlenswert durch
originelle Wabl der Stoffe, jo jenes, welches Die Un:
züchtigen nad Dantes Hölle vorftellt, Der Charons⸗
nahen, Derröm. — = töbilder waren: Auf:
findung der ?eiche Karla des Kübnennad der Schlacht
bei Nancy (1865; Mufeum in Nancy), Tod des Or:
pheus (1878). Zumeift beſchäftigte ſich der Künitler
mit Borträten, wie das von Alphonfe Daudet, des
Präfidenten Mercier (1879), und mit ſorgfältig durch⸗
eführten Genrebilvern, zu denen ihn das Landleben
omwie die Meeresküften anregten jo Die Schnitterin
(1867), Überfahrt nach der Inſel Batz, Untergang des
Evening Star (1869), Rüdtehr vom Marft (1873),
Heimtehrende Aufternfiiherinnen in Eancale (1874;
im Qurembourgmufeum). Belannt wurde um feines
nhalts willen: Die trauernde Lothringerin auf dem
chlachtfeld (1872). F. war auch fehr geſchickt ala
Rabdierer. Er ftarb 14. Dit. 1888 in Paris.
Feyerabend, Siegmund, der bebeutendfte Ver
lagsbuchhändler zu Frankfurt a. M. im 16. Jahrh.,
warb 1528 zu Heidelberg ald Sohn de Malers
Agidius F. geboren. Als Maler und befonders als
Holzſchneider ſich ausbildend, lebte er längere Zeit
in a nd Venedig. 1559 ließ er ſich zu
Frankfurt a, M. nieder und trat in demſelben Jabre
in Gejhäftöverbindung mit den beiden Buchdruckern
David, Dujel und Sob. Raſch. Mit ihnen gab er
eine Bilderbibel heraus, wozu Birgil Soli Zeich⸗
nungen geliefert hatte, die teilmeife von F. felbit in
Holz geichnitten wurden. Später verband ſich F.
mit den Drudern Georg Rab und Weigand Han,
dann mit deſſen Erben, nebenbei aud mit Simon
Hüter (Huter) u.a. Dieſen Vereinigungen verdankt
man eine große Anzahl der ſchönſten Holzſchnitt⸗
werfe, vorzugsweiſe von Joſt Amman. 1576 ging
er eine gleihe Verbindung ein mit feinem Better
AL, n 5. Diejer war ald Buchdruder 1573 von
chwäbiſch⸗Hall nad Frankfurt gezogen und hatte
1574 von Siegmund F. einen Teil von deſſen Ber-
lag käuflid erworben, 309 aber durch ſchlechte Ge—
ſchäftsführung fih und einem, Vetter bedeutende
Dermögensihädigung zu. Siegmund F. ftarb
22. April 1590. Er hatte gr Verdienfte um
ii Buchbanvdel, 3. B. aub um das Zur
tanbelommen der eriten Buchbruderorbnung von
1573. Sein Berlegerzeichen ift die Fama (mit Po:
faune). Das Geihäft wurde fpäter durch F.s Sobn
Feyjoo — Fibern
Rarl Siegmund (geb. 1574) fortgeſett und fam
nad feinem Tode (1609) in frembe Gände. — Bol,
Ballmann, Siegmund F., jein Leben und feine ges
fhäftlichen Verbindungen (Franlf. a. M. 1881)
eyjoo (ipr. jeihöo), Padre Frey Benito de 3.
» Montenegro, ſpan. Kritiler, geb. 8. Dit. 1676 bei
Orenfe, ſtudierte Theologie, Naturwiſſenſchaften und
Heiltunde, trat 1717 in das Benebiktinerklojter zu
Dviedo, wo er 26. Sept. 1764 ftarb. F., obwohl ein
Roms läubiger Katholik, ertannte den wiſſenſchaft⸗
ichen Wert der Arbeiten eines Galilei, Baco, New:
ton, Leibniz, Bascal und Gafiendi an und protlas
mierte ihn ın Spanien. Seine Abhandlungen ver:
öffentlichte er u. d. T. «Teatro critico universal»
Madr. 1726—60; in 16 Bon. 17846; franzoſiſch
von dD’Hermilly, Dd.1—4, Par. 1742) und «Cartas
eruditas y curiosas» (5 Bbe., 1760). Eine Geſamt⸗
ausgabe ward 1778—80 zu Madrid von Campo:
manes herausgegeben (33 Bde.) ; eine treffliche Aus:
wabl («Discursos, cartas, poesias») veranftäitete
in der «Biblioteca de autores espaholes» eh. 56)
Vicente de la Fuente (Madr. 1863). — Vol. Pardo
Bazan, Estudio critico sobre el P. Feijoo (Gorufa
eyme, seilige, ſ. Femgerichte. [1887).
eys, Feis, Karolineninfel, ſ. Fai
ez, Stabt in Marofto, |. Fes.
an, Landſchaft in Tripolis, ſ. Feſſan.
btürzung für fortissimo (f. Forte).
Fiaker (franz. fiacre), joviel wie Mietlutſche, bes
nannt nach dem heil. Fiacrius, ber, wie die Legende
erzählt, ein Sohn Eugens IV., Königs von Schott: | ©
(and, war, aber aus Frommigleit und Liebe zum Ein»
fieblerleben feinen Thronrechten entjagte und nad
Franlreich gine- Hier jentte ihm der Bifhof von
eaur ein feines Stüd Land im Waldevon Fordille
in der Brie, wo er feine ſtlauſe baute und bei feinen
Lebzeiten viele Wunder verrichtete, die fih nad
jeinem Tode (um 600) zu — in der ihm in der
Kirche Ste. Catherine du Val⸗des⸗Ecoliers geweih⸗
ten Kapelle fortſetzten, wo man eine anſehnliche Re⸗
liquie dieſes Heiligen, den ſich die Gärtner zum
——— ertoren, bewahrie Das Bildnis des
beil. Fiacrius diente ald Schild an einem Barifer
Wirtshauſe in der Straße St. Fiacre, wo die erjten
Mietlutſchen, als fie unter Ludwig XIV. 1662 auf»
tamen, ihren Stand hatten. Seitdem blieb der Name
F. Bezeichnung für die gegenwärtig in den meijten
größern Städten vorhandenen Mietfuhrwerte, die
man auch, nad einem in Rußland gebräudlichen
leiten F ert, Droſchken nennt.
täle, im got. Bauftil die fchlanten, in eine
Spige auslaufenden und mit einer Belrönung en:
digenden Türmen, melde fi entweder zu beiden
Seiten der —— enſter⸗ oder Thurver⸗
dadungen ( ————— oder als Betrönung
von Strebepfeilern, * Freipfeilern u. ſ. w.
auftreten. Ihre Grundform tft meiſt vier: oder acht⸗
edig. Der untere, jelten mit einem bejondern Sodel
oder Fuß, auf aber mit Maßwerlsfullungen ver:
jehene und durch Giebel abgeſchloſſene prismatiſche
Teil heißt Leib (Schaft), der obere, pyramidale Teil
beißt Riejen (Haupt), ift an den Kanten mit Blät-
tern (Rnaggen, Krabben oder Boſſen) bejekt und
durch eine Kreuzblume betrönt. (S. Tafel: Deutiche
Kunſt II, Fig. 13.) In der Spätgotif — die
An der jrübern jenkrechten eine vielfach .
mmte Geſtalt an. Die F. find urfprünglich zur Bes
laftung der dem Gewölbſchub ausgejehten Mauers
förper erfunden. In der Frührenailjance finden
Brodbaus’ Stonverfationd-Lerifon.. 14. Aufl. R. A. VL
657
fih dann die F. meift zu der Form von Randelabern
und Obelisten umgeſtaltet.
Fiammingo, Siamingo (ital.,«‘jlamländer»),
in der ital. Kunſtgeſchichte Bezeihnung für mehrere
nieberländ. oder norbfranz. Künftler, wie: Gornelis
Cort, Denijd Calvaert, Giovanni da Bologna,
—5 Duquesnoy, Michiel Cocxie, Joh. von
alkar, Verſchaffelt (ſ. die betreffenden Artikel).
Fiauarautſoa, Stadt auf der Inſel Madagas.
far 1 d.). ; [maill und enier.
ann, altiriiche Kriegerkaſte, ſ. Find MacEus
ianöna, Marftfleden im Gerichtöbezirt Albona
der öfterr. Bezirlshauptmannſchaft Pilino: Mitter:
burg in Sitrien, an einer tief ind Land reichenden
fiordartigen Bucht des Duarnero, bat ar als
Gemeinde 5434 ferbolroat. und ital, E. F. jteht an
der Stelle des röm. Flanona, von welchem ber
Golf von Duarnero den Namen Sinus flanaticus
hatte. Nörblid Monte:-Sifjol (831m) als letztes
Glied der Gebirgägruppe des Monte-Maggiore.
iasto (ital, fiasco, d. b. Flaſche, in der Mehr:
zahl fiaschi), ein früher im Großherzogtum Toscanu
und im Herzogtum Modena üblihes Fluſſigkeits⸗
maß. In Toscana war es zweierlei: 1) für Wein
und Spirituofen = 2,3798 1, 2) für Öl = 2,0898 1. In
Modena, wo der F. ald Weinmaß diente, war er
= 2,0828 1. — In der Theaterjprade bezeichnet
der aus dem Stalienifhen aud ins Franzöſiſche,
Deutihe und Engliſche übergegangene Ausdrud,
im Gegenjaß zu Furore (ſ. d.), das Durchfallen eines
tüdes, Schaufpielers oder Sängers. weiterer
Bedeutung wird F. machen von jedem mißglüdten
Unternehmen gebraucht (wohl von der Zerbrechlich⸗
feit des Glaſes übertragen).
Fiat (lat.),e8 werde les geſchehe! Fiatjustitia et
— mundus, Gerechtigleit muß fein und gebe bie
elt darüber zu Grunde, nad) ven«L,oci communes»
(Bajel 1563) des Seh. Manlius der Wahlſpruch
Raifer fyerbinandsL.; fiat lege artis oder fiat secun-
dum artem, tunftgemäß zu bereiten (auf Rezepten);
fiat applicatio, man made die Anwendung; fiat
insinuatlo, eö gefchebe (erfolge) die Einhändigung.
ibel, Leſebuch |. Ab:c-Bücher.
ibel, Nadel, Spange, ſ. Fibula.
ibern (lat.) over Faſern, die fadenförmigen,
" erigen Beftandteile der Gewebe der Tiere und
anzen. 3 den Pflanzen find es die aus Bün-
deln langgeitredter Zellen beſtehenden ſog. Gefäß:
bündel, welde fi bei den verſchiedenen Pflanzen:
gattungen * nach Bau und Richtung in charal⸗
teriftifher Weife unterfheiden. In der Tieranato-
mie bezeichnet man mit F. nur die feinjten Gewebs⸗
elemente der Muskeln (Mustelfibrillen) und ver
Nerven —— ern). Beide beſtehen aus einem
Schlauch (einer Scheide), welcher die jenen Geweben
eigentümliche Subſtanz umſchließt. Die Mustel:
—* enthält die wieder aus mehrerlei zum Teil ge:
ormten Stoffen beitebenve Mustelfubitan;. welche
ih zuſammenzuziehen jähig it und fo die Verfür:
Bons des ganzen ötel3 bewirtt. (S. Nusteln.)
ie Nervenfafer enthält eine —— aus meh⸗
rern Beſtandteilen gemiſchte Subſtanz, welche die
Verbindung des Gehirns und Rucenmarls mit den
Drganen des Körpers beritellt. (S. Nerven.) Dieje
. find ſehr ſchmal (0,009 bis O,s mm), aber unvers
ältnismäßig lang. Die Mustelfajern können fih
durh den ganzen Muslkel erftreden, die Nerven:
fafern faſt ununterbrochen vom Gehirn oder Rüden»
marf bis zu dem betreffenden Organ verlaufen.
42
658
Fiber zibethlous, |. Bijamratte.
Fibich, Zdenlo, czech. Komponift, geb. 21. Dez.
1850 zu Sebotic (Scheborſchitz) bei Kuttenberg,
wurde in 209, Wien, Leipzig, Paris und Mann:
beim (bei Bincenz Lachner) muſilaliſch gebildet, war
1874 in Rußland, 1875—78 zweiter Kapellmeifter
am Prager Yandestheater und hatte 1878—80 die
Leitung des Chors in der ruſſ. Kirche dafelbft. 1899
wurde er zum Opernbramaturgen des böhm. Natio:
naltbeater8 in Prag ernannt. Er ftarb daſelbſt
15. O8. 1900. Unter den jüngern czech. Komponiſten
gut fih F. bemerklich gemacht durch finfoniiche
ichtungen («Dtbello», vs 6; «Lenz», Op. 18), Sin:
fonien, Quartette und Trios jowie durch Lieder,
Chöre, Klavierjtüde («Stimmungen, Cindrüde, Er:
innerungen»), mebrere Opern («Blani», «Braut
von Meifinar, «Heby», «Sarla») und durch Melo-
dramen, namentlih die Trilogie «Hippodamia»,
— 33 Richter, Zdenko F. (Prag 1899).
Fibiger, Job. Henrit Tauber, dän. Dichter, geb.
27. Yan. 1821 zu Nokjöbing auf Falfter, ftudierte
1837—45 Theologie und in jeit 1881 Pfarrer in
Onslev und Estildftrug (Falſter). Bon feinen bibli-
ſchen Leſedramen «Jephtas Datter» (1849), «Jere—
mija» (1850) und «Johannes den Döber» (1857)
iſt — das letztgenannte beachtenswert. Auch
das Trauerſpiel «Kors og kjeerliabed» (1858) zeigt
Talent. In neuerer Zeit fämpft er unter dem Pſeu—
donym Diodoros, unter dem er z. B. den Ge:
dichteyllus «Graabröderen» (1882) veröffentlichte,
gegen die realiftiicdhe Strömung der Voeſie.
Fibonacei (jpr. -nattidhi), Leonardo, aud Leo:
nardo Piſano genannt, ital. Mathematiker, lebte
1180—1250 vorzugämeije in Piſa. J jeinem Wert
aLiber Abaci» (1202), das die Arithmetik und
Algebra der Araber darjtellt, führte er die arab,
Ziffern in Europa ein. Ferner fchrieb er «Liber
uadratorum» (über unbejtimmte Gleihungen und
Sablentheorie), «Practica geometriae» (arithmet.
und geometr. Nufgaben enthaltend), «Flos» (öfung
tubijcher und anderer jpecieller Gleihungen). 3.8
Schriften wurden von Buoncampaani (Nom 1857
—62) berausgegeben. [der Musteln (f. d.).
Fibrillen (lat.), jebr feine Fafern, namentlich die
Fibrin, tieriſcher Sajertoft, le
ftoff, ein Eiweißlorper, welcher fib im Blut (j. d.)
bei der ®erinnung bildet. Man —— das F.
durch heftiges Schlagen oder Quirlen von friſchem
Blut, wobei es ſich in Faſern ausſcheidet, die man
durch Kneten in fließendem Waſſer von ven Blut:
förperden befreit. Es bildet eine zähe, weiße,
faſerige Maſſe, die beim Trocknen hart und ſpröde
wird. In verbünnten Altalien iſt es, nament—
lich beim Erwärmen, unter — von Alklali—
Albuminat, löslich, beim vorſichtigen Neutraliſieren
mit Säuren wird es aus dieſer Loͤſung gefällt; ein
liberihuß von Säuren löft e3 wieder und verwan:
belt ed in Syntonin. Im Magen wird es jebr leicht
verbaut. Starter Alkohol und Erhiken verändern
die Eigenihaften des 5. Aus dem Plasma der
Musteln ſcheidet fih eine ähnliche Subftanz, das
Mustelfibrin oder Myoſin (j.d.), aus. F. ift
bäufig das Ausgangsmaterial für die Darftellung
des Peptons (f. d.). — Als Pilanzenfibrin,
Glutenfibrin over®h ee
man bie —— ich ftanz des Klebers (ſ. d.).
Fibrinogen oder fibrinogene Subſtanz,
ein im flüſſigen Blut —— Eiweißkörper
aus der Gruppe der Globulineſ. d.), welcher bei der
Fiber zibethicus — Fibrovajalftränge
Gerinnung des Blutes durd feine Einwirkung auf
einen in im Blut enthaltenen Eiweihlörver,
die fibrinoplaftifhe Subjtanz (aub Se:
rumglobulin, Baraglobulin genannt), Ver:
anlaſſung zur Bildung des Fibrins, d. b. der Blut:
gerinnung, giebt. (S. Blut.)
ibrinoplajtifche Subftanz, ſ. Fibrinogen.
ibroid, Fibrom, Desmoid oder Faſerge—
ſchwulſt, eine tranthafte Geſchwulſt, welche vor
wiegend aus Fibröjem Gewebe (f. d.) beitebt und an
den verſchiedenſten Stellen des Körpers vorlommen
fann. Am bäufigiten findet man Faſergeſchwülſte
auf der äußern Haut, im Unterbautzellgewebe, an
der nun und in gemifien Körperböblen
(Naſen⸗, Rachen⸗, Kebltopf: und Gebärmutterböble),
auf deren Schleimhaut h mit einem bald fürzern,
bald längern Stiele auffigen und vielfach als Bo:
lypen bezeichnet werben. Sie haben eine bald
weichere, bald härtere Konſiſtenz, eine meiit rund:
lihe Gejtalt und wechſelnde Größe, vom Umfang
eines Stednadelfopfes bis zu dem eines Manns:
lopfes. Bisweilen beftehen die Fibrome nicht aus
einem Faſergewebe, fondern es beteiligen ſich aud
nob andere Gewebe an ihrem Aufbau; in einem
er Falle ſpricht man wohl aud von einem Fi:
rohondröm (Faſerknorpelgeſchwulſt), Fibro:
lipöm (Fajerfettgeibmwulft), Fibrompom (Hafer:
muslelgeſchwulſt), $ibromyröm (Falerjchleimae:
ihmwulit) oder einem Fibrofartöm (Faſerfleiſch—
peihmulft). Das Wachstum der F. ift meift ein febr
angjames; über ihre Urſachen iſt noch wenig be:
fannt. Eelten angeboren, entwideln fie ſich meiit
im mittlern Zebensalter. Sie gebören im allgemei:
nen zu den autartigen Geſchwülſten, doch können
fie auch Anlaß zu langwierigen Blutungen, beftigen
Nervenſchmerzen und andern Beſchwerden geben.
In diefem Falle find fie durch Ausichneiden, Ab—
binden oder Galvanotauitit möglichſt zu entfernen.
Fibroin, der Hauptbeitandteil (66 Proz.) und
eigentliche Faſerſtoff der Seide (ſ. d.), Man ge:
mwinnt ibn, indem man Robjeide dur Auszieben
mit verbünnter Natronlauge vom Seidenleim be:
freit, fie dann auswäſcht und trodnet. Es löft ſich
wie Gellulofe in Kupferoxydammoniakflüſſigleit,
enthält aber Stidjtofl. Seine Zujammenfeßung
entjpricht der Jormel C,H, N50,;-
ibroldum, j. Bd. 17.
ibrolith, Mineral, j. Sillimanit.
ibröm, j. Fibroid und Gebärmutterkrankheiten.
ibröſes Gewebe (Tela fibrosa), ſehnenähn—
liches Gewebe des tieriſchen und menſchlichen Hör:
pers, welches aus dicht ineinander gefilzten, durch
eine fpärliche Kittſubſtanz miteinander verbundenen
Bindegewebäfajern beitebt und den aus ihm gebil:
beten Organen einen hoben Grad von Härte und
Feitigleit verleiht. Das F. ©. kommt im Körper
teild in Form von feiten, runden oder platten
Strängen (alä Sehnen und Bänder), teils in Form
von Häuten oder Röhren von verihiedener Aus:
dehnung und Dide vor, welche andern weichern
Geweben zur Hülle und Begrenzung dienen. So be:
jteben die Knochen: und Anorpelbaut, die Mustel:
und Sehnenſcheiden, die harte Hirnhaut, die Faſer—
baut des Auges und vieler Eingeweide, zum Teil auch
die äußere Haut und die jeröfen Häute, die Gefäß:
wände und Nervenfheiden aus 3. G. (S. Gewebe.)
Gefhmwülite, die vorwiegend aus F. ©. beiteben,
nennt man Faſergeſchwülſte oder Fibroide (ſ. d.).
Fibrovafälitränge, ſ. Gefäßbündel.
Fibula — Fichte (botaniſch)
Fibüla (Fibel), im Altertum eine Nadel, die zwei
Seiten oder Enden eines Gewandes, auf ver Schulter
oder auf der Bruft, zufammenbielt. Sie war jtet3
mit einer Dede oder
einem Bügel ver:
jeben, in deſſen untes
res Ende fi die Na⸗
del (ald Sicherheits:
nadel) wie in eine
offene Nöbreeinlegte.
Bügel und Dede gaben Gelegenheit zu reicher Ber:
zierung in Relief, in Filigran, mit Email, Steinen
u. ſ.w. Das Material war Bronze, Silber, Gold und
R Gifen. Sie war im Gebraud
ſowohl bei den barbariichen
Vollerſchaften, ald auch bei den
Griechen (1. Fa. 1; von Gold
mit Filigran), Römern, Gers
manen (}. dig. 2) und Byzanz
tinern, und Er bei legtern bei:
den Bölterichaften oft jebr groß. Bejonders wichtig
find die Fibeln für die Zeitbeitimmung urgeſchicht⸗
licher unse (S. Tafel: Urgeibidhtelll, Sig. 6
u. 7; IV, Sig. 5eu.d, 16c u. d, 17a, b, c.) — Vgl.
ildebrand in «Antiquarift Zidflriftr, 1872—80;
ischler in «Beiträge für Anthropologie und Urge—
jhichte Bayerns», 1881; Almgren, Studien über
nordeurop. Fibelformen (Stodh. 1897),
Fibüla, das Mapvenbein, f. Bein und Tafel:
Das Stelettdes Menſchen, Fig. 1,49; 2, 40.
Fiby, Heinrih, Mufiter, geb. 15. Mai 1834 in
Wien, jtudierte on dem dortigen Ronfervatorium,
war 1853—57 Solofpieler, Orcheſterdirigent und
Lehrer an der Philharmoniſchen Geſellſchaft in Lai:
bad) und wurde 1857 ſtädtiſcher Mufikvirektor in
Znaim, Als Komponift ift 5. bauptfäclic befannt
dur (zum Teil preisgetrönte) Männerdöre.
Fioaria, |. Ranunculus. —
Ficellieren (frz., ſpr. NR), mit Bindfaden um:
Fiohe (frj., Ibr. rich), Abſted-, Martierpfabl,
Spielmarte, Zablpfennig (verdeutſcht: Fiſch); F.de
consolation (jpr. tongjolakiöng), Entihädigung.
ichel (fpr. füchell), Eugene, franz. Maler, geb.
30. up 1826 in Paris, war Schüler von Delaroce.
Er ftarb 11. Febr. 1895 in Paris. Bon ms minia:
turartigen, jorgfältig ausgeführten Genrebilvern
find zu nennen: Die Kunſtfreunde (1861), Der Wein:
trinter, Ankunft im Gaſthof (1863; im Lurembourg),
Die Münztenner, Die Schachſpieler, Die Thöne Krä:
merin, Die lebte Errungenschaft des Meijterd, Im
Wirtshaus von Ramponneau (1877; im *
bourg), Der Neffe des Pfarrers (1879), Der lepte
Wurf (1882), Kriegsrat (1890), Farniente (1891),
Bredouille (1892).
659
ichetto (ipr.-etto), Lomifche Figur, ſ. Brighella.
ichieren (frz., ſpr. filh-), einrammen, eins
bobren, feitmaden; Fichet (jpr. fiſcheh), Marke,
Steder (im Brettipiel).
Fichte, Name derjenigen Nadelhölzer 6 d.),
die ber Gattung Picea Lk. angehören. E3 find im
ganzen 12 Arten befannt. Die Blüten find ein:
\ bäufig, die männlihen Kätzchen fteben an den vor:
| jäbrigen Zweigen in den Blattahjen und baben
zablreihe mit Längsſpalt fih öffnende Antheren,
die mweibliben ftehen am Ende der
Zmeige, die Zapfen hängen nad ab:
wärts und fallen nad der Reife ab,
wobei die Schuppen fich nicht von der
Achſe ablöfen. Der jtets geflügelte Sa:
men fällt, reif geworden, aus dem fich
öffnenden Zapfen heraus. Linned zäblt
die F. zur großen Gattung Pinus; fpätere Botas
niler gebrauden für die F. aud den Gattungs—
namen Abies.
Die gemeine F. (Picea vulgaris Lk., Pinus ex-
celsa DC., Pinus Abies L., Pinus Picea du Ron) iit
die einzige europ. Art der Gattung Picea. Den Na:
men F. gebraucht man in Norbdeutichland, in Süd:
deutichland heißt der Baum Rottanne oder kurz
Tanne; den Ausprud F. tennt man dort nicht oder
man bezeichnet jogar die gemeine Kiefer (ſ. d.) damit.
Auch die Namen Schwarz: und Pechtanne lom-
men bier und davor. Beinormalem Wachstum wird
die F. ein Baum erjter Größe mit ſchnurgeradem,
30—50 m hohem, nad) oben stark abfälligem Stamm,
poramidal:feneliörmiger Krone und ſehr flacher Be:
mwurzelung. Winde anfänglich glatt, hell rotbraun,
fpäter rot: oder graubraun bis grau, bünnihuppig
abblätternd. Die in Quirle gejtellten lite ſtehen in
der Mitte ver Krone fait rechtwinklig, Die untern ab:
mwärts geneigt. Die Nadeln, 12—17 mm lang und
1 mm breit, am Grunde kurz tielartig verjchmälert,
ftumpf:vierlantig und fpik, glänzend grün, auf
einem kleinen, erbabenen Seite ftebend, in dichte
Spiralen geitellt, an den Zweigen nach allen Ric:
tungen oder nad oben gerichtet abitebend, am
Mipfel feit angedrüdt, bleiben bis zum fiebenten
Jahre lebendig. Die jungen Triebe entwideln ſich
meiit Anfang bis Mitte Mai. Zu derjelben Zeit
blübt aud die F., doch jelbit in freier Stellung jel:
ten vor dem 50. Jahre, im Schlufle erft mit dem
60. bis 80. Jahre. Früheres Blüben ift eine krant-
bafte, dur ungünitige Standorts: oder Witterungs:
verhältniffe bedingte Erſcheinung. Die männliden
Blüten find lanageitielt, 20—27 mm lang, vor dem
Verſtäuben kugelig oder eiförmig, ganz hochrot, nadı
dem Berjtäuben dur den vorgequollenen Kollen
gelb, in reihen Samenjahren (j. d.) oft über die
anze Krone verbreitet, einzeln zwiichen den Nadeln
Rebend. Die weibliben Blüten figen aufrecht an
den Spitzen der vorjährigen Triebe im obern Teile
der Krone, jind 30—40 mm lang, walzig, farminrot.
MWäbrend der Ausbildung des weiblihen Blüten:
ftandes zum Zapfen wendet fich derſelbe nad unten,
fo daß der junge Zapfen ſchon zu der Zeit, wo er
nob grün ausfiebt, bängend geworden ift. Der
* Beten iſt 10—16 cm lang, 20—25 mm ftarl,
walzig:fpindelförmig, braun. Das Ausfliegen des
Samens erfolgt allmählich vom Herbit bis gegen
Ausgang des Winters. Der entleerte Zapfen fällt
im Laufe des nächſten Jahres ab. Man rechnet in
Mittel: und Norddeutſchland alle 6—8 Jabre auf ein
reihlihes Samenjabr, in Sübdeutichland häufiger.
42*
660
Der Samen bält ſich 8- 5 Yahrekeimfähig. Im
rübjabr gefät, läuft der Samen nah 4—5 Wo:
en auf und entwidelt eine Keimpflanze mit 7—9
quirljtändigen, linealen, feingeiägten, bellgrünen
Samenlappen. Im erſten Jahre bildet ſich eine ziem:
lid) lange, tiefgehende Hauptwurzel mit vielen Ne:
benmwurzeln. itere bleibt fpäter zurüd, leßtere
werben vorherrichend und verlaufen horizontal. Da:
ber die für die 5. charalteriſtiſche tellerförmige Be:
wurzelung, die ihr geitattet, auf jehr flahgründigem
Boden zu gedeihen, aber auch den Übelitand hat,
daß fie vom Sturme leicht — wird.
Die Abbildung auf TajelNadelhölzer: Wald:
bäume VL, fig. 1, zeigt die gemeine F. als
Baum, außerdem ı Zweig mit männlidyen Blüten:
täschen, » männliches Käschen, s Zriebipige mit
weiblichen Blütenzapfen, 4 —— Staub⸗
gefäß, 5 reifen Zapfen, 6 Zapfenſchuppe von außen
mit derjebr feinen Dedihuppeam Grunde, 7 Zap en:
ſchuppe von innen mit aufliegendem Samenpaar,
s Samen mit und ohne Flügel und Flügel allein,
» Spige einer Nadel und Querſchnitt derjelben,
ı0 Keimpflanze mit no auffigender Samenſchale,
ıı Galle der ichtenrindenlaus, Chermes abietis
L. (1,5 und ıı find verlleinert,)
Die F. ift im größten Teile Europas heimiſch,
mit Ausnabme der ſüdl. und nörblichiten Gebiete;
fie erjtredt fidh von den Byrenäen bis Dftfibirien
und von den norbital. Alpen bis Lappland. Sie
ft ein gejelliger, waldbildender Baum. Obwohl
ie auch in den Ebenen Polens, Litauens, Dit:
preußens u. f. mw. teild rein, teils gemijcht mit
andern Holzarten umfangreihe Wälder bildet,
—— ihr doch das Gebirgsllima beſonders zuzu⸗
agen. Als urſprunglicher Baum lommt ſie in einem
ser Zeile Norddeutſchlands und im norbiweitl.
Deutſchland nicht vor, ebenjo nicht in den Nieder:
landen, man findet fie bier nur durd die Kultur
eingeführt. a bededt fie die höbern Teile
vieler Gebirge (3. B. Harz, Thüringer Wald, Erz
und Riejengebirge, Böhmer Wald) faſt ganz. In den
Hocdgebirgen bildet fie in Gejellibaft der Krumm:
—— allerdings nur als niedriger, kruppelhafter
aum, die Baumgrenze. Je weiter nad Süden,
deſto mehr wird die F. zum Gebirgsbaum. Im
nördl. Norwegen unter 67° gebt fie 3. B. nicht viel
über 200 m; im Harz (Broden unter 51° 48°) liegt
die Fichtengrenze bei 1000 m, im Riejengebirge
50° 45’) bei 1200, im Böhmer und Bayriſchen
ald (49°) bei 14—1500, in den Wallifer Alpen
bei 2100, in den Pyrenäen bei 13—1600 m. In
den rauben Hochlagen bleibt der Stamm kurz, tief
beajtet, daher ſehr abholzig; nicht felten ſchlagen
bier die auf dem Boden liegenden Aſte Wurzeln,
richten ihre Enden empor und wachſen ——
weiter. Sturm, Schnee und Eisanhang brechen die
Wipfel; aber ſich emporrichtende Seitenäſte bilden
neue Wipfel, jo daß ſich mitunter die ſonderbarſten
Baumformen zeigen.
Ahr nugbarites Alter erreicht die F. im 80. bis
100. Jabre; fie wird in Kulturwäldern überhaupt
wohl jelten über 150 Jahre alt, wäbrend in den Ur:
wäldern 400: und 500jäbrige F. feine Seltenbeit
find. Sie liefert ein vorzüglihes Baus und Nup:
holz, an Brenngüte ftebt fie der Buche weientlich
nah. Während die jungen Beitände große Maſſen
wertvoller Stangen geben, die durchforſtungsweiſe
enußt werben, geben die Altbölzer das beite Bau:
ol;, das beite Material zu Schnitt: und Spalt:
Fichte (botaniſch)
waren (Bretter, Ratten, Gefäße, Schachteln, Spiels
waren, Zündhöljchen ni w.). Sehr lange und
ftarfe F. werden zu Maitbäumen benugt und
teuer bezablt. Die aitlos erwachſenen alten F.
der Urwaldungen in den Gebirgen liefern die Ne
ſonanzhölzer für die Inſtrumentenmacher (beveu-
tender Handelsartitel z.B. im Böhmer Wald). In
ausgedehnteiter Weife(in Deutichland jährlich einige
en eitmeter) wird Fichtenholz zur Her:
tellung von Holzitoff und Celluloſe für die ier:
fabrilation benugt; namentlich wird auch aus Fich⸗
tenholz Holzwolle (j. d.) gefertigt. Die Fichtenrinde
benugt man als Surrogat für Eichenrinde beim
Gerben. Aus Fichtenharz (f. d. und Harznugung)
— man das gemeine gelbe Pech. Aus der
Rinde alter F. ig nicht jelten golpgelbes Harz
bervor, dad, an der Yuft erhärtet, dunlel wird; die
reinen, blaßgelben Stüde tommen unter dem Na»
men gemeiner Weibraud in den Handel und werben
u Salben und Pflajtern benust. Die Nadeln ber
E verwendet man mit zur Bereitung von «Wald:
wolle» und zu ftärtenden Bädern. Lebteres ae
ſchieht namentlich mit den jungen Maitrieben. Mit
dem Blütenjtaube verfälibt man nicht felten den
Bärlappjamen (Semen Lycopodii) der Apotbeter.
Die ganz junge, nod ziemlich weihe Maſſe des
— Splintringes wird in Schweden und Lapp⸗
and friſch geaeiien, und in Zeiten der Not wirb
die innere Rinde, mit Getreidemehl vermifcht, zu
Brot verbaden. Aus dem dur Abſchaben der Cams
biumſchicht je im Mai und Juni gefällter F. ge
mwonnenen Robjaft bereitet man das Vanillin.
Die vielfeitige Nupbarleit des Holzes der 5. hat
diefem Baum im 19. Jahrh. die bejondere Aufmerk⸗
—— der Forſtwirte zugewendet. Ausgedehnte,
rüber mit der wenig nugbaren Buche beftodte Fla—
an ie in neuerer Zeit mit F. bepflanzt worden.
Durd Saat, namentlich durch Pflanzung, verjüngt
man die F. meiſt ohne große Schwierigteit, wes⸗
balb man obne Bedenten Kablbiebe führen kann,
wie Harz, Erzgebirge, Thüringer Wald u. j. w. be
weiſen. In Süpdeutichland, zum Teil aud in Oſter⸗
reih wendet man bäufig Femelſchlagbetrieb (f. d.)
an. Die F. iit während ihres Yebens vielen Ge
fahren ausgeſetzt, dur Sturm, Schnee, Froſt und
Hiße ſowie dur Inſelten und andere Tiere. Bor:
tentäfer(Tomicus —* hus L.[j. —— Schähd⸗
liche Forſtinſelten J, Fin. 9, beim Artikel Forſt⸗
infelten] und Berwanbte) und der Nonnenſchmetter⸗
lin Krg monacha L., ſ. Taf. I, fig. 1) haben
oft on Millionen von Stämmen getötet, der große
braune Rüfjeltäfer (Hylobius abietis 2% Taf. L,
Br . 4) vernichtet alljährlih Taufende von jungen
J—— (S. Forftinfelten.) Das Rotwild ſchält
gern die Stämme jüngerer F. ———— und
wird dadurch ſehr ſchädlich. Eine naht —
tiſcher Pilze verurſacht Krankheiten der n, der
Rinde und des Holzes, jo Agaricus melleus Vahl.
(j. Erbfrebs), Trametes radiciperda R. Hart. und
pini Fr.,Hysterium macrosporum R. Hart. (f. Fich⸗
tenrienfchorf), Chrysomyxa abietis Ung. (ſ. -
somyxa) u. |. m. ;
Die Y' it jebr formenreih. Nad den Sapfen
unterſcheidet man die erythrocarpa mit roten, Hein:
ihuppigen von der chlorocarpa mit grünen, groß:
ſchuppigen Zapfen, obgleich rote und grüne Zapfen
auf einem Baum gefunden werden. Als eigent:
lihe Varietäten find unter andern zu betrachten:
Schlangenfichte (Picea virgata Jaques) mit me
Fichte (Imman. Herm. von) — Fichte (Joh. Gottlieb)
nig oder gar nicht verzweigten Quirläften, Hänger |
fire (Picea pendula Carr.) mit lang berabbängen»
den Aſten 2. und 3. Ordnung (bierber gehört aud) die
ſchwed. Picea viminalis Alstr.), Schwarzfichte
mit dunkeln Nadeln, etwas dunklerm und feiterm
Holze, ftraffen Uſten, die erſt 8—14 Tage jpäter
ihre MWinterfnofpen öffnet, daber weniger von
Spätfröften leidet als die jog. Weißfichte mit
leichterer Benadelung, jchlaffern Aſten und wei—
cherm, weißerm Holze. An den Alpen wird die
aud im Böhmer Wald vorlommende fog. Haſel—
Kar auch Weißfichte genannt, fie zeigt wellens
Örmigen Verlauf der Jahresringe und ift daber
auf Radial: und Sebnenjhnitt geflammt. Andere
Barietäten find die Rarpatenficte (carpathica
Loudon), ſibixiſche F. (obovata Ledeb., altaica
Teplouchow). Diefe und andere Varietäten werben
in Gärten nicht jelten als befondere Arten ange:
flanzt. Bon frembländifchen Arten der Gattung
icea find hauptfächlich zu nennen: f ** F.
(Picea nigra Lk., Mariana Mill.), ein ſchͤner Baum
mit fegelförmiger Krone, dunfelgrünen dicht fteben:
den Nadeln und Heinen Zapfen, beimifch in Nordame⸗
rila, ſudlich bis Norbcarolina; rote F. (Picea rubra
Lk., americana Gaertn.), unferer F. ſehr —*
unterſcheidet ſich von ihr durch die an der Oberſeite
mebr oder weniger blaugrünen Nadeln, erreicht auch
nie die Höhe der gemeinen F. heimisch wohl nur im
engl. Nordamerifa; weiße De (Picea alba Mich.,
laxa Ehrh.) mit graugrünen, biöweilen blaugrünen,
nicht ſehr dicht Kaeten Nadeln, beimifch in den
Vereinigten Staaten und im engl. Nordamerila.
Namentlich nigra und alba findet man 2 in Gär⸗
ten angepflanzt, ebenfo die aus Kleinaſien ftam:
mende morgenländijche F. (Picea orientalis L.),
vie ſich durch jehr dicht geitellte furze dunkle Be
nabelung auszeichnet; jeltener findet man die im
norbdeutichen Klima durch harte Winter leidende
Smiths Fichte (Picea Smithiana Wall.), die in
ihrer Heimat, dem Himalajagebirge, zu einem fchd-
nen, jhlanten Baum mit etwas überhängenden ljten
erwächſt. — Vol. Schröter, liber die Vielgeftaltig-
feit der F. (Zür. 1898).
te, Imman. Herm. von, Bhilofopb, Sohn von
Job. Gottlieb F. geb. 18. Juli 1796 zu Jena, ftudierte
in Berlin {a ologie, widmete Fe jedoch, angeregt
durch die jpätere Philofophie feines Vaters, auch
pbilof. Studien, die er fortſetzte, als er erft in Saar:
brüden, dann ala Gymnaftalprofefjor in Düffeldorf
im Schulfadhe thätig war. 1835 wurde er auferorb.,
1839 ord. Profeſſor der Philofophie in Bonn, 1842
in Tübingen; 1863 zog er fich ins Privatleben nad
Stuttgart zurüd, wo er 8. Aug. 1879 ſtarb. F
—* den idealiſtiſchen Monismus mit dem realiſti⸗
hen Individualismus (Hegel und Herbart) zu einem
«etbiichen Theiamus» zu verfchmelzen, indem er die
endliche Welt für ein Syftem von beharrlichen, ins
nerlich aufeinander bezogenen «Realen» (Monaden,
Urpofitionen) erflärt, dieje ordnenden Beziehungen
aber aus einem «zwedjeßenden Princip», ald «abſo⸗
lute Berjönlichfeit» gedacht, abzuleiten fucht, jo daß
bie einzelnen Seelen, wie fie theoretiſch die Kraft
ihres Bewußtfeind nur aus dem göttlichen Urbe:
mwußtiein zieben, fo auch in ibrem praftifchen Ver:
alten den Grund der fie verfnüpfenden Liebe nur
in der —— Liebe haben. F.s Lehre bildet den
Verſuch, die Leibnizſche Metaphyſil mit der ethiſchen
Zeleologie der nachlantiſchen Philoſophie zu vers
einigen. Abgeſehen von Gelegenheitsſchriften und
66]
zahlreichen Abhandlungen in der von ihm feit 1837
erauögegebenen «geitjhrift für Philoſophie und
pefulative Theologie» (Bonn und Tüb. 1837—46,
ortgeſetzt ald «Zeitſchrift für Pbilofopbie und
pbilof. Kritils in Verbindung mit Ulrici und Wirth,
Halle 1847 fg.), find feine bilof. Schriften: «Säße
zur Vorſchule der Theologie» (Stuttg. 1826), «Bei:
träge zur Charafteriftit der neuern Nhilofophie
(Sulzb. 1829; 2. Aufl., ebd. 1841), «Grundzüge zum
Syſtem der Vhilofopbie», Abteil. 1: «Das Erlennen
als Selbiterfennen» (Heidelb. 1833), «Religion und
Philoſophie in ihrem ge, le Verhältnis» (ebd.
1834), «Die Idee der PBerjönlichleit und der indis
vibuellen Fortvauer» (Elberf. 1834; 2. Aufl., Lpz.
1856), «fiber die —— eines ſpekulativen
Zheismus» (Elberf. 1835), «Grundzüge zum Syſtem
der ——— Abteil. 2: aOntologie⸗ (Heidelb.
1836) und Abteil. 3: «Die ee Theologie»
(ebd. 1846), «Spftem der Ethil» (2 Bde. in 3 Tin.,
2p3.1850—53), «Anthropologien (ebd. 1856; 3. Aufl.
1876), Bien wre (2 Zie., ebd. 1864 u. 1873),
«Die Seelenfortdauer und die MWeltjtellung des
Menihen» (ebd. 1867), «Vermifchte Schriften —
Philoſophie, Theologie und Ethile (2 Bde., ebd.
1869), «Die theiſtiſche Weltanſicht und ihre Berech⸗
tigung» (ebd. 1873), aFragen und Bedenlen über die
nachſte Fortbildung deuticher Spekulation» (ebd.
1876), «Der neuere Spiritualismus, fein Wert und
feine Täufhungen» (ebd. 1878), «Spiritualiftifche
Memorabilien» (in den «Pſychol. Studien», eb.
eg * Walie Philoſoph, geb. 19. Mai
e, Job. Gottlie ilofopb, geb. 19. Mai
1762 zu Rammenau bei Bifhofwerha in ber Ober:
laufig, beſuchte Schulpforta und ftudierte zu Jena
und Leipzig Theologie. Er war 1788—%0 Haus:
lehrer in —* ‚wo er Peſtalozzis Freund war,
fam dann nad Leipzig und 1792 na Königsberg,
wo er Kant —— nahe trat und ihm einen «Ver⸗
ſuch einer Kritik aller Offenbarung» unterbreitete,
der (Königsb. 1792) anonym erſchien und für eine
Schrift Kants gi wurbe. Died zog die Auf-
merkſamkeit auf ihn und verſchaffte ihm 1798 eine
Profeſſur ver Philoſophie in Jena. Seine außer
orbentlich anregende Wirkſamleit unterbrach der jog.
«Atheismusftreitv, Wegen eines Aufiages «Liber
den Grund unjerd Glaubens an eine göttliche Welt:
regierung» von dem kurfürftlich ſächſ. Ronfiftorium
atbeiftifher Lehren beihulbigt, wurde er in eine
Unterfuhung vermwidelt, die bei der aufgeflärten
meimar. Regierung kleine nadteiligen Folgen
Be ihn gehabt haben würde, wenn er nicht mit
ieberlegung feiner Stelle gedroht hätte, worauf
er 1799 — tlaſſung erhielt.
verteidigte ſich
in der « Verantwortungsſchrift gegen die Anklage
bes Atheismus» (Jena und Lpz. 1799), lebte eine
geit lang in Berlin und wurde 1805 Profeſſor in
angen, mit der Erlaubnis, den Winter in Berlin
—— Wahrend des Franzoſiſch⸗Preußiſchen
* ging er nach Königsberg, wo er kurze Zeit
Borlefungen hielt; nad dem Frieden aber kehrte er
nab Berlin zurüd und wurde 1809 bei der neu
errichteten Univerfität als Profefjor angeftellt. In
dem von Franzoſen bejegten Berlin trat F. 1808
als furchtlofer Batriot auf und bielt feine «Reden
an die deutfche Nation» (Berl. 1808; Tüb. 1859;
Cp3. 1871; aud in Reclams «Univerjalbibliothelr,,
die in ihrer feurigen, aus inniger —— her⸗
————— edſamkeit ein Denkmal der edel:
ften Gefinnung find. Ebenſo bielt er 1813 Vor:
662
lefungen über ven Beariff des wabrhaften Krieges,
die erſt nach feinem Tode erſchienen (Tüb. 1815).
In bingebender Thätigleit fr die große Bewe—
gung der Freibeitslriege erlag er dem Hoſpital—
neber 27. Jan. 1814. :
In 5.8 wiſſenſchaftlichen Leiſtungen find zwei
Berioden zu unterjcheiden, von denen die erjte noch
in das 18. Jahrh. fällt. Die wichtigsten der ibr
angebörigen Schriften find: «fiber den Begriff der
Milfenfbaftslebre» (Meim. 1794; 2. Aufl. 1798),
—— der geſamten Wiffenihaftslebrer (Jena
1794; 2. Aufl. 1802), «Grundriß des Cigentüm:
lichen der Willenichaftslchre» (ebd. 1795; 2. Aufl.
1802), «Borlefungen über bie Beitimmung des
Gelebrten» (ebd. 1794; neu ba. in Reclams «Uni:
verfalbibliotbel»), «Grundlage des Naturrehts»
(2 Bde., ebd. 1796— 97), «Einleitung in die Willen:
\haftölebrer, «Spftem der Sittenlebre» (ebd. 1798).
er philoſ. Standpunft 5.8 ift bier dur die Auf:
gabe bejtimmt, die tbeoretifche und praktiſche Philo:
ſophie Kants einbeitlich zu begründen. So wird das
reine (nicht individuelle) Sch zum verbindenden Prin⸗
cip beider Richtungen, und in der Daritellung der
urfprüngliden und notwendigen Thathandlungen
des Ichs re die «Wiſſenſchaftslehre». Das
Sittengeje hat bei F. die Form: «Handle nad deiner
Beitimmung!», d. h. dem reinen Ich gemäß, vr
Wefen freie, unenblihe Thätigleit ift. Die Be:
dingungen der Individualität find die Rechte. Der
Staat iſt die Den ———— zuſichernde Ber:
nunft. Dies wird in dem «Geſchloſſenen Handels:
itaat» (Tüb. 1800; neu bg. in Reclams «llniverfal:
bibliotbef») faſt utopifch durchgeführt.
In der jpätern Auffafjung tft bei F. an die Stelle
des Ich, des Syſtems von notwendigen Vernunft:
bandlungen, das «abjolute Sein» der Gottbeit ge:
treten, deſſen ewiges Leben fih in dem fittlichen
Handeln freier Subjelte offenbart, während früber
die moraliibe MWeltorbnung die Stelle Gottes in
dem Spitem vertrat. F.s Lehre bat aljo religions:
pbiloj. Charakter angenommen. Inſofern ift jedoch
aud bier die Anjicht vom Brimat der praftifchen
über die tbeoretifche Vernunft Klon, als das
Wiſſen oder Schauen dieſes göttlihen Seins und
Vebens nur die unentbehrlihe Grundlage bilden
ſoll, auf der ſich das fittlich:religidfe Leben der
Individuen zu entwideln vermag. An populärer
Faſſung erſchien die jpätere Theorie angedeutet
ereitö in der « Beitimmung des Menfhen» (Berl.
1800; neu bg. in Reclams «Univerfalbibliotbet»),
vollendet und Mar in der «Anweiſung zum feligen
Leben, -oder Religionslehre» (ebd. 1806; 2, Aufl.
1828); in jtrengerer Form entbalten fie die im
Minter 1810 — 11 — Vorleſungen über
«Die Thalſachen des Bewußtieins» (Stuttg. und
Züb. 1817), wie auch frübere und fpätere Vorträge
desjelben Inhalts in den «Nachaelafjenen Werten»
(ba. von N. 9. Fichte, 3 Bde., Bonn 1834— 35),
morin zugleich eine «jpefulative Logils und eine um:
gearbeitete Rechts- und Sittenlebre enthalten ift,
ſowie auch die Heine Schrift «Die Wiſſenſchafts—
lehre in ibrem allgemeinen Umrifje» (Berl. 1810).
Bemerkenswert find auch noch die aus feinem Nadı:
laſſe herausgegebenen, 1813 aebaltenen Vorträge
über «Die Staatälebre, oder über das Verhältnis
des Urſtaats zum Vernunftreiche» (ebd, 1820).
Die Wirkung der F.ſchen Vhilofonbie ift eine fehr
ausgedebnte gewefen. Nicht nur wurde die ganze
Entwidlung der Scellingiben Naturpbilofonhte
Fichtelberg — Fichtelgebirge
und der Hegelſchen Fpentitätälebre von den Grund»
jagen der erjten Periode getragen, — ondern auch die
ichtung der Herbartſchen Spelulation weſentlich
von ihnen beſtimmt. Erſt in weit ſpäterer Zeit be:
— bie Anſichten der zweiten Periode ftarten
influß auszuüben auf eine Reihe von jüngern
Spftemen der Ethil und te J.
2 ichte, Weihe, Chalybäus, Wirth, Ulrici, Carriere,
. Pb. Fiſcher, Leop. Schmid, Notbe u. a.). «F.$
ſämtliche Werte» (8 Bde. Berl. 1845—46) wurden
von feinem Sobne J. H. Fichte, «Lichtitrahlen aus
feinen Werten und Briefen» (pr. 1863) von jei:
nem Enlkel Eduard von Fichte berauögegeben. —
Bol. beſonders 3.8 Leben und litterar. Briefmechiel
us von J. H. Fichte, 2 Bde., Sulzb. 1830—31;
2. Aufl., Wpz. 1862); Buſſe, 3. und feine Beziebung
zur Gegenwart deö deutſchen Volls (2 Boe,, Halle
1848— 49); Löwe, Die Philofophie 3.8 (Stuttg.
1862); Noad, I. ©. 5. nach feinem Leben, er
und Wirken (Lpz. 1862); Zimmer, J. ©. F ir
rar hei (Berl. 1878); Schneider, I. ®. 5.
als Eocialpolititer (Halle 1894); N. Fiiher, 3.8
Leben, Werte und Lebre (3. Aufl., Heidelb. 1900);
9. Lindau, F. und der neuere Socialismus (Berl.
1900); Weber, 5.3 Socialismus und fein Verbält:
nis zur Marrichen Doltrin (Tüb. 1900). ;
Fichtelberg, vorderer F., zum Unterſchied
von dem etwas niebrigern bintern F., der hochſte
Punkt des Königreihs Sachſen und nad dem Keil⸗
berg (if. * der höchſte des Erzgebirges, bei Ober:
wieſenthal in der Fe ma Erin
1213 m hoch, beſteht aus Glimmerjbiefer. Das
vom Erzgebirgsverein 1899 errichtete Berghaus tft
au im Winter geöfinet. F. ift aud ber vollätüm-
lihe Name für das Fichtelgebirge (ſ. d.).
Fichtelberger Gläfer, dieim 16. und 17. Yabrb.
im Fichtelgebirge angefertigten Humpen, Trinl⸗
gläjerundflaicen;
auf ihnen finden
fih in bunten
Emailfarben Map:
pen, zumal das
deutfbe Reiche:
wappen,Raifer und
Kurfürften,Apoftel,
— bür⸗
gerliche Figuren,
Handwerksembleme
und ſonſt Verſchie⸗
denes dargeſtellt.
Häufig iſt aufihnen
der Ochſenlopf, als
der Hauptberg des
Sichtelgebirges, mit
den vier ale,
welche an ibm ent:
fpringen, rob und
unbebolfenabgebil:
det. Die bejlern
und ältern Genen:
ftände, namentlich
die Humpen mit 5
den Kurfürjten und dem Reichswappen, find ſehr
geſucht (f. beiftebende Figur).
Fichtelgebirge (lat. Mons pinifer), eins ver bes
deutendern Sebirge Deutihlands im bayr. Reg.:Ber.
Oberfranten (f. Karte: Bayern I), das Centrum
der deutjchen Mittelgebirge, von dem aus Franlen⸗
und Thüringer Wald nach RW., Böhmer Wald nab
Ä @lt IR e
Fichtelgebirgsbahn — Fichtenglude
SD., Eliter: und Erzgebirge nach NO. und Fränkiſcher
Jura nah SW. wire Es ift zugleich eine Haupt:
waſſerſcheide; bier finden fich die Anfänge von vier
Tbaljentungen, die ihre Wafjer nad) vier Himmels:
egenden den drei größten Strömen Deutſchlands:
Nhein, Donau und Elbe, zuführen. Drei diejer
Fluſſe entjpringen auf dem Bergjtod des Schnee
berged: die Eger, der Weiße Main, der durch den
Rhein, wie bie (ger durch die Elbe der Norbjee
—— aſſer zuführt, und die zur Donau eilende
Naab, welche ſonach dem Schwarzen Meere tributär
ift; der vierte Fluß, die Thüringer Saale, entjpringt
nur 7 km meiter nördlich. Im NW. von dem
—— im NO. von der Hochfläche des
Vogtlandes begrenzt, nah SW. ſteil zum Hügel:
(ande Oberfrantens abfallend und im SD. durch die
Naab:Wondrebebene vom Böhmer Wald getrennt,
ftellt fih das Gebirge als plateauartige Majjen:
erbebung dar, die etiva 990 qkm bebedt und weit
mebr das Anfehen eines Berges als eines Gebirges
at, weshalb ed von den Anwohnern aud nur
Fichtelberg genannt wird, defjen lafien ſich
drei Teile unteriheiden, eine Gentralgruppe und
— äußere Bergfetten. Die erſtere, der innere
ern, aus Granit, Gneis und Glimmerſchiefer be:
febenb, erreicht ihre größte Höhe im granitiichen
neeberge (1051 m) und in dem füplichern
Ochſenkopf (1023 m). Zu diefer Gruppe gehören
erner: der Nußhardt (972 m), ne (970 m),
latte (820 m), Zotentopf, Hobe Mätze (831 m)
und die Köflein (942 m). Sie fällt in teilen Ab:
lägen gegen W. und ©. zur Bayreuther Bergfläce,
weniger Beil nah D. gegen Weißenſtadt und Wun-
Br ab. An fie ſchließt fh im N. die Walpjteiner
erglette mit dem Großen Walpjtein (878 m), dem
Eppregtitein (817 m), Kornberg (830 m), Selber:
forjte und Hengjtberg (668 m); auf der Sübjeite
die Weißenjteiner Höhenreihe mit dem Steinwald
(940 m), Plößberg (618 a dem Reichs⸗ und dem
Koblwald an, die im ©. raſch zur Oberpfalz abfällt;
beide enden an der böhm. Grenze. SH dieſen
Ketten breitet ſich eine wellenformige Fläche, bie
innere Bergebene (etwa 550 m) des 75. aus. Zwi—
ſchen dem Schneeberg und dem Dchjentopf ift die
tiefe Schlucht der Seelobe, welche den Fichtelſee
enthält, ein 779 m bod — To or, aus
welchem Main und Fichtelnaab Waſſer empfangen.
Aus den flachen Hochebenen im ©. und SM. er:
beben fi viele einzeln ftehende Bafaltlegel. Die
Gipfel bilden dagegen runde Kuppen, teil mit
mächtigen Felstrümmern überjhüttet, teils ftart
mit Fichten und anderm Nadelholz bewalvet, oft
aber aud bis auf ihre Spigen angebaut.
Das ganze Gebirgsland ift jtart bewohnt (etwa
50 €, auf 1 qkm). In dem böbern Teile, mit
raubem Gebirgäflima, viel Nebel, Schnee und Reif,
gedeihen nur ſpärlich Hafer, Kartoffeln, Flachs
und Futterfräuter; dagegen giebt eö Holz im liber:
Muß, ebenjo Heidel-, Preißel- und Wacholder—
oeeren, melde in großer Menge ausgeführt wer:
den, jowie Eijen, Bitriol, Schwefel, Kupfer, Blei
und viele Arten von Marmor, in einigen Gewäjjern
Verlmufheln, namentlih im Weißen Main und
einigen Seitenbäcen der Saale, Der früber jebr
lebhafte Betrieb der Gifenerzgruben und Hütten:
mwerfe, —— der mit Holzlohle arbeitenden
Hodhödfen iſt jebr zurüdgegangen, dagegen beſchäf—
tigen Spinnerei und Weberei, Anopfe, Glas: und
Borzellanfabrifation (beſonders in Selb) jomwie
663
Steinjchleiferei eine große Anzahl Menſchen. Sebr
entwidelt tft die Baummollinduftrie zumal am
Rande des Gebirges (Hof, Bayreutb). Berühmt
find die Granite, die vortrefflihe Politur geftatten
und zu Prahtbauten weithin verfendet werden.
Holz: und Bretterhandel ift lebhaft, auc die Holz»
—— gewinnt an Bedeutung. — An großen
Straßen führen unter andern über das F. die von
Hof über Wunſiedel nah Amberg und die von Eger
über Weißenſtadt nah Bayreuth. Es wird von
bayr. Staatsbahnlinien umſchloſſen, deren Haupt:
Inotenpuntte Hof, Bayreuth, Weiden und Eger find;
mitten bindurd ae die Linien Hof-Wiejau von
N. nah S. und Bayreuth-Gger von W. nad D., die
fih in Markt-Redwitz freuen; ferner führen von
vier Seiten Nebenbabnen an die Gentralgruppe
beran (NeuforgFichtelbera, Kirchenlamitz⸗Weißen⸗
jtabt, Neuenmarkt-Biſchofsgrun, Bayreuth: War:
menjteinad). Intereſſante Bunte find Alexanders⸗
bad (f. d.) bei Wunſiedel, Berned N db.) und das
Sandjteinlabyrinth der —— (. d.). Für die
Hebung des Touriſtenverlehrs im F. iſt der Fich⸗
————————— (Sig in Wunſiedel) thätig. —
Bol. Münnich, Das 5. (Dresp. 1859); Zapf, Der
Sagentreis des F. (Münchberg 1874); derj., Fichtel⸗
ebirgsalbum. Natur:, Kultur: und Geſchichtsbilder
Hof 1892); Gümbel, Geognoſt. Beichreibung des F.
(mit Atlas, Gotha 1879); Eifenbah, Der Führer
im 5. (6. Aufl, Fig 1890); Schmidt, Fuhrer
durch das F. (2. Aufl., ebd. 1899); Nuchter, Das
B in feiner Bedeutung für den mitteleurop. Ver:
ehr (Lpz. — Griebens —— Das F.
12. Aufl., Berl. 1900); Mayenberg und Müller,
leiner Wegmweijer ee das 5 und den Franken⸗
wald (4. — Hof 1901); Pfeiffer, Speciallarte des
3. 1:50000 (6. Aufl. Wunſiedel 1891); Specialtarte
des F. ausgeführt vom Topographiſchen Bureau des
töniglich bayr. Generalftabs 1: 50000 (ebv. 1898);
Specialtarte des FF. 1:50000 (ebd. 1899).
Fichtelgebirgäbahn, bayr. Staatseifenbahn
von Nürnberg nah Oberlogau, mit Zmeigbahnen
202 km lang (1877—79 eröffnet).
ichtelfee, ſ. Fichtelgebirge.
ichtenbaſtkäfer (Hylastes cunicularis Knoch),
ein den Aa ſchädlicher häufiger Bajtläfer (f. d.
und Foritinjeten), von ſchwarzer, feltener bräun:
licher Färbung, mit dicht punktiertem, fait fo breitem
als langem Halsſchild, —4,5 mm lang.
chtenborfenfäfer, ſ. Forſtinſelten nebit
Taf. I, Fig. 9.
ichtenenle, Förleule oder Kieferneule
(Trachea piniperda Panz.; |. Tafel: Schädliche
Forftinfelten UL, Fig. 3, beim BERN DaB
ten), ein zu den Eulen (ſ. d.) geböriger Schnictter:
ling (30—35 mm) mit gelbrot und grauen Ober:
flüneln. Die grüne, mit drei weißen oder gelben
zuapen und einem orange Seitenjtreifen ge:
zierte Raupe (Fichten: oder Kiefernraupe) it
ein gefürdteter Nadelholzverwüſter. Sie bohrt ſich
ganz in die Maitriebe der Kiefern und ‚sichten ein
und frißt fpäter die alten Nadeln vollitänvig ab.
Zur Vertilgung der unter Moos überwinternden
duntelbraunen Puppen batman mit Eriolg Schweine
in die befallenen Forſten eingetrieben.
Fichtengimpel, joviel wie Halengimpel (ſ. d.
und Gimpel).
ee: der Kiefernipinner (f. d. nebſt
Tafel: Schädliche Joritinjelten U, Fig. 2a—e,
beim Artilel Foritinielten).
664
Fichtenharz, Sammelname für Harze ver:
fhiedener Navdelhölzer. Die weitfranz. Seeſtrands⸗
tiefer, Pinus pinaster Sol., liefert, wenn das
aus ihrem Stamm auäfließende balſamiſche Harz
durch Verdunſten des ätheriſchen Ols eintrodnet,
eine gelbliche, in der Hand knetbare, nah Ter
pentin riehende Maſſe, das Galipot des Hans
dels (Resina pini Galipot, Thus), Wird der aus
der Seeſtrandskiefer ausfließende Terpentin friſch
der Deitillation unterworfen, jo bleibt ein Rüd»
ftand von %., welches jpröber als Galipot ift,
elb bis bräunlic ausfieht, undurdfichtig infolge
Fines Gehalts an Waſſer und ätherifchem OL ift und
unter dem Namen Trek apa rar gelodhter
Terpentin, Weißpech, raffiniertes Harz
(Resina pini raffinata) Handeläproduft ift. Das
leihe Prodult liefern in andern Gegenben (Hin:
and, Oſterreich) die Fichte, Picea vulgaris Link,
und wohl aud noch andere Nadelböl er, deren Harz
man vom größten Teil bes ätberifchen Ols und
des Waſſers befreit und durch Stroh durchſeiht.
Entfernt man durd) längeres Erhitzen alles Wafler
und Zerpentinöl aus dem Burgunderbarz, jo ver:
bleibt als Rüditand Kolophonium (f. d.), Gei:
— furzweg Harz im Handel genannt,
und heutzutage beinabe ausschließlich bei der Ter:
pentinölgewinnung in Norbamerifa aus Pinus
australis Mich. und Pinus taeda L., zwei Fichten:
arten der Küſtenlandſchaften Carolina, gewonnen.
Die F. enthalten verſchiedene organifhe Säuren,
von denen die Bimarfäure, C,H, 0, (Schmelzpuntt
211° im Galipot und Borbeaur:Ktolophonium),
und die Abietinfäure, C,,H,,0, (Schmelzpunft
154° in amerit. ee] genauer identifi-
iert find. Die F., beſonders das Kolophonium,
Finden Verwendung zur Firnis⸗, Seifen:, Siegel:
ad:, Harzöl-, Bed: und agenfhmierfabritation;
die altaliiche Lölunga, durch Alaun ee ift der
Harzleim der Vapierfabrilanten; auf der Erzeu:
gung von Reibung beruht die Verwendung für die
iemen der Treibmafchinen und für die Haare der
Geigenbogen; medizinifh dient F. als Zuſatz zu
Pflaſtern. Wichtiger Handelsplag für 3. ift Ham-
burg, welches 1900: 396469 Doppelcentner Kolo⸗
pbonium im Werte von 3918440 M. von Nord:
amerifa und 37932 Doppelcentner Galipot und
Burgunderbars im Werte von 594990 M. von
antreich inführte, Die Verpadung geſchieht in
jiern zu 150—800 kg Inhalt.
ichteninfel, Inſel im SD. von Neucaledo:
nien, |. Pins (Ile des); Antille, |. Pinos (Isla de).
ichtenfrenzfchnabel, — euzſchnabel und
Tafel: Mitteleuropäifhe Singvögel I,
Fig. 4, beim Artilel Singvögel.
Sichtennabeläther, ein früber dur Deitilla-
tion von Fichtennadeln mit Weingeift, jebt durch
Miſchung von Fichtennadelöl (f. d.) mit Spiritus
— * tes Produkt, Meiſt werben noch eine Ans
zabl anderer ätherifcher Öle zur Berbeflerung des Ge:
ruchs hinzugefügt. Eine geeignete Vorſchrift dazu
it folgende: 80,0 g Fichtennadelöl, 10,0 g Wacholder:
beeröl, 5,0 & franz. Nosmarinöl, 3,0 g Zavendelöl
und 2,0 g Eitronenöl werden in 900,0 g Weingeift
von 90 Proz. gelöft und die Miſchung Ältriert.
ichtennadelbäder, j. Bad.
ichtennadelegtraft, Latſchenkieferner—
tratt (Extractum pini foliorum), der durch Aus:
toben der Fichtennadeln und Eindichten des Aus:
zugs gewonnene Ertralt. Hierbei wird die Dar:
Fichtenharz — Fichtner (Karl Albrecht)
ftellung des F. mit der des Fichtennadelöls (f. d.)
verbunden. dient als Zujag zu Bädern.
Fichtennadelöl, Kiefernadelöl, Wald»
wolLlöl (Oleum pini foliorum), ein durch Dampj:
deitillation von Fichtennadeln erhaltenes ätheri-
ihes Ol, das dem Zerpentinöl nahe verwandt,
wenn nicht damit identisch ift. Dem F. wird Heils
kraft zugefchrieben; es ift jedoch nicht offizinell.
ichtennabelroft, |. Chrysomyxa.
ichtennabelröte, ſ. Fichtenrigenihorf.
ichtenraupe, f. Fichteneu
ichtenrinde, nad der Eichenlobe das Haupt:
gerbematerial, bejonder in ben Gebirgägegen:
den von Deutihland und Öfterreih. Sie wird zum
Gerben mit Spiegelrinde oder Anoppern u. ſ. w. ver:
miſcht. Zu ihrer Gewinnung werden in den sichten:
bohmwaldungen die Mittel: und Heinen Baubölzer
ofort nad) dem Fällen geimält Gute F. ift u der
—* gelblich bis bräunlich und glatt, auf der
ußenſeite rotbraun und mit dunner, feinſchuppiger
Borle verſehen. Der ae ſchwanlt je nad
Alter, Lage und Standort zwiſchen 2,5—14 Proz.
Am gerbitoffreichiten (&—10 Proz.) find die Rinden
von 30: bis 6Ojährigen Bäumen. i Zeile
Fichtenlobe erjegen einen Teil Eichenlobe.
an gungen ai ein parafitiicher Pilz (Hys-
terium macrosporum R. Hart.), der die jog. Sich:
tennadelröte over Fichtenſchütte erzeugt. Die
Nadeln der vorjährigen Triebe werden krank, bräun-
fih und fallen ab. Namentlich in neuerer Zeit bat
8 dieſe —— in Deutſchland ſehr verbreitet.
m empfindlichſten ſcheinen die Fichten im Alter von
10 bis etwa 40 X. befallen gu werden. Eine ahnliche
Krankheit, die Schütte (ſ. d.), verurfacht der Kiefern
rihenſchorf (Ü.d.). |, [somyxa.
ichtenrojt, joviel wie Fichtennadelroit, |. Chry-
tenfchütte, ſ. Fichtenrigenihorf.
ichtenfhwärmer, Tannenpfeil, Kiefern—
oder DEE EBENE —— inastri L.),
ein ziemlich großer aſchgrauer bendfhmetterling
mit drei ſchwarzen Linien auf den Vorderflügeln,
deſſen grün- und gelbaeitreifte, mit einer roten
Rüdenbinde veriebene, faft fingerlang werdende
Raupe die Nadelbolsbäume verwütitet und zumeilen,
wie 1837 und 1838 in ber Annaburger Heide, ziem:
lichen Schaden anrichtet. Die Raupe verpuppt *
in der Erde und die Puppe überwintert. er
Schmetterling, der pfeilihnell fliegt, riet im Mai
und Juni aus. Obgleich weit größer als die Raupe
der Fichteneule, richtet fie doch weniger Schaden an,
ba ſie nur jelten maſſenhaft vorlommt und jtart
von —— heimgeſucht wird.
Fichtenfpargel, ſ. Monotropa und Tafel: Bi—
cornen, Fig. 4.
Fichtenfpinner, j. Prozeifionsipinner. Als 5.
wird oft auch der Kiefernipinner (ſ. d.) bezeichnet.
ichtner, Karl Albreht, Schaufpieler, geb.
7. Juni 1805 zu Coburg, wurbe 1820 Mitglied
der Kohlerſchen Geſellſchaft, mit der er in Offen:
bad, Pforzheim, Hagenau, Straßburg und Baden:
Baden fpielte, und kam 1822 an das Theater an
der Wien. Bald ging er indes zum Burgtbeater
über, auf dem er 5. Aug. 1824 ala Peter in Iff⸗
lands «Herbfttag» zum erftenmal auftrat und dem
er bis 31. Yan. 1865 angehörte. %. jtarb 19. Aug.
1873 zu Gajtein. Bejonders in der Darftellung von
Liebhabern und jugendliben Helden bat, er Vor:
zügliches geleiftet. In der ung wer fand jein Talent
allerdings Schranken. Im Yuftfpiel war er von
Fichtner (Bauline) — Fider (Mdolf)
unerfhöpflihem Humor und beitridender Lieben:
würbigleit. An den —— der Bauernfeldſchen
Luſtſpiele bat F. weſentlichen Anteil gehabt.
ichtner, Pauline, ſ. Erdmannsdörfer, Mar.
chu frz., ſpr. fiſchuh), dreiedig gelegtes Hals⸗
oder Bruſttuch der Frauen, das * Ende des
18. Jahrh. auflam. In neuerer det find die $.
in Spißen oder Stiderei bergeftellte Toilettengegen:
ſtände der rauen.
Fleinusd, Marfikius, ital, Arzt und Philoſoph,
geb. 19. Dt. 1433 zu Florenz. Der ältere Eofimo
de Medici, deſſen Leibarzt F.“ Vater war, ae für
feine Ausbildung, ——— ibn, den Plato und
die Neuplatoniler PBlotin, Jamblihus und Proflus
ins Lateiniſche zu überfegen, und ftellte ihn bei der
um 1440 zu Flor en Platoniſchen Alade⸗
mie als Lehret — atoniſchen Philoſophie an. F.
rb 1. Dt. 1499. Er war —— Anbänger der
latoniſchen Philofophie, die er ald Vorbereitungs⸗
und Be — des chriſtl. Glaubens be⸗
trachtete. Doch unterſchied er nicht genau Plato
und die ſpätere neuplatoniſche Schule, wie dies aus
feiner «Platonica theologia, de animorum immor-
talitate» (Floxr. 1482) hervorgeht, worin er bie Un-
erblichkeit der Seele gegen die Ariftoteliler feiner
eit verteidigte. Auch beidäftigte er ſich mit aldimift.
tudien. Eine Ausgabe feiner Werte, außer den
Überfegungen, erſchien in 2 Bänden zu Bafel 1576,
die befte in Paris (2 Bde.) 1641.
A, Adolf, Phyfiolog, geb. 3. Sept. 1829 zu
Caſſel, jtudierte in Marburg und Berlin Medizin
und babilitierte ſich 1852 zu Züri, wo er 1856
eine außerord. und fpäter die ord. Profeſſur der
Phyſiologie an der Univerfität erhielt. 1868—99
wirtte er in gleiher a I Würzburg.
* ſtarb 21. Aug. 1901 in Blankenberghe. Er
chrieb: «Die mediz. Phyfil» (Braunſchw. 1857;
8. Aufl. 1885), «Kompendium der Phyſiologie des
Menſchen mit Einfluß der Entwidlungsgefhichte»
(Wien 1860; 4. Aufl. 1891), «Lehrbuch der Anas
tomie und Nhyfiologie der Sinnesorgane» (Lahr
1864), «Die Naturträfte in ihrer Wechielbeziebung»
Wurzb. ———— Arbeit und Wärmeentwids
lung bei der Dusteltbätigfeit» (Bd. 51 der «inter:
nationalen wiſſenſchaftlichen Bibliothet», Lpz. 1882),
2*8* und Wirkung. Ein erkenntnistheoretiſcher
Berjuc» (2. Ausg., Caſſel 1882), «Das Größengebiet
der vier Rechnungsarten⸗ (Lpz. 1880), «Philof. Ber:
fuh über die Wahricheinlichkeiten» * 1883),
Myothermiſche Fragen und Verjuche» (ebd. 1885).
Hür Hermanns «Handbud der Phyfiologie» bearbei⸗
tete er die fpecielle Bemegungälebre, die Dioptril des
Auges und die Lehre von der Lichtempfindung (Lpz.
1879). Zahlreihe Abhandlungen und Aufiäge bat
F. in Fachzeitſchriften veröffentlicht. Sie find teil-
meije pam erſchienen ald «Arbeiten aus dem
vhyſiol. Paboratorium der Würzburger Hochſchule⸗
(4 Hefte, Würzb. 1872— 78), teilweife u. d. T. «Myo:
tbermiiche Unterjuhungen» (Miesb, 1889). — Val.
end, Zum Andenten an 9. F. (Bonn 1902);
von Frey, Adolf F. (Gedächnisrede, Würzb. 1902).
id, Aug., Sprachforicher auf dem Gebiete der
indogerman. Sprachen, geb. 5. Mai 1833 zu Peters:
bagen bei Minden (Weitfalen), ftudierte 1852—57
in Göttingen Philologie und war 1858— 76 Lehrer
am Gymnaſium dajelbjt. Seit 1858 wandte er ſich
unter Benjeys Leitung dem Studium des Sanätrit
und der vergleichenden Sprachwiſſenſchaft zu und
wurde 1876 außerord. Profefior für Sprachver⸗
665
gleihung an der Göttinger, 1888 ord. Profeſſor
an der Breslauer Univerfität, trat 1891 in den
Ruheſtand und lebt jeit 1892 in Meran. Sein
Hauptwerk ift das «Vergleichende Wörterbuch der
—— Sprahen» (4. Aufl., mit Bezzenberger
und Stofes, Bo. 1 u.2, Gött. 1891 u. 1894). Fer:
ner ſchrieb er: «Die ehemalige Spraceinheit der
Andogermanen Europas» (Gött. 1873) und «Die
gieh. Perfonennamen» (ebd. 1874; 2. Aufl., mit
echtel, ebd. 1894) fowie zahlreiche Auffäge in Zeit:
hriften. Weniger Anertennung fanden feine Be
ebungen, zu beweilen, dab Homers Jlias und
dyſſee urfprünglich äoliihe Sprachform gehabt hät:
ten und aus Diefer in die auf und gelommene ioniſche
übertragen feien. Sie wiederherzujtellen unternimmt
er in ben en «Die homeriſche Odyijee» (Bött.
1883) und «Die homeriſche Ilias⸗ (ebd. 1886), denen
«Hefiods Gedichte» (ebd. 1887) folgten.
Fi, Heinrih, Rechtsgelehrter, geb. 12. Zuli
1822 zu Gafjel, ward 1851 außerord. Profeſſor der
Rechtswiſſenſchaft in Züri, wo er 1864 zum ord.
Profeſſor ernannt wurde. 1879 war er Mitglied
des RKaffationsgerihts. Im Auftrage des eibge
nöffifchen Juſtizdepartements wirkte er feit 1862 an
der ——— über ſchweiz. Handels⸗ und Wed:
elreht, Eiſenbahntransport⸗, Aſſekuranz- und
bligationenredt eifrig mit. Er larb 22. Sept. 1845
in Hottingen bei Zürich. Bon feinen Schriften
feien genannt: «Kritische Überficht der ſchweiz. Han:
dels⸗ und Wechſelgeſeßzgebung» (Erlangen 1862),
«fiber börfenmäßige Yieferungsverträge» (Zür.
1872), «fiber internationales Wechſelrecht in Ber
ziehbung auf Frijtbeftimmungen» (Elberf. 1872),
« Die ſchweiz. Nechtseinheitäbeftrebungen auf dem
Gebiete des Eifenbahnrehts» (Erlangen 1874);
viele Abhandlungen in Siebenhaard «Arhiv für
deutiches Wechſelrecht», Hildebrands (jekt Conrads)
a«Jahrbüchern für Nationaldtonomie», Goldſchmids
«Zeitjhrift für das gejamte Handelöreht». Mit
rofeſſor Schneider gab er einen Kommentar zum
chweiz. Obligationenrecht (große Ausgabe, 2 Bde.,
ür. 1892—93; 2. Aufl., 1896—97) heraus,
icker, Adolf, Statiftiter, geb. 14. Juni 1816
zu DImüß, betrieb zu Wien hiſtor. unt pbilol, Stu:
dien und wirkte dann 1839—43 als Lehrer der Ge
—— und der klaſſiſchen Philologie an dem Lai—
acher Lyceum, dann an ber Univerfität zu Olmutz
und 1850—53 am Gymnaſium zu Czernowitz. 1853
trat er ald Minifterialjetretär in die Direltion für
abminiftrative — ein, in welcher Stellung
er ſich um die Ausbildung der dfterr. amtlichen
Statiftit wefentliche Berdienite erwarb. 1864 wurde
er ald Nachfolger Ezörnigd zum Direltor der
abminiftrativen Statiftit mit dem Range eines Res
gierungsrat3 ernannt. In dieſer —A— ver⸗
trat F. auf den internationalen Statiſtiſchen Kon—
grejien zu Berlin (1863), im Haag (1869) und Per
tersburg (1872) die öfterr. Regierung. Sein Haupt:
augenmert richtete er auf die Organifation der
Unterrichtäftatiftit und der Arbeiten für die Cenſus—
eſetzgebung. Als Referent für Gymnaſien und
Realthulen 1870 in das Unterrihtsminifterium
berufen, war er beſonders darauf bedacht, das
Mittelſchulweſen in Öfterreich zu heben ; 1873 wurde
er mit dem Titel eines Seltionschefs zum Präfi:
denten der Statiftifchen Eentrallommiffion ernannt.
Gr ftarb 12, März 1880 in Wien. Bon 5.8 willen
fchaftliben Arbeiten find bervoraubeben: «Dar:
ftellung der Landwirtſchaft und Montan:$nduftrie
666 Ficker (Jul.)
ver Bulowina⸗ — 1854), «Bevöllerung der
Oſterreichiſchen Monarbier (Gotha 1860), «Voller⸗
jftämme der Oſterreichiſch-Ungariſchen Monarchie»
(Wien 1869). ferner veröffentlichte er «Jahres:
berichte des Unterribtäminifteriums für 1870— 72»,
— Bol. Schwab, Adolf F. (Wien 1880).
icker, Jul. Rechtögelebrter, geb. 30. April 1826
u Baberborn, ftudierte zu Bonn, Münjter und Ber:
in Rechtswiſſenſchaft und Gejchichte, habilitierte 42
1851 in Bonn, wurde 1852 ord. Profeſſor der Ge⸗
ibichte zu Innsbrud, trat 1863 dafelbit in die
jurift. Fakultät ein und las über deutiche Reiche:
und Rechtsgeſchichte, bis er ſich 1879 in den Ruhe:
itand verjegen ließ. Er jtarb 10. Juli 1902 in ns:
brud. F. veröffentlichte: «Reinald von Daſſel »
(Köln 1850), «Munſteriſche Chroniken des Mittel:
alter8» (Münft. 1851), « Engelbert der Heilige »
(Köln 1858), «liber einen Spiegel deuticher Leute»
(Wien 1857), «liber die Entjtehungszeit des Sadı:
jenfpiegeld» (Innöbr. 1859), «Bom Reichöfürften:
itande» (ebd. 1861), «Das deutſche Kaiſerreich in
feinen univerfalen und nationalen Beziehungen»
(ebd. 1861), «Vom Heerichilde» (ebd. 1862), «Deut:
ſches Königtum und RKaifertum» (gegen H. von
Spbel, ebd. 1862), «Über das Eigentum des Reichs
am Reihölirhengute» (Wien 1873), «Über die Ent:
ftebungszeit des Schmwabenfpiegelö» (ebd. 1874),
«Beiträge zur Urkundenlehre» (2 Bde., Innöbr.
1877 — 78), «Unterfuhungen zur Rechtsgeſchichte⸗
Bd. 1—5, ebd. 1891—1%02). Seine umfafjendite
rbeit find die aForſchungen zur Reichs⸗ und Rechts:
eſchichte Jtaliens» (4 Bde., ebd. 1868—74). Von
3. F. Böhmer mit der Verwertung von deſſen wiſſen⸗
ſchaftlichem Nachlaſſe beauftragt, veröffentlichte er
daraus insbeiondere die «Acta imperii selecta»
Innsbr. 1870) und leitete die Fortjegung und Neu:
bearbeitung von Böhmers «Regesta imperii»; die
von ihm jelbjt bearbeitete Abteilung 1198 — 1272
wurde 1879—1901 veröffentlicht.
Fickler, Joj., einer der Führer der bad. Demo:
fratie, geb. 3. März 1808 zu Konſtanz, war daſelbſt
Raufmann, gründete 1830 ein liberales Wochenblatt
und redigierte ſeit 1836 die «Seeblätter», die zuerft
das Organ ber liberalen Dppofition, fpäter das ber
Demokratie waren. In der Nevolution von 1848
wirkte er für Erribtung einer Republit und bean:
tragte zur Zeit des VBorparlaments ein bad. Plebiscit
über Beibehaltung der Monarchie oder Einführung
der Republit, Da er im Verdacht ftand, mit den
Zugügen deutfcher Arbeiter aus Frankreich und mit
der franz. Regierung in Verbindung zu fteben,
wurde er von Matby in Karlärube 8. April ver:
baftet. Im Mai 1849 freigeiproden, wurde er
13. Mai von der Offenburger Bollsverfammlung in
den Landesausſchuß und 1. Juni in die bad. provi⸗
jorische Regierung gewählt. Als eraber den Verſuch
machte, auch Württemberg in die Revolution zu
jieben, wurde er 3. Juni in Stuttgart verbaftet
und auf die Feſtung Hobenasperg gebradıt. Gegen
eine Kaution entlafjen, ing er zuerjt in die Schweiz,
dann nad England und zulest nach Nordamerila.
an dem großen Kampfe der Vereinigten Staaten
tand er auf jeiten der Gegner der Sklaverei. Nach
der Niederlage der Konföderierten kehrte er nad
— zurück und ſtarb bier 26. Nov. 1865.
icoidẽen, Pflanzenfamilie, ſ. Nizoaceen.
icorönifche Eiite (f. Tajel: Etrustifde
— Fidalgo
Kircherſchen Muſeum im Collegio Romano zu Kom
geſchenkt wurde, mo fie ſich noch heute befindet. Die
eingravierten Ornamente und bildlihen Daritel:
lungen auf der Außenfläche des aus Erz gebildeten
cplindrifchen Gefäßes (0,50 m body, O, a2 m Durde
mejjer) zeichnen ſich durch Feinheit und geijtvolle
Kompofition aus. Kr dem Dedel find Jagbdicenen,
auf dem Gefäße ſelbſt Epifoden aus dem —*
nautenzug dargeſtellt. Der aus drei Figuren be
ſtehende Griff des Dedels (Dionyjos zwiſchen zwei
Satyrn), ebenfo wie die Füße der Ciſte find von
gänzlich verfchiedener, derber Arbeit; eriterer durch
eine darauf eingegrabene altlat. Inſchrift aus dem
3. Jahrh. v. Ebr. merkwürdig, welche ald Berfertiger
(vielleiht nur des Griffs) einen Novius Plautius
zu Rom nennt. — Die beiten Reprodultionen diejer
Gifte bei Bröndfted, Den Ficoronijte Eifta (Kopenh.
1847); Braun, Die — — iſta (2pz. 1850);
vol. D. Zahn, Die Ficoroniſche Ciſta (ebd. 1852).
Ficquelmont (ipr. fidälmöng), Karl Lupm.,
Graf von, djterr. General und Staatämann, geb.
23. März 1777 auf Schloß Dieuze bei Nancy,
aus einem alten lothr. Adelsgeſchlecht, trat in die
djterr. Armee und wurde 1809 Oberſt und General:
jtabSchef der Armee des Erzherzogs Ferdinand von
Eite, befehligte 1811 und 1812 drei Reiterregimen:
ter gegen die Franzoſen in Spanien, wurde 1814
Generalmajor, bradıte 1815 die Kapitulation von
Lyon zu jtande und wurde dann zu verſchiede⸗
nen diplomat, Sendungen verwendet. Seit 1829
Botſchafter in Peteräburg, war er der bedeutfamite
Vermittler des Einfluſſes der Metternichſchen Poli—⸗
tit auf den Zaren Nilolaus. 1830 zum Feldmar⸗
fhallleutnant, 1831 zum Inhaber eines Dragoner
regiments, 1840 zum Staatd: und. Konferenzminiiter
ernannt und 1843 zum General der Kavallerie vor
erüdt, übernahm er 20. März 1848 das Porter
file des Auswärtigen in dem erften verantwort»
ihen Minijterium (Kolowrat), mußte aber, alö An:
bänger der Metternichſchen Bartei und Nuffenfreund
verdächtigt, dur Voltsdemonftrationen geswungen,
4, Mai zurüdtreten. Bon da an lebte F. in Wien
und Venedig, wo er 7. April 1857 ſtarb. Er ſchrieb:
——— über die Zeit vom 20. März bis zum
4, Mai 1848» (2, Aufl., Lpz. 1850), «Deutichland,
Dfterreich und Preußen» (Wien 1851), «Lord Palmer⸗
fton, England und der Kontinent» (2 Bde.,ebd. 1852),
«Rußlands Politik und die Donaufürftentümer» (ebv.
1854), «Jum künftigen fyrieden» (ebd. 1856) u. a.
Fiota possessio (lat.), —— Beſitz. Mit
der Vindilation (f. d.) und der Erbſchaftsklage (f. d.)
kann der, welcher bie dem Kläger gehörige Sache oder
zur Erbichaft des Klägers gehörige Sachen zur Zeit
der Klagerhebung bejist, auf Herausgabe belangt
werben. Das Recht hat diefe Haftung auf zwei an:
dere Fälle ausgedehnt. Ein Nichtbefiger ſoll viefem
Kläger haften, als ob er befäße; jein Befis wird aljo
fingtert 1) wenn der Bellagte, wobl wifjend, daß er
nicht bejige, dem Kläger vorgefpiegelt bat, er beſitze,
und fich fo auf die * eingelaſſen bat (qui liti se
obtulit, f. Falſches Vorgeben); 2) wenn der Be:
Hagte im Bewußtjein, daß er fremdes Eigentum
oder fremde Erbſchaftsſachen beſitze, ſich des Be
fißeö entäußert, um fich fo der Klage zu entziehen
(qui dolo desiit possidere),
Fietoor, Jan, holländ. Maler, ſ. Bictors.
Fious, |. Feigeund Tafel: Urticinen I, Fig-2;
Kunit, Fig. 8), eine 1744 bei Paleſtrina gefundene | F. sycomorus, |. Sylomore.
Eifte (ſ. d.), die von dem Antiquar Ficoroni dem |
idalgo (portua.), Titel, ſ. Hivalgo.
Fidanza — Fideris
Fidauza, — ital. Landſchaftsmaler,
geb. 1747 in Mailand, geſt. daſelbſt 1819, war mit
feinen Brüdern Gregorio und Giufeppe in
demjelben Fache tbätig, alle drei Schüler des La—
croir. Während Gregorio mehr Nahahmer (ge:
legentlich auch Fäljcher) älterer Klaffiter der Land:
fchaft, befonders des Claude Lorrain, war, trat
Francesco mit jelbjtändigen Leiftungen bervor, un:
ter denen feine Darjtellungen der berühmtejten ital,
Häfen (in der Brera zu Mailand) bervorragen.
iddichotw,, Stadt im Kreis Greifenhagen des
preuß. Reg.:Bez. Stettin, rechtö von der Ober, auf
nei Bergen, an der Linie Stettin-Cüftrin (Station
ilhelmsfelde:%.) ver Preuß. Staatöbahnen, Sitz
eines Amtsgerichts (Landgericht Stettin), hat (1405)
2725 E. darunter 22 Ratholiten und 12 Jsraeliten,
Poſt, Telegrapb, Vorſchußverein, ftäptiihe Spar:
fafle; Zuderfabrit, Tabaf: und Rübenbau, Schiff:
fahrt und Fiſcherei. — Bor 1159 eine wend. Burg,
wurde F. 1302 vom Marfgrafen von —
erobert; 1347 erhielt es vom Herzog Barnim IV.
Stadtredt. [borg.
Fide et charitäte, ſchwed. Selte, |. Sweden:
Fidöi et merito (lat.), Wahlſpruch des ficil.
Ferdinandsordens (f. d.).
ideftommiß (lat. tidöicommissum), im röm.
Recht eine legtwillige Anordnung, durch welche der
Erblafier (fideicommittens) dem Erben oder Be
fchwerten (fiduciarius) aufgiebt, das Ererbte ganz
oder einen gewiſſen Bruchteil davon oder nur eine
einzelne Sache oder Summe einem andern (Fidei-
fommifjär) herauszugeben. Das F. konnte form:
[08 errichtet werden. Es hatte ven Zweck, Anord⸗
nungen wirfjam zu machen, die nad der Strenge
des Rechts nicht rechtöbeftändig getroffen werben
fonnten. Es follte z. B. erreicht werden, entgegen
der Vorſchrift, nad welder der Erbe dauernder
Rechtsnachfolger wurde, ven Nachlaß nad Erfül:
lung einer Bedingung oder nad Ablauf einer ges
wiſſen Frift einem andern zuzuwenden, oder jemand
etwas zuzuwenden, ber aus irgend einem runde
nit fähig war, bedacht zu werden. Man überließ
es der Treue (fides) des Erben, dem Willen des Ver:
orbenen dennoch zu genügen. Später wurde ver:
ngt, das F. mütje ım Teſtament oder Kodicill
errichtet werden. Juſtinian verfhmolz das F. mit
dem Legat (f. Vermä a) Man unterfchied Unis
verjalfideifommiß (h Erbſchaftsvermächtnis) und
Singularfideitommih. Das legtere betraf nur ein:
eine Sachen. Val. Brudner, Zur Geſchichte des
. (Münd. 1893); Mielle, Univerfalfideitommiß
und Nacherbſchaft (Lpz. 1901). — Anderer Art ift
das Familienfideitommiß (f. d.) des neuern Rechts.
(S. auch Hausfideifommiß.)
Fideilommiffärifche Subftitution, ſ. Erb:
fhaftsvermädtnis. ſſchriftliche Gutſagung.
Fidejussio (lat.), Burgſchaft; Fidejuſſiv,
Fidejussor (lat.), Bate (j. d.), Bürge (j. Bürg:
ichaft). F. indemnitätis, Shadlosbürge, iſt der,
welcher für den Ausfall gebürgt bat, welchen Kläger
bei dem Hauptjchuldner erleiden fönnte. Demjelben
ift nicht allein die Einrede der Vorausflage, auch
wenn die Bürgichaft Handelsgeſchäft war, nicht ab:
zufprecen (ſ. Extuſſion), jondern der Schulpnerfann,
auch wenn der Hauptichuldner in Konkurs fällt, for:
dern, daß der Gläubiger zunächſt aus der Konkurs:
maſſe jeine Befriedigung fuche Reichsoberhandels⸗
gerichtsentiheidungen, Bd. 13, ©. 175). — Fide—
Juſſöriſch, auf Bürgichaft berubenr.
667
I Fidel (vom lat. fidalis, treu), burſchikoſer Auss
drud für munter, luftig; davon Fidelität (f. d.).
Fidöles (lat.), die Gläubigen; Gegenſatz: In-
fideles, die Ungläubigen; in der ältern driftl.
Kirche befonders die, weldhe als Katehumenen die
Taufe erlangt hatten.
Fidẽlis, eigentlich Marcus Roy, Heiliger, geb.
1577 zu Sigmaringen, trat 1611 in den Orden der
Kapuziner, Fe den Namen %. und mar dann
Prediger in Rheinfelden, Guardian zu Freiburg in
der Schweiz, 1621 zu Feldkirch. Als Vorſtand der
für Rhätien errichteten Miffion wirkte er für Wieder:
einführung des Katholicismus an Stelle des Cal:
vinismus und wurde in den Kämpfen gegen Öjfter:
reich 24. April 1622 zwifhen Seewis und in
von Bauern ai rn Benedikt XIV. ſprach ihn
1746 heilig. — Bol. E. Schnell, Dr. Marcus Roy
(Freib. i. Br. 1877); Ferd. della Scala, Der heilige
F. von Sigmaringen (Mainz 1895).
Fidelissimus (lat.), Allergetreuefter (Titel des
Königs von Vortugal), j. Allergetreuejte Majeftät.
Fidelitas (lat.), Treue; burſchikos auch foviel
wie Beast (1. d.); F. feudälis, Lehnstreue.
Fidelität (lat. fidelitas, eigentlih Treue, dann
auch Luſtigkeit, ſ. Fidel), der zweite Teil eines Kom:
merſes, der dem offiziellen Teile folgt, Der Präfi:
dierende beitimmt den Anfang der F. dur den
Auf: ‚om eller Rommers ex, Initium fidelitatis».
Gemöhn I treten hiermit auch die offiziellen Prä-
fiven ab, und ein durch Zuruf erwäblter alter
Herr, ein Ehrenmitglied oder Gaſt übernimmt das
Präfidium.
Fideliter et coonstanter (lat.), Devije des
Erneftinifhen Hausordens (f. d.).
Fidemieren, Fidemierung, ſ. Vidimierung
und KDepLaub gung.
Fidenä, im Altertum eine etwa 8 km nördlich
von Rom über dem Tibertbale gelegene Stabt, die
von Sabinern gegründet fein joll, dann aber von
den Etrustern bejegt wurde. Schon in der Königs:
eit und den erften Jahren der Republit wurde viel:
ab um die Stadt gelämpft. In rubigern Befis
‚3 gelangte Rom wabrfcheinlic 474 v. Ehr. durch
den auf 400 Monate mit den Etrusfern abge
ſchloſſenen Waffenftillftand. Nachdem dieſer 445
v. Chr. abgelaufen war, fam es wieder zum Kriege
mit den Fidenaten, indem lektere von Nom ab»
| —— N an Veji und den König Tolumnius an:
| &lofjen und die röm. Gefandten ermordeten. F.
| wurde 426 genommen und zerjtört. Seitdem wohn:
ten nur wenige Anfiebler in dem Heinen Orte füd:
lich von der alten, als Brüdenfopf verwendeten
Isften Burg. Doch bat ibn Sulla wieder zum
Municipium erhoben. Unter Tiberius ſtürzte in F.
ein großes improvifiertes hölzernes Theater ein,
das 50000 Zuschauer unter fi begrub. Jetzt liegt
an der Stelle ver Burg von F. Eajtel ®iubbileo,
identia,altröm.Stabt,\.Borgo San Donnino,
idenza (Fidanza), Johann von, ſ. Bonas
ventura,
Fideris, Dorf und Bad im Bezirk Ober-Land—
quart, Kreis Jenaz, des fchweiz. Kantons Graus
bünden. Das Dorf liegt 17 km nordöftlih von
Ebur, in 903 m Höbe, auf einer waldigen Anböhe
an der linten Thalfeite des Prättigau, an ber
Nebenbabn Fanpquart: Davos und bat (1900) 363
deutihe evang. E. Das Bad liegt 1,5 km ſüdlich
von demjelben, in 1091 m Höbe, von Wieien und
Sannenwäldern umgeben, in der Schludt des
668
Fiderisbachs, beſteht aus zwei ältern Kurgebäu:
den und einem Neubau (1874) und befigt drei
eifenbaltige Natronfäuerlinge. — Schon 1464 ur:
fundlih erwähnt, war das Bad F. vom 16. bis
18. Jahrh. ein bejuchter Kurort. Infolge einer Ber
ftörung durd Bergwafler von 1804 bis 1806 ge:
1clofen, geriet eö etwas in Bergefjenheit, bis 1863
das Bad in den Belis einer Afttengefellihaft über:
ing, welche die jekige Straße beritellte, die Wild:
äche eindämmte und Neubauten und Kureinrich—
tungen anlegte. — Vgl. GſellFels, Die Bäder und
Himatijchen Kurorteder Schweiz (4. Aufl., Jür.1898).
Fides (lat.), Treue, Glaube; bona fides, guter
Glaube, und mala fides, ſchlechter Glaube, |. Bona
fides. PBerjonifiziert ward F. von den Römern als
Göttin verebrt. Die Treue des röm. Volt (Fides
publica oderpopuli Romani)hatteein Feitam1.Dtt.
und einen fehr alten Tempel auf dem Kapitol, wo
auch vorzugsmweije Urkunden völlkerrechtlichen In:
lts, Verträge mit fremden Völkern u. vol. auf:
wahrt wurden. Die Priefter, die dort opferten,
umwanden die Hand mit weißen Binden, zum Zeichen
der Heiligleit des Handſchlags. Die Göttin wird auf
den Münzen der einge! ald würdige rau mit
Übren und einem Fruchtkorb (oder auch mit Fullhorn
und Schale) dargeftellt, oder an Stelle ihrer Figur
tritt das Symbol der Göttin, zwei verjchlungene
Hände. — F. beißt auch der 37. Planetoid.
Fides punioa, joviel wie Graeca fides (f. d.).
Fides salvifioa (lat.), der ſeligmachende
®laube, j. Buße.
Fidibus, mehrmals ern Knie, Bapier:
keelen zum AnzündenvonZabalspfeifen u.f.m. Das
ort ſoll Fid[elibus fratr]ibus («den getreuen Brũ⸗
— bedeuten, wie ein zu einer geheimen Tabaks—
geſellſchaft Einladender auf einen Zettel ſchrieb, der
nachher zum Pfeifenanzünden gebraucht wurde. Nach
Grimms MWörterbud kommt es von fil de bois
idius, |. Dius Fidius. [(Holzfpan).
idji⸗Archipel, Ay nen
idonla — — L., |. Riefernfpanner.
idſchi⸗Ausſchlag, joviel wie Framböfie (f.d.).
idſchi-Inſeln oder Fidji-Inſeln (engl.
J i), richtiger Viti⸗oder Witi⸗-Archipel, engl.
olonie, die umfangreichſte, fruchtbarſte und wert:
vollſte Inſelflur Polyneſiens, liegt zwiſchen 15° 47’
und 21° 4° ſudl. Br., 176° 51° weitl. 2, bis 175° 38’
öftl. 2. von Greenwidh. Die 5: bejtehen aus etwa
250 Inſeln, von denen 80 bewohnt find, und bebeden
mit der Inſel Rotumah (f. d.) 20837 qkm. Die
Mehrzahl ver Heinern find Korallenbildungen, die
aud) als Klippen und Riffe die größern umgeben
und die Schiffahrt erfchweren; die größern find vul:
laniſchen Urjprungs, do hat man auch Sand: und
Kalkiteine mit Verſteinerungen gefunden, die den
Archipel ald Neite früberer 5* Feſtlands⸗
bildungen erſcheinen laſſen. Die größte Inſel iſt
Viti Levu (f. d.), dann folgt nach NO. Banua Levu
. d.), jene bevedt 11760, viele 6492 qkm. Die
bönite ift Kandavu (560 qkm). Ebenſo groß iſt
aviuni; die andern find Eleiner, meift nur wenige
Quabdratfilometer groß. Sie bilden die Nafama:
ruppe im W. die Biti:i:loma oder Central: Fipici-
njeln in der Mitte und die Laugruppe im roh Zur
lektern gehören die Ringgold: und die Erploring:
injeln. Biti Levu erreicht 1290 m, Vanua Levu
1260 m Höhe. (S.Nebentarte zur Starte:Dceanien.)
Klima, Pflanzen: und Tierwelt. Bei reich—
liber Bewällerung und dem echt tropifchen Klima
Fides — Fidſchi-Inſeln
iſt eine üppige Pflanzenwelt auf dem fruchtbaren
oben angefiedelt, die über 1300 wilde Arten von
Blütenpflanzen und Farnen zählt, darunter fait die
Hälfte an eigentümlichen, jonft nirgends meiter zu
eigen ormen. Bis zu den höchſten Ber len
eigt eine ſchöne Palme (Kentia) mit 80 Fuß bobem
Stamm auf, ein Navelbol; (Dammara vitiensis
Seemann) gehört mit einem Podocarpus und Dacry-
dium zu den bemerfenäwerteiten Waldbäumen.
Kulturprodufte find hauptfählih Yams, Bananen,
die in den bergigen Diitrikten oft in meilenlangen
Alleen angepflanzt find, Kofosnüffe, Brotfrucht⸗
bäume, Zarofnollen von Colocasia, Zuderrobr,
Baummolle, Mais, Tabak, Arrow:Root und etwas
Kaffee. — Schweine, Hunde, Hühner und anderes
Geflügel werden viel gezogen, Schweine find aud
verwildert und eingeichleppte Ratten haben ſich uns
ebeuer vermehrt. Die Vogelfauna iſt nicht arm;
te enthält außer fosmopolitifch verbreiteten Raub:
und — gt eine Reihe eigentümliher ſowie
auftral. Arten: Sylvien, Fliegenthnäpper, Würger,
Webervögel, Honigjauger (Meliphagidae), Blumen:
pider (Zosterops), Eisvögel, Papageien, Tauben
und fogar Großfußhuhner find vertreten, E3 finden
fi einige Eidechſen und Schlangen, unter den letz⸗
tern —* eine eigentümliche Gattung.
Bevölterung. Am J. 1901 wurden auf ben 5.
und Rotumab 116684 E. gezählt, darunter 91019
Gingeborene, 2447 Europäer, 17105 Inder, 1950
Bolynefier, 2192 Rotumaber, 1504 Mijchlinge u. a,
Die Eingeborenen (f. Tafel: Auftralifhe Pölter:
toven, Sin 1, beim Artikel Auftralier) nebmen in
antbropol. und fpradlicher Hinficht eine vermittelnde
Stellung zwischen der ditl. und weitl. Samilie der ma:
laiifich:pelgnefiihen Völker ein. Sie jind ein Mittel:
ſchlag, größer und duntelfarbiger als die benadhbar:
ten Inſulaner und von kriegeriihem Anjeben. Ihr
wolliges Haar lafjen fie fih frübzeitig befenförmi
ausbreiten. Wie an Tapferleit fehlt es ihnen au
nicht an Scharffinn und ——— Fruher
Gotzendiener und Menſchenfreſſer ärgſter Art und
durch innere Raubzüge verwildert, find fie durch die
Thätigteit ver Wesleyaniſchen —— jeßt fämt:
lih dem Ehrijtentum gewonnen. Man zäblte (1899)
94032 Wesleyaner und 9195 Ratholiten. Es befteben
eine große Anzahlvon Kirchen, Kapellen, Shulen mit
28697 Kindern und Miffionhäufern. Cine tech⸗
niſche Schule erhält ftaatlihe Unterftüsung. An der
Spitze der Verwaltung jtebt ein brit. Gouverneur,
ihm zur Seite ein gejeßgebenver Rat von 12 Mitglie⸗
dern; die Verwaltung im einzelnen in den 17 Diſtril⸗
ten führen 11 einbeimifche Oberhäuptlinge(Rolo Tui)
und 6 europ. Beamte. Hauptitadt, früber Levuka, ift
jest Suva auf Viti Levu mit vorzüglihem Hafen
und 1073 europ. €. Die Einkünfte der Kolonie
betrugen (1899) 98621, die Ausgaben 95568 Bir.
St., doch wechſeln die Verhältniſſe feit 1875 ſehr
bäufig. Die Schuld erreichte eine Höhe von 205076
Bid. St., darunter 95476 Pd. St. Vorfhüfie vom
Mutterlande.
Handel und Berkehr. Im DVergleih zum Plan:
tagenbau, der aber trok der Einwanderung unter
dem Mangel an Arbeitsträften (Indier und Boly:
nefier) leidet, ift die Viebzucht bisher (1899: 2083
Pierde, 16940 Rinder, 995 Schafe, 9146 Angora-
siegen) unbedeutend. a. liefert vor allem die
Gegenftände zur Ausfuhr. Dieje betrug 1890:
364533, 1899: 481856 Bid. St., und zwar Kopra
(7617 t im Merte von 77330 Pfd. ©t.), Zuder
Fiducia — Fieber
(28403 t im Werte von 340603 Pfd. St.), Obſt,
namentlich friihe Bananen und Ananas (30607
Bid. St.), Erbnüfle u. a.; über die Hälfte des Wer:
tes gebt nad Neufeeland. Die Kopraprodultion
iſt 1900 nod bedeutend geftiegen (Ausfuhr 1900:
15605 t). Die Einfuhr, zu zwei Dritteln aus Neus
jübwaled, wird 1890 a 206 757, 1899 auf
263044 Biv. St. bewertet. Wichtig find Belleis
dungsgegenftände, Eijen und Eifenwaren, Brot:
itofje und Biskuits, Kohlen, Fleischwaren, Reis,
DI, Kurzwaren, Baubolz und neuerdings lebendes
Bieb (1899 für 8292, 1900: 33 .St.). —
Auch die Heck er ausſchließlich unter brit.
Flagge, hat € ehr gehoben. 1899 verehrten in
den Häfen Suva und Levula 130 Schiffe mit
128 699 —A darunter 96 Dampfer mit
115237 Regiſtertons. Regelmäßige Verbindung
beſteht mit Neuſeeland, Tonga, Samoa und Neus
ſudwales.
Geſchichte. Der Archipel wurde 6. Febr. 1643
von Tasman entdedt, 1773 teilmeife von Coot
wieder aufgefunden, 1789 und 1792 von Bligh
durdjegelt. Umfaſſendere Kenntnis verdankt man
aber erit Dumont d’Ürville (1827) und der nord»
amerif. Erpedition unter Wilkes (1840). Köni
Thalombau bot 1858, um einer Züchtigung du
die Vereinigten Staaten von Amerika zu entgehen,
feine Herrſchaft der Krone England an. Allein die
brit. Regierung lehnte 1861 dies Anerbieten ab,
weil fie Ronflitte mit den übrigen Seemächten be
fürdtete. Am 5. Juni 1871 ward Thalombau zum
König der F. ausgerufen; aber bald jtellte ſich die
Notwendigkeit heraus, die auf den Inſeln lebenden
brit. Untertbanen zu fügen und den in ben bortigen
Gewäſſern ftattfindenden Menſchenhandel zu unter:
brüden, und jo wurden 30. t. 1874 die F. Ion
eine engl. Kronkolonie erllärt. Dadurch, daß bie
Kolon ierung allen vor 1876 gemachten Land⸗
täufen die Anerlennung verſagte, wurde eine Ans
zabl deuticher me bäpdigt. Nach langen
Fehdbinung von 11000 Ip. Gt.grjahlt.- Bat. Mer
ädigung von 1 d. St. gezahlt. — e
nide, Die Inſeln des Stillen — (2 Bde., Lpz.
1875— 76); Cumming, At home in Fiji (2 ®be,,
Evinb. 1882); Horn, A year in Fiji (ebd. 1881);
Earey, The kings of the s (Melbourne 1891);
Thomfon, iji for Tourists (Lond. 1897).
Fiduola (lat., verdeutſcht: Fidũz), Vertrauen;
Fiduciar (Fiduciarius), f. Fiduziar.
Heit, der zuftimmende Gegengruß beim Trin⸗
ten auf Schmollis (f. d.).
Fidus Achates, treuer Genojle, ſ. Achates,
iduz, Verdeutſchung bes lat. Fiducia (. d.).,
idnziär (lat.), Erbe, dem ein Fideilommiß
Y d.) auferlegt ift; heute der Erbe, dem ein Erb:
chaftsvermächtnis (f. d.) auferlegt ift, aud wenn
er eö erjt nach jeinem Tode *
Fieb., hinter naturwiſſenſ
Abkürzung für Franz ZTaver Fieber, einen
diterr. Botaniker und Entomologen, geb. 1. März
1807 in rag, geit. 1872 in Chrudim.
eber (Febris), eine franthafte Störung des
Allgemeinzuftandes, bei welcher unter verjchiedenen
allgemeinen Erſcheinungen die Eigenwärme bes
Körpers 5* iſt als beim Geſunden, bei welchem
fie 37,5° C. zu feiner Tageszeit uüberſchreitet. Nur
die lung der Eigenwärme ift charalteriſtiſch für
das Borhandenfein des %.; wo fie dauernd fehlt, darf
F. nicht angenommen werden, aud wenn gewiſſe
tatten bat.
aftlihen Namen
669
andere Erſcheinungen, die erfahrungsgemäß ger
möhnlich die fieberbaften Affeltionen begleiten, wie
roſt, Durit, Mattigkeit, Pulsbeſchleunigung u. dal.,
ei dem Kranken wahrgenommen werden. Zu dies
fen allgemeinen, die Temperaturfteigerung —*
tenden Erſcheinungen gebört eine of beträchtliche
Beichleunigung der Herzbewegungen und dadurch
bedingte Vermehrung der Bulsihläge (um 10 bis
40, ja ſelbſt bis 70 Schläge in der Minute): aud
pflegt jehr bald eine erhebliche Steigerung der Atem:
bewegungen einzutreten, durch welche bei Erwach—
jenen die Zahl der Atemzüge in der Minute von 18
auf 20 bis 40, bei Kindern von 28 bis 35 auf 60
und mehr fteigen fann, ohne daß eine krankhafte
Affeltion der Bruftorgane vorhanden zu jein braudt.
Weiterhin fommt es zu mannigfachen nerpöjen
fcheinungen: bei geringerm 5. lagen die Kranken nur
über ein — Gefühl allgemeinen Unbeba»
gen, über Unluft zu geiftiger Beihäftigung, Schwere
und Eingenommenjein des Kopfes, Ropfichmerzen,
über das Gefühl von Shwäde und Hinfälligkeit, fie
—— unruhig und werden vielfach durch ängſt⸗
iche Träume geſtört; bei ſtärlerm F. treten ſehr oft
Unruhe und Aufregung, Schlafloſigleit, lautes
Sprechen und u. anhaltende Delirien mit
deenflucht (jog. Fieberphantafien oder Fie:
erbelirien), oft au Neigung zu Ohnmacht und
Schwindel oder anhaltende Bewußtloſigkeit und
Schlafſucht hinzu. Zu diefen nervöjen Störungen
—— ſich mancherlei er an von jeiten des
erdauungsapparats: Appetitlofigkeit, pappiger
Geihmad, Verdauungsſchwäche, Stublverjtopfung
und ebbafter Durſt; bei länger beitebendem F. wird
die Ernährung in erbeblihem Maße beeinträdtigt,
und e3 jchwindet nicht nur das Fett, fondern es
werden auch die eiweißhaltigen Körperbeitanbteile
verbraudt. Sehr häufig Tr gan das 5. mit einem
ausgeiprodenen Froftgefühl, das ſich ſelbſt bis zum
Schüttelfroit fteigern kann; während eines ſolchen
ieberfroſtes jchaudert der Krante, wird von
äbhnen, Zäbnellappern und Zittern befallen und
atmet oberflächlich und rafcher, feine Haut ift kühl
und bleib und bietet das charalteriſtiſche Ausſehen
der Gänſehaut dar. Ein folder Fieberfroft dauert
in der Regel nur kurze Zeit, eine Viertel: bis halbe
Stunde und darüber, fann aber auch tagelang an-
halten; gewöhnlich folgt hierauf ein lebhaſtes Hitze⸗
gefühl (Fieberhitze), wobei das Geſicht ftark ger
rötet erſcheint, die Haut fih warm, felbft brennend
beib anfüblt und ſich oft reichlicher Schweiß einftellt,
er geiteigerten Schweißabjonderung entiprechend
pflegt der Harn fpärlicher, fongentrierter und dunkler
zu fein. Die Dauer des F. ift von den beſon—
dern Krankheitsverhältniſſen abhängig, von einigen
Stunden bis zu Wochen und Monaten ſchwankend.
Da die geiteigerte Temperatur das einzige ſichere
eihen ift, aus welchem das Vorbandenjein von
. mit größter Beitimmtbeit bervorgebt, fo ift die
nwendbung des Thermometers zur Meſſung der
Körperwärme ER EMAMELeN) für die Erken—
nung und Behandlung der fieberhaften Krankheiten
von der größten — Die Wichtigleit der
Thermometrie für die ärztliche Diagnojftik ift erſt
verhältnismäßig fpät erlannt worden; denn wenn
auch ſchon im 18. Jahrh. vereinzelte Ärzte (Boer:
baave, van Swieten, de Haen) dem Verbalten der
Eigenwärme im kranken Körper Beachtung geichentt
batten, jo wurde doch erit jeit den fünfziger Jabren
des 19. Jahrh. dur die grundlegenden Beobach⸗
670
tungen und Arbeiten von Traube, Bärenfprung,
Wunderlih und ihren Schülern die Thermometrie
zu einer wertvollen wiflenihaftlihen Methode er:
te Zur Mefjung der Blut: oder Eigenwärme
edient man ſich ſehr genau gearbeiteter Queckſilber⸗
thermometer (f. Fieberthermometer), die man in die
vorber von Schweiß gereinigte Achſelhöhle einlegt,
worauf man dieſe durd feites Anlegen des Arms
fließt. Zuverläffiger iit das Einlegen des Thermo:
meters in den Maſidarm oder in die Scheibe, aud
unter die Zunge kann das Thermometer gelegt wer:
den. Das Thermometer foll wenigstens 10—15 Mi:
nuten liegen bleiben und erft dann entfernt werben,
wenn innerhalb 5 Minuten feine merkliche Steigung
des Quedfilbers — erfolgt; man kann die Dauer
der Meſſung dadurch etwas abkürzen, daß man vor
dem Ginlegen die Quedfilberfugel vorfihtig über
einem Lichte anwärmt. Abgelejen wird natürlich
der Temperaturftand, jolange das Thermometer noch
in der geſchloſſenen Achſelhöhle u. f. w. liegt; nur die
fog. Marimalthermometer dürfen vor dem Ablefen
entfernt werden. Zu erneutem Gebraud muß bei
den Marimaltbermometern das Quedjilber durd
Schleudern in die Kugel aurüdgebradht werben. Wie
oft täglich derartige Temperaturmefiungen an dem
Kranten vorzunehmen find, hängt von der Natur der
betreffenden fieberhaften Krantheit ab; gewöhnlich
find zwei tägliche Meſſungen binreihend, von denen
die eine des Morgens zwiſchen 7 und 9 Uhr (zur Zeit
der mutmahlich niedrigiten Temperatur), die andere
inden Nachmittagsſtunden zwiſchen 4und6 Uhr (Zeit
der mutmaßlich höchſten Temperatur) vorzunehmen
iſt. Bei ſchweren Krankheiten kann es von großem
orteil jein, die Eigenmwärme alle 2—4 Stunden
durch' thermometriſche Meflung zu beitimmen. Bei
länger anhaltenden Krankheiten pflegt man, um
ein genaues Bild von dem Gange des F. zu erhal:
ten, die fämtlichen Temperaturbeobadtungen auf
einem Syſtem ſenkrecht fich ſchneidender Koordinaten
mit Bunkten zu bezeichnen, die letern dur Striche
u verbinden und 5 eine grapbiiche Darjtellung des
Bieberverlauf, die jog. Temperatur: ober sie:
erfurpe, zu geben, durch welche der Arzt oft ſchon
auf den eriten Anblid bin über Art und Berlauf
des F. und über die Notwendigkeit gewifler thera⸗
peutiicher Maßregeln je unterrichten fann.
Nach der Höhe der beobachteten Temperatur un:
tericbeidet man verjchiedene Grade des 5. Alle
Temperaturen über 37,5° C. find als fieberbaft zu
bezeihnen; Temperaturen zwiſchen 37,6 und 38°
bezeihnet man häufig noch als jubfebril, obwohl
itrenggenommen jede Temperaturjteigerung über
37,8°, aleichviel in welcher Höhe, diefelbe Benennung
sfieberbaft» verdient. Steigt die Temperatur über
42° C. hinaus, fo ift dies ein Zeichen des heran:
nahenden Todes (fog. prämortale Temperatur:
—— Bisweilen tritt auch nach dem Tode
(3. B. bei Hirnhautentzundung, Wundſtarrkrampf)
noch eine erhebliche Steigerung der Temperatur ein
poſtmortale Temperalurſteigerung). Die höchſte,
überhaupt bei einem Lebenden kurz vor ſeinem Tode
beobachtete Temperatur betrug 44,7°C. Die niedrig⸗
ften Temperaturgrade dagegen, welche bei Kranken
gefunden wurden, betrugen 25° C.; man bezeichnet
ein jo auffallendes, mit manderlei gefabrdrobenven
Symptomen verbundenes Sinken der Eigenwärme
als Kollaps (f. d.).
Hinfihtlih des zeitliben Ablaufs des
3. oder des Ganges der Eigenwärme mwäbrend
Fieber
der ganzen fieberbaften Krankheit unterſcheidet man
häufig drei verfchiedene, mebr oder minder deutlich
voneinander gelonderte Stadien: das Anfang:
ſtadium, weldes fich entweder allmählich, unter
itufentveifem Aniteigen der Temperatur entmwidelt
oder ganz plöglich mit einem beftigen Froſt und
— folgender rapider Temperaturſteigerung be:
ginnt, das Stadium der Fieberhöbe (Alme
oder Faftigium), der volliten Entwidlung des F.,
welches meift eine längere Dauer, von einigen Ta:
gen bis 3 Wochen und darüber beſitzt und ſich da:
durch auszeichnet, daß die Temperatur, abgejeben
von kleinern Schwankungen, ſich während der gan:
zen Zeit auf annähernd gleiher Höhe erhält, und
endlid das Stadium der Abnahme oder Ent:
fieberung (Defervescenz), während deſſen die
erhöhte Temperatur dauernd wieder zur Norm zu:
rüdtebrt. Diefe Entfieberung erfolgt entweder plöp:
lih, in rafhem Zuge in Form einer jog. Krifis,
wobei binnen wenigen Stunden die gefteigerte Tem:
peratur und Pulsfrequenz zur Norm abfallen, der
Kranke ſich ploßlich erleichtert fühlt, alle nervöjen
Symptome verihwinden und ein rubiger, erquiden:
der Schlaf ſich einitellt, oder nah und nad, in
langfamerm Zuge in Form einer jog. Lyſis oder
Löfung, bei welder die Temperatur Tutenmeife im
Laufe einiger Tage, höchſtens einer Woche, bis zur
Norm berabfintt. An das Stadium der Entfieberung
reiht ſich Schliehlich das Stadium der Relonvalescen;
oder Geneſung an, welche je nach der Schwere und
Antenfität der vorausgegangenen Krankheit und je
nad der Konititution des Kranken eine verfchieden
lange Dauer in Anſpruch nimmt.
Außer den eben beiprodhenen Stadien unter:
ſcheidet man noch meiterbin gewiſſe topiiche Ver:
laufäformen des F. ſog. Fiebertypen, durch welche
die Art und Weiſe des Fieberverlaufs an mehrern
aufeinander folgenden Tagen veranſchaulicht wird.
Man unterſcheidet in dieſer Beziehung folgende
vier Fiebertypen: 1) Das anhaltende oder ton:
tinuterliche F. (Febris continua), welches tag:
über nur ſehr geringe Schwantungen darbietet, fo
dab der höchſte und tiefite Stand der Temperatur
an einem Tage nidyt mebr ala höchſtens O,5° C.
differiert; betragen die täglichen Temperaturfchman:
tungen etwas mehr, etwa 0,5 bis 1°, jo pflegt man
von einem fublontinuierliden F. zu ſprechen.
2) Das nahlaffende oder remittierende 7.
(Febris remittens), da& dadurch daralterifiert iſt,
daß die täglichen Temperaturihwantungen mebr
al einen Grad oder jelbit mehrere Grade betragen,
und daß die höchſte Temperatur — in die
— — die niedrigſte (die ſog. Remiſſion) in
die frühen Morgenſtunden fällt. Dieſer Fiebertypus
fommt ſehr häufig vor und iſt günſtiger als der
vorige. 3) Das ausſetzende oder intermittie—
rende F. (Febris intermittens), dejjen belanntejter
Repräfentant das MWechjelfieber (f. d.) ift; es bejikt
die Cigentümlichkeit, vaß bei ihm jFieberanfälle don
PVarorysmen) mit völlig fieberfreien Intervallen
(Apyrerie)in einer meift genau eingebaltenen Reiben:
jolge abwechfeln. Bei einem ſolchen fieberanfall, der
oft mit einem beftigen Schüttelfroft beginnt, fteigt
die Temperatur gewöhnlich ſehr raſch innen 1—2
Stunden, auf eine Höhe von 40 bis 41” C., erbält ſich
auf dieſer Höbe einige Stunden und fällt dann mäb»
rend eines Zeitraums von 8 bis 10 Stunden ftufens
weiſe zut Normaltemperatur berab. Derartige Fieber⸗
anfälle können ſich entweder täglich einſtellen, jo daß
Fieber
vie ieberlofe Zeit kaum einen halben Tag dauert (jog.
Quotidianfieber), oder alle 2 Tage, mit einem
anzen fieberfreien Tag dazwiſchen (jog. Tertian:
Neben), oder alle 3 Tage, mit zwei fieberlofen
agen dazwiſchen (fog. Quartanfieber) u. j. w.
Im allgemeinen ift die Gefahr eines folden inter
mittierenden F. geringer als die eines nadlafjen-
den oder gar a ee Fieberverlaufs, da der
Körper fih während ver fieberlofen Zeit einiger:
maßen erholen fann. 4) Das wiederkehrende
oder relurrierende %. (Febris recurrens), eine
jeltener vorlommende Fieberform, die ſich —
auszeichnet, daß auf einen länger ſdurchſchnittli
5—7 Tage) dauernden Fieberanfall eine ebenfo
lange dauernde fieberfreie Zeit folgt, worauf plöß:
lich und unerwartet jtatt der gebofiten Genejung
ein erneuter Fieberparorysmus folgt. Am aus:
geiprohenften findet ſich dieſer Fiebertypus beim
109. Nüdfalltyphus (f. d.). Eine rudimentäre Fieber:
form jtellt das fog. ephbemere F. (Febricula)
dar, welches ſich durd feine außerordentlich Furze
Dauer auszeichnet und troß feiner oft beträchtlichen
Höbe (bis 40,5° C. und darüber) meift fhon nad
wenigen Stunden, fpäteftens nad) einem Tage ohne
weitere Zeichen einer Allgemeinjtörung und obne
weitere Folgen wieder verſchwindet. Ein ſolches
erbemeres F. entiteht gemöbnlich bei empfindlichen
Berfonen (Kindern, — Retonvalescenten) auf
gen geringfügige Veranlafjungen bin, welche bei
äjtigern Individuen eine Störung der Konſtitu⸗
tion nicht hervorbringen.
Abgejehen von den oben angeführten Fiebertupen
t man von alters ber noch drei verſchiedene Fie⸗
erarten aufgeftellt, die durch das Üiberwiegen —
wiſſer anderer Symptome einen eigenartigen Cha⸗
ralter darbieten: 1) Das entzundliche F. oder
Reizfieber (Febris erethica), welches bei ausge
dehnten ſchweren Entzündungen (wie der Lungen:
und Rippenfellentzündung) und bei I kräftigen
Perſonen vorlommt und fih dur hohe Bluttem:
peratur, durch anbaltenden oder ſchwach nachlaſſen⸗
den Fiebertypus, harten, vollen Puls, lebhaft ge:
rötetes Geficht, heftigen Durft, ftarljedimentierenden
Harn, Unrube und Delirien des Kranten zu erfennen
iebt. Die Ausſicht auf Genefung ift im allgemeinen
eim entzündlichen F. günftig, vorausgeſetzt, daß
ver Kranke hinreichend kräftıg ift. 2) Das ner:
ndfe F. (Febris nervosa oder adynamica), welches
fih vorwiegend bei zarten oder durch vorausgegans
gene Bean geſchwächten oder durch das Alter
erichöpften Berjonen vorfindet; es zeichnet ſich *
roße Hinfälligleit und Schwäche, außerordentli
ae fleinen Puls, [Hofes eingefallenes
Geſicht, Delirien und Sclaflofigteit fowie durch
ftarle Schweihe aus; troß der hoben Temperatur
des Rumpfes füblen fi die Ertremitäten kühl an,
und häufig befteht große Neigung zum Aufliegen
(1. d.). N ee e ift bei diejer Fieberart in
der Mehrzahl der Fälle ungünitig, weil der Kranke
zumeijt außerordentlich erjhöpft und fein Organis⸗
mus nicht im ftande tt, die durch das 5. gejekten
Störungen zu überwinden. 3) Das Zebrfieber
oder hettiſche F. (Febris hectica), dag fich bei den
verſchiedenſten Auszebrungskrantheiten, namentlich
bei der chroniſchen Lungenſchwindſucht ſowie bei
innern und äußern Eiterungen und Berjhmwärungen
zeigt; e3 giebt ji gewöhnlich dadurch zu erfennen,
das der Kranle trog guten Appetit3 und reichlicher
Nahrungszufuhr auffallend abmagert und ficbtlich
67]
abzehrt. Gewöhnlich bietet das Stehen einen Star!
und unregelmäßig nachlaſſenden iebertypus (hob:
Abend: und niedrige Morgentemperaturen) dar; dei
Kranke fröftelt, hat gerötete und heiße Wangen,
beiße Hände, matte Augen, wird in der Nadı
von starten und quälenden Schweißen mit dem nad:
olgenden an roßer Ermattung befallen; auch
ellen ſich nicht ſelten reichliche erihöpfende Dur:
älle ein. Die Vorberfage ift meiſt ungünftig, weil
das Zebrfieber meijt jehr lange andauert und daher
auch mit einer beträchtlichen Konſumtion des Hör:
pers verbunden ift.
Die frage nad den eigentlihen Urſachen und
der Entjtebung des F. bat von jeher das lebhafte
Intereſſe der Srzte und Pathologen erregt, wurde
aber erjt in den erſten Decennien des 19. Jahrh.
dadurch weſentlich gefördert, daß die Anſicht der
ältern Schulen, wonadh das F. eine eigenartige
und jfelbitändige, nicht von anatom. Berände:
rungen abhängige Störung der Lebenskräfte fei,
durch Brouſſais, Schönlein u. a. wirkſam befämpft
und der wichtige Nachweis geführt wurde, daß ſich
bei fait jedem F. eine Örtliche Organerfrankung, ein
Krankheitsherd auffinden läßt, von dem aus jo:
dann dur Vermittelung des Blutes der Gejamt:
organismus in der dem F. eigentümlichen Weiſe
beeinflußt und verändert wird, Weitere Unter:
fuhungen haben gelehrt, daß durch den Übertritt von
fiebererregenden jog. pyrogenen Stoffen, vor allem
dur die Bakterien und ihre chem. Stoffwechſel⸗
produfte eine eigentümliche Veränderung des Blutes
bedingt wird, melde ihrerfeit3 wiederum eigen:
artige Wirkungen auf das Nerveniyitem, insbe:
fondere auf die Gefäßnerven und denjenigen Teil
des Nervencentralapparats, mwelder der normalen
MWärmeregulierung des tieriſchen Körpers voritebt,
ausübt und dadurd (nad den Anſchauungen der
meiften Autoren) eine ganz beträdtlihe Steige:
rung der Wärmeprobuftion zur Folge bat. Die
Ginzelbeiten diefes Vorgangs find noch nicht ge:
nauer befannt; nur jo viel ſteht feit, daß durch
das Fieberblut die Nerven der Gefäßwandungen
und das im verlängerten Markt gelegene wärme:
requlierende Nervencentrum übermäßig erregt und
infolgedeſſen eine alle Gewebe bes Kür:
pers mehr oder minder betreffende Steigerung des
allgemeinen Stoffwechſels hervorgerufen wird. Da
nun aber mit der vermehrten Wärm Dt
wie im normalen Zuitande, eine vermehrte Wärme:
abgabe Hand in Hand gebt, jo muß eine mehr oder
weniger beträchtliche Überheizung des Blutes und
fämtliher Organe und damit der ausgeſprochene
Symptomenlompler des F. die unausbleibliche
Folge fein, die fo lange andauert, als die pyrogenen
(Nebererregenden) Stoffe im Blute cirkulieren.
Hinfichtlich der Bedeutung des F. und feiner
Folgen für den Gejamtorganismus ijt zu betonen,
daß jedes F. an fich gewiſſe, nicht zu unterjhäßende
Gefahren für den Körper mit ſich bringt, die um
fo größer und ernftlicher find, je länger anhaltend
und je fontinuierlicher fein Verlauf ift und je böbere
Temperaturen dabei erreiht werden. Zunädjt er:
Bi t dur die mit jedem anhaltenden F. verbundene
elöleun ung bes Stoffwechſels und den erhöhten
Eiweißumſaß eine beträdhtlihe Konfumtion und
Entträftung des Körpers, weldye meiſt um fo ſchwie⸗
riger zu bekämpfen ift, als durch die gleichzeitia
vorhandene Verdauungsſchwäche und Appetitlofin:
keit die Nahrungsaufnahme häufig ſehr beichräntt
672
wird; weiterhin entitehen aber auch ſchwere Ernäb:
rungsitörungen und patbol. Beränvderungen (jog.
parenhymatöje Entartungen) der verſchiedenſten
lebenswichtigen Organe, des Gehirns, der Leber
und Nieren, des Herzfleiiches u. a., durch welche die
befallenen Organe für ihre Verrichtungen mehr
oder minder unfähig und wodurd unter Umjtänden
—— Lähmung des Herzens oder des Gentralner:
venſyſtems und damit plößlicher Tod herbeigeführt
werden, Wegen viejer nachteiligen Wirkung auf
die innern Organe find länger anhaltende F. immer
als eine ernjte Gefahr für das Leben zu betrachten.
Andererjeits ift aber nad modernen Anjhauungen
das F. ald ein Heilungsvorgang zu betrachten,
welcher dazu dient, die in den Körper eingebrungenen
Schaͤdlichleiten infolge des gefteigerten Stoffwechſels
raſcher auszuſcheiden. In dieſem Sinne wird das F.
als «falutäre Realtion⸗ des Organismus ge en die
eingedrungenen, fiebererregenden Schädlichkeiten
angejeben, und namentlich find es die meiſt im F. an
geh geiteigerten weißen Blutkörperchen, denen eine
fämpfung der «jiebernoren» zugejchrieben wird.
Die Behandlung der ieberfranten muß fi
nad dem bejondern Kalle richten und gebt in der
Regel mit der Behandlung der eigentlihen Krant:
beit Hand in Hand, Entiprechend der vorhin be:
zeichneten modernen Auffafjung von der Heilkraft
des F. juht man nicht wie Früßer unter allen Um:
ſtanden das F. durch fünftlihe Mittel zu befämpfen,
jondern beftrebt ſich im allgemeinen, lediglich die
Urfahen der fieberhaften Krankheit zu beleitigen,
und greift gegen bas F. ſelbſt nur da ein, wo feitens
übermäßiger oder langdauernder Temperaturfteige:
rung dem Organismus Gefahr droht oder wo der
Kranle unter Fieberwirtungen (namentlih über:
mäßigem Higegefühl, nervöfen Störungen u. ſ. m.)
bejonder leidet. Das Wechſelfieber wird durch
Chinin ſicher geheilt, aber auch in andern Krank—
eiten fann durch Chinin, Antipyrin, Antifebrin,
alichlſaure und ähnliche Fiebermittel (j. Bl
deren die Chemie neuerdings in übergroßer Zahl
geſchaffen hat, die Temperatur vorübergehend er:
niebrigt und damit gewiſſen, durch die Überheizung
des Blutes berbeigeführten Gejahren wirljam ent:
gegengetreten werben. Das fchnellite, wirkfamite
und bei keehnubioer Anwendung in der Regel un:
nadg e Mittel zur *66 der abnorm
oben Temperatur iſt das kalte Bad, welches ſchon
Ende des 18. Jahrh. von dem Engländer James
Eurrie vielfad angewendet, aber erit jeit den neuer:
lihen Empfehlungen von Brand, Bartels, Lieber:
meijter, von Ziemſſen, Jürgenfen u. a. allgemein
eingeführt worden ift und die Sterblichleitäziffer
des Typhus und verfchiedener anderer ſchwerer
en bedeutend berabgejest hat. Die
nmwendung der falten Bäder richtet fih nach dem
einzelnen Fall und muß ärztlich vorgeichrieben und
tontrolliert werden, damit dem Kranten nicht Scha⸗
den zugefügt wird. Bei Kranlen, welche kalte Bäder
nicht vertragen, wendet man an deren Stelle mit
großem Vorteil kalte Einwidlungen an; ein großes
Leintuch, doppelt oder vierfach gelegt, wird mit
lauem oder kaltem Wafler durdträntt, gut aus:
gerungen, auf einer wollenen Dede ausgebreitet
und jodann der volljtändig entlleidete Kranke zu
in das naſſe Tuch und dann in die wollene e
eingeihlagen. Nah kurzer Zeit wird der ſtranke
berausgenommen und wieder frifch eingemwidelt und
dieganze Procedurjenad) der Höbe des vorhandenen
Fieber
nlih wie die falten Einwidlungen wirken talte
bwaſchungen.
Da das 3 bei Verletzten und Üperierten vor
allem durh Störungen der Wundheilung bevinut
iſt, fo ift bei 5. die Wunde einer genauen Unter:
fuhung zu unterwerfen. Durch Bejeitigung 3. B.
einer vorhandenen Eiterverbaltung wird oft das
d. jofort befeitigt. \ ,
Hinfichtlich des allgemeinen diätetiſchen Ber»
haltens ijt zu betonen, daß jeder Fieberkranke
möglichft frübzeitig in vflege genommen werden
und während der ganzen Dauer des F. das Bett
üten muß. Starte Sinneseindrüde (Geräuſch,
iht), pſychiſche Erregungen u. f. w. ſind von
dem Kranken möglichft fern zu halten; jun Saget
muß bequem und nicht zu warm, das Strantenzimmer
(f. d.) jederzeit gut dentiliert und nicht über 16 bis
17° C. temperiert fein. Mit bejondern Schwierig:
feiten bat häufig die Ernährung des Fieber
franten zu kämpfen, weil wegen der meiſt das
nieberliegenden Verdauung und ter ungenügens
den Abjonderung der VBerdauungsjäfte Eiweiß ſub⸗
tanzen und Fette in erheblihern Mengen von dem
Fieberkranken nicht verarbeitet und verbaut mers
den fönnen. Man befchränte fi deshalb auf das
Darreihen von Mild und Schleimjuppen aus büns
nem Gerſtenſchleim, Hafergrüge, Gried und ahn⸗
lichen leicht verdaulichen, —— ſog. Kohlen⸗
hydrate enthaltenden Nahrungsmitteln, melde —
ee Cinmwirlung der ee afte einfad dur
den Milhfäuregärungsprozek Ichließlich gelöft und
in die Säftemajje aufgenommen werden können,
vernadläffige aber auch nicht kräftigere NA rReie
(Behajft, eiidbriben mit Ei, geihabtes Fleiſch,
eichte Mebliveiien). Als Getränt dienen am beiten
einfaches kaltes Wafler, Brot: oder Reitmafjer oder
fäuerlihe Limonaden. Befondere Sorgfalt ift auf
regelmäßige Stublentleerung zu verwenden, Bes
wußtlofen Fieberiranlen find öfters einige Löfiel
falten Waſſers in den Mund — ine wich⸗
tige Rolle in der Fieberbehandlung ſpielen endlich
die Reizmittel (ſtarle Fleiſchbrühe, Wein, Cognac,
ſchwarzer Thee), durch welche in Augenblicken der Ge⸗
fahr der Erjhöpfung oder Herzlähmung wirlſam bes
geanet wird. Über die Verhütung des jog. Auf: oder
urchliegens ſ. — — Bol. Wunderlich, Die
Eigenwärme in Krankheiten (Lpz. 1868; 2. Aufl.
1870); Liebermeifter, Über Wärmeregulierung und
F. und: Über die Behandlung des F. (In Vollmanns
«Sammlung kliniſcher Vorträge, Nr. 19 u.31, ebd.
1871— 72); derf., Handbuch der Bathologie und The⸗
rapie bes F. (ebd. 1875); Senator, Unterfuhungen
über den Ag pie Prozeß und jeine Behandlung
(Berl. 1873); Cohnheim, Borlefungen über allges
meine Bathologie (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1882); von
Redlingbaufen, Handbuch der allgemeinen Patbo»
lonie des Kreislaufs und der Ernährung («Deutiche
Chirurgie», Lig.2 u. 3, Stuttg. 1883); Herz, Unter
fuhungen über Wärme und F. (Wien 1893); Rabe,
Die modernen Fiebertheorien (Berl. 1893); Ugbetti,
Das F. (deutſch von Teufcer, Jena 18%); Lowit,
Die Lehre vom F. (Heft 1 der ——— über
allgemeine Pathologie», ebd. 1897); Witte, Das
F. und die fieberbaften Krankheiten (Berl. 1898).
Auch bei den Haustieren iſt das F. feine jelb-
ftändige Krankheit, fondern nur — ——
einer ſolchen. F. wird ausſchließlich bei jenen Kra
beiten beobachtet, die durch Infeltionserreger (Bal⸗
Ir drei: bis fiebenmal nadheinander vorgenomnten.
u
Fieber (gelbes) — Fiedler (Heinrich)
terien) erzeugt werden. Die Erſcheinungen des F.
find Aufhören der Freßluſt, yeiträubtes, glanzlojes
Haar, Mattigleit, wechſelnde Temperatur auf ber
allgemeinen Rörperbede, jchnelleres Atmen. Häufig
ift das Durftgefühl erhöht. Bei näherer Unter:
fuhung findet man bejchleunigten Herzihlag und
vermebrte Bulfe, hauptſächlich aber eine u enen
Erhöhung der innern Körpertemperatur (Meſſen
mittel3 eines in den Maſtdarm eingeführten Ther⸗
mometerd); diejelbe überfteigt die normale Grenze
beim Pferde von 38,5° C., beim Rinde und Hunde
von 39,5° C., beim Schweine von 40° C. Bei der
Behandlung genoß in früherer Zeit der —
eines großen Rufes. Jetzt wird derſelbe nur no
angewendet, wenn es ſich darum handelt, im erſten
Stadium der fieberhaften Entzündung eines Dr:
gang, 3.3. der Zunge, dasjelbe von dem über:
mäßig dabinflutenden Blute zu entlaften. Das $.
ſelbſt betämpft man nicht mebr durch Aderlaß, weil
man eingejeben bat, daß durch denfelben der mit
dem FF. ſiets einhergebende Kräfteverbrauc in *
Grade geſteigert wird. Die meiſten fieberhaften
Erkrankungen haben einen regelmäßigen oder, wie
man ihn auch nennt, typiſchen Verlauf, der durch
die Anwendung von Fiebermitteln nur wenig im
allgemeinen gejtört wird. Cine große Rolle ſpielt
bei der heutigen Fieberbehandlung die Erhaltung
des Kräftezuſtandes durch Anregung und Unter
altung des Appetit, Diefes erreiht man dur
ütterung von Kleie, Heu, Grünfutter und Verab⸗
reihung von jog. Mitteljalzen. Stets ijt für gute
Luft zu forgen. Srreicht das F. eine fehr bedenkliche
* ſo * man es durch kalte Umſchläge, Be:
gießungen, Klyſtiere herabzudrücken. Innerlich giebt
man als vorzügliches Fiebermittel, das zugleich den
Zwed eines Kräfteſparmittels erfüllt, Wein oder
llohol, und erſt wenn dieſe Verordnungen im Stich
laſſen, pflegt man zu den wirklichen Fiebermedila—
menten (Antipyrin, Antifebrin, Bhenacetin) zu grei:
ieber, gelbes, f. Gelbes Fieber. fen.
eber, Franz Xaver, ſ. Fieb.
eberbruun, djterr. Dorf, ſ. Bd. 17,
eberheilbaum, ſ. Eucalyptus. [thes.
eberfice, Fieberkleeextrakt, ſ. Menyan-
teberfrant, das Tauſendgüldenkraut (ſ. d. und
Zajel: Contorten, Fig. 4).
ieberfuchen (Placenta febrilis), die ſtark ver:
größerte, oft brettartig harte und durch ausgetrete⸗
nen Blutfarbftofj ſchwarz pigmentierte Milz, wie
fie durch langwierige Wechſel- und Sumpifieber
entjtebt (f. Milztran beiten).
eberfurve, ſ. Fieber.
ebermittel —— diejenigen Heil:
mittel, welche die krankhaft erhöhte Körpertempera:
tur (f. Fieber) herabzuſezen vermögen. Sie wirken
entweder dadurch, daß jie dem Körper direlt Wärme
entzieben, wie die kühlen Bäder, die falten Ab»
reibungen, Waſchungen und Ginpadungen, oder
daburd, daß fie das Märmecentrum des Gehirns
beeinfluffen und dadurch die Wärmebildung bes
fchränfen. Hierber gehören die meijten mebitamen:
—— F. wie das Chinin, die Digitalis, das Anti—
febrin, das Antipyrin, das Phenacetin, das Sali—
yrin u. a. Da die medikamentöſen F. unter Um—
tänden unangenehme, ſelbſt nachteilige Nebenwir:
tungen entfalten können e bedarf ihre Anwendung
durchaus der ärztlichen fi erwachung. — Bal. Bun:
zel, Die künftliben F. (Stuttg. 1898); Vatintty,
Die Antippreje im Kindesalter (Berl. 1901).
Brodbaus’ Konveriations-Leriton.,. 14. Aufl. R. A. VI.
673
ieberrinde, ſ. Chinarinde und Exostemma.
ieberthermometer, die zur Beitimmung ber
Temperatur des menschlichen Körpers befonders ein:
gerichteten Thermometer. Sie umfafjen ——
einen lleinen Teil der Celſiusſtala, in deren Mitte
ſich die gewöhnlich durch einen roten Strich bezeich⸗
nete normale Bluttemperatur des Menſchen (37°)
befindet. Die Grade des F. find in Zehntel einge:
teilt, fo daß eine genaue Yblefun ermöglicht wird.
Das Thermometer legt man meijt unter die Junge
oder in die Achjelböble. In der Regel find die g
Marimumtbhermometer.
iebertropfen, |. Chinoibin.
iecht, Abtei, j. Viecht.
iedel over VBiole (gewöhnlich vom lat. fidicula
abgeleitet; ſchon althochdeutſch fidula; ital. viola;
frz. vielle), Streihinftrument, aus dem die kunft:
vollere Violine (f. Geige) hervorging, bezeichnet jetzt
eringmwertigere Biolinen; ebenjo Meier Violin:
—* geringern Grades und Standes.
Fiedelbogen, der Bogen bei Streichinſtrumen⸗
ten; auch das zur Umdrehung der Bobrrolle dienende
Gerät (f. Bohrer). —— Blattes.
iederblättchen, die einzelnen Blättchen des
iederförmig, ſ. Blatt nebſt Tafel, Fig. 21a.
ederpalmen, j. Palmen.
tedler, Bernhard, Maler, geb. 23. Nov. 1816
in Berlin,warSchülerdes Marinemalers W. Kraufe,
ing mit — des Königs Friedrich Wil:
elmIV. 1843 nach Italien und erbielt bier 1849 Auf⸗
träge vom Raifer Franz Joſeph (Anſicht von Trieſt)
wie von deſſen Bruder Brgberaog Karl Ludwig, dem
Minifter Kolowrat (Diocletianpalaft von Spalato)
und dem Statthalter Graf Wimpffen. Der König
—— ihn auch 1853 nad) Konſtantinopel; von bier
egab er fich nad Kleinafien, Syrien, PBaläftina
und Ügypten bis zum erjten Niltataralt. 1855 bes
gleitete 14 den Herzog von Brabant (jekigen Köni
der Belgier) in den Orient, befuchte dabei au
Griehenland und Süditalien. 1864—82 bereite er
wieberbolt Agypten und ließ fih dann in ...
der, wo er 29. März 1904 ftarb. Bon feinen Land»
ſchaftsbildern befindet ſich in der Berliner National:
galerie eine Anfiht von Pola in Jitrien (1846),
im Hofmufeum zu Wien die große Anjicht von Kairo
rent im Wallraf:Mufeum zu Köln die Granit:
rüche der alten Äghpter bei Alfuan (1873); ferner
find zu nennen: Sonnentempel von Baalbel (1872),
Serufalem vom Ölberge geſehen (1879).
Fiedler, Heinrib, Schulmann und Mineralog,
eb. 10, Febr. 1833 zu Neiſſe, — Naturwiſſen⸗
[haften und Matbhematit zu Breslau, wurde 1854
ebrer am Realgymnafium zum heiligen Geift, 1876
Direltor der neuen ——— (jeigen Oberreal⸗
und Baugewerkſchule) daſelbſt. Daneben war er ſeit
1855 Kuſtos am Mineralogiſchen Muſeum der Bres⸗
lauer Univerfität. Als Gründer des Schleſiſchen Cen⸗
tralgemwerbevereind nahm er ven regiten Anteilander
Draanifation der gewerblichen Fortbildungsihulen
Schleſiens. 1878 war er Mitglied der in Berlin ab:
gebaltenen, über die Einrichtung der Gewerbejchulen
in Preußen beratenden Schullonferenz, ebenjo ber
vom preuß. Minifterium einberufenen Berjamm:
lungen für die Organifation der technifhen Mittel:
fhulen und Baugewerkſchulen. 1890 wurde er vom
Raifer zum —*1* der großen Schulkonferenz, im
Yan. 1891 zum Mitglied des Siebener-Ausſchuſſes
jur Reform des höhern Schulweſens beitimmt, mo er
ejonders die Förderung der lateinlofen Schulen vers
43
674
trat. Im a 1891 wurde er zum aufßerorbent:
lihen Mitglied der ftändigen Kommiffion für das
technische Unterrichtsweſen ernannt. F. ſtarb 22. Jar.
1899 in Breslau. Bon feinen Schriften find zu er:
mähnen: «Die fojfilen Früchte der Steintoblen:
formation» (Bresl. und Bonn 1857), «Die Minera:
lien Schlefiend» (Bresl. 1863) fomie Aufſähe über
die technischen und realiftiihen Schulfragen.
Fiedler, Dttomar, Yurift, geb. 12. Juli 1831 in
Dresden, aeit. 17, April 1886 als Stadtrat in
Zwidau i. ©., befannt durch feine mujtergültigen
und preigefrönten Schriften: «Die deutiche Frei:
willige Feuerwehr» (Chemn. 1870); «Geſchichte der
deutſchen Feuerloſch· und Nettungsanitalten» (Berl.
1873); «Grundzüge der Organifation der Feuerlöjch:
und Rettungsanftalten» (Z3wickau 1877) u. a.
Field (ſpr. fiblv), Cyrus Weit, der Urheber der
— telegr. Verbindung zwiſchen Europa und Ame⸗
rifa, geb. 30. Nov. 1819 zu Stodbrivge in Mafja:
uſetts, fam in feinem 15. Jahre als Yehrling nad
euporf, wurde ſpäter der Leiter eines größern Han:
delshauſes daſelbſt, 309 ſich aber 1853 vom Geſchäft
jurüd. Seitdem widmete er feine ganze Thatlraft
der von F.N. Gisborne angeregten Legung eines
unterjeeiihen Kabels zwiſchen den beiden Kontinen⸗
ten (f. aud) Telegrapbenleitung). Die Legung eines
Kabels auf amerit. Seite durch den St. Lorenzbuſen
wurde im Aug. 1855 dur einen Sturm vereitelt,
im Juli 1856 glüdte fie; nun gründete F. noch im
jelben Sabre in London die Atlantiſche Telegraphen:
compagnie und unternahm mit Eb. T. Brigbt (ſ. d.)
1857 und 1858, von der engl. und amerik. Regierung
unterftüßt, zweimal vergebend die Legung eines
Kabels; erit 1858 gelang fie, indeſſen vermochte man
auf diefem Kabel nur vom 16. Aug. bis zum 1.Sept.
zu telegrapbieren. Es dauerte 7 Jahre, bis 7.
an die Legung eined neuen Kabels gehen konnte;
allein auch diejes riß 2. Aug. 1865 während der Le:
gung, nachdem es bereits 1900 km weit erfolgreich
nelegt war. Erſt im Juli 1866 — das Unter⸗
nehmen vollſtändig, und einen Monat ſpäter fiſchte
der Great-Eaſtern, der als Transportſchiff diente,
das verlorene Kabel von 1865 wieder auf und er—
gänzte ed. Nach 1876 beteiligte F. ſich an der Errich—
tung der Neuyorker Hochbahnen, der Kabelverbin—
dung zwiſchen San Francisco und den Sandwich—
infeln und andern Unternebmungen. P tarb 12, Juli
1892 zu Ardsley (Neuyort). — Bal. Judſon (as
bella Field), Cyrus West F. (Neuyort 1896).
Field (ipr. fihld), David Dudley, norbamerif.
Juriſt, geb. 13. Febr. 1805 zu Haddam im Staate
Connecticut, ließ fih 1828 in Neuyork nieder, wo
er zu den bedeutendſten und gefuchteften Advolaten
aebörte und 10. April 1894 jtarb. Sein Hauptver:
dienſt ift die Ausarbeitung von Codices für das
Eivil: und Strafrecht, die in Neuyork zum Zeil, in
Kalifornien und Dakota gänzlich ald Normen ange:
nommen wurden und das Prozeßverfahren verein:
fahten. ferner baben auf dem Gebiete des Völler:
recht? feine «Draft outlinesof an internationalcode»
(2. Aufl., Neuyort 1876) die Geſellſchaft für Reform
und Kodifizierung des Vollerrechts mit herbeigeführt,
Gine Sammlung feiner kleinern Schriften gab er
1884 heraus: «Speeches, arguments and miscella-
neous papers» (2 Bde., Neuyorf).
Field (ipr. fiblo), John, engl. Pianiſt, geb.
26. Juli 1782 in Dublin, erbielt von feinem Groß:
vater Unterricht im Klavierjpiel und erlangte feine
höhere muſilaliſche Ausbildung unter Elementi in
Fiedler (Ottomar) — Fielding
London. Diefer führte ihn felbit in die Öffent:
lichleit ein und trat mit ihm zugleib um 1798 in
Paris auf. Als 1802 Elementi feine große Reiie
durch Frankreich, Deutſchland und Rußland antrat,
wurde F. Begleiter feines Meifters und blieb in Ruf:
land bis 1832, in welchem Jahre er auf einer großen
Kunftreife England, Frankreich und Ftalien durchzog;
von Neapel 1835 nad Rußland —S— itarb
er 11. Yan. 1837 in Moskau. Obgleih 5. außer:
ordentliche Birtuofität befaß, ging er doch weniger
darauf aus, a a au au zeigen, ala vielmebr
den melodiihen Gehalt der Tonjtüde durch empfin-
dungsvollen Vortrag auszuprägen, wobei ihm fein
ſchöner Anſchlag febr zu ftatten fam. Seine nit
zablreihen Tonwerle, darunter al die umfang:
reichiten fieben Konzerte, ein Quintett und drei So:
naten, zeichnen fih weniger durch barmonifce
Tiefe als durch edeln Geſang aus. Durch feine fog.
(18) Notturnos begründete er eine neue Gattung
der Salonmufil, die in den «Liedern obne Worte»
von Mendelsſohn und in Ehopins Notturnos be
deutende Erweiterung erfahren bat.
Fieldia, j. Teatbol;.
Fielding (ipr. Kolb), Antbony Vandylke Eoplen,
engl. Nquarellmaler, geb. 1787 zu London, war Ehür
ler feines Vaters, des Porträtmalers Theodore F.
und ftiliftifch noch vielfach im Geifte feiner Zeit be
fangen ; er malte meiftenteils gut —— im Ton
— Landſchaften, welche in England noch heute
oc geſchätzt werden. Die Geſellſchaft der Londoner
Aquarellmaler wählte ibn 1831 zu ihrem Präſi—
denten, welche Stelle er bis zu feinem 3. März 1855
in Brighton erfolgten Tode bekleidete.
Fielding (ſpr. fiblo-), Henry, engl. Dichter,
aeb. 22, April 1707 zu Sharpham: Bart in Eomceriet,
ftammte aus der Familie der Grafen von Denbigb.
Seine Bildung erhielt er in der Schule zu Eton
und auf der Univerfität Zeiden, lehrte aber vor
beendigten Rechtsſtudien nad London zurüd und
fhrieb nun für die Bühne. Der feinen beiden er:
ften Stüden «Love in several masks» und «The
Temple beau» zu teil gewordene Beifall blieb ihm
nicht treu, und von den fämtlichen, 1727—36 zur
Aufführung gelommenen 23 Luftipielen und Poſſen
find außer der tragifchen Burleste «Tom Thumb»
höchſtens no «The mock doctor» und « The in-
triguing chamber-maid» befannt. Auch feine polit.
Streitihriften und —— wurden wenig be⸗
achtet. Erſt mit dem Roman «Joseph Andrews»
(2Bde. Lond. 1742; deutich von Dertel, Meif. 1802;
von — Braunſchw. 1848) betrat er die
Bahn litterar. Rhms. Durch «Tom Jones» (Lond.
1749; deutſch von Bode, 6 Bde., Lpz. 1786 - 88;
von Ludemann, 4 Bde. ebd. 1826; von Diezmann,
6 Bde., Braunſchw. 1848; von Randolf für Reclams
«Univerfalbibliotbet») erhob er den Roman zu
Haffiiher Höhe. Schwächer iſt «Amelia» (4 Bde.,
Lond. 1752). F. war Schaufpieldireftor, Landwirt,
Sachwalter und Journalift geweſen; ſchließlich Frie⸗
densrichter, und als ſolcher ſchrieb er Romane, die
durch reiche Erfindung, Kraft und Wahrheit in der
Charalterzeichnung und eine ſeltene Kenntnis des
menschlichen Herzens und der Zeitverhältniffe fefieln.
dur Herjtellung feiner Gejundheit ging er nab
ortugal; unterwegs fchrieb er eine unvollendete
«Voyage to Lisbon» (Fond. 1755; neue Ausgabe
von A. Dobfon, ebd. 1892). Er ftarb 8. Dit. 1754
zu Liffabon. Seine nefamten Schriften erſchienen
in Sondon 1762 (4 Bde.), 1784 (10 Bde.), 1808
Fiepen — Fiesco
(14 Bde.), 1851 (2 Bde.); in der Edinburgher «xNo-
velist’s Library» (1821 u. d.) mit biogr.:tritifcher
Einleitung von W. Scott, von Th. Roscoe (1840 |
u. d.), von Bromne (2 Bode,, 1871), von Goſſe (2 Bpe.,
1898). — Vgl. Lawrence, Life and times of F.
(Lond. 1855); Thaderay, The English humourists
(ebd. 1858 u. d.); A. Dobfon, in den «English men
of letters» (ebd. 1895); Lindner, Henry 3.8 dramat.
Werte (Dresd. 1895).
Fiepen, der Angftruf der jungen Rehe und der
vom Bod in der Brunftzeit gebesten Schmalrebe.
(S. Blatten.)
Fiöra.(ital.), — Sofrmark: ieränt, Kauf
mann, der die Meile beziebt; Händler.
Fierabras (vd. i. fier A bras), ein heidn. *
der Held eines deutſchen Vollsromans. Dieſer
beruht unmittelbar auf einer franz. Proſafaſſung,
der aber in Frankreich ſchon eine altfranz. und
eine provencal, Dichtung vorangeht (provengas
lifih «Der Noman von %.», m von mm,
Belter, Berl. 1829; franzöfifch bg. von Kroeber und
Servois in «Anciens poetes», $. 4, Var. 1860).
Der Kern des deutfchen Vollsbuchs (be: von von
ber Hagen und Büſching im «Buch der Liebe», Berl.
1809; erneuert in Simrods «Boltsbüdhern», Nr. 30,
Frankf. 1849) ift der fiegreihe Kampf Oliviers mit
dem edlen Rieſen %.; als Dlivier diefen eben ge
fangen nehmen will, widerfährt ihm das Gleiche
durch eine heidn. Ubermacht; Karl läßt ihn durch
feine Baladine befreien, deren einer, Guy von Bur-
gm; F. Schweiter Floripes —— Der Stoff
ſt in Calderons «Brüdevon Mantible» dramatiſiert.
Fiöramente (ital.), in der Muſik ſoviel wie
»Fierant, j. Fiera. [beftig, wild.
Fiörasfer, Fiſchgattung, ſ. Sanbaale,
Fieren, das Herablaffen einer Laſt, 5. B. einer
Stenge, einer Rabe, eines Segel, aus der Talelung
mittelSeines Taues oder einer TZalje; gleichbedeutend
iſt abfieren, auffieren, wegfieren.
iefch, Dorf im Kanton Wallis, ſ. Viech.
ieſcher Gletſcher, ß Vieſcher Gletſcher.
ieschi (fpr.fiesti), Joſephe Marie, bekannt durch
den 28. Juli 1835 unternommenen Mordverſuch auf
Ludwig Philipp. Geboren 1790 zu Murato auf Cor:
ſica, madte F. den Feldzug 1812 nah Rußland
mit, nahm dann an der Erpedition zum Zmede der
Wiedererbebung Murats auf den Thron von Neapel
teil, wurde aa zum Tode verurteilt, aber
als franz. Unterthan begnabigt. 1816 wegen Ur
fundenfälihung zu —— Gefängnis verur⸗
teilt, begab er id bei Ausbruch der Yulirevolution
1830 nad Paris, wo er bei der Polizei eine An:
ftellung erbielt, aber wegen Beruntreuungen ent:
laſſen wurde und in der äußerften Not den Blan
abte, den König zu töten. Von einem Haufe des
oulevard du Temple ſchoß er aus einer Art Mi:
trailleufe, bergeftellt aus 24 verbundenen Gewehr⸗
läufen, J den zur Revue vorbeireitenden König,
der aber jelbft nur leicht an der Stirn verlegt wurde,
mäbrend 18 Perſonen feines Gefolges, darunter
Marſchall Mortier, jofort tot blieben und 22 ſchwer
verwundet wurden; er wurde fofort ergriffen und
mit zwei feiner — — Morey und Pe:
pin, 16, Febr. 1836 guillotiniert. — Bol. Le procds
de F. (3 Bde., Par. 1836); Du Camp, Les an-
c£tres de la Commune. L’attentat F. (ebd. 1877);
Der Neue Bitaval, Bd. 15 (Lpz. 1850).
Fiesco (jpr.fies-,eigentlih de’ Fieschi), Grafen
von Lavagna (ſ. d.). Ihr Geſchlecht ift vielleicht ger:
675
man. einge und läßt ſich zuerft 994 nachweiſen.
gi" ihren Zehen im Gebiet von Parma, Piacenza,
unierwarben fie Naja, Carrara, Bonbera, Vercelli,
Güter in Umbrien und im Neapolitanijcben und be:
faßen zahlreiche Herrſchaften in Ligurien. Der Kirche
aben fie 30 Karbinäle und 2 Bäpite, Innocenz IV.
1243—54) und Hadrian V. (1276), der fih außer
der hg der legten Hobenftaufen nichts an:
gelegener fein ließ als die Vermehrung des Reich:
tums und der Macht en Familie, Sie dienten
unter andern ala Feldherren und Admirale Genua
fowie Mailand, $ orenz und der Kirche; einer (Bar:
— wurde berühmt als Begleiter des Colum:
bus, Ihr Geſchlecht, das ſich mit europ. Dynaſtien
— erloſch im 19. Jahrhundert.
enua befämpften die F. 1110—32; beſiegt traten
ie 1198 in den Stadtadel ein unter Annabme des
uürgerrechts, nachdem fie ſchon 1150 dort einen
Palaſt zu bauen begonnen hatten. Als entfchiedenfte
ital, Guelfen jtanden fie neben den Grimaldi und
Fregofi an der Spige der Feinde der Doria und Spi⸗
nola in Öenua und bildeten in ihrem Ringen um die
Herrſchaft über die Stadt für Frankreich das Wert:
zeug zu deren Unterwerfung, wie es die Doria für
die Raifer und Spanien waren. — Das belanntefte
Glied der Familie ift:
Giovannikuigide' Fieshi, GrafvonLa—
vagna, 1523—47, Eiferſuchtig auf Andrea Doria
(f.d.), fuchte er mit Franz I. zuerjt durch Gefare Fre
goe Berbindungen anzufnüpfen und trat dann wirk⸗
ich in Beziehung mit Im durch den Geſandten Buil-
laume du Belay; ebenjo wurde Pietro Luigi Farnefe
und der Bapft Baul III. ins Verſtändnis gezogen.
Neben Giovanni Luigi F. ftand an der Spike der
Verſchwörung Vincenzo Ealcagno, aan Sacco
und m. Verrina. Die erfte Warnung er:
—* Andrea Doria von ſeiten des kaiſerl. Ge—
andten, welchen der Gobernador von Mailand auf
die Rüftungen des Pier Luigi Farneſe (f. d.) auf:
merffam machte. In der Nacht des 2, Yan. 1547
begannen die Verſchworenen die mwohlvorbereitete
Unternehmung; aber ein a machte ihr ein
plögliches Ende: Giovanni Luigi, welcher Verrina
auf das —— im Hafen folgen wollte,
ürzte von der Planfe und verſank mit feiner
chweren Rüftung. Seine Partei, die jein Ber:
chwinden ſich in der en zunächſt nicht er:
lären konnte, jegte unter yührung von Geronimo
5. und Berrina ihr Wert fort; Gianettino Doria
wurde erjhlagen, fein Dbeim Andrea Doria war
bereit3 nad Seftri geflohen. Allein die einbeit:
lihe Leitung — und als Giovanni nu
Verſchwinden befannt wurde, zogen fi die Ans
bänger von Geronimo zurüd, nur wenige hielten
bei ihm aus. Ihnen ficherte der Senat freien Ab:
zug zu, während mit Berrina ein anderer Teil fi
zur See auf die Flucht begeben hatte, Endlich wurde
auch 5.3 Leihnam im Hafen aufgefunden, und als
fo die legten Befürchtungen verfiogen waren, be
gannen die Be eier gegen die Fieschi und
ihre Anhänger; ihre Familie irrte feither arm und
vaterland3los in Jtalten, Eorfica und der Provence
umber; der jüngite Bruder Giovanni Luigi F.s
entfam nad Frankreich und gründete hier die Linie
Fiesque; der Verfolgung entging auch Cleonore
Eybd, Giovanni Luigi 5.8 Gemahlin. Die Fa:
milie_der F. ift erlofhen. — Die Verſchwörun
des F. ift in Dichter: und Geſchichtswerlen vi
fach, zum Zeil aber mangelhaft behandelt worden.
43*
676
u nennen find von erftern außer Schillers Trauer:
piel die Tragödie «Fiesque» von J. 3. A. Ancelot,
welche der wirllichen Geſchichte widerfpricht, und
der Roman des Giov. Gampiglio «Il conte di
Lavagna» (Mail. 1822); von Geſchichtswerken find
erwäbnenäwert: A. Mascardi, «La congiura di
F.» (Antw. 1629), wovon Kardinal Retz einen
ſchwachen Abllatich geliefert; Spinola, «Documenti
ispano-genovesi dell’archivio de Simancas» (in
den «Atti della Societä Ligure di storia patria»,
Br. 8); Neumont, «Eleonora Eybd und ihre An:
ebhörigen» (in den «Beiträgen zur ital. Gejchichter,
d.4, Berl. 1855); Brea, «Sulla congiura del conte
G.L. Fieschi» (Genua 1864); Canale, «Storia della
repubblica di Genova 15283—50, ossia le congiure
dei Fieschi e Cibo» (ebd. 1874); Garozzo, «Nuovi
documenti sulla congiura del Conte G. L. F.»
Tage 1886); der trefflihe Auffag_ von Belarano
m «Archivio storico italiano», Ser. III, Bo. 4,
©. 216; Staffetti, «La congiura del F. e la corte
di Toscana: documenti inediti» (Genua 1891).
Fieſer, Emil, liberaler Bolitifer, geb. 8. April
1835, ftudierte in Heidelberg und Freiburg die
Rechte, wurde 1864 Amtäörichter in Offenburg, 1868
Staatdanmwalt in Villingen, 1870 in gleicher Eigen:
ſchaft nad Konſtanz verjekt, 1879 Landgerichts:
rat in Karlsruhe, 1882 erſter Staatdanmwalt, 1890
Landgerihtödireltor dajelbit, 1899 Landgerichts:
präfident in Freiburg i. Br. 1873—1901 war F.
Abgeordneter im bad. Landtag, wo er bald zu den
Führern der Nationalliberalen gehörte. Insbeſon—
dere auf dem Gebiete der Kirchenpolitit befämpite
& der ſelbſt Alttatholit war, in der vorveriten
eihe die Aniprüche des Klerilalismus. Dem Reiche:
tage gebörte 5. 1887—90 für Karlsruhe⸗Bruchſal an.
Er ftarb 28. Yan. 1904 in Freiburg i. Br.
Fieſole, Stadt in der ital. Provinz Florenz,
mit Florenz (7 km) durch eine villenbefekte Straße
und eleltriſche Bahn verbunden, in 295 ın Höhe auf
einem Hügel, deſſen Gipfel an Stelle der alten
Burg ein BERNIE RDERANE mit berrliher Ausficht
trägt (f. Nebenlarte zum Blan: Florenz), ift Net:
denz des Jejuitengenerald und Siß eines Biſchofs
und bat (1901) als Gemeinde 17176 E. eine Ha:
thedrale ———— jest renoviert, eine brei:
ſchiffige Baſilila mit ſchönen Fresken und Reliefs,
einen biſchöfl. Palaſt, Jeſuitenlkolleg und zwei alte
Kirchen, Sta. Maria Primerana (10. Jahrh.) und
Sant’ Aleffandro mit 15 antilen Säulen, Refte
etrusl. Mauern, röm. Bäder und eines Theaters
19 Sigreiben); Steinbrüche und bedeutende Stroh:
echterei; 1 km entfernt Badia bi F. ein 1028 ge
gründeteö, von Brunelleschi neu erbautes Klojter
mit fchöner Loggia. E3 war zeitweife Aufenthalt
Picos von Mirandolaund ift jegt adlige Erziehungs:
anjtalt. — Faesulae war einer der bebeutendern
Orte Etruriend undeine der 12 Bundesftätten. Die
Nömer erlitten bier 225 v. Chr. durd die Gallier
eine Niederlage. Sulla folonifierte F. mit feinen
Veteranen. Später wurde ed Hauptwaflenplak Ca:
tilinas, Stiliho ſchlug bier 405 n. Chr. 200 000
Bandalen, Alanen, Sueven und Burgundionen
unter Nadagais. Die Stadt wurde 539 von Belijar
belagert und 1010 von den Florentinern einge:
nommen und zeritört.
Fiefole, Fra Giovanni Beato Angelico da, mit
feinem weltliben Namen Guido da Pietro, oft
nur Fra Angelico genannt, ital. Maler, geb.
1387 zu Vicchio im Gebiete von Mugello, trat 1407
Tiefer — Fieſole (Mino da)
mit feinem, als Miniaturmaler wirkenden Bruder
8 Fieſole bei Florenz in den Dominikanerorden.
Die kirchlichen Streitigkeiten, namentlich der Zwie—
—F bei der Papſtwahl, jtörten auch den Frieden
eines Kloſters, infolgedeſſen ſich F. — einer läns
ern Wanderung genötigt fab. In Eortona, wor
elbjt in San Domenico jeine Thronende Madonna
mit vier Heiligen und Engeln nod erhalten ift,
Siena und andern Orten mweilend, lernte er bes
onders den reihen Zauber der Sienefer Schule
ennen, die feinem verwandten, tiefpoet. Gemüt
eine beitimmte Richtung gab. Als dann die Brü-
derichaft in dem von den Mediceern errichteten
Klofter San Marco in Dr feit 1442 eine blei«
bende Stätte gefunden, ſchuf 5. bier die herrlichſten
jener von lauterfter Andacht und Herzensinnigfeit
ejeelten Werte. Hervorzuheben find von diefen im
Kreuzgange: Chriſtus am Kreuz, Der beil. Petrus
Martor, Ehriftus mit den Wundmalen, Ebriftus
als Pilger; im Kapitelfaal eine große Kreuzi 7
mit 20 Heiligen, in denen die Tamenlihe Tai :
nahme an dem Opfertobe des Heilands den ergrei:
fenditen Ausdrud gefunden bat, ferner im eriten
Stod die Berlündigung. 1447 ging er nah Or:
vieto, mo er in der Capella Nuova des Doms die
Altarwölbung ausmalte: Ehriftus in der Glorie
als Weltrichter, zu beiden Seiten Propheten und
Heilige. Papſt Martin V. berief ihn nad Rom, wo
er in der Nitolaustapelle des Vatikans arokartige
Fresken aus dem Leben der Heiligen Laurentius
und Stephanus entwarf. An Tafelbildern befigt
unter anderm bie Ulfalen nal rie in Florenz eine herr:
liche Madonna zwiſchen Heiligen und 12 mufizieren-
den Engeln (ſ. Tafel: Jtalienifhe Kunſt VI,
gie: 2), die Alademie dafelbit eine Kreuzabnabme
hriſti und zwei von den ſechs feinen Darjtellungen
aus dem Martyrium des beil. Cosmas und Da:
mianus (1438; drei bavon in Rinde): ferner das
Louvre in Paris eine Krönung Mariä, eins der
Hauptwerte des Künftlers, die Yondoner National:
galerie eine Anbetung der lönige. Er ftarb 1455
in Rom, Die kath. Kirche bat F. zum Range eines
Seligen (Beato)erhoben. F. iſt ver Maler des reinen
Katholicismus im Sinne mittelalterliber Schwär:
merei. — Bol. E. Föriter, Leben und Werke des Fra
Giov. da F. (Regensb. 1859); Ley, Fiesole (Lond.
1886) ; Beiſſel, Fra Giov. da F. (Freib. i. Br. 1895);
Douglas, Fra Angelico (Lond. 1900); Rothes, Die
Daritellungen des Fra Giov. Angelico aus dem
Leben Ehrijti und Mariä (Straßb. 1902).
Fiefole, Dino da, eigentlib Mino di Gio:
vanni, florentin. Bildhauer, geb. 1431, war ein
Schüler des Defiderio da Settignano. Er zeichnete
fi durch große Gejhidlichleit und monumentalen
Sinn fowie durd lebhafte Phantafie aus, obne
bob an forgfältiger Naturbeobadtung und Durd:
führung feiner Werte feinen großen Zeitgenojien
Defiverio, Roffellino und BVerrochio gleichzukom—
men. Längere Zeit fcheint er in Nom thätig ge
weſen zu fein und eine förmliche Werlſtatt gehalten
zu haben, fo daß der Charalter der röm. Stulpturen
am Ende des 15. Jahrh. wefentlih durd ihn bes
ftimmt wurde, Seine bedeutenditen Werte find die
Grabdenkmäler in der Badia zu Florenz, im Dom
von Fieſole, das Grabmal Pauls IL. in den Grotten
des Vatikans, das des Kardinals Fortiguerra in
Sta. Gecilia zu Rom. Meiſt ſchuf er Madonnen-
relief3 und Vorträtbüften (ſ. Tafel: Jtalieniihe
Kunft IV, Fig. 2). Er ftarb 11. Juli 1484 in Flo—
Fieſole (Silvio Cofini da) — Figig
ren. — gl. Semper und Barth, Hervorragende
Bildhauer: tg ge emp
Fiefole, Silvio Eofini da, ital, Bildbauer, ge
1502, geſt. 1547, war in Florenz, Piſa, Genua,
endlih auch in Mailand thätig. Er war ein Schüler
Andrea Ferruccid und bat ſich befonvers in der
dekorativen Plaſtil ausgezeichnet. So arbeitete er
Einzelbeiten an den Grabventmälern der Medici
von — die Grabdenkmäler der Miner⸗
betti in Sta. Maria Novella zu era das des
Raffaelle Maffei in San Lino zu Bolterra.
ife (ſpr. feıf), Grafſchaft in Schottland (f. Karte:
Schottland), an der Nordjeeküte, die Halbinfel
zwiſchen dem Forth⸗ und Taybuſen umfafjend, im W.
von b, Kinroß und Cladmannan begrenzt, bat
1329 qkm und (1901) 218843 E., d. i. I66 auf lgkm.
. gehört größtenteild dem fchott. Niederlande an.
ur der nordweſtl. Teil ift Hügelland, worin die
Lomonds (Eajt und Weit Lomond) 527 m erreichen.
ier & ber Boden meijt moorig und unergiebig.
er SO. iſt lach und fruchtbar. Hauptflüffe ſind der
Even und Zeven mit Ore. Im ganzen find 60 Proz.
fo forgfältig bebaut wie kaum ſonſt in Schottland.
Es wird Weizen und Gerjte, hauptſächlich aber
Hafer, auch Rüben, Kartoffeln und Bohnen ge
baut. Natürliche Waldungen find jebr felten, bäufig
dagegen Pflanzungen von Eſchen, Ulmen, Eichen,
Tannen umd Kaſtanien. Wichtig find ee a
und Seefiſcherei. Namentlich J bie Fifeſhire⸗Raſſe
des Rindviehs berühmt. Bergbau wird auf Stein:
toblen und Eiſen betrieben, früber auch auf Blei.
Man bricht Kalt: und Quaderjteine und bei dem
Küftendorf Kingsbarns grauen Marmor. In den
Hügeln zwiſchen Eden und Tay findet man Karneole
und Achate, bei Elie eine Art feiner Granaten (Elie:
rubinen). HN der Induſtrie haben bejonders die ver:
ſchiedenen Zweige der Linnenmanufaltur große Bes
deutung. Außerdem fertigt man ch Tuch,
Seife und Lichte. In mehrern Häfen iſt Schiff:
bau. Eine Babnlinie umzieht die Kuſte, zwei andere
burdqueren das Binnenland. Die Grafichaft fen:
det Eis Abgeordnete in das Parlament. Hauptitabt
N upar (j.d.) am Eden; größer find Kirkcaldy und
unfermline. Die bedeutenditen Häfen find Burnt⸗
island, Dyſart und St. Andrews. — Vol. Millar,
F., pictorial and historical (2 Bde., Fond. 1895);
Maday, History of F. and Kinross (Evinb. 1896),
Fife (nr: feih airswürde in der jchott. Familie
Duff. Wilhelm Duff wurde 1759 zum Grafen F.
in iriſcher Pairswürde erhoben; der jesi e Trã⸗
ger Alerander Wilbelm Georg Duff, geb.
10, Rov. 1849, war 1874—79 Mitglied des Unter:
hauſes, wo er ſich den Liberalen anjchloß, folgte
1879 feinem Vater als jechiter Graf von F. wurde
1885 zum Grafen von 5. in der Pairie des Ver:
einigten Konigreichs, und als er ſich 1889 mit der
älteiten Tochter des damaligen Prinzen von Wales,
jetzigen Königs Eduard VIL., Luiſe, verheiratete,
zum 2 von y. ernannt. Er war Mitbegrun—
der und Vicepräfident der Engliſch⸗Südafrilaniſchen
Geſellſchaft (f. d.), legte aber 1898 diefe Stellung
ife (pr. jeif), Ort in Rhodeſia (.d.). lnieder.
gäro, ein bramat. Ebaralter, der durch
Beaumarbais in dem «Barbier de Söville» (1775)
und «Mariage de F.» (1784) zuerjt auf die Bühne
fam. Diefe Komödien, in denen der ſtets beitere
und alles überlijtende 5., erjt Barbier und dann
Rammerdiener, die Hauptrolle fpielt, wurden in
Paris mit Enthufiasmus aufgenommen und fan:
677
ben auch in Deutfchland großen Beifall. Zu Opern:
fompofitionen vermwerteten jie era («Le nozze
di F.», «Figaros Hochzeit»), Baifiello («Il barbiere
di Sevilla»), Roſſini (gleichfalls «Il barbiere di
Sevilla») u.a. Seit diefer Zeit gilt 9, für den Typus
der Verichlagenbeit, Intrigue und Gewandtbeit.
igaro, Pſeudonym, |. Larra.
0, Le, verbreitetite und beliebtefte franz.
eitung, wurde 1854 in Baris von de Billemejjant
.b.) gegründet, erichien anfangs einmal, dann
zweimal wöchentlich, un 1865 täglih und wurde
durch die Reichhaltigleit ihrer Mitteilungen, die
eihidte Redaktion und die Richtung auf das Bir
ante und Senfationelle das gefuchteite Boulevard:
blatt. In polit. Beziehung war fie ſtets lonſerva⸗
tiv und jeit 1871 antirepublikaniſch; jeit dem Dre
fusprozeß, für defjen Nevifion fie eintrat, war fie
dagegen liberal, antillerifal und republilaniſch,
lenkte aber neuerdings wieder in ihre frübere Nic:
tung ein, Mittwohs und Sonnabends erſcheint
eine Beilage, von denen die lehtere ausſchließlich
ber Litteratur gewidmet ift. Nah dem Tode des
Gründers (1879) übernahmen Magnard (Haupt:
rebacteur), de Rodays und Perivier gemeinfam die
Leitung. Schon vorber war die Zeitung in ein Als
tienunternebmen (mit 19000 Altien) verwandelt
worden. Nah Magnards Tode (1894) wurde
de Rodays Hauptredacteur, nad deſſen und des
polit. Redacteurs Cornely Ausfheiden (Mai 1901)
Perivier. Neben dem F. erfcheint ſeit einigen Jah⸗
ren die illuftrierte Perg «F. illuströ», mit
een Bildern, von der auch engl. und portug.
usgaben veranjtaltet werden; außerdem jährli
eine Weihnachtsnummer. Ebenjo die muſtlaliſche
Monatsichrift «F. musical», mit Mufitnoten.
Figene (ipr. fiſchäch). 1) Arrondiffement im
franz. Depart. Lot, hat 1762 qkm, (1901) 73491
E., 115 Gemeinden und zerfällt in die 8 Kan—
tone Bretenour, Eajarc, Figeac-Eft, Figeac-Dueft,
Lacapelle: Marival, Latronquidre, Livernon und
Et. Cere. — 2) Hauptftadt des Arrondiſſements F.,
im * des zum Lot gehenden Geld und an den Li⸗
nien Perigueur:F.:Touloufe und Capdenac-Armant
der Franz. Orleansbahn, in wald: und weinreicher
Gegend, bat (1901) 4324, ald Gemeinde 5861 E,,
einen Gerichtshof erfter Anftanz, Kommunal:Col:
löge, Gelingen, zwei Kirchen (12. bis 14. Jahrh.),
einen Obelisfen zur Erinnerung an den in 5. ges
borenen Ügyptologen Champollion ; Seiden: und
Leinwandinduftrie, Brauerei und Sägemüblen, Ge
treides und Viehhandel. Viele Häufer zeigen nod
die Bauart des 13. Jahrh. — Die Stadt wurde
von den Hugenotten 1576 erobert und blieb bis
1622 einer ihrer Waffenpläpe.
Bieieren (lat.), Fluſſiges verdiden.
igig, Daje in der maroff. Sabara, 50 km
von der alger. Grenze, am Sübdfuße des Atlas,
wo der Wadi Susfana aus dem Gebirge tritt (f. die
Karten: Algerien und QTunejien und Ma:
rofto),ift 14 qkm groß, gut bewäjlert, fruchtbar und
9 200000 Palmen, auch Anbau von Getreide und
alfa. Die 15000 E. wohnen in 10 Dörfern, die
eine gemeinfame 16 km lange und 2 m hobe Mauer
umgiebt; der Hauptort ift Senaga mit 4000 €,
3. gebört nominell zu Marokto; jedes Dorf bildet
aber eine Nee Republik für fi; viermal im
Jahre halten die Dörfer auf neutralem Gebiete
DEREN Rat, in der übrigen Zeit liegen fie meiſt
m Streit miteinander. Die Bewohner fabrizieren
678
Mollzeuge und Waffen und verhandeln fie gegen
Sick, iegen, Wolle und Häute an die Nomaden
der Umgegend. [Töpferkunit.
Figlina (lat.), thönerne Gefäße; Werke ver
Figline Baldarno (ipr.filjihne), Ort in der ital,
Provinz und im Kreis Florenz, am linten Ufer des
Urno, an der Linie Florenz: Are330:Rom des Adria:
tischen Netzes, bat (1901) als Gemeinde 11376 E.,
Seidenzudt, Strobflechterei, Ol: und Weinbau, In
der Nähe im Arnothal finden [id viele Berfteine:
rungen fowie röm. und etrust, Altertümer.
Figueira (fpr. -geira) oder F. da Foz do
Mondigo, Stadt im Diſtrikt Coimbra der portug.
Provinz Beira, rechts an der Mündung (Foz) des
Mondego, an den Linien Liſſabon⸗F. und F. Spani—
ſche Grenze, hat (1900) 7890 E., einen bei Ebbezeit
3,5 m tiefen, aber durch eine Barre geiperrten Salem,
viel beſuchte Seebäder; Ausfuhr von Salz, Ol, Wein
und Früchten. Der Wein geht großenteild nad
Brafilien. Die Koblenbergmwerle im N. von F. find
größtenteild üuberſchwemmi.
Figueras (pr. gehras), Diſtriktshauptſtadt
und Feſtung der jpan. Brovinz Gerona (Catalonien),
20 km von der ee Grenze, liegt an der großen
Heerſtraße nach Frankreich und an der Bahn Bar:
celona : Franzoſiſche Grenze, im Mittelpuntt des
Ampurdan, einer weiten, mit Öl: und Obſt—
bäumen bededten Thalebene, bat (1897) 11637 E.,
düjtere Gaſſen, ſchöne Kirche, Spital, Inftituto und
Seifenfabrikation. — Die auf einem Hügel (146 m)
elegene Gitadelle Eaitillo de San Fernando,
auptichlüffel auf der Pyrendenfeite, gilt für
die ftärlite Feſtung Spaniens, ift in der Mitte des
18, Jahrh. unter Serdinand VI. ganz in Quabdern
erbaut. Sie wurde 27. Nov. 1794 von den Fran:
jofen eingenommen, die dann bier 14. Juli 1795
eine Niederlage dur die Spanier erlitten. Nach—
dem fie im Juni 1808 abermald von den Fran—
zofen erobert worden, überrumpelten fie 21. April
1811 die Spanier. Die Franzosen ſchloſſen nun die
Feltung ein, ſchlugen 3. Mai das Entſatzheer Cam:
ze zurüd und nahmen fie 19. Aug. unter
acdonald dur Kapitulation, mußten fie aber
Seit yenbjahr 1823
elagert, fapitus
18. Aug. 1813 wieder räumen.
von den Franzoſen unter Moncey b
lierte 5. 26. Sept. an Dumas,
Figuerad y Moräcas (fpr. -gehras), Don
Eſtanislao, fpan. Staatämann, geb. 13. Nov. 1819
zu Barcelona, trat 1837 in die ——
ein und ſchloß ſich 1840 den Nepublilanern an,
Gr belämpfte die Koalition gegen den Regenten
Gipartero (j. 2 und zog fi, als die Moderados
jur Gewalt gelangten, in die Provinz; Tarragona
— „unterhielt aber feine Beziehungen mit den
epublifanern. Nach dem Scheitern der Revolution
ließ F. je 1849 als Anwalt in Tarragona nieder.
1851 al& Vertreter von Barcelona in die Cortes
geihidt, ſtimmte er 30. Nov. 1854 gegen die Mon:
arhie und befämpite ae 1862 wrab mit
einem Parteigenojjen Rivero die Liberale Union.
ad dem Scheitern der Junirevolution 1866 bes
teiligte er fih an der Berihmörung gegen Narvaez
und wurde 12. Mai 1867 mit Rivero gefangen ges
fest. Nah dem Siege der Revolution von 1868
war er neben Piy Vlargall und Cajtelar Haupt:
führer der republitanifhen Minderheit und belämpfte
als folder die monarchiſche —— von 1869.
Nah der Abdanfung des Königs Amadeus wurde
3. 12. Febr. 1873 zum Minifterpräfidenten der Res :
Figlina — Figur
publit gewählt, — aber ſchon 8. Juni die Gewalt
in bie Bände der Cortes nieder und jtellte den An-
trag auf Proflamierung der Föderativrepublit, der
mit 210 gegen 2 Stimmen angenommen wurde.
Nah Wiederherftellung der Monarchie unter Als
m XU. 309 fi 5. vom öffentlichen Leben zurüd.
tarb 11. Nov. 1882 in Madrid.
igueröda (ſpr. -ger-), Francisco de, fpan.
Dichter, geb. um 1540 zu Alcala de Henares, be⸗
juchte die Univerfität feiner Vaterftabt, trat früb
in das fpan. Heer in Stalien, wo er fi feiner
Neigung zur Dichtlunft bingab. Sein litterar.
Ruhm und die zus feiner Sitten beftimmten
Don Carlos de Aragon, eriten Herzog von Terra:
nova, ihn als Gefellihaftstavalier 1579 nad Flan—
bern mitzunehmen. Nah, mie es jheint, nur kurs
em Aufenthalt dafelbft begab er fi in feine Vater⸗
adt zurüd, wo er um 1620 jtarb, Aus über:
großer en ließ er kurz vor feinem Tode
alle feine Gedichte verbrennen; doch hatten ſich Ab:
hriften davon in Freundeshänden erhalten, die
ribaldos de Toledo (unvollitändig) berausgab
(«Obras de F.», Liſſab. 1625; wieder abgedrudt in
der «Coleccion de poetas espaholes» von Ramon
— Bd. 20, Madr. 1785). Sie beſtehen aus
onetten, Canzonen, Elegien und der berühmt ge—
mworbenen, Bu ute u. Verſe entbaltenden
Ekloge «Tirsi», 5.3 poet. Name, unter welchem
er in Cervantes’ «Galatea» gefeiert wird. * folgt
der ital. Richtung Boscans und Garcilaſos; er
dichtete in ſehr reinen, wenig tiefen Verſen gleich
gewandt in ital, und ſpan. Sprache. Einige aus:
— Stüde von F. ſtehen in der «Biblioteca
e autores espaholes» (Bd. 42).
Fignier (pr. -gieh), Louis, franz. Schriftiteller,
geb. 15. Febr. 1819 in Montpellier, ftudierte Mer
dizin, wurde 1846 Profefior der Naturwiſſenſchaften
in feiner Vaterjtabt, 1850 in Zouloufe, 1853 in
Paris, wo er 8. Nov. 1894 ftarb. Unter feinen
Schriften find bervorzubeben: «Exposition et his-
toire des principales d&couvertes scientifiques
modernes» (6. Aufl., 4 Bve., 1862), «Histoire du
merveilleux dans les temps modernes» (4 Bde.,
1859—62), «Les merveilles de la science» (4 Bde.,
1866—69 und 2 Suppl., 1889 — 90), «Vies des
savants illustres depuis l’antiquit& jusqu’au
19° siöcle» (2. Aufl, 5 Bde., 1875), «Le tableau de
la nature» (10 Bde. 1862—73), «Le lendemain de
la mort» (10. Aufl. 1894; deutich Lpz. 1876), «Les
bonheurs d’outre-tombe» (1892) u. a. In feinen
Dramen, gejammelt al® «La science au theätre»
(2 Bde., 1889), machte er den Verſuch, wiſſenſchaft⸗
liche Kenntniſſe durch das Theater zu verbreiten.
guiers ®oldfalz (ipr.-giebs), |. Goldchloride.
igulina —— wie Figlina (ſ. d.).
Figulines rustiques ſfrʒ., ſpr. figulihn rüftit),
eine beſondere Art von Fayencegefäßen, |. Paliſſy,
Bernard. igulus.
igulus, Nigidius, röm. Gelehrter, ſ. Nigidius
Figur (lat. figüra), äußerer Umriß, Geſtalt.
In der Mufil nennt man F. jede aus der Zer—
liederung der melodifhen Hauptnoten entitebende
Öruppe aufeinander folgender Noten von geringerm
Merte, oder aud) die Vereinigung mehrerer Neben:
und Wechielnoten mit einer harmonijhen Haupt:
note auf einer und derjelben harmonijchen Grund:
lage. = nachdem das rhythmiſche oder das melo:
difce lement dabei das beitimmende ift, ſpricht
man von rhythmiſchen oder melodiſchen F. Durch
Figura Baffometi — Figurierte Zahlen
die Anmenbung der F. wird es dem Tonſeher mög-
ih, der Melodie mehr Zuſammenhang und Aus:
bildung, mehr Mannigfaltigleit, Schmud, Bewe⸗
gung und Nachdruchk zu verleihen, ohne doch deshalb
den Örundcharalter zu verwijchen und die notwen:
dige Einheit des Ganzen zu verlegen. — F. in ber
Heraldif, f. d. und Gemeine Yauren; in ber
Rhetorik, j. Redefigur. — In der Tanzkunſt ver
ftebt man unter F. den nach gewiſſen Linien bejchrie:
benen Weg, den ber Tänzer zu nehmen bat. — In
der Weberei ift F. foviel wie Mufter oder Deifin.
Figüra Baffomött, |. Baphomet.
Figurälmufit, Figuralgefang (musica
Sguralis,cantusSgurali),uh enjuralmufil,
enfuralgefang (musica mensurabilis oder
mensurata, cantus mensurabilis), nannte man
in der ältern Zeit (bis zum 16. Jahrh) die kunſt⸗
vollen mehrſtimmigen Kompofitionen, deren Töne
je nad den vorgeichriebenen Takt: und Tempus:
eihen bejtimmt gemefjene Zeitbauer haben und
in gewiljen verjchiedenen Wertverhältnifjien zu ein-
ander fteben, zum Unterfchieb von der Choral:
muſit und dem Choralgefang (musica plana
oder choralis, cantus planus oder choralis), deren
Noten alle die gleiche rhythmiſche Form haben,
aber metriſch frei zu behandeln find, ähnlich wie
im neuern Recitativ. Zwar bat ſchon der Ambros
ſianiſche Gefang ſowie fein mutmaßliches Vorbild,
der griech. oder der hebr. Geſang, aus abwedhjeln:
den Längen und Kürzen beftanden; doch waren
diefe Längen und Kürzen des Tons nur durch die
proſodiſche Länge und Kürze des Tertes beftimmt,
ie weder jelbjtändig mufitalifch, noch auch in ähn:
liher Weiſe nach beitimmten Zeitwerten gemejjen
mie die Noten der Menjural: und unferer ———
Muſik. Figural- oder WMenſuralgeſang entſtand
erſt, als die Töne der Melodie hinſichtlich ihrer
Zeitwerte von der Profodie fih unabhängig zu
maden anfıngen, fo daß auf eine metrifch lange
Silbe eine furze Note und umgekehrt auf eine kurze
Silbe aud eine lange Note zu ftehen tommen konnte;
ferner ald man anfıng mehrſtimmig zu feßen, d. b.
mit zweien oder mebrern Stimmen von felbftändt-
em Zongang und Rhythmus gegeneinander zu
ontrapunftieren, woraus dann eineb eftimmte Men:
fur der Töne von ſelbſt mit Notwendigleit fich er:
geben mußte, da jonft Konfufion und Disharmonie
nit ausbleiben konnten. Als man begann, die
Zöne beitimmt zu meſſen und die verſchiedenen
eitwerte durch die Form der Noten zu veranichaus
ichen, entitanden alabald entſprechende Mopifita-
tionen der Notengeftalt. — Von diejen Gejtalten
figurae) ber —— und von den aus
niſchung derſelben entſtehenden Zeitfiguren
reibt ſich der Ausdruch F. an Hiervon zu unter:
iden ift der figurierte Gejang oder figu—
rierte Stil; dieſer ift nur ein Gejang, bei dem
die melodiſchen Hauptnoten in Heinere Zeile (Figu:
ren, Diminutionen) zerlegt find, wodurd der Ges
fang bewegt und gefärbt wird (j. Figurierter Cho—
ral), was beim eigentliben Figuralgeſang nicht
immer notwendigermweife der Fall zu jein braudt.
Obgleich unjere heutige Mufit ebenfalls Yigural:
oder Menjuralmufit iſt, fo ze t man doch diefe
Ausdrüde befonders auf die Muſik des 15. und 16.
pahrh. anzumenden, weil damals die kunſtliche Be:
ndlung der Menfur in voller Blüte ſtand.
Nr (lat.), foviel wie Statijten, auf der
Bühne diejenigen Perjonen, die als ftumme Figuren
679
auftreten; im Ballett (Figurantinnen) die Chor:
tänzerinnen im Gegenjaß zu den Solotänzerinnen,
iguration (lat.), Bildung, Geftaltung, Be
lebung und Ausihmüdung einer Rede, eines Mufit:
ftüds dur Figuren 6 Figur).
igurativ (lat.), bildlich, vorbildlich.
igurenmalerei, ſ. Bo. 17.
igurenfpiel, j. Elfern.
Figurenfteine (Lapides figurati alter Autoren)
* en im Bolt noch heute die Petrefalten oder
eriteinerungen (j. d. und Paläontologie).
Figurieren (lat.), bilden, geftalten, etwas bild»
lid darftellen, mit Figuren jhmüden; dann: eine
Rolle fpielen, Figur machen; Lüdenbüßer fein.
—— Choral, eine hauptſächlich im
Orgelſpiel, aber auch im mehrſtimmigen —*
ebräudlihe Weiſe, wobei die in langen Noten
eierlih ertönende Choralmelodie von den übrigen
Stimmen mit lebbaftern Tonfiguren umſpielt wird.
Bei dem echten F. E. müflen diefe Figuren aus
den Motiven des Chorals gebildet jein; der F. C.
wird daher zum fugierten Kontrapunlkt gerechnet.
(©. —— und Choralbearbeitung.)
Figurierter Geſang, Figurierter Stil,
ſ. —
gurierte Stoffe, ſoviel wie Bildgewebe (ſ. d.).
igurierte Zahlen, die Glieder arithmet.
Reihen höherer Ordnungen, deren erſtes Glied die
Einheit iſt; ſie haben ihren Namen von der geo—
metr. Entſtehungsart ver einfachſten von ihnen. Gebt
man von der Reihe der natürlihen Zahlen aus: 1,
2,3, 4, 5u.j. w., jo erhält man durch juccejjive
Addition der 1,2,3 u. ſ. w. erften Glieder die Reibe
1,8,6, 10, 15, 21, 28, 86,45...
Diefe Zahlen find die einfachſten * Z.; fie beißen
Zriangular: oder TZrigonalzablen, d. i.
Dreiedszablen, weil man fie durch gleichweit von-
einander entfernte Punkte, die ein gleichjeitiges
Dreied bilden, darftellen ann. Durch fee ive
Mopition der Glieder der obigen Reibe erbält man
ferner folgende:
1,4, 10,20, 35, 56, 84...
Diefe Zablen beißen Pyramidalzahlen. Durd
diefelbe Methode fuccefjiver Addition erhält man
weiter die Zablenreihen:
1,5,15,35, 70, 126,210...
1, 6, 21, 56, 126, 252, 462 ...
u. ſ. w. Man nennt fie auch die zweiten, dritten
u. ſ. w. Pyramidalzahlen. Geht man, ftatt von
der Reihe der natürlihen Zahlen, von denjenigen
arithmet. Reiben der erjten Ordnung aus, deren
Differenzen 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. find, alle: 1,83, 6,7,
9, 11.. 1,4,7,10,13,16...— 1,5,9, 18,
17,21... — 1,6, 11, 16,21,%6... u. f. w., und
addiert in denſelben ſucceſfiv die a 2,8,4...
Glieder, jo erhält man folgende Reihen:
1,4, 9,16, 25,36...
1,5, 12, 22,35, 51...
1, 6, 15, 28, 45, 66...
1, 7,18, 34,55, 81...
Die darin enthaltenen Zahlen nennt man PBoly-
onalzablen (j. d.), und zwar bie der erjten
freibe Quadratzablen, die der zweiten Pen»
tagonal: oder Fünfedszablen, bie ber
dritten — oder Sechsedszahlen
u. ſ. wm. Aus jeder dieſer Reihen lann man,
wie aus den Triangularzahlen, Pyramidalzahlen
ableiten. Die Erfindung der F. 3. wird der Pytha⸗
680
goreifhen Schule R eſchrieben; die älteſten unter
den vorhandenen Banane über diejelben find
von Nikomachus von Geraja und von Diophantus
verfaßt. Allgemeine Formeln der 0% 3. wurden im
17. Jahrh. von Fermat und Pascal aufgeitellt.
cher (fr3.), Figürhen, Nebenfigur, 3. B.
in Landfhaftsgemälden; Modebild; verkleinertes
Koſtümmodell.
igurismus, in der Theologie die Anſicht, wo:
nad die Begebenheiten des Alten Tejtaments bie
deö Neuen vorbildlich daritellen. (S. auch Typus.)
igürlich, foviel wie bilvlich.
ijenoord (fpr. feien-), Naasinfel, ſ. Rotterdam.
iji⸗Archipel, |. Fidſchi⸗-Inſeln.
ikh (arab.), die Wiſſenſchaft des mohammed.
Religionsgeſetzes (Schari'a), ſowohl hinſichtlich
der rituellen Pflichten, als auch hinſichtlich jämt:
licher Kapitel des eigentlichen Rechts. Die Quellen
des F. ſind, außer dem Koran und der Tradition,
der Consensus der geſamten mohammed. Kirche
Idſchma', ſ. d.) und die Folgerung mittels Ana-
logie (Kijas) in Fällen, für welche in den ge—
ſchriebenen Quellen keine poſitive Entſcheidung zu
finden war. Die Gültigkeit der letztern Geſetzquelle
wird von ber bereits verichollenen Schule der 34:
biriten geleugnet. Die Methode des Gebrauchs
der erwähnten Quellen wird in der im Islam viel
entwidelten Wiflenichaft der ſog. Ußül al: Filth ges
lehrt, welche eine reiche Litteratur entfaltet bat; am
zugänglichſten iſt das Taudhih von Sßadr als
Schari'a (geſt. 1346) mit dem Kommentar des Tafta⸗
fäni (1389), bg. in Kaſan 1883. Die pofitiven De:
tails des Geſeßes find in den vier orthodoxen Schul:
rihtungen in einer überaus reihen Litteratur von
ſyſtematiſchen Werten bearbeitet worden, von wel:
hen außer zablreichen orient. Ausgaben eine große
Anzabl al mit Unterjtügung europ. Negierungen
im Intereſſe der Rechtspflege unter ihren mobam:
med. Untertbanen herausgegeben, zum Teil aud
überjeßt wurde. Die angejebenften find die fog.
Hiddja (2 Bde., Kalkutta 1234 der Hidſchra u. d.;
engliih von Eh. Hamilton, 4 Bde., Lond. 1791),
das Kompendium des Kubüri (Hanefitiih), aus
welhem das Cherebt von Georg Helmädörfer
(ran a. M. 1822) veröffentlicht wurde (voll:
tändige Ausgabe Kaſan 1880), Sidi Chalil, Pré-
cis de jurisprudence musulmane suivant le rite
malökite (ins Franzöfifche überfest von Perron,
Var. 1848—55; das Driginal in 5. Aufl. 1883),
Abu Schudſcha', Precis de jurisprudence musul-
mane selon le rite chäfe'ite (arabifd und fran—
zart von Reijjer, Leid. 1859), all Al-
anbih (Jus Shafiitarum), bg. von Juynboll (ebv.
1879), l⸗Nawawĩ, Minhädsch at-thälibin (fchä=
fütiſch; arabiſch und franzöfiih von 2. MW. C. van
den Berg, 3 Bde., Batavia 1882—84). — Bol. Mac:
nagbten, Principles and precedents of Moohum-
mudan Law (Lond. 1825); Pharaon und Dulau,
Droit musulman (Bar. 1840); Baillie, A digest of
the Mohummudan Law (Lond. 1869; 2. Aufl. 1875);
Tornauw, Das Moſlemiſche Recht (ps. 1855); von
den Berg, De contractu «do ut des» jure Moham-
medano (Leid. 1868); derf., Beginselen van het
Mohamed. recht (3. Aufl., Batavia 1883); Jens,
Essai d’un trait& möthodique du droit musulman
(Algier 1889). Das in den franz.:ind. Kolonien
ültige mohammed. Recht geben: Sick, Trait& des
ois mahome6tans dans les Indes Francaises (Par.
1841); Zanglard, Lecons de droit musulman
Figurine — Filtion
Pondichery 1887). — In der Türkei ift das anı
geiebenfte Rechtswert dad Multekä von Ibrahim
Halebi, welches im Orient öfter gebrudt wurde
(Ronftantinopel 1251 der Hidfchra) und von mel:
hem in Mouradgeas «Tableau de l’empire otto-
man» ein Auszug gegeben ift. Das unter den
Schiiten geltende Recht bat dargeftellt Query,
Droit musulman (2 Bbe., Bar. 1872). Das mo:
bammed. Staatärecht ift bearbeitet in Mämerdis
Constitutiones politicae, bg. von Enger (Bonn
1853).— Bol. Kremer, Kulturgeſchichte des Orients
unter den Ehalifen, Bd. 1 (Wien 1875). Vom
Standpunkte vergleihender Rechtswiſſenſchaft ift
das mobammed. Geſetz in felbjtändigen Werten
und zablreihen Auffägen Koblerö (in der «Zeit:
ſchrift für vergleibende Redtswifienfbaft») be
—— worden: Die Commenda im islamitiſchen
echte, Moderne Rechtsfragen bei islamitiſchen
Juriſten (Würzb. 1885) u. a. m.
Fiktül (lat. ficttlis), thönern, irden. Fictilla,
Werte der Töpferkunit.
Fiktion (lat), Erdichtung, etwas Erbichtetes;
Bezeihnung für Rechtsnormen, vermöge deren
ein faltifches Verhältnis durch Gleichfekung mit
einem andern rechtlich normierten zum Rechtsver—
bältnis erboben und in feiner rechtlichen Wirkung
dem Vorbilde gleichgeftellt und ald gleich bezeichnet
wird, Je ftrenger ein Rechtsſyſtem durch fonfequente
Entwidlung weniger einfacher Grundſätze in fid
fortgebilvet ift, deito dfter wird es nötig, einzelnen
Härten und Mängeln dadurd abzubelfen, daß man,
falls ſich feine Abänderung der Nechtöbejtimmung
im MWege einer von innen heraus . taltenden
—— erlangen läßt, das einzelne Faktum,
welches die Anwendung des unbequemen Satzes
herausfordert, entweder verneint oder umgeſtaltet.
So verfuhr namentlich das ſpätere röm. Recht, ins
dem es das alte jus eirile mit Hilfe —— um⸗
ing oder weniger drückend machte. Ein Beiſpiel
iefert die Umſtoßung eines den Noterben ohne ge—
rechten Grund ausſchließenden Teſtaments durch
die Vorausſetzung, der Teſtator fei eigen und
deshalb ohnehin nicht fähig geweſen, einen legten
Willen zu errihten, Man kann geſetzliche und dog⸗
matifhe F. unterfheiden. Cine geſetzliche F. i
. B. die, daß das Stiftungsvermögen eine Perſon
welche Eigentum, Forderungen oder andere
ermoögensrechte erwerben und durch ihre Verwal⸗
ter verpflichtet werden kann. Eine dogmatiſche
F. iſt die, daß der Staat, die Kirche, jede Korporation
eine Einzelperfon fei, meil jene Vermögensrechte
baben und verpflichtet werden können mwie eine
Einzelperfon. Die 12 ift immer nur ein Bild, unter
welchem das kurz bezeichnet wird, was jonjt um:
ftändlicher vargeftellt werden müßte. — Noch reicher
a en liſche Recht. So
wurde bier bis 1832 5.8. das Schaßlammergericht,
Court of Exchequer, in gewöhnlichen Schuldſachen
nur dadurd zuftändig, daß der Kläger angab, er
felbit fei vem Könige fbuldig und vermöge wegen bes
rechtswidrigen Benebmens des Bellagten weniger,
die Schuld zu bezahlen (quo minus sufficiens
existit). Ebenfo mahte man die Queen’s Bench
ür alle Eivilllagen kompetent durch die F., daß ber
eflagte ſich in dem Gefängniſſe derjelben wegen
eines Delikts befinde, um darauf geftügt auch Cibil⸗
Hagen gegen ihn anzujtrengen (and also — ac
etiam), — * Demelius, Die Rechtsfiktion in
ihrer geſchichtlichen und dogmatiſchen Bedeutung
Filadelfia — Filehne
im. 1858); Bülow, Civilprozeſſualiſche F. und
abrheiten (Tüb. 1879).
Filadelfia, Stadt ım Kreis Nicaftro der ital.
Provinz Gatanzaro in Calabrien, 7 km vom Golf
von Sant’ Eufemia, in 550m Höhe, auf einem Hügel,
bat — als Gemeinde 6514 E. Es wurde von
den Bewohnern des 1783 durch Erdbeben zerftörten
Eaftel Menarbo erbaut.
ilagramm (lat.grcb.), ververbt aus Filigran
(f. Siligranarbeit), das Nergeichen im Papier,
aud die Zeichenlettern dazu. (©. Filigranpapier.)
Filament (lat.), Fadenwerk, Öefaer: in der
Anatomie m. erven: oder Sehnenjafern; in
der Botanik ſoviel wie Staubfabden (ſ. Staubgefäße).
ilanda (ital.), Seidenfpinnerei.
Hangieri (pr. andſchehri), Carlo, Fürjt von
Satriano und Herzog von Taormina, ital. General,
Sohn des folgenden, geb. 10. Mai 1784 zu La
Cava bei Salerno, trat als Leutnant in die franz.
Armee und focht mit Auszeichnung 1805 bei Aufter:
[ik und 1806 bei der Belagerung von Gadta, 1811
tebrte er nach Neapel zjurüd, wurde von Murat
zum Oberſt beförbert und nahm 1815 als deſſen
Generaladjutant teil an feiner Erhebung. Noch
von Murat zum Generalleutnant ernannt, blieb
er unter Ferdinand I. Generalinfpeftor der Infan—
terie. Nachdem er bei vem Ausbruch der Revolution
1821 den Feldzug in den Abruzzen unter Garra:
fcoja mitgemacht batte, wurde er 1822 der Aus:
übung feines Dienftes entboben. Erſt 1831 wieder
angeftellt, wurde ervon Ferdinand IL. mit dem Ober:
befehl gegen das aufitändiihe Sicilien 29. Aug.
1848 betraut. Er eroberte Mefjina, das er 7. bis
9. Sept. beſchießen ließ, fiegte bei Taormina,
Catania und Syrafus und rüdte 1849 vor Balermo,
den ©iß der revolutionären Regierung, an dejien
Erjtürmung ihn nur die von England und Frank—
reich erzjivungene Annabme der Kapitulation ver:
binderte. Zum General und Statthalter von Sicilien
ernannt (9. Olt.), ließ er Milde walten, wurde aber
dadurd bei Ferdinand II. mißliebig und mußte
1854 zurüdtreten. Von Franz II. mit dem Vorſit
des Kabinetts und dem Minijterium des Krieges
9. Juni 1859 betraut, legte er jenen ſchon im
Nov. 1859, diefes 7. Febr. 1860 nieder. Er jtarb
14. Olt. 1867 in Portici. — Vogl. Reumont, Garlo F.,
Fürſt von Satriano (im «Hiſtor. Tafchenbud»,
3.1871); F. R. T. Silangieri, Il generale Carlo F.
(Mail, 1902). — Mit Baetano %. (geit. 29. Nov.
— dem Gründer eines der Stadt Neapel ge:
fhentten Mufeums, ift der Zweig der F., Fürſten
von Satriano, erlofchen.
Fllangieri (pr. — Gaetano, ital,
Juriſt, geb. 18. Aug. 1752 zu Neapel, gehörte einer
altadligen Familie normann. Urfprungs an, trat
nad) beendeten Studien ald Sachwalter auf. Bered⸗
famteit und Willen verſchafften ihm großen Beifall,
und jeine Verteidigung der zeit⸗ und vernunjtge:
mäßen Reformen, die der zen Tanucci durch⸗
feste, defien Gunft. Das Ideal einer freifinnigen
Gejebgebung fuchte er in «La scienza della legis-
lazione» (7 Bbe., Neap. 1780— 85 u. d,; Ma
von Link, 8 Bde., Ansb. 1784— 93; —
mit Kommentar von Benj. Conſtant, 6 Bde. Bar.
1822) aufzuftellen, bei dem er häufig Montesquieu
vor —*— atte. Das Werk machte auferorbent:
liches Aufſehen und ſtellte F. den erſten Staats:
rechtslehrern zur Seite. Ferdinand IV. ernannte
ihn 1787 zum Finanzrat; doch ſtarb F. ſchon 21. Juli
681
1788 und hinterließ ſein Werk unvollendet. In der
Kirche Santa Maria di Piedigrotta in Neapel wurde
ihm von feinem Sohne ein Dentmal gejeht. — Val.
D. Tommafi, Elogio storico del cavaliere G. F.
(Meap. 1788; deutih von F. Münter, Ansb. 1790);
G. Biandetti, Elogio di G. F. (Vened. 1819).
Filarẽte, Antonio, auch Averulino genannt,
ital. Baumeifter und Bildhauer, geb. um 1410 in
Florenz, geft. 1470 zu Nom, als Theoretiter ein her:
vorragender Meifter der frübern ital. Renaiſſance.
Auch Schöpfungen des Künftlers find noch vorhan⸗
den, jo ein Teil des fpäter von Bramante vollende
ten großen Spitals in Mailand, das er, von Frans
cesco Sforza berufen, 1457 begann. Auch am Bau
des Doms von Bergamo war er beihäftigt und
fertigte 1439— 47 die Thüren der ehemaligen Be:
teröbafilifa in Nom in Aronzeouß. Das Werl 5.3
über die Baukunft (erſtmals bg. von Öttingen,
Wien 1890), das 1464 entjtand, umfaßt 25 Bücher.
— Vol. W. von Öttingen, Über das Leben und
die Werte des Ant. Averulino (in den «Beiträgen
zur Runftgeichichter, Neue Folge, VI, Lpz. 1888).
Filaria, Filariidae, j. Saarwürmer und
Hämatozoen.
ilati, Stadt in Albanien, ſ. —
ilãtomaſchine, in der Seidenfabrikation eine
Vorrichtung zum Aufdrehen eines Brobefadens, das
den Zwed bat, für ein Geidengejpinft die Anzahl
von Drehungen zu finden, die auf eine beftimmte
Länge den einzelnen Rohſeidenfäden und beim nad:
berigen Zwirnen dem Ganzen gegeben worben find,
sun (lat.), Seidenzwirnmüble oder
aud Spinnmühle, Mafchine, auf der das Zwir:
nen oder Zuſammendrehen mehrerer Coconfäden zu
einem Fadenbündel (Robfeidenfaden) erfolgt.
Filder, der in Württemberg, ſüdlich von Stutts
art und nad Dften bis nach Plochingen reichende
—— Zeil der mit Lias überlagerten Keuper⸗
ebene (j. Karte: Baden u. f. w). Die F. liegt
300—430 m hoch und umfaßt 165 qkm. Von
ähnlicher Beſchaffenheit find die Hocebenen von
Rofenfeld, die an der Lein im Welzheimer Walde
und die im D. der Jagſt bei Ellwangen. Hier wird
das fog. Filderfraut (Ropitoht), das ſich durch
feine jpißige Form, feine Ergiebigkeit und feinen vor:
trefilihen Geichmad auszeichnet, viel gebaut.
Fiwerbaßn, eine 1884 eröffnete, 2 km lange
Zahnradbahn von Stuttgart nach Degerloch (470 m)
und von dort Dampfitraßenbahn nad Hohenheim
(8 km, 1888 eröffnet), Neubaufen (14 km, 1897
eröffnet) und Vaihingen (2,3 km, 1897 eröffnet),
württemb, Privatbahn. (S. Deutſche Eijenbahnen,
ilderfraut, ſ. Silver. [Überfiht D, III.)
ildes (ſpr. feilds), Lule, engl. Genremaler,
geb. 1844, bildete fih auf der Londoner Alademie
und lieferte zunächſt Jlluftrationen zu Journalen.
Von feinen Gemälden find bervorzubeben: Die
Armen Londons bitten bei der Polizei um Nacht⸗
quartier (1874), Der Witwer (1876), Die Spiellame:
raben (1877), Stalienifches Blumenmädden (Ham:
burg, Kunjtballe), Die Nüdtehr des Fer
(1879), Die Dorfbochzeit (1883). Seit 1884 malte
er vorzugsmeile Volksſcenen aus Venedig; jo: Ne
netianifhes Strafenleben (1885). Seit 1879 ift F.
Mitglied der Akademie zu London.
g ldichan, |. Findſchan.
ilehne. i) Kreis im preuß. Reg.⸗Bez. Bromberg,
at 761,56 qkin und (1905) 32486 E., 1 Stadt, 44
ndgemeinden und 21 Gutsbezirle. — 2) F., poln,
682
Wielen, Sreisjtadt im Kreis F. linls der ———
—— an der Linie Berlin: Schneiden [und der
Nebenlinie Kreuz-Rogaſen⸗Inowrazlaw der Preuß.
Staatsbahnen, Sik eines Amtsgerichts (Landgericht
Schneidemübhl), hat (1900) 4307 E., darunter 1353
Katholilen und 497 Israeliten, (1905) 4406 E.,
Poſtamt zweiter Klaſſe mit Zmeigjtelle, evang. und
fath. Pfarrklirche, Synagoge, Hofpital; Dampf:
bäderei, Sägemübhle. Südlich) davon das feit 1852
beſtehende Pädagogium Oſtrau (Dftromo) und
nöordlich das Gut F. mit Schloß und Bart.
Filelfo (lat. Kbilelybuß), —— ital.
Humaniſt, geb. 25. Juli 1398 zu Tolentino, ſtudierte
in Padua, lehrte, von da wegen feines zügellojen
Lebens au&gewiefen, feit 1417 in Venedig, erhielt
das dortige Bürgerreht und wurde 1420 als Ge:
sanbiichartäfelreiär nah Konſtantinopel geichidt.
Hier gewann er unter Zeitung des Joh. Chryſoloras
eine genaue Kenntnis des Griechiſchen, 1427 wurde
er Profeffor der Beredſamleit und Moral in Bo:
(ogna, 1429 der ſchönen Wiſſenſchaften in Florenz.
1434 mußte er wegen feiner Streitfucht meicen,
war 4 Jahre in Siena und von 1439 an in Mais
land thätig. Später führte er ein rubelojes Man:
derleben, wurde ſchließlich Profeſſor des Griehiichen
in Florenz und ftarb daſelbſt 14 Tage nach feiner
Ankunft, 31. Juli 1481. Er überjegte Stüde aus
Lyſias, Plutarch, Zenopbon u. a. fowie die Rhetorik
des Nriftoteled. Als Dichter war F. beſonders
fruchtbar. Seine Verſe find fließend, doch meijt
eihmadlos. In Satire und Polemik kennt er fein
aß in der Verleumdung und gehäſſigen Angriffen
gegen Widerſacher. Sein weitihmweifiges Helden:
gedicht, die «Sforziader, ift ein höfiſches Machwerk
zum Preiſe feines Gönners Franz Sforza. Die in
ital. Sprache gegebenen Auslegungen Petrarcas
find oberflählih. Viele feiner Werke blieben unge:
drudt. Bon feinen Briefen ift die Ausgabe Venedig
1502 die befte. Nachträge lieferten neuerdings Rlette
(«Die griech. Briefe des Franciscus Pbilelpbus»,
Greifäw. 1890) und Legrand («Cent dix lettres
—— de Filelfe», Bar. 1892). — Vgl. Rosmini,
ita di F. F. (3 Bde. Mail. 1808).
Filet (fr3., fpr. -Ieb), ein zu allerlei Bußarbeiten
verwendetes neßartiges Gelnüpf von Zwirn, wolle:
nem Garn oder Seide, das ſich von den beim Meben,
Striden und Häleln erzeugten Fadenverſchlingungen
durd) die an den Kreuzungspunkten der Fäden ges
bildeten Knoten unterjcheidet, welche die gegenfeitige
Verſchiebung der gekreuzten Fäden verhindern. Man
bedient fich zur Anfertigung desjelben eines runden,
glatten Holzjtabes, durch defjen Umfang die Größe
der Maſchen bejtimmt wird, und der jog. Filetnadel,
eines dünnen Metalljtäbchens, das an beiden Enden
geipalten ift und den Fadenvorrat fträbnartig auf:
gewidelt enthält. — In der Kochkuünſt bedeutet F.
den Pendenbraten von allem Schlachtvieh und Wild:
bret, aud das abgelöfte Brujtfleiih vom Geflügel,
ſowie die aus Haut und Gräten gelöjten Fleiſch—
teile vom Rüden der Fiſche. — In der Reitkunit
it F. foviel wie Heine Trenje, — In der Bud:
binderei heißen Fileten oder Stempel die
Meiiinggrapuren, deren man ſich zum Vergolden
der Buchdeden bedient.
— — ſ. Fadengebilde nebſt Tertfig. 8.
ilhol (ſpr. fijol), Antoine Michel, franz.
Kupferſtecher, geb. 1759 zu Paris, geſt. 1812, be:
ſuchte die Schule des F. D. Nee. war ein jehr
fruchtbarer Künftler und hat eine Anzahl wiſſenſchaft⸗
Filelfo — Filiationsprobe
licher Werke mit Illuſtrationen verſehen; das Her
vorragendſte iſt fein Anteil an dem «Cours de pein-
ture, ou galerie du Mus6e Napol&on» (10 Bde., Par.
gilt, iriſche Dichter, f. Barden. ——
(lat.), Tochter; F. familias, ſ. Hauskind.
Filiale (mittellat., d. h. im Kindesverhältnis
ſtehend), Inſtitute, die von andern gegründet ſind
und in einem Abhängigleitsverhältnis zu ihnen
fteben. (S. Filiallirche.) Filiälgefhäft oder >
eine zweite Niederlafjung, in welcher dasſelbe kauf:
männiſche Geſchäft betrieben wirb wie in der Haupt⸗
niederlaffung. Die F. dient oft bloß dem Verkauf
der Maren, während der Einlauf im Hauptae-
fchäft beforgt wird. Sie lann an demjelben Orte
(in einer andern Stadtnegend) oder an einem an—
dern Orte, ſelbſt überjeetfch, betrieben werden. Nur
it es immer derjelbe Kaufmann, für deflen Red:
nung in der F. fontrahiert wird; gewöhnlich fon:
trabiert die F. auh im Namen des Inhabers des
Hauptgeihäfts durch Handlungsbevollmädtigte
oder Prokuriſten. (S. Handelsniederlaffung.)
Filialgemeinde oder Todhtergemeinde,
die zu einer Filiallirche (f. d.) gehörende Gemeinde.
Filtäfficche oder Tochterkirche, eine Kirche,
an der der Gottesdienft vom Pfarrer der Haupt:
oder Mutterfirhe oder unter deſſen Aufficht von
einem Hilfsgeiftlihen verfeben wird; davon ver:
ſchieden find vereinigte (kombinierte) Muttertircen,
d. b. jelbjtändige Kirchen, deren Pfarrämter einem
und demfelben Pfarrer übertragen find.
Filiation (at, die rehtmäßige Abftammung;
fodann diejenige firhliche Handlung, dur melde
jwifchen zwei Kirchen ein Abbängigteitsverbältnis
derartig bewirkt wird, daß die eine ald Mutter:
(mater),die andere als Tochiertirche min zu betrach⸗
ten iſt. Dieſe Abhängigleit kann hervorgerufen wer:
den dadurch, daß eine Parochie geteilt wird, der
neuen varochiallirche aber nicht alle Pfarrrechte ein⸗
geräumt werben, oder daß eine ſelbſtändige Parochie
mit einer andern vereint, ihr aber die frübere Selb:
ar + ve in gewiſſen Beziebungen entzogen wird.
Filiationdflage, die Klage, dur welche je
mand einen richterlihen Ausſpruch über fein Kindes:
verhältnis begehrt. Sie iit negative F., wenn der
Ausfprud dahin begehrt wird, daß jemand das ebe:
liche Kind des Bellagten nicht fei (ſ. Illegitimitäts—
Mage). Nah dem Bürgerl. Geſetzb. $. 1593 iſt eine
negative F. bezüglich eines Kindes, das während der
Ehe oder innerhalb 302 Tagen nad der Auflöfung
der Ehe geboren ift, aljo nah Rechtsvermutung als
Kind des Ehemannes gilt, nur möglid, wenn der
Ehemann gejtorben ijt, obne das Recht der AN
tung der Ebelichkeit, das ihm, folange er lebt, allein
—* verloren zu haben. Anderes kann für Fami—
ienfideilommijje und Lehen gelten nk
geſeß Art.59). Die F. kann z. B. veranlaßt jein, wenn
jemand Intereſſe daran bat, ala Kind eines Dritten
anerfannt zu werden, welder mit der Mutter die
Ehe gebroben und demnädjt nad Auflöjung ber
eriten Ehe die Mutter gebeiratet bat. Mit der
pojitiven F. wird die Anerkennung begebrt, dab
jemand das eheliche Kind des Bellagten ſei. Auch
dieſe Klage fann von Dritten erhoben werden.
iliationdprobe, die auf Urkunden und glaub:
würdige Beweismittel geftügte Nachweiſung fo vie:
ler Abnen, als im einzelnen Falle erforderlich find.
Die Angabe und glaubwürbige Nadhmeifung, von
welchen Eltern jede der auf der Abnentafel genann:
ten Berjonen abjtammt, und daß die Eltern ſtandes⸗
Filibe — Filinto Elyfio
emäß vermäblt waren, beißt der Filiationstert.
ird dargetban, daß jede in der Abnentafel auf:
geführte Familie von altemritterbürtigem oder ſtifts⸗
räbigem Adel fei und das auf der Abnentafel *
ebene Wappen führe, fo iſt die Adelsprobe be
** Die F. und die Apelsprobe jufammen werden
Ibnenprobe (f. Ahnen) genannt. — Bol. Stobbe,
Handbuch des deutſchen Privatrechts, Bo. 1 (3. Aufl.,
ilibe, Stadt, ſ. Philippopel. WBerl. 1893).
ilibedzik (fpr. -vichit), Dorf im türk. Wilajet
Salonili, jteht auf den Trümmern der Stadt Bhi-
lippi il; d.).
5 ibuftern, in der parlamentariſchen Sprade
Nordamerikas die Berbinderung einer Maßregel in
einer gejeßgebenden Körpericaft dur Verſchlep—
pung der Geihäfte. (S. auch Objftruttioniften.)
icäja, Vincenzio da, ital, Dichter, ge i
80. Dez. 1642 gm, begründete feinen m
durch die 1684 in Florenz gebrudten Kanzonen au
die Belagerung von Wien. Ebriitine
von Schweden ernannte ihn zum Mit:
liede der von ihr in Rom errichteten
fademie, 1696 der Großberjog von
Zoscana zum Senator und Sefretär
der Regierung von Volterra und
1700 der zu Site, Mit der Zufam-
menftellung einer Gejamtausgabe
feiner Werte beihäftigt, ftarb er
24. Sept. 1707 zu Florenz, worauf
fein Sohn Scipio da F. diefelben
u.d.T. «Poesie toscane» (lor. 1707)
berausgab. Eine gute Ausgabe der
Gedichte und Briefe mit 7.8 Lebensbe⸗
ſchreibung hat Amico bejorgt («Poesie
e lettere di V. da F.», }lor. 1864).
Filioes, Filicindae (fFilici:
neen), Pflanzenabteilung, |. Farne.
Filicudi, Silieuri, eine der Li:
variſchen Inſeln (f. d.).
Filieren (ital. flar il tuono),
in der Mufil: den Ton andauernd
gleihmäßig ausftrömen laffen, obne
merlliben Wechſel in Stärte oder
Schwäche. Man gebraucht dafür im
Geſang aud die deutſche Wendung
«den Ton fpinnen», — In der Seiden:
fabrilation ift 5. foviel wie Zwirnen.
—2— (neulat.), fadenförmig.
iligranarbeit (vom lat. filum,
aben, und um, Korn), die aus
einen, meift in Form von Ornamen:
ten, Arabesten, Zaubwertl u. f. w.
—*2— und zuſammengeldteten
old: oder Silberdrähten gefertigten
Schmudjahen. Der dazu angemen:
dete Drabt wird meift mit feinen Schraubengemin:
den verjeben und dann gemalt, jo daß er als ein
dünner ſchmaler Streifen mit zart ausgezadten
Rändern ericheint. Die Hauptihönbeit berartiger
Arbeiten —* darin, daß feine Goldlörnden auf
den Faden aufgejeht oder außerdem noch zur Her:
ftellung eines matt glänzenden Grundes verwendet
werden. Die Funde von antiten F. in Italien, bes
fonder& in Etrurien (f. Fig. 1), in Griechenland,
Kleinafien und an andern Orten beweiien, wie
bobaeihäkt —* Schmudgegenſtände im Altertum
maren, und melde Volllommenbeit in der Anfer:
ig 1.
tigung derfelben die Goldſchmiede damals erreicht | migen Mujtern
ng erlangte die $. im |
batten. Die höchſte Ausbi
Etrustiices Obrgebänge von
Gold mit Filigran.
683
Drient (Türkei, Ughpten, Raufafusgegenden) fowie
——— in Indien und China, wo noch jet F. in
erſtaunlicher Feinheit und Sauberfeit ausgeführt
wird, Im
Mittelalter, zur a des byzant. und
roman. Stils jowie von den Arabern, wurde die F.
wieder lebhaft betrieben; doch wurde das meiſt zu.
lirchlichen Gefäßen, öfters aber fogar zu Buchein—
bänden (f. Tafel: Budheinbände, ig. 1) ver—
wendete Filigran aus derbern, mehr banbartigen.
one bergejtellt, welche mit der untern Kante in
bön gebogenen Ürabesten auf die Flache aufgelötet
und auf der obern mit Rörnern befeßt waren. Dieje
Art F. bat fih ähnlich in Norwegen (f. Fig. 2) er:
balten. In der Beriode der Renaifance madte man.
nur geringen ei davon, mehr im 17. und
18. Jahrh. Heutzutage hat ſich die F. an vielen Orten
erbalten zur Her:
richtung nationas
len Schmudes
PT
—— ——
.3. Spani iaranbroſch
re —
Die bedeutendſte Stätte iſt Italien, beſonders Genua
und Rom, Norwegen, Holland, Portugal, Spanien
(. Fig. N). befonders au Ungarn, das im 16. und
17. Jahrh. zu jeinem reihen Koſtümſchmud und zum
Schmud feiner Waffen vom Filigran in Verbindung
mit Gmail eine böcft eigentümlihe Anwendung
machte. Zum Vollsſchmuck wird das Filigran ferner
bergeftellt auf den dän. und frief. Inſeln fowie in
den ſchweiz. und diterr. Alpenländern.
Are f. Millefiori.
iligränpapier, ein feines Qurusbriefpapier
mit zarten, dur Prägedrud bergeitellten nekiör:
a [cimento (f. d.).
ilinto Elyfio, Pieudonym von F. M. do Nase
684
Filiolität (Filiolitas, mittellat., ET
Ehrentitel, den Päpfte und Konzilien einzelnen fat
Fürften beilegten.
Filioque (lat.), f. Heiliger Geift,
ilipendeltwurz, |. Spiraea.
ilipepi, Alejlandro, ital. Maler, ſ. Botticelli,
iliponen, rujj. Selte, |. Philipponen.
ilippi, Filippo de, ital. Neifender und Natur:
forſcher, geb. 20. April 1814 in Mailand, ftudierte
zu Bavia Medizin und wurde dann Profefjor der
Zoologie dafelbit, 1848 in gleicher Eigenſchaft in
Zurin. Nachdem er 1862 Perjien bereijt hatte, über:
nahm er 1865 die wiflenjchaftliche Zeitung der Welt:
umfegelung der Magenta und ftarb 9. Febr. 1867 in
Honglong. Er ſchrieb: «Delle funzioni riprodut-
tive negli animali» (Mail. 1850; 2. Aufl. 1856),
«Il regno animale» (ebd. 1852), «Note di un viag-
gio in Persia» (ebd. 1865).
ilippo Lippi, ra, ital. Maler, f. Lippi.
ilippsdorf, ſ. Philipsdorf.
ilipshof, böhm. Ort, ſ. Caslau.
ilipftad, Stadt im djtl. Teile des ſchwed. Län
Mermland, in reizender Lage am Norbende des
Sees Daglöfen und an Zmweigbahnen zu den Bahn»
finien on der Cine Mo Göteborg: Kil-Falın
fowie an der Linie F.⸗Nordmark-Uddeholm, ift
us reiher Minenbdiftrifte und bat (1900)
3533 E., eine Bergſchule und Eifengruben.
Filit, ſ. Schiekpulver.
Filius (lat.), Sohn; F. Sancti Petri, Sobn
des heil. Vetrus, Ehrentitel, der vom Papſte an
ürften für befondere Dienfte verliehen wird. — F.
amillas, ſ. Hausfind.
Filix (lat.), das Farnkraut, |. Farne.
Filigfäure, eine organiſche Säure von der Zu:
ammenjegung C,H, Os, der Dibutyrylefter des
bloroglucing (f. d.), C,H,O,(C, H, O),, der fi
aus dem ätheriſchen Ertrafte der offizinellen Farn—
trautwurzel (von Aspidium Filix mas Sw.) troftal:
liniſch abjceidet. &ie foll wie die Wurzel band:
murmabtreibend wirken.
Fille (fr;., fpr. fij), Tochter, Mädchen, Nonne;
Filles de la charité ſſpr.ſcha⸗) oder de la misericorde
(ipr. -Lörd), Barmberzige Schweitern (f. d.); Filles
de sagesse (ſpr. ſcheß), |. Weisheitätöchter; F. de
France (jpr. frangß), Tochter eines Königs von
; —— F. d’honneur (ſpr. donnöhr), Ehren:
äulein, ſeit Katharina von Medici Titel der Edel:
räulein der Königin (vorber F. de la reine[ipr.
räbhn]), auch Brautjungfer; F. de boutique (ſpr.
butif), Ladenmädchen; F. de joie (pr. ſchöä),
Freudenmadchen.
Filler, ungar. Bezeichnung für Heller (f. d.).
iMingmafchine, bei der Verarbeitung ver
lorettjeide eine Maſchine, auf mwelder das Material
n ein Bließ verwandelt und jodann in gleiche Län-
en zerjchnitten wird, um die Arbeiten des Dref:
Herens (Kämmens) und Spinnens zu ermöglichen.
Fillmore (ſpr. -mor), Millard, der 13, Präfi:
dent der Vereinigten Staaten von Amerila, geb,
T. ve 1800 in Summer:Hill (Staat Neuyorf) als
Sohn eines Heinen Farmers, wuchs in ärmlidhen
Verhältniffen auf und war von 1823 an zuerft in
Aurora, dann in Buffalo als Advolat thätig. 1828
zum Mitglied der Staatslegislatur gewählt, trat
er 1833 in den Vereinigten Staaten:Rongreß, dem
er ald Whig bis 1843 — Bei der Wabi
von 1848 wurde er zum Vicepräſidenten, Taylor
zum Präfidenten gewählt. Der plögliche Tod des
Filiolität — Fils
legtern berief ihn 9. Juli 1850 auf den Präfiden:
tenjtubl, in einer Zeit, in der über die Zulaffung
ber Sklaverei in den im meril. Krieg erworbenen
Gebieten ſchon ein ng Kampf 2* Norden
und Süden auszubrechen drohte. Taylor hatte dem
von feinem Partei Men . Clay vorgeichlage:
nen und von Mebiter efürworteten Kompromiß,
dad im mejentlihen die Aufnahme Kaliforniens
in die Union als nicht fHlavenbaltender Staat
beftimmte, dagegen den Süpjtaaten die ftrengjten
Mapregeln zur Verfolgung flüchtiger Ellaven ge
ftattete, feine Zuftimmung verweigert. Unter F. lam
ed 18. Sept. 1850 zu ftande. Nah Ablauf feines
Amtes machte er dann 1853 eine Reife nah Europa
und trat 1856 als Präfidentihaftslandidat der na⸗
tioiftifchen (amerit.) Partei auf, bradte es jedoch
nur zu den acht Stimmen des Staates Maryland.
‚ftarb 8. März 1874 in Buffalo. — Vgl. J. Cham⸗
erlain, Biography of Millard F. (Buffalo 1856).
Film (engl., foviel wie Haut), Bezeichnung für
dünne pbotogr. Schichten. So ſpricht man von Kol:
lodiumfilms, Gelatinefilms, Celluloidfilms u. ſ. w.
Mit dem Prodult fam auch der Ausprud nah
Deutichland, wird aber bier hauptfählih nur für
Bromfilbertrodenplatten gebraudt, bei denen F.
ftatt Glas die Unterlage für die empfindliche Edidt
bilden. Dieſe F. zeichnen ſich vor den Glasplatten
durch ihr geringes Gewicht (etwa *,, der Gläfer)
und ihre Biegfamtleit aus, Lehtere Eigenfhaft macht
fie geeignet zur Verwendung im Eplindrograpben
ſ. Photographie), E3 giebt dazu befondere Film:
aſſetten.
ilon (ſpr. -Töng), Auguſte, franz. Hiſtoriler,
* 7. Juni 1800 zu Paris, wirkle als Lehrer ver
eihichte an verſchiedenen Gymnafien zu Paris,
an der Normalſchule und an der Fakultät zu Douai,
und ward ſchließlich nipeltor der Akademie in
Paris, wo er 1. Dez. 1875 jtarb. Er verfaßte:
«Histoire comparée de France et d’Angleterre»
(1832),«Histoiredel’EuropeauXVlI*siöcle» (2 Bope.,
1838), «De la diplomatie frangaise sous Louis XV»
(1843), «Du pouvoir spirituel dans ses rapports
avec l’Etat» (1844), «Histoire de l’Italie meridio-
nale jusqu’&la conquöte romaine» (1849),«Histoire
du senat romain» (1850), «Histoire de la J&mo-
cratie athönienne» (1854) und «L’alliance anglaise
au XVIII® siöcle» (1860).
Sein Sohn Pierre Marie HusnEinD- geb.
28. Nov. 1841 zu Paris, ftudierte auf der Normal:
ſchule, war Lehrer der Rhetorit am Gymnafium zu
Grenoble und dann Hofmeifter des kaijerl, Prinzen
(Sohnes von Napoleon IIL.), dem er nad England
folgte. Seine «Histoire de la littörature anglaise
depuis ses origines jusqu’& nos jours» (1883) wurde
1834 von der Alademie frangaije preiögelrönt. 7.
ſchrieb auch Novellen und Romane («Violette Me&-
rian», 1891; deutich in Engelhorns «Romanbiblio-
thel», Stuttg. 1892). , , j
Fitofelte (fr3.), joviel wie Florettjeide (f. Seide).
ou (frz., ſpr. lub), Spigbube, Schelm; Fi-
louterie (fpr. -lut’rib), Gauneret, Spikbubenjtreid.
Fils (ir, ipr. fibs), Sobn; F.de France, foviel
wie Enfants de France (f. d.); F. aine de l’Eglise
(ipr. äneh de leglibi'), |. Eritgeborener Sobn der
18, maroft. Gelvgröße, ſ. Udia. Kirche.
ils, rechter Nebenfluß des Nedars, entipringt
im württemb. Donaukreis, in der Rauhen Alb,
weſtlich von Wieſenſteig, in 662 m Höbe, fließt an⸗
fangs nad ND., wendet fich bei Altenſtadt, wo er
Fils de la Vierge — fFiltrieren
den Eybach aufnimmt, in breitem Thale nah NW.,
dann fat nah W., bei Göppingen vorbei dur ein
obſt⸗ und weinreiches Thal, und — in 246 m
Höhe, 62 km lang, bei Blodinge
Fils de la — (fr3., F fill de la wierſch),
Marienfäden, f ‚ ltweiberfommer,
re Filtriere
— iltertorb, ſ. Wafferver:
rung nebjt Taf. I, Fig. 6 (Herausnebmbarer
ilterlorb).
Fiherpreffer foviel wie — “ (. d.).
ilterpreffe, ein Filter, bei welchem die Tren:
nung eines Gemenges fejter und flüfliger Stoffe
dadurdh erfolgt, daß das Gemisch in einen von
Pen ie umſchloſſenen Raum durch
ydroſtatiſchen oder ———— Drud, alſo z. B.
mittels einer Drudpumpe, eingepreßt wird. 4* e
ihrer allgemeinen Verwendbarteit bildet die F. ein
wichtiges Hiliämittel vieler —— bei viele:
weiſe findet fie ausgedehnte Benußung in Zuder:
abrifen zur Saftgeminnung aus dem Scheide:
chlamm, in Stärke⸗ Farben, Thonwaren: und äbn:
ichen Fabriten zur bibeidung der den pulveri en
Seitlörpern — Fluſſigleit, in Stearin⸗
E—
— zur Trennung des Stearins vom Dlein
omwie bei der Gewinnung zablreiber em. Pro:
dulte, Man unterjheidet Rammerprefjen und
Rahmenpreffen, je nachdem die einzelnen Filter:
räume, wie in ig. 1, durch zwei an den Stirm-
feiten laftenförmig au: etiefte umd gegeneinander
gepreßte Platten a, b gebildet find oder, wie Fig. 2
jeigt, dur einen Rahmen c umgrenzt werben,
gegen deſſen beide Stirnränder ſich ebene A hluß:
latten d, e legen. Die Innenſeiten der en
ind in fentrechter Richtun — und mit Sieb⸗
platten belegt, die der % tertucheinlage ——
— angedeutet) zur Stüße J enen.
Durch Bohrungen h der Wandung tritt das zu fil⸗
trierende Gemiſch in den Filterraum ein, rend
die durd die Filtertücher — Fluſſigleit —
ſchen den Rippen der Platten berabri brielelt und
durch die Bohrungen i des untern Plattenrandes
entweiht. Die zurüdgebaltenen Feſtlorper q da-
gegen lagern fih im ‚inner bes Filterraums ab
und bilden am Schluß der Arbeit eine ——
ir gr Dale von — den ſog. Preß⸗
uchen. D Drudfteigerung in der Beeile ebt
mit ber Anfülung des Filterraumes durd feite
Subſtanz Hand_in Hand, da durd letztere der
Durgtritt der Flüffigleit durch die Filterflähen
685
Dede und mehr erichwert wird, fo daß ſich bei der
Bildung fehr fe —F Kuchen die Vreſſung ſchließlich
auf 6 bis 10 Atmofpbären erbebt. Das Material
I die Platten und Rahmen ijt meift Gußeifen,
eltener Hola, zumeilen auch Bronze oder Blei. ji
der 5. werben Filterförper der beichriebenen Art
in größerer Anzahl (bi zu 50 Etüd) zufammen:
geſetzt, um dadurch eine möglichft große Filterfläche,
—* e die Leiſtungsfähigleit des Filters bedingt,
in kleinem Raum aufzuſpeichern. Sämtliche Filter:
fammern beſitzen dann einen gemeinſamen Ein—
trittslanal, werden alſo auch gleichzeitig geſpeiſt
und gefüllt. Fig. 8 zeiat eine nicht vollftändig ge:
ſchloſſene Rabmenprefje. Die elf Filtertörper (Plat⸗
ten und Rabmen) ruben mit Nafen a auf den bei:
den horizontalen Tragftangen b und c, welde an
dem Kopfitüd d der Vreſſe und an den Säulen
e f bejeitigt find. Der lintsfeitige Teil diefer Stan-
en trägt Schraubengemwinde, und zwei mit den
andrädern gh ausgerüftete Schraubenmuttern
dienen zum Schließen der Prefie, indem fie die
Schlußplatte i geam die an d (ebnenden Filter:
körper prefien. t der Eintritt für das zu ſchei—
dende Gemiſch, die Häbne | bilden den Austritt für
das Filtrat.
Iſt die Gewinnung des letztern das
Big. 3.
Endziel der Filtration, wie 3. B. in den Zuder:
fabriten, fo enthält die Preſſe noh Einrichtungen,
um die in " rt zurüdbleibenden Preßluchen durd
Bajler oder See, das Rohr m würde
in dieſem Fall den Eintritt für die Auslaugfluſſig⸗
HE — [keit bilden.
terfte —J erſtein.
etrichter, f. Filtrieren.
trät, die beim Sit eren (ſ. d.) durch das
u ann Flauſſigleit.
eren (lat.), ein im chem. Laboratorium, in
der —* und im häuslichen Leben angewendetes
Verfahren, um Flüffigleiten von meift fett en Stofjen
u trennen, oder auch chem. Veränderungen mit den
S inffigteiten vorzunehmen. Zwed des F. ift bäufig
nur eine Klärung von Flüffigfeiten, der abfiltrierte
Stoff ift dann wertlos; in andern Fällen joll ver
er trierte Stoff gefammelt werden, und das Filtrat
ift wertlos; oder aber ed tommt * die Sammlung
des abfiltrierten Stoffs Per wie auf die des
Filtrats an f beide find wertvoll. Hiernach müflen
die —— „dienenden Voxrichtungen gewählt werden.
em. Laboratorium bedient man ſich mei—
— der aus ———— Er .) gefertigten Fil⸗
ter. Man ftellt den Filter indem man kreis⸗
686
Filtrierpapier — Filz (Faſergebilde)
förmige Scheiben fehneidet und dieſe nach zwei ſich nung abfließt; durch wiederboltes Aufgieben von
rehtwinllig freuzenden Durchmeſſern faltet, mo: | Waller wird der Niederfchlag gewaſ
durch beim Aufklappen ein Trichter gast wird.
Als Träger des Filters dient ein G
ven ber mit der Spike abwärts gerichtete Papier: |
tegel jo geitedt wird, daß ſich das Papier überall
‚gleibmäßig an die Trihtermandun anjchmient;
vie Größe des Trichters ift jo zu mäblen, dab ber
Rand desfelben wenigſtens um einige Millimeter
über den Nand des Filters bervorragt. Der Trid):
ter wird entweder unmittelbar auf ein flajchen:
förmiges Gefäß geſeht oder von einem Geſtell ge
tragen, um das Filtrat in einem Becherglaſe, an
been Innenwandung ſich die Sp des Trichters
t
anlegt, zu fammeln. Um die Filtrationsgeſchwin—
digleit zu bejchleunigen, wendet man Apparate an,
'bei denen die Mundun
Auftleer gemadten Bebälter endet; es rubt dann
das ganze Gewicht der lee auf dem Spie-
‚gel der im Filter befindlichen Fluſſigleit und preßt
dieje durch die Poren des Papiers. Ein folder von
Bunfen tonjtruierter Apparat beſteht aus einem
ftarfwandigen Glaskolben, der mittels eines zwei:
‘mal durchbohrten —— verſchloſſen iſt.
In die eine Durchbobrung iſt ein rechtwinklig
— Glasrohr eingefügt, das mittels eines
ummiſchlauches mit einer Wafferluftpumpe oder
einer fonftigen Saugvorridtung in Verbindun
ftebt; Die zweite Durhbobrung nimmt das Ablauf:
robr des Trichters auf. Da bei dem ſtarken Drude
feicht die weiche, frei in dem Trichterbals ſchwebende
Spike des Filters durchbrochen wird, jo giebt man
diefer einen Schuß in Form eines ganz Heinen, aus
fein durchlöchertem dünnem Platin angefertigten
Konus, oder man verwendet gebärtetes Filtrier:
papier. Zur Vergrößerung der filtrierenden Flache
dienen Filterſcheiben, runde, durchlöcherte Bor:
ellanſcheiben, die man in die Trichter legt und mit
Elteierpapier belegt. Diefe Scheiben hat man au
‚mit dem Trichter zu Filtertrichtern (Nuticen)
und Filtertiegeln verbunden. Leßtere dienen, mit
einer Asbeſtſchicht beichidt, in der analytiichen Che⸗
mie zum F. Zrodnen und MWägen eines Nieder:
9 — Flaſſigkeiten, die das Papier heftig angrei:
en, wie ſtarke Säuren, Alkalien u. dal., filtriert man
durch Schichten von Asbeſt, Glaswolle, Slaspulver.
In der Technit, mo es fih darum handelt, große
Mengen von Flüffigfeiten zu Mären, benukt man
Spisbeutel von einen, gi ober der Beichaffen:
beit der Flüffigteit angepaktem Material, die frei
ſchwebend an vieredigen Holzböden aufgehängt
werben, oder gewirkte Schläuche, bie, unten ge:
ſchloſſen, am obern Ende an Robrituken befeitigt
sind, welch leßtere in den Boden eines kaftenförmi:
gen Bebälterd eingeihraubt find. Die zu filtrie:
rende Flüffigleit wird aus einem böber jtehenden
Rejervoir in den Behälter geleitet, flieht durch bie
Schläude, das Filtrat fammelt ib in einem unter
den Schläuchen befindlihen Reſervoir. Jum Sam:
meln von Niederſchlägen und zum Auswaſchen der:
yon bedient man fi im Grofßbetriebe der Seib:
ottiche. Es find Behälter, von Holz oder Metall
angefertigt, die dicht über ihrem eigentliben Boden
«inen zweiten burdlöcerten oder geichligten Boden
haben, der mit Zeug überjpannt ift. Die Zlüfjig:
feit, in welcher der Niederihlag verteilt ift, wird
in den Bottich gebracht, der Niederichlag bleibt, von
dem Filter getragen, zurüd, während das Filtrat
durch eine zwiſchen beiden Böden angebrachte Öff:
des Trichter in einen |
—
\ * Das Ver⸗
fahren lürzt man ab, indem man die Abflußoffnung
astrichter, in | mit einem luftleer gemachten ar can verbindet.
‚ Sn neuerer Zeit wird im Großbetriebe, nament:
ih zur Anfammlung ſehr feiner oder gelatindjer
Niederjchläge, die Filterprefie (j.d.) benußt. um:
fangreichſtem Maße wird die ee ur Klärung
des Flußwaſſers — der Waſſerverſorgung der
großen Städte ausgeführt. (S. Waſſerreinigung
und Waflerverjorgung nebft Taf. II, Fig. 3.)
Zumweilen werden aud Flüffigleiten filtriert, um
gelöjte Stoffe aus ihnen zu entfernen. Als Filter
dient meift poröje Tierlohle, Knochenkohle, die durch
Dberflähenanziebung gewiffegelöfte Stoffe, nament:
lich Farbſtoffe, auf fi hieberfhlägt, — vol Krüger,
Die Bl für Haus und Gewerbe (Wien 1886).
#iltrierpapier, ein aus Hadern bargeitelltes
—— Papier, das ſehr pords, aber durchaus
nicht locherig jein darf und einen verhältnismäßig
boben Grad von Feſtigleit befigen muß. Die nö:
tige Poroſität wird demfelben meift dadurch erteilt,
daß man die friſch bergeitellten, noch nafjen Bapier:
bogen bei jtarler Winterkälte & ieren und imo:
mach gefroren trodnen läßt. Als das beite, vor:
uglich für die quantitative Analyſe geeignete F.
hat lange Zeit das fog. ſchwediſche, mit dem
afferzeiben Munftell verjebene gegolten, doch
wird dies neuerdings an Güte durd ein von Schlei⸗
her & Schüll in Düren gefertigte übertroffen, das
mit deftilliertem Waſſer bergeitellt wird. Lebtere
Firma bringt gegenwärtig mit Flußſäure und
Salzfäure gereinigte Filter in den Handel, vie
beim Verbrennen faum noch Spuren von Aſche
binterlajjen, und bir aud ein gebärtetes F., das
der Cinmirkung Starter Säuren und Paugen wider:
ftebt und beim Filtrieren unter vermindertem Drud
obne 'Blatinlonus verwendet werden lann.
Filtrierftein oder Filterftein, ein pordfer
Sandftein, der zu Platten geichnitten als Einlage
für MWaflerfilter (ſ. Wafferreinigung und Wajjer:
verforgung) dient.
Filtriertuch, Filtertub, Filtrierbeutel,
ein dider, lofer Wollftoff, der entweder durch Me:
berei aus gebrehtem Garn oder auch durd Filzen
pergefe wird, In allen Teilen muß der Stoff
inreichend Loje jein, um Slüffigleiten ſchnell durch⸗
ulaſſen, und hinreichend feinporig, um auch jebr
eine feite Körper — Wolle iſt nach
ihrer natürlichen Beſchaffenheit hierzu os ge⸗
eignet. Vor dem Filtrierpapier bat das F. den Bor:
zug, daß es wideritandsfäbiger ift, das Filtrieren
unter Drud geftattet und jederzeit gereinigt und
wieder gebrauhsfäbig gemadt werben fann.
Filure (fr;., fpr. -lübr), Gefpinit. j
Filz, ein aus wirr durcheinander liegenden tieri-
{hen Haaren, *2 ha er Hafen» und
Raninhenbaaren, beitebendes Gebilde, bei welchem
obne Weben, dur die Arbeit des Fadens, Filzens
und Wallens, ein feſter Zuſammenhang der einzel:
nen Faſern erreicht F und das, außer zu Hüten
(f. Stlzfabrilation), uptfäclic zur Belleidung
der Dampfcylinder, bei verjhiedenen mufilalifchen
nitrumenten zur Dämpfung bes Tons, jowie zu
chuhen verwendet wird, ;
In der Bapierfabrilation IR: ein grobee,
lofe gewebtes, ſchwach gewalttes Wollzeug, welches
als Zwifhenlage der Bapierblätter beim Abnehmen
derjelben von der Form benußt wird.
Filz (Moor) — Filzfabrikation
iz, in Sübdeutihland, befonders Bayern, jo:
viel wie Moor (f. d.).
ilzdeckel, Unterjag für Gläfer, |. Filztuch.
ilzeiche, |. Eiche.
ilzen, verfilzen, ſ. Silsfabrikation und Tuch:
fabritation.
Filzfabrifation. Die Heritellung des Filzes
berubt auf der Eigenſchaft der Haare, fih unter
Drud und fhiebender Bewegung zu einem zähen,
elaſtiſchen, ſchmiegſamen Gebilde zu vereinigen (ver:
filzen). Das tieriſche Haar zeigt nämlich unter dem
Mitroflop entweder eine mit feinen, boritenartigen
Spitzen ſchräg beſetzte Oberfläche, wie z.B. die Haare
des Bibers, oder die Oberfläche ift mit Heinen, dad:
iegelartig einander übergreifenden Schuppen be:
est, welche die Bewegung in der einen Nichtung
geitatten, in der andern aber verhindern oder doch
erſchweren. Durch das Bearbeiten der zu einem
Haufwerk vereinigten Haare bewegt fich jedes Haar
vermöge feiner Widerhafen nur mit dem Wurzel:
ende voran zwiſchen den übrigen Haaren hindurch.
Schon durd ein unbedeutende Drüden wird der
Verfilzungsprozeß eingeleitet, und indem bei ber
mweitern Verarbeitung jedes Haar mit dem Wurzel:
ende voran in die Mitte der Silgmafie bineindringt,
wird der Filz immer dichter. Das Berfiljen wird
durch Anfeucten und Erwärmen der Haarmafje be:
günftigt; befchleunigt wird es auch durch Anwen:
dung von verbünnter Schwefelfäure und Seifen:
wafler. Alle derartigen Präparierungsmethoden
haben namentlib den Zwed, das natürliche Fett
und bie Unreinigfeiten zu entfernen, bamit bie
Spißen, refp. Schuppen bloßgelegt und jo das An:
baten oder Anbaften der Haare erleichtert wird;
mande Arten von Haaren werden noch befonders
auf dem Fell mit einer Löfung von Duedfilber in
Salpeterjäure mit Zuſatz von Duedfilberjublimat
und weißem Arjenik gebeizt.
Der fertige Zum wird, bamit er nicht Durch
nachträgliche — die erhallene Form wieder
verliert und zugleich damit er eine größere Steif—
beit erlangt, mit einer Füllmafje imprägniert;
über benugte man als ſolche Leim, jeßt nur noch in
piritus aufgelöften Schellad. Zu diefem Zwecke
taudt man das fertig geformte Stüd zuerft in die
Scelladlöjung und dann in reines Waſſer; durch
Verbdunftung des Allohols in dem Filze ie ſchei⸗
det ſich der Schellach in Geſtalt eines feinen, an
den Haaren haftenden Pulvers aus. Obwohl alle
tieriſchen Haare ſich verfilzen laſſen, beſihen doch
nicht alle die Verfilzungsfähigleit in gleichem Maße;
je feiner und —. das Haar ift, defto dichtern
und fejtern Filz liefert e8.
Fur die Hutfabrifation, in welcher ver Filz
die hauptfählichite Verwendung findet, lommen nur
teinere Sorten in Betracht. Man unterfcheidet zwei
Hauptarten: 555 Haare (Pelzhaare) und gefräu:
felte Haare (Wolle). Dementſprechend unterſcheidet
man bei den Filzhüuten Haarbüte und Wollbüte,
deren Fabrikationsmethoden im allgemeinen ein:
ander ähnlich find. Das gewöhnliche Material für
Filzhüte bilden die Haare des Bibers, des Dtters,
ver Hafen, Kaninchen, Seehunde, Affen, fowie die
verichiedenen Wollen. Tiere aus kalten Zonen, be:
fonders ſolche, welche im Winter erlegt find, neben
bejiere Pelzhaare als joldhe aus wärmern Gegen:
den; außerdem liefern die einzelnen Teile der Belze
verfchiedenmwertige Haare, am meijten find die Velz:
baare vom Rüden gefhäßt.
687
Die er ragen war früher ausſchließ⸗
lih Handarbeit; erit in neuerer Zeit werben
die einzelnen Operationen durd eine Reihe von
Specialmaſchinen ausgeführt. Bei der Fabrikation
durh Handarbeit wird die Wolle faft ebenfo wie
das Haar bearbeitet. Das Material (Wolle, Haar
oder ein Gemifch von beiden) wirb zunächſt aufge:
lodert und von Staub und den gröbjten Stiel:
baaren befreit, wobei zugleich die Haare unregels
mäßig durdeinander geworfen (gefadht) werden,
Nach der fo erfolgten Jurihtung werden aus dem
für einen Hut betinmnten Material zwei loje dreis
edige Lagen mit gebauchten Seiten gebildet und
durch vorſichtiges Drüden mit der Hand fo weit
pufommengefgt, daß fie ſich, ohne zu zerreißen, auf:
beben lajjen. Nach weiterer Berfiliung werden zwei
Seiten mit der Hand zu einem ſog. Stumpen ver
bunden, einer großen fegelförnigen Mutze. Die
Stumpen werden nun mit der Hand gewalft, wos
bei jie häufig in die Wallbeize getaucht werden, bis
fie auf etwa ein Drittel ihrer urjprünglichen Größe
zufammengefhrumpft find. Zur Beleitigung der
vorftehenden Stichelhaare wird der Stumpen zuerft
mit einer fteifen Bürfte und beißer Lauge, dann
mit Bimsſtein bearbeitet; ſchließlich wird er noch
mit einem ſtumpfen Meſſer, das ſich in die vor—
ftebenden Haare einhalt und fie herausreißt, rafiert.
Der fertig gefilzte Stumpen wird, um in die Huts
form gebradıt zu werden, über einen Blod gezogen,
wobei man feine Spiße durch Streden, Drüden und
Bürften verbreitert; hierauf wird der Nand über
dem Blod abgebunden und auf ähnliche Weife ges
ftredt. Der gewallte und geformte Hut wird gefärbt,
geglänzt, mit Schellad oder Leim gejteift und zuge:
richtet, wodurd er feine vollendete Form erbält.
Schließlich wird der Rand abgefchnitten, eingefaßt
und der Hut innen gefüttert.
Bei der Filzbutfabrikation mittels Maſchinen
müſſen Pelzhaare und Wolle gefondert verarbeitet
werden, da den verfchiedenen Eigenſchaften des
Materials entſprechend verſchiedene Arbeitsmaſchi⸗
nen zur Wirkung gelangen. Haarhüte werden in
Deutichland mei aus ga en: und Kaninchen⸗ La⸗
pin) ellen bergejtellt, weldye getrodnet in den Hans
del fommen. Die Felle werden mit einer Wifhun
von Salpeterfäure und Duedfilber —* — —
folgt das Reinigen der Vließe mittels der Fellbürft:
maldin, deren Bürftenmwalze fich fchnell dreht. Die
nädjtfolgende Arbeit ift das Abfchneiden oder Abs
fcheren der Haare durd eine mechan. Vorrichtung.
Indes läßt es ſich hierbei nicht vermeiden, daß viele
Hy Haare und andere Verunreinigungen barin
leiben. Um dieſe zu entfernen jowie aud um bie
einzelnen Haare regelmäßig untereinander zu wer:
jen, fommen die abgejhnittenen Belzhaare zunächſt
in eine geeignete Maſchine, die Haarblaje: und
Miſchmaſchine. Sie beſteht aus einer Anzabl
Kammern, vor deren Eingängen je eine ſehr jchnell
rotierende Bürftenmwalze liegt, von welcher die zus
geführten Haare ausgelämmt und zugleich fortiert
werben. Die groben Haare u. f. mw. fallen auf ein
unter die Büritenmwalze geitelltes ſchräges Schüttel«
fieb, die den Abgang weiter ausſcheidet, während
die feinern Haare durd den entjtandenen Luftitrom
in den obern Teil der Kammer geblajen werden, um
nab und nad auf einem endlofen Transportband
an die Bürftenwalze der nächſten Kammer geführt
au werden. In den einzelnen Kammern werden die
: Haare gereinigt und gemiſcht und lommen aus ber
688
legten Kammer regelmäßig durcheinander geworfen
in Form eines tofen zufammenbängenden Bandes
beraus. Zum Bernengen der einzelnen Haarforten
miteinander dienen noch verſchiedene Miſchmaſchi—
nen, die jedoch keine Unreinigleiten mehr auszu—
ſcheiden ie Die erhaltene lodere und wollartige
Haarmalje fommt alddann in Partien abgemogen,
welde zur Heritellung je eines Hutes genügen, in
den Stumpenformer, eine Blas: und Schleuder:
maſchine, die die Haare ebenfo wie die Blas: und
Miſchmaſchine auf einem enblofen Tranaportband
einer rotierenden Bürftenwalze aufübrt, die fie durch
einen Kaſten mit vertilalem Auslaßſpalt auf die
Hutitumpenform wirft. Die Form beftebt aus einer
großen, jiebartig durdlöcerten Glode aus Draht:
ewebe, an deren Außenfläche die anfliegenden
aare durch Abfaugen der Luft aus der Form an—
ezogen werben. Die Form dreht fi um ihre ver:
titale Achſe — nterfaß, der dad Saugge:
bläje entbält. Damit die Haarſchicht auf der Form
fih aleihmäßig bildet, reguliert ein Arbeiter die
uführung an dem vertilalen Auslaßſpalt mittels
eines Schiebers. Nachdem das für einen Hut bes
ftimmte Material auf die Form geblafen it, wird
die gebildete lodere Filzſchicht auf derfelben mit
einem feuchten Tuch Ambaltt, mit der Form abge:
nommen und in beißes, re ge affer ge:
taucht. Der BVerfilgungsprozek wird hierdurch jo
weit eingeleitet, daß der zarte Filzſtumpen, ohne zu
—— abgehoben und weiter verarbeitet werden
ann. Die Stumpen werden alsdann mit der Hand,
in der Regel zu einem balben Dutzend zuſammen,
in einem Stüd groben Zeugs fo lange gerollt, bis
fie die erforderliche Feftigkeit erhalten baben, um in
den Filzmaſchinen bearbeitet werden zu können.
Bon den Filzmaſchinen giebt eö zwei verſchie—
dene Klaſſen, Walzenmafhinen und Mall: oder
Filzmühlen. Bei den Walzenmaſchinen wird
die Verfilzung durch Rollen der in ein Tuch ein:
geihlagenen Hutftumpen zwischen vielfeitigen Wal:
en bewirkt. In zablreihen Fabriken wird der Ver:
lzungsprozeß derart durchgeführt, daf der Drud
der Walzen mit der zunehmenden Dictigleit des
Filzes vermehrt und der Hutitumpen nad und nad
eingefilst wird. In den Walk: oder Filzmühlen
beftebt der wirtjame Teil aus einem Fallhammer,
welcher an einem Brett und zwifchen zwei Klemm:
walzen nach jedem Fall gehoben wird. Das Wall:
bett ift unten durdlödert, um Dampf einlaffen zu
lönnen, und veritellbar, um nad und nad die
Stumpen ftärter gegen den Pendelhammer drücken
zu lönnen,
Nah dem Wallen werden die Stumpen in den
gelten lätter gebradt und etwas auägezogen.
iefe Maſchine befteht aus zwei Paar Walzen,
von denen die obern etwas jchneller als die
untern laufen, fo daß eine gelinde Stredung der
Stumpen erfolgt. Bei allen dieſen eig 8:
arbeiten werben die Stumpen mit beikem afler
eucht gebalten. Da das gute Ausſehen eines Filz:
uts weſentlich von der gleihmäßigen Struktur
einer Oberfläbe abhängt, müflen alle vorſtehenden
gröbern und fteifern Haare entfernt werden, und
zwar geſchieht dies auf mechan. Wege mittels einer
Schermaſchine. Der Hutitumpen wird auf eine
Kegelform aufgehoben und langfam unter einem
eraden Schermefjer durchgeführt, welches eine
chnelle freisförmig ſchiebende
m die geſcherte
Filzfaden — Filzkrankheit
zu ebnen und zu glätten, tommen Schleifmaſchinen
zur Anwendung, die mit Sand» und Schmirgel:
papier arbeiten. In vielen Fällen wirb der Hut:
ftumpen, nachdem die groben Haare auf die befchrie:
bene Meife entfernt find, nochmals etwas einge:
waltt, um den Filz möglichft dicht zu machen. die
weitere Bearbeitung des Hutftumpens beſteht in
dem Steifen, Bloden und Färben durd rd
und Blockmaſchinen und dann durch Abreib:
maſchinen. Das Einſetzen des Futters erfolgt
auf gewöhnlihen Nahmaſchinen, das Annäben des
Bejasbandes auf Nähmaſchinen, deren Stofjprüder
eigentümlich geformt und der geſchwungenen Form
bes Hutes angepaßt find. In Deutſchland werden
Maſchinen zur Hutfabrifation von Klein & Comp.
in Liegnis, in Amerika von Dfterfeld & Eidemeyer
in Nonters (im Staate Neuporf) gebaut.
In Deutihland ift die Einfuhr von Filzwaren
nicht von Bedeutung, auch der frühere ftarte Bezug
von Filzbüten aus — iſt viel geringer ge:
morden, dagegen iſt die Ausfuhr von Filzwaren
bedeutend gejtiegen. Die Einfuhr von Filz und
ilzwaren aus Rindviehhaaren und Wolle (ein:
chließlich Dach⸗, Asphaltfilz u. a.) betrug 1900:
2324 dz (Mert 344000 M.), die Ausfuhr 20 198 dz
(7,566 Mill, M.), vie Einfubr von Herrenbüten aus
Haar: und Wollfilz 1299 dz 5* Mill. M.), die
Ausfuhr 2405 dz (2,965 Mill. M.). Ferner wurden
65532 garnierte (1,966 Mill. M.) und 167739 Stüd
ungarnierte (671 000 M.) Damenhüte aus Filz
oder Zeugitoffen eingeführt und 111201 (1,554 Mill.
M.) bez. 191655 Stüd (383000 M.) ausgeführt.
ilzfaden, ſ. Fafergebilve.
ilzgarn, gefilztes Garn, ein zu den Kunſt⸗
oder Ziergarnen ( ———— geböriges Garn. Als
Rohmaterial ift nur filsfähiger Faſerſtoff, weſent⸗
lich alfo Streihmwolle anwendbar. Die Herftellung
peibieht nah dem gewöhnlichen Spinnverfabren
i8 zum Vorgam. Der Vorgarnfaden aber wird
nicht auf dem üblihen Wege durch Streden und
Dreben in fertiges Garn verwandelt, fondern durch
Verfilzung der Haare des Vorgarnbündels. Der
ilzprozeß ift derjelbe wie bei gefilzten Stofſen.
iſt weicher und glätter als gedrehtes Garn und
efigt einen matten Glanz. Verwendung findet es
vereinzelt ald weiches Schußgarn fomwie zu Poſa—
mentierartifeln u. a.
ilzhut, |. ————
ilztorfett ‚ aus erhärtendem, mit 1 Teil
Schellad und 1", Teil Spiritus getränktem Fils
dargeitellte Stükapparate für Bertrümmungen der
MWirbeljäule.
Filzkrankheit, eine Krankheitserſcheinung an
Pflanzen, die darin beiteht, dak durch abnorm
reihlibe Haarbildung filzartige Fleden auf ven
Blättern entſtehen. Man —— früber die Ur
ſachen der F. in parafitifh lebenden Pilzen fuchen
zu müffen, die unter dem Gattungsnamen Eri-
neum zujammengefaßt wurden, weshalb man
die Filzbildung ſelbſt bisweilen ald Erineum be:
zeichnete. Genauere Unterfuhungen baben jevod
gezeigt, daß jene abnormen Haarbildungen durd:
aus nichts mit parafitifhen Pilzen zu tbun baben,
fondern daß gewiſſe Milben die Krantbeit bervor:
rufen. Es find demnad die filzartigen Flecke eine
Art von Gallen, indem durd den Einfluß der Milben,
die der Gattung Phytoptus (f. d.) angehören, mans
; ewegung ausführt. | berlei abnorme Haarbildungen bewirkt werden. —
lzfläche noch mebr zu ſchlichten,
Die F. tritt bauptfählih an Laubbäumen und
Filzlaus — Finanzen
Sträuchern auf, fo an der Eiche, Buche, dem Ahorn,
vielen — am Weinſtock, Haſelnußſtrauch
u. v. a. lber die Lebensweiſe der Milben iſt noch
wenig bekannt; man nimmt an, daß fie in den
Knoſpen überwintern und von da im Frühjahr ſich
über die jungen Blätter verbreiten. Die Folge der
5. ift eine Zerftörung des Ehloropbyll3 und dem»
gemäß aud eine Schädigung der Ernährung.
Filzlaus (Phthirius pubis Z.), eine 1—1,s mm
lange, kurz und breit gebaute Laus, mit vieredigem
Hinterleib und kräftigen Klammerhalen an ven
Beinen; PBarafit auf den ſtark behaarten Stellen des
Ben Körpers mit Ausnahme der Kopfhaare.
Die Befeitigung wird mit Sublimatabwafhungen,
Napbtholjalben und ähnlihen Mitteln erreicht.
mals, |. Grünmalj. ‚
mafchine, eine in der Filz⸗ und in der Tuch⸗
fabrifation gebraudte Maſchine, auf welcher eine
vorbereitete Sache oder ein Haarvließ die Beſchaffen⸗
beit des Filzes erhält. (S. Filzfabritation.)
ilzmühle oder Waltmüble, eine Art Filz
maſchine. (S. Filzfabrikation und Tuchfabrilation.)
fpier, |. Spiraea, ,
tuch, im gewöhnlihen Sinne ein Wollftoff,
ber burch Filzen der auf den Vorſpinnmaſchinen er:
eugten Deden oder gen bergeitellt wird und zu
Eu deden, Pantoffeln, Bierunterjegern u. a. dient.
— Aud ein aus fräftiger Streihwolle hergeſtelltes
dides Gewebe, das durch Walten ftark verfilzt iſt;
es wird als Eylinderüberzug in der Papierfabri-
tation [mürmer).
ilzwurm, joviel wie Seeraupe (j. Borſten⸗
bria (lat.), Faſer, Sranfe; in der Anatomie
iben Simbrien bie gezadten Franſen am äußern
de des Eileiters.
Simmel, Name der tauben (männlihen) Hanf:
und Hopfenpflanzen. Nach irrtümlichen Volls⸗
—— ſind dies die weiblichen Pflanzen;
daher erklärt ſich die Ableitung des Wortes aus lat.
femella (cannabis femella, der weiblihe Hanf). —
a Bergbau ift $. ein ſtarler Eifenteil, der zmwis
en die Klüfte des Gefteins getrieben wird; auch
der Hammer zum Einſchlagen von Pfählen in
Weinbergen. de sieele.)
Fin (fr3., fpr. fäng), Ende, Biel. ©. aud Fin
Final (lat.), am Ende befindlih, den Schluß
bildend; einen Endzmwed betreffend oder bezeichnen,
Finäle (ital.), in der Muſik jeder legte Sak
orößern Injtrumentaljtüds (einer Sinfonie,
Sonate, eined Konzerts u. ſ. w.), in bejonderer
Beziehung aber das Schlußſtück eines Opern:
alts. Das Dpernfinale befteht in der Regel aus
mebrern vieljtimmigen Säben von verſchiedenem
Charakter, bei denen die Handlung fortrüdt, zu
irgend einer Kataftrophe drängt, wobei abge:
— breit ausgeführte Arien nicht am Orte
d. In früherer Beit hatte die Opera seria feine
. in diefem Sinne; Nicola —— (um 1750)
machte juerft in ver Opera buffa den Verſuch, den
Scenen durch verjchiedenartig abbrechende und ein:
tretende Stimmen eine größere Lebendigleit zu ver:
leiben. Doch erit N. Piccinni bat in jeiner «Cec-
china» (1760) die vieljtimmigen und wecjelreichen
a Muſilſtucke als Attihlüfje eingeführt, die
eitdem beibehalten und weiter ausgebildet find.
inäle Marina, Stabt im Kreis Albenga der
ital, Provinz; Genua, an der Riviera di Bonente
und an der Binie Savona:-Bentimiglia des Mittel
meernekes, bat (1901) 2879 E., eine Kathedrale
Brochhaus' Konverfationd-Leriton.. 14, Aufl. RM. VL
689
von Bernini, einen Hafen; Fabrikation von Seiler:
waren, Seife und Spieltarten. Es ift der Haupt:
teil der Stadt Finale, zu der noch die Orte Fir
nale Pia (im D.), als Gemeinde mit 1810 €,
und Finale Borgo (im NW.), ald Gemeinde mit
3386 E., altem Kajtell und Gymnafium gehören.
Nabebei Höhlen mit prähiftor. Reiten. — Finale
Borgo war Hauptort der Markgrafſchaft der Car:
tetto, fam 1712 an Genua, 1745 an Sarbinien.
Finäle nel’ Emilia, Stadt im Kreis Miranı
dola der ital. Provinz Modena, am Banaro und
an der Schmaljpurbahn Cavezzo⸗F. (20 km), hat
(1901) als Gemeinde 12798 E., Gymnajium;
Seidenindujtrie und Viehhandel.
Finäli, Öaspare,ital. Staatsmann, geb.20. Mai
1829 zu Gejena, ſtudierte 1846—50 in Rom un
Bologna Rechtswiſſenſchaft, mußte wegen Beteili-
gung an einer Verſchwoͤrung gegen die päpftl. Ne:
gierung nah Piemont fliehen, mo er im Finanz⸗
minijterium angejtellt wurde; nad Einverleibung
der Romagna wurde er in die Kammer gemwäblt und
1872 zum Senator ernannt. Er war 1867—68
Generaldirektor der Steuern und Domänen, 1868
—69 unter Cambray: Digny Generaljetretär im
nanzminifterium, 1869—73 Rat am Rechnungs:
of und leitete 1873—76 unter Minghetti das Minis
terium bes Aderbaues. Vom März 1889 bis yebr.
1891 war er im Kabinett Erifpi Miniſter der öffent:
lihen Arbeiten, 1898 wurde er zum Präfidenten
des Dberrehnungsbofs ernannt, Jan. bis Febr.
1901 war er unter Saracco ———
F. bat zahlreiche Arbeiten über vollswirtſchaftliche
und finanzielle ragen veröffentlicht. In der «Nuova
Antologia» erjhienene Artitel fammelte er u. d. T.
«La vita politica di contemporanei illustri» (Zur,
1895). Außerdem fchrieb er «Le Marche, ricor-
danze» (Ancona 1897). [Finanzbeamter.
inancier (fra, pr. finangkieb), Geldmann,
auzbdelift, j. Steuemwergeben (Bp. 17).
—— Finanzweſen, Finanzwiſſen—
(Haft. er Urfprung des Wortes F. tft nicht
ejtimmt nachgewieſen, er —— indes im lat.
finis, welches im mittelalterlichen Latein oft einen
Bablungstermin bedeutete, zu liegen. Im 14. Jahrh.
veritand man unter financia eine Zahlungs:
leitung, fpäter tauchte eine ſchlimme Nebenbedeus
tung, nämlih Plusmacherei, Wucher u. ſ. w. auf,
bis man (in Frankreich ſchon en dem 16. Jahrh.)
unter finance die Staatseinnahmen oder aud) das
Staatövermögen zu verſtehen anfing. Gegenwärtig
verjteht man unter %. im mweitern Sinne die in
Geld ausgedrüdte — und materielle
Lage eines Haushaltes überhaupt, im engern und
in der Regel allein maßgebendem Sinne die Ber:
bältnifje, die fih auf die Einkünfte und Ausgaben
eines öffentlihen Körpers und deren Verwaltung
beziehen. In diefem Sinne wird das Wort bei
allen polit. Gemeinwejen, Gemeinden, Provinzen
u. j. w., inöbefondere beim Staat gebraudt.
inanzwejen (Finanzverwaltung) ift der
Inbegriff aller derjenigen Gefhäfte, Anordnungen
und Einrichtungen, welche die öffentlichen Einnah⸗
men und Ausgaben betreffen und fachgemäße Bes
8 und Verwendung der Öffentlichen Gelder
omie Herftellung des Gleichgewichts zwiſchen Ein⸗
nahmen und Ausgaben bejmweden.
er Staat bedarf zur Erfüllung feiner — 5
—— Dienſtleiſtungen und wirtſchaftlicher
ittel, jener, weil es nötig iſt, daß beſtimmte Per⸗
44
690
ſonen gewiſſe Handlungen und Verrichtungen für die
Staatszwecke übernehmen, dieſer, um folge ienſt⸗
leiſtungen und Sachgüter, die nicht unentgeltlich
verlangt werden können, zu vergüten. Beide zuſam⸗
men bilden ven Staatäbedarf. Die wirtichaftlichen
Mittel, anfangs in Naturalien gegeben, werben
beute in den Kulturftaaten, in denen die Naturals
wirtfchaft längft der Geldwirtſchaft gewichen ift, in
Geld bezogen oder doch nad Geldwert berechnet.
Der Umfang diefer Mittel —— ſich in dem
Maße, in dem ſich die Kulturaufgaben des Staa-
tes erweitern. Der Staat verſchafft fich die erforder:
lihen Mittel teild dadurch, daß er privatwirtichaft:
lib aus eigenem Befik und aus eigenen Betrieben,
B. Eifenbahnen, —— omänen, Ein:
ommen ziebt, hauptſächlich aber dadurch, daß er
vermöge Jeiner Zwangsgewalt, die in diefem Falle
aus feiner Finanz obeit abgeleitet wird, die
Mittel der Bürger, ſoweit ed für feine Zmede
nötig ift, in Anſpruch nimmt. Betreibt ver
Staat irgendwelche wirtjchaftliche Unternehmungen
nicht zur Erzielung von Mitteln für feine eigent:
lichen rein wirtſchaftlichen Zmede, jondern in focial:
polit. Abfiht, um fibelftände der beſtehenden Er»
werbsordnung auszugleichen, eine beſſere Berteis
lung des Produktionsertrags —— u. ſ. w.
fo gebt er über das Gebiet der eigentlichen Finanz⸗
wirt get inaus und betritt ven Boden des gemein:
wirtjchaftlichen Syſtems, das in feiner folgerichtig
durchgedachten Ausbildung ald Kommunismus
(f.d.) erfcbeint. Als Subjelt von Vermögendrechten
und Verbinplichleiten und Inhaber der Finanzwirt⸗
ſchaft heißt der Staat Fiskus (f. d.).
Der Finanzverwaltung (f. Finanzmini—
fterium), die fih zu einem der wichtigſten Zweige
der Staatöverwaltung entwidelt bat, erwachſen fol-
gende Aufgaben: Sie muß — nachdem die Leiter
der einzelnen Verwaltungszmweige ihren Bedarf an
Mitteln berechnet haben — ein «Budget» (f. d.)
ober einen Voranſchlag der in der Budgetperiode zu
erwartenden Ausgaben und Einnahmen aufitellen
und begründen; fie muß weiter den Eingang der Ein⸗
nahmen und deren Verwendung überwachen, das
Staats ſchuldenweſen verwalten und ſchließlich über
Einnabmen und Ausgaben abrechnen. Hierbei muß
fie eine rationelle und den obwaltenden Berbältnifien
angepaßte Finanzpolitik verfolgen, unter wel
chem Namen die praltifchen Beftrebungen nad) der
mit den Interefjen der allgemeinen Wohlfahrt am
beften in Einklang ftebenden Einrichtung der F.
ujammengefaßt werden. Cine gute Finanzpolitik
m ftet3 den Weg wählen, welcher der Staatstlafje
fihere, ausreichende Einkünfte auf die am wenigften
drüdende Weiſe liefert, den natürlihen Zug des
Verlkehrs möglichft wenig ftört, die perfönliche Frei⸗
eit möglichit wenig empfindlich berührt, am wenig»
en zu Gejeßesübertretungen und Steuerhinter⸗
ziehungen anregt.
Die Finanzpolitik ftüst ſich bierbei auf die Lehren
der Finanzwiſſenſchaft. Diefe, aub Staats—
wirtſchaftslehre genannte und beſonders in
Deutichland entwidelte Wiſſenſchaft ift die Lehre
von der Wirtſchaft oder dem Haushalt des Staates,
Sie ift ein Zweig der polit. Ökonomie und hat eine
theoretifche und eine praltifche Aufgabe. Die erjtere
ift gerichtet auf die Darftellung der Wechſelwirkung
wiſchen der Staatswirtſchaft und der Volkswirt:
—*8 im ganzen, insbeſondere auf die Unterſuchung
der Folgen der finanziellen Eingriffe des Staates,
Finanzen
der Abwalzungsverhältniſſe u. ſ. w. Die praktiſche
Aufgabe geht dahin, an ber Hand der Finanzge⸗
an und ber ———— allgemeine Grund⸗
atze für die zwedmaäßigſte Geſtaltung der Finanz⸗
politit feſtzuſtellen. Der wichtigſte Teil der Finanz⸗
—— iſt die Lehre von den Staatseinnabhmen,
die einige fogar als alleinige Aufgabe der Finanz⸗
—— ezeichnen.
ie Staatsausgaben behandelt die Finanz⸗
wiſſenſchaft nur in der Art, daß ſie auf das richtige
Verhältnis derſelben untereinander und auf die
Grenzen der finanziellen Leiſtungsfähigkeit hin⸗
weiſt. Da die Ausgaben des Staates dur jeine
Berwaltungsaufgaben beftimmt werden, fo hat über
deren Notwendigleit und Zwedmäßigteit nicht die
Finanzwiſſenſchaft, jondern die Berwaltungslehre
zu entiheiden. Die Staat3ausgaben find entweder
ordentliche, zur Befriedigung regelmäßig wieder⸗
tebrender Bedürfnifle beitimmte, oder außerordent-
liche zur Befriedigung von Bebürfnifien, die uns
regelmäßig oder auch nur einmal auftreten.
uch die Staatseinnahmen ſcheiden ſich in
ordentliche (regelmäßig wiederlehrende) und außer:
ordentliche (nur einmal fließende). Die außerorbent:
lihen Einnahmen d B. Kriegdentibädigungen,
Subfidien, Prifen, Geſchenke ni tw.) fönnen zwar
im einzelnen falle recht erheblich fein, treten aber
binter den ordentlihen Einnahmen an Bedeutung
weit zurüd. Die legtern fließen heute überwiegend
aus dem Inlande; das Ausland bringt die Ein-
nahmen im mwefentliben nur dann auf, wenn Eins
—— auf dasſelbe abgemwälzt werben können.
ie Hauptzweige der ordentlichen (regelmäßigen)
Staat3einnahmen find folgende: A. Erwerbsein⸗
fünfte, melde aus dem eigenen Erwerbäbetriebe der
Regierung berrübren, und — a. mit Zulaſſung
der freien Konkurrenz der Staatdangebörigen (Dos
mänen im allgemeinen, Staatsforiten, Staatsberg:
werfe und Hüttenwerle, Staatäfabrifen), und b. mit
Beſchränkung oder Ausschluß der freien Konkurrenz
der Staatdangebörigen (Staatömonopole, Finanz:
regalien, teils ſolche, bei denen der ausſchließli
Staatöbetrieb zugleich den allgemeinen Intereſſen
am meijten entipricht, wie bei dem Münz» und Poſt⸗
regal, teil ſolche von rein fiskaliſchem Eharalter,
wie Salzamonopol, Tabatmonopol u. j.w.). B. Aufs
lagen oder Zwangseinkunfte, welche aus den von
der Regierung befoblenen und im Notfall ——
weiſe erhobenen Einkünften beſtehen. Dieſelben jer⸗
fallen a. in Gebübren (f. d.) befondere Dienſt⸗
au bes Staates durch Rechtspflege, Polizei
und allgemeine Staatsverwaltung; b. in Steuern
(. d.) als allgemeine Abgaben für die allen zulom⸗
menden Dienitleiftungen des Staates.
Ein weiteres wichtiges Gebiet der Finanzwiſſen⸗
* iſt die Lehre von der Ordnung des Staats⸗
ausbalt3(f.d.), an welche ſich anſchließt Die Lehre
vom öffentlihen Kredit oder vom Staatsſchul⸗
denmwefen, wobei die Anleibemetboden, die fyragen
über Verzinfung und Tilgung der Staatsſchuld,
über ſchwebende und fundierte Schuld von großer
Tragweite find. (S. Staatsſchulden.)
Über Entwidlung und Stand der F. der
wichtigern Staaten giebt die Tabelle der Bei
lage Aufihluß. Die Angaben bezieben ſich, joweit
nicht3 anderes bemerft tjt, auf die Brutto: Gtats,
Der Begriff der orbentlihen Ausgaben wird ver
ſchieden aufgefaßt; der Tabelle liegt die in den
Etats angemwendete Auslegung zu Grunde, Unter
Die Finanzen der wichtigern Länder
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A⸗houupriuvſa
uafuvuys}0079
Finanzgeſellſchaften — Finanzperiode
Schulden ſind alle — einſchließlich Papier⸗
eld eingerechnet. den Schulden gegenüber⸗
—J Altiva ——— fonnten wegen
— BEE Sen De: etrefienden Zahlen
nicht befonderd aufgeführt werben.
Bei der Umrehnung auf Mark find folgende
Süße zu — gelegt: 1 öfterr. Gulden = 1,70,
1 djterr. Krone = 0,5, 1 Rubel 1871 = 2,ss,
1880 = 2,13, 180 = 2,8, 1900 = 2,16, 1 ſchwed.
—— 1,125,1 bän. Rilsdaler=2 275, Inormweg.
ecieötbaler = 4,56, 1 ſtandinav. Krone = 1,185,
Nr 6t.=20,,1 holländ. Gulden=1,s9, 1 ſpan.
a = 2,187, 1 portug. Milrei3 = 4,586, 1 türl,
Biafter=0,1s, 1 türl. en ‚1 jerb. Steuer:
piajter = 0,38, 1 Doll. =4, 0,1 en (Japan) 1880
= 4,50, 1890 = 3,10, 1900 = 2,09, — Peſeta,
Lira, Drachme, Lei, Dinar) = 0,81
„eitteratur, Fan, rundjäße der Finanz⸗
Wr (5.4 2 Bde., Lpz. 1864—65;
1. be: von ar. ge Br. 1, ebd. 1871):
— dei telle trat —— Wagner ——
fbaft (Bd. 1,8. Aufl., ebd. 1883; Bd. 2, 2.
1890; Bd. 3, ebd, 1889; Er änzu a os:
Br. 4, ebd. 1899—1901); von u. ehrbuch der
Sinanzwifienfbaft (5. Aufl., 2 Bode. in 4 Abteil.,
ebd. 1885—86); Cort van ber Sinben Leerboek der
financien Haag 1887); Umpfenbad, Lehrbuch der
— enſchaft (2. Aufl., —* — G. Cohn,
inanzwiſſenſchaft (ebd. 1889); ode, Die Grund:
züge der Finanzwiſſenſchaft. "Zur Ein brung in
da3 Studium ber Finanzwiſſenſchaft (Lpz. 1894);
Shäffle, Die Steuern (2 Bve., ebd. 1895, 1897);
Coſſa, Scienza delle finanze (7. "Aufl. ‚Mail. 1896;
deutich, 8. Aufl., Lpz. 1891); Schön "a8 Hanbbud |
der polit. Ökonomie, Bd. 3 (4. Aufl, Tüb. 1898);
von Hedel, Das Budget (Os. 1898); Serop:Beaulieu,
Traits de la science des finances (6. Aufl., Par.
1899); Artikel Finanzen im «Handwörterbucd der
—— Bd.8 (2. Aufl., Jena 1900);
Kaizl, Finanzwiſſen haft (2 Tle. Wien 1900—1);
Conrad, inanzwiljen 5 % auf, we 1903);
Cheberg, —— Lpz. 1906);
be. ie 7
—— — je 1884 f N)
oicher, Sole der — enſchaft (5. Au
—— ren von m a! 3 3 on: —
orght, Finanzwiſſenſcha
anzgeſellſchaften, ktiengefellfaften, die
Geſchäfte nah Art des Cr&dit mobilier (ſ. d.) be
treiben (f. Banlen).
Finganzgeſetze, Geſetze, welche weſentlich die
Finanzen des Staates, ins beſondere die Einführung
oder Abänderung von Steuern betreffen.
engern Sinne vet man unter Yyinanzgefeß das⸗
jemige Geſetz, welches das Budget (f. d.) oder ben
taat3hausbaltsetat und die auf defien Ausfüh:
rung bezüglihen Beitimmungen enthält und das
Finanzwejen des Staates für die Dauer der Budget:
eriode in feinen Einzelbeiten regelt. Die Entwer:
ng_der 5. liegt der Regierung und namentlich
dem Finanzmini ter (f. —— rin ob; faft
ne gendö werben fie von den Bol fövertretunge
ege ihrer Initiative veranlaßt. Daß fie a
J * titutionellen Staaten der Genehmigung der
Bolkövertretung bedürfen, erklärt fih daraus, daß
fie, namentlid) das Budget, die Intereſſen der Unter:
tbanen in verſchiedenſter Richtun aufs tiefte bes
rübren. In der Regel maſſen fie ei ar ln
wo e — als die Vertretung des zahlen⸗
olt3 angeſehen wird, zuerſt vorgelegt werden.
691
Hinſichtlich aller F. in — hinſichtlich des Bud⸗
wenigſtens in Preußen, Württemberg und
eflen gilt jogar, daß die e Kammer Abände:
— nicht beſchließen, ſondern es nur
im —— annehmen —* —— darf.
—— die $ — di d.) betreffend.
inanzieren, bie Gelbmittel (zu einem Unter⸗
nehmen) beſchaffen.
Finanzmin Reriam, die leitende Behörde der
Resten Finanzverwaltung. Es repräfentiert die
Einheit der Sinanziirtichaft die in den neuern
Staaten allmählich zur Durchführung elangt, ift,
während unter den ältern landſtändiſchen Ber:
fafjungen zwei oder mehrere Kaſſen und Etats,
wie die “. Kammerkaſſe und die landftändifche
—— e, nebeneinander beſtanden, oder auch
die — ne ee Ten en und eg e eine ſelb⸗
ftändige Wi Das F. im neuern
Sinne entftand in a: een —— als Organ
des konigl. Dienſtes im 17. Jahrh., aber erſt im
19. Sabrb. 5 bat es auf dem europ, Kontinent feine
Bedeutung als wichtiges Glied des konftitutionellen
Staatsorganismus erlangt. Der verantwortliche
Leiter des slelben, der Finanzminiſter, haftet in erfter
Linie dafür, daß der ganze Staatshaushalt nad) dem
mit der Vollövertretung vereinbarten Budget ge
führt werde. Er ift mit verantwortlich für die Gtatde
überjchreitungen ſeitens anderer Minifter und muß
auch ftet3 bei der Bemeffung der den einzelnen Ver:
waltungszweigen zuzuweiſenden Mittel, namentlich
außererbentticher, zu Rate gezogen werden. Dems
emäß bat er einen entſcheidenden Einfluß auf die
Seftftelkung der Einzeletatö der einzelnen Verwal⸗
nungbameige: dies giebt ihm meift einehervorragende
ellung im gefamten Staatöminifterium, die auch
darin zum Ausdrud gelangt, daß er den Staatd-
rag rg bei der oltövertretung einzubringen
at. Er bat für vie dauernde Erhaltung des Gleich:
gewichts zwijchen den Einnahmen und Ausgaben
des Staates zu forgen und wird zu biefem Zwed
teils die lektern be 9 ränlen, teils die erſtern —
Eroffnung neuer Ifäquellen nötigenfall3 dur
Anleihen vermehren müflen. "hen grö größten Teil der
Staatseinnahmen, namentlih die Steuern, zieht
das F. unmittelbar durch feine eigenen Organe ein.
Doch ift in größern Staaten die Verwaltung ge:
wiffer Cinnahmequellen, wie der Domänen, ber
Staatöbergwerle und der ftaatlihen Verkehrsan⸗
alten, andern Minifterien übertragen. Einen bes
omders wichtigen Zweig des F. bildet die Berzins
und Tilgung der — G. d.).
as Deutſche Reich hat eine eigene Sinanzbobeit
> aud eine eigene Finanzverwaltung.
— eine der Gentralbehörben des Reichs
er ae abamt (f. d.). Das Nähere über die
deutichen Bundesftaaten und andere Staaten findet
fih unter den Einzelartifeln.
Sinanzperiode, der Zeitraum, für ben der Wirt-
fhaftsplan bei dem Staat und den übrigen Korpora⸗
tionen des öffentlichen Rechts feftgeftellt wird. Das
Deutiche Rei und Preußen, eb * Oſterreich haben
einjährige, Bayern, Sachſen, Baden zweijährige,
Mürttemberg und 1d Seffen dreijährige F. Gelegent-
lich deö 1881 dem Reichstag — * egten Geſe —5 —
wurfs, welcher zweijährige F. fur das — vorſchlug,
aber vom Reichstag abgelehnt wurde, war die öffent:
lihe Erörterung über die Zeitdauer der ftaatlihen
F. ſehr lebbaft und erregt; doch wurden bie wirt»
44*
692
—— Geſichtspunlte dabei völlig überſehen im
ergleich zu den politiſchen, indem man in der Ver⸗
längerung der F, eine Verkürzung der Vollsrechte
erblidte. Unzweifelhaft geftattet die bei der ein
jährigen F. ftattfindende jährliche Budgetberatun—
eine viel einjchneidendere parlamentarifhe Kriti
der gefamten Staat3verwaltung, ald die nur in län-
gern Zeiträumen wiebertehrende ; andererjeitö wird
man den Zeit⸗, Kraft: und Geldaufwand nicht ver:
kennen bürfen, welcher die Folge der einjährigen F.
ift. Bei Heinern Etat —— Kreiſe) werden
im allgemeinen kurze, be tm längere F. ſich wirt⸗
ſchaftlich am meiſten empieh en; die Franzoſen ba:
gegen, vor allen Leon Say, rechnen bie Einräbri feit
der F. zu den Brincipien des Budgetrechts. — Bal.
Seibler rg und Budgetrecht (Wien 1885); von
Hedel, Das ubpet (&p3. 1898).
——*— £, |. Öange,
‚ Sinanzrecht, der Inbegriff der (bauptfädhlich
in Geſetzen enthaltenen) Rechtsſähe, nah denen
das Finanzweſen (f. Finanzen) des Staates und
anderer weltlicher juriit. Berjonen des öffentlichen
Rechts zu verwalten it. Das F. ſetzt alſo der auf
der Finanzhobeit beruhenden Zwangsgewalt ihre
Grenzen. Es bildet einen Zweig des Staatsrechts
und fann als ſolcher wieder in einen verfaſſungs⸗
rechtlihen und einen verwaltungsredtlihen Teil
zerlegt werden. Der erjte umfaßt die verfaſſungs⸗
mäßigen Beitimmungen über die Art, wie die finan-
ziellen Gejege, im bejondern das Finanzgeſetz (. d.)
im engern Sinne oder das Budget (f. d.) zu ftande
fommen müflen, um rechtsgültig zu fein. Es han⸗
belt fih alfo bier namentlih um das Budgetrecht
der Vollsvertretung, dem die Berantwortlichleit der
Minifter bei Berlegungen des Etatsgeſetzes gegen:
überftebt. Das Yinanzverwaltungsrecht anderer:
feitö regelt nicht nur den Organismus der Finanz:
bebörden, fondern es jtellt auch Hare, geſeßlich
begründete Beziebungen zwiſchen dem Staat als
Träger der Finanzgewalt und dem einzelnen Bür-
ger ber, wodurch Willtürlichleiten unmöglih ge:
macht werden follen. Es kommt bejonders dar:
auf an, dem Bürger, fofern er ald Steuerzahler
der Zwangsgewalt des Staates gegenüberitebt,
einen geficberten gefeglihen Boden und zugleich
angemejjene Garantien mitteld eines Beſchwerde⸗
oder Klagrechts zu gewähren. Xritt der Staat
ihm nur in eek ge Form, ebenio
wie eine privatwirtichaftliche Einzelperfönlichteit,
gegenüber, jo foll nad der modernen Auffafiung
nit mehr ein befonderes F., fondern einfach das
allgemeine bürgerlihe Neht und das gewöhnliche
Gerichtöverfabren zur Geltung gelangen. In der
That find au in den modernen Staaten die frübern
privilegis fisci bis auf wenige Reſte verſchwunden.
uzreform, |. Bo. 17.
nanzbermögen, |. Staatövermögen.
tung, |. Finanzen,
inanzwache, j. Grenzwache.
inanzwechſel, ſ. Kellerwechſel.
ſJ Finanzen.
inanzwirtichaft, ſ. Wirtſchaft.
inauzwifſenſchaft, ſ. Finanzen.
inanzzoll, im u zum Schußjoll (ſ. d.
jeder Eingangs: oder Ausgangszoll, der ledigli
wegen des finanziellen Erträanifies, nicht aber zur
Abwehr der Konkurrenz ausländiicher Erzeugnifie
oder im fonftigen nterefje eines inländiihen Bro:
dultionszweigs erhoben wird, In den europ. Kultur:
Finanzpolitif — Find
ftaaten fommen gegenwärtig nur ing ölle
als F. in Betracht. Dieje find als 5. — i
per e entweder a che — I
en, die im nde überhaupt nicht erzeugt werben,
wie 5. B. Kaffee in Europa, oder ſolche, die im
lande mit einer dem Zoll genau gleichen innern
brauchsſteuer (Accife) belaftet find. Wird dieſe
letztere Forderung nicht ftreng erfüllt, fondern der
* etwas höher angeſetzt als bie innere Steuer,
0 erlangt der F. bis zu gewiſſem Grabe die Wirkung
eined Schußzolles. ein 5. auf eine Ware, die
in bem beenden Lande nicht bergeftellt wird, kann
eine gewiſſe jhükende Wirkung zu Gunſten der Er:
N g von Saar haben. Ein Kaffeezoll
.B. kann der Cichorienfabrilation
San; reine F. find deshalb felten, ebenjo, wie es
nur wenige Schußzölle giebt, die nicht zugleich ala
hf wirken. Ausgangszölle als F. fommen nament:
ich bei ſolchen Sobrsabufien vor, melde dem Lande
ein natürliches Monopol oder weni
bevorzugte Stellung - fo 5.3. bei dem peruan.
Guano und bis vor furgem bei dem meril. Si
fiber die tung bes
des Deutſchen Reichs giebt folgende Zufammen:
ftellung des Ertrags Eingangszölle (1900)
einiger wichtiger Artilel Auskunft:
F. in den
Darengattungen
. Te Tree
. 2 rn
esse en. nah
De Be Be a Br
[ 9UR ET a Se Con Wr E07 Tr. GE |
u. 2. 2.2.00
U Du Zu Zur TE ur SE er Zu To BE Te ;
e 3045
etroleum (Beucht- und Schmierdf)| 70913
Finchley (ſpr. fintſchle), Vorort von London,
In ven Knete gan, ur Br
a er ge 1 €, em
— College und ein kranlenbaus
Find, Friedr. Aug. von, preuß. General, geb.
25. Nov. 1718 zu Strelig, trat in diterr. Kriegs:
dienfte, nahm 1737 am Zürtentriege teil und ging
1738 in ruff., 1742 al Major in preuß. Dienfte.
Er wurde nad der Schladt von Kolin 1757 Oberft,
nob in demjelben Jahre almajor, Anfang
1759 Generalleutnant. Im Feldzuge von 1759
wurde F. dem Prinzen Heinrich, des Königs Bruder,
zugeteilt, vem bie eibigung von Sadjen über:
tragen war. Nachdem Dresden verloren gegangen,
Daun aber bis in bie Gegend von Pirna ——
gewichen war, erhielt F. vom König, der zur Wieder⸗
eroberung von Dresden heranrudte, den Befebl,
dem Feinde bei Maren die Rüdzugslinie nach
Böhmen abzufchneiden. Bergebens ftellte F. per:
fönlich dem Monarchen die Schwäche feines Korps,
das nur 12000 Mann zählte, und die Gefahr jeiner
Lage vor. Friedrich erteilte ihm den bejtimmten
Beiehl, nad Maren zu marj . 3. geborhte
und murbe, 20. Nov. von einer weit überlegenen
Macht von allen Seiten zugleich angegriffen, nad
— nl
Findenftein — Findelhäufer
mannbafter Gegenwehr gezwungen, ſich am folgen⸗
den Tage mit dem Reite feines Korps zu Abe ug
5. wurde glei den übrigen gefangenen Generalen
auf Ehrenwort entlaſſen und nach dem Frieden vom
Kriegsgericht unter Zietend Vorſitz zu zweijähriger
Feſtungsſtrafe und Ausftopung aus dem Heere ver:
urteilt. Friedrich V. von Dänemark berief 3. 1764
nad; verbüßter Feſtungsſtrafe ald General der In⸗
fanterie in feine Dienfte. Er ftarb als eriter Depu:
tierter im General⸗Kriegsdireltorium zu Kopenhagen
22. Febr. 1766. F. ſchrieb «Gedanken über militär,
Gegenftände» (Berl. 1788). — Bol. Denkwurdigleiten
der militär. Gefellihaft, Bd. 2 (Berl. 1802—5);
Bericht über die kriegsgerichtliche Unterſuchung (in
der « Zeitſchrift für Kunft, Wiſſenſchaft und Ges
ſchichte des Krieged», Bd. 81, ebd. 1851).
A Tr reußen, j.Bd.17.
indenftein, Karl Wilb., Graf Find von,
preuß. Staatömann, geb. 11. Febr. 1714 ala Sohn
des Feldmarſchalls F., des Gouverneurs des Kron:
prinzen Friedrich, wurde deſſen Geſpiele und Jugend:
freund. Friebrih Wilhelm I. ernannte ihn bereits
mit 21 Jahren zum Legationsrat und jandte ihn in
außerorbentliher Miffion an den Stodholmer Hof.
Nach der Thronbefteigung Friedrichs IL. aus Schwe⸗
den zurüdberufen, wurde 5. mit verſchiedenen wich:
tigen diplomat. Sendungen betraut. Zunädjt ana
er als Geh. Legationsrat und bevollmädhtigter
nifter nach Kopenhagen, dann führte er 1743 bie
Unterbandlungen mit König Georg II. von England,
— im folgenden Jahre des Königs Schweſter
lrile nach Stodholm zur Vermählung mit dem
ſchwed. Thronfolger Adolf Friedrich und blieb als
preuß. Vertreter bis 1746 in Schweden. Im Anfang
des nächſten Jahres wurde ihm der damals jchwie:
rigite Geſandtſchaftspoſten, der in Betersburg, an⸗
vertraut und er gleichzeitig im Alter von 33 J.
um Staatöminifter und im Juni 1749 zum preuß.
abinettäminijter ernannt, eine Stelle, die er bis
zu feinem Tod rg und in der er einen maß:
ebenden Einfluß auf die preuß. Politik ausgeübt
Bat. Bei Friedrichs Entſchluß, 1756 feinen Gegnern
uporzulommen, zeigten von deſſen Beratern nur
interfelbt und hi durch entſchloſſene zuftimmende
Haltung rechtes Verftändnis I die Gefährlichkeit
der Lage und für bie fühne Entſcheidung des Königs.
Beide Männer wurden dadurch für die folgende
eit die nächſten Bertrauten Friedrichs. Dem Gra-
en F. übertrug auch der König durch die berühmte
nitruftion vom San. 1757 die Sorge für den
von Gefahren bedrohten Staat und jür die lönigl.
Familie. Die ftarke perjönlihe Einwirkung F.3
* den König, feine außerordentliche Arbeitskra
auf diplomat. (Sebiete und in der Verwaltung, die
wẽhrend des — faſt allein in ſeinen Händen
lag, müſſen ibn al3 einen der Retter Preußens in
enen Rriegsjabren binjtellen. Auch bei dem Bayri⸗
ben Erbfolgeitreit und bei der Begründung des
ritenbundes (j. d.) war F. der vertrautejte polit.
tgeber des Königs, und auch noch unter den bei
den Nachfolgern Friedrichs d. Gr. verwaltete er fein
Amt bis zu feinem Tode 3. Jan. 1800.
Findelhäufer, Anitalten, in denen Findel—⸗
finder (f. d.) J offentliche Koſten Aufnahme, Ber:
pflegung und Erziehung erhalten; in neuerer Zeit
erhielten auch diejenigen Anſtalten dieſen Namen,
in welche die Eltern ſelbſt ihre Kinder bringen, wenn
ie nicht im ſtande find, fie zu verpflegen. Schon
bzeitig nahm fich die chriſtl. Kirche der Findel⸗
693
finder an, um das Leben neugeborener Rinder gegen
gefährliche Ausfehung und Kindesmord zu jhügen,
und bereitö im 6. Sabıh. foll zu Trier eine Art von
—* aus beſtanden haben. Mit Beſtimmtheit
äßt ſich jedoch erſt das Vorhandenſein eines Findel⸗
wir 787 zu Mailand nachweiſen. Später traten
.aud anderwärt3 auf, jo 1070 zu Montpellier,
1200 zu Eimbed, 1317 zu Florenz, 1831 zu Nürn:
berg, 1362 * Paris, 1687 zu London. Nachdem ſich
Diele Anftalten weit verbreitet hatten, verſchwanden
fie nad) und nad) in den meiſten german. Ländern
wieder, und zwar namentlih in den proteftanti«
hen. Nur in den roman. Ländern und in Rußs
and beftanden ſie in beträchtliher Zahl fort.
Die eigentliche Heimat der F. iſt Stalien, wo
urfprünglich die Aufnahme der Findellinder mittels
ber ſog. Dreblade (ruota) erfolgte, die eö den
Angehörigen geftattete, ihre Kinder in geheimer,
aber völlig ficherer Weije dem Findelhauſe zu über
geben. Diefe Drehlade ift ein drehbarer Hol;s
cplinder, deſſen eine Hälfte mit einer Ausböhlung
verjeben ift. Will rap dem Findelhauſe ein Kind
übergeben, fo gie t er mit einer an ber zus
angebrachten Glocke ein Zeichen, worauf die mit ber
Hohlung verjehene Hälfte des Cylinders nad außen
gedreht und, nachdem das Kind hineingelegt, wieder
nad innen zurüdgebreht wird. Das Syſtem der
— beſteht zwar noch in manchen Gemeinden
Italiens fort, iſt aber, wie auch in andern Ländern,
wo es früher beſtand, mehr und mehr abgelommen.
Die Aufnahme erfolgt ftatt deſſen in einem Bureau,
in welchem die Gründe, weshalb das Kind dem
indel Sule übergeben wird, zu Protokoll zu geben
ind. Diejed fog. romanifhe Syſtem ift auch
in Frankreich — wo ein Dekret vom
19. Yan. 1871 die obligatoriſche ————
Findelhauſes in jedem Kreiſe anordnete. zn fter:
reich find, wie in Frankreich, die Dreblaven *
prob, Es befteben im weſentlichen nur noch die
eiden großen F. in Wien und Prag, die, von Kaiſer
zoienb 1. begründet, mit den Gebäranftalten vers
unden find. Unebeliche Kinder, die in der Gebär:
anjtalt geboren find, werden in der Regel am
10. Lebenstage mit ihren Müttern in die Findel⸗
anftalt verfegt, in welcher legtere Ammenbienite
verrichten. Die Kinder, melde fich bier gut ent»
widelt haben, fommen nad einer gewiſſen Zeit in
Außenpflege zu Pflegeeltern, welche gegen Zahlung
und unter Beauffichtigung durch die Organe der
Anitalt 6 bez. 10 Fahre die Pflege der Kinder über:
nehmen. Nach Ablauf diefer Zeit jcheiden die Kinder
aus dem Verbande der Anftalt, und die Fürſorge
für fie fällt aldvann der Mutter oder der Heimats⸗
emeinde zu. Diefes Berfahren pflegt man das
Seit binifhe Syſtem zu nennen. Ühnlich
ind die unter Katharina IL. von Rußland refors
mierten %. in Petersburg und Moslau eingerichtet.
Die Findlinge fteben bier bis zum 21. Lebens:
jahre unter der Obhut der Anitalt; bis zum Alter
von 15 werben Berpflegungstoften bezahlt.
Die Anaben werben meijtend für den Landbau
oder ein Gewerbe, die Mädchen zu —— er⸗
ogen; im falle ihrer Verheiratung belommen
estere eine Ausſtattung. Ganz verſchieden von
dem roman. Spitem des Findbelmeiens, welches durch
Abſchaffung der Dreblade und Durhführung der
Aukenpflege eine bedeutiame Reform erfahren bat,
ift dad germaniſche Syſtem (Deutiches Reich,
—— Belgien, Niederlande, Fe J 84
694
navien und Nordamerika), welches die Fürforge für
die betreffenden Kinder der kommunalen Armen:
flege zuweift. Aus dem Deutſchen Reiche find die
5 vollftändig verſchwunden.
Die Anficten der Sachverſtändigen über den
Wert oder Unmert der F. find geteilt. Für die Be
bauptung, daß fie die Unfittlichleit, d. b. den außer:
ebelihen gejhlechtlihen Umgang fördern, ift von
den Gegnern der F. ein cu| Hahlen gegründeter
Beweis noch nicht erbracht. Viel ſchwerere Schäden
ftellen fi da heraus, wo junge Mütter gegmungen
Ind, ihr Kind, weil fie es ſelbſt nicht behalten
nen, gewifjenlofen Haltefrauen (ſ. Engelmacerei)
zu übergeben. Indeſſen find andere gewichtigere Ein»
wände gegen das Findelhausweſen erhoben, die eine
—— Reform des Findelweſens in Deutſchland
islang verhindert haben. Als einer der erheblichſten
Be ins Gewicht, daß eine zweckentſprechende jtaat-
ice Findelpflege den Staat mit en Ausgaben
und einer ausgedehnten Berwaltung belaften würde.
Litteratur. Hügel, Die h3 und das Windel:
weien Europas (Wien 1863); Conrad, Die Findel⸗
anitalten, ihre geihichtliche Entwidlung und Um:
eitaltung in der Gegenwart, in den «Jabhrbüchern
fr Nationaldölonomie und Statiftil» (Jahrg. 1869,
d. 12, ©. 241 fg.); Leon Lallemand, Histoire
des enfants abandonnös et délaissés (Par. 1885);
Naudnig, Die — (Wien 1886); Friedin⸗
ger Dentichrift über die Wiener Gebär: und Findel⸗
anftalt (ebd. 1887); Artikel Findelhäufer im «Hand:
wörterbuch der Staatswiſſenſchaften⸗ Bd.3(2.Aufl.,
Jena 1900); Artikel Findelweien in Billarets «Hand:
wörterbuch der gefamten Medizin» ee: 1888;
2. Aufl. 1897 fg.); Rabts, Artikel Findelweſen in
Dammers «Handwörterbuch der öffentlichen und pri:
vaten Gejundheitäpflege» (ebd. 1890).
indelfinder oder Findlinge, Rinder, welche
verlafien oder ausgeſetzt und von andern gefunden
worden find, ohne daß die Eltern bez. die Mutter
u ermitteln find. Wer ein neugeborenes Kind findet,
iſt nah $.24 des Perſonenſtandsgeſetzes vom 6. er
1875 verpflichtet, hiervon jpätejtens am nächſtfolgen⸗
den Tage Anzeige bei der Ortspolizei zu machen.
Dieſe bat die pr Ermittelungen vorzu:
nehmen und dem Standesbeamten des Bezirks von
dem Ergebnis behufs —— in das Geburts⸗
regiſter Anzeige zu machen. Die Eintragung muß
eit, Ort und Umſtände des Auffindens, Beſchaffen—
eit und Kennzeichen der beim Kind vorgefundenen
leider, törperliche Merlmale desselben, fein vermut:
liches Alter, Geſchlecht, Behörde, Anitalt oder Berfon,
bei welcher das Kind untergebracht worden, und die
ibm beigelegten Namen entbalten. Zu bejondern
Dee iebt der Name eines ſolchen Kindes An-
aß. In Preußen wurde früber angenommen, es
ftehe nur dem Landesberrn die Befugnis zu, ibm
einen Namen zu verleiben ; neuerdings foll die Be:
fugnis dur den allgemeinen Erlaß vom 12. Juli
1867 den ———— übertragen fein, jedoch
Er der Erlaß nur von Namensänderungen, Die
ächſ. proviforifche Gerichtsordnung vom 9, Jan.
1865 bejtimmt im $. 26, daß die Bevormundung
eines Findellindes demjenigen Gericht zuftebe, in
deſſen Bezirk es gefunden jei. Eine ähnliche Vor:
ſchrift entbält die Preuß. Vormundſchaftsordnung
von 1875 im $.7 für Minderjährige, deren Eltern
unbelannt find. Die BOT welche der $. 16
daſelbſt Standesbeamten behufs Einleitung einer
Vormundſchaft auferlegt, wird aud auf die F. zu
Sindellinder — Finden (rechtlich)
bezieben fein. Das Deutihe Bürgerl. Geſetzbuch
beftimmt über F. nichts. (©. —
inden, im rechtlichen Sinne, das zufällige Ans
treffen und pflibtmäßige Anfihnebmen eines ver-
lorenen fremden Gegenitandes. Während die Römer
über den Fund, abgeſehen vom Scaß (f. d.), über
baupt feine Rehtsjäge aufaeftellt haben, haben die
neuern Gefeßgebungen die Rechte und Vilicten des
Finders namentlich in dem Sinne geregelt, daß fie
ihm eine Ermittelungs⸗ und Aufbewahrungspflicht
auferlegen, ihm aber aud einen Finderlohn und
unter Umftänden das Eigentum an der en
Sade zufprehen. Das Deutihe Bürgerl. Geſetz⸗
buch trifft eingehende Beitimmungen über den Fund
(88. 965 fg.), die es unter die Vorſchriften über den
igentumserwerb an beweglihen Saden einreibt.
Hervorzubeben ift folgendes: Gegenftand des Fun:
des find nur verlorene Sachen, d. b. ſolche, die noch
einen Eigentümer haben, während berrenlofe Sachen
der Aneignung unterliegen. Der Finder einer Sache
ift zur unverzüglihen Anzeige des Fundes an ben
mpfangsberedhtigten oder, falls er diejen oder ſei⸗
nen Aufenthalt nicht fennt und die Sache minde⸗
ſtens 3 M. wert ift, an die Boligeibebörde re
Verbeimlihung wäre Funddiebſtahl % d.). i
aber ift er zur Verwahrung der Fundſache oder bes
Erlöfes aus ihrer etwa ern Ber:
fteigerung verpflichtet, kann fs er diefer Pflicht
dur Ablieferung an die Bolizeibehörde, die übrir
2. von diejer verlangt werden kann, entlebi
er Finder hat nur VBorfak und grobe Fahrläſſig⸗
teit zu vertreten; er wird durch Herausgabe ber
Sade an den Verlierer au den jonft Empfangs:
berechtigten gegenüber befreit. Yür Aufwenbun
auf die Sade, die er den Umſtänden nad für ie
derlich halten darf, tann er vom Empfangsberechtig⸗
ten Erjaß verlangen ($. 970). Der Finderlobn
—— bei einem Wert bis 300 M. 5 Proz., von
dem Mehrwert 1 Proz., bei Zieren 1 Proz., bei nur
idealem Wert ift der Finderlohn ae igem Er⸗
mejlen zu beftimmen. Der —— ausgeſchloſ⸗
ſen, wenn der Finder die Anzeigepflicht verletzt oder
den Jund auf Nachfrage verheimlicht ($. 971). Mit
dem Ablauf eines Jahres nad) der Anzeige des Fun⸗
des erwirbt der me das Eigentum an der
es fei denn, daß vorber ein Empfan &berechtigter
dem finder befannt geworden ift oder jein Hecht bei
der Bolizeibehörde angemeldet hat. Mit dem Erwerbe
des Eigentums erlöjchen die jonjtigen Rechte an der
Sade. Jedoch kann die Herausgabe noch immer
nah den * über bie ———
Bereicherung ($. 977) gefordert werden; dieſer
ſpruch erliiht nah 3 Jahren feit dem —
übergang. it die Sache nicht mehr als 3 M. wert,
o beginnt die einjährige Frift mit dem Funde. Der
inder erwirbt das Eigentum nicht, wenn er ben
nd auf Nachfrage verbeimliht. Die Anmeldung
eines Rechts bei der Polizeibehörde ftebt dem Er»
werb des Eigentums nicht entgegen. Sind vor Abs
lauf der einjährigen Frift Empfangsberechtigte dem
inder belannt geworden oder haben fie bei einer
ade, die mehr ald 3 M. wert ıft, ibre Nechte bei
der Bolizeibehörde rechtzeitig angemeldet, fo lann
der Finder fie zur Erklärung über feine Erſatz⸗ und
Finderlohnanfprühe auffordern, Erllären fie ſich
nicht rechtzeitig zu ihrer Befriebigung bereit, jo er-
wirbt a das — und erlöſchen die
fonftigen Rechte an der Sache. Dur die Abliefe-
rung der Sache oder deö Berfteigerungserlöjes an
Finden (William) — Fineffe
die Polizeibehörde werden die Rechte des Finders
nicht berührt. Die PVolizeibehörde darf die Sache
oder den Erlös nur mit Zuftimmung des Finders
einem Empfangsberechtigten berauögeben. Ver:
jichtet der Finder ber Roligeibehörbe gegenüber
auf das Recht zum Erwerb des Eigentums an der
Sadıe, jo gebt fein Recht auf die Gemeinde des
Fundortes über. Hat der Finder nad) der Abliefe:
rung der Sade oder des Erlöſes an die Polizei:
bebörbe durch Zeitablauf das Eigentum erworben,
fo gebt es auf die Gemeinde des Fundortes über,
wenn nicht der Finder vor dem Ablauf einer ihm
von der Bolizeibehörde bejtimmten Frift die Heraus⸗
gebe verlangt. — Anderes gilt für den Fund in den
eihäftsräumen oder den Beförberungsmitteln
einer öfientlihen Behörde oder einer dem dffent-
lichen Verlehr dienenden Verkehrsanſtalt. Der Fin⸗
der hat die Sache hier unverzüglich an dieſe oder
an einen ihrer Angeftellten abzuliefern und die Be
börde oder Verkehrsanſtalt kann fie dann öffentlich
verfteigern laſſen, und zwar unter Umftänden durch
einen ihrer Beamten. Der Erlös tritt an die Stelle
der Sade. Die Verfteigerung ift erft zuläffig, nach:
dem die fangsberechtigten in einer öffentlichen
Belanntmadhung des Fundes zur Anmeldung ihrer
Rechte unter Beitimmung einer gen aufgefordert
worden find und die get verftrichen ift; fie ift un⸗
zuläffig, wenn eine Anmeldung rechtzeitig erfolgt
ft. Die Belanntmachung ift nicht erforderlich, wenn
der Berderb der Sache zu bejorgen oder die Aufbes
wahrung mit unverhältnismäßigen Koſten verbun⸗
den iſt. Der Verfteigerunggerlög fällt nah 3 Jahren,
ke nad dem Fundort, an den Reichs- oder Staats»
sſstus, an die Gemeinde oder den privaten Unter:
nehmer der Verkehrsanftalt. Iſt die Berfteigerung
ohne die öffentliche Belanntmahung erfolgt, fo be;
ginnt die dreijährige Frift erft, nachdem die Em:
pfangsberedhtigten in einer öffentlichen Bekannt:
madhung des Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte
aufgefordert worden find. Das Gleiche gilt, wenn
pi undenes Geld abgeliefert worden ift. Ein Finders
n if ausgeſchloſſen. — Nach dem Hfterr. Bürgerl.
Geſetzbuch ($8. 388 fg.) hat der Finder, wenn bie
Sade mehr als einen Gulden wert ift, den Fund
ſelbſt belannt zu machen, wenn fie mehr ala 12 Gul⸗
ben wert ift, der Obrigfeit anzuzeigen, der dann die
Sorge für die Fundſache und die Ermittelung des
Verlierers obliegt. Der Finderlohn beträgt —8
von dem 1000 Gulden überfteigenden Werte 5 Proz.
Meldet fi der Verlierer binnen Jahresfrift nicht,
jo erhält der Finder den Befik der Sache zurüd und
erwirbt nach Ablauf der Berjährungszeit das Eigen:
tum. — Der Code civil (Art. 717) verweiſt auf ein
über die Behandlung verlorener Sachen zu erlajjen-
bes bejonderes Gejeß. Dies ift aber nicht erlaſſen
worden, die Praris ſchutzt jedoch den Finder, wenn
ie innerhalb dreier Jahre der Verlierernicht heraus:
ellt, wie einen titulierten Befiger nach Art. 2279.
Die Vorſchriften der Reihsitrandungsorbnung
vom 17. Mai 1874 über Seeauswurf und ine
triftige Sachen find durd das Bürgerl. Geſetzbuch
nicht berührt worden. (S. Geitrandete Sachen.)
Finden, William, geb. 1737 zu London, geft.
daſelbſt 20. Sept. 1852, und fein Bruder Edward
Francis F., geb. 1792, geft. 9. Juli 1857, Kupfer:
und Stablitecher, lieferten gemeinſchaftlich zahlreiche
Stiche zu den Werken von Byron, Turner, Wiljon,
Moore, zu den «Pictures ofthe National Gallery»,
Erfterer ftah aub das Bildnis Georgs IV. nad
695
Lawrence und nad Bildern von Eallcott, Thomfon,
Wilkie; legterer nad Collins, Gainsborougb, News
inderlohn, j. Finden. [ton und ®eftall,
indermente, eine Anzahl von Hunden, die
gm Auffuhen und auch Sprengen eines Rudels
auen verwendet werben.
inderrecht, Recht des erſten Finders,
ſ. Bergwerkseigentum.
Fin de siöole (frz., ſpr. fäng de Biäll, «Jahr:
bundertöende»), ein feit etwa 1889 in Paris auf:
—— Ausdruck für das Allermodernſte in
Tracht und Sitten, Sprache, Kunſt u. |. w., gewöhn⸗
lid mit dem Nebenbegrifi des Übertriebenen und
Auffälligen oder des Blaflerten und Berlomme
nen, wie es der fiberkultug und Decadence (ſ. d.
am Ausgange des 19. Jahrh. entſprach, aber au
noch beiteht.
Findhorn (jpr. find’rn), reißender Fluß Schott:
lands, entfpringt in der Grafſchaft Inverneß, in den
Monaphliadh: Mountains, in einer Höhe von 853 m
fließt nah NO., in dem Thale Strath-Dearn, dur
verneß,Nairn und Elgin und münbet nach 100 km
aufs unterhalb Forres in ven Moray⸗Firth. Seine
Ufer bieten die mannigfaltigiten Naturfchönbeiten.
Er iſt reih an Lachs und Forellen. An der Mündung
das une orf F. mit (1891) 562 €, er
ifly, Vorſtadt von Konjtantinopel, ſ. Fün⸗
indlay (pr. -[E), Hauptitadt des County Hans
cod im norbamerif. Staate Obio, jüplih von Tor
ledo, Eifenbahntnotenpuntt, hatte 1880: 4633, 1900:
17613€. Diejen Aufſchwung verdankt F. dem
natürlihen Gas, das bier zuerjt in Obio 1884 er:
bobrt wurde, täglich etwa 17 Dill. hl liefert und
eine bedeutende Eifeninduftrie und Glashütten ent:
fteben ließ. Auch wird Petroleum gewonnen.
BR: j. Findellinder; über die Find—
lingsblöde oder }5. genannten geolog. Vorkomm⸗
nl f. Erratifche Blöde und Diluvium.
ind MacEumaill (dv. b. Sohn des Eumall),
lebte ber iriſchen Sage nad) im 3. Jahrh. n. Chr. und
war Furſt der Fiann, eines privilegierten Krieger:
forps, das unter dem bejondern Befehl des Ober:
fönigs von Den ftand; das einzelne Mitglied
berjelben hieß Fennid oder Fenier. F. und fein
Vater bilden den Mittelpunkt eines ausgedehnten
—— Dieſer — ſpäter nach Schott⸗
land und lokaliſierte ſich daſelbſt; ſtatt F. findet ſich
hier —* Namensform Fin gal (galiſch Fionn⸗
ghal). Namentlich iſt Fingal der Titelheld eines der
«Poems of Ossian» von Macpherſon, wo er als
König der Ealedonier an der ſchott. Rordweſtluſte auf:
tritt. (S. Oſſian.) Nach ihm find Orte, auch Ruinen
und Höhlen benannt worden. (S. Fingalshöhle.)
‚Yindon, Fiſcherdorf in der ſchott. Grafſchaft
Kincardine, 9 km ſudlich von Aberdeen, mit 156 E.,
gab einer Art geräucderter Schellfiihe, «Findon
Haddocks» oder «Finnan Haddocks», den Namen.
Findfchan oder Fildſchan (perf.), Heine Bor:
zellantafje zu Thee oder Kaffee.
Fine (ital.), Ende, S * meiſt die Schluß⸗
unterſchrift eines Mufilftüdes ;bäufig in Verbindun
mit Da capo (j.d.): Da capo al fine, noch einma
bis zum Schluß.
Fines herbes (fr;., ſpr. finjärb, d. b. feine Kräus
ter), ein Gemijch von feingebadten Champignons,
Trüffeln, Schalotten und Peterfilie, wozu man bis»
mweilen nod Ejtragon, Pimpinelle u. ſ. w. nimmt.
Fineffe (fr3.), Feinheit, Schlaubeit, feine Wens
dung in der Rede, Kunſtgriff.
696 Finfiſch —
Finfifch, der Finnwal (f. d. und Tafel: Wal:
tiere, ig. 3).
aber L Find MacEumaill.
ingalshöhle, eine der jhönften und merl-
mürdigiten Grotten Europas, an der Sudweſtſeite
der jchott. Inſel Staffa (f. d.), benannt nad Fingal
(f. Find MacEumaill). Sehr regelmäßige und per:
ſpeltiviſch geordnete Bafaltfäulen tragen das Ge:
mölbe, deſſen Inneres einem riefigen Münfter gleicht,
während der Boden vom braufenden Meere bebedt
wird, das am Eingange 5,5, am Ende etwa 2,5 m
tief ift. Die Länge der Höhle beträgt 69,2 m; die
Breite ift an dem durch 6—12 m hohe Säulen,
melde einen 20 m hoben ig tragen, gebildeten
Eingange 13 m, am innern Ende 7 m, die Höhe in
der Mitte 20m, die der Seitenwände Ilm. Die ein-
dringende Flut verurjacht ein donnerartiges Getöje.
(©. Zafel: Höhlen IL, Fig. 4.)
Finger (lat. digitus), die das vordere Dritteil
der menſchlichen Hand (f. d.) bildenden fünf kleinern
Gliedmaßen. Jeder F. beitebt aus drei Finger:
Inodhen oder Bhalangen, mit Ausnahme des
Daumens, welder deren nur zwei hat. Die F. find
mit den Pittelhandtnohen durch ein ziemlich freies
Gelenk verbunden; unter fi bilden die Phalangen
aber nur ein jog. Scharniergelent (das bloß im
Winkel vor: und rüdwärts auf: und zugebt). Längs
der Phalangen verlaufen die Sehnen der Beug: und
Stredmusteln der F. Darüber breitet fich eine ge:
meinjame ſehnige Hülle, ein Fettpolſter und die
äußere Haut, welche hier, bejonders an der Finger:
fpige, die reihenweiſe auf den feinen Hautleifthen
jtebenden fog. Tajtwärzchen trägt, die eigentümlich
gebauten Enden ber Gefühlänerven, die das Gefühl
vermitteln. Die große Beweglichkeit der F. geftattet
einen ausgedehnten Gebraud —* Taſtorgane.
Ferner find die verſchiedenen Kunſtfertigkeiten, wo:
durch ſich der Menſch vom Tier unterſcheidet, vor:
— durch ſeine Fingerbeweglichkeit bedingt.
us dieſem Grunde find aber auch die F. vielen
Beihäpdigungen, 3. B. Stihen und Wunden, Eiter⸗
bildungen (Panaritium) und der Einbohrung von
Barafiten (Kräsmilbe, Nagelpilz) ſehr ausgeſeßzt.
(S. Fingerentzündung.)
Die F. werden im deutſchen Mittelalter und bis
in die neuefte Zeit, namentlih von den Nieder:
—— (Scleöwig:Holftein), bei rechtlichen Hand:
ungen ſymboliſch gebraucht. Bei Verfprehungen
und bei Auflaflung von Grundeigentum wurde der
zweite und dritte 3 der rechten Hand gekrümmt,
der Daumen eingelniffen; beim Eide wurden zwei
F., fpäter drei F., jebt alle F. der gehobenen Hand
ausgeitredt. Daber auch «im Heiligen Reich ein
gemeiner gebraud ift, folhen falſchſchwörern die
aween F., damit fie geihworen baben, abzubauen»
(Carolina Art. 107). (S. auch Schwurhand.)
Finger, Jalob, heſſ. Staatömann, geb. 13. Jan.
1825 in Monsheim ald Sobn mennonitifcher El:
tern, jtudierte 1841—46 in Gießen, Heidelberg und
Berlin die Rechte, Geſchichte und Philoſophie, war
dann an verjchiedenen Gerichten tbätig und wurde
1855 Rechtsanwalt am Bezirlägericht zu Alzey und
dem rheinheſſ. Kaſſationshofe zu —— 1872
wurde F. als Miniſterialrat in das Miniſterium
der Juſtiz berufen und 1874 zum ſtellvertretenden
Mitgliede Heſſens im Bundesrate ernannt. Bei
der 1878 erfolgenden Neuorganiſation der oberſten
Staatöbehörde fiel ihm ein Hauptanteil an der
Einführung der neuen Reichsjuſtizgeſetze in Heſſen
Fingerhut
zu. Nach dem Rüdtritt Starcks 1884 wurde F.
zum Präſidenten des Miniſteriums des Innern
und der Juſtiz ernannt und mit der Führung der
Geſchäfte des Staatsminifteriums beauftragt, bis
er Ende i desjelben Jahres definitiv zum
Staatöminifter, ald welcher er zugleich Miniſter
des großberzogl. Hauſes und bes Uußern war, und
zum Minifter des Innern und der Juſtiz befördert
wurde. Seines boben Alter8 wegen trat er Juli
1898 von feinen Amtern zurüd. F. war aud 1862
—65 Mitglied der Zweiten Kammer, und zwar An:
pänger der Fortjchrittspartei; 1899 wurde er zum
ebenslänglihen Mitglied der Erſten Kammer er:
nannt. Er ftarb 1. Febr. 1904 in Darmitabdt.
et . Kusfus.
ng ündbung, Fingerwurm, Um:
lauf, böfer finger (Panaritium), eine mit
Eiterung und großer Schmerzhaftigfeit verbundene
Entzündung der yinger, — vorzugsweiſe deren
Nagelglieder betrifft, ſich aber auch über ven zn
Singer bis in den Hanbteller hinein eritreden, ja
bei ungünftigem Verlauf den ganzen Arm in Mit:
leidenſchaft ziehen tann. Die eigentliche Urſache der
5. liegt in dem Gindringen von Eiterkollen in
Heine — und Hautwunden am Finger und der
hierdurch bedingten Wundinfeltion.
Die oberflächliche F. (Panaritium cutaneum
und subeutaneum) bat ihren Siß in der Haut und
in dem fettreichen Unterbautzellgewebe und ent:
midelt ſich am bäufigiten am vorderſten Finger:
alieve, wobei dieſes mehr oder minder anſchwillt
und ſich rötet, bis ſich auf ber geröteten, entzünd:
lich erweichten Haut eine weiche weiße Stelle bildet,
weldye envlih aufbriht und dem angelammelten
Eiter einen Ausweg nad außen * worauf
gewöhnlich bald Heilung erfolgt. Die tiefere F.
(Panaritium tendinosum und periostei) nimmt ibren
Ausgangspunkt von den Sehnenfheiden oder von
der Knochenhaut des betreffenden Fingergliedes, ift
in der Regel von viel beftigern Schmerzen begleitet
und kann ſehr leicht noch beventlichere Erſcheinungen
ur Folge baben, indem die Entzündung entweder
ängs der Sehnenſcheiden ſich weiter verbreiten, oder
das Abjterben des betreffenden Fingerknochens ber:
beiführen, oder eine ausgedehnte Lymphgefäßent⸗
zündung der Hand und des ganzen Arms nad fi
zieben kann. Bei gleichzeitiger Entzündung der Seb:
nenſcheiden (Panaritium tendinosum) geſchieht es
ewohnlich, daß die entzündete Sehne abjtirbt und
chließlich als mehr oder minder langer, wurmähn:
liher Geweböfepen (Fingermurm)nad außen ent:
leertwird, —— dauernde Steifigleit des erkranlten
Fingers zurüdbleibt. In einer weitern Kategorie
von Faällen beginnt die F. als Entzündung eines
Fingergelents. Wenn im Berlauf einer tiefern F.
infolgemangelbaften Abflufjes des Eiters brandiges
Abfterben des betreffenden —— erfolgt
iſt, fo bleibt eine dauernde Verkürzung und Ber:
früppelung bes erlranften Fingers zurüd, ja bei
Vernadläjfigung und fehlerhafter Bebandlung lann
der ganze Finger, jelbit die Hand brandig zerftört
werden. Jede F. tft ald eine ernſte Kranlheit zu
betrachten, wes halb man bei jeder, auch anſcheinend
—— fi {on im Beginn
an einen Arzt zu wenden. — Bol. Hüter, liber das
PBanaritium (& 1870).
Fingerhut (Digitalis Z.), Pflanzengattung aus
der Familie der Scrophulariaceen (f. d.) mit gegen
20 Arten in Europa und dem gemäßigten Afıen.
Fingerframpf — Fingierter Wechjel
€3 find zweijährige oder ausdauernde Kräuter,
feltener Halbfträucher, meift mit ſchönen, zu einſeits⸗
wendigen Trauben georbneten Blüten. An Deutich:
land einheimiſch ift der rote %. (Digitalispurpurea
L.,1.Zafel: Giftpflanzen 1, Fig. 3)und verblaß:
—— . (Digitalis grandiflora Lam., ambi
Lurr.). Erjterer ift gemein auf Waldſchlägen und
Waldlihtungen, im Gebirge häufig eckig, z. B
im Oberharz und Thüringer Wald. Die an dem
1— 1,30 m hoben Stengel in der Achſel von Deck⸗
blättern ftehenden Blüten find hängend, außen pur:
purrofa, an der Baſis weiß und bilden eine bis
80 cm —* Traube. den Blumengärten wird
unter dem Namen var. gloxiniaeflora eine Form mit
noch längern Blütentrauben und größern, weiter ges
öffneten, innen ftet3 punttierten und gefledten Blu:
men kultiviert. Man bat eine rofens oder purpur⸗
rote Varietät mit brauner oder purpurner Bunt:
tierung, eine weiße mit purpurlarminroten Flecken,
eine ganz weiße u. ſ. w. Der blaßgelbe F. hat weich:
baarige, gewimperte Blätter und trüb jhmefsigelbe
undeutlih dunlel geaderte Blüten und findet fi
feltener al& der rote in Beramwäldern, Steinbrücen
u. ſ. w. Er wird aud als Zierpflanze im Garten
ezogen, ebenjo wie Digitalis ferruginea L., im
rient heimifh, mit meift rifpenartig georaneten
Trauben, gräulich roftfarbigen Blumen. Alle Arten
enthalten ein ſtarles Gift, das Digitalin (j.d.),
das den Bagus (den herumſchweifenden Nero)
ſowohl in jenem Gentrum, wie in jeinen End:
organen im Herzen reizt, Die Herzmustulatur erregt
und Berengerung ber Heinen Arterien bewirkt. Die
Folge davon ift eine Steigerung des Blutbruds
und ein Sinken der Puläftequenz: der Puls ver-
langjamt fi, wird jedoch kräftiger. Größere Gaben
führen zur Lähmung des Herzend. Außerdem ber
wirft das Digitalin eine Vermehrung der Harns
abjonderung und Depreffion auf die Nerven der
Geihlehtsorgane. Man wendet die ald Folia Digi-
ed a A a aa ig
roten F. jelten in Bulver:, häufiger in Billenform,
meijt aber im Aufguß bei entzündlichen Herzleiden,
Herzerweiterung und Sclagadergeihmüliten an,
ebenjo bei Entzündungen ber Brujtorgane und ber
Hirnbäute, bei Blutungen, Waſſerſucht, Tuberkulofe
u. ſ. w. und bereitet aus ihnen auch die dunkelgrün:
braune, offizinelle Singerbuttinttur (Tinctura
Digitalis), die die gleiche Anwendung findet wie die
Blätter (größte Einzelgabe 1,5 g).
ngerframpf, |. ——
ingerkraut, P —*—— Potentilla.
gerlinge, die Zapfen des Ruders (f. d.).
| ngerpils (Holzpilz), ſ. Xylaria und Tafel:
Bilze IV, Fig. 2.
Fingerſatz, Applilatur, die geregelte Ver:
teilung der beim Spielen eines Inſtrumentes bes
teiligten Finger auf die Noten. Die Beherrihung
des F. ift bei Blas- und Streidinftrumenten nötig,
bejonders wichtig aber bei den Taſteninſtrumenten.
Der F. nimmt daber bei Klavier und Orgel einen
erheblichen Zeil des Unterrichts in Aniprud. Die
fünf Finger werben dur die Zahlen 1 bis 5 be-
—— Die Engländer zählen die zu von 1
s 4 und geben den Daumen durch ein + an;
früber wurde der Daumen meiſt dur O, feltener
durch + bezeichnet. Diefe befondere Bezeihnung
des Daumens bängt damit zufammen, daß nod
Seüber (biß in die erite Hälfte des 18. Sabrh.) der
aumen überhaupt beim Spiel nicht benußt wurde,
697
erfchnede, ſ. Flügelſchneden.
ingerſprache, die Darſtellung der Buchſtaben
des Alphabets durch Bewegungen der Finger oder
der Hand. Die alten Römer bedienten ſich der
Finger namentlih, um Zahlengrößen auszudrücken.
Später wurde die F. in Klöftern jehr beliebt und
weiter ausgebildet. Bon Bedeutung wurde fie, als
I Abbe de l'Epée in jeiner Methode des Taub—
mmenunterricht3 (f. d.) verwendete. Reuerbings
wird fie weniger angewendet, da die Lautſprache
mebr gepflegt wird, die F. aber deren Anwendung
nur hindert. Das befanntefte ———— ver⸗
offentlichte zuerſt der Spanier Bonet 1620, der es
einer Schrift Johann Baptiſta Portas, «De furtivis
litterarum notis» (Die Geheimſprache, Neap. 1602),
entnabhm. emniten (f. d.).
erfteine, volkstümliche Benennung der Be:
ngertier oder Aye:Aye (Chiromys mada-
ascariensis Desm., f. Tafel: Halbaffen II,
Si. 2), eins der merkwürdigſten und intereſſan⸗
teiten Säugetiere aus der Ordnung der Halbaffen
(f. d.), wurde zuerit von Sonnerat aus Mada—
gaskar, mo ed ausschließlich vorlommt, nach Europa
gebracht. Es iſt ein 45—50 cm langes Tier mit
ebenfo langem buſchigem Schwanz, breitem Kopf,
Heinen Nachtaugen mit runder Yupille und röt:
liher Iris, jehr großen, nadten un und röts
lihgrauem, feinwolligem Pelz. Die bintern Ertre:
mitäten find länger als die vordern, mit Händen,
deren freibemwegliher Daumen einen Plattnagel
trägt. Die Vorderbeine dagegen enden in jene
—— überaus lang⸗ und dunnfingerigen
foten, denen das Tier ſeinen Namen verdankt.
Die Weibchen tragen zwei Zitzen am Bauche, feine
an der Bruft. Das Gebiß des F. ift beim erwach⸗
jenen Tiere infolge einer Sonderanpafiung hödit
eigentümlich entwidelt, injofern die zwei großen,
vorjtebenden Schneidezähne des Ober: und Unter:
tieferd und der Mangel von Edzähnen das Ge:
biß eines Nagetiere vortäufhen. Es bat dies
lange die ſyſtematiſche Stellung des Geſchöpfes
verduntelt, bis man das Mildhgebiß der jungen
Tiere mit jeinen vier Schneide: und zwei Edzähnen
tennen lernte und damit den Halbaftendharalter er:
lannte. Das F. ift ein überaus lihticheues, lang⸗
ſames Geihöpf, das nah neuern Beobachtungen
fih vom Marte des Bambus und Zuderrobrs, aber
aud von Inſeltenlarven ernährt, die ed durch Ab:
nagen der Baumrinden bloßlegt und mit dem dün:
nen Mittelfinger bervorbolt. Es führt eine voll:
tommen nächtliche Lebensweiſe. — Bol. Diven, On
the Aye-Aye (in den «Transactions of the Zoolo-
gical Society of London», Bd. 2); Peters, liber
die Säugetiergattung Chiromys (Berl. 1866).
eat ſ. Singerentzündung.
ngieren (lat.), erdichten, ausfinnen, vorgeben;
davon Filtion (f. d.).
ingierte Münzen, I Rechnungsgeld.
ingierte Rechnunglital. conto finto),j.Eonto,
ingierter Wechfel, bisweilen Bezeichnung
eines auf eine fingierte Perſon gezogenen oder eines
mit mehrern Unterſchriften nichtexiſtierender Pers
ſonen verſehenen Wechſels, der betrügeriſch jo aus⸗
* iſt, um dem Giranten den Schein von außer
hin haftenden Hintermännern zu geben und das Dis⸗
lontieren zu erleichtern. nalen: Ruckwechſel
wurde früher der Wechſel genannt, welchen der Res
greßnehmer auf den Regrebpflichtigen nad} dem Kurſe
Jog (Art. 53 der Deutſchen Wechſelordnung) und
698
an feinen Commis oder eine andere untergejchobene
Perſon girierte, ohne von diefer Zahlung erbalten
zu haben; oder ein Rüdwechjel, welchen der Be
zogene gar nicht einzulöfen braudte, dem viel
mebr der Negreßnehmer die —— in Rech⸗
nung geſtellt hatte. Man glaubte, daß durch dieſe
Manöver betrugeriſche Kursgewinne erzielt würden,
weshalb fingierte Rüdwechjel in manden Wechſel⸗
ordnungen verboten waren. (Val. Treitichte, Ency⸗
topädie der Wechjelrechte, Bd. 2, Lpz. 1831, ©. 426.)
Da nad der —— echſelordnung Art. 50, 51,
nah Schweizer Obligationenredht Art. 768, 769 die
Regreßſumme aud ohne Rüdwechjel nad) dem Kurſe
zu zahlen ift, fo hat für Deutjchland und bie Schweiz
ein Fang Nüdwechjel feine Bedeutung.
Inge, Name eines Kaffernftammes in Kaplan
oder vielmehr der Überreite mehrerer Stämme, melde
gegenwärtig, gegen 152000 Köpfe ftarf, nordöſtlich
vom Keifluſſe wohnen (ſ. Karte: Kapkolonien).
Sie haben zum guten Zeil europ. Kultur und das
Ehriftentum angenommen. Urjprünglih am Zus
ela in Natal anfäffig, wurden fie von dem Zulu—
Fürften Tſchala nad Südweſten vertrieben, gerieten
im Lande der Galela am Keifluffe in deren Stla-
verei und riefen darauf die Rapregierung um Hilfe
an. Dieje befreite fie 1834 und gab ihnen das
Land Peddie am Großen Fiſchfluß. Als die Galefa
1858 wegen fortwährender Räubereien aus ibrem
Territorium verjagt waren, überließ man dieſes den
5. zur Unfiedelung; es wurde 1875 ald Translei⸗
diftrift (j. d.) der Kaptolonie förmlich einverleikt.
niermafchine, joviel wie Arrondiermafdine.
inigüerra, Maſo, —— Tommaſo
di F. ital. Bildhauer und Goldarbeiter, dem einige
die Erfindung der ee aufschreiben, lebte
um die Mitte des 15. Jahr . zu Florenz und war
ein Schüler Lorenzo Gbibertis, unter dem er bei
Verfertigung der zweiten bronzenen Thür des Bapti:
ſteriums bejhäftigt gewejen zu fein ſcheint. F. war
—— ausgezeichnet im Niellieren. Eine ihm
ugeſchriebene, für den Altar der ———
Ian Vaterjtadt gearbeitete Metallplatte, fog. Pax
von 1452, auf welcher die Krönung der Jungfrau
Maria nielliert ift (im Muſeum zu Florenz), galt
lange als diejenige, von der die Kupferftechtunft
ausging. Bon ihm jollen aud 99 Blatt Zeichnungen,
die heilige und profane Geſchichte jeit der Schöpfung
bis zur Gründung von Florenz illuftrierend, jein;
jeit 1889 im Britiſchen Muſeum, bg. in Fakſimile als
«A florentine picture chronicle», mit F von
Sidney Colvin (Lond. 1899). (S. Tafel: Gold»
ſchmiedekunſt II, Fig. 4.)
Finis (lat.), Ende; F. corönat opus, das Ende
frönt das Werl, d. b. Ende gut, alles gut.
Finiſh (engl., pr. iſch Vollendung; in der
Zurfiprade der Schluß des Rennens, wobei ſich die
Tüchtigkeit des Pferdes und die Gejchidlichleit des
Reiters am glänzenditen zeigen kann.
Finis Poloniae! (lat., «Das Ende Bo:
lens !») joll nad der «Süpdpreußifchen Zeitung» vom
25. Dft. 1794 Koſciuſzlo ausgerufen haben, als er
nah der Schlacht bei Maciejowice 10. Dt. 1794
fchwer verwundet in feindliche Gefangenihaft ge
raten war. In einem Briefe an den franz. Hiſto—
rifer Segur vom 12. Nov. 1808 leugnete Kofciufzto
entichieden, ven Ausruf getban zu haben.
iniffage (frz., ſpr. -abich’, d. b. Vollendung), die
feste Bearbeitung, in3bejondere einer zufammens
geiesten Ubr.
Fingo — Finistere
Finissimo(ital., Superlativ zu fino), hochſtfein.
Finistere (pr. -täbr, lat. Finis terrae, «Landes«
ende»), Departement im äußerten Weiten Frant»
reichs (f. Karte: Frankreich), ein Teil der ehemali⸗
gen Niederbretagne (ſ. Bretagne), hat 6721 (nad
erehnung des Kriegsminiſteriums 7070) qkm,
(1901) 773014 €, und zerfällt in die 5 Arronditjer
ments Breft, Chäteaulin, Morlair, Duimper, Duim-
perle mit 43 Kantonen und 296 Gemeinden. Haupt:
ftabt und Sig des Biſchofs ift Quimper. Außerdem
unterſcheidet man nod die Landſchaften Trequier,
Leon und Gornouailled. Zwei niedrige bis gegen
400 m aufjteigende, aber malerische Bergsüge aus
Granit, die Montagnes d’Arree und die Diontagnes
noires, durchziehen das Land von D. gegen W.; ver
Boden befteht aus Granit, Gneis, Glimmerſchiefer
und Urt —* Breſt und Ebäteaulin haben
Tertiärfhichten, Roscanvel Kalt und Duimper ſtoh⸗
len. Die600 km langen Küften find hoch und fteil,von
gewaltigen Felſenmaſſen und zablreihen Inſelchen,
wie 5. B. Duefjant und Sein, umgeben und vielfach
eingebuchtet, fo daß fie eine Menge von Borgebirgen
(Bointe de St. Mathieu), von Häfen, Baien und
Needen (wie die von Breft, Douarnenez, Audierne,
Anſe de Benodet, Foreft u. a.) bilden. Unter den
ablreihen Küftenflüflen find Aune, Elorn, Odet am
ebeutendjten. Auch Teiche und Seen find zahlreich.
Das Klima ift unter dem Einfluß des Dceans jebr
mild, feucht und ſtürmiſch; die mittlere FJahrestems
peratur von Breſt (11,7°) übertrifft die aller Orte
des Landes auf gleihem Breitengrabe. Selten fällt
das Thermometer unter —6°, jelten fteigt es über
23°C. Allein wegen der geringen Sommertem:
peratur wächſt fein Wein, und felbft an den Süd»
ehängen kommt der Mais nicht immer zur Reife.
Sn Ouimperund Morlair fallen 800, an der Bai von
ouarnenez 1000 mm Regen im Jahre. Der mit
dem Seetang gebüngte Boden liefert Getreide über
Bedarf, vor allem viel Weizen (1897: 1196940 hl),
dann Roggen (687346 hl), Hafer (1083924 hl) und
Gerite (337320 hl) ſowie Buchweizen (8362730 hl),
Kartoffeln, Flachs, Hanf und Hüljenfrüdhte, in man-
hen Gegenden viel Gemüfe, Üpfel und Birnen,
welche überall zur Bereitung des Ciders (1897:
69872500 kg Üpfel) verwendet werden. Ausgedehnt
find die Viehweiden; weite Streden bringen nur
Heidelraut und Ginfter hervor, infolge des Holz-
mangel3 das gewöhnlihe Feuerungsmittel. Ber
deutend find Ninders, Pferde: und Schweinezudt
1897: 428023, 110897 und 110921 Stüd). Das
ieh ift Hein, die Pferde fehr ftarl, die Schafe
(70915 Stüd) grobwollid.. Man gewinnt Butter
und züchtet Bienen (63775 Bienenftöde). Die ſilber⸗
baltigen Bleigruben von Huelgoat und Boullaouen
werden nicht mehr auögebeutet. Sonft finden ſich
Eifen, Zint, Wismut, teinfohlen, Vorzellanerde,
Granit, Porphyr, Serpentin und Schiefer. Za
reich find die Mineralquellen. Es beitebt Fabrita-
tion von Leinwand, Segeltuh, Tauen, Papier,
Topfwaren, Wachslerzen, em. Brodulten, Woll⸗
zeugen, Leder und Seife. Wichtig ift die Fiſcherei
auf Sardellen, Hummern, Auftern und Languften,
der Handel wird durch die guten Häfen, gute Land⸗
er (1899: 419 km Nationaljtraßen) und ven
anteö-Breft:Ranal gefördert. Das Land iftreich an
Dentmälern aus der telt. Zeit; vor allem finden ſich
(jüdöftlich von Breit) viele Refte von Druidenfteinen,
Die vorherrſchende Umgangsſprache ift die breto⸗
niſche. — Bol. Freminville, Antiquitös du F. (Bar.
. Finisterre —
1835); 4. nn Geographie duF. (Breit 1878); |
Arbouin:Dumazet, Voyage en France. 4. Serie:
Les 1les de l’Atlantique. II. D’Hoedic & Ouessant.
6. Serie: Iles de la Manche et Bretagne péninsu-
laire (Bar. 1895 und 1896).
Finisterre (Cabo de 5 d. b. Landesende),
Borgebirge an der Nordweſt pipe der ſpan. Provinz
orufa, an der Ria de Eorcubion, bei den Alten
Promontorium Nerium. Hier fiegten die Eng-
länder 3. Mai 1747 über bie Rası. Flotte und
22. Juli 1805 über die franz.:fpan. Flotte.
iöterregebirge, irge in Kaiſer⸗Wil⸗
eſms⸗Land (f. d. meet Karte), am Sübrande der
ftrolabebai, im Gladftones oder Kantberge bis
3475 m ”. Im W. und ©. trennt es der Kabenau⸗
aetfe: und Bismardgebirge. Das F.
wurde zuerſt von Hugo Zöller % d.) errorfcht.
Finito (ital.), Rechnungsabſchluß.
‚Fink, Vogel, |. Finle; Canariſcher F., ſ. Cana
rienvogel. j ,
Fink, Auguft, Maler, geb. 30. April 1846 in
Münden, widmete ri — dem Kaufmanns⸗
ſtande und verlebte ſieben Jahre in Amerila, ging
aber 1870 zur Malerei über. Den erſten Unterricht
in der Kunſt erhielt er in Münden bei Ed. Schleich
und bei Lier; ſeit 1872 ſchloß er fi an Joſ. ⸗
lein an und iſt ſeit 1878 in Münden ſelbſtändig
tbätig. 1888 erhielt er den Titel —*8* Er
2 ich beſonders durch Gebirgslandſchaften mit
ildſtafſage einen Namen gemacht; ſeine Werke
wurden meiſt nach England und Amerila verkauft.
Hervorzuheben find: Winterlandſchaft mit Jägern
1879), Herbſtmorgen (1881), Herbſtabend, Winter:
landſchaft mit äfenden Reben, Aufgehender Mond
im Winter (1882), Herbitmorgen im Gebirge mit
ohmwild (1883), Wintermorgen, Herbit an ber
ar bei ggried mit röhrendem Hirſch (1886),
Wintermorgen im Gebirge (1888; Neue Binalotbet
in Münden), Herbitnebel(1889), Borfrübling (1891).
Auf der Kunftausftellung in München 1892 jah man
von ihm: Winternadt, pielbahnbalze, Mond am
Morgen; 1893: Mondaufgang im Winter, 1898:
Wintermorgen im Walde. Die Gemälde: Spät:
be und Abend an der Iſar gelangten 1900 eben:
all3 in die Mündener Pinatothet.
Friedr. Aug. von, preuß. General, f. Find.
nfe illa), eine zur Abteilung der Kegel:
chnäbler oder Sperlingänögel (Passeres) gehörige
Bogelgattung, die ald Typus einer eigenen, frei⸗
li jehr verſchieden begrenzten Familie betrachtet
wird, melde ſich durch den kegelförmigen gemölbten
Schnabel ohne halige Spike, runde Najenlöcher,
neun Schwingen an dem Hanbdteil des Flügel3 und
Wandelfuße mit kurzem, der Mitteljehe gleihlangem
Lauf unterjcheidet. Die Familie der F. zählt mehr ala
70 Gattungen und über 500, in zahlreiche Gattungen
und Gruppen verteilte Arten und wird mit Aus:
nahme ber ganzen auftral. Region auf der ganzen
Erde bis in die fälteften und wärmiten Gegenden
gefunden. Die eigentlichen d: oder Edelfinken,
welche die m. Fringilla bilden, haben einen ge:
radfirſtigen, vorn faum zufammengedrüdten Schnas
bel ihmale, fpisige Flügel, an denen die zweite
Schwingfeder bie längite ift, und einen ftumpf aus»
eichnittenen Schwanz. Sie bauen kunftreiche Neiter,
le F. find wertvoll ald Stubenvögel, weil fie an:
genehm —A oder um ihrer ſchönen Färbung
willen. t wenige find als Käfiguögel verbreitet,
die meiften werben einzeln ald Sänger im befondern
Finkenſchaft 699
inkenkäfig gehalten, wenige, insbeſondere fremd»
ändiſche, pärchenweiſe au —*
Zu ihnen gehört der Bude, Edel: oder Blut⸗
finte (Fringilla coelebs L.; ſ. Tafel: Mittels
europäifhe Singvögel I, Fig. 4, beim Artikel
Singvögel; Ei dealelben f. Zafel: Eier mittel:
europäifcher Singpägel, A .24, Bd. 17), wels
her ganz pa und einenTei A iend bewohnt und
wegen feines angenehmen Gejangs (Fintenihlag)
ein geſchätzter Stubenvogel ift. Der Buchfinke zeigt
viel Unverträglichleit, was die Vogelfteller zu dem
IE TIRERRUNER benußen, indem fie ein jahmes
ännden, an deſſen Flügel ein mit Bogelleim bes
ftrichenes Stäbchen gebunden it im Walde binjegen,
auf welches, ſobald es —— ockton erſchallen läßt,
alsbald eins der freien Männchen herabſtürzt, um es
8 vn, infolgedeſſen es an dem Stäbchen feſtklebt.
er Schneefinte (Fringilla nivalis Briss.), auf
den Alpen, Pyrenäen und Karpaten, ferner in Si⸗
birien und ganz Mittelafien beimifch, bat nur einen
unvolllommenen Gejang. Der Bergfinte (Frin-
gilla montifringilla L.), der im Dftober und Nos
vember aus dem Norden ber in Scharen durch
Deutſchland zieht, hat nur einen jehr mangelhaften
Gejang, wird aber, troß feines bijfigen Eharalters,
doch des jchönen Ausſehens wegen zumeilen in
Bauern gehalten. Ferner gehören zu den %. die
Stieglige, Hänflinge, Zeifige, Citronenfinten, Grun⸗
finten, Sperlinge, Kernbeißer, Gimpel, Leinfinten,
Kreuzichnäbel (}. die betreffenden Artikel) u. a. a"
neuerer Zeit werden aus allen übrigen Weltteilen
eine Menge fintenartiger Vögel, die ſich meift durch
ihr ſchönes Gefieder auszeichnen und die man unter
dem Namen der Prachtfinken (f. d.) zufammenfafjen
ann, in den Handel gebradıt.
Finten oe) oder Wilde, an einigen Unis
verfitäten — der keiner Verbindung an⸗
gehdrenden Studenten, die ſich aber zur Ber:
tretung ihrer Interefjen an manchen Orten zu einem
orößern Berbande (Bintenihaft) julammens
geſchloſſen haben. [Tafel: Falten, Fig. 6).
infenhabicht, ver gemeine Sperber (f. d. und
infenfäfig, j. Bogelbauer. ,
infenuet (altboll. vink-net), ein Nek, das
rings um die Borbwände eines Kriegsſchiffe und
über das Oberded ausgeſpannt wurde, um bie feind«
lichen Enterer (f. Entern) abzuwehren. Die 5. waren
vom 16. bis zum 19. Jahr. in Gebraud.
Finkennehtzkaften, diean Bord der Kriegsſchiffe
längs der Rebling (f. d.) von vorn nach hinten laus
fenden Käften, melde während des Tags zur Auf⸗
nabme der zu Frege Ai od, Hänger
matten der atzung bejtimmt find. frübern
eiten, als die Geſchutze geringere Durchſchlagskraft
tten, dienten fie für die Mannſchaften auf dem
Dberded als Bruftwehr und als Berpadungsort der
Finlennetze (ſ. d.). Seht — ſie —— gegen
‚iintentuge n Schuß. Durch das Hineinpaden der
ängematten in die F. wird in den untern Räus
men des Schiffs, wo die Mannſchaften ſchlafen, wäh:
rend des Tags Play gewonnen und jene werben das
durch gelüftet, da fie nur bei ſchlechtem Wetter waſſer⸗
dichte Überzüge (Finkennetzkleider) erhalten.
infenritter, ein lujtiges proſaiſches Volkes
buch, «Die Hiftory und Legend von dem trefjlichen
und weit erfarnen Ritter, Herm Policarpen von
Kirrlariſſa, genant der Finden Ritter» (zuerit Straß: .
burg um 1560), ſchildert die abenteuerlichen Fahrten
intenfchaft, |. Finten. [des Helden.
700
intenftechen, |. inte. '
infenwärder, Fintenwerder. 1) Juſel in
der Elbe, unterhalb Altonas, gehört zum Heinern Teil
ur preuß. Brovin; Hannover, zum größern zur land:
errihaft der Marſchlande Hamburgs (j. Karte:
Hamburg Gere eg era
u Hamburg gehörig, 3 km im W. von Hamburg,
* (1900) 3434, (1905) 3935 E., Poſtagentur, Tele⸗
graph, Fiſchereiſchule; Schiffbau, Fiſcherei.
Finland (Finnland), finn. Suomi oder Suo-
menmasa, Groffüritentum, feit 1809 mit Ruß»
4 land vereinigt (ſ. die Karten:
Schweden und Norwegen
und Europäijhes Ruß:
land), liegt zwiſchen 59° 48’
und 70° 6,’ nörbl. Br. und
ar 20° 29 (oder die Alandsinjeln
= einbegriffen 19° 30’) und 32°47’
ditl.2.von Greenwich. Ed grenzt
#1 im ©. an den Finniſchen Meer:
bufen,imS&®. an die Dftfee, im
W. an den Bottnifchen Meer:
=) bufen und an Schweden, im N.
an Norwegen, im D. und SD.
an Rußland. Die Entfernung
zwiſchen der ſüdlichſten Land⸗
[pie v... und dem nörblidften Punkte in
appland bei dem Tana:elv beträgt etwa 1200 km.
Die größte Breite des Feitlandes von D. nah W.
ift 620 km. F. bevedt 373604 qkm, davon fommen
41660 qkm auf Seen, 11591 qkm auf Inſeln. Der
längfte Sommertag an ber Süptäfte des Landes
ift 18°, Stunden); am nördl. Strande des Enarejees
dauert er 2 Monate.
DOberflächengejtaltung. F. bildet den libergang
vom flandinav. Berglande zu der ofteurop. Ebene.
Die allgemeine Konfiguration erinnert an erfteres,
die Höhenverhältnifie nähern e3 dagegen ber lebtern.
Es iſt eine hügelreihe, von dünner Erdſchicht be
tleidete Granitplatte, deren Vertiefungen von Seen
eingenommen find und deren Höhen niedrige, ab:
—— Hügel und ausgedehnte Landrücken bilden.
Diefe find zum größten Zeil fiberbleibfel aus der
Eiszeit, Die Endmoränen des Inlandeiſes aufjeinem
Nüdzuge. Eigentliche Berge fommen nur im nördl.
Zeile vor, In dem Keil zwiſchen Schweden und
Norwegen, der pe zur Skandinaviſchen
Halbinjel zu zählen iſt, befinden fich mehrere Felſen—
pebirge von über 1000 m Höbe; bier liegt auch der
ochſte Gipfel in F. der Haldiſchok oder Haltiotunturi
(1258 4 Im übrigen F. ſind die Gebirge niedriger.
Der Pallastunturi erreicht 858 m, der Nuorunen
fünlid vom Polarfreiie 532 m. Der Höhenzug
Maanjeltä, der die Wafjericheide bildet zwiſchen dem
Eismeer und Weißen Meer und dem Bufen der Dit:
fee, zeigt nur in feinem nörd!. Teile Gebirgscharak⸗
ter. Unter 64° nörbl. Br. biegt er nah SD. um
und nimmt den Namen Suomenfelfä an, ein teils
breiter, teil® engerer Gürtel, jtellenweije mit
fejtem Gejtein zu Tage tretend, aber dfter aus fan:
digen Heiden, Sümpten und hochliegenden Mooren
beitehbend. Das an Binnenfeen reihe Land ſudlich
von Suomenjelfä ift gegen SO. und ©. von einem
ihmalen Landrüden Salpausjellä (Riegelrüden)
umſchloſſen. Die Mittelböbe des innern Landes be:
trägt nur etwa 100 m. Die höchſten Hügel erheben
fi 100 bis 150 m über den Boden.
Gewäfler. Mebr ald 11 Proz. der Gefamtflähe
fommen auf Binnenfeen, deren Menge 5. den Na:
Finkenſtechen — Finland (Oberflächengeftaltung. Gewäjjer. Klima)
men «das Land der taufend Seen» verlieben bat.
Dazu kommen no die Meerbujen der Hüfte und die
Waſſerſtraßen zwiſchen den unzählbaren Inſeln und
Schären, welche die Seefahrt bier für jeden Fremden
ſehr gefäbrlib machen. Dies gilt vor allem von den
—— der Sudweſtküſte bis zu den Alandsinſeln,
welche ein 200 km langes und über 100 km breites
labyrintbartiges Binnenmeer bilden. Bedeutend
find auch die Schären an der ſchmalſten Stelle des
Bottniihen Meerbuſens bei ven Quarlen. Zu den
wichtigſten Binnenjeen und Fluſſen gebören: der
Enarejee in Lappland mit dem Abfluß Baatsjofi zum
Nördlichen Eismeer; die in den Bottnifhen Meer:
buſen I —— Torneä:elf mit dem linken
Nebenfluß Muonio an der jhmwed. Grenze, der Kemi,
der Uleä (Dulu) aus dem Uleäjee und der Kumo—
trom oder Kolemäenjoki, der Ausfluß des Weit:
waſtländiſchen Syſtems, deſſen Gentralfee der
Näſi iſt. In den Finniſchen Meerbuſen ergießt ſich
der Kymmeneſtrom, von der langen, 78 m über
der Meeresflädhe liegenden und beinahe 90 m tiefen
PBüäijänne, in welchen mehr als 600 größere und
Heinere Seen abfließen. Das größte von F.8 zuſam⸗
menbängenden a ift jevob das Sa⸗
wolar⸗Kareliſche, deſſen Seen ein infelreihes Meer
bilden; die Hohendifferenz zwiſchen der Waſſerfläche
bei Willmanjtrand und der bei dem 300 km nör:
licher befindlichen Jiſalmi ift nur einige Meter, io
daß mit Hilfe von zwei Scleufen ein Fahrwaſſer
wiſchen beiden bergejtellt wurde. Mittelpuntt diejes
aſſerſyſtems ijt ver Saimafee (76 m Seeböbe); die
arößten find alla: (1000 qkm), Hauli⸗, Dri⸗ und
Bielisfee. Im SD. bat dad Saimamaffer den Land:
rüden Salpausjellä durchbrochen und ſtürzt bier
durch die Xmatra-Stromfchnellen und den Muoren:
ftrom in den Ladogaſee. Bon der norböjtl. Ede
des Finniſchen Meerbufens bei Wiborg kommt man
durd den 56km langen Saimafanal mit 28 Schleu:
— hinauf in den Saimaſee, der hierdurch Kommuni⸗
ation mit Dampfern zum Meere belommen bat.
Mit Ausnahme der größern find die Seenſyſteme
und Ströme im allgemeinen durch Wafjerfälle und
un wenig für Schiffahrt geeignet; groß it
ihre Bedeutung für die Holzflößerei. Eine Fläche,
ungefähr doppelt jo groß wie die der Seen, wird
von Sümpfen und Moorgebieten eingenommen.
die Austrodnungund Urbarmahung betreibt man
ejonders in Öfterbotten mit Erfolg. Ungebeure
Gebiete find noch völlig unberührt.
Klima, Ungefähr ein Viertel von F. liegt nörd⸗
lih vom Polarkreis; nah Süden zu reicht es nicht
über den 60. Breitengrad hinaus, F. ift folglich das
nörblichfte aller Kulturländer der Erde. Das Klima
ift doch viel milder, ald man nad der Lage fließen
follte, und febr geſund. Die ſüdlichſten Gegenden
berübrt die Iſotherme + 5°, um den Enarefee herum
liegt die kälteſte, von —2°C. Die folgende Tabelle
zeigt die mittlern QTemperaturen des Jahres, des
mwärmften und des fältejten Monats:
16,8
MODE 2 eo 000 0 + 2,24 17,6 r
Wirk. 22000. 3,46 17,5 — 95
Rajana .» 2er 0% 1,90 17,7 —12,5
Tone — 0,99 17,0 —12,3
Zumweilen werden im Sommer + 30° beobachtet.
Eine Kälte von — 30° C. ift in den mittlern und
nörbl. Teilen nit ungemöbnlib. In Uleäborg,
Finland (Mineralreih. Flora u. Fauna. Bevölkerung. Land» u. Forftwirtichaft)
Kuopio und Torneä fintt da® Thermometer aus:
nahmsweiſe bis — 40° C. und in Lappland bis
— 48°C. Die Niederſchläge find reihlih, obwohl
in verjhiedenen Jahren fehr ihmantend. Die herr
fhenden Winde find Süd» und Sübmeftwinde, die
von der Ditfee herfommen.
Mineralreich, Der harte, finn. Granit ift ein zu
Gebäuden und Dentmälern anwendbares Material
und bildet, auch fi Pflafterfteinen behauen, einen
Gegenjtand der Ausfuhr. Eine beſonders ſchöne
Steinart ift der —— oder ſchwarzgraue Syenit⸗
ranit am nörbl. Rande des Ladogaſees. In der:
elben Gegend (Ruskiala) wird auch blaugrauer
Marmor gebrohen. Bon Metallen tommt Eiſen oft
vor, aber die Gruben find meijt als nicht lohnend
aufgegeben. Dagegen wird jährlich eine bedeutende
Menge (etwa 50000 t) Eifenerz aus Seen und Moo:
ren gewonnen. Die beite Kupfer» und er
ift Pitläranta am eg m Im Jvalofluß, der ſich
in den Enareſee ergießt, betreibt man Goldwäſcherei.
Als beſuchte Badeorte ſind beſonders zu nennen:
Hangd an der Süpfpige, Mariehamn auf Aland,
Nädendal mit berühmten Schlammbädern, Lowiſa,
Nyſlott, Heinola und Willmanftranv. j
Flora und Fauna. Pflanzen: und Zierleben ift
im allgemeinen dasjelbe wie im nörbl. Zeile der
Standinavifchen Halbinjel. Man zählt hier 921 Ars
ten Dilotyledonen, 354 Monototyledonen,5 Gymno⸗
Ipermen und 54 Filices oder Farnlräuter. Die wid:
tigften Holzarten find Fichte, Tanne, Birke und Erle.
Dh lommen aud Eipe, acholder, Bopelbeerbaum,
Balmmeide vor, und im füdlichern Teile Eiche, Lin«
denbaum, Ahorn, Ulme, Eiche und Elfebeerbaum.
Upfel, Birnen, Kirfhen, Pflaumen und mehrere
Sträucher find eingeführt, gedeihen aber im Norden
nidt. Die Wälder find reih an Wild (ohne Hirfche
und Rebe), beſonders aud an Waldvögeln, die nad)
Rußland und Schweden — werden.
Bevöllerung. Nach der Volls zählung vom 31. Dez.
1890 hatte F. 2380 140 (1171541 männl., 1208699
weibl.) E., d.i.7,2auf 1 qkm; 1892 wurden 2481253,
1894: 2483249 E. gezäblt; 1899 wurde die Zahl
auf über 26738200 geſchäßt. Sie betrug 1880:
2060782, 1870: 1768769, 1860: 1746725, 1850:
1636915, 1840: 1445626. F. ift in folgende 8 Län
oder Gouvernements eingeteilt:
3402
8663
41711
. 166641
Ganz Winland |373604| 41660] 37 1991612673200] 8,1
Bon den Städten haben nad Zählung von 1900
vier über 20000 E., Helfingford (93217), Abo
(43910), Wiborg (36808) und TZammerfors (38 720
E.). Bier Städte hatten zwiſchen 10— 20000 E.,
8 zwiſchen 5— 10000 €., 6 zwifchen 3—5000 €E.;
die übrigen 20 zwiſchen 800—3000 €. Bon der Be
völferung waren 12 Proz. in den Städten wohnhaft.
Der größte Teil (98 Proz.) oder 2585602 Pers
— (1898) befennen ſich zur evang.-luth. Kirche.
ie Zahl der Griechiſch-Katholiſchen ift 48171;
dazu fommen 547 Katholilen, 2790 Reformierte und
701
prot. Diffidenten. Auf Reifepaß befinden fi in F.
360 Söraeliten.
An ſprachlicher Hinficht ift die Bevölkerung nicht
ebenso gome en wie in religiöfer. Die große Mafle
ſpricht finniſch. (S. Finnen und Finniihe Spra
und itteratur.) Aufland,aufeinem Teil der Inſeln
bei Abo, und auf den Küftenftreden des Nyland⸗ und
Wajaläns un. Schweden, deren Sprache früher
allein die der or Bildung und Verwaltung war
und noch jegt bei den höhern Klaſſen vorherrichend
ift. Gegenwärtig beginnt das Finnische allmählich
das u a verdrängen. Ruffifh wird außer
von dem rujj. Militär noch von eingemwanderten
Kaufleuten und in einigen Gemeinden des Läns Wis
borg geiproden. Die im nördl. Teile wohnenden
Lappen zählen ungefähr 1000 Individuen; ebenfos
viel betragen die wandernden Zigeuner. Für 1890
werden ald Mutter: oder Umgangsiprade folgende
Zahlen angegeben:
— TEN 2048545
hweiih..... 322604
Die RER 6795
Deuih - » +. 1674
Un Spraden 1522
Der Gebürtigleit nah waren 1890: 2366411
oder mehr als 99 Proz. im Lande geboren, 8725
in Rußland, 3762 in Schweden, 472 in Deutſch⸗
land, 190 in Norwegen, 96 in Dänemark und 50
in Großbritannien. 1898 betrug die Zahl der Ges
burten 89106 oder 8,41 Proz. (darunter 5989 oder
6,78 Proz. unebeliche) und der Todesfälle 45751
oder 1,75 Proz. Auf 100 E. kamen 1881—90 jähr:
(ih 3,5 Geburten und 2,11 Todesfälle. 1898 wur⸗
den 20611 Ehen oder 79 auf 10000 €, geiölolen.
Die Auswanderung, in frübern Zeiten nah Ruß:
land und zur nörbl. Eiömeerfüfte gerichtet, gebt
jest in verſtärltem Maße nah Nordamerifa. Die
Zahl der inländer in Amerita beträgt etwa 75000,
und die jährliche Auswanderung ift von (1890) 6000
auf (1899) 12000 geitiegen.
Land» und Forftwirtichaft. Ungefähr 2,05 Bros.
der gefamten Landfläche ift Aderland, 5—6 Proz.
Wieſen, 64 Proz Waldungen, der Reft find Binnen»
jeen, Sümpfe, Moorgebiete und kahle e. Die
(ibrlihe Getreideprodultion beträgt 4,5 Mill, hl
oggen, 6 Mill. hl Hafer, 6 Mill. hl Startoffeln;
außerdem Weizen, Erbien, Bohnen und Rüben. Die
geerntete Roggenmenge genügt nit dem Bedarf
der Bevölkerung; 1897 —99 wurden 165 Mill, kg
Ro gen und Roggenmehl jährli vorwiegend aus
uk and eingeführt. Ausg am wird Hafer nad
England (1897—99 jährl. 23 Mill. kg) und zur Aus»
pa etwas Roggen nah Schweden und Rußland.
on großer Bedeutung ift die Biebzucht. 1899 waren
im Lande 308486 erde, 1457423 Stüd Rind»
vieh, 1031185 Schafe, 214206 Schweine, 119917
Renntiere (im nörbl. Zeile), 9083 Ziegen. Die Aus:
fuhr von Butter betrug: 1892: 8098000, 1893:
9641000,1894:13 335000, 1896:13010000,1899:
10088000 kg
Bon den Waldungen, etwa 31,6 Mill. ha, dar
unter jevob viele Moore und Moräfte, gebören
13180000 ha dem Staate, und zwar liegen
9466941 ha im Forſtdiſtrilte Kemi, dem fich die
Diſtrikte Io und Uleäträst mit 1878522 und
1233371 ha fomwie KHuopiolän und Wafalän an:
702
* en. Ihr Wert wird zu etwa 100 Mill. finn.
art (= 0,51 2 berechnet. Die aus dem Staatd-
foritbetriebe erzielte Gefamteinnahme betrug (1899)
2917071 M., die VBerwaltungsloften 691221 M.
Es beitanden 525 Sägemüblen, darunter 291 durch
Dampf getrieben, mit 20100 Arbeitern. E3 wurden
21,5 Mill. Holzblöde gejhnitten und 2,3 Mill. cbm
lanten, Bretter und andere Schnittbölzer geliefert.
er Reihtum an Wild geitattet eine bedeutende
Ausfuhr; 1899 wurden 717898 kg Vögel und Wild
nah Schweden und Rußland erportiert.
Induſtrie und Gewerbe. F.s Induſtrie jtebt noch
in ihren Anfängen, machte aber in den lekten Decen:
nien bedeutende Fortfchritte. Eifenindujftrie wird
jest von 13 Hodhöfen, 10 Walzwerken, 37 Gießereien
und 48 mechan. MWerkitätten und andern Eijen-
werten betrieben. Der Wert der Erzeugnifje betrug
34,7 Mill, finn.M. Wichtiger ift die ——
1899 wurden in 525 Sägewerken 2, Mill. ebm ge:
Kate Waren verfertigt, mit einem Werte von 65 Mill.
. Die Bapierinduitrie befbäftigt in 21 Holzſchleif⸗
mübhlen, 8 Celluloje: und 14 Papierfabriten 5463
Arbeiter, die Produltion betrug 45 Mill. kg Holz:
appe, 13,3 Celluloje und 28,8 Mill. kg Papier.
ußerdem bejteben: 4 Baummollfpinnereien und
sMebereien, 21 Woll: und Tuch-, 4 Trilotfabrilen,
1 Zeinenmweberei, 528 Lederfabrilen, 2 Zuckerſiede⸗
teien, 87 Bier: und Porterbrauereien mit 1509 Ar:
beitern und einer Produktion von 30 Mill. 1 Bier
und Porter; 63 Branntwein: und Spritfabrifen, 35
Zabatfabriten u.a.m. F.s ſämtliche Fabrilen und
tleinere Induftrien beihäftigten (1898) 73857 Ar:
beiter und ihre en hatte einen Wert von
239 Mil. finn. M. Außer ver Waflertraft wurden
817 Dampfmafhinen mit 24642 Pferdeftärten an:
gewendet.
andel und Geldwefen. F. bat jeinen eigenen
olltarif und eigene Zollgrenze. Die Intereſſen des
nn. Handeld nimmt eine bejondere Abteilung des
a . Senatö wahr. Im Ausland wirkten bie
— .Konſuln; in London und Neuyorl find ihnen
des Berg mit dem
1870—99 in
Jahre
ondere finn. Dolmetſcher beigegeben. Der Wert
uslande betrug
illionen finn. Mark:
| Einfuhr | Ausfuhr
44,2
1880 123,1
1890 2A
1895 142,3
1896 158,9
1898 180,0
1899 184,3
Die Einfuhr beftand (1899) hauptfählic aus Ge:
treide (59,1 Mill. finn. M.), Kaffee, Zuder, Tabat
und andern Kolonialwaren (23,5 Mill. M.), Gewebe
(14,2 Mil. M.), Gefpinitftoffe, Garn (18,8 Mill. M.),
Eiſen, Metallen (22,8 Mil. M.), Maſchinen, Ölen,
Meinen und Spirituojen, Häuten jowie Salz. Die
Ausfuhr bildeten zum größten Teil Hölzer, wie
Planten und Bretter (im Werte von 101 Mill. M.),
ferner Butter und Viebzuchtprodulte (25,5 Mill. M.),
Papier und Papiermafje (17,7 Mil. M.), Gewebe
und Garn, Eijen und Stahl, Hafer, Vieh, Filche,
Glaswaren, Leder u. ſ. w. Die Ein: und Ausfuhr
verteilten ſich 1899 auf folgende Länder (Werte in
Millionen finn, Mark):
Finland (Induftrie u. Gewerbe. Handel. Verkehrsweſen. Verfafjung u. j. w.)
| Eins | Aus»
Länder | fube fuhr
T
Nußland . . . . 862 13,9
Schweben . ..| 135 75
Dänemarf .. . | 11,5 7,9
Deutihland.. . . | 81,4 6,9
Großbritannien . | 41,3 | 1,2
—A iſt die Markta (dem franz. Frank
gleich), ſie iſt in 100 Penni geteilt. Doch iſt nach
dem Geſeß vom 9. Aug. 1877 Goldwährung ein⸗
geführt, weshalb die Silbermünze ald Scheidemünge
dient. Seit dem J. 1865 find in Heljingfors 715500
20:Marlitüde und 940000 10: Martftüde von Gold
geprägt, außerdem noch 2276000 2:Martftüde und
7689300 1:Markftüde von Silber und Münzen
niedrigen MWerted. Daneben waren Ende 1900: 71
Mill. M. finländ, Bantzettel, obgleich nicht obligas
torifch, mit vollem Kurs im Verkehr.
Die Staat3bant ift «Finland Bank» in Helſing⸗
or3 unter Auffiht und Garantie der Ständevers
ammlung. Außerdem befinden fih im Lande zehn
rivatbanten jowie gr Krepitvereine und Leib:
tajien. Das Maf: und Gewichtsſyſtem, früber das
alte ſchwediſche, ift jeit 1886 das metrifche.
Berkehrsweſen. Die Handeläflotte betrug 1899
2281 Schiffe von 818346 t. Davon waren 261
Dampfboote von 47008 t und 2020 Segelihifie von
271778 t. Schiffe von weniger ald 19 t find bier
ausgeſchloſſen. 1899 liefen in finn. Häfen 5098 be
ladene Schiffe von 1020670 t .ein und 7210 Schiffe
mit Ladung von 1824470 t aus. Den Fiſchfang
an den Kuſten betreiben 9—10000 Boote. Über die
en ten een 3.8 f. die Bei⸗
age: Die Schiffahrtsſtraßen im Europäifhen Ruß:
land, beim Artitel Rußland.
Die Eifenbabnen hatten 1901 eine Länge von
2491 Werft. (S. Ruffiiche Eifenbahnen, Überjicht L.)
Im %.1898 gab es 820 Boftanftalten mit 877 Be
amten. Verſendet wurden 14726373 Briefe und
Balete, außerdem 13 872750 Zeitungen. Der Wert
verfiherter Sendungen betrug 173,7 Mill. M. Fern:
iprechleitungen befinden ſich in allen Städten; der
Zelegraph mit 68 Stationen ſteht unter rujj. Ber:
mwaltung, daneben giebt es einen u der
Staats — mit 204 Stationen. Von Nyſtad
führt ein Kabel nad Skandinavien.
Berfaflung und Berwaltung. F. bildet einen Teil
des Ruſſiſchen Reichs, genießt aber im Innern Selb⸗
jtändigteit; doch wurde dieſe burch das kaiſerl. Mani:
feit vom 15. Febr. 1899, wonad alle finländ. An—⸗
gelegenbeiten, die zugleich allgemeine Reichsange⸗
legenbeiten find, dem rufl. Neichsrat überwieten
werden, ſehr eingefchräntt (f. unten Geſchichte). Die
Derfaffung, welche Alerander I. 1809 in Borgä und
die nachfolgenden ruf). Kaifer beitätigten, ift die alte
ſchwed. Staatäverfafjung. Die Grundgejepe find die
Regeringsformen von 1772 und die Förenings- och
Säkerhetsakten von 1789. Seitdem find die Land:
tagsordnungenvon 1869, 1878 und 1906 ſowie 1901
Beitimmungen über die Wehrpflicht (ſ. unten Heer:
wejen) binzugelommen. Die Verwaltung, dieMilitär:
bobeit u. ſ. w. ſowie auch der größte Teil der ölono«
mijchen Gejeßgebung fteben dem Haijer-Großfürften
zu. Die Landesregierung iſt dem kaiferl. Senat für F.
in Helfingfors anvertraut. Bon den 19 Senatoren
aebören 10 zu dem Juftigdepartement, dem höchſten
Gerichtshof des Landes, und 9 zum Öfonomie
departement. Letzteres, das eigentliche Organ der
Finland (Heerweien. Finanzen. Unterrichtäwejen)
Verwaltung, ift in 9 Erpeditionen geteilt, die Juſtiz⸗,
Eivil ug © Kammer:, Militärs, Kirchens, Land:
wirtfha 8:, Kommunilations⸗, Handels⸗ und In⸗
duſtrieerpedition. Der Vorſitzende iſt der General:
—— gewöhnlich ein höherer ruf. Offizier.
ie Angelegenbeiten, welche der Kaiſer jelbit ent:
—— werden ihm von einem Miniſter⸗Staats⸗
efretär für F. in Peteröburg vorgetragen. Die
civile und friminale ſowie bejondere Teile der dlo⸗
nomijhen Geſetzgebung wird von dem Monarchen
und der Ständeverfammlung gemeinfam ausgeübt.
Der Landtag befteht nad dem neuen Gejeh vom
Mai 1906 aus 200 Mitgliedern, die nach dem Pro:
portionaliyftem, dem allgemeinen geheimen und
gleihen, für beide Geſchlechter geltenden Stimm:
reht auf 3 Jahre gewählt werden; er tritt jähr:
lid zufammen. Damit ift der bisherige Stände:
landtag, der 1882 — 1900 jebe3 dritte und ſeitdem
ei vierte Fahr zufammentrat und aus Adel,
eiftlicheit, Bürgern und Bauern beitand, durch
einen auf dem Einlammerſtyſtem beruhenden er:
fegt. An der Epike der 8 Län ſtehen Gouver:
neure. Die Län werden in 51 Härad (Amtsbe⸗
zirke) geteilt, die unter einem Kronofogde (Steuer:
einnehmer) ftehen; bie Amtsbezirle zerfallen in etwa
500 Gemeinden, welche allein over 2 und 3 zuſam⸗
men einen Diftrilt für den Länsman (Drtöpolizei-
beamten) bilden: Die Rechtspflege wird von den
Hofgerihten in Abo, Waja und Wiborg gehand⸗
habt; ihnen find 62 Amtägerihtöbezirte mit 234 Ge:
richtsbezirlen F dem Lande und 35 Stadtgerichte
untergeordnet. F. bat 3 Zucht: und Arbeitähäufer
ie männlihe und 1 für weibliche Verbrecher, 8
ns» und 8 Amtsbezirksgefängniſſe und 3 Belle:
rungsanftalten.
Heerweſen. (4 beſaß verfafjungsmäßig feine be
ondere auf allgemeiner Wehrpfliht gegründete
rmee. Nah dem Wehrpflichtgejek von 1878 un:
terlagen fämtliche are Finländer der Los⸗
enſtz
ee. Die aktive eit betrug 3, die der
erve 2 Jahre; die nicht zum aktiven Dienft ber:
angezogenen gehörten 5 Jahre der Reſerve an und
werden während diefer Zeit vreimal zu Übungen
angeaogen Die Reſerve, die "während breier
ahre 90 Zage einberufen wurde, bildeten alle nicht
altiv dienenden, zum Kriegsdienſt tauglichen Män⸗
ner jowie die nad beendigter Dienstzeit Entlafienen.
Nah 5 Jahren bei der Reſerve blieben die Wehr:
pflichtigen bis zum 40. Jahre bei der Landwehr ein:
geichrieben, welche nur bei feindlichem Einfall auf:
geitellt wurde. Das Dffizierlorps beftand aus einge:
orenen Finnen. Im Frieden beftand das aktive Heer
aus einem Leibgarde:-Schüpenbataillon in Helfing-
or3 (dem Gardeforps einverleibt), 8 Bataillonen
nn, Schüßen und einem Regiment Dragoner, zu:
ammen 236 Dffiziere und 6000 Mann. Im Lande
befand fih außerdem ruff. Militär ald Garnifon in
Städten und in den —— Sweaborg und
Wiborg. Durch ein kaiſerl. Manifeſt vom 12. Juli
1901 wurde jedoch die game Ari finn.
Armee jo gut wie befeitigt. Ein neues Wehrpflicht:
ftatut wurde veröffentlicht, das frühere von 1878
r aufgehoben erklärt und die allmähliche Auf:
dfung der finn. Schüßenbataillone befoblen. Auf:
recht erhalten werben nur das finn. Garde: Schüßen:
bataillon und das finn. Dragonerregiment. Diefe
fönnen zur Friedens: und Kriegszeit nad dem Er:
meſſen des Kaiſers innerbalb ver Grenzen Rußlands
und im Auslande verwendet werden; auch kann ein
703
Teil des finn. Rekrutentontingent3 zur Komplettie⸗
rung rufj. Truppenteile, die im Finländifchen und
im Betersburger Militärbezirkihre Quartiere haben,
benugt werden. Die Beherrſchung der ruſſ. Sprache
ift umerläßlihe Bedingung der Beförderung zum
80 und Unteroffizier; auch können Ruſſen zu
Dffizieren in den finn. Truppenteilen ernannt wer:
den. Die biöherige finn. Militärverwaltung wird
aufgehoben und die finn. Truppenteile dem ruf.
Kriegäminifter unterftellt. Die Dienftzeit beträgt
18 Jahre, und zwar 3 Jahre aktiv, die übrige Zeit
in ber Referve. F. unterhält keine Kriegäflotte,
fondern nur ein Zotjentorps (1899: 42 Funktionäre
und Offiziere und 757 Lotſen).
Finanzen. Das Budget für 1899 betrug in
Einnahmen und Ausgaben je 88508915 finn. M.
Unter den Einnahmen waren ein Überihuß vom
Vorjahre von 27572518 finn. M. Netto-Cinnabmen
waren 579386402 M., darunter 2, Mill.von Gütern,
gerpen und Fiſchereien des Staates, 74 Mill. von
ifenbahnen, 3,4 Mill. Grundfteuern, 2,1 Mil. Ber:
—— 6,7 Mill. Licenzen auf Branntwein und
alagetränte, 24, Mill. Zollabgaben u. |. w. Unter
den Ausgaben waren: zur Dispofition des Kaiſers
und Großfüriten 253400 M., für die Regierung
1,8 Mill., Juftizpflege 14 Mill., Civilverwaltung
10,6 Mill., Unterrichtsweſen 8,3 Mill., Kirhe 0,5
rer 2,1 Mil., Gefängnisweſen
15 Mill., Aderbau und öffentliche Arbeiten 5,3 Mill,
Eifenbahnbauten 14, Mill, Zinfen und Tilgung der
Staatsſchuld 4,3 Mill. u. ſ. w. Der Überſchuß de
das J. 1900 wurde auf 21,6 Mill, berechnet.
Armenpflege wird von den Gemeinden gehandhabt,
aber unter Auffiht eines vom Staate zugejeßten
Armenpflegedireftord. 1899 wurden 67385 Per:
fonen unterjtüßt. Die Staatöfhuld belief fih am
1. San. 1899 auf 115028841 M. und der des
—— Eigentums des Staates auf etwa 450 Mill. M.
ußerdem beſitzt ver Staat ein fundiertes Bermögen
von annähernd 100 Mill, M.
Unterrichtöwefen. Die allgemeine Bildung ift
eine verhältnismäßig hohe, 1896 waren von 457678 |
Kindern zwifhen 7—15 Jahren nur 11776 ohne
Unterricht und zwar zum großen Zeil geiftiger oder
törperliher Gebrechen wegen. F. bat eine Univer-
en in Helfingfors (j. d.). Höhere Unterrichtsan⸗
talten find: das —— Kadettenkorps in Fred⸗
rilshamn, das Polytechniſche Inſtitut und 2 Fort:
bildungsanftalten für Mädchen in Helfingfors, ein
landwirtf&aftlihes Snftitut in Muftiala, welches
nad) Heljingfors verjegt und * der Univer⸗
fität einverleibt werden ſoll, und 23 landwirtſchaft⸗
lihe Schulen, ein Forftinftitut in Evois, 8 Handels:
ihulen, 8 Navigationsſchulen, ein Mufikinftitut in
Dafnafors, 8 Seminarien für Vollksſchullehrer und
ehrerinnen u. ſ. w. An höhern Mittelihulen waren
(1900) 15 vom Staate unterhaltene Haffilce Lyceen
(mit 8 Klaſſen), 9 Reallyceen und 7 Elementar⸗
ſchulen mit 3—5 Klaſſen vorhanden. In 18 von
den genannten Schulen war das Finnische und in 12
das Schwedische Unterrichtsſprache; 1 Schule war
weiſprachig. Hierzu fommen 12 vom Staate unter«
altene Töchterjhulen, 7 mit finn. und 5 mit ſchwed.
Unterrichtsſprache. Außerdem giebt es 89 private
Lebranftalten, größtenteild gemeinjam für Knaben
und Mädchen (Samskolor). Mit wenigen Auss
nahmen find fie vom Staate unterftüst. Die Zabl ,
der Schüler in jämtlihen Mittelfihulen war 1899:
14748, davon 8121 Knaben und 6627 Mädchen. -
704
1899 gab es 2029 feſte Vollsſchulen mit 1252 Peb:
rern, 1619 Lehrerinnen und 105001 Schülern. Außer:
dem gab ed nod 19 uf). Schulen für Knaben und
Mädchen mit 872 Schülern. Dieje Schulen werben
von den Gemeinden unterhalten, erhalten aber Sub:
vention vom Staate. In Kleinkinder und Wan:
derſchulen, in welchen nur Leſen, Schreiben und Ne
ligion gelehrt wird, wurden (1899) 244552 finder
unterrichtet. Dazu lommen 7 Zaubftummenfdulen,
2 Blindeninftitute und 2 Stretinenanftalten.
‚Kirchenwejen. An der Spitze der evang.:luth.
Kirche ſteht der Erzbischof in Abo, auf dem Landtage
und in den Kirchenſynoden (alle 10 Fahre) der Bor:
Dane der Geiſtlichleit. Bifhofsfike find Borgä,
flott und Uleäborg). Die vier Sprengel find in
45 Vropfteien und 511 Kirchengemeinden geteilt.
Die ae Kirche beiteht aus 30 Gemeinden
und tft feit 1892 einem Biſchof von Wiborg unter:
georbnet. Die röm.sfath. — — 2 Gemeinden
in Helfingford und Wiborg, die Methodiſten 4 und
die Baptiſten 10. Die Koſten des Kirchenweſens
werben hauptſächlich von den Gemeinden getragen.
Bereinswefen. Unter den wifjenihaftlihen und
geleheten Gejellihaften find bervorragend: Finska
etenskapssocieteten (45 Mitglieder in 3 Seltio:
nen), welche die «Acta Societatis scientiarum Fen-
nicae» (27 Bde.), «Beiträge zur Kenntnis von 5.8
Natur und Volks (60 Hefte) und «liberjichten» ibrer
Verhandlungen (32 Hefte) herausgiebt; Finnische Pit:
teratur⸗Geſellſchaft, durch welche ein großer Zeil der
beiten Erzeugnifje der finn. Litteratur veröffent:
licht worden tft. Bon ihrer Zeitſchrift «Suomi» find
58 Bände und von «Suomalaisen Kirjallisuuden
Seuran Toimituksia» 95 Teile erjhienen. Societas
— Fauna et Flora fennica, Suomalais- Ugri-
inen Seura, Suomen Historiallinen Seura, Suo-
men maanticteellinen Seura, Svenska Literatur
Sällskapet, Fornminnesföreningen u. a, wiſſen⸗
ſchafilihe Gefellfhaften veröffentlichen auch Arbeir
ten. Das Intereſſe an bildenden Künften wird
auptfächlid von Finska Konstföreningen in Hel⸗
ingfors und ihrer Galerie finn. Maler und Bild:
auer gefördert. Ein großes Berdienft um die allge:
meine Boltöbildung bat Kansanvalistus Seura in
elſingfors, mit Zweiganftalten in ven Landftädten.
hre in finn. und ——— Sprache erſchienenen
chriften ſind ſehr verbreitet. Unter den zahlreichen
dtonomiſ und Fachvereinen find Finska Hus-
hAllni Uskapet in Abo, 9 lanbwirtichaftliche
Geiellihaften und Konstflitsföreningen zu nennen.
eitungen. 1900 wurden 228 Zeitungen und
eriodiſche Beitihriften herausgegeben, davon 145
Enniiche 7 ſchwediſche und 6 finniihe und ſchwe—
diſche. Von polit. Zeitungen kamen 20 (11 finniſche
und 9 ſchwediſche) täglich und 63 (44 finniſche und
19 ſchwediſche) ein- bis fünfmal in der Woche ber:
aus. Bon rin waren 6 (4 finnifche und
2 jhmebdifche) litterarifhe, 14 (10 finniſche, 4 ſchwe⸗
diſche) religiöfe, 6 (2 finnische, 4 ſchwediſche) medizi⸗
niſche, 9 (5 finniſche, 2 ſchwediſche, 2 ſchwediſche
und finniſche) pädagogiſche, 8 (6 finniſche, 2 ſchwe⸗
ie iluftrierte, 18landwirtfcaftliche (11 finniiche,
7 ediſche), 4 (2 finnifche, 2 jhwepiiche) ge
32 (22 finniſche, 10 ſchwediſche) Voltsblätter u. |. w.
Hauptzeitungen in finn. Sprade find: «Uusi Suome-
tar» (altfinn. Bartei), « Päivälehti» (jungfenno-
maniſch). Die meiftwerbreitete ſchwed. Zeitung ift
«Hufvudstadsbladet»; das frühere Organ der ſchwed.
Partei «Nya Pressen» ift eingezogen worden.
Finland (Kirchenwejen. Vereinsweſen. Zeitungen. Gejchichte)
Geſchichte. In den erften Jahrhunderten n. Ebr.
lamen die innen vom Süden ber nad der Sands
enge zwiſchen dem Ladogaſee und dem Finniſchen
Meerbufen und breiteten ſich allmäblich dem Ufer ent»
lang, die frübern (vieleicht gotifhen) Einwohner ver»
treibend, über ganz F. aus. Die er zerfielen in
mehrere Stämme: im Weiten ließen fich die eigents
lien Finnen oder Suomalaifet nieder, in der Mitte
des Landes die Tamaften, im Oſten die Karelier und
am nörblichiten die Känen an den beiden Ufern des
Bottnifhen Meerbufend. Am füpl. Ufer des Fin:
nischen tbufens faßen die finn. Stämme der
Eithen, Liven und Kuren. Ein kareliſcher Zweig
ſcheint ſich ſchon früh am Weißen Meere nievergefest
und dad Bjarmijche ug welches durd feinen
Reihtum die flandinav. Wilinge beranlodte, ge
tiftet zu haben. Die —— Einrichtungen der
nnen waren noch ſehr primitiv. igidjen
—— en ſind in den epiſchen Geſängen der
Kalewala (}. d.) enthalten. Daß die Handelsver⸗
bindungen der Finnen in den eriten Jahrhunderten
meift nach Diten gingen, beweifen die arhäol. Funde;
bald lernten fie aber am Geſtade der Ditjee Seefahrt
und Seebandel und wurden auch ihren ſchwed. Nach⸗
barn beſchwerlich durch Seeräuberei.
Schon die ſchwed. Könige Erih Emundsſon (um
875) und Erich der Siegreiche (um 975) follen Er:
oberungszüge nad F. unternommen haben. 1157
eroberte König Erich (f.d.) der Heilige den ſudweſtl.
Zeil 5.8 und baute das Schloß Abo zum Schutze
des eroberten Gebietes. Die finn. Kirche blieb ſich
ſelbſt überlaffen und erft der Biſchof Thomas von
Abo (1216—45) ſchien einen jelbftändigen geiftlichen
Staat, nah dem Mufter Livlands, gründen zu
wollen. Die Tawaſten machten 1237 einen großen
Aufftand, und der nowgorodiſche Fürſt Alerander
befiegte 1240 an ber Newa das finn. Kreuzheer.
Erſt dur den Zug des ſchwed. Reichsverweſers
Birger Jarl 1249, der Tamaftland eroberte und
das Schloß Tamaftehus erbaute, wurde die ſchwed.
Herrſchaft bejeftigt. Der Reichsverweſer Tortel
Knutsſon eroberte dann einen Teil Rareliend und
erbaute Wiborg (1293).
Die Schweden behandelten %. mit Milde und
übrten dort diefelben freien und voltstümlichen
titutionen, die in Schweden herrſchten, ein. 1284
erbielt F. den Titel eines Herzogtums. Bei der
Königswahl Halon Magnusſons (15. Febr. 1362)
ab man ben Finnen das Recht, an der Wahl ver
Rönige teilzunehmen. Ein einbeimifher Adel ent:
tand, und bie innen ſelbſt befleiveten die kirch⸗
ichen Umter. Die Verwaltung des Landes war in
den Händen der Statthalter von Abo, Tamaftehus
und Wiborg. Zeitweilig hatte auch ein Herzog oder
Dberftatthalter die höchſte Gewalt im ganzen Lande.
Neben diefen war der — Mann in F. im
Mittelalter ver Biſchof in Abo; er war der Für:
ſprecher F.s bei dem Könige und im Reichsrate.
Der beveutendfteunterdiejen Biihöfenwar Magnus
Dlai Tawaft (1412—50, geft. 1452), zu deſſen Zeit
die fath. Kirche in F. ihre ganze Macht und Pracht
entfaltete; das reiche Birgittinerklofter zu Nädendal
wurde gegründet, neue Kirchen und Kirchſpiele ein:
erihtet u. j. w. Doch kam in den fpärlic bevöl-
erten innern Teilen bed Landes das Ehrijtentum
damals nod nicht zur völligen Herridaft.
Die dän. Herrſchaft in der Uniongzeit (1897—
1523) war in F. gr ge verbaßt als in Schweden;
doch war die Zeit voll Unruhen und Kriege. Als
Finland (Geſchichte)
Erich XIU. von Pommern 1439 verjagt wurde,
braden aud in F. Bauernunruben aus. Der (in
5. geborene) König von Schweden, Karl Knutsſon
(1448— 70), wurde zweimalvon ven Unionsfreunden
abgeſetzt. 1473—97 dauerte dann der Krieg mit
Iwan II., ver die ganze ruff. Macht in jeiner Hand
vereinigte. Das Land wurde fürchterlich verheert;
aus Schweden kamen nur fleinere Hilfsjendungen,
fo daß F. auf jeine eigenen Kräfte angewieſen war.
Der Friede zu Nomgorod beließ F. in den alten Gren⸗
jen. In den legten Jahren der Uniondzeit wurde
es durch die dän. Verbeerungszüge zur See ſchwer
beimgefudht, Abo 1509 erobert und geplünvert.
Die Reformation wurde in F. unter Guſtav
Mafas Regierung (1523—60) durch Petrus Särki⸗
lat3 und Michael Agricola (geft. 1557 ala Biſchof
in Abo) eingeführt. Durd) die unermübdliche Thätig⸗
feit Guſtav Wajas wurde die Verwaltung des Yan
de3 verbejlert, die Handeldübermadht des Hanja=
bundes gebrochen, die noch unbebauten Streden des
innern Zandes folonifiert. Ein Einfall der Ruſſen
(1555—57) wurde zurüdgemiejen. 1556 ernannte
Gujtav feinen jüngern Sobn Johann zum Herzog
von F.; als diejer 1568 König von Schweben ges
worden, brachte feine ra — zum Katholicis⸗
mus Verwirrung ins Land. Beſonders aber hatte
F. während des langmierigen ruſſ. Krieges (1572
—92) zu leiden. Der Krieg wurde nicht ohne Erfolg
aeführt; Pontus de la Gardie eroberte Kerbolm
und Ingermanland, und Johann gab, erfreut über
dieje Stege, 1581 F. den Titel eines ———
tums. Der Krieg wurde erſt 1592 durch einen Waf—
fenſtillſtand, 1595 durch den Frieden zu Täyſinä
nahe Narva) beendigt. Die Wirren in den leßten
ahren des 16. Jahrh., ald der kath. Sigismund
in Polen und fein prot. Obeim —* Karl um die
ſchwed. Krone lämpften, fanden ihren Widerhall auch
in F. wo die Partei Sigismunds ihre vornehmſte
Stüge in dem Generalgouverneur über F. und
Reihsabmiral Clads Fleming hatte. Ein gegen ihn
von den finn. Bauern gemadter Aufitand, der Ion.
Keulentrieg 1596—97, wurde gewaltfam unterbrüdt,
aber na dem Tode Flemings fiel der Sieg dem
Herzog (Karl IX., — —
Unter deſſen Sohn Guſtav Adolf kämpften Shwe
den und Finnen auf Deutſchlands achtfeldern
movoll für die evang. Lehre. Noch näher be
rührte F. der Krieg mit Rußland (1609—17); die
finn. Truppen unter Jalob de la Garbie und Ewert
Horn erftürmten Nowgorod und zogen in Moskau
ein. Am zn zu Stolboma mußte Rußland
ngermanland und das Gebiet von Kerbolm an
chweden abtreten. In nationaler Hinfiht war
die durch den a en Frieden gewonnene Groß:
machtsſtellung Schwedens für F. nicht vorteilhaft:
die gebildeten Stände wurden mehr und mehr ſchwe⸗
diſch, die finn. Spracde nur ald Volksſprache benust.
Doch machte F. auch in diefer Zeit Fortſchritte, be:
fonders als der Graf Ber Brabe zweimal zum Gene
ralgouverneur in F. (1637—40, 1648—54) ernannt
wurde. Der materielle Wohlſtand wurde gefördert
und die geijtige Bildung durch die Gründung der
Univerfität in Abo merllich erböbt.
Im Nordischen Kriege (1700—21) wurde Wiborg
(1710) von den Rufjen erobert, 1713 vie Hauptitadt
Abo genommen, die wenigen finn. Truppen bei dem
Dorfe Napue 1714 in blutiger Schlacht vernichtet.
Sieben Jahre dauerte die harte ruſſ. Herrihaft; erſt
1721 im Frieden zu Nyſtad wurde der größte Teil
Brodbaus’ Ktonveriations-Legilon.. 14. Au R. A. VL
705
‚3 dem Reiche Schweden zurüderjtattet, während
iborg den Ruſſen zufiel. 1741 brad ein neuer
Krieg mit Rußland aus, ver unglücklich für Schwe:
den verlief; im Frieden zu Abo 1743 fam wieder ein
Zeil von F. an Rußland. Als Guftav II. (1771
—92) einen neuen Krieg (1788—90) gegen Ruß:
land angefangen batte, gab ſich die Mißſtimmung
egen den König bei der Armee in F. durd den
09. Anjalabund (f. d.) fund, der aber unterdrückt
wurde. Ebenſo wurde der Angriff Ruflands ab:
geichlagen; der Friede in Werelä 1790 beitätigte die
alten Örenzen. Der vierte Krieg brad 1808 aus
und endigte mit dem blutigen Sieg der Ruſſen
unter Kamenſtij bei Drawais. Am 29. März; 1809
bejtätigte Alerander L von Rußland ald Großſürſt
von F. in Borgä die Konftitution des Landes,
worauf der Huldigungseid von den Ständen ab:
gelegt wurde. Im Frieden zu Frederilshamn,
17. Sept. 1809, erfannte Schweden die Vereini-
gung 5.8 mit Rußland an. Für die höchſte Ber:
waltung wurde mit Mitwirkung der Stände ein
Regierungsconfeil (nad 1816 iger Senat für
5 genannt) in Abo geitiftet. Die höchſte admini:
trative Gewalt wurde dem Generalgouverneurüber:
tragen; er bat darüber zu wachen, daß überall die
Geſetze reipeltiert werben. 1811 wurde ber früber er:
oberteZeil(Gouvernement Wiborg) mit dem übrigen
. wieder vereinigt. 1819 wurde Heljingfors jtatt
bo Hauptitadt, und nad) einem Abo verheerenden
Brande 1827 auch die Univerfität nach Helfingforg
verlegt, das fomit dergeijtige Mittelpunft 5.3 wurde.
Unter der Regierung des Kaiſers Nikolaus (1825
—55) wurden die Stände, deren Einberufung nad
der alten Konftitution 1789 von dem Willen des
Herrſchers abhing, nicht zum Landtag berufen. 1850
wurde ein Verbot erlafjen, in der finn. Sprade an:
dere als religiöfe und wirtſchaftliche Bücher zu
druden, aber die Aufrechterhaltung des Verbots er:
wies fich bald als unmöglid. Während des Krim—
frieged wurden aud F.s Hüften von den Englän-
dern verbeert, die ifföwerften in den Städten
am Bottnifchen — verbrannt, die Feſtung
Bomarſund auf den Alandsinſeln erobert und
Sweaborg bombardiert.
n den vierziger Jahren entſtand durch den Philo⸗
{op en und Staatömann J. W. Snellman die finn.
ationalitätöpartei, die ald Forderung Anwendung
der finn. Sprade in der Schule und bei der Av:
miniftration, ftatt der ſchwediſchen, aufitellte. Ob:
wohl gegen Snellman und «die Fennomanen» balt
eine ſchwed. Partei «die Spelomanen» ſich bilvete,
baben doch die erftern mandyen Sieg davongetragen
und unter anderm die Verordnung zu ftande gebracht,
daß die Behörden eines Ortes die Sprade der Be
völferung gebrauchen ſollen. Für die Erweiterung
der fonjtitutionellen Freiheit baben beide ‘Parteien
zufammen gearbeitet. Vom Landtage wurde dann
1867 eine neue Landtagdorbnung angenommen und
15. April 1869 vom Kaifer beitätigt; diefelbe be:
jtimmt, daß die Stände wenigiteng jedes fünfte Seh
um Landtag berufen werben. Seit 1882 traten ſie
jedoch gewohnheitsmäßig jedes dritte Jahr zuſam⸗
men. Unter der Regierung Aleranders II. machte 5.
ſowohl in materieller als in geiftiger Hinficht beveu:
tende Fortſchritte. Eifenbahnen wurden gebaut, eine
Münzreform durchgeführt, der Volldunterricht ver:
bejiert, böbere finn. Knaben: und Töchterſch e⸗
gründet u. ſ. w. 1878 wurde die allgemeine Wehr—⸗
pfliht eingeführt. Kaifer Alerander III. ſchien das
45
106
Wert jeined Vaters in 5. fortießen zu wollen; das
Motionsrecht wurde 1886 den Ständen ——
Aber bald eröffnete in Rußland vie ſſawophile Preſſe
einen Kreuzzug gegen die freibeitliche und nationale
Gntwidlung 5.8. 1889 wurden in Petersburg drei
Kommiffionen niedergejegt, um das finn. Poſt-,
Münz: und Zollweien in größere Übereinjtimmung
mit dem ruffischen zu bringen, und durch ein Manifeit
(uni 1890) wurde dem ruf). Minifter des Innern
ein Auffichtsrecht über das finn. Boftwejen zuer:
fannt. Im felben Jabre wurde das ſchon publizierte
neue Striminalgejeg bis auf weiteres fujpendiert.
1891 wurde das für die Angelegenheiten 5.3 in
Vetersburg befindlihe Komitee — und eine
neue Preßverordnung, welche dem Generalgouver—
neur unbeſchränkte Befugnis in Preßangelegenheiten
verlieh, herausgegeben; im Sept. 1892 ein neues,
in mehrern Punkten von dem frühern abweichendes
Reglement für den Senat, ohne Mitwirkung der
Stände, erlaſſen. Mit dieſen Maßregeln ſchienen
jedoch die Ruſſifizierungsbeſtrebungen ihren Höhe—
punkt erreicht zu haben. 1894 kamen die Stände des
Großfürſtentums wieder zuſammen, worauf ihnen
das fufpendierte neue Strafgefeß wieder vorgelegt
wurde, das mit einigen Veränderungen ihre Ge:
nebmigung erbielt und dann vom Kaiſer janttio:
niert wurde. Bei feiner Thronbejteigung (1894)
publizierte Kaiſer Nitolaus ein Manifeit, worin er,
wie alle jeine Vorgänger jeit ya L, die
arundgejeßmäßige Kerfaffun 5.8 bejtätigte, und
23. Juli 1896 erließ er eine Verordnung, modurd
dem finländ. Senat die ihm unter Nlerander II.
1892 beſchränkten Rechte in vollem Umfang zurüd:
egeben wurden. Bald darauf machten ſich jedoch
eichen eines beginnenden eher bemerlbar,
und energifcher als je zuvor wurde die Ruffifizierung
des Landes und die Befeitigung der ie Son:
derftellung in Angriff genommen. Ein Ulas vom
8. Febr. 1897 verfügte, daß nur noch die rufj. Na—
tionalflagge gebraucht werden dürfe, und im Juli
1898 kündigte ein offener Brief des Zaren die Be:
rufung eines außerordentlihen Landtages für den
Jan. 1899 an, der das finländ. Webrpflichtgeiek
mit den in Rußland geltenden Vorfchriften in Ein:
Hang bringen jolle. Der Gefegentwurf, der dem von
dem neuen Generalgouverneur Bobrikow 24. Jan.
1899 eröffneten Landtage vorgelegt wurde, bedeutete
für F. eine weſentliche Erböbung feiner Militär:
laften, Verlängerung der Dientpflicht, Abſchaffung
des bisherigen jelbjtändigen finländ. Heers und Ein⸗
— desſelben in den ruſſ. Armeeverband.
m den Widerſtand des Landtags zu brechen und
den Entwurf auch event. gegen deſſen Willen zum
Geſetz werden zu laſſen, * ein kaiſerl. Mani:
feft vom 15. Jebr., daß die Angelegenheiten 3.8,
die zugleich auch —— des ganzen Reichs
ſeien, der finländ. Legislative, der nur noch eine
beratende Stimme zugeſtanden wurde, entzogen und
dem ruſſ. Reichsrat überwieſen werben follten. Die:
fer Utas, der —— als Aufhebung der bisheri⸗
gen finländ. Selbſtändigkeit angeſehen wurde, rief
im ganzen Lande die größte Beſtürzung hervor. Der
Senat wurde bejtürmt, feine Veröffentlibung zu
verweigern, fand aber nicht die Kraft dazu und be
bloß 18. Febr. mit 10 gegen 10 Stimmen die Bubli:
ation. Audienzen, die Deputationen des Senats
und der Stände beim Zaren nachſuchten, um die
Aufhebung des Ukaſes zu erbitten, wurden ver:
weigert, eine mit Hunderttaufenden von Unter:
Finland (Litteratur)
ſchriften bevedte Mafjenpetition des ganzen Volta
wurde nicht angenommen. Der Landtag, in dem
fih die Barteien der jennomanen und Svelomanen
u gemeinfamem Mideritand zuſammenſchloſſen, er:
ärte, den Ukas nicht als elek anerfennen zu lön«
nen, da er in einer der finländ. Grundverfajjung
nicht entiprechenden —* zu ſtande gekommen ſei.
Die Militärvorlage lehnte er ab, ſtellte dafür aber
ein Gegenprojelt auf, in dem die Selbſtändigkeit
des finländ,. Heerweſens gewahrt war. Der Proteft
des Landtags fand fein Gehör, vielmehr erfolgte
jet eine Reihe von Mafregeln, die auf die Bejeiti:
gung der Sonberitellung F.s abzielten. Bejonders
geſchah dies, ſeitdem das infubreiche, bisber ſtets
von einem Finländer befleidete Amt des Minifter:
ftaatöjelretärs für F. im Sommer 1899 dem rujf.
Senator von Plebwe übertragen war. So wurde
durch eine faiferl. Verordnung verfügt, daß der Land⸗
tag nicht wie bi&ber aller 3, jondern nur aller 4 Jahre
berufen werden folle, und am 18. Mai 1900 wurden
die befondern finländ. Poftwertzeihen abgeſchafft
und durch ruffische erſeßt. Eine bejonders einſchnei⸗
dende Wirkung übte der Erlaß vom 20. Juni 1900,
wodurch, nadıdem fchon 1899 die Kenntnis des
Ruſſiſchen für alle böbern Beamten vorgefhrieben
war, vom 1. Dft. 1900 ab die ruſſ. Sprade für
das Staatäjelretariat des Großfürjtentums F. die
finländ. une in Petersburg und die
Kanzlei des Generalgouverneurs eingeführt wurde.
Vom 1. Dt. 1903 ab gilt Ruffiih auch als Ge
fhäftsipracde des Senats, ausgenommen des Juſtiz⸗
departements, und vom 1. Dit. 1905 ab haben auch
die Gouverneure und die übrigen Hauptverwaltun:
en im Verfebr mit den über ihnen ftebenden Ber
Pörben die rufj. Sprache zu benugen. Durch weitere
Verfügungen wurde das Verſammlungsrecht ſtarlk bes
ſchränkt, wertvolle Dofumente aus der Zeit Alexan—
der? I. in das ruſſ. Staatsarhiv nach Petersburg
übergeführt, und durch Dekret vom 12. Juli 1901
die jelbftändige Stellung der finländ. Armee auf:
gehoben (j. oben Heermweien). Durch Verordnung vom
13. Xuni 1902 wurde der ruf). Sprache aud bei
den Gerichten und Verwaltungsbebörden Gleichbe⸗
redhtigung —— und durch Erlaß vom 15. April
1903 dem Generalgouverneur außerordentliche Boll:
machten übertragen, wonach er befugt ift, Berjonen,
die ihm gefährlich erfcheinen, den Hentai in F. zu
verfagen. Von diejer Befugnis machte der General:
gouverneur Bobrikow umfaſſenden Gebraud. Eine
tiefe Mißſtimmung bemädtigte fich des ganzen Lan:
des. Zahlreiche höbere Beamte legten ihre Stellen
nieder und viele tüchtige Kräfte wanderten aus. Die
Grbitterung bierüber führte 16. Juni 1904 zu einem
Attentat auf Bobrikow, dem dieſer am folgenden
Tage erlag. — — Obolenſtij.
Im Okt. 1905 wurde die ruff. Sprache als Geſchafts⸗
vrache für den Senat wieder aufgehoben.
Litteratur. Geographie: —— F. und die
Finländer (Lpz. 1868); Statistisk Arsbok för F.
(Helfingf. 1884 fg.); Retzius, F. (Natur, alte Kultur,
Volisleben; deutih von Appel, Berl. 1885); To:
pelius, Aus F. (deutich, 2 Bve., Gotha 1888); derſ.
Eine Reife in F. (deutic, 2. Aufl., Helfingf. 1885);
Ignatius, Statistisk Handbok för F. (ebd. 1890);
5. im 19. Jabrb. In Wort und Bild (2. Aufl., ebd.
1899); Frederitfen, La Finlande. Economie pu-
blique et privee (Bar. 1902; aud englifh, Zond,
1902). Karten: Karta öfver Storfurstendömet F.
(1:400000, 30 Bl., Helfingf. 1863— 72; wird jäbr-
Finländiſche Eifenbahnen
{id} erneuert); Atlas de Finlande (ebd. 1899); |.
aud —— (Rarten). a Ramiay,
. (deutib, Helfingf. 1896); Baededer, Rußland
5. Aufl., 2p3. 1901). Gefhichte und Staat:
recht: dl Chronicon episcoporum Finlan-
densium (Abo 1784—1800); Fr. Rübs, F. und feine
Bewohner (Lpz. 1809); Kajaani, Suomen historia
(Helfingf. 1846); Rein, Föreläsningar öfver F.s
historia (ebd. 1870— 71); Prjd Kostinen, Finn. Ges
ſchichte (deutſch, Lpz. 1874); —— on, F.s histo-
ria (Helfingf. 1887 —89; deutih von F. Arnheim,
Gotha 1896); Hadman, Die Bronzezeit 3.8 (Helſingf.
1897); Danieljon, Die Nordiſche ee ind R
1746—51 (ebd. 1888); derf., 5.8 og mit
dem Ruffiihen Reiche (ebd. 1891); 2. —
Das — des Großfürſtentums F. lim 4. Bde.
vom «Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegen⸗
wart», bg. von Marquardfen, Freib. i. Br. 1889);
iiber, F. and the tsars 1809—99 (2. Aufl., Zond.
Ben: Der außerordentlidhe finn. Landtag 1899.
Die Antworten der Stände auf die taiferl. Bor:
lagen über die Umgeſtaltung des finn. Heerweſens,
bg. von Arnheim (Lpz. 1900); Bornhat, Rußland
und F. (ebd. 1900); Geb, Das ſtaatsrechtliche Ver:
hältnis zwischen F. und Rußland (ebd. 1900); Ny:
bolm, Die Stellung F.s im ruff. Raijerreih (ebd.
1901); Finländ. Rundihau. Bierteljabrsjchrift, bg.
von Braufemwetter (ebd. 1901 fg.). ur Sn
Kae Eifenbahnen, f. Ruſſiſche Eifen-
inlay (pr. finnle), George, engl. Bhilbellene und
Geſchichtſchreiber, geb. 21. Dez. 1799 zu Favers ham
in Rent, von fchott. Abjtammung, ftudierte in Glas:
gow, dann in Göttingen die Rechte und begab ſich,
von philhelleniſcher Begeifterung erfüllt, 1823 nad)
Kephalonia, wo er jih an Lord Byron anſchloß,
mit dem er bis zu dejjen Tode durch treue Freund:
ſchaft verbunden blieb. Nach einem längern Auf:
enthalt in Jtalien (Winter 1824—25) gi er nach
Edinburgh, kehrte jedoch bald nach Griechenland
zurück. Hier nahm er 1827 teil an Lord Cochranes
erfolglojen Operationen zum Entfaß von Athen.
Nach der Unabbängigteitserllärung kaufte F. 1829
ein Yandgut in Attila, deſſen Bewirtihaftung als
Muſter für die Griechen dienen follte; allein unter
den obwaltenden ungünjtigen Zeitverbältnifien miß⸗
lang diefer Verſuch, und nah dem Berlujte feines
Vermögens wendete F. - von nun an in Athen
litterar, Arbeiten zu. ftarb 26. San 1875 in
Athen. Als erites Refultat feiner Studien ver
öffentlichte er 1836 «The Hellenic kingdom and
the Greek nation». Hierauf folgten «Remarks on
the topography of Oropia and Diacria» (Athen
1838; Krk ‚don ©. F. W. Hoffmann: «Hiftor.:
topogr. Abhandlungen über Attifa», Lpz. 1842) und
der erite Teil feines Hauptwerles «Greece under
the Romans» (Lond. 1843), der erfte Teil feines
fiebenbändigen es über griech. Geſchichte, das
1877 volljtändig u. d. T. «A history of Greece
from its conquest by the Romans to the present
time» (Orforb) erfhien.
Finmarfen, das nörblicite Amt Norwegens
und der nörblichite Teil Europas überhaupt, das
norweg. Lappland (j. Karte: Shweden und Nor:
wegen), umfaßt 47397, nad) —— 41287
qkm 5. ift ein Plateauland mit Steilabfällen
gegen das Meer und von fchmalen, durchſchnittlich
— Finne (Hautausfchlag) 707
ih Inſeln wie Sord, Seiland und Stjernd vors
gern, Unter den Buchten find die beveutenditen
der Alten:, Borjanger:, Laxe⸗, Tanas und Baranger:
Ho, unter den Flüffen der Alten: und die Tana:elv.
as Klima ift, wenn aud unter dem mildernden
.. des bier eiöfreien Dceans, ſehr kalt und
taub, Dies gilt namentlich auch von dem Norblap
(f. d) auf der Se Magerd. Die mittlere TZempes
ratur des kurzen Sommers ift 4°C. Schlimmer ala
die Winterlälte (Mitteltemperatur 36) find bie
DWinterftürme. Dem Mangel an Holz helfen im N.
reiche —— ab. Nur an geſchutzten Stellen ge
mwinnt man —** erſte, Kartoffeln und
Sen yore Der Graswuchs ift während des
kurzen Sommers in den Flußthälern außerordentlich
üppig. Kübe und Schafe finden auch im Winter
unter der Schneebede Nahrung. Die Bevölkerung
beitebt im nordl. Teile des Landes vorzugsmeife aus
Lappen (ſ. d.) und beträgt (1900) nur 32735 E.,
d. 1. 0,7 auf 1 qkm, darunter etwa 8000 Lappen
| und 6000 Finnen. Haupterwerbszweig iſt Iit
| (eng; Der) e(Rabeljau) wurden 1891 etwa 20 Mill.,
eitvem jährlich wechſelnd 13—16 und 8—9 Mill,
1900 nur 6*/, Milt. Stüd gefangen; ſeit mehrern
Jahren wird auch Walfiſchjagd getrieben. Das Amt
ie in fünf Bogteien: Alten, Hammerfeft, Tanen,
arbd und Varanger, von denen die zwei eritern
Meft:, die übrigen Dftfinmarten bilden. Es giebt
drei Raufftäbte: Hammerfeft (ſ. d.), die nördlichite
Stadt der Erde; VBarbö (f. d.), die dftlichfte Stadt
Norwegens, und Babjd, der Siß des Amtmanns. —
Dol. Reuſch, Volt og natur i 3. (Krift. 1895).
Finne oder Alne, ein fehr gewöhnlicher Haut:
ausjchlag, der vorzugsmeife im Geficht, nächſtdem
am Rüden, an der Bruft u. j w. auftritt. Er beruht
auf einer Entzündung und Berfehmärung der Talg:
drüfen der Haut, welche eine fette, didflüffige Maſſe
gen fog. Hauttalg) abfondern. Berftopft fich die
ſenmündung, jo ftaut der Hauttalg in den Drü-
fenfädchen an, didt ein und vertrodnet in der Nähe
der Öffnung, wobei er durd den von außen beige:
mifchten Staub u. dal. ſich ſchwärzlich färbt. Drüdt
man eine fo verftopfte Talgdruſe aus, jo dringt dei
dide Hauttalg wurjtförmig bervor und ähnelt einem
Wurmchen mit ſchwarzem Kopfe. Daher entitand
der Name Mitefjer (comedo). Übrigens kommen
wirklich zumweilen Heine Tierchen in dieſem Hauttalg
vor, die Haarbalgmilben (f. d., Demodex oder
Acarus folliculorum Sim. und Tafel: Spinnen:
tiere und Taufendfüßer U, Fig. 7), melde
jedoch mit bloßem Auge kaum aufzufinden find und
auf das Hautorgan keinen weitern ſchaͤdlichen Ein:
fluß üben. Entweder infolge der Anbäufung des
Hauttalgs oder aus andern, tiefer liegenden Ur:
— entzünden ſich —* die Talgdruſen, ſchwel⸗
en an und verurſachen kleine, rote Erhebungen
der Haut, welche man, wenn ſie den erwähnten
—— * Punkt zeigen, punktierte Nine nennt.
iefe Entzündung oder Schwellung kann ſich wie
ber zerteilen oder zur Eiterung fortjchreiten, ober
enblih obne Bereiterung fih vergrößern. Tritt
Eiterung ein, fo bilvet ſich eine Heine Puſtel, welche
bald vertrodnet, abfällt und eine allmäblich ver:
—— rote Erhebung, ſelten eine Heine
arbe zurüdläßt. Zieht fih die Entzündung obne
L | Eiterung in die Länge, fo entiteht eine chroniſche
nur 3—600 m hoben, aber mit ewigem Schnee und | Schwellung um die Talgdrüſe, ein fog.
Akne⸗
Eis bedeckten Gebirgen durchzogen; in die Küfte des | knoten, welcher ſich auf der Haut durch eine flache
Eismeers greifen zablreiche Fjorde tief ein, denen | rote Erhebung verrät. Die Krankbeit tritt gewöhn-
45*
708
(ich zuerft während der Pubertätsentwidlung auf
und verſchwindet nach verjelben meift wieder. Rei:
ungen der Haut, Unreinlichleit, Diätfebler und
—— begünjtigen zwar die Entſtehung ber
F., aber ihre eigentlihe Urſache liegt in einer nicht
weiter ertlärlichen Dispofition. Der * eller
Exceſſe auf die Entwicklun ir wird ſicher in
ganz ungerechtfertigter Weiſe überjhäpt. Alle Rei:
Kerpen der Haut durch Reiben, faltes Waſchen,
bigen und ſchroffe Temperaturwechſel find zu
meiden, die feiten Pfropfe aus den u be:
butjam und vorfihtig auszudrucken. Berftopfung
und Diätfehler find ftreng zu meiden. Günjtig wir:
ten Waſchungen mit wefelmäflern (jog. Kum⸗
merfeldſchem Vera er u. &.), Einreibung mit
weiber Präcipitatjalbe, Schwefelfalbe u. dagl. — liber
Rupferfinne f. Kupferroſe. — Bol. Jeßner, Die
Alne und ihre Behandlung (2. Aufl., Würzb. 1902).
Finne oder Blafenwurm, die Jugendform
gewiſſer Bandmwurmarten, f. Banbwürmer und Fin:
nenlranfbeit der Haustiere.
Finne, Höbenzug in Thüringen, im preuß.
Reg.:Bez. Merieburg, im SD. von der Ylm, im
ND. von der untern, im NW. von der obern Un:
ftrut und im SW. von der Lofje und der Fort:
jegung des Lofjathals bis Sulza begrenzt (f. Karte:
KönigreibSadfen, Provinz Anh u.ſ. w.
beim Artitel Sachſen, Königreich), zieht von SD.
nab NM. und befteht aus Buntlonofein und
Mufcheltalt. Durch das Thal des Helderbachs, der
unterhalb Heldrungen recht3 in die Unftrut mündet,
wird der Höbenrüden in zwei Züge getrennt, von
denen der nordöftlibe die Hohe Schrede, der
jübmwejtlie die Shmüde heißt. Die zur Unftrut
hei abfallende Shmüdebilvet mitder Hainleite(f.d.)
ei Sabjenburg einen Suavch die Thüringer
Bjorte ober Sadieninde. ie Schmüde erhebt
ich im Kinſelsberg zu 386 m und die Schrede im
Steiger zu 362 m Höhe, während der füdöſtl. Zug
der } nod eine Höhe von 333 m erreicht.
nnen, in ihrer eigenen Sprache Suomalainen
(Plural Suomalaiset), jind in engerer Bedeutung
ein Bolt, das feine Sitze bat fait in ganz Finland
(etwa 2250000), in Rußland im Petersburger
Gouvernement (Angermanland, darunter die Ayrä—
möifet, Samalot, Ingern, zufammen etwa 150000),
im nörbl. Schweden und in einigen Gegenden von
Wermland (etwa 20000), im nördl. Norwegen
(etwa 9000) und in Norbamerila (eingemwanbderte,
etwa 200 000), alfo im ganzen etwa 2 600000. Im
mweitern Sinne bezeihnet man mit F. oder rich
tiger finnifh=ugrifhen Stämmen die Völler,
die auf einem Gebiet wohnen, das ſich vom Ob und
Ural im D. bis zur Dftfee und Donau im ®. und
S, erjtredt (f. die Ethnographiſche Kartevon
Europa, beim Artitel Europa), d. b. im dftl. und
nörbl. Rußland, in las Gegenden, wo fie
{bon nah den älteften bijtor. Angaben anfäflig
waren (Tſchudj, d. i. Tſchuden der ruf). Ebroniiten).
Die Theorie vom afıat. Urſprung der finn.:ugrijchen
Bölter läßt fib nicht aufrecht halten. Im Gegen:
teil bat die ſprachhiſtor. Forſchung ergeben, daß die
Wiege aud der vorbiftor. Finno-Ugrier diesſeits
vom Ural geitanden bat, und nachweisbar haben
die F. (im engern Sinne), Ungarn, Wogulen und
Oſtjalen ibre Wanderungen von biefer ihrer Ur:
beimat aus in ihre jekigen Wobnfike angetreten.
Die einzelnen Zweige des rg en Stam:
mes find: 1) F. («die baltiſchen %.»), welche zerfallen
inne (Blafenwurm) — Finnen
in a. eigentlide %. (f. oben); b. Karelier (finn.
karjalainen, Plural karjalaiset), in Rußland im
meitl. Teil der Gouvernement3 Archangelsk und
Dlonez (etwa 90000) und außerdem noch in ben
Gouvernements Twer und Nomwgorod (nah dem
Stolbower Frieden eingewanderte etwa 150000);
die ſudl. Karelier im Gouvernement Dlonez und im
Härad Salmi in Finland werden au Dlonezer ge
nannt (olonezifch livviköt). c. Wepien («die nördl.
gie, in den Gouvernements Dlonez und Nom:
gorod, zufammen etwa 20000. d. Woten (wotiſch
vadjalaiset) im Peteröburger Gouvernement (im
norbwejtl. Ingermanland), etwa 2000. e. Ejtben
( d.; eſthniſch eestlased, finn. virolaiset). f. Liven
(1. d.; liviſch kalamied, d. b. Aalen, ober: rända-
list, d. b. Küftenbewohner) auf der nördlichiten Yan:
desipige von Kurland, etwa 3000. 2) Lappen
(j. d.; lappiich sabme). 3) Mordwinen (I. d.).
4) Tiheremiffen (f. d.; ticherem. mari, Menſch).
5) Syrjanen I d.; forjan. komi, d. b. an der
Kama wohnender) und Wotjalen (f.d.; wotjal.
udmurt, d. b. aud»:Menib = Wjatka⸗Menſch?) find
miteinander nabe verwandt und werben mit ge:
meinfamem NamenauhPermiergenannt. 6) Wo⸗
aulen (f. d.; wogul. mafısi) und Oſtjaken (ſ. d.;
oftjat, chonda-cho, d.h.Konda⸗Menſch, aubas-cho,
d, * Ob⸗Menſch), werben auch mit dem gemeinſamen
Namen Db:ugrifhe Völker genannt. 7) Ma:
gyaren (f. d., Ungarn) in Ungarn.
Von den —— finn.⸗ ugriſchen Stäm:
men mögen erwähnt werden die mit den Mord—
winen und Ticheremifien nabe verwandten Muro:
mer und Merier. Was die Lappen betrifit, fo ift
fehr wahrſcheinlich, daß fie antbropologif nicht zu
den Finno⸗Ugriern gebören, jondern von einem
Volle ganz anderer Raſſe ftammen, das ſchon früb
eine finn.zugriibe Sprade angenommen bat.
Die eigentlihe Erforihung der finn.⸗ugriſchen
Völker und Sprachen beginnt erft in der Mitte des
abrbunderts, ald Gaitren (f. d.), Reguly und
blavift (f. d.) auf ihren Reifen bei diefen Böltern
das notwendigafte Material gefammelt hatten. Am
Laufe der legten zwei Jabrzehnte haben mehrere finn.
und ungar. Forſcher die Materialfammlung fortge:
fegt,nebendem auch das vergleihendeStudbium Dee
Spraden bedeutende Fortihritte gemacht hat. Als
haralterijtiihe Züge der finn.ugrifchen Spraden
mögen folgende erwähnt werben: es giebt feingram-
matifches Beichle t; Zolalcafus, die das Eichbefn:
den irgendwo, die egung irgend wobin und von
irgendwo bezeichnen, find in einigen dieſer Spra:
ben fehr reichlich vorhanden, 5. B. im Finniſchen je
brei Caſus für die allgemeine, äußerlihe und inner:
liche Lolalität. Den Bofleffiopronomina der indo⸗
erman. Spraden entiprehen die Bofleifiwfuffire
? ‚B.talo-ni,talo-si,talo-nsa, mein, bein, ſein Haus).
as Verbum bat im allgemeinen zwei eigentliche
Zempusformen: Präfens, das die dauernde, un:
vollendete Handlung, und das Präteritum, das die
vollendete Handlung ausdrüdt. Der Konjunttiv:
—— ift mit einem Suffir abgeleitet, das urfprüng:
ich ein Suffir zur Bildung frequentativ«conativer
Berba geweſen ift. In einigen Spraden (morb-
winiſch, woguliſch, oſtjaliſch und ungarisch) lommt
auch eine objeltive Konjugation vor, mo das Objekt
durch das Perfonalfuffir ausgebrüdt wird (4. B.
morbwin. sodaj, er fennt, sodasy, er lennt ibn;
mogul. ponam, id ftelle, ponilem, ich ftelle ihn;
ungar. värok, ich warte, värlak, ich warte did). In
Finnenkrankheit
709
den meiften finn.:ugriihen Spraden findet fich eine ' Durchfall. Schließlich gingen die Verſuchstiere an
fpecielle negative Konjugation, in welcher die Nega⸗
tion fonjugiert wird, das Verbum aber unverändert
bleibt (3.8. finn. mene-n, mene-t, ic) gebe, du gebit;
e-n mene, e-t mene, ich gehe nicht, bu gebit nicht.
Nach einigen Forſchern find die finn.-ugrijchen
Sprachen weiter mit den famojedijchen, türf., mon:
gol. und mandſchu⸗tunguſiſchen Sprachen verwandt
und bilden mit diefen die jog. ural-altaiſche
(altaifhe) Spradbfamilie; doc ift man noch über
dieje Verwandtſchaft zu keiner Einigleit gelommen.
itteratur: Virchow, Phyſiſche Anthropologie
der F. (Berl. 1872); Retzius, Finskakranier (Stodh.
1878); Hälliten, Cränes des peuples finnois (Helfingf.
1881—85); Aapelin, Antiquites du Nord finno-
ougrien (ebd. 1877— 84); %. Krobn, Suomen surun
pakanallinen jumalanpalvelus (Der heidn. Kultus
des finn. Stammes, ebd. 1894); Wintler, Uralaltai:
he Völler und Sprachen (Berl. 1884); derf., Das
ralaltaifche und feine Gruppen (ebd. 1885). Außer:
dem Sjögrend und Caſtrens Werle. Setälä, Om de
finsk-ugriska spräken (Upfala 1888); derf., Tem:
pus: und Modusjtammbildung in den finn.-ugris
{hen Spraden (Helfingf. 1837); Bubenz, Az ugor
nyelvek összehasonlitö alaktana (Vergleichende
Formenlehre der ugriſchen Sprachen, 3 Bbe., Buda⸗
pet 1884— 94). Außerdem Journal und M&moires
de la Societ& Finno-ougrienne in Helfingfors,
Nyelvtudomänyi Közlem&nyek in’ Budapeſt und
Ugriſch⸗ finniſche Forihungen, hg. von Setälä und
Krobn (Helfingf. 1901 fe.).
Finnenfrankheit, eine Krankheit der Haustiere,
die dur Blafenwürmer, d. b. die Entwidlungsvor:
ftufen gewifjer Bandwurmarten, hervorgerufen wird,
Man verfteht unter F. ſchlechtweg Krantheitäzu:
ftände, die beim Rind und Schwein dur ganı e⸗
ſondere Blaſenwurmer verurſacht werden. Bei den
Schweinen N diefer der Zellgewebsblaſenſchwanz
(Schmeinefinne im engern Sinne, Cysticercus
cellulosae, ſ. Bandwürmer, dig: 3, im Tert), die un:
eſchlechtliche Vorſtufe des —
— solium) der Menſchen; beim Rinde dagegen
die ſog. Rindsfinne (Oysticercus inermis), die
Vorſtufe des ebenfalls im Menſchen ſchmarotzen⸗
den feiſten Bandwurms (Taenia saginata). Die
F. beim Schweine wurde früber auch Ausſaß
der Schweine genannt. Die Schweinefinne
unterjcheidet fi, bei ſchwacher Vergrößerung be:
trachtet, durch den Bejik eines Halenfranzes von
der unbewafineten Rindäfinne. Die F. bei Schwei:
nen und Rindern entwidelt fih, wenn Tiere diejer
Gattung Gelegenheit gefunden haben, eine ent:
ſprechende Bandwurmbrut aufzunehmen, die mit
menſchlichem Kote auf Viehweiden oder in Tränt:
ftellen gelangt war. Die Ausbildung und Ent:
widlung von innen in dem Mustelfleiih junger
Schmeine (f. nachſtehende Figur) und junger Rin-
der gebt in der Negel nit mit wahrnehmbaren
Eriheinungen einher. Ja es ift geradezu ——
lend, daß ed Schweine giebt, die troß maſſen—
hafter Beherbergung von Finnen ſich noch in
einem verhältnismäßig guten Ernährungszuſtande
befinden. Rinder ſcheinen empfindlicher zu ſein,
wenigſtens find ſchon Kälber nad künſtlicher In—
feltion mit Bandwurmbrut zu Grunde gegangen.
Diefe Tiere zeigten mehrere (3—4) Tage nad Auf:
nahme der Bandmwurmglieder die Erjheinungen
von hochgradiger Darmreizung, Appetitlofigteit,
Schmerzen im Binterleib und in den Gliedern, ſowie
|
|
|
—— — —— ——— — ——— —— —— —— —— —— — ——— — — — — — — — —
Erjhöpfung ein. Indeſſen handelte es ſich in dieſen
ällen immer um eine ſo ſtarle Aufnahme von
urmbrut, wie fie normal wohl nicht vorlommen
dürfte. BeiderSel:
tion folder Tiere
findet man nicht
allein die Muss
feln, fondern aud
die meiften übri—
gen Organe, na:
mentlih die Ein-
gemweide (Lunge,
Leber, Herz, außer:
dem auch das Ge:
birn u. ſ. w.), mit
innen förmlich
überfät. Da die
Sinnen zum Teil
(namentlich in den
Eingemweiden)früb:
zeitig abzuiterben
und zu vertäfen
pflegen, jo wurbe
dieje Krankheit mit
dem Namen Ge:
todentuberku—
oſe belegt; doch
bat dieſe Krankheit mit der Tuberkuloſe durchaus
nichtö gemein. Finnige Schweine jollen hin und
wieder Krantheitseriheinungen (beifere Stimme,
Ausgehen der Boriten, Jud der in der Haut)
wahrnehmen lafjen, aber diejelben find jo menig
fonjtant und bezeichnend, daß fie für die Dia:
noſtil der 3. ſchlechterdings nicht verwertet werden
Önnen. Dagegen laſſen ſich bei lebenden ftarf
nnigen Schweinen die Finnen als waſſerhelle
läschen unter der Zunge nachmeifen und bei jtarf
finnigen Kälbern durch die Haut, — an den
Kaumusleln und am Halſe, als kleine Knötchen
durchfühlen. Wichtig iſt die Vorbeuge gegen die
5 Hierzu gehört neben fachverjtändiger Abtrei-
ung und Vernichtung der menſchlichen Bandmwür:
mer vor allen Dingen die Negelung der Fleiſch—
ſchau. In den Ländern, in denen eine geregelte
leiſchſchau beſteht, werden mit innen bebaitete
iere nur unter gewijjen Umftänden (geringe Zahl
von Finnen) und unter der Bedingung, dab das
Fleifh nur in gelochtem Zuftande genofjen werde,
zur menſchlichen Nahrung zugelaffen. Kochen tötet
die Finnen. Als —A— — Nußtzen der Fleiſch
beſchau ſpringt die Thatſache in die Augen, daß
der — andwurm in den meiſten Gegenden
Deutſchlands jetzt zu den Seltenheiten gebört und
dadurch aud die F. beim einheimishen Schweine
recht felten geworden ift. Dieje Seltenheit wird
aber außerdem auch no daburd mit bedingt, daß
der Genuß * re aus Furt vor
den Trichinen ſehr nachgelaſſen bat. Für die Rinder:
—— und den durch ſie erzeugten Bandwurm beim
enſchen iſt dasſelbe zu erhoffen, F man 1888
auf dem Berliner Schlahtbofe die Entdedung ge
madt bat, daß finnige Rinder nicht fo jelten find,
wie man früher annahm, und daß man dur die
enauere Unterfuhung der Kaumuskeln bei den
indern in der Lage ift, felbit fpärliche Finnenein⸗
wanderungen feitzuitellen. Denn diefe Musteln ftnd
Lieblingsfige der Rinderfinne. — Vgl. Leudart, Die
Barafiten des Menihen (2. Aufl., Lpz. 1879 fa.).
710
Die F. wird ſchließlich noch ziemlich häufig be-
obachtet bei ven Feldhaſen, bei denen fie Ihon
von den Jägern als QTuberluloje oder gar als
Syphilis (dieje tommt bei Tieren überhaupt nicht
vor) fälſchlicherweiſe gedeutet worden iſt. Nach
Befeitigung der mit den innen bebafteten Ein:
geweide können ſolche Hafen ohne Anjtand genojjen
werden,
Fre Hr ſ. Biehverficherung.
innfifch, der Finnwal (f.d. und Tafel: Wals
tiere, Fig. 3). [babnen.
innife Eifenbahnen, ſ. Ruffifhe Eiiens
innifche Kriege, die beiden Kriege, welche zwi:
ſchen Rußland und Schweden 1783—90 und 1808—9
geführt wurden (j. Finland, Geſchichte).
Finnifche Litteratur, ſ. Finniihe Sprade
und Litteratur,
Finnifcher Meerbufen, rufj. Finskij Zaliv;
finn. Suomen Lahti; ſchwed. Finska Viken, ein Teil
der Ditjee, der fich zmifchen 59 und 60° nörbl. Br.
nah D. abzweigt, 400 km lang, 20—130 km
breit ift und im N. von Finland, im ©. und D.
von Eitbland und Angermanland (Gouvernement
St. Petersburg) begrenzt wird (f. Karte: Meftruß-
land und Ditjeeprovinzen, beim Artikel Ruß:
land). Die Tiefe am Süpufer ift größer ald am
Nordufer; fie erreicht nur an einzelnen Stellen 70 m.
Ebbe und Flut find nicht bemerkbar; doch fteigt das
Mafler bei Weit: und Südweſtwind und fällt bei
Ditwind. Der Salzgebalt ijtgering. Durch die Newa
wird der F. M. mit dem Ladoga- und Onegaſee
verbunden, durch die Narowa mit dem Peipusſee;
erner münden ein die Luga, Borgä, Kymmene u.a.
er Reichtum an pihden (Stör, Dorib, Salm,
Lachs, Scholle u. a.) ift groß. Eine Art kleiner He
ringe, dort Killoftrömlinge genannt, wird beſon—
derö bei Reval und Baltifhport aefangen. Die
Schiffahrt wird durch Sandbänke, Felſen, Schären,
im unge und Herbit durd Stürme und Nebel,
im Winter dur Eis erſchwert. Dennod ift der
Verkehr bedeutend, da der F. M. den Seeweg nad
Petersburg und einen großen Teil Rußlands bilvet.
Schiffe (darunter zahlreiche ie) aller Länder
laufen ein und aus, aud die Küſtenſchiffahrt ift ſehr
entmwidelt. Die a njeln (meift unbemwobnt)
des F. M. find Kotlin (Netufaari) mit Kronftadt,
Lavanfaari und Hochland (Suurfaari). Neben Pe:
teräburg find die hauptſächlichſten Handelshäfen:
Hapfal, Baltifhport, Reval in Ejtbland, Narwa in
— Wiborg, Fredrikshamn, Kotka,
owiſa, Borgä, Helſingfors, Elenäs, Hangd in
—— Kriegshäfen ſind Kronſtadt, Reval und
veaborg.
— Sprache und Litteratur. Die
finniſche (Suomi-) Sprache iſt das ent—
wickeltſte Glied des baltiſchen Zweigs der weſtlichen
finn.ugriſchen Familie (f. Finnen). Sie beſitzt außer
16 Div ange 10 Vokale, für welche jevod nur 8
verjchiedene Volalzeichen eriftieren, indem in der
Schrift die bintern e und i von den vordern e undi
nicht unterſchieden werden. Nach dem durcareifen:
den Geſetze ver Vokalharmonie fommen die Botale
der bintern Reihe (a o u, die bintern e und i) und
die Vokale der vordern Reihe (& ö y, die vordern e
und i) in ein und demjelben Worte nie vor, weshalb
jedes Suffir ſowohl binter: als vordervotalifc ift;
Fa talo-ssa, im Haus, aber kylä-ssä, im Dorf.
ine barakteriftifche Eigentümlichleit des Finniſchen
bildet der Honfonantenablaut, welcher darın beftebt,
Finnenverficherung — Yinnifche Sprache und Litteratur
daß die doppelten Verihlußlaute pp, tt, kk mit p,
t, k und dieſe mit v, d, Konfonantenibwund wech⸗
jeln; z. B. Nom. loppu, Ende: Gen. lopun; nuk-
kuva, fchlafend: nukut, du ſchläfſt; Nom. tapa,
©itte: Gen.tavan; Nom. sata, bundert: Gen. sadan,
lukea, leſen: luen, ich leje. Kein echt finn. Wort
fängt mit zwei oder mebrern Konfonanten an. Der
Accent liegt auf der erften Silbe des Wortes. Die
Deklination bietet einen großen Formenreichtum.
Es giebt 15 verſchiedene Cafus, von denen drei
(Nominativ, Bartitiv und Accufativ) zur Bezeich-
nung der Subjelts- und Dbjeltöverhältnifje bie:
nen, während die übrigen Örtlichkeit, Zeit, Urſache
u. ſ. m. bezeichnen. Die Rechtihreibung ift eine vor-
zügliche, indem fajt jeder Laut immer mit feinem
eigenen Zeichen wiedergegeben wird. Die Länge
wird ſowohl bei den Botalen als bei den Konionan-
ten durch Doppelichreibung bezeichnet; y = deutſch
0. — Die finn. Sprache zerfällt in zwei Dialelt-
ruppen: in eine westliche und eine djtliche, zwi-
BER welchen als ungefäbre Grenze eine Linie von
Fredrilshamn am Finniiben Meerbufen nah No
arleby am Bottnifchen Meerbufen gedacht werden
fann. Die Schriftiprache gründet fidh auf dem Weſt⸗
nnijchen, bat aber in neuerer Zeit vieles aus dem
f nnifchen aufgenommen.
m die wiflenichaftliche Erforfhung der finn.
Sprache haben jich in neuerer Zeit befonderdSjögren,
Eaitren, Lonnrot, Ablavift, Krobn, Genetz, Setälä
in Finland und Thomfen in Dänemark verdient ae
madt. Lexika von Renwall (finn.=lat.-deutich,
2 Boe., Abo 1826), Lönnrot (finn.-fhwer., 2 Boe.,
Helfinaf. 1866— 80 und Suppl. 1886) und Ermait
(finn.=deutfch, 1888). Grammatiten von Euren
(Abo 1849 u. b.), Jahnsſon (Helfingf. 1871), Genes
(Laut: und Formenlebre, 1881 u. d.) und Getälä
(Zaut: und Formenlehre 1898; Syntax, 1884 u. ö);
Wellewill, Braktiihe Grammatik der finn. Sprache
(Wien 1890); Eliot, A Finnish Grammar (Orford
1890); das Hauptwerk ift Setäläd Aännehistoria
(Hiftor. Lautlehre, 2 Bde., Helfingf. 1891— 92).
Beſonders intereflant ift die finnische Litte—
ratur wegen des reiben Scakes einer ſchönen
Volkspoeſie. Dieuriprünglichen finn. Volkslieder
oder Runo (in der Mebrzabl Runot) haben ala
Versmaß nur den vierfühigen Trobäus. Der End:
reim fommt jelten vor; dagegen ift der Stabreim
(Allitteration) durbgängig Regel. Dazu kommt
noch ala poet. Schmud der Gedantenreim (Baralle
lismus). Dieje Runo werden von eigenen Sängern
Runolaulajat)nad einer einförmigen Melodie unter
egleitung der Kantele (f. d.) vorgetragen. Außer
den epiſchen und lyriſchen Voltsgefängen giebt es
auch noch eigentümliche Zaubergejänge. Dieje alte
Voltspoefie, deren Heimat das öſtl. Finland und
Ruſſiſch-Karelien ift, erlifcht immer mehr. Die epi-
fhen Gefänge, von welchen ſchon Porthan (geit.
1804), Schröter und Topelius der Ültere einige ver:
öffentliht hatten, wurden forafältig von Lönnrot
gejammelt, der diejelben zu einem Ganzen orbnete
und (zuerjt 1835, dann faft um dad Doppelte ver:
mebrt 1849) u.d.T. «Kalevala» als nationales Epos
des finn. Volls veröffentlichte. (S. Ralemala.) 1840
aab Lönnrot no heraus: «Kanteletar» (neue Aufl.,
Helfingf. 1864), eine Sammlung von 592 lyriſchen
Dichtungen und 50 Balladen (deutfh von H. Baul,
ebd. 1882); die «Suomen kansan sanalaskuja» (ebd.
1842), ein Schas von 7077 Spridwörtern, und
«Suomen kansan arvoituksia» (2. Aufl., ebd.
Finnland — Finowkanal
1851), eine Sammlung von 2188 Rätſeln, ſowie
«Loitsurunoja» (1880), Zauberſpruche. Eine wifjen:
Ichaftlich geordnete Sammlung der abergläubiichen
Gebräuche gab M. Waronen (Helfingf. 1898) heraus.
Hierzu fam noch die von Gero Salmelainen beforgte
Sammlung von Boltsfagen und Märchen («Suo-
men kansan satuja ja tarinoita», 4 Bde. Heljingf.
1854—62; eine Auswahl ind Deutjche übertragen:
«Finn. Märden» von E. Schred, Weim. 1887).
Eine wiffenihaftlid geordnete Sammlung bejorgt
die Finniſche Litteraturgejellichaft u. d. T. «Suoma-
laisia kansansatuja» * 1und 2).
Die finn. Litteratur beginnt erſt mit der Re—
formation und iſt vom Biſchof Mich. Agricola ge—
gründet worden. Er gab heraus ein Gebetbuch
1544, die überſezung vom Neuen Teftament (1548),
das Kirchenhandbuch (1549) fowie einen Teil des
Alten Teftaments (1552). Eine vollftändige finn.
Bibel erihien 1642 in Stockholm. Alle übrigen
Drude jener Zeit find faft nur Erbauungsidriften
für das Volt, Erſt das Erwachen des National:
efühls, dem am Ende des 18. Jahrhunderts die
———— Porthans den erſten Anſtoß gaben,
und das Erſcheinen von «Kalevala» und die publis
ziſtiſchen und philoſ. Schriften 3. V. Snellmans
en vollen Bewußtjein brachten, gab der F. ©. u.
. einen mächtigen Aufſchwung. Die finn. Sprade
ift jest neben dem Schwediſchen amtlihe Sprace,
und der Unterricht wird in einer großen Anzahl
von Gymnafien und zum Teil in der Univerität
in ihr erteilt. Auch hat fich bereits eine eigene
moderne fitteratur entwidelt. Anfangs wurden
in gutem Finnisch Volksjhriften verſchiedener Art,
wie von Juden, Beder, Lönnrot u, a., veröffent:
liht, bald aber auch Daritellungen aus dem
Gebiete der Wiſſenſchaft ſowie Werte der Kunſt—
poefie. Großen Einfluß übte in dieſer Beziehung
die Finnische Litteraturgefellibaft (Suomalaisen
Kirjallisuuden Seura) zu Helſingfors, die nicht
nur die finn. Sprade, fondern auch die Denk—
male der finn. Nationalität, der finn. Boejie und
des finn. Geiftes überhaupt zu bearbeiten unter:
nabm; feit 1841 erſcheint ibr Jahrbuch «Suomi».
Aus neuerer Zeit find außer dem Gründer der
neufinn, Sitteratur Yönnrot bervorzubeben der Ge:
ſchichtſchreiber Nrjö:Kostinen (Finn. Geichichte, Lpz.
1874), die Dichter Olſanen (Ablavift), Suonio
(Krobn), der originelle Aleris Kivi (Novellen und
Dramen), Erfto (Gedichte und Dramen), Cajander
(Shatejpeare: liberjeger), Päipärinta (Schilderun:
en aus dem Boltsleben), J. Abo, der in feinen
ovellen und Romanen die beiten Vorbilder der
nn. Runftprofa geliefert bat, M. Canth (realis
tifche Dramen), ©. Ingman (biftor. Romane), X.
alkala (Romane), K. Leino (Gedichte). — Bol.
8* Krohn, Suomalaisen kirjallisuuden vaiheet
(Die Schidjale der finn. Litteratur, Helfingf. 1897);
Godenbjelm, Oppikirja suomalaisen kirjallisuu-
den historiassa (Sinn, Litteraturgeſchichte, 3. Aufl.,
ebd. 1898; engliich von Butler, Lond. 1896) ; Brauſe⸗
wetter, Finland im Bild feiner Dichtung (Berl.1899).
innland, |. Finland.
inn Magunfen, j. Magnusſon, Finnur.
nmarfen, |. Finmarken.
inntwal(Balaenoptera), Finnfiſch oder Fur:
chenwal, Bezeichnung derjenigen Arten der Wal:
iche, welche zwar, wie der echte grönländ. Walfiſch,
arten in dem Obertiefer ftatt Zähne tragen, von
diejem aber durch tiefe Hautfurdhen an der Unter:
711
ſeite des Körpers und durch die Anweſenheit einer
Rückenfloſſe ſich unterſcheiden. Die F. ſind von län:
erer gejtredter Geſtalt, raſcher und mutiger als die
alfiſche, haben weit weniger und ſchlechtern Speck
als dieſe, auch ſind ihre Barten kleiner, brüchiger
und daher weniger geſchätzt, ſo daß man ihnen
ſeltener nachſtellt. Sie nähren ſich vorzugsweiſe
von Fiſchen, beſonders Heringen. Zu ihnen ges
hören der nordiſche F., Heringswal oder
Finnfiſch (Sildehval der Norweger, Balaenop-
tera boops L., Physalus antiquorum Gray,
ſ. Tafel: Waltiere, sig. 3) und ver Budelwal
(Blaabval der Norweger, Balaenoptera Sib-
baldi), die beide bis 30 m lang werden und überall
um Norwegen vorlommen. Ihrer Wildheit und ihres
geringern Ihranz und Fifchbeinerträgnifies wegen
wurden fie früher nur jelten gejagt; jetzt aber ge:
lingt eö mittels Geſchühe, die auf 4Om Entfernung
eine Harpune jchleudern, welche mit einem Spreng⸗
peichofie verbunden und an einem armsdiden Tau
befeitigt ijt. Die Bombe tötet den Wal und die
Harpune mit dem Tau verhindert fein Unterfinfen.
Ein 5. von 25 m Länge liefert bis 80 t Thran;
leiih und Knochen werden zu Guano verarbeitet.
er Schnabel: oder Zwergwal (Balaenoptera
rostrata Fabricius), der ebentalls an den normeg.
Küften häufig ericheint und durch den nat:
förmig verlängerten Kopf fi auszeichnet, erreicht
nur eine Qänge von 10 m. Er wird feines wohl:
ſchmeckenden Fleiſches wegen viel gejagt. Der Ke—
portal der Grönländer (Balaenoptera longimana
Rudolphi) wird von den Eskimos gejagt; er unter:
ſcheidet fih durd lange Bruftflofjen.
DER UEREESERERN (fpr. finodiaro-), Samillo,
ital. Politiler, geb. 28. Jan. 1851 in Palermo, jtu:
dierte die Nechte und wurde Advokat. In das öffent:
liche Leben trat er mit Erfolg ald Stadtverordneter;
jeit 1882 ijt er Mitglied des ————
wo er ſich der von Criſpi geführten Gruppe der Linken
anſchloß. 1887 wurde er mit der fommijlarifchen
Berwaltung der Bürgermeifterftelle von Catania be:
traut und 1890 in gleicher Eigenichaft während einer
Kommunaltrife in Rom verwendet. Vom 15. Mai
1892 bis 28, Nov. 1893 war er PBojtminifter im
Kabinett Giolitti, 1895—97 Vicepräfident des Ab:
eorbnetenbaufes. Am 28. Juni 1898 wurde er
Juſtizminiſter im Kabinett Pellour und legte als
older dem Parlament einen die Einführung der
Eiviltrauung bezwedenden Geſehentwurf vor. No
vor defjen Erledigung aber mußte er mit dem ganzen
Minifterium 3. Mai end! gegen Im Kabinett
Fortis belleidete er von März 1905 bis Febr. 1906
wieder das Juſtizminiſterium.
Finocchio (ital., pr. -odio), ſ. Foeniculum.
inochetto (ipr. -Letto), ſ. Briabella.
inow, linfer Nebenfluß der Over im preu
Reg.:Bez. Potsdam, entipringt in Barnim in meb:
rern Bächen, fließt von Biejenthal ab nah N. und
mündet vermitteljt des Finowlanals (f. d.) bei Liepe
in die Alte Oder. _
Finotwlanal, ein Teil der Waſſerſtraße Span-
dau:Hohenjaathen, bildet die Verbindung gmwilchen
dem zur Havel gehörigen Voßlanal (f. die Tabelle 1
um rtitel Schiffahrtötanäle) und der Alten Oder
ei Liepe. Vom Voßkanal führt eine 16,50 km lange
gegrabene Strede bis zum Flüßchen Finow (ſ. d.),
dann wird dieied auf 23,50 km Länge und endlich
bi3 zu der zur (Neuen) Over führenden Hobenjaatbe:
ner Schleufe auf 13,60 km Länge, von denen auf
712
die von der Alten Over gebildeten Seen von Liepe
und Operberg 10,10 km fommen, die Alte Over be:
nugt. Den VBoflanal verläßt der F. auf 39,2, die
Hohenſaathener Schleuſe erreibt er auf 2, m
Meereshöhe. Das Gefälle wird durch 14 Doppel:
ichleufen vermittelt, die 41,06 m Länge und 9,60 m
Breite in der Kammer bei 5,34 m Thormweite haben,
während auf freier Strede der %. 23 m Waſſerſpie⸗
el:, 16 m Soblbreite und 1,75 m Tiefe hat. Der
5. erlaubt ven Verkehr mit Schiffen von 150—170 t,
und das Gleiche gilt von dem, nur um etwa 8 m
ſchmälern Werbelliner Kanal, derden F. in 10km
Länge durch zwei Schleuſen mit dem auf 43,4 m
Meereöböhe liegenden, 10,1 km langen Werbelliner
See verbindet. Der F. wurde ſchon 1540 geplant,
aber erſt 1605— 20 ausgebaut und ſchiffbar gemadht.
Während bed Dreigigjäbrigen Krieges verfiel die
Anlage ganz, bis Friedrich II. 1744 — 46 Be er:
neuerte; die Verdoppelung der Schleufen erfolgte
1846— 78, Obgleich neuerdings ein Teil des Ver:
lehrs vom Oder⸗Spree-Kanal (f. d.) —
wird, paſſierten doch den F. an der Eberswalder
Schleuſe 1899 noch 2063942 t in Schiffen und
56444 t Floßholz. Man bat daher in die große
wajlerwirtjchaftliche preuß. Gefekvorlage von 1901
einen «Großſchiffahrtsweg Berlin : Stettin», der
etwa parallel dem F. führen joll, aufgenommen.
Finsbury (ipr. innsberi), Stadtteilvon London
(1. d.), nörblih der Eity (j. den Blan: Inner:
Yondon, beim Artitel London), zäblte 1901 als
Varliamentary Borougb 14606 Dans mit einer
Bevöllerung von 165865 E., als Metropolitan
Borougb 101476 €.
inich, Dtto, Ornitholog und Reifender, geb.
8. Aug. 1839 zu Warmbrunn in Sclefien, war
urfprünglid für den Kaufmannsftand beitimmt,
wandte jıch aber fpäter naturwiſſenſchaftlichen Stu:
dien zu, erbielt nach zweijährigen Reifen in Ungarn
und der Türkei 1860 eine Stellung als Aififtent am
Königlih Niederländiihen Mufeum für Natur:
geihichte zu Leiden und wurde 1864 an das Na:
turhiſtoriſch-Ethnologiſche Muſeum nah Bremen
berufen, welches er bis 1878 leitete. Auch jebt
madte F. noch wiſſenſchaftliche ——————
durch Europa und Nordamerila. Mit der Führung
der vom Bremer PBolarverein ausgerüjteten wifjen:
ſchaftlichen Erpedition beauftragt, bereifte er 1876,
begleitet von Brebm und Graf Walpburg: Zeil,
einen Teil von Turfejtan, Nordweſtchina, Hoc:
Altai und drang längs des Ob bis zur Karabai
vor. Unterjtüßt von der Humboldt Stiftung und
im Auftrage der fönigl. Akademie der Wiſſenſchaften
in Berlin ging 3. Anfang 1879 nad der Süpjee,
befuchte bier vie Sandwidhınfeln, einen Teil Mikro:
neſiens (Marfball:, Gilbertinfeln, Karolinen), Me:
laneſiens (Bismard:Ardipel, Neuguinea), Aujtra:
lien und Neujeeland und lehrte Ende 1882 über Java
nad der Heimat zurüd, wo er in Delmenborft lebte.
Er erforſchte 18834 im Auftrage der Neuguinea:Gom:
pagnie die Nordoftlüfte von Neuguinea, was zur Er:
werbung derjelben als deutſches Schußgebiet führte.
Seit 1898 war er wieder in Leiden am Reichsmuſeum
für Naturgeſchichte tbätig; 1904 fam er als Etbno:
rapb an das Stäbtiihe Mufeum in Braunſchweig.
— «Neuguinea und feine Bewohner»
tem. 1865), «Die Papageien» (2 Bde., Leid. 1867
—69); mit Hartlaub: «Beitrag zur Fauna Central⸗
polynefiens» (Halle 1867), «Die Vögel Dftafrilas»
(Bd. 4 von von der Dedens «Reijen in Dairila
Finsbury — Finfteraarhorn
in den %. 1859 —65», Lpz. 1870), «Reife nad
Meitfibirien. Wifjenfhaftlihe Ergebnifie. Wir:
beltiere» (Wien 1879), «Reife nah Weitfibirien»
(2 Bde., Berl. 1879), «Antbropol. Ergebnifie einer
Reiſe in der Südfee und dem Malaiiſchen Archipel
in den %. 1879—82» (in der «Zeitichrift für Ethno⸗
logie», ebd. 1883, Supplement), «liber Belleidung,
Schmud und Tätowierung der Bapuas der Süpoit:
füfte von Neuguinea» (Wien 1886), «Hausbau, Häu:
jer und Siedelungen an der Südoſtküſte von Neu:
guinea» (ebd. 1887), «Abnorme Eberbauer» (ebd.
1887), «Tätowierung und Ziernarben in Melanefien
u. f. m.» (in MW, Joeſt, «Tätomwieren», Berl. 1887),
«Samoafabrten, Reifen in Kaiſer-Wilhelms-Land
und Englijh:Neuguinea» (Lpz. 1888; hierzu «Ethno-
log. Atlas, Typen aus der Steinzeit Neuguineas»,
24 Tafeln), «Etbnolog. Erfahrungen und Beleg:
tüde aus der Sübdfee» Terhte Abteilung: «Bismard:
rohipel»; zweite Abteilung: «Neuguinea», Wien
1888; dritte Abteilung: «Mitronefien», ebd. 1893),
«Spjtematifche Überficht der Ergebnifje feiner Reis
fen und fchriftitelleriichen Thätigleit. 1859 — 9%
(Berl. 1899), «Der Dujong» (Hamb. 1901). Für
die Anthropologie lieferte % wertvolles Material
in feiner Sammlung von «Gipsmaslken von Bölter:
typen der Sübdfee und des Malaiiſchen Archipele>,
164 Nummern, jämtlih nad Lebenden abgegofien
(die Driginalformen wurden von F. der General:
verwaltung der königl. Mufeen in Berlin zum Ge
ſchenk gemadıt).
Finihhafen, Hafen an der Norboitlüfte von
KRatjer-Milbelms: Land, nörblih vom Huongoli,
wurde 1884 von Finſch entdedt. 1885 wurde bier
eine Station der Reuguinen-Gompagnie angelegt,
die bis 1891 Gentraljtation der Kolonie und ©ik
des Yandeshauptmanns war.
infen, Nils Ryberg, Mediziner, ſ. Bd. 17.
infensmebdizinifchesti timftitut,i.Bd.17.
infpäng (ſpr. gene), Gut im ſchwed. Län
Dftergötland im NW. von Norrlöping, an den
Linien $.:Norsbolm, F.-Paälsboda (64 km) der
Schwed. Privatbahnen, bedvedt über 39000 ha, bat
Gijenbütten, Kanonengießerei, Waldwirtſchaft.
Fiuſpaäug, Geer af, Staatsmann, ſ. Geer af
Finſpaͤng.
Finfteraarhorn, der höchſte Gipfel ver Berner
Alpen (f. d. und Meftalpen), erbebt ſich 70 km füb:
öftlih von Bern an der Grenze der ſchweiz. Kantone
Bern und Wallis, in der SBaffericheive ya
Aare und Nhöne, zu 4275m Höhe, Von NW geſehen
ericheint der Berg als jcharflantige, eisgepanzerte
Pyramide, in Wirklichleit bildet er einen langen,
adigen Kamm aus Hornblende, der von SD. nach
WW, verläuft und mit dunfeln, von Schneelehlen
und Eisbändern durdfurdten Felswänden und
Firnbängen lints zum Wallifer Vieſcherfirn, rechts
zum Studer: und Jinfteraarfirn (j. Nargleticher)
abfällt. Der höchſte Gipfel bildet einen felfigen, meift
jchneefreien Kamm von etwa 15 m Länge. Nord:
weſtlich lehnt fi, durd das Agaffizioch (3850 m)
eichieden, das 3956 m hohe Agaſſizhorn, im SD.
chließt ſich die vierfeitige Pyramide des Rothorns
(3549 m) an. Die eriten Verſuche zur Bejteigung
machten im Juli 1812 die Gebrüder Mayer aus
Aarau, bei einem zweiten Verſuch 16. Aug. desjelben
Jahres erreichten ihre Fübrer die Spige. Die zweite
Beiteigung unternahm 1829 Profeſſor Hugi aus
Solothurn, der vom Vieſcherfirn aus über den nad
ibm benannten Hugifattel bis 70 m unter die Spihe
Finfterbergen — Fiore
elangte. Seither ift der Berg, deſſen Befteigung
ebr mühfam und anjtrengend, mehrmals, jogar
von Damen, erjtiegen worden. Bd. 17.
Bee Dorf in Sadıfen Gotha, |.
infterloch, Höhle im mürttemb. Jagittreife,
Dberamt Gmünd, bei Heubach in ver Alb, hat eine
Länge von 170 m.
ermette, |. Mette. j
infterm 4 in der oſterr. Bezirkshaupt⸗
mannſchaft Landed, durch welchen ſich der Inn,
aus dem Engadin in Tirol eintrelend, in einer tiefen
Schlucht zwãngt, während hoch über demſelben undder
alten Straße die neue, 1855 vollendete Straße, ein
ed der —— führt. Dieſelbe
überjchreitet auf der Gajetanbrüde den Inn (970m),
fteigt in Serpentinen, drei Tunnel und zwei gegen
die Yawinen mit Schußdächern bebedten Streden zu
der 1137 m hoben alten Fefte Hoh- Finftermüng
auf, verläßt bier den Inn und erreicht nad) 6 km
Naupders (1362 m). Die alte Straße folgt dem Inn
bis zu dem Turme Alt-Finftermünz (977m),
weider das Innthal fperrt. Auch landſchaftlich bie:
tet der F. großartige Bilder, einerſeits die tiefe, mit
Nadelholz dicht bewaldete Schlucht des Inn, ande:
rerjeitö den Ausblid auf die daen ——— des
Engadin. Kriegsgeſchichtlich iſt der Paß wichti
durch die Eroberung der Feſte F. durch Herzog Welt
von Bayern 1079 und durch die Kämpfe 1799 zwi⸗
ſchen ie hg und Öfterreichern. .
Finfternis, in der Ajtronomie im — en
Sinne jede Erſcheinung, bei der einem Beobachter
auf der Erbe der Anblid eines Himmelslorpers ganz
oder teilweife dur einen andern Himmelsförper
zeitweilig entzogen wird. Im engern Sinne rednet
man zu den F. nur die Mondfinſterniſſe (j. d.)
und bie Sonnenfinjterniffe Y d.), im weitern
Sinne aud die Bededungen (f. d.) und Durch:
gän pe (1. d.). A i
Finfterwalde, Stadt im Kreis Ludau des
preuß. Neg.:Bez. Frankfurt, rechts an dem zur Klei⸗
nen Elfter (Dober) gehenden Schadebah, an der
Linie Halle-Cottbus der Preuß. Staatsbahnen und
an der Nebenbahn Zſchiplau-F. (20 km), ift Sitz
eines Amtsgerichts (Landgericht Cottbus), eines
Steueramted und einer Re hsbantnebenftelle, bat
(1905) 11685 €., darunter 305 Katholilen und
27 Jsraeliten, Poſtamt erjter Klafje, Telegrapb,
got. Dreifaltigleitäfiche (1581) mit ſchonem Altar
und ſchöner Kanzel, Schloß, eine Mittel: und höhere
Mädchenſchule, äptitches Rrantenpauf, Rettungs:
us für verwahrlofte Kinder, ſtädtiſche Spar:
ajie, Gasanftalt; Eifengiebereien, Dampfmahl—
und Schneidemühlen, Fabrilation von Maſchinen,
Metallihrauben, Gummi, Spielwaren, vor allem
aber von Gigarren und Tuch (21 Fabrifen mit
5—600 mechan. Stühlen und 12—1300 Arbei:
tern). Das bier bergeftellte fait ausſchließlich
chwarze Tuch wird auf den Meſſen in Leipzig,
ankfurt a.D. und Braunſchweig abgeſetzt ſowie
nah Schweden und der Schweiz verjandt. In der
Umgegend große Braunlohlenlager. — F. lam mit
der Marlkgrafſchaft Nieverlaufig 1373 an Böhmen,
1635 an Rurſachſen und 1815 an Preußen. Am
17. April 1642 wurde die Stadt von den Schweden
unter Königsmarl völlig niedergebrannt.
Finftingen, franz. Fenéetrange, Hauptitabt
dee Kantons F. (190,56 qkın, 9783 E. 21 Gemeinden)
im reis Saarburg des Bezirls Lothringen, 15 km
713
PinieSaarburg-Saargemünbd der Elſaß⸗Lothr. Eiſen⸗
bahnen, Sis eines Amtsgerichts (Landgericht Ja:
bern), kath. Delanats, Konfiitoriums augsburg.
Belenntnifjes und einer Oberföriterei, bat (1900)
1057 E., darunter 468 Evangeliſche und 79 8:
raeliten, (1905) 1116 €., Poſt, Telegraph, Reſte
ehemaliger Befeitigungen, fpätgotifche tath. Pfarr⸗
tirhe, Schloß (17. Xabrb.), jest Gemeindehaus;
Gerberei, Bierbrauerei, Aderbau, Holzhandel.
Finte, in der Fechtlunſt Scheinangriff durch einen
angezogenen, aber nidyt ausgeführten Hieb oder
Stoß, um den Gegner zu einer vorzeitigen Gegen:
bewegung (Parade) zu veranlaflen und die dadurch
verurjachte Blöße zu einem nun wirllidy ausgeführten
Fintenſtoß oder Fintenbieb zu benußen. Je
nachdem vor Ausführung des wirklichen Angriffs
eine oder zwei F. angezogen werben, ſpricht man
von einfahen, doppelten u.f.w. F. Beichreibt
die Klinge dabei einen Kreis, jo heißen fie Kreis:
inten. Gerade %. beim Hiebfecten find_folde,
ei denen bie F. und der darauf jeigenne Finten⸗
—* einander gerade gegenüber, alſo in einer Ebene
iegen; andere beißen eehinien Eineinnere
F. iſt — bei der die erſte Bewegung auf der
innern Seite in Quart, eine äußere diejenige, bei
der die erſte Bewegung nad der äußern Seite in
Terz gemacht wird, Streihfinten beitehen nicht
bloß in dem Zeigen eines Stoßes, jondern man
faßt dabei zugleich mit der Stärfe der eigenen die
Schwäche der feindlichen Klinge und ſtreicht an der⸗
[chen bin, ald ob man einen wirflichen Stoß beab-
ıctigt. (S. audy Battuta, Ligade und Winden der
nte, Sti@gattung, f. Alte. [Klingen.)
inthen, Dorf in eindefien, ſ. Bd. 17.
iogo, japan. Hafen, ſ. Hiogo.
iora, ſchweiz. Dorf, |. Fluelen.
oravanti, Valentino, ital. Tonſetzer, geb.
11. Sept. 1764 in Rom, erbielt feine mufilaliiche
Ausbildung in Neapel. Seit 1787 fomponierte er 49
meift lomiſche Opern, von denen viele ibrer gefunden
Laune und anmutigen Heiterkeit wegen aud außer:
balb Italiens Glüd machten. Zu nennen find davon
befonders «Le cantatrice villane» und «I virtuosi
ambulanti». Zu Anfang des 19. Jahrh. hatte F.
eine Zeit lang In Lifjabon eine Stellung als Inten:
dant und Kompofiteur der dortigen Stalienifchen
Oper, 1816 ernannte ihn der Bapıt an Jannaconis
Stelle zum Kapellmeifter an St. Beter. Nun ſchrieb
er foit nur noch Kirchenlompoſitionen, von denen
3. B. ein Miferere für drei Frauenſtimmen, ein
Stabat mater und ein Dies irae für act reale
Stimmen zu nennen find. F. ftarb 16. Juni 1837
in Capua. — Sein Sohn Bincenzo, geb. 5. April
1799 in Rom, war ebenfalls ein fruchtbarer Kom:
ponift, befonders komischer Opern, wirkte meift an
Theatern in Neapel und jtarb dort 28. März 1877,
iöre, Pasquale, ital, Rechtsgelehrter, geb.
8, April 1837 zu Terligsi (Provinz Bari), wurde
1863 aalifor für internationales Recht in Urbino,
1865 in Piſa, 1876 in Turin, 1881 in Neapel, Er
ift mit ebenio großem Verdienſt auf den Gebieten
des internationalen Privat: und Strafrechtö wie
auf dem des Vollerrechts tbätig. Sein erjtes 63*
Werk «Nuovo diritto internazionale pubblico»
(Mail. 1865) wurde 1869 von Pradier⸗Fodere ins
Franzöfiiche überfegt; eine zweite Ausgabe erſchien
alö «Trattato di diritto internazionale pubblico»
in 8 Bon. (Zur. 1879 — 84; ſpaniſch von Garcia
nördlich von Saarburg, linl3 von der Saar, an der ı Morano 1880; franzöfiib von Antoine 1885); die
714
3. Auflage in Turin 1887—91. Ihm ſchließt ſich
an «Ördinamento giuridico della societä degli
stati. Il diritto internazionale codificato e la
gua sanzione giuridica» (Tur. 1890; franzoſiſch von
N. Chrétien, Par. 1890). Ferner find zu erwähnen
«Del fallimento secondo il diritto internazionale
privato» (Pifa 1873) und «Effetti internazionali
delle sentenze e degli atti» (TI. 1, 1875; TL. 2,
1877; lesterer als «Trait& de droit pénal inter-
national et de l’extradition» überfeßt von Eh. An:
toine, 2Bde., Par. 1880), und endlich «Diritto inter-
nazionale privato» (lor. 1869; 3. Aufl. in 9 Bon.,
Zur. 1888 fa.; franzöfifch nach der 1. Ausg. von
Bradier-Fodere, Var. 1875; nach der 3. Aufl. über:
jest von Ch. Antoine, Bd. 1 u. 2, ebd. 1890—91).
Außerdem veröffentlihte er «Delle disposizioni
generali sulla pubblicazione, interpretazione ed
applicazione delle leggi» (Zur. 1886) und «Dello
stato e della condizione giuridica delle persone»
(Bd. 1, Neap. 1893). [Roabem (f. d.).
iöre della Neve, Pſeudonym von M. G. L. van
orelli, Giuſeppe, ital. Arhäolog, geb. 8. Juni
1823 zu Neapel, erbielt 1845 die Nurficht über die
Ausgrabungen von Pompeji, wurde aber dieſer
Stellung 1849 aus polit. Rüdfichten entboben.
1860 wurde ihm die Aufficht über die Altertümer
in den ſudl. Provinzen Italiens fowie die Pro:
[eflur für die Archäologie an der Univerfität zu
eapel übertragen. Im —* 1862 zum Direktor
des Nationalmufeums zu Neapel ernannt und mit
der oberjten Leitung der Ausgrabungen in Unter:
italien betraut, wurde er 1875 Generaldirektor der
ital. Mufeen und Ausgrabungen und 1881 Gene:
raldireltor der Altertümer und fchönen Künſte.
Seit 1865 war er Senator des Königreichs Stalien.
Er ſtarb 29. Ian, 1896 in Neapel. Außer mebrern
numismat. Arbeiten veröffentlichte F.: «Notizia
dei vasi dipinti, rinvenuti a Cuma dal Conte di
Siracusa» (Neap. 1853), «Inscriptionum oscarum
apographa», «Pompeianarum antiquitatum histo-
ria» (2 Bde., ebd. 1853), «Cataloghi del Museo Na-
zionale di Napoli», «Relazione delle scoperte
archeologiche fatte in Italia dal 1846 al 1866»
(Bd. 1, ebd. 1866), «Gli scavi di Pompei dal 1861
al 1872» (ebd. 1873), «Descrizione di Pompei»
(ebd. 1875), «Documenti inediti per servire alla
storia dei musei d’Italia» (4 Bde. Flor. 1878 fg.).
Ferner redigierte F. die «Annali di numismatica»
(1846—51), das «Giornale degli scavi di Pompei»
(1853) fowie die in den «Atti della Accademia dei
Lincei» feit 1876 erfcheinenden «Notizie degli scavi
di antichitä».
orelli, Tiberius, ſ. Scaramuz.
orentino, —— ital. hbiloſoph, geb.
1. Mai 1834 zu Sambiaſe bei Nicaſtro in Gala:
brien, war Lehrer der Philoſophie erft an den
Gymnaſien zu Spoleto und Maddaloni, dann an
den Univerfitäten Bologna, Piſa und Neapel, Mit:
glied des ital. Parlaments und gab in Verbindung
mit Tallarigo das «Giornale Napoletano di filo-
sofia e lettere» heraus. Er jtarb 22. Dez. 1884 in
Reapel. Als Schüler Spaventas gehörte er der
Hegelihen Richtung an, wandte ſich aber fpäter
einer naturaliſtiſch realiftifchen Denkweiſe zu. Er
fhrieb: «La filosofia contemporanea in Italia»
(Neap. 1876), «Pietro Pomponazzi» (jFlor. 1868),
«Bernardino Telesio» (2 Bde., ebd. 1872), «Andrea
Cesalpino» (ebd. 1879), «Il risorgimento filosofico
del quattrocento» (ebd. 1884), « Lezioni di filoso-
Fiore della Neve — YFirän
fia» (für das Obergymnafium, 11. Aufl., ebd. 1891).
5. begann auch eine Ausgabe der Werte Giordano
runos (Bd. 1 u. 2, For. 1879 u. 1884) und ver
öffentlichte die Gedichte Tanſillos and 1882).
Florenzuöla d'Arda, Hauptitadt des Kreiſes
3. (68778 €.) in ber ital, Provinz Piacenza,
27 km im SD. von Piacenza, rechts an der Arda
und an ber Linie Parma: Piacenza des Adriatiſchen
und Mittelmeerneges, bat (1901) ald Gemeinde
7700 €., in Garnifon ein Bataillon Infanterie, eine
Kollegiatlirhe; Hanf-, Getreide: und Weinbau. —
F., mittellat. Florentiola, brachten im 15. Jabrb.
die Pallavicini, 1587 Aleflandro Farnefe an fid.
In der Nähe die Ruinen von Velleja.
Fidri da Urbino, Beiname des ital. Malere
Federigo Baroccio (f. d.).
ioringraß, |. Agrostis.
iorint, Matteo, ital. Geograpb, geb. 14. Aug.
1827 zu Selinano (Provinz Alefjandrıa), ftubierte
1844 in Turin, wo er ſich 1848 für mathem. Disci-
plinen habilitierte und zugleih als Wafjerbauins
genieur thätig war, wurde 1858 Mitglied der Pie
monteſiſchen Eajtraltommiffion und 1860 ord. Bros
fejlor der Geodätik in Bologna, in welcher Stellung
er his zu feinem am 15. Jan. 1901 erfolgten Tode
verblieb. Sein Hauptgebiet war die Kartograpbie.
Gr ſchrieb unter anderm: «Le projezioni delle carte
geografiche» (Bologna 1881), «Gerardo Merca-
tore e le sue carte geografiche» (ebd, 1889), «Le
sfere cosmografiche e specialmente le sfere ter-
restri» (im «Bolletino della Societä Geografica
Italiana», Rom 1893; deutih von Günther u.d. 2.
«Erd: und Himmelsgloben, ihre Gefbichte und Hons
ftruftion», Lpz. 1895), «Sfere terrestri e celesti di
autore italiano oppure fatte o conservate in Ita-
lia» (Rom 1899).
Fiorino (ital., gleichbedeutend mit Gulden),
Name einer Goldmänze im alten Florenz (f. Gulden
und Dulaten), einer frübern Gelvgröße und einer
Silbermünze im Großberzogtum Toscana. Biel
eringer al die alten Fiorini d’oro (nur etwa *,,
[ic war die fpätere Rechnungsgröße des Namens
„von 1, toscan. Lire, 33", Soldi oder 100 Duat:
trini. Ber Einführung der — — nach ital. Lire
wurde die toscan. Lira zu 0,84 ital. Lire oder Fran⸗
fen tarifiert, was für den F. 1,4 Fr. (ju 05 M)=
1,134 M. ergiebt. [j. Roloratur.
en (ital., « Blüten»), in der Muſik,
irän, Dafe auf der Halbinfel Sinai, im frucht⸗
bariten Thal derjelben. Es tritt bier, am Fuße
des Serbäl, das einzig perennierenbe Wafler, ein
Heiner Bad, aus dem Felſen, um bald darauf, bei
der Krümmung El:Heswe, wieder im Boden zu vers
ſchwinden. Lepſius («Reife von Theben nad der
Halbinfel des Sinai», Berl. 1846) verlegt bierber
Rapbirim, wo Moſes Wafler aus dem Felſen
hlägt, und den Ort, mo er am Berge Gottes
malef überwindet. Vei F., beionders aber nord»
weſtlich im Wadi el-mulattab, finden fich die je
finaitijchen yrihriften aus dem 1. bis 6. Nabrb.
n. Chr., rob eingerite Figuren von Menjcen,
Tieren und Buchſtaben an den Felswänden, die
nah Euting («Sinaitische Anichriften», Berl. 1891)
von Kameltreibern und bejonder® auch von flaufs
leuten berrübren, die auf den MWeideplägen des
Sinai Halt madten, bis fi ihre von den Reife
ſtrapazen angegriffenen Raramanenltamele wieder
erholt hatten. Schon im 4. Jahrh. hatte F. Kloſter
und Kirche mit einem Biſchof von Pharan oder
Fircks — Firenzuola
dem Berge Sinai, für den man damals den nahen
Serbäl Belt Der Abfall der Mönde von F. zur
monotbeletijchen lebre veranlaßte aldvann die
Gründung des Sinaillofterd® auf dem Dſchebel
Müfa durch Auftinian I.
ircks, Theodor, Baron von, ald Schriftiteller
befannt unter dem Namen Schedo⸗-Ferroti, geb.
7. April 1812 zu Kalwen in Hurland, war als In—
enieuroffizier längere Zeit in Sübrußland und der
i — Ar 1860 wurde er biplomat.
a
—— nds in Brüffel, mußte aber die
eig feier feiner zu Gunften Polens ver:
faßten Schri
«Lettre d’un patriote polonais au
gouvernement national de la —— (Berl. 1863)
Se eben. Er lebte fortan in Dresden und ftarb da⸗
ſelbſt 25. Oft. 1872. F. war feinerzeit neben Herzen
der einflußreichfte polit. Schriftiteller Rußlands.
in Hauptwerk find die «Eitudes sur l’avenir de la
Russie» (10 Bde., Berl. 185668; einzelne öfter),
das die Bauernbefreiung, den Abjolutismus, den
Adel u. f. mw. behandelt. Daran reihen fi:
«Lettres sur l’instruction populaire en Russie»
3. 1869) und «Die internationale Arbeiter:
eme u (Berl. 1872).
rdäfi, Abu -Kakim Mankütr, der berübmtejte
epiſche Dichter der Tale eb. 939 in Schadab bei
Zus in Choraſſan (daber jein Beiname Tüft) auf
der Befigung Firdus fein betannterer Bei:
name); nad des perf. Dichter Dſchami Erzählung
oll er F. (richtiger Firdaußi, nad neuperf. Aus:
prache Firdoußi, d. 1. auch der Paradieſiſche) des-
alb benannt worden fein, weil er den Hof bes
ultans von Ghasni durch feine Gedichte in ein
Paradies verwandelt habe. Seinen Ruhm ver:
dankt er dem faft 60000 Doppelverje enthaltenden
Schähnäme («Königsbudh»), einer en Dar:
ftellung der perj. Geſchichte von der Erſchaffung
ber Welt bis zum Untergang ber Safjaniden. Die
Entjtebung dieſes Heldengebichts erzählt die im
15. Jahrh. verfaßte profatiche Einleitung zu dem:
elben, die im ganzen zuverläffige Nachrichten ent:
L den erſten J des legten Saſſaniden
Sdegerb III. (632 — 651) wurde ein großes Ge-
chichtsbuch in der Pehlewiſprache oder Sprache der
sarther und Safjaniden, das Khudäinäme (« Rd:
nigsbudy), vollendet, das im Drient weit verbreitet
war und aud ins Arabifche überfeht wurde. Die
Sultane von Chorafjan gaben die Anregung zu einer
metriihen Behandlung desjelben, welche von Daliki
unter der Dynaftie der Samaniden —— von
F. aber in großartigem Stil, in dem Versmaß des
epiſchen Reimpaares (jede der beiden Zeilen iſt ein
Elffilbler von vier Bacchien, deren vierter um eine
Silbe verkürzt ift) vollendet ward. Sein Volt der
Erbe bat dem Schähnäme ein feine ganze Ber
gangenbeit behandelndes hiftor. Gedicht von gleichem
dichteriſchem Gehalt zur Seite & ftellen. 5. ſoll
—* dem —— u dar e. nur —
n angen und fi eine Satire gerächt
han ie ihm den Zorn des Sultans und zeitweis
ige Berbannung zuzog. Doc ftarb er 1020 mit
ahmud —— hinterließ keine Nachkom⸗
men, ein Sohn war ihm in jungen Jahren geſtor⸗
en Schickſalsſchlag findet ſich
ben (die Elegie auf di
im Schähnäme).
Die Handſchriften des Schähnäme find zahl
reich, eö giebt beſonders prachtvoll gejchriebene und
mit Miniaturen gezierte (einige Nacbıldun en ohne
Farben in Dubeur’ «La Perse», Bar. 1841); ſie geben
115
auf den Tert zurüd, welcher 1425 auf Beranlaffun
des Baifangar Chän, eines Enlels Timurs, na
vielfacher Berverbnis durch zahlloſe in ige ber»
geitellt worden war. Die Hauptauägaben find bie
von Turner Macan (4 Bde., Kallutta 1829), von
Jul. Mohl (mit franz. Überjegung, lebtere auch
befonders veröffentlicht, 7 Bpe, in Fol. Bar. 1838
— 78) und J. A. Bullers (durch des Herausgebers
Tod unterbrochen, 2 Bde. und 3 Hefte des 3. Ban⸗
des, Leid. 1877— 83). Im Drient giebt es lithogra:
bierte Ausgaben, oft mit Alluftrationen; unter
ibnen ift 3.8. die 1851 in Teberan erfchienene, von
Mohammen Mehdi von Ispahan, nah T. Macans
Ausgabe litbograpbiert. Eine von Lumsden (Kal
futta 1811) begonnene Ausgabe wurde nicht fort
geſetzt. Überfeht find nur einzelne Teile des Schäh-
näme, wie die Tötung des Suhrab burd feinen
Vater Ruftem von Atlinfon (mit dem perſ. Tert,
Kaltutta 1814), von Pig (Barma 1872), von
Rüdert (in ganz freier Nachbildung «Roftem und
Subrab», Erlangen 1838). Die von Ehampion bes
gonnene Überjehung blieb beim erften Bande fteben
(Zond. 1788; durd fie erbielt Schiller die Anregung
zu den Rätfeln ver Turandot), auch Atkinfons Über:
jeßung («The Shah Nameh», ebd. 1833; neu bg.
1886 u. 1892) giebt nur Auzzü e. gie
Auszüge finden fich in Görres’ « Heldenbub von
Fran» (2 Bve., Berl. 1820); Weib von Startenfels
überjehte die Geſchichte von Säl und Rudabeh (Wien
1840) und die des Hai Hämwiıs (ebd. 1851). Das Beſte
in diefer Art ift des Grafen Ad. Friedr. von Schad
Uberſetzung von 19 zum Teil unmittelbar nn
der folgenden, zum Teil durch orientierenbe Anal
jen in Zufammenbang gejegten Abichnitten, mit
meilterhafter Wiedergabe des Eindruds des Drigir
nals: «Heldenfagen von 3.» (Berl. 1865; 3. Aufl.,
3 Bbe., Stuttg. 1877), eine Verbindung zweier früber
ejondert erſchienener Werte, der «Heldenfagen von
# (Berl. 1851) und der «Epifhen Dichtungen aus
dem Perfifchen des %.» (2 Bpe., ebv. 1858). Eine
Überfegung Nüderts wurde von Bayer herausge⸗
geben («Firdofis Königsbud», 3 Bde. ebd. 1890—
35). Schon im 12. Jabrb. wurbe ein Auszug des
Schähnäme von Kawäm ed-din Abu ’l- Fatab in
arabijcher, 1510 durch Tätär Alu Efendi eine Bear:
beitung in türfifcher, 1846 eine Por e in binduftan,
Sprache durd den Munſchi Molangefertigt. Andere
Werte findet man in von Hammers « Geichichte der
ibönen Redelünſte Perſiens» (Wien 1818), S. 56,
angeführt. Ein anderes epiiches Gedicht des F. if
das noch nicht veröffentlichte von Auffuf und Sur
leiba (deutfh von D. von Schlechta⸗Wſſehrd, Mien
1889), das er in Bagdad zur Zeit feines Erilö ver:
faßte und en Echtbeit mit Unrecht bezmeifelt
worden 2 i in neuerer Zeit find durch Herm,
Erbe bie lyriſchen Gedichte 5.8 belannt ge
worden (in den «Sitzungsberichten der Tönigl.
eine Alademier, Münd. 1872 u. 1873). —
Bol. Nölvele, Das iranijche Nationalepos (Straßb.
1896).
Fire Eater (engl., ſpr. feir ibt’r, d. b. Feuer:
[reilen), ein [eivenfchaftficher übereilt bandelnder
enſch, in der norbamerif. Barteifprache von den
fanatifchen Fübrern der Stlavereipolitif gebraucht.
Firenf, |. rent.
Firenze, ital. Name von Florenz.
gem uola, Angelo (Agnolo Giovannini), ital.
Schriftſteller, geb. 28. Sept. 1493 zu Florenz, ftur
dierte zu Siena und Berugia, trat in den Orden
716
von Ballombrofa und hielt fi mehrere Jahre in
Rom auf, wo er drei Pfrunden erhielt. Seit etwa
1530 biß zu feinem Tode (gegen 1545) lebte er in
Prato. Seine Werte beiteben in burlesten Verſen,
yei Komödien («I Lucidi» und «La Trinuzia»),
einer Überfegung von Apulejus' «Goldenem Ejel»,
+ Discorsi degli animali» (in Profa), dem Dialog
» Delle bellezze delle donne», zehn Novellen und
einer Schrift gegen Triffinos orthographiſche Neue:
rungen («Discacciamento delle nuove lettere»).
Sefamtausgabe feiner Werte von Biandi (Flor.
1848). — Val. Novelle di A. F. seguite dai discorsi
delle bellezze delle donne e dai discorsi degli
unimali (hg. von Guerrini, Flor. 1886).
Fire-test (engl., fpr. jeir, d. b. Feuerprobe),
die amtliche Beitimmung der Entzündungstempe-
ratur des Petroleums (f. gr
irifchte, — aßim Hindüfchäh, perſ.
Geſchichtſchreiber Indiens, geb. um 1550 zu Nitra:
bad, fam 1589 nad Bidſchapur an den Hof des
Ibrahim Adil Schäb, in deſſen Auftrag er eine Ge:
dichte der mohammed. Dynaftien Indiens von dem
uge des Hedihadic gegen Sindh und Multan im
Jahrh. und von den * erobernden Sul⸗
tanen von Ghasni an (Anfang des 11. Jahrh.) bis
1606 verfaßte. Diefes Mi e, nad 32 vom Verfafler
Bampaft gemachten Geihichtsbücern bearbeitete
Wert ift befannt u. d. T. Tärikh-i Firischta
(«Chronik des F.v), der aller felbjt nannte e3
Gulschan-i Ibrähimi («Rofenbain Jbrabims»), in
der zweiten Ausgabe von 1609 Tärikh-i Nauras-
näme («Ehronil des Naurasbuch3» ; die Stadt Nau⸗
ras war 1599 von Adil Schab gegründet). Der
— * Text wurde in Bombay und Lalhnau 1831
ithographiert; —— Partien wurden von Alex.
Dow («History of Hindostan», 3 Bde., Lond. 1768
— 72), Anderjon («Account of Malabar» in «Asiatic
Miscellany», 1786) und Jonathan Scott («History
of Dekkan, translated», 2. Aufl., 2 Bve., Lond.
1800) befannt gemacht, das ganze Wert uberſeßt von
Sohn Briggs ÜThe history of the rise of the Mo-
bammedan power in India till 1612», 4 Bbe., ebd.
1829). Die Einleitung über die Hindulönige wurde
überjegt von Dowſon in H. M. Elliots «History of
India» (8 Bde. Lond.1867— 77). — Vgl. Rieu, Cata-
logue of the Persian manuscripts in the British
Museum (Lond. 1879), ©. 225, wo fi auch die fon:
ftine Litteratur über F. findet. j
Firtin (jpr. för-). 1) Älteres brit. Biermaß, in
den Vereinigten Staaten von Amerila noch im
Gebraud, von zweierlei Art: das F. Ale = 8 alte
Bier-⸗Gallons = 2256 engl. Kubikzoll = 36,688 1;
das F. Borter = 9 alte Bier-Gallons = 2538 engl.
Kubitzoll = 41,58985 1; 1 Porter-Firfin = 1”), Ale:
Firlin, oder 8 Porter: Firlin = 9 Ale: Frlin;
2) jegiges, ſeit 1826 geſehliches brit. Maß für alle
Bierjorten, von 9 Jmperial:Gallons=2495 46 engl,
Kubitzoll = 40,811 1; 3) ältere brit. Gewichtäjtufe
ir Butter und Seife: das F. Butter (au in den
ereinigten Staaten von Amerila) = 56 Handels:
pfund (Bfund — 254012 kg; das F.
weiche Seife = 64 Handelspfund = 29,0299 kg.
Firle, Walther, Genremaler, geb. 22. Aug.
1859 zu Breslau, bilvete ſich auf der Münchener
Alademie und im Atelier von Löffs. Durd die
franz. und bolländ. Schule beeinflußt, malte er unter
anderm: — in einem bolländ. Waiſen⸗
baufe (1885; Berliner Nationalgalerie), Die Sonn:
tagsichule (1886; Budapeft, Muſeum), Im Trauer:
Fire-test — Firma
baufe (1888; Muſeum in Breslau), Näbftunde
(1888), In der Genejung (1892; Mufeum in Magde⸗
burg), Der Glaube (Triptychon, 1898; Mujeum in
Leipzig), Heilige Nacht (Triptychon, 1897; Bremer
Runftkalle), BVergieb uns unfre Schuld (Mufeum in
Köln), Morgenandadıt (feit 1901 im Städelſchen In⸗
ftitut zu Frankfurt). Der Künftler lebt in Münden.
Firlefanz, im Mittelalter Name eines Tanzes;
dann Bezeihnung für etwas Läppiſches, Geden-
baftes, Flitterlram, Poſſen, auch für einen läppi-
ſchen, gedenbaften Menicen.
Firlot (ipr. för-), älteres ſchott. Maß für jchütt-
bare feite Körper, ein Viertel des Boll (f.d.). Das
. war zmweierlei: 1) für Weizen, Roggen, Erbjen,
Bohnen, Futterlörner und mweihes Sal; (F. von
Linlithgow, das Normalmaß)—=21*/, ſchoit. Flüffig-
leits-Pints = 7,925 engl. Imperial: Gallong oder
0,3906 Imperial⸗Buſhels = 36,00588 1; 2) für Gerfte,
Malz, Hafer, Kartoffeln und Obſt = 31 ſchott.
Flüftigleits:Pints = 11,561 engl. IJmperial-Gallone
oder 1,1151 Imperial:Bufbels = 52,52028 1. 124 $.
der eriten Art waren = 85 5. der zweiten Art.
Firm (lat.), feit, fiher, geübt.
Firma (engl. firm; franz. raison; ital. firma,
ragione; fpan. firma comercial; bolländ. und
portug. firma), vom lat. firmare (was im Mittel:
alter die Beitätigung einer Urkunde mit der Unter
fchrift oder dem Warenzeichen des Kaufmanns ber
deutete) fommendes Wort, das den Namen, unter
welhem der Kaufmann im Handel feine Geſchäfte
betreibt und feine Unterfchrift abgiebt, bezeichnet,
Am Deutihen Neihe find die Beitimmungen über
die faufmännifchen F. in den $$. 17—87 des Han»
delsgeſeßbuchs enthalten. Diejelben finden feine
Anwendung auf Handwerker fowie auf Perſonen,
deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang bes
Kleingewerbes binausgebt ($. 4). Im übrigen i
die F. wie das Warenzeihen eine allen handel—
treibenden Nationen belannte Einrichtung. Beide
dienen dazu, für die gefhäftlihen Beziehungen nach
außen das Geihäft unabhängig von dem Wechſel
der Verfonen zu machen, indem he das durd Soli:
dität der F. und der Ware erworbene Vertrauen dem
Geihäft erhalten. Daber werden für gute alte B;
wie für renommierte Warenzeichen bisweilen bo
Preije gezahlt. Doc ift nad 8.23 des Deutjchen
Handelsgeſeßbuchs die Veräußerung einer F., ab:
geſondert von dem Handelsgeſchäft, ei welches fie
geführt wird, nicht zuläffig. Der Kaufmann, welcher
ein unter Lebenden erworbenes Handelägefhäft
unter der bisherigen F. mit oder ohne Beirügung
eines das Nacfolgeverbältnis andeutenden Zus
ſatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des
Geſchäfts begründeten Berbindlichleiten des frübern
Inhabers, wenn nicht in handelsüblicher Weife das
egenteil befannt gemacht wird 6 25). Dasjelbe
ilt bei Umbildung eines Geſchäfis in eine Beer,
if binfichtlih des perſönlich —*— Geſell⸗
chafters und des Kommanditiſten, ſelbſt dann, wenn
die Geſellſchaft die frühere F. nicht fortführt (8.28).
Nah deutihem Recht darf ein Kaufmann, welder
fein Geſchäft ohne Gejellihafter oder nur mit einem
itillen Gejellibafter betreibt (Einzellaufmann)
nur feinen Familiennamen mit minbejtend einem
ausgeichriebenen Vornamen als F. en Er darf
der F. feinen Zujaß beifügen, welder ein Gefell:
ihaftsverhältnis andeutet. Dagegen find andere
Zufäße geitattet, welche zu näherer Bezeichnung ber
Werf on oder des Geſchäfts dienen, jedoch nicht ſolche
Firmament — Firmenid-Richark
welche über Art oder Umfang des Geſchäfts u. f. w.
täufchen können (f. auch Unlauterer Wettbewerb).
Die F. einer Offenen ng La RU
muß den Namen wenigiten® eines der Geſellſchafter
mit einem das Vorhandenſein einer Gejellihaft ans
deutenden Seh enthalten. Die 5. einer Kom:
manditgejellihaft muß den Namen wenigſtens
eines perjönlic haftenden Geſellſchafters mit einem
das Vorbandenfein einer Gejellibaft andeutenden
gg ger Soc ea ra
omwie die F. einer Kommanditgeſellſchaft auf Altien
muß in der Regel von dem Gegenſtande ihrer Unter:
nehmung entlebnt fein (Sadhfirma). Die eritere
3. hat außerdem die Bezeichnung Altiengeſellſchaft,
die legtere die Bezeichnung Kommanditgeſellſchaft
auf Aktien zu * ($. 20). — Diele Beftim:
mungen find indejlen dabur für viele Fälle be
deutungslos, daß derjenige, welcher ein Handel:
geihäft unter Lebenden oder von Todes wegen er:
wirbt, dasſelbe unter der biäherigen F. mit oder
ohne einen das Nachfolgeverhältnis andeutenden
ah fortführen fann, wenn der bisherige Ge
häftsinhaber oder deſſen Erben in die Fortführung
der F. ausprüdlich willigen. So kann die F. eines
Einzeltaufmanns fortgeführt werben, wenn derjelbe
durd Aufnahme eines Teilbabers eine Offene Han:
delögejellibaft oder eine Kommanditgeſellſchaft be:
gründet. Ebenjo kann eine Geſellſchaftsfirma weiter
x übrt werden durd einen Einzellaufmann. Das
eiche gilt, wenn jemand auf Grund eines Nieß⸗
braubs, Pachtvertrags oder eines ähnlichen Ber:
bältnifies das Gefhäft übernimmt, und wenn in
einer — ——— der Name eines Geſellſchaf⸗
ters ſteht, bedarf ed zur Fortführung der F. bei
feinem Ausſcheiden feiner Einwilligung. Freilich
tönnen bei folder Zuläffigleit des unveränderten
Fortführens der biäberigen F. Taufchungen und Jrr⸗
tümer über die — des Geihäftsinhabers ent:
fteben. Daher haben nah der Gewerbeordnung
8. 15a) alle Gewerbsleute mit offenem Laden ihren
miliennamen, wenn dieſer nicht aus der F. zu
erjeben ift, nebjt Vornamen an dem Laden in deut:
lich lesbarer Schrift anzubringen. Über die F. einer
Gejellfhaft mit beſchränkter DAIEBRET dv,
und über die F. einer Erwerbs- und Wirt:
ſchaftsgenoſſenſchaft ſ. d.
In Oſterreich gilt das Allgemeine Deutſche Han:
delsgeſeßbuch von 1861, auch Ungarn fchließt fich
—— daran an. Die Beſtimmungen für bie
Schweiz find in dem Obligationenrecht Art. 865 fg.
enthalten. Danach bat jeder, mwelder ſich durch
Verträge verpflibten kann, das Recht, fib in
das Handelsregiſter feines Wohnortes eintragen
u lafien; und wenn er unter einer F. ein Ge
Inäft betreibt, fann er die F. in das Handels:
tegijter des Ortes, wo er feine Hauptnieberlaffung
bat, eintragen laffen, und nachdem dies gejcheben
ift, aud am (andern) Drte der Zweignieberlajjung
eintragen laflen. Wer ein nad faufmännifcher Art
geführtes Gewerbe betreibt, ift zur Cintragung ver:
pflichtet. Bezüglich der Wahl ver F. beſteht abwei:
hend von Deutichland das franz. Syſtem der Wabr:
beit der F. Danach find zwar die deutichen Beitim:
mungen über die F. des Einzellaufmanns und der
Handelögejellichaften entiprehend nachgebildet; es
ift aber vorgeſchrieben (Art.872), daß, wenn eine Per:
fon, deren Name in einer Kollektiv: (Offenen Handels:
geſellſchaft) oder a, aufgenom:
men ijt, aufhört, Mitglied der Gejellichaft zu fein,
717
auch mit Einwilligung dieſer Berjon oder ihrer Erben
die bisherige Gejellibaftsfirma nicht beibehalten
werben darf. Der Erwerber oder libernebmer eines
beſtehenden Geſchäfts hat feine F. fo zu führen wie
im Falle ver Neubegründung. Er darf nur einen
dad Nachfolgeverhältnis andeutenden Zufaß bei-
von (Art. 874). Die vor dem 1. Yan. 1883 be:
tebenden %. durften, wenn fie dem Gefek nicht
entipraden, nur bis 31. Dez. 1892 fortbeiteben und
mußten fi ſchon vorher den Vorſchriften des
Gejehes fügen, wenn irgend eine Anderung der F.
vorgenommen wurde (Art. 902).
ie das Schweizer Gejek fchreibt das Deutſche
vor, daß jeder Kaufmann verpflichtet ift, feine F.
bei dem Handelsgeriht zur Eintragung in das
Handelsregiſter anzumelden ($. 29). Wenn die 5. ges
ändert wird ober erlifcht oder der Ort der Nieder:
lafjung verlegt wird, oder wenn die Inhaber der F.
ſich ändern, jo ift Dies anzumelden. Ebenjo wenn eine
Handelsgeſellſchaft in Liquidation tritt. Das Geſen
beitimmt die Folgen, welche fih an die Eintragung
und an die Unterlafjung derjelben nüpfen ($. 15).
Das Handelögeriht kann die Beteiligten zur Ber
folgung diejer Vorſchriften durch Ordnungsſtrafen
anhalten ($. 14). Kann auf dieſem Wege die Eins
tragung, daß eine %. erlojchen ijt, nicht berbei-
efübhrt werden, jo hat das Handelägericht das Erlö:
Pen von Amts wegen einzutragen (8.31). Handelds
ana hi fönnen unter ihrer F. Hagen und verr
lagt werden, au Grundftüde erwerben, fo daß bei
dem Eintritt oder bei dem Austritt eines Geſell—
Wahr eine Umſchreibung im Grundbuche nicht er⸗
orberlich ift, wenn die Geſellſchaft troß der Unde⸗
rung der Perſonen befteben bleibt.
Jede neue F. muß fib von allen an demfelben
Drte oder in derfelben Gemeinde beſtehenden und
in das en eingetragenen F. unter
iheiden ($. 30). Das Hecht zu firmieren haben
der Inhaber der F., der von demſelben beitellte
Prokuriſt ($. 51), der Handlungsbevollmädtigte
(8.57) — beide mit einem entiprechenden yulap _,
der Vertreter einer Handelsgeſellſchaft, der Borftand
einer Genofjenihaft. Wer dur den unbefugten
Gebraud) einer F. in feinen Rechten verlept ift, kann
den Unberedtigten auf Unterlafjung ver weitern
hrung der F. und Schabenerja verklagen ($.37).
tab dem —— zum Schutze der Warenbe⸗
zeichnungen vom 12. Mai 1894 wird der wiſſentliche
Mißbrauch der F. in Briefen, Ankündigungen u. ſ. w.
mit einer auf Antrag zu verhängenden Strafe (150
— 5000 M. oder bi8 6 Monate Gefängnis) beitraft
und iſt Entſchädigung zu leiften. Nach $. 8 des Ger
feßes zur Belämpfung des unlautern Wettbewerbs
vom 27. Mai 1896 ift Shadenerjagpflichtin, wer im
geſchäftlichen Verkehr eine F. in einer Weiſe benupt,
welche darauf berechnet und geeignet ift, —
lungen mit der F. hervorzurufen, deren ſich ein
anderer befugterweife bedient. Auch kann Unter:
laflung verlangt werben.
irmament (as j. Himmel.
irmelung, |. Firmung.
irmen, Mebrzabl von Firma (f. d.).
——————— yo: Mattbias, Dichter
und Germanift, geb. 5. Juli 1808 in Köln, bereifte
nad Beendigung feiner Univerfitätsftudien zu Bonn
und Münden längere Zeit Deutſchland, Jtalien,
anfreih u. f. w., wurde in Rom, wo er zwei
abre weilte, mit Thorwaldſen, Horace Vernet,
oh, Reinhart und Gornelius befannt und lebte
718
päter innig verbunden mit Anaftafius Grün in
ien, wo aud jeine Tragödie «Elotilda Montalvi»
(Berl. 1840) entitand. Später wobnte F. in Köln
und Düfjeldorf, jeit 1839 in Berlin, wurde 1860 zum
Profejlor ernannt und ftarb 10. Mai 1889 in Pots⸗
dam. Sin Berlin veröffentlichte er die «Tpayobdra
"Poupaix&» (2 Tle., Berl. 1840—67), neugried.
Bollsgelänge in Original und Überfekung. Von
feinen eigenen Dichtungen in hochdeutſcher, engl.,
neugrieb. und andern Spraden iſt nod feine
vollftändige ern ggg doc baben ein:
yon feiner deutfchen Yieder, von Küden u. a. in
Muſil geſetzt, wegen ihres vollstümlichen Charak—
ters Beifall gefunden. Sehr verdient machte ſich
F. durch Begründung des Nationalwerles «Germa—
niens Bölferftimmen» (3 Bde., Berl. 1843 —66;
Nachträge 1867), der teihbaltigiten Sammlung für
deutſche Mundarten in Dichtungen, Sagen u. ſ. w.
Eine ähnliche Sammlung für die Mundarten der
franz. Spracde regte F. 1851 bei Napoleon IL. an,
Als Volititer wirkte er für die Gründung eines
Nationalvereing zum Schuße des Deutſchtums.
irmenregiiter, |. Hanbeläregiiter.
— d. 17.
irmian, Karl Joſ., Graf von, dfterr. Staats⸗
mann und Kunſtfreund, geb.6. Aug. 1716 zu Deutſch⸗
metz in Tirol, erhielt feine Bildung zu Erthal, Inns⸗
brud, Salzburg und auf der Univerfität zu Leiden
und begab ſich and nad Frankreich und Italien,
mo er jeinen Geſchmad für die jhönen Künjte aus:
bildete. Als Franz I. 1745 den deutichen Kaiſerthron
bejtiegen hatte, febrte F. nach Deutichland zurüd
und widmete fih den Staatögeibäften. Maria The:
refia ernannte ihn 1753 zum Gejandten in Neapel
und 1759 zum bevollmädhtigten Minijter in der Lom⸗
barbei, wo er fih dur Hebung des Aderbaues,
bed Handels und ber — und durch Förde
rung der Wiflenihaften, insbejondere dur Errich—
tung von Bibliotbefen hervortbat. . Ausgezeichnete
Verdienfte erwarb er fih namentlich um die Stabt
Mailand. %. ftarb 20, Juli 1782 und binterließ
eine auserlejene Bibliothet von 40000 Bänden und
toftbare Kunitfammlungen. — Bol. Biblioteca Fir-
ıniana (10 Bde., Mail. 1783).
Leopold Anton, Graf von F., Dbeim des
vorigen, geb. 27. Mai 1679, ſeit 1727 Erzbiſchof
von Salzburg, ift berüchtigt durch die Berfolgung der
Proteftanten in jeinem Erzbistum, die, gegen 30.000
an Zahl, im Winter 1731 —32 gewaltjam genötigt
wurden, aus dem Lande zu wandern und zum großen
Zeil dur Friedrich Wilhelm J. in Dftpreußen an:
gefiedelt wurden. Nicht Neligionseifer allein, jon-
dern vorzüglich Geiz war es, der ihn bierzu veran-
laßte. Nicht zufrieden mit den Abzugsgeldern, welche
die Auswandernden bezablen mußten, ließ er ihnen,
wo ed nur thunlich, den Prozeß als Empörer machen,
ſo daß ſie auch — ihres Vermögens verluſtig wur:
den. Gr ftarb 22. Ott. 1744. Eine Epifode aus die
fer Vertreibung der Salzburger regte Goethe zu feis
nem Epos «Hermann und Dorothea» an. — Val.
Arnold, Die Vertreibung der Salzburger Brote:
—— (Lpz. 1900); derſ., Die Ausrottung des
roteſtantismus unter Erzbiſchof F. (Halle 1900).
Ein anderes Mitglied dieſer Familie war Karl
Leopold Mar, Grafvon F. — — zu
Wien, geb. 1766, geſt. 29. Nov. 1831 zu Wien.
irmicus Matéernus, Julius, lat. Schrift:
3 er, ſchtieb um 350 n. Chr. acht Bücher über
itrologie («Matheseos libri VIlI»), worin er im
Firmenregiſter — Firmung
Geifte der Neuplatoniter eine vollitändige Theorie
des ajtrol. Aberglaubens vortrug. Die Schrift wurde
außer in den «Astronomici veteres» (2 Tle. Vened.
1499) von Brudner (Baf. 1533 u. 1551), dann von
Eittl (TI. 1, Lpz. 1894) und endlich von Kroll und
Slutſch (ebd. 1897 fg.) berausgegeben.
Um diejelbe Zeit verfaßte ein gleihnamiger chriſtl.
Autor eine an die Söhne Konitantins d. Gr, Eon:
itantius und Conſtans, gerichtete Schrift«Deerrore
rofanarum religionum», über den Irrwahn des
eidentums, worin die Kaiſer zur völligen Ausrot:
tung der legten Spuren des Heidentums aufgefor-
dert werben. Ausgaben von Flacius (Straßb. 1562),
Burfian (Lpz. 1856) und am beiten mit Minucius
Felix zufammen von Halm (im «Corpus scriptorum
ecclesiasticorum latinorum», Bd. 2, Wien 1867).
Firmieren, einen Geſchäftsnamen (j. Firma)
führen und mit diefem Namen unterzeichnen.
Firmin-Didot (jpr. -mäng), Firmin: Didot
frere3 und Firmin-Didot & Eie., ſ. Didot.
Firminh, Hauptitadt des Kantons F. im Ar
rondifjement St. Etienne des franz. Depart. Loire,
in 480 m Höbe auf einem Berge, an der Linie
Et. Etienne-Le Puy und St. Rambert F.St. Juft:
jur:Loire der Franz. Mittelmeerbabn, bat (1901)
14924, ald Gemeinde 16903 E.; wichtige Stein:
toblengruben, Glasbütten, Stablwerte (Achſen, Sen:
fen, — Eiſenwarenfabrikation, Bandweberei
und Kohlenhandel.
irmität (lat.), Feſtigkeit, Stärke; firmiter, we
irmling, ſ. Firmung. tanpba
irmnamen, Firmpate, ſ. Firmung und Bate,
irmum Picenum, röm. Kolonie, |. Fermo.
irmung, aub $irmelung (lat. ConÄrmatio,
Sacramentum chrismatis, früber auch Unctio, Si-
gillum), in der kath. Kirche das zweite der fieben
Satramente, beitebt in Händeauflegen des Biſchofs,
der Salbung mit dem — * (j. d.) und Gebet.
Als Wirkung der F. gilt die geiftlibe Stärkung
durch den Heiligen Geiſt. Schon im Neuen Teita:
ment findet fih die Vorftellung, daß durch Hand:
auflegung von Apojteln und sllteften der Heilige
Geiſt übergeleitet werde. Uriprünglid war die
——— mit der Taufe verbunden; ſchon
im 2. Jahrh. fam die Salbung hinzu. Seit bem
8. Jabrb. wurde im Abendlande die Handauflegung
von der Taufe zeitlich getrennt und das befondere
Saframent der F. eingeführt. Während die Taufe
von jedem Prieſter volljogen werden kann, tit die
5. den Biſchöfen als Nachfolgern der Apojtel vor:
behalten. Nur mit bejonderer Ermädtigung des
Papſtes und in dringenden Fällen wird fie aud
von Priejtern geipendet. Die griech. Kirche hat den
alten Brauch, Taufe und g (Salbung) zu ver
binden und auch letztere durch den Prieiter ſpenden
zu lafjen, feitgehalten. Der jatramentale Eharafter
der F. wirb in der kath. Kirche begründet teils auf
Bibeljtellen, wie Apojtelgeih. 8, 1.—ı7 und 19, 1—$;
2 or. 1, 21, 22; 1 ob. 2, 20, 27, teild auf die Tra⸗
bition, die Lehre der Kirchenväter und die Beſchlüſſe
mehrerer Konzilien, namentlib des zu Lyon 1274,
Die F. wird rapie im 7. Lebendjahre erteilt,
meijt gelegentlih der Jirmungsreijen der Bis
KM Die F. darf nicht wiederholt werden, meil
ie der Seele einen «unauslöſchlichen Ebaratter»
einprägt. Bei dem Ritus jelbjt wird die Stim (in
der griech. Kirche au Augen, Naſe, Obren, Füße)
mit dem Chrisma in Kreuzesform bezeichnet mit den
(lat.) Worten: «ch bezeichne did mit dem Zeichen
Firn — Firft
des Kreuzes und Ban dich mit dem Chrisma des
Heils im Namen des Vaters, des Sohnes und des
Heiligen Geiftes». Hierauf erhält der Firmling
einen leichten Badenjtreich zur Erinnerung an Chriſti
Leiden und als Hinweis auf die eigenen Widerwär:
tigteiten um des Glaubens willen. Wie bei ber
Taufe, muß ein Zeuge, der Firmpate (ſ. Pate),
—— der mit dem Firmlinge durch die
. in eine Geiſtliche Verwandtſchaft (ſ. d.) tritt, die
er ſogar Ehehindernis war; auch erhält der
irmling einen neuen Namen, den Sirmnamen.
ie Konfirmation (f. d.) in der prot. Kirche ijt von
ar verſchieden. — Bol. Heimbucher, Die heilige
3. (Augsb. 1889). {
Firm (franz. neve), ver Hochgebirgsſchnee in den
‚ ber 1 durh die oberflählihe Schmel-
ung und Einfidern des Schmelzwaſſers in Eislörner
(Sientörner) verwandelt bat, deren jedes ein uns
volltommener Eiskryſtall ift. Bei fortdauernd ab»
wechſelndem Schmelzen und Gefrieren (Regela:
tion, j. Eis) verwandelt ſich der F. in weißes, bla:
figes Eis, endlich durch Drud und Infiltration von
ftet3 aufs neue gefrierendem Wafler in fompaltes
Gletſchereis. Firnmulden beißen die Hochthäler
der Schneeregion, in denen dieſe Umwandlung
vor ſich geht, Firnfelder die mit F. bedeckten
zus änge; beide find die Nefervoirs, aus denen
die Gletſcher geſpeiſt werden. So entiteht der Aletich:
letiber aus der Vereinigung des Großen Aletſch⸗
—* des Jungfraufirns und des Ewigſchneefelds.
irnflecken find Heinere, beſonders in den Kalk—
alpen vortommende Firnfelder. Der fog. ewige
Schnee ift in feinen ältern Partien immer F.
Die Firn- oder Schneegrenze ift die Linie, die
die untern Ränder der dauernden Firnlager ver:
bindet, und zwar ift fie eine orographiſche Grenze
dort, wo dieje ald vereinzelte Firnfleden in Schuß:
lage ver Bodengeltalt oder ver Bodenart vorlommen,
und eine ee a wo fie die untern Ränder von
Firnlagern verbindet, Die ausgedehnt und hoch ge:
legen genug find, um der orographiſchen üns
ftigung entraten zu können, In manden Alpen
egenden heißen auch die mit F. bededten Berggipfel
Sirne oder ferner, und dieſer e wird auch in
irol für eigentliche Gletjcher angewendet. (S. Glet⸗
her.) — Bgl. Heim, Gletſcherkunde (Stuttg. 1888);
atzel, Schneedede (ebd. 1889).
rneifen, j. Leberfabrilation (Fig.4). ,
irnewein, auch firner oder Deus
Bein, alter, abgelagerter Mein, der etwas dunflere
Farbe und eigentümlihen Geihmad (die Firnje)
angenommen bat. Ein folder Wein kann lange
erhalten werben, wenn er, um jein Alter R be:
leben, von Zeit zu Zeit mit kohlenſäurehaltigem
geiftigem Wein nachgefüllt wird, jedoch in der Art,
daß die Firnſe immer vorherrſchend bleibt. Kräftige
Beine können hierdurch ein jehr hohes Alter er:
reihen. Im gemwöhnlihen Sprachgebrauch bezeich:
net firn oder firnig den ältern, rubig gewordenen
Bein, dichteriſch alten edeln Wein überhaupt.
Firnfelder, Firnfleden, Firngrenze, j. irn
(8b. 6) und Schneegrenge (Bd. 17).
Firnis, fait gleichbedeutend mit Lad (Lad:
firnis), im allgemeinen eine Flüffigleit, die nad
ihrer Ausbreitung indünnen Lagen aufdie Oberfläche
trodner Körper bald trodnet und einen glänzenden,
harten und meiſt durchſichtigen Überzug liefert, der
vom Wafjer nicht aufgelöft wird und der Einwirkung
der Quft mebr oder weniger widerftebt. Im engern
7119
Sinne verjteht man unter F. den durch Kochen von
trodnenden fetten Ölen (Leinöl, Mobhnöl, Nuböl,
Hanföl) entweder für fih oder mit Bleioryd, Zink⸗
oryd, borfaurem Zintoryd u. dgl. erhaltenen OT:
firnis. (©. Leinölfirnis.)
- Zade oder Ladfirnisie find Dagegen Löfungen
von Harzen und ähnlichen Subjtanzen, die je nach dem
angewendeten Loſungsmittel zerfallen in 1) fette $.,
wenn zum Auflöjen der Harze Ölfirnis gedient bat,
2) Terpentindlfirnijfe, die Löjungen der Harze
in Zerpentinöl oder Petroleumbenzin find, und
8) Weingeiftfirniffe (Glanzfirnifie), dieaus Auf:
löjungen der Harze in Altohol beitehen. An die Wein:
geihfenie ſchließen ſich an die ange der Harzein
olsgeift, Aceton, Chloroform und Schwefeltohlen:
ftoff. Zur Daritellung der — wendet man meiſt
Leindlan, mitunter auch Harzöl, ſeltener und nur für
einzelne Jwede Mohn: und Nußdl. DasTrodnen gebt
nicht vor ſich durch Ausdünſtung, jondern dadurch,
daß der F. Sauerſtoff aufnimmt und ſich in eine feſte
Subſtanz verwandelt; je ſchneller dieſe Drydation
vor ſich gebt, deſto vorzüglicher iſt der F. In bes
treff der Feſtigleit, Dauerhaftigleit, Widerſtands⸗
——— gegen Waſſer und Hitze ſtehen die von den
Japanern gefertigten F. allen andern weit voran.
Ein ſehr Tonfiftenter, rg trodnender Ölfirnis,
der mit Ruß oder Kohle im Zuftande ag Ber:
teilung vermischt wird, ift die Buchorudfarbe { d.).
iſt auch die Bezeichnung für gewifjeBernfteinitüde
(j. Bernfteininduftrie). — Bol. Lohmann, Fabri—
fation der Lade und F. (Berl. 1890); Andres, Die
Fabrilation der Lade, F., Buchdruderfirnifje und
des Gienellades (5. Aufl., Wien 1900).
irnisbaum, ſ. Rhus.
irniöpapier, mit Leinölfirnis getränttes und
durch Ausbängen an der Luft aetrodnetes ftarfes
Papier, das zurAnfertigung von Baufen und nament⸗
lich zur Heritellung der Schablonen der Stubenmaler,
neuerdings auch als Verbandftoff gebraudt wird.
irnisfnmach, ſ. Rhus.
ienförner, Firnmulden, ſ. Firn.
irnfe, j. Firnewein.
irozpür (engl. Ferozepore). 1) Diftrikt
der Divifion Lahaur der indbobrit. Lieutenant:
Gouverneurfbaft Pandſchab, bat 11149 qkm und
(1891) 886676 E. darunter 404977 Mobammebda:
ner, 252200 Hindu, 226361 Silh, 1738 Ehriften.
— 2) Hanptitadt des Diftrikts F. unter 30° 57’ nörbl.
Br. und 74° 38’ öltl. L., linls am Satladſch, an
ber Straße von Fatibgarb nach Lalhnau, hat (1891)
50437 E., gegen 39570 im J. 1881, und ein Fort.
F. wurde von Firozpur Tughlak, dem Herricher
von Debli (1351—88), erbaut.
Firſt oder Forit, die oberjte Begrenzung oder
Kante eines Daches (f. d.), welche in der Regel eine
wagerechte Linie fein joll. Sie wird beftimmt durch
die Dachausmittelung (ſ. d.). Bei ungleiher Ges
bäudetiefe und gleihem Neigungswintel der Dad:
flächen fteigt an der breitern Seite der F. böber und
entjteben jomit fallende F. welche unſchön aus:
eben und dadurch vermieden werben, daß man eine
lattform anordnet oder die Dachflächen als wind:
chiefe, in einer Kurve angelegte Flächen konftruiert.
Bei Bultvächern und vielen er ee
ein bejonderer Firftrabmen, Firftfette, Wolf
angeoronet, welcher zur Anchpung der Sparten
im F. dient und vorteilbaft für die Aufhebung des
Horizontalihubes am Fuße des Sparren wirft.
Bei Ziegelvächern nennt man die oberjte Neibe der
720 Firftblume
Dachziegel die Firſtſchicht und übervedt diefelbe
bei Sattelvächern mit bejondern Hohlziegeln (Firit:
jiegeln). (S. aud Firſte.)
irftblume, die auf der Spige (dem Firſt, ſ. d.)
von Giebeln angebrachten Ornamente oder auch die
auf dem Firjt von Dächern zu einem fortlaufenden
Kamm (Firftlamm) vereinigten Verzierungen, die
beſonders an mittelalterlihen Gebäuden (Kirchen,
Rathäufern) auftreten. Die F. entipricht dem Alro:
terion (}. d.) an antiten Bauten.
Firfte, im Bergbau die Dede der unterirbifchen
Grubenbauten (vgl. Firft). Über Firftenbau
und Firftenftöße ſ. Bergbau (Abbaumethoden).
irftfette, j. Firſt.
irſtkamm, ſ. Firſtblume.
linie, ſ. * ac, girft
r icht, ſ. 5
kei for, Aörtb), 1. Biorb; J. of Ciyd
pr. förth), ſ. Fiord; F. o e,
ſ. ee 3: olgortb, f. Forth; F. J— 8
euzäbädi, Medichd al:vin Abu:l:Tähir Mo:
bammed ibn Ya’küb, Leritograpb der klaſſiſchen
arab. Sprade, geb. 1329 in Karifin bei Schiras,
bereifte Mejopotamien, Indien und Arabien, wo
er in Mella und Medina Unterrihtsanitalten
—— 1388 traf er in Schiras mit Timur zus
ammen, der ibn jehr auszeichnete. 1392 wurde er
um Oberkadi in Jemen ernannt, welches Amt er
is zu jeinem Tode (1417) bekleidete. In einem
auf der Pilgerbahn bei — erbauten Hauſe
verfaßte er ſein großes lerifalifhes Wert, den
«Dcean» (Kämüs), das feinen Namen bmt
machte. E3 wurde zuerjt in Kaltutta (2 Bde., 1817)
und jpäter mebreremal in Ägypten herausgegeben;
beite volalifierte Ausgabe mit Glofjen von Näßr al:
Hürini (4 Bde. Bulat 1301—2 der Dora), De
pen feines großen Anſehens wurde das Wert auch
ind Türkische (« Türkiiher Kamüs», 3 Bde., Kon—
ftantinopel 1230—40 ber sehr Bulak 1250 der
Hidſchra) und Perſiſche (Kalkutta 1840) überſetzt.
Fis (ital. fa diesis; franz. fa diese; engl. f sharp),
in der Muſik das um einen halben Ton erhöhte f;
es wird dur f und vorgezeichnetes 5 bezeichnet
und ijt nur enharmoniſch von ges verſchieden, mit
dem es bei Tafteninjtrumenten zufammenfällt.
Fiſch, —25 — — fiber den F. in der altkirch—
lien Bilderiprache f. Jchtbys. — F. ſoviel wie Zahl⸗
pfennig, ſ. Fiche.
Fiich, füd Be. (Piscis austrinus) , Sternbild
des fühl. Himmels (f. die Sternlarte des füd-
liben Himmel3, beim Artikel Sternlarten). Es
entbält einen Stern 1. Größe, Fomalhaut genannt,
Fisch., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab:
u A Gottbelf Fiſcher von Waldheim (f. d.);
inter lat. Namen von Meichtieren Ablürzung für
6 her, einen franz. Konchyliologen.
ifcha, zwei Bäche in Niederdfterreih. Der eine
entipringt bei Shen, weitlih von Wiener: Neu-
ftabt, und fließt bei Untereggendorf in die Leitha,
— Der andere, die fog. alas Dasnis, ent:
ringt im Steinfelde, nimmt die weit bedeutendere
iefting auf und mündet nad einem 38 km langen
ufe bei Fiſchamend in die Donau.
— j. Adler nebſt Taf. I, Fig. 1.
amend, Markt und Dorf im Gerichtsbe—
irt Schwechat der öfterr. Bezirtshbauptmannidaft
rud, an der Leitha, in Niederdfterreih unterhalb
Wien, rechts von der Donau, am Einfluß der Fiſcha⸗
Dagnig in diejelbe, an der Linie Schwechat⸗Man—
— Fiſchart
nersdorf der Oſterr⸗Ungar. Staatäbahn, iſt Winter:
bafen und Station der Donau » Dampfihiffahrts-
geiellibaft. Der Markt, rechts von der Fiſcha, bat
(1900) alö Gemeinde 2911 E.; mehrere Fabrilen,
Feldwirtſchaft und Viehzucht (Öfterreichiiche Boriten-
vieh-Maſt- und Zuchtanſtalt) ſowie bedeutenden
Fruchthandel mit Wien. F. iſt einer der älteſten
Örte des Landes und ſteht an der Stelle des Kaſtells
Aequinoctium der Römer. (S. Carnuntum.)
Fifchangel oder Angelbaten, das beim Fi
ſchen gebräuchliche Werkzeug, dejien wirlſamer Teil
ein aus@ifen:oder Stablprabt gebildeter Widerhalen
ift. (S. Angelfifcherei nebit Tafel, Fig. 5 a—e.)
Fiſchart, Job., genannt Men hzer, ver «teutiche
Rabelais», der genialite, ſprachgewaltigſte und
ſtoffmächtigſte deutiche Satiriter des 16. Jabrb., in
dem ſich noch einmal der ganze formlos ungebum-
dene Reichtum der litterar. Epoche offenbart, bevor
mit Opitz die Herrichaft der Regel beginnt. Geb.
um 1545 in Straßburg (oder Mainz), erzogen in
Worms von feinem Verwandten Kaſpar Scheibt
(ſ. d.), lernte er auf Reiſen in Stalien, den Ni
landen, in England und Frankreich mit empfäng:
lichem Geiſt die Welt tennen. 1571 wurde er litterar.
Beiltand feines Schwagers, des Buchdruckers Bernb.
Jobin in Straßburg, promovierte 1574 in Bajel
jum Dr. jur., führte ein amtlojes Litteratenleben
in Strakbur ‚ wo er die Sade des liberalen Cal⸗
vinismus ob. Sturm gegen Lutbertum und Bapit
tum verfocht, wurde 1581 Advokat am Reichs
fammergericht zu Spever, übernahm 1583 eine Amt»
mannſchaft zu Forbab und jtarb um 1590.
F. war der größte Publizist des Jahrhunderts
neben Qutber, der erfolgreichite Belämpfer der Ge
genreformation. Er befigt nicht Luthers Volls⸗
tümlichkeit; dafür ift er ihm an Bielfeitigleit in den
Stoffen, Stimmungen, Gattungen und Formen
feiner Schriftftellerei weit überlegen. Wir haben
etwa 50 Werte F.s, 30—40 andere blieben unaus
eführt oder find verloren. Gern verbirgt er jeinen
tamen binter Anagrammen und Berbrebungen
(4. B. Im Fiſchen gilts Mifchen, Huldrich Ellopos⸗
Heros, Jeſuwalt Nidhart u.f.w.). Er mutet der
Sprade in Wortfpielen und ftiliftijchen Kunftitüden
Unglaublices zu. Seine Stärke ijt die Häufung.
Durd Erfahrung und Belejenheit verfügt er über
eine Kenntnis deutjcher Sitten, Boltsicherze, Sprich⸗
wörter, Spiele, Lieder u. f. w., die jeine Schriften
zur wichtigſten kulturbiftor. Schahlammer machen;
aber neben beißendem Wis, übermütig ausgefhüt-
tetem Wifjen, grotesfen Phantaſtereien gelingen
ihm auch innige, feierliche und ſchlichte Töne, und
eine gejunde Lehrhaftigleit ift ihm eigen. ne
Neigung zu maßlojer Spradmillfür ift weit größer
in feiner Brofa als in ven harten, aber gebrunge
nen Verſen, in denen er gelegentlih au i
BVersformen, ſogar Herameter nachmacht. Seine
Erfindungs: und Geftaltungstraft ift gering; er
benutt unbedentlih fremde Vorbilder, aber durch
wunderbaren Reichtum an Geift und Stoff über
trifft er fie weit. Er begann mit antitath. Reims
pampbleten: «Nahıt:Rab» (1570), gegen den kath.
Konvertiten Rabe, «Der Barfüher Secten» und
Kuttenitreit» (Erklärung eines Holzihnitts), «Bon
©. Dominici und ©. Francisci artlihem Leben»
(1571), gegen den Franzistanermönd Nafus. ade
Bampblete und feine zablreihen Heinen lirchli
polemifhen Satiren überbot %. in dem Gedicht
«efuiterhütlein» (1580, nad) einem franz. Driginal;
Fiſchauge — Fiſchbach
erneut von Pannier in Reclams «Univerjalbiblio:
thet»), ver grimmigften Zeitdichtung gegen den Orden
der «Sefumider». Auch jeine 1579 dr ziehe Bear:
beitung des niederländ. «Bienentorbes» von Phi:
lipp Mammir richtet fich gegen das Bapittum. In Ge:
dichten vom Untergang, der «Badenfabrt», der jpan.
Armada feierte er (1589) Gottes Beiltand für den
Brotejtantismus. Poſitiv bewährt F. feine Frömmig:
feit in dem « Gefangbüdlein» (Straßb. 1576; neu
bo. Berl. 1849), das ſchöne eigene Dihtungen 3.8
enthält, und in jeinem «Ratehiömus» (Straßb. 1578;
darın die «Anmahnung zu chriſtl. Kinderzucht »).
Die weichen Seiten feiner Natur treten hervor in
feiner freude an der Muſil («Ein Artliches Lob der
Lauten», 1572), feiner Schätzung des Eheſtands
(«Bhilojopbiih Ehzuhtbüchlein», 1578, nah Blu:
tarch) und jeiner Sehnfuht nah dem Landleben
(«Furtreffliches Lob des Landluftes», 1579, nad
Horaz). Mit warmem Lolalpatriotismus berichtet
er in dem «Blüdbafiten Schiff» (Straßb. 1576, nad
—— «Argo Tigurina»; erneut von Pannier
in Reclams «Univerjalbibliothet») die Hirfebreifahrt
Züricher Bürger, die dann aud polit, Bedeutung
ewonnen bat. Gluühenden Deutichenftolz atmet
feine «Ernitlihe Ermahnung an die lieben Teut⸗
hen» in den «Eilones» (1573), Bildergedichten,
wie er fie nah Scheidts Mujter und im buch—
— ge | 5* noch öfter verfertigt
at. Einen Plan eidts führte F. aus, als
er das Vollsbuch vom Eulenſpiegel reimte (1571),
mie er fpäter auch das altdeutiche Gedicht vom
Stauffenberger erneuerte (1588). Am glüdlichiten
aber waren jeine humoriftifch-fatir. Dichtungen ohne
tonfeffionellen Inhalt: «Flöhhaz» (1573; neu b0:
in den «Neudruden deutfcher Litteraturwerke des 16.
und 17. Yabrb.», Halle 1878; erneut von Bannier in
Reclams «Univerfalbibliothet»), die ausgelaffenite
Geftaltung des komischen Tierepos; «Aller Praktik
Großmutter» (1572; «Neudrude», Nr. 2, ebd. 1876),
eine mit Benukung älterer Quellen gegen den
Kalenderaberglauben gerichtete Satire; das «Po:
dagrammijch Zrojtbüchlein» (1577; Scheibles «ftlo:
jter», Bd. 10, Stuttg. 1848), ein Spottlob bes
«Pfotengrams» nah humaniſtiſchen Vorbildern;
vor allem die «Affenteurlihe und ungeheurliche
Geſchichtſchrifto (ſpäter « Geihichtllitterung») vom
«Gargantoa» (1575 u. d.; «Neubrude», Nr. 65—71,
Halle 1886—91, und Sceibles «Klofter», Bo. 8,
Stuttg. 1847), die tolljte, verſchnörleltſte, riefen:
baftejte Aufichwellung des 1. Buchs von Rabelais’
«Gargantua et Pantagruel»; hier, zumal in der
berühmten «Truntenlitanei», feiert 5.3 üppigjte
Laune ihre Orgien. Eine Ausgabe feiner Dihtungen
veranftaltete 9. Kurz (3 Bpe., Lpz. 1866—68) und
in Kürfchnerd «Deuticher Nationallitteratur» A.
Hauffen (3 Bve., Stuttg. 1892— 9), eine gute Aus⸗
wahl Goebele (Ypz. 1880). Aus der umfänglichen
Litteratur über F. vgl. Wackernagel, J. F. von Straß:
burg (2. Ausg., Baſ. 1874); Wendeler, Fiſchart⸗
ftudien des Freiberrn von Meuſebach (Halle 1879);
Er. Schmidt in der «Allgemeinen deutichen Bio:
rapbie», Bd. 7 (Lpz. 1878); Beſſon, Etude sur F.
r. 1889); Franßen, Kritiihe Bemerkungen zu
‚3 Üiberjegung von Rabelais’ Gargantua («Alfa:
tifche Studien», Heft 3, Straßb. 1892).
ifchauge, Mineral, j. Adular.
ee ein, j. Apopbollit.
iſchbach, Dorf im Kreis Hirſchberg des preuß.
Reg.:Bez. Liegniß, bat (1900) 898 E., darunter 47
Brodbaus’ Konverfationd-Lerilon.. 14. Aufl. R. A. VL
121
Ratboliten, Poftagentur, Telegraph, Schloß des
Großherzogs von Hefien mit Altertümern und Bart
und wird als Sommerfrifche beſucht. Nördlich die
Falkenberge over Fiſchbacher Berge (667 m),
roße Granitfeljen, deren nördlicher der Forſtberg
—5* während der ſüdliche, der Kreuzberg, der ſeit
1830 ein großes eijernes Kreuz trägt und durch eine
Treppe bejtiegen werben fann, die 1458 zerftörte
Burg Faltenftein trug, ſowie die yelfengruppe Ma:
riannenfels mit weiter Ausfiht, dad Münzen:
thal und die Ruine Bolzenſchloß.
Fiſchbach, Friedr., Mufterzeichner, geb. 10. Febr.
1839 zu Aachen, beſuchte das G ker in Köln
und die Mujterzeichenichule in Berlin, ging 1862
nah Wien, leitete vajelbit bis 1865 ein Deloras
tionsgeſchäft, ** für die Muſterſammlung des
Oſterreichiſchen Muſeums und wurde 1870 Lehrer
der Ornamentik an der konigl. Alademie zu Hanau.
Er gründete Vereine für Runftinduftrie und errich⸗
tete ein eigenes Atelier, um Induſtriellen Muſter
u liefern und die Herausgabe litterarifch:artiftiicher
tete zu ermöglichen. 1883 wurde er als Direltor
ber neu zu organifierenden Kunſtgewerbeſchule nad)
St. Gallen berufen, gab diefe Stellung 1888 wie:
ber auf und zog ſich nad Wiesbaden zurüd. Seine
umfafjenden Sammlungen alter Gewebe, Stides
reien u. |. w. wurden für die St. Gallener Schule
angelauft. F. bat bewirkt, daß man fich in Deutſch⸗
land von den Franzoſen im Mufterfah unabhän:
gig gemacht hat. Seine wichtigſten, von ihm lithogra⸗
phierten und im Selbitverlag erichienenen Werte
find: «Ornamente der Gewebe» (160 Tafeln Bunt:
drud, gr. Fol., mit Tert, Hanau 1874—81), ein Wert
vongrundlegender Bedeutung, «Geſchichte der Tertü»
funft» (ebd. 1883), «Ornamente der Hausindujtrie
Ungarnd» (Budapeft 1878), «Süpjlam, Orna⸗
mente» (2, Aufl., ebd. 1872), «Album für Stiderei»
130 Mufter in Gold: und Buntorud, 4. Aufl,
anau 1872), «Neue Mufter für Stiderei und Häfel:
arbeiten» (3 Serien, ebd. 1880 — 83), «Stidereis
mufter» (4 Hefte, Wiesb. 1888), «Häfelvorlagen»
1889), «Ornamentalbum» (1892), «Weißitidereivor:
agen» Abd «Buntijtidereivorlagen» (1894).
Sir bad, Yohann, Maler, geb. 5. April 1797
in Gravenegg bei Krems, bejuchte jeit 1818 die
Akademie zu Wien, machte are in Süd:
Bas und der Schweiz, wurde Direktor der
gräfl. Paarſchen Kupferſtichſammlung, lebte von
1840 bis 1851 in Salzburg, bis 1860 in feinem
Landhauſe zu Aigen, zulegt in Münden, wo er
19. Juni 1871 ftarb. Bon feinen Gemälden find
bervorzubeben: Bauernfnabe und Mädchen, fih um
einen Bogel ftreitend (1830; Hofmufeum in Wien),
Steierifbe Bauernfamilie (1836; ſtädtiſches Mu:
feum in Leipzig), Die Witwe (1847; ——
in Wien), Der hohe Göll bei Salzburg (1847; Salz⸗
burger Kunſtverein); außerdem mehrere Alpenland⸗
* ten in der Neuen Pinakothek zu Munchen. Als
N arfer Eharakteriftifer in Zeihnung und Vortrag
ewies er jih in «Deutjcher Wald und Hain in Bild
und Wort» (Münd. 1871). — Bol. Mayer-Matfies,
Joh. F. ein Pebensbild (Münd. 1872).
Fiſchbach, Karl — geb. 15. März
1821 zu Hohenheim in Württemberg, beſuchte die
land: und forſtwirtſchaftliche Alademie Hobenheim
und die Univerjität Tübingen, mar 1843 —45 als
a eg thätig, 1846—49 Foritamtsaffiftent in
railsheim, 1850—53 Stabtföriter in Stuttgart,
1853—61 königl.Revierförfter in Wildbad, 1861 big
46
722
1866 Eönigl. Sorftmeifter in Rottweil. 1866 wurde
d. fürſtlich Hohenzollernſcher Oberforftrat in Sig:
maringen und jtarb daſelbſt 24. Rov. 1901. Er
ſchrieb: «Lehrbuch der Sorftwiflenjcaft» (4. Aufl.,
Berl. 1886), fein Hauptwerk; «Die Befeitigung der
Waldftreunugung für Land: und Foritwirte, ins:
beiondere aud für die Geſetzgeber»(Frankf. a. M.
1864), « Praltiſche —— Berl. 1880),
«Ratehismus der Foritbotanit» (5. Aufl., 2p3.1894)
und zablreihe Abbandlungen in Zeitichriften.
Id —— Alpen, ſ. Oſtalpen B, 6.
chbachthalbahn, von rbrücken nad
—— (26,4 km, 1879 eröffnet), preuß. Staats⸗
eifenbabn.
Siabai (Große und Kleine F.), zwei Buchten
der Weitküfte von Angola in Afrika, füdlih und
nörblih vom Rap Negro.
Fiſchbaud over Einſetzband, eine Art Schar:
nier, welches zur Bejeftigung von Thüren und fen:
ftern in gen Angeln dient.
ih ein, die technifhe Bezeihnung für die
Walfiſch- und Finnbarten (f. Barten) oder die
—— hornartigen Platten, welche in zwei
Abteilungen zu beiden Seiten einen Bejaß der Ober:
fiefer- und Gaumentnoden der Walfiſche {; d.) und
Finnwale (f. d.) bilden und ihrer Biegfamleit, weit:
ebenden Spaltbarteit, Glafticität und Seftigleit
owie ihres geringen fpecifiihen Gewichts wegen zu
allerlei Gegenftänden, namentlich) Pi Scirmgeitel:
len, —— Reitpeitſchen, Korſetts und an:
dern Toilettenartikeln, zu Galanteriewaren, feinen
lechtarbeiten, kunſtlichen Blumen u. ſ. w., verar:
eitet werben. Über die techniſche Behandlung des
. und feiner Surrogate ſ. Fiſchbeinfabrilation.
eutihlands Einfuhr an Walfiſch- und Finnbarten
betrug 1900: 981 Doppelcentner im Werte von
2,756 Mill. M., die Ausfuhr 22 Doppelcentner
(39000 M.), an Sifhbein: und Hornftäben 106 Dop:
pelcentner (343000 M.) be3. 619 Doppelcentner
(2,598 Mill. M.). Der bedeutendite Fiſchbeinmarkt
ift San Francisco. Haupteinfubrbäfen find Ham:
— Bremen. — Indianiſches F. ſ. Horn:
fiſchbein; weißes F. ſ. Sepia.
ifchbeinfabrifation, die fabritmäßige Her⸗
ftellung des marftfähigen Fiſchbeins (f. d.) aus
ih: und Finnbarten. Zur %. find nur etwa
fünf Sechſtel des Robftoffs geeignet. Von den
in zwei Reiben am Rachen des Fiſches vorban-
denen Barten find bie mittlern die beiten und auch
die längiten, zuweilen bis zu 5 m lang, obwohl
eine er von 4 bis 4,5 m ſchon zu den Selten:
—— gehört. Die Breite beträgt in der Nähe des
— 80—35 cm; von bier aus
au
en bie Platten in wer Ki a ge Krüm:
mung in eine Spige aus. Die Dide ift am obern
Nand 9—10 mm, nimmt aber gegen den untern
Rand, an meldhem ſich die Barte in eine Reihe lofer
Haare oder Franjen auflöft, bedeutend ab. Die
Mafle des Fiſchbeins, im mefentlihen Hornfub:
ſtanz, beſteht aus einer Schicht parallel nebenein:
ander liegender dider Faſern, welche ſeitlich durch
eine ee nur weniger tft Subſtanz aneinan:
der gebeftet find und ſich ziemlich leicht voneinander
trennen lafjen. Die Barten werben von anhängen:
dem Sped gereinigt, jortiert, in Paketen von 10 oder
12 Stüd nad Europa verſchickt, wo fie in den Fiſch—
beinreißereien, die fib in den meiiten norbeurop,
Hafenftädten f owie in größern Fabrilſtädten finden,
in die handelsüblichen Formen gebracht werden.
Fiſchbacher Alpen — Fiſchbeinfabrikation
Die Verarbeitung des Fiſchbeins r vieredigen
oder flahen Stäben, das jog. Fiſchbeinreißen,
wird, nachdem das Fiſchbein dur zweiftündiges
Kochen mit Wafler erweicht worden, auf folgende
Art bewerkitelligt: Man fpannt die in Stüde von
etwa 1”/, m Länge zerfägten Barten auf einer Art
Tiſchlerbank mittels zweier Bretter derart ein, dab
fie auf der hoben Kante ftehen, und fpaltet nun
mittels eines eigenen bogenförmigen Meſſers oder
Hobeld, der nah der Dide der abzureißenden
Stangen geftellt werden kann, diefe davon ab. Nach
dem Reißen werben die Stangen getrodnet, mo:
durd fie ihre natürliche Härte und Steifigleit wie:
bererlangen, und ſodann auch an den Seitenfläden
latt gehabt. Die bierbei abfallenden Fiſchbein—
ine eignen ſich als Erfaß der Roßhaare zum Aus:
topfen von Matragen und Möbeln. Durch Dampf
oder im Sandbad erhikt, erlangt das Fiſchbein
einen ſolchen Grad der Weichheit, daß es ſich wie
Horn in Formen p läßt und, innerhalb ver
Form abgefüblt, die jo erhaltene Geftalt unver:
ändert beibebält; auf diefe Art können aus dem:
elben manderlei Zurusartitel, ald Tabaläpojen,
eſſerſchalen, Stodfnöpfe u. ſ. w. bergeftellt wer:
den. Gemwöhnlih wird das Fiſchbein mit Bims-
fteinpulver poliert, das mit Waſſer auf einen Fils
aufgetragen wird, und fchließlich noch mit zerfalle:
nem Kalt abgerieben. . wie
Der verhältnismäßig hobe Preis des Fiſchbeins,
namentlich zu Zeiten, wo die herrihende Mode der
Damentleider einen reihlihen Verbrauch bedingt,
at zur Heritellung verjhiedenartiger Erſatzſtoffe
eranlafjung gegeben, deren einige auch zu Zeiten,
wo der Preis des echten an nicht jo hoch ift,
Berwendungfinden, Ein ſolches unechtes oderfünit:
liches Fifhbein, das unter dem Namen Wallo:
in in den Handel fommt, wird in folgender Weiſe
ergeitellt: Gemöhnliches ſpan. Rohr wird auf einer
ejondern Maſchine von feiner glatten Schale befreit,
mittels eines Blauholzabſuds und Eifenbeize ſchwarz
— und nach dem Trocknen mit einer Loͤſung von
autſchuk, Guttapercha und Schwefel in Stein—
toblenteeröl getränlt. Hierauf werden die Stäbe
in einem Dampfapparat unter einem Drud von
zwei Atmofpbären gedämpft, woburd die das Rohr
durhdringende Maſſe vo fommen gebärtet (vul⸗
fanifiert) wird, und endlich werben fie gewalzt, wo:
fie dicht und in 18 Grade — werden.
— Ein anderer Erjaß iſt eine Pflanzenfaſer, Ko:
ralin genannt. Dieje — ſtammt von einer
Pflanze, die auf den Hochebenen Mexilos einhei:
miſch tft, dort Iſtle (ſ. d.) genannt wird und in ihrem
einen ber be: bundertjäbrigen Aloe (f. Agare)
leicht, nur daß ihre Blätter länger und ſchlanker
En. Die Blätter diefer Pflanze werden geſammelt
und in einer einfachen, roben Weiſe mit Schabbölzern
von ihren fleiihigen Zeilen befreit, worauf Bündel
1 er, brabtartiger Faſern übrigbleiben, welche Ihn:
ichleit mit Borjten haben und 30 cm bis 1 m lang
find. Nachdem fie getrodnet find, werden fie in
Ballen verpadt und nad Neuyorl gefandt, welches
für den in Rede ftebenden Artifel zum Hauptmarlt
geworden ift. Dort wird zunädit eine Hecelung
vorgenommen, damit alle unvolllommenen Fajern
entfernt werben. Die Faſern befigen die volle Bieg⸗
ſamleit des Fiſchbeins und übertreffen dasjelbe an
—— eit. Sie werden zu einem feſten, fort⸗
laufenden Seil vereinigt, auf einen Hafpel aufge:
OD:
dur:
| wunden und bilden in diefem Zuſtande das
Fiſchbeinleder — Fiſche (zoologiſch)
ralin. Dasſelbe wird weiter in große Stränge pe
wunden und verjenbungsfäbig verpadt. — Infolge
ber bedeutenden Fortſchritte der Kautſchulinduſtrie
wird gegenwärtig ala Griah des Fiſchbeins fait
allgemein vullanifierter Kautſchul verwendet.
— Ein neuerer Erſaß für Fiſchbein ift das Fiſch—
beinleder, ein bornartiges Leder, welches man da:
durch erbält, daß die gereinigte und getrodnete Haut
bei 70° mit Wafjerbämpfen ß lange behandelt wird,
bis eine teilweije Berleimung der Hautfafern erfolgt
ift. Darauf fättigt man die Haut mit Terpentin und
überziebt fie mit Yad oder Firnis.
I re f. Sifhbeinfabritation.
iichblafe, |. Biiße und Haufenblaje. — In
ver Baukunſt ift F. oder Schneuß eine be
ftimmte Form im got. Mafwert (f. d. und Tafel:
Deutſche Kunft II, Fig. 14), die dadurch entſteht,
daß über den beiden Hälften des Durchmeflers eines
Kreiſes nad) je einer Seite ein Halbfreis geſchlagen
wird. Es entiteben fo zwei Figuren mit rundem
Kopf und fhwanzartiger Spike, die fich jener der
F. nähern. Ofter werben mebrere B- zugleih in
einen Kreis agent —— Vierſchneuß
u. ſ. w.; ſ. die Textfigur beim Artilel Dreiſchneuß).
(S. auch Flamboyant.)
ifchbrutapparate, |. Fiſchzucht.
ifchchen, Inſekt, ſ. Silberfiſchchen.
iſchdampfer, ſ. Hochſeefiſcherei.
iſchdiebſtahl, ſ. Fiſchereiſchuß.
iſchdrache, ſoviel wie Ichthyosaurus (f. d.).
Fiſche (lat. Pisces), die niedrigite Klaſſe der
Wirbeltiere; fie unterſcheiden ſich von den übrigen
dadurch, daß fie, meift eierlegend, faltes Blut haben,
während des ganzen Lebens durch Kiemen atmen,
ein nur aus zwei Abteilungen, Kammer und Borfam:
mer, beſtehendes Herz und, mit einigen wenigen Aus:
nahmen, nad hinten geichloffene blindjadähnliche
Najengrubenbefigen, entweder Floſſen oder gar feine
äußern Glieder und eine entweder nadte oder be
ſchuppte Haut haben, Zwar kann kein Fiſch völlig
ftelettlo8 fein, allein in der Bildung und Härte des
Knochengerüſtes finden jo viele Abjtufungen ftatt,
daß die unvolllommenjten F. außer einer weich
—— Wirbelſaite (Chorda) gar kein Stelett be
ſihen. Bon der ungegliederten, einem vorn und hin:
ten etwas zugeipisten Stabe ähnlichen Wirbeljaite
aus bildet ſich nach und nach die Wirbelfäule mit den
einzelnen Wirbellörpern und deren Ausftrablungen,
das anfangs nur Inorplige Kopijtelett nebit dem
Kiemengerüft und den Flofien. Ye nad der Ber:
indcherung des Steletts hat man Knochen⸗- und
Knorpelfifche unterfchieden. Was man —
lich Gräten nennt, ſind ſowohl die oft zahlreichen
Rippen der F. als auch eigene Hilfslnochen, welche in
die Sehnenbänder eingeheftet find, um die Seiten:
musleln reg (Fleifbgräten).
Die Flo Bes man in paarige und unpaarige,
fentrechte. Die paarigen Flofien feblen den Rund:
mäulern und Röbrenberzen ganz; bei den übrigen
F. entiprechen fie den Border: und Hintergliedmaßen
der böbern Wirbeltiere, von welchen fie ſich durch eine
* Anzahl von Endſtrahlen unterſcheiden. Die
ruſtfloſſen beſtehen aus einem halbringförmigen
Schultergürtel, der ſtets mit dem Hinterlopfe ver:
bunden ijt und nach außen zu beiden Seiten die den
Vorderfühen der ea => Wirbeltiere entiprechenden
Bruftflofjen trägt. Die bintern Glieder (Bauch:
flofjen), melde biöweilen ganz (3.8. beim Aal)
teblen, beſtehen aus wenigen und einfachen Knochen,
123
find nur in den Bauchmusteln aufgehängt und
ſtehen entweder (bei Keblfloffern, Jugulares)
vor den Brujtflofien, oder unter in Brufts
In fer, Pectorales),oder hinter denſelben (Bauch⸗
Io ger, Abdominales). Die größte Entwidlung
der Bruftflofjien trifft man bei den Rochen, wo
je weit mehr Oberfläche als der Körper felb
aben. Außer diejen paarigen Floſſen finden fi
noch unpaarige oder ſenkrechte Floſſen, die aus
einer den ganzen Körper des Embryo8 umgebenden
vertitalen Hautfalte hervorgehen und die Rüden,
Schwanz: und Afterflofje genannt werden. Rüden:
und Aiterflofie können mebrfah vorhanden, die
Schwanzflofie bald rundlic oder gerade abgeſchnit⸗
ten, bald gabelig ausgejchnitten jein. Die Floſſen
nd von —— en geſtützt, welche bald ein⸗
ach und ſtachlig, bald weich und gegliedert ſind.
rtebi und nach ihm Cuvier hatten dieſe Beſchaffen⸗
heit der Strahlen, namentlich in der Rückenfloſſe, zur
Grundlage ihrer Einteilung der Knochenfiſche benußt
und biefe in Weichfloſſer und Srone Teller
getrennt. Bumeilen lommt aud) eine Fettfloſſe (1. d.)
vor. Das Ende der Wirbelfäule biegt jich meift inner
halb der Schwanzfloſſe jhräg aufwärts. Häufig ift
diefe Floffe in ihrem obern und untern Teile ungleich:
förmig entwidelt und die obere Hälfte länger; dann
nennt man fie beterocerf; ſymmetriſch gebildete
beißen diphycerk, ampbicert oder homocerl.
Auch die diphycerken Schwanzfloſſer find aber im
Stelettbau heterocert. Die eigentlihe Mafle der Be:
wegungsmusleln liegt an den Seiten des Korpers und
bildet vom Kopfe bis zur Baſis der Schwanzfloſſe eine
aus tutenförmig ineinander geſchachtelten Streifen
beftebende Schicht. Fhreeinfeitigen Kontraltionen be
dingen die Krümmung des Schwanzes und wirken fo
aufdieSchwanzfloffe, der bei ver Borwärtöbewegung
diedauptaufgabezufällt. Diepaarigen Floſſen halten
den Körper im Gleihgemwicht, dienen zur Steueru
und Rüdwärtöbemegung. — Das Auf: und Abjtei:
en im Wafler wird durh die Shwimmblaje
(Siihblafe) unterjtüßt, welche meilt ein abgejons
dertes Gasgemiſch enthält und dazu dient, das ſpeci⸗
fiſche Gewicht des Fiſches zu vermindern, indem fie
ausgebehnt wird, oder umgelehrt dasjelbe zu ver:
mehren, indem fie zufammengevrüdt wird. PVartielle
Kompreffionen verlegen ven Schwerpunft des Sie
vor: oderrüdwärtd. Indeſſen ift die Shwimmblafe
nicht unbedingt nötig, da fie vielen %. fehlt, wie den
Rochen und mehrern raſch ſchwimmenden Knochen⸗
—* Sie bildet ſich aus einer Ausſtulpung des
arms und entipricht —— der Lunge, er⸗
hält aber die Atemfunltion nur bei wenigen j; Je
nachdem der Verbindungsgang mit dem Schlunde
offen oder verwachſen iſt, unterſcheidet man 7
ſtomen mit offenem und Phoſollifien mit geſchloſſe⸗
nem Luftgange. Werden N die in größerer Tiefe
leben, gewaltſam orgebradt, fo dehnt ſich ihre
Schwimmblaje infolge der Drudverminderung
mädtig aus und treibt den Bauch unförmlich auf. —
Die Haut der F.ift in jeltenern Fällen ganz nadt, in
der Regel mit Schuppen befleidet, die in eigenen
Taſchen der Oberhaut entfteben und fehr verſchiede⸗
ner Bildung ſein koͤnnen. Meift find es aus dünnem,
bornartigem Gewebe gebildete Blättchen, deren bin:
terer Rand bald ganz, bald mit Zahnſpitzen beiept ift,
o daß der Körper beim Anfüblen ganz raub erjcheint.
n andern Fällen find es wahre Ainochenftüde, die
äufig mit einer Art Schmelz —5*— ſind, in
noch andern Fällen, wie z. B. bei Rochen, wahre
46 *
724
Bee (S. Tafel: ee 1 ber
tere II, Fig. 4—11.) Agaſſiz hatte auf Grund
diefer Verſchiedenheit die F. in vier Ordnungen ein:
eteilt: Blattenfhupper (Blatoiden), Shmelz:
(upper (Ganoiden), Rund: oder Kreis:
hupper (Eylloiden) und Kammſchupper (fte:
noiden), eine Einteilung, die längſt wieder aufge:
geben worden üft. ? ,
‚Der Schädel der F. ift urſprünglich eine unge:
teilte Knorpellapſel, jebt fi aber durd die Ber:
knocherung aus einer großen Menge von Knoden:
tüden ilarımen, die untereinander nicht verwach⸗
en jind. Das meijt jehr zufammengezogene Schädel:
gemölbe birgt das relativ jehr Heine, in jehr verſchie⸗
dener Weiſe ausgebildete Gehirn, das wie der Schä:
bel den Canyett en gänzlich fehlt. Die Augen
find oft, namentlich bei Tiefſeefiſchen, relativ ſehr
groß und bieten in ihrer Struktur viele und ſehr
erbebliche Eigentümlichleiten, fönnen in ſehr felte:
nen Fällen au fehlen. Am meiften fällt die Ab-
flachung der vordern Begrenzung oder Hornhaut
und die fugelige Linſe auf; die Lichtbrechung ift der
legtern allein übertragen. Ein äußeres und mitts
leres Obr fehlt, und das innere, in dem Schädel
verborgene, ift einfahen Baues; dennoch hören F.,
mie jeder Angler weiß, ſehr jcharf. So iſt aud das
Geruchsorgan keineswegs fomplizierter Art; indes
lehrt die Erfahrung, daß F. gegen Gerüche empfind:
lich find. Nur der Geſchmad mag ſehr jtumpf jein,
denn einerfeits ift die She oft ganz knochig, und
außerdem verjchlingen F. ihre Nabrung in den aller:
meiften Fällen ungelaut, indem dievielartigen Zähne
ihnen meift nur ald Werkzeuge des Ergreifeng und
Feſthaltens und nur felten zum Zermalmen oder
—* dienen. Bei den Kauenden aber liegt
der Kauapparat hinter der Zunge. — Ein beſonderes
Sinneswertzeug, dad aud den Larven der Amıpbi:
bien zulommt und jedenfalld mit dem Leben im
Waller zufammenhängt, ohne daß man über feine
Bedeutung vollitändig ing Mare gelommen wäre, iſt
das Seitenorgan, ein nervenreiher, mit vielen
metameren Efinungen nad außen münbender Kanal,
ber in durchbohrten Schuppen an jeder Seite des Kör:
pers in einer geraden oder gelrümmten zufammens
hängenden oder durchbrochenen Linie, der Seiten:
linie, entlang ziebt und fih am Kopfe meift in drei
Uſte gabelt, in je einem über und unter dem Auge und
auf dem Unterkiefer. (S. Tafel: Rörperbebedung
berTiere ll, yig.1,2,3.) Es mag einer Art fom:
binierter Geruchs- und Geihmadswahrnebmung
dienen oder auch den Fiſch durch Angabe des Waſſer⸗
bruds über die Tiefe, in der er ſich befindet, orien:
tieren. Immer aber iſt es mit ſalzigem Schleimerfüllt.
Ihre Nabrung entnehmen die F. meiſt dem
Zierreihe; die größern unter ibnen find wahre
Kannibalen der Gewaͤſſer und felbit für den Men:
ſchen gefäbrlihe Naubtiere; viele näbren ſich aber
aud von Pflanzenſtoffen. Letztere —* den läng⸗
ſten Darm. — Eine Beſonderheit vieler Knochenfiſche
find die oft ſehr zahlreichen (1—200), ihrer phyſiol.
Bedeutung nad no nicht völlig ertannten Blind:
ſchläuche (Appendices —— welche mit dem
Gallengange und der auchipeiceldrüfe in den
Darın einmünden, ftartentwidelt z. B. beim Labs. —
Die Atmung geibiebt durb Kiemen, auf deren
mannigfacher Strultur und Anbeftung ein Teil der
—— Anordnungen der ganzen Klaſſe ba:
iert worden ift. Dieje eis zu beiden Seiten
des Kopfes liegenden, bei den Knochenfiſchen vom
Fiſche (zoologiſch)
Kiemendedel geſchüßten Organe find nichts anderes
als — Blättchen, welche parallel neben⸗
einander wie die Zähne eines Kamms ſtehen, und
zwar bei den Knochenſiſchen auf beſondern Knochen⸗
bogen, die durch von außen bis in den Schlund
reichende Kiemenſpalten getrennt find; auf ihnen
eirtuliert fämtliches, aus dem Herzen durch die Klier
menarterie auögetriebene Blut in Haargefäßen, bie
fib dann zu der großen Körperarterie (Aorta)
fammeln, welche das in Berührung mit dem luft:
baltigen Waſſer geweſene Blut wieder in den Hör:
per verteilt. Wenn die Kiemen eintrodnen, bört
die Eirkulation auf, daber eritiden %. außer dem
Wafler, wenn nicht durch befondere Vorlehrungen
für Feuchthaltung jener Organe geſorgt ift, wie
. B. beim Aal, der daber einige Zeit auf dem
ande leben kann. Cinige ausländiſche 5. vermö-
en wirtlih das Waſſer zu verlafien und längere
Seit außerhalb ibres natürlihen Elements zuzu⸗
bringen; fie baben befondere, in ber Näbe der liemen
gelegene, Waſſer enthaltende Hohlräume, wodurch
das Vertrodnen der Kiemen verhindert wird.
Die Geſchlechter find bei den F. faft immer ge-
trennt, In den allermeiften Fällen werden die Eier
(Rogen) außerbalb des Mutterlörpers befruchtet;
die Hoden der F. bildet die jog. Mich. Nur wenige
Arten gebären lebendige Junge (f. Laichen). Die
Fruchtbarkeit der F. iſt unglaublih groß; Eupier
und Blob fpreben von — — von
Eiern in einem Individuum, Blumenbach und
Lacepede von Millionen. Die Lebensdauer der F.
ſcheint groß, viele wachſen noch im geſchlechtsreiſen
Zuſtande bei günſtiger Ernährung unausgeieht
weiter, ſo daß es ſchwer fällt, für jie normale Gro
maße anzugeben ; auffallend ift bei vielen die Lebens⸗
zäbigleit. Bezüglih der Mannigfaltigleit der Ge:
jtaltung übertreffen die F. die andern Wirbeltiere
ebenjo wie hinjichtlich ihrer freilich ſehr vergäng-
liben farbenpradt. Bei vielen Arten legen bie
Männchen während der Laichzeit ein beſonders
bunt geibmüdtes Hodyzeitstleid an. Gebr viele
find auch eines Farbenwechſels fähig, der ibnen
erlaubt, fi der Umgebung jbüsend anzupalien.
Der bei freiſchwimmenden 4 durch miltoſtopiſche
Blättchen guaninſauren alles erzeugte Silber⸗
glanz der Vauchſeite läßt fie, ſchräg von unten ges
jeben, treiilih negen den Waſſerſpiegel verſawin⸗
den, der infolge der totalen Kejlerion des Lichts
undurcfichtig wie ein Quedjilberjpiegel ericheint.
Man teilt.die Klaſſe der F. jeht in folgende Orb»
nungen: TeleosteioverXnocbenfij&he(i.d.), mit
Berg Kiemen, Kiemendedel und Inödernem Ste
ett (f. Tafel: Buntfarbige Fiſche, und Zafel:
Fiſchel, Fig. 1—10; Taf. I, Fig. 1-14; Taf. Ill,
sig. 15; Taf. IV, Fig. 1-5; Taf. V, Fig 1—14;
af, VI, Fig. 2); bierber gebören jalt alle uniere
Sußwaſſerfiſche (Taf. I, Fig. 1—3, 7—10; Taf. Il,
sig. 2; Taf. IV, Fig. 4. Tal. V, fig. 14, 10, 13;
&at. VI, Fe. 2; Schmelzſchupper (f. d.) oder
Ganoidei, mit oft Inorpligem Stelett und vielen
Klappen im Nortenitiel (Taf. VI, 70. 1, 2u.3);
dabin gebören die Störe, die Flöſſel und Knochen⸗
bebte; Dipnoi, Doppelatmer oder Lungen:
tifche (f. d.), den Übergang zu den Ampbibien ver-
mittelnd, mit Kiemen und Zungen verjeben und nur
durch drei Gattungen (Lepidosiren, Protopterus,
Ceratodus) vertreten (Taf. VI, ig. 4); Selachis
oderXnorpelfifce (j. d.), mit angewachſenen Kie⸗
men, obne ftiemendedel und mit Inorpligem Ste
Bradury yunaup” jwrpen uboas ng "UL RT = PUT ON rung
. *
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22
422
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“m — — a
FISCHE. IL
I. Gemeiner Hecht (Esox lueius), 2. Karpfen (Cyprinus carpio). 8. Gemeiner Aal (Anguilla vulgaris).
1,0—2 m. 0,40-41,50 m. 0,795—1,) ım.
—
| 4. Gemeine Makrele (Scomber scomber). 5. Harder (Mugil cephalus).
0300,00 m. 0,30-—11,45 m, 0,20-0,40 m,
9
10
WW nr a Krane 3
9, Schmerle (Cobitis barbatula). 0,12 m.
7. Bachforelle (Salmo fario), 8 Flufsbarbe (Barbus fluviatilis). 10, Gemeiner Giründling (Gobio fluviatilis).
040-0, m. 040-170 ım. (12 m.
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
6, Gemeiner Rabenfisch (Corvina nigra).
1. Kabeljau (Gadus morrhua). 2. Schellfisch (Gadus aeglefinus).
020—1,blı m. W300) m.
14
101
7. Vierhörniger Kofferfisch (Ostracion b $ 2
quadricornis). 0,25 m.
8. Chirurg (Acanthurus chirurgus). 9. Gemeine Meerbarbe (Mullus barbatus). 0,30 m.
0,30 m. 10. Gemeine Meergrundel (Gobius niger). 0,15 m.
— Te“
12
11, Goldmakrele (Coryphaena hippurusı. 0,50—1,20) m. .
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
— —
8. Echte Dorade (Chrysophrys aurataı.
0,40 ım.
4. Gemeiner Sägebarsch (Serranus cabrilla).
0,30 m, ; n
h, Seepferdchen (Hippocampus antiquorum). (0,16 m.
6, Rundrüsselige Seenadel (Syngnathus ncus), 0,60 m.
12, Scholle (Pleuronectes platessa,. 13. Flunder (Pleuronectes flesus),. 14. Kliesche (Pleuronectes limanda),
Oo Im, 0,36 m, 0,30 m.
FISCHE. Il.
2 r ———
ng te —e
* Ts ii ie
1. Gemeiner Schwertüsch (Xiphias gladius). 1,506 m.
— A — 3. Mondfisch (Orthagorisens mola). 1—2,%0 m.
2. Ukeley (Aspius alburnus). 0,1020 ın 4. Gemeine Muräne (Muraena helenai. 1—1,b0 m.
5. Gemeiner Thun (Thynnus vulgaris. 1—8'm.
Brockhaus’ Konversutions - Lexikon. 14. Aufl.
FISCHE. IV.
2. Hering (Clupea harengus).
Ange ca. 0,% m.
H Braten
F
4. Grofsflosser (Polyacanthus
viridi-auratus). Länge ca. 0,10 m.
b. Seeskorpione (a Cottus bubalis und d Cottus scorpius).
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
FISCH
= 3. Sander (Lucioperca sandra), 4 Gemeiner Bars
Länge meist 0,40 — 0,50 m. Länge mei
2. Zährte (Abramis vimba),
1. Brachsen (Abramis brama).
Länge ca. 0,4) m.
Länge 0,40 — 0,70 m.
„CHE
—
— —
-
9. Seestichling (Gasterosteus spinac]
10, Gemeiner Stichling (Gaster«
Länge ca. 0,06 n
—
7. Seeschmetterling (Blennius ocellaris),. Länge ca. U,13 ın.
8. Petermännchen (Trachinus draeo),. Länge ca. 0,40 m.
12. Schwalbentisch (Exocoetus volitans). Länge 0,40 m. 18. Gurami (Osphromenus ol
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
sh (Perca fiuviatilis).
0,20—0,40 ın.
b. Schütze (Toxotes jaculator). Länge ca. 0,20 m.
6. Korallenfisch (Chaetodon Meyeri). Länge ca. 0,20 m.
as). Länge ca. 0,18 m.
sutens aculeatus).
} ui
f F
LITT VeTL
EN
11. Seeteufel (Lophius piscatorius). Länge 0,60 — 1,80 m.
3. Gemeiner Flösselbecht (Polypterus bichirı. Afrikanischer Schuppenmolch (Protopterus annectens).
Länge 0,50—1,%0 m. nge 1—2 m.
(|
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14, Aufl.
FISCHE. VL.
2. Blauhai (Carcharias glaucus). 2—3 m. 3. Sägefisch (Pristis antiquorum). 5 ın.
—- — — 2 — —
4. Hammerhai (Zygaena malleus)., 2—4 m. db. Zitterrochen (Torpedo marmorata), 1,50 m.
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
FISCHE. VII.
ren Fee
2. Gemeiner Dornhai (Spinax acanthlas). Etwa 1m. 3, er (Raja batis),
— 2, m.
4, Keulenrochen (Raja clavata). 0,40—0,80 m.
Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl.
Fiſche (aſtronomiſch) —
lett, die Chimären, Haie und Rochen begreifend
(Taf. VIL, Fig. 1—5; Taf. VIII, Fig. 1—4); Cyclo-
stomata oder Nundmäuler |: d.), mit rundem
Saugmund und angewacjenen Kiemen, die Lampre⸗
ten und ‚Önger. enthaltend; endlich die niedrigſten,
vie Rohrenherzen, Leptocardia (f. Lanzettftiche), |
tleine Fiſchchen ohne Schädel, Hirn und Herz, mit |
in der Baucböble gelegenen Kiemen und farblofem
Blute. Neuerdings bat man die beiden lektern
Ordnungen, die feine paarigen Flofjen befiken, von |
ven 5. getrennt und als eigene Klaſſen aufgeitellt.
Einige F., gran ber Zitterrodyen, Bitterwels
und Zitteraal, haben das einentümliche Vermögen,
eleltriſche Schläge zu erteilen. (©. Zitterfiihe.) Die |
geoar. Verbreitung der F. gebt durch alle Zonen, jo
weit das Wafler reicht. Dan kann die F. in See:
fiſche Brackwaſſer-und Süßwaſſerfiſche ein:
teilen, ohne indes damit einen Ausdruck für ihre
natürliche Verwandtſchaft zu gewinnen, da ſehr viele
Familien Vertreter im Meere und in den Flüſſen
zugleich haben und viele Wanderfiſche zeitweiſe,
Zwede des Laichens, aus dem en ins
Baſſer zieben oder umaelehrt.
cheidet man Küſtenfiſche, pelagiſche und Tief
eefifche, die wieder durch viele Übergänge verbun: |
den find. Die meiften Arten Küſtenfiſche beberbergt
die heiße Zone, in der auch die pelagifchen ihren
Höbepunft erreichen; die fältern Breiten zeichnen fich |
durd) Herbenfiiche aus, bei denen eine oft ungebeure
Individuenzabl zufammenbält. Von Tiefſeefiſchen
baben wir früher meift nur durch Aufall Kunde er:
balten (ſ. Herinaslönige und Haifiiche), erſt die neuern
Forſchungen haben zu interefjanten Entdedungen ge
tübrt. Die meiſt dunkel gefärbten Tiere von weicher
Rt ——————— orientieren ſich entweder in ihrer
finſtern Umgebung durch ———— wie der
Bathypterois longipes Günther, oder fie erleuchten
die Nacht durch die Phosphorescenz verichieden ges
ftalteter Zeuchtorgane, um mit großen Augen die
Dämmerung zu durchdringen (ſ. Tieffeeleben ['Bd.15]
und Leuchtende Tiere nebit Tafel, Fig. 8—11
[Bd. 17)).— Über die Flieaenden Fiſche |. d.
Die F. find die älteiten Wirbeltiere. Man bat
Neite derjelben ſchon in den ſiluriſchen Schichten
gefunden. Bis zum Jura aab es nur Seladier
und Ganoiden; die Knochenfiſche treten erft in den
oberiten Juraſchichten auf. Hauptwerk über die
foſſilen 3: ift pasjenige von Agaſſiz («Recherches
sur les poissons fossiles», 5 Bde, und Atlas, Neuen:
burg 1838 — 43), wäbrend die Werte von Euvier
und Valenciennes («Histoire naturelle des pois-
sons», 22 Bde., Bar. 1828—49), Job, Müller und
Günther für die Fiſchlunde oder Jchtbyologie maß:
gebend find. Val. aub noch: Stebold, Die Sü
wajierfiiche von Mitteleuropa (Lpz. 1863); Mulder
Vosgoed, Bibliotheca ichthyologica et piscatoria
(Haarl, 1874); Möbius und Heinde, Die 5. der
Ditiee (Berl. 1883); Balactd, Die Verbreitung der
5. (2. Aufl., Prag 1895); Nitiche, Die Süßmajjer:
niche Deutichlands (2. Aufl.,Berl.1898); Bade, Die
mitteleurop, Sußwaſſerfiſche (2 Bde., ebd. 1900— 2).
In Bezug auf Nüplichleit für den Menichen
folgen die F. unmittelbarauf die Säugetiere. Denn
wicht allein erhalten ſich obere Völker oft nur durch
F. jondern es ijt der Fiſchfang aud für große und
ebildete Nationen eine Quelle des Reihtums. (©.
z
um
F —*
m Deere unter: |
iſcherei, Fiſchhandel und Fiichzucht.)
Fiſche (lat. Pisces), das 12. der Zeichen des Tier:
fretieg, von 330 bis 360° Länge reichend und mit
Fiſcher (Guſtav Adolf) 125
X —— außerdem auch ein Sternbild des
nördl. Himmels (ſ. die Sternkarte des nörd—
lichen Himmels). 1
ifchegel (Piscicola), Gattung der Rüſſelegel
($. Blutegel), mit ſechs äußerlich auf Fifchen und be
jonders auf deren Kiemen jhmarogenden, im Süß-
waſſer vortommenden, meiſt lebhaft gefärbten Ar:
ten. Der Körper ijt ſchmal, nicht einrollbar. Wo fie
in großen Mengen auftreten, fönnen fie die Zucht der
Fiſche, befonders der Karpfen, ſehr benadteiligen.
Fifcheln, Landgemeinde im Landkreis 5
des preuß. Reg.⸗Bez. ng 2", km füplich
von Krefeld, mit dem es durd Dampfitraßenbahn
verbunden ijt, hatte 1900: 7534 €., darunter 241
Evangelifhe und 13 Ssraeliten, 1905: 8214 E.,
Boit, ——— Krantenhaus der Auguſtinerinnen;
Eijengieherei, Keſſelſchmiede, Seidenweberei (1000
Hanpjtühle), Sammetweberei, hem. Fabrit, Metall:
und Galanteriewaren:, Wachspapier⸗, Wachsleinen⸗
und Liqueurfabriten, Brauerei und Gemüfebau.
Fiſcher, Antonius, Erzbifchof von Köln, ſ. Bd. 17.
Fiſcher, Auguft, Yildbauer geb. 17. Febr. 1805
zu Berlin, war anfangs Goldichmied, wibmete fich
aber dann der bildenden Kunit unter G. Schabom
auf der Berliner Alademie. Nachdem er 1839
mit der Statue einer röm. MWajjerträgerin fein
Talent belundet hatte, wurde er 1848 Profeffor an
ber Alademie und erhielt den Auftrag, die vier
Kriegergruppen um die Bictoriafäule auf dem Belle:
Alliance-Plage zu fomponieren; es war ibm nicht
vergönnt, diejelben in Marmor fertig zu ftellen
(vollendet von Franz und Walger). Seine eigent-
lihe Begabung tft in der Kleinlunſt zu fuchen, in
der er Mevaillen, Brachtgeräte, Vaſen, Ehrenſchilde
u. ſ. w. ſchuf; jo nad) der Zeichnung von Eornelius
das Wachsmodell zu dem filbernen Glaubensſchild,
Batengeichent Friedrich Wilhelms IV. 1844 an den
Prinzen von Wales (Wiederholung in der National:
alerie zu Berlin); ferner die Hochzeitsgeſchenle ber
tadt Berlin und des rhein. Adels u. a. für den
Kronprinzen. F. ftarb 2. April 1866 zu Berlin.
Fifcher, Emil, Ehemiter, geb. 9. Dit. 1852 zu
Euskirchen, ftubierte in Straßburg, habilitierte
ſich 1878 in Münden, wurde 1879 dort außerord.
Profeſſor, 1882 Ordinarius in Erlangen, 1885 in
Würzburg, 1892 Nadfolger A. W. von Hofmanns
in Berlin. Seine zablreihen Erperimentalunter:
fuhungen liegen auf dem Gebiete der organiſchen
Chemie. Beſonders erfolgreich ijt die Entdedun
des Phenylhydrazins und feiner Einwirkung au
Ketone und Aldehyde geworden. Ihn jelbit führten
die ſich anſchließenden Studien zu einer neuen, bes
deutenden Arbeitäreibe über die Juderarten, die er
namentlich auch den Traubenzuder, zuerſt ionthetifh
darftellte. Er veröffentlichte: «Anleitung zur Dar:
ftellung organiſcher Präparate» (5. Aufl., Würzb.
1896). 1902 erbielt er ven Nobelpreis für Chemie,
Fiſcher, Guſtav, Verlagsbuchhändler, |. Bo. 17:
Fiſcher, * Adolf, Afrilareiſender, geb.
3. März 1848 zu Barmen, wurde Militärarzt, Schloß
fih 1876 dem Unternehmen der Gebrüder Denbarbt
($.d.) an und machte 1877 eine Erturfion in die jüdl.
Gallaländer und das Land Witu, Gemeinfam mit
den Denbarbts führte F. 1878 eine Erforſchung des
Tana aus. Dann lebte er bis Dit. 1882 ald Arzt
in Sanfıbar. Im Dez. 1882 trat & unterjtüßt von
der Hamburger Geographiſchen Gejellihaft, feine
dritte Reife an, eg der er von der Mündung des
Panaani aus das Yand der Maflai bis zum Nai—
726
waſcha durdzog. Im Nov. 1883 nad Deutſchland
zurüdgelehrt, unternahm er 1885 eine neue Erpe-
dition, um Cafati, Emin Paſcha und Junker auf:
gegen. Er gelangte bis zum Bictoria:Njanfa,
onnte aber die Landſchaften am obern Nil, wo die
Geſuchten weilten, nicht erreichen, und kehrte über
Kavirondo, ven Naiwaſcha und Kikuju nad Jahres:
rift 21. Juni 1886 nad Sanfıbar — (S. Karte:
auatorialafrita) Am 11. Nov. 1886 erlag
er in Berlin einem tropiſchen Fieber. 5.3 vorzüg:
lie Reifeberichte find in den «Mitteilungen der
Geographiſchen Gejellfhaft in Hamburg» veröffent:
licht (Jahrg. 1876—77, 1882 — 83, ee); je
veröffentlichte er: «Mehr Licht im dunkeln Weltteil»
Gamb. 1885).
Fiſcher, Hannibal, Staatdmann, geb. 1784
zu Hildburghaufen, ftudierte zu Göttingen die
Rechte und wurde 1805 in feiner Baterjtabt Advo⸗
tat; 1831 trat er, nachdem er vorher im fürftlich
Leiningenſchen Dienſt geitanden hatte, in olvenb.
Dienfte und wurbe Nenierungspräfident in Birken:
feld, jedoch 1848 außer Altivität gefegt. Er ver
jabte 1852 die Beſchwerdeſchrift der Sadjen: Go:
warten Mirihaf an ben Bundestag und ver:
fteigerte im Auftrag ded Bundestags zu Bremer:
—— die deutſche Flotte. (S. Deutſches Heerweſen,
riegsmarine.) 1858 trat er an die Spike des Kabi⸗
netts des Fürftentums Lippe und veranlaßte die
Berfafiungswirren dafelbft. Wegen Majeftätsbelei-
digung wurde er 3. Juli 1855 verhaftet, gegen
Rautionsftellung bald wieder freigegeben und jpäter
von der Fakultät zu Breslau freigeſprochen; doch
wurde er nod im Juli 1855 aus dem lippeſchen
Staatsdienſt entlafjen, Er ftarb 8. Aug. 1868 zu
Rödelheim. F. ſchrieb: «Der deutſche Adel in der
Borzeit, Gegenwart und Zukunft» (2 Bde., Franlkf.
1852), «Aburteilung ber Jejuitenfache» (Lpz. 1858),
«Bolit. Martyrtum» (ebd. 1855).
#ifcher, Heinr., Zoolog und Mineralog, geb.
19. Dez. 1817 zu Freiburg i. Br., ftubierte da:
jelbft die Naturwi enöaften und Medizin und
—— ſich 1846 für Zoologie, Zootomie und
ineralogie an der Univerfität zu Freiburg, wo er
aud 10 Jahre ärztliche Praris ausübte. 1854 wurde
er außerord. Brofeflor ver Mineralogie und Direktor
des Mineralogifh:Geologiihen Mufeums in Frei:
burg, 1859 ord. Profeſſor daſelbſt. F. jtarb in der
—* vom 1. zum 2. Febr. 1886 zu Freiburg. Seine
eriten Bublilationen bewegten ſich vorherrſchend auf
zoolog., fpeciell entomolog. Gebiet, auf welchem die
Monographie «Orthoptera europaea» — 18 Ta⸗
feln, Lpz. 1858) fein Hauptwerk iſt. Anfangs be—⸗
zogen ſich feine mineralog. Studien auf Mineral:
und Geſteinsvorlommniſſe feiner Heimat; fpäter
ftellte er u. d. T. «Elavis der Silitate» (Lpz. 1864)
abellen zum Beltimmen ſämtlicher tiefelfaurer
——— pres Er verfaßte ferner:
«Ebronol. Überblid über die allmählihe Einführung
der Mitroflopie in das Studium der Mineralogie,
Vetrograpbie und Paläontologie» (Freiburg 1868)
und «fritifche milroflopifch » mineralog. Studien»
(ebd. 1869, nebſt zwei Fortiegungen 1871 und 1873).
Im Anfang der hebziger ahre wandte er fich be:
onders prähiftor. Studien zu; er gründete mit dem
Anatomen Eder das BräbiltoriidEthnograp iſche
Mufeum in Freiburg und veröffentlichte das Wert
«Nepbrit und Jadeit, nach ihren mineralog. Eigen:
haften fowie nad ihrer urgeſchichtlichen und
etbnogar. Bedeutung» (2. Aufl., Stutta. 1880),
Fiſcher (Hannibal) — Fiſcher (Kuno)
Fifcher, Job. Georg, Dichter, geb. 25. Dt. 1816
zu Großfüßen in Württemberg, ftudierte in Tü-
bingen Botanik, Naturwiſſenſchaften, insbejondere
Drnitbologie und Glfthetit und allgemeine Litte-
ratur, wirkte dann als Lehrer an der Vorſchule
des Gyumnafiums und der Realanijtalt zu Stuttgart
und übernahm zulegt die Leitung dieſer Anſtalt jo:
wie der faufmännijchen Fortbildungsſchule. 1860
murde F. Profeſſor an der Stuttgarter Oberreal:
fhule und trat 1885 in den Ruheſtand. Er ftarb
4. Mai 1897 in Stuttgart. F. veröffentlichte: «Ge:
dichte» (Stuttg. 1854; 3. Aufl. 1883), «Neue Ge:
dichte» (ebd. 1865), ferner: «Den deutſchen ar
(ebd. 1869), «Aus friiher Luft» (2. Aufl., ebv.
1873), «Neue Lieder» (ebd. 1875), das Idvll «Der
ga Rnecht» (ebd. 1881), «Auf dem Heimmen.
eue Gedichte» (ebd. 1891), «Mit acht Jahren.
Lieder und Epigramme» (ebd. 1896). Mit Feodor
Löwe und Karl Schönbarbt gab F. 1870 (Stuttgart)
zum Beften der Verwundeten die Sammlung patrio:
tifcher Lieder «Drei Kameraden» heraus, Den beiten
der Iyrifchen Erzeugnifie des «Schwäb,. Frauenlob»
tft neben Schönbeit und Korreftbeit der Form, neben
rme der I rein Meg Tuchtigleit der Ge
finnung eine originelle Kraft des Ausdrucks und
ewiſſe urwuchſige Knorrigleit eigen; namentlich ge:
angen ihm vollstümliche Lieder. Ferner ſchrieb er
die Dramen: «Saul» (Stutta. 1862), «Friedrich IL.
von Hobenjtaufen» (ebd. 1868), «Florian Geyer»
(ebd. 1866), «Hailer Marimilian von Merito» (ebd.
1868). In der Skizze «Mus dem Leben der Vögel»
(2pa. 1863) kennzeichnet ek Die baratteriftifchen Er:
fheinungen der Tierjeele in ihren verſchiedenſten
Gemütsbewegungen. — | gl 9. Fiſcher, Erinne
rungen an Joh. Georg I (Züb. 1897).
ifcher, Kuno, Philoſoph, geb. 23. Juli 1824
zu Sandemwalde in Schlefien, ſtudierte feit 1844 erft
in Leipzig Vbilologie, dann Theologie und Philos
jopbie zu Halle. Nachdem er von 1848 bis 1850 als
Hauslehrer zu Pforzheim gelebt hatte, habilitierte er
ſich 1850 an der Ulniverfität zu Heidelberg für Philo⸗
iopbie, wo feine Vorlefungen alabald ungewöhn—
ihen Beifall fanden. Im Juli 1853 entzog ibm
jevob ein Minifterialreftript, obne dafür Gründe
anzugeben, die Grlaubnis zum Halten von Bor:
lefungen. hi lebte hierauf zu Heidelberg in Gemein-
ſchaft mit Gervinus und Strauß jeinen wiſſenſchaft⸗
lihen Arbeiten. Im Herbit 1855 wandte er fih nad
Berlin, um ſich dafelbft von neuem zu habilitieren,
doch wurde ihm vom Minifterium Raumer auf Grund
des bad. Verbots die Erlaubnis dazu verweigert.
t auf Berwenden der Yalultät wurde ihm durch
Kabinettsorder des Königs im Sept. 1856 die Ha-
bilitation geftattet. Kurz vorber war indes F. einem
Ruf ala Profeſſor nad Jena gefolgt und begann
bier feine Vorleſungen vor einem ——
wie er ſich an dieſer Univerfität an Zahl und Be—
eiſterung ſeit den Zeiten Schillers, Fichtes und
llings nicht wieder zuſammengefunden hatte.
Im Winter 1865—66 begleitete er den Erbgroß⸗
berzog nad Stalien. 1872 folgte er einem Ruf nach
Heidelberg; 1906 trat er in den Nubeitand und
ftarb 5. Juli 1907 in Heidelberg.
Als Rbilof opb gebört F. der Nichtung Hegels an.
Seine eriten ſchriftſtelleriſchen Leijtungen waren:
«Diotima. Die dee des Schönen» (Pforzh. 1849)
und «Logik und Metaphyſil oder Wiſſenſchaftslehre⸗
(Stuttg. 1852; 2. Aufl., Heidelb. 1865). F.s Haupt:
werl die «Gefchichte der neuern Vbilojophie»
Fiſcher (Ludwig) — Fiſcher (Theobald)
(Bp. 1—6, Mannb. und Heidelb. 1852—77; Bp.8,
ebd. 1893; neue Aufl., 10 Bde., 1897 fg.), die in einer
Reihe von ig age Descartes und feine
i
—— € ee s > feine Schule, ne
ichte, Schelling, Hegel un openbauer in glän:
ender Daritellung behandelt. . befonderes
erihien: «Francis Bacon und feine Nachfol⸗
ner» (2pz. 1856 ; 2. Aufl. 1875). Diefen umfafjenden
Arbeiten ‚jabie fih die Heinen S en an,
wie «Schiller. Drei Borlefungen» (Frantf, 1868
—61) und Friedr. Schiller. Alademifche Feft-
rede» (Ops. 1860); ferner: Kants Leben und bie
Grundlagen feiner . Drei Borträge (Mannh.
1860), «Atabemifche Reden: 1. Joh. Gottlieb Fichte,
2. Die beiden erg u Schulen in Jena» (Stuttg.
1862), «Leifings Nathan der Weiſe⸗ (ebd. 1864;
4. Aufl. 1896), «Leifing als Reformator der deut:
ſchen Litteratur» (2 Tle., ebd. 1881), «Goethes
gen (ebd. 1878; 4. Aufl. 1902), «Barud Spinozas
eben und Gharaktern (Heidelb. 1865), «Shalfpeares
Ebaralterentwidlung Richards III.» (ebd. 1868),
«tiber die —— und die Entwidlungsformen
des Mihes» (ebd. 1871; 2. Aufl., Lpz. 1889), «fiber
die menschliche Sreibeits (Heibelb. 1888), «Goet
Spbhigenie» (2. Aufl., ebd. 1899), «tiber die Erflä-
rungsarten des Goetbeiben Fauft» (ebd. 1889),
«Goethes Taſſo⸗ (ebd. 1890), «Schopenhauer; Leben,
Eharalter und Lehre⸗ (ebd. 1892), «Shaleipeare und
die Bacon: Mythen» (ebd. 1895), «Boetbes Sonetten:
franz» (2 Bde., ebd. 1895— 96), «Boethbe-Schriften»
F 1—8, ebd. 1895— 1908), «Shalefpeares Ham:
ur ar 1896), ·Kritiſche Streifzüge wider die Uns
ti
und Verſtand im Menſchen⸗ (ebd. 1896), «Der Phi⸗
loſoph des Peſſimismus⸗ (ebd. 1897), Großherzo⸗
gin Sophie von Sadien» (ebd. 1898).
Fiſcher, Ludwig, Baſſiſt, geb. 18. Aug. 1745 zu
Mainz, wo er in ver Kapelle des Kurfürften wirkte, bis
er 1767 in Mannheim die Bühne betrat. 1778 kam
er nach Münden, von da 1779 and Wiener Ratio:
naltbeater, 1783 nad Paris, 1784 nad Stalien
und nahm endlich 1785 ein Engagementsanerbieten | Spri
des Fürſten von Thurn und Zarıs an, Die Höbe
feines Rubms erreichte er in Berlin, wohin er 1788
an die Ftalienifche Oper gelommen war und wo er
nun bis zu feiner Benfionierung 1815 wirkte und
10. Juli 1825 ftarb. — Er war jeit 1779 vermäbhlt
mit Barbara, geborenen Strafler, geb. 1758 zu
Mannheim, die dafelbft 1772 debütierte, 1779 nad
Münden fam und nun ibrem Gatten auf feinen
Zügen folgte. 1798 wurde fie penfioniert. Bon den
vier Kindern biefer Ehe find ala tüctige Sänger
bervorzubeben Joſeph (geb. 1780 in Wien, geit.
9, Dt. 1862 in Mannheim) und % Bart (geb.
1782 in Wien, geft. 1854 in Mannheim), die ſich
nad ibrem Gatten Fifher-Bernier nannte und
als außergewöhnlich begabte dramat. Sängerin galt.
#Fifcher, Ludw. von, Politiker, geb. 5. Dt. 1832
ir Sulzbach (Oberpfalz), ftubierte in Berlin und
ünden Rechtswiſſenſchafi und arbeitete in Augs⸗
burg zuerjt beim Kreis: und Stabtgericht, darauf bei
der Regierung von Schwaben und Neuburg. 1862
wurde er zum zweiten, 1866 zum erften Bürgermeifter
der Stadt Augsburg gemählt, mo er 8. Jan. 1900
—— Seit 1863 gebörte F. der Zweiten Kammer des
ayr. Landtags an und machte fi 1867—69 als
Referent des ng ng für
die Gejeheövorlagen über Heimatwefen, Verehe⸗
lichung, öffentlihe Armen: und Kranlenpflege ver:
(ebd.1896), «Das Verhältnis zwischen Willen | Schül
127
dient. Er war ein hervorragender Redner und trat
von Anfang an für das geeinigte Deutichland unter
reußens Führung ein. Dem Reichätage gebörte
F. 1871—73 ala Vertreter Nugsburgd, 1884—90
für Geiälingen:Ulm, jeit 1898 für Bayreuth an,
Als Mitglied der nationalliberalen Fraktion zählte
er nicht jelten zu der fhußzöllneriihen Minderheit
feiner Bartei,
Fifcher, Ludwig Hans, Maler und Radierer,
geb. 2. März 1848 in Salzburg, lernte feit 1869
auf der Wiener Alademie unter dem Landſchafts⸗
maler von Lichtenfeld die Malerei fomwie bei Jacoby
und Unger die Radierkunft. Nachdem er dann Italien,
Nordafrika, Kleinafien, Spanien und Indien u.
batte, ließ er fich in Wien nieder. Bon feinen Öl:
emälben —— Heimtehr griech.
iraten (1874), Hof eines arab. Hauſes (1876),
Arabiſches Serail in Tunis (1879), In der Stein»
müfte von Judäa (1880), Palmenwald bei Mems:
pbie (1882), Anfiht von Jerufalem (1886), Chamſin
i Theben in Ülgupten (1888). 1889 fchuf er einige
Gemälde für das Hofmufeum in Wien; es folgten
dann: Das Goldene Horn (1890), Mondnadt in der
Müfte (1891), Wald am Himalaja (1892), Waldpartie
auf Geylon, jomie hiftor. Landſchaften aus Öfterreich-
Ungarn. Zu erwähnen find noch eine Reibe von
uarellen aus Indien und Agypten. F. fchrieb:
«Die Technik der Aquarellmalerei» (Wien 1888;
7.Aufl.1898),«DieTechnitder Ölmalerei»(ebd.1898).
fher, Martin, Bildhauer, geb. 1740 zu Be
bele im Allgäu, fam nah Wien, wo er ala Alta:
demieprofeflor 27. April 1820 ftarb. Er wurde
üler Schletterer3 und wandte fih im Anſchluß an
Raphael Donner im Gegenfag zum Baroditil mehr
der Antile und dem Naturftubium zu. Doc haben
feine forgfältig durdhgearbeiteten Werke einen trods
nen Zug. Seine zablreihen Arbeiten, befonders
Brunnenfiguren, fhmüden Plätze, Kirchen und Ge
bäude in Wien, Sein edelftes Der! ift der Mofes auf
dem Franzislanerbrunnen, ferner die Hygieia in der
Alfervorjtabt, die heil. Margareta ebendort, der
ngbrunnen vor dem Sclofje in Schönbrunn,
endlich feine ausgezeichnete anatom. Altfigur in der
Atademie.
Fifcher, Dito, Ehemiter, geb. 28. Nov. 1852 zu
Euskirchen, ftubierte in Berlin, Bonn und Straß:
burg Chemie, habilitierte fih 1878 in Münden,
wurde 1884 nad Erlangen berufen und dort 1885
der ya eined Vetter Emil Fiſcher ( d.).
Seine zahlreihen wiſſenſchaftlichen Arbeiten liegen
zumeift auf dem Gebiete der organischen Farbftoffe
namentlich der zunäcft gemeinihaftlih mit Emil
B. bearbeiteten arena nern 1881
and er im Kairin das erfte fünftliche Fiebermittel.
ſcher, Theobald, Geograph und Forſchungs⸗
reijender, geb. 31. Dez. 1846 zu Kirchfteik bei Zeitz,
—— Ei Deneerg, Dakt, Bonn und Wien Ge
dichte, Botanik und Geographie. Er bereifte 1868
— 76 den größten Zeil von Mittel: und Südeuropa,
babilitierte ſich 1876 in Bonn für Geographie, wurde
1879 Profeflor in Kiel und 1888 in Marburg. 1886
bereifte 5. Zunefien und DOftalgerien, 1888 Welt:
algerien und Marotto, 1899 und 1901 nochmals
rolto, Er fhrieb: «Beiträge zur phyfiihen Geo:
rapbie der Mittelmeerländer, befonders Siciliens»
pn. 1877), «Studien über das Klima der Mittels
meerländer» (Ergänzungäbeft Nr. 58 x aBeter:
manns Mitteilungen», Gotha 1879), «Die Dattels
valme» (ebd., Nr. 64, 1881), «Norwegen, ein geogr.
128
Eharatterbild» (in ver «Sammlung von Vorträgen»,
Heidelb. 1884), «Raccolta dei mappemondi e carte
nautiche dal XIII al XVI secolo» (10 Kartenwerle
in 79 Blättern, Vened. 1881), «Beiträge zur Ge:
—— der Erdkunde und der Kartograp ie in Ita:
ien im Mittelalter» (ebd. 1886), «Die füdeurop.
Halbinfeln» (in «Unſer Willen von der Erde», bo.
von A. Kirchhoff, Bo. 3, rap 1893), «Stalien, eine
länvertundliche Skizze» (Hamb. 1893), «Wiſſenſchaft⸗
lihe Ergebnifle einer Reife im Atlas: Borlande von
Marotto — ——— Sheft Nr. 133 zu «Peter:
manns Mitteilungen», Gotha 1900), «Meine dritte
orſchungsreiſe im Atlas: Vorlande von Marokko
im %. 1901» (Hamb. 1902), «Reifewege im Atlas:
Borlande von Marokko 1901» (2 Blätter, 1:300000,
ebd. 1902).
Fifcher: Achten, Karoline, Sängerin, geb.
29. San. 1806 zu Wien, wurde 1827 für die Hofoper
engagiert. 1830 heiratete fie den Baſſiſten Fried—
ar Fiſcher (geb. 6. 2 1809 zu Preßburg,
geit. 10, April 1871 zu Graz), machte dann Sat
reifen, wurde 1832 Mitglied des Frankfurter Thea:
ter3, 1836 auf Lebensdauer für das Braunfchweiger
Hoftheater engagiert und zog fi dann, 1853 pen:
fioniert, nah Graz zurüd, Sie ftarb 13. Sept. 1896
zu — bei Graz. Sie beſaß eine ſchöne,
durch großen Umfang ausgezeichnete Stimme.
iſcher von Erlach, ſ. S. 732b und 733a.
ifcher von — — S. 7334.
iſcherei, der gewerbsmäßige Fiſchſang. Die
Technik ber 5. iſt in neuerer Zeit bedeutend ver—
vollkommnet worden, zum Teil dadurch, daß an
Stelle der ſchweren, aus Hanf und von den Fiſchern
ſelbſt —— Netze viel leichtere baumwollene
getreten ſind, die in Fabrilen hergeſtellt werden,
zum Teil, ſoweit Seefiſcherei in Betracht lommt,
durch mwejentliche Verbeflerung der Fabrzeuge und
durch die Benußung von Dampfkraft beim Betriebe.
Abgejeben von der Angelfijcherei (ſ. d. und Leinen:
fiſcherei) wird der Fiſchfang mit Neken oder nep:
artigen — betrieben (f. Nebfiicherei).
Die Binnenfifherei in den fühen Gewäflern
ift die leichtefte, mit Angel, Hamen, Stell: und Zug:
neßen betriebene Art der F.; in höchſter Blüte jtebt
fie in den Vereinigten Staaten, in China, Schwe:
den, Norwegen, Rußland u. a.; in Deutichland
ftebt Oſtpreußen in erjter Linie und für den Weiten
die Lachsfiſcherei im Rhein, der Weſer und Elbe,
Der EStörfang in den deutſchen Strömen (f. aud
Karte: — Wa A I) ieh jurüdgegan:
gen. Die Elbe war früber das Hauptfanggebiet;
jest werben die meijten Störe in der See gefangen.
Die Beitrebungen, der Storfiſcherei durch Lünftliche
iſchzucht zu belfen, baben bisher aud Mangel an
rutfifhen feinen Erfolg gehabt. Der Maifiſch,
Be im Rhein ein wichtiger Wanderfifch, ift zum
Zeil vielleiht dur die rüdfichtälofen Fänge der
Holländer dort faft auägeftorben. Verſuche zur
eg der Maiftfchzucht find im Gange. Der Aal
wird überall in Deutichland gefangen, neuerdings
Igor im Donaugebiet, wo er durch Einſetzung ital.
albrut erjt eingeführt wurde. Der Huchen in dem
Donaugebiet eigentümlich, auch der Sterlet fommt
in der untern Donau vor. Die übrigen Flußfiſche,
die verichiedenen Weißfiſcharten, baben voltäwirt:
ſchaftlich kaum eine Bedeutung, nur der Hecht und
der Sander maden bier eine Nusnabme. Sie find
bie — der Fiſcher. Der Sander kam in
jüngſter Zeit auch in den Rhein und gedeiht darin
Fiſcher⸗Achten — Fiſcherei
vortrefflich. In Landſeen des. nordl. Deutſchlands
fängt man vornehmlich den Brachſen, in einigen
norddeutſchen Seen (Madüſee) die Maräne; Renten
oder Felchen kommen neben dem u. der
——— im Bodenſee und in den bayr. Seen vor.
n kleinern Seen und Teichen bildet neben Karau—
hen, Weißfiſchen, Scleien, Hebten und Sandern
der Karpfen den Hauptgegenjtand des Fanges und
ugleich den einer rationellen Teichwirtſchaft (f. d.).
jchnellfließenden Bächen fängt man Forellen,
ſchen und feit dem legten Jahrzehnt, namentlich
in Mittel: und Sübdeutichland, den amerik. Bad
faibling. Die deutihe Binnenfifcherei beichäftigte
1895: 14042, die Seefilcherei 12150 Berfonen.
Die Erträge der Binnenfijherei find in
den voltreihern Ländern Europas in den legten
Jahrzehnten allgemein jebr beruntergegangen, eine
natürliche Folge der bedeutenden Steigerung des
Konjums und dadurd berbeigefübrter Überfiihung,
verbunden mit einer Vernichtung der Laichpläge
und Störung bes Laichgeſchäfts durch Flußregulie⸗
rungen, Gijenbabnbauten und Induſtrieanlagen,
ſowie einer dur Entwaldung bervorgerufenen Ber:
minderung der Pflangennabrung in den jüßen Ge:
a he ur Wiederbevölterung der verödeten Ge:
wäſſer dient namentlich die fünftliche Fiſchzucht (i.d.);
viel wichtiger aber find jahgemäße Fiſcherei—
geſetze (ſ. Fiſchereipolizei), die jeht faſt in allen
europ. Staaten beſtehen und den Schutz der Ge—
wäſſer gegen eine ſinnloſe Ausbeutung bezwecen.
Das ſeit 1874 beſtehende — Fſchereigeſeß
gipfelt weſentlich in einer ſtaatlichen Beauſſich-
tigung der F. durch Fiſchmeiſter und in der Feſt—
jtellung von Schonzeiten und hat das Syſtem der
fog. abjoluten Schonzeit —— wonach der
Fang ſämtlicher im Frühjahr laichender Fiſche (wie
des Barſches und der karpfenartigen Fiſche) vom
10. April bis 14. Juni und der im Winter laichen—
den lahsartigen vom 15. Dit. bis 14. Dez. verboten
ift. Süddeutſchland hat Individualſchonzeit, d. b.
für jede Fiſchart bejondere Schonzeiten. Beide
Spiteme haben Freunde und Gegner. Doc bedarf
bie Fiſchereigeſezgebung dringend einer Revifion
im Anſchluß an die Waſſergeſezgebung.
Die Intereflen der Binnenfiſcherei, der Fiſchzucht,
der Teichwirtſchaft und des Angeliportö werden in
Deutſchland in erjter Linie durd den Deutſchen
alle are in Berlin und die ihm angeſchloſ⸗
enen Pandes: und Brovinzialvereine vertreten. Cr
arbeitet mit den Beiträgen feiner Mitglieder, einer
Subvention des Reichs und Unterjtükungen de
größern Bundesjtaaten und der Stadt Berlin, im
ganzen mit einem Etat von etwa 100000 M.
Die Seefifherei, an den Hüften meift mit aro-
Ben rm Stellnepen, Reufen u. a., auf offener
See(Hochſeefiſcherei) mit Angeln (f. Leinenfiiche:
rei), Schleppnegen oder Kurren & Baumſchleppneß
und Scherbretternetz) und Treibnetzen betrieben, iſt
zwar weit ſchwieriger als die Binnenfiſcherei, aber
auch weit lohnender. In den legten Jahrzehnten
ge fie durch Einführung der Dampftraft bei der
. einen bedeutenden Auſſchwung genommen. Ihr
wichtigſter Gegenſtand iſt zunächſt der Kabeljau oder
—** mit ſeinen Verwandten, dem Schellfiſch,
Köbler, Vollad, Wittlina, Leng, Seehecht u. a.; der
Kabeljau wird zu Klippfiſch, Stockfiſch, Laberdan,
Lebertbran (aus Dorichleber) und Fiſchguano vers
arbeitet und bildet einen großartigen Handelsartilel.
Auf der Bank von Neufundland und den angrens
Fiſcherei
zenden Gebieten, wo von Anfang i bis Mitte
September über 20000 Fahrzeuge mit je —8 Mann
Belakung von den brit. Kolonien, Nordamerila und
Franlreich aus mit Angeln und Negen fiſchen, be:
trägt der Wert des — Fangs über 30 MLM.
An der norweg. Küjte, namentlich bei den Lofoten
und Finmarfen, wird von — bis April der
ders auf den Skrei oder großen Bankdorſch betrie⸗
en, bauptiählih mit Angeln, wobei mehr ala
20000 Fahrzeuge mit über 80000 Menſchen aus
allen Zeilen Norwegens befhäftigt find. Andere
reiche Kabeljaugründe liegen in ver Nordſee (Dogger:
bank und Große Filcherbant),. bei Island, wohin
etwa 300 franz. Fahrzeuge mit 5000 Dann
geben, und an verihiedenen Punkten des nord:
acifilchen Deeans Näcit den dorſchartigen Fiſchen
find die heringsartigen (Hering und Breitling oder
Sprott im Norden Europas, Pilchard oder Sardine
und Anchovis oder Sarbdelle im Süden, Menhaden
oder Bunker an der Nordojtküfte der Vereinigten
Staaten) die wichtigſten Objelte der Seefiiherei.
Am großartigften ift der Fang an der Dftküfte Groß:
britanniend, wo Schotten, länder, Holländer,
Franzoſen und Deutihe vom Suni bis zum Sep:
tember auf Deringe die Hochieefiicherei betreiben.
(S. Hering.) Im Mittelmeer ift der Fang des Pil⸗
hard (Sardine) und des Anchovis faum weniger be:
deutend als der des Herings im Norden. An dritter
Stelle als Objekt der Seefiſcherei jteben die mit An:
ein, Stell: oder ar rare gefangenen Wlatt-
ſcharten, wie Heilbutt, Steinbutt, Glattbutt oder
leift, Scholle, Flunder, Seezunge, Rotzunge u. a.
Sonſtige wertvolle Seefiihe find die Thunfifche
talien) und Mafrelen. Näberes über die deutſche
ochſeefiſcherei j. Hocieefiicerei; über Walfang
und Robbenichlag als Teile der Seefiiberei (Groß:
fiſcherei) ſ. die betreffenden Artite
Der Gefamtertrag, den die einzelnen Staaten
jährlich aus der Seehioerei gewinnen, läßt ſich für
die Vereinigten Staaten auf mehr als 200 Mil. M.
veranichlagen; für Großbritannien betrug er 1900:
194 (fait drei Viertel auf England entfallend), für
Norwegen im Durchſchnitt der legten 30 Jahre 28
(1900: 38) Mill. M. Einen der erjten Plaͤtze unter
den Seefijcherei treibenden Ländern nimmt Japan
ein, das etwa 3 Mill. Menſchen beſchäftigt und
deſſen Erträge aus der Seefiicherei auf jährlid etwa
140 Mill. M. angegeben werden.
In intel pc in der F., deren Ertrag 110
Mil. erreicht, die Aufter (t. d.) eine wichtige
Rolle. Der Wert des —— war 1877 mit 184
Mil, M. am bödjiten, fiel ſodann bis 1887
nur 8,8 Mill. M., ift aber von da ab bis 1898 au
16,4 geitiegen und bat diefe Höbe auch im J. 1901
bebauptet. — Deutſchland hat in der Seefifcherei bis
1884, d. h. bis zur Ausſendung feines erſten Fiſch⸗
damırfers, wenig geleiſtet. 1901 beſtand aber die ge:
famte Fijchereiflotte jhon aus 541 Fahrzeugen mit
101844 cbm Raumgebalt und einer Beſatzung von
8347 Mann, darunter 122 —— mit 52557 cbm
Raumgebalt und 1330 Mann (Großbritannien da:
gegen allerdings 1074 Fiihdampfer). Der Geſamt⸗
ertrag der beutichen —— wird für 1901 auf
—— Mill. M. (wabrſcheinlich etwas zu hoch)
eſchaͤtzt.
Faſt in allen Staaten erfährt die Seefiſcherei
bedeutende Förderung aus öffentlichen Mitteln. Um
wiffenshaftlihe Grundlagen jür den Betrieb und die
Grweiterung der Seefifchereien zu finden, find in den
129
lepten Jahrzehnten in vielen Staaten wiſſenſchaft⸗
lie Kommiffionen zur Erforſchung der Meere ein
geiest worden. Cine der bedeutenpiten ift Die United
tates Fish Commission in Norbamerifa, die jäbr:
lih umfangreihe und wertvolle Berichte verffent:
licht. Neben dieier verdient der Fishery Board for
Scotland genannt zu werden. Deutiland befikt
feine Fiſchereibehorde; in die Aufgaben einer ſolchen
teilen ih der Deutſche Seefiſchereiverein
geüber Seltion des Deutſchen Fiſchereivereins für
üften: und Hochſeefiſcherei) mit dem Sik in Berlin,
Geſchäftsſtelle in Hannover, der feine Etatömittel
vom Neibsamt des Innern und vom preuß. Land:
wirtibaftsminifterium erbält, die Kommiſſion zur
——— Unterſuchung der deutſchen Meere
in Kiel, größtenteils aus Profſeſſoren der Univerſi⸗
tät Kiel beftebend und dem Landwirtſchaftsminiſter
unterjtehend, und bie föniglice preuß. Biologiſche
Anftalt auf Helgoland unter dem preuß. Kultusmini⸗
terium. Sie giebt mit der Kieler Kommiſſion zus
ammen «Wifjenihaftlihe Meeresunterjuchungen»
eraus, deren fünfter Band im J. 1901 im Erſchei⸗
nen begriffen ift, und melde die neue Folge der jeit
1874 er ienenen Yabresberichte der Hlieler Kom:
miffion bilden. In Norwegen und Schweden waren
ion jeit Mitte des 19, Jahrh. berübmte Foricher
Nilsſon, Arel Boed, G. O. Sars, Liungmann u.a.)
tbätig, in Großbritannien find MeIntoſh, Fulton,
Gunningbam, Holl u. a., in Frantreih Pouchet,
Marion, Canu Fabres Domerque u. a., in Deutſch⸗
land Benede, Henjen, Heinde u. a. zu nennen,
Litteratur. Lindeman, Die arktifche F. der deut:
ſchen Seeſtüdte 1620— 1868 (Gotha 1869); Henien,
Überdie Befiſchung der deutſchen Küften (Berl.1874);
Peyrer, Fiſchereibetrieb und Fijchereirecht in Öfter:
reich (Wien 1874); ee Reiultate der ftatift, Be:
obachtungen über die F. an den deutichen Küſten
(in dem «Jahresbericht der Kommiifion zur Unter:
ſuchung der deutihen Meere in Kiel», Berl. 1878);
Lindeman, Die Seefiſchereien (Gotba 1880); von
dem Vorne, Filchereiverbältniffe des Deutichen
Reichs (Berl. 1882); Heinde, Die nußbaren Tiere
der nordiſchen Meere und die Bedingungen ibrer
Exiſtenz (Stuttg. 1882); von dem Borne, Benede
und Dallmer, Handbuch der Fiſchzucht und F. (Berl.
1886); Lindeman, Beiträge zur Statijtil der deut:
ſchen Seefiicberei (ebd. 1888); Bohnhof, Die Dr:
ganiſation der Seefiſcherei in den Staaten Europas
und Nordamerilas (ebd. 1889); vondem Borne, Süh-
waſſerfiſcherei (ebd. 1894); Schwappad, Foritpolitif,
and: und Fiſchereipolitik (Lpz. 1894); von Gerl,
Fiſchereiwirt hartälehre (Wien 1898); Landau, Bei:
träge zur Geſchichte der F.in Deutihland (Eajj.1865);
Lindeman, Die gegenwärtige Cismeerfifcherei und
der Walfang (Berl. 1899); derj., Die Fiſcherflotten
der Welt (im «Jahrbuch des deutihen flotten:
vereins», 1900); ——— cherei im «Handwor⸗
terbuch der Staatswiſſenſchaften», Bd. 3(2. Aufl,
Jena 1900); Kusnetzow, F. und Tiererbeutung in
den Gewällern Rußlands (Petersb. 1898); Deut:
IN Seefiiherei-Almanad (bg. vom Deutichen See:
chereiverein, Leipzig); Dittmar, Die deutſche Hoch⸗
jee:, Seer und Küftennicherei im 19. Jabrb. (Hannon.
1902). Bon periodijc eriheinenden Schriften
find als Organe des Deutſchen Fiſchereivereins zu
nennen die «Zeitihrift für Fiicherei» (Berlin) und
die «Allgemeine Filchereizeitung» (Münden und
Berlin), ferner die «Mitteilungen» des. Deutichen
Seefiihereivereind (Berlin) und «Abhandlungen»
730
von demjelben Berein, die «Deutice Fiſchereizei⸗
—** = feit 1878), die «ilchereizeitung »
. von Dröfcher, Neudamm, feit 1898).
Idereidamprer, | —
ſchereifrage in le ein ſeit
em ſchwebender Streit, en Frant:
Be: und England, jpäter A rin oßbritannien
und den Vereinigten Staaten über das Fiſchereirecht
in den Gewäſſern an der Nordoſtküſte von Nord:
amerifa, Mebrere Einzelfragen find zu unterfcheiden.
1) Zunädft die Fiſcherei an den Bänten von Neu:
— Auf dieſen Betrieb machten die Franzoſen
niprud, weil fie ihn zuerſt (um 1500) in Angriff
enommen hätten; in dem lltrechter Frieden traten
fe 1718 ibre Monopolanfprüce an Großbritan⸗
nien ab, 2) Zum Zmwed des Einpolelns der Fiſche
und der Verproviantierung der Fahrzeuge nahmen
die Engländer 1584 Neufundland in Belis, haben
aber jeitvem faft ununterbrochen bie af Prneied de
der Franzoſen anerlannt, einen Teil des Küjten- | p
ſtrichs zu u dem genannten Zwed zu benußen. Gegen
dieſes Recht erhebt die — sahen
von Neufundland bartnädigen Einiprud. 3) Das
ifchereireht an andern canad. nn be:
treffend, ficherten fich die Vereinigten Staaten in
dem Vertrag von 1783 die Befugnis, in der offenen
See zu fiſchen, an unbewohnten üftenftrichen meb:
rerer brit. Beſizungen zu landen und ihren Fang
einzupöleln. Diefes Recht haben he nod jekt, aber
infolge der Entwidlung der Küftenanfievelungen
find innerbalb der legten beiden Jahrzehnte Strei-
tigteiten entitanden. 4) Der Vertrag gewährte den
Amerilanern aud die «reibeit», in den Gemäjlern
der brit. Kolonien zu fiiben. Durch einen Sonder:
vertrag von 1818 wurden fie berechtigt, an gewiſſen
abgelegenen Streden Küjtenfifcherei zu treiben, und
verzichteten auf alle andern Teile des Ufers. Diefer
Vertrag wurde 1871 gegen Zahlung einer Ent-
ſchädigung erneuert und dauerte bis 1885. 5) In
der Berehnung der Dreimeilenzone zeigte bie brit,
(fpäter die canad.) Renierung die Neigung, Baien,
die weiter als ſechs Meilen find, als g &hloffene
Gewäiler zu behandeln und beanspruchte das Recht,
eine Linie von Landſpitze zu ——* zu_jieben
und die Gerichtsbarkeit über einen ſich drei Meilen
außerhalb dieſer Linie erftredenden Gürtel aus:
zuüben. Gegen diejen Anſpruch erhoben die Ver:
einigten Staaten Widerſpruch. 6) Nah Ablauf
des genannten Vertrags batten nad Anficht der
canad. Regierung amerik. Fiſcher nicht mehr das
Net, in canad. Häfen einzulaufen (außer um
Holz und Wafjer einzunehmen) und Köder zu lau⸗
fen, während bie Amerifaner für ihre Fiſcher alle
Handelsvorrechte in Anſpruch nabmen, die ſeit
1783 erwachſen waren. Berbandlungen zwiſchen ber
brit. Regierung und den Vereinigten Staaten führ:
ten 1888 zu einem Vertragsentwurf, den der Senat
der —— Staaten aber nicht genehmigte.
Die canad. Regierung batte i —* Vorberei⸗
tungen zu einem Modus vivendi getroffen, kraft
deſſen die Fiiher gegen Zahlung F Gebühr in
die Häfen einlaufen konnten. Eine der norbameri:
laniſchen F. verwandte frage bildet der Streit über
un — * im Beringmeer (ſ. d.). — Vol.
bam, The fishery question (Neuvort 1887);
5 y Elliott, The United States and the North
eastern fisheries (Minneapolis 1887).
el, ſ. Fiſchereiſchußz.
ſchereiorduungen, |. Sifhereipolige,
Fiſchereidampfer — Fiſchereipolizei
ſchereipolizei, der iff der Vorſ 36
welche die Erhaltung eines nach — — iR
des im öffentlichen Inte
ve eordnet in den partilulären Fiſche ae
F Siidereireht). teild geichiebt en nur A eins
95 Fluß hoeblel⸗ Ineden a der Berfchiedenbeit der
—— rhältniſſe. Bei denjenigen ſſen,
welche du * vere Staaten fieen, eine
vertragsmä jan egelung der F. ic, wie
wegen ven "= ia feinen tahbarfinaten
und ide een und —
weiz ge nift. Die fiſchereipol
een * wi ir Ei a auf Se Binnen
—— welhe® für Deutfäl Hr
ereigefe eö für Deu
— aft Aust infor in Beten t kommt,
mit nur geringen Modifilationen aub auf die
Kü —— Sinnen, Die H f ir
——— vorzü rch internation
unft — win u t biöber in oligelficher
Binficht — ade gehene elung m ee 3*
nur vor der zw —— ih
ntreich,
En Deutihland, —
marf Grodbritannien,
abgeich ofiene fog.
t Vertrag we —* Mai
1882 über die ide Regelung der Fif
in der Rordfee außerhalb der Fü Iengenäfer
lihe Abmadhungen bejteben zwiſchen England und
Franlreich und zwiſchen Öfterreich und Stalien.
B, a ** olizeilihen Vorſchri in
Klafien. Die erfte enthält Bejhränkungen
5 usübung Ber diigerelum ng
gegen die verfchiedenen Formen der Raubfi
a fie im öffentlichen Interefje erlaſſen find, wäre es
konjequent, fie nur auf ungeſchloſſene Gemwäfler zu
bei ichränten dies ift auch ausdrüdlih im preu
Geſetz anerfannt; Ba en und Baden da:
gegen haben in —— * u eine Aus
debnung derfelben auf fier u
enommen, Die wichtig * vie * 1
betreffen: 1) Mindeſtmaße. Zur Erhaltung
—— es erforderlich, zu vet dat
he zum Verbraud gefangen werden, bevor re
——— geworden ſind und ihre
pflanzung thatſächlich bewirkt haben; daher 24
men Aes — 7 daß 56 unter einer
ewiſſen Größe, welche für die einzelnen Arten ver
(dienen feſtgeſeßt ift, nicht efangen werben dür-
en. Das Fiſchen nad Fiſchlaich ift gänzlich ver-
boten. 2 Schonzeiten. Auch zu gewiſſen
ollen 3 he nicht gefangen nz an unter:
heidet die wöchent!! iche und die jah Schongeit.
Se erftere —* darin, daß I einen Teil der
Woche, mindeitend 24 Stunden, der fang in
öffentlichen Gewaſſern gänzlich gefperrt ift, um den
Fiſchen einen —* Zug zu ermöglichen. Die
En — Laich EN enannt, beijhränft -
in gewiſſen Ya resjeiten, namentlich in
gm jeidnerieen der Fiſche. Es beiteben brei
Syſteme derjelben: das der abjoluten, der
Schonzeit und ein gemiſchtes. dem erften,
welches beſonders in Preußen und gi wer:
den die einzelnen Gemäller, je na t⸗
zahl der in Auen vorfommenden 98 8 ſt
oder im Frübjabr laicht, in ſolche mit Herbſt⸗ und
in ſolche mit bjahrafe onzeit geteilt, und inner
balb diefer Schonzeit, % meiftens Monate
umfaßt, darf in den mit ihr belegten flern der
89 chfang nicht ausgeübt werden. Das relative oder
dividualſchonſyſtem, weldesinBayern, Württem-
Fiſchereirecht — Fiſchereiſchut
berg, Sachſen, Baden, Frankreich, Italien, Oſterreich
gilt, ſet die Schonzeit für die —— Fi en
verf —— nad) ihrer wirklichen Laichzeit, N . Ein
gemiſchtes Syſtem beftebt 3.8. in Elfaß-Lotbhringen,
wo für die Herbftlaicher das relative, für die Früh:
jabrslaiher das abfolute Syftem gilt. (S. auch
iicherei.) 8) Marltverbote, d. b. die Verbote,
ewiſſe Fiſche und Fischarten zu Markte zu bringen
—* feilzuhalten, in rohem ober ————
tande in Gaſthäuſern
oder auch nur zu diefem
Zwed ift, eine eralte Durch = und Kontrolle
Garfüchen u.f.m. zu verlaufen
Zwede zu verjenden. Ihr
der Vorfriften über die Mindeſtmaße und des
dangverbot3 zu ermöglichen. Sie erſtreden fich daher
nad allen Fiſchereiordnungen auf die fog. unter
maßigen Fiſche für das ganze Jahr und finden fich
in den fyifchereiorbnungen mit Individualſchon—
ftem für die einzelnen Fiſcharten verſchieden nad
aßgabe ihrer Schongeit. 4) Schonftätten. Das
Syſtem der Schonitätten ift befonders in der preuß.
Siihereigefebgebung ausgebildet. Es können nad
derjelben du erwaltungsverfügung gewiſſe
Streden von Gewäſſern zu Schonrevieren erflärt
werben, was die Sperrung des Fiſchfangs inner:
balb diefer Gebiete bewirkt. onreviere haben
ben Zwed, geeignete Pläge zum Laichen der Fiſche
und Entwidlung der jungen Brut zu gewähren
(Laihichonreviere) oder den Eingang der Fifche aus
dem Meere in die Binnengewäfler ohne Störung zu
ann (Fiihichonreviere). 5) Verbote ges
wifjer Jangarten, befonderd der Anwendung
erplodierender, giftiger und fonft jchädlicher Stoffe,
von Fadeln und menfhlicher Thätigkeit zur Nacht
zeit, deögleihen gewiſſer Fanggeräte, wie Fiſch—
gabeln, Schlageifen, Schießwaffen u. |. w.
Die zweite e von Borfchriften bezwedt Be:
— iſchſtandes durch Fernhaltung
aller ſchadlichen Einfluſſe und Beſchränkung anderer
Intereſſen zu Gunſten desſelben. Dahin Bm:
die Verbote, zahme Schwimmvdgel, namentlih Haus:
enten, auf Sf gewäfler zu laflen; die Verpflichtung
ber Müller und Triebwertäbefiker, fog. Fiſchleiterñ
Fiſchpaſſe) anzulegen, um.die Hinderniſſe zu befei-
tigen, welche die Wehre, Stauwerke u. f. m. dem Zug
der Wanderfiiche und dem Laichaufftieg der Stand»
fiſche bereiten, desgleihen Schußgitter an Turbinen
anzubringen, um das Zermalmen von Fiſchen zu
verhindern; die Verbote, aus landwirtſchafilichen
und gewerblichen Betrieben Stoffe von ſolcher Be
—*5— und folder Menge in Fiſchwaſſer einzu⸗
ſen, daß dadurd fremde Fiſchereirechte geſchädigt
werben (f. Flußverunreinigung); die den Fiſcherel⸗
bere gegebene ec nis, dem Fiſchbeſiande
ſchädliche Tiere (Otter, md Neiber, Taucher,
Kormorane) ohne Anwendung von Shußwaflen zu
töten und - fangen.
335 m weitern Sinne fann man endlich die
Vorſchriften rechnen, welche die Ausübung der Fi-
ſcherei dur Unberechtigte verhindern und deren
Entvedung erleichtern wollen; fo die Beitimmung
daß Fifchereiber ce Ausübung der Fifchere
eine Fiſcherlarte (beftimmt geformtes Lenitimas
tionspapier) mit fi führen müflen; das Verbot
des Tragens von Fiſchereigeraten außerhalb öffent:
licher e und in der Näbe von Fiſchwaſſern ſei⸗
tens nicht zur Fischerei berechtigter Perfonen. Zur
Handha * der F. find in einzelnen Staaten
reu den) befondere Beamte beitellt Fiſch⸗
meifter, Fifchlieper), welche zur Durchführung ihrer
u.
— —— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — —
—
731
Anordnungen dieſelben Zwangsmittel anwenden
fönnen wie die Ortspolizeibehörden. Im übrigen
tönnen die Gemeinden, Fiſchereigenoſſenſchafien,
ichereiberechtigten Aufieber beitellen, welche, wenn
e —* verpflichtet werden, die Verpflichtungen
und gniſſe von Lolalpolizeibeamten haben. —
Bol. Buchenberger, Fiicherei (in Schönbergs «Hand:
buch der polit. Ölonomie», Bd. 2, 4. Aufl., Tüb.
1896); von Staudinger, Fiſcherei und F. (in vom
Stengels «Wörterbudy des ag er Verwaltungs:
rechtö», Bd.1, Freiburg 1890); Artitel Fiicherei im
«Handmwödrterbud der Staatswiflenihaften», Bo. 3
(2. Aufl., Jena 000
Fifchereirecht. Das Bürgerl. Geſeßbuch (Ein⸗
fahrungegeteb rt. 69) läßt die ag ara
orichriften über Fifcherei unberührt. Berliebene
— *—— zur Fiſcherei in fremden Gewäſſern
als wohlerworbene Gerechtſame kommen in großer
gebt vor; die franz. Gefehgebung bat ſolche Rechte
efeitigt: Geſeß vom 6. und 30. Juli 1798, 8, Fri⸗
maire deö Jahres II, 15. April 1829. In Nafjau
(Ablösbarleit, Geſeß vom 5. April 1869), Baden
Geſetz vom 29. März 1852), Oldenburg (Staats+
grundgefek von 1852) ift man diefer Tendenz gefolgt.
Abgeieben von den füberlommenen einzelnen
Fi —— ig“ etwa folgender Rechts⸗
uſtand: reußen iſt den —— emeinden die
cherei in den Wäſſern des bisher freien oder von
allen Gemeindemitgliedern geübten Fiſchfanges
überwiefen, damit die Fiſcherei unter geregelte Auf⸗
cht mit Schuß des Fiichbeitandes geftellt werde.
übrigen ift die gefeglibe AZuftändigfeit der
iſchereiberechtigung in den einzelnen Landesteilen
unberübrt geblieben (preuß. Gefeh vom 30, Mai
1874, * Geltungsgebiet des Preuß.
Landrechts iſt der Fiſchfang in den öffentlichen
Strömen Regal (II, 15, 8. 73), in Privatfluſſen Recht
der Anlieger (I,9,$.186; dazu m die Rheinprovinz
Gefeh vom 25. Juni ee). Ahnlich ift der Rechts—
zuftand in Bayern, Sachſen, Württemberg, Baden
und vielen Heinen Staaten, jedoch mit großer Ber:
chiedenheit im einzelnen. In Elfaß- Lothringen
wird in ſchiffbaten Flüfien die Fiſcherei vom Staate
verpachtet,; bezüglich der übrigen ale find
die Anlieger zum Fiſchen berechtigt (Gejeh vom
15. April 1829). nn
Die Handangelfifcherei F in manchen Gebieten
be egeben. Auber iſchen find auch Arebfe, Auftern,
uſcheln und andere Waflertiere, foweit fie nicht
5 dbar find, Gegenftand des F. Oft wird den
pereiberedtigten geftattet, Fiſchottern, Fiſch⸗
reiher, Fiſchaare Ir erlegen (Sachſen, Württemberg).
Das Deutihe Strafgefepbud ftellt das F. unter
einen befondern Strafibuß. (©. Fiichereifhuß.) Die
Meerfifcherei ift im Zufammenbange mit der Schiff⸗
fahrt durch öffentlich- rechtliche Beſtimmungen ge
regelt. (©. Fiſchereipolizei.) — * Staudinger,
Die bayr. Landesfifchereiorpnung (2Bdchn., Nünd.
1885—88) ; er Geſetze betr. Jagd, Vogelſchuß
und F. (8. Au ., Wien 1898); Kotze, Die Fifchereis
efeßgebung im vpreuß. Staat (Lpz. 1900); Loßze,
ie lönigl. ſächſ. Geſeße und Berorbnungen über
deg und F. (2. Aufl. ebd. 1900); Rampacher, Die
in Württemberg geltenden gejehlihen Vorſchriften
über Nagd und F. (Ulm 1900).
Filchereifchun, im ftrafrechtlihen Sinne die
jenigen Strafgejeße, welche zum Schutze des Fischerei:
etriebes gegeben 8 u unterſcheiden ſind die
Strafgeſehe betreffend den Fiſchdiebſtahl, ven
732 Fiſchereivereine — Fiſcher
Selen und bie libertretungen der fiſcherei⸗
polizeiliben Vorſchriften. 1) Fiſchdiebſtahl iſt
der Diebſtahl an —43* in geſchloſſenen Privat:
ewaſſern, namentlic in Fiſchteichen oder in Reu⸗
en. Es wird angenommen, daß dieſe ade ſich
im Beſitze einer dritten Perſon befinden. Die Stra:
[en find die des gemeinen Diebitabls, unter Um:
tänden jedoch nur die des jog. Mundraubes nad)
8. 370 des Strafgeſeßbuchs, wenn es ſich nämlich
nur um Entwendung von Fiſchen von unbedeuten:
bem Werte oder in geringer Menge zum ald:
baldigen Verbrauch handelt. 2) Fifhereifrevel
ift die — eſihergreifung von Fiſchen, die
noch nicht im Beſitze eines andern ſtehen, ſich viel:
mebr in ihrer natürlihen Freibeit im Wafler be:
nden, melde zu fangen aber ein anderer aus:
důeblich berechtigt iſt. Die Strafe des unberech⸗
tigten Fiſchens iſt Geldſtrafe bis zu 150 M.
oder Haft bis zu 6 Wochen (Deutſches Strafgeſetz⸗
ch * 370, Nr. 4). Wenn aber zur Nachtzeit, bei
Fadellicht oder unter Anwendung ſchädlicher (gif:
tiger Köder oder Betäubungsmittel) oder erplo:
dierender Stoffe unberechtigt gefifcht wird, fo iſt
die Strafe Gelpjtrafe bis au 600 M. oder Ge:
fängnis bis zu 6 Monaten ($. 296 a. a.D.). Auch
wird mit Haft bis zu 6 Wochen beftraft, wer Kinder
oder andere unter Fine: Gewalt jtebende Perfonen,
welche feiner Auffiht untergeben find und zu feiner
Hausgenoflenihaft gehören, von der Begehung
afbarer Berlegungen der Gefeke zum Schuße der
iſcherei abzubalten unterläßt (8.361, Nr.9a.a.D.).
nolich erjtredt fich der ſtrafgeſehliche F. auch auf
den internationalen Verlehr: Ausländern ift das
unbefugte 1* in deutſchen Küſtengewäſſern bei
Geldſtrafe bis zu 600 M. oder Gefängnis bis zu
6 Monaten und Einziehung der Fanggeräte unter:
fagt, und aud auferbalb der Rüftengerwäfler iſt
(ſoweit die Rordſee in Betracht lommt) die Fiſcherei
(durch Vorſchrifſten wegen der Bezeichnung der
Schiffe, des Ausweiſes der Nationalität und des
Gebrauhs der Nepe) polizeilich geregelt durch die
internationale Konvention vom 6. Mal 1882, welche
für Preußen durd das Gefek vom 30, April 1884
weiter, insbefondere — Feltiekung von Strafen
(Gelvitrafe bis zu 600 M. oder Gefängnis bis zu
6 Monaten), ausgeführt if. — Gegenitand des
gen und des 5. jind neben den Fiſchen aud
ebje, und nad der Praris des Reichsgerichts auch
Mufbeln(Auftern) und alle Tiere, welche Gegenſtand
einer ilchereigerechtigleit find. Was dazu gebört,
beftimmt fih nach Landesrecht. Dttern gebören in
Bayern zu den jagdbaren Tieren; nah Art. IV des
preuß. Geſetzes vom 30. März 1880 ift den Fiſcherei⸗
—— geſtattet, Fiſchottern ohne Anwendung
von Schußwaffen zu töten oder zu fangen und für
ſich zu bebalten. 3) Die fifhereipolizeiliden
Vorſchriften find der — vor⸗
behalten. Sie beziehen ſich auf die Fiſchereiberech⸗
tigung und deren ordnungsmaßige Ausübung, auf
die auszuftellenden Erlaubnisſcheine, die Schonzeit,
die Schonreviere, Den art, yanggeräte u. ſ. w. (©.
Fiſchereipolizei.) In iſt das Fiſchereigeſetz
vom 30. Mai 1874 mit dem Zuſaßgeſeß vom 30, März
1880 (Strafen nicht über 150 M.) und mit Verord:
nungen für die einzelnen Provinzen in Geltung. —
Val. Staudinger, Der F. (Nördl. 1881).
if ereisereine. Fiſcherei.
iſcherinſeln, |. Pong-hu.
iſcherlaud, ſ. Bodden.
von Erlach (Joh. Bernh.)
— erneh, |. Netzfiſcherei und Fadengebilde.
ifcherring (lat. annulus piscatoris), das feit
dem 14. Yabrb. gebräuchliche Heinere päpftl. Siegel,
womit die vom Kardinal: Selretär unterzeichneten
Breven (f. d.) geficgelt werden (daber sub annulo
iscatoris; über das größere Siegel |. Bulle). Der
5 zeigt den Namen bes Papſtes und eine Dar:
tellung des beil. Petrus, der von einem Kahne
aus das Filcherneg einziebt. Nach dem Tode eine
Papites zerihlägt der Camerlengo (f. d.) deſſen F.
ifcherfchulen, Lebranſtalten zur Ausbildung
der ) tinallen mit ihrem Gewerbe im Zufammen:
—— Wiſſensgebieten. Hauptgegenftände
des Unterrichts bilden in Schulen für en ber die
— Lund E Maunge OLE Der EEE eeres⸗
bewohner, beſonders der Fiſche, ihre Lebensweiſe,
ihre Nahrung, ihre Wanderungen, Laichzeiten u. a.
Außerdem werden in Vortraͤgen behandelt das
Straßenrecht auf See, Rettungsmaßregeln bei Un:
glüdsjällen, das Verhalten bei drohenden und ein:
getretenen Seeunfällen, digen mit befon:
derer Berüdfichtigung des Signal: und Befeuerungs:
weſens an den Küjten, Gezeiten, Hafenzeit, Strom:
verjegung u. ſ. w. Enblic find nod Unterweifungen
im Gebrauch verſchiedener Nehe und Gezeuge zu er:
wäbnen fowie aud Unterricht im Nepftri en und
:äliden. Der Unterricht, der meift an den Elementar:
unterricht anfchließt, findet gewöhnlich nur in ber
furzen Zeit des —— Froſtes, der die Seefiſcherei
bindert, ſtatt. Die Anzahl der F. bat in leßter Zeit
erheblich — 8 giebt ſolche in den Nie
derlanden (Blaardingen) und in Belgien (Djtenbe);
in Deutſchland befteben 1901 im Nordfeegebiet 6
(4. B. in Blanteneje und Fintenwärder), im Dftiee:
ebiet 10 5. (4. B. in Billau, Neufahrwaſſer, Stral:
fun) Für Binnenfifcher dagegen, die nicht fo dicht
eieinander wohnen, daf eine genügende Frequenz
bei 5. geſichert ift, werben diefe durch Fiſchere lurſe
exſeht, die von Filchereivereinen (4. B. in Münden,
Erlangen, Stuttgart, Calbe) abgebalten werden oder
ala sh an Anjtalten beftehen (3. B. an der Tba:
tandter Forſtalademie, an der laiſerl. Fiſchzuchlan⸗
ftalt in Hüningen, an der Landwirtſchaſtlichen Hoch
ſchule in Berlin fowie, befonders mit teichwirtichaft«
lihen Zielen, an der Teihwirticaftlichen Verſuchs⸗
anjtalt in Trachenberg).
3132 Salz, ſ. Kobaltnitrit.
iſcherſtechen, eine rüber in vielen Gegenden,
jest nur noch jelten (4. B. noch jäbrlid in Yeipzig)
vorfommende Yeitlichleit, bei der die Fiſcher, auf
leichten Kähnen ſtehend, ſich mit langen Stangen
umzuſtoßen juchen, jo daß der Überwundene ins
Waſſer fällt.
ifcheruptionen, Ausbrücde der in vullani⸗
ſchen Spalten und Höblen fowie in ſtraterſeen an:
efjammelten Waſſer- und Schlammmajlen, die
iſche mitfübren. Solde F. find namentlich in den
ultandijtrilten Quitos vorgelommen,
Fiſcher von Exrlach, Job. Bernb., djterr. Baus
meiſter, geb. 15. März 1656 zu Graz, weilte feit
1680 in Stalien, wo auf ihn der Kunſtlerlreis um
Carlo Fontana und die um die Körligin Ebriftine
von Schweden geſcharten Gelebrten, wie Bel-
lori u. a., Einfluß ausübten. Der berziäenben
Willtür gegenüber ging er ſowohl auf vie Dent-
mäler der Antile als auf die Theoretiler der Re
naiſſance, wie — Serlio, Palladio, zurüd.
Obne biermit troden antifijierend zu werden, be
bielt er vielmehr das Schwungvolle des Baroditils
Fiſcher von Erlach (Joſeph Emanuel) — Filchgift
bei, mäßigte und klärte deſſen Üppigleit jedoch auf
Grundlage ſeiner großen Worbitber. In 3
roßen in Kupferſtichen, dem «Entwurf einer
Biter, Arditeltur», das ihn jeit dem J. 1696 bes
ihäftigte, behandelte er zum eritenmal die Stile
aller Völfer im Bilde, Nach feiner Rüdlehr weilte
er zuerit 1686 in —* dann in Wien. An der
Bei äule am Graben betbätigte er ſich ſchon 1687
als Bildhauer, bei der Hochzeit Sojenhe I. baute er
den Triumpbbogen 1699 u. — w. Bon legterm Kai⸗
F— hochgeſchatzt, begann F. nun, beſonders ſeit dem
ode des einflußreichen Lodovico Burnacini, ſich
der geſamten Bauthatigleit in Oſterreich zu bemäch—
tigen; ihm verdankt Öfterreich die Fülle einer err⸗
* Kirchen⸗ und Palaſtbauten aus jener Zeit.
Selbitändige hochbedeutende Künftler, wie die Brü-
der Martinelli, vann Gabrielli, Krijtian, fübrten
die Entwürfe des großen Meijterd aus. 3. m
5. April 1723 zu Wien. Zu feinen wichtigften Wer:
fen. gehören: das faiferl. Luſtſchloß Schönbrunn,
nicht nach 5.8 dee ausgeführt, wonach es auf dem
Berge fteben follte und zu den großartigiten Baus
werten der Welt gezäblt haben würde; die Kirche
des heil. Karl Borromäus, 1713 begonnen, 1737
von feinem Sohn vollendet, fein erhabenſtes Wert;
die Valäfte des Prinzen Eugen, Trautjon, Bat:
thyänyi, Schwarzenberg, zwei Liechtenſteinſche,
Schönburg, Schönborn, die böhm. Hoffanzlei, die
taiſerl. Stallungen, der großartige Umbau der Burg
unter Karl VL, wovon nur die Winterreitichule,
Reichskanzlei und die Hofbibliothet nach F.s Tode
[ertig wurden, find feine Erfindung. Außerbalb
iens finden ſich Werte feines Entwurfs, zum Teil
auch von feinem Sohn Joſeph Emanuel ausgeführt,
in Saljburg (Univerfitätsfirhe 1707, Schloß Kles⸗
beim), ın Prag das ſchöne Palais Clam-Gallas, die
Kirche zu Haindorf in Böhmen, Schloß Frain in
Mähren, Schwarzau bei Wiener-Neuftabt u. v. a.
— Bol. Zlg, Die F. v. €. GBd. 1, Wien 1895).
Silder von Erlach, Jojepb Emanuel, diterr.
Baumeister, Sobn des vorigen, geb. 1695 zu Wien,
eit. 29. Juni 1742 dafelbit, made in England bes
onders Studien inder Phyſik und Mechanikund fehte
nad) dem Tode feines Vaters deilen Thätigkeit fort.
Er jtieg nod höherin Ehren und
in den Freiberrenjtand erhoben und Hoftammerrat,
erreichte aber die Genialität feines Vaterd nicht.
Seine eigenen Werte neigen mehr dem franz. Klaf:
ſicismus zu, der um jene Zeit alles zu beherrſchen
anfängt, oder find rein dekorativ, jo das Monu—
ment am Hohen Marlt 1729 —32, der filberne
Gnabenaltar in riazell 1727. Mit Vorliebe
betrieb er mechan. Arbeiten; 1721 jtellte er in Caſſel,
1722 im Garten de3 Fürften Schwarzenberg zu Wien
eine Dampfmaſchine auf, die Bergwerke zu Kremnig
verjab er mit Entwäjjerungsmafdinen.
Fiſcher von Waldheim, Gotthelf, Naturfors
ſcher, geb. 15. Dit. 1771 zu Waldheim in Sachſen,
eit. 18. Dit. 1853 als Direktor des Naturbiitoris
Pen Kabinetts in Moskau, veröffentlichte zahlreiche
vn und geolog. Schriften, wie «Anatomie der
ali» (Bd. 1, Franlf. 1804), «Entomographia
imperii Russici» (5 Bde., Mostau 1820—51),
«Oryctographie du gouvernement de Moscou»
(ebd. 1830—37), «Bi wien palaeontologica
animalium systematica» (2. Aufl., ebd. 1834) [m
Filchfluk, Großer (engl. Bad:River), Fluß in
den Nordmweltterritorien von Britiſch-Rordamerika,
entipringt im NO. des Aylmerjees, der zum Maden:
ürden, wurbe1735 | 3
133
zieſyſtem gehört, flieht na D., durch den Garryſee,
wendet ſich darauf nah N. und ergießt fi in bie
Elliotbai des Nördlichen Eismeers. — 5. heißen
auch zwei Flüffe in Südafrita ( Fiſchfluß, Bo. 17).
Fiichgift und Fifchvergiftung. Dur den
Genuß von Legen fowie won gejalzenen und
geräucherten Fiſchen find schon öfters mehr oder
minder jchwere, jelbit tödlich verlaufende Bergif:
tungen verurfacht worden. liber die Natur ‚des
Fiſchgiftes ift im —— noch nicht viel Zu:
verläjjines bekannt, Oft handelt es ſich um ein dem
Wurſtgift (f.d.) nahe ſtehendes Fäulnisgift, welches
fih bet manchen an und für ih unſchädlichen Fiſch⸗
arten infolge einer raſchen Zerſezung und fauligen
Veränderung des Fleiſches entwidelt. Das Weſen
diejer Affeltion ift noch nicht ganz aufgeklärt, es
ſcheint ih dabei um PBtomaine (j. Xeichenallaloide)
zu handeln. Brieger itellte aus faulenden Dorſchen
eine ftidjtofjbaltige Baie, das Gadinin C,H,,NO,;
dejlen genaue chem. Struktur unbelannt ift, dar; auf
größere Gaben diejes Körpers reagierten Mäuſe mit
Lahmungserſcheinungen; bierher gebören alle Ver:
giftungen, die nad dem Genuß von verborbenem
Schell: und Stodfiih, von mangelbaft geräucher—
ten —— und Büdlingen, in Eſſig eingelegten
Schleien und Heringen u, dal. wiederbolt beobachtet
wurden, In andern Fällen iſt es die Aufnahme gif:
tiger Stoffe aus dem umgebenden Waſſer, welche
den Fiſchen jelbit torifche Eigenſchaften verleibt; aus
diefem Grunde kann der Genuß von Sumpffiichen
jowie von Fiſchen, welche durch Kodelätörner oder
durch ungelöfchten Kalk’ betäubt wurden oder welche
ih von dem Aas milzbrandfranfer Tiere nährten,
gejundheitsihädlich wirken. Endlich erleiden mande
an ich ungiftige Fiſche während der Laichzeit gewiſſe
noch nicht näher bekannte Veränderungen, welche
Anlaß zu Intorifation geben lönnen; fo bat der Ro:
gen der Barbe (Barbus fluviatilis) ſchon oft ſchwere
gaftrische Zuftände hervorgerufen, die mit dem Na:
men der Barbenkolera bezeichnet werben.
Die eigentlihen Giftfiſche (Pisces toxico-
phori), deren Genuß jtets ſchädlich wirft, find
borzugsmweife tropifche 66 aus der Ordnung
der Knochenfiſche. Hierber zäblen verſchiedene zur
amilie der Barſche gebörende Arten der Gat:
tung Sphyraena, namentlich Sphyraena becuna
und Sphyraena barracuda, mebrere tropiſche Sar-
dellen, wie Meletta s. Clupea Thrissa und Meletta
venenosa, mande Meerbrafien, beſonders Pagrus
vulgaris, Sparus erythrinus und der geradezu als
Larterfiich bezeichnete Sparus maena, ſowie ver:
ſchiedene zu den Mafrelen ‚gehörige Fiſche, wie
Thynnus pelamys, die Bonite der tropischen Meere,
und Caranx fallax, mitunter auch Thynnus vul-
garis, der gewöhnliche Thunfiich des Mlittelmeers.
Ganz bejonders gefürchtet find verſchiedene Fiſche
aus der familie der Gymnodonten, welche den
Gattungen Diodon, Triodon und Tetrodon ange
bören und die hauptſächlich an der Fiſchvergif⸗
tungen im öftl. Aiten (China, Japan, Oſtindiſchem
Arhipel), in Neucalevonien und am Kap find,
Endlich gehören bierber Fiſche, die nicht durch den
Genuß ihres Fleiſches, wohl aber durch mechan.
Berlegungen gefährlih werden, indem fie vermit-
telit ihrer an den Kiemendedeln und der vordern
—**—* befindlichen, mit einer —— in Ver⸗
bindung ſtehenden Slachein höchſt ſchmerzhafte und
ſchwer heilende Verlezungen und Lymphgefäßent⸗
zündungen hervorrufen. Es gehören hierher das in
734
den europ. Meeren heimiſche Petermännchen, Trachi-
aus draco ſowie Trachinus vipera, ferner in den
tropiihen Meeren Pagrus aurantiacus, Ploturus
lineatus u. a., welche legtere durch ihre Verlegungen
mitunter felbft tödlichen Starrkrampf verurſachen.
Die Vergiftungserſcheinungen find jenad
den Arten, von melden fie lommen, verſchieden;
man kann im allgemeinen drei Formen unterjchei:
den. Bei der gaſtriſchen Form (Ichthysmus
gastricus s. choleriformis), weldye beſonders nad
dem Genuß von Barbeneiern, tropijhen Meer:
brafien, Sardellen und Spbyränen eintritt, wird
vorjugsmeife der Verdauungslanal affiziert; es
ellen fi, meift 2—8 Stunden nad der ableit,
eitige Leibfhmerzen, Erbrechen und Durdfall ein,
wozu fi in fchweren Fällen ähnlich wie bei ver
Cholera jchmerzbafte MWadenträmpfe, Anurie und
rajcher Berfall der Kräfte gejellen. Bei der jog.
eranthbematifhen Form - ae iftung
(Ichthysmus exanthematicus he bejonders
von dem Genuſſe tropifcher Kun und Thun⸗
fiſche herrührt, jtellen fi bald nah dem Ber:
ehren des betreffenden Fiſchfleiſches ſcharlachartige
Sautausfchläge ein, melde mit ver. eitigem
Schwindel, Kopfſchmerz und —* Shell ung des
Geſichts, insbefondere an den Augen fidern und
den Lippen, mitunter auch mit Kg —
Krampfhuſten und Fieber verlaufen. Am gefährlich:
ften ift die dritte Form der Fiihvergiftung, die —*
paralytiſche (Ichth ver paralyticus), welche
in den Tropen ala uatera bezei net und
hauptſächlich durd die : en erwähnten Fiſche aus
der Jamilie der Gymnodonten (Diodon, Triodon,
Tetrodon) veranlaßt wird. Nach deren Genuß tritt
fhon na —— Minuten Schwindel, zu
lofigteit, Verfall der Kräfte und allgemeine Läh⸗
.. ein, die häufig ſehr jchnell zum Tode führt.
der Be Ent ung ber Sifhper ergiftung af
die ie ig agen be:
ichen Giftrejte durch Brechmittel oder mittels
agenausipülung die Hauptfahe; von manden
Urzten wird Eſſig oder Eitronenfaft ald Gegen:
mittel gerübmt. Gegen den drohenden Rräfteverfall
dienen jtimulierende Mittel (Wein, Uther, Cognac,
ftarler Kaffee) ſowie Senfteige, Frottieren der Haut
und kalte Doucen auf inertopf und Rüden. —
Se Autenrietb, Das Gift der Fiſche (Tüb, 1833);
D’Urras, Essai sur les accidents causes par les
poissons (Par. 1877); Bottard, Les poissons
venimeux (ebd, 1889); Aruftamom, fiber die Natur
des Fiſchgiftes den «Zberapeutiichen Monats:
beiten», 1892); Stevenfon, Poisoning by sardines;
a toxic ptomaine (im «British med Journal»,
Dez. 1896) ; Thorner, liber gi giftige e Fiſche undfifcherei:
dc, wigtge fonftige giftige ertiere (in der «Zeit:
chrift iſcherei und deren ilfswiſſenſchaftens,
ntfernung der 4 im
Charlottenburg 1896); Pellegrin, Les poissons ve- | La
ie (Bar, 1899),
per dere Fiſchgrätenſyſtem, die
jenige Anordnung eines Gebäudes, bei ver ein lang:
geitredter Mittelbau von nejrem Querbauten
rechtwinklig in beſtimmten Zwi chenraumen durch:
zen wird, fo dab der Grundriß (i die Tert:
aur 3 beim Artitel Ausftellungsgebäude) dem
Stelett eines Fiſches ähnelt. Diejes Syitem wurde
mehrfach praltiſch angewendet.
iſchgrätenverband, bei Mauerverbänden die
äbrenförmige, ſchräge Verbindung von Steinen,
3- B. in der röm. und angelſächſ. Bauweiſe.
Fifchgrätendau —
Fiſchhandel
Mara N 1 Alma
=
Bi — gewiſſe hier mit zu nen»
altiere Kl ſchon feit dem Mittelalter,
namentlich aber feit = 2
lung der Seefiſcherei, ei —* delsartilel.
Der zu mit [up fiice at durch die Näbe
von Fang⸗ und er omie aud daburd,
daß der Fiſcher a v re ändler ift, wenig be
merlenswerte Cigentümlichleiten; um einen Ber:
fand im großartigern Maßſtabe handelt es fic bier
nur I“ rtfiſchen, wie Forellen, Lachs u. ſ. w.,
oder beim Zander, der in großer in
lonſerviertem oder gefrorenem Zuftande aus Ruß⸗
land in Deutihland eingeführt wird. Forellen,
Karpfen, Yale u. a. werben vielfach lebend verfandt,
entweder in großen Fäſſern von 500 1 und mebr
Inhalt, die mit Wafler vi und je nach Bedarf
u
tigen gan Entwid:
jur es etüblt und d Einpumpen von Pre
— ſcht werben können, oder zwiſchen feuchtem
mit Eis gefübltem Moos. ige enswerter ijt ne:
Großhandel mit Seefifhen, der ſich in
land —J— 1885 Hand in Hand mit einer Pong
Vergrößerung der Seefiſcherflotte entwi bat
> — Die Ark br u Be ord-
ee gefangenen en
Damp hiffe erfolgt —e— in —u—
Bremerhaven, dem bedeutendſten Fiſchmarlte, und
in Altona-Hamburg. Hier werden die auf Eis
genden Fiſche bald nach der Ankunft in Käften von
. 100 Pfd., nad Arten und Größe geordnet, in
roßen ihauftionsballen ng ar an die
Gr händler verfteigert und fofort in wis
ſchen gu als Eilgut zu — mehr verfandt.
Der Gejamterldös der Fiichverfteigerungen in allen
in Geejtemünde: Bremerhaven und DZ
. befindlichen Se beli de ih 1899
9562 600 a was einer Zufuhr von etwa
ill, Gentner ftiſchet Fiſche ent! en —*
De tommen no große Mengen
gebender Fiſche, die obne Yuttion iret —
werden. Vom Auslande beteiligt ſich an der Ein⸗
ſendung von friſchen ſchen vor allem Däne⸗
mark, aber auch die —— ſlandinav. Länder ſo⸗
wie Holland und Englan
Eine wichtige Role namentlich die Altonaer
—— ſpielen die Store mit 2 geihä *
aviar. Sie werden zum Teil auch von den
feefüften, namentlich von der Danziger Bucht, wäh:
rend der Fangzeit re er hi großen "Fifb:
auftionsballen der Nordſee Bi namentlib nad
Altona — a lieferte die Stö a
in der 61 Ibe, Em — und enden
indgefamt 1500, mans: 8700
1650 Stüd. Die Hauptprodulte \« BUNTER
rei,als an Sollen und Flundern),
Aal, Hecht, „Beofle, au &, wer:
den obne Auktion i in großen M engen ins innen:
land verfandt, außerdem Lachſe, Flundern, Yale
u.d,, Hr] mariniert oder geräucert.
für den F. owobl an der Nordſee⸗
wie an ber hir e ift vor allem der Hering,
der zum großen Tei Fri ch, zum andern mit bem
verwandten Sprott gemeindafti am an ber we
pi allerlei Konſerven verarbeitet, pe
raten oder geräucdert ins Binnenland md ver *
wird. Die gl der Verarbeitung des Herings un
des Sprotts berubende Ronfervenfabrifation 8
der Handel mit den Erzeugniſſen derſelben ſteht
Fiſchhauſen
an der ganzen Oſtſeeküſte, namentlich in Scles:
mig-öelfein, Lübed und Bommern in höchſter
Blüte. Während die feinern PBrodulte diefer Fabri⸗
tation überall Eingang finden, werden die großen
Maſſen namentlih an Brat: und Räucherware in
vielen Wagenladungen bejonders nad den voll:
reihen Induftriegegenden Sachſens und Thüringens
verjandt. end der kalten Jahreszeit werden
auch große Mengen Heringe aus Schweden und
Dänemark in den obenerwähnten Yabrilen ver:
arbeitet. Troß der großen Leiftungsfähigleit der
deutjchen Konſervenfabrikation jendet auch das Aus:
land, befonders Holland, noch große Mengen von
Näucerwaren. Da an manden Orten der deut:
{hen Hüfte, z. B. in der Elbmündung, nod viele
Heringe und Sprotten gefangen werden, ohne in
vollem Maße zu Konferven verwendet zu werben,
erjcheint die Induſtrie in Deutichland noch weiter
entwidlungsjäbig. So werden in der Außenelbe
jährlih große Mengen junger Heringe gefangen
leinſchließlich Sprotten 1892: 8,73, 1896/97: 5,17,
1898/99: 2,3 Mill. kg), welche zu etwa 70 Proz. als
Dünger Verwendung finden.
Ein von dem ie erwähnten gen) weſentlich ver»
ſchiedenes Feld bat der Handel mit gejalzenen
oder gepölelten Heringen. Trotzdem in Deutich:
fand an ſolcher Ware gewaltige Mengen (etwa 30
—40 Mill. M.) verzehrt werden, jo war die deutſche
Fiſcherei doch bis in die neuere Zeit nur mit faum
1 Proz. an der Produltion dieſer Ware beteiligt.
Im legten Jahrzehnt beginnt jedoch auch die Teil:
nahme Deutichlands an der großen Heringsfiſcherei
außerordentlich zu wachſen. 1900 waren deutſcher⸗
feitö etwa 110 Logger und 8 Dampfer am Fang be
teiligt und fingen etwa 80000 Faß, d. i. 5—7 Bros.
de3 heimischen Konſums. Aber in der Hauptſache
wird der Bedarf noch immer vom Auslande gededt,
und zwar von Holland, Schottland, Norwegen. Die
Einfuhr von dort an gefalzenen Heringen betrug
1890: 737137, 1894: 1367751, 1899: 1093066,
1900: 1133067 Faß im Werte von 37 Mill. M.
Die wichtigſten Einfuhrhäfen find Hamburg, Stet-
tin, Königsberg und Danzig. Die Urfadhe für die
har Beteiligung Deutſchlands an der be; großen
eringäfifcheret ift darin zu ſuchen, dab dieſe Fi:
fcherei fih in zu großer Entjernung von ber deut:
fhen Hüfte, nämlich einesteild vor der ſchottiſch⸗
englifhen, andernteil3 vor der norweg. Hüfte ab:
fpielt, jo daß die früher einzige und feit längerer Zeit
in Deutſchland beftehende größere Heringsfiſcherei⸗
gejellihaft in Emden, woßin jest auch noch eine
zweite Seefifchereigefellfhaft aus den Niederlanden
übergefiedelt it, vem Auslande gegenüber lange Zeit
nicht tonkurrenzfähig war. Doc haben fich die Ber:
bältnifje gebeflert; aud in Glüdjtadt, Vegeſad und
Eisfleth N man erfolgreidy mit ber Gründung von
Heringäfiihereigejellihaften vorgegangen.
er Anteil der deutſchen Fifcherei am Fang ber
Sarbelle ift unbedeutend; der ganze Bedarf, der
fi auf ,—ı1 Mill. M. jährlich beziffert, wird durch
die —* x. aus Holland gededt, am deſſen Kuſten,
namentlich im Zuiderfee (abgejeben von den Mittel:
meerfifchereien), der bedeutendſte Sarbellenfang itatt:
Den Auch der Bedarf Deutihlands an Stod:
iſch und Klippfiſch ift nicht gering.
Der Handel mit Auftern (Einfuhr 1900: 822000
M.) vollzieht fi) meiſtens dur direlten Verſand
nad den — ken; nur die ſog. wilden Auſtern,
die in der offenen Nordſee von deutſchen Fiſchern
— Fiſchhof 135
Oeiangen werden und oft fälfchlih unter dem Na:
men Helgoländer Auftern geben, werben gelegent:
lid) verfteigert (ſ. Aufter).
Die Hummern aus Norwegen und Helgoland
(Einfuhr 1900: 1,7 Mill. M.) werden von dortigen
Paldern oder Händlern faſt immer an direlte Adreſ⸗
en verlauft und fommen nur teilweiſe zur Ber:
jteigerung.
, Der 5. ift in Deutſchland geringer entwidelt als
in vielen andern Ländern, und vor nicht allzu langer
geit galt (vom Hering abgejeben) jelbit in gut
ürgerlien Kreiſen (nicht längs der Küſte) Eh s
peije mehr oder weniger al3 ein Luxuseſſen. Das
etzte Jahrzehnt des 19. Jahrh. hat indejjen durch
bie Maffenverjendung in gelühlten Wagen in der
Berbilligung der Preiſe für Seefiſche einen erfreu:
lihen Fortihritt geihaffen, jo daß felbjt weit im
ande frifhe Seefiſche nichts Seltenes mehr find.
luß: und Teichfiſche haben dagegen ihre Preiſe be:
auptet, nur die Forelle ift dank ihrer fünftlichen
Achtung etwas billiger geworden. Die deutſche
n» und Ausfuhr betrug 1900:
Fiſche
Doppel ·
centner
Eaknelk ge teile: lebende
Süßmaflerfiihe: tote . . » » 706
ech 2 ſche: Heringe. . 4310 131
Ser sandere. » 2... 28275 1926
Sie y * rin Säffer . > 33
e, gejalgene! in ern,
te eräucherte u.f.w.| 46547 cn. 644
87 35
—— geſalzene: in fäffern |1 133 0672 36961
eringe: in nicht hanbelsüb-
ficher Berpadung. . . . -
Mit Eifigu. CIaubereitet u.ges
falgene in @läfernu.Büch
1 Yußer Heringen. *?Bahl ber Fäaͤſſer.
Fiſchhauſen. 1) Kreis im preuß. Reg.» Bez.
Königsberg, hat 1064,61 qkm und (1900) 53063,
(1905) 52415 E., 2 Städte, 145 Landgemeinden und
131 Gutsbezirle. — 2) Kreisftabt im Kreis F. 30 km
weſtlich von KRönigäberg, am Nordende des Friſchen
Haffs, an der Linie Königsberg-Pillau und der
Nebenlinie F.⸗ Palmniden (18 km) der Dftpreuß.
Sudbahn, Sig des Landratsamtes und eines Amts:
— (Landgericht Königsberg), bat (1900)
746 E., darunter 12 Katholilen und 37 Israe⸗
liten, (1905) 2606 E., Poſtamt zweiter Klaſſe,
Telegraph, Reih3bank:Warendepot; Bierbrauereien,
—— und einen kleinen Hafen. 7 km
üdmeftlih von F. das Dſtſeebad Neubäufer,5km
weftlic von F. die 1264 erbaute Burg Lochſtedt,
neben welder die Stabt 1305 angelegt wurde; fie
war die Refidenz ber ſamländiſchen Biſchofe.
Fiſchhaut, die Haut gewiſſer Haifiſche (f. d.),
wird durch Gerben lonſerviert und dient in diefem
* tande wegen ihrer rauhen Beſchaffenheit zur
elleidung des Handgriffs von Hiebwaffen u. dal.
Nah dem Abjchleifen zeigt diefe Haut eine fehr ge
fällige Beihnung und wird in neuejter Zeit als
berzug von Galanteriewaren benußt. F. dient Io
ner wegen ihrer —— und harten Beſchaffenheit
zum Abſchleifen von Gipsabgüſſen u. dgl. F. nennt
man auch die fünftlich hergeſtellte rauhe Oberfläche
von Gemwebrteilen, z. B. an dem Hahn des Schloſſes,
an dem Schieber des Viſiers u. ſ. m.
ſchhof, anal! diterr. Arzt und Bublizift, geb.
8. Dez. 1816 in Altofen, ftudierte feit 1863 Medi—
zin und trat dann in das Allgemeine Krankenhaus
136
ihn in die polit. Bewegung; jeine Rede (13. März)
vor dem Landhaufe in Wien war der erſte Anſtoß
zur Revolution, an der er nun bejonders ala Präfi-
dent des Wiener Sicherheitsausihufles lebhaften |
apleinsporf | nommen, um «gefehlt» zu werben, wobei Riemen,
bgeordneten zum Ronjtituierenden | Herz und Verdauungswerkzeuge, aber niht Mil
Anteil nahm, fo daß ihn der Bezirk
in Wien ala
Reichstage wählte. Das liberale Minifterium Dobl«
boff ernannte ihn zum Minifterialrat, auf welche
Stellung er jevod nad) Eintritt des Minifterrums
Schwarzenberg verzichtete. Nah Auflöfung des
Konftituierenden Reichstags (7. März 1849) wurde
F. verhaftet und wegen Aufruhrs und Hochverratö
vor Gerichtgeitellt, aberfreigefprocen. F. wurde nun
einer ber —— Arzte in Wien, zog ſich aber
Anfang ber ſiebziger Jahre von der Praxis aurüdund
ſtarb 23. März 1893 zu Emmersborf bei Klagenfurt.
Er jchrieb: «Zur Lölung der ungar. Frage» (Wien
1861; anonym mit Joſ. Unger), worin die Autoren
ür den Dualismus eintraten. In der Schrift «Ein
lid auf Öfterreich8 Lage» (Wien 1866) wies er auf
die Notwendigleit eines engen Zufammengebens
Oſterreichs mit Deutichland hin. In gs: bedeu⸗
tendſten Schrift «Oſterreich und die Bürgſchaften
feines Beitandes» (Wien 1869; 3. Aufl 1870)
empfahl er die autonomiſtiſche Konftituierung der
meitl. Reichshälfte der Sfterreichifch : Ungarijchen
Monardie. Später jhrieb er noch « Zur Redultion
ber fontinentalen Heere» (2 Hefte, Wien 1875),
«Die Sprachenrechte in den Staaten gemifchter Na:
tionalität» (ebd. 1885) und «Der dfterr. Sprachen⸗
jmiit» (ebd. 1888). ,
FH orn, Schloß, ſ. Zell (in Oſterreich).
ife, ein Nahrungsmittel, das von Fiſchern
an den Hüften des Marmarameers, befonders an
den Dardanellen und am Golf von Ismid bereitet
wird, indem fie Fiſchrogen an der Sonne trodnen
und in länglihen oder quadratiihen Stüden in
Dr preſſen oder (bei den meniger feinen
orten) in Wachs tauchen. Man ift den F. in
ganz dünne Scheiben gefchnitten ohne weiteres
oder tränkt ihn mit Effig und Ol.
Fiſchkonfervieruug, das Haltbarmaden der
zum Genuß bejtimmten Fiſche, geidieht im allges
meinen durch diejelben Methoden, mie die Fleiſch⸗
tonfervierung (f. d.) überhaupt; man unterjcheidet
namentlih: Trodnen, Böleln, Räudern, Maris
nieren und Einlegen in Öl.
Durh Trodnen werben namentlich Kabeljau,
Stör und Haufen konjerviert. Die Fiiche werden
zunächſt ausgenommen, wobei man vom Rabeljau
die Leber (zu Leberthran), von Stör und Haujen
den —* (als Kaviar) verwertet, und dann
an der Luft getrodnet. Der getrodnete Kabeljau
Dei Stockfiſch, nah vorausgegangenem Eins
u“ Klippfiich (gepötelt heißt er Laberdan).
Das Pokeln oder Einſalzen wird vorzugs⸗
meife beim Hering angewendet. Das Verfahren
joll gegen Ende des 14. Jahrh. von dem Holländer
Beutel; (j. Bötel) erfunden worden jein, wird aber
{bon um 1300 in hanjeatifhen Urkunden erwähnt.
Bon den gepötelten Heringen unterfcheidet man
folgende drei Sorten: Matjesberinge, Boll:
beringe und Hoblberinge (f. Hering).
Zur Herjtellung von Dauerware verwendet man
beim Salzen meiit fog. ftarle Salze, wie das
St. Moves: und Lifjaboner Salz, melde durch Bei:
miſchung von dem Kochſalz ähnlichen Verbindungen
ſtark verunreinigt find, während für den jog. Deli- |
Fiſchhorn — Fiſchkonſervierung
ın Wien als Setundärarzt ein. Das J. 1848 riß
fateßbering meift das feinere und reinere Lüneburger
Salz; verwendet wird. Zum Zwede des Einſalzens
werben die Heringe unmittelbar nah dem Fange
in Salzlate gelegt, ohne jedoch gepreßt zu werden;
dann werben fie nad und nad wieder herausge⸗
und Rogen entfernt werden, Darauf wandert ber
ish zum Zwecke der Reinigung und des Anjals
jens abermals in Lale, wird dann wieder heraus:
enommen und nad dem Abtropfen in befondern
fäßen mit Salz umgerübrt, um dann lagenmeiie
mitSchichtenvon Salz in Tonnen verpadt zu werden.
Nah 24 Stunden wird er wieder herausgenommen
und nad) Entfernung ber bereitö gebildeten Lale aber⸗
mals mit Salz verpadt, wobei der Nüden der Fiſche
immer nad unten gelegt wird. Im Verlauf einiger
Tage finlen die Heringe in der gebildeten Dale zu:
ammen und e3 müfjen neue Lagen zur Füllung der
nne aufgepadt werden. Dann wird die Tonne
verſchloſſen und öfters gerollt und umgedrebt,
damit die Late alle Schioten der Badung durch⸗
dringen fann. Nach der Landung der Ware findet
vor dem Verfand gewöhnlich eine nochmalige Um:
padung ftatt. Bei der zu derfelben Familie ge:
—— Sardelle wird vor dem Einſalzen der
opf entfernt. Auch die Kaviarbereitung beruht auf
ber Konſervierung mit Salz (f. Kaviar),
Beim Räuchern unterfcheidet man zwei Arten,
warme und kalte Räucherei; bei der legtern han:
delt e3 ſich um die Produltion von geräucertem
Salzfiſch, da der Fiſch vor dem Näuchern einige Zeit
in Late gelegen bat, während das Warmräudern
einen durch Räudern gar gemachten Fiſch hervor:
bringt, welcher jehr wenig geſalzen ift. Beim Warm:
räuchern hängt der Fiſch nahe über dem euer im
beißen Raub, beim Kalträuchern dagegen in jo
roßem Abitande von dem Feuer, daß er nur falten
Naud erhält. In Amerika, England, Holland und
Rußland wird die Kalträucherei gewöhnlich für
Hering, Lachs, Schellfiſch und Heilbutt angewandt,
in Deutichland nur für Lachs. Die Warmräucherei
ift in Deutſchland, Schweden und Dänemark für
alle übrigen ag die man räudert, im Gebrauch.
Die deutſche Warmräucherei erfreut ſich ibrer
roßartigſten Entwidlung an der Ditjeelüfte, be:
Ponders in Schleswig: Holitein, Lübed, Bommern
und den benachbarten Küſten. Hinſichtlich der Majie
des produzierten Materials ftebt bier überall im
Vordergrund der Hering, nächſt dieſem ift der Sprott
von Bedeutung, ferner der Aal und die Flunder,
weniger die Makrele u. a.
An der Nordfeelüfte wandert eine bebeutende
Menge des anderweitig nicht verwertbaren Mate:
rials des Friſchfiſchfangs in die Räuchereien, bes
fonders Schellfiſch, Knurrhahn, verfdiedene Gadus:
arten, Verwandte des Kabeljaus, welche als Eee:
lachs verlauft werden, Haie, melde ald Seeaal
eben, Rochen u. a. Die bolländ. Kalträucerei
fabri iert aus dem Hering den aud in Deutichland
viel fonjumierten Büdling (f. d.). Diejem ähnlich
ift der engl. Red. In England werden auberbem
nod zwei nur im Inlande tonfumierte Räucher⸗
beringe fabriziert, Bloaters und Kippers, von denen
namentlich die eritern für den fofortigen Konſum
beitimmt find und in wechjelnder Zubereitung ge:
tocht, geröjtet, mariniert genofjen werben.
Die wichtigste Art des Warmräucherns —3*
ſich bei uns in folgender Weiſe: der friſche Fiſch
Fiſchkörner — Fiſchperioden
wird vorher gereinigt und mit Salz beſtreut oder
turze Zeit in eine Lake gelegt; dann wird er reihen:
weiſe auf Stangen «aufgejplietet» und zum Trod:
nen in die Öfen gehängt, in denen belle euer,
am beften von Ei ... oder aud von Buchen:
ober Elſenholz, nicht aber von Tannen oder Fichten,
unterhalten werben. Nah dem Trodnen beginnt
das eigentlihe Räuchern, wobei dag belle ‘euer
mit feuchtem Eichenſpangruß zugededt wird. In
6—8 Stunden ift der Hering jet geräuchert.
Soll die Ware nun größere Haltbarteit haben, fo
läßt man fie nah dem eigentlihen Räudern im
Dfen bei offenen Klappen noh 2—3 Stunden
nadtrodnen; auch pflegt man fie jtärter anzufal-
en. In einem een BR Dfen fann man 70—80
ai (& 80 Stüd) Heringe fertig machen.
Das Marinieren der Fiſche bildet vielfach nur
eine fpecielle u der Zubereitung, nachdem die
Fiſche durch Salz vorher tonferviert waren. In
vielen Fällen aber tritt es als bejondere Konjer:
vierungsmetbode auf, wobei fein Salzen vorauf:
gegangen ift. Der Cifig, der zwedmäßig vorher
sulgets wird, fpielt dabei eine Hauptrolle, fei es,
dab man ihn benußt, um den toben Sic in ihm
ar zu machen, wie im alle des fog. Delikateß⸗
—— oder daß er zur Konſervierung der vorher
gelochten (Hering, Aal, Lachs, Muſcheln u. ſ. m.)
oder gebratenen oder geröfteten Fiſche (Hering, Aal,
Neunauge u. f. w.) verwandt wird. Das Sieden
mit Ol dient zur Bereitung der franz. Sarbinen
(Sardines & l’huile). Die Die werben gewaſchen,
von Kopf und Schwanz befreit, in fiedendes Ol ge
taucht, in Blechdoſen gelegt und mit heißem Ol bes
goflen, worauf die Dofen uftdicht verlötet werben.
um Zwede der Friſcherhaltung von dFiſchfleiſch
fpielt ebenjo wie bet andern Fleiſchſorten das Eis
noch immer die Hauptrolle. Alle Hochſeefiſcher,
welche Friſchfiſchfang betreiben, d. b. ihren Yang
nicht trodnnen oder falzen, und welche nicht in furzen
Zwiſchenräumen Häfen anlaufen können, —*—
große Quantitäten Eis mit ſich, welches zur Ber:
padung der gejäuberten und ausgenommenen Fiſche
in befondern « Fifhräumen» verwandt wird.
In neuerer Zeit hat man auch verſucht, Fiſchfleiſch
dur Raltlujtbehandlung zu konjervieren, in
ähnlicher Weife, mie dies mit überſeeiſchem Fleiſch
geſchieht (j. —— —
Bol. Dunler, Lehrbuch der Fiſchbereitung (Stett.
1889); Dudzins, Die Schnelllonſervierung der Fiſch⸗
tonferven (Ergänzung zu vorigem, ebd. 1899).
Fifchförner, die Früchte von Anamirtacocculus
Wigkt, |. Rodelätörner.
fchland oder Fiſcherland, der weſtl. Teil
des Landftreifend zwiſchen dem Bartber Binnen:
waſſer und der Dftjee, j. Bodden.
ifchläufe, bisweilen Bezeichnung der parafitis
ſchen Eopepoden (f. d.).
i Kein. E Daufentae und Leim.
iſchlurche, die Kiemenlurde (ſ. d.).
ſchmehl (dän. fiskemel), in Norwegen Pulver
aus dem getrodneten Fleiſche des Dorſches, das in
* Temperatur aufgewärmt und zu einem ſehr
nahrhaften Brot verbaden wird. — Auch wertvolles
Düngemittel (Fiſchguano), welches namentlich
an der norweg. Hüfte aus nicht als Nahrung zu
vermwertenden gen und aus den bei der Berei:
tung des Stodfiihes abgeihnittenen Dorjhköpfen
fomıe aus Abfällen bei der Verarbeitung der Wal:
fiche (j. Walfang) bergeftellt wird. Die Materialien
Brodbaus’ Konperiations-Lerilon.,. 14. Aufl. R. U. VI.
737
werben juerjt gebämpft, dann auf Darren getrodnet
und gemablen. Das als feines Mehl in den Handel
gebrachte Produkt enthält 8—10 Proz. Stidjtoff und
etwa 12 Proz. Phosphorjäure.
ifchmolche, ſ. Kiemenlurche.
i — ſ. Ichthyol.
iſchotter (Lutra), eine Gattung der marbder:
artigen Raubtiere mit kurzen, fünfzebigen, mit gro:
ben Shwimmbäuten verjebenen Füßen, einem gegen
das Ende flahgedrüdten Schwanze und einem jebr
breiten, platten, vorn abgerundeten Kopfe. Die
kurzen runden Obren können durd Klappen ver:
ſchloſſen werden, die Najenlöder find jpaltförmig
und ebenjalld verjchließbar. Faft in allen Zonen
giebt es F., aus denen man zum Teil wegen ab:
weichender Bildung des Schwanzed und der Füße
Untergattungen gemacht hat. Bekannt ift der ge:
meine odereuropäiiche y.(Lutra vulgaris Errl.,
.Zafel: Marder I, Fig. 3), welder in Seen und
Fluſſen und jelbit an den Meerestüften lebt und auch
in Deutſchland nicht felten ift. Er nährt fih von
Fiſchen und Krebien und in Ermangelung derielben
auch von —— und
Eiern, geht hauptſächlich nur nachts auf den Fang
und bewohnt meiſt Baue, deren Einfahrt unter dem
Waſſerſpiegel ſich befindet. UÜberdies ſchadet er auch
noch dadurch, | er die Fiihe von den Drten,
an denen fie gewohnt find, ihren Laich abzuſetzen,
vollftändig vertreibt. Deshalb wird dem 75. überall
eifrig nachgeitellt, obgleich er, durch jcharfes Gehör
und Gerud geleitet, den Jäger auf dem Anſtande
und die Falle leicht meibet. Jung eingefangen, läßt
er fih zähmen und zeigt fih dann ziemlich intelli-
gent. Man zahlt etwa 25 M. für ein junges Tier,
das man mit Flußfiſchen, rohem Fleiſch und in
Milch eingeweihtem Weißbrot füttert. Im ge:
hen —5* braucht der F. 8—10 mittelgroße
Bi che zu jeiner Sättigung. Der’. iſt ohne den 43cm
ngen Schwan; 70—80 em groß, oben rötlich:
braun, unten grauweiß; aud giebt e3 eine weih:
gefledte Spielart. Die an Seelüſten lebenden find
dunkler gefärbt. Der F. befist ein langes, glänzen:
des Oberhaar, unter dem ein dichtes, wolliges, dem
Waſſer undurchdringliches Vließ liegt. Sein Fell
it geſchäßzt und aus den Haaren werden Hüte und
Pinſel verfertigt. Das wohlſchmeckende Fleiſch wird
als Fajtenipeije verwendet. Noch geichäkter ijt das
ell des Meerotters (f. d. und Tafel: Marder 1,
ig. 4). — Bol. Eorneli, Der F. (Berl. 1884).
chperioden (Fis ——— in Norwegen
Bezeichnung für die rätſelhafte Grideinung daf
die jonft regelmäßig in jedem Jahre an den Ktüften
Standinaviens erjheinenden Züge der Heringe und
anderer nußbarer Fiſche plöglich fich vermindern oder
anz ausbleiben, um erft nach längerer Zeit wiederzu⸗
ebren. Hiſtor. Forſchungen in den ſtandinav. Reiche:
arhiven haben ergeben, daß fich dieje Erſcheinung
in etwa 60jährigen Perioden ziemlich regelmäßig
wiederholt. So verſchwanden im Skagerral ſeit 1808
die großen Heringszüge fait gay und febrten erſt
1877 zurüd, Infolge des Megbleibens der Fiſche
find oft blühende Fiſcherſtädte von ihrer Höhe &
junten und Tauſende von Menjchen verarmt. Die
Urſachen der F. liegen wahrſcheinlich in periodiſchen
Schwankungen der Meerestemperaturen, welche
die — und Fortpflanzung der Fiſche beein:
fluffen. — Vgl. Heinde, Die nusbaren Fiſche der
—*— Meere und die Bedingungen ihrer Exi—
ſtenz (Stuttg. 1882).
47
738
een f. Perlen.
ifchpeft, eine Krankheit der Süßmwafjerfiiche,
die durch eine auch die Krebspeft erzeugende Bilzart
(Saprolegnia ferax N. ab E.) hervorgerufen wird
und bei der der ganze Körper der damit befallenen
Tiere wie mit einer moosartigen Wucerung über:
zogen erjcheint. Sie fann ganze Teiche entwöltern.
ifchräucherei, ſ. Fiihlonjervierung.
ifchreiber, A, Reiher.
HE ad, j. Reuſe.
Fiſchſalz, das beim Sieden verfhiedener Salz:
(öfungen fib ausſcheidende Salz, das am Boden
des Verbampfungsgefäßes fib abſcheidet und mit
Schaufeln aus der Flüffıgleit gefhöpft, gefiicht wird,
ifchfaurier, j. Ichthyosaurus.
iſchſchuppen, die Heinen Schilde, womit die
meisten Fiſche bededt find (j. Schuppen und Tafel:
KRörperbededung der Tiere II, Fig. 4— 11).
Sie find häufig gefärbt und von ſchönem Glanz.
(S. File.) Sie werden technisch ala Erſaß für Perl:
mutter veriwandt. Zu diefem Behufe werben fie au:
nädjt 24 Stunden in Salzwaſſer gelegt, gewäſſert,
dann mit leinenen Lappen abgerieben und ſchwach
nepreßt, worauf fie eine Stunde in Altohol gelegt
und nad dem Abpreſſen getrodnet werden. Die
Schuppen des Uleleys (f. d.) dienen jur Anfertigung
der Perleneſſenz, Essence d’Orient; fie werden
zu dem Bebufe mit Ammonialwaſſer maceriert, wo:
bei ſich Heine irifierende Kryſtalle ablöjen, die in
der Flüſſigleit verteilt werden. 20000 folcher Fiiche
geben erjt kKg Silberefjenz. Glasperlen, in denen
man dieſe Mi durch — verteilt, neh⸗
men das Anſehen von echten Perlen an.
Fiſchſchuppenkraukheit (Ichthyosis), eine an:
geborene, meiſt das gane Leben bindurd be:
ſtehende Hautkrankheit, bei welcher die Haut infolge
einer Maflenzunabme (Hopertropbie) der äußern
Lage (Bapillarihicht oder Bapillarlörper) der Leder
baut raub und troden und mit dünnen Schüpp:
den und Blättchen oder didern Hornplatten oder
jelbjt hornigen Warzen bejest erfcheint. Man unter:
cheidet mehrere ze der Ichthyosis, die Ich-
thyosis simplex, bei welcher die hagrinartig rauhe
Haut dur ſich kreuzende Linien in linſen- bis
pienniagroße Schuppen oder Schilder zerteilt iſt
und fo dem Gefiht und Gefühl annäbernd die Be:
Ihaffenbeit einer Fiſchhaut darbietet; ferner die
Ichthyosis serpentina, bei welcher die Haut grau:
grün, ſchmutzig, wie feit lange ungebadet, und mit
didern trodnen Schuppen (nad Art einer Schlan:
genhaut) erſcheint, und die Ichthyosis cornea, bei
welcher die Oberbaut in hornartige, mebrere Linien
vide Borken oder Schwielen entartet ift. Der
höchſte Gran des Ubels wird als Ichthyosis hy-
strix oder Hyſtricismus bezeichnet, wobei die
Haut oft des ganzen Körpers mit diden, nageltopf:
äbnlihen Schwielen und langen bornigen Warzen
in großer a. beſetzt iſt (ſog. Stachelſchwein—
menſchen). Die Ichthyosis iſt oft auf einen nur
kleinen Teil der Haut (Flachhand und Fußſohle) be:
ſchränkt, bisweilen aber auch über den ganzen för:
per, mit Ausnahme des Gefichts, verbreitet.
Die Urfachen ver Krantbeit, welche im allgemei:
nen zu den feltenern gehört, find völlig unbe:
tannt; nur jo viel ftebt feit, daß fie fait immer an-
geboren ijt und auf erblicher libertragung berubt,
doch kommen die Erſcheinungen der Ichthyosis erjt
im Verlaufe des zweiten Lebensjahres zur Ent:
mwidlung, niemals findet man diefelbe ſchon am
Fiſchperlen — Filchzucht
Neugeborenen. Entweder befommen alle Rinder
eines ichthyotiſchen Elternpaares die Krankheit,
oder nur die männliden oder nur die weiblichen
Glieder; manchmal überjpringt auch die weibliche
Anlage eine Generation, um in der nächſten oder
einer Seitenlinie wieder aufzutauchen. Cine ge:
wiſſe Berübmtbeit erlangte im 18. Jahrh. eine
in Irland heimifhe Familie Lambert, beitebend
aus Bater und zwei Söhnen, welde, mit body:
gradigem Hyftricismus behaftet, eine Nundreiie
durd England, Deutichland und Frantreih mad
ten, ſich als Kruftenmenicen oder Stadel:
ſchweinmenſchen (porcupine-men) für Gelb
jeben lichen. (Vgl. Tilefius, Ausführliche Beſchrei—
bung und Abbilvung der beiden ſog. Stachelſchwein⸗
—— Altenb. 1802.) Die Krankheit iſt zwar
an ſich unheilbar, doch kann durch häufigen Gebrauch
warmer Bäder, durch zeitweilige Schmierſeiſenum
ſchläge, Einreibungen von Leberthran, Lanolin und
andern Fetten oder zeitweilige Umhüllung der Glie—
der mit Kautſchul recht wohl eine Erweichung und
Entfernung der verhärteten Epidermiszellen und da:
mit eine zeitweilige Beſſerung erreicht werden.
gi chſchwanzbreuuner, |. Gasbeleuchtung.
iſchſee (ungar. Halastö; auch Morskie-oko,
dis —— See in der Hohen Tatra, in 1393 m
Höbe ſchön gelegen, ijt 33 ha groß, bis 49 m tief
und reich an Forellen. Sein Ausfluß, der Fiſchſee—
bad, fließt nah NR. in die Bialka, einen Neben:
I des Dunajec. Südlich liegt nahe der Heine
hwarzbrauneSeeMeerauge(ungar. Tengerszem;
aud Czarny-staw, d. i. Schwarzer See; 1584 m),
binter dem die Meeraugenipiße (2503 m) fteil
berabfällt. Beide Seen wurden 1902 durch Schieds—
gericht Galizien eh) zuerkannt.
ſchthrau, |. Thran.
iſchtorpedo, ſ. Torpedo.
ifhvergiftung, Ieißgt.
Fisch. v. W., nad lat. Namen von Tieren Ab:
fürzung für Gottbeli Fiiher von Waldheim (f. d.).
ifchweibchen, ſJ. Melufine.
iſchzäune, |. Reufe (Fiichereigerät).
iſchzucht. MWährend die Gewäſſer in weniger
kultwierten Yändern den Anwohnern ihren Bedarf
an Fiſchen jederzeit reichlich liefern und unerſchöpf⸗
lihe Vorräte zu enthalten fcheinen, ift bei fteigen:
der Kultur überall mit der Zunahme der Einwohner:
zabl eine Verminderung des Fiſchreichtums eingetre:
ten, und es bat ſich berausgejtellt, daß nur eine
rationelle Bewirtichaftung des Waſſers im ftande
vt, für die Schäden, die das Kulturleben den öffent:
lihen Gewäſſern bringt, dadurch weſentlich Erjas
zu ſchaffen, daß man den von den Verunreinigun:
nen der Induſtrie und der Häufer unbeeinflubten
Reit der Gewäſſer durch ſorgſame Bebandlung ihrer
Bewohner zu reicherer Sebensentjaltung bringt. —
In dicht bevölterten Ländern, wie in China, iſt
man ſchon febr früh genötigt geweien, den Fiſch⸗
beitand durch zmedmäßige Mittel zu erbalten und
zu vermehren. Die alten Römer, die gewöhnlich
als große Fiſchzüchter gepriefen werden, verdienen
diejen Ruhm nur in ſehr beihränttem Maße, indem
die von den — Schwelgern der Kaiſerzeit oft
mit ungeheuern Koſten angelegten Süß: und Meer:
waſſerteiche nur als Behälter für die mit unfinnigen
Preiſen bezablten Fiiche dienten und in vollsmirt:
ihaftlicher Hinficht ohne jeden Wert waren. Weit
größere Verdienſte haben dh fpäter die hriftl. Klöfter
dur die Anlage von Zeichen erworben, in denen
Fiſchzucht
Karpfen und andere Fiſche in Menge erfolgreich ge
züchtet wurden. Ihr Verfahren wird noch heute fait
unverändert angewandt. (S. Teichwirtichaft.)
Künftlihe Fiſchzucht. Au der feit Jahrhun—
derten bewährten Teichwirtſchaft ift neuerdings,
au aan für die Bermebrung der lachsartigen
ifde (Labs, Huchen, Saibling, Forellen, Aſche,
amerif. Bahfaibling und Regenbogenforelle, el:
hen, Renten, Maränen), die * fünftlibe F. bin:
ugetreten, die an vielen Orten jchon bedeutende
ejultate erzielt bat. Die fünftlihe F., d. b. die
fünftlihe Gewinnung, Befruchtung und Erbrütung
von Fiſcheiern, wurde ſchon in der eriten Hälfte des
18. Jahrh. von Stephan Ludwig Jacobi in der Calle
(Lippe-Detmolb) an der Forelle erprobt, hat aber erit
im 19, Babe. nachdem der Eljäfler Remy das
Jacobiſche Verfahren felbftändig wieder aufgefun-
ben, vorzugsmeife infolge der Anregung des franz.
Embryolögen Eofte und der dann auf feine Veran:
(afjung von Napoleon IIL. angelegten Brutanftalt
bei Hüningen (f. d.), ausgedehnte Verbreitung ge:
— ie 155 Fiſchzuchtanſtalten der Schweiz
aben im Brutjahre 1898/99: 41983500 Stüd Eier
ein» und 32905200 Fiſchchen ausgefeßt. Neuer:
dings findet die fünftliche F. auch zur Vermehrung
der Seefiſche Anwendung. Norweger und Schotten
erbrüten viele Millionen Plattfiſch⸗ Schellfifich: und
Rabeljaueier. Am erfolgreibiten bat aber Nord:
amerika mit großen Mitteln die künftlihe Vermeb:
tung von Süß: und Salzwajlerfiiben in den le:
ten Jahrzehnten ausgebaut. — Die lachsartigen
Fiſche produzieren größere, aber jehr viel weniger
yablreiche Gier als die larpfenartigen, die lie
größtenteils in der kalten Jahreszeit ablegen. Da
die Befruchtung der Fifcheier oder des Rogens
durch die Samenflüffigfeit oder Milch der männ-
lichen Tiere erſt nad) ihrer Ablage ins Waſſer, alfo
außerhalb des mütterlichen Körpers ftattfindet, jo
bietet die künftlihe Befruchtung feine Schwierig:
leiten. Die legereifen Eier, die in der Laichzeit aus
dem Leibe der Weibchen bei gelindem Drud in einem
zus bervorquellen, werben in einer trodnen
Scale aufgefangen und ohne Waſſerzuſatz mit der
Milch eines reifen Männchens vermischt. Für einen
Suppenteller voll Eier ift ein Theelöffel voll Milch
aenügend. Nach geböriger Vermiſchung dur Um—
rübren mit dem Finger oder mit einer Federfahne
wird nach 5 Minuten Mafler binzugefegt. Die Eier
quellen, indem fie durch ihre poröje Haut Waſſer auf:
jaugen, erheblich auf und werben befruchtet, indem
dur die Milropyle (ein Heines Loch im Fiſchei)
Samentierhen (Spermatozoen) in den Raum zwi⸗
hen Eihaut und Dotter eintreten, von welchen in:
defien normal nur eins mit dem Zelllern des Eies
zur Berjchmelzung fommt, d. b. die Befruchtung voll:
ieht und das Ei zur weitern Entwidlung befähigt.
eniger günjtige Reſultate als die befchriebene
(trodne) liefert Die ältere (feuchte) Befruchtungsweife,
nach der Eier und Milch gleichzeitig oder nacheinan⸗
der in ein Gefäß mit Waller gefchüttet wurden. Die
befruchteten Eier lönnen ohne weiteres an geeigneten
Orten in das freie Waſſer gebracht werden; viel vor:
teilbafter ift es aber, fie vor allen Fährlichkeiten
geihüst in Brutanftalten auszufbrüten. Es find dazu
keineswegs große und foftipielige Räume erforder:
ia: jeder frojtfreie Raum, in den fließendes Waſſer
geleitetwerben lann, genügt, ein Reller, ein Berichlag
u. dal.; auf dem Raume eines Quadratmeters kön:
nen Zebntaufende von Eiern auggebrütet werben.
139
Das Eider Winterlaichfifche bedarf zu feiner
ug Entwidlung der reichlihen Zufuhr
aren, kalten und Iuftreihen Waſſers; die Nieder:
[aläge, bie ih aus trübem Wafler auf den Eiern
ilden, erſchweren die Kontrolle und jhädigen bie
Eier, wärmeres Waſſer befchleunigt die Entwid:
lung, welche dabei oft unregelmäßig verläuft, luft⸗
armes läßt die Embryonen erftiden. Trübes Wafler
muß daher filtriert, wärmeres und zu luftarmes
durch eine längere Leitung in offenen Ninnen, wo:
möglich mit ſtarlem Gefälle, abgetühlt und mit Luft
gejättigt werden. Als Filtrierapparate werden zwed:
mäßig gut gereinigte Petroleum: oder Meintäffer
benußt, in denen etwa handhoch über dem Boden
ein both; erner Roft angebradht wird, auf den man
eine dide Schicht von Holzwolle, Badeſchwammab⸗
fällen oder gereinigtem grobem Kies ſchüttet (daher
Kiesfilter — Dieſe Filtrierſchicht muß
von dem Waſſer in ab: ober beſſer in aufſteigender
Richtung paffiert werden, man kann auch zmedmäßig
wei * Ra * Target —— ir
inden (f. Tafel: Künſtliche Fifchz ‚dig. 1).
Brütapparate find in großer an Konten
worden, fie laſſen fi in zwei Gruppen einteilen,
einmal in die jtehenden oder ſchwimmenden Bad:
apparate, welche direft in die —— Gewäſſer ein:
ejeßt werben, wie z. B. der Dei Brüttiegel
5: . 5), und zweitens in die Anftalt3apparate,
N in Bruthäufern untergebracht werden. Am
vorteilhafteften unter diefen find die fog. unter:
fpüligen, nah amerif. iter —— in
denen das Brütwaſſer die auf einem Siebe gelager:
ten Eier von unten ber durchſtrömen muß und in
der Nähe des Oberrandes des Apparats abläuft.
Solche Apparate verſchiedener Form, die im all:
gemeinen als kalifornifhe Brüttröge bezeich:
net werben, find von La Balette Saint : George
(Fig. 2), von von dem Borne (Fig. 3), Schuiter
ig. 4) u. a. angegeben. Sie fönnen je nad ihrer
röße 5— 10000 Eier von Forellen aufnehmen.
In den fog. Selbftauslejern, wie 3. B. dem von
dem Borneſchen (Fig. 10), wird durch ftärfern Wajler:
zufluß eine ftarke aufiteigende Strömung erzielt,
welche Heinere Eier, wie die der Maränenarten,
ſchwebend erhält und die abgeftorbenen, deren fpe:
cifiſches Gewicht etwas geringer wird, mit fort:
wemmt. Cine umedmähigen Verwirklichung des:
elben Brincips bietet das jetzt allgemein in Gebrauch
efindliche Sugen oder Weißſche Brutglas (Fig. 6).
In gen rütanftalten werben meijtens fo
Bruttiſche — und 9) angewandt, lange, flache
Käften, durch die Wafjerhindurcbiträmt, und in denen
die auf Drabthürden in einfacher Schicht gelagerten
Gier jo aufgeitellt find, daß fie allfeitig vom Waſſer
umfpült werden. Solange noch feine ideen aus:
ſchlüpfen, tönnen die Hürden bei reihlihem Wafler:
ufluß aud mehrfach übereinander geitellt werben.
Bo man nicht fofort über geeignetes ——
ehr dürfen die Eier vorläufig in fog. Eid:
brüt hrän en (Fig. 1) gehalten werden, in
denen fie fich au entwideln. Sie werben auf vier:
edigen, mit Leinwand oder Baummollzeug befpann«
ten Rahmen in einfaher Schicht ausgebreitet, die
Rahmen werben etwa zu zehn Stüd übereinander
in einen Holztajten eingeben und darüber eine
tiefere Schublade geitellt, die mit Eis gefüllt ii
In einem fühlen, aber frojtfreien Raume aufgeitellt,
werden die Rahmen und Eier durch das abtröpfelnde
Schmelzwaſſer genügend feucht erhalten und an-
47*
740 Fis-dur —
ebrütet. Längeres Belafjen in dieſen Eisbrüt:
Fhränten ift jedod nicht ratfam. Sind die Eier jo
meit entwidelt, daß man die Augen des Fiſchchens
als ſchwarze Punkte ſehen kann, jo können fie ohne
Gefahr weit verjhidt und danach in Apparaten mit
fließendem Waſſer ausgebrütet werben.
ie Eier müljen, nachdem fie nach der Befruch—⸗
tung in Brütapparate der einen oder andern Art
gelegt find, täglich revidiert werden, um die toten
auszulefen, die an ihrer weißen Farbe leicht kennt:
(ih find und die ſonſt durch Fäulnis und Bilzbil-
dung den andern gefährlich werden. Das Auslefen
geſchieht am beften mit Pincetten von Metall oder
von —— (Fig. 15, 16). Beim Ausſchlüpfen
aus dem Ei find die ijchchen ganz eg und
tragen an der Bauchſeite eine große Blafe, den
Dotterfad, der den Reit des Eidotters enthält und
allmählidy aufgezebrt wird (Si. 14b). Bei Lachſen
und Forellen iR er Ic groß und ſchwer, verſchwin⸗
det erſt in mehrern Wochen und hält die Fiſchchen
durch ſeine Schwere am Boden; bei den Maränen
iſt er von vornherein ſehr viel kleiner, ſo daß ſie
chon bald nah dem Ausſchlüpfen an die Ober:
äche lommen. Erft nah Aufzchrung des Dotter:
ſads brauden die Fiſchchen Nahrung und müſſen
dann in Gewäſſer gebracht werben, in denen fie
diefe finden; die Aufzucht in eicloffenen Räumen
mit natürlibem oder lünftlihem Futter, von der
man fi ir viel verfprochen hatte, erfordert
einen fehr geididten, erfahrenen Züchter und iſt
Anfängern zus nicht zu raten. Es iſt befler,
die Jungfiiche nicht gleib nah dem Verſchwinden
der Dotterblafe in die freien Gewäſſer zu lafien,
iondern fie in Aufzuchtgräben oder «Zeichen einige
Monate zu halten und ihnen fo die größten Gejab:
ren, bie ihnen in der früheiten Jugend broben, jern
zu halten. Lachſe müfjen dann in geeignete Ge:
wäſſer der Forellenregion geſezt werden, wo fie ein
Jahr lang verweilen, um dann ins Meer zu war:
dern, hier nad 2—3 Jahren geſchlechtsreif zu werden
und dann wieder in die fühen Gemwäfler zurüdzu:
tehren. Forellen und Maränen können, ebenfo wie
Saiblinge und verwandte Arten, ſehr vorteilbaft
in Teihen aufgezogen werben, doch müſſen die
jelben größere Tiefe haben als die Karpfenteiche und
von küblem, mögliit ftart fließendem Waſſer ge:
fpeift werben. Be onders an Meinen Bächen mit ftars
tem Gefälle find ſolche Forellenteiche durch Stauung
leicht einzurichten. Von den erwacfenen Tieren
nimmt man dann in der Laichzeit Mil und Rogen
jur künitlihen Befruchtung und Erbrütung ab, ver:
meidet aber thunlichſt junge, namentlich weniger
als vierjäbrige Weibchen für Zuchtzwede zu verwen:
den. — Die Entwidlung der Forelle, wie fie oben
angegeben, iſt in Fig. 14 dargeitellt. Die Ver:
fendung der Fiſcheier im Stadium des Erfcheinens
der Augenpuntte geſchieht am beiten in Ir en, nicht
über 1 cm hoben, mit Gaze oder Flanell beipannten
Holzrahmen (Fig. 11) unter Eis jo aufeinander ge
itellt, wie das oben beim Eisbrütichranfe auseinan:
dergeſetzt iſt (Fig.12). DieRahmen werden mitjchledy:
ten Wärmeleitern, Moos, Holzwolle u. ſ. m. um:
aeben und in einer größern Kiſte verpadt (Fig. 13).
Um die Zabl der zu verjendenden Eier genauer zu be:
ftimmen, bedient man fich der Eierzäbl: oder Meß—
apparate (Brandftädterihe Zäblplatte, Scillinger:
ſcher Bang rn Letzterer ift auch zur ziffern:
mäßigen Beitimmung der Brut verwenbbar. Große
Brutmengen werben im Wafler gewogen und die
Fiſematenten
Zahl ver Fiſchchen berechnet, nachdem vorher 100
Stück abgezählt und genau gewogen wurben.
Auch für die Sommerlaichfiſche kann die fünft-
liche Befruchtung der Eier angewandt werben, Die
Gier diefer Fiſche Heben aber im Waſſer an allen
Gegenitänden, mit denen Ir in Berührung lommen,
feſt an und würden, einfach ins Waſſer geichüttet, zu
einem feften Klumpen zufammenbaden, von dem nur
die an der Oberfläche befindlichen ſich entwideln, bie
in der Mitte gelegenen erjtiden würden. Die troden
befruchteten Gier müfjen daber in feinem Strahl auf
in das Mafler gelegte Wafjerpflangen geichüttet wer:
den, an deren Blättern fie anfleben. Diefe Pfla
fönnen dann in ſchwimmende Weibdentörbe gelegt
werben, in denen die Eier vor Feinden gejhükt find ;
die in wenigen Tagen ausſchlüpfende Brut gelangt
allmäblich durch die Riken der Körbe ins freie Waſſet
Aud der natürlih am Kraute abgelegte Laich fan
leicht gefammelt und in ſolche Körbe gelegt werben,
damit er fich vor Feinden geihüßt ungeltört entwidle,
Der Aal pflanzt jih nur im Meere jort, wo bie
Männden vorwiegend leben, und wohin die Weib:
chen zur Yaiche wandern. Die Eiablage findet in
großen Tiefen jtatt; aus dem Ei entwidelt ſich zu-
erit eine Yarve (Leptocephalus brevirostris);
diefemadhteine Berwandlung (Metamorpbofe) durch
nad welder die junge Aalbrut (montee) ſcharen⸗
weile in die Füffe einwandert; als ſolche wird fie
an vielen Orten mafjenbaft gefangen und in feuch⸗
tem Kraut verſchickt. Sie eignet fi vortrefflid zur
Beſetzung von Teichen, Torfitihen, Mergelgruben
u. }. w., worin fie in 3—4 Jahren zu marftfäbigen
Fiſchen heranwächſt. — Beſondere Berdienite um
die Entwidlung der künftliben F. im Verlauf ber
legten 30 Jahre baben ſich die Deutſchen Fischerei:
vereine, an ihrer Spitze der 1870 begründete
Deutſche Fiicherei: Berein erworben, der die « Zeit-
fchrift für 5.» (früber «Eirculare des Deutſchen
Fiichereis Vereins») und die «Allgemeine Fiſcherei
eitung» berausgiebt.
Litteratur. Molin, Die rationelle Zudt dei
Süußwaſſerfiſche (Wien 1864); Beta, Die Bewirt:
idaftung des Waflers er 1868); Aderbof, Die
Nusung der Teihe und Gewäſſer durch F. und
enbau (Quedlinb. 1869); Vogt, Die fünftlice
. (2. Aufl, Lpz. 1875); Atkins, Cheap fixtures for
the hatching of salmon (Wajbingt. 1879); Benede,
Fiſche, Fiſcherei und F. in Oft: und Wejtpreußen
(Königsb. 1881); derf., Die Teihwirtichaft (3. vr
Berl. 1894); Borgmann, Fiſcherei im Walde (ebd.
1892); Jaffé, Forellenzudt Osnabrüd 1894); von
dem Borne, Künjtlibe 3. (4. Aufl., Berl. 1895);
deri., Teichwirtſchaft (4. Hufl., ebd. 1894); von bem
Porne, Benede und Dallmer, Handbud der F. und
Fiſcherei (ebd. 1886); Bieſenbach, Künftliche F. und
Leihwirtihait (ps. 1897); Bade, Die Münftlice 8.
(Magdeb.1897); Meeder, Der Fiihzüchter Puchbeim
1900); Brefiel, Die F. im Hleinbetrieb (Stuttg.1902).
Fis-dur (ital. fa diesis maggiore; franz. fa diese
majeur; engl. f sharp major), die Durtonart, bei
der f,c,g,d,a,e um einen halben Ton erhöht,
aljo6# vorgezeichnet find, wie beim parallelen Dis-
moll. Der unbequemen Vorzeichnung wegen ift fie
ald Haupttonart jelten. (S. Ton.)
Fifematenten, ſoviel wie leere laufen, Aus:
reden, wird angejeben als Verdrehung des lat. visa-
mentum, das in der Verdeutſchung Yifiment in ber
beralviihen Sprache des 14. Jabrb. für gebeimnis:
vollen Zug oder Zierat im Mappen gebräuchlich war,
KUNSTLICHE FISCHZUCHT.
6. Zuger
Brutglas,
Ta
b, Kufferscher Bruttiegel. =
—
9. Querschnitt zu Fig. 8, 7. Eisbrütschrank.
ee ——
x ED Zu —_
-
-
In 7,
10. Selbstausleser nach
von dem Borne.
-
14. Entwicklung der Forelle: a Ei im Durch-
schnitt, 5 junges Fischehen mit Dottersack,
e entwickelter Fisch.
nn — —
* * — F FM ‘ 2
13. Durchschnitt zu Fig. 12, — — — —
12. Für den Transport
zusammengestellte Rähmchen, 10. 16. Pincetten,
——
Broekhaus' Konversations-Lexikon, 14. Aufl.
Fiſetholz — Fiskus
oder wohl richtiger als eine ſpoöttiſche Korruption
aus dem visum authenticum, dem amtlich feft-
geitellten Thatbeftand, des alten Prozeßverfahrens.
Fifetholz, junger Fuſtik oder ungariſches
Gelbholz (Bois de fustet, Fiset wood), das Kern:
bolz des oberirdifhen Stammes (nicht das Wurzel:
bol;, wie irrtümlich angegeben wird) des in Süd—
europa vielfach wild wachſenden Verüdenbaums,
Rhus cotinus L. (f. Rhus). Es wird wegen en
orangegelben Farbſtoffs zum Färben von Wolle
und Leder jowie aud zum Fournieren verwandt.
Der im F. enthaltene gardftef] wird Fuſtin ge
nannt; er kryſtalliſiert in jilberglängenven Nädelchen
vom Schmelzpunkt 218° und bat die Zuſammen⸗
ſehung Oys His Ozs- Als ein Glykoſid wirb das
— durch verbünnte Schwefeljäure geſpalten in
eine Zuderart und Fijetin, C,H, 0, +4H,0;
es tryſtalliſiert in citronengelben Nädelchen, verhält
ih wie eine ſchwache Säure und ift daher auch
Sijetinfäure genannt worden.
ifetin, Fiſetinſäure, j. Fiſetholz.
ifh (fpr. fiſch), Hamilton, nordamerit, Staats:
mann, geb. 3. Aug. 1808 in Neuyort, ſchloß fich
als junger Apvolat den Whigs an, trat 1842 als
Abgeordneter für er Vateritadtin den Vereinigten:
Staaten: ongreß, war 1849—51 Gouverneur des
Staates Neuyort und 1851—57 Bundesjenator.
‘Bräfident Grant ernannte ihn 1869 zum Staatö-
—— (Miniſter des ya welche Stel:
ung F. auch während der zweiten Präſidentſchaft
Grants bis zum 4. März 1877 bekleidete. In diejer
Eigenſchaft jchloß er 8. Diai 1871 den Waſhingtoner
Vertrag mit England (f. Alabamafrage) und Nov.
1873 den Vertrag mit Spanien, der die Zwiſtig—
feiten wegen Euba beilegte. Er jtarb 7. Sept. 1893
in Neuyort. — Bol. 3. Jentins, Lives of the Go-
vernors of the state of New York (1851).
Fiſher (ſpr. fiſch'r), John, engliſcher kath. Biſchof,
geb. 1459 zu Beverley in Yorlſhire, ſtudierte in Cam⸗
bridge und ward 1501 Kanzler der Univerjität. 1504
zum Biſchof von Rocheſter ernannt, verteidigte er
König Heinrich VILL. gegen Luthers Angriffe («De-
fensio Regiae assertionis», Köln em) ſchrieb
gegen Luther und gegen Ölolampadius. Als Hein:
ri‘ VII. jid) von Rom losfagte, erfannte 5. 1531
die Suprematie des Königs mit einem Vorbehalt
an, weigerte ſich aber, die Verſtoßung der Königin
Katharina und die Erbfolge der Silbe gutzus
eißen. Deshalb wurde F. von Papſt Paul IL. zum
ardinal ernannt, Heinrich VIII. aber ließ ihn nad
langer Gefangenschaft 22. Juni 1535 wegen Hod:
verrats enthaupten. — Bgl. die Biographien von
zb. Bayly (Lond. 1655), M. Kerter (Tüb. 1860),
Baumiftark(reib.i.Br.1879), Bridgett (Lond.1888).
gi berrom (ipr. fiiherob), Ort in Schottland,
ſ. une.
Fiofäl ( at.), früher in den meijten deutſchen
Staaten, aud in Bayern (Fistalräte bei den Kreis:
Tepleruhgen) wie noch jegt in Ungarn, ein öffent:
liher Beamter, welcher die Gerehtfame und das
Intereſſe des Fistus (ſ. d.) in Obacht zu nehmen
hatte; dann im Kriminalprozeſſe der öffentliche An-
Häger, weil nad dem alten Syſtem, wo der Ber:
breder dur Erlegung von Bußen an den Berlegten
und von Friedgeldern an den König fich löfen konnte,
der Vertreter des königl. Schages ſolche Straffälle
als Gelegenheiten eines öffentliben Einfommens
wahrzunehmen batte.. Die Reichsfiskale im
Deutichen Reiche bei vem Reichslammergericht und
741
bei dem Reichshofrate hatten die Obliegenheit, als
Antläger aufzutreten, wenn die Gerechtfame, Geſetze
und Verfaſſung des Reichs verlegt wurden, 3.
a Mißbräuche des Münzregals, Störungen des
ndfriedend u. ſ. w. Auch in einzelnen deut:
{chen Territorien, 3. B. den beiden Heflen, ein fis⸗
falifher Strafprozeß, der fich jedoch gegen:
über der Herrichaft des reinen Inquiſitionsprozeſſes
nit behaupten fonnte. (Bol. Ortlofj, Der sta:
life Strafprozeß, Lpz. 1859.) Eine eigentümliche
Prozeßart der preuß. Auftizpflege war der fis:
falifhe Unterfuhungsprozeß, mwelder zwi—
hen dem Striminal: und Sir die Mitte
ielt und bei leichtern Vergeben jtattfand.
‚ Fisfalinen (mittellat.), die Unfreien und Hd:
rigen auf den Krongütern bei den Ftanlen.
Fistaliſch, den Fistus (f. d.) betrejiend, ihm
gebörig.
Fiotarius (lat.), Schuldner des Fiskus (ſ. d.);
Pächter von Staatseinkünften. :
Fiote (jpr. fl), John, ameril. Hiſtoriler und
Philoſoph, geb. 30. März 1842 zu Hartford (Eon:
necticut), ſtudierte in Harvard, wojelbjt er 1872—79
alö Unterbibliothelar angejtellt war, und ſeitdem
dem Aufjichtörat der Univerfität angehörte. Gr
ftarb 4. Juli 1901 in Eaft Gloucejter (Maſſachu—⸗
etts). F. erlangte früh einen Namen durch jeine
ortragscpllen, die er in Bofton, aud in London
und Edinburgh bielt. Bemerlenäwert find unter
denjelben namentlich: «The destiny of man, viewed
in the light of his origin» (Boſt. 1884) und «The
idea of God, as affected J modern knowledge»
(ebd. 1885). Bon feinen zahlreihen übrigen Schrif:
ten find die wichtigern: «Myths and myth-makers»
(Boft. 1872), «Outlines of cosmic philosophy »
(2 Bpe., ebd. 1875), «The unseen world» (ebd. 1876),
«Darwinism» (Lond. und Neuyork 1879), «Through
nature toGod» (Lond. 1899), «A century of science»
(ebd. 1899) und die hiſtoriſchen, ſämtlich auf ges
wiſſenhaftem Quellenftudium beruhenden «The cri-
tical period of American history» (Bojt. 1888),
«The beginnings of New England» (Lond. 1880),
«The American revolution» (3 Bde., 1891), «The
discovery of America» (2 Bve., Yond. 1892), «Old
Virginia and its neighbours» (2 Bde. Bojt. 1897),
«The Dutch and Quaker colonies in America»
(2Bve.,ebd. 1899),«Essays historical and literary»
(Bp. 1, Neuyort 1902) u. a.
iöfeperiober, ſ. Fiichperioden.
iöfernäs, |. Godthaab.
isfumfos, einer der ſchönſten Waflerfälle
32 m) Norwegens, gebildet vom Namfenelv im
mte Nord:Throndbjem. i
Fistus (lat.), eigentlich Geldorb, urfprünglic
das Bermögen der röm. Kaijer ald Krongut im
Gegenſatz ſowohl zum Reichsvermögen (Ararium,
.d.) wie zum Privatvermoögen der Kaiſer. gr den
. flojien die Einnahmen aus Ägypten, den kaiſerl.
Provinzen und vielleiht aus einem Zeil der Senats
rovinzen; bejtritten wurden aus ihm außer der
Beonimsielvensaftung die Ausgaben für den Sold
von Heeren und flotten, für Kriegszwede, die Ge:
treideverforgung Roms, die italijhen Chauſſeen, die
Waflerleitungen in Rom u. a. — Im jpätern röm,
Recht und heute bezeichnet man damit den Staat
als Bermögensfubjelt, ald Subjekt des Staatäver:
mögens, ala Subjelt von Vermögensrechten und
vermögensrechtlihen VBerbindlichleiten und zwar
richtiger Anihauung nad nicht bloß ſolcher des
142
rivat⸗, ſondern auch ded öffentlichen Rechts (Steuer:
sſtus). Der Staat tritt als F. in großem Umfang
o zu den Untertbanen in Verkehr, wie dieje unter:
einander, aljo nad Art der Privatwirtſchaft, he
Kauf: und Mietverträge. Someit dies der Fall ift,
ilt darum für ihn auch das allgemeine Privat: und
rozeßrecht. Er verpflichtet ſich rechtsgeſchäftlich;
er kann Magen und verllagt werben. Da in der ab:
—— Wonarchie der Monarch nicht bloß Träger,
ondern Subjelt des Staatsvermögens war, ſo war
er ed, der auch aus dem vermögensrechtlichen Ber:
lehr unmittelbar berechtigt und verpflichtet wurde.
Es würde aber jeiner Würde Eintrag getban haben,
wenn der Souverän in die oft verfhlungenen Ver:
bältnifje des Privatrechts und in *** e mit den
Unterthanen verwickelt worden wäre. Deshalb be:
trachtete man das von Staatsbehörden, wenn ſchon
mit Verantwortlichkeit gegen den Souverän, ver:
waltete Staatsvermögen als eine felbftändige, von
jenen Behörden vertretene juriſtiſche onlichleit
des Privatrechts (f. Juriſtiſche Perſon). Heute wird
mit dem befondern Namen F. nicht eg eine vom
Staat ald Staat verjchiedene Perſon, fondern der
eine und unteilbare Staat als Vermögensfubjelt
—— Steht der F. an ſich auch unter den Re—
geln des Privat und Prozeßrechts, fo ift er doch
vielfach mit Privilegien, ſowohl materiellrechtlicher
als prozeßrechtlicher Art, ausgeftattet. Dahin ge:
dren insbeſondere Anfall von Vereindvermögen,
neignung aufgegebener Grundftüde, Recht des F.
u Verſteigerungserlds gefundener Sachen, Erb:
recht desjelben, nentarkrift (Bürgerl. Geſetzbuch
53* 928, 981, 1936, 2011), Konkursprivi⸗
gien (Ronkursoron. SS. 49, 61). Der Begriff des
5. iſt einheitlich, dody pflegt der Sprachgebrauch
die verichiedenen Verwaltungszweige (stationes
fisci) bejondern F. zu ge (Boftfistus,
Militärfigtus u. f. w.). Die Scheidung bat na
dem Bürgerl. Geſetzbuch auch nicht Das Mepcntung
mebr, daß gegen Forderungen ber einen fistalifchen
Station nicht mit Gegenforderungen gegen eine ans
dere fompenfiert werden darf. Dem F. des Reichs
find alle Privilegien zuerlannt, welche nad Landes:
recht der Landesfiätus bat. Daf der F. fteuerfrei
ift, ergiebt ſich —** der Staatsſteuern aus der
—— von F. und Staat; anders bezüglich der
————— oder der Kreis: und rovinzial⸗
—5 Ob hier eine Befreiung ſtattfindet, —
ih aus den Landesgeſetzen. Die fiskaliſchen Ber:
mwaltungsbehörden haben den Staat vor den Civil:
gerihten zu vertreten; Gerichtäftand ift der Drt,
wo die zur Vertretung des F. berufene Behörve
ihren Sig bat. DOberjter Vertreter des F. ift der
—„—— — ſoweit ein anderes Reſſort beteiligt
iſt, der Miniſter dieſes Reſſorts. Vertreter des
Reichsfislus iſt der Reichskanzler.
érkusgebũhren, ſ. Gebühren.
Fismes (ſpr. fihm), Hauptort des Kantons F.
im Arrondiſſement Reims des franz. Depart. Marne,
am nee fie der Sirmelin und Beäle, an der
Linie Reims: Soiffons der Dftbahn, hat (1901)
2988, ald Gemeinde 3355 E.; Ziegelei, Brennerei,
—6* und Seideninduſtrie, ſowie Handel mit
Hanf, Getreide und Wein. — F. iſt das Fines
Suessionum der Römer.
Fis-moll (ital, fa diesis minore; franz. fa diöse
mineur; engl. f sharp minor), die Molltonart, bei
ber f, c,g um einen halben Ton erböbt, alfo 3 £ vor:
gezeichnet find wie beim parallelen A-dur. (S. Ten.)
Fisfusgebühren — Fiſtel
Hu f. Bohne und Gartenbohne.
ſſil (lat.), fpaltbar; Fiffilität, Spaltbarkeit.
L f. Spaltzüngler.
Fiffipeden (lat.), Säugetiere mit gejpaltenen
Klauen, im Gegenfaß zu den Solipeden, Ein:
Fissirostres, j. Singvögel. [bufern.
für (lat. fissüra, «Spaltung», «Sprung»,
«Rißo), in der Chirurgie ein unvolljtändiger Knochen:
bruch, bei dem der verlegte Knochen nicht vollitän-
dig in feinem Zufammenbange getrennt erſcheint,
fondern nur einen fpaltförmigen Riß aufweiſt. Die
Schädelfiſſuren find oft ſchwere Verlegungen,
da ſich entzündliche Affeltionen des Gehirns und
feiner Hüllen anſchließen fönnen, die häufig einen
tödlihen Ausgang nehmen. j
er bezeichnet man als F. gewiſſe ſchmerz⸗
bafte und ſchwer heilende fvaltiörmige Einriſſe
oder Schrunden auf manden Scleimbäuten, nas
mentlich der Lippen: und Niterichleimbaut (After:
ſchrunde, Fissura ani). Man bebandelt fie durch
Betupfen mit dem Höllenfteinftift und Bededen mit
milden Berbändsjalben (j. auch Aufipringen der
Haut). Die Afterfiffur heilt man am ſchnellſten
dur operative Spa . des Afters.
Fissurellidae, |. Spaltnapfihneden.
Fiftel (Fistula), in der Chirurgie Bezeihnung
eines nicht naturgemäßen Kanals, der auf der Hör:
peroberfläde ausmundet oder in ein Hoblorgan bes
Körpers führt. Man ſcheidet die 5. in fijtuldfe Ge:
fhwüre und Rommunilationsfifteln. Fiſtulöſe
Gefhmüre find Citerglnge, welche durd Ber:
ſchwärung entitanden find. Diejelben rübren meift
von Verſchwärungen der Knochen und Gelente
(Rnocenfraß) ber, können aber aud durch Ber:
ſchwärungen anderer Drgane (3.3. des Darms,
der Harnröhre) entſtehen. Man_ trennt fie in
unvollfommene over blinde F., melde nur
eine Öffnung (3. B. auf der äußern Haut) befigen,
und volllommene %., melde ftetö zwei Off—
nungen zeigen, nämlid eine auf der äußern Haut
und eine auf der Schleimbaut eines innern Organs,
pi denen in verſchieden großer Länge ber
iftelgang verläuft. Die fiſtuldſen Geſchwure haben
wie dad Grunbdleiden einen chroniſchen Berlauf
und fondern entweder nur Eiter oder auch noch den
zrhalt des in Verſchwärung geratenen Organs
(4. B. Kot, Urin) ab. Die Heilung eines fiftulöfen
eſchwurs kann nur durch Bejeitigung der Grund:
krankheit bewirkt werben; es find bierzu meijt ope:
rative Eingriffe von bald a erer, bald geringerer
Bedeutung erforberlih. Oft nenügt, wie 5. B.
bei Maftvarmfifteln, eine einfahe Spaltung des
Fiftelganged. Kommunilationsfiſteln find
vernarbte Öffnungen und Kanäle, melde ein Hobl:
organ mit der Körperoberflädhe oder einem andern
Hohlorgan (3. B. die Blafe mit der Scheide) in
Verbindung ſetzen; fie bleiben nad Berlegungen
oder brandigen Zeritörungen zurüd und lajien
den Inbalt des Hoblorgans (4. B. Speichel, Urin,
Kot) auötreten. Cine Heilung wird in der Regel
nur durch eine Operation erreicht. Kommunikations:
fiteln werben nicht felten an Tieren zum Zwede
eines phyſiol. Experiments oder bei Menſchen bei
beftimmten Krankheiten angelegt (. B. Gallen:
fiiteln, Magenfiiteln). Man benennt die F. nad
dem Organ, zu dem jie führen (3. B. Knochenfiſtel,
Maſtdarmfiſtel, Blajenfiitel, yahnfite), ober nad
dem Selret, das fie abjondern (3. B. Speichelfiftel,
Thränenfiftel, Rotfiftel).
Filtelftimme — Fitting
Fiftelftimme oder Fiitel, ſ. Falfett.
Fistüla (lat.), Rohr, Röhre; in der Chirurgie
. Stel: F. mammae, f. SBrüfte; F. recti s. ani,
} aftdarmfiftel; F. recto-vesicalis, ſ. Maftdarm:
lafenfiftel; F. urinaria, ſ. Urinfiftel. — F. eucha-
ristica, ein Trintröbrchen, das bis in das 13. Jahrh.
in der röm. Kirche beim Genuß des Abendmahl:
wein® gebraucht wurde, um ein Verjchütten des:
—* zu vermeiden. Es wird jetzt noch bei der
eierlichen Meſſe des Papſtes gebraucht.
Fistularia tabaoaria, Fiſch, ſ. Tabalspfeife.
8 » Familie der Stacelflofier,
f. Röhrenmäuler.
Fistulina Bull, Pilzgattung aus der Gruppe
der Hymenomyceten ſ. —8 Der gemeine Leber-,
Sleifch: oder Blutfhwamm, auhb JZungenpilz
genannt, F. hepatica Fr., wächſt an alten Stäm:
men von Laubbäumen; der Hut ift zungen« oder
leberartig ausgebildet oder auch von anderer Ge:
italt, anfangs blutrot und weich fleifhig, fpäter
dunfler gefärbt und holzig; das Hymenium be
findet —9— auf der Unterſeite desſelben und bildet
cylindriſche Röhren, die nicht miteinander verwachſen
find. Der Hut erreicht eine Breite von */, m und
ıft mit ber einen Seite angewachſen oder kurz ge:
itielt. Solange das Fleiſch wei ift, kann diejer
Pilz gegeſſen werden. ih in Deutichland ziemlich
bäufig und hauptſächlich an alten Eichenftämmen.
itch (ſpr. fitich), Sohn, amerif, Erfinder, geb.
21. Jan. 1743 in Eajt Windfor im Staate Con:
necticut, lernte als Uhrmacher und faßte 1785 den
Gedanlen, ein Schiff zu Lonftruieren, das mit Dampf:
fraft betrieben würde. Vergeblich bewarb er ſich um
Unterftügung feiner Pläne, bis er 1787 mit einem
Kapital von 800 Doll. ein Dampfſchiff von 60 kon:
itruierte. Ein zweites Schiff machte auf vem Dela-
warefluß zu Philadelphia 1787 vor ven Mitgliedern
des Konſtitutionskongreſſes eine Brobefahrt. 1791
erhielt er ein Patent für feine Erfindung, die jedoch
dur Mangel an finanzieller Unterftügung dem Er:
finder jo wenig Nuten einbrachte, daß er enttäufcht
und dem Hungertode nabe in Verzweiflung fich zwi:
ſchen 25. Juni und 18. Juli 1798 zu Bardstown ver:
giftete, Die Priorität jeiner Erfindung vor ——
wurde von einem Ausſchuſſe des Geſetzgebenden
Körpers von Neuyork feſtgeſtellt. Lebensbeſchrei—
bungen von F. ee Thompfon Weftcott (Philad.
1857) und Charles Whittleſey in der «American
Biography», ba. von Sparks (Second series, VI).
thburg (ipr. fitihbörg), Stadt im County
MWorcejter des nordamerit. Staates Maſſachuſetts,
37 km nördlich von Worcefter am Naſhua-River,
der gute Waſſerkraft liefert, und an zwei ———
elegen, bat (1900) 31531 E., lebhafte Induſtrie:
——— Keſſel-⸗, Eiſen- und Baumwollwaren⸗
fabrilation, Möbeltiſchlerei und Papiermühlen.
Fitẽro, Stadt im Bezirk Tudela der ſpan. Pro:
vinz Navarra, 20 km weſtlich von Tudela, am
Albama, bat (1897) 3327 €. und viel bejuchte
Solauellen (47—48° C.) mit Badebäufern.
Fitger, Arthur, Maler und Dichter, geb. 4. Ott.
1840 zu Delmenborft in Olbenburg, trieb fünit:
lerifhe Studien 1858—61 in München, Antwerpen
und Paris und ſchuf während eines zweijährigen
Aufenthalts in Rom die erſten jelbitändigen Werte,
Seit 1869 lebt F. in Bremen. Der äußerft tbätige
Künftler bat bejonderö delorative Monumental:
malereien für öffentliche und private Gebäude, zu:
meilt in Bremen, geichaffen; er bevorzugt dabei das
743
Märcenbafte und Phantaſtiſche. Zu nennen find:
die Geſchichte des verlorenen Sohnes und des barm:
berzigen Samariter3 in der Rembertikirche zu Bre:
men (1873), die Malereien im Treppenbaufe der
Hamburger Runjtballe (1885—86), die fieben Werte
der Barmberzigkeit für das Rutenftift in Bremen
(1888), 14 Bilder für den Speifefaal des berzogl.
meiningiihen Schloſſes in Altenjtein (1889), der
72 m lange Fries auf der Galerie ver Börfe in Bre:
men (1890— 92), Darftellungen aus dem «Sommer:
nadbtstraum» ım Rickmersſchen Schloſſe zu Horn
(1892), Darftellungen deutſcher Vollsmärchen im
Haus Hachez zu Bremen (1894), Gemälde im Rat:
baus zu —— 1897), Gemälde im Oldenburger
Schloſſe (1898), Grablegung Chriſti und Anbetung
der Könige als Geſchenk für den Bremer Dom, Aus—
malung des Feſtſaales im Künſtlerhaus zu Bremen
(1899). Auch auf dem Gebiete der Dichtlunſt hat
fi 5. befannt gemadt. So verfaßte er das kleine
epiſche Gedicht «Roland und die Hui (Olvenb.
1872) und für den Künftlerverein in Bremen «Al:
brecht Dürer in er te Yobann Kepler», zwei
Feſtſpiele (Brem. 1872); ferner die Trauerfpiele
«Adalbert von Bremen» (Dlvenb. 1873; 2. Aufl.
mit dem Nachfpiel: «Hie Reich! Hie Nom!» 1874),
«Die Here» (ebd. 1875; 6. Aufl. 1895, benußt
zum Tert einer Oper von Aug. Enna, 1892), «Bon
Gottes Gnaben» (ebd. 1883; 3. Aufl. 1895) und
«Die Rofen von Toburn» (ebd. 1888), fomwie die
Dihtungen «Fahrendes Volk» (ebd. 1875; 4. Aufl.
1894), «Winternächtey (Berl. 1881;3.Aufl., Oldenb.
1887), «Jean Meslier» (Lpz. 1894, aufgeführt
1901), «Requiem aeternam dona ei» (ebd. 1894).
ar f. Laubſänger. j
itrifee, Lagune im centralen Sudan, —2*
Wadai und dem nördl. Bagirmi, 225 km djtlih vom
Tſadſee, un dar > von D. ber den Batha, an mel:
hem unfern des Sees Jawa, die ältefte Stadt des
Sudan, liegt (1 Karte: Kamerun u. |. w.). Da
der See oft über feine Ufer tritt, fo ift das um:
liegende Land fumpfig und höchſt ungejund. Be:
wohnt wird es von den aus Kanem ſtammenden Bu:
lala, arab. Herkunft, von den aus Wadai ftammenden
Kuka, die mit den Bagirmi verwandt find, und von
den eingeborenen Abu Simmim. Nachtigal ſchätzte
100 Dörfer zu 150 Häufern, aljo etwa 90 000€. Dazu
tommen nomadiſche Tıbbu und drei arab. Stämme.
ittica, Friedrich, Chemiler, j. Bd. 17.
ittig, Rudolf, Ehemiter, geb. 6. Dez. 1835 zu
Hamburg, ftudierte in Göttingen unter Möbler
Chemie, wurde 1858 defjen Aſſiſtent, habilitierte
fih 1860, wurde 1866 zum außerord. Profeſſor
befördert, 1870 als Ordinarius nah Tübingen und
1876 nad) Straßburg berufen. Unter feinen Arbei-
ten find die über die Synthefe aromatijcher Roblen:
wajlerjtoffe, die Entvedung des Phenanthrens und
Fluoranthens im Steintoblenteer und die über die
ungefättigten Säuren, welde ibn zur Entdedun
der Lactone führten, beſonders hervorzuheben. F. iſt
der Bearbeiter und Fortfeker von Wöhlers «Grund-
riß der organischen Ehemie» (11. Aufl., Lpz. 1887).
PFitting, Hermann, Juriſt, geb. 27. Aug. 1831 zu
Mauchenheim in der Aheinpfalz, ftudierte in Würz:
burg, Heidelberg und Erlangen und habilitierte fich
1856 in Heidelberg. 1857 wurde er außerord., 1858
ord. Profeſſor des rom. Rechts in Bajel, 1862in Halle:
1902 trat er in den Ruheſtand. 1864— 78 war F. an
der Herausgabe des «Archivs für die cioiliftiiche
Prariö» beteiligt. Er verfaßte die Lehrbücher: «Der
744
Reichscivilprozeh» (11. Aufl., Berl.1903) und «Das
Reichskonkursrecht und Kontursverfahren» (3. Aufl.,
ebd. 1904). Ferner jchrieb er: «Die Natur der Kor:
realobligationen» (Erlangen 1859), «Über das. Alter
der Schriften röm. Juriſten von Habrian bis
Alerander» (Ba. 1860), «Das castrense pecu-
lium» (Halle 1871), «fiber die ſog. Turiner Inititu:
tionenglofje und den jog. Bradplogus» (ebd. 1870),
«Gloſſe zu den Exceptiones legum romanarum des
Betrug» (ebd. 1874), «Zur Geſchichte der Rechts:
wiſſenſchaft am Anfange des Mittelalters» (ebb.
1875), «Jurift. Schriften des frühern Mittelalters»
(ebd. 1876), «liber die Heimat und das Alter des
jog. Bradivlogus» (Berl. 1880), «Die Anfänge
der Rechtsſchule gi Bologna» (ebd. 1888), «Die
Grundlagen der Beweislaſto (ebd. 1888), «Die In—
ftitutionenglofjen de3 Gualcaufus» (ebd. 1891).
Fitting® (engl.), in der Gasbeleubtung Be:
jeihnung für diejenigen Teile, welche die Rohrlei—
tung mit den Lampen oder Brennern verbinden,
alfo Brennerkniee, Kugelgelente, Häbne u. f. w.
Fi, ein altnormann. Wort, defien Urfprung
in dem altjranz. fils, d. i. Sohn, zu juchen iſt. Mie
das Mac der Schotten, das D’ der Irländer oder
das Ben der Drientalen, zeigt das F. mit einem
Eigennamen verbunden einen Abkömmling von
einem Manne diefes Namens an. So die von edlen
Normannen ftammenden Familien Fitßalan, Jiß:
walter, Fitzwilliam, Fitzherbert in England, ib:
gerald, Figmaurice, Fißgibbon in —— Zuweilen
deutete das F. auch auf die uneheliche Abkunft, ob:
nleich diejer Begriff nicht notwendig damit verbun:
den war; erft in neuerer Zeit wurde es durchgängig
in diefem Sinne gebraucht, wie bei Fitßzroy, ib:
james und Fitzclarence.
a Garnmaß, |. Ge:
binde und Hafpelung. ,
Fitz., binter der wiſſenſchaftlichen Benennung
naturgejchichtlicher Gegenjtände Abkürzung für Leo:
polo Joſeph Fißinger (f. d.).
Figelarence (pr. -Härrönk), George und Fre:
derick, Söhne des engl. Königs Wilhelm IV. (f. d.).
Fitzford, Dorf bei Taviltod in der engl. Graf:
ſchaft Devon, angeblich der Geburtsort von Sir
Francis Drake, dem bier ein Standbild (von Böhm)
errichtet iſt.
Figgerald (jpr. -Dicherräld), eine in Irland zu
bober Bedeutung gelangte Familie. Der Stamm:
vater des Haufes, Otho, der von den lorentiner
Ghberardini abjtammen foll, wanderte in die
Normandie ein und von dort 1057 nad England.
Sein Urentel Maurice F. (get. 1176) leiftete dem
vertriebenen König von Seinfter in Irland, Dermot
MacMurrougb, Hilfe (1169) und ließ fih in Wer:
ford nieder. Sein Sohn Gerald wurde 1205
sum Baron Dffaly, und ver ſechſte Baron Offaly,
yohn Fißthomas F., von Eduard II. 1316 zum
trafen von Rildare (j.d.) erhoben. James F.
swanzigfter Graf von Kildare, erbielt 1766 den
Herzogstitel von Leinſter (f. d.), den das
Geſchlecht noch heute trägt. Einen Namen machte
fih Lord Edward F., jüngerer Sohn des erften
Herzogs von Leinfter, geb. 15. Dft. 1763. Er war
begeiftert für die Franzöſiſche Revolution, und die
bieler —8 Realtionspolitik der engl. Regierung
trieb ihn 1796 ins Lager der «Vereinigten Iren»,
die nah einer unabhängigen irifchen Republik
jtrebten. Die Verſchwörung wurde entdedt und F.
19. Mai 1798 nad verjweifeltem Kampfe erariffen;
Fittings — Fitzherbert
4. Juni ſtarb er an einer dabei erhaltenen Wunde.
— Vol. Fitzpatrick, Lord Edward F. (1859); Tavlor,
Life of Lord Edward F. (Yond. 1903); Wrigbt,
Life of Edward F. (2 Bbe., ebd. 1904).
Zu einer jüngern Linie der viel verzweigten F.
gebörten die Grafen von Desmond (f.d.).
Fitzgerald (ſpr. dſcherreld), Eoward, engl.
Dichter und Überjeker, geb. 31. März 1809 in Bred—
field House bei Woodbridge, befuchte 1826— 30 das
Trinity College zu Cambridge, lebte jeit 1860 in
Wood in und ftarb 14. Sumi 1883 in Merton
Rectory (Morfolt). Er überjegte ſechs Dramen
Calderons, Aeihylos’ «Agamemnon», Sopbolles’
«Dedipus Tyrannus» und «Dedipus auf Kolonos»,
hauptſächlich aber die Gedichte («Rubaiyat») des
perſ. Gelehrten Omar Ebajjam (1859; 5. Aufl. 1879).
Aldis Wright gab eine Sammlung der Werte (1889)
und 5.8 Briefe ef: u. 1901) beraus,
en (ipr. dſcherreld), Percy Hetbrington,
engl. Novelliſt und Biograpb, geb. 1834 in Fane
Balley in der iriichen Grafſchaft gl bejuchte
das latb. Stonyhurst College und jpäter das
Trinity College in Dublin. An die irifhe Bar
—5 wirkte er als Advokat, fand jedoch zu—
glei Vꝛuße zu zahlreichen novelliſtiſchen Arbei—
ten, die meiſt zuerſt in den von Dickens herausge
gebenen Zeitſchriften «Household Words» und «All
the Year round» erſchienen. Seine befannteiten
Nomane find: «Never forgotten», «Fatal zero»,
«The bridge of sighs», «The sword of Damocles»,
«Bella Donna», «Diana Gay», «The middle-aged
lover», «Little Dorinda, who won and who lost
her», « Three weeks at Mopetown» u.j.m.; in ber
Tendenz ſchließt er fich teild an Didens, teild an die
neuern Senfationönovellijten an. Außer Romanen
ſchrieb er zablreiche Biographien, darunter «The life
of Sterne» (2 Bde., 1864; neue Ausg. 1896), «The
life of Garrick» (2Bde., neue Aufl. 1899), «Charles
Townshend» (1866), «Charles Lamb» (1865), «The
Kembles» (2 Bde., 1871), «Life and adventures
of Alexander Dumas» (2 Bde., 1872), «Life of
George IV., including his letters and opinions»
(2 Bde., 1881), «Life and times of William IV.»
(2Bde., 1884), «The lives ofthe Sheridans» (2 Boe,,
1887), «The life of J. Boswell» (2 Bde., 1891),
«Henry Irving» (1893), «Life of vice-admiral
Tryon» (1897). Ferner veröffentlichte er «The
great canal at Suez, its political, engineering
and financial history» (2 Bbe., 1876), «The world
behind the scenes» (1881), «A new history of the
English stage» (2 Boe., 1882), «Kings and queens
of an hour» (2 Bde., 1883), «The history of Pick-
wick» (1891), «Memoirs of an author» (2 Bbe,,
1895), «London City Suburbs» (1893), «Pick-
wickian manners and costums» (1898), «Pick-
wickian studies» (1899), «Fifty years of catholic
life and social progress» (2 Vde., 1901), «Pick-
wickian dictionary» (1902).
#Fisherbert, Maria Anne, heimliche Gemahlin
des Prinzen von Wales, jpätern Georgs IV. von
England, geb. 26. Juli 1756 als jüngjte oder von
Malter Smythe on Bombridge in Hampfbire, aus
fath. Familie, Sie heiratete 1775 Edward Weld und
nad defien frübem Tod 1778 den reihen Thomas
F., der 1781 ftarb. Fortan lebte fie zu Richmond,
wo fie 1785 der Prinz von Wales zuerſt jab und
fih in die ſchöne junge Witwe verliebte. Nod in
demſelben Jabre ließ er fich heimlich mit ihr trauen;
nad) dem königl. Ehegeſeß von 1772 war dieje beim.
Finger — Fitzroy
liche Ehe jedoch ungültig. Die Bermählung Georgs
mit Karoline von Braunschweig 1795 trennte feine
Berbindung mit Maria nicht. Endlich führten aber
Georg zahlreiche andere Liebſchaften zur Entfrem⸗
u und 1803 erfolgte der Bruch. Sie ftarb
27. März 1837 zu Brigbton.
Fieinger, Leopold u 13. April
1802 zu Wien, widmete ſich jeit 1816 an der Univerſi⸗
tät naturwiſſenſchaftlichen Studien und erhielt 1821
eine Anftellung bei den Landjtänden von Niederöſter⸗
reich. 1844—60 war er Kuftosadjunft am Hofnatus
talienfabinett. 1863 übernahm er die Direktion des
Zoologifhen Gartens in Münden, 1865 ging erin
zeue Eigenihaft nah Peſt, legte aber lehtere
tellung 1866 nieder und lebte bis 1873 in Peſt,
feitdem in Hietzing bei Wien, woſelbſt er 22. Sept.
1884 ftarb. Zuerſi ſchrieb er die «Neue Klafjifitation
der Reptilien nah ihren natürlihen Verwandt—
ihaften» (Wien 1826); von einer zweiten Arbeit
«Systema Reptilium» erjhien nur der erſte Teil
(ebd. 1843). — veröffentlichte er eine «Wiſſen⸗
Ihaftlih-populäre Naturgeſchichte der Säugetiere»
(6 Bbe., neue Ausg., Wien 1863) und einen die vier
Wirbeltierlafjen umfajjenden«Bilderatlas» (4 Bde.,
ebd. 1864).
Figjames (ipr. a) ‚ Name des als
Herzog von Berwick (}. d.) berühmten Baftards
atob3 II. und feiner Söhne Francois, Charles und
duard, die, wie der Vater, im franz. Staatödienfte
emporlamen. François, Herzog von F., geb.
9. Sam 1709 zu St. Germain⸗en⸗-Laye, betrat die
geiltlihe Laufbahn, ward 1727 Abt von St. Victor,
1739 Biſchof von Soifiong und bald darauf Groß:
almojenier des Königs. Die Eiferfucht der königl.
Maitrefje Madame de Ehateaurour brady feinen
Einfluß und führte ihn in feine Diöcefe zurüd, wo
er als mus Anhänger des Janſenismus lebte.
Er ftarb 19. Juli 1764 in Soifjons,
. Charles, Herzog von = geb. 4. Nov. 1712,
jtieg in der Armee rajh aufwärts, fommandierte
im Bolnifchen Thronfolgelriege ein Regiment am
Dberrbein, im Ofterreihifhen Erbfolgetriege eine
Brigade in den Niederlanden, ward 1748 General:
leutnant und kämpfte im a ae
auf den hannov. und rhein. Schlachtfeldern.
wurde Gouverneur von Limoufin, von Bearn und
von der Bretagne und brachte es endlich bis zum
Marihall (1775). Er ftarb 1787.
Eduard, Grafvon y.,geb.17. Sept. 1715, war
Dberft im Polniſchen, Brigadier im Öjterreichiichen
—— wo er ſich bei Dettingen auszeich⸗
nete. Als Generalleutnant kämpfte er im Sieben:
jährigen Kriege und ftarb 5. Mai 1758 in Köln.
Eduard, Herzog von F. Enteldes Marſchalls
Grafen Charles, geb. 1776 zu Verſailles, flüchtete
mit feiner Familie beim Ausbruch der Revolution
1789 nad Ytalien und trat in die Emigranten:
armee ein. Unter dem Konſulat heimgekehrt und
Ende 1813 als Korporal in die Barifer National:
arde einrangiert, trat er fchon mährend des
mpfes 30. März 1814 als Anhänger der Bour:
bons auf; mußte dann aber während der Hundert
Zage mit Ludwig XVIIL nad Gent fliehen. Da:
5 trat er als —— der Royaliſten auf die
außerſte Rechte und blieb bis 1830 einer ber ent⸗
een Verteidiger der Reaktion. Unter Ludwig
Bhilipp blieb er der weißen Fahne treu, per als
Bair, ſeit 1834 ald Deputierter von Touloufe, Er
itarb 18. Nov, 1838.
145
Figmanrice (ſpr. -mörriß), Henry Ebarles,
engl. Beer, ſ. Lansdowne.
Fin atrick (ipr. — William John, iriſcher
Schriftſteller, geb. 31. Aug. 1830 in Dublin, ſtudierte
in dem fath. College in Conglowes Wood und an
ber Univerfität in Dublin und widmete fi dann
—— Studien, beſonders über die neuere
eſchichte Itlands. Er wurde 1876 Profeſſor der
Geſchichte an der Royal Hibernian Academy und
ftarb 24. Dez. 1895 in Dublin. F. mar Mitglied
der Königl. Jriſchen Akademie und der Königl. Ge:
fellibaft in Dublin. Unter feinen Arbeiten verbie:
nen Erwähnung: «The life, times and contempo-
raries of Lord Cloncurry» (1855), «Lord Edward
Fitzgerald» (1859), «Lady Morgan» (1860), «The
life, times and correspondence of Dr. Doyle,
Bishop of Kildare» (2 Bde., 1861; neue Aufl. 1880),
«Memoirs of R. Whately, Archbishop of Dublin»
(2 Bde.,1864),«Thesham squireand the informers
of 1798» (1865), «Ireland before the union» (1867),
alrish wits and worthies» (1873), «Life of Charles
Lever» (2 Bde., 1879; neue Aufl. 1896), «The life
of Thomas N. Burke» (2 Bde., 1886), «Daniel
O’Connell, the liberator. His letters and corre-
spondence» (2 Bde., 1888) und «Secret service
under Bitt» (1892).
igroY (jpr. -reu). 1) Fluß im D. der brit.
aujtral. Kolonie Queensland, entjteht aus der Ber:
einigung von Madenzie und Dawſon, melde,
erfterer von N. und W., lebterer von S. kommend,
ein ausgedehntes Gebiet dftlich des 147.° entwäflern;
er wird bei Rodhampton auch für Seedampfer Yabr,
bar und mündet unterhalb Herbert in der Nähe dee
Wendekreiſes in die Keppelbai. — 2) Fluß im NW.
der brit. Kolonie Weftauftralien, entipringt im NO.
der König⸗Leopold⸗Kette, fließt als fhiffbarer Strom
dur Alluvialniederungen mit üppigem Graswuchs
und mündet 3 km breit in ven King-Sund bee
ndifhen Dceans. In feinem Oberlauf nimmt eı
int3 den Margaret: River auf. Die Mündung
wurde bereit3 1838 von Stoles entdedt, der Unter:
lauf 1867 von MacHae befahren, der ganze Lau‘
bis zum Austritt aus dem Gebirge 1879 durd
Alerander Foreſt unterſucht. —
itzroy (fpr. -reu), Charles, ſ. Cleveland (Her
isroY (ſpr. -reu), George, ſ. Northumberland
iizroy (pr. -reu), Henry, ſ. Grafton.
inroy (jpr. -reu), Rob., engl. Seemann unt
Meteorolog, geb. 5. Juli 1805, trat 1819 im die
Marine, ward 1828 ald Commandeur zur Auf:
nahme der Küften von Patagonien und Ebile ge:
fandt und wurde 1831 Chef einer Erpedition, die die
bydrogr. Unterfuhungen auf die Inſeln des Stillen
Dceans ausdehnen und Längenmejjungen rings um
die Erde anitellen follte. Auf diefer Reife, von
der F. erft 1836 zurüdtehrte, begleitete ibn Charles
Darwin. Beide Fahrten wurden von F. in dem
«Narrative of the surveying voyage ofH.M. ships
Adventure and Beagle» (3 Bde., Lond. 1839;
2. Aufl. 1848) beſchrieben, dem die zahlreichen
Arbeiten Darwins und anderer Gelehrter über das
reichhaltige Material anſchloſſen. Unterdeſſen (1834)
zum Marinelapitän befördert, ließ ſich F. 1841 im
tonjervativen Intereſſe zum Barlamentsmitgliev
für Durbam wählen, ging aber 1843 ald Gouver:
neur nad Neufeeland, welchen Poſten er bid 1846
befleidete. Seitdem wandte er ſich hauptſächlich
dem Studium der Meteorologie zu; er wurde Direl:
tor des meteorolog. Departements im Handelsamt
146
und ftieg 1857 zum Stonterabmiral, 1863 zum Vice:
admiral auf. In einem Anfall von Schwermut
entleibte er fib auf feinem Landfige zu Norwood
in Surrey 30. April 1865. F. veröffentlichte: «Re-
marks on New- Zealand» (Lond. 1846) und lie
von 1857 an alljährlich «Meteorological Observa-
tions» erſcheinen, in welchen er jelbjt ermittelte und
aus allen Weltteilen ihm zugebende Data über Wit:
terungsverbältnijie ſammelte. Auch veröffentlichte
er das «Weatherbook, a manual of practical me-
teorology» (Lond. 1862). F. war der erjte, der die
Zelegrapbie zur Bertündigung bevorftebender atmo»
ſphariſcher Veränderungen zu benußen fuchte.
Fitzroya, Baum in Ebile, ſ. Alercebolz.
Se uiew Moris, f. Desmond.
iswilliam, engl. Familie, die angeblich auf
einen William F., natürliben Sobn Wilbelms des
Eroberer3, zurüdgebt, jonjt aud von einem William
isgodric, einem Vetter König Eduards des Ber
enners, abgeleitet wird. Der älteite Zmeig der F.
ftarb unter Heinrih VIU. im Mannsſtamm aus,
ber Sproß eines jüngern war William F., der
unter demſelben König eine Rolle fpielte. Er wurde
1513 zum Sir F. und Viceadmiral erhoben, fand in
verſchiedenen Staatägeihbäften Verwendung, ſtieg
1536 zum Lord und Großadmiral und 1537 zum
Grafen von Southampton auf. Er itarb 1542
obne Erben. — Bon einem noch jüngern Zweig
ftammen die heutigen Grafen von F. Sir William
5. von Milton war Sheriff von Sonden, ftand in
Kardinal Wolſeys Dienften und ftarb 1534. Sein
Entel Sir William F., geb. 1526, ftieg feit 1555
in verjchiedenen iriſchen Amtern bis 1560 zum Über:
richter, zeichnete fich als ftellvertretender Gouverneur
aus und war 1572— 75 Lordſtatthalter; 1588 erbielt
er diefen Poſten wieder und vernichtete die Refte der
in Irland gelandeten großen — Armada; 1594
lehrte er nach England zurück und ſtarb erblindet
1599. Sein Enkel wurde 1620 zum Lord F. und
deſſen Entel 1716 zum Biscount Milton und Gras
Age F. in iriſcher Pairie, der dritte Graf William
5. dann 1746 auch zum Grafen %. in engl. Bairie
erhoben. Bon feiner Gattin Lady Anne Wentwortb,
Schweiter des Marquis von Rodingbam, nahm die
Familie fpäter (1856) den yamilienzunamen Went:
wortb an. — William F. vierter Graf F. geb.
30. Mai 1748, folgte 1756 feinem Bater und trat,
nach feiner Ausbildungin Etonund Gambridge, 1769
ins Oberbaus. Er belämpfte die amerit. Kriegs:
politit unter Nortb, bielt treu zu Fox, bis er nad
der Franzoſiſchen Revolution ſich a she hun.
mit den fog. «alten Mbigs» zur Negierungspartei
Pittsübertrat. Als Lordlieutenant von Irland (1794)
eriet er jedoch wegen feiner Barteinahme für die
riſchen Katholiken in Meinungsvericiedenbeiten
mit der Regierung, die jpäter ausgeglichen wurden.
Unter Grenville trat er 1806 noch einmal vorüber:
> ind Amt und gebörte unter der folgenden
orpregierung zur Dppofition. Gr ftarb 8. Febr.
1833. — Sein Sohn Charles William F., feit
1856 Wentworth-Fitzwilliam, fünfter Graf F.
geb.4. Mai 1786, trat zuerſt 1807 als Viscount Mil:
ton ins Unterhaus, war anfänglich ein Gegner,
ſpäter ein feſter Anhänger der Parlamentsreform,
der Katholikenbefreiung und des Freihandels. Als
Gegner der Getreidezölle veröffentlichte er « First,
second and third addresses to the landowners of
England on the corn laws» (Lond. 1839) und be:
teiligte fh an der Herausgabe der jämtlihen Werte
Fitzroya — Fiume
und der Korreſpondenz von Edmund Burle. Er
ftarb 4. Dit. 1857. — Sein Urentel William
Charles Wentmwortb, fiebenter Graf F., geb.
1872 in Canada, ift Träger des Namens,
mane, jiumare, f. Fiume.
iüme, Fiumäne, Fiumäre, ital. Bezeic+
nungen für Fluß, Strom; Fiumare insbeſondere für
intermittierende Flüffe gebraudt, d. b. folde, die
in der trodnen Jahreszeit verſchwinden.
Fiüme. 1) ModrussFiume, froat. Modrus-
Rieka, Komitat im Königreich Kroatien-Slamonien
(f. Rarte: Bosnien u. j. w.), aus der weitern Um:
— oͤſtlich von der Stadt J gebildet, liegt am
driatiſchen Meer (Golf von F. und Canale della
Morlacca), wird von Fitrien, Krain, den Romitaten
Agram und Lika⸗Krbava umſchloſſen, bat ohne die
Stadt F. und deren Gebiet 4379 qkm, (1900) 228462
meift katholiſche kroat. und ferb. €. (73632 Griechiſch⸗
Drientalifche) und umfaßt die fönigl. Freiſtadt Buc
cari und die 8 Stublbezirte Gubar, Delnice, Novi,
Daulin,Sluin, Susat,Bojnit und Vrbovsko. Haupt:
ſtadt iftOaulin (f.d.). Dasvom erg? he
zogene Gebiet ift ſtellenweiſe fruchtbar, im Vinodol⸗
tbal und an der Küſte werden Ölbäume, Feigen,
Pomeranzen und Eitronen gebaut. — 2) %., ebe
mals Tersattica Vitopolis, fpäter Fanum Sancti
Viti ad Flumen, deutib Sant Beitamflaum,
ferbo:troat. Rieka, jelbftändige Hafenftabt ſamt
Gebiet, einen Teil der Länder der ungar. Krone bil:
dend, liegt an der Mündung des Flüßchens Fiu—
mara (Rela) in den Golf von -F., an der Linie
Budapeit:Dombovär:Fäläny : Agram : Karlftadt: F.
552 km) der Ungar. Staatsbahnen und St. Peter:
. (57 km) der Öfterr. Sudbahn und ift Sik einet
tönigl. Gouverneurs, der zugleich Präfivent der
Seebebörde ift, deren Wirkungskreis fib auf das
ganze ungar.:troat. Küftenland erftredt, eines Hafen:
und Seejanitätsamtes, Gerichtshofs erfter Inſtan;
(sugleib Handels: und Seegericht), Hauptzollamtes,
einer Finanzdirektion, Eifenbabnvorftebung, Han:
deld: und Gewerbelammer, Filiale der Oſterreichiſch⸗
Ungarifhen Bant in Wien, eines Plaplommandos
er und deö Kommandos der 71.
a DL Infanteriebrigade. Der Gou⸗
verneur iſt Mitglied des
ungar, Oberbaufes; ind Ab-
georbnetenbaus ſendet F.
einen Vertreter; auf den
troat. ſlawon. Landtag iſt es
berechtigt, 2 Abgeordnete zu
fenden, von welchem Rechte
aber nie Gebraud gemacht
wurde. Die Stadt (f. den
Plan: Trieft, Fiume und Pola, beim Artitel
Trieft) bat 21 qkm und 30057 €. (2842 Magyaren,
1945 Deutihe, 7497 Kroaten; 36104 Ratboliten,
708 — — 684 Evangelifche und
1172 Jsraeliten), einſchließlich der Garnifon (2 Ba:
taillone des 79. ungar.⸗kroat. Infanterieregiments)
38955 E. Von den Gebäuden find nennendwert
die alte Kapitel: oder Domlirhe Mariä Himmel:
er mit einem neuern Frontiſpiz nach Art des röm.
antheong, die Kirhe St.Veit (San Vito, vormals
Jeſuitenlirche), eine Nahahmung der Kirhe Maria
della Salute in Venedig, 1631 erbaut, das neue
ftäptifche Theater, die ig - Tabakfabrit (früber
Zuderraffinerie), die beiden Markthallen, die neuen
Schulen, die Spartafle, das Palais Gorup, die
Marinealademie fomwie ein rdım. Triumpbbogen, an-
Fiume
eblich zu Ehren des Kaiſers Claudius II. Gothicus
268— 270 n. Chr.) errichtet. An Unterrichtsan⸗
ftalten befigt F. eine £. t. Marinealademie (1856),
eine Nautiſche Schule, ein königl. Obergumnaftum
mit ital. Unterrichtsſprache, ein froat. Obergym⸗
naftum, eine Handeldalademie, zwei ftädtifche höbere
Vollks⸗ und Mädcen;, zwei Bürger:, zwei Clementar:
fhulen, darunter eine ungariihe, zwei Mädchen:
erziehbungsinftitute (darunter eins durch PBenedil:
tinernonnen geleitet); an Wohlthätigkeitsan—
—— ein — es Spital mit Irren⸗ und Ge:
urtsabteilung, eine Bürgerverforgungsanftalt, drei
ſtinderbewahranſtalten.
Handel, Durch die planmäßige Anlage ber
Eifenbahnen in Ungarn grapitieren alle Komitate
von Odenburg an über das getreidereihe Alföld
bis nah Slawonien und Bosnien nad F., welches
durch beſondere Tarifermäßigungen der ungar.
Staatöbahnen befonders begünitigt ift. Infolge:
deſſen bat fih der Handel feit 1867 in außer:
orbentlicher Weife gehoben. %. hat —
Tranſit⸗ und Exporthandel, namentlich in den ‘Mo:
naten September bis März, doch ift der Import⸗
handel im Aufblüben begriffen. 1891 wurde in F.
eine Handelsbörje gegründet, die von der Regie:
rung mit 5000 Fl. unterjtüßt wurde.
5. befigt drei Häfen: Porto canale Yiumara für
130 Eleinere, Borto nuovo für 150 * Schiffe
nach Plänen des franz. Hydrotechnikers vascai
1872 begonnen, mit einem Wellenbrecher (1000 m
fang), drei breiten Molen, einem Quai von 3000 m
bei 36 ha Fläche und vielen Magazinen, und den
Betroleumbafen. 1891 wurde die elektrifche Beleuch⸗
tung bes ganzen Hafengebietes eingeführt. Der Ge:
ſamtverkehr betrug 1890: 1431 532,1896: 1851113,
1899: 2229615 t, darunter 814714, 938958 und
1146937 t * dem Seewege, 616818, 912155 und
1082678 t aufdem Landwege. Die Einfuhr auf dem
Seemwege betrug: 267878, 413171 und 431674,
die Ausfuhr: 546836, 525787 und 715263 t; die
Einfuhr auf dem Landwege: 480 838, 641021 und
780064 t, die Ausfuhr 135979, 271134 und
302 614 t.
Die Ein: und Ausfuhr pa See wuchs in der
Zeit von 1871 bis 1899 in folgender Weiſe:
Ausfuhr
t | Mil. K
52100 11,27
225 800 44,64
3 586 600 48,02
1899 411900 87,51 516400 129,03
An der Ein: und Ausfuhr (in Millionen Kronen)
waren 1899 hauptſächlich folgende europ. und außer:
europ, Zänder beteiligt:
| Ein- | Aus» | Ein | Aus»
Länder fuhr | fuhr Pänder fuhr | fubr
I mm.K
. ‚| 4,177 Belgien . . . | 0,1331 4,175
Ofterreih 8,536 Mieberlande . | 1,536] 7,204
Ungarn . . .| 2,346 Türkei... .| 7,600] 5,608
Deutſches Reid) 0,221 Britiih-Dft-
alien . . . 124,053 116,417] inbten.. . . 117,751) 5,595
zanfreich . . | 1,475 28,017] Japan . . . . | 1,049] 3.472
panien . . . | 0,138 | 1,828 | Bhilippinen . | 1,835) —
Großbritannien) 6,897 21,514 | Agupten 0,394| 4,364
Rußland . . . | 1,314) 0,538 | Ber. Staaten . | 3,070] 5,090
Rumänien . . | 1,161 0,004 | Brafliten | 1,214] 2,249
747
Die wichtigsten Handelsartitel waren 1899:
. 1100032 |23,218
f — -» . „| 72207|12,997 uder) . | 55446 112,424
Tabak (roh) . | 4228110,992] Dauben aus
er (rob) . . | 13798) 5,243] Gichenholz . | 90648 11,406
affee . . . .| 1628| 2,306] Bretter aus
Drangen und hartem Holz | 53788) 7,901
Gitronen.. . | 15284) 2,138] Robauder . . | 27360) 5,AR1
Kohle . | 64238] 2,066] Torpeboß . . 2341| 4,826
Baummolle Gecte . + »| 27952) 4,641
(ech) » » »| 2048| 1,636| Yuder(raffin.) | 12805 | 4,469
Meist .... 9156| 1,253] Berbrinden«
Mallonen . .| 4367| 1,222] ertraft . „| 17221] 3,696
Zabaffabrifate 102) 1,131 Bretter aus
Baumdl .. . 1227| 0,966] Fichtenholz 53075) 3,469
Salpeter. . 4721| 0,944 | Mais .| 24546) 3,228
Die Induſtrie bat, gleichwie der Handel, infolge
der befondern Unterftüßung der ungar. Regierung,
die F. als einzigen größern Seehafen des Landes
auf jede Weije fördert (1899: 1167 794 Kronen),
einen großen Aufſchwung genommen.. Sie beſchäf—
tigte 1894: 5520 Berjonen, 121 Dampfmafcinen
mit 3689 Pferdeftärten, und lieferte Fabrikate im
Werte von 22081900 Fl., wozu nod 4381 150 FI.
ren Zabakfabritate famen. In %. befinden
ib eine königl. Tabakfabrit mit 2130 Arbeitern
(Produktion 1899: 8700 kg Schnupf:, 375700 kg
Rauchtabak, 49 Mill. Cigarren, 244 Mill. Cigar
retten), Bapierfabrit, Torpedofabrit von Whitehead
(das ehemalige Stabilimento tecnico),diegroßartige
Betroleumraffinerie, Reisſchälfabrik, Faßdauben⸗
und Fäſſerfabrik, ii Fabrikation von gebogenen
Möbeln, Chemikalien, Seife, Baiten und kfünftlibem
Dünger; Gerbereien, Muhlenwerle, Gasanftalt.
Die Zahl der in den Kranlenkaſſen verfiherten Ar-
beiter betrug 1899: 10281.
Die Fiſcherei im Quarnero ift fehr ergiebig,
befonders die auf Thunfiſch, der bier jährlich zu
Zaufenden gefangen wird, und auf leine Seetrebje
(Scampa, Nephrops norvegicus L.), die außer an
der normweg. Küfte nur bier vorlommen.
Verkehrsweſen. Im. 1899 lamen an 10829
Schiffe mit 1577986 t Gütern, darunter 8743
Dampfer mit 14808901; es gingen ab 10828 Schiffe
mit 1576828t Gütern, darunter 8745 Dampfer mit
1479819 t.
An dem Schiffsverkehr 1899 waren hauptſächlich
folgende Länder beteiligt:
Ungelommene
Wbgegangene
Den —— vermitteln regelmäßige Fahr⸗
ten des Ofterreihijchen Lloyd nad der Levante,
der Ungariſch-Kroatiſchen Schiffahrtsgeſellſchafi
(18 Schiffe) nad Iſtrien und Dalmatien, der lönigl.
Ungarijhen Seeſchiffahrts Klideft Adria (mit
ftaatliber Subvention) na gland, Schottland,
148
Sec. Spanien, Portugal, Nordafrita und
tafilien, die Schiffabrtunternebmungen her
und FeVenedig und die engl. Dampfſchiffahrtsgeſell⸗
ſchaft «Ancor:Line» mit 18 Fahrten nah Neuyorf.
Die Handelsflotte F.s umfaßte 1898: 69 Dampfer
mit 43689 t und 120 Segelichiffe mit 57830. Auf
den Ausbau des Hafens verwendete der Staat
1871—98: 74204366 Kronen.
Mit den Eifenbabnen famen an (fubren ab) 87643
(162274) Berjonen, 658 (620) t Bepäd, 1404 (879) t
Gilgut und 780064 (302 614) t Frachtgut.
nuchang. Die Umgebung von s. ift fteinig,
jedoch wird vorzügliher Mein gebaut. ber
Näbe von F., befonders in dem ſchön gelegenen
Vollsgarten, überwintern Magnolien, Morten,
Lorbeer, Rosmarin. Etwa 10km weſtlich von F.
liegen in Jitrien die beiden Orte Volosca und
Abbazia (f. d.), wegen ihres milden Klimas Kurorte
für Bruftfrante. Unmeit 5. befindet fi das groß:
artige, von Raif “he L 1833 erbaute Beitlazarett
und oberhalb der Stabt die 1453 erbaute und befon-
ders von den Geeleuten in Ebren gehaltene Kirche
Madonna di Terjatto, zu welcher 411 Stufen von der
bergen binauffübren. In der Näbe der Kirche
tegt das alte Schloß Ter ſatto der Aalen ano:
pan (Frangipani), jeßt dem Grafen Arthur Nugent
ebörig, mit röm. Altertümern und berrlicder Aus:
iR auf den Golf von Quarnero. — Val. Brehmers
ei —— Abbazia (Fiume 1893); Geuters
wu von Abbazia, F. u. ſ. m. (3. Aufl., Darmit.
1903).
Geſchichte. F. war im Beſitze der Herren von
Duino, fpäter bis 1365 Pfandſchaft der Frangi:
pani, dann der Herren von Walſee, bis es 1471 von
Kaifer Friedrich IIL. getauft und zu Inneröſterreich
geſchlagen wurde. 1719 erbielt F. von Kaiſer Karl VI.
das Freihafenpatent. 1779 wurde F. von der Kai⸗
ferin Maria Thereſia mit dem Königreih Ungarn
als «corpus separatum» vereinigt, unter weldem
eö blieb, bis es 1809 die Franzoſen on. F.
tam 1814 wieder an Oſterreich, warb aber 1822
abermals an das Königreich Ungarn zurüdgegeben.
Nah den Stürmen von 1848 und 1849 flug man
5. zum Kronlande Kroatien. Seit Aug. 1870 ftebt
dasfelbe famt Gebiet (19,75 qkm) als autonomer
Körper direkt unter der ungar. Centralregierung. —
Bol. Rapporto statisticoeconomico sulcommercio,
’industria e navigazione in F. (Fiume 1895); Felt,
Der Handel %.8 im Mittelalter (Budapeft 1895).
inme di Noto, ficil. Fluß, f. Aifinarus,
iũme di Policaftro, Fluß, J Buſento.
iumicello (ſpr. -mitichello), Gemeinde im Ge:
richtöbezirt Gervignano der diterr. Bezirtsbaupt:
mannſchaft Gradisca in der Grafihaft Görz und
Gradisca, an der Mündung des Iſonzo, hat (1900)
3240 ital. E. und befteht aus 5 Ortichaften. Die
Landſchaft F. ift ein üppiges Kulturland mit
Üldern und Nebenbängen und war fchon bei den
Römern wegen ibrer Fruchtbarkeit berübmt.
en (jpr. mitſchihno), Fluß, ſ. Rubico.
umieino (jpr. -mitihibno), Ort in der ital,
Provinz Rom, im Agro Romano und zur Gemeinde
Rom gehörig, am nördl. Tibermündungsarn, an
der Zmeiglinie Ponte Galera:%. (10 km) des
Mittelmeerneges, von Dftia dur die Iſola Sacra
getrennt, bat etwa 600 E. und dient neben Civitas
vechia (j. d.) als Einfuhrplag für die Hauptitabt,
ju der Meinere Dampfer aus dem durch Molen:
bauten vor Verſandung leidlih geibüsten Hafen
Fiume di Noto — fire Idee
elangen. — F. wurde 1825 auf den Ruinen des
Bafenplapes Portus Augusti, den Raijer Claudius
nad Aufgabe von Oſtia angelegt batte, ge rünbet;
das 1773 hart am Meere erbaute Kaſte —* jest
1000 Schritte landeinwärts.
Fivel, ebemaliger Fluß in der niederländ. Bro:
vinz Groningen, wurde bei Anlage des Damiter-
diep, Ende des 16. Jahrh., größtenteils in diejen
Kanal aufgenommen.
Fivelgau (d.b. Gau der Fivel), einer der ebemalis
gen frief. Saue im O. der jegigen niederländ. Provinz
roningen, war zur Zeit der Republik noch eine der
Unterabteilungen (Swartieren) diejer Provinz. —
Vol. von Ridhtbofen, Zwei Karten von Friesland im
9. und 13. Jahrh. (Berl. 1882). [Gebeimmittel.
Five Minutes t Pain Curer, |.
Five o’olock tea (engl., jpr. [ein oflöd tib,
« zünfubr:Thee»), die Nachmittagätbeeftunde (vor
der Hauptmablzeit am Abend), zugleih Empfangs:
zeit für Beſuche, eine von England aus, neuerdings
auch in der Barifer und Berliner vornehmen Welt
— Bezeichnung.
ig (vom lat. fixus, feſt, unbeweglich) wurde
in der ältern dem. Nomentlatur ald Gegenjaß von
Nüctig gebraucht, 3. B. fired Laugenfalz, foviel wie
a a a ah Firität joviel wie
— Fire Luft nannte man wegen
des größern fpecifiiben Gewichts fonjt die Kohlen⸗
fäure. F. in der Bedeutung raſch, gewandt, ift von
mweijelbafter Abſtammung; einige, wie Grimm,
eiten es ebenfalld vom lat. fixus ab, andere balten
die deutihe Abftammung für wahrſcheinlicher.
ixateur (fr3., jpr. -töhr), ſ. Fixative.
igation (lat.), eitiegung, insbejondere des
Einkommens oder einer bejtimmten Woerfional:
fumme an Stelle jeweilig zu erhebender Beträge,
mie 3.B. bei der Bierjteuer (f. d.) und Branntweın:
fteuer (ſ. d.). (S. aub Pauſchſteuern.)
Figative (vom lat. fixus, feft), Mittel, melde
Zeihnungen in Blei, Kohle oder Kreide vor dem Ver-
wifchen fhüßen. gu den ee Mitteln diejer Art ge
börtreinerfrang. Lad und, fpeciell für Blei: und Krei⸗
dezeihnungen, farbloje Hindergalle. Zur Berbrei:
tung ber 5. über die Zeichnung bedient man fich eines
Zerjtäubungsapparates(Firateur). Auch übergießt
man zum irieren die Zeichnungen mitmagerer Mil
oder ! chwarzem Kaffee oder ſetzt jieder@inwirtungvon
Waſſerdämpfen aus, die den Leim im Papier er
weichen und dadurch ein Feſthalten der Farbe be:
Fixa vinota (lat.), |. Superfiied. lwirken.
ige Befoldung, |. Fixum.
ige dee, ein irrtümliher Gebante, der
immer wieder ohne nahmeisbaren Grund ſich auf:
drängt und von deſſen Nichtigkeit die damit be
bee Perſon feſt überzeugt. it Die Entjtehung
olcher F. J ift eine doppelte, gr Air als diejelben
1) als Teilerſcheinungen von Geiftesitörung auj:
treten, 2) durch Gewohnheit bei Kal ejundem
Gebirn ſich feitjegen. Im eritern Falle (5. J. im
engern Sinne) wird burd eine ihrem Weſen nad
meiſt nicht erfennbare Hixnerkranlung von innen
beraus ein unmiberftebliher Zmang zur Bildung
gemüjer falfher Urteile geſchaffen, ir daß der
ranfe von vornherein zu jeder Kritik derjelben
unfäbig ericheint oder es nad vorübergebendem
Schwanken und Zweifeln alöbald wird. Der Yn-
balt der F. ae fih bier gewöhnlich auf die
Berfon des Inhabers jetbit, insbejondere auf fein
Verhältnis zur Mitwelt; man fpricht hier gewöhn
Fixe Luft — Fixſterne
(ih von afıren Wabnideen», z. B. Wahn, verfolgt,
geliebt zu werden. Nach jahrelangem Beiteben der:
artiger 5. J. iſt eine —*6 ausnahmslos
ausgeſ * es fommt durch — immer
neuer Wahnideen ſchließlich zu einer vollſtändig
falſchen Auffaſſung des eigenen Selbſt. (S. Ver:
rüdtbeit.) Bei intelleltuell wenig beanlagten Ber:
fonen können aber auch irrtümliche, dur äußere
ufällige Einwirkungen (Unterricht, Lektüre) ent:
handene Borftellungen, die lange mit Vorliebe ge:
begt werden, allmählich auch obne Hinzutreten einer
bejondern Hirnanomalie ſich feitieben, jo daß ibnen
gegenüber die Kritit völlig verloren geht, Dieje
F. N beziehen fich meift auf objektive VBerhältnifje
(. 2. Dogliteit, ein Berpetuum mobile zu kon:
—— u. dgl. m.). Es kommt hierbei in der
el nicht zu einer falſchen Selbſtauffaſſung; der
F. g die meiſt ganz iſoliert daſteht, geſellen ſich
andere nicht bei; die geiſtige Leiſtungsfähigleit
leidet jelbft bei langem Befteben nur injoweit, als
dur das Auftauchen der Idee oder durch das In—
terejle des Inhabers an derfelben andere Gedanken
oder Intereſſen in den Hintergrund gedrängt werben,
ige Luft, |. Fir. —
igen, in ber Börſenſprache ſoviel wie à la
baisse fpetulieren (ſ. Baiſſe). Der Fixer ver
tauft eine Börjenware, die er zur Zeit des Ber:
tragsabſchluſſes noch gar nicht befikt und die er bis
um Liquidationstermin billiger, als er fie verlauft
bat, *6 gedenft (Verlauf in blanco, à de-
couvert, auf Zeit, gewöhnlich per Ultimo). Gelingt
ibm dies nicht, und ift der Breis (Kurs), zu wel
chem die Zeitgeihäfte am Liquidationstermin ab—
newidelt werden, böber als der vereinbarte Kauf:
preis, fo fann er vielleiht unter Bewilligung
eined Deports (j. db.) fein Engagement auf den
nächſten Termin verſchieben und die Spekulation
à la baisse fortſehen.
Firgeichäft, eine ———— Leiſtung,
welche genau zu einer feſt beſtimmten (gemau firier:
ten) Zeit oder innerhalb einer feit beftimmten Friſt
zu erfüllen ift (ſ. Erfüllungszeit). Das F. tft na—
mentlih im Börjenverlehr von großer Bedeutung.
Die Börfenzeitgeihäfte find regelmäßig 3. Der
Wille, ein F. abzuſchließen, kann im Bertrage felbit
ausdrüdlich bekundet fein, durch Zuſätze wie «prä:
ci», afpäteftend» u. ſ. w. oder durch Beifügung
der Erlöihungstlaufel, oder indem auf die für F.
bejtebenden Börjenufancen verwiefen wird; er fann
aber auch obne —— Erwähnung aus den
Umſtänden des Falles, z. B. aus der Art der zu
liefernden Ware, abgeleitet werden. Weil beim
handelsrechtlichen 5. nad der regelmäßigen Abſicht
ver Teile nad Ablauf des Termins verjpätete Er:
füllung von vornberein ausgeſchloſſen fein foll, ann
in dieſem Yall auch der nicht ſaumige Kontrabent
nad Ablauf der Erfüllungszeit Erfüllung nicht mehr
ordern, es jei denn, daß er dies unverzüglich nad)
blauf dem andern Kontrahenten angezeigt hat.
Er kann aber vom Vertrage zurüdtreten, als jei
derjelbe nicht geichlofien, oder Schadenerjas wegen
Nicterfüllu jerbem (Deutihes Handelsgejesb.
$. 376). Verhalten ſich beide Kontrahenten am Er:
—— (Stichtage) paffiv, jo wird dies in
ebr vielen Fällen die Bedeutung haben, dab das
Geihäft aufgegeben ui — und dies ift in vielen
Börienufancen ausgeiproben. Jene Folge tritt
aber dann nit ein, wenn ſich der al jäumig an:
geſprochene Kontrabent nad dem Sinn des Vertrags
149
bei tem Gegentontrahentenam Erfüllungstage hätte
melden, die jhuldige Leiftung abholen müflen, und
biejer an diefem Tage in der Lage war, jeincrjeits
zu erfüllen. Das Schweizer Obligationenrecht ftimmt
im allgemeinen mit den angezogenen Beitimmungen
des Deutichen Handelsgeſeßbuchs überein; e8 weicht
von demjelben darin ab, daß es die Vermutung
aufitellt, der Käufer ſolle berechtigt fein vom Vers
trage zurüdzutreten, wenn im faufmännifchen Ber
febr ein bejtimmter Lieferungstermin verabredet
ift (Art. 234). Nah bürgerlibem Recht (Bürgerl.
ejegb. $. 361) hat bei zweifeitigen Verträgen jeder
Art jede von beiden Barteien, wenn fi aus dem
Vertrage die Abficht erfennen läßt, daß die Leiftung
zu einer bejtimmten Zeit, weder früher noch ſpäter,
oder bis zu einer beitimmten Zeit und nicht jpäter
erfolgen joll, das Nüdtrittsreht. Der vom Ver:
trage Zurüdtretende fann das von ihm Geleijtete au:
rüdfordern, und, wenn erein Verſchulden nachweiſt,
Schadenerſatz verlangen. Nah dem Reihsbörfen:
geieh vom 22. Juni 1896, 8.50, ift der Bundesrat
efugt, den Börjenterminhandel, d. b. eben Börjen:
firge äft, von Bedingungen abhängig zu machen
oder in beftimmten Waren oder Wertpapieren zu
unterfagen. In Anteilen von Bergwerls: und
nie mungen und in Getreide und Muhlen⸗
abritaten ift er gänzlich unterfagt, alfo nur Kaſſa⸗
eher, und Zeitgeihäft mit Nacfeift zuläſſig.
igieren (lat.), —— (j. Fixation);
[ei ins Auge fajlen; u durchdringend ans
eben. — Über 5. in der Photograpbie (j. d.).
— liber das F. von Zeihnungen f. Firative.
Fixierſalz, das zum Firieren der photogr. Bil:
der dienende ünterſchwefligſaure Natrium. (S. Pho⸗
igität, |. dir. [tograpbie.)
iglmillner, Placidus, Ajtronom, geb. 28. Mai
1721 zu Achleuthen bei Kremsmünfter, trat 1737
in das Klojter Kremsmünſter und erhielt 1762 die
Direktion der kurz zuvor von feinem Obeim, dem
Abt F., dafelbft erbauten Sternwarte; er ftarb
27. Aug. 1791. Unter feinen Arbeiten find ber
vorzubeben feine für die Bearbeitung der Theorie
des Merkur wichtigen Beobachtungen dieſes Pla:
neten, jowie feine Unterfuhung über die Sonnen:
parallare aus den een, ag 1761 und
1769, deren Ergebnis dem Endeicoen ertnabe kam.
olin, j. Geheimmittel. [puntt (f.d.).
xp ‚im Vermeſſungsweſen foviel wie Felt:
ftempel, |. Börjenfteuer und Stempel.
erne (lat. stellae fixae, d. i. ſeſte, unbe:
wegliche Sterne), im Gegenfak zu den Planeten
oder Wandeljternen diejenigen Sterne, die ihren
Drt gegeneinander nicht oder nur ſehr — ver⸗
ändern. F. find bei weiten die meiſten ung ſichtbaren
Sterne. Ihre tägliche jheinbare Bewegung von Diten
nad Weiten, vermöge deren fie auf: und untergeben
und über dem Horizont am Himmel teild größere
oder lleinere Bogen, teild ganze Kreije beſchreiben
(von denen ber vom 19: Polarſtern beſchriebene jo
Hein iſt, daß dieſer Stern faſt ganz ſtillzuſtehen
ſcheint), die Folge der täglichen Bewegung der
Erde um ihre Achſe. Hätte die Erde nur dieſe, ſo
würde uns der geſtirnte Himmel, an demſelben Orte
auf der Erde beobachtet, das ganze Jahr hindurch
zu gleihen Stunden der Naht einen gleihen Anblid
ewähren. Infolge der Bewegung der Erde um die
onne oder des —— ortrückens der Sonne
unter den Sternen ändert ſich aber der einer be:
ftimmten Nadtjtunde entſprechende Anblid des
750
Himmels mit den Jahreszeiten. Derfelbe Stand
der Sterne tritt an jedem Tage 4 Minuten früher als
am vorhergehenden ein und trifft nach einem Jahre
wieder genau auf diejelbe Nachtſtunde. a Fernrohr
erſcheinen die F. nicht wie die großen Planeten als
Heine Scheibchen, ſondern als Lichtknoten, die ſich
um fo mehr einem Punkte nähern, je volllommener
das Fernrohr ift. Es rührt dies von den ungeheuern
Entfernungen ber., ————— Wir
wiſſen daher auch nichts Sicheres über die wirklichen
Größen der % baben aber triftigen Grund zu ver:
muten, baß jie im allgemeinen nicht Heiner als die
Sonne, ja zum Teil jogar nod weit größer als dieſe
find. Die Helligteit eines Firfterns geftattet noch
feinen Schluß auf feine Entfernung, da dieſe gerade
bei vielen der belliten ſich als bejonders groß bez.
unbejtimmbar erwiejen bat, wohingegen einige
ſchwache Sterne uns verhältnismäßig nahe ftehen.
Schon in den älteften Zeiten bat man die 5. zur
befiern Unterſcheidung in Sternbilder (f.d.) abgeteilt.
Außerdem haben die Araber, auch die Griechen und
Römer, den hellften Sternen noch beſondere Namen
beigelegt, von denen viele noch jetzt im Gebraud) find.
ad ihrer Helligkeit teilt man die F. in ver-
ſchiedene — (j.d.) ein. Zur erſten Größe
ende 19 Sterne: Sirius,
rechnet man gewöhnlich pl — —
Canopus, a Gentauri,
pella, Brocyon, Beteigeuge, Adernar Aldebaran,
B Eentauri, a Crucis, tair, Spica, Antares Ne:
aulus, Fomalhaut und Pollux, die nad) ihrer Größe
— ſind, ſo daß Sixius der hellſte Stern ik
em bloßen Yuge eriheinen die 55 $. weih,
einige wenig rötlich oder gelblih. Entſchieden weiß
Er Sirius, Spica, Mega; rot: Aldebaran, Arktur,
ntares, Beteigeuze; gelb: Capella, Brocyon und
der Volarftern. Auch im Fernrohr find Weiß, Rot
und Gelb die vorberrfhenden Farben und treten
—— ſehr ausgeſprochen auf (ſ. Granatſtern);
lau und Grün finden ſich faſt nur bei Doppelſternen
(j.d.). Ob Veränderungen in ber Farbe der F. vor:
fommen, ift nicht ficher, m. der jegt weiße Sirius
von den Alten zu den roten Sternen gezählt wurde.
Die Zahl der an der ganzen Himmelskugel für
ein unbewaffnetes normales Auge erfennbaren F.
beträgt etwa 6000 und zwar wächſt die Zahl der
Sterne mit der Abnahme ibrer Helligleit. So giebt
es von der 1. Größe 19 Sterne, von der 2. Größe
65, von der 3. Größe 200 u. ſ. w, und man kann
annehmen, daß jede folgende Größentlafje durch—
ſchnittlich dreimal foviel Sterne enthält als die
vorhergehende. Nach ungefäbrer Schäßung beträgt
die Rab der in den mächtigjten jetzt eriftierenden
‚ernrohren überhaupt fihtbaren F. etwa 100 Mil:
lionen. Die Verteilung der F. am Himmel ift eine
jehr verſchiedene; am dichtejten —— ſie innerhalb
der Milchſtraße (ſ. d.), deren Glanz nur von der
ge Menge dicht gedrängter Sternden herrührt.
le 5. haben eine, . Eigenbemwegung
N d.), wenn aud meiht der Betrag — * Hein
it, daß erſt nad einem ſehr langen Zeitraum eine
meßbare Ortöveränderung zu fonitatieren ift.
Beränderlide Sterne (j. d.) ändern ihre
Helligkeit. Zu ihnen gehören au die neuen oder
temporären Sterne, bie plötzlich zum Vorſchein
fommen und dann entweder ploötzlich wieder vers
ſchwinden oder raſch einer —— Helligkeit
wieder herabſinlen. Liber das Funkeln f.d.
Hinfihtlich der Natur und Beſchaffenheit der
5. bat erjt die Speltralanalyfe gewichtige Anhalts:
Firfternparallaren
punfte gegeben. So verſchieden aum die Speltren
der einzelnen F. find, fo lajjen fie doch mebrere ver:
ſchiedene Grundformen erkennen (j. Sterntopen und
Speltralanalyfe), die aber weniger auf eine Ber:
ſchiedenheit der Beftandteile, d. b. der chem. Ele
mente binmweifen, aus denen fie zufammengejebt
find, als vielmehr auf eine Verſchiedenheit ibrer
Temperatur und ihrer durch dieje bedingten Dichte,
Mir fönnen auf Grund der durd die ſpeltralang⸗
lytiſchen Unterjuhungen der F. gewonnenen Re
fultate annehmen, daß die F. ihrer Natur und
ihrer Beichaffenbeit nad unferer Sonne nabe fteben
und wie dieſe alübende, von Atmofpbären um:
gebene Mafjen find. (S. Firfterntemperatur.) Die
vorherrſchenden Beftandtetle der F. find Waſſerſtoff,
Natrium, Magnefium und Eifen; auf einigen ber
unterjuchten F. müflen aber aub Stoffe vorfommen,
die wir auf der Erde nicht fennen. Die verfcbiedenen
Farben der F. deuten wabhrjcheinlich auf verfchiedene
Auftände ihrer Abtüblung bin. (S. auch Stem:
baufen, Sterntarten, Sterntataloge.) — Bal. Sechi,
Die Sterne (Lpz. 1878); Mädler, Der Firfternbim:
mel (ebd, 1858); Seeliger, Betradhtungen über die
räumliche Berteilung der F. (Münd. 1898).
Firfternparallagen. Die Entiernungen ber
Fixſterne von der Erde find jo ungebeure, daß durch
die Meflung täglicher Varallaren (j. d.) die Beftim-
mung ibrer Entfernung nicht ausfübrbar if. Man
muß feine Zuflucht zur jährlichen Barallare
nebmen, indem man ben Ort des betreffenden Sterns
am Himmel von zwei einander entgegengefehten
Punkten ver Erdbahn aus beftimmt. Dieje Bunlte
müſſen fo gewählt fein, daß ihre Berbindungslinie
auf der Richtung nah dem Stern nabe ſenkrecht
tebt. Die Hälfte des Unterſchieds der an beiden
Bunttenbejtimmten Richtungen nenntman die jähr⸗
liche oder beliocentriihe PBarallare des be
treffenden Sterns oder auch kurzweg feine Baral:
lare. Man kann die Firiternparallare auch def:
nieren als den Mintel, unter dem von dem Stern
aus der Halbmefjer ver Erdbahn erſcheint. Ähnlich
wie die Horizontalparallare bei den Planeten giebt
die Firfternparallare einen bequemen Maßſtab für
die Entfernung der Firſterne ab. Indeſſen find leh-
tere auch gegenüber dem über 148 Mill. km betra:
genden Halbmefjer der Erdbahn jo ungebeure, daß
ihre Beitimmung ein ganz ungewöbnlid hohes Mat
von Genauigleit erfordert, welche erreicht wird, wenn
man den Abitand des fraglichen Sterns von ge
eignet aewäblten Sternen in feiner Nähe mit Hilfe
eines Mitrometers (ſ. d.) mißt; bierzu ift namentlich
das Heliometer (f. d.) jehr brauchbar. Beſſel und
Struve gelang es zuerjt, auf diefem Wege ſichere
Werte von F. zu beitimmen. Dur Anwendung der
Vhotograpbie bat man die ge der befannten F. auf
80 geiteigert. Dabei bat ſich gezeigt, daß weder das
Vorbandenfein großer Eigenbewegung noch große
Helligkeit einen fihern Schluß auf das Vorhanden⸗
fein meßbarer %. geftattet. (S. au ——
In der Tabelle ſind die ſicherſten Werte der bis
jest gefundenen F. zuſammengeſtellt. Die Größen:
Hajien beruben bei den hellern Sternen auf genauer
pbotometrifher Meſſung. Werte Meiner als 1,0
deuten an, daß der Stern beller ift, ald dem nor:
malen Betrage der eriten Größenllafje entipridt.
Die beigefügte Lichtzeit giebt an, wie viel Jahre
das Licht braudt, um — den gefunder
nen Barallaren) von dem betreffenden Stern bis
zu uns zu gelangen.
Firſterntemperatur — {Fjord 751
m #Figfterntemperatur. Nach Unterfuhungen von
rofellor Scheiner beträgt die Temperatur an der
berfläche der Sterne der Speltralllaſſe IIIa zwi⸗
{chen 3000° und 4000°, bei den Sternen der Klaſſe Ia
reicht fie bis zu 15000°, während fie bei der Sonne
108 0.07| 47 | der Regel gewundene, tief ins Land eingreifende,
0,09 | 0,10) 33 | nad oben ſich verzweigende, ſchmale, fteile und tiefe
0,33 | 0,06 54 | Meeresbucht, die im QDuerjchnitt eine Trogform,
Groombridge 1830 |11 47 |-1385
Ursae majoris . |11 48 54,3
. B. VIL 119 . . 112 4 Hi
nn
a Ursae majoris . 12 49
.
Andromeda .. 3 ‚21
r Cansiopejae_. .|0 4 1586 | 33 [0550,16] 20 und ben Sternen gg Klafie Ila Werte befist, bie
Groombridge 4 . | 012 |4434 | 79 |2,80, 0,9] ı1 | zwiihen demen ber beiden andern ——
t — Tr ir — 33 iegen. Dieſe — — aus dem Ber:
a Cassiopejae .. ‚ ‚7905| 04 balten zweier beftimmter, dem Magnefium ange
..!/0%43 57,3 34 !120:0,18| 18 r Pr gi ” ni @
—— 1050 |+601 | 332 002/005] ss | böriger Linien de3 Sternipeltrums bezüglich ihrer
» Cassiopejae . . | 1 1 [4544 | 5,2 |3,750,08| 40 —— und Breite in ben verſchiedenen Speltral⸗
Aändromeäne - [1,8 Kar | 32 [622 car] 3 | ofen aesogen. |
a 2: ı 230 | 2,1 |0,23| 0,08] 40 igum (lat. fixum salarium, fire Befol:
a Arietis -]2 , , , , j 1
B Persei 2... 3 1 |+40,5 3,3;3,5 903 0,00 + dung), feiter Gehalt, im Gegenjak zu Acciden⸗
. Bridani el 13 120 el 36 | zien, Stolgebühren, Sporteln, Provifionen, Tan:
Piazai 111.942. . | 0 4378| 74 1025/0021163 | fiemen u. |. w.
0% Kridani .... ... [410 |— 78 | 65 [4051019 ı7 | Fizeam (fpr. -joh), Armand Hippolyte Louis,
Aldebaran 2.15 33 0 aa air) 30 | franz. Phyſiler, geb. 28. Sept. 1819 zu Paris, wo
Biel» .....1510 | 83 1-01 [002|0,09| 36 |er als Prioatgeleheier lebte. Seit 1860 war er
B Tauri RE 2% Fr a (018 808 .- Mitglied > en. 1878 wurde er Mitglied
a Orionis IT a] 80 100019 des Yängenbureaus. Er arbeitete gemeinjam mit
50 70 |0,5/0,00| — . .
ae ss \Lus 19 |o07|o06| 5 ing —— —** und führte bie von
a Argla ..... 622 |-—-52,6 | 0,4 | 0,00) 0,03] 109 rago vorbereiteten Unterſuchungen über die Licht:
# Aurigae. .... 630 #284 | 56 |0,151012| 97 | gefchmwindigfeit (j. d.) aus. Er ftarb 18. Sept. 1896
Fr 4.0 Tieß 13 J131lo,0| 8 | 9 : h
31 Cepber . . ..| 851 |+872 | 54 | 0,06 | 0,08] 109 = Benteuil (Depart. Seine:et:Marne). Zahlreiche
Castor u... 728 432,1 | 15 |0,2110,20| 16 | Abhandlungen von ihm über optijche und photogr.
ee ea I Ikea] 45 | Genenftände, über ſtrahlende Wärme, über die elet:
Lal. 15290 2...) 707 4308| 85 11,961 0,02| 163 | triihe Indultionsmaſchine u. ſ. w. enthalten feit
—* — 1 2 12 s * - 1843 die —— de physique et de chimiev und
a EN: —31— die «Comptes rendus».
2 UM... 0% 5 „6 3,2 74 11,69] 0,12) 27 *
® Ursae majorie . | 925 |+4522 | 31 |1.11j0,07| 47 al, ſchwediſch für das normeg. Field (f. d.).
B. B.VIL 83. . . | 937 123 4 0,10 | 0,08 a ärd, foviel wie Fjord (f. d.).
20 Leonis minoris I 0, , ‚ -
Regulus ae 10 3 |+12,5 | 1,2 |0,26|0,09] 36 > nr Sa N norwee. * ür
Groombridge 1618 |10 5 |+50.0 | 6,7 11,43 0,17) ı9 | die ausgedehnten Hocflähen der flandinan. Ger
. B.VIL9# .. . r 7 63 .. Si u | birge, die, zumeift über der Schneegrenze lienend,
. B. VII. 95 ..jlo 4,1| 7, 0,; , |; N 1 A NZ
B Urne majorie . 10.27 [4.559 | 22 10,0810,09| 36 | —* — — — Die wichtigſten F.
a Ursas majoris . |10 27 623 | ı9 '014/005| es I Im 3 unsfjeld, n ourefje du.a. ä ,
Lalande 21185 . . 10 58 36,7| 68 |4,15l046| 71 Fiord (dän.), in Schottland Firth, in Eng:
—— 21386 . m o +4,11 85 144010,38| 14 | (and Frith (vom lat. fretum, d. 1. Meerenge), in
Ei. 1 8 7140| zo |042|019| ı7 | = (eawi . ‚dt. . x —
Arg. Öltzen ineri 11 15 4665 | 90 [304 820 ı6 | Schleswig Fohrdo, an der ſchwed. und finn.
B. 5 vu. 110... m a 45,7 | 67 |0,64 0,08 = Küfte Fiärd, auf engl. Seelarten gewöhnlich
- B.VIL ı11 . „| 48,3 80 | 0,67 | 0,0% 3 ai r i s
8 Leonie... ... 11a Tıs2 | 21 10821008 109 | sound (Sund) genannt, Bezeihnung für eine in
65
2,3
7,3
1,8
4
ß Comae Berenices 13 7 |4-28,4 | 4,0 1,05 0,11) 30 im Län sſchnitt ein zwiſchen ſanften Wolbungen
Areturus . ji 10 197 | 02 238 0,03 168 * ſeichten — ns en ws
Centauri ... ... —60,4 | 0,7 | 3,67 | 0,76 relief aufweiſt (na eijt treten die F.
ee ha are | 38 100810081 & | gefellig auf und bilden fog. Fiordfüften. Am
n Heroalis . IE 16 39 |-+-39,1 | 3,6 | 0,08 | 0,40 & haufen und ausgeprägteiten Sen fie “ in
aus . . . . 57 10 [7345 | 3,0 | 0,08 | 0,06 oben Breiten; in Guropa: in Weit: und Nord:
3 5 WORTEN
2 Be: a „s 3* urn = ſtandinavien, Schottland, Irland, Island, Bres
— 1730 [455.3 | 48 |0,16| 0,32 10 tagne; a —— au — Neufund⸗
6—2 553 | 4,8 |0,16/0,28) 11 | fand, Neuſchottland, an der Küſte der Vereinigten
Arg. 6 ha -
LIE za Iaeulazel a Sinsten ee Dam om Ber Sehe DE Du
?0 Ophiuchi . . . |18 0 5| 44 I113l022| 15 ncouverinjel; in Südamerita: an der patagon.
Ayorsae minoris . 18 6 486,6 | 4,5 10,40,12| 37 | Meitküfte im Smitbtanal, in der Magalbäesitrafe,
2amelı....lsan Lass | 84 [0241088 5 | auf seuerland; in Auftalien: an der‘ ehtäfe von
15 Orgnt 19 3 us | #6 [0,64|030| ıı F ._ ferner ee und an ber ——
quilae 920 +1L7 | 55 |0,96| 0,06) 54 | füfte Grönlands, während fonft in der polaren
D . mw *
ng Are — J.nur — oder ſchwach ‚ausgeprägt
Or. 20 18 |+39,7| 23 |o,02|0,10| 33 | gefunden wurden. Doc find die 55. nicht durch die
61 Cygni. 2 2 438,2 | 50 |5,16/040| 8 | 10° Sabresifotberme gegen den Slquator begrenjt,
a Cephei 21 8 38) 26 1016| 0,061 54 fi : N r
Equulei . ... 121 9 |+ 9,6 | 40 1030| 0021 163 | Wie‘ eſchel annahm; dies widerlegt ſchon das Bor:
GER LITE TB Pot] 33 [10102 18 | ort Dprane Tania von Bor ntche he ja am
EEE a1 * ‚2 1460| 0, ine]. e ſüdlich von 30 nördl, Dr, bat von
Lacale san" 2090 ans 72 100810081 40 | Hichthofen ſoiche Bildungen gefunden. Die $. find
Bradley 3077... |23 a |+564 | 55 [2080,13 35 | auch nicht auf Meeresküjten bejchränft, fie finden
5 Pegasi . |23 57 8 58 140 0,06 54 ſich auch an den canad. Seen, beſonders am Nord:
152
ufer bed Huronjees. Die Tiefe der F. ift in der
Regel bedeutend; meift findet fih am Ausgang eine
mebr oder weniger hohe Schwelle.
Die F. find wohl ehemalige Flußthäler, die durch
Hebung des Meers oder Senkung des Feſtlandes
untergetaucht wurden, wie auch ihre Fortſetzung nach
dem Innern in der Regel Flußthäler find. "Die nad:
träglihe Eroſion der 5. durch Eis iſt für mande
Gegenden wahrſcheinlich. Die Veränderung der
Kültenlinie wird bewiejen dur die Strandlinien,
die bei 5. häufig ſehr deutlich ausgebildet find. Ver:
einigen fich zwei F. an ihren obern Enden, fo ent:
ftehen fog. Fiorditraßen, wie die Magalbäes:
itraße und Matotihlin Scharr zwiſchen der Nord:
und Südinſel von Nowaja Semlja; geſchieht die
Vereinigung zwifchen parallel laufenden F., fo
ſcheint ſich der F. deltaartig zu teilen. Wird ein F.
abgedämmt, jo bildet fih ein Fiordfee. — Val.
Peſchel, Neue Probleme der vergleihenden Erdkunde
(4. Aufl., Lpz. 1883); Haas, Studien über die Ent:
ftehung der Zohrden (Kiel 1888); Dinfe, Die Fjord:
bilvungen (in der « Zeitjchrift der Geſellſchaft für
Erdkunde» zu Berlin, 1894); O. Nordenſtjold, TZopo:
arapbiich : geolog. Studien in Fjordgebieten (im
«Bulletin of the Geological Institution of the Uni-
versity of Upsala», 1899, VIII; Upfala 1899).
Fiörgyn, |. Jörd. [licher ift dafür F.
Fl, dem. Zeihen für Fluor (1. d.); gebräuch⸗
Fl., Abkürzung für Gulden (Florin).
F.l.a., auf —9 Abkürzung für fiat lege
artis (lat., d. h. —*— zu bereiten!).
Fla., amtliche Abfürzung für Florida (f. d.).
Flanken, Fleeten, — an Dämmen
oder Ufern, die ald Schußmittel der Böſchungs—
flächen gegen die Angriffe des Waſſers durch Wellen:
chlag u. ſ. w. dienen. (S. auch Flechtwerl.)
Flabellum (lat.), Fächer, Wedel; Flabel—
lation, Lüftung gebrochener Glieder durch Unter:
ſchieben trodner und kuhler Unterlagen.
faccedcengz (lat.), Slaccidität, Sclaffbeit.
Iacens, Verrius, ſ. Verrius Flaccus,
lachat (jpr. -ihab), Eugene, franz. Ingenieur,
geb. 16. Aprıl 1802 in Nimes, bildete ſich unter
Yeitung feines Altern Bruders Stephan, mit dem
er 1823—30 das Projekt eines Kanals zwiſchen
Havre und Paris bearbeitete. Hierauf ftudierte er
in England den Dodbau. Nach feiner Rüdtehr
nad frankreich wendete er ſich dem Eifenbahnbau
zu, war bis 1857 DOberingenieur der Dftbahn und
wurde dann beratender Cbefingenieur der Sud—
babn. F. gründete 1841 den Berein der Inge—
nieure, 1844 die Konferenz; der Cijenbabn: und
1848 die der Eivilingenieure. Er jtarb 16. Juni
1873 in Arcabon. F. ſchrieb: «Etablissements
commerciaux, Docks de Londres, Entrepöts de
Paris» (1836), «Rapport sur le canal du Rhöne au
Rhin» (1840), «Trait& de la fabrication du fer» (mit
andern, 3 Bde. und Atlas, Par. 1842—46; deutich
&pz. 1847— 51), «Memoire sur les travaux de
l’isthme de Suez» (Par. 1865), «Navigation à va-
peur transoc6anienne» (2 Bde., ebd. 1866) u. a.
—82 f. Kegelſpiel.
lachbahngeſchũtze, Flachfeuergeſchütze,
Kanonen, Geſchütze, die eine geſtredte Flugbahn
befigen, die ihrerſeits große Anfangsgeſchwindigleit
erfordert. Sie ſtehen im Gegenſaßz zu den Steilfeuer⸗
eihügen (ſ. d.) mit gefrümmter Flugbahn. Zur
pelung der großen Anfangsgeihmindigleiten
baben bie F. lange Rohre von he feitem Auf:
Fiörgyn — Flächenmaße
bau; fie verwenden große Ladungen, und zwar, ab:
weichend von den Steilfeuergejhüßen, in der Regel
nur einerlei Zabung. Die F. werden gegen meit
entfernte oder miderftandsfäbige aufrechte Ziele,
3. B. Banzerungen, freied Mauerwerk u. dal. ver:
wendet, beſonders aber auch gegen alle fichtbaren
lebenden Ziele. (S. Geſchutz.)
lachbogen, ſ. Bogen. [leumlampen.
lachbrenner, ſ. Basbeleuhtung und Petro:
lachbrunnen, |. Waflerverforgung.
lacheelt, Gerät, j. Eelt.
achdrehen, joviel wie Blandreben (j. d.).
läche, in der Geometrie jede Raumgröße, die
nad zwei Seiten ausgedehnt ift oder die Grenze
eined Körpers bildet. Die F. werden von Linien
begrenzt, wie 3. B. eine Dreiedsfläde, oder find un:
begrenzt, wie Baraboloide und Hyperboloide, oder
eſchloſſen, wie Kugel und Ellipfoid. Man teilt die
5 in ebene (f. Ebene) und frumme (f. Krumme
lähen). F. zweiter Ordnung find diejenigen
frummen F, deren analytiſche Gleihung vom zwei:
ten Grade ift. Sie werden eingeteilt in 5. mit einem
Mittelpuntt Kugel, Eli .Zafel: Flächen I,
ig. 4], einſchaliges und zweiſchaliges Hyperboloid
Fig. 5 u. 6], Kegel) und in F. obne einen 32*
(elliptiſches und hyperboliſches Paraboloid (Fig. 7
u. 8], Cylinder EN 9). (S. die Einzelartifel.)
Schneidet man F. zweiter Drbnung durd Ebenen, fc
erhält man u > nitte (ſ. d.), wie Taf. I, Fin.
1—3 zeigen. Auf Taf. II, Fig. 1 u. 2, finden fi
Durhdringungen von F. zweiter — ** Durch⸗
—— — Bon beſonderer theoretiſchet Bedeutung
ind nod die Steinerfche (f. Taf. U, Fig. 7) und die
Kummerſche F. (f. Taf. I, Fig. 8), die 5. vierter
Drodnung find, die Pſeudo —*— F. (f. Taf. II,
Fig. 4) und die Schraubenflä (f. Taf. U, Fig. 5
u. 6), die tranfcendente Öleihungen haben (j. die be:
treffenden Artilel). Der Kreisring (f. Taf. U, Fig. 3)
und die erwähnte Pſeudoſphäriſche F. find Rota—
tionsfläden (f. d.). Über die Schillingſche Minimal:
äche (ſ. Taf. II, Fig. 9) ſ. Minimalflähen. — Unter
einer Figur,3.B. eines Dreieds, eines Kreiſes,
verfteht man auch den Flächeninhalt (}. d.) derielben.
— lÜiber diafauftifhe und tatalauftiihe F.
ſJ. etc Flächen und Linien.
lacheifen, ſ. Bandeilen und Walzeijen.
läche fonftanter Temperatur, ſ. Inva—
riable a ein ,
lächenblige, |. Blis. Iſ. Flächenmethoden.
. en —
äche „Maß, ſ. Fuß.
Flächeninhalt, —** Anzahl Quadratein⸗
beiten (3. B. Quadratcentimeter, Quadratmeter,
Uuadratlilometer u. ſ. w.), die in einer Fläche (f. d.)
enthalten ift. Für jede geometrifch definierbare Figur
(Dreied, Quadrat, Kreis u. ſ. m.) läßt ſich der F.
durch eine Formel angeben (j. die betreffenden Ar:
titel). Zur medhan. Beitimmung des F. einer auf:
gezeichneten Figur dient das Planimeter (ſ. d.).
Glächenmahe, die Maße, welche zur Beitim:
mung der Größe einer Fläche dienen. Es liegt ibnen
das Quadrat eines Pängenmaßes zu Grunde; mag
aud ein Flachenmaß urfprüngli ohne Nüdficht auf
ein ſolches feſtgeſetzt worden fein, wie z.B. auf Grund
ver Fläche, die an einem Tage mit einem Paar
Ochſen be flügt werden kann, oder auf Grund einer
ewiſſen Menge Saatkorn (5. B. das Joch und der
cheffel Ausfaat), jo bat man ein ſolches Flächen⸗
maß doch nachträglich in ein Berhältnis zum Längen
FLÄCHEN. IL -
1. Elliptischer Kegelschnitt 2. Parabolischer Kegelschnitt. 3, Hyperbolischer Kegelschnitt.
mit berührenden Kugeln,
4. Gedrücktes Ellipsoid. b. Zweischaliges Hyperboloid, 6. Einschaliges Hyperboloid,
7. Elliptisches Paraboloid. 8, Hyperbolisches Paraboloid. 9, Parabolischer Cylinder.
Brockhaus’ Konversstionsa- Lexikon. 14. Aufl,
4. Pseudosphärische Fläche
(Rotationsfläche
der Kettenlinienevolvente).
7. Steinersche Fläche,
FLÄCHEN. 1.
5. Tangentenfläche der Schraubenlinie
(abwickelbare Fläche).
8. Kummersche Fläche,
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
6. Windschiefe Schraubenfläche.
9. Schillingsche Minimalfläche.
TFlächenmefjer — Flachornament
maße gebracht. Man unterjceidet bei den F. ger
wöhnlih: 1) geometrifhe F. die Quadrate der
untern Stufen deö Längenmaßes (3.B. Quadratfuß,
Uuabdratrute, Quadratmeter), welche zur Beſtim—
mung der übrigen 3. dienen; 2)geograpbiice F.
jür die Meflung ganzer Ländergebiete, aus den Qua:
draten einer böbern Stufe des Längenmaßes (mo
bei diefem noch befondere Wegmaße im Gebraud
find, aus deren Quadraten) bejtebend; 3) Feld-
Lands oder Udermaße (3. B. Quadratmeile,
Quadrattilometer), ſ. Feldmaße.
lächenmeſſer, ſ. Planimeter.
lächenmethoden, in der Forſtwirtſchaft die⸗
jenigen Methoden der Waldertragsregelung d.),
die den jährlichen oder periodiſchen Hiebsſaß (f. d.)
der Abtriebönugungen lediglih aus der Abtriebs:
fläche entwideln. Der Maſſen-Hiebsſatz ift aljo
Folge des vorher beitimmten FlächenOiebsſatzes.
Die ältefte und einfachſte der F. iſt vie Schlag:
einteilung, die urkundlich ſchon aus 3464
befannt, jedenfalls aber noch viel älter iſt. Ende
des 18. Jahrh. wurde ſie in verſchiedener Weiſe
ausgebildet, namentlich durch Buchting, Ottelt, Schil:
cher u. a. Die Schlageinteilung teilt die Fläche des
Waldes in Jahresihläge und grenzt dieſe Wer
ab. Der Ertrag jedes Jahresſchlages (f. d.) iſt glei
dem Hiebsſatze der Abtriebönugung für das betref:
fende Jahr. Ye nachdem man die wirkliche oder die
nad der Stanvortägüte reduzierte Fläche der Tei-
lung unterwirft, unterſcheidet man die einfache geo:
metrijhe und die proportionale Sclagein:
teilung. Anwendbar erſcheint diefe Methode für
Nieder: und Mittelmald, mit gewiſſen Beihräntun:
gen aud für den Plenterwald, nicht jedoch für den
ſchlagweiſen Hochwaldbetrieb. gar lebtern i allen:
talls brauchbar nur die zweite Art der Be nämlich
das Flächenfachwerl. Diefes verteilt mit Hilfe
eines Wirtihaftsplanes die Nugung eines Waldes
für eine ganze lmtriebs- oder Einrichtungszeit
(j. Einrihtungszeitraum) derartig, daß die —5—
Perioden (Fächer) mit annähernd gleichen wirklichen,
jeltener mit nad) der Standortöbonität reduzierten
Zlächen ausgeftattet werden. Der jährlihe Hiebs-
fa für die Abtriebenugung wird durch Diviſion
der periodiſchen Hiebsflähe mit der Anzabl ver
Periodenjahre gefunden, oderman berechnet ihn, um
die großen Schwankungen des Maſſen-Hiebsſatzes
in den Cinzeljahren zu vermeiden, als Quotienten
aus der Anzahl der Beriodenjahre inden periodischen
Maſſen-Hiebsſat. Die verjhiedenen Formen des
Flächenfachwerles lafjen fi in zwei Hauptgruppen
bringen. Die einfachſte, aber auch unvolltommenjte
Form ift die, welche von einer rationellen Waldein⸗
teilung (j. d.) abfieht und die mehr oder weniger
dur natürliche Linien abgegrenzten Beitände und
Beitandögruppen an die einzelnen Zeitperioden ver-
teilt. Eine normale Verteilung der Altersklaſſen
(j. d.) erreicht diejes Verfahren nicht. Beſſer ift die
zweite Form, die großes Gewicht auf eine gute
Waldeinteilung legt und derartig die Perioden—
teilung auf den Wald überträgt, daß jede einzelne
Abteilung (j. d.) einer beftinnmten Zeitperiode zuge:
wiejen wird, Ein ſolches Verfahren ftellt ven Nor:
malzujtand des Waldes unbedingt ber, ſoweit diefer
überbaupt erreichbar iſt, da es fich mit der Bildung
von Betriebsklafien ganz aut verträgt. Das Flächen:
fachwert erforbert Keuikenen (f. d.) in Zwiſchenräu⸗
men von 20, beſſer von 10 Jahren. Das Verfahren
hat ſich namentlich Anfang des 19. Jahrh. entwidelt
Brodhbaus’ Konverjationd-Lerikon.. 14. Mu. R. U. VI
153
und fand unter anderm einen Hauptvertreter in
. Cotta, der großen Wert auf die Waldeinteilung
egte, ann ih allerdings mehr das Mafjenfad:
wert (i. —— angewendet wiſſen wollte,
ch aber von deſſen Unvolllommenheit überzeugte.
en der Litteratur ſ. Forſteinrichtung.
lächenfteuer, eine Steuer, bei der die Größe
der Grundflähe ala Maßſtab für die Bemeſſung
der Steuer dient. Die Berü hötigung. ür die
Ertragsfähigteit des Bodens ift dabei nicht gen
ausgeichlojjen, aber nur in ungenügendem Maße
möglid. Da die F., die bei der Grundſteuer
ſ. d.), der MWeinjteuer (f. d.) und der Tabalsbe—
—— (. d.) vortommen kann, die zeitlichen
und örtlichen Verſchiedenheiten des Bodenertrags
nach Menge und ide enheit nicht genügend be-
rüdjichtigt, fo wirkt je jehr ungleich und bei höhern
Sägen drüdend. (S.Tabalbeiteuerung.) Die Tabal:
fläbenfteuer fommt in Deutſchland nur noch als
Ergänzungsſteuer für Heine Kulturflächen von we:
niger ala 4 a in Betracht und jtellt jich gegenwärtig
a 45 Pf. für 1 qm. Als eg orm ber
Mein: und Grundfteuer hat die F. zur Zeit feine
Bedeutung mehr. [tion.
lächeutreues Kartenbild, ſ. Kartenprojet-
lachfeuergeſchũtze, |. Hlahbahngeihüne.
lachgräber, diejenigen vorgeſchichtlichen Grä—
ber, die unter dem Ka Erbboden ohne irgend
ein jest erfennbares Mertmal liegen. Ein ſchaͤrfer
Unterſchied wird jedoch wiſſenſchaftlich jeßt nicht
mebr zwijhen F. und Hügelgräbern gemadt, da
Erohügel jehr oft im Laufe der Jahrhunderte ab:
getragen oder verweht fein können, und da man
außerdem jehr häufig diefelben Kulturüberreite in
Hügelgräbern und in F. findet, wenn fie derjelben
Gegend und derjelben Zeit angehören. Die F. ent:
balten ſowohl Leichenbeſtattung, wie in der Stein:
eit und meijt in den Jahrhunderten nad den
ölterwanderungen, als auch Leihenbrand, mie
meift in der Bronzezeit, in der vorröm. Eifenzeit
und der röm. Zeit. (S. auch Urgeſchichte.)
achhuf, ſ. Blatibuf,
—— ſ. Geſchütz und Verſchluß.
lachfultur, im Gegenſatz zur Tiefkultur
eine Bearbeitung des Aders durch Injtrumente bis
zu einer Tiefe von nur 10 bis 15 cm.
lachland, joviel wie Ebene (j. d.).
lachmalerei, |. Slahornament.
lachmüllerei, |. Nebljabritation. .
lachornament, bejonders in der dekorativen
Malerei (Flachmalerei) auf ebenen Flächen an:
ewandte Ber —— die gewohnlich nur in einer
—* und ohne Schattierung ausgeführt wird.
it dem ð ſoll nicht eine plaſtiſche und per—
peltiviſche Wirkung erzielt, ſondern durch Schön:
eit der Linien und Harmonie der Zeichnung und
arbe die Fläche belebt werden. Dadurch wird ber
nftler zu einer jtilifierenden Umbildung der aus
der Natur entlehnten Formen und auf eine dem
Raum angepaßte Rompofition von ineinander ver:
ſchlungenen Linien, Ranten und Ornamenten bin:
gewiejen. Sion die alten Drientalen, die das F.
in gemwebten Stoffen und zur Ausſchmuckung irdener
ober bronzener Gefäße anwanbten, leijteten in dieſer
Kunft Vortrefflihes. In Europa wurde das F. unter
dem Einfluß der Mauren im 16. Jahrh. (nament-
lic bei Ayungen in Eifen und bei Intarjien), fpäter
vorzugsmeijeim 18. Jahrh. (4.3. an Boullearbeiten,
j. d.) und endlich in neuerer Zeit, jeit dem Wieder:
48
754
aufblüben des Kunſtgewerbes, befonders auch bei der
Verzierung von — lgerecht verwertet. —
Bol. H. Herdtle, Muftergültige Vorlageblätter zum
Studium des F. der ital. Renaiffance. 30 Original:
aufnabmen (Stuttg. 1884—86); derf., Vorlagen für
das polychrome F. (Wien 1885); derf., 3. Samm:
lung muftergültiger Vorlagen nah Originalen des
15. und 16. Jahrh. (ebd. 1892); Luthmer, F. im
Stile der deutfchen Nenaiffance (Karldr. 1887);
berj., 5. auf der Grundlage von Naturformen (ebd.
1895); Ehriftianfen, Neue F. (25 Tafeln, Altona
1892); Dettel, Fortel, Schauer und Benter, Formen:
hab der modernen ächenverzierung (Serie 1—4,
lauen 1893— 95) ; Tuquet, Neue Kompofitionen für
lähenverzierung (ebd. 1895); Friling, Moderne F.,
entwidelt aus dem Pflanzen⸗ und Tierreich (2 Serien,
Berl. 1897— 98); Beauclair, Farbige Flähenmufter
für das moderne Runftgemwerbe (Stuttg. 1900 fg.).
lachrelief, j. Relief.
lachrennen (engl. flat races), diejenigen Wett:
rennen (f. d.), welche auf flacher Bahn (ſ. Rennbahn)
elaufen werden, Den Gegenjas dazu bilden die
— * (ſ. d.) Durch die F. wird die Lei:
——— der Pferde in ig De Schnellig⸗
keit bis zum Außerſten getrieben. Daber hält man
ſie gr zwedentiprechender ald Hinderniörennen.
lachring, eine Form bes Ringanlers, bei der
die das Feld erjeugenden Magnete beiderjeits ſeit⸗
lich zum Ring angeordnet find, diefer alfo eine Ring:
[gene ift. Die zuerft von Schudert auägeführte
afchine beißt Flachring-, Seitenpol: oder
Schuckert-Maſchine. (S. Dunamomafdinen.)
Flachs, Bezeihnung für die von den Gefähbün-
dein der Stengel von Linum usitatissimum L.
(Flad3, Lein, ſ. Linum und Tafel: Öruinalen,
Fe. 1) abgeichiedenen Baftfafern. Im Flachsbau
unterſcheidet man zwei Spielarten: Klanglein und
Dreſchlein. Der Rlanglein oder Springlein
(Linum crepitans), meift zur Samengeminnung
angebaut, ijt niedriger, der Stengel Ajtiger, die
Samentapjeln fpringen zur Zeit der Reife von jelbit
auf, Der ——— oder Schließlein (Linum
vulgare) bat böbern, wenig äjtigen Stengel, Hleinere
Blätter und Blüten, die Eumenlayiehn bleiben ge:
ſchloſſen und müflen ausgebrofchen werden. Leßztere
Art wird wegen ibrer längern Faſern am meiften an:
aebaut. Je nad der Zeit der Ausfaat unterjcheidet
ınan Fruhflachs oder Bauen (Ausjfaat Ende
März bis Anfang Mai) und Spätflachs oder
Spätlein (Ausjaat im Juni), Eriterer beſitzt einen
beſſern Baſt und leidet weniger dur den Fraß der
Eroflöbe, Die Ernte erfolgt 12 — 13 Woden nad
der Saat. Man wartet dabei die jog. Gelbreife
ab, d. b. den Zeitpunkt, wo der untere Stengel gelb
wird und die Blätter anfangen abzufallen; der
Same iſt dann nod nicht faatreif, kann aber ſchon
zum Ölpreflen benukt werden. Zur Erzeugung
einer zarten, langen Faſer fät man dicht (3"/, big
4%, hlaufi ha), Will man jedoch guten Samen
erzielen, jo muß dünn gejät werden (bis zur Hälfte
ber vorigen Menge), und die Stengel müjjen bis
zur Samenreife fteben bleiben, Die Fafer wird je:
doc in diefem Falle gröber und kürzer. Die Schä-
digungen durch Erbflöhe ſucht man durch frübe Aus:
jaat und Überftreuen der Felder mit Ruß und Aſche zu
betämpfen. Das Ernten geſchieht durch Auszieben
der Bflanzen famt der Wurzel (Raufen, Rupfen,
Ziehen). — fiber die weitere Behandlung des
35. zum Berfpinnen ſ. Flachsſpinnerei. — Unter ge:
Flachrelief — Flachsdarre
wohnlichen Verhältniſſen liefert 1 ha Land 2300
—2800 kg Flachs ſtroh ——— Stengel ohne
Samentapjfeln), bei guter Ernte jedoch bis 5000 kg
und mehr. Die Länge der Stengel beträgt ,—Im,
es geben 4500—10 000 ed 1kg; 1hl Samen wiegt
etwa 66 kg. Der Flachsbau erfordert einen kraf⸗
De Boden, vor allen Dingen jedoch ein feuchtes
ima, wie folches einerſeits die Meerestüften, an»
dererjeitö die nicht zu hoch gelegenen Gebirge der
—— Zone bieten. Großbritannien (Ir⸗
and), die ruſſ. Oftfeeprovinzen (Rigaer Kronen:
lein), Dänemart, das ſudl. Schweden, die Nieder:
lande und Belgien find noch beute in der Lage,
des günitigern Seellimas wegen, infolge befierer
Bodenverbältnifie, zum Teil auch billigerer Arbeits»
löbne, dem deutſchen Flachsbau den Abjak zu er:
chweren, auch bat der deutſche Landwirt ſich erſi
pät entſchließen können, fein althergebrachtes Tau⸗
oſtverfahren zu verlaſſen und die anderwärts ge:
madten ortfchritte fih anzueignen oder ſich mit
den Nachbarn genofjenfhaftlih zur Anlegung zwed⸗
mäßiger Röftanftalten zu vereinigen oder den ge
wonnenen Robflabs an eine Flachs bereitungsanſtalt
zu verlaufen. Infolgedeſſen dedt Deutſchland (vor
dem Dreikigjäbrigen Kriege das erfte Land des
Jachsbaues und der Leineninduſtrie) ſeinen eigenen
Flachsbedarf nurzum Teil. 1900 wurden eingeführt
7557 dz (Wert 86000 M.) rober, geröjteter 5. und
425 147 dz (32,677 Mil. M.) gebrochener, geſchwunge;
ner, gehechelter F, ausgeführt 56 796 dz (653 000N1.)
bez. 114756 dz (9,14 Mil, M.). Die Gewinnung
von F. wird für Europa jäbrlih zu 700000 t (dar:
unter Rußland 500 000, Deutihland 50000, Diter:
reich⸗ Ungarn 45000 t) geihäst. Rußland hatte 1900
eine ſchlechte Flachsernte, erzielte nur 489 600 t,
führte aber doch 246900 t aus, Die Flachsernte
in den Vereinigten Staaten von Amerila belief ſich
1900 auf 284130 t, die jedoch vorzugämeiie zur
Herftellung von Leindl dienen. — Val. Rodolänni,
Die Kultur und Zubereitung des 7. (4. —
Wien 1885) ; Langer, Flachs bau und Flachs bereitung
ebd. 1893); Jabresberichte (I, Trautenau 1893) und
itteilungen (ebd. 1894 fg.) des Verbandes der diterr.
Flachs⸗· und — —
Flachs, indiſcher (Corchorus capsularis 7..),
f. Corchorus und Tafel: Golumniferen, Fig. 4.
Über neufeeländiichen 5. ſ. Phormium.
lachöban, ſ. Flachs.
lachsbaum, Baumgattung, ſ. Antidesma
lachsbaumwolle, aub Flachs wolle, ein
verſuchs weiſe durch Kochen mit Aßnatronlauge, Be:
handlung mit Schmefelfäure und Zrodnen ber
Baummolle äbnlib gemadtes und wie dieje mit
Krempeln bearbeitetes Fafermaterial, das aus den
ifolierten Glementarzellen des Flachſes beftebt, die
aber zu ſchlicht und glatt find, um ſich mit Borteil
verjpinnen zu laffen. Das Verfahren bat man
Eottonifieren genannt.
Flachöbereitungdanftalten, She Etabliſſe⸗
ments, in denen der Flachs für den Abſaß im Gro⸗
en und namentlich für ven Bedarf der Maſchinen⸗
pinnereien als fertiger Hanbelsartifel bergeftellt,
d. b. den die Spinnerei vorbereitenben Operationen
einfchließlih des Schmwingens (f. Flahsipinnerei)
unterworfen wird.
Flahöbrehe, Flachsbrechmaſchine, Ap-
parate für die Flachsſpinnerei (f. d.). j
lachichienen, |. Eijenbabnbau nebit Fig. 21.
lahödarre, i. Flachsſpinnerei.
Flachsgarn — Flachsſpinnerei
lahögarn, $ lachsſpinnerei und Leinengarn.
achslilie, Bflanzenart, ſ. Phormium.
lachsröſte, J. Flachsſpinnerei.
lachsſamen, ſoviel wie Leinſamen (ſ. Linum).
lachsſchwingmaſchine, ſ. Flachsſpinnerei.
lachsſeide, ſ. Cuscuta.
lachsſpinnerei, die Herftellung von Garn aus
ven Baſtfaſern der Flachspflanze ‘ lad). Die
5. ift eins der älteften Gewerbe, denn ſchon auf alt:
ägypt. Grabpentmälern find die —* Geräte
zum Spinnen (Spindel und Roden) abgebildet. 1865
wurden in Pfahlbauten der Schweiz 40 Epindeln
neben Brucftüden leinener Gewebe aufgefunden,
deren Alter auf mindeſtens 3000 Jahre geihäßt
werden muß. Das Spinnrad wurde 1530 von Jur⸗
ens in Wolfenbüttel erfunden; 1787 wurden in
Yarlingten in England die erften Spinnverſuche auf
Maſchinen angeftellt. Der eigentliche Begründer der
mechaniſchen iſt Philippe de Girard, welcher 1810
in Frankreich das erſte Batent auf Flachsſpinn⸗
maſchinen nahm. 1829 wurde die erjte mechaniſche
3. in Leeds durch Dampfkraft in Betrieb geſeßzt.
Für 1902 ift die Anzahl der Spindeln in Taufen-
den für Großbritannien mit 1600, Frankreich 550,
Ojterreih:lUIngarn 350, Deutichland 360, Belgien
250, Rußland 240, Italien 80, Schweiz 12, Holland
10, Schweden 10, ganz Europa 3600, Norbamerifa
120, Oftindien 160, die ganze Erde 4000 anzu:
nehmen. Deutſchland liefert vorzugsweiſe die Flachs⸗
garnnummern 8 bis 60 und die Werggarnnum:
wern bis 30. Nach der Produftionderhebung von
1897 wurden in Deutichland 34000 t Flachẽgarn
im Werte von 42,5 Mill. M. mechaniſch erzeugt.
(Die Handfpinnerei bat fo gut wie aufgehört.) Die
deutſche F. braucht für ihren Bedarf etwa 45000 t
geibmwungenen Flachs; das Kapital, welches darin
angelegt tit, beläuft “ auf über 80 Mil. M.,
wovon die Koſten der Flachsſpinnmaſchinen gegen
36 Mill. M. betragen. Flachsſpinnmaſchinen wur:
den in Deutichland meiſt von England bezogen,
neuerdings auc von den einheimiſchen Maſchinen⸗
fabrifen. (S. aud Flachs und Peineninduftrie,)
an Hole ewinnung im Großen dient hauptſäch⸗
lich die Ba —— — —
oder des — Leins (f. Linum und Flachs). Die
ausgewachſenen wre werden audgerauft
und meift in ſog. Kapellen (äbnlih den Ges
treidefeimen) getrodnet. Die getrodneten Pflanzen
nüfjen zunächſt durch das Riffeln oder Reffeln
von den Samenlörnern befreit werben, wobei
ein Arbeiter eine Handvoll Leinftengel bei den
Wurzelenden ergreift, in den Riſſellamm ſchlägt
und dur ibn hindurchzieht. Dadurch werden die
Samentapfeln und Blätter von den Stengeln ab:
geitreift. Die Stengel enthalten im Iufttrodnen Zur
ſtand 73—80 Proz. ihres Gewicht? Holz und 20—:
27 Proz. Baft. Das Holz befteht aus 69 Proz.
eigentlicher Holzſubſtanz, 12 Proz. im Waſſer lös:
fi Zeile und 19 Proz. folder Stoffe, melde
wohl durch altalifche Laugen, aber nicht durch reines
Waſſer er werben können. Der Bait entbält
durchſchnittlich 58 Proz. reiner Safer, 25 Bros. im
Waſſer löslicher Teile und 17 Proz. einer im Waf:
fer unlöglichen Heberartigen —— welche indes
durch einen von Bakterien eingeleiteten Gaͤrungs⸗
prozeß zerſtort, auch in alkaliſchen Laugen gelöſt und
dadurch von der Faſer getrennt werden kann. Das
für dieſe Trennung angewendete Verfahren heißt
das Röſten, Rotten oder Weichen.
155
Man unterfcheidet natürliche und tünftlihe Rd»
ften. Die natürlichen Röſten zerfallen wier
derum in die MWafjerröfte (Waſſerrotte), Tauröjte
(Taurotte) und gemiſchte Röfte oder Rotte; die
fünjtlihen Röften in die Marmmafferrotte,
Dampf: und Heikmwaflerrotte, die altaliihe Rotte
und die Notte mit verdünnter Schwefeljäure. Die
Waſſerröſte beftebt darin, daß man das geriffelte,
in Bündeln gebundene Flachsſtroh in Teichen oder
Gruben unter Wafler erhält, indem man es
mit Brettern bededt und diefe mit Steinen be
ſchwert. Durd bie ie eh Märme der
atmoſphäriſchen Luft und des Waflerd gebt nad
einiger Zeit die ganze Maſſe in Gärung über.
Bei der Taurdfte wird nur die natürliche Feuchtig:
feit der Atmofphäre (Tau und Negen) benugt, um
die notwendige Gärung einzuleiten und zu unter:
EEE Zu diefem Zwed breitet man den trodnen
achs ganz dünn auf einer Wiefe oder einem Anger
aus und fegt ihn dort unter wiederholtem Ummen:
den fo lange den Witterungseinflüffen aus, bis der
Gärungsprozeß die erforderliche Höhe erreicht bat,
was 2—10 Wochen dauert. Die gemischte Röft«
ift eine Vereinigung der beiden vorbeichriebenen
Nöftverfahren, und zwar wendet man zuerit bie
Maflerrotte und dann, wenn die Gärung bis zu
einem gewiſſen Bunkt vorgefcritten ift, die Tau⸗
rotte an. Bon den künjtlihen Röften verbient die
Marmmafferrotte die meifte Beachtung, weil
bei ihr die pre Methode des Flachs—
röften® im Bel feitgebalten, dabei aber von den
MWitterungsverbältnifjenvollitändig unabhängig ge
macht wird. Bei der Dampfrödjte und it.
wafferröfte fällt der Gärungsprozek vollitändig
weg; das —— beruht allein auf der loſenden
Kraft des Waſſerdampfes und des heißen Waflers.
Bei der altalifhen Röſte bevient man fi ver:
ſchiedener Altalien, welche die Röftung beichleuni:
gen, obne den Gärungsprozeß zu verhindern, wäh-
tend durch die Röjte mit verbünnter Schwefelfäure
der bei den natürlichen Roſtmethoden durd die ein:
tretende Fäulnis der Leinſtengel bervorgerufene
enetrante und widerwärtige Gerud daburd aufge:
heben werben foll, daß man dem Waſſer */, Bros.
eined® Gewichts engl. Schwefeljäure zufest. Ein
neueres fünftlihes Röjtverfabren (Patent Baur)
beiteht darin, daß ſowohl die Einwirkung der ver:
dünnten Schmwefelfäure, als deren —2 folgende
Auswaſchung durch Allalien in evaluierten Keſſeln
unter erhohter Temperatur vorgenommen wird.
Die Flachsdarren dienen zum Trodnen bes
geröfteten Flachſes. Zwar kann dies aud in ber
Sonne geſchehen, aber bei weitem nicht mit ber
Sicherheit und Schnelligkeit wie in Darrituben
oder Darröfen. Erftere find geräumige, mit erhitz⸗
ter Quft erwärmte Kammern, lebtere vieredige
Badöfen, in welchen die Flachsſtengel ſenkrecht *
geſtellt werden. Die Temperatur darf den Siede⸗
punkt des Waſſers nicht erreichen, damit der Flachs
nicht mürbe und brüchig wird.
Durd das Röften ift der rer, der Far
en unter fih und mit dem Holz möglichſt aufge:
oben, und die vollitändige Trennung dieſer beiden
Beitandteile erfolgt (na — Trocknen den
Stengel) auf rein mechan. Wege, entweder durch das
Botten oder durch das Brechen. Das Botten per
ſchieht mitteld des Bottbammers oder Bleuels,
mit welchem der Flachs gleihjam gedroſchen wird;
in einzelnen Gegenden wendet man dafür das Bor
48 *
156
ten an, das in befondern Stampfmühlen (Bot:
müblen) vorgenommen wird und, wie das Bot:
ten, öfter auch nur eine Hil Barbeit des Brechens
bildet. Der einfachſte zum Brechen verwendete,
von Hand bewegte Apparat iſt die Handbreche
oder Brake. Er beſteht aus einem feſten Teil, der
Lade, welche aus zwei bis drei parallelen Schie—
nen gebildet iſt, die, an den Enden feſt miteinander
verbunden, einen ungefähr 25 mm breiten Spalt
zwiſchen ſich lafien, in melden ein einarmiger, an
dem einen Ende um einen Bolzen drebbarer Hebel
paßt. Die Flachsſtengel werden auf die Lade gelegt
und der bie ar t eines Meſſers oder einer Schiene
befigende Hebel abwärts bewegt, modurd ein ſchar⸗
fes Rniden und Schaben der Stengel bewirkt und
ein Teil des Holzes ſchon vollſtändig befeitigt wird,
mwäbrend der in der Flachsfaſer zurüdbleibende Neft
o ſehr gelodert ift, daß er durch Scütteln bes
lachſes oder Durchziehen desſelben zwiſchen Lade
und Hebel leicht nt werben fann. An Stelle
der Handbrechen werden vielfah Brechmaſchinen
1. Tafel: Flahsjpinnerei I, Fig. 5) verwendet,
ei welhen der Flachs durch ein Paar geriffelte
Walzen gebt. Um die im gebrochenen Flachs noch
vorhandenen Holzteilden (Cha e) zu entfernen,
ſchwingt man fie mittels Schmwingbrett3 und
Schwingmefjerd oder mittels befonvderer Shwing:
maſchinen.
Durch den nun folgenden Hechelprozeß wird
die Zerteilung und Zerlegung der Faſerbüſchel unter
gleichzeitiger Abjonderung der kürzern Fajern, fo:
wie ein Ordnen und Geradlegen der übrigen langen
Fafern bewirkt. Die hierzu dienende Hechel beiteht
aus einem Syſtem von reihenweiſe in einem Brett
befeitigterNadeln, jtählerner, ſchlank zugefpigter und
volierter Kegel. Die erſte Hechel, auf welcher der
Schwingflachs zunächſt behandelt wird, nennt man
Abzugshechel (Ruffer), die folgenden Mittelhebeln
und die legte, für die Heritellung bejonders feinen
achſes benugte, die Ausmachehechel. Beim Hecheln
aßt der Arbeiter eine Partie Flachs (eine Riſte),
hlingt ihn um die Hand, breitet mit der andern
Hand die freiliegende Partie gleihmäßig aus, ſchlägt
ihn in die Nadeln der Hechel ein und zieht ihn dur
dieje hindurch. In der gleichen Weife wird die andere
Hälfte der Rijte bearbeitet. Um das Dee zu
erſezen, hat man Hechelmaſchinen (j.Taf. 1, Fig.6)
gebaut, bei welchen die Nadeln auf Hechelſtäben be:
tejtigt find, die zu zwei endloſen Ketten (Hedel:
feldern) vereinigt werden, während die Flachsriſten
in Kluppen oder Zangen eingeipannt gehalten und |
derart bewegt werden, daß die eine hervorſtehende
Hälfte zuerit an den Spitzen und allmählib nad
ter Mitte zu bearbeitet wird.
Eine neuere Maſchine zur «Veredelung» (Brechen
und Siolieren) der Flachsfaſern, welche bei ihrem
Bekanntwerden außerordentliches aaa erregte,
ijt die Maſchine von Carbon. Sie arbeitet gut, ift
aber zu tompliziert, weil jie zu vielerlei machen will,
nicht nur brechen, ijolieren, erweichen, ſondern auch
tämmen und wenig Abjall verurſachen.
Der gebechelte Flachs wird nun denjenigen Ar
beitsprozeſſen unterworfen, welde zur Bildung
eines gleihmäßigen Bandes und zu deſſen
allmäblicher Überſührung durch Vorgeſpinſt zum
Feingarn notwendig ſind. Die in einer Riſte vor—
handenen Faſern ſind, wie ſchon die zopfartige,
an beiden Enden in Spitzen auslaufende Form
zeigt, höchſt ungleich in ihr verteilt. Teilweife fann |
Flachsſpinnerei
dies dadurch ausgeglichen werden, daß man die
Riſten in geeigneter, die Lücken ergänzender Weiſe
nebeneinander legt. Die weitere zur Herſtellung ver
Gleihmäßigteit dienende Arbeit beitebt in einem
Streden, welches, mit dem Zufammenlegen gemein:
—— ausgeführt, Anlegen genannt und auf der
nlegemafhine ausgeführt wird. Die Anlege-
ine (f. Lu I, En. 3) beſteht einem Zus
ch zur Aufnahme der aufgelod erade
geltredten Riften, einem Stredwert mit zwet weit
auseinanderliegenden Stredwalzenpaaren, zwiſchen
melden fih zum Zurüdhalten der Faſern bewegliche,
in Felder abgeteilte Heceljtäbe befinden, und in
einem Abzugsapparat. Bei der Heritellung gröberer
Garne fann man, um eine größere Broduftion zu
erzielen und die Wartung der ſchine zu verein:
fachen, die Hechelftäbe auf Ketten ohne Ende befejtis
en (Kettenitreden), weil bei diefen Garnforten das
ogenförmig ftreihende Ein: und Austreten der
übne aus dem Bande zuläffig ift. Das von der
nlegema chine tommende Band wird zum Streden
und Duplieren auf pie Flachsſtred- und Du:
liermaſchine oder den Durchzug (f. Taf. I,
Bi. 1) gegeben, deren Arbeit lediglich eine Vervoll⸗
ommnung des Bandes bewirkt. Der wejentliche
Unterſchied zwiichen der Anlegemaihine und ber
Stred: und Dupliermaſchine iſt der, daß lestere fein
Sufahtuß befigt und daß die Hechelzähne feiner
ind. Sehr oft ſind aud, jtatt zweier, drei Einzieh—
walzen angebradht, deren eine, in ber Mitte über
den zwei andern liegend, von dem Flachsband faft
gana umfdlungen wird (f. Taf. II, Fig. 5). Das
and bat gewöbnlid zwei, zumeilen aud brei
Durdzüge zu paljieren. Das letzte Duplieren und
Streden jowie die Bildung des Vorgarns erfolgt
auf der Spindelbant, VBorjpinnmaidine
oder Flyer (j. Taf. II, Fig. 4), deren Stredwert
wie bei dem Durchzug aus zwei weit auseinander
liegenden Walzenpaaren und dazwiſchen angebradı:
ten Hecheln beitebt. .
Die von der Spindelbant zu verrichtenden Ar-
beiten zerfallen in das Streden vereingeführten Bän=»
der, bad Dreben der geitredten Bänder, wodurch die:
jelben die zum Aufwinden erforderliche Beibaftenbeit
erhalten, und die gleihmäßige Aufwindung des Vor:
garns auf Spulen. Die auf Taf. Il, Jig.4 dargeitellte
Spindelbant ift, wie die meiiten auf der Tafel abge
bildeten Maſchinen, von der Firma Fairbairn, Nays
lor, Macpherſon & Co. in Leeds fonitruiert; ähnlich
die von Combe, Barbour & Combe in Belfaſt ge:
auten Flyer, während die von Samuel Lawſon &
Sons in Leeds — gleichartigen Maſchinen eine
etwas andere Einrichtung des Regulierungsmecha⸗
nismus sel: Meift wird die Aufwindebewegung
maf
des Flachsſlyers durch Differentialgetriebe und
Riemenlegel bewirkt, doch findet man aud andere
Einrihtungen; fo 3. B. oft jtatt der gewöhnlichen
Riementegel ein Syſtem zweier Regelgerippe, welche,
mit den —— einander ** einen
großen Seilwirtel bilden, deſſen Durchmeſſer durch
gegenieitiges ee verändert.
as Feinjpinnen erfolgt meijt auf jog. Was
termaſchinen (ſ. Spinnerei), die in der Regel mit
einer Vorrichtung audgeftattet find, welche einen ges
ringen Abſtand der Stredwalzen ermöglidt. Das
Stredwert der Feinſpinnmaſchinen erbält eine
verihiedene Anordnung, je nachdem das Vorgarn
troden oder unter Anwendung von heihem Waller
(Nabipinnerei) veriponnen wird. Die Troden»
puy pl WOoyıxor -suoljesloauoy ‚sntuyooIg
-SupyoswunaToar] 9 pin uoA auposwurgoaag] “q i »urperwindssjnyog 1
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1 IANANNIASSHOVIA
utonwmjunopapumg * jedwesmyuozu aA 7 wimerydiom 9
(YIOAYORMIIS) auyosamungisufajsjun 7
11 TORNONNIASSHOVIM
Flachsſpinnerei
ſpinnmaſchine enthält eine der durchſchnittlichen
— des Flachſes im Vorgarn entſprechende
iſtanz im Streckwerk (Stredweite, engl. reach).
Da der Vorgarnfaden auf der Vorſpinnmaſchine be:
reit3 etwas gedreht wurde, ift zwiſchen Einzieh: und
Stredwalzen eine Unterftüßung des Fadens durch
ein Hechelſyſtem, wie bei ven Vorbereitungsmaſchi⸗
nen, nicht mehr ſtatthaft; es genügt, den Faden über
eine glatte Rinne oder zwijchen einigen Walzenpaaren
oder um einzelne Walzen herum und über eine ver⸗
jtellbare Platte biß zu den Stredwalzen zu führen.
Bon Einziehwalzen find entweder, wie bei den Stred:
maſchinen, brei oder, mas gewöhnlicher ift, nur zwei,
und zwar eiferne, ſtark geriffelte vorhanden.
Die am weitejten verbreitete Feinſpinnmaſchine
‘ die Naßfeinſpinnmaſchine (f. Zaf. I,
ig. 2), bei welcher der Borgarnjaden, ebe er zu
ven Einzugmwalzen gelangt, durch heißes Waller ge
zogen wırd. Das Princip der Naßſpinnmaſchine be
ht auf einer befondern Eigenichaft ver Flachsfaſer.
Diejelbe befteht nämlih aus fürzern Glementar:
ellen, die untereinander durch den beim Rotten ver:
liebenen Reſt des Hebrigen Bindemittels zufammen:
ehalten werden, welches durch Chromſäure oder
alilauge gänzlich gelöft, durch heißes Waſſer aber
ſo weit erweicht werden lann, daß ein Auseinander⸗
sieben der Bellen, gi Abreißen der Fajern, er:
möglicht wird. Die Vorgarnfären paſſieren daber
nad dem beißen Wajjer ein Stredwert (f. Taf. II,
Fig. 2), deſſen Strediweite Heiner ift ala die Länge
der Zellenbündel (Flachsfaſern), aber größer als die
Länge der Elementarzellen. Vach dem Trodnen des
Feingeſpinſtes erhärtet das Bindemittel wieder, jo
daß nun die neue Anordnung der Elementarzellen
innerhalb der Faſern befeftigt wird. Naßfeinipinn:
maſchinen werden ftet3 doppeljeitig, aljo mit zwei
Reihen Spindeln gebaut. In den Details weichen
die Maſchinen der einzelnen Konftructeure vielfach
voneinander ab, und es variiert die Anzahl ihrer
Spindeln zwischen 120 und 300, die Zahl der Spindel:
umbdrebungen in einer Minute zwiſchen 2500 und
5000. Die —— dieſer Maſchinen iſt
je nach der zu ſpinnenden Garnnummer verſchieden.
n der Naßſpinnerei für Flachs und Werg hat in
neuefter Zeit die Ringfpindel der Baummollipinnerei
Eingang gefunden. Die Nah: und Vollendungs:
arbeiten find die gleichen wie bei der Wergipinnerei.
Die Werg: oder Hedefpinnerei umfaßt
die —— der beim Hecheln des Flachſes
ausgelämmten kürzern, verworrenen und vielfach
verſchlungen durcheinander liegenden Faſern; das
erzeugte Garn wird Wergs oder Hedegarn genannt,
Die erjte Arbeit, weldyer die in dem vorbejchrie:
benen Zuſtand befindlihen Fajern unterworfen
werben, bejtebt in einem Reinigungs: und Auf:
loderungsprozch und der Bildung von Bändern
aus den lojen Faſern. Ye nad dem Grade der Ber-
unreinigung des Materiald kann diefer Prozeß in
verjhiedener Weife durchgeführt werden. Sit die
Hede ſehr fnotig und ſtark verunreinigt, jo wird
zunädjt ein Vorreinigen und Ausſchütteln, ſodann
ein ein: oder zweimaliges Kardieren oder firem:
eln vorgenommen, während bei befjerm Material
Baer ein —— Kardieren genügt. Die zur
Vorreinigung ſtark verunreinigter Heden dienenden
Maſchinen ſind entweder Öffner oder Schlag:
oder Widelmajhbinen von ähnlicher Konftruftion
wie die bei der Baummollipinnerei angewendeten
(f. Baummollipinnerei nebjt Tafel, Fig. 4—8); die
757
Karden oder Krempeln (f. Tafel: Flachsſpin—
nerei II, Fig. 6) find ähnlich auägerüftet wie die
Baummollfrempeln. Durch den Krempelprozek wird
die Entwirrung, Aufloderung und Serteilung der
Faſern, die Abjcheidung der Schäben und Schmutz⸗
teilhen fowie der ganz kurzen Fafern, melde das
Garn raub und knotig machen würden, bemirtt;
außerdem werben durch denfelben die Faſern umge:
ordnet, fo daß fie in dem gebildeten Band im Quer:
ſchnitt und nad der Fänge gleihmäßig verteilt find.
Es tommt bier hauptjählic das Zuſammenwirken
einer Haupttrommel a (f. Taf. II, Fig. 7) mit einer
fog. Arbeitämalze b und dem Wender c in Betradt;
die Trommel a empfängt das —— von
einem Zufuhrapparat, giebt alle erſchüſſe an den
Arbeiter b, und von dieſem gelangen fie durch den
—— umlaufenden Mender c wieder in das Be
läge der Trommel a zurüd, mo . vorzugsweiſe
an den noch leeren oder nur ſchwach gefüllten Stel:
len aufgenommen werben. Die von den Karden ge
lieferten Bänder werben auf zwei oder drei Stred:
maſchinen mehrfach dupliert und geftredt und geben
alddann auf die Vorſpinnmaſchine über. Die Bän-
der der erjten Krempel werben, falls fie auf einer
zweiten Krempel weiter verarbeitet werben follen, auf
einerBanddupliermafhine(Bandmwidelma:
chine, ſ. Taf. II, Fig. 8) zu einem Vließ vereinigt.
Die Wergitrede (j. Taf. U, Fig. 3) und die
Vorſpinnmaſchine find im Princip den ents
ſprechenden zur Flahsbearbeitung dienenden Ma:
ſchinen glei und unterſcheiden ſich von jenen nur
durch eine einfachere Bandzuführung, durch Heinere
Stredweite und leichtere Bauart. Die Wergiein:
fpinnmafdinen find gleichfalld entweder Trocken⸗
oder Naßſpinnmaſchinen und gleichen in ihrer Kons
ftruftion den Flachsfeinſpinnmaſchinen, mit dem
einzigen Unterſchied, daß bei ihnen gleichfalls, der
eringern Faferlänge entſprechend, eine kürzere
tredweite angewendet ift, jofern dad Ausziehen
troden erfolgt. Das Hafpeln der Flachs⸗ und Wer ⸗
arne findet auf dem Garn haſpel oder der Deite
& Taf. U, dio; 1) ftatt. Die Jeinfpinnfpulen wer:
den direkt über fefte, nebeneinander auf einem Brett
angeordnete dünne Drabtitifte oder beſſer erit auf
Meſſinghülſen und mit dieſen dann über bie Stifte
ejtedt. Die Fäden verbindet man mit dem Haſpel,
ei deflen Drebung fie fi auf dem Umfang desjel-
ben aufminden. j
Zu den weitern Vollendungsarbeiten gehört das
Trodnen der naß geiponnenen und gebafpelten
Garne, welches jofort vorgenommen werden muß,
um diejelben vor dem Verderben zu bewahren. Die
Trodnung geihieht entweder in Trodenlammern,
Irodenapparaten oder Trodenmafdinen. In den
Trodenflammern — ſie mittels erwärmter
Luft. Vorteilhafter, wei — Raum einneh⸗
mend, ſind die Kanal- und Kaſtentrocken—
apparate, bei denen die Heizvorrichtung aus
einem aufrecht ſtehenden ſchmiedeeiſernen Cylinder
von etwa 1,5 m Durchmeſſer und 3m an beitebt,
der im Innern etwa 500 Röhren enthält; indem
man entweder ben abgebenden Dampf der Betriebs:
dampfmajchine oder direkten Keſſeldampf in den
Cylinder leitet, wird die durch die Rohren jtreihende
Luft erwärmt. Die Bewegung der erwärmten Quft
wird durch ein diefelbe anjaugendes Windrad be:
wirkt. Die — von Mather &
Platt in Mancheſter arbeitet fontinuierlib, jo daß
eine Arbeiterin die Garne an dem einen Ende der
158
Maſchine in diefe hineinhängt und eine zweite die
nad 40—50 Minuten am andern Ende getrodnet
antommenden Garne wieder berausnimmt. Um das
Garn direft in die zum Verweben erforderliche Form
zu bringen, wird dasſelbe oft ſchon in den Spinne:
, teien mittel® jog. Schußſpulmaſchinen (wie
Taf, 1, Fig. 4 eine ſolche zeigt) geipult. — Val. Pfubl,
Weitere Fortſchritte in der Flachsgewinnung (Riga
1895); Kubnert, Der Flachs, feine Kultur und Ver:
arbeitung (Berl. 1897); Etrich, Die Flachsbereitung
in ihrer Beziebung zur Hahsbaufrage (Oberaltitadt
bei Trautenau 1898). Weitere Yitteratur |. Spin:
nerei. Sr I, Sig. 1.
ir ig j. Flachsſpinnerel nebit
ladh8wolle, |. Flachsbaumwolle.
lacius, Matthias, eigentlib Vlacich, Fübrer
der ftreng luth. Richtung des Reformationszeit—
alters, geb. 3. März 1520 zu Albona in Illyrien
daher der Beiname u ricus), ftudierte in
Benedig Humaniora, begab ſich 1539 nah Baſel,
1540 nad) Tübingen, 1541 nad Wittenberg, wo er
fih unter Luthers Einfluß der evang. Lehre zu:
wandte. Er wurde 1544 Profeſſor der hebr. Sprache
u Wittenberg. Als Melanchthon in das Leipziger
Interim es verließ F. 1549 Wittenberg und
<röffnete von Magdeburg aus einen beftigen Kampf
gegen Melanchthon und defien Schule. 1558 ward F.
als Profeſſor an die Univerfität Jena berufen. Sein
Einfluß auf den Herzog Johann Friedrich brachte
die Einigungsverfuche der evang. Furſten zu Frant:
furt (1558) und zu Naumburg (1561) zum Scheitern.
Gr veranlaßte das fog. Konfutationsbuch (1558):
«Solida confutatio et condemnatio praecipuarum
corruptelarum, sectarum etc.», eine Verdammung
aller Abweihungen von der lutb. Lehre. Dazu lam
der Innergüitifhe Streit (j. Synergismus) mit
Victorin Strigel (f. d.). Nah dem Kolloquium zu
Meimar 1560, wo F. die Uußerung tbat, die Erb:
ſunde geböre zur Subftan; deö Menſchen, wurde
er 1561 feines Amtes entfeßt. Er ging nah Regen:
burg, 1566 nad Antwerpen, 1567 nah Franl⸗
furt a. M. darauf nad Straßburg, 1574 wieder
nad Frankfurt ins Klofter zu den Weißen rauen,
mo er 11. März 1575 ftarb. F. war Hauptarbeiter
anden jog. Magdeburger Eenturien (j.d.)undfchrieb:
«Catalogus testium veritatis» (Ba}. 1556), «Clavis
scripturae sacare» (1567), ein bibliihes Wörter:
buch. — Vgl. Tweſten, Matthias 3. Illyricus (Berl.
1844); Preger, Matthias F. Illyricus und feine
Zeit (2 Bde,, Erlangen 1859—61).
Fladerfeuer, ein Feuerwerlsſatz zum Signali:
fieren für Schiffe. 5. wird weder vom Winde noch
vurh Regen ausgelöfht. Man verwendet die F.
daber bei ſchwerem Sturme. Die Fiſcherfahrzeuge,
melde feine Schiffslaternen (rot und grün) zu führen
brauchen, machen jich den in der Näbe vorbeijegeln:
den größern Schiffen dur ein Blüfe genanntes F.
bemertlib. Die Blüje beitebt aus einem mit Stiel
verjebenen und in Terpentin oder Teer getauchten
Ballen, der mit bellblauer Flamme brennt.
Flackmaſchine, veraltete Bezeihnung für
Schlagmaſchine (f. Baummollipinnerei),. [cden.
lacon (frz., ipr. -köng), Flaſchchen, Riehfläich:
fadderminen, Fügaſſen, eingegrabene
Sprengladungen, deren ——— erfolgen ſoll,
ſobald der Angreifer ſich über ihnen befindet. Ihre
Ladung, die 25 kg ſelten überfteigt, wird in einem
verpichten Holztaiten etwa manndtief in die Erde
gegraben. Tie Entzündung erfolgt entweder auf
Flachsſtrecmaſchine — Flagellanten
eleltriſchem Wege oder durch Schnellzundſchnur, oder
aber Kain Dan legt F. en reiben: oder
pruppenmweile an. Die moraliihe Wirkung der F.
iſt im allgemeinen größer als die mater
ladenheim, Dorf, ſ. Flarchheim.
Hadenfrieg, eine unblutige Fehde zwiſchen den
en von Sadjen. Kurfürjt Johann Friedrich
yatte 1542 in 5* über das er gemeinſam mit
SEHR Morig die Schusberrfdaft ausübte, eigen:
mächtig eine Türkenſteuer ausgeichrieben,
es zur Fehde zu fommen drohte. Fandaraf Bhilivr
es
von Heflen vermittelte jedoch die Beil d
Streites, fo daß die bereits aufgebotene haft
zu De und zum Genufje der Dfterfladen (Stuben)
ader, j. Aderholz. [wieder zu Haufe war.
laderpapier, |. Majerpapier.
ladungen, Stadt im Bezirtsamt Mellrichſtadt
des bayr. Reg.:Bez. Unterfranken, am ö des
Rhöngebirges, unweit der rechts in d
Saalegebenden Streu, an der Nebenlinie F
ſtadt (18 km) der Bayr. Staatöbabnen, bat (1900)
159 E., darunter 35 — — E.
Poſtexpedition, Telegraph; lath. Fa ‚Holz:
warenfabrilation und Flachshandel.
——— (lat. Flagellantes), Geißler,
Geißelbrüder, aud Flegler, Gengliss s
teller (d. b. Bußgeller, von gellen, ſchreien) Zoip:
tenbrüder(vonihren Gejängen,den Leifen),oder
auh Weiße (nad ihrer Kleidung) genannt, im
13. bis 15. Jahrh. —— die in alien,
Deutihland und Frankreich umberzogen, um durch
öffentliche Geißelungen Vergebung der Sünden zu
erwerben. Die Nachahmung von Ehrifti Geißelung
tam als freimilliges Bußwert und als kirhliche
Strafe in Anlehnung an 1. Kor. 9, 27 jhon früb
in den Klöftern vor und wurde in Senne ro
allgemeiner Unglüdsfälle auch in weitern
angewandt, um den Zorn Gottes zu befän
Schon Antonius von Padua ( seh, 1231) jo
Geißlerfabrten veranlaßt baben. äbrend ber
Kämpfe der Guelfen und Gbibellinen forderte der
Dominitanermönh Rainer 1260 die t
von Perugia zur Geißelung auf. An allen Orten
fammelten ih Männer und rauen jedes Alters
und Standes, Vriefter mit Kreuzen und Fahnen
voran; mit entblößtem Oberlörper zogen fie umber
und peitichten fih unter Bußgefängen bis aufs
Blut, In großen Scharen jogen fie 1261 jogar
über die Alpen nad Oſterreich, bis nad) U und
Polen. Während des fog. Si Todes (f. d.)
in Europa zeigten fih in Italien, Srankreih und
Deutihland, aud in Dänemark und England iwie:
der F. Nach der Geißelung pflegten fie einen Brief
Chriſti zu verlefen, den ein Engel vom Himmel ber:
untergebracht und auf den Altar St. Beters zu Je
rufalem gelegt baben jollte, Deuti an:
ben ſolche Stogellantenzüge, jelbjt mit in
Magdeburg, Würzburg, Straßburg, Speyer u.f.w.
— Sie machten ſich bald durch Zeritörung aller
ürgerlichen und lirchlichen Ordnung berart verbaßt,
daß ſchon 1349 Papſt Clemens VI. diefes en
verbot. Die feindfelige Haltung der Hlirde
manche diefer Büßergejellihaften zur Verbindung
mit den häretiſchen Begharden (f. — und
ur Oppoſition gegen die Kirche, ſo — die
nquiſition gegen fie einfchritt, fo beſo An:
fang des 15. Jahrh. in Thüringen ( b
Erfurt). Seit ungefähr 1450 verihminben fie Ende
des 14. Jahrh. bildeten fich in Franlteich Jralien
— —
FLAGGEN DER SEESTAATEN.
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Tlagellaten
und Spanien den F. ähnliche Büßergeſellſchaften (in
Itglien von ihrer weißen Kleidung Bianchi oder
Albati,d.b. Weiße genannt). Namentlich das Auf:
treten des Bußpredigers Vincentius Ferrerius (ſ. d.)
cheint dieſer Bewegung Vorſchub geleiſtet zu haben.
Die legten Spuren in Deutſchland finden ſich in Thü-
ringen im 15. Jahrh. — Bol. Föritemann, Die riftl.
ee aften (Halle 1828); Schneegang, Die
Geißler, namentlich die große GeikelfabrtnahStraß-
burg 1349 (au8 dem yranzöfiichen von eo
Lpz. 1840); W. M. Cooper (Pſeudonym für J. ©.
Bertram), Flagellation and the Flagellants (Lond.
1870 u. ö.; deutich, 2. Aufl, Dresd. 1908).
——— ſ. Geißeltierchen.
lageolett (fr;., ſpr. flaſcholett; ital. flautino,
auto piccolo), eine bis in die neueſte Zeit ge
bräuchliche Schnabelflöte (ſ. d.) Heinfter Gattung,
mit ſechs Tonlödhern und einem Umfange von un:
efähr zwei Dftaven. Man bat F. von fünf ver:
(Sieben Größen, aus c,d, es, f und a, um aus
allen Tönen mit gleicher Seichtigteit blajen zu föns
nen. Die Hleinfte Art bilden die Vogelpfeifchen.
dire Intonation ift jehr leicht. Bainbridge ver:
ejlerte das F. 1802. — Im Spiel der Streid:
initrumente beißen vie hellen Töne Flageolett—
töne (franz. sons harmoniques; ital. suoni armo-
nichi, flautini), die man dadurch erzeugt, daß der
Finger die Saite, bevor fie angeſtrichen wird, bei
einem Schwingungsfnoten nicht feit niederdrüdt,
fondern nur loje berührt. Dadurch entiteben un:
ewöhnlihe Schwingungen der Saiten, die viel
Pabere und ganz anders klingende Töne hervor:
bringen, als ihnen fonjt eigen find. So giebt 3.2.
die Violine, mo auf der g-Saite das eingejtrichene c
gearifien wird, das zweigejtrichene g an, auf ber
telle hingegen, wo auf der d: Saite das eingeſtri⸗
chene a liegt, das zweigejtrichene a. — In der
iſt 5. ein Slötenegifter.
Finggen, die gewöhnlich vieredigen Fahnen von
leihtem wollenen Zeuge, dem Flaggentuch, die
die Schiffe zur Kennzeichnung ihrer Nationalität
führen müffen. (Hierzu eine Tafel: Flag gen der
Seejtaaten.) Das Flaggentuch ijt im Gegenſatz
u dem Tuche der Fahne (ſ. d.) nicht mit dem Flagg⸗
Iode vet ‚verbunden, jondern wird mitteld einer
Slaggleine geht (in die Höhe gezogen) und
niedergebolt. Die Nationalflagge iſt meiſtens
um ein Dritteil länger als breit, verſchieden gefärbt,
mit Wappen oter Sinnbilvern verſehen und weht
am Hed des Schiffs an einem Flaggitode oder an der
Gaffel des Beſaus. Das Führen einer andern Flagge
als der zuftändigen ſteht mit der Fälſchung von
Bapieren auf gleicher Stufe. Wird ein Handelsſchiff
mit jaljcher Flagge betroffen, fo verfällt fein Führer
in ſchwere Strafe (f. unten). Es giebt Kriegs: und
Handelsflaggen, die jedoch bei vielen Nationen,
wie z. B. in ‚Belgien, Frankreich, ven Niederlanden,
Vortugal, Brafilien und Chile, einander gleich find.
Wenn Schiffe fih in See begeanen, jo zeigen fie
gewöhnlich ihre Flagge; dies gilt als internationale
Höflichkeit. Das Streihen oder Nieverholen der
Flagge ift die größte Ehrenbezeigung, die ein Sci
demandernerweijen kann. Wenn ein Kauffabrteifchi
ein Kriegsſchiff durch dreimaliges Auf: und Nieder:
bolen der Flagge begrüßt, jo erwidert dies den Gruß
dur einmaliges Dippen, d. b. kurzes Niederbolen.
Diefer Gruß wird unter Kriegsfci en in der Negel
nicht gewechſelt. Das Streichen der Flagge eines
ſtriegsſchiffs im Kampfe bedeutet Seine Übergabe an
rgel
— Flaggen 759
den Feind. Kommen Kriegsſchiffe in einen fremden
falutberedhtigten Hafen, fo jalutieren fie die fremde
Kriegsflagge mit 21 Kanonenſchüſſen und heißen
wäbrend des Saluts (ſ. d.) viele logge im Groktopp.
ad Art. 55 der deutſchen Reichöverfaflung führt
die Kriegs: und Handeläflagge die Farben ſchwarz⸗
weiß⸗rot von oben nad unten (f. Deutichland und
Deutihes Reich, — Flaggen nebſt Tafel).
Nähere Vorſchriften über eritere ergingen durch Ver:
ordnung vom 4. Juli 1867, über leßtere durch die
Gefehe vom 25. Oft. 1867 und 28. Juni 1873 und
über beide in wejentliher Abänderung vom 8. Nov.
1892. Die Handeldflagge (Nationalflagge,
Neihsflagge) ift ein längliches Rechted, be
tehend aus drei gleichen breiten horizontalen Strei⸗
en in den deutſchen Farben, die Höhe beträgt zwei
Drittel der Länge; die Flagge iſt a am
Hed oder bintern Mait; Ebene bzeichen oder
Wimpel wie bei der Kriegämarine find verboten.
Die Flagge ift das Zeichen, = das Schiff unter
beuticher Staatögemwalt und deutihem Schuße fteht.
Die Beitimmungen über die Führung der Han
delsflagge find zufammengefaßt in dem feit
1. Yan. 1900 in Kraft befindlichen Gefek, betr. das
Flaggenrecht der — iffe, vom 22. Juni
1899, abgeändert durch Geſeß vom 29. Mai 1901.
Die Hauptbeftimmungen des Geſetzes find die fol:
enden: Die zum Erwerbe durd die Seefahrt be
— Schiffe or bi mit Einfluß
der Lotjen:, Hochſeefiſcherei⸗ ergungd: und
Sölepplahrzeuge haben als Nationalflagge aus:
chließlich die —* agge zu führen, Einzelſtaat⸗
iche 5. dürfen auf See hit geführt werden. Be:
rechtigt zur Führung der Reichsflagge find bie
Kauffahrteiſchiffe jedod nur dann, wenn fie im aus:
ſchließlichen Eigentum von Reihsangebörigen oder
von juriftifchen Perſonen fteben, welche ihren Sik
im Inland baben; me jeegebende Luſtjachten,
Schulihiffe und ſolche See eg welche für
Rechnung von auswärtigen Staaten oder deren An:
—— im Inland erbaut ſind. Durch laiſerl.
Verordnung mit —A des Bundesrates lann
das Recht, die Reihöflagge zu führen, aud auf
andere nicht zum Erwerb durch Seefahrt beftimmte
abrzeuge, 3. B. zu — Reiſen be⸗
timmte äihe, ferner auf Binnenihiffe, die aus:
hlieplih auf ausländiihen Gemäjlern verfehren,
ausgedehnt werden. So ift dieſes Recht durch katferl.
Verordnung vom 1. März 1900 erjtredt worden auf
Binnenfhifte, die ausfchlieflih auf der untern
Donau oder in Ditafien auf gewiſſen chineſ. Flüffen
verlehren. Die Reichsflagge darf ein uf erft
führen, wenn es ins Schiffsregiſter (f. d.) ein
ey und über die Eintragung eine mit dem
Frıba t der Eintragung übereinjtimmende Urkunde,
das Sciffscertifilat (f. Eertifitat) ausgeftellt ift. An
die Stelle des Schiffscertififats tritt unter Umftän-
den das — (ſ. d.). Schiffe von nicht
mebr als 50 cbm Bruttoraumgehalt ſind auch ohne
Eintragung in dad Schiffsregiſter und Erteil
des Shit scertifilats befugt, die Reichsflagge zu
führen. hrt ein Schiff die Reichsflagge, ohne
—5— berechtigt zu fein, jo wird der Schiffer mit
elditrafe bis zu 1500 M. oder mit Gefängnis bis
zu 6 Monaten beftraft. Auch lann auf Singiehung
des Schiffes erlannt werben, ohne Unterſchied, o
es dem Berurteilten gehört oder nicht.
Die befondern Unterſcheidungsflaggen der Reeder
und Reedereien, die jog. Hausflaggen (f. die
ung
760
beigefügte Tafel: Internationale Signals
und Needereiflaggen, nebit Tertbeilage), bes
fteben aus willfürlich gewählten Sinnbilvern, farbi«
gen Feldern und Buchſtaben. Sie werden gemöhn-
ih im Großtopp der Handelsſchiffe gebeißt, wenn
nur zwei Maſten vorbanden find, im Vortopp.
Die deutiche Krienaflange (j. Deutichland und
Deutſches Reich, Abichnitt Flaggen nebſt Tafel, Fig.1)
ift vorbehaltlich der unterm 2. März 1886 erlafjenen
Vorſchriften für Privatfahrzeuge der deutſchen Für:
ften, von der faiferl. Marine und von den unmittel:
baren Reichsbehörden und Anftalten des deutichen
Heers zu führen, Zum Gebrauche jolder Reichs—
bebörben, die nicht die Deine Kriegsflagge führen,
dient die Reihspienjtflagge (ya. 3, 5, 7, 9)
mit einem in der Mitte des weißen Feldes ange:
brachten, die dienstliche Beſtimmung und ben er:
waltungszweig kenntlich machenden Abzeichen. Die
Seeuferjtaaten führen teilmeife ihre frühere Flagge
verleinert in der innern Ede des fchwarzen Streit:
ir der Neichäpdienftflagge, fo Ach die Blagge ber
amburgiſchen Staats: und Zollfabrzeuge. Außer:
dem haben ſolche deutſche Schiffe, die ohne im Eigen:
tum des Reichs zu fteben, im Auftrage der Reichs:
poftverwaltung die Poſt befördern, jolange fie die
—* an Bord haben , neben der Nationalflagge die
Neichspoftflagge im Großtopp zu heißen. Für bie:
felbe Zeit find diefe Schiffe berechtigt, die Göfch der
Poſtdampfer (Fig. 6) auf dem Bugſpriet zu führen.
Jedes Kriegsiciff jeht vor Anter an Sonn: und
Fetertagen die Gö fc (f. d.) an einem Flagajtod am
Bunfpriet. Die Standarten, Kommando: und Un:
terſcheidungszeichen (ſ. Deutfhland und Deutſches
Reich, Abſchnitt Flaggen) werden bei Tag und bei
Nacht geſeßt. Jedes in Dienſt befindliche Kriegs:
ſchiff und defien Boote ſowie die Küftenbefeitigungen,
wenn fie bemannt find, führen die Kriegsflagge
wäbrend des Tags. (©. Flaggenparade.) Gejandt-
ſchaften und Kontulate bes Reichs führen die Reichs:
dienftflagge für das Auswärtige Amt und bie
Schußgebiete, ebenfo die Kolonialbehörden auf ihren
Häufern. Die Lotjen: und Arbeitsfabrzeuge der Ma:
rine führen die Reichsdienſtflagge der Marinebebör:
den und «Schiffe, die nicht die Kriegäfiagge fübren,
die Zollfabrzeuge und Fahrzeuge der übrigen Reiche:
bebörden führen die Neichäbienjtflagge für die übri:
gen Berwaltungszweige. Die Göſch hat überall,
wo eine Reihsdienftflagge geführt wird, die gleiche
Form wie dieſe lange. Am Großtopp wird die
eichsdienſtflagge für das Auswärtige Amt u. ſ. w.
als beſonderes Ehrenzeichen geſeht, wenn ſich die
Erſten Bürgermeiſter der Hanſeſtädie, deutſche Ge:
—— oder außerordentliche Bevollmächtigte an
ord befinden. Die Gouverneure von Oſtafrika
und Kiautſchou führen als Unterſcheidungszeichen
auf Schiffen die deutſche Nationalflagge mit dem
Reichsadler in der Mitte des weißen Feldes und
zwar im Großtopp.
Durch Signalflaggen verſtändigen ſich die
Schiffe untereinander oder mit einer Signalſtation.
Die Verſtändigung geſchieht mittels der auf der
beigefügten Tafel: ade onale Signal:
und en aggen abgebildeten 26 F.
die mit den Buchitaben des Alphabets bezeichnet
find. Durch Zuſammenſetzung von 2, 3 oder 4 9.
zu einem Signal lafjen Ba 375076 verjchiedene
Signale geben (davon 650 zweiſtellig, 15600 drei:
ftellig, die übrigen vierftellig), deren Bedeutung aus
dem auf jedem Schiffe vorbandenen internationalen
Flaggen
Signalhuch (ſ. d.) 7 eriehen ijt. Die Ausführung
eines Flaggenfignals geſchieht derart, daß die 3 in
der gewünſchten Reihenfolge untereinander befeitigt
und mittels der Flaggleine an einem Maſt aufgebeipt
merden, fo daß der Signalempfänger das Signal
—* fann. Die ‚gan e binter den Buchſtaben—
aggen, der rotsweihe Signalbuch- und Antwort:
wimpel, unter der Nationalflange geſetzt, bedeutet,
daf man mit dem fremden Schiff zu ſprechen wunſcht,
allein gejest, daß man das Signal veritanden bat.
Da man aud budjftabieren kann, wobei allerdings
Knechngeine uchftabenbedeutung durch drei Signal:
flaggenbuchſtaben gegeben werden muß, fo ift auch
in nicht als Stihwort im Signalbuc enthaltene
itteilung möglich. Ebenfo fönnen die Breiten: und
Längengrade des Beſteds (f. d.) oder die Chrono:
meterzeit übermittelt werden,
Ber größern Entfernungen, wo bie Farbe der
Signalzeihen nit mehr erkennbar ift, bedient
man jich der jyernfignale, wobei nur die Form
der Zeichen in Betracht kommt. Dazu werden e,
Kegel und Eylinder genommen. Da jedoch dur
dieje drei Formen die Zabl der Kombinationen ſehr
beihränft wird, jo ift auch die Mitteilungsfäbig:
leit jehr viel geringer alg bei den farbigen Bei en.
Die Benupung der — als Fern⸗ Sema:
pbor:, Wink, Licht: und Tonſignale iſt freigeftellt.
um Berlehr zwiſchen Schlepper und gefchlepptem
chiff find Anflaggige Signale eingeführt. Die inter:
nationalen Signalflaggen werben von allen Schiffen
eführt, Kriegsſchiffe ſind außerdem nod mit be
fondern u aggen für den Gebrauch ihres eige⸗
nen Signalbuchs ausgerüftet. (S. auch Signal.)
Die Rotflagge wird geheiht, um andere Schiffe
zu Hilfe zu rufen. Als internationale Notflagge gilt
bie Yandesflagge, ihrer Länge nad zufammengebun-
ben; man nennt dies «die Flagge weht im Schau».
Die Quarantäneflagge it bei allen Nationen
gelb; fie muß von jedem Schiffe gebeißt werben,
das eine anjtedende Krankheit an Bord hat oder
aus einem verjeuchten Hafen fommt und desbalb
unter Quarantäne gelegt wird. Will ein Schiff
einen Lotſen haben, fo wird die Lotſenflagge
Deornung der deutſchen |. Tafel: Flaggen des
eutſchen Reichs, Fig. 8) gebeißt. Nach der
arifer Dellaration von 1856 dedt bie neutrale
lagge feindliches Guf, mit Ausnahme der Kriens:
onterbande, d. h. in Kriegszeiten ift feindliche
Ware vor Wegnahme ſicher, wenn ſie ſich unter
Klier oder neutraler lange befindet. Die
ulverflagge (im Inlande ſchwarz, im Aus-
lande rot) wırd auf Schiffen oder Prahmen (1. d.)
gejegt, die Pulver geladen haben. (S. auch Fabne.)
Über Kommandojlaggen j.d.; über Lanzen—
flaggen |. Lanze.
Im deutihen Heere werden 5. (Nabmen:
flaggen) von 1 qm Größe und verichiedener
‚Farbe (rot für Jufanterie, weiß für Kavallerie, gelb
ür Artillerie) zum Martieren von Truppen (f. Mar:
fierter Feind) benugt und von der Kavallerie an
der Lanze, ſonſt an einer 0,75 m langen langen:
er e getragen; in neuejter Zeit dienen $. (Win:
erflaggen) zum Übermitteln von Nachrichten und
Befehlen (vol. Vorſchriften für den Gebrauch der
MWinterflaggen vom 27. Jan. 1903). — Bol. Neinede,
Deutſches Flaggenbuch, Fla genrecht und Flaggen:
ceremoniell (Hann. 1900); rtifel Flaggenrecht im
«Handmwörterbud der Staatswillenfha en», Bd. 3
(2. Aufl, Jena 1900).
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INTERNATIONALE SIGNAL - UND REEDEREIFLAGGEN.
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Flaggen
Internationale Reedereien,
deren Hausflaggen auf nebenſtehender Tafel abgebildet ſind.
Megiſtertonnengehalt 1907.)
1) Hauburg-Umerite-Sinie, unter der firma: Hamburg»
Ameritaniihe Laletfahrt» Altien=Gejelichait im 3. 1847 ın
Hamburg gegründet, unterhält 23 Linien mit 167 See—
dampfern von zuſammen 378979 Negiftertons, einſchließlich
der am 1. Jan. 1908 im Ban befindlichen Schiffe, im Dienite des
Weltverkehrs, insbeſondere nad Rordamerita und Wrftindien,
ferner nah Süd⸗ und Dftafien, ber Weftküfte von Süd- und
Nordamerita und Afrita. Werichiedene regelmäßige Fahrten
betreibt fie gemeinfam mit andern Meedbereien. Die Gejell»
u belisgt außerdem an Dampfern für den Seebäderdienft,
Flußdampfern, Schleppern,Leichtern,Setreibehebern, Schwimm⸗
fränen, Kohlenhebern u. ſ. w. 215 Fahrzeuge don insgeſamt
47065 Negiſtertons. Die Reederei unternimmt auch Ver—
ganũgungs· und Erholungsreiſen nach Rorwegen, dem Mittel⸗
meer, ben norbeurop. Hauptſtädten, Weſtindien u. ſ. w.
2) Norddeutſcher Lloyd, 1857 in Bremen gegründet, ver⸗
fügt über eine tte von 145 Dampfern von zuſammen
732922 Negiftertons, bie vorwiegend im Poft-, Paſſagier⸗
und fracdhtverfehr nad Norbamerifa, Eüdamerila, Ditafien
und Auftralien verwendet werden. Von den Eiffen dienen
52 mit 75676 Negiftertons dem Verkehr in der ind.« dinej.
Küftenfahrt. Die Geſellſchaft eye außerdem 61 Flußdampfer
und Barkaſſen ſowie etwa 226 Leichterfahrzeuge, Getreides
heber u. 5. w. Zur Ausbildung des ſeenanniſchen Nach-
wuchſes, beſonders der 56 ziere, unterhält der Lloyd
wei Schulſchiffe (Segelſchiffe), die in Frachtfahrt beſchäftigt
ind. Der Geſamttonnengehalt der Reederei beträgt 804060
Regiftertons,
3) British India Steam Navigation Company, Limited,
1856 in London gegründet, vermittelt mit insgeſamt 114
Schiffen von 296 341 Megiftertons den Berkehr mit Oftindien,
Auftralien und Ditafrita.
4) Peninsular and Oriental Steam Navizatlon Company
(P. & O. Line), 1840 in London gegründet, bat 90 Dampfer
mit 417263 Negiftertons, mit benen fie regelmäßige Verbin—
dungen zwiichen England und den Mittelmeerbäfen, Kanpten,
Ditindien, Straits Gettlements, China, Japan und Yuftras
fien unterhält.
5) Leyland Line (Frederick Leyiand & Co., Limited),
feit 1900 Aftiengefellihaft, jezt zum ——— gehörig
nimmt mit 37 Dampfern von eiwa 133000 Negiſtertons Anteil
am —— Berkehre von London und Liverpool nach
Voſton, Neupork, Reuorleans, Weitindien, Mexiko und Gen»
tralamerifa. Die Linien Liverpool» Liffjabon und ⸗Oporto,
LiverpoolsMittelmeer und Antwerpen-Bortland (Maine) der
frühern Loyland Line gehören ber Ellerman Line in Liver:
pool und werden von diejer betrieben,
6) Union-Castle Line (The Union-Castle Mail Steam-
ship Company, Limited), in London bejorgt mit 51 Schiffen
von insgeſamt 164811 Regiftertons den Hauptverlehr zwiſchen
England und Hamburg und Südafrika einfhliehlih Mada-
astar und Mauritius. Die Verwaltung liegt in den Händen
t fjirma Donald Ourrie & Co. in London.
7) White Star Line, 1869 in Liverpool gegründet, jeht
dem Morgan-Truft angefäloflen, befährt mit 31 Schiffen von
—— 226651 mens bie Streden: Liverpool-Neus
ort, Liverpool-Sübafrifa und ·Auſtralien, London-Reujers
and, San Francisco Oſtaſien.
8) Comparnie des Messagories Maritimes, Eentralvers
maltung in Baris, beteiligt fich mit 66 Geedampfidjiffen von
insgefamt 295593 Negiftertons am Weltverkebre, fveciell auf
dem Mittellandiſchen Meere, nach Süd» und Ditafien, Auftra⸗
lien —* Reucaledonien, Oſtafrila mit Madagastar und Süde
amerifa.
9) Nippon Yusen Kaisha (Japan Mail Steamship Co.,
Ld.) in ofio, ift 1885 aus ber Bereinigung zweier ältern
japan. Reedereien hervorgegangen und unterhält mit 95 Schiffen
von insgejamt 340000 Regiitertond zahlreiche oftafiat. Dampfer-
Iinien, unter anderm aud einen Poitdampfervertehr mit
14tägigen Erpeditionen zwiſchen Mibdlesbrougb, Antwerpen,
London und Singapur, Hongsfong, Kobe und Jotohama.
10) Narigazione Generale Itallans (Societä riunite
Florio & Rubattino), ®eneraldireftion in Nom, befigt 102
Schiffe mit insgefamt 153886 Wegiftertond und unterhäft
regelmäßige Verbindungen mit zahlreichen Mittelmeer» und
—— Südamerifa, Neuijort, Maſſaua, Bombay und
ongsfong.
11) Ruffifhe Dampfichiffahrts- und Handelögefellichaft
«Compagnie Russe de Navigation à Vapeur et de Com-
merce), 1857 in Odeſſa gegründet, vermittelt mit 67 Schiffen
Brodbaus’ ſtonverſations⸗Lexilkon.
14. Huf. R. A. VI.
von inögefamt etwa 80000 Regiftertons ben Verlehr zwiſchen
den Haupthäfen des Echwarzen Meer, ſowie von Odeſſa
nad Smprna, dem Beiraieus, Syrien, ignpten, Jtalien,
Marieillg, Betersburg und nad Ditafien bis Wladiwoſtot.
12) Ofterreichifher Llond, unter ber firma: Dampf-
ſchiffa hrte geſellſchaft des Ofterreichifchen Llohd in Trieſt 1336
egründet, nimmt mit 66 Dampiern von insgejamt 121028
egiftertond Tebhaften Anteil am Verlehre auf bem Mittels
ländiihen Meere, ferner nad Güd- und Dftafien.
13) Compagnie Genörale Transatlantique in Paris, 1861
aus ber 1855 gegründeten Compagnie tiänerale Maritime
bervorgegangen, verfügt über 62 Dampier von etwa 120000
Negiftertons und unterhält regelmäßige Berbindungen im
Mittelländifhen Meere, jowie von Havre nah Neuyork. von
St, Razaire, Borbeaug und Marjeille nad) Weitindien, Merito
und elamerifa.
14) Deutſche Dampffhiffahrts- Geſellſchaft « Hania »
in Bremen, 1881 gegründet, betreibt mit 51 Dampfern von
insgefamt 238727 Megiftertons eine regelmäßige Frachtfahrt
„es rtugal, Oſtindien, den La-Plata-Staaten und zwi⸗
fen Neugort und Sübdafrifa und oder Ditindien. Die
adungen ber Seedampfer werben im Schlepyverkehr durch
3 Dampfer und 16 Leichter mit einer Beiamttonnage bon
— — von Bremen nach Hamburg und vies versa
15) Det forenede Dampflibs ⸗·Selſtab in Kebenhagen.
1866 gegründet, unterhält mit 133 Schiffen von etwa 140000
Regiftertons Linien von Slandinavien bez. Kopenhagen nad
Neuyort, Philadelphia, Bofton, Neuorleans, dem YarPlatas
Strom und ber Levante. re Hauptthätigfeit beftcht aber
in bem Berlebr auf der Dit: und Nordſee.
16) Hamburg + Sübamerifanifhe Dampfihiffahrts-
Geſeliſchaft in Hamburg, 1871 gegründet, betreibt mit 96
Seedampfern von zufammen 172620 Regiſtertons eine regel»
mäßige Poſt⸗ Paflagier- und Frachtfahrt nach Brafilitu, Arr
nien u. f. iw., teilweije in Berbindung mit der Hamburg»
merifas2inie, er unterhält bie Geſellſchaft eine Linie
an ber zu onifchen Stüfte.
17) The —8 Steamship Co., Limited (Cunard Line)
in Liverpool, gegründet 1840, unterhält mit 23 Dampfern von
insgejamt 245755 Regiftertons zegelmäßige Verbindungen mit
Neuport, Bolton, Bortugal, den Mittelmeer» und Levantes
bäfen. Die Geſellſchaft befist bie zurzeit ſchnellſten Pafla-
gierdampfer, die Zurbinenfhiffe Lufitania und Mauretania
von je 32000 Negiftertons,
18) Chargenrs Reunis (Compagnie Frangaise de Navi-
gation & Vapeur), Hauptverwaltung in Baris, gegründet
1873, unterbält mit 36 Schiffen von etwa 100000 Regiiter-
tons regelmähige Be von Düntirhen, Havre, Worbeaur
und Marjeille na interindien bis Saigon und Hat-pbong,
nach Weitafrita bis Matadi, nah Kapftadt, Lorenzo Marquez,
Beira und MWadagaslar, nad) Brajilien, Montevideo und
Buenos Aires.
19) Red Star Line in Antwerpen, gegründet 1872, genen-
mwärtig dem Morgan⸗Truſt angegliedert, betreibt mit 2 Schiffen
von etwa 12965 Regiſtertons als Mitalicd des Morgans
—— Linien Antwerpen-⸗Reuyork und Antwerpen⸗Phila—
delphia.
20) Deutſche — «Kosmos»
in mi gegründet 1872, unterhält mit ihren eigenen
35 Dampfern von 167327 Megiitertons in Verbindung ntit
der Hamburg-Amerifa-Linie ben Verkehr von Hamburg und
oder Antwerpen, London über Genua und oder Cadiz durch
die Magalbäesitraße nah der Weſtküſte von Amerika bis
Fortlan (Deegon) und Seattle (Pugetiund).
21) Königlih Ungariſche Gecihiffahrts - Altiengeiell-
ſchaft « Adria» in Budapeſt, Betriebsdireftion in sinne,
gegründet 1882, beichäftigt ihre 33 Dampfer mit insgejamt etwa
43000 t Tragfähigkeit im Bexlehre zwiſchen Fiume und Trieft
einerjeits und Italien, Malta, freih, Spanien, Bortus
gal, Belgien, Holland, England, Hamburg, Brafilien und
ben La-Plata-Staaten andererieits.
22) Deutfc; + Auſtraliſche Dampfſchiffs ⸗Geſellſchaft in
Qembarn, negründet 1888, betreibt mit 32 Dampfern von
41022 Hegijtertons die Fahrt über Stapftadbt und oder Moflel-
bai und Algoabai nad) Nuftralien. Zwei ber Linien laufen heim;
fchrend Niederländiſch-Oſtindien (Java u. ſ. w.) und Mar—
jeille und Amfterdam an.
23) The British and African Steam Navization Com-
pany, Limited, 1900 als Uftiengeiellichaft gegründet, bejist
Flaggen
87 Dampfer rg —— 91117 rg Die African
Steamshi im J. 1852 durch Lönigl. Dekret ins Leben
eruien, ar 25 Dampfer mit 71074 — Beide
inien unterftehen ber LZiverpooler firma Elder, Dempster
& Co., bie mit ihnen ſowie mit ihren — 14 Dampfern
von aufammen 36861 Regiftertond, bie legtern unter bem
Namen Elder Dempster Shipping "Limi bie u wis
ſchen Liverpool, Hamburg, Rotterdam und den weſta fen
betreibt,
24) Hulland-Amerita-Linie (Noderlandsch-Amerikaan-
sche Stoomvaart-Maatschappij, Niederländiſch-Amerila -
niihe Da fieiflahrtö.@efenigaft) in Rotterdam, ge ——
1872, verkehtt mit 17 Schiffen von etwa 75000 Regiſte
zwiſchen Rotterdam und Amſterdam bez. Berlsereiueiier
einerjeits und Neuhork und Newport News andererjeits.
25) American Line in Neugorf, gegründet 1850, reorgantis
ert 1893, jet zum Mor netcuf gehörig, hrt mit 15
chiffen von etwa 82190 saftrtond Er den Southampton
und Neuporf, —— und Philadelphia. Die Linie ſetzt
ſich aufammen aus International Mercantile ne
Co. in Neuyorf und ber International Navigation Co., Ld.,
in London.
26) Orient Steam Narigation Co., Ld —— in London
gegründet, befigt 5 Dampfer von 19769 R egiftertons, bie
regelmäßige Verbindungen von London und Eiymonth über
Gibraltar, Marieille, Neapel, Bort- Said und Eeylon nad
Auftralien unterhalten.
27) Compaäia Transatläntica in Barcelona, gegründet
1881, unterhält mit 23 Schiffen von indgeiamt 53350 Re-
giftertons regelmäßige Fahrten über Colombo und Sin =
ur nach Manila, ferner nach Maroffo und Weitairita
rnando Bo, nad Weftindien und Centralamerita und kur
üdamerifa.
28) The New Zealand Shipping Company, Limited,
Meuſeeland · Schiffahrts geſellſchaft) in London beichäftigt ibre
16 Dampfer von 66 935 Regiſtertons mit regelmäßigen Fahrten
ab London und Pinmouth über Fkapftadt und d Hobart nach
— und im ausgedehnten Lotalverkehre in den auſtral.
ewaſſern.
29) Worrmann-Linie, Kommandit-Gefellfchaft, in Ham»
burg, ſeit 1854 dem Verkehr mit ber Weftküfte von Afrika
dienend, befist 41 Seedampfer mit 96381 Regiftertond. Im
I. 1907 verlaufte bie Meederei 8 Dampfer von zujammen
30780 Regiltertons an bie Hamburg-Amerifaslinie, die dann
em Verkehr auf Afrika ausdehnte,
Deutfche Sevante-Linie in Hamburg, gegründet 1889,
— ält mit 23 Dampfern von 66233 Re piftertong fowie
mit nad Bedarf, gedarterten Dampfern eine egelmäßige
Fradtfahrt vom Heimatshafen über Rotterdam, Antwerpen
und Neweaftle nad Migier, Malta, Agypten, ri enland,
re Kleinafien, der Zürtei und ben Häfen bes Schwarzen
nn Deutſche Oft · Afrita· Linle in Samburg, 0 gegründet
1890, bem Specialvertchre mit Deutih-Ditafrika Dienend, läßt
ihre 21 Schiffe don zujammen etiva 75283 Regiitertong und
mebrere Dampfer der —— Amerika⸗Linie ab Ham⸗
burg, Bremerhaven, Amſterdam, Rotterdam und een
Liſſabon anlaufend, teils über Nrapel-Bort-Said ed it»
airila jübmwärts bis Durban, teils über Las Palmassftapftadt
bis zur Delagoabai fahren. Die Schiffe der leßtern Route
teren über Deutih-Dftafrifa durh den Euesfanal nad
Hamburg zurüd, während eine Anzahl der auf diefem Wege
ausreifenden Dampfer über Kapftadt-Las Palmas heimfahren,
Außerdem pflegt die Deutiche Ditafrika-Linte noch den Verkehr
jwiihen Bombay und Sauſibar.
32) Stoomraart Mautschappij «BRotterdamsche Lloyd»
und Stoomboot Maatschappij Triton (W. Ruijs & Zonen) in
Notterbam, 1883 gegründet, beſihen 23 Schiffe von inagelamt
49182 Negiftertons und unterhalten die Linie: Rotterdam
via Soutbampton« Marjeille » Bort-Said-Eues nach Padang
und Vatavia.
33) Stoomvaart ——— « Nederland », gegrũndet
im J. 1870 in Amſterdam, beiigt 9 Dampfer bon 108398
Negiltertons und unterhält mit —2* einen 1atãgigen Paſſa⸗
giet · und Frachtverlehr zwiſchen Holland und Java.
34) The Pacific Mail Steamship Co. in Reudort und
San Francisco, gegründet 1848, beteiligt fih mit 19 Schiffen
von 55 189 Regiftertond am trandpartfiihen Verkehre ab San
Francisco über Honolulu nad; Japan, China und den Philip-
pinen, ſowie zwiſchen San Francisco, Merito, Eentralamerifa
und Panama, unb bon dort nad Neuhork. Sie bat ſich
vereinigt mit ber Oceidental and Oriental Steamship Co.
in Ean fjrancisco und der Toyo Kisen Kabushiki Kaisha
in Xotio, Lehtztere iſt 1898 gegründet und verfügt über
4 Ediiffe mit 13603 Negiftertons.
35) La Veloce (Navigazione Italiana a Vapore), mit
dem Eite in Genua, unterhält mit 11 Dampfern von ins
efamt 59 960 Regiftertons regelmäßige Verbindungen mit
Reuyent, Gentralamerifa, Brajilien und den La⸗Plata⸗ re
— — — — — — — — — — — — — ——— —— — — —— — — —
36) Fraissinet & Cie. (Compagnie Marseillaise de Nari-
—— & Vapeur) in Darjeile nimmt mit 22 Schiffen von
et 19632 Regiftertong Anteil am Verkehre im Mittel
Habe en und en — ſowie nad Weftafrifa bis
eb 0
e und 2oa
37) Empreza Nacional de Nar in Liſſabon bedient
eg —— die weftafrit.
mit 18 Ecdiffen von etwa 30000
dien = —— —* — — übmwärts.
38) Can aPp nt — der
Canadian Pacife ee Co. ee beteiligt fi ar
42 Dampfern von 116733 "Regiftertond an ber
Bancouver und Victoria nad Jokohama, Kobe, Ragaiati.
Saangrbai und .
39) Comp ritime da Congo in Antwerpen,
1895 gegründet, bient a 3 * von —— 14.075
—— dem Verkehr zwiſchen Belgien und dem Stongo-
ftaate, Die Reederei wird von ber Firma Elder, Dempster
& er in ee vermalter.
40) Ko Westindische Maildienst in Amiterdbam,
1882 gegründet, treibt mit 8 Dampfern von 9244 Regifter-
— —— Fahrten nach Weſtindien und —
41) Vccidental and Oriental Steamship Co. in San
Francisco, 1875 gegründet, arbeitet mit 3 Dampfern von
13236 Regiftertons auf dem Stillen Ocean von San ran
cisco über Honolulu nad Japan und „oem. „se eie bag 1:
meinfamen Betrieb mit ber —
und der Toyo Kisen Kaisha. Blonde — 107.5
als jeibfändine Reederei nicht = aufgeführt
42) Northern Pacifie Steamship Co., in fr · kong.
1891 gegründet, unterhält 3 Dampfer mit 9151 —E
auf ber Linie Tacoma⸗Hong⸗ kong · Jokohama · ſtobe · Schang·
* ae Megifter 19078 als jelbftändige Reederei nicht
nicht aufg
43) Ro ert 9. Sloman jr., gegründet 1793 in Ham-
WR befördert mit 21 Dampfern von 40272 Regiitertons
3 tagiere und Fracht von und nad Marjeille, Barcelona,
— a ſowie den Sin Italiens.
Didenbur 0 ——6 Dampfihiffs- Reederei,
* dem Sig in Oldenburg, befördert mit 20 ‚en von
zuiammen 26302 Regiftertons Güter —— —** ——
und Oporto, —— —— anger, Lara
Gajablanca, Ma Saffi, Mogador jomwie in 84*
via Gibraltar na Zetuen. Eeuta und Melilla.
45) Synbdilatd-Neederei, ©. m gegründet 1905
in Hamburg, bat 4 Dampfer von — er Regifter-
tons, die * freier Frachtfahrt beſchäſtigt find. Die Reederei
wurbe zu ben Zweck gegründet, den beteiligten Hamburger
Reedereien in aufgezwungenen Sonlurrenztämpfen billiges
Schiffsmaterial zur ügung zu ftellen.
46) Ellerman Lines, Ltd., in Liverpool, fegen ſich zu⸗
fammen aus ber City Line, der Hall Line, ber Ellerman
Line, der Papayanni Line "und der Westoott & —
Line. Ihre 86 Dampfer von 315000 Regiſtertons werden
in der Baflagier- und Frachtfahrt zwifchen London, Liverpool
Kan 000 und dem Mittelmeer, Afrika und Indien be
gt
47) Furness Withy & Co., Ltd., in Weſt⸗Hartlepool, be-
—E 86 Dampfer von 234587 Megiftertond und verfügen
über weitere 90 Dampfer von 259033 Regiftertong, bie vor«
wiegend folgenden Firmen gehören: Manchester Liners,
Hessler Shipping Co., Ltd., Gulf Line, Ltd. Die @ejell«
[men bie größte Reederei von ausichtiehlidh engl. Fracht ·
dampfern.
48) The Royal Mail Steam Packet Company, 1839 in
London gegründet, befigt 46 Dampfer von 200933 Megifter:
tons, bie mit ** agieren, Voſt und Ladung zwiſchen Eng-
land, Weſtindien & amerila, Mexiko, Auftralien, China und
Japan berfehren.
„Allan‘ Line Steamship Co., Ltd., in Glasgow, zu
Anfor "des 19. Yahrh. —5* iſt im J. 1807 im eine
ri ft mit beihränfter umgewandelt worden.
Die G — eſellſchaft benupgt —— De er von 167982 Regiſter⸗
tons in ber
oft-, Raflagier- und — * —— Lon ·
bon, Liverpool, —** und Le Havre eit# und ben
Häfen an ber Dftküfte von Nordamerila, am St. Lorenzftrom
un. ae La-Plata-Strom anbererjeitä.
Bucknall Steamship Lines, Ltd., (British and Co-
Wr Line) in London, bejigen 24 Dampfer von insgeiamt
134 400 Negiftertons, mit benen fie Baflagiere erfter Klaſſe
und Labung von zondon nad Madeira, Las Palmas, Tene-
riffa, Kapftadt, Algoabai und Natal befördern.
51) Koninklijke Paketraart Maatschappij in Amiter»
dam und Batavia, fährt mit Poft, Bafagırren und Fracht
mit ihren 58 dampfern von 89922 Regiſtertons —
ſaämtlichen Inſeln des Oſtindiſchen A —3. und Neuguinen.
52) Jara-China-Japan Lijn, in Amſterdam, unterhält
mit 6 Dampfern von zufammen 16416 Regiftertong eine Poſt⸗
Baflagier- und Fra gg zwiſchen Batavia und den Häfen
von China und
Flaggenatteſt — Flagrant
Flaggenatteſt, Flaggenzeugnis, ein von
einem Konſul des Deutſchen — erteiltes Attejt
über den Erwerb des Rechts für ein Schiff, die Reichs⸗
flagge zu führen. Wenn ein außerhalb des Neich8:
gebietes befindliches fremdes Schiff durch den fiber:
gang in das ausſchließliche Eigentum einer Perfon,
Beide das Reichsindigenat zufteht, das Recht, die
Reichsflagge zu führen, erlangt, jo bedarf es zut Aus:
übung dieſes Rechts der Eintragung in das Schiffs:
regifter 4 * und der Erteilung bed Certifilats
(f.d.) nicht. Vielmehr werden diefe Vorausſetzungen
erjegt durch das F. desjenigen Konſuls des Deut:
ſchen Reichs, in deſſen Bezirk das Schiff zur Zeit
de3 Cigentumüberganges ſich befindet, jedoch nur
für die Dauer eines Jahres vom Tage der Aus:
jtellung und über diefe Zeit hinaus nur für die Dauer
einer durch höhere Gewalt verlängerten Reife.
Plaggengala oder über die Toppen flag»
zen, die Ausfhmüdung eines Schiff mit Signal:
tlaggen und Wimpeln bei einer feſtlichen Gelegen:
beit. Die Signalflaggen werben hierzu an Leinen
befeftigt und 5 aufgeheiht, daß fich eine ununter:
brodene Flaggenreihe von der Nod des Außen:
Hüverbaums hinauf zum Topp der VBorbramitenge,
von da zu dem ber Groß: und Kreuzbramftenge und
von da hinunter über die Bejansgaffel bis an Ded
ieht. Gleichzeitig werden von der Gaffel oder dem
Slogofod fowie im Vor: und Kreuztopp die eigene
Ntationalflagge undim Großtopp die des Landes, das
die Beranlaflung zur eier gegeben hat, geſetzt, fowie
die Göfh am Bugfprietefeldhaupt. In See werden
jtattder 3. nurZoppflaggen geheißt. (S. Baradieren.)
Flaggennachtſchwalbe een 8. Cos-
metornis Spekei Sclater, |. . Langhänder,
Fig. 1), eine das tropiſche Afrikla bewohnende Art
von Nachtſchwalben (ſ. d.) von 28 bis 30 cm Länge,
mit verlängerter jechiter und fiebenter Schwung:
feder, Färbung im allgemeinen ber unjerer ge
meinen Nachtſchwalbe ähnlich, nur ift auf den Wur-
zeln der Schwungfedern ein weißer Spiegel.
laggenparade, das mit Ehrenbezeugungen
verbundene Heißen der Kriegsſchiffsflagge morgens
(im Sommer um 8 Uhr, ım Winter um 9
und Niederholen derjelben abends bei Sonnenunter:
gang im Hafen. Die F. wird vom wachhabenden
Offizier lommanbdiert, die Schiſſswache tritt dazu ins
Gewehr, ed wird der Präfentiermarich geichlagen
und von jedermann auf Ded die Flagge beim
Auf: und Niedergehen gegrüßt. Liegen mehrere
Schiffe im Hafen, fo wird auf Signal des Höchſt⸗
lommanbierenden die 5. von allen Scifjen glei:
zeitig ausgeführt. In &re findet feine F. ftatt, die
giange wird obne Feierlichleit und nur wenn andere
&ifte oder Land ın Sicht find gebeißt.
en 18, ſ. Flaggenatteit.
laggenzufchlag (franz. surtaxe de pavillon),
eine Zuſchlagtare, die neben dem tarifmäßigen Zoll
bei der Einfuhr von Maren auf fremden Schiffen
erhoben wird. Die großen Begünjtigungen, melde
England jeiner eigenen Flagge durch die Naviga—
tionsalte (f. d.) zumanbte, veranlaßten Eolbert, der
franz. Handelämarine dur ein von den fremden
Schiffen erbobenes beionderes Tonnengeld eben:
falls einen Schuß zu gemäbren. Eine ſolche nad
der Tonnenzahl des Schiffs bemefjene Abgabe ift
jedoch von dem F. infofern verſchieden, als der letz—
tere fih für jede Warenart bejonders, nah Map:
abe des von derjelben zu entrichtenden Be be
timmt. In diejer Art wurde der F. zuerſt ſyſtema⸗
761
tiſch in den franz. Tarif durd das Geſetz vom
28. April 1816 eingeführt und dabei aud die Ein:
fuhr zu Sande derjenigen unter fremder Flagge
gleichgeftellt. — — Frantreih ſchon vor
dem relativ freibändlerifchen Umfchmunge von 1860
dur Handeläverträge mit mebrern Ländern unter
der Bedingung der Gegenjeitigfeit den Schiffen
berjelben wenigjtens für die Einfuhr eigener Lan-
deserzeugnifie die gleiche Behandlung wie den fran:
zöfifchen zu. Durch das Geſetz von 1866 murbe
der F. auch für die nicht vertragämäßig berechtig:
ten Staaten aufgeboben. 1872 ftellte man ibn mie:
der ber, gab ihn aber ſchon 1873 mit Rüdficht auf
die daraus entftandenen internationalen Schwie
rigfeiten wieder auf. England bielt in Indien noch
bis 1848 einen F. von 100 Proz. aufrecht. Gegen:
mwärtig beftebt ein folder von 10 Proz. noch in den
Vereinigten Staaten für die Schiffe aller Länder,
die nicht vertragsmäßig befreit find. (S. aud Dif:
ferentialzölle und Surtaxe d’entrepöt.)
Flaggleutnant, der Adjutant eines Geſchwa⸗
derchef3 (ſ. Geſchwader), ein Leutnant zur See
ober Rapitänleutnant.
laggoffiziere, j. Admiral.
laggichiff, Admiralſchiff, das Schiff, auf
dem die Flagge eines Admirals (f. Deutſchland
und Deutiches Reich, Flaggen, nebit dazu gehdriger
Tafel, Fig. 13—15) weht, der die Führung über
eine Flotte oder ein Gejhmabder hat. Vom F. aus
leitet der Admiral alle Manöver und Bewegungen
feiner Flotte oder feines Geſchwaders fomie das
Gefecht J Seetattif) durch Signale. Auf dem F. be:
findet fich der Flotten⸗ oder Geſchwaderſtab mit ein»
geihifft. Bei Nacht ift jedes F. gelennzeichnet durch
eine Laterne im Topp.
Flagränt (lat.), brennend; ins Auge fallend,
offenfundig; daher in flagranti, auf frifcher That;
franz. delit flagrant (fpr. delih flagräang), das Be:
treten auf frifcher That. Wenn jemand auf frifcher
That betroffen oder verfolgt wird, fo hat das
nad deutihem Strafrecht in mehrfacher Beziehung
beftimmte Folgen: 1) Wer bei Unternehmung einer
ftrafbaren Handlung, um ſich der Srgreifung auf
ifcher That zu entziehen, vorfäglich einen Men:
hen tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter 10 Jab-
ren oder mit lebenslänglibem Zuchthaus bejtraft
(Strafgefeßb. $. 214). Dieje Strafe findet —
* der großen Gefährlichkeit — bei jeder krimi⸗
nell ftrafbaren vorfägliben Handlung, alfo aud
dann Anwendung, wenn nur eine geringfügige Über:
tretung Gegenftand des Unternehmens ift. 2) Wer
bei einem Diebſtahl auf friiher That betroffen,
gegen eine Perſon Gewalt verübt oder Drohungen
mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben an:
wendet, um fich im Beſitz des gejtoblenen Gutes zu
erhalten, ir gleich einem Räuber zu beitrafen, d. i.
mit Zuchtbaus (Strafgejesb. $. 252). 3) Haus:
fuhungen dürfen ausnahmämeife zur Nachtzeit
vorgenommen werden, wenn eine Verfolgung auf
friiher That ftattfindet (Strafprogehorbn. $. 104).
4) Wird jemand auf frifcher That betroffen oder
verfolgt, fo ift, wenn er der Flucht verdädtig ift
oder jeine Perfönlichkeit nicht feitgeftellt werden
tann, — befugt, ihn auch ohne richterlichen
Befehl vorläufig feſtzunehmen (Strafprozeßordn.
$.127). In allen dieſen Fällen iſt nicht erforderlich,
daß der Thäter bei der That ſelbſt betroffen werde.
Es genügt, wenn bei jofortiger Nacheile die Er»
greifung ftattfindet.
162
Flahault de la Billarderic (ipr. flaoh de la
bijard’sib), Augufte Charles, Grai, franz. General
und Diplomat, geb. 21. April 1785 zu Baris,
wurde Dffisier, Adjulant Muratd und made
dann alle Feldzüge des erften Kaiferreih mit.
Nah der Schladht bei Wagram wurde F. Oberft
und Baron, nah dem Kriege gegen Rußland
Brigadegeneral, nah der Schladt bei Leipzig
Divifionsgeneral und Graf. In der Schlaht bei
Hanau zeichnete er ſich durch verzweifelte Tapferkeit
aus und warb von Napoleon mit der Rolle eines
Unterbänvlerd bei den Verbündeten beauftragt.
Während der Hundert Tage erbielt er eine Gen:
tung nad Wien, wurde aber in Stuttgart ver:
haftet. Bald nachher freigelafien und vom Kaiſer
ig Bair ernannt, kämpfle er als dejjen Adjutant
ei Waterloo, Unter der Rejtauration lebte er in
England. Er lehrte 1827 nad) Franlreich zurüd,
erhielt nach der Julirevolution jeinen Grad wieder
und einen Siß in der Beamer, wurde 1831
um bevellmädtigten Minijter in Berlin ernannt,
egleitete 1832 den Prinzen von Orldans, Ludwig
Philipps —* Sohn, nah Antwerpen, ward
1837 Großjtallmeifter diefes Prinzen, ging 1841
als franz. Gefandter nah Wien und blieb auf
dieſem Vojten bis zur Februarrevolution 1848,
Nah Napoleons Staatöftreih vom 2. Dez. 1851
gehörte er zu der Beratungsfommilfion und wurde
1853 Ecnator, 1854 Großlanzler der Ehrenlegion.
5. ftarb 1. Sept. 1870 zu Baris. Cine Frucht feis
ned Liebeöverhältnifjes mit der Königin Hortenfe
(Mutter Napoleons IL.), zu deren Grofftallmeifter
er nach dem Kriege von 1809 ernannt worden war,
war der Herzog von Morny (f. d.).
Flahault de Ia Billarderie (jpr. flaoh dẽ la
tijard’rib), Gräfin, f. Souza:Botelbo, Marquife von.
laireur (frz. jpr. läröhr), Ausfpürer, Spür:
nafe, von der Polizei angeftellter Riechinſpeltor für
vebenämittel auf dem Markte. j. Bd. 17.
laiichlen, Cäſar, Dichter und Schriftiteller,
lamand (fpr. -mäang), Albert, j. Flamen.
lambeau (ft;., pr. Nanabat), eigentlich Fadel,
dann hober Armleuchter mit mebrern Lichtern.
Flamberg, de dr ein zweihän:
diges Schwert mit wellig geflammter Klinge, kommt
jeit Anfang des 15. “1% vor. Die eigentümliche
jerm der An chwerte ed dem Gegner, die
affe fejtzubalten, auch tbat fie den Harnifchen
großen Schaden. Auch einhändige Echwerter mit
geflammter Klinge werden übrigens F. genannt,
welcher Name fpäter, namentlich in der Poeſie, für
Schwert überhaupt gebraucht wird.
wienbersugs (ipr. flämmbörd), Fiſcherdorf
im Eaſt⸗Riding der engl. Grafihaft Hort, ungefähr
6 km von Briblington, an der Nordjee und am
Fuße des Raps Flamborougb:Head gelegen,
deſſen 36 m hoher ſenkrechter Feld mit Leuchtturm
(24 m) das Nordoſtende der Nork:-Wolphügel bildet.
Flamboyant (frz., fpr. fangböäjäng), Slam:
menjtil, die im 15. und 16. Jahrh. bejonders in
Frantreich und England angewandte Form im jpät:
ot. Mabwert, fo genannt von der mebr flammen:
örmigen Fiidhblafen-Ornamentit (j. Fiſchblaſe und
nadjtehende Figur). Angemwandt findet er ſich 5. B.
bei der Kathedrale und der Kirhe St. Maclou zu |
Rouen und der Kathedrale zu Ereter. Berühmt
wegen jeines reichen Flamboyaniſtils ift der aus
dem 16. Jahrh. ſtammende Lettner in der Nitolaus:
tire au Dirmuiben.
Flahault de fa Billarderie — Flameng
' Flamen (lat., Mehrzahl Flamines), im alten
Rom der Eigenprieiter eines einzelnen Gottes, trug
unter anderm als Abzeichen jeiner Würde eine legel⸗
förmige Müse (apex), an deren Spiße eine dünne.
mit einer Moll:
binde (infula) um:
wundene Rute fi
befand. Es geb
zwei Klaſſen Fla-
mines, nämlic
die brei majores
aus patriciihem
und bie zwölf mi-
nores aus plebeji:
ſchem Geſchlechte.
Erſtere waren ber
F. des Jupiter (F.
Dialis),ded Mars
(F. Martialis) und
des Quirinus (F.
Quirinalis). Alle I @iF
drei hatten das
Recht, der Sella curulis fich zu bedienen. Der F.
Dialis aber hatte eine Amtswohnung auf dem Bala»
tin, die ald Aſyl angejeben wurde, einen Liltor und
einen Sig im Senat. Bei dieſen Vorredten war er
aber aud zahlreihen Beihränlungen unterworfen.
So . er feinen Eid ablegen, feine Feſſel ſd. b.
feinen Ring und feinen Knoten) an ſich haben,
überhaupt viele Dinge nicht berühren, kein Pferd
beiteigen, nicht über Nacht die Stadt verlajfen (um
täglich die vorgeichriebenen Opfer darbringen zu
können) und mußte, wenn feine Gemahlin ftarb,
fein Amt niederlegen. Lestere führte den Namen
Flaminica und war bei der Bejorgung des Opfer:
dienſtes mitbeteiligt. Von den Flamines minores
find befannt: der F. de3 Bultan, der Flora, der
Carmenta, des Bulturnus, des Birbius, der Fur:
rina u.a. In der Raiferzeit kamen dazu noch Die
Flamines der vergötterten Kaiſer.
lamen (jpr. -mäng), eigentlih Flamand,
Albert, franz. Kupferſtecher, erwarb fih zur Zeit
Ludwigs XIV. bedeutenden Ruf. Seine mebr ale
600 Blätter, von 1648 bis 1664 datiert, find radiert
ober mit der Nadel übergangen. Ferner malte er
den Einzug der Königin Chriſtine von Schweden in
Paris, die —— Königs, Stadtanſichten.
Landſchaften u. ſ. w. Als zur Zeit der Fronde die
tönigl. Prinzen in Marcouſſy gefangen waren,
entjtand jein Gedicht «Chäteau de Marcoussy».
lämen, Slanten, aub Dünnungen oder
Wammen, in —— die dünnen Lappen
Wildbret von den Rippen bis an die Heulen.
lameng (jpr. -mäng), Frangois, franz. Maler,
Sohn des folgenden, geb. 6. Der. 1856 in Paris,
Schüler kn Vaters und von Cabanel, Hedouin
und 3. P. Laurend. Er malte befonderd Scenen
aus dem Revolutionäzeitalter, fo: Leztes Gaſtmabl
der Girondiften (Hauptwert, 1879; Mufeum in
Voulogne-fur:Mer), Camille Desmoulins im Kreiie
jeiner Familie, Marie Antoinette zur Hinrichtung
aeführt (1885), Napoleon im Feldzug 1814. Neuer:
dings ſchuf er auch deforative Arbeiten in der Eor:
bonne und in der Komiſchen Oper.
Flameng (ipr. -mang), Leopold post Kupier:
| jtecher, geb. 22. Nov. 1831 in —* war Schüler
Calamaitas und ließ fi 1853 zu Baris nieder, wo
er eine äußert fruchtbare Thätigfeit für die aut-
gezeichnetſten franz. Kunftjournale, befonders für
Flameuſen — Flamm
die «Gazette des beaux-arts» entfaltete. Seine auf
maleriihe Wirkung abzielende Manier fchlieht fi
an diejenige der Niederländer des 17. Jahrh. an.
Weniger glüdlich — Motiven, verſteht
J. vorzüglich die Werle Rembrandts und jeiner
Schule nachzubilden. So ſtach er: Die Nachtwache
(1874) und Die Anatomie nach Rembrandt; Strato⸗
nite, Angelifa, Die Quelle nah Ingres; Sappbo
nach Gleyre; Geburt der Venus nah Eabanel, Die
Raſt der Reiter nah Meiffonier.
lameuſen, VBarietät der Gartennelte, ſ. Nelte.
Flamines (lat.), Mebrzabl von Flamen (f. d.).
Fläming, Höbenrüden an der Grenze der preu
Provinzen Brandenburg und Sadjen, etwa zwi—
ſchen Wittenberg, Zerbit, Belzig, Ludenmwalde und
Dabme (f. Karte: Provinz Brandenburg
u. ſ. w., beim Artitel Brandenburg), 4125 qkm
umfaſſend. Man unterſcheidet einen weſtl. Hohen
und einen dftl, Niedern F. Erſterer erhebt ſich
im Hagelberg (Vindmühlenberg) bei Belzi
zu 201, lesterer im Golmberg ** Barut
und üterbog zu 178 m Höhe. Der ‘5. bildet die
Waſſerſcheide zwiſchen Elbe und Havel, hat vor:
wiegend jandigen Boden und ift vielfach mit Wald
beitanden. Er hat jeinen Namen von den vläm.
aa welche Albrecht der Bär bier anfiedelte,
— Bol. Schöne, Der F. (in den «Beiträgen zur
Geographie des mittlern Deutichlands», ba. von
Rakel, Lpz. 1899).
laminganten, Blaminganten,. Blämifche
Sprache und Pitteratur.
Flamingo (Phoenicopterus L.), eine 8 Arten
enthaltende Gattung großer Shwimmvögel aus der
Ordnung der Siebichnäbler, welche durd die unge:
meine Länge der Füße und des Halſes zwar den
Stelzvögeln ähnelt, aber dur den in der Mitte
jaſt rechtwinklig abwärts gebogenen, mit Quer:
lamellen verjebenen, an den Rändern geferbten
Schnabel, eine volle Shwimmbaut zwijchen den
Zehen und durch den ganzen übrigen Bau vu den
entenartigen Vögeln anteibt. Die hierher gebörigen
und jchwer zu unterfcheidenden Arten find im Alter
ämtlich rot gefärbt. Bon ihnen fommt in Europa
nur eine Art vor; der A a 5. (Phoeni-
copterus roseus Tem., }. Zafel: Shwimmvögel
IV, Fig. 1), welder jih in Südeuropa, an den
afrit, Küften, am Kaſpiſchen See und in Ditindien
findet, 1,30 bis 1,50 m hoch wird, wovon auf jeine
dünnen roten Fühe allein 80 cm fommen, und rojen:
rot gefärbt ift, mit farminroten Oberflügeln und
ſchwatzen vordern —B———— Das Neſt wird
aus Schlamm, der durch Waſſerpflanzen verdichtet
wird, in Form eines fegelförmigen Haufens mit
Hader Mulde errichtet, in welcher der * ſeine
zwei weißen Eier von freidigem Ausſehen bebrütet,
Indem er fi mit eingejogenen Beinen auf das
Neit jebt. Der Vogel näbrt fih von weichen Tieren
des Waſſers und des Schlamm, die er mit dem
tellenartig gebrauchten Schnabel aufihöpft, indem
er den Kopf jo dreht, daß ber Oberſchnabel unten
liegt. Er hält fih am liebiten an bradiichen Strand:
ieen und Flußmündungen, oft in Scharen von Tau:
ienden, auf. Beim Fliegen ordnen ji die Züge in
Keilform. Die alten Römer rechneten das Fleiſch
der F., welches von den jungen Vögeln wohl:
ſchmedend iſt, bei den alten Vögeln aber einen
widrigen Fiſchgeſchmad bat, zu den höchſten Leder:
bijien, und bejonder8 wurden die Zungen, deren
Inneres aus reichlichem, faſt mit ölartiger Fluſſig⸗
163
keit — Zellgewebe beſteht, hoch geiaäst und
teuer bezahlt. No jebt wird er in Norbägypten
als pef@äbte Wildbret zu Markte gebradt., Im
mittlern Rußland und Sicilien und Sardinien
wird ber F. zuweilen gezähmt gehalten, wo er mit
dem übrigen Hausgeflügel verträglich Iebt. Aus
Nordägypten gelangen jährlih große Mengen 5.
nad Europa und in die dortigen Tiergärten, die
das Stüd mit 70 — 100 M. bezahlen. Ihre Halt:
barkeit ift nicht überall die gleiche; am beften leben
e noch im Kölner Zoologiihen Garten, der einige
emplare bereit3 Jahre bat. Sie werben dort
faft das ganze Jahr auf einem Weiher gehalten,
der von — einen Krebſen wimmelt; außer⸗
dem wird Reis und Hanf in das Waſſer geworfen.
Uberzieht ſich dieſes mit Eis, fo werden bie F. in
ein Haus gebracht, das eben froftfrei iſt, lommen
aber, jo oft es die Witterung erlaubt, ind Freie.
Dem Kömerfutter wird in diefer Zeit Garneelen:
Idee und Geflügelfutter zugeſetzt und alles mit
fer bevedt gegeben. eh
I inus, röm. Patricier, |. Quinctier.
laminifche Strafe, |. Flaminius.
laminius, Gajus, röm. Staatömann, aus
plebejiihem Geſchlecht, bewirkte als Vollstribun
232 v. Chr., daß das in früherer Zeit eroberte Land
der jenonifchen Gallier in der Gegend von Ariminum
(Rimini) an röm. Bürger verteilt wurde, und lieb
diefe 5— durch die plebejiſchen Komitien
FA den Wi su sel — BG — van nr
rung des ufles zog den Ausbruch de
großen Galliſchen Kri e3 (228229) nad ſich. Ge:
gen den Willen der Nobilität wurde F., nachdem
er 227 als Prätor die Provinz Sicilien rühmlich
vermwaltet hatte, für das J. 223 mit Publius Furius
zum Konſul erwählt. Als ſolcher ging er im Kriege
mit den Galliern zweimal über den Bo. Das erite:
mal mußte er um freien Abzug bitten, das zweite:
mal befiegte er die infubriihen Gallier an der Ad:
dua in einer großen Schlacht. Als Genfor entfernte
er 220 v. Ehr. die Freigelailenen, die nicht lange
vorher dur die Reform der Genturiat:Romitien
auf3 neue in die Klaſſen gelommen waren, wieder
aus diefen. Die Fortführung der Heeritraße von
Rom nach Ariminum, die früher nur bis Spoletium
im ſudl. Umbrien geführt war und nun den Namen
ber Flaminiſchen Straße erhielt, zeugt für feine
ſtaals männiſche Einficht und a offenbar mit den
Plänen für erbung großer Gebiete in Ober:
italien zum Zwed der Verteilung von Ländereien
zufammen. Die Gunft der Mafje der Burgerſchaft
gewann er fih vornehmlich dadurd, daß er zuerit
neben den von alterö ber alljährlich gefeierten Zeit:
fpielen neue (die fog. plebeitlgien) einführte und im
Zufammenbang damit auf dem Marsfelde einen
neuen Eirtus, den Cirkus Flaminius, erbaute,
und daß er ven Geſetzesvorſchlag unterftüßte, welcher
den Senatoren das Betreiben von Handelögeihäf:
ten unterfagte. So erreichte er denn aud, daß erzum
mweitenmal 217 v. Chr. zum Konſul gewählt wurde.
5 * ſich aber, ehe ſein Kollege mit der andern
onfularifhen Armee eintraf, von Hannibal zur
Schlacht am Trafimenishen See verleiten, in der
er jelbjt fiel und iin ganzes Heer vernichtet wurde.
lämifch, |. Vlämiſche Sprache und Litteratur.
lamländer, j. Vlämen.
lamländifche Juſeln, ſ. Azoren. .
lamm, Albert, Landſchaftsmaler, geb. 9. April
1823 in Köln, bildete fich jeit 1842 bei Andreas
764 Flammarion
Achenbach in Düffelvorf und machte fih beſonders
die Malweife von defjen Bruder. Oswald zu eigen.
Von feinen meift der ital. Landſchaft entnommenen
Gemälden find zu nennen: Italieniſche Landſchaft
(1856; Galerie Ravene zu Berlin), Herannahendes
Gemitter in der röm. Campagna (1862), Gaftelgan:
bolfo (1868), Pia Appia (Hamburg, Kunſthälle),
Golf von Neapel (1872), Gräbertrümmer an der
Pia Appia bei Rom (1876), Blid auf Eumä (Ber:
fin, Nationalgalerie), Küfte von Sorrent, Trümmer
röm. Aauädufte in der Campagna (1886), Römische
Gampagna bei Ponte Nomentana (1893), Motiv
bei Molo di Gaeta —* Auch aus der einhei-
mifchen Natur wählte er Motive, wie in dem Bilde
Das Siebengebirge (1880). Im J. 1900 erhielt er
den Titel rofeifor: er lebt in Duſſeldorf.
Flammarion (ipr.-öng), Camille, franz. Witro:
nom, geb. 26. Febr. 1842 zu Montigny:le:Roi,
trat 1858 am Übfervatorium zu Paris als
Eleve ein, gebörte feit 1862 dem Bureau des
Longitudes als Hilfsarbeiter an und gab 1865
die Stellung auf, um als wiſſenſchaftlicher Mit:
arbeiter in die Redaktion des «Cosmos», des
«Magasin pittoresque» und des «Sidcle» einzu:
treten. Durch feine äußerft fruchtbare litterar,
Thätigkeit trug er viel zur Verbreitung des Sn:
tereſſes für aftron. Studien, namentlih in Frank—⸗
reich bei. Seit 1882 iſt F. Vorfteber einer von
Privatleuten gegründeten und .. Stern:
warte in Juviig bei Paris. Von feinen Werfen
find zu erwähnen: «La pluralit& des mondes habi-
tös» (Par. 1862; 34. Aufl. 1890), «Les mondes
en et les mondes reels» (ebv. 1865;
20. Aufl. 1887), «Les merveilles cölestes» (ebd,
1866), «Dieu dans la nature» (ebd. 1867; 21. Aufl.
1888; deutich, Sp. 1870 und Halle 1902), «Contem-
plations scientifiques» (2 Bde., Par. 1870 u. 1887),
«Voyages en ballon» (ebd. 1870; 20. Aufl. 1889),
«Fitudes et lectures sur l’astronomie» (9 Bde,, ebd.
1867—80), «L’Atmosphöre» (ebd. 1872), «Histoire
du ciel» (ebd. 1873) , «Lies terres du ciel» (ebd. 1877),
«Catalogue des &toiles doubles et multiples en
mouvement» (ebd. 1878), «Astronomie populaire»
(ebd. 1880), «Le monde avant la creation de
V’'homme» (nad Zimmermanng deutſchem Werte be:
arbeitet, ebd. 1886), «Grande carte c&leste» (ebd,
1886), «Uranie» (ebd, 1889; 2, Aufl. 1891; deutich,
Pforzb. 1894), «La plandte Mars et ses condi-
tions d’habitabilit6» (ar. 1892), «La fin du
monde» (ebd. 1894; deutih, Pforzh. 1895), « Les
€ruptions volcaniques et les tremblements de
terre» (Par. 1902). %. ift Herausgeber der aftron.
Monatsichriften «L’Astronomie» und des «An-
nuaire astronomique et m&t&orologique»,
—— —— ſ. Ebrard, Auguſt.
lamme, bie bei der Verbrennung (ſ. d.) von
Dämpfen und Gafen wahrnehmbare Lichterjcheis
nung. Der lammenbildung gebt immer die Bil:
dung von brennbaren br und Dämpfen vor:
ber. Es ift nicht das Holz an fi, es find Kr
die Steinkohlen unjerer Feuerungen, es ift nicht
das Öl unſerer Lampen, nicht das Stearin unjerer
Herzen, das mit F. verbrennt, fondern es find die
gafigen und dampfförmigen Zerjeßungsprodufte,
die ſich bei der erjten Erbikung bilden und beim mei:
tern Brennen durd die bei der Verbrennung frei
werdende Wärme fortdauernd erzeugt werben; nur
dieje Gaſe geben zur .% der 5. Veran:
laſſung. Die Geftalt der F. ift bedingt von dem
— Flamme
Mege, den die entſtehenden Gafe nehmen, fie wird
die eines aufgerichteten Kegels haben, wenn die Gaſe
und Dämpfe vermöge ihres fpecifiihen Gewichts
frei aufjteigen können, wie bei der gewöhnlichen
Kerze; ſie wird einen ringförmigen Mantel bilven,
wenn die Dämpfe und Gaje an einer ringförmigen
läbe entwidelt werden und wenn ein in dem
Ring vertifal aufjteigender Quftitrom fie in ver:
tifaler Richtung Fort übrt, wie bei den Lampen
mit cplindriihem Dochte; fie wird jet borizontal
verlaufen, wenn die Dämpfe und Gaje durd den
Zug des Schornfteins in horizontale Kanäle ge
führt werden, wie bei den Feuerungen der Dampf:
eiel Pfannen u. f. w.
eobactet man eine 2* brennende Kerzen⸗
amme, ſo findet man, daß ſie aus drei * um:
üllenden Zonen — Die innerſte Zone iſt
nicht leuchtend, ſie beſteht aus den bei der Zer⸗
feßung des Brennmateriald fi bildenden Gaſen
und Dämpfen, die vorzugsweiſe aus Koblenmwajler:
toff bejteben, und F verhältnismäßig niedrige
emperatur. Der äußerſte Mantel der F. iſt ſchwach
leuchtend, in ibm vollzieht ſich, durch den Sauer:
toff der umgebenden Luft, die letzte vollftändige
erbrennung der Dämpfe zu gafigen Produlten,
Koblenjäure und Mafferdampf, unter bedeutender
Märmeentwidlung. Er beitebt demnad in feinen
äußersten Schidhten aus den glühenden gasförmi-
gen Produlten ver Verbrennung. Der zur 5. bin:
jutretende Sauerftoff wird in diefem un Mans
tel der F. fo weit verbrauct, daß in der mittlern
Zone nur noch eine unvoll:
fommene Berbrennung erfolgen
fann, Dies fann man dadurd
beweifen, daß man ein Glas:
röhrchen mit einem Ende in
den innern Teil einer Kerzen:
flamme bineinbält. Am andern
Ende fann man die noch un:
verbrannten Gaſe entzünden (ij.
beijtebende digur). Infolge der
durch lektere bewirkten Geht be:
trächtlichen Temperaturfteige:
rung jcheidet fih aus den Koh:
lenwaijeritoffen Koblenftoff in
einiter —— aber in
eſter Form ab. Dieſer wird zum Glühen erbigt,
ſtrahlt dabei Licht aus und wird dadurch Urſache
des Leuchtens der F. Allmählich aber miſcht ſich
auch den in der mittlern Zone befindlichen Gaſen
und Kohlenpartikelchen beim rl von außen
—* fo viel Sauerſtoff bei, daß vollitändige Ver:
rennung berjelben jtattfindet und ſchließlich biz
in das Gentrum ber K erjolat. Der bellleucdhtende
Teil endet dann in einer deutlihen Spitze.
Von dem Verhältnis der im Innern ver F. ye
bildeten Kohlenwaſſerſtoffgaſe und des in den äur
Bern Flammenmantel durch Diffufion eintretenden
Sauerjtoff3 ift die Intenſität der Leuchtkraft der
5. bevingt. Fehlt es an Sauerftoff oder ift die Ent:
widlung der Kohlenwaſſerſtoffe im Innern der F.
fo lebhaft, daß den Koblenftoffteilhen im Flammen:
mantelnicht aenugSauerftoff zugeführt werden fann,
um eine volljtändige Verbrennung zu ermögliden,
fo wird die F. nicht allein wenig Licht geben, ſondern
e3 werden unverbrannte Kohlenſtoffteilchen aus der
F. unter Verbreitung von Ruf entweichen. Wird
aber einer jolhen rußenden F. mehr Sauerftoff
sugeführt, fo Frennt fie dann unter Verbreitung
Flammen — Ylammenjhugmittel
eines weißen ftrablenden Lichtes. Sol eine ru—
ßende F. bildet das Petroleum beim Entzünden
ter Lampe, das Ruben verschwindet in dem Augen:
blid, wo durch das Aufſehen des Cylinders ein
träjtiger au rings um die F. — * und mehr
Sauerſtoff an den Flammenmantel gelangt.
Eine weitere Urſache der Rußbildung wird durch
jete Ablühlung der F. gegeben. Bringt man in eine
bellleuchtende F. einen lalten Gegenftand von gutem
Märmeleitungsvermögen, jo wird dadurch der F. jo
viel Wärme entzogen, dab der Koblenftoff nur noch
teilmeife zum ſchwachen Glüben lommt, ——
unverbrannt aus der F. entweicht. Eine ſolche Ab⸗
tüblung der F. erfolgt 3. B. in unſern Feuerungen
beim Aufihütten von friſchem Brennmaterial.
Da das Leuchten der F. dur den glühenden
Kohlenſtoff bedingt ift, jo werden folde brennbare
Gaſe, die keinen Koblenftoff abſcheiden Lönnen,
aud feine leuchtende F. geben. Entzündet man
j. B. Kohlenoxydgas oder Waflerftoff, jo_brennen
ſie mit faum wahrnehmbarer bläuliher F. Diefe
nicht leuchtende F. wird aber fofort leuchtend, wenn
fefte, nicht ſhmelzende Subjtanzen, 3. B. Kalt bei
Knallgasflamme, in ihr zum Glüben erhigt oder ibr
toblenftoffreibe Dämpfe zugemiiht werden. So
liefert Waſſerſtoffgas eine ha von hoher Leuchtkraft,
wenn es durch ein Gefäß geleitet wird, das Benzol
enthält. Wenn andererjeits ein mit leuchtender F.
brennendes Gas, wie 3. B. Leuchtgas, vor feiner
Gntzündung mit Luft gemiſcht wird, wie dies im
Bunjenbrenner erfolgt, ſo ift die Leuchtkraft vernich:
tet, die F. erſcheint ähnlich wie eine Wafjerftoff:
ilnmme, entwidelt aber eine größere Menge von
Wärme als ohne die Luftzufubr. Das Nichtleuchten
der F. ift bier bedingt durch die fofortine Oxydation
des Koblenftoffs, dem durd bie räumlihe Annäbe
rung der Sauerftoffmolelüle nicht Zeit gelaffen wird,
in glübendem Zuftande in der F. zu ſchweben.
Flammen oder Slammieren, gemwebten
Sun ein geflammtes Mufter geben, f. binierte
Stoffe; aud eine Art der Garnfärberei, bei der die
Garnjtränge mit Knoten verfehen und fo ausgefärbt
werben, wodurch bie das — des Knotens den⸗
den Teile ungefärbt bleiben.
Flammenblume le L.), Pflanzengattung
aus der Familie der Bolemoniaceen (f.d.). Es find
egen 30, in Nordamerila und Dftafien einheimische
Arten befannt, der, — nad harte und ein⸗
jährige Stauden mit regelmäßigen weißen, rojen:
roten oder purpurnen, oft in Riſpen oder bolven:
förmigen Trugdolden gefammelten Blumen. Meb:
rere der hierher gebörigen Arten wurden ſchon jeit
Mitte des 18. Jahrh. in die europ. Gärten ei
und find beliebte Ziergewächſe. Durch langiährige
Kultur haben fie an Schönbeit gewonnen und viele
Yarbenvarietäten und Blendlinge erzeugt.
Die bedeutendern unter den ausdauernden F.
find Phlox maculata L., paniculata L. und acu-
minata Pursh., welde aber durd die aus ihnen
entftandenenzablreihen Blendlinge (Phloxhybrida)
faft aus den Gärten verdrängt worden find. Le:
tere bilden mit ihren mehr oder —* ahlreichen
und veräſtelten Stengeln laubreiche hide von ver:
ſchiedener Höhe (40 cm bis 1 m) mit mehr oder
weniger großen und dichten Blütenrifpen, melde
bei manden Sorten {bon Ende yuni, bei andern
erft im September, bei den meijten im Juli und
Auguft eribeinen. Die Blumen find bald wohl:
riehend, bald geruchlos und in die Ihönften Farben
165
gekleidet, welche durch Roſa, Lila und Violett die
ganze Farbenjlala vom reinften Weiß bis zum
dunlelſten Rot und Burpur durchlaufen; au Fb
fie häufig durch ein bellered oder dunkleres Auge
oder einen Stern in der Mitte oder dur Streifen
verziert. Die wertvolliten Spielarten verdankt man
franz. Blumenzüdtern. Sie eignen ſich alle zur Be:
Manzung von Rabatten und Gebüjhrändern und
ieben büngerreihen feuchten Boden. Andere bilden
dicht über dem Boden einen Laubteppich, der fich
bald im bin bald im Sommer mit rojen: oder
purpurroten, oft gejternten Blumen bebedt, wie
Phlox verna Sw., subulata L., setacca L. u.a.
Aus diefen Arten laff en ſich reizende Blumenteppiche
bilden, weshalb ſie auch mel zur Bepflanzung von
Teppichbeeten oder zu Einfaljungen benußt werben.
Die einjährige Phlox Drummondi Hook. ift eine
teifhaarige Pflanze mit gabelteiligen, 30—50 cm
oben ag 3 und länglichen oder lanzettförmigen
lättern, Die Blumen find größer als bei den
übrigen Arten diefer Gattung und find auf adjel:
ftändigen Stielen zu Heinen Doldentrauben ge:
nähert. Ihre Färbung ift weiß, roſa, karmelın,
urpur oder violett; hierzu fommen noch bald bel:
ere, bald dunllere Augen, Sterne, Streifen oder
Marmorfleden. Schr ſchön find vor allen andern
die Farbenvarietäten der großblumigen Form (var.
andiflora), Die einjährigen F. werden im März
in das MWarmbeet, die ausdauernden unmittelbar
nad der Samenreife gefät, lebtere aber auch durch
Stodteilung oder Wurzelfhöplinge im Frühjahr
vermebrt. Zur Verjüngung ber Stöde und zur
Erzielung eines beſſern Blütenflors jollte man die
Bilanzen mindeſtens alle prei Jahre zerteilen.
— — I ogenliht (Bo. 17).
lammendes Herz, P anzenart, ſ. Dielytra
und Tafel: Rhöadinen, Fig. 4.
Ylammenfeuer, eine Öruppe der Feuerwerks-
förper (j.d.), die mit —— Lichte abbrennen; da⸗
bin gehören dad Bengaliſche Feuer (. d.), das
— lammenfäße hervorgebracht wird, Lichter
oder Lanzen, welche Lichterſäßze, und Körner
oder Sterne ſowie Leuchtlugeln, welche Leucht—
tugelfag enthalten. Die bengaliſchen Flammen dienen
zur Beleuchtung von lebenden Gruppen, plaſtiſchen
und architeltoniſchen Gebilden und von landſchaft⸗
lihen Bartien; jie bringen die verſchiedenſten ar:
ng hervor, DieLichter dienen zur Darjtellung
von Namendzügen, Bildern architeltoniſcher Gegen:
ftände und andern Delorationen. Die Flamme
brennt rund und voll, aber rein und rubig ab.
Sterne und Leuchtlugeln unterfheiden ſich durch
Größe und aud Do Form. Gemwöhnlid find
beide tugeliörmig, Leuchtlugeln aud cylindriſch und
nrößer alö die Sterne. Beide fommen namentlich
in zuſammengeſehten Feuerwerlälörpern vor.
Slammenmergel, ein bellgrauer, von dunteln
Flammen und Streifen durchzogener Mergel, der der
untern Kreideformation und zwar der Abteilun
des Gault angebört und namentlich im nordweitl.
Deutichland verbreitet iſt.
lammenruß, ſ. Buchdrudfarbe und Ruß.
fammenfchugmittel, Subitanzen, die das
Auflodern von Flammen bei der Entzündung von
verbrennlihen Gegenjtänden, wie Gardinen, Tüll⸗
ewebe, leichte Kleiderſtoffe, Theatervelorationen,
chnure u. dgl., verhindern und damit einem Um:
fihgreifen des Feuers vorbeugen ſollen. Als 3.
für alle Arten von Geweben, die nicht gebügelt zu
766
werben brauchen, empfieblt fih ein Eintauchen der
trodnen Stoffe in eine pm Dal Waſſerglas oder
Ammoniumfulfat; * dem —5* und Trod⸗
nen find fie wirkſam geſchützt. Für Kleiderſtoffe, die
—— werden müſſen, iſt das von Versmann &
ppenheim eingeführte wolframſaure Natrium in
20progentiger Loſung, das in England unter dem
Namen Ladies’ Life-Preserver («Damenlebenerbal:
ter») befannt ift, zu empfehlen. Nach Batera werben
4 Teile Borar und 8 Teile Bitterjalz in 20—30
Zeilen Waſſer gelöft, in diefe Löjung werden die
trodnen Stoffe eingetaucht, ausgerungen, ——
net und gebügelt. — Pal. Versmann und Oppen⸗
beim, On rendering fabrics noninflammable (Yond.
1859); dief., Description of the Ladies’ Life-Pre-
server (ebd.); PBatera, liber F. (Wien 1871); Andes,
uerficher:, Geruchlo3: und Waſſerdichtmachen aller
aterialien (ebd. 1896).
lammenfchiwert, |. lamberg.
lammenftil, f. Flamboyant.
lammöri (vom engl. flummery, d. b. Hafer:
meblbrei), kalte füße Speije, die aus Stärfemehl,
Gries, Grüße oder Sago bereitet, mit Mil, Rahm
ober Fruc äften ſowie Gewürz gelobt und dann
mit Gelatine zum —— gebracht wird.
lammieren, ſ. Flammen.
lammkohlen, ſ. Steintoble,
Flammofen, im —— jede Dfenanlage,
bei der die zu erbikende Mafje unmittelbar mit der
lamme des Brennmaterials, nicht aber mit diefem
elbft in Berührung fommt. Als Beiipiele feien er-
wähnt der Giehereiflammofen (f. d.) und der Bub:
delofen (j. Gifenerzeugung nebft Taf. I, 50: 5 u. 6).
lammofenflußftabl, ſ. Eiſen (Techniſches).
lammrohr, Flammrohrkeſſel, ſ. Dampf:
tefiel.
Hammüla (lat.), die in der Haiferzeit bei eini:
gen röm. Neiterregimentern übliche sahne, von
gelber Farbe und in flammenartig gezadte Spitzen
auslaufend. Auf dem Triumpbbogen des Septi:
mius Severus ift eine %. abgebildet.
Flamſteed (ipr. flämmiti % Sohn, engl. Nitro:
nem, geb. 19. Aug. 1646 zu Derby, widmete fi
pen früb der Aitronomie, wurde in London mit
lewton und Halley näher befannt und 1676 eriter
Aitronom der von ihm errichteten königl. Stern:
warte zu Greenwich. Er jtarb 31. Dez. 1719. Die
Ergebniffe feiner vieljährigen Beobachtungen machte
er u.d.T. «Historia coelestis Britannica» (2 Bde.,
Lond. 1712) befannt, die nad feinem Tode Halle
in vervolllommneter Geſtalt (3 Bde., ebd. 1725
berauägab. Hierin ijt auch F.s Katalog von
3000 Firfternen enthalten, der erite große moderne
Eternlatalog. Nad feinem Tode erfhien aud fein
«Atlas coelestis» mit 25 großen Karten (Yon.
1729), ſpäter mit 28 Karten und noch prächtiger
ausgejtattet (ebd. 1753). ine fleinere Ausgabe
desjelben beforgte Fortin (Bar. 1776). — Bol. Baily,
Account of F. (Lond. 1835; Supplement 1837).
Flandern (vläm.Vlaenderen), niederländ. Land:
daft, gebört jebt teils zu Belgien (ſ. Ditflandern und
Meftflandern), teils zu Holland (der jüdl. Teil der
Provinz Seeland),teils zu Frankreich (die weitl.Hälfte
des Depart. Nord ſowie das Depart. Bas:de:Calais).
Cäfar fand bierald Hauptbewohner die belg. Mo:
riner an der Weſtküſte, neben denen im Norden und
Dften die german. Menapier, im Südoften die
Airebaten, ein Aderbau und Gewerbe treibender
beig. Stamm, faßen, nad deren Beſiegung das
Flammenſchwert — Flandern (Landichaft)
Sand zu der röm. Provinz Belgica secunda ge
chlagen wurbe. der Folge wurden in diefen
anden viele ſächſ. Koloniſten angefiedelt, nad
denen ein faroling. Pagus um Brügge Flanderland
genannt worden En oll, was Fremde
deutet habe. Der Name wird 678 zuerft
Im 9. Jahrh. wurde in diefen Gegenden zur
teidigung des Landes gegen die Normannen bie
Bertatefigall F. gegründet. Erſter Markgraf
war Balduin der iferne (Bras de fer, geft.878), ver:
mäblt mit Judith, Tochter Kaiſer Karla des Kahlen
und Witwe des Angelſachſenlonigs Etbelwolf, und
864 von feinem Schwiegervater mit F. erblich be
lehnt. Nad einem Kriege mit Kaifer Heinrih IL
erbielt Balduin IV. oder der Bärtige 1007 von die:
je mebrere an feine Grafſchaft — *
änder, beſonders Gent und die ſeeländ.
eg beiden Scheldearmen; leßtere mußten aber
ald den Grafen von Holland überlafjen werben,
die fie nun mit F. gemeinfam als A be
aßen. Seitdem war ber flandr. Gra der
arlgrafentitel fam bald ab) ſowohl mann
des Königs von Frankreih für das fog. Aron-
flandern, wie des Kaiſers für das fog. Reichs—
flandern. Balduins Sohn, Balduin V.(1036—67),
mußte nad neuen Kämpfen mit dem Kaifer fi in
feinen deutichen Befiktümern zu behaupten und biefe
noch zu erweitern. Sein Sohn Balduin VI. (1067
— 71) vereinigte durch feine Heirat mit Reich
der Erbin vom Hennegau, beide Grafſchaften. ad
der Schladht bei Caſſel 1071 aber, worin Robert der
griee, Bruder Balduins VI., über deflen Witwe
Reichhilde fiegte, erbielt Robert F., während Bal-
duin, der Sohn Reichhildes und Balduins VI.,
W mit —— begnügen mußte. Auf Robert
olgte Robert IL., auf diefen 1112 Balduin (ge
nannt mit dem Beil, wegen feiner SERIE
die Spree Nab deilen finderlofem
Tode 1119 folgte ein Sohn der Schweiter RobertöTl.,
der dän. Prinz Karl der Gute, der jedoch ſchon
1127 ermordet wurde. Auf diejen teigte wieder nad
einer fürzern Zmwifchenregierung Wilhelm Eliton®
von der Normandie ein anderer Schweiterfohn Ro-
bert3 II., Dietrih von Eljaß. Deſſen Sohn und
Nachfolger Philipp veranlaßte die Bildung einer
befondern Grafſchaft Artois, indem er bei der Hei:
rat feiner Vichte Iſabella mit dem Könige von
Franlreich, Philipp a diejer ala ah den
fol. Teil feiner Grafſchaft jchenkte. Nah Philipp
olgte 1191 feine Schmweiter Margarete uns ih
Gemabl Balduin VIIL, Graf von Hennegau, ⸗
lomme Balduins VI. von Flandern und Hennegau,
wodurch diefe Grafſchaften wieder vereinigt w
br Sohn Balduin IX., der Stifter des Tat.
Kaiſerreichs zu Konftantinopel, hinterließ 1206 zwei
Erbtödter, von denen die eine, Johanna, bis 1244
regierte und finderlos blieb (ihr Gemahl inand
von Portugal wurde in der Schlacht bei Bounines
1214 gefangen genommen), die andere aber, Mar:
garete, zubenannt die Schwarze, 1279 Hennegau
an ihren Entel erfter Ehe, Johann II. von Avesnes,
und F. an einen Sohn zweiter Ehe, Gui de Dam
pierre (geft. 1305), auch Graf von Namur, vererbte.
Der Urentel des legtern, Ludwig I. von Nevers,
war vermäblt mit der Tochter des franz. Könige
Philipp V., Margareta, Gräfin von Artois, was
die Wiedervereinigung dieſes Landes mit 5. zur
Folge hatte, do mußte Ludwig beim Vertrage
von Paris 1323 dem bolländ. Grafen die mittlern
Flandern (Graf von) — TFlanell
jeln von Seeland abtreten. Ludwig geriet in
eftige Kämpfe mit der Genter — aft unter
alob von Artevelve (ſ. d.), beteiligte ſich an dem
iege von — gegen England und fiel 1346
in der Schlacht bei Crech. Sein Sohn Ludwig II.
von Male hatte den Aufitand der vläm. Städte
unter Bhilipp von Artevelde zu unterbrüden. Durch
Margaretes, der Erbtochter diefes lekten Grafen
von F., Vermählung mit Philipp dem Kübnen von
Burgund kam 1 . und Artois an das Haus
Burgund und von diefem durch die Heirat Marias
mit Marimilian 1477 an die Habäburger. YBur:
under und Habsburger erweiterten ihre Befikungen
in den Niederlanden, jo daß ſchließlich Karl V. alle
17 nieberländ. Provinzen 1548 zu einem fog.
burgund. Kreis vereinigen konnte, nachdem ſchon
1526 im Frieden von Madrid die Oberlehnsherr⸗
lichkeit —— über Kronflandern und Artois
aufgehoben worden war. Im Weſtfäliſchen Frieden
mußte den Generalſtaaten der nörbdl. Zeil F.s ab:
getreten werden. Im Pyrendifchen Frieden 1659
verlor der damalige Befiger von Belgien, der König
von Spanien, ganz Artois an Frankreich, in den
ieden von Aachen (1668), Nimmwegen (1678) und
trecht (1713) noch bedeutende Streden von F.
Seit 1794 war F. glei den übrigen belg. Pro:
vinzen der franz. Republik und —— dem Kaiſer⸗
ber einverleibt und bildete die Depart. Lys (Bro:
vinz Weftflandern) und Scelde (Provinz Dft-
flandern); der Wiener Kongreß aber teilte diefe
Stüde dem neuen Königreich der Niederlande ji
mit welchem fie bis zur Konftituierung des König:
reichs Belgien vereinigt blieben.
Litteratur. Van Praet, Histoire de la Flandre,
depuis Gui de Dampierre jusqu’aux ducs de
Bourgogne (2 Bde., Brüf. 1828); deri., Del’origine
des communes flamandes (Gent 1829); Le Glay,
Histoire des comtes de Flandre jusqu’& l’av&ne-
ment de la maison de Bourgogne (2 Bde., Par.
1843—44); Kervyn van Lettenbove, Histoire de
Flandre (5. Aufl., 4 Bde., Brügge 1898); derf., La
Flandre pendant les trois derniers siöcles (ebd.
1875); derf., Histoire et chroniques des Flandres
Q Bde., Bruſſ. 1879—80); Warnlönig, Ylandr.
taat3= und —— — bis 1305 (3 Bde.,
Tub. 1835—39; franzoſiſch von Gheldolf, 5 Bde.,
Bruſſ. 1835—64); Deprez, La libération de la
Flandre flamingante par Jacques van Artevelde
(ebd, 1898); Pirenne, Le soulövement de la Flandre
maritime de 1823—1328 (ebd. 1900). .
Flandern, Graf von, nah Verordnung Leo:
pold3 I. von Belgien vom 16. Dez. 1840 Titel des
weitgeborenen Sohnes des regierenden Königs.
Due t führte 8 Prinz Philipp (I. d.).
- Flandin (fpr. flangbäng), Eugene Napoleon,
anz. Maler und Archäolog, geb. 15. Aug. 1809 zu
leapel, wo fein Bater Militärintendant in Dienften
des Königs Murat war, bildete ſich durch Selbft-
ftubium und auf Reifen, die er bis nach Algier ſowie
1839 bis nad) Perfien ausdehnte. 1842 nad Paris
zurüdgelehrt, murden ſeine Arbeiten auf Bericht einer
Kommiſſion von der Regierung veröffentlicht. Bald
darauf jendete ihn die Akademie der Inſchriften
1843—45 mit dem Ronful Botta nah Ninive, um
bier die neu entvedten afiyr. Ruinen zu zeichnen
und die Ausgrabungen in großem Maßjtabe
fortzufegen. Die Ergebniffe feiner beiden großen
Reiſen findet man in den zwei Prachtwerken:
«Voyage en Perse» (2 Bve. Tert und 6 Bde. Atlas,
767
eg 1843—54, mit Rupfertafeln) und «Monument
e Ninive» (Tert von Botta, 5 Bde., cbd. 1846—50,
in ol, mit 400 Aupfertafeln). Er ſchrieb ferner
noch: «Etudes sur la sculpture perse» (3 Bde.,
Par. 1842) und «Etudes sur la Perse moderne»
(1842). Ein meiteres Pradhtwert: «L’Orient»
(3 Bde., Bar. 1853— 74), umfaßt Afien bis zum
Perſiſchen Meerbufen und enthält 150 vom Kunſtler
jeDR lithbograpbierte Blätter. Außerdem veröffent:
ichte er: «Histoire des Chevaliers de Rhodes »
(Tours 1864). F. ftarb 1876 in Tours.
Flandrin (fr. flangbräng), Hippolyte, franz.
Maler, geb. 23. März 1809 zu Lyon, genoß den erften
Unterricht in der Kunſtſchule feiner Baterftabt und
tam 1829 nach Paris, wo er bei Ingres ala Schüler
eintrat. Er gewann 1832 den erſten groken Preis
der Malerei und das damit verbundene Staa: 3ftipen:
dium für den —3 Studienaufenthalt in
Rom. Infolge ſeiner aus Rom eingeſandten Arbei—
ten wurde er, nach Paris — bald zu um⸗
faſſenden Arbeiten berufen. Im Auftrage des Pa—
riſer Stadtrats bejorgte er die Ausmalung des
Chors und Mittelfhiffs von St. Germain:ded:
Pres (1842) und des großen um das ag m
von St. Vincent:de:Baul eier reihe Frieſes
1853), wo er eine Art A — von 150
iguren darftellte, den der Künitler je bt litbogra:
phiert hat. Dieje Werte find das Bedeutendſte,
was die monumentale Malerei jener Zeit in per
reich hervorgebracht bat. Er delorierte ebenjo die
Kirchen zu St. Paul in Nimes, Ainay bei Lyon
und St. Severin in Paris. uberdem bat er vor:
zügliche Porträte angefertigt; Beifall fanden na-
mentlich das Mädchen mit der Nelte (1859) und die
Bildnifje Napoleons III., des Prinzen Napoleon,
des Barons Rothſchild. F. wurde 1853 Mitglieb
—— ſtarb auf der Reiſe zu Rom
21. März 1864. — Vgl. Lettres et pens6es d’Hippo-
Iyte F. (bg. von Delaborde, Bar. 1865); Jouin,
ippolyte F., les frises de Saint-Vincent de Paul
(ebd, 1873); dann die Biographien von Poncet
(ebd. 1864) und Montrond (Lille 1866).
Paul F., Bruder des vorigen, Landſchafts—
maler, geb. 8. Mai 1811 zu ®yon, bildete fi unter
der Leitung von Ingres. Zu den befanntern Ge:
mälden %.3 ee: Abſchied eines Verbannten,
Anſicht der Villa Borgheſe, Alpenanfidt, Sabiner:
ebirge (1852), Landſchaft in Languedoc (1866),
ala der Päpfte zu Avignon sro) Fichtenwald
in Bornic (1875), An den Ufern des Gardon (1877),
Landſchaft bei Sevres (1882), Thal im Depart. Ain
(1886), Fichtenwald bei Bouliguen (1890). Er ftarb
10. März 1902 in Paris,
—2 nfeln, |. Azoren.
andrifche Liebe, —— für Flatter⸗
haftigleit, Treuloſigleit in der Liebe, entſprechend
dem alten Sprichwort: «Ich bin von Flandern,
geb’ eine um die andern.»
Flanell (frz.), ein in der Kette oft aus fammmolle,
im Einſchlag ſtets aus Streichwolle beftebendes,
glattes oder gelöpertes, ſchwach gemalltes, auf der
rechten Seite einmal geraubtes und wenig oder gar
nicht geichertes Gewebe. Die F. mit fammmollener
Kette ſind am meiften geſchätzt, da fie weniger als
die ganz aus Streichgarn — beim Waſchen
eingehen. Statt des eigentlichen Kammgarns wird
zuweilen der Wohlfeilheit wegen zur Kette Baum-
wolle oder Halblammgarn (welch letzteres hinſicht
lich ſeiner Beichaffenbeit die Mitte zwiſchen Kamm:
168
und Streihgarn hält) verwendet. Mit Rüädficht
darauf, daß diefer Stoff hauptſächlich zu Unter:
Kleidern, die unmittelbar auf dem Leibe getragen
werben, benußt wird, fordert man von gutem %.
einen Grad der Weichheit, wie er nur durd die An:
fertigung aus feiner und ſehr gejhmeidiger Wolle
u erreichen ift. Deshalb und wegen ihrer fhönen
eiße find die englifhen F. beſonders ggeihäst.
Vom F. find der Molton (}. d.) und der Boi oder
Boy nur infofern verſchieden, als fie no ind.
Smanflin it ein feiner gelöperter englifcher F.
Flanieren (franz. fläner), müßig in den Straßen
umherſchlendern; Flaneur (fpr. nöhr), Bflafter:
treter, (eleganter) Bummler; Flanerie (ſpr.
flan'rih), das Umherſchlendern.
Flanke (franz. flanc), bei Tieren (beſonders beim
Verde) ſoviel wie Weihe, Dünnung; der Richtung
nad) die rechte oder linke Seite eines Gegenſtandes,
beſonders einer Truppenabteilung, nicht aber ein
Zeil der Abteilung felbit (j. dagegen Flügel). So
fann man jagen: eine Abteilung marſchiert nad
ihrer rechten F. ab, oder: eine Abteilung wird in
ihrer linten 3. bedroht. Bi
In der Befeſtigungskunſt find F. diejenigen
Linien einerzur Verteidigung eingerichteten Dedung,
die das unmittelbare Borgelände einer andern Ber:
teibigungslinie in deren Längenrichtung bejtreichen .
———— follen. Bei einzelnen jelbitändigen :
rien, wie Lünetten und Halbredouten, heißen
diejenigen beiden Linien F., die zur Beitreihung bes
feitlihen Geländes und zur Flankierung benadbar:
ter Merle und der dazwiſchen liegenden Zwiſchen—
räume bejtinnmt find. Bei Feitungsummallungen
dienen die F. hauptſächlich zur Längenbeſtreichung
der Gräben; fie fommen bier ald offene Wallflanten
oder ala — —— zur Ausführung.
Baftionierten Grundriß (j. d.) können die
Baſtionsflanken bei Bat norbnung der front
den Hauptgraben von der Mitte der Kurtine bis
ur
Spike des Nebenbaftions flankieren. Ursprünglich
zur Kurtine ſenkrecht geftellt (ital. Befeſtigungs—
manier), erbielten fie jpäter (Schule von Mezitres)
eine zuden Defenslinien ſenkrechte Lage, wodurch eine
beſſere Flankierung erreicht wurde. Um die 3. vor
enfilierendem Feuer zu fhüßen, verlegte man wohl.
(ital. Manier, Vaubans erite Manier, Coehoorns
Manier) den der Kurtine zunächſt gelegenen Teil der
5. in das Innere des Baſtions hinein Mana
gezogene Fh ſo daß es für den Angreifer ſchwierig
wurde, feine Artillerie in der Verlängerung diejes
Teiles aufzuſtellen. Der vordere Teil, deſſen Vor:
fpringen die beſſere Dedung der zurüdgezogenen
5. zum Zwed batte, hieß Bollwerlsohr oder
Drillon (f. Tertfigur 1 beim Artitel Franzöfifche
Bejeftigungsmanier). Dieſe Anordnung der F. ver:
engte jebod den innern Raum des Baitions, obne
—— wed ausreichend zu erfüllen; in ſpätern
Manieren fand fie keine Anwendung mehr. Um den
R% eine liberlegenbeit über die Konterbatterien des
Ungreifers zu verichaffen, legte man bisweilen nabe
vor der zurüdgezogenen %. noch eine niedrigere F.
an, wodurd fog. S todwerlflanten entitanden,
die ein zweietagiges Feuer abzugeben vermochten,
doch auch diefe Anordnung ergab vielerlei Nachteile,
Gine andere Anordnung, die die Verſtärkung [des
Flankenfeuers zum Zwed hatte, waren die Neben:
Hanten (. d.) oder Setondeilanten. Eine zwed:
mäßigere Veritärtung des Flantenfeuerd ergaben
die fajemattierten F., die ebenfalls die Aufitellung
Flanieren — Flaſchenbatterie
einer größern Geihüßzahl ermöglichten; nad Ein—
führung des indirekten Schufjes haben indeſſen audh
diefe Kafematten ihren Wert verloren, da jie durch
feindliche, in der Verlängerung des Hauptgrabens
aufgeitellte Batterien ſchon auf große Entfernungen
zeritört werden können.
Flantenbatterie, eine meift zur Beſtreichung
der Ravelins oder detadhierten Bajtiondgräben be—
ftimmte Batterie (f. d. und ——
lankenkaſematten, ſ. Baſtionierter Grundriß.
lankenmarſch, ſ. ariegomarſch.
lanfenftellung, ſ. ———
lantieren, ſ. Flanke und Flanqueure; flan—
fierendes Feuer, \ Unbejtridener Raum.
Flantonäde (frz.), in der Fechtkunſt, ſ. Quart⸗
revers.
Flanqueure (frz., ſpr. flangköhre), einzelne
Reiter, welche vor die Front von haltenden over
langfam fih bewegenden Kavallerieabteilungen vor:
gezogen find, um die Annäherung feindlicyer Reiter
und Batrouilien abzumehren. Ihre Thätigleit beißt
flantieren und it im deutfchen Reglement befeitigt.
Wlanfch oder Flanſche, der jheibenjörmige
Rand an Rohrenden, Eylindern (3. B. Dampf:
oder Gebläjecylindern) und ähnlichen Zeilen,
welder die Verbindung mit einem zweiten eben:
olhen Rohre, einem Dedel u. dgl. ermöglicht. Der
F. ift zu diefem Zwede mit Schraubenlödhern ver:
jeben, durd welche die zur Verbindung dienenden
Schraubenbolzen geitedt werden. Wo ein völlig
dichter Anſchluß erforderlich ift, pflegt man einen
Ring aus Dihtungsmaterial (ſ. —— zwiſchen
die F. zu legen und durch Anziehen der Schrauben
uſammenzupreſſen. Blindflanſch heißt bei Rohr:
eitungen ein F., der, für den ſpätern Anſchluß eines
Zweigrobres bejtimmt oder ald Reinigungsöffnung
dienend, mit einem Dedel verſchloſſen iſt.
Flarchheim, früher auch Fladenheim, Dorf
im Kreis Langenſalza des preuß. Reg.Bez. Erfurt,
ſüdlich von Müblbaufen in Thüringen, bat (1900)
624 evang. E. und tft belannt durd) den Sieg der auf⸗
—— Sadjen unter Otto von Nordheim und
Rudolf von Schwaben über Kaiſer Heinrich IV.,
27. yon 1080. —
3 arben, Kuemn Meerwajler, ſ. Treibeis.
laſche als Hohlglas, ſ. Glas nebſt Taf. IL,
Bi .Lu. 4 — Im Majhinenbau iſt 5. eine
ei Flaſchenzügen (f. d.) vorlommende BVereinis
ung mehrerer Rollen in einem Ge
äuje,. weldes entweder fejt ange:
Kine! wird (feſte F., |. beiftebende
igur) oder von dem um bie Rollen
Sekhlungenen Seile getragen wird
und an einem Halen die Yaft auf:
nimmt (loſe F.). Die Achfen der Rol⸗
len einer F. wurden früber im Ge:
bäufe meift übereinander angeordnet
und die Rollen dann verſchieden groß
gemacht; jest werden die Rollen nebeneinander auf
derjelben Achſe und in gleicher Größe angebradt,
wobei die 5. Heiner werben und ein größerer Hub
33 ſich erreichen läßt.
laſche, Leidener, ſ. Leidener Flaſche.
laſchenbatterie, eleltriſche, eine Vereini⸗
gung von mehrern Leidener Fiaſchen (f. d.) in
der Weije, daß alle innern (3. B. pofitiven) Be
legungen miteinander und ebenfo alle äußern k B.
negativen) —*6— miteinander verbunden ſind.
Die Hapacität (ſ. Elektriſche Kapacität) derſelben
Tlafchenbäume
entipridht der Summe der einzelnen Flafchentapaci-
tiiten. und fann leicht *,—1 km erreihen. Wenn
es daraufantommt, große Eleltricitätämengen (f. d.)
* Fig 1. auf einmal zu
entladen, ge
währen bie F.
bedeutende
Vorteile, Bat:
terien aus
ons en
feln (j. Leis
denerFlaſche),
auch aus
Glimmerblät⸗
tern, werden
ebenfalls ver⸗
wendet, A? B.
bei der Rheo⸗
tatiſchen Na:
chine (f. d.).
Außer dieſer Berbindung wurde auch noch die
ee äule — welche nach dem
nder auch Franklinſche Batterie enannt
wird. Bei derjelben wird nur die erite Flaſche uns
mittelbar geladen, während die folgenden Flaſchen
ch durch Influenz laden. Für diefelbe Energie
at man zur Ladung diefer Batterie nur die Eleltri:
citätämenge für eine Flaſche zu entwideln, da aber
das Potential proportional der Flaſchenzahl höher
i wird an Arbeit nicht? erfpart. Dieje Batterie
Big. 2.
ift wegen der großen Berlujte infolge der hoben
otentiale ſchwer zu laden. Es iſt deshalb nad
ad zwedmäßig, die Batterie in der Verbindun
dig. 1 zu laden und zum Zwede der Entladung dur
einen Umſchalter raſch die Verbindung Fig. 2 ber:
zuftellen. Man kann fi vorftellen, daß bei der
ten Verbindung alle Funken der einzelnen Flaſche
nebeneinander, bei der zweiten alle Funlen binter:
einander geichaltet find. Deshalb find auch im erjten
Fall die unten furz und ſehr gefättigt, im zweiten
‚all jebr lang und weniger gefättigt. (S. Galvanifche
Batterie und Galvanismus.)
lafchenbäume, Baumgattung, ſ. Anona.
ee !. OR EEE
lafchenbirnen, {, Birne, lement.
lafchenelement, Grenet3, ſ. Galvaniſches
taf — f. Glas.
9 enfindezettel, ſ. Flaſchenpoſt.
lafchenfüllmafchine, |. Schantgeräte.
* englas, ſ. Glas.
laſchenigel, eine gedrehte Bürfte (f. d.).
laſchenkarten, ſ. Flaſchenpoſt.
laſchenkorkmaſchine, |. chankgeräte.
laſchenkürbis, ſ. Kürbis.
MET eine billige Sorte Siegellad.
lafchenlampe, ſ. Öllampen.
aſchenpoſt, Betörderung von Nachrichten, bes
fonders bei Unglüdsfällen, in einer wafjerdicht ver⸗
ſchloſſenen Flaſche, die man dem Meere anvertraut.
Nah völterrehtlihem Brauch werben derartige F.
bei der Auffindung an die Ortsobrigleit abgeliefert
und von diejer dem Konſul der betreffenden Nation
jur Weiterbeförderung übergeben. Namentlich in
arttiihen Gegenden ijt die F. mit Erfolg zur fiber:
bringung von Nadhrichten über Polarerpeditionen
verwendet worden. — Auch werben 5. zur Mefjung
rer Geſchwindigleit, Tiefe und der Richtung ber
Neeresitrömungen verwandt. Die Schiffe werfen | flafhenzug mit nebeneinander lie
in See von Zeit zu Zeit gut verkorkte Flafchen
Vrochaus' Konverfationd-Leriton.. 14. Aufl RM. VL
— Flafchenzug 769
über Bord, in welde ein Flaſchenfindezettel
eingeſchloſſen iſt. Diejer enthält die genaue Zeit
und geogr. Lage des Ortes, an welchem er dem Meere
übergeben, und die Aufforderung in mehrern Spra⸗
hen an den finder, feinerfeitö Zeit und des
ndort3 darauf zu vermerfen und alddann den
ettel an das Hydrographiſche Amt feines Landes
— In fog. Flaſchenkarten werden bie
Ergebnifje dieſer g eingetragen. Beiſpielsweiſe
mwurbe eine von der He ri Brigg Marco Bo
23. Aug. 1873, 8 Uhr vormittags, auf 48° 36’ nörbl,
Br. und 6° 56’ meftl. 2, über Bord gemorfene 5
26. Dit. 1873, 4 Uhr nahmittags, bei Dudeſchild
auf Texel (Holland) 58° 3’ nördl. Br., 4° 11° öftl. 2.
angejhwemmt; fie hatte demnach 530 Seemeilen,
aljo täglich 8,3 Seemeilen, zurüdgelegt. Die Ers
gebnifje der F. werden alljährlich im «Nautical Ma-
gazine» (London, jeit 1840), den «Annalen der Hydro⸗
grapbie» (Berlin, feit 1873) u. ſ. w. veröffentlicht.
Flafchenreinigungdmafchiue, Kir) eus
verforfungsmaichine, Flaſchenverſchluß, f.
Schantgeräte.
Flafchenzug, ein zur Ausübung von Zugkräf⸗
ten, bejonder3 zur Hebung von Laſten dienender
parat, welcher aus einer feiten und einer lofen Flaſche
(ſ. d.) oder Rolle (Rollenzug) beſteht, die unter
einander durch Seile oder Ketten verbunden find.
Bei der gewöhnlihen Anordnung der F. enthalten
die Flaſchen eine oder mehrere glei aroße Rollen
nebeneinander auf einer gemeinſchaftlichen Achſe
[oje drehbar; bei größern Laſten erhält jede Flafche
wei übereinander liegende Achſen, deren zugebörige
Rollen, um ein Zujammentreffen des bie beiden
lajchen verbindenden Organs zu vermeiden, ver⸗
hiedene Größe haben. Man unterjheidet Seil
und Kettenflaſchen zuge. Beiden erftern tommen
Hanfjeile oder Drabtfeile für Laften bis zu 30000 kg
zur Verwendung; lebtere find für Laften bis zu
130000 kg ausgeführt. Ketten wirken im ‚gansen
vorteilhafter als Seile, und zwar ift der Wirkungs⸗
grad derjelben nicht abhängig von der fettenjtärte,
während bei Anwendung von Seilen mit Junabme
der Seilvide der Wirkungsgrad verringert wird,
wie auch eine Vermehrung der Rollenzabl ungünftis
gen Einfluß auf denjelben hat. Wenn die Rollen,
wie died in den nachftebenden Fig. 1 u. 2 ver
anſchaulicht ift, untereinander
angeordnet find, nennt man
die Apparate auch wohl Rols
lenzüge; doc find diefe in
der gezeichneten Meife, mit
Nollen von verſchiedener
Größe, wegen des unvermeids
lihen Gleitens auf dem Ums
fang der Heinften Rollen und :'
wegen ihrer bedeutenden Baus.
länge nur von geringem prak⸗
tiſchem Wert.
Bei dem in Fig. 1 gezeich
neten F. ift das Seil mit der
feiten Flaſche a verbunden,
und es enthält in viefem Fall
die lofe Flaſche b die gleiche ,
Anzahl Rollen. Diefelben Bezeichnungen gelten auch
für den in Fig. 2 abgebildeten F.; nur hat bier, da
das Seil an der beweglichen Flaſche befeitigt ift, Die
legtere eine Rolle weniger. Fig.3 ftellt einen Seil»
enden, gleich
aſchen des»
großen und lojen Rollen dar. Die
49
70
Flafchenzugarmbruft — Flaſſan
felben erhalten ji eine bis drei, jelten mehr Rollen. | nurbeim Rüdlauf wirkende Laſtdrudbremſe bewirkt.
©. Flaſche nebit Abbildung.)
enn das Seil, wie | Durch Anwendung der Schraube ohne Ende uns
Fig. 3, an der untern lojen Flaſche b befeftigt ift, | eined Schraubenrades mit ftarker Steigung läßt
die ober aſche a eine Rolle weniger. bei diefem F. ein hoher Wirkungsg
* Kr. —83* ig. 4 zeigt er Die ———
achſtehende
1861 von ton undenen
und von Ranſome zuecſt ausge:
brten ——— enzug
jog. Differentialflaſchen—
ine), bei dem ber Vorteil einer
edeutenden überſetzung erreicht
wird, ohne daß er den Nachteil
einer zu großen Reibung befist.
Diefer Differentialflafhenzug be
tebt, wie erfichtlich, aus zwei Fla⸗
ben. Die eine c iſt beweglich
und enthält nur eine loſe Ketten⸗
rolle, die zur Aufnabme und ri:
+ tigen rung der Laſtkette mit
%“ einer ringsberum laufenden Nut
ii. verjeben ift; die zweite,
..-.
|
eite, Flaſche enthält zwei ver:
chieden große, aus einem Stüd
ergeitellte Kettenrollen a und b,
deren Durchmeſſer etwa im Ver:
eg von 11:10 ſtehen. Dieje Doppelrolle ſitzt
ofe auf der Achſe. An ihrem Umfang find die
Rollen mit Spuren verjehen, melde der Form der
Rettengliever derart angepaßt find, daß die legtern
in den Spuren gleihfam gebettet erſcheinen und ein
leiten derjelben auf dem Rollenumfang unmöglich
i gemacht iſt. Diefetteift
endlos und es werden
die von der Rolle in der
beweglichen Flaſche ab⸗
laufenden Stränge je
—— ee der
eiten Flaſche egt,
% daß eine —* Ket⸗
tenſchlinge entſteht,
von welcher der eine
oder andere Strang
—* Hebung oder Sen⸗
ng der Laſt gezogen
werden muß.
Die Weſtonſchen
Differentialflaſchen⸗
züge werden in ihrer
Driginalausführung
zur Hebung von Laſten
von 250 bis 3000 kg
benugt. Für die Förde:
rung von Laſten von
über 2000 kg werden
diejelben auch mit
einem bejondern Zieh:
rad ausgeitattet, mo:
durch eine bedeutend größere liberjegung erreicht
wird. Dies ift aber nur auf Koften großer Effett-
verlufte möglich. j
Außer diefem Differentialflafbenzug finden in
der Technik noch ähnliche Ronitruftionen Verwen—
dung, bei denen die Laſt infolge der ſchädlichen
Widerftände der Maſchine in jeder Höhe hängen
—— ehemmt wird und ſomit ihrem Hinab⸗
inten beim Loslaſſen des Zugſeils vorgebeugt wird.
Bei dem DOESnBENeIGENINE wird die
Selbſthemmung nicht durch die eigenen Bewegungs⸗
widerftände des Triebwertes, jondern durch eine
Fig. 4.
en
der in geſtell
Schraubenflaſchenzug von. ge * Bei
5%
De 2
|
Mile Safttrus
en iſt die »
bremje in Geftalt eines
N Ay
Kuppeljapfend angeord⸗
— 45—
Bi.
——
net, der wãhrend des He
bens der Laſt ald gewöbn-
liber Stüßzjapfen, wäb
rend bes Senlens dagegen
ald Bremäzapfen wirll
Das Triebmwert *
aus einer dop gigen
Schraube a mit Ziehradeb
und aus .. u
rade c mit Kettennuß
Der Rupneljapfen e bi
pilsförmi e Öetalt; er
det die m Verlängerung
der Schraubenmwelle, melde
mit ihrem Endzapfen in dem hohlen Stiel be
— centriert iſt und ſich in der loniſch vertieften
— enger een = en
as geſchloſſene Ende des Kuppeljapfenitiels
auf Bir rudihraube. Da das Moment ber
Kegelreibung größer ijt als die Wei i
tände der Heinen Endſtützfläche, kuppelt ſich beim
aftaufwinden der loje Zapfen durd mit
der Schraubenwelle, und diefelbe rotiert mit nicht
ig. 5.
mebr Reibungswiderftand, ald wenn fie direlt auf
der Stüsfläde lief. Um für den die
Bremswirkung der Kegelflachen zur Geltung zu
—— iſt der cylindrifhe Umfang der
ſcheibe als Sperrrad f verzabnt und durd den
griff einer Sperrllinfe an der Rüdwärts
ebindert. Die Bremswirkung der fe
Pindert dann den Rüdlauf des ganzen
Andere Schraubenflafhenzüge zeigen nur neben
ti Abweihungen von der Bederichen Kon:
7
9
truktion (1880); bei einigen, z. B. dem der Gebruder
olzani in Berlin, ift auf möglichjte Gleichartigleit
der en nad —— Gebrauch, ſowie
auf gute mierung Wert gelegt.
lafchenzu armbruft, ——
laſchuer, ſoviel wie Klempner.
laſergabbro, Geſtein, ſ. Gabbro.
laſern, Tapeten (ſ. d.).
laffan (ipr. -äng), Gaetan
) Gra
franz. Diplomat und Geidictichreiber, Ns
geb. 1760
Flatey — Flaubert
herr im Depart. Bauclufe, trat 1787 in die
iegsſchule, wurde jpäter Abteilungächef im Mi:
nijterium der auswärtigen Angelegenheiten, ging
aber während der Revolution zur Armee des Prin-
zen von Gonde nad Koblenz. Nach dem 18. Bru—
maire (9. Nov. 1799) kehrte er nach Frankreich zus
rüd und wurde Lehrer an der Kavalleriefchule in
St. Germain:en:Laye, dann Hiftoriograph des Aus:
waͤrtigen Amtes und 1814 der franz. Geſandtſchaft
zum Wiener Kon ” beigegeben. Er jtarb 20. März
1845 zu Paris, F chrieb im Auftrag Napoleons 1.
eine «Histoire generale et raisonn6e de la diplo-
matie frangaise jusqu’au 10 aoüt 1792» (6 Bde.,
1808; 7 Bde., 1811) und die oberflächliche «Histoire
du congr&s de Vienne» (3 Bbe., 1829; deutfch von
Hermann, 2 Bode., Lpz. 1830).
Flatey, Heine Inſel an der Nordweſtküſte Is—
lands in dem Breidifjord, umgeben von einem Heer
anderer Inſelchen und mit dem beſten Hafen. Von
hier, und nicht von der gleichnamigen Inſel der
Nordkuſte, find die normann. Entdeder Grönlands
und des nordamerik. Feſtlandes, Erich der Rote und
ein Sohn Leif, ausgegangen und hat die Beſiede⸗
ung Grönlands jtattgefunden. 17. Jahrh.
taufte der berühmte Biſchof Bronjalfur Sveinsſon
in 5 das noch einen Heinen Ort mit etwa 150 Be:
mwohnern trägt, von einem Bauer für König Fried:
rich III. von Dänemark die große Sammlung von
Sagas, dad Flateyjahrbuc (Codex flateyensis),
wie rg eitdem in deutſcher liberfegung beißt.
Dasjelbe giebt und fihere Nachrichten über jene
normann.
nternehmungen. — Vgl. Bigfüffon und
Unger,
— en ſamling af norſta Konge⸗
Sagaer jamt Annaler (3 Bde., Kriſt. 1868).
diatde, Theod., Hijtorifer, geb. 1. Juni 1827
in Zanneberg bei Nofjen, ftudierte in Leipzig, wurde
1850 Lehrer am Gymnafium zu Blauen, 1866
Profeſſor an der Fürftenfchule zu Meiken. 1895
trat er in den Ruheſtand; er ftarb 26. März 1900
in Loſchwitz. Seine litterar. Thätigkeit war vor:
ugsweiſe auf die ſächſ. Specialgeſchichte gerichtet.
ußer verjhiedenen Monographien in von Webers
«Archiv für ſachſ. Gedichte» erfchienen von ihm
bie Neubearbeitung und Fortjeßung von E. W. Böt:
tigers « Geicbichte des Kurftaates und Königreichs
Sadjen» (3 Bde., Gotha 1867—73, in Heeren und
Ulerts «Geſchichte der europ. Staaten»); ferner die
Neubearbeitung von Engelhardts «Baterlandätunde
des Königreih8 Sadfen» (3. Aufl., Lpz. 1877),
«St. Ara. Geſchichte der königli fact. Furſten⸗
ſchule zu Meiben» (ebd. 1879), «Katechismus der
allgemeinen Weltgefbichte» (3. Aufl., ebd. 1899),
«Das Zeitalter der Reftauration und Revolution
1815—51» (in Ondens «Allgemeiner Gejhichte in
Einzeldarftellungen», Berl. vl «Die neuefte
get (in der «Allgemeinen Weltgefhichte» von
2 Flathe, Hergberg u. f. w., ebd. 1887—92),
eutiche Reden» (2 Bpe., Lpz. 1898— 94).
Flatheads (fpr. flätt'hedds), eigentlih Seliſch
* aliſh), Indianerſtamm, ehemals zwiſchen Bitter:
oot und dem Felſengebirge, am Flathead⸗River
und Clarke's Fork verbreitet. Der Name hat mit
Flachtopf nichts zu thun, da die Sitte des Kopf⸗ Ab⸗
plattens ihnen ſtets unbelannt war. Sprachlich
ag die 5. zum fog. Tſchaili-Seliſchſtamm.
ie Sprade tft durch eine lateiniſch geſchriebene
Grammatif des Sefuiten G. Mengarint ſowie ein
ausführliches Leriton des Kaliſpel⸗ oder Kulleſpelm⸗
dialeft3 näher bekannt. Heute leben die wenigen
771
Uberreſte (etwa 1000) in einer Reſervation im
Süden des Flatheadſees (j. Karte: Vereinigte
Staaten von Amerifa L Weſtlicher Teil),
Den 5. verwandt find die Dfanagen und Shu—
ſhwap in Britiſch-Columbia, ſowie die Stämme
vom Puget-Sund und des füpdöftl. Teild der
Bancouver:Äniel.
Flatholin, Inſel im Briftollanal, zur engl.
Grafihaft Somerjet gehörig, im S. von Cardiff,
2", km im Umfang, bat Leuchtturm und Batterien.
latow. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. Marien:
werber, hat 1527,41 qkm und (1900) 65752, (1905)
67792 E., 5 Städte, 109 Landgemeinden und 51
Gutsbezirle. — Vgl. Goerke, Geographie, Statijtit
und Geſchichte des Kreifes F. (Fiatow 1899). —
2) $.,poln. Zlotowo, Kreisftabt im Kreis F. 136 km
im SW. von Marienwerder, zwiſchen drei Seen, in
117 m Höbe, an der Ölumia und der Linie Schneide:
mübl-Dirihau der Preuß. Staatöbahnen, Sig des
Landratsamtes, eined Amtögerihts (Landgericht
Konis), Steuer: und Katajteramtes, bat (1900)
4018 €., darunter 1534 Ratboliten und 316 Israe⸗
liten, (1905) 4151 E., Boftamt zweiter Klaſſe mit
Zweigſtelle, Reihsbant: Warendepot, Vorſchußver⸗
ein; je eine evang. und kath. Pfarrkirche, tath.
St. Rodhustapelle, Maſchinenfabrikation, Spiritus:
raffinerie, Deftillation, Tiſchlerei, Bierbrauerei;
Aderbau und Torfgräberei. Der Niekbraud der
preuß. Kronfideitommißberridaften 5. (18947 ha)
und Krojanke (5472 ha) ſteht dem Prinzen
Friedrich Leopold von Preußen zu.
Flat raoes (engl., ſpr. flätt rehßẽs), Flach⸗
lattergras, |. Milium. [rennen (}. d.).
latterhörnchen, |. Eichhörnchen.
lattermaki, ſ. PVelzflügler und Tafel: In»
feltenfrejfer, Fig. 5.
latterminen, Toviet wie Fladderminen (f. d.).
fatterruß, die im obern Teil der ee ya
fih abjcheidende voluminöfe, flodige, fohlige Mafle,
um Unterjhievde von Glanzruß, der fi in der
Skähe der Feuerung als fompalte, glänzende, vor:
zugsweiſe aus teerigen Bejtandteilen beſtehende
Subjtanz ablagert.
lattertiere, ſ. Fledermäuſe nebjt Tafeln.
latterulme, j. Ulme. Teile derjelben j. Tafel:
Laubbölzer. Waldbäume II, Fig. 5—8.
Flattieren (fr3.) ——— Flatteur (fpr.
-töbr), Schmeichler; 5 atterie, Schmeichelei.
iatulenz (lat.), Blahſucht, Blahungsbeſchwer⸗
den, ſ. Blähungen; —— ent, blähend, bläh—
Flatus Fr f. Blähungen. uchtig.
Flatz, rechter Nebenfluß des obern Inns im Ober⸗
engadin. Der F. entſpringt als Berninabach aus
dem Lago Nero (2222 m), auf der Höhe des Bernina⸗
paſſes, fließt nah NW. und mündet, 19 km lang, bei
Samaden. In feiner obern Thalftufe empfängt er
recht3 ven Bach des Val da Fain; in der mittlern,
in welcher er in einer Reihe präctiger Wajjerfälle
abjtürzt, links den Abfluß des Morteratjchgletichers.
Durh den Engpaß von Puntota bei Pontrefina
tritt er in die unterjte Thalftufe, in der er nad
Aufnahme des Roſegbachs (lint3) den Namen F.
annimmt, der allmäblih dur die Bezeichnung
Berninabach verbrängt wird.
Flau, traftlos, matt, ſchwach, dient in Borſen⸗
berichten zur Bezeichnung der Stimmung, bei Waren
foviel wie wenig verlangt, wenig abgejept.
Flaubert (jpr. flobähr), Guftave, franz. Romans
ſchriftſteller, geb. 12. Dez. 1821 in Rouen, bereifte mit
49*
772
—— unde Marime Du Camp 1849—51 den
ient Ugypten, Nubien, Syrien, die Türkei) und
prüfte und jammelte lange feine Kraft, ehe er ala
Schriftſteller hervortrat. Eine erfte größere Arbeit
«La tentation de Saint-Antoine», ein an Quinets
(| d.) «Ahasverus» antnüpfender philoſ.⸗archäol.
iſionsroman, ift erſt jpät erſchienen (1874), als F.
ſchon lange fein von ihm felbft nicht wieder übertroffe:
x Meifterivert «Madame Bovary» (2Bpe., 1857;
‚dition definitive, Bar. 1873; deutſch Dresd. 1892
und in der Kollektion Hartleben, Wien 1894) ver:
öjjentlicht hatte, Diefer Roman ift der Ausgangs:
punkt des modernen franz. Naturalismus, der leiden:
und genau die phyſiſche Wirklichkeit dar:
tellt und dem das Unbedeutende und Bedeutende
gleich wichtig ift. F. iſt nicht der Gedante, fondern die
Ausführung die Hauptſache; der Dichter hat das
Hödhite erreicht, wenn es ihm gelungen, ein aus ſchärf⸗
fter, anhaltender Beobachtung hervorgehendes, mit
rüdjichtälofer Genauigteit und kalter Unerbittlichkeit
ausgefübhrtes Bild wirklicher Vorgänge zu zeichnen.
Die Nüdfitölofigkeit in Sprache und Schilderung
zog F. eine Anklage wegen Verlekung der Sitten zu,
doch wurde er freigeiprochen. 1858 machte F. eine
Reife nach Tunis, von wo er die Anregung zu einem
biftor.zardäol. Roman mitbradte, der 1862 u. d. T.
«Salammbö» (Edition definitive, Bar. 1888;
deutſch von Habs in Reclams «Univerjalbibliothet»)
erſchien, aber die große Leſewelt wenig befriedigte.
«Salammbö» jpielt in der Zeit des Soͤldnerkrieges
und des Kampfes zwiſchen Rom und Karthago. Eine
Fülle glänzender Schilderungen und Beichreibungen
von künitleriischer Ausführung und archäol. Treue
überwudern die Handlung des Romans, die binter
der Daritellung der Zuftände zurüditebt. «L’educa-
tion sentimentale, histoire d’un jeune homme»
(2 Bde., Bar. 1869 u. ö.; deutich Minden 1904) joll
dieCharakterentwidiung des modernen jungen Man:
nes daritellen, ift aber matt, weil auch bier der Dich:
ter den Gegenſtand mit kalter Objektivität behandelt.
Ein Luſtſpiel in vier Alten, das 1874 erſchien: «Le
candidat», batte feinen Erfolg. Beſſere Aufnahme
janden drei Novellen, die F. u. d. T. «Trois contes»
(1877) berausgab. F. ftarb 7. Mai 1880 auf feiner
Beſitzung Croiſſet bei Rouen. Sein nachgelaſſener
Roman «Bouvard et P&cuchet» (1881) betundet
nur ee e das kraftvolle Talent feiner frühern
Werte. Eine Gefamtausgabe von 3.8 Werten er
ihien 1885 (8 Bde., Paris). — Val. F.s Briefe an
George Sand, bg. von Guy de Maupaſſant (4. Aufl.,
Bar. 1889), und feine Correspondance. 1830 — 80
(4 Serien, ebd. 1887—93); TE. Bourget, Essais de
sychologie contemporaine (ebd. 1884); Marime
u Gamp, Souvenirs litteraires, Bd. 1 (ebd. 1882);
Gommanville, Souvenirssur GustaveF.(ebd. 1895);
Tarver, Gustave F. as seen in his works and
correspondence (Lond. 1895); Sa uet, Flaubert
(Bar. 1899); Chriſtenſen, Gustave (Ropenb. 1902).
Flaumfedern oder Flaum, aub Daunen
oder Dunen F Federn) genannt, die unter den
Dedfedern verjtedt liegenden zarten Federn der
Vögel; für den Handel find befonbers wichtig die
F. der Eiderente (ſ. d.). ;
Flaus, Bu oder Eoating, ein tuchartiges,
zuweilen gelöpertes Gewebe, das jih vom gewöhn:
lihen Zub durch ;
gröberes Haar unterjdeidet, ſtark gewallt und ges
raubt, aber wenig geſchert iſt. In der Studenten:
ſprache ift 5. oder Flauſch joviel wie Rod.
rößere Dide und längeres,
Flaumfedern — Flavopurpurin
Flautando (ital., «flötend»), in der Mufil für
— (. d.) oder einen ähnlichen Ton gebraucht.
uto, ſ. Flote; F. dolce (ſpr. Aſche), ſ.
Schnabelflöte; F. piccölo, ſ. Flageolett.
Flavaurin, Neugelb, das Ammonialfalz einer
— ——— C,H,(OH)(NO,),SO,H.
Es dient zum Gelbjärben von Wolle und Seide.
—— (fpr. -winnjih), Weiler im Kanton
Gorze, Landkreis Mep des Bezirks Lothringen, ge
bört zur Gemeinde Rezonville, Hier fand 16. Aug.
1870 der erjte Kampf der über die Mojel vorge
drungenen deutſchen Zweiten Armee mit der nad
der Schlacht von Eolombey:Nouilly (j. d.) im Ab-
marjche nah Berbun ——— franz. Rheinarmee
5* woraus ſich die Schlacht von Vionville—
ars-la-Tour (ſ. Vionville) entwickelte.
Flavin, ein in der Gelbfärberei für Wolle an»
gewenbetes yarbematerial, daS man aus dem Quer:
citron (f. d.) dadurch darftellt, vaß man den darin
enthaltenen Farbeſtoff, das Quercitrin, mit ver:
dünnten Säuren kocht, wobei fi ein citrongelbes
Pulver, das Duercetin (f. d.), abjcheidet, das unge
reinigt ald F. im Handel vortommt. Es befikt die 15—
—* Färbefraft der Rinde. Das Färben mit F.
eſchieht in folgender Weije: In einer hölzernen
ufe, in die — Dampfrohr mündet, loſt
man (auf 5 kg Wolle) 250 g Draljäure, 140 g Zinn:
alz und 80 g F., erbist zum Kochen, bringt die
emperatur durh Zufag von kaltem Waſſer auf
60°C. herab, führt die angefeuchtete Wolle ein, er»
mwärmt un wieder zum Sieden und färbt auf
fodhendem Bade aus.
lavindulin, \ Phenantbren.
lavius, ein Name, der im Altertum von ver
ſchiedenen Familien in Rom und fonft in Stalien
geführt wurde. Am berühmtejten ift 5. Veipahanus,
der 69 n. Ehr. Kaiſer wurde. (S. Beipafianus.) Aus
republilaniſcher Zeit find bervorzubeben: Gnäus
5., Schreiber des Appius Claudius Cäcus und tro
feines ‚geringen Herfommens 304 v. Chr. Udil, ver⸗
öffentlichte ein Verzeichnis der Fasti (f. d.) und der
u. 7 actiones (oft Jus Flavianum genannt).
ajus F. Fimbria, einer der eifrigften Teil
nehmer an den Öreueltbaten des Marius, begleitete
86 v. Chr. ald Legat den kriegsunerfahrenen Konſul
Lucius Balerius Flaccus, welcher in den Drient
ging, um an Sullas Stelle den Oberbefehl im Kriege
gegen Mithridates zu übernehmen. Auf Antrieb
des F. empörten fi aber in Byzanz die Truppen
des Faccus, diefer wurde ermordet und Fimbria
zum Feldherrn gewählt. Er befiegte den ern
Mithridates, zwang den König jelbit zur t
und würde ibn in Pitane, einer Safenhant bei Ber:
amon, in feine Gewalt pe baben, hätte nicht
ucullus, der unter Sulla eine flotte befebligte,
dem Marianer die Mitwirkung verjagt. Sulla trat
bierauf mit Mithrivates in Unterbandlung, ging
84 v. Chr. zum perfönlichen Abjhluß des Friedens
von Europa nad Afien hinüber und zog dann auf
das Heer des F. zu, auf das er unfern von Ver:
gamon bei Thyatira traf. Jetzt verließen die Sol
daten des F. ihren Fuhrer, und diefer ließ fich im
Pergamon (84 v. Chr.) im Tempel des Uskulap
duch die Hand eines Sklaven töten.
lavius Veſpaſiauus, Name röm. Kaijer,
ſ. Beipafianus und Titus (Flavius Beipafianus).
Flavopurpurin, ein mit dem Purpurin (f. d.)
ifomerer Farbſtoff, feiner Zujammenjegung nad
ein Trioxyanthrachinon.
Flavus — Flechſig
Flavus ſd. h. der Blonde), ein cherusk. Furſten⸗
ſohn, Bruder des Arminius, war wie dieſer in
den taiferl. Heeresdienſt getreten, nahm nachher
aber an der Erhebung gegen Barus nit teil, ſon⸗
dern blieb den Römern treu und focht gegen feine
Landsleute. Zwiſchen ihm und Armintus fand
16 n. Ehr. kurz vor der Schlacht des Germanicus
an der Weſer ein hödjft erbittertes Zufammentreffen
att. Ein a des F. und der Tochter des katti⸗
hen Fürjten Katumer, Namens Italicus, wurde
47 n. Chr. von Rom zu den Cherusfern als König
berufen; doc fachte dieſe Ernennung den unter den
tern tobenden innern Hader nurnoch mehr an.
Pen (jpr. flärmänn), John, engl. Zeichner
und Bi — geb. 6. Juli 1755 zu York, beſuchte
vom 15. Sabre an bie lönigl. Alademie, die er aber
wegen Zurüdjegung bald wieder verließ, und ging
1787 nad Rom. 1794 nad London —
wurde er 1800 Mitglied der königl. Alademie und
1810 Brofefior der — an derſelben.
Er ſtarb 9. Dez. 1826. Großen Ruf erlangten feine
Umrißzeihnungen, befonders die berühmten Um:
riffe zu Homers Odyſſee (Rom 1793) und zur Ilias
(Lond. 1795); ferner die Zeichnungen zu Dante
(ebd. 1793; neu 1867), dic Blätter zu Aſchylus
und zu Hefiod, Seine Arbeiten wurden in Deutſch⸗
land, namentlid durch Riepenbaufen (neu heraus:
eneben Berl. 1865), Schnorr u. a., wie in Frankreich
——— complötes», Par. 1832) wiederholt. In
manchen ſeiner Arbeiten zeigt ſich eine üuberraſchende
Größe der Kompofition und ein reiner, ebler Stil.
Er war einer der erften, welche die ältere kla fiiße
Rihtung im Sinne Windelmanns durch Anleb:
nung an griech. Vorbilder umgeftalteten. Bejonders
gi ibn das damals erwachende Studium der
ajenbilver und der pompejaniſchen Wandgemälde
auf Itrenge Einfachheit, allerdings nicht felten auch
bis zur lomiſch wirkenden Nüchternbeit zurüdge:
abet, wie namentlich die erfünftelte Strenge feiner
ante:tompofitionen beweift. Seine ſechs Bitten
age Ugolino find aud in Deutihland voltstüm:
ib geworden. Bon feinen plaftifchen Werten find
in England beſonders betannt das Basrelief pen
Andenken des Dichters Eollin in der Kirche zu Ehi-
cheſter, das Dentmal des Lords Manzfield und das
der Familie Baring zu Micheldever in Hampibire,
Neljond Grabmal, die Stanbbilder für Joſhua
Reynolds und Adam Home in der St. Paulskathe—
drale zu London, für Bitt in er. Hohn Kemble
in der MWejtminfterabtei, Biel bewundert wurde
fein Modell zu dem Schilde des Achilles nach dem
18.Buce berlin DasDriginal,in Gold getrieben,
bejaß König Georg V. von Hannover. Ferner find zu
nennen: Die Veſtalin, William ones die engl. Ge:
ſchichtsbucher jammelnd, Die Ergebung, Apollo als
Hirt, Pſyche, Dein Wille geſchehe u. a. Bon feinen
kunſttheoretiſchen Schriften find zu ermäbnen: «Lec-
tures on sculpture» (Lond. 1829; neue Ausg. 1866).
Fl. dan.,, bei botan. Bezeihnungen Abtürzun
für «Flora danica», ein großes Illuſtrationswert,
das jeit 1764 bis auf die Neuzeit von verjchiedenen
Botanitern herausgegeben wurde und mehrere Tau:
jend Abbildungen aus der Flora Dänemarks und
ber & drigen Länder enthält.
gie e, ſchwarzes Stirnband mit einer auf die
Naſenwurzel hinunterreihenden dreiedigen Spige,
wird ald Trauerzeichen von Damen getragen.
Flebile (ital.), mufitaliihe Vortragsbezeich⸗
nung: Häglich, weinerlic.
773
Flöche (fr;., fpr. RN Feldſchanze, |. Fleſche.
Fleche, La (ſpr. fläſch. 1) — —
franz. Depart. Sarthe, bat 1544 qkm, (1901)
87777 E., 75 Gemeinden und zerfällt in bie
7 Rantone Brülon, La F., Le Lude, Malicorne,
Mayet, Vontvallain und Sable. — 2) Hauptftadt
des Arrondifjements La F., 39 km füdmweitlih von
Le Mans, in 32 m Höbe, recht3 vom Loir, an den
Linien Aubigne:Sable, La Suze:La F. (31 km),
La 3.:Angers (49 km) und 2a %.:Saumur (53 km)
der Franz. Orldansbahn, ift Sik eines Geri tshofs
eriter Je und einer 1764 gegründeten Militärs
f&ule (Prytande militaire) in dem 1607 von Hein:
rich IV. begonnenen, von Parkanlagen umgebenen
Sejuitencollöge, mit Bibliothel (20 000 Bände) und
durchſchnittlich 450 Zöglingen, Dffigierskindern,
welche vorzugsweiſe für St. Eyr vorbereitet werben.
La F. bat (1901) 7642, ald Gemeinde 10519 €,
eine Bronzeftatue Heinrichs IV.; Handſchuhfabrika⸗
tion, Brauerei und Handel mit Geflügel (junge
Hühner). Aus dem Fefuitencolldge gingen Dess
carted, Prinz Eugen, der Jefuitenfeind Basauier
und der Aſtronom Picard hervor. Am 8. Der.
1793 wurden bei La %. die Royaliſten von den
Republitanern unter Weftermann geiölagen. —
Val. Montzey, Histoire de La F. et de ses
seigneurs (3 Bde., La Flöhe 1878—79).
lechier (jpr. fleſchieh), Esprit, franz. Kanzelred ⸗
ner und Schriftſteller, geb. 10. Juni 1632 zu Ber:
nes (Brafihaft Benaifkn), trat in den Orden der
hriftl. Lebre, war dann Lehrer der Rhetorik in Nar-
bonne, ging 1659 nad) Paris, wo er mit den Schön:
— des Hötel de Rambouillet viel verkehrte.
eine Leichenreben auf Montaufier und Turenne
ind Meifterwerle. Er wurde 1673 Mitglied ber
fademie, erbielt 1687 das Bistum Nimes und
ftarb 16. Febr. 1710 zu Montpellier. In Nimes
gründete F. die Alademie. Außer-jeinen «Oraisons
funebres» (Bar. 1680; neue Aufl., ebd. 1878) fin»
feine «Histoire de Thöodose le Grand» (ebd. 1679;
neue Ausg., Tours 1881), «Histoire du cardinal
Ximends» (2 Bde., Bar. 1693 u. d.; deutſch von Fris,
ZI. 1, Würzb. 1828) und feine «Panegyriques des
Saints» (far. 1690; 3 Bbe., 1739) zu erwähnen.
Seine Dichtungen in franz. und lat. Sprade find
enthalten in den «(Euvres posthumes» (ebd. 1712).
Seine «(Euvres complötes» erjchienen zu Nimes
10 Bde., 1782; neue Ausg. von Migne, 2 Bbe.,
ar. 1856). Wenn 7. in feinen Leihenreden Bofr .
pa vielleiht an Korrektheit des Stils übertrifft,
o ftebt er diefem an Fülle der Gedanken fowie an
binreißender Beredfamteit bei weitem nad. — Val.
Delacroir, Histoire de F., &v&öque de Nimes
(2. Aufl., 2 Bve., Par. 1865); A. Fabre, La jeu-
nesse de F. (2 Bde., ebd. 1882); derf., F. orateur
(1672—%), &tude critique (2. Aufl., ebd. 1886).
lechfen, ſ. Sehnen und Musteln.
lechfig, Baul, Pſychiater und Neurolog, geb.
29. Juni 1847 zu Zwickau i. ©., ſtudierte jeit
1865 in Leipzig, wurde daſelbſt 1872 Affiftent an
ber mediz. Poliklinik und am pathol. Inftitut, 1873
am phyſiol. Inſtitut, habilitierte fih 1876 und
wurde 1877 außerord. Brofeflor der Medizin, bes
_. 1878— 79 Deutihland, Öfterreih, Frankreich
u. |. m., um das Irrenweſen zu ftubieren, wurde
1882 Direktor der zu Leipzig neu errichteten Irren⸗
Hinik ( jent Pſychiatriſche und Nervenklinit), 1884
ord. Profeſſor der Pſychiatrie. Er begründete die
entwidlungsgeichichtliche Methode der Unterſuchung
774
Flechtarbeit — Flechten (Gewächſe)
deö innen Baues von Gehirn und Rüdenmark und , vegetativen Teil, des Thallu3, ſowie auch auf
— Grund derjelben eine neue Einteilung ber
ankungen dieſer Organe. Außer zahlreichen
Mleinern Mitteilungen im «Neurologiihen Central:
blatt»u.a.a,.D, fchrieb er: «Die Leitungsbabnen im
Gehirn und Rüdenmark des Menſchen, auf Grund
entwidlungsgeihichtlicher Unterfuhungen darge:
tellt» (2pz. 1876), «Blan deö menſchlichen Gehirns»
(ebd. 1883), «Die Irrenklinik der Univerfität Leip-
Ks in ben J. 1882—86» (ebd. 1887), «Gehirn und
eele» (2. Aufl., ebd. 1896), «Die Grenzen geiftiger
Geſundheit und Krankheit» (ebd. 1896), «Die Lolalis
fation der geiftigen Vorgänge» (ebd. 1896).
lechtarbeit, ſ. Flechten.
lechte, eine nur von Laien gebraudte Be
zeihnung für alle ſchuppigen oder Kruſten bilden-
den Hautausihläge. Dabın gebören vor allen die
Bioriafis oder Shuppenflehte (trodne weiße
Schuppen auf geröteten Hautftellen), die Kleien—
flechte oder Bäderträge (Heienförmige Abihup-
=. auf verdidter, geröteter, judenber Haut) und
der Yichen oder die Knötchenflechte (Heine, meiit
in Gruppen ſtehende Knötchen, die ſich abichuppen) ;
ernerder Brurigo oderdiejudende %. (zeritreute,
ade, Kent judende Knötchen), das Etzem oder
die näfjende F. (die entzündete, judende Haut jchei:
det eine wäflerige Fluſſigleit ab, welche zu ſchuppen⸗
rer Kruften eintrodnet), der Herpes oder die
Bläschenflehte (gruppenweiſe ſtehende, zuSchor:
* eintrodnende Bläschen), der Lupus oder die
reffende F. (Hautfnöthen und Entzündungen
der Haut, welche ineinander übergeben, die Haut
völlig zerjtören und unaufbaltiam um ſich greifen)
und die Rupia (Rbypia) oder die Schmußz—
flechte (große, einzelne, flache Blajen, deren eite:
riger und blutiger Inhalt zu diden, —* Borlen
eintrodnet). Manche dieſer Ausſchläge ſind erblich,
andere entſtehen durch Hautreize, noch andere durch
Syphilis; von andern wieder ſind die Urſachen un—
betannt. (S. Hautkrankheiten.) Über F. der Haus⸗
tiere ſ. Hautkrankheiten der Haustiere.
Flechten (Lichenes), eine Öruppe eigentümlicher
pilzäbnlidher Gewächſe, die jedoch feine Individuen
daritellen, fondern als Refultat einer teils ſymbio—
tiſchen, teild parafitiihen Vereinigung von Pilzen
und Algen zu betrachten find. Die bierbei in Be
tracht fommenden Bilze gehören zur Abteilung ber
Schlauchpilze oder Ascomyceten (f. d.); nur wenige
. Fälle find befannt, in denen Baſidiomyceten (f. d.)
rarafitiih auf Algen leben und dadurch an ber
Bildung gewiſſer 5. teilnehmen. Die Algen, auf
denen Die Witze leben , gebören den Abteilungen der
Cyanophyceen und Chlorophyceen an. (S. Algen.)
rüber bielt man die %. für ſelbſtändige frypto-
amiſche Pflanzen und jtellte fie als beſondere
Sruppe meijt zwiſchen Bilze und Algen; jest muß
man die %. den Bilzen zurechnen, da die haralte:
riftiiche Form ihrer einzelnen Arten in den metiten
Fällen ausſchließlich durch die betreffenden Pilze
bedingt wird, nicht aber von den nur als Näbhr:
pflanzen für jene dienenden Algen. Wie alle echten
Barajıten, lommen auch die fledhtenbildenden Pilze
nicht ohne die für fie notwendigen Näbrpflanzen fort,
die legtern dagegen, alfo bier Arten der genannten
Algenabteilungen, tönnen fi volljtändig normal
entwideln, wenn fie von den auf ihnen ſchmarotzen⸗
den Pilzen befreit werben.
Die ſyſtematiſche Gruppierung der F. berubt auf
ber großen Manntgfaltigleit in der Ausbildung des
den Verſchiedenheiten in der Form der ruchtlörper,
der Apotbecien. Man lennt im ganzen etwa
1500 Arten, die über die ganze Erde verbreitet find,
auptſächlich in der nörbl. alten Zone zu reichlicher
idlung gelangen und bier einen großen Zeil
ber ganzen Vegetation ausmachen; das legtere gilt
auch für jene Hocgebirgäregionen, die in ihren
Himatifhen Berhältnifien mit den Polargegenden
im weſentlichen übereinftimmen. Die Zahl der in
Europa wachſenden ift etwa 600. rüber teilteman
Is meift nad der äußern Form ein, indem man
olgende Gruppen aufftellte: Strauchflechten,
Thallus ftrauhförmig, meift vielfach verzweigt;
Laubflechten, Thallus blattartig; Kruften-
flechten, Thallus nur als truftenförmiger
ug ausgebildet; Gallertflehten, Thallus im
dnen Zuftande häutig, im feuchten Zuftande
zn... aufgequollen.. Der einentümlichen
ganijation der F. entiprechender ift ed, wenn
man biefelben nad den Pilzen einteilt, die an ber
Bildung teilnehmen. Es find dies in den aller
meiften Fällen Ascomyceten, und zwar aus ben
beiden Abteilungen der Discompceten und Pyreno⸗
moceten (f. Ascompceten); demnach kann man bei
den F. ſolche unterſcheiden, deren Apothecien becher⸗
oder ſcheibenartig entwickelt ſind und dem Thallus
auffigen, und ſolche, bei denen die Apothecien die
orm von lapſel⸗ oder flajhenförmigen Höhlungen
aben und dem Thallus eingefegt find. Die eritern
zeichnet man alö Lichenes gymnocarpi, bielegtern
als Lichenes — Hierzu kämen noch als
eine dritte Abteilung diejenigen F., bei denen nach
neuern Unterſuchungen die flechtenbildenden Pilze
nicht zur Gruppe der Ascomyceten, ſondern zu der
der Baſidiomyceten gebören.
In der äußern Form des Thallus find, wie
aus dem bereits Gejagten hervorgeht, zahlreiche
Verſchiedenheiten vorhanden; nicht jo in ihrer
innern Organifation: bier finden ſich bei allen 5.
weſentlich biefelben Verhältniſſe; der Thallus ı
immer zujammengejest aus vielfach verſchlungenen,
meift dicht miteinander verflochtenen Pilzhyphen und
rünen, gewöhnlich kugeligen Zellen, die den als
äbrpflanzen dienenden Algen angehören. Man
bezeichnet diefe grünen Zellen ald Gonidien. (©.
Zafel: Flechten IL, Fig.7.) Da diejelben ſtets von
den Pilzfäden umgeben werben, fo ſehen die 5. im
trodnen Buftande, mweil immer Luft en den
einzelnen Hyphen vorhanden ift, fajt nie grün aus,
fondern meift weiß, grau oder gelblih; werden fie
jedoch feucht, fo wird die Luft aus dem Pilzgeflecht
durch Aufquellen der Hypben ausgetrieben und es
fhimmert dann meift das der Gonidien durch
die Bilzfäden hindurch.
Bei der größern Zahl der F. ift jedoch die Ber
teilung der Hypben und Gonidien im Thallus nicht
gleihmäßig, ſondern die legtern treten nur in einer
gewiſſen Schicht auf, wo fie zwiſchen loder mitein⸗
ander verflohtenen Hyphen liegen; dieſe Schicht
nennt man Gonidienſchicht oder gonimiſche
Schicht, und den Thallus, der auf dieje Weije ge
baut ift, bezeichnet man ala geſchichteten oder
beteromeren Thallus. Sind dagegen die Gonis
dien gleihmäßig dur den ganzen Thallus verbreis
tet, jo fpriht man von einem ungeſchichteten
oder homdomeren Thallus. Einen heteromeren
Thallus befigen die Strauch⸗, Laub: und Kruften»
flechten (fo 3. B. Sticta fuliginosa, ſ. Taf. I, Fig. 3),
FLECHTEN. I
AN
1. Collema pulposum Pa
——“ durch Thallus und Fruchtkörper;
——— Ss — —
—W — SENT
Nie UN >
R Gi ——
REINE — = 2
= — — — en
— — — —
—
2. Usnen barbata (Bartflechte):
a Längs-, 5 Querschnitt durch den Thallus.
IR — I > ef AR — si
ROLE Ki
nz!
27 Y 9
8. Stieta fuliginosa (Grubenflechte):
Querschnitt durch den Thallus,
4. Anaptychia ciliaris:
a Querschnitt durch ein Apotheeium:
db Teil davon, stärker vergrölsert,
6. Soredien von Usnea barbata:
a ruhend, 5 Beginn, e weiterer Fortschritt
der Keimung.
a
J hebe pubescens:
Stein nat. Gr.,
9— Thalluszweig,
stark vergröfsert.
8. Peltigera eanina (Hundsflechte).
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
mn nit - : an nv y 1 *
Digitized by Ast ogle
FLECHTEN. 1.
2. Usnea barbata var. florida (Bartflechte).
8. Cladonia p ata (Becherflechte‘. |
Zwei verschiedene Wuchsformen.
6. Lecanora varia (Kuchenflechte::
a auf Holz in nat. Gr., 5 ein Stück
vergröfsert.
6. Graphis scripta (Schriftflechte):
a an Buchenzweig in nat. Gr,
4. Cladonia rangiferina (Renntiermoos). 5 Teil davon, vergrölsert.
7. Entstehung von Flechten
(Algengonidien, von Pilzbyphen umsponnen):
a Cladonia furcata, d Stereoraulon ramulosum
|
8. Parmella IImbricaria] conspersa 9. Roccella tinctoria (Lackmus- oder Orseilleflechte):
(Srhüsselfechte). a in nat. Gr., 5 Teil davon, vergrölsert.
Brockhaus! Konversations- Lexikon. 14. Aufl,
Flechten (Gewächſe)
einen bomdomeren dagegen die Gallertflechten.
In dem Malen Falle wird die äußere Form mebr
durch die Alge ald dur den Pilz bedingt, in-
dem bier die Hupben des lehtern eigentlib nur in
den Gemwebelörper der Alge eindringen, wie bei der
Gattung Ephebe (j. d. und Taf. I, Fig. 7), die
noch ganz die fadenförmige Geftalt der vom Pilz
umjponnenen Alge bejist, oder indem fie in einer
Kolonie von Algen vegetieren, wie bei der Gattung
Collema, wo ſich in den gallertartigen Maſſen ber
Roftoc : Kolonien zwifhen den Noftoc» Zellreiben
zablreibe Bilzfäden vorfinden (f. a I, ie. 1).
Dieyortpflanzung der‘. kann ihrer eigentüm-
lichen Zuſammenſeßun —* eine zweifache ſein.
Einmal lann durch Frultifilation des Hehtenbilben:
den Pilzes unter geeigneten Bedingungen eine Fort:
vr. ung erfolgen und zweitens vermag aud die
als Nährpflanze dienende Alge zur Bermehrung der
Flechte beizutragen. Die Fructtörper des Pilzes
unterſcheiden ſich in feinen mejentlichen Punkten von
denen anderer Pilze, die nicht mit Algen zufammen:
leben. Es find meift teller-, ſchuſſel⸗ flajchen: oder
Eugfienige Gebilde, in denen die Entwidlung von
Sporenihläuden ftattfindet. Die Sporen treten bei
der Reife aus den Schläuden aus und lönnen nun:
mehr einen Keimfhlaud treiben; aber die Weiter:
entwidlung diefes Keimſchlauchs unterbleibt nad
den biöber ee Verſuchen erg wenn
nicht die Möglichkeit gegeben wird, daß die feimende
Spore in Berbindung mit einer = Ernährung
eeigneten Alge treten kann. Nur bei wenigen F.
ß bei den Graphibeen (f. d.), bat man gefunden,
dab fih anfangs feine Gonidien im Thallus vor:
Fe und daß erſt in einer ſpätern Lebensperiode
olche von dem Pilze umfponnen werden; erft in
diejem Stadium fann man von einem Flechten:
tballus bei ven Graphideen fpreden, anfangs
find fie ald normale Ascomyceten zu betrachten.
Die Apothecien ſtehen bei ven aumnocarpen F.
ftet3 auf der Oberjeite, wenn der Thallus laub-
oder fruftenartig ift und mit der einen Seite der
Unterlage anliegt; bei den ftrauchartigen Formen
finden fte ih an den Rändern oder an den Spitzen
der Berzweigungen, bei einigen Arten ſtehen fie auf
beſonders ausgebildeten Zweigen, Bodetien, fo
bei Cladonia (j. d.), bei andern jtehen fie auf kleinen
Stielben, wie bei Baeomyces; bei den meiften
jedoch figen die Apotberien direlt dem Thallus auf
oder find in denjelben eingejenkt. Diejenige Schicht
der Apotbecien, in der die Sporen en e fteben,
und der Rand berjelben find oft lebbaft gefärbt,
meift braun oder rot, und beben ſich dadurd deut:
fi von dem meift blaffen Thallus ab,
Die Bildung der Apothecien ( Taf. I,
ig. 4) bat man neuerdings vielfah ala Folge
eines geſchlechtlichen Alts angejeben. Man tennt
nämlih jchon feit längerer Zeit eigentümliche
Organe am Thallus der allermeiften F., die man
ald Spermogonien (j. Taf. I, ig. 15) be
Bo bat und die mit den bei vielen andern
Scompceten befannten gleihnamigen Organen
im wejentliben übereinftimmen. In diefen Sper:
mogonien, die als fugel- oder flajchenförmige
oder auch anders geftaltete Heine Behälter dem
Thallus eingejentt find, werben Spermatien ge
bildet. Bei einigen Eollema-Arten bat man nun
beobachtet, daß vor dem Auftreten der Apotbecien
nicht weit unterhalb der Außenfläche des Thallus
eigentüimliche, vielleicht ala weibliche Geſchlechts⸗
175
apparate anzufebende Gebilde entfteben, von denen
nad außen einzelne Hyphen (Trihogune) wachſen;
an dieje Trihogyne ſollen fih nun die als männs
liche Befruchtungszellen anzufebenden Spermatien
anlegen und daburd eine Befruchtung bewirlen,
als deren Folge die Entwidlung der Apotbecien und
der in dieſen zur Ausbildung gelangenden Sporen
I —*2 an —* wäre, Es iſt jedoch frag⸗
ich, ob dieſe Auffaſſung richtig iſt, denn in neueſter
eit iſt es gelungen, die —— der F. zum
eimen zu bringen, womit die geſchlechtliche Natur
derfelben jebr ——— geworden iſt. Auch
ſind 5* Fälle beobachtet worden, In denen
die Entwidlung der Apotbecien jedenfalls ohne
einen folhen Vorgang ftattfindet.
Bei allen F. erfolgt die Apotbecienbildung aus⸗
ſchließlich durch die ———— Pilze, die Go⸗
nidien beteiligen ſich niemals daran, es ſind alſo
die Apothecien nur als Fruchtkörper der Pilze zu
betrachten, Die Algen tragen allerdings, wie ſchon
erwähnt, ebenfalls zur — re er 5 bei, aber
in einer ganz andern Weiſe. Die Gonidien befigen
nämlich die Säbigteit, fih zu teilen; da nun durd
ig ‚aufeinander folgende Teilungen derfelben, wos
bei die neugebildeten Zellen von einem dichten Hy-
pbengeflebt umfponnen werden, häufig die fie ums
gebende Rindenſchicht zerrifien wird, h treten bie
einzelnen Gonidien mit ihren Umbüllungen von
Pilzfäden als ein feines Pulver aus dem Tballus
bervor. Diejelben können nunmehr zu Gruppen
vereinigt oder auch einzeln weiter 2 wodurch
ein neuer Flechtenthallus gebildet wird. Man bes
zeichnet diefen Vorgang ald Soredienbildung
und nennt die einzelnen Gonidien mit den fie
umfpinnenden Bilsbypben Soredien. (S. Taf. I,
fig. 6.) Bei manden %. tritt diefe Sorebien-
ildung ungemein häufio 9 o daß der ganze
Thallus zu einer pulverigen Mafle wird. Man bat
ber joldhe Anbäufungen von Soredien unter bes
ondere Gattungen vereinigt, fo unter den Namen
Variolaria, Lepra, Pulveraria u. a., da fie ein ganz
andere Ausjeben haben wie die übrigen %. und
auch feine Apotbecien bilden. Sie lönnen ben ver:
ihiedenften Flechtenarten angehören, die Bildung
derjelben wird begünftigt durd einen jchattigen
Standort. An manden Stellen bilden dieſe Soredien
umfangreiche gelbe oder graue Überzüge an Fels—⸗
wänben oder Baumftämmen. Die Vermehrung der
F. mit heteromerem Tballus geisieht *
rößtenteils durch Soredienbildung, ſeltener dur
ereinigung der aus den Apothecien ſtammenden
Sporen mit Algen; bei den Gallertflechten dagegen
olgt die — wohl ausfchtiehfie auf
die leßtere Weiſe. Die künftlihe Vermehrung der
%., d. b. die Ausfaat von Sporen auf die dazus
gebörigen Algen, ift ſchon bei mehrern Flechten⸗
arten erperimentell verjucht worden und bat aud
in der That zur Bildung von normal entwidelten
F. geführt. Es ift dies gerabe der befte Beweis
dafür, daß die F. feine ſelbſtändigen Een
ſondern die Folge eines eigentümlihen Paraſitis⸗
mus von Pilzen auf Algen find, Gegenwärtig wird
dieſe Anficht wohl von allen Botanifern als zweifel-
103 richtig anerfannt; diefelbe wurde von Schwens
dener nr Grund genauer anatom. Unterfuhungen
des Flechtentballus zuerjt aufgeftellt und jpäter von
Bornet, Stabl u. a. erperimentell ag Die
neuerdings von dem ital. Botaniker Mattirolo
näber unterfuchten Flechtengattungen Cora und
776
Rhipidonema beweifen, daß nicht bloß Ascomyceten,
Bien auch Bafidiomyceten ala flechtenbildende
ilze auftreten können. ö
ie Algengattungen, biein den F. als Goni-
dien fich finden, find fehr verfchiedenartige. Bei den
meiften Zaub- und Strauchflechten gehören fie der
ner der Palmellaceen an, bei den ——
allertflechten —* en den Noſtochaceen. Außer:
dem können nod Algen aus den Familien der Ri:
vulariaceen, Scytonemaceen, Gonfervaceen, Ehroo:
lepideen, Sirofiphonaceen, Coleochaeteen u. a. als
Gonidien auftreten. Da viele der genannten Algen
eine jehr ausgedehnte Verbreitung haben und Feljen,
Baumftämme u. dgl. überziehen, fo erklärt ji dar:
aus au das ungemein häufige Auftreten von F.
an ſolchen Orten. An nadten Felſen jtellen jie die
ten Anfänge pflanzlihen Lebens dar. Die Be
feltigung der F. an dem Subjtrat, auf dem fie
wachſen, geihiebt meift durd feine, aus wenigen
Hyphen ————— faſerartige Gebilde, Rhi—
zinen, die ſich in feine Riſſe der Unterlage ein—
drängen; ob dieſelben auch zur Aufnahme von
Nährſtoffen dienen, iſt nicht ſicher entſchieden, kann
aber als wahrſcheinlich angenommen werden. An
tablen, freigelegten Felſen treten zunächſt Kruſten⸗
ten auf, und wenn dieſe verwittert und zu Hus
mus zerfallen find, kommen Laub: und Strauc:
flebten an ihre Stelle, und jo wird allmählich eine
hr Humusſchicht gebildet, auf der ſchließlich
oofe und auch böbere 1 gedeihen können.
Übrigens kommen die F. auf den verſchieden⸗
artigften Standorten vor, auf der bloßen Erde,
auf Felfen, an Baumftämmen, auf alten Schindel:
däcern, an alten Balten, an Zäunen u. f. w., aber
ftetö nur auf dem Lande; im Waller wachſende F.
fennt man nicht, nur einige, welche an Stellen vor:
tommen, die zumeilen von Waſſer überbedt wer:
den. An faulenden Subjtanzen finden fid feine F.
Sämtliche F. enthalten Flechtenſtärke (f. d.). Außer:
dem enthalten viele F. eigentümlide Stoffe, Flech:
tenjäuren (f. d.), die mit Altalien lebhaft gefärbte
Berbindungen geben; fie fönnen deshalb zur Berei-
tung von Farbſtoffen, wie Orfeille, Lachmus u. a.,
verwendet werben. (S. aud Farbepflanzen.)
In derfof x len Flora find nur wenige 5. betannt,
ämtlih im Tertiär; nur in der Brauntoble der
etterau bat man eine ziemlich gut erhaltene Laub⸗
flehte mit Apotbecien gefunden. — Zur Erflärung
der Tafeln vgl. ferner die Artitel: Gallertflehten,
Bartflechten, Sticta, Isländiſches Moos, Ephebe,
Peltigera, Evernia, Cladonia, ®rapbivdeen, Le-
canora, Parmelia, Roccella.
Litteratur. Schwendener, Unterfuhungen über
den Flechtenthallus, und Laub: und Gallertflehten
eibes in Nägelis «Beiträgen zur wiſſenſchaftlichen
otanit», Heft 2—4, Lpz. 1860—68); De Bary,
Morphologie und Phyſiologie der Pilze, F. und
Myrompceten (ebd. 1866); Bornet, Recherches sur
les gonidies des lichens (in den «Annales des
sciences naturelles», Bd. 17, Bar. 1873); Stahl,
Beiträge zur Entwidlungsgeihichte der F. (2 Hefte,
Lpz. 1877, 1878); Lindau, Lichenologiihe Unter:
(üäungen (Dresd. 1895 fg.). Als rein ſyſtematiſche
erte find anzufübren: Fries, Lichenographia
europaea reformata (Lund 1831); Körber, Systema
Lichenum Germaniae (Bresl, 1855); derſ., Parerga
Lichenologica (Ergänzung zum vorigen Werte,
5 Lfgn., ebd. 1859 — 65); lander, Synopsis
methodica Lichenum (Par. 1858—59); Krempel⸗
Flechten (Flechtarbeit) — Flechtwerk
huber, Geſchichte und Litteratur der Lichenologie
(3 Bde. Münd. 1867—72); Kummer, Fübrer in
die Flechtenkunde (2. Aufl., Berl. 1883).
lechten, eine Arbeit, die meift aus freier Hand,
ewöhnlich mit Burgen, biegjamen, band: oder ruten»
Iemigen terialien, wie geipaltenes Strob, ge
paltene oder ganze Weidenruten, Gräfer u. ſ. w.,
ausgeführt wird. Über Strobhut- und Korb»
fle&terei ser Einzelartitel. Auch Haare (j. Haar:
arbeiten), Draht, Geipinjte und feine Glasjäden
finden Verwendung zum F. ande Schnüre
Gaarſchnure, Beitihenihnüre u. f. w.) werben
—I* durch F. bergeitellt, doch bedient man
fi bierbei mit Vorteil der Mlöppelmajdine (f. d.).
fechtengrind, joviel wie Kopfgrind (f. d.).
lechtengrün over Thallochlor bat man den
rünen Farbſtoff der Flechten genannt wegen der
Bericbiedenbeiten zwiſchen diefem und dem Chlores
pboll (f. d.) der übrigen Pflanzen. rum
lechtenmittel, Flechtenpomabe, ſ. Geheim⸗
lechteurot, Farbſtoff, ſ. Orcin.
lechtenfalbe, weiße Duedfilberjalbe (ſ. d.); es
find aber aud gr mebrere andere Salben unter
gleihem Namen gebräudlid. (S. Gebeimmittel.)
Flechtenfäure, veralteter Name für Yumar
fäure (ſ. d.). Außerdem faßt man aber auch mit
diefem Sammelnamen die jämtliben in Flechten
vorlommenden organiihen Säuren, wie Erptbrins
fäure, han ya Qulpinfäure u. a., zufammen.
fechtenfpiuner, |. Bärfpinner.
lechtenftärfe, Moosſtärke over Lichenin,
ein gummiartiger Körper von derjelben Zufammens
jebung wie Stärfemehl. Man erhält fie aus Is—⸗
ändijchem Moos (j.d.), wenn man dasſelbe mit viel
rauchender Salzjäure maceriert, dann mit er
verdünnt und die filtrierte Löfung mit Alkobol j
Es ifteine durchſcheinende, jpröde Maſſe, die in faltem
Waſſer quillt, in kochendem fi volljtändig löft.
lechtentod, |. Gebeimmittel,
lechtmafchine, ſ. Klöppelmajdine.
lechttverf, im Erpbau (f. d.) eine Vorrich⸗
tung zum Schutze von Erbböfhungen an Deichen,
Dämmen, Einfhnitten u. ſ. w., bejtebt aus reiben»
weiſe in den Boden geichlagenen Pilöden, zwi⸗
ſchen die Reiſer geflochten werden. In vielen Fällen
wählt man für ſgae und Reiſer auswuchs fähige
Holzarten, welche im Boden Wurzel ſchlagen und
damit den Beſtand der Boſchung ſichern. Sie ver:
bindern das Abbrödeln des Erdreich, mildern die
Kraft des berabftrömenden Waſſers, an Ufern
mäßigen [e die verberbliche Einwirkung des Wellen»
— ielfach find F. auch in Betten von Wild⸗
ächen zur Ausführung gelangt, um das Gerölle
in den obern Teilen derjelben zurüdzubalten und
die Wirkung des niederjtürzenden Waſſers abzu—⸗
hwäden. So hat man in der etwa 25 m tiefen
iederurner-Runs durch ſechs bis acht Flechtzaun⸗
anlagen, deren jede höhere man je nad erfolgter
Ausfüllung der untern anlegte, Ausfüllungen von
10 m Höbe zu ftande gebracht. — Bei Flußbauten
dienen F. bäufig ald Shlidfänger; es find dies
Anlagen, welche bie * abe haben, an zu ver:
landenden Stellen das Mailer zu berubigen und
zum Fallenlaſſen feiner Sintitoffe zu nötigen. ,
In der Architektur verjteht man unter 5. eine
orm des Ornaments (f. d.), in der verflodtene
änder nachgeahmt werden und zwar teil in ge
raden Linien fich rg gen teild in Kuren.
In erfter Beziehung baben namentlid die fpan.
Fleck — Fleckmittel
Araber ihre Wandflächen mit großem Geſchick in
F. verziert. — fiber das F. als Dachkonſtruk—
tion ſ. Dachſtuhl.
le, Eduard, preuß. Generalauditeur, geb.
5. Sept. 1804 zu Pfoͤrten in der Niederlaufig *
dierte Rechtswiſſenſchaften, wurde 1826 Auiu ta⸗
tor, dann Gerichtsaſſeſſor und Garniſonsauditeur zu
u kr 1835 Mitglied des Generalauditoriats
zu Berlin, 1857 Generalauditeur der preuß. Armee
und ftarb 8. April 1879. An der Bearbeitung der
preuß. Militärgefeße war er in hervorragender Weiſe
beteiligt und 20 en lang Lehrer des Militär:
rechts an der Kriegsalademie zu Berlin, auch parla:
mentarifch vielfach thätig. Er ſehte die von Friccius
begonnene «Preuß. Militärgejeßfammlung» fort
7 Bbe., Berl. 1836—67; Bd. 6 u. 7 find von F. be:
orgt) und veröffentlichte: «Die Verordnungen über
die Ehrengerichte im preuß. Heere» (3. Aufl., ebd.
en «Grläuterungen zu den Kriegsartileln für das
preuß. Heer» (2. Aufl. ebd. 1850), «Rommentar über
das Strafgeſetzbuch für das preuß. Heer» (2 Tle.,
neue Ausg., ebd. 1869— 70), «Preuß. Militärftraf:
— (ebd. 1873), «Militärftrafgeieh:
uch für das Deutfche Reich» (2 Tle., TI. 1in 2. Aufl.,
ebd, 1880— 81).
Fleck, Job. Friedr. Ferd., Schaufpieler, geb.
10. Juni 1757 in Breslau, bezog 1776 die Univers
fität Halle, um Theologie zu jtubieren, entſchloß ſich
aber Schaufpieler zu werden, trat zuerjt 1777 bei
der Bondiniſchen Gejellihaft in Leipzig auf und
ing 1779 zu Adermann und Schröder nad Ham:
urg, wo er feinen Ruf begründete. In Berlin fand
er 1783 als Gaft ſolchen Beifall, daß er bei der
Döbbelinihen Gejellibaft blieb und 1786 bei der
zum Nationaltheater erhobenen Berliner Bühne an⸗
geftellt wurde, Seit 1790 Negifjeur, nahm er ſpä—
ter vielfach teil an der Direltion. F. ſtarb 20. =
1801 in Berlin. In manden Rollen, 5. B. als
Lear, mag er an poet. Auffafjung ſelbſt Schröder
übertroffen haben. Ebenio war erals Shylod,Göß,
Karl Moor, Otto von Wittelsbach, Tancred, Ejjer,
Etbelmwolf u. ſ. m. bedeutend.
led, Konrad, mittelhochdeutſcher Dichter, wohl
im jchmweiz. Jura zu Haufe, verfaßte um 1220 nad
einer franz. Dichtung (bg. von du Meril, 1856), ala
deren Bertafier er Ruprecht von Orbent (bei Biel)
bezeichnet, eine Bearbeitung der lieblihen Sage
von Flore und Blandeflor (ſ. d.). F. bat ſich haupt:
ählih an Hartmann von Aue, aber auch an Gott:
ied von Straßburg geihult. Rudolf von Ems
erichtet, dab F. auch einen Artusroman «Clies»
(mob! nah dem «Cliges» Chrétiens von Troyes)
egann. Ausgabe des «Flore» von Sommer (Qued—⸗
linb. 1846) und von Goltber in Kurſchners «Deutſcher
Nationallitteratur»,
Flecke, in Heine Stüdchen zerfchnittene und ala
Speije —— Rindslaldaunen, beſonders in
Diipreu en (Rönigäberger %.) beliebt.
Fleckeiſen, Alfred, Philolog, geb. 23. Sept.
1820 ın Wolfenbüttel, ftudierte In Göttingen und
trat 1842 eine Lehrſtelle in Idſtein an, Er wirkte feit
1846 am Gymnafıum in Weilburg an der Lahn,
feit 1851 an der Blohmannjhen Erziehungsanitalt
und dem damit vereinigten Vißthumſchen Gym:
nafıum in Dresden, jeit 1854 am Gymnaſium in |
genen a. M. Am Herbit 1861 kehrte er als
onreltor an das Vißthumſche Gymnaſium zurüd,
trat 1889 in den Ruheſtand und ftarb 8. Aug. 1899
in Dresden. Seine litterar. Thätigfeit mar, abge:
777
feben von der Redaktion der (Jahnſchen) «Yabr:
bücher für Bhilologie und Pädagogil⸗», deren erite
Abteilung für klaſſiſche Philologie er jeit 1855 her⸗
ausgab, bejonders der Kritil des Plautus und bes
Terentiug — Beide hat er, wie auch den
Cornelius Nepos, in der «Bibliotheca Teubneriana»
herausgegeben.
ledeu (frj.bourg; engl. borough) hießen früher
folde Ortſchaften, die urjprünglid Dörfer waren,
aber einzelne jtädtifche Nechte namentlich in Bezug
auf den Gewerbebetrieb erbalten hatten. Insbe—
fondere hießen fie Marttfleden, wenn fie ım Be
fig des Marktrechts waren. den neuern Ge
meindegejebgebungen find die F. nad ihrer Größe
teild unter die Städte, teil8 unter die Landgemein:
den eingereibt worden (j. Ren An Ungarn
baben die frübern F. jeit 1891 die Bezeichnung Groß»
Gemeinden (j. d.) und Klein-Gemeinden erhalten,
ledenhypothefe, j. Beränderlihe Sterne,
leckentlee, Bilanze, |. Galega.
ledenfranfheit (verSeidenraupen), ſ. Gattine.
leckenmal, joviel wie Leberfled (i. d.).
ledfieber, Krantbeit, f. Fledtyphus.
Fleckkugeln, ſ. Flechmittel.
Fleckmittel, die zur Vertilgung der Flede aus
Zeugen, bejonders aus Wäſche und Kleivungsftüden
dienenden Subjtanzen. yettflede entfernt man durch
Neiben mit Benzin (Brönners —
wobei nicht zu vergeſſen, daß die ſich entwidelnden
Dämpfe leicht entzündlich ſind und Kopfweh verur⸗
ſachen. Tinten- und Roſtflecke entfernt man aus
weißen Stoffen durch Eintauchen oder Betupfen der
betreffenden Stelle mit einer Loͤſung von Oralfäure
und Sauerkleeſalz. Flecke von Fruchtſäften, 5. B.
Heivelbeeren und Kirſchen, oder von Notwein bes
— man durch öfteres Befeuchten der Fleden mit
chwefliger Säure, friſch bereitetem Chlorwaſſer oder
mit ſog. Bleichwaſſer (Eau de Javelle, ſ. d.). In
gefärbten Stoffen, namentlich in ſeidenen, mit den
äußerjt empfindlichen ——— gefärbten, iſt
die Vertilgung von leden, ſelbſt den von Fett her»
rübrenden, mit Schwierigleiten verfnüpft, da bie
meijten ber früher mit Recht angewendeten F. Ochſen⸗
alle, Kolniſches Wafjer, Seife, Borarlöfung) die
Farbe zerftören oder löjen, alſo jelbit Fslede erzeugen.
Statt Benzin verwendet man bei Tuch und äbn:
liben Wollitoffen aud ähnliche flüchtige Kohlen—
wajjerftoffe (wie Betroleumäther); auf der Anwen:
dung derartiger Koblenwafjerftoffverbindungen be
rubt auch großenteils die jog. Shemife äſche
zur Entfernung der Flecken aus getragenen Klei—
dern, infofern die meijten Schmupflede aus Fett
oder Harz bejteben, das mit Staub überzogen ift,
Entfernt man durh Benzin das Fett, jo verliert
damit der Staub feinen Halt, und der Fleck ver
ſchwindet. Durch wirklihe Zerjtörung der Farbe
entitandene Flede, wie dies bei Einwirkung von
Salpeterjäure oder durh Aufbewahrung im feuch—
ten Zujtande (Stodflede) geſchehen lann, laſſen ſich
nicht oder nur durch Anwendung chem. Mittel bes
feitigen, deren Mahl dem fachverjtändigen Färber
überlafjen bleiben muß. Die in früberer Zeit in der
Send elten fehlenden Fleckkugeln und
Sledjeifen, Gemijhe von gewöhnlicher Seife mit
Pfeifentbon oder Wallererve, Soda und Ochſen—
galle, find faſt volljtändig vom Benzin verdrängt
worden. — Bol. Grohomwina, Die Fledenreinigung
(Braunihiw.1899); Niemeyer, Die Flede(Berl.1899);
Wild, Der Fledenvertilger (2. Aufl.,Regensb. 1900).
778
ledfeifen, |. Fledmittel.
lecktyphus, Fledfieber, eranthbemati:
ſcher over Betehialtypbus (Typhus exanthe-
maticus), eine akute, äußerft anftedende ee
frankbeit, die fich dur hohes Fieber mit ſchweren
nerovöjen Symptomen und einem eigentümlichen
maſerähnlichen Hautausihlag zu erlennen giebt,
vorzugsweiſe in dumpjen, überfüllten Wohnungen,
in h echt ventilierten Hojpitälern, Gefängniſſen
und Auswandereribiffen, nad Mihernten und
Teuerungen epidemiich auftritt (daher auch Hun:
er:, Lazarett-, Kerler:, Schiffs: over
riegstypbus —— wird) und ſchon wieder⸗
* in einzelnen Gegenden (Irland, Oberſchleſien,
olen, Oftpreußen, Rußland) die Bevölkerung de:
cimiert bat. Der Anftedungsitoff des F. tjt in der
Ausatmungsluft jomie in den Hautſchuppen, viel:
leiht auch in den jonftigen Exkreten und Selreten
des Kranken entbalten und kann ſich in ſchlecht
ventilierten Räumen infolge feiner großen Zäbig:
feit und Dauerbaftigteit ein halbes Jahr und dar:
über balten, obne an Wirfjamteit einzubüßen.
Die Krankheit beginnt in der Hegel nah einem
turzen, 3—4 Tage währenden Borbotenjtadium,
in welchem Abgeichlagenbeit, Gliederſchmerzen, Frö—
teln, Kopfſchmerzen und große Mattigkeit die haupt—
ächlichſten Eriheinungen bilden, mit einem beftigen
Schütteliroit, großer Hinfälligleit und jebr bobem
ieber (40 — 41° C.), mozu ſich jehr bald Delirien,
liederzittern, Schlaflofigteit, Benommenbeit und
andere nervöje Störungen geiellen. Am dritten oder
vierten Tage, jelten etwas jpäter, entjteben am gan⸗
zen Körper, häufig mit Ausnahme des Geſichts, zahl:
reihe rote maſernähnliche Hautfleden Petechien),
und oft genug nimmt in ſchweren Fällen jogar die
anze Haut eine dunkle livide Färbung an. Zu diejer
gen bieten die Kranlen das ſchwerſte Krantbeitsbild.
lit dunlelroter Gefihtsfärbung, balb ——
Mund und Auge, trockner brauner Zunge liegen
fie völlig teilnabmlos da, verbreiten einen eigen:
tümlib moderigen Geruch und verfinfen unter an:
baltendem Fieber in eine tiefe Betäubung, aus der
fie bei günjtigem Verlauf der Krantbeit erſt An:
fang oder Mitte der dritten Woche unter einer
plörlihen Krijis erwachen. Häufig ſchließen ſich
chwere Nachkrankheiten, namentlib Yungen: und
rujtfellentzündungen an, und immer erfordert die
Netonvalescenz iniolge ver bohgradigen Schwäche
und Erſchopfung der Kranten geraume Zeit, Der
tödliche Ausgang erfolgt meift in den legten Tagen
der zweiten Woce unter Herzſchwäche, Krämpfen
oder Lungenodem. Die Seltion ergiebt, im Gegenlak
u dem Abdominaltyphus, keinerlei charalteriſtiſche
otale Veränderungen, jondern nur die allen In:
jettionstrantbeiten gemeinjamen Schwellungen ver
Milz, Leber und Niere, Die mittlere Sterblicheit
ſchwankt beim 5. zwiſchen 6—20 Proz., hat aber
aud in einzelnen ſchweren Gpidemien (Krimtrieg,
London 1858) jelbit 50—55 Proz. betragen, Doch
ift neuerdings auch bei dem Fleckfieber dur die
energiihe Durchführung der Kaltwaſſerbehandlung
die Diortalitätsziffer bedeutend berabgeiekt.
Hinſichtlich der Vorbeugung des F. lit es von
der größten Bereutung, bei berrihenden Mikern:
ten und Teuerungen für zwechmäßige Ernährung,
Belleivung und Unterbringung der ärmern Volks—
Hafen zu ſorgen, ferner die Herbergen, Geläng:
Bledjeifen —
Flederhunde
ſchleppung des Krankheitsgiftes durch das herum⸗
wandernde Proletariat möglichit zu und
bei ausgebrochener Krankheit alle Kran
als möglich in gut ifolierten Krantenbäufern unter:
— ———— u her ebandlung
eſteht ın Jorglamiter diät e, energiſcher
Belämpfung der übermäßig boben CE
durd kalte Bäder, Ehinin und andere
Mittel und Darreihen erregender Mittel ( R
Sitber, Kampfer) bei drobender Herzii Die
Rekonvalescenz ift durch eine leichtverb
nabrbafte Diät und Fernhalten jedweder
teit angemefjen zu unterftügen. — Val. Moäler,
Grfabrungen über die Bebandlung des Typhus
exanthematicus (Berl. 1868); Pajlauer, Über den
erantbematifchen Typbus in Iinifcher und fanitäts-
polizeilicher Beziehung (Erlangen 1869);
Nüdfalltopbus, F. und Cholera (im «
der jpeciellen Pathologie und Therapie», ba. von
Ziemſſen, 2. Aufl., 2. Bd., 1. Hälfte, 2p3. 1876);
angel, Über F. und die zur Verhütung fi Ein:
ſchleppung und Ausbreitung geeigneten
polizeiliben Mafregeln (Berl. 1897); chmann,
Das Fleckfieber Wien 1900).
leckvieh, ſ. Rindviehzucht.
leckwaſſer, ſ. Flechmittel.
Fleotamus genũa (lat.), Ba ung die Knie
beugen», Ruf, dur den in der fath. e der
Diakon das Volt zum Gebet auffordert.
Fleotöre sinequöo supöros, A
movöbo, «wenn ich den Himmel nicht erweichen
tann, werde id die Hölle in Bewegung fegen», Eitat
aus Nirgils Uneide (7, sı2).
sehen ſ. Fliegende Fiſche.
lederhunde, fliegende Füchſe, fliegende
Hunde (Pteropidae s. Frugivora), die te⸗
freſſenden — welche nur in den Tropen⸗
gegenden der Alten Welt leben und durch Heine
Schneidezähne, grobe — durchaus ſtumpf⸗
böderige, denjenigen der Affen ähnliche ee
und den Mangel aller Hautausbreitungen an Übren
und Naſe von den injektenfrefienven flebermäufen
fih unterſcheiden. Der Kopf ift demjenigen eines
langihnauzigen Hundes ſeht ahnlich; der Daumen
lang und großtrallig, meijt trägt aud der Zeige
finger noch eine Kralle. Die Tiere hängen ſich mit
dem Kopf nah unten geiellig, oft zu Taufenben zur
fammen, tagsüber in den Wipfeln großer Bäume
zum Schlafe auf und näbren ſich nachts von
ten, mobei jie oft in den Pflanzungen große Ber:
beerungen anrichten. Indeſſen ge fie auch Bögel
und ſelbſt Fiſche. In neuerer Zeit hat man fie oft
lebend nad Europa gebracht, und man findet fait in
jedem zoolog. Garten Exemplare der einen ober ber
andern Art, die mit 20—40 M. das Stüd bit
werden. Ihre Nahrung beitebt dort aus
Datteln, friibem Obit, Mobrrüben und Brot. In
ibrer Heimat mäjtet man fie in der Gefangenicaft
und ißt fie. Der auf den Inſeln des Indiſchen
Arbipels einheimiihe große Flederbund oder
Kalong (Pteropus edulis Geof., ſ. Tafel: Fleder⸗
mäuſel, Fig. Miſt das größte fliegende Sugetier;
er erreicht 40 cm Körperlänge und 1,0 m Spann»
weite der Flügel. In Afrila leben die fog. Naht:
bunde (Cynonycteris), die ſich beſonders durch
einen furzen Schwanz; von den ſchwanzloſen pjt-
indischen F. unteriheiden. Der Haldband-
niſſe, Arbeitsbäuier und Ausmwandererjciffe jeder: | Nachthund (Cynonycteris collaris I.) pflanzt
zeit auf dag ftrengite zu fontrollieren, die Ber: | fich in der Geſangenſchaft leicht fort.
unvy pi "uoytxorf- suoyjusisauoy ‚suugyooag
un og’ eypaadurg "wopo odup] ‘(sympe endorsyg) Zuopey 1apo puuiaopold Jasjoın 'F wo eyramdurg "u zro efuy] "smupmu orpiedsey) susunlspeLj supwmeg 'g
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II ASAYNAHMAHLA
Ra - En
Fledermausbrenner — Fledermäuſe
er ea f. Gasbeleuchtung.
ledermänfe oder Flattertiere, Name einer
Ben Ordnung (Handflügler, Chiroptera) der
äugetiere von über 300 Arten. Diejelben haben
F verſchiedenartigen Zahnbau, indem einige, die
ederhunde (f. d.), faſt nur Früchte, die eigentlichen
. dagegen vorzugämeife Inſelkten frejien, fommen
indeſſen alle darin überein, daß fich über ihre ſehr
verlängerten Finger mit Ausnahme des furzen,
eine große Kralle tragenden Daumens bis zu den
Hinterfühen und meilt zum Schwarze eine Flug:
baut erjtredt, welche durch die vier dünnen Finger
der Hand geipannt werden fann und ein ie es
Ban ermöglicht, was die Alten veranlaßte, die
. zu den Vögeln zu zählen. Dagegen können fie
nur ſehr ungeihidt und langjam kriechen, und des:
halb ift auch die Luft ihr eigentlihes Element. Der
Hörfinn ift bei den eigentlichen
5. von ungewöhnlicher Schärfe
und der Fuͤhlſinn in ftaunener:
regendem Maße entwidelt, in-
dem an Nafe und Obren oft ganz
eigentümliche bäutige Ausbrei:
tungen und Vorjprünge ausge:
bildet find, welche der Siß zahl:
reicher Hautfinnesorgane, ner:
vöjer Apparate, find, wie ſolche
auch auf den Flügeln fich in gro:
ber Menge asien laſſen.
Der Körper der eigentlichen F.
iſt kurz, gedrungen, der Kopf
rund, mit jehr weiter Munp:
fpalte, die mit äußerit ſpitzen
Schneide:, Ed: und Badzähnen
bewaffnet ift. Die Zitzen ſtehen
an der Bruft, und die Jungen
werben in der eriten Zeit von der
Mutter mit hberumgetragen. Bei
unjern, einen Winterſchlaf hal⸗
tenden Arten find merkwürdige
Fortpflanzungsverhältnijie be:
obachtet worden; die Begattung
erfolgt im Herbit, die Beiruc:
tung aber erſt im nädhjiten Früh⸗
fing, wobei aljo ver Same den
Winter über lebensträftig bleibt.
779
tungen und 65 Arten (bierber der Oftindien und die
oftind. Infeln bemohnende Kalong, Pteropus edulis
Geof., \.Zafel: $ledermäujel,ig.4). IL. In-
sectivora, infeltenfrefjende F. mit 4 Fami—
lien: 1) Phyllostomatidae, Blattnajen (}. d.),
31 Gattungen und 60 Arten; 2) Rhinolophidae,
Hufeijennafen (f.d.), 7 Gattungen und 70 Arten
(bierher die große Hufeifennafe, Rhinolophus fer-
rum equinum Keys. et Blas., j. Tafel: leder:
mäufelI, ig. 1, und die graue Klappnafe, Rhi-
nopoma microphyllum Geoff., |. Taf. IL, fie. 3);
3) Vespertilionidae (j. d.), 18 Gattungen, gegen
200 Arten. Hierher gehören die meiften europätichen
* die Ohrenfledermaus (ſ. d. Plecotus auritus L.,
Taf. II, Fig.2); ferner die Mopsfledermaus (j. d.,
Synotus barbastellus Schreb., |. Taf. 1, Fig. 1); die
langflügelige Fledermaus (Miniopteris Schreibersii
—— ug ; a
— —
— — SB
—
Im Sommer wird dann das ein⸗ — Be >
jige, ziemlich große Junge gebo:
ren, das erſt im nächſten Sabre
zur Fortpflanzung gelangt. Zum
Schlafen hängen ſich die 5. meiſt mit den Hinter:
beinen verfehrt auf, indem fie fich in die Flügel wie
in einen Mantel büllen, und mande Arten jam:
meln ſich ungebeuer zahlreich an gemeinſchaftlichen
Schlafplägen. Sie find ohne Unterſchied nächtliche
und dur era er, nüslihe Tiere, wel:
chen von der durch Aberglauben ihnen angedichteten
Gefährlichkeit nichts beimohnt. Bermöge ihrer Flug:
traft zeigen die Ehiropteren eine weit größere Ver—
breitung al3 die übrigen Säugetiere. Vollſtändig
toömopolitiih find die ehten F. (Vespertilioni-
dae), welche jelbit auf den entlegenen oceaniſchen
Inſeln nicht feblen. Dan und Hufeijen:
nafen bewobnen nur die Alte Welt, die Vampyre nur
Amerika. (S. Karte: Tiergeograpbie I.)
Man teilt die Ordnung der F. in zwei Unterorb:
nungen: I. Frugivora, suhtrsetionde F., mit
einer einzigen familie, den Flederbunden (f. d.,
Keys. et Blas., |. Taf.l, Yig.2) flaftert 31 cm, bat
ein auffallend kurzes Geſicht; ihr Pelz ift oben brauns
rau, unten weißgrau, die Lg ri find bell grau⸗
aun; fie lebt in Südeuropa bis an die Alpen und
in Nordafrika; die gemeine Fledermaus (Vespertilio
murinus L., ſ. Taf. I, Fig. 3) Haftert 40 cm, tjt oben
beil rußiarben, unten weißlich, allenthalben gemein
in Deutſchland; die frübfliegende Fledermaus (Ves-
perugo noctula Daubenton, |. Taf. II, Fig. 4) klaf⸗
tert 36 cm, bat dunkel rotbraunen Pelz, ſchwärzliche
lügel, ift in Deutichland felten, in Suüdeuropa häu—⸗
ger; 4) Noctilionidae (j.d.), 14 Gattungen mit einis
en 50 Arten, — Bol. Temmind, ——— de
mmologie (Leid. 1827); Keyſerling und Blaſius,
Wirbeltiere Europas (Braunſchw. 1840); Bell, Artikel
Chiroptera in «Todd’s Cyclopsedia of Anatomy and
Physiology», ®b. 1 (1835); Roc, Das Mejentliche
der Ebiropteren (Wiesb. 1865); Matſchie, Die F. des
Pteropidae) oder fliegenden Hunden, 9 Gat: | Berliner Nufeums für Naturkunde (Berl, 1899 fa.).
780
ledermausfifch, ſ. Armflofier.
ledermausguäno, die Ertremente von leder:
mäufen, von denen fich größere Anbäufungen in
einigen Felſenhöhlen Sardiniens finden; fie ent:
balten 8—12 Pro;. Stidftoif, 2—3 Bros. Phosphor:
fäure und 1,5—2 Proz. Ralı.
Fledermanspapageien (Loriculus), eine aus
gegen 20 Arten beitebende Gattung der Papa:
een mit rg | zartem, nicht mit Feil-
erben verjehbenem Schnabel, gerade abgeftugtem
Schwanze von höchſtens halber Flügellänge. Die
Geſchlechter find meist verſchieden, hauptſächlich
grün und rot gefärbt. Ihre deutſche Benennung
rührt von ihrer Gewohnheit ber, an einer Pfote
aufgehängt mit dem Kopf nad unten, wie die Fle—
dermäufe, zu ſchlafen. Die F. bewohnen die ganze
ind. Region von Vorderindien, Ceylon, Sudchina
bis nad Neuguinea, find aber am zahlreichſten in
dem Centrum, das die Philippinen, Celebes, Dji⸗
lolo und Flores umfaßt. Die in Tiergärten häu-
figfte Art ift das Blaufopflori, Blauföpfhen
oder Blaufrönden (Loriculus galgulus L., ſ. Ab:
bildung auf ©. 1 von Malata, Java, Borneo,
Sumatra u. ſ. w., lebhaft bellgrün, mit ſcharlach⸗
rotem Bürzel, Schwangbedbefieverung und Keblfled
fowie mit blauer Scheitelmitte und orangeroten
Schultern. Länge 13 cm.
leefen, |. Flaalen.
leet, ein kleiner, ſchiffbarer Graben oder Kanal,
der, von einem Schiffahrtswege ausgehend, nad
ebenen Lagerhäuſern, Schiffswerften er führt.
tan trifft die F. befonders zahlreich in Hamburg und
im hbolländ. Süden, wo fie Grachten genannt wer:
den. Diefe Bezeichnung überträgt fih auch auf die
neben den tünftlihen afjerwegen liegenden Ufer:
ftraßen, 3. B. die Friedri — in Berlin. Über
das Binnenfleet ß Binnentief. — über F. als
Herdraum ſ. Bauernhaus. — über F. als Fiſcherei⸗
gerät ſ. Nebfiicherei nebſt Taf. I, Fig. 2 u. 4.
Fleetwood on Wyre (pr. flibtwubd onn weit),
Stadt in der engl. Grafſchaft Lancafter, 33 km im
NW. von Prejton, am Südeingange * More⸗
cambebai, auf einem Vorgebirge an der linken Seite
des Wyreäſtuars, Sitz je eines chilen., dän. und
ſchwed. vicelonfals ſowie eines deutſchen Konſular—
agenten, bat (1901) 12093 E., einen guten Hafen,
Dods, Schiffäwerfte, beſuchte Seebäder, einen auf
21 km fichtbaren Leuchtturm und mit etwa 150
eigenen Schiffen Handel nah Amerita. Von F
geben täglich Poſtdampfer nad Belfaft, im Sommer
auch nad der Anjel Man. — F. wurde 1836 gegründet.
Flegel, joviel wie Dreichflegel, ſ. Dreſchen. —
F. als mittelalterlihe Schlagwaffe, j. Morgenitern.
Slegel, Robert, Reijender, geb. 13. (1.) Oft.
1855 zu Wilna, trat 1869 als Lehrling in eine
Rigaer Buchhandlung, 1872 in die Handelsſchule
zu Münden, jpäter in eine Hamburger Tabaks—
roßhandlung ein und nahm 1875 eine Anitel:
ung in einer Faltorei zu Lagos in Weitafrifa an.
Drei Jahre verlebte er an der Hüfte von Guinea,
machte 1879 eine Erpedition nah dem Kamerun:
gebirge und befuhr im Juli desfelben Jahres auf
dem engl. Miſſionsdampfer «Henry Venn» den
Binue, wobei er um 200 km weiter aufwärts als
Baikie 1854 gelangte und eine gute Aufnahme des
and a fertig jtellte. Die Ausnußung diejer Waſſer⸗
traße für den deutichen Handel war fortan feine
Lebensarbeit. Mit Unterftügung der Deutſchen Afri-
laniſchen Geſellſchaft befuchte F. 1880 zunächſt Nupe
Fledermausfiſch — Fleiſch (Nahrungsmittel)
und Soloto, um fi von den dortigen Sultanen
Empfehlungsſchreiben für die Bereifung der Binue:
länder zu verſchaffen, und traf im April 1881 wieder
in Rabba ein; von da trat er im November zu
Land die Reife nad Loto am Binue an und er:
reichte nad einer vorübergehenden Rückehr zur
Küſte 31. Juli 1882 Jole, die Hauptſtadt von Ada:
maua; am 18. Aug. entdedte er bei Ngaundere
die Quellen deö Binue. Im März 1883 war er
wieder in Lagos. Eine neue Reife, auf der er
nah Süvden bis zum Kongo vorzudringen bofite,
übrte ihn zum zweitenmal auf die ſüdl. Matjer:
beide des Binue, konnte aber wegen Ausbruchs
von yeindfeligfeiten nicht tiefer nach dem Innern
fortgefeßt werden. Mitte 1884 kehrte F. nach Europa
jurüd, wo er für deutſche Handelsniederlaſſungen
im Niger-Binue:Gebiet agitierte. In Handelätrei:
fen fand F. kein Verſtändnis für jeine Bläne, wohl
aber bei der Afrikaniſchen Geſellſchaft und beim
Deutihen Rolonialverein. Aus dem Reichsfonds
für Afrikaforſchung wurden ihm Mittel für ein
neues Unternehmen gewäbrt, und der Kaiſer beauf:
rn ibn mit Überbringung von Gejhenten an den
Sultan von Soloto. Im April 1885 trat F. jeine
dritte Reife an. Ungäünitiger Waſſerſtand des Binue
war einem jchnellen Vorbringen binverlid. Auch
batte die engl. Niger-Compagnie inzwijchen fidh be:
reits am Niger und Binue feſtgeſetzt, jo daß 7. kei:
nen entjcheidenden Erfolg erringen fonnte. Auf dem
Mege nah Jola erhielt er im Juli 1886 die Nüd:
berufung —* Europa; er ſtarb an der füjte
11. Sept. in Braß. über die Ergebnijje feiner Rei:
jen vgl. Mitteilungen der Afrilaniſchen Geſellſchaft
in Deutſchland, Bd. 4 u. 5 (Berl. 1883 — 89) und
Vom Niger: Benue, Briefe aus Afrita, ba. von
Karl Flegel (Lpz. 1890). F. ſchrieb auch: «Loſe
Blätter aus dem Tagebuch meiner Hauſſa⸗Freunde⸗
Beet ſ. Flagellanten. [(Hamb. 1885).
leglerfrieg, der von — Friedrich dem
Streitbaren und Wilhelm von Meißen gegen die
ſog. Flegler 1412 unternommene Feldzug. Der Auf:
itand derjelben hatte fih im Harz verbreitet und
bezweckte gleihe Güterverteilung dei Abitellung
aller Steuern und Fronen. Unter Führung des
Raubritters Friedrich von Heldrungen durchſtreiften
die meist mit Drejchflegeln bewaffneten Scharen das
Sand und fanden bei Graf Günther von Schwarz
burg und einem Teile des niedern Adels Unter:
ftüpung. Nachdem der meibniihe Feldbauptmann
Nitter Hans Dangel die Burg Heldrungen Eng
nommen batte, ließ er die Flegler zu Tode geißeln;
Friedrih von Heldrungen verlor fein Lebn und
wurde ſpäter von einem Köbler erihlagen.
Flehmen, eine Außerung des Geſchlechtstriebs
beim Hengit, wenn er eine brünitige Stute mit:
tert, wobei er in ganz charalteriſtiſcher Weiſe
fhnuppernd die Ober: und Unterlippe nad) außen
umſchlägt. Zumweilen lommt das F. au als Kranl:
beitäjumptom bei Stuten ſowohl wie bei Hengiten
und Wallahen vor, 3. B. bei Darmleiden, beion-
derö wenn der Darmkanal dur Anmwejenbeit von
Eingeweidewürmern gereizt wird.
Bieimjer Thal, p Faſſa (Val di). j
leifch. Das als hochwichtiges Nahrungsmittel
dienende F. befteht aud den großen Mustelmafien
der Tiere und wird durch verfhiedene Formelemente
gebildet, unter denen die eigentlichen MNustelfafern
den überwiegenden Teil ausmachen. Leptere werden
durh Bindegewebe zu Mustelbünbeln vereinigt.
Fleiſch (Nahrungsmittel)
Diefe find durchſetzt von den darin fich veräftelnden
Blutgefäßen und Nerven fowie von Sehnen und
ettgemebe. Beim älter werdenden Tiere tritt mehr
indegewebe auf. Die Menge des im 5. enthaltenen
Saftes und deren Gehalt an gelöfter Subftanz wird
dur den Nahrungszuſtand der Tiere beeinflußt.
Daber ift das F. junger und wohlgenährter Tiere
aftiger, zarter und jhmadhafter als das alter und
chlechtgenährter Tiere. Das F. von Rindern, die bei
Ipenfütterung füßes Heu erhalten, ei außerordent⸗
lich wohlſchmedend und nicht zu vergleichen mit dem
von Tieren, welche mit Olkuchen, Schlempe und Run⸗
telrüben gefüttert find. Schweine, welche mit gejuns
den Kartoffeln, Trebern, Molke und Milhabjällen
enäbrt werden, geben fehr wohlſchmeckendes und
aftiges J., wogegen das F. von Schweinen, die
mit Phlehten Kartoffeln gefüttert find, widerwärtig
jchmedt, und das von Schweinen, die bei Buchen: und
Gichelnahrung aufgezogen werden, einen thranigen
Geihmad annimmt. nad) den Ernährungszuftän:
den und je nach der Art der Verwendung der Nah:
rung bei den Tieren unterſcheidet fi das F. noch
vorzüglich durd feinen Gebalt an Fett. Bei reich:
licher Emäbrung und körperlicher Ruhe füllen ſich
die die Mustelbündel umbüllenden Bindegemebs:
maſſen mit Fett. So jegen Majttiere, denen reich
lih Nahrung zugeführt wird, und die wenig Be:
wegun baben, reichlich Fett an, während in Frei—
bei lebende Tiere, Wilobret, meift fettarmes F.
aben, da ihre Nabrung meijt nur fpärlich bemejjen
ift und diefe Tiere zum Beichaffen der Nahrung und
zum Schuge gegen Feinde viel Kraft aufmenden
müjjen. Zahme Enten werden, wenn man fie frei
läßt, mag und nehmen ven Gejhmad von Wild:
bret an, Rebhühner verlieren ihren Geſchmack, wenn
fie eingeiperrt und wie Haushühner gefüttert wer:
den. Alter und Geſchlecht der Schlachttiere erzeugen
mwejentliche Verſchiedenheiten der Öüte des F. Das F.
junger Tiere iſt meiſt zart, das der Weibchen wird dem
der Männchen vorgezogen, vielfach läßt die Kaſtrie—
rung einen bejjern Fleiſchgeſchmack erzielen. Das
an friſche F. eben geſchlachteter Tiere j hmedt fade
üßlich, tft feit und zäh und wird durch die Zuberei-
tung noch feiter und derber. Beim Hängen wird das
F. mürber, da aus Inoſit, Glylogen u. j. w. Milch⸗
Küre entjtebt, die eine gelinde Maceration bewirkt.
us diefem Grunde genießen wir das F. der größern
Tiere nicht unmittelbar nah dem Schladten, ſon⸗
dern erft nad) Löjung der Muslelſtarre (Totenftarre),
wenn die eintretende Milhijäuregärung die Fleiſch⸗
jafer mürber, leichter verdaulich und wohlſchmecken⸗
der gemacht bat. Die Beitandteile des 3. find Waj:
jer, ftidjtoffbaltige und ftidjtofffreie organijche
Subjtanzen und anorganiihe Salze. Das von
fihtbarem Fett möglichit befreite F. enthält etwa
76 Proz. Wafjer und 23 Proz. jtidjtofihaltige Sub:
Bas Zu legtern gehören 3 Proz. in Dale los⸗
che Stoffe: Serumalbumin, Musleleiweiß, Kreatin,
Kreatinin, Sarklin, Tanthin, Inoſinſäure u. ſ. m.
und 20 Proz. in Waſſer unlöslihe Verbindungen:
Myoſin, Mustelfaier, Bindegewebe und Blutjarbs
ſtoff. Die ftidjtoffjreien organiſchen Subftanzen,
wie Glylogen, — Milchſäure und Glycerin:
pbosphorjäure find nur in geringer Menge vor:
banden. Die Aichenbeftandteile, unter denen Kali
und Phosphorjäure vormalten, find etwa 1 Proz.
DerNabrungswert des F. ijt durch feinen Ges
balt an Eiweißſtoffen und Fett bedingt. Um bierfür
einen Anhalt zu geben, mögen — ahlen
781
dienen, die die prozentiſche Zuſammenſetzung ver⸗
ſchiedener Sorten von F. geben:
Waſſer Eimeißftoffe Fett Salze
Ralb, fett ........ 703 18,» 92 04
mager ...... 78,8 19,8 0,8 0,8
Ochs, I — 55 13,1 84,1 0,7
albfett 60,7 165 20, 0,8
mager ...... . 76,7 20,8 1,5 1,2
Hammel, jebr fett.. 20 1a 45 0,7
„mager... 77,0 19,5 2,7 0,8
Schein, fett ...... 474 15 8375 08
mager... 7140 19,9 4 05
Aus diefen Zahlen ergiebt fi der ſehr verſchie⸗
dene Wert der einzelnen Fleiſchſorten. Es beiteben
auch Unterſchiede im Fett: und Eiweißgehalt der
verihiedenen Musteln des gleihen Tieres. Größer
it jedoch die Differenz bei den einzelnen Fleiſch—
jorten in Bezug — Zartheit der Faſer
und eingelagerten Bindegewebe. Dieje Differenzen
find für den Preis einer Fleiſchſorte viel mehr maß:
— als der Gehalt an Eiweiß und Bee Beim
bien rangieren die einzelnen Körperjtellen vom
preiswürbigjten zum mindberwertigen in folgender
Reihe: Schwanzitüd, Lendenftüd, Borberrippe,
Hüftenftüd, Hinterſchenlelſtück, Oberweiche, Unter:
weiche, Wadenftüd, Mittelrippenjtüd, Oberarmitüd,
Slantenteil, Schulterblatt, Bruſtlern, Wamme, Hals
und Beine.
, Als Nahrungsmittel verwendet man das F. meift
im zubereiteten Zuftande, jeltener roh, und man
follte ſich des se des rohen F. gänzlich ent:
halten, da ed oftmals von verjchiedenen Paraſiten,
wie Tridinen (j.d.), Finnen (f. Finnenkrankheit der
Haustiere) und Bandwürmern ( d.) durchſeßt ift.
Wird das F. vor dem Dale aber einer genügend
itarfen Erbigung (durdy Kochen oder Dampfiterili-
ation, j. Rohrbedſcher Desinfeltor) unterworfen,
o werden bie Barafiten getötet und Damit unſchäd⸗
ich gemacht. Die Anſicht, daß robes, geichabtes F.
leichter verdaulich jei als zubereitetes, iſt nicht richtig;
wenn gelochtes oder gebratenes F. Kranken in —*
verteillem Zuſtande gegeben wird, ſo daß die
dauungsſäfte eine gleich große Angriffsfläche haben,
ſo iſt es ebenſo leicht verdaulich wie rohes. Dafür,
daß fein geſundheitsſchädliches oder elelerregendes
hr in den Handel fommt, jorgt die Einrihtung der
leiſchbeſchau (ſ. d.).
Die Zubereitung für den alsbaldigen Genuß
geſchieht entweder durch Kochen, durch Braten oder
durch Dämpfen. Die Veränderungen, die das F.
beim Kochen erleidet, find verſchiedene, je nad:
dem man eö in bereits fievendes Waſſer einträgt,
oder es in kaltes Waſſer bringt und diejes erft m
Kochen * erſtern Falle toaguliert jo eich
von der Oberfläche einwärts das Eiweiß und bildet
eine Hülle, die die Auslaugung und den Austritt
der in Waſſer —*598 Teile verhindert. Wird das
Sieden nur einige Minuten unterhalten, dann ſo
viel laltes Waſſer zugejchüttet, daß die Temperatur
bis 75° C. = 60° R. erniedrigt wird, und wird nun
das Waſſer einige Stunden auf diejer Temperatur
ebalten, jo erhält man ein zartes und jhmadhaftes
k zweiten Falle dringt das kalte Wafjer durch
das ſchſtück und * die in Waſſer loslichen
Stoffe aus, es erfolgt ſchließlich eine dichte und feſte
Gerinnung. Das F. iſt zähe und geihmadlos; wäh⸗
rend die Fleiſchbrũhe (ſ. d.) gut und wohlſchmeckend
wird. Durd das Kochen des F. wird das Eiweiß
782
unlöslih und verbleibt entweder in dem Gemebe,
oder es giebt den auf der F glei eiſchbrühe ſhwimmenden
Schaum; ein Teil des Bindegewebes wird beim
Lochen in Leim übergefübrt, und ebenſo gebt ein
Zeil des Fettes in die Brühe; der Fleiſchfarbſtoff
wird zerftört und die Musle fafer i in Im Zuſam⸗
menhange gelockert und Sue leiht faubar.
Beim Braten des F. wendet man fein Wajler,
—— Fett an, mit dem man das F. in einer
fanne erwärmt; die obern Teile des Bratens wer—
den teils durch Über 15* mit dem heißen Fett, teils
durch die Hihe des Raums, in dem ſich die Pfanne
befindet, gar. Bei den Engländern und den Nord:
amerifanern, bier und da aud in Deutichland, ge:
ſchieht es in der ſtrahlenden Hitze einer Roblenglut,
der gegenüber das F. an einem Bratenwender auf
gehängt t wird; ein bleherner Schirm fonzentriert die
‚während fi in einem untergejegten Beden
ber abträufelnde Saft und das Fett fammelt. Unter
diefen Umjtänden bilvet fich ſchnell eine Krufte um
das Fleifhitüd, die dur die Braunröftung noch
dichter und undurcbringliher wird und daber den
Sait viel volljtändiger zufammenbält.
Das Dämpfen des F. iftein Mittelweg zwiſchen
Kochen und Braten, indem dabei das Garmwerden
durch die Einwirkung des Dampfes erfolgt, der das
5. re In den Hausbaltungen, wo das Mit:
gi aus einem Gericht beftebt, tbut man am
eiten, das F. mit den Gemüſen u. i. w. zufammen
u tocen, um fo den Gefamtnahrungswert des F.
F feinem Wohlgeſchmack zu ai ten. Der Ge:
—— der verſchiedenen Fleiſchſorten beim
Kochen und Braten des F. iſt folgender: beim Kochen
verliert Rindfleiſch 15, Hammeifleiſch 16, Welſcher
ahn 16, Huhn 13,5, Sdinlen 6 Proz.; im Durch:
chnitt 3 12, Geflügel 14 Proz. Beim Braten ver:
iert Ainsfleiic, 19,5, Hammelfleiſch 245, Gans
16,5, Welſcher Hahn 20,5, Lammfleiſch 22,5, Ente
27,5, Hubn 14 Proz. ; im Durchſchnitt 5.22, das des
Geflügels 20,5 Proz. Dur Ausprefien des friſchen
Fleiſches mit der hydrauliſchen Preſſe wird der friſch
ausgepreßte Fleiſchſaft (Succus carnis recens
expressus) gewonnen, welder gegen 6 Broz. Eiweiß
enthält und bei der Ernährung der Kranten mit
Vorteil — findet. über vie Bearbeitung
des F. ſ. Fleiſchzerlleinerungsmaſchinen, leiſch⸗
waren und Wurſt; über das Zalibarmachen des F.
für längere Zeit J Fleiſchlonſervierung; über den
Handel ſ. Fleiſchhandel und Fleiſchtaxe; über die
—59 ſ. Fleiſchſteuer; über die Verg piitung
durd F a. aift, — fiber jlüffiges 5. |. Flui
meat el: eu oſenthalſche Fleiſchſolution.
— in der Bibelf Era Bezeichnung des
Menſchen, fofern er feiner Natur nach bejeelter
‚als folder aber hinfällig und vergäng-
bwachbeit und Sünde behaftet ift. Dem
alooftel Paulus ericheint daher das F. als der eigent⸗
liche Siß der Sünde, ſofern aus den natürlich-jinn:
lihen Regungen der irdifchen Natur das Sündigen
notwendig bervorgebt.
lei * wildes, ſ. Granulation.
lei — ner ſ. Fleiſch⸗
leinerungsmaſchinen.
leiſchbeſchau, die Unterſuchung des zum Ge—
nuſſe für Menſchen beſtimmten Fleiſches auf ſeine
Tauglichleit für dieſen Zwed. Die F. bezwedt, daß
Fleiſch, das gelunnbeitsihanlic oder wegen
anderer erbeblicher Verſchlechterung feiner Qualität
genußuntauglid it, vom Berlauf als menſch—
Fleiſch (in der Bibelſprache) — Fleiſchbeſchau
liches —— — fern Sad vu ——
wird. Fleiſch, das nur im rohen Zuſtan
iſt, darf Lig amtlich ne —
machung unter An —8 der beſondern Deinaften-
— in den Verle eben werden (bedingt
liches — ußerdem — > ——
ver. den Verlehr mit nme ——
bus ‚war —— aber wegen ru
el in jeinem Nabrungs- und Genußwert berabge-
est (mindermwertig) ift. Diejes Fleiſch iſt wie
das brauchbar gemachte bedingt tauglihe Fleiſch
unter Angabe der befondern Beichaffenbeit zu rn
faufen. In größern Gemeinden, na
allen Schlahtbausgemeinden, find für den Verkauf
des bedingt tauglichen und des min en
Fleiſches befondere Berlaufgftätten ee e)
—* Zur Durchführung der F. find die aur
Schlachtung beftimmten Tiere vor und ——
rn durch Sachverſtändige ——
Da es ſich hierbei um die Ermittelung von Sn
krankheiten Fa find hierzu in eriter Linie die
Tierärzte bejtellt. Als Hilfsorgane dienen die nicht⸗
tierärztlihen Bejhauer(Laienfleifhbeihauer),
die, auf Schladhthöfen von Tierärzten ausgebildet
und geprüft, unter der Aufficht der letern auf dem
platten Lande die F. ausüben, fofern Tierärzte bier
nicht verfügbarfind. Weitere Hi fsorgane zur Durch⸗
führung der F. find die og. Suna 1 Cämeine
die die mifroff opi * Unte —— des
(und Hundes)fleiihes auf Trichinen vornehmen.
Auf dem flahen Lande kann die —— F. und
die Trichinenſchau in eine Hand gelegt werden.
den Städten — die lorrelte Durchführung der
die —— entlicher, ausiclichlid zu be
nügender Schlachthöfe zur Boraugjegung.
ie F. ift eine alte deutſche Einrihtung, die be:
reits im Mittelalter in vielen Städten für a
Berbältnifje gut organifiert war. Aus dem M
alter re fi) die aus
jüd:, ſüdweſt⸗ und mitteldeutfchen Staat Bel
die Gegenwart erhalten. Shunmehr wird bie F.
ganzen Deutſchen Reich einheitlich durch das Ar € tier *
etreffend die Schlachtvieh— ie
beihau, vom 3. Juni 1900 geregelt. Das
Reicsgeeh ſchreibt vor, daß fämtliche Shladttiere
(Pferde, Ninder, Schafe, Ziegen, Schweine und
Hunde) vor und nad ver Schlachtung durch Sad
—— zu unterſuchen ſind. Wildbret und Ge
ügel unterliegen der enge in nad ——
—— inſoweit,
dies anordnet. Derſelbe hat die ende ann
Unterjuhungszwanges auf Wildſchweine und
tiere verfügt. Im übrigen unterliegen Wilbbret,
Geflügel, Fiſche, Kruftenttere u. f. w. der Marlt⸗ und
—— nad) Maßgabe des Nahrungs⸗
mittelgejeged. Ausgenommen von dem Unter:
fuhungszwange find die von Privaten zum Haus:
gebrauche geſchlachteten Tiere, wenn fie Beiden i
einer die Genußtauglichleit des —**
tigenden Krankheit nicht erlennen laſſen. A
nommen von der Schlachtviehbeſchau die Schlach⸗
tungen — RN RUFEN ——
wenn —*⁊ im Verzuge liegt.
bierbei die Anmeldung zur fohort * Das
aus dem Auslande einge de Fleiſch unterliegt
en Ein 7* — * en Unter:
ubung. Zu ihrer glichu —
daß das friſche Brei mn tn a
förpern und im natürlihen Zu —*
Fleiſchbiskuit — Fleiſchbrühe
wichtigern Eingeweiden (Zunge, Herz, Nieren, bei
weiblichen Tieren auch Euter, bei Pferden außerdem
Kopf und Haut [wegen der Feititellung der Rob:
trantheit]) eingeführt wird. Zubereitetes Fleiſch
barf nur ein en rt werben, wenn feine gejunbbeits-
Ihädlihen Stofje bei der Zubereitung verwendet
wurden, die Unjchädlichteit des Fleiſches zuverläſſig
feitgeftellt werden fanıı, und wenn die Stüde min-
deitend 4 kg ſchwer find, ausgenommen Schinten,
Spedjeiten und Därme, die zubereitet in jedem be⸗
liebigen Gewicht eingeführt werden dürfen. Von der
Einfuhr find ausgeſchloſſen Büchfenfleifh, Würſte
und andere Öemenge aus zerfleinertem Fleiſch, weil
an ſolchem Fleiſch die Unſchädlichleit nicht zuver⸗
läi — werden lann.
Fleiſch, das feinen Anlaß zu einer Beanſtandung
& t, iſt als unterfucht und tauglich au fennzeichnen
renn⸗ oder Farbitempel). Ausländiiches Fleiſch
muß als ſolches noch bejonders gelennzeichnet wer:
den, weil die Unterfuchung diejes Fleiſches der Unter:
fuhung des Inlandfleiſches, bei der die Tiere lebend
und nad) der Schlachtung mit jämtlichen Eingewei⸗
ben hebenligi werben, nicht gleichwertig ift. Das in-
Baht Fleiſch ift mit blauen, das ausländiſche
leiih mit roten S zu kennzeichnen.
die Form für den Stempel des inländiſchen taug⸗
lihen Fleiſches ift rund, diejenige des Stempels
für das ausländische jechsedi e Seife, das zum
menſchlichen Genuß untaugli ift, muß ..
(vergraben, verbrannt, chemiſch verarbeitet u. dgl.)
werden. Fleiſch, das bedingt tauglich ift, muß je
nad) ber Art der vorliegenden Krankheit durch Ko—
ben, Dämpfen, Böleln, bei finnigem Rindfleiſch
aud durch dreiwochige Aufbewahrung im Küblbaus
für den menſchlichen Genuß tauglich gemacht werben
und fann bierauf unter Angabe feiner Beſchaffen⸗
beit vertauft werden. Das bedingt taugliche Fleiſch
erhält einen vieredigen Stempel, das minderwertige
einen vieredigen Stempel mit eingeſchloſſenem
Kreis, Mit Mängeln bebaftetes ausländifches
Fleiſch lann nad Kennzeihnung zurMWiederausfuhr
augelalien werben.
ntauglidhes Fleiih im Sinne des Reichs:
geſetzes ijt Das gefundheitsjchäpliche und das wegen
anderer erheblicher Verfchlechterung jeiner Beichaf:
enheit vom Genuß auszuſchließende Fleiſch. Ge
und —— ſt das rg. von Tieren, die
mit Milzbrand, Rob, Tollwut, Blutvergiftung, ge:
wiſſen Formen der Tuberlkuloſe, mit zahlreichen Tri⸗
chinen oder Finnen Minder⸗ und Schweinefinne)
behaftet find. Beſonders gefährlich iſt das Fleiſch,
das von Tieren ftammt, die wegen einer ſchweren
anitedenden Erkrankung (Blutvergiftung) notge:
hlabtet werden, Der Genuß des ; *2 *
iere lann Maſſenerkrankungen (Fleiſchvergif⸗
tungen) im ae haben. Das tridindfe und
—5 — ſch, ferner das geſundheitsſchädliche
eiſch tubertulöfer Tiere fann dur Dampflochung
unjhädlic und zum menſchlichen Genuß brauchbar
gemacht werden, ebenfo wie das Fleiſch won Tieren
mit den geringen Graden des Rotlaufs und der
—— edingt taugliches Fleiſch Als
genußuntauglich wegen ſehr erheblicher Abweichung
von normalem Fleiſch iſt ferner zu bezeichnen das
er von ungeborenen und neugeborenen Tieren,
leiſch mit ftarfer Verfärbung (Gelbjucht), mi
widerlihem Geruch (E ie, ſchiges und nad
Arzneimitteln ri i
F äſſeriges
(mit hocgrabigen Hot
und blutiges Fleisch, Fleifch chgradigem
783
lauf und andern auf den Menſchen nicht übertrag:
baren, inderen jtarfe jubjtantielle Beränderungen
bedingenden, franfhaften Eriheinungen. Minder⸗
wertig und baber unter Erklärung zu verkaufen iſt
Sie mit ſchwacher Gelbſucht, ſchwachem Gerud)
nad) Arzneimitteln, ferner Fleiſch bei den geſund⸗
beitöpolizeilich unerheblichen, aber örtlich ſtark aus⸗
gebdehnten Formen der Tuberfuloje des Kindes,
beim Borbandenjein von Blutungen in dem Fleiſche,
endlich jolches Fleifch, welches während der Aufbe⸗
wahrung leuchtend geworben iſt ( durch Anfiedelung
von —— Pferdefleiſch, das häufig für
Rindfleiſch ausgegeben wird, muß ebenſo wie Hunde:
fleiſch durch einen befondern (rehtedigen) Stempel
getennzeichnet werben, weil dieje Fleiſcharten einen
geringern Handelöwert bejiken und nicht von jeder:
mann gelauft werben.
‚ Das — unter ift 1. April 1903
in Kraft getreten. Proviforiihe Gültigkeit befist
nur berzweite Abjab des $.12, der die Bedingungen
enthält, unter denen ausländiiches Fleiſch eingeführt
werden darf. Dieje Beitimmungen fünnen vom
Reichstag abgeändert werden, wenn ſich ein Ber
durfnis —— herausſtellt. — Val. von Rohrſcheidt,
Das Fleiſchbeſchaugeſez vom 3. Yan 1900, für ven
praftiichen Gebrauch erläutert (2. Aufl, Lpz. 1902);
Johne, Der Laien⸗Fleiſchbeſchauer (3. Aufl, Berl.
1903); Ditertag, Handbuch der 75. (5. Aufl., Stuttg.
1904); derf., Leitfaden für Fleifhbeichauer (8. Aufl.,
Berl. 1904); derſ. Wandtafeln zur 5. (6 Taf., ebd.
1903); Edelmann, Lehrbuch der Zleiſchhygieine
(Jena 1903); Schroedter, Die Fleiſchbeſchaugeſetz⸗
gebung (2. Aufl., Berl. 1904). Zeitſchrift für Fleiſch⸗
und Milchhygieine (Berlin, jeit 1890.
leifchbiöfnit, Fleiſchbrot, |. Fleiſchzwiebad.
Fleiſchbrũühe, Bouillon, der durch Kochen
mit Waſſer erhaltene fluſſige Auszug aus tieriſchem
Fleiſch. Über die Bereitung ver F. haben J.von Liebig
und M. von Bettentofer Unterfuhungen angeitellt,
deren Ergebnis in Folgendem beſteht: Das Einbrin:
gen des Fleiſches in ſiedendes Waſſer ift > die Zube:
reitung des Fleiſches das beite, aber für die Güte der
F. das ungünftigjte Verfahren. Wird im Gegenjas
das Fleifhftüd in kaltes Wafler getban und dieſe⸗
ganz allmählich zum Sieden gebracht, jo tritt vom
eriten Nugenblid an ein Austauſch der in dem Fleiſch⸗
üd enthaltenen Sinfigteit und des außerhalb be:
ndlihen Waflers ein. Die löslihen und ſchmecen⸗
den Beitandteile des Fleiſches, etwa 3 Proz. (Streatin,
Kreatinin, Carnin, Jnofit, ertraltive Subftanzen,
inofin: und mildfaure Salze, Chlorlalium und phos⸗
phorjaure Salze), treten in das Waſſer; das letztere
gelangt in das Innere des Fleiſchſtuds und laugt
diejed aus. Das ebenfalls mit austretende Eiweiß
(2,9 Proz.) gerinnt ſchon vor dem Sieden und wird
ewbhnlich ald Schaum abgejhöpft. Um in kurzer
Bit die ſtärlſte und aromatiſchſte F. darzuftellen, iſt
es am beiten, das feingehadte magere Deich mit
einem gleihen Gewicht falten Waſſers gleihförmig
zu — langſam damit bis zum Sieden zu erhi
und nad minutenlangem Aufwallen aus en.
BVerjebt man die Flüftgleit mıt etwas Rodjalz und
den andern Zutbaten, womit man bie F. gewöhn⸗
lich würzt, jo erhält man auf * Weiſe die beſte
die ſich aus einer gegebenen Fleiſchmenge über:
aupt bereiten läßt. Die mit etwas gebranntem
uder oder braungebrannten Zwiebeln gefärbte F.
wird allgemein für weit ftärker gehalten als bie
ungefärbte, wenn aud beide Sorten eine ganz
1784
Fleiſcher (Handwerfer)
Seit Anfang des 19. Jahrh. wurde das Fleiſcher⸗
eiſch mit Waſſer längere Zeit lochen oder die 3. gewerbe allmählich freigegeben. In Preußen bob
ochend verbampfen, jo nimmt fie nad) einiger Kon» | die Berorbnung vom 24. Dft. 1808 den Zunftzwang
tration von jelbft eine bräunliche Farbe und einen | und die Verlaufsmonopole der Schlädter in Dit:
Iinen Bratengeihmad an. Dampft man fie im | und en ſowie Litauen auf und befeitinte
bei Zufammenfegung haben. Läßt man das
aflerbade oder womöglich in einer noch —— die Fleiſchtaxen, aber 1849 wurde die Fleiſcherei
Zemperatur in Valuumpfannen his zur Extraltkon⸗
ſiſtenz ein, ſo erhält man das Fleiſchextrakt(ſ. d.),
das man jetzt oft anwendet, um durch ein Loſen in
fiedendem
|
eine ſtarle und ne $. berzuftellen. Die: |
es — — läßt fi mit den in England und
ankreich bereiteten fog. Suppens oder Bouil⸗
ontafeln nicht vergleihen, denn diefe find nicht
aus ib, fondern durch Austodhen von Knochen
und Kalbsfüßen bereitet und beftehen aus mehr oder
weniger reinem Leim, ber ſich von dem gewöhnlichen
Knochenleim faft nur durch feinen hohen Preis unter:
ſcheidet. Dagegen enthalten die in Rußland dar:
eitellten echten Bouillontafeln alle wejentlihen Be
Ranpteile des Fleiſchextralts.
fiber ven ala le nd ber F. giebt man ſich
vielfach irrigen Vorſtellungen hin. Sie ift nur info:
ern ein wirkliches Nahrungsmittel, als fie noch
puren von den dem Fleiſche feinen Hauptwert ver:
leihenden Beftandteilen, ven Eiweißſtoffen, enthält.
Durd ihren Gehalt an den obengenannten Beſtand⸗
teilen wirkt fie ähnlich wie guter ſtarker Wein auf die
Nerven des Berbauungsapparats, die Berbauung?:
ekret liefernden Drüjen zur Thätigteit anregend. Die
iſt aber ein nervenanreizendes, —* wertvolles
enußmittel, kann aber niemals das Fleiſch erſetzen.
Fleiſcher, inSud- und Weſtdeutſchland Meßzger,
in Niederſachſen Schlächter oderKnochenhauer,
ſeltener (noch in Oſterreich) Fleiſchhauer genannt,
ren Handmwerter, der das jog. Schlachtvieh
ſchlachtet (f. Schlachten) und das zerlegte oder ver:
arbeitete Fleiſch verfauft oder in neuerer Zeit auch
nur das von Großfleiſchern, Importeuren u. ſ. w.
gekaufte frische Fleiſch verarbeitet und verkauft.
In den ältejten Zeiten findet man biefe Thätigkeit
meiſt bevorzugten Perſonen, den Prieitern, über
tragen. Erit in den fpätern Zeiten des Haffijchen
Altertums, Hand in Hand mit der Ausdehnung des
leiſchgenuſſes, ift das Schlachten dem Belieben der
rivaten überlafjen. In Rom gab e3 in der eriten
oce der Republik noch feine Metzgerzunft; fpäter
entmwidelte fih der Stand der Lanii oder Confectu-
rarii. In der Kaiſerzeit gab eö drei große amtliche
Sleifcherinnungen: die der Schweine: (Suarii), Ham:
mel: (Pecuarii) und Ochſenſchlächter (Boarii). Die
Mitgliedſchaft war lebenslänglih und erblih, und
der Staat erlaubte feinem den Austritt, ſicherte ſich
vielmehr gejeglich die erforderliche Anzabl F. Gleiche
Anordnungen galten nad der Trennung des Römi:-
fhen Reichs für die Fleiſcherinnung von Byzanz.
Auf den Fronhöfen des Mittelalters fcheint ed
Fleifherinnungen nicht gegeben zu haben, fondern
das Schlachten ſcheint von Knechten beforgt worden
zu fein. In den Städten beitanden Zünfte, und nie
mand durfte das Fleiſcherhandwerk ausüben, obne
einer jolben anzugebören. Zur Erleidhterung des
Gewerbes bauten viele Städte gemeinfame Schlacht:
Kinten- Für den Handel mit Fleiſch erließen die
brigfeiten genaue Vorſchriften. Bor allen Dingen
gi sieist en (j.d.). Zur Herbeiführunggrößern
ttbewerbes ließ man außerbalb der Zunft «rei:
ſchlächters zu, mit den gleihen Anteilsbefugniſſen
wie bie Innungsſchlächter, und «freie Fleiſchmärkte⸗.
wieder für zünftig erflärt. Erft auf Grund der Ge-
mwerbeorbnung von 1869 darf jeder das Fleiſcher⸗
aemwerbe frei ausüben. Hauptfählich infolge der
afjer, vem man etwas Kochſalz zuſetzt, Einrihtung von Schlachthäuſern (f. Schlachthaus)
in den größern Städten hat fi dort eine Arbeits:
teilung dahin entwidelt, daß Ladenfleiſcher Fleiſch
in Daher Stüden von Großfleifhern übernebmen
und an das Publikum im eigenen Laden oder in
den ſtädtiſchen Markthallen verlaufen. In vielen
Städten darf außerhalb des Schlachthauſes fein
ri, eihladhtet werden (ſ. Schlachtzwang und
Schlachthaus). Für mindermwertige, aber nicht ge
undheitsſchadliche Ware beftehen vielfach ſog. rei:
nte. (S. auch Fleiſch und Fleifhbeihau.) Unter
den Ladenverfäufern findet nicht felten eine Sonde
rung nad) den Fleiſchgattungen ftatt, 3. B. Ochſen⸗,
an vieh-, Schweineſchlächtereien in Oſterreich
elchereien) u. ſ. w.
Nach der Bexufszählung von 1895 (1882) waren
im Deutſchen Reiche 1,74 43 Proz. aller gewerb⸗
thätigen Perſonen im Fleiſchergewerbe thätig. Es
beſtanden 92873 (81 713) Fleiſchereibetriebe, dar:
unter 74163 (62747) Hauptbetriebe, welche 178010
147007) männlide und 31003 (6960) weibliche
erſonen bejbäftigten; 41 688 Betriebe (40,1 Proz.)
waren Alleinbetriebe, Von den Hauptbetrieben waren
allerdings 50054 Gehilfenbetriebe, immerhin bleibt
dem Gewerbe dadurh der Charakter des Kleinbe—
triebes gewahrt, um jo mebr, als allein 42959 Be:
triebe nur bis fünf Hilfskräfte beſchäftigten; 6—10
Gehilfen waren thätig in 3036, 11—2U in 362, 21
—50 in 60, 51—100 in 6 und 100—200 in nur 3
Betrieben, Auf je 100 Fleifchermeifter (jelbitändige
Gewerbetreibende) famen 111 (120) Gebilfen und
Arbeiter, aber erjt auf 3 Hauptbetriebe 1 Lebrling.
97,44 (98,53) Proz. aller Betriebe waren im Eigen:
tum von Einzelperfonen. Am 14. Juni 1895 waren
4,18 Broz. der im Fleiſchergewerbe Beichäftigten bes
ihäftigungslos, 2. De. 1895: 6 Proz., darunter
1,18 und 1,59 Proz. wegen Krankheit. .
Der Korpsgeiſt ift unter den 5. verhältnismäßig
jtart ausgebildet. Seit 1875 befteht in Deutichland
ein Innungsverband, der Deutſche Fleiſcher—
Berband, ein Bund von faft 1000 Innungen mit
etwa 35000 Mitgliedern. Seit dem 1. Jan. 1897
beitebt die Fleiicherei-Berufsgenofjenichaft (f. d.).
Das Mappen der F. zeigt - unftwap:
pen I, Fig. 15, beim Artikel Zünfte. BE
Mährend in Europa überall der Kleinbetrieb im
leifchergewerbe vorherrſcht, iſt eg Amerila vorbe:
alten geblieben, ven Großbetrieb einzuführen. Die
. find in den Vereinigten Staaten vielfad feine
elbftändigen Handwerker mehr, ſondern nur Detail:
vertäufer, vieihren Bedarf aug den großen Schlacht:
Si beziehen. ÜUhnliche Zuftände haben fi in
ondon, Paris, Bruſſel, zum Teil auch in Berlin
berausgebildet, was in Dielen Staaten und Städten
zu einem wirtihaftlichen Niedergang des Gewerbes
als Handwerk geführt bat. Dadurch nämlich, daß zur
Niederlaſſung als bloßer Fleiſchverläufer weniger
Anlagelapital, auch weniger umfaflende Kenntnifie
erforderlich find, ift die geht der Geihäftögründun:
gen naturgemäß groß. Andererſeits aber mebrt ſich
Fleiſcher (Heinr. Lebereht) — Fleiſcher, Karl Fr.
aud die Zahl der Konkursfälle im Fleiſchergewerbe
von Jahr zu Jahr und beträgt faft dad Doppelte der
Konkurshäufigkeit im Reichsdurchſchnitt für alle Ger
werbe.— Bol. Hilgers, Das Fleiſcher⸗ oder Metzger⸗
ewerbe mit allen jeinen Nebenzmweigen (6. Aufl, von
Sul. Todzi, Weim. 1892); Artitel Sei chergewerbe
m «Handwörterbuch der Staatswi —— »,
Bd. 3 8: Aufl., —* 1900); Wenger, Chemie und
Technik im Fleiſchergewerbe (Wien 1898); Rothe,
Das deutſche Hleifhergewerbe (Jena 1902). —
Deutiche Fleiſcher⸗geitung (Berl. 1873 fg.); Eentral-
leijher » Zeitung (ebd. 1888 fg.); Allgemeine Flei⸗
erzeitung (ebd. 1883 fg.); Internationale Fleiſcher⸗
zeitung (Lpz. 1881 fg.). j j
Fleiſcher, Heint. Leberecht, Drientalift,
21. Febt. 1801 zu Schandau an der Elbe, ſtud
feit 1819 in Leipzig Theologie und orient. Sprachen,
weilte 1824— 28 ın Paris, um dort de Sacy zu
bören und in den reichen handſchriftlichen Schäßen
der königl. Bibliothel zu arbeiten, und trieb unter
Cauſſin de Perceval vem Jüngern vulgärarab. Stus
dien. 1831 erbielt er eine Anitellung an der Kreuz:
ſchule zu Dresven, 1835 die Brofejjur der orient.
Spraden in Leipzig. Er jtarb daſelbſt 10. Febr.
1888. F. hat auf dem Gebiete des Arabiſchen ald
Lebrer und Scriftjteller Epoche gemacht; ibm ver:
dankt man die Vertiefung der grammatifchen Kennt:
nis des Arabiſchen, namentlich nad der funtal:
tiihen Seite, und die auf umfaſſende Kenntnis
des —— —— gegründete Textbehandlung.
Viele der bedeutendſten Drientaliften find aus 7.8
Schule hervorgegangen. An der Begründung der
«Deutjhen Morgenländiihen —* (1844)
jomwie ihrer «Beitfehrift> hatte er den hervorragend:
jten Anteil. Seine ältefte Schrift erfchien 1827 im
«Journal Asiatique»; darauf folgten: die Nusgabe
von Abulfcdas «Historia ante-islamica» (mit lat.
Überjegung, Lpz. 1831), die Herausgabe der Kata:
loge der orient. Benskirifien auf der königl. Biblio:
tbet zu Dresden (ebd. 1831) und der arab., per. und
turl. Handſchriften der Stadtbibliotbel zu Leipzig
(in dem «Catalogus» von Naumann, Grimma 1840),
die Uberſezung von Samachſcharis «Goldenen Hals:
bänbern» (Ypz. 1835), die einen litterar. Streit mit
Hammer-Burgitall veranlaßte; «De glossis Habich-
tianis» (2 Heite, ebd. 1836—37), die Ausgabe von
Beidhaͤwis Kommentar zum Koran (2 Bde., ebd.
1844—48), ſowie die von «Alis hundert Sprüde,
arabiſch und perſiſch paraphrafiert von Watwat»
(ebd. 1837); die gortiehumg der durch Habichts Tod
unterbrochenen Yusgabe des arab. Originals ber
«Zaufendundeine Nacht» (Bd. 9—12, Bresl, 1842
—43), die deutſche Bearbeitung von Mirja Mo:
bammed Ibrahim «Grammar of the Persian
language» (Lpz3. 1847; 2. Aufl. ald «Grammatit
der lebenden perſ. Sprade», ebd. 1875). Wichtig
find ferner feine «Beiträge zur arab. Sprachkundes,
Berbeflerungen und Erlurje zu de Sacys «Großer
Grammatik», welhein den «Abhandlungen der Säch⸗
ſiſchen Gejellihaft der Wifjenjhaften» von 1863 bis
1883 in 11 Heften ericienen, jowie die Textverbeſſe⸗
rungen zu arab. Editionen, die lexilaliſchen Beiträge
zu Dozys «Suppläment aux dictionnaires arabes»
2 Bove., Leid. 1877— 82), kritifche Beiträge für
vys a Ge nen (2 Bde., Lpz. 1867
—68) und desjelben «Neubebr. und chaldäiſches
DWörterbub über die Talmudim und Midraſchim⸗
— Bde., ebd. 1875—89), die von Muhlau und Vold
eſorgte achte und neunte Auflage von Gefenius’
eb.
—*
Brodbaus’ tonverſations ·Texiton. 14. Au R. A. VI.
185
«Hebr. und halväiibem Handwörterbub» (ebb.
1878 u. 1883) und viele.andere Werte. Seine Auf:
läge und Abbandiungen find geſammelt erfchienen in
den ·Kleineren Schriften» (3 Bde., Lpz. 1885—88).
leifher, Moritz, Agritulturdemiter, geb.
2. Jan. 1848 in Eleve, itudierte Naturmifienfcaften,
namentlich Chemie, in Berlin und Greifswald, war
Bhhent an der landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation
ödern, dann an der landwirtſchaftlichen Alademie
Hobenheim und 1872 —75 eriter Affiitent an der
landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation Weende: Got⸗
tingen; im Sommer 1875 übernahm er die Zeitung
der landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation des land⸗
wirtſchaftlichen Centralvereins für Rheinpreußen zu
Bonn und folgte 1877 einem Rufe als Dirigent der
preuß. Moor⸗Verſuchsſtation in Bremen, um das
Verſuchsweſen auf dem Gebiete der Moorkultur zu
organijieren. 1891 wurde 5. ald Profeflor an bie
landwirtſchaftliche Hochſchule in Berlin und zugleich
zum Mitglied der Gentral:Moortommiffion und
zum Kurator der Moor:Verjudhsitation in Bremen
berufen; 1898 wurde er zum Geh. Regierungsrat
und vortragenden Rat im preuß. Landwirtſchafts⸗
minifterium ernannt. 1881—91 war er Rebacteur
von «aBiedermanns Gentralblatt für Agrikultur:
chemie». Er veröffentlichte unter anderm: «Mit:
teilungen über die Arbeiten der Moor: Verfuchs:
—— (in den «Landwirtſchaftlichen Jahrbuchern⸗,
erl. 1880, 1886, 1891), «Die Thätigleit der Central ⸗
Moorltommiſſion⸗ (1882), «Berichte über die Thätig-
feit der Moor: Berfuchsitation» (in den «Brototollen
der Sigungen der Gentral-Moorlommiffion», Ber:
lin, jeit 1877), «Die Torfitreu, ibre Heritellung und
Verwendung» (Brem. 1890).
—2 — Star, Muſikforſcher, ſ. Bo. 17.
leifcher, Karl „Kommiſſionsbuchhand⸗
lung, und Friedrich Fleiſcher, Verlagsbuchhand⸗
lung, beide in er und im Befik des königl. ſächſ.
Kommerzienrat3 Otto Naubarbt, geb. 12. Ott.
1853. Der Urjprung der Geſchäfte geht zurüd bis
1681, mo Ehrihopb Friedrich F., geb. in Thum,
geit. 1709, die Hahnſche Buchdruderei in Leipzig
übernahm und damit eine Buchhandlung verband,
Den Verlag der legtern verlegte jein Sohn Johann
Be 5. (geft.1765) 1710 nad Frankfurt a. M.
ejien Nachfolger war jein Sohn Johann Georg
.„ deſſen Sohn, Johann Benjamin Georg F.
geſt. 1803), 1788 eine Sortiments» und Kommiſ⸗
ſionsbuchhandlung in Leipzig errichtete und nad
dem Tode des Vaterd auch den Ber a0 aus Frank⸗
furt wieder hierher verlegte. 1819 übernahm das
Geihäft (Firma nun «sriebr. 5.) der arten bed
vorigen, Friedrich Georg F. geb. 6. April 1794,
geit. 22, t. 1863. Er erweiterte den Verlag und
machte * um den deutſchen mn verdient
durch erite Anregung zur Herausgabe des «Börjen:
blatt3 für den deutihen Buchhandel», durh Grün:
dung der Buchhändler: Beftell: und Buchbänpler:
Lebranitalt in Leipzig u. a. Sein Sohn Karl
Friedrich F., geb. 7. Nov. 1827, geit. 3. Mai
1874, jeit 1853 Teilhaber, übernahm 1856 die Sor-
timents⸗· und Kommiſſionsbuchhandlung auf eigenen
Namen, jomie nad des Vaters Tode au den Ber:
lag, für den aber die er «’sriedr. 5.» beibehalten
wurde. 1880 wurde D. Naubardt, ein Zögling des
Hauſes, als Teilhaber aufgenommen, und 1882
Wolfgang Friedrich F. (geb. 14. Sert. 1857),
ein Sohn von Karl Friedrih 5. Lebterer über:
nahm 1894 Berlag und Sortiment allein, vertaufte
50
786
1897 das Sortiment (das noch beſteht unter der
irma «Friedrich Fleiſchers Sortiment»), und der
erlag ging 1900 an Naubarbt über. Gepflegt
wird befonders das Kommiſſionsgeſchäft mit (1903)
680 Kommittenten. Der Berlag enthielt unter an:
derm Abljelds «Predigten», Lechlers «Johann von
Wiclif», Reins « Privatrecht und Givilprocek der
Römer», Martius’ Werke über Brafilien, Waiß'
«Anthropologie der Naturvölter» u. a., die aber in
andere Hände übergegangen find; geblieben ift nur
Schrebers, «Arztliche Zimmergymnaftit» (28. Aufl.
leifcherblume, f. Lychnis, [1902).
leifcherei: Berufsgenofjenfchaft für das
Gebiet des Deutichen Reichs, beftebt feit 1. Jan.
1897. Sig ift Zübed. 1899 beitanden 19932 Betriebe
mit 40482 beihäftigten Perionen, deren anzurech⸗
nende Jahresloöhne 36,5 Mill. M. betrugen. Die
Yabreseinnahmen beliefen ſich 1899 auf 346566,
die Ausgaben auf 304697, der Refervefonds Ende
1899 auf 444 227 M. Entſchädigt wurden 1899:
398 Unfälle (9,83 auf 1000 verficherte Perfonen),
darunter 6 Unfälle mit töplihem Ausgang, keiner
mit völliger Erwerbaunfäbigleit. Die Summe der
a Entſchädigungen, — der Renten
ür Unfälle aus übern Jahren, betrug 1899:
215460 M. (©. Berufögenofjenihaft.)
‚Sleifchenter, ein jehr umfangreiches, aberwenig
milchergiebiges Cuter bei Küben. Es beſteht weniger
aus Drüfenjubjtanz als aus Bindegewebe.
Fleiſchextrakt (Extractum carnis), zur Extrakt⸗
tonjijten; im Baluum —— Fleiſd ai
die durch kalte Ertraltion von zertleinertem Fleiſch
erhalten und durch Auflochen von löslichem Eiweiß
und Farbitoff befreit ıft. Das auf Veranlafjung
Liebigs (j. d.) feit 1865 von der Liebig’s Extract of
Meat Company in ray Bentos in Uruguay dar:
eitellte Präparat bildet eine braune, zäbe, fett: und
eimfreie in Waſſer löslihe Mafje. Die von dem
Hamburger Kaufmann Giebert in —— ge⸗
— Fabrik tft ſeit 1867 in den Beſiß einer engl.:
elg. Attiengefellihaft übergegangen und verarbeitet
Jährlich bas Fleiſch von 150000 bi8 200000 Stüd
Rindern, von denen ein jedes durchſchnittlich kg F.
liefert. Yus 34 Pd. knochen⸗ und fettfreiem Ochſen⸗
fleiſch erhält man 1 Pd. diefes Ertrafts. Es ent:
bält demnad in 1 Pd. alle in Waſſer löslichen
Beitandteile von 34 Pfd. reinem Mustelfleiich oder
von 45 Bid. Fleiſch von der Fleiſchbank. Dieſe lös—
lien Beitandteile find: Kreatin, Kreatinin, Inoſit,
Carnin; ferner ertraftive Stoffe, inofin: und mild:
Uri Salze, Chlortalium und pbospborfaure Salze.
ußer der genannten Yabrit in Frah⸗Bentos finden
ſich —— in Montevideo (Bujcen:
tbal & Comp.), in Gualeguayhu und in Santa
Glena in Argentinien KKemmerichs Extrakt) u. ſ. w.
ALS Nebenprodukt wird bierbeigewonnen das Fleiſch⸗
mebl (j. d.). Die Hauptmertmale der Reinheit des
F liegen in der Löslichleit in 80proz. Altobol, dem
affergebalt und der Abweſenheit von Eiweiß, Leim
und Fett. Mindeitens 60 Proz. des Ertrafts follen
fi in Altobol löjen; der Waflergebalt beträgt gegen
16 Proz., der Stidftofigebalt gegen 8,5—9,5 Proz.,
der Aichengebalt 18—22 Proz. Die Aiche befeh
wejentlih aus phosphorſaurem Kalium und pbo8:
pborfaurem Magneſium und Ebloraltalimetallen,
unter denen dag Chlorlalium vorherrſcht. Das regels
recht bereitete F. entbält weder Eiweiß, nod Leim,
noch Fett, es gehört daber zu den Genußmitteln,
aber nicht zu den Nahrungsmitteln; es gilt bier
Fleiſcherblume — Fleifchgift
| — was über den NRahrungswert der Fleiſch⸗
brübe (f. d.) gefagt iſt. Zur Shmadttulinitung
der Loſung des }. ift ein 2 von Kochſalz er
forderlih. Die Größe diejes Kocjalzzuf er:
Er fih bei der Analyfe aus der © des
blorgehaltes, welcher ohne Rodjalzzufag gegen
10 Proz. beträgt. Mit einer Ablobung von
penträutern und Knochenſtücken liefert das F. eine
vortrefflihe Suppe. Die deutſche Ein
1900: 8381 dz im Werte von 11,091 Mill, M., die
u 1144 dz Dee M.).
leifchfarbe, |. Fleiſchton
leifchfliege (Sarcophaga carnaria L.), eine
10—14 mm lange, kräftig gebaute, Kawazı und
rau ſchillernd gezeichnete Fliege aus der Familie der
Gemeinfliegen, dadurch ausgezeichnet, daß fih aus
ihren Eiern ſchon im Dlutterleibe Maden entwideln,
von denen Neaumur im Leibe einer einzigen Fliege
etwa 20000 antraf. Die Maden näbren fi von
faulenden tieriichen Stoffen, Dünger u. f. w., find
aber auch bei Menjchen und Tieren in eiternden Ge
ſchwüren angetroffen worden,
#leifchfrefiende Pilanzen, j.Iniettenfrefiende
Pflanzen nebit Tafel.
leifchfreffer, ſ. Karnivoren und Raubtiere.
leifchgenuf. Der F. war bei den „mie
aud bei andern Völkern, indem alte VBolfäfitte reli:
giöte Bedeutung gewonnen hatte, geſehlich geregelt.
ur von reinen (db. h. urſprunglich opferbaren)
zieren (3 Mof. 11 nad Kategorien beichrieben,
5 Mof. 14, 1-21 einzeln Be! gemacht) war den
Israeliten erlaubt, das Fleiſch zu eflen.
war aud) der Genuß von Blut oder Fleiſch, worin
noch Blut war, weil man im Blut die ‚den
Sitz deö Lebens dachte; ferner der Genuß bes Flei-
ches von —— oder auf dem Felde zerriſſenen
teren, ſowie das mit Unreinem in Berührung ge
lommene —— ch, das Fett der Opfertiere und
nad talmudiſcher Satzung auch der Huftnerv
vus ischiadicus, 1 Moj. 32, 32), wie denn die s
biner aud das fpecielle Verbot, das in der Mild
feiner Mutter gelochte Bödchen r enieben, auf
jede Bereinigung von Milch und F eh ausdehnten
S. — m A cn ee en
auszuſchließen, durfte beibn. Op
eſſen werden; doch beichräntte der Talmud Diele
Verbot durd die Erlaubnis, von ſolchem Fleiſche
zu efjen, ebe das Opfer dargebrabt war. Stren:
gere Geſehesbeobachter aber, bie in beibn.
gebung lebten, enthielten ſich des F. lieber gänzlich
um nicht etwa unwiſſentlich Göhenopferfle oder
das Fleiſch von nicht orbnungamäßig gefchlachteten
| Tieren zu genießen, und die Asceſe machte joldhe
Entbaltjamteit — zu einem Mittel, einen
—*— Grad von Reinheit und Heiligleit zu er
angen. Außer den Opfermablzeiten und Gaſt⸗
mablen aß ber gemeine Jöraelit, deſſen Hauptloft
zu allen Zeiten die ——— war, nur wenig
gebratenes oder gelochtes Fleiih. (S. auch Koſchet
und ten
leifchgeichwulft, ſ. Sarkom.
leiſchgift und Fleiſchvergiftung. Das
ua der warmblütigen Tiere fann unter gewiſ⸗
en Umſtänden ebenſo wie das der Fiſche (. Site.
gift) und der Mollusten (ſ. Mufchelvergi )
eſundheitsſchädliche oder, jelbit giftige en:
haften annebmen, und wiederholt nah
— ſolchen Fleiſches ausgebreitete
und choleraartige Maſſenerkranlungen beobachlet
Fleiſchglace — Fleiſchhandel
worden. Die Urſachen derartiger Maſſenepide—
mien können ſehr verjchieden fein, und bejon-
ders in früherer Zeit hat man eine Menge höchſt
verſchiedenartiger Krankheitsprozeſſe unter der Be
jei .. Fleiihvergiftung zufammengefaßt, die
um Teil gar nicht zur Kategorie der ——
* u derjenigen der Infektionskrankheiten ar
ören. So ftellen viele ältere Beobachtungen, in
denen nad dem Genuß von robem ——
Schinken, Wurſt u. dgl. ſchwere Magen⸗ und Darm⸗
affektionen, Odem und Steifigkeit der Glieder, Muss
telihmerzen u. ſ. w. fich einftellten, unzweifelhaft
Fälle der belannten Trichinentrantheit dar. Neben
der Trichinofe können durd Genuß des Fleifches
von Tieren, welhevon der entiprechenden Kran:
— befallen waren, Tuberkuloſe, Milzbrand, Rob, | B
ut übertragen werben. Cine weitere Abteilung
der ei vergiftungen bilden Bergiftungen mit
dem Fleiſch von Tieren, welche eine gewiſſe Immu⸗
nität gegen bejtimmte Gifte befigen, fo daß fie uns
geltra von denjelben genieben können, deren Mus:
ein aber danad unter Umftänden giftige Eigen:
{haften annehmen. Vielfach ift Dies bei diſchen be
obadtet worden, aber auch bei Warmblütern ift die:
ſes Borlommnis nicht ganz felten. So befigen Hafen
und Raninden eine auffallende Immunität gegen
das Gift der Tolllirſche und können nad dem Genuß
biejer —— zu Atropinvergiftungen führen; ebenſo
hat in Auſtralien das Fleiſch von Hammeln, die
von einer draſtiſchen Cucurbitacee gefreſſen hatten,
öfter ſchwere Vergiftungserſcheinungen veranlaßt.
‚Im Gegenſaßz zu den zuletzt angeführten Ber:
giftungen und den Übertragungen von Tierſeuchen
auf den Menſchen ftehen Erkrankungen, welche auf
Stoffwechſelprodulte von Balterien, die in dem
Fleiſche wuchern len find. So ver
urſacht der Genuß von Fleiſch, welches von Tieren
ftammt, die an Eiterungen, feptihämifchen und
pyamiſchen Prozefien ertrankt waren, Krankheits⸗
erjheinungen, welhe je nah dem Krankheit:
erreger, durch melden die Erkrankung des Tieres
verurſacht war, verſchieden find, die aber doch be:
ftimmte Symptome gemeinfam haben. Durd den
Genuß des rohen Fleiſches folder Tiere lönnen ſpe⸗
cifiſche Ptomaine produzierende Batterien in den
1 gelangen, welche nad einer gewiljen In⸗
cubationszeit entzündliche Erſcheinungen der Ber:
—— ervorrufen, zu unſtillbarem Er:
brechen beitigem Durdfall, verbunden mit
Schwächegefühl, —— und Fieber, füh⸗
ren. Die Symptome dieſer Erkrankungen erinnern
in manden Fällen an Typhus, in manden an
Cholera nostras; felten find Todesfälle zu verzeich⸗
nen. Gelegentlich derartiger Epidemien von Fleif
ven tlung In verſchiedene kurze, meift lebhaft bes
weglihe Stäbden, welche zur & pe der Koli⸗
bacillen gehören, ifoliert worden, welche als Erreger
der Erkrankungen anzufehen waren. Dieſe Batterien
tönnen auch bereit3 im Fleiſche Ptomaine produ⸗
ziert haben und durch diejelben bereitö wenige Stun-
den nach dem Genufje von rohem Fleisch beffige Ye
torilationserfcheinungen hervorrufen, an die ſich
dann nah etwa 24 Stunden die auf Vermehrung
ver Bakterien berubende Infeltion anſchließt. Allein
aud in gelochtem Zuftande vermag ſolches Fleiſch
Die Intorilationseriheinungen bervorzurufen, da
vie in ge fommenden Ptomaĩne durch Siede
bige nit unſchädlich gemadt werden. Die Ber:
giftungseriheinungen beiteben meift in Lähmung
187
der Heinern und zartern Musteln (Auge, Schlund,
Zunge, Kebltopf). Erweiterung der Bupille, Herab-
bängen der obern Augenliver, Accommodationd:
und Motilitätftörungen des Auges, erichwertes
Sprechen und Schlingen find daher die Haupt:
ſymptome dieſer Erkrankung.
Verſchieden von dieſen Fleiſchvergiftungen, welche
von ſpecifiſchen pathogenen aus dem Fleiſche er
frantter Tiere ſtammenden Balterien verurſacht
werben, find biejenigen, bei denen pojtmortale
Wucerung von Sapropbyten zur Bildung von
toriihen Subſtanzen im Fleiſche gefunder Tiere ge:
führt bat. Die Krankheitäjumptome befteben eben:
falls meift in Mustellähmungen am Auge, Schlund
und Kebllopf. Neuerdings haben van engbem,
Brieger und Klempner au in diefen Fällen ein
Balterium als Urlade der Fleifchvergiftung nad
ewieien. Die Erkrankung ift häufiger nad dem
Benuſſe von Wurſt beobachtet worden, man bat fie
daher ala Rurftvergiftung GGotulismus, ſ. Wurſt⸗
gift) bezeichnet, e
Hinfihtlih der Behandlung der Fleiihver:
iftung iſt in friſchen Fällen für möglichit frübzeitige
ntfernung des Magen: und Darminbalte durch
Brech⸗ und Abführmittel ſowie durch Ausjpülung
des Magens zu jorgen; daneben find Wein, exci⸗
tierende und antifeptiihe Mittel nicht zu ent-
behren. Daß die Fleiichvergiftungen nur durch
eine jorgfältige obligatorifhe Fleiſchbeſchau ver:
_ werden lönnen, braucht nicht erjt beſonderẽ
etont zu werden. — Bol. SR und Baal, Ein
Beitrag zur Frage der jog. Fleiih- und Wurſtver⸗
iftungen (in den «Arbeiten aus dem kaijerl. Geſund⸗
heitäamt», Bd. 6, Berl. 1890); Schröder, Die Fleiſch⸗
und Wurftvergiftung in Weibenfeld und Umgegend
des Kreiſes Weißenfels im J. 1892 (in der «Viertel:
jahrsſchrift für gerichtliche Medizin und öffentliches
Sanitätöwelen», 1893); Kaenſche, Zur Kenntnis der
Krantbeitäerreger bei Fleiſchver —— (in der
«Zeitichrift für Hygieine und Anfeltionstrankbeiten»,
2p3. 1896); van Ermengbem, Über einen neuen anae
roben Bacillus und feine Beziehungen zum Botulis-
mus (in derfelben Zeit hut, 1897); Brieger und
Kempner, Beitrag zur Lehre von der Fleiſchvergif⸗
tung (in der «Deutichen Mediz. Wocenichrifte,
1897); Lehmann, fiber die Atiologie der Fleiichver:
aiftung (Straßb. 1900).
leiichglace, ein Gelee, |. Glace.
leifchgräten, I Fiſche.
leiſchguano, künitl. Düngemittel, |. Guano.
leifhgülle, |. a ram
— j. Fleiſchzerlleinerungs⸗
chinen.
ieiſchhandel. Die hohe Entwidlung der In—
duſtrie hat in vielen Ländern und Gegenden ber
Landwirtſchaft jo viel Boden und Arbeitskräfte ent:
ogen, daß fie nicht mehr im ftande ift, allein bie
Bedürfniffe an Fleiſch zu ge Diefe Länder
und Gegenden —* ebenſo wie alle Großſtädte auf
viehreihe Nahbargegenden und Länder angewieſen.
So wird England zum größten Teile mit auswär-
tigem, ameril, und auftral. Fleiſche verjorgt; Franlk⸗
reich bezieht jährlich eine große Menge von Schafen
aus Auftralien, Algier und neuerdings aus Ruß⸗
land. Auch Deutihland vermag den jährlihen Be
darf an Fleiſch zur Zeit nicht jelbit zu deden, trotz⸗
dem fich der Viehbeſtand in den lebten Jahren
bedeutend geboben bat (f. Deutichland und Deut:
ſches Reich, Landwirtſchaft). Viebreiche Länder find
50*
ma
188
Rußland, Öfterreich« Ungarn, Serbien, Italien,
die Schweiz, Schweden, Dänemark, Amerila und
Australien. In Deutihland zeichnen fih dur
rößern Viehreihtum aus Oft: und Weitpreußen,
Schleswig-Holſtein, Dftfriesland, Medlenburg,
Bayern, Baden und ag
Der Fleiſchreichtum einzelner Diſtrikte und Län⸗
der fann auf doppelte Weiſe nach weiten Entjer:
nungen bin nugbar — werben: 1) burd den
erfand lebenden Viehs; 2) dur Verſchickung
ausgeſchlachteten friſchen Fleiſches. Beide Ber:
fahren haben ihre Licht- und Schattenſeiten. Der
Hauptvorzug der Einfuhr lebenden Schlacht—
viebs liegt darin, daß der Geſundheitszuſtand
der Schlachttiere vor und nah dem Schlachten
durch Sadverftändige — —— und kranke Tiere
vom Konſum ausgeſchloſſen werden können. An
ausgeſchlachtetem Fleiſche ift dagegen der gewand⸗
teite Sachverſtändige nicht mehr im ftande, in allen
ällen mit Sicherheit zu erfennen, ob e3 nicht von
anten Tieren berrührt. Wenn daher am Orte der
Schlachtung eine mangelbafte oder, wie in Amerita
und Aujtralien, feine Fleiſchbeſchau (f. d.) ausgeübt
wird, jo fann nicht verhindert werben, Be aud
Fleiſch von kranken Tieren, darunter ſelbſt ſolches
mit gejundbeitsihäplichen Eigenſchaften, eingeführt
wird. Die Nachteile der Einfuhr lebender Schlacht:
tiere bejtehen dagegen in ber Gefahr der Seuchen:
einicleppung und Berfchleppung, ferner in den
hohen Transportloften. Beide Umftände find von
rößter Bedeutung; der erftere ift eine große Ge—
jr ür die Landwirtſchaft, der zweite voltswirt:
chaftlich jede — weil die Leiſtungsfähig⸗
teit eines Volls wejentlid davon abhängig iſt, ob
es ſich binlänglic mit Fleiſch ernähren kann. In
England fuht man aus folhem Grunde die Ein:
jubr von Fleiſch möglichit zu erleichtern und ftellt
die finanzielle Seite des Fleiſchverlehrs fo En über
die hygieiniſche, daß bis jet von einer jtrengern
Überwachung des Fleiſchverlehrs Abitand genoms>
men wurde. Den Unterſchied zwiſchen dem Trans⸗
port lebenver Rinder und demjenigen ausgeſchlach⸗
teten Fleiſches (in zu... jeigt Hausburg
«Dieb: und zu regen erl. 1879) an mehrern
iipielen. Sp beträgt die Erjparnis beim Verjand
des ausgeſchlachteten Fleiihes von 30 Ochſen von
—— bis Hamburg 6712. M., für das Fleiſch
von 5671 Schafen von Berlin bis Paris 20810 Fre.
Als ein jehr zwedmäßiges Austunftsmittel, wenig:
itens für die Fleiſchverſorgung aus den Nachbar:
ländern, wurde die Errichtung jog. Grenzſchlacht—
bäujer empfohlen. Hart an der Grenze errichtet,
jollten fie die lebenden Transporte aufnehmen
und das unter einheimiſcher Aufficht geichlachtete
Vieh nad dem Binnenlande verjenden. Derartige
Schlachthäuſer bejtehen an der deutſchen Ditgrenze
(Beutben, Myslowißz, Kattowis, Tarnowitz) und an
der deutien Seegrenze (Bremen, Hamburg, Lübed,
Kiel, Rojtod, Stettin), ferner * in Belgien, Frank⸗
reich, England. Sie erweiſen ſich auch deshalb loh⸗
nend, weil in der Regel der Eingangszoll für das
lebende Schlachttier viel niedriger iſt als für das |
von ihm gewonnene Fleiſch. Vorbedingung bleibt
freilih die Möglichkeit eines fehr raihen Trans:
port3 nad den größern Verbrauchsplätzen zu bil:
ligſten Preijen. Sm dieſer Richtung verfahren unter
andern die deutiben Cilenbabnen jehr entgegen:
tommend, da friiches Fleiſch zu billigen Sägen mit |
Perſonen-, fogar mit Schnellzügen befördert wird.
Fleiſchhandel
Große Schlachtereien verfrachten das Fleiſch in bes
ſonders eingerichteten Küblwagen, in denen ganze
— lachtete Rinder, Schafe, Kälber aufgehängt
fortgeſchafft und ſelbſt in der warmen Jahreszeit
weithin verſandt werden. Ahnlich geſchieht der
Transport geſchlachteter Tiere aus Auftralien, Süd»
amerila und Sudafrika nad Europa, nur mit dem
Unterjchiede, dab das Fleiſch nicht in gefübltem,
jondern in gefrorenem Zustande in befondern Dam⸗
pfern verjandt wird.
Außer durh Wärmeentziebung kann der &
— des Fleiſches durch Raucherung und durch Ein⸗
alzen oder Einpöleln vorgebeugt werden (ſ. Fleiſch⸗
tonjervierung). Gut geräucherte —— B.
Schinlen, geräuchertes Rindfleiſch, geräucerte Wurſi
(Hammel: und Kalbfleiſch eignen ſich dazu weniger),
vertragen unangeichnitten weite Transporte, und in
der That gehen z.B. Weitfälifhe und Prager Shin
ten, Gothaer und Braunichweiger Wurftwaren in
weite ferne, ebenfo Hamburger und O —*
Rauchfleiſch, lezteres unter dem Namen Nagelbol;.
Die ge ausländifchen Fleiſches nach Deutſch⸗
land iſt durch das Reichsgeſetz, betreffend die
—
1900 geregelt (j. Fleiſchbeſchau). Doch kommen neben
fanitätspoligeilien Erwägungen für die Schladt:
vieh⸗ und Fleifheinfubr auch veterinärpolizeiliche
Geſichtspuntte in Betracht; jo die Berbütung der
Einſchleppung der Yinberpeft aus Rußland, bes
Zeragfieberd aus Amerila, der Schweinepeit aus
Ungarn und der Maul: und ge ee fämt:
lihen Nachbarländern, weshalb die Bieheinfubr aus
biefen Ländern nad Deutichland zur Zeit vielfachen
Beſchränkungen unterworfen iſt.
Als die Hauptmarkte für den F. find Großbritan⸗
nien und die Vereinigten Staaten von Amerita an:
ufeben, erfteres als Verbrauchs-, legteres als Aus:
fbelan Großbritannien (England und Schott:
and) verbraucht jäbrlid etwa 2,05 Mill. t Fleiſch,
produziert aber nur 850000 t. Die Gejamtmenge
an Fleiſch auf allen Märkten ver Welt betrug 1898
etwa 19,328 Mill. t im Werte von 13868 Mill. M.;
davon entfielen auf die Vereinigten Staaten von
Amerita 6,699, auf Rußland 2,645, auf Deutichland
1,752, auf Großbritannien 1,278 Mill. t im Werte
von 4050, 1912, 1384 und 2225 Mil. M. Aus
diefen Ziffern ift gleichzeitig die verſchiedene Be:
wertung bes Seifcpes in den einzelnen Landern zu
erjeben. So tjt die Menge des in Amerika produ⸗
zierten Fleiſches etwa fünfmal, der Wert dagegen
nur breieinbalbmal fo groß als der der engliſchen
Produktion. Die Vereinigten Staaten von Amerila
führten 1897 aus: 489 Mill. Pfd. geräucerten
Scinten (Mert 38 Mill. Doll.), 137 Mill. Bid. ans
dern Schinten (13,7), 542 Mill. Pfv. (36),
69 Mill. gi Schweine » Bücjenpötelfleiih (4),
2 Mill. Bid. friſches Schweinefletich (221000 Doll),
235 Mill. Bid. friſches Rindfleiſch (20 Mill. Doll.);
von dem letztern gingen 234,5 Mill Pfd. (19,026 Mil.
Doll.) nah Großbritannien, zu defien regelmäßiger
täglier Verjorgung mit friichem Fleiſch Vorleh⸗
tungen getroffen find.
Die Summen, welde im innern Verkehr in den
Fleifhläden und auf den Wochenmärkten durch den
gejamten F., welchem aud ber Viehhandel zuzu—
rechnen iſt, umgeſetßt werden, find vielleicht 20: bis
| 80mal fo hoch als die des auswärtigen Handels.
Welche Höbe fie in Deutihland erreichen, erbeilt
daraus, daß die deutſche Einfuhr 1900 von friichem
Fleiſchkäſe — Fleifchkonjervierung
Fleiſch von Vieh 22912 t (20,018 Mill. M.), die Aus:
fuhr 1666 t (2,08 Mill. M.), von einfach zuberei-
tetem Fleiſch von Vieh (Sped, Schinten u. f. w.)
18 909 t (16,197 Mill. IM.) bez. 2568 t (4,18 Mill,
M.) endlich von jonftigem Fleiſch, Wurſten, Fleiſch
in Büuchſen oder ähnlichen Gefäßen 9421 t (9,164
Mill. M.) bez. 888 t (2,026 Mill. M.) betrug. Außer:
dem wurden, wenn auch nicht ausſchließlich ala
Schlachtvieh, fondern teilmeife zu Zuchtzwecken,
129589 Stüd Rindvieh (Wert 40,51 Mill. M.),
14 137 Kälber (503 000 M.), 69718 Schweine (69,751
Mil. M.), ein⸗ 163892 Stüd Schafvieb und Lüm⸗
mer (4,958 Mill. M.) ausgeführt.
Über den Fleiſchverbrauch auf den Kopf der
Bevölkerung find mancerlei Angaben vorbanden.
Dieje find indeſſen mit Borficht aufzunehmen, da
derartige Berechnungen jehr ſchwierig jind und, weil
um Teil auf einem nicht ficher ermittelten Durch⸗
hnittögervicht der geichlachteten Tiere berubenp,
nur annäbernd richtig jein lönnen. Gefhäst wurde
der Fleifchverbrauc 1898 pro Kopf für die Vereinig⸗
ten Staaten von Amerika aufjäbrlid 147, für Grop:
britannien auf 117, für Norwegen auf 80, für Frank⸗
reih auf 77, Spanien auf 70, Deutichland 64,
Schweden und die Schweiz 62, Belgien 61, Oſter⸗
reih-Ungarn 60, Rußland, Portugal, die Nieder:
lande und Irland auf 50, für Italien auf 27 Pfd.,
dagegen * London auf 185, Paris 138, Berlin
122 Pfd. Nah andern Berehnungen (Lichtenfeld) be
trägt der durdichnittliche Jahreslonſum an Fleiſch
von Schladttieren (Rind, Kalb, Schaf, Schwein) in
Deutihland 39,» kg (15,3 kg Rindfleiſch, 2,2 kg
Kalbfleiſch, 15 kg Schaffleiſch, 20,» kg Schweine
fleifch). Aus der Statiſtil ergiebt ſich die hohe Be:
deutung des Schweinefleiihes als Vollsnahrungs⸗
mittel. Den größten Fleiſchverbrauch in Deutich:
land haben Baden und Bayern, den geringiten
Schleſien und das Königreich Sachſen. Der Ver
brauch in den Städten beläuft fi auf 60-80 kg,
auf vem Lande auf 20—85 kg im Jahre.
Hierzu fommt noch ver Berbraud von Fifcen,
Wild, Wildgeflügel, Federvieh (Hübner, Kapau:
nen, Boularden), Gänien (1900 deutſche Einfuhr
6220055 Stüd im Werte von 175 Mill, M.) u.a,
Auch die Pferdeihläcterei gewinnt in Deutfchland
beitändig an Ausdehnung, wie die Zahlen der in
den Schladhtböfen der größern Städte geſchlachteten
Tiere darthun. In Berlin z. B. wurden geichlachtet
1896 : 7588, 1897: 8540 Bierde, in Königsberg 865
und 926, in Machen 387 und 477; in Magdeburg
1036 und 1233.
Bei den Fleifhpreifen muß unterſchieden wer:
den zwiſchen dem Preis des Schlachtviebs, der durch
die Handelögebräuce des betrefjenden Marktes feit-
geſeht wird, und zwifchen dem Detailpreis, welcher
von dem Konfumenten dem Fleiſcher gezablt wird.
Dazwiſchen ſchiebt fih noch in größern Städten der
Großhandelspreis, wie ihn der Kleinhändler für die
ausgeſchlachteten Tiere zahlt. Für die Statiftik der
Sleiichpreife ift von hauptjächlicher Beveutung die
Feſtſtellung des Preisaufſchlags ſeitens der Detail:
ändler, verfolgt an der Zujammenitellung von
Groß: und Kleinhandelspreiſen, und die Darlegung
des Verhältniſſes der Feiſchpreije zu ven Löhnen
einerjeitö und zu ben we und Warenpreijen
anbererjeit3. fiber das Verhältnis der Fleiſchpreiſe
zu. den Fruchtpreiſen j. Getreidepreiſe — Bol.
BD. Schulge, Deutichlands Vieb: und Fleiihhandel
(2 Tie., Berl. 1899— 1900); Artitel Fleiihlonium
189
und Fleiſchpreiſe im «Handpmwörterbud der Staats:
wiſſenſchaftens, Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900).
‚ Bleifchkäfe, Fleiſchluchen oder Fleiſchpain,
eine Art feiner Sulze von Geflügel, Zunge, Wild,
Leber u. }. w.
leiſchknochenmehl, ſ. Fleiſchmehl.
leiſchkonſervierung, das Haltbarmachen von
—— Genuß beſtimmtem Fleiſch auf längere Zeit. Es
erubt auf dem fernhalten oder Unſchädlichmachen
der Fäulnisorganismen. Die Zahl der dazu vor:
eihlagenen Methoden ift ſehr bedeutend. Nach
üdell find von 1793 bid 1875 nicht weniger ala
337 diesbezügliche Publikationen reſp. Patente zu
verzeichnen. Lange Zeit erblidte man in einem
bloben Luftabihluß ein richtiges Ronfervierungs:
rincip; fo glaubte man durch Einhüllen des Flei⸗
(se mit Fett oder Gelatine ed vor Fäulnis zu
büsen. Diefe Methode bat fih jedoch als unzu:
reihend erwieſen, da in Gelatine die dem Fleiſch
ne Fäulnisfermente fih weiter entwideln
und Fett durch Ranzigwerden das Fleiſch verdirbt
Als wirkliche Bene der Füulnisorganismen bat
man hauptſächlich folgende als zur F. geeignet er:
fannt: Trodenbeit, Hitze, Kälte und antijeptifche
Subftangen. Nah diejen vier Gruppen laſſen fid
alle rationellen Methoden zur F. einteilen.
Das Ausdtrodnen wird von vielen Naturvdl:
fern, jedenfall3 ſchon feit längerer Zeit, zur F. be
nußt d Boucanieren) und fommt auch bei ber Fiſch
konfervierung (f. d.) zur Anwendung. Obgleich ge
trodnetes Fleiſch als eine der beiten Zteifhtonfer:
ven zu betrachten ift, da e3 vor allen Dingen alle
Veftandteile des frifchen Fleiihes behält und aud
ſich bequem transportieren läßt, jo find doch die Me:
thoden zur fabritmäßigen Herftellung mit fo großen
Schwierigkeiten verbunden, daß ed gegenwärtig auf
dem europ. Markt nicht eriftiert (die Carne-pura-
Geſellſchaft hat nad) kurzer Zeit ihre Thätigkeit wie:
ber eingeftellt). In größern Quantitäten kam getrod-
netes Fleiſch im Krimtriege 1854—55 zum Konſum.
Die F. durh Erhitzung (f. Apperts Methode)
dient zur Herftellung von Buchſenfleiſch, das in
—*— Mengen von Auſtralien und Amerika zu
illigen Breifen nad Europa kommt, aber aud von
europ. —— erzeugt wird und als
Corned beef allgemein belannt iſt.
Durch Kälte konjervieren nordiſche Voller ihre
— von einer Jagdzeit zur andern. Die
altbarleit des unter genugende Kälte geſetzten
Fleiſches iſt eine unbegrenzte; dies zeigen die in
rofibirien ne gefrorenen Mammut:
fabaver, deren Fleiſch troß des bedeutenden Alter®
noch geniekbar war. Eine allgemeinere Bedeutung
bat die F. dur Kälte jedoch erft erlangt, ſeitdem
man durch Einführung der Eismaſchinen in ben
Stand gejest üft, in allen Klimaten und zu jeder
abreözeit einen für die Konſervierung erforber:
ichen fonftanten Kältegrad oder beliebige Mengen
von Kunſteis zu erzeugen. Dan bat verjudht, das
billige Rohfleiſch Amerilas in Eisihiffen auf den
europ. Markt zu bringen. Allein meijt ift ie Tem⸗
peratur auf ben Schiijen nicht niebrig genug, um
die Vegetation von Bakterien volllommen auszu:
ſchließen; von einer Abtötung derjelben kann jeden:
falls nicht die Rede fein. Sodann ift dieſes gefro⸗
rene Fleiſch nach dem Auftauen viel weniger balt:
bar ala —— leiſch und geht leicht in Seulmis
über. Injolgedeſſen bat fi die Einfuhr g
Fleifches in Deutichland nicht bewährt.
prenen
790
Bon den ee die ei Anwendung anti:
feptifher Stoffe beruhen, find am bekannteſten
und verbreitetften das Räudern und das Pokeln
(Einpdteln, Einjalzen). Beim Räudern wer:
den dem Fleiſch die im —* enthaltenen antiſep⸗
tiſchen Stoffe (Eſſigſaure und Kreoſot) zugeführt; da⸗
neben wird eine bie Haltbarkeit erhöhende Austrod⸗
nung bewirkt. Am meiften wirtjame Stoffe ent:
bält der Rauch der Laubbölzer; weniger geeignet ift
der Rauch von harzigen Hölzern und Kohlen. Die
Räucerlammern, in welche die Fleifhitüde mitteld
eiferner Halten an Latten, und zur Vermeidung einer
rußigen Krufte am beften in Leinwand eingenäbt,
pebängt werben, find meift unter dem Dache ge:
egene Räume, in welche die Abzugstanäle der ein-
zelnen Feuerungen einmünden. Am rationellften
arbeiten die Kammern, wenn fie Tag und Nacht
Rauch belommen. Diejer Räucherung in Kammern
ftebt die fjog. Schnellräuberung oder Räude:
run auf naljem Wege gegenüber. Diejelbe
beiteht darin, daß man bie Heichftüde mit Holz:
eſſig, der dieſelben antifeptifhen Stoffe wie der
Holzraud, aber in fongentrierterer Form enthält, be:
—— te dann an einem warmen Orte trodnnen
äßt, fie wieder beftreicht u. f. N; Statt Holzeffig
dient zur Schnellräuderung auch eine mit Kochſalz
verjegte Ablohung von Glanzruß, der fi in
den Kaminen von Holafeuerungen abjegt. Die
durch Schnellräucherung entftandenen Räucderwaren
feben heller aus und bejiken ag Waſſergehalt,
was vorteilhaft die Händler iſt, die auch oft, um
den Käufer zu täuſchen, ſolche Ware durch mehrtägiges
Einhängen in die Rauchkammer nachdunkeln teten.
Mikroorganismen werben durch Schnellräuderung
nicht getötet, weswegen ſolche Waren auch weniger
baltbarfind ald die in Raͤucherlammern bebanbelten.
— Das Völeln oder Einjalzen beftebt darin, daß
die einzelnen Fleifhftüde mit Salz äußerlich eins
—— werden. Es dient hierzu entweder reines
ochſalz oder ein Gemenge von z. B. 100 Teilen
Kochſalz, 5 Teilen Salpeter und 10 Teilen Zuder.
Nach dem Einreiben tritt ein Diffufiondvorgang ein.
Das Salz bringt teilmeife in das Fleiſch ein, und
Fleifchfaft tritt aus, der mit dem anhaftenden Sal
bie ſog. Late (Fleifhgülle) bildet. Der bierbur
entitebende Verluſt an Nährwert ift nad Unter:
fuhungen von Rubner und Boit nicht erbeblib. Um
trogdem dem Austreten des Fleiſchſaftes vorzu:
beugen und — leich das Verfahren auf die kürzefte
Zeitbauerzu elchränten, bat man dasfog. Schnell:
pöleln eingeführt, das darin befteht, daß man das
eiih in eine Salzlöjung legt, die man auf ver:
chiedene Weiſe zum 2* Eindringen in das
Innere des Kr ches zwingt. Am fi en und
hnellften geichieht died dadurch, daß man das
leiſch in einen hermetiſch verſchließbaren eifernen
ebälter legt und denſelben luftleer pumpt, wodurd
die Luft aus den Hoblräumen des Zellgewebes ent:
weicht. In dieje Hohlräume tritt die in den Bebälter
eingeführte Salzlöiung in der fürsejten Zeit ein.
on andern antijeptiihen Stoffen werben muB.
namentlih eſſigſaure Salze, ſchwefligſaure Salze
(dieſe find jedoch nachteilig für die Gejunbbeit),
vor allen Dingen Borjäure benugt, melde, 1870
zuerſt von Gahn in Upjala vorgeihlagen, jeitvem
in den meijten patentierten Konjervejalzen ben wirt:
famen Grundbeftanbteil bildet. (©. Konj ervierungs:
mittel.) Salicylſaure konſerviert das Fleiſch nur kurze
Zeit, weil die ſich bildenden falicylfauren Salze nicht
Fleiſchkuchen — Fleiſchmehl
antiſeptiſch wirlen, während die borſauren Salze
ebenfalls antiſeptiſch find. — erg
chaft von Gaſen (Kohlenoxyd, —* Säure,
oblenfäure) findet nur in beſchränktem Maße Ber:
—— Neuerdings hat man das Fleiſch auch
mittels Gleftricität zu fonfervieren verſucht, indem
man es in 5Oprogentige Rodiallöfung Legt und
durch diefe einen elettriichen Strom jhidt. — Bol.
Plagge und Trapp, Die Metbovden der F. (Berl.
ur und die Pitteratur zu Konſervierung.
fuchen, |. Beate
leifchleguminofe, |. Zeguminofe.
—— Vergehen, ſ. Unzucht.
eiſchmaun, Güſt. Friede. Wilhelm, Schrift
ſteller auf dem Gebiete der Milchwirtſchaft, geb.
31. Dez. 1837 in Erlangen, ftudierte in Würzburg,
Erlangen und Münden Naturwifienihaften, ar
beitete dann in Liebigs Yaboratorium in Mun
wurde 1863 Lehrer an der Gewerbeichule und Bor-
and der landmwirtihaftlihen Verſuchsſtation in
emmingen, 1867 Reltor der königl. Gewerbe
ſchule in Lindau am Bodenfee, 1876 Vorftand der
milchwirtſchaftlichen Verſuchsſtation und der Mol:
tereifchule für männliches Berjonal in Raden (Med:
lenburg-Schwerin). 1886 wurde er ald ord. Brofeflor
= Leitung des ar Inſtituts nad
dnigsberg, 1896 in gleiher Stellung nah Göt-
tingen berufen. F. ſchrieb: «Lanbwirtigaftlice Wan-
dervorträge» (Lindau 1871), «Studien über das
Moltereimefen in Dänemark, Schweden und Fin—
land» (mit Peterſen und Boyſen, Danzig 1875),
«Das Swartzſche Aufrahmungsverjahren» (2. Aufl,
Brem. 1878), «Das Moltereimeien» (in Dtto:Birn-
baums «Lehrbuch der Praris der landwirtichaftlichen
Gewerbe», Bd. 4, Braunſchw. 1879), «Bericht über
den gegenwärtigen Stand der milchwirtſchaftlichen
Unternehmungen und Moltereifhulen in Deutid:
land» (Brem. 1882), «Yabresberichte über die Tbä-
tigleit der milchwirtſchaftlichen a mund ie in
Raven fer 1878— 85», «Der Eentri —— in
der Milhiwirtihaft» (Brem. 1886), «Die Wiriſam
feit der Verſuchsmollerei zu Klein:Tapiau in Dit
preußen pro 1877/88» (Danzig 1889), «Unterfuhung
der Milh von 16 Holländer Küben wäbrend der
Dauer einer Paltation» (Berl. 1891), «Lehrbuch der
Milchwirtſchafto (2. Aufl, Brem. 1898).
Fleifhmann, Michael, Stempelihneider, geb.
1701 zu Nürnberg, geit. 1768 in Amfterbam, (ernte
in Nürnberg die Schriftgießerei und arbeitete dann
in der Scriftgieherei don Alberts & Uitwerf im
Haag, anfangs ald Schriftgießer, feit 1729 als
Stempelſchneider. 1732 ſchnitt er Schriften für Rud.
Wetſtein und errichtete auf deſſen Rat ſelbſt eine
Schriftgießerei, die er aber ſchon nach einem
an uß verlaufte. Fortan arbeitete F. für dieſen
und deſſen Nachfolger Enſchedé (ſ. d.); er lieferte
70 Sortimente deutſche, lat., kurſive, griech., arab.—
malaiifde und Schreibfehriiten.
Fleiſchmehl, Nebenpropult bei der Bereitung
des Fleiſchertralis (j. d.). Die mit Wafjer ausge:
zogenen Fleiſchmaſſen werben unter jtarlem Drud
edämpft und lafien dann nah dem Trodnen
eiht mahlen. In diejem Zuftande wird das F. nad
Europa —— und dient als wertvolles Vieh⸗
tter. Da aber bei der Bereitung des Extralts dem
eifche die Nährſalze entzogen * ſo fügt man
dieſe dem F. in Form von etwas Kochſalz und phos⸗
K Das ierte F.
10.16 Wrog Gibeiftaffe, 9-18 Prog Yelt,cbens
Fleiſchmilchſaure
ſoviel Waſſer und 2—5 Proz. Salze. Die Schlacht⸗
älle ſamt den Knochen, auf gleiche Weiſe behan⸗
delt, liefern ein anderes F. oder Fleiſchlnochen⸗
mebl, das ald Düngemittel Verwendung findet.
Fleifchmildhfäure, ———— eine
organiſche Säure von der Zuſammenſezung CH,
CH(OM) - COOH. Sie ift ein regelmäßiger Beſtand⸗
teil des Mustelfleifhes, befonders des toten und
ftarren, und findet fi) kg Sn auch im Fleiſch⸗
extralte. am Eigenſchaften find faft genau die der
ewdhnli Nilhfäure, der die gleiche Formel zus
ommt. Sie ift jedoch optiſch altiv; fie drebt die
Bolarifationsebene des Lichts rechtö, während die
ermöhnliche Milchſäure optiſch inaktiv ift. Auch die
alze weichen in der Löslichkeit voneinander ab.
Der rechtsdrehenden F. entipricht eine entgegen:
geieste linlsdrehende Milchſaure.
ie ſ. Mole (mebiz.).
leifchmühle,i.zleifhzerlleinerungsmafdinen.
en (ipr. -päng), ſ. lie
leifchpanfreaäfiyitier, ij. Ernährung und
5: Kar ton d Nah * a
ep Peptone un tpräparate
Verdi chhandel und Getreidepreiſe.
lei eſervepulver, ſ. Roniervierungs:
leiſchſaft, |. Tr -
l chau, ſoviel wie ——
I chneidemafchinen, |. Fleiſchzerlleine⸗
inen.
leiſchſchwamm, |. Fistulina.
feifchfohle, j. Huf. [jolution.
lei Slointion, j. Seube-Rofenthalie dieiſch⸗
eifchitener oder Shladtiteuer, eine Form
der Accife (j.d.), die früher jebr verbreitet war, in der
neuern Zeit jedoch viel an Boden verloren bat, weil
fie von vielen für eine Benadteiligung der ärmern
Klafien gebalten wird. Sie erſcheint oder erfchien in
drei Formen: ald Viehverlaufsſteuer (bis 1877 in
Württemberg ald Staatöfteuer erhoben), als Thor:
accije für das Einbringen von Fleiſch und Vieh oder
als Schlachtfteuer, die von den Fleiſchern entweder
vor dem Schlachten nad der Stüdzahl mit verjchie:
denen Steuerfägen und nad böbern oder niedern
Gewichtsklaſſen (Baden), oder nad dem Schlachten,
aber vor dem Zerhauen, nad dem Gewichte der:
jenigen Zeile, die — ausgewogen werden
(Preußen), zu zahlen iſt. Die Erhebung der F. iſt
weſentlich erleichtert, wo das Hausſchlachten ver:
boten ift und Schlachtzwang (f.d.) mit Fleiſchbeſchau
. d.) durch einen öffentlichen Tierarzt beſteht. In
reußen wurde die F. ald Staatsfteuer dur das
ſeß vom 25. Mai 1873 aufgeboben, den Städten
jedoch geftattet, fie ald Gemeindefteuer beizubebal:
ten, von welcher Befugnis indes die meiiten keinen
Gebrauch gemacht haben. Das preuß. Kommunal:
— vom 14. Juli 1893 läßt die ort:
erbebung beſtehender %. zu, verbietet aber deren
Erhöhung ſowie die Neueinführung von F. Im
Rönigreid Sachſen beftebt fie nob auf Grund der
Gefege vom 25. Mai 1852 und vom 15. Mai 1867
jedoch wird fie in der Hegel nur von Gro vieh
und Schweinen nad Stüdjäsen vor dem Schlad:
ten erboben. en find die der Fleiſchacciſe
unterworfenen Schladtoieharten immer mehr be
Ihränft worden, und gegenwärtig trifft biefelbe
nur nod das Großvieh. Sn ben beiden letztgenann⸗
ten Staaten wird von fteuerpflictigem Vieh, das
aus andern Zollvereinäftaaten ein efüihrt wird, eine
fibergangsabgabe erhoben. In Gſterreich⸗ Ungarn,
[mittel.
Inur dann zu
— Fleiſchwaren 791
in den Niederlanden und in Griehenland befteben
ebenfalls ftaatlihe 3. In Frankreich wird das Fleiſch
in den Städten, melde Octroi (f. d.) erbeben, faft
immer mit zu biefer Gemeindefteuer herangezogen,
ollfrei % die Einfuhr in Dänemarl, land,
inland, Norwegen und (von Tieren) in Rußland,
ber die bei der Einfuhr von Vieh und Fleifh aus
dem Auslande zu erhebenden Abgaben j. Viebzdlle.
ee ei wechſelnde
esung des Fleiſchpreiſes. Sie war, wie die
deö * vor dem Durchdringen der Ge:
werbefreiheit febr verbreitet und ijt auch gegen:
wärtig no bier und da zu finden. In Preußen
wurden ſchon durd die Gewerbeordnung von 1845
alle —2 Warentaren, alſo auch die F. prin⸗
cipiell abgeſchafft und nur die Brottare (f. d.) unter
befondern Umftänden an einzelnen Orten unter
Genehmigung des Minifteriums noch für zuläffig
erllärt. In der Reichsgewerbeordnung ift auch dieſe
Ausnahme —* worden. Franlkreich das
gegen haben die Gemeinden nad) dem Municipal:
ejeg von 1791 noch immer das Recht, Taren für
Seile und Brot aufzuftellen, und viele haben noch
in der neuelten Zeit von demſelben Gebraud ae:
madt. Die F. widerſpricht den —— Grund⸗
ſähen der beſtehenden vollswirtſchaftlichen Ord⸗
nung; außerdem lann die Verſorgung großer Städte
mit Fleiſch durch eine ſolche Beihräntung des Ver:
lehrs nur beeinträchtigt werben.
leifchthee, ſ. Beeftea.
feifchton, Karnation(vomlat. caro, Fleiſch),
wofür bisweilen irrtümlich Inlarnat (f. d.) gebraucht
wird, inder Malerei die Färbung des Fleiſches. Der
F. bietet ein Mittel, um einzelne Malerjhulen zu
unterjheiden. So fpricht man von dem blühenden
>. den Venetianern, dem energijchen rotweihen
ei Rubens, dem bleichen der Altveutichen Schule,
dem olivengrauen der Byzantiner u. ſ. m.
leifchverbraud, ſ. Fleiſchhandel.
leifchverdauende Pflanzen, ſ. Inſellen⸗
freſſende Pflanzen nebſt ir
leifchvergiftung, |. Fleiſchgift.
leifchwand, ſ. Huf.
eifchwaren, alle Artitel, welche durch bie
Bearbeitung des (rohen) Fleiſches bergejtellt werden,
mobei jedoch Bedingung bleibt, daß diefelben auch
—— als Nahrungsmittel dienen ſollen.
earbeitung verfolgt in erſter Linie den Zwed, dem
leicht verderblihen Fleiſch durch Umwandlung in
andere Formen längere Haltbarleit zu verffen,
in zweiter Linie der Fleiſchnahrung größere Ab-
3* zu bieten. Erreicht wird dies auf mehr
mechan. Wege durh Umbüllungen, welche den Zus
tritt der Luft, des Waſſers, allenfalld aud der
Märme in etwas abhalten, wie in der Fabrikation
der Wurft (f. d.), oder durch Vermiſchen der gleichfalls
zerlleinerten Fleiſchſtücke mit andern Nahrungs
mitteln are oder Baden derjelben, wie bei den
Sleil pajteten, dem Fleiſchzwiebad \ b.)
den Bouillontafeln Fleiſchbruhe) bis bera
zum Hundeluden. Einen andern Ausweg, bei
dem der Gedanle an einen chem. Pros nabe liegt,
bietet dad Räucern und Einjalzen für die Her:
Kein vonSchinten,Raud:und Bölelfleifc
f. Fleiſchlonſervierungh, die Behandlung mit Effig
zu Sülzen u.f.w. Zu erwähnen ijt —* das Aus⸗
ziehen der nahrhafieſten Beſtandteile des Fleiſches
als zeigen (f. d.), eine Methode, bie
emwäbren icefnt, wenn e3 nicht mög:
192
lich iſt, Fleiſch in lebenden Tieren oder ——
oder als Fleiſchwaren aus weiter Ferne zu beziehen.
(S. Fleiſchhandel.)
Über die maſchinellen Einrichtungen der Fleiſch⸗
warenfabrilation ſ. Fleiſchzerlleinerungsmaſchinen
ſowie Wurſtſtopfmaſchinen.
ei 2 ce er maſchinen.
leiſchwiegemaſchine, ſ.Fleiſchzerlleinerungs⸗
a rg de die bei der
Wurftfabritation ſowie in Gaft: und Hausmirt:
ſchaften gebraudten Maſchinen und Apparate zur
raſchen Zertleinerung des Fleiſches. Wo es darauf
anlommt, wie bei der Wuritfabrilation, große
Mengen von Fleiſch zu verarbeiten, wendet man F.
an, bie durch eine Rraftmajchine betrieben werden.
Ein Beifpiel bierfür ift die in beiftebender Fig. 1
9
dargeſtellte große Fleiſchwiegemaſchine. Sie
ahmt die Bewegung der Handwiegemeſſer nach und
zwar dadurch, da in der Mitte eines Rahmens,
in welchem eine Anzabl Wiegemefler eingefekt find,
zwei von der Transmiſſion bewegte Rurbeljtangen
angreifen und die von dem Blod unterjtükten
Meſſer bin und ber wiegen. Das untergelegte Fleiſch
erbält dadurch ebenſoviel Schnitte, ala Meſſer vor:
banden find. Nach jeder Schwingung der Meſſer
wird der Blod durd ein Jabnradgetriebe etwas ge:
drebt, jo daf der nächſte Schnitt andere Stellen
der Fleiſchmaſſe trifft. Damit der Blod nad einer
balben Umdrebung nicht wieder an denfelben Stellen
von den Meſſern getroffen wird und ſich bie
Schnitte in der Mitte nicht zu febr häufen, ift er
zu feiner Schonung —6 geſtellt; außerdem
werden die Meſſer im Augenblick der rudweiien
Drebung von dem Blod abgeboben. Bei andern
derartigen F. für den Großbetrieb geben die Meſſer
vertital auf und ab (Fleiſchhackmaſchinen).
Die Rotationsfleiſchſchneidemaſchine (Fig. 2) abmt
den wirkſamern joa. gezogenen Schnitt nad, mel:
her beim Zerichneiden de& Fleiſches mit einem
Handmefler zur Wirlung lommt und bei diejer
Maſchine dadurch erzielt wird, daß die Kreiämeiler,
die wie die Läufer eines Kollerganges in Umlauf
geieht werden, ſich nicht nur auf dem Blod abmäl:
zen, wie die Miegemejier der ia. 1, jondern nod
eine eigene Rotation mittel Neibunggrädern erbal:
Fleiſchwärzchen — FFleifchzerfleinerungsmafchinen
ten. Der auch bier
rotiert während des Schneiden® und kann
und tiefer gejtellt werben. Verſchieden von den
—— mit Meſſern verſehenen Maſchinen ar:
entriſch geſtellte a are
ten die fog. Fleifhmüblen. Bei ibnen wirt
das Fleiſch geimungen, zwiſchen zwei Walzen, in
die ineinander greifende Schraubengänge von jtarter
Steigung uns Kassen Kanten eingefrält find, bin
dur zu paffieren. Dieſe Maſchinen eignen f® be:
jonders für die Zerfleinerung von Kochfleiſch, das
auf den erjterwähnten Wiege: und Hademaiinen
eine zu große Abnußung des Blodes berbeifübrt.
ur Heritellung ber mürfelförmigen Fleiſchſtüden
r die Wurftfabrifation dient bie ürfel:
chine — 3). Das in den Kaſten
neidema
gelegte Fleiſch wird bei der —— der Kurbel
durch einen ſich vorwärts ſchiebenden Kolben gegen
ein Syſtem von Meſſern gedrückt, die es in Stäbe
von quadratiſchem Querſchnitt zerſchneiden. Dieſe
austretenden Stäbe werden durch zwei rotierende
Meſſer in Würfel zerſchnitten. Zur Zerkleinerung
von Fleiſch fee den Küchenbedarf dient eine Fleiſch⸗
müble, beſtehend aus einem liegenden Evlinver, in
welchem eine mit einer Handfurbel gedrebte Trans⸗
ortſchnede das durch einen Trichter eingebrachte
en egen ein Sieb preßt, welches den Cylinder
abi fieht, por ober binter dem Sieb ſchneidet ein
Fleiſchzucker
mitrotierendes Meſſer das Fleiſch Hein; auch können
bie Gänge der Schnede, indem fie zugeibärft find,
das Meiter vertreten. Zur Herftellung gleihmäßig
dider Scheiben von Wurſt, Braten, Schinlen u. j. m.
gebrauht man in größern Neftaurants vielfach
Scheibenſchneidemaſchinen, von denen Fig. 4
und 4a ein — giebt. Das mit —
ſehene, um b drehbare Meſſer a wird gegen das um
eine Schnittbreite aus dem Geitell berporragende
Stud Fleiſch, Wurft u. f. m. bewegt, wodurch eine
Scheibe abgetrennt wird. Beim urüdzieben des
Meſſers wird die Schraubenipindel d durch die
a x e mittelö eines Schaltgetriebes um fo viel
daß der Anfchlag e, gegen welchen ſich das
ei aha | ftügt, um eine Schnittbreite gegen das
und fo das Fleiſchſtuck für einen
neuen Schnitt felbitt a er [ una
Internationales nk der Wurſt⸗
—— . Aufl., Wien 1008):
Handbuch ber Fleif erei en zn (Zür,
1889); Noerjen, Die deutihe Ebarkuterie, Wurſt⸗
und — (8. — Lpz. 1890);
Hilgers, Das Fleiſcher oder Mepgergewerbe (6. Au
von Toby, D eim. 1
Ye jr REN mit Mustel-
zu
en — ein von Gail Borden in Texas
—— länger haltbares tee zu
Bereitung dem Rindfleiſch jogleih nad dem
laden durd Sieden mit Waſſer alle nährenden
— andteile entzogen werden. Waſſer, das
— Loſung hält, wird bis zur Er⸗
traftötonfift eba mt er der Reit mit dem
jeinften zu einem Teige angerübrt, der
in Form von Zwiebad geſchnitten und ſodann im
Dfen bei mäßiger Wärme gebaden n. pl
bat namentlih in Amerifa eine gr
tung “m Er an gr 32 — —
au
beſtandteile. mwäflerigen
ken a von Brot iden ben
zugs mit Mebl
deutſchen F. t 1870 str Jacobſen in Ber
eiſchbrot oder deut:
lin unter * ———
ger ein baltbares ne mit Liebig:
akt zur fchnellen — einer
— — ee In fo. dieſes Brotes
r Rindfleiſch. ‚land und Rußs
e
ug iſt ——— in der Armee und der
er
Si
— Flemalle 7193
Marine eingeführt. Durh die Einführung des
Fleisch ft3 jind dieſe verjhiedenen Präparate
überflüffig und unnüß geworden. Denjelben ift ibr
Gehalt an Fleifhbeitandteilen nicht anzuſehen und
auch dur die chem. Analyſe ift fein — Schluß
auf den It daran zu machen. Dem Lieferanten
ift damit Thür und Thor a Betrug geöffnet. In
der Marine und aufallen längern Erpeditionen *
der gewöhnliche Schiffszwieback feinen Rang be
baupten; will man ibn verbeilern, fo beftreicht man
ibn mit Fieiſcherira oder taucht ihn in die aus
Sleifchertratt bereitete Brübe.
= —
leift, juriſtiſch bald der Vorſatz oder die Abſicht
dolus), wonach «mit Fleiß thun» den Vorwurf ab:
ichtli er Schädigung le bald die Sorgfalt
(diligentia) Si: in Rectöangelegenbeiten auf:
umenben ift, wenn man fich nicht einer Haftung aus
Kehraf dei (cu en ausjegen will. Bgl. Oſterr.
Geſeßb.
Fettefio ord, — im norweg. Amte
ei und Mandal, am gleichnamigen Ben ſchon
elegen, ift Siß eines deutichen Konfu aragenten,
bt ge 1900) 2073 E.; Schiffahrt, Fiſcherei und
erberei.
Flettieren (lat.), biegen; davon Flexion (. d.
Slettierende Spraden, f. —— 28
Flem., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab:
fürzung für John: n Fleming, gabe Natur:
geihichte am King's College in Aberdeen, der ih
um die Kenntnis der Wirbel: und der Weich eichtiere
mannigfach verdient gemacht bat, geb. — geſt.
lem, Dorf, ſ. Flims. ‚Ps: N
(6mal, Bertholet „auß Slema
— geb. 1614 zu Firttich, Schüler des 6 douf⸗
1, ging 1688 nah R Rom, wo er namentlich in der
Stotechnit große Gewandtbeit erreichte. Nah
ängerm Aufentbalt in glorenz beg begab er fih nad
wo er mehrere Kirchen mit Plafonds und
Igemälden ihmüdte. 1647 lebrte er in fein
: | Vaterland zurüd, lebte in Brüflel und Lüttich, ver:
tauſchte diejen Aufenthalt aber wieder mit Paris
und erhielt bier 1670 eine Profeſſur an der Alade⸗
mie, ftarb 1675 in Luttich. F.s Stil iſt von
Pouſſin ftart beeinflußt. Sein vorzüglichites Mert
üt die Ausmalung der Kuppel der Karmeliterkirche
in Paris, die Himmelfahrt des Propbeten Elias
darjtellend. Die Dresdener Galerie bejigt von ibm:
Abſchied des Aneas von Troja,
Flemalle (ipr.-mäll), zwei Ortidaften in der
belg. Provinz Lüttich, hart beieinander gelegen: Fle
794
malle-Grande, mit bedeutenden Koblengruben
und (1900) 4919 €.; Flemalle⸗Haute, mit Stein:
zuben, Eifengiebereien, Weinbergen und 3791 €.
ide find Stationen der Norbbabn Namur-Lüttich
und durch Zweigbahn nad Liers mit der Nieder:
länd. Staatsbahn Luttich⸗Eindhoven verbunden.
leming, John, Naturforicher, ſ. Flem.
feming, Paul, Dichter, geb. 5. Dit. 1609 zu
—— im ſächſ. Erzgebirge, wo ſein Vater
chullehrer war, beſuchte ſeit etwa 1623 die Tho—
masſchule in Leipzig und ſtudierte ſeit dem Herbſt
1628 daſelbſt Medizin und Humaniora. Nachdem
er im Mai 1633 Magiſter geworden, ſcheuchten ibn
wenige Monate fpäter die Unruhen des Dreißig—
jährigen Krieges fort. Bald darauf (Nov. 1633)
—— es ihm durch Vermittelung ſeines Freundes
dam Olearius, ſich der vom Herzog Friedrich von
— — nach Rußland und Perſien aus:
eſchickten —— anzuſchließen. Er kam bis
spahan (1687) und kehrte 1639 nach Deutſchland
zurück, nachdem er ſich in Reval mit Anna Niehus
verlobt hatte; ihrer ältern ey Elſabe, um
die er früber geworben, galt das ſchöne Lied «Ein
getreues Herze willen». Er gedachte fi in Hamburg
als praktijcher Arzt niederzulaflen, ftarb aber, nad:
dem er im Jan. 1640 in Leiden promoviert batte,
bereits 2. April 1640 in Hamburg nad) kurzer ſtrank⸗
beit. 1896 wurde in Hartenftein ein Bronzeitand:
bild 5.8 (von Meißner) enthüllt.
F. ift die bedeutendfte Erſcheinung unter den
Lyrilern des 17. Jahrh. Seine Dichtung ift der treue
Spiegel feines Innern: in ibr offenbart ſich un:
* ene Freude am Leben neben ſchlichter find:
fiber Frömmigkeit, männliche Energie und Leiden:
ſchaft neben Zartbeit und Tiefe des Gemüt. Er
ift ungelenfer, altmodiger als Opis in der form,
übertrifft ihn aber in allem andern. Das große
Ereignis feines Lebens, die perf. Reife, gab aud
—— Lyrik größern Inhalt: auf fie bezieht ſich fein
elannteſtes Gedicht «In allen meinen Thaten»,
Seine Gedichte (erſte Ausg. 1642) wurden bg. von
M. Lappenberg (2 Boe., Stuttg. 1865, in ber
«Bibliotbel des Litterarifchen Vereins», Nr.82— 83;
die lateinischen ebd. 1863, Nr. 73); eine Auswahl
mit biogr, Einleitung von J. Tittmann (Lpz. 1870),
von Oſterley (Stuttg. 1885) und von Stiebler in
Reclams «Univerjalbibliotbetr. — Val. Barnbagen
von Enje in den «Biogr. Dentmalen», Bd.4 (3. Aufl.,
2p3. 1872); Straumer, P. F.s eben und orient. Reiſe
(ebd, 1892); Wyſocki, De Pauli Flemingi germa-
nice scriptis et ingenio (Bar. 1892) ; Tropic, 3.8
Verhältnis zur röm. Dichtung (Graz 1895).
Flemming, Hans Friedrich, Freiherr von,
Jagdſchriftſteller, geb. in der zweiten Hälfte des
17. Jabrb., geit. iR 1726. F. ftudierte in Tübingen
und Straßburg, bereijte England, Frankreich, Hol:
land und Deutichland; 1702 wurde er unter Auguſt
dem Starlen Oberitleutnant, jpäter poln. Kammer:
berr und kurſächſ. Oberforit: und Wildmeiſter. Er |
veröffentlichte: «Der volllommene Teutihe Jäger
und Ssiicher» (2 Boe., Lpz. 1719, mit Kupfern; neue
Aufl. 1749), eine ſyſtemloſe Kompilation. Von
biitor. Intereſſe darin iſt die Schilderung der Sag:
ebräuche, der großen Hof: und Qurusjagden. Ein
ngenannter fertigte einen Auszug aus diefem
Werke, der u.d.T. «Kurzer Begriff der eveln Jäge
rei» (4. Aufl., Norbb. 1745) erichien.
Flemming, Hans Heino, Graf, brandenb. Ge:
neralfelomarjcall, geb. 8. Mai 1682, diente auf der
Fleming — Flemming, Carl
bolländ. Flotte und beim brandenb. Heere in Bolen,
trat 1658 in faijerl., 1661 wieder in brandenb., 1678
in braunfchm.:lüneburg. und 1681 als Feldmar:
ſchallleutnant in kurfähf. Dienfte. Unter Jobann
Georg IIL zeichnete er ſich 1683 beim Entjag von
Wien aus. F. murde 1687 Generalfeldmarſchall,
tehrte 1690 nach Berlin zurüd und übernahm die
u Kriegsminifteriums bis 1701. Er ftarb
28. Febr. 1706 zu Berlin.
Flemming, Jal. Heinr., Graf von, ru
Staatöminifter und Feldmarſchall, geb. 3. März
1667, ging nad vollendeten Studien 1688 mit
Wilhelm von Dranien nad England, kämpfte bei
leurus, Heilbronn und in Jtalien im brandenb.
ontingent gegen die Heere Ludwigs XIV. und trat
dann in fact. Dienfte ald Generaladjutant des
Kurfürften Johann Georg. Als Gefandter des Kur:
fürften Friedrih Au gi in Warſchau vericaffte
er diefem 1697 durch Beſtechung der Großen die
poln. Krone. In dem Striege gegen weden
unterhandelte er den Bund mit Dänemark, focht
in Litauen, ward bei Cliſſow 1702 geihlagen und
ſchwer verwundet und ging 1703 als Gefandter
nad Ro gen. F. wurde 1705 General, 1711
Fel chall, 1712 dirigierender Kabinettsminiſter
und P 30. April 1728 u Wien.
emming, Walther, Anatom, ſ. Bd. 17.
, Ylemming, Carl, asanftalt in Glogau,
im Befiß einer Aktiengejellihaft. Sie wurbe 1833
von Carl F., geb. 10. Nov. 1806 in Eröbern bei
veipaig, begründet durd Übernahme der Günther:
ſchen Buchbandlung und Buchdrucderei (errichtet
17%) in Glogau. Später kamen eine lithogr, An-
ftalt und andere grappiihe Sweige.b u. F. verlegte
anfangs Kalender, populäre —* («Bürger:
nd», «Dorfbuh»), lanbwirtichaftliche Werte,
päter befonderd Landkarten und Atlanten ——
ich von F. Hanbtfe), ſeit 1854 auch Jugendſchriften.
Er war ber erſte, der einige feiner Berlagämerte
durch Reifende verbreiten ließ, jo namentlich Kirch:
hof «Landwirtipaftlices Seriton», Sobr:Berg:
aus’ «Handatlad» (100000 Eremplare) und «Rey:
manns topograpbiihe Speciallarte von Mittel:
europa». Das Sortiment wurde 1850 verlauft,
der landwirtichaftliche Serlag ging 1876 an o
Voigt in Leipzig über. F. jtarb ĩ. Rov. 1878.
folger waren ſeine Söhne Carl Martin F. geb.
18. Aug. 1835, geſt. 23. Febr. 1891, und Georg
F., geb. 12. Juni 1843, geſt. 9. Febr. 1893. Am
15. Mai 1888 kam das Geihäft an Carl Dünn>
haupt, geb. 21. Aug. 1845, und Dr. phil. Her»
mann Müller, geb. 7. März 1857 in Lip 4
eit 1892 Mitglied des Deutichen Reichstags
8: Sagan:Sprottau) und wurde 5. Febr. 1898
in eine — umgemanbelt.
Hauptunternebmungen find im Jugendſchriften⸗
verlag die von Thella von ——
benen «Töchter-Album» (ſeit 1855) und ·Herzblatt ·
ens Zeitvertreib» (feit 1856), deren «Bücerjihan
für Deutichlands Töchter», Carl 3.8 «Baterlän:
diihe Augendicriiten»; unter den Kartenmwerten:
Sobr: Berghaus’ «Handatlas über alle Zeile der
Erde» (8. Aufl.), Richterd «Atlas für höhere Schulen»
(65. bis 59. Tauſend), «Carl 3.3 Schulwandtarten»,
desſelben «Generallarten», mit dem Blatt «Afritar
(65. Aufl.), desſelben «Neue Kreislarten», Naberte
«Rarte der Verbreitung der Deutſchen in Europa»
u. a.; dazu das Tageblatt «Niederichlei. Anzeiger»
(feit 1808; 7000 Auflage).
Flensburg — Fleurance
Mit dem ze find verbunden: Buchdruderei
. ae) Steindruderei (24 Prefien), Buchbin⸗
32 Maicinen), Stereotypie mit galvano»
Heil Anftalt, Tartogr. Anftalt und
ithogr. Runftanftalt mit Dampfmafchine (34 Pferde:
tärten), — ldine, 200 beihäftigten Per⸗
onen und Hauskranlenlaſſe.
— —— 1) Landkreis im preuß. Reg.⸗Bez.
Schleswig, hat 1076,56 qkm und (1900) 41951,
(1905) 45791 €., 1 Stadt (jFleden), 153 Landgemeins
benund21 Butäbezirte. — ) Stadtfreis (31,5sqkm),
83 km im NW. von Schleswig, liegt in Hufeifen:
orm um das Sübende ber
lenöburger Föhrde (.
arte: Hannover u. |. w.),
eined 30 km langen, tief ein-
ſchneidenden Buſens der riee,
den ein Kranz bewaldeter Hü
gegen Winde ſchutzt und d .
innerfter Teil den vortrefflichen
= und geräumigen Hafen bildet,
an der Linie Schleswig : Bam:
drup und der Nebenlinie Roroichledwi ſche
Weiche⸗Niebull (45 km) der teuß. Stantöbabnen
Q
f
4
u
„=
=
S
=
fowie an der Kiel⸗Flensburger m. (79 km) | A
und der Kreiseiſenbahn $.:Kappeln (51 km, beides
Nebenbahnen) und bat zwei Bahnhöfe. Die Stadt
ift Siß des Landratsamtes deö Landfreifes, eines
Landgerichts (Oberlandeögericht Kiel) mit 22 Amts:
erihten (Apenrade, ee, * — ———
wirt Hadersleben, Huſum, Kappeln, Led
gumofer, | Niebüll, Norburg, Norditrand, od
worm, Rödbding, Schleswig, onderburg, Tinnum
auf Sylt, Tönning, Toftlund, Tondern, Wyl auf
öhr), eines Amtsgerichis, Hauptiteueramtes, einer
ichsbankſtelle, Handelstammer für die Stadt F.,
Ootfeninfpettion, zweier Stranbämter, eines See⸗
und Seemannsamtes, der Kommandos der 18. Di:
vifion und 85. Anfanteriebrigade fowie eined Be⸗
zirlslommandos und hat (1905) 53771 E., dar:
unter 1292 Ratholifen und 76 Jsraeliten, i in Gar-
nifon Stab, 1. und 2. Bataillon des A
regimentö Königin (Schlesw. » Holftein.)
Poſtamt erjter Klafie, Telegraphenamt eriter Ke Ra Me
vier evang. Kirchen, eine kath. Kapelle, Bismard:
brunnen (1903), tönigliyes luth. Gymnaſium und
—* ymnafium, @ iftet von dem Minoriten:
e Raamann, bes durch König intinden DL
beflätie t, ftädtifhe Handelsſchule, Landwirtſcha
— * ftäptifche Sa —* ädchen lan *—
gations⸗ und Maſchiniſtenſchule, * Hol⸗
ſteiniſche Lehrwerkſiatt und Meifterf für Kunſt⸗
tiſchler und Bildſchnitzer —— (1894),
Kunf y eg eine —— —
* iechenhaus, tath. Franzislushoſpital, Feuer:
cherungs⸗, he erungs⸗, ege
ae Auf dem alten Kirchhofe ftand
der von den Dänen 1853 nad ver —— —
Idſtedt errichtete Flensburger Löwe
dem Kriege von 1864 von den Preußen — — a
jpäter vor dem Kommanbanturgebäube der Kadetten⸗
anftalt in Lichterfelde bei Berlin aufgeftellt wurde.
Die Induftrie eritredt fi auf Sch face) (mebrere
‚ darunter die Flensburger lee eſell⸗
Wer, © ), —— (namentlich für die Aus Sl),
i und Maſchinenbau, Fabri⸗
tation von Bapie eifing, Yellowmetall, Balmöl,
Zabaf und Eigarren, Zub und Wollmaren, Watte,
Seife, Zündwaren, Tapeten, Preßhefe, Cement, Eifig
dromo: | Ra
195
und Thonwaren. Ferner beftehen bedeutende Schiff:
fahrt, Fiſcherei, Dampfmahl:, Ol⸗, Reid: und Säge:
mü — owie Handel mit Hol, Getreide, Zuder,
eis, Thee, Süpfrüchten, Steintoblen, tt:
vie ji Pferdemärtte. F. ift Siß der 4. Seftion
der Hamburgifhen Baugemwerts : Berufsgenofien
ſchaft. Unmittelbar an der Weſtſeite auf einem ber
höchſten Punkte die Ruine der alten Feſte Duborg
(Zaubenburg). Nörblid von F. Mürmit mit den
neuen Kaſernenanlagen für Dir ig zur See und
—— eines jtändig bier en Schul
— 7. (Flensaborg, d. h. Burg an ber
Flendau) erftand jchon im 12. F— und erhielt
1284 durch Derung ? Waldemar tabtrecht. Im
Dreißi giährigen Kriege wurde es 1627 von *
Reigen, 1643 von den Schweden erobert. —
* rer bdurchg. und —— (Flensb.1901);
Fuhrer 8 — 1902
ey li u ttinderbelg. ‚Brovinz Henne:
Mons, an den Linien Mons-Quievrain und
—— Ghislain der Belg. Staatsbahn
t (1900) 4898 €, und das große Koh blenbergmerf
roduits du F., eins der ergiebigften des ——
Flers (ſpr. flähr), Hauptort des Kantons
rrondifjement Domfront des franz. Depart.
in fhöner Lage, an der Vere (lintöfeitigem,
der Drne) und an den Linien ——
Mayenne-Domfront⸗Caen der Franz. We Ang
bat (1901) 11111, als Gemeinde 13680 E. ſchöne
neue roman. Kirche, al tes Schloß, Theater, H Handels«
ericht, — ing der ie bedeutende
Zwillihfabritation, dem. Induſtrie aller Art, Fär⸗
berei Spinnerei und Weberei brfiche Produltion
des Induſtriebezirks etwa 70 Mil. Frs.).
Fleſche (franz. flöche, «Pfeil»), die Grundriß⸗
form einer offenen oder bat geſchloſſenen Schanze
(f. een Bit beitebt aus zwei unter ausfprins
F tel zuſ — ER an den Bruftwe
acen etcher.
ae ‚engl. Dichter, ſ. Beaumont und
letland, in jränt. Jeit das and eines Bauern:
vn im Gegenjaß zum Salland, dem Herrenland,
ie orn, zwei Hocgipfel der kg re
Pen ftalpen A, 4), norböftlid vom Montes
—— dem Saasthal und dem von
der Simplonſtraße durchzogenen Thale des Krumms
bachs. Das Südliche F, oder Laquinhorn, an
| lante ul epanzerte Pyramide, in ber
* der * 8 * und des Toce (Po), ereiht
en En na 200 m — — durch die
inſenlung Yes 3 m) getrennt, er⸗
—— a —— Roßboden⸗, Bodmers
auingleticher die Kuppe des Nordlichen F.
een A u 4001 m.
Fleur (ft). ‚or. flöhr), Blume, Blüte, das Feinfte,
Beſte; F. de lis (jpr.lib), Bilie, die MWappenblume
bourbon. Haufes, welche eigentlich eine Hellebarden⸗
fpige bedeuten foll; feurdelise, in der Heralvit ein
mit Lilien beftreutes Feld.
Fleur., bei naturiwiffenfeaftli en Namen Ab»
fürzung für den u ed leuriau be
Bellevue (ipr. wir de beilwüb; geb. 1761,
geit. 1852 zu
Fleurauce (ipr. —B. Hauptort des Kan⸗
tons F. im Arrondiſſemem Lecioure des ji
Depart. Gers, lintd am Gerd, an der Linie
Tarbes der Süpbahn, bat (1901) 32483, ala Ge
meinde 4102 E., Baummollipinnerei, Sägemüblen,
Handel mit Handihuben, Getreide und Branntwein.
uf
796
Fleur d’Iva (pr. flöbr), ein Tafelliqueur, ſ. Iva.
Fleuret (fe, ſpr. flöreb), Slorett (f. d.); auch
Florettſeide (j. Seide).
leuretten (fr;., ipr. flör-, «Blümchen»), galante
meichelei; muſilaliſche Lieblingsgedanten eines
—
Fleurier (pr. flörieb), Fleden im Bezirk Tra-
veräthal des ſchweiz. Kantons Neuenburg, 28 km
fübmejtlih von Neuenburg, in 748 m Höbe, auf der
rechten Seite des Traversthals, hat (1900) 3771
meiſt franz. ——— E. (423 Deutſche), darunter
532 Katholilen, Poſt, Telegraph, 2 evang., 1 kath.
Kirche, —— Uhrmacherſchule, Biblio:
thet; Aderbau, Bi zuct, bedeutende Uhrmacherei,
Spigenllöppelei und Fabrilation des als «Extrait
d’Absynthe» befannten Wermutliqueurs.
Fleuriſt (franz. fleuriste, fpr. flörijt), ſ. Florift.
Fleuron (frz., jpr. flöröng), Blumenwert, Blu:
menzierat; Bucdruderftod, Vignette.
Fleurns (jpr. flörüß; früher auch Fleury ge
ſchrieben), Ort in der belg. Provinz Hennegau,
3 km im NR. von der Sambre, an der Straße von
Eharleroi nah Namur, an den Linien Tamines⸗F.⸗
Landen und Nivelles-F. der Staatsbahnen und
Lowen⸗Charleroi des Grand: GEentralsBelge, bat
(1900) 5826 €., Woll: und Baumwollweberei jowie
KRoblenbergwerte. — Bei 3. jhlugen fi 29. Aug.
1622 Ebrijtian von Braunfhmweig und Ernjt von
Mansfeld mit ſchweren Verluften durch die Spanier
unter Cordova zu den Holländern durd. — Am
1. Juli 1690 wurden bie Spanier, Holländer und die
deutichen Reichätruppen (37000 Dlann) bei $. von
45. 000 Je unter dem Marichall von Luxem⸗
bourg in ber Front, nad Umgebung ihres linten
Flügels auch im Rüden angegriffen und ——
gezwungen, ben die überlegene franz. Reiterei bald
in Flucht verwandelte, Die Verbündeten verloren
6000 Tote, 5000 Berwundete, 8000 Gefangene, die
— 4—6000 Mann. — Am 26. Juni 1794
tanden bier 73000 Franzoſen unter Jourdan den
Ofterreihern, die nur 45800 Mann ſtark waren,
unter dem Pri
gegenüber. Die Dfterreicher gingen in fünf Kolon:
nen vor und warfen die Franzoſen troß ihrer großen
Üiberlegenbeit überall zurüd. Erzberzog Karl er:
oberte F., dann wurde Heppignies genommen. Um
2 Ubr traten jedoch die Verbündeten den Rüd:
zug an, weil die bejtimmte Meldung eintraf, daß
Charleroi bereits 25. Juni kapituliert babe. Damit
waren die Niederlande in die Hände der republila-
nifchen Heere gegeben. — Vach der Schlaht von
Belle-Alliance 1815 — von den Franzoſen
in Brand Orhan In der Näbe liegt Lign fa d.).
Fleury (ſpr. flörib; lat. Floriacum), Benevit:
tinerabtei im franz. Depart. Zoiret, an der Loire,
unmeit Sully, wurde um 640 gegründet und ers
langte, nachdem 653 die Gebeine des beil. Benedikt
bierber gebracht worden waren, grobe Berühmtheit.
Großen Ruf batte die vom heil. Odo von Eluny
gegründete Klofterihule von F. 1562 wurde F. von
den Hugenotten zerjtört, wobei die reiche Bibliothet
ju Örunde ging. — Be belg. Ort, ſ. Fleurus.
Fleury * flörih), Andre Hercule de, Kardinal
und Premierminifter Ludwigs XV., geb. 1658 zu
Lodeve in Languedoc, lebte ald Geiftliher am Hofe
Ludwigs XIV., der ibm 1698 das Bistum Frejus
erteilte und ihn teſtamentariſch (1715) zum Lehrer
jeines Entel3, des nahmaligen Königs Ludwig XV.
beitimmte. Auf diefen übte der feine und kluge
rinzen Joſias von Sachſen-Coburg
Fleur d’Iva — Fleury
Dann einen tiefen Einfluß aus. F. wurde 1726
Kardinal und in demſelben Jahr dur Ludwig XV.
an die Spige des Minifteriums geftellt. Seitdem
leitete der bereit3 78jährige Greis bis zu feinem
Tode die Angelegenheiten jeines Vaterlandes, an-
fangs mit großem Glüd. Der Polniſche Thron:
rolgefrieg brachte Frankreich 1738 Lotbringen ein;
die Teilnahme am Öfterreihiihen Erbfolgefriege
(1740—48) überftieg jedoch F.s Kräfte: unter
Mißerfolgen ftarb F 29. Yan. 1743 an Alters:
ihwäce, auch politiſch überlebt. N Innern fübrte
er die Dinge im Stil Ludwigs XIV. weiter, dem
er feiner Bildung nad zuneigte; das brachte ihn in
ftete Kämpfe mit vem Parlament; feine Verwaltung
war abjolutiftifh und ift durch die Durchbildung
ber Intendantenverwaltung bezeichnet. F. ſchuf der
Nation durch Sparfamteit und Rube materielles
Aufblühen; das Recht (f Daguefjeau) wurde weiter
gebildet. Im übrigen blieben die notwendigen Re:
formen unausgeführt. — Val. Jobez, La France
sous Louis XV, Bd. 2 u. 3 (Bar. 1865—66) ; Ber:
laque, Histoire du cardinal F. (ebd. 1879).
Fleury (fpr. flörih), Claude, franz. Kirchen:
biftorifer, geb. 6. Dez. 1640 zu Baris, wurde in
dem Jefuitentollegium zu Elermont gebildet, dann
Rechtsgelehrter, entſchied fih aber jpäter für den
geijtlihen Stand und übernahm 1672 als Unter:
präceptor die Erziehung der Prinzen von Eonti, die
mit dem Daupbin unterrichtet wurden. 1680 über:
trug ibm Ludwig XIV. die Erziehung feines natür:
lihen Sohns, de3 Grafen von VBermandois, und
machte ihn 1684 zum Abt des Ciſtercienſerlloſters Loc-
Dieu, 1689 zum zweiten Hofmeifter feiner Entel, ver
Prinzen von Bourgogne, Anjou und Berry. Später
murde er Prior von Argenteuil, Er war 1716—22
Beichtvater Ludwig XV. und ftarb 14. Juli 1728.
Unter %.3 Schriften find zu erwähnen: «Histoire
du droit frangais» (Bar. 1674), «Mosurs des Is-
raslites» (ebd. 1681), «Maurs des Chrétiens-
(ebd. 1682; neue Aufl., 3 Bde., ebd. 1802), «Insti-
tution au droit eccl&siastique» (2 Bde., ebd. 1687)
und bie durch Einfachheit der Darftellung und
Sprache ausgezeichnete «Histoire ecelösiastique>
(20 Bde., ebd. 1691 fg.), die bis 1414 reicht und von
J. El. Fabre (16 Bde. ebd. 1726 fg.) und dann
von A. Lacroix bis 1778 fortgejeßt wurde. Eine
lat. Überjegung des Wertes mit den Fortfegungen
erihien zu Augsburg (85 Bde., 1768— 93), eine
deutihe zu Roftod (14 Bde., 1751—76). Der
«Abröge de l’histoire eccl&siastique de F.» (2 Bpe.,
Bern 1766) wird Friedrich d. Gr. zugeichrieben
Nah F.s Tode erſchienen die «Discours sur les
libert&s de l’&rlise gallicane» (Par. 1724 u. d.)
Die Schriften %.8 find in entſchieden gallikaniſchen
Geifte gejhrieben; mehrere von ihnen famen auf den
Inder; die Kirchengeſchichte zwar nicht, jedoch wurde
ihre ital. Überjehung cömifcherfeits verhindert unt
für eine Bearbeitung im kurialiftiihen Sinn Sorge
etragen. — Bl. Hefele, Der Kirchenhiſtoriler J
in den «Beiträgen zur Rirchengeihichte», 2 Bpe.,
Tüb. 1864).
Fleury (ipr. flörib), Emile Felir, franz. General
und Diplomat, geb. 23. Dez. 1815 zu Paris, trat
1837 in das Korps ver Spabis in Algerien ein,
wurde ſchon 1844 Kapitän und fehrte Juli 1848
als Stabsoffizier nad Frantreid zurüd, wo er ſich
mit Begeifterung der bonapartiftiihen Sache an-
ſchloß; infolgedeſſen wurbe er noch im Dezember
zum Ordonnanzoffizier des Präfidenten Ludwig
Fleury de Chaboulon — Flibuftier
Napoleon ernannt. Er nabm 1851 an der Erpebis
tion in Kabylien teil, wurde 1861 zum Adjutanten
des Kaiſers, 1862 zum Generaldirektor der kaijerl.
Geftüte ernannt, 1865 Senator und erhielt 1866
den Titel ald Großftallmeifter. Gegen Ende 1866,
nad der Einverleibung Benetiens in das König
reich Stalien, wurde er zum Könige Victor Ema:
nuel nach Florenz gejhidt; 1869 wurde er an Stelle
Zalleyrands franz. Botichafter in Beterdburg. Wäh:
rend des Krieges von 1870 war F. bis zum Sturze
deö — deſſen Vertreter am ruſſ. Hofe. Seit
jener Zeit lebte er ohne oͤffentliche Stellung in
—* Er ftarb 11. Dez. 1884 zu Paris. Die
«Souvenirs du göneral comte de F.» erfchienen
1897—98 in 2 Bon. in Paris.
Fleury de Chaboulon (fm flörih de ſchabu⸗
löng), Edouard, Baron, Ha —— Napo⸗
leons I. nad) deſſen Rüdlehr von Elba, geb. 1779,
war re im 16. Jahre Anführer eines Bataillons
der Nationalgarde. Unter dem Minifter Fermont
bei der Yinanzverwaltung angeftellt, trug er durch
feine Redlichkeit weſentlich dazu bei, den öffentlichen
Schatz gegen Beraubung zu fihern. Als Staats:
ratSaubditeur arbeitete er in ber Domänenverwal-
tung und erhielt nachher die ANREDE: Chã⸗
teau⸗Salins im Meurthedepartement. i dem
Vorrüden der Verbündeten in Franlreich 1814 von
feinem PBoften verdrängt, fam er als Auditeur in
Napoleons Hauptquartier, der ihm die vage
von Reims übergab. Nach der Reftauration begab
er fih nach Italien und im geheimen Auftrage Ma:
rets zu dem enttbronten Kaiſer nad Elba. Während
der Hundert Tage wurde F. Napoleons Geheimjelre-
tär und ſogleich mit einer Sendung nad Bajel be
auftragt. Nah Napoleons abermaliger Enttbro:
nung geächtet, ging er nad) London, wo er feine
«M&moırres pour servir Al’histoire de la vie privee,
du retuur et du rögne de Napol&on en 1815» (2 Bde.,
Lond. 1819; deutih, 2. Aufl., Lpz. 1820) fchrieb,
Später kehrte er nad Franireich zurüd. 1884 in
die Kammer gewählt, ftarb er 28. Sept. 1835.
Fleury: Huffon (pr. flörih üſſöng), Jules, f.
&bampfleury.
—— f. Feuerwehrrauchapparate.
leuffenmeer, |. Flueſſenmeer.
leute, f. Flüte,
evo Laous, röm. Name des Zuiderjees (f. d.),
welcher im Altertum bedeutend Heiner und nur ein
Binnenfee war, der durch den Flevus (jegt Blie) mit
der Nordfee in Verbindung ſtand.
Flexibel (lat.), biegſam, lentiam, geſchmeidig; in
der Grammatit heißen Wörter eribel, die fleftiert
werden (j. Slerion); Fleribilität, Biegſamleit.
Blegion (lat.), Biegung, Beugung, Abwande—⸗
lung, bezeichnet in der Sprachwiſſenſchaſt die Fähig⸗
feit einer Sprache, ihre Worte zu dellinieren und zu
fonjugieren (das u 3.2. iſt ohne F.), auch
die Geſamtheit ver vorhandenen Deklinations- und
Konjugationsformen. Bei genauerer Unterſcheidung
—*— man mit Beugung die Deklination, mit
Abwandelung die Konjugation. Die F. geſchieht
durh Anfügung gewiſſer Endungen (Slerions:
luffire) an den Stamm, z. B. lat. nomen (Name),
Genitiv nomin-is; Wurzel es (fein), es-t (er ift),
wo bas -t die dritte Perſon bezeichnet. Über den
Unterjcied von Flerions: und Ableitungsendungen
‚Ableitung und Suffir. — Über F. der Gebärmutter
. Gebärmuttertrantheiten. — lerivifche oder
leftierende Spraden, f. Sprachwiſſenſchaft.
197
‚ Wlegören (lat), Beugemusteln, alle dies
—* Musteln, welche ein Glied jo bewegen, daß
bie beiden Knochen der betreffenden Ertremität ſich
näbern und das Glied eine gefrümmte Form er
hält, im Gegenſaß zu den Ertenforen (f. d.).
legür (lat.), in der Geologie Bezeichnung einer
te (ſ. d.), bei der nur der Mittelfchentel eine
ufrihtung der Schichten aufweiſt; rechts und
lint3 von einer %. liegen die Schichten horizontal,
aber in verfchiedener Höhe.
Flexüra sigmoidöda (lat.), ſ. Darm, S ro-
manum und Tafel: Baucheingeweide des
Menichen I, 14, beim Artikel Bauch.
Figge., binter lat. Bflanzennamen Abtürzung
für Job. Flügge, geb. 22. Juli 1775 zu Damburg,
geit. ebenda ala Arzt 28. Juni 1816. Er ſchrieb:
«Graminum Monographia» (Harb, 1810).
Flibuftier, eine Seeräuberverbindung, die in
der zweiten Hälfte des 17. Jabrh. in den weſtind.
Gewäſſern baufte und ihren Namen wahrſcheinlich
von den leiten Schiffen, deren fie fs anfangs be
diente, den engl. fly-boats, franz. flibots, erbalten
ra Diefer ibeuterverein entftand Jeupijäd,
ich durch Franzoſen, die fi 1625 im Kriege mit
Spanien der Injel St. —— bemädtigten und
Kaperei trieben. Um 1630 verließen fie aber dieje
Inſel, ließen fi in dem nordweſtl. Teile der damals
den Spaniern allein gehörigen Inſel San Domingo
(jest Haiti) und auf der —— arten Schildkroten⸗
inſel nieder und beſchäftigten ſich hier ebenfalls mit
Seeraub, vorzüglich aber damit, das in zahlreichen
Herden in San Domingo fih aufhaltende verwil-
derte Rindvieh zu jagen, das Fleiſch zu trodnen (bou⸗
canieren) und mit ihm und den Häuten Handel zu
treiben. Nach dieſem Gewerbe Boucaniers,
Buccanier oder Bulanier (engl. buccaneers)
genannt, hatten fie eine gewiſſe Organifation eins
geführt, bie worzü lich darin beitand, daß fie ſich gegen
ihre gemeinſchaftlichen Feinde, die Spanier, gegen:
jeisig Hilfe und Beiftand leifteten. Zwei Umitände
eförderten ihre Entwidlung zu einer Seeräuber:
tepublit: einmal die Vertilgung des wilden Rind:
viebs auf San Domingo, dann die langbauernden
Kriege der Spanier mit den Engländern und Fran⸗
zofen, wodurd eine Menge Seeräuber entitanden,
die einen Vereinigungspuntt fuchten. Einen ſolchen
ewährten die Boucaniers, die fortwährend von
anlreich, fehr oft aud von England unterjtügt
wurden. Anfangs nur in —— A er und mit
elenden Fahrzeugen und ſchlechten Mitteln auge:
rüftet, wuchien vie F. fchnell dur Zuzug von Aben⸗
teurern und die ihnen von England und Frankreich
erwäbrte Hilfe zu einer den Spaniern furdtbaren
act empor. 1671 nabmen fie unter Morgan
die Stadt Banama, 1685 plünderten fie die Städte
ze So geitalteten fie ſich ſchnell zu einer Art
eeräuberrepublit, in der fich die Tapferften und
Geihidtejten zu Anführern emporſchwangen. Gegen
Ende des 17. Jahrh., da fie, in der Hand Frank—⸗
reichs, England ſelbſt gefährlich zu werden anfınaen,
entzog ibnen legteres jeinen Schuß. Bon biejer
Bet an ging e3 mit den F. abwärts. Ihre lekte
edeutende Unternebmung war der Beiftand, den
fie 1697 von San Domingo aus unter der Anfüh—
rung des Gouverneurs diejer Inſel, Ducafie, der
franz. Expedition bei der Eroberung Gartagenas
de lad Andias leifteten, das fie plünderten. Bon
da an erlitten fie fortwährend Niederlagen, weil
alle Seemächte es in ihrem Intereſſe fanden, ihrem
798
Treiben ein Ende zu machen. Schon in den erjten
Jahren des 18. Sahıh, fonnte man die Verbindung
ber F. als erlofchen betrachten. — Vgl. Erquemelin,
De Americaensche Zee Roovers (Amſterd. 1678;
ins Franzöfifhe und Englifche überfest); Burney,
History of the Buccaneers of America (Lond.
1816); Archenholz, Hiſtor. Schriften, Bd. 2 (Tüb.
1803); Les flibustiers au XVII® siöcle (Limoges
1884). — %. nannte man im 19. Jahrh. auch die
Abenteurer, die von den Bereinigten Staaten aus
Erpeditionen augrüfteten, um in den benadhbarten
—— Staaten Revolutionen hervorzurufen.
ie betannteften dieſer F. find Miranda, Lopez
(j. Cuba) und William Walter (f. d.), der ih 1856
in Realejo jelbft zum Präfidenten wählen ließ.
Flickel, Paul, Landihaftsmaler, geb. 8. April
1852 in Berlin, bildete fih auf der Kunſtſchule in
Meimar, war 1874—76 in Düffelvorf mit eigenen
Arbeiten befhäftigt, unternahm Studisnreifen durch
Deutihland, Ofterreih, Italien und fiedelte dann
nad Berlin über, Die Motive zu feinen Bildern
wählte er zunächſt aus den Gegenden Italiens; jo
malte er: Zorbole bei Riva am Gardafee, Billa
v’Eite in Tivoli, Anficht von Neapel von Capo:
di-Monte, Landichaft bei Bordigbera, Partie bei
Albano mit Blid auf Eaftelgandolfo und den Al-
banerjee (1884). In neuerer Zeit bradte er auch
mit Vorliebe den deutſchen Buchenwald bei heller
Sonnenbeleudbtung zur Darftellung, von melden
Bildern eins: Buchenwald bei Prerow (1886) auf
der Berliner Runftausftellung die große goldene
Medaille erzielte (Nationalgalerie zu Berlin), Von
feinen übrigen Gemälden jind zu nennen: Mald:
landſchaft vom Vilm bei Rügen (1886), Ilſethal im
Harz (1888), Landſchaft bei Neubrandenburg (1891),
Waldeinſamkeit (1892), Buchenwald (1892), Sep:
tembertag am Kellerſee (1896). 1894 erhielt 5. den
Titel Brofefjor; er ftarb 18. März 19083 in Nervi,
Flieder, in der Volksſprache —* Bezeichnung
t die Sambucus- als Syringa-Arten (ſ. Sam-
ucus und Syringa).
Fliederblüten, Fliedermark, Blüten und
Mark des Flievderbaums, f. Sambucus.
Fliedner, Frik, evang. Theolog, Sohn des
folgenden, geb. 10. Juni 1845 zu Kaiſerswerth, ſtu⸗
dierte in Halle und Tübingen und wurde 1870 Ges
fandtfhaftsprediger in Madrid, wo er 25. April
1901 ftarb. Dort war er für die Evangelifation
Epaniens durd Gründung evang. Gemeinden und
Anftalten (drei Waifenhäufer, ein Hofpital, zwei
Buchhandlungen in Madrid und Barcelona, Gym:
nafium), durch Vorbildung von fpan. Lehrern und
Geiftlihen jowie durch Verbreitung pädagog. und
evang. Schriften eifrig thätig. F. gab die «Revista
cristiana», den «Amigo de la Infancia» und die
«Blätter aus Spanien», die über das Evangeli-
ſationswerk berichten, heraus. Auch veröffentlichte
er «Blätter und Blüten, Gedichte» (Heidelb. 1886; |
zweiter Strauß, 1897); «Röm. Miffionspraris auf
den Karolinen» (3. Aufl., Lpz. 1890), «Die Evan:
oelifation in den röm. Landen» (Güterölob 1892),
«Erzählungen aus Spanien» (7 Hefte, Heibelb.
1895—97), «Das Paradies» (ebd. 1899), «Aus
meinem Leben. Erinnerungen und Erfahrungen»
(2 Bope., Berl. 1901—2).
Sliedner, Theodor, der Erneuerer des Dialo—
niſſenwerles in der evang. Kirche, geb. 21. Yan. 1800
su Eppftein in Nafjau, ftudierte in Gießen und Göt:
tingen Theologie, ward 1822 Pfarrer in Kaiſers⸗
Flickel — Fliegen (Inſekten)
werth am Abein. 1826 begründete er zunädhft den
Rheiniſch⸗Weſtfäliſchen Gefängnisverein zu Düflel:
dorf, dann im Sept. 1833 in einem Ga auſe
ſeines Pfarrgartens ein Aſyl und Magdalenenſtift
ür entlaſſene weibliche Gefangene, 1835 eine Klein⸗
nderſchule in —— eine der erſten in Deutich-
land, 1836 in indung mit einer foldhen in Hai:
ſerswerth (j. d.) die erite Bildungsanitalt für Klein⸗
finderlehrerinnen, die fpäter zu einem Seminar für
Lehrerinnen an Elementar: und bö Mädchen:
ſchulen erweitert worden if. Nachdem er dann
30. Mai 1836 den Rheinifh-Weitfälifhen Diato-
nifjenverein begründet hatte, eröffnete er im Dftober
bie erfte wang. Diakonifjenanftalt du Kaiſerswerth,
nad) deren Muſter mehr als 80 ſelbſtändige Dialo⸗
——— entſtanden. (S. Dialoniſſenan⸗
f ten und Diaktoniffinnen.) Auch außerhalb Deutſch⸗
ands wurden Anftalten nad Kaiferswerther Bor:
bild errichtet, von dort durch F. geleitet und unter:
ftügt. Nachdem er 1849 fein ftädtifches Pfarramt
niedergelegt hatte, begründete er auf einer Reije
nah Nordamerika ein Diakonifjenhaus in Pitts:
burgb und, 1851 und 1856—57 den Orient befuchend,
die Hofpitäler in Jeruſalem, Konftantinopel und
Aleranbria fowie die Waifen: und Erziehbungsbäufer
in Smyrna, Jerufalem und Beirut. F. ſtarb 4.
1864 in Kaiſerswerth.
Bis dahin waren bereits mehr als 100 Statio-
nen in Armen, Kranfen:, Baifen-, Erziehungs: und
Gefangenenbäufern und Gemeinden von 430 Schwe:
ftern beießt; außerdem wirkten noch zahlreiche zu
Kaiſerswerth gebildete Lehrerinnen in allen Län:
dern Europas; beſonders erwähnenswert find die
roßen fionate und höhern Töchterſchulen in
Süden, lorenz;, Beirut und Smyrna, bie — *
erbergen und Mägdebildungsſchulen zu Berlin,
üſſeldorf u. ſ. w. Die Zahl der Stationen, dar:
unter Kairo, Bet und Rom, ift 1901 bereits auf
250 mit —— 1100 Schweſtern und einer jähr⸗
lihen Ausgabe von über 700000 M. geitiegen.
Unter 5.8 Schriften find das «Buch der Märtyrer
(4 Boe., Raiferäw. 1853—60) und der von ibm be
ründete «Chriftl. Boltölalender» hervorzuheben.
eine Witwe, Karoline, geborene Bertbeau,
Schülerin der Amalie Sieveling in Hamburg, feit
1843 feine Gebilfin a in feiner amtlichen Thätig«
feit, zog fi im Fruhjahr 1883 von der Leitung des
Werkes zurüd und ftarb 15. April 1892, — Bal.
®. Fliedner 2 F. Abriß feines Lebens und Wir
tens (3. Aufl., Kaiſersw. 1892).
Fliege, ein Sternbild des füpl. Himmels. (S. die
Sternlarte des ſüdlichen Himmels, beim
Artikel Sterntarten.)
Fliegen, im — eine Unterordnung der
Zweiflügler, auch Kurzhörner (Brachycera) ge
nannt, im beſondern aber auch die zu dieſer Unter⸗
ordnung gehörige Familie der Gemeinfliegen (ſ. d.).
Die Unterordnung der %. hat nur dreigliedrige, am
legten Gliede mit einem Endgriffel oder einer Borite
verjebene Fübler, die faft immer kürzer als der Kopf
find, —— Unterlippe und feſt miteinander
verſchmolzene erg Se > Der Körper ift meijt ge:
drungen gebaut. Die Schwinglolbchen find meijt
durd einen fchuppenartigen Anhang der Flügel, die
nur jelten fehlen, bededt. Die widhtigften Familien
der F. find: Waffenfliegen (ſ. d., mit un
meinen Waffenfliege, Stratiomys chamaeleon L.,
f. umftebende Abbildung, Fig. 13), Bremien (f.d,,
mit der Rinderbremfe, Tabanus bovinus L., Fig. 8),
liegen (Bewegung)
Raubfliegen (f. d.; bierzu gebören: bie gelbe
Mordfliege, Laphria flava L., Fig. 4; die Habichts⸗
fliege, Dioctria linearis Fab., = 10; die geftielte
Raubfliege, Asilus stylifer Loew, Ar ’ 15), Tanz: | du
fliegen (. d.; bierber die gewürfelte Tanzfliege, | d
—— Fab., ie.2), Summeifliegen
(2 mit dem großen n
ollipmeber, Bom- =
bylius oe L, ==
Fig. 1, Schwebflie: =
aend.d.;zuibnengebör
ren: diege ——
fliege, Volucella plu- -
mata Meigen, Fig.3;
die durchſcheinende
Federfliege, olucella
pellucens L., ig.5; 4
der Sonnencweber, AAN
a hilus pendulus -
, Sie. 6; die gelbs :
—
Volucella inanis :
Bi; die Birnfchmebe E
iege, Syrphus py- :
rastri L., Sig. 11, ©
und Melithre tusdis- ;
.14),
Biesflienenti.o (1.d.
Gemeinfliegen.
(mit der Taſchenmeſ⸗
jerfliege, ur —
stacea L., 1 der =
gelbfüßigen idlopfs *
tliege, Conops flavi- <I>
pes L., Fig. 12, und FE
verMittagäfliege,Me- IHN
—— meridiauaa
Fig. 16) und FE 0
Buell lie en(i.d.). J
(S. aud Tafel: In» 9
‚er II, ge
Softemanic
elle der ——
ten europäifchen zwei⸗
flügeligen Inſelten
(7 Zle., —— 1818
u iedemann,
Aubereuropäiice
smweiflügelige Inſekten
(2 Tle., ebd. 1828
—30); Macquart,
Histoire naturelledes
insectes diptöres
(2 Bbe., t. 1834
— 35); Waller,Insecta
Britannica. Diptera
(3 Bde., Lond. 1851
—56); Schiner, Fauna
austriaca. Die F.
(Mien 1860); Loew,
Dipterologifche Veiträ e(I—IV) und Neue diptero:
logiihe Beiträge (I—VII, Berl. 1845—61).
liegen, die Bewegung eineö —2 durch
die Luft auf größere Entfernungen bin. Der zum
5. nötige Fortitoß kann entweder auf den Körper
von außen einwirken (pajjives 5.) oder aftiv
von dem Körper ſelbſt entwidelt werden. So fliegt
ein Geſchoß paffiv dur einen Stoß oder dur
Pr;
vinus L.).
linearis Fab.).
(Conops flavipes L.) 13.
1. Großer Wollſchweber (Bombylius major L.). 2. rind Tan
3. Gefledte Feberfliege (Volucella plumata Keigen).
5. Durchſcheinende Federfliege (Volucella pellucens L.).
pendulus L.). T. Taihenmeiflerflie
9. Gelbbindige Fede
11. Birnfchwebfliege (Syrphus pyrastri L.). 12.
Gemeine Waffenfliege (Stratiomys chamaeleon L.).
u (Myopa testacea L.).
i
Schwebfliege (Melithreptus dispar Loew).
16. Mittagsfliege (Mesembrina meridiana L.).
199
die von plöglid fi entwidelnden Gafen erzeugte
Spanntraft fortgetrieben, ein Ballon, der durch
bie Leichtigkeit deö in ihm enthaltenen Gaſes oder
den Auftrieb der Luft, ein Samenkorn, das
.e- Yafertrone in ber 4 Bild
dine — wird, ein u
chwebt und
un irm, —
9
IN!
I
| |
flieg e —* ae Fab,)
4. Gelbe Mordfliege (Laphria tlava L.)
6. Sonnenihweber (Helophilus
8. Rinderbremie (Tabanus bo-
ege (Volucella inanis L.). 10. 1 ag (Diootria
elbfühige Didkopffliege
14, Eine
15. Geſtielte Raubfliege (Asilus stylifer Loew).
Bst dem Fallen Widerjtand leitet und den eben:
all& der Wind weiter treibt. Das aktive F. bedarf
eigener Organe, die einerjeitö die nötige Arbeit ent:
—* um durch Schlagen der Luft dieſelbe unter
ſich zu treiben, und andererſeits fallſchirmähnlich
eine genügende Oberfläche bieten, um das Fallen zu
verhindern. (S. Fallſchirm.) Dieje organiſchen Ein:
ribtungen finden fi unter den Wirbeltieren bei
800
den meiften Vögeln, einigen Säugetieren und
Duden, unter den — bei den meiſten Sn:
elten. Bei faſt fämtlihen fliegenden Wirbel:
tieren bilden die vordern Bruſtgliedmaßen die Flug⸗
werlzeuge; am einfachiten find dieſe beiden fliegenden
Eihbörnden und Beuteltieren, wo nur ziwijchen den
Gliedmaßen und dem Körper eine mehr oder minder
breit ausgeſpannte Hautfalte als Fallſchirm dient.
Ausnahmsweiſe ift bei den Heinen ind, Eidechſen,
—— Drachen (Draco volitans) genannt, eben»
alls ein Fallſchirm dur — chen den verlängers
ten und jeitlich bervoritebenden faljhen Rippen an:
ebrachte Haut bergejtellt. Bei den Fliegenden
Kir hen (j.d.) find die Bruftflofien zu Sallihirmen
vergrößert. Bei den Fledermäufen und Bögeln
find die vordern Gliedmaßen umgewandelt, der
Scultergürtel ftark befejtigt zur Stutze des Luft:
ruders, das die Luft [hlägt und das bei den leder:
mäufen durch eine zwiſchen den außerordentlich ver:
längerten Fingern ausipannbare Haut, bei den Bö-
— durch die Federn des Flügels hergeſtellt iſt.
ei den vorweltlichen Pterodaltulen war, ähnlich
wie bei den Fledermäujen, eine Flughaut vorhan⸗
den, die nur durch den jehr verlängerten lesten
inger gefpannt wurbe. Bei den Infelten find bie
lügel entweder aus befondern fhuppenartigen An:
ängen des Rüdens oder vielleicht aus umgebildeten
äußern Atmungswertjeugen bervorgegangen und
urjprünglich ftet3 vier Jage vorhanden, die auf
dem zweiten und dritten Bruftringe jteben. Bei den
weiflügeligen —5* (Dipteren) find aber die bin:
tern Flügel zu jog. Schwinglolbchen (Halteren), bei
den männlichen Strepjipteren die vordern fiber:
baupt verlümmert, und bei allen Räfern dienen bie
vordern Flügel nur ald Deden. — Zum F. jelbit
dienen dann noch weitere Einrichtungen, die darauf
binzielen, den Körper ſpecifiſch leichter zu machen.
Bei den Vögeln entmwideln ſich — die von
den Atemorganen aus mit Luft gefüllt werden und
ſich in die Knochen verzweigen, ſo daß dieſe hohl wer—
den; bei den Inſelten entwickeln ſich die Luftgänge
(Tracheen) im Innern des Körpers zu großen
Kanälen und Blafen, die ebenfalls mit Quft voll:
gepumpt werben. Die Bewegungen felbft, die mit:
teld der Flügel ausgeführt werben, find ſehr ver:
ſchiedener Natur, und es wird dabei oft eine ſtau—
nenswerte Kraft und Ausdauer entwidelt.
Schon Ariftoteles verfuchte das F. zu erllären, aber
erſt Borelli («De motu animalium», 2 Bde., Nom
1680) legte den Grund zur Theorie des F. In neue:
rer Zeit haben beſonders Prectl (« Unterſuchungen
über den Flug der Vögel», Wien 1846), der Franzoſe
Marey («La machine animale. Locomotiou ter-
restre et a6rienne», Bar. 1874) und der Engländer
Bettigrew («Die Ortsbewegung der Tiere», Br. 10
der «internationalen wiſſenſchaftlichen Bibliothel»,
em. 1875) höchſt finnreihe Verſuche angeftellt,
welche die Mechanik des F. der Inſelten erläutert
baben. Die Anhänger Borellis leiten den Flug von
dem feilartigen Mirten der Flügel ber, die als ſchiefe
Ebenen auf die Luft fchlagen, welche legtere dann
rüdwirtend den Flieger hebt oder vorwärts treibt.
Na Pettigrem vermögen die Flügel wäbrend ibrer
Thätigleit jih auf: und abzuwinden und Linien in
Form einer Act zu befchreiben, wodurch die rüd:
wirtenden, treibenden Luftſtröme entiteben. Obmwobl
der anatom. Bau des fliegenden Tiers vielerlei das
. begünjtigende Umftände nachweiſt, fo bleibt doc
t das Studium bes F. die Ergründung der Haupt:
liegende Blätter — fliegende Fiſche
eigenichaften der Flugorgane die Hauptf wes ·
halb auch die neuere Forſchung —— —
Beobachtung des Flugs, der dabei t en ag
ſowie durch Anfertigung künftlicher Flügel die
mente für die —S— des 8 zu gewinnen
jucht. Daß beim Flug die eigentümliche Geftalt des
Güingenben der Anlauf beim Auffliegen u. dal. m.
von Einfluß ift, wird auch von den modernen Be
obachtern und Forfchern zugegeben. Die Geſchwin⸗
digleit des Flugs iſt bei der Foubianbe 13 m, bei
der Wandertaube 20 m, bei der Brieftaube burd:
hnittlic etwa 17 m, im Marimum 30 m pro Se:
unde. Die Saatlräbe fliegt 8—12 m, der Apler
24 m pro Sekunde. Am jchnelliten Der die
Schwalben, und zwar bie Mauerſchwalbe 36 m, die
Hausſchwalbe 45—60 m und die ——
1891 von den Franzoſen als Briefſchwalbe abge:
richtet, jeboch jpäter wieder aufgegeben wurde, 50—
90 m in der Selunde, alſo 3*,mal fo ſchnell ala
ein deutiher Schnellzug. Die Stubenfliege legt bei
rubigem gu e 1, m pro Sekunde zurüd, liber die
fünjtliche — des Flugs ſ. ka er —
Val. noch Straſſer, Über den 9 der Vogel
1885); Parſeval, die Mechanik des Bogelflugs
(Wiesb. 1889); Mila, Die lugbewegung der Bi:
gel (Wien 1895); Winter, Boge (Münd.
— ra Zur Mechanik des Bogelfluges
amb. 1896).
liegende Blätter, foviel wie Flugblätter(f.b.).
liegende Blätter, im Verlag von Braun
& Schneider in Münden ericheinendes bumorifti»
ſches Wochenblatt mit Jluftrationen, 1844 von
Kafpar Braun (f. d.) und Friedt. Schneider, Be
figern einer xylographiſchen Anftalt in Münden,
gegründet. — Redacteur iſt des lehtern
Sohn Julius Schneider; neben ihm Pur fein
der, der Maler Herm. Schneider, Kafpar Braun
jun. und Franz Bonn (von Miris) in ber Redaktion
thätig. Die über die ganze Welt verbreiteten 5. B.,
deren Hauptftärte die vielfach fünftlerifch wertvollen
bumoriftifchen Zeihnungen bilden, pflegen jeit 1856
nur den unpolitiihen, harmlofen Wis und gemüt-
vollen Humor. Kafpar Braun jelbft lieferte köft
lihe Jluftrationen für das Blatt, fpäter errang
namentlich der originelle Wilb. vuſch (f. d.) in
feine erjten Erfolge. Zu den bumorvolliten
ftratoren der F. B. gebört aub Adolf Oberländer
N d.). Dr ind hauptſächlich ala Zeichner thätig:
udw. Bechſtein, Edmund Harburger, A. Hengeler,
Emil Reinide, Rend Reinide, Heinr. ——
Herm. Vogel, Rarl Stauber, Frik Steubu.a. Von
namhaften Kunſtlern, die früher aud für die 5.8.
earbeitet haben, wären zu nennen: Morik von
chwind, Franz Pocci, Karl Spikweg, Herm. Dyd,
Ferd. Dies, Friedr. Loſſow, Wilh. Diez, Karl Gebrts,
duard Ille. Aud hervorragende iftfteller, wie
Felir Dahn, Herm. Lingg, Mart. u.a. lie
* litterar. Beiträge für die F. B., früber Ernſi
Gditein u. a. Außerdem aber arbeitet die ganje
deutiche Nation in zahllojen Einſendungen an bem
Blatte mit.
fliegende Brüden, |. Fähre.
liegende Eifenbahnen, f. Transportable
liegende Fähren, ſ. Fahre. Eiſenbahnen.
Fliegende Fiſche, mehrere —— von
Fiſchen, welche die Gewohnheit haben, bet Verſfol⸗
gung durch Raubfiſche aus dem Waſſer zu
und mittels ihrer übermäßig großen
die fie wie Fallſchirme gebrauchen, fi längere
Fliegende Füchſe — Fliehtraft
in der Luft ſchwebend zu erhalten. Sie können nur
vorwärts in gerader Richtung, am liebiten gegen
den Wind, auffliegen, aber A fo heftig empor:
fchnellen, daß fie aumeilen auf die Verdede mäßig
er Schiffe niederfallen und einen Kaum von
ro
E durdfliegen. Die Flofien werden nicht wie | Fi
Slügel ** ondern ausgebreitet gehalten, wo⸗
i man ein leiſes Schwirren hört. Die F. F. lom⸗
men nur in wärmern Meeren vor. Zu ihnen gehö⸗
ren die Flughähne (Dactylopterus), wovon eine
Art im Mittelmeere und bei den Antillen, eine an:
dere im Indiſchen Dcean ſich findet und die zu den
Stacelflofjern und zur Familie der Banzerwangen
— d.) gehören, und die Fleder⸗ oder Schwalben—
de (Exocoetus, 3.8. Exocoetus volitans L.;
.Zafel: Fiſche V, ‘ig. 12), die man zu den Schlund:
iefern ( MH) rechnet und deren zabl:
reiche Arten beionders im Atlantiichen Dcean, an
den jübdamerif, Hüften und im Stillen Meere leben.
Letztere ſollen ſich auch den Wellen entgegenſchnellen,
um auf Heine Kruften: und Weichtiere Jagd zu
machen. — Über die Technik ihres Flugs vol. Mö-
bius, Die Bewegungen der F. F. durch die Luft (Lpz.
1070: Ablborn, Der Flug der Fiſche (Hamb. 1895).
iegende Füchſe, j. Flederhunde.
liegende Gicht, j. Gelentrheumatiämus.
Fliegende Hite, ſchnell entjtebendes und
ebenfo ſchnell wieder vergebenbes Gefühl von Hitze,
das bei nervös erregbaren und vollblütigen Per:
fonen oft auf die geringfügigfte Veranlajjung bin
ſich einitellt und wie das Grröten auf einer vor:
übergebenden, durch momentane Lähmung der Ge
äßnerven entſtehenden Blutüberfüllung der Hein:
ten Arterien berubt.
liegende Hunde, ſ. Flederhunde. j
liegende Munitionsparks, joviel wie Mu:
nitionstolonnen (f. d.).
liegender Brand, Krankheit der Rinder,
f. ——
liegender Drache, ſ. Drache, fliegender, und
Tafel: Ech ſen I, ig. 2.
liegender Gerichtsſtand, ſ. Ambulanter
Gerichtsſtand (Bd. 17).
Fliegender Holländer, eine ſagenhafte Per:
on, die im Aberglauben der Seeleute eine Rolle
pielt. Ein gottlojer bolländ. Kapitän, van Stra:
ten, joll, um jeine Verachtung des riftl. Glaubens
darzuthun, an einem Karfreitage aus dem Hafen
in See gegangen und zur Strafe dafür, ähnlich wie
ber Wilde Jäger im Harz, verurteilt fein, ruhelos
auf dem Dleere mit jeinem Schiffe umberzufahren.
Die Gegend beim Kap der Guten Hoffnung wird
Er beſonders — Er kreuzt dort gegen die
türme, ohne einen Schritt weiter und zurüd zur
Heimat kommen zu können. Wenn ein anderes
Schiff den F. 5: zu Geficht betommt, jo bedeutet
dies Unglüd. Jlic, Wagner bat die Sage zu einer
Oper, eg einem Roman benußt.
Fliegender Holländer, ala Eiienbahnzug,
Tliegender Schotte.
liegender Schotte (engl. Flying Scotchman),
aud Fliegender Holländer (Flying Dutchman)
genannt, ein bejonders ſchnellfahrender Zug, welcher
—— London und Edinburgh verkehrt. (S. Eiſen⸗
— —
iegender Sommer, ſ. Altweiberſommer.
liegendes Blatt, ſ. Flugblätter.
liegendes Geſchwader, ſ. Kreuzer.
liegendes Korps, ſ. Mobile Kolonne.
Brodbaus’ Konveriations-ßerilon.. 14. Aufl. R. A. VI.
J
N
801
a enfalle der Venus, ſ. Dionaea und
Zafel: Snjeltenfrejjende Bilanzen, fig. 1.
Fliegenfänger, Singvögel, joviel wie Fliegen:
ſchnäpper (f. Muscicapidae),
————— ſ. Angelfiſcherei nebſt Tafel,
.18—22.
Stiegen olz, Quafjiaholz (f. Quassia).
liegenflappe (Flie 30 der Venus),
ſ. Dionaea und Tafel: En ettenfreſſende
Pflanzen, Fig. 1.
liegentopf, Augentrantbeit, j. Myiocepbalon.
liegentöpfe, im Buchdruck, |. Blodieren.
liegenleim, ſ. Bogelleim.
liegenpapier, zur Bergiftung der Stuben:
fliegen dienendes Loſchpapier, das gifthaltig und
giftfrei im Handel vorlommt. Das giftige F. iſt mit
einer Löfung von arfenfaurem Kalium, das giftfreie
mit einer Ablochung von Quaffiabolz getrünkt. Erſte⸗
res ist bei weitem wirffamer, muß aber vorjich
gehandhabt werden, da es auch für Menſchen höchſt
aiftig ift. Zum Gebraud wird das F. auf einem
Teller ausgebreitet, mit Zudermwafjer benest und
immer feudt erhalten.
Fliegenpilz;, Fliegenibwamm, Agaricus
muscarius L. (Amanita muscaria Pers.), eine weit
verbreitete und allgemein betannte Art der Gattung
Agaricus (f. d.), zeichnet ſich durch die prachtvolle
(darladrate mit weißliden Schuppen bejtreute
berfläche des flach gemölbten Hutes aus und ift
befanntlich einer der giftigften und wegen feines
fhönen ee aefäbrlichften Pilze, die es giebt.
(S. Tafel: Pilze II. Giftige Pilze, Fig. 2.)
Anfangs ftedt der Pilz ganz und gar in einer ſchnee⸗
weißen, eiförmigen Säle, die, nachdem der Hut
durch fie hindurchgebrochen iſt, zuſammenſchrum—⸗
pfend eine wulſtige Scheide am Grunde des eben⸗
falls weißen, diden Stiels bildet, der bis 16 cm hoch
wird. Auch die an den Stiel angewachſenen Blätter
der untern Hutfläche find weiß. Der F. wählt bäufi
in Nadelmäldern. bat einen widerlichen Geru
und einen brennendicharfen Geihmad. Sein Ge
nuß kann den Tod nad) beftigen und fchmerzbaften
Leiden berbeifübren. Dennoch foll diefer Bilz in
Rußland gegejien werden, nachdem durch Einweichen
oder Kochen in Wafler und Eifig der giftige, erft in
neuefter Zeit genauer belannt gewordene Sto
(Mustarin, f. d.) entfernt worden ift. Benannt iſt
der Pilz nad feiner Benupung, die Fliegen mit ihm
zu töten. Zu diefem Zwecke gränebet man ihn in
Stüde und weicht * in Milch oder Waſſer ein.
Die daran ledenden liegen jterben binnen kurzem.
An Ramtjchatla bereitet man aus ibm und aus den
ttern der Sumpfbeidelbeere und verjchiedener
Epilobien ein beraufchendes Getränt.
. ri Singvögel, |. Muscica-
idae.
liegenfhwamm, j. Fliegenpilz.
liegenftein, gediegen Arien (f. d.).
liegentöter, Pilz, j. Empusa.
liegenvogel, eine Art der Kolibris (f. d.).
lieger (engl. Flyer), Rennpferde, die nur über
kurze Entfernungen I ſchnell zu laufen vermögen.
— 5. oder Schnellfahrer, im Radwettrennſport
ein Fabrer, der Heine Entfernungen mit äußerfter
Schnelligkeit zurüdlegt.
liegetauben, |. Tümmlertauben.
lieben oder flüchtig fein jagt man in ber
da vom Wild, wenn es jchnell läuft.
iehkraft, i. Schwungfraft.
51
802
liefen, die vier: oder auch mebredigen, jelten
runden Platten aud Marmor, Schiefer, Gement,
gebranntem Thon, Glas oder auch Porzellan, welche
zur Belleivung der Fußböden (j. d.) und Wände
dienen, insbeſondere aber die mit Glaſur und far:
biger Verzierung bevedten Platten aus gebranntem
Thon (f. — zu dem gleichen Zwede. Teils
— die Platten, mit Ornamenten oder figurlichen
arftellungen verfeben, Anwendung,teils wurden fie
in ihren natürlichen Farben zu Mujtern zufammen:
eftellt. Dieje Delorationsart ift jebr alt, ſie beſtand
I chon bei den Aſſyriern (f. die Tafeln: Babylo:
niſch-Aſſyriſche Kunſt, Fia.3u.6 [Bd. 1] und
Polychrome Ornamente I, Fig. 3 [Bp. 17]).
In der jpätröm. Kaiſerzeit fam die Sitte auf, Mars
morplatten für Wände und Fußböden zu verwen-
den, und erbielt ſich das ganze Mittelalter hindurch.
Berühmt find die — — im Bap⸗
tiſterium von San Giovanni in Florenz, im Dom
zu Monreale auf Sicilien und beſonders im Dom
* Siena. Beſonders bedienten ſich ihrer die Ara—
er in den eroberten Ländern; ſchon im 10. und
11. Jahrh. dienten die F. (in Spanien
Azulejos, ſ. d.) zum Schmud ihrer
Paläfte und Moicheen. In der Alham—
bra (}. Tafel: Kunſt des Aslam I,
Fig. 5), ebenfo im Orient, in Nrabien,
Sndien und Berjien find fie noch in
arober Anzabl ald Wanpverlleivung er:
balten, mit unveränderlihen ſchönen
Farben, vielfab ornamentiert, mit Hell:
und Dunfelblau, auf weihem Grunde,
mit metalliib glänsendem Braun, mit
Grün, jeltener mit Rot. Won den Ara:
bern übernabmen im 16. Nabrb. die
Ktaliener und im 17. Jabrb. die Hol:
änder diefe Dekorationsweiſe, die mit ſolchen F.
aus Majolika oder aus Delfter Fayencen (f.d.) Wände
und Fußboden ſowohl in den Wohngemächern mie
bejonders in den Wirtſchaftsräumen belenten. Segen
Ende des 18. Jabrb. verſchwand diefe Dekoration,
um erſt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. wieder
aufzuleben. England ging voran; eine Reibe von
Fabrilen (befonders zu Stole upon Trent) ſchufen
bunte glafterte F., ſowobl mit figürlicher Scenerie
als auch mit ftilvollen Vflanzenornamenten, für
Kamine, Fußböden, insbeſondere für die Wände
der Wirticbaftsräume. Dem Beijpiel ift man in
= mus am Niederrbein, aus
| Anjchmwellen g
liefen — Fligely
— 2* land (Villeroy & *3 Mettlach, Knoll
bad u. a.), in grobe iter Weife aber in
—— (Maw and Co. zu B * in et Ir
ſ. nachſtehende Figuren) ge an f =
große wirtichaft —* und ie Ba
mälde aus den F. aufammen. — Bal. Ame, Lack
er &maill&s du moyen äge et elarrenaissance
(Bar. 1859); Meurer, Ital. Majolitafliefen aus dem
Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. ee
1880); Brenci und Leffi Maioli vg
Siena 1500—50 (ebp. 1884 BB): Jacobsthal, *
Flieſenornamente (ebd. 1886); ——
derländ. Flieſenornamente (ebd. 1888). —
Berniteininduftrie, |. d.
lieh, |. Schwimmſand.
ließen feiter Bergen. BD. 17.
liehgrenze, |. Feſtigleit.
lie ier oder Salavavier ungeleimtes,
wenig geprebtes Papier (f. d., Beilage), das tolge
feines lodern Gefüges Flüffigkeiten — au —
Flieſteden, eter, Blut tzeuge des Pr
ieſteden im —
—— 4
nt —— —
um. x
RE na
See)
*
J lam im Dez. 1527 nad Köln,
ftörte durb Widerſpruch im
Dom die Mefle und wurde am
23. Sept. 1529 mit Hlarenbad
| (1. d.) alö Ketzet verbrannt,
PN SFliete, ein früber jehr
>| fia gebrauchtes ——
Inſtrument zum 3 des
Inerla rn jerben und Kin;
bern. . tft eine Art Lan⸗
ette, beim ber der ——
eil rechtwinlli —
tlinge — iſt. Der ſchnei
dende Teil wird auf die zum
Aderlaß gewählte und durch
ebrachte Ader (Vene) — ebt und
vermitteljt A ie Schla —*
einem „beiondern Holziclägel in in Siele ingeiie
ben. Da bei ungeicidter —— verhhabe
außer der Drofjelvene noch die in der Nähe
| liche Drofjelarterie (Carotis) verlegt und
folge von Derblutung der Tod —— —
tann, jo iſt Laien der Gebrauch der J. zu widerraten.
Fligely, Rap, ſ. Franz-Joſeph-Land.
Fligely, Auguſt von, öfterr.
nant, geb. 1811 zu Janow in
——
Flimmerbewegung — Flinck
— 72 Direltor des Militär re en —5——
in Wien und ſtarb 12. April 1879 daſelbſt. Obſchon
1872 in den Nubeftand getreten, war er noch bis
1875 Bräfident deröfterr. Gradmeſſungskommiſſion.
5. bat fi um die Triangulation, Landesaufnahme
und Kartographie Ofterreih8 große Verdienſte er:
worben; feiner reformatorijhen Thätigfeit verbanft
das von ihm geleitete Militärgeograpbifche Inftitut
feinen Weltruf. Auf F.s Veranlafjung wurde die
zu bei der Heritellung der neuen Special:
arten Öfterreichs aur Anwendung gebradt.
Flimmerbewegung. Schon im frübeiten Be
ginn mifroftopiiher Beobahtungen hatte man be
merkt, daß gewiſſe Infuforien, Rävdertiere u. f. m.
im Waſſer Kine ende Koͤrperchen oder jelbjt Tier:
hen anzogen und abjtießen, jo daß ſich dieſe wie in
einem Strudel bewegten. Man ſprach fogar von
der Zauberfraft der Snftiorien, bis man bei ſchär⸗
ferer Beobachtung mit ſtärkern — — er⸗
fannte, daß dieſe Erſcheinungen von höchſt feinen
Härchen oder Wimpern berrübrten, welche fi in
fhmwingender Bewe uma befanden. Später unter:
warfen namentlich sim ne und Balentin dieje Ber:
bältnifje einer genauern Unterfuhung und erlanns
ten, ——— F oder Wimperbewegung faſt im
ganzen — mit Ausnahme der Öliederfüßer,
verbreitet ſei. Seit diejer Zeit wurden die Beobach⸗
tungen vielfach erweitert und jeßt ift etwa Folgendes
eitgeftellt: die Wimpern, welche die 5. erzeugen,
ind jehr feine, milroſtopiſche, durchſichtige, —
aarformige und bewegliche Fäden, ſtehen meiſt
reihenweiſe und bei mehrzelligen Tieren ſtets auf
beſondern Zellen, ſog. Wimperzellen, die von
ehr verſchiedener — meiſt mehr oder minder
eilförmig oder kegelſörmig find und faſt immer
einen deutlichen Kern baben. Die Zellen können
vereinzelt jtehen oder eine flähenförmige Ausbreis
tung diem; oft ſteht auf jeder Zelle nur eine ein
sige Wimper, die zuweilen jehr groß iſt und dann
meift Gei el genannt wird; meiſt aber fteben auf
derjelben Zelle zahlreiche, böchit feine Wimpern.
Bei mebrzelligen Tieren finden fich die Wimper:
zellen ſtets auf der Oberflähe von Häuten und dem:
nad) ein Epitbelium (mern 0) bildend in
ſehr verſchiedener Ausbreitung. Bald find fie ſowohl
auf der ganzen äußern Körperfläche verbreitet (Tur:
bellarien over Strudelmürmer, die Larven der meiſten
niedern Seetiere), bald nur auf einzelnen Stellen der⸗
ſelben (z. B. Rädertiere), und die Infuſorien werden
nach derStellungderWimpern ſyſtematiſch eingeteilt;
äufig flimmern alle innern und äußern Hautaus—
— oder Auslleidungen von Höhlen, bald nur
ſehr beſchränkte Ge enden, wie z B. beidem Menichen
beſonders die Role, die Luftröhre mit ihren Ver—
jweigungen, die Gebärmutterjchleimbaut, die Sa:
menleiter und die Eileiter; am allgemeinjten erhält
ih die F. auf den Atemorganen; zuweilen findet
fie fih in ganz geihlofienen Räumen (Obrfad der
Schneden). Ste lann vom Willen durchaus unab:
bängig fein und dann auch nach dem Tode des Tiers
oder in abgelöften Zellen bis zur Zerfeßung der
Zellen fortvauern, oder dem Willen unterworfen fein
und dann weſentlich zur Fortbewegung, zur Atmung
ober jum Herbeifchaffen der —— dienen. Die
unwillkürlich bewegten Wimpern ſchlagen ſtets in
derſelden Richtung und erzeugen ſo einen Strom, der
kleine Gegenſtände, Schleim u. ſ. w. fortbewegt; die
willlürlich bewegten ſind häufig in der Richtung
ibrer Bewegung durchaus unbeſchränkt. Bei vielen
803
Tieren find fie die einzigen Bewegungsorgane (ns
fuforien, Rädertiere, Strudelmürmer, Larven zahl:
reicher nieberer, nicht zum Stamme der Gliederfüher
geböriger Waflertiere u. f.w.), bei andern dient der
von ihnen erzeugte Strom zur Herbei Hafune der
Nahrung, des Atemmaflerd, zur Wegſchaffung der
Ausſcheidungen ——— Moostierchen u. ſ. w.).
Die Wimpern ſelbſt ſtellen Fortſetungen des Bellen:
inhalts, des Protoplasmas, über die Bellenwand
hinaus vor, und ihre Bewegung ift diefelbe wie die:
jenige des Zelleninhalts. Gemifle Einwirkungen
Wärme, Sauerftoff, elektriſche Reize, verbünnte
falien u. ſ. w.) bejchleunigen die Bewegung; un:
atembare Gaje, Säuren, Kälte verlangjamen fie.
Wie bei den Tieren findet fi auch die F. bei nie:
dern Bilanzen, bejonderd den Fortpflanzungs:
zellen (Sporen) der Algen und Pilze, die man dann
bwärmiporen (Zooſporen) genannt bat.
Auch hier findet fi bald nur eine, bald zwei Geiß el⸗
wimpern, bald ein förmlicher Wimperüberzug, und
mittelö diejes bewegen ſich diefe Sporen eine Zeit
indurch im Wafler. — Vgl. Engelmann, fiber die
. (293. 1868.
limmerepithel, ſ. Flimmerbewegung.
limmerglas, ſ. Glas IV.
limmerlarve, die aus dem Ei eben hervor:
egangenen einfadhen fugelförmigen oder ovalen,
Bau etwas abgeplatteten Larven vieler niederer
Seetiere, jo genannt wegen des Flimmerkleides, mit
dem fie bevedt find und das ihre Bewegung und
Atmung, vielleicht auch ihr Taftvermögen vermittelt,
Flimmerftotöm, eigentümlihe Sebftörung, ſ.
Hemianopie,
Flimd, roman, Flem, Dorf und Kurort im
Kreis Trins, Bezirk Im Boden des ſchweiz. Kan:
tons Graubünden, 19 km meitlih von Ebur, in
1102 m Höbe, auf der linten Seite des Vorderrhein⸗
tbala am Flembach und am Fuße des Flimier
Steins (Crap da Flem 2696 m), da wo der Pfad
über den Segnespaß (2625 m) nah Elm (f.d.) von
der Straße des Rheinthals abzweigt, hat (1900) 791
meift roman, E. darunter 69 Katholilen, Poſt, Tele:
raph, 2 Kirchen und mebrere alte Herrenhäujer der
Familie Capaul. Die Kuranftalt Waldhaus (1877
gegrünneh) 1 km ſüdlich vom Dorfe bei dem Weiler
Malphäufer, auf einer ausfihtsreihen Hügeltuppe
am Saum des großen Flimſer Waldes gelegen, um-
Ken ein elegantes Kurhaus, ein Poſthaus an der
oititraße, mebrere Landhäuſer, eine Milchballe
und eine ſchwimmende Babeanitalt in dem naben
Gaumajee (8,3 ha). Das milde Klima und die
jchöne Lage mit romantifchen Seen, ausgedebnten
Särhen: und Tannenwäldern, Felspartien und
ftilen Waldwieſen haben das Waldhaus F. zu
einem beliebten Luftkurort gemadıt.
Flinck, Govaert, niederländ. Maler, geb.25. Yan.
1615 in Cleve, gelt. 2. Febr. 1660 in Amſterdam,
war bier Schüler Rembrandts und malte Porträte,
fog. Negentenftüde, dann religiöje Bilder und
Genrebilder. Seine realiftiibe Auffaſſung und
lebenswahre Eharalteriftit ſowie feine Wertigkeit
im Hellduntel reicht häufig an die Hembranbtichen
Schöpfungen heran. In der Galerie zu Amſterdam
fiebt man ala hervorragendſte Werte fin Schutters⸗
vreugdefeeſt (Amſterdamer Schüßen feiern den Ab:
fhlup des Meftfälifchen Friedens 1648) und die
Korporalihaft des Hauptmanns Bas von 1642,
ſowie im königl. Palais die große Daritellung des
Gurius Dentatus als Landbauer beim Rubengericht.
51*
804
Bibliſche Sr behandeln Bilder in Amfterdam
(Siaat jegnet Jakob), Berlin, Dresven (David dem
Urias den Brief überreichend), Münden und Paris.
Linder, joviel wie Slitter (j. d.).
linderhaube oder Flitterhaube, mit Gold—
blättchen (lindern oder Sittern) bebängte Staat»
baube der Frauen im Mittelalter.
linders, Fluß im nördl. Teile der brit.auftral.
Kolonie Queensland, entipringt etwa unter 21°
ſüdl. Br., fließt zuerft nah W., dann nad N. und
mündet in den inneriten Wintel des Garpentaria:
golfe. Links nimmt er im untern Lauf den Gilliat
mit Cloncurry, recht den Grateful Ereef auf.
Flinderd, Mattbew, engl. Reifender, geb.
16. Mär; 1774 zu Donington (Lincolnshire), bes
gleitete 1795 den Wundarzt Bat auf feiner Fahrt
an der Süudoſtküſte Australiens in einem Meinen
Kabne, nahm 1798 die Inſeln am Dfteingange der
Baßſtraße auf und machte mit Baß die Fahrt durch
dieje und rings um Tasmanien. Auf einer neuen
Entdedungsreife 1801, begleitet von Robert Brown,
befuhr er die Südküfte Auftraliens bis Kap Leeu:
win; 1802 erforichte er bie Dftküfte von Port Ste:
pben3 bis Rap Valmerfton und das große Bar:
riereriff und entdedte in der Torresſtraße die ein:
jige ſichere Durchfahrt im N. der Prinz-Wales-In—
jel;ser nahm auch die Küjften des Carpentariagolfs
auf. Auf der Nüdlehr nah Europa litt er Schiff:
bruch, wurde aber gerettet und gelangte nah Maus
ritius, wo ihn die ——— ſechs Jahre gefangen
hielten. Er jtarb 19. Juli 1814 in London. F. er:
fannte zuerſt den Einfluß des Schiffseiſens auf die
Nihtung der Kompaßrofe und bracdte zur Aus:
gleihung desjelben den noch jezt Flindersſtange
genannten fenfrechten Magnet unter dem Kompaäß
an. Seine Seefarten Aujtraliens find die beiten ar:
ten jener Zeit. Er hat den Namen «Australia» juerft
in die Geograpbie eingeführt. F. ichrieb «Voyage
to Terra Australia» (2 Bde. und Atlas, Lond, 1814).
finderögebirge (Flinders Range), |.
Auftralien. (fi. d.).
Flindersinſel, die größte der Furneaux-⸗Inſeln
lindersd-Betrie, William Matthew, * etrie.
linderöftange, & Flinders, Matthew.
lindt, Baul, auch Flint und Flynt geſchrie—
ben, Nürnberger Goldihmieb und Kupferſtecher aus
der 2. Hälfte des 16. Jahrh., foll die gepunzte Ma:
nier des Kupferſtichs erfunden haben, bei welcher
bie Linien durch eingeſchlagene Punkte erfeht wer:
den. Er arbeitete ald Komponiſt, Zeichner und
Stecher beſonders für die Goldfchmiedekunft; feine
Blätter enthalten Polale, Becher, Kannen u. dal.
1592 gab er in Wien eine Folge von 8 Blättern
mit Bafen heraus, 1593 eine Folge von 36 Blät:
tern mit Muſtern für Silberarbeiter,
a Vorort von Düffelvdorf (f. d.).
linsberg, Dorf und Badeort im Kreis Löwen:
‘berg des preuß. Reg.Bez. Liegnik, 10 km von der
böhm. Grenze, langgeitredt im Queisthale, in 526 m
‚Höbe, am Fuße des Yiergebirges, gebört zur Herr:
ſchaft Greifenjtein des Grafen von Schaffgotih, hat
(1900) mit Iſer zufammen 1913 E., darunter 124 Ka⸗
tboliten, Voſt, Telegrapb, evang. Kirche, kath. Ra:
pelle und Stablquellen, die denen von Franzensbad,
St. Morig und Cudowa an Eifengebalt und denen
von Pyrmont und Eliter an Koblenjäuregebalt gleich⸗
fommen. Der Oberbrunnen, jhon 1572 als Hei:
liger Brunnen befannt, wird zu Bade und Trink:
furen verwendet; die 1875 nahe bei ihm aufgededte
Flinder — Flinſchs Schriftgießerei
neue Quelle ift ftärker. Am Queisufer liegt die
altaliihe Eijentrintquelle ver Nieverbrunnen (feit
1826). Außerdem bat F. noch vier andere Quellen,
zwei Badehäuſer (Leopolds- und Ludwigsbad),
Stahl, Moor, Fichtenrinden-, Kiefernadelbäder,
Kaltwaſſerkur, Kiefernadeldampf⸗Inhalationen, Ans
ftalten zum Gebrauch von Mafjage:, Elektrici⸗
tãts⸗, Milb:, Kepbir: und Moltenturen und ift au
als klimatiſcher Kurort (1900: 8317 Kur:, 4044 Er:
—— te) beliebt. — Bol. Adam, F.s Spät:
ommer und Herbft (1890); derj., Bad F. (Görlig
1891); Neugebauer, Führer ins Iſergebirge mit
befonderer Berüdfihtigung der Kurorte F. und
Schmwarjbad (5. Aufl., ebd. 1896).
Flinſch, Ferd., ein um den Bapierbandel und
die Bapierfabritation verdientes Hanplungsbaus,
wurde 20. April1819 in Leipzig als Bapierbandlung
gegründet von Ferdinand F. (geb. 17. Aug. 1792
in Blantenberg a. d. ©., geit. 11. Nov. 1849) und
deſſen Bruder Heinrich F. (geb. 21. März 1802)
und bob ſich bald zu dem erjten großen Bapierlager
Deutichlands. Später trat auch der dritte Bruder
Karl Auguft 5. (geb. 28. Aug. 1799) ein, und
1. Nov. 1827 wurde unter Heinr. F. ein zweites großes
Etabliffement in Offenbach eröffnet, das jpäter nad
rankfurt a. M. verlegt wurde. Bald wirkte das
aus auch auf die Bapierfabrifation ein durch Her:
jtellung eines fejten, weißen Mafchinenpapiers in
der von ihm erworbenen und nad engl. Muſter ver:
bejlerten Fabrik von —— in Penig und in der
1841 errichteten Papierfabrik in Blankenberg.
Ferdinands Brüder, Söhne und Neffen jekten
ein Werk mit Erfolg fort. Es kam dazu die Bapier:
abrit in Cospuden, 1879 die Papierfabrik in
eejenftein. 1863 wurde ein Zweiggeſchäft in
Berlin errichtet und 1887 ein foldes in Hamburg,
das fih nur mit Erport befaßt. 1899 wurden die
Geſchäfte in Leipzig und Berlin (die Peniger Fa
brit ging 1872 an eine Altiengeſellſchaft über, vie
Blankenberger 1894 an Wiede, die Cospudener
1899 an Heinrich F. jun.) als gr gern
in eine Gefellihaft mit beichränfter Haftung unter
Beibehaltung der alten Firma umgewandelt. m
Auffihtsrat der Gefellfehaft verblieben Heinrib
J sen. in Leipzjig und Alerander F. sen. in
erlin. Lektere beiden find auch Inbaber der Wee—⸗
fenfteiner Bapierfabril und ebenfo des Hamburger
Erportgejhbäfts, bei dem der Leiter desielben, Yo:
bannes $., Teilhaber ift. Das Frankfurter Haus
ging auf den jüngjten Bruder Ferdinand F.s, Hein:
rich F. über und ift feit deſſen Tode (20. Jan. 1865)
im Beſitz feines jüngern Sohnes Wilbelm F.;
1858-65 war damit Flinſchs Schriftgießerei (f. d.)
in Frankfurt a. M. verbunden. 1901 wurde eine
— in Stuttgart errichtet. Bal. Suüs, Das
andlungsbaus Ferdinand F. (Frankf. a. M. 1869).
Flinſchs Schriftgieherei in Frankfurt a. M.
wurde 1828 von Friedrich Dresler und Roſt⸗
Fingerlin mit den Reiten der Schleußnerſchen
Schriitgießerei begründet. 1841 marb Dresler
alleiniger Befiger (Firma: «Dreslerſche ——
Er nahm 1840 zuerſt in Deutſchland das Pariſer
Syſtem zur Berehnung der Schriftgrade an, ſchnitt
vorzüglice got. Schriften und verbeflerte die Gieb⸗
maſchine. Sein Teilhaber feit 1848 und Nachfolger
feit 1853 war Karl Mever, unterjtüßt von Ser:
dinand Michael als Gejhäftsführer. 1858 gin
die Gießerei an das Haus Flinich (f. Fine Ferd.
über, und ſeit 1865 iſt Beſiher Heinr 6 Rarl
Flint — Flitter
erdinand Flinſch, der ältere Schn von Heinr.
linſch. Die Gieferei umfaßt 85 Gießmaſchinen
{darunter 15 Komplettmaſchinen), über 100000
Stahljtempel, über 200 000 —— (darunter
viele aus Stahl und Neufilber), galvanoplaftiiche
re = mit 2 Donamomajcinen, eigene Tiſchlerei
ur Anfertigungder Einrichtung von Buchdrudereien,
—— aller Holzgeräte, Septäften, Regale, eigenes
Schmelzwerk zur Läuterung und Legierung der zu
verarbeitenden Metalle und beſchäftigt 210 Berjos
nen. Das Haus bat eine Zweigniederlaffung in
Petersburg und zahlreiche Agenturen.
Flint, [nie wie Feuerſtein (j. d.).
lint, Inſel, ſ. —
liut. 1) F. oder Flintſhire, die kleinſte und
nordoſtlichſte * t des engl. Fürſtentums
Wales, aus zwei durch Denbighſhire getrennten Tei⸗
len beſtehend (ſ. Karte: England und Wales),
bat 654,79 qkm und (1901) 81725 E. (gegen 17277
im %. 1891). %., der am wenigiten gebirgige Teil
von Wales, zeigt einen anmutigen Wecfel von
Hügeln und Thälern. Die wichtigften Flüffe find
der ſchiffbare Dee mit dem Alyn und der Clwyd.
Den Hauptreictum bilden Mineralien. Das Stein:
toblenfeld längs des Dee bat O,s bis 4, m Mäd:
tigleit. Ferner baut man bei Holywell auf Kohlen,
Kupfer, Bitriol und, befonders bei Llan-y:Bander,
auf Blei; auch findet fih Galmei und die befte
Art von Zinkblende. Außerdem treibt man Baum:
wollipinnerei, Töpferei und Seefalzbereitung. Die
Hauptitadt ift jept Mold (f. d.). Wichtig find auch
St. Ajapb und Rhyl (1. d.). F. hat einen Abgeord:
neten im Barlament. Sein Gra —2 — zählt 56
Mitglieder. — 2) Stadt in der Grafſchaft F., Bar:
famentöborougb und früber Hauptitadt, 10km nörd⸗
ih von Mold, am Dee, bat (1901) 4624 E., Stadt:
Gr einen Heinen Hafen und große chem. Fabriken.
In der Näbe Koblengruben und Bleiſchmelzen.
Flint, Hauptitabt des County Genefee im nord:
ameril, Staate Michigan, im NW, von Detroit
am Flint⸗ River und an zwei Bahnen, bat (1900)
131083 €,, Wagenbau und Getreidebandel,
lint, Baul, Goldſchmied, ſ. Flindt,
linte (franz. fusil, d. i. Wehſtahl; ital, fucile,
Fre ae anz. Batterieichloß (Stein:
ſchloß) verjehene Gewehr, wie es in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrh. zuerjt in Frankreich gebraucht
wurde und rajch weitere Verbreitung fand. Der
deutihe Name rührt von Flint (niederländ. vlint,
d. i. Feuerſtein, f. d.) ber. Die dur Reibung des
Stahls der Batterie des Pfanndedels am Flinten:
ftein entjtehbenden Funken entzündeten die Ladung.
ya gewöhnlichen Leben bezeichnet man mit F. die
andfeuerwafien (f. 2) mit langem Pauf, befonders
aber das glatte Gewe
nen (f. Japbgemehre).
—— as, ein weſentlich aus Kieſelerde, Kali und
Bleioryd beſtehendes optiſches Glas von ſtarlem Bre⸗
chungs⸗ und Lichtzerſtreuungsvermogen. Während
die erſten beiden Stoffe ſich leicht, wenn ſie durch
grobe Hibe in Fluß gebracht werben, fo vereinigen
allen, daß fie eine durchaus gleichförmige Mafje
bilden, verurjacht das Bleifilifat (Bleiglas) dur
Vi großes fpecififches Gewiht Schwierigfeiten, wes⸗
alb es jebr ſchwer hält, völlig wellenfreie Stüde
& erhalten. Das $. ift für die praftifhe Optik
r im Gegenfab zum gejoge
ochjt wichtig, da nur aus F. und einem gewöhn-
ichen, nicht bleibaltigen Glaje (mie Crownglass,
f. d.) zufammengejebte Linſen achromatiſch (j. d.)
805
find. Früher konnte man brauchbares F. in größern
Stüden nur in England verfertigen, bis Fraunbofer
in Münden no viel größere von ganz bejonderer
Güte machte. Allein er nahm fein Geheimnis mit
ins Grab. Später wurde es in fehlerfreien Stüden
ergeftellt von Dierz in Münden, Daguet in Frei⸗
urg in der Schweiz, Guinand in Baris und Ehance
in Birmingham. (6. auch Glas für wiſſenſchaft⸗
liche Zmwede, 1.
l —* omerat, ſ. Puddingſtone.
intpapier, ſoviel wie Feuerſteinpapier.
lintrännan, Teil des Sreſundes, ſ. Drogden.
lint⸗River (fpr. riww'r; indianiſch Throna⸗
—— uß, entſpringt im Staate Georgia etwa
16 km ſudlich von Atlanta, fließt in gewundenem
Laufe über Albany, wohin Dampfer gelangen, ver:
einigt fi mit dem ——— d.), um mit
diefem den Apaladicola (f. d.) zu bilden. — F. ift
aud der Name eines Quellfluffes des Saginam im
Staate Michigan.
lintſhire (fpr. Se ſ. Flint.
lintfhirefteine, ſ. Dinasziegel.
linz, feintörniger Spateifenitein.
linzer, —— geb.4. April 1832
u eihenbad im Vogtland, bejuchte ſeit 1849 die
fademie der bildenden Künſte in Dresden und trat
1853 in das Atelier Schnorrs von Garoläfeld ein,
Von 1859 bis 1872 Beichenlehrer in Chemnitz,
fiedelte er 1873 nad Leipzig über, wo er gegen:
märtig ſtädtiſcher Zeicheninfpeltor und Oberlebrer
am NRealaymnafium ift. %. bat eine große Anzahl
Kinderbücher geichaffen («Heinede Fuchsy, «Lachende
Kinder», «Jugendbrunnen», «Der Ti wwel⸗
peter», «König Nobel» u. a.), in deren Illuſtratio⸗
nen er die Tiere perfonifiziert und mit menſchlichen
————— ten ausſtattet; der zugehörige
(gereimte) Tert iſt zum Teil von Jul. Lohmeyer.
euerdings veröffentlichte er «PBflangenblätter im
Dienfte ver bildenden Kunſte und des Kunſtgewerbes⸗
(2p3. 1899). Seine Methodil legte F. nieder in dem
aLehrbuch des Zeichenunterrichtö an deutſchen Schu⸗
len» (6. Aufl., Bielef. 1903). — Val. Frieſe, Fedor
3. (Hannov. 1890). —— Zuder.
lip (enal.), Getränk aus Bier, Branntwein
firt (engl., ſpr. flöret), flirten, liebeln, den
Hof machen, den angenehmen Schwerenöter ſpielen;
Slirtation (fpr. flörrtehſch'n), Liebelei u. |. w.
Flitſch, ital. Plezzo; jlowen. Bovec, Marft in
der diterr. Bezirkshauptmannſchaft Tolmein, in der
Grafibaft Görz und Grabisca, im obern Gebiete
des Iſonzo, in 458 m Höhe, am füdl. Ausgang des
Predilpaſſes und unmittelbar unter der als Slit:
ſcher Klauſe (532 m) befannten — durch
welche die Koritnica zum Iſonzo fließt, Sitz eines
Bezirksgerichts ne. qkm, 5586 flowen. €.), hat
A) ala Gemeinde 2073 flomwen. E. Spigenklöppel:
chule und Haufierbandel.
Flitter, zur Verzierung dienende glänzende
Metallftüdhen von verſchiedener Form. Dan uns
terſcheidet Folierflitter und Drahtflitter. Die Fo—
u pe find Plättchen von echter oder unech⸗
ter Gold: und Silberfolie, oder auch Zinnfolie, die
mittel3 entſprechender —— en in einer als
Unterlage dienenden Bleiplatte hergeſtellt werden;
man erhält fo Plättchen von runder, fternförmiger,
rofenförmiger, blumenblattähnliher und anderer
GBeftalt. Die Drabtflitter find flach geichlagene
Drabtringelhen von echtem oder unechtem Gold:
und Silbervrabt. Man läßt jie entweder glatt,
806
oder ſchlägt fie no mittels eines ftählernen
Stempels, durch welchen fie eine ſchalenartig ver:
tiefte Geftalt (Hoblflitter) oder verzierenbe
Linien, Strihe, Punkte u. |. w. (Rrausflitter)
erhalten. (S. Leonie Waren.) Die F. werden im
Handel nach ihrer Größe mit Nummern bezeichnet.
Die größten, von 8 bis 12 mm Durchmeſſer und mit
fehr großem Loc, werden Ringel (Goldringel,
Silberringel) genannt. ‚ j
Flitterglang, Flitterſchein, zen
mer, ſchimmernder, een lanz.
littergold, ſoviel wie Rauſchgold, |. Blech.
littergras (Zittergras), |. Briza und
Zafel: Gramineen I, Fig. 2.
litterhaube, ſ. Flinderhaube. Sand.
litterſaud, mit Glimmerteilchen vermiſchter
Flitterwochen, auch Zärtelwochen, Honig—
wochen, die erite Zeit im Cheftande; nad 3. Grimm
abzuleiten von den Flittern der Brauthaube (ſ. Flin⸗
verhaube), wahrſcheinlicher aber vom mittelhochdeut⸗
ſchen gevlitter, d. i. heimliches Lachen.
F id Finn eer, N Flueſſen⸗Meer.
FIX., binter lat. Pflanzennamen Abkurzung für
H. G. Floerke, geb. 24. Dez. 1764 zu Alten⸗Kal⸗
den in gig ra gang geit. 6. Nov. 1853
ala Profefjor der Botanik in Roftod. Er jchrieb
bejonvers über Flechten. ,
lobertgewehr, Slobertpiftole, Flobert—
falongewebhr, Floberttejhing, nad Flobert,
dem Erfinder der Cinheitöpatrone (1845/46), be
nannte Handfeuerwaften, bei denen die treibende
Kraft aus einer im Boden der Patrone eingelager:
ten Zundmaſſe befteht. Der Hahn bildet den Ber:
ihluß, durch ven Hahnſchlag wird der Batronenrand
gequeticht und der Zünditoff entzündet. Das Ge:
ſchoß beſteht aus einem ftarten Schrotforn oder
einem Heinen Langgeſchoß und vermag nur auf
nahe Entfernung einen Heinen Vogel u. ſ. w. zu
töten. Derartige Waffen find für militär. Zwecke
und für die gap ohne‘ tung, fie dienen haupt:
ſächlich ala pielgeug für die Jugend und bisweilen
zu Übung®: und Ausbildungszmweden.
Floooilegium, j. Flodenleſen.
Wlocconne (franz. floconne), ſ. Mozambique
(Doppelitoff) und Tuchfabrilation.
Löcher, die Schalllüder in der Dede des
alltaftens der Geigeninftrumente zu beiden Sei:
ten des Steges. Sie haben die Form zweier einan:
ber een F. Dieſe Form ift erſt durch die
Violine aufgelommen. Die ältern Violaarten, z. B.
Gamben, hatten Schalllöcher in der Form eines C.
Die Querftrihe der f deuten die Lage des Steges
— Pr durch Schalllocher in der C- Form nicht
geſchah.
locke, ſ. Abzeichen der Haustiere.
lockenblume, Pflanzengattung, ſ. Centaurea.
fodenlefen,Karpbologie,Rrolypismus
(Floccilegium), Symptom eines franthaften Gebirn-
zuftandes, welder bejonders das ftille, jog. muſſitie⸗
rende Delirium (ſ. d.) begleitet und darin beitebt,
daß die Kranken mit den Händen in die Luft oder
auf die Bettbede greifen, als wollten fie Floden oder
Heine leichte Gegenftänbe erfaflen. Das F. kommt
beſonders bei ſchweren Fieberdelirien im fog. ty:
phöſen Zuftand vor, indes auch bei Hirmbaut:
entzündbung u. dgl. m.; es liegen meift Sinnes—
tauſchungen zu Grunde, infofern die Kranlen wirt:
lich Flocken u. dgl. vor ſich in der Luft berumflies
gen zu jeben glauben,
Flitterglanz — Flöhau
Bene, j. Seide.
lodden, Hügel und Dorf in der engl. Graf:
ſchaft Northumberland, 8 km im SD. von Gold-
tream, an der Grenze von Schottland. In der
be wurden 9. Sept. 1513 die Schotten durch die
Engländer unter Graf Surrey befiegt; Jalob IV.
fiel, mit ihm 10000 Schotten.
FHodoard, Geſchichtſchreiber, an. 89 zu Eper⸗
nay, wirkte als Kanonikus und Ardivar an ber
Hauptlirche zu Reims, geit. 966, verfaßte 936—939
in lat. Herametern eine Geſchichte Ehrijti, der frübe:
ie Heiligen und ber Päpfte (gebrudt bei Ma-
illon, «Acta Sanctorum», Bd. 3), ſodann die
« Annales», eine der e und für bie fran;.
ital. und deutfche Geſchichte ehr wertvolle Chronik
der %. 919—966 (in den «Monumenta
historica», Scriptores, Bd. 3, Hannov. 1839) und
eine «Historia ecclesiae Remensis», eine gründ:
liche, viele urfundlihe Mitteilungen enthaltende
Geſchichte der Reimfer Kirche bis 948 (hg. von Sir:
mond, Bar. 1611, und in den «Monumenta», Scri
tores, Bd. 13, Hannov. 1881). — Vgl. (Euvres de
F., 0: von Le Jeune (3 Bde., Reims 1854—55).
gel, Karl riebr., Litterarbiftoriler, geb.
3. Des. 1729 zu Sauer in Schlefien, ftubierte in
Halle Theologie, wurde 1761 Lehrer am Gymnaftum
zu Breslau, bald darauf Proreltor und 1773 Rektor
der Schule zu Yauer, folgte 1774 dem Rufe als
— or der Philoſophie an die Ritteralademie zu
iegnitz, welche Stelle er bis zu ſeinem Tode, 7. März
1788, befleidete. Er veröffentlichte: «Geſchichte der
komiſchen Pitteratur» (4 Bde., Liegn. 1784—87),
«Geſchichte des Groteskkomiſchen⸗ (ebd. 1788; neue
Bearbeitung von Ebeling, Lpz. 1867; 5. Aufl. 1888),
—88 der Hofnarren» Liegn. 1789) und bie
ade * — CEpz. 1794).
oh, ſ.
löha. 1) Amtshauptmanuſchaft in ber ge.
Kreishauptmannfhaft Chemnitz (j. Karte: Sach ſen
[Rönigreih] L Südlicher Teil), hat * qkm
und (1900) 87943, (1905) 93189 E. in 4 Städten
und 57 Landgemeinden. — 2) Dorf und Hauptort
der Amtshauptmannfhaft F., 13 km im NO. von
Ehemnis, in 276 m Höhe, oberhalb des Einflufjes
der anſehnlichen, bei Nillasberg in Böhmen ent:
tingenden %. in die Zihopau, an den Linien
den⸗Chemnitz, Ehemnig:Annabetg und 7.
Podau:-Lengefeld (27 km) der Sächſ. Staatsbah⸗
nen, Siß der Amtshauptmannſchaft und einer Be
zirtöfteuereinnabme, hat (1900) 3210 E., darunter
90 Katboliten, (1905) 3411 E., Poſtamt zweiter
Klaſſe, Telegrapb, elektriiche Eentrale für Straßen:
beleudtung; Baumwollſpinnerei, Keſſelſchmiede,
Holzpappenfabrik, Tiſchlereien, Glaſerei, Seile
reien, Dampfſchneidemuhle, Holzſchleiferei, vier
Ziegeleien, Kohlenſchächte, bedeutende Lehmlager,
zahlreiche Porphyr⸗, Thon: und Glimmerjchiefer:,
Gneid: und Sanpfteinbrühe und Handelögärtnerei.
zn SD. auf dem Scellenberg (515 m) Schloß
RE (. d.).
Flöhathalbahn, ſächſ. Staatseifenbabn von
Chemnitz und Flöba über Marienberg nad Reigen:
—— ak: 69,4 km, 1875 eröffnet) mit Zweig:
n Bodau:Ölbernbau:Neubaufen (22,1 km); die
gortiebung nah Komotau in Böhmen bildet einen
eil der Buſchtiehrader Eiſenbahn (f. d.).
uses czech, Bläany, Stadt in der öfterr. Ber
Shauptmannſchaft und dem Gerichtsbezirl Poder⸗
ven in Böhmen, bat (1900) 1014 deutſche €.
Flöhe — Floquet (Charles Thomas)
föhe (Aphaniptera), eine Inſelten
mwöhnlih als Unterordnung zu den Zweiflüg
geftellt, von manden —— aber auch als beſon⸗
dere Ordnung ber Inſekten betrachtet, nur eine Fa⸗
milie, die ver Pulicidae, umfafjend. Kräpelin be
wies beſonders aus dem Bau des Stechrüfleld, daß
fie eine den übrigen Ordnungen gleichwertige bilden
muſſen, und ſchuf für fie die Ordnung Siphonoptera,
die Berwand ar zu der fliegen: wie zur
MWanzenordnung, befonders zur legtern. Der Kor⸗
ges v ift Hein und feitlih zufammengevrüdt.
Fühler find fehr kurz und liegen in Gruben
binter den Heinen, runden Augen, Die Munbteile
leihen bis auf die —— nterlippe denen der
Biveifiügler. Die drei Bruftringe find nicht mitein-
ander verwachſen und tragen kräftige Beine, wäh:
rend die Flügel m. und durch plattenartige An»
pänge der Mittel: und Hinterbrujt vertreten werben.
Hinterleib ift im Verhältnis zu Kopf und Bruft:
ftüd ſeht ftark entwidelt. Die ha —* ſich als
ausgebildete Inſelten vom Blute der Säugetiere
und Vögel, die Larven find — Wichtige
Arten der F. ſin Hunde⸗,Sand⸗ und Menſchen⸗
loh (Pulex irritans L., ſ. Tafel: Inſetten II,
i (S. die betreffenden Artilkel.)
‚ge
lobiäde (Floia), ſ. Maccaroniſche Boefie.
frant, Name verſchiedener Pflanzen, ſ. Eri-
geron, —— und Pulicaria.
Flohkrebſe, Amphipoden (Amphipoda),
Orbnnung der Ringellkrebſe (Arthrostraca) mit dun⸗
ner, lederartiger Schale, deren Kopf mit dem eriten
—— verſchmolzen iſt und zwei Baar Fuhler,
ein Baar zuſammengeſetzter, figender Augen und ein
aar Rielerfüße nebſt brei Baar Kiefern trägt. Der
Örper iſt feitlih zufammengebrüdt, von ben vielen
Beinpaaren tragen fünf die blattartigen Riemen.
Die F. find im * afjer wie im Meere ver:
breitet. Zu den Süßmwaflerformen gehört der bes
kannte, flinte, in unjern Bächen unter Steinen oft
u Tauſenden lebende gemeine Flohkrebs oder
achflohlrebs (Gammarus pulex L., ſ. Tafel:
Kruftentierel,Fig.1)undderblindelohtreb3
(Gammarus puteanus Koch), welder in Brunnen
und Höhlen wie in der Tiefe des Genfer Sees vor:
tommt. Im Meere find die 3. viel geſtaltenreicher
und durch befondere Anpaffungen oft eigentümlich
entwidelt, wie aud bier mande Gattungen in &
ungebeuern Scharen — daß ſie eine reiche
Nahrungsquelle für zahlloſe Fiſche werden, während
he andererjeitö die Kadaver großer Meerestiere,
wie der Wale, in unglaublich kurzer Zeit vertilgen.
Als Strandformen leben die jpringenden Sand»
büpfer (Talitrus; Talitrus locusta Latr., ſ. Tafel:
Kruftentiere I, fig. 16) und Küftenflöbe
(Orchestia) zwifhen ausgemworjenen Algen; fie er:
innern an unfere F., während die Anpafjung an
ein pelagifhes und dabei halb parafitiihes Leben
die Familie der Hyperiden bervorgebradht hat.
Es find dies überaus durchſichtige Weſen mit gros
Den Kopf und enorm entwidelten Augen, mit
herenartigen Greiffüßen, welche teild an Quallen
und andern —*— Seetieren angellammert
leben, teils, wie Phronima, in den von ihnen aus⸗
in Feuerwalzen ige aufen, bie
e, Heinen gläfernen Fäßchen vergleihbar, durch
die Ruderſchläge ihres Hinterleibes im Waſſer
iben und in denen fie auch ihre zahlreiche
pen erging b bergen. An ein Kletterleben auf
Algen find die phantaftiihen Keblfüßer (Laemo-
lern — eine vortreffl
807
) angepaßt, beren durre —— G en
ſcahende Apnliteit
mit ihrer Umgebung darbieten. Zu ihnen gehoͤrt
die Gattung der erg ren er (Caprella mit Ca-
rella linearis, ſ. Tafel: Kruftentiere I, Fig. 5).
* Gegenſaßz hierzu fteben die 2 en Formen der
attung us, welde auf alten ſchmarotzt
—— ceti L., die zekis aus). lm bie
enntnid der F. baben beſonders Kroyer,
Spence Bate und La Valette verdient gemacht. In
neuerer Zeit wurde von der Challenger⸗ Erpedition
eine ganz burchfichtige riefige ——
mit ungeheuern Augen und von 10cm Länge gefiſcht.
ohmitte, f. Geheimmittel,
lohſamenkraut (Wegerich), f. Plantago
en ( — un * —
oing (ſpr. 8 im franz. Depart.
Arbenned, 2 km nördlich von Sedan, 1 km von
der Maas entfernt, hat a0) 1550, als Gemeinde
2182 €. und wurde in der Schlacht von Sedan (ſ. d.)
von Truppen des 5. und 6. deutfchen Armeelorps ge
nommen. Am Nachmittag fand bierdergroße Durch⸗
bruchsverſuch franz. Kavallerie ftatt, defien Miß—
lingen dad Schidjal der Eingeſchloſſenen befiegelte.
an Genie! ” — x ni
oquet pr, -Te ’ omas, anz.
BVolititer, geb. 5. Dt. 1828 zu St. Jean de Quz
im Depart. Bafjed: Pyrendes, ftudierte die Rechte,
wurde 1851 Advolat und gehörte zu den —X
republitaniſchen Gegnern des zweiten Kaiſerreichs.
1864 organifierte er mit zwölf andern einen demo⸗
kratiihen Wahlausſchuß und ward deswegen in den
fog. Prozeß der Dreizehn vermwidelt. Noch betannter
machte ſich 5 namentlich dadurch, baß er 1867 Kaiſer
Alerander II. von Rußland bei feinem Aufenthalt
in Baris die Worte «Vive la Pologne, Monsieur!»
zurief. Im Prozeß des Prinzen Slierre Bonaparte
wegen ber Ermordung Victor Noird (März 1870)
laidierte F. für die Familie des Toten mit großem
Grfolg, Nach dem Sturz des Kaiſerreichs (4. Sept.)
wurde er Adjunft des Maire von 8, Etienne
Arago, nahm aber nad dem Aufruhr vom 81. Dit.
feine Entlafjung. Bom Depart. Seine in die Nas
tionalverfammlung gewählt, ftimmte er gegen bie
iedenspräliminarien und verjuchte bei dem Auf:
nd des 18. März 1871 den Bürgerlrieg zu ver
indern. Angellagt, Beziehungen zur Commune in
Paris zu unterhalten, wurde er in Diarrig verhaftet,
bald aber wieder freigelafien. Nachdem ihn 1872
und 1874 das 11. Arronbifjement in den Pariſer
Gemeinderat gewählt hatte, ſandte ihn 1876 das»
jelbe Arrondiljement in die Deputiertenlammer,
der er ſeitdem ſtets angehörte. Hier beantragte er
die Aufhebung des auf 42 Departements laftenden
Belagerungdzuftandes und eine vollſtändige Am⸗
neftie für die Kommuniften. Auch andere rabilale
——— in der Folgezeit von F. aus. Im
an.1 wurde er zum Seinepräfelten ernannt,
te aber im Dftober diefen Poften nieder. 1885
wurde F. zum Stammerpräfidenten gewählt und
aud in den zwei folgenden Jahren aufs neue mit
diefer Würde befleivet. Nach er durch ein ent»
egentommenbes gegen den ruſſ. Bot:
Peter fein rafhes Wort von 1867 gem und fi
damit ald Minifter möglih gemacht hatte, wurde
er nad) dem Sturze Tirards (3. April 1838) mit der
Bildung eines Kabinett betraut, das die Revifion
der Berfaflung in fein Programm aufnabm. Die
fteigende Popularität Boulangers, den F. 18. Juli
808
1888 in einem Duell nicht unerheblich verwundete,
veranlaßte ihn im Oltober, jeinen Entwurf der Ber:
iaflungsänderung in der Hammer vorzulegen; da
dieje aber 18, Febr. 1889 einen Vertagungsantrag
annahm, mußte F. feine Dimiffion geben. Als im
Nov. 1889 die neu gewählte Deputiertentammer zu:
jammentrat, wäblte ei wieder zu ihrem Praͤſi⸗
denten und erneuerte dieje Wahl in den folgenden
Jahren. 1892 murde F. infofern in den Banama:
landai mit verwickelt, als er zugeben mußte, 1889
in feiner Eigenſchaft als Minitterpräfident die Ver:
teilung von Geldern der Banamagefellibaft an die
Journale «überwacht» zu haben. Anfolgedefien
unterlag er bei der Neuwahl zur Deputiertentammer
1893, wurde aber im Jan. 1894 in den Senat ges
wählt. Er jtarb 18. Jan. 1896 in Paris. Die «Dis-
cours et opinions de F.» (2 Bde. Par. 1885) gab
A. Faivre heraus.
foquet (fpr. -teb), Pierre Amable, franz. Ges
(ebrter, geb. 9. Juli 1797 zu Rouen, geit. 6. Aug.
1881 zu Formentin (Depart. Calvados), feit 1839
forrefpondierendes Mitglied der Baie Alademie
ver Wiſſenſchaften. Er veröffentlichte: «Histoire du
parlement de Normandie» (7 Bde., Rouen 1840
—43; von der Alademie mit dem großen Breife
«Gobert» ausgezeichnet), «Diaire, ou Journal du
voyage du chancelier Seguier en Normandie»
>. 1842; eine Ergänzung bes vorbergenannten
erfe3), «Etudes sur la vie de Bossuet» (3 Bbe.,
Bar. 1855; von der Alademie gefrönt), wozu «Bos-
guet, pröcepteur du Dauphin, fils de Louis XIV»
(ebd. 1864) die Fortſetung bildet. ‚
Flor oder Krepp (fra. cröpe), ein fadenfheiniges
Seidengemwebe, bem durch belonbere Fadenbindung
oder Appretur (Kreppen, ſ. d.) ein gleihmäßig mat:
tes —— gegeben ift; auch ein zweifädiger baum:
wollener feiner Zwirn (Nr. 80— 100), wie er zu
gewirkten Handſchuhen verwendet wird; mit F. be
zeihnet man aud die die Oberflähe der fammet:
artigen Gewebe bildende Haardecke. (S. Sammet.)
Über F.alsHalbfabrilatder£pinnereif.Fafergebilve.
Flor, Georg, oldenb. Minifter, geb. 24. April
1833 in —— ſtudierte 1853—56 in Heidel⸗
berg, Berlin und Göttingen die Rechte, trat dann
in den oldenb. Staatädienft und war bier ala Ni: |
ter und Staatsanwalt bei verfchiedenen Berichten
tbätig, zuletzt im Appellationgjenat des ehemaligen
oldenb. Oberappellationsgerichts. 1878 wurde F.
zum vortragenden Rat beim Staatsminifterium
und 1887 zum Dlinifter ber Juſtiz, der Kirchen und
Schulen und der Militärangelegenbeiten ernannt,
von welhem Amte er im Sept. 1900 zurüdtrat.
Flora, in der Botanik der Inbegriff und das
Verzeichnis der in einem Erbteile, Lande oder Ge:
biete wild wachſenden Pflanzen. (S. aud Pflanzen:
geograpbie.)
lora, altital. Göttin der Blumen und Blüten
omwie des Frühlings. Sie hatte in Rom feit alter
eit ein Heiligtum auf dem Quirinal und einen
eigenen —— Nach Erbauung eines Tempels
beim Cirlus imus 238 v. Chr. wurden zu Ehren
der Göttin 28. April zum erjtenmal Spiele (die
Ludi Florales, Floralia genannt) veranitaltet
und 1730. Chr. wurde befchloffen, daß fie alljährlich
ftattfinden follten, was dann an immer mehr Tagen,
ulegt vom 28. April bis 3. Mai geihab. Die Feit-
ie beitand namentlich in der Auiführung von
Mimen (f. d.), die ein ausgelaffenes und unfittliches
Gepräge trugen, und in Eirkuäfpielen, bei welchen
Floquet (Pierre Amable) — Florentiner
ftatt wilder Tiere Ziegen und Hafen gehest wurden.
— F. heißt auch der 8. Planetoid.
lora, Kap, fübmeltl. Rap der Nortbbroot:
Inſel des Franz-Joſeph⸗Landes (f. d.).
Florac (fpr. -räd). 1) Arrondiffement im franz.
Tepart. Zozere, hat 1697 qkm, (1901) 30391 €,
52 Gemeinden und N in in die 7 Kantone Barre,
%., Le Maffegros, Meyrueis, Le Pont:ve:Montvert,
& e. Enimie und St. Germainsde:Galberte. —
2) Hauptjtadt des Arrondifjements F., 40 km ſud⸗
öftlih von Mende, in 699 m Höhe, in dem Thale
des zum Tarn fließenden Tarnon, bat (1901) 1653,
als Gemeinde 1953 E., eine reform. Konſiſtorial⸗
fire, ein altes Templerbaus: Zwiebelzudt, Yeinens
und Zuchweberei.
Flora danioa, ſ. Fl. dan.
Floralfa, $loralien, f. Flora (Göttin).
Florband, joviel wie Gazeband, ſ. Bandfabri-
ation.
Florblumen oder Floriſtenblumen, Bier
pflanzen, die aus oft geringwertigen Stammfor⸗
men durch fortgejeßte fünftliche Kreuzung entjtan:
den find und Sortimente mit beitändig wachſender
Spielartenzabl bilden. in: Azaleen, Ramelien,
Rhobodendron, Rofen, Fuchſien, Belargonien, Ver:
benen, Chrofantbemum, Nelten, Dablien, Glori⸗
nien, Primeln, Aurileln, Levlojen, Penſées, Aſtern,
Zalſaminen, Be onien, Hyacinthen, Tulpen, Glas
diolen u. a. m. Die Fortpflanzung kulturwurdiger
Spielarten geſchieht bei den ausdauernden und hol»
jigen F. immer auf ungeſchlechtlichem Wege, da
durd eine Vermehrung aus Samen anftatt der ge:
wünfchten ſtets neue, meift ſehr minderwertige Spiel:
arten entiteben würden. Nur bei den einjährigen
3. iſt man auf geſchlechtliche Vermehrung allein
angewieſen, wodurd es allerdings felten möglich ift,
beftimmte Spielarten weiter zu kultivieren.
Flore, mittelalterlihe Sagengeftalt, ſ. Flore
und Blandeflor. j
Floreal («Blütenmonat»), im Kalender (f. d.)
ber erjten franz. Nepublit der achte Monat, der in
den Jahren I-VL vom 20. April bis 19, Mai, in
den Xabren VIH—XIU vom 21. April bis 20. Mai -
des —— Kalenders dauerte.
Floröas! (lat.), mögeſt du blüben, möge es dir
wobl ergeben! Flordat! er (fie, es) blübe, gebeibe!
pdf Münze, f. Gulden. ,
forence (engl, jpr. florränb; frz., jpr. -rängß),
cine Art Taffet (. d.). z
Florence (ipr. florrẽnß), Hauptitadt des County
Lauderdale im norbameril, Staate Alabama, am
Tenneſſee, Tuscumbia gegenüber, bat (1900) 6478
E., drei böbere Unterrihtsanitalten, Eiſen⸗ und
Koblenwerte. Dampfboote geben bis Saint Youis
und Cincinnati. | — ————
loreuce, Bort:, Ort in Engliſch⸗Oſtafrila,
loreugebiet, Florenreich, ſ. Pflanzen:
geographie nebit Karten.
Florenfae (fpr. -rangfäd), Hauptort des Ran
tond 5. im Arrondifjement Beziers des franz.
Depart. Herault, an der Linie Bezierd- Montpellier
der Südbahn und der Departementalbahn Meze⸗
Agde, bat (1901) 3466, ald Gemeinde 3677 E.,
Slhabri ation, Wein: und Branntweinhandel
Florenfer, foviel wie Floriacenſer, ſ. Emwiges
Evangelium. j
(orentina, der 321. Planetoid,
Iorentiner, Name eines großen Diamanten,
ſ. Diamant nebit Tafel, Fig. 4.
Florentiner Flaſche — Florenz
Florentiuer Flaſche, Borrihtung, die bei
der Daritellung der ätheriihen Öle benukt wird,
um bei ver Deftillation die Öle von dem gleich-
zeitig verbichteten Waſſer zu trennen. Sie beſteht
aus einer Flafche (ſ. beiſtehende Abbildung), an
die nahe über dem Boden ein
feitlibes Rohr angefhmolzen ift;
dies iſt jenfrecht in die Höhe ge
führt, bis etwa zur Hälfte der
Höhe des Halfes, und bier in einer
Rundung abwärts gebogen. Das
ſpecifiſch leichtere Ol ——*
auf dem Waſſer. Füllt die Flaſche
ſich mit dem Deitillat, jo fließt das
Wajler vom Boden dur das Sei:
tenrobr ab, während das Ol in
der Flaſche verbleibt. Im Groß⸗
betriebe erſetzt man die Flaſchen durch gleihgeformte
Blehlannen und läßt das Waſſer durch ein Syſtem
von drei oder vier terrajienförmig aufgeftellten F. F.
geben, um die mechaniſch mitgeriffenen Öltropfen
au gewinnen. Das aus der legten 5. F. ablaufende
Woaͤſſer ift dann noch mit Ol gefättigt und wird, um
(egtere3 zu gewinnen, lobobiert. (©. Kohobation.)
4 ——— ner ſtonzil, ſ. Ferrara-Florenzer
onzil.
Iorentiner Lad, ſ. Karminlad.
forentiner Quartett, ſ. Beder, Jean.
forentiner Taube, j. Hubntauben.
lorentini, ein dem Landstneht ähnliches
Haſardſpiel mit 52 oder 32 Karten, das bejonders
in Neapel gefpielt wird.
Florentind Radewind, |. Brüder deö ge
meinfamen Lebens. j j
Florenz. 1) Provinz im Königreih Italien
4f. Rarte: Ober: und Mittelitalien, beim Ars
titel Stalien), in der Landſchaft Toscana, grenzt im
N, an die Provinzen Modena, Bologna und Ras
venna, im D. an Forli, Peſaro und Arezjo, im ©.
an Siena und Arezzo, im W. an Piſa und Lucca,
bat 5867 (nad Strelbitifij 5799) qkm, (1901)
939054 E. und zerfällt in die 4. Rreife 3. (625289 E.),
Piftoja, Rocca San Casciano und San Niniato
mit zufammen 76 Gemeinden. Die Provinz umfaßt
das mittlere Gebiet ded Arno nebjt den Thälern
feiner Nebenflüffe (Sieve, zu, DOmbrone, Peſa
und Elſa) und wird im N. vom Apennin durchzogen,
der im Corno alle Scale 1939, im Eupolino 1848 m
Höhe erreicht. Beſonders im ſüdl. Teile wird Ge
treide, Wein und Ol ſowie Seide gewonnen und
Schafzucht betrieben. Die Provinz bat mehrere
Mineralquellen und zablreihe gute Straßen; die
Eifenbabnen berühren die Hauptitabt F.
%., ital. Firenze, früber Fiorenza; lat. Flo-
rentia, d. h. die Blumenjtadt, Hauptftabt der Pro:
I
— — vinz F., bis zum Jahre 1859
L y "7 die des Großderjogtums Tos⸗
N al ma, von 1865 bis 1871 die
«a N N N des Königreichs Stalien, liegt
if SEA 48° 46' nördl, Br. und 11° 17'
2
dftl. 2, von Greenwich, durch⸗
2] \ ſchnittlich in 51,8 m Höhe, in
8 S einem reizenden Thale zu beis
den Seiten des Arno, der bier,
wiſchen zwei Wehren (pescaje)
eingedämmt und von Quais eingefaßt, 120—160 m
breit ift und die Stabt in zwei Zeile teilt, von
denen der größere nördlich des Arno von den Aus:
läufern der Apenninen umgeben ift, deren höchſter
809
fihtbarer Gipfel, der Monte-Morello (934 m), im
N. ſich erhebt. F. iſt neben Mailand und Zurin die
reinlichſte Großſtadt Italiens und Sitz einer zahl«
reichen Fremdenlolonie. Bei dem häufigen Tem⸗
peraturwechſel ift Brujftlranfen der längere Aufent:
alt zu mwiderraten; doch find die Geſundheitsver⸗
ältnifje im ganzen günftig. Die Mitteltemperatur
eträgt im Januar 5°, im Juli 25,1°, im
14,6° C. Eine Hocauellenleitun verforgt die Stadt
mit Trinlwaſſer. (Hierzu ein Stadtplan nebit
Straßenverzeihnis und ein Situationsplan.)
Bevölkerung. F. hat 1901: 205589, 1881:
169901 E.; 1881 kamen auf die Innenſtadt (Fi-
renze centrale) 134992, auf das Nordviertel 15658
und auf das Süpdviertel 18351 E. In Garnifon lies
en das 67. und je 2 DBataillone des 5. und 68. In⸗
anterieregiments, 4 Estadrons des 8, Kavalleries,
6 Batterien des 19. Feldartilleries und Teile des
8. Genieregiments,
Anlage, Straßen, Brüden. Die Stadt, eine
der (hönkten und interejjanteiten Staliens, mit dem
Beinamen «la bella» («die Schöne»), und wegen
ihrer hoben Bedeutung für ital. Sprace, Litteratur
und vor allem für die bildenden Künſte das «ital.
Athen» genannt, tft infolge des Abbruchs (feit 1859)
der jaft 10 km langen Ringmauer (1285—1388 er»
baut) bedeutend erweitert und verfchönert worden.
Bon den neun Stabtthoren find zu erwähnen Borta
alla Eroce (1330 erbaut), en San Gallo sau
ahre
Porta Romana (1328 von Jacopo Oxcagna erbaut),
Porta San Frediano (1324), Borta Sarı Giorgio mit
interejlanten Freslen und Porta San Miniato,
Zwei Eitabellen, die Heinere, Belvedere, ſudlich
am bödjften Buntte, die größere, Forte di San
Giovanni Battifta oder garten da Baljo, am
Nordende, dienen jest ald Rafernen.
Die zum Teil jehr engen und durch die vor
ipringenden Dächer der Häufer dunteln Straßen,
eit 1237 mit Ziegeln, ipäter aber mit Stein:
platten gepflajtert, jind vielfach verbreitert worden.
Der Stadtteil im Centrum wurde feit 1889 abge:
broden und neu —— An Stelle der fruhern
Befehigunaen umſchließt eine breite Ringſtraße die
nördlich des Arno gelegene Stadt, wo fi auch die
neuen Stabtteile weftlich bis zu den Gascinen aus⸗
dehnen. Die Ihönften Straßen find: die Via dei
Calzajoli im Mittelpunlte der Stadt zwiſchen dem
Domplaß und der Bags della Signoria, der Brenn:
punft des florentin. Lebens; die Via Tornabuoni,
die Bia Cavour (früher Bia — die breiteſte von
allen, mit ſchönen Paläſten; die Via Cerretani, Via
Maggio und die ſich auf beiden Seiten des Fluſſes
entlang ziehenden Quais, die fog. Lungarni. Die
Saupitraen find eleftrifch beleuchtet. Auch An:
lagen für elettriiche Beleuchtung der Häufer wurden
feit 1898 eingerichtet. j
Der Verlehr über den Fluß wird durch ſechs
Brüden vermittelt. Der dreibogige Ponte Vecchio
aus röm. Zeit, mit den Buben der Goldſchmiede,
wurde nad) mebrfader Zeritörung 1362 von Taddeo
Gaddi, der —— Santa Trinita (1252) nach 1567
dur Bart. Ammanati wieder aufgebaut, ver Bonte
alla Carraja, 1218—20 erbaut und 1333 durch ÜÜber:
ſchwemmung zerjtört, wurde 1337 wiederhergeſtellt
und 1559 J Befehl Coſimos J. durch Ammanati
erneuert; der Ponte alle Grazie wird auch nach
dem Podeſta Rubaconte genannt; ferner wurden
in neuerer Zeit an beiden Enden der Stadt Eiſen⸗
drabtbrüden errichtet.
810
Pläge und Denkmäler. Bon den bebeuten:
dern öffentlichen Blägen find zu nennen: die Piazza
bella — ittelpuntt des ſtädtiſchen Lebens
und an Kunſtwerken am reichiten, mit dem Palazzo
Bechio und der Loggia bei Lanzi, war in ihrer ebigen
Geftalt feit dem 14. Jahrh. Schauplag von Bolts-
verjammlungen, Feften und Kämpfen; Savonarola
und die beiden Dominikaner wurden 1498 hier ver:
brannt. Hier ftand von 1504 bis 1873 das Koloſſal⸗
——— Davids von Michelangelo (jetzt im Kuppel⸗
aal der Atademie), ferner ſtehen bier: der Hercules,
ber den Cacus erjchlägt, von Bandinelli; ein großer
Brunnen mit Neptun und Tritonen von Ammanati
und Bronzefiguren von Schülern des Giov. da Bo:
logna (1575); der Marzocco, ein eberner Löwe,
neuere Nacbildung des Driginald von Donatello
im Nationalmufeum und das Reiterftandbild Eofi-
mo3 I. von Giovanni da Bologna (1594). Die
zum bella Santiffima Annunziata ift auf drei
iten von Säulengängen umgeben und geihmüdt
mit zwei baroden Brunnen von Pietro Tacca (1629)
und dem Reiterftandbilde des Großherzogs Ferdi-
nand I. von Giovanni da Bologna, 1608 aus tür,
Beutemetallgegofjen. Auf der Piazza Santa Maria
Novella, die zwei Marmorobelisten (1608) zieren,
wurden am Tage vor dem de Johannes des Täus
fers, des Schußpatrons der Stadt, nach einer Stif-
tung (1563) Gofimos I., Wagenwettrennen von vier
Biergeipannen in röm. Roftüm —— die Mae
Santa Eroce mit dem Dante-Denkmal von Bazzi,
6 m hohes Marmorſtandbild auf 7 m hohem Godel,
1865 zum —— Jubiläum der Geburt des
Dichters enthüllt; die Piazza Santa Trinita mit
einer Granitjäule aus den Bädern des Garacalla
zu Rom, 1563 hergebracht, die ein Porphyrſtandbild
der Gerechtigkeit von Taddi (1581) trägt, der fpäter
ein Erzmantel umgelegt wurde; an der Stelle des
alten Marktplages die Piazza Vittorio Emanuele
mit bem Reiterftanbbild des Königs Victor Ema:
nuel II. (1890); die Piazza Maffimo d’Azeglio im
NO. mit fhöner Gartenanlage; endlich die Piazza
dell’ Indipendenza,in dem neu angelegten nordweſtl.
Stadtviertel, der größte und —5*— Platz, mit
den Standbildern von Bettino Ricafoli und Übal⸗
bino Beruzzi (1898). Zu nennen find noch die Dent-
mäler Garibaldis, Manins und Golbonis, jomwie
die Statuen berühmter jorentiner in den Rifcen
der Säulenhallen der Uffizien.
Kirchen. Von den 170 Kirchen und Kapellen fällt
vor allen der gewaltige Dom Santa Maria del
Jiore, jo genannt von der Lilie, dem Wappen ber
tadt, in die Augen, 1294 von Arnolfo di Cambio
auf der Stelle ver alten Kirche der heil, Reparata
begonnen; die unvollendete Fagade wurde 1588
Gefeitigt, die neue nah Plänen de Fabris ift 1887
vollendet worden. Das Mitteljchiff ift 1357 nad
Blänen von Talenti begonnen; die Kuppel ift von
Filippo Brunelleschi 1420—34 erbaut, die Laterne
1462 nad) deſſen Entwurfe vollendet. Das Lang:
haus ift dreifchiffig, der adhtedige Kuppelraum von
drei fapellenreichen Ehören umgeben. Bon den neuen
Erzthüren der Facade ift bis 1898 das eine, von
Baflaglia ausgeführte Baar, vollendet. Die Kirche,
eine der größten Jtaliens, ift 148 m lang, in den
Kreusflügeln 94 m breit, die Kuppel 91 m, mit
Laterne 107 m bob. Das Innere ift fabl und
dunkel. Der freiftebende vieredige Glodenturm
(i. Tafel: Italieniſche Kunſt I, Fig. 3), viel:
leicht das fchönfte Bauwerk der Stadt, mit Bild:
Florenz
fäulen und Relief gefhmüdt, von Giotto bes
gonnen, dann von Andrea Piſano weiter geführt
und von Francesco Talenti 1387 vollendet, ift
&%Ambod. Dom und Turm find ganı mit verſchie⸗
denfarbigem Marmor belleidet. Dem Dom gegen⸗
über das langobard. Zeit, wahrſcheinlich dem
7. Jahrh. angehörige, Ende des 13. Jahrh. außen
mit ſchwarzem und weißem ‘Marmor bekleidete,
innen mit bedeutenden Moſailen geihmüdte acht⸗
edige Battiſtero (San Giovanni), die Taufkapelle,
ein adhtediger Bau in to8can.sroman. Stil, mit acht⸗
feitiger Kuppel und den drei berühmten Bronze:
thüren von Andrea le und Lor. Gbiberti (f. die
Zafel beim Artilel Ghiberti). Die Kirhe Santa
Maria Novella in toscan.«got. Stil, 1278 begon:
nen, dad innere 1350 von Talenti vollendet, ift
bie einige größere Kirche im Innern der Stabt
mit in alter Zeit (14. und 15. Jahrh.) vollendeter
Marmorfagade, das ere reih an Fresken der
beften ältern florentin. Meifter. Außer der Madonna
Gimabues befinden fi hier Hauptiwerte von Andrea
Drcagna und Domenico Gbirlandajo. Santo Spi⸗
rito, dreifchiffige Baſilika in Form eines lat. Kreuzes
mit Kuppeln und 38 Kapellen, 1487 nad Brunelle#
dis Entwürfen von Schülern desſelben ausgeführt,
mit 1896 neu bergeftelltem Glodenturm, gebört
wegen ber edlen Verhältniſſe des Innern zu den
fhönften Baumerken der Stadt. Santa Eroce, das
Pantheon von F., ein mächtiger Bau von Arnolfo
di Cambio für die Franziälaner 1294 errichtet,
1442 vollendet, die Jacade 1857—63 von Niccold
Matas ausgeführt, entbält die Denkmäler Dantes,
Mihelangelos, Galileis, Madyiavellis, Alfieris,
Roffinis u. a, F Zafel: Jtalieniſche Kunſt IV,
ig. 6, und V, Fig. 7 u. 9), Skulpturen von
onatello, eine prächtige Narmorlanzel von Bene
detto da Majano (f. Taf. IV, Fig. 4) u.a. Meb:
tere ber reichen fjreäfen des 14. Sahrh,, ebemals
ein Schmud ver Kirche, wurden in neuerer Zeit
von der Tünche befreit, zwei Kapellen mit Freslen,
den Hauptwerken Giottos, 1853 von Biandi ent»
bedt, andere enthalten ſolche von Taddeo und Agnolo
Gaddi, Giottino u. f. mw. Klofterbofe die ins
tereſſante Kapelle ver Pazzi von Brunellesdi. Sans
tiffima Annunziata, 1250 gegründet, fpäter erweitert
und — bat berühmte Freslen von An⸗
drea del Sarto im Vorhof und in den flreuzgängen;
San Lorenzo wurbe 390 gegründetund 398 durch den
beil, Ambrofius aeweibt; 1060 wurde an ibrer
Stelle eine neue erbaut, die 1423 abbrannte; 1425
wurde von Brunellescht und feinen Nachfolgern der
jesige Bau im Stil der althriftl. Säulenbafilita
ausgeführt, reih an Skulpturen und Reliefs von
Donatello, mit zwei Kapellen, von denen die eine,
die von Michelangelo erbaute Sacriftia nuova,
defien berübmte Grabventmäler Giulianos und
Lorenzos de’ Medici (f. Tafel: Grabmal des Lo:
renzo de’ Medici, beim Artikel Michelangelo),
bie andere, ganz aus buntem Marmor bergeitellte,
die der Brohbenöge aus dem Haufe Mebici ent»
lt. Dr San Michele, urfprünglih San Michele in
o, fo genannt nad dem Wiejenplane, auf dem
in langobard. Zeit ein Kloſter, 1284 aber eine als
Kornmarkt dienende Halle erbaut wurde; 1336 wurde
das Untergeſchoß zur Kirche eingerichtet, 1412 der
ganze Bau vollendet, mit prächtigen got. Fenſtern,
12 Statuen und Gruppen von Ghiberti, Donatello
Verrochio u.a. Santa Trinita, 1250 von Niccold
Bifano erbaut, 1570 dur Buontalenti verändert,
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‘ta°o "oddına era '"— "Tv omdeog — ed mp wa 'sıow Ta mAX— av a (opennog sa wma "Vpmai) or ‘g (uuwaoın wg wıA 'oopeduy
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zo ne⸗p vergg "wong Ta mp wa 'omwoy — "To 'opjas ua 'oowuom OD ws may — ag ug ‘ao "AN opouwusjm‘) V '10p “IA “jjouoauy
"un weg 'uwg up) ouymg sa ouag Ip — sm mug va »⸗vuon ziıTa apa zo "sv ma Tudlaepeı rau WA 'oHaqıv open Pia vg uga 'n weg '—
To wılep vzzuig 'ouogrujg rg pa on — — "<u’a TIP varung vxiunon e0 ung wa 'opruuoe] say mA Tulvd aan "ar, ra ung orlorqmy
To op wa vuoads ra mn ou — A Van via wunnpow KRAA "A wanen z.a ma wunvg sta ud —'- eza'o "ep via “osoıy
Do amoıy) — — ag many wie ejuog "Jan "weg zuon we oywpurg "an we warmer za Wwuxusg-nuug za up via "Tuodden ya wagmugy
"ra leyasıy) nung — "ya 'ojousy wa 'ouwziog Pa vtaus ante sv Ip eoeou⸗sn xva vpuc· za wa wzuoug) zn "ap mia "pauun sa a Hayıy
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by (0X gle
Teil
Florenz
mit Fresten (1485) von Domenico rd
feit 1888 in Reftauration begriffen. Auf dem linten
Arnoufer in der Kirche Sta. Maria del Carmine bie
Kapelle Brancacci mit kunſthiſtoriſch hochwichtigen
—— ——— 0. Tafel: Italieniſche
unft VI, Fig. 9. Dicht bei der Stadt im SD.
die merfwärdige Bafılila San Miniato al Monte,
1018 begonnen, größtenteild noch im 11., völlig
aber erft im 12. Jahrh. vollendet, in toscan.sroman.
Etil, breilniifo, ohne Querhaus, mit infruftierter
arade,Mojaiten, Krypta und Freslen von Spinello
retino in der Salriſtei. Bon den zahlreichen *
1865 großtenteils zu abminiftrativen, — en
und Kunſtzweden eingerichteten Moͤnchs- und Non:
nenllöftern aller Orden find die von Santa Maria
Novella und Santa Eroce hervorzuheben. Das Klo:
jter San Marco (jebt reftauriert und zum National:
dentmal erflärt) bewahrt außer den jchönen Freslen
ge Angelicod das Andenten des heil. Erzbiſchofs
ntoninus, Savonarolas, dem bier ein Denkmal
errichtet ift, und ra Bartolommeos; ein Teil der
Klofterräume ift Sig der Accademia della Crusca.
Weltlihe Bauten, F. iſt reih an großen
Paläſten in meift ernftem und em Stil,
die Façaden einfah und ohne Schmud, Ki g
aus mächtigen, roh behauenen Blöcken von Fieſo⸗
laner Stein oder Pietraſerena beſtehend. Im In—
nern findet man meiſt einen oder mehrere vier:
edige, mit Arkaden umgebene Höfe, aus denen
äufig fteile Treppen zu den Wohnzimmern en.
ie Sinnen, welche einige dieſer Paläfte (die öffent:
fihen) frönen, die 1—2 m diden Mauern und die
je überragenden Türme erinnern an die blutigen
arteilriege des Mittelalters. Das größte und
chönſte diefer Baumerle ift das weithin fichtbare
efidenzihloß al dem linken Ufer des Arno, nad
feinem erften Bejiger Palazzo Pitti genannt, ein
Gebäude im — —7* Der Bau (201 m
lang, im Mittelbau 35 m body) wurde für Luca
Pitti, etwa im J. 1440 von —*8 Brunelleschi be⸗
onnen und kam im 16. Jahrh. an die Medici. Die
Eeiten ügel wurden 1630—31, die Seitenballe im
18. Jahrh. vollendet. Seit dem 16. Jahrh. dient der
ra mit feinen 900 Zimmern und Räumen als
ig des Landesherrn, jebt des Königs von Stalien,
wenn er in 55. weilt. oberiten Stod des linken
Flügels befindet fi die von den Mediceern ans
gelegte, unter ber 2 Dynaftie beträchtlich ver:
mebrte Galleria Bitti (500 Gemälde), welche einen
— en Schatz ber größten Malermwerte der llaſſi⸗
hen Zeit ea darunter Raffaeld Madonna
della Sedia, deſſen Madonna del Granduca, Leo X.,
Viſion Ezechiels, nebſt andern feiner Werte, Bilder
von Tizian, Berugino, Fra Bartolommeo, Andrea
del Sarto (j. Tafel: Jtalienijhe Kunſt VII,
Sie: 4), Guido Reni, Salvator Rofa, Giorgione,
n3 u.a., namentlih von allen Meiitern der
toscan. und röm. Schulen. Hinter dem Palajt zieht
fih die Höhe ku der prächtige Garten Boboli.
Der Palazzo Bechio, urjprünglih Sitz der Sig:
noria, dann des Großberzogs Coſimo L. jetzt Stadt:
baus, 1298 durch Arnolfo di Cambio aufgeführt, mit
dem Saal der Fünfhundert, einem der größten in
Europa; der m ein burgartiges Gebäude mit
mädtigen Zinnen, ſchlanklem Zurm (94 m) und ſchö⸗
nem Säulenbof mit berühmter Brunnenfigur des
Verrocchio. rt bg ehe ignorias
plaße3 die berühmte, 1376-82 von Simone di ran:
cesco Talentineu gebaute Loggia dei Lanzi (Lanzi =
8ll
Landsknechte, jo nad) Eofimos I. deutſcher Leibwache
enannt) mit herrlichen Skulpturen, z. B. Donatellos
** Giov. da Bolognas Raub der Sabinerinnen,
ellinis Perſeus (ſ. Tafel: Italieniſche Kunſt V,
ig. 5), Menelaos mit ver Leiche des Patroklos
antile Gruppe), Pio Fedis Naub der Bolyrena
f. V, Fig. 8) u.a. An der Ede de3 Palazzo
echio liegt nad dem Arno zu der Balazjo degli
Uffizi, 1560—74 von Bafari für den Großherzog
Coſimo I. erbaut und zu Berwaltungsjweden ein:
erichtet; er enthält in zwei gleich langen parallelen
ügeln, melde fih über einer Säulenhalle mit
Statuen berühmter lorentiner erheben, die Na:
tionalbibliothet, ſowie die Archive und im obern
Stod die Galleria degli Uffizi mit einer der reich:
ften Runftiammlungen der Welt. Bor allem be:
rühmt ift die Tribuna, die unter anderm bie Mes
biceifhe Venus (f. Tafel: Venus von Medici,
beim Artilel Benus), den Apollino, den Schleifer,
die Ringer und den bedenjhlagenden Zaun, Raf:
faeld Madonna del Earbellino und andere Bilder
von ihm, mehrere Gemälbe von Tizian, Correggio,
Rubens, Michelangelo u. a. enthält. Im Saale
der Niobe ftebt die 1583 in Rom entdedte berühmte
Gruppe der Rutter (j. Tafel: Griechiſche Kunſt IL,
BER 14) mit den übrigen dazugehörigen antiken
ildwerken. Einzig in ihrer Art iſt die Sammlung
von über 400 Bildniſſen berühmter Maler, großen:
teild von den Meijtern felbjt gefertigt. Neue Säle
für Selbſtbildniſſe der Maler find jeit 1898 im Mit:
telgeihoß, weitere drei im obern Stod für die mit
ber Uffiziengalerie vereinigte Gemäldefammlung des
Hoſpitals von Sta. Maria Nuova jeit 1900 eröffnet.
Eine dritte Galerie befindet fich in der Accademia
delle belle Arti, reih an chronologiſch geordneten
Gemälden der ältern florentin. Meijter. Seit 1873
befindet fi daſelbſt der früher vor dem Palazzo
Vecchio befindlihe David von Michelangelo. Bon
ben übrigen m. verdienen ihrer Größe und zum
Teil ihrer architeltoniſchen Schönheit wegen hervor:
gehoben zu werden: Palazzo Strozzi, 1489 nach Plä⸗
nen von Benebetto ba er begonnen, 1553 voll:
endet, die höchite Entwicklungsſtufe des florentin.
Palaſtſtils bezeichnend; Palazzo Riccarbi, einft die
Wohnung der berühmten Mediceer der ältern Linie,
1865—71 Siß des Minifteriums des Innern, mit
wertvollen Freslen (beſonders von Bendzzo Gozzoli
in der Kapelle) u. dgl.; der Palaſt des Podeſta, ger
wöhnlih Bargello genannt, 1255 begonnen, fi
e:
1261 er des mit dem hoöchſten Richteramt
trauten Podeſta, im 14. Jahrh. durch Brand und
tiberjhwemmung vielfach geſchädigt, vom 16. Jahrh.
bis 1859 Gerichtshaus und ng er 1859—65
trefflich reftauriert und R einem Nationalmufeum
umgewandelt, rei an plaftifhen Arbeiten von Do:
natello, Michelangelo, Berrochio, Sanfovino (f. Tas
el: Italieniſche Kunft IV, Fig.5), Giovanni da
ologna(ZTaf.V, 310,3) u.a. und duͤrch eine ſehr reiche
Siegel: und eine Majolitenfammlung (Luca della
Robbia) bemerlenswert; dann der fhöne, nah Raf⸗
faels Plan gebaute Balajt Pandolfini; die Baläjte
Corſini, Uguccioni, Rucellai, Spini, häufig Palazzo
Ferroni genannt, Si des Circolo Filologico u.a.m.
Behörden. F. iſt Sig der Präfeltur, eines Polizei⸗
räſidiums, eines Erzbiſchofs (die Kirchenprovinz
umfaßt die Erzdiöcefe F. und die Suffraganbis—
tümer Borgo San Sepolcro, Eolle, Fiejole, Mo:
digliana, Wftoja und er nebit San Miniato),
eines Provinzialſchulkollegiums, Appellationg: und
812
Aſſiſenhofs, Eivil: und Korreltionstribunals, Milis
tärterritorialtribunal3, einer Finanzintendanz, eines
Kommifjariats für die Bewahrung der Altertümer
und Kunſtſachen, Provinzialpojt- und Landesteles
grapbendireltion, der Gentralvireltion des Aorias
tifhen Eifenbabnneges, eines Eifenbabnbetrieb3:
und Bezirtdauffihtsamtes, einer Handeld- und
Gewerbelammer, der Konſulate faſt aller Handels:
ftaaten (außer Dänemarf, Rumänien, Schweden und
Serbien) jowie einer Genie: und Artillerie:Territe:
tialdireftion, de3 Generallommandos des 8. Armee:
torp&, der Kommandos der 15. Divifion, der Infan⸗
—— «Aoita» und «Palermos und der 7. Ka⸗
valleriebrigade, des Militärvijtrikts, eines Militärs
eifenbabnfommandos und :Gentralmagazins,
Unterrichts und Bildungsmwefen. Die
Univerfität (pbilof., pbyfil.: naturwiſſenſchaftliche
und mediz.schirurg. Abteilung und pharmaceutijche
Schule, Scuola di farmacia) ift 1349 gegründet und
1850 reorganifiert ala Inſtitut für Böbere Wiſſen⸗
ſchaften (Istituto di studi superiori pratici e
di perfezionamento) mit Kuren für Philoſophie,
Geſchichte, Archäologie und Litteratur (1899/1900:
592 Studierende). Die Schule für das Notariats⸗
wesen ift mit einem Obergymnaſium verbunden und
bängt von der Provinz ab, Das erzbiſchöfl. Semi:
nar bat feinen 3 im ebemaligen Giftercienjer:
Hoiter jenfeit des Arno, Unter dem Kriegämini«
fterium jteht das militärgeogr. Inſtitut und eine
praftiihe Schule für Militärärzte. In neuerer
Zeit entitand durch Private eine Anftalt zur Auss
bildung für den biplomat. und fonitigen Staats:
dienit. Der Staat unterhält außer der Weiblichen
Hochſchule (117 Hörerinnen), einem Lehrer: und
einem Lebrerinnenjeminar und einem Mädchen:
penfionat ein vollitändiges Gumnafium, das nad
Dante benannte Obergymnaſium und eine Über:
realſchule. Die Provinz forgt für andere Zweige
des Mittelfhulunterrichts und die Stadt für den
Glementarunterridt. Es giebt eine auch für die
Ausbildung von Baumeijtern berechnete Kunſt⸗
ſchule, ſowie ein Konſervatorium der Muſik, die
1882 von ber deutſchen Kolonie gegründete deutſche
Schule für Knaben und Mädchen und die von Rai:
———— Dialoniſſen g ründete Mädchenſchule.
on gelehrten Geſe J—— und Kunſt—
vereinen find namentlich zu erwähnen: die Acca-
demia della Crusca (f. Crusca), die königl. Depus
tation für die Erforihung der Gefhichte Toscanas,
das Deutſche kunitbiftor. Inſtitut, 1897 begründet,
die Accademia dei Georgofili zur Beförderung der
Landwirtichaft, die Gefellibaft zur Beförderung der
Schaufpieltunft, die Bhilharmonifche Gefellfihaft
(Societä filarmonica), die Societä d’Incoraggia-
mento delle belle Arti, welche jäbrlih Ausjtellun-
* von Gemälden veranſtaltet, die bereits erwähnte
fabemie der bildenden Künſte mit dem David von
Michelangelo, Gipsabgüffen und Gemälden, dar-
ftellend die Entwidlung der florentin. Malerei vom
14. bis 16. Jahrh. (darunter viele Meifterwerte).
Außer den bereitö erwähnten Runjtfammlungen
bejteben namentlich noch das für etrust, Altertümer
wichtige Archäologische Mufeum und die Sammlung
der Wandteppiche (Araszi), beide im Balaft Erocetta,
die Galleria Buonarroti mit Werten und Entwürfen
von Michelangelo in deilen Wohnhaus, die Galleria
Corſini, das 1891 eröffnete Dommufeum in der
Cpera del Duomo (Dombauballe), welches vorzugs⸗
weiſe Runjtwerle aus dem Dom und dem Baptijte:
Florenz
rium enthält (Reliefs, Silberaltar, alte und neue
Zeichnungen des Doms u. ſ. w.).
Unter den wiſſenſchaftlichensSammlungen
nimmt das Mufeum der Naturwiſſenſchaften (Museo
fisico e di Storia Naturale, neben dem Palazzo
Bitti), vom Großherzog Leopold I. gegründet, den
eriten Bla ein. Außer den zoolog. (namentlic
ornitholog.) Sammlungen finden fi daſelbſt bie
—— und vollſtändigſten Wachspräparate für
natomie und Zootomie nebſt einer Menge mit
künſtleriſcher Vollendung in Wachs boſſierter Pflan⸗
en; zum Muſeum gehören eine Sternwarte und ein
otan. Garten. Hier werden unentgeltlihe Vor:
lefungen über alle Zmeige der Naturwiſſenſchaft
— Seit 1841 ſieht man hier in der Galilei⸗
ribüne die Inſtrumente und andere an den großen
Naturforjcher erinnernde Gegenftände vereinigt.
Das von A. de Gubernati3 gegründete Indiſche
Mufeum fowie die mineralog. und geolog. Samm:
lung der Univerfität befinden ſich im Istituto di
studi superiori. Im Erdgeſchoß des Kloiters
San Marco ift feit 1898 das Mufeum der beim
Umbau des Gentrumsd der Stadt aufgefundenen
Skulpturen, fteinernen Wappenſchildet, Wand:
rer u. f. w. eröffnet. Bon den öffentlichen
ibliotbelen find befonders zu nennen: die
1444 von Coſimo L geitiftete und von den Me
diceern vermehrte Mediceifhe oder Paurentiana
ee Bände, 2191 Brofhüren, 9676 der koft:
arften Handfchriften griech. und lat. Klaſſiker und
eine reihe Sammlung von Druden des 15. Jabrh.
ald Vermächtnis des Grafen Angelo d’Elct); die
Biblioteca Nazionale, feit 1860 entitanden aus der
Bereinigung der früber im Balaft Pitti befindlichen
roßberzogl. Biblioteca Palatina und der noch
ebeutendern von Ant. Magliabechi, einem ebe
maligen Juwelier, gegründeten und feit 1747 zum
öffentlihen Gebrauche beftimmten Magliabechiana
(464759 Bände, 544273 Brofhüren, 23718 Mu
jitalien, 7962 Rupferitiche und Handzeihnungen,
20 147 Borträte, 1889 Karten, 282234 Briefe, 18322
Handſchriften und 3575 Inkunabeln); die Marus
celliana (140000 Bände, 17000 Kupfer, 1500 Hand»
ſchriften, 620 Intunabeln), 1713 von Marucelli ge
jtiftet, mit Rupferftihjammlung, täglich geöffnet;
endlich die Riccarbiana (33309 Bände, 3891 Hand:
ſchriften, darunter höchſt wertvolle und mit kunſt⸗
reihen Miniaturen geihmüdte, 653 Intunabeln).
Das großartige von Bonaini geordnete Gentral:
arhiv von Toscana, 1851—58 dur Bereinigung
der bisherigen Archive, deö diplomatischen, des der
Republil, des Mediceifchen, des der aufgebobenen
Klöiter u. ſ. w. geihafen und im erften Geſchoß der
Uffizien befindlich, enthält in etwa 264000 Bänden
und etwa 140000 Einzelurfunden reihe Schäße für
den Geſchichtsforſcher. Die zwölf Theater find
emwöhnlih im Karneval fämtlid, in den übrigen
Johres eiten nur teilweife geöffnet und ſehr beiuct.
as Theater della Pergola, 1652 erbaut, 1857 er:
neuert, mit Raum für 2000 Berjonen, ift für Oper
und Ballett, Niccolini, einft Gocomero, für ital. und
franz. Oper und Schaufpiel das bedeutendfte; fern:r
Salvini für franz. Luftipiel, das große Teatro Ba:
liano (ſeit 1900 Teatro Verdi) für 4000 Perjonen,
Boliteama und die Arena Nazionale.
Wohlthätigkeitsanſtalten. Eine alte
—— (von Folco Vortinari, 1285) iſt das große
ns von Santa Maria Nuova, mit Raum für
mebrere Zaufend ſtranke fowie einer mediz. und
Flocenz
chirurg. Klinii; daneben beſtehen noch mebrere an:
dere Spitäler, eine Blindenanftalt, ein evang. Kran:
tenhaus, ein Findelhaus, nad Brunelleschis Ent:
wurf von feinem Schüler Luna 1421 begonnen, das
neue Irrenbaus, Arbeitshaus und ein Leihhaus mit
Sparkaſſe. Weit berühmt ift die Einrichtung der Con-
fraternita della misericordia, zu welcher der König,
der Adel und die ganze reihe Bürgerfchaft gehören.
Im norbweitl. Stadtviertel ijt eine großartige
Markthalle, am ſüdl. und am öſtl. Ende der Stadt
find zwei Kleinere errichtet worden.
Die ehemals blühende — ſtrie der Stadt war
ſehr geſunken, hat ſich aber neuerdings wieder bes
trächtlich gehoben. Strohhüte und Seidenwaren
werden noch immer in Menge verfertigt, während
die Fabrilation von Wollwaren und Sammet ver:
ihwindend gering ift. Bemerlenswert jind die Ar:
beiten in Marmor, Alabajter, florentin. Moſail und
die Herftellung geihnigter Möbel. n;
Verkehrsweſen. F. liegt an den Linien Bo:
loana⸗F.· Chiuſi⸗Rom und F.⸗Faenza (102 km) des
Adriatiſchen jowie F.- Piſa-Livorno (97 km) des
Mittelmeernebes und bat zwei Bahnhöfe, Gentral:
bahnhof Santa Maria Novella im N. und Campo
di Marte im O. der Stadt, erjterer für alle drei
Linien, letzterer Haltepunft für die beiden erjten
Linien und Abgangspuntt für die Lokalbahn nad
Bontaffieve. Den Werehr innerbalb der Stadt und
nach den Vororten vermittelt ein Neb elektriicher
Straßenbahnen (zum Teil im Bau), ferner zahlreiche
Umnibuslinien vom Domplaß und der Piazza della
Signoria nad allen Tboren und verjchiedenen an:
dern Pläßen, ſowie Droſchken. Ferner befteben 18
Bojtämter und 14 Telegrapbenämter.
Umgebung. ine der ſchönſten Promenaden
Italiens bildet die 1868 mit einem Aufwande von
mebr als 2 Mill. Lire nah dem Plane des In—
genieurd Poggio erbaute, mit Dampftrambahn be:
tabrene Hügelſtraße Biale dei Colli, die fi, 5760 m
lang und 18 m breit, im ©. der Stadt in Wins
dungen bie Höhe binaufzieht und, mit Anlagen,
Rojenbeden und Baumreiben bejekt, eine großartige
Ausſicht auf die Stadt und die dabinter ſich erbebens
den Höhen bietet. Sie bildet ein großes Rundell,
Piazzale Galileo, und weiterhin einen terraſſen⸗
artig vorgebauten Pla, Piazzale Michelangelo;
auf legterm ein Bronzeubguß von Micelangelos
David, deſſen Sodel Abgüſſe der vier Tageszeiten
von den Mediceergräbern umgeben. Dicht dabei
das ehemalige Franziskanertlojter San Salvatore
del Monte mit einer 1504 von Eronaca erbauten
Kirche, oberhalb derjelben die herrliche Kirche San
Miniato al Monte. Im W. der Stadt, zwiſchen
Arno und Mugnone, erjtreden ſich mebrere Kilo:
meter weit die Cascinen, der «Tiergarten» oder
«Prater» von F., mit parkartigen Anlagen und dich:
ten Walbpartien. Jm SW. die Gertofa di Val
d’Ema (j. Sertoja); 10 km nördlich Fiejole (f.d.)
mit jeinen Klöftern, öftlich das Klojter San Salvi,
bereit 1048 erwähnt, mit dem Abendmahl von
Andrea del Sarto (1526) im Nefeltorium.
Geſchichte. Das älteite F., Bilanzjtadt und Fluß: |
bafen von Fäfulä (Fiefole; f. d.), wurde 82 v. Chr.
durch Sulla zerſtört. Das jegige F. wurde etwas
meiter itromabmwärts an einer für Ferteibigung des ı
Arncüberganges wichtigen Stelle etwa 59 v. Ebr. |
als röm. Kolonie begründet. Im 4. Yabrb. wurde |
es Hauptitadt der Brovinz Tuscia-Umbria; 401 |
wurde bier ein Dftgotenbeer unter Radagais durd |
813
Stilicho vernichtet. Das Ehriftentum errang erſt im
5. Jahrh. unbejtrittene Herrſchaft, doch war bier
{bon vorber ein Biihofafig errichtet. Größere Be:
deutung gewann %. jeit dem 10. Yabeh. orüber
gehend durch Kaiſer Heinrich IIL zur Reichsſtadt ges
macht, wurde es nach deſſen Tode wieder wie zuvor
——— der tustiihen Marlgrafſchaft und er:
ri in den Kämpfen der Martgräfin Mathilde und
tegors VII. kraftvoll Bartei für diefe gegen Heins
rih IV. Inmitten diefer Wirren gelang es ver
Stadt jeit Ende des 11. war ihre Selbftregierung
zu befeſtigen und fich die Herrfchaft über die Doppel:
grafihaft Florenz: Fielole anzueignen. am .1125
zeritörte F. das benachbarte Fieſole, deflen Bewoh—
ner großenteild nah F. überjiedelten. Bejonders
fteigerte fi die Macht der Stadt durch die 1172 ges
meinſam mit den Bijanern gegen den Feldherrn flai:
fer Friedrichs L., Enbiihor Ehriftian von Mainz,
errungenen Erfolge; in demjelben Jahre erfolate
eine bedeutende eiterung der Stadt durd Er:
bauung eines neuen Mauerntreifed. Nach vorüber:
pe ver Selbitändigleit unter ven
aifern Friedrich I. und Heinrich VL. erwarb fi F.
unmittelbar nach des lektern Tode dadurch, daß e3
an die Spike des gegen das Reich gerichteten tuski—
ihen Bundes tratund burheritörung der neu errich⸗
teten feiten Stadt Semifonte (1202) eine herrſchende
Stellung in Mittelitalien. Seit 1207 wurde ftatt
der jährlih gewählten Konſuln, die bis dahin die
Stadt regiert hatten, ein aus der Fremde berufener
Podeſta an die Spiße der ——— geſtellt;
wie früber die erſtern, war er in feiner Amtsfüh—
rung an die Beichlüfie des Heinen und des Großen
Rates ſowie der Vollsverfammlung (Parlament)
gebunden. Parteiungen unter dem Adel, der ven
beveutenditen Einfluß ausübte, führten feit 1177
zu blutigen Bürgerfriegen, die ſich 1215 durch die
Ermordung des Buondelmonte am Ponte Vecchio
neu entjlammten. In den Kämpfen Kaiſer Fried:
richs DI. bielt ſich F. meijt auf der Seite von —
Feinden, geriet aber in den letzten Zeiten feiner Res
gierung unter die Gewalt feines Sobnes Friedrich
von Antiochien. Nach Friedrich IL. Tode gab fi
das Bolt 1250 eine neue, gegen die Gewalt des
Adels gerichtete Berfaflung unter dem Gapitano del
Vopolo, dem ein Rat von 12 Anzianen zur Seite
tand. Durch die Prägung des Goldquldens 1252
tieg das —— von F. erheblich; die Wollweber
und Tuchfabrikanten hatten ibre Agenten in Bene:
dig, Paris, Brügge und London, und ein großer
Zeil des franz. Geldverlehrs war in den Händen der
florentin. Wechsler.
Bei dem fortdauernden Hader des Adels geriet F.
in Feindfchaft mit den andern toscan. Städten, von
denen namentlih Siena und Piſa zu den Ghibellinen
2 die Florentiner erlitten 4. Sept. 1260 eine
rchtbare Niederlage an der Arbia bei Montaperti,
weshalb die Guelfen die Stadt verließen. Doc ge:
langten fie 1267 wieder zur Herrſchaft, ala Karl von
Anjou dur feine Wahl zum Signore der Republit
F. am} AD Jahre Anteil an der Regierung befam, die
eine Bitare zufammen mit den ftädtiichen Behörden
Ion. Zu lektern gebörten feit etwa 1193 aud die
oriteber der fieben Zünfte. 1282 bejchlojien vie
ünfte (fieben obere: Nichter und Notare, Sn
er, Geldwechsler, Mollmeber, Ärzte und Apotbeter,
Seidenwirlker, Kürichner, und fünf untere), ſelbſt das
Regiment in die Hand zu nehmen, ſtellten ihre Priori
Worſteher) als Signoria an die Spitze der Verwal⸗
814
tung und bielten ven Adel durd jtrenge Geſetze
(1293) im Zaume. Anfang des 14. Jahrh. began:
nen neue Kämpfe der Abelsparteien Neri (Schwar-
zen) und Bianchi (Meißen), und 1301 mußte der
bibellinifch gejinnte Dante feiner Vaterſtadt den
Süden fehren und ftarb in Ravenna. Wiele ber
ärmern Adelsgeſchlechter traten in die obern Zünfte
ein, und es bildete fich eine neue ea Seen u
welcher unter anderm die Ncciajuoli, Alberti, Pe—
ruzzi, Strozzi und Ricci gehörten; das niedere Bolt,
—— minuto», war von den Amtern ausge:
ſchloſſen. Im J. 1304 wurde während der Kämpfe
pen Adel und Volk ein Teil der Stadt durch
rand zerjtört. 1312 belagerte Kaiſer Heinrich VIL
5. vergeblih. 1342 bejeitigte Graf Walther VI.
von Brienne, Herzog von Athen, mit Hilfe der Ar-
beiterlafjen die Berfaffung mit Gewalt, wurde aber
1343 vertrieben, worauf ſich eine Oligarchie reicher
Raufmannäfamılien bildete, die durch die zur Ver:
waltung der gbibellinifchen Güter eingejegten «Capi-
tani di Parte Guelfa» die ganze Regierung beein:
flußten. Nach Befeitigung der dreijährigen, dur
einen Aufitand des niedern Volls, «Tumulto dei
Ciompi», ——— Pobelherrſchaft lam
die ariſtokratiſche Partei wieder ans er, an
deren Spitze ein halbes Jahrhundert lang die Al-
bizzi ftanden, denen die Medici (ſ. d.), ein reich ge
mworbenes Kaufmannsgeſchlecht, folgten. Der eigent-
lihe Gründer ihrer Herrſchaft war der volkäfreund:
lihe Giovanni de’ Medici (geft. 1429). Sein Sohn
Gofimo (Cosmus) der Slltere lehrte 1434 nad ein:
jähriger Verbannung zurüd und herrſchte ebenſo
wie fein Sohn Pietro und jein Entel Lorenzo il
Magnifico nob ohne Titel, durd Reichtum und
Klugheit mit republikaniſchen Formen. Unter der
patriarchaliſchen Regierung der gebildeten und kunſt⸗
finnigen Männer — Beichlechts wurde F., mo
1439— 42 aud das op: Ferrara: Florenzer Konzil
(. d.) tagte, zum Mittelpunlte des geiftigen Lebens
der Zeit und zur Ausgangsitation des Humanismus
und der großen Renaifjancebewegung in ber unit.
I der 1478 angezettelten Verſchwörung der Pazzi
{j.d.) ergriff die Stadt wiederholt Bartei für die Me:
dici. Die induftrielle Thätigkeit war damals ſchon
im Abnehmen; florentin. Banken beftanden aber in
allen Ländern. 1494 wurde F. von Karl VIIL von
But auf feinem Zuge nad Neapel bejekt, und
iero de’ Medici, der ihm feinen Widerſtand zu
leiften gewagt hatte, vertrieben. Savonarola (f. d.),
ver Prior von San Marco, gewann den größten
Einfluß und errichtete ein theotratifhes Regiment,
das mit jeiner Hinrichtung (1498) zufammenbrad.
1512 febrten die Medici mit Hilfe des Papftes Ju:
lius U. zurüd. 1527 wurden fie zum zmweitenmal
vertrieben, aber von Raifer Karl V. und Papſt Ele
mens VI. (Giulio Medici) der Stadt nad) längerer
Belagerung und Eroberung (12. Aug. 1530) mit
Gewalt wieder aufgedrungen und Alejandro Mes
dici zum Herzog von F. ausgerufen (1532). Sein
Nachfolger Eojimo I. fügte Siena dem bisherigen
florentin. Staate binzu und nahm 1569 den von
Pius V. ihm verliehenen Titel eines Großherzogs
von Toscana an. Seitdem teilte die Hauptitabt
die Geſchicke des Staates, (S. Toscana.) 1799
von den Franzofen bejekt, 1801 Hauptſtadt des
Königreihs Etrurien, 1807 mit dem franz. Raifer:
rei vereint, 1814 wieder Hauptitadt des Groß:
berzogtums, 1349 auf kurze Zeit Siß einer provi⸗
ſoriſchen Regierung, wurde fie 1859 wieder Pro:
Florenzer Konzil — Flores
vinzialjtadt, was fie auch blieb, nachdem durch die
Vollsabſtimmungen (11. und 12. März 1860) Tos-
cana dem piemont. Staate einverleibt worden war,
folge ver September-onvention wurde F. 1865
jtaliend Hauptjtabt und blieb es bis 1871. In
biefen Jahren geſchah unter der Leitung von Ubal-
ding Peruzzi viel zur Verfhönerung und VBergrößes
rung der Stadt. Die endgültige Verlegung der
—— nach Rom hatte große wirtſchaftliche Nach⸗
teile und finanzielle Verlegenheiten zur Folge; erſt
in neuefter Zeit hat fi die Stadt von der Krifis
erbolt und weift ein beveutendes Wachstum auf.
Litteratur. Abgeſehen von den bis in das
16. Jahrh. hineinreihenden Chroniken und Hifto-
rien, die mit Dino Compagni und Villani beginnen,
mit Barhi, Nardi, Jacopo Pitti enden, wie von
ältern Daritellungen, unter denen Madiavellis
Florentiniſche Geihichte (deutih von A. von Reu:
mont, 2 Bde., Lpz. 1846) bervorragt, find von
neuern Werten hervorzuheben: A. von Reumont,
Tavole cronologiche e sincrone della storia fioren-
tina (lor. 1841); VBannucci, I primi tempi della
libertä florentina (ebd. 1856); Trollope, History
of the commonwealth of Florence (4 Bde., Lond
1864—65) ; Scheffer-Boichorft, Florentiner Studien
(2p3. 1874); Hartwig, Quellen und Forſchungen zur
älteſten Geſchicht⸗ der Stadt F. (2 Bde., Marb. und
Halle 1875—81); Capponi, Storia della repubblica
di Firenze (3. Aufl., 2'Bve., Flor. 1888; deutich von
Dütjchle, Lpz. 1876) ; Berrens, Histoire de Florence
jusqu’& la domination des Medicis (6 Bde., Par.
1877 — 84); derf., Histoire de Florence depuis la
domination des Medicis (3 Bde., ebd. 1888—90);
Billari, Le origine del commune di Firenze (Mail.
1890); derf., I primi due secoli della storia di Fi-
renze, Bd. 1 (Flor. 1893); Corazzini, Sommario di
storia fiorentina (ebd. 1891); Bigazzi, Firenze e
contorni. Manuale bibliografico (ebd. 1892); Da:
vidfohn, Geſchichte von F. Bd. 1: Ultere Geihichte
(Berl. 1896); derf., Forſchungen zur Geihichte von
3. (21. 1—3, ebd. 1896— 1901); Doren, Entwidlung
und Organifation der Florentiner Zünfte im 13. und
14. Jahrh. (2pz. 1897); derf., Studien aus der lo:
rentiner Wirtſchaftsgeſchichte (Bd. 1, Stuttg. 1900);
Berenjon, Die florent. Maler ver Renaifjance (veutich
Oppeln 1898); Reymond, La sculpture florentine
4 Boe., Flor. 1898—1900); W. Bode, Florentiner
ilobauer der Renaifjance (Lpz. 1902); G. Schnei:
der, Die finanziellen Beziebungen der Florentiner zur
ſtirche 1285— 1304 (ebd. 1899); Müns, Florence et
la Toscane (Bar. 1901); Heyd, F. und die Meviceer
(Bielef. 1902); Gardner, Story of Florence (Lond.
1902); Philippi, 3. ald Kunftftätte (2pz. 1903);
Woerls Reifebanpbücer, F. (2. Aufl., ebd. 1901).
(S. aud die Litteratur zu Medici und Toscana.)
lorenzer — ſ. Ferrara⸗Florenzer Konzil.
ores (lat., Mehrzahl von flos), Blumen,
Blüten; befonders in der Chemie (mei veraltete)
Bezeihnung ſehr fein verteilter Stoffe, wie fie 3.8.
bei der Sublimation entfteben. F. Antimonli ar-
gentöi, Antimonorvd, ald Mineral Antimonblüte;
F. Benzoös, Benzoeblumen, Benzoefäure; F. Cinae,
ſ. Zitwerfamen; F. Martis, fublimiertes Eifendlorid;
F. Salis Ammoniäci, jublimierter Salmiat; F. Sul-
füris, Schwefelblumen, jublimierter Schwefel; F.
Zinci, Bintblumen, dur Verbrennen des Zinks er
baltenes Zinkoxyd; Flos Ferri, Eifenblüte.
Im Droguenbandel find F. die getrodneten
Blüten verſchiedener Pflanzen zum Medizinal: und
Flores — Flore und Blancheflor
Gewerbegebraub. Dffizinell find: F. Arnicae, Ars
nifablüten; F. Chamomillae, Kamillen; F. Cinae,
itwerfamen; F. Koso, Rofoblüten; F. Lavandülae,
vendelblüten; F. Malvae, Malvenblüten; F. Ro-
sae, Nojenblätter; F. Sambüci, Holunderblüten;
F. Tiliae, Lindenblüten; F. Verbasei, Wollblumen.
Flores, eine der Azoren (ſ. d. und die Neben:
karte der Karte: Spanien und Portugal).
rag oder Flo ris, eine der Kleinen Sunda⸗
yr eln, jüblih von Celebes, im W. dur die
angerai:Straße von Rindja, im D. durd die
loredö:Straße von Solor und Sabrao getrennt
\ .Rarte: Malaiifher Ardipel), hat nach amt-
icher Meſſung (1894) 15174 qkm und etiwa 250000
bataliſche E. Die Küften gr frudtbar, das noch
wenig belannte Innere i gebirgig und dicht bes
mwaldet. Der Oſten ift tertiäres Land und in
wie die Südfüfte Vulkane, wie Gunung Lobeto
(2170 m), — Keo (2763 ferner den Gu⸗
nung Roda und Gunung Api. Der Weitteil heißt
bei den Eingeborenen Mangerai, der Ditteil
Endeh. An der Ditfüfte liegt die europ. Nieder:
laffung Yarantufa, mit gutem Hafen und bedeuten:
dem Handel mit Sandelholz, Schildpatt und Vogel:
neftern. Seit Weggang der Bortugiefen (1859) ge
bört die Weftbälfte zum niederländ. Gouvernement
Gelebes, die Ditbälfte zur Reſidentſchaft Timor.
Flores, Departamento der fübamerif. Republit
—— A Rarte: La-Plata-Staaten u. ſ. w.),
t 4519 qkm und (1900) 15585 €. (darunter 1337
Fremde), d.i. 3 auf 1qkm. Hauptort ift Trinidad,
#lored, San oje de, Vorort von Buenos:
Aires (f. d.).
Flores, Benancio, füdamerit. General, ſchloß
ſich 1853 als Oberſt dem Militäraufftande gegen
den Bräfidenten Giro von Uruguay an, wurde 1854
jelbit Präfident, doc ſchon 1855 durch einen Auf:
Kun vertrieben. 1858 mußte er nach Buenos:Xires
iehen und trat ala ——— in die Dienſte
der Argentiniſchen Republik. Es gelang ihm, ben
Präfidenten Mitre für die Cinmengung in die in
nern Angelegenheiten Uruguays zu gewinnen.
landete, von Mitre heimlich unterjtüßt, im April
1868 mit nur30 Dlann bei Eolonia del Sacramento,
rüdte gegen Montevideo vor und erhielt von jeiten
Brafiliens Hilfe gegen den Praͤſidenten Aguirre. F.
nahm 2a Florida und Salto, erftürmte Bayfandu
und rüdte ſchließlich in Montevideo ein, wo er zum
proviforifchen Bräfidenten ausgerufen wurde. Er
ſchloß mit Braſilien und Argentinien eine Tripel:
—— gegen den Diktator Lopez von Paraguay
und übernahm den re über die Vorhut der Ver:
bündeten, zeichnete fih in den folgenden Kämpfen
mehrfach aus, mußte jedoch infolge ſtarker Verlufte
im Sept. 1866 nah Montevideo zurüdtehren,
widmete jich hierauf ganz der innern Regierung und
juchte feine polit. Gegner, die Blancos, zu verföhnen;
doch gelang ihm dies nicht. Infolge einer Ber:
ſchwörung wurde er 19. Febr. 1868 zu Montevideo
ermordet. (S. Uruguay, Geſchichte.
foredcenz (lat.), Blütenftand,
ioredcn, ob. Emman., rumän. General und
Staatsmann, geb. 1819 zu Rimnic, abfolvierte
das Gymnafium in Bulareft und die Militärichule
zu St. Cyr. Als Oberft war er 1854 während bes
Krimkriegeö den rufj. eneralen Luders und Dannen⸗
berg attadiert. 1859 wirkte er vergebens für die
Wiederwahl feines Schwiegervaters, des Füriten
Bibesco, zum Fyürften der Walachei. Er zäblte zu
lütezeit.
815
den einflußreichften Mitgliedern der Bojarenpartei
und zu den entfhiebenften Anhängern Rußlands. Er
avancierte zum General und war öfters ſowohl unter
dem Fürften Eufa wie unter Karl I. Kriegsminifter,
zulegt von 1871 bis 1876 im fonfervativen Minifter
rium Lascar Catargiu. Mit legterm und deſſen
Kollegen in Anklagezuſtand verjegt, fonnte er am
Auffiih-Türtifchen Kriege von 1877 bis 1878 keinen
Anteil nehmen. Die Anklage wurde 2 zurüd:
ezogen, und F. wurde Mitglied des Senats, Prä⸗
Adent desfelben und eins der Häupter ber fonfer:
vativen Bartei. Am 2. März 1891 nad dem Sturz
des Minifteriums Manu bildete F. mit Catargiu
ein neues Kabinett, worin er dad Präſidium ohne
Portefeuille übernahm. Am 5. März erteilte er
die Kammer ein Mibtrauendvotum und wurde in:
folgedefien aufgelöft. Die neuen Wahlen ergaben
zwar eine Majorität für die Regierung, jedoch be:
reitö 9. Dez. 1891 ſah ſich F. veranlaßt zurüdzu-
treten; er ftarb 22. Mai 1893 in Bulareft.
Floreöfee, Teil des auftral, Mittelmeers (j.
Karte: Malatifher Ardipel), ggen Faores
und Sumbawa im ©., Celebes im N., ſteht im D.
mit der Sundaſee, im W. mit der Javaſee, im S.
mit dem Indiſchen Dcean durch Meeresſtraßen in
Verbindung und erreicht 5120 m Tiefe.
forett (franz. feuret), Stoßrappier, Stoß:
waffe, beftehend aus einer etwa 90 cm langen vier:
tantigen Klinge und dem aus Stihblatt, Parier-
ftange und Griff gebildeten Gefäß. Die Epiße der
Klinge ift bei den Sehtübungen mit einem Blättchen
verjehen, welches, mit Leder ummunden, den Knopf
lorettband, ſ. Banpfabrilation. [bildet.
lorettjeide, |. Seide; Florettjeidenge:
ſpinſt, ſ. Faſergebilde.
Flore und Blaucheflor (ſpr. flohr, blangſch⸗
flohr; in deutſchen Dichtungen Blanſcheflurz in
latiniſierter Form Flos und Blancflos, d. i.
Blume und Weißblume, Roſe und Lilie), Name
einer im Mittelalter vielfach bearbeiteten byzant.
Liebesſage. Zunächſt iſt fie eine Perſonifilation
der Roſe und der Lilie oder im allegoriſchen Sinne
der Liebe und der Unſchuld. Dieſe Bedeutung aber
iſt in den vorhandenen Dichtungen nicht mehr mit
Bewußtſein feſtgehalten, der Stoff vielmehr ganz
in der Weiſe romantiſcher Dichtungen — elt.
M Hauptinhalt iſt die Schilderung der rührenden
iebe zweier Kinder. Blancheflor wird vom König
von Spanien, der ſie von ſeinem Sohne Flore
trennen will, an einen babylon. Admiral verkauft;
Flore findet fie nah langen Mühen; entdeckt,
werden fie zum Feuertode verurteilt; lieber wollen
ie beide jterben, als daß ſich eind durch einen
underring rette, das rübrt die Heiden, und Flore
brt die Geliebte heim; fie fterben beide zu ber:
elben Stunde und ruhen in einem Grabe. An den
alten Kern der Sage erinnert faſt nur der Zug,
daß ſich Flos einmal in einem Blumenforbe zu ber
gefangenen Blancflo8 bringen läßt. Schon in der
weiten Hälfte des 12. Jahrh. ift die Sage in Süd
——— belannt. Eine altfranz. Bearbeitung des
12. Jahrh. nebſt einer jedoeh an veröffentlichte
Immanuel Belter, «Flore und Blanceflor» (Berl.
1844), und mit einer zweiten des 13. Nabrb. Ed. du
Meril (Bar. 1856). Eine niederrhein. Bearbeitung
entbält der um 1170 nad dem ältern franz. Ges
dichte verfaßte «Floyris», von dem nur Brucdjitüde
erhalten find (herausgegeben in der «Zeitfchrift für
deutſches Altertum», Bd. 21, Berl. 1877); eine hoch⸗
816
deutiche nach derjelben Duelle verfaßte um 1210
Konrad Fle (be: von Sommer, Queblinb. 1846);
eine plattveutiche wurde herausgegeben in Bruns’
«Gedichten in altplattdeuticher Spracher (Berl. 1798)
undvon Waegoldt(Niederdeutiche Denkmäler, Bv.3,
Heft 1, Brem. 1880); eine mittelniederländiiche von
Diederic von Afjenede gab Hoffmann von Fallers:
leben in ven «Horae belgicae», Bd. 3 (Lpz. 1836),
eine altnordiſche Kölbing (Halle 1894) heraus; eine
neudeutſche lieferte Frau von —— Ludw.
Tiecks Schweſter (Berl. 1822). Dieſelbe Sage liegt
dem Roman «Il Filocolo» von Boccaccio (ſ. d.) zu
Grunde, der dem deutichen Boltöbuche «Florio und
Bianceflora» 92 1499) zum Vorbild gedient hat.
Anklänge an die Sage finden ſich faſt bei allen Völ—
lern. — Sal. Herzog, Die beiden Sagentreife von
F. u. B. (Wien 1884).
Flores, Henrique, ſpan. Geſchichts- und Alter:
tumsforſcher, geb. 14. Febr. 1701 zu Valladolid,
mar Mitglied des Auguftinerordend und wurde
Profeſſor der Theologie an der Univerfität von
Alcala. Er ftarb 20, Aug. 1773 zu Madrid.
1732—88 gab er einen vollitändigen Kurfus der
Theologie in 5 Quartbänden heraus; von andern
Schriften find hervorzuheben: «Clave historial»
(Madr. 1743; neuefte Aufl. 1817), «Espaha sagrada,
teatro geogräfico-histörico de la iglesia de Espaha
etc.» (29 Boe., ebd, 1747— 73), fein Hauptivert, das
von F. Manuel Risco, Fernandez, Merino,Canalu.a.
—— wurde und unter Leitung der Hiſtoriſchen
fademie langſam weiter erſcheint; «Medallas de
las colonias, municipios y pueblos antiguos de
España» (2 Bde,, ebd.1757—58; Supplement 1773),
«Memorias de las reynas catölicas, historia genea-
lögica de la Casa Real de Castilla y de Leon etc.»
(ebd. 1761; 3. Aufl., 2 Bde., 1790), «La Cantabria.
Disertacion sobre el sitio y extension que tuvo
en tiempo de los Romanos la region de los Can-
tabros etc.» (ebd. 1768). — Bol. Mendes, Noticias
sobre la vida y escritos de Henrique F. (Madr.
1780; 2. Aufl. 1860).
Florez Eiträda, Don Alvaro, jpan. National:
dlonom, geb. 1769 in Pola de Somiedo in Ajturien,
tubierte zu Oviedo und Valladolid die Rechtswiſſen⸗
haften. Nachdem er 1808 zum Generalprofurator
der Provinz Ajturien ernannt worden war, wagte
er, als einer der erften in Spanien, öffentlich gegen
Napoleon I. aufzutreten. Schon damals fchrieb er:
«Introduceion & la historia de la guerra de la in-
dependencia», «Paralelo del clero protestante y
del clero catölicor (8 Bde.) und verfaßte die beiden
Konftitutionsvorfhläge, wozu die Nationalregie:
rung aufgefordert hatte. Ebenſo jreimütig wie gegen
Napoleon erklärte er jich gegen König Ferdinand VII.
in feiner « Representacion & Fernando VII en el
aho de 1818 haciöndole ver todos sus estravios»,
welches Merk faft in alle europ. Sprachen überfeht
wurde. Während ver Realtion von 1820 redigierte
er die zu Cadiz erjcheinende Oppofitionszeitung
«El Tribuno del pueblos. Nah der Reitauration
mußte er 1823 auswandern und jchrieb in Frank⸗
reih: «Curso de economia politica» (5. Aufl.
1843; franzöfifh, 3 Bde., Var. 1833). Ein Auszug
daraus erſchien u. d. T. «Elementos de economia
politica» (Madr. 1841). %. E. ftarb 1853.
#Florfliegen, Blattlausfliegen, Golp:
augen(Chrysopa Leach), eine zu den Grofflüg:
lern (ſ. d.) gebörige Nepflüglergattung, zartgebaute,
13—20 mm lange, ihön ——— oder gelbe In:
Florez — Florianopolis
fetten mit goldglänzenden Augen und feinen, flors
artig geaderten Flügeln, den ganzen Sommer im
Freien, im Winter in Gartenwobhnungen u. ſ. w. Aus
den Eiern, die an langen Stielen auf Blättern bes
fejtigt werden, kriechen kräftig gebaute Larven auf,
die mit ihren jihelförmigen Saugzangen als Blatt:
lauslöwen den Blattläufen — und ſich
fpäter zur Verpuppung auf Blättern einſpinnen.
Floriacenfer oder Orden von Flore, Flo:
renjer, Florienſer (fälſchlich Fleurienſer),
Mönchsorden, ſ. Ewiges Evangelium.
loriau, Sankt, Ort, ſ. Santt Florian.
loriau (Floria nus), Heiliger und Märtyrer,
jo um 190 zu Zeifelmauer in Niederöfterreih ge
oren fein. Er diente in diefer Gegend unter dem
Statthalter Aquilin im röm. Heere und wurde von
diefem 230 während einer Ehriftenverfolgung unmeit
Lord in der Enns ertränlt. In der folgenden Nacht
erichten F. einer frommen Frau, der er jeinen Leich⸗
nam an ber Stelle zu begraben gebot, wo jeht das
probe Auguftinerhorberrenftift Sant Florian (f.d.)
bei Linz ſteht. Die Reliquien des Heiligen wurden
ſpäter wahrſcheinlich er Rom gebradbt und 1183
von Papſt Lucius III. auf Bitten des poln. Königs
Kaſimir nah Krakau geſchickt. F. ift der Landes»
patron von Oberöjterreih und Patron gegen Feuer:
und Waſſersgefahr. Er wird als Krieger und mit
einem Gefäß Flammen löfchend abgebildet. Sein
Gedächtnistag ift der 4. Mai.
Florian (jpr. -riäng), Jean Pierre Claris von,
franz. Dichter, geb. 6. März 1755 im Schloß F.
in ber Näbe von Anduze (Depart. Card), murde
mit 12 Jahren Page des Herzogs von Penthievre
in Paris. Derfelbe jandte ibn in die Artillerie
Ihule zu Bapaume, nahm ihn aber jpäter wieder
in feinen Dienft. F., der 1788 in die Alademie
aufgenommen wurde, lebte in —— Verhalt⸗
niſſen in Paris und auf den Schlöſſern des Her
3098 von Penthievre inmitten einer angeregten
Gejelligkeit; ala die Revolution ausbrach, wurde
er verbaftet; der 9. Thermidor befreite ibn, er
itarb aber ſchon 13. Sept. 1794. F. debütierte als
Scriftfteller mit Theaterftüden, nad der Manier
der Arlequinaden, nit obne empfindiame Beir
mifchung, wie«Les deux billets», «Le bon menager,
«La bonne möre», «Le bon pere», «Les jumeaux
de Bergame» u..w. Dann verfaßte er fog. «Pas-
torales» oder Hirtennovellen: «Galatde» (1788),
«Estelle» (1788), weichlihe Brodulte, von Gehner
infpiriert, die aber die empfindfame Naturichwär:
merei des Zeitalterd ausfpradıen. Von geichmads
loſer Fadheit find aud feine poet. Romane «Numa
Pompilius» 1000) «Gonzalve de Cordouer- (1791)
u.a. Auch jeine liberfegung des «Don Quijote»
ift verfehlt. Auf der Höbe feines Schaffen? zeigt er
fich in feinen 1792 erfchienenen Fabeln; fte jind eins
fab, anmutig, von liebenäwürdiger Schalkbaftige
keit. Bon 75.8 Werten find noch zu nennen: «Jean-
not et Colin», «Blanche et Vermeille», «Ruth»
und befonders die «Jeunesse de F., ou m&moires
d’un jeune Espagnol», worin F. feine eigenen
Yugendeindrüde und erjten Abenteuer erzählt. Seine
jämtliben Werte gab Renouard heraus (16 Bpe.,
1320); die «(Euvres inedites» Pirericourt (4 Bde.,
1824). — Val. A. J. N. de Roäny, Vie de F. (Par.
1797); A. de Montvaillant, F., sa vie, ses auvres,
sa correspondance (ebd, 1879). E
Floriauopolis, der beutige Name der brafil.
Stadt Defterro (f. d.).
Florianus — Florida (Staat)
lorianus, Märtyrer, |. Slorian.
forida oder Anuda, eine ver Heinjten ber
brit. Salomoninfeln (ſ. Karte: Kaiſer-Wil—
helms-Land u. ſ. w.), im SD. der Iſabella⸗Inſel,
ift 440 qkm groß und wichtig wegen ihrer Miſſions⸗
ftationen und Hanbelänieberlafjungen.
Florida (Abkürzung Fla.), der ſudöſtlichſte der
Vereinigten Staaten von Amerika (j. Karte: Ver:
einigte Staatenvon Amerila II. Öftliher
Teil), zwiichen 24° 30’ und 31° nördl. Br. und 79°
48’ und 87° 38’ weitl. 2. von Greenwich, bejteht zum
größten Teil aus der Halbinjel F., welche, jüd:
wärts bis zum Kap Sable oder biö zur Florida—
ftraße fich erftredend, im D. vom Atlantiſchen Ocean,
im W. vom Golf von Merilo beipült, 670 km lang
und 150—200 km breit it. Außerdem gehört zum
Staat der Küftenftrih von 70 bis 150 km Breite
weſtwärts an der Norbfeite des Golf. Die Gren:
zen im N. und W. ftoßen an Georgia und Alabama.
F. hat 1900: 528542 E. darunter 231209 Far:
bige und 23832 im Ausland Geborene. F. be
dedt 151980 qkm, davon entfallen 5827 auf Seen
und Teiche, 4660 auf Küftengewäjler, 1010 auf
Flüffe und Bäche. Der fühl. Teil der Halbinfel
beftebt zum größten Teil aus Sumpf und Marſch⸗
land (Everglades [f. d.], Cypress Swamps, Man-
en Swamps), das in der Regenzeit vom Juni
i8 Oltober unpaffierbar ift. Nordlich vom 28.° ift
das Land bis zur Grenze von Georgia flah, nur
felten etwas mwellig. Im weftl. Zeil iſt der Boden
unebener, aber aud bier faum 80 m body. Der
größte der zahlreichen Seen ift der Dfeeshobee. In
den Atlantifhen Dcean ergießen ſich der Saint
R n (f. d.) und an der Grenze von Georgia der
aint Mary’3 Niver (ſ. d.). Der jog. u
Niver ift eigentlih nur eine langgeftredte Lagune
an der öftl. Küfte, mit einer Mündung unter 27°
30’ nörbl, Br. In den Golf fließen der Wethlo:
cohny, Sumannee (f. d.), Odlodonny, Apaladi:
cola (j.d.), Chatawhatchee, Escambia: River (j. d.)
und an der MWeftgrenze der Perdido. Häufig find
die asinks», Höblungen in den Kallſteinſchichten,
wo Bäche und Flüſſe bervorquellen oder verſchwin—
den, um ihren Lauf unterirdijch fortzufeßen. Geo:
logiſch iſt F. ein ſehr junges Sand, ältere For—
mationen als Tertiär lommen nicht vor, ja Eocän
iſt unſicher. Von Korallen erbaut ſind viele Riffe,
namentlich an der ſudl. und ſüdöſtl. Kuſte. Bon
der Sudſpitze der Halbinſel, dem Kap F, eritredt
ſich ſudweſtlich und dann weſtlich, in den Tortugas:
Keys endigend, die 330 km lange Reihe der für
die Schiffahrt gefährlichen Floridaklippen oder
Keys. Das Klıma ift jehr gut. Das Temperatur:
marimum beträgt 40,5’, das Minimum —12° C.,
der Abftand ift geringer als in den andern dftl.
Unionsſtaaten. N adionville iſt die mittlere
Temperatur des Januar 12°, des Auguft 27,5°,
mittlere Jahrestemperatur 20,5°; in Key Weft be:
trägt lestere 25°C. Die Sommerhige tft nicht fo
ertrem, wie in manchen weitl. Staaten, dauert aber
faſt ununterbroden an; die Nächte * meiſt kuhl.
Der Sommer iſt die Regenzeit. Der Winter iſt mild;
Fröſte, die den Drangen Schaden zufügen könn:
ten, find felten. Im Süden ift der Sommer faſt
nur durch die kurzen Regenihauer vom Winter ver:
ſchieden. Infolgedeſſen wird F. von Touriften und
Kranten, namentlich Lungenkranken, im Winter auf:
gejuht. Auch Mineralquellen find zablreih. In
den jumpfigen Niederungen herrſchen jedoch Fieber,
Brodhaus’ Konverfationsskeriton. 14. Aufl. R. A. VI.
817
und das Gelbe pie tritt ab und zu namentlich
in den Häfen auf. Die Pflanzenwelt ift ara:
terifiert durch das Auftreten von Tropenpflanzen
der Antillen im Süden. Die berrlihen Wälder lie:
gr Bauholz in Menge, namentlih Eichen, Fichten,
agnolien und Cedern. Wild und Fiſche giebt es
ziemlich viel, ein kleiner — er Bär und der
Cuguar find die gefährlichſten Raubtiere. Gift:
a, darunter die —— ſind nicht
elten. Der Alligator findet ſich in allen Flüſſen.
Der wichtigſte Erwerbszweig iſt der Anbau und
der Handel von Drangen Öähr iche Ernte 338 Mill.
Stüd), ver aber jeit dem vernichtenden zn von
1894 nur langſam ſich wieder hebt, ferner von Baum:
wolle, Zuderrobr und Mais. Daneben werden ge:
wonnen Reis, füße Kartoffeln, Gemüfe und in eini:
en Teilen mehr und mebr Tabat; ferner Eitronen,
hinef. Bfirfihe, Ananas (fortwährend ſich fteigernd,
bejonders auf den Keys), Guaven, Bananen, Erb:
beeren, Dattelpalmen und Kokanüſſe (an] ben Revs).
Der Wert der Fiſcherei ——— 1,1 Mill. Doll.,
barunter für 0,5 Mill. Doll. Shwämme. Seit Ende
der ahtaiger Fahre bat F. in Gewinnung von Phos⸗
pbaten (befonders bei Dcala, Bartow und Beace
River) alle andern Produftionsländer überflügelt.
1898 wurden O,s Mill. t im Werte von 1,5 Mill,
Doll. produziert, wovon mehr als die Hälfte nad
Europa (fait ein Drittel nah Deutihland) ging.
1890 wurden 805 Fabrilen mit 13927 Angeftellten
und einer Broduftion von 18 Mill. Doll, gezäblt;
ſehr bedeutend find Tabakinduftrie und Holzſäge—
werte. Das Eifenbabnneg ift im Norden ziemlich,
im Süben wenig entwidelt, die Länge betrug 1899
5426 km. Bon den Flüffen find 2931 km ſchiffbar.
Die Flotte zählt 1899: 566 Segler und 177 Dampfer.
Der Staat ift in 45 Counties geteilt; Hauptitadt
ist Tallahaſſee. Größer find Jadjonpille, Key: Weit,
Tampa und Penſacola. Der Gouverneur bezieht
3500 Doll. Gehalt und wird wie die 32 Senatoren
auf vier ya ewählt, während die 68 Repräjen:
tanten auf zwei Jabre gewählt werden. Die Sitzun⸗
gen der Legislatur finden alle zwei Jahre ftatt. Im
ongreß hat F. zwei Abgeordnete, bei der Präfiden:
tenwahl vier Stimmen.
Die Staatsjhuld betrug 1898: 322500 Doll,
der Wert des bejteuerten —— 93 Mill. Doll,
1896 bejtanden 2350 Schulen, weldye von 63000
weißen und 36000 aa 7 Kindern befucht wur:
den; die Schulauägaben betrugen 660000 Doll,
Geſchichte. F. von Ponce de Leon 1512 am
— onntage (Pasqua Florida, daher der Name des
andes) entdedt, von Hernandez de Soto 1539 er:
obert, erhielt als erfte Anfiebler Spanier, die 1564
Saint Auguftine, 1696 Penfacola gründeten. Die
Koloniſationsverſuche der Franzoſen von Louifiana
aus jcheiterten. 1762 trat Spanien F. bis an den
Rilflfpri an England ab, mweldes die Strede
im Weiten des Apalahicola Meftflorida nannte,
befam aber 1783 beide F. zurüd. Am 22, Febr.
1819 verltaufte fie Ferdinand VII. an die Union,
von welcher das Land 1821 befeht, 30. März 1822
organifiert und 3. März 1845 ala 14. Staat auf-
genommen wurde, nicht weil die Bevöllerung bin:
reihend war, jondern um den neuen nördl. Staaten
Jowa und Meftconfin ein Gegengewicht zu bieten,
1835—42 wütete der Krieg mit den Seminolen (f.d.).
F. ſchloß fih 1861 der Seceffion an und kehrte
1865 in die Union zurüd, der es —5* wieder
ſeit dem 4. Juli 1868 angehört. Die Entwicklung
52
818
de3 Staates ift eine langjamere ala fonft in den
Vereinigten Staaten; in letzter Zeit hat die Be
wirtſchaftung ziemliche Fortſchritte gemacht. — Val.
Drate, F. its history, condition and resources
(Boſton 1878); Barbour, F. for tourists, invalids
and settlers (neue Aufl., Neuyort 1884); Yanier, F.,
its scenery, climate and history (Philad. 1881);
Grosby, F. facts (Neuyork 1887); Ruidiaz y Ca:
ravia, La F., su conquista y colonizacion (2 Bde.,
Madr. 1894).
Florida, Departamento der füdamerif, Nepublit
Uruguay (f. Karte: La: PBlata:-Staaten u. f.m.),
im N. vom Rio Ji begrenzt, wird von der Hügel:
tette Cuchilla Grande durchzogen, hat 12107 qkm,
(1900) 43184 €., d. i. 3,6 auf 1 qkm, und Viehzucht.
Die Hauptftadt F., an der Bahn Montevideo:
Durazno, hat 5000 €.
Florida: Blanca, Don Yofefo Moñino, Graf
von, jpan. Staatsmann, geb. 1729 zu Hellin in
Murcia, ftudierte zu Salamanca und wurde 1772
Gejandter bei Elemenö XIV., wo er namentlich
die Aufhebung des Jefuitenordens betrieb. Hierauf
um Grafen von F. ernannt, wurde er 1777 erſter
inifter und erhielt dazu noch das Departement
der Juſtizſachen. Das gute Einvernehmen zwifchen
dem jpan. und —— Hofe ſuchte er 1785 Dur
eine Doppelbeirat zu befeitigen; doch wurde feine
Abficht, einem fpan. Prinzen die Thronfolge in Bor:
tugal zu verichaffen, nicht erreicht. Nach Karls IL.
Tod (1788) verlor er unter Karl IV. fehr an Ein:
fluß und mußte fi auf das Departement der aud:
wärtigen Angelegenbeiten bejchränten; als er den
Verſuch machte, die Macht der Königin Maria Luife
über ihren Gemabl zu bejeitigen, wurde er 28. Febr.
1792 geftüngt und einige Zeit in Bamplona in Haft
gehalten. Bei der Erhebung des ſpan. Volks gegen
die Franzofen 1808 ward F. Mitglied der Junta
von Murcia, ftarb aber ſchon 20. Nov. 1808.
ee Ylorida (Staat).
loridaftrafe, Meeresitraße in Nordamerita,
zwischen der Halbinfel Floriva, Cuba und den Ba:
hama⸗Inſeln (f. Karte: Antillen), zwiichen Key:
Weſt und Habana etwa 160 km, an der ſchmalſten
Stelle etwa 80 km breit, verbindet den Golf von
Mexiko mit dem Atlantifhen Deean.
FHoridaftrom ‚I. Solfitrom und Karte: Mee—
resftrömungen, beim Artikel Meer.
Iorideen, Algengruppe, ſ. Rhodophyceen und
Zafel: Algen I, Fig. 5—11, und IL, Fig. 17 u. 18,
loridia, Stadt in der ital. Provinz und im
Kreis Syrakus auf Sicilien, lint3 am Ciani, einem
Zufluß des Anapo, in jehr fruchtbarer Ebene, bat
(1901) als Gemeinde 12067 E., niedrige Häujer,
eine fhöne Hauptlirhe und Landwirtidaft.
Floridsdorf. 1) Bezirkshauptmannſchaft in
Niederöfterreih (f. Karte: Nieder: und Ober:
dfterreich, beim Artikel Nieveröfterreih), bat
528,5 qkm und (1900) 71677 veutiche E,, 41 Ges
meinden und 52 DOrtichaften und beſteht aus den
Gerichtäbezirten %. und Großenzersdorf. — 2) Orts:
gemeinde (1. Karte: Wien, Stadtgebiet) und
Eis der Bezirkshauptmannſchaft fowie eines De:
irfögerichtö (144,35 qkm, 58057 €.) und Haupt:
Neueramtes iſt Station der Ferdinand : Nord:
abn, der fterr. Nordweftbabn fowie der Linien
Mien : Großenzersdorf und Wien: Stammeräborf
ber Dampf: TZrammay:: Gejellihaft und hat (1900)
36 599 €.; LZolomotiv:, Maſchinen⸗, Liqueur: und
Nofogliofabriten. Das Dorf F. wurde 1866 pro:
Florida (Departamento) — Florio-Rubattino
viſoriſch als Brüdentopf befeftigt und von dem
aus Italien herangezogenen öjterr. Heer unter Erz»
berzog Albrecht bejekt. Der Brüdenkopf wurde in:
befjen nicht angegriffen, da Friede geſchloſſen wurde.
Die Gemeinde F. wurde 1895 dur Bereinigung
mehrerer Gemeinden gebildet und 1905 mit Wien
vereinigt. — Val. Smital, Geſchichte der Groß:
gemeinde F. (Floridsdorf 1903).
— ſ. Ewiges Evangelium.
lorieren (lat.), in Flor ſtehen, blühen.
Florilegium (lat.), joviel wie Anthologie.
Florimo, Francesco, ital, Mufikichriftiteller,
geb. 12. Dit. (nach andern 1. Yan.) 1800 in San
Giorgio Morgeto bei Reggio in Galabrien, ftudierte
auf dem Real Collegio di musica in Neapel und war
feit 1826 Bibliotbelar an diefer Anjtalt. Er jtarb
18, Dez. 1888 in Neapel, F. veröffentlichte: «Cenno
storico sulla scuola musicale di Napoli» (2 Bbe,,
1869—71; 2. Aufl. u.d.T. «La scuola musicale di
Napoli e i suoi conservatorii», 4 Bde., 1830—84),
«Riccardo Wagner ed i Wagneristi» (1876), «Tras-
porto delle ceneri di Bellini a Catania» (Bericht
über bie von F. 1877 geleitete Überführung ber
Leihe Bellinis von Paris nah Catania), einen
«Metodo di canto» u.a. Von feinen Kompofitionen
find Lieder, Inftrumentalwerte und firhenmufita:
liiche Werke belannt geworben.
Florin for. -räng), franz. Name des Guldens
(1. d.). F. (pr. florrin) ift auch eine engl. Silber
münze (Scheidemünze) im Wert von 2 Shill. oder
4. Pfd. St., die feit 1849 in einer Feinbeit von
”, , oder 925 Taufendteilen, *,, engl. Troyunzen
ober 174°%,, Troygrän = 11,3104 g ſchwer geprägt
wird und daher einen Feingehalt von 161°/,, Troy:
prän = 10,1021 g bat. Nad feinem Silberinbalte
tt der 5. (zum Preiſe von 125 M. für 1 kg ein:
filber) = 1,3077 M.; als *,. des goldenen Sovereign
(des Pfundes Sterling)=2,012» M. Auddoppeltes.
(double florins) zu 4 ©hill. werden feit 1888 my
Yızıına (Bblorina, bulgar. Lerin), Stadt ım
türf. Wilajet Monaftir in Macedonien, in der alten
Landſchaft Lynkyftis, an der von Monaftir nad
Kaftoria führenden Straße und an der Bahn Sa:
lonit-Monaftir, ift Sig des griech. Erzbiſchofs von
Moglenon und hat etwa 5000 mobammed. E., acht
Moscheen, eine griech. Kirche, Raferne, zwei Knaben:
und eine Näpchenfchule fowie Ruinen eines Kloſters.
orio: Rubattino (Navigazione Generale
Italiana, Societä riunite), italienifhe, vom Staate
fubventionierte Dampfidifiahrtägeiellihaft. Sie
bat ihre Generalvireftion in Rom, Zmeigitellen
in Genua, Palermo, Neapel und Benedig, befik:
(Ende 1901) 103 Schiffe mit einem Gebalt von
207006 Regiitertongs, bejorgt den größten Teil des
Schiffahrtsverkehrs von Stalien und bejäbrt die
— Linien: 1) Mittelmeerlinie, zwiſchen
ämtlihen Häfen Italiens und Sardiniens, fer
ner Marfeille, Tunis, Tripolis und Alerandria;
2) Zevantelinie, nad Kepballenia, Peiraieus, Salo:
niti, Ronftantinopel, Barna, Braila, Odeſſa, Tagan⸗
rog, Syra, Smyrna, dem ganzen Ardipel u. ſ. w.;
3) Indiſche und Ebinefifche Linie, nah Port⸗-Said,
Mafjaua, Aden, Bombay, Geylon, Singapur,
Hong:tong u. f. w.; 4) Nordamerikaniſche Linie,
nah Neuyort und Neuorleans; 5) Sübamerila:
niſche Linie, nad Rio de Janeiro, Santos, Buenos:
Aires und Montevideo. (S. aud die Tafel: Inter:
nationale Signal: und Reedereiflaggen,
beim Artikel Flaggen.)
Floris — Flößerei
loris, eine der Kleinen —— Flores.
loris, Frans, niederländ. Maler (eigentlich
de Vriendt), geb. 1517 oder 1518 zu Antwerpen,
lernte die Malerei bei Lombard in Lüttich und be:
Voir fpäter Italien. Nach Antwerpenzurüdgelehrt,
gründete er eine Schule, die, zahlreich befucht, feine
Darftellungsmeije für lange Zeit zur herrſchenden
machte. %. ftarb 1. Dft. 1570 in Antwerpen. Er ges
—— zu den niederländ. Künftlern, die das nationale
lement ihrer —— * Kunſt verließen, um
dafür eine zierliche Nachahmung der Italiener einzus
tauſchen. Er behandelte mit Vorliebe mytholog. Ge:
enjtände, bie aber am meiften manieriert erfcheinen;
o malte er: Mars und Venus im Neb des Vullan
(1547), Venus und Amor (Braunfhweig, Mufeum).
Bon — een ndet ſich das Haupt:
wert: Sturz der böjen Engel (1554), im Muſeum
u Antwerpen; in ber Galerie zu Dresden: Ans
etung der Hirten; im Pradomufeum zu Madrid:
Die Sintflut. Anſprechender ift er in feinen Bild:
nifjen. — Sein Bruder Cornelius $., geſt. 1578,
war Baumeijter und als ſolcher einer der Haupt:
vertreter des reich fich entwidelnden Renaiſſanceſtils.
Von ihm ift das ftattliche Rathaus in Antwerpen
(1561—65; ſ. Tafel: Ratbäuferl, dp: 4) erbaut.
Er gab aud ein viel benutztes Werk über Säulen:
ordnungen er (1563).
loris, Joachim von, ſ. Ewiges Evangelium.
forift oder Fleuriſt (Mm), Blumentenner,
Blumenfreund; Blumenbejchreiber, auch Blumen:
maler; Floriſtik, Blumentunde (f. Botanik); Flo:
— ſJ. —
risügae, umenjauger, ältere, ge
legentlih vortommende Benennung für die zufam-
mengemürfelten Familien der Kolibris, Nektarinien,
Hontgfauger u. ſ. w. Jetzt heißt eine aus zwei Arten
— Gattung der Kolibris nur Florisuga.
Flörsheim, Marttfleden im preuß. ——
und Landkreis Wiesbaben, 22 km im SW, von
ankfurt a.M., rechts vom Main, an der Linie
ankjurt: Wiesbaden der Preuß. Staatöbahnen,
at (1900) 3711 €., darunter 304 Katholifen und
45 Jraeliten, (1905) 4100 E., Poft, Telegrapb;
Steingutwaren-, Turmuhren⸗, Hefen: und Malz:
fabriten, Kalkſteinbrüche, Kalt: und Ziegelbrenne:
—— und —— Weinbau. 2km
nördlich das Schwefelbad Weilbach (f. d.).
eg ſ. Faſergebilde.
lorus, Julius, röm. Geſchichtſchreiber, der
unter Trajan und Hadrian gelebt zu haben ſcheint.
Er verfaßte aus frühern Geſchichtswerken einen ge
drängten Abriß der röm. Geſchichte (daher «Epi-
tome» betitelt) von der Gründung Roms bis
Hugujtus, in zwei Büchern. Die Darftellung ift
Ihmwülftig, Verjtöße gegen die Geographie und
tonologie fommen häufig vor, auch ift das Wert
von tendenziöjen Entjtellungen nicht frei. Die kur:
en Inhaltsangaben der verlorenen Bücher des
ivius jchrieb man ihm rüße: mit Unrecht zu. Die
beiten Ausgaben haben D. Jahn ( — a und
Halm (ebd. 1854) geliefert. — Bol. Spengel, Die
Gejhichtsbücer des F. (Münd. 1861); Reber,
Das Geſchichtswerk des F. (Programm, Freiſing
1865); Heyn, De Floro historico (Bonn 1866).
Diefer F. it verjchieden von dem Rhetor und
Dichter Publius Annius F. welchem —2
ment eines Dialogs und eine Anzahl Verſe zu—
geſchrieben werben; jenes findet man in den Aus—⸗
gaben des F. von Jahn und Halm, die Verfe im
819
Anbang zu Rutilius Namatianus, bg. von Luc.
Müller (Lpz. 1870).
Flos (lat.), Blüte, Mebrzahl Flores (f. d.).
Floöfel (lat.), Blümchen, fhöne Redensart,
leere Bhrafe, mit der man eine Entſchuldigung um:
Heidet; flosteln (flostulieren), F. maden;
flosfuld3, reih an F.
Bene ſ. Bad.
loßbrüden, Flußübergänge, die durch neben:
einander geloppelte Baumftämme bergeftellt finv.
Flöhe, Hahe Fahrzeuge aus Baumftämmen,
Laden (Bfählen), Holen und Brettern, die zugleich
das thalwärts zu ſchaffende Frachtgut bilden. Die
rößten Sahrzeuge folder Art find die Holländer:
Flöhe auf dem Rhein, fo genannt von ihrem Be:
——— welche aus den vom obern Rhein,
dem Nedar, dem Main und der Moſel kommenden
Heinern F. zufammengefeßt werben, ferner die aus
dem Pruth und Dnnjepr in das Schwarze Meer ge:
langenden Ruſſinenflöße mit dem Stapelplas
Odeſſa, endlich die rg ze Weichſelflöße, die
nad Danzig geben. Im obern Teile der Flüſſe wer:
den bie 5 nicht felten mitteld künftlich erzeugter
Wafjferanfammlungen (in Klaufen), die bei ftatt:
findender Fahrt entleert werden (Schwellungen),
befördert. Flußwehre find mit Floßdurchlaſſen
verfeben, deren Berfhlußvorrihtungen (Schützen,
Balken, Nadeln) vor der Antunft ie entfernt
werben, an Waflerfällen oder Stromjchnellen be:
finden fi eigene Floßlanäle. Eine interejjante
Anlage diefer Art befteht am Traunfall bei Gmun:
den. Floßbäfen dienen zur fihern Bergung bei
Hochwaäſſer und Eisgang und zur bequemen Yan:
dung. (S. aud Flößerei und Holztransportweien.)
löfferhecht (Polypterus bichir Geoff., |. Tafel.
gi che VI, Fig. 3), ein über 1 m lang werbender
melzſchupper (f. d.) des Nils, mit einer bedeuten:
den Anzahl (10--18) Heiner Rüdenflofjen und rhom⸗
biſchen Schuppen. Er iſt von grüngrauer, nad dem
Bauche zu heller werbender Farbe. _ :
Floffen, eine Form des Roheiſens, |. Eifen
Techniſches) und Eifenerzeugung I, A.
loffen, die Ertremitäten der Fiſche (ſ. d.).
(offenfüher (Pteropoda), giägel üßer,
eine pelagiich lebende Drbnung der Schneden mit
einem zu zwei Floſſen erweiterten Fuße, mit denen
fie fih, wie mit Schmetterlingsflügeln, meiſt in
Schmwärmen ım offenen Meere ſchwimmend bewe:
en, nachts emporjteigend, bei Sonnenjdein in die
iefe fi —— Die räuberiſchen F. find ent:
weder beichalt (j. Tafel: Weichtiere IL, Sig 2),
mit einem jpiralig gewundenen oder geraden, fegel:
fürmigen oder dreiſpitzigen, meiſt — Gebäufe
oder nadt. Bon den nadten ift die befanntejte das
Walfiſchaas (Clio borealis Brug.), ein zartes, rot
angehauctes fpindelförmiges Tieren von 1 bis
3 cm Länge, mit deutlich abgejestem Kopf und einem
unpaaren Refte der Kriechjohle zwiſchen den Floſſen.
Es findet fi in ungeheuren Schwärmen im Artti—
ihen Meere und bildet eine Hauptnahrung de3 Bar:
tenwals. — liber die 3. ald Meerjäugetiere j.
a er ſ. Segelfport. [Pinnipedia.
Ioffentaucher, |. Hinguine.
lößerei, der Transport des Holzes durch das
Waſſer (f. Holztransportwejen). Infolge ihrer ver:
jhiedenen Natur unterliegen bie 5. mit verbun:
denen Hölzern (Floß fahrt) und die F. mit unver:
bundenen Hölgern (Trift) verſchiedenen Rechts»
grundfäßen. Erftere erjcheint, da die aus den Hölgern
52*
820
ebildeten Flöhe Fahrzeuge find, als eine —
Ir der Binnenſchiffahrt (f. d.), fie findet auf öffent:
lichen Fluſſen jtatt, und es find daher auf fie alle für
leßtere geltenden Grundſätze direft anwendbar. (Val.
Reichsverfaſſung Art.54 und aud in Suddeutſchland
geltendes Bundesgefek vom 1. 5— 1870, wodurch
die F. von allen läſtigen Abgaben befreit wurde.)
Die 5. mit unverbundenen is —* da ſie die
Stämme, Scheite u. ſ. w. dem ale auf übergiebt,
um fie weiter unten aufjufangen, ihr naturgemähes
—— ebiet auf den nichtſchiffbaren, alſo
den Privatf ale, und ijt im Intereſſe der Schiff:
fahrt, auf welche die für diefe . erforderlichen Vor:
tebrungen nachteilig wirken müſſen, deshalb geſeß—
li ſogar meijtens auf die Privatflüffe befchräntt.
Dazu beeinträchtigt viefelbe die übrigen Nußungs—
rechte an Waſſer und Ujer ſehr. Alle den ſchwim—
menden Hölzern begegnenden Hinderniffe müſſen
bejeitigt, Seitenarme des Fluſſes, in melde die
Hölzer bineingeraten könnten, abgejperrt, VBorrid:
tungen zum Sammeln und Auffangen der Hölzer
angebracht werden; es muß befonders den Flößerei—
unternehmern gejtattet fein, die Ufer zu betreten,
um bängenbleibende Hölzer loszumachen und fie im
fließenden Waſſer zu balten. Daraus ergiebt jich,
daß, waährend die Floßfahrt, wie die Schiffahrt, jeder:
mann am öffentlichen Fluſſe auftebt, diefe F. eines
bejondern Titel, eines privatrectlichen (Vertrag,
Erfigung) oder eines öffentlich: rechtlichen (Erllä:
rung des Gemwäfjers zum Triftgewäſſer durd Ver:
mwaltungsalte, event. unter Anwendung von Grpro:
priation, oder gemwohnbeitsrechtlihe Entſtehung
einer ſolchen Triftiervitut) bedarf, An vielen Orten
bat ih das Floßregal bes Staates erhalten,
welches zur Ausübung an Einzelne verlieben wird.
Der Staat erläßt kraft jeiner Hobeit Floß- und
Triftordnungen. Leßtere beziehen ſich auch auf
die an Die Ufereigentümer, Befiker von Triebwerten
und fonitigen Waffernugungen zu entrichtenden Ent:
chädigungen für die Schäden, welche der dauernde
etrieb mit ſich BEN: wie Stilljtand der Triebwerte,
Beſchädigung der Ufer u. ſ. w. Die Teilnahme der
Verwaltungsbebörden an der Regulierung diejer
durd eine gewöhnliche —— zu ver—
folgenden Anſprüche beſteht gewöhnlich darin, daß
fie die Höhe des Anſpruchs normieren (bayr. Geſeß
über Waſſerbenußung vom 28. Mai 1852, Art. 72),
oder daß der Staat ſelbſt die Befriedigung der Ge:
Ihädigten übernimmt und zu diefem Zmwed eine Ab-
gabe von den Flößern erhebt (preuß. Gejek vom
28. Sebr. 1843, 8.8). Nur auf die Floßfahrt beziebt
ih das Reihsgelek vom 15. Juni 1895 über die
privatredtliben Berbältnijje der F. welches,
weil die F. ein Transport von Gütern iſt, den An:
balt des Floßfrachtgeſchäftes, und zwar in Anleb:
nung an die Vorſchriſten des — —
über das Seefrachtgeſchäft, Berger und Hilfslohn
und das —— des Floßführers und
der Floßmannſchaft, leßteres durh Anwendung
der Reichsgewerbeordnung (Dienſtverhältnis der
gewerblichen Betriebsbeamten [$. 133a] und Ar:
beiter), regelt. Dem Frachtführer des Schiffahrts:
rechtes entſpricht der Frachtflößer, d. i. der Unter:
nehmer, welcher die Beförderung des Floßes über:
nimmt, dem Schiffer der Floßführer. An nur
jlößbaren und auch zur F. no benukten Mailer:
ſtraßen befist Deutichland 5527,9 km (im Odergebiet
allein 1014 kın). Das Einführungsgefek zum Deut:
ben Bürgerl. Geſetzbuch läßt die landesgefeplichen
Floßgraben — Flötenvogel
Vorſchriften über die F. weiter beitehen (Art. 65).
— Vol. Artitel Flößerei im « Handwörterbud der
Staatswifjenfhaften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900);
die Kommentare zum Geſeß vom 15. Juni 1895
von Matower (Berl. 1895; 3. Aufl. von Loeme,
1904), Landgraf (2. Aufl., ebd. 1900), Mittelftein
(2. Aufl., Lpʒ. 1900).
Flofgraben, 92 km a Graben, der unter:
halb Zeih von der Weißen Cliter abzweigt und fich
ei Lügen in zwei Arme teilt, von denen ber eine
zur Saale, der andere zur Quppe führt.
lofregal, j. Flößerei.
—958 d. 17.
los und Blaueflos, |. Flore und B t.
löte (ital. dauto; frz. flüte), ein uxaltes
inftrument (j. Aulos) von fanftem und angenebmem
Charalter, eins der wichtigiten Orchefterinjtrumente,
war früber in zweierlei a. vorhanden: als
gerade und als Querflöte. tere war früber die
weitaus gebräudplicere (f. Schnabelflöte und Tafel:
Mufikinftrumente I, Fig. 8, Bd. 17), ift aber
jest ganz abgelommen, jo daß man unter F. jebt
nur die quer an den Mund zu fegende Querflöte
(1. Taf. I, Fig. 9) veritebt. Diefe, früber Shwei:
zerpfeife, Zwerchpfeife, deutſche F. genannt,
wird von Buchsbaum- oder Ebenbolz und Elfen
bein, zumeilen auch aus Silber, Porzellan oder Glas
earbeitet und bejtebt aus einer aus vier Stüden zu:
ammengejesten Röbre (im 17. Jabrh. nur auseinem
Stüd), jieben Tonlödern und aus einer, vier, acht,
jelbft vierzehn oder fünfzehn Klappen. Leptere find
erſt feit vem 17. Jahrh. allmählich angebracht wor:
den; die F. Friedrichs d. Gr. z. B. hatten nur zwei.
Sie dienen jur reinern Erzeugung der ——
Töne, die vordem nur durch Salbpedung der Löcher
u. ſ. w. zu erlangen waren. Ihr jesiger Umfang gebt
von dem ——— d bis zu dem viergeſtriche⸗
nen a; au benußt man zum ee F. von dem
Umfange des Eleinen g bis zum fünfgeftrichenen c.
Außerdem wendet man, um einen durchdringenden
Ton im Orcheſter zu erzielen, noch folgende 5. an:
a. die Terzflöte, die eine Terz höher lingt als fie
aeichrieben wird, zwat den Umfang, jedoch nicht den
vollen Ton der gewöhnlichen bat; b. das Viccolo
oder die Ottavflöte, die mit dem Umfang ber F.
übereinftimmt, aber eine Oltave böber klingt; c. das
Es: Piccolo, das einen halben Ton böber ftebt ala
das vorige; d. das F⸗Piccolo, das denjelben Ton:
umfang wie die beiden vorgenannten bat, aber um
eine Terz böber als das eritere und um einen Ton
böber als das leßtere jteht; e. das C- Flöten,
die Meinfte ylötengattung, jtebt um eine Septime
böber als die Oftavflöte, Die F. ift das beweglichſte
unter allen Blasinjtrumenten und war lange
aud das beliebtefte. Um die Verbefferung der 3.
a ſich —— Trommlitz und in neueſter
eit Fa beobald —*— (1. d.) Verdienſte
erworben, Bei Wünnenbergs Batentflöte bildet das
Kopfitüd nicht eine gerade Linie mit dem übri
Teil der F, ſondern ftebt durch feine Dicung in
rechten Wintel zum — wodurch eine be⸗
quemere Haltung der Arme erreicht wird. Eine
Kleine Art Querflöte ift die Querpfeife (f.d.). Flöten:
ihulen lieferten Fürftenau, Drouet, Beyer, Hugot,
Wunderlih u. a. — Bol. Schwebler, Katechismus
der F. und des Flotenſpiels ——
Flötenvogel (Gymnorhina Gray), trahenartige
Vögel aus Auftralien von ſchwarz und weißer
bung, die ſich durch ihre belle flötenartige Stimme
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Flötenwerf — Flottille
bemerkbar maden. Due in den zoolog. Gärten,
wo fie wie die Naben gehalten werben. hr Preis
ſchwankt zwiſchen 20 und 30 M. j
Flötenwerf, eine Heine Orgel (f.d.), die nur
Labialjtimmen enthält und die vermöge einer durch
Gewichte bewegten Walze automatisch fpielt.
Flotow, Friedr., Freiherr von, Operntomponift,
eb. 27. April 1812 zu Teutendorf, einer Belikung
feine Eltern in Medlenburg: Schwerin, war ur:
prünglid zur — Laufbahn beſtimmt, ging
aber mit 16 Jahren zur Muſik über und machte
Bm Kompofitionsftudien bei Reicha in Paris,
ort jchrieb er zuerft einige Opern für Privattheas
ter, dann für öffentliche Bühnen («Le naufrage de
la Meduse», aud u. db. T. «Die Dlatrofen»; «L’äme
en peine», auch u. d. T. «Der Förfter»), die bald
wieder verſchwanden. 1855 ald Kammerberr und
Hoftheaterintendant nah Schwerin berufen, gab
3. diefe Stellung 1863 wieder auf, lebte feit 1868
als Privatmann auf einem Nittergute bei Wien
und ftarb 24. Jan. 1883 in Darmitadt. Populari—
tät gewann %. durch die Opern «Alejjandro Stra:
della» (1844 in Hamburg) und «Martha, oder der
Markt zu Richmond» (1847 in Wien), die über
Deutihland hinausdrangen. Ein ftartes melodi—
ſches Clement miſcht in ihnen Auberſche Koletterie
mit deutſcher Sentimentalität. F.s ſpätere Opern
«Die Gropfürftinv «Rübezabl»,«Andra» und «Albin»
ze. wenig Er —*3 — Bol. Friedrich von F.s
eben, Bon feiner Witwe (Lpz. 1892).
Flott heißt in der Seemannsſprache alles, was
ſchwimmt; flott machen bedeutet ein auf Grund
geratened Schiff wieder abſchleppen, fo daß es in
afreied Mafler» fommt, d. h. flott wird,
Flottbef, Groß: und Klein: Flottbet,
Dörfer im Kreis Pinneberg des preuß. Neg.: Bez.
Schleswig, 7 km weitlih von Altona, dur das
Villenviertel Neu :Dtbmarjchen voneinander ge
trennt (f. Karte: Hamburg und Umgebung),
mit (1900) 2877 und 1350 E., darunter 59 und
31 Ratholiten ; Gärtnerei und Landwirtſchaft. Klein:
lottbet liegt an der Linie Altona: Blanteneje der
reuß. Staatöbahnen, unmeit des rechten Ufers
der Elbe und bat Pot, Telegraph; Brauerei, groß:
artige Bartanlagen fowie eine berühmte von James
Bootb (ſ. d.) begründete Baumſchule. Einer der
größten Parts Deutſchlands, mit Gewächshäuſern,
tft der des frühern Hamburger Senators Jeniſch.
fein: lottbet und das unmittelbar an der Elbe
gelegene Teufelsbrüde, mit Hoteld und Bade
7* werden viel beſucht. is
Iotte (fra.), die Geſamtheit der Schiffe eines
cheidet last
ötlotte
a
Staates. an unt
(Kriegömarine, f.d.) und Hande
—— — Vornehmlich bezeichnet | {ch
t
. eine zu einem bejtimmten Zwed verfammelte
größere Anzahlvon Kriegsſchiffen, eine Vereinigung
mebrerer Geſchwader ( db.) unter ——
Oberbefehl (eines Admirals, Bice- oder Konter⸗
admirals). In fruhern Zeiten knüpfte fi der Name
F. an eine beſtimmte Zahl von Schlachtſchiffen und
zwar nicht unter neun, Eine Abteilung geringerer
Zahl nannte man Geſchwader (f.d.). Zur bejiern
brung und Beweglichkeit der F. teilte man bie
elben in drei Hauptteile: Borhut, Centrum und
achhut. Ein Admiral befehligte das Ganze und
beſonders das Gentrum, ein Viceadmiral die Bor:
but und ein Konterabmiral die Nachhut. Da in
dejien bei großen F. die Zahl der Schiffe fich bis:
821
mweilen auf 120 bis 130 belief, 3. B. in den holländ.⸗
engl. Kriegen im 17. Jahrh., fo gliederte man die
auptabteilungen wieder in Divilionen (ſ. d. und
Iottille). Eine neuere Schlachtflotte ſetzt ſich
jufammen aus einem oder mehrern Banzergeihiwa:
dern, einem oder mehrern Kreuzergeſchwadern, einer
Torpebobootäflottille ſowie einer Anzahl von La:
arett:, Werlſtatt⸗ Deftillier: und Handelsſchiffen
t die Koblens, Munition: und run.
— 5. in ber Färberei f. d. — F. in der Fiſche—
rei ſ. Flottbolz.
lotte, La, Hafenort auf der Inſel RE (f. d.).
lottenfttammpbipifion, ſ. Matroſendiviſionen.
lottenſtation, im engern Sinne jeder zur Aus:
rüftung und Ausbeſſerung von Kriegsſchiffen ein⸗
gerichtete, befeftigte Küſtenplaß (Kriegshafen); im
meitern Sinne verjtebt man unter F. entweder die
beimifhen Marinebezirke (in Deutihland die Ma:
rineftationeh, ſ. d.) oder auch überſeeiſche Küſten⸗
gebiete und Meeresteile, in denen Kriegsſchiffe
dauernd ftationiert find. Auf den außereuropätichen
5: befigen bie größern Rolonialmächte eine Anzahl
efeitigter Häfen, die man Flottenftügpuntte
nennt. Deutjchland hat nur einen folden Flotten⸗
jtügpunft, Tſing⸗ tau. In der folgenden Tabelle find
die Ende 1902 beſtehenden außereuropäiichen F.,
er Der der Mittelmeerftation, aufgeführt ; bie
iffern geben bie Anzahl der Kriegsſchiffe jeder
tation an, die Ziffern in Klammern die Anzahl
der Einienbiffe unter ihnen.
Flotten⸗
ſtationen
Mittelmeer . .
Oſtameritaniſche
Weſtamerilaniſche
Oſtafritaniſche
Weft- u. ſUdafrit.
Dftafiatiihe . .
Auftraliihe .
* Heimifche Flotte.
fottenftühpnuft, ſ. Flottenſtation.
lotteuverein eutſcher Flottenverein
lotthäfen, ſ. Doc. [(®v. 17).
lottholz, zur Berfertigung von Schwimmern
otten) in der Nekfifcherei (f. d.) geeignetes
eichtes Holz, 3. B. von der Schwarzpappel.
Flottieren (fr3.), ſchwimmen, ſchweben, hin und
ber ſchwanken; veralteter Ausprud für das Hin
und Herſchwanken einer Truppenlinie während einer
Vorwärtöbewegung; ferner dad Wanten von im
Feuer ftehenden Truppen bei größern BVerluften;
in der Balliftit das Abweichen eines Geſchoſſes von
der regelmäßigen Flugbahn durch Hin und Her
wanlen. Flottierende Bevölkerung, die
nicht ſtändige Einwohnerſchaft.
lottierende Schuld, auch ſchwebende
Schuld, im Gegenſaß zu der fundierten oder fon:
folidierten Schuld diejenigen Verbindlichleiten des
Staates, die er entweder als ſtets fällige oder
nur auf furze riften übernommen bat. (©. Bon,
Erhequer Billd und Schaganmweifungen.)
Flottille (frz.), Heine Flotte, die taltiſche Ber:
einigung mehrerer, aus Fahrzeugen, Kanonen: oder
Zorpebobooten zufammengejester Divifionen (f. d.)
unter einem lottillenchef. Er führt ald Kommando:
eihen den Flottillenſtander (ſ. Deutſchland unt
eutiches Reich, os en, nebit Tafel) im Großtopp
des Flagaihifis (f ”. Man unterjheidet in ber
II I 1 [Rußland
5)
—
—
—
=
|
822
deutichen Kriegsmarine Banzertanonenboot:
und Torpedobootäflottillen.
Flottwell, Adalbert ven, preuß. Staatdmann,
Sohn des folgenden, geb. 3. Febr. 1829 zu Marien:
werder, widmete fid dem Studium der Rechte und
übernahm, nachdem er 1861—67 die Stelle eines
Landrats im Kreiſe Mejerik befleivet hatte, 1868
als Landesdirektor die Verwaltung des Fürſtentums
Waldeck, die infolge des Acceffionsvertragd vom
18. Juli 1867 an Preußen übergegangen war. Au
den Wunſch des Fürſten Leopold trat er 1. Apri
1872 in die Regierung von Lippe: Detmold als
Rabinettäminifter ein, um eine Vermittelung mit
der liberalen Majorität des Landes, melde die
MWiederperftellung des bemofratifchen Wahl eſetzes
vom 16. Yan. 1849 forderte, zu verſuchen. Alle Be-
mübungen fcheiterten jevoh daran, daß fein be
— Landtag zu ſtande kam, und ſo legte
. 1875 fein Amt nieder, um als Regierungspräſi⸗
dent von Marienwerber wieder in den preuß. Staats:
dienst zurückzukehren. 1880 wurde er ald Bezirläprä-
ſident von Lothringen nah Meß berufen, ſchied aber
1883 aus dem Staatsdienſte aus und wurde Direl:
tor der Schlefifhen Bodenkreditbank in Breslau,
Flottwell, Eduard Heinr. von — Staats⸗
mann, geb: 23. Juli 1786 zu ‚gfter urg, trat
nah vollendetem Studium der Rechte 1805 als
Austultator beim DOberlandesgericht feiner Vater:
jtadt in den Staatädienft, wurde 1808 Aſſeſſor in
Königäberg, 1812 unter Schön Regierungsrat und
gar bei der Regierung zu Gumbinnen, 1816
eb. Regierungsrat und Oberpräfidialrat in Dan:
zig, 1825 Negierungspräfident in Marienmwerder
und 1830, nad) dem Ausbruch der poln. Revolution,
—— der Provinz Poſen. Gegenüber dem
ai yſtem der Nahfiht und Milde gegen die
olen ging er mit dem General von Grolman (f. d.)
harf gegen fie vor und beförberte namentlich den
nlauf poln. Güter und die Anfievelung deutfcher
Koloniſten. Das Übergewicht des poln. Adel3 wurde
durch Einführung einer bureaufratifchen Kreisver:
waltung betämpft. 1841 wurde er Oberpräfident ber
Provinz Sachſen und 3, Mai 1844 zum Finanz:
minijter ernannt. Schon 1846 trat er aus dieſer
Stellung wieder zurüd, um zunädjt das Dberpräfi-
dium von Weitfalen, jpäter vorübergehend das Ober:
präfidium der Provinz Preußen und 1850 das von
Brandenburg zu übernehmen. Als Mitglied der
Nationalverfammlung in —— nahm er 1848
feinen Platz auf der äußerten Rechten und vertrat
viefen Standpunkt aud in der Erften Kammer, in die
er 1849 gewählt wurde. Im Dit. 1858 übernahm er
auf den Ruf des Prinz-Regenten dad Minifterium
des Innern, kehrte aber bald in feine Stellung ala
Oberpräfident von Brandenburg zurüd, aus der
er 1862 in den Rubeftand trat. Er ftarb 24. Mai
1865 zu Berlin.
lög, 1 f. Bi s
lögen, Treppenabia, |. Hobeft.
four, Saint, Stabt, ſ. Saint Flour.
lourens (fpr. flurängk oder fluräng), Emile,
franz. Politiker, Brudervon
1841 in
jmweiten
Staatärat, dann Advokat beim Appellbof in Paris,
1870 ging er zur Republit über und war feit 1879
als Direktor im Kultusminifterium an allen anti«
Herifalen Erlaſſen beteiligt. Jm März 1885 wurde
er Bräfident der Abteilung für Geſetzgebung, Juftiz
aris, begann feine Laufbahn unter dem
uftave F.,geb.27. April
aiferreih, mar 1863—68 Auditeur im
Flottwell — Flourens
und auswärtige Angelegenheiten im Staatsrat und
Präſident des beratenden Ausſchuſſes für die Pro—
tektorate im Miniſterium des Hußern, Am 13. Dez.
1886 übernahm er im Kabinett Goblet das Porte:
feuille des Siußern, was einiges Aufichen erregte,
ba F. ſich bisher ep nicht bervorgetban
hatte. zeigte jedoch jo viel Geſchid in der Ber:
mwaltung feines Reſſorts, daß er ed auch unter Go:
blet3 Nachfolgern, Rouvier und Tirard, bis April
1888 behielt. Im Febr. 1888 und wieder im Aun.
1893 wurde er in die Deputiertenlammer gemäblt,
wo er fih den gemäßigten Republikanern anſchloß.
5. ſchrieb «Organisation judiciaire et administra-
tive de la France et de la Belgique de 1814 & 1875»
(Bar. 1875; vom Inſtitut preisgetrönt).
Flouren® (ipr. flurängk oder fluräng), Guftave,
franz. Communard und Schriftiteller, Sohn von
Marie Sean Pierre %., geb. 4. Aug. 1838 zu Paris,
ftudierte Naturwiſſenſchaften und wurde 1863 Stell:
vertreter feines Vaters für ben Lehrſtuhl der Natur:
ge am Collöge de France, wo feine freifinnigen
nfichten ihn mit dem Klerus —— der es
bald — zu bringen wußte, daß ſeine Vorleſun—
en verboten wurden. F. ging nach Belgien, ließ
hie u. d. T. «Histoire de l’'homme» feinen Barijer
ebrfurjus druden und bielt polit. Vorträge in
Brüffel und Lüttih. Nachdem er mehrere Jahre in
Ronftantinopel, Griechenland und Italien zuge
bradt, zu der Begründung der Zeitung «L’Indepen-
dance hell&nique» beigetragen und in Kreta
eine Zeit lang der Sache ber Aufſtändiſchen fo ent-
Iren angenommen batte, : fie ibn in ihre
ationalverfammlung und zu ihrem Wortfübrer
am griech. Hofe ermäblten (vgl. Souvenirs d’un phil-
hellöne. Gustave F, et l’insurrection crötoise de
1866 — 68, Var. 18983), kehrte er 1868 nach Paris
zurüd, mußte aber nad) der Niederwerfung der von
ıhm — Meuterei zu Belleville 7. Febr. 1870
ins Ausland flüchten. Nach dem —— Kaiſer⸗
reichs zurückgekehrt, traf er ſogleich Anſtalten zu
aufrühreriſchen Unternebmungen gegen die Provi—
il Regierung und ftellte jih an die Spike von
nf Bataillonen der Nationalgarde in Bellenille
und Menilmontant. Am 7. Dez. wurde F. verbaftet
und nah dem Gefängnis von Mazas gebradt,
woraus ihn —— Zirailleure in der Nacht vom
21. zum 22. Jan. gewaltfam befreiten. Nachdem
18. März 1871 die Commune proflamiert war, wurde
Bi im 19. und 20. Arrondifiement zum Mitgliede der:
elben gewäblt und zum Überiten ernannt. Als jol:
ber erbielt er2. April ven Befehl, mit einer Kolonne
an dem Ausfall gegen Berjailles teilzunehmen, und
ai 8. April den Bahnhof von Rueil bei Mal:
maiſon, wo er im Handgemenge mit einer Batrouille
Gendarmen getötet wurde. Außer polit. Flugſchrif⸗
ten veröffentlihte er das wiſſenſcha * Werl
«Science de l’'homme» (Bd. 1, Bruſſ. 1865).
Flourens (fer, fiurängp oder fluräng), Marie
Jean Pierre, franz. Arzt und Phyſiolog, geb. 15. April
1794 zu Maureilhan (Depart. Herault), lam 1814
nad Paris, wo er in enge Beziehungen zu Ebaptal,
Georges und Frederic Euvier, Dejtutt de Tracy,
| Geoffrey Saint:SHilaire u. a. trat. 4 wurde 1828
Mitglied der Alademie der Wiſſenſchaften, erbielt
| 1830 den Lebritubl für veraleibende Anatomie
im königl. Botanifhen Garten, wurde 1832 Titu:
larprofefjor am Mufeum, 1833 Sekretär der Ala⸗
demie der Wiſſenſchaften und 1840 in die Fran:
zöſiſche Alademie gewählt. Ludwig Philipp erhob
Flöz — Flüchtigkeit
ihn 1846 zum Pair von Frankreich. F. ſtarb 6. Dez.
1867 zu Montgeron bei —
Bon feinen Schriften find hervorzuheben: «Re-
cherches exp6rimentales sur les propriétés et les
fonctions du systöme nerveux dans les animaux
vertebr6s» (Bar. 1824; 2. Ausg. 1842; deutich von
Beder, mit Vorrede, Lpz. 1824) «Expe6riences sur
le syst&me nerveux, faisant suite aux recherches
experimentales» (Bar. 1825; deutſch von Beder,
* 1826), «Cours sur la génération, l’ovologie
et l’embryologie» (Par. 1836), «Recherches sur
le developpement des os et des dents» (ebd. 1842),
«Anatomie generale de la peau et des membranes
muqueuses» (ebd. 1843), «M&moires d’anatomie et
de physiologie comparees» (ebd. 1844), «Theorie
experimentale de la formation des os» (ebd. 1847).
$ wies in dieſem Werke zuerjt das große Geſetz des
ebens durch Berjuche nah, daß die Materie ſich
ohne Aufbhören verändert und erneuert, daß aber
die Kraft ira bleibt. Die Berichte der Alademie
der Wifjenihaften von 1847 enthalten mehrere
Dentihriften von F. über die Wirkungen des Ein:
atmens von Üther, damals no ganz unbelannt.
Später erſchien noch «Cours de physiologie com-
aree» (Par. 1855). Neben feinen rein fachwiſſen⸗
chaftlichen Arbeiten hat F. feit 1841 auch eine Reibe
von Werten philof. Inhalts veröffentlicht. Dabin ge:
bören: «Analyse raisonnee des travaux de George
Cuvier» (Par. 1841 u. b.), «Buffon, histoire de ses
travaux et de ses id&es» (ebd, 1844 u. d,), «De l’in-
stinct et de l’intelligence des animaux» (ebd, 1841
u. ö.), «Examen de la phrönologie» (ebd. 1842;
3. Aufl. 1851), «Histoire de la d&couverte de la cir-
culation du sang» (ebd. 1854; 2. Aufl. 1857), «De
la longevite ou de la quantit& de vie sur le globe»
(ebd. 1854; 5. Aufl. 1872; deutſch Lpz. 1855), «De
la vie et de l’intelligence» (Bar. 1858; 2. Aufl.1859).
ner ſchrieb er: «Eloges historiques» (3 Bde.,
Bar. 1856—62), «Examen du livre de M. Darwin
sur l’origine des espöces» (ebd. 1864), «De l’unit6
de composition et du d&bat entre Cuvier et Geof-
froy Saint Hilaire» (ebd. 1865).
Föz (Ylök) oder Lager, eine durch ihre be
fondern Eigenſchaften auffallende Geſteinsſchicht,
die parallel zwiſchen andern gewöhnlichen Schich—
ten liegt. Vorzugsweiſe wendet man dieſen Aus—
druck dann an, wenn die beſondern Eigenſchaften
der Geſteinsſchichten praltiſch nutzbar find. So un:
tericheidet man namentlich Koblenflöze oder Kohlen⸗
lager und Erzflöge oder Erzlager (ſ. Erzlageritätten),
auch mobl altfteinflöge, bg ns e zwi⸗
ſchen andern minder wertvollen Geſteinsſchichten,
wie Sandftein, Thonſchiefer u. j.w. Der Abbau
auf F, der lözbergbau, fteht im Gegenfaß zu dem
Gan bergbau. Er iſt im wejentlihen Strebbau und
Pfeilerabbau mit den lbergängen von einem zum
andern, außerdem Querbau. (S. Bergbau, Ab:
chnitt Abbaumetboden.) Liber die Beleihung auf
F. in rechtlicher Beziebung f. Bergwerkäeigentum.
er j. Sebimentärformationen.
—— Sandftein, ſ. Grit.
F. L. S., in England Abkürzung für Fellow of
the Linnean Society (d.h. Mitglied der Linneſchen
Geſellſchaft).
Inäte (abgekürzt von Fluoſilikate), nr
löfungen von Metall: und Erbmetalljalzen in Kieſel⸗
uorwajlerftofffäure. Sie wurden zuerjt von dem
anz. Chemiler 2. Keßler ald Härtungs: und Kon⸗
ervierungämittel für weihe Baumaterialien em:
823
oblen. Die mwichtigften und am bäufigiten zur
nwendung gelangenden Verbindungen jind das
Magnefium: var und Aluminiumfluat
und ein oppelfa z der zulektgenannten, das jog.
Doppelfluat; zablreihe andere Verbindungen,
wie das Eiſen-, Rupfer-, Chrom: und Blei:
luat, dienen für —** Zwecke, insbeſondere zum
ärben weicher Kallſteine und zur Herſtellung von
armorimitationen. Das ſog. Putzfluat dient
um Renovieren alter verwitterter Kaltfteins und
Marmorarbeiten. Ein anderes Yluatpräparat,
Sluociment, ift ein von Malern geſchätztes Mit:
tel zum Beizen von Gementwänden als Borberei:
tung für Ölfarbenanftrid. Zu erwähnen ift noch
dad Natriumfluat als ein zZ wirkſames anti:
feptifches Mittel, ald Erfas für Sublimat. — Bgl.
Hauenſchild, Die Keßlerſchen F. (2. Aufl., Berl. 1895).
Inavil, j. Guttapercha.
fuchen, jemand Böſes wünfhen und Gott als
Vollitreder dieſes Wunſches anrufen. Cin beding⸗
ter Fluch gegen fich felbit ift häufig mit dem Eide
verbunden. Der Fluch gegen andere als Mittel
privater Race ift fhon im Alten Tejtament ver:
boten. Häufig dagegen wird die libertretung des
Öttlihen Geſetzes mit einem Fluch belegt; bie
ath. Kirche thut dies noch jet wegen gröberer Ber:
gehen, bejonders wegen Ketzerei. (S. Anathema.)
Flucht (lat. fuga). 1) Strafrehtlih: Der Ver:
—— eine der Vorausſeungen zum Erlaß
des Haftbefebls (ſ. Unterfuhungsbaft), der, wenn
keine andern Öründezur Verhaftung vorliegen, durch
Sicerbeitgleiftung abgewendet werden kann (Deut:
ſche Strafprozeßorbn. 88. 112, 118). Wenn der zu
Verhaftende flüchtig ift, ſo kann ein Stedbrieferlafien
werben ($.131 a. a. O.). Das ſichere Geleit (f.d.) er
liſcht bei Fluchtverſuch, wenn der Beichuldigte An:
ftalten zur F. trifft (8.337 a.a.D.). Wenn der Ber:
urteilte der F. verbächtig ift, fo fann der Staats:
anmalt jofort Haftbefehl erlaifen, obne, was fonft
die me zuvor zum Strafantritt zu laden ($. 489
a. a. O.). Nach preuß. orte abge vom
15. April 1878, 8.3 (f. Forftpieb tab), und =
und Forftpolizeigefeß vom 1. April 1880, $. 2,
bildet e3 einen Strafihärfungsgrund, wenn ber
Forſtdieb auf Anrufen des Beitohlenen oder der mit
dem Forftihuß betrauten Perſon, oder wenn der
Feld: oder Forſtfrevler (f. Feldfrevel und Forftfrevel)
auf Anrufen des zuftändigen Beamten, des Beichä:
digten oder des ehe m nicht rar
bleibt, fondern die F. ergreift. 2) Vollerrechtlich, ſ.
Kriegägefangene. 8) (Fahnen:
fludt), ſ. Deſertion. — F. in der Baufunft, f.
Bauflucht. — F. wird in der Jägerfprade ein
roßer Sprung des Hochmwildes genannt; man
Ipricht von hoher F. und weiter 5. und fagt: der
Hi — eine F.
lũchter, ſoviel wie Feldflüchter, ſ. Feldtauben.
lũchtige Befeftigung, ſ. Feldbefeſtigung.
lũchtige Erdſappe, Flũchtige ſtorbſappe,
ſ. Sappe.
Flüchtige Sle, die Atheriſchen Öle (f. d.) im
Gegenſaßz zu den nicht flüchtigen oder fetten Ölen
(j. Fette und fette Öle). [liniment.
tiged Kampferliniment, ſ. Rampfer:
lüchtigeöd Liniment (flühtige Salbe),
f. Liniment,
Flüchtiges Salz, |. Ummoniumcarbonat.
‚ Flüchtigfeit, die Eigenſchaft mander feiten und
vieler flüffigen Körper, ſchon bei niederer Temperatur
824
die Dampf: oder Gasform annehmen zu lönnen; bier:
ber gehören 3. B. Moſchus, Kampfer, Waller, Alto:
bol, Schwefelätber u.v.a. Viele der flüchtigen Kör-
per verraten fich durch den Geruch. (S. Berbunftung.)
Inchtlinie, ſ. Baufludt. [ipeltive.
me ne f. Fluchtpunktſchienen und Ber:
Fluchtpunktſchienen, Hilfsmittel, die das Her:
ftellen von peripeltivifhen Zeichnungen erleichtern,
indem fie das Zeichnen von Linien ermöglichen,
die nah auferbalb der Zeichenfläbe liegenden
Fluchtpunkten (1. — — gerichtet ſind,
ohne daß man, wie gewöhnlich, dieſer Punlte ſelbſt
bei dem Zeichnen jeder einzelnen Linie bedarf.
luchtröhre, in der Jägerſprache eine einfache
Röhre, die von Dächſen und Füchſen, entfernt vom
Hauptbau, für den Notfall ausgeführt wird.
luchtitab, ſ. Jalon.
Iuchtverdacht, 1. erg
Iuchtverfuch, ſ. Flucht; über Feſſelung von
Gefangenen bei F. |. Feſſel.
Flück., bei naturmwijjenfchaftlichen Benennun:
gen Abkürzung für Friedr. Aug. Flüdiger (1. d.).
Flüdheringe, Heringe, die in der Baudhlinie
aufgefchnitten, dann flachgelegt und jo geräuchert
werben,
Flüdiger, Friedr. Aug., Pharmalognoſt, geb.
15. Mai 1828 zu Langenthal in der Schweiz, ftu:
dierte in Berlin, Bern, Heidelberg und Varis,
war praltifcher Apotbefer in Burgdorf bei Bern,
dann Direltor der Staatsapotbele zu Bern und
Präfident des Schweizeriſchen Apotbelervereing,
in deſſen Auftrage er jih an der Herausgabe ber
«Pharmacopoea Helvetica» beteiligte. 1861 babi:
litierte er fi al& Docent der Bbarmaloanofie an der
Univerfität Bern, wurde 1870 zum außerord. Pro:
fefior ernannt, folgte 1873 einem Rufe als ord, Bro:
fejjor und Direktor des Pharmaceutiſchen Inſtituts
an der Univerfität Straßburg und wurde 1881 und
1888 in die Kommiſſion zur Bearbeitung der «Phar-
macopoea Germanica» berufen. 1892 trat er in
den Ruheſtand und ftarb 13. Dez. 1894 in Bern.
F. veröffentlihte: aLehrbuch der Pharmalognoſie
des Pflanzenreichs» (Berl. 1867; 3. Aufl. 1891),
«Grundlagen der pharmaceutiihen Warenkunde»
(ebd. 1873; 2. mit Tichirch bearbeitete Aufl. u. d. T.:
«Grundlagen der Pbarmalognofie», ebd. 1885),
mit Hanbury: «Pharmacographia, a history ofthe
principal drugs of vegetable origin met with in
Great Britain and British India» (Lond. 1874;
2. Aufl. 1879), «Pharmaceutifche Ehemie» (2 Bde.,
Berl. 1878; 2. Aufl., ebv. 12). «Die Chinarinden»
(ebd. 1883), «Grundriß der Vharmalognofie» (ebd,
1884; 2. Aufl., ebd. 1894), «Reaktionen. Eine Aus:
wahl in pharmaceutifcher Hinfiht wichtiger Präpa⸗
rate der organischen Chemie in ihrem Verhalten zu
den gebräudlichiten Reagentien» (ebd. 1892). — Bgl.
Tſchirch, F. A. F. (Verl. 1895).
Fludd (ipr. — Robert (lat. Robertus de
Fluctibus), engl. Philoſoph, geb. 1574 zu Milgate
in Kent, ftubierte in Drlord Medizin und Pbilo:
fopbie und Inüpfte auf feinen Reifen auf dem Kon:
tinent mit den Rofenkreuzern und Kabbalijten Ber:
bindungen an. Er ſtarb als praftifcher Arzt 1637
in London. F. war Anhänger des Theopbraftus
Paracelſus, doch hat aud Nitolaus von Cuſa ſtark
auf ibn eingemirkt. Seine bedeutendften Werte find:
«Utriusque cosmi, majoris et minoris, metaphy-
sica, physica atque technica historia» (Oppenbeim
1617), «Philosophia mosaica» (Gouba 1638).
Fluchtlinie — Flug
Inder, ſ. Fluther.
lũe, Nilol. von der, eigentlich Löwenbrug—
ge der Landespatron der ſchweiz. Urkantone, als
injiebler Bruder Klaus, wurde 21. März 1417
in der Gemeinde Sadfeln des Kantons Unter:
walden ob dem Wald ion 1467 zog er fi in
die Felswildnis des Ranfts am Cingange des
Melchthals zurüd, wo er bis zu feinem Tode 1487
als Einfiebler lebte. Als nah den Burgunder:
friegen ein Bürgerfrieg auszubrechen drobte, bradıte
er auf der erregten Tagſahung zu Stans vom 22.
Dez. 1481 durch jeinen verjühnenden Rat volle
Einigung zu ftande (Stanjer Bertommnis).
Nah feinem Tode (22. März 1487) wurde er
Mittelpunkt eines ganzen Legendentreifes. Seine
Gebeine ruhen in der Kirche zu Sachſeln bei Sarnen
Schweiz). 1671 wurde er von Clemens X. f ig ge
proden. — Bol. Ming, Der ſelige Eremit Nilo—
us von F. (3 Bde., Luzern 1861—71); Rochholz,
Die Schweizerlegende vom Bruder Klaus von %.
(Aarau 1874); —A Nilolaus von F. und
der Tag von Stans (Baf. 1882); Segeſſer, Bei:
—* ur Geſchichte des Stanſer Verkommniſſes
(2. ul. Bern 1877); von Ab, Des jeligen Ein:
ſiedlers Rikol. von der F. Leben, Wirken und
Sterben (Einfiedeln 1887); Herzog, Bruder Klaus
(Bern 1887).
Flüela, Paß der Scalettagruppe in den Silvretta:
alpen (j. Dftalpen A, 2) auf der Waſſerſcheide zwi:
ſchen dem Landwaſſer (Rhein) und dem Inn. Die F.
verbindet dad Davos mit dem Unterengadin. Die
1866 und 1867 erbaute Poſtſtraße, 27 km lang,
weigt bei Davos: Dörfli (1557 m) ſüdöſtlich ab,
Heigt im Flüelatbal zu der lahlen Paßhohe (2390 m)
und jenkt fib vom Hoſpiz in vielen Windungen in
das Sufascathal bis Süs (1430 m).
Flüdlen, ital. Fiora, Dorf im ſchweiz. Kan:
ton Uri, in 437 m Höbe, am obern Ende des Bier:
waldſtätter Sees, öjtlih von der Mündung ber
Neuß in denfelben, bat (1900) 969 meift a, E.,
oſt, Telegraph, eine Pfarrkirche, ein altes Schloß⸗
en Rudenz, einſt der Familie Attinghauſen gebö:
rig, ein Warenhaus, einen geräumigen Hafen und
mehrere Gaſt- und Kurhäuſer ſowie bedeutende
Militärdepots der eidgendſſiſchen Kricgämaterial:
verwaltung. Als Vereinigungspunlt der Aren: und
Gottbarditraße, der Dampferlinie Luzern ——
und der Gotthardbahn iſt F. einer der wichtigſten
Verlehrsplätze am Vierwaldſtätter See.
inefjen-Meer (Fljueſſen- und Fleuſſen—
Meer), See im SW. der niederländ. Provinz Fries—
land (j. Karte: Niederlande), erjtredt ſich von
den Galamabämmen bis nah Heeg (Heeger-Meer),
ift nicht tief, fehr fiihreih (Yale) und ſoll im
13. Jahrh. entjtanden fein. [verwandter Bogel.
lüevogel, ein unjerer Braunelle (f. d.) nabe
Iug, in der Artillerie der vordere weitere
Zeil der glatten Kammergefchübe, der dem Geſchoß
die Richtung verleiht. —
Flug, in der Heraldit die beiden mit halbkreis⸗
Örmig auseinander pesogenen Federn dargeftellten
ügel_eined Vogels (gewöhnlich des Ablers).
eide Flügel mit den Sachſen (den innern Seiten)
einander zugewendet, die Schwungfedern nad außen
geitellt, nennt man einen ofjenen, bie Flügel ſich
dedend aufeinander gelegt einen lofjenen 5
Man nennt aud die Hälften des offenen 5. rechten
reip. linten F. Alle Arten des F. wurden mit Bor:
liebe zur Zier des Helms verwendet.
Flugangel — Flugbahn
Ingangel, |. Angelfifherei.
Ingapparate, 65 ugtechnik.
lugbahun, ver Weg, den ein geworfener Kor⸗
per, ein Geſchoß in der Luft beſchreibt. Die erften
Unterfuhungen über die Form der . ber Gelheie
rühren von Tartaglia (1546) ber. Galilei leitete
aus den —— (ſ. Fall) die paraboliſche Ge⸗
ftalt ver F. ab, von welcher Geſchoſſe mit geringer
Geihmwindigleit nur wenig abweichen. ,
ie parabolifche F. ift durch Fig. 1 für einen
fpeciellen Fall dargeftellt. Der dur die Geſchutz⸗
münbdung gelegte a en ift AB, S der Scheitel,
der höchſie Punkt der Bahn, AS der auffteigenve,
SB der abjteigende Aft, AB die Schußweite. Die
Richtung AX heißt Abganger, YBEinfallörihtung,
XAB der Abgangs-, YBA der Fallwintel. Die
Geihoßgeihmindigkeit in A wird Anfangsge—
ſchwindigkeit, in BEndgeſchwindigkeit ge
Big. 1.
nannt. Ein Punkt P wird durd die vertitale Or:
dinate PP' und die horizontale Abfciffe AP" be:
ftimmt. Hierbei ift PP" die der verflofjenen Flug:
zeit entjprechende Falltiefe des Geſchoſſes.
Im Iuftleeren Raum ijt die F. genau paraboliſch;
dann ift die Endgefchwindigfeit auch gleich der An—
fangsgeihwindigteit, vie Shußmweitebeim Abgangs⸗
winfel 45° am größten und gleich groß für alle Ab-
angswinlel, die fih zu 90° — Newton er⸗
—* (1687), dab wegen des Luftwiderſtandes die
3. in Wirklichkeit feine Barabel fein kann, und Euler
verjuchte zuerjt (1745) die wirkliche F. im Luftraum,
die ballijtifche Linie oder Kurve zu beftimmen.
Eine ſolche Kurve ift in Fig. 2 dargeftellt, und zwar
wie in Fig. 1 für eine Anfangsgeſchwindigkeit von
PErRIN
ZEIT N
ERRHRER
„ 1500 m,
Big. 2
450m pro Sekunde und einen Abga
Die Schußweite und ——
geſchwindigleit nimmt durch den
der ‚zallwintel zu.
Man kann die balliftifche Kurve berechnen, indem
man ein beſtimmtes Quftwiderftandögejeß zu Örunde
leat. So war man 3.B. der Meinung, daß bei dop⸗
pelter eng Tamm teit ſich der Zuftwiderftand
vervierfache, weil in derjelben Zeit die doppelte Luft:
majje mit ber doppelten Geihmwindigteit verdrängt
werden muß. Allein es hat ſich gezeigt, daß .
quadratijche Widerftandsgejeg nur bei Heinen Ge:
fhwindigfeiten der Erfahrung entipricht, während
bei größern Geſchwindigleiten ein kubiſches oder noch
tomplizierteres Geſetz —— werden muß.
Die neuere Hydrodynamitl lehrt, daß eine jo einfache
Vorftellung über den Widerjtand überhaupt nicht
zuläijig ift, und die Photograpbien fliegender Ge:
swinlel von 3°,
owie die End:
uftwiderftand ab,
825
hoffe, welche Mad gewonnen bat (f. Tafel: Shall,
ig. 2,und Artilel Schlierenmethode), zeigen deutlich,
dab der Widerftand des Geſchoſſes ganz ähnlich wie
jener des Shiff3 (nad Froude) von der Erregung
einer gewaltigen Schallwelle (Ropfmwelle), von der
Reibung am Ürojettiltörper und von der Erzeugung
von Wirbeln hinter dem Projektil herrührt, welche
drei Widerftandsfaltoren gänzlich verſchiedene Ges
feße befolgen.
Degen der Kompliziertheit des Widerſtandsge⸗
re etrachten die modernen Balliftiter das jog.
alliſtiſche Problem, d. h. die Darftellung der F.
durch genaue mathem. Formeln, als unlösbar und
baben namentlib auf Grund der Kruppſchen Beob:
achtungen —— die balliſtiſche Kurve empiriſch
u beſtimmen. Man denke ſich eine Anzahl mit
rahtgittern überſpannter Rahmen in —
Abitänden ==! ejtellt und von einem Geſchoß mit
acer F. durchbrochen. Jeder Durchbrechung ent:
pricht eine eleftriihe Stromunterbredung, die an
einem Ehronograpben, 3. B. dem Leboulenges (ſ.
Chronoſtop und Chronograph), ein eleftromagneti-
ſches Zeichen giebt. Man kann hieraus die ug:
zeiten zwifchen den Rahmen, die mittlern Horizon:
talgelötindigfeiten zwifchen denfelben und dem:
nah aud die at gg ringen bei & ebe:
nen Gejhmwindigfeiten ableiten und in eine Tabelle
eintragen. Bei denjelben Geſchwindigkeiten find
dann Ar ein Geſchoß von gleicher Form, aber qmal
größerm Querſchnitt, rmal größerm Gewicht bei
8 mal dichterer Luft alle Geſchwindigkeitsverluſte
in derſelben Zeit a mal größer, fo daß alfo bie
an dem Specialfall gewonnenen Ergebniffe allge:
mein verwertet werden fünnen. Der Einfluß der
Geſchoßform wird dur befondere Verſuche ermit:
telt. Dem Kapitän F. Goſſot ift e8 gelungen, durch
die Machſche Kopfmwelle (unter Erfparnis der Draht:
rahmen) Zeitfignale auszulöfen, wodurd auch Ber:
fuche bei großem Abgangswintel ermöglicht wur
den, Mit Hilfe der für jede Geſchwindigleit empi⸗
rifh beftimmten Verzögerung kann nun die balli-
ftifche Kurve fonftruiert werden.
Der Einfluß des Luftwiderftandes wird durch die
Anwendung [pißer Langgeſchoſſe bedeutend ver:
ringert. Um legtern die günftige Lage zu fichern,
werden fie aus gezogenen Läufen geichoffen, mo:
durch fie um ihre Längsachſe in Rotation geraten
und eine freie Achje erhalten. Durd die Wirkung
Big. 8.
des Luftwiderſtandes entſteht dann eine feitliche
Ablenkung, die Derivation, je nah dem Drall
(j. d.) nad recht3 oder links, die in Fig. 3, der
Horigontalprojeftion der Bahn Fig. 2, dargeftellt
it. Um die jedr ſchwierige Theorie der rotierenden
Geſchoſſe haben ſich der —— ae Otto, der
Phyſiker Magnus, die Franzoſen Poiſſon und Di:
dion verdient gemacht.
Auf Grund der erwähnten Studien ift man im
Busse, bei gegebenem Abgangswintel undbetannter
nfanoögehötsinigteit die F. jehr genau voraus:
zubejtimmen. Zur Ermittelung der Anfangdge:
Ibwindigfeit wurde früher das von Robins (1742)
826
Flugbeutler — Flügel (im allgemeinen)
erfundene balliftifhe Benpdel verwendet. Wird ' liftiihe Problem (Wien 1900); Groß, Die Berech
eine Mafje M, die ald Pendel aufgehängt ift, von nung der Schußtafeln (Ep. 1901).
einer Brojektilmaffe m mit der Geſchwindigkeit v ges
Flugbeutler (Petaurus), ein aus fieben Arten
troffen, fo erhält erftere, wenn fie mit m vereinigt | bejtebendes, Auftralien und Neuguinea bewohnen:
i { BE m
bleibt, eine Geſchwindigkeit V⸗y m’weldefich
durch den ig äußert. Aus letzterm,
dem befannten M und m, fann v berechnet werben.
Beim praktiſchen Schießen befindet ſich die Feuer:
waffe gewöhnlich in einer gewiſſen Höhe über dem
Erdboden, e3 wird daher das Geſchoß meift feinen
Weg, nahdem es den Mundungshorizont wieder
erreicht bat, fortjegen und nad entipredhender Zeit
mit dem Erdboden zufammentreffen. Iſt der Fall:
wintel ein geringer, fo prallt das Geſchoß vom Erd:
boden ab und macht einen oder mebrere an
Rikochett⸗ oder Rollſchuß, f. d.). Bei großem Fall-
wintel dringt das Geichok
und bleibt jteden.
Die Streugefhofje zerteilen fih entweder
ihon in der Robrmündung (Rartätichen) oder inner:
halb ver F. Vom Zerteilungspunlt ab ſetzt ſich die
J des Streugeſchoſſes aus einer entſprechenden
e von Einzelbahnen zufammen, die mehr und
mehr auseinander geben und im ganzen einen
Streuungstfegel (over eine Garbe) bilden.
reg für die Page des Streuungstegels iſt
die Richtung, die das Geſchoß im ganzen im Mo:
ment der Zerteilung hatte. Geſchoſſe mit Zeitzünder
zerteilen ſich im —— Aſt der 5 Geſchoſſe
mit Aufſchlagzünder kurz über dem Erdboden in
auffteigender Richtung oder im Ziele. (S. Geſchoß.)
on Wichtigleit für die der FF. zu verleihende
Geſtalt ift das Ziel. Man unterjcheidet in diefer
Hinfiht aufrecht ſtehende und liegende —F bei
erſtern kommt wieder in Betracht, ob ſie frei ſtehen
oder gedeckt find. Aufrecht und zugleich frei ſiehen⸗
den Zielen — ſind flache 5 am Plaße, vie
aus großen Gejhmindigfeiten und geringen Ab:
gangswinkeln hervorgehen. Eine ſolche F. hat eine
nur geringe Erhebung über dem Erdboden, ift be:
itreihend oder rafant; der Schuß heißt ein direlter.
Gegenüber liegenden Zielen bedarf man großer
Fallwinkel, aljo auch großer Abgangswintel, und
geringerer Gejhmwindigleiten; man fpricht dann von
Steilfeuer. Handelt es fih um ein aufrechtes Ziel
binter Dedung de muß die %. mäßig getrümmt
jein, derart, daß ie die Dedung zwar überfchreitet,
aber doch nicht über das Ziel hinausgeht. Den
Schuß nennt man dann einen indireften. (S. aud
Balliftik.) — Vol. Wuich, Lehrbuch der äußern Bal:
Liftit (Wien 1882); van Dam van Iſſelt, Die Bal:
liſtik vera enen Feuermwaffen (deutich Berl. 1884);
Siacci, init und zus (deutich ebd.1882); derf.,
Balistica (Zur. 1888); ieg, beoretifche äußere
Balliftit (Berl. 1884); Ingalls, Exterior Ballistics
(Neuyork 1886); Mata, Balistica interior (Madr.
1890); 9. Jelita Ritter von Kraiüſti, Balliftiton
(Wien 1892); Indra, Neue balliftifche Theorien, I
(Bola 1893); Sparre, Sur le mouvement des pro-
jectiles autour de leur centre de gravits (Bar.
1893); Sabudſti, Uußere Balliftik (ruſſiſch, Petersb.
1895); Vallier, Ballistique extérieure (Bar. 1895);
von Schere, Zur Aufitellung von Schußtafeln für
Mörfer (Berl. 1896); Brandeis, Der Schuß (Wien
1896); Cranz, Kompenbium ber theor. äußern Bal:
liſtit (Lpz. 1897); Textbook of gunnery (Lond.
1897); Heydenreich, Die ir vom Schuß und die
Schußtafeln (Berl. 1898); as bal⸗
tiefer in den Boden ein
elingbaus,
33 —————
des Geſchlecht pflanzenfreſſender Beuteltiere von der
Geſtalt der fliegenden Eichhörnchen und, wie dieſe,
mit einer ſeitlichen Körperfalte zwiſchen den Grtre:
mitäten, dur melde ein Fallſchirm zu ſtande
ommt. Sie ſchwanken in der Größe von 10 bis
50 cm ohne Schwanz. Die größte Art ift Petaurus
taguanoides Desm., 50 cm lang, mit ebenfo langem
Schwanz, oben bräunlich ſchwarz, auf der Flughaut
beller geiprenfelt, unten weißlich.
Flugblätter, fliegende Blätter oder Ein:
blattdprude. 8. erſchienen ſchon bald nah Er
—— Buchdruckerkunſt (1488; das älteſte erhal⸗
tene Blatt von 1493 befindet ſich auf der Univerſi—
tätsbibliothef zu Leipzig), teil3 um kurzen Bericht
über ein beſonders per endes Ereignig zu geben,
teild um fich in rübmender oder fpottenver Weife,
vielfach in Berfen, über irgend eine Begebenbeit oder
einzelne Perſon und deren Schidjale zu äußern;
meiſt find fie mit Slluftrationen in Kupferstich oder
Holzjchnitt verjeben. Sie können ala Vorläufer
ber Zeitungen (ſ. d.) gelten, mit welchem Namen
fie auch ſeit 1504 belegt werben, und bilden eine
wichtige Geſchichtsquelle, beſonders für das 16,
und 17. Jahrh. Die gewöhnliche Form diejer Blät:
ter iſt Kleinoltav, häufiger, zumal der illujtrierten,
olio, feltener Quart. Was beute noch mit dem
amen Flugblatt oder Flugſchrift bezeichnet wird,
entjtebt wejentlich aus polit.* — — (S. Flug:
ſchriften.) Frübzeitig wurden von ſolchen Druden
Sammlungen veranjtaltet; bejonders reihbaltige
finden fi ım Britiſchen Mufeum, in der National:
bibliothek zu Baris und in der königl. Bibliothek zu
Berlin. — Val. Scheible, Die fliegenden Blätter des
16. und 1, ah . (Stuttg. 1850); €. Weller, Die
eriten deutihen Zeitungen (ebd. 1872; Bd. 3 der
«Bibliothek des Litterarijchen Vereins», nebjt 3Nach⸗
trägen); Opel und Cohn, Der Dreibigjäbrige Krieg,
eine Sammlung von bijtor. Gedichten und Proſa—
darjtellungen (Halle 1862); Zmiedined-Süpenborit,
Zeitungen und ugichriften aus ber eriten Hälfte
de? 17. Jahrh. (Graz 1873).
Flugbrand, Staubbrand, f. Brand (des Ge:
treides) und Tafel: Bflanzentrantbeiten, Fig.l.
Ingechien, Flugeidechſen, ſ. Bterovattule.
fügel, zum Fliegen dienendes Glied, f. Fliegen.
— In der Bau funijt beißt 5. die mit einem Haupt:
förper unmittelbar verbundenen Teile eined Ge
bäudes. Auch braudt man den Ausdrud bei langen
Gebäuden für die beiden Enden der Hauptfronte.
In dem antiken röm. Wohnbaufe find die F. (alae)
die bintern Ermeiterungen des Atriums, melde
vermutlich Pr Privatbeiprehungen des Batrons mit
einzelnen Klienten oder zur Aufitellung von Haus:
altären u. f. m. dienten. In der Waſſerbaukunſt
verftebt man unter 5. oder Flügelmauern Boll
werle oder Mauern, welche zum Schuße einer Wand,
3. B. einer Schleufenwand, eines Brüdenpjeilers,
egen den Seitendrud des Waflers errichtet werben.
5 ügelgräben nennt man die ſeitwärts der Haupt:
anäle eines Bewäſſerungsſyſtems abgebenden Grä⸗
ben, welde den Hauptlanälen das Wafler zu:
oder ableiten. — Im Militärweſen bedeutet F.
entweder bie ganze rechte oder linte Hälfte einer
Truppenabteilung, oder auch nur die äußerten En-
den derſelben obne genaue Abgrenzung, jedenfalls
Flügel (Guftan Lebrecht) — Flügelfruchtbaum
aber einen Teil der Abteilung felbit (f. dagegen
lante). Die beiden Leute an den äußeriten Enden
eines Gliedes heißen rechter und linter Flügels
mann besfelben. Slügelunteroffiziere fteben
auf dem rechten und linten %. einer Abteilung
5* Zuges). — In der Muſit nennt man F. ein
ianoforte (j. d.) in Geftalt eines Bogelflügels ;
früber auch das Clavicembalo (! d.). — Im See:
weſen heißen F. oder Verklider die auf den
Spigender Schiffsmaftenangebradten Windfabnen,
nad denen Beim Wind (j. d.) geiteuert wird. —
der Tehnit ift F. im allgemeinen Bezeihnung
r drehend oder ſchwingend bewegliche Zeile von
geringer Maſſe; insbeſondere in der Weberei ein
die Arbeitbewegung der Kette vermittelnder Teil
des Webſtuhls, auch Schaft genannt; am Spinn»
rad und an der Droffelmafchine die an der Spinvel
befejtigte Gabel. (©. auch Flügelrad.)
Flügel, Guſtav Lebrecht, Orientaliſt, geb. 18. Febr.
1802 zu Bautzen, ſtudierte in Leipzig Theologie und
Philologie und ging im Fruhjahr 1827 nad Wien,
wo er auf Hammer: Burgjtalld Veranlafjung die
dem Thaälibi zugefchriebene arab. — («Der
vertraute Gefährte des Einfamen in ſchlagfertigen
Gegenreden», Wien 1829) mit deutfcher Überfeßung
im Auszuge berausgab, Nach einer großen Stu:
bienreije in ig get jeßte er zu Paris unter de
Sacys Leitung feine orient. Studien fort. Nach
feiner Rüdtebr erhielt er 1832 eine Brofefiur an
der Fürftenfchule zu St. Afra in Meißen, die er
wegen Krankheit 1850 aufgeben mußte; 1851
wurde ihm die — —————— der orient. Hand⸗
chriften der Wiener Hofbibliothef übertragen, deren
ejultat der vorzügliche Katalog diefer Sammlung
(3 Bde., Wien 1865—67) ift. F. ftarb 5. Juli 1870
zu Dresden. Auf Koſten des Londoner Oriental
Translation Fund veranftaltete er die Ausgabe
des großen a ne Worterbuchs des
Hadſchi-Chalfa mit latein, Ü erjehung (7 Bbe.,
Lond. und 2pz.1835—58). Große Verbreitung hat
die von ihm bejorgte Stereotypausgabe des Koran
Lpz. 1833) gefunden, von der 1841 und 1858 neue
epifionen erſchienen. Ihr folgten die «Concordan-
tiae Corani arabicaen» ( Bi. 1842) und eine Ausgabe
ber «Definitiones» des Dſchordſchani (ebd. 1845).
Bon feinen übrigen Schriften find noch orzu⸗
heben: «Gefhichte der Araber» (2 Bdochn., Lyz.
1840; 2. Aufl., ebd. 1866), «Al-Kindi, genannt der
Philoſoph der Araber» — 1857), die Ausgabe
von Ibn Kutlubugäs «Krone der Gebensbeichreis
bungen» (ebd. 1862), «Mani, feine Lehren und jeine
= en» (ebd. 1862) und «Die grammatifchen
Säulen der Araber» (ebd. 1862). Nach jeinem
Tode veröffentlichten Rödiger und A. Müller eine
Ausgabe des Kitäb al-Fihrist von Ibn al:NRadim
(Bp. 1 u. 2, 2pz. 1871—72), von F. bearbeitet.
Flügel, Joh. Gottfr., Zeritograpb, geb. 22. Nov.
1788 zu Barby, war Kaufmann, bis er 1810 nad)
Nordamerika ging, wo er fih auch mit dem Studium
der engl. Spracde beichäftigte. 1819 wandte er fi
nad) Leipzig, mo er 1824 Leltor der u Sprade
an ber Univerfität und 1838 Konſul der Vereinigten
Er ftarb 24. Juni
1855. Seinen litterar. Ruf begründete er durch das
«Bollftändige engl.:deutiche und deutich:engl. Wör:
terbuch» (2 Bde. Lyz. 1830; 3. Aufl. 1847). Bon
feinen übrigen Soriin find außer der «BVollftän-
digen engl. Spradlehre» (2 Bde., Lpz. 1824—26)
noch zu erwähnen: «Triglotte, oder faufmännifches
Staaten von Amerita wurde.
827
Mörterbucd in drei Sprachen: deutſch, englifh und
frangöfifch» (3 Bde., ebd. 1836—40; 2. Aufl. 1853),
«Kleines kaufmanniſches Handwörterbuh in drei
Spraden» (3 Bde. ebd. 1840), «Braftiiches Hand:
bud der engl. Handeläforreipondenz» (ebd. 1827;
9, Aufl. 1873) und «A series of commercial Let-
ters» (ebd. 1822; 9. Aufl. u. d. T. «Practical mer-
cantile Correspondence», 1874). 5.8 weit verbrei:
tete8 «Practical Dietionary of the English and
German languages» (2 Tle., Hamb. und by. 1847
—52; 15.Aufl., %p3.1891), das bejonders in feinem
Rn I. Zeile einen Fortſchritt in der engl.
Lerifographie bezeichnete, bearbeitete fein Sohn
Be F. er 18. Dez. 1820 zu Leipzig, geſt. da⸗
elbft 6. Febr. 1904; fein Hauptwerk ift das «All
er engl.⸗deutſche und deutfchsengl. Wörter:
uch» (3 Bde., Braunſchw. 1891; verbeſſerter Ab:
drud 1894), eine gänzliche Umarbeitung des «Boll:
Ränbigen örter ut —* Vaters.
lũgelachſe, im Maſchinenbau eine gewöhnlich
gußeiſerne Achſe mit kreuzförmigem Querſchnitt.
Flugeladjutanten, urſprünglich die Adjutan—
ten des Feldherrn, die die Befehle an die einzelnen
rg ber fehtenden Armee zu überbringen batten.
est werben bie — gerne eines Fürſten, die Ges
nerale find, Generale à la suite oder Generaladjus
tanten, die, welche einen niedern Rang bekleiden,
F. genannt. Über ihre Uniform f. Abzeichen (Bd. 17).
Glägelaiter, Klappen: oder Wandelaltar,
au ltarfchrein, die in Form eines flachen
Schreines oder Schrantes gebildete hohe und breite
Rüdwand, die etwa feit dem 14. Jahrh. auf dem
Altar (f. d.) der hriftl. Kirchen angebracht zu wer:
den pflegte und fich vielfadh auch noch jetzt ——
Sie beſteht aus einem mit Schnitzwerk oder Malerei
gezierten Unterſatze (Predella) und der mit Flügel:
thüren verjhließbaren Hauptbildwand. Wie diefe,
fo enthalten auch die Thüren an der Senne
meift reliefartig in Holz geſchnitzte, bemalte Bild:
werte, feltener — während ſolche regel⸗
mäßig auf der Außenſeite der Thüren ſich befinden.
Manchmal bilden die Thüren auch wieder Schreine,
deren Flügel ſich noch einmal aufklappen laſſen, fo
daf der Altar, ſich gleichſam verwandelnd, an den
A eſten verſchiedene Bilder zeigt. (©.
Tafel: Altäre IL, Fig, 1u. 2. 0m die Tafel:
Genter Altar, beim Artikel Eyck.)
ügelbatterien, Batterien in Flügelredouten
lügeldeidh, j. Deich. (di. d.).
gelerbfe, j. Tetragonolobus. ,
fügelfell (Pterygium), Augenfell, eine par:
tielle Hypertropbie der Augapfelbindehaut in der
Geftalt eines Windmühlenflügels, deſſen breites
Ende nad) dem innern oder äußern Augenmwintel
oder auch nad} oben oder unten gerichtet ift, während
das ſchmale Ende am Hormbautrande liegt oder
felbft ein größeres oder Hleineres Stüd der Hornhaut
überziebt, im leßtern Falle das Sehvermögen er:
heblich beeinträctigend. Zu_befeitigen ift das F.
nur durch eine Operation. Das F. kann fi von
* entwickeln und liegt dann immer im Lidſpalten⸗
ezirk. Auch nah Verlegungen, beſonders An—
atzungen der Bindehaut, wird es beobachtet.
I gel ht (Samara), in der Botanik eine
ſolche Schließfrucht, deren chthülle flügelartig
verbreitert ift, wie dies z. B. bei den Früchten des
Ahorns (f. Tafel: Laubhölzer I, 1,7), der Ulme,
der Eiche u. a. der Fall ift.
Flügelfruchhtbaum, ſ. Pterocarpus.
828
— * —— f. Floſſenfüßer.
lügelgaumenfnoten, |. Ganglien und Tafel:
Die Nerven des Menden, Fig. 2,8, beim Ar:
titel Nerven.
lügelgebläfe, deutſcher Name für Ventilator.
lügelgläfer, venet. Trintgläjer mit ftengel-
förmigem Fuß,
—— an den zwei flüs
Jelartige Ans
läge, einander
egenüber ſte⸗
end, ange:
ihmolzen find.
Diefe Flügel
jind willfürliche
Gebilde, doc
fommen fie
aub in Tier:
form vor. Die
5. murben in
venet. Glashüt:
ten im 16. und
17. Jahrh. zahl⸗
reich fabriziert,
auch in Deutſch⸗
————— land vielfach
nachgeahmt. (S. Dans Figuren.)
lũgelgrãben, ſ. Flügel (Baukunſt).
lügelgranaten, Granaten mit knopfartigen
Anſätzen (ſ. Geſchoß nebit Tertfig. 21).
lügelbarfe, j.Harfe.
lügelhorn, ſ. Bugleborn. [teen, Si il,
fügelfattus, ſ. Phyllocactus und Tafel: Rat:
fügelfappen, Flügelmüsen, ungar. Hüte,
die von einem Teil der preuß. Hufarenregimenter
der fridericianifchen Zeit getragenen, bis zu %, m
boben, cylindriſchen, ſchirmloſen Hüte aus fhwar:
em Filz, mit einem langen, breiten, ven Regiments:
ori entiprechenden Tuchſtreifen (Banderole), ver
far gewöhnlich um die Kappe gewidelt war, bet feft:
ichen Gelegenheiten aber losgebunden flatterte.
Flügellahm, Geflügelt, Federwilo mit zer:
ſchoſſenem Flügel.
lügelmann, |. ara (Militärweien).
lügelmanuern, |. Pr (Baufunft).
lügelmutter, f chrauben.
lügelpumpe, ſ. Pumpe.
lügelpyramide, eine der Obſtbaumformen
(j. d. nebſt Tafel, Fig. 12).
Flügelrad, eine mit Windflügeln bejekte Spin:
bel, die dazu dient, einem durch Federn oder Ge
wichte betriebenen Räderwerk (Uhrwerk) dadurch
einen gleihmäßigen Gang zu erteilen, daß bei ſeiner
rafhen Umdrehung der an den Windflügeln ent:
ftebende Luftwiderſtand eine fortwährende Beichleu:
nigung des Uhrwerks verhindert. Das F. findet
unter anderm bei Sclagubren, Spieldoſen, Or:
cheſtrions jomwie bei Bremäbergen Verwendung.
Flügelredouten, Redouten (f. d.), die beim
Förmlichen Angriff (j. d.) auf den Flügeln ver Baral:
elen angelegt wurden.
Flügelfchneden (Strombus), eine Gattung der
Kammkliemer mit feſten Schalen, deren äußerer Diün:
dungsrand flügelartig verbreitert it. Die Rieſen—
ent! nede (Strombus gigas L.) wird majlen:
aft aus Weftindien eingeführt und wegen der rojen:
roten Innenfärbung zu Kameen verarbeitet. Bei
der verwandten Teufelsklaue oder Finger—
jhnede (Pteroceras) iſt der Mundjaum in ftarte,
N
Flügelfüßer — Flüggen
dornige, frallenartige Halten aufgelöft, die beim
Belitansfuß (Aporrhais pes pelecani L.) dur
eine Kalllamelle verbunden find. F. werben auch
die Floſſenfüßer (f. d.) genannt. [5i8-3.
lügeltang, j. Laminaria und Tafel: Algen],
—
Flũgelwolf, eine früber in der Streichwoll⸗
—— gebräuchlich geweſene Reinigungs: und
uflockerungsmaſchine.
—— (Rhacophorus), eine der mertwũr⸗
digiten Gattungen der frojchartigen Lurche, mit
ſehr verlängerten, an den Enden mit Haftſcheiben
verjehenen Zehen, zwifchen denen fi die Shwimm-
haut ausfpannt. Wollen die Tiere fpringen, fo
iehen fie die Gliedmaßen an den Körper an,
ek die * auseinander, und die breiten
Flächen der Füße bilden einen Fallſchirm. Die
jieben Arten, von denen Rhacophorus Reinwardtii
Boie (f. Tafel: Fröſche und Kröten Il, Fia.6,
beim Artikel Froſchlurche) die häufigſte ift, bewohnen
bie orient. Region. j
függe, yo Botaniter, ſ. Flage.
függe, arl, Hygieiniler, geb. 9. Dez. 1847
zu Hannover, ftubierte in Göttingen, Bonn, Yeipzig
und Münden Medizin und ließ ſich ſodann als
praltiſcher > in Nenndorf nieder, habilitierte ſich
aber 1878 in Berlin ala Brivatdocent für Hopgieine,
wurde 1883 außerord. Profeſſor und Direktor des
Hygieiniſchen Inſtituts in Göttingen, 1887 ord. Bro:
ejlor und Direltor des Hygieiniſchen Inſtituts in
reslau. F. bat fich um die erperimentelle Hogieine
fowie um die Balteriologie verdient gemadt. Er
ſchrieb: «Beiträge zur Hugieine» (Lpz. 1878), «Lebr:
buch der bygieintichen Unterjuhungsmetboden» (ebd.
1881), «Die Milroorganiämen» (3. Aufl., 2 Zeile,
ebd. 1896), «Grundriß der Hygieine» (5. Aufl., ebd.
1902). Auch giebt er mit 4 ſeit 1886 die «Zeit:
ſchrift für Hygieine⸗ heraus.
Flügge, Wilhelm von, Politiker, geb. 17. April
1825 in Groß⸗Helle in Medlenburg, jtubierte 1844
—48 Jura und Gameralia zu Berlin und Heidelberg
und war IE 1850 praftifcher Landwirt. Er bemirt:
—— eine Güter Groß-Helle und Lüderäbof in
edienburg und Sped in Pommern und war Kreis⸗
beputierter im reife Naugard, wo Sped, jein ge
wöhnlicher Wohnſiß, gelegen ift. Dem Reichstage
ebörte 3. ald Vertreter des Wahlbezirks Naugard-
Regenwalde 1874—93 ununterbrochen an, und zwar
als Mitglied der deutichlonfervativen Fraltion, in
der er jich jedoch von übertriebenen, einjeitinen
Strömungen —— agrariſcher als ſocialpolit.
und lirchlicher Natur fern hielt. So ſprach er 1879
abweichend von feinen Fraltionsgenoſſen gegen die
Schutzzollpolitik und die Getreidezölle und erllärte
ih 1884 auch nur auf Grund des nun einmal be
tebenden S ee für Erhöhung der lektern. Das
rbeiter-, Alterd: und nvaliditätsverficherung®:
gi belämpite er 1889 wegen des komplizierten
Mechanismus in der Ausführung. Er ftarb 16. Juni
1898 auf jeinem Gute Sped.
Flüggen, Gisbert, Genremaler, geb. 9. Febr.
1811 zu Köln, war ald Knabe gezwungen, in einer
Fabrik * ſeinen Unterhalt zu ſorgen, und fonnte
erſt ſpäter der Kunſt widmen. Seit 1833 auf der
lademie zu Duſſeldorf gebildet, ſiedelte er 1835 nad
München über, wo er 3. Sept. 1859 ftarb. Er juchte
bejonders durch techniſch forgfältige Darftellungen
von Üußerlichleiten, wie Hausrat, Stoffe, feinen
Gemälden einen befondern Reiz zu verleihen. Unter
Fluggeſtübbe — Flugtechnik 829
feinen Werten find mg Tuer Die Verlobung
(1840), Der unterbrocene Ebelontraft, Der unglüd:
libe Spieler (1841; Mufeum in Mainz), Die Bro:
jebenti — 1847), Der Spieler (1848; Muſeum
in Breslau), Die Erbichleiher (Mufeum in Han:
nover), Tod des Königs Friedrich Auguft II
von Sachſen, VBorzimmer eines Fürften (Münden,
Neue Pinakothek).
Sein Sohn Joſeph F., aeb. 3. April 1842 zu
Münden, bildete ſich unter Pilotys Leitung zum
Maler aus und unternabm dann Studienreijen
nad Paris, London, Brüfiel und Antwerpen. Seit
1883 ift er Vorſtand des Koſtümweſens an den
tönigl. Hoftbeatern. Zu feinen befanntern Gemäl:
den gebören: Landgräfin Margarete von ihren fin:
dern Abſchied nebmend, Der Wirtin Töchterlein
(nad Ubland, 1869), Milton das «Verlorene Bara:
dies» diktierend, Regina Imhof (ſpätere Gemablin
Georg gu ers) die Brautgeichente empfangend
(1876), ah Kaiſer Marimilians (1879; ebedem
in der Galerie Höh zu Münden), Das lebte
Kleinod (1882), Tod der beil. Elifabeth (1888).
Finageftäbbe, j. Hüttenraud.
Iugbafer, Wilpbafer, ——————— eine
gefürchtete Unkrautpflanze in naſſen Jahren und
auf feuchten Ackerländereien, da ihre Mſonderung
vom Hafer, unter dem fie ſich vorzugsweiſe einfin—
bet, ſehr ſchwierig iſt (j. Hafer).
Inghähne, }. liegende Fiſche.
lughaut, eine bei mebrern Wirbeltieren aus
jehr verſchiedenen Ordnungen an den Körperfeiten
zwiſchen Hals und vorderer Ertremität, zwiſchen
ben Grtremitäten jelbjt und zwiſchen binterer Er:
tremität und Schwanz auftretende Hautduplifatur,
die ala ————— dient, Bei Säugetieren findet
fie fih bei fliegenden Eichhörnchen, Flugbeutlern
(f. d.) und bei den Belzflüglern (f. d.). (S. auch
lughöruchen, |. Eihbörnden. (Fliegen.
Inghühner oder Wuüſtenhühner (Pterocli-
dae), eine aus 2 Gattungen und 16 Arten be:
tebende, die Steppen: und MWüftengegenden der
Iten Welt von Gentralafien und Vorderindien an
bis zum Geſtade des Atlantifchen Dceans bewob:
nende Familie der Hühnervögel (j. d.). Die 7
aben einen kurzen, gebrungenen Leib, einen nicht
ebr großen Kopf, einen kurzen Schnabel, lange
ügel und in dem aus 14—18 Steuerfedern be:
tebenden Schwanz die beiden mitteliten Federn
verlängert und zugejpist. Die in der Regel be:
fiederten Yäufe find mie die — furz. Die Tiere
ind durb Bau der Glievmaßen und jchüßende
rbung ihrem Aufenthalt vorzüglih angepaßt.
ie legen wenig Gier in eine —— pn le
Sandmulde. Hierber gebören die Sandflugbübhner
(j. d.) und die Steppenbübner (f. d.).
— ſ. Flederhunde.
lugkäfig, ſ. Vogelbauer.
lugkraukheit, |. Rauſchbrand.
lugmaſchinen, ſ. Flugtechnik.
lugorgane der Samen, ſ. Ausſaat.
Ingrädchen, elektriſches, ſ. Elektriſches
Flugrädchen.
Flugfaud, feinlörniger, durch Wind leicht be:
weglicher Sand (f. d.), welchem oft Dünen (j. d.)
ihre Entjtebung verdanten.
Flugichriften oder Broſchüren (vom franz.
brocher, beften, weil dieſe Schriften meift nicht ge:
bunden, fondern nur gebeftet werden), vorzugsweiſe
jolhe Schriften, die irgend eine lebhaft beſprochene
Tagesfrage über polit., kirchliche, —— wiſſen⸗
Kr un: Gegenftände u. |. w. kurz bebandeln. Die
meiiten F. find Streit: und Barteifchriften. In
Srantreid erlangten fie bejonders feit 1789 eine
ausgedehnte Bedeutung. Den gibten Umfang aber
bat diefer Litteraturzweig in Deutfchland erreicht.
Schon um die Mitte des 16. Jahrh., als die Flut
der 2 oder Flugblätter (f. d.) in Deutichland am
öchiten geitiegen war, juchten, allerdings obne
Stfolg, die Reichspolizeiordnungen von 1548 und
1577 ihnen entgegenzutreten. Wichtige Geſchichts—
quellen find die F, die während der Reformation, im
Dreißigjäbrigen —* zur Zeit der Franzöſiſchen
Revolution, in den Befreiungskriegen, in der be—
wegten Zeit der vierziger Jahre J—— 1848
u. ſ. w. maſſenweiſe erſchienen. an Frankreich waren
nah der Berufung der Generalftände (1788) alle
Druckſchriften unter 20 Bogen der Cenſur unter:
worfen; ebenjo in Deutichland bis 1848 durch den
Beſchluß des Deutſchen Bundes vom 20. Sept. 1819.
Eine ſcharfe Kontrolle brachte das preuß. Preßgefek
vom 12. Mai 1851, nad dem alle ———
unter 20 Bogen 24 Stunden vor ihrer Verbreitung
in einem Exemplar an die Polizeibehoörde eingereicht
werben mußten. Dieje Beichräntung bat das Reichs—
—— 7. Mai 1874, das die Preßfreiheit
auf alle Druckſachen ausdehnte, aufgehoben.
lugſommer, ſ. Altweiberſommer.
lugſtaub, ſ. Hüttenraud.
lugtauben, ſ. Tummlertauben.
Iugtechnif, ARUUR, —
amtheit der Verſuche, dem Menſchen das von der
indrichtung unabhängige Fliegen (ſ. d.) mit Bor:
rihtungen (Hlugapparate, Flugmaſchinen),
die ſchwerer als die Luft find, zu ermöglichen,
im Gegenjage zu dem adrojtatiihen Prinzip des mit
der Luft fortbewegten, ſpeeifiſch leichtern
Ballon, Daß das Ziel nicht widerfinnig an ſich ift,
beweiſt jeder fliegende Vogel, der doch im Grunde ge:
nommen eine bejeelte Flugmaſchine iſt. Man darf
war nicht glauben, daß Menjchentraft auch bei der
Ännreichten Flugvorrichtung ausreihe (Helmbolk
1873), aber man ift auch nicht mehr geneigt,
Wi gegenüber der der Vögel jo jehr zu unter
chãhen, wie es frübere Gelebrte (Borelli, Navier u.a.)
tbaten, da durch Verjuche feitgeftellt it, daß man
die Hälfte feines Korpergewichts — durch
die Füße bewegter Flügel ſchwebend zu erhalten ver:
mag. Nachdem ferner durch weitere Forſchungen
gefunden worden tft, daß der ——— gegen
ſchwach geneigte und ſchwach hohle Flächen bedeu—
tend größer iſt, als früher Primer Formeln
ergaben, ja daß bei ſolchen Flächen jchon bei völlig
flacher Windftellung und ſogar no bei negativen
Winkeln Auftrieb erlangt wird (Lilientbal), ſcheint
der Kunftflug nicht mebr gänzlich in den Bereich der
Unmöglichteit zu gebören. Die bierber nebörigen
Verſuche aus Deutichland ſtammen von Gebr. Li:
lientbal in Berlin, Ritter von Loßl in Wien, A. von
PBarjeval in Münden, Ablborn in Hamburg; von
bobem Wert unter den ſehr zahlreichen ausländi-
ihen Arbeiten find neuerdings die tbeoretiichen
Unterfuhungen und praftijchen Verſuche der Ame—
rifaner geworden, befonders des Prof. Langley
«liber die innere Arbeit des Windes»), dann von
. Ehanute, Herring, Prof. Marvin in Wafbington
(ausgezeichnete Theorie der Drachen). 1898 - 1900
machte auch Danilewstv in Charkow erfolgreiche Ber-
ſuche mit einem von ibm fonjtruierten Flugapparat.
830
Die gleiche Anfhauung gewinnt man aus den Beob-
achtungen des franz. nfiologen Marey über die
Musteltraft der Vögel. Immerhin bleibt der Bau
eines leichten Motors von genügender Stärke ver
Kümierigfte Zeil der ganzen Aufgabe.
Die bisher vorgeichlagenen Flugapparate ſchei⸗
den fich nach ihren PBropellern in vier Klaſſen:
1) Schraubenflieger (Heliloptören) und
Segelradflieger, die dur rotierende Luft:
fhrauben oder Räder ſowohl gehoben als vor:
wärts bewegt werden follen. Die älteften Verſuche
diejer Art rühren ber von Bonton d'Amécourt und
de Yalandelle; das erfte Modell, das fi mitjamt
feiner Maſchine kurze Zeit zu erheben vermochte,
war das bes ital. Ingenieurs Forlanini von 1877.
Es wog 3,5 kg, führte in einer Stabltugel zur Spei-
fung der Meinen Dampfmaſchine, vie den 2 qm
un Propeller trieb, ſtark überbiktes Waffer mit,
Peg 13m bob und flog beim Sinten 20m vor:
wärts. Diejen für freien Flug berechneten Appa:
raten jchließt fih die von Popper 1879 in Bor:
ſchlag gebrachte Gaptifihraube an. Aus der neuern
ae And zu nennen die Arbeiten und Verſuche von
tof. Wellner in Brünn, welcher Segelräder mit
horizontalen Längsachſen und einer eigentümlichen
Ercenteranorbnung mit fompenfierender Wirkun
benußt; weiter die Ronftruftionen von Th. Gro
in Münden, des Grafen Earelli in Turin, P. 9.
Alerander in Bath u. a. m.
2) Bei den Drabenfhmebern over Aëro—
planen (ältere Erperimentevon Springfellow 1868,
Penaud 1871, Tatın 1879) läßt man durd eine Pro:
pellerihraube eine verhältnismäßig große, aber
ſchwach geneigte Fläche vorwärts treiben, die dann
durd die Drachenwirkung ſchwebend erhalten wird.
Die beiten Modelle diefer Art von Penaud flogen
60 m weit in 13 Selunden und ähnlich die Aëro—
veloce von Kreß in Wien, beide mittels der Kraft ge:
drebter Gummiſchnüre. Hieran ſchließen ſich die in
gern Maßſtabe ausgeführten Erperimente des
merilaners Hiram Marim (f. d.), der einen großen
Drabenflieger durch Dampfmafinen zuerſt auf
einem Schienengleis mit wachſender Geſchwindig⸗
feit treiben und dann fich in die Luft erheben lieb.
Zu den Dradenfliegern im weitern Sinne, welde
alle die tragende Wirkung des entgegenftrömenden
Mindes auf ebene oder viel beſſer auf gewölbte
are ausnugen, gehören au die berühmten
lugapparate von Lilienthal und der Amerikaner
(j. weiter unten).
3) Noch näher an die Natur fchließen fich die
Drnitbopteren over fünftliben Bögelan, bei
denen diejelben Flächen ſowohl tragen als treiben
(Benaud, Hureau de Billeneuve, Tatin, Pichancourt
und bis zu gewiſſem Grade aud Lippert). Spiel:
zeuge diejer Art find mehrfah in den Handel ge
tommen. Sie bemweifen, daß die Stabilität des künſt⸗
lien Flugapparats wohl erreichbar ift; doc ift es
auf dieſem Gebiete wegen der großen Konſtruktions⸗
ſchwierigkeiten nur wenig zu praltifhen, über Be:
rehnungen und Theorien hinausgebenden Arbeiten
—— Allerdings ſtellen die letzten Verſuche
ilienthals und der Amerikaner eine Verbindung
der Drachenflieger mit den Ornithopteren dar.
4) Ein Bindeglied 56* Kunſtflug und Luft:
ſchiffahrt würde der Ballon mit Übergewicht
und Segelfläde (Blatte) bilven. Ob nıdt aber
der Vorteil, der dur die Tragkraft des Ballons
gewonnen, durch feinen großen Wibderftand wieder
Flugtechnik
verloren gebt, ift noch ſehr ftreitig. Auch die Nutz—
lichkeit der Fortbewegung in auf: und abjteigender
Bahn, im Welten uge, begegnet Zweifeln. Da:
gegen gehören die eigentlihen lentbaren Ballona
(Hänlein, Krebs und Nenard, Wölfert, Schwarz,
gernelin, Santos Dumont) nit mebr bierber; val.
uftichiffahrt und Lenkbarkeit der Luftſchiffe.
Befonderes Intereſſe und berechtigte Würdigung
baben in den legten Jabren, außer der durch ibre
impofanten Größenverbältniffe und das fehr gün:
ftine Verhältnis zwischen Maſchinengewicht und er:
telter Kraftwirfung hervorragenden Maxim ſchen
aſchine, vor allem die Flugverſuche von Lilientbal
(1. d., Bd. 17) in Berlin gefunden. Seine fowie der
Amerilanerfangley, Ehanute und Herring praf:
tiſchen Berfuche gingen davon aus, daß man, mit zu:
nächſt unbeweglichen aroßen, flügelähnlichen Flug:
flächen bewaffnet, von einer Anböbe gegen den Wind
berabfpringt und dabei möglichſt weit zu ſchweben
verfucht. Lilienthal verwandte anfangs febr einfach
fonftruierte Heine giüget von Holz und Segeltud,
mittel derer er ſich erft mit der Einwirfung des
Windes, inäbefondere bei en Auftreten,
vertraut machte. Er jtellte durch jehr ſcharfſinnige
Unterfuhungen an Bögeln und Apparaten ſowie
— Built Par Sag rg ügel:
frümmung die günftigjte Form darjtelle, mas von
eminenter Wichtigkeit für alle jpätern Arbeiten
wurde, und ging bald zu Abflügen von erböbten
Stellen aus, und zwar mit der Zeit zu Flügen von
2—300 m Länge über, immer langfam und mit
Vorſicht vorgebend. Er erreichte dieſe günftigen
Resultate durch Ausbildung einer perjönliben Ge:
fchidlichkeit in der Benußung der ſtets in ihrer In:
tenfität veränverlichen Winditöße; dann aber dur
Übereinanderftellung von zwei Flügelpaaren, beſſere
Konftruftion der Rippen und Faächen und zabl:
reihe, fortwährende Berbejjerungen. Im letzten
Sabre vor feinem Tode Ber er, um zu freiem und
bauerndem Fluge u gelangen, feine Nugappaate
mit kleinen, jedoch fa: kräftigen Erplofiondmotoren
ber, welche den willfürlihen Niederbrud der Flügel
und damit, unter Dauernder Mitbenukung des Win:
des, den «Nuderflug» ermöglichen jollten. Zu be
merken ift, daß die Kataſtrophe, infolge deren er
fein Leben einbüßte, ſich nicht etwa bei einem be
fonders fühnen, neuartigen Verſuche ereignete, jon:
dern bei einem der gewöhnlichen Schwebeflüge, wie
er deren zu Taufenden ausgeführt hatte. Die Ur:
face des Sturzes ift nicht genauer ermittelt; fie
liegt aber jevenfalld auf demjenigen Gebiete, wel:
ches den wundeſten Bunlt aller bisherigen Verſuche
darftellt, nämlich in der ungenügenden Stabilität
aller äbnlichen Apparate bei plögliben Üinderungen
in der Richtung oder Stärfe des Windes.
In Amerika ift in neuefter Zeit diefe Metbode
durch die oben Genannten erbeblich vervolllommnet
worden und es find nachweislich Flüge bis über
1000 m Entfernung gelungen. Abbildungen einiger
— finden ſich auf ver Tafel: Luftſchiff⸗
abrt II. — Val. von Wechmar, Flugtechnik (Bud
1-3, Wien 1886-88; Buch 1 u. d.T. Orundzüge der
33 derſ. Zur Flugfrage (Berl. 1891); Lilienthal, Der
ogelflug als Grundlage der Fliegekunſt (ebd. 1889);
* Die Flugapparate (ebd. 1894); Miller von
Hauenfels, Der mübeloje Segelfiug der Vögel und
die fegelnde Luftihiffabrt (Mien 1890); Steiger,
Bogelflug und Flugmaſchine (Münd. 1891); Butten:
ftedt, Das Flugprincip (Rüdersdorf 1892); Platte,
Flugwerk — Fluor
— Betrachtungen (Wien 1893); Koch,
ie Loſung des Flugproblems (Münd. 1896);
Meike, Das Fluggeieh ald Grundlage zur ee
des Flugproblems im Sinne des Buttenftentichen
Brincips (Kiel 1897); Ablborn, Der Schweberlug
und die Fallbewegung ebner Tafeln in der Luft.
füber die Stabilität der Flugapparate (Hamb. 1898);
Manfai, Die Flugmaſchine des dynamischen Flug:
princips (Wien 1898); Danilewſty, Ein lentbarer
Flugapparat (Ebartow; Berl. 1900); Weihe, Der
dynamiſche Flugapparat (ebd. 1901); Lerwal, Flug:
techniſche Studien (Wien 1902). Taſchenbuch zum
praftiiben Gebraub für Flugtechniker und Luft
ichiffer, ba. von Moedebed.
Flugwerk, ein Apparat, mit dem auf der Bühne
Berjonen und Gegenftände dur die Luft bewegt
werben, rapb.
Sr eitmeffer, ſ. Chronoflop und —
Inh (Mehrzahl Flühe), in ſchweiz. Mundart
ein jaher Felsabhang. (S. Nagelfluh.)
Fluid ſtruktur oder Flultuationsitruf:
tur, ein Gefüge der Felsarten, welches die Be
wegungen innerhalb einer Eruptivmafle unmittel-
bar vor deren Erftarrung zur Anſchauung bringt,
Fer iſt die F. nur — ausgebildet (Mi⸗
trofluidal:, Mikrofluktugtionsſtruktur).
n den glaſigen Geſteinen iſt es eine viel verbreitete
cheinung, daß die mikroſtopiſchen nadelförmigen
Kryſtällchen, welche in dem Glaſe ausgeſchieden
liegen, ſtellenweiſe zu Strängen, Strömen und
Schwärmen zuſammengruppiert find, die einen ge:
wundenen Verlauf haben, fi vor einem größern
Kryitall aufſtauchen, ihn augenähnlich umfließen,
um fich dabinter wieder zu vereinigen, oft auch vor
einem 2 en völlig auseinander getrieben erjcei-
nen, alled Berbältniffe, welche augenfällig auf die
Sep wert inmweijen, die in dem erjtarrenden
Magma —— und noch zu wirken fortfuhren,
als jene Kryſtallnädelchen bereits verfeſtigt waren.
Ahnliche Bewegungserſcheinungen, von welchen die
Bruchflächen der Handſtücke dem bloßen Auge oder
der Lupe nichts verraten, enthüllen überaus häufig
auch die Dünnſchliffe der Rhyolithe, Bafalte, Tra:
chyte, Phonolithe, Melapbyre u. ſ. w. Hier find die
anderswo im rihtungs ojen Gewirre umberliegen:
den Heinjten leiitenförmigen Durchſchnitte durch
Feldſpate, Nepbeline u. f. w., geftredte Säulen
von Augit, kurz die mit einer Längsachſe verſehenen
milroſtopiſchen Gebilde ſtreclenweiſe, wie die Baum:
ftämme in ber Flut einer Holzſchwemme, parallel
nebeneinander zu Strömen gruppiert, welche ſich pin
und ber winden und fächer⸗ oder eiöblumenähnlich
auseinander laufen. Auch durch dunkle Körnden,
welche ſich reihenförmig zu wellig gefräufelten Strän-
en zufammenfügen, wird eine ſolche Struktur zum
[usdrud im Das Erbaltenfein diefer charalte⸗
riſtiſchen Urftruftur beweift nicht nur die ehemals
plajtiihe Beſchaffenheit der betreffenden Gefteine,
fondern auch, daß diefe erheblichen moletularen Um:
Pe a ER bis jest noch nicht unterworfen
geweſen jind. Beijpiele von F. zeigen die Fig. 3 4
und 6 ber Zafel: Dunnſch ii in mifrofto:
piſcher Vergrößerung. Ahnliche Flußerſchei⸗
nungen größern Maßſtabes bieten auch ſtromartige
Ergießungen von Eruptivgeſteinen durch die paral⸗
lele Richtung langgezogener Blaſenräume bar.
Fluidextrakt (Extractum fluidum), eine Form
des Ertraft3, die jih von Nordamerila ber jetzt
auch in Deutſchland einbürgert. Infolgedeſſen bat
831
dag eg. — für das Deutſche Reich eine allge
meine Bereitungsvorfchrift und vier F. (f. Ertratt)
aufgenommen. tiber die Daritellung der F. j. De
placieren. Als Löfungsmittel verwendet man Ge
miſche von Weingeiit und Wafjer mit und obne
Glycerin. Die F. entiprehen binfichtlic der Menge
ihrer wirffamen Beftandteile dem gleihen Gewicht
der angewandten Pflanzenteile. j
Fluid meat (engl., ſpr. miht), flüffiges
leiſch, ein von S. Darby in England aus magerm
leiſch bergeftelltes Präparat, in dem die Eiweiß:
e in Peptone umgewandelt fein follen und das
olchen Patienten, deren Verbauungsvermögen fo
weit geihmänht ift, daß fie Fleiſch nicht mebr ge
nießen können, die Fleiſchnahrung erjegen ſoll.
Fluid ozone (engl., jpr. ojohn), flüjfiges
Dion, Handelöname für eine ſchwache Löfung von
übermanganfaurem Kalium, die ald Desinfeltions⸗
mittel augepriejen wird,
Fluidum had etwas —35 — ein flüffiger
Körper a figfeit); fluid, flüffig; Fluidifi—
tation, Flüffigmabung; Fluidität, das Flüffig-
fein, leichter Fluß der Rede.
Iuttuationdftruftur, |. Sluidalftrultur.
Iuftnieren (lat.), wogen, wallen, en,
ſchwappen; unter flultuierenderBevölterung
verjteht man die nicht feßhafte Bevölkerung; fluk⸗
tuierende Schuld, foviel wie lottierende
Schuld (1. d.); Fluktuation, das Wogen, Wal:
len u. ſ. w.; in der Mebizin das Schmappen von
Waſſer oder Eiter in einer Körperhöhle oder einem
Abfceß; in moralifher Beziehung Unbeftändigteit,
Wantelmut; fluttud3, wogend, ſchwankend.
Flumendöſa (der Saeprus der Römer), Fluß
auf der Inſel Sardinien, entipringt an den Monti
del Gennargentu und mündet nad 119 km zumeijt
füddftl. Laufes ins Tyrrheniſche Meer.
Flumen publioum (lat.), öffentlicher Fluß,
üfe.
Iunder,.Schollen und Tafel: Fiſche I, Fig.13.
Iuntern, Vorort von Zürich (. d.).
Iuoceiment, |. Fluate.
Inor, chem. Zeichen F (au) FI), Atomgewicht
19,1, ein einwertiges, zu den Halogenen (f. d.)
drendes, aljo dem Chlor, Brom und Sob nahe:
tehendes Element, findet ſich in der Natur nie frei,
ondern nur gebunden, und zwar in größerer Menge
im Flußipat — im Kryolith (Fluoralu⸗
minium mit Jluornatrium), in geringen Diengen im
Topas und in den meijten natürlid vortommenden
———— Salzen, wie im Apatit und Phos⸗
phorit, und in einigen Feldſpat- und Glimmer:
arten. Es findet ſich ferner ſpurenweiſe im Meer:
wafjer und vielen Mineralwäflern. Im tierischen
Organismus fommt e3 an Galcium gebunden in
den Knochen und im Schmelz der ne vor; es
H ferner unter den Ajchenbejtandteilen einiger
flanzen nachgewieſen worden, doch muß fein Vor:
fommen im J anzenreich ein allgemeineres ſein, als
man gewöhnlich annimmt, ba ſonſt ſeine regelmäßige
Anmejenbeit im Tiertörper ern fen
würde, egen der großen Affinität des F. wor
allem zum Waſſerſtoff gelang die Darftellung des
ien Elements lange gei nicht. Erft im 9. 1886
at ed Moifjan durch Elektrolyſe der waſſerfreien
lußjäure in am gewonnen. F. ift ein
chwach gelbgrünes Gas von ſehr —
an unterchlorige Säure erinnernden Geruch. Durch
ſtarlen Druck und niedere Temperatur wird es zu
832 Fluor albus — Fluorwaſſerſtoff
einer bellgelben Zlüffigteit verdichtet; diefe hat das |; Verbünnungen deutlich wahrnehmbarer Fluorescenz
pec. Gewicht 1,14 und fiedet bei — 184°. Da F. | auflöft. Es wird im großen dargeftellt zur Bereitung
n abjolut reinem, trodnem Zuftande das Glas | des Eoſins (f. d.), das ein Tetrabromfluorescein ift.
nit angreift, kann die Kondenjierung in Glas | Fluorescenz (lat.), in der Optil eine an ver
gefäßen geſchehen. Es verbindet ſich mit Waſſerſtoff Ihiedenen Stoffen beobachtete eigentümliche Licht:
im Dunleln; Bor, Silicium, Schwefel, Selen, Jod, | eriheinung, welde darin befteht, daß diefe Stoffe
Arien», Antimon:, Magnefium: und —— im ſtande ſind, Licht, womit man ſie beleuchtet,
verbrennen in ihm; mit Lampenruß verbindet es aufzunehmen und, als ganz anders gefärbtes Licht
ſich unter Erglühen; organiſche Stoffe, wie Terpen: | wieder — — len, jo daß dadurch ein eigentüms
tinöl, Alkohol, Kork, entflammen ſich damit. Es | licher Farbenſchiller entſteht. Obwohl vorberribend
jerjebt Waſſer unter Bildung von ozonifiertem | blaues, violettes und überviolettes Licht die F. er:
auerftoff und Fluorwaſſerſtoff; mit Sauerftoff | regen, fo giebt ed (nach neuern Verſuchen) doc
verbindet es ſich nit. Mit Wafjerftoff verbunden | Stoffe, mo aud die grünen, gelben und roten
bildet es Fluorwaſſerſtoff (f. d.). (S. aud Fluor: | Strahlen F. bewirfen. Zuerſt ijt die 5. an Kry—
ammonium und Siliciumfluorid.) — Vgl. Moiffan, | ftalen von Flußſpat (Fluorcalcium) unterfucht
Le F. et ses composes (Par. 1900; deutih von | worden, daher ihr Name. Schön und zwar grün
Bettel, Berl. 1900). uorescieren die gelben Uranjalze und bas mit
Fluor albus flat.) f. Zeulorrhöe. tanoryd gelb gefärbte Eanarienglas. Mebr ala
Fluorammon
um oder Ammoniumfluos (ee toffe fluorescieren Flüffigleiten; fo 3. B.
rid, NH;F, eine farblofe, aus Blättchen oder Pris- fluorescieren jhwefelfaure Ehininlöfung und Us—
men beftebende, an feuchter Luft zerfließliche Salz: | culinlöfung (Aufguß von Roblaftanienrinde) him:
maſſe, die jhon bei gewöhnlicher Temperatur etwas | melblau, Blattgrün blutrot, die gelbe Curcuma—
flüchtig ift. F. wird erhalten durch Sättigen höchſt tinktur grün. Die Erſcheinung zeigt fih ſchon im
konzentrierter wäfjeriger Flußſäure mit Ammoniak: | Tageslicht, aber am auffallendften, wenn man
ps oder Ammoniumcarbonat, Seine Dämpfe | mit einem Brennglas ein konzentriertes Bündel
eftehen aus einem Gemenge von Ammonialgas | Sonnenftrablen auf den fluorescierenden Körper
und Fluorwaſſerſtoffgas und wirken durch leßteres | fallen läßt. So 3. B. zeigt ſich ein Strablentegel, der
jerfegend auf Silifate. Man kann daher das F. | in ſolcher Weiſe durd eine Ehinin» oder Asculin⸗
in Glasgefäßen nur dann aufbewahren, wenn ſie et —— wird, blauleuchtend; in einer ätbe:
im Innern mit einer Schiht von Wachs oder | riihen Blattgrünlöfung erſcheint er rot u. dal. m.
Paraffin überzogen find. Es wird zur Zerjegung Verſchiedene Lichtquellen wirken verſchieden ftart F.
von Silitaten und zum Glasäpen verwendet. Ber | erregend, befonders kräftig wirlen das Sonnenlicht,
— Erwärmen ſeiner konzentrierten wäſſerigen das eleltriſche und das Magneſiumlicht; überhaupt
öfung verliert es die Hälfte ſeines Ammoniak- | wirken die photochem. Lichtſtrahlen in der Regel auch
gebalts, und es ſcheidet ſich Fluorwaſſerſtoff⸗ Fluor: | F.erregend. Ein Stüd Papier fiebt ganz gleich aus,
ammonium, NH,F-HF, in rhombiſchen Prismen ab. | ob man dasſelbe durch ein gelbes Glas beleuchtet und
Fluoranthen, Idryl, ein Kohlenwaſſerſtoff durch ein blaues Glas betrachtet oder umgelebrt, da
von der Zufammenjekung H,o, mwelder fid ——* doch nur das wenige Licht ins Auge ge
in ben über 360° fiedenden Anteilen des Stein: | langt, welches durch beide —— Erjest man
toblenteer8 und in dem Stubbfett, einer bei | aber das Papier durch Uranglas, beleuchtet es durch
der Deftillation der Duedfilbererze von Idria ge⸗ | das blaue Glas und betrachtet es — das gelbe, b
wonnenen Mafje, vorfindet. F. ift kryſtalliſiert leuchtet dasſelbe grüngelb, da nun die blauen Strab:
und ſchmilzt bei 110°. len in folde umgewandelt werben, welde durch
inoren, Dh f. Flußſpat. das gelbe Glas in großer Menge hindurch geben.
Iuoren, Dipbenylenmetban,einim Stein: | Nah Stoles, der 1852 die F. zuerft mit dem Spel⸗
toblenteer enthaltener Kohlenwaſſerſtoff von der | troftop unterjucht hat, werden bei der F. nur Strab:
Dejemmentepuing Cs H;o, der aud beim Durche | len von Eleinerer Wellenlänge in Strahlen von
iten von Dämpfen des Diphenplmethans (f. d.) | größerer Wellenlänge umgemwanvdelt. Lommel bat
durch glühende Röhren entfteht. Es | jevodh nachgewieſen, daß bei manchen Stoffen aud
En op, enthält zwei Benzolterne nach bei: | das Umgelehrte eintritt. Beſonders ſchöne F. jeir
& HH“ ehender Ronftitutionsformel, milzt | gen viele Stoffe unter der Einwirkung von Katboden:
bei 113° und fiebet bei 295°. trablen (ſ. d.). Nach neuerer Bezeichnungsweiſe
Sluorescein, Reforcinphthalein, eine au bildet die %. zufammen mit der Phosphorescen
den Phthaleinen (f. d.) gehörende organifhe Sub: |(j. d.) unter vem Namen Photoluminescenz einen
ftanz von der Zuſammenſetzung Cy H;s0s + H,O, | befondern Fall der Luminescenz (f. d.).
die jich beim Erbigen von Phthalſäureanhydrid mit
{ ; d Fluoride, die Verbindungen des Fluors mit den
Rejorcin auf 180° nad folgender Gleichung bildet:
Metallen; der Name Fluorid wird aber auch beim
co Siliciumfluorid (f. d.) gebraudt.
GHTog 0 +2CH(0M), = Inprit, j. Slußipat.
Bothalfäureanhybrid Relorein | Iuorfal um, 1. Fluorwaſſerſtoff.
—— J. Siliciumfluorid.
CH, — Inorfiefelmetalle, die Salze der Silicium⸗
GH, \c,H,(0H)— /0+2I1,0. fluorwaſſerſtoffſäure, ſ. Siliciumfluoriv.
er Te Inorfilieium, |. Siliciumfluorid.
an z Inorfiliciummetalle, die Salge der Su
v
ciumfluorwafjerftofffäure, ſ. Siliciumfluorid.
Es bildet ein gelbrotes bis dunkelrotes Bulver, dad | Fiuorverbindungen, |. Fluor.
fib in Altobol mit gelbroter, in Alkali mit roter m
Fluorwaflerftoff over Flußiäure, HF, m:
Farbe und prachtvoll grüner, ſchon in den ftärkften | winnt man durch Grwärmen von Flußſpat oder
Fluofilitate — Flurzwang
Kryolith mit konzentrierter Schwefelfäure in einem
Dehillierapparat von Blei oder Platin. Die Bor
lage, in der man die übergehende Säure, gemöhn:
ie in Wafler, auffängt, muß gleichfalls von Blei
oder Platin fein. Man bewahrt den 5. in * chen
aus Blei oder Guttapercha auf. Er ift farblos,
flüffig, von ftehendem Gerud und äußerjt ägendem
mad, rötet Ladmus, zerftört augenblidlic ani«
malijhe Subftanzen und verurfaht auf der Haut
gefährliche Geſchwüre. Beim Arbeiten mit konzen⸗
trierten Loſungen ift die allergrößte Vorſicht ge:
boten; fein Dampf, eingeatmet, wirkt als töbliches
Gift, dem Nicklles in Nancy bei Verſuchen, das Fluor
daraus abzuſcheiden, erlag. Auch für nievere Dr:
— iſt F. ein heftiges Gift und daher als
ittel zur Zerſtörung derſelben, namentlich zur Bes
freiung der Hefe von organifierten ſchädlichen Bei:
mengungen, vorgejchlagen worden. Aus demfelben
Grunde hat man es aud) zur Inhalation bei Zungen:
ſchwindſucht empfohlen, jedoch jehr bald die Verſuche
wieder eingeftellt. An feuchter Luft bildet er weiße
Nebel. Platin, Gold und Blei werden von ihm nicht
angegriffen, Wachs, Baraffin und Guttapercha gleich:
5 8 nicht. F. greift Glas an, indem er es in Kieſel⸗
uormetalle, Fluorſilicium und Waſſer verwandelt;
daber feine Anwendung zum Üben des Glafes. Letz⸗
tere Verwendbarkeit wurde bereitö 1670 von Swan:
kard in Nürnberg entdedt. In gleicher Weife verhält
J ſich gegenüber den kunſtlichen und natürlichen
ililaten und iſt daher ein ſehr geſchätztes Mittel
der analytiſchen Chemie, Sililate zu zerſehen. Die
wajjerfreie Säure er ält man durch Erbiken des
Salzes KF-HF in einer Blatinretorte. Dasfelbe
zerfällt in Fluorkalium und %., der in einer jtart
abgetühlten Blatinvorlage zu einer bei + 19,5" fie:
benden Fü ſigkeit verdichtet wird; er erftarrt bei
— 102,5°. Statt des F. verwendet man zum Glas:
ägen auh Fluorlalium, KF,und Fluorammo:
nium (f. d.). Eriteres erhält man durd Neutrali:
fieren von F. mit Kalihydrat. Erwähnenswert ift,
dab F. leicht ſaure Salze, wie das oben erwähnte
KF- bildet.
Imofilifäte, ſ. Fluate.
lur, Feldflur, urfprünglic Bezeichnung für
das landwirtſchaftlich benutzte Feld, Ader, Wieſen,
Weiden im allgemeinen; ſpäter nannte man F. oder
Feldmark im engern Sinne die einer Gemeinde zu:
gehörigen Grundftüde, alſo mit dem Sinne der Be
renzung nad außen. Bei der Felderwirtſchaft heißt
F die in gleicher Weiſe benupte Fläche; jo giebt es
3.B. bei der Dreifeldermwirtichaft drei F.
Flurbereini ung Slurregelung, in Süd:
deutichland üblige —— ur die Underung
einer Dorfflur durch Grundftüdszuiammenlegung
und sFeldwegregelung, f. Zufammenlegung ber
Grunditüde.
Flurbuch, das in der Regel bei der Steuer:
bebörde (Katafteramt) geführte Bud, in welchem
unter fortlaufenden Nummern die einzelnen Grund:
ftüde eines örtlihen Bezirks unter Angabe ihrer
Größe und unter Bezugnahme auf die ihre örtliche
Lage und — a ag barjtellende Karte aufgeführt
nd. zu e bildet die unentbebrlihe Grundlage
r das über die Eigentums: und Hypothelenver⸗
ältnifje bei Gericht oder der Gemeindebebörde ge:
uhrte Grundbuch ( d.). Deden ſich nicht die de
altung der Örtlichleit, das F. und das Grundbuch,
o find Berwirrungen der Rechtsverhältniſſe unaus:
leiblib. Die korrelte Fortführung des nad der
Brodhaus’ Monverfations-Leriton.. 14. Wu R.U VI.
833
drtliben Vermeſſung angelegten F. und des aui
bas F. Bezug nehmenden Grundbüchs ift deshalb
von allergrößter Wichtigkeit. Wo die Zurüdführung
des Grundbuchs auf das Grundlatafter (f. d.)
durchgeführt ift, darf eine für dad Grundbuch maß:
ebende Zeilung eines Grundftüd3 in mehrere
Pelbftändige Grundftüde oder eine Zufammenlegung
mebrerer nebeneinander gelegenen Grundftüde zu
einem einheitlihen Grundjtüd nicht ohne vorgängige
Regelung des F. erfolgen. Zur Vermeidung von Ir
tum und Berbunlelungen, welche infolge einer ört:
lihen Beränderung ber Oberfläche eintreten können,
muß von Zeit zu Zeit eine Revifion des F. durch
Vergleich desjelben mit der Örtlichkeit ftattfinden.
—— ſ. 78 —
rregelung, ſ. Flurbereinigung.
lurſchäden, ſ. ber und Friedens:
tungen.
lürfcheim, Michael, Bodenreformer, geb.
27. Jan. 1844 zu —— a. M., war zuerſt im
Bantjad thätig, lebte von 1867 bis 1872 in den
Vereinigten Staaten von Amerita und gründete
nad) jeiner Rüdlehr die ſeit 1888 ald Attiengejell:
haft unter dem Namen « Eiſenwerle Gaggenau,
Attiengeſellſchaft⸗ bekannte Fabrit in Gaggenau
in Baden. Seit 1888 Rentier und Verwaltungsrat
genannter Werte und ſeit 1892 mit dem Wohnfik
in Gaftagnola bei Lugano, lebt F. faft ausschließlich
feiner litterar. Thätigteit und der Verbreitung jei:
ner ‘dee der Bodenverftaatlihung. 1887—89 res
digierte er in dieſem Sinne die Tata
« Deutſch Land», melde 1890 in die Wochenſchrift
“
lei
Frei Land. Organ des ae en Bundes für
Bodenbefigreform» — welchen Bund F. mit
Geſinnungsgenoſſen 1888 begründete. F.s Arbei:
ten find dem Nachweiſe gewidmet, daß das Bing:
und Grundrenteneintommen der Einzelnen die Ur:
face der Vermögendanfammlung in wenigen Hän:
den und der Notlage der groben Maſſe jei, und
daß dieſer Zuftand mit der Bodenverftaatlihung
verjhmwinde, welche die Möglichkeit gewähre, die
Vorteile des Individualismus zu erhalten und bie
Nachteile des Socialismus zu vermeiden. (S. Land:
liga, Deutice.) Er ſchrieb: «Auf friedlihem Wege»
N aden⸗ Baden 1884 u. d.), «Deutichland in 100
abren» (Bubenbeim 1887; neue Ausgabe, Dresd
1890), « Sapft und Socialreform» —— 1890),
«Der einzige Rettungämeg» (Bubenbeim 1887; aus:
führlichere Bearbeitung, Dresd. 1890), «Rent, In-
terest and Wages» (Fond. 1891), «Baufteine. Bei:
träge zur Socialreform» (Dresd. 1895), «Währung
und Weltkriſes (Mien 1895); außerdem eine An-
zahl Heinerer Arbeiten.
Inrfchägen, |. Feldhuter.
lurzwang, ein ug Ser eine
(f. d.) und des .altgerman. Dorfſyſtems (f. d.), iſt
die rechtliche oder faktifche Beichränlung der Grund:
befiger in der Benußung ihrer meijt «im Gemenge»
—— Grundſtücke, namentlich der Zwang, die:
felben nad) dem von der ganzen ——
angenommenen Wirtſchaftsſyſtem, gewöhnlich der
Dreifelderwirtſchaft, zu beſtellen, die gemeinſchaſt⸗
liche Brachweide zuzulaſſen und die Überfahrt zu ge:
ftatten. Die Gemengelage (f.d.) ſelbſt, welche dieſes
—* zu einer Notwendigleit macht, iſt dadurch
entſtanden, daß urjprünglich jeder Hufenbefiger in
jedem Gewann einen Streifen erbielt und daß dieje
Stüde immer weiter — wurden. In der neuern
Zeit iſt der F. durch einbeitsteilung (ſ. d.) und
68
834
Zufammenlegung (f. d.) der Grundftüde in den
meiften Gemeinden aufgehoben worden, jedoch noch
immer nicht vollftändig verſchwunden. Auf ge:
[htofiene Höfe hat er natürlich nie oder doch nur in
eichränttem Maße Anwendung gefunden. — Bal.
——— im ·Handworterbuch der Staats⸗
wiſſenſchaften⸗, Bo.3 (2. Aufl., Jena 1900).
ud, Mehrzahl von Fels, marokl. Geldbe⸗
nennung, |. Udia.
Fluſch, Meine Gelvrehnungsftufe in Basra
(afiat. Türkei) und in Buſchir (Perſien), des
Mamüdi oder * 1000 bes perf. Kran (f. d.), jebt
etwas mehr als ?/,, Pfennig Reichswä
00 Kreuzer öfterr. Währung. [Bliffingen.
ih (ipr. floſch⸗), engl. Name der Stadt
Iu Ing (ipr. öfch-), feit 1898 Stadtteil von
Groß:Neuyork (f. Neuyork nebft Situationsplan),
zum Ward Dueens gehörig, ungefähr 13 km nord⸗
öftlich von Brooklyn an der Fluſhing⸗Bai, hatte
1890: 10868 €,, jhöne Straßen und Billen und
ift Wohnort vieler Neuyorter Kaufleute.
Fluß, in der Geographie, ſ. Flüfie; F. in der
Chemie und Metallurgie, } 5 ußmittel; in ber
Medizin ne (Fluxus) foviel wie Rheumatis⸗
mus (f.d.); Weißer F. ſ. Leuforrböe.
Infaal (Anguilla vulgaris F |
iſchel 58: 8), zur Familie der Yale (f. d.) ge:
‚öriger Mei flofjer mit glattem Kopfe und mal»
igem Leibe, Heinen, weit nad hinten geitellten
ruftfloffen und Heinen Kiemenöfinungen darüber
in der Nähe des Nadens, ein nüchtlich munterer
Fiſch, der bei Tage im Schlamm liegt. Er it ein
ge äßiger Raubfiſch, defjen welter Rachen mit pe
en Halenzähnen bewaffnet ift, wird bis 1,50 m lang
und 5 ku wer, frißt vorzugsmeife Heine Fiſche,
Froſche, Aler, Inſelten und Gewürm und fängt ſich
beſonders leicht bei Gewittern an den mit Heinen
Weißfiſchen befegten Grundangeln. Daß er bei Re⸗
genmetter und im Nachttau aufs Land krieche, um
nad Regenwürmern und Gchneden auszugeben,
ſcheint eine Fabel zufein. Zum Laichen gebt ver Aal
in das Meer, und zwar finden die Wanderungen von
Dftober bid Dezember in fintern Nächten ftatt; er
wird erft im Meere oehlehtäreif; die weit kleinern
Männden hat man bis jetzt nur im Meere oder
in bradifchen Buchten gefunden, fo daß alfo alle in
Süßmäflern vorlommenden F. Weibchen mit noch
unreifen Giern find. Solche, die aus irgend einem
Grunde nicht in dad Meer gelangen können, werben
unfrudtbar und —— die bedeutendſten Größen.
Db der F. lebendige junge zur Welt bringt oder
Gier legt, ift noch nicht fgergeelt doc ſprechen
neuelte Beobadtungen fürlekteres. Vielleicht geben
die 8; nad dem Abjage der Brut zu Grunde, wie
die Lampreten. Die weiblihen Jungen fteigen im
März und April in F äußerit zahlreichen Schwär⸗
men die Fluſſe hinan (franz. montée; ital. montata),
Der ommt in allen Gewäſſern, ganz vorzüg⸗
lich aber in Bradwaflern und Lagunen fort. an
einigen Orten, wo fie in ungebeurer Menge vor:
tommen, wie 3. B. in Dänemarl, Schweden, in den
Lagunen der Pomundung bei Eomacdio (f. d.),
bilden die 5. friſch, geſalzen, getrodnet, geräuchert
oder mariniert einen bedeutenden Ausfubrartitel.
Bon alters ber giebt es bier finnreiche reufenartige
Vorrichtungen zum Abfangen der meerwärts wan-
dernden ausgewacjenen F. * Deutſchland wer⸗
den ſolche Wanderaale vielfach bei Mühlenwehren
in durchlöcherten Kiſten, den ſog. Aalkäſten, ge
Tafel:
Flus — Flüſſe
eg Nach der Abtrennung des Kopfes winden
ich die Stüde noch lange Zeit, da die Reflexthätig—
leit des Rüdenmarls * lange anhält. — Bal.
Leonhardt, Der gemeine F. (Stuttg. 1902).
Infadler, joviel wie Fiſchadler (f. Apler).
Inhbäder, ſ. Bad. iſche I, Fig. 8).
lußbarbe, die gemeine Barbe (f. d. und Tafel:
Iußbarfch, der gemeine Bari (f. d. und Ta:
fel: Fiſche V, Fig. 4). ,
Flukbau, diejenigen Bauarbeiten an einem
Fluſſe, welde die Herrihtung einer gleihmäkig
tiefen und der Schiffahrt auch hinſichtlich des
Gefälles und der Krümmungen bequemen Fahr—
rinne anftreben, entweder unter Anwendung von
Buhnen in oder Parallelwerlen (f. d.), oft unter
Zuhilfenahme von Eoupierungen (f. d.), Ufer:
dedungen (f. Uferbau) u. a., oder dur Kanali—
ierung des Fluſſes, d. b. durch Einbauen von
ren (f. d.) und Schleufen (f. d.), welde die
Fahrtiefe durch Aufitau vergrößern und dem Fluſſe
eine treppenartige berfläche geben. Die einzel:
nen durh Wehr und Schleufe gebildeten Stufen
liegen dann bei Flüffen in der Niederung oft viele
Meilen voneinander entfernt. Regulierung und
Kanalifierung treten fonad beim Ausbau eines
Fluffes in Frage, und die Auswahl — beiden
wird am beſten ſo getroffen, daß kleine Gewäſſer,
alſo auch die obern Streden großer Ströme, durch
Kanaliſierung, dagegen größere Fluſſe, beſonders
im Pe ray durh Regulierung für die Zwede
der Schiffahrt ausgebaut werden, wobei bann wieder
die Anwendung von Parallelwerten für die Flüſſe
eringerer Breite, Dagegen Buhnenbau für die gan;
reiten piafie und Ströme der Niederung empfohlen
werden kann. Vielfach werben bie Flubbauten aud
KRorreltiondbauten genannt, da fie zum Zwede
der Verbeflerung, Korreltion der Waflerläufe aus:
gerührt werden. (S. aud Wildbahverbauung.) —
l. Hagen, Handbud der Wafjerbaukunft, ZI. 2:
un hbälungen, Strombauten und iffahrts⸗
tanäle (3. Aufl., 4 Bde., Berl. 1871—75); Hochen⸗
burger, Über Be chiebsbewegung und Eintiefung
fließender Gemwäfler (
luß: und Strombau
3. 1886); Schrader, Der
he er 1887); zus --
wanziger er die Regulierung von geſchiebe⸗
führenden Stüffen (Graz 1898); Wi me Brei
tierung und Veranſchlagung von *—
(Lpz. 1899); Kreuter, Garbe und Koch, (im
«Handbub der Ingenieurmwiffenfhaften», Bo. 3,
3. Aufl., ebd. 1899).
Iußbett, Rinne eines Fluſſes, f. Fluſſe
Infbride, ſ. Neunauge nebft Tertabbilvung.
Iufdeich, |. Deich.
Lüffe, Bezeichnung für diejenigen fließenden Ge:
wäjjer, welche aus der Vereinigung me Bãche
entſtanden ſind oder den — eines Sees bilden.
Unter Strom verſteht man einen Fluß von großer
MWaflerfülle, der fih unmittelbar ind Meer oder
einen meeräbnlihen Landſee, wie 3. B. die Wolaa
in den Kaſpiſchen See, ergießt. nachdem ſich
die F. unmittelbar oder mittelbar in verſchiedenen
Abſtufungen mit dem Hauptfluffe vereinigen, heißen
fie Neben», Zus, Bei: oder Seitenflüfie.
Seinen Namen erbält der Hauptfluß gemöbnlich von
demjenigen ber bildenden Duellflüfie, deſſen
Urjprung am entjernteten von der Mündung ded
Ganzen ift, deflen Lauf alfo der längfte und deſſen
Waflermenge daher meift auch die größte ift, unt
der zugleib bei der Einmündung eines andern in
Flüſſe
ihn feine Richtung beibehält; entſteht ein Fluß
durch Vereinigung zweier oder mehrerer gleihgroßer
Quellflüffe, jo erhält er oft einen neuen Namen,
wie die vereinigte Werra und Fulda Wefer heißen.
Sehr häufig haftet auch der Name des Hauptitroms
im O * an kleinern Nebenflüſſen, während
die eigentliche Fortſezung wie ein Nebenfluß be:
handelt wird und einen andern Namen bat. So ift
die Moldau als Oberlauf der Elbe, die Saöne als
der der Rhöne zu betrachten. Küſtenflüſſe er-
gießen ſich nah kurzem Laufe ins Meer. Step:
penflüffe verlieren fi im Sande, in der Erde
oder in einem See ohne fihtbaren Abfluß. Fluß:
bett nennt man die Rinne eines Flufjes, Spiegel
die Oberfläche desjelben. Die Geſchwindigkeit
der %. oder ihrer Strömung ift nicht bloß durch die
Abhängigkeit oder Neigung ihres Bettes, d. b. durch
das Gefälle, bedingt, jondern ebenfo ehr durd die
Waſſermenge oder den Drud des Waflers, und
demgemäß ſehr verſchieden. Hieraus ift es zu er
Hären, wenn z. B. der Rhein bei einem viel ab:
bängigern Slufbette langfamer fließt als die Donau.
Die Gefchwindigleit nimmt zu vom Grunde nad
oben und von ben Ufern nach der Mitte; am größten
ift fie in der Mitte, aber etwas unter dem Spies
gel. Zur Meffung der Geſchwindigkeit dienen
Strommejjer oder Rheometer.
‚Die Waffermenge der F. ift außerorbent-
lich prob; jo ergießt die Wolga in einer Stunde
30 Mil. cbm Waſſer ins Kaſpiſche Meer. Die
Waflermenge hängt ab von der Größe des Fluß:
gebietes, von den Niederſchlags⸗ und Temperatur:
verhältnifien desfelben, von der geolog. Beſchaffen⸗
beit des durchſtrömten Bodens u. ſ. w. Sie ift ſehr
Ihwantend, nicht nur im Laufe eines 5* on⸗
dern auch in größern Zeiträumen. Die jährliche
Schwankung hängt in gemäßigten Zonen weniger
von den Niederfchlägen, melde ja gleihmäßig im
Jahre verteilt find, als von der Schneefhmelze
ab. In den Subtropen und Tropen richtet fich
der Waſſerſtand nach der Regenzeit; ebenſo regel:
mäßig wie dieſe ändert 9* auch jene. *
ſind die Beiſpiele des Nils und Ganges. Zur
ſelbſtthätigen Meſſung der Waſſerſtände dienen
die Begel (ſ. d.). (S. auch Fiume.)
Die F. führen große Mengen von Mineralien
teild in jeher, teild in aufgelöfter Form mit nd.
Die Größe der feiten Stoffe nimmt nad unten ab,
Die Ben löde werben gewöbnlih nur im
Oberlauf noch fortbewegt, im Mittellauf ſetzt na
das Gerdll nieder, im Unterlauf findet fih nur n
Sand, der gegen die Mündung immer feiner wird.
Hier bilden fih an Stellen, wo die Geſchwindigkeit
fih verringert, wo Rüdftau ftattfindet, oder mo
zwei lonvergierende Strömungen zufammentreffen,
zJ. B. am o und untern Ende von Inſeln,
Sandbänte. Das feinere Material wird bis ing
Meer getragen und bilvet get wenn es nicht
durd eine Strömung wegae! afjt wird, ein Delta
( . d.). Bei großen F. z. B. dem Hoang:bo gelangen
anz feine, ftaubartige Maſſen meit ins Meer
Binaus und jegen fich erft dort nieder. Die im Fluß
gelöft enthaltenen Mineralftoffe, beſonders kohlen⸗
und jchmefelfaurer Kalt, werden ind Meer geſchafft,
dort durch gewiſſe Tiere umgewandelt und bilden
die gewaltigen marinen Ablagerungen, deren Ent:
ftebung lange Zeit unerklärt war.
ie Farbe des Flußwaſſers wird bedingt
durch die darin aufgelöften oder ſuſpendierten Be:
835
ftandteile. Sie ift fehr verjhieden, vom Weißen
(Rio Branco) bis zum Schwarzen (Rio Negro),
vom Gelben (Hoang:bo) bis — Blauen (Rböne);
am bäufigiten ift außer dem Glashellen das Grüne
in den verjchiedenften Abjtufungen.
Ein plögliher bedeutender Höhenunterfchied in
dem Gefälle bewirkt einen Wafjerfall (f. d.);
—— Verengerungen oder Einſchnurungen des
ettes — Stromſchnellen oder Strom—
ſchuſſe (Rapiden), bie beſonders häufig bei Strom⸗
durchbruchen find. Seltener it die Flußſchwinde
en: indem ein Fluß eine Strede weit
unterirdiſch, d.i. in einem Abgrunde oder einem von
Felsmaſſen überdedten Bette, unfichtbar fortfließt,
wie z. B. die Rela (f. d.). \
Bebält der Lauf eines Fluſſes keine entſchiedene
Richtung bei, fondern windet fi hin und ber,
wie es bejonders bei geringem Gefälle geſchieht, fo
bildet er Krümmungen oder Schlangenwindungen
(Serpentinen, Mäandrinen). Bei der Regulierung
der F. jchneidet man die Windbungen durh Dämme
ab; die abgetrennten Teile werden dann zu fog.
Altwaffern (am Miffiffippi Bayour genannt).
Zeilt der Fluß fich in zwei oder mehrere Betten, fo
entftehben Stroms oder ——— Die ge
trennten Zeile beißen $lußarme; vereinigen fie
wieder, fo fchließen fie $lußinfeln (Werder,
uen, Kämpen) ein. Das durd die Ablagerun:
gen eines Flufje gebildete eye eur beißt
elta (f. d.). Nicht felten ift die Slußmündung
meerbufenartig erweitert und bildet dann ein Uſtua⸗
rium (f.d.), früber anegatives Delta» genannt, wenn
innerhalb verjelben die Gezeiten ſich geltend machen,
wie z. B. inder Elbe, Wefer, Themfe, im St. Lorenz,
Gabun u. f. w., oder einen Süßmwafjer: oder Mun⸗
dungsgolf. Liegen einem foldhen entweder eine
Landzunge bg oder größere Sajeln vor, fo
baß er fat ganz vom Deere geſchieden ift, jo bildet
er babinter ein Haff (f. d.); liegen aber nur Eilande
vor, bie ihn vom Deere wenig abjondern, jo heißt
er Siman. Die fürzefte Linie zwischen der Quelle
und der Mündung ke ber direfte Abſtand oder
bie direlte Länge des Fluſſes und die Richtung diefer
Linie die Haupt: oder Normalrihtung. Dagegen
nennt man Stromentwidlung bie ganze Yänge
eines Flußlaufs mit allen jeinen Krümmungen.
Nach den durch die Höhe und die übrige Beſchaffen⸗
beit des Bettes bedingten Eigentümlichleiten ſei⸗
ner Entwidlung teilt man den ganzen we eines
vollftändig entwidelten Stroms in drei Teile over
Hauptjtufen: den Oberlauf im obern Stufen.
lande, wo die Erojion allein thätig ift, ven Mittel:
lauf, bei welchem die Erofion aufbört, Ablagerung
aber aud nicht ftattfindet, weil die Sintftoffe immer
noch fortgeihafit werden, und den Unterlauf im
Zieflande, wo nur Ablagerung ftatthat. Nicht alle
. zeigen dieſe drei Zeile, Manden, 3. B. den
iederungsflüffen, feblt ver Oberlauf, andern, wie
den Wilpbächen, der Mittellauf; Unter: und Mittel:
lauf mangelt den 9 aus Küftengebirgen ins
Meer ftürzenden F. (Schweden und Norwegen). Bei
— wiederholen ſich die drei Teile, wie beim
Rhein, der Donau und den meiſten afril. Strömen.
Flußs oder Stromfpftem nennt man einen
Hauptfluß mit feinen fämtlihen Quellen, Bächen,
ebene, Zus, Beir und Seitenflüflen; die Zeich⸗
nung eines ſolchen bydrogr. Ganzen Na ein
Flußnes, das natürlich die verſchiedenſten For:
men haben kann. Am regelmäßigiten ift ed, wenn
53*
836
ein Hauptitrang von beiden Seiten Zuflüſſe in
leicher Stärle und Zahl erhält (Bo, Amazonen-
trom); häufig ift die eine Seite ftärker entwidelt
als die andere (Theiß, Rhoͤne). Sehr häufig findet
fh das Syſtem, wo ein Hauptitrang durch zwei
oder mehrere gleichwertige & gebildet wird (Barana:
Baraguay, Loire: Allier, Dwina, Dnjepr, Seine,
Indus). Die Länderftreden zufammengenommen,
welche ihre Gewäfler einem und demfelben Haupt:
fluß zufenden, bilden das Zube oder Stromge:
biet, auch das Beden oder Baffin genannt. Die be:
biete mebrerer F., welche vemfelben Meere zufließen,
bilden zufjammen ein Meergebiet. Die Grenze zweier
dlußgebiete heißt Waſſerſcheide, die Grenze
zweier a ei aber Hauptwafferfbeide,
F A. Philippſon, Studien über Waſſerſcheiden,
3. 1886.) Europa bat eine Hauptwaſſerſcheide,
die vom nördl. Ural quer bis zum ſüdl. Portugal
Flüſſe
Kähne und Waren leicht von einem Fluß in den
andern ſchaffen kann, daher man dieje Stellen, die
ſich namentlich zur Anlage von Kanälen eignen, aub
Tragepläße (portages) nennt. Niedere Scheiden
werden, beſonders in Tropenländern, zur Regen:
zeit ganz —— daß die Waſſerſcheidung
zeitweilig gänzlich aufgehoben ift. Es giebt aber
au konſtante Berwirrungen zweier, Flußgebiete,
indem innerhalb einer Blattebene zwei 5. nabe bei
einander fließen und bei Spaltungen derſelben ein
Arm des einen in das Gebiet des andern ne
Solde natürliche Flußverbindungen, aub Gabel:
teilungen, Bifurlationen oder Bifluenzen
enannt, finden fi in Europa bei dem Arno, wel:
er burd die Chiana mit dem Tiber, bei der Haaje,
einem Nebenfluß der Ems, welcher im Danabrüdi:
(gen burd bie sie mit der Werre und jo mit der
ejer verbunden ift; zwiſchen Immendingen und
Diluvialthäler der Rorbbeutihen Tiefebene.
zieht. In Afien ftehen zwei Hauptwaſſerſcheiden
aufeinander fentreht. Zwei hat auch Afrila. Am
vermwideltjten find fie in Amerita. Dieſe Scheiden
oder Ränder der Flußbeden liegen ſtets relativ
böber, aber feinesmeg3 immer auf den abfolut höch⸗
* Stellen zwiſchen zwei Gebieten. eichen
ie ganz nahe und parallel den höhern Gebirgs—
zügen, I anz entfernt von ihnen und in ganz
anderer iötun ; oft ziehen fie durch Ebenen ala
niedrige Waflerjheiderüden, faum mertbare Boden:
anſchwellungen (Thalwaſſerſcheiden). Nicht felten
liegen die Quellen mehrerer Flußgebiete ve Höhen
ſeht nabe beifammen, 3. B. auf dem Fichtelgebirge
die Quellen des Mains, der Naab, der Eger und der
Saale, von denen der erite Ar Rheins, die andere
zum Donaus, die beiden legten zum Gibegebiet
gebören. Mitunter aber entfließen au F. einem
und demjelben Sumpfe in entgegengefesten Ri:
tungen, au verſchiedenen Gebieten gebörig. In Ebe:
nen find die Waſſerſcheiden häufig jo lab, daß man
Möhringen in Baden verfintt ein Teil des Donau
waſſers und fließt in 11 km Entfernung dem Rhein:
gebiet zu; am — 4 aber in Sübamerita, wo
ein Arm bed Orinoco 9 d.), der Caſiquiare, in den
Rio Negro, einen Nebenfluß des Amazonenjtroms,
fließt, und bei den großen Strömen Hinterinbien®.
eränderungen von een ie nd nidt
felten. Sie erfolgen meiftend im f. Be
rühmt find die Stromverlegungen des Hoang-be
(f. 2 und Amu (f. d.); aud die mweftl. Zipfel
des Bodenſees bei adolfzell und Ludwigshafen
d nichts anderes als ehemalige Rheinausflüſſe.
m haufigſten verſchmelzen zwei urſprunglich ge
trennte Flußſyſteme durch Erweiterung des Deltas.
So wurden Euphrat mit Tigris, Aras mit Kur,
Donau mit Pruth, Rhoͤne mit Durance vereinigt.
Dft tritt aber auch der —— ein, daß
ehemalige Nebenfluſſe ſelbſtaͤndig werben; ein Bei:
ſpiel iſt die Etſch, die ehedem in den Po mundete,
aber durch Ausdehnung des Podeltas von dieſem
Flüſſe
getrennt wurde. Großartige Veränderungen er: |
litten die F. der Rorddeutſchen Tiefebenefeit ver Dilus
vialzeit. an ur auf S. 836 zeigt in feiner Bunt:
tierung den Verlauf der Diluvialthäler, Weichſel,
Oder und Elbe vereinigten ſich bei der heutigen
Havelmündung zu einem großen Strom, der dem
jeßigen Unterelbthal folgend in die Nordfee mün:
dete. Weder ber gegenwärtige Unterlauf ver Weich:
fel, noch der der Over eriftierten damals. Gin be:
rübmtes Beifpiel von Stromveränderung, bie in ges
ſchichtlicher Zeit vor 9 gin „bietet ver Jſonzo (f. d.).
Die Urſachen diejer Yaufveränderungen find be:
onders bie — Zuſammenſetzung der Unter:
age, veränderte Geſchwindigleit, andere Nieder:
chlagsmengen u. ſ. w., nicht aber, wie 8. €. von
aer irrtümlich meinte, die Erbrotation.
Die Bedeutung Fr berubt einmal auf ihrer
Feng Say dann auf den Rinnen, in denen fie
fließen. Sie wirken Hand in Hand mit der Küften:
nlieverung auf die Aufſchließung ber Länder bin,
find Böltervermittler und ſchließlich Völfervereiniger,
aber aud wichtige Grenzmittel, entweder vertrags:
mäßig anerfannte oder ta —B träge Böller
ftauend wirkende. Durch —* iſchreichtum und
die fruchtbaren Anſchwemmungen find fie ihren Ans
wohnern direft nahrungfpendenv.
Stromlänge und Stromgebiet der größten F.:
Stroms
gebiet
E
— 960
Bolga .....- 450
Donau .» 2... 335
Dnjepr . ... 280
Divina Re i ö B
zu ee long... . . 4200| 3690
Rhein mit Maas FR 3008
ee 2660] 1390
Loire. 2... ./1002) 11 lohari . . . .. Eye
D a E °\.) 1237* 1583
ee 1430] 441
Niemen. . ...| 907 Alumni ., >
Düne... ..| 80 Slnum
Ebro...... Bu | 7 | BE 1 5 ren un 108
— 6 1 Paper 630] 149
zZ ji RER *
| Zr
5500| 7050
ee 3700| 3104
diana . . .» „| 820 6530| 2248
Guabalquivir . .| 330 km
Befer mit Werra | Tu) Almen 3400| 1080
Aflen: 9235| 94
“. . 00.00 + 1892101 915 I DEU oO 00. —* ‚+
— | 50
Umur „2... 4480
«tfesfiang , . 570
Fer Di
put 2...
Soang-bo . . . . 4100| MojMurran . . . . 3500| 90
Über die Schiffahrt auf F f. Flußſchiffahrt.
Die Erforfhung der F. ijt das Gebiet der Fluß:
tunde (Rheologie, Botamologie), eines Zweiges
der ne (1. d.). j ,
‚ Bezüglid der A an F. gilt
im Deutihen Reich nur Landesrecht (Einführungs⸗
geſetz zum Bürgerl. Geſetzbuch Art. 65). Öffentliches
und Privatrecht hängt bier zu ſehr zufammen, als
837
daß das Bürger. Gefegbud allein die privatrecht:
ade Seite einheitlich hätte regeln können; zudem be:
ſtehen örtlich und bijtorifch zu verfchiedene Berhält:
ir in Deutſchland. Die 5 zerfallen rechtlich in
öffentliche und Privatjlüffe. Offentliche F.
find die ſchiffbaren und die mit gebundenen Flößen
fößbaren (nad Preuß. Landr. II, 14, 7 2, nur die
ihiffbaren), und diefenurfo weit, als fie * oder
oßbar find. Doch erllärt das bayr. Gejek über die
nußung des Waſſers vom 28. Mai 1852 auch die
Nebenarme öffentlicher 3. für öffentliche Gewäſſer,
joweit nicht entgegenitehende Rechte erworben find.
Hier und da hat jid die röm. Auffafjung Geltun
verſchafft, daß als öffentlich auch ſolche nicht ſchiff⸗
baren größern F. gelten, welche im Sommer nicht
verfiegen. Nach Preuß. Landrecht a. a. D. find die
von Natur jhiffbaren Ströme ein gemeines Eigen:
tum des Staateö, nad) dem angeführten bayr. Ge:
fee find die öffentlihen Gewaͤſſer ein zu allge
meiner Benußung beitimmtes Staat3gut, nad) franz.
Recht werben fie u als «Dependances du
domaine public». Das Oſterr. Bürger. Gejebb.
$. 287 bezeichnet die Ströme oder E als allge:
meines oder Öffentlihes Gut. Nach öfterr. Geſetz
vom 30. Mai 1869, $.2, find aud die Seitenarme
der {if und flößbaren 5. öffentliches Gut; und
nad $.3 überhaupt alle fließenden und ſtehenden
Gewäſſer, injomweit fie nicht infolge geſetzlicher Be:
ftimmungen oder befonderer Privatrechtätitel je:
manbem zugebören. Nah Gemeinem Recht find
die Öffentlichen %. res extra commercium (f. Com-
mercium), an denen ein Privateigentum nicht
erworben werden kann. Das ſchließt nicht aus,
daß einzelne Rechte, wie das — (ſ. d.),
das Recht auf Benußung der Triebkraft zu Muhlen⸗
oder Fabrikanlagen oder Benukung des Waſſers
durh Ableitung aus dem Flufle mittels Kanälen,
welche im Brivateigentum jtehen, das Recht auf
Durdleitung von Röhren, durd Konzefjion des
Staates oder eine dieſelbe erjeßende unvorbentliche
Verjährung (j. Unvordentlichteit) erworben werben.
Denn die deutihen Könige nahmen jhon früh ein
Regal an den öffentlihen F. in Anſpruch, jo in
einer Constitutio de regalibus vom J. 1158. Das
Langobardiſche Lehnsrecht erflärt die ſchiffbaren F.
für Regalien. Darauf war zurückzuführen, wenn
der Bau von Brüden über öffentliche Ströme, die
Ginrihtung von Fähren (f.d.) zur Benugung gegen
Entgelt, die Anlegung von Wehren, Scleujen,
Mühlen und Fabriten zur Benutzung der Wajjer:
kraft unter Einſchränkung des Gemeingebrauds,
von Wafch: und en nur mit ftaatlicher
Konzeſſion geftattet war. Heute werben derartige
jtaatlihe Genehmigungen mehr oder in erfter Linie
aus polizeilihen Gründen gefordert. Nach der
Deutt en Gewerbeorbn. $. 16 bebürfen Stauan:
lagen für Waſſertriebwerle überhaupt, auch ſoweit
fie in Privatgewäflern angelegt werben, der Ge:
nehmigung der nad) den Landesgeſehen ———
Behörde, welche erſt nach dem dort geordneten Ver
ahren zu erteilen iſt. Dabei ſind außerdem die da⸗
t beſtehenden —— en Vorſchriften anzu⸗
wenden. Eine ähnliche Beſtimmung bat das öſterr.
Geſetz vom 30. Mai 1869, 88. 16 und 17, bezüglich
der Stau: und Triebwerle an öffentlichen und Sribat,
flüffen. Die Konzeffionen wurden früher gegen Er:
teilung einer Abgabe auferlegt, das Regal war da:
durch einnußbares Redt. Rab 8.7 ver DeuticenGe:
werbeorbnnung find vorbehaltlih der an den Staat
838
und die Gemeinde zu entrichtenden Gemerbeiteuern
alle Abgaben, welche für den Betrieb eines Gewerbes
entrichtet werben, ſowie die Berechtigung, dergleichen
Abgaben aufzuerlegen, aufgeboben. Unterjchieven
von diefem den Gemeingebrauh beſchränkenden
Regal war jhon früher das Hobeitsrecht, welches
der Staat im allgemeinen Intereſſe wie im ut
des Gemeingebrauds bezüglich der öffentlichen F.
teild durch Erlaß von Gefegen, teild durch Hand:
babung der Polizei, verbietend und verhindernd,
teils durch pofitive Fürjorge für die Erhaltung und
Wiederberitellung der Waflerftraßen im Intereſſe der
Se ni (1. Flußſchiffahrt) ausübte. In beichräntter
Weile wird das ſtaatliche Hoheitsrecht auch bei den
Privatgewäflern ausgeübt, Es eritredt fich hier
wie bort unter anderm auf bie Verhinderung von
Verunreinigung der Waflerjtraßen durch Einlaufen:
laſſen ungereinigter, ſchädliche Stoffe enthaltenver
Abwäſſer (f. d. und Flußverunreinigung).
Das Flußbett hat diefelbe rechtliche Natur wie
der Öffentliche Fluß. Es grenzt ſich gegen das im Pri⸗
vateigentum —— Ufer nach dem mittlern Waſſer⸗
ie des Fluſſes ab, jo daß eine vorübergehende
Iberihwenmung das Privateigentum nicht ändert,
| —— hat den Schiffern den Leinpfad
für die Fortbewegung —— ohne Entihädigung
zu geſtatten, ebenſo die Anlegung der Floße und
Schiffe an den dieſen von der Behörde angewie—
ſenen Plätzen; er iſt zur Uferbefeſtigung berechtigt
und verpflichtet. Nach dem öjterr. Geſete vom
30. Mai 1869, $. 44, ift die Ausführung von
Maßregeln zum Schuß der Ufer, Grundftüde, Ge:
bäude, Straßen, Eijenbahnen und fonjtigen Ans
[open an Strömen, F. und Bäcen gegen die ſchäd⸗
lien Einwirkungen des Waſſers oder zur eis
tigung des bereit eingetretenen Waflerjhadens,
injofern feine bejondern rechtlihen Verpflichtungen
anderer beſtehen, zunächſt eine Angelegenheit
derjenigen, welden die bebrohten und beſchädig⸗
ten Liegenschaften gehören. Nach dem preuß. Gefek
über die Strombauverwaltung vom 20. .. 1883
ne die Uferbefiger auf Anordnung der Strom:
auverwaltung gegen Entjhädigung zu den im
öffentlichen uterefle anzulegenden Stromregulie-
rungswerlen den erforderlihen Grund und Boden
abzutreten und find anderweiten Beſchränkungen
unterworfen; ebenjo nad dem angeführten bay.
Geſetz. Das Gejek ordnet das dabei einzubaltende
Verfahren. Über die Rechtsveränderungen, die durch
Anlandungen u. f. m. entftehen, ſ. Alluvion.
Die nihtö als mit ihren Flußbetten
ſtehen, wie die Bäche, wo nichts anderes hergebracht
ift, im Eigentum der Anlieger. Das tft nicht jo
u deuten, daß die Wafjerwelle im Privateigentum
tebt. Aber ver Fluß al ſolcher jtebt, ſoweit andere
Rechte nicht befonders begründet find, den Anliegern
zur ausſchließlichen zig Mac Fluß zu. Der
einzelne kann das Wafjer — erieſelung ableiten,
wenn er das von dem Boden nicht aufgeſogene
Waſſer dem Fluſſe wieder zuführt, bevor derſelbe
das folgende Grundſtück berührt. Er darf darin
fiſchen, auf demſelben fahren, das Waſſer zu Wirt:
— benutzen, dem Fluſſe in mäßigem Um:
ang unſchädliche Abwäſſer zuführen. Doch bat
überall die Benukung des einzelnen darauf Rüd:
—* zu nehmen, daß den andern Anliegern dasſelbe
Nutzungsrecht zuſteht. Für Preußen gilt das Geſetz
vom 28. Febr. 1843 über die Benugung der Privat:
flüjje; eins vom 25. Juni 1895 regelt die Fiſcherei
Flußeiſen — Flußgötter
der Ufereigentümer in den Privatflüffen der Rhein:
provinz; für Bayern enthält das Gejeg vom
28. Mat 1852 in Art. 39—65 Beitimmungen; für
Dfterreih das Geje vom 30. Mai 1869 in den
$83.10—14. Diefes und das bayr. Gejeß haben auch
vorgejeben, daß —— welche ſich zur Be:
ſchiffung oder Be ja mit gebundenen Flößen
eignen oder hierzu vom Staate eingerichtet werben,
für öffentliche F. erflärt werden fönnen, ſowie um:
efehrt, daß ein öffentlicher Fluß nicht dadurch zum
—— wird, daß er aufbört ſchiffbat oder
flößbar zu jein. J
Eine moderne Regelung der Rechtsverhältniſſe
der F. wird —— vielfach angeſtrebt. In
Preußen iſt 1894 ein Waflergejegentwurf mit ein:
— Begründung veröffentliht worden, bie
he ijt aber wieder in Stillitand gelommen.
In Sachſen ift 1905 den Ständen ein Wajler:
ejegentwurf zugegangen; die Beratung iſt einer
Kusifäcsbegutaiten der Ständelammer überwiejen
worden, von der im Nov. 1907 dem Landtage ein
ausführlicher Bericht überreicht worden ift. Baden
bat unter dem 26. Juni 1899, Württemberg unter
dem 1. Dez. 1900, Bayern unter dem 28. Mär;
1907 ein neues Waſſergeſeß erhalten. Der Gevante
einer reichs rechtlichen Regelung des Rechts der F.
bürfte auf jehr große Hindernifie en. — In der
Schweiz ijt 1906 ein Volls-Initiativbegehren ein»
ebradht worden, das die Regelung des Rechts der
ÜBafierträftederÖundesge ebgebung übertragen will.
Literatur |. unter Waſſerrecht.
Inheifen, ſ. Eifen (Techniſches).
Iußgebiet, ſ. Flüfie. i
Infgötter. Die Griechen der älteften Zeit
plaubten in den Flüfjen, offenbar einerjeit3 wegen
Ihrer wilden Kraft und ihres Getöjes, andererjeits
wegen der Fruchtbarkeit, die fie verbreiten, gewaltige
Stiere zu erfennen, In diejer Gejtalt erſcheint be
ſonders Acheloos auch ſpäter nod bei Dichten,
während die darſtellende Kunſt zur Unterſcheidung
des ſtiergeſtaltigen Flußgottes von einem wirklichen
Stier, ſowie Je Andeutung feines geijtigen, über:
natürlihen Weſens, wohl nad orient. Vorgang,
dem Tiere ein gehörntes Menſchenantlitz gab, eine
Auffafjung, die bei den eigentlichen Kultbilvern
immer berrichend geblieben ift. Bon diejen aber ab-
gejeben entwidelte ji aus dem Mannitier der völlig
menſchlich gebildete und nur noch durch die Stier:
börner charalteriſierte Flußgott, wobei die größern
und daher älter erjheinenden Flüfje wenigſtens in
rer Zeit durch Bärtigleit ausgezeichnet wurden.
dlich verſchwinden gewöhnlich auch noch die Hör:
ner, und dann wird das Weſen des Gottes nur noch
durch die Lagerung auf dem Boden, Belränzung mit
ScilfundBeigabeeinerlirne, eines Füllhorns, eines
Schilfſtengels und eines Ruders oder Schiffsvorder⸗
teils bei ſchiffbaren Fluſſen angedeutet. In diejer Ge:
ftalt werden fie oft in größern Gruppen, wie z. B. in
den Eden der Giebel des Zeustempels zu Olympia
und des Parthenon, verwendet. Später dienen fie
0, bejonders auf Relief, geradezu nur nod als
rtsbezeihnung. Daß aber aud die Ausbildung
bes rein menſchlichen Typus ſchon einer jehr frühen
Zeit angehört, beweift Homer, der die 5. nur in
diejer Auffafjung lennt. Bei ıhm galten fie ſämt⸗
lich alö Söhne des Dieanos, doch wird als Zanthos’
Vater auch Zeus genannt. Wie andere Götter
baben jie Zempel_und Priefter, aud erhalten fie
die gewöhnlichen Opfer; eigentümlich iſt nur, dab
Flußgründling — Flüffige Luft
ihnen die Jünglinge ihr abgeichnittenes —
weihen. Degen ihrer tbarleit fpendenden Kraft
erfcheinen fie vielfah ald Stammwäter vornehmer
Geſchlechter; in Rüdjicht auf die veränderlihe Ge
jtalt ihres Elements aber befigen fie die Kraft, alle
—— Geſtalten — —In den Sagen
ipielen befonders der Acheloos, Alpbeios, Afopos,
Stamandros und Zanthos, der Aigyptos oder Nil,
der Iſtros und Eridanos eine Rolle, während haupt:
ſächlich die Flüfje Kleinaſiens, Unteritaliend und
Siciliens, wieihr häufiges Vortommen auf Münzen
beweift, aud in jpäterer Zeit noch göttlidhe Ver:
ebrung genofjen. — Zwei der bedeutenditen, 5. dar:
itellende Bildwerle aus dem Altertum find bie
tolofjale Marmorgruppe des ruhenden Nils, den
16 Beine pygmäenartige Knaben umfpielen ald An-
deutung der 16 Ellen, um die der Fluß anſchwillt;
jie wurde zur Zeit Leos X. in Rom gefunden und
befindet ſich jeßt im Batilan (f. Tafel: Griechiſche
Kunft ll, Fig.10). Ein Gegenitüd zu diefer Gruppe
bildet die im Louvre zu Paris aufbewahrte Rolofjal:
ftatue des liegenden Tiber, zur Seite Romulus und
Remus nebft der Wölfin. Ferner gehört De der
fog.Marforio, einantitertoloflaler Flußgott (ver:
ftümmelt) mit einer Muſchel in der Hand, wahr:
ſcheinlich Rhein oder Donau darftellend, im Mittel:
alter dem Garcer Mamertinus gegenüber in ber
Via di Marforio aufgeftellt, wo er zur Anbeftung
beißender Antworten auf u (f. d.) Fragen
diente, jet im Capitoliniſchen Mufeum zu Rom be:
findlih. Als Werte der neuern Blattit find in
diefer Beziehung unter andern zu nennen der Neu:
marltbrunnen zu Wien von Donner mit den diterr.
Nebenflüffen der Donau, ſowie der Auftriabrunnen,
von Schwanthaler, dafelbft mit der Figur der Auftria
und den Fluſſen Donau, Bo, Weichſel und Elbe.
Inhgründling, gemeiner Gründling,
ital. Bottola (Gobio fluviatilis Ow.; ſ. Tafel:
gilße I, Fig. 10), ein etwa 12 cm ——
üßmwaflernih Europas und des weſtl. Aſiens aus
der Gattung der Gründlinge N d.), von ſchlanker
Geftalt mit unterjtändigem Maule, zwei langen
Bartfäden an den Mundwinkeln und hod auf die
Stirm gerüdten Augen, oben ge rün mit ſchwar⸗
zen Fleden, feitlih und am u filberweiß. Er
ıft in Flüfien, Bächen und felbit ftehenden Ge
mwäflern gemein und wird feines wohlſchmedenden
— 28 wegen ſowie als Koderfiſch gefangen.
amentlich die oberital. Flüffe find reich an F.
fußbarz, ſ. Animeharz.
lũſfige durch Drud und Abkühlung ver⸗
gte atmoſphaäriſche Luft. Schon er Lavoifier
eitand die Annahme, daß die atmofphäriiche Luft,
ebenfo wie die übrigen damals in der Gasform be
kannten Stoffe, fih müßte — laſſen, wenn
man gewiſſe Temperatur: und Brudverhältnifie
berzuitellen vermödte. In der erjten Hälfte des
19. Jahrh. wurde denn aud unter erg Fuh⸗
rung für die Mehrzahl dieſer nunmehr als koercible
Gaſe (f. Koercibel) bezeichneten Stoffe durch Er⸗
—— Drudes und Erniedrigung der Tempe:
ratur die Verflüffigung erreicht. Ber Sauerftoff,
Stidſtoff, Wafleritoff und einigen andern Gafen
aber verfagten die böchften (von Natterer bis zu
3600 Atmofphären geiteigerten) Drude bei den tief
ften damals erreihbaren Temperaturen. Die Ers
Härung hierfür wurde in der Entvedung der «Kriti⸗
ſchen Temp
839
raturniveau bis zu der offenbar fehr tief liegenden
kritiſchen Temperatur jener feither noch als «perma:
nent» geltenden Gaſe zu erniedrigen. Nachdem zu:
erft Eailletet 1877 zu vorübergehenden Nebelbil:
dungen von Sauerftoff dadurch gelangt war, daß
er das in einem Glasgefäß bocdhlomprimierte und
durch ſchweflige Säure vorgelühlte Gas raſch er-
pandieren ließ, vermodten 1883 Wroblewſti und
Olſßzewſti ftationäre Berflüffigung Heiner Sauer:
ftoffmengen zu — indem fie das komprimierte
Gas durd Athylen abtühlten, welches mit Hilfe
von flüffiger Roblenfäure verdichtet war und unter
mweitgebender Drudverminderung verdampfte. Bei
analoger Benugung des 4 Sauerſtoffs als
Kältemittel ſchritten fie ſodann zur Verflüſſigung
des Stickſtoffs und der atmoſphäriſchen Luft. *
bei wurde gefunden:
für Stid: atmoiphär.
Sauerftoff v But
8 Temperatur . —119° —146° —140°C,
kritiſcher Drud (Atm.) 51 35 39
Siedetemperatur . . —182° —1%4* —191° C,
(bei atmofphär. Drud)
Der je 1884 aud von Dewar benuste ftufen:
weiſe Abftieg über Roblenfäure, Athylen und Sauer:
ftoff zur atmofphärifhen Luft (in ig. 1 ſchematiſch
dargeftellt) ift jo umftändlih und koftipielig, daß
das Erperimentieren mit F. L. ie die Laboratorien
der genannten Forſcher beichräntt blieb, bis 1895
Linde ein weſentlich einfachere: Verfahren angab.
Dasfelbe berubt auf der von Thomſon und Foule
1862 feitgeftellten Abkühlung, melde infolge der
Leiftung innerer Arbeit bei dem Auseinanderrüden
der fih anziebenden kleinſten Teilen ftattfindet,
wenn atmojpbärifche Luft von höherm zu niedrigerm
Drude überjtrömt und welche bei 0° C, für jede At:
—7 äre des ya O,»0° C. beträgt. Da
diefe Abkühlung aud bei Anwendung fehr großer
Drudgefälle nit bis zur kritiſchen Temperatur
berabreichen kann, fo werben die Ejielte andauernd
aufeinander folgender Ausjtrömungen in einem
MWärmeaustaufcer accumuliert. Der Berflüffigungs:
apparat (Fig. 2) jebt fi zufammen: aus dem Kom:
ve... C, welcher die Luft auf einen hoben Drud p,
ringt, dem Kübler K, in welchem die Kompreſſions—
wärme an Wafjer abgegeben wird, und dem Gegen:
ftromapparat G, in welchem die auf p, lompri«
mierte Luft das innere Rohr durdläuft, um ale:
dann dur das regulierbare Bentil r auf ben nie
drigern Drud p, auszuftrömen, wobei die vorer-
wähnte Abkühlung eintritt. Mit der fo verminder:
ten Temperatur tebhrt der Luftjtrom unter dem
Drude p, durd das äußere Robr des Gegenitrom:-
eratur» (f. d.) gefunden. Nunmehr wur: | apparats zum Somprefior_zurüd und überträgt
den die Bemühungen darauf gerichtet, daS Tempe: | hierburd den Abtühlungseffelt auf die dem Ventil
840
jortdauernd zufließende hochgeſpannte Luft. Se
—X aber hierdurch die Temperatur in dem innern
Rohre ſinkt, mit deſto niedrigerer Temperatur wird
die aus dem Ventil ausſtrömende Luft dem äußern
Rohre zugeführt. So findet eine kontinuierliche
Senkung der beiden Temperaturen vor und nad
der Ausitrömung fo lange jtatt, biß die der Leiftun
innerer Arbeit äquivalente Wärmeentziehung dur
das Freiwerden von latenter Wärme bei der Ver:
üffigung fompenfiert wird. Die Einführung dieſes
Apparats in zahlreiche Yaboratorien hat nunme
das Arbeiten mit F. 2. und mit den dadurch erreich⸗
baren tiefen Temperaturen zum Gemeingut gemadht.
Die Anwendung desjelben auf Maflerttofgas bat
ed Dewar ermöglicht, auch dieſes Gas zu ver:
flüffigen. Durch das Lindefhe Verfahren ıft aber
auch der Technik das Gebiet tiefiter Temperaturen
jugänglih gemacht fowie die Heritellung beliebiger
Mengen von F. L. für induftrielle Zwecke ermög:
lit. An diefe Möglichkeit find, insbejondere für
den Antrieb von Kraftmaſchinen und für die Kälte:
erzeugung, Erwartungen gelnüpft worden, melde
vielfach weit über das naturgeſetzlich Erreichbare
inausgehen. Der Berwendung der 5.2. für ſolche
mwede Meht im Wege, daß bei ihrer Herftellung der
nergieaufmand unverbältnismäbig groß ift (unge:
fähr 2 Pferdejtärken pro 1 Liter F. 8. in der Stunde),
welcher zum Heraufbeben der Wärme von dem —*
Niveau der Verflüſſigungstemperatur erforderlich
iſt. Eine weitere —** der Anwendungs⸗
möglichkeit liegt darin, daß die Luft im flüffigen
Sultane nur fo lange aufbewahrt werben kann, als
ibre tritifche Temperatur (—140°) nicht überfchritten
ift, und daß es unmöglich ift, Gefäße jo zu ifolieren,
daß ihr Inhalt dauernd auf diejer tiefen Tempera:
tur erbalten bleiben kann. In boppelmandigen
Glasgefäßen, bei welchen (nach Demwar) zur Bebin-
derung der Märmeleitung der Raum — bei⸗
ven Wandungen evakuiert und behufs —— der
Wärmeſtrahlen eine Wandung mit Metallſpiegel
verſehen iſt, kann die Verdampfung bis zur Dauer
Flüſſiger Leim — Flüſſiges Leinölliniment
einiger Wochen verlangſamt werben, in gemöbn:
lien Gefäßen nur für wenige Tage oder Stunden.
Von befonderer Bedeutung für bie ——
Möglichkeit einer —— erwertung der F.
iſt der Umſtand, daß die beiden Hauptbeſtandteile
der atmoſphäriſchen Luft (Stickſtoff und Sauerftoff)
war gemeinjam fich fondenfieren, daß aber bei ber
üdtebr in den Gaszuftand die Berbampfungs:
produkte jtet3 fake eier find als die Jlüffig:
feit, jo daß diejelbe um fo jauerjtoffreicher wird, je
länger die VBerdampfung dauert. Fig. 3 illuftriert
FLLeTCLIT Tg
rTerertt
BEE
Big. 3
den Berlauf dieſer Fraltionierung. Zeigen die
Größen O und N den Anfangsgebalt von Sauer:
ftoff und Stidftoff an, fo ſtellen O’ und N’ das je
weilige Verhältnis in dem unter atmofpbäriichem
Drude entweihenden Gasgemiſch dar. Die
ac b läßt erkennen, wie dieſe ampfungspro:
dulte mit etwa 7 Proz. Sauerftoff beginnend bei
c die Zufammenfegung der Atmoſphäre erreichen
und von da an fauerftoffreicher werden. Kurve de
giebt die jeweilige Zuſammenſetzung ver verbampfen:
den Flüffigteit an. Hierdurch ift ein Mittel geboten,
fauerftoftreihe Gasgemiſche für induftrielle Zwede
berzuftellen, wobei durh MWiedergewinnung ber
zur VBerflüffigung gebrauchten Kälte in geeigneten
Gegenftromapparaten der Energieverbraud auf das
zur Dedung der Hälteverlufte erforberlihe Maß ein:
efhränft werden kann. Der Arbeitaufwand zur
Rünblichen Gewinnung eines Kubikmeters Gas mit
—— Sauerſtoff beträgt ungefähr eine Pferde:
ftärfe, Durch Miſchung fauerftoffreiher Fluſſigleit
mit oxydierbaren — von hohem Verbren⸗
nungswerte, wie Petroleum, Paraffin u. a., u en
faugenden Körpern, wie Koblepulper oder Kiejel:
gur, laſſen fih Sprengitoffe (Oxyliquit⸗ genannt)
von höchſter Brifanz und Sprengtraft beritellen,
deren Sauerftoffgehalt jedoch infolge der unver:
meidlihen Verdam fung ber 5. 2. ein veränder:
licher ift. Die Veröffentlihungen engl. und amerit.
Arzte über die Heilwirkungen bei hirurg. Anwen:
dung der %. 2. haben feine Be ung gefunden.
— Kl. Hehl, F. 2. (Halle 1901); gu Die Her:
ftellung und Verwendung von F. 2. (Weim. 1902).
Siäffiger Leim, eine Leimmaſſe, welche nad
dem Grlalten flüffig bleibt. Zur Daritellung wird
1 kg Leim in 11 tohendem Waſſer geihmolzen und
die lau gewordene Flüffigfeit unter Umrübren all:
mäblih mit 150—200 g Salpeterfäure verjeßt.
Flüffiges er, wie die Brandſätze in der
Kriegöjeuerwerterei zur *— entfernter Ob⸗
jelte dienendes —* von lonzentrierter Schwefel⸗
* und übermanganfaurem Kalium; auch eine
jung von Phosphor in Chlorſchwefel oder Schwer
felloblenftoff. (S. Phöniziſches Feuer.)
lüffiges Fleiſch, |. Fluid meat.
füffiges Zeindlliniment, |. Brandfalbe,
Flüffiges Ozon
füffige® Ozon, ſ. Fluid ozone.
lüffigteit over Zluidität, die der Feſtigleit
entgegengejeßte Eigenſchaft der Körper. Sie unter:
ſcheidet ih von jener hauptſächlich dadurch, daß in
einem flüffigen Körper die Teilen durch die Heinfte
Kraft gegeneinander verſchiebbar find, während feite
Körper diefer Verſchiebung einen mebbaren Wider:
jtand entgegenjeken. Auch wird ein flüffiger Körper
elbit eine 5. (Fluidum) genannt. Man unter:
ſcheidet tro pfbare F., wie Waſſer, Weingeiſtu. ſ. w.,
und expanſible (ausdehnſame) F., worunter man
die Safe (1. d.) verſteht, deren Heinfte Teilen ſich
gegenfeitig garnicht anziehen, fondern ſich im Gegen:
teil ſcheinbar abftoßen (f. Aggregatzujtand). Über
die bypotbetifch angenommenen eigentümlichen elet:
triihen und magnetiſchen F. ſowie die Licht: und
MWärmeflüffigkeit lien
Flüffigkeitseinfchlüffe, in Mineralien ein:
geſchloſſene, meift geringe Mengen von Flüſſigkeiten
verjchiedener hem. Zufammenjegung. Sie können
bisweilen mit bloßem Auge wahrgenommen werben,
wie in vielen en, balcevonen, Ametbyjten,
in manchen Steinfalzen, Flußipaten, Gipfen; die in
einem Hoblraum ſitzende Flüſſigleit enthält gewöhn⸗
lich ein Gasbläschen, eine.Libelle, und dieje bewegt
ſich deshalb beim Neigen der Stüde wie diejenige | f
einer Wafjermage m und ber. In mikroſtopiſcher
Kleinheit find Pi e F. ganz außerordentlich weit
verbreitet, namentlib aud in Mineralien, welde
Gemengteile von Gejteinen bilden. So find die:
jelben 3. B. unter den in Dünnfcliffen eine zur
Unterfuhung genügende Bellucivität erlangenden
Mineralien beobachtet worden in Quarz, Feldſpaten,
Nepbelin, Leucit, Stapolithb, Augit, Hornblenve,
Chlorit, Dlivin, Topas, Cordierit, Vejuvian, Sma:
ragd, Saphir, Apatit, Kryolith, Zinnftein, Zink
blende u. Im, und zweifellos find fie auch in im:
pellucid bleibenden Mineralien, 3. B. Erzen, vor:
banden, wo fie mur nicht als ſolche zur Beobachtun
gelangen können. Ihre Geftalt ift meiftens rundli
oder eiförmig, oft veräftelt; die arößern mitrojlopi:
ſchen F. meſſen felten mehr als 0,06 mm im größten
Durchmefier; die Heinen erſcheinen jelbft bei tauſend⸗
facher Vergrößerung nur als allerfeinfte, laum mebr
wabrnehmbare Buntte. Bisweilen befigen die grö:
bern einen Umriß, welcher der Kryſtallform des fie
beberbergenden Minerals entipriht. Die aud) bier
vorhandene Libelle bemegt ſich oft unabhängig von
Lagenveränderungen des Objeltö in der Fluͤſſigleit
bin und ber, bald nur unſcheinbar zitternd, bald
langiam von einer Stelle zur andern wadelnv,
manchmal aber aud in größter Unrube fortwäbrend
ſehr jchnell umberwirbelnd; zeigt die Libelle nicht
dieje jelbitändige Bewegung, F lann ſie mitunter
durch eine Erwärmung des Mineralpräparats zu
einer Ortöveränderung gebracht werben. Unter allen
Mineralien ift an 5 am reichiten der Quarz,
namentlich derjenige der Granite, Gneife, Quarzite
und Porpbyre; fie find ftellenweife ſo maſſenhaft
darin vorhanden, daß es förmlich von ihnen wims
melt, und weh nad einer Berechnung in einem Kubik⸗
zoll daran ſehr reichen —— über 1000 Millionen
berjelben enthalten find. Die milroſtopiſchen F. in
den verſchiedenen Mineralien find größtenteils ur:
rünglich bei der Bildung derfelben auf mechan.
dege eingebüllt worden, und mo fie fich in Gemeng:
teilen eines Eruptivgefteins finden, da deutet dies
darauf bin, daß der ehemalige Schmelzfluß des leßz⸗
tern von Gaſen und Dämpfen durchtränkt war,
— Flußkrebs 841
welche fich bei der Abkühlung zu Flüffigleiten ton:
denfierten. Doc ift e8 auch nicht ausgeſchloſſen,
daß bisweilen die Flüſſigleit erſt nachträglich im
Laufe der Zeit in leere, ſchon vorhandene Hobl:
räume ber jtarren enge eindrang.
Die meiften 5. befteben aus Wafler oder aus Waſſer
mit einem Gehalt von angel ten Salzen (Chlori⸗
den, Sulfaten) oder von Koblenfäure. So lennt man
auch %., welche aus einer gejättinten Löfung von
Ehlornatrium beiteben, in welcher alddann ein Hei:
nes Kochſalzwurfelchen ſchwimmt. Die merhwürbig:
ften 5. find aber die befonders durch —*— und
Sorby unterſuchten, aus flüſſiger Kohlenſäure be—
ehenden. Dieſe F. zeichnen ſich unter anderm da:
durch aus, ve on bei einer Erwärmung des fie
enthaltenden Minerald auf nur 32° C. infolge der
überaus starten —— der Kohlenſäure die Li:
belle zur Abjorption gebracht wird und verſchwindet,
worauf fie fpäter bei der Abkühlung wieder er:
—— olche Einſchlüſſe von flüſſiger Kohlenſäure
ind z. B. in Topaſen und Saphiren gefunden wor:
den, aber auch in Quarzen von ganz gewöhnlichen
Graniten und Gneifen, in Augiten, Olivinen und
——— vieler Bafalte und bafaltifcher Laven.
Flüffigkeitöfette, eine Anorbnung von ataffg-
eiten, die zum reife geſchloſſen an einem Gal:
vanometer das —— eines elektriſchen
Stroms verrät. Füllt man z. B. in ein Gefäß
Schwefelfäure und taucht darein ein anderes, das
unten (um die ſchnelle Vermiſchung der Flüffigkeiten
y verhüten) mit einer Blafe geſchloſſen und mit
alilauge gefüllt ift, fo entſte 1% ald man in jedes
der Gefäße eine Platinplatte taucht und die beiden
PBlatinplatten dur einen Leitungsdraht in Ber:
bindung fest, ein galvanifher Strom, der im Leis
tungsdraht von der Säure zur Ralilauge gerichtet
> hnlich wie die Kalilauge verhalten Ach aud die
tronlauge, wäfleriges Ammoniak fowie verſchie⸗
vene Salze, wenn fie mit flüffigen ren in Kon:
taft kommen. Die Stärke aller diefer elektriſchen
Ströme von F. ift eine äußerft geringe, jo daß fie
meiftens nur durch einen empfindlichen tipli:
kator nachgewieſen werden können.
Flüffigkeitdmafe, in Ländern, wo für ſchutt⸗
bare fejte Körper und für Flüffigkeiten verfchiedene
Mepwerljeuge angewandt werden, eine Unterab:
teilung der Hohlmaße (f. d.). In den das franz.
metriſche Syjtem — Ländern, wie Deutſch⸗
land, wo die Einheit der Hohlmaße ſowohl für
ſchuttbare feſte als auch für flüf ren das
Liter ift, giebt es keine bejondern F. In andern
Ländern bedient man ſich für die verſchiedenen
Arten von ylüffigteiten mehr oder weniger abwei:
ender Maße, bat namentlich befondere Nein: und
anntweins, Bier⸗, Olmaße u. |. w. Ol wird in
— Zeit, namentlich im Großhandel, nach
Gewicht verkauft; in den meiſten aſiat. Staaten,
wie auch in der europ. Türkei, geſchieht das ſchon
feit längerer Zeit.
fine töwage, joviel wie Nräometer (f, d.).
lũ nie agree ſ. Schmelzen.
lüffigmachung der Gaſe, |. Koerecibel.
Inkinfeln, |. Flüfle.
lufſtrebs (Astacus fluviatilis Rondelet; |. Ta:
fel: Kruftentiere IL, Fig. 6), gemeiner Krebs,
der befanntefte Vertreter ver zehnfüßigen Krebſe, der
in allen füßen Gewäflern Europas mit Ausnahme
des hoben Nordens vortlommt. Die Geſchlechter
unterjcheiden fich dur) die beim Männchen längern
842
Scherenfüße des erften Baares und durd die Aus:
bildung der Anhänge des erſten Hinterleibsfegments
u Begattungdorganen, die beim Weibchen ver:
ümmern. Die Se wird durch einen roten und
einen ſchwarzen Farbſtoff erzeugt; durch Zerjtörung
des lehtern werben die Krebſe beim Kochen rot.
Als Abarten hat man namentlich den tleinern,
Ihlantern Steintreb3, der vorzugsmeife Weit:
und Südeuropa bewohnt, von dem größern, in
Dit und Mitteleuropa beimifhen Edelkrebs zu
unterſcheiden. Seiner Lebensweiſe nach ift der F.
an klare, fließende und kallreiche Gewäſſer von
nicht zu großer Tiefe und Heine Landſeen gebun:
den. Hier hauft er in den Uferhöhlen, unter Mur:
zeln und Steinen und ernährt fich als Allesfrefier
von allen in feinen Bereich lommenden tierifchen
und pflanzliden Subſtanzen, wobei er lebende
Beute jo gut wie verweite Kadaver —— Troß
— Gefräßigleit iſt ſein Wachstum ſehr lang:
am und wie bei allen Kruſtentieren an eine perio:
diſche Häutung gelmüpft. Diejelbe findet nur im
Sommer ftatt, und zwar im eriten Jahre acht:
mal, im zweiten fünfmal, im britten zweimal,
fpäter nur ein» oder noch zweimal, Während des
Häutens halten fi die Tiere verftedt, um ihren
weichen Panzer (Butterkreb3) nicht zu gefährden.
Bei dem —— der Schale, welcher
durch Ablagerung von Kalkſalzen in dieſelbe er:
jolat, werden bie ald Krebsaugen betannten Kalt:
onfremente an den Seitenwänden des Magens mit
verbraudt. Die Entwidlung der Eier, melde bis
u 300, an die Shwanzanhänge des Weibchens be
eftigt, won demſelben bis zum Ausfchlüpfen der
ngen umbergetragen werben, erfolgt obne auf:
allende Metamorpboje; die Zeit der Eiablage fällt
10—40 Tage nad der von Oktober bis Januar
ftattfindenden Begattung. Im Mai und Juni wer:
den die Krebschen geboren und verbleiben in der
eriten Zeit noch bei der Mutter. Zu den Feinden
bes Krebſes gehören vorzugsweiſe ver Fifchotter und
der Aal. Aub Schmaroger aus der Gruppe der
Egel(Branchiobdella) und ver Saugmwürmer (Disto-
mum ed find häufig bei ihm anzutreffen.
Über die Krebspeſt |. d. — Der 5. bildet einen
wichtigen Konſum⸗ und Handelsartitel. Er wird nur
lebend verjendet und verkauft. Erfteres geſchieht
ftetö volllommen troden; lebend wird der F. aufbe:
wahrt längere Zeit in fließendem Wafler, auf kurze
I ohne Waſſer in einem Gefäß mit Brennefleln.
n Deutichland fommen die beften Krebfe aus den
öftl. Strömen (Overkrebfe). Der Haupthandelsplag
J Berlin. — Bol. Bogt, Die künftliche ginn.
Nebit einem Anbang über Krebszucht (2. Aufl., Lpz.
1875); Hurley, Der Krebs (Bd. 48 der «Internatio:
nalen wiſſenſchaftlichen Bibliothet», ebd. 1881); Drö:
fcher, Der Krebs und feine Zucht (Neudamm 1899).
u Herren ſ. Flüſſe und Hydrographie.
Iufmittel over Fluß, in der Chemie und Me—
tallurgie diejenigen Stoffe, welche man zu ſchmel⸗
enden Maflen zufest, um durch Bildung einer flüf:
— Schlacke das —— der ſchmelzen⸗
den Subſtanz zu erleichtern, oder um den Zutritt
der Luft durch Bedeckung der glühenden Materie zu
verbüten, oder um endlich chemiſch auf die Neben:
bejtandteileeinzumirfen, z. B. Silitate zu verſchlacken.
Die beiden erjten Zwede erfüllen Kochſalz, Boraz,
Glas, Flußſpat, die jämtlid bei höhern Hitzegraden
ſchmelzen und fi über dem ſchmelzenden Material
Flußkunde — Flußpferd
B; dienen Pottaſche, Soda, Kalt oder das leicht
chmelzbare Kaliumnatriumcarbonat; follen zugleich
rebuzierende Wirkungen ausgeübt werben, jo ver:
wendet man Gemenge von Kaliumnatriumcarbonat
mit *— oder von Kaliumcarbonat mit Kohle;
ur Ber — von * dient ein F. von Bor⸗
* oder Kiejeljäure. Als beſondere F. find zu
erwähnen: 1) ſchwarzer Fluß, ein verpufftes Ge:
menge von 2 bis 3 Zeilen Weinftein und 1 Teil
Salpeter; 2) grauer Fluß, ein verpufites Ge
menge von 3 Teilen Weinftein und 2 Zeilen Sal
peter; 3) weißer Fluß, ein verpufftes Gemenge
von 1 Zeil Weinftein und 1 bis 2 Teilen Salpeter.
Alle drei beftehen der Hauptſache nach aus Kalium:
carbonat; der omas und graue enthalten außer:
dem noch wechſelnde Mengen von Roble. Sie wur:
den namentlich früber als F. bei der gern
von Metallen verwandt; jetzt bedient man fich dabei
meift Mifchungen der kohlenſauren Altalien mit oder
— ————— ——————— ver⸗
altete Bezeichnung für Chlorkalium, das früher
als Nebenprodult der Seifenſiederei durch Ver—
er der Unterlauge gewonnen wurde. Bau:
mes Schnellfluß ift ein Gemenge von 3 Zeilen
Salpeter, 1 Teil Schwefel und 1 Teil feinen se
fpänen, das beim Anzünven foviel Hige entwidelt,
daß eine bineingeftedte Silbermünze ſchmilzt.
Iufmufcheln, |. Malermujceln.
Iufnapfichnede, ſ. Süßmwaflerjhneden.
ufnen, |. Fluſſe.
Inkperimufchel, ſ. Malermuſcheln, Perlen
fowie Tafel: Weichtiere II, Fig. 7.
Fluftpferd oder Nilpferb (Hippopotamus),
eine Gattung von Säugetieren aus ber Ordnung
der paarzebigen Didhäuter. ſyſtematiſcher Hin⸗
ſicht unterſcheidet ſich en attung von den ver:
wandten durch vier äußerlich — ungeſpaltene und
breite, platte, —*— ehen und durch das
Gebiß, welches aus kolbigen, geradeaus ſtehenden
Schneidezähnen, furchtbaren Hauern im —
und didern Bachzaͤhnen mit kleeblattförmiger Mahl⸗
fläche beſteht. Man kennt eine größere, über den
ganzen afrik. Kontinent verbreitete Art (Fippo-
potamus amphibius L., ſ. Tafel: $lußpferd) und
eine zweite, der andern gegenüber Fa Denen
ſehr —— Art, die in Liberia zu Haufe iſt (Hip
potamus liberiensis Leidy). 8 gemeine F. fin
det fih häufig in allen Flüſſen und Seen bes
mittlern und fühl. Afritas; in Unterägypten und
am fühl. Ende Afritas ift es bereits ausgerottet
oder doc gänzlich verſcheucht. Das 5 at die Ge:
ftalt eines folofialen Schwein®, nur iſt bei der
Kopf verhältnismäßig fürger und die Schnauze
breiter, angeſchwollen und mit diden Borften befest.
Die Meinen, ſchweinartigen Augen ftehen hoch oben.
Der ungemein plumpe, 4 m lange, am Widerriſt
1,5 m bobe, außerordentlich dide Körper wird von
fäulenartigen, doch jo kurzen Füßen getragen, daß
der Bauch im Geben fait am Boden binjdleift.
Die Haut ift er“ braunrötlih, unbebaart, un
gemein did. Der Raden kann jo weit geöffnet
werben, daß er einen Menfchen in der Mitte des
Leibe umfaßt. Die Lage der Augen, Ohren und
Naſenlocher in derjelben Ebene Bi attet dem Ziere,
in dem Wafler verborgen zu bleiben und das Ge:
fiht allein etwas über die Oberfläche zu erheben,
um zu atmen und feine Feinde zu entdeden.
In bevölterten Gegenden bringen die F. den
ablagern. Als ſchlackenbildende, Silitate zerſezende Tag im Wafler zu und lommen nur nachts hervor,
"pay ‘Hi "UONIXO]-suonesiaauoy snuggooag
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Flußregulierung — Flußſchiffahrt
um ibre —— aus Wurzeln und ſaftigen
Pflanzen beſtehende Nahrung zu * In men⸗
ſchenleeren Einöden — — owohl einen Teil
des Tags als auch der Nacht auf dem Lande. Das
Schwimmen wird ihnen erleichtert durch eine unter
der Haut liegende und mehrere Centimeter dicke
Schicht von halbflüffigem Fett. Diefes gewöhnlich
ganz harmloje Tier überläßt fid der blindeften Wut,
wenn es gereizt oder angegriffen wird, und ſucht
dann ſeinen Feind niederzutreten oder mit den
—— vorragenden Zähnen zu erfaſſen und zu zer:
almen aber gehört das Unternehmen, ein 5.
von einem Boote aus an ugreifen, zu den gefähr:
lichſten Wagnifjen. Wo euergemehre i in den Häns
ben ber Bevölkerung N ind, nehmen die F. raſch ab,
indem fie durch ſehr were Buchſenkugeln getötet
werben. Schwer iſt e8, den ungebeuern Körper an
Land zu bringen, umeilen muß er im Waſſer zerftüdt
werben. Das tale gilt für wohlſchmedend, und
der Sped ift je 4 bſt in der Kapſtadt ein geſchabier
Leckerbiſſen. Die Schneidezähne und Hauer werden
als Elfenbein verarbeitet. Die Haut wird in Strei-
I zerfchnitten und zu Schilden benußt oder zu
eitgerten zuſammengedreht. Man hat Reſte meb:
rerer vorweltlihen Arten in den jüngern Zertiär:
ſchichten und in auf ige chwemmtem Lande entdedt.
Das biblifche Tier emotb (j. d.), welches nn
(Rap. 40, 10—ı9) befchreibt, wird für das Ar hal⸗
ten; die "alten gypter nannten das Tier Eh afler:
ſchwein⸗ Ag und bildeten feine Jagd auf Denk
mälern le alten Schriftiteller, von Herodot
an, erwähnen und befchreiben das F.; die Römer ge:
brauchten es häufig zu den y pielen i im Eirkus,
R neuerer Zeit hält man F. faſt in allen zoolog.
ärten, wo ſie ſich auch öfters Tortgepflangt haben.
Die Tra ezeit währt etwa 250 Tage, die Geburt er-
folgt auf dem Lande und das 70 cm ae Junge
folgt der Mutter bald danach in das Wafler. r
ein einjähriges Exemplar bezahlt man 10000
Als Nahrung erhält das gefangene FF. Kleie, Gerften:
fchrot, gelochten Reis, Wurzeln — und Heu.
—5 Flußb
lußſäure, |. re
lußſaäureverfahren, piritusfabrifation.
Iukichiffahrt. An der allgemeinen Aufgabe
der Transportmittel, den Verlehr von Gütern und
Berjonen moglichſt zwedgemäß zu geitalten, hat die
. von jeher einen bedeutenden Anteil. Auf den
{üffen als den natürlihen Waſſerſtra fann
— gabe Lajten mit einem geringen Aufwande
— und Arbeit bewegen; man ae *
Serfte des Transportweges 8 ieines —5—
Landerwerbs, wie bei Kunſtſtraßen oder Ei *
bahnen; das aufzuivendende — ital iſt na⸗
mentlich auf der primitiven Stufe der Flußfahrten
zu Thal nicht bedeutend. Daher fpielt auch die F.
in den Seiten der ältern Kultur eine wichtige
Rolle. Bei ftärlerm Wachstum der Kultur reichte die
Langjamleit und Einförmigteit des Wa — *
transports nicht aus; überdies find in
genden die Gewäfler einen großen Teil des Jahres
unbenußbar (in Rußland etwa durchſchnittlich 100
Tage im Jahre). Namentlich aber batte die ſchnelle
Entwidlung des Eifenbahnbaues die Benukung der
Waſſerſtraßen, insbejondere in Deutichland, ein-
geihräntt. Das Beifpiel Nordamerikas und Frani⸗
reichs ſowie die ſteten au ehden der Eifenbabn-
—— haben die vollswirtſchaftliche
edeutung der Waſſerſtra en feit Mitte der fiebziger
843
pabre des 19. Jahrh. wieder in den Borbergrund ge:
t, und man denkt in Deutichland daran, durch
den Bau neuer und Umbau älterer Kanäle fowie *
rationellen Ausbau der Flüffe ein Waſſerſtra
zu ſchaffen, das den äußerften Weiten Deutf ans
ten Oſten und die in Nord⸗ und
Dftfee mündenden Flüffe mit der Donau verbindet
(j. Mittellandlanal und Schiffahrtslanäle). Schon
jest aber bewältigt die Schiffahrt gewaltige Mafjen
"er Werfehr auf den beutichen Mafertraß
er ebr auf den beu
(Ströme, Flüſſe, Kanäle) einſchließlich der Slöhe
betrug nad der Statiftit des Deutichen Reichs 1899:
mit dem äußerfi
Waſſerſtraßen
Offfe⸗
. ern. ee
8 054 550
ge a faltchtig bes
4— 11 762 324
omgebiet 14 936 416
F * — 78— —2 444 1171964
e Vobenfeebäfen. . .».. » —
Bis —2* — —— 258 967
Bufammen | 43 273 366 | 47584370
Am ftärkiten ift der Verkehr auf der Elbe und dem
Rhein entwidelt, über deſſen gewaltige Flotte, der
nod 33 Rhein-Seebampfer mit 11408 R —
Nettoraumgehalt und 10560 ———
werden müflen (ber Arlberg bes
Zus und Abga eng 1900 gegen
12000 N. die Tabelle auf re 844 Auskunft Geht.
Herporzubeben ift, daß auf dem Rhein die Fahr:
zeuge —— age nad dem Tonnengebalt
wie na ferdeſtarlen —— den en
urüdzu teiben eginnen. Der Anteil der Wafler:
Keen an der Güterbewegung in Deutichland ift
auf etwa 25 Proz. deö Gejamtverlehrs zu ver:
—ã
anſchlagen.
ber den —*—* der deutſchen Binnenſchiff⸗
fahrtsflotte ( uch J mindeſtens 10 t Laderaum)
nach der legten Aufnahme re .1897) ſ. Deutſch⸗
land und —58* ih, Verklehrsweſen IL
Die wictigiten Hebel ber ind: genügenber
und möglichit glei iger aflerftan, an dem
freilich faft alle — wegen Vermin⸗
derung ber Wälder ik der Aderlän:
bereien in den obern lußfireden, teils auch ——
zu raſch wirkender Entwäſſerungen, teils endlich
we. der —— — Verhältniſſe, — el leiden
Altertum gro ſins zur
der Sale in e Aufl —— ir ende
Schiffsgef kra
äße und bill Die ftaatlihen
Aufwendungen für bie zwar noch immer
hinter denen für Eiſen
oe Ka yon bırad,
allein eine —— — ſt namentlich
ſeit dem — Inn Erfolge * Maintanalifation
unvertennbar. Auch Öfterreich:Uingarn, rar
Rußland, Nordamerila u. —— ge alljährlich
große Summen zur Verbeſſ =
In Bezug auf die re bat ſich re
* Be eine Wandlung vom einfahen Nahen
Dampfer, von den bollänv. ——
* Nie u den neuerdings .. en
tſchiffen volljogen. Auf den o ————
und auf der Weichſel verke jett ſch —*
zeuge von 200 und 250 t, auf der Ober
von 375, auf der Spree von 400, auf ber ei -
von mehr ald 1100 t Tragfäbigteit; die neueften
Flußſchiffahri
An Flußfahrzeugen gebörten zur Rheinflotte im Auguſt 1900:
Segeiſchiffe und Schlepptahne
von
Heimat
der Fahrzeuge
fähigkeit
BabER 2 4.0 00 269| 29338 | 9277| 2492134
17, een 215 17653 11 087
Eliaß-Lothringen . 37 4131 17 11724
Een re 156 15520 | 148 102214
veußen . » -» 2.2.» 327| 50871 | 1048| 816909
Württemberg . . . . 6 714 4 1935
ujammen beutiche 1010| 118227 |1523| 1186003 |67
Belgien . ». 22... 6732| 151697 | 504 153114 |—
Grohbritannien.. . . . 4 5656 2 10% 1 —
Niederlande . .. . . 2557| 325307 /1701 6167161 8
Franzöſiſche und andere 26 5471 5 1150 |—
Dampficiffe
|
Raddampfer Schraubendampfer
darunter | 7 darunter | | F
Berjonen, |S |£ 58 Berfonen, 5 Eu E
Güter u.1.m.| $ | SE 8 £ |@üter u.f.m| | 8 & E
| Dampier E =38 ns Dampfer E 22 ®
Lade | T |E s& | | Lade | T E F g
cam» s ERS | ES | Kaum | 5 | RE
264
E
8550| 3) 23 5450
2 10) 6564| 38 29 170 6035
4660 16| 59818 | 185 116| 23965 49574
1 — 11 — 7— — 770
801 5003 |147| 80301|264 | 189) 40901 /453| 7194
1 24 1 140 67| ı1 1066 | 78 8260
261 4191 34 | 10158) 286| 65 | 18526 |351| 4249
— — — — — 1 — 1 Bu
Fahrjeuge überhaupt 4306 | 606358 |3735| 1958078 | 75|107| 9358 1182| 90599 | 617 | 966 | 55493 |883| 122763
* Berfügbarer Laderaum der zur @üterbeförderung benugten Dampficiffe.
Rhein : Schlepptähne haben 2000 — 2350 t, ber
neuejte Dampfer 975 t Ladefähigkeit. Neben den
großen Schiffen find indes großenteild die Hei
nern, ber Beionderbeit der zu befahrenden Ge
wäſſer angepaßten Sahrzeuge in Gebrauch geblie⸗
ben; fo die kuriſchen Reiſelähne, die MWittinnen,
Boydads, die Oderkähne, Finowkähne, Elbzillen,
Weſerbocke, Emspunten u. ſ. m.
rt die Güterbeförderun ey Mare en und fa:
nälen bildete anfänglich, pr, Do Menſchenkraft, der
Pferdeſchleppzug das wichtigſte Beförderungsmittel.
Auf größern Strömen und auf Kanälen von nicht
zu kurzen Haltungen wird jekt die Dampfkraft faft
allgemein benußt und dadurd bedeutend an Fracht:
toften geipart. Eine weitere Minderung des Trans:
portaufwands jowie größere Schnelligkeit wurde auf
dazu geeigneten Fluſſen zeitweife dur Einführung
der Ketten: und Drabtfeilihiffahrt erzielt. (S. Ketten:
ſchleppſchiffahrt.) Neuerdings tft nah den Vorſchlä⸗
gen von Buſſer (Eöpenid) und de Bovet (Paris)
auch die Gleftricität ald Zugkraft für Schiffe benußt
worden, jedoch nur auf einigen Waſſerſtraßen. yür
einzelne Heinere Fahrzeuge in Heinern Betrie
werben auch Benzin und Betrelummoten ange:
wendet. Motoren, die zum Herausnehmen eingerich:
tet, aljo nur für kürzere Streden bejtimmt find, fin:
den ebenfalls Anwendung. Faſt auf allen bedeuten:
dern Flüſſen und Seen Europas und Amerilas, auch
auf einigen Strömen Afrikas und Aſiens (Nil, Ti:
ris) findet ein mebr oder minder regelmäßiger
ampferverlebr ftatt; am ausgedehnteſten iſt der
Verkehr in Nordamerita, wo allein im canad, Seen:
gebiet 470 Paflagier:, 894 Frachtdampfer, teilweiſe
von 8500 t Ladefähigleit, vertehren, und befien
St, Clair-Flats:ftanal einen Gütervertebr von ei.va
20 Mill, t jährlich bat.
Rechtliches. Die Flüfle gebören zum Gebiet
desjenigen Staates, burch welchen fie fließen; fie und
die auf ihnen betriebene F. find alfo deſſen Gejep-
ebung, Gerichtsbarkeit, Bolizei, überhaupt Staats:
boheit unterworfen; bei Grenzflüffen iſt meift deren
Mittellinie, bisweilen nad den getroffenen Berein:
barungen der Thalweg (j. Stromſtrich) die Grenze.
Die Staaten find indeſſen beftrebt gewejen, bezüglich
derjenigen Fluſſe, welche verjchiedene Staaten durch:
itrömen, gemeinjame Grundjäge im Intereſſe der F.
zur@rleihterungbesinternationalen Berlebrs
zu vereinbaren. Solche Konventionen find ſowohl bes
züglic außereurop. Ströme (Amazonenftrom, St.2o-
renz, Barana, St. Hr als namentlich bezüglich der
europäischen abgeihlofjen. Man bat bei den legtern
folgende Ziele im Auge gehabt: 1) Die Schiffahrt der
pl auf den bie Gebiete mehrerer Staa:
ten burchfließenden Strömen mit deren Zuflüflen vom
Anfangspunlt der Schiffbarleit bis zur Ausmun—
dung in das Meer für alle freizugeben. Dabei bleibt
den einzelnen Staaten ſelbſtverſtändlich die Freibeit
fanitärer Maßnabmen, die Handhabung der Zoll:
geiebgebung, die Maßnahmen im Falle eines ftrie:
ed. 2) Die Bejeitigung von die Schiffahrt und den
— einſchränkenden Privilegien und Begünſti⸗
rei einzelner Geſellſchaften oder Perſonen (mit
usnabme etwa der Fähren und fiberfahrtsanital:
ten), ſowie Bejeitigung der Stapel:, Niederlags:,
Umfclags: und Vorkaufsrechte. 3) Schiffahrtsab⸗
aben entweder jo weit zu bejeitigen, daß fie nur
r die Benugung befonderer Anftalten, weldye zur
Erleichterung des Verkehrs beftimmt find, zu ent:
richten find, oder dahin einzujchränten, daß fie die
ur Unterhaltung und gewöhnlichen Herftellung er-
orderlichen Koſten nicht überfteigen bürfen; oder
vorzuſchreiben, daß die Sciffabrtsabgaben un:
abhängig vom Wert und der Beichaftenbeit der
Waren beftimmt werben follen, jedod nicht über
den Betrag eines Normaljahres (1815). 4) Dak
eine und biejelbe Schiffahrt3polizei für die gemein:
ame Schiffahrtäftrede durd gemeinfames Cinver:
tänbnis bergeitellt werben Toll; jeder Uferſtaat
ür die Unterhaltung der Leinpfade und bie not:
wendige Bertiefung der Strommege (dur Bag:
erungen und Sprengungen) zu ſorgen bat. Freilich
nd bieje * nicht jämtlich und nicht ganz in den
einzelnen Konventionen und Schiffahrtsalten er
reicht worden. Bon befonderer Bedeutung find die all:
gemeinen Beitimmungen ber Wiener Kongreß:
alte von 1815, Art. 108—117; die Donaujdiff:
————— vom 7. Nov. 1857 mit den ergänzenden
—— des Berliner Vertrags von 1878
(. Donau); die Elbfbiffahrtsatte vom 23. Juni
1821 mit Additionalakten (f. Elbe); der Vertrag
288 dem Norddeutſchen Bunde und Oſter⸗
rei, die Aufbebung des Elbzolles betreffend, vom
Flußſchildkröten — Flußipat
22. Juni 1870; die Revidierte Rheinſchiff—
f zwiſchen Preußen, Bayern, Baden,
Heſſen, Frankreich und den Niederlanden vom 17. Olt.
1868; die Weſerſchiffahrtsakte vom 10. Sept.
1823 mit einer Anzahl von Nadıträgen.
Nach der een Reichsverfaſſung, Art. 4, un:
terliegt der Beauflichtigung und der Gejebgebung des
Reichs die Floßerei (f. d.) und der Schiffahrtsbetrieb
auf den mehrern Staaten gemeinfamen Wafjer:
—32 der Zuſtand derſelben ſowie die Fluß⸗ und
aſſerzolle. Nach Art. 54 dürfen auf allen natür⸗
lichen —*—— Abgaben nur für die Benutung
bejonderer Anitalten, die zur Erleichterung des Ber:
lehrs beftimmt find, erhoben werden. Dieſe Abgaben
fowie die Abgaben für die Befahrung ſolcher fünit-
lichen Wafjerjtraßen, welche Staatseigentum find,
dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Her:
jtellung der Anftalten und Anlagen erforderlichen
Kosten nicht überfteigen. Auf die Flößerei finden
dieje Beitimmungen injoweit Anwendung, als die:
jelbe auf fbiffbaren Wafjerftraßen betrieben wird.
uf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder
böhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der
erging oder deren Ladungen zu entrichten
find, ftebt nur dem Reiche zu.
Abgaben die fih nur auf die Thatjache der Be-
ibiffung richten, dürfen auf vem Rhein nad) der revi⸗
dierten Rheinfhiffabrtsafte nicht erhoben werden;
auf der Weſer ijt die Erhebung der Weferzölle durch
die Verträge vom 26. Yan, 1856 und 14. Dez. 1865
fufpendiert; die Elbzölle find 1870 gefallen.
Die auf Verträgen deutiher Staaten beruhenden
Wefer: und Nedarihiffahrtögerichte find durch das
deutiche Gerichtöverfafiungsgeieh beieitigt. Dagegen
bat es die auf internationalen Verträgen beruben:
den Rheinſchiffahrtsgerichte und Elbzollgerichte bei:
behalten. Dieje haben ala Strafgerichte Jumibder:
bandlungen gegen die ſchiffahrts⸗ und ftrompolizei-
lichen Borfchriften in Strafe zu nehmen, in Eivil:
ſachen nad ſummariſchem Berfabren Klagen abzu:
urteilen wegen Zahlung der Lotſen⸗, Kran, Wage:,
Hafen: und Bollmwerfögebühren, ſowie wegen ihres
Betrages, wegen der von Privatperfonen vorgenom:
menen Hemmung des Leinpfades, wegen Beſchädi—
gungen, welde © biffer und Flößer während ihrer
Fahrt oder beim Anlanden verurſacht haben, ſowie
wegen des den GÖrundeigentümern durch die beim
Heraufziebender Schiffe durch Pferdeanibren Grund:
ftüden verurfachten Schadens zu entſcheiden. Dazu
fommen bei den Elbzollgerichten nod Streitigkeiten
wegen Zablung von Scleujengebühren, die Beitra-
fung von Exceſſen der Schiffer u. ſ. w, die Entjchei«
dung von Streitigfeiten zwiſchen Shiffeführern und
Baffagieren ſowie über die zwifchen dem Schiffs:
eigentümer und Schiffsführer, den Dienftleuten und
Zugknechten beſtehenden Dienjt: und Lohnverbält-
nifle. Das mit dem 1. Jan. 1896 in Kraft getretene
Reichögejeh über Binnenihiffabrt (ſ. d.) regelt die
Rechtsverhältniſſe zwiichen den Abjendern und Em:
pfängern der auf dem Waflerwege verjandten Güter
und den Schiffern, fowie awiichen den Perſonen der
—
Flußſchildkröten, Lippenſchildtröten (Tri-
onychidae, d. h. Dreillauer), eine Familie der
Scilokröten, mit meiſt ſehr flachem, nur in ver Mitte
verfnöchertem und von einem weichen Ringe um:
gebenem Rüdenjcilve; o die Knochen des Bauch:
childes bilden niemals ein feites Ganzes. Statt des
Schildkrotes trägt der Körper eine weiche Haut, die
845
an den Kieferrändern fleiſchige Lippen bildet (daher
der obige, zweite Name); die nur drei Krallen tra:
enden haben große Shwimmbäute, da die
iere fat ausjchließlih im Waſſer leben. Am be
fanntejten ift die Dreitlauenteildtröte (f. d.).
Iuffchwinde, |. Slüjie.
Inkfpat oder $luorit, einreguläres Mineral,
am bäufigiten im Würfel, Oktaeder oder Rhomben:
bodelaeber, jeltener im Pyramidenwurfel, vielfach
auc in Kombinationen diefer und anderer Aryftall-
—— (f. bei⸗
ehende Ab⸗
——
kryſtalliſie⸗
rend, mit oft
ſehr großen
und regel: \\
mäßig aus: s
gebildeten Individuen, häufig au derbin grofförni:
gen und ftengeligen Aggregaten ſowie als dichte und
erdigeMafje. Die Kryſtalle ſpalten ausgezeichnet nad
dem Dftaeder, haben, als bejonderes Glied der Härte:
Kar die Härte 4, das fpec. Gewicht 3,15 bis 3,2. Der
iſt an ſich farblos und waſſerhell, aber in der Regel
gefärbt, bisweilen weiß und grau, namentlich ſchön
violblau und fmaragdgrün, prächtig roſenrot, in:
tenfiv wein: oder honi nelb, dabei mit feuchten
Glasglanz verjeben; nicht felten * weierlei Far⸗
ben vereinigt, indem ein und derſelbe ic außen
und innen abweichend gefärbt iſt. Alle dieſe ver—
ſchiedenen Farben rühren von einer nur ſpurenhaf⸗
ten Beimengung eines Kohlenwaſſerſtoffes ber, wo:
mit — t, daß die gefärbten Varietäten
—* lühen waſſerhell werden und dabei einen
kleinen Gewichtsverluſt erleiden, den im (Degenjeh
dazu der farblofe F. in der Hitze nicht erfährt. Die
engl. Kryitalle von Weardale und Alfton Moor be:
fipen uorescenz, indem fie im durchfallenden Lichte
ebhaft grün, im auffallenden pradtvoll blau er:
cheinen. Bielfah enthalten die Kryſtalle des F.
mde Einſchlüſſe, no häufiger fisen zahlreiche
leine Rryftällhen von Quarz, Rupferlies, Eiſen⸗
fies, Bleiglanz und andern Dlineralien, bisweilen
alö truftenartiger Überzug, darauf. Chemiſch ift der
3. Sluorcalcium, CaF,, beſtehend aus 48,55 Fluor
und 51,15 Calcium. Sowohl durd Erhitzung als
dur Veitrablung vermittel des Sonnenlichts er:
langt der F. die Eigenſchaft, im Dunteln zu phos⸗
pborescieren. Bon konzentrierter Schwefelfäure wird
er unter Entwidlung von Fluorwaſſerſtoff (f. d.)
vollftändig zerjest, von Salzſäure und Salpeter-
fäure ſchwer aufgelöft.
Der F., ein häufig vortommendes Mineral, 4
det fih auf den Zinnerzlagerftätten von Sadjen,
Böhmen und Eornwall, au eat du (4.2.
von Freiberg, Marienberg, Gersdo nnaberg
im Erzgebirge, Schwarzwald, bei Kon —* in
Norwegen), auf Bleierzgängen in Derbufbire, ums
berland, Nortbumberland, Devonſhire in den kry:
ftallinifhen Schiefern der Schweizer Alpen (4.2.
am Rhönegletider, St. Gotthard); derber F. bildet
mächtige jelbftändige Gänge zu Stolberg am Harz
und Steinbad in Meiningen. Bei dem jog. Stint:
fluß von Wölfendorf in Bayern, der beim Schla—
gen und Zerreiben einen auffallenden Gerud nad
unterchloriger Säure entwidelt und nah Schön:
beins Anfiht Antozon enthalten follte, wird ber
Geruch ebenfalld durch eine innig beigemengte Rob:
lenwajjerftoffverbindung hervorgebracht, die durch
846
Ather ertrahiert werden kann; nad D. Lö beſteht
die riechende Subſtanz aus freiem Fluor. Die jhön
efärbten, ftart durchſcheinenden, großlörnigen und
—— ietäten des F. werben in England zu
allerband Schmud und Geräten (spar ornaments)
verarbeitet und lieferten vielleicht Ihon den Alten
das Material für die Vasa murrhina genannten Ge:
fäße. Als Flußmittel benugt man ihn beim Schmel:
en von Rupfer:, Silber: und Eifenerzen ſowie in der
— woher auch der Name F. rührt. End:
ih dient er zur Darftellung der Flußſäure, zum
Atzen des Glajes und zur Bereitung gewiſſer Gla-
furen und Emails, aud des Mil Au
Ir f. &i enerzeugung (Techniſches).
Infiyftem lüſſe.
—
lußſteiche, ſ. Teichwirtſchaft.
luffverunreinigung, die Einführung folder
Stoffe in bie —— welche das Bajer trüb,
übelriehend, faulig und zum menſchlichen Gebrauch
ungeeignet machen ſowie die Fiſche töten. Meift wird
der größte Teil alles Unrat3 (}. Abwäfler) den Flüfjen
und Bäcen zugeführt, und Induſtrieanlagen wer:
den au dieſem Zwede abfihtlih an Flüſſen angelegt.
Die erften Erjcheinungen ftarter 5. fi in den
fünfziger Jahren des 19. Jahrh. in dem dichtbevoller⸗
ten und induſtriereichen England gezeigt. Am fühl:
barften wurde die Verunreinigung der Theme, die
allen Unrat Londons innerhalb der Stadt in
aufnahm, ihn aber —— des Einfluſſes der Ebbe
und Flut nur allmählich weiter befördern konnte.
Der durch die faulenden Stoffe im ——
und in den Schlammbänken erzeugte Geſtank war ſo
unerträglich, daß wiederholt die Sizungen des Parla⸗
ments in dem der — nahe gelegenen Gebäude
abgebrochen werden mußten. ÜÄhnliche, zum Teil
jogar ——** Verhältniſſe boten der Irwell, der
die Abmwäfler von ncheiter aufnahm, der Sri,
Merſey, Ribble u. a. dar, wie aus dem Bericht der
River Pollution Commission von 1868 zu erfeben ift.
Ebenſo —— wurden einige Fahre fpäter
die Zuftände der Seine bei Paris, als der Haupt:
ſammellanal von Clichy feinen Inhalt in die Seine
ergoß. Nach dem Bericht der franz. Regierungd:
tommijfion vom J. 1874 mwäljte ſich die Seine nad
Ginmündung des Kanals ald grauſchwarzer, an
der Oberfläche mit Fettaugen, Haaren, Tierleichen
bededter Strom dahin; ein grauer, in voller Fer:
jegung und Gärung Er Schlamm bäufte ih
am rechten Ufer an. A eben, pflanzliches wie
tierifches, war bier erlojchen.
Auch in Deutichland haben ſich Fälle von F.
bemerlbar gemacht, insbejondere in Sachſen, in
Weitfalen und der Rheinprovinz. Berüctigt find
namentlich die Zuftände der Wupper und der Leine.
bungen über die Urſachen der F. in Sachſen
baben ergeben, daß weitaus am bäufigiten die Be:
ihaffenbeit der gewerblihen Schmußmwäfler die Ur:
ſache der F. ift, nicht aber der aus den ten
der Menſchen — Zeil bes Unrats, der nur
in 7 Proz. aller Fälle Veranlafjung zu Klagen gab.
Nah von Pettenkofer haben die genauejten For:
ſchungen nirgends Anbaltspunfte daflır ergeben, daß
durch lüffe, die Fälalten aufgenommen baben, Epi⸗
demien oder Krankheiten überhaupt verbreitet wur:
den. Im Gegenteil bat in neueiter Zeit Hans Buch⸗
ner nachgewieſen, daß frankbeiterregende Balterien
im Flußwaſſer unter dem Einfluß des Tageslichts
ſehr ſchnell de Grunde geben. Eine Ausnahme ma:
hen nad Koch die Eholerabacillen, die, wenn fie
Flußſtahl — Flußverunreinigung
mit den Fälalien in fließende Gewäſſer gelangen,
unter Umſtänden fich längere Zeit lebensträftig er
balten und die Seuche weiter verbreiten können,
weshalb bei der Eboleraepidemie in Hamburg 1892
von jeiten des Reichs eine ftrenge ftrompolizeiliche
fiberwahung der Elbe und ihrer Zuflüfie angeorb-
net wurde. Haupturſache der F. find Fabrilanlagen,
die viel organische Stoffe enthaltende Abwäſſer in
die Flüffe lafien, z. B. Stärke, Zuder-, Leimfabriten,
Wollwäſchereien, Brennereien, Brauereien u. a.
Bor allem find giftige Abwäſſer die Urſache der
F. Man bat für die Pau ern Gifte die Menge
feitgeitellt, die 1 1 Wafler =. entbalten darf, obne
den Fiichen gefährlich zu fein. Aber auch an Fan
barmloje organiſche Stoffe entziehen ben Fiſ
die Lebensbedingungen, indem fie den im Waſſer
aelöften Sauerftoff verbrauben. So enthält die
Seine oberhalb von Paris 9,32 ccm gelöften Sauer:
ftoff auf 11, dagegen unterhalb der Kloalenein-
münbung bei Epinay nur nod 1,5 ccm. Schon
vorber, nad) der Kloaleneinmündung bei Clichy,
fterben bie Fiſche.
Sobald ein Fluß durch Zufubren von Abwäflern,
welche reichlih organiihe Stoffe entbalten, ver:
unreinigt wird, beginnt in bemjelben eine raſche
Entwidtung von Batterien, deren Zahl häufig allein
den Grad der Verunreinigung zum Ausdrud bringt,
während die hem. Unterfuchungsmetboden oft eine
Veränderung des Waſſers nicht erfennen laſſen.
Dieſe Bakterien zerlegen die organiichen Subſtanzen
und führen fie in anorganische Berbindungen über,
Dies geihiebt durch Spaltungs- und Orybations-
prozeſſe. Diefe Orvdation der — Stoffe
wird durch Einwirkung des Lichts begünftigt, wel:
ches gleichzeitig eine übermäßige Wucherung ber
Batterien verhindert. Außer den Balterien beteili
gen ſich an der Verarbeitung der organiſchen Stoffe
zunäcdit hloropbylllofe und weiter abwärts dloro:
phyllhaltige Algen. Diefer Prozeß der Minerali-
jierung der organischen Stoffe gebt im Wafler jedoch
bei weıtem nicht fo rajch vor fi wie im Boden;
beaünftigt wird er durch die Strömung des Flufjes,
infolge deren eine Anreiherung des Waſſers an
Sauerſtoff jtattfindet.
Man war vielfach bejtrebt, durch Geſetze die F.
einzufchränten; in England find zulest durch die
Flußreiniaungsatte von 1886 die Bedingungen, un:
ter denen Abwäſſer in die öffentlichen Flußläufe ein-
geleitet werben dürfen, geregelt worden.
Staaten, 3. B. in Preußen, ift man fo weit gegan⸗
nen, auf Grund eines Gutachten der tönigl. wi
ſchaftlichen Deputation für das Medizinalweſen die
Ginleitung von Abmwäflern in ungereinigtem Zu
ftande, namentlich aber die Einleitung der Fälalien
in Fluſſe ganz allgemein für unzuläſſig zu erllaren.
Eine derartige allgemeine Beitimmung birgt ent-
Isrienen große Ungerechtigleiten im fich. Nicht jeder
Fluß wird durd die ihm zugeführten Abwäſſer ver:
unreinigt. Es giebt ylüfie, in die jeit Jahrzehnten
ununterbrocen der Unrat eines ganzen ndes, wie
3. B. in den Nil, gelangt, obne daß jemals eine F.
zu ftande kommt. Der Tiber hat jabrbundertelang
die Schmußgmwäfler der Stadt Nom aufgenommen,
obne daß das Waſſer eine fihtbare Verunreinigung
erfabren — Es rührt dies davon ber, daß jeber
Fluß die Fähigkeit hat, einen großen Teil des Un
rats zu verarbeiten, ſich gewiſſermaßen jelbft wieder
zu reinigen. Notwendigerweiſe muß ber Fluß zur
Selbitreinigung eine genügende Länge jomwie eine
Flüftergalerie — Flutmündung
entſprechende MWaflermenge und Bewegungsgröße
ben. Es kann aud ein hochgradig verunreinigter
luß nad genügender Zeit ſich wieder völlig rei»
nigen, wie die Seine bemeift, die bei Meulan,
70 km unterhalb Baris, wieder reines Wafler führt.
Seit längerer Zeit hat man fih bemübt, feftzuftellen,
wie viel Unrat man einem Fluffe übergeben darf,
obne jeine jelbftreinigende Kraft zu überfchreiten.
Pettenlofer ift der Anficht Wi eine F. dann nicht
zu befürchten ift, wenn die Wafjermenge des Flufles
mindeſtens fünfzebnmal fo aroß ala die Abmwäller:
menge ift, ferner wenn die Stromgeſchwindigleit im
Fluß nicht gerin er ift alö die in den Abwäfler:
nälen, wei font Gelegenheit zur Ablagerung und
Schlammbildung gegeben tft. Iſt der Fluß wegen
zu geringer Geſchwindigleit, zu geringer Wafler:
menge u. ſ. w. in Gefahr, dauernd verunreinigt zu
werden, jo bürfen bie Abmwäfler ibm nur im ge
reinigten Zuftand N Mafferreinigung) übergeben
werden. Dieje Anſicht von Setientjes bat ſich
auch der Deutiche Berein für öffentliche Geſundheits⸗
pflege zu eigen gemacht, und nad) diefem Grundſatz
ift das Reihegehundheitdamt in einigen Fällen, wo
es ſich um Begutahtung der Zuläffigkeit direkter
Einleitung von Abwäflern in öffentlibe Waflerläufe
bandelte, verfahren. Die empfindlichite Methode,
den Grad einer F. feitäuftellen, bilden vergleichende
balteriologiſche Bin aaa des MWaflerd ober:
balb und unterhalb des verunreinigenden Zufluſſes,
während die chem. Analyje infolge der erheblichen
Verdünnung braudbare Refultate meift nicht liefert.
Da Art. 65 des Einführungsgefehes zum Deut:
ſchen Bürgerl. Geſetzbuch das Wafjerrecht der Lan:
deögefehgebung vorbehält, jo befteben feine einbeit:
lihen Beitimmungen zur Verhütung einer über:
mäßigen Verunreinigung der Flußläufe. Erft dem
durch das Reichsſeuchengeſeß vom 30. Juni 1900
neu geichaffenen Gejundbeitärat wurden verſchiedene
Obliegenheiten mit Bezug auf die Reinbaltung der
das Gebiet mehrerer Bundesftaaten berübrenden
Fluſſe übertragen. Derjelbe bat auf Antrag eines
ver beteiligten Bundesjtaaten eine vermittelnde
Ibätigleit auszuüben —— gutachtliche Vorſchläge
zur Verbeſſerung der beſtehenden Verhältniſſe und
zur Verhütung drohender Mißſtände zu machen;
er hat ferner auf Grund vorheriger Vereinbarun
zwiſchen den beteiligten Bundesjtaaten über Strei⸗
tigfeiten einen Schiedsiprud zu fällen, und ift end:
li befugt, Anregungen zur Verhütung drohender
Mipftände oder zur Verbeſſerung vorhandener Zu:
ftände zu geben. — Bol. König, Die Berunretni:
gung der Gewäſſer u. ſ. m. (2. Aufl., 2 Bde. Berl.
1899); Sammlung von Gutadten über F. (in den
«Arbeiten aus dem kaiferl. Geſundheitsamte⸗, von
Bd. 5, ebd. 1889, an).
Flüftergalerie, Flüftergewwölbe, |. Schall:
ipiegel und —* (phyſilaliſch).
Flüftern (Fliſtern), diejenige Art des Spre
chens, bei der die Spradlaute nicht mit Rebltopf:
tönen, mit den Klängen der Stimme, verbunden
werden, wie bei der gewöhnlichen lauten Sprache.
Beim F. werden alfo nur Geräuſche in den ober:
balb des age gelegenen Hoblräumen (Mund:
und Rachenhöhle) erzeugt, wobei die Stimmbänver
des Kehlkopfes ganz unbeteiligt bleiben.
Flustridae, Familie der Moostierchen (f. d.),
mit aufrechtem, breitblätterigem, bornigem Stod.
Die Familie enthält 5 Gattungen und etwa 30
Arten, von denen die bid 15 cm hohe Flustra
847
foliacea L. (|. Tafel: Meerwafferaquarium,
ig. 18, beim Artikel Aquarium) eins der gemeinten
dostierchen ift und auch an der Nordſee nach ftür:
mifcher Witterung in Menge ausgefpült zu finden ift.
Int, das Steigen des Meerwaflers, f. Gezeiten.
ecken, joviel wie Dod (f. d.).
Intbrecher, j. Mole (im Bauweſen).
Iutbrüden, die im Anſchluß an Strombrüden
ausgeführten, mit Durchläſſen für Hochwaſſer ver:
fehenen Zufahrten; oder auch ſelbſtändige den,
die über ein Üüberſchwemmungsgebiet, bez. einen
— führen. ſ. Dolzflöte.
Ato, ſ. Flöte; F. à bee, }. Schnabelflöte; F.
Flüte oder Fleute, im 17. und 18. Jahrh.
Name dreimaftiger erg mit Lugger⸗
oder Rabefegeln, welche aud ald Zransportichifie
die Kriegsflotten begleiteten, :
Flutfaktoren nennt Falb die Ortsverhältniſſe
von Sonne und Mond, die auf die Größe der An-
iehung diefer Körper entweder verſtärkend oder ab:
Fady Are wirten. Bon diefen foll die Stärte
der atmoſphäriſchen Flut ähnlich beeinflußt werden,
wie dies bei Ebbe und Flut des Meers thatſächlich
nachgewieſen worden ift. Die F., die ſich verftär:
fend unterjtügen, find Oppofition und Konjunktion
(f. Aipelten), in Bezug auf den Meridian oder
den Aquator, Erbnäbe des Mondes, Erbnäbe der
Sonne, Aquatorſtand des Mondes und Slquator:
itand der Sonne. Abſchwächend wirken die Erb:
fernen. Je mebr verftärtende Faktoren zufammen:
treffen, um fo fräftiger foll die Wirkung fein. (©.
Mondeinfluß auf die Witterung.)
Fluntgras, Süßgras, f. Glyceria und Tafel:
Gramineen IV, Fig. 2.
Iutgröße, |. Gezeiten.
luther, 5 utberd (veraltet $luder, Ge
luder), hölzerne Gerinne zur Abführung von
äffern, wie in der Grube bei Stollen oder
unter Stollenfohlen zur Sicherung der Wafler ge:
gen deren Tieferfinten, Berfallen, namentlih in
die Tiefbaue, von wo aus biejelben mittels Ma:
ſchinen wieder auögepumpt werben müßten; Frei:
oder Weichflutber, am Harz Ausflut oder
Fehlſchlag genannt, ift ein F. bei einer Teich:
oder Örabenanlage zur Abführung der aber en
Intturven, ſ. Flutmeſſer. —28
Intmeffer, Vorrichtungen zur ſelbſtihätigen
Au Er von Flutkurven, Kuren, durd
melde die Geſetze des Steigens und Fallens des
Meers infolge Flut und Ebbe und anderer Umſtände
am beiten zum Ausdrud lommen. Man erhält dieſe
Kurven, indem man die Zeit ala Abjcifje, die je:
mweilige Höhe des Meers an diefem Buntte von einem
mittlern Stande aus gemeſſen ald Drbinate auf
trägt. Man kann aus folhen Kurven die Einwir:
fung mander Ströme, Meerengen, die Einwirkung
des Mondes, Windes u. f. w. ftudieren. Die F. von
Palmer in London 1831 zuerft angewendet, bejteben
aus einem Uhrwerk, das einen ————— lang⸗
ſam an einem Stifte vorbeiführt. Letzterer ſteht mit
einem Schwimmer in Verbindung, der wieder in
einer mit vem Außenmwafler tommuntzierenden Röhre
figt. Die Bewegung des Stiftes erfolgt nach einem
beftimmten Reduttionsverbältnis, 5. B. in z;, um
nicht zu hohe Bapierftreifen benuhen zu müflen, da die
Waflerftände oft um mebrere Meter differieren.
Iutmotoren, |. Bob. 17.
utmündung, |. Uſtuarium.
848
Iutomöter, — * ſ. Dampfleſſel (Ar:
lutſagen, j. Sintflut. [matur).
Intfchleufe, Zeil eines N N Freis
are. Boden (f. d.).
Intfchutt, durh Schwemmun ——
lutſtrom, Meeresſtromung, |. ya
lutthor, Teil eines —— aues Y Sihleufe.
lutwe Gezeiten.
luviãl (lat. * auf * ra bezüglid ; von
Pflanzen: in Flüfjen wach
—* h —————— ein el
render Peg te
—— Schichten, ſ. Brackiſche S
ugion (lat. fluxlo), das Fließen, der Fluß
eumatiömus), auch Blutwallung (j.Hyperämie);
v a Mathematik foviel als Differential,
Fluxus (lat, ) ke Fluß, das ließen; F. aurlum,
Obrenfluß; eliäcus, rubr; F. haemor-
rhoidälis, — Ader; F. lochiörum oder lochiä-
lie, A dor. de F. mensträus Monatöfluß.
a flei), Fluß im fübl, Neuguinea, bildet
nad einer brit.cmiederländ. hun en von 1895
die Gren je der beiderjeitigen Gebiete, dod jo, daß
der Fluß hauf jelbft Gruß, die Schiffahrt aber für
beide Zeile frei iſt. Er entipringt unmeit der Grenze
des deutichen Gebietes, nimmt lint3 den Palmer,
rechts den ſchifſbaren Alice, fpäter unter 7° 50’ ſudl.
Br. den mächtigen Stridlandfluß auf. Er mündet,
ein umfangreiches Delta bildend, in den Pa uagoli.
— Der F. murde 1843 entdedt, 1875 von d’Albertis
und MeFarlane 50 km aufwärts befahren; 1876
elangte d'Albertis 800 km, 1890 \ cregor bis
r ft Ey —— Grenze 970 km weit hinauf.
disease (engl., jpr. flei disihß), f. Tjetfe.
aller (engl., |pr. fleiör), eine Maſchine ver
Spinnerei (f. d.): . im Rennf ort, ſ. Flieger.
„ea ; fpr. liegen:
ei ſiſch)
hi an]. Be pair N Garlen.
Iygäre: — Kdimed. Romanidriftitellerin,
Inat, Paul, Goldihmied, |. Flindt.
Iyfch, eine mädtige Schichten * von faſt
überall verſteinerungsleeren, dunllen Schiefern,
Mergeln gi Sandſteinen, die meift alttertiären
Alters find und am Aufbau vieler jüngern Gebirge
in Europa, wie Alpen, Apenninen, farpaten, be
deutenden Anteil nebmen.
fm, Abkürzung für Feſtmeter (f. d.).
M., Abkürzung für Feldmarſchall.
ME., Ablürzung für Feldmarjdallleutnant.
-moll (ital. fa minore; fran;. fa mineur; engl.
f minor), die Molltonart, bei der h,e,a, d u
einen halben Ton erniedrigt werben, alfo’ vier
vorgezeichnet find; die parallele Durtonart iſt As-
dur. (S. Zon.)
9, bei den Ehinefen der Name des Buddha (f.d.).
.B. “ o. b.), Abtürzung für free on board
(en [), v. b. frachtfrei an Bord.
Sk ta (Fotſcha oder Fukda), Stadt und Haupt:
ort des Bezirtd F. (1889,4 qkm, 275 Ortſchaften,
34938 €.) im boön. frei Serajem o, in ſchoͤner
Umgebung an beiden Ufern der Drina und zum
Zeil noch ım Thale der Gebotina, die fich hier in die
Drina ergießt, Sik des Kommandos der 8. Gebirgs⸗
brigade, bat (1895) 4217 E., varunter 2842 Mobam:
mebaner, 742 Griehiih:Orthodore und 75 Ro—
miſch⸗Katholiſche, in Garnifon ein Bataillon des
78. ungar. nfanterieregiments; abrilation von
a ar und Handidars, oll- und Leder:
waren; Feldwirtſchaft.
Flutometer — Föderalismus
35 „ſ. Folal.
ochabers (ſpr. fodabbẽrs) Fleden in der ſchott.
Grafſchaft Elgin, 13 km im DED. von Elgin, am
—* mit (1891) 1101 €. und einer Freifcule.
Dabei Gordon-Caſtle, Sitz des Herzogs von Ric:
mond und Gordon, ſowie Refte eines röm. Lagers.
Fock, das unterfte Raheſegel an dem vorberften
Maſte der Schiffe. = erdem dient 50 d: als Unter:
ſcheidungsvorſilbe fürZatelungsteile des Fod ma
jedoch nur des Untermaſtes, —— vom Toppiſ. d.)
aufmwärts diefe Teile ne, el die Unterſcheidungs⸗
vorfilbe nr erhalten: z. B. Vormarsſegel, Bor:
oberbrambra
ode, Keen, ſ. Nachtreiher.
ode, Mil iWers, Arzt und Botaniker, geb.
ril 1834 in Bremen, ftudierte in Bonn, wWin
—* und Wien, war 1858—68 zu Oberneuland
und Bremen praitiſcher nm Duck Krankheit ge:
mungen, feine Praxis auszuſetzen, beichäftigte er
fs onders 4 botan. Studien. Gegenwärtig
iſt er Mitglied des Gefunbbeitsrats zu Bremen und
Arzt der Strafanftalt Oslebshauſen. F. ſchrieb:
«Synopsis ruborum Germanise» (Brem. 1877),
«Die Pflanzenmifchlinge» (Berl. 1881). Seit 1868
redigiert er die vom Naturwiſſenſchaftlichen Verein
zu Bremen herausgegebenen «Abbandlungen».
odmaft, der vorderfte Maft (f. d.) der Schiffe.
odfegel, ſ. Fod.
24* (Hoff häni), Hauptitabt des rumän.
Kreifed Putna, 75 km im WA. von Gala, am
Rande der öftl. Vorböhen der ſarpaten und an der
Linie Buzau:Roman der Rumän. Staatsbahnen,
ift Sig der 6. Territorial:Militärdivifion und eines
öfterr. Vicetonfuls, hat (1899) 23 783 E., darunter
5959 Israeliten, Gymnafium, 28 Kirchen, 2 Syna-
gen und bedeutenden Getreidebandel nah Galak.
An der Nachbarſchaft bei Ddobesci (4670 €.),
wobin Bahn führt, wächſt ver nad dem Kotnar
beite Wein der Moldau. F. bildet den linten Flügel:
engere der beieitigben en Serethlinie. Die Befefti-
vs —— F. im Bogen von etwa 6 km Radius
und D. mit 18km Länge, beiderſeits auf bie
Milton geftüht. Sie bat im erften Treffen 41 Em:
placements von je fünf 37 mm: Fahrpanzern, im zwei:
ten und dritten 15 Emplacements mit 53mm t:
panzern, gepanzerten 12 cm:fanonen und Mörfer
ftänden, I 0 dem eine Gruppe von Haubigen.
Am 1. Aug. 1789 erlitten bei F. die Türlen durch
die Rufen und Öfterreicher unter dem Prinzen von
Eoburg eine Niederl
ocunda, Stadt,t —
ocuo (lat.), eig (1. d.).
odder, großes engl. Gewicht für Blei. Für
Blei in Blöden oder Mulven (jog. Gänfen oder
Sauen, Pig lead) begreift das 5. in London 19%
in Nemcaft e 21, in Stodton 22 Hundrediweigbtä
oder Gentner zu 112 engl. Pfund, ift alfo = 1981,288,
1066,850 und 1117,652 kg. Für Blei in Rollen bat
ud die Schwere vn 20 Hundredweights oder 1 Ton
= 1016,08 kg. (S. Foſter.)
öddi, brit.:o tind. Münze, ſ. Fuddeah.
Öderalismus (vom lat. foedus, Bündnis),
jede Staatsauffaflung, die als beſte Konftitutions:
korm die gegen des Gemeinweſens aus
einem mehr oder minder feſten Bunde mehr oder
minder felbftändiger Einzelgliever (Staaten, Ge—
meinden u. ſ. w.) betrachtet. Anhänger des F. nennt
man Föderaliften. Beide Namen haben jebr
verjhiedene Anwendung gefunden.
Föderaltheologie — Fodere
In der politiſchen Theorie bezeichnet der
Name F. ein von P. J. Proudhon (ſ. d.) aufgeſtelltes
Syſtem. Während Proudhon früher die Zerſtörung
jeder ſtaatlichen Autorität als Ziel hingeſtellt hatte
(f. Anarchismus) he er in feinen jpätern Schrif⸗
ten, ba& die wirtihaftlie Gerechtigteit dadurch am |
volllommenjten u erreichen fei, daß der Staat in |
zablreiche Heine Gemeinschaften ſich auflöje, welche, |
völlig jelbftändig und untereinander nur fofe ver: |
bunden, die Gleichheit aller Individuen und damit |
die Beieitigung ber focialen Übel durchzuführen
baben. Dieje Lehre fand in Frankreich unter den
Gegnern der jtraffen Gentraltjation ber dortigen
Staatöverwaltung viel Antlang und hat denjenis
en Beitrebungen, melde in dem Aufitand ver |
Barifer Commune (März 1871) gipfelten, wirtjam |
vorgearbeitet.
In der Bolitik hat der Name Föderaliften bes
ſonders auf eine gene der Vereinigten Staas
ten von Amerila Anwendung gefunden, bie um
1792 hervortrat und ſich bis 1822 in einigen der
Neuenglandſtaaten hielt. 1788—89 legten ſich die
Anhänger der neuen Keciehung 0. erfaſſungs⸗
tonvent) den Namen zuerſt bei. & Annahme ver
Berfaflung hörte jeder Widerftand gegen dieje ul
und im Beginn von Wafhingtons Präſidentſchaft
(1789—92) gab es feine eigentlichen Parteien. In
dem Kampf, der 1793 zwiſchen Frankreich und Eng⸗
land ausbrab, nahmen die konſervativen Männer
der Neuengland⸗ und Mittelftaaten zufammen mit
den ariftofratiihen Pflanzern von Süpdcarolina für
England Partei, mäbrend die liberalen Elemente,
die ihren Hauptrüdhalt in den doltrinären Führern
des Süudens hatten, auf feiten Frankreichs >
den. (S. Demotratiihe Partei.) Aus den kauf
männiichen Klaſſen und den Ronjervativen gemein:
fam entjtand die Beneralibenparken. der ſich
auch Wafbington anſchloß. Bei der PBräfidenten:
wahl 1796 errang der Kandidat der Foderaliſten
ohn Adams den Sieg über Jefferſon. Ein heftiger
wiſt, der zwiſchen Lohn Adams und Hamilton
ausbrad, führte 1800 zu einer Verbindung der ſüdl.
Republitaner mit Neuyork, der ſich Sübcarolina ans
ſchloß, infolge deren die Föderaliſten eine Niederlage |
erlitten, von der fie fih niemals wieder erholt haben. |
Im Kongreß bildeten fie 1801—17 eine Heine, aber
energiſche Minorität, die zu ſchwach war, ihre Ans |
fichten zur Geltung zu bringen. 1816 ftimmten nur
noch drei Staaten für den föberalijtiihen Präſident⸗
ſchaftslandidaten. Die Bartei hielt zwar ihre Orga:
nifation nod in einigen Staaten aufrecht, erloſch
aber allmäblib und war um 1822 ohne praftiiche
Bedeutung. — Val.H. Adams, Documents relating
to New England Federation (Boft. 1877); derf.,
History of the United States (Bd. 1—2, Neuyort
1889); von Holit, Berfaffung und Demokratie
ver Vereinigten Staaten, TI. 1 (Düfjeld. 1873);
MeMaiter, History of the people of the United
States (5 Bde., Neuyort 1883 fg.).
In Frankreich wurde in der Revolution von
1789 den Girondiſten (f. d.), um fie beim Barifer
Volle verhaßt zu machen, von den Gegnern die Bes
zeichnung Föderaliften und die Abficht beigelegt, die
Hauptitadt dur die Provinzen zu tyrannijieren
oder wohl gar die Einheit und Antegrität des Ge:
amtjtaates aufzubeben und an jeine Stelle das |
ofe Band einer bloßen Föderation der einzelnen
Provinzen zu ſehzen. uh in ber neuern get
find in Frankreich vereinzelte Verfuche einer Mil- |
Brockhaus' Fonverfationd-Beriton.. 14. Aufl. R. A. VI
849
derung der Gentralifation in föderaliftifhem Sinne
bervorgetreten. G Eentralifation.)
In den deutſchen Bundesitaaten war früher
der Name Föderaliften und F. ald Parteiname
nicht üblich. Die unterfcheidende PBarteibezeichnung
r bie — einer ſtrengern und einer loſern
orm der Föderation (f. d.) war —— in den
polit. Kämpfen von 1848: Bundesſtaat (ſ. d.) oder
Staatenbund. Auch heute fpielen bis jet weder
Name noh Sache im Deutihen Reiche eine irgend
erheblihe Rolle, da verfaſſungsrechtliche Streit:
fragen aus dem polit. Leben des Reichs bis jegt mit
Sorgfalt fern gehalten wurden.
Dagegen beiteht in Oſterreich eine föbera»
liftifhe Bartei, melde die Selbftänpigleit und
polit. Sonderung der einzelnen Kronländer gegen
die dee des centralifierten Gefamtitaates vertritt
und dermalen den beberrfchenven Faktor der diterr.
Politik in Eisleithanien bildet, während im König:
reich Ungarn die gerade entgegengefesten Tendenzen
in der Regierung maßgebend find,
Föderältheologie, Bundestheologie (lat.
Theologia foederalis), eine der Dogmatil der
reform. Kirche eigentümliche eg der ver:
ſchiedenen Stufen der erlöfenden Gnadenreligion
als aufeinander folgender Bünde zwiſchen Gott und
den Menſchen. Zunädft unterſcheidet man den
Bund der Werke (foedus naturae seu —— ),
d.i. das Verhältnis des Menſchen zu Gott abgefehen
von der erlöfenden Offenbarung und Gnade, ver:
wirflicht vor dem Sündenfall, und den Bund ber
Gnade (foedus gratiae), d. i. das auf Offenbarung
berubende Verhältnis des Menſchen zu Gott jeit
dem Sündenfall. Letzteres durchläuft drei Stadien
der Entwidlung: vor dem Geſetz, unter dem Gefeh
und nad dem Gefek oder unter dem Evangelium,
als foedus gratiae ante legem, sub lege, post legem
sive sub evangelio. Die F. ift fhon von Ealvin
angedeutet, von Hyperius ausgeführt und von
Eoccejus (f. d.) in einfeitiger Strenge angewandt,
Föderation (lat., «Bündnis»), im weitern Sinne
jeve Art von Verbindung zweier oder mehrerer
Staaten, wobei die Verbündeten ihre Souveränität
behalten. Unter den Begriff der F. gebört alſo aud
die zu einem vorübergehenden polit. Zmed, ins
bejondere zur gemeinjamen Führung eines Krieges,
abgeichlofjene Allianz (ſ. d.). Namentlid in dert s
bern Zeit pflegteman die Ausdrüde Föderierte und
Alliierte ald ganz gleichbedeutend und zwar im Sinne
von Kriegsverbündeten zu bezeichnen. Aber aud
Vertragsverbältnifle zu friedlichen Zmeden werben
als F. bezeichnet. Im engern Sinne bezeichnet F.
over häufiger nob KRonföderation einen Staaten:
bund im Gegenjage zur bundesitaatliben Einigung
(Union). Namentlib wurde dieſer Ausdrud ans
— auf die ältere Vereinigung der nordamerik.
taaten nach der Verfaſſung von 1787, auf bie
ſchweiz. Eidgenofjenihaft, auf den Rheinbund und
auf den ehemaligen Deuticen Bund,
Öderatid (lat.), bundesmäßig; bundesftaatlid
63 Gegenſatz zu centraliſtiſch und unioniſtiſch);
dderativftaat, Bundesſtaat.
Fodereé, Francois Emanuel, franz. Mebiziner,
geb. 8. Jan. 1764 in St. Jean de Maurienne, ſtu⸗
dierte in Turin, trat als Militärarzt in die franz.
Armee und wurde 1793 Arzt in dem Hospice d’hu-
manits und an der ee in Marjeılle. Nach⸗
dem er eine Zeit lang ne der Phyſik und
Chemie an der Centralſchule von Nizza geweſen
54
850
war, wurde er Arzt an dem dortigen Spital und
pie bier —— über Anatomie und Phyſio⸗
ogie. 1804 kehrte er wieder als Arzt am Hötel
Dieu nah Marjeille zurüd. 1814 wurde er als
Profeſſor der gerihtlihen Medizin nad Straßburg
berufen und 1819 au mit den Borlejungen über
Epidemiologie betraut. Er ftarb 4. Febr. 1835.
Seine berühmteften Werte find: «Les lois &clairdes
par les sciences physiques» (3 Bbe., Par. 1798),
«Lecons sur les Epid&mies et l’hygiöne publique»
(4 Bde., Straßb. 1822— 24). Seine Heinern Schrif⸗
ten füllen 60 Bänbe.
Öderierte, Verbündete, |. Föderation.
oedus (lat.), Bündnis, Bund, Tejtament.
ve, Daniel de, engl. Schriftjteller, j. Defoe.
og (engl.) dichter Nebel,
ogarad (ipr. jöggarafh). 1) Komitat in Sie
benbürgen (|. Rarte: Ungarn und Galizien),
bis 1876 Bee in Siebenbürgen, grenzt im N.
an das Groß: Koleler Komitat, im B an Kron⸗
ftabt, im S. an Rumänien, im W. an das Komis
tat Hermannftabt, bat 2433 qkm, (1900) 92801
meift rumäniſche griec.:orient. E. (5159 Ungarn,
3627 Deutihe, 2454 Römifh:, 23850 Griechiſch⸗
Ratholiiche, 2737 Augsburger Konfeſſion und 2225
Reformierte) und umfaßt die 4 Stuhlbezirfe Alf:
arpäs, F., Särtäny, Törzburg mit 1 Groß: und 70
Klein-Gemeinden. Der Boden ift durchgehends ge:
birgig. An der Südgrenze erftreden fi die yoga:
rather Gebirge (f. Karpaten, 4) bis zum Torz⸗
burger Paß. Das Klima ift gejund, aber raub und
deshalb dem Aderbau nicht jehr günftig. Die vor:
berrihende Beſchäftigung der Einwohner ift Vieh:
zudt, beſonders Schweinezudt. Handel und Ins
buftrie find unbedeutend. — 2) Groß: Gemeinde
und Hauptort des Komitats ſowie Stublbezirts
(26163 €.) %., lint3 an der Aluta, in 436 m Höbe,
an der Linie Hermannſtadt⸗F. (85 km) der Ungar.
Staatsbahnen, bat (1900) 6457 E. (1243 Deutiche,
2292 Rumänen), darunter 1261 Romiſch-⸗, 1384
Griechiſch-⸗Katholiſche, 951 Griechiſch-Orientaliſche,
2143 Evangeliſche 474 Israeliten, in Garniſon
1 Bataillon des 50. ungar. —— —
fünf Kirchen, ein Franziskanerkloſter, eine Syna:
oge, ſchöne gebedte Brüde (1817); Spiritus:
britation, Müblenwerte, Tabalbau und Getreide:
bandel. Nah F. ift das gried.:tath. Erzbistum
(I: Siebenbürgen benannt; doc bat der a
einen Sik in dem Flecken Blajendorf, i F.
wurde Bem 12. Juli 1849 von den ruſſ. Generalen
Engelhardt und Lüuders befiegt.
— Gebirge, ſ. Fogaras und far:
paten, 4.
Fogaraffy (ipr. jöggaralci), Johann, ungar.
Sprachforſcher und Such, geb. 1801 in Ober⸗Kaͤzs⸗
märk (Abauj), ftudierte in Särospatal die Rechte,
warb 1829 Advokat, 1841 Selretär des Wechſel—
gerihtö, 1847 Selretär des Erzherzogs Stepban,
1848 Nat im ungar. Finanzminiſterium. Nac Wie:
derberitellung der Verfafjung wurde F. Bräfident
des Handels: und Wechſelgerichts, endlich Richter des
Dberiten Gerichtshofs und ftarb 11. Juni 1878. Seine
wichtigſten Werte (Jämtli in ungar. Sprache) find:
«fat.sungar. terminologiſches Leriton der Rechts:
und ———— (Veit 1833 —36), «Meta:
phyſil der ungar. Sprache⸗ (ebd. 1834), «Grundzüge
des ungar. Privatrechtö» (ebd. 1839 u. d.), «llngar.
Handels: und Wechjelreht» (ebd. 1840), «Die Un:
gariſche Bank» (ebd. 1848), «Der Geift der ungar.
Föderierte
— Foggia
Spracde» (ebd. 1845), «Grundzüge der neuen ungar,
bürgerliben Prozeßorbnung» (ebd. 1853) und be
ſonders «Ungar.⸗ deutſches Wörterbuch» (2 Bpe.,
ebd. 1836), endlich das mit Gregor Ezuczor (f. d.)
begonnene, aber nad) deſſen Tode (1866) von F.
ein fortgeführte und vollendete «Große Wörter
bucd der ungar. Sprache», das im Auftrage der Altar
demie (6 Bde. Bubapeft 1861—74) erihien und als
Sammlung des gejamten ungar. Sprachſchatzes
großen Wert bat, in feinen Etymologien dagegen
einen ganz veralteten Standpunlt einnimmt.
Fogaſch, ein zum Geihleht der Sander ge
böriger wohlihmedender großer Fiſch, der im Neu:
fiedler: und Plattenjee in Ungarn vortommt.
Fogazzäro, Antonio, ital. Dichter und Romans
jene er, geb. 1842 zu Bicenza, erbielt jeine Bor:
ildung nie ft unter dem Dichter Zanella und
widmete fi zu Turin dem Studium der Rechts
und Staatswiſſenſchaften. Er lebt in feiner Bater
ftabt und wurde 1900 in den ital. Senat berufen.
Seinen Ruf ald Dichter, begründet durch die Novelle
in Berfen «Miranda» r. 1874; 6. Aufl. Mail.
1896; deutſch von Meinbarbt, Lpz. 1882), befeitigte
er durch die *5* Sammlung «Valsolda» (Mail
1876; 3. Aufl., ebd. 1897). Großen Beifall fand der
Roman «Daniele Cortis» (Tur. 1887; deutich von
A. Dull:Sheu, Stuttg. 1887). Es folgten die Ro»
mane «Il mistero del poeta» (Mail. 1888), «Eva»
(ebd. 1892), «Il piccolo mondo antico» (ebd. 1895),
«Il piccolo mondo moderno» (ebd. 1901) u. a.;
ferner Vorträge und Abhandlungen, wie «Giacomo
Zanella» (ebd. 1889), «L’origine dell’uomo e il
sentimento religioso» (ebd. 1895), «Discorso» (ebp.
1898), «Ascensioni umane» (ebb. 1899) u.a. Der
Roman «Malombra» (Mail. 1882) erſchien in freier
Überjekung von Courth (3 Bde. Stuttg. 1889). —
Bal. Molmenti, Antonio F. (Mail. 1900).
——— Bengt Erland, ſchwed. Bildhauer,
geb. 8. Aug. 1786 in Göteborg, beſuchte die Ala—
demie in Stodholm und ſchloß ſich befonvers an
Sergel an. 1820 aing er, nad einem kurzen Auf:
enthalte in Paris bei Bofio, nah Rom, um mit
kurzen Unterbrechungen dort zu bleiben. Hier ſchloß
er jih anfangs der herrſchenden Haffifhen Richtung
an und erntete für einen Merkur ald Argustöter
und einen Paris das größte Lob, Derfelben Kid:
tung gebören an die in den dreißiger Nabren
ausgeführten Apollon Kitbarödos, Venus mit dem
Apfel, Amor und Pſyche (alle im Nationalmufeum
in Stodholm). Dieſe Arbeiten zeigen ibn als wir:
digen Nachfolger der von Sergel und Thorwald:
fen eingeleiteten Kunſtrichtung. Auf Beltellung
Karla XIV. Jobann ſchuf er die drei Kolofjalmar
morftatuen der Götter Odin (1831; IK Tafel: Stan:
dinaviſche Kunft IH, Fig. 5), Thor und Baldur
1844; jebt im Mufeum zu Stodbolm), Geftalten,
r welche F. barakteriitiiche Typen — Eine
toloſſale und würdige Marmorſtatue Karls XIL
vollendete er 1832. Bon oͤffentlichen Dentmälern
in Bronze erbielten Göteborg und Bremen von
feiner Hand Standbilder Guſtav Adolfs, Stodbolın
das von Birger Jarl, dem Gründer der Haupt:
ftadt, und die Reiteritatue von Karl XIV. Jobann.
Schlichte Wahrheit zeichnet diefe im Koſtuüm ibrer
Zeit dargeitellten Figuren aus, 5 ftarb 22. Dei.
1854 zu Trieit. — Dal. L’CEuvre de F., publie par
Leconte (Bradhtwert; Bar. 1856). i
gegen (pr. foddſcha). 1) Provinz im König:
reih Stalien, auch Capitanata genannt, in ber
Foglar — Föhn
Landſchaft Apulien (j. Karte: Unteritalien, beim
Artitel Italien), grenzt im N. und D. an das
Adriatiſche Meer, im S. an die Provinzen Bari,
Potenza und Avellino, im W. und NW. an Bene-
vent und Gampobaflo, hat 6962 (nad) Strelbitſtij
6693) qkm mit (1901) 425450 (1881: 356267) E.
d. 1.60 E. auf 1 qkm, und zerfällt in die 8 Kreiſe
Bovino, F. (205 773 E.) und San Severo mit 53 Ge:
meinden. Die Provinz wird im W. durchzogen von
den Ausläufern des Apennin, bie fi im Montes
Sambuco zu 982, im Monte-&ornachia zu 1151 m
erbeben, während die im NO. gelegene Halbinfel
von der meift mit Wald bevedten Gebirgsgruppe
Monte » Gargano erfüllt wird. Zwiſchen beiden
die weite, von vielen Fluſſen durchſchnittene apu⸗
liſche Ebene Tavogliere di Buglia, reich an Ölbäus
men und Weiden, der Winteraufenthalt für große
Biegen: und Schafherden. Nördlih von der Halb:
infe an die Tremiti:\infeln (f. d.) vorgelagert.
Die Grenze bilden Saccione und Fortore, jüdlich
von der Halbinfel münden in den Golf von Man»
fredonia der Gandelaro, Gervaro, Carapella und
Dfanto. Am Norbrand der Halbinjel Er ſich eine
me 2. di Leſina und di Barano, bin;
eine zweite Neibe me fi füplih am Golf Lago
di Saljo und di Salpi; an den Lagunen find zahl:
reihe Salinen. Der Boden ift troß des heißen und
trodnen Klimas ſehr frubtbar und liefert Getreide,
Gewürz: und Futterträuter, Gemüfe, Tabat, Süß:
bol;, Johannisbrot, Ol und Weine. Die Biebzudht ift
von grober Bedeutung. Die die Provinz durchziehen:
ben Eifenbabnen führen über die Hauptitadt $ —
2) Hauptſtadt der Provinz F., zwiſchen den Fluß⸗
chen Cervaro und Celone in einer großen Ebene, an
den Linien Ancona:F.:Bari, F.⸗Manfredonia
(36 km), F.Lucera (20 km), %.:Neapel (198 km)
und F. Rocchetta (50 km) des Adriatiſchen Netzes,
Eis der Präfektur, eines Biſchofs, Tribunals, Han:
delsgerichts, Eiſenbahnbezirks⸗Aufſichtsamtes, ſowie
des Kommandos der Inſanteriebrigade «Toscana»,
ift gut und regelmäßig gebaut und hatte 9. Febr.
1901: 53151, 31. Dez. 1881: 40283 E., in Gars
niſon 2 Bataillone des 56. Infanterieregiments
und eine Esladron Kavallerie; eine große Anzahl
Kirchen und Altertümer, ein ſchoͤnes Zollhaus, einen
—— Säulengang zu den oͤffentlichen Gärten,
efte vom Palaſte Kaifer Friedrichs IL., in dem feine
dritte Gemahlin, Elifabeth von England, 1241 ftarb,
ein Stanbbild des berühmten Arztes Lanza, große
Kornmagazine; ein Theater, —— eine
Oberrealſchule, Gewerbeſchule, ein Lehrer⸗ und ein
Lehrerinnenſeminar, eine Bibliothek, einen botan.
Garten; bedeutenden Handel mit Wein, Ol, Wolle,
Getreide, Vieh und den in der Umgebung in großer
Menge wachſenden Kapern, ſowie eine ſehr beſuchte
Meſſe (8. bis 20. Mai). F. iſt Hauptmarktplat der
Landſchaft Apulien. In der Nähe die Ruinen des
alten Arpi.— — ielt Kaiſer Friedrich II. 1240
ein Parlament. Vor der Stadt ſiegte Manfred
2. Dez. 1254 mit Hilfe der Sarazenen über die
Soldnerſcharen des Papſtes Innocenz IV. Nah
Manfreds Tod (1266) ließ Karl I. von Anjou die
Stadt wegen ihrer Barteinabme für Ronradin bart
büßen und fpäter ein Kaftell in derfelben errichten,
1731 litt fie durch Erbbeben.
Foglar, Ludwig, djterr. Schriftiteller, geb.
24. Dez. 1820 zu Wien, ftubierte daſelbſt, ward dann
Kaufmann, 1842 Liquidator der Donau: Dampfichiff-
fahrtsgeſellſchaft daſelbſt und jtarb 15. Aug. 1889
861
8 Kammer am Atterſee. Er ſchrieb «Eypreflen»,
ichtungen (Wien 1842; 2. Aufl. 1846), «Strablen
und Schatten», Gedichte (Lpz. 1846), «Ein Stüd
Leben», Gedichte (Peit 1847), «Berworfene Schaus
Bin (ebd. 1847), aKlara von Vifjegrad», epifche
ichtung (ebd. 1847), «Geihichten und Sagen»
(ebd. 1848), «Freibeitäbrevier», Gedichte (cbd. 1848),
«Grzäblungen und Novellen» (ebd. 1854), «Neuere
Gedichte» (ebd. 1859), «Schillers Legenden» (ebd.
1859), «Donaufagen» (ebd. 1860), «Ein poet. Pilger
buch» (ebd. 1861), «Still und bewegt», Gedichte
(ebd. 1862), «Reliquien eines Honved», anonym
ebd. 1862), «Novellenbudh» mit feinem Bruder
dolf (2 Bove., Wien 1863), «Minnebof», Roman
in Liedern (ebd. 1864), —— und leidoou⸗
Gedichte (Lpz. 1867), «Sanct Belociped», unter
dem Pſeudonym Leberebt Flott (Hamb. 1869),
«Beethoven. Legenden» (Wien 1870), «Gedichte.
Neue Sammlung» (Lpz. 1883), «Geſchichten und
Gedentblätter in Berjen» (Wien 1883).
Foglia (pr. folja), Fluß in Italien, entfpringt
an der Ditfeite des etrust, Apennins, in der Bro:
vinz Arezzo, fließt nah DND. und mündet nad
einem Laufe von 85 km bei Pefaro, defjen Hafen
er bildet, ind Adriatiſche Meer.
Foglie d’Espagne (fra ipr. foljih deſpännj),
fpan. Tanz von ernjtem Charakter im Dreiviertel:
takt, hat zwei Teile zu je acht Takten und wirb von
einer einzelnen Bern getanzt.
Foglietta (for. folj-), bis Ende 1870 ein gefep-
liches Fluſſigleitsmaß im frübern Kirchenſtaate. Die
. war ein Viertel des Boccale und in Rom für
ein und Branntwein = 0,461, für Öl = 0,1 1;
in Ancona war fie 0,36 1; in Bologna = 0,35 1.
Foglietto (ital., ſpr. folj-, «Stihwort»), in ber
Mufit rüber die Violinſtimme des Ronzertmeifters,
in der die Soli und die Eintritte der andern Stim—
men angedeutet waren, jo daß nad) diejer Vorlage
dirigiert werben konnte. Bis zum Anfang bes 19.
Jahrhunderts wurden alle Orcheiterjtüde nach einer
ſolchen Direltionsjtimme vom erjten Bulte aus nes
leitet. Ein befonderer Kapellmeifter und Partitur
jind Produlte der neuern Zeit.
090, eine der Kapverdiſchen Sr (1. d.).
ob engl. Schreibweije für Fu⸗ hi (f. d.).
oblen, Füllen, rd für das junge
Pferd (bis zum 5. — F. als Verbum iſt gleich⸗
bedeutend mit Abfohlen und bezeichnet das Ge:
bären der Stuten (ſ. Geburt der Tiere).
ar ei ran Krantheit, ſ. Darrſucht.
3 lenzähne, — 5*— der Pferde f d).
öhn oder Fön (lat. Favonius), in den Tbälern
am Norbabfall der Schweizer Alpen der warme,
trodne Süd» und Eüdoitwind, der namentlich im
Herbft, Winter und Frühling oft mit ortanartiger
Seftiglet auftritt. Dem Föhniturme gebt in der
Hegel Winpftille, auffallende Durafichtigteit der
Yuft und ſcharfe, grelle Beleuchtung voraus, bie
bald einer zunehmenden Trübung der Atmofpbäre
weichen. In den oberiten Luftregionen bilden ſich
Federwollen, während in den Thälern die Lufts
feuchtigkeit fich bis auf 35 und 25 Proz. vermindert.
Beim Beginn der Erjcheinung, die in Sberiopen von
durbicnittlic 2%, Tagen eintritt, ijt der Wind kalt,
Raſch erfolgen wärmere und immer wärmere Stöße
das Barometer jällt, das Thermometer fteigt. Bei
Menſchen und Tieren zeigen fihb Unbehagen und
Griblaffung, die Bilanzen werden welt. Wird der
3. feiner ortanartigen Heitigteit wegen oft gefürch⸗
54*
852
tet, fo daß während feiner Dauer kein Schiff den
Urner: und den Walenſee zu befahren wagt und in
Glarus und andern dem F. ausgeſetzten Orten kein
euer brennen darf, ſo iſt er andererjeit3 ald «Schnee:
refler» wohlthätig, der raſcher als die Sonne bie
Schneemaſſen des Winters ſchmelzt und dem Früb-
ling ven Weg bahnt, und es * denn auch die
Föhngebiete wie das Ahönetha ‚das Oberhasli,
das obere Reuß⸗ und das Lintbtbal, das bündnerifche
und das St. Gallenſche Rheintbal, das Montavon
u. ſ. w. böbere mittlere Temperatur und füdlichere
Vegetation, als ihnen nad ibrer ec und
ihrer Breite zulämen. Beim Aufhören des F. ent:
laden fich die ibm folgenden Woltenmafjen in flut:
artigen Regengüflen, und aud auf der Süpfeite ber
Alpen geben die Föhnniederſchläge dem Winde nicht
voran, jondern folgen ihm nad. Beim Eintritt des
5, haben die Thäler am Südabfall der Aipen meiit
oben Barometeritand und ruhige Luft, erft im Ber:
(auf der Erſcheinung werden auch die tiefern Luft:
ihichten der Süpjeite in die Bewegung hinein:
nezogen und fteigen am Alpenfamme in bie Höhe,
wobei Rondenfation des Waflerdampfes eintritt.
Der 5. entiteht, wie Hann und Billwiller nad:
gewieſen haben, in den Alpen jelbft, jobald im nördl.
tlantifchen Dcean, zwiſchen der Bai von Biscaya
und Nordicottland, ein tiefes Barometerminimum
auftritt. Diefe Minima ziehen zunäcft die Luft
Beiteuropas in den Wirbelfturm hinein, dann auch
die Luft über dem nördl. Borland der Alpen und den
Alpentbälern, und indem diefe Luft nah N. und
NW. bin abfließt, ftürzt zum Erfa die Luft von den
Alpenkämmen in die Tbäler binab, erwärmt fich da:
dei und bildet den F. Wie die nördl. Alpenthäler
ven Südföhn, haben die jüdlichen einen Nordföhn,
wenn tiefe Barometerminima über dem Mittelimeere
‘iegen, und ähnliche Winde find aud in Weſtgrön—
fand, auf der Ditjeite der Neufeelänpiichen Alpen
uf. mw. beobachtet worden. — Bal. Hann, Über den
F. in Bludenz (Wien 1882); Berndt, Der F. (Gött.
1886); derf., Der Alpenföhn in jeinem Ein auf
Natur: und Menfchenleben (Ergänzungsbeft Nr. 83
zu «Petermanns Mitteilungen», Gotha 1886); Wild,
ber den F. (Zür. 1901).
Föhr, eine der nordfrief. Inſeln (f. Karte: Han:
nover u.f.mw.), 82 qkm groß, 13 km lang und 8km
breit, zum Kreis Tondern der preuß. Brovinz Schles⸗
wig:Holitein gehörig, ift von dem nächſten Hafen
Dagebüll 9 km entfernt und ftebt mit diefem jomie
mit Hamburg und Hujum in regelmäßiger Dampf:
—— d. iſt in drei Kirchſpiele geteilt
und bildet mit Amrum (f. d.) einen Yandvogteibezirt
von 4394 E.; die größere ſudweſtl. Hälfte der Inſel
beftebt aus hoher, nicht unfructbarer Geeit, die
nordöftlihe aus angeſchwemmter Mari, die feit
1492 von einem a ih Deihe geibüst wird. Die
Dörfer liegen alle auf der Geeft im Schatten ftatt:
liber Bäume, wie überhaupt 5. alle nordfrie. In—
jeln an Baumwuchs übertrifft (Strandallee, Königs:
garten). Die Bewohner von F. ſprechen unter fich
die nordfrief. Sprade, die noch heute mit örtlichen
Dialettabmeihungen allgemein auf den jchleswig:
ſchen Inſeln heimiſch ift, aber mehr und mebr von
Plattdeutichen verdrängt wird, namentlich in den
weniger entlegenen Ortſchaften. Kirchen: und Schul⸗
iprace iſt hochdeutſch. Die Männer jind als tüch:
tige Seeleute befannt. Einen eigentümlihen Er:
werbszweig bilden die 6 jog. Vogellojen, in welchen
zur Herbitzeit die Kridenten und andere wilde Enten
Fohr — Foir
in großer Zahl gefangen werden. In der Näbe
ehemals ergiebige Aufternbänte. Hauptort ift Wut
(1. d.). Bemerlenswert find die vielen vordriitl.
rabhügel und der alte Burgmall bei Borgum. —
Bol. Ehr. Johanſen, Die nordirief. Sprache nach der
Böbei E und Amrumer Mundart (Kiel 1862);
. &. Nerong, 5. früher und jegt (MWyf 1885);
D. Bremer, Einleitun ” einer amringiſch⸗fohrin⸗
giiben Spraclebre 9 e 1888); Ebr. Tenien, Die
nordfrieſ. Inſeln Sylt, F., Amrum und die Halligen
2. Aufl., Hamb. 1899); Martens, die nordiriei.
nieln u. f. w. (Meldorf 1896); Schleswig: Holitein
meerumjchlungen (fiel 1896). Eine Anthologie jind
die «Terrengan dömreng Staden üb Rimen», + von
D. Bremer (Halle 1888); Pbilippfon, Kultur» und
Naturbilder von F. (Fobr 1902).
öhrde, joviel wie Sjorb (.d.).
hre, fübdeuticher Name der Kiefer (j. d. und
Tafel: Nadelbölzer. BWalpbäume VIIL, 2).
hreuſchwärmer, der Fichtenihmwärmer (j.d).
oiften, ſ. Buddha.
Foix (ſpt. fdä). 1) Arrombiffement im Bei}
Depart. Ariöge, bat 2112 qkm, (1901) 70837 €,
140 Gemeinden und zerfällt in 8 Kantone. —
2) Hauptftadt des Depart. Ariege und des Arron⸗
difjements F., in malerifher Umgebung am Fuße
der Vorenäen und links von der Ariöge und an ber
Linie Toulouje: F.:Ar:led: Thermes der Süpbabn
elegen, Sig eines Vräfelten, eines Gerichts: und
ſſiſenhofs, iſt Schlecht gun, bat (1%1) als
Gemeinde 7065 E., in Garniſon einen Zeil des
59. Infanterieregiments; maleriſche Reſte eines
Schloſſes auf hohem Feld, Mujeum, Lehrerjeminar,
Bibliothet und Krantenbäujer; Gijenwerte, Voll
ipinnerei, Zichtzieherei und Handel. — F. (Fuxum),
jeit dem 11. Jahrh. Hauptort der Grafihaft und
jpäter des Gouvernements 5. (4310 qkm), litt ſchwet
mwäbrend der Neligionstriege. — Vgl. Basquier und
Roger, Chäteau de F. (Foix 1900).
oix (ipr. föd), altes franz. Grafengeſchlecht,
das von der Grafſchaft F. im ſudoſil. Frankreich
den Namen empfing. Roger von F. erbte von
ſeinem Vater Bernard, dem jüngern Sohne bes
Grafen Roger I. von Carcafjonne, einen Teil feines
Gebietes und nahm um 1050, nachdem er noch durch
Erbſchaft das übrige vereinigt, den Örafentitel an.
Raimond Roger nd begleitete 1190 Phi⸗
lipp I. Auguſt von Frankreich nad Paläſtina. Doch
wurde er nachher der Teilnahme an der Ketzerei
der Albigenfer (f. d.) beſchuldigt, worauf Simon
von Montfort fi in den Belis feiner Güter jebte.
Gegen diejen im Bunde mit Raimond VIL_von
Toulouje lämpfend, ftarb er 1223. Sobm
Roger Bernard I. focht ebenfalls auf feiten
des Grafen von Toulouje, mußte jih 1230 Yranl-
reich unterwerfen und ftarb 1240. Roger Ber:
nard II. tämpfte 1274 gegen Philipp IIL von
Frankreich, dann gegen Peter von Aragon, der ibn
gefangennabm, 1285 wurde er frei und ftarb 1303.
— Gafton IL. von F. ftand in den engl. Kriegen
(f. Frankreich) auf feiten der franz. Krone und cr
bielt dafür einen Teil von Lautrec. Er fiel 1343
bei der Belagerung von Algeciras, wo er Alfons XL.
von Gaftilien gegen die Mauren unterftügte,. Sein
Sohn Gaſton von F., Bicomte von Beam,
feiner Schönbeit wegen Pheͤbus (Phöbus) genannt,
pradtliebend und kriegeriſch, unterjtügte Philipp VL.
gegen die Engländer und wurde u Gouperneur
von Languedoc. Seine Bemablin Agnes, Tochter
Fojano della Chiana — TFoldenfjord
Philipps II. von Navarra, verftieß er. Des Eins
verftändnifjes mit Karl dem Böfen von Navarra
verdächtig, 309 er 1356 mit den Deutſchherren in
Preußen gegen die heibn. Litauer. 1358 zurüd»
getehrt, balf er der königl. Familie im Kampf gegen
bie Jacquerie (j. d.) und die rebelliſchen Pariſer.
Als ihm Karl VL den Befehl in Languedoc nebmen
wollte, um ibn dem Seraog von Berry zu geben,
ſchlug er diefen bei Revel. Seinen Sohn, den er im
Verdacht hatte, daß er ibn auf Anftiften Karla des
Bödfen vergiften wolle, nahm er 1382 gefangen und
ließ ibn verhungern. Gafton ftarb 1391 ohne Erben.
Er hat ein Gedicht über die Jagd verfaßt: «Miroir de
Phöbusdesdeduiz dela chasse» (Par. um 1507u. b.),
deſſen jchmüljtiger Stil fprihmörtlic wurde (faire
du Ph£ebus, joviel wie su fchreiben, reden).
Der König verlieh nun die Gra daft anMattbieu
von %., ber 1398 finderlog ftarb, Hierauf erlangte
Arhambauld von Grailly, der Schwager Mat:
thieus, F. und wurde 1401 als Graf beftätigt. Er
ftarb 1412. — Sein Sohn Johann von F. wurde
von Karl VI. zum Generaltapitän der Languedoc
ernannt, was ihn in Gegenjaß zu dem Daupbin
bradte. Als diefer 1422 ala Karl VIL König ges
worden war, föhnten jich beide aus; Johann wurde
1425 oberjter Heerführer und mit Bigorre belebnt.
Cr jtarb 1436. — Sein Sohn Gafton IV. von F.
leiftete Karl VIL große Dienfte im Kampf gegen
——— Er wurde Pair von Frankreich und er:
bielt Rouffilloen. Er war vermäblt mit Eleonore,
der Tochter Johanna IL. von Aragon und ber
Königin Blanca von Navarra. — Bol. Leſeur, His-
toire de Gaston IV, comte de F. (2 Bbe., Bar.
1893 —%). Nach feinem Tode 1472 erhielt fein
Entel Franz Phebus, Graf von F., Bigorre und
F. Ihm folgte 1482 feine Schwefter Katharina, die
1479 von ihrer Großmutter Navarra geerbt hatte,
und die fih 1484 mit Johann von Albret vermäblte,
Gafton von * og von Nemours, ein an⸗
derer Enkel Gaſtons IV., übernahm 1512 den Ober:
befehl über das franz. Heer in Stalien, erwarb fich
den Beinamen «foudre de l’Italie» und ftarb fieg-
rei in der Schlacht bei Ravenna 1512. Da er der
legte männliche Sproß des Haufes F. mar — feine
einzige Schweiter Germaine war bie erfte Gemahlin
Ferdinands des Katholiihen von Aragonien —,
o erbte Heinrih von Navarra, der Sohn Albrets
und der Katharina, das Land; defien Tochter Jo:
banna war die Mutter König Heinrichs IV. von
dan N der F. mit der Krone vereinigte. —
Zoulouje 1852); Baubon de Mony, Relations po-
litiques des comtes de F., jusqu’au commence-
ment du XIV* siöcle (2 Bbde., Par. 1896).
: ——— bella Chiana (fpr. fi-), Stadt in der
ital, Brovinz und im Kreis Arezzo, 25 km füdlic
von Arezzo, weftlich der Chiana ‚ bat a 7657,
mit Poz30 7638 E., mehrere Kirchen mit Ichönen
Gemälden, darunter San Francesco (15. Jahrh.),
eine Gewerbeſchule und ein Krankenhaus.
Foinica (pr. -ika), Stadt und Hauptort des
Bezirls F. (806,81 qkm, 162 Drtichaften, 21481 €.)
im bosn. Kreis Serajewo, in fhöner Lage, an der
Dragata, hat (1895) 1530 meift kath. E., darunter
obammedaner, in arnifon 1 Compagnie bes
79. ungar. Jnfanterieregimentd, zwei Mojcheen, ein
aufeinem Felfen liegendes Franziskanerkloſter, deſſen
Kirche zu den ſchönſten und reichten des Landes ge
bört; {haft und Schmiedehandwerk.
on, Histoire du comt& de F. (2 Bde., | A
853
Fofäl (Focal), den Brennpunkt (lat. focus)
etrefiend.
o chineſ. Provinz, f. Fu⸗kien. j
offe Simondz, Arend, niederländ. Schrift:
fteller, geb. 2. Zuli 1755 zu Amſterdam, widmete ſich
der Litteratur und lernte die alten und neuen Spra:
chen. 1795 erbielt er eine Stelle beim ſtädtiſchen
Selretariat und lebte feit 1804 amtlos von feiner
— Wegen eines Aufſatzes wurde er 1810 von der
anz. Polizei lange Zeit eingelertert. Er ftarb in
fümmerlichen Berhältniffen 15. Nov. 1812 zu Am:
fterdam. F. ©. bat zahlreiche Schriften veröffentlicht,
in denen er al ſcharfer Gegner ber jentimentalen
Schule von Feith (}. d.) auftritt. Mit feinem Wis
machte er den Weltf .. lächerlich und hatte
lange Zeit großen Erfolg. Bon feinen Werten fint
hervorzuheben: «Moderne Helicon» (Amijterd. 1802)
und «Boertige reis door Europa» (7 Bde., Haao
1806; 2. Aufl. 1826). Großen Beifall fanden aud:
«Katechismus der wetenschappen, schoone kun-
sten en fraaje letteren» (11 Bbe., Amfterd. 1804).
Eine illuftrierte Ausgabe feiner Werte erſchien zu
Amfterdam in 12 Bänden 1833—35.
ofometer, — zur Beſtimmung ber
Brennweite von Linien.
Fokos (jpr. koſch), ungar. Beilftod in der Form
eines Streitbammerd; der Kopf des Stodes hat
an dem einen Ende eine halbmonbförnige Schneide;
das andere Ende ift vieredig, zunehmend und ham:
merförmig abgeplattet. Der Stiel ift meift kurz.
Die ungar. Hirten, namentlih die Schweinebirten
im Balonyer Walde, brauchen den F. als Wurfmaffe;
aud im Handgemenge ift er eine ‚gefährliche Waffe.
offchani, ruman. Stabt, f. Fochani.
ökünd (felund, lat.), frudtbar; fölundie:
ren, befruchten, fruchtbar madıen; Fölundation,
NET, —— chtbarkeit.
ofus (lat. focus), Brennpunlt (f. d.).
ol., Abtürzung für Folio (f. d.).
Folard (ipr.-labr), Jean Charles, Ehevalier de,
anz. Militärfchriftiteller, geb. 13. Febr. 1669 zu
vignon, nahm von 1688 ab an ben Feldzügen unter
Ludwig XIV. teil. Seine Eitelleit und Unduldfam:
feit verfchaffte ihm viele Feinde, weshalb er na
dem Friedensſchluß Frankreich verließ. F. begab fi
nah Malta und fämpfte dort mit den Rittern gegen
die Türlen, Eier auch dort in Streitigfeiten und
trat in die Dienfte Karls XI. von Schweden, wo
er bis zu defien Tode (1718) blieb. Er kehrte hierauf
nad Frankreich zurüd und ftarb 23, März 1752 iv
vignon. F. fchrieb «Nouvelles d6couvertes sur la
erre» (Par. 1724) und fein Hauptwerk: «Histoire
e Polybe» (mit Kommentar, 6 Bde., ebd. 1727
—30),das grobe® Auffehenerregteund von Guichard
litterarifch belämpft wurde. Friedrich d. Gr. fertigte
aus dieſem Bud einen Auszug, den er «Esprit
du chevalier F.» (1761) betitelte. F. fchrieb noch
«Fonctions et devoirs d’un officier de cavalerie»
(1733) ſowie «M&moires pour servir à l’histoire
du chevalier de F.» (Regensb. 1758).
Folder Fiſchgattung, ſ. Felchen.
.
b
oldenfjord, Name zweier norweg. Fjorde
arte: Schweden und Normwegen); der eine,
im Amte Nordre⸗Throndhjem, im W. und R. von
Namfos, ift der Schiffahrt gefährlich, er greift mit
dem ſchmalen Indrefolden tief in das Hochgebirge
ein. Noch —— iſt der zweite, im Amte Nord:
land, im NO. von Bodö, der 4 in Nord: und Sud⸗
folden fpaltet. Das Land iſt bier faft unbemobnt.
854 Földvar
öldvär, ungar. Ortöname. 1) Jäſz- oder
Tiſzafoldvär, Groß:Gemeinde und Hauptort
des Stublbezirts Tiizaföldvar (32552 E.) im Komi:
tat ———— lint3 von der Theiß,
an der YinieSzolnol:Hödmezö:Bafärbely der Ungar.
Staatöbahnen, hat (1900) 8082 magyar. E,, dar:
unter 1698 Romiſch⸗Katholiſche, 1048 Evangeliſche
— er Konfeſſion und 5154 Reformierte. —
2) Bäcsfoldvär, GroßGemeinde im a
O⸗Becſe des Komitats Bäcd:Bodrog, an der Eins
mündung bes Franzenskanals in die Theiß, an der
Linie O:Becje-lljvidek (Neufas) ver Ungar. Staats:
bahnen, bat (1900) 6609 E. (3795 Ungarn, 2739
Serben; 3624 Romiſch⸗Katholiſche, 2676 Griechiſch⸗
Orientalifhe) und lebhaften fang. Hier enden
die von der Donau berüberziebenden Romerſchanzen
(26 km lang, 5,8 m breit). — 3) Dunafölbvär
j. d. — 4) F., ungar. Name von Marienburg (f. d.)
in Siebenbürgen.
Folembray (ipr. langbräh), Fleden im Kanton
Coucy⸗le⸗Chateau, Arrondijjement Laon des franz.
Depart. Aisne, am Rande des Couchwaldes und an
der Linie Chauny⸗Laon der Norbbahn, bat (1901)
1696, ald Gemeinde 1749 E.; große Glasfabrif.
goleng o, Zeofilo, ital. Dichter, geb.8.Nov. 1491
in Cipada (jegt verjhmunden) bei Mantua, trat 1509
in Brefcia in den Benediltinerorben, aber wegen
ſeines Berhältniffes zu einer Dame 1515 wieder aus,
irrte mit der Geliebten bis 1517 umber und begann
vielleicht nun erft die Univerfitätäftudien. Um diefe
it entftanden feine Dichtungen maccaroniscen
Stils (f. Maccaronische Poefie), die ihn als Meiſter
der erzählenden Burleste zeigen. Das humoriſtiſche
Eos «Macaroneae», unter andern die lomiſchen
Heldengedichte «Baldus» und «Moschea» enthaltend,
erſchien zuerft in 17 Gefängen (Venedig) 1517, dann
in 25, mit Cinmifhung einer kraftvollern Satire,
bejonderd gegen die Mönche, 1521. F. nannte fi
bier ald Verfaſſer Merlino Eoccajo. 1519 auf
1520 ins Rlofter zurüdgelebrt, verließ er es von
neuem um 1524, war Lebrer bei Camillo Drfini in
Rom und veröffentlichte 1526 und 1527 in Venedig
mei Werte unter dem Namen Limerno Pitoces,
das burleäte Rittergedicht «Orlandino» in Dftaven
und «Chaos del Triperuno» aus Proſa und Verſen,
aus Italieniſch, Lateiniih und Maccaroniſch ger
mifcht, die myſtiſche Gefhichte feiner Irrtümer und
Wahrheitserlenntnis. Beide Bücher zeigen eine
itarfe Hinneigung zum Proteftantismus. Bald dar:
auf trat er in den Orden zurück. Während eines er:
*— Einſiedlerlebens 1530— 33 er dem Kap
der Minerva bei Salerno fchrieb er das religiöje Ge:
dicht «L’umanitä del figliuolo di Dio» in Oftaven
(Bened. 1538), trat 1534 wieder ins Kloſter, ging
1587 als Prior nad Sicilien, ward aber 1538 ab:
berufen und lebte nun in San Martino della Scala
oder in Balermo. Er ſchrieb noch religiöje Werte,
jo ein Gedicht in Terzinen: «La Palermitana o
umanitä di Cristo», und eine geiftliche Vorſtellung,
ipäter «Atto della Pinta» genannt. Ende 1543
ging er nad einem Kloster in Campeſe bei Baſſano
und ftarb bier 9. Dez. 1554. Das maccaroniiche
Epos arbeitete er um 1530 nochmals um; doch
die Gunft deö Publitums verblieb der Form von
1521. Eine volljtändige Ausgabe der Werte erſchien
u. d. T. «Opus macaronicum» (2 Bde., Amſterd.
(Mantua] 1768—71), neue von A. Portioli: «Le
opere maccheroniche di Merlino Coccaio» (Bd. 1
u. 2, Mantua 1882 u. 1883; Bd. 3, «Orlandino»
— Folia
und «Chaos», 1889). Die «Moschea»: Epifode be
arbeitete 1580 Hans Ehriltoph Fuchs der Ültere
deutſch ald «Mudenkrieg» (Neuausg. von Gentbe,
Eisleb. 1833), das ganze maccaroniſche Epos ein un:
genannter Sramzofe als «Histoire maccaronique de
Merlin Coccaie» (2 Bde., Bar. 1606; Neuausg. von
Bibliopbile Jacob, ebd. 1859). — Bal. Dalmiftro,
Elogio di T. F. (Vened. 1808); A. Yuzio, Nuove
ricerche sul F. (1889, im «Giornale storico della
letteratura italiana»).
Foley (fpr.-18), Jobn Henry, engl. Bildhauer, geb.
Mai 1818 in Dublin, bejuchte die Zeichen: und
Movellierfhule der dortigen königl. Society und
wurde 1834 Zögling der Londoner Alademie. Seine
Merle — ich durch elegante Formgebung aus,
näbern ſich namentlich in Idealgeſtalten denen des
Ganova. 1840 erwarb ibm eine Marmorgruppe,
Ino und Bachus, Anertennung und Ruf; es folge
ten die Marmorfiguren der Egeria und des Garacı
tacus (im Manſion House zu Yondon). Von feinen
Vorträtftatuen find bervorzubeben: die koloſſale
Reiterftatue des Viscount Hardinge für Kaltutta,
die kolofjale figende Figur des Prinzen Albert für
das Albert:Memorial in London (f.d. [Dentmäler)
und Tafel: Engliſche Kunſt II, Fig. 5), die
Statue des Generals Dutram auf dem Waterloo:
plaß dafelbft, die des Lord Clive in Shrewsbury.
3. ftarb 24. Aug. 1874 in London.
Folge, ſ. Grund. — Im altdeutihen Recht ift
3. die Zuftimmung der Verfammlung (de Um:
ftandes) u dem von dem Richter gefundenen Urteil,
oder zu der von den dazu berufenen Fürften aus:
gegangenen Königswahl; heute die Succeffion eines
neuen Berechtigten an die Stelle eines Hinwegge⸗
fallenen (Lehnsfolge, Folge in ein —
tommiß). — F. im Kartenſpiel ſ. Sequenz.
Folgefond, nächſt Yoftedalsbrä (f. d.) der größte
Gletſcher Norwegens (ſ. Karte: Schweden und
Norwegen), liegt auf der vom Harbangerfjord
und feinen Armen Sörfjord und Alrefjord begrenz
ten Hochfläche (1652 m). F. befteht aus drei durch
tiefe Thäler getrennten Teilen, ift 36 km lang und
6—15 km breit. Der Übergang ift leicht.
Folgepol, urjprünglihe Bezeihnung für die
bei unregelmäßiger Magnetifierung eined Stabes
auftretende Folge von Polen; jet vorzugsweiſe
Benennung für. die Bole der Donamomaj ine in
dem Falle, in welchem das Geftell einen magneti-
{hen Doppeltreis bilvet, d. b. aus zwei mit ihren
gleihnamigen Polen eye oßenden Hufeifen
gebildet wird, wie 4. B. bei der Gramme-Maſchine,
mäbrend bei der Ediſon⸗Maſchine nur ein derartiges
Hufeifen vorhanden * u.
olgerung, im allgemeinen foviel wie Schluß;
in — Sinne der unmittelbare Schluß, d. b.
die Ableitung eines neuen Urteild aus einem ein:
jigen gegebenen. (S. Schluß.)
v —— ſoviel wie Metameren (f. d.).
olia (lat.), Blätter; im Droguenbandel bie
natürlich getrodneten Blätter verjchiedener Pflanzen
um Gewerbe: und Medizinalgebraud. Dffizinell
And: F. Althaeae, Eibiihblätter; F. Belladonnae,
Belladonnablätter; F. Digitälis, ingerbutblätter;
F.Farfärae, Huflattichblätter; F. aborandi, Jabo
ranbiblätter; F.Juglandis, Walnufßblätter; F. Mal-
vae, Malvenblätter; F. Melissae, Melifjenblätter;
F. Menthae piperitae, Vfeffermingblätter; F. Nico-
tiänae, Tabafblätter; F. Salviae, Salbeiblätter;
F. Sennae, Sennesblätter; F. Stramonli, Stech⸗
Foliant — Folkunger
apfelblätter; F. Trifolũ fibrini, Bitterllee; F. Uvae
Ursi, Bärentraubenblätter. — F. Arctostaphfli
find Bärentraubenblätter, F. Datürae Stedapfel-
blätter, F. Menyanthis ®Bitterllee, F. Pilocarpi
Yaborandiblätter, F. Tabaci Tabafblätter, F. Tus- | erf
oliänt, Buch in Folioformat (f. Folio).
olie (vom lat. folium, d.i. Blatt, Blattmetall),
Blätthen von allerbünnftem Blech, die aus ver
ihiedenen Metallen, namentlich Silber und Binn,
in allen Farben bergejtellt werden. Das dünnite
Silberbleh (Silberfolie, echte 5.) heißt, auf
einer Seite vergoldet, Goldfolie; die dünnſten
gold: und filberplattierten Kupferbleche werden un:
echte F. oder Kupferfolie genannt. Das Färben
der F. erfolgt dur Aufftreichen einer mit vegeta-
biliihen Farbitoffen gefärbten Haufenblajes oder
Gelatineauflöfung. Die echte F. wird zum Faflen der
Gdelfteine, zu Glasflüffen u. ſ. w. Eveljteinimis
tationen), innfolie (Spiegelfolie) zum Bes
(egen der Spiegel benust. Im bilvlihen Sinne ver-
X man unter F. einen Gegenſtand von geringerm
Wert, der dazu dient, einen andern hervorzuheben.
Folie —9— ſpr. -[ib) Thorbeit, Narrbeit.
Folie, ta (ipr. -[ib), Borftadt von Epernay (f.d.).
Folies dramatiques (frz., jpr. folli vramma:
til), jeßt Opéra populaire genannt, Barifer Opern:
und Operettentbeater, am Boulevard St. Martin,
wird feit 1900 von der Stadt verwaltet.
Foligno oder Fuligno (fpr. linjo), Haupt:
—* des Kreiſes F. (75594 E.) in der ital, Provinz
Berugia, 32 km im SD. von Perugia, in 233 m
Höbe, in dem fruchtbaren Thale des Topino und an
den Linien Ancona:Rom und Perugia⸗-F. (40 km)
des Adriatiſchen Netzes, Biihofsfis, bat (1901) ala
Gemeinde 26111 E., in Garnifon 6 Batterien des
1. Feldartillerieregiments nebit einer Traincompag:
nie; zablreiche Kirchen, darunter Sta. Annunziata
(16.abrb.) mit "Smonges Sp, vi rd Kathe⸗
J— Huflattichblätter.
drale am Victor⸗Emanuels⸗Plaßz, die Kirchen Sta.
Maria infra Muros, Sarı Niccold mit dem Altar:
bilde von Niccold di Liberatore, genannt Alunno,
ferner eine Binalotbet mit röm. Skulpturen und Ge:
mälden umbrijcher Maler, Gymnaſium, Brivatpa-
läjte, ein großes Theater und eine techniſche Schule,
Rafael Madonna von F. (1512 gemalt), jeit
1565 in dem a befindet ſich jebt im
Vatikan zu Rom. Die Jnduftrie erjtredt ſich auf
Seidenbau, Fabrilation von Leder, Kerzen, Seife
und Gonfetti; der Handel ift lebhaft. — F. das alte
Fulginia, jpäter röm. Municipium, ward 1281 von
den Verugianern zerftört, 1305— 1439 von den
uelfiſchen Zrinci beherrſcht, nad deren Ausrottung
Sa ft Eugen IV. 5%. an den Kirchenſtaat brachte,
5. batte ſehr häufig durch Erbbeben zu leiden, am
meijten am 18. Jan. 1832. — Vgl. Compendio della
storia di V. (Fuligno 1858/59); Roſſi, I pittori di
F. (Berugia 1872).
Folio (ital, vom lat. folium, Blatt), das größte
Buchſormat, für das der Drudbogen nur einmal,
aljo in zwei Blätter gebrochen wird; in der lauf:
männifcen an (f.d.) die numerierte Seite
(richtiger Doppeljeite) eines Geſchäftsbuches; ein
F. (oder Folium, ſ. d) in einer Bant baben
beißt: in derjelben Geld und in ihrem Hauptbud
eine Rechnung (Gonto) darüber haben; foliieren,
die Blätter eines Buches, aus je zwei einander
gegenüberjtebenden Seiten beftehend, mit fortlau:
tenden Ziffern verjeben.
855
. Folfum (lat., Mebrzabl Folia), Blatt, nament:
lih das Blatt in einem Bud; Folio meo (bei Ans
gabe der Blattzahl), nach meiner, d. h. nad} der von
mir gebrauchten Ausgabe; Folio recto, auf ber
ten Blattjeite (Gegenfag: Folio verso, auf der
zweiten oder umgemwendeten Blattfeite). [&e5 .
Folium Cartesij, eine Hurve (f. d. nebit Taf.
Folkeftone ( jpr. Io tn), Municipaljtadt an
ber Küfte der engl. Grafidaft Kent, ſudweſtlich von
Dover, zwifchen Kreidehügeln (Folleſtone⸗Hill 164m)
chon gelegen, ift auf unebenem Boden erbaut, hat
eile Straßen, (1901) 3069 E. eine Guilohall und
ein Denkmal des hier geborenen Phyſiologen William
Harvey (f. d.), nad dem auch das litterar. Inftitut
jeinen Namen führt. Der Hafen, auf Kojten der
—— ——— gebaut, mit neuem Bier, ſteht
durch Zweigbahn mit der Linie Londons Dover in
Verbindung. li geben Dampfer nah Bou⸗
logne. Bedeutend ift die Einfuhr von Moll: und
Seidenwaren (Wert 1899: 14883284 Pfd. St.)
omie von Wein. F. wird aud als Seebad viel
eſucht. — Die Stadt wird unter vem Namen Folce⸗
* als der Ort bezeichnet, wo 449 die Angelſach⸗
en und Seen unter Hengift von dem Briten Mor:
timer_gejhlagen wurben. Kaum 0,8 km im W.
liegt Sandgate, ein Meines Seebad von 1756 E.,
mit einem von Heinrich VIIL erbauten Schloſſe.
—* deutſch oft Folkething geſchrieben,
Br Be Abgeorbnetenhaus (f. Dänemark, Ber:
aflung).
Folk-Lore (fpr. fohl lobr), ein von dem engl.
Gelehrten William J. Thoms (geft. 15. Aug. 1885)
gebildetes und zuerſt in der Londoner Wochenſchrift
«Athenaeum» vom 22. Aug. 1846 zum Gebraud
vorgeichlagenes Wort, welches «Volläwifien» (d. b.
das Wiſſen des Volls) bedeutet. Thoms empfahl
das Wort ald Bezeihnung alles deſſen, was man
bisher in England Po Antiquities (Volle:
altertümer) oder Popular Literature (Boltälitte:
ratur) ——* hatte. Das neue Wort bürgerte ſich
in England bald ein, und feitvem 1878 in London
die F. Soci olk - Lore: Gejellfhaft) gegründet
worden ift, die jich die Sammlung, Beröffentlihun
und Erforihung von heimiſchem und fremdem
zur Aufgabe gemacht hat und zu dieſem Zwecke eine
eigene Seife (zuerft «F. Record», feit 1883 «F.
Journal») und außerdem noch befondere Schriften
herausgiebt, find F. und die davon abgeleiteten Wörs
ter allmäblih international geworden. Man kennt
und gebraucht jetzt überall in der wiſſenſchaftlichen
Welt F. als zufammenfafjende Bezeihnung_ aller
Boltzüberlieferungen, aljo insbejondere der Sagen
und Märchen, der Lieder und Reime, der Sprid:
wörter und Rätiel, der Meinungen und des Aber:
laubeng, der Sitten und Bräude. (S. auch Volks⸗
nde, Bd. 17.) — Bol. Gomme, Dictionary of
british F. (2ond. 1899); Klöpper, F. in England
und Amerifa (Dredd. 1899). ,
olfunger, Name eines mächtigen ſchwed. Ges
ſchlechts, daß unter einer Reihe von ſchwachen Stös
nigen immer größern Einfluß gewann und endlich
mit Waldemar 1250 die Königswürde erlangte;
doch war dejien Vater Birger Jarl (f. d.) der eigents
lihe Regent des Reihd. Die Regierungszeit der
3 (in Schweden bis 1363 und nachber in Norwegen
138 1387) ift durch unaufbörlihe Streitigkeiten
zwiſchen den Gliedern des königl. Haufes gelenn⸗
zeichnet. (S. Schweden, Geihichte.) Es regierten
' nadbeinander Waldemar bis 1275, Magnus Laduläs
856
1275— 90, Birger bis 1318 und Magnus Erikſon
(Smel) 1819—63, nebit feinen Söbnen Erich (1357
—59) und Hälan (1362—63). Magnus Erifion
nebit jeinen Söhnen wurde 1363 in Schweden des
Thrones verluftig erllärt, doch behauptete fih Hälan
(f. d.) in Norwegen. Er jtarb 1380. Mit feinem
einzigen Sohn Dlaf V. erlojh 1387 das Geſchlecht.
olfiwangr («das Gefilde der Scharen»), in der
eddiſchen Mythologie die Wohnftätte der Göttin
Freyja. Hierher fommen bie Toten, die dieſer Göt:
tin zuteil werben.
ollen, Aug. (fpäter Adolf Ludw.), auch Fol:
lenius, Dichter geb. 21. Jan, 1794 zu Gießen,
ftudierte daſelbſt Theologie machte 1814 ala Frei:
williger den Feldzug gegen Frankreich mit, jtudierte
bierauf in Heidelberg die Rechte und übernahm
1817 zu Elberfeld die Nedaltion der dortigen «All:
emeinen Zeitung». Nachdem er, wegen demagogis
er Umtriebe angellagt, 1819—21 in Berlin in
Haft gefefien hatte, erhielt er eine Stelle an der
Kantonsſchule zu Aarau, wohnte dann zu Altiton
im Kanton Züri, fpäter in und bei Züri, er:
warb 1847 das Schloß Liebenfels im Thurgau und
widmete ſich ganz der Ölonomie. 1854 vertaufte
er dad Grundjtüd und von nad Bern, mo er 26. De.
1855 jtarb. F. ift der Verfaſſer mebrerer Demo:
fratenlieder (wie « Baterlandsjöbne, traute Ges
nofjen») in den « Freien Stimmen frischer Jugend»
Bra 1819), deren ftärkfte Stüde aber nicht ibn,
ondern feinen Bruder Karl zum Dichter hatten.
Große Anertennung fand fein «Bilderjaal deuticher
Dichtung» (2 Bde., Winterthur 1828—29). Ferner
find von ihm bervorzubeben der Ritter: und Zauber:
roman «Malegys und Vivian» (1829), das Bruch:
üd einer ae Bearbeitung von «Triftan und
jolde», der fih das romantifche Epos «Triſtans
Itern» (Gieß. 1857) anreihte. Gegen die von Ruge
vertretene Richtung trat F. auf in ſechs Sonetten
voll Geift und Wis, die u.d. T. «An die Gottlojen
Nichts: Wüteriche, fliegendes Blatt von einem Ver:
hollenen» (Heidelb. 1845; 2. aufs Vierfache verm.
ufl.1846) erihienen. — Bol. Mathilde Gräfin von
Reichenbach, Arndt und F. (Lpz. 1862).
#ollen, Karl, Bruder des vorigen, geb. 3. Sept.
1795 in Romrod (Oberbefien), jtubierte Theologie
in Gießen, machte 1814 als heſſ. Freiwilliger den
Feldzug gegen Frankreich mit, ftudierte nah Be:
endigung des Krieges die Rechte und habilitierte fich
1818 für Civilrecht in Gießen. Wegen polit. Berfol-
ungen fiedelte er nach Jena über, bis ihn erneuerte
nterſuchungen veranlaßten, ih nad Frankreich und |
von da in die Se zu begeben, wo er zuerjt an
der Kantonsfchule in Ebur, dann an der Univerfität
zu Baſel Anjtellung erhielt. 1824 wanderte er nad) |
— und 1829 mit mehrern —— nach
ordamerila aus, wo er 1830 Profeſſor der deut⸗
ſchen Sprache am Harvard College in Cambridge |
Maſſachuſetts) wurde. Da er ſich dur lebhafte |
eilnahme an der Antijllavereibemegung bei der
dortigen «Korporation» mißliebig gemadıt hatte,
fab er fih genötigt, 1834 feine Stelle niederzulegen. |
1536 wurde er zum Geiſtlichen ordiniert und erhielt |
eine Biarre zu Eaſt Yerington (Maſſachuſetts). Er |
jtarb Ende des J. 1839 (nach andern 13. Jan. 1840) |
ei einem Schiffsbrande auf der win von Neuyort
nad Bojton. Außer mebrern Freiheitsliedern im
Geifte der Burjchenihaft verfaßte F.: «German
reader» (Boft. 1831; jpäter bg. von G. A. Schmitt,
1858), «Practical grammar of the German lan-
Folkwangr — Tolticeni
guage» (ebd. 1831). Seine gefammelten Schriften
gab 1842 jeine Gattin heraus (5 Bde., mit Lebens⸗
beichreibung). — Vgl. K. Buchner in Mundts «Freis
bafen» (Altona 1840).
Follikel rk kleiner lederner Sad, Schlauch;
in der Botanik joviel wie Balgfrucht; in der Ana—
tomie Keine, in der äußern Haut und den Schleim:
bäuten eingebettete Drüfenfädhen, melde von
einem dichten Haargefäßnes umfponnen find und
Hauttalg oder Schleim abfondern. Durd ihre Ent:
ee und Verſchwärung entiteben die Folli—
ulärabfceffe und Follikulärgeſchwäre, die
die Größe einer Heinen Erbſe erreihen. F. beiten
auch die cpitenartigen Drüjenbläschen der Sci
drüje und des Eierſtocks (Graafſche F., ſ. Eier:
tod), —* die Heinen balgartigen Lymphdrüſen
in der Zungen, Rachen- und Darmihleimbaut.
ollifulär, den Follilel (f. d.) betreffend.
olliot de Erenneville (ſpr. -iob dẽ krenn⸗
wil), Franz, Graf, öfterr. Feldzeugmeiſter und
Oberftfämmerer, aeb. 22. März; 1815 zu Odenburg,
wurde 1831 Unterleutnant beim Regiment Kaiſer—
jäger, 1837 Hauptmann und 1841 Dienftlämmerer
des Kaijers Ferdinand, welches Hofamt er auch ale
Major, Oberjtleutnant und zulekt als Oberſt un
Flügeladjutant bis Dez. 1848 befleidete. Bald dar:
auf übernahm er das Kommando eines Grenadier:
bataillons, das er in dem Feldzuge gegen Biemont
1849 ſowie mäbrend der Streifzüge in ver Romagna
gegen Garibaldi führte. Als Kommandant der in Be
lagerungsauftand erflärten Stabt Livorno batte er
im Nov. 1849 mit dem Nationalbak zu fämpfen, ver
fih 20 Jahre fpäter noch in einem Attentat äußerte,
von dem er bei einem Beſuche in Livorno bebrobt
wurde. F. wurde 1850 Generalmajor, ging 1855
in diplomat. Sendung nad Paris und übernabm
nach feiner Nüdtehr ald Brigadier den Befehl über
die djterr, Truppen in Parma. Sodann erfolgte
1857 feine Ernennung zum Feldmarſchallleutnant
und Divifionär, in welcher Eigenſchaft er 1859 am
Kriege gegen die verbündeten Franzoſen und Pie:
montefen teilnahm. Er wurde 1859 VBorfikender im
Präfidialbureau des Armee:Oberlommandos, im
DH. 1859 Generaladjutant des Kaiſers, 1867 Feld⸗
eugmeijter und Oberjtlämmerer, 1875 lebensläng:
ibes Mitglied des Herrenbaufes des öjterr. Reiche:
rats. %. jtarb 22. Juni 1888 in Gmunden.
Follonica, Dorf in der ital, Provinz Groſſeto,
an einer Bai des Torrbeniihen Meers und an den
Linien Piſa-Rom des Mittelmeernehes und F.⸗Maſſa
Marittima, bat etwa 1300 E. und Schmelzbütten,
die das Eijen der Inſel Elba verarbeiten. Bom
Juni bis Nov. ift 5. der Malaria wegen verddet.
Folo, Siovannt, ital. Kupferſtecher, geb. 20. April
1764 in Baflano, geit. 7. Juli 1836 in Rom, gina
aus der klaſſiſchen Schule des Volpato und R.
Morghen bervor. Zu feinen beiten Zeijtungen zäblen
die Madonna mit dem Leuchter nad Raffael, Auf:
erwedung des Fünglings zu Rain nad Ag. Earracti,
Der heil. Andreas nah Domenihino, Adam und
Eva nad Tizian, Das heilige Abendmahl nach Leo⸗
Belle: . Zortur. [nardo da Vinci.
olticeni (Falticeni, Faltitiheni), Haupt:
ftadt des rumän. Kreijes Suceava in der Moldau,
unweit der Örenze gegen die Bulomwina, an der Babn
Dolhasca⸗F. (6 km), bat (1899) 9643 E. darunter
5499 Seraeliten, Gymnaſium, Gewerbeſchule, ein
Krantenbaus und einen früher bedeutenden 15tägi-
gen Jahrmarkt im Juli.
Foltz — Fonderie
Fols, Ludwig, Baumeijter und Bildhauer, geb.
23. März 1809 zu Bingen, beſuchte 1830—32 die
Munchener Alademie und trat in das Atelier
Schwanthalers. 1837 lebrte 5. an der Gewerbe:
ſchule zu Regensburg, wurde bald darauf Profeſſor
an der Polytechniſchen Schule zu Münden, wo er
10. Nov. 1867 ftarb. Seine Thätigleit galt zahl:
reihen Reftaurationen von Schloͤſſern und Kirchen,
dem Bau der königl. Villa zu Regensburg und ber
Ausihmüdung der Liebfrauenlirdhe zu Münden.
Folg, Bhilipp, Maler, Bruder des vorigen,
eb. 11. Mai 1805 zu Bingen, ging 1825 nad
unchen und arbeitete ſchon nad einigen Jahren
alademifher Studien unter Cornelius mit an den
Fresten der Glyptothek, wobei ihn Schlotthauer in
der Technik unterwied. Dann malte er unter ben
Arkaden mit Schilhen einige Bilder aus der bay.
Geſchichte. In der Neuen Reſidenz fübrte er mit
Zuziehung von Wilh. Lindenfhmit im Schreibzim:
mer des Königs 23 Daritellungen nah Schillers
Balladen und Dramen, und allein im Servicezim:
mer der Königin 19 Bilder nad Bürgers Gedichten
aus. Daneben hatte er noch Zeit zu einigen Genre:
bildern, welche zum Teil aus dem Almenleben, zum
Zeil aus den griech. Befreiungstämpfen entnommen
waren, und zu ber jhönen, 1832—33 entjtandenen
Beihnung : Der Abichied König Ottos von Grieden:
and, welches 42 Porträte enthält (lithograpbiert
von Bodmer). 1835 ging 3. nah Rom und ſchuf
* zwei Heilige Familien, dann den Grafen von
absburg und Des Sängers Fluch nach Uhland
(1838; Stäptifches Muſeum zu Köln, und Heiner in
der Neuen Pinalothel in Münden). 1839 wurde er
Profeſſor an der Münchener Alademie und malte
einige Scenen aus dem Tiroler Krieg, einige Jagd⸗
bilder und Die Wallfahrt im Gebirge (Galerie zu
Schleißheim). In die Zeit um 1850 fallen die Wand:
malereien im Badejaal des Königs Marimilian I. in
der Refidenz zu Münden und die dur Umbau ver:
lorenen Wand: und Dedenbilder des ehemaligen Pa⸗
lais Schönborn, jetzt Cramer⸗Klett, wie auch die Illu⸗
—— zu Cottas Ausgaben der deutſchen Klaſ—⸗
ifer. Später entſtanden bie großen Olgemälde für
das Marimilianeum: Heinrich ber Löwe verweigert
zu Ehiavenna dem Kaifer Friedrich I. Barbarofja
bie Heereäfolge gegen die aufftänbiithen Mailänder
(1854) und Das Zeitalterdes Perilles (1866); ſodann
als anſprechendes Genrebild Die Frau mit dem
Kinde (Galerie — Schleißheim). Im Dez. 1865
wurde er Centralgaleriedireltor; im Mai 1875 trat
er in ben Rubeftand. Seine hauptfächlich auf weit:
gehende Gemäldereftauration gerichtete Thätigkeit
an der Galerie 30g ibm mandherlei Anfeindungen zu.
Er ſtarb 5. Aug. 1877 in Münden.
Folz, Hans, Meifterfänger aus Worms, ſiedelte
aus feiner Heimat nah Nürnberg über, wo er
ald Barbier und — vor Sept. 1515 ſtarb.
Seine zahlreihen Schwänke, Rampfgeipräde, Rät⸗
ſel, Neujahrsgrüße, Faſtnächtſpiele, Meiſierlieder
eigen die Unſauberkeit der Zeit von der ſchlimm⸗
ten Seite. Doch hat F. auch Ernites bejung:*:
Zeitereignifle («Von der Veftilenz», 1482, neu dy.
von Martin, Straßb. 1879; «Von der Kollation
Marimiliand», 1491, neu gedrudt von Margaraff;
·Kaiſer Marimilian und Dürer in Nürnberg»,
Nurnb. 1840), Wiſſenſchaftliches («Liber colla-
tionum»; «Bon allen Wiltbaden») und Geiftliches,
alles rob, aber nicht ohne finnliche Kraft. 5.’ Dich:
tungen, die ihrer Zeit viel in Einzeldruden umliefen,
857
find Bw herausgegeben in A. von Kellers «Saft:
nachtipielen» («Bibliothek des Litterarifchen Vereins
in Stuttgart», Bd. 28—30 und 46, Stuttg. 1853
—58) und «Erzählungen aus —— Hand⸗
ſchriften⸗ (Bd. 35, ebd. 1854). — Val. Zeitſchrift
für deutfches Altertum, Bd. 8, ©. 507 fg.
Fomalhaut (arab. fom al-haut), Stern 1. Größe
im Sternbild des ſüdl. Fiſches.
Foment (lat.), marmer Umſchlag (ſ. Bäbung);
fomentieren,bäben,warmbalten;fomentativ,
zur Bähung bienend.
ön, Wind, f. Föbn.
onäcza, Junacia, OrtimBibargebirge(f.d.).
o0n06 (frz., ſpr. fongßeh), duntel (von farben).
Fonciermafchine (ſpr. fongb-) oder Grun:
diermafdine, eine bei der Fabrikation der Bunt:
papiere und ber Tapeten benutzte mehan. Vorrich⸗
tung, welde auf das in Rollen vorgelegte Papier
bie Farbe aufträgt, diefelbe ausbreitet und fie gleich:
mäßig auf der Oberfläche verreibt.
ond (frz., fpr.fong, vom lat. Grundmwort fundus,
Nebenform zu Fonds, ſ. d.), Grund, Boden; ber
—— entlegenſte Zeil von Etwas, Hinterfig im
agen, Hintergrund eined Gemäldes, einer Bühne,
auc der Grund von gemufterten Stoffen; im über:
tragenen Sinne: Grundlage folider Kenntni e,
Wiſſensſchatz, Geiſtesfülle, innerer ſittlicher Gebalt;
& fond, grundlich, aus dem Grunde,
Fonda, in Spanien ein Gaſthof erften Ranges.
Fondäoo (ital., vom arab. fonduk), Laden,
Gewölbe. F.dei Tedeschi (pr. -fi), das «KKaufhaus
der Deutihen» in Venedig, ein am Großen Kanal
nabe der Rialtobrüde gelegenes, feit dem 12. Jahrh.
befanntes Gebäude, worin die deutichen Kaufleute
ihren Handel unter Aufficht der venet. Behörden zu
betreiben gezwungen waren. Das jehige Gebäude
wurde 1506—8 erbaut, nachdem das frühere durch
einen Brand 1505 zerftört war. Spuren von Freslen
Tizians und Giorgiones find noch jetzt vorhanden.
Nah Erlöfhen des deutſchen Handeld blieb der
F. dei Tedeschi wegen der darin untergebradhten
Sammlungen wertvoller Gemälde eine Sehens:
würbdigfeit Venedigs, bis die franz. Regierung ihn
1806 zum Sitz der oberften Yandes: yinanzbebörde
madte, deren Siß er jeither geblieben iſt. Dal.
Simonäfeld, Der F. dei Tedeschi in Venedig
(2 Bde., Stuttg. 1887). — F. dei Turchi (fpr. -K),
das «faufhaus der Türken» in Benedig, das Quartier
ber türf, Kaufleute, feit 1621 in einem prächtigen,
vonder Familie Bejaroim 13. Jahrh. erbauten Balaft
am Großen Kanal bei San Giacomo ball’ Drio.
1860 ging der F. dei Turchi in den Befiß der Stadt
über, die ibn nah dem alten Plan und mit dem
alten Material neu erbaute und das ſtädtiſche Mu:
feum und die Sammlung Eorrer hinein verlegte.
‚Fondamento (ital.), Zundament, in der Nufit
die Grundjtimme, der Grundbaß. [mwert.
— —— frz, ſpr. fongdäng), gefülltes Zucker⸗
ond⸗du⸗ Lac (ſpr. fong dü lad), Hauptſtadt
des County F. im nordameril. Staate Wisconſin,
100 km nordnordweſtlich von Milwaukee, am ſudl.
Ende des Winnebago:Sees, Eifenbahntnotenpuntt,
bat (1901) 15110 €., Dampfihifiahrt nach der
Greenbai des Michigan-Sees und als Mittelpunkt
eines fruchtbaren Aderbaubdiftrift8 Handel mit Ge:
treide, Holz, Eifen und Vieh. Zahlreiche artefi-
ſche Brunnen verjeben die Stadt mit gutem Waſſer.
Fonderie (frj., pr. fongd'rib), Gießerei,
Scmelzbütte,
858
ondi, Stadt im Kreis Gaeta der ital. Provinz
Eajerta, 10 km vom Meere, auf einer Höhe an der
alten Via Appia, is (1901) ald Gemeinde 9930 E.,
Reite eines Schlofjes der Eolonna, eine got. Haupt:
firhe und im ne die Kapelle, in der
Thomas von Aquino lehrte, F. wurde 846 von den
Sarazenen niedergebrannt, 1534 von Cheir ebdin
Barbarofja zeritört. — Bal. C. Sotis, Cenno isto-
rico della eitt& di F. (Neap. 1838).
Fonds (fr;., pr. fong, vom lat. fundus, altfranz.
fons, neufranz. mit etymologifierender Schreibweile
fonds; f. Fond), eine Geldanlage, Grundlapital,
Stammgelb u. ſ. w. Offentliche F. werben in
Großbritannien vorzugsweiſe diejenigen Staats:
einnahmen genannt, welhe zur Tilgung deö Ra:
pitals und der Zinfen von Staatsanleihen bejtimmt
werben. Der Gebraud, dieſes zu tbun, entitand
unter MWilbelm III., jede Anleibe erbielt ihren F.
Da aber zumeilen der eine F. nicht audreichte,
während ein anderer. noch Überihuß hatte, jo ſchlug
man fpäter mebrere $ zufammen und beitritt aus
ihrem gemeinichaftliben Ertrage die —A
für welche ſie beſtimmt waren. Auf dieſe Weiſe
entſtanden ſeit 1715 die Geſamtfonds (aggregate
fund): der Sübdfeefonds, der allgemeine F., der
Amortifationsfonds (sinking fund) und endlich
der konjolidierte 0% (consolidated fund), der ai
1786 nah Aufbebung der genannten F. die Ge:
ſamtheit der öffentlichen Einkünfte mit Ausſchluß
der jäbrliben Bewilligungen vereinigt. Aus diejem
F. werben bie Zinjen und fälligen Kapitale des -
zen Staatsſchuldenweſens, die Zinfen der Schatz—
fammerjceine, bie Eivillifte, alle Benfionen, Gehalte
u. ſ. m. bezahlt; der überſchuß aber wird jährlich von
dem Parlament für die Bedürfnifie des laufenden
Jahres —— — In Frankreich wurde der
Musdrud F. publics ſchon früb auch auf folde
Staatsfchuldverjchreibungen angewendet, die eine
Fundierung auf beftimmte Einnahmequellen gar
nicht bejaßen, und gegenwärtig faßt man unter
diejem Namen alle Schulbverfhreibungen des
Staates, der Departements und der Gemeinden zu:
jammen, während man die Schuldtitel des Staates
allein ala F. d’Etat — Auch in Deutſch⸗
land bat der Ausdruck Offentliche F. eine dem
franz. Sprachgebrauche gleiche Bedeutung, wird
aber außerdem, wie in Ofterreich für jedes Pbftän-
dige, Zweden der —— Verwaltung dienende
Bermögen gebraucht. — A fonds perdu, wörtlich:
in ben verlorenen F., bedeutet eine Geldanlage, die
man von vornherein für verloren bält, 3. B. unver:
zinsliche, nicht rüdzahlbare Zuſchüſſe zu gemein:
nüßigen Unternehmungen (f. Eifenbabhnfubvention).
ondsausgleichung, ſ. Fondsverwechſelung.
ondöbörfe (ſpr. fong-), ſoviel wie Effelten⸗
e, ſ. Börde.
Fondsgeichäfte (pr. fong-), die Börſengeſchäfte
in Staatöpapieren (ſ. d.), im meitern Sinne auch
ſolche in andern Obligationen und felbft zumeilen
in Aftien. In der Regel dentt man dabei an reelle
Rapitalumfäse, alſo an die Effektivgeſchäfte, nicht
an Spiel» und ag re (1. d.). Die F.
zerfallen in Kaſſen⸗ oder Tagesgeſchäfte (f. d.) und
in Lieferungs: oder Zeitgeichäfte (j. d.). Sie werden
dur Maller (f. d.) vermittelt, und zwar find gerabe
die Tagesgeſchäfte in Staatäpapieren noch vielfach
nur in ben Händen der amtlich bejtellten ober priviles
—— Vermittler. Dies gilt namentlich von der
ariſer Börje, wo die Privatmaller, die ſog. Eous
bö
Fondi — Fonſeca (Golf von)
—2— ſich hauptſächlich nur mit Zeitgeſchäften be
faſſen. Die Feititellung der authentiſchen Kurie
(j.d.) der Staatöpapiere ſowie überhaupt aller Bör:
enmwerte ift auch in Deutichland den vereidigten
allern vorbehalten. (S. Börje, Effelten und
Effeltengeichäfte.)
Fondsverwechſelung (Ipr. fong-), im Staats
rechnungsweſen die Anmweijung einer Einna
oder Ausgabe auf einen zu deren Aufnahme nicht
beftimmten Etatfonds oder jonjtigen jtaatlichen
Fonds, wodurch entweder eine unzuläfjige Fonds:
verftärfung entſteht, wenn en‘ der eine
Fonds zu Ungunften des andern entlajtet wird, oder
eine Fondsſchwächung herbeigeführt wird, mern
dadurch der eine Fonds zu Guniten des andern be:
laftet wird. Die rehnungsmäßige Rictigftellung
einer derartigen F. beißt Fondsausgleichung
onduf, sondukli oder Bondullizeckhine.
1) Eine türk. Goldmünze des 18. Jahrb., die nah
Unterfuhungen durchſchnittlich 32 g Gewicht und
800 Taufendteile Feinheit, demnach ein Feing ewicht
von 2%, g und (zum Breife von 2790 M. für 1 kg
Feingold) = etwa 7 M. 80 Bf. deuticher Währung
war. Es wurden aud halbe F. ausgemünzt. 2) Eine
frühere ägypt. Goldmünze aus dem 18. und 19.
Jahrh., nah Unterfuhung bdurdicdnittlih 2%, g
ſchwer und 690 Taujendteile fein, jomit im sein:
5* von reihlih 1”/,, g = etwa 4°, deutſchen
Marl, Man prägte au halbe F., die aber ver:
hältnismäßig etwas menge: ein und ſchwer, baber
nur etwa = 2M. 18 Pf. Reihswährung waren.
Foenioülum Adans., Bilanzengattung aus der
—— der Umbelliferen (ſ. d.) mit nur wenigen
rten in den Mittelmeerländern, die vielleicht nut
Varietäten einer Art ſind. Dies iſt der Fenchel,
F. officinale AU. 6 Tafel: Umbellifloren I,
Fig. 3), der aud in Deutfchland (Provinz Sadien)
vielfach im Großen kultiviert wird und häufig ver:
wildert. Durch die fein zerteilten Blätter, deren
legte Abſchnitte faft fadenförmig ausgebildet fin,
ähnelt er jehr der Dillpflanze. Die Früchte find
als Fructus Foeniculi offizinell und werben als
Kamm: und Strobfendel gebandelt; er iſt
der arzneilich a aebraudte. Man ae
winnt aus dem Fenchel Fencheldl (j. d.) und Fencel⸗
waſſer (f.d.). Eine in talien und Frankreich bäufig
kultivierte Form ift der jog. Jtalienifche oder Bo:
lognefer Fenchel, bei dem die untern Bartien der
Stengel und Blätter ziemlich fleifhig entwidelt und
dur Bebeden mit Erde gebleicht find. Es werden
dieje Teile befonders in Italien rob gegeſſen und
find dort unter dem Namen Finocchio belannt.
ond, röm. Duellgott, |. Fontus. j
onfagräda, —— der ſpan. Provinz
Lugo, 40 km im DND. von Lugo, in gebirgiger
(965 m) und viebreicher Gegend, bat (1897) 17 172€,
Fön: fchui-ma:thom (vom chineſ. Worte Fön-
schui, Waſſerſcheide), die Stelle, wo der Kaiſerlanal
(’ d.) dur Einmündung des Ta⸗wen⸗ho nordweſt⸗
ih von der Stadt Tſiening in Schan-tung in eine
nörbl. und eine ſudl. Hälfte geteilt wird. Erſtere
ftammt vom Raijer Ehubilai-&han (1279—94) der
mongol. Dynaftie Jüan ber. ,
—— Golfvon, Bucht des Stillen Dceans
in Gentralamerifa, von Nicaragua, Honduras und
Salvador begrenzt (j. Karte: Centralamerita
u. ſ. w.), ift 30 km lang und 70 km breit und entbält
mehrere Se wie Sacate und Tigre mit der Stadt
Amapala (j. d.). Mehrere der einmündenden Flüfle
Fonſeca (Deodoro da) — Fontana (Carlo)
find fhiffbar. Die Bai wurde 1522 von Gil Gon-
zalez de Avila entvedt; 1523 wurde fie nach dem
Biſchof von Burgos F. benannt. Am Eingange der
Bai erbebt fi im NM. der Bulfan Condagua; im
SD. Coſeguina (f. d.). {
Fonſẽca, Deodoro da, Präfident von Brafilien,
geb, 5. Aug. 1827, wurde auf der polytechn, Schule
in Rio de Janeiro erzogen, diente im Kriege mit
Paraguay (1865—70), gründete Ainen Militärklub
in Rio de Janeiro, der ein Mittelpumft der Miß—
vergnügten war, und wurde, republilaniſcher Ge:
finnung verdächtig, 1887 ald Gouverneur in die
Provinz Mato Groſſo geibidt. Am 15. Nov. 1889
trat er, fur vorber zum Marſchall ernannt, an die
Spitze der Revolution, die den Untergang des
Raiferreihs veranlafte. (S. Brafilien, Geſchichte.)
Ohne Wahl nahm er den Präfidententitel der Ne
publif an, den ibm der Ya x dann 25. Febr.
1891 auf 4 Jahre übertrug. in willlürliches Res
giment und jeine Günftlingswirtichaft machten ibn
ſedoch bald unbeliebt, und als erim Nov.1891 gegen
ein vom Kongre beichloffenes * fein Veto ein:
legte, erflärte diejer es für ungültig. F. löjte den
Kongreß, ohne gejehlich dazu berechtigt zu fein, auf,
wurde aber durch Unruben und Aufftände ge:
zwungen, 23.Rov, fein Amt niederzulegen. Er ftarb
23. Aug. 1892 in Rio de Janeiro. j
Fonlöca e Basconcellos, Joaguim Antonio
da, portug. Schriftiteller, j. Vasconcellos.
ontaine, Fontäne (frz.), j. Springbrunnen.
ontainebleau (ipr. fongtän’blob). 1) Arron-
diffement im franz. Depart. Seineset:Marne, bat
1224 qkm, 101 Gemeinden, (1901) 86283 E. und
zerfällt in die 7 Kantone La Chapelle:la: Reine,
Chaͤteau⸗Landon, F., Lorrezle:Bocage, Montereau:
faut⸗Yonne, Moret:fursLoing und Nemours. —
2) Hanptitadt des Arrondiflements hr 57 km ſud⸗
judöftli von Baris,4km vom linken Ufer ver Seine,
in 79m Höbe, an der Linie Paris-Montereau der
Franz. Mittelmeerbahn, mit Kleinen Häufern, ift
ig eines Gerichtöhofs, des Kommandos der 1. Dra:
——— und einer Artillerie: und Genieſchule,
at (1901) 10786, als Gemeinde 14160 E., in
Garniſon einen Teil des 46. Infanterieregiments,
das 7. Dragonerregiment, 3 reitende Abteilungen
Feldartillerie, die 5. Trainesladron; eine Biblio:
tbef, Krantenbäufer, ein Theater, ein Dentmal
Carnots (1895) und der Malerin * Bon⸗
heur (1901); Brauerei, Fabrilation von Porzellan
und Steingut, Kunfttifch erei, Sarfiahet und Han:
del mit Gutebeltrauben (Chasselas). Berühmt
it das Luſtſchloß, das, vom 13. bis 18, Jahrh.
erbaut, fünf Höfe umfchließt. Franz J. Heinrich IL.
und Heinrich IV, erwäblten den zur up ei
gelegenen Platz zur Reſidenz, Napoleon I. lieh das
859
die Widerrufung des Edilts von Nantes (1685).
Am 3, Nov. 1762 wurden bier die Bräliminarien
bes —— zwiſchen England und Frankreich ab»
6 chloſſen, denen 10. Febr. 1763 der Friede zu Paris
olgte. Napoleon I. bielt hier 1812—14 Pius VIL
efangen und verzichtete 1814 auf den franz. eg
thron. Das Schloß, jekt im Sommer Aufenthalts.
ort des Präfidenten der Republit, jtößt an den gros
pen Wald von F. (17000 ha), der mit feinen feld:
partien und Hügelletten, Quellen und Ausſichts⸗
punften einen beliebten Ausflugsort der PBarifer
bildet. — Bol. Laube, Franz. Luſtſchlöſſer, Bo. 1
Rand. 1840); Bfnor, Monographie du chäteau
de F. (mit Tert von Shampollions Fi eac, Bar.
1859—64 ; 2. Aufl. obne den Tert 1874): vanne,
De Paris à F, (ebd. 1877); Bourges, Recherches
sur F. (Fontainebleau 1896).
Fontaine :’Evdque (fpr. fongtähn lemät),
Hauptort des Kantons F. in der belg. Provinz Hen-
negau, an der Linie Charleroi-Mons der Belg.
Staatsbahnen, hat —* 6062 E. Eiſen⸗ und Ko
leninduftrie, Kupferſchmieden und Steinbrüche.
Fontaines Pulver, 1866 von Fontaine (for.
fongtäbn) in Paris erfundenes, zu den Pilrat
pulvern (f. d.) gebörendes Gemiſch von pitrinfaurem
Kalium und Tee Raltum. Sehr ſtark wir:
fend, aber im höchſten Grade gefährlich, rief es bes
reits 1867 die furchtbare Erplofion der an der Place
Sorbonne gelegenen Fabrık Fontaines hervor.
Fontan (jpr. fongtäng), Louis Maxis, Tem.
Dramatiler, geb. 4. Nov. 1801 in Lorient ! orbi⸗
han), war zuerſt Schreiber daſelbſt, ging nach Paris
und trat in die Redaktion der «Tablettes» und des
«Album»; wegen eines im «Album» 1829 ver:
öffentlichten Artitelö «Le mouton enrag&», worin er
Karl X. angriff, mußte er fliehen. Aus den Nieder:
landen vertrieben, flüchtete er nad Hannover und
kehrte dann nach Frankreich zurüd. In Paris ward
er verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis und
10000 Fr3. Gelöftrafe verurteilt; erſt die Julie
revolution befreite ihn. Er ftarb 10. Oft. 1839 in
Thiais bei Paris. Bon feinen Stüden verdienen
nung: «L’actrice ou les deux portraits»
(mit Ader, Bar. 1826), «Perkins Warbeck» (1828),
«L’espion» (mit Leon Haldoy und Drouineau ver:
faßt und won Fenimore Cooper nachgeahmt, 1828),
«La bossue» (mit Ader, 1829), «Gillette de Nar-
bonne» (ein Baudeville, mit Ader und Eh. Des:
noyer, 1829), «Andr& le chansonnier» (mit Eh.
Desnoyer, 1829) und das Drama «Jeanne la folles
(1830). Gr verfaßte auch einen Band «Odes et
epitres» (Par. 1825 u. 1827).
Fontäna, Lago, Quelljee des Rio Senger in
den argentin. Anden unter 45° fübl. Br. (f
. Karte:
La:Plata:Staaten u. f. w.), tft 50 km lang und
mäbrend ver Revolution ne Schloß teilmeije | 20 km breit.
neu möblieren, und Ludwig Philipp reitaurierte die
ältern Zeile. Die merfwürdigiten Räume find: die
Galerie Franz’ I., mit Freslen und Stuccaturen von
Rofjo und Domenico Korentin; ber Ballfaal oder
Salle Henri II, mit Wandmalereien.von Prima⸗
ticcio. Die Ulyfjesgalerie mit dem von Niccold dell’
Abbate gemalten Dedenbildern wurde im 18. Jahrh.
niebergerijien, und die Hirſchgalerie dient gegen: | wa
wärtig ald Gewächshaus. Hier empfing Franz I. den
Kaiſer Karl V. auf feiner Reife nad Gent (1539); die
Ertönigin Ehriftine von Schweden lieh bier in der
Hirſchgalerie ihren Oberjtallmeifter Monaldeschi
binrihten (1657). Ludwig XIV. unterfchrieb bier
ntäna, Carlo, ital. Baumeifter, geb. 1634
zu Bruciato bei Como, geft. 1714 in Rom, ein
Schüler Berninis, war als päpftl, Arcitett Er
bauer vieler Kirhen im Baroditil. Sein Haupt:
werk ift die Fagade der Marcelluslirche am Corjo.
derner erbaute er die mit Kuppel verjehene Dreis
einigleitäfirbe in der Pia Gonbotti und ent:
\ den Plan zum Gartenpalaft de3 Füriten
Liechtenſtein in Wien ee er baute den
Torloniapalaft in Rom, die Vorhalle von Sta.
Maria in Trastevere (1702). F. war auch Baus
meifter der Peterslirche, in welcher Eigenſchaft er
nad deren Vollendung auf Bapit Innocenz’ XL. Ber
860 Fontana (Domenico) — Fontanell
Minifter Gambetta und Er&mieur fegte ibn in Freis
beit, Hierauf übernahm er für die «Vojjische Zei:
ontana, Domenico, ital. Baumeifter, geb. | tung» die Berichterjtattung über die Königlichen
1543 zu Mili am Luganer See, geit. 1607 zu Neapel, | Schaufpiele, die bis 1889 in feinen Händen lag,
ftudierte in Rom die alten und neuern Meijter und | und war 1876 kurze Zeit erjter Sefretär der Ber:
murbe dann Architekt des Karbinald von Mon: | liner Alademie der Künfte. Er ftarb 20. Sept.
talto, welcher ihm den Bau der großen Kapelle des | 1898 in Berlin. Seine Iyriihen Arbeiten find
Präfepiums bei der Kirhe Sta. Maria Maggiore | namentlih: «Männer und Helden» (Berl. 1850),
und des benadbarten Palajtes übertrug. Als der | «Gedichte» (ebd. 1851; 8. Aufl. 1902), «Balladen»
Kardinal unter dem Namen Sirtus V. den päpitl. | (ebd. 1861; auch enthalten in der 2. bis 4. Aufl.
Stuhl beftiegen hatte, gab er 5. zablreiche weitere | der «Gedichte»). Als feinfinnigen Scilderer von
Aufträge. Der lateraniſche Palaſt nebſt dem Seiten: | Bollstum und Landſchaft bewährte er ſich in feinen
portitus der Bafılita, der neuere Teil des Batitans | Neifebildern «Ein Sommer in London» (Deijau
alaftes, in welchem fich die päpftl. Wohnung be: | 1854), «Aus England» (Stuttg. 1860), «Jenfeit des
Enden, die Batitanbibliotbet, ein Teil des Duirinals | Tweed» (Berl. 1860), «Aus land und Schott:
laites, die große Fyontäne von Termini u. a, find | land» (ebd. 1900), namentlid aber in feinen «Wan:
Fein ert. In diefen Bauten zeigte fich F. als ein | derungen dur die Mark Brandenburg» (4 Bope.,
BEUTE NE Riensee und nüchterner an er | ebd. 1861—82; zum Teil in 7. und 8. Aufl. 1896 —
} aflen
febl 1694 ein Tafelmert («Il tempio Vaticano e sua
origine», lateiniſch und italienifch, Rom) berausgab.
der Schule des Vignola, der aber mit großen 1908), durch welche die eigenartigen Reize der märt.,
iu Rx ſchalten wußte. Auch richtete J. 1586 den | Natur geradezu erft entdedt wurden. Nicht minder
großen Obelislen —— auf dem Platze erfreuten ſich großen Erfolges feine höchſt anſchau⸗
vor der Peterslirche ſteht, damals aber noch zum Teil | lihen Kriegsſchilderungen? «Der Schleswig: Hol-
unter Trümmern verjtedt lag. Die Art und Weife | jteiniiche Krieg» (Berl. 1866), «Der Deutſche Krieg
des Transport des Dbelisten befchrieb er in | von 1866» (illuftriert von Burger, 2. Aufl., 2 Bve.,
ebd. 1871), «Kriegsgefangen. Erlebtes 1870» (ebv.
1871; 5. Aufl. 1900), «Aus den Tagen ber Decu-
ation» (2. Aufl., ebd. 1872), «Der Krieg gegen
ankreich⸗ (2 Bpe., ebd. 1873— 75). Seine Ko:
mane und Novellen bewegten ſich anfangs mit Bor:
liebe in der Gejhbichte Berlind und der Mark: «Bor
dem Sturm» (4 Bde., Berl. 1878; Vollsausgabe
1898), «Grete Minde» (2. Aufl., ebd. 1888), «Ellern»
, Hipp» (ebd. 1881), «L’Adultera» (Bresl. 1882;
— Sein Plan, einen neuen Hafen bei Neapel | 3. Aufl. Berl. 1899), «Schad von Wuthenow⸗ (Lpz.
anzulegen, wurde erſt nach feinem Tode ausgeführt. | 1883; 3. Aufl., Berl. 1894); fpäter hat er ſich mit
ontana di Trevi, Brunnen in Rom (}. d.); | üÜberrafchender Wanblungsfäbigfeit und glänzender
der Fremde, welcher eine Münze hineinmirft, fol | Sicherheit der detailliert realiſtiſchen Darftellung
der Rückehr nah Rom ficher fein. des modernen Lebens zugewandt und dabei Glän:
Fontänafredda, Ort im Diftrikt Pordenone jendes geleitet: «Gral Yeafo» (3. Aufl., 2 Bove.,
der ital, Provinz Udine, hat (1901) ald Gemeinde | Ypz. ag allnterm Birnbaum» (Berl. 1885),
4802 E. Hier jiegten die Öfterreiber unter Erz: | «Gecile» (ebd. 1887), «rrungen, Wirrungen» (2p3.
berzog —— über Franzoſen und Italiener unter 1888; 8. Aufl., Berl. 1902), «Stine» (Berl. 18%
Gugen Beaubarnais (16. April 1809), u.ö.), «Quitt» (ebd. 1891), «Unmiederbringlic»
— altröm. Feſt, ſ. Fontus. (ebd. 1892 u.d.), «Frau Jenny Treibel» (ebd. 1892
der Schrift «Della trasportatione dell’ obelisco
Vaticano e delle fabbriche di Sisto V» (Rom 1590).
In der folge richtete er noc drei andere Obelisten
an verihiedenen freien Plägen auf. Auch unter
Clemens VI. unternahm 5. verſchiedene Bauten,
bis man ibn beſchuldigte, öffentliche Gelder unter:
ſchlagen zu haben. Er verlor 1592 feine Stelle am
päpftl. Hofe, erhielt aber einen Ruf nah Neapel.
Hier baute er verichiedene Kanäle und den königl.
ontaue, Theodor, Dichter, geb. 30. Dez. 1819 | u. d.), «Effi Brieft» (ebd. 1896 u. d.), «Die Poggen⸗
in Neuruppin, befuchte das Gymnaſium dafelbft | publs» (ebd. 1896 u. d.), «Der Stechlin» (ebd. 1899).
und jpäter die Berliner Gewerbeſchule. 1840 ging Ferner veröffentlichte er: «Bon vor und nad der
er nad 84 um —* der Chemie zu widmen; | Reife. Plaudereien und Heine Geihidhten» (Berl.
feine Neigung führte ihn jevod allmählich ganz der | 1894), «Meine Kinderjahre. Autobiogr. Roman»
litterar. Zbätigleit zu. Nah einem kurzen Aufente ebd. 1894 u. d.), «Von Zwanzig bis Dreißig. Auto
balt in England fiebelte er 1844 nad Berlin über | biograpbiihes» (ebd. 1898). Cine unvollftändige
und trat bier in den «Tunnel» ein, einen fitterar. | Ausgabe feiner «Gefammelten Romane und Ro
Bereinigungspuntt von Dichtern und Schriftftellern, | vellen» erfhien (Berl. — in 10 Bänden. —
den er jpäter in dem Bude «Chriſtian Friedrich Val. Servaes, Theodor F. (Berl. 1900).
Sch = und das litterar. Berlin von 1840 Fontane (frz. fontaine), ſ. Springbrunnen.
bis 1860» (Berl. 1885) ſchilderte. 1849 erfchienen F.s ontanell, aud die Fontanelle (mittellat.),
Balladencyllug «Bon der jhönen Rojamunde» | in der Ehirurgie und praftiihen Medizin ein
(2. Aufl., Deſſau 1853) und die volfstümlichen | fünftlich gebildetes und unterhaltenes Geſchwur
Gedichte vom alten Deſſauer, Zieten, Seyplig. | auf der Überflähe des Körpers, mweldes früber
1852 ging er zum zmweiten-, 1855 zum britten: | ala Heilmittel benußt wurde. Um ein joldes Ge
mal nad England, tebrte 1859 nach Deutſchland ſchwür zu erzeugen, madte man mittelö vet
zurüd und trat bald darauf in die Redaktion der | Meſſers oder eines Üpmitteld oder Blafenpflafters
«Neuen Preußiſchen (Kreuz:) Zeitung» ein, am | oder des Glüheiſens eine Wunde in die Haut
ber er 1860—70 thätig war. Nach Ausbruch des | und legte in diejelbe eine Erbje hinein, um die
Deutih:FranzöfiibenKtriegesfolgteerdem deutien | Wunde am Schließen zu verhindern und in ber
Heere, wurde in Domremp, im Geburtöbaufe der | jtändiger Eiterung zu erhalten. Um das F. und die
Jeanne d’Arc, gefangen genommen und nad mans | umliegende Haut reinlich zu halten, bevedte man fie
nigfahen Bedrängniſſen auf die Injel Dleron im | mit einem indifferenten Pflaſter und dieſes mit einer
Atlantiſchen Ocean abgeführt; erſt ein Dekret der | leichten Binde und erneuerte die Erbfe täglich wer
Fontanellſalbe
nigſtens einmal. Die frühern Urzte (ſeit dem frühe:
ften Altertum) ſchätten das F. ſehr bei chroniſchen
Krankheiten; man glaubte, daß es den Kranlkheits⸗
ef aus dem Korper entfernte oder doc einen ge
ährlihen Säfteandrang von dem bedrohten Ur:
an nad) der Haut ableitete. Gegenwärtig : das
. ganz außer Gebrauch. Gin ähnliches, doch aud
jest noch pe und dba angemenbeted Mittel ijt das
Haarfeil (ij. d.). j : :
In der Anatomie bezeichnet man mit Fontanelle
die häutigen Zwiichenräume zwiſchen den Eden der
einzelnen Shädeltnoden bei dem Embryo und dem
neugeborenen Rinde, welche ſich meiſt erſt Mitte oder
Ende des zweiten Jahres mit Knochenmaſſe füllen
und bis dahin als weiche Stellen des Kopfes leicht
fühlbar find. Die größte derjelben, die \ große
oder vieredige Fontanelle oder Border:
———— (von den Laien auch als
lättchen bezeichnet), liegt vorn über der Mitte der
Stirn, in der Scheitelgegend, ijt am *5 bemerl⸗
bar und läßt, ſolange ſie noch nicht geſchloſſen iſt,
deutlich pulſierende Bewegungen des Gehirns wahr⸗
nehmen; die hintere oder fleine Fontanelle iſt
viel Heiner und am Hinterhaupt gelegen, mo ſich die
Lambdanaht mit dem Ende der Pjeilnabt vereinigt,
während biebeidenSeitenfontanellenzu beiden
Seiten des Kopfes am Ausgang der Schuppennabtzu
fühlen find. Die rechtzeitige Verlnocherung der Fon⸗
tanellen ift fürdie normale Entwidlung des Gehirns
von dergrößten Bedeutung; erfolgt jene vorzeitig, jo
wird das Gehirn in feinem weitern Wachstum ge:
bemmt und es fommt ſehr leicht zur Bildung eines
jog. Mitrocephalus, wäbrend umgelehrt die Fon:
tanellen bei der Engliihen Kranlheit ſich ge
wohnlich erit ſpät, bei hroniihem Wailerlopf ſehr
gaung gar nicht ſchließen. Man bat deshalb beim
eugeborenen auf die Beſchaffenheit der Fontanelle
u abten und fie vor Drud, Stoß und ähnlichen
Ef ten gebörig zu bebüten.
—— Uſalbe, Ik — ———————
ontanes (ſpr. fongtahn), Louis de, franz.
Dichter und Staatsmann, geb. 6. März 1757 zu
Niort, ging nah Bollendung feiner Studien nad)
Bari und erwarb fih bier bald einen Namen
ald Dichter, indem er, ergriffen von der durch
Roufieau erwedten Begeifterung für Landbau und
Landleben, eine Reibe beichreibender Gedichte von
elegantem Versbau jchrieb, wie «La forèt de Na-
varre» (1778), «La maison rustique» (1788), «La
Chartreuse», «Le jour des morts» (1796), eine
Nachahmung von Grays Kirchhofelegie. Auch über:
jegte er Bopes «Essay on man» (1783). 1794 wurde
er Profefior an der Centralſchule, 1795 Mitglied
des Inſtituts und lebte, nach dem 18. Fructidor ges
ädtet, in Hamburg, dann in London, wo er fich mit
Ehäteaubriand aufs engfte verband. Nah dem
18. Brumaire lehrte er nad Frankreich zurüd und
wurde Mitglied, 1804 Präfident des Gejebgebenden
Körperd. F. war ein glänzender Redner und zus
glei einer der angeiebenjten Stritifer jeines Zeit:
alterd. Er wurde von Napoleon I. noch zum Groß:
meijter der Univerfität ernannt und 1810 zum Ses
nator. Dennoch bat er 1814 die Abdankungsurkunde
des Kaiſers verfaßt und ift unter Ludwig XVIIL
zum Bair, Marquis und Staatsrat ernannt worden.
Er ftarb 17. März 1821. Seine «(Euvres» ge
Sainte:Beuve heraus (2 Bde., Bar. 1839). — Vol
Sainte:Beuve, Chäteaubriand et son groupe litt&-
raire (2 Boe., Par. 1860 u. 5.).
861
‚ Bontange (fr;., jpr. fongtängſch'), hohe, über
ein Drabtgeitell aus Sep oder Flor aufgebaute
Frauenhaube, gebräuchlich bis etwa 1720, Die Her
zogin von Fontanges (j.d.)foll
biejen Ropfpug zum Schutze
gegen die Sonne erfunden
aben. (S. beijtehende Abbil:
dung.)
"Font es (ſpr. fong:
tängſch), Marie Angelique de
Scoraille de — Her⸗
zogin von, Geliebte Lud—
wigs XIV., geb. 1661, wurde
in ihrem 17. Jahre Ehren⸗
dame von Mabame Ducheſſe
d Orléans. Bon beſchränktem
Geiſte, aber großer Schönheit,
wußte ſie Ludwig XIV. zu feſ⸗
ein, der der herrſchſuchtigen
aune der Montespan über:
druſſig war. Der König erbob
fie zur Herzogin, allein fie ftarb bald darauf in—
folge unglüdlicher Entbindung 28. Juni 1681 in
der Abtei Vort:Royal zu Paris. Nach ihr ift bie
Fontange (f. d.) benannt.
outänus, röm. Quellgott, |. Fontus.
ontarabie (jpr. fongtarabib), Jean Franc.
Boifjonade de, franz. Hellenift, ſ. Boiſſonade.
onte Avelläna, Kongregation vom bei:
ligen Kreuz —— der Avellaner), ein
Zweig der Benediktiner, benannt nach dem 1001
von Ludolf, ſpäterm Biſchof von Eugubio, in der
Einöde F. A. bei Faenza gegründeten Kloſter. Durch
Petrus Damiani (f. | wurde die Orbensregel jo
maßlos verihärft, dab bald Laxheit und Zucht:
loſigkeit Plaß griff. Deshalb wurde die Kongre:
gr 1570 mit ber zudenfamalpulenjern gehörigen
ongregation des Michael von Murano vereinigt.
Fontenay:le-Eomte (jpr. fongt'näh IE kongt).
1) Arrondiffement im franz. Depart. Vendee, hat
2134 qkm, (1901) 139729 €,, 114 Gemeinden und
zerfällt in die 9 Kantone Ehailld:les:Marais, La
Ehätaigneraie, F., !’Hermenault, Lugon, Maille:
zais, Pouzauges, St. Hilaire-des-Loges und Ste.
Hermine. — 2) Hauptftadt des Arrondifjements F.,
ampbitbeatraliih an beiden Ufern der bier ſchiff⸗
baren Bendde und an den Linien Niort-La Rochelle
und %.:Breuil:Barret (30 km) der franz. Staats:
bahnen gelegen, ijt altertümlich gebaut, aber von
freundliden Vorftädten umgeben, Sitz eine3 Ge:
richtshofs erjter Inſtanz, bat (1901) 7504, ald Ge
meinde 10512 E. in Garnifon das 137. Infanterie:
regiment, zwei fchöne Kirchen (Notre:-Dame und St.
Jean), Kommunal:Collöge, Tud: und Leinwand:
indujtrie, Sägemühlen, Handel mit Holz, Kohlen,
Dünger und Hanf. — F. (mittellat. Fontanetum)
fiel 1360 an —— und wurde in den Hugenotten⸗
triegen zehnmal belagert. In der Revolution wurde
s (damals Fontenay-le-Peuple) durch die
Royaliſten 35. Mai 1793 eingenommen. — Bal.
Fillon, Recherches sur F. (Fontenay 1847).
Fontenay:fond:Boid (pr. fongt'näh ßu böd),
Stadtim Kanton Bincennes, — —— Sceaur
des franz. Depart. Seine, zwiſchen Vincennes und
Nogent⸗ſur-⸗Marne ſchön gelegen, hat (1901) 7508,
als Gemeinde 9320 E. (S. Karte: Paris und
Umgebung.)
eg rn (jpr. fongt'nell), Bernard le Bovier,
früber le Bouvier, franz. Schriftiteller, geb.
— Fontenelle
862
11. Febr. 1657 zu Rouen, war ein Neffe Corneilles,
wurde bei den Jeſuiten vorgebilvet, ftudierte die
Rechte und ging dann nad Paris, um als Schrift:
fteller zu leben. Nachdem er einige Opern und Tra⸗
öbien («Brutus», «Aspar», «Idalia») und Kleinere
oejien verfaßt, ohne viel Erfolg zu haben, erlangte
er einigen Ruf durch feine «Dialogues des morts»
(1683) in Lucians Dlanier, in denen er fi ſchon
als Steptiter zeigt. In feinen viel gelejenen «En-
tretiens sur la pluralit& des mondes» (1686) ver:
ftand er es, die Yehren von Galilei, Descartes und
Kopernifus in unterhaltender —— vorzutragen,
während er in ſeiner «Relation de l’ile de Bornéo⸗
eine Satire u den Streit der Katholiken und Bro:
teitanten fchrieb. Beſonders aber in feiner «Histoire
des oracles» (1687 nad dem Buche des Holländers
van Dale), worin er die Dratel alö Priefterlug er:
flärt, wird er ein Vorläufer der Philoſophen der
Auftlärung. 1691 wurde er aue ber Acadömie
des sciences, 1699 Seltetär derſelben und fchrieb ala
folder auf verjtorbene Mitglieder der Alademie die
durch Eleganz ſich auszeichnenden «Eloges» (1708),
fein bedeutendjtes Wert. Er ftarb 9. Jan. 1757 zu
Paris. Seine «(Euvres compleötes» erſchienen 1758
—66 (11 Bde. Paris), 1764 (12 Bde. Amſterdam)
und 1818 (3 Pbe., Paris). — Bol. Eharma, Bio-
graphie de F. (Par. 1846); Sainte-Beuve, Etude
sur F., sa vie et ses @uvres ſebd. 1852).
Foutenoy (fpr. fongtöndd), Dorf in der belg.
Provinz Hennegau, etwa 7 kın im SD. von Tournai,
mit (1900) 842 E. Hier ſchlugen im Oſterreichiſchen
Erbfolgetriege die Franzoſen unter Morig von Sad:
fen die Berbündeten unter dem Herzog von Cumber:
land 11. Mai 1745.
Fontenoy pr. fongtendd), Dorf im Kanton
St. Sauveur, Arrondifiement Aurerre des franz.
Depart. Yonne, an den Linien Trigudres-Clamech
und Aurerre:Gien der Mittelmeerbabn, mit (1901)
716 €. F. ift das alte Fontanetum, wo 25. Juni
841 Lothar von feinen Brüdern geſchlagen wurde.
An die Schlacht erinnert ſeit 1860 ein Obelist (10 m),
Foutevrault (jpr.jongtäwrob), Stadt im Arron:
difjement und Kanton Saumur des franz. Depart.
Mainezet:Coire, an der Vicinalbahn Saumur: %.
(16 km), bat — 1230, als Gemeinde 2302 E.,
und ein Korreltionshaus (1700 männlidye Inſaſſen)
* 11 Departements in der frübern Abtei des
dens von F. in der Grabbentmäler der Planta-
genets find. — Val. Edouard, F. et ses monuments
(2 Bpe., Bar. 1875).
Fontevranlit (fpr. fongtewrob), Orden von
(Ordo fontis Ba geiltliher Orden, auf Grund
der Benebiktinerregel geitiftet von Robert von
Arbrifjel, der 1094 eine Gemeinihaft regulier:
ter Chorherren in der fpätern Abtei de la Roe
gründete, auf Befehl Urbans II. ald Bußprediger
umberzog und mebrere Rlöjter, darunter das Doppel:
Hojter zu here, das dem Orden den Namen gab.
(Bal. von Walter, Die erften Wanderprediger Frank⸗
reihe. I. 1: Rob. von — Lpʒz. 1903.)
Es hatte vier Abteilungen: für Jungfrauen und
Witwen, für Kranke, für Büßerinnen und für die
den Gottespdienit leitenden Priejter. An der Spitze,
auch der Mannätlöjter, ftand die Slbtiffin als Stell«
vertreterin der Yungfrau Maria. Strenge Abion:
derung der Geſchlechter, ſtetes Schweigen und höchſt
mäßiges Leben bildeten den Hauptinhalt ver Ordens:
regel. Fer Paſchalis II. betätigte 1106 den Dr:
den. zählte noch zu Anfang des 18. Jahrh.
Fontenoh — Foot-ball
57 Priorate in Frankreich, außerbalb ——
ſehr wenig. Während der Franzöfiichen evolution
wurde der Orden aufgehoben. Die Ordenstracht
der Mönche war jhwarz, die der Nonnen weiß.
Fontinälis Dill., Duellmoos, Pflanzen:
attung aus der Gruppe der Mooje, Familie der
ryaceen (f. ea Die Arten (fünf in
Deutſchland) leben in fließendem Waſſer und be
figen lange, flutende Stengel. Die belanntejte ift
F. antipyretica L. (f. Ir : Moojel, Fig. 4), in
Gebirgsbähen und fließenden Brunnen ziemlich
bäufig. Ihre Stengel werden bis zu 1 ın lang.
ontus, auch 2. oder Jontanus, derröm.
Gott der Quellen (fontes), Er galt für einen Sohn
des Janus (f. d.) und wurde, wie diejer, mit einem
Doppeltopf, nur unbärtig, abgebildet. An feinem
Seite, den Sontanalia, 18. Dtt., befränzte man
die Brunnen und warf Blumen in die Quellen.
Foenum cum, f. Trigonella.
Foenus (lat.), der Zins (j. Sinfen). F. nauti-
cum, bei ben Römern der Zins, der für ein Dar:
lehn (pecunia trajecticia) zu zahlen war, welches
die Seegefahr trug. Dasjelbe tam teild jo vor, daß
dad Geld verſchifft wurde, um im Beitimmungs
bafen zum Anlauf von Waren für die Heimat ver
wendet zu werben; teild wurden mit dem Darlebn
im Heimatöbafen Waren angeibafft, welche ver:
ſchifft wurden; teil& wurde dasjelbe zur Reparatur
bes Schiffs oder zur Löhnung der Sciffsbejagung
gegeben. Der Gläubiger tonnte das Darlebn und
den Zins nur zurüdforbern, wenn das Geld, oder
wenn die Ware, oder wenn das Schiff im Beitim:
mungsbafen anlam, aljo nicht durch eine Seegefaht
verloren gegangen war. Die Gefahr innern Verderbs
der Ware oder einer Verſchuldung des Darlehns⸗
empfängers oder der Schiffsbeſaßzung trug der Gläu-
biger nicht. Weil der Gläubiger die Seegejahr trug,
durfte er fi höbere Zinſen zahlen lajien, als ſonſi
erlaubt war. Kaifer Juſtinian ftellte 12 Bros. ala
Binsmarimum feft. Über die heutigen VBerbältnifie
Foenus, |. —— . Bodmerei.
Founvielle (ſpr. fongwiell), Wilfrid de, franz.
Schriftſteller, geb. 21. Juli 1828 zu Paris, war
Lehrer der Mathematik und veröffentlichte mebrere
populãr⸗wiſſenſchaftliche Schriften, wie «Les mer-
veilles du monde invisible» (1865), «Eclairs et
tonnerre» (1866; 4. Aufl. 1885), «L’astronomie
moderne» (1868), «La conquöte de l’air» (1875)
u.f.w. Cine bejondere Berübmtbeit erlangte er
durch feine Luftfahrten im Dienjte der Wiſſenſchaft.
Am März 1858 blieb er zwei Tage lang im Ballon
—— aris und Compiegne; während der Be
agerung von Paris (Nov. 1870) verlieh F. die
Stadt in einem Luftballon « ’Egalite», landete in
Belgien und ya ſich nach Yondon. Unter andern
auf die Bolitit bezüglihen Werten 3.8 find noch zu
erwähnen: «Le souverain» (erjey 1853), «L'en-
trevue de Varsovie» (1860), «La croisade en
Syrie» (1860), «La republique sans phrases»
(1372), «Les saltimbanques de la science» (1883),
«Le siöge de Paris & vol d’oiseau» (1895) u. f. w.
en ruſſ. Dichter, |. Von:Wifin,
oochotw, engl. Schreibweife der chineſ. Stadi
Fu:tihou (f. d.).
— (fpr. futt), Mehrzahl Feet (fpr. fibt), engl.
aß, ſ. 3
Foot-ball (engl., fpr. futt babl), Fußball,
ein in England bei der erwachſenen Jugend ſeht be
liebtes Nationalfpiel, das die jog. Foot-ball-Asso-
Foote — Forbes (Archibald)
ciation und die Rugby-Union nad abweichenden
Regeln fpielen. Zwei Barteien von gewöhnlid 15
(bis höchſtens 40) Perſonen ſtehen einander gegen:
über und juchen einen großen, mit Leder überzoges
nen Gummiball nur mit Hilfeder Füße (Association)
auf das Gebiet der Gegner zu bringen und zwiſchen
wei in der Mitte der Spielplasgrenze jtehenden
tangen (Goal, Mal) hindurchzuſtoßen oder, wie
die Regeln der Rugby-Union vorfchreiben, nad
denen der Ball mit den Händen aufgenommen und
getragen werben darf, über das auf die Malftangen
gi Querbolz mittel3 Fußſtoßes zu fchleudern.
iegerin ift die Partei, die dies am öfteſten be:
wertitelligt. Die eritere Art, F. ohne Aufneb:
men, bat au in Deutichland Eingang gefunden
und wird bier eifrig gepflegt. — Vgl. Koch, Fuß—
ball (2. Aufl., Braunſchw. 1885); Vafjall, The
Rugby-game (Lond. 1889; deutſch Brem. 1893);
Alcod, Foot-ball (Lond. 1890); Lion:Wortmann,
Katehismus ver Bemwegungsipiele (Lpz. 1891);
Vogel, Regeln für das Fußballipiel (Ajiociation ;
ebd. 1893); Koh, Geſchichte des Fußballs (Berl.
1895); Claſen, Bewegungsipiele im Freien (2. Aufl.,
Stuttg. 1897); Heinelen, Sportfpiele im Freien.
BD. 2: Das Fußballſpiel. Association und Rugby
ebd. 1898); Schnell, Handbuch der Ballipiele.
d. 2: Das Fußballipicl (Cpz. 1900).
Foote (ipr. futt), Sam., engl. Luftipieldichter,
eb, 27. San, 1720 zu Truro (Cornwall), widmete
ich der Rechtswiſſenſchaft, ging aber dann zur Bühne
über. Er trat 1744 als Othello auf und übernahm
1747 das Haymarlet: Theater, für das er jatir.
Luftfpiele ſchrieb, die lebende Na hi topierten.
Bon feinen während diejer Zeit geichriebenen Stüden
bat ſich bloß «The mayor of Garrat» auf der Bühne
erhalten, Troß des Verluftes eines Being (1766)
—F er doch fort, als Schauſpieler aufzutreten.
tarb 21. Okt. 1777 zu Dover. F. nahm es mit
Anlage und Ausarbeitung feiner Luftipiele und
Poſſen nicht eben genau, verjtand aber die Charat:
tere mit origineller Laune auszuftatten, z. B. in
«The minor» und «The Iyer», Viele tomifche Anet:
doten von ihm finden ſich in Cooles «Memoirs of
F.» (3 Bde., Zond. 1805). Seine jämtlihen Werte
erjchienen zu London (4 Bde. 1778; 2 Bde., 1797
u. d.; deutſch, 4 Bde., Berl. 1796— 98). — Val.
auc die Borrede zu John Bee, Works of Samuel
F. (3 Bve., Lond. 1830).
Fop (engl.), Narr, Ged, Einfaltspinjel; davon
foppen, zum Narren haben.
oppa, Ambrogio, Mevdailleur, j. Caradoſſo.
oppa, Vincenzo, das Haupt der Mailänder
Malerjhule im 15. Jahrh., ftammte aus Brefcia
und ftarb 1462. Das früheite Bild von ibm (in der
Galerie zu Bergamo) beweiit, daß er in feiner Ju:
—— unter dem Einfluß des Vittore Piſanello von
erona geſtanden hat. Ruhiger Ernſt, ſtrenge For—
men und ein fühles graues Kolorit kennzeichnen
Be Werke. Die meisten feiner berühmten Fresten
ind untergegangen; erhalten hat fih nur ber
Cyllus mit Darjtellungen aus der Legende des heil.
Petrus Martyr in San Euftorgio zu Mailand, ein
gi Sebajtian und eine Madonna, jekt in der
vera dafelbft. Won feinen Tafelbildern find die
bemerlenswerteften ein Altarwerf in der Brera und
tleinere Madonnen im Muſeum Poldi-Pezzoli.
or, Bolksftamm (j. Darfur und Tafel: Afxi—
tanifheBöltertypen, Fig.14, beim Artilel Afrika).
Foräl, ſ. Geheimmittel.
863
en obturatorium, eirundes Loch oder
Foräm
Huftloch, ſ. Beten und Tafel: Das Skelett des
Menſchen, Fin. 1, 42 und 2, 2.
Foraminiferen, j. Kammerlinge,
Forb., hinter dem lat. Namen von Tieren Ab:
Hirzung für Edward Forbes (f. d.). j
orbach. 1) Kreis im Bezirk Lothringen, bat
699,26 qkm, (1900) 76005 (40995 männl., 35010
weibl.) €. in 87 Gemeinden und zerfällt in die
Kantone F., Großtänden, Saaralben, St. Avold.
— 2) Hauptitadt des Kreiſes und des Kantons F.
— — (140,21 — 20 Gemeinden,
26 928 ) 9 km ſudweſtlich
von Saarbrüden, an der Linie
Meg: Saarbrüden der Eljaß:
Lothr. Eijenbahnen, Sik der
Kreispireltion, eines Amts:
gerichts (Landgeriht Saarges
münd),Steueramtes, fatb. De
tanat3, Traindepots und Be:
zirtstommandos, hat (1900)
8208 E., darunter 1335 Evangeliſche und 159 Nörae:
liten, (1905) 8629 E. in Garnijon das Lothring.
Trainbataillon Nr. 16, Bojtamtzweiter Klaſſe, Schlo
der ehemaligen Grafen von F. röm. . auf dem
dieStabt —— Schloßberg, Real:, Bergvor⸗
It 2 höhere Mädchenſchulen. Das einit ftart bes
ejtigte Schloß auf dem Schloßberg wurde auf Befehl
udwigs XIV.gejchleift, ver Turm mit Ritterfaal und
Burghof ift neu aufgebaut. Die bedeutende Fabrila⸗
tion eritredt fi auf Kartonnagen, Ölpappwaren und
ormaiegel. Hier is Joh. Fiſchart 1590. 3km ent:
ernt Stieringen⸗Wendel (j. d.), 6 km weſtlich Stlein:
roſſeln (ij. d., d. 17). — FJ. (Furpac im 10, Jabrb.)
war lotbr. Zehn; 1717 wurde die Herrſchaft zu einer
a ge und kam mit Lothringen an ran:
reich. — Vol. Besler, Geſchichte des Schlofjes, der
Herrfhaft und der Stadt F. (Forbach 1895). —
3) Dorf im Thale der Murg (j. d.).
Forberg, Ernit, Kupferſtecher, geb. 20. Dit.
1844 zu Düſſeldorf, erhielt dajelbit jeine Ausbildung
unter 3. Keller. Später ließ er fich in Wien nieder,
wurde aber 1879 als Nachfolger jeines Lehrers an
die Düjjelvorfer Alademie berufen. Er arbeitet
meijt nach modernen deutſchen und diterr. Kunſt⸗
lern, wie Bendemann, Achenbach, Angeli, Camp⸗
baujen, Vautier, Beder. Zu feinen beiten Stihen
— Die Konſultation nach W. Sohn — —
Disputation Luthers mit Ed nach Leſſing (Karls:
tube), ferner Rubens’ Himmelfahrt Mariä ſowie
zwei Stihe nad Raffaelö Tapeten: Der wunder:
bare Fiſchzug und Weide meine Schafe. Auch als
Radierer ijt 8 mit Erfolg Hätte. Als Vereinsblatt
(1893) des Runftvereing für die Rheinlande und Weit:
talen ſchuf er den Stich: —— Kaiſer Wil:
helms I. nach der Schlacht bei Sedan Bunt Rodoll).
Forbes (pr. forbs), Arhibald, engl. Journaliſt,
geb. 1838 in der ſchott. Grafidaft Elgin, ftudierte
1854—57 zu Aberdeen und trat dann in ein Dra:
gonerregiment, in dem er fich militär. Fachlenntniſſe
erwarb. Den Deutſch-⸗Franzöſiſchen Krieg 1870/71
machte er als Berichteritatter der «Daily News» im
deutichen Lager mit. 1874 berichtete er für die «Daily
News» über die Hungersnot in Dftindien und ben
Rarliftentrieg, 1875—76 über die ind. Neife des
Prinzen von Wales, Im Sommer und Herbit
1876 fchrieb er vom ferb. Kriegsihauplage, 1877
—78 von ben Schlachtfeldern des Ruſſiſch-Turki⸗
ichen Krieges. Im Spätherbſt 1878 ging er für die
864
«Daily News» nach Cypern, darauf nah Indien
und im Frühling 1879 nad Zululand. Er lebte
dann in England und ftarb 30. Mär) 1900 in
London. Sammlungen jeiner Berichte veröffent:
lichte er in «My experiences in the war between
France and Germany» (2 Bde., Yond. 1871), «Sol-
diering and scribbling» (1872), « The war corre-
spondence of the m News 1877—78» (2 Bde.,
1878) und «Glimpses through the cannon smoke»
1880), Schilderungen aus dem Zulufriege. Ferner
chrieb er: «Chinese Gordon, a succinct record of
his life» (1884), «Souvenirs of some continents»
(1885), «William I. of Germany» (1888), «Have-
lock» (1890). Seine neueiten Arbeiten find: «Bar-
racks, bivouacs and battles», «The Afghan wars
1839 — 42 and 1378—80» (1592), «Memoirs and
studies of war and peace» (2 Bde., 1895; neue Aufl.
1896), «Camps, quarters and casual places» (1896),
«Life of Napoleon III» (1898).
Forbes (jpr. forbs), Edward, engl. Raturfor:
cher, der Schöpfer der Boogeologie, — 12. Febr.
1815 in Douglas auf der Inſel Man, bereiſte,
nachdem er in Edinburgh ſtudiert hatte, 1833 Nor:
megen, fpäter das Mittelländiihe Meer und ver:
öffentlichte ald Frucht diefer Reifen verichiedene Ab:
bandlungen. Zur Erlangung der Naturgegenftänbe
aus größern Wafjertiefen hatte er zuerjt die Dredge
oder das Schleppneg in Anwendung gebradt. Der
Erpedition beigegeben, welche 1841 nad der Hüfte
von Rleinafien abging, um die von Fellows zu Tage
—— Skulpturen nach England zu bringen,
etrieb F. auch hierbei feine jpeciellen Forſchungen
mit Erfolg und veröffentlichte darüber mit feinem
Reijegejährten Spratt eine Beichreibung u. d. T.
«Travels in Lycia, Milyas and the Cibyratis»
ßz Bde., Lond. 1847). Während feiner Abweſenheit
atte er den Lehrſtuhl der Botanik in King's College
erhalten; bald darauf wurde er zum Profeſſor der
Naturgeſchichte an der tönigl. Bergſchule und 1846
ie Paläontologen des Mujeums der ötonomifchen
eologie in London ernannt. Er mar die Seele der
unter Leitung De La Beches veranitalteten geolog.
Aufnahme Englands, in deren «Memoirs» er die
wichtigften Unterfuhungen über die Verteilung der
auna und Flora auf den brit. Inſeln veröffent:
ıhte. Außerdem fertigte er eine geolog. und pa—
läontolog. Karte Großbritanniens ſowie eine Welt:
farte an, in der er die Phaſen des oceanifchen Lebens
und die Grenzen der homdozootiſchen Zonen erläu:
terte. Eine «Natural history of the European seas»
erſchien erft nad feinem Tode (Lond. 1859). 1852
u. Präfidenten der Geologiihen Geſellſchaft in
ondon erwäblt, erbielt er eine Profeſſur der Natur:
geſchichte an der Univerfität Edinburgh. Hier jtarb
er 18. Nov. 1854. — Bol. Wilſon und Geitie, Me-
moir of Edward F. (Edinb. 1861).
Forbes (ipr. forbs), Edwin, amerit. Maler, geb.
1839 in Neuyork, war Schüler Tait3 und trat beim
Ausbruch des amerif. Bürgerlrieges in die Potomac⸗
armee. Nah Beendigung des Krieges fand fein
Bild: Scenen aus der Schlaht in der Wildnis,
Mai 1864, auf der Alademie zu Neuyork großen
Beifall. Diefem folgten eine Reibe Heiner Kriegs:
bilder, Landſchaften und Viebitüde. Seine Radie—
rungen (Skizzen aus der großen Armee) wurden
1876 preisgelrönt und im Sriegäminifterium zu
Waibington aufbewahrt. Sein Atelier war in Brook:
(on, wo er ſich jeit 1878 faft ausschließlich der Tier:
und Landſchaftsmalerei widmete und 1895 ftarb.
Forbes (Edward) — Forbonnais
Forbes (ſpr. forbs), Henry D., engl. Reifenber,
eb. 30. Jan. 1851 zu Drumblade in Schottland,
—— turwiſſenſchaften und bereiſte 1878—83
ie oſtind.
| arg efonders Java, Sumatra, Timer
und Zimorlaut, namentlih mit botan. Forihungen
beihäftigt. Im April 1885 verließ er wieder Londen,
um Neuguinea zu erforſchen, landete 31. Aug. in
ort: Moresby und brach 25. Sept. nad dem Dimen-
tanley:Gebirge auf, fam aber nur 105 km weit.
Auch ein zweiter Verſuch (Mai 1886) mißlang, doch
lam %. weiter ins Innere als feine Vorgänger.
Ende 1898 machte er mit D. Grant eine hauptiäd»
lich zoolog. Zmeden dienende Erpedition nach So—
fotra und deſſen Nebeninjel Abd el-Kuri. 3. iſt
jest Direltor des Muſeums in Liverpool, Er
veröffentlihte: «A naturalist's wanderings in
the Eastern Archipelago» (Lond. 1885; deutſch
von Teujcer, 2 Bde., Jena 1885—86), «Three
months’ exploration in the Tenimber Islands
or Timor Laut» (1884, in den «Proceedings» ber
Londoner Geograpbiihen Geſellſchaft, Nr. 113—
129), «Progress of an expedition to New Guinea»
(1886, in den «Proceedings»).
Forbes (ipr. forbs), James David, engl. Natur:
p ber, geb. 20. April 1809 zu Bolington bei Edin⸗
urgb, war 183360 * der — dafelbil
und ſtarb 31. Dez. 1868 zu Elifton. Er machte ſich
namentlih durh das Stubium der Gletfcherbil:
dungen in den «Travels through the Alps of Savoy»
(Lond. 1843; deutfh von Leonhard, Stuttg. 1845),
«Illustrations of the viscous theory of glacier
motion» (in den Londoner «Philosophical —
actions», 1845), «The tour of Montblanc and of
Monte Rosa» (1855), «Reply to Tyndall on Rendu’s
Théorie des glaciers» (1860), «Norway and its
glaciers» (beutic von Zuchold, 2. Ausg. Spz. 1858),
«Papers on the theory of glaciers» (Lond. 1859)
und feine «Experiments on the temperature of the
earth» (Edinb. 1846) betannt. — Bol. Shairp, Life
and lectures of J. D. F. (Lond. 1878).
—** Albert, Philolog, geb. 2. Nov. 1788
eipzig, wo fein Bater, Gottlieb Samuel F.
u
| (1751-1088), ReltorderNitolaifchule war, ſtudierte
an der dortigen Univerfität, wurde 1824 Lehrer an
der Nikolaiſchule, 1835 Konreltor und 300 ſich 1863
in den Ruheſtand nah Dresden zurüd, wo er
11. März 1878 ftarb. Er veröffentlichte: Aus
aben des Qucretiuß (Lpz. 1828) und Birgil
4. Aufl., 3 Bde., ebd. 1872— 75), eine Uberſetzung
der «Geographica» des Strabo (2 Bde., Stutta.
185662) und Bücher für ven Schulgebraud, wor:
unter ein «Deutihslat. Hanbwörterbudh» (mit F.
K. Kraft, 2 Bde., Lpz. 1825; neue Bearbeitung,
Stuttg. 1856). Sein Hauptwert ift das «Hanbbuh
der alten Geographie» (3 Bde., Lpz. 1842—43;
Bo. 3,2. Aufl., Hamb. 1877); eine populäre Dar:
ftellung des öffentlihen und häuslichen Lebens der
Griehen und Römer enthält «Hellas und Rom»
(6 Bde., unter Mitwirkung von A. Windler, Lyy
1871—82).
Forbonngis (pr. -näb), Francois Beron de,
franz. Finanzmann, Mitglied des Inſtituts, geb.
3. Oft. 1722 zu Le Mans, wurde 1756 General
injpeltor der Münze, 1759 premier commis des
inanzminijters Sılbouette und zeigte ſich auf die
em Poſten ebenio revlid als talentvoll. er
aber den Plan fahte, mebrere der drüdenbiten
Steuern durd eine einzige Auflage zu eriehen,
wurde er beftig Fangen Su und auf ns üter
Forcado — Forchheim
verbannt. 1790 zog ihn der Finanzausſchuß der
Konitituierenden Verſammlung bei der Reform des
Munzſyſtems oftmals zu Rate. Er jtarb 19. Sept.
1800. 3. bauptfählicfte Werke find: «Elöments
du commerce» (Bar. 1754), «Recherches et con-
siderations sur les finances de France depuis
1595 jusqu’en 1721» (2 Bve., Baf. 1758; 6 Bpe.,
Luttich 1758), «Principes et observations &cono-
miques» (2 Bde., Amiterd. 1767), «Analyse des
principes sur la circulation des denr&es» (1800).
— Bol. Delisle de Sales, Vie litteraire de F.
(Bar. 1801). ,
—— Fluß in Weſtafrila, ſ. Olflüſſe.
orcalquier (fpr. -Heb). 1) Arrondiffement
im franz. Depart. Bafles + Alpes, bat 1072 qkm,
(1901) 28378 E., 50 Gemeinden und zerfällt in
die 6 Kantone Banon, F., Manosque, Beyruis,
Reillanne und St. Etienne. — 2) Hauptſtadt des
Arrondifjements 3 in 550 m Höbe ampbitbeatra-
lich an einem K iberge im Gebiete der Durance,
an der Linie Volx⸗F. (15 km) der Mittelmeerbahn,
get (1901) 2132, ald Gemeinde 3023 E., jhöne
irche, got. Fontäne, Gerichtshof; Hutmaderei,
Seidenipinnerei, Handel mit Wachs, Süpfrüchten
und Getreide, ,
Foroe (fry., ipr. forß), Stärke, Macht, jemandes
ftarte Seite; F. majeure (fpr. maſchöhr), ſ. Höbere
Gewalt. :
Force (ipr. for), Beter, amerit. Hütoriter, geb.
26. Nov. 1790 in der Nähe von Little Falls (Neu:
gr ), war anfangs Buchdruder in Neuyork und
Mn Be dann Journaliſt und ſchloß mit der
Regierung 1833 einen Bertrag ab zur Herausgabe
eines Sammelwertes, das alle auf amerit. Geſchichte
bezügliben Dolumente umfafjen follte. Das Wert
follte —* Serien umfaſſen, und mit der vierten
(enthaltend die Dokumente der J. 1774— 76) wurde
begonnen, Durch Bernadhläffigung des Projelts
ſeilens des Kongreſſes geriet das Wert ins Stoden
und ift erit 1879 wieder man worden,
F. el 23. Jan. 1868 in Wafbhington. Seine
roßen Sammlungen (22000 Bände und 40000
ampblete zum Teil ſehr jeltener Art) wurden 1867
von der Kongreßbibliothel zu Waſhington ange:
tauft. Von 5.8 Werlen find zunennen: «American
archives, consisting of a collection of authentic
records, state papers, debates, letters and other
notices ofpublicaffairs» (4. Serie, 6 Bde. Waſhingt.
1837 —46; 5. Serie, 3 Bde., 1848—53) und
«Tracts and other papers relating to the origin
etc. of the colonies in North America» (4 Bbe,,
1836 — 47), —J
Foroella (ital., ſpr. -tichella), Paß, ſ. Ein⸗
Forcellini (fpr. -tihell-), Egidio, ital. Philo⸗
log, geb. 26. Aug. 1688 unweit Feltre (Provinz Bel-
uno), fam 1704 in das Seminar zu Padua. F.
war 1724—81 Reltor des Seminars von Ceneda
und 1731—53 Beichtvater im Seminar zu Padua,
wo er 4. April 1768 jtarb, Nachdem er mit fei-
nem Xebrer Facciolati 1715—18 eine Revifion
des Mörterbuches des Ealepinus beendet, begann
er 1718 fein berübmtes «Totius latinitatis lexi-
con» und beendete eö unter Zeitung und Beijtand
Hacciolatis im Febr. 1758, ‚Sein Werk erſchien
erjt nah feinem Tode (5 Bde., Babua 1771)
und iſt wegen ber Reichhaltigleit feines Inhalts
die Grumdlage aller fpätern lat. Wörterbücher ger
blieben. In der zweiten Auflage (1805) wurden aus
Eognolatos Nachlaß Supplemente beigefügt. Ein
Brodbaus’ onverfationd-leriton.. 14. Aufl. R. U. VL
865
Appendir von Furlaneto erfchien 1816. Weitere
Ausgaben veröffentlichten Bailey (2 Bde., Pond,
1827), Furlanetto (4 Bde., Padua 1826—31) mit
einem — (1841) dazu, ferner Voigtländer
mit Hertel (4 Bde. Zwickau und Schneeb. 1831—35),
Gonradini mit Beiträgen von Klo, Döpderlein,
en (Padua 1858 fg.) und eine weitere De Vit
6 Bpe., Prato 1858— 79; Onomaftilton [«Pars
altera»], ebd. 1859 fg., noch im Erſcheinen). —
l. Ferrari, Vita Aegidii F. (Padua 1792).
oroeps (lat.), Zange, insbeſondere die Ger
burtszange (f. d.).
orhhammer, Zeh. Georg, Geolog, geb.
26. Juli 1794 zu Huſum, feit 1835 Profeſſor der
—— an der Univerſität zu Kopenhagen,
geit. daſelbſt 14. Dez. 1865, hat ſich namentlich um
die —— Dänemarks verdient gemacht. Unter
feinen Schriften find die «Kry — —————
1888),«Danmarls geognoſtiſte Forhold⸗ ee
«Bidrag til Stildringen af Danmarts geograpbifte
Forhold » (ebd. 1837) und «On the composition of
seawater in different parts of the ocean» (1864)
hervorzuheben.
— age gg ae vorigen,
Altertumsforjher, geb. 23. Dft. 1801 zu Huſum,
widmete ſich zu Kiel den Altertumsjtudien und has
bilitierte ſich an der Kieler Univerfität, an der er
1837 eine ordentliche Profeſſur erbielt. Er unternahm
1830 eine — wiſſenſchaftliche Reiſe durch
talien und Griechenland und 1888 eine zweite nach
riechenland und Kleinaſien, von wo er über Ughp⸗
ten und Rom zurüdtebrte. Schäßbare Beiträge zur
Zopograpbie des alten Hellas und der griech. Kuſten⸗
länder Kleinafiens find 3.8 «Hellenifa», Bd. 1 (Berl.
1837), «Zopograpbievon Athen» (Kiel1841; 2. Aufl.
1873), «Beihreibung der Ebene von Troja» (mit
Karte von Spratt, Frankf. 1850), «To —
Thebarum heptapylarum» (fliel —54 fyonia»
(Berl. 1857). Zur Mythologie der Griechen nahm
B: einen in vielen Abhandlungen vertretenen ganz
elbjtändigen Standpunlt ein. Das Subſtrat und
die Subitanz, bie aller gen. ar ag zu Orunde
liegt, ift nach ihm das Waſſer in allen jeinen Formen
und Erſcheinungen. Infolge diefer Anfichten erklärte
er in der Schrift «Achill» (Kiel 1853) den weſent⸗
lihen Inhalt der Jliade aus dem minterlichen
Kampfe der Elemente in der Ebene von Troja. (Bol.
feine Erklärung der Jlias, Kiel 1884.) Seine lekten
Schriften waren die «Prolegomena ar Mothologie
ala Wifjenihaft und Lexilon der Mythenſprache⸗
Kiel 1891) und «Homer. Seine Sprade. Die
ampfpläße feiner Heroen und Götter in der Troas⸗
(ebd. 1893). F. war 1868—70 Mitglied des preuß.
Abgeordnetenhauſes (liberales Centrum), 1871— 73
bes Deutſchen Reichstags (Fortidrittöpartei). Seit
1874 vertrat er die Univerſität Kiel im preuf.
Herrenhaufe. Er ftarb 9. Yan. 1894 in Kiel. — Bol.
Höd und Pertſch, B.W. 5. Mit einem Anhang:
Briefe von und an F. Kiel 1898).
Forchheim. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.⸗
Bez. Oberfranken, bat 402,40 gm, (1900) 27957
(13499 männl., 14458 weibl.) €. in 62 Gemeinden,
darunter 2 Städte. — 2) Unmittelbare Stadt,
24 km im SD. von Bamberg, in 263 m Höhe, am
Ludwigskanal, rechts an der Negnig und unter«
balb der Wiefentmündung, an der Linie Bamberg⸗
Nürnberg und den Ntebenlinien 5.:Cbermannftadt
(15 km) und 5.:Hödjtabt a. A. (23 km) der Bayr.
Staatöbahnen, Sik des Bezirtdamtes, eines Amts»
55
866
gericht? (Landgericht Bamberg), Nent: und Forft-
amtes, bat (1900) 7590 E., darunter 1784 Evan
gelifche und 116 Israeliten, 3 8417 E. Poſt⸗
expedition, Telegraph, funflath. Kirchen, darunter die
alte Martins⸗ oder Stiftskirche im got. Stil, ein
Schloß (14. Jahrh.), einen Kanalhafen; Papier: und
Mafhinenfabriten, Weberei, Spinnerei, Gerberei,
ein Hammerwerk, Objt: (namentlich Kirſchen), Spar:
el, Hopfen: und etwas Weinbau ſowie Handel mit
bit, Getreide und an .— Schonim8. von.
wird F. als karoling. Pfalz Foraheim genannt. Zur
Zeit Karls d. Gr. wird F. (im Pagus Ratenzgowe)
al3 ein Hauptitapelplag auf der Straße aus den
Ländern der Slawen und Avaren erwähnt. Im 9.
und 10. Jahrh. wurden dafelbft eine Anzahl Reichs:
und Fürjtentage jowie 890 eine Kirchenverfamm:
lung gehalten. Arnulf (887), Ludwig das Kind
(900) und Konrad I. (911) wurden hier zu deutſchen
Königen gewählt. Auf einem 1077 * abgehaltenen
Reichstage wurde Heinrih IV. abgeſetzt und an ſeiner
Stelle Rudolf von Schwaben zum König gewählt.
Kaiſer Heinrich II. ſchenlte F. 1007 an das neu ge:
gründete Bistum Bamberg. 1802 fiel es mit diefem
an Bayern. Als biihöfl. Grenzfeſte wurde F. 1552
vom Markgrafen Albrecht Alcibiades von Branden:
burg: Eulmbad überrumpelt und 1634 von Bern:
bard von Weimar belagert. Die Merle wurden zu:
legt 1791 wieberbergeftellt, 1838 aber F. als Feitung
aufgegeben. — Bal. Hübſch, Chronik der Stabt und
Feſtung F. (Nürnb. 1867). ,
Forchtenau, ungar. Fraknö, Klein: Gemeinde
im ungar. Komitat Odenburg, an ber Grenze von
Niederöfterreih, bat (1900) 852 E., Servitentlofter;
Obſt⸗ und Kaſtanienbau. In der Nähe das feſte
Schloß Forhtenftein der fürftl. Siterhäguichen
2 ie, mit reihem Familienihas und Waffen:
ammlung. Die Burg beitand ſchon im 3.1192.
Forchtenberg, Stadt im Oberamt Öbringen
des württemb. Jagſtlreiſes, linls am Kocher, bat
830 882 E., darunter 17 Katholilen, (1905) 873E.,
oſt Telegraph;; Weinbau, Rot: und Weißgerberei,
Mollipinnerei und Gipsbrühe. — F. wird 1240
zuerſt genannt und gehörte im 18. Jahrh. den Grafen
von Düren (Walldürn), kam 1323 an Hobenlobe,
1806 an Württemberg. ,
en ug Schloß bei Forchtenau (ſ. d.).
oreieren (fr;., jpr. forb-), zwingen, erzwingen,
erftürmen, mit Gewalt nehmen; etwas aufs Außerfte
treiben, es übertreiben; Iatstente Geſchoſſe,
— —— der Geſchoſſe, ſ. Geſchütz und
Preſſionsführung; Forciertheit, gezwungenes
eſen.
oreit (ſpr. forß-), Sprengſtoff, ber aus Nitro:
glycerin und gelatinierter Celluloje, Schießbaum-
wolle und —— Kalium beſtehen ſoll.
Forckenbeck, Mar von, liberaler Politiler, geb.
21. Dft. 1821 zu Münſter, ſtudierte 1839—42 in
Gießen, dann in Berlin Rechts- und Staatämwifjen:
{haften und ward 1847 beim Stabtgericht zu Glogau
angeftellt. Bereits 1848 beteiligte er ſich an ber
polit, Bewegung und wurde Vorfigender des Demo:
Fratifc-Stonftitutionellen Vereins ın Breslau. Das
Mintfterrum Manteuffel verjekte ihn 1849 ala
Rechtsanwalt und Notar nah Elbing, wo er als
Stadtverordneter und jpäter ald Vertreter der Stadt
beim Kreistage wirkte. Ende 1858 wurde F. ins
preuß. Abgeordnetenbaus gewählt, wo er 1861 zu
den Mitbegründern der Deutſchen Fortichrittspartei
gehörte und namentlich die Kommiſſionsberichte
Forchtenau — Ford (Sir Francis Clare)
überdas Militärbudget in der Konflilts zeit 1862—66
erftattete, 1866 batte er wejentlihen Anteil an der
Begründung der Nationalliberalen Partei und wurde
fodann zum Bräfidenten des Abgeorpnetenhaufes
ewählt. Diejes Amt verjah er zu allgemeiner Zu:
iedenbeit bis 1873, wo er auf Prätentation ber
Stadt Breslau, die En in diefem Sabre zu ibrem
Dberbürgermeijter wählte, in das preuß. Herrenhaus
berufen wurde, dem er auch jpäter als Vertreter ber
Stadt Berlin angehörte. Im Reichstag, defien Mit:
lied F. feit 1867 war, wurde er nad Simſons Rüd:
tritt 1874 zum Präfiventen gewählt und machte ji
auch bier durch feine taktvolle Amtsführung ver:
dient. Als aber infolge der Einlenkung in die Schuß:
re feit 1878 feine nähern polit. freunde im
eihstag in die Minderheit gerieten Iepte er 20.Mai
1879 das Präfidium nieder. Sein gleichzeitiger Ver:
u jedoch, das gejamte Bürgertum au einem nah
erlin zufammenberufenen Städtetag zum Wider:
ſtande gegen die Zölle auf Lebensmittel zu organi⸗
jieren, ſcheiterte. Mit den übrigen freihändleriſch ge
finnten Seceffionijten bildete 5 dann 1881, aus
der Nationalliberalen Partei austretend, die «Libe
tale Vereinigung», mit der er ſich 1884 der Deutjchen
freifinnigen Partei anſchloß. In den legten Jahren
iſt F. in dem Parlament nicht mehr hervorgetreten,
obaleih er dem Reihstage mit Ausnahme der Le
i$laturperiode 1887—90 angebört hat. 1878 mar
5. zum Oberbürgermeifter von Berlin gewählt wor:
den; 1890 wurde diefe Wahl auf 12 Jahre erneuert,
aber bereit3 26. Mai 1892 ftarb F. zu Berlin. —
Val. Pbhilippfon, Mar von F. Dresd. 1898). — Sein
Vetter Oskar von F. geb. 28. Sept. 1822 in Mün:
fter, get. 29. Juli 1898 in ———
1885 das Zeitungsmuſeum (ſ. d.) au Aachen.
Ford, Edward Onslow, engl. Bildhauer, geb.
27. a 1852 in Bladsheatb, in München unter
M. Wagmüllerd Leitung und in Italien an den
Merten Donatellos berangebilvet, bat ſich befon:
ders durch die Feinheit der Eharalteriftil und die
malerifhe Behandlung feiner Borträtfiguren einen
Namen gemadt. Zu nennen find von feinen Arbei:
ten: Sir Rowland Hill (1882), Schaufpieler Henro
roing als Hamlet (1883), Reiterftatue des Lord
trathnaim in London, Dentmal des auf einem
Kamel reitenden Generals Gordon in Chatam, das
Reiterdenlmal des Maharadſchahs von Myſore,
das Denkmal der Königin Victoria in Mancheſter.
ür feine «Echo» benannte zarte Mädchenfigur vom
. 1891 erbielt er auf der Berliner Runftausitellung
1896 die große goldene Medaille. Er ftarb 23. Dez.
1901 in London.
Ford, Sir Francis Clare, engl. Staatsmann,
> 4. Juni 1828 in Sondon, trat 1846 bei den
ragonern ein, verließ jhon 1851 den Militärbienft,
wurde 1852 —— chaftsſelkretär in Neapel, war
fodann in Münden, Baris, Liſſabon, Brüffel, Stutt-
gart, Karlörube, Wien, Buenos⸗Aires, Kopenhagen
und Wafbington tbätig, 1871 Botichaftäfelretär in
BVetersburg, dann wieder in Wien, Karlsrube und
Darmitabt. 1875 wurde %. engl. Vertreter in der
Halifax⸗Kommiſſion, die Canada eine Entſchädigung
von 5, Mill. Dollars zuſprach. Nadeinander war
er engl. Geſandter in Argentinien (1878), Uruguay
(1879), Brafilien (1879) und Griechenland (1881),
dann engl. Kommiſſar in der Frage der Neufund:
land: Fiſcherei Al Paris (1883). 1884 lam er al Ge⸗
fandter nab Madrid, wo er 1886 den fpan.-enal.
Handeldvertrag zu ſtande bradıte und 1857 zum
Ford (John) — Forderungskauf |
Rang eines Botſchafters erhoben wurde. Im Früh:
jahr 1892 wurde er Botſchafter in Konftantinopel
und Nov. 1893 in gleiher Eigenſchaft nah Rom
verfeßt. Er trat im April 1898 in den Rubeftand
und jtarb 31. Jan. 1899 in Paris, :
Word, John, engl. Dramatifer, geb. im April
1586 zu Ilſington in Devonfbire, wurde 1602 Mit:
— bes Middle Temple und trat 1606 zuerſt als
chriftſteller mit einem Gedicht «Fame’s memo-
rial» zum Andenten des Grafen Devonfbire auf.
Er ftarb um 1640. Teils mit Deller, Rowley u. a.,
teils allein jchrieb er eine Anzahl Dramen, die ſich
durch Leidenihaft, kraftvolle und zarte Sprache
auszeichnen. Aber er hen die ihm mangelnde Un:
mittelbarfeit durch Reflerion zu erjegen, und feine
Stoffe und Situationen haben meift etwas Abftoßen-
des und MWidermärtiges. ꝓp den bekannteſten und
beiten Stüden rn «’L is pity she’s a whore»,
«The lover’s melancholy», «The broken heart» und
«Love’s sacrifice» (ſamtlich gedrudt 1629—33,
doc früber gefpielt), «The witch of Edmonton»
derit 1658 gedrudt), «The sun’s darling» (aufgeführt
1623—24) und «The chronicle history of Perkin
Warbeck» (gedrudt 1634; neu bg. von Fisgibbon
1890). Mehrere feiner Stüdefind verloren ge —
Seine «Dramatic work» gaben H. Weber 5 de.,
Lond. 1811), Gifford (2 Bde., 1827; neu ba. von
Dyce, 3 Bde., 1869) und zugleich mit Malin er
Hartley Eoleridge an beraud.— al ol, 38,
ein Nabhahmer Shalefpeares (Heidelb. 1880).
Örde, joviel wie Fohrde, |. Ford.
Örde, Dorf im 3 Olpe des preuß. Reg.
Bez. Arnsberg, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht
Arnsberg), hat (1900) 2203 €., darunter 153 Evan-
elifche, eine neue got. Kirche; in der Nähe eine chem.
abrit, Dynamitfabrik und Hüttenmwerfe.
Fördermafchine, Förderbaspel, Mafchine
ar Emporbeben von Bergwerlsprobuften in verti⸗
aler oder geneigter Rihtung. Die zu fördernden
Laften werden an Seilen befeltigt, durch deren Auf:
wid auf Seiltrommeln das Emporheben bewirlt
wird, Dabei find zwei folder Seiltrommeln, je eine
für das ablaufende und auflaufende Seil, vorhans
den, deren gemeinjchaftlihe Achſe durch Motoren
(bier Göpel genannt) angetrieben wird, die man, je
nad der Betriebötraft, ala Pferdegöpel, Wafler:
rad: oder Kebrradgöpel, Turbinengöpel und Dampf:
göpel unterfcheidet (f. Bergbau, — Forde⸗
a "x Die Dampfgöpel find in der Hegel liegende,
mit Couliffenfteuerung verfehene Zwillingd:Dampfs
maſchinen, welche entweder birelt oder unter Ein:
ſchaltung eines — — auf die Welle
der Seiltrommel, des ſog. Seilkorbes, einwir—⸗
ten. Dieſer muß mit einer zuverläſſigen und ſtarlen
Bremfe verjeben fein, um ihn und jomit die an den
beiden Seilen hängenden Fördergefäße an jeder
Stelle fofort anhalten zu können, wobei der Ma-
at bie spe der Foͤrderlorbe im Schadt an ber
ondern, im Maſchinenhauſe befindliben Apparaten
ertennen kann. Bon bejonderer Bedeutung ift die
orm bed Seillorbed. Für runde, auf ihrer ganzen
änge gleich ftarte Forderſeile fommen bei geringern
örberhöben cylindriſche Seiltörbe zur Anwendung.
as Bedürfnis, das Drebmoment während des Auf:
und Abmwidelns des Seiles konſtant u erbalten,
at die koniſchen Seiltörbe oder Spiraltörbe ent:
tehen lafjen, bei denen die beiden Förderſeile auf
e eine konijhe Trommel in fpiraligen Windungen
auflaufen, und zwar derart, daß in der tiefiten Stel:
‚liher Sachen, nur bezüg
867
lung des Forderlorbes al bei marimalem Seil
ewicht, das Seil am kleinſten Radius, in der höch—⸗
hen Stellung des Förderlorbes am größten Radius
des Seiltorbes angreift. Durch geeignete Wahl der
gorm läßt fi beim Spiralforb eine volllommene
usgleihung der Drehmomente der Laft, der Förder:
törbe und Seile erzielen. Für jehe große Schachttiefen
nd auch nad unten an Stärle abnehmende runde
ile in Verbindung mit cylindrifchen Seiltörben
ausgeführt worden. Die — flacher Seile
bedingt eine andere Konſtruktion der Aufwindetrom⸗
mel. Hier find es ſchmale cylindriſche Spulen, ſog.
Bobinen, mit hohen Seitenſcheiben zum Schu
gegen das jeitice Ablaufen des Seiles, auf die fi
biejes in übereinander liegenden Ringen ——
jo daß der äußere Durchmeſſer beim Seilaufwinden
vergrößert wirb und dadurch eine nabezu vollloms
mene ra een ber a eg erzielt
wird. — Vol. von Hauer, Die F. der Bergwerle
(8. Aufl., Lpz. 1885); Wirk, Die Wartung der F.
ordern, |. Zmeilampf. ((Effen 1901).
Örderrinnen, j. Transportapparate,
rderſtedt, Dorf im Kreis Galbe des preuß.
Reg.Bez. Magdeburg, 10 km im W. von Galbe,
an der Marbe jowie an der Linie Magdeburg-Güften
und der Nebenlinie Y.:Etgeröleben (17 km) ver
Preuß. —— bat (1900) 3324, (1905) 3431
meijt evang. E., Poſt, Telegrapb; drei Braunkohlen⸗
gruben, Steinbrüdhe, Kaltöfen und Ziegelei.
Forderung zum Zweilampf, ſ. Herausforderung
und Zweilampf. — 5. im Privatrecht, f. order
rungsrecht. — F. unter einer aufihiebenden
oder auflöfenden Bedingung können nad der
Deutſchen Konklursordnung ($$. 66 und 67) im Kon⸗
fursverfahren geltend gemacht werden. Die F. der
eritern Art berechtigen, folange die Bedingung nicht
eingetreten ift, nur zu einer Sicherung; die 5: unter
einer auflöjenden Bedingung können wie unbedingte
geltend — werden. Zu einer Sicherheitsleiſtung
iſt der Gläubiger nur dann verpflichtet, wenn eine
ſolche Verpflihtung aud dem Gemeinſchuldner ge:
genüber — Nach der Oſterreichiſchen Konkurs:
ordnung (. 16) gilt im allgemeinen dasſelbe. Doch
t der Gläubiger, wenn es fih um eine auflöfende
dingung handelt, ftet3 Sicherheit zu leiften.
Örderung, |. Bergbau. j
orderungsfauf, der Kauf einer Forderung,
wird realifiert Durch die in der Negel mit dem Kauf
ufammenfallende Eejfion (f.d.). Über die Beſchrän⸗
hung des F. bezüglich der Höhe des Preifes ſ. Anafta-
tanıjches ce m allgemeinen gelten für den
. diefelben Vorſchriften, wie für den Kauf körper:
lich der Gewährleiſtung be⸗
eben andere Grundfäge. Nah Bürgerl. Geſetzb.
. 437 haftet der Verkäufer nur für den rechtlichen
eftand der Forderung, bei einem Wertpapier jedoch
auc dafür, daß es nicht zum Zwecke der Kraftlos:
erklärung aufgeboten ijt, nicht aber für die Zah:
lungsfähigleit des Schulpners, außer wenn er fie
dem Käufer garantiert oder ihn darüber argliftiger:
weiſe getäufgt bat. Auf demſelben Standpuntt ſteht
der Code civil (Art. 1693 fg.), nur befchräntt er die
Haftung des Verkäufers auf Höbe des Raufprei-
$ Dagegen haftet nad Öfterr. Bürgerl. Gejepb.
.1397, wer eine Forderung gegen Entgelt abtritt,
dem Übernehmer jowohl für die Richtigkeit ald auch
fe die Einbringlichleit der Forderung, jedoch nie
t mebr, als er von dem libernehmer erhalten hat.
— Die Vorjhriften über den F. gelten nicht nur
65*
868
über den Kauf von Forderungen, fondern auch über
ben von andern Rechten, 3. B. Urbeberredten.
Borderungdrecht. Jedem Recht entipricht eine
Verbindlichkeit. Denn jedes Recht ſteht andern
Menſchen gegenüber zu; die übrigen Menſchen find
alfo mindeſtens verbunden, ſich dem Inhalte bes
dem Berechtigten ——— Rechts entſprechend
zu verhalten, —* e nicht zu verlegen. Soweit
ein anderer bad Recht verlegt, das nicht erfüllt,
wozu ibn das ihm gegenüberjtehende Recht vers
pflitet, erwächſt dem Berechtigten daraus ein mit
einer Klage (f. Actio) verfolgbarer Anſpruch (f. d.)
Fa Anertennung des Rechts, MWiederberitellung,
aß. Diefe aus dem Recht erwachſenden Anfprüce
er als eine Konſequenz oder als ein Teil des Ins
alts des Rechts zu denken. Dinglihe Rechte (ſ. d.),
wie das Eigentum, oder andere abfolute Rechte
(f. Actio), wie das Urheber: oder Patentrecht, find
egen jeden Dritten verfolgbar. Erjt der durch eine
erlegung dieſer Rechte erwachſene Anſpruch richtet
RG egen eine bejtimmte Perſon, die des Verletzers.
Am Anſpruch kann auch gegen die Erben ver:
folgt werben, wenn der Verleger geftorben iſt, aber
niet gegen eine mit dem Verleger in gar feiner Be
Kedung jtehende britte J on. Gleichwohl faßt die
echtswiſſenſchaft den Anſpruch nicht als eine von
ihrer Quelle, dem dinglichen oder abſoluten Rechte
losgelöjte Befugnis auf. ,
8 giebt ferner Rechts- und Lebensverhältniſſe,
welde von vornherein nur — en beſtimmten Per⸗
ſonen beſtehen, wie das zwiſchen Ehegatten oder
das zwiſchen dem Vater oder der Mutter zu ihrem
Kinde. Aber dieſe Verhältniſſe erſchöpfen ſich nicht in
Anjprücen auf einzelne Handlungen und Leiſtungen,
erg fie haben einen tiefgehenden fittlichen In⸗
alt, welchen die Rechtswiſſenſchaft als eine Lebens»
gemeinſchaft mit wechfeljeitigen Rechten und Pflich⸗
ten der Perſonen gegeneinander au t.
Endlich giebt es eine dritte Klaſſe won Rechts⸗
verhältnijjen des Privatrechtö, welche weder den
jo mweitreihenden Hintergrund eines jeden Dritten
ur Anerlennung und ve verpflichtenden
* haben wie die abſoluten Rechte, noch einen
0 ee die Perjon ergreifenden Inhalt
wie die Familienrechte, das find bie F. (Obliga—
tionen oder Shuldverhältnifle; Bürgerl.
Geſetzb. $. 241).
ie gehen von Anfang an nur auf die Berpflic:
tung einer beftimmten Perſon, des Schuldners. Sie
find gerichtet nur auf ein äußeres Verhalten, die
Vornahme von Handlungen oder auf Unterlaffuns
gen. Die Handlungen können fih befchränten auf
eine Arbeit, eine Thätigleit, auch eine umfaſſende.
und jahrelang fortgejeste Thätigleit, auf eine Be
arbeitung von Sachen, melde dann als ein fertiges
Wert dem Gläubiger zu übergeben find oder ala
ein Refultat der Thätigleit des Schuldners dem
Gläubiger zu gute kommen, auf die Übertragung
von Eigentum oder andern Rechten (facere, non
facere, dare). Aber mit der Erfüllung (f. d.) der
ſchuldigen 2eiftung oder des ganzen Komplexes
ſchuldiger Leiftungen ift das Band zwiſchen Gläubi«
ger und Schuldner gelöft. Beide ftehen nicht weiter,
wie Ehegatten, Eltern und Rinder, in irgend einem
perfönlichen Verhältnis.
Menn fi fo das F. feinem Grundcharakter nad
febr beftimmt von den übrigen Privatredtäverhält-
niſſen unterjcheidet, fo ift die Durchführung im ein:
zelnen von dem pojitiven Recht nicht immer mit
Forderungsrecht
zwingender Notwendigleit und in einer für alle Zei⸗
ten muftergültigen Weiſe oe taltet.
Es ift das unvergänglice Verdienſt ber röm.
Rechtswiſſenſchaft, daß fie nicht allein in logiſch
forrefter Weije den Grundcharakter der Obligation
in den einzelnen Ronjequenzen durchgeführt, ſondern
auch die einzelnen Obligationen in einer dem Leben
und feinen Anfprühen, der Billigleit, Treu und
Glauben entiprehenden Weife ausgebildet bat.
Darum gehört — was an röm. Rechtsgedanlen
ins heute geltende Recht aufgenommen iſt, in weit⸗
aus größtem Umfange dem F. an. Zum Zeil beruht
ihr Syſtem allerdings auch auf ſpecifiſch römifch-na-
tionaler, wirtſchaftlicher und ſocialer en
bie und fremd erjcheint. So weit mußte ihr
dem Untergang entgegengeben.
Miete und Pacht galten den Römern nur als
ein Schuldverhältnis zwiſchen dem Vermieter oder
Verpächter auf der einen Seite und dem Mieter
oder Pächter auf der andern Seite. Da dieſelben
dritte Berfonen nicht verpflichten, fo war der Käufer,
wenn er, obſchon in Kenntnis der Pacht oder Miete,
das Eigentum am Grundſtück vom Bermieter er
warb, ohne den Mietvertrag zu übernehmen, an
das Schuldverhältnis nicht gebunden, er lonnte den
Mieter oder Pächter austreiben, und dieſer war auf
eine Entſchädig win a feinen Bermieter
oder Berpächter beſchränkt («ftauf bricht Miete»). Uns
will es nicht einleuchten, weshalb dem Pächter oder
Mieter, welcher in den Befig des Grunbftüdes gejest
iſt, nicht ein dingliches oder nicht wenigſtens ein gegen
den fpätern Eigentümer, der das Grundftüd vom
Vermieter durch freiwilligen Kauf erworben bat,
verfolgbares Recht am Grundftüd zufteben foll, wie
bon nad röm. Recht dem Niebbrauder oder dem
uperfiziar (f. Superfijie8). Das franz. und das
neue deutjche bürgerlihe Recht geben deshalb dem
Mieter oder Pächter ein dahin gehendes Recht, das
Oſterr. Bürgerl, Geſebuch und das Recht mander
Kantone der Schweiz wenigitend dann, wenn ver
Vertrag in das Grundbud; (f. d.) oder wenn er in
ein Öffentliches Regifter eingetragen ift.
Ferner, wenn e3 irgend ein Net giebt, welches
Aniprud auf abjoluten Eharalter hat, ijt e8 das auf
die Integrität des eigenen Leibes und bie perjön:
liche Freiheit. Das röm. Recht aber tannte nur Obli-
—— melde aus abſichtlicher oder fahrläſſiget
erlegung diefer Rechte entipringen. Die Präju—⸗
dizialflage, daß jemand, der als Stlave angeſprochen
wurde, frei ſei, hat beute feine Bedeutung mebr.
Das Eigentum ijt ein dingliches Recht und es
erzeugt zwei bingliche Klagen, die Bindilation (f. d.)
und die Negatoria (f. d.). Aber der Eigentümer
und nur er bat eine J höher bemeſſenen Erſat,
als mit der Eigentumsklage erreicht werben lann,
erichtete perjönliche Klage gegen den Dieb (f. Dieb:
habt) und gegen ben, —2 die dem Eigentümer
ebörige Sache abfichtlich oder fahrläffig beſchädigt
Bat (f. Eigentumstlage).
d. entitehen aus Rechtsgeſchäften, namentlid
Verträgen (f. Contractus), bisweilen aus Einjeitigem
Rechtsgeſchäft (f. d.), aus unerlaubten Handlungen
(f. Delilte) und aus thatſächlichen Verbältnifien, mie
der ungerechtfertigten Bereicherung (f. Bereicherung
und Bereiherungsflage). Daneben hat dag röm.
Recht andere Fälle unter die Gruppen der Quaſi⸗
tontratte (f. d.) und der Quajibelitte (j. d.) geitellt.
Die Rechtslehre und die Gejege, welde das ge
famte bürgerliche Recht umfafien, wie namentlich das
Forderungsrecht
Oſterr. Allg. Bürgerl. Geſetzbuch, der Code civil und
das Deutſche Bürgerl. Gejehbucd, oder welche, wie
das Schweizer Obligationenrecht, nur das Recht der
—— oder, wie das Deutſche ———
uch, nur dad Handelsrecht betreffen, zäblen eine An⸗
zahl von Verträgen auf, die ſie im allgemeinen mit
dispoſitiven Dispoſitivgeſetze) regeln.
So: Schenkung (ſ. d.), Tauſch(ſ. d.), Rauf(j.d.), Sad:
miete und Pacht (ſ. d.), Dienſtmiete (ſ. d.), Werkver⸗
dingung (f.d.), Frachtvertrag (ſ. d.), Verlagsvertrag
— Verlagsrecht), Darlehn (ſ. d.), Gebrauchsleihe
(i. —— Hinterlegungsvertra (f. Depo⸗
fitum), Auftrag (}.d.), welchem die Öejoäftsfügrung
(f. d.) ohne Auftrag angeſchloſſen wird, Anweiſung
G. d.) er (1. d.), Mallervertrag (f. d.),
Trödelvertra (1. d.), Vergleich (j. d.), Schiedsver⸗
trag (f. d.), Berta (1. d.), Bürgichaft (j. d.),
Berjiherungsvertrag (f. d.), Zeibrentenvertrag (j.d.),
Spiel (f. d.) und Wette (f. d.), Geſellſchaft (j. d.),
Anerkennung (f. d.), Anweiſung (f. d.), während
die durch Verfügung von Todes wegen entjteben-
den F. im Zuſammenhang mit dem Erbrecht abge:
bandelt zu werben pflegen. Daß es dabei nicht auf
ein vollftänbiges erzeichnis aller möglichen obli-
gatoriſchen Verträge abgejeben iſt, de ſchon dar:
aus bervor, daß nicht einmal alle Gejebe alle vor-
genannten Verträge regeln, wie denn ſchon das röm.
Recht ſich unter der Bezeichnung Innominatlontralte
(f. Contractus) eine Rt orte für die nicht befonders
benannten Berträge often bielt. Daran wird aber
feftgebalten, daß das Recht nicht aus jedem Ber:
trage mit einem beliebigen Inbalt, weldhen die Kon-
—— aus Laune und Willkür abſchließen, ein
tlagbares F. entſtehen läßt. Im allgemeinen
wird dazu ein verſtändiges, den wirtſchaftlichen oder
fittlichen rg des Lebens entiprechendes
Intereſſe (j. d.) gefordert. Das Recht ziebt in
diefer Beziehung eine doppelte Grenze. In gewiſ—⸗
en Fällen, wie bei dem Spiel oder auch bei der
ette, übt der Staat keinen Zwang gegen den
Berfprechenben aus, wenn er nah dem Sinne bes
Vertrags zu erfüllen hätte. Man ſpricht dann von
einer natürlihen Verbindlichleit (naturalis obli-
atio, Beer im Gegenfaß zu einer flag:
aren Verbindlichleit (eivilis obligatio). Was der
Verſprechende — geleiſtet hat, darf die an-
dere Partei behalten. So aud beim Differenz«
eihäft (f. d.). In andern Fällen verbietet das
Geleh auch das Behalten, jo daß ——
dert werden fann, was freiwillig zu Erfüllung ge
leiftet ift. Unfittliche Verträge find ungülti Aut
nad dem röm. Juriſten Papinian (Bürgerl. Geſetzb.
8.138). Nur wird die Rüdforderung — I
wenn der Vorwurf der Unfittlichleit auch den Leis
ftenden trifft. Ebenjo ungültig find die Verträge,
welche pofitiven up 3.8. dem Wucher:
verbot (j. Wucher), zuwiderlaufen (Bürgerl. Gejebb.
88. 134 u. 309).
Dad in einem eier ober fittlihen Zwed
wurzelnde Intereſſe der Parteien kann in dem Ber:
trage jelbft bervortreten; der Vertrag trägt feine
Causa (j. d.) zur Schau, wenn ſich aus feinem In—
balte ergiebt, daß er zur oben jpecialifierten Klaſſe
der benannten Verträge gehört oder wenn fich dieſe
Causa ſonſt ergiebt. Nun’ hat zwar das Recht für
ewiſſe Fälle auch das jog. abſtralte Veriprechen
fr verbindlich erflärt; das bat aber nur die
edeutung, daß der Kläger die Causa bier nicht
nachzuweiſen braucht. Der Berflagte kann aber |
869
aud in diefen Fällen den Beweis antreten, daß das
Verſprechen einer vom Recht anerkannten Causa
entbebrt ſ. ———
— ind ferner die Verträge, welcheeine objek⸗
tiv unmögliche Leiſtung anſinnen Bürgerl. Geſetzb.
$. 306), jo daß auch ein für den Fall der Nichtlei:
ſtung —— trafverſprechen unwirkſam iſt.
Als objeltiv unmöglich gilt das Verſprechen der Lei:
ftung einer dem Berlehr entzogenen Sache (f. Com-
mercium) und einer nicht oder nicht mebr eriftieren:
den Ken . B. der Verkauf eined zur Zeit des
ah Tuffes verbrannten Gemälves, wenngleich
die eien dieje Thatjache nicht kannten. Gültig
ift das Verſprechen einer zulünftigen Sache (Emtio
spei, |. Emtio). Das röm. Recht ſah es nicht ala
eine Unmöglichleit an, daß die verfprodene, 3. B
verkaufte Sache dem Verfprechenden nicht gehörte.
Hatten die Kontrahenten im Auge, daß der Ber:
fäufer die fremde Sache von deren Cigentümer er:
werben jollte, fo gilt bier dasfelbe, wie wenn jemand
die Leitung eines Dritten veripriht. Das Ver:
ſprechen macht ihn dafür verbindlich, feine Ber
mübungen aufzuwenden, um den Dritten zur Leis
ftung zu beftimmen. Eine Verbindlichkeit entjtand
nad röm. Recht nicht aus einem Vertrage, welcher
die Leiftung oder ihren Gegenstand dem freien Wil:
len des Verſprechenden überläßt. Aber der auf Probe
. Kauf auf Probe) oder auf Beſicht abgefchlofiene
ertrag konnte ſchon nad röm. Recht durch eine ſpä⸗
tere Erklärung deö Verſprechenden fo perfekt werden,
daß eine Klage auf Erfüllung zuftand. Auch konnte
die Beitimmung de3 Gegenſtandes dem billigen
Ermejjen einer der Verfonen, welche den Vertrag
ſchloſſen, wie dem gleihen Ermefjen eines Dritten
überlaffen werden. (S. Arbitrium.) Nach dem Deut:
ſchen Bürgerl. Geſetzb. $. 315 ift, wenn die Leiftung
durch einen der Vertragsſchließenden beftimmt mer:
den foll, nur im Zweifel anzunehmen, daß die Be:
ftimmung nad billigem Ermefien zu treffen fei, und
das Gleiche gilt dann, wenn die Beitimmung ber
Leiſtung einem Dritten überlafjen ift ($. 317).
Nah röm. Recht konnte die Partei r air
nur fich verjprechen laſſen und nur io fel j;
verpflichten. Das moderne Recht bat eine freie
Stellvertretun ' Stellvertreter) zugelaſſen.
Dieſe erftredt fi niet loß auf die Entftehung des
F. und der Schuld aus dem Vertrage, — auch
auf die dinglichen Verträge (f. Dinglicher Vertrag).
Verträge fe. d.) fommen aber außerdem aud im
—— und Erbrecht vor; durch fie werben auch
amilienrechtliche Verbältnifje (die Ehe, das Kindes:
verhältnis dur Adoption) begründende Wirkungen,
ein Titel für das Erbrecht (j. Erbvertrag) erzeugt
und Rechte aller Art übertragen. Die allgemeine
Lehre von dem Abſchluß des Vertrags und feiner
PVerfeltion, von der Form der Verträge und den
allgemeinen Gründen ihrer Ungültigteit, gebört
deshalb nicht dem Obligationenredt allein an, fon:
dern wird im allgemeinen Teil des bürgerlichen
Rechts behandelt (Bürgerl. Geſetzb. 88. 145— 157).
(S. aud Vertrag.) ,
Das F., weldes aus einem Vertrage entitebt,
fann nur auf einer von beiden Seiten begründet
ein. Sole Einjeitigen Schuldverhältniſſe
ſ. d.) werben ;. ®. begründet durch ein Schenkungs⸗
—— und ſoweit es ſich um die w felmäßtge
Verbindlichleit handelt, durch den Wechjel. In glei:
ber Art begründet das Delilt und die grundloſe
Bereirheruna aewöbnlich nur ein einjeitiges Schuld:
370
verhältnis. Der Vertrag oder der Quaſilontrakt
fann aber auch neben der Hauptverbindlichleit des
einen Kontrahenten eine mit einer Actio contraria
ee zu machende Nebenverbindlichleit des andern
ontrabenten auf Erjas von Aufwendungen und
Schäden begründen, jo für den Mandatar beim
Auftrag (f. d.), den Kommodatar beim Commoda-
tum (j. d.), den Geſchäftsführer bei der Geihäfts-
—— (ſ. d.), den Depoſitar bei dem Hinter—
egungsvertrag (f. Depoſitum), den Pfandnehmer
beim be rege (ſ. d.). Oder e3 entiteben
Doppelfeitige Schuldverbältniffe (j. d.;
Bürgerl. Geſeßb. $$. 320 fg.: gegenfeitiger
Bertrag), welche die exceptio non adimpleti con-
tractus oder die exceptio non rite adimpleti con-
tractus begründen. Solche doppelfeitigen Schuld»
verhältnifje lönnen au begründet werden durch
eine Yeiftung und Gegenleiftung aus einem nichtie
gen Vertrage, indem beide Teile je ihre Leiftung
oder die Bereicherung zurüdfordern.
Hat eine Bartei, welche ſich nur mit Einwilligung
ihres nefeslichen Vertreterö verbindlich machen, aber
ohne ſolche Einwilligung Rechte erwerben kann,
einen Vertrag leterer Art ohne dieje Einwilligung
abgeſchloſſen (wie ein Minderjähriger oder ein wegen
Geiſtesſchwäche, Verſchwendung oder Trunkfucht
Entmündigter oder unter vorläufige Vormundfchaft
Geftellter ohne Einwilligung des Vormunds oder
Pflegers), fo bleibt die Gegenpartei gebunden, wenn
der geſetzliche Vertreter oder nad Hebung der Hand»
lungsunfäbigteit der bisher Handlungsunfäbige den
Vertrag genehmigt (Öfterr. Bürgerl. Gejehb. $.865;
Code civil Art. 1125, 1311; Schweizer Obligatios
nentecht $. 32; Bürgerl. Geſetzb. $$. 108 u. 114).
Bei diejen hinkenden Geſchäften (negotia clau-
— wird aber der Gegenlontrahent nach den
neuern Geſetzen frei, wenn der gejepliche Vertreter
ſich er binnen einer angemejjenen Friſt (nad
Bürgerl. Geſetzbuch 2 Moden, $. 108) auf jenes
a erklärt.
nn mehrere Berfonen zufammen einen Vertrag
blieben, aus welchem fie Gläubiger werden follen,
o tritt, wenn nichts anderes verabredet und die Leis
tung teilbar ijt, nach dem Gefekbud für KSiterreich
8.888, nah Schweizer Obligationenredht Art. 162,
169 und nad dem Deutſchen Bürgerl. Geſetzb. —
Teilung ein, ſo daß jeder Gläubiger für ſich feinen
Anteil fordern kann. Nach Code civil Art. 1220 gilt
das nur, wenn an die Stelle eines der Vertrag:
ſchließenden eine Mebrzabl von Erben tritt. Selbit:
verftändlich teilt fich die Forderung nicht, wenn die
mebrern Gläubiger eine einheitliche Öetelihaft
bilden, denn in diefem tr ift die Gefellichaft, 3.8.
eine Offene Handelsgeſellſchaft (ſ. d.), Gläubiger,
nicht die einzelnen.
Ebenfo tritt nach den erft angeführten Rechten
eine Teilung auf feiten der mehrern Schuldner
ein. Das Deutihe Bürgerl. Geiehb. $. 427 be
ftimmt: «Verpflichten ſich mehrere durd Vertra
gemeinſchaftlich zu einer teilbaren Leiſtung, fo bat:
ten fie im Zweifel ald Geſamtſchuldner.“ Diefer
jent allgemein geltende Sak bildete früber eine Ber
onderbeit des Handelsrechts (Art. 280 des alten
Handelsgeſetzbuchs).
Iſt die Leiſtung unteilbar, ſo braucht nach Oſterr.
Bürgerl. Geſetzb. $. 890 der Schuldner einem der
mebrern Gläubiger allein nur zu leiften, wenn ihm
Sicherheit gegen die übrigen negeben wird. Nach
dem TDeutihen Bürgerl. Geſeßb. 8. 432 darf der |
Forderungsrecht
Schuldner, wenn die Gläubiger nicht
biger find, nur an alle Gläubiger —
und jeder Gläubiger nur die Leiſtung an alle
fordern. Jeder Gläubiger kann ——
Schuldner die gejhuldete Sache für a
binterlege oder, wenn fie fi nicht
legung eignet, an einen gerichtlich zu
Verwahrer abliefert. Nah andern Rechten lann
ieder einzelne Gläubiger das Ganze fordern, doch
wird der Schulbner dur einmalige Leiftung allen
egenüber befreit. Durchgehends kann bei unteil-
arer Leiſtung von jedem einzelnen Schuldner das
Ganze mit der Wirkung gefordert werden, daß er
durch feine Leiftung die übrigen befreit
Gejehb. $$. 431, 421 u. 422). Die
jegung zwiſchen den mebrern Gläubigern oder den
mehrern Echuldnern erfolgt nad dem ri ihnen
bejtebenden —— Geſamtſchuldner find
nach Bürgerl. Geſeßb. $. 426 im Verhältnis zu
einander zu gleihen Anteilen —— ſo weit
aa ein anderes bejtimmt ift. Kann von einem
Gejamtihuldner der auf ihn entjallende Beitrag
Er * —— ſo iſt —F ee
rigen zur Ausgleichung verpfli en
u tragen. Soweit 2 Gefamif uldner den Gläw
iger befriedigt und von den übrigen Schuldnern
Ausgleihung verlangen kann, gebt die ——
des Gläubigers gegen die übrigen Sch
ihn über. Gefamtgläubiger find im ——
zu — im Zweifel zu gleichen Teilen
tigt ($. 430).
Cine Gejamtforderung oder eine ——
lann auch durch das die Schuld begründende
geſchäft feſtgeſtellt werden. (S. Korrealobligation.)
Über die — einer er durch uns
erlaubte Handlung (unrehte That) ſ. Arglift und
Delilt. Eine der Haftung aus einem Delikt ent:
ſprechende, unter Umjtänden erweiterte Haftung
wird durd eine argliftige und grobfabrläffige, in
der Renel dur jede ſchuldhafle Handlung oder
Unterlajjung des Schuldners begründet, die
fem bezüglich der bereit3 aus einem andern
grund erwachſenen Forderung zuzurechnen ift, jo
3. B. wenn der Käufer die verkaufte Ware vor
der Ablieferung ——— Der Gläubiger —*
bier nicht aus dem Delikt, ſondern er lann
wegen ber erweiterten Haftung aus dem urfprüng-
lihen Rechtsgrunde, 3. B. dem al Magen. Von
einer ſolchen Haftung für böfe Abſicht und grobe
Yabrläffigteit kann ſich der Schuldner in Vertrags⸗
verhältniiien auch nicht durch eine im voraus ge
troffene Abrede Ha: das pactum ne dolus
praestetur ift ungültig (Bürgerl. Geſetzb. $. 276).
Dieje beiden Entftehungsgründe, und
Delitt, heben das Gemeinſchaftliche, dab fie eine
Schuld Ichlehthin begründen. Der Schuldner
aus feinem Verſprechen oder aus feiner Verſchul⸗
dung dafür einzufteben, J der Gläubiger das
erhält, was er zu fordern bat. Mit * per:
fönliben Haftung nahmen es die Rechte
Geihichtsperioden fehr ernft. Der Schuldner, wel:
ber die Schuld nicht zahlte, konnte von dem Gläu-
biger in Schuldknechtſchaft genommen und ala Uns
freier verlauft werben, ſowohl nah altem röm.
ala nad) — Recht. Davon blieb bis in
unſere Zeit die De Deutſchland erit durch Geſet des
Norddeutſchen Bundes vom 29, Mai 1868 (dur
die Reichsverfaſſung auf das ganze Reich ausge⸗
dehnt) befeitigte Schuldhaft übrig. Heute giebt es,
hi
i
r R Ahul nn
LI/IGINZOL Y\IsOOY
c
Forderungsrecht
abgeſehen von einem auch gegen die Perſon zuläſ⸗
figen Sicherungsarreſt, nur noch die Möglicteit,
einen Schuldner zur Vornahme einer ausfoliehlid
von — Willen abhängenden Handlung (außer
ur Eingehung einer Ehe, zur Heritellung des eher
lien Lebens und zur Leiſtung von Dienften aus
einem Dienjtvertrag) dur Gelditrafen bis 1500 M.
oder Haft bis *, Jahr anzubalten (Civilprozeß⸗
orbnung $. 888). der Gläubiger die vers
tragsmäßige Leiftung weder durch unmittelbare
Bmangdvollftredung (f. d.), noch durch die genann⸗
ten Zwangsmittel erlangen kann, jo kann er das
Intereſſe (}. d.) fordern. Um dies von vornherein
zu firieren ober auf den Schuldner einen Drud zur
vertragamäßigen Leiftung auszuüben, wird häufig
eine Konventionalftrafe (}. d.) vereinbart.
Befreit wird der Schuldner von feiner Verbind⸗
lichkeit durch nachträglich eintretende, von ihm nicht
u vertretende Unmöglichleit (f. d.) der Leiftung
(Bürgerl Geſetzb. 8. 275).
Eine befhränttere Haftung des Schuldners ald
für die eigenen Deliktichulden und für die Schulden
aus eigenem Verſprechen tritt in andern Fällen
ein, in denen die Haftung bedingt wird durch einen
Beſih, eine Innehabung, eine Bereicherung. Hier
berührt ſich der Inhalt des F. mit dem inhalt eines
Anſpruchs aus dinglichem Hecht gegen den gutgläus
bigen Befiker, wie ſich umgelehrt der Anſpruch aus
dinglichem Recht u. den —— en Be⸗
figer mit der Schuldklage aus einem Delitt berührt.
Der Erbe Dallas nad röm. Recht für Delittihul:
den feines Erblaſſers nicht ſchlechthin, ſondern nur
mit ber Erbihaft; auch für Vertragsjhulden des
Grblafjerd nur in diefem Umfang, ſoweit er das In—⸗
ventartedt (f.d.) hat (vgl. Bürgerl. Geſetzb. 88. 847,
1998 fa.). Sodann tritt die Haftung auf das, was
der Bellagte durch ein Geihäft erlangt hat, und
wenn er dies in Geld umgeiekt bat, auf das, was er
daburdp gewonnen und zur Zeit der Klage noch hat,
bei den gerfonen ein, welche jich wegen ihrer Hand⸗
Iungsunfäbigfeit durch das Geihäft Ihlectbin nicht
verpflichten fonnten (Minderjährige, Entmünbigte),
oder wenn das Geſchäft aus einem andern Grunde
ungültig und der Empfänger in gutem Glauben war.
Das fin (le der Kondiktionen (Bürgerl. Geſetzb.
8.812). (©. Bereiherung und Bereiherungstlage.)
Eine in anderer Weiſe beſchränkte Haftung der
Handlungsunfäbigen wird durch foldye, ibnen nicht
auzurechnende Handlungen begründet, welche, wenn
fie von einem Handlungsfähigen vorgenommen
wären, fib al3 unerlaubte Handlung qualifizieren
würden (Bürgerl. Gejesb. $. 829).
Die Erbichaftätlage (j. d.) wird begründet durd)
den Beſitz von erbſchaftlichen —— welche
der Bellagte in dem Glauben innebat, er ſei der
Erbe. Hat er fie in gutem Glauben veräußert, fo
fann er auf Herausgabe diejer Sachen nicht mehr,
wohl aber auf die Bereiberung mit jener dinglichen
Klage belangt werben. Dagegen ijt die Bindilation
(j. d.) nicht mebr begründet, wenn der Befiger einer
es Sache diejelbe in gutem Glauben veräußert
at. Der Eigentümer kann ja feine Sade nun von
dem neuen erber vindizieren; allein, wenn fie
bei dieſem untergegangen it, fo daß fie der Eigen:
tümer dort nicht mehr vindizieren kann, entitebt
. den veräußernden gutgläubigen Beſitzer die
erbindlichleit, da, was er gewonnen hat, dem
Gigentümer herauszugeben, fofern jener nur feinen
Gräsungähenp hatte (j. Erfigung).
871
Es gab eine Anzahl perjönlicher Klagen, melde
man im Gemeinen Recht unter dem Namen actiones
in rem scriptae zujammenfaßte. Hier beihräntte ſich
bie nn auf Herausgabe oder Vorzeigung eines
Gegenitandes, welchen jemand hinter ſich hatte, ohne
daß er font in einem Schuldverhältnig zu dem
Kläger jtand. So z. B. wenn eine Erhibition (f. d.)
—— wurde, oder wenn jemand infolge einer
rohung einen Rechtsverluſt erlitten, ein Dritter
aber, welcher an der — nicht teilgenommen,
ja nicht einmal von derſelben Kenntnis erhalten hat,
infolge des geübten Zwanges etwas erlangt hatte,
Er hajtete dem Benachteiligten auf Herausgabe, fo:
lange er dies hatte, ein Grundſatz, welchen die neuern
eehgebungen freilih aufgegeben haben.
onder Haftung für einen durch Haustiere (ſ. Tier,
Rechtliches) angerihteten Schaden konnte ſich nad)
Gemeinem Recht (nicht mehr nad Bürgerl. Geſeßb.
E 833) der Eigentümer durch Hingabe des Tieres
efreien; dieſe Art der Haftung Hebte aber dem Tiere
an, g daß jie bei Veräußerung des ſchadenſtiften⸗
den Tieres auf den jeweiligen Eigentümer überging
(noxa caput sequitur). Diejelbe Beitimmung wen:
deten die Römer vor Yuftinian an bei Delikten ver
Stlaven und jelbjt der Hauäfinder.
Der Reeder bajtet für den Schaben, den eine
Perſon der Schifisbefagung einem Dritten durch
ihr Berjhulden in Ausführung ihrer Dienjtverrich
tungen zufügt, fowie für enilie andere Anjprüde
Pr — —* fund Fracht (Deutſches Handelsgeſeßb.
. 485, 486).
Der Hausvater zen nad Gemeinem Recht nicht
ſchlechthin für Schulden feines Hausjohns. Hatte
er aber dem Sohn ein Betulium (f. d.) zur-eigenen
Verwaltung überlafjen, jo haftete er ven Gläubigern
aus den mit dem Sohn geihlofjenen Geſchäften
8 weit, als jenes Pekulium reicht. Und, ſoweit das
ermögen des Vater durch ein Geſchäft des Soh—
nes vermebrt ift, haftet er ihnen, ſoweit diefe Vers
mebrung reicht (actio de in rem verso).
Man darf zwar die Regel aufitellen, daß jeder
aus einem eigenen Verſchulden und aus feinem
oder jeines Stellvertreters gültig abgegebenen Bers
ſprechen für die begründete Schuld mit feinem gan
zen Vermögen bafte. Aber man darf nicht die ums
efehrte Regel aufitellen, daß da, wo die Gejege an
Ebatfachen., welche von dem Willen des Verpflich⸗
teten unabhängig waren, eine Haftung desjelben
fnüpfen, dieje jedesmal nur eine bejchräntte jci.
Denn der Geſchäftshert haftet dem en
welder obne Auftrag, aber dem mutmaßlichen Wils
len des —— oder den Verhältniſſen ent⸗
ſprechend deſſen Geſchäfte geführt hat, nicht bloß
nach Maßgabe der Bereicherung auf Erſtattung der
Auslagen. Und ebenſo kann ie des Denn icht⸗
eſetzes (ſ. d.) eine ſehr weitgehende Schuld eines
abrikeigentuͤmers oder des Betriebsunternehmers
einer Eiſenbahn ohne jede Verſchuldung desſelben
begründet werden. Val. auch über die Haftung für
die Schuld des Gehilfen den Artikel Culpa.
ber die Erweiterung und Einſchränkung begrün⸗
deter F. durch Verzug 4 d.; über die Abtretung bes
ſtehender F. Ceſſion; über den Eintritt eines neuen
Schuldners |. Delegation, Erpromiffion und Schuld»
übernahme; über die Aufhebung einer bejtebenden
Schuld ſ. Erfüllung, Annahme an Sablungshatt,
Erlaß, Aufrebnung und Depofition. — Vgl. Dert:
mann, Das Recht der Schuldverhältnifje (2 Tie.,
Berl. 1899); Scherer, Das Recht der Schuldverhält-
872
nifje des Bürgerl. Geſetzbuchs für das Deutiche Reich
—— 1899); Heilfron, Lehrbuch des bürger:
liben Rechts, 2. Abteil.: Recht der Schulpverbält:
niſſe (2. Aufl., Berl. 1902); Schuſter von Bonnot,
Grundriß des öjterr. Obligationenrechts (Lpz. 1899).
irn ia j. Wettrennen. j
orderungdvermächtnis, ein Vermächtnis,
bei dem der vermadhte Gegenjtand eine Syorderung
it. Es ift dies in drei verſchiedenen Hichtungen
möglih: jo, daß dem Wermächtniänehmer eine
Forderung übertragen werden foll, fo, daß er von
einer Schuld befreit werden foll, oder jo, daß der
Grblafier das, was er dem Vermächtnisnehmer
ſchuldet, vermacht. Das lekte ift das Schuldver:
mädtnis (legatum debiti), das zweite das Li:
berationsvermädtnis (legatum liberationis),
das erite it das Sy. (legatum nominis), Während
das Deutſche Bürgerl. Gejegbuc die erftern beiden
Arten des F. nicht erwähnt, bat es einige bejondere
Vorſchriften für das legatum nominis ($. 2173):
Denn im Falle des Vermächtniſſes einer dem Erb:
laſſer —— Forderung dieſe vor ſeinem Tode
erfüllt worden iſt und der geleiſtete Gegenſtand ſich
noch im Nachlaſſe vorfindet, fo iſt im Zweifel anzu—
nehmen, dab dem Bedachten dieſer Gegenſtand zu:
gewendet werden ſoll. War die Forderung auf Zab:
lung einer Geldſumme gerichtet, jo gilt im Zweifel die
entjprechende Geldfummie als vermadt, auch wenn
ſich eine ſolche in der Erbichaft nicht vorfindet. Das
F. bewirkt nicht, daß die Forderung unmittelbar
mit dem Erbfall auf den Vermächtnisnehmer über:
gebt, vielmehr muß fie ihm vom Erben abgetreten
werden. Stand nun die Forderung dem Erblajler
gegen den Erben jelbt zu, jo würde fie an fi mit
dem Erbfalle durch Vereinigung erlöfhen und da—
mit das F. unwirkſam werben. Daher ijt ausprüd:
lich bejtimmt ($. 2175), daß das dur die Vereini:
gung erfolgende Erlöjhen in Anjebung des Ber:
mädhtnifjes als ungeſchehen zu betrachten tft. — Das
Oſterr. Bürgerl. Geſeßbuch beſtimmt, dah ein F.
als widerrufen gilt, wenn der Erblafjer die vermachte
Forderung jelbit eingetrieben, nicht aber, wenn fie
der Schuldner aus eigenem Antriebe berictigt hat
(83. 724, 725). Unter dem Vermächtnis aller aus:
ftehenden Forderungen find nad 8.668 weder die
Forderungen aus Öffentlichen Kreditpapieren noch
die auf einem unbeweglichen Gut baftenden Kapi:
talien oder die aus einem dinglihen Recht ent:
ftebenden Forderungen begrifien.
Bordicidien, ein zu Ehren der fruchtbaren
Mutter Erde in Rom 15. April gefeiertes Felt, an
welchem trädtige Kübe (fordae boves) geſchlach—
tet wurden.
Fordingbridge (pr. -brivih), Stadt in der
engl. Grafihaft Hampjbire, 27 km im Weiten von
Southampton, am Avon, bat als Landdiſtrikt (1901)
6137 E.; Leinenmanufaltur und Rattundruderei.
Der Ort ift na einer fiebenbogigen Brüde über
den Avon benannt.
Fordon, Stadt im preuß. Neg.:Bez. und Land:
kreis Bromberg, lints an ver Weichfel unterhalb ver
Brabemündung und an der Nebenlinie Bromberg:
Schönſee der Preuß. Staatsbabnen, bat (1900)
2387 E., darunter 772 Ratholiten und 226 Jsrae⸗
liten, (1905) 2785 €., Boit, Telegrapb, evang. und
tatb. Kirche, Synagoge, Strafanftalt für Frauen;
zwei Biegeleien, Dampfiügewert, Schiffabrt. Die
aus ftrategiichen Gründen (1893) erbaute Eifen:
babnbrüde ijt die größte Deutichlands (1325 m).
Forderungsrennen — Forellen
Foreign office (ipr. forrin offib), in England
Bezeihnung für Minijterium des Außern, Auzwär-
tiges Amt. lextſchehndſch), ſ. Borſe.
Foreign Stook Ex (engl., ſpr. forrin,
Forel, Augufte, ſchweiz. Vſychiater und En—
tomolog, geb. 1. Sept. 1848 zu Morges (Ranton
Waadt), ftudierte in Zürich und Mien Medizin, war
1873— 178 —— des Profeſſors von Gudden
in der Irrenanſtalt zu Münden, wo er ſich 1876
an der Univerfität babilitierte, und wurde 1879
Direltor der Irrenbeilanftalt Burabölsli in Züri.
Auch war er ord. Profeſſor der Pſychiatrie an der
dortigen Univerfität, legte aber 1897 dieſes Amt
nieder. Er veröffentlidte: «Les fourmis de la
Suisse» (Genf 1874; preisgefrönt), «Etudes myrm&-
cologiques» (5 Zle.; in dem «Bulletin de la So-
ciet& vaudoise des sciences naturelles», Wir. 33,
75, 80 und 81, und in den «Annales de la Societe
entomologique de Belgique», Bd. 30), «Linter:
fuhungen über die Haubenregion und ibre obern
Verknüpfungen im Gebirn des Menſchen und einiger
Säugetiere» (im «Archiv für Piychiatrie», Bd. 7,
Berl. 1877), «Experiences et remarques critiques
sur les sensations des insectes» (3 Tle., in Bd. 4
des «Recueil zoologique suisse», Genf 1886—87),
«Der Hypnotismus» (4. Aufl., Stutta. 1902), « Die
Errihtung von Trinlerafolen» (Bremerbaven 1891),
«Les formicides de Madagascar» (in Grandidiers
« Histoire physique etc. de car», Bd. 20,
Bar. 1892), «Gebirn und Seele (7. u.8. Aufl,
Bonn 1902), «Die pſychiſchen Fähigkeiten der
Ameifen und —* anderer Inſelten (Munch.
1901), «Die ſexuelle Frage» (ebv. 1905) u. ſ. w.
Auch iſt er Mitherausgeber der «internationalen
Monatsſchrift zur Belämpfung der Trintfitten» und
der «geitjchrift für Hypnotismus» und bat fih um
die Einrichtung der Trinterbeilanjtalt Elliton jebr
verdient gemacht.
Forel, Francois Alphonſe, ſchweiz. Naturfor:
ſcher, Bruder des vorigen, geb. 2. Febr. 1841 zu
Morges (Kanton Waadt), ift gegenwärtig Profefior
der allgemeinen Anatomie an der Univerfität zu
Zaufanne. Er richtete feine Studien hauptſächlich
auf die Phyfil und die Naturgefhichte der Süß:
waſſerſeen, namentlich diejenige de Genfer und
Bodenſees, und in zweiter Linie auf die Ericei:
nungen der Gletſcher feines Vaterlandes und die
Erdbeben. Zahlreihe Schriften 5.8 finden fib in
deutſchen, Schweiz. und franz. Journalen; feine Stu
dien über Seen find zufammengefaßt in «Le Löman»
(2 Bde., Laufanne 1892— 96) und im «Handbuch
der Seentunde» (Stuttg. 11).
Foreland (pr. fohrländ), Nortb-und Soutb;,
zwei Kaps an der Süboftlüfte Englands, Grafſchaft
Kent (I. Nebentarte zur Seelarte der Norbdiee,
beim Artilel Nordjee). Das eritere, an der Nordoſt⸗
fpige der Halbinfel Kent, erbebt ſich zwiſchen Mar:
gate und Ramsgate in 51° 22’ 28” nörbl. Br, und
1° 26’ öjtl. 2. von Greenwich 18—36 m bod und
trägt einen 26 m boben Leuchtturm. — Das zweite
liegt 26 km jüdlicher, öftlih von Dover, gegenüber
dem 28,4 km entiernten franz. Kap Gris-Nez, in
51°8’23” nördl.Br.und1? 22’ öjtl.2,von Greenwich.
Zwei Leuchttürme von 21 und 15m Höbe zeigen ihr
Feuer in 113 und 84m Höhe über Hochwaſſer. Zwi⸗
ſchen beiden Raps find der Hüfte mebrere gefährliche
Sandbänte (j. Goodwin-Sands) vorgelagert.
Forellen, Fiihe aus der Familie der Lachſe (Sal-
monidae, f. Lachsfiſche). Die eigentlidhen F.
Forellenbarſch — Forey
welche man in mehrere Untergattungen teilt, dann
wieder unter dem Gattungsnamen Trutta mit Un:
rebt von den echten Sachien (Salmo) getrennt bat,
befigen auf dem bintern Stiel des Pflugicharbeind
viele Zähne, welche im Alter oft verloren geben,
mäbrend bei den eigentlichen Lachſen auf dem kur:
en Stiel des ee niemals Zähne fißen.
ie F. find gefledt und halten ſich in Haren, fühlen
Gebirgswaſſern auf. Sie ſchwimmen fchnell, find
ſcheu und vorfichtig, verhalten fih gegen ſchwächere,
Heinere Fiſche ald Naubtiere und zeichnen ſich durch
ein befonders ſchmachaftes und zartes Fleiſch aus.
Man fängt fie meift mit der Angel und zwar, da
ie gern nad Inſelten Springen, mit ——
liegen oder mit Wurmfödern im Mittelwaſſer und
auf dem Grunde. (S. Angelfiiherei.) ,
Die belanntefte Art ift vie Badhforelle, Stein:
bereite (Salmo s. Trutta fario L., i. Tafel:
Fiſche J, Fig. 7), welche die Gebirgsbäche des mitt-
lern und nordl. Europas bewohnt (f. Karte: Tier:
geograpbie ll), auf dem Rüden mit ſchwarzen,
an ven Seiten mit roten Fleden gezeichnet, auch
zuweilen ganz einfarbig ift und meiſtens nur 15—
30 cm, doch auch bis fait 1 m lang wird. Sie laicht
im Spätberbft und Borminter. Die Zartbeit und
Schmadbaftigkeit ihres Fleiſches ift befannt; am
volltommenften ift fie im Mai, Man züchtet fie in
Haren Waldbächen und Teichen, wo fie bis 7,5 kg er:
reichen können, während jonjt F. von 0,50 bis 0,15 kg
als groß gelten. (S. Teichwirtſchaft und Fifchzucht
nebit Tafel, Fig. 14.) Die abweichenden Färbungen
haben die —— vieler Spielarten veranlaßt.
Außerdem gebören noch zu den eigentlichen F. in
Mitteleuropa: die Seeforelle oder Illanke
(Salıno s. Trutta lacustris L.) in faft allen Alpen:
feen, die bis 20 kg ſchwer wird, und die Meer:
forelle oder Lachsforelle Norbdeutihlands
(Salmo s. Trutta trutta L.), welche hödhjitens 15 kg
erreicht, die Nord: und Ditfee bewohnt und, wie
ver Lachs, zum Laichen, das im Vorwinter ge:
fhiebt, in die Flüſſe aufiteigt, obne indes jo höch
mie der Lachs hinaufzuwandern. fiber die Grenzen
und die Berechtigung der einzelnen Arten herrſchen
ir binfichtlih der 5. viele Zweifel unter den
daturforſchern. Manche gewichtige Autoritäten
nebmen nur eine einzige Art an und glauben, daß
die bier angeführten Teile die vielen in andern Ge
genden unterjchiedenen nur durch Aufenthalt, Nab:
rung u. f. w. modifiziert worden find. Die künit:
liche Züchtung ſcheint für dieſe Anficht zu Sprechen,
indem die aus Ciern gezogenen — im
Laufe der Generationen allmählich ven Bachforellen
äbnlid werden. — Bol. Weeger, Aufzucht ver F.
und der andern Salmoniden (3. Aufl., Wien 1896);
Delle Doreen (Osnabr. 1894); Diener, Die
fünftlihe Zucht der F. (2. Aufl., Neudamm 1902).
orellenbarfch, ſ. Barich.
orellengrammlit, ſ. Granulit.
orellenporzellan, chineſ. und japan. Bor:
zellan, —* Glaſur durch feine Haarriſſe kreuz und
quer durchfurcht iſt; durch Einreiben mit dineſ.
Tuſche, Tinte u. ſ. w. werden die Haarriſſe beſon⸗
ders ſichtbar gemacht — 8
en alat, j. Sartenjalat.
orellenftein, gefledt ausſehendes Geftein, das
in eriter Linie aus farblojem oder weißem Anorthit
und ſchmutzig⸗ dunlelgrünen Bartien von Serpentin
zujammengejeßt tft, der ſich als Umwandlungspro⸗
dult von Dlivin ergiebt. Yu dem mittel: bis grob:
873
törnigen Gemenge diefer Mineralien gejellen fih noch
ipärliche Individuen von Diallag ſowie ſchwarze
Erzlornchen. Überall jtebt diefe Re Sart mit Gabbro
in enger Verbindung, und fie ijt eigentlich als ein
ganz diallagarmer Olivingabbro aufzufaflen. Sol:
her F. —* ſich z. B. bei Neurode in Schlefien, im
Harzer en bei Langenlois in Öfterreich, bei
pina füblic von Bormto, aud in Cornwall.
orentde Dampffibs Selffab («DBereinigte
Dampfihiffögejellibaft»), da bedeutendſte Reebe:
reiunternehmen Dänemarks, in Kopenhagen, ift
1866 durch Verjhmelzung dreier älterer Linien ent:
ftanden. Mit ihrer Flotte, die ſich von anfänglich
22 Schiffen auf (Ende 1901) 127 Schiffe mit etwa
140000 Regiftertond Bruttoraumgebalt vermehrt
bat, unterhält fie durch —5* regelmäßige Linien
die Frachtſchiffahrt zwiſchen Dänemark und allen
Ländern Europas, bis ind Mittelländifhe und
Schwarze Meer hinein, und mit Nordamerila. (©.
auc die Tafel: Internationale Signal: und
Needereiflaggen, beim Artikel Flaggen.)
orenfen (lat. forenses, «zu den Gerichten Ge
örige»), Berfonen, die in einer Gemeinde, ohne der:
elben ——— und ohne dort zu wohnen, Grund⸗
eſiß haben. Sie find der Ast Pirmgin
unterworfen, doch ift die naheliegende Gefahr einer
— ga des Forenſaleinlommens zu vers
meiden, wie dies in dem preuß. Kommunalabgaben:
gie vom 14. ae 1893 geſchehen Y (j. Dop
euerung). Died Beſteuerungsrecht wird bis:
weilen aud objervanzmäßig von Kirchengemeinden
gegen bie in der Gemeinde nicht eingepfarrten aus:
märtigen gan — sſbeſondere
werben bie F. da zurlirhlihen Baulaſt herangezogen,
wo die Laft als eine dingliche beftebt.
orenfiich (lat.), das Forum (f. Ir die Gerichts⸗
verhandlungen betrefjend. Forenſiſche Medizin
(medicina forensis), j. Gerichtliche Medizin; foren:
fülde Piohologie, |. Geridtliche Bincologie
Forenza, Drt im Kreis Melfi der ital. Provinz
Potenza, in 762 m Si bat (1901) 6347 €, ; Lein⸗
wanbindujtrie und Käſehandel. IE De Joret.
oreft, John William de, amerik. Schriftiteller,
(mittellat.), Genuß der Nugung
eines Forites oder der Zahlung dafür. immer,
For ever (engl., ipr. ewm’r), für immer, auf
Foren (fpr.-reb), Elie Frederic, franz. Marſchall,
eb, 10. Yan. 1804 = Paris, trat 1822 in die Mi⸗
itärſchule von St. Eyr, machte 1830 die Erpedition
nad Algier und 1836 ald Kapitän die erſte
bition gegen Gonftantine mit. 1844 wurde er Ober
und Gommandeur des 26. Linienregiments.
unterjtüste Napoleon bei dem Staatsftreih vom
2. Dez. 1851 und wurde 1852 Divifionsgeneral.
Im Drienttriege beichte er 1854 mit einem Teile
ee Divifion den Peiraieus, nabm an der Be
agerung von Semajtopol teil, verfeindete ſich
aber mit dem Oberbefehlshaber Eanrobert. F. er
bielt daher im März 1855 feine —— und
wurde zum Befehlshaber der Provinz Oran in Al:
gerien ernannt, jedoch fhon 1857 an die Spike der
1. Divifion der Armee von Paris berufen. Im ital.
Kriege von 1859 lieferte er mit der 1. Divilion des
1. Armeetorps 20. Mai das fiegreihe Treffen bei
Montebello und Eafteggio. Bei Solferino erftürmte
er den Stübpunft des dfterr. Centrums, das Dorf
Cavriana. Nah dem Kriege erfolgte feine Ernen:
nung zum Senator, Juli 1862 wurde Sy. zum
Oberbefehlshaber der franz. Truppen in Meriko er:
874
nannt. Unter großen Schwierigfeiten drang er 1863
ins Innere vor, langte im März vor dem ſtark be
feftigten Buebla an und er Im 17. Mai zur Über:
gabe. Am 10. uni zog er in Mexiko ein und wurde
darauf zum Marjchallernannt. Zurüdberufen, über:
nabm F. im Dezember den Oberbefehl über das
2. Korps (Lille) und befehligte 1867 das Lager von
Ehälons. Er jtarb 20. Juni 1872 zu Paris,
Forez (ipr. -reb), ehemalige franz. Provinz des
Generalgouvernements Lyonnais, dad Land der Ser
gufianer, wurde 900 Grafſchaft, fam im 14. Jahrh.
an die Bourbons, 1523 an die Krone und wurde
17% in das Depart. Loire verwandelt; kleinere
Zeile wurden zu den Depart. Rhöne und Haute
Loire geihlagen (f. Karte: Mittel: und Süd:
frantreic, beim Artikel Frantreih, Bd.17). Das
Dbere F. oder Jarröt, mit dem Hauptorte St.
Ehamond, begriff die Gneisgebirgsmaſſe mit den
Koblenbeden von St. Etienne, Rive-de-Grie und
Firminy. NiedersForez,imf. und in der Mitte,
umfaßte die Ebenen von Montbrifon und von
Noanne. — Bol. De la Mure, Histoire du > 8
de F. (£yon 1674); 9. J. Bernard, Histoire du F.
(2 Bde., Montbrijon 1835—36); La Tour-Baran,
Etudes historiques sur le F., chronique des
teaux et des abbayes (St. Etienne 1854); Antoine,
Histoire du F. (ebd. 1883).
fForezgebirge Ir -teb-), Gebirgstette in der
Mitte Frankreichs (ſ. Karte: Mittel: und Süd:
rantreich, beim Artikel Frankreich, Bd. 17), er:
dt fih auf der Grenze der Depart. Loire und
uy:de:Dome, zwiſchen Loire und Allier, von N.
nah ©., ift reih an Eifen und Kohlen, an ven
untern Abbängen gut bebaut und mit ſchönen Weiden
verjeben, in ven obern Teilen teil kahl, teila mit
dihtem Tannen» und Birkenwalde bevedt. Die
mittlere Höhe ift 1000, die PierrefurHaute im
WNW. von Montbrifon 1640 m hoch. Das F. bat
nah RN. eine Fortfeßung in den Bois-Roirs (Buy:
de: Montoncel 1292 m) und im Madeleinegebirge
(Bois de l'Aſſiſe 1165 m). Die Eifenbahn von Eler:
mont nad St. Etienne durdichneidet das Gebirge.
Forfait (fr3., jpr. -fäb), Miſſethat; Verdingung;
& forfait, im Accord, in Bauſch und Bogen. Über F.
(engl. Forfeit) im Sport ſ. Reugelv.
orfar oder Angus. 1) Graffchaft Mittel:
ſchottlands (f. Karte: Schottland), an der Nord:
ſee, — im S. an den Taybuſen, im W. an Perth,
im N. an Aberdeen und Kincardine, bat 2306 qkm
und (1901) 284078€., d. i. 123 auf 1 qkm. F. jer:
fällt in vier verſchiedene Landſtriche. Die nördl. Re
gion, fajt die Hälfte des Landes, ift von Zweigen des
rampiangebirges, den Braes of Angus, erfüllt.
Barallel ven Grampians zieht im ©. die Sanbjtein:
region der Sidlaw-Hills mit dem Dunfinane: Hill.
— — jenem Gebirgs- und dieſem Hügellande
iegt der Hown of Angus, ein Teil des Thals Strath—
more, eine wellenförmige, gut bewäſſerte, wenn auch
nicht jebr fruchtbare Landichaft. Trefflich angebaut ift
die vierte Region, die 550 qkm große enregion.
Die bedeutenditen Flüfe Nord: und Süd-Esk und der
= Zap gehende Jsla fommen von den Grampians.
ie Niederungen geben reiche Weizenernten; meit
serbreitet ijt der Anbau von Kartoffeln und Rü-
ben. Rindvieb und Schafe ziebt man in Menge.
Das Mineralreich gewährt nur Kalt, Baufteine und
Porzellanerde. Bedeutend find Fiſcherei (Lachs—
jene) Schiffahrt, Handel und namentlich die Leinen:
abrilation. Eine Bahn durdziebt das Stratbmore
Forez — Forgemol de Boftquenard
und jendet vier Zweige zur Hüfte. Wichtiger als die
Hauptſtadt F. find Dundee, Arbroatb, Montroie
und der Biihofsfis Brechin. Die Grafichaft ſendet
einen Abgeorbneten ind Parlament, zwei andere
bie jieben Städte, — 2) Hauptftadt der Grafihaft
„im Strathmore, nabe einem Heinen See gelegen,
ift gut gebaut, hat (1901) 12882 E., ein Grafichajtss
und ein Stadthaus, Lateinſchule, Handwerterinftitut
nebjt Bibliothet; Seinwandinduftrie, Schubfabrila-
tion und Viehhandel. — F. war ſchott. Königafis.
Forfeit (engl, ipr. fobrfit), ſ. Reugelv.
Forfioula, Forfioulldae, |. Obrmwürmer und
Zafel: Injetten IV, Fig. 10,
Forgach (ſpr. foͤrrgahtſch), ungar. Grafenfamilie,
leitet ihren Urſprung von den —— Rittern
Hunt⸗Paznän ab, die unter König Stephan dem
Heiligen (997—1038) eingewandert find. Den
Namen führt die Familie nah dem Schloſſe F.
(auch Forgacs) in Siebenbürgen. Seit Anfang
des 16. Jahrh. teilt fie ſich in die ältere Linie Gby-
mes (Zweige: Ghymes und Gomba) und in die
ngere zu Gäcs (Zweige: Gäcs und Szecäeny). Den
eiberrentitel erbielt te 6. März 1651, den Grafen:
titel 11. März 1675, und zwar erwarb beide Graf
Adam F. geb. 1601, geit. 1681, berühmt durch die
Verteidigung von Neubäufel gegen die Türken.
Außerdem find zu erwähnen: Blafius F. der
der ungar. Königin Maria den Thron wiederver⸗
ſchaffte, indem er ihren Rivalen Karl von Durazzo,
König von Neapel, 7. Febr. 1386 meuchleriſch zu
Boden ſchlug; er wurde dafür 25. Juli 1387 von der
Bartei des getöteten Königs ermordet. — Franz F.
(1506 —60), Bifhof von Großwardein, binterlieh
ein mwertvolled Geſchichtswerk über feine Zeit. —
ni gnaz F. Feldzeugmeifter, geb. 21. Juli 1702,
errichtete beim Ausbruce des Oſterreichiſchen Erb-
folgelrieges (1741) ein ————— und zeich⸗
nete ſich durch große Tapferkeit aus; 1745 wurde
er Generalmajor, 1757 Feldmarſchallleutnant und
nad dem Hubertusburger Frieden (1763) Feldzeug⸗
meijter. Er jtarb 2. April 1772.
Graf Anton F., geb.6. März 1819, wurde 1849
Diitrittsfommiflar in Preßburg, 1851 Diftrikts-
obergeipan für das gejamte Statthaltereigebiet von
Kaſchau, 1853 Vicepräfident der Stattbalterei in
Prag, von wo er 1860 als Seltionäcef in das Mir
niftertum berufen ward. Noch in demſelben Jahre
—— jeine Beförderung zum Statthalter von
ähren und Schleſien und furze Zeit darauf von
Böhmen. 1861 bekleidete er ven Poſten des ungar,
Hoftanzlerd und wurde 1865 zum Übergeipan des
Neograder Komitatd ernannt. Er ftarb 2, April
1885 auf Schloß Loſoncz.
—— in der Jägerfprache, ſ. Forkel.
orgemol de Boftquenard hr. forfh’möll
de bodenabr), Leonard Leopold, franz. General, geb.
17. Sept. 1821 zu Azerables (Depart. Ereuje) , be
ſuchte die Militärjhule von St. Cyr und trat 1841
in die Armee in Algerien. Während des Deutic-
Franzöſiſchen Krieges wurde er zum Generalitabs:
chef des 17. Armeelorpd, 1871 zum Brigadegene
ral ernannt, dann als Chef des Generaljtabes
des 7. Armeelorps in Bejangon verwendet. 1879
um Divifionsgeneral ernannt, wurde er nad Con»
tantine zur Unterbrüdung eines Aufitandes ge
ichidt. 1881 befebligte er eine Divifion des Erpebir
tionstorps, das Tunis bejegte, und wurde bald
darauf zum Dberbefebläbaber desielben ernannt.
Hier blieb er bis Dit. 1883, wo er zum fommandier
Forges-led-Eaur — Forll
renden General des 11. Armeelorps in Nantes bes
fördert wurde, das er bis 1. Febr. 1890 befehligte.
Er ftarb 28. Nov. 1897 in Paris.
Forges-led:Eaug (fpr. forſch läjoh), Hauptort
des Kantons F. im Arrondifjement Neufchätel des
franz. Depart. Seine-Inferieure, im Braymwalde,
an der Epte und der Linie Bontoije:Dieppe der Wet:
bahn, hat (1901) 1897, ala Gemeinde 1956 E., viel
beſuchte Eifenquellen und Hotels, Fabrilation von
keramiſchen Waren und Chemilalien.
dring, isländ. Handelögewidt, |. Färing. _
orio, Ort im Kreis Pozzuoli der ital, Provinz
Neapel, auf der Weftküfte von Jschia rom gelegen,
bat (1901) ald Gemeinde 6656 E., jhönes Fran:
istanerflofter, einen Hafen und Mineralbäber. Die
Dewoimer find tüchtige Seeleute, F. wurde bei dem
Erpbeben 28, Juli 1883 faſt ganz zerftört.
Forke (vomlat. furca), Heu, Miftgabel. (S. auch
Gartengeräte nebjt Tafel, Fig. 2.)
Forkel, Forgel,inder Jägeripradbe Bezeihnung
für gabelige Stellftangen, auf vie das Jagdzeug ge
jtüßt wird; im —— ein gabelförmiges Eiſen zum
Abheben der Scheiben, Steine, Schlacken u. ſ. w.
Forkel, Job. Nil. rg ha geb. 22. Febr.
1749 in Meeder bei Coburg, lam im 17. Jahre
nad Schwerin, wo er die unit der berzogl. Familie
gewann, Gr —5 — nun zwei Jahre die Rechte,
dann aber ausſchließlich Muſit. 1779 wurde er Unis
verſitätsmuſildireltor in Göttingen, wo er 20. März
1818 ftarb. Als Komponift (Rantaten, Klavier:
tonzerte, ein Oratorium u. ſ. w.) zeigt F. geringe
Dre Er befebdete Glud und verlannte Hän:
del. Für Bach war er begeiftert; jeine Schrift «liber
Seb. Bachs Leben» (Lpz. 1802) iſt höchit einfeitig,
—— aber er beige Mitteilungen von Bachs
Söhnen. Wertvoller alö feine « Allgemeine Ges
ichichte der Mufil» (2 Bde., Lpz. 1788— 1801), die
nur bis ins 15. Jahrh. führt, ift die «Allgemeine
Litteratur der Mujil» (ebd. 1792).
Forkeln, Spießen, das angriffsweiie Stoßen
und Verwunden dur alle Geweib: und Gebörn-
träger,
Forläne, Furlane, ein Tanz in verfhiedenen
Abteilungen, der befonders bei der ländlichen Be
völterung Venedigs und den Gondolieren gebräuch⸗
lich und nach den Forlanern (Furlanern), den
Bewohnern von Friaul, benannt iſt. Der Tanz
ift heitern Ebarafters, gewöhnlich im Sechsachtel⸗,
jeltener im Sechövierteltalt.
orle, Nadelbaum, ſ. Kiefer (botaniſch).
örleule, die Fichteneule (ſ. d. und Tafel:
Schaädliche Forſtinſelten I, Fig. 3, beim Ar:
titel Foritinjelten).
Forli. 1) Provinz im Königreih Italien (f.
Karte: Ober: und Mittelitalien, beim Artikel
Stalien), in ver Landſchaft Emilia, früber zur päpſtl.
Romagna gehörig, grenzt im N, an die Provinz
Ravenna, im O. an das Adriatiſche Meer, im ©.
an die — — und die Republik San
Marino, im W. an Florenz, bat 1884 (nach Strel⸗
bitjfij 1989) qkm, (1901) 280823 (1881: 251110)
E. und zerfällt in die 3 Kreife Cejena, F. (82 162€.)
und Rimini mit zufammen 41 Gemeinden. Die Bro-
vinz bildet zum größten Teil ein von den Abhängen
des Apennin erfülltes Berg: und Hügelland mit
ihönen Thälern und Landſchaften, zum Teil eine
Ih fruchtbare und wohl bebaute Ebene mit einigen
einen Küftenflüffen: Montone, Ronco, Savio, Na:
rechia, Fiumicino und Ufo, dem ehemaligen Rubi:
875
fon. Die —— Pet Weizen, Mais und
Hanf, ferner beftehen Weinbau, Viehzucht, Seiden⸗
kultur, Fifherei und Schiffahrt. An der Küfte ent:
lang al, rt die Adriatiſche Rüftenbahn, von weldyer
bei Rimini die Linie nah Bologna: Mailand ab»
weigt.—2) F. das alte Forum Livii, tftabt der
rovinzF. rechts vom Montone, an ber alten Umili⸗
hen Straße und an der Linie Bologna-Ancona des
driatifhen Nekes, mit Straßenbahnen nad Ras
venna und Melbola, Sik der .. eines Bir
(cofs, eines Zribunals, eines Al enbofs, einer
ommiffion zur Auffiht über die Altertümer und
Kunftdenfmäler, einer Handels- und Gewerbelam:
mer fowie des Kommandos der Anfanteriebrigade
«Savona» und eined Militärdiftrits, ift gut und
regelmäßig gebaut und hat 1881: 19442, als
meinde 40934, 1901 als Gemeinde 43708 €,,
in Garniſon 2 Bataillone des 15. Infanterie⸗
regiments und 2 Batterien yelbartillerie, einen
ſchönen, mit Säulengängen umgebenen Marlt:
ylab, ein 1875 enthülltes Denkmal des Anatomen
Morgagni (geft. 1771), zahlreihe Kirchen, mehrere
bemerfenäwerte Paläjte, eine Eitadelle, 1360 von
Kardinal Albornoz erbaut und durch die Orbelaffi
und Riarii vergrößert, ein — Obſervato⸗
rium, ein Gymnaſium, eine Oberreal:, Gew
ſchule, ein Lehrerinnenfeminar, eine ftädtifhe Biblio:
thet (80000 Bände), eine Pinatothet, ein Spital
1638) mit Findelhaus und ein Arbeitshaug für Kna⸗
en. den Kirchen find die merhwürbigiten die
Kathedrale Sta. Eroce mit einer von —— 1686
- 1706 ausgemalten Kuppel und den Grabſtätten
Cignanis und Torricellis; San Mercuriale (nach dem
erſten Biſchof von 12 genannt), eine roman. Kirche
von 1180, mit Skulpturen aus dem 14. Jahrh.
über dem Bortal und Gemälden von Balmezzano;
San Girolamo mit Fresten von Melozzo und ed
mezzano und dem Grabmal der Barbara Manfredi
(geit. 1466), in reicher Fruhrenaiſſance; San Pelle:
rino mit einem ſchönen Grabdenkmal des 15. Jahrh.
5 ift der Geburtsort des Cornelius Gallus (geft.
7 v. Chr.), des — ——— Flavio Biondo
(15. Jahrh.), des Malers Melozjo (Ende des
15. Jahrh.) und des Arztes Morgagni (18. Jahrh.).
— Die Stabt murbe von einem Livius, vielleicht vom
Konjul Marcus Livius Salinator nad) defjen Siege
über Hasdrubal am Metaurus 207 v. Ehr. erbaut
und nad ihm benannt (Forum Livii). Mit dem
Eparchat unter Karl d. Gr. an das Papſttum gekom⸗
men, bildete F. (mittellat. auch Forlivium) im ſpä⸗
tern Mittelalter eine Republik, die in den Kämpfen
der Guelfen und Gbibellinen häufig ihre Herren
wechjelte, lange Zeit auch unter päpftl. Herrſchaft
ftand und 1504 definitiv an Papjt Julius IL fiel,
der ed dem Kirchenſtaate einverleibte. 1797 kam
5 an die Cisalpiniſche Republil, dann an das
önigreich Stalien, 1815 nochmals an die Päpſte,
gegen die e3 an der Erhebung 1831 und 1848 teil-
Sehen: 17. Juni 1859 zogen die Päpftlihen aus 7.
ab, das nun an Sardinien kam. — Bal. Bonoli,
Historia della cittä di F. (Forſi 1666); Monografia
statistica, economica, amministrativa della pro-
vincia di F. (3 ®oe., ebd. 186667).
Forli, Melozzo da, Maler, geb.um 1438 audorlt,
bedeutend ald Vorläufer der großen ital, ae:
bildete fich zuerjt an Piero della Francesca, erfuhr
dann aber dur den Einfluß Mantegnas eine
mwejentlibe Wandlung des Stils. Lehterer äußert
fih insbejondere in der damals noch feltenen Ans
876
Forlimpopoli — Form
wendung der Berfürzungen, namentlich bei Deden: — te wird vernommen, Beweiſe werden erboben.
malereien. Sein Hauptwerk in diefer Hinfiht war
die Ausfhmüdung des Chors der Apoſtelkirche in
Rom (1472), wo der zum Himmel aufiteigende Hei
fand und reizende Engel mit Mufilinftrumenten dar:
—* find (jest zerteilt im Quirinal und in der Sa:
* der Peterslirche; geſtochen von weg Da:
neben ift von befonderm Intereſſe der Frestenihmud
in einer Kapelle der Marientirhe zu Loreto. Als
bedeutender Borträtmaler zeigt fib F. in der gleich:
—* zu Rom für Bapft Sirtus IV. gemalten Dar:
tellung der Einjeßung de3 gelehrten Platina zum
päpftl. Bibliotbefar (um 1476; in der Gemälde:
galerie des Batitan). Gegen Ende feines Lebens
febrte y: wieder in bie Heimat wu wo er bie Bis
bliotbef Federigos von Montefeltre mit allegorifchen
Darftellungen der Wiflenichaften (in Berlin und
London) jhmüdte und 8. Nov. 1494 ftarb. — Val.
Schmarſow, Melozzo da F. (Stuttg. 1886).
Forlimpopödfli, Stadt in der ital. Provinz und
im Kreis Forli, unmeit rechts vom Ronco, an der
Linie Bologna:Ancona des Adriatiſchen Nepes, bat
(1901) alö Gemeinde 5774 E., ein Gymnafium und
Weinbau. %. ift das alte Forum Popilii.
orlo, ehemalige Heine ägypt. Geldrechnungs⸗
ftufe, die Hälfte des Aſper (f. d.).
orm (lat. forma), die Geſtalt (3.B. einer Statue)
im Gegenjak zu Materie oder Stoff, daher ein Be
riff von ebenſo weitreichender Bedeutung mie die
estern Ausdrüde (ſ. Materie). In der Philo—
fopbie bezeichnete Plato feine Idee, Arijtoteles
feine Entelebie aud als F. Bei Kant ift am widy
tigften feine Unterfheidung von F. und Materie
der Erfahrung (f. A priori; daber F. der Anſchauung,
de? Dentens u. ſ. w.) in der theoretiſchen Philoſo⸗—
phie, wie die von F. und Materie des Willens in
der praktiſchen. In allen diefen Bedeutungen jtebt
die F. dem Geſetz ſehr nahe. Bon befonders reicher
und mannigfaltiger Anwendung ift der Begriff der
5 in ber Sftbetit; es giebt im Gebiete des Schönen
um etwas, was nicht irgendiwie unter diefen Be:
griff fiele. Auch bier ift die Verwandtichaft von F.
und Geſetz zu beachten. — In der Technik wird
5. in verjhiedener Bedeutung gebraucht. So be:
zeichnet F. in der Buchdruckerei die in den Schließ—
rahmen eingejchlofjenen Typen und Drudplatten
(j. Buchdrudkerkunſt); in der Gießerei eine Bor:
rihtung, die dazu bejtimmt ift, das flüffige Metall
um Zwed jeiner Formgebung aufzunehmen und
im Innern eritarren zu ar (j. Gußformen und
Formerei); in der Bapierfabrilation die Unterlage,
auf welcher ſich der flüjfige Papierbrei zum —
Papier geſtaltet; in der Eiſenerzeugung die Offnun—
en des Hochofens, durch welche der Wind in das
nere gelangt (j. Eifenerzeugung).
Form (inrehtlidher Beziehung). Die F.ift von
Bedeutung ſowohl für das gerichtliche Ber ——
wie für die Rechtsgeſchäfte, wie auch für Erlaſſe
und Geſetze. In frübern Perioden der Rechts:
geihichte tft die F. von großer Bedeutung. Es
werden beſtimmte Worte und ſymboliſche Zeichen
angewendet. Davon entbinden id die jpätern ge:
fhäftsreihen Zeiten. Aber ganz obne F. können
auch fie nicht auslommen.
1) — EEE ELBE SLLAUEER. LEHE
das Strafverfahren gliedert ſich in beitimmter Reiben:
folge. Die Anklage wird erboben, der Beihluß auf
Eröffnung des Hauptverfabrens gefaßt, die Ge
ſchworenen werden ausgeloft und beeidigt; der An:
er Ankläger und der Verteidiger halten ihre Bor:
träge, den Geſchworenen werden beitimmte Fragen
borgeeol der Obmann der Geſchworenen verfündet
die Antworten u. f. m. Ohne dieje ſcharfe ——
Gliederung würde das Verfahren der Sicherheit und
ber fiberjichtlichleit entbebren. Knappe und feite F.
bieten die Sicherheit, daß alles, was zur Sache ge
bört, in gegebener Zeit zum Vortrag gelangt, dat
nichts Welentliches überieben wirb. Die 3. fcert
die Ordnung, die Vollftändigleit und die Kürze des
Verfahrens. So iſt e8 au im Civilprozeß. Für
jede Handlung, an welche ſich wichtige rechtliche Fol:
en Inüpfen, find bejtimmte F. vorgejchrieben: die
bebung der Klage, die Zuftellung, die mündlide
Verhandlung, das Urteil, die Necdtsmittel, wie
Zwan nr
2) Die F. der er bu find dazu be
ftimmt, den Parteien zum Bewußtſein zu bringen,
um was e3 fich handelt; die Anwendung der F.
fihert den Beweis, daß es fidh nicht bloß um Bor:
verhandlungen gehandelt hat, daß die Bindung auch
Ernſt gemejen it Die F.,namentlich die Schrift, der
Abſchluß vor Notar und Zeugen, die Berlautbaruna
vor oder Beglaubigung dur FGerict, der Eintrag
in öffentlibe Bücher und Reoijter fihert endlich den
Beweis des Inhalts der Erklärungen. Zwar um
eine Forderung (f. Forderungsrecht) zu begründen,
bat das moderne Recht keine F. und
aud das Deutſche Bürgerl. Gejepbud beruht auf
dem Brincip der rormfreibeit, obne jedoch den Ge
danten ausbrüdlih auszufpreben; Formzwang
bildet die Ausnahme. Allein die Rechtsgeſchäfte,
welche ihre Causa (j. d.), den wirtichaftlihen oder
fittliben Rectfertigungsgrund des Verſprechens
nicht wiedergeben, müjlen nad beutigem Recht in
fchriftliber 55. erfheinen. Es giebt feinen münb-
lihen Wechſel (f. d.) oder Ebed (j. d.). Sollen fo
wichtige Rechte wie das a... übertragen wer
den, jo bedarf es bei beweglihen Sachen der F. der
Befisübergabe, bei Grundftüden der gerichtlichen
Auflaffung u. |. w. (S. Eigentumserwerb.) Beſon⸗
ders erjchwerende F. hat die Geſetzgebung vorae
ſchrieben für Rechtsgeſchäfte, bei denen die Gefabt
einer Übereilung made liegt, wie bei den Bürg:
fchaften der frauen (\. Bürgfhaft). Auf ähnlichen
Gründen beruben die erjchwerenven F. der Schen:
tung (f. d.) und der legtwilligen enges (f. Lest:
willige Verfügung). Es hängt mit der beabfichtigten
Sicherung des Beweiſes und mit der für diefe Rechts
verbältnijje gebotenen Publizität zufammen, das
die Begründung mander Rechtsverhältniſſe oder
die Erwerbung mander Rechte ſich nicht vollziebt
obne die Anzeige N d.) zu einem öffentlichen Re
gifter. Hat das Geſetz für ein Rechtsgeſchäft eine F.
vorgeſchrieben, fo ift das ohne diefe F. geichlofiene
Redtögeichäft in der Regel nichtig. Übrigens kön:
nen die Barteien die Gültigkeit jedes Nechtsgeichäfts
davon — machen, daß erft noch eine F. bin⸗
zukommt, z. i. Abfaſſung, notarielle Er
richtung, gerichtliche Verlautbarung. Das Geſchäft
gilt dann nicht, fo daß jedem ber freie Rüdtritt ger
jtattet ift, folange dieje von den eien verab⸗
redete F. nicht angewendet ift. (Bürgerl. Geierb.
8.125.) Es ift einenicht geringe Anzabl von Rechts⸗
eihäften, welche nab Bürgerl. Gefesbud un
iche oder notarielle Beurkundung (3. B. Vertrag
unter Zebenden über ein Vermögen, 8. 311; Ebe,
Erb:, Adoptiondvertrag; Schenkung) oder ſchrift⸗
Forma — fFormalvertrag
lihe 5. (Leibrente, Bürgfhaft, Mietvertrag über
Grundftüde u. f. w.) erfordern. Iſt ſchriftliche F.
vorgeſchrieben, fo muß die Urkunde von dem Aus:
fteller eigenhändig durch Namensunterfhrift oder
mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Hand:
zeichens unterzeichnet werden. Bei einem Vertrag
muß die Unterzeichnung der Barteien auf derjelben
Urkunde erfolgen. Aljo genügt Briefwechſel. Wer:
den über den Vertrag mehrere gleihlautende Ur:
kunden aufgenommen, fo genügt e3, wenn jede Bar:
tei die für die andere Partei bejtimmte Urkunde
unterzeichnet. Die fchriftliche F. wird durch gericht⸗
lie oder notarielle Beurfundung erjegt ($. 126).
Die Vorjchriften des $. 126 über die fchriftliche F.
gen im Zweifel aud für die durch Rechtsgeſchäft
ſtimmte ſchriftliche F. Zur Wahrung der F. ges
nügt bier jedoch, ſoweit nicht ein anderer Wille
anzunebmen ift, telegr. fibermittelung oder beim
Bertrage Briefmechfel; wird eine folhe F. ge
wählt, jo fann nadıträglich eine dem $. 126 ent:
fprehende Beurtundung verlangt werden ($. 127).
Dit dur Gejek gerichtliche oder notarielle Beur:
ndung eines Vertrags vorgeſchrieben, jo gendet ed,
wenn zunächit der Antrag und fodann die Annahme
des Antrags beurfundet wird (8.128). Anders, wenn
die F. nur des Beweiſes wegen verabredet war.
3) Privilegien, Erfinderpatente, das Bergmwerlö-
einentum werben nicht anders verliehen als in einer
von der zuftändigen Behörde zum öffentlichen Blau:
ben auögefertigten Urkunde. Selbit der Geſetzgeber
ift an die F. der durch den Drud mwiedergegebenen
hrift gebunden; denn Gejege und Verordnungen
treten heute nirgends in Kraft, fie feien denn in dies
jer 5. öffentlich belannt gemacht.
Forma (lat.), Form; in forma, in aller Form;
in optima forma, in beiter fjorm; in forma con-
sudta, in gewohnter, berlömmlicher yorm; in forma
Den in fundmadhender Form, dur öffentlichen
nichlag; in forma paup£ris, als Armenſache, nad
dem Armenrect; in forma probante, in beweiſen⸗
der, —— Form; pro forma, nur der Form
balber, zum Schein; sub uträque forma (specie),
unter beiderlei Geftalt.
ormäbel (lat.), bildſam.
ormäl (lat.), im Gegenjaß zu Material (f. d.)
alles, was fih auf die Form im Unterſchied vom
Stof oder inhalt bezieht. ze Logik beißt
die Behandlungsweiſe der Logik, nad der in der:
felben allein die Form des Denkens, d. b. die Ein:
ftimmigteit desjelben mit ſich jelbit, mit Abjebung
von dem Wahrheitswerte des Gedachten, berüdfich:
Kgt wird. Kormale Wahrheit nannte Kant die
bloße Übereinjtimmung einer Erfenntnis mit den
logiihen Geſeßen, materiale die libereinftimmung
mit dem Gegenftande. Formale Bedingungen
der Möglicleit der Erfahrung heißen bei
Kant die gejegmäßigen Grundlagen derſelben, wie
er fie in einem Syſtem von an. Begrif⸗
fen und Grundſätzen a priori nachzuweiſen ſuchte;
formaler Idealismus das Ergebnis der Er:
fenntniskritif, wonach alles für ung Ertennbare
bloß als gr Borftellung (aber nur ihrer Form
nad, d. h. jofern fie durch die —— Ge⸗
ſetze unſeres Anſchauens und Denkens beſtimmt iſt)
zu betrachten Hrn (S. Idealismus und Tranfcen:
dent.) Die Etbil Kants liefert nur ein formales,
nicht ein materialed PBrincip des Sittlichen, jofern
fie nur feftjtellt, worin die gejeßmäßige Form des
Sittlihen bejteht, nicht aber eine beftimmte Regel
877,
angiebt, wonach fid in jedem Einzelfall entſcheiden
ließe, wie man zu handeln hat.
ormäl, joviel wie Formaldehyd (f. d.).
ormaldehbhd, Methylaldehyd, der ein-
fachſte Aldehyd (ſ. d.) von der Formel H,CO. Er
entjtebt bei ver Örydation von Metbylaltobol, wenn
man deſſen mit Luft gemengte Dämpfe über
glühende Kupferfpiralen leitet. Man tennt ee nur
in Dampfform und in wäfleriger Löfung. Der F.
befigt einen ſtechenden Gern: er reduziert am:
monialaliihe Silberlöfung unter Bildung eines
Silberfpiegeld. Beim Berdunften feiner Löſung
polpmerifiert er ſich zu feftem Baraformaldehyd;
erbist man diejen mit einer Spur Schwefeljäure
auf 120°, jo entitebt tryftallifierendes Triorgmethy:
len (CH,0),. Die eg gr des 5. iſt eine
ehr große und er findet als ſolcher wie aud in der
orm der Salze ver Doppelverbindungen mit ſchwef⸗
iger, Säure ( ometbplfulfonale) in der Photo:
chemie und als Reduktionsmittel vielfache Verwen⸗
Bun Er wird fabritmäßig bergeftellt und in der
Harbentechnik zur Syntheſe von Anilinfarbftoffen
enußt, da er ſich mit Anilin zuerft zu Diamido:
diphenylmethan kondenfiert, das w Orydation
mit einem weitern Molekül Anilin leicht in Para—
rofanilin übergeführt werben kann. Durch Erſatz
des Anilins mit feinen Homologen läßt ſich eine
oroße Zahl ähnlicher Farbitoffe berjtellen. Die
wäflerige Loͤſung dient unter dem Namen Forma—
lin oder Formol als Antifeptitum,, zur Desinfel⸗
tion und als Ronjervierungsmittel für Nahrungs»
und Genußmittel. Die offizinelle Formaldehyd⸗
löfung (Formaldehydum solutum) ijt eine farb:
loſe, Mare, ftechend riechende, 35*/, progentige wäſſe⸗
rige Loſung, während das Formalin des Handels
meift 40 prozentig ift. Zur Desinfeltion von Wohn:
räumen verwendet man es in Dampfform, oder man
vermischt es mit Ölgcerin (Glykoformal) und zer:
ftäubt e3 zu Nebel. — Vgl. Flügge, Die Wohnungs-
desinfeltion mit $ (Jena 1900); Vanino, Der F.
(Wien 1901); Heb, Der F. (2. Aufl, Marb. 1901);
Goldſchmidt, Formaldehyd (Bonn 1903).
Formalien (lat), gormalitäten, Förmlich—
teiten, was bie Form (bei Rechtsgeſchäften und
———— Handlungen) Ma im Gegenjag
u Materialien, was die Sache je ft betrifit. (©.
orm [in rechtlicher Beziebung).)
ormalin, ſ. —
ormalifieren (fr3.), ſich ſtreng an die Form
halten; etwas in ſtrenge Form bringen.
Formalismus (lat.), dieNeigung, in der bloßen
Form das Weſentliche einer Sache zu ſuchen. So
wirft man ber traditionellen Logik, jo der Kantiſchen
Ethik F. (oft mit dem Beimort: leerer) vor, indem
man vorausjeßt, daß dabei die Materie, der eigent-
liche Inbalt der Sache, zu kurz komme. (S. Formal.)
m geihäftlichen Leben nennt man F. die Art des
erfahrens, die fih genau nad) den zu beobachten:
den Formvorſchriften (f. Form) richtet; namentlich
wird der Ausprud in tadelndem Sinne gebraudt,
wenn jemand durd die Form das Verfahren oder
den Geihäftsabihluß in ungwedmäßiger und bie
Sade benadteiligender Weiſe erihmert glaubt.
Formalitäten, j. Formalien.
Formaliter (lat.), förmlic, in aller Form.
Formalith, mit Formalin (ſ. Formaldehyd)
getränkte Kieſelgurplatten.
Formälvertrag oder abftrattes Verſpre—
ben, Bezeihnung —F die ein Forderungsrecht j. d.)
- 878
—— Verträge oder Verſprechen, welche den
Schuldner lediglich um desmillen binden, weil eine
beitimmte Form (f. d.) angemenvet ift, obne daß in
dem Bertrage die Causa (f. d.) hervortritt. Sehr
ut drüdt das Verhältnid der Causa zu dem Ver:
prechen au der Code civil Art. 1131: «L’obligation
sans CAuse, OU Sur une fausse cause, ou sur une
cause illicite, ne peut avoir aucun effet»; aber
Art.1132: «La convention n’est pas moins valable,
m la cause n’en soit pas exprimde.» Das
Argerl. Geſetzbuch läßt als F. allgemein zuden Wech⸗
fl (j. d.), die — (f. d.), ihre Annahme und
bertragung, ben su md! hen Verpflichtung:
fchein (ſ. d.) oder das Schuldverſprechen ($. 780), das
Schuldanertenntnis und die Inhaberpapiere (f. d.).
Aber au bei diejen Pr dem Schuldner, wenn
ibm ber urfprüngliche Gläubiger oder deſſen Ceſſio⸗
nar gegenüberftebt, der Beweis frei, daß, wie es der
Code civil Art. 1133 auöbrüdt, eine Causa debendi
nicht vorliegt ober bie Causa erlofhen oder nicht
wirkſam geworben ift, oder daß die dem Verſprechen
R Grunde liegende Causa durch das Gefek verboten
ft, den quten Sitten oder der öffentliben Ordnung
widerſpricht. Alſo z. B. daß der Schuldner den Wechſel
gegen das Verſprechen —— habe, der Em⸗
urge werde ihm ein Darlehn zahlen, das Darlehn
ei aber nie gezablt; oder daß der Wechſel über eine
Spielihuld oder die Forderung aus einem reinen
Differenzgeſchaft (f. d.) ausgeſtellt fei, oder daß der
Ausfteller ven Nebmer damit babe au einer unerlaub:
ten Handlung beftimmen wollen; oder daß er zur Zeit
der Ausstellung des Schuldſcheins einen Kaufpreis
ſchuldig geweſen, ber Kauf aber nachher rüdgängig
geworben ſei. Diejelben Einreden ftehen dem Schuld:
ner zu, wenn neuere —* e abweichend vom Gemei⸗
nen Hecht jeden Schuldichein für an ſich Magbar
erllären, aud wenn er eine Causa debendi nicht
wiedergiebt. Die Sache liegt aber ander?, wenn
das Inbaberpapier von einem britten gutgläubigen
Erwerber, oder wenn ein Wechſel oder ein anderes,
dur die Geſetze Fi Hagbar erllärtes Drverpapier
(j. d.) von dem Indoſſatar, welcher den Mangel
einer Causa oder deren Ungültigfeit bei Erwerbung
des Papiers nicht kannte, gegen den Ausſteller
eingellagt wird. — muß der Ausſteller die im
Papier verſprochene Summe zahlen; er fann jedoch
das, was er ſo verloren hat, von dem Nehmer des
iers aurüdforbern, ſei es, weil derſelbe durch die
eräußerung grundlos und zum Schaden des Aus:
—— bereichert iſt, ſei es, weil der Nehmer den
usſteller durch die Begebung des Papiers argliſtig
geſchädigt bat. Ähnliche Verhältniſſe lönnen ein—
treten bei einer Grundfchuld (f. d.) oder bei einer
Hopotbet (f.d.). — F. war im röm. Recht die Stipu:
lation (f. d.), — in Deutſchland niemals Gel:
tung gewonnen bat. fiber eine andere, beute auch
nit mebr gültige Stipulation des ältern deutſchen
Rechts, bei welcher ſich der Schuldner durch fiber:
reihung einer Festuca (f. d.) band, vgl. Schröder,
Deutfihe diechtsgeſchichte (3. Aufl., Cpz. 1898), 8.35.
Auch ein Vertrag, der ein Verſprechen nicht ent:
— ſondern ein Forderungsrecht oder ein ding«
ihes Recht überträgt oder ein dingliches Recht
neu begründet, fann ein F. fein, mie die Gefjion
(f. d.) oder die Auflafiung (j. d.). Das übertra-
ene oder neu beftellte Recht entitebt in der Per:
on des Ermerbers, m! wenn eine Causa nicht
vorliegt, aber der Veräußerer lann diefen Erwerb
anfecten.
Formamid — Formel
Formamid, HCO.NH,, das Amid der Ameiſen⸗
fäure, eine didlidhe, bei 192° fiedende Flüffigkeit,
die durch Erbigen von ameifenjaurem Ammonium
gewonnen wird. %. verbindet ſich mit Chloral zu
—5* ſ. B. 17. [Chloralamid
ormarius (lat.), ein wegen ftrengen Wandels
andern zum Mufter und geiftlihen Grmabner auf:
geitellter älterer Rlofterbruder. In Frauenflöftern
entiprad dem F. die yormarla, die —— in
In mußte, wenn eine Nonne fih mit w tlicen
onen unterrebete.
ormaffociation, j. Analogiebildung.
ormät(lat.),imPBapierbandelundinder Druder:
kunſt die Bezeihnung für die üblihen Bapiergrößen.
n neuefter Zeit wird im Deutſchen Reiche die Ein:
rung beftimmter Bapiergrößen in 12 Normal:
ormaten betrieben, von denen Nr. 1 (33 x 42 cm)
uoleid das amtliche nen (Formatpapier
ft. In der Buchdrucderlunſt iſt F. insbeſondere aud
die Grö —— einer Buchfeite und die dem
entſprechende Einteilungeiner Drudform. Beſonders
lommen Kur 5. in Betradt: Folio: 4 Seiten
eines in der Mittelang beruntergebrochenen Bogens;
Quart: 8 Seiten eines der Laͤnge und der Breite
nab in der Mitte gebrodenen Bogens; Ditan:
16 Seiten eines wie Quart, dann aber noch einmal
der Länge nad von oben nad unten zwifchen den
Seiten gebrochenen Bogens. Es giebt ferner Duo:
de; von 24, Sedez von 32, Ditodez von 36, Bier
undzwanziger von 48 Seiten u. ei Je öfter alje
ein Bogen gebroden wird, deſto Meiner wird fein
und der darauf gedrudten Seiten F. und beito
mehr Seiten entbält er.
er Buchdruder bezeichnet ferner mit F. die zur
Ausfüllung der leeren Räume um die einzelnen
Seiten einer Drudiorm benugten Holj:, Blei: oder
Gifenftege und benen er eine ſolche Breite und
Länge giebt, daß jede Seite ihren richtigen Plas
auf dem gebrochenen Bogen erhält und, wenn das
Bud fpäter gebunden und beſchnitten wird, gleid-
id allen Regeln richtiger und dem Auge gefälliger
aumeinteilung entſpricht. [E. Fasquelie.
—— Charpentier, ſ. Charpentier, ©, &
ormation (lat.), Bildung, Geſtaltung; in ber
Geologie eine Schichtenreibe, die fich durch ihre
Gefteinszufammenfegung, ibre Lagerun ſweiſe und
durch ihre Verſteinerungen (Petrefalten, foſſile
Reſte) als ſelbſtändiges, von den übrigen getrenntes
Ganzes kenntlich madt. Mit Hilfe dieſer Kenn:
zeichen gliedert man die Gefamtbeit der am Aufbau
der Erdfrufte teilnehmenden Schichtentomplere in
eine ey von F. (S. Geologie.) Im Militär:
mwejen bezeichnet $.1) eine organifche Einrichtung,
. . Kriegs: und Friedensformation eines Armee
orps; 2) eine Geltaltung zu befondern taltiſchen
Aweden, j. B. Marjhformation, Gefechtsforma⸗
tion; 8) eine reglementarifche Aufftellungsart: F.
in Linie, F. in Kolonne; 4) die Handlung des For:
mierens, d.b. Bildens: F. eines Truppenteils.
ormationdlehre, ſ. Geologie.
ormatpapier, |. Format.
ormazzathal, |. Bd. 17.
ormbrett, in der Gießerei der ald Boden oder
Dedel dienende Teil des Formlaſtens.
ormbdraht, |. Drabt. j
ormeifen, joviel wie Façoneiſen (f. ——
ormel (lat. formula), für beſondere Fälle vor⸗
geichriebene oder gebräudlibe Worte und Men:
dungen, fo die in zmedmäßiger Weife gemäblten
Formelbücher
Worte, mit welchen im gerichtlichen Verfahren
oder bei Abſchluß von ——— häufig wie:
dertehrende Ausiprüce oder Erklärungen wiederge⸗
geben werben. Sie find bald nur herfömmlich, bald
auch gefeglih vorgeihrieben. So ſpricht man von
Givesiormeln Klagformeln, Urteilöformeln.
einzelnen Fall muß die 5. dem Gegenftande ange
ech werden. Dieje zmedmäßige Anpafjung ber
orte in Inapper und deutlicher Form an das, was
der Redende oder Schreibende beabfidhtigt und er:
ftrebt, iſt nicht immer leicht; deshalb ſpricht man
von einer Kunft zu formulieren, mie fie ſich bei
Stellung parlamentarifher Anträge, bei der Ge
—— der Klaganträge im Civilprozeß, bei der
ageſtellung (f. d.) zeigt. — In der Mathematik
verftebt man unter einer F. den in allgemeinen Beis
hen, — gegebenen Wert einer aus ——
andern zu rag Wir Größe; man unterſchei⸗
det algebraifche, analytische, trigonometrifche u. dal.
.— In der Ehemie bezeihnet man mit 5. bie Zus
ammenjeßung einer Verbindung durch Zuſammen⸗
ellen der chem. Zeichen der einzelnen Elemente der:
elben. (S. Chemiſche Formeln.) j
Formelbücher, Sammlungen, melde im Mit-
telalter in den Kanzleien angelegt wurden, um
Mufter B Urkunden und ce zur Hand zu
haben. Solche Muſter tönnen erfunden fein, wur:
den aber ebenjo häufig wirklichen Urkunden und
Briefen entnommen, meift mit Hinweglaſſung oder
Veränderung des geſchichtlichen Inhalts, da es
nicht ſo fehr auf dieſen antam, als auf die formel:
baften Säße, dur welche ein Scriftjtüd erjt zur
Urkunde wurde. Die älteften folder Formeljamms
lungen —— ſich noch dem Gebrauche der röm.
346 an; zu den berühmteften gebört die des
Marculf aus dem 7. Jahrh. (Val. de Roziere, Re-
cueil general des formules usit6es dans l’empire
des Francs, TI.1, 2 Bve., Bar. 1859—71; Beumer,
Formulae Merowingici et Karolini aevi, 2 Tie.,
in den «Monumenta Germaniae historica» Legum
Sectio V, Hannov. 1882—86.) Die len ſelbſt
wurden im Laufe der Zeit vielfach nach dem Bedürf⸗
niſſe umgearbeitet, und die Zabl Band wird beſon⸗
berg feit dem 11.Jabrb. fehr groß. — Val. Rodinger,
tiber %. vom 13. bis zum 16. Jahrh. als rechtsge⸗
ſchichtliche Quellen (Muͤnch. 1855); derf., Briefiteller
und F. des 11. bis 14. yah. (2 Bbe., ebd. 1864);
Bärwald, Zur Eharalteriftil und Kritik mittelalter:
licher F ien 1858); Dümmler, Das Formelbuch
des Biſchofs Salomo II. (Lypz.1857); Watten⸗
badı, Deutſchlands Geſchichtsquellen im Mittelalter
(6. Aufl., 2 Bde., Berl. 1894); Ofterley, Megmeijer
durch die Litteratur der Urfundenfammlungen (ZI. 1,
ebd, 1885). — Etwas Ühnliches hat man jest in den
Drudvorlagen für Briefe, geſchäftliche Schriftftüde,
——————— Verträ ih . Friedberg, «formel:
ud für Handels, Wechſel⸗ und Seerehht», 2. Aufl.,
Lpz. 1901) u. ſ. w. foviel wie Formal (f. d.).
ormell (fr3.), förmlich, der Form nad; auch
ormelle Wahrheit, das, was die Parteien
nah der Feſtſtellung des rechtskräftigen Urteils in
ihrem Rechtsverhältnis als Wahrheit gelten laſſen
müfjen. Da der Richter, auch wenn er redlich be⸗
ftrebt ift, die Wahrheit zu ermitteln, irren kann,
zumal, wenn ihm falfche Thatjadhen vorgetragen
oder bezeugt find, und da er, menigitens im Civil:
projeh, nur die vorgeführten Beweismittel benugen
ann, jo dedt ſich nicht immer die 5. W. mit der mate⸗
riellen Wahrheit. Ein Mittel, um entdedte Irrtümer
— Formerei 879
nachträglich zu heben, bietet bie ——
(. d.) des ————— Meil auch fie bisweilen zu |pät
tommt, macht ſich die eg rc (f.d.) unſchuldig
BVerurteilter aus öffentliben Mitteln notwendig.
se, 3 ſ. Maſſenmethoden.
ormenlehre, Morphologie, ein in der
Grammatik in verſchiedenem Sinne gehrauchtes
Wort. Teilt man bie 5 Grammatit in F. und
Syntar ein, dann umfaßt die F. alles über das
Wort als einzelnes zu Lehrende, alfo Laut⸗, Stamm:
bildungs⸗ und Flexionslehre; trennt man bie Laut:
lehre ab, dann umfaßt die $. Stammbildung und
Flexion. Häufig wird unter F., wenn keine nähere
ejtimmung hinzugefügt ift, auch bloß die Lehre von
der lerion verftanden. (S. auch Grammatil) .
Formenregal, j. Buhdruderkunft nebit Taf. IL,
.10.
Sormentera, Inſel der en der Pityuſen,
zur ſpan. Provinz der Balearen (ſ. d. und Karte:
Spanienund Vortugad) gehörig, 6 km ſüdlich
von der —— ſel Idiza, von der fie ein tiefer,
a feln reiher Kanal trennt, bat 96 qkm und
—— 2033 Bewohner. F. läuft im O. mit der
ergotuppe Mola (183 m) ſchmal in drei Kaps
aus. Der breitere weſtl. Teil bringt beſonders viel
Weizen (im catalon. Dialeft forment genannt)
— unta de Gala, das Oſtkap, trägt ein
euchtfeuer. F., in der —— Fermentella,
wurde 1232 von Aragonien erobert.
Formerei, bie Heritellung der beim Gufle der
Metalle benusten, nur für einen einmaligen Guß
brauhbaren Gußformen (f.d.). Als Formmaterialien
flegen entweder Sand, Maſſe oder Lehm zu dienen.
Ant and (f. d.), im ae aus Fiejeljäure
mit etwas Thongehalt beitebend, erhält durch Ans
feuchten mit Wafjer die — Bildſamkeit
und muß * durchläſſig für Gaſe und Dämpfe fein,
daß das Metall in vie noch ungetrodnete Gußform
an ag werden kann (Buß in grünem Sande),
wobei die ſich entwidelnden Dämpfe zwiſchen den
Sandtörnden hindurd entweichen können. Maſſe
ift ein mit I Magerungsmitteln (Duarzlörnern,
ebrannter Maſſe, Kols u. a.) vermengter feuer:
—* 5 Die Maſſe — müuſſen, da fie.
undurdläffig für Dämpfe find, vor dem Guſſe ge:
trodnet werden, erhalten dabei aber bebeutende
Härte und in aus diefem Grunde beim Gießen
widerftandsfähiger gegen Beſchaͤdigungen ald Sand:
außformen. Lehm ilt ein mit organifhen Mage
rungsmitteln (Pjerdedünger, Kuhhaaren, Gerber:
lobe) verjegter und durch Zufaß reichliher Mengen
Waſſer in breiartige Form gebrachter fandiger Thon.
Auch die Lehmgußformen müflen vor dem Gufie
getrodnet werben. Um ein Anbrennen des Form⸗
materiald an den Abguß zu verhüten, pflegt man
die Sandgußformen mit Holzloble auszuſtäuben,
die Maffe: und Lehmgußformen dagegen mit 1og-
Schwärze, aus Thonwajler, Graphit und Holzkohle
beitebend, zu überziehen. Die gebräuchlichſte und
wohlfeilfte Herftellungsweife ift die Sandforme:
rei; der zur Verwendung fommende Sand muß ſich
leicht in Formen drüden lafjen, ohne dabei zu zer:
fallen, eine Eigenihaft, die zum großen Teile von
der Geitalt verSandtörnden abhängt. Die Maffer
formerei ift namentlich für große Gußſtücke ge
eignet, welche dicht im Guß fein follen. Lehmfor—
merei wird hauptſächlich dann angewendet, wenn
größere Abguſſe obne Modell, nur nah Schablonen
geformt, bergeitellt werden follen.
880
Um eine Gußform in Sand, Maſſe oder Lehm
berzuftellen, bedarf man einer Vorrichtung, mittel
deren die innern Begrenzungen des jormgebenden
Hoblraums gebildet werben. Hat diefe Vorrichtung,
mie ed meiltend der Fall ift, die Geitalt des zu
ießenden Stüd8, fo heißt fie dad Modell; beitebt
ie aus einer Holz: oder Eifenplatte, deren Rand
nad dem Profil des zu formenden Gegenftandes
ausgeſchnitten ift und durch deren ade im
Kreiſe oder — nach einer beſtimmten
Linie die Gußform in dem weichen Material (Lehm)
ausgearbeitet wird, fo wird fie Schablone genannt.
ur Heritellung der Gußformen in Sand und
aſſe fommen fait nur Mopelle, a Herftellung
‚von Lehmgußformen größtenteild Schablonen zur
Berwendung. Die Kerne (j. d.) werben entweder in
fog. Kernläſten, deren Inneres der Form des Kexns
entiprechend profiliert ift, oder (beſonders Lehm⸗
ferne) mittels Schablonen her ur Modelle
werden beim Mafhinenguß ii immer aus Hola,
beim Dfenguß, Ornamentguß u. a. aus Metall,
beim Guß großer Standbilder aus Gips gefertigt.
Um das Herausnehmen des Modells aus der Guß:
ae
form zu ermöglihen, muß dieſes häufig in meb:
tere genau zujammenpafjende Zeile zerlegt werben
tönen. Einfache ofiene Gußformen werben im
Herde, einer mit Formjand ausgefüllten Vertiefung
des Erbbodend, durch Einklopfen des Modells
bergeitellt (Herpguß); die meilten Gußformen
werden im Yormlajten (ſ. d.) gefertigt; jehr grobe
Lehmgufiormen verfieht man nur mit einem Eiſen⸗
gerippe (freie $.) und gr fie vor dem Guſſe in
die Dammgrube (f. d.). der Kaſtenformerei
D i. bei der Benukung von Formlkäſten) wird das
odell in einen, zwei oder mehr Käjten eingebaut
und alsdann der Sand oder die F eingeſtampft;
die Käſten werden voneinander gehoben und das
Modell wird entfernt. Die De das Modell ge:
bildeten formen werben hierauf mit dafür beitimm:
ten Werljeugen an etwa be en tellen aus:
gebeſſert; es wird der Einguß gebildet und die Form
ausgeltäubt oder geſchwaͤrzt. Werben bei irgend
einer Gußform Kerne gebraucht, fo legt man dieje
ein, nachdem alle Arbeiten vor dem lebten Zu:
ſammenſetzen beendet worden. ferne von größerer
Fänge müſſen, um ſich nicht durchzubiegen, durch
ſog. Kernſtützen geſtütt werden. Man fertigt dieſe
aus verzinntem Blech entweder als doppelte, die man
jwiichen zwei Kernen oder auch zwiſchen Kern und
Formerei
— einlagert und deren Höhe alſo gleich ver
anditärte des Gußſtücks ift, oder als einfache mit
langem Stift, dejien aus dem Abguß bervorragen:
des Ende fpäter een werben muß. (Eine Guß:
form im Formlajten ift im Artitel Gußformen [f.d.)
abgebildet.) Zur Heritellung gemifjer gormenbraudt
man Formmafdinen (f. d.).
Als ein Beiipiel für die Herftellung von Guß—
formen in Lehm ohne Formtaften mit Hilfe einer
Schablone kann die in Fig. 1 und 2 veranihaulicte
Anfertigung einer größern Glodengußform die:
nen. Fig. 1 ift die im Entjteben begriffene, Fia. 2
die fertige Gußform. Dan pflegt dieje Gußformen
ohne weiteres in der Dammgrube, in melder
ie ſpäter — werben ſollen, aufzufübren.
us Lehmziegeln mauert man auf dem Boden der
Dammgrube zunächſt dad Fundament a und
chlichtet deſſen Oberfläche mit Lehm. Wagerechte, im
ndament ausgeiparte Ranäle dienen zum Ab—
eiten der fih beim Gieken entwidelnnen Dämpfe.
Dan ftellt nun in die Mitte der Dammgrube eine
eiferne Spindel b, welde fi an ihren Enden in
Lagern dreht und durch irgend eine einfache Bor:
richtung in genau lotrechter Stellun
erbalten wird. An dieſer Spin
wird mit Hilfe eines ſchmiedeeiſernen
Arms die Holzihablone d derar⸗
tig befeftigt, daß fie ſich leicht im
Kreiſe er läßt. Unten gleitet jie
auf dem geſchlichteten Fundament
Man mauert nun von unten ber ven
Kern c aus Lehmziegeln allmäblid
auf und überzieht ibn mit Lehm, wo:
bei vie Schablone gedreht und fo eine
ganı genaue Formgebung ermög-
iht wird. Im Innern bleibt ver
Kern hohl; au am Kopfe läßt man,
wie Fig. 1 erlennen läht, vorläufie
eine 7—— frei. Nun wird der
Kern durch ein ringsherum oder aud
im Innern entzündetes Koblenfeuer
getrodnet, alsdann ausgebejlert und
mit einem Anftrih aus Aſche ver:
eben, welcher das Anbaften ver folgenden Lebm:
hit verhüten fol. Aus der Schablene ſchnei⸗
det man, wie bie punltierte Linie in Fig. 1 am
giebt, fo viel heraus, als die Wanpftärfe ver zu
gießenden Glode beträgt, bringt auf den Kern eine
neue Lehmſchicht, drebt fie mit der ausgeſchnitte
nen Schablone ab, trodnet und jhlichtet nach dem
Trodnen mit feinem Lehm, genau paßt.
Dieſe Lehmſchicht pflegt das Hemd der Gußform
genannt zu werben; jie bilvet das Modell zur Glode
und entipricht an ihrer innern und äußern Begren:
zung volljtändig dem jpätern Abguſſe. Die linke
Hälfte der Fa 1 zeigt den Kern mit dem aui:
etragenen Hemde. Soll die Glode erhabene In:
riften oder Verzierungen erhalten, jo modelliert
man fie in Wachs und beftet fie an den betreffen⸗
den Stellen auf das Hemd auf. Pepteres wird
ebenjalls mit Aſche angeftrihen, dann folgt das
Auftragen des Mantel? e aus Lehm mit ein
gelegtem Eijengerippe, und — da er ziemlich
did fein muß, in mebrern Schichten übereinan:
der, welche jedesmal getrodnet werden oe die fol⸗
gende Sicht aufgebradht wird. Die Arbeit pflent
aus freier Hand zu a, das Eijengerippe
wird aus Stäben gebildet, welche dem Umriſſe der
Gußform entiprehend gebogen und durch Drabt
—
Formes — Formlade
verbunden werden, ſo daß ein förmlicher Korb ent⸗
ſteht (Fig. 2). Einzelne vorſtehende Enden dieſer
Stäbe tönnen zum Heben des Mantels benußt wer:
den. Wenn der Mantel fertig — und ge⸗
trocknet iſt, wird er mit Hilfe eines Krans vom
Hemde abgezogen, beifeite geftellt, ——— und
verpußt. Die aus chs gefertigten Modelle
—— ſchon beim Trocknen
—— man unter Benußung eines Meißels das
d, w
es east vom Sterne, beſſert au
füllt ihn im Innern mit Sand oder Kolsſtücken
wodurch die Anhäufung erplofibler Gaſe im In⸗
nern verbütet wird) und fchließt die obere Öffnung
mit Lehm, in welchen man den Klöppelbügel jo eins
drüdt, daß feine Enden in die Gußform binein«
ragen und beim Gufje vom Metalle umbüllt wer⸗
den. Nunmehr wird der Mantel über den lern ger
jest, wobei feine richtige Stellung durch das Auf:
einanderpaflen der Flächen am Fuße (des ſog.
Schloſſes) geſichert iſt. Zuleßt folgt das Einfegen
des über einem Wachsmodell in Lehm beſonders
eformten Kronenjtüds fin bie zu diefem Zmede
rrei gelaflene Öffnung des Mantels. In dem Kron⸗
itüde find Wintpfeiten (f. Pfeife) für die einge
ſchloſſene Quft ſowie die Eingußlanäle angebradt.
Die Gußform wird dann mit Sand umftampft. —
Vgl. Uhlenhulh, ——— Anleitung zum For⸗
men und Gießen (3. Aufl., Wien 1892); Novotny,
= —————— in Lehm und Sand (2. Aufl.,
ebd. I ).
ormes, Rarl Joh. Baifift, geb. 7. Aug. 1810
u Mülheim a. Rh., betrat 1842 in Köln ald Sas
taftro die Bühne und wurde 1845 Mitglied des
Hoftheaterd zu Wien. Nachdem er von dort 1849
megen feiner Beteiligung an der Revolution hatte
weichen müflen, gaſtierte er auf deutſchen, ruff. und
[rar Bühnen. 1852—57 wirkte er an der Stalienis
chen Oper zu London; als er 1874 wieder in Berlin
auftrat, war feine ſchͤne Stimme bereits ſtark ver
braucht, und nad) wenigen Jahren fand er nur noch
an unbebeutenden Theatern Untertunft. F. ftarb
15. Dez. 1889 als Gefanglehrer in San Francisco,
In feiner Glanzzeit, während der er über eine ges
radezu lolofjale Stimme verfügte, bemunderte man
ihn in den für ihn gefchriebenen Partien des Falftaff
(eRuftige eiber») und Plumkett («Martha»), aber
auch als Saraftro, Marcel, Bertram u. ſ. w. Seine
Memoiren «Aus meinem Kunft: und Bühnenleben»
(Köln 1888) veröffentlichte W. Koch.
Formes, Theod., Tenorift, Bruber des vorigen,
eb. 24. Juni 1826 zu Mülheim a. Rh., zei
rn muftlaliihe Begabung und betrat in Dfen
zum erftenmal die Bühne. 1851—64 wirkte F. ala
raus. Nun zer:
es feine Aufgabe erfüllt hat, entjernt
diejen aus,
881
anz.reform. Gemeinde zu Brandenburg, 1737 Bro«
eſſor der Beredfamkeit und 1739 Profeſſor der Phis
oſophie am franz. Gymnafium in Berlin. Er wurde
1748 Sekretär ber Berliner Alademie, 1778 Sekre⸗
tär bei ver Eule Henriette Marie, 1788 Direl:
tor der philof. Klaſſe an der Alademie und ftarb
7. März 1797 in Berlin. Außer mehrern fiber:
feßungen geb er feit 1733 mit Beaufobre und fpd«
ter mit de Mauclerc die «Bibliothöque germanique»
(25 Bde.) und dann die «Nouvelle Bibliothöque
germanique» (25 Bde.) heraus. Mit Berard fchrieb
er ein «Journal littöraire de l’Allemagne» (2 Bde.),
ferner ein — «Mercure et Minerve» (Berl.
1738). Außerdem u. er über Kirchengefchichte
(1763), über Phyſik (1770), den «Anti-Emile» (1762
—64) und «Choix des m&moires et abrégé de
l’histoire de l’Acad&mie de Berlin» (4 Bde. Berl.
1761), ferner «Elementa philosophiae sen Medulla,
Wolfiana» (1746), «La belle Wolffienne» (6 Bde.,
Haag 1741—583), 46 Lobreden, eine «Encyclopsdie
portative» u. ſ. w.
Formia, ehevem Mola di Gaeta, Stabt im
Kreis Gaeta der ital, Provinz Gaferta, am Nord:
ende des Golf von Gaeta, an der Linie Sparanife
Gaeta des Mittelmeernepes, beftehbt aus Über
und Unterftabt, bat nal! 8108 &,, einen Hafen
und lebhaften Handel. — 5. ift das alte Formiä
an der Via Appia. Die Stadt erhielt nad) der Uns
terwerfung von Patium und Gampanien von den
Römern 338 v. Chr. das röm. Bürgerrecht ohne die
polit. Rechte und 188 v. Ehr. das vollftändige Bur⸗
errecht. Gleich andern vornehmen Römern befaf
icero hier ein Landgut, fein Formianum.
ormiäte, vie Salze der Ameifenfäure.
ormioa (lat.), Ameife; F.rufa, ſ. Waldameife.
‚ Yormica, Eiland im Tyrrheniſchen Deere, weſt⸗
fi von Monte⸗Criſto, ift 11 m hoch und trägt einen
Leuchtturm. — Ebenfo beißen einige Inſelchen bei
yedia und eine der Agadiſchen aha im W. von
icilien, mit Leuchtturm, auf welcher 1276 Johann
Eicilianern die Siciltanifhe
—* ſoll.
at. Name der Ameiſen (f. d.).
erstere at.), furchtbar, grauenerregend.
ormieren (lat.), bilden, gejtalten, auf: und
zufammenftellen (Truppen); 30 rmierung, foviel
wie Formation (f. d.). nn
—— (lat.), ſ. Ameiſenkriechen.
ormkaſten oder Formlade, eine kaſten⸗ oder
rahmenartige Einfaſſung der Gußformen aus Sand
oder Mafle (f. Gußformen), welche es ermöglicht,
von PBrocida mit andern
Veſper verabredet
Formicidae,
te | fie auseinander zu nehmen und wieder zufammens
pujeben, fie von einem Orte nad) einem andern zu
ringen, und welche beim Gießen fie befähigt, dem
gefeierter erjter Tenor am Berliner Hoftheater, bes | Drude des eingegojienen fluſſigen Metalls den er-
— ſich darauf auf Gaſtreiſen, die ihn bis in die
abana führten, und tebrte 1871 an die Berliner
Oper zurüd. Aber ſchon 1873 mußte er ala unbeils
bar —— nach Endenich gebracht werden, wo
er 15. Olt. 1874 ſtarb. F. Tenor war ebenſo voll
mie umfangreich. Muſilaliſche Schule und treffliche
Darſtellung vollendeten ſeine kunſtleriſchen Eigen⸗
ſchaften, die —* zum — 7 Repräfentanten
eines Raoul, Eleazar, Robert, —— Othello,
Prophet, Lohengrin, ndo u. |. w. machten.
Formen (jpr. -meb), Job. Hein. Sam., pbilof.
und tbeol. Schriftfteller, geb. 31. Mai 1711 zu Ber:
lin, jtammte aus einer Familie franz. Refugiss,
ftudierte Theologie und ward 1731 Prediger der
Brodhaus’ Ronveriations-Berikon.. 14. Aufl. R. A VI.
forderliben Widerſtand entgegenzufeßen. Die F.
Jind faft immer aus Qußeifen gefertigt und beſtehen
in den meiften Fällen aus zwei aufeinander fteben«
ven Zeilen, vem Oberkaſten und en deren
erfterer fentreht von dem lehtern abgehoben wer:
den kann. Im übrigen giebt ed auch breis und
vierteilige F., ſolche, melde in wagerechter Ric»
tung auseinander genommen werben, u.a. m. Die
Beihaffenbeit und Größe der herzuſtellenden Guß⸗
formen muß für die Einrihtung der F. den Aus:
flag geben. Gußftüde, im F. gegofien, nennt man
Raftengußftüde, das Verfabren der Anf igung
der Gußformen die Raftenformerei. (S. For:
Formlade, f. Formtaiten. [merei.)
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Förmlicher Ungriff oder Belagerung,
das fchrittweife metbodifhe Vorbringen gegen eine
Feſtung unter Benußung künftliher Dedungen und
mit Anwendung von Belagerungsartillerie, verbun⸗
den mit Vernichtung ber — Verteidigungs⸗
mittel der Werle, worauf dann das gewaltſame
Eindringen mitteld eines Sturmes erfolgt.
Über die Formen de3 F. A. in frübern eis
ten vom Altertum bis gegen das Ende des 17. Jahrh.
ſ. ——
r alle von dieſem Zeitpunklt an bis zur Gegen:
wart geführten Belagerungen oder ——
ſtungsangriffe iſt die von Vauban eingeführte Ans
griffsmanier mehr oder weniger maßgebend geweſen,
und feine Grundprincipien werden, wenn he
Angriff in Zutunft nicht mebr den fehnifchen fr
en allein zufallen, jondern hauptſächlich durch die
nfanterie geführt werben wird, für die Verwendung
der eritern immerhin niemal® ganz wertlos ſein.
Baubans Angriff (ſ. Fig. 1) richtete ſich negen
eine aus zwei Bajtionen und dem dazwifchenliegen:
Fig. 1.
den Ravelin beſtehende ſog. Angriffsfront.
Dieſer gegenüber erfolgte, nad Beendigung aller
Vorbereitungen, das Ausbeben der Laufgräben der
eriten Barallele, welche die Angriffäfront gürtel-
artig umgab und bis über die gedachten beiderfeiti:
gen Berlängerungen der Kurtine hinausragte. Die
erjte Parallele ward gewöhnlich 500—600 m vom
Glacis, d. b. außerhalb der Wirkungsweite des Kar:
taiſchfeuers, angelegt; wenn Gelände und fonftige
Umftände es geitatteten, war es vorteilhaft, die
Parallele vom Glacis nur 800—400 m entfernt ans
ulegen, woburd Zeit und Arbeit gefpart wurde.
e —* der Barallele mittelö der fluchtigen
Sappe (f. d.) erfolgte gewöhnlich des Nachts und
zwar fo geräufchlos ald möglich, damit die Arbeit
dem feinde verborgen blieb und weder durch Feuer
noc durch Ausfälle geftört würde. Um die Arbeiten
der erſten Nacht zu deden, hob man ſtarke Dedungs-
truppen vor die EN ee vor, wäh:
rend rüdwärtö Referven in Bereitibaft gebalten
wurden. Nah Vollendung der Parallele 309 man
die vorgefhobenen Truppen zurüd; ein Teil von
ihnen (Trancheewache genannt) befehte die Pa⸗
rallele. Zur gebedten rüädwärtigen Verbindung der
Förmlicher Angriff
eriten Barallele wurden Kommunilationen ausge:
boben (j. Laufgräben). In, vor oder hinter der erjten
Barallele wurden die Rikoſchettbatterien (2),
Enfilierbatterien (4), Wurfbatterien (3),
bisweilen auh Demontierbatterien (1) erbaut.
Es war Grundfaß, das Feuer aus den eriten Bar:
terien nicht früher zu beginnen, als alle Batterien
fertig waren, damit die Feſtungsartillerie ſich nicht
mit liberlegenbeit gegen einzelne Batterien wenden
tonnte. Sobald es gelungen war, durch diefe Batte⸗
rien das feuer ber Teftungsgeicüge einigermaßen
u dämpfen, warb unter ihrem Schuße zur zweiten
Barallele —— Man brach zu dem Ende
aus der erſten Parallele an mehrern Stellen und
zwar in der Nähe der verlängerten Kapitalen ber
angegrifienen Werke (d. b. möglichit innerhalb des
unbejtrienen Raums) mit Approden im Zid:
zad vor und umſchloß die Angrifisfront mit einer
neuen Zaufgrabenlinie, der zweiten Parallele, wobei
meijt die flüchtige Korbfappe angewandt wurde. Sie
ward 250—300 m vom Glacis angelegt, ihre Flügel
* wurden in der
Es Negel zurüdges
bogen und an
die erfte Baral»
lele angelehnt.
In ihr wurden
Demontiers
batterien (5)
und Wurfbat⸗
terien (6) ange
legt; inzwiſchen
ward das
aus den
rien der eriten
Barallele fortge
fest, ſoweit fie
durch Dieporbern
Angrifisarbeis
ten nicht mas
fiert wurden.
Aus der zweiten
Parallele ging
man mit der
R flüchtigen Korb»
fappe (f. Sappe), bei beftigem Feuer des Bertei-
digers mit der völligen sah mc d. b. ſchrittweiſe
vor und legte auf balber Entfernung bis zum ge
bedten Wege eine fog. halbe Barallele an, bie
mit leichten Mörfern bejest ward, um den Feind aus
bem gededten Wege zu vertreiben. Sodann wurbeam
be des Glacis die Dritte Barallele angelent;
in dieſer aufgeftellte Mörferbatterien (7)
warfen das Innere der Bon der dritten Pa⸗
rallele aus fuchte fih der Angreifer in den Befis des
ebedten Weges zu feben, entweder durch gemalt:
ame Erftürmung oder Durch fchrittweifes Vorgeben
mit der doppelten oder Wütrfelfappe; längs der
Glacisltete ward die Glacidtrönung, gewifler:
maßen eine vierte Barallele, erbaut und in diejer die
Brefhbatterien und die Konterbatterien
angelegt. Etwaige Blodhäufer in den Waffen
pläpen des gebedten Weges mußten einzeln er
obert werden. In dem Raume zwiſchen der brit:
ten Parallele und der Kontereslarpe ward inzwis
fchen unterirdifch der Minentrieg geführt, indem
der Angreifer zunäcdft fein Vorgehen gegen ver
gededten Weg durch Minen unterftügte, bie
weilen ſogar die Herftellung der Breſche im Haupb
Förmlicher Angriff
wall auf diefe Weife anftrebte, während der Vertei⸗
diger durh Konterminen dem unterirdifchen
Vorgeben des Angreifer entgegentrat und deſſen
Angriffsarbeiten zu ftören ſuchte. Bon der Glacis⸗
krönung aus erfolgte der Bau des Orabennieder:
gang (Defcente), d. h. eines geficherten Weges
von ber iäfrönung aus nad dem Fuße ber
Ronteredlarpe, hierauf der Bau de Grabenübers
gang s, d. b. eines geficherten Weges vom Fuße der
ontereölarpe aus über den Graben bis zum Fuße
der inzwiſchen entweder durch dad der Breſch⸗
batterien oder durch Minen bergeftellten Breſche,
egen die num der Sturm unternommen warb.
ß d ſich hinter der Breſche ein Abſchnitt, ſo konnte
das nicht ohne weiteres durch Sturm genom⸗
men werden, ſondern der Angreifer mußte uvor
auf der Breſche feitfegen, Beihüs hinaufſchaffen
und gegen den Abfchnitt ebenſo verfa wie vor:
ber gegen das Wert felbft. Mit der Eroberung des
Me
N \zwischge-:
— — u
— —
N — —— =
Nr ranıpı 3E —
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883
wieder verloren ging, ſobald der Angreifer ſich auf
dem gededten Wege feſtgeſetzt und bier feine Bat⸗
terien errichtet batte.
Hielt der Kommandant der belagerten Feitung
alle Widerſtandsmittel für erfhöpft, glaubte er die
Verteidigung nicht mehr mit Ausſicht auf Erfolg
fortfegen zu lönnen, und wollte er, nad Herſtellung
einer gangbaren Brefche, es nicht auf die Erftür:
mung bed PBlapes anlommen laflen, die häufig zur
Niedermepelung der Garniſon und zur Plünderung
ber Stadt führte, fo zeigte er ma Aufzieben der
weißen Fahne und Chamadeſchlagen 1‘
feine Bereitwilligleit zur Kapitulation an.
Das Auftreten der enen Geſchutze wirkte
hamade)
a0
d d Baus
banfen SU Jundht nur In der Hirt ein, Dub
den vergrößerten Schußmweiten entfprechend aud bie
verfchiedenen Entfernungen fidh änderten, während
die Grundzüge des Verfahrens im allgemeinen dies
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Sig. 2.
twalles war gewöhnlich der Fall des Platzes
—— Be en nd “> J Fr —
nern.
Die Mittel der Verteidigung, die dazu dien⸗
ten, den Gang der Angrifidarbeiten aufzuhalten,
beftanden in Ausfällen, im Artilleriefeuer , welches
des beijchränttern Aufftellungsraums und ber wer
er günftigen Schußrihtungen halber ſelten eine
Überlegenheit über die Batterien des ——
erringen vermochte; in der ——
wehrfeuers gegen die nähern Angriffsarbeiten; im
Minentrieg, der erſt in der legten Periode der Be
erung fi entwideln fonnte, in welcher auch das
enfive Element der Ronterapproden zur
nwendung fam. Das Übergewicht, welches dem
Angreifer in ber erften Periode der Belagerun
naturgemäß zufiel, trat fpäter immer mehr zurüd,
weil durch die vorfchreitenden Angrifisarbeiten das
Feuer der rüdwärtigen Batterien oft masliert ward;
jeitweife — dann ſogar die Verteidigung ein
gewiſſes Übergewicht über den Angriff, was aber
im | zahlreichen Belagerungen franz. Feit
n.
felben blieben. In diefer Art find im allgemeinen die
enim friege
1870—T1 durchgeführt worden. Die fortgeiehte
Bervolllommnung ber Gefüge, verbunden mit der
Einführung neuer Treib: und Sprengmittel, brachte
in neuefter Zeit auf dem Gebiete des Biuns
baues wie auch in den zunädjt nur auf die Theorie
beichräntten —— über die Durchführung des F. A.
eine völlige Ummälzung hervor.
Der neuere F. A. geht von dem Gedanlen aus,
daß die Belagerung, d. b. die Feſtungsſchlacht, nad
—— taltiſchen Grundſaͤhen geleitet werben
muß wie eine Feldſchlacht, wenn auch, dem Charalter
des Seltungs rieges entiprechend, andere, d. b. ftär«
tere Mittel zur Anwendung ko mmen.
Die nt eines Schenas, wie es bei den
raumlich beichräntten Angrifföfronten der frübern
eftungen und bei ber geringen Tiefe des Angriffs,
ei der Ioftematifihen Gliederung der dem Angrei
vorher betannten Feſtungswerle und bei dem Bor
wiegen der Thätigleit der Specialwaffen zwedmäßig
56*
884
erjheinen konnte, ftößt auf deito größere Schwierig:
keiten, je größere Räume die Feſtungslämpfe beans
ipruchen, weil bie ge des Geländes dabei einen
beitimmenden Emfluß ausübt, je mehr der Verteidi-
ner feine nen diefem angepaßt bat, und je
nebr die Infanterie an der Dur) übrung des Ans
geile beteiligt wird. Man muß fich deshalb darauf
eihränten, Brincipien für Angriff und Berteibi:
gung aufgufe en und die Mittel vorzubereiten, um
allen ſich bietenden Schwierigteiten ohne Zeitwerluft
begegnen zu lönnen.
ad Bild, welches man fi zur Zeit Iren‘ vom
Verlauf des Angriffs aufeine Fortsfeſtung
(1. Fig. 2) macht, ift ungefähr folgenbes:
5* Stadium: Die Vorbereitung. Der An-
greifer beginnt mit der Einſchließung der Feitung,
indem er die Vortruppen des Verteidigers fo weit
aus dem Vorfelde verbrängt, daß er auf 4—5 km
von dem Fortgürtel feine Stellung nehmen kann.
Hierbei wird es möglich fein, den Rieſenfeſtungen
egenüber einzelne ven Ausfallbemegungen der Be
* ungünftige Abſchnitte nur mit kleinern
—— zu beobachten. Trifft der Angreifer
auf improviſierte vorgeſchobene Stellungen, wie
1.2. — oſen ſie ausführen wollen, ſo muß er
dieſe zuerſt nebmen und deshalb ſchon von Anfang
an ſchwere Beihüge (befpannte Belagerungsge:
Ihüße) in Thätigkeit ſehen, um die deltungsgrjchüpe
Sicherheitsarmierung, melde jene Stellungen
unterftügen, zu befämpfen. Füur die Wahl ver an-
reifenden —— (2—3 detachierte Forts) iſt in
er Linie dad Vorhandenſein einer oder bejler
zweier Eifenbabnen bejtimmend, wegen der Beför:
derung bed maflenhaften Belagerungsmaterials.
Man braucht mehrere $ngenieurbelagerungsd:
trains J d.) und, um bie ſtarke Geſchußdotierung
einer großen Feſtung zu übermwältigen, auch mehrere
Artilleriebelagerungstrains (f. d.), deren
Material mar nit, wie früher, in einem einzigen
großen Ingenieurhauptdepot und Artilleriebelage:
rungspart ——— ſondern ſofort in lleinern
Parls jo im Gelände verteilt, wie es die geplanten
Urbeiten, beſonders die gruppenweife Anordnung
der Batterien günftig erf einen lafjen. Diefe Parts
werben mit der Entlabeftation durch Schienenwege
verbunden und ebenfoldhe jpäter nad allen Batte:
rien geführt, um ben Munitionderjah zu ermög:
lien. —— Bereitſtellung aller Mittel für die
aufenthaltlofe energiſche Durchführung des Angriffs
fann man in das zweite Stadium, den Fernan—
griff der Artillerie, eintreten. ,
äbrend bes erften Etadiums bat bie Infanterie
verfucht, mit — der erwähnten mobilen
ſchweren Gefüge foviel Terrain zu gewinnen als
möglich, fo daß man bereitö eine Anzabl der indirel-
ten Batterien gededt im Gelände erbauen konnte,
Um den Aufmarfch der gefamten Artillerie zu voll-
enden, wird eine hupft ellung notwendig, welche
nicht wohl näber als auf 2000 m an die Syortlinie
beranzurüden ift. Die Erbauung und Armierung
der Batterien erfordert jedenfalld mehrere Nächte.
Man ftellte vor kurzem die Forderung auf, daß nur
eine einzige ſolche Artillerieitellung auf 2—3000 m
und zwar überrajchend berzuitellen und zu eröffnen
ſei. Gran kann aber bezweifeln, ob die hiermit ver:
bundenen Schwierigleiten und enormen Arbeits:
leiftungen überhaupt zu ——* ſind, muß an⸗
dererſeits einräumen, daß eine berraſchung anz
unmöglich iſt, wenn der Verteidiger den Racdridien.
Förmlicher Angriff
dienſt entſprechend ausnugt und zu diefem Zwed
nur fchrittweife, dem Angreifer meihend, das Bor:
eld räumt. Möglicherweie wird man gezwungen
ein, den Angriff mit einer weiter entfernten Staffel
Einleitungsbatterien) zu beginnen und dur eine
weite näher berangejhobene balvigit vervolls
migen Der Angreifer hat aljo eine hr ſchwere
rbeit, wenn ber Verteidiger feine Geſchutzſtellung
ſchon vervollſtändigt hatte bei Eröffnung des Ge—
fhüßfeuers, und lann an der Herftellung ber zwei⸗
ten Staffel wohl ganz gehindert werben.
Die Artillerieftellung bat die Aufgabe, zuerft Die
deftungsartillerie — ————— hierzu iſt ſie
nur inſoweit im ſtande, als dieſe ungedeckt auf offe⸗
nem Wall oder in offenen Batterien ſteht, und zwar
lann ſie mit Shrapnels gegen die Bedienung, mit
Sprengſtoffgranaten gegen die Geſchütße und ihre
Bettungen wirken. Die Hauptrolle müffen die Steil:
feuergeihüpe hierbei übernehmen, weil auch der Ver⸗
teidiger jeine Geihüge meift aus gut masherter
Stellung indirekt feuern läßt. Wenn möglich, ſucht
man Geradfeuer, Schrägfeuer und Steil:
feuer gegen jede Geſchützſtellung zu vereinigen.
Gegen gepanzerte Geſchüte wird, zumal bei mas:
kierter Stellung, eine Wirkung aus der fog. Ar:
tilleriebauptftellung nicht zu erreiben feim
und die Aufitellung einiger Batterien ſchwerſten
Kalibers in größerer Nähe ver Objelte (bis 1000 m)
notwendig, aber erft möglich, wenn der Infanterie:
angriff hinreichend weit vorgeichritten ift. Die zweite
Auigabe der Artillerieftellung ift die Vernichtung
der pafliven Mittel der Verteidigung: Zeritören
einer Dedungen und Vernichten feiner Sturmfrei:
eit. Sie ift um fo ſchwerer zu erfüllen, als eritere
elbjt gegen die ftärfiten Sprengitofflabungen der
chwerſten Granaten fiber find und die Verteidi:
gungsmittel gegen den Sturm meijt jeder Artillerie:
wirkung entzogen find (Slanlierungsanlagen und
Hindernifie an der Konterestarpe, Sturmaeichüße in
Sentpanzern). In Ermangelungrreeller Erfolge alau:
ben mande deſto größere moralijche durh Mürbe—
machen derin den Hohlräumen befindlichen Befasung
mitteld Detonation von Sprenggranaten zuerreichen.
Aud nah Niederlämpfung der Beim sſgeſchũtze bat
die Artillerie die (dritte) Aufgabe, die Feſtungswerle
derart unter Feuer zu halten, und das ganze Gelände
Bisen und binter ihnen fo zu beitreihen, daß der
erteidiger nicht im jtande ift, gegen die das Bor:
feld überfchreitende Infanterie Gefhüb oder Ge
wehr anhaltend zur Anwendung zu bringen. Auch
dieje Aufgabe ift fehr ſchwer zu löjen, weil der Ver:
teidiger aus wechſelnden Aufftellungen hinter dem
Fortgürtel jehr wohl auf die jih ıhm näbernden
Angriffsarbeiten fo lange wirken kann, bis der An:
greifer auf die foviel größere Entfernung ihn zu ent:
deden und zu beläftigen im ftande ift. !
Drittes Stadium: Der el) wird von
der Infanterie durchgeführt und nimmt feinen Aus:
gang von einer breit ausgedehnten, die jämtlichen
angegriffenen Werte umfafjenden, aber nicht zu:
fammenbängenden Stellung, welche man durd Ein:
raben der Schübenlinien möglichſt nabe an ber
Sertinie berftellen wirb: der erften Infanterie:
tellung. Sie wird, foweit das Gelände keine ge
dedte Annäberung geitattet, mit rüdwärtigen ge
dedten Verbindungen zu verfeben und auch nach
vorwärts durch * mit den der Feſtung immer
näher ruckenden Infanterieſtellungen zu verbinden
fein. Bon dem Vaubanſchen Schema, welchem fib
Förmlicher Angriff
in der Form diefe Annäherungswege immer ähnlich
geitalten werben, weicht aber der Infanterieangriff
dadurd ab, daß jeine Annäherungsarbeiten nur ihr
und nicht der Artillerie dienen, aljo auch nur ſchmal,
aber tief gebaut, ohne Rüdjiht auf Geihüb- und
Munitionstransport nur Schub und Verteidigungs⸗
fähigkeit gewähren follen. Während die Linien des
Vaubanſchen Angriffs nah vorn immer ſchmaler
der Breiche als einzigem a er ſich näher:
ten, müfjen bie des modernen Angrifjd nad vorn
immer mehr fih zufammenfhließen und nit nur
den Forts, fondern aud den een und
— — gegenüber ſich zut Sturm⸗
ellung vereinigen, welche auf etwa 200 m von
den Werken den vordern Abſchluß des Infanterie⸗
angriffs bildet. ER
ollte e& der Artillerie gelungen fein, die Sturms
are der Werte weſentlich zu beeinträchtigen, oder
ollte der Angreifer die nötigen Mittel befigen, fie
in lürzefter geilt zu befeitigen, fo ift anzunehmen,
daß aus der Sturmitellung heraus der Sturm gleich»
zeitig gegen die Werte und Intervalle unternommen
und in diefem Augenblid das Artilleriefeuer auf
das Gelände hinter der Gürtellinie (gegen len
und um die eigenen Truppen nicht zu gefährben)
erichtet wird. Die Sturmtolonnen werden ſich aus
ammenfegen aus einer Infanterieabteilung, melde
an der Glaciätrete und gegenüber den Stüßpunkten
der Intervalle v. ſ. w. 4 nieberlegt, um bie In⸗
fanterie des Verteidigerd unausgeſeht zu beſchießen,
aus Pionierabteilungen, welche Hinderniämittel zu
bejeitigen, Gräben zugänglich, Slantierungsanlagen
unſchädlich zu machen haben, aus den eigentlihen
Eturmabteilungen, melde in die Stellungen ein-
dringen, aus ibren Referveabteilungen, welde un:
mittelbar zu folgen, und aus einer Hauptreferve,
welche für alle möglichen Vorkommniſſe ſich bereit
u halten bat. Dem Sturm wird eine energiiche Be:
—*8* unmittelbar vorangehen, und man jchlägt
vor, durch plögliche Unterbrechungen ven Verteidiger
wiederholt an bie Feuerlinie zu loden und dann mit
Geſchoſſen zu überjchütten, um ihn fturmreif zu
machen, ein Unternehmen, welches ein tadellojes
Sineinandergreifen aller Faktoren und große Leicht:
(äubigleit der Befakung vorausfegt. Ihr Gewehr:
euer wirkt kräftig genug, wenn fie auch erſt ihre
Feuexſtellung einnimmt, nachdem die Sturmtruppen
ihre Dedungen verlaſſen haben.
Treffen die obigen Vorausſetzungen nicht zu, b
wird aud der legte Zwiſchenraum nod mit künſt⸗
lihen Dedungen zu überjcreiten fein, ein bisher
noch ſehr fraglich erjcheinendes Unternehmen, weil
jedes Geſchoß des Verteidigerd die Dedung zeritört.
Hier muß die Technit eingreifen, um neue Dlittel zu
finden, und hauptſächlich der Mineur zur Thätigleit
lommen, um auf unterirdiſchem e die Sturm:
reiheit zu vernichten. Der hierdurch bervorgerufene
inentrieg wird fi aud neuer Mittel, wie des
Galeriebaues mit Mafchinen, bedienen.
Nah Durchbrechung des Fortgürteld wird der
Angreifer vorausfihtlih auf eine Zwiſchenſtellung
fioßen. Der Kampf um diefe, wie um die Stadt⸗
ummallung wird aber nur eines abgelürzten Ans
ariijs bedürfen.
Die Verteidigung gegen den * A. hat deſſen
— — verhindern oder, falls dieſes un⸗
moglich, die Eroberung des Platzes bis zur außer⸗
hen Erſchöpfung der Streit⸗ und Lebensmittel au
verzögern. Zu dem Zwed ift zunächſt das Vorjeld
885
dem Gegner ftreitig zu machen durch Zeegrörung der
Kunftbauten an allen ihm nötigen Verbindungs⸗
linien, durch zeitweifes Feſthalten befonbers mid.
tiger Buntte im Borgelände (dem Angreifer unent:
bebrliche Artillerieftell ungen), wobei es ſich aber ſtets
um Sceinftellungen handeln wird, welche den Ans
ge zur Entwidlung ſtarler Kräfte zwingen om
* verurſachen und Einblick gewinnen laſſen
in ſeine Abſichten. Zur Unterſtüßung dienen alle
Mittel eines aut organifierten Nachrichtenſyſtems
(Telephone, Telegraphen, Brieftauben, Signale,
Beobabtungsftationen, Fellelballons u. f. w) und
eine gut bediente Siherbeit3armierung mit
weittragendem Geihüs. Die umfangreiben Bor
bereitungen für ven Angriff müfjen dem Berteidiger
die Pläne des Angreifers verraten, und die Artillerie
giebt ibm die Mittel, dagegen zu wirlen. Große
Ausfälle werden, wenn nötig, zur Gewißheit führen
und, im richtigen Augenblid unternommen, aud
wichtige Arbeiten des Angreifers zu ftören und zu
vernichten im ftande fein. Die Artillerie lann und
muß, fobald die Abfichten des Angreifers geflärt
find, verftärkt und an den Ausbau der Jnternall:
Rampfbatterien gegangen werben, Diefe finden
ihren Schuß binter der Infanterieftellung, melde
auf allen dem Angriff ausgefesten Fronten bereita
vorbereitet war und mit allen technifchen Mitteln
ausgebaut wird (Hindernifle, Unterftände, Fahr⸗
panzer). Sind die angegriffenen Forts nicht mebr
zu bebaupten, jo wird eine zweite, mebr proviſoriſch
eingerichtete , zwiichen Fort und Hauptummallung
liegende Awilhenfte [ung bejegt und in dieſer
der Kampf fortgeführt, Die lebte Periode bildet
dann die Verteidigung der Hauptummwallung (Kern⸗
ummwallung), wobei indeſſen Geſchützſtellungen außer:
m der Werte leineswegs ausgeichloflen find. Die
‚nfanterie bat eine ihrer Hauptaufgaben in dem
eithalten des Vorfeldes behuſs Ausnukung des
Gewehrfeuers, Beobadten aller Maßnahmen des
Angreifer und Benupen jeder günjtigen Gelegen»
beit zu Offenfivftößen (BaRTELn — ſuchen. Sie
giebt ibre Scheinftellungen vor ber Übermadht auf
und fucht, unterftüßt durch die Artillerie, dem Geg⸗
ner das Feſtſeßen zu erſchweren. Ein ferneres Mit
tel der Verteidigung liegt im Minentriege, durch den
dem Angreifer ſowohl das se an
erichwert, ald das Vorgehen mit Minen von feiner
Seite unmöglich gemacht werden foll. Die unbalt-
bar gewordenen Werle des Fortgürteld wird man
durch Minenanlagen rechtzeitig zu zeritören und ber
Ausnugung durd den Angreifer zu entziehen fuchen,
Sind alle Mittel und Kräfte im flampfe um die
Hauptftellung eingefebt, fo wird bie Verteidigung ber
Kernbefeftigung bald mit völliger Erfhöpfung enden.
Angriff und Berteidigung folder
Behungen, welde nur eine Hauptummal«
un haben, werden nad ähnlichen Grundjägen
wie bei einer Sortäfeftung durchgeführt. Bei Heinen
Pläpen wird ed, in Anbetracht der geringen Kräfte
und Mittel des Berteidigers, in ben meiften Fällen
dem Angreifer gelingen, feine Artillerieaufftellung
näber an die Wälle beranzulegen und mit ihr ben
rößten Teil des Platzes zu beſchießen. Eine von
Bier aus angeorbnete kräftige Beſchießung des In⸗
nern kann dann unter fonft günftigen Berbälts
niſſen wielleiht ſchon die fibergabe der Feſtung
berbeifübren.
Anariff und Verteidigung von Sperr:
fortd. Der Angreifer wird daburd, daß er das
886
Fort mit feiner Artillerieftellung (fchwere Artillerie
des Feldheers) ganz umſchließt, im ſtande fein,
das Innere von mehrern Seiten unter euer zu
nehmen, einzelne Linien im Rüden zu beſchießen und
hierdurch die Befasung in die Unterfunftäräume
zu treiben, Gelingt es nicht ſchon auf diefe Weife,
die libergabe des Forts zu erzwingen, jo wird man,
da derartige Pläke der Offenfiotraft gänzlich ent⸗
bebren, die erfte Infanterieitellung auf 300—400 m
neben und der Beſchießung einen mit allen
techniſchen Hilfsmitteln ausgerüfteten Sturm direlt
folgen lafien (abgelürzter nor): die allge
meinen Grunbfäße erleiden aber feine Underung.
Die Verteidigung eines Sperrforts wird ſich
im Hinblid auf die ſchwache in mm und verhält:
nismäßig geringfügigen Rampfmittel auf die reine
Defenfive beichränten müjlen; die Wirkung der Be
fees ift durch Unterbringung der Bejakung in
ombenfihern Untertunfträumen nad Möglichteit
u beihränten und der Feind zur Durchführung des
5 A. zu zwingen, indem jedem Sturmverfuh mit
allen Kräften entgegengetreten wird.
Örmlichkeiten, ſ. Formalien.
ormloſe Sprachen, ſ. Sprachwiſſenſchaft.
ormmaſchine, eine Vorrichtung, welche bei
Herſtellung von Gußformen (f. d. und Formerei)
aus Sand oder Maſſe die Handarbeit zum Teil ent:
bebrlid machen foll, indem fie entweder das Feſt⸗
drüden (Feititampfen) des bildfamen Formmaterials
bewirtt, oder das Modell raſcher und mit größerer
Sicherheit, ald e8 dur Handarbeit möglich ift, aus
der Gußform berausbebt, oder auch, indem fie ein
toftfpieliges, bei Handarbeit unentbebrliches odell
durch eine einfachere Vorrichtung erjeht.
Die zuerit erwähnte Aufgabe wirb mitunter durch
Anwendung medan. bewegter Stampfer häufiger
mit Hilfe einer böliernen oder eifernen Platte er:
It, welche dur — Hebels, einer
raube oder einer andern Vorrichtung das in
einem Formtaften (f. d.) befindliche
zufammendrüdt.
Als ein Beiipiel derjenigen F., welche das Her:
ausbeben des Movells bemwirten, kann die in
38 1abgebilvete dienen. a ift das Modell, auf einer
atte beieitigt, welde in Zapfen drehbar ift und von
dem Hebel b aus geboben und gejentt werben kann.
c ift die eine Hälfte des Formkaſtens (f.d.), in welchem
die Gußform bergeitellt werden ſoll. d ift ein Hei:
ner Wagen, auf welchem der Formlaſten nad ber
enbigtem Einformen unter der Modellplatte hinweg
vorgezogen werben lann, um von der Maſchine ab-
eboben zu werden. Beim Einformen wird die
odellplatte fo gedreht, daß das Modell fi oben
befindet, und durch die beiden am Kopfe der Stän⸗
der —— Schrauben in dieſer Lage feſtgehal⸗
ten. Dann wird der Formlaſten (ebenfalls in um—
gelehrter Lage als in der nt) darauf geſeßt,
durch Dübel, mit Keilen over in fonjtiger Weiſe bes
—* und mit Formſand gefüllt, welcher in ent⸗
prechender Weile feitgeitampft wird. Nun dreht
man die Platte jamt dem auf ihr eg Form:
taften jo, daß fich lekterer unten befindet, fentt fie,
bis der Formlaften auf dem Wagen d jtebt, löjt die
Verbindung zwiſchen Mopdellplatte und Formtaften
und bebt eritere jamt dem Movell empor in die
gezeichnete Stellung. Der Formlaften ift nun frei
und lann von der Maſchine abgeboben werben.
Für das nen der zweiten Gußformbälite
pflegt bei Maſſenanfertigung eine zweite ebenſolche
ormmaterial
Förmlichkeiten — Formmafdine
F. in Bereitſchaft zu fteben; anbernfall® müßte man
die Movdellplatte mit der für die zweite Hälfte er-
orderlihen vertaufhen. Die Anwendung jolder
. fann nur lobnend erſcheinen, wo eine ei
ab! gleicher Abgüfle gefertigt werben joll; im
diefem Falle aber ermöglicht fie eine nicht unerheb⸗
fig. 1.
liche Zeiterjparnis und die Erlangung genauerer
Abguſſe, da jede er ng der Gubform beim
Heraudnehmen des Modells vermieden wird.
Nicht felten findet man bei einer und
5. eine Borrihtung zum Feitprüden des Form⸗
materiald mit derjenigen zum SHerausbeben des
Movelld vereinigt. Bei der in Big 1 abgebildeten
mejgine würde 3. B. eine folhe Vereinigung mög:
lid jein, wenn oberhalb ver Movdellplatte eine zweite
Bene angebradıt wäre, gegen welche der auf der
odellplatte ftebende, wir Sormfand gefüllte Fotm⸗
kaften gebrüdt würde.
F. der britten oben erwähnten Gattung finden
vornehmlich bei Anfertigung von Zahnrädern Ber:
wendung. SolheZahnradformmaidhinen find
in neuerer Zeit in verjchiedenen äußern Formen ge
baut worden; alle aber jtimmen darin überein, daß
att eines vollen Movells des Zabnrades nur ein
es, zwei Zähne entbaltendes Segment zur Ber:
—— gelangt, welches in — geregelter, der
Zabnteilung des betreffenden ades entiprecbender
Formol — Formoſa (Inſel)
Weiſe nach und nach im Kreiſe herumbewegt wird,
o daß auf dieſe Weiſe ih Zahn an Zahn anformen
bt. Umftebende Fig. 2 zeigt die Einrichtun
einer derartigen —3 ormmaſchine. a iſt
das Modell der beiden Zähne, welches mit Hilfe
des Handrades c in beliebigem, dem Teillreishalb⸗
meſſer des herzuſtellenden Rades entſprechendem
Abſtande von dem Ständer der Maſchine ſich ein:
ftellen läßt. d ift der Formlaſten, auf einem eijer-
nen Tiſche rubend und mit diefem im Kreife dreh⸗
bar. Die Drehung wird durch die vor dem Form:
kaften fihtbare Kurbel bewirkt; eine Anzahl Getriebe
(Wechjelräder) übertragen die Bewegung auf. die
unterhalb des Tiſches gelagerte Welle, von welcher
aus fie durch eine Schnede auf einen an dem Tiſche
—* Zahnlkranz übertragen wird. Durch Aus:
wechſelung jener Getriebe ijt man nun im jtande,
diefe Bewegung in jedem einzelnen Falle jo zu
regeln, daß eine ganze oder halbe Umdrehung der
Kurbel jeveömal einer Drehung des Tiſches um
genau eine Zabnteilung des ———— Rades
entſpricht; daß aljo 4. B. beim Einformen eines
Rades mit 24 Zähnen eine Kurbeldrehung ven Tiſch
amt dem darauf befindlichen Formlaſten um ein
ierundzwanzigſtel des Streijed dreht. Nachdem
aljo mit Hilfe des Zahnmodells a ein Zahn ein:
geformt worden tft, wird das Modell durch Drehung
des Handrades b aus der Form berausgeboben,
dann wird der Tiſch um eine Zahnteilung gedreht,
das Modell gejenkt, ein neuer Zahn eingeformt
u. ſ. m. Die Zahnradformmaſchinen erjparen nicht
nur die Heritellung eines Modells, jondern ermög:
lien auch eine weit genauere Arbeit, ald es bei
Handarbeit möglich ift. Die Zähne der Räder haben,
ohne des Nacharbeitens zu bedürfen, genauen Ein:
geil, und gerade diejer Umſtand bildet einen wejent:
ihen Vorzug des Formens mit Maſchinen. In
Eiſengießereien, welche häufig Zahnräder fertigen,
finden daher die F. eine ausgedehnte Anwendung.
ormöl, j. Formaldehyd.
ormonitril, ſoviel wie Blaufäure (f. d.).
ormöfa, malaiiih Pelan oder Pekando,
rg (b)aiswän (nad der frühern Hauptitadt),
Wſel, unmeit der Süboftlüfte Chinas, durd die
Strahe von Fu⸗lien vom Feſiland getrennt, erjtredt
ſich von 25° 18’ bis 21° 53’ 30" nörbl. Br. mit einer
Zänge von 895, einer Breite von 123 km und
einem Flächeninhalt von 34 753 qkm. (6. Neben:
karte zur Karte: Japan und Korea.)
Ein von der Nordojtipige F.s (Kap Pitau) bis
um Südlap (Garampi) ftreihendes Faltengebirge
Mount Morrifon oder Niitalajama, 4145 m, der
böcite Berg des R Reichs) bildet vor:
wiegend die Waſſerſcheide. Weitlich von dieier Gen:
traltette Mitala⸗Kette) zieht ſich parallel zu ihr eine
Nebentette Kali⸗Kette), welche im Tolu⸗ſan 2830 m | to
erreicht. Eine dritte Baralleltette zieht entlang der
Dfttüfte (Taitosflette) und iſt bis 1550 m hoch. Im
DW. breitet ſich eine größere Ebene aus. Bei der
geringen Breite der Inſel find die Fluſſe nur von
geinger Entwidlung und wegen ftarten Gefälles,
Klippen und Untiefen mit Ausnahme zweier nicht
ſchifſbar. Die Weftküfte ift geglieverter und reicher
an Buchten und Anterplägen als die Oſtlüſte. Das
Hochgebirge befteht bauptiählih aus alten Scie-
fern und feyftallinifchen Kallſteinen, welche im W.
und D. von Tertiärjchichten bededt find. An der
Bildung der Süpfpige find Korallen beteiligt, vurd:
brochen von Tuff. Es befinden ji auf F. viele Vul⸗
887
tane, Solfataren und heiße Schwefelquellen, au
ir» Erdbeben —5 — doch iſt die —
atur des Mount⸗Morriſon feit feiner erften Be
fteigung (1896) feftgeftellt.
, e) ora zeigt einen faft chen Eharalter,
indem bier der fümale, noch men, Lorbeer⸗
bäume u. f. w. wild enthaltende Kuſtenſtreifen Sud⸗
oſtaſiens unter dem ſe aus ale Viele
Do anen Ja aus China eingeführt. Die
Wälder find an Holzarten für den Schiff« und
Häuferbau, enthalten die Mutterpflange des Agal⸗
locheholzes, Rampferbäume und verſchiedene Ges
würzpflanzen. Die Fauna bietet31 Säugetierarten,
11 davon find eigentümliche, die andern ſüdchineſ.
und ind. Formen. Unter ihnen finden u ann
Hunde und andere Fledermäuſe, ein Affe
—— Wagl.), Maulwurfe, verſchiedene fliegende
ichhornchen, Griſons (Galictis), Schweine, eigent⸗
liche Hirfche, jalhirſche und Schuppenliere.
Vögel wurden 144 Arten entdeckt, von welchen 110
=: den benachbarten Kontinent bewohnen; auch
die 34 eigentümlichen Arten find nahe mit indischen
oder ſudchineſiſchen verwandt.
Über das Klima jtellen ſeit 1897 die og ver
in fünf meteorolog. Stationen regelmäßige Beob⸗
achtungen an. Der kältefte Monat tft der ‚Februar,
der wärmijte der Juli. Die Luft ift jehr feucht; Sir
lung batte 1898: 52384 mm Niederſchläge; die
mittlere Regenmenge in Tamfui ift 1927 mm. Von
großem Einfluß ift der Kuro-Siwo (f. d.) und die
nordfüpl. Richtung der Hauptgebirgstette.
Die jeßige Bevölkerung 3.8 iſt hauptſächlich
hinefifh, und zwar meiſt aus Fu⸗-kien ag ger
nannt), dann aud aus Nordchina (Halla) jchon
— dem 15. Jahrh. eingewandert. Das Panne
m ND. bewohnt eine ethnographiſch ſelbſtändige
Raſſe, Tſchhi⸗ oder Tichin:hoan, d. i. rohe Barbaren
enannt. Der Reft gehört der malaiiſch-polyneſ.
ppe an; man unterjcheidet darunter die Lam⸗ſi⸗
hoan im &,, nur malatifch fpredhend, die halbkulti-
vierten Sel:boan, d. i. civilifierte Barbaren, in den
Vorbergen ringd um dad Hochgebirge, meijt chine⸗
ſiſch ſprechend, und endlich die Pe:po:hoan, d. i.
Barbaren der Ebene, auf der ganzen Weitebene,
nur chineſiſch verftehend. Die Einwohnerzahl ſrecht⸗
lihe Benölterung) betrug ohne die wilden Einges
borenen des Gentralgebirges Ende 1900: 2729965
(1486168 männl. und 1243797 weibl.), darunter
32 120 Japaner, d. i. 79 auf 1 qkm. F. früher ein
Zeil von Fustien, bildete ſeit 1885 eine eigene Pros
vinz Chinas, deren Hauptitabt von Thaiswansfu (f.
Thaimman) nad dem neu erbauten Thaispe:fu (. d.)
verlegt wurde. Die Japaner, an die F. 1895 abge:
treten wurde, teilten die Inſel in acht Diftrilte, wozu
die Pescadores (f. Bong:hu) als befonderer Diftrikt
mmen, und unterjtellten fie einem Generalgouver:
neur. F. hat 8 Städte mit mehr ald 10000 €.
Die wichtigſten Erzeugniffe find Erdnüſſe, Sud⸗
früchte (namentlich im ©.), Hanf, Nußhölzer, Rob:
len, vor allem aus den Gruben zwiſchen Ki⸗lung
und Tamsfui, Betroleum, Reis, Salz, Schwefel (300
— 420000 kg jährlich), Sefam, Zabat, Thee, bejon:
derd aus dem Norden, und Zuder. Die Ber:
dehrsmittel find noch unzureichend. An Sa
babnen befteben die Meran na —— ais
pe⸗ fu⸗Shintſhiku ——— und Thai⸗ nan⸗Ta⸗kau.
Die Telegraphenlinien haben 367 km Länge. Den
Fremden geöffnete Häfen jind Thai⸗ nan und Ta⸗lau
im ©., Tam-jui und Ki⸗lung im N., fowie andere
888
1897 und 1899. Der Schiffsverlehr in den Hä-
en 5.8 betrug (1898) im Eingang 4328 Schiffe mit
282819 Regiftertong, darunter etwa 200 Dampfer,
im Ausgang 4182 Schiffe mit 281 197 Regiſtertons.
Die Ausfuhr (vorwiegend Thee, Zuder, Reid und
le) betrug 1898: 128 1899: 11,1 Mill, die
na 16,9 und 14,3 Mill. Yen.
eſchichte. Die erſten Anjievelungsverfuche
der Holländer (1634), der Spanier und der Japaner
waren ohne dauernden Erfolg. Nachdem 1871 die
Bemannung eines japaniſchen, an die Oſtküſte ver:
ſchlagenen Schiffs durd den Stamm der Butan
rößtenteild ermordet worden war, landeten japan.
ruppen, ba die chineſ. Regierung bie Verantwortung
ablehnte (April 1874). Die Eingeborenen wurben
8* ‚weitere Verſtärlungen folgten; die
neſicherfeit⸗ geſtellte Forderung der Räumung
wurbe zurüdgemiejen, und nur den Bermittelungen
des engl. Gejanbten Bartes gelang es, einen chineſ.⸗
| Krieg abzuwenden. Am 31. Dit. 1874 ward
tgejest, daß Japan un von F. zurüdzieben und
500000 Zaeld Kriegsen hädigung von China er:
balten jolle. 1884 während des Krieges mit China
(l. —— bemädtigten ſich die Franzoſen unter
‚ourbet 4. Olt. der Stadt Ki⸗lung, vermochten aber
die Roblenbergwerte nicht zunehmen und erlitten vor
Tam⸗ſui eine Niederlage (8. Dit.). Eine Blodade
ber ganzen Inſel blieb unwirkjam, die Cholera for:
berte viele Opfer, und erft der Friedensſchluß (Juni
1885) befreite die Franzoſen aus +3 üblen Lage.
Durch den Frieden von Shimonojeli (f.d.) wurde 5.
1395 an die Japaner abgetreten. Doch empörte ſich
der ehemalige chineſ. Gouverneur und erllärte die
ei zur Republit, Der Aufitand konnte erft am
nde bed jahres na —— der Schwarzflaggen
unterbrüdt werden. Die Nie — neuen
Aufſtandes 1896 gelang dagegen leichter. Doch gebt
die endgültige Unterwerfung nur langjam voran.
— Bol. Imbault:Huart, L’ile Formose. Histoire
et description (Par. 18): Kirchhof, Die ..
3. (in «Betermanns Mitteilungen», Bd. 41, Gotha
1895) ;Clart, Formosa (Schang:hai 1896); Me. Kay,
From far F. The Island, its people and missions
2. Aufl., Edinb. und Lond. 1896); Ogawa, Geogr.
eſchreibung der Inſelgruppe von F. (japaniſch,
Totio 1896); Perkins, Foreign Office. Report on
F. (2ond. 1896); Johniton, China and F.(ebd, 1897);
Rieß, Geſchichte der Inſel F. (in den «Mitteilungen
der deutichen Geſellſchaft Tür Natur: und Völker:
kunde Ditafiend in Tofio», 1897); Wirth, Geſchichte
3.3 bis Anfang 1898 (Bonn 1898); Pidering,
Pioneering in F. (Lond. 1898); Fifcher, Streifzüge
durh F. (Berl. eu all Unjere geogr.
Kenntniffe von der Inſel Taiwan, mit Karte
1:1000000 (in «Betermanns Mitteilungen», Gotha
1900); von Richthofen, Geomorpholog. Studien
aus Ditafien III (Berl. 1902). — Karten: de Bil:
lard, Karte der Inſel % (Schang:bai 1895); Land»
tarte der Inſelgruppe Tai-wan (Zotio 1896); Map
of the island of F. (1:200000; 14 Bl., ebd. 1900);
Map of F. (1:400000; 6 Bl., Rebultion der vorigen
Karte, ebd. 1901).
Formöſa, Gobernacion der Argentinischen Res
publit, an der Grenze gegen Paraguay, zwiſchen
Rio Bilcomayo und Teuco:Bermejo, dem Paraguay
und der Provinz Salta, umfaßt die weiten, kaum
erjorjchten Ebenen des Ehaco Eentral (f. Karte: La
VBlata:Ctaatenu.f.w.), 107 258 qkın mit (1895)
4829 E,, d.i.nur 0,05 auf 1 qkm. Der Hauptort
— — — — — — — — — — —— nn — — — —
Formoſa (Gobernacion) — Formſtecherei
F., am rechten Ufer des Paraguay, hat 1537 6.
eine Schule und ein Zollhaus. %. wurde errichtet
nad dem Eroberungszug des General Bictorica
gegen die Indianerftämme der Cbaco 1884—85.
ormöja, rumän. Name der Stadt Kagul (f.d.).
ormöfabai, in Ditafrita, ſ. er
ormofafafan, |. Faſanen nebit Tafel, Fig. 3.
ormöfe, ein Gemenge verjchiedener zuder:
artiger Subftanzen, das beim Behandeln von
Bormaldehob mit Kaltmild bildet. In demfelben
efindet ſich unter anderm Acroje (f. d.).
— * eb. um 816, wurde
von Nikolaus I. zum Kardinalbiſchof von Oporto er-
— 866 als röm. Miſſionar zu den Bulgaren gr
andt, war Bertrauenäperjon ber Päpſte Hadrian I
und Johann VIII. Dann verlor 5. plöglid bie
päpitl. Gunft. Johann VIU. ertommunizterte ihn
876 auf einer röm. Synode, hauptjächlich weil er
fih an einer Verſchworung gegen Kaijer Karl den
Kahlen zu Gunſten Ludwigs des Deutſchen beteiligt
* Papſt Marinus IL nahm ihn 883 wieder in die
irche auf und im Sept. 891 wurde er ſelbſt Bapit.
Er Fe in den Wirren der griedy., deutſchen und
fränt, Kirche mit größter Strenge. Gegen ben von
ibm felbft zum Kaiſer gefrönten Serien Guido von
Spoleto rief er den deutſchen König Arnulf zu Hilfe
und trönte ihn 896 ald Kaijer. Bald darauf, 4. April
896, ftarb er; fein zweiter Nachfolger und lang:
jähriger Gegner, Stephan VIL., hielt über ihn 897
wegen wiberrechtliher Bejigergreifung des päpftl.
Stuhls ein ſchmachvolles Totengeriht. Seine Leiche
wurde aus dem Grabe geriflen, der päpjtl. Gewan ·
der beraubt, durch die Straßen geſchleiſt und end-
lih in den Tiber geworfen. aber furje
bernab Stephan jelber erdrofjelt worden war, lief
deſſen zweiter Nachfolger, Papſt Theodor IL., die
Leiche des F. wieder aus dem Waller ziehen und
feste jie in der Peterskirche bei. Ru
Formphenetidid, aus Parapbenetibin und
Ameijenefter gemonnene chem. Berbindung, in glän«
enden, bei 69° ſchmelzenden Nadeln tryftallijierenp,
dient als Antiſeptikum. > ,
Formiand, etwas thonhaltige Sandſchichten,
die in ber Formerei (f.d.) zur Herftellung von Sand»
formen Anwendung finden und namentlich inner
balb ver tertiären Formation (Brauntoblenbildung),
feltener in diluvialen Ablagerungen vorlommen.
eg lg erei, die Runit,
durch Ausſchneiden in Holztafeln erhaben jtebende
Mujter hervorzubringen, welche zum Abdrud mit
Farben auf Kattun und andere Gewebe, auf Papier:
tapeten, Wachstuch u. f. w. beftimmt find. Sie üit
aljo mit der Holzichneidelunft (ſ. d.), welde zum
Drud in der Buhdruderprefle arbeitet, nabe ver:
eſchichtlich die Mutter derfelben. Der
medan. Zeil beiber Ihätigleiten beftebt darin, die
jenigen Zeile einer auf das Holz getragenen Seid
nung, melde fi nicht abdruden follen, vertieft
auszuſchneiden. Der Formiſchneider hat es aber
meih mit gröbern, mafjıgen Zeichnungen, der Holz:
ſchneider faft nur mit jeinern Zügen zu tbun, deren
volltommene Ausarbeitung weit ſchwieriget iſt. Da:
ber kann ſich erſterer verſchiedener Stecheiſen, bie
jenen der Bildhauer bei Holzarbeit ühnlich find, be
dienen, während der Zylograph beinahe alles mit
Grabſticheln (früher mit einem Meffer) in der Art
des Kupferſtechers ausjticht.
Formipracen, |. Sprachwiſſenſchaft.
Hormftecherei, |. Formſchneidekunſt.
wanbt und
Formſtift — Fornix
Formftift oder Gala ftift, quadratiſcher Nas
gel ohne —*— Einſchlagen in Stiefelabjäge.
Yormtauben, Ziertauben, welche wie die Kropf⸗,
Pfauen⸗, Hühnertauben u. f. w. wegen ihrer eigen-
tümlihen Körperform gezüchtet werden.
ormübertragung, |. Analogiebilvung.
ormüla (lat.), Formel (j. d.); F. concordiae,
Rontordienformel (f.d.); F.juramenti, Eideöformel;
F.consensus helvetlci, helvetiſche Konjenjusformel.
Formulär (neulat.), die vorgefchriebene Weiſe
einer Handlung, Rede oder Schrift; im Handels:
weſen Bezeihnung für gedrudte Vorſchriften (Sche:
mata), in welchen nur die zufälligen, im einzelnen
Fall veränderlicen Beitandteile ausgefüllt werben,
. B. Avisbriefe, Wechſel, Cheds, Duittungen,
achtbriefe, Deflarationen u. ſ. w. j
Formulärprozeh, eine Form des röm. Eivil:
prozejled. Der Magiitratus, bei dem die Barteien
ihren Prozeß anmeldeten, veranitaltete eine Borver:
bandlung (VBerbandlung in jure), deren Ziel und
Enbrefultat die jchriftlihe Redaktion einer Formula
war, d. h. eines Schriftjtüds, welches zunächſt eine
beftimmte Perjon aus der Gejchworenenlifte zum
Nichter im vorliegenden Falle ernannte und dann
diejem Judex in beftimmt formulierter Weije den
Auftrag gab, entweder zu verurteilen oder freizu⸗
jprechen. Die Rechtsfindung jelbit, die Entſcheidung
ener Alternative, war dann Aufgabe des Ver:
Inhrens vor diefem Judex (Verfahren in judicio),
er Magiitratus konnte übrigend die Formula
aud) verweigern (formulam = actionem denegare,
j. Denegatio actionis), wenn er fidy überzeugte, daß
die Klage aänzlic grundlos ſei. Die Formulae
machte der Magiſtrat nicht für jeden all ganz ver:
ichieden, fondern es ftellten jich im Lauf der Praxis
jür ** Kategorien von Klagen beſtimmte For—
mulare feſt, welche dann einen Beſtandteil des
magiſtratiſchen Edilts bildeten. Durch das Edikt
(f. d.) und durch die Möglichkeit des actionem dare
und denegare batte es der röm. Magiſtratus in
der Hand, das Rechtsſyſtem in der Praris zu er:
änzen und umjugeltalten, indem er mit neuen
ormulae neue Klagen ſchuf. Auf diefem Wege
ift mamentlid das prätorijche ten zum
chwerpunkt der ganzen röm. Juſtiz und Rechts—
mwijlenihaft geworden. Der F. hat unter feinen
verſchiedenen Eigentümlicpleiten und Mertmalen
eins, das bejondere Hervorhebung verdient, näm—
lih: daß nur auf Geld verurteilt wurde, alfo jeder
geltend gemadte Anſpruch in Geld umgeſetzt wer:
den mußte, wenn er aud ein dinglicher war. Fi
—— Falle erließ der Judex zunächſt einen Be
fe l (jussus oder arbitratus), den erhobenen An:
pruch direlt zu befriedigen; die Verurteilung zu
Geld erfolgte erft, wenn diefem Befehl nicht genügt
wurde. —— ift der F. erſt in der röm.
Kaiferzeit mit dem Ablommen der Geſchworenen—
gerichtöverfafjung und dem Auflommen der jog. Ex-
traordinaria cognitio, d. h. dem Verfahren, wo der
angegangene Beamte, ohne einen Judex zu ernennen,
felbft entſchied. Zu firieren ift diefer Zeitpunkt nicht.
Formulieren, in eine beitimmte Ausdruds:
form bringen, j. Formel.
Formül (von formica, Ameife), das Radial der
AHmeijenjäure, bejteht aus je einem Atom Waſſer⸗
ftoff, Koblenftoff und Sauerftofj, HCO, und ift in
der Ylmeijenfäure, HCO-OH, mit Hypreryl, OH,
ormöljodid, |. Jodojorm. [verbunden.
oxrwöllänre, joviel wie Ameifenjäure.
889
ormältrichlorid —— trichloratum),
foviel wie Chloroform (j. d.).
emzahl, Vollholzigkeitszahl, in der
b tlihen Baum: und Beitandsfhäßung derjenige
ecimalbruch, ven man erhält, wenn man mit dem
NK einer Walze, die denfelben Durchmefler und
diefelbe Höhe hat wie der Baum, in den Inhalt des
legtern bividiert. Man unterjheidet Baum, Schaft:
und Derbholzformzahl, je nahdem man den Inhalt
des ganzen Baums jamt Reilig, oder nur den bes
Schaftes, oder nur den des Derbholzes (j. Holzauf:
bereitung) in Rechnung jtellt. Ferner unterfheibet
man Brujtböbenformzahl, für melde die Grund:
ftärte in Bruſthöhe (jegt allgemein 1,5 m vom Boden)
gemefjen wird, und ehte oder Normalformzahl, für
welche dieſe Me ung nicht in konſtanter HÖ ons
bernaneinem in beitimmtem Berbältniszur deitels
Pr elegenen Buntte erfolgt. —— ſind die ge
räudlichern, leßtere und andere haben fich nicht bes
währt. Die F. werden mit Hilfe einer großen Anzahl
gefällter, ganz genau berechneter Probeſtämme er:
mittelt und fönnen mit Borficht wieder zur Schägung
ganzer Beitände angewendet werben, wenn von
diefen dur direlte Mefiung die Summen ſämt⸗
licher Kreisflähen (Grundftärten) aller Bäume und
deren durchſchnittliche Scheitelhöhe beftimmt wurbe.
Hätte man 3. B. für einen Beitand die Stamm:
grundflähe (Summen jämtliher Grundftärten) mit
45 qm, —* durchſchnittliche Scheitelhoͤhe mit
25 m durch ung beitimmt und lönnte [hägungs»
weife oder na robeunterfuhungen die Baum
formzabl mit 0,52 annehmen, fo entbielte der Te
45 X 25 X 0,52 = 588 fm Holzmafje. — Bol. Baur,
Holzmeßlunde (4. Aufl., Wien 1892); derf., Die
Nichte in Bezug auf ee! Zuwachs und Form
(Berl. 1877); derf., Die Rotbuche in Bezug auf Er:
trag, Zuwachs und Form (ebv. Bonn nze, An⸗
leitung zur Aufnahme des Holzgehaltes der Walb⸗
bejtände (2. Aufl., ebd. 1891); derſ., Neue Methode
zur raſchen Berechnung der unechten Schaftform⸗
Bi der Fichte und Kiefer (Dresd. 1891); ferner
dellen Arbeiten im «Tharandter forjtlihen Jahr:
ornatatien, f. $ornar. lbuch⸗ (Dresden).
ornarina (ital. — * Bäderin), Bezeichnung
für die angebliche Beliebte Raffaels, die Tochter
eined Bäders in Rom, deren Züge er in mehrern ſei⸗
ner Frauengeſtalten (Sirtiniihe Madonna, Donna
Velata) verherrlicht haben fol. Die unter dieſem
Namen betannten Bilonifje find das in den Uffigien
zu Florenz (1512, wahrſcheinlich von Seb. del Biombo
gemalt) und bejonders das Raffael zugeſchriebene
im Palazzo Barberini zu Rom.
Fornag (lat., d. i Badofen), röm. Göttin,
welcher zu Ehren die Fornalalien (im Februar
an einem alljährlih näher zu beſtimmenden e)
efeiert wurden. Dabei wurde nad) altertümlicher
Weiſe Dintel (far) in folhen Öfen gehe. Das
ejt wurde als Vollsfeſt von den 30 Rurien, unter
Veitung des Curio maximus, begangen. Wer zu
dem Feſt nicht erichien, hatte die Feier an ben
Quirinalien, 17. Febr., nachzuholen, eine eier
welche das Feſt der —— (Feriae stultorum)
genannt wurde, weil es von jolden begangen wurde,
die ihre Kurie vergejlen hatten.
Fornifänt (lat. fornicarlus, fornicätor), ein
wegen Unzuctövergeben in Unterfuhung dr
liber; Fornilation, Unzudt.
Fornix (lat.), Wölbung, Bogen; F. in der Anar
tomie, j. Gebirn,
890
Forres, Stadt in der ſchott. Grafſchaft Elgin,
18 km weſtlich von Elgin, am Fuße der Cluny:
Hills (mit Wafferbeilanftalt auf der Süpjeite), bat
(1901) 4313 E.; Manufalturen und Hanbel, "
ein Turm zum Andenten an die Schladt von Tra=
falgar; 2 km —— ein 7 m hoher Obelist (Sweno-
stone) mit Skulpturen aus dem 10. oder 11. Jahrh.
Forreſt, Ulerander, Forfhungsreifender, Brus
der von John F., geb. 22. Sept. 1849 zu Bunbury
in Weftauftralien, beteiligte ſich an at a Reifen
feines Bruders und zog 1871 mit Monger von Perth
nad Diten und drang bis etwa 125° öftl. 2. vor.
1874 drang er mit feinem Bruder yobn Forreſt (f. d.)
von Perth nad Dften bis zur Pealeſtation vor. Mit
dem Feldmeſſer Hill leitete er 1879 eine Erpedition
in Nordmweitauftralien, welche ven Fißroyfluß unter:
fuchte und nach großen Beſchwerden ſüdlich von der
Gatberineftation die Telegrapbenlinie erreichte. &
itarb 20. Juni 1901 zu Perth in Auftralien.
ſchrieb: «Journal of an expedition from de Grey
to Port Darwin» (Perth 1880).
orreft, Edwin, nordameril. Schaufpieler, geb.
9. März 1806 zu Philadelphia, wirkte ſchon ala
Kaufmannslehrling bei Borftellungen auf Lieb:
baberbübnen mit und debütierte dann 1817 in der
Frauenrolle Lady Anna (in N Homes «Dou-
hear hen dem Apollotbeater Philadelphias. Nach
drei Jahren erſchien er in Zivoli:Gardens, dann
am MWalnut: Street: Theater feiner Baterjtabt und
wandte ib 1821 nah dem Weiten Amerikas.
Hierauf jpielte er jeit 1826 wieder in Neuyort und
eit 1831 ın Philadelphia auf dem Cheſtnui⸗Street⸗
beater. Seit 1836 trat er auch zu verſchiedenen
ve am Drury:Lane: und Princeßtbeater in
ondon auf, lehrte aber immer nad Amerika zurüd,
um auf den verjchiedenften Bühnen der Vereinigten
Staaten zu fpielen, F. ftarb 12, >. 1872 in
Philadelphia. Sein Spiel unterftügten belvenbafte
Figur und vortrefflihe Stimme. Seine Glanzrollen
wuren Dtbello, Goriolan , Lear u. ſ. w. — F.s Bio;
tapbie [hrieben diees Philad. 1874), W. di. Alger
2 Bope., ebd. 1877) und Lawrence Barrett (in den
«American Actors Series», Boston 1881).
Forrefi, Sir John, auftral. Entdedungsreifen:
der und Staatdmann, geb. 22. Aug. 1847 in Bun⸗
u Ai Weftauftralien, erhielt 1864 eine Anftellung
im Vermeſſungsamt diefer Kolonie und unternahm
1869 im Auftrage der Negierung von Perth aus
eine Reife zur Auffindung der Erpedition Leichhardts
(f.d.). Er fand keine Spuren derfelben, tonnte aber
die frübern Angaben über die völlig dde Natur des
durchzogenen Landes betätigen. 1870—71 durd:
forjhte er die Süpdmeitküfte von Auftralien und
unternahm dann mit feinem Bruder Alerander 1874
eine berühmteſte Entdedungsreife, die ihn von
ertb, dem Laufe des Murdifonfluffes entlang,
quer durch den Kontinent von Weiten nach Diten,
bis au der in 26° ſüdl. Br. gelegenen Bealeftation
des liberlandtelegrapben führte. Von bort kehrte er
über Adelaide nad Perth zurüd, wo er 1883—90
zum Generalfelomefier und Gommiffioner of Lands
der Kolonie Weftaujtralien ernannt war. Seit 1883
gebört er dem Oberhaus von Weitauftralien an,
jeit 1890 ift er Finanzminiſter und Minijterpräfident
diefer Kolonie, 1891 wurde er in den Ritterſtand
erhoben. Er veröffentlichte: «Explorations in
Australia, with an appendix on the condition of
Western Australia» (Bond. 1875) und «Notes on
Western Australia» (3 Tle. 1883—85).
Forres — Forſſell
Forsan et haec olim meminisse juvä-
bit (lat.), «vielleicht wird e8 einft eine Freude fein,
aud diefer Dinge zu gedenten», Citat aus PVirgils
«ülneide» (1, 208); die Worte find eine leicht verä=
derte Übertragung von Odyſſee 12, 208 fo. Däufig
wird nur citiert «Et hoc meminisse juvabit».
Fordberg, Nils, ſchwed. Maler, geb. 17. Da.
1842 in Rifeberga (Schonen), war jeit 1868 Schüler
Bonnats in Paris, Hier ftellte er 1872 zum erſten⸗
mal ein Selbjtbilpnis aus, dem 1877 eine Alroba
tenfamilie (jegt im Göteborger Dlufeum), 1883
das große Bild Der Tod des Helden, d. i. ein fter-
bender Soldat in der Notre-Dame-flirche das Are
der Ehrenlegion und die Gnabenmittel der Kirche
empfangend, folgte, Für legtere Kompoſition (jegt
im atonalujeum zu Stodholm) erbielt F. die
große goldene Medaille.
Forſch (vom franz. force), burſchikoſer Aus
drud, foviel wie kräftig, ftramm, ftart.
* „Hermann, Pſeudonym, ſ. Oppermann.
orſchungsreiſe, j. Reiſen
orfeti (friei. Sohite), ein Gott in der german.
Motbologie, deſſen Name in ſtandinav. und friei
Quellen erhalten ift. Er eh von Haus aus in Frie⸗
land heimiſch, eine Hypoftafe des altgerman. Him
melsgottes. Namentlich auf Helgoland, das nach ibm
den Namen Foſitesland hatte, wurde er beiom
ders als Schirmherr des Rechts verehrt. Bon bier
aus wanderte der Mythus nah Standinavien, mo
fpäte Quellen F. zum vn Baldrs und der Nanna
machten. Nach der Edda iſt Glitnir («der Glängender)
feine Wobnftätte; bier fpricht er Recht.
Fors Fortüna, im alten Rom die Göttin des
lüdliben re die ein angeblid von Servius
ullius geſtiftetes Heiligtum am rechten Tiberufer
und fpäter mebrere andere Heiligtümer bejaß.
Forsk., bei naturmwijlenicaftlihen Namen Ab⸗
fürzung für Peter —— (1. d.).
Forskal (pr. -Tohl), Peter, ſchwed. Raturfer
her und polit. Schriftjteller, geb. 11. Ian. 1732
zu Heljingjors, ftudierte 1753 in Göttingen und
erregte Aufſehen durd feine gegen die Wolffſche
Vbilofopbie gerichtete Gradualdisputation « Dubis
de principiis philosophiae recentioris» (1756). Ins
Vaterland zurüdgetehrt, feste er unter der Zeitung
Linnes feine —— tudien fort und begleitete
dann die unter Niebubrs Leitung zur Erforihung
Arabiend von -Dänemark ausgerüjtete Erpedition.
8 ftarb 11. Juli 1768 während der Reife zu Jerim
in Zeil feines litterar. Nadlafjes ward von Mebubt
veröffentlicht: «Descriptiones animalium» (Kopenb.
1775), «Flora aegyptiaco-arabica» (ebd. 1775) und
«lcones rerum naturalium» (ebd. 1776; den botan.
Zeil gab berichtigt heraus Vahl, «Symbolae bo-
tanicae», 3 Tle., ebd. 1790— 94). ,
Forfiell, Hans Ludwig, ſchwed. Hiftoriter und
Staatömann, geb. 14. Yan. 1843 zu Gefle, ftubierte
feit 1859 zu Upfala und warb ſchon 1866 Docent
der Geſchichte. fiedelte jedoch bald nah Stod
bolm über, um fi litterar. Thatigkeit zu widmen
1874 wurde er Selretär der Reichsbank, trat 1875
als Finanzminiſter in den Staatsrat, nahm 18%
feinen Abſchied und wurde 1888 Präfident im Jinanz
tammertollegium. F. hat namentlich viel — Ein⸗
führung der Goldwährung in Schweden beigetra
gen. 1879—97 war er Mitglied der Erften Kammer
des Reichstags. Er ftarb 2. Aug. 1901 in Sar
Bernardino in der Schweiz. Eine Auswahl feiner
trefflihen kritiſchen und polit. Eſſays bot erw. d. T.
Hort — Forftafademie
«Studier och Kritiker» (1875; eine zweite Samm⸗
lung 1888). ferner fchrieb er noch «Sveriges inre
historia frän Gustaf I.» (1869— 75), «Anteck-
ningar ur Sveriges jordbruksnäring i 16. seklet»
Chor ein ach gemiflen Regeln b irtſchaftet
orſt, ein nach gewiſſen Regeln bewirtſchafteter
Bald (ſ. d). Es giebt Urwälder, aber (el Ur:
(erben. Die Etymologie des Wortes F. ift unficher.
ie einen leiten es aus dem mittellat. foresta ' ans.
for&t), die andern aus dem altveutichen foraha
oͤhre) ab. F. bedeutet im 6. und 7. Jahrh. den
—* Wald, Herrenwald, im 8. Jahrh. einen
db, in dem bas Jagd- oder Fiſchereirecht, bis:
weilen beide, einem Berechtigten, anfänglih nur
dem Könige, bei Vermeidung des Königsbannes
vorbehalten war (f. Bannforften). Später, etwa jeit
dem9 — tman unter foresta oder forestis
auch dungen, Jagd- und Fiſchereigebiete von
rivatperſonen, denen entweder das Bannrecht vom
dnig verliehen worden war, oder die es ſich felbit
anmaßten; ein folder F. beitand nicht bloß aus
Wald, fondern umfahte oft ausgedehnte andere
Grundftüde. Daher diente forestis endlih auch
nur zur Bezeichnung eines ausſchließlichen Jagd:
oder — innerhalb eines Bezirls ohne
Beziehung auf ein beſtimmtes Territorium. Mit
der Entwidlung der Landeshoheit und des Jap:
regals kam das Wort forestis allmäblich außer Ge:
braud. (S. au —— und Forſtverwal⸗
tung.) — Bol. Schwappach, Handbuch der Forſt⸗
und Sagbgeiothte Deutihlands (Berl. 1885—88);
derf., Grundriß der Forits und Jagdgeſchichte
Deutihlands (2. Aufl., ebd. 1892); Seidenftider,
Rechts- und MWirtichaftsgefchichte norbdeutfcher
Dumm (2 Bde., Götting. 1895); Artikel Forſten
«Handwörterbuh der Staatswiljenihaften»,
Br. 3 (2. Aufl, Jena 1900).
orft, in der Baufunft, H Firſt.
orſt. 1)F. in der Lauſiß, früber Forſta oder
—— Stadtkreis (11,8 qkm) und Kreisſtadt des
treifes F. im preuß. Reg.:Bez. Frankfurt, in der
— zz frübern Martgraffhaft Nieder:
& ‚Mlaufis, an der Laufiger Neiſſe,
‘| an der Linie Halle: Cottbus:
4 Sagan und der Nebenlinie
J Weißwaſſer-Guben der Preuß.
Staatsbahnen, Sitz eines Amts⸗
sm. (Zandgeriht Guben),
u ataſter⸗, Steuer:, Aichamtes
— und einer Reichsbankneben⸗
elle, bat (1900) einſchließlich des einverleibten
ororted Berge 82075 E., darunter 1916 Katho:
liten und 144 Söraeliten, (1905) 33757 E., Bojt:
amt erjter Klafje mit Zweigftelle, Telegraph, ern:
ſprecheinrichtung, —57 zwei evang., je eine
altluth., kath. und apoftolifhe Kirche, Bismard:
denkmal (von Unger; 1896), Brogymnafium mit
ealprogymnafium, Knaben⸗ und Mäpchenmittel:
chule, tönigl. Webihule, Kreditfafjenverein, Bor:
chuß⸗, Distont: und Depofitenbant; Fabrikation
wollener Tuchſtoffe und Budjlin (110 Fyabriten mit
etma 8000 Arbeitern, 2800 mean, Webftüblen,
einer Ausfuhr von 6 Mill. kg Tuch und einer Ein:
fuhr von 9", Mill. kg Wolle) und Landwirtidaft.
— F. wurde 1280 gegründet, gehörte damals den
Herren von Eilenburg, fam 1385 an die von Bi:
beritein, 1667 an Sadjen:Dierjeburg, 1740 an
Kurſachſen, 1815 an Preußen; jeit 1746 gebörte
es zur Standesherrihaft Pförten der Grafen von
891
Brühl. 1895 wurde F. Stadtkreis. — 2) Gemeinde
im preuß. Reg.:Bez. und Landfreis Aachen, 2 km im
SD. von Aachen (f.d., Bd. 1, nebjt Stadtplan in
Bd. 17), mit dem es durch Straßenbahn verbunden
it, hat (1900) 6357 E., darunter 287 Evangelifche
und 29 Ysraeliten, (1905) 7874 E., Boftagentur,
Zelegrapb; Streihgarn: und Baummwollipinnereien,
Mebereien, —— —— Ziegeleien,
Brauereien und Brennereien. Nahebei das zur Ge:
meinde F. rt — — Note Erde mit(1900)
1297 E., Stahl, Puddlings⸗ und Walzwerk des
Aachener Hütten-Aitienvereins und Altienbrauerei.
— 8) Dorf im Bezirksamt Neuftadt a. d. Hardt bes
bayr. Reg. Bez. Pfalz, 2 km nördlich von Deides⸗
beim, am öftl. Fuße des Harbtgebirges, bat (1900)
626 E., darunter 56 Evangelifche. F. gebört zu den
berübmteften Weinorten Deutſchlands und liefert
die edeliten Pfälzer Weine. Die beften Lagen
beißen Kirhenftüd (Preis des Heltars Weinland
100—130000, des Stüdes Wein 12—15000 M.),
Jefuitengarten, Biegler, Freundftüd, Ungeheuer
u. j. w. Der vorwaltende Saß tft der berühmte
Riesling, doch ſtammt kaum ein u der unter
dem Namen Foriter verkauften Weine vortber,
zumal die guten Sagen von Nuppertöberg und
Deidesheim IR ebenjo gute Weine liefern, daher
häufig als Foriter bezeichnet werben. 2km weſtlich
im Gebirge der jog. Pechſteinkopf, ein erloſchener
Krater mit ergiebigem Bajaltjteinlager.
Forst., bei botan. Namen Abkürzung für Georg
Base (f. d.); bei zoolog. Namen Abkürzung für
ob. Reinhold Foriter (f. d.).
Foerst., binter wifjeni&aftlichen Infeltenbenen-
nungen Ablürzung für den Entomologen Arnold
Foerjter, gejt. 1884 als Profeſſor an der Gewerbe:
ſchule in Nahen, bejonders Kenner der Schlupf:
weipen. Bon ibm unter anderm: «Hymenopterolo⸗
giihe Studien» (2 Hefte, Nahen 1850—54).
Bee h Forſt (in der Laufih).
oritab — Sorte ation,bdie Unter:
ſuchung aller innern Waldverhältniſſe, die auf den
egenwärtigen Ertrag des Waldes überhaupt Ein-
u baben oder auch fuͤr die Berechnung des künftigen
Ertrags wichtig find. Sie ermittelt Die Standoris⸗,
die Beitandsverbältnifje (ſ. Standortsbonitierung
und Beitandsbonitierung) und die bisherigen Er⸗
träge und often. Sie iſt die Grundlage für jede
Waldwertrechnung (f. er: Forfteinrichtung und
Ertragäre —— Die F. iſt Aufgabe der ſog. taras
torifchen Vorarbeiten jeder Foriteinrichtung (ſ. d.).
Mande (3. B. Hundesbagen) bezeichnen mit dem
Ausprud F. die Foriteinrihtung, beſonders bie
Waldertragsregelung (f. d.) jelbit. IR
oritafademie, Hochſchule, auf der die Forſt⸗
wiſſenſchaft (f. d.) mit ihren Grund: und ——
ſchaften in ſyſtematiſcher Vollſtändigleit gelehrt und
gleichzeitig ſortgebildet wird. Deutſchland befikt
5. in Preußen zu Eberswalde (jeit 1830) und
zu Münden bei Göttingen (feit 1868; die Kandida-
ten für den preuß. höhern Staatsforſtdienſt müſſen
außer dem Beſuch einer F. noch zwei Semeiter
jurift. Univerfitätsjtubium nachmweifen); in Bayern
zu Aſchaffenburg (jeit 1843) und in Verbindung mit
der Univerfität zu München (feit 1878; die Kan:
didaten für den bayr. Staatöforitdienit müfjen zu-
erit zwei Jahre die —— Hochſchule in Aſchaffen⸗
burg und dann die Univerſität beiuchen); im König⸗
reib Sachſen zu Tharandt (feit 1816); die Kandiba-
ten für den böbern Staatsforſidienſt müſſen vorber
892
mei Semefter an einer deutichen Univerfität juri:
lite und fameralitiihe Studien betreiben); in
ürttemberg zu Tübingen in Verbindung mit ber
Univerfität (jeit 1881; 1820—80 befand ſich die F.
in Hobenheim in Verbindung mit der dafelbit 1818
gegründeten landwirtſchaftlichen Lebranitalt); in
aden zu Karlsruhe in Verbindung mit der techni:
.. Hochſchule (1832); in Helfen zu Gießen in Ver:
indung mit der Univerfität (1825; integrierender
Beitanbteil der Univerfität 1831); im Großherzog⸗
tum Sadjen zu Eiſenach (1830). Öiterreih-Ungarn
beſihzt eine F. zu Wien in der Hochſchule für Boden:
hultur (1872; jpc als F. 1813—71 zu Marias
brunn); in Mähren (jeit 1852) zuerſt in Auffee, dann
in Gulenberg, jest in Mähriſch-Weißlirchen, eine
jolde in Böhmen zu Reichſtadt (feit 1904; früber
in Weißwaſſer, feit 1855) und in Galizien zu Lem:
berg (1872 und 1873 Privatanſtalt an der Tech:
niſchen Hochſchule, feit 1874 Landeslehranitalt);
in Ungarn zu Schemnig (1807 an der bereits 1770
pe Alademie erhobenen Bergſchule errichtet); in
roatien zu Kreuz eine land: und forjtwirtichaft:
lihe Mittelſchule P1860). Ferner befiken noch F.
die Schweiz zu Zürich in Verbindung mit dem Poly:
technitum — Frankreich in Nancy (1824); Ita⸗
lien zu Vallombroja bei Florenz (1869); Spanien
im Göcorial (1869, vorher 1846—68 in Billaviciofa).
In Rußland beiteht zu Petersburg feit 18183 ein
vielfach verändertes Yorftinjtitut und feit 1866 zu
Moskau die land- und forjtwirtichaftliche Alademie
Betromjtoje-Rajumormjtoje, ferner eine Forſtſchule
ji Ewois in Finland (1862), endlich noch eine mitt:
ere Foritichu ein Neualerandrien. Schweden befigt
eine Forſtſchule zu Stodholm, Dänemart zu Kopen:
bagen. England bat eine Forſtſchule als befondere
Abteilung der Konigl. Techniſchen Hochſchule zu
GCooperd: Hill feit 1888. In Holland wird forit:
liher Unterricht an der Landwirtſchaftlichen Schule
zu Wageningen erteilt.
Die eriten Forſtſchulen entitanden in Deutich:
land in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. als jog.
Meifterfhulen, indem tüchtige Fachmänner
Schüler um fi verfammelten; jo 3.3. Zantbier in
Ilſenburg (um 1765), von Ehrenwerth in Böhmen,
von Uslar in Harzburg, ©. 2. Hartig zu Hungen
1789—97) und zu Dillenburg (1797—1806), 9.
tta in Zillbah (1785—1811), König in Rubla
(1803—30), Feitter in Bothnang in Württemberg
(1795— 97), Zaurop in Karlsruhe (180920) u.a.m.
Die Mebrzahl diefer Meifterjhulen batte teinen
langen Beitand; aus einigen entwidelten ſich För⸗
je chulen, aus andern Alademien. Den eriten Ber:
uch zur Schöpfung einer öffentlihen Forſtſchule
machte man 1770 ohne großen Erfolg in Berlin;
1830 wurde die Anjtalt nad Eberswalde verlegt.
In Württemberg, machte Herzog Karl 1772 einen
ähnlichen Verſuch, 1818 wurde eine Forſtlehranſtalt
in Stuttgart gegründet, die 1820 nah Hohenheim
(1. d.) verlegt wurde. In Bayern wurde 1786 der erſte
Veriuh gemacht, eine forſtliche Bildungsftätte zu
ſchaffen, aber erit nad — Mißerfolgen und
Wandlungen der jetzige Zuſtand erreicht.
>. Bernhardt, Geſchichte des MWaldeigentums,
der Waldwirtſchaft und Forſtwiſſenſchaft (3 Bope.,
Berl. 1872— 75); Schwappach, Handbud der Forit:
und Jagdgeihichte Deutihlands (ebd. 1885—88) ;
Martin, Der höhere forjtlihe Unterricht mit bejon:
derer Berüdfichtigung feines gegenwärtigen Zuftan:
des in Breußen Loz. 1897); von Zimmerauer, Die
Forſtanſtellungsberechtigung — Forſtbenutzung
land: und forſtwirtſchaftlichen Schulen in Oſter
reich (Wien 1900) ; Denlſchrift, betreffend den forſt
lihen Unterriht in Bayern (1877). Letztere be
ſpricht gründlich die neuerer Zeit vielfach beban-
delte Stage, ob bei den Fi erten Anforderungen
an bie allgemeine und fa liche Bildung des Forit:
manns die ifolierten Fachalademien überhaupt nos
beibehalten werben könnten, oder ob es nicht zwed
mäßiger ſei, den forjtlihen Unterriht an die all
gemeinen Hochſchulen zu verlegen. Eeit 1887 tritt
namentlih Neumeifter (Alademiedireltor in Tha—
randt) für eine Vorbildung der Forſtleute auf der
Univerjitätinden naturwiſſenſchaftlichen, juriftijchen
und fameraliftiihen Füchern vor dem eigentlichen
Fachſtudium ein. Cine Verwirllihung dieſer Idee
it 1898 im Königreih Sachen erfolgt. liber dieſe
genge l. noch: Dandelmann, F. oder allgemeine
ochſchulen? (Berl.1872); 2, Meyer, Alademie oder
Univerjität? (Bresl. 1875); Baur, F. oder allge
meine Hochſchule? (Stutta. 1875); Heb, Die forſtliche
Unterrichtsfrage (Berl. 1874, in den « Deutichen
Zeit: und Streitiragen», Nr. 43); Neumeijter, Wie
wird man ein Forſtwirt? (Lpz. 1887).
Forftanftellungsberechtigung, in ze
und Eljaß:Lothringen der Anipruc, als Förjter oder
Forſthilfsaufſeher angeftellt zu werden. Der Zr
verforgungsjcein wird gelernten Jägern nab Be
ſtehen ber erforderlichen sahprüfungen und Ablauf
entſprechender Militärdienftzeit auögeftellt. — Bal
Beitimmungen über Ausbildung, Brü und
—5*— ür die untern Stellen des Forſtdienſtes
in Verbindung mit dem Militärbienjt im Jäger
torps (Berl. 1897).
orftbann, das urjprünglid nur dem Könige
zuftehende Recht, jedem die Jagd und die eigentums:
mäßige Benußung in Wäldern, Grundftüden und
Gewäjlern (Banngemäljern) bei Strafe des Königs
banns (60 Solidt) zu unterfagen. Durch dieſe⸗
Recht, welches R. Schröder auf ein allgemeine:
Bopdenregal der * Könige gründet, konnte eine
Enteignung der Waldungen von Privaten und Marl:
eofen haften zu jeder Zeit erfolgen und ein ans
chließliches Nutzungsrecht für den König und den
von ihm mit diefem Beliebenen begründet werben
(forestare, von foris). Solche eingeforfteten, ae
bannten Wälder hießen Bannbölzer, Bann:
—— Bannwälder. (S. Bannforften.) Man
ezeichnete den F., da die Jagd die vorzüglichkte
Nutzungsart bildete, au ald Wildbann. Gegen:
wärtig bat ber F. nur noch rechtöbiftor. Bedeutung:
doch bat er weſentlich zur Geftaltung der Gigem
tumsverbältnifie an Wald und Jagd beigetragen.
Der Ausprud Bannmwald wird — in an:
derer rechtlicher Bedeutung gebraudt. (S. Bann:
wald.) — Val. —— eſchichtliche Darſtellung
der Eigentumsverbältnifie an Wald und Jagd (Bp;.
1832); Bernbarbt, Geichichte des Waldeigentums in
Deutichland (3 Bde. Berl. 1872— 75); Schwappadı,
Handbuch der Forit: und Jagdgeſchichte Deutic-
lands (ebd. 1885—88). waltung
Forſtbeamte, Forſtbehörden, ſ.
Forftbenuyung, die Lehre von den du
fahrung und eat! gefammelten Grunviä
der zwedmäßigiten Innung, Formung und
wertung der Waldprodulte. Der zu bebandelnte
Stoff aliedert fi in drei Hauptteile: Hauptnutzun⸗
en, Nebennugungen und foritlihe Nebengemwerbe.
er erite Teil bebandelt die techniſchen Eigenſchaf—
ten der Hölzer, Verwendung bes Holzes bei den bol»
Er
Forſtberechtigungen
verbrauchenden Gewerben, Fällungs⸗ und Aufbereis
tungsbetrieb, Abgabe und Verwertung des Holzes,
Holztransport zu Land und zu Waſſer, Gewinnung
und Benukung der Baumrinden. Der zweite Teil
betrifft Dergnupang, Dnstteroffe des Waldes, Leſe⸗
olz, Baumfrücte, Waldftreu, landwirtſchaftliche
mwijhennugungen (Waldfelobau u. f. w.), Steine
und Erben, verſchiedene Kleinere Nebennugungen.
Der dritteTeil handelt von Holzbearbeitungsmaſchi⸗
nen (Brettfägen u. ſ. w.), —— Teerſchwe⸗
lerei, Holzimprägnierung, unge des Nadel:
|, Gewinnung und Veredelung des Torfs.
Die F. im engern Sinne befhräntt ſich auf die
beiden erſten Hauptteile, umfaßt ſonach die Grund:
jäße der Gewinnung und Verwendung der Wald:
produfte in ihrem roben Zuftande nah Maßgabe
ihrer natürlichen Eigenſchaften. Die Lehre von den
forjtlihen Nebengewerben nennt man dann Forit:
technologie, welche die Grundſätze begreift, nad)
denen bie Veredelung und Verfeinerung der Nob:
produfte erfolgen muß. Im meiteiten Sinne des
Wortes wäre alle Holzinduftrie hierher zu rechnen.
Die se wirtſchaftlichen Fortſchritt begründende
und begleitende Arbeitsteilung ſcheidet mehr und
mehr die eigentlich technolog. Aufgaben von denen
—— aus.— Vgl. K. Gayer, DieF.(9.Aufl.,
Berl. 1908); Nörblinger, Die techniſchen Eigen—
ſchaften der Hölzer (Stuttg. 1860); Ermer und Pfaff,
Werkzeuge und Mafchinen zur Holzbearbeitung
(3 Bde., Weim. 1878—83); Schuberg, Der Wald:
mwegebau und feine Vorarbeiten (2 Boe., Berl. 1873
—75); G.R. Föriter, Das forftlihe Transportweſen
(2. Aufl,, Wien 1888); MWimmenauer, Grundriß
ver Waldwegebaulehre (ebd. 1896); Heb, Die F.
(2. Aufl., Berl. 1901); außerdem die weiter unter
Holz angegebene Litteratur.
Boribereg ungen, ſ. Bd. 17.
orftbefchreibung, bie eingehende Beſchrei⸗
bung eines forftreviers, die bei jeder Forſteinrich⸗
tung (f. d.) gefertigt wird. Sie erfheint im Wirt:
ſchaftsplan (f. d.) aud u. d. T. Allgemeine Be:
{chreibung und bat den Jwed, eine kurze Überficht
über a ar en Thatbeitand und eine Begrün:
bung der Einrihtung überhaupt fowie der Ertrags⸗
regelung im befondern zu geben, Sie foll ferner
den Sinn und Geift darlegen, in dem die Forjtver:
maltung bei der fünftigen Bewirtihaftung zu han:
veln bat, fo daß in Fällen, wo die gegebenen Be:
jtimmungen nicht mehr ausreichen, ſich erfennen
läßt, was zu thun jei, um im Sinne des Ganzen zu
verfahren. Bezüglich des —— Thatbeſtandes
bat ſich die F. zu erſtredden auf die topogr., geſchicht⸗
lichen und Eigentumsverhältniſſe des Forſtes, auf
den allgemein wirtſchaftlichen Zuſtand der Gegend
(Arbeiterverhältniſſe u. ſ. w.), auf die ſummariſchen
Reſultate der geometr. und taxatoriſchen Vorarbei⸗
ten, auf —5* Grträge und Koſten, ern Be:
bandlung des Waldes und deren Einfluß auf defien
— Zuſtand u. ſ. w. Sie hat ferner die
nſichten und Grundfäße zu entwickeln, nach denen
die Iveinteilung — wurde, eine kurze
Begründung über die Wahl des — Um⸗
triebes ſowie über die Ermittelung des Hiebsſatzes
zu geben, endlich die fünftige Walpbehandlung zu
erörtern. Zolale Berbältnifje fönnen noch mandes
andere ber Beiprehung wert machen. — Bgl.
Judeich, Foriteinrihtung (5. Aufl., Dresd. 1895).
Foritbetriebseinrichtung, ein namentlich in
Preußen übliher Ausprud für Forfteinrictung (j.d.).
— TForfteinrichtung 803
Forftbotanif, die Kenntnis der forſtlichen Kul⸗
turpflanzen und Unträuter jowie die ihrer Lebens:
bedingungen und Krankheiten, beſteht aus Anwen⸗
dungen der allgemeinen Botanif, der Anatomie
und Phyfiologie der Pflanzen für die Forſtwiſſen⸗
ſchaft, und zwar in engiter Verbindung mit einer
wifienfchaftlih begründeten Stanbortslehre. Die
foritbotan, Litteratur, zu der im weitern Sinne alle
Litteratur über —— (j. d.) gehört, iſt ſehr
reich. — Vol. Th.Hartig, Vollſtändige Naturgefhichte
der forjtlihen Kulturpflanzen Deutſchlands (Berl.
1840—51; neue unfolorierte Ausg., ebd. 1852);
Willkomm, Foritlihe Flora von Deutihland und
Diterreich (2. Aufl., Lpz. 1887); Nördlinger, Deutfche
. (2 Bde., Stuttg. 1874 u. 1876); Döbner, Botanik
ür Forjtmänner (4. Aufl., von Nobbe, Berl. 1882);
Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten (2. Aufl.,
ebd. 1889); Hempel und Wilhelm, Die Bäume und
Sträuder des Waldes (Wien 1889 fg.); Schwarz,
Forſtliche Botanik (Berl.1892); Fiſchbach, KRatechis:
mus der %. (6. Aufl., Lpz. 1905).
Forftdiebftahl, eine beſonders und milder
behandelte Art des gemeinen Diebſtahls, welcher
verübt wird in einem Forst oder auf einem andern
bauptfächlih zur Holznußung beftimmten Grund:
jtüde, und zwar an Holz, welches noch nicht vom
Stamme oder vom Boden getrennt, oder welches
durch Zufall abgebrohen oder umgemworfen iit,
fowie an Spänen, Abraum, Borle. Auch andere
yes wi gehören hierher, insbefondere Dei
pflanzen, Gras, Heide, Plaggen, Moos, Laub,
Streumert, Nadelbolzzapfen, Waldfämereien, Baum:
faft und Harz. Borausgefept iſt überall, daß das
Sol noch nicht zugerictet und daß die andern
Walderzeugnifje nod nicht geworben oder einge:
fammelt find; im andern Falle kommen die Strafen
des gemeinen Diebftahls zur Anwendung. DieStrafe
des F. beitebt in einer Geldſtrafe, Die einem, nach der
Schwere des F. gejteigerten Mehrfachen vom Werte
des Entwendeten gleihlommt, oder in Haftitrafe.
Das Strafverfahren ift ein abgekürztes, darauf be:
rechnet, daß eine größere Anzahl von Fällen gleich:
zeitig verhandelt werden kann. Der F, iſt nad $.2
des ——— zum Strafgeſeßbuch nicht
Gegenſtand der Reichs-, ſondern der Landesgeſetz⸗
gebung. Mit Ausnahme von Hamburg und Bre⸗
nen haben die deutihen Bundesftaaten ſamtlich
eigene Gefege über den $ Die meiften find dem
preuß. Gejege vom 15. April 1878 nachgebildet;
die einiger tbüring. Staaten gen dem für das
Königreich Sachſen geltenden Geſehe vom 30. April
1873. In Bayern einſchließlich der Pfalz find die
Forftitrafgeieße vom 28. März 1852 und 28, Mai
1846 in der NRebaltion vom > 1879 in Geltung.
Das ältejte Geſetz (vom 4. Febr. 1837) hat Heilen.
In vielen diefer Geſetze, namentlich dem preußiſchen,
ind vom %. ausprüdlic ausgeichlojien: Kräuter,
Beeren und Pilze; das unbefugte Sammeln diefer
————————
S. auch Forſtfrevel.) — Bal. Ziegner-Gnüchtel, Der
. (Berl. 1888). J
Beet Stadt in der Laujis, |. Forit. _
orjteinrichtung, Betrieböregulierung,
Betriebseinrihtung, Foritipftemifierung,
die zeitliche und räumliche Orbnung des gejamten
Wirtihaftöbetriebes in einem Walde in der Weile,
daß der Zwed der Wirtſchaft möglichit erreicht wird.
Forittaration oder Forjtabihägung und Wald:
ertragäregelung find Teile der F. Dieje hat ed
894
hauptſächlich nur mit der Hauptnußung, dem Holz,
zu tbun, die Nebennugungen bilden für die F. nur
mobdifizierend einwirlende Faltoren, wenn deren
Erträge manchmal auch fehr bedeutend find. Die
d. iſt befonders wichtig für größere Waldungen,
da in diefen gewiſſe Eigentümlichleiten der Forſt⸗
wirtſchaft mehr oder weniger eine gewiſſe Gleich:
mäßigfeit der jährlichen Nußung bedingen. Die
Lebre ne bat zu behandeln die allgemeinen theo⸗
retifhen Grundlagen, auf die fie ſich ſtüßen mu
(f. Normalmald), dann die Ausführung der betref:
fenden Arbeiten ſelbſt. Diefe zerfallen in Vorarbei⸗
ten, und zwar geometrifche (f. Forſtvermeſſung) und
——— (. —— Waldeinteilun
d.), Waldertragsregelung (f. d.), Zuſammenſtel⸗
ung des Wirtihaftsplanes (ſ. d.), Erhaltung und
Fortbildung des Cinrihtungsmerles durh Nach—
tragsarbeiten (f.d.) und Revilionen (j.d.). — Außer
den ältern Werten von G. L. Hartig, H. Cotta, von
Klipftein, Hundeshagen find zu nennen: €. Heyer,
Die Walvdertrags:Negelung (Lpz. 1841; 3. Aufl., be.
von G.Heyer, ebd. 1883); Örebe, Die Betriebs: und
Ertragörequlierung der Forſten (2.Aufl.,Wien1879);
Narr Die 3. (5. Aufl., Dresd. 1894); Graner, Die
orftbetriebseinrihtung (Tüb. 1889); Judeich, Auf:
abe und Bedeutung der — für die F enmwärtige
Serie (Wien 1890); Weber, ind der
. (Berl. 1891); von Guttenberg, Die Forſtbe—
trieb3einrihtung nad ihren gegenwärtigen Auf:
aben und Zielen (Wien 1896); Stößer, Die F.
Franlf. a. M. 1898); Neumeifter, Die F. der Zus
nit (Dresp. 1900).
gr erg ein Par ai are ag
1822 zu Danzig, ftudierte in Berlin und Halle und
fehrte 1844 nah Danzig zurüd, Als 1846 auf
. Grimmd Anregung von der Berliner Alademie
eine Sammlung der ältern deutihen Eigennamen
zum Gegenitand einer Preisaufgabe gemacht wurde,
verfuchte %. ihre Bearbeitung in feinem «Altdeuts
hen Namenbuc» (2 Bde., Nordh. 1856—59; Bd. 1,
rjonennamen, in 2. Aufl, Bonn 1900 fg.; Bo. 2,
bie Ortönamen, in 2. Aufl. 1872). 1851 wurde F.
Lehrer am Lyceum zu Wernigerode und gräfl. Bis
bliothetar, 1865 Oberbibliothelar der fönigl. Biblio⸗
thet zu Dresden, deren Neorganifierung und neue
Katalo —— er durchgeführt hat; 1887 über:
nahm F. die Verwaltung der Privatbibliothet des
Königs von Sachſen ſowie der prinzlihen Selundo»
eniturs Bibliotbel. 1900 trat er in den Ruhe⸗
and und lebt jeitvem in ——— ver⸗
offentlichte «Die gräfl. Stol ergifche Bibliothel zu
Wernigerode» (Nordh. 1866) und «lüber Einrihtung
und Verwaltung von Schulbibliothelen» (ebd. 1865),
eine «Gejchichte des deutſchen Spraditamms »
(Bd. 1—2, ebd. 1874 u, 1875), eine Ausgabe der
Dresdener «Mayabandichrift» (or; 1882; 2. Aufl,
Dresd. 1892), «Erläuterungen zur Mayahandſchrift⸗
Dresd. 1886), «Zur Entzifferung der Mayahand⸗
riften», I—VII (ebd. 1887—98), «Kommentar zur
Mayabandichrift der königl. Bibliothet zu Dres:
den» (ebd. 1901), «Aus dem alten Danzig. 1820
—40» (Dans. 1900), «Kommentar zur Madrider
Mayabandicrift» (ebd. 1903).
orften, |. Forſt. ß
Örftenbau, foviel wie girkenben, f. Berg:
bau (Abbaumethoden nebit Taf. U, Fig. 3).
ad * |. 3 ern hr Pi
oriter, Francço n3. techer, geb,
22. Aug. 1790 in ocle in Neudpätel, fam 1805
Förftemann — Forjter (Georg)
nah Paris und erhielt 1814 den erjten großen
Preis. Der König von Preußen bewilligte ihm ein
Stipendium auf zwei Jahre, worauf er 1818 mit
Leopold Robert nah Rom wanderte. Hier jtad er
befonvers biftor. Bilder nad ältern ital. Meiftern.
Nah Frankreich zurüdgelehrt, gewann er mit feinen
durch gewandte und lorrelte Grabftihelfübrung aus:
—— Arbeiten bald einen bedeutenden Ruf.
twurbe 1844 in bie Alademie der bildenden Kunſte
aufgenommen und ſtarb 27. Juni 1872 in Paris.
ALS Hauptblätter jeines nicht ſehr umfangreiden
Kupferſtichwerles find zu erwähnen: Aurora und
Kephalos (1821), Aneas und Dido (1828), beide
nah Guerin, Franz I. und Kaiſer Karl V. im der
Königägruft pi St. Denis nad Gros, die Vierge
au bas-relief nad Leonardo da Vinci (1835), die
Vierge de la maison d’Orl&ans nad) Raffael (1838),
Die beil, Eäcilie nah PB. Delaroche (1840), Die drei
Grazien nad Raffael (1841), ſowie Dürers Selbit-
bildnis (1823) und Raffae ſtbildnis (1836).
Forfter, Georg, Reijender und Schriftiteller,
ber ältejte Sohn des folgenden, geb. 26. Nov. 1754
zu Nafienhuben bei Danzig, folgte jeinem Bater,
118. alt, nah Saratow und ſeßte in Petersburg
feine unter deö Vaters Lei begonnenen Studien
ort, begleitete ihn 1766 nad London und unter:
tügte ihn bei feinen Arbeiten. Kurze Zeit war er
aud auf einem Comptoir tbätig. Mit feinem Bater
nahm er 1772—75 teil an Cool3 zweiter Reife um
die Erde, die er nad der NRüdlehr in «A voyage
round the world» bearbeitete. 1775 begab er ſich
nah Paris und von da über Holland 1777 nad
Deutihland, wo er 1779 einen Lehrſtubl der Ra:
turgeibichte an dem Garolinum in Caſſel erbidt;
1784 folgte er einem Aufe nad Wilna. Als der
der Haiferin Katharina, eine Reife um die zu
veranftalten, die F. als wiſſenſchaftlicher Leiter be
leiten kur infolge des Zürlenfrieges fcheiterte,
ebte F. jeit 1787 zunädjit in Göttingen, bi® ibn ber
Kurfürjt von Mainz 1788 zum erften Bibliothelar
und PBrofefior ernannte. 1793 wurde F., der den
Örundfägen der Nevolution mit Eifer ergeben mar,
von den republilaniſchen Mainzern nad Paris ge
ſchidt, um ibre Vereinigung mit Frankreich beim
Konvent nachzuſuchen. In die Reichsacht erklärt,
ſtarb er 10. Jan. 1794, verlafien felbit von Gattin
und Rindern, in Paris.
., mebr Zalent ala Eharalter, wurde von
auf durch die Not des Lebens zu übereilter, ma
he er Produftion gnnrängt, die ihn nie *
ertiefung gelangen ließ. So liegen ſeine Verdienſte
weniger auf dem Gebiete der Forſchung als in der
Darftellung; feine anſchauungsreiche Proſa
durch die Belebtheit und Mannigfaltigleit i
tils und Inhalts zu den rg Schrift:
a, zumal auf dem Gebiete der = i⸗
ng. Dies Lob gilt minder noch der zu iſch
erſchienenen Schrift: «A voyage round the world»
(2 Bde., Lond. 1777; deutih u. d. T. «J. R
Reife um die Welt in den J. 1772— 755, von
©. Forſter, 2 Bde., Berl. 1778—80), ala von jei
«Anfihten vom Niederrbein, Br E;
Holland, England und Franfreih im April, Mai
und Juni 1790» (3 Bde., Berl. 1790— 91; mit Ein:
leitung und Anmerkungen bg von W. Buchner,
2 Boe., Lpz. 1868; * in Reclams «llniverjak
bibliothel»). Die «Satontala» des Kalidafa bat
er auf deutfchen Boden verpflanzt. F.s Gattin,
Thereje Huber (ſ. d.), gab feinen «Briefwechfel, nebit
Forſter (Joh. Reinhold) — Forſter (William)
Nachrichten von feinem Leben» (2 Bde., Lpz. 1829),
.s Tochter feine «Sämtlihen Schriften» mit einer
baratteriftit des Verfaflerd von Gervinus (9 Bbe.,
ebd. 1843), feinen « Briefwechjel mit Sömmerring»
Hettner (Braunfhw. 1877), andere Briefe Leip:
mann im «Arhiv für neuere Spraden» (Bd. 84-
87), lehterer —— und Tagebücher F.s von
feiner Reiſe am Niederrhein u. ſ. m.» (Halle 1893)
und «Ausgewählte Heine Schriften» (Stuttg. 1894),
Eliſa Mater «Georg F. Lichtftrahlen aus feinen
Briefen u. |. m.» (2p3. 1856) heraus. — 7.8 Leben be:
bandelte H. Koenig in dem Noman «Die Klubbiften
in Dainz» (3. Aufl., 3 Bde., Lpz. 1875) und in
«75.8 Leben in Haus und Welt» (2. Aufl., 2 Tie.,
ebd. 1858). Bol. Klein, ©. F. in Mainz, 1788—93
(Gotha 1883); Leigmann, Georg 3. (Halle 1893).
Forſter, Job. Neinhold, Reifender und Natur-
foricher, geb. 22. Olt. 1729 zu Dirfhau in Pol⸗
nich: Preußen, ftammte aus dem Haufe der Lords
Peuhe: in Schottland, ftudierte feit 1748 in
alle negen feine Neigung Theologie, ging 1751
neh Vanzig und erhielt 1753 die Predigeritelle
zu Nafienhuben. Hier widmete er ih der Ma:
tbematit, Philoſophie, Länder: und Völkerkunde
und ven alten — Im Auftrag der ruſſ.
Regierung reiſte er, begleitet von ſeinem Sohne
Georg, im März 1765 ab, um das Kolonieweſen
mu Saratow an der Wolga zu unterjuchen.
einen Berichten bedte er mehrere Mißbräuche in
der dortigen Verwaltung auf, erhielt nad feiner
Ankunft in Petersburg von der Kaiſerin Katba-
rina IL den Auftrag, mit Zuziehung mehrerer Ge:
lebrten ein Gejeßbuc für die Koloniften zu werfer:
tigen, empfing jedoch für diefe Arbeiten und Reifen
nicht bie erwartete Entihädigung und reifteim Aug.
1766 nad London. Bon bier folgte er vem Rufe
ald Profeſſor der Naturgefhichte und der franz.
und deutihen Sprade nad Warrington in Lancas
fhire. Doc legte er fein Amt bald nieder und lebte
als Privatmann zu Warrington, bis er 1772 den
Antrag erhielt, den Kapitän Cool bei feiner zweiten
Entdedungsreife ald Naturforſcher zu begleiten.
Diele Reiſe, auf welcher er volle drei Sabre zus
brachte, wurde von feinem Sobne ausführlich *
ſchrieben, da es dem Vater infolge eines Konflikts
mit der Admiralität verboten wurde, etwas darüber
drucken zu laſſen. Na der Rudlehr erhielt F. von
der Univerfität zu Orforb die jurijt. Doktorwürde.
Da jede Belohnung auöblieb, geriet F. bei feiner
zablreihen Familie in Schuldhaft, aus der ihn Her:
zog Ferdinand von Braunſchweig befreite. Er wurde
1780 Profeſſor in Halle, wo er 9. Dez. 1798 ftarb,
F. ſchlug zuerft vor, Auftralien als fünften Erdteil
anzuertennen, die Meeresſtraße, welche die Alte und
Neue Welt trennte, Beringftraße zu nennen, und
machte auch zuerft auf —— —— der
Landmaſſen gegen den Sudpol aufmertſam. Bon
feinen Schriften find zu erwähnen die «Observations
made during a voyage round the world» (Lond.
1778; deutſch, überjegt von Georg Forfter, Berl.
1788), «Liber singularis de Bysso antiquorum »
(2ond. 1776), «Zoologia indica» (Halle 1781;2. Aufl.
1795), «Geſchichte der Schiffahrt und Entdedungen
des Nordens» (Frankf. a. D. 1784).
Forſter, John, engl. Publizist und Hiftoriter,
geb. 2. April 1812 in Newcaftle, wurde Aovotat
in London, wählte jevod bald eine publiziſtiſch⸗
litterar. Thätigfeit. Belannt ward er dur Beis
träge zu der radikalen Wochenſchrift «The London
895
Examiner», die er 1842—52 jelbit leitete, Mit
Dideng, mit dem ihn eine früh geichloffene, lebend:
lange Freundſchaft verband, gründete er 1845 die
«Daily News» und war, nah Didens’ bald ers
folgendem Rüdtritt, ein Jahr lang deren Haupts
redacteur. Seinen Ruf als Schriftjteller begrüns
dete das auf fleißigen Quellenftubien ——
Werl «Statesmen of the commonwealth of Eng-
land» (7 Bde., 1840), dem fpäter die biefelbe Zeit
behandelnden und viel Neues enthaltenden Schrif:
ten «Arrest of the fire members by Charles L»
(1860), «Debates on the d remonstrance»
(1860) und «Sir John Eliot. A biography»
(2 Bde., 1864; 2. ns 1871) folgten. Noch Aus:
gezeichneteres leiftete 5. auf dem Gebiete der lit:
terar. Biographie, das er zuerft mit «Life, adven-
tures and times of Oliver Goldsmith» (1848; neue
Aufl. 1889) betrat. Dieſem vortrefflihen Werte
ſchlo a an: «W.S. Landor» (2 Bde., 1868;
neue Aufl. 1879), «The life of Charles Dickens»
(3 Bde., 1871—74; deutſch von Althaus, 3 Bbe,,
Berl, 1872— 73) und «Life of Jonathan Swift»
(Bd. 1, 1875, unvollendet). Eine Sammlung feiner
Beiträge ꝓ Zeitſchriften veröffentlichte er als «Histo-
rical and biographical essays» (2 Bbe., 1858;
3. Aufl. 1860). Seit 1855 war F. aud Selretär,
eit 1861 ordentlihes Mitglied der Kommiſſion für
enanftalten, Er ftarb 1. Febr. 1876 zu London,
Forfter, William, engl. Staatdmann, geb.
11. Juli 1818 in Bradpole in Dorfetihrie, wurde,
nachdem er ſchon vielfah in dffentlihen Ber:
fammlungen aufgetreten war, 1861 als liberaler
Kandidat in Bradforb gewäßlt und bat feitbem
diefe Stadt bis zu feinem Tode unausgeſetzt ver»
treten, Als entichiedener Liberaler aus der Schule
Cobdens und Bright3, ald lenntnisreicher, umſich⸗
tiger Bolitiler und gewandter Redner erlangte F.
bald einen günftigen Ruf, und ſchon 1865 übertrug
ihm Lord Ruſſell in feinem kurzen Miniftertum das
Unterftaatsfetretariat für die Kolonien. 1868 unter
Gladftone zum Bicepräfidenten des Rated ernannt,
machte er fi um die Neugeftaltung des eg
weſens in England hochverdient durch die Verfech⸗
tung der Elemen Education Bill 1870; ebenfo
Aande er fi durch fein Eintreten für das die ger
eime Wahl einführende Gefes von 1872 aus,
rend der folgenden Jahre fämpfte F. in den vorberften
Reihen der Oppoſition gegen das iſterium
Disraeli und übernahm 1880 unter Gladſtone das
Sekretariat für Irland. Ernahm 1881 leitenden An»
teil an den Debatten über die irifhe Landbill und
die Bill betreffend den Schuß des Lebens und Eigen:
tums. Die ftrenge Durchführung der legtern Alte
309 ihm den Haß der iriſchen Parlamentspartei wie
der geheimen Gejellihaften zu, und nur wie durch
ein Wunder entging er den Mordanſchlägen der
«Srifchen Unbefieglihen». Als das Minifterium
die ftrengen Maßregeln gegen Irland 1882 aufgab,
legte $. Fein Amt nieder. Er nahm nun vornehm⸗
lich teil an den Beitrebungen, die engl. Kolonien
in engern —— mit dem Mutterlande zu
bringen, trat gegen die Febler in Gladſtones ägypt.
Politik auf, widerſetzte ſich fpäter auch deſſen iri-
hen Home⸗Rule⸗Plänen, unterſtützte aber feine
arlamentäreform von 1884. Er ftarb 5. April
1886 in London, Bon ihm erjhienen: «William
Penn and T. B. Macaulay» (1849), eine Mider:
legung der in Macaulays «Englifher Geſchichte⸗
gegen Penn erhobenen Anklagen; «How we tax
896
India» (1858), «Speech delivered after laying the
memorial stone of the first school built by the
Liverpool School Board» (1873). — gl. Reid, Life
of W. E. F. (2 Bde., Lond. 1888; 5. Aufl. 1889).
Örfter, Beamter, ſ. Forftverwaltung.
verfter, Arnold, Entomolog, ſ. Foerst.
Örfter, Auguft, Anatom, geb. 8. Juli 1822 in
mar, ftubierte in Jena, habilitierte ſich 1849 in
Halle, ging 1852 ala außerord. Profeſſor der pathol.
Anatomie nad Göttingen und 1856 nad Würzburg,
wo er 10. März 1865 jtarb. Seine hervorragend:
Werte find: «Lehrbudy der pathol. Anatomie»
10. Aufl., bg. von Siebert, Jena 1875), «Atlas der
mitroftopifchen pathol. Anatomie» (Lpz. 1854—59),
«Grundriß der Encpllopädie und Methodologie
der Medizin» (ebd. 1857) und «Mißbildungen des
Menihen, ſyſtematiſch dargeftellt» (ebd. 1871).
er, Auguſt, Schaufpieler, geb. 3. Juni
1 in Lauchſtãdt, ftubierte Philologie in Halle
und promovierte 1851 in Jena. Noch in dem:
felben te debütierte er ald Sedenborf («Zopf
und Schmert») bei der Bredowſchen Gejellihait
in Naumburg und begleitete fie bis 1853 auf
ihren Wanderungen durb Sachſen und Thüringen.
1853 engagierte ihn Wallner für Poſen und Brom:
berg; von bier ging er 1855 nad) Stettin, 1856
u Danzig und 1857 nad Breslau. 1858 von
Laube an das Wiener Burgtheater berufen, wirkte
. bier bis 1876, 1865 zum wirklichen Hofſchau⸗
ieler, 1870 zum wirklichen Regiſſeur ernannt.
om 1. Juli 1876 bis 30. Juni 1882 war F. Di«
reltor des Leipzi digen Sao Im Herbit 1883
trat er als Regiſſeur und ftellvertretender Direltor
an die Spige des Deutſchen Theaters in Berlin.
1888 wurde F. als Direktor des Burgtbeaters
nad Wien berufen; er ftarb aber jhon 22. Dez.
1889 auf einem Spaziergange am Semmering. Als
Schaufpieler gefiel F. in feinen Charakter: und
Bäterrollen, jo befonders als Friedrih Wilhelm J.
(söonf und Schwert»), Odoardo, Mufitus Miller,
atban, Erbförfter, Herzog Karl («Harlsjhüler),
Kottwig («Prinz von Homburg»), Snoughton («Pitt
und »), Doktor Klaus u. — w.
er, Emil, Ritter von, Baumeifter, Sohn
von Ludwig von F., geb. 18. Dit. 1838 zu Wien, war
—— ſeines Vaters, ſtudierte dann an der Alademie
zu Berlin, Nad) einer Studienreiſe in Italien führte
er den Ausbau der prall Dein in der verlänger:
ten Rärmntnerftraße, Palais Todesco und Hoyos, aus,
Später fammelte er wieder drei Jabre lang in Jtalien
mit dem Stuttgarter Arditelten Gnauth Stoff zu
einem Wert über die Renaiffance Toscanas, wo:
durch feine Hinneigung zum florentin. Renaifjanceftil
aud in feinen eigenen Schöpfungen weitere Nab:
rung erhielt. 1867 übernahm er den Bau der Häu⸗
jergruppe am Franzensring, des Hotels Aujtria in
Gries bei Bozen, des Kafınos in Marienbad, end:
—* des Wiener Ringtheaters (1372 -73; 1881 ab:
ge rannt), deſſen Inneres fih dur gefällige far:
ige Wirkung auszeichnete. Auch auf dem Mari:
miliansplage nächſt der Botinfirde errichtete F.
eine Gruppe palaftäbnlicher Gebäude, ſowie bie
Bankhäufer des Giro- und Kaſſenvereins in ber
—* e, der Allgemeinen Oſterreichiſchen Boden⸗
trebitbant (jeit 1884), der Depofitenbant, ferner ein
Hotel zu Bukareſt (1887), ein zweites in 9
Förſter, Ernſt, Kunſtſchriftſteller und Maler,
Bruder von Friedrich F., geb. 8. April 1800 in
Munchengoſſerſtädt bei Camburg a. d. S., widmete
Förfter (Forſtweſen) — Förfter (Franz)
fi in Jena und Berlin theol. und philoſ. Studien,
feit 1822 aber in Münden unter Cornelius der
Malerei und war in Bonn an den Malereien der
Aula, in Münden an denen der Arkaden des Hof:
— en an jenen de3 neuen König
teiligt. Später wandte er ſich kunſtgeſchichtlichen
— en zu, die durch wiederho en nad
talien, jomwie * auch durch kreich,
and, Belgien, Deutſchland gefördert wurden
trat 1842 ald Mitredacteur von Schorns « Kımit
blatt» ein und ftarb 29. April 1885 zu Münden.
Die Reibe feiner kunftbiftor. und kunſttheoretiſchen
Schriften eröffnete F. mit «Beiträgen zur neuem
Kunftgeichichter (Lpz. 1835), denen die «Briefe über
Malerei» (Stuttg. 1838) jowie eine Anzahl Reiie
bandbücher folgten: «Münden, ein Handbuch für
Fremde und Einbeimifcher (Münd. 1838; 7. Aufl
1854), das «Handbuh für Neijende in Stalien»
(ebd. 1840; 8. Aufl., 2Tle., 1866) und das «Handbusb
für Reifende in Deutichland» (ebd. 1847; 2. Aufl.
1855). 5.8 beveutendite kunftbijtor. Arbeiten find
jedoch die «Geſchichte der —— Kunft> (5 Bde
.1851—63), die «Dentmale deutiber Baukumit,
Bildnerei und Malerei» (12 Bve., ebd. 185569)
und die «Vorjchule zur Kunftgeichichte» (ebd. 1862.
Die Herausgabe der Überfegung von Bajaris «Leben
der ausgezeichnetiten Maler, Bildhauer und Bau-
meilter» (6 Bde., Stuttg. 1832 —49) ſetzte er nad
Schorns Tode fort. Auch ſchrieb er: «J. G. Müller,
ein Dichter: und Künftlerleben» (St. Gallen 1851),
«Raffael» (2 Bode., Lpz. 1867—68) und «Peter von
Cornelius» (2 Bde., Berl. 1874). Als Schwieger:
john von Jean Paul Friedrich Nichter bat F. 1825
—38 an der Herauägabe von deilen Nachlaß und
Briefwechſel den hauptſächlichſten Anteil gebabt.
Unter anderm fchrieb er von «MWabrbeit aus Jean
Pauls Leben» (8 Bde., Bresl. 1827—33) die fünf
legten Bände, verfaßte eine kürzere Bi pbie des
Dichters für die Ausgabe von deſſen «Ausgemäblk
ten Werten», Bo. 16 (Berl. 1849), und gab den
«Bapierdrachen» (2 Tle., Frankf. 1845) ſowie «Bolit.
Nachklänge von Jean Paul» (Heidelb. 1842) und
«Denkwürbigleiten aus dem Leben von Jean Paul
ge ie. Richter» (4 Bde., Münd. 1000) beraus.
igene dichteriihe Verſuche veröffentlichte F. in
einem Bändchen «Wedichte» (Lpz. 1854). ER: Be
endigung der « Denkmale deutſcher Kumft» begann
F. die «Geſchichte der ital. Kunſto (5 Bde., Prı
1869— 78) und die «Dentmale ital, Malerei»
(4 Bbe., ebd. 1869— 82). Bei jeinen wiederbolten
Reifen in Italien bat 5. mande widtige kunſt⸗
gei ichtlihe Entvedungen gemadt. Aus jeinem
achlaß erjhien die Selbitbiographie «Aus der
AJugendzeit» (Stuttg. 1887).
Sör er, Franz, Rechtsgelehrter, geb. 7. Juli
1819 zu Breslau, war 1850—58 Kreisrichter in
Löwenberg, dann Appellationsgerichtärat in Greifs⸗
wald, wurde 1874 Wirtl. Geb. Oberregierungsrat
und Direktor im Aultusminifterium für Kirchen:
angelegenbeiten;er arbeitete die Entwürfeder Grund»
buchordnung, der Vormundſchaftsordnung und der
neuen Gerichtöverfafjung aus. F. ftarb 8. Aug.
1878. Er ift verdient um die wiſſenſchaftliche Be
banblung des preuß. Rechts in den Werten «ftlaae
und Cinrede nah preuß. Rechto (Bresl. 1857),
«Preuß. Grundbuchrecht⸗ (Berl. 1873) und nament:
lich «Theorie und Praris des beutigen gemeinen
preuß. Privatrecht» (ebd. 1864— 73; jeitder 4. Aufl.
von Eccius bearbeitet; 7. Aufl. in 4 Bon., 1896— 97.
Förſter (Friedrich) — Förſter (Ludw., Ritter von)
Förſter, Friedrich, Geſchichtſchreiber und Dich:
ter, Bruder von Ernſt F., geb. 24. Sept. 1791
zu Mun a bei a.d. ©., ſtu⸗
dierte in Jena Theologie, dann Archäologie. 1818
trat er in das Süpowfche Freikorps, wurde in
ven folgenden Feld gen mebrmal3 verwundet und
avancierte zum Offizier. Nach feiner Nüdtehr aus
Paris, wo er bei — der ——
thätig war, wurde er in Berlin Lehrer an der Ar:
tillerie⸗ und Ingenieurſchule, 1817 als Verfafier
mebrerer Aufjäge in der «Nemefis» aus dem fönigl.
Dienſte entlaſſen, au in feiner neuen Thätigteit
an ber Univerjität ge Nachdem er jeit 1821
die «Neue Berliner Monatsichrift», dann 1823—26
die « Boffilche Zeitung» und 1827—30 in Berbin-
dung mit Häring (Wilibald Aleris) das neue «Ber:
liner Ronverjationsblatt» redigiert hatte, unter:
nahm er eine Aunftreife nah Stalien und erhielt
nad feiner Nüdtehr eine Anftellung bei ver königl.
Kunjttammer in Berlin, mo er 8. Nov. 1868 ftarb,
Von 3.8 hiſtor. Schriften find zu erwähnen: «Bei⸗
träge zur neuern Nriegsgeichichter (Berl. 1815),
«Der Feldmarſchall Blücher und feine Umgebun-
en» (%pz. 1821), «Friedrichs d. Gr. Jugendjabre,
ildung und Geijt» (Berl. 1822), «Grundzüge ber
Geſchichte des preuß. Staates» (2 Bde., ebd. 1818)
und «Handbuch der Gejhichte, Geographie und
Statiftil des preuß. Reichs» (3 Bde., ebd. 1820
— 22). Mit den Schriften «UIngedrudte eigenbän:
ir vertraulihe Briefe und amtlihe Schreiben
Albrehts von Wallenitein» (3 Bde., 1828—29),
«Albrebt von Wallenftein» (Wot3d. 1834) und
«Wallenfteind Prozeß» (Lpz. 1844) bat er viel
qur Aufbellung der Pläne und Abfichten diejes
oberen und befonderö der Motive zu feiner
ordung beigetragen. Diefen Arbeiten reiben
io noch an: «Friedrich Wilhelm I., König von
reußen» (3 Bde., Potsd. 1834—35) und das Wert
«Die Höfe und Kabinette Europas im 18. Jahrb.»
(3 Bde.,nebjt Urkundenbuch; 2 Bve., ebd. 1836—39),
«Preußens Helden in Strieg und Frieden. Die Ge
ſchichte Preußens jeit dem Großen Kurfürften bis
zum Ende der Freibeitätriege» Y Tle. Berl. 1846
u. d.). Später ſchrieb F. eine Reihe populärer bier.
erte, wie: «Leben und Thaten Friedrichs d. Gr.»
(2. Aufl., 2 Bde. Lpz. 1842), «Chriſtoph Columbus»
2. Aufl., 3 Bde., ebd. 1846). Seine Kriegslieder,
manzen, Erzählungen und Legenden vereinigte
. in einer Sammlung u. d. T. «Gedichte (2 Bochn.,
erl. 1838). In «Peter Schlemihls Heimtehr»
(2. Aufl., Lpz. 1849) lieferte er eine Fortſetzung zu
der Dichtung ra Außerdem bearbeitete er
mehrere regte eſpeares und einige Heinere
Quftipiele für die * und verfaßte das hiſtor.
Drama «Guſtav Adolf» (Berl. 1833); auch wirkte
. mit bei der Herausgabe der Werte Hegels. F.
t der Gründer des Wiſſenſchaftlichen Kunjtvereins
zu Berlin, dem er lebenzlang als Sekretär an-
gehörte. Na feinem Tode erſchien der Anfang
einer Selbitbiograpbie u. d. T. «Kunft und Leben»
(bg. von Klette, Lpz. 1873).
Örfter, Heinr., Fürftbifhof von Breslau, geb.
24. Nov. 1800 zu Großglogau, ftudierte zu Breslau,
erbielt 1825 die Prieſterweihe, wurde Kaplan zu
Liegniß, dann Pfarrer zu Landshut; 1837 ala
Domberr, erfter Domprediger und Inſpeltor des
Kleritaljeminars nad Breslau berufen, begründete
er in dieſer Stellung feinen Ruf als einer der
bedeutenditen Kanzelredner der kath. Kirche in
Brodhaus’ Konverfationd-Lerifon. 14. Aufl. R. A. VL
897
Deutihland. Gelegentlih der je achriſtkatho⸗
liihen» Bewegung (1844) in Sch nn trat er als
entſchiedener Borfämpfer des röm.:kath. Kirchen-
tums auf. An der Synode deutſcher Biichöfe (1848)
u Würzburg nahm er teil als BVertreter feines
eunded Diepenbrod ſowie mit diefem an der
eutfchen Nationalverfammlung zu Frankfurt a. M.
Nah Diepenbrods3 Tode wurde F. 19. Mai 1853
*8 deſſen Nachfolger im Bistum Breslau gewählt.
as Verdilt Roms ‚gegen die Lehren Gunthers
bradte ihn in Konflikt zunächſt mit Job. Baptift
Balger (f. d.), ſodann mit der Breslauer kath.
theol. Fakultät und deren ftaatlih begründeten
Stellung. Auf dem Vatikaniſchen Konzil gehörte F.
zu den Gegnern des Infallibilitätsdogmas; fpäter
unterwarf er fi demfelben und ſchritt gegen die
Dpponenten in der Breslauer theol. Fakultät ein.
Nachdem F. megen —— — gegen die
Maigeſetze eine Reihe von Geldſtrafen auferlegt
worden war, wurde durch den oberſten kirchlichen
Gerichtshof das Abſetzungsverfahren gegen ibn
eingeleitet und F. durch rechtskräftiges Urteil vom
6. Oft. 1875 feines Amtes entjegt. Seitdem lebte
er, auf ben öſterr. Teil feiner Didceje beichräntt,
auf Schloß Johannisberg bei Jauernig in Oſter⸗
reichiſch⸗ Schlefien, mo er 20. Dt. 1881 ſtarb.
Unter feinen jablreichen Veröffentlihungen find
zu nennen: «Der Ruf der Kirche in die Gegen:
wart» (4. Aufl., 2 Bde., Regensb. 1879), «Die
chriſtl. Familie⸗ (6. Aufl., ebd. 1893), «Kardinal
Diepenbrod. Ein Lebensbild» (Bresl. 1859; 3. Aufl.,
Regensb. 1878), die «Gejammelten ——
aus den 25 Jahren 1853— 78» (2 Bde., Regens
1880) und «Abihiedsgabe, Predigten aufdie Sonn»
und Feſttage nebit Gelegenheitäreden» (2 Bde. ebd.
1880); feine «ejammelten Ranzeloorträge» (6 Be.
und —* Bresl. 1849) find 1878—79 in 4. u.
5. Auflage erihienen. — Vgl. Franz, Dr. H. F., Furſt⸗
bifhof von Breslau, ein Lebensbild (Neiſſe 1875).
Örfter, Karl, Dichter und Üüberſeher, geb.
8, April 1784 zu Naumburg an der Saale, jtus
dierte F 1800 Theologie in Leipzig, wurde 1806
Adjunkt und 1807 Profeſſor am Radettenhaufe
zu Dresden, wo er 18. Dez. 1841 ftarb. F. trat
zuerft mit der Überfeßung von «Betrarcas Gedich⸗
ten» (2 Tle., Lpz. 1818—19; 3. Aufl. 1851) hervor,
der Üiberjegungen aus Taſſo und Dante folgten.
Sein «Abriß der allgemeinen Litteraturgefhichte»
(Bd. 1—4, Abteil, 1, oʒ. 1827—80) blieb unvollens
det. Die von Wilh. Müller begonnene «Bibliothek
deuticher Dichter de3 17. Yabrb.» wurde von ihm
— und 1888 mit dem 14. Bande ——
3 zum Teil ſehr anſprechende Gedichte, deren
mebrere von Weber u. a. in Mufil geſetzt wurben,
erſchienen nad feinem Tode (2 Bpe., Lpz. 1848).
Örfter, Ludw., Ritter von, Baumeifter, geb.
8. Olt. 1797 in Bayreuth, geft. 16. Juni 1863 in
Gleichenberg in Steiermart, bejuchte die Alademien
u Münden und Wien. Unbefriedigt von dem klaſſi⸗
Iihen Stil feines Lehrer Nobile, wandte fi F. der
ital. Renaifjance zu. Bereits 1844 entwarf er die
eriten Projelte einer Erweiterung des alten Wiens,
welche fpäter teilmeife nad andern Ideen durchge—
führt wurde. Durch jeine Schüler, wie van der Nül,
wurde 5. der Begründer der heutigen Arditelten-
ſchule Oſterreichs, auch erwarb er ſich durch das von
ihm begonnene Fachorgan, die «Bauzeitung» (ſeit
1836 in Wien), große Verdienfte. Seine eigenen
Bauten zeigen den Beginn des Aufſchwungs; jo die
57
898
prot. Kirche im Bezirt Mariahilf, die Elifabethbrüde
1854), der iörael. Tempel, das Palais Todesco.
ud am Arjenal war er mit Hanfen beihäftigt. In
der Anwendung mittelalterliher Stile erwies er
fi indefjen weniger ——
Förfter,Rihard, Altertumsforſcher, geb. 2. März
1843 zu Görlig, ſtudierte in Jena und Breslau
Hafjishe Philologie und war bis 1873 Lehrer am
Maria-Magdalenen:Gymnafium in Breslau. 1868
babilitierte er ſich an der Sg Univerfität, war
1868— 70 als Stipendiat des Archäologiſchen In⸗
ftituts in Italien und Griechenland und wurde 1873
außerord. Profeſſor der klaſſiſchen Philologie in
Breslau, 1875 ord. Profefior in Noftod, 1881 in
Kiel, 1890 in Breslau; 1899 wurde ihm daſelbſt
aud die Profeſſur für Archäologie übertragen. Er
veröffentlichte unter anderm «Quaestiones de at-
tractione enuntiationum relativarum» (Berl.1868),
«Der Raub und die Rüdtehr der epbone in
ihrer Bedeutung für die Mythologie, Litteratur:
und Runjtgeihichte» (Stuttg. 1874), «Francesco
Zambeccart und die Briefe des Libanios» (ebd.
1878), «arnefina» Studien» (Roftod 1880) und
gab die «Scriptores physiognomici graeci et la-
tini» (2 Bde., Lpz. 1893) heraus,
Foerfter, Wendelin, Romanift, Kern 10. Febr.
1844 zu Wildfhüg bei Trautenau (Böhmen), ſtu⸗
dierte, nad vollendetem theol. Kurjus auf dem
bifhöfl. Alumnat zu Koniggrätz, 1865—68 klaſſiſche
Philologie in Wien, war 1868— 74 Gymnaftallehrer
in Brünn, dann in Wien, wo er ſich Oftern 1874 für
roman. Vhilologie habilitierte; Herbft 1874 wurde
er Brofefjor in Prag, 1876 Diez’ Nachfolger inBonn.
F. iſt einer der tbätigjten und umfichtigiten Heraus:
er altfranz. Terte. Wichtig find beſonders die
usgaben von «Aiol et Mirabel» und «Elie de
St. Gille» (2Bde. Heilbr. 1876—82), «Li chevaliers
as deus espees» (Halle 1877) und die Ausgabe von
«Chriftian von Troyes’ jämtlihen Werten» (Bp.1—3,
ebd. 1884— 90), die «Altfranz. Bibliotheb (Bd. 1—
11, Heilbr. und m. 1879—87) und deren Erwei⸗
terung «Roman. Bibliotbel» (Bd. 1—17, Halle
1888— 1900). Ferner gab F. heraus «Richars li
biaus» (Wien 1874), «Las mocedades del Cid deD.
ı Guillem de Castro» (Bonn 1878), Rob. Garnierd
«Tragedies» (4 Bde., Heilbr. 1882—83), «Freundes:
briefe von Fr. Diez» (Bonn 1894) u. a. Auber jeinen
Arbeiten im Gebiete der roman. Grammatik und der
Etymologie, jowie des altfranz. Wörterbuches, fei
noch auf jeine Unterfuhungen über die Anfänge der
Artusfage in Frankreich een wodurch die
anglo-normann. und waliiche Borftufe enpgültig be:
feitigt und die Bretagne ald Quelle aufgeitellt wurde.
verfter, Wilb., Ajtronom, geb. 16. Dez. 1832
u Grünberg in Sclefien, ftudierte jeit 1850 in
erlin Mathematik und ent rg feit
1852 in Bonn unter Argelanders Leitung aus:
ſchließlich Aſtronomie. Nachdem er 1854 mit der
Schrift «De altitudine poli Bonnensi» promoviert
art ward er 1855 als zweiter Aififtent bei der
erliner Sternwarte angeitellt und war ſeitdem bis
1862 fajt ausfchließlih mit Beobabtungen und Be
rehnungen von Planeten und Kometen beichäftigt.
Inzwiſchen batte ſich F. 1857 für Ajtronomie an ver
Univerfität babilitiert, war 1860 zum erſten Aifi-
ftenten der Sternwarte aufgerüdt und erbielt 1863
eine außerordentliche Profefjur an der Univerfität,
Nachdem er 1863—65 mit der interimiftiichen Leitung
der Berliner Sternwarte betraut gemejen war, wurde
Förſter (Richard) — Förfterfchulen
er im März 1865 definitiv zu deren Direktor er
nannt. Seitdem war F. aud als Herausgeber dei
«Berliner aftron. Jahrbuchs⸗ jowie ald Mitarbeiter
an der «Europ. Grabmefjung» (bi 1868) und dann
eine Zeit lang ald Schriftführer der Aſtronomiſchen
Geſellſchaft tbätig. Ende 1868 ward F. unter Beibe
—— ſeines Lehramtes und ſeiner Stellung als
ſtronom zum Direltor der Normalaihungstom-
miffion des Norddeutſchen Bundes (jeit 1871 des
Deutiben Reich) und damit zur Leitung der deut:
ſchen Maß⸗ und Gewichtäorgantjation auf Grund des
metriſchen —— berufen. Seine wiſſenſchaftlichen
Arbeiten hat 5. hauptſächlich in den «Ajtron. Na:
richten» und dem «Berliner ajtron. Jahrbuch» nieder:
elegt; außerdem einzelne Arbeiten über Meſſen und
Wägen in den von ihm herausgegebenen «Metro:
nomiſchen er (Heft 1—3, Berl. 1878—82)
und in ben 2 lilationen des Internationalen
Komitees für Maß und Gewicht, zu deſſen Vorſitzen⸗
ben er 1891 ernannt wurde. Regelmäßige populäre
aftron. Mitteilungen hat F. in den jährlih von ibm
—— aſtron. Materialien zum «Rönigli
preuß. Normaltalender» jeit dem Jahrgang 1872
niedergelegt. vn «Bopulären Mitteilungen» er
chienen gefammelt in 2 Bänden 1879 und 1884.
erner gab F. heraus eine «Sammlung wiſſenſchaft⸗
icher Vorträge», welche fih hauptſächlich auf Die
Entwicklungsgeſchichte der Ajtronomie beziehen
und Leben&bilder mehrerer großer Forſchert ent
—— (3 Bde., Berl. 1876, 1887 u. 1890, die
eiden legten Bände u.d.T. «Sammlung von Bor
trägen und Abhandlungen»). Außerdem gab er den
5. Band der «Beobadıtungen» der Berliner Stern:
warte (1884) heraus und eine Sammlung ftreng
ajtron. Unterſuchungen u. d. T. «Studien zur Aſtro⸗
metrie» (Berl. 1888). 5. a der Spitze der jog.
etbiihen Bewegung (f. Ethiſch). In diejer Richtung
veröffentlichte er «Die Anfänge eines neuen focialen
Geifteö»(Berl.1894) und «Lebensfragen und Lebens:
bilder. ie Betrabhtungen» (ebd. 1902).
ö höhle, ſ. Waiſchenfeld.
d Aulen, Waldbauſchulen, niebere
Bildungsanftalten zur fahlihen Ausbild des
forjtlihen Schuß: und —— M der
alten Meifterjhulen und ältern Fo tlebranitalten
ſ. Forſtalademie) find kaum mehr als F. geweien.
est giebt es Davon nur wenige, da man ſich in vier
len Staaten damit begnügt, dieſem Perſonal nur eine
an die allgemeine Schulbildung fih anſchließende
rein patie Ausbildun —— In ee
beiteben die; oritlehrlingsta e zu Groß-Schönebed
im Reg.⸗Bez. Potsdam feit 1878 und die Forſtlehr⸗
lingsihule zu Prostau im Reg.:Bez. Oppeln jeit
1882; ic wird noch bei allen Jägerbataillo-
nen ein forjtlider Fortbildungsunterricht für die
elernten Jäger erteilt. In Bayern wurden 1888
ünf Waldbauſchulen eingerichtet zu Kelheim, Tripps
tadt, Wunfiedel, Lohrund Kaufbeuren, in Sachſen
1907 eine Forſterſchule zu Olbernhau; in Hejien
die Forſtwartſchule in Darmftadt 1897. In Oſter—
reich beiteben die Niederöfterreichiiche Baldbaus
hule zu Aggsbach bei Melt jeit 1875, die LE
Förfterjhule zu Gußwerk in Steiermarf feit 1881,
u Hall in Tirol jeit 1881, “ Bolehow in Galizien
Bei 1883, ferner die Waldbauſchule zu Piſel in
Böhmen feit 1884. Außerdem wird zu Bregenz
in Vorarlberg feit 1877 jedes Jahr ein 2: bis 24,
monatiger Kurſus zur — von Forſt⸗
ſchußz⸗ und Hilfsperſonal abgehalten. An die höhere
Horftfinanzrednung — Forſtinſekten
Forſtlehranſtalt zu Mahriſch-Weißlirchen iſt ſeit
1896 eine mäbr.Aölef. Waldbauſchule angegliedert.
In der Schweiz iſt zur Ausbildung von Unter
ſorſtern feit 1876 durd den Bundesrat die jährliche
Abbaltung von mindeitend 2 Monate umfafjenden
tantonalen Forſtkurſen eingeführt und * 1880
noch durch mindejtend 14 Tage dauernde jog. Fort⸗
bildungsturje ergänzt worden.
vrEnangvehunng, j. Forſtmathematil.
orftfrevel, die libertretung der zum Schuße
der Waldungen (Schuß der Foritlultur, Berbütung
von Waldbränden, rer von Forftdiebitäblen,
f. d.) gegebenen polizeilichen Vorſchriften. Ihre Bes
folgung ift durch Strafvorſchriften —— und die
betreffende Geſeßgebung iſt mit dem Ausdruck Forit:
polizeigejesgebung zufammengefaßt. Die
Reichögefehgebung bat die Ordnung diefer Materie
der Landesgeſetzgebung überlafien (f. Forſtpolizei)
und nur die Nichtabhaltung der Kinder von ber
Begehung von F. unter Strafe (Haft bis 6 Wochen)
geitellt. An Breuben iſt das Feld: und Forjtpolizeis
geiles vom 1. April 1880 in Geltung; bie Strafen
geben nicht über 150 M. oder Haft bis 6 Wochen.
ſterreichs Foritgejeb ift vom 3. Dez. 1852,
Forfthoheit, der Inbegriff der der Staats—
ewalt in Beziehung auf alle im Staatögebiete ge:
egenen MWaldungen zuftebenden Befugniſſe. Dieje
bezieben ſich inäbejondere darauf, daß die Wälder
auf feine dem allgemeinen Wohle nadteilige Weife
note werden. Die F. ift ein Teil der all:
emeinen Bolizeigewalt des Srnates und erjtredt
Rh auf alle Waldungen, gleichviel ob dieje Brivat-
eigentum einzelner Werlonen oder Korporationen,
ob fie der landesberrlichen Familie oder dem Staate
gehören. Als ein Ausfluß der Landeshoheit konnte
hi die 5. erjt nah Ausbildung diefer entwideln,
eihen die Entwidlungäleime beider in Deutſch⸗
land zwar bis in das 12, Jahrh., vielleicht noch
weiter zurüd, jo blieb es doch namentlich dem 16.
17. und 18. Jahrh. vorbehalten, die B- auszubilden.
Uriprünglih wardas Recht des Forftbannes (ſ. d.) ein
Ausflub der Grundherrlichleit, zuerſt waren es dann
die Markwaldungen (f. Markgenoſſenſchaften), in
die fich die Landesherren zahlreiche Eingriffe geitat-
teten; es konnte dies um jo leichter geicheben, ala
fie vielfab zu erbliden Obermärlern geworben
waren. Während die ältern Forft- und Walbord-
nungen nur für diejenigen Wälder ar werden
fonnten, die der Geber einer ſolchen Orbnumg in
Befis batte, erjtredten fie fih nun auf Grund der
F. aud auf die Waldungen anderer. Die Marl:
waldungen nahmen vielfach die erblichen Obermär:
ter in Befis, jo daß die ehemaligen Markgenofjen
aus Miteigentümern nur Servitutberechtigte wur:
den. Die hiſtor. Entwidlung der Eigentumsverhält:
nifje ift in diefer Beziehung in den deutſchen Staa-
ten eine jehr verſchiedene a een An einigen,
namentlid in Suddeutſchland, hatte die auf die
Hoheitsrechte geitügte Macht der Regierung dahin
geführt, daß jämtliche Waldungen des Landes einer
vollftändigen ftaatliden Bevormundbung unterwor:
kn wurden. Der vielfach, namentlich durch rüd-
ichtsloſe Ausübung von Forjtberedhtigungen hervor⸗
gerufene ſchlechte Zuſtand der Waldungen, die lokal
berechtigte Furcht vor Holzmangel unterjtüßten das
Bevormundungsſyſtem der Staatägewalt. Eine
große Anzahl von Forftorbnungen find aus dem
16, bis 18. Jahrh. aufbewahrt worden. In neuerer
Zeit bat die Gejehgebung den Einfluß der Staats:
899
gewalt mehr und mehr auf das im Intereſſe des
allgemeinen Wohl unbedingt Notwendige be
fhräntt. (S. Foritpolizei.)
Forftinfekten. (Hierzu Tafeln: en e
orftinfelten I w. IL) Die ſchädlichſten F.
nden fihb in den Drbnungen der Käfer umt
Schmetterlinge, dagegen enthalten die Ader⸗ und
Geradflügler nur wenige ſehr ſchädliche Arten, Zwei:
und Halbflügler (Wangen) nur einige merklich ſchäd⸗
lie, die Nepflügler gar feine forftihädlichen, fon:
dern nur nußliche Arten. Unter den Käfern find
vorzugämweife die Familien der Borlentäfer (Sco-
lytidae oder Bostrychidae) und Ruſſelläfer (Cur-
culionidae) vo. der Mailäfer zu erwähnen.
Die Borlentäfer (f. d.), von denen gegen
80 Arten forftlih beachtenswert find, haben in
bolzwalbdungen oft ſchon große Berheerun:
gen gebracht, namentlih der Fihtenborten:
äfer oder Buchdruder, Tomicus (Bostrychus)
typographus L. (f. Taf. I, Fig. 9). In feiner Be:
leitung finden fich oft der ibm äbnliche, 2
tgänge frefliende Tomicus amitinus Ei A
der durch Sterngänge ug gran Tomicus
chal phus L. u. a. m. Arge, durd ibn be
nilte Beibenangen (Wurmtrodnis) werden ſchon
im 17. Sahrb. vom Harz berichtet; 1772—87 wur:
ben ebenjalld am Harz gegen 3 Mill. Fichtenftämme
dur Borlenläfer vernichtet: nicht gan 0) s
tend waren die Verheerungen 1795—98 im Vogt:
land, Anfang diefes Jahrhunderts in der Provinz
reußen, in Württemberg u. ſ. w. Aus neuerer
eit ift zu erwähnen der große Fraß in Dftpreußen
1857—62, wo der Bortentäfer, der Nonne folgent,
mit diefer zufammen reichlich 70000 ha Wald ver:
wuſtete und über 7 Mill. fm Holz abftarben; ferner
der Fraß im Bayrifchen und Böhmer Wald 1871—
75; bier hatten die großen Stürme 1868 und 1870
die Vermehrung der Käfer durch das Werfen vieler
Zaufend Stämme — ftart begünftigı,
etwa 11000 ha mit 4 Mill. fm ya e wurben
verwüftet. — Nicht in fo großartiger Weije verderb⸗
li, aber ebenfalls ſehr (hänlic wirkt in Tannenbe ⸗
ftänden der boppelarmige, BBagenänge fre ende To-
micus curvidens Germ., in liefern Tomicus ste-
nographus L. und Hylesinus piniperda L., ber als
Käfer überdies die jungen Rieferntriebe *
an verdienen noch zahlreiche andere Nadelholz⸗
bewohner als Beitandöverberber unfere Beachtung.
Weniger haben die reprodultionäträftigen La
bau! von Borlenläfern zu leiden. Ihnen ſchaden
auptſächlich die Arten der Baftläfer (Hylesini) und
plintläfer (Scolytini), leßtere find nur Laubholz⸗
bewohner. Hylesinus crenatus Fabr. und fraxini
Fabr. (f. Zaf. I, Fig. 8) haben ſchon oft Eſchen ge:
tötet oder empfindlich eihädigt, ebenjo Scolytus
Ratzeburgii Jans. Birlen, Scolytus destructor Ol.
Ulmen u. ſ. w. Den Fichten werben verfchiedene
Bajtläfer jbädlih, fo der große (Dendroctonus
micans Kugl.) und der ſchwarze Fichtenbaſtkäfer
Hylastes cunicularis Knoch). Mehrere Borlens
äferarten freflen nicht in der Baſtſchicht, fondern
geben nd in das Holz hinein und werden dadurch
techniſch jhädlich, jo die Nukbolgbortentäfer Tomi-
cus (Xyloterus) lineatus Ohr. in Nabelbölzern,
Tomicus domesticus L. in Laubholzern, Tomicus
—— Ratz. und monographus Fabr. m
Eichen, dispar Fabr. in verſchiedenen Laubbäumen;
von lektern Arten werden einige (Tomicus dispar)
bäufig auch jungen gaubholzheiitern ſchädlich.
57*
900
Die forftihäpliben Rüſſelkäfer (Curculio-
nidae) treten meift als Rulturverderber auf. Vor:
—— iſt es der große braune —*5 Hylo-
ius abietis L. (Curculio pini Ratz., 1 &at 1,
Fig. 4), der oft ausgedehnte ——— von jun⸗
en Fichten und Kiefern durch Benagen der Rinde
aſt vollſtändig zeritört. Viele Tauſend Mark werden
in Deutſchland jährlich verwendet, um durch Sam—
meln dieſes Räfera bie Kulturen einigermaßen zu
ſchützen. Seine Larve ift dagegen nicht ſchädlich,
da fte ſich in den im Boden zurüdbleibenden Wur:
zeln gefällter Bäume entwidelt. Der Heine braune
le Pissodes notatus Fabr., ſchadet durch
den Fraß der Larve, bie fih unter der Rinde junger
Kiefern entwidelt. Sein Gattungsverwanbter Pis-
sodes hercyniae Herbst wurde in neuerer Zeit wie
derholt in Fichtenitangenbölzern Iche ſchädlich, unter
deren Rinde die Yarve lebt, ebenjo Pissodes pini-
philus Herbst in Riefernitangen, Pissodes piceae
IN. in Tannen u.a. m. Eine große Anzahl der
Rüffeltäfer ſchadet nur mehr oder weniger empfinds
fi dur Befreſſen der Triebe und Blätter, fo die
den Gattungen Phyllobius und Polydrosus ans
gehörigen, meift [hön grün gefärbten Arten.
us der Familie der Blattbornläfer (Lamelli-
cornia) ift ald arger Waldfeind vorzugsweiſe der zu
den Scarabaeidae gehörige, allbelannte Maitäfer,
Melolontha vulgaris Fabr. (f. Taf. I, Fig. 10), zu
nennen. Weniger verberbli tft die allerdings auch
recht nadteilige Zeritörung der Blätter und Blüten
durch den Fraß des Käfers, viel mehr der unterirdifche
—8 der Larve, des ſog. Engerlings, an den
urzeln. Wiederholt gehen oft die Pflanzungen,
namentlich die der Kiefern in der mittel: und nord»
deutfchen Ebene, vollitändig dadurd zu Grunde.
Eine auf feblerbaften Örundläßen der Forſteinrich⸗
tung berubende Schlagfjührung, bei der u probe
Flächen lahl gelegt weden, vermehrt das Übel.
In der Familie der Bodfäfer (Cerambycidae),
deren Larven meijt im Holze felbit leben, finden
fib nur einige wirklich ſchädliche Arten R tötet
z. B. Tetropium luridum Z. die von ihm befallenen
Nadelhölzer. Alte Eichen werben von der Larve
des Cerambyx cerdo L. (heros Fabr.) durchwuhlt,
Pappeln von der der Saperda carcharias L. (ſ.
Taf. I, Fig.5); iterben auch dieje Laubhölzer infolge
des Fraßes meijt nicht ab, fo wird doch deren Holz
tranf und technijch entwertet. In jüngern Aus:
ſchlägen und liten der Aipe lebt Saperda populnea
L. und verurjadt fnotige Anichwellungen. Biele
Bodtäfer leben in Weiden, 5. B. Lamia textor L.,
deren Larve durch Zerftörung der Stöde in Weiden:
begemn empfindlich ſchadet.
ie zahlreiche Syamilie ver Blattläfer (Chry-
somelidae) ſchadet ald Käfer und Larven durch
Abfrejien der Blätter. Forſtlich wirllich beachtens—
werten Schaden thun nur die auf Weiden lebenden
Arten in den Korbweidenanlagen, fo bie roten
Chrysomela (Melasoma, Lina) populi L. (f. Taf. I,
Ya. 6), tremulae Fabr. und longicollis Suffr., die
dunlelmetalliihen Chrysomela (Phyllodecta) vitel-
linae L., vulgatissima L. u. a.
Bon andern Blattfrefiern fei noch der zur Familie
der Pilaiterläfer (Meloidae) gehörigen fog. Spa:
nifchen Fliege (f. d.), Lytta vesicatoria L. (f. Taf. I,
Fig. U), gedacht, die durch Entblättern verſchiedenen
oiten namentlich jungen Eſchen, ſchadet.
Auch andere Käferfamilien, die Prachtläfer (Bu-
prestidae), die Schnellläfer (Elateridae) u. ſ. w.,
Forſtinſekten
enthalten forſtlich ſchädliche, mehr oder weniger be
achtenswerte Arten; Agrilus viridis Z. und ver
wandte Arten töten dur ihren Larvenfraß junge
Buchen und Eichen, die Larven einiger elit
(Drabtwürmer) jhaden durch Wurzelfraß und Ber
jehren der Sämereien in Saatlämpen.
Den verheerenden Bortentäfern an Bedeutung
nabe ftehen einige Infelten aus der Ordnung der
Schmetterlinge, ja unter Umſtänden werben
fie noch gefährliher. An erfter Stelle find zu
nennen die Nonne, Liparis monacha L. (f. Taf. I,
dig. 1), und der große Kiefernipinner, Gastro-
pacha pini L. Die e ber Nonne frißt jebr
——— Pflanzen, lebt aber vorzug sweiſe
auf Kiefern und — und wird beſonders den
legtern verderblich. Einer der größten Nonnen:
fraße der neuern Zeit fand 1853 —55 in Dit
preußen ftatt. Die Schmetterlinge waren 1853
maſſenhaft aus Rußland kommend angeflogen,
und bi® 1855 waren fchon über 2500 ha Nabel:
—— kahl en. Der nachfolgende Bor:
entäferfraß vermebrte das Übel. In neuerer
eit wütete ein Nonnenfraß in Bayern, nament:
ich in Ober: und Niederbayern; er begann 1838
und erreichte 1890 und 1891 feinen Höberuntt;
1890 zählte man in den bayer. Staatöwaldungen
23560 ha befallene, davon 2666 ha fablgefreflene,
1891 123914 ha befallene, davon 2606 ha Tabl:
a — —— für Be
ämpjungsmaßregeln .
Aber aud in Böhmen, Mähren, Ofierreih Wirt
temberg, Helen, in der Lüneburger Heide, in den
reuß. Provinzen Branden und Sclefien, in
tenburg und Oldenburg u. |. w. ift die Nonne
feit 1889 in ernite Gefahr drobender Weife auf⸗
etreten und giebt ſelbſt dort zu den größten Be:
Poranifien Veranlafiung, wo alle Mittel dagegen
ergriffen werben, wenn nicht die Natur durch Pilz
frantheiten und Schmarogerinfelten den Kampf
gegen diefen mächtigen Feind unterftüßt. War doch
auch der oben erwähnte ojtpreuß. Fraß nur Zeil
eined Mafienfraßes, welcher ſich ſeit 1845 vom
Ural beginnend immer weiter und mweiter verbrei:
tete und erit 1867 erloſch. Cine große Gefahr aub
für die forgfältig — Waldgebiete liegt in
dem wunderbaren Wandertrieb der Nonne; wieder:
holt hat man gelben, daß die Schmetterlinge in
woltenartigen Mafjen weit fortziehen. So wurden
Anfang Aug. 1891 felbft in Münden Schwärme
beobadhtet, melde, Straßen und Häufer bebedent,
an dichtes Schneegeitöber erinnerten.
Der große ——— Gastropacha pini L.
. Taf. II, Fig. 2), iit — Bewohner des Kie⸗
ernwaldes. Dieim Boden, auhunter den Schuppen
der ſtärlern Rinde überwinternden Raupen befteigen
im zeitigen Jrübjahr, wenn die Bodentemperatur
etwa 6—7° C. erreicht, die Kiefern und en die
Nadeln bis in die Blattiheiden ab. MWiederbolter
Fraß tötet oft ganze ausgedehnte Beſtände. Vor
zugsmeife die Kiefernwälder der mittel- und nord»
deutihen Ebene jind dem Fraß der Raupe dei
Spinners ausgeſetzt, der nad) längern oder fürzern
Paufen mit größerer oder geringerer Stärfe in ben:
jelben Waldgebieten immer wiederlebrt. Die Be:
fämpfungsmittel find ſtets fo kojtipielig, dab oft
ſchon die Frage erörtert wurde, ob es nicht vom
wirtichaftlihen Standpunkte aus richtiger fei, gat
nicht8 gegen den Fraß zu tbun, d. b. die ände
totfreflen zu laſſen.
SCHÄDLICHE FORSTINSEKTEN. L
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. e ege ( vesicatoria); a er rve, efernholzwespe (Sirex juvencus), 3. Werre
1. Spanische Fliege (Lytta ia); a Käf: b La 2. Kiefernhol 81 3.W
(Gryllotalpa ris). 4. Grofser Rüsselkäfer (Hylobius abietis); a Käfer, 5 Larve, c Frafsobjekt derselben,
db. Pappelbock (Saperda carcharias); a Käfer, 5b Larve, ec Sa. k in song (Lina populi); Käfer und
Larven. 7. Kiefernblattwespe (Lophyrus pini); a weibliche, 5 männliche Wespe, e Larve, d geöffneter Cocon.
8. Eschenbastkäfer (Hylesinus fra ) in nat. Gr, a 8 mal vergröfsert, 5 Wagegänge desselben. 9. Fichten-
borkenkäfer (Tomicus typographus) in nat, Gr., a 7mal vergröfsert, 5 Lotgänge desselben. 10. Maikäfer (Melolontha
vulgaris); a Käfer, 5 Larve (Engerling), e Puppe.
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
SCHÄDLICHE FORSTINSEKTEN. II.
6b 6e
1. Nonne (Liparis monacha); a Weibchen, 5 Männchen, c Rau 4 Eier, junge Rau (Spiegel) un
- N ai } Cocon, € Rau * Mieregssher
d Pu
2. Kiefernspinner (Gastropacha pini): a Weibchen, d Männchen, ec Raupe, d pe durch
nemorum getötet, mit den Cocons desselben bedeckt. 3. Kieferneule (Traches piniperde), 4. Ringeispinner
(Gastropacha neustria); a Eier, b Raupe, e Falter. 5. ——— (Cnethocampa processiones); a männ-
licher Falter, 5 Raupe. 6. Grofser Frostspanner (Geometra defoliaria); a Männchen, db Weibchen, c Raupe
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl.
Forſtinſekten
Die Kiefer leidet ferner oft bedeutend durch den
vs der Kieferneule, Trachea piniperda Pane.
.Zaf. II, dig 3), des Kiefernſpanners, Fidonia
iniaria L., jerner durch viele Arten der Klein
&metterlinge, jo durch die die jungen Stämmen
trümmende Retinia buoliana S. P., durch die Harz:
beulen bildende Retinia resinella L. und durch
viele andere Schmetterlingsraupen. Weniger häufi
eihädigt werden durch folde die übrigen Nabel:
Pölker, 3. B. die Fichte, außer durch die höchſt ge:
—— Nonne, durch die unter der Rinde freſſende
aupe der Grapholitha pactolana ZU., durch die
Nadeln ausböblende Grapholitha tedella C7., die
Tannen dur Tortrix murinana Hbn., die Lärchen
durch die die Nadeln im zeitigiten Frühjahr mafjen:
baft aushöblende Coleophora laricella Hbn. u. |. w.
Die Laubhölger find gegen Raupenfraß viel
weniger empfindlih als vie Nadelhölzer. Vom
Rotſ —* urn pudibunda L., ganz tahl
eirejiene Buchenbeſtände erholen fih im nächſten
Aahre volljtändig, ebenjo von dem —* pin⸗
ner (j. d., —— rocessionea L., |. Taf. I,
Fig.5) kahl gefreſſenel en. Letzterer wird übrigens
durd die Giftigkeit feiner Haare, die Entzündungen
der Haut und Schleimhaut erzeugen, a ri
lid. Start bejallene Beſtände müfjen von Menſchen
und Vieh thunlichſt vermieden werben, da in den:
elben die Quft ganz mit den gefährlichen Haaren er:
ut if Bernichtend wirkt fein Raupenfraß im Laub:
olz, jondern nur jhädigend durch Zuwachsverluſt
und durch Zerftörung der Blüten. Immerhin lönnen
aber jelbit Kleinfchmetterlinge, wie Tortrix viri-
dana L. auf Eihen und nod viele andere, den ver:
chiedenſten Laubhölzern empfindlich ſchaden. Auch
olche Arten, die als Beſchädiger der Obſtbäume
betannt find, werben nicht ſelten im Walde ſchäd⸗
fi, jo die durch faſt flügellofe Weibdhen ausge:
zeichneten Froſtſpanner, der Heine Froſtſpanner,
Geometra (Cheimatobia) brumata L. und der große
ojtipanner, Geometra (Hibernia) defoliaria L.
J. Taf. II, Fig. 6), ferner der die fog. Raupenneiter
bildende Goldafter, Liparis chrysorrhoea L., der
Ringeljpinner, Gastropacha neustria L. (. Taf. IL,
Fig. u.a.m. Nur beiläufig jei der das Holz durch:
wüblenden Raupen deöWeidenbobrers,Cossusligni-
perda Fabr., und der Glasſchwärmer, namentlich
der Sesia apiformis Cl. gedacht, die viele Laubhölzer
beihädigen, jo daß fie erfranten und abiterben oder
menigitens techniich nicht mehr verwendbar find.
In der Orbnung der Hautflügler (Hyme-
noptera) find nur wenige Arten als ſchädlich zu
bezeichnen, verbeerend iſt feine. Unter den ſchäd⸗
lihen verdienen einige Blattweipen, darunter be
ſonders die Riefernblattweipe, Lophyrus pini L.,
ge Erwähnung (f. Taf. I, Fig. 7). Meniger das
eben ber Bäume als die Verwendbarkeit ihres
Holzes zu technischen Zweden beeinträchtigen einige
Holjweipen, jo Sirex gigas L. in Fichten, Sirex
juvencus L. (j. Taf. I, Fig. 2) in Kiefern und sichten
u. a. m., deren Larven das Holz durchwuhlen.
Bon den Zmweiflüglern (Diptera) find nur
wenige Arten foritlih ſchädlich und das meiſt nur
unbedeutend. Einige Gallmüden (Cecidomyidae)
fallen durch die von ihnen erzeugten Gallen auf,
3. B. Cecidomyia fagi Hrtg., die pyramidenförmige
Gallen auf den Blättern der Rotbuche oft in großer
Menge erzeugt, obne indefjen weſentlich zu Schaden.
Die Yarve einer andern, Cecidomyia brachyntera
Schwäg., lebt während des Sommers zwiichen den
901
Nadelpaaren der Kiefer in der Scheide; in den acht⸗
ziger Jahren wurde durch ihr —— Auftre⸗
ten z. B. das Knieholz des Rieſengebirges geſchädigt,
da die befallenen Nadeln abſtarben. Am ſchädlich⸗
ſten wird wohl die in Weiden lebende Cecidomyia
salicis Schrk., deren Larve in notigen Gallen der
MWeidenruten lebt; Anfang der fiebziger Jahre zer:
ftörte fie in der Provinz Brandenburg die Weiden:
ernte von mebrern Heltaren. Auch die Larven der
—— üden (Tipulariae) haben, im Boden
lebend, mitunter junge Bolspflanzen in ausgedehn⸗
ter Weife zeritört. j ,
Bon den Halbflüglern (Hemiptera) verdienen
ier nur Erwähnung die verfchiedenen Blatt: und
—— 1 B. die oft eine große Menge gi
ähnlicher Ballen (f. Tafel: Nadelbölzer. Wald:
bäume VII, Fig. 1, u) an Fichtenzweigen erzeugen-
den Chermes abietis L. u.|.w. feine diefer Läufe
wird aber den —— lturpflanzen ſo ſchäd⸗
lich wie den Pflanzen der Gärtner oder wie die
ebenfalls —5* ige Reblaus dem Weinftod.
Die Nespflügler Neuropers enthalten gat
feine foritihäplihen Arten, Gerapflügler (Or-
‚thoptera) nur wenige. Die in der Erbe lebende
— ———— oder Werre, Eryllotalpa vulgaris
Latr. (j. Taf. I, Fig. 8), ſteht in dem Rufe großer
Schädlichkeit vielleicht nicht ganz mit t, denn
e verzehrt Engerlinge und andere in der Erde vor:
mmende ſchädliche en, ſelten wohl auch Wur⸗
zeln, ſchadet aber ſicher etwas durch das Durch⸗
wuhlen des Bodens und Zerreißen der Wurzeln.
Die Borbeugungsmittel gegen alle die ge
nannten und fonjtigen Walbfeinde aus ber Inſelten⸗
welt beiteben in der Schonung und Pflege nüplicher,
infettenfrejjender Vögel und Säugetiere, in Erzie
bung moglichſt geſunder Beitände, namentlich aber
in einer fachverftändigen, aufmerljamen Pflege des
Waldes durd entiprechende Beitandesgründung,
durch zwedmäßige Durdforftung und eine gute
Forfteinrihtung. Unter Borausfegung diefer Maß⸗
regeln lafjen ſich wenigſtens gegen manche Inſelten
auch Vertilgungsmittel mit Erfolg anwenden, die
ſich auf eine genaue Belanntſchaft mit der Lebens:
weiſe der einzelnen Inſelten jtügen müflen. Gegen
die Bortentäfer zieht man durch wohlgeoronete
Hieböfolge, die Sturmſchäden vermindert, und durch
regelmäßiges, jährlic mehrmals wiederholtes Wer:
en von Fang bäumen in Nadelholzwaldungen zu
lde. Die Käfer legen ihre Brut mit Vorliebe in
iegende, aber noch nicht ausgetrodnete Bäume.
Ehe die junge Käferbrut ausfliegt, werben bie
Fangbäume entrindet und die Rinden forgfältig
verbrannt. Dasfelbe muß mit den zu fällenden, von
Bortentäfern befallenen ftebenden Bäumen ge-
ſchehen. Den großen Rüfleltäfer vermindert man
dur gründliche Stodrodung, man fammelt ihn auf
den Schlägen dur Auslegen von Fangrinden
und Fangkloben, unter denen fi die Käfer gern
verbergen. Den lleinen Rüfjelläfer (Pissodes notatus
Fabr.) belämpft man durd Ausrupfen und Ber:
brennen befallener Pflanzen, die im Sommer durch
Welten lenntlich werben. Gegen die Maitäjer haı
man bis jest noch fein anderes Hilfsmittel gefunden
als Sammeln der Käfer, da man die Engerlinge nicht
direlt vertilgen fann, Erfolg könnte jolhes Sam:
meln der auch Feld und Garten ſchädigenden Tiere
freilih nur haben, wenn es ganz allgemein ange:
wendet und gejeklich angeordnet würde, Nermei:
dung zu großer, Jahr für Jahr fih aneinander rei:
902
bender Schläge, alſo Wechſel derjelben, Vermeidung
von Kulturmetboden, die ausgedehnte Bodenlode:
tung fordern, ift zu empfeblen. Die Raupe des
großen Kiefernſpinners befämpft man erfolgreich
durch Leimringe, die man vor dem Aufbäumen der
Raupen im Frühjahr nah Entfernung der diden
——— etwa 1,5 m hoch um die Bäume
anbringt. Wenig Erfolg hat dagegen das Töten
der in den Nindenrigen oft ſchwer aufzufindenden
Eier und der Raupen der Nonne, obgleich lektere
eine Zeit nah dem Ausihlüpfen aus den Eiern
in ſog. Spiegeln (f. Taf. —— — beiſammen⸗
ihen. Neuerdings wendet man auch gegen bie
onne Leimringe mit Erfolg an, da die Raupen
fih von Zeit zu Zeit aus den Baumtronen berab-
lafien, auch vom Winde beruntergemworfen werden
und dann an den Stämmen wieder binauftriechen,
moran fie burd die Leimringe gebindert werden.
Gegen Riefernipanner und Rieferneule, deren Bup:
pen im Winter unter der Moos: oder der Nadel:
bede ruhen, kann man durch Sammeln nur wenig
thun, erfolgreicer ift Eintrieb von Schweinen, die
diefe Buppen ſehr gern frefien. Der —
ſionsſpinner iſt durch Zerftörung der Geſpinſiballen
vertilgen. Gegen die meiſien der nur merklich
chädlichen Inſelten laffen fi im ig der Koſten
wegen keine Gegenmapregeln ergreifen, höchſtens
find einzelne Bäume, einzelne Kleinere Beltände
oder Saat: und ac ſchulen zu ſchutzen.
Außer dieſen ſchädlichen Inſelten giebt es aber
auch forſtlich nu zliche, teils ſolche, die einen di:
relten wirtſchaftlichen Nußen gewähren, teils ſolche,
die uns im Kampfe gegen die ihädlichen Inſelten
unterjtügen. Bon erſtern ſeien z. B. genannt die
Gallweſpen (Oynipidae), von denen einige Arten
in ſudl. Ländern äußerſt wertvolle Gerbmateria:
lien, Galläpfel und Knoppern, erzeugen, die na:
mentlih für Ungarn und den Orient eine beveu:
tende Handeldware bilden. Zu den legtgenannten
gehören vorzüglid die Schlupfweſpen oder Jchneu:
monen (Ichneumonidae; j. Zafel: Ynjetten II,
Fig. 13—15). Sie legen meiſt ibre Eier in die Eier
oder Larven der ſchädlichen Infelten und ſchma—
ropen fo innerhalb ihrer Wirte. Die infizierten
Haupen frefjen weiter wie gefunde, gelangen aber
nicht mehr zur volllommenen Entwidlung, fondern
fterben als Zarven oder Puppen. Bon toßer Mid:
tigleit find unter anderm für Wald und Garten einige
Arten der Gattung Microgaster, ibre Heinen ar:
ven bobren ſich aus der noch lebenden, aber dann
bald fterbenden Raupe heraus, um fi felbit in
weißen oder gelben Heinen Cocons zu verpuppen,
die die tote Raupe oft mafjenbaft beveden (f. Tafel:
Shäplide en II, ig. 2e); Untun:
dige hielten namentlich früber a nükliche Tiere
bergende Cocons fälfchlib für Raupeneier. Ühnlich
wirten einige Fliegenarten, die Tachinen. Es ift
ein ficheres Zeichen, daß ein —— Inſelten⸗,
namentlich aupenfraf bald beendet fein wird,
wenn Ichneumonen, Tachinen und Schmaroperpilze
majfjenbaft auftreten. Aber auch andere nüpliche In:
jelten giebt es, die die jchädlichen direlt verzehren, fo
viele Laufkäfer, darunter der große, jhön metalliſch
grüngefärbte Calosoma sycophanta L., der ſich
namentlich in von Riefernipinnerraupen befallenen
Beitänden oft in großer Jabl einfindet und die Raus | richteten
pen maſſenhaft auffrißt, ferner jablreihe Staphy—
Forſtinſpektor — Forſtliches Verſuchsweſen
fluglern gehörigen Kamelhalsfliege
i (. Tafel: In:
ſelten ILL, Fig. 12), die man häufig unter Radel-
bolzrinden findet. Die Lamen einiger i
fliegen (f. Tafel: Infelten II, Fig 4),
die der Gattung Syrphus, verzehren Bla ein
Narbe Menge u. |. w. Leider ift man nidt i
i
im
tande bie Vermehrung des großen Heers der forit:
ih nüglihen Inſelten zu begünitigen.
uber den größern Werten Ratzeburgs (f. d.) vgl.
deſſen Schrift: Die Waldverderber und ibre Feinde
8. Aufl. u. d. T. Lehrbuch der mitteleurop, Foritin:
eftentunde, von Judeich und Nitſche, 2 Bde., Wien
1885—95); Heß, Der Foritihus (8. Aufl., 2 Boe.,
Lpz. 1896 F Henſchel, Die ſchädlichen u
DObitbauminjelten (3. Aufl., Wien 1895);
Foritzoologie, Bd. 3: «nfelten» (2. Aufl, Berl
1881— 82); Eihboff, Die europ. Bortentäfer (ebr.
1881); Editein, Forftlibe Zoologie (ebd. 1897); Bar:
bey, Die Boſtrychiden Gentraleuropas (Genf 1901).
————— ſ. Forſtverwaltung.
orſtkalender, mit Kalendarium verjebene
Notizbücher, in denen die im Laufe des Jahres vor
fommenden forftwirtibaftliben Arbeiten bemerkt
find und die ala Hilfsbuch eine Anzahl ——
beſonders forſtmathem. Tabellen enthalten.
den in Deutſchland erſcheinenden F. verdient nament⸗
lich Beachtung der ſeit 1873 von Judeich, ſeit 1882
von ihm und Behm herausgegebene «Forſt⸗ und
agdlalender⸗ (Berlin), dem ein zweiter Zeil, forit-
liche Statiitil enthaltend, — iſt. in
Oſterreich erſcheinen — F. Den erſten deutſchen
F. gab An Gottlieb Bedmann (f. d.) 1765 beraus.
oritfamm oder Schmiedeberger Kamm,
Zweig des Rieſengebirges, zwiſchen Ehmiebebers
und der Schneeloppe, mit dem 1219 m boben
Forſtberg.
orſtlehrauſtalten, ſ. Foritalademie und
orſtliche Ertragätafeln, ſ. Ertragstafeln.
orftliche Geodajie, —— Siatik,
Forſtliche Stereometrie, |. Fo it.
Forſtliches Verſuchsweſen. Schon jeit lan;
er Zeit verfchloffen fib tüdtige Männer nicht der
rlenntnis, daß auch in der twifienfchaft an
Stelle der auf bloße Erfahrung ründeten Hy⸗
—— zur Loſung wiriſchaftlicher Probleme der
eg der inbultiven Forſchung, d. b. der der eraften
Verjuche, betreten werden mülle. Wenn die
wirtſchaft in dieſer Beziehung der Forſtwirtſchaft
voraneilte, jo lag dies in der großen Schwierigleit
der forjtlihen Verſuche. Cin lanpwirtichaftlicher
Verſuch kann in vielen Fällen ſchon in wenigen
Monaten zu befriedigenden Rejultaten ee mwäb:
rend über einen einzigen foritliben Verſuch eine
ganze Generation ausiterben lann, ehe berjelbe
zum Abſchluß gelangt. In fo langer Zeit in er
nicht bloß ſehr vielen, oft vernichtenden Störungen
durch Elementarereigniſſe ausgeſetzt, jondern bietet
auch deshalb jo große Schwierigleiten, weil ber-
jenige, der ibn begann, —— Zeit des Reſul⸗
tats nicht erlebt. Derartige lange dauernbe
Jude bürfen nicht in der Hand eines Ginzelnen
iegen, fondern müſſen von einer bleibenden Re
| oierung, einer wiſſenſchaftlichen Anjtalt oder dev
gleichen begonnen und fortgeiegt werben. Schon
jeit nfang der vierziger Jahre des 19.
änner wie Hundeshagen, von
ind, 8. Heyer u. a. ihr Streben babin.
Iinen. Andere verfolgen unter der Rinde verborgen | verfahte im Auftrage der Verſammlung jübbent-
lebende Inſelten, 3. B. die Larve der zu den Nek: ı fcher Forſtwirte (1845) feine «Anleitung zu forit
Horjtmathematit — Forſtpolizei
ftatifben Unterfuhungen» (Gieben 1846). Die
Sache fam aber immer wieder in Stodung, wenn
aud einzelne Regierungen ſich jpäter derjelben an:
nahmen. Letzteres geſchah namentlih im König:
reih Sachſen ſeit 1860; in Bayern jeit Ende der
vierziger Jahre, bejonders aber feit 1866; in
Baden jhon feit Ende der dreißiger Jahre, wenn
auch nicht in großer — inen neuen
Aufſchwung nahm die Sache 1868 durch mander:
lei litterar. Anregungen, namentlich durch Baur
(«tiber forſtliche Verſuchsſtationen. Ein Wed: und
Mabnruf u. ſ. m.», Stuttg. 1868) und durch einen
auf Antrag des ſächſ. Oberlandforjtmeiiterd von
Kirchbach von der Berfammlung der deutichen
Land: und Forſtwirte in Wien elaßten Beſchluß,
—— noch in demſelben Jahre ein beraten⸗
der Kongreß in Regensburg gen und
einen Organifationsplan ausarbeitete. Mandherlei
Gründe verhinderten deflen Ausführung.
Gelegentlich der Berfammlung deutfcher Forftwirte
in Braunſchweig wurde 1872ein Bereinderforit:
liben Berfuhsanftalten Deutſchlands ge
ründet; derjelbe tagte das erftemal 1873 in Mühl:
aufen und iſt ſeitdem alljährlich gufammengetreten.
Durch Feititellung gemeiniamer Arbeitspläne —
größere Verſuchsarbeiten, als Aufſtellung von
tragstafeln, Kultur⸗ und ai range ride
ver diedene Unterfubungen aus dem Gebiete der
Holzmeßlunde und Zuwachslehre, durch Anlegun
foritlich meteorolog. Stationen — ſowie dur
emeinſame enge der Arbeiten bat dieſer
erein das F. V. bedeutend gefördert. An den:
felben beteiligten ſich die von den betreffenden Re-
gierungen unterjtügten forjtlihen Verſuchsanſtal⸗
ten Preußens, Bayerns, Sachſens, Württem-
bergs, Badend und Thüringens, Später (1882)
trat das Großherzogtum Heilen dazu. Abgeſehen
von der nur durch einen jo großen Verband mög:
lien Förderung auögebehnter Arbeiten, war es
ein Verbienft desjelben, als in der Verſammlung
des Vereins zu Rügen 1875 die Einführung glei⸗
er Holzfortimente und einer tur
— für Holz im Deutſchen Reiche
beſchloſſen wurde. Der — wurde zunächſt in
den genannten Staaten durchgeführt. Durch die
orößern gemeinfamen Arbeiten wurde natürlich
nicht ausgeſchloſſen, daß die einzelnen Anitalten
aud andere Aufgaben, namentlich aus dem Gebiet
der forſtlichen Naturwifjenichaften, in Angriff nab:
men. liber die Thätigleit des Vereins Teine Ar:
beitöpläne vgl. Gangbofer, Das F. V. (2 Bde.,
Augsb. 1881u. 1884). Zahlreiche erregen
in der forſtlichen Litteratur zeigen, daß die Ver:
juhsarbeiten in Deutichland energiſch geförbert
worden find. Auch in Öfterreih wurbe 1872 durch
das Aderbauminijterium ein jtaatlihes F. B. ins
Leben gerufen, dazu ein beſonderes Bureau errichtet,
das von Sedendorff bis zu feinem 1886 eingetrete:
nen Tode leitete. Seit 1877 erjheinen «Mitteilungen
aus dem 5. B. Ofterreihd». Mehrere der Groß:
grundbefiger Oſterreichs haben ebenfalls Mittel zur
‚sörderung des F. DB. gewährt. — Bal. Lorey, Die
“ tlihen Verſuchsanſtalten (Tüb. 1899).
orftmathematif, die auf — ange⸗
wendete Mathematil, eine ver wichtigſten forſtlichen
Fachwiſſenſchaften. Sie umfaßt Holzmeßkunde,
——— forſtliche Geodäſie und Kar:
tierung. Die Holzmeßkunde (forſtliche Ste:
reometrie) ijt derjenige Teil der F., der den Kubik
903
inbalt von einzelnen ſtehenden oder gefällten Bäu⸗
men und deren Teilen, ſowie von ganzen Bejtän:
den finden lehrt, ſowie Anleitung giebt zur Ber
rehnung des Zuwachſes ————— d. h.
derjenigen Holzmaſſe, um welche die Bäume und
Beſtände durch den jährlich ſich anlegenden Holz:
ring innerhalb einer gewiſſen Zeit zunehmen. Zur
Loſung ihrer Aufgaben bedient ſig die Holzmeß⸗
funde teils geometr., teils phyſik. Methoden. Die
Forſtfinanzrechnung lehrt die Berechnung aller
in der Waldwirtſchaft vorkommenden Koſten und
Erträge, der Erntereife der Beſtände und des Wald⸗
wertes Waldwertrechnung, f. d.); fie enthält den
größten und wichtigiten Teil deſſen, was von an—⸗
dern — Heyer u. ſ. w.) forſtliche
Statik genannt wird, d. h. die Meßkunſt der forſt⸗
lichen Kräfte und Erfolge. Da indeſſen Statik
eigentlich Gleichgewichtslehre bedeutet, ſo iſt der
Ausdruck ya e Finanzrechnung entſprechender.
Die forſtliche Geodäſie endlich lehrt die Grund⸗
fäße und das Verfahren forſtlicher Flächenaufnah—
men und Kartierungen kennen.
Die geſamte F. iſt von hervorragendſter Wichtig⸗
feit für die Loſung der Aufgaben der Forſteinrich⸗
tung (f. d.), in eriter Reibe für die der geometr.
und taratorifhen Vorarbeiten, dann für die Haus
barleitslehre; ebenfo wichtig für den Verkauf ver
Hölzer, feit diejelben nah dem Kubikinhalt vers
äußert werden. Große Verdienjte um die F. hat fich
M. R. Preßler (f. d.) erworben, Sein «Rationeller
MWaldwirt» (Heft 1—10, Dresp. und Lpz. 1858—85)
eröffnete ganz neue Bahnen für dieſe Wiflenichaft.
Die ältere Litteratur über F., die Arbeiten von Bed
mann, Bücdhting, Vierenklee, Späth, Hoßfelv u. a.
bieten heute mebr biitor. alö praftifches Intereſſe.
Selbit das für feine Zeit jehr bedeutende Buch von
G. König: «Die F. in den Grenzen wirtfchaftlicher
Anwendung u. |. w.» (Gotha 1835; 5. Aufl., von
Grebe, 1864), tft durch die neue Litteratur übers
olt. Bon diefer vgl. K. Heyer, Anleitung zu forſt⸗
atifchen Unterfuchungen (Gieß. 1846); ©. Hever,
ber die Ermittelung der Mafje, des Alters und
des Zuwachſes der Holzbeftände (Deflau 1852);
Puſchel, Die Baummelfung und Inhaltsberehnung
(en: 1871); Preßler und Kunze, Die Holzmeßkunſt
(2 Bpe., Berl. 1872—73) ; Breßler, Forſtliches Hilfs⸗
buch für Schule und Praris (TI. 1: Tafelwert, 6. Aufl.,
Wien 1902; TI. 2: Tertwert, Berl. und Tharandt
1871 fa.); derf., Ingenieurmeßlneht mit — 5—
(6. Aufl., Tharandt 1876); het — ubie⸗
rungstafeln (11. Aufl., be. von M. Neumeiiter, Wien
1900); Baur, Die Holzmeßkunde (3. Aufl., ebd.
1882); ®. Heyer, Handbuch der foritlihen Statik
(Abteil. 1, Lpz. 1871); derf., Anleitung zur Walds
— len naar 1865; 4. Aufl. 1892); Kunze, Ans
leitung zur Aufnahme des Holjaebaltes der Mald«
beitände (2. Aufl., Berl. 1891); Stöger, Waldwert⸗
rechnung und foritfiche Statik (Frankf. a.M. 1894);
Endres, Lehrbuch der Waldwertrechnung und Forits
ftatit (Berl. 1895); Burdharbt, Der Waldwert
(2. Aufl., Trier 1898); Udo Müller, Lehrbuch der Holz⸗
meßlunde (3 Tie., Lpz. 1899 — 1901); 3234
Leitfaden der Holzmeßkunde (2. Aufl., Berl. 1903).
er i. Forjtverwaltung.
orftpolizei, Forſtpolitit, die obrigfeitliche
Sorge der Staatägemwalt in Bezug auf die Forſten,
welcde die Abmwendung der dem Waldeigentum und
der Forſtwirtſchaft drohenden Gefahren jowie die
höchſte Blüte diejer Wirtichaft bezwedt. Die Maß:
904
regeln der F. treten keineswegs immer erit dann
ein, wenn die Macht des Einzelnen nicht mehr
jureicht, den genannten Zweck zu erreidhen, jon-
dern auch dann und da, wo ein Eingreifen im all
emeinen — als nützlich erſcheint. Die F.
haft jedoch die Waldbefiger niemald mehr be-
ſchränken, als dies durch das Öffentliche See
wirklich geboten ericheint. Die Mafregeln der F.
betreffen zunädjit die Sicherung des Waldeigens
tums gegen Verlegungen, und zwar gegen Forit:
vergehen (soritfrevel), gegen die nacteiligen Fol:
en der Waldferpitute, gegen Naturereignife, egen
olche Maßregeln oder — ———— in den Waldun⸗
gen oder in deren unmittelbarer Näbe, die deren
icherheit gefährden. Man kann diefen Teil der
. bie orftliche Sicherheitspolizei nennen;
ihre Wirkſamkeit ift vorzugsweiſe eine verbindernde,
vorbeugende. Die Beitrafung etwaiger Zumiber:
nr oder Fahrläſſigleiten iſt der gericht:
ichen Entſcheidun — —— der Ser⸗
vitute handelt es ſich um Schuß des Waldes gegen
übertriebene, fhädliche Ausdehnung der Servituts⸗
rechte, Bejebgebung über Ablöfung oder Regulie:
rung der Servitute. Naturereignifie werben info:
fern ein Objeft der F., als es ſich darum handelt,
gemeinfame Mafregeln zur Belämpfung derjelben
anzuorbnen; der Einzelne vermag z. B. durch alle
Vorbeugungs: und Bertilgungsmaßregeln eine Bor:
tentäferverheerung nicht abzumenden, wenn die be:
nachbarten Ges nicht gezwungen werben,
ebenfalls Maßregeln zu ergreifen. Handlungen,
welche die Waldungen gefährden, find 3. B. Feuer:
anmaden, Unvorfichtigleit bei der Köblerei u. ſ. w.
Sodann betreffen die Maßregeln der F. die Siche⸗
rung einer gewiſſen Menge von Wald und deſſen
jwedmäßige Verteilung im Lande in Rüdficht auf
die Bedeutung des Waldes im Haushalte der Natur
und der Meniihen. Die F. wird bier zur forftlichen
Wohlfahrtspolizei und iſt recht eigentlich ein
Ausfluß der Forſthoheit (f. d.). Die Eigentümlic:
teiten der Forſtwirtſchaft ließen es mit Recht be
denllich erſcheinen, die Bewaldung eines Landes
lediglich der Privatipetulation zu überlafien. Ver:
mebrt wurden dieje Bedenken durch zahlreiche Wald:
vermwüjtungen und durch die jhon mehrere Jahr:
bunderte alte Furt vor Holzmangel, die noch im
Anfang des 19. Jabrh. allerdings eine größere Be:
rechtigung batte al& jetzt, wo die Verbeijerung der
Verlehrömittel den Holzbandel in großartiger Weife
entwidelt bat. Der frübere Polizeiſtaat hielt in
diejer Beziehung die weitgehenditen Eingriffe in bie
— ———— haft für nötig und gerechtfertigt.
o lam es, dak in einigen Yändern Süddeutſch—
lands eine förmliche Beföriterung aller Waldungen
des Landes gelenic ausgefprocen wurde (3. B.
namentlih in Württemberg). Theoretiſch ging man
noch weiter; man verlangte, daß der Staat für die
Sicherung des notwendigen Bedarfs an Wald:
produlten im ganzen und einzelnen jorgen, in rich:
tiger Konſequenz diefer Forderung aber auch zur
Verhinderung der Holzverjhmendung die Berwen:
dung ber Foritprodufte überwachen jolle.
Die neuere Zeit verträgt jo weit gebende polizei:
lihe Eingriffe nit. Die rg der F. in diefer
Richtung wird dadurd mit Hecht eine beſchränk—
tere; ganz kann jie aber nicht aufgehoben werben.
Unbedingt muß der F. die Befugnis zufteben, die
Erhaltung und zwedmäßige Bewirtichaftung jener
Waldungen ohne Unterſchied des Beſitzers zu er:
—ñ — —
Forſtpolizei
— die für die allgemeine Landeskultur von
eſonderer —— ind, die der ſog. Schuß:
wälder(f.d.). Weitere Beihränktungen der Brivats
waldwirtſchaft, ald die Schugmwaldungen fordern,
rechtfertigen na niht. In Preußen, Sadien,
Medlenburg, Oldenburg und mehrern Kleinitaaten
zufammen 70 Proz. aller Brivatwaldungen) be
eben, abgefeben von den Schuswaldungen, be
ondere foritgejeglihe Beichräntungen der Privat:
wirtihaft nit; dagegen find folde in Sübd- und
Mittelvdeutichland in verfchiedener Weife (Rodungs:
verbot, —— Devaſtationsverbot,
Verbot von Waldteilungen) vorhanden, am ausge⸗
dehnteſten in Württemberg (Gejeg von 1879). Anders
ift es mit den Waldungen jurijt. Perjonen, mie
Gemeinden und Stiftungen. Hier erſcheint die
jegige Generation nur als Nußnieerin, der Staat
* die Pflicht, nicht bloß das Recht, dafür zu
ne dab die Nahlommen nicht dur die ber:
malige Nußnießerin geiaäbiat werben; bieje Pflicht
it gegenüber dem Waldeigentum eine bejonders
wichtige. Es erſcheint ſonach vollitändig — *
wenn der Staat einfach die Verwaltung folder
MWaldungen ganz in die Hand nimmt, wie es 3.2.
in Baden, ig je Hefien, Teilen von Bayern und
Hannover u. |. m. ber Fall iſt. Andere Staaten
beihränten fid = eine allgemeine Bermögensauf:
fiht (Sachſen, Dlvenburg, mehrere Rleinjtaaten)
oder führen daneben noch eine techniſche Betrieb:
—— — DEE, Oſterreich, teilweiſe
in Preußen u.a.m.). Die Privatforſtwirtſchaft lann
dadurch gefördert werden, daß bie Gejeßgebung bie
Bildung von Waldgenoſſenſchaften (j. d.) erleichtert
und unterjtüßt, da bierdburd bis u einem gewiſſen
Grade der Keine Beſitz auch der Vorteile teilbaftig
wird, welche für die Waldwirtſchaft der große Befis
bietet, namentlich eine Erleihterung und Verbeſſe⸗
rung des Schußes und derVerwaltung. Im übrigen
ift e8 die Besen foritlibe Wirtihaftspolitit,
wenn der Staat feinen eigenen Waldbeſiß nicht bloß
erbält, jondern zu vergrößern ſucht, mas bezüglich der
Schutzwaldungen nötı he durch Erpropriation
zu geicheben bat. (S. Bejörfterung.)
chließlich ſind noch Aufgaben der 3. als Wohl⸗
fahrtspolizei Anordnungen bezüglih der Ausbil⸗
dung des Ferſtperſonals, Förderung der forſtlichen
Wiſſenſchaft durch Pflege des Unterrichts, des Ber
eins: und des Berſuchsweſens. Da alle forſtpolizei⸗
lien Maßregeln Sache der Staatsgewalt Kun, bat
man nicht jelten für 5. auch den Ausprud Staats:
forſtwirtſchaft gebraudt, die Lehre von der F.
Staat3forjtwirtihaftslehre genannt (5. 8.
von Berg). — Vgl. Grebe, Die Beauffihtigung der
Privatwaldungen von jeiten des Staates (Eiſenach
1845); Hundesbagen, Lehrbuch der 5. (in ber «En-
coflopädie der Forſtwiſſenſchaft⸗, 3. Abteil., 4. Aufl,
von Klauprecht, Tüb. 1859); von Berg, Die Staats
foritwirtihaftslehre (Lpz. 1850); Rensich, Der Wald
im Haushalt der Natur und der Vollswirtſchaft
2, Aufl., ebd. 1862); Bernbarbt, Die Waldwirt⸗
haft und der Waldſchuß (Berl. 1869); Albert,
Lehrbuch der Staatäforitwifjenihaft (Wien 1875);
Vogelmann, Die Foritpolizeigejebge im Öro
—— Baden (Karlsr. 1871); Schwappach,
Handbuch der Forft- und Jagpaeihichte Deutſch ·
lands (Berl. 1885--88); desſelben forſtliche Ar
titel in Stengel «Wörterbuch des deutichen Ber:
waltungsrehts» (2 Bde., reib. i. Br. 1889 —
90); derf., Foritpolitit, Jagd: und Fiſchereipolitil
Forſtpolizeigeſetzgebung — Forſtſtatiſtil
Cpz. 1894); Le oritpolitit, in Loreys «Handbuch
der er willen! ba t» (Bd. 2, Tüb, 1887); Graner,
oritgejeßgebu de oritverwaltun (ebd. 1892);
ttingen und — Die — etze. Zuſam⸗
menſtellung der wichtigſten Geſetzesbeſtimmungen
über — *— (deutſch u. ruſſiſch, Reval 1898).
€ rg mer Forſtfrevel.
erwaltun
echt, 1) fubjektines Recht a. das Recht,
in dem Walde eines andern gewiſſe Nutzungen ſelbſt
ausüben, oder von dem Waldeigentümer die Liefe⸗
rung gewifler Waldprodukte (Baus, Brennbolz,
Streu u. f. w.) fordern zu —* entweder gegen
oder ohne Gegenleiſtungen durch Arbeit, Geld oder
durch Lieferung anderer Naturalprodulte. In dieſem
Sinne begreift das F. u (ie Frühen en (ſ. d.,
Br. 17) = Reallaften; berer Zeit) au
das —* gr und Ag in Bann legen,
in Bannforiten S. d.) verwandeln zu dürfen. 5. ift
dann —25 annrecht. (S. Forſtbann.) 2) Als
objektive Recht die in einem Lande in Bezug au
Forſten geltenden rechtlichen Bejtimmungen,
orjtregal. In der ältern Zeit —— —*
Regalien gewiſſe nußzbare, nur von en
der höchſten Staatögewalt verleibbare Rechte, die
an Einzelne teild verjchentt, —* als Lehn oder
mit dieſem in Verbindung ver * wurden. Dazu
ebörte aud) die Befugnis zur Errichtung von Bann-
ve (j.d.), — wie die —*2** Forſtgerechtigleit.
F. im eigentlichen S
= allen Nuben aus den Forſten eines Landes er:
ftredt bätte, analog dem Jagdregal, bat es in
Deutihland nie gegeben, wenn a 4 Re —
und Staatsmänner des 17. und 18.
ſolches zu begründen verſuchten. Heute I 5 Fi
danle des F völlig in dem ſtaatsrechtlichen Begriffe
der Forſthoheit auf» und I
Forftrevier, eine foritliche Yireihaftzeinbeit,
aljo ein Wald, der einem Deiber 0 * und
einem Wirtſchaftsführer —— orſter,
Forſtmeiſter) re A —— Iſt
* einem einem Beer gehörig ldung jo groß, dab
——— allein dafür nicht genügt,
R muß eine Teilung des eö in Reviere er:
folgen. Iſt bangen en die Piebusg nicht größer, ala
fie ein Forjt and allein verwalten könnte,
fo bildet fie * a für ſich eine Wirtſchaftseinheit,
ein 5. Die beite Größe der F. läßt fi allgemein
nicht — Die niedrigſte Grenze der Flächen⸗
ausdehnung wird durch den kleinſten Umfang des
ge —** beſtehenden Waldeigentums be⸗
dingt, ab iſolierte Lage einzelner Zeile
eines —* Waldbe eibes Die bödjite Grenze
iſt beftimmt durch die mögliche Ausdehnung eines
Reviers, die abhängt von der Lage und Arron:
: bes Waldes, —* von der ntenfität der
—— chwanlt gewoͤhnlich zwiſchen
e intenfiner die Bewirt ——
* 2 * en fein. Große F. teilt man
wieder in Schußbegirte chulen.
chulen, ſ. Fo alademie und Foͤrſter⸗
orſtſchutz, die vom Waldeigentümer oder dem
Forſtwirt als Privatmann ausgehende Sicherung
des Waldes gegen nachteilige Einwirlung von
eiten der Menſchen und der Natur. Es werd =
ch dabei um ———— oder Abſtellungs⸗
maßre * Der —* voraus eine genaue Kennt⸗
nis aller Walpbeihä ung en und Urſachen
ſowie der —— ebeugungd» und Abſtel⸗
f | Waldfeuer
inne des Wortes, das ſich be
905
Iungsmittel, um eine jahgemäße Anwendung
berlin zu ermöglichen. Er bat es zu thu — *
U Schutz —S gegen jhädigende riffe
der Menſchen (Forftvergeben, Forſtfrevel u. f. w.
2) Schuß derſelben gegen die organijche Natur, und
zwar a. gegen Tiere —— ogel und vor:
—*— ſelten), d. gegen Gewächſe (Forſt⸗
untrãuter, Bilze); 3) ri derjelben gegen Die ans
—— atur, und —X ‚geaen atmofphäri«
ſche Einwirkungen d, Negen, Hagel,
Schnee, er ), *8 "außerordentliche
Naturereigni häden, Lawinen, Flugfand,
ch indefjen meijt auf die unter 1 bis 3 —
rſachen zurüdjühren laſſen. Wo bie a
Einzelnen als Privatmann nit mehr
des Maldes ausreicht, wo aljo die oberſte 5*
gewalt eingreifen muß, hört der F. auf, beginnt
— hr . d.) und orte —R ege.
der —— wohl —— gegen
ai 4) Schuß dere ben gegen Strantbeiten, die
en, er fann aber nicht dritte
e verpflichten oder die A
dujtriewerte in Ten
rei
on Ditbilte
este
übe der W dorenge verbieten; letzteres ift ©
der Forftpolizeigefehe. Der F. iſt ein ergänzender
Zeil des Walpbaues ( d. d.), und man bat bafür
auch den techniſchen Ausprud Waldpflege am
gewendet; lektere umfaßt indejjen man ia, ara
regeln, 3. B. — ——— die nicht zum e⸗
Een. — Ral. Grebe, D aldſchutz und die
ufl. von Köni f «Die Walppfleger,
—* tba He 84 Der (en. 1818; 3. a.
ebd. 1896—1900); Kauſch inger, er vom
ſchutz (6. —* „8: von Fürjt, Berl. 1902).
; öigungen tuten, Waldjervituten, ſ. Forſt⸗
ere
ungen Dr 17).
gr atik, |. Sortinatpemait
atiftik, ein Teil der focialen und all
gemeinen Statiftik (f.d.). Man kann fie einteilen
* die —— F. und in die Specialſtati—
ſtik einzelner Staaten oder —— erſtere
wiederum in Kultur: und dölonomijhe Stati—
ſtil. ger tere behandelt die Größe und Ver
teilu alvflähe eines Landes, die Beſitz⸗
_. nie u. ſ. w. Die —— e Statiſtik uns
ucht den Materialertr aldungen —*
2 neeife, Geldrobertrag, inöaftötoften,
ertrag, Holzbandel, ftörende Naturereigniffe , Ste
vel u.f.m. Die Specialftatiftit ken die I un
wirtſchaft einzelner Länder oder Waldgebiete. Die
F. iſt eine Hilfswiſſenſchaft namentlih für
oft, Derknerweltung, aldwertrechnu ich
das ftatift. Material nad beitimmten Geft ispun⸗
ten geordnet, ſo läßt es ſich für —e— f —*
ſuchungen überhaupt verwerten. rdin
dazu ausgedehnte Maſſenbeobachtungen na La
die wirtſchaftlichen Erjheinungen oft durd zahl
reiche verſchiedene Urſachen bedingt werden und
weil die Ginzeljablen oft ziemlih unficher find,
Einige foritftatift. Angaben ſ. unter ya
Ein umfafjendes Wert über allgemeine F Br es
nicht, Gin großer Teil des —8 Materials iſt in
den allgemeinen Werten und geitiriften über
Landesitatijtit enthalten. Bon einigen Staaten
find Werte über F. erfhienen: Die Forſtverwal⸗
nal od (Münd. 1861); Daritellung der lö⸗
niglich ſachſ. Staatöforitverwaltung (Dresd. 1865;
he re aus neuerer Zeit Im «Tharanbter
orftlihen Jahrbuche⸗); Die forftlichen ——
906
MWürttembergs (Stuttg. 1880; bierzu jährliche ftatüft.
Mitteilungen); Hagen, Die forftlihen Verhältniſſe
—— (3. Aufl., bearbeitet von Donner, 2 Bde.,
erl. 1894); von Berg, Mitteilungen über die forit:
lihen Berbältnijje in Eljaß:Yotbringen (Straßb.
1883); Beiträge zur 3. von Elſaß-Lothringen (ebd.
1884 fg.); Schuberg, Die Forſtwirtſchaft im sr
berzogtum Baden (Karlör. 1884; hierzu jährlich forit:
jtatift. Mitteilungen); Wilbrand, Mitteilungen aus
der Sort: und Rameralverwaltung des Großherzog:
tums Heſſen (Darmit. 1886); Torenz und Wefjely, Die
Bodenkultur Öfterreihs (Wien 1873); Statiſt. Jahr:
buch des k. . Aderbauminifteriums (ebd. 1875 fg.);
Bedd, Tie wirtihaftlihe und fommerzielle Beichrei:
bung der öniglib ungar. Staatäforften (Buda—
peit 1878); w. Die wirtichaftlihe und fommer:
ielle Beichreibung der Wälder des ungar, Staates
ebd. 1885); Statistique forestidre (Par. 1878);
Statistica forestale (jflor. 1870). Aus der Schweiz
Di befonders ſtatiſtiſch — die Kantone
burgau (1860), Bern (1867), Yargau (1878), Zürich
act ebrere Länder umfaßt: Bernhardt, F.
eutichlands (Berl. 1872), und Leo, $.über Deuiſch⸗
[and und Oſterreich- Ungarn (7 Lfgn., ebd. 1871— 74).
Statift. Mitteilungen über Flächen, Berfonalu. f.m.,
namentlich in Deutichland, bringt jährlich neu der
2. Teil des Forſt- und Jagdkalenders von Judeich
und Behm (Berlin).
da emifierung, |. Forſteinrichtung.
orittagation, |. Forſtabſchäzung. Der Aus:
drud F. wurde ae auch für Forfteinrihtung (f.d.),
befonders für Waldertragsregelung gebraudt.
orfttechnologie, Kenntnis der Holjgewerbe,
4 Yoritbenugung.
orftvereine, Vereine mit dem Zmwed, durch
wiſſenſchaftliche Vorträge und münplihen Aus:
tauj der Anfichten in wiſſenſchaftlicher und pral:
tiſcher Hinficht 5— für ihre Mitglieder zu
wirlen. In Deutſchland beſtehen außer dem Ver:
bande der deutichen forftlihen Verfuchsanftalten, an
—* Verſammlungen ſich nur Abgeordnete der be:
treffenden Staaten beteiligen, dent ungefähr 30 5.
Die älteften derfelben find: der Badische Forſtverein
(gegründet 1839), der Schlefiihe Forſtverein (ge:
gründet 1841), ber Harzer Forſtverein (gegründet
1843), der Sächſiſche Forſtverein (gegründet 1847),
der Thüringer Forſtverein (gegründet 1849). 1898
wurde ein deutſcher Reichsforſtverein zur ftändigen
Vertretung der Intereſſen der deutſchen Forſtwirt⸗
ſchaft — der 1899 nach feiner Birfomelung
mit der Berfammlung deuticer Forſtmänner den Na:
men Bear: Forftverein annahm, und dem
faft alle Zofalforftvereine und zahlreiche große Pri⸗
vatforjibefiker beigetreten find, jo daß er 1901 bereit
1670 Mitglieder zäblte, Organe des Vereins, der
jährli eine Hauptverfammlung abbält, find der
Vorstand und der Deutſche Forftwirtichaftsrat (f.d.).
In Oſterreich beiteben außer dem nur von Dele:
gierten beichidten Foritlongreß (gegründet 1875) und
außer zwei ‚soritichulvereinen 14 F. davon find von
Bedeutung der Böhmische Forjtverein und die Mäh—
riih-Schlefiiche Forſtſeltion (beide 1849 genründet).
In der Schweiz beitebt ein Forſtverein feit 1843.
Auch in andern Ländern, 3. ®. in Rupland, hat fich
das Vereinsleben entmwidelt. Zahlreiche $. geben
regelmäßig erſcheinende Berichte oder Zeitfchriften
beraus, unter denen die «Mitteilungen des Deut:
ſchen —— (Berl. 1900 fa.) von beſon⸗
derer Wichtigkeit find. Ein Verzeihnis der F. giebt
Horftigftemifierung — Forſtverwaltung
jährlich der «Forſt- und Jagdlalenderr von Judeich
und Behm (Berlin). j
Forſtvermeſſung, die geometr. Vorarbeiten
—* Forſteinrichtung (f. d.), welche die geomett.
nterlagen für die forſtlichen Karten und Orte
liefern; befonders beitimmt die F. die der
Waldfläche fowie derjenigen Teile derjelben (Be
ftände u. |. w.), die einer Sonderung bedürfen. —
Vol. Baur, Lehrbuch der niedern Geodäſie (5. Aufl,
Berl. 1895).
‚Forftverwaltung, die Cinrihtung des Forit
dienites; fie muß eine verſchiedene fein, — dem
eö fih um Groß: oder Kleinbefis handelt. Nureriterer
ermöglicht eine auf den Örundfäßen einer vernünfti-
en ————— F. DieHauptteile des
Seins find Schu, Verwaltung und Direktion,
ie Aufgabe ver Shupbeamten (Maldmwär:
RT —
Waldſchutzen, auch Förfter und Unterförfter
genannt) ift zunäcjt die Bejorgung des Forſiſchuße⸗
Im ausgedehnteſten Sinne, ganz befonders aber
des Schuses gegen Menſchen, ſodann die Unter:
tüßung der orjtverwaltungsbeamten bei der Wirt:
&baftstübrung überhaupt, alfo ———
bei den en en, Kulturen nn. Holitrans:
port u. ſ. w. &n leßterer Bezie ung nennt man
das Schutzperſonal aud tehniihes Hilfäperfonal,
Einer wiſſenſchaftlichen Bor» und Fachbil be:
darf der Schukbeamte nicht; für ibn genügt Bolts:
ſchulbildung, fachlich eine handwerlsmäßige Unter:
weiſung, entweder nur bei einem Lehrherren oder
auf einer Förfterfchule (ſ. d.). Die Größe der Schuz⸗
bezirfe bänat von deren Sage und davon ab, ob ein
Wald des Schutzes mehr oder weniger bedarf.
Die vermwaltenden oder betriebefübhren:
den Beamten baben die unmittelbare, alfo jelb-
ftändige Ausführung aller auf den techniſchen Be
trieb bezüglihen Anordnungen, ſowie aller derer,
die ſich auf Forftpolizei und Forſtſchuß bezieben,
diefe aber mebr in anorbnendem, übe
Sinne. Sie fübren die ganze Wirtihaft nach Maf-
abe der von der höhern Inſtanz genehmigten Vor:
Ph)läge oder Pläne, die für gemijje Betriebsmaß⸗
regeln, z. B. Hauungen, Durdforjtungen, unter
————— ger aber für ——
vorgeichrieben find, für andere Maßregeln, 3. 9.
ride lin (Kulturen, Wegebau, Entwäl:
erungen), wohl überall alljäbrlih aufgeftellt und
genehmigt werben; fie haben ferner den Verlauf
der Walpprodulte, Verrehnung ber
erträge und Betriebsausgaben zu beforgen, jedoch
meijt ohne Geld jelbit einzunebmen oder guszu⸗
eben, und find endlich die unmittelbaren Bo
etzten des Schuß: und techniſchen Hilfsperſon
Dieje verwaltenden Beamten bilden die wichtigſte
Dienftitufe im foritlihen Organismus, fie bebürfen
einer aründlichen ——— Vorbildung, wie
fie Gymnaſien und Realgymnaſien gewäbren, und
einer ſolchen Fachbildung, wie fie auf den
liben Hochſchulen (j. Forftafademie und
wiſſenſchaft) erworben wird. Der bezeichnend
Titel für die Beamte diefer Kategorie wäre
vierverwalter, meijt nennt man fie aber Revier
oder Oberförfter, oder auch Forjtmeifter (in Bayern,
zum Teil auch in Preußen). 4
Über der Verwaltung fteht die Direltion, bie
oberite fachliche Eentralitelle. Ihre Thätigfeit um-
faht den gefamten, einer Perſon gebörigen Wald-
bejig. Eie iſt entweder bureaufratiich oder follegia-
m
Forſtwirtſchaft 907
liſch organiſiert. Ihre ** iſt, die Entſcheidung
wirtſchaftlicher Fragen, Beſtimmungen über alle
Verſonalſachen, alſo ———— Verſetzungen,
Beſoldungen, Strafen und Belohnungen u. |. w.
zu treffen; fie bat fich ferner an Ort und Stelle
von dem Auftande der Wirtihaft, von dem Geiſte
der Verwaltung und des Berfonala zu —— en.
Die Titel einer ſolchen Behörde find ebenfalls Fehr
verſchieden; bei bureaukratiſcher Einrihtung hat
man den Ann Land» oder Ober:
landforjtmeijter u. ſ. w.; diefem find in einem
Yorfttollegium noch Forfträte, Forſtmeiſter,
Dberforhräte u. |. w. beigegeben. Faſt in jedem
Lande haben fich diefe Einrichtungen und Benen-
nungen anders geftaltet. Bei der Direktion muß
ein eigenes Bureau fein, welches das Forſtein⸗
richtungsweſen, namentlich die erforderlichen Bor:
arbeiten für die Revifionen (f. d.) bejorgt. Iſt der
Malpbefig fo groß, daß er von einer Direltions—
ftelle nicht überjeben werben kann, > werden zii:
ſchen nr und die Verwaltung nod infpizierende
Zwiſchenſtufen *8685 (Forſtinſpeltoren,
orſtmeiſter, Oberforſtmeiſter). ar größern
taaten mit audgedehntem Waldbeſiß kann felbit
dies unter Umftänden nicht genügen, jondern not:
wendig werben, jeder größern Provinz eine Forit:
diteltion zu geben, und über diejen einzelnen
Direftionen jtebt dann eine verſchieden eingerichtete
Eentralftelle im Minijterium. So ftebt 5. B. in
Preußen die ent unter dem Mi-
nifter für Landwirtſchaft, Domänen und Forften;
unter biejem ſteht die Gentralvireltion {er deren
Spike ein Oberlandforftmeifter), die Inſpel—
tion und Kontrolle tr die am Sike der Re-
gierung befindlichen Lolaldireftionen (Oberforſt⸗
meiiter, u en und Forjträte), unter dieſen
jteben die Adminiſtrativbeamten (Oberförfter
oder Forjtmeifter). In Württemberg bildet
die Forftdireltion eine Abteilung des Finanz⸗
minifteriums; diejer unterjteben als Borftände der
Forftbezirte Forftmeifter und biefen als Revier:
verwalter Dberförfter. In Baden ftehen die ver:
maltenden Oberförjter direft unter der Domänen:
direftion; Mittelbebörben find nicht vorhanden.
Im Königreih Sachſen bildet die oberjte Central:
itelle das ag war erde mit einem technis
ihen Referenten Oberlandforftmeifter); als Mittel:
bebörben fungieren die Oberforftmeifter, denen die
verwaltenden DOberförfter unterftellt find, u. ſ. w.
Dan bat verfucht, zwei Gruppen der Verwal:
tungsſyſteme zu unterſcheiden, das fog. Ober:
förjter: und das Revierförfterfvftem; erſte—
red befist größere Selbſtändigleit der Revierver⸗
maltung als lehtered. Wegen der vielfahen Modi⸗
Rlationen der F. in ber Praris iſt dieſet Unterſchied
aber nicht ftihhaltig. Ein eigentlihes Revier:
förfterfgitem in ſolchem Sinne iſt ſcharf ausgebilvet
fajt nur in größern Privatforſtwirtſchaften ‚und
war in Deutichland wie in Oſterreich; dort tft der
Forſtmeiſter gewöhnlich Inſpeltions⸗, Direltions-
und Verwaltungsbeamter in einer Perſon; letzteres
inſofern, als die Revierverwalter (Forſter, Re:
vierforſter) *1 Selbſtändigkeit befigen und
eigentlich nur die Anordnungen des Forjtamtes
ausjufübren haben, t es Heinern Befis ift
nicht einmal diefe Arbeitsteilung möglih; dann
beichräntt fi das Perſonal auf einen Verwaltungs:
beamten und Schußleute, oder es ift überhaupt nur
ein einziger Förfter für alles vorhanden,
Getrennt von der eigentlichen F. ift meift bie
KRaffenverwaltung. Dieje wird von Rentmei—
ftern, Rendanten u. |. m. geführt; die Geldaus:
gaben und Einnahmen erfolgen m befondere Ans
meifung der Revierverwalter, Jnipeltions: oder
Direltionsbeamten; häufig find die Kaſſenbeamten
nod mit der Verwaltung anderer Kaſſen betraut.
den Staaten, wo die Verwaltung der Ge
meinde: und Stiftun —5— Aufgabe der Staats⸗
regierung iſt, iſt Vice e derartig mit der Staats⸗
forjtverwaltung verbunden, daß diefe Wälder uns
mittelbar von Staatsforftbeamten verwaltet und
beihüst werden (Württemberg, Baden, Heflen,
preuß. Provinz Heffen:Nafjau, Zeile von Hanno:
ver, Frankreich u. ). w.). Anderwärts ftellen vie
Gemeinden und Stiftungen ſich ihre eigenen Fort:
verwalter und Schugbeamten an, die jebod der
Zeitung und Kontrolle von Staatsforjtbeamten uns
terjtellt find (Bayern, —— Rheinprovinz, Weſt⸗
falen). noch andern Staaten findet eine Ein
wirkung der Staatöorgane auf die Gemeindewald⸗
wirtichaft nur infomeit ftatt, als die Staatsregie:
rung überhaupt befugt ıft, den Gemeindehausbalt
u überwaden (Ditprovinzen von Preußen, Sad:
en u.f.w.). Auch mit der X oder — weit
ehenden Oberaufſicht über die Privatforſtwirtſchaft
(ne meh ahStaatsforitbeamtebeauftragt(Bayern,
ürttemberg, Baden, Hejlen, —— u. ſ. w.;
|. in und Forjtpolizei). Bejondere Organe,
Zandestoritinipeltoren, find in Öfterreich zu dem
Zmwed angeitellt, den Vollzug des —5 — ehes zu
ũberwachen. — Bol. Midlig, Forſiliche Haushal⸗
tungstunde (2. Aufl., Wien 1880); Albert, Lehr⸗
buch der 5. (Münd. 1883); Schwappad, Handbuch
der orftverwaltungsfunde (Berl. 1884); Graner,
Forſigeſetzgebung und & (Tüb, 1892); Sclied:
mann, Handbuch der Staatäforjtverwaltung in
Preußen (3. Aufl., Berl. 1900).
orftwirtichaft, die möglicit vorteilhafte und
nachhaltige (ſ. Nachhaltsbetrieb) Benußung des zur
Holzzucht beitimmten Grund und Bodens. Die
felbe ift in der Regel gleichbedeutend mit der Er:
ielung des höchſten Reinertrags oder der höchſten
Bersinfung aller in der Wirtichaft thätigen Kapi⸗
talien (Boden und Holzvorrat). Ausnabmen be
dingen die fog. Schukmwälder (f. d.). Die Produkte
ber 5. teilt man in Hauptnugungen (f. d.) und
Nebennugungen (f. d.). Jene forfilihen Bes
triebsarten, bei denen leßtere nur untergeorbnete
Berüdfihtigung finden, nennt man reine Haupt:
nugungsöbetriebe; dahin gebören: Hoch—
mwaldbetrieb (j. d.), Schlagbolzbetrieb
1.d.), zufammengejebte oder Kompoſitions—
etriebe (1.d.). Jene Betriebsarten, bei denen ein
bejonderes Gewicht auf die Nebennugungen gelegt
wird, nennt man Haupt: und Nebennugungss
betriebe. Dahin gehören 1) die Verbindung der
Dee mit Fruchtbau, nämlih Hadwald (. d.),
Da dfelpbaubetrieb (f.d.) und Baumijeld:
wirtſchaft (f.d.). 2) Verbindung der Holzzucht
mit Tierzucht, nämlid Waldmweidebetrieb,
Tiergartenbetrieb. 3) Verbindung der Holz:
zucht mit andern Nebennugun ——
nutzung (ſ. d.) und Streunugung (j. Waldſtreu).
ie Stellung der F. in der gejamten Vollswirt:
ſchaft zeigt mancherlei Cigentümlichteiten, die ſich
indejjen me einfahe Grundgeſetze der allgemeinen
Wirtihaftslehre zurüdjühren laſſen. Die wichtig:
ften diefer Eigentümlichkeiten find folgende. In
908
der %. überwiegt das Kapital ald Produktions:
faltor jebt ‚bedeutend die Arbeit. Bezüglich des
eritern tft die & meit intenjiver, bezüglich der letz⸗
tern weit ertenjiver als die Landwirtſchaft derjelben
Zeit und Gegend. Bei der F. entfallen auf 1 ha
jährlich —— 5—10 Arbeitstage, bei der Land⸗
wirtſchaft 50—100, dagegen ijt bei der 5. 1 ha un:
efähr belaftet mit 1200 1500 M. Vorrats: oder
Betriebslapital, bei der Lanbwirtihaft nur mit
110—450 M. Mit der Höhe des Umtriebes (ſ. d.)
unb ber Güte bed Standortes wächſt die Größe des
Vorratstapitald, Für eine Fichtenmirti a beträgt
E> der normale Holzvorrat im Durchſchnitt aller
ltersllaſſen bei bojährigem Umtrieb auf ſchlechtem
Standort ungefähr 100, auf jehr gutem 300 fm, bei
100jährigem Umtrieb dagegen auf ſchlechtem Stand:
ort 200, auf jebr are 550 fm für 1 ha des im
—— altsbetriebe bewirtſchafteten Waldes.
a nun bie Verzinſung des Vorratskapitals durch
den an ihm erfolgenden Zuwachs (ſ. d.) eine ſehr
geringe ift, fo erklärt ſich ſchon hieraus leicht, warum
namentlich der Kleinbeſiß feinen Holzuorrat mehr
und mehr vermindert und das aus der Wirtihaft
gezogene Kapital lieber andern Produltionszweigen
umendet. Erleichtert wird dieſer Vorgang, wer
It baburd, daß ein großer Teil des Betriebö:
apitald der %., nämlich die ältern Beftände des
Holzvorrats, dem Prodult der Wirtichaft, d. b. dem
abtriebd: und abjasfähigen Holze außerordentlich
ähnlich ift. Bezüglich der Arbeit leidet der Klein:
bejig jehr an dem Mangel einer genügenden Arbeits⸗
teilung, die bei der geringen Arbeitömenge, welche
die F. verwertet, nur der Öroßbejig ermöglicht, En
Durhführung einer richtigen Einrihtung der Ver:
mwaltung,AnjtellungbejondererSchugbeamtenu.f.m.
Saat und Ernte liegen bei der F. jo weit ausein:
ander, baß in den meiſten Fällen derjenige, ber Hol;
anbaut, die Früchte feiner Arbeit nicht —— ernten
kann. Begangene irtfhaftsfebler, z. B. verfehlte
Wahl der Holzart, laſſen ſich meift jehr fhmer, o
nur mit großen Opfern wieder * machen. Alle
dieſe und noch manche andere Eigentumlichleiten
der F. machen ſie, namentlich die Hochwaldwi *
mit böherm Umtriebe, mehr geeignet für den Groß:
als für den Kleinbeſiß. ;
Aus denfelben Gründen, vorzüglich aber wegen
der geringen Arbeitömenge, bie fie verwertet, eignet
fih die F. unter allen Gewerben am meiiten für
ben Staat; es zeigen dies die Erträge der Staats:
waldungen, bie leineswegs hinter denen der at:
waldungen zurüditehen. Der Staat tritt, mo er
einmal Waldbeſitzer ift, immer als Großbefiker,
nicht als Kleinbeſitzer a. Dazu kommt weſentlich
noch die Bedeutung des Waldes im Haushalte der
Natur, deſſen wohlthätige klimatiſche Einflüſſe auf
Milderung ber Temperaturertreme, der Stürme
auf Regenverteilung, deſſen günjtiger Einfluß auf
die nachhaltige Speifung der Gewäſſer, deſſen
Schuß gegen Bodenabſchwemmungen an fteilen
Hängen, gegen ————— an ben Ku⸗
ſten und im Binnenlande, gegen Lawinen im Hoc:
Keira Man bat diefe günjtigen Einflüfe des
aldes namentlich früber wohl vielfach überjhäst,
allein ganz zu leugnen find jie entichieden nicht,
wenn fie a mehr nur örtlicher Natur find, als
man früber meiit glaubte. Es handelt fi bier um
allgemeine Nüslichteiten, die dem Waldbeliker ge:
wöhnlich nur indirelt oder gar nicht, der gejamten
Vollswirtſchaft aber direkt zu gute tommen. Dieje
Forftwirtfchaftliche Berufsgenofjenshaften — Forſtwiſſenſchaft
co.
Cigentümlicleiten der F. iprehen unbedingt für
den Staat3mwaldbefig.
Muß der Staat, ebenfo wie andere Großbefiker,
mit einer den Bodenwirtſchaften überbaupt eigenen
niedrigen Berzinfung der Wirtſchaftslapitale zufrie
den fein, jo ift immerbin der Walpbefik eine jebr be-
abtenswerte Cinnabmequelle für den Staatöbaus-
balt, und das Beitreben den Walbbejis möglihit
zu erhalten und zu vergrößern, ift durchaus ge
rechtfertigt. die ſtaatliche F. einen Teil der
Ausgaben zu deden, dadurch die Steuerlaft zu er:
leihtern, ift eine geiunde Finanzpolitil, weil der
Staat feine Forjten ebenjo gut und einträglid
bewirtihaften fann mie der Private, während
andere Gewerbe ſich für die Hand des Staates
weniger eignen. — Bol. Edert, Lehrbuch ber 7.
(Bd. 1 u. 2, Wien 1897); Artilel De NE in
Schönberg, «Handbuch ber polit. Ölonomie», Bd. 2
(4. Aufl., TZüb. 1896).
Forftwirtichaftliche Bernfögenoffenihaf
ten, ſ. Land: und forſtwirtſchaftliche Berufsgeno
ſenſchaften.
Forſtwirtſchaftsrat, Deutſcher, eine 15%
von dem Deutſchen Forſtverein begründete Vereini⸗
gung, beſtehend aus Vertretern ber einzelnen Yan
desteile, Abgeordneten der Forſtvereine, der Wald:
befißervereine und der Foritlebranftalten, mit der
Aufgabe, forjtwirtihaftlihe Fragen zu beraten und
die Intereſſen der sorftwirtichaft den gefeßgebenven
Faltoren gegenüber zu vertreten.
Forftwiifenichaft. Die F. lehrt den Zwed der
Forſtwirtſchaft, die möglichit vorteilhafte Benubung
des zur Holzzucht beitimmten Grund und Bodens,
erreihen. Sie tft keine für ji beitebende Willen:
ſchaft, fondern jtüßt fih auf Grundmwillenfchaften
und ergänzt 3 durch Hilfswiffenihaften. Das
Syſtem der F. entmidelt fi hiernach wie folat:
A. Grundmifjenihaften. 1) Naturwiſſen⸗
ſchaften: Chemie, und zwar allgemeine, Agrikultur
und techniiche Chemie; Mineralogie und nofte
mit bejonderer Beziehung auf Bodenlunde; Bote
nit, und * allgemeine Botanik, Anatomie
und Phyſiologie der Pflanzen, Forjtbotanit (j. d.);
Zoologie, und zwar allgemeine Zoologie und
‚sorjtzoologie; Phyſik und Meteorologie, Ma:
tbematit: allgemeine Mathematil und Bermefjung®:
funde, einſchließlich Planzeichnen. 3) Mechanil und
Majchinenlehre. 4) Allgemeine Wirtſchaftslehre
(Nationalötonomie).
B. Fachwiſſenſchaften. 1) Walbbau — d.
Foritprodultionslehre), vorzugsweiſe auf bie forit-
liche Botanil, Bodentunde und Klimalebre se
jtüßt; 2) Forftihus (ſ. d.) oder Lehre der W
pflege, eigentlich ein ergänzender Teil des Walt:
baues, dem als Hilfswifjenihaft außer ber ge
nannten noch vorzugsmweije die forſtliche Zoologie
zu Grunde liegt; 3) Forſtbenußung (j.d.) und Forit:
technologie; 4) Yoritmatbematit (f. d.), die Hol;
meßlunde, Zumadslebre und Forſtfinanzrechnung
umfaßt; 5) Forſteinrichtung (f.d.) und W ags·
regelung (j.d.); 6) Forſtverwaltung (f.d.); 7) Gehe
von der Forſwpolizei (1. d.); 8) Jagdlunde \% d.);
9) Geſchichte der F. und Foritwirtihaft (j.d.).
C. Ergänzende Hilfsmifjenihaften: Fr
nanzwiſſenſchaft mit befonderer —— auf die
Bedeutung der Forſtwirtſchaft als Einnabmeaquelle
des Staates; Rechtslunde mit beſonderer Beziehung
auf Forit: und Jagdgeiekgebung; Landiwirtihaft®
lebre, einihließlih Wiejenbau,
Forſtwiſſenſchaft
Die Geſchichte der F. reicht kaum weiter zurück
als bis Anfang des 18. Jahrh., während eine Forſt⸗
oder wenigſtens Holzbenutzung ſchon bei den älteſten
Vollkern zu finden iſt. Jahrhunderte hindurch war
das Wenige, was man allenfall3 F. nennen kann,
bei den Griechen und Römern in dem großen Gebiete
der Stonomit mit der Landwirtſchaftswiſſenſchaft
vereinigt. So blieb e8 auch nod in Deutſchland zu
der Zeit der Pitteratur der fog. «Hausväter», Petrus
de Crescentiis aus Bologna Sinfong es 14. Jahrh.),
deſſen Schriften hauptſächlich in Deutichland ver:
breitet waren, die Brüder Liebalto und Conxad von
Heresbach, ebenfo der feiner Zeit berühmte Eolerus,
beflen «Deconomia ruralis et domestica» 1595—
1602 erſchien und 12 Auflagen erlebte, u. a. m. be
—— in ihren umfaſſenden Werten die forſtlichen
ufgaben nebenbei. Sieht man ab von einigen
foritrehtlihen Schriften, fo war der Oberbergbaupt-
mann von Garlowik, der erfte, der 1713 mit feiner
«Sylvicultura oecondmica» ein wirklich forſtliches
Bud) veröffentlichte. Die Forftleute der damaligen
Zeit waren nur unwiſſende Jäger, und erjt fpäter,
als fie jih von dem ganz einfeitigen Jägertum
etwas befreit hatten, konnte fich eine Forſtwirt⸗
ſchaftslehre entwideln. Unter ven belannt geworde⸗
nen —— ägern» waren ber Forſtinſpeltor
3. 6. Bedmann, Büchting und Döbel die bedeu-
tenditen. erbin beichräntten fich ihre litterar.
Leiftungen in der Hauptſache auf Mitteilungen von
Erfahrungen ohne wiflenihaftlihe Begründung. In
legterer Beziehung wurden von größtem Einfluß die
Kameraliften. Fehlte diefen auch die Kenntnis des
Waldes, jo überragten fie doch in allgemeiner Bil-
bung die Forſtleute ihrer Zeit ganz bedeutend. Bon
ihnen find namentlich zu nennen Mofer, J. F. Stahl,
der Herausgeber der erften forftlihen Zeitſchrifi
«Foritmagazin» (1763—69), von Brode, Profeſſor
ob. Bedmann, der in feinem 1769 erjchienenen um⸗
aflenben Werte «Grundfäße der deutihen Land»
mwirtichaft» (6. Aufl. 1806) das erfte vollitändige
Syſtem der Land» und Forftwirticaft aufftellte, dabei
legterer allerdings nur 61 Seiten widmete, endlich
no Trunk, deſſen «Neues vollftändiges Forftlehr:
bud» 1789 erſchien. Die Kameraliften fühlten
wenigſtens was not that, nämlich daß ſich die F.
auf Mathematil, Naturwiffenihaften und Volls—
wirtſchaftslehre ftüben mülje, um zu gebeiblicher
Entwidlung zu gelangen.
Bon diejen drei Grundwiſſenſchaften ftand im
18, yabb. nur die Mathematik bereits auf einer
nn tufe der Durchbildung, ihre Lehren konnten
daher ohne weiteres Verwertung finden. Dies ge
ſchah um jo mebr, als man fe don feit langer Zeit
vor bald eintretendem Ho zmangel fürdtete. Die
nur mit Hilfe der Mathematik zu löfenden Aufgaben
der gm des möglihen, nachhaltigen ab:
ertrags (ſ. Forfteinrihtung und Waldertragärege:
lung) wurden daher ſchon Ende des vorigen und
Anfang dieſes Jahrhunderts mit Erfolg vielfach
bearbeitet. Schon 1765 erſchien Detteltö befannte
Schrift «Praltiſcher Beweis, daß die Matbefis bey
dem Borjimeien unentbebrlide —* thue», Aber
auch die Arbeiten von Büdhting, ann, Vieren⸗
Hee, Däzel, Trunt, Späth, Schilcher, Baulfen
u. k w., vor allen die von ©. 2, Hartig, H. Cotta,
Hopfeld, König, Hundeöhagen, Karl Heyer u. a.
förderten wejentlic den Ausbau der mathem. Seite
der F. jo aud die Forfteinrichtung. Die eigentliche
Foritmathematik ſchien lange Zeit durch König einen
909
Abſchluß gefunden E baben, erſt in neuefter Seit
wurben durch Preßler, ©. Hever u. a. auch bier
wieder dem Fortſchritt neue Bahnen eröffnet. Auf
bemielben Gebiete verdanken wir in neuefter Zeit
den Arbeiten der forftlichen Verſuchsanſtalten, nas
mentlid denen von Baur, Kunze, Lorey, Schuberg,
von Guttenberg u. f. w. ganz Hervorragendes,.
Weniger ———— ſich die Entwicklung
der F. auf dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften, da
dieje jelbit ja noch Ende des 18. yanı. auf einer
tiefen Stufe der — ——————— ahnbrechend
namentlich in forſtlicher Beziehung war trogdem
jr in der Mitte des 18. Jahrh. der franz. Marine
nipeltor Dubamel du Monceau, deſſen höchſt wert:
volle forftlihe Arbeiten großenteild überfegt und
dadurch auch einflußreih in Deutichland wurden.
Zuerit widmete man fich Dog! e der beſchrei⸗
nden Botanil, jo Enderlin, Gleditſch, von Burgs⸗
dorf, fpäter Th. Hartig. Die fehr wichtige Krank:
beitslebre hat erft in neuefter Zeit durch Willlomm,
namentlih aber durh R. Hartig entiprechende
Bearbeitung gefunden.
Die forftlibe Zoologie wurde befonderd durch
die großartigen Inſeltenverheerungen angeregt, die
egen Ende des vorigen —*— viele deutſche
aldungen heimſuchten. Bechſtein und Raßeburg
find verdiente Forſcher auf dieſem Gebiet. (Die
neuere Litteratur |. Forftinjelten.) Bon einer An
wendung der Chemie und Bodenkunde konnte vor
Liebig kaum die Rede fein, alle frühern Schriften
find wertlo8 und erft in neuefter Zeit find die ae
diegenen Arbeiten von Ebermayer und von Schröder
u. em. wirklich bedeutend. — Der llimatiſchen Be
deutung des Waldes, zuerft ausführlich (1825) von
dem —— Moreau de Jonnes behandelt, ſind
außerſt zahlreiche Schriften gewidmet, deren Wert
indeſſen meiſt zweifelhaft iſt, da ſie vielfach nur auf
Dunotbeien En find. Erſt der neueften Zeit
fieb es vorbehalten, auf Grund inbuftiver For:
fhungen die Wahrheit von den Vhantafiegebilden
zu jondern. — Bon den ——— ſind es
namentlich der Waldbau (j. d.) und der Forſtſchuß
(f. d.), fowie Teile der Forfteinrihtung (j. d.) und
der Foritbenußung (j. d.), nämlich Waldeinteilung,
Füllung und Verwendung des Holzes, die mehr
und mehr den Eharalter echter Wifienicaft ewin⸗
nen, je mehr ſie ſich auf die Naturwiſſenſchaften
ftügen. Immerhin wird ja fie aber nad) wie vor
eine fih von Vorurteilen freibaltende Empirie eine
Hauptgrundlage bilden müflen; denn wenn wir
3. B. den Wert eines Kulturverfahrens beurteilen
wollen, Io ** dabei nicht bloß die Frage eine
wichtige Rolle, aus welchen naturwiſſenſchaftlichen
Gründen ein ſolches Verfahren Empfehlung ver
diene oder nicht, ſondern auch die des wirklichen
Erfolges, der nur auf Grund der im großen ge
wonnenen Erfahrungen beurteilt werben lann. Und
fo ift es a I andern wirtjchaftlichen Fragen.
Nicht jo | nell und tief, wie die Matbematif und
die Naturwiſſenſchaften, tonnten die vo are
lichen Lehren Einfluß auf die Geftaltung der dorſt⸗
olitik (f. Forftpolizei) und deren wiſſenſchaftlichen
ufbau nehmen. Bon einer Mar durdhgebildeten
Vollswirtihaftslehre konnte ohnehin vor Adam
Smith überhaupt nicht geſprochen werden, und bis
auf den heutigen Tag machen ſich mit wechſelnder
Macht die verſchiedenſten Strömungen geltend, Die
ſchwer mag Foritwirtihaft fonnte und kann
weder in ihrer Lehre noch in der That den lektern
910
raſch folgen. So tommt es, daß bis in die neuefte
eit der auf dem phyſiokratiſchen Syſtem fußende
rundfaß der höchſten Robprodultion vielfadhe Ber:
treter Ian und nod findet. Bei feiner Wirtſchaft
ift die jocialiftiihe Aufgabe des Staates, für mög:
lichſt reihlihe und billige Befriedigung der Be:
dürfnifie der Staatdangebörigen direkt zu forgen,
o ſcharf hervorgetreten als bei der Forjtwirtichaft.
obl hängt dies damit zufammen, daß gerade be:
züglic des Waldes ſich der Gemeinbefig gegenüber
der immer ſchärfer hervortretenden Entwidlung des
Privateigentumsd am längften erhalten hat. Mit
wenig Ausnahmen beberrjcht diefe Idee die Littera-
tur des vorigen und bie der erften Hälfte des jekigen
Jahrhunderts. Hieraus erllärt fih aud zum Teil
wenigitend der mitunter weitgehende Einfluß des
Staates aufdie Forſtwirtſchaft der Privaten (f. Forſt⸗
olizei und Forſtſchutz), wenn auch hierbei die wirt:
haltlicen igentümlichleiten der Forſtwirtſchaft
f. d.) eine wejentlihe Rolle mitfpielen. Erit die
neuefte Zeit hat bier in Wiffenfhaft und Wirtſchaft
neue Bahnen eröffnet, indem man legterer nicht das
gi des höchſten Rob», jondern das des höchſten
einertrages ſetzte. ebenfalls find heute alle äl-
tern Werte über die og. Staat3forftwirtfchaftslehre,
ehe u. ſ. mw. veraltet, N und mebr
reijt die Anſchauun ki, daß felbit der Staat
feiner eigenen Doc haft Gewicht auf deren
Ananzwirtfhaftlice edeutung zu legen babe.
Litteratur. Allgemeine Encollopädie der ge
famten Forit: und Jagdwiſſenſchaften (bg. von
von Dombromfli, 8 Bve., Wien 1886 93); Illu⸗
ftriertes rg und Jagpdleriton (bg. von von Fürft,
2. Aufl., Berl. 1903 fg.); Heß, Encptlopädie und Me:
thobologie der F. (3 Tle., Nünd. 1885—92); Edert
und von Liburnau, Lehrbuch der F. (2. Aufl., 4 Bpe,,
Wien 1903); Loreys Hanbbud der F., bg. von
Schröder (2. Aufl, 4 Bde., Tub. 1903 fg.). Zur Ge:
—3* ber F. vol. namentlich: Bernhardt, Ge
5* des Waldeigentums, der Waldwirtſchaft und
der F. in Deutſchland (2 Bde. Berl. 1872 — 74);
Data Handbuch der Forft: und Jagdgeſchichte
Deutihlands (ebd. 1885—88) ; deri., Grundriß der
Fort a Jagdgeſchichte Deutihlands (2. Aufl.,
ebd. B
oritzeichen, die mit einem Hammer an die zu
fällenden Hölzer oder an das bereits aufgearbeitete
Holz (ſ. Holzaufbereitung) angefhlagenen Zeichen.
Gritere dienen den Holzarbeitern zur Anmeifung,
welche Hölzer gefällt werden ſollen, letztere find Kon:
trolljeihen dafür, dab das Holz vom Revierver:
walter vorihriftsmäßig abgenommen worden ift.
An & Frevelftämmen (f. d.) bedeuten die $., daß
die Stämme von einem Forjtbeamten en wor:
den find. — F. nennt man auch folde Zeichen, die
zur Orientierung im Walde oder zur Unterftügung
der Waldeinteilung (f. d.) angebracht werden. Da:
bin gebören in Bäume eingejchnittene Zeichen, fer:
ner Zafeln, Steine u. |. w., auf denen die Nummern
der Abteilungen (Jagen, Diftrikte) angegeben find.
Forſtzoologie, Kenntnis der forjtwirtichafte
lich ſchädlichen und nüglichen Tiere (j. Forſtinſelten
und Waldverderber) und der Jagdtiere. — Bal.
Altum, Forftzoologie (2. Aufl., 4 —* Berl. 1876
—82); Edſtein, Forſtliche Zoologie (ebd. 1897).
ee f. Jeuerungsanlagen und Betroleum.
orfyth (fpr. -feith), Sir Thomas Douglas,
angloind. Polititer und Neifender, geb. 1827 in
Birlenhead, ging 1848 ala Beamter der Oftindijchen
Forftzeihen — Fort
Compagnie nad Djtindien, wo er zunächft im Ban:
dihab angeftellt wurde. Dort ur er energiiden
nteil an der Unterbrüdung der Rebellion 1857 und
rüdte bald zu bö Poſten auf. 1869 war er in
Rußland in der afghan. Örenzfrage thätig, 1870 be
gab er fih im Auftrage deö Generalgouverneurs
ord Mayo an der Spige einer Gejandtichaft
Antnüpfu rar ng Beziehungen mit,
fub Begna rfeftan, lam aber nur bis Jarlanı.
Bei einer Gejandtihaftsreife im Juni 1873 er:
reihteer Kaſchgar und ſchloß einen vorteilhaften Ham
delsvertrag (Febr. 1874), während die Expedition,
an der ſich Sioliczla, Trotter, Gordon u. a. beteilig-
ten, zugleich reichen wiſſenſchaftlichen Ertrag lieferte.
Für die glüdlihe Ausführung diejes Unternehmens
wurde er in den Ritterftand erhoben und zum Mit⸗
glied des Legislativen Rats für Indien ermannt.
1875 übernahm F. eine diplomat. Miffion nad
Birma, lehrte 1876 nad England zjurüd und ftarb
17. Dez. 1886 in Gaftbourne. Bon ihm erſchienen:
«Despatches and memoranda, or extracts of de*
patches and memoranda, which have been seat to
the government of India since 1866» (1869), «Fs
mission to Yarkand» (1871) und «Report ofa
mission to Yarkand in 1873» (Ralltutta 1875;
deutſch im Auszug: Ditturleftan und das Bamir:
plateau», Gotha 1877). — Bol. Autobiography
and reminiscences of Sir Douglas F. (Lond. 1888).
Fort (frz., fpr. 67. geh Befte, ein in per
manentem oder provijorif Ebaralter ausgeführ:
ter felbftändiger vereinzelter Berteid
(Sperrfort, — oder ein zum Spitem
einer ausgedehnten Befeitigung neböriges einzelnes
Wert, welches feine felbftändige Berteidigung bat
und von ahnlichen benahbarten Werten oder von
der Hauptummwallung nur in bedingter Weile
unterjtügt wird. Ein ſolches F. beißt auch deta:
biertes 5. In der neuern Befefti find die
großen wichtigen Waffenpläge meift von einem
md ortögürtel umgeben (f. ——
Die F. wurden anfangs als gemeinſame Ärtil
lerie: und Infanterieitellung mit einem bochragen:
den Wall verjeben, welcher, mit durchlaufenden
Geihüsbänten und zablreihen Traverjen (in bie:
en Hohlräume und Treppen) auöge ber Ju:
anterie wenig Raum zur Entwi gab.
Frankreich trennte man deshalb beide Bofitionen
und ftellte die Artillerie auf einen innern überböben:
den Ravalierwall, indem man ben vordern ber In
fanterie überließ. In Deutihland ja man Ni
veranlaft, wenigſtens ftüdweije Infanterie:
niedermwäle nadträglih den 5. einzufügen. Die
Ginführung ber —— — und
ranaten machte die Geſchützaufſtellung auf
all unmöglih und gefährdete durch die farle
Wirkung gegen alle biöher aufgeführten Mauer:
bauten die Berteidigungsfäbigleit der F. in dem
Maße, daß man (feit 1886) allerorten einen
liben Umbau ber beſtehenden e in i
nahm und die Neubauten nach ganz andern Bri
cipien anlegte. Die Artillerie wurde arumbjäglid
von der Infanterie getrennt derart, daß man ent:
weder die F. ald —— erbaute und
der Artillerie das Außengelände anwies, oder um:
gelehrt die F. zu reinen Artilleriewerten gejtaltete
und die Infanterie im Gelände fi einniften fieh,
oder endlich fog. Einheitswerle entwarf, bei welchen
Artillerie und Infanterie in demfelben Werk neben
oder bintereinander ihre Stellungen baben.
Fortaleza de Ceara — Fort Yuguftus 911
Als Grundfas wird ferner angenommen, daß die
Fernfeuergeihüße der F. unter Banzer jteben
um fi) halten zu können, deshalb find die F. ent⸗
weder reine Panzerbatterien (Kopenhagen) oder be
Aa aus einer Panzerbatterie und einem offenen
njanteriewall(Einheitömwerte). Nur
rtalmont ftellt auch Panzer auf den
Infanteriewall (Fig. 1). Hier find
a—f Ruppeln, und zwar a für zwei
15 em⸗, b für zwei 12 cm:fanonen,
e für eine 12 em⸗Schnellfeuerhau⸗
bige, d für eine 21 cm:Haubiße, e
für eine 57 mm:Schnellfeuerlanone
und f für einen eleltrijchen
—
ie Aufgabe der F. als
eg tußpunkte be
teht in der Selbftverteis
digung gegen jeden ge
waltfamen Angriff und
in der träftigen
Unterftügu
der Intervalle,
Bei den Eins
beitd: und Bat⸗
teriewerten
kommt bierzu
als dritte Auf:
gabe die Fern:
wirtung. Die l
Selbſtwer teidi⸗
ung wird wes
ft ib unter:
tügt durch leichte Schnellfeuertanonen, welche am
beiten in Sentpanzern ftehen und erſt im Bedarfs:
falle geboben werben; der Intervallflankierung
dienen meiſt Traditorgeihüße, d. b. Geſchutze mitts
Big. 9.
lern Ralibers, welche in Kaſematten binter der
Keble des F. aufgeftellt, aus dem Vorgelände nicht
zu belämpfen find.
Die Sturmfreiheit wird durch einen ringsum laus
fenden, aus Reverstaponnieren beftribenen Graben
müflen,
Bei den Einbeitöwerlen (Fi
Durchſchnitt AB der Fig. 2
a Ruppeln für ſchwere Geſchütße, b für Schnell»
euerfanonen, c für Beobachter) wird meijt bie
anzerbatterie auf dem aus Betonmauerwert
bergeftellten Kaſemattenklorps Tan german und
diejed umgiebt der Infanterie
niedrigerer * wenn bie Geſchuhze direlt
feuern ſollen
und die Gef
Jahren hatten, wählt man gern den breiedigen
megen ber vereinfachten Flantierung des Grabens,
Nah dem Kehlgraben öffnen ſich die Fenfter des
Kaſemattenlorps; bier liegt der Eingang, meift in
Höbe der Grabenjohle, und als vorfpringender
die Traditorbatterien (d in Sig. 2
und 4) und die Sebllaponniere
(die Oſterreicher legen die Tradi⸗
tortafematten in die Endblöde des
——— und laſſen
dieſes geſamt zurüdfpringen). Der
Wall wird moͤglichſt ——
ten, und die notwendigen Traver⸗
ſen dürfen nicht über:
ragen. Die Zugänge aus
den Hohlräumen (Unter:
tunfts· und Bereitſchafts⸗
räume) müjlen dem feinds
lihen feuer entzogen
fein. Die zur Unter:
ftügung der In⸗
fanterie dienen⸗
dengepanzerten
——
nonen jind am
beften feitwärt®
auf den
punkten des
Walls aufge
* (Fig. 4
nfanteriewert
nad von Bruns
ner; a Ruppeln
.2 und Fig. 3 [ald
nah von Brunner;
für Schnellfeuerlanonen, b Bi. Sum Sig
entiweber in
anonen), oder in höherer Lage
5 maäfierend, wenn dieſe ins
direlt feuern (Haubigen).
Auf den Fl |
fhlußbatterien (außerhalb des Grabenbinder:
nijjeg) angelegt zur Aufnahme der Gejchüße ber
fog. Sidherheitäarmierung.
eln der F. werden meilt Anı
Fa. 4.
ortalẽza de Gearä, braſil. Fort, |. Geard.
ort Auguftus (pr. abaöktdh), Dorf am Süd»
mit einer Kontereslarpenmauer von mindeſtens tende des Loch Neß im Glenmore, in der ſchott.
5 m Höhe und mit aufftehendem Hindernisgitter | Graficaft Inverneß, hat (1891) 611 E. An Stelle
—— Ein ſolches ſteht auch —— der Es⸗ des 1715 erbauten Forts wurde 1876—80 eine got.
arpenböjhung. An Stelle des flachgeitredten | Benedittinerabtei mit kath. Knabenſchule erbaut.
Grundriſſes, melden die F. in den fiebaiger | Der Ealevoniihe Kanal bat oberhalb zablreice
912
Shleufen. In ver Näbe ift ein ſchöner Waſſerfall
(Fall of Foyers). abrilation.
ortband, eine Sorte Taffetband, ſ. Band:
ortbildungsfurfe, Unterrichtskurſe für er:
wachſene Perſonen, die neuerdings in verjchiebenen
Staaten und Städten, meiſtens an Univerfitäten
und von Univerfitätäbocenten abgehalten werben.
Dabei ift zu unterfcheiden zwifchen den 109. Volks—
ochſchulkurſen einerſeits, die auf möglichſte Ber:
itung und Populariſierung wiſſenſchaftlicher Bil⸗
dung abzielen, und den meiſtens als Ferienkurſe
bezeichneten Einrichtungen andererſeits, die willen:
ſchaftlich gebildeten Berfonen Gelegenheit zur Ber:
tiefung und Fortfekung ihrer Fachſtudien bieten
wollen; wieder eine andere Geftalt * die ſog.
a in den flandinav. Ländern. Den
Anſtoß gab England, wo feit 1873 die ala Univer-
sity extension movement (f.d.) befannte Bewegung
or Pi Fortſchritte machte.
Seit 1837 bat fih Norbamerila dem Borgang
Englands angeichloflen, und auch bier hat die Be:
wegung raſch Wurzel gefaßt. In Amerika, deſſen
jungen Hochſchulen die Autorität fehlt, mußte man
wir nod die Hilfe des Staates in Anſpruch neb:
men, und ba eö vielfach an geeigneten Lehrern feblte,
eigene Anſtalten für die Heranbildung von ſolchen
gründen. Die Einrichtung von Korreſpondenzkurſen
um Unterricht in absentia dient als Erjas oder ala
Kotjebung für die perfönlihe Teilnahme an den
rien, weiſt aber zugleich auch auf den mehr ſchul⸗
mäßigen Unterrichtöbetrieb der amerit, Hochſchulen
bin. Noch früher hat ſich in Amerila (Chautauqua)
bie Sitte eingebürgert, vor allem für Lehrer und
Lehrerinnen in den Ferienmonaten Juli und Auguft
Sommer: oder Ferienkturje an den Univerfitäten ab:
ubalten, damit fie hier ihre Kenntniſſe wieder auf:
Friihen, erweitern und vertiefen können, 1888 adop⸗
tierte Oxford dieſes Syſtem, und Cambridge folgte
nad. In beiden Ländern hatte auch diefe Einrich⸗
vn roßen Erfolg.
— außerhalb Englands und Amerikas die
Univerſitäts⸗Ausdehnungsbewegung im engern
Sinne ſich in ben ſtandinav. Reihen und in Bel:
ien, jeit 1895 aud in Öfterreih und Rußland Bahn
vad, verhielt ſich Deutihland anfangs ziemlich
ablebnend dagegen. nterjemeiter 1896/97
bildete ſich jedoch in Münden ein Vollshochſchul⸗
verein, ber mehrſtundige, gut beſuchte Vortrags:
cyllen abbielt, und auch in Leipzig wurden von Uni:
verfitätöbocenten populärwiflenihaftlice Vorträge
gehalten, während in Berlin der Senat den von
52 ———— des alademiſchen Lehrloͤrpers ge:
ftellten Antrag auf Einrichtung von Volkshochſchul⸗
turjen ablehnte. Seitdem bat Ach jevob aud in
Deutihland die Boltöbohihulbemegung immer
weiter verbreitet, und fajt auf allen deutichen Uni-
verfitäten ige — Anjäge dazu vorhanden.
Es bat fih ein Verband von Hochſchullehrern für
veltstümlihe Kurje gebildet, der 1900 im Verein
mit der Gentraljtelle für Arbeiterwohlfahrtseinrich⸗
tungen in Münden jeine erfte Generalverjammlung
abbielt. Sebr viel Ahnlichkeit mit der University
extension haben die Lehrgänge des Freien Deut:
ſchen Hodhitifts (ſ. d.) zu Frankfurt a, M. die nah
dem Lehrplan von 1885 auc dem nicht fahmäßig
Gebilveten einen liberblid über den Stand und die
allgemeinen Ergebnifje der betreffenden Wiſſenſchaft
Fortband — Fortbildungsfurfe
dazu noch befondere Vollsvorleſungen getreten. J
Berlin verfolgt die Humboldtakademie (f. d.) mit
ihren meiſt 10—12ftündigen Vortragdchklen ahn
lihe Zmede; mehr noch bat die Sitte der Ferien:
kurſe an einigen deutichen Univerfitäten Boden
gewonnen. Nachdem die militärärztlichen F.(j.unten)
Ihon geraume Zeit eingeführt waren, begann die
Univerfität Jena 1889 im Anſchluß an das ament.
engl. Syſtem Ferienlurſe (Summer Courses, Cours
de perfectionnement) einzurichten, die jeither al
jäbrlih im Auguit ftattfinden und in drei Grupren
(Raturwifienihaften; Hugieine, Pſychologie, Phile—
ſophie und Päragogit; Sprachiurfe, Pitteratur un
Geſchichte) zerfallen; an der erften ſollen nur
Lehrer höherer Unterrichtsanſtalten teilnebmen, die
übrigen find Lehrern und Lehrerinnen aller Säul
gattungen zugänglich. Diefem Borgang folaten
dann aud andere deutſche Univerjitäten für be
ftimmte Fächer, jo Halle und Berlin für Social
wiſſenſchaft, Münden und Bonn für Archäologie,
Münden für Geograpbie, Greifswald für fran
Spradhe und Kultur, Bonn, Breslau umd Halı
t Theologie; neufpradliche und naturmwifienihaft
iche Kurſe werden aud in andern als in Um
verfitätsjtädten gehalten. Bon bejonderer Beder
tung find aud die von dem enge Ic JR
ftitut (f. d.) ſeit 1890 in Geftalt einer Studientene
durch Italien veranftalteten 5. für Archäologen un
die von ben meijten größern beutichen Staaten
(Preußen, Bayern, Sachſen, Baden, Heflen) einge
richteten archäol. Ferienkurſe für Gpmnafiallebrer
Die F. für rauen an der Univerfität Göttingen
waren ebenjo wie die Borlejungen an dem di
toria⸗Lyceum in Berlin Anfänge eines regelrehten
drauenjtubiums (j. d.).
Endlich find noch die zunächſt in der fran Shen;
(Genf und Laufanne), dann auch in une
(Paris) eingerichteten Ferienturje für Auslande
(cours de vacances de frangais moderne) ju t"
wähnen, in denen Vorträge über franz. Litteratut
und Sprachwiſſenſchaft in Verbindung mit pral
hen jcriftlihen und mündlichen Übungen da
eilnehmern eine eingebendere Kenntnis des {rar
zöſiſchen vermitteln jollen.
Weſentlich verihieden von den bisher genannia
Einrihtungen find die Volkshochſchulen ın da
anbinav. Staaten, die zuerft Grundtvig (j. d. %
änemart 1844 in nationalem und griſil Inter
eile ind Leben gerufen hat, und die ſich nun ın mr
biedenfter Weiſe das Ziel fegen, der ermadieneı
ugend, namentlich des Bauernjtandes, nad %
endigung der Schulzeit eine erweiterte Ausbilduns
und fachlichen Unterricht zu verjchaffen. In ven #
eriten Jahren ihres Beſtehens (1844—94) find 1#
folher Anſtalten in Dänemark eröffnet und det
find im ganzen von ungefähr 110000 Berten
befucht worden; der vermehrte Bejuch im Bini
(75000 gegen 35000 im Sommer) zeigt, dab \*
vor allem auf die Heranziebung und Hebung X
Bauernitandes berechnet jind. Nach Abftreifung I’
ibnen von Grundtoig aufgedrüdten national-&nt-
Charalters entiprechen fie dem, was wir in Deutie
land unter dem Namen von landiwirtidaftlist
und gewerblihen Fortbildungsſchulen (ſ. d.) bar.
von unjern Einrichtungen aber unterſcheiden fe
dur Betonung des erziehlihen Moment! und de
durchaus privaten und freien, nicht reglementierte
ewäbren follen. Jeden Winter werden act fünf: | und deshalb den Verbältnifjen und Wunſchen I
ndige Kurſe gehalten. Seit einigen Jahren find | Bevölkerung mehr angepaßten Ebaralter, dem
Fortbildungsſchulen
die gewährte —————— (ſeit 1892 jakrlich
120000 Kronen) keinen Eintrag thut. Der Wert
diejer Schulen ift übrigens kein ganz unbeftrittener,
und der Berfuch, fie auch in die dän. Hauptitadt zu
verpflanzen, iſt wiederholt geicheitert; —* Eat
dort die Univerfitätsausdehnung (Abendſchulen für
Arbeiter) Boden zu gewinnen. In Schweden und
Norwegen giebt es ebenfalls ſolche Vollshochſchulen
und daneben feit 1893 auch Sommerkturfe an den
Univerfitäten.
Vol. James Earl Ruſſell, The Extension of Uni-
versity teaching in England and America (aud
veutih, Lpz. 1895); Harald Hjärne, Univerfitetens
toltbildningsarbete i land (Upfala 1893); 9.
ojendal, Danmarts Foltehöjftoler og Landbrugs:
joler 1844— 94 Odenſe 1894); ©. Hamdorff, Die
—— und die Vollsbildung in England (in
den «Gomenius-Blättern für Bo *** II,
Nr. 5/6, 1895); derf., Über den Stand der Volks—
hochſchulen im Auslande (ebd., IV, Nr. 1/2 u. 5/6,
1896); W. Rein, F. an der Univerfität (Bd. 2 des
«Encytlopäd. rag der Pädagogib», Langen
jalza 18%); M. Hirſch, Biffenfhaftlicer Eentral-
verein Humboldt: Akademie. a A Ihätig:
feit und Entwidlung 1878—96. Beitrag zur
Bottebohfaulfsnge Wert. 1896); Neyer, Handbuch
des Volls bildungsweſens —— 1896); Friedr.
Ratzel — und Vollsbildung in Deutſch⸗
land (Münd. 18%); GC. Schulge, Vollshohfhulen
und Univerfität3auspebnun ee RS N):
Rein und Fleih, Vollshochſchulkurſe 1900).
Militärärztlide F. nennt man folde zu
periodifcher Vervollftändigung der in den militär-
ärztlichen Bildun Sanftalten (1 d.) erlangten Kennt:
ne und ertigleiten eingerihtete Kurſe, melde
teild (wie in England und et in organis
ihem Zufammenbange mit den Fachſchulen, teil
(wie in Deutihland) unabhängig von diejen ab-
ebalten werden, teils ih (wie zur Seit der
Militärärztlihe Kurjus in Öfterreih) die Fach—
ihulen zu erjegen bejtimmt find. Operations: und
ygieiniſche Übungen, fpecielle —22* der
ärztlichen ag auf militär. Smede, Kennt:
nis militärärztliher Organifationen bilden im all:
gemeinen den haup afich er der F. In
der deutſchen Armee haben die $- e umfaſſend
und eigenartigite Gejtalt im 12. (königlich jächt.)
Urmeelorps durch den Generalarzt Roth 1871 er:
balten. Du aktive preuß. und württemb. Sanitäts-
offiziere ſowie für ſolche der kaiſerl. Marine finden
5 beit 1873 jäbrli im Frühjahr und im Herbit zu
erlin ftatt, neuerdings find ſolche aud für Sani-
em Fig u chiedenen
Univerfitätsorten eingerichtet. — Vol. W.
militärärztlihen 5. für das fönig * ſächſ. Sani⸗
tatslorps u.ſ. w. (im der en militärärztlichen
Beitihrifte, Jahrg. 1872); H. Frolich, Militärmedi-
zin —54 w. 1887).
ortbildungsfchulen, eine aus den Sonntags:
ſchulen (f.d.) hervorgegangene Einrichtung. Die F.
baben den Zwed, Knaben (in einigen Staaten auch
Mädchen) nah dem —— der Vollsſchule die
erworbenen Kenntniſſe alten und zu vertiefen
oder auch ihnen die Elemente der Berufsbildung
mitzuteilen. Der Unterricht wird meiſt an einigen
Abenden der Werktage erteilt; die Zahl der wöchent:
lichen Unterrihtsjtunden beträgt gewöhnlich 2—4,
bier und da fteigt fie bis 6. Der —* der 5. tft
in Württemberg, Sachſen, Baden, Hejien, Weimar,
Brodhaus’ Honverfations-Leriton.,. 14. Huf. R.U. VL
913
Meiningen, Coburg, Gotha, Sondershaufen obli«
atoriſch, in Preußen noch nicht, troßdem ſich das
iniftertum für Handel und Gewerbe in einer Ber:
Meung vom 31. —5* 1899 für den — er⸗
rt bat. Auch Medlenburg iſt in dieſer Beziehun
noch im Rüdjtand. Die Verpflichtung zum Bei
dauert in Württemberg 4, in Sachſen und Hefjen3, in
Baden für Knaben 2, Yu Mädchen 1 Jahr, in man:
den Ka gem it ald Grenze das vollendete
17. Lebensjahr angenommen. Sie ift in Württem:
berg und Baden beiden Gefchlechtern, in den übri«
en Staaten nur den Knaben —5* Ni Bayern
ind Knaben und Mädchen nad) ihrer tlaffang
aus der Werktagsſchule zum Beſuch der Sonn: und
Feiertagsſchule verpflichtet, die ihren Abſchluß durch
erfolgreiche Beitehung der öffentlihen Schulprüfung
in dem Jahre findet, in dem die Schulpflichtigen das
16. Lebensjahr zurüdlegen. Schulgeld wird in der
Regel nicht erhoben, Näch $. 120 der Reichsgewerbe⸗
ordnung, welcher in Kraft tritt, mo landesgeſetzliche
Beitimmungen über die F. nicht befteben, find die
Unternehmer verpflichtet, die für den Beſuch der
—— — erforderliche Zeit zu gewähren.
ie Schulpflicht kann durch Orisſtatut begründet
werden, was namentlich * reußen von Bedeutun
iſt. Bezug auf die Unterrichtsfacher iſt im all:
gemeinen die Beitimmung des württemb. Geſetzes
von 1836 maßgebend geworden, daß diejenigen
Unterrichtögegenftände zu pflegen jeien, die für das
bürgerliche Xeben vorzugsweiſe von Nupen find. Um
bei der fnapp bemeflenen Zeit eine ganz oberfläc:
lihe Behandlung der verſchiedenen Bildungsele:
mente zu vermeiden, vereinigt man in neuerer Zeit
namentlich in größern Städten, die Schüler na
ihrer fadhgewerblichen Thätigteit und fließt an
diefe den Unterricht an. Bei Schülern ohne ge
& | werblichen Beruf verwendet man vorzugämweife die
Heimat ald Mittelpuntt. Neben den allgemeinen F.
beſtehen auch berufliche F., fo landwirtſchaft⸗
liche, kaufmänniſche und gewerbliche.
Die landwirtſchaftlichen F. verfolgen nur den
weck, die aus der Schule entlaſſenen Söhne der
leinern ländlichen Grundbefiger oder ländlichen
Arbeiter in den Winterabenditunden in den Ele
mentarfächern weiter fortzubilden und ihnen einige
Kenntniffe in der Naturwiſſenſchaft und Landwirt:
chaftslehre beizubringen. Die größte Ausdehnung
aben dieſe E nächſt Bayern und der Rheinprovinz
auptjählih in Württemberg gefunden. Wo bie
. au auf dem Lande obligatorifch find, find die
ndwirticaftlihen F. neuerdings meift in dieſe
aufgegangen. :
aufmänniſche 3. find entweder Lehrlings:
ſchulen (f. Handelsihulen) oder fie ſchließen ſich
ebenfalls als Vollſchule, gewöhnlich mit einjährigem
Kurjus, an die Volks Aufe an und bereiten ihre
Böglinge in engern Grenzen als die höhern Han:
delsſchulen auf den kaufmänniſchen Beruf vor.
Gewerbliche F. find dazu beftimmt, jungen Ge:
werbtreibenden eine den Berürfniffen ihres Stan:
des angemejjene allgemeine Bildung zu bieten. Das
deinen wird in ihnen befonderd gepflegt. Sie
üpfen an die allgemeine Boltsfhule an und find
jo organifiert, daß der Beſuch während der Lehrjahre
möglich ift. Wo die F. obligatorisch find ne
- gewöhnlich von diefer. Mufterhaft find fie in
ürttemberg, wo fie unter Steinbeis Zeitung zum
Grundſtock der gewerblihen Ausbildung geworven
find; ferner in Baden, wo fie Gewerbeichulen heißen,
914
und in Sadjen, 3. B. die Handwerkerſchule des
Handwerkervereins in Chemniß.
Bejondere F. für dad weibliche Geſchlecht find
in neuerer Zeit an vielen Orten von Vereinen, Ge:
meinden und Privatperfonen eingerichtet worden.
Man kann fie einteilen in allgemeine, gewerbliche
und hauswirtſchaftliche RG Die erjtern En in Ba:
den und Miürttemberg allgemein obligatorijch eins
efübrt, in Heſſen, Sachſen und Sachfen-Altenbur
Önnen fie auf Antrag der Gemeinde obli torte
eingerichtet werben. Gewerblihe %. für Mädchen
find über ganz Deutfhland verbreitet; befonders
ablreich finden fie fi in Süddeutſchland, in Heflen,
IBaden, Württemberg, Bayern. (Val. Frauenarbeits⸗
—* Handarbeitsunterricht, Haushaltungsſchu⸗
en.) Außer Deutſchland wenden auch faſt alle übri-
gen Staaten der Erbe dem Fortbildungsihulmeien
ıbr Intereſſe zu. So beftimmt in Schweden bas
Geſeß vom 10. Dez. 1898 als Fächer für die F.: Ne
ligion, Mutterſprache, Rechnen, Geometrie, Zeich—
nen und, wenn angängig, Geſchichte und Natur:
hunde, England werden in den $; gleichfalls
die Volksſchulfächer der 1. Klafje gelebrt. Jeder
Engländer im Alter von 12 bis 21 Jahren darf dieje
5 befucben. Aud in Nordamerika wird das ort:
ildungsſchulweſen Ye, gepflegt. Als F. find nicht
allein die Sonntagsſchulen anzuſehen, jondern auch
bie Grammar- und Highschools, In Holland füb:
ren bie 5. den Namen Wiederbolungsfchulen. Dieje
unterrichten auch in den Volksſchulfaͤchern. In Bel:
gien beiteben als &coles d’adultes teild Elementar:
furfe, durch welche die jungen Leute ihre in der
Vollsſchule erworbenen Kenntniſſe erweitern lönnen,
teild Kurſe der Wiederholung und VBervolllomm:
nung, durch welche der Unterricht in weitere Bahnen
eführt wird, teild Specialturfe für Handwerk, Ader:
au, Gartenbau, Geometrie, Zeihnen, Spraden
u.f. w. Dieſe Schulen dürfen im allgemeinen erft
nad dem 14. Lebensjahre befucht werden. Die ge:
werbliben F. Frankreichs (&coles professio-
nelles) ftehen auf einer fehr hohen Stufe der Aus:
bildung. Sie find für junge Männer ebenjo wie
für junge Mädchen beitimmt. Der Unterricht in
ihnen ift zumeift theoretiſch und techniſch. Die Bes
dingung zur Aufnahme in eine ſolche Schule ift der
Bei der Volksſchulkenntniſſe. Die 5. für d⸗
chen befaſſen ſich mit Buchführung, Schönſchreiben,
Stenographie, Schneidern, Stiden, Pugarbeit,
— u.a. In Portugal ſorgen für die Fort:
—* der Knaben und Mädchen die Sonntags:
und Abendichulen. Spanien bat die Gemeinden
durch Geſetz verpflichtet, für den Fortſetzungsunter⸗
richt Beranftaltungen zu treffen, und zwar ift der
— Pflichtunterricht in allen
emeinden über 10000 Einwohner. Auch müſſen
nah Geſetz vom 24. Febr. 1873 = Sabrifberren
5. einrichten, die mehr ald 80 Arbeiter und Ars
eiterinnen über 17 Jahren beihäftigen. Diefe
werben ſowohl von — * Arbeitern als von
Kindern unter 9 Jahren beſucht. Auch in Italien
pflegt man den Fortbildungsunterricht meiſt in
Sonntags- und Abendſchulen. Jeder Schüler, der
die niedere Volksſchule verläßt und keine andere
Schule beſucht, muß ein Jahr lang die Fortbildungs:
ſchule beſuchen. Dieſe fann auch nad Art. 57 des
Geſetzes vom 15. Juli 1877 in eine tägliche um:
— werden. In faſt allen Kantonen der
chweiz ſind gleichfalls F. eingerichtet. An meh—
rern Orten beftehen auch landwirtſchaftliche F. Auch
Fortdauerndes Verbrechen — tyorteguerri
Arge hd bat Sonntagd und Abend
ſchulen für die Kinder beftimmt, die nicht in die
—— Vollsſchule eintreten. Die ſerbiſchen #.
Önnen fih außer auf die Vollksſchulfächer auch
auf verſchiedene Unterrichtszweige der Aderbau-
induftrie erjtreden. Rumänien find die %. für
die Kinder obligatoriich, die das 14. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben. Der Unterricht wird gewöhn⸗
lich wöchentlich in zwei Stunden erteilt. Rußland
bietet den Erwachſenen Gelegenbeit, ihre Bildung zu
erneuern burd die Sonntagsjhulen, in denen zu
— rn Serra gt ga tetwird, jomie
durch die Soldatenſchulen. (S. auch Fortbildungs-
kurſe.) — Vgl. Lüders, Denkſchriften über die Ent:
widlung der gewerblihen Fachſchulen und F. in
Preußen während der J. 1879 - 90 (Berl. 1891) und
während der Jahre 1891—95 (ebd. 1896); Pache,
Handbuh des deutihen Fortbildungsſchulweſens
(ZL1—6, Wittenb. 1896—1902); Billeb, Die Fort:
bildungsihule (Lpz. 1896); Artilel Gemwerblicer
Unterriht im «Handwörterbud der Staatswiſſen⸗
ihaften», Bd. 4 (2. Aufl., Jena 1900); Genaud, Die
gewerbliche Erziebung in Baden (Reichenberg 1882);
derf., Die gewerbliche Erziehung in Württemberg
(ebd. 1882); Die Entftehung und Entwicklung der
gewerblichen F. und srauenarbeitsfchulen in Würt⸗
temberg (Stuttg. 1889); Buiffon, L’&ducation des
adultes en Angleterre (Par. 1896); Sendler und
KRobel, Überfihtlihe Darftellung des Vollserzie—
hungsweſens der europ. und außereurop. Kultur
völter (2 Bde. Bresl. 1900—1); Lauß, Fortbil:
dungs: und Fachſchulen für Mädchen (Wiesb. 1902):
W. Ehmidt, Gewerbliche rg 1902) und die Zeit:
ſchrift «Die F.», bg. von Pache (ebv. 1887 fg.).
Fortdanerndes Verbrechen, |. Fortgeiehte:
Verbrechen.
Fort de France (pr. fohr dE frangß), ebemal:
Fort Royal, Hauptitadt der franz. Antilleninjel
artinique, an der Wejtlüfte, Refidenz des Gou:
verneurs, bat (1901) 22164 E. ſeht guten Hafen,
breite Straßen mit niedrigen —— und jtarte
Befeitigungen. Der Handel (Rolonialmaren, bejon-
ders Zuder) 3 nicht bedeutend. (S. Martinique).
Fort de WEclufe (ipr. fobr de letlübf’), im
franz. Depart. Yin, f. Lecluſe.
Fort Dodge (fpr. doddſch), Hauptitabt ber
Eounty Webjter im nordameril. Staate Jowa, am
Des Moines: Fluß, Eifenbahntnotenpuntt, bat
(1900) 12162 E.; Handel mit Wolle, Getreide. Ir
der Nähe Kohlen⸗, Gips: und Thonlager.
Forte (ital.), in der Mufil die allgemein ange
nommene Bezeihnung für Stärle des Tons (abge
türzt f), wie piano (p) für Schwäche. Die verſchie⸗
denen Grade der Stärle, die in ber Muſik zur An—
wendung fommen, find: fortissimo (ff, auch fff), jebr
ftart; mezzoforte (mf), mittelftart; poco forte (pf),
etwas weniger al mittelftart; fortepiano (fp), ein
einzelner Ton oder eine Stelle ftart und das Fol:
gende fofort wieder leije. In den Bartituren der
ältern Mufit wurden die Stärtegrade nicht ange
eben. Nob im 16. Jahrh. findet man fie de
elten und erſt mit der neuen fonzertierenden Mu-
fweife des 17. Jahrh. treten fie häufiger auf.
Fortegüerri, Niccold, ital. Dichter, geb.
25. Nov. 1674 zu Piſtoja, ftudierte in Piſa die
Rechte und ging dann nah Rom, wo er Cle⸗
mens XI. 1712 Kanonilus an Sta. Maria Maggiore
und durch Clemens XIL. 1733 Setretär der Propa⸗
ganda wurde. Er ftarb 7. Febr. 1735 in Rom
Fortepiano — Forth
Der Held feines komiſch-ſatir. Epos «Ricciar-
detto» in 30 Burg worin er bejonders die ver:
derbten Sitten des Klerus verfpottet, ift Richarbett,
eins der Haimonslinder. Es erſchien erft 1737
unter dem gräcifierten Namen Garteromaco, ben
don 5.3 Vorjahr, Scipio, geführt hatte (2 Boe.,
ar. [Bened.] 1738 u. d.; befte Nusg., 3 Bde., Mail.
1813; deuti am beiten von Gries, 3 Bde. Stuttg.
1831—33). Die übrigen Gedichte F.8 erichienen in
Genua, Florenz und Pescia, feine Überfeßung des
Terenz in Urbino 1736 und Mailand 1782. — Bol.
Ciampi, Memorie di N. F. AN (1813); Procacci,
N. F. e la satira toscana (PBiftoja 1877).
Fortepiäno (ital.), der urjprüngliche Name des
—— N or, Hub), Fluß im nordl. Diſtritt
ortescue (jpr. -Hub), Fluß im nör
der brit. Kolonie re ien, entipringt im
vom Mount:Bruce, * nordweſtlich und mündet
—— von Kap Preſton in den Indiſchen Ocean. N
n den Ufern findet ſich grasreicher Lehmboden.
der Trodenzeit führt er fein oder wenig Wafler.
er F. wurde 1861 von Gregory ——*—
erg (fpr. -Hub), engl. —* ie, ſoll von
Richard Le Fort abftammen, der Wilhelm den Er:
oberer nad England begleitete und in der Schlacht
von Haftings mit feinem Schilde dedte, weshalb er
den Namen Fort-escu (ftarter Schild) erhielt; das
Wappen der Familie trägt noch jest die Devife:
Forte scutum salus ducum.
Sir John * war einer der tapferſten herren
Heinrichs V. Deſſen älteſter Sohn Sir Henry F.
war Oberrichter des Court of Common Pleas in Ir⸗
land, der zweite, Sir John %., jtubierte in Orford
die Rechte und ward 1442 Überridhter der King’s
Bench. Im Kriege der Rofen bielt er fich zu ben
Sancajtriern und floh 1461 mit der Königin Mar:
garete nah Schottland und Flandern, wo er für
den jungen Prinzen Eduard von Wales die berühmte
Abhandlung «De laudibus legum Angliae» (bg. von
Amos, Cambr. 1825, und von Thomas [Fortescue]
Lord Elermont, Cincinnati 1874; deutih von
Parow, Berl. 1898) fchrieb. F. fam 1471 mit dem
Vrinzen von Wales nah England zurüd, unter:
warf ji nad deijen Ermordung dem Haufe York
und ftarb um 1485 J— feinem Landfige Ebrington
in Gloucefterfhire. Er jchrieb noch: «De natura legis
naturae» und e difference between absolute
and limited monarchy» (bg. von Blummer, 1885).
Sein Entel John, von deffen jüngerm Bruder
William die iriſchen Lords Glermont abjtammen,
war der Ültervater Sir Hugb 7.8, der feiner Groß:
mutter, der Gräfin von Lincoln, 1721 ald Baron
Elinton in der engl. Beerage folgte und 1746 zum
Grafen Clinton ımd Baron $. erhoben wurde,
Er ftarb 3. Mai 1751, worauf die Grafenwürbe er:
loſch, die Baronie aber auf feinen Halbbruder Mat:
thew, geft. 10. Juli 1785, überging. Deffen Sohn
Hugh, er 12. März 1753, ward 1789 zum Bis«
count Ebrington und Grafen F. ernannt und
ftarb 16. Juni 1841.
Hugh Te per rpher,
ftubierte in Orford und trat 1804 ald Biscount
Ebrington ins Unterhaus zu den Whigs. 1839
915
baufes, bat fich befonder# um das Sanitätsweſen
und das Wohl der niebern Klaſſen verdient gemacht.
Er verfaßte verjchiedene dieje ragen behandelnde
Schriften, varunter «The health of towns» (1844),
« Parliamentary reform» (1859 u. 1884), «Public
school for the middle classes» (1864). — Bol. Tho⸗
mas (Fortescue) Lord Elermont, History of the
— F. in all its hi er ah
o cue (pr. - Chicheſter Samuel Bar:
tinfon F., eng Korn er, |. ine. Lord,
Fortes fortüna adjüvat, «den Mutigen
bilft das Glüd», ein lat. Sprichwort, das ſich in
diefer oder ähnlicher Faſſung bei klaſſiſchen Schrift:
ftellern findet (3. B. in Terenz' «Phormio» 1,4,
Eiceroö «Tusculanae» 2,4, ıı, Livius 34, a7) und
vom ältern Blinius bei der bachtung des Veſuv⸗
SO.ausbruchs, bei der er ſein Leben verlor, gebraucht
wurde. — des jüngern Plinius «Briefe» 6, 16.
dem lat. Dichter Claudianus gebt es zurü
auf den ae ter Simonided. Schiller über:
jeßte ed in « I m Tell» (Alt 1, Scene 2) mit
«dem Mutigen hilft Gott». Dft wird citiert: Auda-
*3 (oder n — ————— —— F en
efette: erbrechen, Bezeihnung für
eine Neiße —— verbrecheriſcher Handlungen,
die vom gleichen Thäter in kurzen Zwiichenräumen
bintereinander begangen und juriftiih als ein
einziges Verbrechen angeſehen und behandelt wer:
den. 8. B. der verheiratete A. vollzieht mit der B.
innerhalb eines halben Jahres mehreremal den Bei:
(hlaf; er begeht bierdurh ein F. B. des Che
ruchs, oder ein Diener ftieblt feinem Herrn jeden
Tag eine Eigarre; man erblidt hierin nicht 20 oder
80 u. f. w. Fälle des Diebftahls bez. Mundraubs,
fondern ein fortgefeßtes Delilt des Diebftahls bez.
Mundraubs. Das deutiche Strafgejek hat den Ber
griff des F. B. zwar nicht ausprüdlich aufgenom:
men, es mwiberfpricht ihm aber auch nicht, und die
Rechtſprechung ertennt ihn an. (S. Konkurrenz.)
Bon den 5.8. find die Dauerdelikte oder fort:
dauernden Verbrechen zu unterfcheiden, bei
welchen der Berbrechensthatbeftand durch eine wäh: .
rend — Zeitraums ununterbrochen fort⸗
dauernde Willensbethätigung verwirklicht wird. So
dauert die Verlegung der Wehrpflicht dur Ver
lafjen des Inlandes während des Aufenthalts im
Auslande in gleicher Abfiht fort (Strafgeiebb.
e 140!), Dauerverbreden und F. V. unt beiden
ich in der Weife, daß jene die ununterbrochene, dieſe
die unterbrochene, gleihfam ftoßmeife wiederholte _
Berwirklihung eines verbrecherifchen Thatbeftandes
find. Von den Dauerdelilten unterjheiden ſich
wieber die von Einigen Zuſt ands delikte genanns
ten, bei denen der nur burd die Strafthat hervor:
gerufene rechtswidrige Zujtand fortbauert, fo bei
dem Diebftahl die fortvauernde — ung der dem
Eigentümer geſtohlenen Sache. — Vgl. Merkel, Zur
Lehre vom F. V. (Darmit. 1862).
Forth, Fluß in Schottland, entſpringt in zwei
Hauptquellen ald Ducdray und Avondhu auf dem
Dftabhange des Ben:Lomond (973 m) in der Grafr
ſchaft Stirling, berührt in feinem ſudöſtlichen ger
wundenen Lauf Perth und Cladmannan, empfängt
—41 war er Lorblieutenant von Irland, 1846—50 links den Teith, den Abflug der Seen Ratrine,
Lord⸗Steward des königl. Haufes. Cr ftarb 14. Sept.
1861. — Sein Sohn Hugb, dritter Graf F.
geb. 4. April 1818, ſeit 1841 im Unterhaus, 1846
—47 Lord des Schagamtes, 1847—51 Staatsfelre:
tär des Armenamtes, 1861 Mitglied des Ober
Lachray, Venachar und Lubnaig und tritt bei Kin⸗
cardine in den nad ibm benannten Meeredarm.
Er ift etwa 160 km lang. Kleinere Seeſchiffe bis
N 70 t Ladung lönnen bis Stirling geben. —
er Firtb of 4 oder Fortbbufen, der beveur
58*
916
tendjte im öſtl. Schottland (f. Karte: Schottland),
ift etwa 75 km lang, anfangs 3—4 km, in der Enge
zwiichen Queensferry und North-Queensferry, bie
die Bahn benußt, nur 1,5 km breit und erweitert ſich
dann bis zu 16 km Breite zwifchen Dunbar und dem
Kap Fife-Neb. Eine großartige Brüde führt über ihn
ei Queensferry (f. Forthbrüde). Die * dringt
bis in den Fluß 1 km oberhalb Stirling hinauf; bis
Grangemouth gelangen große 3 Auf der
njel May und auf Indleith ſtehen Leuchttürme.
euerdings (1900) werden am nörbl. und fübl. Ufer
des Bufens und auf der in feiner Mitte liegenden
Inſel Inchgarvie ausgedehnte Feſtungswerle er:
baut; deren wichtigſtes liegt an der Carlingnoſe bei
North-Queensferry in beherrſchender Höhe, 28 m
über dem Waſſerſpiegel. Die Ufer find flach, frucht⸗
bar und dicht befiebelt; bier liegen Edinburgh und
feine Hafenorte Bortobollo, Leith, Newhaven, Gran⸗
ton jomwie Boneb, und auf dem Norbufer Dyfart,
Kirkcaldy, Burntisland und Alloa mit vorzügliden
Anterplägen. Überaus ſtark ift der Dampfervertebr.
Der wichtigen ag mit dem Koblenrevier
bient der Forth-and-Clydekanal (67km) von
Grangemouth nah Forling am Elyve. Ein Zweig,
der Uniontanal, gebt von Fallirk ab nad Edin—
burgh (51 km). Der Fluß ift reih an Ladys, der
Meeresarm an Weißfiſchen und Heringen.
Forthbrüde, die großartige, bei Queensferry
unmeit Edinburgh über den Firth of Forth führende
Bahnlinie zwiſchen
zweigleifige Eifenbahnbrüde
Forthbrücke — Fortififation
wegen verhältnismäßig geringer Koſten zu empfeb⸗
len ſei. Die Bahngefeilihaften, zu denen nod die
North:Britifb hinzutrat, ftellten die Geldmittel zur
ae und erbielten durch Barlamentsbeichluf
im Juli 1882 die Bauerlaubnis. Die Ausführung
des genehmigten Planes von Baler und Fomler
wurde nun im Dez. 1882 ber Firma Tancred, Ar
rol & Eo. in Glasgow übertragen, während mit der
oberften Bauleitung der Ingenieur Cooper betraut
wurde. Das Board of Trade hatte die Uberwachung
des Baues jowie die Berantwortliteit betreffs der
Sicherheit abgelehnt und * nur eine zeitweilige
Beſichtigung und Berichterſtattung vorbehalten.
Die nach dem —— yftem (j. Eiſenbrũden
tonftruierte Brüde (f. nachſte En befigt zwei
Hauptöffnungen von 521,198 m Weite. Die Krag-
arme haben die ungewöhnliche Länge von 207,2s0m,
o daß für die Mittelträger nur 106,678 m bleiben.
tiprehend diefer bedeutenden —— ſind
die — I od) (100,583 ın) gewäblt; die
Ver urchfahrtshohe für die Schiffe beträgt bei dem
ödhiten Waſſerſtand 45,519 m. Die Pferlertürme,
von benen ber mittelfte auf der Heinen Inſel Indb-
arvie errichtet ift, ruben auf je vier fteinernen
Kühe, Die untere Breite der Türme ift 36,575 m.
ie vier Edpfoften der Pfeilertürme befteben aus
Röhren von 3,858 m äußerm Durchmeſſer und find
durch Kreugverbindungen verfteift. Bei den frag:
armen hat der Untergurt und alle aut Drud bean:
ſpruchten Hauptglieder der Ausfahung ebenfalls
Ratho und Dunfermline, die den Weg von Ein:
burgh nah Dundee um etwa 40 km abkürzt. Schon
1818, als es noch feine Eifenbahnen gab, entwarf
‚ber Ingenieur James Anderjon in Edinburgh drei
Pläne für diefelbe Stelle, an ber die heutige F. ftebt.
Ale drei Entwürfe jtellten Kettenbrüden bis zu
600 m Spannweite dar, für den damaligen Stand
der Technik ein ſehr luhnes Wagnis. Erft 1865, nach⸗
dem ſich das Eiſenbahnnetz bereitö bedeutend ent:
widelt batte, berieten die Bahngeſellſchaften ernſt⸗
lih eine Fortbüberbrüdung und erlangten durd
Barlamentsbejhluß die Genehmigung zum Bau
“einer Brüde 8 km oberhalb Queensferry. Als ſich
diefe Stelle ald ungeeignet erwies, wählte man 1873
die Stelle der heutigen Brüde und — nachdem
ein Tunnelprojekt wegen zu großer Waſſertiefe (bis
67 m) verworfen worden war, den Bau einer von
Sir Thomas Bouch, dem Erbauer der ältern Tay—
brüde, entworfenen verfteiften Hängebrüde. Als
jevod der Orkan vom 29. Dez. 1879 die Taybrüde
zeritörte, ſchwand das Vertrauen auf das Bouchſche
Projekt, und bald wäre jede weitere Bauerlaubnis
verjagt worden, wenn nicht ſchon im Mai 1881
eine von den beteiligten Babngejellihaften (Nortb:
Gajtern, Midland und Great:Rortbern) gewählte
Sadverftändigentommiffion, beftebend aus den In⸗
enieuren E. 5. Harrifon, W. 9. Barlow und Sir
John Fowler, in einem Bericht erklärt hätte, daß
ein inzwijchen von Benjamin Baler und genanntem
Sir John Fowler entworfener Plan einer Krag—
trägerbrüde volllommene Sicherheit biete und auch
Rohrquerſchnitt, Die gezogenen Teile und Windkreuze
— Here ig ei mit Wänden aus Negwert.
ie Mittelträger find Halbparabelträger, in ver
Mitte 15,40 m, an den Enden 12,192 m hoch. Die
———— ſowie die innere Jabrbahnbrüde be⸗
eben aus Barallelträgern mit obenliegender Fahr:
bahn. Das Material für das gejamte Tragmert
ift Martinftahl von den beiden in Newton und Blo:
aim bei Glasgow gelegenen Werten der Steel
Company of Scotland und dem Siemensjchen Werte
in Landore bei Swanſea (Südmwales).
Das jehr wechjelnde Eigengewicht der Brüde ift
bei den Hauptitügen 43,3 t pro 1m, in der Mitte
der Hauptöffnungen nur 6,7 t, im ganzen für die
Hauptöffnungen 50000 t. Die der \ nung zu
Grunde gelegte Bertebrölaft war von dem Board of
Trade zu 6,660 t pro 1 m vorgefchrieben worden.
Nah dem Voranſhhia beliefen ſich die Baukoſten
auf 34 Mill. M., wuchſen jedoch auf 50 Mill. M.
an. Die Anzahl der gleichzeitig tbätigen Arbeiter
war —* der — eit3s—4000. Die Beendigung
des Baues erfolgte 9. Dez. 1889. Der erite Zug fubr
23. Jan. 1890 über die Brüde, und 4. März des:
felben Jahres fand die feierlihe Eröffnun *
auſen,
den Prinzen von Wales ſtatt. — Bal. Ba
. (Berl. 1889); Zeitjchrift des Vereins deut:
ſcher enieure (1891, ©. 8, 34 u. 63),
Fortifitation (lat.), Beieftigungstunft (1. d.);
daber fortifitatoriihe Anlagen jo viel wie Befeiti-
ungdanlagen; ferner Bezeichnung für eine in jeder
Feftung (j. Feſtungen V) des Deutſchen Reichs bes
Hortin — Fortpflanzung
ftehende Ingenieurbehörde, die in örtliher Beziehung
dem Kommandanten der Feltung, übrigens in erfter
Inſtan ——— peltion Ingenieur⸗
inſpeltion) unterſtellt iſt und alle Fortifilations⸗ und
rtilleriebauten der Feſtung en und zu
unterhalten hat. An der Spike jtebt ein Ingenieur:
offizier vom Plag (meift Stabsoffizier), unterftüßt
in großen Feltungen durch einen zweiten Stabsoffi⸗
zier. Sein Berfonal befteht aus Ingenieuroffizieren
als Poſten⸗ und rg ng ieren, aus Feſtungs⸗
bauoffizieren für den Baus, Rayon⸗ und Bureau:
dienit, * aus dem Unterperſonal der Wallmei⸗
fter; leztere beide Gruppen find aus Pionierunter⸗
offizieren hervorgegangen und auf Feſtungsbau⸗
ſchulen (f. d.) ausgebildet. ,
Fortin, älteres türk. Getreidemaß, das 4 türk.
Kile (f. d.) enthielt. L
Fortis (vom lat. fortis, ftark), in der Phonetik
N d.) —— eines kräftig ausgeſprochenen
onfonanten, im Gegenſatz zu einem ſchwächer aus⸗
geiprochenen, den man Lenis (f.d.) nennt. 3. B. ift
das s in «reißen» F., in ereilen» Lenis. Die Stä
der Ausſprache beruht auf der Kraft des Luftpruds
und der dadurch bewirkten energiſchen Mustelthätig-
feit der Sprechwerkzeuge. — ſtimmloſe p, t, k,
f, s, sch, ch wird fortis gejprochen im Vergleich zu
immbaften b, d, g, w, s, sch, j. Aber auch jene
immlojen Laute kibſ lönnen mehr oder minder
ark —— werden. Beſonders in den ober⸗
deutſchen Mundarten (ſ. Deutſche Mundarten) iſt
dieſer Gegenfag ſtark ausgeprägt. Hier ſpricht
man z. B. das f in aſchlafen⸗ fortis, in «Hafen»
aber lenis,
—— Aleſſandro, ital. Staatsmann, ſ. Bd. 17.
ortis, Abbe Giovanni Battiſta, genannt Al:
berto, ital. Naturforjcher, geb. 11. Nov. 1741 zu
Padua, trat im 16. Jahre gegen feinen Willen in
den Auguftinerorden. Als ed ihm gejtattet wurbe
zurüdzutreten, begab er fid auf Reijen und wid:
mete ſich der Schriftftellerei. Nach dem Tode feiner
Mutter erbte F. ein großes Vermögen, bega 12
bei Ausbruch der Seangfilchen Revolution na
Paris und warb 1801 Bibliothelar in Bologna,
wo er 21. Dft. 1803 ftarb. Beſonders verdient ift
er dadurch, daß er zuerft in — auf den
Schatz der jerb.:froat. (damals amorlaliſch⸗ ge⸗
nannten) Volkslieder hinwies und ſelbſt einige
oben mitteilte in «Saggio d’osservazioni sopra
Visola di Cherso ed Osero» (Vened. 1771) und be:
ſonders in Ah in Dalmazia» (2 Bbde,, ebd.
1774; deutſch, 2 Bde. Bern 1797). ————
und Ergänzungen zu der «Reife in Dalmatien» lie:
ferte Giovanni Lovrich in «Osservazioni sopra di-
versi pezzi del viaggio in Dalmazia del Sign. Abate
A. F.» (Bened. 1776). Von feinen fonftigen Werten
find noch zu erwähnen: «Lettere ehe
sulla Calabria e sulla Puglia» (Neap. 1784), «Del
nitro minerale» (1787) und «M&moires pour servir
à l’'histoire naturelle et principalement & l’orycto-
graphie de l’Italie» (2 Bde., Bar. 1802).
ortissimo, j. Forte.
Fortiter in re, suaviter in modo (lat.),
«tar (feft) in der Sache, aber mild in der Art (der
usführung)», ein ſprichwörtlicher Ausbrud, der
zurüdgeführt wird auf eine Stelle in der Schrift
«Industriae ad curandos animae morbos» (Bened.
1606) des Jefuitengenerald Aquaviva.
Fort Jamefon, Berwaltungafis von Nordoft:
rhodeſia (j. Rhodeſia).
917
——— Karl, Philoſoph, geb. 12. Juni 1806
zu Osnabrüd, ſtudierte ſeit 1825 ologie au
Göttingen und Berlin, dann aud Philoſophie I
Berlin und Münden. Er wurde 1829 Brivatdocent
zu Heidelberg, fiedelte jpäter nad in über und
wurde 1846 Profeflor zu Jena, wo er 8. Nov. 1881
ftarb. 3. war zunächſt beitrebt, durch ein Zurüds
eben auf die Kantiſchen Kritilen einen feften Ges
Kisyun t zur Drientierung unter den verichiedenen
bilofophenichulen älterer und neuerer Zeit zu ges
winnen, fo in den re afiber die Denkweife der
älteften ——— Geidelb. 1829), «Die Lüden
de3 Hegelichen er (ebd. 1832), «Philof. Me:
ditationen über Platos Sympofion» (ebd. 1835),
«Aurelii Augustini doctrina de tempore» (ebd,
1836) und «Darftellung und Kritil der Beweife fürs
Dafein Gottes» (ebd. 1840). Daneben gingen aus
feinen litterarbiftor. Studien die «Vorlefungen über
die Geſchichte der Poefie» (Stuttg. 1839) hervor.
Seine Ideen zur —— den Richtungen der
Syſteme aus der he chule enthält die «Ges
netiſche Geſchichte der Philoſophie feit Kant» (Lpz.
1852); die Ergebniſſe feiner pfychol. Gelanaen
legte er nieder in: «Hundert Thejen zur Ipchologien
erl. 1843), « Syſtem der Pſychologie als empiri⸗
ſcher Wiſſenſchaft aus der Beobachtung des innern
Sinnes» (2 Ode., Lpz. 1855), «Acht pſychol. Vor:
träge» (Jena 1869; 2. Aufl. 1872), «Vier pſychol.
Vorträgen —* 1874) und «Beiträge zur Pſychologie
als Wiſſenſchaft aus Spekulation und Erfahrung»
(£p3. 1875). Außerdem veröffentlichte F. «Gefänge
* Vorzeit» (Berl. 1844), «Das muſikaliſche
item der Griechen» (Lpz. 1847) und « Friedrich
Rüdert und feine Werte» (fra, a, M. 1867). —
Vol. Braſch, Karl F. (in allnfere Zeit», Lpz. 1888).
ortlaufended Eonto, die im deutſchen Zoll:
gebiete beftehende Einrichtung der Kontierung (j.d.)
unverzollter fremder Waren dann, wenn dieſe Kon«
tierung obne Beihränfung auf einen beftimmten
—— von der Zollbehörde bewilligt wird, im
jegenfape zu den Ion: Meßkonten, weldhenurauf
die Dauer R einer Meſſe eröffnet werben. (S. auch
KRontotorrent.)
Fort Madifon (fpr. mäddik'n), Hauptftadt des
Eounty Lee im nordamerik. StaateJowa, am Miffif-
fippi und mehrern Bahnen, hat (1900) 9278E. Eiſen⸗,
Stahlwaren: und Papierfabritation, Mehl: und
Sägemühlen, Staatögefängnis und höhere Schule.
rtoin, Kondenſationsprodukt des Cotoins
und bes Formaldehyds, wird mediziniſch als Mittel
gegen Diarrbden angewendet.
ort Opus, Drt in der diterr. Bezirtöhaupt:
mannſchaft und dem Gerichtäbezirt Mettovich in
Dalmatien, am linken Ufer der jebt regulierten Na-
renta, in einer fumpfigen Landſchaft, bat (1900)
ala Gemeinde 9309 froat. E.
Fortsre, Küftenfluß des öftl. Unteritalieng, ent
fpringt in der Provinz Benevent, bildet die Grenze
zwifchen Campobafjo und Foggia und mündet nad
einem norböftl. Laufe von 96 km weſtlich vom Lago
di Leſina ins Adriatiſche Meer.
Fortpflanzung, derjenige Vorgang, durch wels
hen im Tier: und Pflanzenreihe, gegenüber dem
fortwährenden —— einzelner Individuen,
vermöge der Hervorbringung neuer Individuen
(Nahlommen) die Art erhalten bleibt. Das Weſen
diejes Vorgangs, der ala eine Erfcheinung bes auf
Ernährung beruhenden Wachstums aufzufailen ift,
zeigt große Verſchiedenheiten. (S. Zeugung.)
918 Fortpflanzungsgejhwindigkeit — Fortzfeftungen
ortpflanzun re a keitdes Lichts, | lektere und trennte fi unter Löwes —— von
4 *c* des Schalls, ſ. Scha I: | dem Gros der Partei. Der focialen geaen:
geſchwindigleit; F. des Dan den Stroms, über ver n —* & — —* ein Sal
\. Galvani cher trom.
Fort Riley (ſpr. reild), Militärpoften im nord:
amerit, Staate Kanſas, we tlüch von Zopela, lint3 am
2 eg des Republican: River und Smoty:
ort zum Kanſas, an der Union:Bacific-Bahn,
mit — Artillerie: und Ravallerielajernen und
einer Garnijon von 3000 Ma m ‚mwurbe 1858 angelegt
und neuerdings in großem Maßftabe ausgebaut.
Fortroſe (pr. -röhs), Stabt * der ſchott. Graf⸗
ſchaft Roß und Cromarty, IIkm im NND. von Inver⸗
neß, hat als Municipalborough (1901) 1065 E. und
Ruinen einer von Cromwell — Kathedrale
ae. 3. ift ein befuchtes Seebad. Ehemals
eden Chanonry und war im 15. Jahrh.
als Refidenz der Biſchofe von Ro Mittelpuntt für
das wiſſenſchaftliche Studium des Altertums.
re Ahr —X Fort de France.
En Salis börri), Hauptort
von Maf mim a
ü, ſ. —*
Bor loff
De chreitung, ein in der & * der Muſil
eſetzmüßi⸗
gebräuchliher Ausprud, bezeichnet den
gen —— Stimmen. Die 3. bezieht N ſowohl
auf das ältnis von zwei einzelnen Stimmen
u einander, wie auch auf die Bewegung *
armoniſcher Maſſen. Geſetzwidrige Gänge (z. B
—A Quinten⸗ und Oktavenparallelen) werden
liche F. genannt.
oeeheittöpnrtei, D Deutſche, Name einer
olit. Partei, die fihb 1861 in Preußen aus den
ehe demofrati hen Glementen bildete, nachdem die
jog. altliberale Partei * Binde aufgehärt batte
die Situation zu beherrſchen. Die 5. tonftituierte
ih 9. Juni 1861 mit einem Programm, in dem fie
neben vielen entſchieden liberalen Forderungen in
Bezug auf die innere Politik auch eine ſtarke deutſche
Gentralgewalt in der Hand Preu n und eine
deutſche Vollövertretung forderte. Als Führer ver
rteigalt Walded; neben —* —— noch Schulze⸗
04 Löwe: Calbe und Joh. Jacoby, ſodann
einige Jüny ere,wie yordenb u Deurche, diemit
andern meijt oft» und weitpreuß. Abgeordneten ſchon
in dem Abgeordnetenhauſe von 1861 eine mehr links
ende Fraktion neben der Vinceſchen rtei, das
\og. JZunglitauen, gebilvet hatten. Die F. ver:
fügte bald über die Mehrheit im — ——
die ſie bis 1866 behauptete. Als nach dem Deutſchen
Kriege von 1866 das Miniſterium Bismard durch
Einholung einer Indemnität für die bubgetlofe Re
gierung die Hand zur Verſohnung bot, fpaltete ſich
die 3.: ein Teil trat aus und bildete die National:
liberale Bartei (j. d.), während ein anderer Teil auch
jetzt an ber Oppofition gegen das eKonfliltsmini⸗
fterium» tenbiet, bie Indemnität verweigerte und
auch bei den Verhandlungen über die Verfaſſung
des Norbdeutfchen Bundes meift opponierte.
Die Deutſche F. unt eo zwar nachher ſowohl
im preuß. Mbgeorbnet u e ald im Reichötage im
allgemeinen die nationale Politit Bismards, na-
mentlich gegen die Angriffe der Ultramontanen in
dem og. —— verfocht aber rüdcſichts los
parlamentariſche Nur ein kleiner Teil
der F. entſchied ſi —— 1874 in der Militär
frage, wo es fi darum handelte, ob daß ſtehende
Kontingent alljäbrlid neu bewilligt oder wenigſtens
für längere geit feftgeftellt werben follte, für das
der angejeben ‚ wie Frag iegler, Job.
Jacoby u, a die — eß gebung.
den arbeitenden Klaſſen zu Sie au zu eg un:
umwunden anerlannte.
Der ſtark individualiſtiſche Standpunkt ver F.
fam am ſchärfſten zur —A Bis mard
1879 mit feinen zollpolit, — fecialpolit. Reform:
länen — r ihre früher jo überlegene
an Bat bi den Neichötagdwahlen vom
uli 1878 auf 26 und bei den Wahlen * (des he
— 8. DIE. 1879 auf 34 geſunlen,
dur den Zerfall der al eralen * bei
den Reichsta —— 1881 we auf 54, ae
e bei den Landtagswahlen 1882 im mwejentlichen
ihren Befig behauptete.
Durch das Ausiheiben der ältern Führer, die, wie
Walded, Harkort, Löwe, Berger u. a., in den jchme:
benden Fragen eine vermittelnde Stellung einge
nommen hatten, war die Leitung der Frattion in
die Hände Eu en Richters übergegangen, ber feinen
gehen Einfluß auf die Barteı dazu benußte, der
egierung nunmehr grundjäglihe Dppofition zu
maden. Er fuchte mit allen in gleiher Richtung
je bewegenden Elementen Fühlung, geriet aber
ierdurch mehrfach zu den yartikulari tiſchen und
ultramontanen Beftrebungen in Beziehungen, vie
mit den frübern Traditionen der Partei im Wider:
I a. ge Diejer Umftand jowohl als bie
orm des polit. Kampfes, der ſich aud gegen
alle abweichenden Schattierungen der liberalen
tei richtete, riefen allmählich i e; der F. ſelbſt Wider:
fprud hervor. Diejer Gegen tab wurde aud nicht
gänzlich ausgeglichen bung ie chmelzung der F.
mit der aus der nationalliberalen Bartei abgezweig:
ten Liberalen Bereinigung (Seceffioniften) zur Deut-
ſchen 35—6 en Partei (j. d.) im März 1884.
Nah dem Mufter der Deutihen F. in Preußen
entitanden ähnliche Parteibildungen unter demiel-
ben Namen aud in andern deutſchen Ländern, bie
jedoch zum Zeil einen von dem der preußiichen ab:
weichenden Eharalter "Ale übern In Bayern und
Heſſen find in der F. alle liberalen Elemente ver:
chmolzen, und ba biejen in beiden Ländern re
ächlich Ultramontane q enüberjteben, die zugleich
partilulariſtiſch find, —* die F. dort einen vor⸗
wiegend nationalen Charalter. Auch die F. des
Königreih8 Sachſen neigte mehr nad rechts bin-
über. — Val. Bariius, De Deutichlands polit. Barteien
und das Minifterium Bismard (Berl. 1878).
In Öfterreich bildete fih nah dem Zerfall der
Vereinigten Deutſchen Linken (ſ. d.) 1897 ebenfalls
eine F., die im allgemeinen deren Brincivien auf:
recht —— und den rechten Flügel der liberalen
deutſchen Parteien bildet. Sie erlangte bei den
Reichsratswahlen von 1897: 38, bei denen von 1901:
36 Mandate. Ihre —— find die Abgeordneten
Funde, Groß und et.
Fort Scott, — des County Bourbon
im nordameril. Staate Kanſas, in lohlenreicher Ge
end am Marmiton :River, Gifenbahntnotenpuntt,
m (1900) 10322 €. (gegen 5372 im I. 1880), leb-
aften Handel mit Getreive, Materialmaren, be:
trächtliche Induftrie, Steinbrüde und ein College.
In der Näbe Lager bitumindjer Roble.
Forts en, Feitungen mit einem Gürtel
——— (meift) einer zufammen:
Fort Smith — Fortunatus (Volksbuch)
hängenden Stadt: (Kern) Umwallung (j. Feſtun⸗
en I). Wenn fon die Vorteile des Fortsgürtels
Früher (von Friedrich d. Gr., Montalembert, Aiter
und Breje) erlannt und angejtrebt waren, verbanten
die modernen F. ihre Ausdehnung dem Wunice,
die Städte gegen die Beſchießung mit gezogenen
Geſchützen zu fihern. Der abjolute Schuß gegen
eine Beſchießung warb aber bei dem anhaltenden
treben, die Schußweite zu vergrößern, nur bei
einigen ausländischen B voll angeftrebt und erreicht;
bei den meiften (und bei allen deutichen) begnügte
man ſich mit einer Entfernung der Forts, welche bie
Beſchießung jehr erjhwert, aber feine zu übermäßige
Ausdehnung des Gürteld bewirft; fie beträgt durch⸗
—— 4—5 km, wãhrend ſie ſich bei auslandiſchen
. auf 8 und ſogar auf 15 km ſteigert.
Die Vorteile, welche der Fortsgürtel bietet, liegen
in der freien Bewegung ber zen im Gelände
und können auögenußt werden ſowohl bei der Ber:
teidigung des Vorfeldes (wobei keine Defilden, wie
Thore, binderlich find) ald auch bei der Führung des
Artillerielampfed. Die Fort, welche anfangs als
ſtarle Artillerieftellungen gedacht und gebaut wur:
den, ermwiejen fih dem neuen Geihüs (Steilfeuer
mit Sprenggranaten) gegenüber als ſolche nur
braudbar, wenn man bie —— unter Panzer
ſtellt; das Zwiſchengelände aber bietet dem Ver:
teibiger für jeine Batterien biejelben Vorteile wie
dem Angreifer das Vorfeld. So ——— ſich die
Forts meiſt zu Infanterieſtũtzpuntten mit der Auf
gabe, die Zwiſchenfelder durch flankierendes Feuer
aus gedeckten — zu unterjtügen, und
nur bisweilen erhalten fie au ſchwere Gefüge der
Sicerheitdarmierung, dann aber in Banzern. Ihre
Entfernung voneinander wird der Intervallbe—
ftreihung wegen auf 2—3000 m normiert; bei
größern, dur die Geländeverhältnifje gebotenen
— werden Zwiſchenwerle eingeſchoben.
Da. man bei bewegtem Gelände die Beſtreichung
des nädjiten Vorfeldes vom Fort aus nicht voll»
ftändig erreichen kann, fondern dieſerhalb bejonderer
äußerer Anlagen bedarf, da man ferner durch bie
Scheidung der verfchiedenen Elemente der Verteidi⸗
ung (Artillerie, Infanterieitellung, Unterkunft) das
Deuer des Angreifers zu zeriplittern und feine Mir:
ung abzuſchwachen jirebt, iſt neuerdings auch wohl
eine Gruppenbefeftigung an Stelle des Einheits—
fortd ausgeführt worden. In den Intervallen fällt
die Berteidigung der Infanterie zu, und fie richtet fich
in günftigfter Lage ihre mit Schnellfeuergefhügen
verftä e Stellung ein. Die Kampfgeſchüuhe finden
babinter Raum zur maslierten Yurftellung. Die
— — beſteht namentlich in der Her⸗
tellung von Telegraphenlinien, Gürtel: und Radial:
ben, Erbauung von Munitionsmagazinen und
ntertunftsräumen ſowie Anhäufung von Boden:
vorräten, wo deren Beſchaffung auf Schwierigleit
ftößt, alſo lauter Dinge, welche durch Kriegsarbeit
nur {mer zu beſchaffen find. An den Flügeln der
Forts werden Anſchlußbatterien erbaut, in welchen
die Geſchutze der Sicherheitsarmierung vorteilhafter,
weil beſſer gededt, ſtehen, als in den Forts ſelbſt.
In den ſiebziger Jahren des 19. Jahrh. glaubte
man vielfach, daß die F. nur dur Armeen ver:
teibigtwerben lönnten, daß fie dieje an ſich yo und
dem egungöfriege entzieben würden. Anderer:
feitö glaubte man fie ald Verſchanzte Lager erbauen
su follen, auf die Armeen ihre Operationen ftügten,
und das Franzöfifche Feſtungsſyſtem bafiert aufeiner
919
derartigen Berlettung der Feſtung mit der Feld⸗
armee. Der Vorteil, welchen die F, diefer direkt
bieten können, beitebt aber hauptſächlich in der Er-
möglidung des Uferwechielö bei der Lage an einem
Strome und des Herauätretend aus der Frontlinie
auch angeſichts des Feindes. Hiermit aber löft ſich
die Armee, offenfiv —— von der Feſtung und
überläßt der (minimal zu —— eſatzung
allein die —— der Verteidigung. Für die Ver:
wendung der Streitmittel bieten dieſer aber die F.
die gün ger Verhältniſſe.
ort Smith, einer der beiden Hauptorte des
County Sebaſtian im nordamerik. Staate Arkanſas,
dicht an der Grenze des Indianergebietes, am Ein⸗
fluß des Poteau in den Arkanfas, Eifenbahnfnoten-
punkt und Sig eines Bereinigten-Staaten:Gericht3
für das Indianergebiet, hat 1900: 11587 E,, gegen
1880: 3099, —— Handel mit Baumwolle, Holz,
Mehl, Getreide, Materialwaren.
Forts vitrifiös (fr3.,ipr. fohr witrifleh), Glas⸗
burgen, ſ. Burg.
Fortuna, bei den Griechen Tyche (ſ. d.), die
Göttin der unberehenbaren Schidjalsfügung zu
Glüd und Unglüd, wurde in Italien ſeit alten
gelten in vielen Orten verehrt. In Latium waren
ihre älteiten und berühmteften Rultftätten Präneſte
und Antium; in erfterer Stadt galt fie als erft-
eborene und allerzeugende Gottheit und erteilte
Beisfagungen dur sftäbchen (sortes); in Ans
tium wurden zivei An Schweſtern verehrt, bei
denen man ebenfalls Dratel ſuchte. In Rom, we
die Göttin viele Tempel in und außerhalb der Stadt
bejaß, wurde F. unter vielen Namen verehrt. Der
Göttin des Staatswohls, der Fortuna publica,
ftand die der einzelnen, die Fortuna privata gegen»
über, welche in eine zahlloſe Menge eingelner 5.
zerfällt, indem ihr die Namen einzelner Familien
und Perfonen oder Grundftüde beigelegt wurden.
Außerdem gab e3 F. für einzelne Stände, bejondere
Ereigniſſe u. I mw. Häufig legte man ihr mehrere
Attribute zugleich bei oder übertrug auf fie, als die
alles lentende Macht, die Attribute verjchiedener
Götter (Fortuna panthea), — 7. ift aud) der Name
des 19. Blanetoiden, ,
Fortunätus, der Held eines der beiten deut:
gen Vollsbücher, das nah unbelannter, doch
werli rein deutfcher Duelle um 1440 y'yw
Der fpannende und doch lehrhafte Inhalt ift der,
daß F. und nad ei feine Söhne einen nie ver
fiegenden Gelpjädel und das Wunfchhütlein befigen,
das fofort an jeden beliebigen 78 aber
eben vurc biejen Befip untergehen. Das oltsbuch
(zuerft Augsb, 1509; gut erneuert in Simroda
Deuiſchen Voltsbüchern», Bd. 3, Frantf. a. M.
1846; in Kurſchners «Deutfcher Nationallitteraturs,
Bd. 21) wurde ins Franzöjiiche, Italieniſche, Eng⸗
lifche u. f. w. übertragen. Dramatifiert wurbe ber
Stoff von H. Sachs nad) dem Vollsbuch 1558, von
Th. Deder um 1600. Deders Schaufpiel wurde für
die «engl. KRomödianten» in Deutichland frei bear:
beitet und 1620 mit gedrudt (Neudrud in Tittmanns
ga ber engl. Romödianten», 2pz. 1880);
ein in Gafjel —— proſaiſches Fortunatus⸗
drama des 17. Jahrh. ſteht Hans Sachs näher. Freie
Dramatifierungen boten Tied (aPhantaſus⸗», Bd. 8)
1815 und Bauernfeld. Uhlands epiſche Dichtung
in —— «5. und feine Söhne» iſt unvollen⸗
bet. — Vgl. Zacher in Eric und Grubers «Encyflos
päbdie» (1. Seltion, Bd. 46); Harms, Die deutichen
920
rtunatusdramen (Hamb, 1892); Zazar, Über das
ortunatus: Märchen (2pz. 1897).
Fortunatus, Benantius, lat. Dichter, |. Venan⸗
tius Fortunatus.
Fortune I, Pete]; Glüd, Vermögen.
Fortune (jpr. fohrtſch'n), Rob., Botaniker und
Reiſender, geb. 1813 in der Nähe von Berwid, er:
lernte die Runftgärtnerei und erhielt eine Anftellung
beim Botanischen Garten in Edinburgh fowie jpäter
in den Gärten der — zu Chiswick.
Aufträge dieſes Inſtituts führten ihn 1848 nad
China, wo er unteranderm Ausflügenahdem®iftrift
des grünen Thees in der Provinz Tſche⸗liang ſowie
nach Fu⸗kien —— um die Heimat des ſchwar⸗
en Thees kennen zu lernen. Noch ergiebiger wurde
—* weite Reiſe (1848), um für die Theepflanzungen
der Oſtindiſchen Compagnie im Himalaja die *
chineſ. Theeſorten zu erhalten und mit dem Anbau
und der Zubereitung derſelben vertraute Arbeiter
anzuwerben. F. reiſte von eg er den Tfien:
tang jtromaufwärt3, erreichte die Boheaberge, be:
uchte Huslou, das Emporium des Handels mit
chwarzem Thee in Kiang:fi, und kehrte über die
Bebirgstette, die die Provinzen Kiang: fi und Fu—
kien ſcheidet, an die Küfte zurüd, Nachdem er als
Direktor des Botanischen Gartens der Apotbeler:
innung in Chelfea fungiert hatte, führte er im Aufs
trage der Dftindifchen Compagnie 1853—56 eine
neue Reife aus und wurde bald nad) feiner Rüdtehr
von der amerif, Regierung aufgefordert, für fie die
Samen des Theeſtrauchs und anderer Pflanzen in
Ebina einzufammeln, welche Aufgabe ihn 1857 —68
beichäftigte, wobei er feine al the bis nad
apan ausdehnte. Er ftarb 13, April 1880 ala
utöbefiger in Schottland. fiber feine vier Reifen
veröffentlichte er: «Three Fre wanderings in the
Northern provinces of China» (3. Aufl., 2 Bde,
Lond. 1853; deutſch von Himly, Gött. 1853), «Two
visits to the tea-countries of China» (3. Aufl,
2 Bde., Lond. 1853; beide Reiſewerke zufammen
deutſch von Zenter, Lpz. 1854), «Residence among
the Chinese: Inland, on the coast and at sea»
(Lond. 1857), «Yedo and Peking» (ebd. 1863).
Fortune de mer (frj., pr. -tübn dẽ mäbr),
foviel wie Schiffsvermögen (f. d.).
Fortüny, Mariano, fpan. Maler, geb. 11. Juni
1839 in Röus in Catalonien, begann auf der Alta:
demie in Barcelona feine Studien und wandte ſich
dem bireften Naturftubium zu. Genuß eines
Stipendiums reifte er 1856 nad Italien und gab
fih bier mit Eifer dem Stubium des Vollkslebens
bin. Er begleitete dann den General Prim auf *
nem Zuge gegen Marokko 1859—60, wobei er Ge:
legenbeit hatte, da8 bunte und bewegte Kriegerleben
u ftubieren. Erft in Paris follte F. die feinem
Naturell zufagende Runjtwelt finden; bier leuchtete
ihm Dijon mit —— feinen, geiſtreichen und
lebenswahren Auffaſſung als hohes Muſter vor.
Er begab ſich darauf nach Spanien zurück, wo auch
Goya nicht ohne Einfluß auf ihn geblieben, ging
1866 aber wieder nach Rom, wo er bis zu ſeinem
Tode, 21. Olt. 1874, eine eifrige Thätigleit entfaltete.
Seit 1869 zahlte F. z“ den beliebteſten und geſuchteſten
Malern. Seine beſten Olgemälde ſind: Indiſche
Schlangenzauberer (Baltimore, Walters' Galerie),
—— (in Amerila), Hochzeit in der Vicaria
u Madrid. Von feinen vorzüglichen Aquarellen
nd zu nennen: Der maroft. Teppichhändler, Das
Schwalbencafe; ausnahmsweiſe malte er auch eine
Fortunatus (Venantius) — Forum
religidfe Darftellung für eine Kirche zu Barcelona.
Bat auf die moderne Schule feines Baterlandes
einen großen Einflu * ohne jedoch in ſeinen
Vorzügen realiſtiſcher Wahrheit und vornehmer
Auffaſſung erreicht zu fein. F.s Driginalradierungen
wen ebenfalls jebr geſchaͤzt. — Sein Leben beſchrie⸗
en Davillier (Par. 1875) und Yriarte (ebd. 1886).
* Vogelſaug, ſ. Deutſch-Sudweſtafrila.
ort Wayne (jpr. wehn), Hauptſtadt des
County Allen im nordamerit, Staate Indiana,
150 km weſtſüdweſtlich von Toledo, liegt auf einem
—— am Zuſammenfluß des Saint Mary und
aint Joſeph, die ſich hier zum Maumee vereinis
en, an neun Eiſenbahnen und am Wabaſh⸗-Erie⸗
anal, bat (1900) 45 115 €, (1860: 10388), ein
ſchönes Gerihtägebäube, 3 große Parls, 2 ter
und 7 höbere Unterridtsanitalten. Unter den Bei:
tungen ift eine deutſche. Die Flüfje liefern gute
Wajlerkraft. Die Induſtrie erftredt ſich auf 2
ftellung von Eifen: und Meffingwaren ——
nen, Pflügen, Rädern und Wagen, Möbeln,
eln, Seite, Bapier, Wollmaren, Arbeitsanzügen,
igarren, Bier und Mebl. Auch befinden ſich bier
roße Werkftätten der Pittöburgb: 5. W.⸗Chicago⸗
Benfylvaniar)Bahn. Die Umgebung befist Hol;
induftrie und Sägemüblen.
Fort William (pr. williämm), Dorf in der
van Grafihaft Inverneß, am obern Ende des
oh Eil oder Loch Linnbe, am Nordweſtfuße des
Ben:Nevis, hat (1901) 2087 E. Das jest zu Wobn:
bäufern benugte ort, einft ein Sen der weſtl
Hodlande, wurde von General Mont erbaut und
wies 1715 und 1745 die Angriffe der für die Stuarts
— Hodländer zuruck.
ort Worth (ſpr. woͤrth), Hauptſtadt des
County Tarrant im norbameril. Staate Texas, am
Weit: Fork des Trinity: Fluffes, zählt (1900) 26688 €.
(gegen 6663 im}. 1880), die zumeift aus dem Norden
eingewandert find. F. W. iſt wichtiger Eiſenbahn⸗
fnotenpunlt (Teras: Pacific, Atchiſon⸗ Topela⸗Santa
€ und 5. W.:Denver-Eitybahn) und Handelsplas
e die im W. und NW, gelegenen Vieh: und Baum:
wolldiſtrilte (Pan Handle). Die Ausfuhr erftredt
fih hauptfählih auf Vieh, Baummolle, Leder und
Häute; eingeführt werden Aderbaugeräte und
Mafhinen. Die — Induſtrie (Müblenbetrieb,
Schlächterei) entwidelt ſich ſchnell; die zwei Haupt⸗
ftraßen find Main- und Houſtonſtreet.
orum bieß bei den Römern ein für den Markt
verfehr, die Nechtöpflege und die Volläverfamm-
lungen beftimmter freier Pla. Das erfte und ur:
—— Forum Romanum (f. nachſtehende Ab-
ildung und Tafel: Rom IL, Die: 1) liegt in der
Niederung zwiſchen Kapitol, Balatın, Velia und C3+
quilin (f. Karte: Altes Rom nebft Nebentarte, beim
Artikel Rom) und bildete (in den fpätern Zeiten der
Republik) ein Rechted von etwa 150 m Länge, 50 bis
60 m Breite; die Langsachſe geht in der Richtung
von NW. nah SD. Da ber Boden des F. nur etwa
12 m ü.d. M. (7 m über dem Niederwaſſer des
500 m entfernten Tiber) liegt, fo ift das Terrain
Überfhmemmungen febr — Dem ne
ten Könige, Tarquinius Priscus, ſchreibt die Ira
dition die Anlage der Cloaca maxima zu, durch
melde ver Plaß erit vauernd benußbar wurde. Über
das F. ern die «Heilige Straße» (Sacra via), für
Triumpbzüge und Prozeijionen dienend, welche ſich
nab Norden durd den Clivus Capitolinus bis zum
Tempel des Jupiter fortfegte. Außerdem mündeten
Forum
auf das F. von Diten ber die Argiletum genannte
Berbindungsftraße mit dem edquiliniichen Quartier
und der Subura; nah Weiten führten Vicus Iuga-
rius —— e) und Vicus Tuscus nad
dem Belabrum und dem Rindermarlt am Tiber.
Un die nörbl. Ede des F. jtieß ein zweiter, Heinerer,
aber vornehmerer Plak, das Comitium. Am F.
* ug dee der bebeutendften Tempel: unter:
des Kapitols die des Saturn mit der Schab:
tammer (aerarium) und der Concordia, an ber ents
X engeſetzten ſudoſtl. Seite die des Caftor und der
el ie Langjeiten waren flantiert von Buden
oder Bertaufäläden (tabernae), welche anfangs von
Fleifhern und andern niedern Gewerben, feit etwa
338 v. Ehr. (um melde Zeit fie ihren Stanbplag
auf dem nörblih vom Forum Romanum eingeridh:
teten Macellum und
Forum piscatorium
erbielten) von den
Geldwechslern (ar-
gentarii) bejekt wa:
ren. Auf der Örenze
wiſchen 5. und Co: }
mitium lag die Rev» E
nerbübne (Roftra, 3
4.d.); in der Nähe der
teine Tempel des Ja⸗
nus, deſſen Pforten
zur Kriegszeit geöff⸗
net waren, und ans
dere Denkmäler, uns
ter anderm ein
ſchwarzer Stein und
mei jteinerne Lö:
wen, welche nad) der
röm. Sage das Grab
des Nomulus be:
eihneten. Bon dies
* (zum Teil in der
ſtaiſerzeit erneuer:
ten) Denkmäler:
grupe baben die
usgrabungen 1899
Reſte zu Tage geför:
dert, worunterbejon:
ders ein auf allen
vier Seiten beſchriebener Pfeiler (cippus), der das
ältefte lat. Schriftventmal (Ende 5. oder Anfang
6. rn. v. Ebr.) ift: der Inhalt der ſtark verjtüm:
melten Inschrift it nur zum kleinen Teil zu erraten.
Die gropartige Bauthätigkeit, durch melde Rom
nad) der iberwindung von Karthago und Griechen:
fand im 2. Jabrb. v. Ehr. bedeutend verſchönert
wurde, machte ſich auf dem F. beſonders bemertlich.
Die Hallen und Läden wurden durch prächtige, für
ven Verkehr und die Gerichtäverbandlungen die:
nende Gebäude, die jog. Baliliten, erjeßt: zuerft
184 v. Ehr. die vom alten Cato erbaute Basilica
Porcia, dann die Basilica Fulvia, Basilica Sem-
pronia, Basilica Opimia und Basilica Aemilia.
©. Zertplan beim Artitel Rom.) Cäfar, zu defien
eiten auch der jo vergrößerte Raum längft nicht
mebr genügte, faßte den Plan, das alte F. nicht nur
prächtig umzubauen, fondern auch zu erweitern, Letz⸗
teres erreichte er Dur Anlage des Forum Julium
ft unten); die von ibm begonnenen Umbauten (Ba-
silica Julia auf ber füdlichen, neue Basilica Aemilia
auf der nörbl. Langjeite; lektere 1899— 1900 aus:
gegraben) führte Auguftus zu Ende, der auch feinem
_ Forum Romanum (refonftruiert).
921
vergötterten Borgänger einen Tempel an ber Stelle,
wo jein Leichnam verbrannt war, errichtete. Ferner
vollendete Auguftus das Haus für die Sigungen des
Senats: Curia Julia (jeßt Kirche Sant’ Adriano).
Bon Bauten jpäterer Raifer find zu nennen: der Um:
bau des Goncordien: und Caſtortempels durch Tibe:
rius; der Tempel des Veſpaſian und Titus, errichtet
von Domitian; der Triumphbogen des Septimius
Severus; das lepte antite Dentmal auf dem Forum
Romanum ijt die 608 n. Ehr. dem ojtröm. Kaiſer
Photas errichtete, noch heute wohlerhaltene Ehren:
fäule. Seit der Zeit Karla d. Gr. verfiel das F. mebr
und mebr, bis ed ald Campo Vaccino (der Name
> erit 1870 abgeichafft) den Rinderherden aus der
mpagna zur Stätte diente. Nah einigen Ans
fängen in der Napoleonijhen Zeit und unter der
.
a
Nepublit von 1849 ift das
orum 1870—74 und
1882 — 83 ar größten Teil freigelegt. Auch die
neuejten, feit 1899 unter Leitung von G. Boni vers
anftalteten Ausgrabungen haben höchſt wichtige
— geliefert.
ie Etweiterungsbauten, welche von den Kaiſern
an der Nordſeite des alten F. angelegt ſind und
unter dem Namen der Kaiſerfora (ſ. Tertplan
beim Artilel Rom) begriffen werden, batten die
Form von ———— Platzen, mit einem Tem:
vel in der Witte oder an der Hauptieite. (S. Blan:
Forum Romanum und Fora Caesarum, beim Xrtitel
Rom.) Das äAltefte ift dad obengenannte Forum
Julium mit dem Tempel der Benus Genetrir; dann
das Forum Augusti mit dem Tempel des rächenden
Mars (Mars ultor); das F. des Beipafian, mit
welhem er den prädtigen nah Beendinung des
jüd. Krieges erbauten Friedenstempel (Templum
Pacis) umgab; das langgeitredte %. des Nerva lauch
Transitorium genannt, weil ed den Durchgang zwi⸗
ſchen den vier genannten vermittelte) mit dem Tem:
pel der Minerva; endlich das glänzendfte von allen,
das F. des Trajan, nördlich vom Forum Cesaris et
922
Augusti, für welches das Terrain erft durch Ab»
tragung eines Teild des Duirinaliihen Hügels ge
mwonnen werden mußte. Zum Zrajansforum ge
an die Basilica Ulpia, die berühmte 100 Fuß
obe, noch aufrecht ftehende Säule, zwei Bibliotbe:
fen und ein für Trajan ſelbſt von Habrian errich⸗
teter Tempel. j
Auch noch mehrere andere Plähe in Rom führten
ven Namen F.: fo das uralte Forum boarium
(Rindermarft) am Tiber unterhalb des Balatin und
Aventin; dad Forum holitorium (Gemüfemarft)
nördlich davon; das Forum suarium (Schweine:
marft) im Marsfelde unterhalb des Pincius, das
ſchon genannte Forum piscatorium. Im ganzen
gab es im 4. Jahrh. n. Chr. in Rom elf Fora.
Als Drtöname außerhalb Rom findet fh F.
kauf für die bei Anlegung der großen Reichs—
traßen ins Leben gerufenen Marttfleden, meift mit
einem Zufaß, der vom Namen des Straßenerbauers
oder von der Völkerichaft, in deren Gebiet der Ort
lag, bergenommen ift. Bon der erjten Art find:
Forum Appii in den Bontinifchen Sümpfen; Forum
Cornelüi , jest Jmola; Forum Julii, jeßt Frejus
bei Marjeille, ein anderes jest Cividale di Friuli
im Friaul; Forum Livii, jest orli; Forum Po-
illii, jegt Forlimpopoli; Forum Sempronii, jebt
ofjombrone. Zur zweiten Kategorie gehören Fo-
rum Gallorum, jest Eajtelfranco; Forum Segusia-
vorum, jet Feurs bei Lyon, u.a.
Bol. Dutert, Le Forum Romain (Par. 1876);
Jordan, Topographie der Stadt Rom, Bd. 1,
2. Abteil. (Berl. 1885); Hülfen, Relonftrultion des
Forum Romanum (Rom 1892); Levy und Quden:
bad, Das Forum Romanum der Raiferzeit (Münd.
1895); Yanciani, Forma Urbis Romae, Bl. 29
(1896); Tbevenat, Le Forum Romain et les Fo-
rums imperiaux (2. Aufl., Bar. 1900); Hülfen, Die
Ausgrabungen auf dem Forum Romanum (Rom
1902); Vaglieri, Gli scavi recenti nel Foro Ro-
mano 1899—1902 (ebd. 1903). Über die neuejten
Ausgrabungen geben außerdem Berichte die Notizie
degli scavi (bg. vom ital. Unterrichtäminifterium),
das «Bollettino della commissione archeologica
-omunale» (Rom) und der Arhäologifhe Anzeiger
des Kaiſerl. Deutſchen Inſtituts in Rom.
Foscäri, Francesco, Doge von Venedig 1428
—57, geb. um 1372, regierte ald Vormund des
Francesco Gonzaga jeit 1412 in Mantua mit Glüd
und murbe 1421 Brofurator von San Marco; er riet
zu friegerifhem Vorgehen auf dem Feitland, und zwar
Yundctt im Bund mit ölorenn genen Filippo Maria
Bisconti, den Herzog von Mailand; dicke olitit
wurde angenommen und F. zum Dogen gewählt als
Nachfolger des Tommaſino Mocenigo troß deſſen
Warnung. Mit dem Condottiere Carmagnola (f. d.)
befriegte er num fiegreih Filippo Marta Bisconti
und zwang ihn 1427 zum Berziht auf das Ge:
biet von —— Cremona und Breſcia. Der
1431 neu entbrannte Krieg brachte zwar Nieder:
lagen, doch erbielt F. durch — Verhandlun⸗
gen die Adda als Grenze für Venedig. Aber ſchon
1433 brad der Krieg von neuem aus; Piccinino,
Truppenfübrer des $ lippo Maria Visconti, den
Neapelund Mantua unterjtüsten, drang zuerit ſieg⸗
reih vor gegen Venedig, mit welchem Coſimo L,
Eugen IV., Genua und die Ejte im Bunde waren,
wurde aber danach von dem Eonbottiere der Vene:
tianer, Francesco Sforza (f. d.), im Engpaß von
Zenno 1439 gejchlagen, worauf Venedig im Ber:
Foscari — Foscolo
trag von Cavriano 1441 Lontano, Vellajo und
Peschiera gewann und der Familie da Polenta
durch ein —2 Ränleſpiel Ravenna nabm.
1443 einigte 5. ganz Oberitalien zum Bund gegen
die zunehmende Macht Alfons’ L von Neapel, wel:
den —— unterſtützte. Aber ſchon 1445 trat
Filippo Maria Visconti auf die Seite Neapels und
des Papſtes über, und jein Nachfolger in Mailand
(1447), Francesco Sforza, befämpfte Venedig
mit Glüd. Tropdem gelang es F. 1448 wieder
einen günftigen Frieden er enger ‚ und ber
Miederausbruh des Krieges batte ſchließlich im
rieden von Lodi 1454 den Erfolg einer weſent⸗
ihen Ausdehnung des venet. Gebietes auf dem
eitland. In diejer Zeit aber war nicht nur die
eeräuberei in der Adria zum ernftlihen Schaben
bes venet. Handels erbeblich geftiegen, fonbern es
wuchſen auch Benedigs gefährlichſte Feinde, die
Türken, durd die Eroberung von Konftantinopel zu
einer drohenden Macht empor. Sp wurde denn
auch der ahtzigjährige Doge, ber zweimal freimillig
batte zurüdtreten wollen, infolge einer Jntrigue
des venet. Admirals Loredano, mit dem er fidh aus
Eiferfucht verfeindet hatte, 25. Dt. 1457 abgeſest,
nachdem er brei feiner Söhne dem Dienjte der Re
publik in feinen Kriegen, den vierten, Jacopo, dem
Haß feiner Gegner, welche ihn der Beftebung bes
ſchuldigten, geopfert hatte. Seinen Sturz überlebte
er nur um wenige Tage. Jacopo F.s tragiiche Ge
dichte wurde mehrfach poetiich behandelt, auch von
yron in «The two F.» (1821). — Val. Francesco
und Jacopo F. (in xHomeyers Ardhiv», 1819, Nr.55);
Litta, Famiglie celebri italiane (Bd. 9); Senger,
Hiſtor.⸗kritiſche Studien (Münd. 1878).
o8cölo, Niccold Ugo, ital. Dichter und Lit:
teraturbiftorifer, geb. 26. Jan. 1778 auf ante,
Sohn des Venetianers Andrea F. und der Griechi
Diamante ** zeigte ſich früh von dem Geda
einer polit. Wiedergeburt Italiens erfüllt, dem er
rg rend und bandelnd fein Leben widmete.
Schon nah dem Ausbruche der Franzöſiſchen Re
volution trat er in Venedig mit dem Trauerfpiele
«Tieste» (1797) auf, das die Partei, die von den
Franzoſen Italiens Wiederbelebung hoffte, begeiftert
aufnahm. F. jelbjt erfannte bald die Trüglichkeit
diejer Hoffnungen und verſchmolz in « Ultime let-
tere di Jacopo Ortis» (Mail. 1802; neu bg. von
Martinelli und Traverfi, Saluzzo 1887; deutſch
von Lautſch, 2. Aufl., Lpz. 1847; von Geubert in
Reclams «llniverjalbibliotbef»), einem in der An:
lage Goethes «Werther» nacgebilveten, onft ganj
eigenartigen Roman, mit jeinen Liebesllagen (um
Jabella Roncioni, nachher Gattin des Marceie
Bartolommei) den berben Schmerz über die traurine
Lage * Vaterlandes. In Lyon, wohin er als
Mitglied der Conſulta berufen war, hielt er die
ſchmerzvolle und kühne Rede «Orazione a Bona-
parte» (Par. 1802 und Lugano 1829). 1804 zog
er ald Hauptmann im franz. Heere mit nach Bow
logne, tebrte 1805 beim und begann eine über
fegung der «Tlias», die aber wenig über den An:
fang des 7. Buches hinausgelangte. Außerordent⸗
lien Beifall gewann das Gedicht auf die Gräber
gl Sepoleri, carme», 1807; vol. varüber Ugoletti,
ologna 1888). 1808 ward er Profeſſor ber Vereb-
famteit in Bavia, doch wurde der Yebritubl 1809 auf-
geboben. Er ſchrieb nun in Mailand die Tragödie
aAjace», die 1811 gegeben und von der Polizei ver»
boten ward; vielleicht wurde er auch felbft verwieſen.
Fofitesland — Fötaltrankheiten
Er ging nad Florenz, wo er feine Hoffnung auf |
Miederberftellung Italien noch ſtärker in dem
Trauerfpiel «Ricciarda» ausſprach. Beim Sturz der |
Napoleonifchen Herrſchaft trat er von neuem in den
Kriegsdienit gegen Oſterreich und mußte dann ent:
fliehen. Er ging nad der Schweiz und von dort
1816 nad) England, wo er anfangs mit Beiträgen
u litterar. Zeitfchriften und Borlefungen über ital.
itteratur bedeutende Summen erwarb, dann aber
in Not und Krankheit lebte. Er jtarb 10. Olt.
1827 bei London. Eine feit lange begonnene Did:
tung, die Hymnen an die Grazien («Le Grazie»),
blieb Brudftüd. F. verfaßte auch gelehrte Werte.
Derart find feine 1803 gebrudten Abhandlungen
und Kommentare zu Callimachus' «Haar der Bere:
nice». In London entjtanden die wichtigen «Saggi
sopra il Petrarca» (Lugano 1824), der «Discorso
storico sul testo del Decamerone» (1825) und ber
«Discorso sul testo della Commedia di Dante»
(Lond. 1825 u. d.). Seine Werte find am volljtän-
digften gefammelt in 11 Bänden (darunter 3 Bände
Briefe) von Drlandini und Mayer (lor.1850—62);
die «Poesie» allein gaben heraus Meftica (2 Bbe.,
ebd. 1884) und Antona:Traverfi und Martinetti
Rom 1889), «Uingedrudte Briefe von Freunden U.
75.8» Tobler (Berl. 1892). — Vgl. Artufi, Vita di U.
A (fer, 1878); de Windels, Vita di U. F. (3 Bbe,,
Mail. 1898); Chiarini, Gli amori di U. F. nelle sue
lettere (2 Bbe., Bologna 1892); Pallaveri, Ugo F.
(Livorno 1892); Yoa, L’amore in U. F. 1795—
1807 * 1900); derf., Ugo F. (ebd. 1902).
ofitesland, ültefter Name für Helgoland,
nad dem Gotte Fofite (f. Forfeti), dem der heil.
Willibrord um 700 und der heil, Liudger 785 die
Inſel geweiht fanden.
ossa (lat.), Grube, Graben; F. Drusiäna, ver
Drufusgraben ('. Drufus). Inder Anatomiegru:
ben: oder rinnenartige Vertiefung in den Knochen
und Weidhteilen, wie F. axilläris, die Achſelhöhle;
F. lacrymälis, die Thränenrinne am vordern Teil
der innern ———— welche den Thränen⸗
ſack enthält; F. poplitöa, die Kniekehle; F. rhom-
boidälis, die Rautengrube (j. d.); F. Sylvii, die
Sploiusiche Grube im Gehirn (f. d. und Sylbius,
alob); F.temporälis, die Schläfengrube, die Aus:
öhlung zwiihen dem Jochbogen und dem vordern
Seitenteil des Schädels.
a, |. Schleichlatzen nebſt Tafel, Fig. 2.
offalta, Bach bei Modena, belannt durch die
lacht 26. Mai 1249, in mwelder König_Enzio
(f. d.) in die Gefangenfchaft der Bolognefer fiel.
Boffäno (lat. Fons sana), Stadt in der ital.
Provinz und im Kreis Cuneo, in 377 m Höhe,
linl3 an der Stura, an der Linie (Turin:) Car:
magnola⸗Cuneo des Mittelmeernegeö und ber
Schmalſpurlinie F.⸗ Mondovi (24 km), Siß eines
Biſchofs (feit 1592), einer Alademie, des Komman⸗
dos der Infanteriebrigade «Mare» und einer
Geniejeltion, hat (1901) al& Gemeinde 18133 E.,
in Garniſon das 56. Infanterieregiment und die
3. Estadron des 17. Ravallerieregiments; zablreiche
Kirchen, Theater; PBulverfabrif, Gerberei, Seiden-
ipinnerei und »Weberei, Tuch- und Papierfabrika⸗
tion jowie bedeutenden Handel. Die alten Wälle
tragen jest Promenaden. F. wird feiner Mineral:
bäder a a viel beſucht. — F. fam 1840 durd
Kauf an Savoyen, wurde 1536 von den Franzoſen
bejest, ihnen aber wieder entrifjen, dann von Fra
bert Emanuel zur Refidenz erwählt und 1566 zur
923
Stadt erhoben, April 1796 von den Sranzojen ers
ftürmt, 15. Sept. 1799 abermals von diefen bejest,
aber jhon 18. Sept. von den Oſterreichern unter
Melas wieder genommen, der 4. und 5. Nov, bie
—— bei dem nahen Dorfe Genola und bei
avigliano entſcheidend ſchlug. — Bgl.G. Muratori,
Memorie storiche della cittä di F.
offäno, ital. Maler, j. Borgognone.
ossaril, j. Fossores.
Sole, Charles de la, franz. Maler, |. La Fofle.
o er — -böh), Marquis von, ſ. Montmo⸗
rency var! ledht).
offiles Holz, ſ. Holz, foſſiles.
— — (lat.), eigentlich alle aus der Erde ges
abenen Naturlörper; im weitern Sinne joviel wie
ineralien (f. d.), im engern, gebräudlichern fo:
viel wie Verfteinerungen (}. d. und Leitfoffilien).
Boffombröne, Stadt im Kreis Urbino der ital,
Provinz PBefaro:Urbino, an der Straße von Fano
nah Rom, der alten Via Flaminia, im ſchmalen
Thale des Metauro, Siß eines Biſchofs, hat (1901)
ald Gemeinde 10428 E., Kathedrale San Alde—
brando, ein Gymnafium, tehniihe Schulen und
bedeutende Seideninbuftrie (Seta della Marca). In
der Näbe (1,5 km) Refte der von Goten und Lango—
barben —— röm. Kolonie Forum Sempronii.
Bei F. I ugen die Römer 207 v. Ehr. den far
thager Hasdrubal. Lange im Beſitze der Malatefta,
fam F. unter Sirtu3 IV. an den Kirchenſtaat.
Fossöres oder Fossarii (lat., «Gräber»; griech.
kopiätai), die mit der Nusgrabung der unterirdifchen
Grabjitätten der erſten Ebriften und mit der Toten-
beftattung beauftragten Bedienfteten; fie bildeten ein
a enes Kollegium, das im 4. Jahrh. großen
nfluß erlangte und vorübergehend in den Stand
der Kleriler eingegliedert wurde. j
Beh ehemaligerName von Alt-Rairo, |. Rairo.
ofter, in England bei Blei eine Gewichts:
menge von 28 ent: oder engl. Eentner
zu 112 Pfd. = 1422%, kg (j. Fodder).
Fofter, Birlet, engl. Zeihner und Aquarellmaler,
er 4. Febr. 1825 zu North-Shields, war Schüler
. Zandelld, Sein erſtes Hauptwerk waren bie
Ylluftrationen zu Longfellows «Evangeline» (1850;
neue Ausg. 1854), denen weitere zu andern engl.
und ameril. Dichtern folgten. Später wandte er ſich
der Aquarellmalerei zu und lieferte anmutige länd-
lihe Scenen, wie Die Nußernte, Das Bogelneft, Die
Mühle, Das a. Er ftarb 27. März 1899 in
Weybridge. — Bol. Huiſh, Birket F. (Lond. 1890).
ofter, Kohn Welld, norbamerif. J. enieur,
geb. 4. März 1815 zu Peiersham in Maſſachuſetts,
get. 20. Juni 1873 zu Ehicago als Präfident der
Academy ofScience, war 1837—88 bei der geolog.
Aufnahme von Dbio befhäftigt, führte 1849 mit
Whitney die Aufnahmen im Kupferdiſtrikt des
Staates Michigan aus («Report on the geology and
topography of the Lake Superior Land District
in the State of Michigan», 2 Bde., Wafbington
1850—51) und ſchrieb «The une ar vo
(Chicago 1869) und «Prehistoric races ofthe United
States of America» (ebd. 1873; 4. Aufl. 1878).
oftite, |. Pflanzenkrankheiten. j
oftoria, Stadt im County Seneca im norbs
amerif. Staate Ohio, ſudlich von Toledo, ———
punkt von fünf Bahnen, bat (1900) 7730 E., ber
deutende Induſtrie, namentlih Glashütten.
Fötälfranfheiten, diejenigen Erkrankungen bes
Fötus (f. d.), welche diefen innerhalb des Mutter
924
leibes befallen und entweder fein Abfterben bewir⸗
ten oder dauernde Berunftaltungen und Gebrechen
erzeugen, Sie beruben zum Teil auf fehlerhaften
Entwidlungdvorgängen, wie die Mikbildungen
mit überzäbligen oder fehlenden Gliedmaßen, mit
unvollftändiger Bildung des ganzen oder halben
Körpers, mit faljher Lagerung der Organe u. dal.,
deren veranlafjende Urſachen zum großen Teil noch
völlig unbelannt find (f. Mikbilvung); in andern
Fällen entftehen F. dur faljhe Yagerungen der
* in der Gebärmutter, wie Rlumpfuß, Schief-
als, ee Prise eite Umfhlingung
der Nabelichnur oder gewiſſer Teile der Eihäute
um einzelne Gliedmaßen u. dal. oder durch äußere
mechan. Schäpdlichleiten (Drud, Schlag, Stoß, Fall),
welche den mütterlihen Leib und mit ibm den Foö—
tus treffen, wodurch fötale Knochenbrüche, Ber:
tentungen und Berfrümmungen entjteben können.
Eine weitere Reibe von F. kommt dadurch zu ftande,
daß irgend ein Anftedungsitoff aus dem mütter-
lichen Körper auf den des Fötus übergeht, was in:
tolge der Ernährung des Fötus durch das mütterliche
Blut möglich ift (immerbin aber doch relativ felten
vorfommt); jo fann der Fötus mit Syphilis, Boden,
Scharlach durd die Mutter angeftedt werben; bei
andern Infeltionstrantheiten (Majern, Roje, Tuber⸗
tulofe u. |. w.) ift dieje Krankheitsübertragung zwei:
felbaft. Aber auch ganz unabhängig vom mütter:
lihen Organismus können ſich beim Fotus mannig:
fache entzündliche Vorgänge in den verjchiebenften
Organen, namentlih im Him und Rüdenmarl,
im Herzen und im Knochenſyſtem entwideln, melde
bäufig entweder ſchon im Mutterleibe oder bald
nad) der Geburt den Tod des Fötus zur Folge haben.
In manden Familien vererben fi derartige Er:
—— des Fötus von Geſchlecht zu Geſchlecht.
S. Erbliche Krankheiten.) In vielen Fällen fönnen
durch ein geeignetes Verhalten während der
chwangerſchaft vermieden werden, weshalb allen
—— auen eine durchaus mäßige und geregelte
ebensweiſe nicht dringend genug empfohlen werden
fann. (S. Schwangerſchaft.) — Bal. Herrgott, Des
maladies foetales (Bar. Ph Ablfeld, Die Miß—
bildungen des Menſchen (2 Abjchn., Lpz. 1880—82).
Ötälfreidlauf, Fötälleben, Fötälpuls,
% ryo.
Fothergill, Jeſſie, engl. Romanſchriftſtellerin,
geb. 7. Juni 1851 als Tochter eines Kaufmanns
zu Mandefter, wo fie dauernd wohnte, Sie ftarb
28. Juli 1891 zu Bern. Ihrem erften Roman
«Healey» (3 Bde., Lond. 1875; neue Aufl. 1883)
folgten «Aldyth» (2 Bde., 1877; neuejte Ausg.
1891), «The first violin» (3 Bde,, 1878), ihr beveu:
tenbftes Wert, «Probation» (3 Bre., 1879), «The
Wellfields» (3 ®de., 1880), «Kith and kin» (3 Bbe.,
1881), «Peril» (3 Bde., 1884), «The lasses of Laver-
house» (1888), «A march in the ranks» (3 Bde.,
1890), «Oriole’s daughter» (3 Bde,, 1893) u. a.
Fothergilifher Gefihtöfchmerz, |. Ge
ſichtsſchmerz.
— (fpr. föth’ringeh), Dorf in der
engl. —— orthampton, 15 km im WEW.
von PVeterborougb, mit den Ruinen eines Schloſſes,
in dem Richard III. geboren und Maria Stuart
18. Febr. 1587 hingerichtet wurde.
oticha, Stadt in Bosnien, ſ. Foka.
otſcha, Ort in Rleinafien, ſ. Pboläa.
Ötterle, Franz, Geolog, geb. 2. Febr. 1823 zu
Mramotik in Mäbren, wurde 1849 Alfiitent an der
Fötalfreislauf — Foucault
Geologiſchen nen: an der er 1856 zum
Bergrat, 1867 zum heigeologen und 1873 zum
Vicedireltor aufrüdte. Er ftarb 5. Sept. 1876 in
Wien. F. nahm großen Anteil an der geolog. Kar:
tierung Oſterreichs und lieferte eine neolog. Karte
von Südamerila (Wien 1854) und einen «Geoloa.
Atlas des öfterr. Kaiſerſtaats⸗ (fg. 1, Gotha 1860).
Außerdem veröffentlichte er: aGeolog. liberficht der
BergbauederSfterreihifhen Monardier(mit Hauer,
Mien 1855) und «Berichte über die geolog. Aufnabme
des füdl, und weſtl. Mähren» (ebd. 1853 u. 1868).
otuna, Inſel, |. Hoorne⸗Inſeln.
ötus oder Fetus (lat.), die Leibesfrucht, ne
mentli vom dritten Monat nad) der Zeugung bis
zur Geburt (f. Embryo). j
Foetus in foetu (lat.), eine Doppelmißgeburt,
bei welcher der eine Fötus in einer jo früben Zeit
verfümmert ift, daß er von den fih jchliehenven
Bauchplatten des andern eingeſchloſſen wird. Der
ru Manni dtus befteht meijt nur aus einigen
verfümmerten emitäten und Eingeweiben.
Fou (frz., fpr. fu; Femininum folle), närrije,
verrüdt; Narr; der Läufer im Schadjipiel.
Foucart (jpr. futahr), Paul, franz. Gelehrter
eb. 15. März 1836 zu Paris, ftudierte auf der
ormalfchule und auf der franz. Schule zu Atben,
ward 1874 außerord. und 1877 ord. Profefior der
Epigrapbie und gried. Altertumsfunde am Collöge
de France. 1878 wurde er Mitglied der Akademie
der Inſchriften und im Dezember desjelben Jahres
Direktor der franz. Schule zu Athen. 1884 murde
er auf 4 weitere Jahre für diejes Amt ermählt,
morauf er 1890 feine Profefiur am College de
France wieder übernahm. Seine wihtigften Werte
m: «Inscriptions recueillies & Delphes» (mit
eier, Bar. 1863), «M&moire sur les ruines et
P’histoire de Delphes» (ebd. 1865), «M&moire sur
Vaffranchissement des esclaves par forme de vente
& une divinit6» (ebd. 1867), «Des associations re-
ligieuses chez les Grecs» (ebd. 1873), « Mölanges
d’epigraphie grecque » (Heft 1, ebd. 1881), «Be
cherches sur l’origine et la nature des m
d’Eleusis» (1895).
Foucault (pr. fulob), Leon, . Bbofiter,
geb. 18. Sept. 1819 zu Paris, ftubierte anfänglid
ebizin, befchäftigte fi feit 1839 mit der kur;
vorher ndenen Daguerreotypie und bald dar-
auf, im Berein mit Donne und Fizeau, mit opti:
jhen Fragen, die ihn mit Arago in Berübrung
rachten. 1850 erfand er ein Berfabren zur Be
ftimmung der Lichtgeſchwindigleit (ſ. d.), und 1851
zeigte er im Pantheon zu Paris die Achſendrebung
der Erde mitteld eines Pendels (f. Foucaults Per
delverjud). E3 folgten nun Arbeiten über Wärme
und Magnetismus jowie fein eleltromagnetiicer
Apparat zur Berwandlung der mean. Arbeit in
Märme. 1855 wurde F. zum Phyſiler des ng
Obſervatoriums ernannt. In diefer Stellung
ſchäftigte er ip mit Berbefjerung der Ferntohre
(f.d.) und phyſil. Apparate dieſes Inſtituts fo erfolg:
reih, daß er 1862 zum Mitgliede bed Längen:
bureaus und 1865 der Pariſer Alademie gewählt:
wurde. Um dieſe Zeit erfand er feinen Regulator
für raſch rotierende Körper. F. ftarb 11. Febr. 1868
u Paris. %.3 Arbeiten find in den Schriften der
Barifer Alademie und in leicht faßlicher Weife im
«Journal des Debats» veröffentlicht. Zablreiche Ab⸗
bandlungen finden fi in der «Bibliothöque d’in-
struction populaire» und den «Comptes rendus» ber
Foucaults Pendelverfuh — Foucher
Alademie der Wifjenihaften. — Vgl. Liffajous, No-
tice historique sur la vie et les travaux de Léon
F. (Bar. 1875); Gariel und Bertrand, Recueil des
travaux scientifiques de L&on F. (ebd. 1878).
Foucaults Bendelverfuch. Als Foucault
(j. d.) einen in der Drebbant eingellemmten Stab,
der dur einen zufälligen Stoß in Querſchwingun⸗
gen geraten war, um bie Längsachſe in Drehung
verjeßte, bemerkte er, dab die Schwingungsebene
nicht mit rotierte, fondern ftehen blieb. So behält
auch ein Fadenpendel, dad an dem obern wag—⸗
rechten Querbalten eines ſenlrechten Rahmens a
gehängt iſt, feine Schwingungsebene bei, obglei
man den Nahmen um eine ſenkrechte Adie dreht.
Diefe Beobachtungen brachten Foucault auf_ben
Gedanken, die Ad endrehung der Erde mit Hilfe
eines ſchwingenden Pendels nad) Per was aud
elang. Denkt man ſich am Bol ein gringens
endel, deſſen — — durch einen
tern hindurch geht, ſo behält dieſe ihre Stellung bei,
dreht ſich alſo in 24 Sternſtunden relativ gegen
die Erde einmal im Sinne des Uhrzeigers herum.
Geometriſche Betrachtungen lehren, daß die Drehung
im ze. eine? Tages proportional dem Sinus der
geogr. Breite ift, jo daß diefelbe am Uquatox Null,
am ol aber einen vollen Umlauf beträgt, Da ver
Verſuch mit der Rechnung übereinftimmte, fo ift
das Aufjehen begreiflich, das er erregte; im Kölner
Dom wurde der Verſuch von Gartbe, im Dom zu
Speyer von Schwer wiederholt; — —
wurde er von Garthe (1852), Pislo (1853) und Hull:
mann (1873) bebanbelt.
Foucaultitröme (fpr. a -), neuerdings nad)
Thompfon zwedmäßiger Wirbelftröme (Eddy-
currents) genannt, diejenigen Ströme, die bei einer
Dynamomafdine in dem Kern des Anters durch
dejien Bewegung induziert werden und bie man, da
ihre Erzeugung Arbeit verbraudt und fie außerdem
durch Erhigen ſchädlich wirken, ſoweit irgend mög-
(ih dadurch zu unterbrüden ftrebt, daß man ihnen
dur Berteilen (Zamellierung) des vollen Eiſens
normal zur Richtung jener Ströme und Iſolierung
diefer Lamellen voneinander durch Bapier, oder
auch nur durd einen Anjtrich den Weg verlegt.
Fou or
eb.21.Mai 1759 in Pellerin bei Nantes, erhielt da⸗
elbjt bei den Dratorianern den erften Unterricht und
trat dann ſelbſt in das Oratorium zu Baris ein, wo
er ſich für das Lehrfach beftimmte. Als die Revo:
lution ausbrach, wurde F. Advolat und vom De:
part. Unterloire in den Konvent gewählt. Hier ſchloß
er ji der Bergpartei an, ftimmte für den Tod des
Königs und begleitete Nov. 1793 als Konventsmit:
gie die Kommiſſare des Wohlfahrtsausſchuſſes,
ollot d'Herbois und Eouthon, nady Lyon, wo das
—— Blutgericht mit von ihm geleitet wurde.
ach ſeiner Rudkehr zog er ſich als Anhänger Heberts
den Haß Robespierres zu und wurde von dieſem
aus dem Jalobinerklub ausgeſchloſſen, weshalb er
defien Sturz förderte. Dennod wurde aud er als
Anhänger des «Schredens» im Aug. 1795 aus dem
Konvent geftoßen und bis zur Amneftie im Dftober
gefangen gehalten. Im Sept. 1798 wurde er als
ejandter an die Cisalpiniſche Republit nah Mai:
fand geſchickt. Hier ſuchte er mit General Brune
einen Umiturz ver Verfaſſung ——* weshalb
beide alsbald abberufen wurden. F. erſchien erſt
im Jan. 1799 wieder zu Paris, wurde end
in Holland, im Juli Polizeiminifter. Sept begann
925
fein bedeutender Einfluß auf die innere Politil
Frankreichs. Er ging vor dem 18. Brumaire
9. Nov. 1799) von Barras zu Bonaparte über
und organifierte, nachdem der Staatäftreich ger
lungen war, die abfolute gg were zu ber
er die Mittel meift aus der Spielpaht entnahm.
Die neue Regierung bielt er von Gemaltthaten
zurüd, auf feinen Rat wurde die Emigrantenlifte
geihloflen und eine allgemeine Amneltie proflas
miert. Die Attentate war er mehr zu verhindern
als zu beftrafen bedacht. Dies machte ihn Napoleon
verbädtig, der ihn 1802 plöplich feines Amtes ent-
fegte, indem er das Bolizeiminifterium abſchaffte.
Schon im Juli 1804 wurde 3. jedoch wieder an bie
Spiße der Polizei ae mit deren Verwaltung bei
der häufigen Abweſenheit des Kaiferö eine große
Macht verbunden war. Napoleon hatte ihn bereits
zum Grafen ernannt, und nad dem öfterr. Kriege
verlieh er ihm 1806 den Titel Herzog von Dtranto,
mit reichen Dotationen im ge Nichts:
deſtoweniger fuhr F. fort, die maßlojen Entwürfe
Napoleons zu befämpfen, fo daß er von neuem
läftig und verdächtig wurde. Am3. Juni 1810 mußte
er das Polizeiminiſterium nieberlegen, da er eine
geheime Friedensunterhandlung mit England auf
eigene Fauft anzubabnen gejucht hatte, und fiel in
Ungnade, Erſt im Feldzuge von 1813 rief der Kaiſer
ihn ins Hauptquartier nad Dresden und jhidte
ihn von bier als Gouverneur der illyr. Provinzen
nad) Laibach. Doch nun war F. ein entſchiedener
Gegner Napoleons und fahte defien Sturz bereits
feft ins Auge. Auf dem Wege nad Laibach gab er
der öfterr, Regierung Winke über die Stimmung
—— die nicht wenig zum Anſchluß Metter⸗
nichs an Preußen und Rußland beitrugen. Nach
der Schlacht bei Leipzig ward F. nach Rom und
Neapel geſchickt, um Murat zu überwachen. 1814
gain er, gleich Talleyrand, eine Regentſchaft Marie
uifens ftatt Napoleons Herrihaft im Sinne,
chloß fi aber dann den Bourbons an. Nach der
eftauration derjelben drang F. auf Anerlennung
der faltiſchen Zuftände und auf allgemeine Verjöh:
nung und zog fi, als diefe Politik nicht befolgt
wurde, ins Srialfeen zurüd. Bei ver Rüdtebr
Napoleons übertrug ihm diefer das Polizeiminiftes
rium. F. täufchte ſich aber nicht über den Ausgang
der Dinge und feste fi mit Ludwig XVII. und
Metternich in heimliche Beziehung. Nach ver Schlacht
von Waterloo betrieb er die zweite Abdankung Na:
poleons, ftellte fi an die Spitze der Brovifortichen
Regierung, vermittelte die Kapitulation von Paris
und leitete den Abzug der Armee hinter die Yoire,
Nun übertrug ihm Ludwig XVII das Polizei:
minifterium;; doch feine Partei ſchenlte ihm mehr
Vertrauen, er mußte im Sept. 1815 dimiffionieren
und gine ald Gejandter nah Dresven. Als ibn
das Verbannungädelret vom 12, Jan. 1816 gegen
die fog. Königämörder traf, ging er nah Prag,
dann nad Linz; und Trieft, wo er 25. Dez. 1820
ftarb. Aus feiner a — eine große Anzahl
polit. Pamphlete. Auch Memoiren ER a Sa
doch find dieſe noch nicht veröffentliht. Die bes
tannten M&moires de Jos. F., duc d’Otrante (2 Bpe.,
Bar, 1822—24) find nicht von ihm, fondern von
Alphonſe de Beauchamp verfaßt. — Bol. Eomte de
Martel, Etude sur F. (2 Bde., Par. 1873—76);
Piadelin, F. 17659—1820 (2 Bve., ebd. 1901).
oucher (fpr. fuiheb), Paul, franz. Schrift:
fteller, geb. 21. April 1810 zu Paris, —* zu⸗
926
nädft unter dem Cinfluffe feines Schwagers Victor
Hugo eine Anzahl Erzählungen («Saynötes», «La
misere dans l’amour», «Les passions dans le
monde», «Tout ou rien») und trat 1830 mit einem
hiſtor. Drama in Verſen: «Yseult Raimbauld»,
auf. In der Folge verfaßte er, allein oder mit
Dennery, Dednoyers u. a., mehr ald 60 Stüde für
die Boulevarbbühnen; den größten Erfolg hatte
das Drama «Notre-Dame de Paris» (1850, nad
V. Hugos Roman). Andere Stüde find: «La bonne
aventure» (1854), «Joconde» (1855), « L’institu-
trice» (1861), «La bande noire» (1866) u. f. w.
ſchrieb auch ein Trauerfpiel: «Don Sebastien de
ortugal» (1839), den Tert zu Opern und Ballett3
und viele litterar. Blaudereien und Feuilletong, die
er in zwei Bänden: «Entre cour et jardin» (1867)
und «Les coulisses du pass&» (1873), berausgab.
F. ie 24. Jan, 1875 zu Paris.
oucher de Eareil (jpr. fuſcheh dẽ karej), Louis
Alerandre, Graf, franz. Schriftjteller und Politiker,
ge 1. März 1826 zu Paris, machte verjchiedene
eifen, namentlih nad den Vereinigten Staaten.
Mäbhrend des Deutſch-Franzdſiſchen Krieges wurde
er Generaldireftor der Lazarette der Bretagne:
Armee, 1871 Präfelt des Depart. Cötes-du-⸗Nord,
1872 des Depart. Seineset:Marne. Bon dem Mini:
fterium des 24. Mai 1873 abgefest, wurde er vom
Depart. Seine:et: Marne 1876 und 1882 in den
Senat gewählt, wo er zum linfen Gentrum gehörte.
1883—86 war er franz. Botfchafter in Wien. Er
jtarb 10. Jan. 1891 in Paris. F, war ein ausge—
zeichneter Kenner des Vhilofopben er Me 1859
m er eine vollftändige Ausgabe der «(Euvres de
eibniz» (Bd. 1—7, Paris, bis 1875) beraus, Ferner
veröffentlichte er eine «Röfutation inedite de Spi-
noza par Leibniz» (Par. 1854), «Lettres et opus-
cules inedits de Leibniz» (1854), «Nouvelles let-
tres et opuscules inedits de Leibniz» (1857), «Let-
tres de Leibniz, Bossuet, Pellisson etc.» (1859),
«Leibniz, la philosophie juive et la Cabale» (1861),
«Leibniz, Descartes et Spinoza» (1868), «Leibniz et
les deux Sophies» (1876), «Descartes et laprincesse
Palatine» (1862), «Hegel et Schopenhauer» (1862),
«Goethe et son @uvre» (1865), «Descartes, la prin-
cesse Elisabeth et la reine Christine» (1879) u. ſ. w.
Fouequet (fpr. fuleb), Jean, franz. Maler, geb.
um 1415 zu Tours, geft. gegen 1490, war Hofmaler
Ludwigs XI. Bon —* ildern haben ſich nur
wenige erhalten. Von höchſtem Werte in Bezug auf
Erfindung und naturaliſtiſche Durchführung ſind
ſeine Miniaturen: ein Joſephus und Livius in der
Stadtbibliothet zu Paris, eine franz. Überſetzung
von Boccaccios «Leben berühmter Frauen» in Mun⸗
den, ein Gebetbuc (jet zerichnitten, die meiſten
40) Blätter im Eonde: Mujeum des loſſes
Chantilly); fie find mit koſtbaren Kompoſitionen ges
ſchmückt, teild von F., teild von feinen Wertitatt:
genofien ausgeführt. [j. Fouquet.
Foucquet, Nicola®, franz. Finanzminifter,
Foudre (fr;., ipr. fubdr), Bliß, Donner; fou⸗
drovant(fpr. peöäjang), donnernd, niederſchmet⸗
ternd (in übertragenem Sinne).
Fougeres (ſpr. fuibäbr). 1) Arrombiffement
im franz. Depart. Ylleset:Bilaine, bat 998 qkm,
(1901) 89026 €., 57 Gemeinden und zerfällt in
die 6 Kantone Antrain, Fougdres:Nord, Fougeres⸗
Sud, Louvignedu:-Defert, St. Aubinsdu:Cormier,
Et. Briceen:Cogles. — 2) Hauptitadt des Arron⸗
diſſements F., in 136 m Höhe auf einem Hügel ge
— — — mm —
Foucher de Careil — Fould
legen, der ſich am Nangon hinzieht, an den Linien
Vitre⸗Pontorſon und %.:Pire (88 km) der Weit:
bahn, Siß eines Geri eh und einer Handels:
fammer, bat (1901) 19525, als Gemeinde 20 952 €,
in Gamifon die 10. Traineskadron; die got. Et.
Sulpicelirhe, Kirhe St. Leonard, Denkmal der
1870 gefallenen Mobilgarden und Reiterftatue des
Generals Lariboifitre (1898), ein Theater (1886),
Refte ehemaliger Befeitigungen, ein reftauriertes
Schloß (12. bis 16. Jahrh.), drei Krankenbäuſet,
ein Gefängnis und zwei gettungen; Gerberei und
Schubmwarenfabritation, Wollipinnerei und :®ir:
ferei. Am 1. Nov. 1793 wurde bei F. ein republi:
laniſches Heer von den Bendeern befiegt.
Fougerolles (ipr. fuih’röll), Stadt im Kanton
St. Loup:fur:Semoufe, Arrondiffement Lure des
—— Depart. Haute⸗Saoͤne, rechts von ber Com:
aute, an der Linie Aillevillers : Faymont der Dft-
babn, bat (1901) 1901, ald Gemeinde 56% €.;
große Kirſch⸗ und Abfinthbrennereien. :
ouillee (pr. fujeb), Alfred, franz. *
. Bd. 17. .d.).
oul (fpr. faul), eine ver ſchott. Shet ein
oulards (frz., fpr. fulabr), Foulas, jebr
leichte Taffete, die in der Kette aus ungezwirnter
Robjeide, im Einjchlag entweder aus demjelben Ma-
terial oder öfter aus Florettſeide befteben und, ver:
ſchieden gefärbt und bedrudt, zu Kleidern und
Zafichentüchern verwendet werden; auch die Taſchen⸗
tücher jelbft werben 3. oder Bandannos genannt.
Fould (ipr. fuld), Adille, franz. Finanz und
Staatämann, geb. 17. Nov. 1800 in Paris als der
Sohn eines jüd. Bankiers, widmete fidh neben dem
Banlgeſchaft aud den jhönen Künften und machte
Reifen nad Stalien und dem Orient. Späterleiteteer,
als der Afjocie feines Bruders Benoit F., mit dieſem
das unter der Firma «Fould, Oppenheim & Comp.»
belannte Bankhaus. Unter der —— Ludwig
Philipps, der ſich feines Rats oft in finanziellen An-
—— ediente, wurde F. zum Mitglied dei
enerallollegiums für den Handel ernannt. im
Depart. Bafjes-Alpes 1842 in die Kammer gewählt,
eigte er fich bier ald eifriger Anhänger des Mini:
Nerums uizot. Nad der Revolution von 1848
ieß er fih im September in Paris in die Koniti-
tuierende National rg bg mo er ſich
dem tonjervativen Vereine der Rue de Poitiers bei:
gejellte und an den Präfidenten Ludwig Napoleon
anichloß. Bei den Generalwablen im Mai 1849
unterlag er, weil er der Proviſoriſchen Regierung
gewif — angeraten hatte, bie ber öffent:
ihen Meinung ou waren. Erjt im Juli, bei
den Nachwahlen in 8, gelang e3 ibm, einen
Sik in der Legislative zu erhalten. In dem bona-
rtiftifchen Kabinett vom 31. Olt. 1849 übernahm
5 das Portefeuille der Finanzen, das er aud bei
der Beränderung im an. 1851 ſowie in dem dei:
nitiven Minifterrum vom 11. April bebielt. Infolge
der Abdankung jämtlicher Minifter 14. Dit. 1851
zog auch er ſich zurüd, übernahm jedoch einige Tage
nad dem Staatsjtreih vom 2. Des. abermals bie
Finanzverwaltung, die er indeſſen, ald im Jan. 1852
die Konfislation der Orléeansſchen Güter verbängt
wurde, wieder niederlegte. ine Verdienſte als
Finanzminifter in dieſer Zeit find mannigfache: An:
regung zur Gründung bes Credit mobilier, Rege
lung der Abgaben für das Enregiftrement (f. b.), dei
Briefportos —— ere Verteilung der Grund⸗
ſteuer, Aufhebung des — —— für das Pu
Foule — Fouqué
piergeld u.a. Am Tage feines Rüdtrittö erfolgte
feine Ernennung zum Senator, und bald kehrte er
auch als Staats: und Hausminifter wieder zu den
Geihäften zurüd. %. wurde 1857 in die Alademie
der u Künfte gewählt, und 1858 berief ihn der
Kaifer in den Geheimen Rat. Bei den Verände—
rungen im Nov. 1860 legte 5. feine Bortefeuilles
nieder. Im September bes —— Jahres rich⸗
tete er an Napoleon III. eine Denklſchrift, in wel:
der er bie ——— Frankreichs als et
ſchilderte und namentlich dem Kaiſer den Rat gab,
er mag auf fein Recht, außerordentliche Kredite
ohne Mitwirkung des Gejeßgebenden Körpers zu
bemilligen, verzichten. Der Kaiſer ging hierauf ein,
und F. wurde 14. Nov. 1861 aufd neue Finanz⸗
minifter. In diefer Stellung verblieb er bis 19. Jan.
1867. F. ſtarb 5. Dit. 1867 zu Tarbes,
Sein Bruder Benoit F., geb. 21. Nov. 1792, der
gemeinfam mit ihm das Bantgejchäft leitete, war
1834—42 Mitglied der Kammer, in der er fih als
entichiedener —— der Julidynaſtie erwies. Er
zeichnete ſich ebenfalls als Finanzmann aus und
ſtarb 28. Juli 1868.
Foule (fr;., ſpr. fubl), Menge, Haufe, namentlich
von Perſonen; en foule, in Menge.
Foulon (ipr. fulöng), Joſeph Franz, franz. Ge
neralintendant, eins der eriten Opfer der Franzb⸗
fifhen Revolution von 1789, geb. 1715 zu Saumur,
war Generalintendant bei den Armeen von Soubife
und Broglie im Siebenjährigen Kriege, General:
intendant der Landarmee und Marine unter dem
Marſchall von Belleisle und 1771 Intendant der
inanzen. Als im Juli 1789 die Armee unter dem
erzog von Broglie um Paris — ezogen
ward, erhielt F. wieder die Stelle ihres General⸗
intendanten und zog damit die Wut des empörten
Volta auf fid. A Viry, wohin er fih nad Er-
—— der Baſtille geflüchtet hatte, ward er von
nbleuten erlannt und 22. Juli nach Paris ge
ſchleppt. Er ſollte nach dem Gefängnis der «Abtei»
er werben ae der Pöbel entriß ibn feinen
ächtern und fnüpfte ihn an einer Laterne des
Greveplatzes u. An demſelben Tage fiel auch fein
Schwiegerſohn Bertbier de Sauviany, Intendant
von Paris, der von einem Proftriptionslomitee im
Palais⸗Royal aufgeftachelten Vollswut zum Opfer.
F o (ipr. fulpdängt), Hafen auf Madas
gastar (j. d.). [ruine bei Ripon (f. d.).
ou 8:Abbet (pr. fauntins äbbi), Klofters
ongque (jpr. eb), Friedr., Freiherr de la
Motter, Dichter, Entel des folgenden, geb. 12. Febr.
1777 in Brandenburg, trat 1794 in die preuß.
Armee, nahm an dem Rheinfeldzug teil, verlieh
aber 1803 den Dienft, um auf feinem Gute Nenn:
baufen bei Rathenow ganz feinen litterar. Neigungen
ju leben. Bei der Eee Preußens trat er bei
den freiwilligen Yägern ein und nahm erft ala
Leutnant, dann als Rittmeiiter an den bedeutend:
ften Schlachten des Freiheitätrieges von 1813 teil,
bis er infolge förperliher Anftrengung ſich gend-
tigt ſah, den Abſchied zu nehmen. Später lebte er
abwechſelnd in Paris und auf Nennhauſen, hielt
jeit 1831 in Halle Borlefungen über die neuefte
Geſchichte und über Poeſie, wurde 1842 von Fried:
rih Wilhelm IV, nad Berlin berufen und ftarb das
felbft 23. Jan. 1843. F. ſchließt fid im allgemeinen
der Romantifchen Schule an. Religiofität, Ritter:
lichkeit und Galanterie find die Orundelemente feiner
Dichtungen, und obgleich er in feinen poet. Formen
927
oft bart und gezwungen erjcheint, jo offenbart er
doch nicht felten eine Fülle von Phantaſie und ein
eigentümlich kräftiges poet. Leben. Später wurde er
manierierter, pietijtifch und feudals=ariftofratifch, fo
daß er zulegt zu den Anjchauungen jeines Jahr:
bundert3, & B. in feinen Gedichten «Die MWeltreiche»
(6 Hefte, Halle 1835—40), in ſchroffem Gegenſatze
tand, uls Dichter trat F. zuerſt unter dem Pjeudonym
ellegrin auf in den «Dramat. Spielen von
ellegrin», hg. von A. W. Schlegel (Berl.1801), ven
«Romanzen vom Thale Ronceval» (ebd. 1808), dem
Roman «Alwin» (2 Bde., ebd. 1808), der «Hiftorie
vom edeln Ritter Galmy und einer jhönen Herzogin
von Bretagne» (2 Bde., ebd.1806) undeinigen Schau:
pielen. Den Geiſt der nordiihen Sage und altdeut:
hen Dichtung, der F. am meiften anſprach, atmet
vor allem das dramat. Gedicht «Der Helv des Nor:
dens» (Trilogie: «Sigurd der Schlangentöter», «Si:
gurds Rache» und «Mslauga», Berl. 1808), dem er
zuerft feinen wahren Namen vorjegte, ſowie die
vaterländiihen Schaufpiele «Eginhard und Emma»
(Nürnb. 1811) und «Alboin, der Pangobardenlönig»
Lpz. 1813). Mit enthuſiaſtiſchem Beifall wurden
.3 Ritterroman «Der Jauberring» (3 Bde., Nurnb.
1813; neue Aufl., Braunſchw. 1855) und fein beſtes
Merk, das zarte und finnvolle Märchen «Undine»
(Berl. 1811; 26. Aufl., Gütersl. 1887; aud in
Reclams «llniverfalbibliotheb») aufgenommen, das
auf der alten Sage vom Ritter von Staufenberg be:
—* Unter ſeinen übrigen Werlen genoſſen ſeinerzeit
hohes Anſehen: das romantiſche Heldengedicht «Co⸗
rona» (Tub. 1814), «Sintram und feine en
(Berl. 1814), «Die Fahrten Thiodolf3» (2 Bde.,
Hamb. 1815), «Heldenipiele» (Stuttg. 1818), «Alt:
ſachſ. Bilderfaal» (4 Bde., Nurnb. 1818—20), das
efhichtlihe Epos «Bertrand du Guesclin» (3 Bbe.
3. 1821), feine ſeltſame, von ihm ſelbſt aufge:
zeichnete aLebensgeſchichtey (Halle 1840) ; ferner feine
«Gedichte» (5 Bbe., a ga} «Geiftliche
Gedichte» (2. Aufl., Berl. 1858) und «Ehriftl. Lieder:
ſchatz» (ebd. 1862), letztere beide hg. von Albertine
de la Motte⸗Fouqué. Seiner Richtung treu, gab
9. mit 2, von Alvensleben die «Zeitung BD ben
deutfchen Adel» (1840—41) heraus. Er ſelbſt bes
forgte eine Ausgabe feiner «Ausgemäblten Werte»
(12 Bde., Halle 1841). 5. war dreimal vermählt.
F.s zweite Gattin, Karoline, geborene von
Brieſt, geb. 1773 zu Nennhauſen, war feit 1790 in
erfter Ehe mit einem Herm von Rochow vermaͤhlt,
nach ihrer Scheidung von dieſem 1803 mit F.; fie
ftarb 20. Juli 1831 zu Nennhauſen. Außer Roma—
nen (wie «Roderich», «Das Heldenmäbchen aus der
Bendee» u. ſ. m.) und Erzählungen, in denen fie fich
dem Gejihmad ihres Gatten anſchloß, ſchrieb fie
«Briefe über Zweck und Richtung meibliher Bil: .
dung» (Berl. 1811) fowie «Briefe über die griech.
Mothologie» (ebd. 1812). Ihre Briefe und Heinen
Auffäge erſchienen u. d. T. «Der Schreibtiich, oder
alte und neue Zeit» (Köln 1833). — Auch 75.8 dritte
Gattin, Aibertine, geborene Tode, mit derer fich
während feines Aufenthaltes in Halle vermäblte,
fchrieb einen Roman gg ea Bde. Berl. 1865).
ouqué (pr. fuleb), Heint. Aug., Freiherr de
la Mottes, preuß. General, geb. 4. Febr. 1698 im
Haag, ftammte aus einer alten normann. Familie,
ward 1706 Page am Hofe des Fürften Leopold von
Anbalt:Defjau, machte 1715 den pommerjchen Feld⸗
zug mit, wurde zum Offizier ernannt und 1729
Hauptmann. Friedrich d. Gr. ſchenkte ihm als
928
Kronprinz fein Vertrauen und verlehrte mit F.
mwäbrenb jener Gefangenjhaft zu Cuſtrin. Ein
——* mit feinem Chef, dem Fürften von
au, bewog %., den preuß. Dienjt 1738 zu ver:
lafien und in dän. Dienjte zu geben. Als aber
Friedrich IL. 1740 den Thron beitiegen batte, rief
er F. zurüd und ernannte ibn zum Oberſten.
machte die fchlej. Kriege mit, war während des
zweiten Gouverneur von Glas und zeichnete ſich,
zum Generalleutnant aufgeitiegen, im Siebenjäb:
rigen Kriege aus (nament % bei Brag, bei Yandes:
but, bei Habelſchwerdt), jo daß ihm der König, ala
er 1759 nah Sadjen marjhierte, die Dedung
Schleſiens, bejonders des wichtigen Paſſes von
Zandeshut,anvertraute. Beim Beginn des Feldzugs
von 1760 nötigte Laudon durch meifterhafte Opera:
tionen F., feine ftarte Stellung bei Landeshut zu
räumen; fpäter jedoch mußte F. fie gegen jeine
Überzeugung auf Befehl des Königs wieder befeßen,
wurde 28. Sum von dreifadyer Übermacht ange:
ariffen und nach heldenmütiger Gegenwehr überwäl-
tigt, wobei er verwundet in Gefangenfhaft —
Nach dem lagen trat F. nicht wieder in den Dienft,
fondern lebte zu Brandenburg, wo ihm Friedrich
eine Bräbende ald Dompropft verlieben hatte. Dort
itarb er 8. Mai 1774. — Vgl. Mömoires du baron
de la Motte F. (2 Tle., Berl. 1788; deutſch von
Büttner, 2 Tle., ebd. 1788). Eine ausführliche
Lebensbejchreibung F. s gab fein Enkel, ver Roman:
tifer Friedrich von }5., beraus (Berl. 1824); vgl. auch
GE. von St., Der Feldzug des Generals F. in Schle—
fien 1760 (Gaflel 1862).
Fouquet (ipr. fuleh), Charles Louis Augufte,
Marihall von Frankreich, j. Belleisle.
Fouguet (fpr. fuleb) oder Foucquet, Nicolas,
franz. Sinanzminijter, geb. 1615 in Paris, trat
1635 als maitre des requötes in die Berwaltung ein,
war mebrfacd Intendant, faufte 1650 die Stelleeines
Generalprofurator® am Barifer Barlament und
leiitete Mazarin in den Kämpfen der Fronde jahre:
lang die wertvolliten Dienfte. Diejer erhob ihn zum
Lohne 1653 zum Oberintendanten der Finanzen, und
3. fuhr als folder fort, Mazarin in allen zum
der fünfziger Jabre Geld zu ſchaffen. Er ſchoß jelbit
dem Staate Summen vor und gehörte dann zu den
«Bartifans», die ſich gegen jolde Vorſchüſſe Fhätere
Staatseinnahmen verpfänden ließen; ſchon unter
Mazarin entwarf er einen Plan, wie er jih aud
etwa gegen diefen mit Gewalt im Amte balten und,
auf weit verzweigte Klientel geſtützt, jelbit zum erften
Minifter aufiteigen könne. Auf diejes zweite Ziel
richtete er, ald Mazarin 1661 ſtarb, alle Anjtren:
gungen; aber Ludwig XIV. war durch Eolbert ge
marnt, und wäbrend * ſich am Hofe durch Be—
ſtechung eine geheime leitende Partei zu ſchaffen
ſtrebte und ſelbſt die Königin-Mutter Anna von
Ofterreih umwarb, beichloß der König, ihn unſchäd—
lih zu machen. Nachdem F. jeine Brofuratoritelle
niedergelegt batte, wurde er unter Entwidlung jtar:
ter Borjihtsmahregeln Sept. 1661 verbaftet. Vor
vem Gerichtäbof für Reform der Finanzen hatte F.
einen enblojen Prozeß zu bejteben, deſſen Dauer
und übertriebene Härte die öffentliche Meinung mehr
und mebr zu ihm binüberzog; Dez. 1664 wurde eı
ftatt, wie die Regierung wollte, zum Tode, zu ewiger
Verbannung verurteilt; aber udivig verihärfte die
Strafe auf ewiges Gefängnis. %. jtarb 1680 im Ge
fängnis zu Pignerol. — Val, Eperuel, M&moires
sur la vie publique et privee de F. (2 Bde., Bar.
Fouquet —
Yourcroy
1864); Bonnafje, Le surintendant F, (ebd. 1882);
u —— a a Di
onquier: Tinville (pr. fulieh tangwi ⸗
toine Quentin, der herüchtigte öffentliche
in der Franzoſiſchen Revolution, geb. 1747 im Dorfe
(Depart. Aiöne), war Proburator am Ehäte
let, mußte aber wegen Bantrott3 feine Stelle nieder-
legen und trat dann zu Paris in den Dienft der gr
beimen Polizei. Beim Ausbruch der Revolution
wandte er fi alöbald den Anardijten zu. Dur
Danton wurde er mit Robeöpierre befannt, der ibn
nad dem 10. Aug. 1792 zum Geſchworenen, dann
1793 zum Direltor und öffentlihen Anfläger des
NRevolutionstribunal® machte. Ohne ae
wifjen und Rechtsſinn, führte er bier unter ber
der Unbeftechlichkeit vie Blutbefehle des Wohlfahrts
ausſchuſſes aus. Er fhidte Spione und i
(moutons) in die Gefängniffe, die dann ala
vor dem Tribunal einen mußten. Den
ſchworenen Montane de er an, weil er bei Ber:
urteilung der Charlotte Corday Mitgefühl für die
Girondiften geäußert habe. Dem Konvent ſchlug
er oa: Die — eines Schafotts im
des Gerichts vor. Nachdem er über Mitglieder
aller Parteien das Todesurteil geſprochen, beför
berte er auch mit gleihem Eifer die Hinrichtung von
Robespierre und deſſen Genojien. rröre wollte
ihn in feinem Amte erhalten, Freron ihn in Anklage
en. Aber erſt nah 10 Monaten te man ibm
den Prozeß. Obwohl er alle Schuld auf Robespierre
ſchob, wurde er doch verurteilt und 7. Mai 17%
guillotiniert. — Vol. Domenget, F. et le tribuna)
ae me 1878). for. furabfä")
urage (franz. fo e, ſpr. ’), dai
Butter der —I— iſt teild Hartfutter Kor
ner), teils Halmfutter (Heu, Strob u. Er feltener
Grünfutter (Gras, Klee u. ſ. w.) und en: ober
Wurzelfutter (Kartoffeln, Rüben u. f.w.). Die Ra
tion im Frieden (f. Naturalverpflegung) jeßt ſich aus
den beiden we Kiga —
ouragele Fourage ie:
—— tungen = Kri ——
Fouragieren (ſpr. fura 4. fourrageri,
beitreiben, requirieren, das —— der Fou:
rage (j. d.). Im Felde unterſcheidet man trodne
und grüne $ouragierung, je nachdem es ſich
um die Borräte in Häufern und ———— ober um
das Getreide auf dem Felde handelt (j. Raturalver-
pflegung und Requifition).
ouragierleine, ein zur Ausrüftung der Ha
vallerie gehörender, ie en zum Zuſammen⸗
ſchnuren von Heu und Stroh beitimmter Etrid, der
auch zur Ummehrung des Stalled im Bimal in
—— mit den Kampier⸗ oder Pilettpfahlen
und zum Anlegen der Pferde an dieſe benutzt wird.
Fourberie (ft., fpr. furb’rib), Vetrügerei,
Schurkenſtreich.
Fourchambault (jpr. furſchangboh), Stadt im
Kanton Pougues⸗les⸗Caur, Arrondijjement Nevers
des franz. Depart. Nievre, rechtö von der Loire, am
der Linie Paris-Nevers:Lyon der Mittelm l
bat (1901) 5892, al3 Gemeinde 6152 €, und eins
der wichtigiten Eiſenwerle Frankreichs, das Brüden,
Gußwaren, Eifenbabnibienen, Räder für Zolomot
ven und Waggons ſowie Telegrapbendräbte berftellt.
Fourchette (fr., ipr. — bel; de
jeuner & la fourchette, Gabelfrübftüäd.
Fourerop (ipr. Pe ‚ Antoine ncois de,
franz. Chemiler, geb. 15. Juni 1755, terte m
Fourcroya — Fourier
Bari und wurde 1784 Profefjor der Chemie am
Jardin des Plantes daſelbſt. Als Mitglied des
Nationalfonvents 1793 ſeßte er die Einführung
der Gleichheit von Maß und Gewicht dur. Später
war er Mitglied des Wohlfahrtsausſchuſſes, trat
aber 1798 jein Lehramt wieder an. Bonaparte
übertrug ihm 1801 die oberfte Leitung bes öffent:
lichen Unterrihts und erhob * fpäter pe Reichs⸗
em. 5-8 Arbeiten gehören hauptſächlich dem Ges
iete der phyfiol. und analytiſchen Chemie an, feine
Hauptverdienfte aber beftehen in der Thätigfeit für
Ausbreitung der Lehre Lavoifierd. Er ftarb 16. Dez.
1809. Seine hauptſächlichſten Schriften find: «Le-
ons d’histoire naturelle et de chimie» (2Bde.,
ar. 1781; 6. Aufl., 6 Bde., 1798), «Systöme des
connaissances chimiques» (6 Bbe., ebd. 1801;
deutih im Auszug von F. Wolff, 4 Bde. Königsb.
1801—3), «Philosophie chimique» (Bar. 1792;
3.Aufl.1806; deutich von Gebler, Lpz. 1796) u.f.w.
F. mar auch Entomolog; er jchrieb eine «Entomo-
logia Parisiensis» (2 Bde. 1785).
Fouroroya Vent., Pflanzengattung aus ber
amilie der Amarpllidaceen (f. d.) mit nur wenigen
ten, die fämtlih im wärmern Amerila work
und große Übnlichleit mit den Arten der Gat:
tung Agave ({f. d.] eigen. Obſchon mehr kraut-
als ftraucartiger Natur, erreicht fie doc fehr an»
ſehnliche Größen, und einige Arten werben wegen
ihres pittoresten Habitu8 in Gewäkhsbäufern
gehalten. Bejondere Erwähnung verdienen: F. gi-
gantea Vent., auf den Antillen einheimiſch, mit
einem etwa 1 m hoben Stamme, der eine mächtige,
runbliche Arone 1,60 m 5 — fleiſchiger, lebhaft
rüner, dornig gezähnter Blätter trägt, aus deren
Mitte fi ein i; über 6 m hoher Blütenfchaft mit
einer riejigen, ſtark veräftelten Riſpe ——
lilienartiger Blumen erhebt; F. longaeva Karw.,
aus dem gebirgigen Merito, ji von mehr baum:
artigem Wuchſe und hat einen bolzigen, der Yucca
äbnlihen Stamm, der an heimatlichen Standorten
bis 16 m hoch werben foll, ganzrandige Blätter hat
und eine enbftändige, 12 m bobe pyramidale Riſpe
mit außen grünliden, innen weißlichen Blumen
bildet. In der eye Größe würden dieje
malerifhen Pflanzen in Gewähshäufern und Win:
tergärten bald unbequem, ja unmöglich werden;
jedoch dauert es lange Jahre, ehe ih der Blüten:
ſchaft entwidelt, und bis dahin —— es —
mächtigen Blätterfrone wegen wohl der Mübe, fie
in ** Töpfen und Kübeln zu unterhalten. Bon
F. gigantea Vent. werden aus den Blättern, ähn-
lich wie bei manchen Agavearten, Geſpinſtfaſern ge:
wonnen, welde —— unter dem Namen Pita
oder auch als Cuba en in den Handel kommen.
Foureau (ipr. furob), Fernand, franz. In—
genieur und Afrikaforſcher, ſ. Bd. 17.
Fourgon (fr;., ſpr. furgöng), Dfengabel; Pad:
wagen, Bagage: und Vorratöwagen; fourgon:
nieren (fpr. furgonn-), das Feuer jhüren, auch in
übertragenem Sinne: berum töbern, berummüblen.
Fourichon (fpr. furiihöng), Martin, franz.
Admiral und Marineminifter, geb. 10. Jan. 1809
u St. Malö, befuchte feit 1824 die Marinefchule zu
teit, wurde 1833 Schiffsleutnant und war 1843
bereit Rorvettentapitän, 1848 Fregattentapitän,
dann Gouverneur der Straflolonie Cayenne und
1853 Konteradmiral. In den ———————— war
F. als Generalſtabschef der Flotte von Breit, dann
als Oberbefebläbaber der Station des Stillen Meer
Brodbaus’ KonverjationdsLerikon. 14. Huf. R. A. VI.
929
und fpäter ala Chef der Marineangelegenbeiten in
Algerien tbätig, wurde 1859 zum iceabmiral bes
fördert und mit dem 7 über die Mittelmeer:
flotte betraut. Er wurde ſodann in das Komitee
für Marineangelegenbeiten (Admiralitätsrat) be
rufen, worin ihm 1864 der Borfig übertragen wurde.
Bei Ausbruc des ao chen Krieges er⸗
—* F. den Befehl über die für die Nordſee beſtimmte
otte und lief 9. Aug. 1870 mit 8 Panzerſchiffen
von Eberbourg aus. Er ſuchte von Helgoland aus die
Blodade der deutichen Nordſeeküſte ———
enthielt ſich jedoch ne Angriffs auf Wilhelmshaven
und die J der Außenreede der Jade zum Schutze
des Kriegshafens liegende deutſche Panzerflotte.
Am 12. Sept. 1870 lehrte F. mit feiner Flotte Jar
Eherbourg zurüd und erfuhr unterwegs jeine dur
die Regierung der nationalen Verteidigung ——
Ernennung zum Miniſter der Marine und der Kos
lonien. Bei der Regierungsbelegation in Tours
übernahm F. die obere Leitung der militär. An—⸗
elegenheiten, mußte jedoch nah dem Eintreffen
ambettas auf jede felbftändige Thätigleit Verzicht
leiften. Im Febr. 1871 in die fonftituierende Natio⸗
nalverjammlung gewählt, gehörte F. dem rechten
Gentruman. 1876 wurbeer in ben Senatberufen und
9. März im Kabinett Dufaure abermals mit der Lei:
tung des Minifteriums der Marine und der Kolonien
betraut; 16. Mai 1877 trat er mit dem ganzen Kabi⸗
nett zurüd. Cr jtarb 24. Nov. 1884.
— (ſpr. furibr, franz. fourrier), früher Be:
zeihnung für Quartiermacher (ſ. d.) im deutſchen
Heere; der dazu beftimmte Offizier bieß Fourier⸗
oa bie ———— ourierfhüßen.
ourier (pr. furieh), Charles, franz. Socialift,
pe 7. April 1772 zu ge beuchte eine Zeit
ang das Gollöge feiner Baterftadt, konnte aber
feinem a Triebe nit nah Wunſch
enügen, da ibn fein Bater, ein Tuchhändler zu Bes
ancon, zum Handel bejtimmte. Der Unmut über
einen verfehlten bürgerlihen Beruf legte, wie es
fcheint, mit den Grund zu feinem Kam e ggoen den
wang der geſellſchaftlichen Berbältniffe. Durch die
anzöfifche Revolution um fein väterliches Erbteil
gebracht, befleidete er zu Rouen, dann zu Marfeille
und Lyon untergeordnete Stellen im Handelsfadhe.
F. ftarb 10. Dft. 1837. Über fein ſociales Syſtem,
den Fourierismus, ſ. Socialismus und Pha—
lanftöre. Die Hauptwerke F.s find: «Theorie des
quatre mouvements et des destindes generales»
(anonym, Lyon 1808), «Trait6 de l’association do-
mestique agricole» (2Bde.,Befangon und Bar.1822;
fpäter u.d. T. «Theorie de l’unit& universelle»,
4 Bbe., ebd. 1841 fg.) und «Le nouveau monde in-
dustriel et soci6taire» (ebd, 1829; 2. Aufl. 1845).
Auch redigierte er die Zeitfchrift «Le Phalanstöre»
(1832 — 34), welde dann (1836) unter dem neuen
Titel «La —— erſchien. Nach ſeinem Tode er⸗
ſchienen feine «CKuvres complötes» (6 Bde., Par.
1841—45; neuer Abdrud 1870). — Bal. Vellarin,
F., sa vie et sa thöorie (5. Aufl., Bar. 1872); Bebel,
Charles F. (Stuttg. 1888); Warſchauer, Geſchichte
des Socialismus und Kommunismus im 19. Jahrh.
Abteil.2: F., ſeine Theorie und Schule (Lpz. 1893).
Fourier (ipr. furieb), Jean Baptiſte Joſ. Baron,
franz. Matbematiter, geb. 21. März 1768 zu Aurerre
als Sohn eines Schneiders, war ein Zögling der
dortigen Kriegsſchule und erbielt ſchon in feinem
18. Jahre eine Profeſſur an —— wurde fpä-
ter an der Pariſer Normalſchule, kurz darauf an
59
930
der Polytechniſchen Schule —— und folgte
dem General Bonaparte nach Ägypten. Hier lei—
ftete er wichtige polit. —— und war zugleich
Sekretär des Institut d’Egypte und eifriger Mit:
arbeiter an der «Description de l’Egypte», deren
meifterbafte biftor. Einleitung ihn zum Verfaffer hat.
Nah der Nüdtehr nah Frankreich wurde er 1802
zum Präfelten des gi teens ernannt,
was er bis 1815 blieb, und 1808 zum Baron er:
hoben. In feiner Stellung ala räfelt vollendete
er die lange vergeblich verjuchte Austrodnung der
Moräfte in Bourgoin bei Lyon. Nach der Rüdtebr
Napoleons von Elba erließ 5. einen Aufruf in roya-
liſtiſchem Sinne, wurde aber gleihwohl von Napo:
leon zum —— des Rhoͤne-Departements er:
nannt, jedoch bald wieder —— F. ſchlug nun
feinen Wohnfis in Paris auf, lebte ganz feinen Stu:
dien und wurde nod 1815 von ber Alabemie ber
Wiſſenſchaften, die bereits 1807 feine Preisſchrift
über die Verbreitung der Wärme durch fefte Körper
gefrönt hatte, zum Mitglied, fpäter zum Selretär
en Lebenzzeit ernannt. Er ftarb 16. Mai 1830.
n berübmteftes Wert ift die «Theorie analytique
de la chaleur» (Bar. 1822). Einen verwandten
Gegenftand behandelt das «M&moire sur les tem-
p£ratures du globe terrestre et les espaces plan&-
taires» (Bar. 1827). Nächſt der Wärmelehre beihäf:
tigte ihn die Theorie der Gleihungen in dem Werte
«Analyse des &quations dötermindes», das nad) ſei⸗
nem Tode durch Navier herausgegeben wurde (Par.
1831). Eine Gefamtausgabe feiner Werte erſcheint
unter ber Leitung von a 6* 1888 fg.).
Fourierismus, das focialiftiihe Syitem von
Ch. Fourier (f. d., Socialismus und Pbalanitere).
GET Fourierfchügen, |. Fourier.
our in hand (engl., ſpr. fohr ın En: evier
in Hand»), ein herrſchaftliches Viergeipann, das
vom Bod herab elentt wird.
Fourmies (ipr. furmib), Stadt im Kanton
Trelon, Arrondifiement Avesnes des franz. Depart.
Nord, an einem rechten Zufluß der Sambre und an
den Linien Balenciennes:MaubeugesHirjon und F.⸗
Balenciennes (52 km) der Norbbahn, bat (1901)
18379, ala Gemeinde 14083 E.; Wolltämmerei,
Baummollipinnerei, Garnbleihen, Strumpfmirte:
rei, Glasbütten, Marmorfägen und Holzhandel. 03
ift auch Mittelpuntt einer ausgedehnten Merinomwoll-
—— und durch Dampfſtraßenbahn mit dem
Fabritort Wignehies (4662 E.) verbunden.
Fourmois (pr. furmda), Theodore, belg. Land»
ſchaftsmaler, geb. 14. Dit. 1814 P Presles in Bel
gien, geft. 16. Oft. 1871 in Brüffel, entfaltete fein ber
deutendes Talent ohne eigentliche alademiſche Aus:
Übung. Unter den Landſchaftsmalern der neuern
belg. Schule, welche ihre Motiveaus der Heimatwähl-
ten, nimmt F. einen hervorragenden ib ein, ift aber
in neuerer Zeit unverdient in Vergejienbeit geraten.
Seine Bilder find meiſt Vartien au? den Ardennen,
ferner Anfihten aus dem großen Part in Presles.
ournel (ipr. furnell), Victor, franz. Schrift:
fteller, geb. 8. Sehr. 1829 zu Ebeppy bei Varennes
(ae) geſt. 9. Juli 1894 zu Zefie:la: Made:
ine, hrieb unter dem Namen Bernapdille
litterarifche und humoriſtiſche Feuilletons für den
«Francais», Ein Teil dieſer Feuilletond wurde
u. d. 7. «Esquisses et croquis parisiens» (2 Bde.,
1876—78) veröfientlidt. Außerdem lieferte F. von
oründlihem Wiſſen und folider Methode zeugende
wertvolle Beiträge zur Geſchichte des Theaters und
Fourierismus — Fournier (Auguſt)
der franz. Litteratur: «Du röle des coups de bäton
dans les relations sociales et en particulier dans
l'histoire litteraire» (1858), «Curiositss the4-
trales» (1859; 2. Aufl. 1878), «La littörature inde-
pendante et les &crivains oubli6s, essais de cri-
tique et d’&rudition sur le XVII*® siöcle» (1863;
2. Ausg. 1866), «Les contemporains de Molierer,
eine Sammlung feltener, von 1650 bis 1680 aufge:
führter Stüde, mit biograpbijchen und kritiſchen io:
tizen(3Bde,, Bar. 1863— 76), «Les artistes frangais
contemporains» (1883), «De Malherbe à Bossuet»
(1884), «Petites comedies rares et curieuses du
XVII siöcle» (2 Bde., 1884), «De J. B. Rousseau
AA. Chenier» (1886), «Le thöätre auXVII® siöcle
La come&die» (1892) u.a. Aud gab F. den «Bo-
man comique» von Scarron neu beraus, mit einer
Einleitung über den Roman im 17. Jahrh. (2 Boe.,
1857) und verfab feine Ausgabe von Scarren:
«Virgile travesti» (1858) mit einer «llistoire du
burlesque en France», Andere Arbeiten von F.
find dem alten Baris gewidmet: «Tableau du vieux
Paris, les spectacles populaires et les artistes des
rues» (1863), «Paris nouveau et Paris futur»
(1865; 2. Ausg. 1867, gegen den Seinepräfetten
Haufßmann), «Paris et ses ruines en mai 1871»
(3. Aufl. 1874), «Les rues du vieux Paris» (1878;
2. Aufl. 1881), «Vieux Paris, fötes, jeux et spec-
tacles» (1886). ferner veröffentlichte F.: «Voyages
hors de ma chambre» (1876), «L’anc&tre. Lögende
contemporaine» (1881; neue Aufl. 1888), «Aux
pays du soleil» (1883), «Figures d’hier et d’aujour-
d’hui» (1883), «La confession d’un pre» (1889),
«Maman capitaine» (1889), «Les hommes du 14
juillet» (1890).
Fournet (fpr. furneb), Victor, franz. Geoloa,
geb. 15. Mai 1801 zu Straßburg, bildete ſich an
der Ecole des mines au, wurde Direktor der Berg:
merle im Katzenthal im Unterelfaß, fpäter in Bont:
gibaud (Depart. Buy:de:Döme), endlih Profeſſor
der Mineralogie und Geologie zu von, wo er
8. Jan, 1859 jtarb. Bon feinen Schriften wurden
ind Deutiche überjegt: «Vereinfahung der Lebre
von den Gängen» von H. Müller berg 1846),
«Die Erzgänge und ibre Beziehungen zu den
Gruptiogelteinen» von B. Gotta (Lyz. 1846) und
«Die Metamorphoſe der Gefteine» von Bogelgefang
(Freiberg 1847). Außerdem fchrieb er die «Göologie
lyonnaise» (Lyon 1862).
— in der Tiſchlerei, f Fournieren,
ournier(fpr.furnieb), Auguft,öfterr. Hiftoriker,
geb. 19. Juni 1850 in In, Kublert dafelbft und
wurde 1874 Beamter, 1878 Direktor des Ardivs
im NMinifterium des Innern. Schon 1875 batte er
fih als Privatdocent für dfterr. Gefhichte in Wien
babilitiert, 1879 wurde er zum außerord. Profeſſot
ernannt, 1883 als ord. Profeſſor an die Deutice
Univerfität nad Prag, 1899 an die Tehnifche Hoc:
fhule nah Wien, 1903 an die Univerfität dajelbft
berufen. 1891— 1900 gebörte er dem Reichstat
an, wo er fi der Vereinigten deutſchen Linlen
und fpäter der Deutjchen Fortichrittäpartei anſchloß
1892—19%01 war er auch Mitglied deö böbm. Land:
tags. Bon feinen Schriften find zu nennen: «Abt
Johann von Viltring und fein Liber certarum hi-
storiarum» (Berl. 1875), «Gerhard van Swieten alt
Genfor» (Wien 1877), «Genk und Eobenzl. Geſchicht⸗
ber diterr. Diplomatievon 1801 bi8 1805» (ebv. 1880),
«Hiftor. Studien und Skizzen⸗ (Prag 1885), «Napo-
leon I.» (3 Bde., Prag, Wien und Lpz. 1886-89),
Fournier (Edouard) — Fournieren
—— und Verkehr in Ungarn und Polen um die
itte des 10. Jahrh. (Wien 1887), «Eine amtliche
Handlungsreiſe nad Italien 1754» (ebd. Lese «Der
Kongreß von Ehätillon» (ebd. 1900) ſowie zahlreiche
Aufläpe in Zeitungen und Zeitſchriften.
ournier (jpr. furnieb), Edouard, franz. Schrift«
k er, geb. 15. Juni 1819 in Orleans, lebte als
rivatgelehrter zu Paris und bat ſich bejonderd
als Kenner der Stabtgeihichte und Archäologie von
aris einen Namen gemadt. Er jchrieb: «Paris
&moli, mosaique de ruines» (Par. 1853; 3. Aufl.
1883), «Enigmes des rues de Paris» (1859), « His-
toire du Pont-Neuf» (2 Bde., 1861), «Chroniques
et lögendes des rues de Paris» (1864) und «Paris &
travers les äges» (1876). Bon jeinen Ausgaben
und Schriften zur Litteraturgefchichte find nennens⸗
wert: «L’esprit des autres» (1855; 6. Aufl. 1881),
«L’esprit dans l’histoire» (1857; 4. Aufl. 1882),
«Souvenirspo6tiquesdel’&cole romantique» (1880),
«Thößtre frangais au XVI® et au XVII® siöcle»
(2 Bode., 2. Aufl. 1874) und «Thöätre frangais avant
la Renaissance» (1873; 2. Aufl. 1880). Romanbaft
find die Schriften «Le roman de Moliöre» (1863)
und «La comedie de La Bruyöre» (2 Bde., 1866).
F. jtarb 10. Mai 1880 in Paris.
ournier (fpr. furnieb), Hugues Marie Henri,
franz. Bolititer, geb. 29. Juli 1821 zu Paris, murde
1844 bei dem Archiv des Auswärtigen Amtes ans
geitellt, 1848 Geſandtſchaftsattache in Karlsruhe,
1851 Gefandtfcaftsfetretär zu — — dann
zu Hannover, im Haag, Frankfurt a. M. und Madrid.
1862 wurde er zum bevollmächtigten Miniſter zu
Stodholm ernannt, 1872 ging er in derſelben
Eigenſchaft nah Rom. Wegen eines Beſuchs, den
der Stab des in Eivitavechta vor Anter liegenden
franz. Schiffs DOrenoque dem König Victor Ema—
nuel und dem Papſt 1. Yan. 1873 abjtatten follte,
hatte F. mit dem franz. Gefandten am Heili:
gen Stuhl, Herrn von —3 einen Streit,
ver großes Aufſehen erregte. Der Beſuch fand nicht
ftatt; Bourgoing reichte feine Entlaffung ein, $.
aber blieb, ‚en nad Thiers' Sturz, auf Broglies
dringende Bitte auf feinem Poften, doch wurde er
einige Donate fpäter zur Dispofition geftellt. 1877
—80 war er scher in Ronftantinopel; 1879
—88 war er Mitglied deö Senats, wo er zur Lin»
ten gebörte, Er jtarb 4. Dez. 1898 in Tours,
ournier (fpr. furnieb), Marc Jean Louis, ge
nannt Marc-Fournier, franz. Dramatiker, geb,
1818 zu Genf, wurde 1851 Direltor des Theaters
der Porte St. Martin in Bari und ftarb 5. Jan.
1879 zu St. Mande (Seine). F. ſchrieb die
Dramen: «Les libertins de Gendve» (1848), «Le
—— de Bretagne» (1849), «Les nuits de la
eine» (1852); mit Dennerg: «Paillasse» (1850);
mit Dupleffis: «Les chercheurs d’or du Sacra-
mento» (1850); mit Barridre: «Manon Lescaut»
(1852); mit Decourcelle: «La b&te du bon Dieu»
(1854). Er verfaßte au mehrere Romane, worunter
«Madame de Tencin» (2 Bde., 1847, zufammen mit
Eugene de Mirecourt).
Fonrnier (fpr. furnieb), Pierre Simon, Stems
velichneider und typo de Schriftiteller, geb.
1712 zu Paris, geit. dafelbft 1768, errichtete,
mäbrend fein älterer Bruder die Schriftatekerei von
Guillaume Le Be 1730 erwarb, 1736 zu Paris eine
eigene Schriftgießerei, für die er felbft alle Stempel
id nitt, Die Matrizen ſchlug und juftierte, auch eine
nzabl Inftrumente eigener Erfindung verfertigte.
931
Er veröffentlichte eine « Dissertation sur l’origine
et les progrös de l’art de graver en bois» (Bar.
1758), «De l’origine et des productions de l’im-
primerie primitive en taille de bois» (ebd. 1759),
«Observations sur un ouvrage intitul& Vindiciae
Typographicae» (1760), «Remarques sur un
ouvrage intitul&: Lettre sur l’origine de l’impri-
merie» (1761), «Manuel typographique» (2 Boe.,
1764—66), worin er fein typometrijched Syſtem ent:
midelt, das, von Didot fortgebildet, die Grundlage
des beutigen typometriihen Syſtems ift.
Fourunieren (fpr. fur-, aus dem franz. fournir,
mit etwas Bere ana en elbit jagt man
plaquer), in der Möbe fabritation das Verfahren,
aemwöhnliche Hölzer mit dünnen Blättern von feinen,
teuren Holzarten zu belegen, um ihnen dadurd das
Aussehen zu geben, als ob fie aus den befjern Holz:
arten gefertigt feien. Abgeſehen von der größern
Wohlfeilheit und Leichtigkeit, erreiht man fo den
Vorteil, daß man diejen Arbeiten durch entfprechende
Anordnung der Fourniere ein gefälligeres Ausſehen
als den maffiv bergeitellten geben kann, weil größere
Holzjtüde felten eine gleihförmige Zeichnung haben.
Die Bohlen der edlen, gemaferten Hölzer werben
entiweder aus freier Hanb mit der Säge ober auf
Maſchinen (f. Fournierfäge und Fournierfchneides
majcine) in dünne Blätter (yourniere, Four:
nüre, franz. plaques) jerfchnitten, welche auf die von
weicherm Holz gefertigten Gegenjtände aufgeleimt
werden. Das F. ernährt nebenbei den Borteil, 2.
die Gegenftände Ei weniger leicht werfen, wes ha
fournierte Möbel ſtets dauerhafter ala maffive von
derjelben Holzart find. Zur — der Sitze
w Seflel, namentlich bei den gebogenen Stühlen,
at man in den legten Jahren vielfach drei kreuz⸗
weije übereinander —— Fourniere verwendet,
wodurch eine ſehr ſolide und haltbare Sißplatte ge⸗
ſchaffen werden konnte.
[8 Hauptgrundſaß beim F. gilt, die einzelnen
Blätter derart nebeneinander anzuordnen, daß die
Adern und Flammen derjelben eine gejhmadvolle,
—— und womoͤglich ſich wiederholende
eichnung bilden. Die beiden letztern Eigenſchaf—⸗
ten erfordern das Vorhandenſein mehrerer mög:
lichſt gleich ——— lätter, wie ſie je zu zweien
dur den Schnitt der Fournierſchneidemaſchine er:
halten werben. Die erforberlihe Symmetrie fann
auf mehrfache Art erreicht werben. Dvale, runde
oder polygonale Flächen werden fternförmig, auf
Spitze (en caur, en rosace) fourntert, indem man
die Blätter keilförmig zuſchneidet und die Fugen
im Mittelpunkt der Fläche zufammenführt.
ur —— des Grundkörpers (Blind—
holz) iſt ſolches Hola am beiten geeignet, welches ſich
* erfolgter Trodnung möglichſt wenig verzieht,
alſo Linden», Bappel:, Tannenholz u. ſ. we das vor:
züglichite ift jedoch eh chlichtes Eichenholz,
welches neben ſeiner Feſtigleit die ſchätzbare —*
ſchaft beſiht, den Leim Veh gut anzunehmen. Um
die Bindung zu unterjtügen, wird die Oberfläche
des Blindholzes aufgeraubt.
Das F. ebener Flächen erfolgt durch Auflegen
der Blätter auf das mit heißem Leim beftrichene
Blindholz und nahberiges Preſſen. Man legt zu
biefem Zwed über das Fournierblatt ein angewärms
tes tannenes Brett (die Zulage) und preßt ed mit:
tels Schraubzmwingen feit. Bei beffern Arbeiten er
| joint zuweilen eine doppelte Belegung, modurd dem
iſſigwerden befonders wirkſam vorgebeugt wird;
59*
932 Fourniermaſchine
man belegt hierbei zuerſt mit einem Eichenholzfour⸗
nier und, nachdem dasſelbe angetrodnet iſt, mit
dem wertvollern Außenfournier. An finale Flächen
piie t man die Fourniere nicht durch Einprefien zu
efeitigen, fondern man reibt den Fournierftreifen
mittelö des angewärmten
das mit Leim beftrichene Blindholz, bis er feſthaftet.
Das F. der Kanten muß derart gefcheben, daß
feine Fuge bemerkt werben kann. Hierbei wird das
—— groß genug ausgeſchnitten, um für
eide aneinander ftoßende Flächen auszureichen.
Dann beflebt man es auf der Außenfeite mit einem
ſtarken Bapierbogen und befeftigt e8 dur Leimen
und Anprefien zuerft auf der einen Fläche. Nah
dem Trodnen ſchneidet man in die gegen das Blind:
bolz gekehrte Seite des Fourniers an der Stelle,
mo dasſelbe die zu belegenve Kante überragt, mit
der fog. Kippfäge ober dem Re eine faſt bis an
das Bapier dringende Furche, beitreicht die Fläche des
Blindholzes mit Leim und befeftiat das Fournier,
nachdem man es um die Rantegelippt hat, auch auf der
zweiten Fläche. Beim Belegen geſchweifter und krum⸗
mer Flächen muß man bie Fourniere, um fie bieg⸗
jamer zu maden, zuvor durch Hobeln verbünnen,
Die größte Aufmerkfamteit erfordert das F.
runder Stüde, Säulen, Walzen u. ſ. w. Die
Blätter müflen hierzu gleihfalld verbünnt werben,
Man fchneidet fie dann etwas größer zu, als der zu
belegende Umfang erfordert, und bält fie mit der
a über ein Feuer von Hobelfpänen, wodurch
—— on eine ſchwache Krummung annehmen. Das
nprefien an das mit Leim beitrihene Blinvholz
tanrı entweber mitteld pafiend ausgeböhlter Zu:
lagen geiheben, ober durch |piralförmiges Ummin:
den mit einem ftraff angezogenen Leinenband; für
legten galbenuptmandie Fourn iermaſchine, in
elcher das zu belegende Blin iſchen einer ver⸗
welcher das zu belegende Blindholz zwiſchen
ſtellbaren Dornſpitze Hl e und einem gleichfalls
ournierbammers auf
veritellbaren Spigenfutter eingejpannt wird und,
nachdem das in ber Wärme vorgebogene Fournier
auf das Blinpholz gebracht ift, ein infolge der Dres
bung einer Walze ſich von derfelben abwidelnder
Leinengurt über das Fournier gewunden wird.
Das F. erfolgt zuweilen mit im voraus zufammen:
gefügten Blättern (Fournierblättern), die auf
—— — erzeugt werden.
Aus verſchiedenfarbigen Fournier⸗
blãttern werden Stüde von mannigfal⸗
tiger Geſtalt ausgeſchnitten, was mit
dem Schnitzer, mit einer ſcharfen Reiß⸗ —
able, mit dem Stemmeiſen, mit einer /<”]
— Fournierfäge
werben in einer der foeben beichriebenen Manier
ähnlihen Weife bergeitellt. Es werben nämlid
quabratifche, dreiedige ober rautenförmige, belie
big lange Stäbe aus verf&hiedenfarbigen Hölzern
derart burdh Hobeln bergeftellt, daß die Faſerrichtung
quer zur Länge ber Stäbe liegt. Die Stäbe werben
entiprehend dem Mufter zu einem Klotz aneinander
geleimt und diefer wird erfolgter Austrodnung
durch quer zur Länge, aljo in der Richtung ber
galern, geführte Schnitte in Blättervon 2bi3 3 mm
ide zerfägt. Dieſes a bat bei Maſſen⸗
erzeugung den Vorzug der Wohlfeilbeit, bietet aber
wenig reibeit in der Zufammenitellung der
nung. Trodne, ungeſchälte Birkenreijer, auf die
— Weiſe zu einem Kloß aneinander geleimt, 100:
ei man bie Zwiſchenräume durd den mit feinen
Sägeſpänen vermengten Leim ausfüllt,
glei alla bübjche Mofailfourniere, die indes den
belitand haben, daß fie bei nadhträglicher Blatt:
bobelung leiht ausbrödeln, weil die Faſern quer
nu ihrer Yängenrichtung zerfhnitten wurden. Künit:
icher und ſchwieriger iſt das nachſtehend befchriebene
Berfahren: Auf ein Fournier wird ein ier
geflebt und auf biefem das Mufter, aus in fich jelbtt
zurüdfebrenden Linien und Konturen beſtehend, vor
gezeichnet. Unter diefes Fournier wird ein zweites
von anders gefärbtem Holz gelegt, worauf mar
beide Blätter zugleich mit der Laubjäge aus freier
Hand oder mitteld einer —— nach den
Umriſſen der N ausfhneibet. Die aus dem
untern Fournier fallenden Stüddhen werben in die
Durhbrehungen des obern eingelegt und umge
lehrt, fo daß man zwei braudbare, —
Exemplare und, außer den Sä — feinen
fall erhält. Die nur höchſt r ten angemwenbeten
Stein: oder Maffenfourniere werben mit einem
Teig aus Kreide, gebranntem Kalt und Leimmafler
erzeugt, welchen man mit Mineralfarben färbt; bie
Steinfourniere müflen vor der Anwendung mit
Wafler ermeicht werben.
ourniermafchine, |. Fournieren.
onrnierfäge, eine zum Schneiden der Four:
niere dienende Säge, melde als Bertilal-, ——
tal: wie auch ala Kreisfäge (f. Sägemaſchinen)
ftruiert fein fann. Sehr gebräuchlich ift beſonders
Heinen Säge, mit dem Schneidmodel || NE | mr
oder, bei re Stüden, mit (LT —
einem Stangenzirtel, der eine zuge “NL —
einem mit Leim beitrihenen Papiers m
ufter zuſammen⸗
ſchärfte Spike m Se ride und auf
bogen zu einem
etelt: oder man vereinigt mebrere
[ümalc&pucnierftreifen mit ihrer
reitern Fläche zu einem Stab, ven
man mitteld quer zu den Stoßfugen
geführter ———e— in mehrere
der Länge nach — Fournier⸗
bänber zerteilt. Werden Fournier⸗
blättchen zu einer Säule zuſammen—
gefügt und wird dieſe dann durch Längenſchnitte zer⸗
teilt, fo erhält man quer geſtreifte $ournierbänder,
Die unter dem Namen Holzmoſaik vorkom—
menden größern gemufterten Journierungen
die horizontale F. (f. voritebende Figur); bie
jelbe ift eine Halbgatterjäge, welche geftattet, Hölzer
von 4 m Pänge und 700 mm Breite zu gerjchneiden,
und bauptjädlich hei wertvollen döllern für die
—
Yournierjchneidemafchine — Fovea centralis
Möbel: und Pianofortefabritation verwendet wird.
ei genau arbeitenden %. muß das Sägeblatt
außerordentlih dünn und fehr ſtark gefpannt fein.
Als F. verwendete Kreisfägen arbeiten weniger
— und dlonomijd, da bier das Blatt der Star
ilität wegen bebeutend ftärfer fein muß als bei
orizontal- und Bertilalfägen; daher werben bie
ournierkreisfägen immer mehr durch die Vertilal⸗
gen und befonder# durd die Fournierſchneide⸗
maſchine (. d.) verbrängt.
Fournierfchneidemafchine, eine Maſchine
zum Schneiden der Fourniere ald Erfah der yours
nierfäge (f.d.). Beiden erſten op ngen Bert.
verfuchte man die Fourniere mit ern von trod»
nen Holzblöden abzutrennen. Da man jedoch bier:
bei fein ufammenbängended Blatt erbielt, wurden
vie N neidenden Hölzer vorher gedämpft. Dies
geiie t in der MWeife, dab man den Holzblod
einem — loſſenen und gegen Abtühlung ge
f&büsten ih ften längere Be der Einwirkung
von Wafjerdämpfen auöfcht: derjelbe muß alsdann,
ehe er wieder trodnet, verarbeitet werden. Auf den
mit Mefjerfhnitt arbeitenden F. laſſen ſich ohne
Holzverluft viel dunnere Blätter beritellen als auf
den Sägen; aud haben die Blätter eine viel glattere
Dberflähe und laſſen fi daher jchneller politurs
fähig machen. Man kann die F. in zwei Gruppen
teilen. Bu der eriten gehören die Maſchinen, bei
welchen von einem rotierenden Holzcylinder oder
einem mit Holzjtüden belegten Eylinder durd ein
langjam rabial vorfchreitendes Meſſer das Blatt in
Form einer Spirale abgelöft wird. Der KRonftrufteur
biejer — iſt F. Garand in Paris. In ganz
ähnlicher Weiſe arbeitet neuerdings eine Fournier⸗
ſchälmaſchine, welche außergewöhnlich dünne Four:
niere berftellt. (S. Schälfourniere, Bd. 17.) Die
weite Gruppe wird von den Maſchinen gebildet,
ei melden ein feſtes Mefler die Fourniere vom
Blod abtrennt, während derfelbe unter bem ze
Binmweogeht, oder umgelebrt das Blatt vom feften
lod dur ein über dasjelbe hingehendes Meſſer
eibnitten wird. Solde Maſchinen find in ihrer
irkung den Hanbhobeln ganz ähnlich.
—
Die F. von Arbey (f. —— igur) ge
hört der zweiten Gruppe an. Das Geftell beiteht
aus zwei Schildern, die durch Duerftüde zu einem
Ganzen vereinigt find. Bei diefer Maſchine ftebt
die Schneide des Mefjerd normal zu der Bewegungs:
rihtung des Schlittens; die ———— am Ende
ves Hubs erfolgt ſelbſtthätig. Die Maſchine ſchneidet
in der Minute 10—15 Blätter bis 3 m breit in einer
Dide von *, bi8 2 mm. Nach dem Princip der Ar
beyihen Maſchine baut die Firma H. Zipperling
in Hamburg %., melde vielfahe Berbefjerungen
— ——— j. Fournieren. [eigen.
ourniture (frz., |pr. furnitühr), Bedarf, Zu:
bebör; Garderobegeld des Bühnen:, namentlid
933
Ballettperfonals; in der Küchenſprache die Salat:
fräuter, mie Rerbel, Schnittlaud u. f. w., die man
namentlih in Frankreich ald Zuthat zu Hopf oder
Enbivienfalat benust.
ournüre, |. Fournieren.
onurquette (fr3., Zurlett), Gabel zum Aus:
legen der Hatenbüchjen und Musteten; fie beitand
aus einem hölzernen Stabe, meldyer am obern Ende
mit einer eifernen Gabel zum Einlegen der euer:
waffe (zur fihern Abgabe des Schufjed), am un:
tern zum Feititeden in den Boden mit einer etwa
10cm langen eiſernen Spike verfebenwar. Während
des Auflegensd wurde die Gabel mit der linten Hand
ebalten, auf dem Marfche auf ver linken Schulter
o getragen, daß man mit FR die auf der redhten
Schulter getragene Feuerwaffe unterftüren fonnte.
Fourrure (frz., ſpr. — Pelzwerl, Belj:
mantel; Schiffsfütterung; in der Heraldik: Hermelin⸗
mantel, [nung, f. Vierte Partei.
Fourth Party ({pr. ira engl. Barteibezeich
—— (fpr. furtuh), Oscar Barby de, franz.
2 ititer, geb. 3. Jan. 1836 zu Riberac (Depart.
ordogne), ftudierte zu Poitiers die Rechte und
wurde jpäter Maire in Riberac. Er war in ber
Nationalverfammlung von 1871 Mitglied des rech⸗
ten Centrums und trat 8, Dez. 1872 ald Minifter
der dffentlihen Arbeiten in das Kabinett Thiers,
übernahm 18, Mai 1873 das Minifterium des
Kultus, gab aber ſchon 24. Mai feine Entlaffung.
Unter Mac-Mabon wurde er 26. Nov. 1873 Kultus:
und Unterrichtsminiſter. Als folder erließ er auf
die Beſchwerde Bismards über die Berleumdbungen
der franz. Bifhöfe 26. Dez. ein Rundfchreiben an
diefe, worin er ihnen zwar gemäßigtere Formen
anempfahl, ihre Anfhauungen aber ausprüdlic
billigte. Mit dem ganzen Minifterium Broglie
nabm er 16. Mai 1874 feine Entlaffung, trat aber
22, Mai ald Minifter des Innern in das Kabinett
de Eifjey ein, doch murbe er wegen Begünitigung
der Bonapartiften im Minifterrat fo be tig ange:
oriffen, daß er bereit3 19. Juli feine Entlaſſung
nabm. Bei den Neuwahlen von 1876 in die Der
putiertenlammer gewählt * er hier zu den
eifrigiten llerilalen Realtionären.
ac⸗Mahon ernannte ihn 16. Mai
/ — 1877 abermals zum Miniſter des In⸗
nern, in welcher Stellung er nun rüd:
\ Bachs gegen bie republilaniſcht
VPartei vorging; viele Beamte wur:
den abgeſeßt, die Rolportage libe:
taler Schriften wurde verboten, eine
Menge Klagen Be. vebnecpehen
erhoben u. ? w. Als aber die Regie:
— ra} bei den Deputiertenwablen
14. D1
t. unterlag, gab %. mit dem
anzen Minifterium 20. Nov, feine aflung.
eine Wahl zum Deputierten 14. Dit. 1877 wurde
von der Kammer 18. Nov. 1878 kaſſiert; 2. Febr.
1879 wurde 3. jedoch in Riberac wiedergewählt.
Später trat er vom polit. Schauplaß zurüd, bis ihn
1889 die Wahlen wieder in die Kammer bradıten;
1893 erhielt er fein neues Mandat. Er ftarb 7. Dez.
1897 in Parts, [Dſchalon.
outa⸗Diallon, afril. Gebirgsland, ſ. Futa⸗
* —— iſpr —28 Gewebe aus
aſt (f. d.).
ou-tfcheon-fu, Stadt in China, ſ. Fu⸗tſchou.
ovda oenträlis, die Mitte des Gelben Fleds
in der Netzhaut des Auges (f. d.).
934
Foveaur⸗ Strafe (fpr. fowoh), Sund zwiſchen
der Stewartinfel (Raliura) im ©. und der Süpinfel
Neufeelands im R.; fie ift 16—40 km breit und mit
Klippen befät. Am djtl. Eingange die Inſel Ruapule.
ovieren (lat.), warm halten, bäben; aud
begen und pflegen.
oville (ipr. -wil), Alfred de, franz. Statiftiter,
geb. 26. Dez. 1842 zu Baris, ift Profeſſor der Volls⸗
wirtſchaftslehre und Statiftit am Conservatoire
national des arts et metiers, fowie eafeiiet an
der Ecole des sciences politiques und Borfteber
des Bureaus für Statijtil und vergleichende Geſetz⸗
gebung im Finanzminifterium. ſchrieb: «M6-
moire sur les variations des prix au XIX® siöcle»
(Bar. 1872; preisgetrönt), «La transformation des
moyens de transport et ses consequences &cono-
miques et sociales» (ebd. 1880), «L’administration
de l’agriculture au contröle general des finances
sous Louis XVI» (mit Pigeonneau, ebd. 1882),
«Le morcellement, &tudes &conomiques et statis-
tiques sur la propriöt& foncidre» (ebd. 1885), «La
France &conomique» (2 Jahrgänge, ebd. 1887 u.
1889), zwei «Atlas de statistique financiere» (1881
u. 1889), «Le prix du bl& et l’influence des droits
de douane» (1891), «La richesse en France et &
l’&tranger» (1893), «L’industrie des transports
dans le passe et dans le present» (1893). F. leitet
auch feit 1877 das «Bulletin de statistique et de 16-
gislation compar&en»,
Fowey (ipr. füi), Stadt an der Südküſte ber
engl. Grafſchaft Cornwall, 18 km im SSO. von
Bodmin, am fteilfelfigen Ufer des Aſtuars des gleich:
namigen, 20 km aufwärts ſchiffbaren Fluſſes,
mit bedeutender Sarbinenfiicherei, hat ald Zähl:
bezirt (1901) 7691 E. und drei Forts an der Reede.
— F. mar im 14. Sabrh- eine wichtige Seeftabt; bei
der Belagerung von Calais durch die Engländer
1347 rüftete fie für Eduards III. Flotte 47 Fahr:
zeuge aus. Die Franzoſen brannten fie 1457 nieder.
owler (ipr. gun), Eir Henry Hartley, engl.
Staatömann, j. Bd. 17.
Fowler (jpr. fauler), Sir John, engl. Ingenieur,
eb. 1817 in Sheffield, war Chefaſſiſtent beim Bau der
fenbabnlinie London-Brighton, dann Betriebs:
direftor der Stodton- und —— ‚1843
Chefingenieur des Bahnlompleres Mancheſter⸗Shef⸗
field-Lincolnfhire, Eine feiner bedeutenditen Leiſtun⸗
gen ift der Bau der 1853 begonnenen unterirdiſchen
— in London, für welche er nach feinem
Entwurfe eine eigentümlihe Lolomotive baute,
Außerdem —*— er fi mit der Konſtrultion
von Docks (z.B. Millwallvods) ſowie mit dem Bau
von Straßenlotomotiven eigenen Syſtems. Auch
ift ihm die Einführung des Drabtfeild ald Trans:
miffion in die S —— zu danken. 1866
wurde er zum Präſidenten der Institution of Civil
Engineers erwählt, in welcher Eigenſchaft er ſich
der Frage einer bejjern Vorbildung der engl. In—
enieure widmete. 1870 war F. Mitglied einer
ommiffion zur Abgabe eines Gutachtens über den
Bau von Eijenbahnen in Norwegen. Später be:
Hleivete er bis 1880 die Stelle eines Chefingenieurs
der —— in Agypten. Zuletzt war er zugleich
mit Baler ala leitender Ingenteur bei dem Bau der
——— (f. d.) beihäftigt und wurde nach deren
ollendung zum Baronet ernannt. Er ftarb 19. Nov.
1898 in Bournemoutb. — Bol. Maday, The life
of Sir John F. (Pond. 1900).
Fowlerſche Löfung, ſ. Fowlerſche Tropfen.
Foveaux⸗Straße — For (Charles James)
Fowlerſcher Sprengitoff (pr. fauler-), zu den
Dynamiten (j. d.) und fpeciell zu den Nobeliten ge:
pr ‚ beitebt aus 20 Teilen Nitroglycerin, 5 Tei⸗
en Holzkohle, 56 Teilen —— Ammonium
und 19 Teilen ſchwefelſaurem Natrium.
Fowlerſche Tropfen, ——— Löſung
(Liquor Kalii arsenicosi, Solutio arsenicalis Fov-
leri), ein nad dem engl. Arzt Thomas Fowler
fpr. fauler; geb. 22. Jan. 1736 zu York, geit. da:
elbjt 22. Juli 1801) benanntes Heilmittel, eine Hare,
arbloſe Fluſſigleit, im — eine Loſung von
arjenigjaurem Ralium. Zur Darjtellung derſelben
nad) dem Arzneibud für dad Deutſche Reich werden
1 Zeil arjenige Säure, 1 Teil Kaliumcarbonat und
2 Teile Waller zum Sieden erbigt, bis alles gelöit
ift, darauf werden 40 Teile Waller zugefügt, nad
dem Erfalten werden 10 Teile Weingeift und 5 Teile
Lavendelſpiritus zugeſetzt und das Ganze mit Wafler
o weit verdünnt, bis jein Gewicht 100 Teile beträgt.
an bedient fh der 5. T. innerlih und ſubkutan
mit Grfolg gegen chroniſche Hautlrankbeiten, Blut:
armut, Abmagerung, chroniſches Wechielfieber,
Veitstanz, Neuralgien und andere Nervenleiden.
Bei —— f. Algonkin.
og, Charles James, brit. Staatsmann, geb.
24. Yan. 1749 in London als dritter Sohn ven
Henry F., ſpäterm eriten Lord Holland; feine
Mutter, die Tochter des Ban Herzogs von
Rihmond, war eine Urentelin Karla IL 5. er
ielt die fchlechteite Erziehung; allen Launen und
eigungen, Leidenſchaften und Ausihmweifungen
des glänzend beanlagten Jünglings ließ fein Bater
freien Lauf, Be Charalterentwicklung aus
das tieffte ing wurde. Er wurde berange
bildet in Eton und Orford. Schon mit 20 Jabren
trat er ins Unterhaus, bewies dort jofort außer
ordentliches repnerifches Talent und wurde für feine
tegierungsfreundlihe Haltung von North mit der
Stelle eines Apdmiralitätslords belohnt und 1772
zum Schaplord erhoben. Aberjeine Haltung erregte
das Mikfallen des Königs und führte 1774 feine
Entlafjung berbei. Fortan jaß er in den Reiben
der Oppofition. Sein Leiter wurde Edmund Burte,
der ihn in feine Ideen von Verwaltungs-, Breks,
Feen und Stlavenbefreiung einfübrte.
uf das entſchiedenſte opponierte F. gegen die Be
drüdung der amerif. Kolonien, die endlich zu ibrer
Losreißung von England führte, verteidigte das
Selbftbefteuerungsredht der Kolonien und empfabl
aufs dringendfte einen fchnellen Frieden. Nach
Norths Sturz (19. März 1782) trat er in das Mir
nifterium Rodingbam als Staatäjelretär; aber in
feiner furzen Verwaltungszeit blieb die Parlaments⸗
reform ein Berfuch; zur Durdfübrung fam nur die
dem iriſchen Parlament verliebene Selbſtändigleit
Bei Rodingbams Tod (1. Juli 1782) vertrieb ibn ein
Befehl des Königs, der ihm im höchſten Grade ab:
geneigt war,ausdem Amte. In der Oppofition gegen
den neuen Führer Shelburne that 5. den viel getadel-
ten Schritt, feine Partei der äußerften Whigs mit
den äußerften Toried unter North zu vereinen. Ihre
Roalition jtürzte Shelburne 2, April 1783, und 5.
erhielt im neuen Minifterium unter dem Herzog von
Portland die Leitung der auswärtigen Ange un :
heiten, bis GeorgllIl. eine oftind. Berwaltungsbill?.',
die die Herrichaft über Indien ganz in die Hände der
berrihenden Miniſter gelegt rin zu Falle bradte
und darauf geftügt dad Minifterium Dez. 1783 ent:
ließ. Gegen den vom König berufenen jungen Pitt
Tor (George) — Foyer
eröffnete nun F. einen ununterbrocdhenen Kampf,
aber weniger um polit. Grundjäge ald um perjön-
liche Madt. Br unbedachte Leidenichaftlichleit ließ
jedoch feine Wbigpartei ganz zufammenjhmelzen,
und erjt die vorübergehende Geiſteslranlheit des
Königs 1788 gab ihm die Hoffnung, mit Hilfe des
ibm eng befreundeten Bringen von Wales (ſpätern
Georg IV.) ans Ruder zu kommen; der Widerjtand
Pitts und die Genefung Georgs 1789 traten jeen
im Beginn ſchon bindernd dazwiſchen. Als die
Srangöfiiche Revolution ausbrah, gehörte F zu
ihren begeiſterten Verherrlichern, und weil Burle
ſich als einer ihrer heftigſten Gegner von ihr ab⸗
manbdte, fam es zum dauernden Bruch zwifchen den
alten Freunden. Wieder ftand die öffentliche Mei:
nung gegen F., und er mußte einen Teil feiner
Mbigs, die fog. «Alten Whigs», ind gegnerische
Lager übergeben feben, kämpfte edoch egen den
——* Krieg fort, bis er 1798 für einige
abre jein fruchtlojes Mühen aufgab, um auf feis
nem Landgut litterar. Arbeiten zu leben. Als Pitt
1804 fein zweite Minifterium antrat und F.' Ta:
lent dafür gewinnen wollte, wies ihn wieder der
Eigenfinn Georgs ab, der, von der polit. Abnei-
gung abgejeben, in F. den Verführer und Genofjen
des liederlichen Prinzen von Wales haßte. Als aber
Pitt im Jan. 1806 den Anftrengungen jeines Amtes
erlegen war, zwang die Not der Zeit den König, 3.
als Staatsjelretär des Auswärtigen im Kabinett
Grenville zu dulden. Kaum mwar er jedoch nad
22jähriger DOppofition als einzig würdiger Nach:
folger eins großen Gegners ind Amt gerufen,
um defien Polttit auszuführen und zu vollenden,
da rief ihn ein tragiſches Geſchicd aus dem Leben
ab. Durch Ausſchweifungen vor der Zeit aufgerie-
ben, ftarb er 18, Sept. 1806 und wurde in der Weit:
minfterabtei beftattet. Er ſchrieb: «History of the
early part of the reign of James II.» (Lond. 1808;
deutih Hamb, 1810), eine wotgeift ch gefärbte Ver:
berrlihung der Nevolution. Als Redner ftand er
unübertroffen da, wie feine «Speeches in the House
of Commons» (6 Bde., Lond. 1815) bemeiien. —
Val. Ruſſell, Memorials and correspondence of F.
(4 Bde., Zond. 1853—57); derf., Life and times of
F. (3 Bde., ebd. 185966); Althaus, Charles J. F.
(im «Neuen Plutarch», Bd. 3, Lpz. 1876); Noorden,
Hiftor. Borträge(bg.von Maurenbrecher, ebd. 1884),
und die Biographie von Wateman (Lond. 1890) (©.
aud die Fitteratur zu Georg III.)
og, George, Stifter der Selte der Quäter (f. d.),
eb. im Yuli 1624 in Drapton in der engl. Graf:
(def Leicefter, Sohn eines presbyterianiichen
ebers, wurde Lehrling eines Schubmaders und
MWollhändlers zu Nottingham. Mit 19 Jahren zog
er fih von der Welt Fe und trat einige Jabre
ſpäter bejonder& in Wales und Leicefter als Pre
diger auf, alles Gewicht auf das —— in der
Religion legend, dagegen alles Außere, Schrift,
Predigtamt, Sakrament u, ſ. w. als wertlos bezeich⸗
nend. %. fand viele Anhänger, die dann die Ge:
meinichaft der Quäfer bildeten. Er jtarb 13. Yan,
1691. Die beite, obwohl nicht vollitändige Aus:
gabe feiner Werke erſchien zu Pbilavelpbia (8 Bde.,
1831). — Bol. 3. Rt: A Journal, or
historical account of the life of George F. (Ton,
1694; im Auszug ba. von Newman: « Autobio-
graphy of George F.», 1886), fowie die Biographien
von Marib (ebd. 1847) und Bidley (ebd. 1884).
Fox, Henrv Edward, f. Holland, Lord.
935
ogfanal, Meeresſtraße im arktifhen Amerika
(j. Rarte: Britifh:NordamerilaundAlasta),
me der Inſel Southampton, der Melvillehalbs
fel und ——— Na . führt die
und Hellaftraße in den Boothiagolf; im . die
Hudfonftraße in den Atlantifhen Dcean.
Kanal wurde 1615 von Baffins Gefährten Bylot
entdedt und 1631 von Luke For wieder ——
Forxterrier, zu den Erdhunden gehörige Raſſe
der Jagdhunde, ſ. Hunde A, 10.
Foy (ſpr. föa), Marimilien Sebajtien, Graf,
franz. General und Staatömann, geb. 3. % r.1775
u Ham (Depart. Somme), beſuchte die Artillerie
* u La Fere, nahm, feit 1793 Kapitän, an den
Ken der Nordarmee, 1795—97 ber Rhein: und
Mofelarmee teil. 1799 war %. als Stabsoffizier
unter Mafjena in der Schweiz, nahm als Oberſt am
Belbzuge von 1805 geoen Oſterreich teil und wurde
1806 der Artillerie des in Friaul ftehenden
Korps. 1807 fandte Napoleon F. nad Konitantis
nopel, um die Verteidigung der Darbanellen zuleiten,
dann zur Armee in Borhu al und vertraute ihm
wiederholt ven Befebl über jelbitänpig operierende
Korps an. 1812 fämpfte F. mit Auszeichnung bei
Salamanca und übernahm dort nah Marmonts
Verwundung den Oberbefehl, belagerte 1813 Caſtro
Urdiales, zerjtreute die Guerrillas in Biscaya, ſam⸗
melte nad der Schlacht von PBittoria ein 20000
Dann jtartes Heer, mit dem er mebrere glüdliche
Gefechte lieferte, ſchließlich jedoch über die Bidaſſoa
zurüdgeben mußte. Ludwig XVIIL ernannte ihn
um Öeneralinjpecteur und zum Grafen; trotzdem
je er ſich Napoleon wieder an und befehligte
ei Waterloo 1815 eine Infanteriediviſion. Seit
1819 Mitglied der Kammer, wurde er durch feinen
Iharfen Verſtand und feine bedeutende Redner
abe bald ein gefürchtetes Mitglied der Dppofition.
N erwarb daneben hoben Rus ala Militärfchrift-
teller, insbefondere durch die «Histoire de la guerre
de la Peninsule» (4 Bde., Par. 1827; deutſch
2pj. 1827), die jedoch nur bis zum Einfall Junots
in Bortuga reiht, da der Verfajler durch feinen
28.Nov. 1825 zu Paris erfolgten Tod an der Volls
— verhindert wurde. Den «Discours du g&-
neral F.» (2 Bde., Par. 1826) ift eine Biographie
5.3 von Tiſſot beigegeben. Ein Standbild 3.8
wurde 20. Juli 1879 in Ham enthüllt, — Val. Girod
de l'Ain, Vie militaire du général F. (Bar. 1900),
Foyatier ee) enis, franz. Bildhauer,
geb. 1793 in Buſſieres (Depart. Loire), war Schüler
der Ecole des beaux-arts in Paris. Die Figur eines
Fauns erwarb ihm 1819 die goldene Medaille und bes
ründete feinen Ruf. Seitdem war der Künftler mit
ufträgen für — Gebäude beſchäftigt, wos
bei er fjomohl auf dem Gebiete ded Denkmals und
Porträts, als im religidfen und mytbolog. Gegen:
ftande Tüchtiges leiftete. Zu feinen beiten Arbeiten
* der große Relieffries am Triumphbogen de
Etoile in Paris, die Bronzeſtatue Jacquards in
Lyon (1840), Aſtydamas und Lucilia, die 4m hobe
Figur des heil. Markus in der Kathedrale zu Arras,
die Belle Cordiere (Louiſe Labe) für yon, die
Buſten mebrerer ital. Maler für das Musee royal,
die Skulpturen für die Ste. Madeleinelirche in Ba:
ris und die bronzene Reiterjtatue der Jungfrau von
Drleang für Drleang (1855). F. jtarb 18. Nov. 1863.
oyer (ir3., pr. föäjeb; vom lat. focus, Herd), der
meiſt mit Malereien u. dol. prächtig aus Bun
Saal oder Gang neben dem eigentlihen Theater:
936
oder —— „auch neben dem Sitzungsſaal
einer parlamentariſchen Körperſchaft, der in den
— ag zum Promenieren und zur Unters
altung der Bejucher beftimmt ift und gewöhnlich
mit einem Büffet in Verbindung fteht. Berühmt
ift der 54 m lange, mit Gemälden von Baudry
ausgeſchmückte große F. im Dpernhaufe zu Paris,
Neuere Theater, namentlich folde für —
gen leichterer Art, haben ſtatt des F. einen Wandel:
gang (Promenoir).
Fobers (ipr. feu-), Bach in der ſchott. Grafichaft
Inverneß, bildet etwa 1,7 km oberhalb feiner Mun⸗
dung in den Loch Neb (f. d.) 60m hohe Wafjerfälle
(Fall of F.), wohl die ſchönſten Großbritanniens,
oyle (Ipr. feul), Fluß in der irifchen Provinz
Uliter, ir unterhalb Strabane durch den Zus
fammenfluß von Finn und Mourne, fließt 26 km
egen . und ndet unterhalb Londonderry,
bis wohin Schiffe von 600 Regiſtertons gelangen,
in das Aſtuar Lough⸗Foyle, das fich 24 km lang
und bis 16 km breit zwiſchen Donegal (W.) und
Londonderry (D.) erftredt (j. Karte: Irland)
F:PBiccölo, Blasinftrument, |. Flöte.
Fr., Abkürzung für die franz. ig; — (. d.).
Fr., bei botan. Bezeichnungen Ablurzung für
Elias Fries (ſ. d.); bei zoolog. Namen Abkürzung
für Joh. Leonhard Friſch (ſ. d.).
fr., Ablürzung für Franco (f. d.).
Fra (ital, hi von frate), Bruder, nur
vor den Namen von Mönchen, [fole Tu.
a |... (fpr. andſche⸗), Maler, . ie:
aas, Karl Nit., Botaniker und Landwirt, geb.
8. Sept. 1810 zu Rattelödorf bei Bamberg, ging
1835 als Hofgarteninfpettor nad Athen, wo er 1836
aud die Profefur der Botanik an ber Univerfität
erbielt. 1842 wurde er Lehrer an der Landwirt⸗
chafts⸗ und Gewerbeichule zu Freifing, dann Sn:
peltor an ber Gentralwirt Saftefhule zu Schleiß⸗
eim, 1847 Profefior der Landmwirtihaft in Mun—
hen und erhielt 1851 die Direltion der Central:
tierarzneifchule dafelbft übertragen. F. war lang:
jähriger Schriftführer des Landwirtſchaftlichen Ver:
eins für Bayern, aus bem er indes 1864 wegen
polit. Differenzen austreten mußte. Später jog er
fih auf fein Gut Neufreimann bei Münden zurüd.
Dajelbit ftarb er 9. Nov. 1875. Seine erften Ar:
beiten gehören der Botanik an, wie die neugried.
«Zroryela is Boravıxfic» (Athen 1837) und bie
Schriften «Synopsis plantarum florae classicae»
(Münd. 1845), «Stlima und Pflanzenwelt in der
Beit, ein Beitrag zur Geſchichte beider» (Landsh.
1847), Bon feinen fpätern landwirtfhaftlihen
Schriften find zu nennen: «Hiftor.:encyllopäd.
Grundriß der Landwirticaftslehre» (Stuttg. 1848),
»Geſchichte der Landwirtfhaft» (gefrönte Preis:
ſchrift, Prag 1851), «Die Schule des Landbaues»
(5. Aufl., Stuttg. 1871), «Bayerns Rinderrafien»
(Münd. 1853), «Die Natur der Landwirtſchaft
(2 Bde., ebd. 1857), «Bud der Natur für Land:
wirte oder landwirtſchaftliche Naturkunde» (ebd.
1860), «Die Aderbaufrifen und ihre Heilmittel»
Lpz. 1866), ——— (Münd. 1870), «Das
urzelleben der Kulturpflanzen» (2. Ausg., Berl.
1872), «Sejhichte der Landbau: und Forſtwiſſen⸗
ſchaft jeit dem 16. Jahrh.» (Münd. 1865; Bd. 3 der
von König Mar veranlaßten «Gedichte der Wiſſen⸗
Kalten in Deutihland», fein ausgezeichnetites
ert). Auch gründete er bie «Schranne», eine land:
wirtſchaftliche Wochenſchrift (Münden, feit 1862).
Foyers — Fracht
Fraas, Oskar, Geolog, geb. 17. Ian. 1824 zu
Lorch im Remsthale, ftudierte am Seminar zu Blaus
beuren und auf dem Stift zu Tübingen Theologie,
wobei er fi zugleich unter Quenjtedts Leitung geo-
log. Studien eig bingab. Dieje Tepe er au Fe
als er Vilar zu Balingen wurde. Ein einjä 2.
Aufenthalt in Paris, wohin er fih 1847 beg
hatte und wo er aud einige Beit die Ecole des
mines bejuchte, brachte ihn in näbere Beziehung zu
D’Drbigny und Elie de Beaumont. F. wurde 1850
Pfarrer in Laufen an der Eyach, 1854 Konfervator
am königl. Naturalienlabinett in Stuttgart, 1856
zum ** ernannt. Er wurde 1869 italied der
Kommiffton zur Herftellung des geognojt. Atlas von
Württemberg und 1872 Borjtandsmitglied der Deut:
ichs a —— ine 1364—65
unternommene Reife nad Ägypten und Arabien bot
reihe willenfhaftlihe Ausbeute. 1875 unternabm
er eine geolog. Unterfuhung des Libanons. 189
trat er in den Ruheſtand. ftarb 22. Nov. 1897
in Stuttgart. Mit Vorliebe benugte F. das würt⸗
temb, Eiſenbahnnetz, um es geo 4 Langenpro·
filen zu Grunde zu legen. Er ſchrieb: «Die nup:
baren Minerale Württemberg» (Stuttg. 1860)
«Aus dem Drient. Geolog. Beobahtungen am Ril
u. |. m.» (ebd. 1867), «Fauna von Steinheim» (ebd.
1870), «Bor der Sündflut. Eine populäre Ge
dichte der Urwelto (3, yo ebd. 1870), « Drei
onate am Libanon» (2. 9 ufl., ebd. 1876).
* Bartolommeo, Maler, j. Bartolommes.
raccarõli, — ital. Bildhauer, geb.
28. Dez. 1805 in Caſtelrotto bei Verona, beſuchte
die Alademien in Venedig und Mailand und feste
1830—35 feine Studien in Rom nad Thorwaldſen
und Tenerani fort. Dann febrte er nah Mailand
zurüd, bis er 1842 als Profefjor an die Atademie
in Florenz berufen wurde. Später lebte er wieder
in Mailand und jtarb dafelbit 29. April 1882. Seine
ablreihen Marmorwerte, meift große Gruppen und
inzelftatuen, find von glatter, zierliher Durch⸗
führung. Die Mebrzabl derjelben N ömndt Mufeen
und Paläfte jeined Vaterlandes, fo die Statue des
Grafen Berri_in der Brera zu Mailand, mofelbit
auch: Kyparifjos den Tod feines Hirſches beflagent.
y der königl. Kapelle zu Zurin befindet ſich von
ihm das Denkmal Karl Emanuels IL., im Hofmufeum
u Wien der Bethlehemitiſche Kindermord. Andere
rbeiten von feiner Hand find: Dädalus und Jlarus,
der Sterbende Achilles, Eva. N
Fracht, die Ladung eines deren juriſtiſch
bezeichnet F. nur den Frachtlohn, aljo die Gegen:
leiftung, welche für den Transport von Gütern aui
Grund eines Land» oder Seefradhtvertrags gewährt
wird. (S. Frachtvertrag.) Die Höhe der 5. der
racht ſaß, wird regelmäßig von den Parteien
eſtgeſetzt oder ein für allemal in Bot: und Eijen-
abnreglements (f. Bojtporto und Eijenbabntarife)
eregelt und ift natürlich jehr verſchieden nad der
hnelligfeit und Sicherheit der Transportmittel
(Dampf: oder Segelſchiffe, neues Schiff oder altes
Schiff, Poſt, Eilfracht, gewöhnliche 5.) ſowie nad
dem größern oder geringern Angebot berjelben,
nad) der ee u. ſ. w. Verpflichtet zur Zab:
lung der F. iſt an ſich derjenige, mit welchem der
Transporteur (Frachtführer, Verfrachter, Fracht⸗
flößer) den Frachtvertrag geihlofen bat; indeſſen
wird er durch Auslieferung der Güter an den Trand:
porteur von dieſer Verpflichtung befreit und der
Empfänger (f. d.) dur Entgegennahme der Güter
Frachtbrief — Frachtvertrag
zut Zahlung der F. und aller Nebenforderungen
des —— verpflichtet.
Frachtbrief (franz. lettre de voiture; engl.
letter of conveyance, bill of lading; ital. lettera di
vettura), eine vom Abſender (f. d.) ausgeftellte und
dem Frachtführer (f. d.) übergebene Urkunde, die
den Inhalt des zwiſchen ihnen vereinbarten Fracht:
vertrags (f. d.) enthält. Zur Austellung des F. ift
der Abjender auf Verlangen des Frachtführers ver:
pflichtet (Deutſches Handelsgeſeßb. 5 426), doch
iſt ein Frachtvertrag nit um deswillen ungültig,
weil ein $ nicht auögeftellt ift. Der 5. dient als
Beweidurkunde; fein Inhalt ift maßgebend für
das zwifchen Abjender und Frachtführer begründete
Rectsverhältnis, während das Verhältnis des letz⸗
tern zum Gmpfänger (f. d.) bei —— eines
Qadelheins (f. d.) nach diefem beurteilt wird. Nach
8.51 der Deutſchen Eifenbahnverkehrsordnung vom
26. Dit. 1899 und der im weſentlichen gleichlauten:
den Betriebäreglements für die Eifenbahnen Oſter⸗
reib3 und Ungarns vom 10. Dez. 1892 (f. Be:
trieböreglement, Eifenbabnredt und Eifenbahnver:
tehrsordnung) muß eine jede Sendung von dem
vorgejchriebenen gebrudten, von der Eijenbabnver:
waltung geitempelten F. begleitet fein. Die For:
mulare für die F. ($. 52 der Deutſchen te
verlehrsordnung und der Betrieböreglement® für
Diterreih und für Ungarn) werden für gewöhn⸗
lies Gut auf weißem Screibpapier bergeitellt.
Die Formulare für Eilfrachtbriefe tragen auf der
Vorder: und Rüdjeite oben und unten am Rande
einen farminroten Streifen. %., die teilmeife ver:
fiegelt oder verſchloſſen, fomwie foldhe, die korrigiert
find, werden nit angenommen. Korrekturen der
Gewihtsangaben werden nur zugelaſſen, wenn fie
in Worten wiederholt find und ihnen die Unterjchrift
des Verjenders beigejebt ift. Der Frachtvertrag ift
abgeſchloſſen, jobald das Gut mit dem F. von der
Berjandftation angenommen ift. Als Zeichen ber
Annahme wird dem F. der Tagesitempel der Abferti-
gungsitelle aufgedrüdt. Die Frachtbriefformulare
müjjen zur Beurtundung ihrer Ülbereinftimmung mit
ben geltenden Vorjchriften den Kontrollitempel einer
inländifhen Eifenbahn tragen. Für Prüfung und
Abjtempelung der deutfchen Fradıtbriefformulare
werden ir fämtlichen deutichen Eifenbabhnen für 100
Stüd 10 —————— erkaufspreis der Fracht⸗
briefformulare beträgt für einzelne Formulare 1 Bf.,
für 100 Stüd 75 Bf., für Formulare mit beftinm:
ten Firmen und den zuläffigen Vermerten für 1000
Städ 850 M. Für die diterr. Eiſenbahnen ift durch
eine Verordnung vom 11. Dez. 1892 auf Grund des
oben erwähnten Betriebsreglements vom 10. Dez.
1892 das Einzelne über die Jorm, das Papier, die
2723 und die Preiſe der F. feitgeießt. Die
F. find ftempelpflichtig, der Stempel beträgt 2 und
10 Heller. Der Preis Pr die F. ſtellt ſich (ausſchließ⸗
lich der Stempelgebübr) für 1 Stüd auf 1 Heller, für
100 Stüd auf 92 Heller. Die F. werden in über:
wiegenber Zabl in der Er taatöbruderei ber:
eftellt; auf derartigen F. ift das Stempelzeichen
in der Regel eingedrüdt. Für den Verkehr zwiſchen
deutichen und ſolchen außerdeutſchen Eiſenbahnen,
die den Beſtimmungen des internationalen lberein:
tommens über den Eiſenbahnfrachtverlehr (f. Er»
bahnrecht) unterworfen find, entbält diejes Liber:
einlommen im Art. 6 und im $.2 der Ausführungss
beitimmungen das Nähere über die Form und den
Inhalt der F. Die Formulare für den internatio:
937
nalen Verkehr weichen von denjenigen für den deuts
ſchen Vertehr vielfah ab. Die F. müflen in deut:
vor oder franz. Sprache ausgeftellt werben; in den
ändern, in denen keine diefer Sprachen gilt, in der
Landesſprache mit deutfcher oder franz. Uberſetzung.
Der Preis für die internationalen F. ftellt ſich un:
efähr auf das Doppelte der obigen Beträge. Auch
r den Verlkehr zwiſchen deutſchen und andern,
nit dem internationalen fibereinfommen unter:
worfenen Eifenbahnen enthalten die Tarife Be
ftimmungen über die äußere Geftalt der F.
rachtdampfer, |. Bo. 17.
ra Öher, ſ. Frachtführer und Flößerei.
ra rer, nah Deutſchem Handelögejehb.
j 425: wer ed —— übernimmt, die Be:
örderung von Gütern zu Lande oder auf Flüffen
oder fonitigen Binnengewäflern auszuführen. Bei
der Flößerei wird der 3. Frach Is enannt.
Dei See: und Binnenſchiffahrt heißt der Führer des
Schiffs Schiffer, bei der Flößerei Floßführer;
derjenige, für deſſen Rechnung der Schiffer den
rachtvertrag abjchließt, bei der Seeſchiffahrt Ver:
rachter (f. v, und wenn dies der Cigentümer des
ibm zum Erwerb durdy die Geile rt dienenden
Senf ift, Reeder (f. d.). Dem Reeder entſpricht
im Binnenſchiffahrtsrecht der Sciffseigner, im
Floßrecht der Eigentümer des Floßes. %. kann
aud eine Geſellſchaft jein; ne ein Dienitmann:
inftitut, oder der Fiskus, injofern er das Eijen-
bahnfrachtgeſchäft betreibt. Die Poft nimmt das
Handelägejegbuh vom Handelsfrachtrecht und da—⸗
mit vom Begriff des F. und damit des Kaufmanns
aus ($. 452); denn der F. iſt Kaufmann, event.
Minvderlaufmann, 3. B. der Badträger und Fubr:
mann. (Näheres |. Fradtvertrag.)
rachtgeſchäft, jomohl das vom Frachtführer
(f. d.) betriebene Gewerbe, alö au das einzelne
echtsgeſchäft, das er im Betriebe diejed Gewerbes
ſchließt, der Frachtvertrag (j. d.).
rachtgut, im Transportweien, j. Güter.
achtmafler, j. Maller. —*—
achtrecht, internationales, |. Eiſenbahn⸗
rachtſah, ſ. Fracht und Eiſenbahntarife.
rachtvertrag, eine Werlverdingung (j. d.), bei
welcher der, welcher ſich zum Transport von Per:
jonen oder Gütern verpflichtet, einen Erfolg, d. h.
die Ankunft an der Stelle, wohin der Transport
ausgeführt — —— Bürgerl.
Gejesb. $. 631). Der Transportierende lann bes:
> das für die Ausführung des Transports ver:
prochene Entgelt, ſoweit nicht etwas anderes aus:
emacht iſt, nicht fordern, wenn der Erfolg durch
eine eigene oder ſeiner Leute Verſchuldung nicht er:
reicht iſt. Wegen biejer Verſchuldung haftet er über:
dies auf Schadenerjag ($. 278), wobei die ſchädigende
Handlung der Helfenden nicht gerade eine ſolche fein
muß, die fie unmittelbar bei Ausführung ihrer Ver:
rihtungen vornahmen. Für ug Untergang
oder lie Verihlehterung der Ware während
der Beförderung haftet er nah Bürgerl, Geſetb.
8. 644 gar nicht. j j
Für den gewerbömäßigen F. gelten in Deutic:
land zunächſt aber nit die Beitimmungen des
Bürgerl. Geſebuchs über Werkverbingung, fon:
dern befondere Reichsgeſee. Das Handelsgeſetzb.
88. 425 fg. regelt für den Gütertransport zu Lande
oder auf Binnengemäffern ben %. mit dem
Frachtführer (ſ. d.), das handelsrechtliche Fracht:
geihäft. Diefe Vorſchriften finden aber auf die Be
938
förderung von Gütern durd die Voftverwaltungen
des Reichs und ber — 7* leine Anwen⸗
dung. Das Poſtfrachtgeſchäft ſteht danach nicht
mebr unter Handelsrecht. Für die ee von
Perſonen und Gütern durd bie Eiſenbahnen be
ftehen im Handelsgeſetzbuch befondere Vorſchriften,
ausgenommen ift der internationale Verlehr, d. h.
Transporte, welche zu verjhiedenen Staaten ge:
Börige Eifenbahnen auszuführen haben, mobei
eutihland als ein Staat gilt; fo weit, alfo 3.8.
ür Transporte Lindau: Bregenz, gilt das Berner
bereinlommen (f. Eifenba neh) Durch das
Handelsgeſetzbuch befonders geregelt ift dann noch
das Seehractgeicäft (f. unten). Dieſes neue Ges
ſeßbuch ıft übrigens beitrebt, die Verſchiedenheiten
des Frachtrechts möglihlt auszugleichen, indem es
fih zur Aufgabe ftellt, die Beitimmungen des all:
gemeinen Handelsfrachtrechts moͤglichſt in Über:
einftimmung mit dem Recht deö Berner Überein:
fommens und ver Eiſenbahnverlehrsordnung ſowie
ded Binnenfhiffahrtögefekes vom 15. Juni 1895
zu leben.
ds Handelsgeſetzbuch läßt die Eifenbahn im
Falle der Beihädigung oder des Verluſtes der über:
gebenen Saden Ghledtbin ür Erſaßz haften, es fei
denn, daß der Schaden durch höhere Gewalt, durch
Verſchulden des Aufgebers, durch äußerlich nicht
ertennbare Mängel der Verpadung oder durch
die natürliche Beichaffenbeit des Gutes (Schwin—
den, innerer Berderb, gewöhnliche Ledage) entitans
den ft (Eiſenbahnverkehrsordnung 8.75; Handels:
geſetzb. $. 456; Berner libereintommen Art. 30);
im übrigen aber beichräntt das Handelsgeſeßbuch
(8. 429), wie ſchon $. 58 des Binnenſchiffahrts—
ejehes, die Haftung des Frachtführers auf ver:
chuldeten Schaden; aud das Verſchulden der Leute,
die er zur Ausführung benukt, foll er nur mie
eigenes vertreten. liber das Maß der Werterftattung
trifft das Handelsgeſeßb. 8. 430 Beitimmungen
(1. Außerordentliher Wert). Für Koſtbarkeiten, Gel:
der und Wertpapiere baftet der Frachtführer nur
dann, wenn ihm dieje Beichaffenbeit oder der Wert
des Gutes angegeben ift.
Der ee bat die Pflicht, den Transport
innerhalb vereinbarter, ortögebräuchlicher oder den
Umjtänden angemefjener Friſt auszuführen, und
bajtet auf Erjaß des durch Berfäumung ber Liefer:
zeit entitandenen Schadens, jojern er nicht be
mweift, daß er die Verjpätung nicht durch die Sorg-
falt eines orbentlihen ar hätte abwen⸗
den können. Wenn der Frachtführer zur gänzlichen
oder teilweifen Ausführung des Transports das
But einem andern Frachtführer abgiebt, haftet er
für die Ausführung bis zur Ablieferung ($. 432).
ber auch der —— welcher ee anbern
Frachtführer folgt, gebt dadurch, daß er das Gut
mit dem Frachtbrief übernimmt, eine kt
Berpflibtung ein, den Transport nad Inhalt des
Frachtbriefs auszuführen. Er bat auch in Bezug
auf den bereitö ausgeführten Transport für die
Berbindlichfeiten der bisherigen Frachtführer ein-
juiteben. (liber das Verhältnis des Frachtführers
zum Empfänger f. d.) Der Frachtführer hat wegen
aller durch den 5. begründeten Forderungen, ins:
beionvere der Fracht⸗ oder Liegegelder, wegen ber
Boligelver oder anderer Auslagen ſowie wegen der
auf das Gut geleifteten Vorjhüfle ein Pfandrecht
an dem Frachtgut. Das Pfandrecht befteht, ſolange
ber Srahtführer das Gut nod im Beſitz hat, ins:
Frachtvertrag
beſondere mittels Konnoſſements, Ladeſcheins oder
Lagerſcheins darüber verfügen lann; es dauert auch
nad der Ablieferung fort, infofern der Frachtfübrer
es binnen brei Tagen nad) der ——— ericht ⸗
lich geltend macht, und das Gut noch im 5 des
Empfängers iſt. Geht das Gut durch die Hände
mehrerer Frachtführer, jo hat der letzte bei der Ab⸗
lieferung auch die Forderungen der VBorbergebenven
ſowie die auf dem But haftenden Nahnabmen eim
zuziehen und deren Rechte, infonderbeit das Pfand»
recht, auszuüben ($.441). Der Frachtführer, welder
das Gut ohne Bezahlung abliefert und das Pfand
recht nicht binnen drei Tagen nad der Abliefe
rung gerichtlich geltend macht, ift den Vormännern
verantwortli; er wird ſowie die vorbergebenben
Frachtführer des Rüdgriffs gegen die Bormänner
verlujtig._ Der Anſpruch gegen den Empfänger
bleibt in Kraft ($. 442).
Das bejondere Recht für den F. der Eifenbab:
nen, insbeſondere für die Schadenerfaspflicht bei
Verluft, B or. und verfpäteter Ablieferung,
entbalten das Deutibe Handelsgeſeßzb. 88. 453
—473, die Verkehrsordnung und das internatie-
nale Übereintommen über den Eifenbabnfractver:
lehr (ſ. Eiſenbahnrecht und eg sr röord*
nung). Im allgemeinen muß die Eifenbabn mit
jedermann F. abſchließen. Sie darf die Übernahme
von Gütern zur Beförderung nad einer für den
Bütervertehr eingerichteten Station innerhalb des
Deutihen Reihs nur unter —— in 453
bes Handelsgeſetzbuchs aufgeführten Vorausſetzun⸗
gen verweigern.
ür Bojtiendungen ift die Haftpflicht der
Poſt durch Geſetz vom 28. Dit. 1871 geregelt (f. Er
fagleiftung).
Das jeerehtlihe Frahtgeihäft hat die Be
förderung von Gütern und Perſonen über See
um Gegenftand. Auch dies J im Handelsgeſeßb.
geregelt. Das ſeerechtliche Frachtgeſchaäft
iſt ſtets ein abſolutes rg t. Der 5. zur
eförderung von Gütern über See bezie Ari
entweder 1) auf das Schiff im ganzen, oder einen
verbältnismäßigen Zeil, oder einen bejtimmt be
—— Raum des Schiffs, oder 2) auf einzelne
üter (Stüdgüter). Im erftern Falle wird der
Vertrag Ehartervertrag oder Ehartepartie
genannt, weil allgemein nad älterm Seerecht für
denfelben eine jchriftlihe Urkunde, die Ebartes
partie (f. d.), verlangt wurde. Im zweiten Fall
wirb ber Bet Stüdgütervertrag (f. db)
enannt. Beide Arten des F. find Werkverdingung.
er Berfrachter (f.d.) muß das Schiff in feetüchtigem
rap liefern. Andernfalls ift er vem Befracter
(j.d.) regelmäßig zum Schadenerjaß verpflichtet. Er
muß das Shit zur Einnahme der Güter an dem
vom Befrachter beftimmten Play anlegen. Unter
läßt der Befrachter die Anweiſung, oder ift die An
legung an den angemiejenen Plak nicht ausführ-
bar, jomuß das Schiff andem ort3üblichen Ladung
plaß anlegen. Die Koften der Anlieferung der Güter
an das Schiff trägt im Zmeifel der Befrachter, die
jenigen der Einladung in das Schiff der Verfradter.
Statt der vertragsmäßigen Güter fönnen, falls vie
jelben nur nad Art und Gattung, nicht ſpeciell be
zeichnet waren, aud andere Güter geliefert werben,
wenn die Lage des Berfrachterd dadurch nicht er
ſchwert wird. Seitens des Befrachters oder Abladers
(f. d.) müflen die Güter richtig bezeichnet werben,
auch dürfen bei ihrer Verfendung die Grunpdjäze
Frachtvertrag
des Volkerrechts, die Geſeßze des Abladehafens und
etwaige Einfuhrverbote des Beſtimmungshafens
nicht außer acht gelaſſen werden. ee dürfen ohne
Willen des Schiffers Güter niht an Bord gebracht
werden. Die libertretung diefer VBorfchriften vers
pflichtet zum Schadenerfaß nicht nur gegenüber dem
Verfrachter, fondern auch gegenüber andern, 3. B.
dem Ladungsempfänger, dem Reifenden, der Shine
beſatzung, den Schiffsgläubigern.
Hinſichtlich der Zeit, in welcher der Befrachter
die Ladung liefern muß, beſteht bei Verfrachtung
des ganzen Schiffs zunädjit die Ladezeit, während
welder der Schiffer auf die Abladung warten muß.
Diejelbe beginnt an dem Tage, welcher auf die vom
Schiffer zu erftattende Anzeige, daß er zur Ein:
nabme der Ladun jertig und bereit ift, folgt. Ihre
Dauer ift im Zweifel die ortäübliche. Liber die Lade:
zeit hinaus braucht der I auf die Abladung
nur zu warten, wenn eine jog. Überliegezeit (im
ade 14 Tage) vereinbart ift. Für die Ladezeit
ann der Verfrachter, falls nicht anders vereinbart,
Vergütung nicht beanſpruchen. Wohlaber muß ihm
für die liberliegezeit der Befrachter ein Liegegeld
gewähren. Die gefamte Zeit, welche der Verfrachter
warten muß, heißt Wartezeit. Diefe Beitimmun:
gen gelten auch, wenn ein verhältnismäßiger Teil
oder ein bejtimmt bezeichneter Raum des Schiffs
verfractet it. Beim Stüdgütervertrage dagegen
muß der Befrachter die Abladung ohne Verzug auf
die Aufforderung des Schiffers bewirken, Bei Eau:
migteit braucht der Verfrachter auf die Lieferung
der Stüdgüter nicht zu warten.
Analoge Beitimmungen bejteben au für bie
Loſchung der Ladung. Behufs Vornahme ber:
felben bat der Schiffer das Schiff an dem von
dem Gmpfänger bezeichneten Pla oder an dem
ortsüblichen Yöfhungsplag anzulegen. Im Zmeifel
trägt die Koften der Ausladung der Verfradter,
alle übrigen Koſten der Löihung der Labungs:
empfänger. Bei der Verfrachtung im ganzen oder
eines verhältnismäßigen Teild oder bejtimmten
Raums muß der Schiffer während der Löjchzeit
auf die Entlöfhung warten. Über die Loſchfriſt
hinaus beitebt eventuelleine Überliegefrift außer
beim Stüdgütervertrag.
Aus bejondern, geſetzlich (Handelsgeſetzbuch
. 628) vorgejebenen Gründen kann der F. außer
raft treten, obne daß ein np Entihädigun
des andern verpflichtet ift, 3. B. wenn das Schi
durch Zufall vor Antritt der Reife verloren gebt
(bei Berluft des Schiffs nah Antritt der Reife
endet der F., jedoch kann dem Verfrachter ein An:
iprud auf Faber a ſ. d.] zufteben), oder wenn
bie im F. fpeciell bezeichneten Güter vor Antritt
der Neife dur Zufall verloren geben. In andern
Hällen, z. B. wenn vor Antritt der Reife das Schiff
mit Embargo (f. d.) belegt wird, räumt das Gejek
(88. 629, 634) beiden Teilen das Recht ein, ohne
—— — zurüdzutreten. Im übrigen
lann der Befrachter vor Antrıtt der Reife nur gegen
Zahlung mindeftens der halben Fracht, EL n⸗
tritt der Reiſe nur gegen Zahlung der durch Wies
derausladung der Güter entſtehenden Koſten ſowie
der vollen in einzelnen Faͤllen von zwei
Dritteln der Fracht von dem Vertrage zurüdtreten.
(S. Fautfradt.)
Auch die Haftung des Verfrachters für Schaden
aus Verluſt oder Beihädigung der Güter iſt nach
dem neuen Handelsgeſeßbuch gleich dem Binnen:
939
ſchiffahrtsrecht (f. oben) erleichtert worden. Die
Haftung des Verfrachters ift auf Vergütung des
Werts der verlorenen oder der Wertsminderung
der befhädigten Güter befchräntt.
Der Berfradter hat Anſpruch auf Zahlung der
— nebſt Nebengebuhren und Auslagen. Durch
nnahme der Güter wird der Empfänger zur Leis
ftung diefer Zahlungen nad Maßgabe deö F. oder
Ronnofjements3 verpflichtet. Der Berfrachter ift
nicht gehalten, die Güter an Zahlungs Statt anzus
nehmen. Eine Ausnahme gilt nur Dinfchtlic der
mit Flüffigleiten gefüllten Bebältnifje, welche wäh:
rend der Reiſe ganz oder zum größern Teile aus»
elaufen find. Kar Güter, —* durch einen Un⸗
Fu verloren gingen, ift feine —* zu bezahlen
und die etwa vorausbezahlte zu erſtatten, ſofern
nicht anders bedungen. Cine Ausnahme hiervon
g. für Güter, deren Verluft infolge natürlicher
eſchaffenheit eintrat, ſowie für Tiere, welche unters
wegs ftarben. Der Verfrachter bat ein Pfandrecht
an den Gütern, und zwar nicht nur folange d
Güter —— oder deponiert ſind, ſondern
auch über die Ablieferung hinaus, b ern nur bad:
felbe —— 30 Tagen nach der Ablieferung ge⸗
richtlich geltend gemacht wird und die Güter nod
im Beſitz des Empfängers find. Mit Ablieferung
an den Empfänger verliert der Verfrachter feinen
Regreßanſpruch gegen den Befrachter, ſoweit ſich
legterer nicht mit dem Schaden des Verfrachters
bereihern würde. Nach Beendigung jeder Abladung
bat der Schiffer dem Ablader ohne Verzug gegen
Rüdgabe des etwa bei der Annahme der Güter er:
teilten vorläufigen Empfangsſcheins (f. d.) ein Kon»
nofjement in fo vielen Eremplaren auszuftellen, wie
der Ablader verlangt. (S. Konnofjement.)
Der Vertrag über Beförderungvon Kin
denzur See heißt Baffagevertrag oder übers
je brt3vertrag. Hit der Reifende darın namentlich
ezeichnet, fo darf er nicht das Recht auf Überfahrt
an andere abtreten. Begiebt er ſich nicht rechtzeitig
an Bord, fo hater volles ae u bezablen,
auch wenn der Schiffer ohne ihn die Reiſe antritt
oder fortjeßt. Wenn vor Antritt der Reife der Rei:
fende den Rüdtritt vom Bertrage erflärt oder jtirbt
oder durch Krankheit oder andern Zufall zurüdzus
bleiben genötigt ift, fo ift nur bie Hälfte deö Liber:
ahrtsgeldes zu in Nach Antritt der RN bes
eien ihn dieſe T den nicht von der Zahlung
der vollen Summe. Wenn das Schiff verloren gebt,
tritt der Vertrag außer Kraft. Ausbruch eines das
Schiff gefährbenden Krieges oder eine das Schiff bes
treffende, die Reife aufbaltende Verfügung von hober
Hand beredhtigen Reifenden wie Verfradhter vom
Vertrage zurüdzutreten. Lebterer ift auch zum Rud⸗
tritt befugt, wenn das Schiff hauptſachlich zur Ber
förderung von Gütern bejtimmt ift, und die Unter:
nebmung unterbleiben muß, weil die Güter ohne
fein Verſchulden nicht befördert werben lönnen. In
den genannten Fällen ift fein Teil zur Entihädigun
verpflichtet. Jedoch hat der Reiſende, falls die Aut
löfung des Vertrags erft nach Antritt der Reife ers
folgt, das fiberfabrtögeld nad Verhältnis der zus
rüdgelegten zur ganzen Reife zu zablen. Muß die
Reife wegen Neparaturbebürftigteit des Schiffs
unterbrodyen werden, fo muß der Verfrachter dem
Neifenden bis zum Wiederantritt der Neife obne
bejondere Vergütung Wohnung gewähren und aud
Betöftigung, falls er lektere im Üiberfahrtövertrage
übernommen batte. Hiervon fann fich der Ber:
940
frachter befreien, wenn er dem Reifenden eine gleich
gute Schiffägelegenheit nach dem Beitimmungsbafen
anbietet. Wenn der Reifende die Ausbeſſerung nicht
abmwartet, muß er das volle Uberfahrtsgeld bezahlen.
Der die Effelten des Neifenden iſt im Zweifel be
ondere Vergütung nicht zu bezahlen. Sind diefelben
vom Schiffer übernommen, fo haftet der Verfrachter
für Berlujt und Beſchädigung wie beim Gütertrans⸗
port. Wegen bes überfahrtsgeldes bat der Verfrach⸗
ter anden vom Reifendenan Bord gebrachten Sachen
ein Bfandrecht, jedoch nur folange die Sachen zurüd:
behalten oder deponiert find. ft ein Schiff zur Beför:
derung von Reijenden einem Dritten verfrachtet, fei
es im ganzen oder zu einem Teil oder dergeftalt, daß
eine beitimmte Zahl von Reiſenden befördert werden
oll, fo gelten für das Rechtöverhältnis zwifchen dem
28 und dem Dritten entſprechend die Vor:
ſchriften über das Güterſeefrachtgeſchäft.
Mährend das Reichsgeſeß vom 15. Juni 1895
über die Flößerei nur die Pflichten und Rechte
des Flobführers bezüglich des F. befonders regelt,
unterjtellt das Neicögefeh vom 15. Juni 1895 über
die Binnenfhiffabrt den ganzen F. der Binnen:
ſchiffahrt einer befondern Regelung, ſoweit Beför:
derung von Gütern einſchließlich Neifegepäd in
Frage ftebt. Das Binnenfrachtrecht des Handels:
geiebb. s} 425 fg. gilt für ihn nur, fomweit es
in 8. 26 beftimmt ift, der feit 1. Jan. 1900 in der
Faflung gilt, welde ihm Art. 12 des Einführung:
eſetzes zum Handelögejeßbuh von 1897 gegeben
kt Im allgemeinen tft dem Seefrachtrecht gefolgt.
defrijt und Liegegeld find bier jedoch im Geſetz
felbjt näber beftimmt. Bei Ebartervertrag beträgt
die Ladezeit bis zu 30000 kg Beladung 2, bis zu
50000 kg 8, bis zu 100000 kg 4 Tage und fo fort
in Stufen von 50000 kg um je einen Tag mehr
bis zu 500000 kg; von da fteigt die Ladezeit für je
100000 kg um je einen Tag. Bei Ladungen über
1 Mill. kg beträgt fie 18 Tage. Die liberliegezeit
beträgt im Zweifel eine Woche; das Liegeneld für
jeden Tag bei Schiffen von einer TR bis
h 50000 kg 12, bis zu 100000 15 M. und jo fort
ür je 50000 kg je 3: M. mehr. Kürzer iſt die Lade:
zeit bei Teilverfradhtung (bi8 50000 kg 1 Tag;
bödjtens 10).
Ein allgemein wichtiger Gegenfaß ift endlich der:
Nah See: und Binnenihifiahrtöreit erlöjchen die
Anfprüce gegen den Frachtführer ſchon durd An:
nahme des Gutes, nah Landfrachtrecht (Handels⸗
efeßb. $. 438) und inäbefondere nah Berner
bereinfommen Art. 44 erit durch Annahme und
Bezahlung der Fracht. — Vol. Eger, Das deutfche
Frachtrecht (2. Aufl., 3 Boe., Berl, 1888—91; Er:
gänzungsband, ebd. 1894); Artikel Frachtgeſchäft im
«Handwörterbuch der Staatäwifjenihaften», Bd.3 | Schaden
(2. Aufl., Jena 1900); Eoermann, Die —— und
die internationale Frachtgeſezgebung (Berl. 1901).
Frack (franz. frac, dies vom engl. frock; mittel:
lat. frocus, flocus, vom lat. floccus, Flode, alfo
urfprünglich Hodiger Stoff und ein Kleid daraus),
Name desjenigen Hleidungsftüds des vollen Gala:
anzugs, mweldes die heutige Mode den Männern
bei allen feierlichen und ceremonidfen Gelegenbeiten
bes gejelligen Lebens vorjchreibt. Sein Vorbild
ift beim Militär zu fuchen, das im 18. Jahrh. viels
I tonangebend wurde. Der Kavalleriſt, der an:
angs den weiten Rod wie der Fußgänger trug,
pflegte fich die langen Schöße dadurd ſikgerecht zu
Grad — Fraga
und mit Halten ober Knopf befeftigte. Bei anders
farbigem Unterfutter that dies gute Wirkung und
man dehnte darum die Sitte au auf die Uniform
des Infanteriften aus. Bald aber wurden aus ben
umgeſchlagenen Zipfeln Aufihläge, die bei allen
Heeren eingeführt wurden und das 18. Jahrh. und
felbft die Revolution bis zum Waffenrod über
dauerten. Seit dem Siebenjährigen *8 als
der Ruhm und das ee der preuß. iere
auch ihre gt erböbte, fuchte aud das Eivil
* gern einen halbmilitär. Anſtrich zu geben; man
udte den Kleidvrod dem Milttärfrad Abnlich zu
maden, nicht indem man die Zipfel umſchlug, fon-
dern indem man fie bef&nitt. Indeſſen galt der
einfadhe F., unbordiert und von einfadherm Stef,
im Gegenfaß zu dem — ———— Staatsrod,
von dem er ſich durch einen Überſchlagkragen, aber
fonftigen gänzlihen Mangel aller Aüsſchmüdung,
wie Hatten, ufichlägen u. f. w., unterfchied, an:
fänglich als ein Zeichen der Emancipation von Sitte
und Herlommen; noch war er nicht falonfäbia, viel
weniger hoffäbig geworben. Goetbe errang Eu im
Weimar 1775 durch fein Wertherfojtüm, den blauen
. mit pl arte en, ben erften Triumpb, und
chon in den legten beiden Jahrzehnten vor der
anzöfifhen Revolution galt er, einfach blau over
aun, bejonders in dem von England eingefübr:
ten Schnitt (daher auch der Name), als die Tradt
der Stußer. Die eigentliche Anertennung gewann
er indes burd die Franzöfifhe Revolution und die
neuen mit ihr entitehenden Gefellibhaftsformen.
Selbſt das weibliche Geſchlecht trug eine Zeit lang
eine Art F., als Polonaise bezeichnet dem
weiblihen Rod, von gleihem Schnitt wie der männ-
liche und mit denfelben Schößen, die nur kürzer, oft
fehr kurz, zu jr pflegten. Seit 1830 ift die Farbe
des ſog. Gefe ſchaftsfracs — fhmar;.
In neuerer Zeit haben die Yebemänner in Barıs
den Verſuch gemacht, wiederum farbige F. einzu
führen. Der rote F., von den Reitern bei der He:
jand getragen, ift eine aus England am Anfange
. Jahrhunderts übertommene Mode. — Bıl
F fe, Die deutſche Trachten- und Modenwelt
2 Te., Lpj. 1858).
Fractocumũlus, Windwolle, ſ. Wollen.
Fraotürae ossium (lat.), Knochenbrũche (f.d.).
Fra Diavölo («Bruder Teufel»), eigentlich
Michele Pezza, ital, Brigant, geb. 1760 zu Itti,
trat einer Bande bei, in der er bald Hauptmann
wurde. Gegen bie Kart enopäifhe Republik ver
wandte ihn Kardinal Ruffo (f. d.) ala Oberften; an
der Spiße feiner verjtärften und organifierten Bande
un te —— —* — Den —
nad Neapel zurüchgelehrten Franzoſen that er v
‚ wurde abe: feiner —A— hrung
wegen vertrieben. Dann von Sidney⸗Smith wieder
verwendet, ſengte und mordete er in brien, bis
die Franzofen ihn durch Verrat bei San Severine
fingen und troß engl. u bängten (10.Rov.
1806). Auberd Oper 5. ©. ift reine Erfindung.
Charles Nodier fhrieb auf Grund von F. D.s Aben-
teuern feinen «Jean Sbogars».
Fraga, Hauptitadt eines Gerichtäbezirlä der
ſpan. Provinz Huesca (Aragonien), 29 km im ER.
ehemald Defefigter Hügel (121 m) gelegen, kat Iso)
e eitigter Hüge m)ge ‚bat
6792 E. F. bat eine alte Kirche, v Moicer,
verfallene Mauern und ein ehemaliges Refiteny
maden, daß er die Zipfel nah außen umllappte ſchloß arab. Fürften.
Fragaria —
Fragarla, —— ſ. Erdbeere.
Frage, ein unvollftändiger oder unbeſtimmter
Gas, in deſſen Form die Aufforderung liegt, ihn zu
vervollftändigen oder näher zu bejtimmen. Die Ber:
vollftändigung oder genauere Beitimmung ift die
Antwort. Die eigentümliche Form der F. liegt in
der Wortftellung; außerdem wird fie gemöhnlic
durd ein jog. Fragwort — Jedes ied
(Subjelt, Prädikat, Objelt, Umſtand, Attribut) fan
enftand der F. fein. Verlangt fie eine genauere
immung, fo beißt fie es Gude
Diefe fordert entweder, daß der Inhalt des Frage:
bes bejaht oder verneint oder unter mehrern vor:
iegenden oder möglichen Urteilen eins ald das
ichtige bezeichnet wird (Disjunltivfrage). Im
Unterrichte bat die 5. eine große Bedeutung, indem
fie den Lehrer in einer beftändigen geiftigen Berüb:
tung mitdem Schülererhält,legtern zu fortwährender
Mitthätigleit beim Unterricht anregt und ihn nötigt,
die zu entwidelnden Gedanten durch eigenes Na
denlen zu finden und Har auszuſprechen. Das Unter:
richten durch F. und Antwort wird ald die kateche⸗
tifche oder ons Methode bezeichnet. Die
fatedbetif 5; j rz, deutlich, beftimmt, ein:
fach, für ven Schüler anregend und feinem geiftigen
Stanbpuntte angemefjen fein. Im Unterricht fommt
es jedoch nicht nur auf die einzelne F., fondern auf die
richtige Bildung ganzer Fragreihen an. Auch der
Redner ftellt oft E obne daß er eine Antwort ers
wartet (rbetorijche %.). Sie jollen den Zuhörer
u lebhafter innerer Mitbetbätigung anregen oder
taunen und Berwunderung ausdrüden, auch zu
andern Buntten der Darftellung binüberleiten. *
weitern Sinne ſpricht man auch noch in der Wiſſen⸗
— und in der Politik von F., wenn es gilt, für
wierige Aufgaben die —— Loſung zu finden,
** von der Socialen F., der dee e.— Bal.
einftein, Die F. im Unterricht (5. Aufl., g 1895).
Fragerecht. Im gerihtliben Verfahren jollen
die Zeugen und Sachverſtändigen zum befiern Ber:
—— ihrer Ausſage veranlaßt werden, das, was
bnen vom Öegenjtand ihrer Vernehmung belannt
it, im Zufammenbange anzugeben (Strafprozeborbn.
. 68, 72; Eivilprogekorbn. 88.396, 402). Jedoch
ollen nötigenfall® an diefelben weitere Fragen zur
ufllärung und Bervollftändigung F usſage
und zur Erforſchung des Grundes, auf welchem ihre
———— beruht, geſtellt werden. Dies F. ſteht
vorzuglich dem Richter und bei einem aus mehrern
Richtern beſtehenden Gerichtöhofe neben dem Bor:
figenden aud den beifigenden Richtern zu. Im
Strafverfahren find au dem Staatsanwalt, dem
Angellagten, dem Verteidiger und den Schöffen und
Geſchworenen und (jedoch nicht in Öfterreich ; Civil:
prozeßordn. $.340) in bürgerlihen Rechtsſtreitig⸗
feiten auch den Anwälten der Parteien die fachdien-
lichen Fragen an die Zeugen und en
zu gejtatten, während bier bie Parteien felbft nur
beanfpruden können, daß ber Vorſitzende nachträg⸗
lich die gewunſchte Frage — Bei Zweifeln über
vie gejegliche — igleit einer Frage entſcheidet das
Gericht (Strafprozeßordn. * 237, 239, 241; Civil⸗
vrozeborbn. $. 397). Die Gſterr. Civilprozeßordn.
$. 342 fügt hinzu: — das erkennende Gericht,
= eine vom beauftragten oder erfuchten Richter
eitellte Frage unzuläjfig war, fo fann es auss
prechen, daß die Antwort unberüdfichtigt bleibt.
Ein ähnliches F. fteht dem Richter im Strafver:
fahren gegenüber dem Angellagten zu, wenn fi
Fragonard 941
derjelbe bereit gen bat, etwas auf bie gegen
ihn erhobene Beihuldigung zu erwibern (Otraf:
prozeßordn. $. 136).
Im Eivilprozeß joll der Richter in der mündlichen
——— das F. gegenüber den Parteien und
ihren Anwälten ausüben, um auf die Abgabe aller
far Feſtſtellung des Sachverhältniſſes erheblichen Er:
ärungen binzumwirten. Da aber bier die fog. Ber:
bandlungsmarime gilt, vermöge deren die Parteien
in der Regel freie Berfügung über die ihnen zu Ger
bote ge Angriffs: und Verteidigungämittel
baben, jo bezwedt das 5. bier feine Nachforſchu
nad dem abjolut wahren Sahverhalt wie im Straf.
verfahren, jondern nur nad dem Sachverhalt, wie
er jih nad den Parteibehauptungen darftellt, alfo
nur die Herbeiführung der Erläuterung unflarer Ans
träge und der Bervollftändigung von unabfichtlid
ungenügenden Angaben (Deutſche Civilprozeßordn.
$. 139, Öfterreichiiche $. 182). Bei Nichtausübung
diejes F. ift daber auch feine Revifion begründet,
wenn —— iſt, daß auch der Gebrauch des
ſelben ohne Erfolg geweſen wäre. Bei Nichtbeant:
wortung einer frage verbleibt dem Gericht die freie
Beweiswürdigung. In einzelnen Fällen ift die Aus:
übung des F. vorgeſchrieben und an Nichtbeantwor-
tung eine beitimmte Folge gefnüpft. So tann wegen
unterbliebener Erflärung auf eine Eideszuſchiebung
der Eid nur dann als von ber Partei verweigert
angejeben werden, wenn die lehtere durch das Ge
richt zur Erflärung über den Eid aufgefordert ift.
Frageſtellung. Bei Beratungen von Kollegial:
bebörben, a aeze von Gerichten, ift die F. von
erbeblihem Einfluß auf die Herbeiführung richtiger
er ge in verwidelten Sachen. Die F. ſteht
in der Negel dem Borfikenden zu, doch enticheidet
im Zweifel das Kollegium auch über Faſſung und
———— der ragen. (S. Beratung.) Beſondere
geieglibe Vorſchriften find für die F. im Schmwur:
gericht (ſ. d.) gegeben.
rageftücde (Interrogatoria), im ältern Prozeß»
verfahren fchriftlih gefaßte Fragen, welche vom
Gegner des Beweisführers dem Gericht eingereicht
murben, um von diejem ben Jeuoen jur Beant⸗
wortung vorgelegt zu werden. Die Deutjche Eivil-
prozeßordn. ($. 397) kennt ſolche F. nicht mehr. Nach
ibr können die Parteien an die Zeugen Fragen
richten lafjen und auf Erlaubnis jelbft fragen. Die
Öfterr. Civilprozefordn. ($. 341) kennt nur erſteres.
ragefucht, j. Grübeljucht.
agezeichen, Interpunftionszeihen zur Be
zeihnung der Frage (?, im Griechiſchen;). Dft joll
es, in Barentbeje geiekt (?), den } ner anbeuten,
den man an ber Wahrheit einer Angabe begt. Im
Spanifhen wird e8 zu Anfang und zu Ende des
Sahtzes gejebt und zwar zuerft verlebrt, 3. B. 3Que
ha visto U.? (was haben Sie gejeben?).
Fragil (lat.), zerbrehlib; Fragilität, Ber
brechlichleit.
ragment (lat.), Bruchſtüch, ——
Teil eines Ganzen; in der Litteratur überreſt eines
verlorenen Wertes, auch Titel von Werten, bie ihren
Gegenitand nicht erſchöpfend, fondern nur teil: oder
bruchitüdweife 2. mentariſch) behandeln, fo
Leſſings Wolfenbüttler F. u. a.
Fragonard (ipr. -nahr), Jean Honore, franz.
Maler, geb. 17. April 1732 zu Grafle in der Pro-
vence, war Schüler von F. Boucher. Schäferfcenen,
mptbolog. Allegorien und galante Abenteuer bilden
bauptfäcdhlich ven Gegenftand feiner leichtfertigen und
942
terliben Malereien. Das Louvre befist von ihm drei
emälbe. Gin bis 1793 in Graſſe befinplicher, für
die Dubarry —— Cyklus (6 Haupibilder,
4 Supraporten), bezeichnet als «Roman be gend
liebe», wurde 1898 nah London für 1 Mill. M.
verlauft. Er hat auch 26 Blätter radiert, darunter
14 nad Ann. Carracci, Tiepolo, Tintorettou.a. F.
ftarb 22. Aug. 1806 zu Paris. — Bol. die Schriften
von Portalis (Par. 1888) und Naquet (ebd. 1892).
Fragraea, eine Sorte des Eiſenholzes (f. d.).
Se Gnittone, Dichter, ſ. Guittone d'Arezzo.
rahier (ſpr. fraieh), Dorf im Kanton Cham:
pagney, Arrondifjement Lure des — Depart.
Haute-Saöne, 7 km weſtnordweſtlich von Belfort,
bat (1901; ala Gemeinde 3. et: Chätebier) 891 E.
Während der Schlacht an der Lifaine (ſ. d. und Karte
um Artikel Belfort) ſuchte Bourbali bier den rechten
gu el des deutichen Heers zu umfajjen und gegen
elfort zurüdzumerfen. Zunädft jtanden nur drei
Bataillone und drei Batterien bei 3. zur Verfügung,
die General Eremer mit 15000 Dann am 16. Jan.
1871 allmählich zurüddrängte; doch jendete Werder
in der Nacht die Brigade Keller zur Berftärkung, die
dad weitere Vorbringen des Feindes verhinderte.
Frähn, Ehriftian Martin, Drientalift, Numiss
matifer und Gejchichtöforfcher, geb. 4. Juni 1782
zu Roftod, widmete fi dajelbft dem Studium ber
orient.Spraden und erbielt 1807 die Profeflur der
orient. Sprachen zu Kaſan. Er wurde 1815 ordent:
libes Mitglied der kaiferl. Akademie der Willen:
ſchaften, DOberbibliotbelar und Direktor des Afias
tiſchen Mufeums in Peteröburg, wo er 16. Aug.
1851 ftarb. Bon feinen Arbeiten haben insbefons
dere die numismatifchen feinen gelehrten Ruf bes
gründet. Sein Hauptwerk auf dieſem Gebiete ift die
«Recensio numorum Muhamedanorum academiae
imperialis scientiarum Petropolitanae» (Petersb,
1826), zu welchem die «Opuscula posthuma» (2 Bde.,
ebd. 1855—77) die Ergänzung bilden. Außerdem
noch —— «Sammlung kleiner Ab⸗
ndlungen, die nohammed. Numismalil betreffend»
(2p3. 1839), welcher ſpäter eine «Neue Sammlung»
Petersb. 1844) folgte, und «Topogr. liberficht der
usgrabungen von altem arab. Gelde in Rußland»
ebd. 1841). Die morgenländ. Geſchichte befhäftigte
beſonders infofern, als fie für die alte eidicte
ußlands von Intereſſe ift. Hierber gehört vor
allem «Fbn Ki and und anderer Araber Berichte
über die Ruſſen älterer Zeit» (Petersb, 1823). In
ben «Antiquitatis muhammedanae monumenta
varia» (Petersb. 1820—22) erläuterte er die ar den
Inichriften alter mobammed. Dentmäler. Er jchrieb
auch «Liber alte jüdjibir. Gräberfunde» (Petersb.
1837) und gab «Miscellen aus dem Gebiete der
orient. Pitteratur» (ebd. 1840) heraus,
Fraikin, Charles Auguſte, belg. Bildhauer, geb.
14. Juni 1819 zu Herenthals bei Antwerpen, mid:
mete ſich anfangs auf der Alademie in Brüfjel der
Malerei, dann der Medizin und ſchließlich der Bild:
bauerkunft. Er erntete durch die Statue der Venus
mit der Taube allgemeinen Beifall, —— erhielt
er den Auftrag, 11 Statuen für das Brüſſeler Rat:
baus und den gefangenen Amor für das Staats
mufeum in Marmor auszuführen, 1846—47 weilte
er in Stalien; nad) feiner Ruckehr vollendete er die
Gruppe: Venus und Amor, wofür er zum Ritter
des Peopoldordens ernannt wurde. Für Dftende
entitand das herrliche Grabdentmal der Königin
von Belgien, für Brüffel aber fein Hauptwerk, das
Fragraea — Traktion
in Erz ausgeführte Doppelmonument der Grafen
Eamond und Hoorn (1864; |. Tafel: Niederlän:
difhe Kunft IV, Fig.3), forte die fipende Marmor:
figur des Aſtronomen Qustelet (1880), für Tournai
das Marmorftandbild des Naturforſchers Dumer:
tier (1883). Er ftarb 22. Nov. 1893 in Brüıfiel.
Frailty, thy name is woman! (jpr. freblti
vs nebm 18 wummen), «Schwadheit, Dein Rame
ift MWeib!», Citat aus Shalejpeares «Hamlet» (1,2).
Frain, cjeh.Vranov, Marft in der dfterr. Bezirld-
alte t Snaim in Mäbren, an der Thaya
und der Linie Wien-Tetichen — Schönmal:
3.) der Öfterr. Nordweſtbahn, ift Siß eines Bezirks
gerichts (234,79 qkm, 9399 E.), hat (1890) 1052
deutihe E., ſchöne Bfarrlirhe; Seidenbandfabril
rais oder Freis (althochdeutſch freisa, d. b.
Gefahr, Schreden), beitiger Krampf mit Glieder
uden und Augenverbreben, daher Wurmfrais,
abnfrais oder die Fraiſen: Kinderkrankheiten
mit Krampfanfällen (f. Ellampfie); auch ſoviel wie
Epilepfie. Bismweilen bezeihnet man jedod mit
Fraiſen aud den Kopfgrind (f. d.).
aife (frz, for. fräb]), 1. Stäte
raifierung, eine Reibe von Sturmpfäblen (f.2.).
rafndi, Wilhelm, ungar. Hiftoriter, get.
27. Febr. 1843 in Urmeny im Neutraer Komitat,
ftudierte in Tyrnau und an der Univerfität zu Bet,
murbe 1864 Arofeffor in Tornau, 1865 in Gran,
1872 Ben et der Ungarifhen Alademie,
1875 Bibliotbefar des Nationalmufeums, 1878
Domberr in Großwardein, 1879 Generaljetretär ver
Atademie und Abt von Szegſſard, 1889 BViceprä:
fivent der Alademie, 1890 Zitularbifhof von Arbe,
1897 Zandesoberinfpeltor der Mufeen und Biblio
tbeten. Seine Werte alle in ungar. Sprade
abgefaßt. Erft 17 3. alt gewann er mit der Schrift
«Skizze der ungar, Kulturzuftände in der Zeit der
Herzöge» (Veit 1861) einen Preis der Alademie und
bald darauf mit feiner Arbeit «Alriprung und büfter.
Entwidlung der Balatinds und Überjtlandesrichter:
würde» (ebd. 1863) einen Preis der Univerfität. Die
en Qugendarbeiten F «Beter Bärmän und
€
eine Zeit» (3 Boe., 1867— 72), «Das vater
ändifheund ausländiſche Schulweſen im 16. Jabrb.»
(ebd. 1873), «Geichichte von Ungarn für das Bolb
ebd. 1873), «Das Leben des Grabifhofs Johann
itez» (ebd, 1879), «Die Verſchwoͤrung des Marti:
novicä» (ebd. 1880). Seit 1874 giebt er die «lIngar.
Reihstagsalten mit geſchichtlichen Einleitungen>,
feit 1884_den Briefwechſel des Königs Mattbias
eraus. Ferner veröffentlichte er wertvolle hiſtet
onograpbien, fo die «Geihichte der Abtei Szegs⸗
ärd», «Paul Zomorid Leben», «Der Hof König
udwigs IL», «Die löniglih ungar. Batronate
rechter, «llngarn und die Liga von Cambrai» (deutic
Budapeft 1883), «llngarn vor der Schlacht bei Ro»
bäca» (deutich ebd. 1886), «Das Leben des König
Matthias Corvinus» (deutib Freib. i. Br. 1891),
«Bapit —— XI. und Ungarns Befreiung von
ber Turkenherrſchaft⸗ (deutſch ebd. 1902), jomte die
«Chronica Hungarorum» von 1473 (deutſch Wien
1900). Seit 1884 leitet er die große Quellenpublite:
tion der «eMonumenta vaticana historiam regni
Hungariae illustrantia»,
Fraftion (lat., d. b. Brebung, Bruch, abaeiom
derter Teil), die —— der zu einer und der⸗
felben Partei gebörenden Mitglieder einer parla
mentarijhen Berfammlung zur gemeinjamen Bor
beratung der im Barlament zur Werbanplung
Fraktionierte Deftillation — frame (Waffe)
| — Verſuche, die Bastarde
mi
fommenden Gegenftände. Die Mitglieder einer F.
nd verpflichtet, fih bei ihren Abſtimmungen im
lenum nad den Fraltionsbefhlüffen zu richten | den, au
(Fraltionszwang), — nicht die F. ſelbſt die in
bſtimmung ins Ermeſſen der Einzelnen geſtellt | Bü
bat. Abgeordnete, die feiner F. angebören, werben
als Wilde bezeichnet; Abgeordnete, die, ohne als
eigentliche Mitglieder in einen fsraltionsverband ein:
autreten, fich einer F. eng anſchließen und als außer:
orbentlihe Mitglieder an den per
gen teilnehmen können, beißen Hofpitanten, Im
eutiben Reichstag befteben folgende F.: Centrum,
Nationalliberale, Freifinnige Volkspartei, Freifin:
nige Bereinigung, Deutſchlonſervative, Reichs:
artei (Freitonfervative), Volkspartei, Freie wirt:
Phaftlice Gruppe (Antijemiten), Bolen und Social:
demofraten. Die Welfen und die Abgeorbneten für
— ————— bilden leine beſondere F.; erſtere
gelten zum Teil als Hoſpitanten des Centrums.
De Deitillation, ſ. Deitillation,
zaftür (lat.), Bruch, in der Medizin befon-
ders Knochenbruch (j. Knochenbrüche). — In der
Buhdruderkunft it 5. (d. i. gebrochene Schrift)
die in deutſchen Drudwerlen üblihe Schrift, welche
ſich durch ibre ya —— Eden von der run⸗
ben röm. Schrift (der Antiqua, ſ. d.), für welche auch
bie lat. Bezeichnung rotunda oder rotundalis vor:
lam 3 Sie Inüpfte an diejenige Form
der Buchſtaben an, welche in deutichen Terten und
Briefen beim Schreiben üblih war, Verſuche in
diefer Richtung finden fich bereitö im 15. Jahrh.
Im Anfang des 16. Jahrh. erlangte zu Nürnberg,
wo eine Schule von Schönſchreibern, «Modiiten»
—— beſonders unter dem Meiſter Paul Fiſcher
lühte, eine den Formen deutſchnationaler Kunſt
ch gut anpaſſende Schönſchrift allgemeineres An:
ſehen und Verbreitung. Fiſchers Schüler war der
Schönſchreiber Joh. Neudörfer der Ältere, aus defien
Schule zumeift die Hoffelretäre des Kaiſers Mari
milian I. bervorgingen, darunter Vincenz Rödner,
welcher die Probe zur Theuerdantichrift (f. Buch—
bruderfunjt und Tertfigur 11) geliefert haben ſoll.
Der Einfluß der Laiferl. Kanzlei und die Vorliebe
des Kaiſers ſelbſt für das Deutichtümliche ficherten
jener Schrift ihre Geltung aud für Drude. Der
eifter Hieronymus, Formſchneider, ſchnitt wahr:
ſcheinlich die Typen für den «Theuerdant», dann aber
auch weſentlich einfachere für gewöhnliche Terte,
1525 drudte Albrebt Dürer damit feine ·Underwey⸗
ung der mejjung mit dem Zirdel» (Nürnberg); doch
bon Leonh. Wirftlin, Kloſterbruder von St. Afra
in Augsburg, führt in feinem 1522 dem Kaiſer ge
widmeten Buche«Devarietate literarum latinarum»
unter 100 Schriftarten die Fractura germanica und
Semifractura an, Unter dem Einfluß des Dürerjchen
Buches ging die F, auch in andere Bücher über,
vielfach neben und in Konkurrenz mit Schwabacher
Schrift. Später geitaltete fi das Verhältnis jo,
daß die F. Zertfchrift wurde, während die Schwa:
bacher zur Überjchrift verwendet ward. Indes blieb
e ihrem Urfprunge gemäß auf deutſche Terte be:
&räntt, fo daß in diejen felbit einzelne lat. Wörter
n Antiqua gejeßt wurden, 3.B,.«Typographus. Der
Bin ginn In —— lonnte die Fralturſchrift
um jo weniger Eingang finden, als bier die ton⸗
angebenden Druder (Fodocus Badius, Simon de
Eolines, Robert Ejtienne, Michael Bascojan) jelbit
die früher bäufig verwendete got. Schrift ver
ſchmähten und die Antiqua bevorzugten, während
943
s d. i. die dort heis
rm der Schönicrift, zu Büchern zu verwen:
| die Dauer erfolglos blieben. Ebenjo wurde
talien und England die Antiqua allgemeine
erſchrift. In Holland wurde die F. (hier Hoog-
duitsch genannt) eine Zeit lang für Romane und
Heifebeihreibungen verwendet, doch bald gleichfalls
burd die Antiqua verdrängt. Dagegen bürgerte
& bie F. in den nordifhen und den lat.:|lam.
ändern ein, da biefe ihre Typen von deutichen
Schriftgießereien bezogen. Im 18. Jahrh. büßte
die 3. an Schönheit und Anfehen ein, und es erhob
ih aud in Deutihland eine Agitation dagegen.
ft zu Anfang des 19. Jahrh. erfuhr fie durch
Erich — Walbaum eine Reform und groͤ⸗
ere Zierlichleit; aber zugleich verlor fie im Aus—
ande den Boden, Schweden und teilmeife aud
Dänemark wendeten ſich der Antiqua zu, ebenfo die
lat.:flam. Völker, und in Deutichland ſprachen fich
die Gebrüder Grimm gegen fie aus. Gegenwärtig
werben in Deutihland etwa 60 Proz. der willen
Ne) m Werte mit Antiqua gedrudt, doch herrſcht
de
die F. no in Zeitungen, Romanen und Bollss
(er ten unumſchränkt. — Vol. J. ©. J. Breittopf,
er Bibliographie und Bibliopbilie Lpz. 1793);
. Sönneden, Das deutſche Schriftwejen und die
otwendigleit feiner Reform (Bonn 1881), der für
die lat. Drud: und Schreibſchriften eintritt.
Fre (norweg., d. b. vorwärts), Name des
Schiffs, das Fridtjoſ Nanſen (f.d.) bei feiner Nord:
polreife 1893—96 und der Norweger O. Sverdrup
f.d., Bd. 17) zu feinen Forſchungen im Arktifhen
chipel Nordamerilas 1898—1902 benupte.
Framböfie (vom franz. framboise, Himbeere)
oder Erbbeerpoden, amboinifhe Pocken,
Beerſchwamm, aub Yaws, —— oder
Sarnes genannt, eine eigenartige Hautfrankheit,
welche ſich nur in den Tropenländern, inöbejondere
an ber Hüfte von Guinea und den benachbarten Tei:
len Afrilas let und dur das Auftreten Mei:
ner weißer Pujteln auf geröteter und entzündeter
Haut fowie daraus ——— Geſchwuͤre und
ſchwammiger Auswüchſe von Form und Größe
einer Himbeere zu erlennen giebt. Derartige Wus
gi melde eine klebrige, zu Krujten und
orlen eintrodnende Flüffigkeit apfonder, finden
fi namentlid an Gefiht und Baden, in den Achſel⸗
gruben, am a und an den untern Ertremis
täten. Der Verlauf der Krankheit iſt gemöhnlid
ein jehr langwieriger, und e8 lönnen Donate, jelbit
ahre vergeben, ehe fämtlihe Gejhmüre vernar-
en und bie himbeerartigen Wucherungen well wer»
den und ſchließlich abfallen, worauf gemöhnlih Ge⸗
nefung eintritt; doch bleiben häufig noch lange nach
der Heilung dunkel pigmentierte Stellen zurüd.
Neger werben vorzugsweiſe von ber 5. befallen,
während Kreolen und Europäer nur felten von ihr
ergriffen werben. Die Behandlung bejteht am
beiten in häufigen Bädern, Einreiben der geröteten
Stellen mit aljam, Beitreuen der Bullen mit
austrodnendem Streupulver (Wismut, Zinkoxyd
und Stärtemebl), [honendem Entfernen der Kruſten
und Dorfen und Beftreihen der Gefhmürsfläcen
mit Höllenfteinlöfung, worauf eine Salbe (Bors
falbe, Bajeline, Hebrajhe Salbe) aufgelegt und
durd gutfigenden Drudverband befejtigt wird.
Frame (lat. framda), ein langfhäftiger, zu Stoß
und Wurf —— Speer mit kurzer Spitze, Haupt⸗
waffe der Germanen vor der Vollerwanderung.
944
rame (engl., fpr. frehm), im Mafchinenbau ein
Rabmen ie eine Einfafjung
oder ein Geitell,
Frameries (fpr. fram’rib), Stadt in der belg.
Provinz Hennegau, 7 km im SW. von Mons, an
den Linien F.St. Ghislain der Belg. Staatsbahn
—— der Nordbahn, bat (1900) 11666
E., Steintoblengruben und wichtige Seilerei.
Framingham (fpr. frebmingem), Stadt im
County Midpdlefer im norbamerit. Staate Mafla:
chuſetts, en von Bofton am Subbury:
River, hat einjchließlich North: Framinghbam, South:
ramingbam und Saronville (1900) 11302 E., Fa:
rifation von ren und Gummiſchuhen,
Strobflehterei, Gieherei fowie höbere Schulen.
auc, Münze, |. Frank.
ancaid (pr. frangbäh), Francois Louis, franz.
Landſchaftsmaler, geb. 17.Nov. 1814 in Plombieres,
war Buchhandlungsdiener in Baris, bis er Gelegen⸗
beit fand, künftleriiche Studien zu beginnen. Er war
Schüler von Gigour, dann von Corot. Seine mit
größter Sorgfalt in den Einzelheiten durchgebilde—
ten Landſchaften find — aber etwas geſucht
in den Motiven. Seit 1890 gehörte er der Alademie
der jhönen Künfte an, Er ftarb 28. Mai 1897 in
Paris. tal, Anfihten berrihen vor, doc hat er
auch mande Gegenden feines Baterlandes gemalt.
Hauptbilder find: Der Bart in St. Cloud, Bas:
Meudon, Ausgrabungen in Vompeji (1865), Das
Ende des Winters (1853), Mondſcheinlandſchaft mit
dem trauernden Orpbeus (1867), Buchenwald mit
Daphnis und Chloe (1872; letztere drei im Luxem⸗
bourgmujeum zu Paris), Das Bad der Diana
(1888), Garten ber Heiperiven (1891).
Srangaife (pr. frangßähſ'), ein der Anglaife
(f. d.) und der Ecofjaife — d.) nachgebildeter, mit
biejen öfter verwechjelter franz. Tanz im Sechsach—
teltalt. Die Tänzer treten in zwei Reiben an, in der
einen die Damen, in der andern die Herren. Die F.
ift nicht zu verwechjeln mit dem Kontertanz (f. d.),
der heute vielfach F. genannt wird,
Srancavilla. 1)5. Fontaneto, Stadt im Kreis
Brindiſi der ital, Brovinz Lecce, an der Linie Brin—
bifis TZarent des Mittelmeernekes, bat (1901) mit
Billa Eaftelli 20422 E.; Gerberei, Weberei und
Fabrikation von Lederwaren. In der Näbe wurden
1719 die Spanier von den Öfterreichern geſchlagen. —
2) F. di Sicilia, Ort im Kreis Cajtroreale der
rovinz Meffina auf Sicilien, links vom Alcantera,
bat (1901)5505 €, ; Seiden:und Baummollipinnerei.
Der Ort gewährt eine ſchöne Ausſicht auf den Ütna.
bite Herzogin von, ſ. Eboli.
rancavilla, Pietro, franz. Bildhauer, ſ.
Francheville, Pierre.
France, La (jpr. franaß), franz. Name von
Frankreich; F. &quatoriale (jpr. efatoriäll), |. Fran:
joͤſiſch⸗Kongo.
France (ſpr. frangß), Anatole, eigentlich
Jacques Anatole Thibaut, franz. Dichter,
er 16. Upril 1844 in Baris, wurde auf dem Col-
ge Stanislas gebildet, trat mit der Studie «A. de
Vigny» (1868) zuerſt auf und erwarb ſich durch die
formvollendeten Gedichte « Poèmes dor&s» (1873)
und das Drama «les noces corinthiennes» (1876)
einen Namen. Wenig Glüd madte feine humo—
riftiiche Erzäblung «Jocaste et le chat maigre»
(1879), während der Humor feiner folgenden Erzäb:
lungen «Le crime de Sylvestre Bonnard», «La
büche de Noäl» (1881) und der Roman «Les desirs
Frame (im Mafchinenbau) — Francesca da Rimini
de Jean Servien» (1882) Beifall fanden. Dazu
famen die Novellen und Schilderungen « Abeille»
(1883), «Le livre de mon ami» (1885), «Nos en-
fants» (1886), «Les autels de la peur», «Balthasar»
1889) und «Thais» (1890), mit feiner Jronie bear:
itete hriftl. Legenden, ferner «L’&tui de nacre»
(1892), «Les opinions de M. l’abb& Jeröme Coi-
gnard» (1893),«La rötisserie de la reine Pedauque
(1898), «Le lys rouge» (1894; deutſch Münd. 1899),
«Le jardin d’Epicure» (1895), «Le puits de Ste.
Claire» (1895), «L’Orme du mail» (1897), «Le
mannequin d’osier» (1898), «L’anneau d’ame-
thyste» (1898), «Monsieur Bergeret & Paris» (1900),
leßtere vier bilden den Romancyclus «Histoire con-
temporaine» und geißeln die Zuftände des heutigen
ankreich; neuerdings erſchienen noch «Pierre No-
ziere» (1899), «Clio» (1900). %. ift Bibliotbelar
des Senats und beſonders durch jeine md lichen
Auffäge («La vie littöraire»; unter diefem Titel
aud) gefammelt, Bd. 1—5, 1888—93) im «Temps»
und andern Blättern einer ber angejebeniten litterar.
Kritifer geworden. Seit 1896 in er Mitglied der
Sranzöfiihen Akademie,
Francesca (pr. -tiheöta), Piero della, eigent
lich Pietro di Benedetto de’ Francesdi, ital. er,
genannt Bi San Sepolcro,geb.um 1420 (nach an«
dern 1406) in Borgo San Sepolcro, begann jeine
Ihätigkeit in Florenz, mo er 1439—40 als Gebilie
Domenico Venezianos in Sta. Maria Nuova malte.
Später arbeitete er in Arezzo (Frteslen in San Fran:
ceöco), Borgo San Sepolcro (Auferftehung Ebrifti,
im Stabthaus), für Sigismondo Malatefta in Rimini
to von 1451 in San Francesco), in Ferrara und
ologna, in Rom für Nitolaus V. und in Urbino für
Fir o von —— (Borträte in den Uffizien)
ftarb 1492. F. gebörte zu dem Kreiſe von Malern,
die wie Uccello und Eaftagno bemübt waren, durch
—— Studium der Berfpettive ihren
ie eich eine größere ftiliftiihe Geſezmäßigkeit und
aturwahrheit zu verleihen. Die Errungenjchaften
der Florentiniſchen Schule, denen er aub in
Abhandlung «De prospectiva pingendi» (in der
Ambrofiana zu Mailand) Ausprud gab, übertrug
er nach Umbrien und Ferrara, wo der erjte große
Meifter Francesco Eofja fein Schuler wurde. Auch im
—— Verſuchen, die Luftperſpeltive und eigentüm
iche Lichtwirklungen wiederzugeben, zeigt er ſich als
ein fühner Neuerer, ja übertrifft hierin die }yloren:
tiner, wenn er au, was Adel und Bornebmbeit
der Figuren anbetrifft, hinter denfelben zurüdbleibt.
1892 erbielt er in feiner Baterftabt ein Standbild. —
Bol. Waters, Piero della F. (2ond. 1901).
Francedca da Rimini (jpr. -tihesta), Tochter
ded Guido da Polenta, Herrn von Ravenna,
wurde um 1275 mit Gianciotto Malatejta, Herm
von Rimini, vermäblt, der fie wegen ihrer Neigung
zu feinem Bruder Raolo um 1288 ne ft dieſem er
mordete. Dante bat in der «Divina Commedia»
«Inferno», V) das Ende der F. befungen; Silvio
ellico, Ubland (unvollendet), B. Heyſe, M. Greif,
d' Annunzio u.a. haben den Stoff dramatiſch be
handelt, epiſch Seigh Hunt u.a., muſilaliſch Roifini.
— Bol, Tonini, Memorie storiche intorno a F.
(2. Aufl., Rimini 1870); De Sanctis, F. d. R. se
condo i critici esecondo l’arte (in ver«aNuova Anto-
logia», 1869); Yriarte, Frangoise de Rimini dans
la legende et dans l’histoire (Par. 1882); Formi⸗
gini, F.d. R., monografia storica (Livorno 1873);
icci, L’ultimo rifugio di Dante (Mail. 1891).
Franceschini — Franchi (Aleffandro)
Franceschini (ipr.-tichestihni), Baldaflare, ital.
‘Maler, geb. 1611 in Bolterra, wo fein Vater Bild:
bauer war, ftudierte in Florenz bei Roffelli, ſpäter
unter Giovanni da San Giovanni. Er erhielt be
deutende Aufträge für Kirchen und Profanbauten,
befonder8 von den Mebiceern; jo jhmüdte er in
Sta. Eroce die Kapelle Niccolini, die Kirchen Sta.
Annunziata (Krönung der Maria), Sta. Maria
maggiore und den Pittipalaft. Eine Zeit lang lebte
er in Rom, tebrte aber wieder nad Florenz zurüd,
wo er 1681 jtarb.
anceschimi (ipr. -tihestihni), Marcantonio,
ital. Maler, geb. 5. April 1648 zu Bologna, geit. das
ſelbſt 24. Dez. 1729, war Schüler des Carlo Cignani
und madte darauf Studienreifen nad Genua und
Rom. In Rom beteiligte er fih 1711 an den Kartons
für die Mofaiten in St. Beter, lehrte dann aber 1714
nad Genua, endlich nach Bolognu zurüd,. In Genua
hatte erden großen Ratsfaal mit Freslen geihmüdt,
welcher 1777 verbrannte. Sein größter Gönner war
der Furſt Hans von Liechtenſtein in Wien, in deſſen
Balaft in der Roſſau noch jest die Deforationen 75.8,
darunter eine Schlafende Venus mit Amor, erhalten
find. Bon feinen Ölgemälven beſitzt die Dresdener
Galerie: Die büßende Magdalena zwijchen tröften:
den frauen, das Hofmufeum zu Wien: Der beil.
Karl Borromäus bei den Peitlranten in Mailand
und eine Büßende Magdalena. 7. gebört zu den
chtbarſten Dekorationsmalern der Carracci⸗
Aule; feine Werle find heiter und gefällig, aber
charalterlos und gejudt in der Wirkung.
Franoesco (ital., ſpr. -tichesto), männlicher
Borname: Franziskus, Franz.
Francedco v’Albaro, San, Vorort von
Genua, ſ. San Francesco d'Albaro.
ranceville (jpr. frangk'wil), Station in Fran:
zoͤſiſch-⸗ Kongo in Uquatortalafrila, am Zufammen:
jluſſe des Paſſa und des obern Ogowe auf einem
420 m hohen Plateau. Bon bier aus werben bie
Maren durch Batele nad) dem 200 kın entfernten es
teti an der Alima getragen, um bier nach dem Kongo
verjhifft zu werben. F. wurde 1880 von Savor-
gnan de Brazza (f. d.) gegründet.
ranche, joviel wie Franſe (f. d.).
auche Comte (ipr. frangſch fongteb), die ehe⸗
malige Freigrafſchaft Burgund, auch Hoch- oder
Deutſch-Burgund, umſaßte als Provinz Frank—⸗
reichs die Depart. Doubs (mit Ausnahme des da—
maligen württemb. Mömpelgard), Jura und Haute:
Saöne (j. die Harte: Norddjtlibes Frankreich
undHiſtoriſchekarten vonFrankreich, 8, beim
Artikel Frankreich) und hat 15 743 qkm und (1901)
826757 E, Sie zerfiel in die Oberämter (bailliages)
Bejangon, Amont oder Befoul und Aval oder Lons⸗
le» Saunier; Hauptitabt war Bejangon.
Zu Cäſars Zeit bewohnten das Land die Sequa:
ner, nad) deren Befiegung es der Provinz Belgica
prima einverleibt wurde. Später bildete es nebft
der weſtl. Schweiz die Provinz; Maxima Sequano-
rum. Im 5. Jahrh. wurde ed von den Burgundern
in Befi genommen und ihrem Reiche einverleibt.
Durch Chlodwigs Nachfolger ward das Land gleich
dem übrigen Burgund (j. d.) 534 mit ber fränt.
Monarchie vereinigt und teilte deren Scidjale.
Eine neue Epode ſchien anzubreden, als der ala:
mann. Graf Rudolf 889 das Transjuraniſch⸗Bur⸗
gundiihe Königreich ftiftete, das die F. und die
weſtl. Schweiz umfaßte. 1032 kam es an Raiier
Konrad II. und damit in Perjonalunion mit dem
Brodhaus’ Konverfationdskerikon. 14.AMufl. RM. VI
945
deutfchen Rönigtum. Kaifer Lothar trennte das
Herzogtum Kleinburgund, die weſtl. Schweiz, von
ber hr die feit jener Zeit wegen ihrer vorzüglichen
Freiheiten dieſen ihren Namen führt und dur
die Erbtochter Beatrir 1156 dem Kaifer Friebri
Barbarofja zugebraht wurde, der Bejangon 1184
zur freien Reichsſtadt erhob. 1208 fam das Land
durch Heirat an Dtto II. von Meran und 1248,
nad dem Augfterben des Meranjhen Mannsſtam—
mes, an die Grafen von Ehälon. Durch die Heirat
König Philipps V. war die F. 1316 an die franz.
Krone gefallen EM een bei deſſen Tode, 1322,
dem Herzoge Gudes IV. von Burgund abgetreten.
Beim Ausjterben des altburgund. Herriherbaufes
1361 fiel das Land an Margarete von Flandern,
deren Tochter e3 dem Stifter des neuburgund,
Haufes, dem franz. mag Philipp dem Kühnen,
1384 wieder zubrachte. Bei dem Tode ſtarls des
Kühnen 1477 kam es nad langen Streitigfeiten
mit Karl VIII. von Frankreich im Frieden von
Senlis 1493 an Marimilian von Oſterreich, den
Gemahl der burgund. Erbtohter Maria, wurde
er burgund. Reichskreiſe geſchlagen und nad
aifer Karla V. Abdankung der jpan. Linie des
Haufes Hab3burg zugeteilt. Im Dreibigjährigen
Kriege war die & lange Zeit der Tummelplatz ber
anzojen, die fich ſeitdem ihrer zu bemädtigen
uchten. Endlich fiel fie (mit Ausnahme der erft
1793 abgetretenen Grafſchaft Mömpelgard) im
Frieden zu Nimmwegen 1678 an Frankreich, nachdem
ie Ludwig XIV. ſchon 1674 erobert hatte. — Val.
oly, La F. ancienne et moderne (Par. 1779);
&moires et documents inedits pour servir à l’his-
toire dela F. (3 Bde, Bejangon 1839 —44) ; Rouflet,
Dictionnaire des communes de la F. (6 Bbe., ebv.
1853—58) ; Elerc, Histoire des Etats-gönsraux et
des libertes publiques en F. (2 Bbe., ebd. 1883);
Bouchot, La F. (Par. 1889); Maag, Die Freigrafs
{haft Burgund und ihre Beziehungen zu der ſchweiz.
Eidgenoſſenſchaft 1477—1678 (Zür. 1891); Fraipont,
Le Jura et le Pays Franc-Comtois (Bar. 1897).
Franohes Montagnes (jpr. frangſch mong:
tännj), Landſchaft im Kanton Bern, |. Freiberge.
Francheville (fpr. frangſch'wil), Pierre, auch
Francavilla, Franqueville, franz. Bildhauer,
geb. 1548 zu Cambrai, gin 1564 nad Paris, dann
nad Innsbruck, wo der nfinni e Erzherzog Ferdi⸗
nand IL fich feiner annahm und ihn an Giovanni da
Bologna empfahl, der ihn zu Florenz als Schüler auf:
nabm und an feinen vielen Arbeiten Anteil nehmen
ließ. Indeſſen machte fih 3. bald felbjtändig, wie
feine allegorifhen Geftalten der Demut, Keuſchheit
und Klugheit in der Kapelle Niccolini beweiſen.
Weiter fertigte er die vier Evangeliften für ven Dom
zu Genua. 1601 berief ibn Heinrich IV. nad Paris
und machte ihn zum Hofbilovhauer. Als folder ent:
widelte er eine rege Tbätigleit in der Ausihmüdung
zablreiher Baläjte und Gärten. Gr jtarb um 1615
ın Baris, Im Louvre befindet fich fein 1612 vollen:
deter David und die Öefangenengruppe (1614) zu dem
1604 gefertigten Reiterftandbilde des Königs. F.s
Stil ſchließt ih an den jeines Lehrers Er a
feine Figuren, vornehme Küble der nun,
ausgezeichnete Ebarakterijtit im Bildnis lennzeich⸗
nen jeine Kunſt. Vielſeitig gebildet, verfuchte er ſich
aud als Architelt, Maler und Schriftiteller.
(ital,, F fi), Blural von Franco (ſ. d..
auchi (ſpr.ti), Aleſſandro, Kardinal⸗Staats⸗
ſekretär, geb. 25. Juni 1819, beſuchte das röm.
60
946
Seminar und wurde von Pius IX. 1846 zum Käm⸗
merer befördert, in deſſen Auftrag er 1848 in Wien
bei Kaiſer Ferdinand die Abtretung der dfterr. Teile
Italiens betrieb. Mit beſſerm Erfolg verbandelte
er 1853—56 als außerorbentliher Geſandter in
Madrid über ein Konlordat und» arbeitete jeit 1856,
zum Erzbifchof von Salonili in partibus infidelium
ernannt, ald Nuntius in Florenz gegen Cavour.
1859 nad Rom zurüdgefebrt, leitete er ald Staats⸗
felretär 1860—68 die kirchlichen Angelegenbeiten.
1868 ging er wieder ald Nuntius nah Maprid,
febrte aber ſchon 1869 nad Iſabellas Sturz zurüd,
um an ber Vorbereitung des Vatikaniſchen Konzils
mitzuarbeiten. 1873 zum Kardinal, 1874 zum Leiter
der Propaganda ernannt, fam er nad Pius’ IX.
Tod jelbit ald Nachfolger ernftlih in Frage, be
wirfte aber die Erhebung des Kardinald Pecci zum
Bapft (Leo XIIL), der F zum Staatäjelretär er:
nannte. Er jtarb 31. Juli 1878 zu Rom.
rauchi (je: -fi), Aufonio, Pieudonym des
ital, Philoſophen Eriftoforo Bonapvino, geb.
24. Febr. 1821 zu Pegli, war Geiſtlicher, legte aber
1849, infolge feiner Shi oſ. Studien mit den Lehren
der Kirche zerfallen, das Priefterlleid ab. 1860
wurde er Profeſſor der Bhilofophie an der Univerſi⸗
tät zu Pavia, 1863 an der wiſſenſchaftlich-litterar.
Atademie zu Mailand. Von 1854 bis 1857 redi⸗
gierte er die wiſſenſchaftliche Wochenſchrift «La Ra-
ione»,. Mit —— errari machte F. entſchiedene
ppofition gegen Rosminis und Giobertis Ber:
fuche, den Katholicismus mit der Philofopbie zu
verjöbnen, Er belämpfte jede Religion, die abfolute
Geltung für fi in An nehmen will; die
menſchliche Erfenntnis ijt auf Ericheinungen bes
Igeenkt, aber mit einem Glauben an die objektive
abrbeit unferer Erlenntnis notwendig vertnüpft;
die Auseinanderjegung mit dem Kriticiömus Kants
bielt F. für die Hauptaufgabe der Vbilofopbie der
Gegenwart. Er jtarb 11.Sept. 1895 im Karmeliter⸗
floiter zu Eajtelletto. Unter feinen zahlreichen Ar:
beiten find zu nennen: «La filosofia delle scuole ita-
liane» (2. Aufl., lor. 1863), «Il razionalismo del
opolo» (Gent 1856; 2. Aufl., Mail. 1862; franzbſiſch
Brüff. 1858), «La religione del secolo XIX» (Laus
fanne 1853; 2. Aufl. 1860), «Lettere su la teorica
del giudizio» (2 Bde., Mail. 1870), «Saggi di
critica e polemica» (3 Bbe., ebd. 1871— 72). Mit
feinem Werte «Ultima critica» (Bd. 1u.2, Mail.
1890—91) kehrte er zur Kirche zurüd,
‚Franchise (fr;., jpr. frangicibf’), Freimutig⸗
feit, Dfienbergigteit; eifein von Abgaben, beſon⸗
ders vom Zoll; certificat de F., Zollfreifchein. In
der Transports, bejonders der Seeverjiherung find
Franchiſen gemille Prozentiäge, bis zu denen
der Verficherer frei von Vergütung für beichädigte
Maren bleiben joll. Beichräntt fich die Pflicht der
Vergütung überhaupt nur auf ven Totalverluft durch
Strandung, fo beißt die Verficherung «frei von Bes
— außer im ———— en,
Francia (Francien), der latinijierte Land:
fbajtsname von Franlen; befonders aber nannte
man fo das Gebiet der Grafſchaften um Paris, die
bei dem Zerfall des Karolingiſchen Weitfranten:
reichs im Befis der aufitrebenden Rapetinger zu
einem bejondern Herzogtum zuſammenwuchſen, das
fpäter aud Saleshes France genannt wurde.
Francia (ſpr. frantiha), Francesco, mit dem
Familiennamen Naibolini, Hauptvertreter ber
ältern bolognefiihen Malerſchule, geb. 1450 zu
Franchi (Auſonio) — Francia
Bologna, beſchäftigte ſich als Goldſchmied vornebm:
lich mit Niellieren, worin er ed ebenſoweit mie im
Stempelihneiden brachte. Nah Vaſari verfertigte
er bie ſchönſten Medaillen und erbielt die Aufſict
über die Münze in Bologna. Als Maler fcheint er
fi den fserrareien Lorenzo Coſta zuerst als Vorbild
enommen zu haben, fonit ift von wald Lebensum:
Ränven wenig mebr befannt, als daß er zablreide
üler hatte und 5. Jan. 1518 ftarb. Raffael, den
er jelbit in einem Sonett verberrlichte, vertraute ibm
vie Ausbeflerung feiner heil. Cäcilia an. Herrlide
Werte von %. finden fi namentlich in feiner Ba
terftadt. Beſonders zeichnen fi feine Madonnen
aus, die bei ihrer etwas berben Yungfräulicteit
doch eines hoben geheimen Neizes nicht entbebren,
wie überhaupt jeine Geftalten zwar minder frei und
bewegt find als die feiner größten Zeitgenofien, aber
in ihrer entfernt an Berugino gemahnenden zarten,
innigen —— höchſt anmutig wirlen. Treff
lich ind feine Freslen in Sta. Cecilia zu Bologna;
zu feinen fhöntten Merten zählt die tbronende Ma:
donna mit mufizierenden ein in Sarı Giacomo
Maggiore dafelbit. Bon feinen jonftigen Tafelbilvern
befigt unter anderm die Zuriner Binatotbel: Grab-
legung Ehrifti (1515); die Dreödener Galerie: Taufe
Shrift, nbetung der Könige; das Hofmufeum zu
Wien: Maria mit dem finde. Schüler 5.3 find fein:
Söhne Giacomo und Biulio, in deren Merten
der Stil des Vaters etwas vergröbert und entgeiſtigt
ericheint, ferner Timoteo Biti, die Aipertini u.a. —
—* Calvi, Memorie della vita di Francesco Rai-
bolini LNDEne 1812); Williamfon, Francesco
Raibolini, called F. (Lond. 1901).
Francia, Yoje Gaspar Tomas Rodriguez da,
ewöhnlih Doktor F. genannt, Diktator von
Paraguay, geb. 1757 (nah andern 1763) zu Aſun⸗
cion, jtudierte erjt Theologie, dann die Rechte, lich
fih in Afuncion als Sachwalter nieder und wurde
zum Ulcalden jeiner Vaterftadt ernannt. Als Ba:
raguay ſich 1811 von der jpan. Herricaft losge⸗
riſſen hatte, wurde er Sefretär der Junta. 1813
wurden Fulgencio Yegros und F. zu Konſuln er
wäblt und mit der oberjten Gewalt belleidet, doch
wollte F. die Gewalt mit niemand teilen. Als
Pam der Kongreß ſich 1814 wieder verjammelte,
ſchlug er ald einziges Nettungsmittel des Staates
die Ernennung eines Diltatord vor und wurde nun
ſelbſt zum Diktator auf drei Jabre, 1817 auf te
benszeit ernannt. Raum aber batte er dies erreidt,
als er in feiner Verwaltung die härtejte Tyrannei
eigte. Als Unruben entſtanden, verfügte er, das
and folle nah den Formen einer reinen Demo
fratie regiert werden und ein Kongreß von 1000
Deputierten, aus allen Bürgerklaſſen ermwäblt, die
Berwaltung pres. Die gemäblten Mitglieder des
Kongreſſes aber übertrugen F. wiederum die dilta⸗
torifche Gewalt, der nun alle Klöjter aufbob und
deren Güter zum Bejten des Staates einzog. An
dererjeits förderte er den Gewerbfleik und den An:
bau des Landes durch Gejeke und freilich oft bödit
— Maßregeln verſchiedener Art. Eine
erſchwörung wurde 1820 entdedt und durch Hin:
richtung vieler Perſonen unterdbrüdt. Die Abſper⸗
rung des Landes, die er anordnete, wurde ftreng
durdgefübrt; Fremden war der Eintritt in Bara:
gan ſehr erjchwert. 5 (ebte aus jteter Furcht vor
Mörvern in größter Zurüdgezogenbeit und fübrte
fein Syſtem bis zu feinen Zode 20, Sept. 10
durd. (S. Paraguay, Geihichte.) — Val. Carlole
Franciabigio — Frande (Hug. Herm.)
ın der «Edinburgh (1843); Bazän, El
Ye eanciabigto (pr. fntfchahiefo), eigentlich
ancia 0 (for. frantſchabidſcho), eigentli
Francesco —— lg ital. Maler,
eb. 1482 in Florenz, dajelbit 24. Jan. 1525,
re feine tünftlerifde Laufbahn bei bertinelli,
ſchloß ſich * eier ganz an —— del Sarto
an, mit dem er vi a thätig war
und deſſen edle Bee eibm auch eh . des eige:
nen Schaffens vorſchwebte. Doch errei . feinen
Speifefaal deö Kloſters della Calza malte er ein
endmahlsbild; in der Annunziata aber jeit 1513
fein Mage von dem Künft erin ——
wallung ſelber beſchãdigtes or die Bermäblung
5* nicht immer an Feinheit und Durd ildung.
Marias. Die Tribuna der Mfyien in Floren ——
von ihm die ſog. Madonna del 0330, die
zu Dresden eine Bathjeba im e (1523). Auch
im Bildnisfach hat F. Gutes geleiſtet; ſo befindet
ſich in Berlin das orträt eines jungen Mannes
(1522), ein anderes im * Pittizu Florenz (1514).
Frauciade (ſpr. frangkiahd), von einem vor:
geblihen Francus abgeleiteter Name franz. Helden:
edichte von Ronfard (1574) und Viennet (1863).
erner bezeichnet F. im franz. Revolutionstalender
einen Zeitraum von 4 ven. Auch nannte ſich
die Gemeinde St. Denis bei Parid während der
eriten Sranifien Republit einige aa F.
cien, ncia (Landſchafth.
aucillon (ſpr. ranopijöng), —— ——
engl. Vovelliſt und Journaliſt, geb. 1841 als Sohn
eines Richter in Gloucefter, ftubierte i in Gambridge
die Nechte, war Advolat und übernahm 1867 die
Redaltion beö «Law Magazine», Der Erfolg feines
1868 in «Blackwood’s Magazine» verö entlichten
Romans «Grace Owen’s engagements» bejtimmte
um, die ſchriftſtelleriſche T eglet zu ergreifen.
veröffentlichte feitdem die Romane « Earl’s
Dene» (3 Bde., Lond. 1871), «Pearl and Emerald»
(1872), «Zelda’s fortune» (1873),«Olympia» (3 Bbe,,
1874), «A dog and his shadow» (3 Bde., 1876),
«Strange waters» (3 Bde., 1878) und «Queen
Cophetus» (3 Bde., 1880) jowie die Weihnachts—
geſchichten «Streaked with old»,«Like asnowball»,
«Rave luck» und « the dark » (1874—77).
Seine Beiträge zum «Globe» ſammelte er 1872 als
«National istics and flora and fauna of
London». Seine neueiten — find: «King or
knave?» (3 Bde., 1888 u. d.), «Gods and heroes»
(1892), «Ropes of sand» (3 Bde., 1893), «Jack
Doyle’s daughter» (3 Bde,, 1894).
raneis (ſpr. fränn i8), Lydia Maria, nord:
amerik. Schriftitellerin, . Ehild. [Briefe des,
aueis (ipr. fränn$is), Sir Philip, ſ. Junius,
ranciöboot, |. Rettungsboote.
eißca, beilartige Streitart Ale
ancidcaner, Möndsorden, f ranzistaner.
cisoea uniflora Pohl, Heilpflanze,j. Ma⸗
naca. Francisco,
—— Säo, Strom und In el, ſ. Säo
anucidco, San, Stadt, ſ. San Francisco,
auciscus, ber Heilige, ſ. Franz von Aſſiſi.
Francis-River, Saint, ’
River.
aucisſee, Santt, j. Sankt Lorenzitrom.
rand, DBeiname des Formſchneiders Hans
— rger (j. d.).
63. franz. Philoſoph, geb. 9. Ott.
Rx zu ——— (Meurthe), von jad. Ablkunft, er:
Saint Francis:
947
bielt feine Bildung an den Gymnaſien zu Nancy
und Touloufe, war dann Lehrer der — hie
an verſchiebenen Lyceen und wurde 1856 ord. Pro⸗
feſſor des Natur- und Volkerrechts am Collöge de
France. Er ſtarb 11. April 1898 in Paris. Er
war namentlich Kenner der jüd. Philoſophie. Seine
Werte find: «La Kabbale, ou la philosophie reli-
gieuse des Höbreux» (Bar. 1843; * Aufl. 1892;
deutſch von Gelinet, Lpz. 1844), «Le communisme
juge par P’histoire» (1849; 8. Aufl. 1871), «Re-
formateurs et publicistes de l’Europe» (3 Bde.,
1863— 93), «Philosophie du droit penal» (1864;
2. Aufl. 1880), «La philosophie mystique en
France & la fin du XVIII® siöcle» (1866), «Mora-
listes et philosophes» (1871; 2. Aufl. 1874), «Phi-
losophie du droit civil» (1886) und bejonbers
fein wichtiges « Dietionnaire des sciences philoso-
phiques» (6 Bde. 1843—49; 2. Aufl. 1875), das er
mit mehrern Gelehrten berausgab. Lange Zeit warer
einer der Redacteure des «Journal des Debats», 1888
gründete er die Zeitſchrift «Paix sociale», die ſich
vornehmlich ge @ en den Atheismus richtet.
Frand, AR ar, per Komponift, j. Bd. 17.
Frand (Fran Sob., © +, Dichter, geb. 1. Juni
2. zu Guben, kublenn die Nechte, ward 1661
ürgermeifter feiner Vaterſtadt und ftarb daſelbſt
uni 1677 als Qandesältefter der Niederlaufig.
Bon ibm erſchienen: «Geiftlihes Sion» (Guben
1672; 2. Aufl. 1674) und «Geiftlihe Lieder» 1
von Bafıg, Grimma 1846), die ein tiefreligiöfes
Gemüt befunden. Seine Lieder: «Schmüde did, o
liebe Seele», —* Gott, dich loben wir», «Jeſu,
meine uden, «Du, o jhönes MWeltgebäube»,
baben ſich in den Gejangbücern erhalten. — er
di Die Abfaffungsgeit der geiftlichen Lieder
8 (im «Neuen Saucen Magazin», Bd.52 u.
53, 1876); derf., Job. 5. von Guben (Guben 1877).
Frand, Ludwig, ierarzt, geb. 7. März 1834
in Mogger bei Mupperg (Sabien-Meinin en), ſtu⸗
dierte an der Gentraltierarzneiihule zu Münden,
wurde 1854 Landgerichtstierarzt in Ebern und 1856
Militärveterinär in der bayr. Armee. 1864 wurde}.
als Profeſſor an die Münchener Tierarzneifchule bes
rufen, an welcher er nahezu —83* und zwar von
1877 ab als Direltorin der fruchtbarſten Weile thätig
war. %. jtarb 4. April 1884. en Hauptfächer
waren Anatomie und Geburtöbilfe. Klaſſiſch find
feine Werle «Handbuch der Anatomie der Haustiere»
(3. Aufl., 2 Bde. Stuttg. 1891—93) und «Handbuch
der terängtlihen Öeburtsbülfe (3. Aufl,, hg. von Go⸗
ring, Berl. 1893). Mit Bollinger jufammen gab F.
ſeit 1875 die «Deutjche —* rift für Tiermedizin
und vergleichende Pathologie» (Leipzig) heraus.
Frauck, Melchior, Komponift, geb. um 1580
(nah andern um 1573) in Bittau, war jeit 1603
Hoflapellmeifter in Coburg, wo er 1. Juni 1689
itarb. F. tft einer der bedeutendften Chorlomponi 2.
des 17. Jahrh., durch Innigleit und dramat.
pfindun ausgezeichnet. Neben feinen Motetten
waren jeine —— beliebt. — Val. Mo:
natäbefte für Mufttgefchichte, ba. von der Gejell:
ſchaft für Muſilforſchung, Bd. 17 (%p5. 1885); Obrift,
Melchior %. (Differtation, 1892).
been ‚ Sebaltian, ſ. Frantf.
raucke, Aug. Herm., der Stifter des hallifchen
Waiſenhauſes und vieler damit verbundener An
jtalten, geb. 22. März 1663 zu Lübed ald Sohn
des dortigen Domſyndikus, bejuchte das Gone
nafium zu Gotha, wo fein Vater jeit 1666 Juſtiz⸗
60*
948
rat war. Er ftubierte zu Erfurt und Stiel Theologie
und ging 1684 nach Leipzig, mo er ſich 1685 habilis
tierte und 1686 mit mehrern Magiitern das Col-
legium philobiblicum gründete, eine Geſellſchaft,
worin die Bibel erſt philologiſch, dann praltiſch er:
Härt wurde. 1687 ging er nad Züneburg, um
unter dem dortigen Superintendenten Sandbagen,
einem berühmten Gregeten, fi in der Eregefe zu
üben. Nachdem er ſich dann noch in Hamburg und
beiSpener(f.b.), der damals Hofprediger in Dresden
war, aufgehalten, kehrte er 1689 nad} Yeipzig zurüd.
ier begann er, in anderm Geifte und mit größerm
folge als früher, feine Borlefungen wieder; mit
dem Sutrang dazu wuchſen au nfeindung und
Verfolgung. Man verbädtigte ihn als Jrrlebrer,
weil er weniger Wert auf bie damalige unfruchtbare
Orthodoxie legte. Chr. Thomafius (f. d.), damals
nod in seipiie verteidigte ihn zwar in einer eigenen
— a — nahm doch 1690 einen Ruf nach
Erfurt als Dialonus an der Auguſtinerlirche an.
Da feine durch Herzlichleit und warmen Eifer aus:
ge eihneten Predigten jelbft von Katholiken zahlreich
ehucht wurden, erhielt F. von ber Kurmainzer Re
sierung 27. Sept. 1691 den Befehl, Erfurt binnen
483 Stunden zu verlaflen. Er ging zu feiner Mutter
und Schmeiter nad Gotha und 1692 nad Halle, mo
er an der neu errichteten Univerfität zuerft die Bro:
fefjur der orient. Spraden, fpäter eine theologiſche
übernahm; zugleich erhielt er das Paſtorat in der
damaligen Amts:, jest Vorſtadt Glaucha. Hier bes
ee jeit 1695 bie Srandejhen Stiftungen
1.d.). Die pietiftifche Richtung feiner Theologie ver:
widelte F. in häufige Streitigkeiten mit der Geiſtlich⸗
feit und der Univerfität in Halle Er ftarb 8. Juni
1727 zu Halle. Unter feinen zablreihen Schriften
find ——— «Offentliches Zeugnis vom Wert,
Wort und Dienſt Gottes» (Halle 1702) und «Segens⸗
volle Fußtapfen des noch lebenden Gottes» (ebd.
1709 u. d.); feine «Bädagogifhen Schriften» gab ©.
Kramer in der «Bibliothet pädagogiicher Rlaffiter»,
Vd. 11 (2. Aufl., Langenfalja 1885), heraus. Im
Bereiche feiner Stiftungen wurde ihm 5. Nov. 1829
ein ehernes Standbild (modelliert von Raud) er-
richtet. — Bol. Guerite, A. 9. F., eine Denlſchrift
(Halle 1827); Kramer, Beiträge zur Geſchichte A.
9. 3.8, enthaltend den Briefwechſel 5.8 und Spe-
ners (ebd. 1861); derf., Neue Beiträge zur Geſchichte
N. H. 5.8 (ebd. 1875); derf., A. 9. F, ein Lebensbild
(2 Bde., ebd. 1880—82);N. Stein, A. H. F. (3. Aufl.,
in den « Deutſchen Geſchichts⸗ und Lebensbildern»,
Bd. 3, ebd. 1894); R. %. Hartmann, A. 9. 3. (Calw
und Stuttg. 1% Förfter, A. H. F. (Halle 1898);
Wächtler, A. 9. F. als Baftor zu St. Ulrih 1715
—27 (ebd. 1898).
Frande, Karl Philipp, Politiker, geb. 17. Jan.
1805 zu Schleäwig, ftudierte 1823—27 zu Göttin:
en, Heidelberg und Kiel die Rechte, trat 1827 als
Volontär in die ſchlesw.⸗holſtein. lauenb. Kanzlei
in Kopenhagen und wurde 1835 in das General:
jolltammer: und Kommerztollegium verſetzt. Hier
tand F. 1835 —48 an der Spike der Zoll: und
Handelsangelegenbeiten der Herzogtümer und führte
eine durcgreifende Zollreform ein. 1848 legte F.
feine Amter nieder und trat in die Dienfte der pro-
viforiihen Regierung der Herzogtümer, bie ihn zum
Regierungepräfidenten in Schleswig ernannte. Zum
Abgeordneten für das Frankfurter Barlament ge
mwäblt, jtand er auf feiten der fonftitutionellen und
erbtaiierl. Bartei. Seit Nov. 1848 war er Bevoll:
trande (Karl Bhilipp) — Franckenſtein
mädhtigter der fchlesw.:holftein. Waffenſtillſtands⸗
tegierung beider Gentralgewalt. Nah Auflöfung des
Barlaments kehrte F. in fein Vaterland zurüd un»
übernahm im Aug. 1849 die Berwaltung des Finan
bepartements und dazu im Mai 1850 das der aus:
mwärtigen Angelegenbeiten, bis die Unterwerfung
des Landes unter die Bundeserekution feiner Wirt
famfeit 31. Jan. 1851 ein Ziel Teste. Bon ber bän
Regierung verbannt, übernahm er im Herbit des:
felben Jahres das Regierungspräfipium in Co⸗
burg und ſeit 1858 bie Yeitung des Minifteriums.
Nah dem Tode deö Königs Friedrich VIL. von Däne
marf folgte er (Nov. 1863) dem Rufe des Herzogs
Friedrich von Auguftenburg zuerft nach Gotha, dann
nad fiel. Nach der preuß. Einverleibung betrad-
tete er das Landesrecht der Herzogtümer als für
immer befeitigt. Die Stellung, die er vemgemäk im
fonftituierenden Reichstage und dem preuß. Abae:
orbnetenbaufe einnahm, führte zum Bruche mit der
berzogl. Familie. %. ftarb 23. Febr. 1870 zu fiel.
Grande, Wilhelm, Juriſt, geb. 26. Juli 1803
u Lüneburg, ftubierte zu Göttingen Rechtswiſſen⸗
haft. habilitierte fib dafelbjt 1825 und murde
1828 außerord. PBrofeflor, 1831 ord. Brofefjor und
Dberappellationsgerichtärat in Jena. 1844 tebrte
er nad Göttingen zurüd, wo er 12. April 1873
ftarb. Er fchrieb: «Eiviliftiihe Abhandlungen»
(Gött. 1826), «Beiträge zur Erläuterung einzelner
Rehtömaterien» (Abteil. 1, ebd. 1828), «Das Rech
der Noterben und Pflichtteilsberechtigten » (ebv.
1831), Kommentar über den Pandeltentitel « De
hereditatis petitione» (Abteil. 2, ebd. 1864). Seit
1837 war F, Mitherausgeber des «Archivs für die
civiliſtiſche be F
Fraucken, Antwerpener Malerfamilie. Die drei
Brüder Hieronymus I. (1540- 1610), Frans.
1542 — 1616), deren Hauptwert ein Altar in der
atbedrale von Antwerpen it, und Ambrofius
1544— 1618), der zahlreiche Altarbilder für die
irchen dieſer Stadt ausfübrte, vertraten als Schü:
ler des Frans Floris die italienifierende alademiihe
Richtung in der niederländ. Malerei. Von den drei
Söhnen des Frans 1: Hieronymus IL, Am:
brofius II. und Frans U. (1581— 1642), iſt der
legtere der bedeutendite. Er malte zumeift Bilder in
Heinen Berbältniflen und ſchilderte lebendig und in
zahlreihen Figuren bibliſche Geſchichten und alle»
goriſch⸗ mytholog. Vorgänge. In feiner jpätern Zeit
geriet er unter den Einflus von Rubens, deſſen mo:
numentale Werte er in genreartigen Stil überjebte.
Srandenftein, Georg Arbogait, Freiberr von
und zu, Politiker, geb. 2. Juli 1825 zu Würzburg,
ftubierte daſelbſt die Rechte und verwaltete dann,
auf Schloß Ullftadt bei Langenfeld in Mittelfranten
lebend, feine Güter, Als erbliches Mitglied des
bayr. Reichsrates (feit 1847), zu deſſen Präfidenten
er 1881 vom König berufen wurde, gebörte er zu
den klerilalen Batrioten. Er en gegen bie Teil
nahme Bayerns am Deutſch-Franzoſiſchen Krieg
und aud gegen deflen Beitritt zum Deutichen Reid.
Als König Ludwig UI. 1886 ſchon entmündigt mar,
machte 5. noch den vergeblihen Verſuch, ſich dieſem
zur Bildung eines neuen (Mleriltalen) Miniftertums
zur Verfügung zu ftellen. Seit dieſer Zeit beftand
eine —— — ihm und dem bayr. Heike.
Am Deutiben Reichstag vertrat F., der aub Mu:
glied des HZollparlaments geweien war, feit 1872
den Wahllkreis Lohr und befleidvete nad dem Rüd:
tritt Stauffenbergd 1879 bis zur Aufloſung bes
Franckeſche Stiftungen — Franco (von Köln)
Reichſstages 1887 das Amt des erften Wicepräfis
denten. In der Gentrumspartei genoß F. das
größte Anjehen. Er war Vorſtand der Partei und
vertrat biejelbe Koh in den meiften wichtigern
—— wie im Plenum bei bedeutungsvollen
Gelegenheiten. Bei den Verhandlungen über bie
ußzölle brachte F. 20. Juni 1879 in der Tarifloms
miffion den nad ipm benannten Antrag ($randen:»
fteinfche Klauſel) ein, welcher ſchließlich in fol-
gender Fafjung Gejeh wurde: «Derjenige Betrag
der Zölle und der Tabalfteuer, welcher die Summe
von 130 Mill. M. in einem Jahre überfteigt, ift
den einzelnen Bundesstaaten nah Maßgabe der Be
völferung, womit fie zu den Matritularbeiträgen
— werden, zu überweifen.» Durch die
ehe vom 16. April 1896 und vom 24. März 1897
wurde diefe — REN eändert, daß, wenn
bie —— die Matri erg überfteis
gen, nur die Hälfte, refp. ein Biertel des —* es
den Bundesſtaaten zufließt, der Reſt aber zur Schul:
dentilgung verwandt werden foll. Dem Erjuchen bes
apjtes Anfang 1887, die Gentrumspartei für das
tennat zu gewinnen, kam F. nicht nad. Doc
batte er fich in der legten Zeit der Reichsregierung
mehr genäbert, als er 22. Jan. 1890 in Berlin ftarb.
— Sein Sohn Johann Karl, Freiherr von und
h ., geb. 27. Dit. 1858, vertrat 1890—93 den
abltreis Lohr im Deutfhen Reichstag ald Mit⸗
glied des Gentrums.
Frauckeſche Stiftungen, die von Auguft Her:
mann Francke (j. d.) in der damaligen Amtsjtadt
Glauchä (jest zu Halle a. ©. gehörig) ——
Anſtalten. Francke legte zunächſt 1695 eine Armen⸗
ſchule an; Jam im Sommer diefes Jahres mußte
er eine zweite Klaſſe einrichten und, ba aud Bürger
de Kinder gegen —— eines Schulgeldes zu
brachten, die Burgerſchule von der ſchule
trennen. In demſelben Jahre gründete er mit ges
ringen Mitteln auch eine Watfenanftalt; da die
Ü der Waifen wuchs, wurbe 1696 ein eigenes
Haus für fie eingerichtet und 1698 ein neues Ge
bäude, das Bordergebäude der F. S., erbaut, zu
dem am 24. Juli der Örundftein gelegt wurde (1698
gilt als Stiftungsjahr). Als auswärtige Familien
ihre Kinder unter des Augen erziehen lafjen
wollten, gründete er 1696 eine Erziebungsanftalt,
das Pädagogium, das aber erft 1713 ein eigenes
großes Haus erhielt. Dazu fam noch eine Latei⸗
niſche Schule und eine mit derjelben verbundene
ie ionsanitalt. Mai 1714 wurden 1075
naben und 700 Mädchen von 108 Lehrern unter
Strandes Leitung unterrichtet. Dazu verband er
mit feinen Stiftungen nod die Ganlteintche Bibel:
anftalt (ſ. d.) und unter dem Schuße der dän. Re
gierung ein Miffionsinftitut für Oſtindien. Alle
dieſe Anftalten erforderten bedeutende Summen, bie
reichlich, aud) aus dem Ausland, flofien. Auch lies
ferten mebrere der Anftalten eine wachſende Eins
nahme. Die Apothele, die Buchhandlung, vor allem
aber die Medilamentenerpedition gewährten zu
manchen Zeiten einen bedeutenden Ertrag. Nah
dem Tode des Stifterö 1727 übernahmen fein eins
iger Sohn Gotthilf Frande, der 1769 ohne
achlommen verftarb, und fein S — Joh.
Anaft. Freylinghauſen (ſ. d.) die Direktion der F. ©.
Seit 1892 ift Sr . Fried Direktor.
Das Eigentümliche der F. ©. beiteht jet wie zur
Zeit des Stifters darin, daß in ihnen eine Anzahl
der verjchiedenartigften Schulen auf einem leicht '
949
überjehbaren Raume zufammengebrängt und damit
eine feine Schuljtabt begründet ift, die (1901) fol:
gende Anftalten umfaßt: eine Burgermädchenſchule
(Mittelihule, 480 Schülerinnen), eine Bürgerfnas
benſchule (Mittelichule, 680 Schüler), eine Vorſchule
I die böbern Yebranftalten (230 Schüler), eine
öhere Mäpchenichule (400 Schülerinnen), ein Lehre⸗
rinnenfeminar (100 Zöglinge), eine Oberrealjhule
(410 Schüler), ein Gymnaſium (die Lateiniſche Haupt:
ſchule, mit 700 Schülern) ; zufammen 7 Lebranftalten
mit über 3000 Zöglingen. Mit diefen Schulen -
nod verbunden: die Waifenanftalten für 121 Ana:
ben und 18 Mädchen, die Benfiondanftalt für 240
und das Alumnat für 68 Zöglinge. Neben den Schu:
len befteben al erwerbende Inſtitute: eine Apothele,
eine Buchhandlung und eine en (1. Buch:
bandlung des Waijenbaufes). Ihre Einkünfte bes
ieben die Stiftungen teild aus Grundbefis (brei
ittergüter find ihr Eigentum) und Kapitalver—
mögen, teild aus den a... ihrer Inftitute,
teild aus Staatszuſchüuſſen. Die innere Organi-
m der Schulen und Erziehungsanftalten bat
ich im Laufe der Zeit etwas geändert. Der Unter:
richt hat zwar die religiöfe Grundlage behalten,
aber die große Zahl der Andachtsſtunden ift aus
Däbasssiliben Rüdfihten vermindert. Das Fach—⸗
ſyſtem hat dem Klaſſenſyſtem weichen müflen. Die
Disciplin hat ihren Hofterartigen Charalter ver
loren, und es wirb den Zöglingen bie Teilnahme
an Bergnügungen geftattet, die der Pietismus von
ebedem nicht erlaubte. Anderes bat ſich erhalten:
Die Nachfolger im Direktorium haben noch be
timmte Vorrechte. Sie ernennen ihre Kollegen wie
ihre Nachfolger, fie berufen die Lehrer und ftellen
die Beamten an, verleiben die Stipendien und die
ne au in den verichiedenen Schulen, der Ben:
tonsanftalt und der Waifenanftalt ganz felbitän:
dig; wie denn die Auffichtsbehörden (die Anftalten
fteben zunächft unter dem Provinzialicultollegium
in Magdeburg) nichts ohne ihre Zuftimmung und
Mitwirkung in dem Bereiche der Stiftungen an:
ordnen. — Bol. Die Stiftungen Augquft Hermann
andes in Halle (Halle 1863); D. Frid, Die F. S
ebd. 1892); Fries, Die F. ©. in ihrem zweiten Jahr⸗
hundert (eb. 1898); Hersberg, Frande und fein
Hallifhes Waiſenhaus (ebd. 1898); Knuth, Frandes
Mitarbeiter an feinen Stiftungen (ebd. 1898); Tie
5: ©. in Halle a. ©. in ihrer gegenwärtigen Ge
talt (ebd. 1901). j
Frano-magon (frz., ſpr. frang maßöng), Frei⸗
maurer; Franc-magonnerie (jpr. -Bonn'rih), Frei⸗
maurerei, ‚
Franco, Mehrzahl Franchi, Name der Geld»
einbeit Fran (f. d.) in Oberitalien.
Franco (ital.; franz. affranchi, port pri: engl.
paid), frei, insbefondere portofrei, ge rei für den
mpfänger von Briefen, Waren u. |. w. (f. Fran
fieren), wird auf Briefen oder Baleten gewöhnlich
mit fr. oder fo. bezeichnet; F. Courtage oder
PBrovifion oder F. tout (fpr. tu) bedeutet: obne An⸗
rechnung von Courtage oder Brovifion; Franko—
zwang, die Verpflihtung zur Vorausbezahlung
des Portos.
Franco von Köln, Komponift des Mittel:
alters, der wahrſcheinlich Ende des 12. und en,
des 18. Jahrh. lebte und fi um die Menfjuralmuft
Berdienjte erworben bat. Ob jedoch der Traktat
«Ars cantus mensurabilis» von ihm oder dem etwa
gleichzeitigen $. von Baris berrübrt, ift zweifel-
950
baft und aud die Echtheit des unter F.s Namen
überlieferten «Compendium discantus» wird be
itritten. Beide Werke, von denen das erſte für die
Muſilgeſchichte wichtig ift, find abgedrudt in Goufje:
maler3 «Scriptores de musica medii aevi», Bo. 1
(Lille 1865); aus der «Ars cantus mensurabilis»
gab Bellermann das Kapitel «De discantu» mit
berjeßung und Kommentar (Berl. 1874) heraus.
Frauco, Giovanni Battifta,genannt Sem olei,
ital. Maler, geb. 1510 in Udine, geſt. 1561 in Be:
nedig, gehörte der Schule diejes Ortes an, hatte je-
doch durd einen Aufenthalt in Rom Gelegenheit,
Anregungen aus der Schule des Michelangelo mit
feiner heimatlien Runft zu verſchmelzen. In Ve:
nedig ift die Taufe Chriſti in der Kirche San Frans
cesco della Bigna eins feiner trefflichiten Werke. Auch
als Radierer leiftete 5. Gutes; er arbeitete ſowohl
nad eigenen Entwürfen als nad Originalen Michel:
angelos, Zizians (Geißelung Ehrifti), Giulio Ro—
manos (Amor und Piyche) u. a.
Franco, Niccold, ital. Dichter, geb. um 1505 zu
Benevent, lebte in feiner Baterjtadt, inRom, meijten:
teild aber in Neapel, abmte Pietro Aretino nad
und machte ſich durch Spottverje verhakt. 1536
faın er nach Venedig und fand Aufnahme bei Are:
tino, mit dem er nad einigen Jahren in erbitterte
— geriet. Von Venedig verdrängt, fand
. Aufnahme bei Sigism. Fanzino, Gouverneur
von Caſale di Monferrato; von bier begab er fi
nah Mantua und Rom, wo ihn Pius V. 1569 ver:
baften und aufbängen ließ. Von feinen Werten, die
ein bedeutendes poet. Talent befunden, aber durch
robe Schimpfereien und Obfcönitäten entitellt find,
verdienen Erwähnung: «Le pistole vulgari» (Vened.
1539 u. 1542), «Dialoghi piacevoli» (ebd. 1539),
«ll Petrarchista» (ebd. 1541), «Dialogo delle bel-
lezze» (Gafale 1542), «Sonetti contra l’Aretino,
con la Priapea» (Zur. 1541; 8. Aufl. 1548),
«Rime marittime» (Mant. 1547). Wie man ans
nimmt, it 5. der Verfafler des unter Bernis Namen
veröffentlichten Ihmusigen Pamphlets «Vita di
Pietro Aretino» (Perug. 1538; Lond. 1826). Seine
gereimte Überfeßung der «Ylias» blieb ungedrudt.
Franoofurtum, lat. Name für Frankfurt. F.
ad Moenum, Frankfurt am Main; F. ad Viadrum,
Frankfurt an der Oder.
Francogallia, neulat. Name für Frankreich,
Francogalli für Franzoſen.
Frangois (jr;., |pr. frangkdd), Franziskus,
franz; Frangoise (fpr. frangkdabf'), Franzista.
Frangois (pr. frangböd), Alpbonfe, franz.
Kupferftecher, geb. 1811 zu Paris, geit. 6. Juli 1888
dafelbft, Schüler des Henriquel:Dupont, bat vor:
züglice Blätter in Linienmanier geftochen ſowohl
nad) ältern ital. wie den modernen franz. Meijtern.
Zu feinen Hauptblättern gehören: Bonapartes liber:
gang über die Alpen (1852), Pico von Mirandola
von feiner Mutter im Lefen unterrichtet, Marie
Antoinette vor dem Revolutionstribunal (1857)
nad P. Delarodhe; Die Gemahlin des Königs Can:
daules nah Geröme, Krönung der beil. Jungfrau
nad Fieſoles Bild im Louvre (1862), Verſuchun
Chriſti, Mignon, Greichen in der Kirche (1864) —
a Dale Venus’ Geburt nad Cabanel (1870),
ein Bruder Jules F., neb. 1809 in Paris,
gel. 1861, bildete jih unter Henriquel-Dupont zum
upferjtecher aus. Er ſchuf Blätter befonders nad
Delaroche: Ebriftus am Ölberg, Pilger in Rom
(1847), Napoleon I. in Fontainebleau (1850), Die
Franco (Giovanni Battifta) — Frangois (Luiſe von)
Söhne Eduards IV. (1858), ferner den Galanten
Krieger nad Terburg (1859).
Frangois (jpr. jrangbdd), Jean Charles, franz.
Kupferftecher, geb. 1717 in Nancy, geit. 1769 zu
Paris, hervorragend durd feine ſchönen Blätter, ın
denen er Kreidemanier nad Zeihnungen im Stide
nachahmte; fo ſtach er nah Holbein (Bildnis des
Erasmus von Rotterdam), nad Vien u. a. .
——— (ipr. frangßöä), Kurt von, Afrile
reijender, Sohn des 1870 bei der Erjtürmung der
Spicerer Höhen gefallenen Generals, geb. 2. Dtt.
1853 a Luxemburg, bejuchte die Kadettenanitalten
von Wahljtatt und Berlin und machte den Deutic-
Franzöfiihen Feldzug mit. Er beteiligte ſich 18%
an der Kafjai:Erpedition Wiſſmanns und unter:
nahm 1885 mit Grenfell eine Erforibung ve
Zihuapa und Qulongo. In die Heimat zuräd:
efehrt, jand er Verwendung im Großen General
Rab und rüdte zum Hauptmann auf. 1887 gina
er im Auftrag ded Auswärtigen Amtes nad Togo
und drang 1888 über Salaga hinaus nad Norden ın
das Land der Moſſi bis zum 12. Breitengrade vor.
1889 ward er mit der Führung der Schustruppe in
Deutſch⸗Südweſtafrika betraut und vertrat dort feit
1891 den Reichslommiſſar. Langwierige Kämpfe
führte er mit dem Hottentottenhäuptling Witbei,
deſſen Feſte Hornkranz er zwar 12. April 1893 er
oberte, den er aber nicht ganz unſchädlich machen
fonnte. Zum Major ernannt, lehrte erim Aug. 18%
nah Deutihland zurüd und wurde zur Dienit:
leiftung beim Reihsmarineamt fommanbdiert. 18%
Weg er feinen Abſchied. Litterarijh thätig war
er bei Wiſſmanns Wert aIm Innern Afritas, Die
Erforfhung des Hajjai» (3. Aufl., Lpz. 1891); ſelb⸗
jtändig veröffentlichte er außer mebrern Aufjäpen
in Dandelmans «Mitteilungen» und im «Deuti
Kolonialblatt»: «Die Erforihung des Tſchuapa und
Lulongo» (Lpz. 1888), «Deutih-Südmeftafrila. Ge
ſchichte der Koloniſation bis zum Ausbruch des Krie⸗
ges mit Witboi» (Berl. 1899), «Kriegfübrung in Süp-
weitafrita» (ebd. 1900), «Lehren aus dem jüdafrik,
Kriege für das deutſche —* (ebd. 1900), «Staat oder
Gejellihaft in unfern Kolonien ?» (ebd. 1901). Her:
vorragend ſind F. Leiftungen auflartogr.Gebietüüber
Togo (in Dandelmans « Mitteilungen», 1888) und
Deutih-Süpdmeitafrita (ebd.1891— 92 u. 1893 — A).
Frangois (jpr. frangköd), Luife von, deutſche
Novelliftin, geb. 27. Juni 1817 zu Herzbera an der
Schwarzen Eliter, geit. 25. Sept. 1893 in Weißen⸗
feld, errang bedeutenden Erfolg mit dem Roman
«Die legte Nedenburgerin» (2 Bde., Berl. 1871 u.ö,;
6. Aufl. 1894) und behauptete diefen Rubm dur
« Frau Erbmutbens Zwillingsjöhne» (2 Bde. ehr.
1873; 2. Aufl. 1891),«Stufenjabre eines Glüdlien»
(2 Tle., Lpz. 1877 u. d.) und «Der Kagenjunter»
(Berl. 1879). Ihre kleinern Erzäblungen fammelte fie
als «Ausgewählte Novellen» (2 Bpe., Berl. 1868),
«Erzählungen» (2Bde., Braunſchw. 1871),«Hellitädt
und andere Erzählungen» (3 Bve., Berl. 1874),
«Natur und Gnade, nebjt andern Erzäblungen»
(3 Bde. ebd. 1876), « Phosphorus Hollunder» und
«Zu Füßen des Monarden» (Stuttg. 1881; mit
Biograpbie von J. Kürjchner), «Das Jubiläum und
andere Erzählungen» (ebd. 1886). 1882 erſchien das
originelle Luſtſpiel «Der Poſten der Frau⸗ (Stutt-
art), das im Siebenjährigen Kriege jpielt. Alle dieſe
chriften zeigen ein jartes Gemüt, feine Kenntnis
des menſchlichen Herzend und Erzäblertalent. —
Bal.H. Bender, Luife von F. (Bortrag, Hamb. 189).
François (Nicolas Louis,
Frangoisd (fpr. frangkdd), Nicolas Louis, Graf,
—— F. de Veufchäteau genannt, franz.
taat3mann und Dichter, geb. 17. April 1750 zu
Saffais (Meurtbe). Schon 1766 wurde von ihm
eine Sammlung Gedichte («Pidces fugitives», Neufs
chaͤteau) gedrudt, die ſelbſt Voltaire anertennend
beurteilte. 1782 wurde er Generalprofurator auf
Santo Domingo. Während der Revolution war er
Mitglied der erſten Nationalverfjammlung. Die ge:
mäßigten Gefinnungen, bie er in jeinem 1793 zus
erft aufgeführten Drama «Pamela» (Par. 1795)
ausſprach, brachten ihn ins Gefängnis, aus dem
ibn der Sturz Robespierred am 9. Thermidor
27. Juli 1794) rettete. 1797 wurde er Minifter des
nnern, und nad dem 18. Fructidor (4. Sept. 1797)
trat er an Carnots Stelle ind Direktorium, aus dem
er aber feiner ftreng verfaflungsmäßigen Grund:
fäße wegen fehr bald wieder ausfcheiden mußte.
Schon 17. Juni 1798 wurde er zum zweitenmal
Minijter des Innern, verlor indes Si Poſten
noch vor dem 18. Brumaire (9. Nov. 1799). Napo:
leon erteilte ihm die Senatorie zu Dijon und, nad»
dem er ihn 1804 in den Grafenitand erhoben hatte,
1806 die zu Brüflel. 1814 zog er fih vom polit.
Leben zurüd. Seit 1797 war er Mitglied des
Inſtituts. Er ftarb 10. Jan. 1828. Bon ihm ging
die erite Idee der öffentlichen Ausftellung der Er:
— des Gewerbfleißes aus. Er hat eine
enge poet., bijtor., polit. und nationalöfono»
miſcher Schriften binterlafjen, von denen hervor:
zubeben find: «Nouveaux contes moraux en vers»
unter dem Namen Bade (Berl. 1781), «Fables et
contes en vers» (Par. 1814) u. |. m. — Vgl. Bonne⸗
lier, M&moires sur F. de Neufchäteau (Par. 1829).
Francoisvaſe, eine nad ihrem frübern Befiger,
den Kupferſtecher use Francois (f.d.),genannte,
jest im Archäologiſchen Muſeum zu Florenz befind-
lie große —** die 1844 in Chiuſi gefunden
wurde. Sie hat die Form einer zweihenleligen Am:
phore und J mit figurenreichen, ftreifenförmig ans
eorbneten Daritellungen geihmüdt. Auf der einen
seite find bie —— u Ehren des Patroklos,
die agb auf den fa nike Eber, die Hochzeit
des Peleus und der Thetis, die Tötung des Troi-
(08 gemalt, 'auf der andern Seite der Kampf ber
Lapitben und Rentauren, Theſeus nad Erlegung
bes Minotauros die attijhen Jünglinge und Mäd—
chen zum Reigen führend, bie Patührung des He:
phäſtos in den Olymp. Unter den Henteln ijt Aias
mit der Leiche des Achilleus, auf dem Fußſtreifen ein
Kampf der Pygmäen und Kraniche dargeitellt. Wie
dur dieſen reihen mythiſchen Inhalt, jo zeichnet
fih das Gefäß dur die Sorgfalt der Zeichnung
aus. Die Figuren find mit ſchwarzer Firnisfarbe
auf den roten Thongrund aufgejest, daneben ijt für
die Körper der Frauen weiße und für einzelne Teile
der Öewänber u.a. violette —— verwendet. Zahl⸗
reihe Inſchriften geben die Namen der dargeſtellten
pieuen; aud die eigenen Namen haben die Künſt⸗
er beigefchrieben: Ergotimos beißt der Töpier,
Klitias der Maler. Die Vaſe ift in Athen um die
Mitte des 6. Jahrh. v. Ehr. angefertigt worden.
—*— iſt ſie in den «Monumenti dell’ Instituto
archeologico» (Bd. 4, Tafel 54—57) und in den
aMiener Vorlegeblättern für arbäol, Übungen»
von Benndorj(Tafel2—4, Wien 1889). 1900 wurde
fie von unbelannter Hand vorſätzlich jertrümmert,
aber e3 gelang, fie wieder ——
Franoolinus, ſ. Srantolinbübner.
Graf) — Franes⸗Tireurs 951
Franoonla, eine erft im 11. Jahrh. n. Ebr,
aufgelommene lat. Form für den Landihaftsnamen
— (j. d.) ftatt des bis dahin üblichen Francia,
auptſächlich aber für das deutihe Franken oder
das Land um den Main herum.
— belg. Afrikareiſender, ſ. Bd. 17.
aucq van Berkhey, Johannes le, niebers
land. Schriftſteller, geb. 23. jan. 1729 zu Leiden
—**** an der dortigen Univerſität Medizin, ließ
ch zu Amſterdam als Arzt nieder und bezo ie
unmeit Leiden ein Landhaus, wo er viele € äfers
gedichte jchrieb und fein berühmtes Werk begann
«Die Flora und Fauna Hollands» (4 Bde., Amiterd.
1769—79; franzoſiſch, 1782). 1773 wurde F. an der
Univerfität zu Leiden Lektor in den Naturwiſſen—
ſchaften, erhielt aber alö Franzoſenfeind 1795 feine
Entlafjung und ftarb gänzlid verarmt 13. März
1812. Seine Brofafchriften befunden rt Se ai
u dgeijt und hatten für ihre Zeit großen Wert,
o jeine «Vaderlandsche Byzonderheden» (3 Bpe.,
miterb. 1785—87) und jeine — — des
Rindviehs in Holland» (6 Bde., mit Illuſtrationen,
Leid. 1805— 11). 5.8 befanntefte Gedichte find:
«De Lof der Dankbaarheid» (Leid. 1773; preißges
trönt), «Verheerlijkt Leiden» (ebd. 1774), «Ge-
dichten» (2 Bde., Amiterd. 1776— 79) und « Ver-
tellingen mijner Jeugd» (Leid. 1798).
Franos-arohers (jpr. frantfarjcheb, d. h. Frei⸗
ſchutzen), die erfte ftehende franz. Infanterie, welche
König Karl VII. 1448 errichtete, nachdem ſchon 1445
ftebende Truppen ſchwerer und leichter Reiter aufs
geitellt worden waren. Jede franz. Gemeinde wurde
zur Stellung eines gelleideten und gerüfteten Archer
verpflichtet, der jederzeit bereit jein mußte, ins Feld
zu rüden, Die F. erhielten gewiſſe Rechte, namentlich
Steuerfreibeit, daher auch ihr Name. Gemein:
fame Waffenübungen fanden nicht jtatt, weshalb ſich
die Truppe in den Kämpfen gegen Burgund und die
Ariftofratie nicht jonderlich bewährte. König Lud⸗
wig XI reorganifierte 1469 die F., deren Gejamt:
zabl fi auf 16000 Mann belief. ‘je 4000 F. wurs
den einem Capitaine général unterjtellt, unter dem
8 Capitaines Bataillone von 500 Mann befehligten.
Ein Teil der Mannſchaft wurde mit der Armbruft,
ein anderer mit Spießen bewaffnet, ein dritter führte
wie biöher den Bogen. F die Aushebung wurde
Frankreich in vier in e geteilt, die bi in das
18. Jahrh. die Grundlage der militär. Landesein⸗
teilung geblieben find. In jedem Bezirte waren
vier Sammelpläge beftimmt, an denen zu beftimms
ten Terminen je 1000 F. gemujtert wurden. Die
anze Einrihtung war bei den Bauern wie beim
del verhaßt; man verjpottete die F. allenthalben,
und fie haben fich auch oft als freche Räuber erwieſen.
Die Truppe der F. wurde 1479 nad der Schlacht
bei Guinegate, wo fie den deutſchen und vläm.
Spießen nad kurzem Widerjtande erlag, aufgelöit.
Francd: Tireurd (jpr. frang tiröhr), wäh—
rend des Krieges von 1870 und 1871 die franz. Frei⸗
torps, die außer den Linientruppen und Mobil:
garden zur Führung des Heinen Krieges aufgeboten
murden. Schon zur Zeit, ald Marſchall Niel die
Reorganifation des franz. Heerwejens vorbereitete,
bildeten jih, angeregt durch die 1867 wegen ber
Zuremburger Frage entjtandenen Kriegsausſichten,
in — Schüsengeiellibaften unter der Bes
zeihnung «Societes des F.», die ſich mit guten
Hinterladern gleihmäßig bewafineten und regel:
mäßige Waffenübungen abbielten. Derartige be
952
jellfhaften beftanden —— ahl namentlich in
den Depart. Aisne, Meurthe, Moſelle, Vosges,
Haut⸗Rhin und Bas-Rhin; doch blieben dieſelben,
entgegen dem Wunſche der Regierung, völlig unab:
bängig und außer Verbindung mit der Armee. Beim
Einmarjch der deutſchen Truppen rief ein Dekret des
Kaifers die F. zu den Waffen, ein Regierungserlaß
vom 29. Sept. ftellte fie dem Kriegsminiſter zur
Verfügung, und durch Dekret vom 4. Nov. 1870
wurden biejelben den Armeelorps oder Territorial:
divifionen zugemwiejen. Sie lämpften vorzugsweiſe
aus dem Hinterhalt egen Transporte und bie der
Armee folgenden Rad übe aller Art, gegen jhiwä-
ere Abteilungen der Befagungstruppen, gegen
abnzüge u. f. w., fowie gegen die Batrouillen der
Reiterei, diefer dadurch die Aufklärung exſchwerend,
waren anfangs faft ohne jeden fejtern Zufammen:
balt, dabei größtenteils ohne Uniform, verjchieben:
arti bauaflaeı und ohne militär. Disciplin. Sie
beſaßen keine Traing und lebten ausſchließlich von
Nequifition und Plünderung, weshalb fie bald ber
Schreden bed eigenen Landes wurden. Namentlich
von Mitte Sept. 1870 ab vermehrte fi ihre Zahl
infolge des von Gambetta ergangenen Aufrufs jehr
bedeutend und nötigte, troß der geringen Tüchtig-
teit der — dieſer Korps, die deutſche Armee zu
ftarten Entſendungen, modurd die eigentliche Feld:
armee beträchtlih geſchwächt wurde. Es glüdten
ihnen mehrfach Überfälle und Babnzerftörungen,
fo der bei ie a ir 22. an. 1871, wo:
bei die Eiſenbahnbrücke über die Moſel geiprengt
und die Bahn, eine hochwichtige Verbindungslinie
mit Deutichland, auf mehrere Wochen unterbrochen
wurde, Wenn die 5. die endgültige Entſcheidung,
da diefe von dem Falle von Baris rt aud
nicht aufzuhalten vermodhten, jo haben fie doch die
Dperationen wejentlich beeinflußt.
Ihrem Auftreten nach teilten fich die F. in vorüber:
gehend thätige und in ftändige. Letztere erhielten mit
der Zeit militär. Wert und fhlugen fi ſchließlich
einigemal mit bervorragender Tapferleit. (S. Frei:
torps, Freiſcharen.)
rameueci (jpr. kuttſchi), Innocenzo, ital,
Maler, ſ. Imola.
Fraueker, Stadt in ber niederländ. Provinz
— —— an dem Kanal zwiſchen Harlingen und
eeuwarden und an der Linie Harlingen⸗Leeuwarden
der Niederländ. Staatsbahnen, hat (1899) 7114 E.,
eine Martinskirche mit ſchönen Grabfteinen, ein jetzi
reftauriertesRathaus von 1591 mit Borträten, botan.
Garten; Seiden: und Wollinduftrie. 3. mar ebemals
Sig einer Univerfität, die 1585 von den frief. Stäns
den geitiftet, 1811 aber von Napoleon I. aufgehoben
wurde und 1816—43 als Atbenäum beftand, An
diefer Hochſchule lehrten Vitringa, Heineccius, T.
Hemfterhuis und Vallenaer. Eine bejondere Merl:
mwürdigfeit befikt die Stadt in einem Planeta:
rium, welches Eije Cifinga, ein Bürger von F.,
1774—81 anfertigte.
Frange (fr;., Ipr. frangfch), Fadenſaum, Franfe
(1. d.); —— mit Franſen beſetzen.
Frangipani (ſpr.frandſchi-⸗)jro miſches Adels—
geſchlecht, welches ſich zwar bis auf die Anicier der
röm. Kaiſerzeit zurücfführt, urkundlich aber erſt 1014
mit Leo F. auftritt und vom 11. bis 13. Jahrh. in der
Geſchichte Italiens, namentlih Roms, als Fübrer
des abibellinifchen Adels wiederbolt eine bedeutende
Rolle fpielt. Den %. namentlich verdankte der
dem Kaifer Lotbar günftig gefinnte Papſt Hono—
Francucci — Frangulinen
rius II. feine Erhebung; ebenſo ſtellten fie ſich bei
der Doppelwahl von 1131 auf Seite Innocenj' IL,
des vom Kaiſer anerlannten Bapites, gegen ben
Normannenpapft Analletus Il. Dagegen traten
fie Friedrichs I. gewaltſamem Eingreifen in Rom
(1167) feindfelig entgegen und bildeten eine Haupt:
ftüge Aleranders III. Nochmals übernabmen die }.
bie Führung ber kaijerl. Partei in Rom unter rie®-
rich II., wurden aber nach defien Tod von den Bäpiten
eg die Übertragung Tarents und die Ausfiht
auf ficil, Zehn gewonnen, So lieferte denn aut
obannes F., Herr von Aitura, der den Ver
prebungen und Drobungen des Apmirals Karls
von Anjou mehr Gewicht beilegte ald den Befeblen
des röm. Legaten, Konradin 1268 an jenen aus.
Er fiedelte, hierfür reich belohnt, nah Neapel über
und wurde dort das Haupt eines neuen Zweige
der 3. An die leitende Stelle in Rom traten ftatt
der F. die Colonna und Orſini.
Von einer Nebenlinie der neapolitaniihen F.
Bahr die Tradmondo; ein Zweig der römijhen
. blüht nod in Friaul; die Hauptlinie jtarb aus
mit Mario F., der Antonio Barberini (j. Ba
rom. Furſtengeſchlecht) zum Erben einjeßte.
Die kroatiſche Familie dieſes Namens hat angeb-
lich denſelben Urſprum a Ar Me a a
Abtunft. Sie wurde Fr ihre Dienjte von Bela IL
von Ungam (1173—96) mit dem Komitat Modrus
belehnt und leiftete Bela IV. gegen die Mongoler
1242 erfolgreiche Hilfe. Beſonders bervorzubeben
find: Johann F., der um 1390 von Kaiſer Sigis
mund zum Ban von Kroatien, Dalmatien und Sla⸗
mwonien erhoben ward; Franz F., Graf von Sjluin,
ber um 1566 durch feine Thaten gegen die Türten ſich
dauernden Ruhm erwarb (geft. 1572); Ebriftorb
., der nah der Schlaht von Mohäcs (1526) Jo
ann Hapolna in feinem Streben nad der ungar.
one ealniale und 1527 bei ber Belagerung vor
Varasdin erihoffen ward. Franz Ebriftopb 5.
Graf von Terjat, trat 1667 mit Zrinyi, Ralocio,
Tötöly, Nädasdy und Weſſelenyi an die Spist
einer Bewegung, die nd gegen Ye Leopold L
richtete und die Heritellung und altung der
nationalen Freiheit und Verfaſſung bezwedte. Der
Kaiſer follte gefangen genommen und gezwungen
werden, die den Ungarn mißliebigen Minijter zu
entlafjen, die deutſchen Sölbnertruppen aus dem
Lande zu rg und freie Religionsübung zu
währen. Die Verſchwoͤrung wurde aber burd Er:
dody enthüllt, und F. wegen Hochverrats 30. April
1671 mit Zrinyi und Nädasdy enthauptet. Seine
Güter wurden infolgevefien eingezogen und ſeine
Familie aus dem Adelftand ausgeſtoßen.
angot, Frangotte (fpr. -gob, -gott), Gr
wicht, ſ. Fargot.
Frangulin, ein in der Faulbaumrinde (ſ. Rham-
nus) vorlommendes Eroftallinifches, gelbrotes Glo⸗
tofid, Oao Hao Ojo, das durch Kochen mit verbünnter
Galzjäure in Zuder und Frangulinſäure zer
ällt. Letztere ift ein Diorhanthrachinon und dem
lijarin ifomer.
angulinen, Orbnung aus der Gruppe der
Ditotyledonen, Abteilung der Ehoripetalen, chatal
terifiert durch regelmäßige —— Blüten mit
vier: oder fünfpäbligen Blumenblattkreijen unt
einem aus zwei bis rünf tblättern verwadie
nen Sructlnoten, der ſich häufig zu einer beeren-
artigen Frucht entwidelt. Die Ordnung umfaht die
Familien der Gelaftraceen (f. d.), Pittofporaceen
Frank (Münze)
.d.), Aauifoliaceen (f. d.), Vitaceen (f. d.) oder
mpelideen, Rhamnaceen (f.d.). Nachſtehende Ab:
bildung get in fig. 1: Vitisvinifera L. (j. Wein),
ig. 2: lex (f. d.) a er ka St. Hil., Fig. 8:
hamnus (f. d.) frangula L.
Fraunk, Franc oder Franken (abgekürzt
gr oder Fre., Mebrzabl Frs. oder Frcs.), die
inbeit des franz. Geldweſens, melde aud in
vielen andern Staaten angenommen worden ift.
Der 5. war urfprünglic eine franz. Silbermünze, | f
bie unter Heinrich III. (1575) an die Stelle des
Daralnitten. 5 Game durhfenitt
1} ’ ame bur nitten,
(Matethee); a Blüte, db bes
Zeiton (f. d.) trat und 20 Sous galt. Der heutige
5. murbe durch Geſeß von 1795 in Frankreich eins
getan und bie vorherige, um */,, geringere Livre
ournois abgeihafit (81 L. Tourn. = 80 F.). Der
3. trat 1. Yuli 1796 in Frankreich und feinen
olonien in geieblihe Geltung. Er wird in 100
Gentimen (Centimes) geteilt und war zuerft ein
MOBEnImE Den 4", g fein Silber; die Währung war
eſetzlich bis 1803 nur Silberwährung; infolge des
eſetzes vom 28. März 1803 ift fie Doppelwährung
mit dem feften Wertverhältniſſe 13159.. Der Gold:
frant enthält O,2003296 g fein Gold (zum Breife von
2790 M. für 1kg Feingold) = 0,81 deutihen Mark.
vergrößert. 3. Rhamnus fr
e Staubgefäß, a-e vergrößert,
953
Man prägt in Gold Stüde zu 100, 50, 20 und
10 $ bis Ende 1854 münzte man auch Stüde zu
40 5. Die in — Jahre begonnene Prägung
goldener 5-Frankſtucke hörte im J. 1869 auf. Das
goldene 20: Frantitüd (der Napoleondor) bat
eine Feinheit von 900 en und ein Ge
wicht von 6,1518 g, enthält alfo 5,80 845 g Feingold.
Das filberne 5: Sranfftüd ift 25 g ſchwer und 900
Zaufenbteile fein; es enthält 22%, g Feinfilber
o daß e8 = 4,5 M. und ber Silbercourantfrant
(wie der Goldfrant) = 0,51 M. ift. Nah dem näm⸗
1. Vitis vinifera eig ol abe Blüte in verfchiedenen Entwidlungsftufen, d Frucht, ⸗ ——
order», A Hinterſeite bed Samens, vergt 2. Dex paraguaye
( — o Blüte, d desgl. A
lichen Fuße wurden bis Ende 1865 auch Stücke zu
2 und zu 1 %., bis in den Mai 1864 Stüde zu *,
und zu . F., bis 1848 Stüde zu . FJ. audge:
münzt, melde zurüdgezogen worden find. Seit
1. Aug. 1866 prägt man zwar noch Stüde zu 2, 1,
4, und 's F. aber als — (Stüde zu .
und zu *%, 5. ſchon feit Juni 1864 als Scheide⸗
münze), nämlih im frübern Gewidt (der 5.5 8
wer), aber nicht mehr 900, ſondern nur 835 Tau:
enbteile fein. In allen franz. Kolonien, nur Hinter:
Indien ausgenommen, wo nad Piaſtern (ſ. Apler:
dollar und Handelöpiafter) gerechnet wird, iſt das
Geldweſen des Mutterlandes ebenfallä geſeßlich
954
eingeführt. rüber gab es für Amerifa und
Aria befondere Kolonialmäbrungen. Man red:
nete dafelbit (am längften in Guayana) nad) Livres
coloniales ( —— in Amerifa auch
Francs des Indes ([weit]indiihe F.) genannt, von
20 Sous zu 12 Denierd. Auf Martinique waren
180, auf Guadeloupe und in Guayana 185, auf
Reunion aber 200 L. col. = 100 franz. Franten.
Das franz. Munzſyſtem ift 1816 auf dem Felt:
lande des damaligen Königreichs Sarbinien mit
Ausnahme des Herzogtums Genua, 1832 geſeßzlich
(tbatfächlich ſchon 1830) in Belgien, im Großherzog:
tum Zuremburg 1849 auch bei den Behörden, 1850
in der Schweiz eingeführt worden; jeit 1865 gilt es
im ganzen Königreih Italien. (S. Lira.) Der ehe
maligeShweizerfranten, melden mehrere Kan:
tone prägten, war eine bejjere Silbermünze =
1°% F. franz. Silbercourant. In Sommer 1868
bat aud Rumänien den franz. Münzfuß eingeführt,
ver 3. beißt bier Leu (ſ. d., — Lei), zum
Unterſchiede von dem bisherigen Piaſter oder Löu
auch Nou ldu (neuer Löwe). In Bulgarien, wo
fhon ein Erlaf vom 11. (23.) Juli 1879 die Tari:
fierung fremder Münzen in %. angeordnet hatte,
verfügte ein Dekret vom 27. Mai (8. Juni) 1880 die
Prägung von Silber:, Nidel: und Bronzemünzen
nad dem neuen Münzfuße (bier heißt der 5. Lev
ober Lew [Mebrzahl Leva, Lewa oder Lewat], d. i.
ebenjallö Löwe). 1871 ift diefer Münzfuß in
Spanien, wo der %. Pefeta (f. d.) beißt, in Kraft
getreten (j. auch Alfonfino), Serbien hat 1873
den franz. Münzfuß (der F. beißt Dinar, ſ. d.) ange:
nommen. Sn Griechenland follte der franz. Münz:
fuß (die neue Drachme, ſ. d., zu 100 Lepta = 1 5.)
geſehlich feit 1869 gelten, feine Einführung erfolgte
aber erit 1. (13.). Jan. 1883; Heine Prägungen
nad dem Srantenfuhe fanden fchon feit 1868 ftatt.
In Finland ift die Mark (f. d.) dem franz. Gold:
franfen gleich, in Rußland der Halbimperial (f. Im:
perial) dem 20: Frantitüd, In Öfterreih: Ungarn
prägte man feit 1870 Golpftüde zu 8 und 4 Gulden,
welche genau den 20: und 10: Frankſtücken ent:
ſprachen; die Prägung diefer Stüde ift aber durch
Gejes vom 2. Aug. 1892 eingeftellt. (S. auch Latei:
niſche Münzlonvention und die Münztabelle beim
Artikel —
Den kr ünzfuß baben ferner die meijten
fpan.:amerif. Nepublifen angenommen. Der alt:
ipan. Münzfuß beftebt nur noch in Merifo; Eojta:
Nica, Paraguay und Uruguay haben Toto von
der altipaniichen als aud der ei ganz
verſchiedene Währungen. Irı Venezuela bildet der
. unter dem Namen Bolivar (f.d.) die Gelveinheit
früber von 1872 bis 1879 war dieſelbe der Vene:
olano von 5 F.). In allen andern jpan.samerit.
Freiſtaaten und auch in Haiti iſt die Geldeinbeit =
5 5. und beißt im allgemeinen * oder Piaſter
zu 100 Centavos. (S. Peſo, Peſeta und Piaſter.)
Frank, Albert Bernb., Botaniler, geb. 17. Jan,
1839 zu Dresden, ftudierte in Leipzig Naturmwiljen:
ſchaften und erbielt 1865 die Stelle ala Kujtos am
Univerfitätsberbarium dajelbit; 1866 habilitierte er
ſich ald Docent der Botanik, wurde 1878 außerord.
Profeſſor und folgte 1881 einem Rufe als Profeſſor
der Vflanzenpbufiologie und Direktor des Pflanzen:
phyfiologiſchen Inftituts an die Landwirtichaftlice |
Hochſchule zu Berlin; 1899 wurde er auch Vorſtand
Frank (Albert Bernd.) — Franf (Jakob)
Er fchrieb: «fiber die Entftehung der Intercellular:
räume» (2pz. 1867), «Beiträge zur Pflanzenpbufio:
logie» (ebd. 1868), «Die natürlibe wagerechte Ric:
tung von Pflanzenteilen und ihre Abbängigteit
vom Lichte und der Gravitation» 8 1870), «Die
Krankheiten der Pflanzen» (2. Aufl., 3 Bde., Brest
1894— 96), «Lehrbuch der Pflanzenpbyfiologie mit
bejonderer Berüdfichtigung der Kulturpflanzen»
2. Aufl., Berl. 1896), «Lehrbud) der Botanik» (2 Be,
p3. 1892—93), Kampfbuch gegen die Schäblinge
un a (Berl.1897), mit Krüger «Schild⸗
lausbud» (ebd. 1900) und gab feit 1894 mit Lürfien
bie «Bibliotheca botanica» (Stuttgart) beraus,
Wichtig find feine Unterfuhungen über die Som:
bioje gewiller Pflanzen mit Wurzelpilzen und die
— beruhenden Stidftofffammler.
Franf, u Reinhold von, luth.
Theolog, geb. 25. März 1827 zu Altenburg, ftudierte
in Leipzig, wurde 1851 Subreltor zu Raseburg,
1853 Brofefjor am Gymnafium zu —— 1857
— und 1858 ord. Profeſſor der Theologie in
angen,two er, 1892 in den perjönlichen Adelsſtand
erhoben, 7. Febr. 1894 ftarb. Außer zahlreichen Ab:
bandlungen, namentlich in der «Zeitjchrift für Pro:
teſtantismus und Kirhe» und der von ibm mit:
begründeten «Neuen Kirchlichen Zeitjchrift» (Leipzig,
feit 1890), fchrieb F. «Die Theologie der Eoncor:
dienformel» (4 Bde., Erlangen 18585—64), «Spitem
der chriſtl. Gewißbeit» (2 Bde., ebd. 1870— 73;
2. Aufl. 1881—84), «Aus dem Leben criftl. Frauen»
(Güteröl. 1873), «Syitem der * Wahrheit⸗
(2 Bde., Erlangen 1878—80; 3. Aufl., Lpz. 1894),
«Spitem der hriftl. Sittlichleit» (2 Bde., Erlangen
1884—87), «liber die firhliche Bedeutung der Theo:
logie A. Rıtihls» (ebd. 1888; 3. Aufl. u. d. T. «Zur
Theologie U. Ritichl3», Lpz. 1891), « Dogmatiſche
Studien» (ebd. 1892), «Bademecum für angebende
Theologen» (ebd. 1892). Aus feinem Nachlaß ver:
öffentlihte Schaarjhmidt: «Gejhidhte und Kritil
der neuern Theologie» (3. Aufl., Lpz. 1898). — Val
die Erinnerungsſchriften von Rupprecht (Rotbenburg
o. T. 1894), Seeberg (Cpz. 1894), Chr. Schmid (Er
langen 1895) und Weber, F. s Gotieslehre (Lp3.1901).
Frant, Guftav Wilhelm, prot. Tbeolog, geb.
25. Sept. 1832 in Schleiz, ftudierte in Jena, wurde
dafelbit 1859 Privatdocent und 1864 außerord.
Profeſſor, 1867 ord. Profeflor in Wien und Mit
glied des Evangelifhen Oberkirchenrats. Er trat
1903 in den Rubeltand und ftarb 24. Sept. 1904
in Hinterbrübl im Wiener Wald. F. veröffentlichte:
«Die Jenaiſche Theologiein ihrer geſchichtlichen Ent:
widlung» (Lpz. 1858), «Johann Major, der Witten:
berger Boet» (Halle 1863), «Karl Friedr. Bahrdt⸗ (in
Naumers «Hiftor. Zajhenbud», Lpz. 1866), «Die
evang.:tbeol. Fakultät in Wien von ihrer Gründung
bis zur Gegenwart» (Mien 1871), «Geichichte ver
prot. Theologie» (3 Bde., Lpz. 1862— 75), «Das
Zolerangpatent Kaiſer Sojenhs U.» (Wien 1882),
«Myſticismus und Pietismus im 19. Zabrb.» (im
«hiftor. Zafpenbuche, 1887). Auch gab er Apelts
eig ag are (Xpa. 1860) und den 8. Band
von K. von Hajes Werten (ebd. 1892) heraus.
Franf, Jatob, eigentlih Jantiemw Lejbomic;,
jüd. Seltierer und Abenteurer, geb. 1712 al3 Sobn
eines Rabbiners in Südgalizien, trat in Saloniti der
Selte des Sabbatai Zevi (j. d.) bei. Später madıte
er ih in Bodolien zum Haupte der Sabbatianer,
der pflanzenbiologishen Abteilung im kaiſerl. Ge , indem er fi für den Meſſias und Gottmenſchen
fundbeitsamt und jtarb 27. Sept. 1900 zu Berlin. | ausgab. Unfittlihe Orgien veranlaßten 1756 ibre
Frauk (Joh.) — Fränfel
Verhaftung und den Bann der Synagoge. Doch
gewann F. den Schuß des Biſchofs Dombrowſti
in Podolien, ließ ſich mit 1000 Anhängern taufen
und in Warſchau firmeln. Als er aber zwölf Apoſtel
wählte, fi als wiedergeborenen Chriſtus göttlich
verebren ließ u. dgl., wurde er 1760 —73 auf der
— — efangen — Dann trat
er als Spion in die Dienite Katharinas von Ruß:
land, ließ fih in Brünn nieder, organijierte jeinen
Anhang militärifch und wirkte als Adonai auf das
benadhbarte Polen. Des Landes verwieſen, 509 F.
1786 nad Offenbach, wo er das Schloß des ver:
ſchuldeten Fürften Wolfgang Ernſt von Jienburg:
Büdingen kaufte. Hier lebte er mit zablreihem
—— in groͤßter Pracht von dem Gelde, das
ſeine Anhänger in Polen ihm ſpendeten. Er ſtarb
10. Dez. 1791. Die Frankiſten haben ſich in Po—
len, Rumänien und der Türkei erhalten. — Val.
H. Graetz, F. und die Franliſten (Bresl, 1868).
rauk, Joh. Dichter, ſ. Franck.
Franuk, Peter, Arzt, einer der Begründer der
öffentlichen Gefundheitspflege, geb. 19. März 1745
zu Rodalben in der ee 3, ſtudierte in Meg und
in Pont⸗a⸗Mouſſon Philoſophie, in Heidelberg und
Straßburg Medizin und praktizierte varaufin Bitich,
Baden-Baden, Raftatt und Bruchſal. 1784 folgte
er einem Rufe ald Profeſſor der Philofophie und
mediz. Polizei nah Göttingen; doch übernahm er
ihon 1785 die Profeſſur der Klinik zu Bavia, wo er
nicht nur die mediz. Lehranftalten, jondern auch das
ganze Medizinalweſen der Lombardei reformierte.
1795 wurde er Direltor des Allgemeinen Kranlen:
ne in Wien, 1804 Brofefjor an der Univerfität
zu Wilna und 1805 Leibarzt des Kaiſers Alerander
in Beteröburg. Seit 1808 lebte er wieder in Wien, wo
er 24. April 1821 jtarb. F. gehört zu den bedeutend:
en Ürzten aller Zeiten; mit einer ausgezeichneten
Beobadtungsgabe verband er kritiſchen Scharfblid,
mit_der Liebe zu den Menſchen die Liebe zu ben
Wiflenfchaften. Unter jeinen zahlreihen Schriften
find hervorzuheben das klaſſiſche «Syftem einer voll:
tändigen mebiz. Bolizei» (6 Bde., Mannh., Tüb. und
ien 1779—1819; Supplement, 3 Bde., Tüb. und
Lpz. 1812—27), das unvollendete Wert «De curan-
dis hominum morbis epitome» (6 Bde. Mannh. und
Wien1792—1821;deutihvonSobernheim, 10Bde.,
Berl. 1830— 34; 3. Aufl. 1840—41) und feine
Selbitbiographie (Wien 1802). Seine«De medicina
clinica opera omnia minora» gab Sachs (2 Bde.,
Königsb. 1844—45), die «Opuscula posthuma »
Wien 1824) fein Sohn Joſeph F. beraus.
esterer, geb. 23. Dez. 1771 zu Raftatt, ebenfalls
Mediziner, wirkte neben feinem Vater erjt zu Pavia
und Wien, feit 1804 ald Profeſſor der Bathologie
zu Wilna, 1824 zwang ihn ein Augenübel zur Auf:
gabe der Profeſſur, er — 1826 nach Como, wo
er 18. Dez. 1842 ſtarb. Er gehörte —— bedeutend⸗
ſten Anhängern der Brownſchen Erregungstheorie
und legte ſeine Anſichten darüber in mehrern Schrif:
ten, bejonders in dem «Grundriß der Pathologie
nad den Geſetzen der Erregungstbeorie» (Wien1803),
nieder. — Vgl. Seiler, Peter : (Dresd. 1895).
— Reinhard, Kriminaliſt, ſ. Bd. 17.
rauk (Franch von Wörd, Sebaſtian, einer
der geiſtvollſten und kräftigſten Volksſchriftſteller
des 16. Jahrh. und myſtiſcher Freigeiſt, geb. 1499
in Donauwörth, wurde im Dominilanertolleg Betb:
lebem zu Heidelberg ausgebildet, zum —* ge⸗
weiht, ſchloß ſich pant der Reformation an und
955
wurde bald nad) 1525 evang. Prädikant im nürn-
bergiichen Flecken nn Hier ſchrieb $ den
oft gebrudten Traltat «Bon dem greulichen Yafter
der Zrunfenheit» (1528), der es bereit3 beflagt, daß
die chriſtl. Gemeinde über dem Dogma die fıttliche
Zudt ihrer Mitglieder verſäume. Mit dem Luther:
tum zerfallen und den Wiedertäufern nicht ganz ab»
geneigt, fiedelte er nad Nürnberg, dann 1529 nad
dem freier gefinnten Straßburg über. Hier erſchien
1531 feine _«Chronifa. Zeitbuch und Gejdichts:
bibel» (in fpätern Auflagen ftet3 bis auf dag Er
Kneinnmaaiahr ortgeführt), die erfte originaldeuts
e Welt: und Kirhengefhichte, in der Benugung
der Quellen freilich unkritiſch, aber wertvoll wegen
der echt vollötümlichen Sprache, wegen geiftooller
Anfäge zur Gefhichtöphilofophie und wegen der
lirchlichen Neformtendenz, die auf ein jeltenlofes
freies Chriftentum ausgeht. Um dieſes Buches
willen aud aus Straßburg vertrieben, zog 5. 1532
nad Ehlingen und ernährte fi als Seilenfieder;
1533 ging er nad Ulm, wo er in eine Druderei
eintrat und 1535 jelbjt Inhaber eines Verlags
wurde, Jetzt erichien fein «Weltbucdh» (oder «Eos:
—— Tub. 1534), die erſte deutſche allge:
meine Weltbeſchreibung; dann die «Paradoxa, d. i.
280 Wunderred» (Ulm 1534), Aphorismen feiner
«Göttlichen Philojophie»; «Germanise chronicon »
(Augsb. 1538), der erfte Verfuch einer deutjchen
Kulturgeihicte; die «Guldin Ar» (ebd. 1538),
die das Ehriftentum aus den beidn. Denlern be:
währt; «Das Verbüthiciert Buch» (1539), eine
Bibelkonkordanz, die auf die Widerſprüche hinweiſt.
Endlich 1539 gelang es dem luth. Prediger recht,
durch verlogene Intriguen 5.8 Verbannung aus
Ulm durchzuſetzen. Er jtarb 1543 als Compagnon
des befannten Verlegers Brylinger in Bajel. Seine
legte Arbeit waren wohl die «Sprichwörter» (Frantf.
1541; neu bearbeitet von Buttenjtein, ebd. 1831),
die inhaltlich Verwandtes zufammenitellen und Job.
Agricolas Sammlung an Reichhaltigkeit weit über:
treffen; ob ſchon eine anonyme Sammlung von 1532
(örantfurt) 3.3 Wert war, ift zweifelhaft (bg. von
atendorf, «5.8 erſte Sprihwörterjanmlung», Bös:
ned Hl — Bol. Biihof, Seb. F. und die deutſche
Geſchichtſchreibung (Tüb. 1857); Hafe, Seb. F. von
Mörd, der Schwarmgeift (Lpz. 1869); Haggen:
mader, ©. %. (Zür. 1886); Segler, Geijt unt
Schrift bei ©. %. Freib. i. Br. 1892); Löwenberg,
Das Weltbud &. ‚3 (Hamb. 1893); Tauſch, ©. F.
und feine Lehre (Halle 1893). e
Frank, Sigismund, Glasmaler, geb. 1769 in
Nürnberg, bemühte fi, die Technil der mittelalter:
lihen Glasmalerei wieder zu entdeden, bie jeit der
Renaiffance allmäblich in Bergejienbeit geraten war,
Er begann als Borzellanmaler, und gelangte zuerit
1804 zu befriedigenden Nejultaten. Als König Lud⸗
wig I.. die fönigl. Glasmalereianjtalt in Münden
gegründet hatte, wurde F. 1827 für einige Zeit mit
der Leitung des Inſtituts betraut; er jtarb 18. Jan.
1847 in Münden. — Sein Sohn Julius F., geb.
1826, bat zablreiche Altarbilder gemalt.
anfatur, |. Franlieren.
ränfel, Bernhard, Arzt, geb. 17. Nov, 1836
Kr Elberfeld, habilitierte ſich 1872 an der Berliner
niverjität und wurde 1884 zum Profeſſor, 1887
zum Direltor der neu errichteten Univerſitätspoli—
Hinit für Hals: und Naſenkranke, 1897 zum ord.
Honorarprofejjor ernannt. F. gebört zu den hervor:
ragenditen Vertretern der Parungologie. Er ſchrieb
956 Fraenkel
unter anderm: «Allgemeine Diagnoſtik und Thera⸗
der Krankheiten der Nafe» (in Ziemſſens «Hand:
uch der jpeciellen Batbologie und Therapie», Bo.4,
2. Aufl., Lpz. 1879), «Strofulofe und Tubertuloje»
(in Gerbardts «Handbuch der Kinderlrankheiten»,
3b. 3, Züb. 1878), «Der Kehllopftreb3» (Lpz. 1889).
Auch redigierte er 1877 — 78 die 34 rift für
ein, ebizin», giebt feit 1893 das «Archiv für
Jarongologie und Rhinologie» (Berlin) beraus.
taenfel, Karl, Hygieiniter, j. Bo. 17.
ranfen, Gelveinbeit und Münze, |. Frank.
ranfen, Bezeihnung für Europäer, |. rent,
Seanfen, ein wejtgerman. Stamm (f. Welt:
germanen), der ſich um 100 v. Ehr. aus dem Böller:
verbande der Sueven (Smweben) losgelöft hat, um
am untern Rhein feine Wohnſihe zu nehmen. Ta:
citus und Plinius kennen die F. unter ihrem älte:
ften, den Kultusverband bezeidhnenden Namen
Istsevones Nager Zu ihnen gehörten die Ba⸗
taver, Ehattuarier, Ubier, Sigambern, Marfer, Ufi:
peter, Tentterer, Chamaven, Brufterer, Ampfivarier
und Angrivarier, fpäter aud die Ratten (Heflen).
Ein großer Teil der F. am linlen Rheinufer ift in
den erjten Jahrhunderten n. Chr. romanifiert wor:
den; die im heutigen Meitfalen wohnenden Stämme
wurden von den Sachen unterworfen. Jm5. Jahrh.
eroberten die F. dauernd die Gebiete links vom Rhein
und ſeitdem bat ſich die heutige deutich-frang. Sprach⸗
grenze gebildet. Die F. zerfielen damals in zwei
Hauptitämme: 1) die Salier, im Mündungs:
gebiet des Nheins und der Somme, wo 411 Ton:
gern und Arras ———— gegen ſie waren;
2) die Ripuarier (Ribuarier). Um 500 bilde:
ten fie ein Neich mit der Hauptftadt Köln, das ſich
von Eifel und MWejterwald zu beiden Seiten des
Rheins (weitlic von der Maas begrenzt) bis an den
Zuiderjee und die riefen ausdehnte. Die welt:
geihichtlihe Bedeutung der F. begann mit Chlod:
wig (j.d. und Fränliſches Reich). über ihr Recht
j. Fränkiſches Recht. Außer den genannten galten
im Deutihen Neid noch drei Stämme als F.:
Lotbringer(Mojelfranten), Rheinfranken
(Naſſau, Pfalz, unterer Main, Nedar), beide ſeit
496 hervorgegangen aus der Miihung ber fieg:
reichen F. mit den unterworfenen Alamannen; Oſt⸗
ranken, entjtanden durch Miſchung von F. und
büringern. — Bal. Zeuß, Die Deutſchen und die
Nahbaritämme (Münd. 1837); Watterih, Die
Germanen des Nheins (Lpz. 1872); Dederih, Der
Frankenbund, deſſen Urjprung und Entwidlung
— 1874); R. Schröder, Die F. und ihr Recht
(Weim. 1881); derj., Lehrbuch der deutſchen Rechts:
eſchichte (3. Aufl., Lpz. 1898); Waig, Deutiche
erfaſſungsgeſchichte, Bd. 2 (3. Aufl., Kiel 1882);
9. Brunner, Deutſche Rechtsgeſchichte (Lpz. 1887);
Schiber, Die fränt. und alemann. Siedlungen in
Gallien (Straßb. 1894). — Über die fränt, Mund:
arten ſ. Deutſche Mundarten III, nebit Karte,
Franfen, Herzogtum des alten Deutichen Neichs,
das fich zu beiden Seiten des Rheins von der elſäſſ.
Grenze bis Bingen und zu beiden Seiten des Mains
ſ. Hıftorifche Karten von Deutihland 1,3,
eim Artikel Deutichland und Deutiches Reich)
ausdehnte. Das Gebiet zerfiel in Francia oceci-
dentalis (Rbeinfranten) und orientalis, aber eö war
das mehr eine gewohnheitsmäßige, nicht eine recht:
libe Scheidung. Das Stammesberzogtum F. wurde
939 aufgehoben, aber in Rbeinfranten batte das Ge:
— Tranfen
ftarte Stellung, daß fieim 11. Jabrb. vielfad als Her:
zöge (von Worms) bezeichnet wurden, und ebenio
rab man in Dftfranfen von dem Herzogtum ver
ürzburger Bifhöfe. Im 12. Jabrb. find dann Ur:
funden gefälſcht worden, durch welche denielben an:
er das Herzogtum verlieben fein ſollte. (Bal.
reßlau, Die Würzburger Jmmunitäten un? das
Herzogtum Dftfranten in den «xForſchungen zur Deut:
(gen eſchichtey, Bd.13, Gött.1873, S.87fg.) Den
itel Herzog führte auch der fpätere König Konrad III,
der in F. viele Güter und Rechte bejaß, während jein
Bruder Friedrich das väterlihe Herzogtum Shma
ben erbielt und mit ihm beim Tode König Hein
richs V. die rheinfränt. Befisungen des ſaliſchen
Geſchlechts vereinigte. Die Söhne diejed Herzogs
Friedrich waren Friedrich I. (Barbarofla), der jeit
1152 die deutſche Königskrone trug, und Konrad,
der vom Vater die rbeinfränt. Bejisungen erbte
und von feinem lönigl. Bruder 1155 die alte lotbr.
Pfalzgrafenwürde erhielt. Dies Ereignis bat den
Grund gelegt zur Bildung der Pfalzgrafſchaft bei
Rhein im alten rheinfränt. Gebiet, die jedoch
nie zu einem gejchlofienen Territorium erwuchs.
Es gab im alten Rheinfranten neben dem Gebiete
der Nalsgrafe mebrere größere oder kleinere geift:
liche, wie Mainz, Worms und Speyer, jowie welt:
lihe Territorien, wie die Wild:, Rau: und Abein:
geaff aft, die Grafihaften Veldenz, Leiningen,
ponbeim, Nafjau, Kapenellnbogen, Wied, Ziegen:
bain, Sienburg, Diez, Solms, Erbad, die Herrſchaf⸗
ten galtenftein Limburg, Runtel und Hanau und
die Tandgrafihaft Heilen, jowie Teile der Marl:
grafihoft Baden. AufDjftfranten aber, wo bie Bis
tümer Würzburg und Bamberg, die Abteien Fulda
und Hersfeld, die Burggrafibaft Nürnberg, die
Graffhaften Henneberg, Riened, Wertbeim, Hoben
(obe, Schlüffelberg, Lömenftein, Limburg und am
dere Territorien ſich bildeten, rubte in ber Folge
und bis heute allein noch der Name F. Als dann
Kaiſer Marimilian I. das Rei 1500 und 1512
in 10 Kreiſe teilte, wurde auch ein Fränkiſcher
Kreis gebildet, zu dem die Hodjtifter Würzburg,
Bamberg, Eichftätt, das Hochmeiſtertum Mergent:
beim des Deutjichen Ordens und das Reichsſtift der
Abtei Schönthal, ferner die weltlihen Fürftentümer
Bayreuth und Ansbach, die gefürfteten Grafichaften
Henneberg und Schwarzenberg, die Territorien der
Fränkiſchen Grafenturie (eines Berbandes
von 16 Reichsſtandſchaften, wie Hohenlohe, Caſtell,
Erbach, Wertheim, Löwenftein, Limpurg u. f. w.),
außerdem ————— Nürnberg, Rothenburg
ob der Tauber, mweinfurt, rer | und
Windsheim, die 3 Reichsdoörfer Altbaufen, God
beim und Sennfeld, endlich die itorien ber
ränk. Reichsritterſchaft (deren Ritterrat zu Schwein:
urt feinen Siß batte) gehörten, während Rhein—
franfen dem Ober: und dem Nieberrbeinifchen Streiie
ufiel. 1633 richtete Bernbard (f. d.) von Weimar
ih aus dem Bistum Würzburg und anftoßenden
Gebieten ein Herzogtum 3. ein, das aber nach der
Schlacht bei Nördlingen 1634 wieder zufammen
brach. 1792 hatte der Fränkische Kreis 27 Landes
berribaften, 1 Reichsſtift, 25 Neichsgrafichaften,
8 Reichsſtädte und Reichsdörfer, zufammen 69 Terri:
torien auf nabezu 27000 qkm mit 1Y, Mill. €
Mit dem Aufbören des Reichs (1806) verſchwand der
Name F. wenigitens offiziell, bis ihn König Lud—
| wig I. von Bayern, das den Hauptteil des chema⸗
ichlecht der Salier im Speyer: und Wormsgau eine ſo ligen Kreisgebietes umfaßt, 1837 erneuerte und
Frankenau — Franfenftein
957
ftatt des Obermain:, Rezat: und Untermainkreiſes die ihaft), bat 207,» qkm, (1895) 17710, (1900)
Benennungen DOberfranten, Mittelfranten
und Unterfranten (f. die Einzelartifel) berftellte.
— Bol. Edbardt, Commentarii de rebus Franciae
orientalis et episcopatus Wirceburgensis (2 Bbe.,
Mürzb. 1729); Henner, Die herzogl. Gewalt der Bi:
ihöfe von Würzburg (ebd. 1874); Fr. Stein, Ge:
ſchichte F.s (2 Bde., Schweinf. 1885—86); Gengler,
Die Berfaflungszuftände im bayrifchen F. bis zum
Beginn des 13. Jahrh. (Lpz. 1894).
rankenau, Stadt im Kreis Frankenberg des
preuß. Reg.Bez. Caſſel, 12 km im NO. von ran
tenberg, in 438 m Höhe, in rauber, frudtbarer
Gegend, bat (1900) 942, (1905) 980 meift evang. E.,
ojtagentur, Fernſprechverbindung, ſchöne got.
irche; Landwirtſchaft. Nach dem Brande von 1856
iſt $. neu aufgebaut. Im NW. auf einem Berge an
der Eder das uralte Bergſchloß Hefjenitein.
ranfenberg. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez.
Caſfel, bat 559,90 qkm, (1900) 24159, (1905)
24816 E., 4 Städte, 61 Landgemeinden und
13 Butäbezirte. — 2) F., Bezirk Eafiel, Kreis:
ftadt im Kreis F., 60 km im SW. von Caſſel, recht
an der Ever, nördlich von dem Burgivalde, an der
Nebenlinie Marburg:Warburg der Preuß. Staats:
bahnen, Sik des Landratsamtes und eines Amts:
gerihts (Landgericht Marburg), hat (1900) 2946 E.,
darunter 207 Katholiken und 106 Israeliten, (1905)
8314 E., Poſtamt zweiter Bun, Zelegrapb, got.
Liebfrauentirhe (1286), israel, Schule, Hofpital,
Krankenhaus; Wollweberei, Gerberei, Möbeljabrit,
Brauerei, Rindviehzucht jowie Vieh: und Schweine:
handel. — 3) 3. in Sadjen, Stadt in der Amts:
hauptmannſchaft Flöba ver ſächſ. Kreishauptmann:
haft EChemnis, ın 262 m Höhe, im anmutigen
ihopautbale, an der Linie Chemnitz-Hainichen der
ächi.Staatsbahnen,Sigeines Amtsgerichts (Land:
gericht Chemnitz), hat (1900) 12 726 E., darunter
218 Ratholiten und 11 Jraeliten, (1905) 13348 €E.,
Poſtamt eriter Klaſſe, Telegra h, ftädtifche Neal:
ſchule mit Brogymnafium, höhere Mädchenſchule,
Lehrerjeminar, Web:, —— Malerſchule
der Malerinnung, Stadtkranlenhaus, Vereinsbank,
ſtädtiſche Sparlaſſe, Gasanſtalt. Die — In⸗
duſtrie erſtredt ſich ebenſo wie im anſtoßenden
Gunnersdorfſ(534E.) auf Fabrikation von wolle:
nen, balbwollenen und ſeidenen Webmwaren (Tep:
piche, Bortieren, Cheviot u. f. w.), Eigarren und
Gigarrenformen, Parkett, Yaloufien und Stepp:
deden, Appreturanftalten und Färbereien, Kattun—
druderei (Sachſens größtes Gtablifjement diefer Art).
Bedeutend ift der Zwiſchenhandel mit Manufaltur:
waren. Süplid von F. liegt Lihtenmwalde(655 E.)
mit gräfl. Vitzthumſchem Schloß (dejien_jeltene
Kunftihäse, Möbel, Porzellan, Gemälde, Waffen,
1905 verbrannt find), einem Bart und Waſſerkün—
ften. fiber ber Zſchopau der Harrasfeljen, be:
fannt dur die Ballade Körners, dem bier ein
eiſernes Areuz errichtet iſt. Nordlic Sachſen burg
(1092 E.) mit Kammergut, altem Schloß leinſt Kur:
fürftin-Witwenfib), jest Beilerungsanitalt.
Frantendolomit, eine Stufe des Malm (j. d.
oder Meiken Jura in Franken, ausgezeichnet dur
die zahllojen darin vorlommenden Sohlen mit Tier:
reiten aus der Diluvialzeit.
Fraukenhammer, Saitendrabtjabrif bei Wei:
benitadt in Oberfranten.
Franfenhaufen. 1) Landratsamtsbezirk im
Fürſtentum Schwarzburg:Rudolftant (Unterberr: |
18 358 E. 16 Gemeinden, 41 Wohnplätze und ums
faßt die Amtsgerichtsbezirke F. und Sclotheim.
— 2) Zeamipabt der Unterherrſchaft des Füriten:
tums Schwarzburg:Rubdolitabt, am Süpdfuhe des
Kyfihäufers, 126 m ü.d. M., an einer im 12, Jahrh.
geichafjenen Abzweigung der MWipper und an ver
tebenlinie Bretleben⸗F. Sondershauſen der Preuß.
Staatäbahnen, Sitz des Landratsamtes, eines Amts:
erichts (Landgericht Rudolſtadt), Nent:, Steuerz,
Korte, oll: und Salzfteueramtes und der Super:
intendentur für die Unterberrihaft, überragt von
der Ruine der im 6. Jahrh. von den Franken
zum Schuß der Solquelle erbauten Oberburg, jest
Hausmannsturm genannt, bat (1900) 6374 E.,
darunter 97 Katholiten, (1905) 6534 E., Poſtami
eriter Klaſſe, Telegraph, drei Kirchen, fürftl. Schloß
mit Garten, Rathaus (1840), Realprogymnaſium,
2 Bürgerfbulen, ein Technilum (Baugewerk-, Tief:
bau⸗, Maſchinenbauſchule), höhere Mädchenſchule,
Bezirkskrankenhaus, Kinderheilanſtalt, Bankverein;
eine Zuckerfabrik, Cigarren- und zahlreiche Berl:
mutterknopffabrilen. Die Saline liefert Fer
etwa 20000 t Kochſalz und ift mit einem Solbad
(grötinet 1818) verbunden. In der Umgebung
raunfoblenwerfe und die 1865 entdedte Barbas
rofjaböhle (f. Fallenburger Höhle). — Bei F. wur:
den 15. Mai 1525 die aufrübrerijchen Bauern un:
ter Tbomas Münzer von den Jadl. braunſchw. und
eſſ. Truppen an dem davon benannten Schladt:
erg, einem Abhange des Kyffbäufergebirges,
geſchlagen. .d.).
Frankenheim, Marttfleden bei Schillingsfürſt
Fraukenhöhe, Höhenzug, die ſüdl. Fortjekung
des Steigermwaldes (f. d.), etwa auf der Örenze zwi⸗
{hen dem bayr. Reg.Bez. Mittelfranlen und dem
württemb. Yagjtlreije (j. Harte: Bayern I), bilvet
die Wafjerjcheide — Donau und —— und
zwiſchen Nedar und Main. Die F. die im Quell—
ebiet der Tauber und Wörnik 551 m erreicht, bat
i8 Rothenburg nördl. Richtung, biegt aber bier
nah NO. um und gliedert fi zugleich in die Hobe
Leite (498 m) und den Hoben * (552 m).
Frankenia, Vflanzengattung der Eijtifloren,
deren eine Art, F. grandiflora Cham. et Schl., ein
ftrauchartiges Kraut der Hüften bes ſüdl. Kalifor:
niens, als Merba Reuma gegen katarrhaliſche
Leiden (im Dekokt gegen Blennorrböe und Gonor:
rhöe, als Fluidertralt gegen Dysenterie) em—
pioblen wird.
—— ſ. Fränkiſcher Jura.
rankenſchaf, ſ. Schaf und Tafel: Schaf:
raſſen I, Fig. 1.
rankenſtein. 1) Kreis im preuß. Neg.:Bez.
Breslau, hat 482,7 qkm, (1900) 45632, ? 1905)
45612 E., 4 Städte, 65 Landgemeinden, 31 Guts⸗
bezirte. — 3 Kreisſtadt im Kreis F., am Oſtfuß
des Eulengebirges und am Einfluß des Weigels—
dorjer Waſſers in die zur Neiſſe gebende Pauſe
und an der Linie Raudten-Liegniß-Camenz der
Preuß. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamtes,
eines Amtsgerichts (Landgericht Glatz), Zoll: und
Steueramtes und der Münjterberg:-Glager Fürſten⸗
tumslandichaft, welche die Kreiſe Glag, Müniter:
berg, F., Habelihwerdt und Neurode umfaßt, ijt mit
Mauern umgeben und bat (1900) 7890 E., darunter
1737 Evangeliiche und 77 Reraeliten, (1905) 8406 E.,
Poſtamt eriter Klaſſe, Telegrapb, evang. und kath,
Kirche, Klofter der Barmberzigen Brüder, kath. Bro:
958
eymnafium, böbere Mädchenſchule, Diakoniſſen—
anftalt, kath. Waiſenhaus, Filiale des Schleſiſchen
Bankvereins; Wagenfabriken, Tiſchlereien ſowie
Strohflechtereien und bedeutenden Getreidehandel.
1858 brannte die Stadt faſt gänzlich nieder.
Franfenthal. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.
Ber. Pfalz, hat 286,44 qkm, (1900) 60734 (30112
männl., 30622 weibl.) €. in 44 Gemeinden, darun:
ter 2 Städte. — 2) Bezirköftadt im Bezirksamt F.
des bayr. Neg.: Bez. Pfalz, an der Iſenach, 9 km
vom Nhein entfernt und durch
, einen jchifjbaren Kanal mit dem:
= felben verbunden, an den Linien
Mainz» Ludwigshafen, Freins—
Wheim-F. (13,4 km) und der Ne:
\ benlinie Ludwigshafen » Groß:
‚7 tarlbad der Pfälz. Eifenbabnen,
it Siß des Bezirtsamtes, eines
Landgerihts (Oberlandesgeridht
Zmweibrüden) mit einer Kammer
5 Handelsfahen und 6 Amtögerichten (Dürkheim,
., Grünftadt, Ludwigshafen a. Rh., Neuftabt a. d.
ardt, Speper), eines Amtsgerichts, eines Rent-,
Nebenzoll:, Aichamtes, einer Reichsbankſtelle, eines
Bezirlögremiums für Handel und Gewerbe und
bat (1900) 16899 €., darunter 6571 Katholiken
und 371 Israeliten, (1905) 18191 E., Poſtexpedi⸗
tion, Telegraph, 5 Kirchen, ein Klofter der Barm⸗
erzigen Schweitern, Ruinen einer roman. Kloſter⸗
ice, 2 monumentale Thore, Kriegerdenkmal, Luit:
old: Brunnen (1900), Lateinſchule, PBrivatreal:
chule, höhere Mädchen : (Karolinen:) Schule, Alter:
tumsmufeum, Elifabetbhofpital, Kreisfranfen: und
Bilegeanftalt, Kreistaubftummenanftalt; Fabrita:
tion von Maſchinen, Schnellpreſſen, Dampftefleln,
Armaturen, Fäſſern, Holzwaren, Puppen, Schul-
bänten, Stöpjeln, Seife, —— und Rübenzucker,
Eiſengießereien, Glockengießereien (Kölner Kaiſer—
glode von Meiſter Hamm), Bierbrauereien, Mälze⸗
reien ſowie bedeutende Landwirtſchaft (Kartoffel⸗,
Cichorien⸗ und Rübenbau) und Weinbau. — F. wird
als Flecken ſchon im 8. Jahrh. erwähnt; das reiche,
1119 gegründete Auguſtiner-Chorherrenkloſter mit
Pieilerbafilita wurde 1562 aufgehoben. Durd die
Anfiedelung von Calviniſten (Holländer, Wallonen,
grangofen, Deutſche) blübte die Induſtrie jebr auf.
ie Feſtung, 1608—18 im ital, Baſtionsſyſtem
angelegt, 1621 von Eorbova, 1622 von Tilly, 1644
von Herzog Enghien und 1646 von QTurenne ver:
ea belagert, 1623—32 und 1635 —52 durch
ertrag in ben Händen der Spanier, ward 1688—89
von den Franzoſen gejchleift, die Stadt verbrannt.
Wieder — erlebte ſie als kurpfälz. Haupt⸗
ſtadt unter Kurfürſt Karl Theodor ihre zweite Blüte:
eriode. (Bedeutendes leiftete die jeit 1761 kurfürftl.
Sranfentbae Borzellanfabrit.) 1792 — 95 fanden
ei 5. Kämpfe der Franzoſen mit Breußen und Oſter⸗
veihern ftatt. 1796—1816 war es franzöſiſch. — Val.
Mille, Stadt und Feſtung F. während des Dreißig⸗
jährigen Krieges (Heidelb. 1877); Monatsſchri
des Frankenthaler Altertumsvereing, bg. von Joh.
Kraus (1893 fg.). [rung).
Frantenthaler Kanal, ſ. Bayern (Bemäfle:
Franfentwald, die etwa50km lange Fortiekun
des Syichtelgebirges links von der Saale, oft ald Tei
desjelben oder auch des Thüringer Waldes ange:
feben (f. Karte: Bayern ID). Der F. gilt ald Typus
einer deutichen Graumadenformation und bildet
eine wellenförmige, ftart bewaldete Landſchaft von
Frankenthal — Franfenweine
40 bis 50 km Breite mit einer mittlern Höbe von
600 m. Der Döbraberg bei Schwarzenbad erreict
794 m. Daneben find wichtig der Culm bei Lichten:
berg (737 m) und der Wesjtein bei Leheſten (785 m).
Zur Hebung des Fremdenverlehrs im F. beiteben
zwei Srantenwaldvereine (Sik in Naila und
Kronad). — 2% H. Schmid, Führer durch den 7.
(Bamb. 1894); Meyers Reiſebucher: Thüringen und
der F.(17. Aufl.,2p3.1904); Mayenberg und Müller,
Kleiner Megmeifer dur das Fichtelgebirge und den
3. (4. Aufl., Hof a. D. 1901). En
Fraukenweine, die im Mainthal mit_feinen
Eeitenäften, von Hanau bis nah Staffelſtein
oberhalb Bamberg, gebauten Weine. Das Gebiet
erftredt ſich aljo nicht bloß auf die drei fränt.
Kreife Bayerns, fondern au auf Baden (bejonders
an ber Zauber), Württemberg und Hefien. Der
Weinbau beginnt in Ziegelanger, Schmachtenberg
oberhalb Zeil, zieht fib längs des Mainflufie:
nah Schweinfurt, Vollach, Dettelbach, Kikingen
(jeitwärtd am Steigerwald, Rödelfee und Iphofen),
Ochſenfurt, —— bis Aſchaffenburg in einer
Länge von faſt 400 km bin und tritt unterbalb
Aſchaffenburg an dem Ausgange des Speflarts in
Hörftein, Waſſerlos zurüd. Auch an den Neben:
flüfjen des Mains, der Tauber, Wern und Saale
(Schloß Saaled liefert den hoch aeihästen Saal:
eder) wird der Weinbau in günjtigen Berglagen
betrieben. Bis unterhalb Würzburg tritt Mujcel:
fallformation und in ibrer Begleitung Thon und
Kalt mit Mergel auf. Bei Karlſtadt wird der Un—
tergrund ebenen (der fog. Rötb), das Aui:
liegende Mufcheltalt und Mergel, am Ausgange
des Speſſarts ift Buntfanpftein mit Gneis und
Glimmer vermiſcht. Borberridend werden weiße
Trauben gebaut, und zwar meijt gemifcht Sylvaner,
Elben, Gutedel, Trollinger, Traminer, Ruländer,
Riesling und Mustateller. Die befiern Lagen des
Hoftellers, des Juliusfpitals, fowie des Bürgeripis
tals zum Heiligen Geiſt, in neuerer Zeit aud bie
befiern Weinberge von Privaten bauen reinen Sas
von Riesling, Traminer, Sylvaner, Ruländer. Bei
Miltenberg und Klingenberg a. M. findet fi Rot:
mweinbau, und zwar —2 under mit Blaubur:
gunder, ebenfo in den Aa: einbergen Hörjteins.
Die F. find kräftig, voll, reich an Körper, zeich⸗
nen fih durch Feuer und eigentümliches Aroma
aus, ſtehen aber den am Rhein wachſenden Reben
im allgemeinen nad. Dem Weinbau und ber
Weingewinnung wird in neuerer Zeit erhöhte Auf:
merfjamfeit geſchenkt; insbeſondere jucht der unter:
fränt, Weinbauverein durch Belehrung und Brö:
miierung zur Vornahme von reinem Rebſatz, Aus
leſen u, — iv. aufzumuntern. Die bervorragenbiten
arten find: der Leiften (Eigentum des Staates
und einiger Privaten, am füdl. Abhange ver Feſtung
von Würzburg, etwa 25 ha) und der Stein (Staat#
eigentum fowie Eigentum des Bürgerſpitals um
einiger Privaten, ſudweſtl. Abdachung des am rechten
Mainufer liegenden Steinbergs). Bedeutende Lagen
find Spielberg, Harfe, Neuberg, Teufelsteller, jämt:
li bei Würzburg, Saaleder auf dem Schloßberar
Saaled (Eigentum des Privatmanns VBornberger),
Peterftirn bei Schweinfurt (Eigentum des Privat:
manns Sattler), Rallmutb mit hochſt eigentümlichem
Aroma bei Homburg (im Bezirtsamt Marktheiver:
feld, Eigentum des Fürjten Lömenftein), ferner
Kagentopf bei Sommerach, Eſcherndorfer mit ander
Rbeinwein erinnerndem Aroma, Hörjteiner vom
Frankfort — Franffurt am Main
Abtäberg bei Seligenjtabt 38 des Staates).
Der fränt, Weinbau umfaßt etwa 9400 ha, wovon
1904 auf Unterfranten allein 6255 mit einem Er:
trag von 27 hl vom Hektar entfielen. Hauptitapel-
plas ift —— (auch Sig der Schaumweinfabri⸗
tation); daneben — — —
Marktſteft und rn . (S. Bodäbeutel.) —
Bal. Kittel, Das Buch vom 5. (Würzb. 1905). |
Fraukfort, häufig vorlommender Ortäname in
den Vereinigten Staaten von Amerila. Darunter:
1) Hanptjtadt des Staates Kentudy und County
ranllin, rechts am Kentudy-River, der bis hierher
ir Dampfer ſchiffbar ift, 76 km öſtlich von Louis:
ville, an der Louisville-⸗Raſhville-Bahn, hat (1900)
9487 E. zahlreiche Kirchen und öffentlie Gebäude,
darunter das 1825 aus Kentudymarmor erbaute
Staatshaus; außerdem große Whiskybrennereien,
Sägemübhlen, Fabrifation von Hanf, Bier, Bad:
einen und — Durch eine Brüde mit F. ver⸗
unden, liegt links am Fluſſe, der je von jteilen
Kalkfteinfelien eingeengt ift, South: ranffort. F.
wurde 1787 angelegt und 1792 Hauptjtabt. —
2) Hauptitadt de3 County Clinton in Indiana,
nordweſtlich von —“ Bahnknotenpunlt
mit (1900) 7100
— rt, Großherzogtum, ſ. Frankfurt am
ain,
Franffurt nn, der preuß. Bro:
vinz Brandenburg, umfaßt in feinem nörbl. Zeil
altbrandenb. Gebiet und im ſüdlichen die Nieder:
(aufiß, welche von 1136 bis 1312 zur Markgraf:
{haft Meißen, von 1363 bis 1448 und 1462 big
1620 zu Böhmen, 1630 bis 1815 zu Sachſen ge
Örte, 2 ein zum Zeil außerordentlich fruchtbares
and arthe⸗ und Netzebruch), reih an Wäldern
und Flüffen (Hauptflüffe find Oder, Warthe, Nebe,
Bober, Neiſſe). erböjweige jind namentlich
Aderbau, Fiſcherei, Viehzucht, Braunlohlenberg:
bau, Induftrie (befonders lebhafte Tuchfabrikation)
und Handel. F. zerfällt in folgende 22 Kreiſe:
Kreife Flache Ein. | Evan * 3
= Stabtkeife) | qum — geliſche aten Titen
Konigsberg i. Reum. 1535,55 | 965806 92777] 3018] 345
Soldin. -.... 1148,42} 46608| 44796) 1249| 249
Arnöwalde . . . . | 1264,32| 4199371 39940] 1442| 337
Friedeberg i. Neum. | 1101,52) 54014) 51870| 1604| 307
Landsberg .W.* . 46,62) 36934| 32487] 3578| 479
Sandäberg . . . . | 1162,34) 55690) 54258) 1191| 95
Lebuß . 2.2... 1572,39] 94455| 89461] 4596) 233
Frankfurt .0.*r „| 5964| 643041 58562| 4652| 667
Beitfternberg . » »ı 1142,16) 43667) 42728] 6sıl 80
Oftiternberg. . . . | 1103,18] 44501] 43351) 941| 142
—————— 915,97| 47440 39782] 7384| 139
roffen .» »| 1807,55] 59252| 57740] 1156| 177
@uben® ..... 2853| 36636 34455| 1727| 172
Guben . 2... 1077,55| 43833) 41400| 2334| 54
2übben. ...« ı 1038,83] 33845) 33267] 469 90
Qudau ..... | 1293,15] 69951) 68184| 1662) 59
Ealau ..... 998,39| 85224 75565| 9531| 45
Cottbus... .. 23,52] 46270) 42871] 2575| 348
Eottbu ..... 828,90| 49884) 49241) 373) 19
go 8B>...., 11,38| 33752] 31057) 2222| 148
Drau » 2» 2.2. ' 1227,81 853341 60660 4409| 131
Epremberg . . . .| 310,34] 31996) 29889) 1970) 18
Summte |19 197,99 |1202021|1 134341587774] 43290
Der Reg.: Bez. hat 19197,99 qkin und (1900)
1179250 E., darunter 11662 Militärperfonen, 65
Städte mit 477636 E., 1628 Landgemeinden mit
597113 E. und 990 Gutäbezirte mit 104501 E., fer:
ner 131549 bewohnte Wohnbäufer, 1544 meift nıcht
zu Mobhnzweden dienende Gebäude mit 248299
959
Bamilienhausbaltungen zu 2 oder mehr Perſonen,
23505 (6765 männl., 16 740 weibl.) einzeln lebende
jelbftändige Perfonen und 1645 Anftalten. 1905
wurden 1202021 €. gezählt. Hauptitabt ijt Frant:
furt an der Ober (f. d.). (S. die Karte: Provinz
Brandenburg. Provinz Sadfen, nörd—
licher Zeil.)
Der Regierungsbezirk zerfällt in 10 Reichstags—
wahlkreiſe: — (Abgeordneter
1907: Bruhn, Antijemit); Landsberg⸗Soldin (Bö:
ning, fonfervativ); Königsberg i. Neum. (Dr. von
Saldern, fonfervativ); Frankfurt:Lebus (Detto, na:
tionalliberal); Dft: und Weſtſternberg (von Kap:
bengit, fonjerwativ); Züllihau:Erofien (Schlüter,
Deutfhe Reichsparteiſ; Guben:Lübben (Heinrich
Prinz zu Schönaich-Carolath, nationalliberal);
Sorau (Bahn, nationalliberal); Cottbus »Sprems
berg (Dr. von Dirkſen, Deutſche Reichspartei); Ca:
lau⸗Luckau (Henning, deutfchlonfervativ).
Frankfurt am Main. 1) Landkreis im preuß.
Neg.: Bez. Wiesbaden, hat 40,85 qkm, (1905)
29852 E., ı Stadt und 14 Landgemeinden. —
2) Stadt und Stadikreis, eine der reichiten Hans
velsjtäbte Deutichlands, bis
1866 eine der vier Freien
Städte des Deutſchen Buns
AN‘ bes und Sitz der Bundesvers
RN fammlung, liegt 50° 7’ nörbl.
A| Br. und 8° 41’ ditl. 2. von
An, Greenwid, in etwa 100 m
ey Höhe auf breiter Thaljohle
I am unten Main, in einer
— ſchönen und äußerſt frucht:
baren Gegend, umgeben von Landhäuſern, Gärten,
Weingeländen und Obſtpflanzungen und bat eine
Ausdehnung von 14,8km (D. nah Wh), 13,8 km (N.
nad ©.) und 65 km Umfang. Bon der Geſamtfläche
(9390 ha) find etwa 1145 ha mit Häufern bebaut,
768 ha find Wege, Straßen und Eifenbahnen, 80 ha
öffentliche gr und Anlagen, 7238 ha find land»
wirtichaftlih benußt (3480 ha Stadtwald) und
158 ha Waſſerfläche. Der mittlere Luftdruck beträgt
im Durchſchnitt 753,2mm, die mittlere Jahrestem⸗
peratur 9,7° C. (+ 36,3 Marimum, — 21,5 Mini:
mum), die Niederſchlagsmenge 611,7 mm. (Hierzu
ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen u. ſ. w.
und eine Harte: Frankfurt a. M., Stadtgebiet
und Stadtkreis.)
Bevdlterung. Die ortsanweſende Bevölkerung
betrug 1440 etwa 9000, 1800: 40.000, 1867 : 78277,
1880: 136819, 1885: 154513, 1890: 179985,
1895, einfchließlih der 1895 einverleibten Stadt
Bodenheim, 229279, 1900:288989 (139682 männl,,
149307 weibl.) €., das ijt eine Zunahme jeit 1895
um 59710 Berjonen oder 26 Proz., wovon 20382
Verſonen oder 8,89 Proz. auf die drei einverleibten
Vororte entfallen. 1905 wurden 334978 E. gezäblt;
darunter waren 202502 Evangeliiche, 105814 Ha:
— und 23476 Israeliten. 1900 gab es 15631
obnbäufer und 1032 andere bewohnte Baulich—
feiten mit 2721 Einzel:, 58856 Familienhaushal⸗
tungen und 1125 Anitalten. 7273 Berjonen waren
Neihsausländer, darunter 3515 Djterreiher und
Ungarn, 872 Schweizer, 686 Engländer, 669 Ameri:
faner u.j.w. Zahl der Lebendgeborenen 1900: 7513,
der Eheſchließungen 3182, der Sterbefälle 5031. In
Garniſon liegen das 1. Kurheſſ. Infanterieregiment
Nr. 81 und Stab und 1. Abteilung des 2. Naj:
fauifchen Feldartillerieregiments Nr. 63 Frankfurt.
u
—
960 Frankfurt
Rechnet man zu der Einwohnerzahl von (1900)
288989 —3 diejenigen der benachbarten, in wirt⸗
ſchaftlicher — mit F. ſtehenden Ortſchaf⸗
ten Rödelheim (6432), Preungesheim (2310), Hauſen
(1686), Bonames (1017), Heddernheim (4558), Eden:
beim ag Eſchers heim 34 Niederurſel (855),
Ginnheim (2078), Praunheim (1269), Berkersheim
388), Griesheim a. M. (8881), Schwanheim (3737),
eu:$ienburg (8072), Bergen:Entheim (4394) und
Fechenheim (6409), mit inögejamt 56530 E., jo er:
iebt ſich für das wirtfchaftliche Weichbild von Groß:
Srantfurt eine Einwohnerzahl von 345519.
Anlage. Das eigentliche F.breitet ſich am rechten,
langfam anjteigenven Ufer des Stroms aus und ift
mit dem auf der fünl. Mainfeite liegenden Stabtteil
Sachſenhauſen dur 5 Brüden verbunden. Die Alt:
itadt liegt innerhalb der Grenzen der zweitältejten
Stabtbejeitigung aus dem 12. Jahrh., die fich durch
die mit «Braben» endigenden Straßennamen kenn⸗
zeichnen. Die Feſtungswerlke (17.Zahrb.), welche die
—— des Grabens entſtandene Neuſtadt um:
g en, wurden 1804—12 abgetragen und in jchöne
traßen und Anlagen umgewandelt, die die Innen:
ftabt des rechten Mainufers in einer Geſamtfläche
von 250000 qm umgeben. Bon den mittelalter:
lihen Bejeitigungen Ir nur nod ber runde Eſchen⸗
beimer Zurm (49 m), 1400—28 an Stelle eines
1346 errihteten Turms erbaut, der Nententurm
(1455) am Fahrthor und der Kubbirtenturm (1499)
in Sachſenhauſen erhalten. Die Außenitadt ift ſeit
1864 mit der Innenſtadt vereinigt, und 1.Xan. 1877
wurden das ebemalige frankfurti de Dorf Bornheim
mit 10144 E,, 1. April 1895 die Stadt Bodenbeim
.d.) mit 20978 €, und 1900 die Orte Dberrad,
ieberrad und Senlbach einverleibt.
Brüden und Straßen. Bon den Brüden iſt
die älteite die etwa um 1150 erbaute, 1342 und 1741
erneuerte fteinerne 14bogige Alte Nainbrüde (265m
lang) mit dem Stanpbild Karla d. Gr. von Wendel:
ftäpt und Zwerger. Die Ober: Mainbrüde wurde
1878 erbaut. Unterhalb befinden ſich eine 1870 er-
richtete ſchmiedeeiſerne, nur für Fußgänger beftimmte
Hängebrüde, ferner die neue von Schmid erbaute
Unter : Nainbrüde und am meitejten ftromab bie
Wilhelmsbrucke; leptere, biß 1888 der Main:Nedar:
Babn dienend, ift für Wagen: und Fußgängerver:
tehr umgebaut. Hierzu fommen noch die beiden
neuen Gifenbahnbrüden bei Gutleutbof und bei
Riederrad, die Staatseifenbahnbrüde (1880 — 82)
und die heſſ. Frege reg (1881). In
ber innern Altjtabt, welche in einer Umgeftaltung
begriffen ift, giebt es noch zahlreiche enge und finitere
Straßen und alte Häufer, Dagegen zeigen die Haupt:
läge und neuern Straßen, zumal die Zeil, die Neue
ainzer Straße, die Raifer: und Friedensſtraße viele
palajtartige Gebäude, Die wegen ihrer Duntelbeit
und ihres Schmutzes berüchtigte Judengafle, bis 1806
einziger Wohnplag der Jsraeliten, iſt ald Börne:
ftraße neu aufgeführt, nur das darin befinvliche
Stammbaus der Familie Rotbicild ift alt und mit
Beibebaltung der alten Facade zurüd gerüdt worden.
Plätze und Denkmäler. Auf dem Roßmarkt
das Gutenbergdentmal (1858), eine große Bruns:
nengruppe in galvanoplaftiicher Ausführung von
Ev. von der Launig: Gutenberg mit Schöffer und
ft, am Fußgeitell Theologie, Poeſie, Naturwifien:
haft, Induſtrie (1892 erneuert); auf dem ans
oßenden Goetbeplap ein Stanvbild Goethes (1844)
von Schwanthaler; auf dem Scillerpla ein nad
am Main
Dielmannd Modell 1863 gegoſſenes Standbild
Schillers; auf dem Nömerberg, den noch zu Ende dei
18. Jahrh. fein Jude betreten durfte und auf dem die
von sn in «Dihtung und Wahrheit⸗ beicrie
benen Boltöbeluftigungen nad der Kaiſerkrönung
ftattfanden, der a titiabrunnen (1543), 1611 mit
einer fteinernen ukitia geihmüdt, 1887 erneuert;
auf dem ehemaligen Peterslirchhof das ſtriegerdenl⸗
mal für die 1870/71 Gefallenen (Brongegruppe nad
—— Modell); in den Promenaden kleinere Denl⸗
mäler und Büften von Sendenberg, Börne, Moris
von Bethmann u. a.; vor ee: Thor das
Heflendentmal, von Friedrich ilhelm U. von Preu⸗
Ben den Heilen errichtet, die am 2. Dez. 1792 beim
Sturm auf das von den Franzoſen unter Euftine be:
feste 5. fielen. 1894 wurde vor dem joolog. Garten
der monumentale Schüßenbrunnen (Entwurf von
N. Echard) zur Erinnerung an das 1. und 9. Bundes:
ſchießen, 1895 die Denkmäler des Lolaldichters
Stolge auf dem Hühnermarkt, Schopenbauers in
der Dbermainanlage am Recdneigrabenmweiber und
das von den Handel: und Gemwerbetreibenven der
Stabt geftiftete Denkmal Raifer Wilhelms L von
Krüger im Hofe des neuen Poſtgebäudes, 10. Mai
1896 das Reiterftanpbild Kaiſet Wilhelms L von
Buſcher vor dem Opernhaus errichtet. Das von 9.
zer gefertigte Bronzeſtandbild des Frankfurter
natomen und Phyſiologen Samuel Thomas von
Söntmerring (geit. 1830), des Begründer der eleh
triiben Zelegrapbie, wurde 8. Aug. 1897 enthüllt.
Kirchen. F. bat 15 evang., 9 tath. Kirchen, 2 re:
formierte_und zablreihe andere Bethäufer, eine
ig Kirche der Metbopiften, Kapellen der Bap⸗
tilten und anderer Religionsgefellihaften und 4 Sv-
nagogen. Die berühmtejte Kirche Hl ber latb. Dom,
in dem feit 1562 die deutſchen Kaiſer getrönt wur:
den, 852 von Ludwig dem Deutjchen geftiftet, 1235
als got. dreifchiffige Hallenfirhe mit vier Türmen
neu erbaut und 1239 dem heil. Bartholomäus ge:
weibt; der Chor ift 1315—88, das lange Querſchiff
1346—53 errichtet, der Kreuzgan —— 1348, der
Pfarrturm, 1415—1512, blieb Bde unvollendet;
die Wahlkapelle wurde 1355, die jpätgot. Scheid-
tapelle am füdl. Langſchiff, eine Stiftung des Nilol.
Seid, 1487 aufgeführt. Die Wiederberitellung der
15. Aug. 1867 durd Brand beihädigten Kirche er»
[plate 1869—80 durch Denzinger ( ? d.), ber das
angbaus erhöbte, den Kreuzgang nad alten Blä:
nen ausbaute und den Zurm nad) den alten Plänen
des Meifterd Hans von Ingelnbeim (1483) voll:
endete. Andere kath. Kirchen find die St. Leon
arbälirche, ein urſprünglich drei», jeßt fünfſchif⸗
ger Hallenbau, 1219 begonnen, im 14. b.
erweitert, der pätgot. Ehor 1434 erbaut, das Ganze
1507 vollendet, 1808 erneuert; ferner die Piebfrauen:
firhe (15. Jahrh.) mit alten Grabmälern, Deutſch⸗
bauslirhe in chſenhauſen, St. yoiep alirdhe
1875—86) in Bornbeim und kath. Kirche in Boden:
im. Bon den evang. Kirchen feien genannt bie
ot. Nitolailiche am Kömerberg, ein zweiichiffiger
allenbau (13. Jabrb.), 1450 als Ratstapelle in
frübgot. Stil bergeftellt, 1842—45 für die lutb. Ge⸗
meinde erneuert, mit gußeilernem Zurmbelm und
Altarblatt (Auferftebung) von Retbel; die 1833 voll:
endete runde Bauläfirche, 1848/49 Sih der Rational»
verfammlung (mit zwei@rinnerungstafelnamHaupt:
eingang 1a 1899); die ſtatharinenlirche, 1678—0
durch Melchior Hehler erbaut, mit vielen Grab
mälern, Gemälden längs den Emporen und neuen
FRANKFURT WW, STADTGEBIET UND STADTKREIS.
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F.A. Brockhaus’ Geogr- artist “Anstalt, Leipaig.
Kilumeter nn Weonnbain
EEE: sebiet der Freien Stadt Frankfurt Yu bis 1066 [I Jaziger Stadtkreis Frankfurt su
EEE] znmatige Landgrafschaft. Hessen- Homburg.
Frankfurt
Glasgemälven nach E. von Steinle und Linnemann;
die neue Peterslirche auf dem Friedhofe, mo Goethes
Mutter ruht (die alte Peterskirche ift niedergelegt);
die — eißfrauenlirche, ig: 1888)
Zutberliche (1892), Imanuellirche am Friedhof
(1901), Drei⸗Konigslirche in Sahjenhaufen, 1881
nach Denzingers Blane vollendet, evang. Johannis»
ng (1775) in Bornheim, evang. St. Jalobslirche
in Bodenheim und die Notlirche (Friedenskirche) am
Bahnhof. Die ältere Synagoge in der Börneftraße
ift 1860 nad Plänen von Kapfer, die neuere am
Börneplap 1881, die der israel. Religionsgeſellſchaft
ge in der Schüßenijtraße 1853 erbaut.
eltlihe ®ebäude, Der Römer, das Rathaus
ver alten Reichsſtadt, ift 14065—13 aufgeführt und
(püler vielfah umgebaut; die Façade, mit drei
taffelgiebeln und weiten fpigbogigen Thuren, war
einjt mit Malereien geihmüdt, die Rüdieite am
— iſt von 1731. Der im erſten Stod be:
dliche Kaiſerſaal enthält die lebensgroßen Bild:
nifje der deutichen Kaiſer und jeit 1892 ein Marmor:
ftandbild Kaiſer Wilhelms L von Kaupert; neben
dem Raiferfaal das Wahlzimmer, jebt ——
des Magiſtrats. Der ſüdlichſte der drei Giebel des
Romers gehörte dem Haufe Limpurg an, deſſen ſchö⸗
nes Thorgewolbe im Seitengäßchen und prächtige
Epindeltreppe (1607) ſehenswert find. Die mit dem
Römer verbundenen Aue: Salzhaus mit ſchma⸗
lem holzgeſchnitzten Giebe — mit bemalter
— Da.) und Wanebach, ein Holzbau
bes 16. in ., find 1888—9%0 von U. Koch reitaus
riert. Im Anſchluß an den Römer und unter Ein:
beziehung desjelben wird das neue Rathaus nad)
Plänen von franz von Hoven und Ludwig Neher
in drei Gebäudegruppen erbaut, mit einem dem
alten Sadjenhäujer Brüdenturm nachgebildeten
Zurm (70 m). Im Thurn und Tarisihen Palais
833 tagte bis 1866 der Bundestag. Der ſog.
Saalhof, mit Façade von 1717, jteht vermutlich an
Stelle einer von Karl d. Gr. erbauten, von Ludwig
dem Frommen 822 erneuerten Kaijerpiol); legtere
wurde im 14. Jahrh. verpfändet und vielfah um:
ne Das jtädtifche Archivgebäubde ift 1878 nad)
Plänen von Denzinger, die Stabtbibliothel mit
—— Vorhalle 1825 von Heß erbaut, die großen
Flügelbauten nah Wilh. Müller Entwurf 1892
vollendet. Das ehemalige Leinwandhaus (14.Jahrh.)
mit Zinnen und Ecktürmchen neben dem Archib iſt
1892 durch U. Koch zu Muſeumszwecken reſtauriert
worden. Der 1883—88 von Eggert erbaute Haupt:
bahnhof (I Tafel: Bahnhöfe l, Fig. 3, und ILL,
8. 2) gehört zu den größten derartigen Anlagen.
as ujpielhaus am Theaterplaß iſt 1782, die
neue Börfe dahinter 1874— 79 von Burnig und
Sommer erbaut (j. Tafel: Börjengebäudel,
dig. 1). Ein neues Schauipielhaus, von Seeling
erbaut, wurde Nov. 1902 eröfinet. Der prachtvolle
Bau des Stäbeliden Kunſtinſtituts, nah Plänen
von Dälar Sommer in Hochrenaiſſance 1878 voll:
endet (f. Zafel: Muſeen I, Fig. 4), enthält eine
Gemäldegalerie (j. unten). bes Elternhaus,
1863 durd das e Deutſche Hochſtift (f. d.) ans
efauft und jo wieder bergeitellt, wie eö nach dem
mbau (1755) war, enthält Erinnerungen an den
Dichter. Am Bodenheimer Thor erhebt fih das
Opernhaus (Baukoſten 5%, Mill. M.), 1873—80
nad den Plänen von Lucä in Berlin erbaut (f. Tafel:
Theater II, fig. 2), mit jihönem Treppenhaus und
Hauptfoyer, mit Stulpturen von Rumpf und Guſtav
Brodhaus’ Konverjationdskeriton. 14. Aufl. RU VL
am Main 961
Kaupert fowie ang mern nad Steinles Ent:
würfen. Das neue Gerichtsgebdude iſt 1884—89
nah Endells Entwurf in deutjcher Renaiflance er⸗
baut. Eins der größten Gebäude iſt dad Deutſch⸗
Ordenshaus (1709) in Sachſenhauſen, vormals der
Krone Dfterreih gehörig. Weiter weilt die Stabt
noch interejjante alte und großartige neue Gebäude
auf, von legtern die Reichsbank von Lange, Pavelt
& &o., Frankfurter Bant, Vereinsbank und Bant für
Handel und Induftrie, die Germania von Kayſer
und von Großheim (Berlin), die Bavaria, die Ale
mannia, die Neubauten an der Promenade (Provi-
dentia, Hotel Fürftenhof u. a.); von alten Gebäuben
find zu nennen: das Haus Zum Kaiſer Karl, Zum
großen Engel (1562), halb gotiſch, halb Renaiſſance,
das jog. Steinerne Haus (1454), Nürnberger Hof,
ein Holzbau mit got. Durchgang und reihem Kreuz:
gemwölbe, der Tuchgaden, wo die Mekgerzunft dem
nad) der Krönung vom Dom zum Romer ziehen:
den Raifer ven Ehrentrunf darbradıte, die Goldene
. (1624), le find erwähnenswert der große
Schlacht⸗ und — — Marlthalle,
Krankenhaus, Lagerhaus, Polizeipräſidium (1887),
Schwimmbad, die Poſt, die Kaiſer-Wilhelm-⸗Paſſage
(1901), Raifer: Friedrichs, Goethegymnafium, das
Sendenbergihe Mujeum (1907) u. a.
Berwaltung. DieStabtwird verwaltet von dem
eriten Bürgermetjter (Adickes, jeit 1891, 26000 M.),
—— Buͤrgermeiſter (Dr. Varrentrapp, 13500
.), jerner 24 Stabträten (11 beſoldet), 8 Aſſeſſoren,
64 Stadtverordneten und einem Polizeipräſidium
(Präfident Freiherr von Müffling) mit 1 Regierungs⸗
rat, 2 Regierungsaflefioren, 3 Bolizeiräten, 1 Po⸗
lizeiafjeflor, 2 Woleimfpelioren, 18 Kommiſſaren,
9 Kriminallommiffaren, 29 Wachtmeiſtern und 447
Scyusleuten. Liber die Feuerwehr j. Feuerlöjcd:
weſen. Es beftehen 2 Gasanitalten, 2 ſtädtiſche
Elektricitätswerle und zahlreiche elektriſche Einzel-
anlagen in Brivatgebäuden. Die beiden Waſſerwerke
(Hodauellleitung aus dem Vogelsberg und Spejlart
bi3 14000 cbm, Grundwafjerleitung im Stadtwald
bis 27000 cbm —— —2* haben 450 km
Rohrneg. Außerdem beſteht die Main: (Flup:) Lei:
tung und das Bodenheimer Waſſerwerk. Die Ent:
mwälerung geſchieht durch Schwemmſyſtem (220 km
Kanäle) mit Kläranlage. Auf dem ſiädtiſchen Vieh⸗
und eg wurden (1899/1900) geſchlachtet:
29053 Stüd Rinbvieh, 92154 Schweine, 65406
Kälber und 30171 Hammel. Es * eine Marlt⸗
halle rg Baukoften 15 Mil, M.), eine Neben:
markthalle (1900) und die gleihalle zu Marlts
weden benugte jog. Lederhalle, in der die Früh:
ahrs⸗ und Herbitledermefie abgehalten wird.
Finanzen. Der Haushaltplan 1901 ſchließt im
Drdinarium ab in Einnahme und Ausgabe mit 23,7,
im Ertraordinarium mit 9,2 und bei den Neben:
(Betrieb3-) Verwaltungen mit 19,67 Mil. M. Die
Schulden betragen (31. März 1900) 94 Dill. Di,
darunter 51 Mill. M. Anleihen für ſtädtiſche Be:
triebe, denen ein Vermögen von 130,5 Dill. M.
gegenüberfteht. Für Sch werben aufgewendet
etwa 5 Mill. M. (einjchließlih Neubauten; Robaus:
abenzuihuß 4 Mill, M.), für Woplthätigleitsan:
ten, Armen: und Krankenweſen 1,16 Mill. M.
Zuſchuß, für —— Straßenſprengung
und Kehrichtabfuhr 839300 M., für öffentliche Be:
leuchtung 192000 M. Zuſchuß; der Beitrag der Stabt
zu den often der königl. Volizeiverwaltung beträgt
237800M. Das Wappen der Stadt ift ein weißer,
61
962 Frankfurt
——— und -bewehrter Adler in Rot, die
Tree find Rot und Weiß,
Behörden. F, ift Sig des Landratsamtes für
den Landkreis F. eines evang. Konfistoriums, Ober:
landesgerichts für den Reg. Bez. Wiesbaden aus⸗
ſchließlich Kreis Biedenlopf), die en
Lande, die Kreiſe Neuwied und Weplar, den Teil
des Kreiſes Koblenz öftlich vom Rhein und den links
von der Sieg belegenen Teil des Kreifes Altens
firhen Landgerichte F., Hechingen, Limburg a. d.
Lahn, Neuwied, Wies aden), eines Landgerichts mit
2 Rammern für Handelsſachen und 2 Amtägerichten
(F. Homburg vor der Höhe), eines Amtsgerichts,
einerOberpoftdireltion fürden Reg.:Bez. Wiesbaden
und den Kreis Weplar mit 2871 km oberirdiichen
Zelegrapbenlinien (25747 km Leitungen, einſchließ⸗
li 14372 km Fernſprechanlagen) und 298 Berfebrs:
anftalten, koni iglich preuß. Eifenbabnvirettion, eines
Hauptiteuer:, Kataſter⸗ Erbſchaftsſteueramtes, einer
tönigl. Probieranftalt, kaijerl. Disciplinartammer,
Neihäbanthauptitelle. Handeläfammer jowie des
rap des 18, Armeelorps, der Kom:
manbo8 der 21. Divifion, 42, Infanterie, 21. Ra:
vallerie:, 21. Felvartilleriebrigabe, einer Komman⸗
dantur und eines Bezirlskommandos.
Unterrichts: und Bildungsmwejen. Alade:
mie für Social: und Handelswiſſenſchaften (feit
1901), ſtädtiſches Gymnafium, 1520 gegründet,
1529 a; rd und 1897 geteilt in Goethegym⸗
naftum (Reformſchule mit Frankfurter Lehrplan)
und — nehum. tönigl. Raifer: Friedrich:
Gymnafium (1888), ftädtiihes Realgymnaftum
Mufterfchule), 1803 gegründet und 1873 als Neal:
chule anerkannt, jtäptiihes Realgymnafium (Wöh-
ke; 1871 gegründet), ſtädtiſche Oberrealſchule
Klingerſchule), 1875 gegründet, ſtädtiſche Realſchule
——— — Bodenbeim, kath.
Selektenichule mit Proaymnafium, Realſchulen der
israel. Gemeinde (Philanthropin), 1804 gegründet,
und der iörael. ner ujmoft, beide verbun:
den mit höhern Madchenſchulen, Hafielihes Er:
iehungsinſtitut zur Vorbereitung für Einjäbrig:
A Mäpchengymnafium heit 1901), ftäbtt-
che —— — * Clifabetbenfchule (zum
Andenten an en Rat Goetbe) mit Lehrerinnen:
jeminar, Humboldtſchule, böbere Mädchenſchule in
Bo denbeim und mebrere private höhere Mädchen:
ibulen, eine Schule für Knaben, 3 jet Mädchen,
- für beide Gefchlehter, 26 Roltsihu en, darunter
6 für Knaben, 7 für Mädchen, 13 für beide Ge:
ſchlechter, jel Anftalt für nicht Volfinnige und Ver:
wabrlofte, für Taubftumme, für a anelebiale te,
ferner eine höhere Handelälehranftalt, ſtädtiſche
mwerbeichule, kaufmännische Sortbiltungäfeufen,
Kunſtgewerbeſchule, Frauenarbeitd: und Haushal⸗
tungsfdulen und eine Militärlebrichmiede, endlich
zwei Hochſchulen der Mufit (Hochiches und Raffiches
Konfermatorium), Stodbaufenihe (f. Stodbaujen,
Jul.) Geſangſchule, Muſilſchule u.a. Die Erribtung
—9 64 für praltiſche Medizin iſt geplant.
Sammlungen und Inſtitute. Die 1891—
93 durch Anbauten vergrößerte Stadtbibliothef
(413419 Einzelihriften in 261717 Bänden) mit
grobem Leſeſaal enthält eine Austellung wertvoller
Drudwerle und Einbände, ein Münzlabinett und
eine Marmorfi ur Goetbes von Marcheſe (1838).
Die Freiberrlib E. von Rothſchildſche Bibliotbet
enthält Leferäume und 26022 Bände (bejonders
Kunft, neue Spraden, jüd. Theologie, Handels:
am Main
wachen. Im biftor. Archiv befinden fiä
be Schäße; im untern Stodwert des Archiv
—— — — ragen
e hiſtor. Mufeum untergebracht, eine
reihe Sammlung von Kunſt⸗ und Al + re
ftänden aller Art, darunter höchſt wertvolle
rungen an %.8 angenbeit. Das am 10. Br.
1859 n der hun abc en Beburtsfeier Schillers
georän te, in Go ater ini b indlice Freie
he Sb (. d.) y ften, Künite
und bö ung A dar 3 üge
allen ften und unterhält eine Bi
Ein oet —* eum, im Zuſammenhang mit G
—— ——— — ins 3.0
anlfurter
Sendenberg (j.d.) und diedamit verbun *
bergſche naturforſchende eee —— *
ründet) beſitzt ein bedeutendes warn
eum, —E botan. — und anatom. Thea⸗
ter und veranftlte Vo glei vielen andern
willen hen Bereinen (j. * unten); ber fila⸗
liſche in las —2 at ein neues
—— en —— er € —— —
er Lehr· und Unterſuchungsan
ungen, phyſil. und dem. Gaboratorium | omie Ran:
— das — ——— hie =
nden mi
——— * t es mebrere B — —
—
nſti ne
Frankfurter Burgers Joh. re Stäpdel(geft.1816),
der feiner Vaterjtadt jeine Kun ———
Fin —* die (ei 200 Schie‘) A Kon Erd»
eſchoß vie ur (en 200 Sa die Handzeihmungen und
pferftihe (etwa 60000 Blätter), Gipsab
Herkulesſchild (nad San von —*
ragen re aus Sandſtein u. a,;
geihoß die Gemälvegalerie, beſonders Br an alt
niederländ. und altdeutſchen Bildern des 15. unt
16. Jahrh., ſowie an holländ. Bildern des 17. Jabrb.
und der ältern Düfjelvorfer Schule. Der Betb-
mann nn mit ber Ariadne von Danneder
(f. Ta units Kunft V, Fig. 7) ift 1835, das
Handeldmufeum in * Neuen Borſe 1884 eröffnet.
Die zansig ten Stadttheater (Aktien
eſellſchaft: altes Ehaufpiel aus mit 1100, neues
aufpielbaus mit 1200, us mit 1900
Zujchauerplägen) erhalten einen jährlihen Zuſchuß
von der Stadt und jtehen unter Zeitung zweier ven
der Altiengeſellſchaft angeitellten Intendanten.
Bon den in F. eriheinenden polit. Zeitungen
und Zagesblättern x die bedeutendite die —
itung» (f. d.), ferner die ſocialdemo
ots timme» und Wochenblätter und Zeiti
wiflenihbaftliben und techniſchen J 8; bad
anffurter Journals (ſ. d.) ift eit 1903 mit den
ankjurter —— vereinigt.
GR ereinäweien und Kaſſen. Von ..
einen find außer den im Abichnitt Samml
nannten zu erwähnen: vie Bolytechniiche Geſe bat
(1816 gegründet), der Kunitverein(1813), der Mittel
deutihefKunitg everein mit Schule und Mufeum
1878), die Vereine Lehe he uns und Altertums⸗
nde (1857) für Geo —— (153%),
die Am e Geſellſ
* — —X en den -
ben Balmengarten mit
odenbeimer Thor geitiftet hat, mehrere Mufitoer
Strafsen, Plätze,
Gebäude u. s. w.
Ackermannstr. G 4.
Adalbertstir. B 3.
Adlerfiychtplatz. E 2.
Adlerfiychtstr. E 2.
Affensteiner Weg. D1.
Affenthorplatz. F 5.
Aichamt. F 4.
Albusstr. F 4.
Allerheiligenstr. F 4.
Allerheiligenthor. F4.
Alte Bergsweg. G.H 7.
— Gasse. E.F3. [D3.
Altkönigplatz u. -Str.
Am Dornbusch. B.C1.
— Falırthor. E 5.
— Königsbach. D 8.
— Mühlkanal,. @ 6. 7.
— Schauspielhaus. D5.
— Tiergarten. G 4.
Amtsgericht. B 2.
Am Weingarten. B2.
An den Friedhöfen.
E. Fi.
Antoniuskirche. O 4.
Appelsgasse, A 2.
Archiv, Städt. Fd4.5.
Armenhaus, Städt. C8,
Armenklinik. F.G 3.
Arndtstr. U 3.4.
Arnsburger Str. 4 2.3,
Artilleriekaserne, A 2.
Atzemer, Oberer. G 3,
—, Unterer. G 3.
Auf dem Mühlberg.
F.G 6.
— der Dammbeide,. A 3.
— — Körnerwiese. D 2.
Augsburger Str. G 3.
Ausstellungsplatz.
Bückerweg. F2.3.[B.C4.
Bahnhofsplatz. D 5.
Balduinstr. Hs.
Baptistengemeinde.G4.
Barckhausstr. D 3,
Bartmanns Hof. D 2.
Basaltstr. B 2,
Battonnstr. F 4.
Baugewerkschule. B 4.
Baugraben. E 4.
Baumweg. F 3.
Baustr. E2.
Beethovenplatz. C 3.
Beethoveustr. C 3,4.
Bergerstr.F.G.H 1.2.3.
Bergesyrundweg.
F.G 7.8.
Bergweg. G3. F2.
Bernarduskirche, St.
Betbhmanndenkmal. F3.
Bethmannmuseum. F3,
Bethmannustr, E 4
Betriebsamt. Ü 5.
Bettinaplatz. C 4.
Bettinastr. U 4.5.
Bibergasse. E 4.
Birkenweg. A 3.
Bismarckallee B 4.
Bismarckdenkmal. D5.
Bleichstr. B. F 3.
Bleidenstr. E 4.
Bleiweifsstr. H 6. 7.
Blindenanstalt. E 2,
Blittersdorffsplatz. D4.
Blücherplatz. D 6.
Blücherstr. O. D 5. 6.
Blumenstr. E 3.
Bockenheim. A 2.
Bockenheimer Anlage,
D.E24
— Bahnhof. A 3
— Landstr. 0.D3
— Str. Grolse. D.B4.
— —, Kleine. D.E4.
— Thor.
B: ionstedtt,
Bölnerstr.
eb g 3.
Bürneplatz u.-Str. F4.
Bornheim. H 1.
Bornheimer Landstr.
Yr.G2
— Landwehrstr. G.H 2.
Bornwiesenweg. E 2.
Börse. E 4.
Börsenplatz. E 4,
Börsenstr. E 3,4.
Pa
BotanischerGarten.C2,
Böttgerstr. F.G 1.
Brahmsstr. Fi.
Braubachstr. E 4.
Braunfelsgüfschen. F 7.
Breite Gasse. F 4.
Bremer Str. D 2.
Brentanodenkm. C.D3.
Brentanoplatz. 03.
Brentanostr. O3.
Breulsweg. G 7.
Brönnerstr. E 3. 4.
Bruchstr. F 6.
Brückenstr. F 5. 6.
Brückhofstr. F 4.
Brüder Grimmstr.
G.H 2. 3.
Buchgasse. E 4.5.
Buchwaldstr. H 1.
Bülowstr. C 6.
Bürgerhospitäler. E3,
1
Bürgerstr. DS. 6.
Bürgerverein. E 3.
Burgstr. F.G 1.2
Camberger Str. B 6.
— An der.
2
Christuskirche, O 3,
Cirkus. D 5.
Corneliusstr. 0 3.
Cranachstr. E 6.
Uronberger Str. D 3.
Cronstettenstr. D. E 1.
Dahlmannstr. G.H 3.
Danneckerstr. E. F&.
Darmstädter Bank. D4.
— Landstr. F 6. 7. 8.
Deutschherriikai.
F. G 8. [F 5.
Deutschordenshaus.
Deutschordenskirche.
Deutsch - reform. [F 5.
Kirche. E 4.
Diakonissenhaus. D.Ei,
Diemelstr. A 2.
REN:
E. Fe.
Diesterwegstr. E 6.
Dom. E4.
Dominikanergasse. F 4.
Domplatz. E.F 4.
Domstr, E 4.
Dorfelder Str. G.H 1.
Dortelweiler Str. @ 1.
Dreieichstr. F 5.
— ————
B. F
Dreikömigstz.
Dürerstr. E 6.
Eckenheimer Landstr.
E.F 1.2.3
Ederstr. A 3,
Egenolffstr. F 2.
Eichwaldstr. @ 2,
Einheitsdenkmal. E4.
Eisenbahndirektion,
Konigl. O4.
Eiserne Hand. F 2.3.
Eiserner Steg. ES.
Elbestr. D4.5.
Elefantengasse P 3.
Elektricitätswerk. A3,
Elektricitätswerkes,
Centrale des städt,
B. 66.7.
Elisabethenkirche,. B3.
Elisabetbenplatz. B3.
Elisabethenstr. F 5.
Elkenbaohstr. F 2.3,
Elsheimer Str. D 3,
Emser Str. B3.4
Englische Kirche. D 3.
Enkheimer Str. Hi.
Entbindungsanst. F4
Eppsteiner Str. C. D
Erlenbacher Str. G 1.
.
E.F5.
Erleustr. O4,
Eschborner Str. A 6.
Eschenbachstr. D 7.
Eschenheimer Anlage.
E.F3.
— Str, Grofse. B3.4.
— — Kleine. E 4.
— Thorn, Turm. E3.
Eschersheimer Land-
str. D.E 1.2.3.
Eulengasse, H 1.
Euler Str. B 6. 7.
Evang. Kirche. B ®.
— Vereinshaus Norl-
ost, G 3.
Eysseneckstr. El.
Fahrgasse, F 4.
Fahrthor. ES.
Falkensteiner Str. EI.
Falkstr. B 2.
Fallthorstr. H 1.
Färberstr. E5.
Fasanenstr. G 3.
Fechenheimer Str.
Feldbergstr. C.D 2.3
Feldstr. D 2.
Fellnerstr. E 3.
Felsenkeller. H 1.
Festhalle. BA.
Feststr. F 2.
Feuerbachstr. 0.D3.4
Feuerwehrdepots,
B.C5,E5,F2.
Fichardstr. E 2.3.
Fichtestr. F 3.
Finkenhofstr. E 2.3
Fischbacher Str. A 5.6.
Fischerfeldstr. F 4.
Fleischergusse. A 2.
Florastr. A.B2.
Flörsheimer Str. A 6.
Flofsrinne. BT.
Forsthausstr.
0.D.E 6.7.8.
Frankenallee.A.B.C5.6.
Frankensteiner Platz.
— Str. P 6. [F 5
Frankfurter Bank. D 4.
— Friedhof. E. Fi.
— Str. B2.3. I[E4
Franz.-reform. Kirche.
Frauenhof. B 8.
Frauensteinstr.
Freihofstr. H 1.
Freiligratbstr. H 2.3,
Freudenberger Str.
F. G 7T. IF 3.4.
Friedberger Anlage.
— ne 1. 2. 3.
— Str rolse
— — Kleine.
— Thor. F3.
Friedenskirche. B 6.
Friedensstr. E 4. 5.
Friedhof, Alter (Born-
heim). H ı.
— Alter (Sachsen-
hausen). F 6.
Friedhöfe. A3, HT.
Friedrichstr. 0.D 2.3.
Friesengasse. A 2.
Fritzlarer Str. A 2.
Fröbelstr. A 2.
Fürstenberger Str.
D.E 2.
Gabelsbergerstr. G 1.2.
Gagernstr. H 2.3.
Gallusanlage. D 4. 5.
Galluskirche. A. B 6.
Gallusstr., Grofse.
D.E4.
Galluswarte. B 6.
Gartenstr. ©.D.E 6.7.
Gärtnerweg. D. E 3,
Gasfabrik. A 3
—, Englische. G 5.
— Neue Frankfurter.
Gaufsstr. F3. [OG.
Geibelstr. H 3.
Gelbe Hirschstr. F 4.
Geleitsstr., Östl. P 6.
—, Westl. F 6.7.
Gellertstr. F 1.
Gelnhäuser Gasse. E4.
Georgestr., Sankt. IH 1.
Gerbermühlstr. F.G 5.
Gerichtastr. F 3.
Germaniadenkmal.G2.
Germaniaplatz. @ 2,
Gerimaniastr, (4 2.
Gervinusstr. D.E 2.
GinnheimerHöhe. B.C1.
— Landstr. Bi.
— Stadtweg. C 1.
— Str A.Bı1.2.
Glauburgplatz. F1.2.
Glauburgstr. E.F 2.
Gleimstr. Fl.
Gluckstr. F 1.2.
Gpeisenaustr.
B. O. D 5. 4.
Ei.
F 3.4.
Fa
‘ Hermannstr.
Goebenstr. B 2.
Goethedenkmal. E 4.
Goethegymnasium. C 4.
Goethehaus n. -Platz.
Goetheruhe. H 8. [E4.
Goethestr. D.E 4.
Gogelsaut. B 7.
Goldbergsweg. G.H 7.
vonGoldschmidt-Roth-
schild-Stift. G. H 4.
Graubengasse. E 4.
Grempstr. A 2.
Grethenweg. F 7. 8.
Grindbrunnen. D.E 5.
Gronauer Str. G.H 1.
Grüneburg (Schlofs).
c.Dı [0.D23
Grüneburgweg.
Gruneliusstr. H 6.7
Grüne Str. F 4.
von Guaitastift. D 5.
Guiolletdenkmal. D4.
Guiolletgrab. F 4.
Guiolletplatz. D 4.
Guiolletstr. C.D 4.
Günderrodestr. B 5.6.
Günthersburgallee,
F.G 1.2.
Günthersburgpark.@G 1.
Gutenbergdenkm. E4.
Gutenbergstr. B 5.
Güterbahnhof. D. E 7.
— d. ehem. Hess. Lud-
wigsbahn. B. 05.6.
Güterexpedition. O 5.
Güterplatz. O5.
Gütorschuppen.
Gutleuthof. B 7.
Gutleutstr. B.C.D5.6.7.
Gutzkowstr. E. F 6.
Habsburger Allee.
G.H 2.3.
Hafenstr. C 5.6.
Haideplatz. G 2.
Haidestr. G. H 1. 2.
Hainer Wer. F 6.7.8.
Hallgartenstr. F.G 1.
Hamburger Str. D 1,2.
Hammelsgasse.F3. [H4.
Hanauer Landstr, F. G.
Handelshafen. C. D 6,
Händelstr. E 1. [(H 4.5.
Handels- und Gewerbe-
schule, D 4.
Hansaallee. D.E 1.2.
Hansenweg. H 6. 7.
Hansteinstr. E 2.
Hardenbergstr. CO 6.
Hasengusse. E 4.
Hasenpfail, Grofser.
— Letzter. BE 7.8. [F7.8.
— Mittlerer. E 7.
Hattersheimer Str. A 5.
Hanuffatr. O4.
Hauptbahnhof. C.D5.
Hauptgüterbahnhof.
Hauptpost. E4. [C4.5.
Hauptwache. E 4.
HausenerLandsatr.A1.2.
Häusergasse. A 2.
Hebelstr. F 3.
Hedderichstr. E, F 6.7.
Hegelstr. F. 6 3.
Heiligkreuzstr. FP 4.
Heinestr. E !.
Heinriehstr. B. C 5.
Heisterstr. F 6.
Hellerhofstr. B 5.
Hemmerichstr. B.C 4.
Hemmerichsweg. A 4.
Herbartstr. P 2.3.
Herderstr. F 3.
E32.
Hermesweg. F 3.
Hersfelider Str. A 2.
Hessentlenkmal, F 3.
Hessenplatz. B 2.
Hessenweg. F 3.
Hinter dem Buchwald.
H1.2. [sicht. F 4.5.
— der Schönen Aus-
Hippodrom. D 6.
Hirschgraben, Grofser.
E4.5. Kleiner. E4.
Hirschhornstr. H 6.
Hochreservoir der
Fiufswasserleitung,
F.G7
[2
H 4.
Hochschule f.Musik.E3. | Königsbach.
.
— — — — — — — — — — — — —— — ———— —— — — — ———— ———— — — — —
Höchster Str.
Hochstr.
— Kleine. D 4.
Hoffeldstr. H 6,
Hofheimer Str. A 5.6.
Hofstr. D.E 5.
Hohenstaufenstr. C4.5.
Höhenstr. G 2.
Hohenzoilermplatz.
3.45
Hohenzollernstr. C 5.
Holbeinstr. D.E 6
Höltystr. Fi.
Holzgraben.E4. [E2.
von Holzhausenspark.
Holzhausenstr.D.E 1.2.
Homburger Str. 1 ..
Hospital zum Heiligen
Geist. F 4.
Hufnagelstr. B 5. 6.
Hühnerweg. F.G 6.
Humboldtstr. E 2. 3.
Humbrachtstr. E 1.
Hynspergstr. E 1.2
Idsteiner Str. A 5.
Immanuelkirche. E 1.
Im Sachsenlager. E 3.
— Trutzfrankfurt.
D.E3.
Industriehafen. H5.
Infanteriekaserne. U &.
Irrenaustalten, Städt.
D1.2,G3.
IsraelitischeFriedhöfe.
B2rFı1. [F 4.
Israel. Friedhof, Ehem
— Kindergarten. F 3.
— Volkssaal, G 4.
Israelit. Hospital. G 3.
Jahnstr. E 3.
Jakobskirche, St. A !.
Johanniskirche H 1.
Jordanstr. B 3.
Josbacher Str. A 6.
Josephkirche, St. {+ 2.
Jügelhausu. -Str.B.C 3.
Juliusstr. B 2.
Junghofstr. D. E 4
Justitiabrunnen. E 4.
Justizpalast. F 3.
Kaiser Friedrich-Gym-
nasium. @ 4.
Kaiserhofstr. E 4.
Kaiserplatz. D. E 4.
Kaiserstr. D. E 4. 5.
Kaiser Wilhelm I.-
Denkmäler. D4,E4.
Kantstr. F.G 3.
Karl d. Grofsen-Denk-
Karlstr.D5. [mal.F5.
Kasernenstr. A 2. 3
Kasseler Str. A.B 3,
Katharinenkirche. E 4.
Katharinenpforte. E 4.
Kath.-apost. Gemeinde.
Fe. (ein. E3.
Kaufmännischer Ver-
Kaufungerstr. A 2.
Kaulbachstr. E 6.
Kelkheimer Str. A 5.6.
Kelsterbacher Str. B.
Keplerstr. E 2.
Kerbengasse E 4. 5.
Kettenhofweg.
B.C.D24
Kiesstr. B 3.
Kinderheim. F 1.
Kinderkrankenhaus,
Kinzigstr. H6. [D 1.2.
Kirchnerdenkmal. F3.
Kirchnerstr. E 4.
Kirchplatz. A 2.
Klapperfeldstr. F 3.4.
Klappergasse. F 5.
Kleiststr. Fi.
Klemensstr. B 2.3
Klementinenspital.
H 2.3.
Klettenbergstr. El.
Klingenberger Str. G7.
Klingerstr. F 4
Klostergasse. P 4.
Klüberstr. D 4.
Knoblauchsstr. D.E1.
Koblenzer Str, BD.
Kochstr. H 6.
Kohlbrandstr. H 1.
Kölner Str. B 5.
cn.
A.Bö.
D. E23. 4.
8.
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Königsplatz. B 3.
Königsteiner Str.
c.D 2.3.
Königstr. RB 2.3.4.
Königswarterätr.F.6G3.
Kömerstr. D 2.3.
Kornmarkt, Grofser.
Koselstr. F2 [E4.
KostheimerStr.A.BD.6.
Krüme, Neue. E 4.
Kranichsteiner Str. F 6.
Krankenhaus, F 2.
—, Städt. C.D7T.
Kreuznacher Str.
A.B3.4
Kriegerdenkmal. E 3,
Kriegkstr. A 5. 6.
Krifteler Str. A 5.6. 7.
Krögerstr. E 3.
Kronprinzenstr. D 5.
Kruggasse, E 4.
Kuhwaldstr. A.B 3.4.
Kunstgewerbeausstel-
lung. D4.
Kunstverein. D.E 4.
Kurfürstenplatz. B 3.
Kurfürstenstr. A.B2.3.
Kursaal Milani. F 3.
Lahnstr. A 6.
Länderweg. 6 ®.
Landgrafenstr. B 3.
Landw. Verein. G 4.
Lange Str. F 4.5.
Laubestr. ED. 6.
Launitzstr. E 6.
Leerbachstr. D 2.3.
Leibnizstr. G 2.
Leinpfad. A 8,
Lenaustr. F 1.2.
Leonhardskirche. E55.
Leonhardsthor. B 5.
Lersnerstr. E 2.
Lessingdenkmal. F 5.
Lessinggymnasium.D2,
Lessingstr.C3.4. [E4.
Liebfrauenberg u. -Str.
Liebfrauenkirche. E 4.
Liebigstr. D 2. 3.
Liederbacher Str. A 6.
Lindenstr. © 3. 4.
Lindheimer Gasse. E 4.
Linn6str. G 2.
Löbersgasse. H 1,
Lorsbacher Str. A5.
Lortzingstr. F 1. 2.
Löwengasse. H 1.
Lübecker Str. D 2.
Lucaestr. B. C 6.
Luderbach. U 7. 3.
Ludwigstr. C 5.
Luisenhof. G 1.
Luisenplatz. F. G 2.
Luisenstr. F.G 1.2.3.
Lutberkirche. F.G 2,
Lützowstr. 0. D5.
LuxemburgerAllee.H3.
Magdalenenstift. D 2.
Mainbrücke, Alte. F 5.
Mainfeldstr. A 8,
Mainflufs. B.C.D 6.7
Mainkai. E.F 5
Mainkurstr. G, H 2.
Mainluststr. D 5.
Mainstr. F 4.5.
Mainwasenweg. H >.
MainzerGasse,Alte. LE).
— Landstr.
A.B.C.D4.5. 6.
— Str, Neue. D.E 4.5.
Marburger Str, B 2.
Marienstr. D 4.
Markgrofenstr.
Markt, Alter.
Markthalle E 4.
Marschnerstr. F 2.
Marthaheim. ES.
Mathildenplatz H 6.
Mathildenstr. Hs, 7.
Matthäuskirche, U 4.5.
Mauerweg. F 3.
Meisengasse, E3. 4.
Mendelssobnstr. C 3.
Merianplatz. F 3.
Merianstr. F 2.3.
Metliodistenmissions-
haus. I 4.
Militärlu.arett. A.B1.
Militärlehrschmiede,
B)3
B2.
E 4.
Mignelstr. C.D1.2.3.
Mittelweg. E3.
Moltkeallee. B 3.4
Morettostr. D 6.
Mörfelder Landstr.
D.E. F 6. 7.8.
Morgensternstr. E 6.
Moselstr. D 5.
Mozartplatz. D. E 3.
Mühlbruchstr. F 6.
Mühlgasse. A.B 2.
Mümlingstr. H 6.
Münzenberger Platz
F.G 1.
Münzgasse. E 5.
Musikantenweg. F.G3.
Myliusstr. O 2.3.
Nadelwehr. B. O7.
Nanheimer Str. B 3.
Neckarstr. D 4. 5.
Neebstr. G 1.
Neuenhainer Str.
Neuer Weg. F®.
Neugasse. E 4.
Neuhofstr. F 2.
Nibelungenallee,E.F1.
Niddastr. C.D4.5.
Niedenau. D 3. 4.
Niederrad. B 8.
Nikolaikirche. E 4. 5.
Nordendstr. E. Fi.
Nordring. D. E 1.
Nürnberger Hof. E 4.
— Str. 63.
Oberkanal. B. C 7.
Oberlindau. D 2. 3.
Obermainanlage. F4.5.
Obermainbrücke. F5.
Obermainkal. F. G 5.
Obermainstr. F.G5.
— Kleine F 4.5.
Oberpostdirektion. C4.
Oberrad. H6. [G.H6.
Oberräder Fulspfad.
Öberweg. E2. [B.C1.
Obstgarten Emilia,
Öde, Die. E 2.
Öder Wer. 72.3.
Offenbacher Bahnh. F6.
— Landstr. F.G.H 6.
Obmstr. A. N 3.
Opernhaus, D 3.4.
Öpernplatz. D 3. 4.
Oppenheimer Landstr.
E 5. 6. 7.
— Platz. E35. 6.
— Str. E35.
Ostbahnhof. G. H 4.
OÖstendstr. F.G 4.
Östpark. H 3.
Ottostr. O5.
Palmengarten.
Palmengartenstr.
Palmstr. F 3.
Paradiesgusse. F 5.
Parkstr. D 2. 3.
Parlamentstr. MH 2.3.
Passavantstr, E 6.7.
Paulskirche E 4.
Paulsplatz. E 4.
Perlenfabrik. B 1.
Pestalozzistr. F 3.
Peterskirche. E 3.
Peterskirchhof. E 3.
Petersstr. E 3.
Petterweilstr. G 2.
Pängstbrunnenatr. A3,
Pfingstweidstr. F.G 3.4.
Physikal.Verein. B.C3.,
Polizeipräsidium. F 4.
Porzellanhofstr. F3. 4.
Poststr. O5.
Praunheimer Str. D 3.
Predigerstr. F 4.
Preungesheimer Str.
G Hi.
Proviantmagazin.A2.3.
Prüfling, Im G.H 1.
Pumpstation. B 7.
Querstr. E 3.
uirinstr. F 6.
angierbahnhof. A 5.
Rappstr. F 2.
Rathaus E 4.5.
— (Bockenheim).
Rauchstr. D. E 6.
Realschulen. B2,E6.
—, Iaraelit. F4, tr 4,
Rebenstr. 1 6. 7.
Aö6.
C 2.3.
C3.
B3,
Rebstücker Str. A 6.
Rechneigraben. F 4.
Rechneigrabenstr. F 4.
Rechneistr. F 4.
Reichsbank. D 4.
Reineckstr. E 4.
Bembrandtstr. D 6.
Rendeler Str. H 1.
Reparaturwerkstatt,
AS, A. BR T.
Rethelstr. D. R 6. 7,
Reuterweg. D 3.
Rheinstr. C 4.
Rhönstr, G. 3 4.
Richard Wagner-Str.
Riedhof. D 5. [E. Fi.
Ringelgasse. H 1. 2.
Rinzdenkmal. F 3.
Rittergasse,Grofse. F5.
Bödelheimer Landstr.
— Str. A 2. [A 2.3.
Röderbergweg. G.H3.4.
Rohrbachstr. F.G 1.2.
Römer. E 4.
Römerberg. E 4.
Roonstr. B 3.4.
Rosengasse. E 4.
Rofsdorfer Str. G.H 2.
Rossertstr. 0 2.
Rofsmarkt. E 4.
Roter Kreuzweg.G.Hß®,
Rothhofstr., Alte. E 4.
—, Neue. D.E 4.
Rothschildallee.F.G1.2.
Roöthschildbibliothek.
D. R 5.
Rotlintatr. F L. 2.
Rotteckstr. F 3.
Rubensstr. D 6.
Rückertsches Siechen-
haus E2.
Rückertstr. G 4.
Rudolfstr. C 5.
Knppenacker Wer,
Grofseru.Kleiner.G8.
Rüsterstr. ©. D 4.
Saalbau. D 4.
Saalburgallee. H 2.
Saalburgstr. G 1. 2.
Saalgasse. F 4.5.
Saalbot. E 5.
Sachsenhausen. D.E 6.
Sachsenhäuser Fried-
hof, Neuer. F&,
— Landwehrweg. G 8.
— Warte F 3.
Sandberggälschen,
Erste. F.G 7.
—, Zweite, F. G 7.
Sandgnase, Grofse. EB 4.
Sandhof. C 8,
Sandhofstr. DT,
Sandweg. F.G 3.
Sara v. Rothsehilische
Stiftung GH 3.
Savignystr. O4.
Schadowstr. E 6.
Schäfergasse. E 3. 4.
Schafhofweg, Mitt!.E *.
—, Oberer. E68
Scharnhorststr. D 1.6.
Schaumainkai.D. E5.6.
Schauspielhaus. D.E 5.
Scheerergälschen.H6#.7.
Scheffelstr. F 2.13.
Scheidswaldstr.G.H 2.3.
Schellingstr. G 2. 3.
Schifferstr. E. F 5. 6.
—, Kleine F 6,
Schillerdenkmal. E 4.
Schillerplatz. E 4.
Schillerstr. E 3. 4.
Schillstr. D 6.
Schlachthof. @G 5.
Schleidenstr. E 3.
Schleiermacherstr. G2.
Schlesingergasse, Alte,
D.E4 Neue D4,
Schleusenstr. C.D 6.
Schleusenweg. B 8.
Schlosserstr. E 1,
Schlofsstrr. A.B 2.3
Schnapphornweg.G7.8,
Schneekenbofstr. E 6.
SchneidhainerStr.A5.6.
Schnurgasse E 4.
Schöne Aussicht. F5.
Schönhof. A 2
Sehönhofstr. A 2.
EEE —— — —— —— —— —— — —— — — ——— — — — ——— — — — — — —— Te 2,
Schönstr. O6.
Schopenhauerdkm. F4.
Schopenhanerstr. G 2.
Schubertstr. © 3,
Schulstr. E.F5.
Schumannstr. C 3. 4.
Schützendenkmal.G 3.4.
Schützenhüttengäfs-
chen, Altes, FT. ®.
Schützenhüttenweg.
Fs.
Schützenstr. F 4.5.
Schwalbacher Str. A5.6.
Schwälmer Str. A.B 2.3,
Schwanenstr. F 4.
Schwanthalerstr. E 6.
Schwarzburgstr.
E. F I. 2.
Schweinepfad. H 7.8.
Schweizerplatz. E 6.
Schweizerstr. E 5. 6.7.
Schwesternkranken-
haus Fi.
Schwindstr. C 3.
Seckbacher Landstr.
Seehöf. GT. (H 1.
Seehofstr. F.G 5. 6.
Seehofsweg. G 7.
Seestr., Grofse. B2.3,
—, Kleine A 2.
Seilerstr. F 3. 4.
Seminar. E 2.
Senekenbergdenkm.E3.
Senckenbergisches
Stift. B.C 3. {B 3.
Senckenbergmuseum.
Seruminstitut. D 7.
Seumestr. G 3.
Sicherheitshafen. € 6.7.
Siemensstr. F 5. 6.
Simsonstr. H 3.
Sindlinger Str. A 5.
Sodener Str. A 6.
Solmsstr. A 3
Sömmeringedenkm. E3.
Sömmeringstr. E2.
Sonnemanustr. 4.5.
Sophienstr. B 1. 2.
Sossenheimer Str. 1 5.
Souchaystr. E 6.
Spatzengasse. H 6. 7.
Speckgäfschen. H n.
Speckgasse. H 6.
Speicherstr. C.D 8.7.
Spessartstr. G. HM 2.
Speyerer Str. R 5.
Speyerhaus. D 7.
Spillingsstr., Grofse u.
Kleine. H 1.
Spital, Stult. B ı.
Spohrstr. Fi. 2.
Sportplätze. A1.2,C02.
StädelschesKunstinsti-
tut. D.E 6.
Städelstr. E 5. 6.
Stadtbibliothek. F 5.
Stadthalle F 4.
Stallburgstr. E 2.
Starkestr. F 4.
Station Fahrthor. R 5
— Öberrad. H 5. ®.
Staufenstr. D 2.
Stegstr. E 5. 6.
Steingasse. E 4.
Steinlestr. D 6.
Steinmetzstr. B 4.
Sternstr. E 2.3.
Stiftstr. E3. 4.
Stoltzedenkmal.
Stoltzestr. F 4.
Strahlenberger Weg.
F.G 6.
Südbahnhof. E. F 6.
Sulzbacherätr. An. [F4.
Synagogen. A2,D2.3,
Tannenstr. D?7. [D.«.
Taubenbrunnenweg.
Taubenstr., Neue. E 3.
Taubstummenanstal-
ten. E2,G32
Tannusanlage D 4.
Taunusplatz. D 4.
Taunusstr. D4. 5.
Tannusthor. D 4.
Textorstr. E. F 6.
Tbesterplatz. E 4,
Theobaldstr. G 4.
Thorwaldsenplatz.
i+
BAM
Thorwaldsenstr. D.ki.
Throner Str. G.H ı.
Thüringer Str. G 3.4
Thurn- und Taxi
Palais. R4.
Tongesyasse. E 4.
Trierische Gusse. E 4.
Uhlandstr. F. G 4
Ulmenstr. D 3. 4.
Unterkanal. B 7.
Unterlindau. D 2. 3.
Untermainanlage. D5>.
Untermainbrücke,. ES.
Untermainkai.D.E>.«.
Unterweg. E 3.
Usinger Str. G 1.
WVarrentrappstr. B3. 4.
Veitstr. E53.
Vereinsstr. H 1.
Versorgungsanstalt,
Israelitische. (i 4
Versorgungshaus. F 1.
Versuchsgarten. D =.
Victoriaallee. C 3.
Viehhof. F 5.
Vilbeler Str. F à.
Villa Grunelius. H 7.
— Leonhardsbrunn. (2.
— von Mumm. C.Di
— Oehler. G 6.
— Rothschild. D 3.
— Sommerbofi. Ri.
Vogelsbergstr. F 2.
Vogelweidestr. D !.
Vogtstr. D. E 2.
Volkshaus A 2.
Voltastr. B\
Volsstr. MH 3.
Waidmannstr. D 7.
Waldschmidtstr. 63,
Wall, Neuer. F 5.
Wallstr. Fo».
Wartweg. B 6.
Wasserturm. B 1.
Wasserweg. Fo.
Weberstr. F 1.2.
Woeckmarkt. E. F 4.
Weidenbornstr. ti 1.
WeilburgerStr. A.D«;.
Weifsadlergasse. HE 4
Weifsfrauenkirche.K 5.
Weilsfrauenstr. E53
Wendelsweg.
F.G.H e. 7.“
Werderstr. A.B 1. 2
Werftstr. C 6.
Werrastr. A 3.
Weserstr. D4.5. [U4.
Westendpiatz un. -Str.
Westendstiftung. D4.
Wetteraustr. G |.
Wielandstr. F 2.
Wiesenau ©.D23
—, Kleine. C 3. [D3.
Wiesenhüttendenkmal,
Wiesenhäüttenplatz.D5.
Wiesenhättenstr. D3.%.
Wiesenstr. ( 1.2.
Wildgäfschen. H 6. 7.
Wildunger Str. B 2.
Wilhelmsbrücke D&
Wilhelmstr. D&.7.
Willemerstir. F 5.
Windeckstr. tr 4
Windmüählstr. D 5.
Wingertstr. G 3.
Winkelmannstr. FI.
Wittelsbacher Allee.
G.H2.:%
Wöhlerstr. D 3.
Wolfsgangstr. D.E%
Wollgraben. F 4.
Wurmbachstr. B 2.
Würzburger Sır. G?A
Yorkstr. C. D 5. *
Zeil, Die. R4
—, Neue. Fi
Zeifselstr. F 2.
Zeppelinallee, B.CI}
Ziegelgasse. E +.
Ziegelhüättenwer.E7.%
Zietenstr. B I
Zimmerweg. D 4.
Zionskirche. F àa.
Zollexpedition. 15
Zollhol. E53
Zonlog. Garten. HA
Zwerchweg, Untermtr.
! Zwisehenstr. Fi |F
Frankfurt am Main
: ne abtkde Oefe armonijcheBerein, der Gäcilienverein,
angverein u. a.), im ganzen für Run
—* i ne aft87, Mufit unb Ola 122, religiöje
und wo m e Zwece fowie Ye: ng n
Bildung 119 ort und Volkswirtſcha 13,
Wahrun a Öffentl icher und geſchäftli ere *
120, geſellige Zwede und Sport 144. er beſtehen
10 Freimaurerlogen.
In der — der Polytechniſchen Geſellſchaft
F 1822) befanden ſich Ende 1899 auf 86524 Bu⸗
ern 58,3 M., in der Erfparungsanitalt
auf F 14954 Bü ern 7, Mill. M., in der Boden:
eimer (ſtädtiſchen) Sparlaffe etwa 33 Mill. *.
inlagen; außerdem beſtehen eine —
anftalt, die Sparlaſſenagentur der Naſſaui
andesbant, die Sparfaffen der Frankfurter
werbelaſſe und der Landw — —
= Spar: und Hilföverein Bornheim. Im jtäbti:
ben Leihhaufe (1739) wurden 1899: 119153
fänder im Werte von 843005 M. belieben. Die
tabt hatte 1900 eine Allgemeine Orts-, 10 Be:
triebs⸗ und 5 Innungskrankenlaſſen mit 50.000,
6000 und 3400 Mitgliedern, 1650000, 260000 und
70000 M. Einnahmen, 1560000, 250000 und
69000 M. art yon 1040000, 174000 und
50000 M. Bermög
Boplthätigleitsanftalten. Bon den zahl:
reihen Kranten: und Armenanftalten find zu er:
wähnen: das ſtädtiſche Kranlenhaus, das Hofpital
—— Heiligen Geiſt (1278 gegründel, eit 1839 in
dem jekigen Gebäude) für Gefellen, Dienftboten
emde, das, Sendenbergjtift Sürgerbofpita
und ndneranitalt), zwei Entbindungsanitalt
Dr. Chriſtſches Kinderhofpital, — de
meindebofpital, Anftalt für Gpile —— ——
Rochus ofpital- Stiftung, Armentlinit, A
anftalt, Diakonifjenbaus, —— F Pr
ſches und J Pi Siechenhaus, ementinens
Mädchenſpita orgine Sara von Rothſchildſche
Stiftung, iörael. Batjenhäufer, Stipendienitiftun:
gen und Erziehungsvereine. Der allgemeine Al-
mofentajten (1428 gegründet, 1532 reformiert), die
tonfeffionellen Almo entaften und Stiftungen er:
gänzen die 1883 nach dem Elberfelder Sftem ums:
geitaltete öffentliche Armenpflege.
“ 6 und Handel. Die Induſtrie war
er in des von einer eigentlichen Ar:
terbevöllerung vertreten, bat fi aber
feit 1870 aus Ach entwidelt, fo in der Fabrika⸗
tion von Kupferdruckſchwärze ankfurter chwarz,
.d.), Wachstuch, Gold: ilberbrabt, Tapeten,
ud: und Schnupftabaf, Drogumn Arzneiwaren,
Bierbrauerei, Eijen . ei, ————— Her⸗
itellung eleltriſcher agen u.f. w. Weit mehr
wird für Frankfurter Necmung im Denen und Offen:
dach gearbeitet. Der engl. und franz. W arenbandel
im großen hatte durch den Zollverein, der Zwiſchen⸗
handel durch die erleichterten direlten Verbindungen
der Landftädte mit den Seeplägen fi fehr vermin:
dert. . haben ihren Siß die Suddeutſche Eifen-
und Stahl, die Brauerei- und Mälzereis, die Heflen:
Naffauifhe Baugemwertö:Berufägenofenihaft und
deren 1. — die 7. Seltion der Berufsgenoſſen⸗
(gef Der chem. Induſtrie, die 6. der Gas- und
erfe, die 11. Seftion der Müllereis und die
3. der Deutihen Buchdruder-Berufsgenoſſenſchaft.
Der Handel erjtredt fih auf Kolonialwaren,
Eiſen⸗ und Stablwaren, Leder, Häute, elle, Dein,
Steinloblen, Manufaltur:, Seiden: und Mode
und
963
waren. Die beiven Mefjen (die Oſtermeſſe und die
Herbitmefje), im 16. Jabrh. von großer Bedeutung
für die Stadt, haben jehr abgenommen, und ber
Buchhandel, für den F. im 17. Jahrh. der Haupt:
jtapelplas war (f. Buchhandel, Geſchichte), hat
Geh Leipzi ern t feine edeutung verloren. Das
anf: und Wecjelgeichäft ift hier am bedeutenditen
in Süpddeutichland und wirb durch einen regen Ver:
lehr an der Börſe und der Effeftenjocietät (f. d.)
vorzugsweiſe vermittelt. Bon größern Banken und
Beriherungsanftalten find zu nennen, außer der
rn (Um ei 1902: 10296 Mill,
M.), die Bari tter Ban ‚ die Allgemeine
— —*—— —* ırter Hypothelen⸗
bant (16 M Altienkapital, Reingewinn 1900:
2371 u 3 ankfurter Hypothelen⸗ſredit⸗ Ver⸗
ein (10,5 Mill. M., 1084321 M.), Filialen der Bank
für Handel und Snduftrie * —J fälziſchen Bank
und Disconto⸗ em aft ( Deut 8* elten⸗
und Wechielbant (SOMiU.M., 1629252 M.), Mittel:
beutiche Ereditbant (f. 27 Deutihe Vereinäbant
(24 Mil. M., —— Filiale der Disconto:
getellicaft, Deutiche Genofjenihaftsbanl, Deutſche
nionbant ‚Eifenbahn-Renten anf, Frankfurter Ge
werbetaffe, Landwirtfchaftliche Kreditbant, Volls⸗
bank, Providentia Frankfurter ——— de
shaft, anffurter — —
und ah reiche private —— 8 langer
und Söhne, Gebr. Bethmann, SpeyerElliſſen u. a.).
F war Stammſit des Hauſes Rothſchild (ſ. d.).
ie bedeutendern europ. und außereurop. Staaten
un ch Konsulate in N vertreten.
Verle en iegt an den Linien F. Bebra
(167 km), 5.:Gie aſſel (200 km), $.:Wiesbaden
42 km), 5.:Homburg (19 km), 5.:9anau (23 -
‚Rüdesheim: Ntieberlahnftein (124 km) der Breu
taatäba ten 75 km),
Mainz: Bin —— (69 km), F.⸗Aſchaffenburg
41 km), 5 his» Nannbein 81 km) und F.
Eberbad (106 km) der Preuß.Heſſ. Staatsbahnen
und #.:Heidelberg (88 km) der Main-Nedar:-Babn.
Bon F. nah Eſchersheim (Städtifche Vorortbahn)
und von Sachſenhauſen nah Neu⸗Iſenburg, Nie:
derrad und Schwanbeim (Franlfurter Wald»
bahn) führen Lolalbahnen, von Sachſenhauſen
nad Oberrad und Offenbach eine —— Straßen⸗
bahn. Die Stadt hat einen großartigen Haupt:
babnbof (j. Bahnhöfe), Djtbabnbof, Bebraer Bahn⸗
bei in Sachſenhauſen, Offenbacher Bahnhof (nur
ür Ortsverlehr). Der Dit tbahnhof ift durch ein
Gleis mit dem Hauptbahnhof und dem Hafen ver:
— (Frankfurter Verbindungsbahn).
Der Eiſenbahngüterverlehr betrug 1899/1900:
1435 954 t (abgegangen 1043098 t).
Schiffsverfehr. Durch die vom Staate mit
einem Koftenaufiwande von 5", Mil, M. ins Wert
geſetzte Mainfanalifierung (feit 16. Oft. 1886) und
den von der Stadt angelegten Sicherheitshafen mit
feinen —— und :Plägen (9,6, Y M.
Koften) haben Handel und Schiffävertehr eine weſent⸗
libe Förderung erfahren. 1900 betrugen. die An:
fünfte zu Berg 2520 Schiffe mit 546838, zu Thal
3072 Schiffe mit 133570 t Ladung, die Abgänge
4552 Schiffe mit 160005 t; außerdem kamen an
21 745 und gingen durch 298608 t oßholz.
Die Straßenbahn (1872 als Pferdebahn er:
öffnet) bat 1901, außer auf der Strede Bodenbeim:
Rödelheim, elettriichen Betrieb eingeführt; die Bes
triebslänge iſt 69 km.
61*
964
ämter eriter Klaſſe, 1 Telegraphenamt erfter Klaſſe
mit Fieigfteile, 1 — prechamt, 1 Bahnpoſt⸗
amt, 1 Siadtpoſtanſtalt, 2
und 3 Poſtagenturen; bie ſprecheinrichtung
etwa 8000 Feraſprechiellen 1900 gingen ein (wur⸗
den aufgegeben) 40685424 (66422448) Briefe,
Bofttarten, Drudfadhen und Warenproben,2153 765
(3807 108) Batete obne, — aa v1 $ Bri
und Palete mit Wertangabe
nabmefendungen, 51 989 bee Der
Wert der ausgezablten anmei ner An
163,s, der m... zu
ter dritter Kla
grammverkehrt 1 802 626
— ———— F. * — *
alt, geht auf u. röm. Militärftation
Zeit befiedelt und Bo dem
Namen durh Kaiſer Karl d. Gr. erhalten haben,
der bier mit feinem Heere durch eine Furt ging und
die jenjeit ded Mainz lagernden Sadjen j Ins;
bielt 794 eine Reihsverfammlung. Lud⸗
Ense mme legte 822 die kaiſerl. Pfalz, den
—— am Main ( F oben) an. Unter den fpätern
— bob ſich das Anſehen F.s noch m
— daß es 876 Hauptitabt des Oſtfranliſchen
genannt wird. Die — der Stadt begann
1220 mit Beſeitigung des laiſerl. url durch ven
ri II.; die weitere Grund Reichöfreihei
wurden mebrere Gunftbriefe fiter Ludwigs des
Bayern, welcher der Stabt 1330 zu ber bereits be:
ftebenven feit 1240 durch Friedrich II. —
Herbſtmeſſe die Oſtermeſſe und auch ſpäter manche
Rechte und Freiheiten verlieh. Nachdem F. ſchon ſeit
Friedrich Barbaroſſa (1152) Wahl * geweſen war,
wurde dies Recht 1856 durch bie ulle be:
heng bie im ſtadtiſchen hiſtor. Mufeum anbaehelt
t Marimilian IL (1562) find aud alle Kaiſer
Ki gelrönt worden. Endlich a ih bie ——
das laiſerl. Schultheißenamt. Im D ge
(1635) und Ehen rigen (1759 — 62) ge for
wie in den franz. Kriegen (1792, 1796, 1799, 1800,
1806) litt die Stabt bedeutend. Stadt und Gebiet
wurben 1806 dem Fürft: Primas des Rheinbundes,
Karl von Dalberg, übergeben. 1810 bildete Napo-
leon für Dalberg aus we? Hanau, Fulda, Weplar
und Aigaffenburg va roßberzogtum Sranl:
Br von 5290 akı mit 302000 €. (f. die Neben:
e zur Rarte: Ö ee 8 Entwidlung
Bayerns, beim Bei der Neu:
—— — ————— — wi 5. eine Freie
tabt und 1816 Sitz des —— Bunde
1816 =. 5. eine er = —— et ice 7
chen berubende neue V fung.
erfolgte das fog. —* ttentat (f. d.) =
vs der Anſchluß an den Deutihen Zollverein. In
te im April 1848 das fog. Borparlament und
i 1848 bis 31. Mai 1849 die Deutſche Nas
— wodurch die Stadt für ei e
geit zum Mittelpuntt des polit. Lebens in Deutf
and wurde. Mebrere —— namentlich der Hr,
am» vom 18. bis 20. Sept. 1848, bei dem Gener
uerswald und Fürft Lichnomfty von dem Pöbel
ermordet wurden, mußten mit Waffengewalt unter:
brüdt werben. Seit 1857 hatte die Geſetzgebu
bedeutende Fortſchritte gemacht, befonders ”
Einführung der Gewerbefreibeit, Aufhebung al
Unterjchiede zwiſchen den verſchiedenen Ronfeffios |
nen und durch weſentliche Berfafjungsänderungen.
Vom 17. Aug. bis 1. Sept. 1868 verfammelte der |
in ne Sud a
8; 18.Dtt.
u
⸗ nde
al Gropenhain 152 Im) und Berlin
Frankfurt an der Oder
zer und —*5 F. ————— 9 =
Raifer von Öfterreich in F. die deutfchen
—* zur — — ung —* eine Reform der —
och blieben ihre Beratun⸗
hide (St Da —— und Deutſche⸗
Heid, Sei ichte.) Da bei —— des Krieges
1866 A Sen ai eiten der @ egner Preußen:
and, wurbe fie 16. Juli vom General Bogel von
denftein mit der ivifion Goeben bejest und
mit einer Kriegäfteuer von 6 Mill. Seit
ber Einverleibung in das Königreih P laut
atent vom 18. Dit. 1866 bildete bie Statt mit
ihrem ehemaligen 3— — Zulegung des
— ——A— Teils des Ortsbezirt⸗
Niederurſel, den Durc die ſtreisordnung
vom 7. Juni 1885 iſt die Stadt F. Stabtlreis ge
worden, während die übrigen, ebemals Frankfurter
Landgemeinden unter Zuteilung von e mweitern
10 Gemeinden (vavon acht aus bem Reg.⸗Beʒ. Eaflel)
den Landkreis Ki (j.oben) bilden. Am 10. Mai 1871
wurde ber Frankfurter Friede (ſ. d.) abgeichlofien.
In Sonne: “ah fand bier eine Internationale
techniſche Ausſtellung ftatt.
Litteratur. Böhmer, Urklundenbuch der Reich—
ſtadt F. (Bd. 1, A 1836 ; neu bearb. von Lau.
1901); Kirchner, Geſchichte der Stadt 5. (2 Bre,
ebd. 1807— 10) ; Battonn, Der Kaiferdom zu F. (be.
von €, Kelchner, ebd. 1869); Kriegt, Geſchichte von
—— 1871); Heyner, Grinnenung an (6. Aufl,
- & am Main in feinen ——
Berhaltmiten ebd. 1881); Strider, Neuere Geſchichte
von F., 1806 —66 (ebd. 1881); Hammeran, Urge
chichte —— und der Taunusgegend lebd. 1882
eg idjale des Großberzogtums F. Berl
; d. und feine Bauten (bg. vom Architelten-
u enieurverein, Franlf. 1886); ‚Die
Bevölterung von F. im 14. und 15. Jabrb. (Zub.
1886) ; Puls, Der wirtichaftliche Wert der Mainlana⸗
lifierur und der Güterverkehr von F. am Main (ebt.
1888); Bleicher, Statift. Beichreibung der Stadt
am Main und ihrer Bevölterung (2 Tle., Fr
1892 u. 1895); Reiffenftein, F. am Main i in Bau
org und Straßenbildern (ebd. 1894 fg.); Wolf
ng, Die Baudentmäler in F. (ebd. 1895 fa.);
Bien er und König, Das Klima von F. am Main (ebt.
189%); Mengel, $ am Main, Ein Städtebilp (ebt.
1898); Rittwe er, 3. im J. 1848 (ebd. 1898); Darm
aebter, Das roßherzogtum F. (ebd. 1901); Horne,
eihichte von F. (4. Aufl., ebd. 1902); Fübrer von
Woerl (26. FE MWürzb. 1899), Sebaldt (4. Aufl,
Berl. 1896) und Grieben (28. Aufl., ebd. ir:
Magiftrats; öberichte ber
ee
n
ei
—
lau der Preuß. Staatsbahnen und in die
Altſtadt, die Gubener und Lebujer Vorſtadt und
das Berefinden auf dem linfen und bie Dammner
ſtadt auf dem rechten Ufer der Diver, über die
H
neue fteinerne Brüde (18m breit, 261 m lan
Das Weihbild der Stadt 5788 ha) bat fi
über die ebemaligen au In
Längs der Weftjeite ver Altftabt ſich die
ih
Frankfurt an der Ober
Lenee aus dem ehemaligen ia id
gärtnerifchen Anlagen mit mehrern Den
er Adern ra ae (1900) 38
(21066 mãnnl., 30786 ., darunter 56575
Fa * 4134 Katholiken
und sſraeliten, 1008)
—— on li
eh AM dan *
m UL
a year a = * Face
nadierregim
reußen (2. Brandenb.) Rr.12,
—— tn: Sir
ral⸗ Fe meiſter ran⸗
denb. * 18, Stab und 1. Abteilung des Neu
Feldartillerieregiments Nr. 54 und das Te
grapbenbataillon Nr. 2 nebit der Beipannungs-
abteilun des Brandenb. Trainbataillons Nr. 3.
Denkmäler, Gebäude. Auf vem Wilhelms:
laß fteht das Dentmal (20. Okt. 1900) Raifer =
Kun L (von Unger), ſüdlich von ihm das
fmal (1882); vor der Kommandantur feit 1888
DaB s Brongeftandbild (5,5 m) des Prinzen Friedrich
Karl (von Unger), dicht dabei im das von der
Loge 1779 errichtete Denkmal des Dichters Ewald
von Kleift, der bier 24. Aug. 1759 an den in der
Schlacht bei Kunersdorf erhaltenen Wunden ftarb
in der Dammporftadt das figurenreide Denkmal
(7 m hoch) des Herzogs Leopold von Braunschweig,
der 27. a. 1785 in der Oder ertrant. Bon den
Kirchen (4 wg laltluth., 2tath., 1 der
en Öcmende) find zu erwähnen: die
erlirhe, ein Badfteinhallenbau
(18. Jabrh.) Di ‚teen uam, alten
Glasgemälden, fiebenarmigem 4m hoch),
Reliefs ra .) und Kalten * —E
(1376), die Anfan vr 13. Jahrh. im Übergangsftil
erbaute reform. Kirche, kürzlich erneuert und mit
2 neuen Türmen gt die von den Mino:
riten eines Franzislan ters erbaute Unterkirche
(1525), die aubfirche (187579), mit Gemälde
von Anton von Werner, und bie kath. Kirche Zum
bene kr 5 —* und — Roſenirantoni in (1899).
F. eine oge, ein ſtattliches Rat:
(1607—10), Statt er (1842 von Schintel
Br und einen Schlachthof.
Behörden. F. ift Sit der königl. Be —*
u. > - Generallommiffion für die Provinzen
vn und Pommern, eines Landgerichts
— J— —* mit 11 ——
Beeslow, Dro enwalde ——
Bucho Sm ad, w, Wendiſo⸗
Buchholz, Sie enzig), —*2 einerDibers
n für den Reg . F. km ober:
Trotfcen Zelegr: — (21 586 km Leitungen,
einschließlich dia km m Eiabfernprehanlagen —— und
417 Berteb der Neumärkiſchen
ſchaftsdireltion, eines es Soll und Hauptfteueramtes,
eines Bergrevieramtes, einer Reihsbantitelle, einer
Handelälammer x die Stadt F. und bie zu ders
felben gebörigen — einer Handwerks⸗
tammer für den Reg.⸗Bez. F. ſowie der Komman⸗
dos der 5. Diviſion, 9., I fanterie:, 5.
lerie: und 6. Feldartilleri abe und
zirlslommandos.
Unterrichtsweſen. Die 27. April 1506 vom
ten Joachim I. ala Viadrina geftiftete Uni:
tät wurde 1811 nach Breslau verlegt. Unter:
rihtsanftalten find: Das Friedrihsgymnaftum,
5
965
1694 —— 1813 reorganiſiert und a vom
taate übernommen, mit bedeutender B
m —**8 Realgumnafium —— * aus
eum hervorgegangen, 1813 gegrüns
* * a ealſchule eriter Ordnung anerkannt,
die Knabenbürgerjhule, Victorias, Eliſabeth⸗ und
Auguſta⸗ (höhere Mädchen⸗) Schule, leßtere mit
Lehrerinnenſeminar, eine private — Mädchen:
—*8 Knaben: und Mädchenmittelſchulen u. a.,
owie eine königl. —— für Hoch⸗ und
Tiefbau (ſeit 1898). Von Wohlthätigkeits—
anſtalten beſtehen ein Beeren Krantenhaus
(1899—1901 neu erbaut), iatonifjen-Mutterhaus,
Kinderfranlenbaus , zwei Waiſenhäuſer und drei
—
Die In duſtrie erftredt fi auf Fabrikation von
Maſchinen und Keſſeln, Eifenguß, ‚Feilen, re
Batronen, Mufilinftrumenten, Steingut, Kacel:
En Zöpferglafuren, Grabdentmälern,, Drgeln,
Blech: und Holzinftrumenten, Knopf: und Metall:
waren, Stärlezuder und Zudercouleur, —— pe,
Sn und Zuderwaren, Moſtrich, Seife, Her
— Tüten, Leder, Knöpfen, Cigarren, Bier,
Rate ine Gerefine, Schäften, Yürften orten,
Möbeln und Handſchuhen. Die fönigl. & enbahn⸗
Hauptwerlſtätte beſchäftigt über 1000 Arbeiter.
Bedeutend find die MWeintellereien. Der früber
bedeutende Handel, gefördert durch die zu Remis
nigcere, Margaretha und Martini jtattfindenden
Meflen, bat durd den —— derſelben und die
Nähe Berlins Einbuße erlitten.
5: bat ein Boftamt erjter Klaſſe mit zwei Zweig⸗
ſtellen, drei —eã—— ein Telegraphenamt
erſter Klafi und brei Stadtpoftanita ten, ſowie
eleltriſche Straßenbahn.
F. iſt —— von Heint. von Kleiſt und
Franz von Gaudy jowie von Anton von Werner.
Geſchichte. Infolge ihrer Lage an dem Puntte,
wo fi die Oder am meiſten der Spree näbert (der
[alte] Friedrich» Wilhelms: Kanal mündet nur an
8 km oberhalb von F. in die Oder), war die jebr alte
Anfiedelung ſchon ſeit der Urzeit ein wichtiger Oder:
übergang, der den Verkehr nad Polen vermittelte.
1253 erbielt die fränt. Niederlafjung durd die Mark⸗
grafen Johann I. und Otto ILL. Berlinifches zn
recht. Durch das Niederlags- oder ——
alle die Oder befahrenden Schiffe ſowie durch i
von jeher bedeutenden Meſſen blübte die Stadt bald
empor. Na Ausfterben der anhaltiniſchen Marl:
geafen —— ſprach Kaiſer Ludwig der Bayer die
ark als erledigtes Reichslehn ſeinem Sohne Lud⸗
wig dem Altern zu. Papſt Johann XXI. war ein
er des Kaiſers, und bei den Wirren der Zeit
uchte der Bifchof Stepban IL. von 2ebus feine Macht
auch über die Stabt F. auszudebnen. Dieſe bielt
treu zum Kaiſer; 1826 wurden die von den Biſchof⸗
lihen berbeigerufenen Polen zunächſt von den Bür⸗
gern, jpäter au vom Kaiſer jelbit ji urüdgewiejen,
gu Vergeltung überfielen die Bürger von F.
eek feiner Reſidenz Görik na d.). Da
— der Biſchof verſohnlicher geſtimmt und hob
1334 den Bann, unter dem die Stadt lange ge—
—— auf. Ebenſo treu erwies ſich F. dem bahr.
Hauſe gegen en den ar — Waldemar, nahm Ludwig
in ihren Mauern auf und wiberjtand den Truppen
Waldemars jowie auch einem belagernden Heere
Kaiſer Karla IV. 1348. In den J. 1431 und 1432
hatte F. durch zweimalige Belagerung der Huffiten
zu leiden, aber die durch den Kurfürjten veranlaßte
966
Stärkung der Befeitigungen zwang fie abzuzieben.
Der Herzog Hans von Sagan, durch Mattbias Cor:
vinus von Ungarn unterjtüßt, befehdete den Kurs
fürften Albreht Achilles und berannte 1477 die
Stadt, ſchlug den Kurprinzen Johann bei einem
Ausfalle zurüd, verbrannte die Üderbrüde und ließ
350 gefangene Bürger erft gegen großes Löſegeld
frei. Erft 1478 gelang es dem Kurfürſten, den Her:
jzog Hans zwiſchen Croſſen und Freyſtadt zu ſchla⸗
gen; dieſer wurde ſchließlich auch von ſeinem Gön⸗
ner Matthias verlaſſen, lebte dann als Privatmann
in er — Verhaltniſſen in F. und ftarb 1504
in Wohlau i. Schl. — Die Univerfität war eine Zeit
lang Gegnerin der Reformation, und Tezel hat 1518
bier biöputiert, aber die neue Lehre brach ſich in der
Stadt ſchnell ee ya 9.Nov.1539 wurde der lebte
lath. Gottesdienſt in F. gebalten. Am 3. April 1631
wurde F. von Guſtav Adolf erobert und geplündert.
Einer Zeit der Kräftigung und Ruhe (ſeit 1686 för⸗
derte auch eine beträchtliche franz. Kolonie Gewerbs⸗
und —— folgten im ee Kriege
neue Drangfale, bejonders 1759 durch die Schlacht
beim nahen Kunersdorf
(j. d.). Auch die ge eits⸗
triege brachten viel Not und Unheil durch unauf⸗
börlihe Durchmärſche und Bebrüdungen, unter
anderm wurde 24. Febr. 1813 von den Franzoſen die
Dverbrüde verbrannt.
Bol. Haufen, Geſchichte der Univerfität und Stabt
.Frankf. a. O. 1806); Sachſe, Geſchichte der Stabt
. (ebd. 1830); Spieler, Geſchichte der Stadt F.
ebd. 1853); Philippi, Geſchichte der Stadt F. (ebd.
1865); Bieder und Bohlandt, F. an der Oder (ebd.
1886); Bieder und Gurnik, Bilder aus der Ge
ſchichte der Stadt F. (ebd. 1899); Woerl, Führer
durch F. und —— Aufl., 2p3.1899); Fried⸗
(länder, Matrifel der Univerfität F. (3 Boe., ebd,
1888— 90) ; Alten und Urkunden der Univerfität %.,
B- von Kaufmann und Baud (Bresl. 1897 fg.);
ud, Die Anfänge der Univerfität F. (Berl. 1900).
ranffurter Attentat, Bezeihnung für einen
Aufitand, den 3. April 1833 eine Anzahl Studenten
unter Führung poln. Revolutionäre, unterftügt von
Bauern der Umgegend, in Frankfurt a. M. hervor:
tiefen, um den Bundestag zu ſprengen. Anlaß zu der
Unternehmung waren die 28. Juni 1832 gefaßten
Beichlüffe des Bundestags gegen die Preſſe. Radi-
tale Mitglieder der Heidelberger Bu —* be⸗
reiteten den Putſch vor, unter Mitwiſſenſchaft der
poln. revolutionären Kreiſe. Die Aufſtändiſchen
ſtürmten die Haupt» und Konſtablerwache, wurden
aber bald durd das Militär zurüdgebrängt. Viele
retteten fi durch die Flucht, andere wurden durch
die 20. Juni 1833 in Frankfurt eingefehte neue Gen:
tralunterfuhungsbehörde verhaftet und dann meift
lebenslänglihem Gefängnis verurteilt; doch er:
beiten dieſe im Herbft 1838 die Erlaubnis zur Aus
wanderung nad Amerika. (©. Demagoe.)
Frankfurter Bank, Banl mitdem Sig in Franl-
furt a.M., 11. April 1854 auf 25 Jahre als Noten:
bank lonzeifioniert, feit 6. Mai 1889 mit unbe
ſchränlter Dauer; Statut zuleßt geändert 17. März
1891 und 26. März 1901 (Au (gabe des Noten:
privilegs beſchloſſen). Für ihr Notenprivileg bat
die Bank dem Staate ein unverzinslihes Darlehn
von 1 Mill. FL. = 1714286 M. während der
Dauer desjelben gewährt. Aktienkapital bis 1890:
10 Mil. füddeutih (= 17142857 M.) in
20 000 Altien auf Namen — 500 Fl. (= 857 M.);
1891 Erböbung auf 18 Mill. M.; die neuen Altien
Frankfurter Attentat — Frankfurter Journal
(857 Stüd zu 1000 M.) wurden den Aktionären zu
120 Proz. angeboten. Die Bant ift Hinterlegungs⸗
ftelle für Mündelgelver. Dividenden 1866—1901:
74., 5 6.0 68, 7, 8, her 10, 8, 9%.
66 62 4°, 69 5er, 66 6* 5,1.
5, 5, 4°, 5, 5,42 6,07, T, 6,42, 6,5, %
7,7, 7,7, 8,15, 9, 9,5, 9,5, 8,5 Proz. ;
ankfurter Friede, der am 10. Mai 1871 zu
ankfurt a. M. zwischen dem Deutſchen Reiche und
ankreich — Friede, der den Deutſch
anzoſiſchen Krieg von 1870 und 1871 beendigte und
mit unweſentlichen Underungen die ————
von Verſailles (ſ. Deutſch-Franzoſiſcher Krieg von
1870 und 1871, IV.) —— ankreich trat darin
noch einige deutſchredende Ortſchaften an der lotht.
Grenze an Beer land ab, wogegen es einen viel
größern * redenden Diſtrilt in der Um
gebung von Belfort zurüderbielt. Den in den ab-
getretenen Gebieten wohnenden franz. Untertbanen,
welche die a gerri zu bebalten beabfid-
tigten, wurde bis zum 1. Dit. 1872 volle Freibeit
—— ihren Wohnſitß nach Frankreich zu ver:
egen. Andere Beitimmungen des Friedens vertrag⸗
betreffen bie Termine der Auszahlung der Kriegs
koften von 5 Milliarden rs. und der Räumung
ber beſetzten franz. Departements, die Auslieferung
der Archive, Dokumente und Regifter der abgetre
tenen Territorien, die Schiffahrt auf der Mojel, dem
Marne-Rhein:, dem Rhoͤne⸗Rhein⸗ und Saartanal,
bie kirchlichen, induftriellen und Handelöverbältnifie
der abgetretenen Gebiete; ferner die Handelsbezie⸗
ngen zwifhen Deutf und Frankreich, die
chte der vertriebenen Deutſchen, die Rüdtehr der
Kriegägefangenen, die Verpflegung der in Franl⸗
reich bleibenden — — und einige an⸗
dere Punkte. Einige Zuſatzartikel regelten die Ber:
bältnifie der an das Deutiche Reich übergegange
nen Gijenbahnen. Dem Frankfurter Bertrage tra
ten 14. Mai die Bevollmächtigten der füddeutjchen
Staaten zu Berlin bei, worauf die Ratififationen
in Frankfurt 20. Mai zwiſchen Bismard und Jules
Favre ausgetauſcht wurden. Eine Zuſatzlonventien
m — * Friedensvertrage, in der Deutſch
d nachträglich noch die Gemeinden Raon⸗les⸗
Eaux, Raon⸗ſur⸗Plaine und Igney ſowie einen Zeil
der Gemeinde von Avricourt eg hend: rüd:
gab, wurde zwifchen Bismard und dem franz. Fi
minifter Pouyer⸗Quertier 12. Oft. zu Berlin ab-
geihlofjen und 20. Dit. ratifiziert. — Bol. Balfıey,
Histoire du trait& de Francfort et de la liberation
du territoire frangais (2 Tle., Bar. 1874— 75).
ürftentag, die vom Kaiſer von
Ofterreih zur Beratung über eine Reform der deut
ihen Bundesverfaſſung berufene Berjammlung
deutſcher Fürjten, die vom 17. Aug. bis 1. Sept.
1863 in rate a. M. * (S. Deutſchland
und Deutihes Reich, Geſchichte.)
Fraukfurter Journal, bis 1908 in Frank
a, M. zweimal täglich erſcheinende national
iberale Zeitung, mit Handelsblatt und der täglichen
belletriftiichen Beilage «Didastalia». Das 5.3
war eine der älteſten deutſchen Zeitungen, unter den
noch beſtehenden die ältefte. ältefte noch vor-
bandene Nummer ftammt aus dem J. 1639. Das
Blatt führte im 17. Jahrh. den Titel: «Die bollän-
diſchen Brogrefjen», weil jeine Nachrichten bejonders
aus ni nd. Korreſpondenzen gejhöpft waren.
Bis 1802 werben die Serlinihen Erben als Ber:
leger genannt, obwohl bereits 1798 der Frankfurter
Frankfurter Parlament — Fränkiſcher Jura
Advolat Dieb, der = die Redaktion führte, im
Verein mit andern das Verlagsrecht erworben hatte.
1811—13 wurde die Zeitung durch den Jürft: Pri-
mas Dalberg unterdrüdt. Danach gelangte fie, feit
1814 täglich erſcheinend, in den Befis der Buchruder
Heller und Rohm Kur 1866), unter denen e bis
1845 eine zweite Blüte erlebte. Nachdem tie feit
1866 mehrfach den Befiger gewechſelt hatte, gebörte
fie feit 1900 einer —— mit beſchränkter Haf⸗
tung, bis fie 9. März 1903 ihr Erſcheinen einſtellte
und in den Verlag von J. ©. Holtzwarts et
S. Minjon überging, der fie mit feinem «Frank⸗
furter Dateien latt» (jeit 1722 erjcheinend), einem
parteilofen Nadrichtenblatte, vereinigte. Der Titel
«Didaslaliar wurde nun der Unterhaltungsbeilage
diejes Blattes beigelegt.
anffurter Barlament, |. Deutihland und
Deutſches Reich (Geſchichte 7).
rter Reformation, die amtliche Im:
arbeitung des Stadtrechts von Frankfurt a. M., die
ältere von 1509, die jüngere von 1578. Letztere, von
dem Frankfurter Syndikus Johann Fihard verfaßt,
unterſcheidet ſichvon andern Stadtrechtsformationen
jener Zeit dur die ſtarke Bevorzugung des röm.
chts und dadurd, daß fie die umfaſſendſte Stadt⸗
rechtökodififation darftellt. 1611 mit Bermehrungen
neu publiziert, gilt fie in dieſer Faſſung noch heute
unverändert im Stadtgebiet.
Frankfurter Rezch (Rompofitionsihrift
oder Buch), eine von Melanchthon entworfene,
18. März 1558 zu Franlfurt a. M. von den brei
Kurfürften Otto Heinrih von der Pfalz, Augujt
von Sachſen, Joahim II. von Brandenburg, dem
Fk rafen Wolfgang von Zweibrüden Denon
cken von en Sandgraf Philipp
von Helen unterzeichnete Erklärung. Darin_bes
kannten fie ſich wiederholt zur Augsburgifchen Kon»
jelfion und Apologie und ſprachen ſich über die
nerlirhlihen Streitigleiten im vermittelnden
Sinne —— aus. Herzog Joh. Friedrich
von Sachſen ließ durch Flacius d.) dem F. R.
das «Konfutationsbuch⸗ entgegenſtellen.
rter Schwarz, Druſenſchwärze,
ſchwarze Farbe, die durch Verlohlen von Weinhefe,
MWeintreftern, MWeinreben (daher auh Neben:
chwarz) in verjhlofjenen eijernen Eplindern und
eines Bulvern und Schlämmen der dabei verbleiben:
den kohligen Mafje gewonnen wird. Das %. ©. dient
als Malerfarbe und Zufag zur Druckerſchwärze.
Fr rter Syſtem, eine Anorbnung des
Gymnafialunterrichts, die den fremdſprachlichen Uns
terriht mit dem Franzöfifchen beginnt, das Latei:
niſche auf Untertertia, das Griechiſche auf Unter:
jetunda verfdiebt. (S. auch Altonaer Syſtem, Bd. 17.)
Fr rter Thaler, eine gleich den übrigen
deutſchen Thalerftüden auch ns Einführung der
Martwährung bis 1907 in Kurs befindlich geweſene
Geldmünge,die auf dem Avers ein von dem Stempel»
ſchneider Aug. von Nordheim 3— gefertigtes weib⸗
liches Poxträtbildnis (angeblich das der Schau:
ielerin u. Sanaufchel), das perfonifizierte
ild der Stadt Frankfurt a. M. daritellend, zeigt.
Frankfurter Union, ein 22. Mai 1744 unter:
eichnete8 Bündnis deutſcher Reichsfürjten zum
— der Unterſtütßung des von Oſterreich und
England ſchwer bebrängten Raifers Karl VAL. (1. d.).
Die weitgehenden Ailociationspläne Friedrichs
d. Gr., der alle deutſchen Reichsſtände im Weſten
und Südweſten zu einem bewaffneten Bunde um
967
Karl VI. jcharen wollte, erwieſen fich bei der Unent⸗
ſchloſſenheit ver kaijerl. Regierung und bei der Furt
der 3 vor Oſterreich als undurchführbar; man
mußte ſich mit einer Vereinigung weniger ae
begnügen; Preußen, Kurpfalz, Heſſen⸗Ca el ver⸗
banden ſich im hjahr 1744 zu Frankfurt mit
Karl VIL., um die fatjerl. Würde und die Reichs—
verfafjung aufrecht zu erhalten und den re in
Deutichland berzuftellen. Die militär. Leiſtungen
der einzelnen Bundesgenofjen ſowie der. jedem in
Ausſicht ya: Lohn wurden beftimmt; Karl VIL
follte Böhmen erhalten, dod den Teil öftlib von
der Elbe an Preußen abtreten, das dafür zur
Wiedereroberung Böhmens helfen follte. Im Aug.
1744 brach Friedrich mit feinem Heere ald mit
«faiferl. Hilfätruppen» in Böhmen ein und eröffnete
fo den Zweiten Schleſiſchen Krieg.
eg Beitung, einflußreiche demofra-
tifche Zeitung mit Handelsblatt in Frankfurt a. M.,
N} . von der Frankfurter Societätöpruderei Gejell:
Daft mit befchränfter Haftung, gegründet von Leo⸗
pold Sonnemann. Sie hieß 1856—59 «Frankfurter
Handelszeitung», 1859 — 66 Meue F. 3.», in der
zweiten Hälftedes$. 1866 während ihres Erſcheinens
in Stuttgart «Neue deutſche Zeitung», jeit Ende 1866
3. * on der F. * giebt der gleiche Verlag ein
ochenblatt, jpeciell für überſeeiſche Leſer, heraus.
Fraukieren (ital.), frei machen —
durch Vorausbezahlung des für die Beförderung
feſtgeſetzten ortos, geſchieht durch Auflleben von
Freimarlen (j. Poſtwertzeichen) auf die Briefe oder
die Begleitadrefien au Paleten; Frankierungs—
zwang, foviel wie Srantoswang (1. d.); Sranlas
tür Scanfierun „sreimahung. (S. Briefporto.)
anfifche Fürftentümer hießen die Marl:
grafihaften Ansbach und Bayreuth, folange fie
preußiſch waren (1791—1806). tum).
ränfifche Grafenkurie, ſ. Franlen (Herzog:
änfiiche Haken (Hoden), mittelalterliches
Werkzeug zum Abfangen und Breden der feind:
liben Schwertflingen, aus einer lurzen, jtarfen,
mit tiefen Einjchnitten verjebenen Klinge be ehend.
Fränkiſche Kaiſer oder Saliſche Kaiſer, die
röm. Kaiſer und deutſchen Könige Konrad IL, Hein⸗
rich IIL, Heinrich IV, und Heinrich V., die 1024—
1125 regierten. nebjt Karte,
ride Mundart, ſ. Deutihe Mundarten
ränfifcher Jura (Franlenjura), die Forts
fegung des Schweizer und Schwäbiſchen Juras,
durchzieht norböjtlich des Härtfeldes (f. d.) in einem
nah NW, geöffneten Bogen das nördl. Bayern bis
nad) Lichtenfel3 am Main. (S. Karte: BayernL,)
Der kürzere ſüdweſtl. Teil lehnt fih an die Donau
an und erftredt fi von Nörblingen und Donaus
wörth öftlich biß in die Gegend von Regensburg.
Diefer Teil führt verſchiedene Namen, unter denen
der Hahnenkamm zwifhen Wörnig und Alt
mübl im Hefjelberg (j. d.) 689 m Höhe erreiht. An
diefen Zug ſchließt Ni nad D. die Eichſtätter
Alb an, die von der Altmühl in einem romantifchen
Thale durchbrochen wird und in ber Waulzbur
bei u. mit 644 m gipfelt. Diejer Tei
liefert bei Solnbofen die weltberühmten Litbos
rapbiefteine und eine reihe Ausbeute an Ber:
feinerungen. (S. Arhäopteryr.) Der größere, nad)
N. gewandte Teil des Bogens, dacht nad D. zur
oberpfälz. Hochebene langjam ab, fo daß bier der
Charalter des Gebirges fait vollftändig verwiſcht
wird; dagegen fällt er zum Thal der Redniß und
968
er in einer Steilmand ab. Der — ——
das Dreied zwiſchen Bayreuth, Bamberg und
ẽriangen beißt wegen feiner anmutigen Thäler
und feiner von alten Bur n efrönten, grotesten
ee die Fränki chweiz. Eine be
ondere Eigentümlichteit N bie — öblen mit | jchen,
prachtvollen Tropffteingebilven im Altmüblthal,
an der Lautrach und zwiſchen Bild und Begnip,
a gehen Fr die Höhle — ——
(j. d.) und die Gailenreuther Höhle (ſ. d.). —*
Ibn Gipfel find der Buchberg (588 m) füd
von Neumarkt, der Morigberg (598 m), der Geis:
berg (583 m) und der Staffelberg bei Staffelitein
- m). Charalteriſtiſch ſind bejonders im mitt:
Zeile die vielen trodnen, wafjerarmen Thäler.
Die wenigen Gewäſſer ftrömen nit aus dem Ge:
birge, jondern durch dasſelbe. Haupterwerbszweig
ift die Landwirtſchaft. Induſtrie ift zwar vorhan-
den, aber nur in Solnhofen zu größern Anlagen
vereinigt. — Vgl. Neuer illuftrierter Führer durch
die Franliſche Schweiz (Nürnb. 1901).
äufifcher Kreis, ſ. ea —
e Saale, ſ.
ränkiſche —— ſ. Fränkiſcher Jura,
Jura und Muggendorf.
2. ſches Recht, dad Recht des german.
Vollsſtammes der —* deſſen hauptſachlichſte
Denkmale die Lex Salica (f. Saliſches Geſetz), die
Lex Ribuariorum und Lex Francorum C
vorum 6. Ribuarifches Gefeh) und die Kopitularien
und Geſetze der Könige find. Das für die
deutjche —— rs von gro er Bebeutung
eworben. Das deutſche Königtum ift fränt. U
prung3, die —— der Reichsregieru un Me
Gauverfafiung, des Gerichtsweſens, des Hee uns
find fränf. Einrichtungen, ebenso wie das Lehnsrecht.
— — der übrigen deutſchen Stämme find auf
diefen Gebieten nahezu verbrängt, auf den Gebieten
des Strafrechts, des Prozeh- und "Privatrechts vom
FR. vielfa beeinflußt worden. Aud in Frank⸗
In Qhglan, Gier in ben norbfrang. Coutumes, und
land, bier durch die normann. „ Groberung, bat
das F. R. einen — Einfluß geübt.
Fräukiſches Reich, das De Chlodwig (f. d.)
486—511 gegründete Reich, das bie Franken und
Alamannen mit der feltoroman. Bevd Bunt Gal⸗
liens ſowie mit den in ihrer Mitte (an Rhoͤne und
®aronne) bereits ſiedelnden Burgunden, Wejtgoten
und fleinern —— en verſchmelzte und durch
Annahme des lath. Chriſtentums Hauptitüge der
röm. Kirche im Abendlande wurde (ſ. Hiſtoriſche
Bartın von Europal, beim Artikel Europa).
die Thüringer und Bayern (f. Bayern, Ge
ii te) wurden ibm unterworfen. * teilten
die Nachlommen Chlodwigs das Reich unter ſich,
aber das F. R. ward trokdem ala eine Einheit be
tradtet und aud 558 durch Ehlothar I. (f. d.) und
wiederum 613 durd Chlothar IL. (f.d.) unter einem
Herriher vereinigt. Auftrafien (ſ. d.) mit Mes,
Neuftrien (ſ. d.) mit Soifjons, Paris und Orleans,
Burgund mit Bejangon und Lyon bildeten die Haupt:
teile des Reichs, deſſen Schwerpuntt bis auf Karl
d. Gr. inden roman. Teilen lag. Nach Dagobert J.
{peit 638) ging bie Herrihaft über Bayern und
lamannen ver oren, denn die Kraft des Reiche
verbrauchte fih in den Kämpfen jeiner Großen
gegeneinander. (S. Merominger.) Erft nachdem
die Karolinger in diefem Ringen die Oberhand und
mit dem Amt der Hausmeier die thatſächliche Re
lich titel
Fränkiſcher Kreis — Frankiſten
ngögemwalt gewonnen hatten, begann eine neue
Daten datum. des F. R. Alamannen und Bayern
wurden mwieber ui dazu Sachſen und Frie
fen, und enblid gar bie gehe 754— 774.
Hierdurch jomwie durch Belehrung der ojtrhein. Deut:
die Reinigung der fränk. fire und envlid
burd, > Schusberrichaft über den röm. eridei er:
ch das F. R. zu dem mädtigften S Ort des
anne. dem Kaifertum Karla d. Gr. (ſ. Hiſt o⸗
Eine Rarten von Deutfhland J,1, Ar
Deutihland und Deutiches Reich) ——
erfüllt mit den Grundfägen des fränt. tö und
* ormen fränf. Einrichtungen. Das heutige
Frankreich nebſt —— Italien und den an⸗
renzenden Ländern haben ibr öffentliches Leben
in diejen —— durchlebt und dann weiter in
ben Formen des Lehnsſtaates, die durch einen (be
reitö im 6. und 7. Sa. beginnenden) Zerſetzungs⸗
prozeß der fränk. Be riafjung entitanden. Schon
unter Karl d. Gr. hatte ſich unzmweideutig gezeigt, daß
We dies ungeheure Reich nicht jo zufjammenbalten
e. Die Opfer, die feine Berwaltung bei der nict
zu vermeidenden Raturalwirtichaft forderten, vrüd
ten eine Mafje der Freien in wirtſchaftliche und balı
aud in rechtliche Abhängigkeit und zerftörten fo den
Untertbanenverband wie die Beamtenverfaffung des
FR. AU dieſes fteigerte ſich in den Bürgertriegen
unter Ludwig (f.d.) dem Frommen und jeinen Söb:
nen, und mit dem Vertrag zu Verbun (f. Deutic-
land und Deutfches Reich, dichte 2)
er das F. R. fein Ende. E traten * Deutice
ih (O fräntif ed Reid) und Frantreid
(Benfrantijces eich) an feine ———
denen dann Deutſchland durch Unterwerfu
liens und Erneuerung des Raijertums die Rolle ie
. R. nod einmal aufnahm und jabrhundertelang
ortführte, aber doch von einer andern geogr. Grund⸗
age aus. (©. * und Deutſches Neid,
fowie Frankreich, Geſchichte.)
Bal. Gerard, Histoire des Frances d’Austrasie
in — — 1865); Richter, Annalen der deut:
te im Mitte alter, Abteil. 1 (Hall
1er); is, Deutſche — orte (Br.
2—4, 2. bez. 3. Au ‚Kiel 1882 — Sobm,
Die altdveutihe Reichs- und —— —
Bd. 1 (Weim. 1871); derſ., Fränk. Recht und röm
Recht (ebd. 1880); Raufmanı, — Geſchichn
bis auf Karl den Großen (2B * 1880—81);
aus den «Jahrbüchern der Beute ejchichte»: die
Jahrbücher des F. R., bg. von Breyſig (714—741:
ebd. 1869), * (741—752; ebd. 1863), Ölaneı
(Köni Bippin; ebd. 1871), Abel:Simjon (Karld. =
2. Aufl.,ebd d. 1883—88) und Simjon nt d.
ebd. — erner Dümmler, ——
fränl. Reichs (2. Aufl., 3 Bde., ebd. —
—* Deutſche G dichie, Bd. 2 (Gotha 1881— 88);
Fave, L’empire des Francs depuis sa fondatior
jusqu’& son demembrement (Bar, 1889); Dabn, Die
Könige der Germanen, Bd. 7 u. 8 — 184—
1900); Muhlbacher, Deutice Geſchichte unter der
Karolingern (Stuttg. 1896); Gutſche und Schuise,
Deutſche Geſchichte von der Urzeit bis zu den Karo
lingern, Bd. 2 (ebd. 1896); Stein, Urgefchichte der
Franken un = ie Gründung bes 3. R. durch Chlod
wig (Wü
ae ich: —— es aa 1.
— neb an. 1 0 ide A
an, zei
nie eg a BF
Frankl — Franklin (Benjamin)
Fraukl, Ludw. Aug., Nitter von Hocmart,
Dichter, geb. 3. ger 1810 F Chraſt in Böhmen,
ftudierte jeit 1828 in Wien Medizin; vor allem zo
ihn aber das Stubium der Geſchichte an. Na
feiner Promotion entjagte er der ärztlichen Lauf⸗
bahn, nahm 1838 zu Wien eine Stelle ald Ge
neralfelretär und Arhivdireltor der Israelitenge⸗
meinde an, erhielt 1851 die Profeſſur der Aſthetil
am Konjervatorium der Gefellichaft ver Muſikfreunde
des diterr. Kaiſerſtaates und wurde fpäter auch zum
Scdulrat der Stadt Wien ernannt. 1842 begann er
die —— eines erſten Kunſtblattes in Oſter⸗
reich, der «Sonntagäblätter», die 1848 zur Zeit der
Belagerung Wiens unterbrüdtwurben. Bei Verfün:
digung der Preßfreiheit (14. März 1848) erfhien von
ihm das erite —7 — Gedicht «Die Univerſitäts,
das in einer halben Million Abdrücken allgemeinſte
Verbreitung fand und 17mal komponiert wurde.
$ machte jich verdient um die Errichtung eines
inder-Blindeninftitutö auf der Hohen Warte bei
Wien, und 1873 wurde von ihm der erite Euro:
päifche Kongreß der Leiter und Lehrer von Blinden⸗
inftituten ins Leben gerufen, als deſſen Bräfident
er fungierte; 1876 erhob ihn der Kaiſer in den erb⸗
lichen Ritterftand. Er jtarb 12. März 1894 in Wien.
Schon das «Haböburglied» (Wien 1832), eine
Reihe chronologiſch geordneter Balladen, verriet
jein weſentlich epiſches und jchilderndes Talent. Den
«Epifchelyriihen Dichtungen» (Mien 1833) lie er die
«Sagen aus dem Morgenlande» (Lpz. 1834), die
epiſche Dichtung «Ehrijtoforo Colombo» (3. Aufl.,
Stuttg. 1836), « Gedichte» (7. Aufl., Lpz. 1840), die
Biblifd-romantifche Dichtung «Rachel» (Wien 1842),
«Don Yuan d’Auftria» (3. Aufl., Lpz. 1846), «Ein
Magyarenkönig» (ebv. 1850 u. d.) u. a. folgen. In
den — Dichtungen aHippokrates und die moderne
Medizin» (Mien 1858; TI.3 u.d.T. «Hippofrates
und die Cholera», ebd. 1853 —54) geißelte er
den mediz. Charlatanismus. In dem «Helden: und
Liederbuch» Cbrag 1861; 2. Aufl. 1863) fammelte
3. jeine Heinern Gedichte aus fpäterer Zeit, während
die «Ahnenbilder⸗ (2. Aufl., Lpz. 1864) und «Liba-
non» (4. Aufl., Wien 1867) die poet. Früchte feiner
Reife in den Orient enthalten. Zur Säfularfeier der
Wiener Univerfität veröffentlichte er die Satire
«Nach fünfhundert Jahren in Wien» (Lyz. 1865).
Spätere Gedichte find: «Tragifche Könige. Epen»
(Wien 1876) und «Epifches und Lyrifches» (Stuttg.
1890); ald Sammlungen erjhienen: « Gefammelte
poet. Werten d? Boe., ebd. 1880) und «Lyriſche
Gedichte» (5. Aufl., ebd. 1881). Dur Ausgaben
und biogr. Arbeiten zu Anaftafius Grün, Grill:
parzer, Hebbel, Raimund, Lengu u. a. förderte er die
öfterr. Pitteraturgeihichte. F.s Briefmechjel mit
Anaftafius Grün (1845—76) gab B. von Frantl ber:
aus («Aus dem 19. Jahrhundert», Bd. 1, Berl. 1897).
Franfland, ward, engl. Ehemiler, geb.
18, Jan. 1825 in Churchtown bei Zancafter, jtudierte
in London, Marburg und Gießen und wurde 1851
Brofejjor der —*— in Mancheſter, dann an der
Royal School of Mines und Royal Institution in
London (1864); jpäter lebte er auf feinem Gute
Ihe Yews bei Reigate in Surrey, hauptſächlich
mit chem. und balfteriolog. Unterfubhungen des
Trinkwaſſers beihäftigt. $ ftarb auf einer Reife
in Norwegen 9. Aug. 1899. Zahlreiche epoche⸗
madende Abhandlungen von ihm enthalten Lie
bigs «Annalen». Es find dies namentlich jeine
Entdechungen über die Metallverbindungen ver
969
| Altobolrabifale, die ihn zur Iſolierung der ep:
tern führten; dadurch ſowie durch feinen hervor:
tragenden Anteil an der Entmwidlung der Lehre
von der Wertigfeit der Elemente wurde er einer
der Mitbegründer der neuern Chemie. Auch fonft
ift er auf dem Gebiete der Syntheje organiſcher
erbindungen in hervorragender Weiſe thätig ge:
weſen. Er ichrieb: «Lecture notes for chemical
students» (2ond. 1866; 2. Aufl., 2 Bde., 1870
— 72), «Experimental researches in pure, applied
and physical chemistry» (ebd. 1877), «Water
analysis for sanitary purposes» (ebd. 1880; 2. Aufl.
1890),«Inorganic chemistry» (mit Japp, ebd. 1884).
Franklin (pr. fränklin), häufiger Ortsname in
den Bereinigten Staaten von Amerila; darunter:
Hauptftadt des County Benango in Pennfplvanien,
in einer an Petroleum und natürlibem Gas reihen
Gegend, an der Mündung des French-Creek (Be
nango) in den Alleghany, bat a 7317 E.; Bes
troleumgemwinnung und Schmierölfabritation.
Franklin (pr. fränklin), nördlichſter Diftrikt des
Dominion of Canada (ſ. d., Bd. 3, und Franklin,
Bd. 17).
Franklin (ſpr. fränklin), Benjamin, nordamerik.
Staatdmann und Schriftiteller, geb. 17. Jan. 1706
zu Bofton, mußte von früber Jugend feinem Vater,
einem Seifenfieder, im Geſchäft an die Hand geben.
wölf Jahre alt, erlernte er bei feinem Halbbruder
ames F. die Buchdruckerkunſt. Schon früh ver:
juchte er ſich als Schriftiteller, und ald um 1720
fein Bruder eine Zeitung berausgab, fchrieb er für
diefe unterhaltende Aufjäge. Mißbelligkeiten, in
die er mit feinem Bruder geriet, bewogen ibn,
Boſton zu verlaffen und nach Philadelphia zu geben.
Er begab fih 1724 nad London, wo er bis 1726
blieb. Nach jeiner Rüdtehr errichtete er in Phila-
delphia eine eigene Druderei und trat zugleich mit
groben Erfolg als polit. Schriftiteller auf. Sein
eſchäft, das er dur einen Bapierhandelermeiterte,
— glucklichen Fortgang, und durch die geſchickte
itung einer Zeitung und eines Almanachs, die
er herausgab, wurde er in immer weitern Kreiſen
bekannt. In dieſer Zeit fing er auch an, ſich mit
dem Studium der Phyſil, namentlich der Elektrici⸗—
tät zu beſchäftigen, das ihn in der Folgezeit zu der
Erfindung des Bligableiterd und des eleltriſchen
Drachens mus und ihm die Ernennung zum Dit:
glied der Royal Society in London und zum Dot:
tor der Univerfitäten Orford und Edinburgh eintrug.
Gleichzeitig war er fortwährend in uneigennüßiger
Weiſe für das Gemeinwohl thätig. Er gründete
eine Bibliothek in Philadelpbia, entwarf den Plan
der philof. Gefellihaft in Amerita, wurde 1736
Selretär des Kolonialparlaments von Pennſylva—
nien, 1737 Poſtmeiſter von Philadelphia, 1753
Generalpojtmeifter aller brit. Kolonien in Amerita.
1757—62 führte er in England als Vertreter des
Volls deſſen Sache erfolgreih gegen bie Eigen:
tümerregierungen, die Steuerfreibeit für ſich in
Anſpruch nahmen,
Als infolge des Erlafjes der Stempelatte (f. d.)
in den Kolonien Unruhen —— waren und
das Haus der Gemeinen in London alle Agenten
der Provinzen vor feine Schranken lud, um bie
Beichwerden zu unterſuchen, erichien 1766 aud
. für Bernfoßoanien und ſprach mit Freimütig:
t für die Sache der Kolonien. Der Erfolg war
die Zurüdnabme der Stempelatte. Won dem
aufrihtigen Wunſch bejeelt, den Bruch mit dem
970
Mutterlande zu verbindern, wirkte er doch in un:
erihrodenfter Weife für das Intereſſe der Kolonien
und machte ſich dadurch bei der Regierung ſehr miß⸗
liebig. Seines Poſtens enthoben und ın En
verbaftet zu werden, kehrte er 1775 nah Phila—
delphia zurüd, wo zu jener Zeit ber tg. onti⸗
nentalkongreß (f. d.) verſammelt war. wurde
ſofort zum
itglied desſelben we und war
einer der Mitunterzeichner der Unabhängigkeits:
erllärung vom 4. Juli 1776. Noch in demjelben
Jahre ging er ald Gejandter der Vereinigten Staas
ten nach — und feiner Wirkſamleit iſt haupt⸗
ſachlich das Zuſtandelommen des Vertrags vom
6. Febr. 1778 mit Frankreich zuzuſchreiben, das die
Unabhängigleit der Kolonien anertannte und ihnen
ke in dem Kampf mit England zuficerte.
. blieb bis zum Sept. 1785 Gejandter in Frank—⸗
reih und unterzeichnete 20. Jan. 1782 mit ben
I. Rommifjaren zu Paris die Bräliminarien des
nt von Berfailles, der feinem Vaterlande die
nabbängigfeit zuficherte. belleidete noch in
einem Alter von 78 J. die Stelle eines Präfiventen
des Rats von Bennfylvanien, war eins der hervor:
ragenditen Mitglieder des Verfaſſungslonvents von
1787 und ftarb 17. April 1790 in Philadelphia.
‚Mit rubiger Klarheit durchſchaute er die Verhält-
niſſe des Lebens im großen wie im Heinen, und fein
edles Herz umfaßte das Wohl der ganzen Menfchbeit.
Unübertrefflid war er in der Kunſt, die Lehren der
Moral zu entwideln und fie in populären Darftel:
lungen auf die Pflichten der Freundſchaft und der
Humanität anzuwenden. In diefer Beziehung find
bervorzubeben feine « Sprichwörter des alten Hein-
ri, oder die Weisbeit des armen Richard» (Philad,
—* die das Muſter einer Volksſchrift find.
D’Alembert bewilltommnete den Erfinder des Blitz⸗
ableiter8 und den Befreier feines VBaterlandes bei
feiner Aufnahme in die Srangdffhe Alademie mit
dem Herameter: «Eripuit coelo fulmen sceptrum-
que tyrannis» («Er entriß dem Himmel den Blitz,
den Tyrannen das Scepter»). Auf Mirabeaus An:
trag legte bei feinem Tode die Nationalverfamm:
lung in Frankreich Trauer auf drei Tage an. In
Neuyork, Philadelphia, Wafbington und Bofton
find ihm Stanbbilver errichtet worden.
Sein einziger (unebelicher) Sohn, William $.,
eb. 1729 in Philadelphia, geft. 1813 in England,
ielt zum Schmerze des Vaters an England feſt
und blieb ald Gouverneur von Neujerſey in deſſen
Dieniten.
Ausgaben der Werke F.s baben William
Temple F., einer feiner Entel (3 Bde., Lond.
1806 u. 1811), Sparks (10 Bde., Boſt. 1840; neue
Aufl. 1858) und John Bigelom (10 Boe., 1887
—89) bejorgt. — Unter ven — a er
find außer — Autobiographie (The Life of F.,
written by himself, ba. von Bigelow, 3 Bde.
Philad. 1874; 3. Aufl. 1891; deutich Stuttg. 1875;
auc in Reclams «llniverfalbibliothek») zu nennen:
die von W. Temple F. (2 Boe., Lond. 1818—19),
Sparts (Boſt. 1856); J. Barton, Life and times of
F. (2 Bde., ebd. 1887); Mac Mafter, F. as a man
of letters (Lond. 1888); J. T. Morfe, Benjamin F.
Boſt. 1889); Robins, Benjamin F. (Neuyort 1898);
iiber, The true Benjamin F. (Pbilad. 1899).
anflin (jpr. fräntlin), Sir John, engl. Nord:
polfabrer, geb. 16. April 1786 zu Spiläby in Lin:
—— trat 1800 als Midſhipman in den Marine⸗
dienſt, wohnte 1801 der Beſchießung von Kopen—
Franklin (Sir John)
bagen bei, begleitete 1803 Kapitän Flinders (f. d.)
nad der Südſee, litt aber an der Küſte Auftraliend
Schiffbruch. 1805 war er Signalladett des Bellero
pbon bei Trafalgar und geriet 1815 beim verun⸗
glüdten Angriff auf Neuorleans in Gefangenicaft.
1818 madte er unter Kapitän Bucan eine Polar:
fahrt ——— F. erhielt 1819 den Auf:
trag, in Begleitung Riharbfons und Bads (f. d.)
eine Landreiſe von der Hubfonbai aus der
Mündung des Kupferminenflufles zu machen, wäb-
rend Barry diefe Gegenden zu Schiff befuchen follte.
Auf diefer Reife verfolgte er vom 18. Juli bis
22. Aug. 1821 die Küfte des Eismeers von der Mun⸗
bung des Rupferminenfluffes bis zum Kap Turna⸗
gain auf der Halbinjel Kent und kehrte, nachdem er
nur durch den Beiftand einiger Indianer von Tode
errettet worden, 1822 nad England zurüd. Zum
Marinelapitän befördert und von der Royal Soci
zum Mitglied erwählt, trat er im Febr. 1825 mit
benfelben Gefährten eine zweite Entdedungsreiie
den Madenzieitrom binunter nad dem Polarmeere
an, auf der Nihardion und Kundall mit Booten
die Nordlüfte nah D. bis zum Kupferminenfluiie
befubren, während F. mit Bad nah W. ebenfalls
mit zwei Booten abging, aber 18. Aug. 1826 nur
bis * Returnriff (70° 26nördl. Br. und 148° 5?
weſtl. 2. von Greenwich) gelangte, ohne mit dem
ibm von der Beringftraße ber entgegengefandten
eechey (f. d.) zufammenzutreffen, da deſſen Boot
nur bis zur Barromjpige (71° 23’ 2. von
Greenwid) vordringen konnte. Georg IV. ernannte
F bierauf zum Ritter. Bon 1832 bis 1834 befeb-
igte er ein Linienſchiff im — Meere
und war dann bis 1843 Gouverneur von Tasmanien.
Anfang 1845 traf er wieder in England ein, wo
man fi eben mit ben Vorbereitungen zu einer
neuen Erpedition befhäftigte, um eine norbmeitl
Durdfahrt zu finden. F. übernabm die Leitung
der beiden Schiffe Erebus und Terror, in ber
ihm die Kapitäne Crozier und Fikjames zur Seite
ftanden. Die Erpedition fegelte 19. Mai 1845 ab
und wurde 26. Juli in der Melvillebai unter 77°
nörbl. Br. und 66° 18’ weſtl. 2. von Greenwich
zum legtenmal gefehen. Seit diefer Zeit feblten
alle Nahrichten über die Seefahrer. Bon 1848 an
wurden von der engl. Regierung, von der Gattin
5.8 und von dem amerit. Kaufmann Grinnell
wiederholt Erpeditionen ausgerüftet, um teil® von
der ——— teils von der Beringſtraße aus die
chollenen aufzuſuchen, ohne daß man zum
Ziel gelangte. F. war durch den Lancaſterſund ge
gangen, dann norbwärt3 durh den Wellington
anal um die Jnjel Cornwall gefegelt, hatte das
Prinz: Wales: Land umtreift, worauf feine Schiffe
vor der Nordfpige von King: Williams: Land (70°
nördl. Br.) im Eife feftgebalten waren. Die Aus
fagen der Eslimo gaben 1854 die erjte Anpew
tung von dem traurigen Schidfal der ebition,
dur deren von MacClintod (f. d.) 1859 zu Tage
geförderte füberbleibjel und fchriftlihe Nachrichten
man endlich die Gewißbeit erlangte, daß F. nad
Überjtebung eines zweiten Winters 11. i 1847
geftorben war. Seine Gefährten verließen unter
den Rapitänen Erozier und Fißjames, 105 Mann,
22. April 1848 die Schiffe. Bis dabin waren tros
breimaliger Überwinterung erſt 9 Offiziere und 15
Mann geitorben. Bei ihrem Verſuche, ans Feſtland
und zu den Stationen der Hudfonbaicompagnie
zu kommen, find fie jämtlih dur Hunger und
Franklin (Dtto von) — Frankozettel
Kälte umgelommen. In London wurde F. ein
ag ng ie ge Noble) errichtet. — Val. Bran⸗
ir John F., die Unternehmungen für feine
Rettung und die nordweſtl. Durchfahrt (Berl. 1854);
Beeöly, Sir John F. (Xond. 1881); Stewes, Sir
John F., the secret of the discovery of his fate
(ebd. 1889); Martham, Life of Sir John F. (ebv.
1891); Trail, Life of Sir John F. (ebd. 1896). Die
frübern Entdedungsreifen F.s ſchildern «Narrative
of a journey to the shores of the Polar Sea, in the
years 1819— 22» (2 Bde., Lond. 1824; deutſch,
2 Bde., Weim. 1823—24) und «Narrative of a
second expedition to the shores of the Polar Sea,
1825— 27» (Zond. 1828; deutih Weim. 1829).
Frauklin, Dtto von, Rechtsgelehrter, geb.
27. Jan. 1830 zu Berlin, ftubierte hier und in
Breslau Geſchichte und Rechtswiſſenſchaft, babili-
tierte fih 1860 zu Breslau und wurde 1863 ord.
Profefior des deutichen Rechts in Greifswald, 1873
in Zübingen, wo er 5. Juni 1905 ftarb. Er ſchrieb:
« Die deutihe Politik Friedrichs L, Kurfürften von
Brandenburg» (Berl. 1851, Preisſchrift), «Beiträge
zur Geſchichte der Rezeption des röm. Rechts »
(Hannov. 1863), « Das Reichshofgericht im Mittel:
alter» (2 Bde., Weim. 1867—69), «Sententiae
curiae regiae, Rechtsſpruche des Reichshofs im
Mittelalter» (Hannov, 1870), «Das Lönigl. Kam:
mergeriht vor dem Jahre 1495» (Berl. 1871),
«Das Deutihe Reich nah Severinus von Monzam:
bano» (Greifäw. 1872), «Gejhichte und Syſtem
des deutſchen Privatredhtö» (2. Aufl., Tüb. 1882),
«Die freien Herren und Grafen von Zimmern»
(Freib. i. Br. 1884).
ranklininftitut, ſ. Philadelphia.
raukliniſation, ſ. Eleltrotherapie.
ranklinit, ein Mineral aus der Klaſſe ber
waſſerfreien Metallorgde, ein Glied der Spinell:
gruppe, Irpitallifiert —— im Oktaeder oder in
der Kombination desſelben mit dem Rhombendode—⸗
faeder, wobei die Individuen oft an den Kanten und
Eden abgerundet jind; auch derb in förnigen Aggre—
gaten. Die Härte iſt 6—6,5, das fpec. Gewicht 5—
5,1, bie Farbe eiſenſchwarz (dünne Splitter feinen
indeſſen jhön blutrot durch), der Strid braun. In
chem. Hinficht ift der F. eine Verbindung von
1 Molekül Monoryd mit 1 Molelül Sesquioxyd,
RO+R,O,, oder das Sal; RR,O,, mobei R vor:
waltend Zink nebjt etwas Gifen und Mangan, R,
Eijen nebjt etwas Mangan beveutet. Der Gehalt
an u beträgt etwa 21, der an Eifenoryd etwa
60 Proz. Erwärmte Salzjäure löft ihn. Der F. findet
ſich zu Franklin und Stirling in Neujerſey zufammen
mit Rotzinterz und Kallſpat.
zanflinotheräpie, j. Cleltrotberapie.
anflinfche Batterie, ſ. Klaichenbatterie,
anfliniche Brille, i. Brille.
anflinfche Tafel, ſ. Leivener Flaſche und
Flaſchenbatterie.
rauklin⸗Verein, ungar. Franklin-Tärsulat
er: täbrihulat), ungar, Kitterariſche Anſtalt und
uhdruderei in Budapeſt, gegründet 1873 als
Altiengeſellſchaft durch übernahme des ungar.
Verlags und der Buchdruckerei von G. Heckenaſt
dafelbit, ber mit feinem deutſchen Bücher: und Mur
filalienverlagnad Preßburg überfiedelte. Direktoren
find Julius Benlö und Leopold Hirſch. Der Ber:
lag umfaßt alle Zweige der Litteratur in ungarifcher,
einiges auc in deuticher Sprache, beſonders mwifjen:
Khantliche Werte, ungar. Klaffifer, Kompenbdien für
971
ochſchulen, Lehrbücher für Mittel-und Vollsſchulen,
Börterbücher u. a. Die Buchdruderei mit Schrift:
— bat etwa 400 Arbeiter, Das Altienlapital
eträgt 720000 FI. in Altien zu 150 Fl., die Divi-
[dende 9—10 Bros.
— (Francolinus), hũuhner⸗
artige Vögel der Mittelmeergegenden Afrikas und
Aſiens, Perſiens und Indiens, von welchen man
etwa 40 Arten kennt und die ſich durch kräftigen,
etwas haligen Schnabel, lange Läufe mit kurzen
Beben und ftarten Sporen, langen Schwanz und
dichtes, oft buntes Gefieder auszeichnen. Sie bil-
ben ein Mittelglied zwiſchen Faſanen und Feld—
bübnern, leben paarmweife oder in Heinen Trupps
in buſchigen Gegenden, laufen und fliegen gut,
näbren fib von Früchten, Sämereien, Heinen Tie—
ren, haben einen unangenehm freifhenden, lauten
Lodruf und werden ihres trefflichen Fleiſches wegen
viel gejagt, in Neben und Sclingen gefangen.
Der gemeine Franlolin oder Halsbandfrans
tolin jr rancolinus s. Pternistes vulgaris Steph.,
! Tafel: Hühnervögel I, Fig. 3) findet ſich häu—
9 in Syrien, Perfien und Indien, früber au
auf Sicilien und in Sübfpanien, ift einjchließlich
deö 10 cm langen Schwanzes 34 cm lang, hat
ſchwarzgrauen Oberkopf, ſchwarzes Kinn und Keble
ein zimmetbraunes Halsband, weiße Berlfleden au
dem fhmwarzen Rüden, fuhsbraune Bauchfedern
und gebänderte Flügel und iſt ein geſchätztes Wild:
bret. Er wird vielfach in der Gefangenſchaft gebal-
ten und auch mit Erfolg gezüchtet.
anfomänie, Schwärmerei für franz. Wejen.
anfomarfe, N Bojtwertzeichen.
anfozettel. In Fällen, wo der Abjender in
Boftfraghtitüde nah dem Auslande, aljo für Pakete
über 3 und 5 kg Gewicht, dad Porto bis zum Ber
——— zu tragen wunſcht, die Au abe:
poftan indes nicht in der Lage ift, das Porto
zu berechnen, find den Sendungen F. beizufügen.
Der Abjender hat in ſolchem Falle das inländiſche
und das fremde Porto, fomweit zur Berechnung des
gemben ortos die Poſtanſtalt die erforderlichen
arbeftimmungen befikt, bei ber be ra zu ent:
richten, fo daß der F. ſtets nur zur Rüdrehnu
desjenigen Betrag3 an fremdem Porto dient, wel:
her von der Aufgabepoftanftalt wegen mangeln:
der Tarife nicht berechnet werden fonnte. Die Ein-
Meung eines F. ift von dem Poftbeamten auf der
egleitadrefie, im Verkehr mit Jtalien auch auf der
Sendung ſelbſt zu vermerfen. j
Am Verkehr mit Belgien, Dänemarl, Frankreich,
Großbritannien, Jtalien, den Niederlanden, Öfter:
reich⸗ Ungarn und ber Schweiz jowie im Vertehr
aus Schang: hai (deutſche Poftagentur) ift auch die
Einziebung von Zollbeträgen mittels F. zuge:
lafjen. Dasjelbe gilt für den durch Deutſchland
vermittelten Verkehr zwiſchen Deutſchland und den
vorgenannten Ländern. Wunſcht der Abjender eines
Poſtfrachtſtuds oder eines Käftchens mit Wertan⸗
gabe nah einem diefer Länder, daß feine Sen:
dung dem Empfänger frei von Zollgebühren und
den — Koſten für Verzollung ausgeliefert
werde, jo muß dies auf der Paketadreſſe, auf der
Sendung felbft und in der Regel auf dem der Sen:
dung beizufügenden F. burd den Vermerk: «& re-
mettre franc de droits» (gebührenfrei zuuftellen)
im Bertebr mit Großbritannien (über Sifingen)
und den Niederlanden «zur fpeciellen Revijion an
der Grenze. Frei von Fin u. ſ. w. Roften» aus⸗
anko, ſ. Franco.
972
gas fein. Auch muß der Abſender fich bei der
ufgabe ſchriftlich verpflichten, die Zollgebühren
u. f. w. nah Rüdfunft des F. zu berichtigen.
ankozwang, bezeichnet poitaliih die Bor:
Me, daß gewiſſe Poſtſendungen bei der Einlie:
erung frantiert werben müflen. Das Borto muß
alfo bei diefen Sendungen vom Abfender, nicht vom
Empfänger getragen werden. Für das Deutſche
Rei und Öfterreih:Ungarn einſchließlich Bosnien-
Herzegowina beftebt F. Par Drudjahen, Warenpro:
ben, Beihäftpapiere, Rüdiheinfendungen, Poſt⸗
anmeifungen und Boftaufträge. j
erlehr mit den Ländern des Weltpoftvereind
.d.) unterliegen dem 5. Drudfachen, Warenproben,
eibäftspapiere, Einjchreibbriefe, Rüdicheinjen:
dungen, Poſtpalete, Boftanweifungen und Poſtauf⸗
träge. Briefe und Kaſichen mit Wertangabe müjjen
innerhalb des MWeltpojtvereind ebenfalls franfiert
werden, find aber im Inlande ſowie nad Oſterreich⸗
Ungarn unfranliert zuläſſig. Der F. beiteht außer
dem für alle Sendungen nad einigen nicht zum
Meltpoftverein gebörenden Ländern Aal anijtan,
Arabien, Belutihijtan, Ladad und Marofto). In
Sfterreih: Ungarn müſſen Einjchreib: und Eilbriefe
ohne Ausnahme, ſowie Gelpbriefe und Pakete an
Behörden, welche für die von ihnen ausgehenden
Poſtſendungen Vortofreibeit genießen, vom Ab:
fender ftetö frantiert werden. Bei Eilbriefen bat
der Abjender aud das Eilbeſtellgeld (30 Kr.) bei
der Einlieferung der —— zu entrichten.
Fraukreich (lat. Franco-Gallia; fi; LaFrance;
engl. France; ital. Francia), Republit und Groß:
macht Europas, das am weiteften nah MW. zwiſchen
dem Mittelländiihen Meer und dem Atlantiſchen
Dean vorgefhobene Glied des kontinentalen Kerns
von Europa. (Hierzu die Karten: Frankre ich und
Nordöftlibes Frankreich; f. auch die Karte
Mittel: und Südfrantreid, beim Artikel
Frankreich, Bd. 17.)
Rage und Grenzen. F. liegt zwiſchen 42° 20’ (Rap
Eerböre in den öſtl. Borenäen) und 51° 5’ (Dün:
firchen) nordl. Br. und wiſchen 4° 52 weftl. (Pointe
de St. Mathieu) und 7° 39’ öftl. 2. von Greenwich
Es Delle, wo F., Deutihland und die Schweiz zu:
ammenjtoßen) oder zwijhen 7° 7’ 56” mejtl. und
5° 11’ 15” öftl. 2. von —— wird begrenzt im
N. von dem Kanal (La Manche) und der Straße
von Calais (Pas⸗de⸗Calais), im NO. von Belgien
und Luremburg, im D. vom Deutſchen Reich, ver
rg: und Italien, im ©. von dem Mittelländi:
hen Meer und Spanien und im W. von dem At:
antiſchen Dcean und bat einfhliehlih der Inſel
Eorfica (8799 qkm) nad) den offiziellen Kataſter⸗
aufnahmen 528876, nad planimetrifher Bere:
nung des Kriegsminiſteriums 536408 (neuerdings
aber genauer 536479) und nad Strelbititij 533479
km. Bon leptern entfallen auf das Feſtland ein:
—ã des Anteils am Genfer See 523 932,
auf die Infeln 9547 qkm. Seine Landgrenze mißt
2170 km, biervon fommen auf Belgien (im NO.)
460, auf Quremburg 14, auf Deutihland (Elfaß:
Lothringen) 320, auf die Schweiz 396, auf Stalien
410, — * und Andorra 570 km. Die Länge
ber Waſſergrenzen beträgt 3120 km, von benen
1120 auf die Kanalküfte, 1385 auf die Atlantifche
und 615 km auf die Mittelmeertüfte tommen.
‚ Die _geometr. Grundgeftalt des Landes ift die
eines Sechseds, mit etwas eingefnidter Weſt⸗ und
Dftfeite, deflen aroße nordſüudl. Adfe, von Dün:
Frankozwang — Frankreich (Lage und Grenzen. Kiüften)
firhen nad) Ckeret am Fuße der Pyrenäen (965 km),
fih mit der Heinern oftweitlichen (La Rochelles@ent,
542 km) bei St. Amand füpli von Bourges, ziem-
lich genau in der Mitte des Landes, und in derielben
Gegend auch mit den beiden Diagonalen Breit:
Antibes (1098 km) und Bayonne:Cirey (868 km)
ſchneidet. Die Gliederung —— ß nur Cotentin
und Bretagne ſind größere Halbinſeln, auch die vor⸗
gelagerten Inſeln ſind nicht zahlreich. So bildet J.
ein ſelbſtändiges, feſt a eg Staatägebiet,
welches, nur die 700 km lange Norboftgrenze aus
von fihern und leicht zu verteidigenven
aturgrenzen (Ardennen, Vogeſen a und Alpen
im NO. und D. und Borenden im ER.) umfchlofien
wird. Dennod ift %. von dem Rumpfe Europas
nicht abgefchlofien, fondern fteht mit demjelben un
vor allem der deutſchen Mitte des Erbteils in regem
Verkehr. Überhaupt ift das franz. Volk gerade von
einen german. Nachbarn (Engländern und Deut
hen) am loderiten getrennt, während Hochgebitgs
mauern, deren wichtigfte Übergänge allerdings in
den Händen der Franzoſen find, esvon feinen roman.
Stammesgenoſſen in Jtalien und Spanien jcheiden.
ar Mittellage zwifchen der roman. und german.
Welt bat bewirkt, dab F. nicht nur ſelbſt beide Ele
mente in fih aufgenommen und miteinander ver:
miſcht bat, fondern auch feinen german. Nachbarn
roman. Beftandteile mitteilen fonnte. Durd feine
Süpküfte hat F. teil an der Herrihaft über das
Mittelmeer (Marſeille ift von Algier nur 771 km
entfernt), mäbrend ihm feine Wejtküfte den freien
Verkehr über den Ocean eröffnet. Troß diefer gün-
ftigen Stellung bat 5. unter allen atlantifhen Staa
ten am menigften an großen überjeeifchen Ent:
dedungen teilgenommen. Seine Interejien konzen:
trierten fich immer mehr auf das Innere des Landes
und feine Blide waren allezeit nad Oſten gerichtet.
Günftig wirkt aber die Nähe des Meerd auch für das
Binnenland. Die meerferniten Landſchaften, Bur
und und die Franche⸗Comte, find nur 450—500 km
11—12 Eifenbabnitunden) von der Küjfte entfernt.
Küften. Die 1120, in gerader Linie aber nur
605 km lange Norbmeittüfte bildet biß jenjeit Ca-
laiß eine Fortſetung der flachen belg. Hüfte und
gehört zum niedrigen und bünenbejegten Strande
der Nordfee. Bon _den drei Häfen Dunkirchen,
Gravelingen und Galai®, deren Eingang burd
Dämme gefhüßt ift, ift der leßtgenannte wegen der
Überfahrt nah England der wichtigſte. Aus der
Nordſee führt ver Pas-de⸗Calais zwiſchen der engl.
und franz. Hüfte in den «fanal» oder «La Manche⸗.
Zwiſchen dem Kap Gris-Nez und der Pointe de
St. Mathieu, dem am meiteften in den Allantiſchen
Dcean hinausragenden Puntte, erfäbrt 5. feine be
deutendſte Küftengliederung, indem fich die el
Eotentin jenfeit der Sente von Carentan vom Feit:
lande ablöft und mit dem Cap de la Hague nad R.
vorftredt. Bon Calais bis Boulogne tritt der fteile
Abbrud der flandr. Grenzböben fo nahe an vie Küite,
ne die Kaps Blanc⸗Nez und Gris-Nez 134 und5lm
aufragen und man von dem ein wenig lanbeinmärts
gelegenen 163m hoben Mont-Eouple die engl. Küfte
deutlich feben fann. Zwiſchen Boulogne und
entfernen fib die Hö engine der Picardie von der
Küfte und es breiten ſich Tiefebenen aus, welche vor
den Flutwellen durch hohe Dünen geldnnt find.
Bon Ault bis zur Seinemündung, beim Cap de la
Heve, brechen die Kreidefhichten des Pays de Caut
{harf an der Küfte ab. Diefelben bilden bier unter
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Frankreich (Bodengeftaltung)
dem Namen Falaifes (f. d.) Steilmauern und ver:
leihen den Häfen von Dieppe, St. Balerg:en:Eaur,
&camp und Etretat einen malerifhen Hintergrund.
wiſchen Le Havre und Honfleur Öffnet fich Die Seine⸗
mündung zu der Baie de la Seine, Obgleich von
der Dives: bis zur Viremündung nicht hoch, fo ift
doch diefe Küftenftrede eine der gefährlichften wegen
der 15 km langen und 3—4 km breiten, größten:
teild unterfeeiihen Klippenreihe der Hocers de
Calvados. Auch die Halbinfel Eotentin hebt fi
nur wenig aus ber verfandeten Bucht von Garentan
empor; aber je weiter nordwärts, deſto höher ſteigt
die Hüfte an und bildet re der
fleur und dem de ue den vortrefflichen
—— von ourg. lich davon gi t
der bretagniihe Bufen, auch Golf von St. Da
enannt, gliedernd in die Hüfte ein. Die Kaps de
a Hague und de Zalbert find Edpfeiler des Golfs,
die Bai von St. Michel und die von St. Brieuc
feine tiefften Einbuchtungen; vorgelagert find die
England gehörigen Normanniſchen Inſeln, während
die Heinen granitifhen Chauſey⸗Inſeln ha gehören.
An den Steilküften des Hafens von St. Malo fteigt
die Flut 16—17 m hoch. Die fjordartig gegliederte
Nordküfte der Bretagne ift zwar mehrfah von
{hmalen Ebenen begleitet, aber infolge zahlloſer
Felsklippen der Schinahrt gefährlich. Die Baflage
du —F ſprengt den klippenreichen Archipel von
Queſſant vom Feſtland ab und fübrt an die 1385 km,
in gerader Linie 605 km lange Weſtkuſte; zwifchen
den VBorgebirgen von St. Mathieu und Ye Raz führt
bie breite Paſſage de U’Iroife zu den ſchühenden
Buchten von Breft und Douarnenez. jenfeit
ber Bai von Audierne nimmt die Küfte am offenen
Dean einen andern 8— an. Den vielgliede⸗
rigen Golf von Morbihan faſſen die Halbinſeln von
Quiberon und Ruis ein, und an kryſtalliniſch feſtem
Kl ——*— und Inſein wie Ile de Groir und
Belle: Jle, bricht fi die ſchäumende Woge. Aber
es find nur niedrige Vorftufen des zurüdtretenden
Berglandes, welche bald mit tief gelegenen ey
ebenen wechſeln. Während der vorberrichend teile
Zeil der Küfte zwiſchen Seine: und Bilainemündung
von feinem bedeutenden Fluffe durchbrochen wird,
ift die Weftküfte in ihrem mittlern Teile gerade durch
anjehnlihe Flußmündungen (wie die der Vilaine,
Loire, Sevre-Niortaiſe, Eharente und Gironde)
ausgezeichnet, zwiſchen melden ſich ein fandiger
Strand mit Moräften, Salzbeden und Entwätle
run — —— Die Buchten von Bourg⸗
nel, reton und Antioche ſchneiden in das Land
ein und loſen die Yan de Roirmoutier, de Re und
v’Dieron ab. Die Häfen von La Rochelle und Roche:
fort find für Handel und Krieg von hoher Bedeu:
tung, und in der Gironde reicht der Einfluß des
Meers bis Bordeaux. Sudlich der Girondemüns
dung läuft die platte Küftenlinie der «Landes» in
faft meridianer Richtung bis zur Adourmundung,
begleitet von einer breiten Zone hoher Dünen,
melde das Baſſin d’Arcahon eindringt, und die
von zahlreichen — — (ſ. Etang) unter:
broden wird. Der Anteil F.s an dem Golf von
Gascogne umfaßt die Küfte zwiſchen Adour und
Bidaſſoa, wo nächſt Bayonne befonders Biarrik
Berühmtheit erlangt bat.
Die 615 (in gerader Linie 390) km lange Süp-
oder Mittelmeerküfte erfährt die Gliederung durch
den Golf du Lion, der das Tiefland von Languedoc
vom provencal. Berglande und den Seealpen trennt.
inte de Bar: a
973
Das Dftende der Pyrenäen taucht in den Montagnes«
8 in das Meer und bie fteilen Granitwände
geben den Häfen Banyuls-fur:Mer, Port:Bendres
und Gollioure große Tiefen. Zwifchen dem ——
ber Pyrenäen und den Montagnes des Corbieres
breitet fi, die Alluvialebene von Rouffillon aus.
Ihre niedrigen Küften find durch haffartige Wafler:
beden bezeichnet, die wie die Etangs de Leucate, de
Sijean u. f. m. nur dur ſchmale nr Nebs
rungen vom Meere getrennt werben. Bon bier an
ſchweift die Küfte nah ND., und es münden ohne
Haffbildung Aude, Orb und Herault, Oſtwärts ver-
ſſen baſaltiſche Durchbrüche den Borfprung des
Kaps Agde, und alsbald tritt wieder im nordöſtl.
Streichen die Haffbildung im Etang de Thau und im
Etang de Mauguio auf. Bei erſterm liegen das oſtl.
Ende des Canal du Midi und der mich e Hafen
von Gette, bei legterm die b ten Weinhügelvon
Frontignan. Zwiſchen den Golfen von Yiguess
mortes und von 508 hat die Rhöne ihr Delta vor:
eſchoben und umſchließt mit ihren Hauptarmen die
Si de la Camargue. D. des Deltas trennt die
aum: und waſſerloſe Fläche der Erau (f. d.) die
unfrudtbare Gamargue $; d.) vom Etang de Berre,
dem öftlihiten Haff der Süpfüfte, das bereits von
den Wein: und —— der Provence um⸗
geben iſt. Von Kap Couronne ab ſpringt das pro⸗
vencal. Bergland mit felſigen Halbinſeln und Vor⸗
gebirgen vor, ſo daß im Schutze vor den ra Nord⸗
winden bie ſchonſten Buchten und Häfen entſtehen,
wie die von Marfeille, La Ciotat, St. Nazaire,
Zoulon, Giens, Hyeres, Bormes, St. zopel ius,
Cannes Antibes, Nizza und Monaco, Dem jüd-
lichten Borf runge, der Halbinfel von Giens, liegen
die felfigen les d'Hyeres vor.
Dee ngetaltung. . befist im allgemeinen eine
nad . gerichtete Abdachung; eine Linie von
Bayonne nad Seban ſcheidet den höhern gebirgi«
ger Süpdoften von dem niebrigern, ziemlich ebenen
rdweſten und zwar fo, daß diefem Gebirgsland⸗
ſchaften ebenjomenig fehlen wie jenem langgezo:
ene Tiefebenen. Der an Saöne und Rhöne Ah
Binzichenbe Tieflandsſtreifen trennt die Weitalpen
und den Jura, die zum Zeil den Nachbarländern
Italien und Schweiz angehören, von einer glieder
reihen Gebirgägruppe, die man bald als «ran:
— — Mittelgebirge», bald als « Franzoſiſches
tralplateau» oder «Gentralmaffin» bezeichnet
und bie durd die Thäler des Allier und der Loire
in drei parallele Streifen gefhieden wird. Im W.
brt das derſelben vorgelagerte Bergland von
moufin zur Ziefebene, im NO. ftellen einige
Höhenzüge die Verbindung mit den Vogeſen und
dem niederrbein. Schiefergebirge ber, von denen
abermals die öftl. Teile nicht u F. gebören. ige
man von den füpl. und öftl. agebirgen ab, fo
Knie zu fünf Gebiete: das Gentralplateau, das
arifer Beden, den Weiten, das ſudl. und das dftl.
iefland. Bon den rund 530000 qkm Flächen⸗
inhalt kommen 245 000, d. i. 46 Proz., auf Gebirge,
das andere auf Tiefland. Die geolog. Grenzen
treffen im allgemeinen mit ben orographifden zus
fammen: Die .. im D. (mit Ausnahme
des Juras) und im ©., das Gentralplateau und das
Bretonifhe Maffiv beiteben zum großen Teil aus
UÜrgefteinen, Granit, Gneis und kryſtalliniſchen
Sciefern, alles übrige aus jüngern; bedeutende
Berwerfungen erlitten die Pyrenäen und die Weſt⸗
alpen, an vultanifchen Ausbruchen ift das Eentrals
974
plateau überreih. Hier umlagern jüngere juraffifche
Schichten den — Kern fat auf allen Seiten
und fallen von dem höhern Gentraldom nad außen
hin ab. Die nörbl. Region beiteht aus tertiären
und jüngern Schichten; fie ruben auf öbern und
Altern Gebirgsſyſtemen und fallen nad innen zu
einem gemeinfhaftlihen Centrum, dem tertiären
Beden von Paris, ein.
Das Franzöſiſche Gentralplateau bevedt einen
über 80000 qkm großen ovalen Flädhenraum, deſſen
Längsachſe zwiſchen Caſtelnaudary und Avallon
etwa 500 km mißt. Ringsum fällt es er fteil,
weftli allmählich, zu —— oder Einſenkungen
ab. Vulkaniſche Ausbrüche, von denen außer den
Lavamaſſen viele heiße Quellen noch beute zeugen,
eine großartige Erofion und zahlreihe Einftürze
baben gewaltig an der großen Scholle gearbeitet und
fie in viele Glieder zerlegt. Ihre Mittelhöhe ſchwanlt
jwifchen 980 und 1300 m. Die Thäler find 300—
500 m tief eingefchnitten. Einzelne Gipfel erheben
ſich bis zu 1600 m. Im O. fteigt zwiſchen Privas,
St. Etienne und Toumon das Granit» und Gneis—
plateau von Vivarais mit feinen Waldungen und
erloſchenen Vulkanen fteil aus dem Rhönetbalempor.
Der einfache — wird an den Loire⸗
quellen durch die Auffchwellung der trachytiſchen und
onolithiſchen Mafien des 1754 m hoben Mont:
tzene und anderer Berge verändert. Während bier
neben den fruchtbaren Thälern Kegel an Regel zu
einer ber — * Berggruppen ganz F.s gedrängt
iſt, jeßen die baſaltiſchen Monts du Coiron eine Berg:
reibe zufammen, welche, füdöjtlich ftreichend, das hohe
öftl. vom niedern weſil. Vivarais (im Ardechethale)
ſcheidet. Im obern — und weſtwärts gegen
den Allier hin ſind die Monts du Velay von Baſalt
bededt, dagegen noch weiter weſtlich zwiſchen Allier
und Truyere haben die Montagnes de la —
ihren granitiſchen Kern von Bade aſſen
rein erhalten. Weſtlich breitet ſich zwiſchen Truyere
und Lot bereits die ſüdlichſte Stufe des Hochlandes
der Auvergne aus, gegen das Thal von Eſpalion
begrenzt durch die Randſchwelle der Montagnes
d'Aubrac. Im SD. von Mende werden die kryſtal⸗
liniſchen Hochflächen von den Granitbergen de la
Lozere mit dem Pic de Finiels (1702 m) überragt,
wo Lot und Tarn, Allier, Ardeche und Gard ihre
Quellen haben. Gegen SO. fenten ſich die Berge de
fa Lozere in der Gegend von Alais zu dem frucht:
baren Tieflande von Languedoc, im W. und SW.
fest der Jurakalk eine Reibe bel durdhriffener und
trodner Plateau zuſammen, welche insgefamt als
«Les Caufles» (f. Eaufjes) bezeichnet werden. Die
Gebirge am Südoftrand des Plateaus werben unter
dem Namen Gevennen (f. d.) zufammengefaßt.
Weſtwarts des Allierthals breitet fih das Hoc:
fand der Auvergne (f. d.) au. Seine Mittelböhe
ſchwankt von 1000 zu 650 m, aber die bafaltifchen
und trachytiſchen Durhbrüde bauen fi in pittor
resten Formen auf. Die Berge Pl in drei Grup:
en angeordnet, die der nörblihen, etwa 30 km
ngen, ſcharen fih um den Buy:de-Döme (1465 m),
die der 45 km langen mittlern haben den Mont:
Dore oder Puy⸗de⸗Sancy (1886 m), den höchſten
Bunt Mittelfrantreihs, im Centrum, und als die
füdlihe ift der gewaltige Gantal (f. d.) anzufeben
deflen bafaltifher Gipfel Le Plomb du Gant
1858 m erreicht. Die Berge der Auvergne find teils
unverfebrte Kraterberge, teils glodenförmige Buys.
Auch Maare fehlen nicht (Lac Pavin). Die Über
Frankreich (Bodengeftaltung)
gänge zu den anliegenden Tieflandichaften werben
auf drei Seiten durch Terraffengelände vermittelt,
und zwar im N. zum Orldanats durch die Terrafien
von Bourbonnais und Berry, im W. und SW. zu
Angoumois und Guyenne durd die Terraſſe von
Limoufin und füdlich zum öftl. Guyenne, und den
Thälern des Lot und Tarn durch die Terrafie von
Rodez. Dftwärts finkt das Hocdland zum Thal-
beden des obern Allier ab, das als «Zimagne» eine
der fruchtbarften Landihaften bildet. Von dem
Loirebeden von Montbrifon ift fie durch die bemwal-
deten und granitijchen Montagnes du Forez ge
trennt (Bierre:fur: Haute 1640 m), die jenfeit des
zer ontoncel (1292 m) zu den porphyriſchen
Gipfeln de la Madeleine übergeben, bevor noch die
—— Tertiärſchichten von Loire und Allier zu der
anftwelligen Thallandſchaft der Besbre ſich ver:
einigen. Der Zufammentritt von Loire und Allier
ift erſchwert durch die vorlagernden Kallplatten von
Nivernais, welche den Übergang zwifchen den Ter-
rafjen von Bourbonnaid und Morvan vermitteln.
Zen Nhöne und Loire finkt das Plateau vor.
ivarais zu dem Kohlenbaſſin von St. Etienne ab.
Nordwärts diefer Senle erhebt ſich die breite oſtl
Randſchwelle zu den Gebirgstetten von Lyonnais
und Eharolais. Ihre mittlere Höbe erreicht 650,
der höchſte Gipfel jübmweftlich von Tarare 1004 m.
Wie die Senke von Etienne zwiſchen Rhöne und
Loire eine natürliche Sudgrenze, fo ift für die Ketten
von Charolais die Sente des Canal du Eentre eine
natürlihe Norbgrenze. Diefe ſcharf eingefurchte
Senke eignete fih zu einer ea erw zwi:
ſchen ſud- und norbfranz. Mittelgebirgsiviteme,
wenn nicht das —— auftauchende Berg⸗
land von Morvan (Mittelhohe 500, Bois du Roi
902 m) noch vorherrſchend dem Granit und Borpbor
angebörte. An jeinem Mejtbange entſpringt die
DVonne. Das Innere birgt Eijen und Steintoblen:
die Thäler find, wenngleich fleißig angebaut, wenig
ergiebig. An das Eharolaiägebirge ſchließt ſich —J
feit des Canal du Centre die Coͤte-d Or an, welche
zwiſchen Dijon und Chagny mit ſteilen Beinter:
raſſen aus dem burgund. Tieflande zur mittlern Höbe
von 430m, im Bois⸗Janſon zu 636m Höbe uff eigt.
Jenſeit der Eöte-d’Dr beginnt das Pariſer
(f.d.). Hier lagern die tertiären Gebilde gleich ein:
ebogenen Schalen übereinander, die Außenenden
rechen oft ſcharf ab und bilden konzentriſche, mit
der Steilfeite von Paris abgewendete Wälle. Tiefe
Riſſe durchkreuzen das Baſſin und gewähren zumeift
den Waflerläufen Abfluß zum Seinethal. Die Natur
beftimmte Baris zu einem Mittelpunft und die ge
—5 twidlung hat dem entſprochen.
. deö Beckens erheben ſich die Granit: und
Graumadenplateaus des norbweftlichen 5.4. Diefe
werben durch das Tiefland von Anjou und Nantes
und die bretagnifche Sente der Bilaine und Rance
in drei Hauptgruppen zerlegt. Die füdl. Gruppe
umfaßt Hoch⸗Poitou und die Vendee und fteigt bei
Eivray aus der Sente von Nieder: Boitou empor.
Sie ſtreicht 200 m hoch in norbweftl. Richtung zwi
ſchen St. Mairent und Eliffon und erreicht in den
gerundeten Hügeln und Platten des Vendeer Bo-
cage, den Hauteurs de la Gatine (Mont: Maldus),
285 m. Die Bodenfenle zu Seiten der Nance und
Bilaine, zwiſchen der Bucht von St. Malo und ver
Loiremündung, ſcheidet die beiden nordl. Gruppen.
Die weitl. Gruppe bildet das Bergland der Bro
tagne (f. d.) imengern Sinne. Es beitebt aus Gneis
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Frankreich (Bodengeftaltung)
und Glimmerfciefer, worüber paläozoiſche Forma⸗
tionen jo lagern, dab fie, je jünger, um jo Hleinere
Flächen beveden; im archäiſchen und RKoblenzeit:
alter erfolgten Re bedeutende eruptive Ausbrüde.
Die u. öftlih vom Tieflande von Rennes wird
von der Weftnormandie mit der normann. Bocage
gebildet. Diefelbe ift dem bretagniihen Berglande
ähnlich, nördlich von Alencon im Walde von Ecouves
ve (417 m), aber nicht fo wild; von der Halbinfel
tentin trennt fie die tiefe Senke von Garentan.
Am N. des Pariſer Bedens bilden die Hügel von
Artois jenjeit der Somme einen leichten Übergang
u den flandr. Grenzhöhen, die 3 Arras und
— über 160 m, ſelbſt 207 m hoch, gegen das
Tiefland des belg. Flanderns ziemlih auffallend
abftechen. Hftlih von Arras fintt der Boden auf
44 km unter 160 —130 m — und gewährt zu
beiden Seiten der obern Schelde und des Kanals
von St. Quentin eine Verbindung zwiſchen dem
belg. Tieflande des Hennegau, dem Tieflande von
Vermandois und dem Dfethale Das Tiefland
von Laonnais und das anlagernde Hügelland von
Thierache zwiſchen Serre und oberer Dife trennt
das Horeler eden im NO. von der nieberrbein.
Thonſchiefer⸗ und Grauwackenlandſchaft, von deren
meitl. Teile, ven Ardennen (f. d.), nur 1570 qkm
der Sübdmeftabjentung in der Umgebung, von
Avesnes und die Ufergegend der Maas zwiſchen
Mezieres und Givet zu F. gehören. ,
Im O. wird das Pariſer Beden dur das Tief-
land der Champagne von dem oberrhein. Granit:
und Sandfteingebirge geſchieden. E3 gehört aber
nur ber Teil zu F., defjen Übergang zum norbfrang.
Eentrum durd die Plateaus von Lothringen ver:
mittelt wird. Wenn man ben zerftüdelten öftl. Steil⸗
rand des Pariſer Bedens als erjte Berteibigungs-
mauer für Paris betrachtet, jo kann man auf dem
Mege zum nördl, Elſaß noch fünf folder ſtrategiſch
bedeutungsvoller Naturmauern verfolgen. Die tie:
fen Kreideflähen der Champagne erheben fe in
dftl. und füddftl. Richtung gang allmählih und
brechen mit überhöhung von 65 bis 100 m ziemlich
ſcharf ab. Diefer Abbruch bildet die zweite Vertei:
digungämauer für Paris, am ſchwächſten aus:
geprägt zwifhen Vitry und Troyes, am ſtärkſten
zwischen Troyes und Joigny, mo er mit dem Süd:
rande ber Fordt —** ammenfällt. Die ſchmale
Sandſteinzone von Vallage, Perthois und Rethelois,
welche die Champagne umſchließt, iſt nur in dem
nörbdl. Zeile zwiſchen Varennes und Ste. Menehould
amen der Argonnen (f. d.) als dritte
Mauer ſcharf ausgeprägt, im fühl, Teile dagegen
wenig hervorragend. Der äußere öftl. und jüdöftl.
uß der Sandftein one wird durd die Lage von
igny, Varennes, Elermont, St. Dizier Sup und
Bendeupre bezeichnet. Weiter oft: und jübojtwärts
tommt bie juraffifche Unterlage ald Bergland von
Meftlotbringen 5 größerer — Fir die
Gliederung des Bodens find bier die Thalfurchen
von Maas und Moſel mit ihren waldgekrönten
Bergen maßgebend. Die Maasberge find am bödı
en auf dem rechten Ufer und bezeichnen mit ihrem
charfen Djtrande (von Damvillers über Toul nad
fhäteau) die vierte Verteidigungsmauer für
Paris, während eine fünfte durch die Mofelberge
gebildet wird, die von 2 bis Nancy am rechten,
von Nancy big gegen Epinal am linten Ufer ftreihen
und im SW. in die Monts Faucilles und das
Plateau von Langres übergeben, fo daß entlang
975
der Linie von Epinal bis Dijon die Abbrüdhe vers
folgt werden können, welche dad Saönegebiet von
dem Maas: und Seinegebiet, das burgund. Tiefs
land von den äußerten Schwellen des Pariſer
Bedens trennen. Im O. der Mofelberge breitet fich
in der Höhe von 200 bis 350 m das Plateau von
Dftlothringen aus, angelehnt an die Vogeſen, welche
von a ar —— —— bis Cirey
wer eurtbeset:Mofelle) als die öſtlichſte und
ehite Verteivigungämauer für Paris angeleben
werden fann. t ihr ſüdl. und mittlerer Zeil, in
deren Kern das kryſtalliniſche und paläozoifche
Grundgebirge zu An tritt, gehören mit ihrer all»
mäblid abfallenden Weſtſeite zu J. Sie find ftarl
bewaldet, taub, waſſerreich; auf ihrem Weſthange
haben ſich hinter den Endmoränen einftiger Gletſcher
in 660— 780 m Höhe prächtige Seen gebildet. Im S.
In fie vom Schweizer Jura durch das Senkungs⸗
eld der hiftorifch bedeutfamen Burgundifchen Pforte
(Trou6e de Belfort) ——— 342 m Höbe er⸗
reicht dort der Rhein⸗Rhoͤne-Kanal die Waſſerſcheide.
‚Das Saönethal, das Rhönethal und provengal,
Ziefland reihen ſich als Glieder des dftl. Tieflandes
aneinander, und an den flüften des Mittelmeers
ührt das Tiefland von Languedoc hinüber zu den
lachlandſchaften und Ziefebenen der Gascogne,
welde das fühfranz. Tiefland ergänzen und die By:
renden von bem franz. Mittelgebirgslande trennen.
Dieſes große ſudweſtfranz. Tiefland, welches das
Gentralplateau in weitem Bogen umgiebt, ift vor:
wiegend aus Schichten der Tertiärzeit, in welcher
das Garonnebeden und die Ebene von Languedoc
zwei durch die heutige Senke von Gaftelnaudary
verbundene Meerbufen waren, in nahezu ungeitör
ter Lagerung gebildet. Weiter nörblih, an der
Dorbogne —* ſich etwas ältere Ablagerungen,
die ſch eßli in die Kreidefelder an der Charente
übergeben, welche zum Juragebiet von Poitou hin⸗
ub ren. Wo am Nordfuße der Pyrenäen eine
große Anzahl Fluſſe ftrahlenförmig von einem ger
meinfamen Quellgebiet aus abfließen (Gave de
Pau, Adour, Baife, Gerd, Save, Garonne und
ihre zahlreichen Nebenflüfie), da breitet fih ein ge:
waltiger Schuttlegel eiszeitliher Gletiher aus. Das
Gebiet aber, das zwifchen diefem Flußfächer und
der Küfte liegt, ift von den Landes (f. d.), fumpf:
reihen Heide: und Waldeindven, die an der Küfte
Dünen und Strandfeen Bla maden, erfüllt.
Bon den Pyrenäen (f. d.) gehören zwar die ſtul⸗
minationspunfte Maladetta, Mont: Berdu u. f. m.
u Spanien, aber die an großartigen Naturjhöns
hie reichiten Teile Bogen auf franz. Seite. Hier
er find zu rechnen im W. der Garonnequelle die
Zugerung des Pic du Midi de Bigorre und die
Thäler der Gave de Pau, d’Dloron und d’Aipe,
welche in Bearn dem Mont: Berbu, dem Bignemale
und dem Pic du Midi d' Oſſau vorlagern. Die Ges
birgslandichaft von —FJ zwiſchen Garonne und
Aude iſt beſonders wild in der Umgebung des Pic
de Montcalm. Im O. (zwiſchen Aude und der
Küfte) gelangen der 2785 m hohe Mont⸗-Canigou
und die Corbieres zu felbftändiger Entfaltung,
welche mit ihren Sübterrafjen die Küftenebenen von
Perpignan und Narbonne beichränten.
Der Jura (f. d.) gehört feit der Einverleibung
Savoyens au mit dem Sübende zu F.
Auch von den Weitalpen find feit 1860 zwei
Drittel franzöfifch. Dieſes Grenzgebirge (die franz.»
ital. Grenze läuft faft immer auf dem waſſerſchei⸗
976
denden Hauptlamm bin) beſteht zu einem guten
Zeile aus altkryſtalliniſchen Gefteinen, die wohl | flü
noch zur mittlern Kohlenzeit mit denen des Gentral:
plateaud zufammenbingen, bis beide durd Ber:
werfungen getrennt wurden. fein zweites Gebirge
Ri bat jo gewaltige Störungen erfahren wie bie
eitalpen. (S. Alpen und Weſtalpen.) Man unter:
ang auf franz. Gebiet Eottiihe und Grajiſche
pen des Innern, See:, Dauphine- und Savoyer
Alpen des äußern Gneiszuges und die Franzoſiſchen
Raltalpen (Provence⸗, Dröme:, Jura: und Chablais⸗
alpen). Monte:Bifo, Mont:Belvour, Mont-Jieran
und der hoͤchſte Alpengipfel überhaupt, der Mont⸗
blanc * m), liegen in F.
Senjeit der Südgrenze der Weftalpen, die in den
Thälern des Verdon und Ejteron gegeben ift, werben
über 11000 qkm der Provence von einem nichtalpi:
nen Berglande erfüllt, deſſen Gipfel felten 1000 m
überfteigen und deſſen —— — LEſterel,
Montagnes des Maures, —* de la Ste. Beaume),
teils aus Kalk, teils aus Sandſtein, teils aus Por⸗
pbyr beſtehend, oft unwirtlichen Charalter jeigen,
während einzelne der Hüfte zugewandte Abhänge
ſudl. Vegetation und Terrafjenkultur aufweifen.
Eorjica (f. d.) gebört geographiſch zu ien.
i —— Die fünf — Stromgebiete ſind
bie der Loire, Seine, Garonne, Rhöne und des
Rheins mit Maas und Scelve. Die zwei legtern
ehören mit ihrem Unterlauf, die Rhöne mit dem
berlauf nit 5. an. Die Loire hat 1002 km Länge
und ein Stromgebiet von 121 000 qkm. Dann fol:
gen Rhöne mit 810 km Länge und 98900 qkm
Stromgebiet, Seine (705 km, 77800 qkm) und
Garonne (600 km, 84800 qkm). Flüſſe zweiten
Ranges find Somme und Orne, Bilaine, Eharente
und Adour, Aude, Herault und Bar. Zahlreich
jind die Kü tenflüffe. Der im allgemeinen nord:
weftl. Abdachung des Bodens entiprechend, drängt
der große Teil der fließenden Wafler dem NW, zu:
drei Hauptjtröme münden in ben Alantifden
Dcean, nur einer ind aeg ge Meer. Ebenſo
entipricht eö ber Bodengeftalt, dab ſämtliche Strom-
ebiete dur ein entwideltes Kanalneß (f. unten
erlehrsweſen) ohne große Schwierigfeit mitein-
ander verbunden werden konnten. Aber fo vorteil:
a. Verteilung der gerry mit wenig Aus:
nahmen ift, die meiſten derjelben unterliegen in:
folge der maßlofen Entwaldungen in ihren Quell-
und Zuflußgebieten großen Schwankungen ihrer
—— und können daher nur mit Muhe und
großen Roften in leidlich ſahrbarem Zuftand erhalten
werben. In Bezugauf die Schiffbarkeit jteht die Seine
obenan, ber er fte und am wenigjten zu men
peneigte Strom —* Das bantt fie neben der reich⸗
ihen Bewaldung ihres Zuflußgebietes befonders
der Durdläffigleit und dem geringen Gefälle der
Bodenſchichten der durchfloſſenen — Da⸗
er ſind auch viele i eben: und Zuflüffe gut
chiffbar, wie Marne, Dife, Aisne, Yonne und Eure.
Die Loire dagegen hat einen außerordentlich wechſeln⸗
den erſtand und überdies in ihrem Oberlauf ſehr
ſtarkes Gefälle; ihr Duellgebiet find die meift wald:
armen, wilden Gebirgäglieder des Gentralplateaus.
Die Schiffahrt, die bei Noanne beginnt und zwifchen
igoin und Briare, wo das Flußbett nicht mehr
zu forrigieren ift, den begleitenden Kanal benust,
wird auch durch Inſeln und Sandbänte unbequem.
Von ihren Nebenflüfien fließen Eher und Vienne,
Mayenne und Sarthe rubiger und find darum der
Frankreich (Gewäfjer. Klima, Pflanzen⸗ und Tierwelt)
Schiffahrt nützlicher. Auch die Charente, die Hüften:
jie der Bretagne und Normandie, wie Bilaine,
Aure und Orne, ſowie die Store-Niortaife baben
bei aa Gefälle ziemlich gleihmäßigen Wafler:
ag er Adour ift von St. Sever an ſchiffbat.
ie Garonne gehört zu den verbeerendften Fluſſen
ſowohl infolge ihres bedeutenden Gefälles, welches
— Kr: — Kies⸗ — ger ver:
anlaßt, ala infolge ver großen Schwankungen
ihrer Wafjermenge. Lebbaften Schiffsverleht bat nur
die Gironde, bie unter dem Einfluß von Ebbe
und Flut ebt; die eigentlibe Garonne ſteht noch
unter der Rhoͤne, dem der Wafjermenge nach eriten
Strom des Landes. Günftigere Verhältniſſe als
die Rhöne zeigen Saöne und Doubs, vie ftarte
Schiffahrt aufweifen. Herault und Aude baben
wegen ihres Gefälles und ihres ———— in
regenarmen Zeiten keine Bedeutung als ſſer⸗
ſtraßen. Die Somme dagegen iſt faſt auf ihrem
anzen Laufe ſchiffbar; die nur in ihrem Oberlaufe
Fluſſe Schelde, Maas (mit Sambre) und
ojel (mit Meurtbe) werden viel benust.
auch die Karte: Die Schiffabrtsftraßen in
Frankreich, beim Artikel Frankreich, Bo. 17.)
An Seen iſt F. arm. Außer den Etangs (f.d.) an
den Küften find nur zu nennen: der Pac de Grand»
Lieu füdweftlih von Nantes, der Anteil am Genfer
See und die ſchönen Alpenjeen von Bourget und
Annecy. Durh Reihtum an Heinern und
Zeichen find die Landichaften Breſſe zwiſchen Won
und Bourg und die Sologneim ©. von Drldans aus-
gezeichnet. In den Vogeſen finden ji einige hoch⸗
gelegene Seen, z. B. der de Gerardmer.
Klima ri ng und Tierwelt. Das Klima
ift gemäßi t. Die Unterfchiede, melde die Aus
—— über neun Breitengrade bedingt, werden
dur Bodengeftalt und Bemwäflerung faſt aus-
egliben, jo dab im N. der mittlern Hochland⸗
64 die Jahrestemperatur 10—12°, im ©. davon
11—15° — Ganz F. hat im Jahresmittel
10° und zwar im Winter 1,8, im Sommer 17,3° C.
Von put ai Bedeutung find die ug zwi⸗
chen W. und D., bedingt durch den Atlantiſchen
cean, unter deſſen Einfluß der größte Teil des
Landes ſteht. Die warmen ſudweſtl. Strömungen
des Meerö und der Luft erhöhen die Temperatur
der BWeitküften, verlieren jevod je weiter nad D.,
defto mebr ihre ar daber ſenlen fidh die Yio
tbermen, wenn fie von W. ber in das Land eintreten,
mebr und mehr nad ©., h dab Ehberbourg (1,5° C.)
wärmer ijt als das etwas jüblicer gelegene Berbun.
Der Einfluß des Dceans zeigt vor allem in
der großen Milderung der Winterlälte und der Er:
niebrigung der Sommerwärme im weſtl
Breit —— viele Gewächſe in freier Erde, w
in ſudlichern Gegenden bei kältern Wintern nicht
fortlommen; aber Früchte, welche hohe Sommer:
wärme verlangen, reifen gar nicht ober erft jebr
ät. oſtl. Tei —— des Loirethals, wo der
influß des Meers faſt ganz verſchwindet, hat das
Klima einen mehr kontinentalen Charalier. Eine
erg per bonn das Rhönetbal ein. Be-
grenzt * die Tevennen und die Alpen, bilder
es einen Abzugslanal der kalten Luft der nörbL
Gebirge — dem erwärmten Beden des Mittel⸗
meers und erzeugt fo ven kalten trodnen Miftral
Die Feuchtigkeit, welche die Winde vom Drean zu
ar wird durch den —— Bau ſehrt ver:
chieden verteilt, fo dah an Niederfchlägen, deren
Frankreich (Einteilung und Bevölterung)
mittlere Höhe 770 mm beträgt, in den höhern Regios
nen der Pyrenäen, an den Quellen der Loire und
des Allier, auf den Gevennen und im ig
2000 mm und mehr Regen jabrie fallen. Mehr
als 1000 mm haben Ri, alle weſtl. Gehänge ber
Gebirge und das Hochland von Limoufin.
wenigſten Niederſchläge (400 mm) haben die Ge:
biete des mittlern Aisne und Aube —5* ihrer
Lage fern von — und Meer. (S. Regen:
tartevon Europa, beim Artikel Europa.)
An Gemwittern ift 5. im allgemeinen rei; doch
treten fie im ©. häufiger und meift auch heftiger
auf als im N. neefall tommt zeitweilig in allen
Landihaften vor; eine bauernde Schneebede gebört,
abgejehen von den Gebirgen, zu den Seltenbeiten.
einzelnen unterfcheidet man 7 klimatiſche
Provinzen, 4 fontinentale und 3 maritime: 1) das
Vogejenklima, ähnlich dem des mittlern Europas
mit Oft: und Norbojtwinden und normaler Entwid:
lung der vier Jahreszeiten; 2) das Barifer Klima,
an bie Kuſte reichend von Belgien bis zum Gap de
la Hague, fehr gemäßigt; 3) das bretonifche Klima,
vom Gap de la Hague bis zur Loire berrichend,
durch große Gleihmäßigteit —— 4) das
Gascognellima, von der Loire bis zu den Pyre⸗
näen, mit heißem Sommer, regenreihem Herbft,
ohne Schnee; 5) das Auvergner oder erg e
Klima, auf dem Gentralplateau, mit kalten Win:
tern, beißen, aber —— Sommern; 6) das
Klima des Rhöne- und Saönethals, das ſich an
das der Mitte, an das Lothringens und der Ar:
dennen anſchließt, mit großen örtlichen Unregel:
mäßigleiten; 7) das mediterrane oder provencal,
Klima, die Zone des Miftral. a
Die urfprünglihe Vegetation und die Kultur:
produktion des Landes in ungleich mannigfaltiger
und reicher geftaltet ala in Deutichland. Denn wäh:
rend die nörbl. und dftl. Hauptmafle von F. den
nünftigiten Teilen der mitteleurop. Flora angehört,
nimmt die Mittelmeerflora die Provence und das
Rhoͤnebaſſin bis Montelimar im N. ein, und bier
wird der Weinjtod feldmäßig gezogen, die Dlive
überall zu lichten Gebüjchen gepflanzt; bier bildet
die —— weißſchimmernde Haine, reifen in
den Parks die Zapfen der Cedern. Der Sudweſten
des Landes, von den Gevennen an über das Garonne-
ebiet und nördlich bis über den Unterlauf der Loire
Binaus, bildet Dagegen eine atlantifche Übergangs:
one zwifchen den genannten Hauptfloren, in der die
ftände der immergrünen Eiche (Quercus ilex L.)
dad milde Klima am deutlichften anzeigen. Die edle
Raftanie wächſt wild bis zur Champagne. Die
Fauna ift fehr mannigfad. N. eine verarmte
mitteleuropäifche, in welcher (z. B. in den Ardennen)
der Wolf nicht fehlt, wird fie im ©. fehr reich, indem
bier eine bedeutende Menge füdeurop.smediterraner
Formen und foldhe der Pyrenäen und Alpen binzu-
treten. Eine Froſchform, der Schlammtauder (Pelo-
dytes punctatus Daud.), ift bis jest bloß aus F.
befannt. (S. die Karten bei den Artiteln Pflanzen:
geograpbie und ————
inteilung und Bevölkerung. Bor der Revo:
lution war F. in folgende 40 Gouvernements oder
Provinzen eingeteilt: Jsleder France, Baris, Cham:
one, Lothringen mit Bar, Mes und Verdun,
oul und Toulois, Elſaß, Flandern und Hennegau,
Boulogne, Artois, Picardie, Sedan, Normandie,
Le Havre, Bretagne, Maine, Anjou, Touraine,
Dridanais, Berry, Nivernaig, Bour onnais, Bour⸗
Brockbaus' Konverfationd-Lerikon.. 14. Aufl. R.U VL
977
gone, Srandhe-Comte, Saumur, Boitou, La Marche,
unid, Saintonge und Angouldme, Limoufin,
Auvergne, Guyenne und Gascogne, Navarra und
Bearn, Wonnais, Dauphine, Languedoc, oig,
Rouffillon, Provence, Eorfica. (S. Hiftorifhe
Karten von Frankreich g. Um alle hiftor. Erin
nerungen und Einrichtungen jchon ihres Urfprungs
willen zu vernichten, ſchwenimte die Revolutionsflut
die alte Einteilung weg, und durch Beihluß der
Nationalverfjammlung vom 12. Nov. 1789 wurde
das Sand in 88 meift nad) den fie durchftrömenden
Fluſſen oder nach Gebirgen genannte Departements
zergliedert. Unter Napoleon ftieg die Zahl derfelben
auf 130, beträgt aber (1901) nur 87.
Diefe zerfallen in 362 Arrondifjement3 mit 2908
Kantonen und 36 192 Gemeinden. Dieje Einteilung
mar eine wohlthätige Reform, da die verſchiedene
Größe und das fi gegenfeitige Durchkreuzen ber
iftor. Gebiete mit oft abweichenden Privilegien die
jerwaltung erſchwerten. Dennoch iſt die alte Bros
vinzeinteilung im Munde des Volls nicht verdrängt
morben, da ſich an fie die — eiten ph
ſiſcher, induſtrieller und geſellſchaftlicher Verhältniſſe
viel enger knupfen als an die Departements. Das
Land bededt nach planimetrifcher Berechnung des
Kriegsminifteriums einen Flächenraum von 536408
qkm und hatte 1901: 38961 945 E. an rechtlicher,
88595500 E. an anmefender Bevölferung.
F. foll zur Zeit Heinrihs IV. (um 1600) etwa
12, und 1700: 19—20 Mill. E. gehabt haben, und
vor der Revolution wird die abt auf 25 Mill. ge
ſchätzt. Ein Gejeg vom 22. Juni 1791 verlangte
eine allgemeine Vollszählung; allein erft 1801 und
1806 wurden die eriten vorgenommen und ergaben
27349902 und 29107485 E. Sie fcheinen jebod
ebenſo wie einige nachfolgende mebr eine Schägung
geweſen zu fein. Die wirklichen Zählungen ergaben
an rechtlicher Bevölkerung:
1821: 30461875 €. 1872: 36102921 @.
1841: 34230178 » 1876: 36905788 »
1846: 35400486 » 1881: 37672048 »
1851: 35783206 » 1886: 38218903 »
1856: 36139364 » 1891: 38343192 »
1861: 37386313 » 1896: 36517975 »
1866: 38067064 » 1901: 3896145 »
Im J. 1860 wuds die Bevölterung durch die
Einverleibung von Nizza und Savoyen um 689000
Seelen, nahm aber durd den Berluft von Elfa
Lothringen 1871 um 1597000 ab. Bon 1881 bis
1886 betrug die Vermehrung 546 855 (1,25 Proz.),
von 1886 bis 1891: 124289 (0,22 Broz.), von 1891
bis 1896: 174 783 onen (0,48 Broz.), von 1896
bis 1901: 443970 onen (1,15 Proz.).
Hinſichtlich der Bevpolkerungsdichtigkeit, die
nur ſehr langſam — F. unter den europ.
Staaten (1900) an achter Stelle. 1821 kamen (an
rechtlicher Benölterung) 56, 1841: 65, 1861: 69,
1881: 71, 1886: 72,2, 1891: 72,4, 1896: 72,8 und
1%1: 74 €. auf 1 qkm. Die bichtejte (rechtliche)
Bevölkerung haben (1901) die Depart. Seine, Nord,
Rhöne, Belfort, Pas-de-Calais, Boudes : bu:
Rhöne, Seine⸗Inferieure und Loire, Geinezet:Dife,
Finistere; die bünnijte die gebirgigen und fandigen
epartementö Bafjed:Alpes, Hautes:Alpes, Lozere,
Landes, Eorfica, Hautes Marne und Gers, wo die
Einwohnerzahl ftändig abnimmt. (S. Karte: Die
A in Europa um 1900, beim Artitel
topa.
Die (rechtliche) Bevöllerung der Departements
beträgt:
62
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Hipes, Bafled- ..
Alpes, tes·
# Maritimes
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Loire, Haute . . .
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.». 7. nn.
Frankteich (Einteilung und Bevölterung)
541613
424 378
118142
278 153
625 336
5.000 316 699
6979 645 179
6811 371019
5226 240 403
5384 286 377
5170 132 151
7283 514 870
6411 500 052
8204 439 577
6258 232 057
5146 321 187
5275 466 417
6239 | 290384
7093 552 028
6887 333 899
5773 |1811 868
sBR5 | 404511
6143 339 162
6750 906 249
8004 555 078
1719 | 423572
4533 218 973
4141 203 387
2859 839 329
5374 272 891
8626 | 621237
6244 | 425077
6187 259 790
4597 165 872
479 15440514
6341 837 894
5888 359 044
5658 | 669098
6055 346 694
6276 | 543279
5780 | 339 827
3730 | 200 390
6044 309 191
3578 236 313
6971 441 735
7033 338 114
54% 375 724
5969 421 412
749 322 656
421 104 |
321 062 |
Dem Religionsbelenntnis nad maren
Einw
1901 auf | (1881) 29 201 703 Katholiken (78,50 Broz.), 692 800
1 a Evangelische (1,8 Proz.), 53436 Braeliten (die
= meijten im Depart. Seine), 33042 Anbänger anderer
5 | Glaubenäbelenntnijje und 7684900 Bern onen obne
ss Angabe der Religion.
16 ad) der Zählung von 1896 mar die Alterätlafir
# |von 15 bis 19 Jahren am ftärfiten, nämlich mir
% 3354105 Perjonen vertreten.
» Verteilung auf die höchſten Altersklaſſen:
- Grauen | Zujammen
4 JJ 581 130
140 D-di.. 0.020. 282 637
a 1 99...... 92 173
J do VE 20 959
r SW ..2.0.. 325
62 100 und darüber. . 176
J Der Nationalität nad iſt die Bevöllerung ein:
u —5* als die anderer Staaten. (S. Franzoſi ſches
4 olf.) Man unterjceibet: 1) die Wallonen im Norden
-- zu 5 PBroz., 2) die Bretonen in der Bretagne zu
3 3 Proz. 3) die Italiener im Sudoſten zu 1,1 Vroj.
57 4) die Baslen und Catalonier in den Pyrenäen zu
5 | 05 Broz., 5) die Jeraeliten zu 0,14 Proz., 6) Zigeu:
46 ner und Gagots zu 0,05 Proz. der Bevölterung, wo
109 nad) dem franz. Stamme, d. b. dem Miſchvolle vor
= unterjochten Galliern, angefiedelten Römern ums
3 fränl. Stämmen, 90,21 Bros. verbleiben, (S. Et hno⸗
17 graphiſche Karte von Europa.)
2 Der Staatsangebdrigleit nad) verteilte ſie
4 die (rechtliche) re —— auf 37490484
55 Franzoſen und 1027491 Ausländer, 1901 auf
5 | 37924167 Sranzojen und 1037778 Ausländer.
ꝛ Letztere bildeten 1881: 2,7, 1891: 3, 1896: 2,7, 1901:
u 2,7. Proz. der Gejamtbevöllerung. Während früber
= die relative Vermehrung der Fremdenbevölterung
9 die der Einheimijchen bis um das Zehnfache über:
54 traf, nimmt feit 1886 die Zahl der Richtfranzojen
= infolge der gewilie Gruppen der Ausländer zur
35 Naturalifation zwingenden Gefese ab. Bon den
z1 (1596) 1051 907 (555 384 männlichen und 496 523
J weiblichen) anweſenden Ausländern waren 395438
3 Belgier, 291886 Jtaliener, 90 746 Deutiche, 76819
6 Spanier, 74735 Schweizer, 36249 Briten, 26 206
9 | Zuremburger, 15251 Rufen, 28394 andere Eur»-
79 päer, 12337 Ameritaner, 1024 Afritaner und Afıa-
47 ten. Die Ausländer, vornehmlih in Paris und
- deſſen Grenzbezirten, verteilen ſich befonders auf
3 jolgende Departements (rechtliche Bevollerung):
142 - — — — ——
— Ausländer Ausländer
sı
ee. ms;
72 — en
FH Ürdennes |
— 55 u. 16.189) 16463
1068 Bouches » du⸗ 9 11943
185 Rhöme . erTesluıTastlfnäme... . „| 16301 11638
1 | gore.. . 19749] 11 543|Sansie 8929| 990
128 Doubs ... "9083| 10369
= @irondbe. . . . 1186 9216 1
5 Ben 11.026 nz Im) ss.
54 arme . . . 12018] Seineset>Dife | 18545) 16571
Meurthe = et» ar. ....] 33807) 298
a Moiele . . 36 179|Bosges 9397| 953
* Die meiſten Deutſchen (faft die Hälfte) leben in
7 | Paris, viele aud in den Depart. Meurtbeset:Mofele,
aa Vosges, Meufe, Doubs, Marne und Seineset:Diie.
Frankreich (Einteilung und Bevölkerung)
NRaturalifiert wurden 1896: 15197 Berfonen
(gegen 22642 i. J. 1894 und 17766 1. J. 1895),
darunter 8139 majorenne und 7058 minorenne, von
denen 786 nod nad erfolgter Volljährigkeit ihre
Nationalität beftimmen können. Die franz. Hoff:
nung, durch NRaturalifierungen die geringe Nata-
fität ausgleichen zu können, in bemnad nit in
Erfüllung gegangen. 1896 gab es 517000 Fran:
zoſen im Auslande (54000 in der Schweiz, 52000
in Belgien, 25000 in Spanien, 24000 in Deutſch⸗
land, 11000 in Stalien, 5200 in Rußland, 3000
in Ofterreich).
Hinfihtli der Berufsarten ift feit Mitte des
19. Jahrh. eine weientliche Verfchiebung eingetreten,
indem vor allem die Zahl der in dem Aderbau bes
fbäftigten Berjonen (von 10000 €. waren es 1856:
5294, 1891: 4573) und die der Inbuftrie treiben:
den (2907, 2500) abgenommen hat, wogegen bei der
Handel treibenden Bevölterung (453, 1039) eine Zus
nabme zu verzeichnen ift (ſ. Berufsſtatiſtik, Beilage).
Wie in den meiften Rulturländern, jo befteht auch
in F. ein Aug nad den aroßen Städten, fo dab die
ländliche Bevölkerung abnimmt; fie betrug 1846:
75,58 Broz. der Gefamteinwohnerzahl und ſank in
fünfjäbrigen Zeiträumen auf (1851) 74,4, (1856)
72,69, (1861) 71,14, (1866) 69,54, (1871) 68,94, (1876)
67,56, (1881) 65,21, (1886) 64,05, 1891 auf 63 und
1896 auf 61 PBroz.; die ftädtijche Dagegen jtieg von
(1846) 24,42 in denfelben Zeiträumen auf (1851)
25,58, (1856) 27,51, (1861) 28,86, (1866) 30,46, (1871)
31,06, (1876) 32,44, (1881) 34,76, (1886) 35,95, (1891)
37 und (1896) 39 Bros.
Während die Bevöllerungszunahme im ganzen
Lande 1891 — 96 nur 175 027 betrug, gewann die
Bevdlterung der Städte von über 30000 €, 327009,
bierunter Baris allein 88877 €.
F. befikt 36192 Gemeinden; von ihnen batten
(1901) 137 weniger als 50 €, (gegen 67 im. 1881),
10567 (1881: 8771) 51—300 E. 17564 (18565)
801-1000 €., 6521 (7287) 1001— 3000 €. Zwiſchen
3001 und 5000 €, hatten 787 (772) Orte, zwijchen
5001 und 10000: 347 (312), amifchen 10001 und
20.000: 146 (133) und über 20 000 €, 123 (90) Orte.
22 Städte hatten zwiſchen 50: und 100000 G., 34
Fe 30: und 50000 €., 15 waren Großftädte,
nämlich:
Paris... 2714068 E. Nantes... . 132990 €.
Marfeile. 491161 » | Le Saure... 130196 »
von ... 459099 » | Houen ... 116316 »
Bordeaur. 256638 » | Reims ... 108385 »
Lille.... 210696 » | Nijja.... 105109 »
Zouloufe . 149841 » | Nany ... 102559 »
St.Etienne 146559 » | Zoulon. ... 101602 »
Roubaig . 142365 »
Marfeille überflügelte feit 1896 Lyon; Nizza,
Nancy und Toulon famen zu den Großftädten hinzu.
Bevöolkerungsbewegung. J nr 1850,
1854 und 1861 betrug die Zabl der Cheſchließun—
gen 297700, 270900 und 305200; 1870 und 1871
ging fie natürlih zurüd (223700 und 262500),
nahm jedoch 1872 (352750) zu; ein Aufſchwung ift
aud 1884 zu erlennen, während fi von da bis
1890 (269332) wieder ein merkliher Rüdgang zeigt;
feit 1891 ift aber der Durchſchniitsſaßz wieder 7—8
Eheſchließungen auf 1000 €. Im Zeitraum 1888
—97 war der Durchſchnitt der Ehefchliehungen 7A
auf 1000 E.; die meijten Eben entfielen auf die
Devart. Seine (9,1; hier nur infolge der großen Zahl
979
der Erwachſenen, denn eigentlich wird daſelbſt ger
rade am menigften gebeiratet), Nord (8,2) und mit
8 Promille eo. Bas:de:Galaid, Allier, Loire und
Haute: Vienne; die wenigften in Baſſes-Pyrenées
8 Hautes:Pyrendes g 7), Savoie (6,8), Haute:
avoie (6,5), Hautes-Alpes (6,5), Corſica 9).
Alpes: Maritime (6,4) und Haute-Dlarne (6,4). Die
Babl der Eheſcheidungen belief ſich 1885 — 4277,
1891 auf 5750, 1899 auf 7179, 1900 auf 7157,
1901 auf 7741.
Die Zahl der Geburten nimmt feit 1801 regel»
mäßig ab; 1871—80 famen im Mittel auf 1000 €.
254, 1881—85: 24,6, 1887: 23,5, 1896 nur 22,7,
1898: 22,1 Geburten. der Zeit von 1888—97
tamen auf ganz F. im Mittel 22,8 Geburten auf
1000 E.; die hoͤchſten Werte erreichten die Depart.
—— (32,8), Pas⸗de⸗Calais (30,5), Nord (29,1),
orbiban (28,8), Seine: nferteure (28,2), Lozere
(28,1), Eötes:du-Nord (27,1), Corfica (27,6), Ardechbe
(26,4) und Bouches⸗du⸗Rhoͤne (26,2); die geringften
die Depart. Gers (14,4), Rot:et:Garonne (15), Donne
(16,5), Zarn:et:Oaronne (16,6), Lot (16,9) und Drne
(16,9). Unter den 859107 im %. 1897 geborenen
Rindern waren 399740 Knaben ebelih und 38543
unehelich, 383378 Mädchen ehelich und 37446 uns
ebelih neboren. Das Verhältnis der unehelichen
den ebelihen Geburten beträgt für Geſamtfrankreich
jaft 9 Proz.; im Seinedepartement entfällt auf 4 Ge-
urten eine uneheliche. Die Fruchtbarleit der Ehen
ift eine geringe und gebt aud zurüd. (S. Zwei⸗
finderjyftem.) In den %. 1881—87 famen im Durch⸗
ſchnitt auf eine Familie 3,09, 3,06, 3,08, 3,04, 2,98,
2,95, 2,91, 1891 gar nur 2,17 finder (1861—65 noch
3,08), in Öfterreih 4, in Preußen 4,1. Von (1896)
10845247 Familien hatten 1808839 feine Kinder,
26383752 batten 1, 2379259 hatten 2, 1593387
batten 3, 984162 batten4, 584 582 hatten 5, 331 640
batten 6, 28977 hatten 7 oder mebr; bei 234855
amilien fehlten Angaben über die Kinderzahl.
bgleich immer mehr Knaben geboren werden als
Mädchen (1898: 104,5 zu 100, bei totgeborenen 184
u 100), fo ift doch das meibliche Geſchlecht in den
Inätern Lebensjahren immer in der Überzahl. — In
ber geringen Zahl der Eheſchließungen und ber be:
ftändigen Abnahme der Geburten liegt der Haupt:
grundbafür,daßdernnatürlideBevölterungszumade
immer geringer wird und die Bevbllerungszahl viel
langfamer wächſt als in ben meiſten andern europ.
Ländern. Denn die Sterblichkeit ift eigentlich
gering und bat in den legten Jahrzehnten eher ah+
als zugenommen. Auf 1000 €. famen 1861—70
durchfenittlich 23,8, 1871—80: 23,7, 1881 —85:
22,3, 1886: 22,3, 1887: 22,1898: 21,» Sterbefälle.
n den J. 1888— 97 lamen auf ganz F. durch⸗
chnittlich 21,8 Sterbefälle auf 1000 E., die höchſte
Sterblichkeitsziffer erreichten die Depart. Bouches:
du⸗Rhoͤne (27,1), Seinerinferieure (26,7), Hautes:
Alpes (25,6), Ardeche (25), Finistere (25) und Bar
(23,4), die geringſte Allier (16,9), Eher (17,2), Indre
(17,3), Bienne (17,8), Landes (18,1), Deur-Stores
(18,3), Vendée (18,5), Ereufe (18,5) und Loir⸗et⸗
Cher (18,7). 1898 entfielen im Durdfchnitt 1042
Geburten auf 1000 Todesfälle — Die Zahl der
Selbftmorde nimmt in F. mit erſchredender Regel:
mäßigteit zu. Auf 1 Mill. €, famen 1827—380
durchſchnittlich 54 Selbftmorbe, 1846—50: 97, 1856
—60: 110, 1866—69: 136. Seit 1870 haben die
felben um 50 Bros. zugenommen. 1871—75 kamen
auf ı Mill. E. 150, 1881: 174, 1883: 191, 1885:
62*
980
208, 1886: 210, 1887: 210, 1888: 220, 1889: 218,
1890: 219, 1891: 232, 1892: 242, 1898: 236, 1896:
240 Selbſtmörder. Von den 9260 Selbſtmördern
des %. 1896 waren 2117 Frauen.
Benölterungöbemegung in den 9. 1886—1901:
RBebenb-
geborene
eichlie»
ngen
303 469 | 857 274| 40 746 | 784 876| 72398
Über die Auswanderung ſ. d.
Im ganzen haben feit 1801 nur 82 Arronbijie:
ment? eine Zunahme der Bevöllerung von 50 bie
100 Proz. zu verzeichnen; 19 haben ihre Einwohner:
abl mehr als verdoppelt, und zwar Ginfolge der Aus:
tung der Steinkohle, 7 find hervorragend gewerb⸗
thätig, 5 treiben Seehandel und eins ilt Paris.
Kolonien, |. Sranzefiihe Kolonien.
Landwirtfchaft. Die Lage in der Mitte der ge
mäßigten Die und zwiſchen mei Meeren und bie
—— ffenheit weiſen auf den Landbau als
Hauptnahrungsquelle hin. Die fruchtbarſten Gegen⸗
den finden im Norden (in der Umgegend von
Paris, im Mundungsgebiet der Seine und Somme
und an der belg. Grenze), ferner in der Vendée und
im Thal ver Garonne und der Rhöne. Die unfrucht⸗
bariten Teile find die Alpen, die Pyrenäen und das
Franzoſiſche Gentralplateau; ganz unproduftiv find
ferner die Landes füdlih von der Garonne, die
mit Sümpfen und Teichen bevedte Sologne (Boir:
et:Cher), der fteinige Boden der Erau (j. d.), die
Gamargue (f. d.), die Heibeftreden der Bretagne
und der debovden der Champagne: PBouilleuje.
Bon der Gejamtflähe find 26017582 ha Nder:
land, 9455225 ha Wald, 1843580 ha Weinland,
5816640 ha Wiejen und Auen, 478870 ha Ge
büj, 291825 ha Objt«, 77338 ha andere Gärten
und Parks. Bon dem nicht angebauten Boden
6 222 537 ha) entfallen 3889 171 ha auf Heiden und
iehweiden, 1958 750 ha auf felfiges, 328297 ha
auj —* Land und 46 319 ha auf Moore. Die
Bauten, Wege, Fluͤſſe, Kanäle, Seen u. ſ. w. be
anſpruchen außerdem noch 2296483 ha. 1884 wurde
der Wert des gejamten Kulturlandes vom Ader:
bauminijterium auf 91584 Mill, Frs. berechnet,
darunter 57600 Mill. Aderland, 14800 Mill.
Wieſen und Weiden, 6888 Mill. Weinberge, 6257
Mill. Wald und 3829 Mill. Frs. Gärten. Die
Grundjteuer bradte 1898: 400,1 Mil. Jrs.; davon
entfallen 251,6 Mill. auf nicht bebautes Terrain.
1898 zäblte man 9244762 bebaute Grundſtücke
(9102814 Häufer, 141948 Fabrilen).
Mährend die Zabl der Grundbeſitzer zur Zeit der
Revolution auf 4 Mill. geſchätzt wird, ſoll viefelbe
Frankreich (Kolonien. Landwirtichaft)
jest 8 Mill. betragen. Das Land ift in 135 Mill
einzelne Barzellen von 39a mittlerer Größe
Depart. Seine und Seineset:Dije von 20, in Yandes
von 81 a) zerteilt. Durch diefe große ——
zu welcher vorzugsweiſe das Princip gleicher
teilung b —— bat, ferner durch hohe Steuern,
ejteigerte tölöbne, Mangel an fapital und
edit ift die Landwirtſchaft in eine üble Lage
gelommen. Aud find nur 79,8 Proz. der ⸗
wirte wirklich Eigentümer, 13,5 Proz. find Pächter
—— und 6,4 Bros. Meier (metayers), melde
r die Bebauung des Feldes einen beſtimmten Zeil
des Ertrages beziehen. Hiernad gliedert fidh der
Boden in drei Teile, auf deſſen erften 59,8, auf den
zweiten 27,2, auf den dritten 13 Proz. entfallen. 3
dedt weder feinen Bedarf an Getreide noch an dei i
Seit 1885 verfucht die Regierung durch Einfubrzölle
auf Getreide, Mehl, Vieh und Fleiſch der Landwirt:
ſchaft aufzubelfen. Gleichzeitig tft man auch beftrebt,
durch Entwäflerungs: und Drainagearbeiten, durch
—— Kulturmethoden, durch Errich⸗
w
tung land chaftlicher Schulen, durch Aufforſtung
—— durch Einrichtung von Mufterjchäfereien in
ambouillet und
ut:Zingry ren und
einer großen Molterei in Eorbon (Calvados), durch
Ausftellungen und Auktionen von Zuchttieren die
Landwirtſchaft zu heben. Der Wert des Grund und
Bodens tft feit der Revolution um mebr alö das
Dreifache geitiegen. 1789 betrug der mittlere Kauf:
reis 500, 1850: 1275, 1879: 1830, 1889: 1700
ke. für 1 ha. Am böditen ftellt er fi in dem
epart. Nord, am niedrigiten in Hauted: Alpes. Seit
1881 beitebt ein eigenes Aderbauminifterium.
Nachfolgende Tabelle giebt eine fÜberficht über
Anbaufläcde (1000 ha) der mwidtigften Getreide
arten, und Ernteergebnis (1000 hl) für den Durd-
fchnitt der %. 1893 bis 1896 und das J. 1897, vie
Ein: und Ausfuhr im Specialbandel (Gentner) für
das J. 1897:
Ernteergebnis
Einfuhr |Austube
1 Im den Biffern für Weizen inbegriffen.
Dem Getreidebau, der widtigften Nahrungs
quelle, find ungefähr 29 Bros. des Bodens ge
widmet. In ben J. 1815— 35 wurden gewonnen
auf 1ha: 11,57 hl Weizen, 10,50 hl Roggen, 13,51 bl
Gerſte, 16 hl Hafer; 1856 —76 dagegen: 14,58,
13,35, 18,06, 22,83 hl und 1897: 18,19, 11,68, 16,w,
20,10 hi. Die wichtigite Getreideart ift der Weisen,
deiien Anbau und Konjum fortwährend fteigt. Die
ſtarkſten Ernten ergaben die J. 1872 (119), 1875
(133), 1879 (136), 1882 und 1894 (122), jomwie
1898 und 1899 (über 128 Mill. hl). Im 3. 1901
wurden auf 6789527 ha über 107 Mill. hl geerntet.
1820— 29 lamen (nad Abzug von 15 Bros. für Saat
forn) 156 1, 1840—49: 216 1, 1860 — 69: 230 |,
1880—86:: 269 1, 1887 —88: 2751, 1891 — 94: 23471
auf den Kopf der Bevölterung. Die reichſten Weizen:
ernten hatten 1897 die Depart. Nord, Bad:de-Galais,
Somme, Dife, Aisne, Vendee. Die Weizeneinfubr
(1900 meift aus Algier und Tunis) ift ziemlich be
Frankreich (Landwirtichaft)
deutend. Der Anbau des Roggen? ift zurüdgegan-
gen (1840: 2577000 ha, 1899: 1488900, 1901:
1398818 ha); die Ernte betrug 1897: 17, 1899: 24,
1901: 22 Mill. hl. Die ergiebigiten Roggenernten
batten 1897 die Depart. Morbihan, Buy:de-Döme,
Haute-Loire, Finistere, Ereufe und Cantal. Die
Kulturdes Meng: oder Miihtornes (halb Weizen und
balb Nopgen) gebt immer mebr zurüd (1840 wurden
11,8, 1862: 8, 1897: 3,1, 1899: 4, 1901: 3,ı Mill. hl
eerntet); die höchſten Ernten erreichten 1897 die
epart. Sarthe, Mayenne, Somme, Eöted:du:Nord
und Finistere. Gerfte wurde 1897 am meiften ge:
erntet in den Depart. Manche, Mayenne, Jlleset-
Bilaine, Marne, Pas: de: GCalaid und Curerets
Loir; 1899 in ganz F. 16, 1901: 14 Mill. hl.
Hafer, nad Weizen die ge Getreideart, ergab
1897 die höchſten Ernten in Pas-de-Calais, Seine
et:Marne, Eure⸗et⸗Loir, Somme, Nord und Aisne.
Die Ernte betrug 1880: 83,5, 1882: 89,7, 1886: 89,5,
1888: 84,5, 1891: 106, 1899: 95,30, 1901: 75,97
Pill. bl. Der Mais wä h bejonders am Adour
an der Garonne bis zur Eharente und in kleinern
Gebieten an der Saöne und in Burgund. 1897
lieferten am meiften die Depart. Bajjes: Byrendes,
Lotset:Garonne, Landes und Haute: Garonne.
Der Mais ift in der Getreibeeinfuhr 3.8 mit den
größten Mengen und Werten vertreten, allerdings
in abnehmender Tendenz. Buchmweizen wird nur noch
in der Bretagne, der nordweſtl. Normandie und ber
Landſchaft Breſſe ald Nahrungsmittel verwendet.
Hirje wächſt namentlich in den Depart. Aude, Lan⸗
des, Bauclufe und Gard. Die Broduttion der Kartofr
fein bat fih nach Erlöjchen der Krankheiten von 1830
und 1843 ſehr gehoben und ift auch jeßt noch im Zu:
nehmen begriffen. 1897 wurden 11,3» Mill. t auf
1548464 ha, 1899, 12,35 Mill. t auf 1564720 ha
eerntet und zwar (1897) namentlich in Dorbogne,
Eubmeretsakre Puyde-Döme, Vosges, Vienne,
Finistere und Morbiban. Die Trüffelaucht wurde
1900 beſonders in den Depart. Bauclufe (Ernte:
470 t), Lot (360 t), Bafles:Alpes (330 t), Dröme
(180 t), Dordogne (Perigueur, 160 t), die Zucht der
Champignons namentlich in den mittlern und ſüdl.
Zeilen betrieben.
Von den BARREISELARIEE werben jeit An»
fang des 19. Jahrhundert® Zuderrüben gebaut und
zwar in dem bevorzugten Norden, in einer Zone
von der belg. Grenze über Paris. Zuderfabriten
beitanden (1893/94) 367 (89 in Nord, 80 in Aisne,
59 in Somme), 1895/96: 356 mit 49971 Arbeitern,
1899/1900: 339, die (1899/1900) 7394 Mill. kg
Rüben verarbeiteten und 918,55 Mill. kg Zuder
gewannen; die Ausbeute betrug alfo 12,42 Proz.
1899/1900 überftieg die Ausfuhr die Einfuhr um
528,7 Mill. Kg. Der Verbrauch war 1899/1900:
14,29 kg pro Kopf der Bevölterung. Die Anbau⸗
släche betrug 253533 ha. Tabal wird in 25 Der
yartements, bejonders in Lot:et:Garonne, Dor:
dogne und Lot von etwa 60000 Pflanzern gebaut
(1897 auf 16831 ha 26.576 t). Der Hopfen (1897:
3601 t auf 2737 ha) gedeiht vorzugsweiſe in den
Depart. Eötev’Dr, Nord und Meurtheset:Mofelle;
jäbrlid müſſen für 7—8 Mill. Frs. aus Belgien
und Deutihland eingeführt werden. Der Flach
verliert immer mebr an Anbaufläche (1875: 80 000,
1880: 64000, 1899: 17594 ha) und wird aus Belgien
und Rußland eingeführt. Ebenjo muß Hanf, welcher
1897 auf 32843 ha gebaut wurde (Ertrag: 23330 t),
in großen Mengen eingeführt werden.
8 | meinen in 55
981
Der Obitbau ift febr bedeutend. Die Normandie
und Bretagne liefern Upfel und Birnen, aus mel:
chen Eider bereitet wird (Ernte 1897: 797 170,8 t
Apfel, Produktion 1898: 10637 436, 1897: 6 788 715,
1888— 97 durchſchnittlich jährlih 13658416 hl),
die Depart. Gironde, Meurthe:et: Mojelle, Haute:
Sadne, Tarn:et:Garonne und beſonders Lot⸗et⸗
Garonne Pflaumen (1897: 47617 t), die Depart.
Seine und Seineset»-Dife (Montreuil, Montmo:
rency) viel Kirſchen und Pfirſiche. Die Ausfuhr an
Früchten (eingemadte u. ſ. w. —— wertete
1885: 46, 1888: 43, 1894: 83, 1898: 30 Mil. Fre.
Die Raftanie, ein w * Nahrungsmittel für die
Bergbewohner in der Auvergne und auf Eorfica,
wird befonders in Armern Departements gezogen,
ihr Anbau nimmt aber immer mebr ab. Die Wal:
nußernte betrug 1897: 67431,8t und war —*
ders günftig in Lot, Dordogne, Correze, iere,
Dröme und Haute: Pyrendes, In den ſudl. Stri:
hen, von Bar an, wachen Drangen, Eitronen.
igen, Mandeln (etwa 300 000 hi & 20 Frs.), von
nne3 an einzelne Dattelpalmen. — Das meijte
Dlivenöl wurde 1897 in den Depart. Bar, Bouches:
du-Rhöne, Corfica und Gard gewonnen; der Öl:
baum (150000 ha Anbaufläde) reiht im Rböner
tbal bis nah Montelimar hinauf. Bon den andern
Olpflanzen lieferte — Raps —— 57299,
Rubſen 5564 und Mohn 8085 t Olſaat. Die Zucht
des Maulbeerbaums wurde 1897 befonders in den
füddjtlihen Depart. Gard, Dröme, Ardeche, Bau:
cluſe — betrieben und gab 212005 t Blätter.
Die Blumenpflanzungen in der Provence und in
Languedoc, aud in der Gegend von Lille, Caen und
Graſſe —— Blumenhandel und liefern äthe ˖
riſche Öle und —5 —
Weinbau. Der Anbau der Rebe iſt faſt über dar
ganze Land ausgedehnt und fehlt nur nörblid von
einer Linie Morbihan über Charttes nad Sedan.
3. übertrifft binfichtlih der Weinprobuftion und
vielleicht auch hinſichtlich der Güte des Weines alle
Länder der Erde. Die berühmteiten und geſuch⸗
il Sorten find die auf den jonnigen Hügeln der
Champagne bei Reims und Epernay wachſenden
Champagner (f. d.), die auf den Kallfelſen der Oſtſeite
der Coͤte⸗d Or erzeugten Burgunderweine (f.b.) und
der Medoc, welchen ein Streifen zwiſchen der Gi:
ronde und den Landes liefert. Zu den gemöhnlichern
gehören die von —— der Franche: Comte,
von Maconnais und Beaujolais, Untermedoc,
Languedoc u. ſ. w. —* J. 1788 ſchäßte man dad
gefamte zu Weinbau benugte Land auf 1568000 ha
mit einem Grtrage von 25 bis 30 Mill. hi; 1808
aben 1614000 ha Weinland 28 Mill. hl, 1850:
182000 ha 45,3 Mil. hi Wein. Durch die Verhee⸗
—— Oidium (f.d.) im Nr 1850 jantdas Befamt-
ergebnis 1855 bis auf15,2 Mill.hi herab. Sehr gute
Weinjahre waren —1* 1865, wo 68,» Mill., une
1875, wo 83,3 Mill. bl erbaut wurden. Seit diejer
Zeit ift aber die Ernte zurüdgegangen. Diefer Rüd:
ang rübrt bejonderd von den Berwüjtungen der
Reblaus ber. Diefelbe hatte von 1865 bis 180
63 Departements angejtedt und zwar gerade bie
beiten Weingegenven, jo daß 1888—90: 6000 Ge:
i Departements von der Vergüniti-
gung des Steuererlafies Gebrauh machten. Über
die Belämpfung der Phyllorera durch Neubepflan-
ung mit amerit. Reben u. j. mw. f. Reblaud. Der
ag erreichte 1860—69 im Durchſchnitt 50,
Mil, bl, 1870— 79: 52, Mill, hl, 1880— 89:
982
88 49 Mill. hl, 1890— 94: 35,15 Mill. hi, 1895—99:
86,78 Mill. hl.
1 81481 124
1886 | 1907550 | 80356234 | 16,
18837 | 1919878 | 235365 441 13,61
1888 | 1838360 | 30654153 | 16,
1889 | 1836881 | 24031771 | 13,08
1890 | 1816544 | 27416327 | 15,00
1891 | 1763374 | 30139000 | 17,00
1892 | 1782588 | 29082000 | 16,02
1893 | 1821155 | 50708000 | 27,
1894 | 1707274 | 39437000 | 23,00
1895 -| 1660939 | 26918000 | 1681
189% | 1640818 | 44044000 | 26,
1897 | 1623567 | 31943000 | 19er
1898 | 1706518 | 81730000 | 18,5
1899 | 1697734 | 47908000 | 28,
1900 | 1730451 | 67353000 | 38,8
Der Erntewert für 1881 beträgt nur ein Drittel
des durchſchnittlichen Jahresertrages aus dem Jahr:
zehnt 1870—79; er be 1891: 1009, 1895: 811,
1896: 1113, 1897: 755, 1898: 962, 1900: 1264
Mill. Frs., der mittlere Preis an Ort und Stelle
für 1 hl (1891) 23,05, (1895) 80,1, (1899) 25,48 rs.
Sehr bedeutend ift der Weinverbraud. Im Durch⸗
ſchniti des Jahrzehnts 1850—59 wurden 21,8 Mill.hl
(d. i. 0,6 hl pro Kopf), 1870— 79: 88,1 Mill. hip. i.
1 hl pro Kopf) verbraudt. Gin Heiner Rüdgang
infolge der gejtiegenen Preiſe trat feit 1880 ein;
1885 wurde der Berbraud auf 36,6, 1895 auf 31,7,
1897 auf 37,» Mill. higeihäßt. Bier und Kunſtwein
tommen mehr in Aufnahme. infolge des ftrengen
Geſetzes vom 26. Juli 1890 und der Erhöhung des
Zolld auf Rofinen fiel die Kunftweinproduftion bis
1900 auf 0,09 Mill. bl. Auch die Fabrilation von
Nachweinen (1900: 0,91 Mil. nimmt ab,
Der Ausfall in der Ernte muß durch gefteigerte
Ginfuhr (aus Spanien, Algerien, Stalien, Tunefien)
erjeßt werben. 1867 —76 wurden jährlich durch⸗
ſchnittlich 406200 hi ein» und 3283400 ausgeführt,
1882—91: 10,17 und 2,4 Mill. hi, 1895: 4,52 und
1,rı Mill. bl, 1899: 8,47 und 1,rı Mill. hl, 1900: 5,81
und 1,0 Mill. bi. Allerdings find die ausgeführten
Deine die bei weitem wertvollen ; ibr Wert erreichte
im Durchſchnitt der 3. 1880—84: 243,7, 1885—89:
248,5, 1895: 222,4, 1898: 218,3 Mill. Frö.; wäb:
rend vie Einfuhr fib auf 842,7, 434,3, 211,» und
309, Mill. Frs. ftellte.
In den Depart. Manche, Jlleret:Vilaine, Eötes:
du⸗ Nord, Seine:Injerieure, Eure, Calvados und
Orne wird viel Dbftwein oder Eider bereitet (von
1888 bis 1897 durchſchnittlich jährlich 13,66 Mill. hi).
1895 mwurben 25,59, 1897 nur 6,79, 1898: 10,64,
1899 wieder 20,84, 1900 über 29 Mill. hi gewonnen,
Das Marimum (1893) betrug 31,1, dad Mini
mum (1889) 3,7 Mill. bl.
Viehzucht. Die Wiefen: und Weidelandfhaften
find dur den Aderbau immer mebr eingeſchränkt
worden und beiteben aus (1897) 5601 156 ha natürs
lichen (Ertragömwert 998 Mill. Frs.) und 2600215 ha
Hünftlichen®iefen(Rlee und Quzerneanpflanzungen;
Ertragswert 528 Mill. Frs.). Die meiſten natür:
liben finden fib im Nordmeiten des Landes (Halb:
infel Eotentin und Umgebung) und in einem Land:
Frankreich (Landwirtichaft)
ftrih vom Jura und den ſüdl. Vogeſen bis in das
Gentralplateau hinein; künftlihe enıbält beſonders
die Picardie und Flandern. Der geringe Prozentian
bes MWiefenlandes gegenüber dem Aderland und ver
bedeutende Fleiſchverbrauch bewirkte, daß die Vieh⸗
zucht den Bedarf des Landes nicht dedt und beſon⸗
ders Schladhtvieh eingeführt werden muß.
Der Pferdezucht wird im Intereſſe der Armee
erböbte Sorgjalt — und der Staat verwendet
alljäbrli große Summen für fie. Die Stutereien zu
Le Bin in der Normandie und Rofidres in Lotbringen
liefern edle Baterpferde (1. Jan. 1901 Zabl der
Beihhäler 3087) zur Kreuzung mit Lanbpferben.
Gute Arbeitspferde find die Ardenner, Normänner
ie Boulogner und Percherons), Bretagner und
andr, Pferde, wäbrend fi die Limouſiner wegen
ibrer arab. Ablunft dur ſchöne Formen, die von
Vorbiban und Calvados durdy Ausdauer auszeich⸗
nen. Am 831. Dez. 1899 wurden 2917160 im
Dienfte des Pandbaues ftehende Pferde gezählt,
während die Geſamtzahl auf 3500000 geihäst
wird. Jedoch iſt der Pferdebeftand in den Departe:
ments des Nordens und Nordweſtens: Seine (Baris
batte 1884 außer den Armeepferden 71676), Fi:
nistöre, Cöted:du:Nord, Mande und in Mavenne
viel bedeutender als in den Departement der Aipen
und in Savoyen. Doch muß F. immer noch viel
Vierde einführen (1899: 28086 Stüd für 28,1
Mil. Frs. gegen 18,5 Mill. Frs. in der Ausfubr). Die
Hauptpläge für den Pferdebandel (befonders mit
Deutihland, Belgien und England) find Fecamp
und Fauville⸗en· Caux. In den gebirgigen Departe
ments werben beſonders Eſel und Waultiere ge
—* doch nimmt ihre Zahl ab. Während 1840
eim Aderbau nod 413500 Ejel und 373800 Maul:
tiere verwendet wurden, gab ed 1899 nur noch
857 820 und 204750. Bon lektern ift die Ausfubr
(8875 im Werte von 6,71 Mill. Frs.) befonders nad
Spanien bedeutend.
Die Rindviebzudt wird am ftärkften im Nord⸗
weiten betrieben fomwie zwiſchen Vogeſen, Jura und
Gentralfrantreih, zwiſchen Belfort und Limoges,
am ſchwächſten in der Dittelmeergegenb. 1897 wur:
den 13486519 Stüd (1823266 Dibien, 6444 238
Kübe, 301655 Stiere, 4917360 Kälber), 1899:
13650880 Stüd gezählt. Durd die Nilhwirtidaft
beionders im Norden wird viel Butter erzeugt und
damit befonders England veriorgt. Käfe und Butter
wurden 1899 für 47, Mill. Frs. ein- und für 76,»
Mill. Frs. ausgefübrt.
Die ER ift fo bedeutend, dab burd-
fchnittlid 45 Stüd auf 100 ha und 63 auf 100 €.
tommen. Gleichwohl hat fi (mie in den meiiten
europ. Ländern) die — vermindert und zwar
von 29,5 Mill. im J. 1862 auf 23,5 Mill. im J. 1882
und 21,36 Mill. im J. 1899. Bon den Schafen ge
bören, troß den Bemübungen der jtaatlihen Merino-
chäfereien zu Berpignan und Rambouillet, nur 13,3
roz. zu verebelten en. 1900 wurden 1 091 1%
tüd (beſonders aus Algerien, Rußland, Argen:
tinien, Deutfhland und Öfterreid : Ungarn) ein-
geführt. An Wolle wurden (1899) gewonnen:
43 Mill. kg im Werte von 55,7 Mil. Fre.
Die Zahl der Schweine beträgt (1899) 6305200.
Bei dem ſehr reichlichen Genuſſe von Schweinefleiſch
wurden immer mehr Tiere ein: als ausgerübrt
1877 —86 durdfchnittlic die doppelte, 1895 die
nffahe Zahl). Die Pyrenäen: und Champagnerafie
ind die geſchätzteſten. Die Zabl ver Ziegen wird
Frankreich (Fiſcherei. Forftwirtichaft. Bergbau und Hüttenwejen)
983 °
1899 auf 1504390 angegeben. Sehr verbreitet ift ' und 1870 waren ſchon 100000 ha neu bepflanzt
die Zucht von Kaninchen, deren Fleiſch als Speije
beliebt ift.
Federvieh bildet einen Ausfuhrartitel. Die
befannteften Arten find die von Gaur, La Fläche,
Erdvecoeur und die Eohindina: und Brahmaputra-
bübner. Die Eier werden beſonders nah England
vertauft. Die Ausfuhr (1898 für * Il. 518.)
übertraf die Einfuhr bedeutend. Die Bienenzucht
ift in manden Gegenden bedeutend. 1897 gab es
16008303 Bienenjtöde, melde 7316400 kg Honig
und 2147442 kg Wachs im Werte von zujammen
etwa 15 Mill. Frs. lieferten. Berühmt ift bejonders
der Honig von Narbonne und Crevecoeur.
Die Seidenzucht, vorzugsweiſe an den ind
Vlittelmeer gebenden Fluſſen ſowie an der Küſte
der Provence, liefert der Neger ein vortreffliches
und reiches Material. Infol e von Krankheiten des
Maulbeerbaumd und ber Seidenraupen ging der
Gefamtertrag der Cocons zurüd; er betrug 1854:
26, 1865: 5,5, 1882—98: 9,7, 7,7, 6,2, 6,6, 8,3, 8,6,
9,5, 7A, 7,1, 6,8, 7,7, 10, 10,6, 9,3, 9,3, 7,8 und
6, Mill kg. 1899 erzielten 128114 (gegen 1894:
154773) Züchter 6993339 kg, 1900: 186214 Zuch⸗
ter 9180401 kg. Am ertragreichiten (1899) waren
von den 28 Seidenjucht treibenden Depart. Gard
(2,1 Mill), Arveche (1,6), Dröme (0,) und Baus
clufe (0,7 Mil. kg Eocons). ,
Fiicherei. Die Seefifcherei ift bedeutend. Sie
beihäftigte 1895 über 155000 Menſchen (84325
davon auf Schiffen) mit 25 676 Schiffen von 154796
Regiftertond, 1898: 97720 aktive Seefifher auf
27230 Fahrzeugen von 166293 Regiitertond. Der
Mert des Ortenges belief fih 1888 auf etwa
87 Mill, Frs. und verteilte ſich me auf die
Häfen Boulogne, Fecamp, Fa Eroific, Dünlirchen,
Douarnenez, Zrouville, St. Malo, Granville,Auray,
Les Sables dDlonne, Gette, Baimpol und Duimper;
der Bruttowert des Ertrages 1898 war etwa 120'/,
Mill. Fro. Im er des großen Siihfange (la
ren öche), ber fich jekt auf den Kabeljaufan
eihränft, ftanden 1898: 484 Schiffe, die —
nach Neufundland (von den Kleinen franz. Inſeln
St. Pierre und Miquelon aus) und nah Island
fuhren, Sie hatten 9578 Mann Bejagung und brach⸗
ten —— 42,85 Mill. kg friſchen Kabeljau heim.
Bei Island wurden au gegen 500 000 Hummern
gefangen. Sehr gute Erträge hat der Sardinens
rang, deſſen Gebiet von der Bretagne bis zum Bis:
cayiſchen Meerbufen reicht; man erbeutete 1897:
50 Diill.kg Fiſche. Der Heringsfang brachte 1897:
47 Mill. kg (1886: 32,8 Mill), außerdem murden
1897 gefangen an Andovis 1,4 Will. kg (1886:
6,5 Mil. kg), an Mafrelen 11,1 Mill. kg im Werte
von 4,5 Mill. Frs. an Auften 29 Mill. kg; jerner
Krabben, Miesmuſcheln, Thunfiihe, Steinbutt,
Seezungen, Barben, Lachſe und Rochen. Sehr be;
beutend iſt die fünftliche ufternzucht, die ungefähr
10000 Männer, 15100 Frauen und 1300 Kinder
beſchäftigt und 1897 einen Ertrag von 967 Mill.
Stüd lieferte. Die Gebirgsbädhe der Alpen und
Vyrenäen find reich an Forellen; die Rböne lieiert
Barben und Hechte, jonft giebt es noch Karpfen,
Yale und Meipfifche.
bewaldet. Schen 1827 ſuchte die Regierung ber
Abbolzung und ihren folgen zu fteuern. Auch unter
}
er — — —
1891:1
Forſtwirtſchaft. Etwa ein Sechſtel des Landes iſt
Ludwig Philipp und beſonders unter Napoleon be⸗
ſchäftigte man ſich mit der Frage der Aufforſtung
und ſeitdem iſt der Waldbeſtand um 200000 ha
ewachſen. Während die Aderbauftatiftil für 1873:
357000 ha, für 1882: 9455255 ha (25 a auf 1 €.)
angiebt, findet man in andern Quellen für 1888:
9388000 ha verzeichnet. Das Depart. Landes ge:
bört zu den walbreichiten (47 Proz. des. Bodens),
dann kommen Bar (42 Proz.), Vosges (35 Proz.),
Belfort (34 Proz.), Gironde (34 Proz.), Artöge und
Yura (33 Proz.); die waldärmiten find: Seine
2 — Manche (3 Proz.), Bendee (4 —333.
nistere (5 Proz.) und Calvados (7 Proz.). Belannte
aldbezirke find der Wald von Fontainebleau
(17000 ha), der von Compiegne und der von Orleans
(87000 ha). Staatdeigentum find (1889) nur
1070477 ha; 1915370 ha gehören Gemeinden und
öffentliben Inſtituten und etwa 6,5 Mill. ha Privat:
leuten. Das durch die einheimifchen Wälder gelie-
ferte Hola (25,1 Mill. cbm) reicht für den Bedarf
(31,5 Mill. cbm) nicht aus; es wird viel Bauholz,
vorzugsweiſe Eihe und Tanne aus Schweden un
Norwegen, Rußland, der Schweiz, Deutſchland und
Öfterreich eingeführt. Der Wert der Einfuhr be:
trug 1890: 152 Mill., 1898: 135,0 Mil. Frs., der
Ausfuhr 28,8 und 41,5 Mill. Frs. Außer den ge:
wöhnliden Maldbäumen find namentlich daratte:
tiſch die harzliefernde und befonderd zur Be:
feitigung der Dünen im Südweſten angepflanzte
Seeitrandfiefer (Pinus pinaster Sol.), die Korteiche
in ber Gascogne und die vorzüglich auf dem Central⸗
plateau und in der Landſchaft Bivarais gebeibende
eßbare Kaſtanie. Nur in geringer Menge finden
ſich Hirſche, Rehe und Dammild. Der Bär hat ſich
in die Alpen und Pyrenäen — — auf ihren
palm Gipfeln lebt noch der Steinbod, während
uchſe beinahe verſchwunden find. Die ———
Gegenden ber Rhönemündung bergen noch Biber
Der Wolf ift in den großen Gebirgäwaldungen und
in Lothringen anzutreffen, doch werden, ſeitdem
1882 Prämien auf jeine Erlegung ausgeſeßt wurden,
jährlich ſtets weniger erlegt (1883: 1316, 1885: 900,
1889: 515, 1894: 245 Stüd).
Bergbau und Hüttenwefen. Am 1. Yan. 1897
betrug die Zahl ſamtlicher Bergwerte (einſchließlich
Algerien) 1463, welche 1213458 ha bededen; allein
nur 530 berfelben wurden (1897) abgebaut; fie
tten 160876 Arbeiter, und die Foͤrderung belief
ih auf 87 520360 t. Ton Metallen befigt F. nur
Eiſen in größerer Menge, doch bewirkt der Umſtand
baß bie michtigften Bager fich nicht (mie im England)
in der Nähe der Kohlen befinden, eine erhebliche
Verteuerung der Eifenprodultion. Hinter andern
eig Vereinigte Staaten von Amerita,
ngland, Deutichland) et in der Gewinnung
von Gifenerzen zurüd, obg eih in den Minetterzen
an der deutſchen — ——⏑———
ein für Thomasſtahl ſehr brauchbares Material in
Menge vorhanden tft. Die Menge der gewonnenen
nee (Bohnerze, Rot: und Brauneijeniteine
u.j.m.) bat, auch abgejeben von der Verminderung
jeit 1870/71, feit der Mitte des 19. Jahrh. abge:
nommen, wächſt aber neuerdings wieder. Sie be:
trug 1847: 3,46, 1866: 3,80, 1882: 3,46, 1888: 2,18,
1894: 3,77 und 1897: 5,08 Mill. t.
Die Zahl der Eifenbergmerte belief ſich 1807
auf 342 mit 9627 Arbeitern. Um den Verbrauch zu
deden, mußten bedeutende Mengen eingeführt wer:
ven. — 1897 gab e3 2147 Eifenbütten und 111 Hoch⸗
Öfen, darunter 101 mit Kolsbetrieb. Die Zabl der
984
legtern ift bedeutend zurüdgegangen, denn 1846
waren noch 628 in Thätigleit, Die Produktion an
Roheiſen betrug: 5
1850: 406 000 t 1890: 1962196 t
1860: 898000 » 1894: 2069714 »
1869: 1381000 » 1897: 2484191 »
1880: 1725293 » 1898: 2534427 »
1884: 1871537 » | 1899: 2578401 »
1886: 1516574 » 1900: 2699494 »
1888: 1683349 »
ganzen find bei —— von Roheiſen
21 Departements, am ſtärkſten Meurthe⸗et-Moſelle
—— 1897: 1545663 t), Nord (294.037),
aöneset:2oire (101170), Pas⸗de⸗Calais Y 548)
beteiligt. Die weitere Verarbeitung geſchieht in 42
Departements in 1205 Ofen und zwar vorwiegend
mit Steinlohlenfeuerung. Den größten Yard
t die Stahlfabrifation genommen. Sie ift (haupt:
ählih in den Depart. Loire und Saöne⸗et⸗Loire)
eit 50 Jahren etwa um das Hundertfache eye
und bat ſich feit 20 Fahren verdoppelt, fo daß F. in
diefer Hinfiht unter den europ. Staaten nur von
England und Deutſchland übertroffen, von Rußland
jedoch jept bald erreicht wird. 1882 wurden geliefert:
458238 t, 1886: 427589, 1890: 587360, 1894:
674190, 1897: 994891, 1898: 1138633, 1899:
1239660, 1900: 1264737 t. Im einzelnen wur:
ben erzeugt:
1897: 1900:
Robeiien ...... 2484191 t 2699494 t
Stahlingots .... 1325213» 1624048»
Eifenftangen ..... 704324» 680735 »
Eiſenſchienen 593 » 621»
Eijenblebe .... . 79049 » 63 956 »
Stablitangen 568998» 667171»
Stahl —— 191860» 295915 »
Stablblebe...... 234033» 301651
Im J. 1900 be der einheimiſche Eiſenver⸗
brauch 69,3, bie —* enprobuftion 71 kg pro Kopf
ber Bevölkerung. Der Handeldumfas betrug 1900:
Einfuhr: Ausfuhr:
a EEE 2119003 t 37179 t
Robeifen, Alteifen —* 322807» 487238 »
Eifen: und Stablfabrilate 90321» 92749»
An andern Metallen R d. arm. Kupfer wird
bauptfählih in Bas:de:-Calais und der Umgegend
von yon und zwar nur aus fremden Erzen erzeugt,
genügt aber dem Bedarfe keineswegs. Blei liefern
nur noch die Depart. Buysde:-Döme, Lozere, Hautes⸗
Alpes, Ille⸗et⸗Vilaine; die Bleigruben ber Bretagne
{ind erihöpft. Zinkerze (1898: 82100 t) werden
den Pyrenäen und in Gard, Mangan (31900 t)
in Hauted:Pyrendes und Sadneset:Loire gewonnen;
ferner finden ſich aud Antimon (4400 t), Bitumina
und Eijenpyrite. Um den Bedarf zu deden, müflen
von allen dieſen Metallen bedeutende Mengen ein:
geführt werden. 1900 wurden bezogen Robtupfer
61868, Blei 71556, Zinn 7456, Zint 35220,
Nidel 573 t.
An Steinkohlen ift F. wenn es aud) hinter an:
dern Induftrieftaaten zurüditebt, reich und zwar find
bie Lager ziemlich gleihmäßig über das Landverteilt,
wenn aud die vier Hauptreviere mehr dem Diten
des Landes zufallen. Diefelben find: 1) das von
Valenciennes (Pas-de⸗Calais und Nord) mit 1897:
17 831 250 (1900: 20884 175) t Ausbeute; 2) das
von St. Etienne (Loire und Rböne) mit (1897
3739108 t; 8) das von Alais (Gard und Ardeche)
Frankreich (Bergbau und Hüttenweſen)
mit 1894852 t; 4) das von Ereufot und Blanzy
Saöne:et:Loire) mit 1951213 t. Außerdem fin
ejonder8 noch die Beden von Aubin (Aveyron),
Commentry und Doyet (Allier), Braflac (Haute:
Loire, Buy «der Döme), Graiſſeſſae und Roujan
(Herault) zu erwähnen. rößten Braun:
toblengruben finden fi bei Faveau (Air) im
Depart. Bouches⸗du⸗Rhoͤne und Bar und bei ⸗
nols und Drange, in den Depart. Ardeche,
und Vaucluſe. Die franz. —— bededen einen
Geſamtflächenraum von 555103 ha und wurden
1897 in 287 Koblenmwerten abgebaut, in bener.
143381 Arbeiter befhäftigt find. Die Bergwerte
verteilen ſich 839 Departements, von denen je
doch neun nur Brauntoblen — — Die Kohlen⸗
ewinnung ift im 19. Jahrh. ſehr g en und bat
ich feit 20 Jahren etwa verbo Sie betrug
1787 nur 211,1802: 844, 1840: 3003, 1870: 13180,
1885: 19511, 1888: 22608, 1890: 26025 Tau⸗
fend t. r 1897 werben 30,798 Mill. t im Werte
von 334 Mill. Frs. für1898: 32,356, für 1899: 32,ses,
für 1900: 38,150, für 1901: 35 Mill. t angegeben.
Der Berbraud wuchs von 935000 t im 3.1802 auf
28 846 000 im J. 1880, 86653000 + im 1890,
37 389 500 t im J. 1897, 46548700 t im J. 1900.
Die franz. Roblenlager liefern alſo doch nicht genug
für den Gebraud, die Einfuhr ift daber ziemlich be-
deutend (1900: 14599950 t), während die Ausfuhr
dagegen gering ift (1900: 1201210 t).
ie Zahl der Torfgruben bat fi ſehr ver
ringert und ebenfo gebt ihre Ausbeute ſehr aurüd;
when fie1840: 500000 t betrug, fiel fie 1897 auf
98067 (1899: 99230) t.
Sehr groß find die Schäße an nugbaren Stei⸗
nen und Erden. Die Zahl der Steinbrüdr
Far“ auf33300 (mit 113000 Arbeitern), melde
r 164 Mill. Frs. Steine liefern und von welchen
4300 unterirdiich abgebaut werden. An Granit find
namentlich die Bretagne und die vorgelagerten In⸗
feln, an Syenit die Provence, die Alpen und Bore
näen, an Baſalt die vullaniſchen Gebietevon Eentral»
anfreih reih. Marmor (für etwa 5 Mill. Fre.)
iefern die Alpen und Borenden (M äulen von
Bagntred:de:Bigorre), Schiefer (etwa 5 Mill. Frs.)
die Umgegend von Angers und die Arbennen,
das Pariſer Beden. Dasjelbe bat au große Bor:
räte an Kalt: und Sanditeinen, während ſich bei
Belley, Ehäteaurour und Dijon litbogr. Steine, bei
Limoged und St. Yrieir Borzellanerde, bei Beauvais
und Montereau Fayenceerde und in ber agne,
in Burgund und in Isle⸗de⸗France Ziegeltbon in
Menge findet. Einige Gegenden (beſonders Bas:
de:Galais, Somme und Meufe) find reich an phos⸗
phorfaurem Kalt. Die Produktion hat ſich in den
legten Jahren bedeutend gefteigert, weil der Kalt
vielfad zur Verbefjerung des Bodens u. ſ. w. Ber:
wendung findet. Oteinlalj (1899: 585488 t) wird
bejonders in den Depart. Doubs, ‚Niederpure:
nden, Haute-Sadne und hauptiählih in Meurtbe:
et:Mofelle gefunden. Die Zahl der Steinſalzwerle
belief fib 1899 auf 41. Die Salzjeen und Teiche
(etwa 24072 ha) find auf fieben Departements am
— und auf ſechs am Atlantiſchen Deean
verteilt.
Die Mineralquellen finden ſich beſonders ar
den Grenzen ber Urgebirgämafien, namentlib in
den J— (426 Quellen und 93 Etabliſſements),
den Alpen, den Bogefen und der Auvergne. m
Juli 1882 wurden ihrer 1027 (318 ſchwefelhaltige,
Frankreich (Induftrie)
857 altalifhe, 136 eifen: und 216 falzbaltige) ges
zählt, von denen 386 alte (6—15°) und 641 warme
15—81°), welche insgeſamt in der Minute 46400 1
je lieferten. 1891 waren 1257 vorhanden. Die
gab der benugten Quellen, die (1891) von 290000
ranlen beſucht wurden, ift in neuerer Zeit jehr im
Steigen begriffen. Bon den 251 Mineralbädern
nd bie berübmteiten: Air, Bardge, die beiden
gneres, die beiden Bourbon, Cauterets, Dar,
Engbien, Das ei eur. Plombidres und St.
Sauveur, Vichy, Neris, Eontrereville und Buſſang.
65 Mil. Flaſchen Mineralwafjer wurden verjandt.
Induſtrie. Diefranz. Induſtrie erfuhr zwar ſchon
in frühern Jahrhunderten bejonderd durch die Bes
mübungen Golbert3 eine bedeutende Förderung,
wurde jebod durch die vielen Kriege und vorzüglich
durd die Aufhebung des Edilts von Nantes (1685),
die viele fleißige und gejhidte Arbeiter zur Aus:
wanderung veranlaßte, in ihrer Entwidlung auf:
gehalten. Die feit mebr als 200 Jahren beiteben:
den Schußzölle haben einzelne Induſtriezweige ſich
fehr kräftig entwideln lafjen, und der neueite Zoll:
tarif (11. Jan. 1892), der in einen Marimal: und
einen Minimaltarif zerfällt, enthält weitere zum
Zeil beträchtliche Erhöhungen.
Seit der Revolution find alle Sunte ge
es beiteht volljtändige Gewerbefreiheit, es edarf
nur der Loſung eines Gewerbepatents, welches all-
jährlich erneuert wird. Der Staat, fpeciell das
Handeläminifterium (Ministöre du commerce et
de l’industrie), überwadht nur das Verhältnis der
Gewerbtreibenden zu den Hiljsarbeitern, die Ar
beiterverhältniffe, befonders die Frauen: und Rinder:
arbeit in den Fabrilen, die Anlage der legtern, den
Betrieb der für bie Gefundbeit nadteiligen Ges
merbezweige u. |. w. Zur Förderung der Induftrie
beiteben die 60 Gewerbelammern oder Chambres
consultatives des arts et manufactures, die 1801
—— Société d’encouragement pour l’in-
ustrie nationale zu Paris, welche Preife und Me:
daillen verteilt und monatliche Bulletins veröffent:
liht, und das Conservatoire national des arts et
metiers (f. d.) in Paris. Der Bermittelung der
Arbeitsgelegenbeit dienen (1898) die Centralarbeits⸗
börje (Bourse centrale du travail) in Paris, 1887 ge:
gründet, ſowie 54 andere in Provinzialftädten, davon
3in Algerien. Zur Schlichtung von Streitigfeiten in
Arbeitertreijen beftehen die Conseils de prud’hom-
mes mit je 26 Mitgliedern (13 Arbeitgebern und 13
Arbeitern). Sie entſchieden 1897: 51326 Fälle,
darunter 32926 Tohnangelegenheiten. Außerdem
giebt ed noch 4502 Syndilatätammern für In:
duftrie und Handel, 1897 wurden 12550 Patente
erteilt oder verlängert, 10096 Fabrik⸗ und Han:
delömarten eingetragen, 64871 Warenzeichen und
9093 Mufter geihüst. Die Zahl der in der ges
famten Induſtrie beijhäftigten Perſonen betrug
1891: 9532560, von denen 3021659 Unternehmer,
207 222 Beamte und Angeitellte und 3319217
Arbeiter, Tagelöbner u. f. w. waren. Die meijten
Perſonen find in der Tertil: (1532000), Baus
1497 000), Kleider: (1286000) und Metallindu:
ie (910000) beſchäſtigt. Die Zahl der Arbeits:
einjtellungen bat fich feıt 1874, wo fie 21 betrug,
ſehr vermehrt. 1874—85 fanden 797 ſtatt und zwar
die meijten 1882 (182), 1883 (144), 1885 (108) und
1886 (161). 172 entfielen auf das Depart. Nord,
103 auf Seine, 57 auf Rhöne, je 39 auf Marne und
Somme und 32 auf Iſere; 15 vorzugsweife ader-
985
bautreibende hatten gar keine Streits aufzuweiſen.
1898 brachen 368, 1900: 902 Streils aus; die An:
zahl der beteiligten Arbeiter betrug 82065 be.
222714; 1900 mwurben 10253 Betriebe betroffen
und 2645053 Arbeitätage verloren.
Die Zahl der in der Jnduftrie arbeitenden Dampf:
maſchinen betrug 1840: 2591 (mit 34350 Pferde
ftärten), 1871: 26146 (320447), 1880: 41772
(544152) und 1897: 68743 (1330466), lebtere ver
teilten fi auf 54 107 induftrielle Unternehmungen
(184859 Pferdeſtärlen im Bergbau, 239736 in
metallurgiichen Induftrie, 113639 in der Landwirt⸗
haft, 139395 in ber Nahrungsmittelinduftrie,
295639 in der Tertilinduftrie, 189220 im Baufache,
63069 in der chem. Induſtrie, 58091 in der Bapierz,
Möbel: und Inftrumentenfabrilation, 46818 im
öffentlichen Dienite). a 1902 wird die Zahl
ber Fabrilen 75000 überitiegen haben. Fur 1889
wird der Produltionswert der gejamten Induſtrie
auf 12 Milliarden Frs. geibäßt, wovon 5030 Mil:
lionen auf die Tertil- und Belleidungs⸗, 3015 auf
die Nahrungsmittelinduſtrie, 1890 auf Baugewerbe
und öffentliche Arbeiten, 890 auf die dem. und 886
auf bie metallurgiſche Induftrie entfallen; für 1902
auf zufammen etwa 15 Milliarden Frö.
nter den einzelnen Zweigen ber Induſtrie lommt
an Bedeutung feiner der Tertilinduſtrie gleich
(1897: 6713 Betriebe), deren Produltion auf
3 Milliarden gejhägt wurde. Davon entfielen etwa
1200 Mill. auf Wol:, 500 Dill. auf Seiden⸗,
600 Mill. auf Baummoll: und endlid 350 Mil. 7
auf die Hanf:, Leinwand: und Jutemanufaltur. Als
wichtigſter Zweig der Tertilbrande ift die Seiden:
induitrie hervorzuheben (f. aud Seide). Der Ber:
braud an rober Seide (1899: 4,7 Mill. kg), der fa
in den legten Jahren faft immer gleich geblieben
it, verlangt gegenüber der Produltion (1890 etwa
650000 kg, bergeftellt in 1400 Robjeidenfabriten
durch 45 500 Arbeiter, 1899: 566000, 1900: 736000
ke) eine bedeutende Einfuhr von Cocons rober und
filterter Seibe (j. Tabelle, ©. 988). 1897 gab es:
1028 Spinnereien und Webereien mit 78000 Ar:
beitern, 1400000 Spindeln und 61200 medan.
Webftüblen, während die Zahl der Handiwebjtühle
urüdgegangen iſt. Letztere ſtehen hauptſächlich
(über die Hälfte) im Depart. Rhöne; die mechan.
eberei ift dagegen vorzugsweiſe in den Depatt.
Loire und Nord verbreitet, und die meijten Rohſei⸗
denfabriten finden fib in Gard, Ardeche, Dröme,
Bauclufe, Bar und Iſere. Beteiligt find an der
Rohjeidenfabrilation im ganzen 27 Departements.
5. fabriziert in der Hauptſache Ganzjeidenwaren
und übertrifft darin alle übrigen Länder. Die franz.
Seidenmwaren zeichnen fih vor allem durch Feinheit
des Geſchmads und vollendete techniſche Ausfüh:
rung aus. Der Wert der Ausfuhr belief ſich 1900
auf 263, ber ber Sn auf 615 Mill. rs.
n der Shafmwollinduijtrie zählte man 1885:
3 266 000 Spindeln, 46 300 mean. Webjtübhle und
112000 Arbeiter in 1882 Gtablifjements, 1897:
3500000 Spindeln, 72000 mehan. Webjtühle und
160000 Arbeiter in 2100 Fabriten. Sie ift am
meijten entwidelt in den Depart. Nord (etma 300
Manufalturen), Ardeche (230), Tarn (150), Marne
(100), Aisne (50), Seine:$nferieure (50) und Somme
(50). Die Zahl der Handftühle betrug 1873 no
60000, hat ſich aber biß 1897 auf 23000 vermin-
dert. Der Einfubr von Schafwollgeweben im Werte
von 42,2 Mill. Frs. ftand 1900 eine Ausfuhr von
986
220,3 Mil. Frs. gegenüber. Einen befondern Ruf
— die Tuche und Streichgarngewebe von Elbeuf,
Sedan und Louviers, die Kammgarn- und Damen:
Heiderftoffe von Le Cäteau-Cambreſis, Rouen,
Neimd, Tourcoing und Roubair und die Shawls
von Paris, Nimes und Lyon. Schließlich nimmt
3. in der Verfertigung von Kunſtteppichen (Gobelins
und Savonnerieteppicen) die erfte Stelle unter den
europ. Ländern ein; Mittelpuntte jind Paris, Aubuf
fon und Beauvaid. Die einheimiſche Wollprodul:
tion (1899: 43 Mill. kg) reicht für ven Bedarf nicht
aus; ed werden noch (1900) für 374,1 Mill. Fre.
Robmolle und für 29 Mil. Fre. Wollabfälle (meift
aus Argentinien, Auitralien und dem Kapland) ein:
eführt; dagegen wird aud (1900 für 219 Mill.
Sn) ) Wolle * ausgeführt.
Die Baummollindujtrie wurde 1778 zuerft
in Amiend eingeführt und hat feit dieſer Zeit einen
gewaltigen Aufſchwung genommen. 1888 waren
127 Fabrilen mit 51 720 majcinellen Pferdeftärten,
103000 Arbeitern und 4, Mill. Spindeln, ferner
70000 mechan. und 33 000 Handſtühle (1873 no
83000) in Betrieb; 1900: 5,00 Mill. Spindeln,
95000 Webftüble und 450000 Arbeiter. Die Haupt:
hge find die Depart. Nord, Seine-nferieure, Vosges,
Eure und Aube. Als Hausinduft trie wird fie haupt:
ſächlich noch in den Depart. Rhöne, Somme, Aisne,
Drne, Loire und Yfere betrieben. Die Einfuhr von
Baummolle (1900 für 168,3 Mill. Frs.) ift bedeutend
angewadjen. Die Einfubr von Baummollgeweben
belief fih im Specialbandel * auf 47, die Aus⸗
fuhr dagegen auf 152,4 Mill. F
Bon großer Bedeutun —* * 3 auch die Lei:
neninbuftrie, welcher 4 die Hanf» und Jute⸗
manufaktur anſchließt. Mittelpuntte für die —8
ſpinnerei ſind die Städte Amiens und Lille,
anfſpinnerei Mezidon (Calvados) und Angers, ar
ıtegeipinfte Ailly (Somme) und Dünlirhen. Die
inenmweberei wird namentlich in Yille, Gambrai,
Balenciennes und Armentidres betrieben; Hanfftoffe
liefern beſonders Düntirhen und Angers, Jute⸗
gewebe einige nordl. Departements. In di eien
dujtriezweigen wurden (1888) 350 blifjements
mit 62000 Arbeitern, 235905 maſchinellen Pferde:
ftärfen, 611 000 Spindeln, 18000 Kraft: und 22000
—— en movon allein auf das Depart.
Nord 300 Etablifjements, 89000 Arbeiter, 445 000
Spindeln, 11 700 Araft: und 6450 Handſiuhle ent⸗
fallen. Anfang 1898 zäblte die Zeineninduftrie
(obne Jute) 550000 Spindeln, 17000 Maſchinen⸗
ſtühle und 20000 Handitüble. Der Gefamtlonfum
an Robjtoffen beläuft fi etwa auf 2100000 Err.
Die Einfuhr betrug 1900 an Zeinenwaren (Gewebe
und Garn, infl. Hanf und Ramie) 17,1, > Auss
fubr leinſchlieblich Jute) 41,5 Mill. FB. D ie Weis
terverarbeitung der Mebftoffe ift in hohem Grade
entmwidelt, und bier fommt der franz. Induſtrie A
zu ftatten, daß Be nod heute der ganzen Welt
die berrichende oderichtung diltiert, jomobl was
die Stoffe jelbit, deren Farben und Mufter, als auch
deren Façon und Bearbeitung betrifft.
Auch in der Spigenfabrilation haben fid
einige Gegenden europ. Ruf erworben. Solche find
die Depart. Orne (Alengon), Calvados Kal
und Gaen), Nord (Balenciennes und Lille), Dife
(Ehantilly), Bas:de:-Calais (Calais und Arras),
Haute⸗ Loire, Puy⸗de⸗Döme und Eantal, ferner die
Städte Raris, on, St. Quentin u. T w. Die
VBoramentenfabrifation wird vorzugsweiſe in
In⸗ | dere Metallwaren für 85,2 Bil,
Frantreich (Imduftrie)
Paris, Lyon, Sc. Etienne, Nimes, Umiens und
Nantes betrieben.
Die Fabrikation von Eifen», Stahl: und Ne:
tallmwaren ift ſodann ziemlich bedeutend (f. aus
den Abſchnitt Bergbau und Hüttenmweien). Die
rößten Cijengießereien und die meiften Stable,
—— Blech⸗ und Drahtwerle finden ſich in den
tt. Meurtbe: :et:Mojelle, Loire, Sadne:et:Loire
m in Creuſot, ſ. d.), Norb und Pas-de⸗Calais.
tahlfedern werden hauptſächlich in ——
Mer, Blechwaren zu Audincourt (Depart
und in Beaucourt (Territorium Belfort) 5*
Der Maſchinenbau leiſtet Bedeutendes, deckt aber
nicht den Bedarf, da 1900 die Einfuhr 117 755, die
Ausfuhr 42121 t rg Die größte Zahl Mas
—— wird in Paris (9 Äbmafh nen), Eile, 2pon,
nen und St. Etienne gefertigt. Letzteres liefert
auch Senjen und Waffen von beiter Qualität. Die
feinen, durch geibmadvolle Ausführung befannten
Gold», Silber: und SEDSISROrBEILER: die echten
und unecten Bijouteries, ferner bie Bronseartitel
werden namentlich in Barts fabriziert und aeben von
da durch die ganze Welt (die jog. «Parifer Artikel»).
Nicht weniger bedeutend ift Paris in der Fjabrı
tation feuerfeiter Schränke, Lampen, Meſſerſchmiede⸗
waren u. |. w. r Feilenfabritation giebt es in
Paris, Arna »[e»Duc Eöte:d' Dr), Portillen bei
Tours, für Nadeln in Baife bei Yyon, in Dont:
a:Moufion und Aigle, für Drabtgemwebe in Baris
und Lyon große Etablifjements.
Dieihrenfabrilation, deren Hauptſite
(worzugsweiſe Vendelubren), Bejangon (Ta —
ubren) und Montbeliard find, bat einen Weltruf,
beſchäftigt 35000 Arbeiter (ohne diejenigen, weiche
Reparaturen vornehmen); fie ift in ihrer Bropuk
tion (jährlid 80 Mill. Frs.) nur wenig vorgeſchrit⸗
ten infolge der Billigkeit der jchmweiz., amerit. und
diterr. Fabrilate.
In der Ausfuhr von 1900 find unter den Metall:
waren beſonders zu erwähnen: Meſſerwaren für
5 Mill, Frs., Waffen für 5,7, Werlʒeuge und an:
FIrs. ferner libren
für 24,7, vergoldete und verfilberte Artifel (Bijow
terien) für 88,7, optiſche, chirurgiſche u. j. m. Inſtru⸗
mente E 55 Mi
Am Shiffbau ift 3. 1900 mit 65 Handels
ſchiffen von 101818 Regiſtertons beteiliat.
Die Wagenbauinduftrie bejhäftigt etwa
25000 Arbeiter. Die Ausfuhr ift nicht bereutend
und erjtredt ſich mehr auf einzelne Zeile, wie Wagen
laternen, Federn u. ſ. w.
Die Möbelinduftrieift in Baris und ——
ſtark entwidelt; es werden jährlich für 300 Mill.
Möbel gefertigt, von welchen (1 a ) für 30,1
ris
8. ausgeführt werden. beftebt eine be:
ondere Schule für et Induftriezmeig. Diele
Stadt ift auch Mittelpunkt für die Fabritation von
Klavieren und erzeugt jäbrlid etma 15000 (Aus:
fuhr für 11 Mil. 3), jerner für Drechsler⸗ und
Schnikmwaren aller
Die Kabrikation F Papier, Tapeten (Paris,
Lyon, Marſeille), Buchbinder: und Kartonnageatti⸗
teln hat große Fortſchritte gemacht. Es beſteben
1902 über 600 Papier: und Pappefabriken (mit
36000 Arbeitern) mit einer jäbrlihen Produltion
von 200 Mill. kgim Wertevon zen 300 Di. Fre.
(Wert der Ausfuhr 1900: 56,6 Fr.)
In einigen Zweigen der J——— iſt 3.
tonangebend für ven Welthandel. Namentlich leiſtet
Frankreich (Handel)
e3 in ber Herftellung von Ziegen: und anderm Hands»
ſchuhleder (Hauptorte: Annonay im Depart. Ardöche,
Chambery in Savoie), farbigem (St. Denis und
Lyon), ladiertem Sattler: und Geſchirrleder (Pont:
Audemer im Depart. Eure), in Ober: und Kalbleder
(Rouen, Ebambery, 29 und Sohlleder (Lyon,
Honfleur) Vorzügliches. Der it von rohen
Fellen im Betrage von (1900) 152,3 Mill. ſteht eine
Ausfuhr tober Gäute von 107,9 Dill, Frs. und be:
arbeiteter Häute und von Lederwaren aller Art von
181,4 Mill. Frs. gegenüber, und den jährlichen Pro:
dultionswert jhäßt man auf 900 Mill. Irs. wovon
700 Mill. auf Schubmert kommen, deilen Ausfuhr
(1900: 19,7 Dil. 18.) in den legten 30 Jahren fich
mindeftens verdoppelt bat. Die Handſchuhfabri—
fation (Paris, Grenoble) beſchäftigt etwa 70 000
Perſonen (darunter 50000 Frauen) und lieferte 1900
für 19,7 Mil. Fre. Waren zur Ausfubr.
ech le edel allen ihren Zwei⸗
en mehr oder minder gut vertreten. Der große
erbraud im Lande hat die Ausfuhr (85 Wi. —
chem. VBropulte berabgeprüdt, die Einfuhr erböbt.
Die Hauptzweige find die Seifenfabrilation
(400 Gtablifjements, 8000 Arbeiter; Probultion:
250 Mill. kg im Werte von 155 Mil. Frs. Aus
fuhr 11,2 Mill. Frs.), welde ihren Sig vor allem in
den Depart. Bouces:du:Rhöne (Marfeiller Seife),
Seine Paris und Umgebung) und im Depart. Nord
uch ferner die Rerzenfabrilation mit 182 Fa—
rifen (4600 Arbeiter), in welchen teilmeije auch Gly⸗
cerin, Venzin u. ſ. m. erzeugt werden (Produltions⸗
wert [1900) 81 Mill. Frs., Ausfuhr für 4,7 Mil,
918.). Sehr bedeutend ift die Barfümerieindus
ft rie mit 450 Jabriten und 9—10000 Arbeitern im
ſüdlichen F. und in Paris (Produftionswert 55—60
Mil, Erportwert 1900: 14,6 Mill. Frs.); ſchwächer
die Harzprobuftion im Depart. Landes und in der
Umgegend von — und die Anferti u; von
Firniſſen, Laden und Zinnober, Zinhweih Itras
marin und Anilinfarben.
Auch die Glaswaren- und Spiegelfabri-
tation leiftet Ausgezeichnetes. In 187 Glasfabri⸗
ten (1872: 250) mit 29000 Arbeitern werden jähr:
li für nahezu 120 Mill. Frs. Waren (namentlich
Kryftallglaswaren, eg u. & Im Oeiertigt, Die
berübmteiten befinden ſich u t. Gobain, Baccas
rat, St. Louis und Nancy. Bon den 7 großen Spies
Ifabrifen mit 3800 Arbeitern gehören 4 (St. Go»
ain, mit europ. Rufe, Chauny, Cirey, Montlucon)
’
der Gefellihaft von St. Gobain, die 3 andern | f
Recquignied, Aniche, —— einer belg. Geſell⸗
Ya bmt find die franz. Glasbijouterien ſowie
künſtliche Edelſteine und Perlen. 1900 wurden für
88,4 Mil. Frs. Glass und Kryftallmaren ausge
führt. Für die Anfertigung keramiſcher Pro:
dukte beträgt die Zahl der Etablifjements (1873:
412) 562 (mit 35000 Arbeitern), welche Waren im
Merte von 102 Mill. Frs. fabrizieren (Porzellan 52,
Fayence 50 Mill). Die Hauptſitze find Sevres (Nas
ttonalmanufaltur), Paris, Haute-Vienne, Bienne,
Loiret (in Briare), Meurtbeset:Mojfelle, Nord, Dife
und Saöneset-oire. Ausfuhr 1900: 17, Mill. Frs.
Seit Rüdgang des Weinbaues bat die Bier:
brauerei größere Verbreitung gefunden: bei der
Bevölkerung der nördl, Zandesteile ift Bier jept
das gewöhnliche Getränt. Während in den Yabr:
zehnten 1830—89 jährlich 3,5, von 1840 bis 1849
4,3 Mill. hl — wurden, ſtieg die Produktion
1860—79 auf 7,2 und erreichte 1890: 9,5 Mill. hi.
987
Davon lommen auf das Depart. Nord allein ehrlich
etwa 3,3 Mill. und auf Pas⸗de⸗Calais 1,, Mil. hi.
1900 betrug der Wert ber Biereinfuhr 8165 675 Fre.
Daran beteiligten ſich befonderd Deutſchland mit
18961, England mit 1549, Öfterreih: Ungarn mit
480 und die übrigen Länder mit 28411. Ausgeführt
wurben 11762t. Die Bereitung des Brannt:
weind aus Wein, früher ganz allgemein, hat ab⸗
genommen; die (1895) 6537 berufämäßigen Bren-
ner benugen Kartoffeln, Rüben, Getreide u.f.m. Be:
rühmt ift noch die Herftellung des Cognacs (f. d.).
Die Alloholfabrikation hat ſich feit 1840 mehr als
verbreifacht. Sie belief fih 1899/1900 auf 2641505
hl, 19001 auf 2799543 hl und war am ftärfiten im
Depart. Nord und Pas⸗de⸗Calais. 1900 wurden für
12,8 Nill. Fr3. ein= und für 40, Mill, Frs. aus:
geführt. Für die Tabatsfabritation, melde
taatömonopolift, beitehen 21 große Manufalturen.
Von Wichtigkeit ift au die Juderinduftrie (f.
oben Landwirtſchaft), ferner vie Fabrilation von
Schaummeinen (1900 Ausfuhr 89,4 Mill. Fr8.;
j. Champagner), von Schokoladen: und Kon:
dbitorwaren (Paris) und von eingemadten
Früchten (Ausfuhr der letztern 3,9 Mill. Fre.
im %. 1900
Handel. Den größten Aufihwung nahm der
sans zur Zeit Golbert3,-wo aud eine Seemadıt
egründet wurde. Im 19. Jahrh. ſuchte man ihn be:
ſonders durch Einrihtung eine Austunftsbureaus
im Hanbel3minifterium, Gründung einer Gejell:
Ihaft zur Förderung de Erportbandeld und durch
Erridtung von Handelslammern im Ins und Aus:
lande zu beben. Handelskammern giebt es (1896)
110, von welchen die zu Marjeille jhon 1650, die
von Dunkirchen 1700 gegründet worden ift. 1880
batte F. die Handelöverträge mit fremden Staaten
gekündigt und von 1882 ab auf 10 Jahre auf Grund
de3 autonomen Zolltarif8 neue Verträge mit Groß:
britannien, Italien, Belgien, Schweden und Nor:
Spanien, Portugal, den Niederlanden,
Ö —— und Serbien ab⸗
oſſen, während Deutſchland, urn rd die
ürfei und Rumänien die Rechte der meiftbegünftig«
ten Nationen genofien. Durch Gefek vom 29. Dez.
1891 ift Die Regierung ermädtigt worden, neue Ber:
einbarungen zu fließen, um den Staaten ben fm
Minimaltarit gewähren zu fönnen. Dieje Verhand⸗
lungen haben zu —— Verträgen oder zu
proviforifshen Bereinbarungen geführt, welde in
pätern Jahren zum Teil verändert oder ergänzt
wurden.
Im. 1716 wird bie Einfuhrauf100 Mil. Fre.
und die Ausfuhr auf etwas mehr, 1787 aber
auf 4—500 Mill. und 5—600 Mill. Fr3. geihäßt.
An den nachfolgenden Jahren bis 1827 find, ab-
gel eben von Kriegszeiten, feine bedeutenden Schwan:
ngen im Handelsverlehr zu bemerten. Im Jahr:
ehnt 1827—36 betrug die Einfuhr im General:
banbel im Durchſchnitt 667, im Specialhandel 480,
die Ausfuhr 698 bez. 521 Mill. Frs. Im Jahr:
zehnt 1837—46 ftieg die Einfuhr im Generalbandel
durbichnittlic um 400, im Sperialbandel um 300,
die Ausfuhr um 300 bez. 200 Mill. Frs. Der
Generalbandel des Jahrzehntes 1847—56 fteigerte
fih um etwa diefelben Beträge, der Specialhandel
dagegen um über das Doppelte (etwa 650 und
500 Mill. Frs.). Eine Verdoppelung der Werte für
Eins und Ausfuhr des General: und Specialbans
‚ deld trat 1857—66 ein. 1867—76 ſtieg der durch⸗
988
&nittlihe Wert des Generalhandels in der Ein:
tubr um 1300, in der Ausfuhr um 900, der Wert
des Specialhandeld um 1200 und 900 Mill. Frs.
Für die folgende Zeit giebt die Tabelle einzelne
Nahresiwerte (in Millionen Frs.):
Zah Generalhandel Specialhandel
re | — —
Einfuhr | Musfupr
1880 6113 4612 3468
1882 5963 4164 3574
1884 5239 4218 3232
1886 5117 4246 3249
1888 5187 4298 3246
1889 5320 4803 3704
1890 6452 4840 3753
1891 6938 4731 3570
1892 8136 4551 3461
1893 4951 4326 3236
1894 4795 4125 3078
1895 4330 4589 3374
1896 4929 4594 3401
1897 5138 4803 3598
1898 5583 4674 3511
1899 5848 5534 4153
1900 ? ? 4018
Bon den wichtigſten Waren des Specialbandels
entjallen in Millionen Frs. (1895 und 1900) auf:
Rahrungsd- und Benußmittel.
Rohſtoffe
britate
nee Te
. re
ee. 00 0. .1374,1 | Seidenkoffe.- - - » - ı 263,0
N u: ——— 227,6
„eo 00 0% +) 2510 | Wolitoffe. -» » » » » | 220,3
zer: TA U .» —44 219,0
.uornons 152,4
oo 00. 0.116832 1 Seide -. oo 2.0. 148,7
‚OD... + .. 144,9
eg ..... 141,5 | Moden, fünfil. Blumen | 115,7
Bauhols - »... 28,7 | Häute, gegerbt . . . | 110,6
Gerealien (mit Malz) | 126,6 ute, roh . ... .- 107,9
Rupfer. 22.2... | | 108,1 kiber und Weißzeug | 104,0
—— ee 89,8 | Bobauder... .. - 101,4
17 EEE 83,7 | Metallarbeiten . . . | 85,1
Seidenitoffe . . . „| 615 ——— 85,0
Seeflte .- » .» » 56,9 | Käfe und Butter . . | 70,9
FY. 7 WE 56,1 | xeberarbeiten . 70,8
oda und Natron 51,4 | Maidinen .... . 614
Käfe und Butter . . | 49,5 | Zuder, raffiniert . . 57,8
Baummwolftoffe . . . | 47,0 | Glas und Weihirr .| 67,9
Berroleum . . 2... 44,6 Bapier u. Bapierwaren | 56,6
Metallarbeiten . . . | 42,4 | Kupfer... 2.2... 56,0
Bolftoffe .... . 42,2 | Branntwein 53,9
el in Blättern 42,0 | Bautog .». . 2... 48,4
REIN 38,2 | Tafelfrüdhte. . -» » - | 42,0
En. Bapierwaren! 36,9 | Seefide . ».... 39,0
— ... 4,1] @old * Juwelier ·
Ste —— — 32101 Wer 2.0.0.0. ‚7
ute, gegerbt . . „| 30,9 | lumpen .. 2... 325
era suder . . „| 28,5 ] Baummolle .... . 30,1
een 27,3 * erde und Maultiere | 25,3
—ã— — 484 außer — * 19,3
Eerlie Hölyer ../ 9,7] 8o eipinfte . . . 19,1
GieeBE. » a 0000 ı 173 | Barbholgegtratte 13,1
Der Verlehr mit Evelmetallen ift großen Schwan»
tungen unterworfen. 1875 betrug die Goldeinfuhr
608 Mil. Fr3., die Ausfuhr 137 Mill., 1885 eritere
243, letztere 207; 1895 eritere 254, [eptere 244;
1900 eritere 452, legtere 126 Mill. "StB, Silber
jeigt in denjelben Jahren in Einfuhr die Werte
266, 235, 141 und 187,3, in Ausfuhr 81, 187, 78
und 207 Mi. dr.
n
|
em
Frankreich (Verkehrsweſen)
Specialhandel in Mil. Fr3.mit fremden Ländern:
Vertebräländer
. en...“
Dee u u Br ur Zur u ze
De u Eu
De a Zr
.e er Teen.
De Br Br u ur —
De ee Zr u Zr
2
144 11,0
185,8 | 253,7
Bereinigte Staaten „. » -
Argentinien „x. 0 +. 50,5 473
Beier. 2 oo 0000. so,1 384
Unbere Länder... ..» - sıns | nor
Eumma 138504 4408,5 | 3078,1 | 40780
Die wichtigſten Waren im Specialbandel mit
\ Deutfchland zeigt die folgende Überficht (1900):
Eteintohle und Kofs . | 40,8 | Wolle und Wollabiälle ı 50,4
Maſchinen und mechanm Häute und Belzwerf,
Vorrihtungen ... 35,6 Tod » - 2.2200. 3”,
Chem. Erzeugnifle . . 2,0 /Wein ...... 2
ier, Bappe, Bücher, Seidene Gewebe, Bofa-
tie Far 18,5 | mentierwaren unb
Baummollene@emwebeu. Bander 2... 16,9
Boiamentierwaren .|17,7 |Ehem. Brodufte . 14.1
Bolene Gewebe und Baummole, roh . . . 14,0
Bofamentierwaren . | 17,7 |frertige Kleidungsftüde |
Werkzeuge und Metall» und Woſche 124
WALeEn . 2» 2 22. 16,6 |häute, zugerichtet 11,4
Thon», Blas- und Fry- IDEE: 2 ee 91
allwaren ..... 16,5 |Spielwaren .... . [R}
neralien aller Urt . | 16,0 |Wollene Gewebe |
gest unb — roh 14311 Bojamentierwaren .| 14
eidbene Gewebe, Bofa- Werkzeuge und Waren |
mentierwaren und aus Metal... . - 61
Bänder ... +. 93 |Seide und Florettjeide | &2
ämereien. . .... 91 ze. ee 63
Wolle und EUREN 81 IBlede -....... Ey}
Lederarbeiten . . 84 —8 Papier, Büder,
äute, een tet ..| 81] Stide.-.... 2... 1a
er (mit )». .| 66 |Eiien * Stahl 20
wirme - 2.2 200% 55 Ifarbwaren. ..... 13
arben. - 2.2. . 44
Das Geſamtgewicht der 1895 auf den Nieder
lagen eingegangenen Waren beziffert fib auf
2695 195 (1900: 2876 542) t im Werte von 657,
a Mil, Frs. egen 2074207 t im Werte von
il, rs. im J. 1890.
Die 1895 Fra F. durchgeführten fremden Waren
hatten ein Gewicht von 572774; ber Wert beliej
ih auf 655,7 Mill. Frs. d. i. 55,8 Mill. mebr ala
1890. 1899 erreichte der Gefamtwert der Durbfubr
961, 1900: 852,8 Mil. Frs. Baummollgemebe nab:
men 1895 den erjten Rang ein mit 143,5 Mill.
Demnädjt tamen Seidengemebe (108,8 Rill.), Golb-
und Bijouteriewaren (45,5 Mill.), Uhren (27,8 Mill.),
Mollgewebe (22 Mill), Getreide (174 Mill.), Seite
(17 Will), Kaffee (16,6 iu ), Garne (15, Mill,
Kortwaren (15,5 Mill. Frs.).
Berfehröwejen. IL Xandftraßen. Das planı
mäßig und einbeitlid angelegte Ne von Land—
—— beſaß ſchon am Ende des 18. Jabrb. eine
usdehnung von etwa 4000 km und galt für eins
der beiten Europas. Seit 1811 find fie eingeteilt in
Staatsſtraßen (routes nationales), Departements:
ftraßen (routesd&partemehtales)und Bicinaljtraßen
(routes vicinales). Die eritern wen ſyſte matijc
von Paris nach den wichtigſten Grenzſtädten und
Frankreich (Verkehrsweſen)
Hauptorten der Departements, haben eine Breite
von 12 bis 14 m, werden vom Staate gebaut und
unterbalten und hatten 1899: 38051 km Länge
(ausschließlich 209 km nicht unterhaltener Straßen).
bre Frequenz bat jeit dem Ausbau der Eijen-
ahn nur wenig abgenommen. Die Departements:
ftraßen verbinden die Hauptorte der Departements
und werben = Roften der lektern mit Staats:
uſchuſſen unterhalten, haben eine durchſchnittliche
reite von 12 m und 1896: 49528 km Länge,
doch find hiervon zwei Drittel nicht unterhalten.
Viel enger werben die Maſchen des Straßenneges
durch die Vicinalmege (1894: 610399 km), von
denen jevob nur 486894 km als in gutem Zu:
ftande befindlih angegeben werben. Das gejamte
Straßennes hat alſo ohne die Gemeindeſtraßen eine
Länge von etwa 700000 km,
U. Seeſchiffahrt. Die geſamte Handels:
flotte zählte (Dez. 1898) 15615 Schiffe mit einem
Gehalt von 900288 Regiftertons, und zwar 14406
rg mit 414673 und 1209 Dampficirie mit
485 615 Regiſtertons Gebalt. Die Zahl der erjtern
bat fich feit 40 Jahren nicht fehr verändert, allein
die der legtern, welche 1847 nur 117 (mit 12600
Negiftertond Gehalt) betrug, bat nO verzebhnfadht.
Von der Gejamtzahl der Schiffe hatten (1898)
12895 einen Gebalt bis zu 30, 825 von 30 bis 50,
160 von 50 bis 60, 1484 von 60 bis 1000, 173 von
1000 bis 2000 und 78 von über 2000 Regiſtertons.
Von den Segelſchiffen wurben zum Heinen Fiſch—
fang an den Küften 10596 mit mehr ala 2 Negifter:
tons Gehalt und 46477 Mann, außerdem 13302
mit weniger als 2 Regijtertond und 26334 See:
leuten verwendet, 484 (9578 Mann) im großen
— 1432 (4726 Mann) bei der Küſtenſchiff⸗
4 rt, 150 (888 Mann) in den europ. Meeren, 271
(4123 Mann) zu langer Fahrt. Von den Dampf:
und Segelfchiffen waren thätig: zum Bugfieren und
im Hafendienit 744 (3420 Mann Bejatung), bei der
Kuſtenſchiffahrt 1573 (6038 Mann), bei der Schiff:
jabrt in europ. Meeren 398 (7370 Mann) und in
langer Fahrt 445 mit 13099 Mann Bemannung.
1900 zählte die Handeläflotte 15489 Schiffe mit
einem Gehalt von 957756 Regiſtertons, darunter
1227 Dampfer mit 507120 Regiftertong,
Die Zabl der 1900 im äußern Handel ein: und
ausgelaufenen beladenen Schiffe beträgt 26 647 mit
184 Mill. und 20860 mit 12,5 Mill. Regiftertong,
Davon führten 7625 und 7279 Schiffe —* Flagge.
Zur See wurden 1899 für 4099,5, zu Lande für
1748,5 Mil. Frs. Waren eingeführt. Bon der Aus:
fubr gingen 18,7 zur See, 1914,5 Mill. Frs. zu
Lande. Die wictigjten Seebandeläpläße mit dem
Verkehr von 1898 find folaenbe:
PMarjeille
Be Date oo 000. > >
Düntirden. » 22... 1673 | 1330 | 1064 440
MWorbeang - --o..- 0... 1400 | 1021 ] 1115 766
1 177°7- WE EEE 1235 837 460 209
Boulogne -» v2 00% 1947 822 | 2092 841
Et. Razaite . 22... 737 655 224 130
He 02000000. + 1145 622 772 385
Galals - 2 oe or 0 0 0 2 0 673 1902 554
Deppe oe u0r 00. | 1538 | 410 | 1450 279
Die bedeutendſten Landhandelsplätze find: Paris,
Tourcoing, Lyon, Lille, Montpellier, Nimes, Nantes,
989
Roubair, Reims, Rennes, St. Etienne, Toulouse,
Air, Beaucaire, Carcaſſonne, Beziers, Nancy, Dr
leans, Berpignan, Tours u. ſ. w.
II. Binnenfdiffabrt. Die nur flößbaren
Waſſerläufe 3.8 (f. die Karte: Die Schiffahrts—
——— in Frankreich nebſt Tabellen, beim
rtilel Frankreich, Bd. 17) hatten 1899 eine Länge
von 2938 km, von denen jevod 1926 km nicht
mebr benugt wurden. Bon den in der Statiftit
von 1899 ala ſchiffbar geführten 13774 km waren
nur 11469 km in Benußung, worunter 121 km
Binnenfeen, 2505 km Slüfje obne Schleuſen, 4370
km Flüuſſe mit Schleujen (darunter 1500 km tanali«
fiert), 4473 km Ranäle waren; der Reſt diente
teil3 (660 km) der See und Kuſtenſchiffahrt, teils
(1624 km) iſt er von der Schiffahrt verlafien oder
liegt außerhalb der Fahrrillen. Bon allen Waſſer⸗
itraßen werden nicht vom Staate verwaltet nur
13 km tanalifierte Slußftreden (Lez und Souchez)
und 242 km ftanäle, darunter die der Stadt Paris
gebörigen Kanäle Durcq, St. Denis, St. Mar:
tin (120 km). Einige diefer Kanäle find fog. voies
conce&dees, d. h. bis zu einem — Zeitpunkt
erfolgt ihre Unterhaltung und Betrieb durch die
Konzeſſionsinhaber. Abgaben werden auf den
Staatswaſſerſtraßen ſeit 1890 nicht mehr oder in
ganz geringen Beträgen erhoben. Der Ausbau
des Waſſerſtraßennetzes ſchreitet derart fort, daß
teils neue Kanäle gebaut werden, wie der vom
Doubs zur Saöne, teils beſtehende ältere Waſſer⸗
läufe auf die für 300 Tonnen-Schiffe benutzbaren
Abmeſſungen der neuern (2 m Waſſertiefe, 38,5 m
und 5, m nußbare Scleufenlänge und »Tiefe)
umgebaut werben. 1878—99 ift Died gemäß den
Geſetzentwürfen, die der — ng ci ern ihre
Entftebung verdanten, mit 2167 km Ranälen und
1089 km tubtäufe eicheben. Das ſtarke Gefälle
der natürliben und künſtlichen Waſſerſtraßen =
zur Folge gehabt, daß in diefe ohne die Schleujen
ber unfertigen Streden und die Floffchleufen 2480
Schleuſen haben eingebaut werden müſſen. Die
12135 km flößbaren und ſchiffbaren Waſſerwege be:
förderten 1899 zufammen 4489055681, jedes Kilo:
meter aljo durdfchnittlich 369926 Tonnentilometer
(gegen nahezu das Dreifahe im Deutichen Reid).
en ftärkiten Verkehr hatten 1899 die Seine mit
1305, die Sadne mit 124, die Schelde mit 104, der
Kanal St. Quentin mit 421, der Ditlanal mit 295
und der Marne:Rbein:Ranal mit 289 Mill. Tonnen:
filometer. Die größte Vertehröpichte (Leiſtung des
einzelnen Rilometer8 in Tonnenlilometern ausge—
drüdt) hatten die Seine in Paris mit 4,84, Die
Schelde zwiſchen Cambrai und Etrun mit 4,66, die
Scarpe bei Douai mit 3,55, der Kanal St. Quentin
mit 4,53, der Dije-Niöne: Kanal mit 3,36 und der
Sommelanal zwiſchen St. Simon und Amiens mit
3,35 Mill. Tonnentilometer. Die geringite Verlehrs⸗
dichte wies die Garonne zwifchen Zouloufe und dem
Tarn mit nur 5 Tonnenlilometer auf. Die anal:
vorlage von 1901 ſah für Verbefjerung vorbande:
ner Schiffahrtsſtraßen 32,8, für Seebäfen 90,5 und
für zehn neue Kanäle 365,3 Dil, Fr3.vor. (Neueres
j. Frankreich, Bo. 17.)
IV. Eifenbabnen und Straßenbabner.
Über die Eifenbabnen ſ. Franzöſiſche Eifenbahnen.
‚ Die Straßenbahnen, bei welden die Zugtiere
jest foft durchgehends durch Dampf oder Elektricität
erjekt find, haben ihre Linien jeit 1877 bi3 Ende
1897 von 375 km auf 2905 km vermebrt,
990
Im J. 1900 bat ein bedeutender Umſchwung des
eleltriichen Bahnweſens ftattgefunden, der ſich in
den Ziffern für die Bahnlängen deutlidy ergiebt.
Die Gejamtlänge der eleltriſchen Bahnen betrug
nämlich 1. San. 1897: 279, 1898: 397, 1899: 487,
1900: 758, 1901: 1486 km, Im J. 1900 wurde
ein Teil der Parifer Untergründbahn (ſ. Paris)
dem Verkehr übergeben.
V. Bot: und Telegraphenweſen. %. befikt
(1899) 9830 Poſtanſtalten, in Algerien 590, im
Auslande 42, und zwar eine Anzahl in Tunis,
fowie je eine in der Stadt Tripolis, in Han-kou,
Schang:hai, Tienstfin und Tihi-fu (China), Sans
fibar, Alerandrien, Beirut, Candia, Canea, Dar:
danellen, Jaffa, Kerafunde, Konjtantinopel, La:
tafich, Merfina, Port-Said, Rhodus, Salonili,
Smyrna, Trapezunt u. a., ferner in Tanger, Arfila,
Dar el:Beda, Hafir el:Kebir, Yes, Ariſch Laraſch),
Mafagan, Melines, Mogador, Rabat, Saft, Sale
und Tetuan. Die Einnahmen, einjhließlic der
Zelegrapben, beliefen fih auf 256,3, in Algerien
auf 5, die Ausgaben auf 188,5 bei. 6 Mill. Fre.
Es wurden befördert in Tauſenden Stüd:
| | Boft- Druchachen Fi Poſt⸗
Urt bes Berfchrs | Briefe ol [und @Waren« wen
proben | ' | fungen
Iunerer Dienft . |846561| 55 149
1218893 |48518| 5594 *
äußerer Dienft . 1117023] 4987 99636 | 2784| 400*
Durchgang . . . | 50167| 2558 83577 22) 12*
+ Wert in Mill, Frs.
Seit 1895 find, um eine größere Decentralifation
in der Verwaltung herbeizuführen, 12 Regional:
bezirke eingerichtet worden mit je einem Direktor an
der Spitze. Ferner find jog. Hılfapoftanftalten mit
ri Geſchäftsbetrieb (ähnlich den deut:
ſchen Bojtagenturen und‘ EEE
worden, die aud den Telegrap
verfehr mit zu beforgen haben.
Die optiihen Telegraphen wurden in F. 1794
eingerichtet, batten 1844 eine Ausdehnung von
5000 km und verbanden Paris mit 29 Stäbten.
Die elektrifchen wurden dem allgemeinen Gebraud
erft 1850 übergeben und 1899 umfaßte das Netz
145202 km Linien mit 531519 km Präbten.
Staat3bureaus gab es 8856, Eifenbahn: und Pri⸗
vatbureaus 3798, Bureaus der Küftentelegrapben
132. Die Zahl der Depeſchen betrug 48144151,
darunter 39071518 interne, 6379182 internatio«
nale, 1122180 Durchgangs⸗ und 1571271 Dienit:
depeſchen. Die Einnahmen betrugen 34022065 Fre.
Die Kabellinien nah andern Ländern find Eigen:
tum fremder Gejellihaften, mit Ausnabme der:
enigen von Paris nah Neuyork. Die Zahl der
* prechſtellen betrug 1899: 63167, die Länge
der Linien im Fernverkehr (Ortsverkehr) 24773
(15764) km, der Drähte 70909 (252024) km, die
Anzahl der Geſpräche 4774824 (164912842).
Berfafiung. Die Verfaſſung ift republitanifch
und berubt auf der von der Nationalverfammlung
angenommenen Konjtitution vom 25. Febr. 1875
und einigen polit. Alten aus den Jahren 1875,
1879, 1884, 1885 und 1889, welche diefelbe ergän-
zen. Dur regiert ber Präfivent der Republit
mittel3 der Miniſter, ſowie unter Mitwirkung des
Senats (Erjte Kammer) und der Deputiertenlam:
mer (Zweite Kammer). Seine Gewalt iſt die voll:
itredende. Die Deputiertenlammer wird nad Geſetz
vom 15. Jebr. 1839 durch allgemeine direfte Wab:
en: und Fernſprech⸗
Frankreich (Verfaffung. Verwaltung)
len, die arrondifjementsmweife (je 1 Deputierter auf
70000 €.) vorgenommen werden, gebildet. Der
Wähler muß Bürger und 21 J alt fein, ein depu:
tierter Bürger muß 25 3. alt fein, jeiner Mili-
tärpflicht genügt und 14 Tage vor jeiner Wahl
eine bejtimmte Crllärung abgegeben haben, für
welchen Kreis er gewählt werden will. Die Depu:
tiertenlammer bejtebt jest aus 592 Mitgliedern,
die auf 4 Jahre, der Senat aus 300, welche jeit
dem Geſetze vom 9. Dez. 1884 allein durd die De
partementd und Kolonien auf 9 Jahre gemäblt
werben. Alle rei Jahre fcheidet ein Drittel der
Senatoren aus; die Wahl geſchieht dur ein
befonderes Kollegium, bejtebend aus den Depu:
tierten ded Departements, den Generalräten, den
Kreisräten und befondern Delegierten der Munici-
palräte, die für jede Wahl beſonders gewäblt werben.
Ein Senator muß Franzofe und mindejtens 40 J alt
fein. Senat und Hammer verfammeln fidh alljäbr-
lih am zweiten Dienstag des Januard und müſſen
mindeſtens una Monate verfammelt bleiben. Beide
beginnen und beendigen ihre Sigungen zu gleicher
"rn Der Präfident eng den Schluß der
isung und bat das Recht, die Kammern zu außer:
gewöhnlicher Zeit zufammenzurufen; er iſt verpflid:
tet fie zu berufen, jobald die halbe Mitglieverzabl
jeder Kammer darauf anträgt. Der Präſident kann
die Kammern vertagen, aber nicht auf längere Zeit
al3 auf einen Monat und nit öfter als zweimal
während derjelben Sikungsperiode. Jeder Senator
und jeder Deputierte hat das Recht der Jnitiative;
zu einem Gejeß gebört die Zuftimmung beider Kam:
mern; indes muß jedes Finanzgeſetz zuerſt der De:
putiertenfammer — und von derſelben an:
genommen werben. Die Senatoren und Deputier:
ten erhalten jährlich 9000 Frs. und außerdem freie
Gifenbabnfahrt
Der Bräfident der Hepublif wird durch die zur
Nationalverfammlung vereinigten beiden Kammern
nad) Stimmenmebrbeit erwäblt, und zwar auf fieben
— er iſt wieder wählbar. Auch ibm ſteht jelbit:
verſtaͤndlich die Initiative für die Geſezgebung zu.
Er verkündet die von beiden Kammern angenomme:
nen Gejege und überwadht die Ausführung der:
jelben. Er bat das Recht der Begnadigung, verfügt
über die bewaffnete Macht und ernennt alle Cwil⸗
und Militärbeamten, * der Chefs der
Miniſterialdepartements. Die Botſchafter und Ge—
eg der fremden Mächte find bei ihm beglau:
igt. Jeder feiner Erlafje muß von einem ———
egengezeichnet fein. Der Präſident kann unter Ju:
finmung des Senats die Deputiertenlammer auf:
djen, muß aber dann die Wabltollegien innerbalb
dreier Monate zu neuen Wahlen zufammenberufen.
Die Minifter find insgeſamt den Kammern für die
allgemeine Politil der Regierung und jeder ift für
fein perfönliches Thun verantwortlihd. Der Brä
jident ift nur im Falle des Hochverrats verantwort:
lih. Bei Todesfall oder fonftiger Balanz müſſen
beide vereinigte Kammern (ber «flongreh») ſofort
zur Wahl eines neuen Präfidenten fchreiten. Der
Si der vollftredenden Gewalt und der beiden
Kammern ift feit 1879 wieder in Paris.
Berwaltung. Die Verwaltung ift von der Geiet-
en jowie von der Juſtiz ſcharf geibieden umd
ildet ein Syſtem der Gentralifation. Es befteben
folgende Minifterien: 1) des Innern, 2) des Hußern,
8) der finanzen, 4) der * (Großjiegelbewabrer),
5) de3 Handels und der Induſtrie, 6) des Aderbaues,
Frankreich (Gerichtswejen)
7) des dfjentlichen Unterrichts und Kultus, 8) der
öfjentlichen Arbeiten, yarın und Telegrapben,
9) des Krieges, 10) der Marine, 11) der Kolonien,
12) der.Arbeit und focialen Fürforge. Unter dem
Praſidium des Yuftizminifter3 ift ein Staatsrat
eingefeßt, der fein Gutachten über bie Entwürfe
von Gejegen und Dekreten und über die Verwal:
tungöreglement3, fowie über alle Fragen, bie ihm
durd den Präfidenten der Republik oder die Mi:
nifter vorgelegt werden, abgiebt und über Rekurſe
in jtreitigen Berwaltun sfaden und über Annullie:
—— wegen Machtüberſchreitung ſeitens
der verſchiedenen Verwaltungsbehörden entſcheidet.
Seine Mitglieder werden vom Präſidenten der Re—
publik ernannt. Zur Entſcheidung von Kompetenz:
ftreitigleiten zmifchen den Verwaltungsbebörden und
Gerichten iſt ein befonderes Tribunal berufen (1872).
Der Eentralverwaltung der Minifterien ſchließt ſich
die Departemental: oder Provinzialverwaltung an.
An der Spitze jedes der 87 Departements (ſ. Ta-
belle, S.977 u. 978) ftebt ein —* der die Befehle
und Entſcheidungen der Miniſter vollzieht; ſeine Ge⸗
Fake die Präfelturräte, bilden ala Kollegium den
räfelturrat, der in einer Reihe von Verwaltungs:
rechtsſachen in erfter Inſtanz entjcheidet. Außer *
ner Stellung als Regierungsorgan iſt er aber auch
Vertreter der Intereſſen des Departements, das zu:
leih Berwaltungsbezirt und Selbftverwaltungs:
örper und als lesterer jurift. Perfon ift. Dem
Bräfekten fteht der Generalrat zur Seite. Der
legtere ift aus fo vielen Mitgliedern zufammen:
geſezt, als das Departement Kantone hat, und
wird von dem Volke nah dem allgemeinen Wahl:
rechte auf Grundlage der für die Gemeindemwahlen
aufgeitellten Liſten gewählt. Nur müffen die Gene:
ralräte, deren Ernennung auf 6 Jahre erfolgt,
im Departement wohnen oder darin eine direfte
Steuer zablen. Alle 3 Jahre wird ein Pritteil
erneuert; doc find die Austretenden wieder mähl:
bar. Der Generalrat verteilt die auferlegten Steuern
über die Bezirke, berät über die finanziellen Ange
legenbeiten des Departements, wobei feine Be
—* zum Zeil der höhern Beſtätigung unterwor⸗
en ſind, und äußert ſeine Anſichten in allen Din—
en, über welche er zu Rate gezogen wird. Jeder
neralrat beruft jaͤhrlich aus feiner Mitte eine
—— ————— welche dem Pra⸗
elten an die Seite geſetzt iſt. Die Unterabteilungen
des Departements, die Arrondiſſements,
haben je einen Unterpräfelten an der Spitze, der
eigentlich nur Agent des Präfelten iſt. Ihm ſteht
ein gewählter Kreisrat (Conseil d’arrondissement)
zur Seite, deſſen jährlihe Sikung die Dauer von
15 Tagen nicht überfchreiten darf. Die Kantone,
in welche das Arrondifjement zerfällt, haben feine
—— Bedeutung, ſondern dienen nur zur
Grundlage für Wablen und für die Rekrutenaus—
bebungen; u in jedem Stanton ein Friedens:
— ſeinen Sig. An die Provinzialverwaltung
reiht fih die Gemeindeverwaltung. Da die Ge:
meinde zugleih Verwaltungsbezirt und jelbftän:
dige Korporation ift, vereinigt au der Maire
(ähnlich dem Präfelten) den doppelten Eharalter
des Regierungsbeamten und des Repräfentanten
der Gemeinde in ſich. Der Maire und die Adjunk—
ten werden vom Municipal:(Gemeinde:)rat ge
wählt (außer in Paris). Als Beauftragter der Ser
— hat er deren Aufträge zu vollziehen, die
usführung der Gefepe zu übecwachen und ſowohl
991
die allgemeine wie die Ortspolizei (vorbehaltlich der
befondern für Baris, yon und die Städte von über
40 000 E. bejtebenden Beitimmungen) zu handhaben.
Seine Beihlüffe (arrötös) müfjen zum Teil vom
Präfelten oder Unterpräfelten beftätigt werben. Auf
Strafen kann nidt er, fondern nur das Polizei—
gericht erfennen. Als Vertreter der Gemeinde ver:
waltet er die Gemeindegüter, orbnet die Ausgaben
und Einnahmen, legt das Budget vor, vertritt die
Gemeinde vor Geriht u. ſ. m. Auch iſt er Eivil:
ftandsbeamter, hält die Civilregiſter und vollzieht
die Civiltrauungen, doch unter Aufficht der Juſtiz⸗
behörde (Staatsprofurator). Der Maire ernennt
meiftenteild die Gemeindebeamten. Sein Gehilſe
und Stellvertreter ift der Adjunkt, deren es in Ge:
meinden von tiber 2500 E. mehrere giebt. Somohl
das Amt des Maire wie das des Adjunkten (der
überbaupt feine eigentümlihen Funktionen übt) iſt
unbefolvet. Dem erftern zur Seite fteht der Ge:
meinderat (Conseil municipal), den die Einwoh⸗
ner der Gemeinde wählen. Wähler ar alle Fran:
zofen, die mindeſtens 21 J. alt find, ſeit 6 Monaten
in der Gemeinde wohnen und ihre bürgerlichen
Nechte befigen. Wählbar find alle Franzoſen, die
das 25. Lebensjahr zurüdgelegt haben, wenn fie
entweder in die Wählerliften der Gemeinde einge:
tragen oder zu einer der direften Steuern verans
lagt find. Der Gemeinderat gig mindeftens aus
10 Mitgliedern, und die Zahl fteigt mit der Ber
völferung bis zur Höhe von 36 bei 60000 und
Den Einwohnern, abgejehen von den befondern
Beltimmungen für die in mehrere Mairien geteilten
Städte. Der Gemeinderat faht Beichlüffe (il rögle)
über die Verwaltung der Gemeindegüter, melde
dem Unterpräfeften mitgeteilt werden müjjen und
die der Präfelt nicht ändern, aber in manden
Fällen (wegen Gefegmwibrigfeit) aufheben kann; er
berät (delibere) das Gemeindebudget, ferner über
Kauf, Verlauf u. f. w. von Gemeindegütern, über
Bauten und Reparaturen, über Annahme von
Schenkungen und über Prozebangelegenbeiten, doch
müjjen Beſchlüſſe diefer Art dem Präfelten oder
dem Minijter des Innern zur Genehmigung vor
gelcat werden; er begutachtet (donne son avis) end»
ih alle Gegenftände, die man ibm vorlegt, wie
———— en, Wohlthätigkeitsangelegenhei⸗
ten u. ſ. w. Die Sißungen des Gemeinderats find
” 1884, in Paris jeit 1886 öffentli. Die ordent:
ihen Sigungen finden jährlich viermal auf die
Dauer von je 14 Tagen ftatt, außerordentliche
fönnen vom —8* Unterpraͤfelten oder Maire
berufen werden; letzterer muß ſie berufen, wenn die
Mehrheit des Gemeinderats es verlangt.
Gerichtsweſen. Die Rechtspflege ſteht unter dem
Juſtizminiſter und zerfällt in die Eivil: und Kriminal⸗
gericht3barkeit. Die Civilgerichtsbarkeit wird
geübt durch Friedensgerichte, Kreisgerichte und Ap⸗
Uhöfe. Das Friedensgericht bejteht aus einem
ihter, der fein Rechtögelehrter zu fein braucht,
und zwei unbefolveten Stellvertretern. Der Frie⸗
densrichter it I wirfliher Richter als auch
Vermittler. Faſt fein Prozeß darf beim Kreiögericht
anhängig gemadt werben, der nicht vorher zur
Vereinbarung der Parteien vor dem Friedensrich⸗
ter verhandelt worden ift. Das Kreisgericht (Tribu-
nal d’arrondissement), Tribunal erfter Inſtanz,
welches Eivil: und Straflammern (Chambres cor-
rectionnelles) bilbet, * nach der Größe des
Ktreiſes aus mehrern beſoldeten Richtern und
992
mebrern unbefolveten Stellvertretern, die aus den
Advofaten genommen jind. In eriter Inſtanz ge:
hört zu feinem Reſſort alles, was geſetzlich nicht
einem andern Gericht zugemiefen, in erfter und
legter Inſtanz die Sachen bis zu 1500 Frs.; in
zweiter und leter Inſtanz entjcheidet das Tribunal
über Appellationen gegen friedensrichterliche Urteile.
a jedem der 362 Arrondifjements befindet fich ein
ribunal erjter Injtanz, in jevem der 2881 Ran-
tone ein Friedensrichter. Der Appellbof (26 find
vorhanden, ‘außerdem 1 in Algerien und 6 in ben
Kolonien) ift zufammengefest aus 10—23 Präfi-
denten und Räten rent 72), die mebrere Ram:
mern bilden: für Civilprozeß, für forrektionelle
Appellationen, für Berfegung in Anklageftand. Die
Affen können nur ſprechen, wenn ibnen die Ans
Hagelammer des —— die Sache zugewieſen
bat. Der Appellhof iſt gewohnlich zweite, in wenigen
Fällen nur eigene Inſtanz. Die Handelögerichtö-
arteit wird verfeben: 1) von ben Handelsge—
richten, deren Mitglieder von den Kaufleuten und
Fabrikanten unter fih auf 2 Fahre gewählt und
von ber Regierung bejtätigt werben; 2) von den
Gemwerbegerihten (Conseils de prud’hommes),
welche hauptſächlich über Streitigkeiten zwiſchen
Fabrilanten oder Meiſtern und Geſellen oder Arbei:
tern und über Streitigfeiten aus Lehrverträgen
entſcheiden. Die Handelägerichtöbarleit bedarf weder
der Anmälte noch Apvolaten. — Die franz. Straf:
rehtspflege unterjcheidet drei Grade von Ber:
gebungen (infractions) gegen das Geſetz: Polizei:
übertretungen (contraventions), Vergeben (d&lits)
und Verbrechen (crimes). Die erftern urteilt das
Polizeigericht (Friedensrichter) ab, das jedoch nur
auf 15 ge Geldſtrafe oder 5 Tage Gefängnis er:
fennt. ellation ijt nur geftattet, wenn die Strafe
mehr als bIrs. beträgt, und zwar an die Rorreltionell:
fammer ſdas ge bed Tribunals;
dieſelbe iſt aus drei Richtern zuſammengeſetzt und
richtet in erfter Inftanz über alle Vergeben, welche
teine Verbrechen find, aber einer höhern Strafe ala
ver Bolizeiftrafe unterliegen. Die Appellation .
die Urtetle der Kammer geht an den nei ie
Verbrechen gehören vor das Forum der Aififen:
öfe, die alle Quartale in jeder Departementshaupt:
tabt abgebalten werden und aus Richtern und Ge:
chworenen bejteben. Außer den Verbrechen find
auch noch Preßvergeben jeder Art ſowie polit. Ver:
geben und Verbrechen den Aififenböfen zugemiefen.
ie Richter fprechen nur die gejegliche > aus
über das von 12 Geſchworenen mit abjoluter
Mebrbeit anertannte Berbreben. Ausnahmege—
richte find verfaſſungswidrig, aber es beſtehen ver:
hiedene von dem Geſetze vorgefebene Specialtri:
unale: die Ndminiftrativgerichte, Kriegs: und See:
gerichte, Disciplinartammern der Notare und An:
wälte und Disciplinarbebörden für das Unterrichts:
weſen. — Der Kaſſationshof entfcheidet niemals
über die ftreitige Sache, fondern nur über die rich:
tige Anwendung des Geſetzes und des Verfabrens.
Derjelbe zäblt 49 Mitglieder, die drei Kammern
bilden: Civil:, Kriminal- und Requetentammer.
In gewiſſen Fällen urteilen die vereinigten Kam:
mern (toutes chambres r&unies). Die Richter der
Arrondiffementögerichte, der Appellböfe und des
Kaſſationshofs find unabſetzbar, müſſen aber (feit
1852) in einem gemwiflen Alter in den Hubeftand
verjeht werben; auch tft die Verſetzbarkeit und Ab:
fegbarkeit der Richter wegen dauernder Schwäche
Frankreich (Finanzweſen)
dur Geſetz vom 30. Aug. 1883 erleidhtert wor:
ben. Es giebt im franz. Gerichtsweſen in Wirklich⸗
feit nur zwei Inſtanzen, da der Kaſſationshof nicht
über die ftreitige Sade urteilt. Außer den Frie⸗
dens⸗ und Handelögericten, den PBräfelturräten,
den Prud'hommes ift bei allen ten eine
Staatsanwaltſchaft (ministere public) thätig, die
bei den Kreis: und böbern Geridten von Staats
tofuratoren (procureurs de la r&publique) ver:
eben wird, i den böbern Gerichten heißt er
rocureur gönsral. Der Staatäprofurator bat
in Kriminalfahen bie A e zu fübren und
muß in gemiflen Givilfachen t
tablen Saden) gebört werben, mwäbrend er in
andern Eivilfahen das Wort * lann (par-
tie jointe), in andern (z. B. Nichtigleit gewiſſer
Ehen) als Hauptpartei — principale) auf:
tritt. Außer in den Berwaltungstribunalen berrict
in ganz F. Öffentlichkeit und Mündlichteit des
Gerichtöverfahrens.
Die Zahl der in der Ariminalgerihtöbarteit
Berurteilten betrug:
215993
210119
1890 211731 447273
1391 216 908 447 203
1892 230 060 436 601
1894 225 466 443 474
1895 221234 39 723
1896 . 415 402
um Tode verurteilt wurden von den Afftien-
böfen 1896: 24, 1892: 27, 1891: 28, 1890: 32,
1889: 28, 1888: 28; davon bingerichtet 1896: 6,
1892: 9, 1891: 15, 1890: 7, 1889: 9, 1888:
9 Perſonen. Die Gefangenenbevölterung beſtand
31. Dez. 1896 aus 8771 Männern und 1088 Frauen.
die zu längerer Gefängnisitrafe verurteilt waren,
16697 Männern und 2906 Frauen mit kürzerer
Strafe, 5023 Knaben und 1095 Mädchen in Beſſe
rungsanftalten, 44 Arreftgefangenen und 121 im
Depot für die zur Deportation Berurteilten, im
anzen 35 745. Neucaledonien und Cayenne be
—— ſich etwa 13000 Deportierte.
Finanzweſen. Die Einnahmen beſtehen aus
direkten und indirekten gr ee Zu den direl:
ten Abgaben gebören (Budget für 1901): bie
Grundfteuer von 1791 (186 961 552 Frs.), Gewerbe:
fteuer von 1791 (134182840), Steuerrollentaze
(1082350), die Perfonal: und Mobiliarjteuer
(98168530 Frs.), die Thür: und Fenſterſteuet
(62679063 Fr3.), die Taren auf die Güter der Toten
Hand (7,66 Mill.), die Bergmerksfteuer (2,95 Mill),
die Pferd» und pero: (13,31 Mill.), die Aich
ebübren (5,7 Mill.), die Gejellibafts:, Bilları-,
Kebrad, Militärfteuer u. f. m. (9,95 Mill. Fra.)
ie Erträgnifje der Domänen betrugen 24,09, der
Forſten 30,79 rd. Viel wichtiger find in F. die in:
direlten Abgaben mit über 2095 Mill. Fyre.: das
Enregiftrement (553,2 Mill), die St aben
(173,56), die Aprozentige Eintommenfteuer vom be:
weglichen Bermögen (74,7), die Monopole und ftaat:
lihen Induſtrien (729), darunter Zündbol;:, Ta
bat3: und Bulvermonopol (456), Bolten (199), Tele
graphen und Telephone (56 Mil. Fr3.), fermer die
Zölle (438,37), die verichiedenen Einnahmen (62), der
Aufſchlag auf Eifenbahnfabrlarten (59) und bie
eigentlichen indireften Steuern, darunter Getränfe
Frankreich (Bank- und Geldwejen)
fteuer (Mein, Eider, Bier, Allohol) 482, Salz
iteuer (feit 1806 eingeführt) 9, Stearin» und fer:
jen: 8,3, elle u.f. w. Steuer 3 Mill. Frs. BZuder:
oll und »Steuer find auf 199,5 Mill. Frs. veran-
Nhlagt. An Stelle der für Departemental: und Ge:
meindezwede vorbebaltenen Perjonal: und Mobis
liar: fomwie der Thür: und Fenſterſteuer war 1897 zum
eritenmal eine Einfommenfteuer mit 156900620
Frs. ind Budget eingefeht, die aber vom Parla⸗
ment abgelehnt wurde. — einer erreichen die
Einnahmen einſchließlich außerordentliher( LOMiL.)
und durdlaufender (77,83) Einnahmen 1901 eine
Höhe von 3552403054 Frd. Dazu tommen nod
die Einnahmen aus Algerien mit 2, Mill. Fr3.
Die Ausgaben fegen ſich folgendermaßen zu:
fammen: die öffentlihe Schuld (f. unten) erfordert
1245,64 Mill. Frs. (darunter für konſolidierte
Schuld 676, fündbare Schuld 324, Leibrentenihuld
245 Mill. Fr3.), Gehalt und Repräfentation des Brä-
identen und der gejeßgebenden Körper 13,29 Mill,
8. Die Minifterien erfordern 1834897081 Fr3.,
darunter das ber Finanzen 19,6, der Juſtiz 35,25,
des Außern 16,38, des Innern und des Kultus 120,68,
des Krieges 693, der Marine 327,7, des öffentlichen
Unterrichts und der jhönen Kunſie 221,87, des Han:
dels und der Induſtrie 39,1, der Kolonien 111,87,
des Aderbaues 30,89, der öffentlihen Arbeiten
218,58 Mill. Frs. Regie⸗, Erhebungs⸗ und Betriebös
koften belaufen ſich auf 420,35, Ausfälle und Rüd-
zahlungen auf 40, Mill. Frs. —— betragen
bie Staatsausgaben 3554 354212 Fra.
In den (1901) 36192 Gemeinden (ohne Alges
rien) ftiegen 1891 —1900 die ordentlihen Eins
nahmen von 675 auf 794,13 (für Paris allein von
264,89 auf 321,23), die ordentlichen Ausgaben von
641,83 auf 761,16 (264,69 auf 321,22) Mill. Frs. Be
deutende Einnahmequellen find die Zufchläge (cen-
times additionels; 1900: 195,33 Mill. Frs.), noch bes
deutender die Einnahmen aus dem Dctroi (f. unten).
Die Geſchichte der franz. Staatsſchuld (Dette | (f
publique) reicht bis auf Philipp den Guten zurüd,
und unter franz I.wurben bie ne Renten —
1760 mußte ſchon mehr als ein Drittel der Staats⸗
eintünfte (100 Mill. Livres) als Zinfen und zur
en ber öffentlihen Schulden verwendet werben.
u Ludwigs XVL Zeit wurde es gebräudlih, auf
taatögüter Affignaten (f. d.) außzugeben, wovon
1792 für 1564 Mill. und 1796 fogar für 45 Mil
liarden Livred im Umlaufe waren. Durch ein
Gefeb vom 28. Aug. 1797 wurde beftimmt, daß
von der öffentlihen Schuld nur ein Drittel und
zwar unter dem Namen «Tiers consolid6» in das
von Cambon geihaffene «Große Buch der öffent
lichen Schulden» eingetragen werden follte. Diefer
Betrag belief fih auf 40216000 Frs. (mit den
Schulden der damals mit F. vereinigten Länder
46 Mill.) und bildet die Grundlage der heutigen
Staatsſchuld. Fee ftieg unter Napoleon L um
658, unter der Rejtauration um 3154, unter der
ulfregierung um 1516, verminderte fi 1851 um
, vermehrte ſich aber unter Napoleon III wieder
um 6938 und enblid ſeit 1870 um 12703 Mill.;
u 1901 betrug fie 30096632622 Fr. Die
weientlichften Poften find: Ronfolidierte Schuld
22001 (Renten zu 3", Proz. 6789, zu 8 —*
15212), tilgbare Schuld 3822, ſchwebende —* d
1145 (vexzinslich 1030, unverzinslich 115), Eiſen⸗
bahnen, Zinsgarantien und Annuitäten 1309, Obli⸗
gationen für Vicinalwege und Schulzwecke, Specials
Brodhaus' Ronverfations-Leriton.. 14. Wufl R. A. VI
993
tonto des Krieges (Geſetz vom 17. Febr. 1898) 151
gg F auch Franzoſiſche Rente und Finan⸗
zen, Tabelle.
Wenn man als oͤffentliche Schuld noch die Ans
leihen und Schulden der Departements und Ge
meinden, welche fie A 8—10 Jahren beſonders
zur Ausführung von Schulbauten und Straßen aufs
genommen haben, im Betrage von 3”, Milliarden
dazurechnet, fo beträgt die Öffentliche Shulo 33—
34 Milliarden oder etwa 1000 Irs. auf den Kopf der
Bevöllerung. Die Schulden haben fid in den (1901)
86192 franz. Gemeinden von 1890 bis 1899 von
3224 auf 8881, in Paris allein von 1872 auf
2387 Mill, Frs. vermehrt; der Zuwachs ber Vers
fhuldung entfällt alfo größtenterld auf Paris mit
rund 515, während bie übrigen Gemeinden nur
eine Zunahme von 142 Mill. Frs. aufweifen.
Die wichtigften Ausgabepoſſen für bie öffentliche
Schuld (f. oben) im Budget für 1901 find: Zinfen
ber 3°, progentigen Rente 237,4, 3 prozentigen Rente
438,397, 3 —— Annuitäten 139, für Annuitä⸗
ten (an Stelle von Subventionen) an Eifenbahn:
ee 42 in der 3 prozentigen Rente
7,5, Zinſen der ſchwe enden Schuld 15,5 Mill. Frs.
Unter der — (245,55 Mill. Be) bes
finden ſich 135,0: Mill. Frs. Militär, 79,3 Civil
penfionen, 11 Dotation der Ehrenlegion, 8,84 Ans
nuitäten an die Depofitentafie für die Benfionen
ebemaliger Militärs,
Der Octroi wurde 1900 noch in 1498 Gemeinden
auf Getränke und Flaſſigleiten, Eßwaren, Sei
material, Biebfutter u. |. w. erhoben und er
1891: 288,08, 1900: 335,15, davon in Paris allein
141,5 und 166,39 Mill. Frs. (gegen 157,81 im J.
1899). Die Steigerung bes legten Jahres in Paris
bürfte durch den Fremdenſtrom der Weltausftellung
hervorgerufen fein.
Banl- und Geldweſen. Bon den mehr ala 100
Banten ift die wichtigfte die Banque de France
.d.). Ferner find von Bedeutung: Credit foncier
(Altienlapital 170,5 Mill. Frs.), erödit Lyonnais
Lyon, 100), Banque de Paris et des Pays-Bas
62,5), Société gönerale (60), Société financidre
Lyonnaise (50), Société financidre de Paris (45),
Comptoir d’escompte (40), Banque d’escompte
32,5), Credit mobilier (30 Mill. Frs.); endlich
eien noch erwähnt ey hg ann Compagnie
ranco - Algerienne, que hypothöcaire de
France, Banque commerciale et industrielle,
Soci6t& des immeubles, Rente foncidre, Fran⸗
zöfich«Stalieniie Bant, Credit industriel et
commercial, Banque maritime, La nourvelle Union.
Die bedeutenditen Altienunternehmungen de:
bie Sued-Ranalgejellihaft (Aktienkapital 200 Mill.
8.), Compagnie göndrale des voitures de Paris
42,5 Mil), Parisien gaz (42 Mill.), Com ie g6-
n6rale transatlantique (40 Mill.), Docks de Mar-
seille (39 Mill.), Hüttenwert Greufot (27 Mill.),
Union de gaz (25 Mill.). Durd die Chambre de
Compensation (f. Clearing⸗ Houſe) wurden 1895/96
Effellen im Werte von 7,358 Milliarden Frs. ver:
rechnet. Hoch entwidelt ift das Berfiherungswefen
in allen feinen Zweigen. Allein in der Lebensver-
fiherung belief ſich das verficherte Kapital 1860 auf
. | 230, 1890 auf 4015 Mill. 58
Die ältefte —— ift Die 1818 gegründete
zu Baris. t diefer Zeit hat fich ihre Er nell
ehoben. 1840 gab eö ſchon 430 mit 192,4 Mill.
—* Einlagen. 1896 beſtanden 6626650 Privat⸗
63
994 Frankreich (MWohlthätigkeitsanftalten. Heer und Marine. Wappen. Kirchenweſen)
—— mit 3370,79 Mill. Frs. Einlagen.
ie meiften Kafjen befigen die Depart. Nord, Pas:
de⸗Calais, Iſere und Niederpyrenäen, in Gorfica
und Lozere jind fie noch beinahe unbelannt. Seit
9, April 1881 giebt e8 neben diefen Spartaflen noch
Poſtſparkaſ * d.), die Ende 1895: 2682908
Bücher und 785 Mill. Fr3. Einlagen aufwiejen.
Der größte Teil der Sparkafjengelver ift unter Ga»
rantie des Staates durd die Caisse des d&pöts et
eonsignations in franz. Rente angelegt.
Die franz. Münzen, Maße und Gewichte be:
ruben er dem Decimalſyſtem. Münzeinbeit bildet
der ran (f.d. und Tabelle beim Artitel Münze).
Die Grundlage aller Maße bildet das Meter;.
1,5 km = 1 neue Seemeile (Mille marine). Ge—
wichtseinheit bildet das Gramm. Die Scifistonne
(Tonneau de mer, aud Millier genannt) bat
10 Quintaux mötriques oder 1000 kg.
Wohithätigkeitdanftalten. 1888 gab es 110 Heil:
anftalten für Geiftestrante, darunter 50 Departe:
mentsafyle und 45 Brivatanftalten. Die Zahl der
Pfleglinge betrug 1897: 64689. Außerdem wurden
1897: 1736 Kranlenhäufer mit gegen 200000 Bet:
ten unterhalten, deren Unterbaltungstoften ſich auf
138,8 Mill. Frs. beliefen. Dazu lommen nod
104377 unterjtügte Kinder (gefundene, verlafjene,
Maifen), von denen 2373 in Hojpitälern und
102004 auf dem Lande verpflegt wurden. Die
Zahl ver Bureaux de bienfaisance belief ſich 1897
auf 15827, durch welche 1431687 Perſonen dur
——— im Geſamtbetrage von 40 bis 50
il, Frs. unterjtügt wurden. Leihhäuſer (Monts-
de-pict&) beftanden 42, die (einfhlieplih Erneue:
rungen) auf 3 Mill. verpfändete Gegenjtände Dar:
leben von 65 Mill. Frs. gewährten. Nachdem 1894
durch Beſchließung der obligatorischen Krantenver:
fiherung der Bergarbeiter der erfte Schritt zur Ein:
führung obligatorifcher Arbeiterverfiherung Ben
war, erlebten die dafür beftimmten Hilfskaſſen
(Soci6tes de secours mutuels) ein raſches Wachs⸗
tum. Von den 3 Arten derartiger Geſellſchaften
(i. Hilfstafjen) gab es 1896: zugelaffene (autori-
sées) 3017, anerlannte (reconnues) 17 und ge:
nehmigte (approuv6ses) 7943 mit 354356, 56828
und 1381852, zufammen alfo 1793036 Mitglie:
dern. Die Einnahmen betrugen 8608241, 2167659
und 26884529 Frs., die Ausgaben 6217426,
1822746 und 21697589 Frs., die Refervefonds
40042981, 10142245 und 87104511 Frs. Von
den autorifierten Kafjen wurden (1896) 72333
(33,54 Broz. aller Mitglieder), von den genehmig-
ten 290427 (30,46 Proz.) Kranke unterftügt. Die
meiften Hilfsfaffen gemäbren außer Witwen, Wai—
fen: und andern Unterftüßungen aud Renten im
Anvaliditätsfall. Demjelben Zwed im Alter dient
außer wenigen fpeciellen Invaliditätstaffen bejon:
ders die Alteröverforgungsfafie (Caisse Nationale
de retraite ps la vieillesse). Der Gejamtbetrag
aller öffentlihen Anftalten, Gemeinden ober De:
partementö zugemwendeten Scenlungen betrug
1897: 44554875 Frs.; es fielen zu ber Kirche 7,3,
Krantenbäujern und Hofpizen 24,8, VBerjorgungs:
anftalten 1,7, öffentlihem Unterricht ſowie Atade-
mien und gelebrten een 1,8, Gemeinden
und Departements 9,ı Mill. Frs
anzöfifches
fiber das Heer und die Marine |.
Heerweien und Franzöfifches Feſtungsſyſtem.
Das Wappen beitand unter der ältern Bours
bonenlinie aus zwei zufammengejhobenen Scil-
ben; ber ie in blauem Felde drei goldene
Lilien (Frankreich), der linke in rotem Felde goldene in
Kreuzform zufammengelegte Kettenglieder mit einem
vieredigen Saphir in der Mitte (Navarra). Das
Schild wurde von Engeln —— das Wappen⸗
zelt hatte goldene Lilien auf blauem Grunde, darüber
die Königäfrone und hinter derfelben die Oriflamme
mit der Inſchrift «Montjoye St. Denis». Die Ne
volution von 1789 befeitigte die Lilien und ftellte
den gallifhen Hahn ins Wappen. Unter dem erften
— war das Wappen ein auf einem Bliß
ftrabl rubender — Adler. Nach der Reſtauta
tion kehrten die Lilien zurüd, fielen aber 1830 wieder
mit den Bourbonen. Unter der Yulidgnaftie ent:
—* das Wappen in blauem Felde ein geöffnetes,
enkrecht geitellte® Buch, auf deffen Blättern die
Charte von 1830 jtand. Napoleon IIL brachte den
Adler aufs neue ind Wappen. Das von der Ro
publit ſeit 1896 angenommene Wappenemblem zeigt
beiitebende Ab:
bildung. Die
franz. Natio:
nalfarbenim,
wie bereit& unter
der eriten Re:
publif, dann un:
ter dem faiier:
reib und ber
limonardie,
lau, Weiß und
Rot (tricolore).
Die Flaggenund
ı Sabnen (unter
der ältern Bour:
57 bonenlinie weis)
27 tragen dieje drei
— Farben in jent-
rechten Streifen,
dad Blau nad
innen. (S.Zafel:
laggen ber
eejtaaten,
b beim Artikel
Blaggen.) Abgejehen von dem Orden der Ehren
egion (f. db. und Tafel: Orden I, Fig. 14) giebt es
noch eine Rriegd- und eine Kolonialmedaille und
einen befondern Orden für Verdienfte um die Land⸗
—— Alle fruhern Orden find feit 1831 auf⸗
gehoben.
Kirchenwefen. Obgleich F. einerjeit? Sik und
Ausgangspunkt der atbeiftiihen Weltanfhauung
(ine die Encyklopädiſten), andererfeitö ver
chiedener reformatorifcher Beftrebungen (Walden
er, Galvinismus) war, fo tft das Land, wo die lath
Kirche bis in die neueite er eine genifle nationale
Selbftänbigteit behauptet bat (ſ. Ballitanifcheftirde),
doch überwiegend katholifch geblieben, wobei jedoch
den Anhängern anderer Rulte euren Asche
gionsübung geftattetift. Die außer dem latholiſchen
vom Staate anerfannten Religionsbelenntnifie find
das lutheriſche, das reformierte und das israelitiiche.
Die Diener derjelben werden vom Staate angeitellt
und bejolbet,im übrigen find beide, Staat und Kirde,
vollftändig voneinander unabhängig. F. zerfällt in
17 Rirchenpropinzen ber tatboliiden Kirche, die
als Staatslirde gilt, mit zufammen 17 Erzdidceſen
und 67 Diöcefen; an ber Spitze der Erzbidc
teben 17 Erzbifhöfe: in Air, Albi, Auch, Avignon,
ejanson, Bordeaug, Bourges, Sambrai, Chamberg,
Frankreich (Bildungs-
Lyon, Paris, Reims, Rennes, Rouen, Sens, Tous:
loufe und Tours. Hierzu fommen bie Kirhenprovinz
Algier mit 1 Erzdiöcefe und 2 Diöcefen und bie
Erzdidcefe Carthago. 1901 belief fi die Zahl der
Biarreien, ftaatlid anerkannten Succurfalpfarreien
und Raplaneien auf 41120 mit ungefähr 50000
Prieftern. Im Kardinalskollegium hat F. acht Mit
glieder. Die Zahl der Kongregationen belief ſich
1900 auf 1663 (152 Monchs⸗, 1511 Nonnenorden),
von denen jevod eine Anzahl infolge des Vereins»
geſehes vom 3. Juli 1901 (f. unten, Geſchichte) 3
verließen. Die reformierte Kirche (mit theol.
afultäten in Baris und Montauban), weldye haupt:
ächlich im Südmweften, am ftärfften im Depart. Gard
vertreten ift, ftebt unter dem Gentralrate und dem
Konfiftorium in Paris und hat (1901) 638 Geiftliche;
die lutberifche (namentlich in den Depart. Seine,
Haute-Sadne und Doubs) hat ala Dberbehörbe das
Dberlonfiftorium in Paris und zählte (1901) 62
Geiftlihe. Die Israeliten ſtehen unter dem Een»
traltonfiftorium in Paris, welchem die 10 Dber:
rabbiner und 47 Rabbiner unterftellt find.
Bildungs» und Unterrihtöwefen. Das Schul:
mejen bat namentlich auf dem Gebiete der Volls—
ſchulen ganz erhebliche Fortfchritte aufzumeifen.
Zwar batten ſchon die Revolution und die erfte Re
publit die Notwendigteit der Vermehrung des Volta:
(hulunterrichts anertannt, aber fie vermochten ihre
Pläne nicht ——— und auch unter dem
erſten Kaiſerreiche blieb derſelbe eine Angelegenheit
der Gemeinden, welche ihre Schulen meiſt den geift-
lichen Drden überließen. Nod 1840 waren Zauene
von Gemeinden ohne Schulen. Unter dem gelebrten
prot. Unterrichtäminifter Wabdington fing der Staat
an, der Vervolllommnung der Schule fein eifriges
Augenmerk zuzumenden. Wabdington war bemüht
dur Vermehrung der Schul äuler unb ber Zahl
der Lehrer die obligatorifhe Volksſchule vorzube:
reiten. Allein erft dur das Geſeß vom 28. März
1882 wurde der Schulzwang eingeführt und jede
Gemeinde von 500 Einwohnern verpflichtet, eine
Vollsſchule bs beide Geſchlechter zu errichten. 1878
murde ein Gejeg angenommen, wonach jebe Ge:
meinde ein eigenes Schulhaus haben muß. Der
Staat hilft nötigenfalld durch Schenkungen oder
Vorſchuſſe. Zu diefem Zwecke wurde eine Caisse pour
la construction des &coles geitiftet. Diefe Rafle
zu in 7 Sabren ae 16 000 Schulbäufer ge:
aut, über 30000 ausbeſſern und ausitatten laſſen,
bat 178 Mill. Frs. Staat3unterftügung verteilt und
190 Mill. 6 en. Die Departements haben
re die Normalſchulen (Seminare) und ge nter:
tüßung ber ärmiten Gemeinden noch 13 Mill. zuge:
legt, und endlich haben die befjer geitellten Gemein:
den * % Mill. freiwillige Beiträge geliefert. In
der folgenden Zeit bis Ende 1888 find von dem
Staate 38, von den Departementd 14 und von den
Gemeinden 56 Millionen für denfelben Zmwed ver:
wendet worden. Die Heranbildung von Lehrern
und Lehrerinnen für die Vollsſchule erfolgt in fog.
Normaljhulen (Seminaren), von denen jeht je eine
in jedem Departement beſteht. Die Zahl nichtge:
rüfter Lehrer verringert ſich mit jedem Jahre, da
eit 1881 ſolche ohne Prüfungszeugnis nicht mehr
zum Schuldienſt zugelaſſen werben. 1887 wurde
diejed Zeugnis 1676 Seminariften und 1102 Semi:
nariftinnen erteilt. 1890—91 hatten von den Lehrern
in den öffentlihen Schulen 21 Proz. das brevet
superieur, 76 Proz. das höhere Diplom (brevet
und Unterrichtömwefen) 995
€lömentaire), 3 Proz. (3405) waren ohne Zeugnis,
Das Geſetz vom 16. Juni 1881 verfügte die Un:
entgeltlichleit des Elementarunterricht8 und rief da⸗
durch zugleich eine bedeutende Erhöhung des Staat:
—* —— dieſer hat ſich ſeit 1869 mehr als
acht.
um Zwecle der —— des Schulweſens
wird F. leinſchließlich Algeriens) in 17 Alademien
eingeteilt, deren jede von einem dem Unterrichts:
minifter unmittelbar untergeorbneten Rektor und
den Departement3-Schulinfpeltoren verwaltet und
beauffihtigt wird. Jede Akademie hat einen alade⸗
miſchen Rat, der ſich aus ordentlichen, außerorbent:
lihen und vom Minifter ernannten Mitgliedern zus
—— Er giebt ſein Urteil ab bezüglich der
nterrichtsordnung, der Verwaltung und Disciplin
des höhern Schulweſens. Daneben hat jedes De—
partement einen Departementsrat des niedern dffent:
lichen Unterrichts unter dem Vorſitz des Präfelten.
Von großer Bedeutung für die Entwidlung des
Unterrihtätefend war das Dekret vom 27. Febr.
1880 über bie Ummanblung des Conseil sup6rieur
de l’instruction publique. In diefem Unterrichts:
rate ſihen neun vom Präfibenten der Republit er»
nannte hohe Beamte der Univerfität und vier Mit:
liever aus dem (nichtftaatlihen) enseignement
ibre, Mitglieder des Inſtituts, des Collöge de
France, der —— akultäten, aller Hoch-,
Mittel: und Vollsſchulen. Alle belleiden das Amt
4 Jahre und find wieder wählbar. 15 Mitglieder
bilden die ftändige Seltion, welche die Lehrpläne
und u die Gründung von Fakultäten,
Lyceen, eye Normalihulen, die Belegung von
—— egutachtet. Der Rat felbit, der ſich
regelmäßig zweimal im Sahre verjammelt, giebt
* Gutachten ab über dieſelben ragen, über das
erfahren bei Prüfungen, der Verleihung der
Grade, über Lehr: und Lejebücher und bildet die
legte Inſtanz in Disciplinar: und Streitſachen.
Der öffentliche Unterricht teilt fi in den Hoch⸗
ſchulunterricht (instruction sup6rieure), Gymnaſial⸗
und Realfhulunterriht (instruction secondaire)
und den Vollsſchulunterricht (instruction primaire).
Das höhere Bildungsweſen umfaßt die
Univerfitäten, die Vorbereitungsanitalten für das
Studium der Medizin und Pharmacie, die Normal:
ſchulen (Seminare) für den höhern Unterricht und
bie er wiſſenſchaftlichen Inſtitute.
eit 1896 heißen die frühern Corps de facult&s
Univerfitäten. Solcer giebt e8 15 (Air-Marfeille,
Befanson, Bordeaur, Caen, Elermont:Ferrand,
Dijon, Grenoble, Lille, Lyon, Montpellier, Nancy,
is, Poitiers, Rennes und Touloufe). Sämt:
liche Univerfitäten baben eine philoſ. (des lettres)
und eine mathem.maturwifjenihaftliche (des scien-
ces), alle außer Bejangon und Elermont-Ferrand
auch eine jurift. Fakultät. a REN
—— beſiten erg Lille, Lyon und Tou:
oufe, medizinische Paris, Nancy und Montpellier,
en Paris und Touloufe (legtere in
ontauban),böherepbarmaceutiihe Schulen Monts
pellier, Nancy und Paris, * eine Ecole de plein
exercice de mödecine et de pharmacie Rennes,
Marjeille und Nantes, endlich mediz. pharmaceu⸗
tifche Vorbereitungsihulen Caen d ouen), Dijon,
Grenoble, Lille (in Amiens), Paris (in Reims),
Poitiers (Filialen in Limoges und Tours), Befanson,
Elermont und Rennes (in Angers). Die Anzahl der
Studierenden in den ftaatlichen Fakultäten betrug im
63*
996 Frankreich (Bildungs-
an. 1901: 29901, nämlich 142 —— 10162
echtsbefliſſene, 8627 Mediziner, 3910 Studierende
der «sciences», 3723 Studierende der «lettres» und
8347 PBharmaceuten. Neben diefen ftaatlihen Hoc:
chulen ae jeit 1875 freie fatb. Univerjitäten zu
ngers, Lille, Lyon, Nantes, Paris und Zoulouje,
orte (jeit 1881) eine freie jurift. Schule zu Mar:
eille. Dem höhern Unterricht in Kunft und Wifjen:
haft dienen ferner hervorragende Inſtitute, wie
das Collöge de France mit Lehrſtuhlen für Mathe:
matik, Naturwifjenihaften, Bhilofopbie, Sprachen
und Litteraturen; die Schule ——— Übung
in den eraften Wiſſenſchaften (Ecole pratique des
hautes &tudes) u. a.
Daneben find noch zahlreihe Fach- und Spe:
cialfhulen vorhanden. Die Ausbildung der kath.
Theologen in den bifchöfl. Diöce ——
und in einer Anzahl von Klöftern. , Dem Sprad:
und Geſchichtsſtudium dienen bie le sp£ciale
des langues orientales vivantes in Paris, bie Ecoles
frangaises in Athen und Rom und bie le des
Chartes (Schule für das Studium von Handſchriften,
Urkunden u. f. w.), für Anthropologie die Ecole
d’anthropologie, für Archäologie die Ecole du
Louyre, für Heranbildung von Rolonialbeamten
die Ecole coloniale in Paris (mit je einer Abtei:
lung für ze und für Eingeborene). Für
Kaufleute, Gewerbtreibende, le Land: und
orjtwirte beftehen höhere Handelsſchulen (Ecole
es hautes etudes commerciales und Institut com-
mercial) in Paris und bie Ecoles superieures de
commerce in Le Havre, Paris, Lyon, Bordeaur,
Lille, Marfeille und Rouen und viele mittlere und
niedere Handelslehranſtalten.
An techniſchen Unterridbtsanftalten be
heben neben den Hochſchulen (Ecole polytechnique,
le nationale des ponts et chaussees, Ecole cen-
trale des arts et manufactures [Schule für Eivils
ingenieure], le des manufactures de l'état für
die Beamten der ftaatliben Tabak: und Pulver:
fabriten) jeßt 12 Gewerbeſchulen, 5 Kunft: und Ge-
werbeichulen, 3. B. die Nationaliulen ber delora⸗
tiven Kunſt zu Aubuſſon, Limoges und Nizza, bie
Nationalihule der induftriellen Künfte zu Roubair
und die Ecole des arts et metiers zu Air, Chalons⸗
—— u. a.; ferner Uhrmacherſchulen, eine
abafmanufafturfchule, die Nationalforftihule zu
Nancy, die Ecole secondaire forestiöre und bie
cole primaire forestitre zu Barres, das Institut
national agronomique zu Paris, die höbern Ader:
bauſchulen zu Grignon, Rennes und Montpellier,
6 Gartenbaufchulen, 37 praltiihe und 16 niebere
Aderbaufhulen, 411 landwirtſchaftliche Lehrftühle
und 77 landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen, Schä-
—— z. B. in Rambouillet, drei Veterinär—
chulen (Alfort, Lyon, Touloufe), eine Geſtütſchule;
eine höhere Bergſchule (Ecole des mines) zu Paris,
eine Bergihule zu St. Etienne und zwei Steiger:
und Häuerfhulen (Alais, Douai). Die Ecole libre
des sciences politiques trägt dem modernen Be
dürfnifje nach Belehrung in polit. Beziehung Red:
nung, und die Ecole pr¶toire au commerce
d’exportation bildet Erporteure heran.
Der förderung der Kunſt dienen außer den oben»
genannten Schulen noch die Ecole nationale et
sp£eciale des beaux-arts zu Paris, Kunſtſchulen zu
bon, Dijon, Bourges und Algier und die Aca-
demie nationale de France zu Nom, das Conser-
vatoire national de musique et de d&clamation zu
und Unterrichtäwejen)
Paris und deſſen 8 Filialanftalten, die Ecole de
musique classique zu Paris, 18 Nationalmufit:
Iaulen und 6 re ger rChorfnaben. Bon den
ilitärfdhulen jind die bedeutenditen: bie höbere
Kriegsſchule zu Baris, das Prytanee militaire zu
La Fleche, die Ecole speciale militaire zu Et.
Eyr, die Artillerie: und Genieſchulen zu Fontaine:
bleauund Berfailles, die Kavallerieſchule zu Saumur,
die Infanteriefhule zu St. Mairent, die Byroteb:
nische Gentralichule zu Bourges, die Schule für dirzte
und Apotheler deö Heers, die Berwaltungsichule r
Vincennes unddie Militärturnanftalt zu Foinville:
Pont. An allen großen Seeplägen bejteben bydrogr.
Schulen. Bon hervorragender Bedeutung iſt beſon⸗
der3 die Marineatademie zu Breit. lreich find die
gelebrten Geſellſchaften aller Art bejonders in Paris.
Bon den wi ienineltligen Sammlungen
find bervorzubeben das Museum d’histoire natu-
relle, der Jardin des Plantes, die Raturalienfamm:
lungen und botan. Gärten mehrerer großen Stäbte,
das Bureau des Longitudes (Schiffahttsamt), die
Staatöfternwarten, dad Meteorologijche al:
inftitut, das Nationalmujeum zu Barıs, das Conser-
vatoire national des arts et metiers (f. db.) u. a.
Große Bibliothelen finden fi namentlid in Paris.
Einen bedeutenden Aufſchwung bat feit 1871 das
Mittelſchulweſen genommen: neue en und
Kollegien find eröffnet worden, und Staat und Ge
meinde haben dafür große Summen geopfert. In
den Leltionsplänen wurde den lebenden Spraden,
ber Geſchichte und Geographie ein breiter Raum ge
währt, und ebenfo erfuhren die militär. Übungen
und das Turnen Beachtung; auch die Befoldungen
ber Lehrer wurden erheblich aufgebefiert.
n ben Lyceen und Kollegien wird in neun Jabres:
kurjen klaſſiſcher und realiſtiſcher Unterricht erteilt.
Sie unterjheiden fih in mehrfacher Hinfiht von
den deutſchen Gymnafien. In und Quinta
wird nämlich nur eine fremde Sprade (Deutich oder
Englifh) gelehrt; das Lateinijhe beginnt erft im
Quarta, dad Griehifche erft in Obertertia und im
Dberprima ift für Lateiniſch und Griechiſch nur eine
Stunde anal. Die Lyceen, die in hoͤherm An:
eben fteben, find Staatsinſtitute, während die Kol
ien unter Beihilfe des Staated von den Gemein
ben erhalten werben. 1899 gab es 110 Staatälyceen
und 252 (obne Algerien) Rommunaltollegien mit
84507 Schülern (gegen 79231 Schüler 1876). 1899
ab es ferner 201 freie, von Laien geleitete Mittel:
Phulen mit 10182 Schülern, 441 gleichartige von
Geiftlihen geleitete Schulen mit 68825 Schülern
und 140 ſog. Kleine Seminare mit 22497 Schülern.
Die Gefamtihülerzahl betrug 185510.
Durch dad Gejeß vom 21. Dez. 1880 wurde von
Staatö wegen das enseignement secondaire des
files, der höhere Mäbdenunterrict, einge
richtet. Die Erziehung des weiblichen Gejhlehts
war früber ben geijtlichen pc ationen üf
lafjen. Die meiften Mädchen erhielten daber ihre
8 ere Ausbildung in Klöftern. Dieſem Zuftande
oll ein Ende gemadt werben, indem man den be:
reitd gegründeten Sekundärfhulen für Mädhen
immer neue Anjtalten binzufügt. Recht ‚erfreulice
Fortſchritte find auf diefem Gebiete bereits erzielt;
während 1883 nur 2 Pyceen und 3 Rollegien für die
böbere Ausbildung der Mädchen beitanden, dienen
1899: 68 Lyceen und Kollegien dieſem Jwede. 1881
zählten dieje Anftalten 204, 1886 bereitö 4967 und
1899 jogar 11994 Beſucherinnen.
Frankreich (BZeitungswefen)
Der Heranbildung von Lehrern und Leh—
rerinnen an Mittelihulen find gemibmet; bie
Ecole normale sup6rieure zu Baris und die Ecole
normale d’enseignement secondaire pour les
jeunes filles zu Sevres. Nach dem Gejeh vom
30. Dt. 1886 follen in Zukunft alle öffentlichen
Unterrichtsanſtalten nur von weltlichen Lehrern und
— eleitet werden. Um den tüchtigiten
Lehrkräften Gelegenheit zu bieten, fich zu Leitern
von Normalſchulen und Inſpeltoren der be
ſchulen ausbilden zu fönnen, wurde für Lehrer die
cole normale sup6rieure zu St. Cloud und für
Lehrerinnen die zu org Ar ra errichtet.
Der Eintritt in eine diefer Anftalten wird von dem
Ausfall einer Konkurrenzprüfung abhängig gemacht.
Auf dem Gebiete des Volksſchulweſens ift
eine entſchiedene Wendung zum Beflern bemerkbar.
Während 1882: 5341211 Rinder in 75635 Schulen
unterrichtet wurden, war im Schuljahre 1898/99
die Zahl der Kinder auf 5539299, die der Schulen
auf 84299 (ohne Algerien) geftiegen; auch die Zahl
der böhern Stadtfchulen (Ecoles primaires su
rieures) und der — — für
wachſene ift erheblich gewachſen. Endlich wurden
1898/99: 752240 Knaben und Mädchen in 5803
Kleintinderfchulen (Ecoles maternelles) unter:
richtet. Die Zahl der mit Elementarfchulen ver:
bundenen Bibliotbeten, deren Bücher für die Er»
wachſenen bejtimmt find, betrug 1863: 580, 1878:
20781 mit 2075540, 1888: 36327 mit 4150824,
1892: 39645 mit 4858 120 Bänden. Die Zahl derer,
die weder lefen noch ſchreiben können, iſt aber immer
noch bedeutend. VBonden 1898 ausgebobenen 331 179
Retruten tonnten 16154 weder lejen noch fchreiben
und 4477 verjtanden nur zu lefen. 1886 gab es
unter den Rekruten noch 10,08, 1882: 13, 1877: 15,
1866: 24, 1855: 32, 1835: 45 Bros. Analpbabeten.
1894 vermochten bei 286 662 Ebeichließungen 19414
Männer und 28945 Frauen nicht mit ihrem Namen
zu unterfchreiben (1885: 35927 und 57301 bei
283 170 Eheſchließungen).
tiber das Theaterwefen ſ. Franzöfısches Theater.
Zeitungswefen. Der Urfprung des Journalis»
mus wird auf den «Mercure frangais» (26 Bde.,
Bar. 1606 — 45) zurüdgeführt, eine Nahabmung
des «English erg? feine eigentliche Zeitung,
—— eine biftor. Kompilation. Der Arzt Eu
aubot gründete April 1631 in Baris ein Wochen:
blatt mit dem Titel «Gazette», das jeit 1762 wöchents
li zweimal erſchien, um dieſe Zeit auch mit der
Aufnahme von Annoncen, 1765 mit der Mitteilung
von Börjennadhrichten begann und jeit 1792 in
— tmat täglich als «Gazette nationale de
nce» und «Gazette de France» herausfam.
Daneben entjtand die «Gazette burlesque», eine
Zeitung in ein, welche fpäter (als «La Muse
historique», 3 Bde., Par. 1650—65) erfchien und
für die Chronique scandaleuse des damaligen Paris
von hohem Intereſſe ift. Zu dieſen beiden Blättern
trat al dritte der «Mercure galant», ein polit.:
litterar. Blatt, das 1672 begonnen wurde, dann nad
einer Unterbrechung feit 1670 wieder regelmäßig er:
ſchien, 1717 den Titel «Le nouveau Mercure» und
1724 «Mercure de France» annabm, während der
Revolution Bedeutung erbielt und bis 1820 dauerte,
Das «Journal de Paris» (1777—1827) war das
erfte franz. Tageblatt. Die Revolution von 1789
* die a Kournaliftit. 1790 beftanden in
8 ſchon 850 Journale, darunter der «Patriote
997
francais», von Brifjot; der «Publiciste parisien»,
von der fechften Nummer an «Ami du Peuple» be:
titelt, von Darat; der «Orateur du Peuple», von
Freron; die «Revolutionsde Franceetde Brabant»,
von Camille Desmoulins; der «Vieux Cordelier»,
von demielben; der «D&fenseur de la Constitution»,
von Robespierre; das «Bulletin des Amis de la
Verite», bg. von den Girondiften; das «Journal de
la Montagne», Drgan des Jakobinerklubs; der
«Tribun du Peuple», von Babeuf; der «Conser-
vateur», von Garat, Daunou und Chenier. 1800
beftanden nur noch 13 Yournale. Das Kaiſerreich
war noch —— als das Konſulat, und nicht
mehr als vier blieben übrig, darunter der «Moni-
teur universel» (f. d.), ſeitdem bis 1869 offizielles
Regierungsblatt, und das «Journal des Debats»,
von Louis Francois Bertin (f. d.). Während der
Reftauration vermebrte ir die Zahl auf 150, dans
unter 8 politifhe, 1829 auf boppelt joviel, darunter
20 politifche. Unter letztern waren die wichtigften
Parteiblätter der Royaliften: die «Gazette», bie
«Quotidienne», der «Drapeau blanc», die «Etoile»;
der Liberalen: der «Constitutionnels, der «Courrier
frangais», das «Journal des D&bats», der «Natio-
nal», der legtere von Thierd, Mignet und Armand
Garrel geftiftet. ,
n der erften Periode der Julimonarchie ent»
widelte fich die Tagespreſſe: 347 Journale erfchie:
nen zu Baris, als die Septembergefeße 1835 eine
Be Auffiht anorbneten, jedoch keineswegs das
ortbeftehen der Oppofitionsblätter binderten. Das
«Journal des D&bats» und der «Constitutionnel»,
fpäter aud die «Presse», ſchrieben für die Sade
der Bhilippiften, das fog. Yufte-Milten. Von den
verſchiedenen Schattierungen der Legitimiften warb
die mit radilalen und revolutionären Elementen
verjegte durch die «Gazette de France», die abfor
Iutiftifche durch die «Quotidienne» und «France»
vertreten. Der«Courrierfrangais» und ber«Temps»,
päter au das «Siöcle», waren die vornehmſten
ournale der dynaftifchen Oppofition, des freifinnt:
gen Tierd:Bartı. Den Rabditalen gehörten «Natio-
nal» und «Monde», fpäter auch die « Reformen».
Socialiftiihe Grundſätze predigte die «D&mocratie
—— das «Journal du Commerce» verfolgte
onapartiftiiche Tendenzen. Unter den Heinen
Blättern ragten der «Corsaire» und der «Charivari»
weit hervor. Die Zeitungen waren damals nod
ein Zurusgegenftand und wandten fi nur an ben
legitimiſtiſchen Adel und den herrſchenden Bürger:
ftand. Organe, die fih zu Vertretern der reinen
Demofratie machten, jcheiterten vielfach infolge des
Mangels an Abonnenten. So «La Tribune des Dé-
partements», von Marraft; derrabilale«Bon Sens»
von Louis Blanc; der «Reformateur», von Raspail,
und das «Journal du Temple», von G. Gavaignac,
Eine wichtige Veränderung bewirkte Emile de
Girardin, indem er 1836 bei Begründung der
«Presse» den Preis von 80 Frs. auf 40 Fr. er:
mäßigte und fomit der Schöpfer der ſog. Vierzig⸗
frankenpreſſe wurde. Die «Presse» erbielt durch
ihr reiches ige große ee | und aus
demjelben Grunde fieg die Zahl der bonnenten
des «Siöcle» = eine nie dageweſene Höbe.
Titel und Inhalt der durch die Februarrevolution
von 1848 bervorgerufenen Blätter erinnerten bis:
weilen an die erfte Revolution: «L’Ami du Peuple
en 1848», von Raspail; «Le Peuple constituant»,
von Lamennais; «Le Reprösentant du Peuple», von
998
Proudhon, das —— ſocialiſtiſche Blatt;
«La Montagne», von George Sand; «Le Petit-fils
lu pöre Duch&ne», ein ſehr verbreitetes Volksblatt;
«La Commune de Paris», von Sobrier, u. ſ. w.
Unter dem zweiten Kaiſerreich, nah dem Defret
vom 17. Febr. 1852, das die Prefje dem Gut:
dünken der Staatöverwaltung anbeimitellte, vers
vielfältigte ſich die litterarifche, wiſſenſchaftliche, in:
duftrielle, finanzielle Journaliftik; die polit. Polemik
bewegte ſich in engen Schranfen, die weiter aus:
ſchreitenden Journale wurden verwarnt, ſuſpendiert
aufgehoben. Neben dem «Journal officiel» (f. v.)
bejtanden noch mehrere ganz oder halb offizidfe Zei:
tungen: der «Constitutionnel», das «Pays», die
«Patrie» u. a. Die «France», das «aufrichtig dy⸗
naſtiſche und katholiſches Senatorenblatt, und bie
«Presse», ſtreng imperialiſtiſch geſinnt und ſtark
ultramontan gefärbt, bildeten den Übergang zu den
ournalen der kath. Partei. Die legitimiftifche
aienfraftion hatte ihren Wortführer an der «Ga-
zette de France» und «Union»; dagegen waren
«Univers», «Monde» und das «Journal des Villes
et des Campagnes» Organe der Rleriferfraltion. Das
«Journal des Debats» jhwanlte zwar damals in
jeiner polit. Richtung, galt aber im allgemeinen
immer noch, ebenfo wie das junge «Journal de
Paris», für ein orleaniftifches Blatt. Die Sache der
rabifalen Demokratie verteidigten das «Sidcle», das
opulärfte und verbreitetite Blatt der damaligen
Sournaliftit (es hatte 45000 Abonnenten), die
«Opinion nationale» ſowie «Avenir national» und
«Temps». Während der Commune im Frühjahr 1871
—— 89 Journale, von denen die vorher be:
ftebenden, um der brutalen Genfur des Stadthauſes
auszumeichen,, teild jeden Tag den Titel wechjelten,
teild außerhalb Paris gedrudt wurden, und die neu
binzugelommenen je verſchwanden, ala die
Truppen von Berfailles einrüdten.
Seit 1871 hat das erg hier einen mächtigen
Aufibwung genommen, Nicht bloß jede Partei,
jede Gruppe jeder Bartei hat ein Journal, ja fogar
bie im parlamentarifhen Leben, in ber hoben
Finanz- und Geſchäftswelt wictigften Perſönlich—
teiten wollen Tonangeber und Wegweiſer von er:
nebenen Zeitungen fein. Die Journale diefer letz—
tern Art, wie die «Presse», die «Libert6», die «Esta-
fette», der «Voltaire», wechjelten mit ihren Eigen:
tümern auch die polit. Richtung.
Bedeutende ee erjcheinen aber jetzt wie
früber nur in Paris. Vor allem find zu nennen:
ber «Figaro», das «Journal des Debats», der
«Temps», der orleaniftifcye «Soleil» und der «Gau-
lois», während die «Republique frangaise» und
dad «XIX *® Sidcle» wenig mehr gelejen werben.
Die größte Verbreitung (über 1 Mill. Eremplare
täglih) hat das billige «Petit Journal». 8 die
Einzelartikel.) Neu erſtanden find ſeit 1871 zahlreiche
Blätter. Von dieſen vertreten folgende die republis
taniihe Richtung: der deutſchfeindliche, radilale
«Evenement», ferner jeit 1878 «Le Voltaire», von
Menier gegründet, «La Gazette du Village», von
Borie begründet (antiveutih und jeden Sonntag
ericheinend, mit landwirtſchaftlichem Teil), «La
Paix», 1879 von 9. Grevy begründet, die radiale
«Justice», unter Zeitung von Elemenceau (feit 1880),
'erner «Paris», von Leduzon le Duc geleitet (unab:
bängig) fowie «L’Echo de Paris» mit hervorragen:
den Witarbeitern; «Gil Blas» ift vornehmlich Unter:
baltungsblatt mit Standaldronit. Ausgeiprocen
Frankreich (Beitungswefen)
radial find: «Le Radical», feit 1881, und «L’Intran-
sigeant», unter Henri Rochefort (f. d.), vem frübern
Herausgeber der «Lanterne». Gegner der Kepublit
ift außer «Gaulois» und «Figaro» die tonſervative
«L’Autorit&», unter Zeitung von Paul de Eai:
fagnac, Außerdem find noch wichtig: «La France»
(antideutich), «L’Estafette», 1885 hervorgegangen
aus der Verſchmelzung von «Gagne- Petit», «Opi-
nion» und «Estafette», bis 1893 unter der Lei—
tung von Jules Ferry, «L’Univers» (ultramon
tan), «La Patrie» (Organ der nationalen Verteidi⸗
gung), «Le Rappel» (radifal), «Le Siecle» jomie
«Le Soir» und «Le Courrier du Soir», leßtere drei
republilanifch; ferner der «Matin», feit 1884, ein
utes Nachrichtenblatt, der unabhängige « Eclair»
eit 1894 mit illuftrierter Beilage), die antifemit.
«Libre Parole», von Ed. Drumont herausgegeben,
und «La Presse», unter Baillies Leitung, die anti
militär. «Aurore» jowie ber ald Finanzblatt be
deutende «Ind&pendant frangais». Der im Hampie
egen Boulanger hervorragende «Cri du Peuple»
iſt 1891 eingegangen ; ebenjo die boulangiitiide
«Cocarde», Neben dem «Petit Journal» beit
der «Petit Moniteur Universel», der «Petit Na
tional», zwei Anbängfel der gleihnamigen großen
ournale und mit diejen übereinjtimmend in polit.
Richtung; die «Petite Republique», ſocialiſtiſch
die «Petite Presse», republilaniih; der «Petit Ca-
poral», bonapartiftifch, Organ der Vollsfouveräni-
tät, weit weniger verbreitet als das republilaniſche
«Petit Journal»; die «Lanterne» und der «Petit
Parisien», ganz rabdilal.
Im ganzen beftanden (1899) in Paris 154 polit,
Zeitungen, darunter 101 republilaniibe und 53 mon:
ardiftiiche oder unabhängige. 82 derjelben erſchei⸗
nen täglid. Die Herausgabe einer Zeitung iſt an
eine bejondere Erlaubnis oder Kaution nicht ae
bunden, bod ift der Staatsanwaltſchaft der Titel,
die Art des Erjcheinens jowie Name und Adreſſe
des Chefredacteurs und bes Druders vorber ſchrift
li anzuzeigen. Jede Anderung ift binnen 5 Tagen
zu melden.
Aud die Zeit Bere find ſehr zahlreich. Die
vornehmite litterar.:polit. Revue ift die «Revue des
Deux Mondes» (f. d.), daneben find die von Emeit
Laviſſe 1894 gegründete «Revue de Paris», die von
Frau Adam (f. d.) begründete «Nouvelle Revue»,
die «Revue ter nd et littraire» oder « Rerue
bleue» hervorzubeben. Der jeit 1832 bejtebende
«Charivari» verdankt — Erfolg den litbogra:
pbierten Karifaturen, beſonders der wöchentlichen
«Revue comique», ift aber durch das «Petit Journal
pour rire», «la Caricature», «Le Rire» und beion:
ders durch dad «Journal amusant» (Mars, Stop,
Leonnec) überflügelt worden. Die Zahl der illuftrier:
ten Zeitungen, die alle 8 oder 14 Tage erjcheinen,
bat ſich bedeutend vermehrt; das «Magasin pit-
toresque», das «Mus6e des familles», die «Illustra-
tion» (f. d.), der «Monde illustr&e» und die «Vie
parisienne» find die ältejten. Bon neuern Schöpfun:
gen find zu nennen: «L’Univers illustre», «Paris
qui passe», «Echo de la semaine», «Le Courrier
frangais», «Le Journal illustre», das gelejenite,
«Revue des Revues» und «Fin de siöcle», Seit
einigen Jahren veröffentliben «Figaro», «Gil
Blas», «Soleil», «Journal», «Petit Parisien»,
«Eclair» illujtrierte Beilagen. Bon jatir. Blättern
find zu erwähnen: «Le Grelot», «Le Piloriv. \n
den übrigen (2685) Journalen find bauptjäblıs
Frankreich (Litteratur zur Geographie, Statiftit, Verfaſſung u. j. w.)
vertreten: —— (201), Medizin (215), Mo:
den (117), Vereinsweſen (86), Unterrichtsweſen (98),
——— (97), kath. Religion (71), all
gemeine Wiſſenſchaft (91), Handel (56), Aderbau
u. |. w. (69), Sport (56), Sitteratur (48) u. ſ. w.
Revuen giebt es 168, illuftrierte Zeitichriften 121.
Die Brovinzialpreife iſt fait durchweg unbe
deutend und von Paris abhängig. Außerhalb der
Hauptitabt erſchienen (1899) 4051 periodische Druck⸗
werfe, darunter 355 täglih, 1748 wöchentlich, 367
wöchentlich zweimal, 162 wöchentlich dreimal, 662
monatlih, 322 monatlich zweimal u. ſ. wm. Unter
den polit. Blättern waren 1550 republitanifch, wo:
von 222 radilal oder focialdemokratifh. Von den
nichtpolit. Zeitungen waren gewidmet: 341 dem
Aderbau mit feinen Zweigen, 453 den Annoncen,
248 der Religion, 120 der Litteratur, 92 dem Handel,
59 dem Sport, 20 der Geographie; 98 waren Dr:
gane gelebrter Gefellihaften. Die meiften Zeitun:
en baben die Depart. Nord (175), Nböne (163),
ironde (167) und Bouches:du:Nhöne (131). Als
erien hatte 165 und die Kolonien 67 Blätter. Bon
——— der Kolonien find zu nennen: «Le Cour-
rier d’Haiphong», «Le Courrier de la Guadeloupe»,
«la Caledonie», «Le Journal officiel de l’Indo-
chine», «Les Colonies» (Martinique), «Le Ral-
liement» (Reunion), «La Depöche Tunisienne»,
«Le Madagascar» (Tamatave), «Journal officiel
de !’Afrique occidentale frangaise» (Senegambien).
Litteratur zur Geographie, Statüjtif, Berfafjung
u.f.w, 1) Geograpbie und Statiftil, Heuze,
La France agricole (mit 46 Karten, 1875); Cor:
tambert, Geographie physique et politique de la
France (Bar. 1875; neue Ausg. 1891); Ad. Joanne,
Petit dictionnaire geographique de la France
(2. Ausg. 1877); Vivien de Saint: Martin, Nou-
veau dictionnaire de g&ographie universelle (Bar.
1877 fg.); Levaſſeur, La France et ses colonies
(ebd. 1878; neue Ausg., 3 Bde. 1890—93); von
Sedendorf, Die forjtlihen Verhältniſſe F.s (Lpz.
1879); Boisjoslin, Les peuples de la France (Bar.
1879); Wernid, Reifebilder aus Sudfrankreich (Lpz.
1879; 2. Ausg. 1888); Malte:Brun, La France
illustree (neue Ausg., 5 Bde., Par. 1879— 84);
GE. Reclus, France, Algerie, colonies (1880);
Schlichting, liber die eritraßen F.s (Berl.
1550); H. Keller, Die Waſſerſtraßen F.s (in «Peter:
manns Mitteilungen», Bd.27, 1881); Risler, Göo-
logie agricole (4 Bde., Bar. 1884— 97); Marga,
Geographie militaire (5 Bde., zum Teil in 4. Aufl.,
ebv. 1885); Pigeonneau, Histoire du commerce de
la France (Bd. 1u.2, ebd. 1885— 88); V. Turquan,
R£partition g&ographique et densit& de la popula-
tion en ce (im «Journal de la Societ& de
statistique de Paris», 1886); Boifjin:Bey, Die See:
häfen 5.3 (deutib von ©. Franzius, Lpz. 1886);
Hillebrand, F. und die rg in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrh. (3. Aufl., Berl. 1886); Mme.
de Yalaing, Les cötes de la France. De Cherbourg
à St. Nazaire par la plage (Bar, 1888); Meunier,
Geologie regionale de la France (ebd, 1889);
Zevafleur, La population francgaise (3 Bde., ebv.
1889-92); Gindre de Nancy, Nouveau dictionnaire
complet des communes de la France (neue Ausg.
1890); Baul Joanne, Dictionnaire g&ographique
et administratif de la France (Par. 1890f9.); Hahn,
F. (Brag 1891); Turquan, Manuel de statistique
pratique (Par. 1891); Annuaire de l’&conomie
pulitique et de la statistique (48. Jahrg., ebd.
999
1891); Dubois, G&ographie de la France et de
ses colonies (ebd. 1892); Basquet, Geographie (le
la France et de ses colonies et protectorats (ebd.
1892); Zalanne, La France et ses colonies (eb.
1893); Nior, La France (ebd. 1893); Schöne,
Histoire de la population frangaise (ebd. 1893);
Lacroix, Minsralogie de la France et de ses colo-
nies (ebd. 1893 fg.); Soubeiran, Bassin houiller du
Pas-de-Calais (2 Bde., ebd. 1895 u, 1898); Julien,
Le terrain carbonifere de la France central (ebd.
1896); Acloque, Faune de France (ebd. 1896 fa.);
NRiden, La France, le pays et son peuple (Berl,
1897); Bodley, France (2 Bbe., Lond. 1898); Dele⸗
becque, Les lacs frangais (Par. 1898); Zerour, Le
Massif Central (3 Bde., ebd. 1898); Lallemend,
Le nivellement général de la France (ebd. 1899);
Broſſard, G&ographie pittoresque et monumentale
de la France (ebd. 1899 fg.); Eger, Die Binnen:
hiffahrt in Europa und Nordamerika (Berl. 1899);
Ports maritimes de la France (bis 1899 7 Bde.,
B- vom Minifterium der öffentlichen Arbeiten);
oldftein, Bevölterungsprobleme und Berufsgliedes
rung in F. (Berl. 1900); Eofte, Flore descrip-
tive et illustree de la France (Par. 1901 fg.);
Beröffentlihungen (Bulletins) der einzelnen Minis
fterien, ferner Statistique de l’industrie minérale
et des appareils & vapeur; Statistique de la na-
vigation interieure u. a. (hg. vom Minifterium ber
öffentlichen Arbeiten); Statistique generale de la
France (feit 1835); Annuaire statistique de la
France (jeit 1878); Almanach national (jäbrlid);
{iberfichten über den Handel im «Economiste fran-
is» und im «Journal officiel de la Republique
angaiser; Annuaire, publi& par le Bureau des
Longitudes (jäbrlid); Richard, Guide du voyageur
en France (5 Bbde., Bar. 1888); Arbouin-Dumazet,
Voyage en France (Bar. und Nancy 1893 fa.); Baer
defer, Le Nord-Est, Nord-Ouest, Sud-Est, Sud-
Ouest de la France (6. u.7. Aufl., 4 Bde. Lpz. 1897
u. 1901); derf., Paris et ses environs (15. Aufl.,
ebd. 1900); Collection des Guides Joanne (Paris).
2) Berfaffung, Unterrihtsmwejen u. f. w.
Collection de materiaux pour l’histoire de la
R£volution. Bibliographie des journaux (ano:
nym von Deschiens, Par. 1829); Terier, Histoire
des journaux (ebd. 1851); Hatin, Histoire du
journal en France (2. Aufl., ebd. 1853); derſ.,
Histoire politique et littraire de la presse en
France (8 Bbve., ebd. 1859—61); derf., Biblio-
graphie historique et critique de la presse pé—
riodique frangaise (ebd. 1866); Clamageran, His-
toire de l’impöt en France (3 Bde., ebd. 1867
— 76); Bulletin de statistique du Ministöre des
finances (ebd, feit 1877); Kaufmann, Die Finanzen
3 (Lpz. 1882); Ch. Nicolas, Les budgets de la
rance depuis le commencement du dix-neuviöme
siecle (Bar. 1883); Leon Say, Les solutions dé-
mocratiques de la question des impöts (2 Bove,,
ebd. 1886); Lebon, Das Staatsrecht der Franzd-
fiihen Republik (Freiburg 1886); Histoire de la
dette publique en France (2 Bbde., Par. 1886);
N Saure, Budgets de la France depuis 20 ans
ebd, 1887); Zoua, La France sociale et &cono-
mique (ebd. 1888); Helle, Realencyllopäpie des
franz. Staats: und Gefellihaftslebens (Dppeln
1888); Rambaud, Histoire de la civilisation con-
temporaine en France * 1888); R. Fernandez,
La France actuelle (ebd. 1888); de Foville, 1.a
France &conomique (ebd. 1889); Brie, Die gegen:
1000
wärtige Berfaffung F.s (Bresl. 1892); Revue in-
ternationale de l’enseignement publi6e par la So-
ci6t& de l’enseignement, bg. von Dreyfus:Brifac
(1880 fg.); Sol Annuaire de l’enseignement pri-
maire (1893); Avenel, Histoire de la presse fran-
aise depuis 1789 jusqu’& nos jours (Par. 1900);
ourre, D’oü vient la döcadence &conomique de
la France? (ebd. 1900); Raufh, Franz. Handels:
politit vom Frankfurter —— is zur ; Per
von 1882 (2pz. 1900); Lynch, French life in town
and country (2ond. 1901); Heinzig, Die Schule g8
in ihrer biftor. Entwidlung (2. Aufl, Frankf. a. M.
1902); Hoffet, Das Vereind: und Ordensweſen in
F. (Berl. 1902); Annuaire de l’instruction pu-
blique (Paris); Annuaire de la presse frangaise;
La situation financiere des communes de France
et de Algérie (ebd., jäbrl.); de Bray, Dictionnaire
des finances; Comptes généraux de l’administra-
tion des finances (ebd., jäbrl.); Blod, Dietionnaire
de l’administration frangaise (mit jährl. Supple:
menten).
3) Karten: Carte de France (Carte de l’Etat-
Major, 1:80000, ältere Ausg. 1818—78 in
273 Blättern; neue Ausg. * 1889 in Viertel⸗
blättern, Paris); Carte de France (1:50000 in
273 Seltionen; photomehan. Vergrößerung der
vorftehenden Karte [die Bearbeitung auf Grund
neuer Aufnahmen ijt geplant], ebd.); Nouvelle
Carte de France (Cartes du Service vicinal,
1: 100000 in 587 Blättern, ebd. 1880—94); Carte
de France (1:200000, 82 Seltionen; feit 1881
Neuausgabe, ebd.); Carte de France (1: 320000,
83 Blart, ebd. 1852—83); Carte de France
(1:500000 in 15 vierteiligen Blättern, ebd., feit
1871 wiederholt erjdhienen); Carte de France
(1:600000 in 6 Blättern, ebd. 1895); Carte des
chemins de fer de France (1: 800000 in 4 Blät:
tern, ebd. 1900); Carte de France (1: 864000 in
6 Blättern, ebd. ; Neuausg. 1886); Carte geologiqus
detaill&e de France (1: 80000 in 273 Blättern, ebb.,
feit 1875); Garez:Vafjeur, Carte géologique géné—
rale de France (1: 500000 in 48 Blättern, ebd. 1885
—88); Carte g&ologique de France (1: 1000000,
ebd. 1889); Joanne, Cartes d&partementales de la
France et de l’Algerie (88 Karten, ebd.); Vivien
de Saint: Martin, Carte de France (1: 1250000,
ebd.); France in 6 Blättern (im «Atlas universel
de G&ographie» von Vivien de Saint:Martin und
Schrader, ebd. 1898); Sanis, France physique,
politique et industrielle (Wandtarte, ebd.); Nouvel
atlas döpartemental de la France in 2 Bänden
(ebd.); Pauly, La France (Cartes spöciales, in
15 Blättern, ebd.); Atlas La France &conomique
in 24 Karten mit Tert (ebb.); Bogel, $.(1: 1500000
in 4 Blättern, Gotha 1889, wird ftändig kurrent
gebalten); Delebecqaue, Atlas des lacs francais
(7 Blätter in 1: 10000, 1:20000 und 1:50000,
ebd. 1893). Vgl. auch Berthaut, La carte de France
1750—1898 (2 Bde., ebd. 1899) und den Artikel
Generalitabötarten.
Territorialentwidlung. Der franz. Staat bat fi)
ſehr langſam zu feinem jegigen Umfange ausgebildet.
Ende des 9. Jahrh. beftanden, wie in Deutſch—
land, eine Anzabl größerer und kleinerer —*——
und Herren in faſt vollſtändiger Unabhängigleit.
Doch während in Deutſchland die fürftl. bemalı
allmäblich das Kaiſertum verſchlang, bat in F. das
Königtum allmählich die Macht der Fürften an ſich
geriffen. Unter den legten Karolingern erftredte
Frankreich (Zerritorialentwidlung)
& der Kronbefik nicht über die Landichaften Soif
onais, Yaonnais, Beauvoifid und Amienais. Hugo
Gapet fügte ihnen das Herzogtum Francien mit
Paris und Orleans hinzu, von denen er die. erftere
zur Hauptftabt des neuen Königreichs erbob. $
war damals in Lehne und Afterlehne eingeteilt,
deren Befiger nur den König über ſich anertannten;
per diejer unmittelbaren Bafallen batte eine Menge
einer, mittelbarer Bafallen, und jeder von dieſen
noch Eleinere Lehnsleute unter ſich. Zu den großen
Bafallen gehörten die Herzöge von Aquitanien,
Burgund und der Normandie, die Grafen von Tou:
loufe, $landern, Vermandois und Champagne, die
erren en) von Eoucy, von Beaujeu u. }. mw.
Ile dieje Territorien wurden im Laufe ber Zeit
entweder durch Schenkungen oder durch Heiraten
und —— oder endlich durch Eroberung in
unmittelbares Krongebiet verwandelt. Aus ibrer
Vereinigung erwuchs unter Beibehaltung der ur:
een Namen die polit. Einteilung, wie fie
eit Ludwig XIV. bis 1790 Geltung batte.
Der erite König, dem eine größere territoriale
Erweiterung gelang, war Philipp L., der 1094 von
den Grafen von Bourges die Landſchaft Berm
kaufte und mit der Krone vereinigte. Im 12. Jabrb.
waren bie Erwerbungen ber Krone gering; dagegen
bat ſich ihr Gebiet unter Philipp IL. Auguſt ge
waltig vergrößert. 1206 entriß er nach einem genen
Richard Lömenherz, dann gegen Johann ohne Yand
gemen Kriege diefen die Grafihaften Anjeu,
Maine, Touraine, die Bretagne, ſowie das Herzog:
tum Normandie. Zmar wurden diefe Länder in
dem mehr als bundertjäbrigen Kriege von England
mwiebererobert, unter Karl VII. aber 1453 aufs neue
und für immer mit F. vereinigt. Pbilipp Auguft
war es auch, der außer Artois, das er jchon 1199 ale
Mitgift feiner Gemahlin erbielt, die be "en
Bermandois, Alencon, Auvergne, Evreur und Ba-
lois erwarb. Mit der Bretagne belebnte er 1208
einen Better Philipp de Dreur. Ein neuer Fort:
chritt geichab unter Ludwig dem Heiligen, indem die
Grafen von Touloufe infolge der Albigenjertriege
enötigt wurden, nicht allein die Oberbobeit des
Königs anzuerfennen, ſondern aud 1229 einen
bedeutenden Zeil ihre Landes abzutreten. E.
Hiftorifhe Karten von Frankreich 1.) Lu
wigs Sohn, Philipp II, nabm nad dem Ausſter—
ben des Haufes Touloufe 1272 diefes Land ganz im
Befik, das jedoch erft 1361 feierlich mit der Krone
vereinigt wurde. Philipp IV. erwarb 1312 Won
und Pyonnais durch unrehtmäßige Schädigung des
Deutſchen Reichs; auch legte er durd feine Ber
mäblung mit Zobanna von Navarra den Grund
zu den Anſpruchen auf ihre Erbländer Champagne
und Brie, die 1361 unter Johann mit der franz.
Krone für immer verbunden wurden. Durd die
een des Haufes Valois fam 1328 mit
3 ilipp VI. zwar das Herzogtum Balois an bie
rone zurüd, auch erhielt der neue König von dem
finderlofen Humbert II. 1349 die Daupbind; aber
der langwierige Kampf zwifchen England und F. ver:
anlaßte einen länger als 100 Jabre dauernden Stil
ftand in den er Serena eigen und hatte große
Rüdihritte zur Folge; denn ala Johann in der
Schlaht bei Maupertuis (1356) zum Gefangenen
gemacht worden war, konnte er feine Freiheit mur
durd den Vertrag von Bretigny (1360) erkaufen,
worin der König von England al& Befiker von
Guyenne und Limoufin anerlannt wurde und über
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KER. ARACÖNIEN.
F.A.Brockhaus” Geogr.- urtist. Anstalt, Leipzig.
Frankreich (Territorialentwidlung)
dies Poitou, Saintonge, Perigord, Angouldme und
mebrere kleinere Gebiete erhielt. Erſt mit Ber:
treibung der Engländer unter Karl VII. gelang:
ten die franz. Könige wieder in den Befik ihrer
alten Pänder. Unter Karla VIL Sohn und Nach—
olger, Ludwig XL, erhielt F. einen beveutenden
uwachs, indem biefer nah dem Tode Karla des
übnen 1477 das eigentlibe Herzogtum Burgund
mit der franz. Krone vereinigte. Ludwig XI erbte
1481 von Karl, dem lebten Grafen von Anjou, die
Provence, eroberte 1477 das Boulonnai3 und ver:
band die Vicardie mit 5. Unter feinem Nachfolger
Rarl VII. ftarb 1488 der Mannsſtamm der Herzöge
von Bretagne aus. Die lebte Herzogin Anna wurde
die Gemahlin Karla VIIL, dann Ludwigs XL. ; ihre
Tobter Claudia vermäblte ſich mit Franz L, wodurch
die Bretagne auf immer an die Krone fam. Unter
Franz I. wurde auch die erfte franz. Kolonie und
zwar in Canada gegründet. (S. Hiſtoriſche
Rarten von ffranfreid 2.)
Die erfte bedeutende Erwerbung der folgenden
Zeit waren die drei Bistümer Mes, Toul und Ver:
dun unter Heinrih II. Wit der Thronbefteigung
Heinrichs IV. tam 1589 der auf der franz. Seite der
Pyrenäen gelegene Reft des Königreichs Navarra
fowie Bearn und Foir an die franz. Krone. Auch
wurden unter Heinrich IV. die Landſchaſten Breſſe
und Bugey erworben, die der derzoß von Savoyen
1601 abtreten mußte. Zur Zeit Ludwigs XIIL er
[niote die Kolonifierung der Inſeln St. Chriſtoph,
artinique und Guadeloupe, fowie von Cayenne
in Guayana; die Eroberung von Arras führte 1640
die Vereinigung der Grafſchaft Artoi® mit der
Krone, die im Utrechter Frieden von 1713 beftätigt
wurde, berbei; auch wurden 1641 die Gerdagne und
Rouffillon erobert. Ludwig XIV. ficherte ſich den
Befis des letztern ſowie die Abtretung des Charo—
lai3 durch jeine Vermählung mit der Infantin
Maria Therefia. Im Meitfäliichen Frieden erwarb
er das Elſaß bis auf wenige Städte und die Ber
ftätigung ber früher eroberten lothr. Bistümer. Er
vereinigte Dombes und Nivernai® mit der Krone,
entriß 1667 den Spaniern das jog. franz. Flandern,
eroberte 1668 und 1674 die Franche-Comte (bie er
im Nimmeger Frieden von 1678 nis erbielt)
und 1681 Straßburg; aud gründete er tiederlaf:
fungen auf den Inſeln Marie: Galante, St. Bar:
tbelemy, Bourbon und Grenade, jeßte ſich im meftl.
Teile von Domingo und am Senegal felt, vermebrte
die — olonien durch die ag lu:
rt: Dauphin auf Madagasfar, durd die Inſe
t. Martin, Neuorleans und Louifiana, ein Gebiet
von etwa 3 Mill. qkm, erklärte die ungebeuern
Flähen am Michiganſee für franz. Befiktum, ges
wann bie Inſel Kap Breton, gründete die erjte
Niederlafiung auf Mauritius und legte durch die
Ermwerbung von Pondichery und Stiftung der Fals
torei Ehandarnagar den Grund zu den ojtind. Kolo⸗
nien. Er hinterließ feinem Entel in Europa ein
Reich von 522830, außerhalb Europas ein Gebiet
von beinahe 4400000 qkm. Während unter der
über ein halbes Jahrhundert dauernden Regierun
Ludwigs XV. das franz. Gebiet in Europa —
Lothringen (das infolge der Wiener Präliminarien
von 1735 nah Stanislaus Leſzezynſtis Tod 1766
an %. fiel), dur die Inſel Eorjica (von Genua
1768) und einige Grenzteile des Herzogtums Sa:
voyen, im ganzen um etwa 27500 qkm vermebrt
wurde, gingen 1763 im Frieden von Paris Canada
1001
es. allen übrigen amerit. Kolonien wie aud
die ——— am Senegal an England verloren,
und als auch 1769 Louiſiana und Neuorleans an
Spanien abgetreten wurden, umfaßten die aus—
wärtigen Kolonien nur noch 102748, das —
Staatögebiet aber 549570 qkm mit 25 Mill. €.
1783 famen durch den Frieden von PVerfailles die
Befigungen am Senegal, die freie Fiſcherei bei
Neufundland, die Infeln St. Vierre und Miquelon
wieder an F. zurüd, die Inſel Tabago wurde neu
erworben, dagegen St. Bartbelemy an Schweden
verlauft, fo sch das Areal der Kolonien 105 940
qkm betrug. Die ge erringen erflärte
1789 Eorfica und 1791 die bisher dem Be
unterworfenen Grafihaften Avignon und Venaiſ—⸗
fin für Beftandteile 5.8. (S. Hiſtoriſche Karten
von Frantreid 3,
Während der Franzöfifhen Republit(1792—1804)
wurden mit F. vereinigt: Belgien (1792), Savoyen
und Nizza (1793), das bataviſche Gebiet links von
der Schelde und zu beiden Seiten der Maas ein:
fhließlih von Venlo (1794), der fpan. Anteil von
San Domingo (1794), die Joniſchen Infeln (1797),
das ganze linfe Rheinufer, Elba, Guayana bis zur
Mündung des Amazonenftroms (1801), Louiſiana
(1800, das aber 1803 an die Vereinigten Staaten
verfauft wurde) und Piemont (1802). Die Erobe:
rungen Napoleons I. als Kaifer brachten bis 1812
das unmittelbare franz. Gebiet auf ein Areal von
etwa 770000 qkm mit 42", Mill. E., und durch
die mittelbaren Angliederungen des Königreichs Ita:
lien, der Rheinbundftaaten, der Schweiz, Neapel,
Warſchaus nebſt Danzig ward die Macht bes franz.
Kaiſers über ein Gebiet von etwa 1624000 qkm
mit mebr ala 73 Mill. E. ausgedehnt. (S. Hiſt o⸗
rifhe Karten von Europa II, 7.) Der erfte
Pe 1814 brachte die Grenzen 5.8 wieder
auf den Befisftand vom 1. Yan. 1792, jedoch mit Hins
zufügung von Quidvrain, PVhilippeville, Mariens
burg, Saarloui® und Saarbrüden, Landau, der
Landſchaft Ger und eines Teild von Savoyen, unter
Anertennung der Cinverleibung von Woignon,
Benaiffin, Montbeliard und der ehemals deutichen
Entlaven und unter Beſchränkung des Rolonial:
befige3 dur Abtretung von Tabago, Ste. Lucie
und Isle⸗de⸗France an Großbritannien. Durch den
weiten Tue Frieden von 1815 ging ber An—
[ru auf die erjtgenannten Erweiterungen von
uidvrain u. f w. wieder verloren. Infolge des
Italieniſchen Krieges von 1859 und laut Vertrags
vom 24. März 1860 trat der König von Sardinien
an F. das ganze Herzogtum Savoyen und den weſtl.
Teil der Grafihaft Nizza ab. Während aus Sa:
voyen die beiden Depart. Savoie und Haute-Savoie
ge wurden, bildete man mit dem gewonnenen
eil von Nizza (Nice) nebft den zwei Gemeinden des
Fürftentums Monaco (Mentone und Roquebrune)
und einem Zeil des Departements von Bar das
Depart. Alpes: Maritimes. Das Areal diefes neuen
Erwerbes betrug 15 142 qkm mit 669 000 €. Durch
den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 und die
Nactragstonvention vom 12. Olt. 1871 trat F. an
das Deutiche Reich ab: ein Departement (Bas⸗Rhin)
anz, ein Departement (Haut: Rhin) größtenteils
nur Belfort und nädjter Umkreis blieb bei 3)
zwei Departements (Mojelle und Meurtbe) teilmeije
und von dem Depart. Vosges die beiden Kantone
Schirmed und Saales, indgefamt 14 Arrondiſſe—
ment3, 97 Kantone, 1689 Gemeinden, 14492 qkm
1002
mit 1597 228 E. (nach der Volkszählung von 1866).
Die beiden Depart. Meurtbe und Mojelle wurden
zum Depart. Meurtberet:Mojelle verſchmolzen.
Außerhalb Europas wurde im 19. —* er⸗
worben: 1830 das allmählich erweiterte Algerien;
1842 die Marquefasinjeln fowie das Protektorat
über die Gejellihaftsinieln; 1853 Neucaledonien
und Loyaltyinjeln; 1859 Adulis am Roten Meere
(bald wieder aufgegeben); 1862 Obol an der Straße
Bab el:Mandeb; ebenfalld 1862 Nieder-Cohindina
und 1864 das Proteftorat über Kambodſcha. Die
Befisungen am Senegal wurden namentlid 1865
und die in Cochinchina 1867 bedeutend ermeitert;
ferner famen jeit 1873 Gebiete am Ogowe und
ipäter auch am Kongo in Afrika, 1877 durch Kauf
die vormals ſchwed. Inſel St. Bartbelemy in Welt:
indien hinzu; 1880 wurden die Gejellihaftsinfeln,
1881 die Tubuai:, Baumotu: und Gambierinjeln
zur franz. Kolonie erklärt, enblih 1881 das Pro:
teftorat über Tunis, 1884 das über Annam er:
worben. Schon 1883 hatte Annam feine Rechte auf
Zongling an F. abgetreten, und 1887 wurden
Annam, Cochinchina, TZongking und Kambodſcha zu
einer Kolonie Indodina vereinigt. 1885 wurde das
Proteltorat über Madagaslar anerfannt, 1886 die
Eomoren (Mayotta jchon feit 1841) unter franz.
Schuß geitellt. 1892 wurde Dabome erobert; 1893
die Eilande St. Baul und Neu: Amjterdam bejegt,
1895 Madagastar als Kolonie erflärt, auch Sene:
gambien bis zum obern Niger ausgedehnt.
Franzöfifche Könige, Kaifer und Präſidenten.
5 1) Karolinger. Karl VI. 1380— 1422,
Karl der Kahle 843-877.
Ludwig IL der Stammiler 577
—879
Ludwig III. 879—882,
ftarlmann 882—884,
Karl der Dide 884—887.
Odo von Paris 887—898.)
Karl der Einfältige 893—929,
(Rudolf von Burgund 923—
936.)
Ludwig IV. d’Outremer 936
— 4.
Lothar 8334 -986.
Ludwig V. Fainsant ↄ86 67.
2) Hapetinger,
gugo Capet 987—996,
Robert 996—1031.
Deinrid I. 103160,
bilipp I. 1060— 1108,
Ludwig VI. 1108—37,
Ludwig VII. 1137—80,
Philipp IL Auguft 1180— 1223,
ubwig VIIL 1223—26.
— IX. ber Heilige 1226
Philipp IIL. 1270— 85,
Ebilipp IV. ber Schöne 1285
—1314,
Ludwig X. 1314—16.
bilipp V. 1316—22.
arl IV. 1322—28,
3) Balois,
Bbhilipp VI. 132850,
Johann ber Gute 1350—64.
arl V. 1364—80.
#arl VII. 1422—1461.
Ludwig XI. 1461—83,
Karl VIIL 1483-98,
Ludwig XIL 1498—1515.
Franz I. (von Angouleme)
1515-47,
einrich II. 1547—59.
ana IL 1559—60,
arl IX. 156074,
Deinrih TIL 1574—89,
4) Bourbonen.
einrich IV. 1589—1610,
udwig XIII. 161043,
Zubwig XIV. 1643— 1715,
Ludwig XV. 171574.
Ludwig XVL. 1774—92(93).
Zubmig XVIIL 1814—24,
Karl X. 1824—30, ,
Ludwig Philipp (von Orleans)
1830—48.
=, Rapoleoniden.
Napoleon L. (Sailer) 1804 —14,
Napoleon III. 1852—70,
6) Präfidenten ber
Republik,
Thiers 1871—73,
Mac-Mabon 1873—79,
Greun 187987.
Garnot 1887—94,
Gafimir-Rerier 1894—95.
—— 1895— 99,
oubet 1899—1906,
Fallieres, feit 1906.
Geſchichte. Das alte Gallien (f. d.) wurde, nach:
dem es über 400 Jahre in der Gewalt der Nömer
geweſen war, zu Anfang des 5. Jabrb. von drei gro:
pen german. Völterichaften überzogen und erobert:
von den Wejtgoten (f. d.), die den Süden, den Bur:
aundern (j. Burgund), die den Diten, den Franken
(f. d.), die den Norden einnahmen. Chlodwig, König
der faliihen Franken, aus dem Geſchlecht der Mero:
Frankreich (Geſchichte bis 987)
winger, machte 486 durd den Sieg bei Soiſſons
über Syagrius (f. d.) der röm. Herrichaft im nörpl.
Gallien ein Ende und ſchuf ein Reich, das die ver:
ſchiedenen fränt. Bölteribaften, die Alamannen
am Rhein, die felt.»roman. Elemente, die Burgun:
der und Wejtgoten Gallien umfaßte, und dem jeine
Nachfolger auch die Thüringer und Bajoarier
Bayern) unterwarfen. (S. Fränliſches Reich und
erowinger.) Die Dynaftie der Karolinger (f. d.),
die gegen Ende des 7. Jabrb., anfangs unter ver
Würde des Major domus, fi der merowing. Herr
(aft bemächtigte, erhob das Fränkiſche Reich durch
Eroberungen jowie dur ſyſtematiſche Verbreitung
des Chriftentums zum Hauptjtaate der abendlänp.
Welt. Unter Karl d. Gr., der die abendländ. Kaiier:
würde wieder aufnabm, erjtredte jich das Reich von
der Eider und Nordſee bis herab zum Ebro und
Mittelmeer, vom Atlantifchen Ocean bis binauf zur
Oſtſee. Allein icon * dem Tode Ludwigs des
Frommen, des Sohnes Karls d. Gr., ward dieſe
ie Monardie im J. 843 durch den Vertrag von
erdun unter deſſen Söbne geteilt. (S. Hiſtoriſche
Kartenvon Deutſchland I, 1.) Die öſtlich vom
Rhein gelegenen Länder (Deutihland) erbielt Lud⸗
wig der Deutjche; den Länderftrich von der Nordſee
herab zwijchen Schelde, Maas und Rhein und an
der Rhöne bin bis zum Mittelmeere (fpäter Lotba
ringien) nebſt Italien und der Kaiſerwürde über:
nahm Lothar. Karl der Kable trat die Herricait
über die Yänder mweitlih von der Rhöne, Saöne,
Maas und Schelde (Weitfranten) als felbjtändiges
Königreich an, defjen kelto-roman. Bevölterung nun
mit den eingewanbderten german.,bauptfächlich fränt.
Elementen nad Sprache und ©itte immer mebr zu
einem neuen Vollskoörper (Frangais) jujammen:
wuchs. 842 im Straßburger Bündnis zwischen Lud⸗
wig und Karl tritt zum — in der Verſchieden⸗
beit der Sprache die nationale Scheidung bervor,
indem Ludwig zu feinen Leuten in deuticher, Karl
zu den Seinen in roman. Mundart redete. Erſt mit
jener Teilung des großen Franliſchen Reichs beginnt
demnach die Geſchichte des beutigen 5.8.
1) Unter den SKarolingern (843 — 987).
Karl IL. der Kahle, ein charalterſchwacher Fürſt, ver:
mochte fih kaum gegen die Anſchläge jeıner Ber:
wandten und bie fortwäbrende Empörung der Va:
fallen und Statthalter in feinem Reiche zu balten,
umal da von jeßt an die Normannen alljäbrlic Ein:
Halle auf den — Boden machten, die Provinzen
verheerend Degen und nur burd Tribut zum
—
augenblidlichen — ſich bewegen ließen. Wäb-
rend die Spanijche Marl verloren ging, gewann Karl
durch den Vertrag zu Merjen (j.d.) 870 den Weiten
von Lothringen (Auftrafien), und nach Ludwigs des
Deutſchen Tode (876) erwarb er fogar die röm.
Kaiferwürde. Karl der Kable ftarb 877 auf ver
Flucht vor jeinem deutichen Neften Karlmann. Sein
obn Ludwig II., der Stammler, wurde erit
nad) manderlei Schenkungen und Bewilligungen
an die Großen gelrönt und ftarb ſchon 879. Cr
binterließ aus erjter Ehe Ludwig und Karlmann,
aus einer zweiten den nachgeborenen Karl den Gin:
fältigen. Ludwig IH. und Karlmann führten
die Regierung gemeinfhaftlib; von Ludwig dem
Jungern von Deutſchland, der fie befriegte, mußten
jie den Frieden durch die Abtretung Yotbringens
erfaufen. Unter ibnen empörte ſich 879 der Statt:
balter Graf Boſo und ftiftete aus dem Gebiete von
der Rhöne bis zum Jura das Arelatiſche Heid,
Frankreich (Geſchichte 987T—1328)
ſpäter auch das Cisjuraniſche Burgund genannt.
(S. Burgund.) Ludwig ſtarb 882, Karlmann
884, nachdem er von den Normannen einen zwölf:
jäbrigen Waffenftillftand erfauft hatte. Mit einit:
eg Üibergehung des erit fünfjährigen Karl
des Ginfältigen wurde nun der röm. Kaiſer und
deutibe König Karl II., der Dide, auf den
franz. Thron berufen und fo das Erbe Karls d. Gr.
nochmals vereinigt. Man hatte gebofit, durch diefe
Macht die immer heftiger andringenden Normannen
u überwältigen. Allein der Kaijer erlaufte den
Frieden dur einen fchimpflihen Tribut. Nach
einer Abjegung befand fih F. in völliger Auf:
diung; Bretagne und Aquitanien riffen ſich los, die
Mormannen waren im Norden, die Mauren im
Süden die Geihel des Landes; die Großen betradh:
teten ſich ald Souveräne und erfüllten alle Brovinzen
mit Mord und Berwüftung. Unter den vielen Thron⸗
bewerbern wurde Graf Odovon Paris, der mäch—
tigite der Kronvafallen, zum Könige erhoben; er
leistete dem deutichen Könige Arnulf, um ſich der Ans
fprüche desfelben zu een: den Eid der Treue,
was aber feine Folgen hatte. Aus feinem Geſchlecht,
ipäter die Kapetinger genannt, ging nun eine Reihe
von kräftigen Pie ervor, die, in Isle-de⸗France
regierend, genau 100 Jahre die gefährlichen Neben:
bubler und Leiter der immer machtlojer werdenden
Karolinger waren, bis fie dann ei den Thron
beitiegen. Doch wurde durch dieje Rivalität das
Reich mehr und mehr geſchwächt. Der Herzog Rudolf,
lotbr.:belvet. Statthalter, riß jich 888 vom franz.
Reichsverbande los und gründete an der Dftieite
des Juras ein zweites Königreih Burgund, das
transjuranifche. In diefen Wirren trat Karl der
Ginfältige 893 als Gegenkönig auf, und eine Bar:
tei der Großen, an deren Epike der Graf Herbert
von Vermandois ftand, brachte eö nad vieljährigem
Kriege dahin, daß Odo 896 das Reich mit Karl
teilte. Nah Odos Tode (898) wurde Karl ver
Ginfältige als alleiniger König anerfannt, und
nah dem Ausfterben des karoling. Geſchlechts in
Deutihland mit Ludwig dem Kinde (911) fielen ihm
aud bie Lothringer zu. Cr fuchte * nun in den
Normannen, die ſich ſchon 876 zu Rouen feſtgeſetzt
5* eine Stüße zu ſchaffen, indem er ihrem Heer:
übrer Rollo 912 das Land von der Eure bis zum
Meere, die nahberige Normandie, als erbliches
Herzogtum und franz. Kronlehn, die Bretagne als
Afterlehn —— ngeblich weil Karl feinen hab⸗
ſüchtigen Günftling Hagano nicht entfernen wollte,
erhob fi) 922 fein alter Nebenbubler Graf Robert,
ber Bruder Odos, von Graf Herbert unterjtüßt, ald
Gegentönig. Karl wurde 923 in einer Schlacht bei
Soiſſons, in der übrigens der Gegentönig fiel, von
den Empdrern befiegt, mehrere Jahre gefangen ge
halten und ftarb 929. Lothringen ging an Heinrich.
von Deutſchland verloren. Die Witwe Karla floh
mit ihrem Sohne Ludwig nad England. Herzog
Rudolf von Burgund, der Schwiegerjohn Ro:
bert3, erhielt nun die franz. Krone und wußte ſich
egen bie Großen bis zu feinem Tode 936 zu be
———— Nach einem Interregnum von 5 Mo—
naten brachten endlich J Hugo d. Gr. Herzog von
Francien, der Sohn Roberts, und Wilhelm von
der Normandie den Sohn Karls des Einfältigen,
Ludwig IV., genannt d’Outremer (d. b, der liber:
ſeeiſche), auf ven Thron, Seine Regierung war aber
ein fortgejeßter Krieg mit Hugo d. Gr. und Richard
von der Normandie, dem er das Land nehmen wollte,
1003
Er ftarb 954. Bon feinen Söhnen Lothar und
Karl wurde der erftere unter Hugos Vormundſchaft
um Könige von F. erhoben. Er befaß nur nod feine
ejidenz, die Stadt Zaon, zu eigen. Sein Bruder
Rarl hatte von Kaiſer Otto II. Niederlothringen zu
Lehn genommen. Um einen Erfolg nah A ie zu
erlangen, überfiel Lothar den Kaiſer 978 in Machen;
aber Dtto II. fammelte foglei ein Heer und drang
bis Paris vor, das von Sugo Capet, dem Sobne
Hugos d. Gr., erfolgreich verteidigt wurde. 980 mußte
Lothar allen Anſprüchen auf Lothringen entjagen.
Er ſtarb 986, und ein Jahr jpäter fein junger Sohn
Ludwig V., le Faineant (der Faule). Mit ihm jtarb
die Dynaftie der Karolinger aus. Die Nachfolger
Karla d. Gr. waren immer unfäbiger geworden,
die Staatseinbeit aufrecht zu erhalten. * 9. Jahrh.
hatte die Kirche verſucht an ihre Stelle zu treten,
und in ihrer Theofratie lag in der That das einzige
einigende Moment. Aber der galliihe Klerus
wurde jehr bald dem röm. Bapfte dienjtbar. Der
Erzbiſchof Hinkmar von Reims (geft. 882) war wohl
der lebte bedeutende Kirchenfürſt, der — die Reichs⸗
einheit wirkte; dann begann der Klerus mit den
Laienfürſten das erbliche Königtum zu erſchüttern
und eine Wahlmonarchie anzuftreben. In der Be
völferung —— tiefer Gegenſaß zwiſchen dem
Norden, wo die Franken von großem Einfluß ge
weſen waren, und dem Süden, wo ſich der gallo:
roman. Charakter viel reiner erhalten hatte, in
Sprade, Sitte und Recht herausgebilvdet; dieſer
Unterjchied blieb befteben und wurde für die weitere
Entwidlung von der größten Wichtigkeit. Als ein
neues Element famen die ſtandinav. Normannen
binzu, die feit Anfang des 10. Jahrh. an der untern
ine jeßbaft und dritianifiert, bald begeifterte
Vorkämpfer der neuen franz. Kultur wurden.
2) Unter den HKapetingern (987—1328). Als
Ludwig V. ftarb, war nur noch ein Rarolinger, fein
Dbeim Karl von Nieverlotbringen, übrig. Diefer
aber wurde als Vajall des deutichen Raitere über:
pangen und auf Betreiben des einflußreichen Erz:
iſchofs Adalbero von Reims Hugo Gapet, der
Sohn Hugos d. Gr. zum König gewählt (3. Juli 987).
Trotzdem aber hierbei das Erbrecht verlekt wurde,
wurde dod fein Wahlreich begründet, fondern dem
neuen König jogleich fein Sohn als Nachfolger an
die Seite geitellt und fomit das Erblönigtum beis
bebalten. Dennoch mußte Hugo Eapet, obwohl es
ihm gelang, Karl von Lothringen gefangen zu
nehmen, bald einfehen, dafı fich feine Macht durch
den Gewinn der Krone eher vermindert hatte. Der
Süden (Aquitanien) fiel von ihm ab; aud im Nor:
den hatte er mit den unrubigen Großen zu kämpfen,
egen die er fih nur durch Nachgiebigkeit halten
onnte. Denn jene Barone, die (be: die gebor:
famen Bafallen der Herzöge von Francien geweſen
waren, fühlten fich jest al3 unmittelbare Lehns—⸗
träger der Krone; dieſe aber hatte in ihrer Haus
macht (Paris und das Gebiet der mittlern Seine,
Noyon, Beauvais, Laon, Reims, Orleans, Bourges)
einen geringen Rüdbalt. Dazu kam die Schwäche
der Nachfolger Capets (geft. 996), die Ic ebenſo
wie die legten Karolinger als wenig bedeutende
Herricher zeigten.
Robert der Weife (996—1031), mehr Mönd
und Dichter ald König, regierte —5 — hatte
aber im eigenen Hauſe durch die Herrſchſucht ſeiner
zweiten Gemahlin Konſtanze zu leiden. Heinrich J.
(1031—60) konnte gegen die Unbotmäßigleit der
1004
Großen nichts audrichten, noch weniger fich gegen
den deutjchen Kaiſer Heinrich IH. bebaupten, der
ganz Lothringen erwarb. Philipp I. (1060—
1108) mar zwar anfangs ebrgeisi und rübhrig im
Kampfe gegen die trogigen Bafallen, aber ränte
voll und daher unbeliebt; er lebte in offener Bir
gamie und verfiel bald in träge Schlaffbeit; er
verfeindete fih mit dem mädtig aufitrebenden
Bapittum durch feinen unfittlihen Lebenswandel
und feinen Widerftand gegen die kirchliche Richtung
von Cluny (f. d.). Zwei großen Greianifjen, die
unter feiner Regierung von %. auögingen: ber
Eroberung Englands dur Wilhelm von der Nor:
mandie (1066) und dem erften Kreuzzuge (1096)
— er teilnahmlos gegenüber. Mit feinem Sohne
udwig VI., der in Wahrheit feit 1100 ſchon regierte,
indem ihn der Bater zum Mitregenten gemacht
batte, beginnt für F. eine neue Zeit.
Das erfte Jahrhundert der Kapetingerherrſcha
eigt hf nun ganz durchdrungen von den gejell:
Inafı ichen Drbnungen des Lehnsweſens. Die
Gemeinfreiheit ift immer mehr im Schwinden und
mit ihr der Heerbann, den der König früber berief
und der jept faft ganz an den bewaffneten Dienft
der Großen und ihrer Lehnäträger gebunden ijt.
Die Macht der großen Vajallen, der Herzöge von
Burgund, Normandie, Aquitanien, Flandern, Ver:
mandois u, f. w., war bedeutender als die bes
Königs; er ftand unter ibnen nur als primus inter
re (Erfter unter Gleichen) und hatte es nur ihrer
iferfucht untereinander zu danken, daß fie fich nicht
gegen ibn verbanden. Und dennod erhielten fi
während dieſer Ohnmacht des Königtums Keime zu
fünftiger Stärke. Der König ift oberfter Lehnsherr,
Wächter über die Lehnsordnung, die alle ftaatlichen
Verbältnifie regelt, er ift der Gejalbte des Herrn,
dem die Großen huldigen, ge alio immer ein mo:
raliihes Übergewicht. Es lam fogar der Braud
auf, daß der König feinen Erjtgeborenen zum Mit:
regenten falben ” fo daß dad Wahlrecht der
Großen ganz eingeſchränkt und in friedlicher Weife
ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Monarchie
getban wurde, Enlid aber trug e3 zur Befeftigung
des Königtums bei, daß die Kırde nie jo mächtig
war wie in Deutichland; die meisten Biſchöfe waren
entweder vom König oder von einem der Barone
abhängig und beſaßen feine jebr großen Territorien.
Der Inveititurftreit erfchütterte das Land nicht all:
zuſehr; das Verhältnis des Klerus zum Königtum
war bier freundichaftlicher, mo beide durch gemein:
fame Intereſſen den Feudalberren gegenüber auf:
einander angemiejen waren. Dasjelbe gilt von den
jest erblübenden ftädtiichen Kommunen, die bald
an dem König eine Stüße gegen den Drud ihrer
Herren, Bifhöfe und Grafen fanden.
‚2ubmig VI. (1108—87), der Dide, zeigte für
die Würde feiner Stellung mehr Berftänpnis als
feine Vorgänger, befonders als der ſtaatslluge Abt
Suger von St. Denis fein Berater wurde. war
der Schüßer der Kirchen und der Niedern gegen bie
Übergriffe der Burgberren und begründete ee:
beit der Städte dur zahlreiche Privilegien. Hein:
rich J. von re als Graf von der Normanbdie
im Streite mit Ludwig VI., rief 1124 ‚gegen ibn jeinen
Schwiegerſohn, den Raifer Heinrich V. zu Hilfe. Als
diejer Neims überfallen wollte, trat ihm Ludwig an
der Spitze eines ftarfen Heers entgegen, fo daß die
Deutſchen umkehren mußten. Ludwig VL. (1137
— RO), der Junge, batte Eleonore, die Erbin des
Frankreich (Gefchichte 987— 1328)
füdfranz. Aquitanien, geheiratet, ſich aber ibrer Uns
treue wegen von ihr fheiden lafien; fie vermäblte
fih nun mit Heinrid IL. von England, der fo ibr
reicheö Erbe Guyenne und Poitou erhielt. Zugleich
batte u aber von feinem Bater Gottfried die
Grafſchaft Anjou geerbt, jo daß er nun, mit der Nor:
manbdie zufammen, den größten Teil des beutigen
‚8 bejaß, während dem franz. Könige nur ber fünfte
eil davon als Kronland — S. Hiſtoriſche
Karten von Frankreich 1.) Von nun an be
ginnen die Kämpfe zwifchen ihm und dem über
mächtigen Bajallen, und in der Gefahr vor den Be:
brängern der Nation fteht bald das franz. König
tum und Bolt einmütig zufammen. Ludwig unter:
nabm 1147 einen Kreuzzug, der jedoch mit einem
Miperfolge endete. (S. zzuge.) Wäbrenpd feiner
Abweſenheit regierte Suger ald Reichsverweſer das
Land. 1149 kehrte Ludwig VIL zurüd; 1151 ftarb
Suger, und nun batte der König in jeinen immer
wieder erneuerten Fehden mit England wenig Er
Tolge aufzumeijen. Gr jtarb 1180.
ittlerweile aber war die Ausbildung des franz.
Nationaldaralterd in bedeutfamer Weije weiter
ge dritten. Das 12. Jahrh. zeigt einen erjtaun:
ihen Aufihwung des Franzojentums, der es in
geiftiger und polit. Hinficht vielfah an die Spike
des übrigen Europas ftellte. Es waren vor allem
die Kreuzzüge, die bierbei von den wichtigſten Kol
en waren. Bon Anfang an hatte die Idee der
eiung des Heiligen Grabes in F. am jtärkften ge-
wirft; das franz. Rittertum batte an den Rämp
gegen den Islam den größten Anteil gebabt und ſich
dabei zum Mufter des europ. Rittertums herausge⸗
bildet. Es trug die kaum erblübte roman. Kultur
überall bin, wo es fämpfte, und erwies ji, befonders
in feinen normann. Elementen, al zur Staatenbil-
dung ungemein begabt. So bat in England, Spar
nien, Sübitalien (f. Sicilien, Königreich), Baläftina
(1.Xerufalem und Edeſſa) und fpäter in Griechenland
(f. Byzantiniſches Reich) der franz. Adel eine Reihe
von Staaten gegründet und mit feinem Recht und
feinen Sitten befrudtet. Die Belanntichaft mit
neuen Ländern und ihre Rolonijation wirkte dann
wieder höchſt anregend auf das Mutterland. Die
neuen Handelswege begünjtiaten einen regen Aus:
tausch der Erzeugniffe 5.8 und des Drients. Die
Städte blübten auf, das Bürgertum wurde wobl⸗
babenver und dadurch aud felbitbewußter und ſchloß
fih noch feiter an das Königtum an, das fei
Widerſtand gegen die Stabtberren unterftüste. —
Das kirchliche Leben nahm ebenfalld neue Formen
an, die entarteten Orden wurden reformiert, und
auch bier ftand F. an der Spiße von Europa; vom
Kloiter Eluny gingen im 11., von Bernhard von
Clairvaux im 12. Jabrb. die bedeutendften reliaidien
Bewegungen aus; die Prämonftratenjer und Eiiter-
cienfer wirkten mweitbin fördernd auf die Kultur der
Länder. Schon vertrat an der Univerfität Baris
Abalard eine freiere geiftige Richtung, ſchon reate
ſich in Südfrankreich eine leheriſche Dppofition genen
das Bapfttum. Endlich fam aud in der Kunit dieſe
geiftige Blüte zum Ausdrud: in der bildenden Kunit
waren ed die roman. und got. Bauten, in der Boche
befonders die an die alten Sagentreife von Artus
und dem Gral anfnüpfenden Epen, die, auf franz.
Boden entitanden, den andern Nationen ein be
wundertes Vorbild wurden.
bilippa IL Au a.
Unter der Regierun
(1180—1223), eines kühl berechnenden und bad
Frankreich (Geſchichte 987—1328)
energiſchen Herrſchers, erhielt F. auch die ſeiner auf⸗
blühenden Kultur entſprechende ſtaatliche Bedeutung.
ilich kam ihm hierbei die Zerſplitterung 8
ands und Englands zu ſtatten. Noch pP Lebzeiten
Heinrihs IL. von England reizte Philipp Auguft
deſſen Söhne gegen den Bater; als diejer 1189 ftarb,
unternahm er zwar mit feinem Nachfolger Richard
Lömwenberz einen Kreuzzug, lehrte aber jhon 1191
von Alkon zurüd, griff die Normandie an und zwang
Richard, 1196 Berin und Giſors (oſtlich vonder untern
Seine) abzutreten, Weit mehr noch erreichte er aber,
als der Nachfolger Richards, Johann ohne Land,
den rechtmäßigen Erben der Normandie, feinen
Neffen Arthur, auf die Seite ſchaffte; Philipp er:
Härte ihn feiner franz. Leben für und
wang ibn, 1206 im Stilljtand von Thouars Anjou,
aine, Zouraine, Bretagne und die Normandie ab:
ken: nur Boitou und Guyenne behielt Johann.
uber der Bretagne vereinigte Bhilipp alle jene Ge:
biete mit dem Kronland; deögleihen Amiens, Balois
und Bermandois, die er fhon 1183 dem Grafen
von Flandern abgenommen hatte, Du Papſt Innos
cenz Ul. der ihm wegen ber Berjtoßung feiner Ges
* Ingebor (1193) zürnte und ſpäter F. mit
dem Interdilt belegte, gewann er jchließlich doch ein
utes Verhältnis, jo daß dieſer ihm zeitweilig (1212)
8* die engl. Krone —— n dem Kampfe
zwischen dem jungen Staufer Friedrich I. und
dem flaifer Dtto JV. ftellte er fih auf die Seite
iedrichs, da Otto von England unterjtüßt wurde,
ei Bouvines (. d.) fiel 1214 die Entſcheidung;
bilipp fiegte über Otto und befiegelte damit 5.3
egemonie in Europa. 1216 boten die engl. Da:
zone feinem Sobne, dem jpätern König Ludwig VIII.,
fogar die engl. Krone an; diefer jegte auch über
den Ranal, mußte aber 1217 zurüdfehren, als
das engl. Rationalgefübl nad dem Tode des ver
acteten Johann wieder erwahte. Hatte Philipp
omit jein Gebiet verdoppelt f fo konnte er aud im
nnern die größten Erfolge in der Stärkung jeiner
onardhie aufweilen. Was jene Vorgänger zur
Niederhaltung der großen Vaſallen gethan hatten,
feste er in nachhalt ger Weiſe fort. Jene wurden
allmählid aus dem Kate des Königs entfernt, in
den nun einfaheRitter, Geistliche und Rechtsgelehrte
eintraten,.die zuverläffi e Werkzeuge des dem Ab:
folutismus zuftrebenden Königtums wurden. Ebenjo
erweiterte ſich aud die Kompetenz des königl. Hof:
ericht3 immer mehr; ſchon durfte man von den
erichten ded Klerus und der Barone an jenes
appellieren. Die Erblichleit der großen Kronamter
wurde befeitigt und die unabhängigen Bafallen
aus ihnen entfernt. Die wirtichaftlihe Entwidlung
des Landes fand bei Philipp rege Förderung. Er
erfannte jhon die Bedeutung von Paris, das er
ummauern ließ, fhüste die fremden Kaufleute,
Handel und Gewerbe und begabte auch die Heinften
Kommunen mit reibeitöbriefen. — Unter feinem
Nachfolger Ludwig VILL (1223—26) jollte nun F.
aud den wichtigen Schritt gegen den Süden thun,
den Philipp * vorbereitet hatt Languedoc
tobte jeit fünfzehn Jahren ein blutiger Krieg, den das
apittum gegen die letzeriſchen Albigenſer (j.d.) und
ihren vermeintlichen Beichüger, den mächtigen Gras
fen von Toulouſe, führte. Als diefer aber ven Grafen
von Montfort, denen der Papſt ed
hatte, erfolgreich widerftand, fam Ludwig .1226
der Kirche zu Hilfe; doch ftarb er ſchon kurz nach dem
glüdlihen Beginn feines Zuges. Auch gegen Eng:
1005
land hatte er den Rampfwieber begonnen und Boitou
erobert. Die Monarchie ſchädigte er jedoch dadurch,
dab er fein Gebiet unter feine vier Söhne teilte,
Der Thronerbe Ludwig IX., der Heilige (1226
— 70), wurde gen feiner Minderjährigteit von
feiner Mutter Blanca geleitet, und ihrer Energie
hatte F. es u danlen, daß die legten Angriffe, die
die —* ſallen im Bunde mit Heinrich III. von
England gegen die Krone unternahmen, abgeſchlagen
wurden. Nun beginnt für das Land eine Periode
innern Friedens und kräftigen Aufblübens. Durch
vorteilhafte Verträge vergrößerte Ludwig fein und
—— ruder Gebiet; 1229 trat Raimund von
ouloufe einen Teil feines Beſißes ab; der Reft
fam nad) feinem Tode 1249 an Alfons von Poitou,
den Bruder Ludwigs, den Gemahl der Erbtochter
Raimunds. 1246 kam die Provence durch Heirat
an RarlI. von Anjou, den jüngjten Bruder Ludwigs.
1258 trat Aragon * Land noͤrdlich von den —7
näen zum Teil an F. ab; 1259 wurde zwar das Ges
biet jenjeit der Eharente und Garonne freiwillig an
Heinrid ILL. von England zurüderftattet, dafür aber
erlannte er Ludwig als rechtmäßigen Beſitzer ber
ber engl. Provinzen im Norden an und nahm
e von ibm zum Zehn. Durd Kauf wurden Macon
lois und Ehartres erworben. Eine Huge Boliti
der Kirche gegenüber, die Ludwig zwar ebrte, aber
in ihren hierarchiſchen Übergriffen nicht unterftäbte,
erhöhte das Anſehen 5.8, das jegt, wo in Deut
land das Kaiſertum unterging, die erfte Macht
Europas wurde. Allerdings iſt die Echtheit der
—— Santtion (1269), in der Ludwig bie
elbſtändigkeit der Gallikaniſchen Kirche (f. d.) be:
ndet hätte, neuerdings angezweifelt; aber ber
nbalt entſpricht doc zum Teil den Maßregeln, mit
denen er, im Einverjtändnis mit feinem Adel, den
brüdenden Steuern der päpftl. Legaten entgegentrat.
Sehr wichtig find Ludwigs rechtliche Einrichtungen.
Er bat das ——— an ſeinem Hofe organiſiert,
ein Gericht, das die legte Entſcheidung über die Pro:
zeſſe in den Provinzen hatte. An die Stelle des Gottes⸗
urteild trat ber Zeugenbeweis, das röm. Recht vers
drängte das Landrecht, und bie gelehrten ——
Legiſten, ſ. d.) kamen zu großer Bedeutung. Die
erwaltung wurde in die Hände königl. Beamter
Baillis, Senejhalls, Prevöts) gelegt; fie hatten die
olizei und die Einziehung der Steuern unter fid.
Ludwig ftarb 1270 auf einem Kreuzzuge, den er
egen Tunis unternommen batte. Sein Sohn
Bhilipn UL, ber Kübne (1270—85), 34 von
dort nach einigen Wehr Er ließ fih zum
Zeil von feinem Oheim Karl. von Anjou, dem König
von Sicilien, zum Teil von feinem Günftling Peter
de la Brofieleiten. Unternehmungen gegen Eaftilien
(1276) und Aragon (1285) verliefen nicht glücklich;
doch wurde ein bedeutender Gebietszuwachs dadurch
erlangt, daß nach dem Tode des kinderlojen Alfons
von Yoitou der größere Teil des Sudweſtens von
. an die Krone fam (Auvergne, Poitou, Touloufe).
m Innern führte Philipp die Verwaltung im
inne feiner Vorfahren weiter. Den Höbepunft
erreichte aber dieſe er franz. Entwidlung bes
13. Jahrh. unter ar pp IV, dem Schönen
(1285— 1314). Geftüst auf eine ſtarke Macht, a
ein ergebened Beamtentum, auf Huge und energif
für den erg wirfende — konnte er
den Kampf mit dem Bapfttum aufnehmen. Die
wichtige Frage ber Beiteuerung des franz. Klerus
gab ven Anlaß zu dem folgenſchweren Streitezwifchen
1006
dem Papſte Bonifacius VII. und Philipp IV.
Der Streit endete 1303 mit dem gewalttbätigen
fiberfall Bonifacius’ VILL in Anagnı; feine Folgen
here fi in zwei bebeutfamen Greignifjen: der
berfiedelung des Bapfttums nah Avignon (1305),
wo es im Machtbereih des franz. Königs feitge:
balten wurde, und der Aufhebung des Tempelberren:
ordens (1312), der als ein Staat im Staate dem
Könige gefäbrlich erichien und überdies durch feine
Reichtümer feine Begebrlichteit reizte. Denn dur
unglüdlie kriegeriihe Unternehmungen (Nieder:
lage gegen die flandrifchen Städte bei Eourtrai 1302)
und gejteigerte Ausgaben der Regierung war Philipp
in Geldverlegenbeit geraten, die er vergeblich durch
drüdende fistaliiche — und Munzopera⸗
tionen zu beſeitigen verſuchte. Damit hing, mehr
als mit ſeiner Kirchenpolitik, die bedeutſame Be—
me der Generalftaaten (Etats généraux, f. d.
zujammen (1308), wo neben Adel und Klerus au
der Dritte Stand, das aufblübende Bürgertum, ver:
treten war, das jomit nun anfing, fräftigen Anteil
am Staatsleben zu nehmen; die Feudalität wurde
immer mehr aus den maßgebenden Stellungen ver:
drängt. Nach außen hat Philipp keine groben Er:
joige gebabt, fo in dem dauernden Kriege mit Eng:
and. Nur das zum Deutſchen Reiche gebörende
von nahm er 1312 fort und erwarb dur Heirat
Navarra, Champagne und Brie. Seine Bedeutung
berubt in den durchaus modernen Tendenzen feiner
Regierung, durch die er die mittelalterlihe Ent:
widlung des Lehnsſtaates durchbrach und die
modernen De des Abjolutismus anbabnte.
Der ältefte Sohn Philipps, —*2*4 X. (1814—16),
begünftigte dagegen eine feudale Reaktion, die ſich
gegen die Näte des Vaters richtete. — folgte,
da er feinen Sohn hatte, ſein Bruder Philipp V.
er und diefem aus demjelben Grunde fein
ruder Karl IV. (1322—28); beide waren nicht
untüchtig und bemübten fi, nad} innen und außen
die Kraft ihrer Monarchie zu ftärten. Schwere
Etürme bedrohten diefe aber, ald nad dem Tode
Karls IV., bei dem Mangel eines männlichen Erben,
die direlte Linie der Kapetinger ausſtarb und lang:
wierige Kriege über die Erbfolge F. erfchütterten.
8) Unter den Balois (1328— 1589). Als
Philipp VI. (1328—50), der Vetter der legten Rö-
nige, der Sohn Karl von Valois, des Bruders
Philipps IV. jetzt Die Krone erbielt erhob Eduard IL
von England Erbanſprüche und behauptete, als Sohn
einer Tochter Philipps IV. der nächte zum Throne
7 fein. So entjtand nun ein Streit, der mit vielen
nterbrebungen über 100 Sabre dauerte und F.
oft dem Untergang nabe brachte. Noch war Eng:
land im Befig des Südweſtens von F. (Guyenne und
Gascogne), wodurd die alte Nationalfeind haft
immer wieder angefadht wurde. Sodann begünftigte
3. Englands gefährliben Nachbar, Schottland, und
endlich trafen fie in Flandern aufeinander, wo
bei dem gewaltigen Emporblüben der Gewerbe in
den Städten die Handelsintereſſen der Gegner ſtark
in Pur tamen. Als aber um 1339 der Kampf
losbrach, wurde offenbar, daß F. bereit von feiner
Höbe berabgefunten war und in vielen Punkten der
Reform bedurfte. Die nationale Einheit der ver:
ſchiedenen Provinzen war noch durchaus nicht durch⸗
gefübrt und nod weniger die Gleichftellung der
Stände. Trotzdem bei den geänderten wirtichaft:
lien Berbältnifien die Kraft des Landes nicht mebr
bei dem Adel war, beanfpruchte diefer noch feine
Frankreich (Geſchichte 1328—1589)
alten Vorrechte. Es bedurfte großer und wieder⸗
bolter Niederlagen des alten Ritterheers, um militär.
und fociale Neuerungen herbeizuführen, die eine
Wiedergeburt des franz. Staates, eine Aus
leihung der Stände unter dem Schuß ber ftarten
— * ermöglichten. Zuerſt zeigte ſich in der
Schlacht bei Erecy (j.d.) 1346 das glänzende Lehns⸗
beer, das Philipp VL. um ſich gefammelt batte, der
engl.:flandr. Taltik nicht gewachſen; Eduard IIL
errang einen vollftändigen Sieg, den er aber nicht ae
nügend ausnutzte. Die Zuftände in F. verihlimmer:
ten ſich indes noch; zu den drüdenden Steuern und
Münzverjhleterungen Philipps VL fam 1350 der
Schwarze Tod und die böfen jocialen Folaen dieier
Veit. Trop bedeutender Gebietävergrößerung (1349
wurde die Daupbine durch Schenkung, 1350 Mont:
pellier durch gr erworben) ließ Bhrlipp VL %. in
geſchwãchtem Zujtande zurüd, als er 1350 jtarb,
und diejer bielt au an unter Johann dem
Guten (1350—64), einem unbedeutenden und übel:
beratenen Fürjten. Als 1355 der Krieg mit den
Engländern wieder begann, begab er ſich voll Hoch⸗
mut ber jhon über ibren Fu den Schwarzen
Bringen (f. Eduard, Prinz von Wales), erlangten
Vorteile und wurde bei Maupertuis 1356 ſchmach⸗
voll befiegt und gefangen. Die ſchon vorber ſich
regende freibeitlihe Bewegung wuchs num gewaltig
an; die von dem Daupbin (Karl V.) zur Abwebr
des Feindes berufene Berfammlung der Stände, in
der die Hälfte Vertreter der Städte waren, verlanate
Abitellung der innern Mißbräuche und Aufficht ü
die! — und die Beſteuerung. Da der Dauphin
(one, erfprebungen nicht bielt, fam es 1358 nu ge
äbrlihen Aufftänden des Parifer Volls gegen i
und feine Räte. Zugleich erhob ſich der gelnechtete
Bauernitand (f. Jacquerie) gegen feine adligen Be
drüder und ward erft mit Mübe nad furdtbaren
Greueln gebändigt. Im Frieden von Bretiany (1360)
mußte F. wieder den ganzen Sudweſten an Eng:
land abtreten und dazu noch Ealais und fein Gebiet.
©. Hiftorifhe Karten von —— 2.)
obann ſchädigte überdies noch feine Krone da»
dur, daß er (1363) feinem Sohne Bbilipp das
Herzogtum Burgund gab und fo den Grund zu
einem gefährlihen Nachbarreiche legte.
Unter feinem Sobne Karl V., dem Beiien
(1364—80), erbolte ſich F. von feinen Wunden. Karl
wußte geihidt feine Feldherren zu wäblen, jo beion-
ders den Bretagner Duguesclin, dem e3 gelang, die
Söldnerbanden zu fhulen und zum Kriege tüchtig zu
machen. So konnte 5. wieder Erfolge erringen, zuerit
in Gaftilien, dann in dem aufs neue gegen bie Eng:
länder ausbreenden Kriege, in dem die Bretagne
und Gascogne erobert und die Feinde auf Bordeaur,
Baponne und Calais beichränft wurden. Auch im
Innern war Karl eifrig beitrebt, Drbnung zu ſchaffen
und die Cinnabmen des Landes zu erböben; doch
die bierbei angewandten fislaliiben Maßregein
drüdten das Volt und riefen zablreibe Aufitände
bervor. Beim Tode Karla V. 1380 hatten die En
länder ihre Angriffe wieder begonnen. Das Bürger:
tum feufzte unter feiner Steuerlaft, der Adel mar
wieder mächtig und zeigte den alten fibermut, ala
nun der unmündige Karl VL (1380—1422) jur
Regierung kam und vorerft ganz unter der Zeitung
feiner unter fib babernden Obeime von Anjow,
Berry und Burgund ftand. Als 1382 die vläm,
Städte bei Rojebele von dem franz. Ritterbeer ge
fhlagen waren, wurden aud die Freiheiten der
Frankreich (Geſchichte 1328—1589)
franz. Kommunen, beſonders der Stadt Paris, und
das Steuerbewilligungsreht der ftändiihen Ber:
fammlungen wieder von dem König eingejchränlt.
Da verfiel Karl VI. plöglich in Geiftesnadt, und
nun bildeten fein Dheim Philipp von Burgund
und fein Bruder Ludwig von Orleans die Häupter
—— großer Parteien am Hofe, deren eine, die
urgundiſche, eine vollstümliche Richtung befolgte,
während bie andere, die der Orleans, die Ariftofratie
begünftigte. Philipps Sohn, —* der Uner⸗
ſchrockene, zog 1405 in — ein, brach die Macht
des üppigen und mißlie — Ludwig und gab der
Stadt ihre er zurüd. Als er 1407 Ludwig
ermorden ließ, erhielt eraud dafür Verzeihung vom
Hofe, weil diefer gegen die burgundiiche auf die
Pariſer Demokratie geftüßte Macht nichts zu thun
wagte. Dies aber änderte ſich, ald Ludwigs Sohn,
Karl von Orleans, geftügt auf die gascogniſchen
Scharen feines Schiwiegervaterd Bernhard von
Armagnac, 1410 gegen den Norden zog. Es kam
zu erbitterten Kämpfen zwischen den Armagnacd und
den Bourguignong, in denen der Pariſer Pöbel (Ca:
bochiens, ſ. d.) den Dauphin zeitweilig vollftändig
in feiner Gewalt hatte, bis der Graf von Armagnac
Paris blutig beftrafte und damit die Hofpartei mie:
der Erfolge gewann, Nun aber vn die Engländer
1415 unter dem jungen Heinrih V. aufs neue über
den Kanal und bradten dem Heere Karls von Dr:
léans bei Azincourt (f. d.) eine furdtbare Nieder:
Tage bei. Zugleich brach auch der Bürgerkrieg wies
der aus. Die von Armagnac beleidigte räntevolle
Königin Iſabeau verband fih mit Johann von
Burgund; beide ſetzten eine Regierung ein, die den
Gngländern günftig war; fie erhoben ſich gegen den
Dauphin Karl, eroberten 1418 Paris und befeitig:
ten Armagnac und feine Bartei. Währenddeſſen er:
geb, fih Rouen an Heinrih V. Als gerade eine
Sinigung zwiſchen dem Daupbin und Johann von
Purgund angebabnt wurde, ward der lektere von
Anhängern des Daupbin erfchlagen (1419). So:
gleih verband fi fein Sohn Bhilipp der Gütige
mit England; dur eine Heirat Heinrichs V. mit
der Tochter Karls VI. wurde der Daupbin feines
Anrechts beraubt und F. an die engl. Krone ge
geben (1421). Da ftarb Heinrich V. 1422, und bald
nad ihm Karl VI.
Der anfänglih ſchwache und unthätige König
Karl VII. (1422—61) war durch die engl..burgund.
Gegner auf ein ganz geringes Gebiet beſchränkt;
aber er gewann eine Reihe tüchtiger Feldherren
und Berater, die einzelne Vorteile errangen und
eine Berftändigung mit Philipp von Burgund
nicht aus dem Auge ließen. Als dann die Eng:
länder dennoch immer mebr Boden gewannen und
Be anididten, den Stüßpunlt der franz. Madt,
leans, zu nehmen, eritand F. eine Retterin in
Jeanne d’Arc. Sie riß den König und die Friedens:
partei mit fich fort, befreite Orleans, veranlaßte
Rarls VII. Krönung in Reims und gab der Nation
durch mannigfade Erfolge über die Engländer wies
der friihen Mut. Lebtere verloren ihren bedeutend:
ften Führer, ven Herzog von Bedford, durch den Tod
(1435) und ihren Bundesgenofien Burgund durch
den Vertrag von Arras 1435, der allerdings Bhilipp
bedeutende Vorteile zugeftand. Nun wurde 1436
Paris von Karl VII. wiedergewonnen, und dann
begann eine - der Be ten innern Reformen,
die 3. zugleih vom Feinde befreiten. Zu Bourges
wahrte Karl VII. dem Bapite gegenüber die Freis
1007
eiten der Gallitaniihen Kirche in Wahlen und
teuern, und zu Orleans erließ er 1439 die Ordon⸗
nanzen, die das erfte ſtehende Heer in Guropa ein:
richteten, indem fie eine allgemeine Steuer (Taille)
ur Befoldung disciplinierter, unter königl. Führern
— — Compagnien feftjegten. Die Mittel zu
ed Reformen gewann Karl VIL. durd feinen
Schatzmeiſter — Coeur, der das Steuerweſen
nach bürgerlihem Princip umſchuf, den Hofhalt
vom Staatshaushalt trennte und an Stelle der
Naturalwirtſchaft eine geordnete Verwaltung der
Geldeinnahmen ſetzte. Der durch dieſe Einrichtungen
gefährdete Adel empörte ſich 1440 (f. Praguerie),
wurde aber befiegt; auch die Engländer wurden
1441 bei Pontoiſe geihlagen. Unternehmungen
egen Elſaß und die Schweizer mißlangen zwar
Add ‚ befreiten %. aber von den Söldnerbanden,
den Armagnalen (j. d.), die dabei großenteilö auf:
erieben wurden. Nun konnten aud) die Engländer
N nicht lange mehr balten, fie verloren die Nor:
mandie (1449) und Guyenne, wurden 1453 bei
Caſtillon geſchlagen und bebielten nur Galais; ein
förmlicher Friedensſchluß fam nicht zu ftande.
Karls VII. Sohn Ludwig XI. (1461—83) fehte
die Reformen in energifcher Weife fort. Seine beiden
Gegner, im Innern die noch immer nicht gebändigte
Ariſtokratie, beſonders die Prinzen des eigenen
Haufes, nad außen die unter Philipp dem Guten
e 3. höchſt bebroblih angewachſene burgund.
achbarmacht zu treffen, mar ibm dadurch möglich,
daß fich die unzufrievenen Großen 1465, unter ihnen
der Herzog von Bretagne und des Königs Bruder
Karl von Berry, mit dem Grafen von Charolais,
dem fpätern Karl dem Kuhnen von Burgund, ver:
banden. (S. Ligue du bien public.) Die Schlacht
bei Montlhery 16. Juli 1465 blieb unentſchieden,
und — Kari und bie meiften Städte auf der
Seite Ludwigs ftanden, mußte er ſich doch zu dem
Frieden von Conflans (Dit. 1465) bequemen, der
ihn zu demütigenden Abtretungen an Burgund
und an die groben Barone — deren Aufſicht
nun das Rönigtum wieder unterftellt wurde. Ludwi
errang dann zwar einige Erfolge, indem er ſich au
da3 Bürgertum ftüßte und den Adel dur jchlaue
Diplomatie trennte, vereitelte aber dieſe Vorteile
wieder durch die Bereitwilligleit, mit Karl dem
Kübnen in Beronne zufammenzulommen, was ibn
ganz in die Gewalt des letztern lieferte. Aber Lud⸗
wig war nicht gemwillt, den erzwungenen ag
zu halten. Er nahm er den Kampf gegen far
wieder auf. Und nun hatte er bejjern Erfolg, ob:
wohl, von England und Burgund unterftüßt, no
einmal der ganze Adel F.s fich erhob. 1472 ftar
plöglih Ludwigs Bruder Karl, dem er Guyenne hatte
e- müjlen; jogleih 309 Ludwig das Land ein;
arl der Kühne ſchloß 1472 einen Stillftand, nad:
dem er vor Beauvais von den Bürgern eine Nieder-
lage erlitten hatte. Nun konnte Ludwig fich gegen
—— Adel wenden, den er mit der größten Grau—⸗
amtleit beftrafte. Engländern, die 1475 noch
einmal in F. einfielen, taufte er einen Frieden ab,
1477 wurde er dann auch von Karl dem Kühnen
befreit, als diefer vor Nancy gegen die Schweizer
fiel, mit denen Ludwig fih verbunden hatte. Nun
zerfiel das große burgund. Reich; doch erftand F.
ein neuer unbequemer Nachbar in dem Haufe Habs:
burg, da der Erzherzog Marimilian, der fpätere
Raifer Marimilian I., mit der Hand der Erbtochter
Karls des Kühnen, Maria von Burgund, aud den
1008
größern Teil des Reichs erhielt, während Ludwig
nad einem wenig glüdliden Kriege gegen Mari:
milian im Frieden von Arras (1482) die Graf:
Pan Burgund und Artois ald Mitgift der Toch⸗
ter Marimilians, die Ludwigs Sohn Karl heiraten
follte, zugefichert wurden. Durch Erbfall gelangte
1481 auch Anjou und die Provence an & fo daß
nun, mit Ausnahme der Bretagne, alle Gebiete der
— Vaſallen dem Kronlande einverleibt waren.
rotz fühlbaren Steuerdrucks hoben ſich unter dem
Schutze einer ſtrengen ———— und tuchtigen
Armee die Städte und das flache Land. Aderbau,
Handel und Gewerbe, Kunſt und Wiſſenſchaft ge:
diehen unter Ludwig XL; die Einkünfte verboppelten
fi) unter feiner Berwaltung, fo daß er, troß jeines
treulofen und menſchenfeindlichen Ebaralters, der
Neubegründer der Größe F.s geweſen i
Karl VIII. (1483—98), der dur Heirat auch
die Bretagne (f. d.) gewann, verfolgte nad fcharfer,
aber thatenlofer Auflehnung der Reichsſtaͤnde (Tours
1484), —— der Großvaſallen, die ſeine
Schweſter Anna von Beaujeu niederſchlug, im In⸗
nern bie alten Bahnen weiter. Die franz. Kraft warf
ſich unter ihm nad außen: geftüßt auf burgunbifche,
mailändifche, neapolit. Erbaniprüdhe, griff er 1494
in Stalien Den biefe Machtlämpfe beberrichen
5.8 äußere Geſchichte bis 1559, fie verſchlingen fi
mit dem großen Gegenſatze des Landes gegen bie
—— —— eltmacht, gegen die F. we⸗
entlich nur in der Verteidigung erſolgreich blieb.
Innern führten Ludwig (1498 - 16 15),
tanz L (1515—47) und Heinrich U. (1547—59)
den Abtoiutiomus durd(f. die Einzelartifel); Ludwi
(ein Orleans) war maßvoll und — ſo da
ein Regiment als eine Zeit des — der
Kräfte innerhalb F.s erſchien, Franz (ein Angou⸗
leme), ſtraffer und ſelbſtbewußter, iſt der König der
polit. wie der geiſtigen Renaiſſance auf franz. Bo:
ben; er gewann durch Konlordat mit dem Kapfte
1516 der Konigsgewalt die Beftimmung über bie
geiftlichen Stellen und deren großen Befis, alfo
über den Adel, der jene Stellen ummarb, fejlelte
diefen an die Krone, an deren hofiſchen und kriege:
riihen Glanz, erhob das national ausgeprägte
Königtum über alle ftaatlihen Gewalten und ver:
körperte feine Zeit und fein Land in feiner Berjon;
gleichzeitig verpflangte er die fittliche Peichtfertigleit
auf den * Thron: Maitreſſenweſen wird eine
ſtaatliche —— Heinrich II. blieb politiſch
auf gleichem Wege: Abſolutismus innen, Krieg
gegen Habsburg außen. Er eroberte Metz, Toul,
erbun und Calais, ſchloß ſchließlich zu Gäteau:
Cambrefis (f. d.) 1559 einen Frieden, in dem F. auf
talien Verzicht leiftend, hinter Spanien zurüdtrat.
ofparteien zeritörten feinem Regiment die Eins
yeit und Klarheit; die innere Kraft der Krone ließ fo
unter ihm nad. Unter feinen drei ſchwachen Söhnen
gran Il. (1559—60), Karl IX. (1560 — 74) und
einrich III. (1574—89) drang der Partikularis⸗
mus der tändeiwieber Landfcharten, biöber gebeugt
aber nod ungebrochen, in jtarler Realtion hervor;
die religiöje dee, Europa erfüllend, machte aud
diefe Bewegung erft übermäctig und einheitlich);
bie Krone, von Katharina von Medici geleitet, vers
lor die Herrihaft über die Nation, ſchwankte zwi⸗
[hen den Parteien, + fich erft den Proteftanten
Y Hugenotten, Liga, Guife, Coligny) zu, betämpfte
e dann und wollte fi doch den wi: Philipp I.
von Spanien bejtimmten Katholiken nicht hingeben;
Frankreich (Geſchichte 165891789)
beide Parteien griffen fie mit oppofitionellen Zebren
an, die Hugenotten mehr ariſtokratiſch, die Katho⸗
liten, in ber ana ba A mebr demotratiid;
Spanien gewann die O ag über das innere
franz. Leben, der Staat löjte fh auf, Heinrich IIL,
von der Liga in die Enge getrieben, rief den prot.
Thronerben Heinrich von Navarra zu Hilfe, der nad
des Königs Ermordung 1589 als erfter Bourbon
[eiate, allgemeine Anertennung aber erſt 1593 nad
einem Übertritt zum Katholicismus erlangte.
4) Unter den Bourbonen bis zur Revo:
lution (1589—1789). Heinrich IV. (1589— 1610)
vereinigte das zerrijjene Land wieder, befänftigte
die Parteien, gab den Hugenotten 1598 das Edilt
von Nantes, wandte bie franz. Kraft wieder gegen
den gemeinfamen Gegner Spanien und beilte dann
in 12jährigem erfolgreihem Frieden burd eine
beifpiellos fruchtbare Berwaltung die Wunden
eined 80jahrigen Bürgerkrieged. Nah den ftän
bifhen Wirren erhob er wieder die Monardie
als rettende gr» an bie Er. 58. Er jehte
in fefter und mapßvoller Weiſe Ludwigs XL und
anz’ I. Wert fort. Nach außen bereitete er den
ampf gegen Habsburg ahead ig Va ſchien,
den Kohn Schlag zu führen, traf ihn Ravaillacs
Dold (Mai 1610). Sofort brach das Ständemweien
in neuen Wirren bervor; der Dritte Stand ent
ſchied fich für das Königtum, aber der Hochadel warf
die Regierung unter Ludwigs XII. (1610—43)
Minderjäbrigteit hin umb ber, bis 1624 der Kar⸗
binal Richelieu das Staatöruder er 2,8 Diejem
gelang es, die prot. und ariftofratifde pofition
durch Energie, Lift und —— Gewaltthat
bandigen und die Krone durch die glüdlichfte Dur
führung der Politik Heinrihs IV. gegen das Haus
Habsburg zum ftärkiten Hort der nationalen Macht
u erheben. Der Kardinal Mazarin ſetzte dieſe Bor
itil wäbrend der Jugend Ludwigs XIV. (1645—
1715) re fort, rief aber 1648 dadurch eine legte
große Erhebung der Adelsgewalten (1 Dronbe) ber:
vor, deren er nur nad wechſelvollen Kataftropben
Herr wurde. Von den beiden großen Kardinalen über:
lam Ludwigs XIV. perfönliche Regierung (feit 1661)
eine Mare äußere und innere Bolitil, Im älis
ſchen —— hatte F. ſchon 1648 einen großen
des Eljaß erhalten; im Pyrenäifchen Srieben mit
Spanien nahm e3 1659 einen Teil der Niederlande
und die Grafihaft Rouffillon. Eine Reihe großer
loberren, wie Conde, Zurenne, Bauban, en
ourg, Eatinat, Vendoͤme, Boufflers Ertqui, eine
mächtige, durch Louvois geſchaffene Armee und eine
neue Seemadht machten die Waffen 5.8 allen europ.
Mächten furhtbar. Der niebderländ. Krieg, in dem
bie franz. Heere mit allen Mädten zugleich
ten, bradte im Frieden —— en 1678 die
Franche⸗ Comte und einen Teil von Flandern an F.
und erhob es zu einer in Europa ſeit Jahrhunder⸗
= —— —— un * Hd ft von
udwigs Erfolgen. Es war die Glanzjeit des fran;.
Königtums; 44 eitig hatte Colbert im hochſten
Sinne die innere Arbeit Heinrichs IV. und Ride
lieus aufgenommen: alle nationalen Rräfte japte
die Krone befruchtend zufammen, die materi
üßend und förbernd, die geiitigen leitend und um
als Mittelpunkt ſcharend. Abernod LubwigXTV.
elbft ward diefer monarchiſchen Pfliterfüllung um
treu; bejonders feit Colbert# Tode (1683) wurde
die Wobljahrtöpolitit, der Bund zwifchen König
und arbeitendem Boll, die Schaffung einer inner:
Frankreich (Gefchichte 1589—1789)
lichen Staatseinheit, vernadläffigt, der Kampf
gegen Habsburg trat allein in den Borbergrund
und entartete bi3 zum Groberungsfampfe. Ganz
Europa vereinigte fih gegen %., und 5.8 Kraft
wurde in — Kriegen AN: wig IV. und
Spaniſcher Erbfolgelrieg) erjhöpft. Uberdies trieb
Ludwig die See der Uniformität und — —
Macht ins eme, die kath. Geiftlichleit erwirkte
bie Aufhebung des Edikts von Nantes (1685), wo⸗
dur F. fih eines wertvollen Elements der Streb:
famfeit beraubte; die felbjtändigen Regungen im
Katholicismus (f. Janfeniften) wurden erbrüdt und
das Land den Jeſuiten ausgeliefert.
Schon vor Ludwigs XIV. Tode wurde der Ver:
fal 5.3 unverlennbar, unter Ludwig XV. (1715
—74) wurde er faft unbeilbar. In der Regent:
Schaft Philipps von Orleans (1715—23) tritt an
die Stelle der alten Würde ein neuer Geift. Die ſitt⸗
libe Verborbenheit feines Hofs, feine ie opera:
tinnen, bejonders der Verlauf des von Law begrün-
deten Attienfoftems, ftürzten das Boll in Verwil⸗
derung, zeritörten das — en und ver⸗
mehrten die üble Lage des Schatzes. bie 1726
beginnende friebliche Berwaltung Fleu eh
dem Volle und dem Staate einige Erholung.
Polniſchen Thronfolgekriege und in den Friedens:
andlungen zu Wien 1785—837 behauptete $.
unter diefem Minifter eine gebietende Stellung.
Die Teilnabme am Oſterreichiſchen Erbfolgetriege
und der Friede zu Aachen 1748 verrieten aber 5.3
volle innere Shwäde; Handel, Marine und Kolo:
nien wurben preiögegeben und vermochten fich nicht
ar u erholen. Noch tiefer ſank F. dur die Po:
litit Ludwigs XV. im Siebenjährigen Kriege, in
dem ed mit Aufgebung aller biftor. Traditionen
feiner Bolitit mit Marta Therefia gegen Preußen
ftand. Die Landbeere, unter Günftlinge des Hofs
eftellt, wurden geichlagen, die Flotten von den
ngländern aufgerieben, der Friede zu Paris von
1768 koftete F. jeine wertvolliten Kolonien: Canada
mar an England verloren. Im Innern herrſchte feit
1743 ein immer ehr⸗ und würdeloſeres Maitrefien:
regiment (f. Bompabour) voller Willtär, Verſchwen⸗
a. vor allem voll erbärmlichfter Schwäche;
die Monardie mar machtlos, und aud das aufge:
Härte Minijterium Choiſeul —— vermochte
Grundliches nicht durchzuſetzen; es verbündete ſich
mit den ſonſt ſtets widerſpenſtigen Parlamenten
gegen die Jeſuiten, die ausgewieſen wurden, warb
aber durd die Dubarry geftürgt: eine neuer Kamp
der Regierung gegen die Barlamente (f. Maupeou
begann, und unter allgemeiner Erregung und
Mibahtung endigte 1774 das lange Regiment
Ludwigs XV.
Reich an gutem Willen, aber ſchwach an Eharatter,
vermochte jein Entel —— XVI. (1774— 92)
das Verjäumte nicht nachzuholen. Sein unfäbiger
Premierminifter Maurepas berief Turgot zur Ver:
waltung der zerrütteten Finanzen; noch einmal fahte
dieier alle dringenden Reformen in einem groß:
artigen Plane zufammen; aber die bedrohten Pri—
vilegierten, im Bunde mit der unverftändigen Kö:
nigin, erhoben ſich genen ihn, das Volt blieb lau,
der haltloje König entlieh ihn, An feine Stelle
trat 1777 der jtetö optimiſtiſche Neder, der das
Haffende Deficit geſchickt, aber oberflählich be
!ämpfte, einige Ideen Turgots obne Kraft wieder
aufnahm und 1781 ebenfall der feudalen Realtion
weichen mußte. Calonnes Verwaltung (feit 1783),
Brodbaus’ Konverfations-Leriton.. 14. Aufl. RU. VI
1. Mai 1787) Lomenie de
1009
den Staatäfredit durch wagbalfine Spiel und ge
dantenlofe Berjchleuderung vollends erichöpfend,
dann in die Bahnen Turgotö unvermittelt zurüds
lentend, übe die Dinge auf der abihüffigen Bahn
weiter. Die Notabeln, die er im yebr. 1787 einberief,
herab feine polit.focialen Reformen mißtrauiſch und
elbitifch ab, erzwangen das Geſtändnis der verzwei⸗
elten Finanzlage, ließen auch feinen Nachfolger (feit
Brienne ohne Unter:
sung und wurden im Mai aufgelöft. Briennes
eu, neue Steuern zu eröffnen, Rex nun zum
Konflikt mit dem halb jtändifh, halb liberal oppo⸗
nierenden Parlament, es wurde nad Troyes ver:
bannt, zurüdberufen und nad neuem Widerftande
8. Mai 1788 feiner polit. Befugnifie durch eine Art
Hofrat, die jog. Cour pleniere, beraubt, der fünftig
den Finanzerlaſſen Geſetzeskraft geben jollte. Hier:
geom proteftierten alle Brovinzialparlamente, vom
del und den Mailen unterftüßt, und in ber Bre⸗
tagne, Provence, Dauphine, in Flandern und
Languedoc brachen rein Unordnungen aus, Der
norbamerif, Freiheitskrieg endlich batte das längft
überlaftete und durd die litterar. Oppofition vor
bereitete Volt an revolutionäre Ideen gewöhnt;
die Berfjammlung der Notablen hatte die Zerrüt:
tung des Staates, die Verſchwendung des Hof3, die
Unfäbigleit der Verwaltung ans Licht gezogen; der
Beginn einer Verwaltungsreform in den Provinzen
batte die alten Organe der Regierung gelähmt, Hof
und Regierung befanden ſich bereit in der gefäbr:
lihften Lage. Brienne nahm nochmals feine Zus
flucht zu einer Berfammlung des Klerus, der aber
jedes Opfer zurückwies und die —— der Par⸗
mente und bie Einberufung der Reichsſtande for⸗
derte, nach denen auch, im jtändiichen Sinne, der
Adel und, im demokratischen, die breiten, gärenben
Maſſen des Dritten Standes verlangten. Der Kö—
nig und der Hof mußten endlich nachgeben. Noch
fuchte Brienne ſich zu halten, indem er 8. Aug. 1788
das Berufungsbelret der Generalftaaten auf 1. Mai
1789 erließ; aber nad wenigen eg mußte er
zurüdtreten, und Neder erhielt die Aufgabe, mit
Hilfe der Reihsftände den Staat zu line
Die Beratung und Abftimmung in diefer Körper:
ſchaft jollte, entgegen der Forderung des Dritten
Standes, nad der königl. Verfügung nicht nad
Köpfen, fondern in alter MWeife nah Ständen vor
fi geben, wodurd die Befchlüffe des Dritten Stan:
des bei einer Verbindung der beiden andern ftet3
kraftlo8 werden mußten. Der lange Kampf, in den,
nad heißer —— — die Stände über dieſe
entſcheidende Vorfrage ſogleich gerieten, endete da⸗
mit, we 17. Zunt auf Sieyds’ Antrag der Dritte
Stand als die einzige, wahre Nationalverfammlung
erllärte und dem Adel und der Geijtlichleit frei:
ftellte, fih mit ihm zu vereinigen.
Staat und Gelellihaft vor der Revolw
tion. Die neue Bewegung, ihre Notwendigkeit und
ihre Bedeutung begreift ſich erft, wenn man ſich
Staat, Gejellibaft und geiftine Bewegung F.s
unter dem «Ancien Rögime» (1715—89) überficht:
lich vor Augen ftellt.
A. Der etaat, Das franz. Königtum hatte F.
geſchaffen, äußerlih zufammengefügt und innerlich
verichmolzen; es war jeit ſechs — —*
Aufgabe und Bemübung, im Kampfe gegen ſtän—
diſche und provinzielle Sondergemwalt die eigene
Macht zu heben und unter dem Schuß ber Krone
ein zufammengeböriges Volt zu bilden. Seit Colbert
64
1010
batte das Königtum die lebendige Arbeit für das
allgemeine Wohl vergejien; die lekte Möglichkeit
einer Heilung der Schäden gebt mit Turgots Sturze
vorbei; da das Königtum ſich jeiner Aufgabe nicht
ewachſen zeigt, bleibt nur no die Revolution.
Silden Zeitbedürfnig und Staatäleijtung Haffte
ein Riß; wie breit er war, zeigt ein Blid auf den
Zuftand und die Thätigleit der centralen und der
provinzialen Organe des Staates, auf Zuſtand und
—— der breiten Schichten des Volls. Cen—
trales ODrgan des Staates war der König. Eine
olitiſch berechtigte Gewalt neben ihm gab es in
ſeit langem, ſicher ſeit Ludwig XIV. nicht mehr.
ie lonigl. Perſon, von der aller Antrieb ausgeben
foll, —— Ludwig XV. und XVI. nichts oder weni⸗
ger als nichts. Um ſie hatte ſich unter Ludwig XIV.
alles Leben der Nation geſammelt: der blieb
auch 4: glänzend wie früher; der hohe Adel und
Klerus jtrömte in der Hofſtadt Verfailles zufammen,
lebte dort in ftrablender Pracht, verzebrte einen
großen Teil der fönigl., d. b. der Staatseinkünfte
wie des Ertrages der Sandwirtichaft; die tönigl.
Perſon vergötterte er und bewahrte fich die feine
Anmut ded Tones ſelbſt im Übermaß von Unrein:
beit und Sünde; Arbeit für das allgemeine Wohl
wurde nicht mebr eleiftet. Die Organe des polit.
Lebens waren der Conſeil und die Minifter. Der
Eonfeil war länaft dem Hochadel entriffen und aus
einfachen, juriftijch gebildeten fönigl. Beamten (mai-
tres des requötes) gebildet worden; eine gebeime
Abteilung von Vertrauensmännern des Herrichers
(conseil d’&tat im engern Sinne) entſchied die eigent⸗
lich hoben Staatäfragen ; Daneben bejtanden die Räte
für die Cinzeljweige der Verwaltung: conseils des
finances, de commerce, des d&p6ches (allgemeine
innere Verwaltung), des partis (Nichtigleitsbe—
ſchwerden gegen gerichtliche Urteile, zugleich Ober:
verwaltungsgericht). Oberfte Gerichtöbarteit für ge:
ut ragen befaß der «Grand conseil». Leiter all
diejer Körperſchaften war von Haufe aus der König;
feit er nicht mehr mitarbeitete, fiel den Räten ſelbſt
und den Reſſortchefs die eigentliche Gewalt zu.
Staat3jelretäre gab es für das Auswärtige, den
Krieg, die Marine, das königl. Haus und für die
Neformierten; an der Spige der Yuftizverwaltung
und Gejeggebung ftand der Kanzler von F. die polit.
Leitung batte der höchſte Vertrauensmann des Herr:
ſchers; der tbatfächliche Leiter der franz. Verwaltung
aber, ausgejtattet mit ungebeuerer Macht, war der
Contröleur général des finances, bie Seele des
Finanzrates, Spige fämtlicher innern Fachverwal⸗
tungen, das Haupt vor allem der neuen, allmächtigen
Beamtenihaft des Königtums: der Intendanten.
Die Intendanten beberrihten die Brovinzialver:
waltung. Freilich lag gerade bier Altes und Neues
wunderlich durdeinander. Noch beitanden die alten
landſchaftlich⸗ polit. Körper, aus denen F. zuſammen⸗
ewachſen war, die Gouvernements; fie zerfielen in
tändelande (pays d’etats) und Cleftionslande
(pa — in den erſtern (fünf) beſtanden
F Provinzialſtände, recht lebensvolle nur noch
im Languedoc. Die — der Provinzen hatte
feine Stände mehr; die «Ermwäblten» (élus), denen
die Steuerumlage oblag, wurden feit Jabrhunderten
nicht mehr gewählt, jondern von der Krone beitellt.
Jedes Gouvernement hatte einen Gouverneur, der
urfprünglib Mittler zwiſchen Provinz und König
fein follte, das militär. und polit. Haupt feines Be:
zirles bildete und den König bei den Ständen ver:
Frankreich (Geichichte 1589— 1789)
trat. Seit Ludwig XIV. waren diefe Stellen ein
trägliche Ehrenpoſten obne Inbalt geworden. Die
Verwaltung lag vielmehr in den Hänben ber In
tendanten (f. 34 Anſtatt der alten Einteilungen
war die neuere nah Steuerbezirlen (généralités
die wirklich wichtige geworden; an deren Spiße ſtan⸗
den die ——— ‚ «die 32 Könige von F., Be
amte weſentlich finanzieller Art, deren Berugnifie
nicht ftreng geregelt waren, aber bald jehr ausge
dehnte wurden. Die Steuerverwaltung gipielte
im Contröleur general und dem Finanzrat: dort
wurde jährlich die Geſamthöhe der direlten Steuern
(befonders die Taille) feitgeiest; fie wurden an vie
Generalitäten, in diefen von den Intendanten an
die Einzellreife verteilt. den Pays d’ötats
rain die Stände die auf die Provinz fallenve
umme auf einmal und legten ſie i eitö um;
auch andere Körperjhaften kauften ſich gern durch
Pauſchalſummen ab (Geiftlichleit, Städte u. f. m.);
für alles übrige Land ernannte der Intendant ort#
*— Sammler (collecteurs), die Umlegunq
und Cintreibung verantwortlich beforgen wen von
Eingeliefert wurden die Summen an Cinnebmer
(receveurs) und Generaleinnehmer. Faft jedem
— —— war eine Oberrechenlammer (chambre
es comptes) zugeteilt. Unter den direkten
Steuern ftand die Taille voran: uriprünalic
das Entgelt ver Nichtadligen zur Heereserbaltung,
während die Adligen ohne Entihädigung dienten.
Seit dem 15. Jahrh. batte die Taille ihre tbat:
ſächliche Grundlage, ihr fichtbares Recht, verloren
und mar zum Ausdruck einer großen, nicht mebr
begründeten Scheidung des Er Bolfs geworben:
fie traf noh immer nur die Nichtprivilegierten,
nach ihr trennten fich die beiden Gruppen der non
taillables und der taillables (roturiers). Für lestere
war fie bie ausnahmsloſe Steuer; andere Steuern
ſchloſſen fi, als rechtliche Zugabe, ibr an. — Neu⸗
Steuerarten waren feit Golbert3 Tode neben die
Taille getreten, mehrfach Anläufe zu allgemein glei:
ben Auflagen, wie Zehnte im Striege, gemacht wor:
den; ſtets wid bten aber unter Ludwig XV. die
Bevorrecteten leidenſchaftlich ſolchen auch fie trei-
fenden Abgaben. Alle trafen die indirelten
Steuern, menngleib auch dieſe mit bärterer
Wucht die Armern. Diefe Steuern, die auf alle
mögliben Berbrauchögegenitände (auf Sal; in
eriter Reibe [gabelle] und auf Getränte) gelent
und im 18. Sabıb. erbeblich erweitert wurden, trieb
der noch nicht voll durdhgebildete Staat nicht direkt
ein, fondern er zog es vor, die Bermaltungstoften
und Müben jparend, feſtſtehend ſichere Beträge dur
Berpahtung an Steuerpächter (meift Gejellichaften)
v bezieben. Die Pächter (fermiers) trieben bie
bgaben dur ein Heer von Beamten auf eine
I die Bevölkerung und inäbefondere den Heinen
ann überaus läjtige Weije ein. Dazu fam das
Zollſyſtem, das unter Ludwig . und XV.
mit Entichiedenbeit durchgeführt wurde und ber
Weiterbildung des Staatsgedankens und der polit.
und wirtſchaftlichen Ginbeit, der die Außenzdlie
Vorfhub leiften mußten, durb die Unzabl der
Binnenzölle jchroff entgegenwirkte: 50000 Zol-
beamte wurden ald Wächter diejer regelloien, den
verfchiedenften Befikern gebörigen, den Staats
lörper jerreißenden Binnenzölle gerechnet; der innere
Scleihbandel wucherte und erzog zu gefäbrlier
Gemwaltthätigkeit. Der Wein wurde, abgejeben vor
Abgaben vor und bei der Yertigitellung und beim
Frankreich (Geſchichte 1589— 1789)
Verlauf, auf feiner Reife aus dem Südoften bis
zur Hauptftabt etwa 40 mal verzollt.
Finanzpolitiich kam i im 18. Sa 5. auf feinen
— Zweig: das von Ludwig XIV. ererbte Deficit
brte, troß neuen Steuern, Anleihen, —*
nach fünf Bankrotten, unter ſteigender
ruhigu gung der öffentlichen Meinung, die Krone bis
an die Schwelle der allgemeinen Revolution.
B. Die Gejellfhaft wird ganz "hm (dei von
dem Borrechte, dem Privileg: nad i fcheiden
ſich die zwei großen Klafien, Zaillefreie und Zailles
pflichtige; e3 mar der einſtmals durch politische und
— dafiliche Leiſtungen begründete Lohn, der
tgelt für aufgegebene Souveränität; doch waren
N eiftungen zum großen Zeil verihtwunden, das
Vorrecht —— Die Gef Öefamtentmidlung 58 |d
batte die thatjählichen —— mit dieſen Schei⸗
dungen des Rechts in ruch geſetzt; dieſen
Widerſpruch faßt die gei Ho eiwegung auf, ſucht
ibn zu verſohnen durch Reformen oder au —
hs Revolution. Die Ri, —*8 beſte
Zuſtande und ererbter F Form fit am —
beim Bauernſtande. von einzelnen
ſpãt anneltierten Strichen i wo ten war der Land:
mann in F. — frei. Nach einer —** —*
bejaßen von dem gejamten Grund A.
. Krone und Kommunen * die Maithen
der Adel, Y, vargerche, Bauern.
wirtſchaftet aber murbe durch auern ber
weitem größte Teil. Sie jelber zerfielen info pe
und Pächter. Kleine und Heinite Befi —I
bereits in großer Zahl, daneben die Pächter se
ho en, abligen und geiftlihen Güter, die von
enge der Verpflichtungen gegen den Pacht⸗
herrn überlaftet waren. Den Reit bildeten die ga
frei ftebenden Landarbeiter, deren Zahl nicht gro
gemein Ki fein fheint. Der franz. Landwirtſcha
aftete viel Hemmendes an: bie Rulturmethoden
waren vielfach veraltet, Mißwachs häufig, die innern
und äußern erbindungen beihränlt und ſchlecht
Sungeränödte daber bier — dort häufig, denen fich
Dann örtliche Aufſtände anſch —* Lange unterband
das Rornausfuhrverbot Di ändlihe Produktion
(von Eolbert bis über Turgot hinaus). Dennod ber
Fand ſich der franz. Landmann beijer aldin den meiſten
andern Rändern: perfönliche Freiheit und Eigenbefis
batte er vor dem —— die aufſteigende
Richtung ſelbſt * dem — ander voraus; wie dort
die Latifundien, ſo wuchſen in F. die Heinen Beſide
Der Adel ging zurüd, verlaufte viel Land an
Stäbdter und aud an fparende Bauern. So wurde
aus dem Pächter vielfach der Beſitzer.
Daß dennoch die bitterften Klagen laut wurden,
nun —— großen Teil an dem Beharren der politiſch⸗
en Formen. Wohl beſtand noch die alte, auf
= Berjammlung aller Einwohner berubende Dorf:
verfaflung, die alle Fr Deagen der Gemeinde beban-
velte, do war der einft mitwirkende Seigneur der
einde vom fönigl. Beamten erfegt worden; die
—— Formen wurden — 8l08, der Intendant
immte thatſachlich, die Sel itvermaltung, ward
nhaltslos. Lebendig geblieben aber waren die An:
(re des Geſamtſtaates und die fociale Gliede:
: an die ——— werden die Herrenrechte
—** - ig auf dem Herrenlande, irgend:
wie aber lajteten fie auf — Lande als Kirchen⸗
zehnten, Fronen, Zölle aller Art, Bodenverkaufs⸗
abgaben, Monopole der berricaftli en Relter und
Mühlen, — herrſchaftliche Taubenſchläge
bei archiſ a Grunde:
1011
u.a. Der Staat zwang die Bauern, die Wege zu
anderer Nupen zu bauen, riß fie von eigener Ar:
beit weg und forderte die direkten Steuern ein
(15 Proz. derjelben rechnet man auf die Privile:
gierten, 85 Proz. auf die Taillabeln). Seine Steuer:
pächter drangen durch ihre Beamten mit Härte in
jeden Haushalt, um die indirelten Gefälle einzu:
treiben, und nad Taines Berehnung wären vom
Reinertrage feiner Arbeit nur etwa 20 Proz. dem
Bauern geblieben. Dabei trat der Kontra ine
a eplagten Dafein der Bauern und dem Glanze
ofadels immer greller hervor, deſſen Rechte
beftehn blieben, während er dem Bauern nicht mehr
leiftete und diefer ihn fogar langjam aus feinem
a verbrängte. Eben daß er Befiger warb und
feines Beſitzes nicht frob, taufend Laften tragen
mußte, deren Beredti gung er nicht einfab, ei
der Adlige und der König fordern durften und
nichts leiſteten, daß fie ihn nur bemmten, ohne ihm
u nüßen, erregte den Haß des in bärtefter Arbeit
—
Der Burgerſtand litt, doch weniger gedrüdt,
unter dem gleichen wiefpalt. Die Städte hatten
gl —* oligarchiſcher Verfaſſungen behalten;
die Krone nahm ihnen (ſeit 1692 fiebenmal), ließ
fie ſich wieder ablaufen oder errichtete Täufliche neue
Amter. Auch eine modernere allgemeine, von
Ehoifeul 1764 —— Neuordnung ruhte auf olig⸗
Korperſchaftsweſen durchdrang
alle ſtaͤdti — en; Regierende Kaufleute
Hand chieden — die Zünfte, die ti
Colbert g Än erit .. Ludivig XVI. befäm mpft
wurden, aliederten Bürgerfhaft und ——
leit. Babllofe Stabtämter verichafiten den
abern Vorrechte und Steuererleichterungen;
egierenden befreiten ſich nad Kräften von der ade
emeinen Steuer auf Verbrauchsgegenſtände. So
chte auch in der Stadt rege Ungleichheit,
und die Hauptlaft traf den Meinen Mann. Die
ftädtifche Verwaltung (Kriminaljuftiz, Polizei,
Steuererbebung, ſtädtiſche Finanzen, Unteti⸗ t,
ae ao Gejundheitspflege u. dgl.) ek
immerbin ihr Leben aufrecht, obwohl, befonders feit
Eolbert, der Staat gegen bie Selb fügt ftäptifcher
Diigardien — eingriff und die —
Leitung an ſich nahm. Yür die Städter aber war
ed ein großer Vorzug, organifiert zu fein: viele
a. und Erleihterungen genoß die Stadt in
zug auf Beiteuerung; fie war unendlich günftiger
geſtellt “als das —5 flache Land. Indes
war auch hier das Weſen längſt über die Formen
og dr die Gebilde waren nur nod künft:
ib. Der im 18 Sabeb- fteigende materielle Auf:
ſchwung madte die Stadt ganz zum Mittelpuntte
des wirtichaftlichen Daſeins; die höhern bürgerlichen
Schichten waren wie die reichſten ſo die gebildet⸗
ſten des Landes, dem Adel mindeſtens gleichſtehend,
dabei blieb die eſellſchaftliche Kluft, die fie von
ihm ſchied, beftehen; nad unten bin ariftofratifch,
forderte die Bourgeoifie nah oben bin Gleichheit.
Der «Dritte Stand» wurde Schlagwort, und daß
die Stäbter —— waren, machte ſie
immer mehr zu unwilligen Zeugen der ſchlechten
Finanzwirtſchaft.
Die ae ierten murden durch Ehren:
rechte, Hobeitsrechte (Gerichtsbarkeit, eigene Ber
amte), Steuerrechte are einerfeits, anderer:
feit3 Fronen, Abgaben, Zölle, Monopole) von
der Maſſe der Bevölterung gefondert. Ihre polit.
64*
1012
Stellung hatten fie eingebüßt, nur diefe ihre Rechte
waren geblieben. Die Entwidlung des neuern 3.3
war gegen den Willen des Adels vor fih ge
gangen, die franz. Könige hatten es nicht wie die
preußifchen verftanden, ihn in das moderne Staats⸗
weſen einzuorbnen; voll edler Kräfte, war er doch
pam Niedergang verurteilt. Seit Ludwig XIV. ſchied
ch der Sofadel (Nichtrefidierende) vom Landabel
ejidierende); die erite Gruppe umfaßt die reichiten
amilien, die in Berfailled und Ss ihre großen
intünfte und gewaltige königl. Zuſchüſſe verzehr:
ten, — *— wirtſchafteten und ihren Beſitz nur
ausſogen, auch wenn ſie einige Monate auf ihren
Schlöſſern Hof hielten; polit. Pflichten erfüllten ſie
den Provinzen — nicht. An Zahl übermog
der reſidierende Adel, vornehmlich Kleinadel, und
wo er das alte Zuſammenleben mit den Bauern
aufrecht erhielt, wie in der Vendee, erhielt I aud
die lonjervative Gefinnung lebendig. Diejer Adel
barg ausgezeichnete Kräfte in fich, jtellte ein tüchti-
ges und anſpruchsloſes Offizierforps, aber aud) er
gi wirtſchaftlich zurüd; die Regierung vernad:
affote, Standespflichten erjhöpften ibn; er ver:
ringerte langfam jeine Habe, war auf feine Herren:
rechte angemiejen und dem zinspflichtigen Pandmann
oft nicht minder läftig als der le Hofedelmann.
Ausgezeichnete Elemente enthielt auch die Kirche,
aber aud fie krankte am Privilegium. Zwiſchen
überreihen großen Prälaten (Abten, Biſchöfen,
Erzbiſchöfen), unter denen leichtfertige Verwelt⸗
lihung häufig war, und der Mafje der 65— 70000
nur zu oft jämmerlic len Pfarrer, Haffte ein
gefährlicher Riß. Es fehlte niht an Mißbräuchen
(Rlofterweien) ; die Jeſuiten hielten ven Kampf gegen
alle fubjeltivern Richtungen aufrecht; aber, im
ganzen war bie franz. Kirche des 18. Jabrb. milde,
in Eeelforge und Wohltbätigkeit unermüdlich, ver:
ſtändig und maßvoll, voll nationaler Gefinnung;
als Korperſchaft teilte jedoch auch der Klerus die
Sünden der Bevorrechteten reichlich. Vorrechte bes
iaß er im weiteſten Maße; feine Gefamtfipungen
zeigten alle übeln Seiten der organifierten Standes:
jelbftfucht, die allgemeinen Steuern betämpften fie
mit Starrbeit und errangen für den Klerus ftet3
weitgehende Erleichterungen. Auch gegen ihn und
feinetbalben gegen die von ibm verfündigte Religion
wandte fich daber die Öffentliche Meinung.
In ftetem Gegenjaße zur Kirche und dennod an
Standesart und Vorrecht ibr ähnlich, fteben die
Varlamente, die Träger des Gerichtsweſens
da. Urjprünglic von der Krone geihaffen, batten
dieſe böchften Gerichtshöfe eine volle Selbſtändig—
teit auch gegen jene Aue die Käuflichkeit der
Umter, die allmählich au gegen eine weitere Ab-
aabe erblich wurden, hatte einen eng zufammen:
bängenden Kreis großer richterlicher 8 Amilien ge:
ſchaffen, der die hoben Richteritellen in jeinen Häns
den feitbielt. Die KHäuflichleit diefer wie anderer
Stellen war aus fislaliſchen Gründen eingeführt, der
Beſitzer des Richteramtes fam durch fteigende Spor:
teln, die die Barteien zablten, auf reichliche Zinfen der
Kauffumme, und diefer Eigenbefik de3 Amtes und
defien fat kaufmänniſcher Charakter beeinflußten
vielfach die Rechtſprechung. Die oligarchiſche Gejtal-
tung des NRichterjtandes führte auch ſonſt zu unſau—
berm perfönlichem Treiben, Berbefjerungen ließ dieſe
geſchloſſene Kaſte nicht leicht zu;berübmt iſt Voltaires
Kampf gegen die parteiiſche und überharte Straf:
techtöpflege (1. Calas). Andererſeits hatte diejerftarre
Frankreich (Geſchichte 1589— 1789)
Standesgeift der «Magiftratur» aud eine Fülle
— Seiten: im ganzen hielten doch die Richter die
tandesehre aufrecht und zeigten eine feſte und
Di von der Regierung unabhängige Haltung.
[8 Ganzes aber war die Magiftratur eine Körper:
ſchaft von Privilegierten, deren Dafein mit dem
eindringenden Geiite der neuen Seit im ——
Gegenſatze ſtand und mit den nivellierenden
ae ungen ber Berwaltung ſtets im Hader lag. Die
echtsverfaſſung gipfelte in den Barlamenten: ibre
untern Stufen jpiegeln bie volle Ungleihmäßigteit
des noch nicht zu Ende durchgebildeten Staates.
Durch die sieges presidiaux (etwa unſern Lange:
richten entjprechend) und die niedern Gerichte in ver:
ſchiedenen Geftaltungen (baillages, sen&chaussees,
tiefer bie — reicht die kbonigl. Gerichtsbarleit
hinab in alle ſtreiſe, unter und neben dieſer beſtan⸗
den aber noch die eingeihränften, unregelmäßigen
Reſte der Gerichtähoheit der Seigneurd und ber
Städte. Hier wie überall gab es Anſätze zur Ber:
einbeitlihung (beſonders Gefeßgebung, einbeitlide
Drdonnanzen) und bei allgemeiner Rebtäunficherbeit
das allgemeinfte Bedürfnis nach Reform. Hier wie
überalllag das Bedürfnis mit der alten Gliederung im
Streit, und die Krone hatte unterlafien, die ſen Streit
durch Auflöfung des Unbaltbaren zu entſcheiden.
C. Die geiftige Bewegung innerbalb ber
Geſellſchaft verlieh den materiellen Wunſchen erit
die ibeelle Form und, nach vergebliden Hoffnungen,
den Fanatismus, der zur Revolution g bet Dat.
Langſam erwacte gegen die Dogmatil der Autorität
unter Ludwig XIV. die Kritik; jeit dem Beginn des
18. Jahrh. wendete fie fih gegen bie Einfeitigteit
röm, Aniprüde (Janſenismus, Parlament), feit der
Regentſchaft allmählich auch gegen die polit. Schä-
den. Eine liberale, dur engl. Anregung bemor-
Fer maßvolle Richtung ging voran, die, an die
eitebenden franz. Einrichtungen antnüpfend, die
Stände wie das Königtum reformieren, nad enal.
Mufter neu beleben und eine auf das altfranı.
Ständetum begründete Selbftverwaltung bei Bor:
berrichaft ver Krone ſchaffen wollte. (S. Argenien
und Montesquieu.) Hierüber geht die eigentliche
Auftlärung hinweg, die Vernunftkritik wird rüd-
fihtälofer, die Unbaltbarteit der Körperſchaften
Hlarer, auf das Königtum und jeine Verwaltung
wird ganz im Sinne der franz. Geſchichte die Hof:
nung durchgreifender, gleihmadender Reform ae
ündet, und ein aufgellärter Abjolutismus war das
iel der Phyſiokraten und thatſächlich auch Voltaire,
trog, republifanifher Träume. Dieje Zeitbildung
bereitete, da das Königtum feine Pflicht nicht erfüllte,
dem Radikalismus den Boden und mußte ihn diefem
abtreten. Roufjeau erbebt die Heinen Zuftände der
Genfer Republit —— allgemeinen Ideal; ein Bau
einer neuen Geſe ef und eined neuen Staates
wird durchaus vernun genäb aufgeführt, als ob
maneinem Nichts gegen überjtände. Da die Pitteratur
den öffentlichen Geiſt feit 150 Jabren beberrite,
da dieje Lehre bei den Höbern feinen Widerſtand,
in dem aufjtrebenden Gleihheitäbedürfnis der Nie
dern alle Nahrung fand, jo wurde die öffentliche Mei—
nung bis tief hinab von dem Beitebenden Iosgeldit
und an den Gedanten der Ummälzung lanajam ar:
mwöhnt. Ludwig XVI. erwedte erft nod die Hofimuna
einer doch no denkbaren Reform; ſie blieb aus,
eine Nealtion folgte, der revolutionäre Geiſt reiite
vollends, die Ungejhidtbeiten der Regierung gaben
ibm das Heft in die Hand, alle alten Gemalten
Frankreich (Geſchichte 1789—95)
lahmten ſich ſelbſt; auch das Heer wurde vom neuen
Geiſte zerſetzt, feine Staatsmacht blieb aufrecht und
die Revolution brach unaufgehalten los.
5) Während der Revolution (1789— 9).
Der Widerftand gegen die berechtigten Forderungen
der Vollädeputierten hatte 17. Juni 1789 aur Kon»
sei bag Dritten StandesalsNationalver:
ammlung geführt; er führte, ald die Regierun
deren Sigungen unterjagte und der Dritte Stand fi
nun in dem jog. Ballhauje verjammelte, 20. Juni Fr
dem feierlichen Eidſchwure der Deputierten, ſich nicht
eber zu trennen, als bis die neue Verfaſſung des
Staates vollendet ſei. Nach der königl. Sigung vom
23. Juni, in der zwar nicht unmesentliche Neuerungen
(Abibaffung der Lettres de cachet, Preßfreiheit,
ern der Binnenzölle und Megefronen,
Steuerbemwilligungäreht der Generaljtänve u. a.)
angelündigt, aber body auch wieder die alten Feudal⸗
rechte und die ftändifche Organifation feſtgehalten
wurden, erflärte die Nationalverjammlung die Un:
oerleglichteit ihrer Mitglieder und jede Gemaltthat
gegen fie für Hochverrat. Der von feiner Umgebun
eleitete König ließ bierauf unter dem Marſcha
Broglie ein ftartes Truppenkorps zufammenzieben,
löfte das Minifterium a verbannte Neder
über die Grenze. Dieje Maßregeln verurſachten
12. Juli zu Paris den erjten blutigen Aufitand;
13. Juli erfolgte die Errichtung einer Bürger:
miliz und einer revolutionären Municipalbebörde;
14. eroberte da& bewaffnete Bolt die Baltille (ſ. d.).
Die Bewegung teilte ſich ſchnell den Provinzen
mit, überall entjtanden Nationalgarden und Mu:
nicipalitäten, die fönigl. Gewalt war mit einem
Schlage auf allen Bunften gebrochen. Sept erjt ver:
föhnte ſich der König mit der Verſammlung und
fuchte Die Hauptjtadt zu berubigen, indem er Neder
urüdrief, Bailly als Maire und Lafayette als Be:
Feblababer der Nationalgarden beitätigte, während
die yeudalen, die fönigl. Prinzen an der Spike, die
Auswanderung begannen. Sn der Nacht des 4. Aug.
bob die Nationalverfammlung alle Feudalrechte
und perjönliben Laften auf und ließ darauf die Ers
tlärung der Menſchenrechte folgen. Die widerſtre⸗
bende Haltung des Königs gegen dieje Artitel, mehr
jedoch die vom Herzog Ludwig Philipp von Orléeans
bejörderten Aufhetzungen und die Furcht der Maſſen
vor der Hungeränot Pabrten zu einem neuen Aus:
bruche in Paris und 5. Dit. zu dem Zuge großer
Voltsbaufen nad Ki! ag dur die der Köni
und die fönigl. Familie geswungen wurden, fi
6. Dit. nad) Harie zu begeben, wohin aud die Na—
tionalverfjammlung bald ihren Sig verlegte. Dieje
begann nun im November eine neue Organifation
des Landes. Die alten Provinzen wurden dur 83
Departements erſetzt, die in Diftrikte und Kantone
zerfielen; die Wahl der Vermaltungsräte vollzogen
alle altiven, den Wert dreier Arbeitstage fteuernden
Bürger. Diefelben wählten aud die Wähler und
diefe die Deputierten zur Nationalverfammlung.
eded Departement erbielt einen Civil: und einen
riminalgeriht&bof, jeder Kanton ein Friedensge—
riht. Um dem Klerus den Einfluß abzuſchneiden
und der Finanznot abzubeljen, konfiszierte die
Verfammlung 2. Nov. das ſämtliche Kirchengut,
wa3 bald darauf zur Schaffung der Affignaten
$ d.) — Eine neue Verfaſſung des Klerus, die
ufhebung der geiſtlichen und weltlichen Orden,
Korporationen und Titel vollendeten die Auflöfung
des alten Staates.
1013
Unter diefen Wirren bejhworen 14. Juli 17%,
am Sahreötage der Erjtürmung der Baftille, der
König, die Staatsgewalten und die Deputierten bie
neuen Verfaſſungsgeſetze. Zwei Drittel des Klerus
verweigerten jedoch den Bürgereid; die polit. Klubs,
befonders die Jakobiner, erbigten die Köpfe und reg:
ten die Maſſen auf; die Nationalverfammlung jelbjt
war in fonjtitutionelle, Republitaner und Anhänger
des Hofs gejpalten. Am 2. April 1791 ftarb Mira:
beau, der —* Charalter, der den Thron gegen
Männer wie Nobespierre, Marat, Danton viel:
leicht hätte aufrecht erhalten tönnen. Zugleih nahm
die Auswanderung des Adels überband. (S. Emi:
en Der Prinz von Eonde bildete zu Worms,
der Graf Artois zu Koblenz ein Emigrantentorps.
Als aud Ludwig XVL in der Nacht vom 20, Juni mit
feiner familie einen Fluchtverſuch machte, wurde er
am 22. zu Barennes verhaftet und nah Paris zurüd:
geführt. Die Nationalverfammlung hatte unter:
deſſen nicht verfäumt, auch die ausübende Gewalt
an fih zu nehmen; fie fufpendierte den König vor:
läufig und ſehte eine Unterfuhungstommiffion ein,
Die republitanifche Partei, darunter Robespierre,
Betion, Desmoulins und Danton, arbeitete nun
an ber Abfehuns des Koönigs, der ar volltommen
willenlos 14. Sept. 1791 das Wer
die neue Verfaſſung, beſchwor.
Inzwiſchen regte fih das Ausland zu Gunſten
des franz. Königtums. Friedrih Wilhelm IL. von
— unterſchrieb zu Billnig 27. Aug. 1791 mit
aifer Leopold II. eine Dellaration, die zwar noch
feine Kriegserklärung war, aber doch weitere lbönigs⸗
feindliche Fortfchritte der Revolution bedrohte.
Die Wahlen zur Gejeßgebenden Verfammlung,
die alle Mitglieder der 30. Sept. aufgelöften
Nationalverfammlung ausſchloſſen, braten vor:
wiegend Demokraten and Ruder. Die Berfamm:
lung begann 1. Dt. 1791 ihre Sigungen. Die yüb:
rung batten die Girondiften, die damals nody eng
mit den Rabdilalen, wie Danton, Robespierre und
—— Marat, verbündet und mit ihnen im Jako—
inerflub vereinigt waren. Sie riſſen fofort die
Berfammlung zu ſcharfen Delreten gegen die eid⸗
verweigernden Priejter und die Emigranten bin,
denen der König fein Veto entgegenjekte. Die Ant:
wort der badurd gereizten Gironde war das Delret
vom 29.Nov., wonach Ludwig die rhein. Kurfürften
zur Entlafjung der Emigrantenarmee auffordern
mußte. , zn ezember jtellte man 160000 Dlann
unter die Waffen und anfcheinend auf Antrag des
Königs, der jeit dem 10. März 1792 von einem
girondiftif hen Miniſterium unter Roland willenlos
—— warb 20. April der Krieg gegen
fterreich einftimmig beſchloſſen.
Bei der Nachricht von der erften Niederlage ver
anzofen wurde die Aufregung der Maffen unge
er. Die Nationalverfammlung erllärte fib in
ermanenzundverfügtedie Zujammenziehung eines
agers von 20000 Dann Föderiexter in der Nähe
von Paris. Als der König, feine Hoffnung auf die
Parijer Nationalgarde ſehend, 8. Juni dieſem Vor:
Kalape die Zujtimmung verfagte und am 13. das
iniſterium Roland entließ, festen die Girondiften
alle Hebel an, um ihn zu ftürzen. Auf ihren Betrieb
eribienen 20. Juni die bemaffneten Ja der
Vorftädte vor der Verfammlung und verlangten
die Abſchaffung des königl. Veto, Gegen Mittag
ae die Maſſen in das Schloß und verlangten
die Vollziehung der Dekrete. Ludwig widerjtand,
der Konſtituante,
1014
Darauf erllärte die Kammer 5. Juli das Vaterland
in Gefahr, man rief Freikorps zuſammen und be:
waffnete das Bolt mit Piken. rn waren die
Preußen nah einem Manifelt des Herzogs von
ec 9 in die Champagne eingerüdt. (©.
anzöfifche Revolutionätriege.) Während die Ja:
obiner die Vorſtädte in Aufruhr festen und den
Marfeiller Böbel an ſich zogen, verhandelte 9, Aug.
die Verfammlung die Abfegung des Königs. Am
10. Aug. festen die Barifer Sektionen einen revo:
(utionären Bürgerrat ein und griffen bie im Innern
von den Schweizern verteidigten Zuilerien an. Die
Nationalgarden meigerten jih auf das Bolt zu
ſchießen, und fo jab ih der König genötigt, mit
jeiner Familie in die Nattonalverfammlung zu fluch⸗
ten. Die girondiſtiſchen Miniſter wurden wieder
eingeſetzt, den Beſchlüſſen der Verſammlung Geſetzes⸗
kraft zugeſprochen und die Zuſammenberufung eines
Nationaltonventd angeordnet. Den König führte
man 13. hr 4 ala Gefangenen mit feiner Familie
in den Temple. Der lonftitutionelle Thron, die Ber:
fafjung von 1791 und der Einfluß aller Anhänger
des Koͤnigtums waren nun vernichtet. Die Pariſer
Gemeinde, an deren Spike die radikalſten Jalobiner
itanden, —*— die Verſammlung gu infeßung
einer Gerichtskommiſſion, die über vie Verſchworenen
des 10. Aug., wie man die Anhänger des Königs
nannte, Unterfuhung hg follte; alle unbeeideten
Briefter wurden eingeferfert. Um die Noyaliften in
reden zu feßen und die Gemäßigten vor den
Neuwahlen einzujhüchtern, fehte ber Sufigminifter
Danton die Erribtung eines Verteidigungsrats
durh und gab 2. Sept. das Signal zu den Ge
jängnismorden. Einige Tage mütete der Pöbel
gepen bie ald verdächtig * erlerten Ariſtoktaten.
ie Nationalverſammlung löſte fi 21. Sept. 1792
auf, und der Nationallonvent (Convention natio-
nale) trat fofort an ihre Stelle.
Als der Nationallonvent feine Sikungen
begann, war die rabifale jatobinifhe Partei, der
Berg, der Gironde keineswegs an Zahl, wohl aber
an Thatkraft und Rückſichtsloſigkeit — Auf
Collot d’Herbois’ Antrag wurde F. 21. Sept. zur
Republik ertlärt. Und auch nah außen hatte die
Revolution den Sieg errungen. Die Preußen zogen
Ab zurüd, Belgien wurde erobert, Euftine Kae
Trier, Bag und Mainz, Montesquiou überzog
Savoyen. Aber der Zmwieipalt zwiſchen dem Berg
und der Gironde trat immer unverbüllter hervor, und
der mit dem 5. Dez. beginnende Prozeß des Königs
geftaltete ſich ſogleich zum Kampfe der beiden Par:
teien um bie bericht im Konvent. Die Gironde
wollte ven des Hochverrats beſchuldigten König nur
rihten und dann die Berufung an das Boll zu:
lajien, die Deputierten vom Berg aber —
die Girondiſten derart ein, daß ſchließlich auch ſie
für den Tod Ludwigs XVI. ſtimmten. Am 20. Jan.
1793 wurde das Todesurteil ausgeſprochen und am
21. vollzogen. In allen Teilen des Landes wütete der
Aufruhr; die royaliftiiche Vendee (f. d. und Ehouans)
bedrohte die Hauptitadt; England, Holland, Spas
nien, Neapel und das Deutſche Reich fämpften gegen
die Revolution, deren Terrorismus aber mit den
äußern Gefahren nur wuchs. Am 10. März wurde
das Revolutionstribunal (f. d.) zur Beitrafung aller
polit, Vergeben errichtet, und um dem Gouvernement
r&volutionnaire mehr Kraft zu geben, trat 6. April
der Wohlfahrtsausfhuß (ſ. d. ins Leben, verden Ver:
einigungspunft derrevolutionären Häupter und eine
Frankreich (Gedichte 178995)
oberfte Regierungsbebörbe für innere und äußere
Politik zu bilden hatte. Alsbald begann mit Hilie
der Mafjen ein neuer Kampf gegen bie gemäßigtern
Republikaner, von denen man Unterfuchung der Sep:
tembermorde und Ahnliches befürchtete. Die Unver:
leglichleit ver Deputierten warb aufgehoben, und dies
war die Einleitung zum Verfahren gegen die Giron⸗
diften. Die Bedrobten beantragten eine Unter
ern Fri Lee die Hebert verbaftete und den
at auflöfte. Diefer Schritt gab das Zeichen zum
Aufftande. Die Banden der Vorſtädte erjchienen
31. Mai bewaffnet vor dem Konvent, um die Bro:
ftription von 34 Girondijten zu fordern. Am 2. Juni
wurde der Streich durchgejegt und die Ächtung der
Girondiften ald Vaterlandöverräter erlangt. Die
meijten derjelben waren indes entlommen; die, deren
man babbaft werben konnte, wurden bingerictet,
ihre Fürſprecher vertrieben.
est flammte in den Provinzen der Aufftand für
Königtum und Kirche auf. General Wimpffen zog
in der Bretagne ein nicht unbebeutendes Korps zu:
ammen, das er gegen die republitanifhen Truppen
brte und mit dem er Paris zu nehmen gedachte.
Marfeille, Bordeaur und andere Städte des Südens
nahmen die Partei der Girondiften; Syon wurde
dur die Royaliften zur Losſagung von der revo:
lutionären Regierung bewogen. Als Antwort be
[euer 10. Aug. 1793 der Konvent auf dem Mars—
elde eine radikale Verfafjung, die jedoch jogleich bis
zum Ende des Krieges jujpendiert wurde; er befabt
die ——— Verdächtigen und die Mailen:
erhebung des Volls. Garnot wurde im Auguft an
die Spike des Heerweſens geitellt; Hunderttaufende
wurden mobil gemacht und nad allen Punkten und
Grenzen des Reichs entjendet. Der Krieg im Innern
wurde immer gräßlicher; in der Vendee begann ein
wahres Morden. Die Greuel, welde die republi:
kaniſchen Truppen in dem überwundenen Marjeille
und Bordeaur verübten, veranlaßten Toulon, ſich
29. Aug. an die Engländer zu übergeben, doch wurde
es im Dezember genommen, nachdem ſchon vorber
9. Dit. Lyongefallen war und ein ſchreckliches Gericht
erfahren hatte. Am 5. Dit. wurde eine neue Zeit:
rechnung und ein neuer Kalender eingeführt. Auch
das ‚Ehriftentum wurde abgejhafft und dafür dur
Hebert und feine Genofjen von der Pariſer Eom-
mune der Aultus ber unft eingefübrt. Am
14. Dt. warb die Königin Marie Antoinette ver:
urteilt, am 16. enthauptet; ihr folgten 31.08.21 De
putierte der Rechten, teild Gironbijten, teil® An:
Yinger des Herzogs von Orleans, und 6. Nov. der
09 felbft auf das Blutgerüft. Der Wohlfabrts⸗
ausſchuß hatte jegt alle Gewalt an fid ——
Robespierre bewirkte 13. März 1794 die Berbaftuna
der 20 Hebertiften (f. d.), die darauf 24. März bin:
gerichtet wurden. Da die Bartei Dantons, bie
einen gemäßigten Weg einihlagen wollte, Robes-
pierre ebenfall im Wege ftand, fo wurden auch
Danton und jeine Freunde verbaftet, des Ropalis-
mus angellagt und 5. April guillotiniert.
Nobespierre, Saint-$uft und Couthon bildeten
nun ein Triumvirat des Schredend. Alles war iu
einer neuen Revolution bereit, die den Konvent jtür-
en und NRobeöpierre die Diktatur verleiben ſollte.
Funds führte Robespierre ven Kultus des u
eſens ein. Dann mußte Couthon auf eine ſch e
Juſtiz des Revolutionstribunals und auf ein Geick
antragen, wonad die Ausſchuſſe das Recht erbiel⸗
ten, die Deputierlen eigenmächtig vor das Tribunal
Frankreich (Geſchichte 1795—99)
zu ſtellen. Mit Furcht und Schrecken gab endlich
der Konvent nach, und Robespierre begann nun
die Hinrichtungen in Maſſe (par fournées). Sein
Schredensregiment war indes von kurzer Dauer. Am
8. Thermidor (26. Juli) verlangte er von dem ſon⸗
vent vergebens die Erneuerung der Ausſchüſſe. Am
9. Thermidor erboben fih auf Talliens Aufforderung
alle Mitglieder, ſchwuren die Republik zu retten und
ließen Robespierre mit jeinem Bruder, Saint⸗Juſt,
Couthon und Lebas verhaften. Gleiches geihah mit
Henriot, dem Anführer der Barifer Banden, der den
Angriff auf den Konvent ſchon vorbereitet hatte,
Am Abend gelang es indes den Jalobinern, die Ge
fangenen zu befreien. Nun ernannte der Konvent
Barras zum Kommandanten der Nationalgarde,
erklärte die Aufrührer außer dem Gejeb und trug mit
Hilfe der Sektionen einen volljtändigen Sieg über
Denriot, der das Stadthaus zu verteidigen hatte,
davon. Schon 28. Juli (10. Thermibor) beftieg
NRobespierre das Schafott; 76 andere Terrorijten
wurden teil& hingerichtet, teild ausgeſtoßen.
Das Volk hatte durch das —— des Terroris⸗
mus furchtbar gelitten; alle Klaſſen ſehnten ſich
nach Ruhe. Es bildete ſich unter Freron eine Art
Leibwache des Konvents aus den Söhnen der wohl:
babenden Bürger, die fog. «Jeunesse dorder, Am
11. Nov. wurde endlich der Jakobinerllub geſchloſſen,
und bald darauf erfolgte das Verbot aller Volls—
vereine. Die 73 Deputierten, die gegen den 31. Mai
protejtiert hatten, und alle andern Geächteten wur:
den zurüdgerufen. Die Hungersnot und die fait
völlige Entwertung der Ajjignaten gaben jedoch
immer wieder Gelegenheit zu Aufitänden. Am
23. Mai 1795 ordnete hierauf der Konvent die Ent:
waffnung der Borjtädte an, und die demokratische
Partei, ihrer Fübrer und ibrer Klubs beraubt, ver:
for hiermit allen Einfluß. Man beriet und beichloß
nun eine neue, gemäßigtere republitanifche Ber:
fafjung, deren Beitimmung, daß zwei Dritteile des
KRonvents für das erftemal in den Gejeggebenden
Körper treten follten, 18. Bendemiaire (5. Dt.) einen
von den Ropyaliften geleiteten Aufſtand der Pariſer
Sektionen hervorrief; Doch hatte pie Empörung durch
die von Barras und feinem Gebilfen, General Bona:
parte, glücklich — Verteidigung des Konvents
feinen Erfolg. Am 6. Oft. mußten auch die Seltionen
ihre Waffen niederlegen. No in der legten Zeit
ordnete der Konvent ein neues Unterrichtsweſen an;
er jtellte die freie Religionsübung her und erließ eine
allgemeine Amneftie. Nah außen batte F. große
Siege errungen und einen Territorialzumads von
15 Departements erhalten. (S. Franzöfiiche Revo:
lutiondtriege.) Mit Preußen war im April, mit
Spanien im Juli 1795 der Bafeler Frieden geichlof-
fen worden; die Öfterreicher waren über den Rhein,
die engl.:bolländ. Armee bis an den Terel gedrängt;
Santo Domingo war an F. abgetreten und bie
Vendee dur Niederlagen erſchöpft. Am 26. Dit.
1795 löfte fi der Konvent auf, und 28. Dit. be
gann bie Direltorialregierung.
6) Unter dem Direltorium (1795 — 99).
Die Franzöfiiche Revolution war an einem Wende:
punft angelangt. Der alte Staat und die alte Ges
ſellſchaft waren zerftört; die große Maffe des Volls,
im Kampfe der Terroriften um die Herrichaft er:
mübdet, er angie Ruhe und wendete fich wieder den
bürgerlichen a. a Die neue Verfafjung
trug ben Eharafter der Berföhnung. Während fie
die volljiebende Gewalt in einem Direftorium von
1015
fünf Mitgliedern vereinigte, verteilte fie die *
gebung an zwei Kammern, an den Rat der Alten
und den der Fünfhundert. Wer irgendwie direkte
Steuer zablte, hatte zwar als aktiver Bürger Zu:
tritt zu den Primämerfammlungen der Urmwäbler,
welche die Wahlmänner wählten; allein die legtern
felbjt mußten in den Städten ein Einfommen von
200 Arbeitötagen, auf dem Lande von 150 nad:
weiſen. Die Anardiften waren mit diejer —
allerdings hoͤchſt — und begannen deöbal
unter Leitung des Kommuniften Babeuf eine meit:
läufige Berihwörung. Diefer Anſchlag wurde ver:
raten und mit der Hinrichtung der Hauptverfchwörer
beitraft. Hoche wurde in die Vendee geichidt, wo er
‚den Bürgertrieg bis zum Juni 1796 völlig bämpfte.
Den auswärtigen Mächten — führte man den
ſchon längjt entworfenen Plan aus, die franz. Heere
von Jtalien und dem Rhein aus nugleich in die diterr.
Monarchie vordringen zu laffen. Bonaparte erhielt
den Befehl in Jtalien, verdrängte in einem glänzen:
den Feldzuge die Öfterreicher aus Oberitalien und er:
richtete die Eisalpinifche und die Sn e Republit.
Als die Direltoren Barras, Rewbell, Lareveillere,
Letourneur und Carnot die Regierung antraten,
fanden fie alle Zweige der Verwaltung, beſonders
aber die Finanzen, in furdhtbarer Zerrüttung vor.
Obgleich das Direktorium aus Italien und Deutſch⸗
land unermeßliche Summen bezogen, die geiſtlichen
Güter in Belgien und am linten —— verfauft,
eine Grund⸗, Berfonen:, Gewerbeiteuer und andere
Auflagen eingeführt hatte, mußte es dennoch im Sept.
1797 die öffentlihe Schuld Fr einmal um zwei
Dritteile berabfegen. —— dieſen Staatsbankrott
wurde der Kredit der Republik völlig vernichtet, und
bes Verlehrs, Elend und Unzufriedenheit
waren a Gemein Die royaliſtiſche Partei, die jich
wieder zu fühlen begann, nachdem die Neumablen im
April 1797 im Rate der Jünfhundert eine gemäßigte
Mehrheit ergeben hatten, benupte diefen Zujtand.
Sie brachte im Mai den ihr genehmen Barthelemy
bei Letourneurd Austritt ins Diretorium und be:
reitete fich überdies offen zu einem gewaltfamen
Umſturze der Regierung vor. Diejer Umſtand be
wog endlich die mit Garnot und Barthelemy zer:
fallenen Direftoren Barras, Remwbell und are:
veillere zu dem Staatäftreiche vom 18. Fructidor
(4. Sept.), der die Vertreibung aller verbächtigen
Näte ſowie terroriftiihe Geſetze gegen die Privile:
gierten zur Folge hatte; Carnot und Barthelemy
nebjt 53 Deputierten wurden verbannt, und ihre
Pläge nahmen Merlin und Frangois de Neufchäteau
und nad) bejjen Austritt Treilhard ein. Diefe Um:
wälzung 309 die Herrichaft der jtreng republilani:
ſchen Partei nad fih. Die Friedensunterhandlun⸗
gen zu Lille mit England waren zwar abgebrodyen
worden, mit Oſterreich aber fam 17. Dit. der Friede
zu Campo: Formio zu ftande, worin Oſterreich Bel:
* und die lombard. Territorien abtrat und bie
——
anpöfihe Republit auch noch die fieben ion. In:
eln Venedigs und in geheimen Artifeln das [inte
beinufer zugefichert erhielt. Um das Heer, feine
einzige Stüße, nicht aufzulöjen, aber auch um den
ebrgeizigen General Bonaparte zu entfernen, gab
jest das Direktorium feine Zuftimmung zu der Uns
ternehbmung nad) Ägypten. (S. Agyptiſche Erpebdi:
tion der ranzofen.) Gleichzeitig mußte Brune noch
im Dez. 1797 _in die Schweiz einbrechen, angeblich
weil diefe der Herd royaliſtiſcher Umtriebe er iejer
Feldzug hatte im April 1798 die Umbildung des
1016
Maadtlandes zur Lemaniſchen Republif, die Demo:
ae der Helvetiichen Republik und im Aug.
1798 ein Bündnis, endlich aud die Einverleibung
von Genf, Biel und Mülbaufen in F. zur Folge. Am
15. 2 1798 batte auch Bertbier aus dem fir:
* taate eine Römiſche Republik gebildet. Dieſe
bergriffe brachten die — Mächte von neuem
unter die Waffen. Nachdem Nelſon die franz. Flotte
bei Abulir vernichtet hatte, arbeitete England wäh—
rend des Kongreſſes von Raftatt an einer zweiten
allgemeinen Koalition, der Öfterreih, Rußland,
Neapel und die in Agypten verlegte Pforte beitraten.
Schon imNov.1798 batte Ferdinand IV. von Neapel,
um den Papſt zu rächen, obne Kriegserflärung fein
Heer unter dem öjterr. General Mad in den Kir»
chenſtaat einrüden lafien; aber der franz. General
Ehampionnet ee: eapel 21. San. 1799 und pro:
Hamierte dajelbft 25. Jan. die Parthenopäiſche Re:
publit, — Ferdinand IV. ſich auf Sicilien be
—— ſah. Der General Joubert hatte indes auch
iemont beſetzt und den König Karl Emanuel II. von
Sardinien 2 Verzichtleiftung auf dieſes Land ger
zwungen. Mit dem Anfange des Feldzugs mar alſo
ganz Italien in den Händen der Franzofen. (©.
Franzoͤſiſche Revolutionstriege.)
In den erjten Monaten des %. 1799 errangen
jevoch die verbündeten Mächte gegen F. bedeutende
Vorteile in Deutichland ſowohl als in Italien. Un:
ter dem Eindruck diefer Nachrichten erfolgten bie
Mablen von 1799, die den oppofitionellen Parteien
noch mehr Übergewicht als im vorigen Fahre gaben.
Sie braten Sieyes, einen Feind der Direftorialver:
joffung, ins Direltorium; Radilale und gemäßigte
epublilaner verbanden ſich gegen die Regierung,
Zreilbard, Merlin und Lareveıllre mußten aus
treten, Gobier, General Moulins und Roger Ducos
traten an ihre Stelle. Alle Barteien erfannten die
Unzulänglicheit der beſtehenden Zuftände an und
erwarteten den Beginn einer neuen polit. Ordnung.
Sieyes zögerte nur, weil er durch den Tod Jouberts
eined General beraubt war, der ihn unterjtügen
tonnte, Ebe er ſich noch mit Moreau ——
batte, war Bonaparte in Paris angekommen.
gewann Sieyes und deſſen Anhänger für fih und
jtürzte die Direktorialregierung durch den Staats:
ftreih vom 18. Brumaire (9. Nov.). Es wurde unter
dem Vorſitz Lucien Bonapartes in ber Naht vom
10. Nov. eine proviforiihe, aus drei Konſuln be
ftebende Negierungsbebörde (Bonaparte, Sieyes
und Roger Ducos) eingeſetzt, — ſich der Ge
jeßgebenve Körper bis zum 20. Febr. 1800 vertagte,
ein Gewaltakt, der aber der Lage der Dinge und der
Sehnſucht der Nation nah Ruhe und Ordnung
volltommen entſprach.
7) Unter dem Konſulat (1799— 1804). Ein
Ausihuß der Näte erhielt nun den Auftrag, die
Verfafjung vom J. VIII zu entwerfen. Schon 27. Dez.
1799 trat fie in Kraft, und 7. Febr. 1800 ward fie für
angenommen erllärt. Sie batte nur ſcheinbar ein
rein fonftitutionelles Gepräge, legte aber im Grunde
die ganze polit. Gewalt in die Hände dreier Kon—
fuln, von denen wieder der erfte der wahre Macht:
baber war, während ibm die beiden andern nur be:
ratend zur Seite ftanden. Bonaparte teilte fich felbft
die Nolle des Erften Konſuls zu und ließ Cam:
bacerds3 und Lebrun zu feinen Kollegen ernennen.
Ein Erbaltungsjenat (Sönat conservateur) von
80 Mitgliedern ernannte die Mitglieder des Geſetz—
gebenden Körpers, des Tribunats, des Kaſſations—
Frankreich (Gejchichte 1799— 1804)
hofs und die Konfuln aus den Liften der Rational:
notablen und hatte auch die Alte aller dieſer polit.
Gemalten zu betätigen ober zu en. Diele
Senatorwürde war lebenslänglih. Der Gejes:
gebende Körper von 800 aus den Departements
ernannten Mitgliedern wurde jährlih zum fünften
Zeil erneuert und follte über die ihm vorgelegten
Gefeßentwürfe entjcheiden. Das Tribunat, Die zweite
Kammer von 100 Mitgliedern, bildete die ver-
fafiungsmäßige Oppofition gegen die Regierung
und war bejtimmt, über die von ben Konjuln vor:
gelegten Geſetzentwürfe m verhandeln, aber nur
darüber abzuftimmen, ob feine dazu defignierten
Mitglieder im Gefekgebenden Körper dafür oder
dawider jpredhen follten. Die Mitglieder des letz
tern bebattierten nicht, fondern jtimmten nur nad
Anhörung der Tribunen einfah ab. Die Mit:
glieder eines bloß beratenden Staatsrates er:
nannte der Erſte Konful. Als dieje Konititution
ins Leben trat, war die Page des Staates nad
allen Seiten hin gefährdet. Die Härte des Direl:
toriums batte den Bürgerkrieg in der Vendée wie
der hervorgerufen, die Finanzen waren zerrüttet,
die Armeen durch viele Niederlagen aufgerieben.
Bonaparte teilte die ganze Republik in 25 Militär
divifionen, deren jede ihren Kommandanten und
ihre Divifion erbielt, wodurb die Empörungen
unmöglih wurden. Dann ſchickte er den General
Hedouville nach der Vendeée ab, der endlich 18. Yan.
1800 den Frieden zu ftande brachte. Um den Finan⸗
en aufzubelfen, wurbe ein neues Papiergeld ge
der Steuerfuß erböbt und eine Zwangs⸗
anleibe von 12 Mill. Frs. bei den bedeutendſten
Bankhäuſern gemadt. Die Departementsvermal-
tung erbielt ſchon im Februar eine gänzlidhe Um:
wanblung, indem an die Stelle der gemäblten Räte
Präfekten und Unterpräfelten, in den Municipali:
täten die Maires traten, die alle ibre polit. Gemalt
von der Regierung empfingen. Mit diejen Ein
rihtungen wurden aud die militär. Ebargen neu
verteilt. MWäbrend Moreau am Rhein den Ober:
bejebl erhielt, übernabm ihn Bonaparte jelbit in
—— Die Siege beider Generale (ſ. Franzoſiſche
evolutionsfriege) zwangen Dfterreich 25. Dez. 1800
zum Waffen tan zu Steier und 16. Jan. 1801
zum Waffenitillitand zu Trevifo, dem bald Friedens:
unterhandlungen folgten. Der König von Sicilien
— 6. Febr. ven Waffenſtillſtand zu Foligno.
Im 9. Febr. 1801 wurde endlich der Friede zu
Zuneville geihlofien. Der Rhein wurde F.s Grenze
und die — Bataviſche, Liguriſche und
Helveliſche Repubin ſowie das Kongreis Eiru—
rien (Toscana) wurden anerkannt. einen
befondern Vertrag mit —— erwarb 22 März
Parma und in. Amerika Louifiana; 38. März folate
der Friede mit Neapel, 29. Sept. der mit Vortu⸗
—* Dagegen ging unter dem unfäbigen General
enou Agypten verloren. (S. Ägyptiſche Erpebi-
tion der Franzoſen.) Nah Pitts Austritt au dem
Miniſterium kamen auch die Frievenzunterband-
lungen mit England in Gang, und 1. Dit. 1801
wurden zu London die Präliminarien, 27. Märı
1802 der Friede zu Amiens unterzeichnet. F. erbielt
alle feine im Kriege verlorenen Kolonien zurüd,
räumte dafür Neapel und das Kirchengebiet und
erlannte die Integrität von Portugal und die Re
publit der Jonifhen Inſeln an. Am 8, Dit. 1801
ſchloß F. mit Rußland, am 9. Dit. mit der Pforte
Frieden.
Frankreich (Geſchichte 1804—14)
Mit dieſer allgemeinen Waffenruhe ſchwand auch
im Innern F.s die Aufregung. Induſtrie und Hans
del blübhten empor, und bie —* Geſellſchaft vers
gaß ihre republilaniſchen Ideale im Genuß des ins
nern Friedens und des militär. Glanzes. Der Erſte
Konſul bemühte ſich, alles zu beſeitigen, was an die
Zeiten der Nevolution erinnern konnte; zugleich
aber beförberte er die Entwidlung aller materiellen
Intereſſen. Am 15. Juli 1801 fam ein Konkordat mit
dem päpftl. Stuhl zu ftande, wonad die Kirchen:
geſetze von 1790 —— wurden und 5: wieder
9 Erzbiihöfe und 41 Biſchofe erhielt. Gleichzeitig
wurde ein neues Eivilgejegbuch vorbereitet und ein
Verdienftorden durch die Errichtung der Ehrenlegion
egründet. Im Mai 1802 ernannte der Senat auf
orihlag des Tribunats Bonaparte zum Konjul au
fernere 10 Jahre. Als aber der Konſul, unzufrieden,
diejen Beweis des Zutrauens angeblid nur mit Zus
ftimmung des Volls annehmen wollte, nötigte er den
Senat, dem Bolt die frage ne sig ob der Erite
Konſul auf Lebenszeit Bi Würde behalten und
das Recht haben ſolle feinen Nachfolger zu beſtim—
men. Bon 3577379 Bürgern ftimmten 3563885
für das lebenslänglidhe Konſulat, das ihm nun
4. Aug. 1802 zuerteilt wurde. Zugleich wurde alle
polit. Gewalt in feine Hände gelegt: er erbielt
die ausschließliche Befugnis Verbrecher zu begnadi—
gen, die Staatöverträge zu ratifizieren und die Mits
glieder des Senats > ernennen, %. war, wenn
auch noch nicht dem Namen nad), jo doch thatjäd:
lich wieder eine Monardie, allerdings auf revolutio:
närer Baſis. Schon zu — 1802 war Bona⸗
parte zum Präſidenten der Cisalpiniſchen Republit
ernannt worden; im Augujt wurde die Injel Elba,
im September Piemont, im Dftober Parma mit F.
vereinigt. Indes ging Santo Domingo durch die
Kapitulation Rochambeaus 20.Nov. 1803 für F. auf
immer verloren. Der Hab Englands wegen des en
übergewichts auf dem Kontinent, das bier den brit.
Erzeugnifien den Markt ftreitig zu machen drobte,
ie —9* im Mai 1803 neue —— her⸗
vor. F. begann ungeheure Rüſtungen zu einer
Landung in England und beſetzte im Juli ungeach⸗
tet der Neutralitätserllärung Hannover. Die
ſchwörung Cadoudals (f. d.) gegen Bonaparte, die
dem neuen Syſtem Gefahr zu bringen drohte, drängte
dazu, dasſelbe erblic zu mahen Die Selbſtſucht
der Senatoren, die in diefem Syſtem eine Quelle
reiher Einkünfte faben, wirlte mit, und jo wurde
durch einen Senatsbeihluß vom 18. Mai 1804 Bo»
naparte zur Befeitigung des Staates und zur Sicher:
beit feiner eigenen Perfon als Napoleon L. zum
erblien Kaiſer der Franzoſen erflärt und durch
Voltsabftimmung als folder janktioniert. Papſt
Pius VII. kam in Berfon nad Paris und falbte den
Kaijer nebit feiner Gemahlin 2. Dez. 1804 in der
Kirhe Notres Dame. Die Franzöſiſche Revolution
atte das notwendige Ziel ihrer Entwidlung, den
ilitärabfolutismus, erreidht, 5. aber durch Abs
fhüttelung des veralteten Staatsmehanismus,
durh Gründung einer zwedmäßigern Bermwaltun
durd die Herftellung einer neuen auf die Gleichheit
en gejellihaftlihen Ordnung, durd Ent:
J tung aller — und materiellen Kräfte einen
ungeheuern Kraftzuwachs gewonnen, der auch die
europ. Entwidlung überhaupt aufs tiefſte beeinflußte.
8) Unter dem erſten Kaiſerreich (1304- 14.
Vach feiner Prollamation zum Kaiſer errichtete
Napoleon die Erzämter des neuen Throns, er—
1017
nannte Großmürbenträger und Marſchaͤlle und ſetzte
einen kaijerl. Gerichtshof ein, der über Bergebungen
der eriten Staatäbeamten, über Hochverrat und alle
Verbrechen gegen Staat und Raifer erfennen jollte.
Der Senat hatte ſchon 1803 feine Bedeutung ver:
Ioren, Wahl und Zahl der Senatoren waren vom
Kaiſer abhängig. Der Geſetzgebende Körper blieb;
das Tribunat, mo Carnot feine Stimme gegen die
Errichtung eines neuen u. erboben hatte, wurde
19. Aug. 1807 gänzlich abgeichafit. 1806 mußte der
republifanifche Kalender dem Gregorianiſchen wie:
der Pla machen. Am 18. März 1805 wurde Napo:
leon aud König von Italien; 4. Juni wurde die
Liguriſche Republit (Genua), 21. Juli Barma und
Piacenza mit 5. vereinigt. Der Kaiſer von Dfter:
reich und viele Fürften Deutſchlands erkannten das
Kaijerreih an. England dagegen, empört über die
Megnahme Hannovers, bedroht von einer Landung
und verlegt durch die jtrengen Maßregeln gegen
feine Manufalturwaren, jhlob mit Schweden einen
—— und veranlaßte im April 1805
Rußland zu einer Koalition gegen F. der im
Auguft auch Oſterreich wieder beitrat. Napoleon
brab nun aus feinem Lager von Boulogne nad
Deutihland auf und zwang die Öjterreicher in einem
längenden Feldzug 26. Des. aum Frieden von Pre:
urg. (©. Franzoſiſch-Oſterreichiſcher Krieg von
1805.) Oſterreich verlor gegen 55000 qkm und
3 Mill.E.; das Königreich Seälien wurde um 27500
qkm vergrößert. Dagegen hatte der Sieg der Englän⸗
der über die franz.=fpan. flotte bei Trafalgar 21. Olt.
1805 die Frucht fehsjäbriger Rüftungen vernichtet. _
Napoleon, von jest an überzeugt, daß alle Anjtren:
gungen gegen die Engländer zur See fruchtlos jeien,
erarıff nun mit Konſequenz die Politik, feinen Feind
durch Abfiperrung vom Seltlanve zu vernichten. In
dieſer Abſicht überließ er zunächſt im Vertrage von
Schönbrunn Hannover an Preußen, um dies mit
England in Krieg zu verwideln. Die widerſpenſtige
Dynaſtie von Neapel wurde der Krone verluftig er:
Härt und 30. März 1806 der Bruder des Kaijers,
Zoienb Bonaparte, auf den Thron von Neapel und
icilien gejegt. Ein anderer Bruder, Ludwig Bona⸗
parte, wurde König von Holland; Napoleons Etief:
obn, Eugen Beaubarnaig, Vicelönig von Stalien,
ein Schwager, Joahim Murat, Großberjog von
erg. Dieje Staaten ftanden ſowohl unter ſich als
auch mit dem Kaiſerreich durch Verträge in engiter
Beziehung, und dur die Errichtung des Rhein—
bundes (j. d.), in deſſen Orundvertrage vom 12. Juli
1806 Napoleon als Proteltor anerfannt wurde,
traten auch Bayern, Württemberg, Baden u. a.
diejem Staatenſyſtem bei.
Durch diejes Umſichgreifen 3.8 faben fih alle
Mächte Europas bedroht. Noch im Herbit 1806
vereinigten fi Preußen, Rußland, Schweden unt
England zu einem neuen Kriege, um die Franzoſen
aus Deutichland zu vertreiben. Napoleon nötigte
jevob nah den entjheidenden Siegen bei Jena
und Friedland die Ruſſen und Preußen zum Frie—
den von Tilſit, T. und 9. Juli 1807. (S. Franzöſiſch⸗
sprüche an Krieg von 1806 bis 1807.)
äbrend des Feldzugs war das Kurfürjtentum
Sadjen zum Königreih erhoben, Weſtfalen als
neues Königreich begründet und dem Bruder des
Kaiſers, Yeröme Bonaparte, zugeteilt, auch das
Großberzogtum Warſchau und die Republit Danzig
eibaffen worden. Zwei deutjche SFürftenbäu er,
Feiien-Cafiel und Braunſchweig, hörten auf zu regier
1018
ren. Elf Fürften traten dem Rheinbunde bei, und
Preußen und Rußland dem Bunde gegen England,
wodurd das drüdende Kontinentaliyitem,dasNapo:
leon mit feinem Berliner Dekret vom 21. Nov. 1806
geihaffen hatte, ganz Europa auferlegt wurde. Na:
poleon ftand jest auf dem Hohepunlt jeiner Macht,
wovon der Erfurter ürftenlongreß, den er27. Sept.
bis 14. Dit. 1808 um fich verfammelte, Zeugnis ab⸗
legte. Da er fih durch das Einverjtändnis mit
Rußland im Dften gefichert ſah, wandteer nun feine
Aufmerkiamteit der RUN Halbinjel zu.
Portugal, das mit England in engiter Handeläbe:
siebung ftand, hatte den Engländern feine Häfen
nur gezwungen gefchlojien und erhielt die Kontinen-
talfperre nur ſcheinbar aufrecht, weshalb ein franz.
Heer ſchon 1807 unter Junot Spanien durcheilen und
Portugal befegen mußte, während im November die
regierende Dynaftie nah Brafilien entflob. Ein
Familienzwiſt zwiſchen dem ſchwachen Karl IV. von
panien und feinem älteften Sohne, dem Prinzen
von Aiturien (Ferdinand VIL), verſchaffte Napoleon
Gelegenbeit, fib unter ver Masle des ſchiedsrichter⸗
lichen Freundes aud dort einzumifchen und die ſtrei⸗
tenden Parteien zum Verzicht auf die Krone zu ver:
anlajjen, worauf Joſeph Bonaparte, der König von
Neapel, im Juni 1808 auf den jpan. Thron erhoben
wurde, und Murat den von Neapel beitieg. Die
Spanier begannen indefien, auf Öfterreich und Eng:
land boffend, einen verzweifelten Kampf um ibre
nationale Selbjtändigfeit und vertrieben Joſeph
Bonaparte aus Madrid und Yunot aus Portugal.
Da eribien Napoleon jelbjt auf vem Kampfiplageund
untermwarf das Sand in einer Reihe jemehen Siege.
(S. Franzoſiſch⸗Spaniſch⸗Portugieſiſcher ig Nies
1807 bis 1814.) Unterdeſſen batte aber Dfter:
reich im Bunde mit England den günftigen Augen:
blid wahrgenommen und von neuem die Waffen
egen %. ergriffen, wurde aber wiederum befient
ri Franzöfiib:Bfterreihifcher Krieg von 1809) und
mußte 14. Dft. 1809 den ungünjtigen Frieden zu
Schönbrunn fließen, der unter anderm F. die illgr.
Provinzen verſchaffte. Der Kirchenſtaat war ſchon
17. Mai 1809 von Napoleon für einen Beitandteil
F.s erflärt worden und ward dann durd ein Se
natötonfult vom 17. Febr. 1810 förmlih in das
Staatögebiet F.s einverleibt.
Durd die — Napoleons mit der Erz⸗
herzogin Marie Luiſe 1. April 1810 ſchien die neue
Dynaſtie in F. volllommen legitimiſiert. Um ſich
mit äußerm Glanze und treuen Anhängern zu um:
geben, hatteder Kaiſer ſchon durch den Senatsbeſchluß
vom 14. Aug. 1806 die Majorate und durch ein Dekret
dom 1. März 1808 außer der militär, Herzogswürde
einen Erbadel bergejtellt, der allerdings keine öffent:
liben Vorrechte hatte und erloſch, fobald ihm ein
beitimmtes Vermögen fehlte. Nach dem Frieden mit
Oſterreich wendete der Kaifer feine Aufmerkſamleit
allen Zweigen der innern Staatöverwaltung zu. Er
reformierte das Rechtsweſen, für das er ſchon feit
1801 durch neue Geſetzbücher von hohem Wert ge
forgt hatte (j. Code Napol&on), durch die Organi-
jation der Gerichtshöfe, unterjtügte die Induftrie
und den innern Handel und unternahm Kanal-,
Straßen: und andere Öffentlihe Bauten. Alle feine
Beitrebungen richteten ſich jedoch nur auf die mates
rielle Entfaltung der Nationalträfte; die geiftiaen
Regungen des Volks dagegen wurden durch Bolizeis
zwang und militär. Disciplin niedergehalten. Selbft
die ftaatliben Unterridtäanftalten, deren höchſte,
|
n
Frankreich (Geſchichte 1804—14)
die Univerſität zu Paris, 17. März 1808 ihr beſon⸗
deres Statut bekam, erhielten militär. Form. Die
kriegeriſch glänzende Kaiſerzeit iſt daher in Litte—
ratur und Wiſſenſchaft hoͤchſt dürftig vertreten; in
der Kunſt brachte fie den Klaſſicismus (ſ. d.) zur
Erſcheinung.
In dem erbitterten Handelskriege mit England,
den Napoleon jekt mit verdoppeltem Eifer e,
ſuchte er ſoviel als möglich von Küſtengebieten un:
ter ſeine mittelbare oder unmittelbare Herrſchaft zu
bringen. gg Vertrage zwijhen Holland und J.
vom 16, än 1810 mußte erftereö ganz Seeland
mit der Inſel Schoumwen, Brabant und Geldern
uf dem linten Ufer der Waal abtreten. Als dar
auf 1. Juli 1810 der König von Holland, Ludwig
Bonaparte, gedrängt ward, feine Krone nieberzu-
legen, wurde durd das Dekret vom 9. Juli 1810
das ganze Königreid Holland mit F. vereinigt. Da
aber England deſſenungeachtet fortfubr, den Fon:
tinent auf verfchiedenen Wegen durch Zufubren zu
verjorgen, fo erflärte Napoleon, daß er die ganje
Küfte der Nordfee unter jeine Aufficht nehmen müfle,
und 13. Dez. wurden die Mündungen der Ems,
Weſer und Elbe nebft den Hanjejtäpten dem fran:.
Reiche einverleibt. Die 130 Departements des franı.
Staatölörpers erjtredten fih nun vom Terel bis in
die Mitte Italiens, von Hamburg bis nad Korfu.
©. Hiſtoriſche Karten von Europa II, 7.)
ejonders hatte die Bereinigung Norddeutſchlands
mit 5. ungeachtet ber — Entſchãdigungen
große Erbitterung unter den beraubten Fürjten ber:
vorgerufen, unter denen auch ber Herzog von Olden⸗
burg, ein Verwandter des ruſſ. Herrfberbaufes, war.
Da überdies die Engländer in Göteborg und den
Häfen der Ditjee einen bedeutenden Handel mit Kor
lonialwaren nad Rußland betrieben, worüber von
Paris aus in Stodholm und Beteräburg Beichwerde
geführt wurde, Rußlands Handeläverfügungen aber
1810 und 1811 geradezu dem Kontinentalivitem
widerſprachen, ſchien ein neuer europ. Krieg unver
meiblih. Während England mit Rußland unter
bandelte, gewann F. Preußen und Ofterreih für
ein Bündnis ee und März 1812). Objchon nım
der Krieg in Spanien noch fortdauerte und nit
eben mit Glüd geführt wurde, wurde doch der Krien
von jeiten F.s 22. Juni 1812 an Rußland erklärt.
Napoleon fiel mit einer Armee von 500000 Mann
in Rußland ein und bielt 14, Sept. jeinen Einzug in
Mostau. (S. Ruffiih: Deutih: Franzdfiicer Arien
von 1812 big 1815.)
Hier hatte Napoleon gehofit, den Zaren zum Frie
den pP zwingen, ihn in das Kontinentalſyſtem obne
Vorbehalt hineinzundtigen und zu einem Landfeld⸗
u gegen Britiich: Indien zu beftimmen. Aber
rander I. weigerte den Frieden, Moslau jelbit
ging in Flammen auf, und Napoleon war zum Rüd:
zug zeig, auf dem die Kälte, der Hunger und
die Waffen der verfolgenden Feinde das große Heer
bis auf geringfü ige Refte vernichteten. Zwar ge
lang es dem Railer, in 35. während des Winters
1812—13 Geld und Leute zu einem neuen Feldzug
gegen Rußland und die von F. abgefallenen deut⸗
ben Großmädhte aufzutreiben; aber auch vieler
rachte für ihn ichließlih nur Berlufte, und nad der
entſcheidenden Niederlage bei Leipzig, im Dit. 1813,
mußte die franz. Armee dem Rhein zueilen. Nape
leon begann nun im Jan. 1814 einen Feldzug auf
franz. Boden, in dem er bei aller Erihöpfung feiner
Mittel die alte Meifteribaft als Felbberr wieder be
Frankreich (Geſchichte 1814—15)
mäbrte. Der Friedenskongreß zu Ehätillon (f. d.)
gab ihm noch einmal Gelegenbeit, feinen Thron zu
retten. Über die Maßlofigkeit feiner Anſprüche
machte auch dieje Verhandlungen mare, und die
Verbündeten fchlofjen endlih 1. März den Allianz
vertrag von Chaumont, der den definitiven Vors
marich auf Paris zur Folge hatte. Durch die Schlacht
bei Baris 30. März zwangen fie die Hauptſtadt zur
Übergabe. Sugleich wurde der Senat, nachdem er
2. April die Abjegung Napoleons ausgeſprochen
batte, mit der provijorischen Staatsregierung und
der Entwerfung einer neuen Berfafjung beauftragt.
Napoleon dankte erjt zu Gunſten feines Sohnes,
dann 6, April, da der Senat Ludwig XVIIL zum
König ausrief, ohne Bedingung ab und zog ſich
auf die Inſel Elba zurüd. Der Geſetzgebende Kor—
per bejtätigte die Maßnahmen des Senats, und
der Graf von Artois, ald Generalleutnant des
Reichs, unterzeichnete 23. April die Konvention von
Paris, die F. auf feine Grenzen von 1792 zurüd:
führte. Am 3. Mai 1814 bielt Ludwig XVIL. in
Paris feinen Einzug, nahdem er eine konftitutios
nelle Regierung zugefagt hatte.
9) Unter der erften Reftauration (1814
—15). Daß Ludwig XVII. als König von F. in
Paris einzog, hatte er weder dem Verlangen der Na:
tion noch dem Wunſche der Verbündeten, von denen
nur England für ihn eintrat, fondern den Umftän:
den und den Bemühungen Einzelner, beſonders des
Fürften Talleyrand, zu verdanten. Bei diefer Gleich⸗
gültigleit der Bevölterung fuchte Ludwig ſich durch
eine erfaffung zu empfehlen. Sie wurde 4. Juni
1814 gegeben und enthielt die Örundfäße der gejeb:
lich beichräntten Monarchie: Gleichheit aller vor dem
Geſetze, gleihe Berpflihtung zu den Staatälaften,
‚Freiheit der Perſon, deö Eigentums, der Religion,
der Preſſe u. ſ. w, wenn auch nicht ohne einfchrän:
fende Rlaufeln. Der unverleglihe König hatte die
ausübende Gewalt; er ftand an der Spike der be:
waffneten Nacht, erklärte Krieg und ſchloß Frieden,
verlieh die Staatdämter und hatte bie nitiative in
den Geſetzen. Er konnte die beiden Kammern (der
Bairs und der Abgeordneten), die mit ihm die Ge:
jeßgebende Gewalt übten, berufen, vertagen und
auflöjen; doch mußte er in legterm Falle binnen
drei Monaten neue Deputiertenwahlen anordnen.
Die Paird, erblich oder perfönlich, ernannte er. Die
Deputiertenlammer, bie ſich jährlich zu einem Fünf:
teil erneuerte, ging aus Wabhltollegien hervor; der
König ernannte die Bräfiventen der Wabhllollegien
und wählte den Präjidenten der Kammer aus Fünf
dafür vorgeſchlagenen Deputierten. * Depu⸗
tierte mußte 40 J. alt ſein und 1000 Frs. direlter
Steuern zahlen; der Cenſus der Wähler wurde auf
300 Irs. beſtimmt, ihr Alter auf 30 J. fiber:
dies erklärte die Charte Verantwortlichleit der Mi⸗
nifter, Unverleglichleit der Richter, Beibehaltun
der Jury, Freiheit ver Abjtimmung u. ſ. w., nur lie
fie dem fönigl. Willen einen breiten Spielraum in
Artilel 14 übrig, der der Regierung das Recht der
Berordnung einräumte, wenn die Sicherheit deö
Staates dies erbeifchte. Am 13. Mai 1814 ernannte
der vom Herzog von Blacas geleitete König das
Staatäminifterium, beftehend aus dem Kanzler
d’Ambray, dem Minifter des Auswärtigen Talley:
ranb, dem des Innern Abbe Montesquiou, dem
Ainanzminifter Baron Louis u. |. m. Bei der Ein:
richtung des Hofftaates trat der alte Adel in jeine
perjönlihen Rechte wieder ein; auch wurden bie
1019
alten Orden bergeftellt. Der mit den Verbündeten
30. Mai 1814 abaefchlofjene dee) Pariſer Friede
(f. d.) befchräntte F. auf die Grenzen vom 1. San.
1792; doch behielt ed Avignon und Benaiffin und
erhielt von England faft alle Kolonien zurüd. Die
Charte hatte auch die —— von der Grundſteuer
und andern drückenden Laſten verheißen; allein die
Regierungsbedürfnifie und die ſehr bedeutenden Be:
willigungen an Emigranten und berabgelommene
Privilegierte machten die Beibehaltung aller mög:
lihen Finanzmittel nötig, was große Mißſtimmung
erregte. Noch tiefere Mivergnügen veranlaßte aber
bie allgemeine Reaktion, die im polit. Leben ſogleich
eintrat, als die notwendigften Anorbnungen ge
troffen waren. Man führte die Cenſur ein, debnte
die Volizeigewalt aus und verlekte bie Gerichte,
verfolgte die Anhänger des Raifers und die Nepus
blifaner und erregte Zweifel über das Eigentums»
reht auf erworbene Nationalgüter. Am meijten
fühlte fi die Armee verlegt, als fie ihre Cadres
aufgelöft, ihren Ruhm verfpottet, ihren Sold vers
mindert und ihre Ehrenzeichen vertauſcht ſah.
10) Während der Hundert Tage (1815).
Während diefer allgemeinen Mißſtimmung verbrei«
tete fich die Nachricht von der Nüdtehr Napoleons.
Er landete 1. März 1815 in Cannes, und das Heer
wendete fich ihm I a mit ——— Am
19. März floh der König von Paris nach Gent, und
am 20. abends kehrte der Kaiſer ohne Schwertſtreich
in die Hauptftadt zurüd. Napoleon hob jogleich die
Kammern und die meiften lönigl, Verordnungen auf
und ernannte ein neues Minijterium. Um ſich mit
den Liberalen abzufinden, gewann er Gonjtant de
Rebecque, über; ren das ————
und erließ 22 fin il eine Aoditionalafte (f. d.) zu
der Verfaflung von 1804, die vor einer Champ de
mai — Verſammlung von Vertretern aller
Wahlbezirle und Mitgliedern der Armee und
Marine 1. Juni 1815 auf dem Marsfelde feier:
lih beſchworen wurde. Dieſelbe ließ die beiden
Kammern der Charte befteben, gewährte Kultus:
und Preßfreiheit, Geſchworenengerichte, Unantajt-
barleit de3 erworbenen Grundbefiges, Petitions⸗
recht, —— der Richter und Miniſterver⸗
antwortlichleit. Aber der Erfolg blieb aus, und
dazu drohte der Krieg von ganz Europa. Sobald
die Nachricht von der Landung Napoleons auf dem
Kongreß in Wien anlangte, wurbe er als der Störer
des Weltfriedens geächtet, und 25. März fchlofjen
Oſterreich, Rußland, Preußen und er einen
neuen Allianztraftat, in dem fich jede dieſer Mächte
ur Stellung von 150000 Mann verpflichtete,
apoleon brah Mitte Juni aegen die Heere ber
Verbündeten auf, die von Ditende aus bis nah
talien eine große Kette um die franz. Grenze zu
ilden begannen. Der Anfang des Kampfes war
B Napoleon günftig; allein am 18. wurde er bei
aterloo von den Engländern und Preußen gänzlich
eihlagen. Er eilte nach Bari und verlangte neue
fer von der Kammer, die aber nicht3 bemilligte,
—— unter Drohungen ſeine Abdankung forderte.
ls hierauf die Verbundeten ohne Widerſtand gegen
ade vordrangen, legte er 22. Juni die Krone zu
unften feines Sohnes nieder. Nachdem 3. Juli
Blücer und Wellington mit dem Marſchall Davout
eine Militärtonvention abgeſchloſſen, kraft ver ſich
die franz. Armee binter die Loire zurüdziehen
mußte, rüdten die Verbündeten am 7. wieder in
Paris ein. (S. Ruſſiſch⸗Deutſch⸗Franzöſiſcher Krieg
1020
von 1812 bi81815.) Am 8. erſchien Ludwig XVIIL
unter engl. Schuß, um von dem Throne aufs neue
Befis zu nehmen. Cine neue Deputiertenlammer
wurde jogleid einberufen und gegen die ng
Napoleons die ba Verfolgung begonnen. Erft
20.Nov. kam zwiſchen dem König und den Verbün⸗
beten ber zweite Bartjer Friede (ſ. d.) zu ftande, worauf
d. auf die Grenzen von 1790 zurüdgeführt wurde,
11) Unter der zweiten Rejtauration (1815
—30). Ludwig XVIIL hatte bei feiner zweiten Ans
kunft zu Paris der Proviforifhen Regierung eine
liberale Politit und eine allgemeine Amnejtie ver:
proden; allein jeine Umgebung ließ ihn dieſe Zu:
age nicht halten. Am 24. Juli 1815 erſchien eine
rbonnanz, die 19 zu Napoleon übergegangene Ge:
ncrale vor ein Kriegsgericht, 39 andere unter poli—
zeilihe Aufjicht ftellte. Marſchall Ney wurde, von
den Pairs verurteilt, 7. Dez. erſchoſſen. Eine zweite
Ordonnanz ſchloß 29 Mitglieder der Pairslammer
aus. Die 7. Dit. eröffnete Deputiertenlammer war,
da die Wahlen unter dem Eindrude diefer Maß:
regeln vor ji gegangen waren, mit den fanatijc:
ſten Royaliften an lt. jo daß fogar der König
mehrere ihrer Beiolüffe verwerfen mußte. Beide
Kammern verſchärften das von der Regierung eins
gebrachte Amneftiegejeh vom 6. Yan. 1816 dahin,
dab wie, die für ven Tod Ludwigs XVI. geftimmt
oder während der Hundert Tage Umter angenom:
men bätten, sl ewig aus F. verbannt fein jollten.
Die Folgen diejer und ähnlicher Maßregeln zeigten
fih bald in den Unruben und Blutfcenen in den
Städten des Südens. Die royaliftiih Gefinnten,
die jog. Verdets, erlaubten ſich blutige Ausjchrei:
tungen in Marjeille und Nimes, Toulouje und
Avignon, wo die Proteftanten ald Anhänger des
Kaiſers ermordet wurden (Terreur blanche). Die
Angriffe der royaliftifchen Ultras in beiden Kam:
mern auf die von Nichelieu und Decazes geleitete
gemäßi te Mebrbeit des Minifteriums führten end:
ih 5 Ei. 1816 zur Auflöjung der Deputierten-
fammer. Die Liberalen der neuen gemäßigtern
Kammern erlangten ein Wahlgeſetz vom 5. Febr.
1817, das direlte Wahlen in der Departemental:
hauptſtadt vorfchrieb und damit den Einfluß der
royaliftiihen Großgrundbejiger bejeitigte, fonnten
aber die Aufhebung der unfonftitutionellen Aus:
nabhmegejege nicht durdiegen. Die Unruben in
Grenoble und in yon und eine im Juli 1818 ent-
dedte Verjhmörung der Ultras zum Umfturze der
Verfaſſung brachten eine wirklihe Annäherung des
Miniftertums an die Liberalen und Patrioten zu
tande. Auf dem ge Kongreß (f.d.) bewirkte die
um bei den Verbündeten den Beſchluß vom
Olt. 1818, der F. noch im Laufe des Jahres von
fämtlichen fremden Truppen befreite. Am 12. Nov.
1818trat dann aud F. dem Friedensbunde dereurop.
Hauptmädhte bei. Der Herzog von Richelieu hatte je-
doc durch feine Verhandlungen zu Aachen, durch die
Verweigerung einer weitern Entwidlung des fon:
ftitutionellen Syftems im Minifterium Spaltung
und bei den Liberalen der Kammer, die fich bei jeder
neuen Teilwahl verjtärlten, Unzufriedenheit bers
vorgerufen, jo daß er mit feinen Anhängern im De
jember das Amt niederlegen mußte. Der König
ernannte 28. Dez. ein neues Minifterium, worin
der Marquis Dejjolles den Vorſitz führte. Diejes
liberale Minifterium unterlag jedoch bald den Ultras
beider Barteien. Am 19. Nov. 1819 wurde Decazes
erſter Minifter, und fir Dejjolles, Saint-Cyr und
*
Frankreich (Geichichte 1815—30)
Louis traten Basquier, Latour-Maubourg und Roy
ein. Der gemäßigte Ropalismus, den das neue
Minifterium vertrat, zog ihm ſogleich den beftigiten
Widerſtand der äußeriten Rechten und Linten in der
Kammer zu. Inder That hatten fih auch alle libera:
len Männer über die Handhabung der Gejese und
bie ſchreiendſten Berlegungen der Charte zu befla-
gen. Erft 9. Juni 1819 war die Breßfreibeit wieder
eingeführt worden, und dennoch dauerten die Eenjur
und die Berfolgungen gegen die Schriftfteller fort.
Um das Zujtrömen radifaler Elemente in die Kam:
mer zu bindern, fuchte dad Minifterium Decazes
durch ein neues Wahl * der Grundariſtokratie
wieder überwiegenden Einfluß auf die Wablen zu
verſchaffen. Gerade über diefes neue Wablgeies
entbrannten in der Kammer bie beftigjten Partei:
tämpfe. Die Bartei der Gemäßigten ſchien die Mebr:
jehl zu bilden, als die Ermordung des Herzogs von
erry 13. Febr. 1820 erfolgte und den Ultras vie
Oberhand verſchaffte. Nun lenkte fi die ganze Wut
ber Royaliften auf Decazes, defien Mäßigung als
die Urſache jener Frevelthat bezeichnet wurde. Der
Minifter dankte 18. Febr. 1820 ab. An feine Stelle
trat als Präſident des Minijterratö zum zweiten:
mal der Herzog von Nicelieu, und Pr Simeen
wurde Miniſter des Innern. Unter beftigitem
MWiderftande ward nun ein Ausnabmegeiek (vom
26. März 1820) angenommen, mwonad jeder des
Hochverrats Verdächtige auf Befebl dreier Minifter
— werben lonnte und ſpäteſtens erſt nad
3 Monaten vor Gericht geſtellt zu werben brauchte.
Heftiger noch entbrannte der —— über ein
zweites Ausnabmegejeh, wodurch die Genjur wieder
eingeführt wurde, Die Annahme dieſes Geſeßes,
das, wie das erſte, nur bis zu Ende der | yo von
1820 gelten follte, brachte eine gänzlide VBerände:
rung in ber Prefie hervor. Durch das neue Wahl
geies vom 29. Juni 1820 wurde die Zahl der Depu:
tierten von 258 auf 430 vermehrt; die großen Güter:
befiger erbielten mit 172 Mandaten einen überwie
genden Einfluß und beftimmten die Mebrbeit. Die
erite Folge dieſes Geſeßes war, daß ſchon 1820 un:
ter 220 neu erwäblten Deputierten nur 30 Liberale
fi befanden. Das — — Re
——— hatte über den bürgerlichen Libera⸗
ismus gejiegt, und die ultraroyaliftiihe Partei
drängte immer mehr nad rechts. Cs half der He
gierung nichts, da P die Wortfübrer der rechten
eite, Villöle und Gorbiere, zu Unteritaatsjetre
tären mit Stimmredt ernannte, denn noch kurz vor
dem Schlujle ver Kammern gaben beide ihre Ent:
lafjung, um an der Spike der Ultras das Minis
fterium deſto —— angreifen zu lönnen. So
mußte das Kabinett —— 17. Dez. 1821 feine
Entlafjung einreiben. Das neue (ſechſte) Mini⸗
fterium, deſſen Seele der Finanzminiſter Billdle
war, wurde aus den ftrengften Royalijten gewäblt.
Der Miniſterwechſel, der die Entlafjung der libe
ralen Beamten und die Überlaſſung des gejam-
ten Unterrichtsweſens an den Klerus zur Folge
hatte, verurjachte große Aufregung nit nur um
ter der liberalen Partei, jondern auch im Heere.
Man entdedte am Ende bes J. 1821 in der Kriegs:
ihule zu Saumur eine Verſchwörung zu Guniten
des jungen Napoleon und 1822 mehrere gleichzeitige
Anichläge zum Aufftande der —— von Bel⸗
fort, Saumur, Neubreiſach und = Auch in
Grenoble, Bordeaur, Rennes, La Rodelle und
Nantes gab es Unruben.
Frankreich (Geſchichte 1815—30)
Sehr ſtürmiſch verlief die Kammerſeſſion des
J. 1823, die der König 28. Yan, mit einer Rede
eröffnete, in der er den Marſch von 100000 Fran:
ojen gegen Spanien antünbdigte, um dort bie abfo-
* alt wiederherzuſtellen. Bei Beratung der
Kreditvorlage von 100 Mill. Frs. ſprach ſich der
Abgeordnete Manuel in heftigſter Weiſe gegen den
Krieg aus und wurde, als er unter anderm auf
die Hinrichtung Ludwigs XVI. hinwies, von den
Ultraroyaliſten mit Gewalt aus der Kammer ent:
fernt, worauf die Linke bis auf einige Mitglieder
austrat und das Gejek angenommen wurde, Das
franz. Heer unter dem Derzon von Angouleme hatte
ihon 7. April die Bidafjoa überſchritten und machte
1.D8t. in Cadiz der Herrichaft der jpan. Konſtitution
und der Cortes ein Ende. (S. Spanien.)
Um vie Liberalen vollends zu verbrängen und
andererjeitö fih vor den Ultras zu fchü löſte
Villele die Kammer 24. Dez. 1823 auf. Dur
rüdjihtälofe Wablbeherrihung erreichte er feinen
Zwed. Die Anzahl der liberalen Mitglieder betrug,
als 23. März 1824 das neue Parlament zufammen:
trat, nur noch etwa 17. Aber auch die Reihen der
ertremen Realtionäre waren gelichtet. Die Charte
war gerettet, aber Villele hielt doch für gut, fie
etwas in reaftionärem Sinne zuzuftugen. Als ihm
die neuen Deputierten einen Nachtragskredit von
107 Mill. für den fpan. Krieg anſtandslos zuge:
ftanden batten, wünjchte er eine jo willfährige Kam:
mer möglicjt lange eifammen zu haben, und ſetzte
23. März 1824 durd, daß fämtlihe Mitglieder der
Kammer auf 7 Jahre (Septennalität) gewählt und
nah deren Verlauf die ganze Kammer erneuert
werben follte. Nicht lange darauf, 16. Sept. 1824,
ftarb Ludwig XVILL
Sein Bruder, der Graf von Artois, beftieg ala
Karl X.den franz. Thron. Er erließ eine Amneitie
für polit. Verbrecher und bob fogar 29. Sept. die
Cenſur der Zeitungen auf. Bald aber trat die Ne
gierung, in der ſich Villdle durch die Huge Leitung
de3 Staatöbaushalt3 bebauptete, mit ebenfoviel
Zugeitänpnifjen an die Adels: und Priefterpartei
bervor. Da der König die Abficht hatte, die Majo-
rate wieder einzuführen, wurde ein Geſetz einge
bradt, das vem Monarden das Recht einräumte,
Frauentlöfter und Kongregationen im Verordnungs⸗
wege zu jtiften. Ein zweites Geſeß bedrohte den
Kirchenfrevel mit den ſchwerſten Strafen. Ein drit-
tes jollte ven Emigranten für ihre zum Vorteil des
Staates verfauften Güter die Summe von 1000
Mil. Frs. in Renten (le milliard des &migrants)
gewähren, deren Verteilung in die Hände des Königs
elegt wurde. Alle diefe Gefeke, und audy das
Rentenrebultionägejeh, gingen durch. 167 Generale
des Kaiſerreichs wurden in Ruheſtand verjekt, die
Krönung in Reims, 29. Mai 1825, mit mittel:
alterlihbem Prunk vollgogen und den jejuitifchen
Zeloten die wichtigſten Stellen anvertraut. Die
gebildeten Elemente der Ration zogen ſich in eine
geſchloſſene Oppofition zurüd. Im Sommer 1827
traten, da der Bei von Algier, Huflein Baia,
die Genugtbuung wegen Beleidigung des franz.
Konſuls verweigerte, Feinpjeligteiten mit dieſem
Barbaresfenjtaate ein. (S. Alaerien, Geſchichte.)
Zu Gunften der Griechen ſchloß F. mit England
und Rußland 6. Juli 1827 den Londoner Pacifi—
tationsvertrag. Da die Kammer ſich ſchließlich doch
nicht mebr zur unbedingten Dienerin eines ſolchen
Minifteriums hergeben wollte, die Bairs ein Geſetz
1021
über Unterbrüdung von Preßvergehen 1827 ab»
lehnten, die Nationalgarde bei der Mufterung vom
27. April desjelben Jahres «Nieder mit den Mini:
tern! Nieder mit den Sejuiten!» af 6 löjte
illele die Nationalgarde auf, führte auf 6 Monate
die Genfur wieder ein, ließ in die um Phi Pairs⸗
kammer 76 neue Pairs ernennen, | idte die De
——— nach Hauſe und ſchrieb Neuwahlen aus.
ber die Unpopularität des Miniſteriums war im
ganzen Lande jo groß, daß troß aller erg ve
der Regierung bei diejen Neumablen unter 428 Ab:
geordneten nur 125 Minijterielle fih befanden. Am
4. San. 1828 mußte das Minifterium Billdle ab:
danten und einem neuen Kabinett, an deſſen Spipe
der Vicomte Martignac ftand, Plag machen. Als
Praltiker dem doltrinären Liberalismus abgeneigt,
mußte biefer Pe dem König und der Kammer
eine vermittelnde Stellung einzunehmen. Es er
folgte die Räumung Spaniens; der Jeſuitenorden
und feine Schulen wurden dur eine vom Bapite
— Ordonnanz vom 16. Juni 1828 auf:
geböben; Morea wurde durd ein franz. Heer von
den türf. Iruppen befreit; ein neues Prefgefes
[Wafite die eg eſſe und ein anderes die Miß⸗
räuche bei ven Wahlen ab. Bei der Distuffion
des Budgets für 1830 brachen Ai beitige Klagen
über die Finanzmaßregeln des Minifteriumsd, den
Drud der Abgaben, die Berlufte in Spanien
aus, daß der König 8, Aug. 1829 das Minifterium
Martignac entließ und ein neues Kabinett ernannte,
das nun ganz der ultraroyaliftiihen Richtung an»
— Fürft Polignac, ein ertlärter Feind ber
barte und aller liberalen Principien, trat als
Minifter des Auswärtigen an dejjen Spike. Cours
voifier wurde Grofjiegelbewahrer, Graf Bourmont
Kriegäminifter und der fanatiſche Royaliſt Graf de
Labourdonnaye erhielt das innere.
Die Ernennung diejes Minifteriums, das das
tönigl. Wort «feine Zugeſtändniſſe mehr!» zu
feinem Programm machte, erſchien den Liberalen
als eine offene Kriegserllärung. Die Preſſe wagte
die beftigiten Angriffe; im ganzen Lande bildeten
ſich geheime Gefellfhaften: man fprad ſchon von
Steuerverweigerung und bildete Bereine zur Schad⸗
loshaltung derer, die wegen —— Weigerung ver⸗
urteilt würden. Polignac war überzeugt, daß er die
öffentlibe Meinung nicht für fich babe; er fuchte fich
deshalb durch öffentliche Bauten und gemeinnüßige
Pläne, aub durch die Erpedition nah Algerien
(j. d., — beliebt zu machen. Zugleich aber
begann er eine heftige Verfolgung der Preſſe. Die
Aufbebung der Eharte, die er wunſchte, war un:
erreichbar, möglich jedoch vielleicht ihre Siftierung.
Am 2. März 1830 äußerte der König in feiner Thron:
rede: die Charte habe die öffentlichen Freiheiten
unter die Obbut der Rechte feiner Krone geitellt; es
fei feine Pflicht, diefe Rechte jeinen ———
unangetaſtet zu hinterlaſſen. Sollten fträffiche m:
triebe feiner Regierung Hindernifje ermeden, fo
werde er fie zu befiegen willen. Dagegen ertlärte
ihm die Deputiertenfammer in der von Gautier
verfaßten und von 221 Deputierten genehmigten
Adreſſe: daß die libereinitimmung der polit. Ab:
fihten feiner Regierung mit den Wünfcen feines
Volks nicht vorhanden jei. Sofort vertagte ber
König beide Kammern. Am 16. Mai löſte er die
Deputiertentammeraufund orbneteneueWablen an.
Obſchon nun Karl in einer Prollamation vom
13. Juni 1880 an die Nation und die Wähler er-
1022
tlärte, daß er die Charte aufrecht pn werde, fo
fielen die Wahlen doch größtenteild im Sinne der
Dppofition aus: leßtere erhielt 272 Stimmen, die
Regierung nur 145. Nun beſchloß der König mit
Gewalt vorzugehen. Er unterzeichnete auf Grund
des Artikels 14 der Ebarte, der lautete: «Le roi
fait les röglements et ordonnances nöcessaires
pour l’ex&cution des lois et la süret& de l’Etat»,
die verbängnisvollen fünf Verordnungen (Drbon:
nanzen), durch welche die Freiheit der periodiſchen
Preſſe ſuſpendiert, ein neues Wahlſyſtem angeord⸗
net, die Zahl der Abgeordneten von 430 auf 262
berabgejegt, die zum 3. Aug. bereitö einberufene
Kammer oh, die neu zu wählende auf den
September einberufen und die Staatäratftellen mit
Ultramontanen und Ultraroyaliften beſetzt wurden.
Zugleih erhielt Marſchall Marmont das Kom:
mando über die Militärbivifion zu Paris mit dem
Auftrag, alle Anftalten zu treffen, um die Rechte
der Krone und die Rube aufrecht zu erhalten.
12) Die Julirevolution und die Regie:
rung Ludwig Philipps (1830—48). Als am
26. Juli die Drbonnangen im «Moniteur» erſchie⸗
en, geriet die Hauptitadt in die heftigite Aufregung.
Vollkshaufen bildeten ſich allerfeits, die unaufbörlic
die Charte leben ließen, aber von Gendarmen gemalt:
am zerjtreut wurden. Noch desjelben Tags wider:
prachen der «Temps» und der «National» einer
ſolchen Auslegung jenes Artitel3 der Charte, und
44 Schriftiteller, die 11 liberale Zeitungen ver:
traten, unterzeichneten gegen die Ordonnanzen eine
von Tbiers, dem Redacteur des «National», ver:
faßte Proteftation. Als hierauf Polizeidiener die
Drudereien der liberalen Blätter bejegten, riefen
die Eigentümer ven Schuß des Geſetzes an, und der
Handelsgerichtshof erklärte, daß die Journaliſten
bis zur gerichtlichen Entſcheidung an ber Fortſetzung
ibrer Blätter nicht gebindert werden könnten. Als
27. Juli die Zeitungen den Proteft veröffentlichten,
begannen die VBoltsbaufen die königl. Wappen zu
jerihlagen, die Maffenmagazine zu erbrechen, und
die Wut fteigerte ſich reißend, als die königl. Garde
per am Palais⸗Royal die Mafien durch Gewehr:
euer zu zerftreuen fuchte. In der folgenden Nacht
bildeten radikal-demokratiſche Abgeordnete Auf:
ſtandskomitees und organifierten die Rebellion,
deren militär. Leitung inägebeim Lafayette über:
nahm. Am 28. Juli begaben fih mit Ausnahme
Polignac der Hof und die Minifter zum Könige
nad St. Cloud, und Baris wurde in Belagerung»
uftand erklärt. Das Volt errichtete zahlreiche
arrifaden, 18000 Bürger griffen zu den Waffen,
und es entipann ſich in den Straßen ein regellojer
und blutiger Kampf gegen die viel zu geringen
Streitfräfte Marmonts. Schon am 28. geriet der
Mariball durch Abfall der Truppen und Mangel
an Lebenämitteln in die bebrängtefte Lage. Nah
vergeblihen Vermittelungsverſuchen entbrannte der
Kampf am 29. aufö neue, und Marmont ſah ſich ge:
nötigt, die Truppen gegen Abend aus der Haupt⸗
ftabt herauszuziehen. Nun erjt entſchloß fib Karl X.,
Bolignac zu entlaflen und die Ordonnanzen zurück⸗
zunebmen; aber es war zu fpät. Im Paufe bes
Tags batte ſich eine provijorifhe Regierung:
bebörde, beſtehend aus Lafayette, dem Herzoge von
Ghoifeul und dem General Gerard, ſowie ein
Municipalausfhuß Bi: Paris aus den angejeben:
jten Männern, wie Laffitte, Caſimir Perier u. a.,
aebildet, die auf dem Stadthauſe die Abjegung
Frankreich (Geichichte 1830—48)
Karla X. ausfprahen. Bei Laffitte vereinigten fib
die anmwefenden Pairs und Deputierten und be
—— dem Herzoge Ludwig Philipp von Orleans
als Generalleutnant des Reichs die Regierung zu
übertragen. Diejer erſchien 30. Juli in Baris, trat
in ürde an und ernannte ein proviſoriſches
iniftertum. Als Karl X. alles verloren ſah, reifte
er am Morgen des 31. nad Rambouillet ab, be
Ba bier 2. Aug. in einem Briefe an den Herioa
von Orleans denjelben ald Reichsverweſer und ent:
fagte der Krone zu Gunſten feines els, dei
Grafen Ebambord, unter der Bedingung, dah le}
terer ſogleich als Heinrih V. ausgerufen werde.
Für die ältere Linie Bourbon war indes ber
Thron von F. verloren. Unter dem Einflufie La—
fayettes und Laffittes beiclofien 3. Aug. die in
Paris zufammentretenden Kammermitgliever (an
250), dem Herzog von Orleans die Krone anzu:
bieten. Ein mit republitanifhen Formen umaebe
nes Rönigtum follte die neuerrungene Vollsſouve⸗
ränität befeitigen, und ber Herzog von Orleans
ſchien für dieſen bürgerlihen Thron am mwürdigiten.
Der Deputierte Berard erbielt den Auftrag, die
Charte nah dem Princip der Boltsfouveränität
umgugejtalten, was jedoch Guizot und der Herzog
von Orleans zum Teil zu verhindern mußten. Beide
batten ſich ſchon vereinigt, die Monardie jo wenig
ala möglich zu ſchwaächen und durd die Politik der
rechten Mitte (juste milieu) die ertremen Parteien
vom Einfluffe auf die Ereignifie abzubalten. Der
reformierte Entwurf der Ebarte wurde 7. Aug. in
der Deputiertentlammer mit 219 Stimmen gegen
83 und unter 114 Pairs von 89 angenommen, |
ihr wurde der Grundjag der Bollsjoumeränität
ausgeſprochen, die Cenſur für immer abgeſchafft
und die Jnitiative der Giengebung aud den beiden
Kammern verlieben. Der Artitel 14 wurde ae:
jtriben. Das erforberlihe Alter der Deputierten
wurde von 40 auf 30 Jahre berabgeieht, das ber
Mäbler von 30 auf 25; der Genjus blieb eben.
Andere Nebenartitel betrafen die VBerantwortlichteit
der Minifter, die Herftellung der Nationalgarve,
die Unterrichtäfreibeit, die Anwendung der
auf Preßvergeben u. ſ. w. Am 9. Aug. beſchwot
der Herzog die neue Berfafjung und beitieg als
Ludwig Dt I., eg, der ofen, den
Ibron. Lafayette wurde Übert eblöhaber der
neuerridhteten Nationalgarde. Die alten Miniiter
feßte man in Antlageftand, Das proviſoriſche
inifterium wurde 13. Aug. in ein definitives ver:
wandelt. Der Herzog von Broglie erbielt die Brä:
ſidentſchaft und das Minifterium des Unterrichte,
Guizot das innere. ,
Ludwig Philipp war bemübt, feine fönigl. Auto
rität von den Feſſeln loszumachen, bie eine fieg-
reihe Demokratie ibm anzulegen ftrebte, und ib
ala den legalen Nachfolger der vertriebenen Bour-
bonen — m aber Popularität zu ae
mwinnen, durfte er vorerft mit den fentanten
emäßigten Demotratie des Mitteljtandes nicht
Er ließ daber feine Minifter Guizot unt
tausſcheiden, und bad neue Minifterium vom
2.Nov. 1830 enthielt unter Laffittes Praſidentſchaft
auch Repräfentanten der revo ren Überlieie
rung. Das Minifterium erhielt nad außen den be
waftneten Frieden aufrecht. Entſprach dieſe Bolitit
den Anfihten und Wüunſchen eines Teild der Nati
nicht, fo galt andererjeitö der von der Hammer be
ihloffene Wahlcenfus der republitanifchen Partei
ber
bre
Mo
Frankreich (Geichichte 1830—48)
als eine ausſchließliche Begunſtigung der beſihenden
Bourgeoifie und erregte Unmillen. elbe äußerte
jih in dem Prozeß der Minifter Karla X., deren
Tod gefordert ward, durch unrubige Auftritte und
in den milden Exceſſen vom 15. Febr. 1831, die
durb eine Demonjtration der Legitimiften, d. h.
der Anhänger der ältern Bourbonenlinie, hervor:
erufen waren, Aber in allen dieſen Krifen wußte
udwig Philipp feine Gewalt zu befeitigen und
ie an dem Juste milieu der Kammer und einem
Zeile der Bejikenden eine Macht zu ſchaffen, die
e3 ibm möglihd machte, fortan der Unterjtüßung
dur die Träger der AYulirevolution zu entraten.
Laffitte, der ſich in der Frage der Intervention zu
Gunjten der —— in Italien von dem
Konig getäuſcht ſah, gab ſeine Entlaſſung. Das
neue Miniſterium vom 13. März 1881 erhielt ſein
Haupt in Cafimir Perier, dem das Innere zufiel.
Die Feindihaft der Demokratie gegen die neue
Regierung kam im Nov. 1831 zum vollen Durchbruch
in dem Aufftand zu Lyon (f. d.); bald a zu fi
auch republitanifhe Verbindungen, deren Tendenz
auf den Umſturz des neuen Klönigtums gerichtet
war. Das Veichenbegängnis des Generald Las
marque,5. Juni 1832, ward von den Republifanern
zu einer blutigen Schilderhebung benust, die aber mit
ibrer Niederlage endete. Und auch die Legitimiften
bielten ihre Zeit für jhon gelommen. Bereit3 im
„ar. 1832 war eine von Ihnen angeftiftete Ver:
ſchwörung entdedt worden. Pi at juchte die
Herzogin von Berry einen Aufſtand in der Vendée
bervorzurufen, der raſch unterbrüdt wurde und die
Gefangennabme der Herzogin zur Folge hatte. Da
ftarb Verier an der Cholera, und 11. Dit. 1832
wurde ein Roalitionäminifterium gebildet, worin
Eoult den Vorfik übernahm. Im Grunde wollte
der König durd die Aufnahme der parlamentari-
ihen Führer in das Minifterium nur feinen Ans
ang in den Kammern verftärten. Aber die Bartei-
erbitterung war dadurch nicht befhmwichtigt. Vers
eine mit republifanifcher Tendenz, an deren Spitze
der ältere Cavaignac und Marrajt ih damals zus
erjt bemerkbar machten, zeigten, daß die Feinde der
neuen Regierung unermüdlich auf deren Umſturz
bedacht waren. Won gab das Signal zum blutigen
Aufftand (9. April 1834), dem wenige Tage jpäter,
13. April, eine Empörung in Paris folgte.
Unter diejen Umjtänden war ein Zufammens
wirfen aller erhaltenden Faltoren dringend nötig.
Ein ſolches bejtand zwar zwiſchen der Kammer—
mehrbeit und dem Minifterium, worin Broglie,
Guizot und Thiers dominierten; aber der König,
eiferjüchtig auf dieſes, intrigierte gegen feine eige⸗
nen Räte. Dies erzeugte eine er erbeit in der
Regierung, die zu häufigen Krifen führte. Im Juli
nahm Soult feinen Rüdtritt und erhielt in Gerard
einen Nachfolger. Schon im Dftober jhied auch dieſer
und mit ihm der größte Teil des Minifteriums aus,
Diefem folgte, nad einem viertägigen Minifterium
unter Maret, wieder (18. Nov.) ein vorwiegend dot:
trinäres unter Marihall Mortier8 Vorfik, worin
Guizot, Thierd und Duchatel die wichtigiten Stel:
len einnahmen. Schon 20. Febr. 1835 nahm aud
Mortier feine Entlaffung, und 12. März fam dann
unter Broglies Borjig die MWiederberftellung des
alten Rabinett3 vom 11. Dit. 1832 zu jtande.
Bei einer Heerſchau, die der König 28. Juli 1835
bielt, madte ber Core Fieschi (f. d.) mittels einer
Höllenmafdhine ein Attentat auf den König, das
1023
18 Berfonen tötete, ihn ſelbſt nur leicht verlegte; die
rabitale Bartei war dabei nit ohne einige mora:
or Mitihuld. Die Regierung glaubte den Augen:
blid zur Durhbringung von drei Geſetzen günitig,
die dem Treiben jener Einhalt thun follten: einẽ
mar gegen die Preſſe gerichtet, ein zweites be
jtimmte, daß die Gefchworenen — on mit ein⸗
—5*— Majorität —— der bisherigen Zweidrittel⸗
mebrbeit jchuldig ſprechen könnten, und ein drittes
ermweiterte die Berbängung der Strafe in contuma-
ciam reg ia olge war nur, daß ſich
die radikale Oppoſition in das Duntel zahlloſer
Geheimbunde —A mäbrend die ————
Mehrheit zerfiel. Ein Konflilt mit der Kammer über
die Rentenlonverſion brachte das Kabinett zu Fall.
Es ward 22. Febr. 1836 durch ein Miniſterium
aus der dem linken Centrum zugeneigten Fraltion
(Tiers-parti, ſ. d.) erſetzt, in dem Thiers den Vorſitz
und die auswärtigen Angelegenheiten übernahm.
Das neue Minifterium ſuchte namentlih nad
außen eine Politik durchzuführen, die den franz.
Neigungen mebr entſprach; bejonders wollte Thiers
den König zum Eingreifen gegen die Karliiten
in Spanien bewegen, aber am Wiver:
millen desjelben und nahm 25. Aug. 1836 mit jei-
nen Kollegen feine Entlaffung. Ein neues Mini:
fterium unter des gefügigen Mole Vorfig ward
7. Sept. 1836 gebildet, und damit hatte Ludwig
enblih dad «gouvernement personnel» erreicht.
Um es in Gunft zu bringen, erließ er eine be
ſchränkte Amneſtie gegen polit. Gefangene, unter
anderm gegen die Erminifter Karls X. Am 30. Dt.
1836 madte Louis Napoleon (f. Napoleon III.)
in Straßburg einen Verſuch zur Wieberberftellung
des Kaiſertums. Das Unternehmen mißglüdte je
doch ebenfo wie das Attentat, das bei der Groß.
nung der Kammern (27. Dez. 1836) von einem
Arbeiter Namens Meunier auf den König gemacht
wurde. MWenn aber das königl. Miniiterrum aud
biefed Attentat zu neuen Einſchränlungen aus:
nüßen wollte, jo ging es febl. Die Loi de dis-
jonction, ein Geſeß, da3 bei Verbrechen, die von
Militärs und Eivilperjonen zugleich verübt würden,
die Gerichtäbarfeit für beide trennen wollte, wurde
famt dem Deporta — gegen ſolche, die um
ein Komplott gegen den König gewußt und darüber
82 hätten, von der Kammer verworfen.
as Miniſterium mußte zum Teil erneuert werden.
Guizot, Gasparin, Verſil und Duchatel wurden
dur Montalivet, Salvandy, Lacave⸗Laplagne und
Bartbe erfest (15. April 1837). In der Hoffnung,
in einer neuen Kammer mehr Unterftügung zu fin:
ben, erfolgte die Auflöfung der alten im Dft. 1837.
Aber die Neumablen verjchafiten der Regierung
nur eine geringe Majorität, und das Minijterium
vom 15. April hatte in der zu Ende 1837 eröff:
neten Seffion einen fchlimmen Stand. Seine
Gejegvorlagen in betreff der Rentenredultion und
der Eiſenbahnen wurden verworfen. In der De:
putiertentammer trat 1838 eine Roalition der
Doltrinärs, des tiers-parti und der Linken ge:
ſchloſſen auf und nötigte das Kabinett Mole, tros
einer neuen ——— die nur eine Ber:
tärfung der liberalen Bartei zur Folge batte, zum
üdtritt (8. März 1839). Ein neues Kabinett zu
— zu bringen, ſchien jent faft, unmöglid.
an mußte ſich jet 1. April 1839 mit einer pro-
viforifhen Verwaltung bebelfen, bis 12. Mai 1839
unter Soults Borfig ein Minifterium gebildet
1024
wurde. Diejem folgte aber ſchon 1. März 1840 in:
folge der Verwerfung eines Geſetzvorſchlags über
die Dotation des Herzogs von Nemours wieder
ein neues von Thierd gebildetes Kabinett, aber
obwohl dieſes überwiegend dem linten Gentrum
angehörte, blieben doch die Hoffnungen derer uns
erfüllt, die eine Aufhebung der Septembergeſetze
von 1885, eine Erweiterung des Wahlrechts und
ähnliche Konzeffionen erwarteten. Thiers veran-
ftaltete, mit — der engl. Regierung,
die Zurüdführung der Überreſte Napoleons von
St. Helena nah Paris, wo fie 10. Dez. 1840
im Invalidendom beinejekt wurden. Nad außen
ſuchte er eine fräftige Bolitit durdauführen. Beim
Ausbruch der orient. Wirren (ſ. Ügypten und
Dömanifhes Reich, Geihichte) verwarf er die
Vergleichsvorſchlage Englands und der deutſchen
Gropmädte, beſchleunigte dadurch aber nur den
Abſchluß des Duadrupelvertrags, den bie vier
Großmaͤchte ohne Zuziehung des franz. Gejandten
— 15. Juli 1840 in London unterzeichneten.
i anntmachung desſelben entfeſſelte in F. die
alten Kriegsgelüſte, in die das Miniſterium durch
lärmende Ruſtungen, drohende Kundgebungen und
den Plan einer Befeſtigung von Paris bereitwillig
einſtimmte. Inmitten dieſer Aufregung ſuchte
Louis Napoleon ein zweites Komplott auszuführen,
indem er 6. Aug. mit einigen Anbängern bei Bous
—* landete und die Soldaten einer Kaſerne ver⸗
gel ens zum Abfall zu verführen juchte. (S. Napo:
n IIL) Er wurde gefangen, von dem Bairshof
zu lebenslänglicher Haft verurteilt und nah Ham
gebracht. Inzwiſchen war aber das Kabinett Thiers
21. Dit. gefallen, weil fih der König dejjen Wün-
chen, den Yulivertrag der Mächte au verwerfen und
von den Kammern Mittel zu ausgedehnten Rüſtun⸗
gen Mi fordern, verſchloß. Das neue Minifterium,
29. Olt. 1840 gebildet, ftand wieder unter Soults
Präfidium und erbielt fi in feinen Hauptperfonen
(Guizot Auswärtiges und Duchatel inneres) bis
zum 24. Febr. 1848. Zunädhit jtrebte es die Nüdtehr
zur Friedenspolititan. Die Kriegsrüftungen wurden
eingeftellt, Erfparnifje verfucht und nur der Plan,
Paris zu befeftigen, wieder aufgenommen und auss
geführt. Das J. 1841 ftellte die alten Beziebungen
zu den Großmächten wieder ber, da F. der vollende-
ten Thatſache fich fügte. Diefer Rüdzug erfchien der
Nation als eine Demütigung; die Autorität der Ne
gierung ſchwand; das Barteitreiben nahm wieder
zu. Es entitanden republitaniiche, ſocialiſtiſche und
tommuniftifche Verbindungen. Zum Unglüd für vie
Dynaſtie ftarb 13. Juli 1842 der Thronerbe, der
beliebte Herzog von Orleans, durch einen Sturz aus
dem Magen ; die age rubte jest auf jeinem
vierjährigen Sohne, dem Grafen von Paris.
So nahm die Geltung des Yulitöniatums un:
verlennbar ab. Der König und jein Minifterium
hatten zwar die Mebrbeit der Kammer für fich, aber
dieſe Mebrbeit war ſchließlich nur durch Korruption,
durch Vergebung von Eiſenbahnen und durch über—
tragung einträglicher Stellen zu ſtande gekommen
und ſomit nicht der Ausdrudk des Vollswillens.
Dazu war die auswärtige Lage F.s verändert; das
Verhältnis zu England erlitt mebrere Störungen.
Dies war namentlich in der fpan. Heiratäfrage(1846)
der Fall, wo Ludwig Philipp, indem er feinen jüng:
ften Sobn, den Herzog von Montpenfier, mit der
weiten Tochter der Königin Chriſtine vermäblte,
der engl. Volitik eine offenbare Niederlage bereitete,
Frankreich (Geichichte 1848—52)
Der Berbruß der engl. Regierung, die jest in den
Händen der Whigs und Palmerſtons lag, gab ſich
bei verſchiedenen Gelegenbeiten deutlich fund, und
bie militär. Erfolge, welche 5. in Algerien (f. v.,
Geſchichte) errang, änderten nichts an der Stel:
Fang der Regierung nad außen oder im Innern.
ie Gefahr der innern Zuftände wüchs fort
während, und nur der König und das Minijterrum,
an deſſen Spitze nach Soults Rüdtritt im Sept. 1847
Guizot trat, täuſchten fi über diefe Lage. Am
böchiten ftieg der Unmut in der Bevollerung, als
1847 eine Reihe ftandalöfer Prozeſſe Die Korruption
der Regierenden und die fittlihe Zerrüttung ver
böbern Gejellihaft enthüllten. Der Beitehungs-
prozeß, der zwei ehemalige Minifter Ludwig Ki
lipps, den General Eubitres und Teſte, Präfidenten
des Kaſſationshofs, ald Schuldige entlarvte, fomie
bie Ermordung der Herzogin von Praslin durch
ihren Gatten erregten europ. Intereſſe. Eine Menge
von Eleinern Entbüllungen deuteten auf Käuflichteut
der höchſten Ratgeber der Krone, auf Stellens und
Stimmenverlauf, auf groben Mißbrauch der Staatä-
gelver. Die Frage der Wabhlreform war allmäblid
die Loſung aller Oppofitionsparteien geworben.
Überzeugt von der Erfolglofigleit neuer Petitionen
an bie dem Willen ver — verlaufte Kammer,
die alle Reformwünſche abgewieſen hatte, griff man
zu Reformbantetten (f.d.), die, in den verſchiedenen
Zeilen von F. abgehalten, die öffentlihe Meimung
in Bewegung ſetzen follten. Sie bildeten die Ein-
leitung zu einer ummälzenven Bewegung. :
13) Dieyebruarrevolutionunddiegmeite
Republit (1848—52). Unter den Gindrüden
biejer Agitation eröffnete der König 28. Dez. 1847
die Kammern. Die Thronrede bezeichnete die Re
formbewegung als eine «Agitation, die durch feind⸗
jelige oder blinde Leidenſchaften genäbrt feir, und
ieß fich fo wenig als die Kammermebrbeit auf eine
Mablreiorm ein. Daber entſchloß fi die Oppoſition,
22. Febr. 1848 in Paris felbft ein Reformbantets
u balten. Am 22. Febr. boten die Straßen von
Baris ein beivegtes Bild, Banden durchzogen mit
dem Rufe «Es lebe die Neform!» die Stadt, und die
Nationalgarde ſchloß fib ihnen an. Letzterer Im:
ftand madte Einvrud auf den König. Er entlieh
am Tage darauf Guizot und beauftragte Mole, ein
neues Minifterium zu bilden. Die Gemüter ſchienen
I zu berubigen, die Orbnung wiederbergeftellt zu
ein. Aber damit war der republilaniſchen Bartei
und den Mitglievern der — Geſellſchaften
nicht gedient. Nachts 10 Ühr er Sur Haufe von
etwa 500 Arbeitern vor das Minifterium des
Uußern, aus der Menge fiel ein Schuß, worauf vie
vor dem Hotel aufgeitellte Wache eine Salve auf
ben dichtgebrängten Haufen gab. Dies war dad
Signal zur Revolution. Die Menge Pe die
Waffenläden und rip das Pflafter auf, um i
faden zu bauen. Zu ſpät wurden jest am Morgen
des 24. an Moles Stelle Thierd und Odilon Barrot
zu Minijtern ernannt. Eine von dieſen unterzeich
nete Brollamation verlündigte die Auflöjung der
Kammer und die Ernennung des beliebten eralä
Lamoriciere zum Befehlshaber der Nationalgarte.
Marſchall Bugeaud follte an die Spise der bewafl:
neten Macht treten. Indeſſen hatte ver Widerſtand
an Umfang und Hartnädigleit gewonnen. i
Chäteau d'Eau wurde erbittert gefochten, bis es
um Mittag in die Hände der Aufftändiſchen Mel
Ganz Paris ftarrte von Barriladen; die Soldaten
Frankreich (Gejchichte 1848—52)
waren müde und entmutigt; fie begannen abzu-
fallen, Als die Menge gegen die Tuilerien anrüdte,
unterfchrieb der König die Abdanktungsurkunde zu
Gunften feines Entel3, des Grafen von Paris, unter
der Regentſchaft der Sergogin von Drldand, und
entfloh nah St. Cloud. Aber auch diefe Konzeſſion
fam zu jpät. Der Verſuch der Herzogin von Orleans,
in der Deputiertentammer für ihren Sohn Schuß
und Anerkennung zu finden, jheiterte; eingedrungene
Maſſen und Barteiführer hinderten die PBroflamation
der Regentſchaft und nötigten auch die Herzogin mit
ihren Kindern zur Flucht. Eine Proviſoriſche Res
pierung wurde ernannt, bejtehbend aus Dupont de
‘Eure, Lamartine, Arago, Marie, Garnier⸗Pages,
Ledru⸗Rollin, Erdmieur, denen fih im Stadthaufe
die Redacteure Armand Marraft und Flocon, der
Socialift Louis Blanc und der Arbeiter Albert un:
aufgefordert beigefellten. Während diefe neue Ge
malt ji bildete und die Republik ausrief, war
Ludwig Philipp nad —s— entflohen.
Während die Mehrzahl der Mitglieder der Bro:
viſoriſchen Negierung eine friedliche und gemäßigte
Republik wollte, neigten Ledru⸗Rollin, Louis Blanc
u.a, zur terroriftiihen Gewaltpartei, die an ehe
maligen Verſchwörern, wie Barbes und Blanqui,
ihre ‚sübrer fand, Die Konzeſſionen, womit die
Proviſoriſche Regierung die focialiftifche Doltrin
abzufinden fuchte, wie das Verſprechen der «Orga:
nijation der Arbeit», die Zufage von Nationalmwert:
ftätten (25. und 26. Febr.), die Bildung der permas
nenten Kommiſſion «pour les travailleurs» und
das von Louis Blanc 10. März eröffnete Arbeiter:
parlament im Palais Lurembourg, wurden nur zu
furchtbaren Maffen in den Händen der radikalen
Partei. Während dieje die Mafjen für einen neuen
Aufſtand vorbereitete, erwuchſen der Regierung von
einer andern Seite die größten Verlegenheiten. Die
finanzielle Lage des Landes, die Erſchütterung des
Kredits, die eg alles öffentlichen Verlehrs
waren beijpiellos, Die Unterhaltung der National
werfjtätten verfhlang Millionen, und die von Ledru⸗
Rollin in die Provinzen gefandten Kommiſſare trier
ben meijtend die Verſchwendung und Plünderung
jo arg wie bie verrufenften Werkzeuge der monar:
chiſchen Korruption,
Die verbündeten Parteien des Socialismus und
des jalobiniſchen Terroriämus fuchten in Mafjens
demonjtrationen (16. und 17, März und 16. April)
die Proviforifhe Regierung zu jtürzen und bie
Wahlen zu einer — die nach
allgemeinem Stimmrechte erfolgen ſollten, zu hinter⸗
treiben, weil ſie nicht hoffen konnten, in dieſer eine
radikale Mehrheit zu erhalten. Die Wahlen fielen
in der That zu Gunſten der gemäßigten republi—
taniſchen Richtung, aus. Am 4. Mai wurde bie
Berjammlung eröffnet und begann ihre Wirkſam—
feit mit der Proflamierung der Republik. Die Bro:
viſoriſche Regierung legte ihre Gewalt nieder. Am
10. Mai ward an ihre Stelle durch die National:
verjammlung eine Erelutivfommiffion von fünf
Mitgliedern gewählt: Arago, Garnier: Pages,
Marie, Lamartine und Ledruͤ-Rollin. Ein Minis
fterium ward aus Recurt (inneres), Baſtide (dluße-
ze Zrelat (öffentliche Arbeiten), Duclere (Finans
zen), Eremieur (Fuftiz), Bethmont (Kultus), Carnot
öffentlicher Unterricht), Flocon (Aderbau) gebildet.
as Kriegäminifterium, das dem in Afrita weilen«
ben und im Februar zum Gouverneur ernannten
General Cavaignac bejtimmt war, verſah einftweilen
Brodbaus’ Konveriationd-Berikon.. 14. Aufl, RM VL
1025
Dberft Charras. Indeſſen rüfteten ſich die äußerften
—— zu einem neuen Schlage. Am 15. Mai
uchte eine aus vielen Taufenden beftehende Maſſe
unter der Anführung von Blanqui, Raspail, Huber,
Barb23 u. a. die Nationalverfammlung zu fprengen,
wurde aber von der bewaffneten Macht zurüdge
trieben, und Une Huber wurden verhaftet.
Als dann die Erelutivfommiffion die Auflöfung
der Nationalwerkitätten und bie Entfernung eines
Teils der Arbeiter in entlegene Provinzen beſchloß,
bereiteten fih die Socialiften zu einem Kampf auf
Tod und Leben vor; aber auch die Regierung war ge:
vie: Am Morgen des 24. Juni wurde verfündigt,
daß die Nationalverfammlung fich für permanent ers
flärt, dem General Cavaignac die diltatorifche Ge-
walt übertragen und über Paris den Belanerungs:
zuftand verhängt habe. Cavaignac hatte an Truppen
und Mobilgarben etwa 50000 Mann. Nachdem am
Abend des 24. der Aufftand, nah einem heftigen
Kampfe Lamoricieres auf den Boulevards, auf ein
engeres Terrain beſchränkt war, wurde er am 26.
mit der Beſchießung der Vorjtadt St. Antoine völlig
unterbrüdt Aunifeladt). ebr ala 4000 era
wurden in diefem Kampfe getötet, etwa 11000 Em:
pörer gefangen genommen und von diefen viele zur
Deportation verurteilt, Ein Beſchluß der National:
verjammlung vom 28. Juni übertrug dem General
Cavaignac die Exekutivgewalt mit der Vollmacht,
fih fein Minifterium zu bilden. Außer Baftive,
Senard, Bethmont, Leblanc, Goubchaur, Recurt,
Zourret berief er die Generale Lamoriciere und
Bedeau in das Kabinett, ernannte den General
Ehangarnier zum Oberbefehlshaber der Pariſer
Nationalgarde, ließ die Unterſuchung gegen bie Füh⸗
rer bes Juniaufſtandes einleiten, erließ bejhränfende
Gefege gegen die Zügellofigleit der Prefie und ber
Klubs und ſuchte durch militär. Strenge die öffent:
lihe Ordnung mwieberberjuftellen. Inzwiſchen war
(4. Nov.) die Nationalverfammlung mit der Bera-
tung der neuen republitanijchen Verfaflung zu Ende
efommen. Diefelbe ftellte eine Gejeßgebende Ber:
ammlung von 750 Mitgliedern auf, die durch das
allgemeine Stimmrecht und durd direlte Wahlen
auf 3 Jahre gewählt und immer im ganzen er:
neuert werben Follte, Die Erelutive war einem auf
4 Jahre dur allgemeines Stimmrecht gewählten
Präfidenten übergeben, der erſt nach einer Zwiſchen⸗
eit von 4 Jahren wieder wählbar fein follte, Es
onnte fich dabei nur um Cavaignac und Ludwig
Napoleon handeln, und bei einer ungemein gefhidt
betriebenen Agitation erhielt Ludwig Napoleon bei
der Präfidentenwahl vom 10. Dez. 5430000 Stim⸗
men, Gavaignac nur 1448000.
Am 20. Dez. wurde Ludwig Napoleon Bonaparte
in der Nationalverfammlung als Präſident der Res
publif eingeführt und «auf die rg en Ne
pad und die Berfafjung» beeidigt. Er bildete ein
inifterium, in dem Ddilon Barrot den Borfik
führte. General Ehangarnier erhielt dad Kommando
über bie in Paris vereinigten Streitkräfte aller Gat⸗
tungen. Die neue Regierung zeigte gegenüber der
äußerften erg Partei eine ebenfo ftrenge
Haltung wie General Cavaignac, obfhon fie ans
— mit Vorſicht auftrat. In der auswärtigen
olitit gaben die ital. Angelegenheiten den erſten
Anlaß zur Intervention der Republik und zwar im
tonjervativen Sinne. Die Flucht des Papites und
die Errihtung der Roömiſchen Republik (f. Kirchen:
ftaat) bewogen die Regierung, eine Erpedition gegen
65
1026
diefelbe unter General Dudinot auszurüften (April
1849). Unterbejjen war die Zeit der Wahlen für
die erjte Legislative herangelommen, die 28. Mai
ufammentrat. Schon vorber hatten fich die ver:
re Gruppen der Ordnungsparteien miteins
ander verbunden, und die neuen Wahlen gaben
ibnen die entſchiedene — Die Republikaner
von 1848 hatten die größte Einbuße erlitten; die
Linle war vorzugsweiſe durch Socialiſten, die Rechte
durch die alten monarchiſchen Parteien gebildet. Die
Belagerung Roms, die ſich indeſſen über Erwarten
binauszog und erſt 3. Juli zur Übergabe der Stabt
führte, bildete ven Hauptvorwurf für die Angriffe
der foctaliftifchen Linken. Eine Interpellation Ledru⸗
Rollins in diefer Richtung wurde 11. Juni ver:
mworfen, wur am 12, der Antrag, den Präfidenten
und feine Minifter in Anklageſtand zu verſetzen.
Der 13. Juni unternommene Aufftand wurde raſch
unterdrüdt. Ledru⸗Rollin flob nach London, andere
Führer wurden verhaftet und von dem National:
gerichtshof zu Verſailles abgeurteilt. Berbaftun:
en, ftrengere Maßregeln gegen die Preſſe und
ereine und der Belagerungszuftand waren bie
— Fruchte des Unternehmens,
eich in den erſten Tagen verſuchte Ludwig Na:
poleon jeinem Minijterium gegenüber die Stellung
eines Monarchen einzunehmen und durd perfön:
lihe Regierung die parlamentariihe zu lähmen.
Mäbhrend fich die Verſammlung teils in tumultuari-
hen Ecenen, teils in fonterrevolutionären Be:
hlüffen in Vißiredit feste, fuchte er durch Reifen
in den Provinzen, durch Anſprachen an Beamte
und Rorporationen fih dem Volle näber zu brin-
gen und feinen Einfluß auf Roften des parlamen:
tarifchen au erweitern. Die Erridytung bejonderer
—— — Blätter, die eine ganz perſönliche
und dynaſtiſche Tendenz verfolgten, die Gründung
der «Geſellſchaft vom 10. Dez.», die dieſelbe Rich:
tung vertrat, die Ernennung einer Menge von
neuen Präfelten, auf die er zäblen tonnte, ließen
Ludwig Napoleons Abfiht deutlich erfennen. Als
die Nationalverfammlung nad einer ſechswöchigen
Vertagung 1. Dit. 1849 wieder zufammentrat,
wurden die Kredite für die röm. Erpedition mit
ſehr großer Mebrbeit bewilligt. Troßdem erklärte
eine Botſchaft des Präfiventen (31. Olt.) der Ber:
fammlung, er babe e3 ohne tote mit einem Ber:
mittelungsminifterium aus allen Öruppen verfucdht,
nun fei er entichlofjen, das Syſtem zu wechieln, und
ein Kabinett feiner eigenen Politik zu berufen. Das
neue Winifterium ward aus lauter dem Präfidenten
perjönlich ergebenen Berfonen aufammengefest: Ge
neral d’Hautpoul übernahm als Kriegsminiſter das
Präfidium. Diefe Kriegsertlärung des Bonapartiss
mus gegen das parlamentariſche Syſtem erregte die
erfte offene Spannung zwiſchen dem Präfidenten
und ber Legislative.
Zielder auswärtigen Bolitif blieb das Einverneh:
men mit England, während die Sendung Perſignys,
des engiten Bertrauten von Ludwig Bonaparte,
nad Berlin den Zwed des Abſchluſſes einer Allianz
gegen Oſterreich hatte, das aus Italien binauss
gedrängt werben * Inzwiſchen nahm die anti⸗
repolutionäre ei itif ihren Fortgang. Schon Ans
{eng 1850 erfolgte die Einteilung %.8 in vier große
ilitärdivifionen, welche die Gewalt in den Händen
weniger ergebener Generale fonzentrierte, und die
Auflöfung der Mobilgarde. Als dann (10. März)
die Ergänzungäwabhlen zur Nationalverfammlung,
Frankreich (Gedichte 1848—52)
namentlich in Paris, eine Mehrzahl von focialifti-
hen Kandidaten aus der Urne bervorgeben ließen,
hritt man zu burchgreifendern Mafregeln. Der
inifter des Innern legte der Rationalverjamm:
lung zwei neue Geſetze og das Vereinsweſen und
gegen die Prefie vor. Als eine abermalige Neu:
wahl in — dem ſocialiſtiſchen Kandidaten Sur
die Mehrheit verſchaffte, erfolgte der Antrag aui
Beihräntung des allgemeinen Stimmrechts, der
auch (31. Mai) mit 433 gegen 241 Stimmen an:
genommen warb, Gin bejchräntendes Preßgeſeß
wurde 16. Juli beſchloſſen. Napoleon benuste die
Zeit der Berta —* Nationalverſammlung zu
neuen Aundreifen nreden u. f. w. und befonbers
zur Bearbeitung des Militärd. Die Verſammlung
trat 12, Nov. wieder zufammen, und der Bräfident
erließ eine ——* eine Reviſion der Verfaſſung
und die Wiederwählbarkeit des Präſidenten forderte
den Gedanken einer illegalen Überſchreitung wies er
zurüd. Das Minifterium gab (4. Jan. 1851) feine
Entlafjung und ward 9. Jan. reorganifiert, erbielt
jedoch ſchon 18. Yan. 1851 ein Miftrauensvotum.
Der Bräfident Ientte ein, erließ (24. Jan.) eine ver-
— Botſchaft, die den übelſtand zweier unab:
ängiger Gewalten im Staate konſtatierte und zu
gegenfeitigem Vertrauen au Pens, und eriekte
das Minijterium durch eine Übergangsvermwaltung.
Diefer folgte endlich 12. April 1851 ein definitives,
vorwiegend bonapartiftifches Kabinett, mit Yon
aucer, dem Minifter des Innern, an der Spike.
as Hauptijtreben Ludwig Napoleons war die Auf
Km des Verfaffungsartilels, der die Dauer der
räſidentſchaft auf vier Jahre befhräntte, und die
Abihaffung des Wahlgeſetzes vom 31. Mai 1850,
um durch Herftellung des allgemeinen Stimmrechts
feine Wiederwahl zu fihern. Sein fefter Entſchluß,
das Mahlgefeb zu ändern, hatte jhon 14. Dt. das
Minifterium veranlaßt, feine Entlajfung zu geben.
Dasſelbe wurde 28. Dft. in ausſchließlich bonapar:
3 Sinne erneuert. Am 6. Nov. brachten
die Quäftoren der Nationalverfammlung einen An:
trag ein, wonach das Recht der Verfügung über die
bewaffnete Macht nicht dem Kriegsminiſter, fondern
der Verſammlung überlafjen werden follte; am 13.
ward die von der Regierung beantragte Aufbebung
des Mahlgefeges vom 31. Mai 1850, d. i. die Wie:
derberftellung des allgemeinen Stimmredt&, mit
355 gegen 348 Stimmen (Bonapartiften und Linie
verworfen. Jener Antrag der Quäſtoren fiel eben:
falls, aber jeitvem er geftellt worden war, war
der Staatäftreich bei Ludwig Napoleon beſchloſſene
Sade, zu deren Ausführung als Bertraute beſon⸗
ders Perfi ny, Morny, Saint-Arnaud, Maupas,
Magnan beigezogen wurden. In der Frühe des
2. Dez. 1851 wurden die Generale Changarnier,
Cavaignac, Lamoricidre, Bedeau, Leflö, Oberſt Char⸗
ras, auch Thierd und andere Führer in ihren Mob:
nungen überfallen und verhaftet, durch ein Dekret
die Nationalverfammlung aufgelöft, das Wahlgeſes
vom 31. Mai aufgeboben, der Staatärat entlafjen
und über Paris und 10 Departements der Belage-
rungszuftand verhängt. Eine Broflamation Ludwig
Napoleons —— eine Berufung an das Roll,
das in Urverfjammlungen vom 14. bis 21. De.
fih über die von dem Präſidenten vorgeichlagenen
Grundzüge einer Berfafjung ausſprechen jollte, die
in ihren weſentlichen Beitimmungen die des Kom
fulat3 erneuerte und ein verantwortliches Staats⸗
oberbaupt auf 10 Jahre forderte, ſowie Miniiter,
Frankreich (Gefchichte 1852—70)
die nur von ihm abhängen, einen Staatärat, der
die Geſetze vorbereiten, einen Gejeßgebenden Körper,
welcyer fie erörtern und bejchließen, einen Senat,
der aus allen berühmten Männern des Landes ges
bildet werben ſollte. Vergebens fuchte eine Fraktion
der Gejesgebenden Berfammlung auf der Mairie
des 10. Arrondiffements den geſeßlichen Widerſtand
der Behörden zu or —— ſie wurde —
und hie bedeutenditen a u nah Vincennes
und Mazas gebracht. Die Truppen, deren mn
ann in Paris konzentriert waren, blieben
dem Vräfidenten treu. Doch begann 3. Dei. der
bewaffnete Widerftand im Yaubourg St. Antoine
und an ben Boulevard ſich zu organifieren, wurde
aber, da die untern Maſſen ſich wenig beteiligten,
ſchon am Abend des 4. mit blutiger Strenge unter:
drüdt. Eine Verordnung vom 8. Dez. verhängte
über alle, die Mitglieder einer geheimen BREMEN
gewefen, die Deportation nah Cayenne oder Al:
erien, während — *28 e Maßregeln teils die
elfer des Staatsſtreichs belohnten, teils durch Kon⸗
zeſſionen an den Klerus die Legitimiſten zu gewinnen
ſuchten. An die Stelle des repräſentativen Körpers
trat proviſoriſch eine Commission consultative,
Unter dem Drudder Ausnahmegejege und ber jhrans
tenloſeſten Bolizeigewalt fand die ——
über die vorgelegten Entwürje ftatt und erga
7419000 Stimmen für dieſelben, 640000 dagegen.
Die neue Gewalt umgab fih nun jtufenweije mit
den Einrihtungen und Perjonen, die man als
Stügen eines ftreng Napoleonifhen, d. i. perjöns
lichen Syſtems betrachten durfte. Alle en
Freiheiten waren unterdrüdt; eine öffentlihe Mei⸗
nung außer der offiziellen, die in feilen Federn ihre
Fe fand, ward nicht geduldet; jogar über die
Salons dehnte ſich der polizeilihe Drud aus. Nach⸗
dem ein Defret vom 10. Jan. 1852 alle parlamen:
tarifchen und militär. Berühmtheiten, Männer wie
Lamoricidre, Bebeau, Changarnier, Thiers, Du:
vergier de Hauranne, Nemufat, Victor Hugo, Qui⸗
net, Charras u. a., verbannt oder ausgewieſen und
eine Anzahl Republitaner zur Deportation bejtimmt
batte, erfolgte 14. Jan. die Verlündigung der neuen
Berfafiung. Gegenüber ver Allmacht des Präfiden:
ten und feiner Dlinifter ward ein unabjegbarer, ers
nannter und botierter Senat und ein zwar erwählter,
aber in feinen Befugniſſen äußerſt beſchränlter
Geſetzgebender Körper zugelafien. Gleichzeitig wurde
die Stelle eines Staatöminifterd wiederhergeftellt
und dem Corſen Gafabianca übertragen, aud das
BVolizeiminifterium nah Napoleoniihem Schnitt
rer ig Die Feindfeligleit der neuen Gewalt
richtete ſich mit bejonderer Entjchiedenheit gegen
ven bürgerlihen Mittelftand und die Familie Or—
(dans, die fih auf diefen ftüßgte. Dem Dekret vom
22. Jan. 1852, wonad die Orléansſchen Privat:
güter verfauft werden follten, wollten ſelbſt vie Mi:
nijter vom 2. Dez. nicht zuftimmen. Das Kabinett
warb demnad erneuert, indem Morny und Fould
austraten, Perfigny das Innere, Maupas die Po:
lizei, Abbatucci die ur Bineau die Finanzen,
der Staatäminifter Bajabtanca das Auswärtige
übernahm. Nachdem 17. Febr, ein ftrenges Prep-
geieb erlafjen worden, folgten die Wahlen zum
islativen Körper, ber fortan nur 261 Mitglieder
zählte. Wahlverfammlungen und Bereine wurden
verboten, und die Regierung jelbjt ftellte offizielle
Kandidaturen auf, fo daß unter diefen Umjtänden
vie Wahlen ganz bonapartijtiih ausfielen.
1027
Die Abfihten Napoleons gingen aber offenbar
über das Erreichte weit hinaus, und ſchon die
10, Mai 1852 mit großem Bomp gefeierte Vertei:
lung der Adler an die Armee zielte offenbar auf
eine rafche Reftauration des Kaifertums. Bald
darauf bereifte der Präſident die Provinzen, um
den imperialiftifchen Enthuſiasmus durch feine per:
ſönliche Erſcheinung noch höher zu fteigern, und be=
mübte fi, in wiederholten Anfprachen die Erinnes
rung an das erjte Kaiferreich wieder aufzufrijchen.
In einer Rede zu Bordeaur behandelte er geradezu
das Thema: «Das Kaifertum iſt der Friede» (l’em-
pire c’est la paix). Unter dieſer Zojung ward in
allen Teilen 5.3 ein Adreſſenſturm organifiert, der
die Wiederberitellung des Kaifertums forderte. Da:
ber berief der Prinz: Präfident zum 4. Nov. 1852
den Senat zufammen, der 7. Nov. mit allen gegen
eine Stimme einen Beſchluß fabte, wodurd das
Erblaijertum wiederbergeftellt und Ludwig Napo:
leon als Raifer Napoleon III. eingefegt wurde. Die
Vollsabjtimmung über dieſes Senatskonſult fand
21. und 22, Nov. ſtatt und ergab nad) den offiziellen
Ausweifen 8157752 Ja, 254501 Nein und 63699
ungültige Stimmzettel. Am 2. Dez. verfündigte
der «Moniteur» den Volksbeſchluß, und der neue
Raifer hielt feinen feierlichen Einzug in die Stabt
und das Schloß der Zuilerien.
14) Das zweite Kaiſerreich (1852 — 70).
Große —— Ernennungen, Gnadenakte
u. ſ. w. verherrlichten den Tag der Thronbeſteigung
des ehemals verlachten Abenteurers. Bald folgte die
Anerkennung der auswärtigen Mächte, zuerit Nea-
pel3 3, Dez., dann Englands 6. Dez., und in den
nächſten Tagen die der übrigen Mächte. Das neue
Kaiſerreich ward inzwiſchen organifiert. Der Kaifer
erbielt eine Eivillifte von 25 Mill., die Thronfolge:
ordnung wurde geregelt, die Verfaflung dur das
Senatäfonfult vom 25.und das Dekret vom 31. Des.
1852 den neuen monardifhen Berhältniffen an:
gepaßt. Unmittelbar darauf (30. Yan. 1853) ver
mäblte ſich Napoleon IIL. mit Eugenie (D) de Mon
tijo, Gräfin von Teba, und die große en des
Volts begrüßte nad dem langen ſtürmiſchen In
terregnum mit Befriedigung die Wiederheritellung
einer feiten monardifhen Ordnung.
Zunädjft widmete ſich die Regierung Napoleons
fast ausſchließlich den materiellen —— Zwei
roße Kreditgeſellſchaften entſtanden in Paris, der
redit foncier und der Credit mobilier, von denen
namentlich der legtere bald einen ungeheuern Auf:
ſchwung Be und dem Börjenfpiel und Schwindel
einen gewaltigen Anftoß gab. Zahlreihe Eijen-
bahnen wurden gebaut, der Ausbau deö Louvre
und andere gioh Staatsbauten begonnen, aller:
orten ward Arbeit geihaft und Handel, Induſtrie
und Schiffahrt gefördert. Bei der Reform des Unter:
richtsweſens räumte der Kaifer dem Klerus einen
rößern Einfluß ein und ficherte fi dadurch deſſen
gebenheit. Unterbefjen begannen die auswär—
tigen —— deren Leitung ſeit Ende Juli
1852 dem * Drouyn de l'Huys übertragen
worden waren, fait das ausſchließliche Anterejje in
Anſpruch zu nehmen. Im Drient entipann fich eine
neue Verwidlung. Ein Streit Erlen ber röm.
und der griech. Kirche über den Befik der Heiligen
Stätten von Jeruſalem veranlaßte Rußland, im
Febr. 1853 durch den Fürften Menſchilow fein Ultis
matum in Ronjtantinopel zu ftellen, indem es das
Protektorat über alle Unterthanen der Pforte bean⸗
65*
1028
fpruchte, die der griech. Kirche angebörten. Als der
Sultan ablehnte und der Zar ſich zur Invaſion der
Donaufürftentümer rüjtete, ſchloſſen F. und Eng:
land 12. März 1854 eine Allianz mit der Türkei
und erflärten 28. März den Krieg gegen Rußland.
(S. Drientfrieg.)
Während die franz. Armee im Oſten neue Lor—
beeren errang, feierte Napoleon auch friebliche
Triumphe. Die Allianz vermittelte den perjönlichen
Verkehr zwiſchen dem «Emporfömmling» und den
europ, Fuͤrſtenhäuſern. Bereits im Sept. 1854 hatte
der engl. Prinz-Gemahl den Kaiſer im Lager von
Bouloane beſucht; im April 1855 reijte das franz.
Kaiferpaar nah London und ward — das glän⸗
zendſte empfangen. Der König von Schweden und
Norwegen ſuchte Schuß gegen ruſſ. en
elüfte in einer Alltanz mit den Weſtmächten
21. Nov.). Gleichzeitig wurde in Paris eine Welt:
ausftellung für Induftrie und Kunft (15. Mai bie
15. Nov. 1855) abgehalten, die zablreihe Bejucher
beranzog und der Hauptjtabt Gewinn brachte. End:
lih ward auch die orient. Bolitit Napoleons dur
einen rühmlichen Frieden gefrönt. Unter Walemftis
Vorſitz wurde der Kongreß zu Paris 25. Febr. 1856
eröffnet und 30, ——— Pariſer Frieden (ſ. d.)
unterzeichnet. Als 16. März 1856 dem franz. Kaiſer
ein Sohn und Erbe geboren war, ſchien die Dauer
ſeiner Dynaſtie —5—
Nach dem Pariſer Frieden ſtand F. unbeſtritten
als die erſte Großmacht in Europa da, um deren
Freundſchaft ſich alle andern Staaten bewarben.
icht nur, daß in Paris wiederholte Konferenzen zu:
fammentraten, um in Gemäßbeit des Pariſer Frie—
dens die neuen Grenzen zwiſchen Türkei und Ruß—
land, die Berhältnifie der Donaufürjtentümer u. dal.
'k regeln (Fan. 1857, Mai bis Aug. 1858, April
i8 Sept. 1859): auch der Konflikt zwischen Preußen
und der Schweiz über den Kanton Neuenburg warb
auf einer Pariſer Konferenz; (März bis Mai 1857)
ausgetragen. Insbeſondere aber dehnte F. jetzt ſei⸗
nen Einfluß aus über Italien, wo es an Sardinien
einen feſten Bundesgenoſſen gewonnen hatte. Auf
dem Pariſer — *5 an dem auf Napo—
leons Betreiben auch Sardinien, der Bundesgenoſſe
der Weſtmächte im Orientkriege, teilgenommen hatte,
war troß der Proteſte Oſterreichs der «Schmerzens:
chrei» Italiens zuerjt laut geworden und nament:
ih über die reaftionären Zuſtände im Königreich
Neapel ein harter Tadel ausgeſprochen worden. F.
und England nahmen nunmebr Anlaß, abmabnende
Noten an die neapolit. Regierung zu richten, und da
diefe fein Gehör fanden, wurde der diplomat. Ver:
tebr (Oft. 1856) abgebrochen. Bei den Neumwablen
ar Geſetzgebenden Körper (Juni 1857) wurden die
isherigen Mitglieder von den Beamten un 8 jede
Weiſe unterjtüst und trugen daher fait überall den
Sieg davon. Nur in einigen großen Städten gelang
es, entjchiedene Oppofitionsmänner durchzubringen,
von denen jedoch zwei (Carnot und Goudchaux) den
Eid der Treue gegen den Kaiſer vermweigerten und
ſich deshalb ausgeichlofien faben, worauf beftimmt
wurde, daß jener Eid jchon vor der Wahl von den
Kandidaten geleiftet werden müſſe.
Die Folge war, dab alle Dppofition nun ins Aus:
land oder in das Duntel zablreiher Gebeimbünde
flüchtete. Schon 1855 batten zwei Mordverjude
auf den Kaiſer — Gefährlicher war
das Attentat Orſinis (ſ. d.) 14. Jan. 1858, durch
das zwar Napoleon nicht verlegt wurde, das aber
Frankreich (Geſchichte 1852—70)
weitgehende Folgen hatte. Im Innern gab es den
Anſtoß zu einer Verſchärfung des bisherigen Ev:
—— und zu außerordentlichen Vorſichtsmaßregeln.
as Reich ward in fünf große Militärbezirle (Ba:
ris, Nancy, Lyon, Toulouje und Tours) geteilt und
jeder Bezirk einem Marjchall unterftellt. Der Kaiſer
traf Bejtimmungen über die event. Regentſchaft
und feste einen Geheimen Rat (5. Febr. 1858) ein,
der allenfalld als Regentſchaftsrat fungieren follte.
Das ſeit 1853 abgeſchaffte Bolizeiminijterium ward
vorübergehend mwiederbergeitellt, in dem General
Eipinafje 7. Febr. bis 14. Juni 1858 als «Minijter
bes Innern und der öffentlihen Sicherheit» fun:
nierte. Ein ſog. Sicherbeitsgejeß wurde von dem
Gefeßgebenden Körper 19. Febr. mit 227 gegen
24 Stimmen genebmigt, durch das die Negierung
faft unbeſchränkt freie Hand erbielt, alle politiſch
fompromittierten Berjönlichleiten aus Sicherheits:
rüdjichten in %. oder Algerien zu internieren oder
any zu verbannen, wovon fie in ausgebebnter
el Gebrauh machte. Zugleih maßregelte man
die Preſſe aufs ftrengfte. Erſt um die Mitte des
Jahres trat wieder eine —— ein, und Eiri-
nafje wurde dur Delangle als Minijter des In—
nern erjest. Außerdem aber veranlahte das Atten:
tat Reibungen mit dem Auslande, indem das franı.
Kabinett bei den Regierungen von England, Bel
gien, Schweiz und Sardinien über das revolutio
näre Treiben der polit. Flüchtlinge dajelbit und
über deren mangelhafte Überwahung Beſchwerde
erbob, Die ſchwächern Staaten beeilten ſich, ibre
Polizei ſowie ihre Gejeßgebung in betreff der rem:
den, der polit. Morde, der Beleidigung fremder Sou⸗
veräne u. ſ. w. zu verichärfen.
y Stalien drängte der Gegenſatz zwijchen der
verbaßten Fremdherrſchaft Sfterreihs und der na=
tionalen und fonftitutionellen Bolitit Sardiniens
immer mehr zum Bruche. Schon längit beitand
zwiſchen Baris und Turin ein inniges Einverjtänd-
nis, verlag Febr. 1859 erſchien in Paris eine
offiziöfe Broihüre: «Napoleon III et VItalie»,
welche die Notwendigfeit einer polit. Umgeftaltung
Italiens und Bejeitigung des öjterr. Einfluſſes da-
jelbt darlegte. Auch die kaiſerl. Tbronrede vom
7. Febr. war in ähnlicher Weile gebalten. Die
Spannung wuchs, bis endlich 29. April die öfterr.
Truppen die fardin. Grenze überjchritten. Am
3. Mai erließ Napoleon II fein Kriegämanifeit,
worin er den Ent * ausſprach, «Italien ſich jelbit
wiederzugeben; frei bis zum Adriatiſchen Meer!»
(S. Italieniſcher Krieg von 1859.) Im Bräliminar-
frieden von Villafranca di Verona (f. d.), 11. Juli
1859, der den Krieg beſchloß, trat Öfterreic den
größten Teil der Yombardei an den franz. Kaiſer
ab, und diefer verſprach, die abgetretenen Territo:
rien dem Könige von Sardinien zu übergeben.
Am 10. Nov. ſchloß man in Zürich die definitiven
Friedenstraftate ab. (S. Züuricher Friede.) An
demjelben Tage wurde auch der Bertran
volljogen, durch den der franz. Kaifer definitiv die
eroberte Lombardei an den König von Sardinien
abtrat und ſich dagegen ala ab der rien
tojten eine Summe von 60 Mill, Frs. ausbedann.
Ein zur Ordnung der ital. Verbältnifie in Varis ae:
lanter Kongreß jcheiterte an der Weigerung des
apites, denfelben zu beijhiden, wenn nicht die
ntegrität des Kircbenftaates von vornberein ge
ichert würde. Die Verträge von Züridy waren da
mit aufgegeben. F. begnügte ib, den Schein einer
Frankreich (Geſchichte 1852— 70)
vermittelnden Politit aufrecht zu halten, und jo
konnte Sardinien, aber freilih nur um den Preis
einer ee die Annerion Mittel:
italiens durhführen. Am 24. März 1860 ward
zwiſchen %. und Sarbinien ein Traftat in Turin
abgeſchloſſen, in dem Savoyen und Nizza an F. ab:
etreten wurden, und 15. und 22. April fanden in
Niya und Savoyen allgemeine Vollsabjtimmungen
fait, die unter geſchidter Zeitung eine ungeheure
Majorität für den Anſchluß an F. ergaben.
Dieje Haltung Napoleons in der ital, Frage hatte
ibm das Mißtrauen der Mächte eingetragen und
rg europ. Bolitit Hindernifje bereitet, jo daß er
ich veranlaßt ſah, fi entferntern Erdteilen zuzu—
wenden. Bon Anfang an batte der Kaiſer ein
roßes Intereſſe an den Kolonien bethätigt. Im
ept. 1853 war Neucaledonien occupiert worden.
Die Befisungen am Senegal und in Algerien
wurden durch glüdliche Kriegszüge erweitert. Ein
Handelövertrag mit Siam vom 15. Aug. 1856
öffnete dem franz. Handel Hinterindien. Gemein:
fam mit un wurde eine Erpedition gegen
Ehina (f. d., Gedichte) unternommen und der vors
teilhafte Vertrag von Tienstfin (27. Juni 1858)
errungen, Gleich darauf erfolgte ein Handels—
vertrag mit Japan (9. Dit. 1858). Da China die
Ausführung des Vertrags nachher verweigerte, jo
begann der Krieg aufs neue, und erjt nad) ber
Kapitulation von Peling fam der Friede dajelbit
(25. Olt. 1860) zu ftande. Gleichzeitig hatte unter
Mitwirkung Spaniens eine Erpedition gegen An—
nam (j. d.) begonnen, mo man bie Mifhandlung
der tath. Mifjionare rächen wollte. Diejelbe 309
ich feit Sept. 1858 mehrere Jahre hin bis zum
ieden von Saigon (5. Juni 1862). In diejem
wurden Gebiete von Cochinchina (ſ. d., Ge:
ſchichte) an F. abgetreten, wo ein Kolonialreich be:
gründet werben follte. Andererjeitö gab der große
Chriſtenmord in Syrien (Juni bis Juli 1860) Ver
anlafjung zu einer Erpedition dahin. Nicht ohne
Mühe erreichte Napoleon die Zuftimmung Englands
zu einem Protokoll, das die Großmächte zu Paris
3. Aug. unterzeihneten (definitive Konvention
5. Sat), fraft dejjen eine franz. Brigade von
7000 Mann zu Schiffe ging, die 16. Aug. in Beirut
landete. Napoleon III. war offenbar beitrebt, dieſe
Decupation von Syrien bis ins Ungewiſſe hinaus
u verlängern. Dagegen regte ſich aber die Eifer-
ucht Englands in jo hohem Grade, daß die franz.
ruppen im Juni 1861 wieder heimlehren mußten.
Den Ausbruch des großen Bürgerkrieges in den
Vereinigten Staaten von Amerita benußgte Napo:
leon, um ungebindert aud auf dem amerit. Kon:
tinent feften Fuß zu faffen. Die Republit Merito,
die fich jeit Fahren in einem Zuftande der Anarchie
befand, hatte wiederholt die Intereſſen und Rechte
franz, Unterthanen millfürlih verlegt und zulekt
durch ein Ausnabmegejeg vom 17. Juli 1861 alle
vertragämäßigen — en auf zwei Jahre einge⸗
ſtellt. Sofort ergriff Napoleon dieſen Vorwand, und
es gelang ihm, England und Spanien zur Mitwir⸗
— zu bewegen. Durch den Vertrag London
31. Olt. 1861 vereinigten ſich die drei Mächte, die
merif. Kuſten zu bejegen, bis die Republik ihren Ver:
pflihtungen nahtommen werde. Napoleons Pläne
gingen indes Pr die Errichtung eines von F. abhän⸗
gigen monarchiſchen Staates in Merito aus und
raten ihn mit jeinen Verbündeten in Konflitt, die
ſich 9. April 1862 von dem Unternehmen losſagten.
1029
Am 10. Juni 1863 bielt der franz. General Foren
er Einzug in bie Hauptitadt Meriko, und 10. Juli
eſchloß eine Notablenverfammlung dajelbit, die
Raifertrone von Merito dem Erzherzog Marimilian
anzutragen. Diejer nahm die dargebotene Krone
(10. April 1864) an und jchloß gleichzeitig den
Vertrag von Miramar mit Napoleon Ill. ab, mo:
durch F. eine Kriegsentfhädigung von 270 Mill.
Frs. zugefihert wurde und Napoleon fich verpflich:
tete, 25000 Mann in Merito fo lange zu lajlen,
bis Marimilian aus Fremden und Einheimiſchen
eine Armee zu organifieren vermöge. Die Dccupas
tionstruppen — vom 1. Juli 1864 an aus der
merit. Staatöfaffe unterhalten werden. So warb
eine Art von Bajallenftaat in Merilo begründet,
deilen Eriften; nur von der Fortdauer des franz.
Schutzes abhängig war. (S. Merito, Geſchichte.)
iejed Unternehmen, das fpäter Häglich fchei:
tern follte, hatte von Anfang an nur Abn
im franz. Bolte gefunden. Dan fah feinen Zw
nicht ein, aud dann nicht, ala Napoleon hinterher
von amerif. Gleihgewiht und Unterftüßung der
lat. Rajie jerad- Die immer fteigenden Ausgaben
erzeugten Verſtimmung, die ſich endlich auch in der
Kammer zu äußern begann. Napoleon batte fi,
angefichts der ungünftiger gewordenen Lage nad
* 1860 zu Zugeſtändniſſen im Innern be
wogen gefühlt. So geſtand ein 24. Nov. erlafjenes
faiterl. Defret dem Senat und dem wein ebenden
Körper das Recht zu, auf die jährliche ———
durch eine Adreſſe zu antworten und bei der Adreß⸗
bebatte Aufllärung über die innere und äußere Bo:
fitit zu fordern. Minifter ohne Portefeuille (jog.
Sprechminiſter) follten neben den Staatöräten bie
Regierungsporlagen verteidigen. Das Recht der
Abgeorbnieten, Amendements zu ftellen, warb er-
mweitert und der ausführliche Abdrud der Verband:
lungen gejtattet. Die parlamentarifhe Debatte
nahm demzufolge in der Seſſion von 1861 einen
Aufihwung und fand im Geſetzgebenden Körper
ihre Vertreter an der demolratifchen Dppofition der
dünf (Jules Favre, Darimon, Picard, Henon, Olli⸗
vier). Jetzt warb auch die finanzielle Seite der Re—
gierungspolitif, welche die Staatdausgaben gewal⸗
tig geſteigert hatte, zum erſtenmal einer ernſtern
Kritik unterzogen. Ein Senatslonſult vom 31. Dez.
erweiterte Die Kompetenz des Gejeßgebenden Körpers
bei der Abftimmung über das Budget und ftellte zu⸗
gleich feft, daß die außerorbentlihen und Supple
mentarfredite nicht mehr wie bisher bloß durd ein
kaiferl, Dekret, fondern nur dur ein förmliches
eg werden dürften. Auch die Preſſe er:
bielt eine Kleine Erleihterung durd das Gejeg vom
2. Juli 1861. Unmittelbar nah dem Schluß der
Seſſion (7. Mai 1863) wurden die Neuwahlen
zur dritten Legislaturperiode ausgejchrieben, wobei
86 Oppofitionsmänner in die Kammer gelangten,
darunter Thiers. Hierauf erbielt Berfigny den Abs
fhied; zugleich wurde das ganze Minifterium um:
geftaltet, die Minifter ohne Bortefeuille wurden ab:
geſchafft und deren Funktionen dem Staatöminiftes
rium übertragen (23. Juni 1863).
Im Winter 1862—63 zog der Aufftand der Polen
die allgemeine Aufmerlfamteit auf ſich, und aud
die alten franz. S —— wurden wieder laut,
ſo daß Napoleon Veranlaſſung zu einer diplomat.
Einmiſchung nahm, die jedoch von Rußland zurüd:
—— wurde. Auch der Plan eines allgemeinen
ongreſſes zur Regelung der poln. Frage ſcheiterte,
1030
und Rußland hatte freie Hand, Bolen mit Härte zu
unterjohen, was das Kaiſerreich bei den liberalen
——* in Nachteil hrachte. Zu derſelben Zeit
am es zum Bruch zwiſchen Deutihland und Däne-
marl, Menge verfuchte Napoleon III. zugleich mit
England und Rußland zwifchen König Ehriftian IX.
und den deutſchen Mächten zu vermitteln. Aber
die Aufforderung Englands, zu Gunften Dänemarks
eine lriegerifhe Demonjtration am Rhein zu machen,
lehnte er ab, da er den nationalen Wünſchen
Deutihlands und Schleswig:Holfteins nicht mit
den Waffen entgegentreten könne,
Diefe Vorgänge in der auswärtigen Politik
fanden, neben den Übelftänden im Innern, ein:
aebende Kritik in der neuen Kammer, mo die geijtig
überlegene DOppofition ihr Gewicht ſchon bei der
Adreßdebatte von 1864 fühlbar madte und die
Reden Thiers’ in der Kammer und beim Bublitum
tiefen Eindrud hervorbrachten. Noch lebhafter
war die Morefdebatte von 1865; bier wurde jelbft
der Staatöftreih vom 2. Dez. auf das rüdfichtd-
lofefte zur Sprade gebradt, was zu den leiden:
—— Auftritten führte. Unterdes machte
apoleon III. eine Reife nah Algerien (Mai bis
uni), wo er die Konflikte zwiſchen der Militär und
Civilvermaltung perjönlich beizulegen und die auf:
geregte arab. ———— Proklamationen
u. ſ. w. zu berubigen ſuchte. Während ſeiner Abweſen⸗
beit führte die Kaiſerin Eugenie die Regentſ hir
Gerade in diefe Zeit der wachſenden Oppofition
fiel auch das a ua ev Scheitern des merif. Aben⸗
teuerd. Die Vereinigten Staaten batten ibren
Bürgerkrieg beendet und forderten den bedingungs:
Iofen Rüdzug der Franzofen, wozu fi Napoleon
endlich verjtand. Das war eine entjchiedene Nieder:
lage, der die Hinrichtung des Kaiſers Marimilian
nad dem Abzug der Franzoſen ein befonderes Odium
verlieh. Napoleon juchte den ungünftigen Eindrud
durch einen leichten diplomat. Zriumpb zu ver:
wiſchen und von den Berwidlungen zwiſchen Preu⸗
Ben und Ojterreich in der fchlesio.«holftein. Frage
Vorteil zu ziehen. Er unterftüste Bismards Poli⸗
til, ließ im Mai 1866 durch feinen Geſandten Grafen
Benedetti in Berlin einen europ. Kongreß in Bor:
ſchlag bringen und deutete in einem Gefpräd mit
dem preuß. Geſandten in Paris auf die Rheinlinie
al& eine wunſchenswerte —— für % bin.
Als man dies in Berlin ablebnte, änderte Napo:
leon fein Begehren, indem er die Wiederberftellung
eines deutfchen Rheinbundes Kleiner Fürſten an der
Grenze 5.3 vorfhlug, wenn Preußen auf dem
Kongreß Schleswig : Holftein zugefproden würde.
Aber es follte zu einem ſolchen ongreß nicht fom:
men. Oiterreid faßte den Krieg feft ind Auge und
verbandelte mit Napoleon IIL. über einen Vertrag,
der 12. Juni zu ftande fam. Napoleon ſollte danach
von Djterreib Benetien erhalten, um dies unter
ber Bedingung an Italien zu überlafien, daß dort
die weltliche 5 des —8* und die Unver:
leglichleit der ihm noch unterworfenen Gebiete aner:
kannt und in dem Kriege zwiſchen Preußen und er
rei Neutralität beobadytet werde. Auch Napoleon
verpflichtetefich neutral zu bleiben und eine Schadlos⸗
baltung Oſterreichs auf bi Kosten (Schlefien)
—— wofür Oſterreich F. eine entſcheidende
timme bei jeder Neugeſtaltung der deutſchen Ver:
bältnifje (event. Kompenjationen) zugeitand.
Der raſche Verlauf des Deutſchen Krieges von
1866 überrafchte in Baris um fo mehr, als man auf
Frankreich (Geſchichte 1852—70)
ein langwieriges und wechſelvolles Ringen gerech⸗
net hatie. Am 4. Juli, am * nach der Schlacht
bei Koniggrätz, erfolgte die Abtretung Venetiens
an Napoleon IIL; aber die Hoffnung, von dem ſieg⸗
reihen und fi vergrößernden Preußen «ftompen:
ationen» zu erlangen, ſchlug febl. Wohl batte
reußen die franz. Bermittlerrolle angenommen
und daraufhin Frieden mit Oſterreich geichlofien.
Als jedoch binterber der franz. Geſandte Benedetti
5. Aug. Bimard einen Entihädigungsplan über:
reichte und je F. die Grenze von 1814, in:
bayern und Rheinheſſen nebft Mainz und die Auf:
ebung des preuß. Bejakungsrecht3 in Quremburg
orderte, antwortete der preuß. Minifter in be:
immter Form, wenn die Ablehnung diefer An-
prüche ein Kriegsfallmäre, fo würde Preußen Krieg
übhren. Auf dieſen Beſcheid erflärte Napoleon
angefihts der ſchlechten Armeeverbältnifie, ver
ganze Antrag fei ein Mißverſtändnis gemweien, in
das er während feiner Krankheit durch Drouyn de
l'Huys verwidelt worden fei. Diefer trat 1. Sept.
urüd und wurde durch den Gejandten in Kon:
tantinopel, Marquis de Mouftier, erjept. Ende
1866 betbätigten fich zum lektenmal die Sympatbien
Napoleons II. für die Neugeitaltung Italiens.
Der franz. General Leboeuf übernahm als kaiſerl.
Kommifjar Venetien von dem djterr. Militärtom-
mando 19, Dit., um es fofort den eigenen Muni»
eipalbehörben zu überliefern und die Vereinigung
mit dem Sönigreih Italien anzubabnen. Auch
räumten die franz. Truppen bis Mitte Dezember
Rom und den Kirchenſtaat.
Um aber doch noch eine «flompenfation» an der
deutfchen Grenze zu erwerben und dem populären
Rufe «Revanche pour Sadowa» menigitens in
etwas gerecht au werden, unterbandelte Napoleon
mit König Wilhelm III. von Holland wegen Ans
taufs des Großherzogtums Luremburg. $ vor
—— des Kaufvertrags zeigten jedoch die
Erklärungen Bismards im Norbdeutihen Reichs—
tage, daß dort von einer —32— der beabſichtig⸗
ten Abtretung nicht die Rede jein könnte. Sonab
bielt Napoleon II. es geraten, aud jet wieder
nadzugeben; eine franz. Cirkulardepeſche erflärte,
dat man auf die Erwerbung Quremburgs ver:
zichten wolle, wenn Preußen — das Be⸗
ſatzungsrecht daſelbſt aufgebe. Eine Londoner Kon:
ferenz vereinbarte den Vertrag vom 11. Mai 1867,
der das Großherzogtum für immer neutralifierte.
Dieſe wiederholten Niederlagen der auswärtigen
* wirlten auf die innern Verhältniſſe zurüd.
ie Oppofition nahm an Bedeutung und Um—
fang zu. Zunädft griff Napoleon II. zu Repreflio-
maßregeln: ein Senatstonfult vom 16. Juli 1866
unterfagte jede Diskuffion der Verfaffung außer
durd den Senat und beſchränkte die Befugnis
des Gejekgebenden Körpers auf die Verbeſſerung
von Regierungsvorlagen. Bald darauf aber ver:
ftand fih Napoleon III. zu einigen liberalen Ron-
zeffionen. Ein kaiſerl. Brief an Rouber vom 19. Yan.
1867 jchaffte zwar die Morekvebatte ab, lieb aber
ein Interpellationsrecht zu. Die feit 1852 bejeitiate
Nepdnertribüne im Geſetzgebenden Körper wurde
wieder aufgerichtet und die baldige Vorlage neuer
Geſetze über die Preſſe und das Vereinsrecht ver»
ſprochen. Diejes Dekret zog eine teilmeije Anderung
des Miniſteriums nad ſich, in das Niel als Kriegs⸗
minifter eintrat; doch Rouber (der jog. «Vicelatjer»)
blieb in Amt und Einfluß. Die Reorganijation der
Frankreich (Gedichte 1852— 70)
Armee wurde mit aller Macht betrieben. Das dem
Geſetzgebenden Körper a te Gejfeß follte durch
neunjährige allgemeine Dienjtpflibt (5 bei ber
abne) eine Feldarmee von 800000 Mann und zum
aus der Feitungen und Städte eine mobile Natio:
nalgarbe von 400000 Dann fchaffen. Gleichzeitig
betrieb Niel mit raftlofer Energie die Umwandlung
der Iinfanteriegewehre nad dem verbeflerten Syſtem
Chaſſepot. Der Sommer 1867 verlief im feftlihen
Glanze der zweiten Barifer Welt-Induſtrieaus⸗
ftellung. Im Herbſt 1867 ließ die ital. National:
partei durch Garibaldi fich zu einem Angriff auf Rom
fortreißen. Daher ging 26. Dft. ein frana. Geſchwader
mit Landungstruppen unter General de Failly von
Zoulon in See, und 30. Okt. rüdten die erſten franz.
Bataillone wieder in Rom ein, Am 3. Nov. kam
es bei Mentana zu einem blutigen Gefecht zwifchen
den Freiiharen Garibaldis und den päpftl, Truppen;
legtere waren in Gefahr zu unterliegen, als die
Franzoſen ihnen zu Hilfe famen und ven Ausſchlag
aben. Nachdem die päpftl. Autorität im Kirchen»
aat wieberbergeftellt war, kehrte ein Zeil des
franz. Expeditionskorps nad F. zurüd; doch blieben
einige Truppen in Eivitavechia.
Unterdes war die kaiſerl. Regierung bemüht, die
Geſehvorlage über die Armeereform durchzubringen.
Am 14. Jan. ward das neue Wehrgeſetz im Geſetz⸗
gebenven Körper mit 199 gegen 60 Stimmen an-
— und 1. Febr. vom Kaiſer genehmigt.
ud eine Anleihe von 429 Mill. Frs., vo q ⸗
weiſe zu militär. Zwecken, wurde bewilligt —— i).
Die neuen Gefehe über die Prejie und das Ber:
fammlungsreht kamen im Mai zu ftande; fie
ihufen im Gegenjaß zu dem bisherigen Willfür:
regiment wenigſtens eine gejeßliche Grundlage. Die
ertremen Barteien benupten die gewonnene fFreibeit.
BZablreihe oppofitionelle Zeitungen entitanden;
aber alle übertraf die «Lanterne» von Rocefort
durd ihre unerhörte Rüdfichtälofigleit und fchneis
dende Satire, Auch die Enttbronung der Königin
fabella II. von Spanien (Sept. 1868), mit der
— IIL eben einen Allianzvertrag zu ſchließen
im Begriff war, trug dazu bei, die ufregung zu
fteigern. Am Alle eelentage (2. Nov.) fam es auf
dem Pariſer Kirchhofe Montmartre Pr Demon:
—— man bekränzte die Gräber Cavaignacs,
udins und anderer Republilaner. Da die Polizei
in ungeſchickter Weiſe dagegen einjchritt, wurde
eine Subffription zu einem Dentmal für Baudin
von der Be e eröffnet, und ala der Minifter des
Innern, inard, deshalb ein gerichtliches Verfahren
einleiten ließ, bielten die Verteidiger, darunter
®ambetta, feurige Reden, die den Staatäftreich un:
ummunden ald Verbrechen brandmarften. Napoleon
ſelbſt fand das Verhalten des Minijters ungeſchickt
und erſetzte ihn durch Forcade de la Roquette,
An der Seſſion vom Jan. bis April 1869 dedte
die Oppofition die ganze ſchwindelhafte Finanz:
wirtjchaft bei dem vielgepriejenen Umbau von Baris
auf (f. Haußmann) und betonte die Notwendig:
feit, der Hauptſtadt ihre fommunale Selbſtändigkeit
zurüdzugeben. Gleich nad dem Schluſſe ver Seſſion
wurden die Neumwablen jr vierten Legislaturperiode
auf den 23. und 24. Mai ausgejchrieben, und es
begann von allen Seiten eine lebhafte Wablagi⸗
tation. Der Miniſter des Innern, Forcade de la
Roquette, bot alles auf, um die offiziellen Kan—
didaturen durchzubringen, und dies gelang zum
größten Teil; nur in aris, Lyon, Marjeille und
1031
andern großen Städten erlitt der Imperialismus
und das jog. perjönliche Regiment eine vollftändige
Niederlage; hier wurden jogar die gemäßigten Oppo⸗
fitionellen und Republikaner teilweife durch Radikale
(Gambetta, Bancel, Raspail, Rochefort u. f. w.)
verdrängt, die fih als die «llnverföhnlichen» bes
—— und die Rouheriſten als « Mameluten»
randmarlten. Napoleon IL. empfand die Bedeut⸗
famteit der Krifis und ſchwankte. Um einer parlas
mentarifhen Niederlage zuvorzutommen, richtete
er 12. Juli eine Botthaft mit dem Berfprechen
neuer fonftitutioneller Reformen an den Gejep-
ebenden Körper und vertagte ihn auf unbeftimmte
eit. Rouher wurde entlafjen und zum Senats
präfidenten ernannt, Am 17. Juli erfolgte die
definitive Abſchaffung des Ip Staat3minifteriums
nebft einer — des Kabinetts, was jedoch
teineöwegs eine parlamentariſche Konzeſſion war,
da Forcade de la Roquette und feine meiſten Kol—
legen blieben, während nicht ein einziges Mitglied
der Mittelpartei berufen ward. Am 2. Aug. trat
der Senat zufammen, um über die Berfaflungs:
novelle der Regierung zu beraten, und ri ein
Senatstonfult, das die Kompetenz deö Geſetzgeben⸗
den Körpers und des Senats in manden Stüden
erweiterte und im Princip auch die Minifterverant-
mwortlichleit zugeftand. Durch die Verfaſſungs⸗
änderung war die Stellung des Frei gen immer
unbaltbarer geworden, und jo berief Napoleon ILL
27. Des. 1869 Dllivier zur Bildung eines neuen
Kabinett3, das die Majorität des Geſeßgebenden
Körpers treu vertreten follte. Dies erfte parlamen⸗
tariſche Minifterium unter dem zweiten Kaiferreiche
fam 2. Yan. 1870 & ftande und begann feine
runde mit der Entlajjung des Seinepräfelten
außmann. Am28, März wurde dem Senat der Ents
wurf einer neuen Verfafjung vorgelegt, der unter ans
derm dem Geſetzgebenden Körper einen Anteil an der
fonftituierenden Gewalt, die bisber allein dem Senat
zuftand, einräumte; aber die Minijter follten nad
wie vor nur vom Raifer abhängen, und ihre ans
— Berantwortlichleit war alſo ganz illuſoriſch.
azu behielt der Kaiſer ſich das Recht vor, jederzeit
an das Volt, dem er verantwortlich ſei, zu appel⸗
lieren. Bon dieſem Rechte wollte Napoleon IIL
—F Gebrauch machen; die neue Verfaſſung, ſobald
ie durch Senatskonſult feſtgeſtellt war, ſollte nicht
dem Geſetzgebenden Körper zur Beratung vorgelegt,
jondern durch Volksbeſchluß beftätigt werden. Da:
dur erfhien der neue Parlamentarismus nur als
eine Maste für die Fortdauer der alten perſönlichen
Regierung. Am 20. April 1870 kam dann das
Senatskonſult zu jtande und 8, Mai wurde es mit
allen jeit 1860 bewirtten liberalen Berfaflungs:
reformen durch eine allgemeine Vollsabftimmung
angenommen. Es wurden 7350142 Ya und
1538 825 Nein abgegeben. Doc hatten alle großen
Städte überwiegend mit Nein gejtimmt, und noch
bedenklicher erjcbienen die von der Armee und
Marine —— 50000 Nein. Nichtsdeſto⸗
weniger ſah Napoleon II. in dem PBlebiscit eine
neue Gewähr für jeine Dynaſtie. Auch Ollivier
Ehe fih durch dieſen Griola gehoben und trat
eitdem dem —— Koͤrper mit Schroffheit
entgegen. Die Reformbewegung geriet vollſtändig
in Stodung, und in der auswärtigen Politik war
F. bereits auf eine gefäbrlihe Bahn geraten. Die
definitive Überzeugung, e8 ſei mit Preußen feine Ge:
bietövergrößerung zu erreichen, legte Napoleon ILL
1032
den Gedanten nahe, eine folbe gegen Preußen zu
erjtreben. Der Kaiſer mochte die Vorteile der franz.
Heeresreform überjchäßen, die feit Nield Tode (1869)
nur noch läffig weiter betrieben worden war, und der
Berfiherung des Kriegäminifterd Leboeuf, er fei
«erzbereit» (archipröt), Glauben ſchenken. {Überdies
ward er durch den Herzog von Gramont, der 15. Mai
an Graf Darus Stelle das Auswärtige Amt über:
nahm, ſchlecht genug beraten. Die von der Kaiſerin
unterjtüßte ger chürte aufs eifrigjte, und
fo ward die Wahl des Erbprinzen Leopold von
Hohenzollern zum König von Spanien als bequemer
Vorwand ergriffen, um Preußen zu demütigen oder
den Krieg zum Ausbruch zu bringen. Als 12. Juli
die Entjagung des Erbprinzen Leopold befannt ge
worden war, ſchien —— der ſpan. Zwiſchenfall
— zu fein. Aber an demfelben Abend fand
ein Minifterrat unter dem Vorſiß Napoleons IIL
ftatt, und bier ward ein Beſchluß gefaßt, der den
Krieg unvermeidlich madte. Der franz. Botſchafter
Benedetti mußte 13. Juli auf der Brunnenprome:
nade zu Ems dem preuß. Könige Wilhelm I. das
Anfınnen Sr er jolle die beftimmte Berfiherung
geben, daß die hobenzoll. Kandidatur nicht wieder
aufgenommen werden bürfe; auch eine fchriftliche
Entihuligung wegen diefer Sache, in Form eines
Briefs des Run an Napoleon IIL, wurde bean:
ſprucht. Als Wilhelm I. diefe Zumutungen kurzweg
abwies, dem franz. Botſchafter weitere Audienzen
in * Sache verweigerte und Bismard den Sadı:
verhalt in der von ihm in —— Form redigierten
Emſer Depeſche⸗ amtlich befannt machen ließ, er:
Härte man die Ehre F.s verlegt. In der Sitzung
vom 15. Juli erbob Thiers vergebens feine war:
nende Stimme. Dllivier verficherte, daß das Miniſte⸗
rium «mit leichtem Herzen» die Berantwortlicteit
übernehme. Am 19. Juli wurde die franz. Krieges
erflärung in Berlin überreiht, und Napoleon III.
übernahm in Meß 28. Juli das Oberkommando der
Rheinarmee, nachdem er der Kaiſerin Eugenie die
Regentſchaft übertragen hatte.
er Deutich: Franzöfifhe Krieg von 1870 und
1871 (f.d.) enthüllte überrafchend ſchnell die äußere
und innere Schwäche des zweiten Kaiſerreichs. Gleich
nad den erſten Niederlagen trat das Minifterium
Dllivier vor einem Mißtrauensvotum des Geſetz⸗
——— Körpers zurüd. Das neue Kabinett, unter
orfig des Generals Eoufin-Montauban, bot alles
auf, um bie Wehrkraft 5.8 zu verftärfen und Paris
u verproviantieren, Unterdes warb bie franz.
rmee in einer Reihe großer Schlachten vernichtet,
Napoleon III. jelbft ergab ſich bei Sedan (2. Sept.)
friegsgefangen; der katjerl. Prinz, der feinen Vater
begleitet hatte, batte fich bereit# über Belgien nad
England — Auf die Nachricht von dieſer Kata⸗
ſtrophe brachen in — Unruhen aus; in der Nacht
vom 3. auf den 4. Sept. beantragte Jules Favre im
Geſetzgebenden Körper die Abjekung der kaiſerl. Dy⸗
najtie. Eoufin: Montauban wagte nicht, der Ber
mwegung ernitlich entgegenzutreten, da Militär und
Nationalgarde fih unzuverläffig zeigten. Am4.Sept.
nachmittags —— ein Vollshaufen das Sißzungs⸗
lolal des Geſehgebenden Körpers, der Senat löſte
ſich auf, und während Gambetta unter allgemeinem
Enthuſiasmus die Republik proklamierte, flüchteten
die Kaiſerin und die Häupter der laiferl. Bartei, um
in England Zuflucht zu fuchen.
15) Unter der dritten Republil bis
zum Rüdtritt Thiers’ (1870—73). Nob am
Frantreich (Geſchichte 18370—73)
Abend des 4. Sept. 1870 konſtituierte ſich auf dem
Pariſer Stadthauſe eine « Proviſoriſche Regierung
der nationalen Verteidigung», die aus lauter Ab-
eorbneten der Linfen beftand (Arago, Erdmieuz,
jene, erry, Gambetta, Garnier: Bagts, Glais-
izoin, Belletan, Picard, Rochefort, Simon). Den
Vorſitz und das Generaltommande von Baris erbielt
General Trohu. Jules Favre wurde Vicepräfident
und Minifter des Auswärtigen und begann feine
Funltionen mit einem diplomat. Rundicreiben vom
6. Sept., worin er erllärte, daß die Regierung den
Frieden wunſche, aber «nicht einen Zoll breit des
nationalen Gebietes,nicht einen Stein von den franz
Feſtungen⸗ abgeben werde. Denjelben Anſpruch
erhob Favre in einer mündliben VBerbandlung mit
Bismard zu Ferriöres 19. bis 20, Sept. Tbiers
übernabm eine diplomat. Miffion nah London,
Dien, Peteräburg und Florenz, um die Bermittelung
der neutralen Mächte zu erbitten; aber er fand
nirgends Gehör. Auch feine Unterbandlungen mıt
Bismard, 1. Nov. in Berjailles, führten zu feinem
Reſultat. Als die deutſchen Heere gegen Baris vor:
rüdten, beſchloß die franz. Regierung, das Schichſal
der Hauptſtadt zu teilen, Doch ward zur Verwaltung
der Provinzen eine Delegation nah Tours abge
ordnet, wo Bambetta als Minifter des Krieges und
des Innern thatſächlich die Diktatur an ſich riß
Am 19. Sept. war die Einfhliekung von Paris
beendigt. Straßburg und Mes kapitulierten. An:
fang Dezember 2* die Regierungsdelegation
von Tours weiter ſudlich nach Bordeaux flüchten, und
auch die Regierung von Paris hatte einen ſchweren
Stand. Alle Anſtrengungen, den rg mer
tel zu durchbrechen, blieben erfolglos, und Mangel
an Yebensmitteln ftellte fi ein. Dazu gab es im
Innern eine ertreme Partei, die in Verbindung mit
der internationalen ag sr: saisihgih ftand und
fih auf die bewaffnete Bevöllerung der Arbeiter
quartiere Belleville, Montmartre u. f. w. ftüste.
Abgefeben von kleinern Rubeftörungen, verfucte
diefe 31. Dit. 1870 und 22. Yan. 1871, zunädit
obne Erfolg, fi der Gewalt zu bemädtigen unt
eine ſog. Commune einzufegen. Unter diejen Um—
ftänden fab fi die Regierung der nationalen Ber:
teidigung genötigt, den Frieden zu erbitten.
Am 28. Jan. 1871 wurde zwiſchen Favre und
Bismard eine Konvention über einen dreimödbigen
Maffenftillitand zu Lande und zu Waſſer unter:
zeichnet. (S. Deutſch⸗Franzoſiſcher Krieg von 1870
und 1871, IV). brend diejer Waffenrube, die
fpäter bis zum 3. März verlängert wurde, jollte
durch allgemeine freie len eine Rationalver:
fammlung gemäblt werden, um über ben Frieden
u verhandeln. Als Gambetta verjuchte, die Wabl⸗
eibeit zu Gunften der Republilaner zu beichränten,
wurde fein Delret weder von Bismard noch von der
Barifer Regierung anerlannt, und bei der allgemei-
nen Friedensſehnſucht des franz. Volls jab er ſich zum
Nüdtritt genötigt. Am 8. Febr. fanden die Wahlen
ftatt, und am 12. bielt die Rationalverfammluns
in Borbeaur ihre erjte Sigung. Tags darauf legte
die Regierung der nationalen Verteidigung i
Funltionen in die Hände der Verſammlung nieder,
und diefe ernannte 17. Febr. Thierd zum Chef ver
Grebutivgemwalt, unter dem Jules Favre das Mini
fterium des Auswärtigen bebielt. Am 26. Febr
wurden bie riedenspräliminarien in Berjailles
zwiſchen Thiers und Favre einerjeits, Bismard und
den Bevollmächtigten von Bayern, Württemberg
Frankreich (Geſchichte 1870—73)
und Baden andererſeits abgeſchloſſen, wodurch F. die
Provinzen Elſaß und Deutſch-⸗Lothringen, mit Mes,
aber up Belfort, an das Deutſche Reich abtrat
und ſich verpflichtete, 5000 Mill. Frs. Kriegsloſten
gi bezablen; bis nad geleifteter Zahlung follte ein
eil des franz. Gebietes von deutichen Truppen be
jegt bleiben. Diefe Bräliminarien wurden 1. März
vonder Nationalverfammlung zu Bordeaur,2. Mär
von Kaiſer Wilhelm I. ratıfiziert. Kurz —
(20. März) ſiedelte auch die Nationalverſammlung
nebſt der Exelutivgewalt aus Borbeaur nach Ber:
failles über. In Paris aber brad 18. März ein
neuer erfolgreicher Aufitand aus, und die Com—
mune bemächtigte fi der Gewalt. Die Bewegung
blieb jedoch — die Hauptſtadt beſchränkt, die
Armee der Verſailler Regierung treu, und nach
langwierigen blutigen Kämpfen (ſ. Paris) wurde
der Aufſtand niedergeſchlagen und die Ordnung
wiederhergeſtellt (28. Mai), Schon zuvor war der
definitive Friedensſchluß mit Deutichland erfolgt.
Nah Beitimmung der Präliminarien waren zu Brüj:
” 28. März franz. und deutſche Bevollmädhtigte zu:
ammengetreten, um die Einzelheiten weiter zu bes
raten; doch die Berhandlungen ſchleppten ſich bin,
und man vermochte ſich namentlich über die finan—
ziellen Fragen nicht zu einigen. Da griff der Reichs—
tanzler Bismard perfönlih ein, und in einer Zu:
fammentunft zwiſchen ihm und den franz. Minijtern
Favre und Bouyer:Quertier zu Seandler: a. M. (6.
bis 10. Mai) wurden alle ſtreitigen Punkte ſchnell
erledigt. Der Frankfurter Friede (ſ. d. vom 10. Mai
1871 beftätigte im mejentlichen die PBräliminarien.
Die Wahlen vom 8. Febr. hatten unter Heritalen
Einflüffen und unter dem Drude der Berbältnifje
eine überwiegend legitimiſtiſch-orléeaniſtiſche Ma:
jorität ergeben, jo daß man allerfeitö mit Furcht
over Hofinung einer baldigen monarchiſchen Reſtau⸗
ration entgegenjahb. Die Prinzen des Haufes
Orleans kehrten nah F. zurüd; der Graf von
Chambord (Heinrid V.) erihien zu einem längern
Beſuch auf feinem Gute Ebambord, und die beider:
ir en Anbänger verbandelten wieder über eine
en beider Linien. ex wurde aber
dur das Manifeſt Ehambords 5. Juli, worin er
erllärte, daß er die weihe Fahne Heinrichs IV. nicht
—— könne, zur Unmöglichkeit. Nun ſuchte
hiers fich der monarchiſch gelinnten Mayorität zu
verfichern, indem er immer mebr Männer von
orleanijtifcher Yärbung ins Kabinett berief. Der
Republilaner Aules Favre trat zurüd, und Charles
de elle übernabm3. Aug.das Auswärtige Amt;
fpäter erbielt Gafimir: Berier (der Sohn) das Mini:
fterium de3 Innern. Am 12. Aug. wurde aus dem
(inten Centrum der Rationalverfammlung ein Geſetz⸗
, entwurf eingebracht, der die Verlängerung der Voll:
machten Thiers’ auf drei Jahre mit dem Titel eines
Präſidenten der Republit beantragte, unter gleich⸗
zeitiger Einfegung eines verantwortlihen Miniftes
riums. Nach einer heftigen Debatte (30. und 31. ug.)
erfolgte die Annahme des Geſetzes mit 491 gegen
93 Stimmen. Dasjelbe beftimmte, daß Thiers ala
« Präfident der Nepublil» die Grefutivgemalt aus⸗
üben ſolle unter der Autorität der Nationalvers
fammlung, bis dieje ihre Arbeiten beendet babe;
er jolle am Siß der Verſammlung refidieren und
auf Verlangen Ban: von ihr gebört werden.
Somohl der Prälident wie die Minifter, die diejer
ernennt und entläßt, follten vor der Nationalver:
fammlung verantwortlid fein. Bald darauf ver:
1033
tagte fibh die Verfammlung vom 17. Sept. bis
4. Dez., nachdem fie für die Dauer der ‘Ferien eine
permanente Kommiffion von 25 Mitgliedern ein:
geiekt hatte,
Die nächſten Ziele der franz. Regierung und
Nationalverjammlung waren einerjeit3 die mög:
lift baldige Befreiung des Landes von der feind:
liben Bejegung und die Verbeflerung des Militär:
weſens nad) preuß. Mujter, andererjeitö der Aus:
bau der Verfaſſung. Zur Bezahlung der zwei erjten
Milliarden Kriegsentihädigung nahm Thiers im
Juni 1871 eine Anleihe von 2500 Mill. Fr3. und
ur Abzahlung des Reſtes im Juli 1872 eine An
eihe von mehr als drei Milliarden auf. So mar es
B möglich, dur rajchere Zahlungen das Ende dei
ccupation früher herbeizuführen, als beim Frie—
pe. in Ausfiht genommen war. Nachdem
die legte Zablung 5. Sept. 1873 geleijtet war, ver:
ließen die legten deutichen Truppen unter General
Manteuffel das franz. Gebiet. Freilich Teufen die
boben Zinsſummen für da3 entliehbene Kapital
(750 Mill. Frs. gegen 350 Mill. vor dem Kriege)
den Staatäfinanzen nicht geringe Verlegenheiten,
fo daß Jahr für Jahr das Budget ein Deficit aufs
wies, das Thiers nur mübfam dur neue Steuern
und Zölle (au auf Robjtoffe) zu deden ſuchte.
Trotzdem wurde die Nilitärreorganifation mit Nach⸗
drud ausgeführt. Die Nationalverfammlung be
mwilligte für dieſen Zweck jede ihr angefonnene
Summe und bot fogar der Negierung noch mehr
Geld an, als dieje verlangte. Das Kriegädienft:
eſeß vom 28. Juli 1872 (arte die allgemeine
ehrpflicht in der reg ein, daß ein Teil der Manns
ſchaft zu fünfjähriger Präſenz, der andere zu ſechs⸗
monatigen Übungen verpflidtet war. Außerdem
wurde eine Dienftzeit von vier Jahren in der Re:
ferve und von elf Jahren in der Territorialarmee
(Landwehr) feſtgeſeßt. Diejes Gefe wurde vervoll:
jtändigt durd das Organiſ ri vom 24. Juli
1873 und durd das Gadresgejeb vom 13. März 1875.
Durd jenes wurde die Zahl der Negimenter be:
jtimmt (144 Regimenter Infanterie, 70 Regimenter
Kavallerie, 28 Negimenter Artillerie) und dieſe
unter 18 Urmeetorps verteilt, wofür die ommans
dierenden Generale fofort ernannt wurden; ein
19, Armeelorps ward für Algerien errichtet und
unter dad Kommando des dortigen Generalgouver:
neurd Chanzy geſtellt. Durh das Gadreägefek
wurden die Bataillondcadres in der Weife ver:
mebrt, daß die Maximalſtärke des Reniments auf
4000 Dann erböbt wurde. War diejes Geſetz durch⸗
geführt, jo beitand die franz. Infanterie aus 641
ataillonen, Für den Revanchekrieg arbeiteten alle
Barteien in %.; auch die Pläne der Jeſuiten ver:
banden fih damit. Unter der Herrichaft der lektern
ſollte das gedemütigte F. wieder aufgerichtet, das
Volk für den nationalstleritalen Kreuzzug gegen
Deutſchland aufgeftachelt werden. Wunperquellen
(f. Lourdes), Wundererfheinungen, maſſenhafte
rozejfionen, Abfingung von Glaubensliedern mit
einem Revanderefrain follten den Fanatismus
in einer gewijjen Höbe erhalten, Die Klerikalen,
von der Regierung meift begünftigt, gingen in ihren
Forderungen immer weiter, bis ibnen zulekt das
Unterrihtögefeß vom 12. Juli 1875 das Recht der
Gründung «freier Univerjitäten» und der Teil:
nabme an der Erteilung der alademiſchen Grade
—— wodurch ſie, die bereits den ganzen
ollsunterricht und bie Leitung der weiblichen Er-
1034
ziehung und Bildung in ihren Händen batten, au
den böbern Unterricht und die Träger der höhern
Bildung unter ibre Gewalt zu bringen hofiten.
Weniger Einigkeit herrſchte unter den Barteien,
00 e3 fid um den Ausbau der Verfaffung banvelte.
Die Monardiften jpalteten fi in Legitimiften,
Drleaniften und Bonapartijten, und jede diefer drei
Parteien hatte ihren befondern PBrätendenten; die
Republitaner bildeten gleihfalla drei Gruppen:
gemäbigte, entſchiedene und raditale Republilaner.
o fam e3, daß eine Dreißiger-Kommiſſion, welche
die fonftitutionellen Geſetze ausarbeiten follte, in
der Berfammlung keine Mebrbeit fand. An diejen
Schwierigkeiten nutzten ſich mehrere Minifterien ab,
und mit der Verfaſſung aing eö nicht vorwärts.
So viele Verdienſte auch Thiers als Präſident der
Republik hatte, jo gürnten ihm doch die Monarchiſten,
weil er ihre Pläne nicht ausführte und in einer
san ri vom Nov. 1872 die thatjählihe Ne
publit dem Ungewiſſen vorzog. Als nun Thiers
bei der Neubildung des Minijteriums 18, Mai 1873
die —— ehrheit gar nicht mehr berüd:
ſichtigte und jein Kabinett nur no aus den Reiben
der gemäßigten Republikaner refrutierte, bean:
tragten die Monarchiſten ein Tadelsvotum gegen
ihn, das 24. Mai mit 360 gegen 344 Stimmen an:
genommen wurde. Darauf nahmen Thiers und
deſſen Miniſter ihre Entlaffung, und Marſchall Mac:
Mahon wurde no in der nämlichen Sigung zum
Präfidenten der Republik gewählt.
16) Unter der Bräfidentihaft Mac-Ma:
hons (1873—79). Der neue Präfident ernannte
ein aus 2egitimiften, Orldanijten und Bonapartijten
zufammengefegtes Minifterium, worin der Herzog
von Broglie den VBorfig führte und das Auswärtige
übernabm. Die neue Vräfidentihaft ſchien nicht
von langer Dauer zu fein, denn die Legitimiften
betrieben leidenſchaftlicher als je die Verſchmelzung,
batten viele Drleaniften dafür gewonnen und formus
lierten bereit3 einen Antrag auf Zurüdberufung
des Grafen Chambord auf den Thron feiner Väter.
Da aber diejer in einem Briefe an Cheönelong
vom 27. Okt. eine bedingungslofe Zurüdberufung
verlangte und wederin der Fahnenfrage (ob Tritolore
oder die weiße Fabne) nod in der Berfafjungsfrage
zum voraus eine bindende Erflärung abgeben wollte,
jo zogen fi die Drleaniften zurüd, Dagegen ver:
langte nun Mac-Mabon die Herftellung einer ftarten
Erefutive, und die Berfammlung beſchloß, die Dauer
der Präfidentichaft auf fieben Jahre feſtzuſetzen.
Unter dem Brogliefchen Minifterium machten
der Ultramontaniömus und der Bonapartismus
ſehr bedeutende Fortſchritte. Die Hirtenbriefe_ der
franz. Bifchöfe überboten fih in Angriffen auf die
Perſon des Deutſchen Kaiſers und die Reichäregie:
rung, fo daß der Kultusminifter in einem Rund:
ſchreiben vom 26. Dez. 1873 die Bifchöfe zur Vor:
ſicht ermahnte und Bismard die franz. Regierung
zur Rede jtellte. Die Bonapartijten errangen bei
den Exſatzwahlen mehrere günjtige Erfolge und
faben fi im Befige der meiiten böbern Beamten:
ftellen. Nach dem 9. Yan. 1873 erfolgten Tode des
Grlaifer3 Napoleon ſcharten fie fih um deſſen Sobn,
der 16. März 1874 in Ehifelburft die Feier feiner
Großjährigleit beging. Sie agitierten namentlich
unter bem niedern Volle und warteten die günftige
Gelegenbeit zu einem Staatsjtreiche ab.
‚Inzwiihen war Broglie gefallen. Nachdem er
die Annahme des Mairegeſeßes vom 20. Yan. 1874
Frankreich (Geſchichte 1873—79)
durchgeſetzt hatte, mwoburd die Ernennung der
Bürgermeijter volljtändig in die Gewalt der Ke
gierung gebradht ward, legte er noch ein bödft
realtionäres Senatögefek und ein das allgemeine
Stimmredt befhräntendes Gefeg für die —*
netenwahlen vor. Doc bei der Frage, ob das
Wahlgeſetz fofort zur Beratung lommen jolle, ent:
Ihied die Verſammlung gegen Broglie. Daraui
nabm er 16. Mai 1874 feine Entlaffung, und ftrieas:
minijter Ciſſey bildete 22. Mai ein neues, gleichfalls
den monarchiſchen Parteien entnommenes Kabinett.
Die Bevorzugung der Klerilalen und Bonapartiften
dauerte fort. Bei der Beratung der Geſetze über
die Übertragung der Gemwalten und über die Wahl
und die Befugnifje des Senats fam es endlich zur
Entſcheidung, indem das rechte und das linte Een:
trum der Nationalverfammlung ſich vereinigten und
beiden Gejegen in einer von der ng
abweichenden Yaflung im Febr. 1875 zur Annahme
—— Das eine dieſer Geſetze beſtimmte das
Verhältnis des Präſidenten der Republil, der auf
* nahe gewählt werden und wieder wählbar
ein follte, zum Senat und zur Abgeorbnetenlammer;
das andere jeßte die Zabl der Senatoren auf 300
eit, wovon 75 von der Nationalverfammlung auf
ebenszeit (und bei Todesfällen deren Nachfolger
durch Kooptation vom Senat), 225 von den Der
partements und Kolonien durch deren Abgeorbnete,
General: und Arrondifjementsräte und inde:
vertreter auf neun Jahre gewählt werben follten.
| dieje Beihlüffe bin, die nicht zum Geringiten
aud durch die Mäßigung der fortgeichrittenen Ne
publitaner unter Oambetta ermögliht worben wa:
ren, trat dad Ministerium Ciſſey ab, und 11. März
bilvete Buffet, der jeit 4. April 1873 Präfident der
Nationalverfammlung geweien war, ein neues Ra-
binett. Darauf folgte 16. Juli die Annabme des
Geſetzes über die Nechte der Kammern und des Prö
fidenten, 2. Aug. die des Wahlgeſetzes für den Senat
und 30, Nov. die des Geſetzes über die durch Arron⸗
bifjementsabftimmung (nit nah Liſten) vor
zunehmende Mabl der Abgeordneten. Die Wahl der
von der Nationalverfammlung zu erwäblenden 75
Senatoren wurde vom 9. bis 21. Des. in elf Ab-
timmungen volljogen und batte einen Sieg ber
inten, alfo eine gänzlihe Niederlage des Minifte
riums Buffet zum Rejultat.
Alles bingnun zunädft von den Neumablen in den
Senat und die Abgeorbnetenlammer ab. Eie fielen
roßenteild im Sinne der neuen Verfaſſung aus,
b daß von den 532 Abgeordneten etwa 360 als
epublifaner, 170 als Monardiften, darunter 80
als Bonapartiften galten. Im Senat batten aller:
dings die Republikaner nicht die Mebrbeit (149 von
300 Stimmen); aber aud die monarchiſtiſche Orpe-
fition hatte fie nicht (139), pp daß einer Gruppe des
rechten Centrums die jeweilige Entſcheidung zufiel
Jedenfalls beveuteten die Wahlen eine ——
Niederlage der Reaktionäte, am allermeiſten ver
Kleritalen und Buffets, der jelbit in eine ber
beiden Kammern gewählt wurde. Er gab 21. Febr.
1876 feine Entlafjung ein, und 9. März wurbe ein
— aus Männern des linfen Centrums ar
ilvetes Minifterium ernannt, defien Ehef Dufaure
war. Am 7. März fand die Eröffnung der neuen
Seifton ftatt, und am 13. wurden die definitiven
Vorftände der beiden Kammern gemwäblt: im Senat
Audiffret⸗ Pasquier, in der Abgeorbnetenlammer
Grevy. Die Republilaner verlangten von der Re
Frankreich (Gefchichte 1879— 87)
ierung zunächſt Entlafjung aller legitimiftifch oder
Pomaparlifi ch gefinnten Präfekten und Aufbebung
des neuen Mairegeſetzes und des Belagerungszus
ſtandes. Die Erfüllung des erſten Punktes ſcheiterte
an dem Widerſtreben Mac-Mahons; der Belage—
rungszuſtand wurde, einem in beiden Kammern an:
genommenen Antrag entiprehend, von der Re
gierung aufgehoben, ſowie aud einige von Buffet
willtürlich Br Beſchränkungen des Preb:
ejeges abgejhafft. Ein von Victor Hugo und von
Raspail geftellter Antrag auf Erlaß einer allge:
meinen Amnejtie für politiihe und Preßvergehen
wurde mit großer Mehrheit verworfen. Das von
dem Unterrihtsminifter Wabdington vorgelegte
Geſetz, wonach das 1875 angenommene Unterrichts:
gejes dahin abgeändert werden follte, daß künftig
die Verleihung der alademijhen Grade nur dem
Staate zujteben vr wurde von der Abgeorbneten:
tammer 7. Juni eiätigt, aber vom Senat 11. Aug.
abgelehnt. Das Mairegefeg von 1874 warb von
den a per am 11. Juli aufgehoben und
die Wahl der Bürgermeijter wieder den Gemeinden
überlaffen mit Ausnahme der Hauptorte der Arron:
diffement3 und Stantone, in denen fie von der Re
ierung abbängig blieb. Zugleich ſollte vor der
abl der Bürgermeifter eine Neumahl fämtlicher
Gemeinderäte vorgenommen werden. Der Senat
—— 11. un das von der Abgeordneten:
ammer beſchloſſene Bürgermeiftergejes, lehnte aber
den legten Zufas ab. Die Neuwahlen der Bürger:
meijter wurden 8. Oft. in 33000 Gemeinden voll:
zogen und fielen meift in republifanifchem Sinne
aus. Da war es für die Regierung verhängnisvoll,
daß fie eben jest den Rittern der Ebrenlegion, deren
Beerdigung obne kirchliche eier erfolgte, auf Drän—
gen der Klerifalen die Erweifung militär. Ebren
verjagte. Um fih aus der Verlegenbeit zu belfen,
legte fie 23. Nov. 1876 einen Gefekentwurf vor,
mwonad; die militär. Ehren nur den altiven Militärs
erwiejen werden jollten. Dieſe ofientundige Hin:
neigung zu klerikalen Tendenzen erregte einen ſolchen
Sturm, dab das Kabinett Dufaure 2. Dez. den
Geiekentwurf zurüdziehen und einer ——
zuſtimmen mußte, die bei der fünftigen Anwendung
des Beitattungsreglements bie beiden Grundfäße ber
——— eit und der Gleichheit der Bürger vor
dem Gejek aufrecht erhalten wiſſen wollte. Da das
Kabinett nunmehr weder im Senat, dem es zu liberal,
noch in der Abgeorbnetentammer, ber e3 zu Herital
mar, eine Mebrheit hatte, jo nahm es feine Ent:
lajjung. Nach langen Verhandlungen fam dann
12. Dez. ein neues Miniſterium zu ande, in dem
un imon, Mitglied der gemäßigten Linken, die
räfidentfhaft und das Bortefeuille des Innern
übernahm, Martel die der Juſtiz und des Kultus,
alle andern Portefeuilles in den Händen ihrer bis-
— Inhaber blieben.
uf die Agitation der Klerilalen, die von Mac:
Mahon verlangten, er folle alle Mittel anwenden,
um der Unabbängigteit des Papſtes Achtung zu
verſchaffen, fennzeichnete Simon 3. Mai 1877 an:
aefihtö der ital. Garantiegejehe die Reden von
einer Gefangenichaft des Papſtes als libertreibun:
gen. Darauf beklagte fih der Papſt öffentlih dar:
über, daß der franz. Miniiterpräfivent ihn als einen
Lügner bezeichnet habe. Dies bielten die Ratgeber
Mac Mabons für einen günftigen Anlaß, um mit
der parlamentarifchen Herrihaft aufzuräumen. In:
folge eines Schreibens des Marſchalls an Simon,
1035
worin jener feinen Zmeifel ausprüdte, ob das
Minifterium noch genug Einfluß in der Kammer
babe, reichte das Kabinett 16. Mai feine Entlafjung
ein, worauf 17. Mai ein aus Legitimiſten, Eleritalen
Drleaniften und Bonapartijten zufammengejeßtes
Minifterium gebildet wurde, worin der Herzog von
Broglie das Präfidium und die Juftiz, Fourtou das
Innere übernahm. Am 23. Juni erteilte der Senat
die von der Regierung verlangte Zujtimmung zur
Auflöfung der Kammer, die 25. Juni erfolgte. Das
Reiultat der von Bambettas —— beeinflußten
Neuwahlen vom 14. und 28. Okt. war, dab etwa
320 Republilaner und 210 Monardiiten, darunter
112 Bonapartiften, gemäblt wurden. Da das
Minifterium mit einer republitanifchen Kammer:
mebrbeit von 110 Stimmen nicht verhandeln konnte
und überdies am 4. Nov, auch die Generalrats: und
Bezirklswahlen vorwiegend republikaniſch ausfielen,
jo gab es 20.Nov. feine Entlafjung ein, und 23. Nov.
wurde ein reines Geſchäftsminiſterium ernannt, an
deilen Spike der General de la Rochebouet ftand.
Aber die Kammer erllärte am Tage darauf, daß fie
zu einem Minifterium, das die Verneinung der
Vollsrechte und der parlamentarifchen Necte fei,
nit in Beziebung treten könne, und die Budget⸗
tommiffion weigerte fih, der Kammer die Be
willigung der direlten Steuern vorzufchlagen. Dar:
auf wurde Dufaure vom Marſchall mit der Bildung
eines neuen Kabinett beauftragt, das 14. Dez. 1877
zu ftande fam und worin er die Juftiz, Waddington
das Auswärtige, Say die Finanzen, Freycinet die
öffentlihen Arbeiten übernahm. Sämtlihe neue
Minifter gehörten der republitanifchen Partei an,
und fünf von ihnen waren Proteitanten.
In der Seffion von 1878 bemilligte die Kammer
das Amneitiegeiek für alle Preßvergeben des 3.1877
und jür alle Vergeben genen das Vereinsgeſetz.
Durch das Delret des Präjidenten vom 26. Juni
wurben etwa 1300 Teilnebmer am Communeauf:
ftand begnadigt,nachdem ſchon vorher 890 amneſtiert
worden waren. Die Weltausftellung in Baris wurde
1. Mai eröffnet, die Entbüllung der Statue der
Republik auf dem Marsfeld 30. Juni als nationaler
Feittag gefeiert. Bei den 5. Yan. 1879 vorgenom:
menen Senatorenwahlen wurden 60 Republifaner
und 15 men: gemäblt, während 56 Mon:
ardiften und 19 Nepublitaner ausgetreten waren,
Dadurch erbielten die Republifaner, und zwar die
gemäßigten, aub im Senat eine Mebrbeit von
58 Stimmen. Freilih war damit auh Mac: Mabons
Stellung mwantend geworben. Die Republifaner
verlangten die Abfegung der bonapartijtiih ges
finnten Generale und ihre * durch jüngere,
von Gambetta begünſtigte. Da Mac-Mahon die
Unterzeichnung der bierauf bezüglichen Dekrete ver:
weigerte, bot das Miniftertum feine Entlafjung an,
Aber ein Ministerium, das ibm nicht die nämlichen
Delrete vorgelegt bätte, zulammenzubringen, war
ibm —— daher er ſelbſt 30. Jan. 1879 Du:
faure die Niederlegung feines Amtes ankündigte.
17) Unter der Wräfidentida t Grevys
(1879—87), Sofort traten Senat und Kammer zum
Kongreß zufammen und wäblten den Bräfidenten der
Kammer, Jules Grevy, mit 563 von 713 Stim:
men zum Bräfidenten von F. worauf die Kammer
31. Jan, mit 314 gegen 91 Stimmen Gambetta zu
ihrem Vorſihenden wählte. Nun konnte fih aber
auch das Minifterium Dufaure nicht mehr halten,
und 4. Febr. bildete Waddington ein neues Kabinett,
1036
in dem er neben dem — das Auswärtige,
Ferry das Unterrichtsminiſterium übernahm, Say
und Freycinet ihre Poſten behielten. Das linte
Gentrum, die gemäßigte Linle und die jog. republi:
taniſche Union waren in diefem Kabinett vertreten.
Die Veränderungen in den Militärfommandos er:
folgten jebt obne Widerjtand. Ein radikaler Antrag
auf Erlaſſung einer allgemeinen Amnejtie wurde
zwar von beiden Kammern abgelehnt, dagegen aber
ein von der Regierung vorgelegte Amnejtiegejek
angenommen, das die mögen Verbrechens gegen
das gemeine Recht Verurteilten ausſchloß und den
Amneftierten nicht 5* auch die bürgerlichen
Rechte — Im Sinne der vorwaltenden libe⸗
ralen Strömung wurde auch die Zurückverlegung
der beiden Kammern von Verſailles nah Paris
befhloffen und als Termin bierfür der 1. Nov,
feftgeiegt. Die von dem Unterrichtsminiſter Ferm
vorgelegten Gejekentwürfe, von denen der eine den
Rongregationen das Recht, höhere Schulen und
Benjionate zu unterhalten, entziehen, ber andere den
übermäctigen Einfluß der Geiſtlichleit auf das
Unterrichtsweſen bejeitigen und einen aus Laien zu:
genug Are oberiten Unterrichtörat dem Mini:
ter zur Seite . wollte, wurden von der Kammer
9. und 18. Juli genebmigt. Bald war den Republi:
fanern aub das Miniſterium Waddington nicht
mehr genebm, da es ihnen nicht energisch genug gegen
bonapartijtifche Beamte verfuhr. Bon den vier Fral⸗
tionen der Nepublifaner: linfes Centrum, republis
taniſche Linke, republitanifche Union, äußerite Linke
(Ravitale), arbeiteten hauptſächlich die zwei mittlern
an dem Sturz des Rabinettö, und da diefes unter
— Umſtaͤnden die Kammermehrheit nicht für
& hatte, jo gab es feine Entlaſſung ein, worauf
29. Dez. 1879 der Bautenminijter Freycinet ein
neues Minifterium bildete, worin er neben dem
Präſidium das Auswärtige übernahm, Ferry das
Unterridtsminifterium bebielt.
In der el. von 1880 lagen die Ferryſchen
Unterrichtögejege dem Senat zur Beratung vor. Er
enehmigte fie, lehnte aber den wichtigſten Artikel
I), wodurch den Mitgliedern der vom Staate
nicht anerlannten Kongregationen verboten war,
eine öffentlihe oder private Unterrichtsanftalt zu
leiten oder daran Unterricht zu erteilen, mit 149
ge en 132 Stimmen ab. Da diejer Artilel den
werpunkt des ganzen Geſetzes ausmachte, jo
hatte letzteres ohne jenen feinen Wert. Daher ver:
langten die Republikaner, daß die Regierung nach
den Geſetzen von 1790, 1792 und 1804 gegen die
Kongregationen verfahren ſolle. Ein ſolches Ein—
gan war um jo mehr geboten, da in 5. 500 vom
taat nicht ermächtigte Kongregationen mit 22 000
Mitgliedern, darunter mehr ala 7000 männlidyen,
beitanden, die Jeſuiten 74 Pebranftalten und ein
Perſonal von 1011 Mitgliedern hatten, die Zahl der
von Ordensmitgliedern unterrichteten Schüler etwa
20 000 betrug, wovon die Hälfte in Jeſuitenanſtal⸗
ten war. Daber erließ auf Grund diefer Geſeßze
der Präfident Grevy 30. März 1880 zwei Delete,
von denen das erjte den Jeſuiten befahl, binnen
3 Monaten ihre gejellihaftlibe Verbindung auf:
zulöjen und ihre Anjtalten in 5. zu räumen; das
zweite alle nicht anerkannten Rongregationen auf:
'orderte, binnen 3 Monaten bei der Regierung
um die Prüfung und Genehmigung ibrer Statuten
und Neglements und um die geieglibe Anerlen:
nung für jede einzelne ibrer bisher nur thatſächlich
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
beſtehenden Anſtalten nachzuſuchen. Da ſämtliche
Biſchöfe Proteſtſchreiben gegen dieſe Märzdekrete
erließen und die Obern der Kongregationen in
einer Verſammlung vom 2. April beſchloſſen, die
Statuten nicht mitzuteilen und die Autoriſation
nicht nachzuſuchen, fo entſtand auch in F. ein «Hul:
turlampf». Zunädjt wurden die Ordenshäuſer ver
Jeſuiten und ihre Lehranijtalten geſchloſſen. en
der übrigen Kongregationen wurde mit dem päpitL
Stubl unterbandelt. Die Kongregationen über:
fandten darauf der Regierung eine Erklärung,
worin fie zwar ihre Achtung und Unterwerfung
egenüber den gegenwärtigen Staatäeinrichtungen
eteuerten, aber weder ihre Statuten vorlegten noch
die ftaatlibe Anertennung nachſuchten.
Diefem Gebaren gegenüber ließ es die Regierung
an dem nötigen Nahprud fehlen und bedrohte da:
mit jelbft ihre Stellung. Andere Ereignifle ſchärften
den Konflilt. Nachdem von beiden Kammern 9. Yuli
eine bedingungsloſe Amnejtie bewilligt war, tebrten
die Kommunarden und ihre Fübrer nad F. zurüd,
um den Kampf gegen die ftaatlihe Orbnung von
neuem zu beginnen. Der 14. Juli, der Tag der
Erjtürmung der Baftille, wurde in ganz 5. alä
republikaniſches Nationalfeſt gefeiert, und Gambetta,
der fih mit Grevy und den Miniſtern nach Cher—
bourg zur Sylotteninipizierung begeben batte, bielt
dort 9, Aug. eine ſcharfe Nevanderede. lim dem
Auslande gegenüber nicht in Berlegenbeit zu ge
raten, jtellten Grevy und Freycinet Gambettas Rede
als ven Ausprud feiner perfönlichen Anfichten dar,
und Frepcinet ſprach jogar von einer « Abenteurer:
politit». Dies konnte ihm Gambetta nicht verzeiben,
und namentlich jein Wert war die kurz darauf wegen
Ausführung der Märzdelrete eintretende Minifter
frifis, Das Kabinett Freycinet nahm jeine Ent
laffung, worauf 23. Sept. 1880 jerry, der das
Unterrichtsminiſterium beibebielt, die Präfident:
nei t übernahm, während Barthelemy Saint-Hilaire
inifter deö3 Auswärtigen wurde und ſechs Mu:
lieder des vorigen Minifteriums in das neue ein
traten. Unter der Minijterpräfidentibaft Ferro:
nahm der Vollzug der Märzvelrete einen raſchern
Verlauf. Die nicht autorijierten Kongregationen
wurden aus ihren Rlöjtern —— und dieſe
geſchloſſen, wozu an manchen Orten Militär auf:
geboten werden mußte. Immer mebr zeigte fid die
Wacht der —— Regierung» Gambettas.
Als Führer der zahlreichſten Fraktion, der Hepubli:
fanifhen Union, beherrſchte er nicht bloß die Kam:
mer, jondern durch diefe au das Miniſterium und
nötigte jedes Kabinett, das ihm nicht zu Willen
war, zum Nüdtritt. Sein Streben galt aber der
Erringung des Poftens eines Minifterpräfidenten
und eines Präfidenten der Nepublit. Um für dieien
Fall eine ihm ganz unterwürfige, von Monarchiſten
und Radikalen möglichſt geläuberte Kammer zu
ihaffen, wünjchte er die Abihaffung der Arrondifie
mentsmwablen und bie Cinführung der Liſtenwablen
Ir die Abgeorbnetentammer. Während nad dem
isherigen Wahlgeſeß jedes Arrondijiement einen
Abgeordneten wählte, follten von nun an die Räbler
eines ganzen Departements eine auf einer Liſte
verzeichnete Anzabl von Kandidaten auf einmal
wählen. Da die Republitaner in den meijten De
partements die Mebrbeit hatten, jo war ſicher, das
dur die Liſtenwahl eine überwältigende Mebrbeit
von Republilanern gewählt werben würde, und dw
Anfertigung diejer Liiten lag in der Hand Gambetta#
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
und ſeiner —— Der Abgeordnete Bardou
ſtellte alſo im Namen Gambettas den Antrag =
Wiederberitellung der Liftenwahl, die jhon in den
J. 1848 und 1871 angewandt worden war, und die
Kammer genehmigte denjelben 19. Mai 1881 mit
geringer Majorität, dagegen beſchloß der Senat mit
148 gegen 114 Stimmen, in die Beratung der ein:
zelnen Artikel des Antrags nicht einzutreten, Sam:
betta gab nun die Parole der teilweiſen Verfaſſungs⸗
reviſion aus, die fomobl die Liftenwahl als auch
eine Reform des Senats in fi ſchloß, obgleich der
(egtere in vielen wichtigen Dingen, wie in Vereins—
und Preßangelegenbeiten, in der Zollpolitit und in
Budgetfragen, in liberaler Weife mit der Kammer
übereingejtimmt hatte. _ ,
Sn batte F. auf dem Gebiete der äußern
Bolitif einen Erfolg erzielt. Schon feit längerer
Seit hatte man in F. die Beſezung von Tunis ins
Auge gefaßt, und im April 1881 nabm F. die Einfälle
des räuberijchen Grenzſtammes der Khrumir in Al
gerien zum Vorwand dafür. Etwa 30000 Mann
rüdten von Algerien aus in Qunis (j.d.) ein.
Gine andere franz. Kolonne landete in Bijerta, und
General Breard, der mit 4000 Mann vor dem
Bardo des Bei erfchien, zwang lestern 12. Mai,
den Vertrag von Bardo zu unterfchreiben, wonach
er alle wichtigen Bläge den Franzoſen übergab, die
Verwaltung feines Landes durch jranz. Beamte zus
ließ und dem franz. Minifterrefidenten Rouftan die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten der Re:
aentichaft überließ. Um die Protejte der Pforte, die
fib auf ihre Oberhoheitsrechte über Tunis berief,
fümmerte ſich F. nit. Deutſchland, Oſterreich und
Rußland erkannten das Proteltorat an; aber in
England erwachte die maritime Eiferfucht in voller
Stärfe, und Jtalien, in defjen Händen fait der
ganze tunejiihe Handel lag, ſah fi im feiner
Hoffnung, das gegenüberliegende Land felbit in
Beſiß zu nehmen, getäufht. Die Erbitterung der
Italiener ftieg zu jo hobem Grade, daß 19. Juni
1881 blutige Auftritte when Franzoſen und Fia⸗
lienern in Marſeille ſtattfanden und Demonſtra—
tionen in den größern ital. Städten veranftaltet
wurden. Der engere Anſchluß Italiens an Deutich:
land und Oſterreich, der fich Später zu einem förm⸗
lihen Dejenfivbündnis geftaltete, war die nächſte
Folge diejes Schritte. Doch war mit dem Ein:
marjch der Franzoſen das Land noc nicht erobert.
Kaum war ein Teil ihrer Truppen nad F. zurüd:
aetehrt, fo erhoben fich die tunefijhen Stämme
neuerdings in einem Aufftand, der aud nad Al
gerien binübergriff, weshalb größere Truppen:
majjen nah Afrika geſchidt werden mußten. Sie
nahmen die Städte Sfals, Gabes, Dſcherba, Sufa
und zogen 26. Dit. in die vom Feinde verlaffene
beilige Stadt Hairuan ein. Der 1882 zwiſchen F.
und dem Bei abgejchlofjene neue Vertrag verwan:
velte das Protektorat in eine Annerion. Dieſem
gemäß übernahm F. die tuneſiſche Schuld, ftellte,
unter Aufhebung der Kapitulationen, ein neues Ge:
richt ber, das alle Prozeſſe zu erledigen hatte, und er:
bielt das Necht, das Staatseigentum zu überwachen
und die Steuern im Namen des Bei einzutreiben.
Inzwiſchen hatten die Abgeorbnetenwahlen vom
21. Aug. 1881 einen entſchiedenen Sieg Gambettas
dargetban. Gewählt wurden mehr ala 450 Re
publifaner, 57 Bonapartijten und 41 Orleaniften
und Legitimiſten. Von den vier isn sc
Fraktionen batte die Union, deren Führer Gambetta
1037
war, die meijten (206) Mitglieder, und da er außer⸗
dem in Verbindung mit Ferry auch noch die «rer
publitanifche inte» für fh hatte, jo gebot er über
eine Kammermebrbeit von 374 Stimmen. Nad:
dem die Kammer 28. Dit. Brifjon zu ihrem Präſi⸗
denten gewählt und das Miniſterium Ferry, deſſen
Stellung durh die Debatte über die tunefische
Frage unficher geworden war, feine Entlaflung eins
— hatte, Ubernahm Gambetta 14. Nov. die
räfidentfcaft und das Auswärtige in dem «großen
Minijterium». Daß von den bedeutendern Staats:
männern (Freycinet, Say, Ferry) fein einziger in
dieſes Kabinett eintrat und Gambetta lauter Männer
weiten und dritten — (Waldech-Rouſſeau,
Paul Bert, Campenon, Allain⸗Targé, Cazot u. a.)
aufnehmen mußte, gab feinen Gegnern Anlaß,
von einem Minifterium der «Enttäujhungen», ja
von einem «Bedientenminifterium» zu *
Gambetta ſuchte zunächſt ſeine Stellung dur einen
neuen Erfolg nach außen bin zu kräftigen. Er er:
öffnete, da ein Revanchekrieg genen Deutichland
zur Stunde feine Ausficht > Erfolg bot, eine
diplomat. Korreſpondenz mit dem engl. Kabinett,
um dieſes zu einer gemeinfcaftliben Beſetzung
Agyptens, wo die nationale Partei unter Arabt
dem übermädtigen franz.:engl. Einfluß ein Ende
machen wollte, zu bewegen.
Bevor aber dieje Verbandlungen zu einem Re:
I m, fcheiterte Oambetta an feiner innern
Bolitif, Nah dem Wiederjufammentritt der Kam:
mer 10. Jan, 1882 legte er feinen Entwurf einer
beſchränkten Verfaflungsrevijion vor. Diefem ge
mäß follten für die Kammer die Arrondifjements:
wablen abgeihafft und bie Liftenwahlen einge:
ührt werden, für den Senat eine Ünderung des
zahlgeſetzes und eine Beſchränkung feiner finan-
ziellen Befugnifie ftattfinden. Dem Antrage auf
beihräntte Verfaſſungsreviſion ftellte die äußerfte
Linle den einer unbejhräntten Berfaljungsrevifion
gegenüber, wonah nit dem Minifterium oder
einer einzelnen Kammer, fondern den zum Kongreß
vereinigten Kammern das Recht zufteben follte,
den Umfang und Eharalter der Verfafjungsrevifion
zu bejtimmen, Diejen Antrag, der die Verfaſſung
von 1875 in radikalem Sinne umgeftalten, die
Befugnifje der Kammern erweitern, die des Prä-
fiventen und des Minijteriums beichränten wollte,
verwarf Gambetta. Auch die Kommiffion verwarf
ibn und ſprach fich für die Verfaſſungsreviſion und
für Einberufung des bierin fouveränen Kongreſſes
aus, wünjchte jedoch, daß die Reviſion auf gewiſſe
— beſchränkt werde, zu denen aber gerade die
iſtenwahl nicht gehören ſollte. Der Antrag auf
Einführung der Liſtenwahl wurde dann, troß Gam—
bettas berebter Fürſprache, 26. Yan. mit 305 gegen
117 Stimmen abgelehnt, der Kommiffionsantrag
dagegen mit 262 gegen 91 Stimmen genehmigt.
uf dieſe Abftimmung folgte fofort der Nüdtritt
des Minijteriums Gambetta, worauf 30. Jan. 1882
cn ein neues Kabinett bildete, worin er das
Bräfidium und das Auswärtige, Say die yinanzen,
Ferry den Unterricht übernahm. Die Abitimmung
vom 26. Jan. wurde in ganz Europa als Friedens:
fundgebung der Hammer gegenüber den Kriegs—
und Revancheplänen des — Miniſterpraͤſi⸗
denten angeſehen. Das Miniſterium Freycinet er-
klärte ſich im Einverſtändnis mit den Kammern für
eine Vertagung der Verfaſſungsreviſion. Der Ge—
ſehentwurf über Reform der Gemeindeordnung, mo:
1038
nad nicht bloß, wie biäher, in den 33 000 Eleinern,
fendern auch in den 3000 großen Gemeinden, d. b.
in allen Gemeinden, außer in ‘Paris, die Gemeinde:
räte bas Recht der Bürgermeifterwahl haben jollten,
wurde von der Kammer 4. März, das Unterrichtö«
gefes vom Senat, der den Art. VII 1880 ver:
worfen hatte, 23. März genehmigt. Das Gejes
über Wiedereinführung der Eheiheibung wurde
7. Mai, das über Abſchaffung des religiöfen Eides
vor Gericht 29, Juni von der Kammer angenommen,
leßteres3 vom Senat — Maren dies Er:
folge de3 neuen Kabinetts, fo konnte e3 doch jeine
größern Entwürfe: Decentralifation der Verwal
tung und Ordnung der arg geſchädigten Staats:
finanzen, nicht durchführen. j
In der ägypt. Krifis jträubte ſich Freycinet, die
Wege Gambettas zu wandeln, ja, um die Bolitit
feines Vorgängers, der ihn 1880 geftürzt hatte, zu
diöfreditieren, veröffentlichte er im Juni 1882 das
anz. Gelbbuch, das Gambettas biplomat. Korre:
ſpondenz über die geplante weſtmächtliche Aktion
in Agypten enthielt. Freycinet, der jede militär.
Aktion F.s vermeiden wollte, glaubte zunächſt
durch eine weitmädhtliche Flottendemonftration vor
Alerandria die Machthaber in Ügypten in Schran
ten halten zu können, und beantragte, als er die
Wirkungslofigteit diefer Demonjtration erfannte,
die Einberufung einer Botichafterlonferenz, die in
Konftantinopel 23. Juni_eröffnet wurde. Er hatte
dabei den Zwed, an die Stelle einer weſtnächtlichen
Sintervention eine europäifche zu feßen und unter
gewiflen Bedingungen und Beſchränkungen ſogar
eine Öntervention der Pforte, die ein europ. Mandat
erbielte und unter europ. Kontrolle aufträte, zuzu—
laſſen. Dagegen wandte ſich Gambetta, der in ber
Kammer noch immer feine Bartei binter ſich hatte.
Als dann noh im Juni Englands Abficht auf ein
bewaffnetes Einfchreiten immer deutlicher wurde,
Freycinet aber nur zu einer gemeinfamen Beſetzung
des Sueskanals, nicht aber zu Operationen gegen
Arabi bereit war, befriedigte er damit niemanden
in F., und der von ihm 2. jene Teilmaßregel ver:
langte Kredit von 10 Mill. Frs. wurde in der Ham
mer mit 450 gegen 75 Stimmen abgelehnt. Dar:
— reichte das Kabinett Freycinet ſein Entlaſſungs⸗
geſuch ein, und Senator Duclerc bildete 7. Aug. ein
neues Minifterium, worin er das Präfidium und
das Auswärtige, Fallires das Innere, Tirard bie
Finanzen übernahm.
Diejes Minifterium, das keine einzige Perſönlich—
teit von hervorragender Bedeutung, aber vier aus:
geiprohene Anhänger Gambettas in fi ſchloß,
wurde nur als ein «X — — be⸗
eichnet. Natürlich hatte die franz, Politik der Ent:
altſamkeit nur dabin geführt, daß England nun
die Löfung der ägypt. Krifi3 allein in die Hand
nabm und nad dem raſchen Siege bei Tel el-Stebir
ſich zum alleinigen Herrn Agyptens machte. Lord
Granville ertlärte, daß England künftig die Finanz⸗
fontrolle in Ägypten allein zu führen gevente und
machte &; nur das AZugejtändnis des Vorfikes
in der Staatsſchuldenkommiſſion. Duclerc nabm
dies nit an und beitand auf dem vertrags:
mäßigen Recht F.s auf Fortdauer der gemein:
jamen Kontrolle. Aber Englands Entihluß war
unmivderruflib, und zu fpät erfannte F., dab es
dur feine Nichtteilnabme an der ann Erpedi:
tion jich jelbit eine Niederlage bereitet babe. Einen
Crjag bierfür fuchte F. durch Erpeditionen nad
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
fernen Weltteilen ſich zu verſchaffen. Es bean
ruchte das Protektorat über einen Zeil der Inſel
Madagaskar, wobei es England und die Ber
einigten Staaten von Amerila zu Gegnern batte;
es rüjtete fich zu einer Erpevition nad Tongling,
obgleih es dadurch in einen Konflikt mit China
lommen mußte; es wollte, auf den von dem frany.
Airikareijenden de Brazza mit einigen Häuptlingen
abgeſchloſſenen Vertrag jih jtügend, am Konge
weite Gebiete in Befis nebmen und beeinträchtigte
dadurch die Hobeitärechte Portugals.
Da itarb Gambetta 31. Dez. 1832, und mit ibm
ſchwand dem Minifterium Duclerc der Boden unter
den Füßen. Welche auferordentlihe Bedeutung
Gambetta in F. gebabt batte, zeigte ſich alsbald
darin, daß mit feinem Tode die Feinde der Republit
ihre Beit gelommen glaubten. Schon im Set.
1882 batten anardiftiihbe Unruben in Monceau
und Lyon ftattgefunden, und beim Leihenbegängnis
Louis Blancs, der 6. Der. — war, war ed
auch in Paris zu ähnlichen Demonitrationen ae:
fommen. Zwei Wochen nah dem Tode Gambettas
brachte der Prinz Yeröme Napoleon, der, nachdem
Prinz Louis Napoleon 1. Juni 1879 in Afrila ge
fallen war, der Träger der napoleoniſchen Aniprüde
war, durch Wlatate, die er in der Nacht zum
16. an. 1883 an den Mauereden von Paris am
—— ließ, den Bonapartismus als den ng >
etter des Staated und der Gejellihait in Er
innerung. Da die —— in dieſem Plalat eine
Aufforderung zum Umſturz der Verfaſſung er
blidte, ließ fie den Prinzen 16. Yan. verbaften, doch
wurde er infolge eines Ausſpruchs der Anllage—
tammer 9. Febr. freigelafien. Gleichzeitig mit dieſer
bonapartijtiihen Kundgebung fanden im ſüdlichen
3. legitimtftiiche Bantette ftatt, und die Orléaniſten
wiejen auf den Herzog von Aumale al& den fünf:
tigen Präſidenten der Republik bin, der dem Grafen
von Baris die Bahn zum Throne ebnen follte. Die
Republik ſchien ——— ſchien die Beute desjenigen
zu fein, der raſch zugriff. Dieſe Brätendentenfurdt
verurfachte in der Kammer einen Antrag Floquets,
der fämtlihe Prinzen früher in F. regierender
Dynaſtien ohne Unterſchied aus F. Algerien und
den Kolonien verbannen wollte. Da eine Kabinett#:
frifis darüber auszubrechen drohte, jo jegte die Kom-
mijjion an Stelle des Floquetſchen Antrags den An:
trag Favre, der nur verlangte, daß die Ausweitung
ber als ſtaatsgefährlich angejebenen Prätendenten
dem freien Ermejjen der Regierung anbeimgeitellt
werden, alle andern Mitglieder der Familien aber,
die früher in F. regiert hatten, weder Wablredte
ausüben nod eine Stellung im Eivil- und Militär
dienſt befleiden follten.
Da in diefer Frage keine Einigleit im Minifterrat
berrichte, fo erfolgte 28. Jan. 1883 der Rudtritt
des Minifteriums Duclerc, worauf der Gambettiit
Fallieres ein neues proviſoriſches Kabinett bildete,
worin fpäter General Thibaudin, der in der deut:
fen Kriegägefangenihaft von 1870 fein Ehren:
wort gebroden hatte, das Kriegsminiſterium über:
nahm. Aber aud dieſes Minifterium mar ber
fritifhen Lage nicht gewachſen, und bie Präten:
dentenfrage brachte es ſchon 18. Febr. zu Fall. Ein
Minijterium trat 19. Febr. an jeine Stelle, das
rößtenteild aus Gambettiften beftand und worin
‚em das Präfipium und ven Unterricht, Cballemel-
!acour dad Auswärtige, Walded:Roufleau das
Innere, Raynal die öffentlichen Arbeiten übernabm,
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
während Thibaudin das Kriegsminiſterium behielt.
Darauf wurden 24. Febr. Dekrete des Präſidenten
Grevy veröffentlicht, die, auf Grund der Geſetze vom
19. Mai 1834, vom 4. Aug. 1839, vom 13. März
1875, den Divifionsgeneral Herzog von Aumale,
den Oberjt Herzog von Chartres und den Artillerie:
hauptmann Herzog von Alengon in Disponibilität
verjeßten, weil die Grundjäße der militär. Unter:
ordnung und einheitlihen Disciplin geſchwächt er:
feinen könnten dur das Verbleiben dieſer Offi:
ziere an der Spige der Armee, denen bereit3 dur)
ibre Geburt eine Ausnabmeftellung eingeräumt jei.
Dievonderäußerften Linten beantragte Verfaſſungs⸗
revifion auf die Tagesordnung zu jtellen, lehnte
derry ab und jehte es durch, daß bie Kammer
6. März 1883 den Antrag, die Revifionsanträge
in Erwägung zu ziehen, nicht annahm und dem
Miniftertum ein Vertrauensvotum beihloß. Da
der fortwährende Miniſterwechſel die Autorität der
Republik in Frage stellen mußte, fo einten ſich jetzt
die Fraktionen der Republitaner im Vertrauen auf
erry, der nun über 2 Jahre lang das Staats:
teuer in Händen zu balten vermochte. Dies er:
möglihte die Durchführung einer Anzabl neuer
Geſetze. Zunächſt wurde eine Juftizreform in Ans
griff genommen. In den eriten Junitagen 1883
nahm die Kammer einen Entwurf an, ber zwar nicht
eradezu die Aufhebung der Unabfegbarteit der
ichter enthielt, wohl aber einen Artitel (XII), wo:
nad der Yuftisminifter die Befugnis haben follte,
3 Monate nad der Belanntmadung des Geſetzes
zur Reorganifierung ſämtlicher Gerichte zu ſchreiten,
d. b. innerhalb diejer Zeit in feinem Departement
rei zu ſchalten, Richter abzuſetzen und zu ernennen.
er Minijter hatte damit —— den Richter⸗
ſtand von ſo manchen antirepu Lianifchen Elemen:
ten zu jäubern. Am 25. Juli genehmigte der Senat
das Gejeg mit geringen Mopifitationen, denen bie
Kammer am 31. zuftimmte. In demſelben demo:
tratiichen Zuge bewegten ſich auch die andern Res
formen im Innern: die Abſchaffung des religiöfen
Eides bei Öeriht und die Wiedereinführung der
Eheſcheidung. Ferner die längſt verlangte Ber:
faffungsänderung, die Ferry 1884 nicht —* um⸗
— tonnte. unternahm fie vornehmlich im
Inne einer Reorganifation des Senats, indem er
24. Mai eine Vorlage einbrachte, die ein Vierfaches
*— einmal, daß keine Reviſion ſich auf die
Abſchaffung der Republik ausdehnen dürfe, zweitens
die Abänderung des Senatswahlgeſetzes, drittens
die Befeitigung der lebenslänglihen Senatoren,
und endlich die Beichräntung des Budgetrechtö des
Senats. Der legte Punkt war beim Senat nicht
durchzuſetzen, und man ließ ihn fallen. Dagegen
ward erreicht, daß an die Stelle der 75 lebensläng-
lien Senatoren ſolche traten, die nur auf 9 Jahre
ernannt wurden, und zwar von beiden Kammern,
während die übrigen von erweiterten Wahltör:
bern, in die fortan die franz. Gemeinden je nad
ibrer Größe einen oder mehrere (Paris 30) Wahl:
männer fenden, gewählt wurden (9. Dez. 1884).
re onate vorher, 4. Aug. 1884, batte der
nad Berjailles berufene — als Staatsgrund⸗
eſes erllärt, daß fein Mitglied der ehemaligen
egentenhäufer jemals zum Präfidenten der fer
vublit gewählt werben dürfe, und daß bie end:
gelioe Regierungsform 5.8 die republifanifche fei.
Bährend der Sejtigungövroäeh der Republil in
diejer Weiſe fortfchritt, verloren die Legitimiften
1039
in dem Grafen Ebambord (Henri V.) ihren Thron:
prätendenten (24. Aug. 1883). Nun wurde der Graf
von Paris von Legitimiften und Drleanijten als
legitimer Throntandidat angefeben. Derfelbe hielt
fih aber zunädft von polit. Kundgebungen fern.
Ebenjo wenig trat Prinz Napoleon, das Haupt der
Bonapartiften, hervor, weil fi der fonjervativ:
feritale Teil jeiner Anhänger von ihm ab und im
Mai 1884 feinem Sohne Victor zuwandte.
Mit der Konfolivierung der Republik Hand in
Hand ging der Fortſchritt in Fragen der Kirche und
Schule, woraus ſchon im April 1883 ein Zerwürfnis
mit den ultramontanen Bifchöfen zu entfteben drohte,
die einige an Staatsſchulen benugte Lehrbücher in
ihren Hirtenbriefen verboten. Die Regierung erllärte
dies als Anmaßung und betonte ihr Recht, wider:
ftrebenden Priejtern den Gehalt zu verweigern. Sie
entwarf ein Gejeß über die Betofung von Geiſt⸗
lihen, die dem Konkordat zumiderbandelten, ent:
ernte die Briejter aus den Spitälern und brachte im
ebr. und März 1884 in der Kammer das Geſetz zur
nnahme, daß Ordenäleute ee) an
öffentlihen Schulen nicht mehr unterrichten dürften.
Dieje Maßnahmen führten zu einer Beſchwerde des
Papſtes, auf die Greyy verföhnlich erwiderte, mo:
dur ein offener Konflikt vermieden wurde.
Weit mehr Schwierigfeiten verurfahte dem Mini:
rm Ferry die finanzielle Lage des Staates. Die
nnabmen waren feit 1874 um 4 Milliarden hinter
den Ausgaben —— die Steuereingänge
nahmen von Monat zu Monat ab, die gelamte
Wirtichaft des Landes war im Rüdgange, die Aus:
fubr heimiſcher Fabrifate wurde geringer, und die
ur fremder ſtieg ftetig, fo daß in den erften
6 Monaten 1883 der Erport gegen den Import
um 729 Mill. re. zurüdblieb, Anardijtenprozefie
(de Fürften Krapotlin, der Louiſe Michel) zeugten
für die wirtfchaftlichen Mibftände laut > . Das
Deficit war bisher durh Anleihen, Schagiceine,
Vorjhüffe ver Bank u. dgl. mühjam gededt worden.
Diefe Mittel reiten nicht mehr aus, und Ferry
mußte an entjcheidendere Maßregeln denken. Es
ergaben fich zunächſt zwei* 1) die Ummandlung
der Sprogentigen Rente in eine 4'/,prozentige, wo:
durh man jährlih 35 Mill. erjparte und wozu die
beiden Kammern im April 1883 ihre Zuftinmung
gaben, und 2) der Verzicht auf die Berjtaatlihung
der Eiſenbahnen, indem man den Ausbau ber
Linien, der bisher das außerordentlihe Budget mit
einigen hundert Millionen jährlich belaftet hatte,
den Privatgeiellihaften eg überließ.
Die Kammer genehmigte das Geje 2. Aug. 1883,
und bie franz. Finanzen waren wieder, wenigitens
annäbernd, ins Gleichgewicht gebracht, ohne jedoch
einer Anleihe vollftändig entraten zu fönnen. Gleich:
jeitig dachte aber Ferry eine weitausgedehnte Ko:
onialpolitit durchzuführen, um den Erport zu be
leben. Man iprah von einem Saharameer, von
einer Eifenbabn an den Niger, von Mafjentolonis
fationen. up allerding3 waren die Staatsmittel
zu fnapp. Aber dieje anfionspolitit führte F.
doch bis nah Madagaskar und Tongling, wo es
Proteltorate anjtrebte. Der Erfolg der Erpedition
nah Madagastlar (f. d.) war gering. dem >
densſchluß, derim Dez. 1885 unterital. Bermittelung
zu ftande fam, mußte 5. auf die Erwerbung Nord»
madagaskars verzichten und bebielt ſich nur die Ber
jehung der an der Norboitipige gelegenen Bucht
tego Suarez vor. Die Königin mußte 10 Mil.
1040
Frs. Kriegsentſchädigung leiften, bis zu deren Bes |
sahlung F. den Hafen von Tamatave bebielt.. |
Mehr Erfolg wies die Erpedition nad Tongling |
(1.d.) auf. In Dftafien hatte F. jeit der Erwerbung |
von Saigon dur Napoleon III. (1862) bejtimmte |
Interefjen zu wahren. Häufige Reibungen blieben
nicht aus, und als fi der Gouverneur von Cochin⸗
china gegen die Überfälle von Seeräubern felb:
jtändig Genugthuung zu verichaffen juchte, fam es
1882 zu ernten Sein eigteite zunädjt mit Annam
(f. d.), mit dem jedoch bald zu Huẽ ein Vertrag zu
Ban fam, der es in ähnliche Abhängigleit von F.
rate wie Tunis: die auswärtige Politik und die
Zolleinnabmen gingen auf die franz. Regierung
über, dem Kaijer der Annamiten blieb nur die
innere Verwaltung und feine Eivillifte (25. Aug.
1883). Nun ging ed gegen den Piratenftaat der
«Schmwarzflaggen», aber mit fo empfindliden
Opfern und jo wenig Erfolg, daß Ferry Unterhand:
lungen mit China anfnüpfte, bamit diejes feine
—— mit denen es die Schwarzflaggen
unterſtützte, zurüdrufe. Die Verhandlungen ver:
liefen erfolglos, es fam zu einem förmlichen Kriege
mit China, und erjt als der franz. Konteradmiral
Courbet 16. Dez. 1883 die Nußenwerle der Stadt
Sonztai erjtürmte und die Stadt bejegte, 12. März
1884 Bac-Ninh und 12, April Hung-hoa eroberte,
braten dieje Erfolge zu Wege, daß fih China zu
einem Abltommen bequemte,. Am 11.Mai 1884 wurde
in Tien-tſin ein Präliminarvertrag abgeſchloſſen,
worin die Regierung zu Beling alle Rechte auf An
nam und Tongling aufgab. Bald darauf, 6. Juni
1884, fam auch ein neuer Vertrag mit Annam zu
itande, der die auswärtige Bolitik viefes Reichs voll»
* unter den Willen des franz. Refidenten ſtellte.
roß diejer Verträge ftellte ſich aber doch noch lange
nicht der Friebe ein. Der Überfall einer franz. Ko:
lonne durch die Chineſen 23. und 24. Juni 1884 bei
Lang-fon brachte den Krieg von neuem zum Ausbruch.
Da derjelbe in F. jehr unbeliebt war, fo jcheute ſich
die Regierung, immer neue Kredite zur Ausrüftung
von Verjtärtungsmannihaften den Kammern ab:
juverlangen, und trat deöbalb von Anfang an mit
ungenügenden Streitkräften auf dem ftriegsichaus
plage auf, Die Niederlage des Generals Negrier bei
Lang⸗ſon 24. März 1885 madte in F. den tiefiten
Eindrud und brachte Veränderungen in der innern
und auswärtigen Politik mit fi, die fih zunächſt
im Sturze des Minifteriums ausdrüdten.
Die Kolonialpolitit hatte ibre hauptſächlichſten
Gegner im Lande an denjenigen, die die erite Auf:
abe 3.8 in dem Revandpelrieg gegen Deutſchland
aben. Sie erflärten die Entjendung von namhaften
Streitkräften für eine Schädigung dieſes Zwecks
und waren genug, um 3. B. den König
Alfons XII. von Spanien, ala er im Sept. 1883
nab Paris fam, dur den Pöbel injultieren zu
laſſen, weil er in Straßburg die Uniform des ihm
verliebenen deutſchen Ulanenregiments getragen
batte. Beſonders erbitterte eö die chauviniſtiſchen
Gegner rd daß er in der Kongofrage die Ein»
ladung Bismards zu einer Konferenz angenommen
batte (j. Kongojtaat), und ald nun im Dlärz 1885
jene Unfälle in Aſien befannt wurden und ‘Ferry
daraufbin größere Kredite (200 Mill.) beanipruchte,
da brach der Sturm gegen ibn los: die Oppofition
unter der leidenichaftliben Führung Elemenceaus
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
führe, und fogar Landesverrat, da er die Gefabr
der Page verihwiegen habe. Am 30. März 18%
wurde der Kredit mit 308 gegen 161 Stimmen ver
— 5* und Ferry geb feine Hollung: Der Dring:
lichkeitsantrag der Oppofition, das Minifterium in
Anklagezuftand zu verjegen, wurde mit 304 gegen
161 Stimmen abgelehnt.
Der Nachfolger Ferrys, der Kammerpräfiden:
Brifjon, hatte infofern leichtere Spiel, al& jener
bereits den Frieden mit China angebabnt hatte und
bie Erfolge der franz. Flotte bei der Injel Formoſa
den Hof zu un nachgiebig machten. Am 4. Aprıl
fam es in Paris zu Bräliminarien, 9. Juni zum
Definitivfrieden von Tienstfin, worin ſich China zur
Räumung Tonglings und zur Berzichtleiftung auf
die Oberhoheit über Annam verftand, 5. Dagegen
auf Kriegstoftenentihädigung feinen Anſpruch er:
ob. Nach der Beilegung DieteB Streites lonnte ib
riffon mit innern Fragen beibäftigen. Das wenia
Tage vor Ferrys Sturz in der Kammer beichlofjene
Liſtenwahlgeſeß wurde 23. Mai auh vom Senat
genehmigt, nur mit der —— daß in die
der er au Grunde liegende Bevölterungssifier
die Ausländer nicht einzurehnen und die Mitglie-
der der frübern Herrſcherhäuſer nicht wählbar jeten.
Die Kammer gab hierzu ihre Zuftimmung, und
17. Juni wurde das neue Wablgeſetz verlündet,
wonad die Kammer fortan 584 Mitglieder zäblen
— Briſſon hatte die Annahme dieſes Geſetzes
etrieben in der Meinung, damit eine geſicherte re—
publikaniſche Mehrheit zu erreichen, aber man erfubr
eine ungebeure —— Das neue Wahlgeſeß
verbalf bei ven Wablen 4. Oft. 1885 einer großen
Anzahl Monardiften zu Mandaten. reilih wurden
dann bei den 270 Stichwahlen durch Kompromiſſe
mit den Radilalen fajt nur Republitaner gewählt,
doch waren dadurch 115 Rapitale in die Kammer
gelangt, die mit den Gemäßigten gemeinjam aller:
dings die Mehrheit den 200 Monarchiſten gegen:
über bildeten, von denen aber doch fraglich war, ob
fie jtetö bereit fein würden, das Minifterium zu un:
terftügen. Die Lage war eine ganz veränderte. Dies
befam Briffon jofort zu empfinden, alser, um die
Stellung F.s in Afien aufrecht zu halten, von ber
neuen Kammer einen Kredit von 70 Mill. forderte
und diejen nur mit 274 gegen 270 Stimmen zu:
geitanden erhielt. Auch Grevy erfubr ven Wechſel
der Dinge, als fi 28. Des. 1885 bei feiner Neu-
wabl zum Präfidenten im Kongreß nur 457 Stim-
men (15 über die —— Majorität) auf ibn ver:
einigten. Brifjon gab, da er nur jene geringe Mebr:
beit in der Kammer gefunden hatte, feine Entlaffung,
und 7. Yan. 1886 trat Freycinet an feine Stelle, der
aus Opportuniften und Radilalen ein neues Kabinett
bildete. Sadi Carnot übernahm darin die Finanzen,
Sarrien das Innere, Goblet den Unterricht, Bai-
aut die Bauten, Lodroy den Handel, Demöle vie
ſtiz, Develle ven Aderbau, Branet die Boft, Aube
die Marine und Boulanger, von Eldmenceau pro-
tegiert, das Portefeuille des Krieges.
So hatten dielegten Abgeorbnetenwablen ergeben,
dab das Miniftertum fich nicht mehr auf eine einzige
ftarfe Bartei in der Kammer ftügen lonnte, jondern
jest auch die Hilfe der Radikalen durch allerlei Zu
geſtändniſſe erfaufen mußte. Dies zeigte fich gleic
ım Ian. 1886, ald Rocefort den Antrag auf eine
allgemeine Amneftie an Stelle der beichräntten, wie
warf ibm Verfaſſungsbruch vor, weil er ohne die | fie Grevy erlaſſen batte, ftellte und die Kammer
Genehmigung der
eputierten Krieg mit China | 21. Jan. die Dringlichleit mit 3 Stimmen Mebt
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
heit votierte. Da machte die Regierung die Wahrs
nehmung, daß jogar eine Koalition der Monardis
ften und der bartnädigften Republitaner möglich
war, Freilich zerfiel dieſes unnatürlide Bündnis
jefent, als es bald nachher bei Arbeiterunruben in
ecazeville zur Ermordung eines Beamten fam und
man bie Unruben auf focialijtijhe Umtriebe zurüd:
führte, Jener Antrag Rocheforts fiel, aber immerhin
zog Freycinet daraus die Lehre, daß er fich zu Kons
jeſſionen an die Radikalen werde berbeilajjen müſſen,
mozu ſich alöbald die Gelegenbeit bot, als die Frage
der Ausweiſung der Prinzen zur Sprache lam. Denn
namentlid ihrem Einflujje glaubte man die Wahl
iener 200 Monardiften im Oftober —
müſſen. Freycinet widerlegte dieſe Meinung, als
ver Radikale Dache den bezüglichen Ausweilungs-
antrag ſtellte, und es gelang ihm, noch 4. März
denſelben zu * zu bringen. Als dann aber das
faſt monarchiſche Auftreten des Grafen von Paris
bei Gelegenbeit der Vermählung jeiner Tochter
Amelie mit dem Kronprinzen Karl von Portugal
22. Mai 1886 neuerdings das Mißtrauen der Ke
publitaner erregte, vereinigten jich beide Kammern
über die Beitimmungen eines Gejeges, das dem
Antrage des Abgeordneten Broufie zufolge im Juni
[eigene Hauptpuntte feſtſetzte: die Häupter ber
ranz. Regentenfamilien und deren nächſtberechtigte
Erben jind aus 5. verwiejen; die Negierung kann
durch Delret aud die andern Mitglieder verbannen;
Übertretung dieſes Berbotes wird mit Gefängnis
von 2 bis 5 Jahren beftraft. Das Gejeg erſchien
23. Juni 1886 im Amtsblatt, und ſchon am nädjten
Tage benaben fi der Graf von Paris, fein Sohn
Louis Philipp Robert, Prinz Jeröme Napoleon und
* älteſter Sohn Victor ins Ausland; da das Ge:
eb aber au die übrigen Prinzen von allen öffent:
lien oder Wablämtern ausſchloß, jo wurde auch
der Herzog von Aumale, der, wie die Herzöge von
Ebartres und von Alencon, bereits durch das Dekret
vom 25. Febr. 1883 in den Stand der Wichtaltivität
verjegt worden war, durd ein Delret des Präſiden⸗
ten Grevy vom 11. Juli 1886 feines Ranges als
General entlleidet. Ebenfo verloren die Herzöge von
Cbartre&, von Alenson, von Nemours, von Pen:
tbievre, der Brinz von Joinville, Roland Bonaparte,
urat und Sohn ihre Dffiziersftellen. Aumale
wurde wegen eineö rg zurechtweiſenden
Briefs an Grevy verbannt. Die Seele dieſer Maß:
regeln war Boulanger, der ſich damit den Haditalen
iu ihre Proteltion dankbar zu erweifen dachte. Um
ib an ihm zu rächen, ließ Aumale einen Brief ver:
öffentlichen, den jener 1880 an ihn gefchrieben hatte
und ber die Berficherung enthielt, daß der Schreiber
den Tag für gefegnet halten würde, der ihn unter
das Kommando des Herzogs zurüdriefe. Den üblen
Eindrud, den diefe Bublitation machte, durch die er
als charakterloſer Streber entlarvt wurde, fuchte der
General dur maßlofen Chauvinismus wieder wett
zu maden, jo da —— alle Mühe hatte, auf
einer Rundreiſe im Sept. 1886 durch Betonung der
———— den Eindrud abzuſchwächen und die
ipftimmung in Berlin zu beihmwichtigen.
ie geſeßgeberiſche Thätigleit der Kammern,
deren erjte Seſſion von 1886 am 15. Juli ge
ſchloſſen wurde, hatte außer dem Ausweifungs:
geieh und einem Spionagegejeß feine ermähnungs:
werten 2eiftungen aufzuweiſen. Die neue Seffion,
die 14. Dit. 1886 eröfinet wurde, erledigte zunächft
dad Gefeg über die Organifation des Elementars
Brodhaus’ Konverfationd-Leriton.. 14. Aufl. RM. VL
1041
unterrihtö, das die Kammer in dem vom Senat
30. März befhloffenen Wortlaut 28. Dt. annahm.
Der Kernpunkt lag im Art. 17, der beftimmte, daß
in allen Gemeindeihulen F.s nur weltliche Ele—
mentarlehrer angeftellt werben dürfen; die Eman-
cipation diefer Schulen von der Herrichaft der Geiſt⸗
lichleit war eine vollftändige; der Religionsunters
richt wurde aus der Schule verbannt.
‚Das Kabinett Freycinet ſcheiterte an den fhlechten
dinanzzuftänden, denen die mit unzulänglicher Kraft
ergriffene und auf halbem Wege abgebrodene Gr
anfivpolitif in Hinterafien natürlih nicht aufge
olfen hatte, um jo weniger, als das Armeebudget
bis auf jährlih 833 Mill. anwuchs und Boulanger
für Melinitbomben, Repetiergewehre, Baraden u. dgl.
360 Mill. forderte. Die Kammer rief nad Erſpa—
rungen, und die Radilalen wünſchten diefe am Ver
—— der Beamten zu machen. Einer der Ihrigen,
olfavru, beantragte die Streichung fämtlicher
Unterpräfeltenftellen, während die Regierung fich
nur zu einer allmäblihen Reduktion derjelben bereit
erllärte. Da traten die Monardiften der äußeriten
Linten zur Seite, und als Freycinet 3, Dez. 1886
aus dieſem Anlap die Vertrauensfrage ftellte, wurde
ber radilale Antrag mit 262 gegen 247 Stimmen
— ——— gab ſeine —*
ie Unzuverläſſigkeit der republilaniſchen Kam⸗
—— machte es für Grevy ſchwierig, einen
Nachfolger zu finden. In dieſem Augenblide ward
eine der Kriſis nur dadurch möglich, daß
ber bisherige Unterrichtsminiſter Goblet 10. Dez.
ein neues Kabinett bildete, in dem acht Minifter
deö vorigen blieben, darunter auch der Kriens»
minifter Boulanger. Der Vicepräfident des Staais⸗
rates, Flourens, übernahm das BVortefeuille des
Auswärtigen, Daupbin die Finanzen, Bertbelot den
Unterricht. Jedenfalls fehlte zunäcft Freycinets
mäßigenbe Hand, En Boulangers treibender
Eifer freieres Spiel fand. Darum kindigte ſich
aud das 3. 1887 fehr kriegeriih an. Zu den krie—
eriihen Symptomen gehörten außer Boulangers
ilttärvorlage, die weientlihe Reformen in ber
Armee einfhibren und diefe um 44000 Mann ver⸗
mehren wollte, aud die Rüftungen an der franz.
Ditgrenze, wo die Barnifonen verftärkft und Baraden
r —— neuer Truppen gebaut wurden. Dazu
amen die Aufreizungen der Patriotenliga und eines
roßen Teils der Pariſer Preſſe gegen eutfchland,
owie die ———— bisher vergeblichen Verſuche,
eine Allianz mit ußland Fr ießen. Alles dies
erregte nicht bloß in Deutichland, dem diefe Kunds
gebungen zunächſt galten, fondern in ganz Europa
große Beunrubigung und veranlaßte alle Staaten
zu militär. Rüftungen. Man glaubte ven Ausbruch
eines europ. Krieges für Beginn des Benbjabrs ala
[her bezeichnen zu lönnen. Als aber die franz.
tegierung die Entſchloſſenheit Deutſchlands (ab,
die namentlich in ven Reihstagswahlen im Februar
zum Ausdrud kam, und wohl ertannte, daß das ſelbe
infolge der Einführung des Repetiergewehres einen
Vorjprung in den Kriegsrüftungen hatte, ermäßigte
Don t Kriegseifer. Sie jandte in offiziöfer Eigen:
haft den Grafen Leſſeps nad Ber in, um den
dortigen Regierungstreijen genaue Nachrichten von
den frieblichen Abtihten des franz. Minifteriums
zu geben. Die Stimmung wurde allmählich eine
rubigere, bis es Ende April 1887 zu einer neuen
Aufmallung ver triegeriihen Leidenſchaften in
d. fam. Gegen den im Grenzdienft angeftellten
66
1042
franz. Polizeitommijjar Schnäbele war megen
Spionage in jeinem Heimatlande Elſaß-Lothringen
vom Reihägeriht in Leipzig ein Haftbefehl er:
er worden. Als nun Schnäbele 20. April bes
buf3 einer mit dem deutſchen Polizeilommiſſar
Gautſch verabredeten geihäftlihen Zujammens
tunft bie Grenze bei Noveant überjhritten hatte,
wurde er von zwei deutfchen Ariminalbeamten
verhaftet und nah Mes abgeführt. Die franz.
Preſſe, auf einige unzuverläffige Ausfagen angeb:
liher Augenzeugen fi ſtüßend, behauptete nun,
daß die Verhaftung Schnäbeles auf franz. Boden
erfolgt fei, worauf die Organe der Kriegspartei mit
Leidenschaft ven willlommenen Anlaß ergriffen. Im
—— Miniſterrat wurde die Mobilmachung der
rmee beantragt und nur mit 7 gegen 5 Stimmen
unter dem mäßigenden Einfluß des Präfidenten
Greoy abgelehnt. Selbjt der Minifterpräfident
Goblet war der populären Strömung unterlegen
und hatte Krieg in Ausficht gr, wenn Schnäbele
nicht ausgeliefert würde, Da lam Biömard den
Friedliebenden in F. entgegen, denn obgleich eine
genaue Unterfuhung die Schuld Schnäbeles er:
wiejen hatte, wurde er doch 30. April in Frei—
beit gejeßt. Als leitenden Geſichtspunkt hierbei
machte der Fürft geltend, daß Örenzüberfchreitungen,
die auf Grund dienftlicher Verabredungen a
als unter der Zufiherung freien Geleites jtehend
anzufeben feien. Und nod einmal im jelben Jahre
lam e3 zu einem äbnlihen Zwiſchenfall, als im
September ein franz. Jagdtreiber, Brignon, durch
einen deutſchen Jäger Im Grenzgebiet eriheilen
wurde. Wieder war ed Deutſchland, das nachgab
und dur die Höhe der an die Witwe gezahlten
Entfhädigungsjumme, 50000 Reichsmark, die er:
regten Geiſter beſchwichtigte.
n der innern Politik ſuchte Goblet den Radi⸗
lalen dadurch genug zu thun, daß er eine größere
Anzabl Unterpräfelturen zu ftreihen empfahl, was
übrigend im Senat nicht —— Dann ver⸗
uchte das Kabinett auch dem ſteten Rufe nach Er⸗
parungen zu folgen, ohne freilich an das Heeres⸗
und Marinebudget rübren zu Ben. Am 11. San,
1887 ward das im Vorjahre beſchloſſene Geſeß über
den Bere der Kronjumelen verfündet und als—
bald mit diefem begonnen. Der Erlös betrug 7 Mill.
Finanziell wichtiger war die Erhöhung der Getreide
jölle (von 3 auf 5 Frs.) und der Viebzölle, wozu
die Deputierten ſchon fehr widerwillig im rn ihre
Zuftimmung gaben. Als Goblet für die Hilfsbe⸗
amten des Finanzminiſteriums einen rate Am
trebit begehrte, erhielt er nur mit Schwierigleit
eine Majorität. Am 17. Mai, bei der Debatte über
das Finanzgeſeßz für 1888, wurde jevod der Ans
trag Rouviers, der die vorgeſchlagenen Erfparnifje
für ungenügend erflärte, mit 312 gegen 143 Stim:
men angenommen, und fchon A der eriten Ab»
ftimmung dimiffionierte das gefamte Kabinett,
Die Bildung neuer Minijterien war in letzter
Zeit immer ſchwieriger geworben; vollends jekt, mo
die Opportuniften in ein Kabinett mit Boulanger
nicht eintreten wollten, die Radikalen für fi allein
aber keins zu bilden vermochten. So gelang e3 erſt
29. Mai dem Opportuniften Rouvier, ein ſolches zu
bilden, ohne Boulanger, wie es Grevy germünfaht
und bewirkt hatte, und vorwiegend gemäßigt. Es
gelang der neuen Regierung, duch ein Brogramm,
das weitgehende Sparjamteit, Bereinfahung ber
Verwaltungsauslagen, ernite Verfolgung jeder Un:
Frankreich (Geſchichte 1879—87)
redlichleit bei Erbebung der Steuern und eine vor:
ihtige, aber feite Politik verſprach, die Mebrbeit
n der Kammer für fih zu gewinnen, fo daß Miß—
trauendanträge der Radilalen weit in ber Minver:
beit blieben. In der Zwifchenzeit batte die Kam—
mer der Errihtung von 4 neuen favallerie und
18 Infanterieregimentern und der Erböbung ver
Eompagnieftärte zugeitimmt ; deögleihen wurde vom
Kabinett für die Probemobilijierung eines Armes
forp3 ein Kredit von 7 Mill. beanfprubt und von
beiden Kammern bemilligt. Ein nod von Boulanaer
als Kriegsminiftereingebrachtes neues Militärgeſes,
das durchgehende dreijährige Dienftpflicht jtatt füni-
jähriger einführte und das are ber Einjäbrig-
Freiwilligen abſchaffte, wurde gleichfalls im Brincıp
utgebeißen, aber jet noch nicht zum Beſchluß er-
—— ngeſichts der bedrängten finanziellen Lage
mußte allerdings auch Rouvier zur Steuerverme
rung greifen: die Zuderfteuer wurde erhöht und
deögleihen der Eingangszoll auf fremden Altobol
Beide Kammern ftimmten zu, und als der Finanz⸗
minifter 5. >> ein neues Budget für 1888 vor
— ſich, daß dasſelbe vor demjenigen Goblets
eine Erſparnis von etwa 130 Mill. voraus batte,
Alle diefe Vorlagen wurden in der Kammer ge
nehmigt, aber unter den erbittertften Rämpfen mit
den Rädikalen. Und fo unbeilbar ſchien die Spal—⸗
tung unter den Republitanern, daß ber Graf von
Paris 14. Sept. 1887 den Zeitpunkt für günftig
bielt, um «Weifungen an die Vertreter der monarchi⸗
chen Partei» zu erlaflen, in denen er auf die Un—
ejtändigleit de3 republitanifhen Regiments bin
wies, auf deffen Unfähigkeit, Orbnung in den Staatd-
bausbalt zu bringen, und auf die Iſolierung F.⸗
in Europa. Dazu kam nun noch, daß aud Prä-
fident Grevy viel von feinem Anfeben verlor, ala
im Dit. 1887 ein Skandal enthüllt wurbe, der
je Schwiegerſohn Wilfon, den langjährigen
orfigenden der YBudgetlommiffion, aufs ärane
fompromittiert erjcheinen ließ. Der General Gaffarel,
Generalftabshef im Kriegsminiſterium, wurde
7. Ott. angellagt, mit dem Kreuze der Ebrenlegion
Handel getrieben zu haben. Er ward verhaftet,
während fein Helfer, der Senator und General
Graf d'Andlau, entflob. Mittelaperfon war eine
re Limoufin, mit der auch Boulanger, Baul
revy, der Bruder des Präfidenten, General
Thibaudin, insbeſondere aber Wilfon in Beziebung
eitanden hatten. Wilfon hatte ſich nicht nur zur
Krniticung von Orden, ſondern auch von Umtern,
—ã Staatälieferungen u. dal. gegen bobe
Beitehungsfummen bergegeben. Ganz bejonders
erſchwerend aber wurde ae ‚ihn der Umftand, daß
wäbrend der Unterfuhung einzelne feiner Briefe an
die Limoufin, die beſonders belaftend waren, aus
den Alten verihmwanden und bur Reugei \
erjeßt wurden, was kaum ohne behördliche Vorſchub⸗
leiftung möglich war. Die Aufregung im Bublitum
erreichte den hochſten Brad; die Rammer genehmigte
17. Nov. die N nung Berfolgung Wilſons mit
527 gegen 3 Stimmen, und man erwartete unter
folhen Umftänden Grevys Rüdtritt; zunächſt ver:
gebens. Grevy fuhr fort, Wilfon für unſchuldig
u balten. Das war aber ein unbaltbarer Zu:
Kan, und das Ministerium entſchloß fich, bei eriter
Gelegenheit zu dimiifionieren, um dadurch Greop,
der fiber fein neues Kabinett fände, zur Abdankung
unnötigen. Ein Anlaß fand fib, als 19. Nov. die
Binte die Regierung über bie Lage interpellierte.
Frankreich (Gefchichte 1887—94)
Rouvier antwortete mit dem Begehren, die Inter:
pellation aufzuſchieben, bis die ſchwebende Konver:
ion der 4'/,prozentigen in eine 3prozentige Rente
endigt jei, und ftellte zugleich die Kabinettäfrage.
Sein Antrag fiel mit 282 gegen 328 Stimmen, und
das Minifterium gab feine Entlafjung. Als nun
Grevy in der That feine Regierung zu bilden ver:
mochte, ſah aud er fi zum Rüdtritt genötigt und
pet bon der Kammer Hr ben 1. Dez. eine bezüg:
ie Botſchaft in Ausficht geftellt, ald er von einigen
Radikalen, die ein Minifterium Ferry fürchteten, be
wogen wurde, zu bleiben. Die Kammern —
jedoch auf ſeinem Abgang, indem ſie 1. Dez. in
bereinſtimmung beſchloſſen, ſich nur für wenige
Stunden zu vertagen und inzwiſchen die angelün—
digte Mitteilung des Präfidenten zu erwarten. Auf
dieje unzweideutige Aufforderung bin machte Grevy
2. Dez. 1887 in einer Zufchrift die Kammer mit
feinem NRüdtritt betannt.
18) Unter der Präfidentihaft Carnots
(1887—94). Am 3. Dez. fand in Berfailles der
Kongreß der beiden Kammern ftatt. Die Wahl
Ferrys wurde durch die Radikalen und die Anbän:
ger Boulangers bintertrieben, die mit einem Volks—
aufjtande drohten, wenn er durchdringen jollte,
Ferry jelbit lenkte die im erften Wablgang auf ibn
re Stimmen auf Camot, der im zweiten
ablgange von Republifanern aller Schattierungen
mit 616 von 827 Stimmen zum Präfidenten der
Republit gewählt wurde, Dieſe Übereinftimmung
der Fraktionen war aber nur von kurzer Dauer.
Bald wurden die jeit jahren wiederholten a. der
Radilalen nad Revifion der Verfaſſung im Sinne
einer Art Konventsherrſchaft obne Präſident und
Senat, nad endgültiger Regelung des Verhältnifies
wiſchen Staat und Kirche u. a. wieder laut und
aa namentlich bei ven Monarchiſten und bei
den Anhängern Boulangers Widerhall. Einer der
lestern, Laguerre, bradıte denn auch das von
Carnot 11. Dez. berufene, gemäßigt republifa-
nifhe Minifterium Tirard bald zu Fall, indem er
30. an 1888 den Antrag auf Nevifion der Ber:
faſſung Itellte, deſſen Dringlichteit gegen das ab:
mabnende Votum der Regierung angenommen
wurde. Diejer ‚Antrag Laguerres war die Antwort
darauf, daß Tirarb wenig Tage zuvor Boulanger
batte in Rubeftand verfegen lafjen. Das Mini—
jterium dimiffionierte, und Carnot mußte nun ein
vorwiegend radikales Kabinett berufen. Floquet,
der bisherige KRammerpräfident, übernahm 3. April
deſſen Führung nit ohne Schwierigkeiten. Seine
erite Regierungsmaßregel war von der Abſicht dik—
tiert, Boulanger in der öffentlichen Meinung dadurch
matt zu jeßen, daß er jelbjt die Verfaſſungsreviſion
in jein Programm aufnahm. Nur über den Zeit:
pımkt, wann er den betreffenden Entwurf einbringen
würde, ſprach er ſich noch nicht deutlich aus, Aber
Floquet erwarb durch diefen Schritt der Regierung
fein größeres Vertrauen im Publilkum, fondern er:
höbte nur die Öeltung des Generals, der 15. April
im Depart. Nord bei der Wahl zur Deputierten:
fammer fiegreih hervorging. Als feine Anträge
auf Reviſion der Verfaſſung (4. Juni) und auf
Auflöfung der Kammer (12. Juli) mit großer
Mehrheit abgelehnt wurden, legte er fein Mandat
nieder, wurde aber in drei Departements zugleich
wiedergewählt. Da beſchloſſen Ferry und die ge:
mäßigten Republifaner überhaupt, energifcher gegen
ihn vorzugehen, während Floquet ihn durd Vor:
1043
legung der angefündigten Verfaffungsrevifion in
demokratiſchem Sinne unſchädlich zu machen fuchte.
Die Kommifjion der Kammer beſchloß ſogar, eine
fonftituierende Verſammlung follte eine neue Ver:
faſſung geben mit einer Kammer und obne Bräji:
denten, und diefe Verfaſſung follte durch Volls—
abjtimmung genehmigt werben.
ber weder Radikalismus noch Opportunigmus
hatten Geltung genug in der öffentlihen Meinung,
um Boulanger aus dem Sattel zu beben. Seine
Volkstümlichleit wurde noch PR he durch bie
Stellung, die er zu dem Panamakrach einnahm.
Das von Ferdinand Lefjeps angereate Unternehmen
des Banamalanalß (j. d.), deſſen Aktien fich fait aus:
ihließlib in den Händen von Hunderttaufenden
Heiniter Rapitalijten befanden, war nämlib am
Scheitern. Nur durch die Beſtechung einer Anzabl
Abgeordneter erlangte die Gejellichaft von der Kam:
mer die Erlaubnis zu einem neuen Lotterieanlehn
von 600 und einer Garantieanleihe von 120 Mil:
lionen (28. April). Unter dem Hochdruck einer ſchwin⸗
delbaften Rellame wurden die Loje an den Mann ge:
bradt. Da bemädtigte fib Boulanger, dem es nur
um einen Popularitätserfolg für feine Perſon zu
thun war, der Sache und verlangte, daß der Staat
für die Banamaanleiben die Zinsgarantie über:
nehme. Dazu war aber weder die Negierung noch
die Kammer zu bejtimmen, ba beide einem Konflikt
mit Nordamerifa aus dem Wege gingen; ja die Kam:
mer lehnte fogar 14. Dez. eine Vorlage des Finanz:
miniſters Peytral ab, wonach der PBanamagejell:
ſchaft eine dreimonatige Zablungsfrift eingeräumt
werben follte, was den Vorjtand, Grafen Leſſeps,
zum Rüdtritt nötigte. Sofort trat Boulanger für
Lejjeps und feine Aktionäre ein, und fein Freund
Laguerre interpellierte die Regierung, die nur ableb:
nend antworten konnte. Am 26. Jan. 1889 erklärte
fih die Panamageſellſchaft infolvent, am Tage dar:
auf fiegte Boulanger bei einer Nachwahl in Paris
mit großer Mebrbeit und konnte daran denlen, bei
den nächſten allgemeinen Wablen in foviel andern
Departements aufzutreten, daß er gleichfam ein Ple:
biscit für fi erlangte. Dieien Plan ſuchte Floquet
durd gehe der Arrondifjementswablen
an Stelle der Yiltenwablen zu durchkreuzen. Er legte
31. Jan. einen bezügliden Entwurf vor, der von
beiden Kammern angenonmen wurde. Als er aber
einen noch weiter gebenden Verfaſſungsreviſions—
plan in Vorſchlag bradıte, nahm die Kammer in der
Sigungvom 14. Febr. den Antrag des radilalen Gra:
fen Douville-Maillefeu mit 301 gegen 218 Stimmen
an, die Verfaſſungsänderung bis nad} den Neuwah—
len zu vertagen, und Floquet gab feine Entlafjung.
Am 21. Febr. trat Tirard wieder an feine Stelle.
Es war ein Kabinett der Verlegenheit, meift aus
Dpportuniften beftebend, das anfangs wenig Sym—
patbien genoß. Aber es erbielt ſich doch länger, ala
man vermutet hatte, und zwar besbalb, weil der
Kammerbeihluß vom 14, Febr. mit der Vertagung
jeder Verfajjungsrevifion auch den Boulangiemus
empfindlich getroffen batte. Als diefer troßdem in
jeinem agitatoriichen Treiben fortfubr, konnte nur
die durchgreifendſte Energie belfen, die fih in dem
Miniſter des Innern Conſtans gleichjam verkörperte,
Conſtans löjte Anfang März 1889 die Patrioten:
liga, die in Boulangers Dienft arbeitete, auf und
erbob gegen Deroulede, Laiſant, Turquet, Laquerre,
Richard, Gallian und den Senator Naquet die An:
Hage auf Staatögefährlichkeit. Der Prozeß endigte
66*
1044
zwar mit Freifprebung, jedoch ala Gründer einer
nicht erlaubten Gejellibaft wurden die Angellagten
verurteilt. Am 4. April 1889 ftellte Conſtans Bou⸗
langer jelbft unter Anklage wegen Berjhmwörung und
Attentaten auf die Sicherheit des Staates, wozu die
Rammer 6. April mit 318 gegen 205 Stimmen ih
Zuftimmung gab. Aber der ala Staatägerichtähof
———— Senat konnte nur in contumaciam ver:
andeln, da Boulanger 8. April nah Brüfjel ents
wichen war und damit der Regierung ben denkbar
— Gefallen erwieſen batte, die ih fortan mit
größerer Ruhe und Sicherheit der Jahrbundertfeier
der Revolution zumenden konnte.
Der Erfolg der Pariſer Weltausftellung war ein
über alle Erwartung glänzender und fam der Res
gierung ſehr zu ftatten. Ste brachte in ber Kammer
nicht nur ohne weſentliche Hindernijfe das Budget
von 1890 dur, fondern aud das Militärgefek von
1887 und eine neue Vorlage, welche die mebrjachen
Kandidaturen eines und desſelben Mandatbemwer:
berö bei den Deputiertenwablen verbot. Hierdurch
war die Hofinung Boulangers auf eine Art Plebiscit
dei den Neumablen im September endgültig illufo:
riſch gemacht. Diefelben ergaben 22, Sept. ſogar ein
der Negierung günftiges Refultat; von 573 Siken
fielen 366 den Republitanern zu, deren radilale
Schattierung jest nicht mebr fo ftarf vertreten war
als bisher. Die Monardiften verloren von 200
Sigen 42, die Boulangiften erhielten 49 Mandate.
Die Unterfuhung gegen Boulanger jelbjt hatte
13. Aug. mit feiner, Dillons und Rocheforts Ber:
urteilung zur Deportation geendet und nebenbei die
völlige Unfäbigteit des Generals zu der Miffion zu
Tage gefördert, die er fich in fo viel hochtönenden
‚Worten beigelegt hatte. Es zeigte fib auch bald,
daß die «Boulange» gänzlih abgemirtichaftet hatte,
als Ende April bei den Barifer Gemeindewahlen alle
* Kandidaten bis auf einen einzigen durchfielen.
ies fam daher, weil auf eine Weiſung des Grafen
von Paris die Monardiften nicht mehr hr die Bartei
des diskreditierten Generals gejtimmt hatten und
die Bonapartiften ihn jest gleichfalls fallen ließen.
Diefen Zufammenbrud der Partei Boulangers
er das Kabinett Tirard nicht mehr erlebt. Es
atte 14. März 1890 dem Bräfidenten Carnot
feine Entlafjung überreiht. Schon 1. März war
Eonftans daraus gefchieden, wodurch Zirard feine
weſentlichſte Stühe in der dÖffentlihen Meinung
verlor und fi beim erften Anlafje zum Rüdtritt
bequemen mußte. Die Dimiffion Conſtans' hatte
ihren Grund in einer Differenz mit dem Premier:
minifter, der den Radikalen Zugeftändnifje machte,
die nur ald Schwäche ausgelegt werden konnten,
Insbeſondere zeigte fi dies bei der Gelegenheit,
als der junge Prinz Louis Philipp Robert von
Irleang, ältefter Sohn des Grafen von Paris,
Anfang Februar in der Hauptitabt erſchien und
ald Gemeiner in die Armee aufgenommen zu
werben verlangte. Den Verbannungsgejegen ent:
ſprechend ward er zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt,
und Zirard ließ dies Urteil aus Rüdjiht auf die
Radikalen auch vollziehen. Das Weſentlichſte war
aber doch, daß er, der fıch als Freihändler befannte,
jih einer Kammer gegenüber befand, die feit den
legten Wablen vorwiegend aus Schußzöllnern und
Agrariern beftand. Als Tirarb und der Minijter
des Auswärtigen Spuller den 13, März ablaufen:
den Handelsvertrag mit der Türkei, dejjen Berlänge:
rung von der Pforte nicht zu erlangen war, durch
Frankreich (Geſchichte 188794)
einen freien Verkehr auf der Grundlage der Meift:
begünftigung erfegen wollten, waren bie Agrarier
des Senats dagegen, weil fie die Weinbaugegenden
durch die ungebinderte Einfuhr getrodneter türt.
Beeren für geſchädigt hielten, Sie interpellierten
und erreichten, daß die von Tirard und Spuller be:
antragte einfache Tagesordnung 13. März 1890 mit
129 gegen 117 Stimmen abgelehnt wurde, worauf
das Minifterium am folgenden Tage feine Entlai-
fung nahm. Nun berief Garnot Freycinet zur Bil:
dung eines neuen Rabinett3, worin diejer nebſt dem
Vorlig das ſchon unter Floquet übernommene
Kriegsportefeuille beibebielt, Eonftans das Innere
wieder übernahm. Diejes neue Minifterium wurde
von allen republifanifhen Parteien, mit alleiniger
Ausnahme der Ultraradilalen, ſympathiſch begrüßt.
Unter ſolchen Umſtänden batte das Minifterium freie
Hand, nad feinem Ermeſſen zu ſchalten. Als ſich die
Anardiften, von antifemit. und ultramonardiiti:
hen Elementen angereist, für ven 1. Mai, den «Welt:
eiertag», vorbereiteten, nahm die Regierung in Ba:
ris und Lyon zablreiche Verbaftungen vor, den Prin⸗
zen von Orleans dagegen gab fie nad) einigen Wo:
hen (3. Juni) frei. Auch der zunehmende Wohlſtand
und der hohe Kurs der Rente am der Regierung zu
tatten. Der Finanzminifter Rouvier konnte jest
ein Programm entwideln, ohne im Budgetausſchuß
iderftand zu finden, Steuererböbungen vorſchla⸗
gen und dem Plane, die eben fälligen —— —
chatzobligationen im Betrage von 700 Millionen,
die zur Dedung des außerorbentliben Kriegs—
budgets gedient hatten, mittels einer Emiffion von
Rente einzulöfen, die Zuftimmung des Budgetaus-
ihufles gewinnen,
Diefer allgemeine Wohlftand ließ auch das berr-
ſchende Syftem der abwartenden Friedenspolitil ala
das richtige erfcheinen, wie es Carnot bei jeder Ge
legenbeit betonte. Erſt als feit vem Sturze Bismards
der deutiche Hof fi dem englijchen näherte, wurde
man in F. beforgt, und zwar um fo mebr, ala zur
jelben Beit die Kriegsminifter im Deutſchen Reicz-
tage und in den djterr,.-ungar. Delegationen außer:
ordentlihe Geldopfer für militär. Zwede als in
den nädjten Jahren unabwenbbar ankündigten.
Man trachtete daraufhin in %., dem befreundeten
Rußland nad Möglichkeit gefällig zu jein, um es
völlig zu gewinnen. Am 29. Mat verbaftete man
15 Nibiliften, die Bomben und Sprengitoffe derei⸗
teten und Attentate — ſtellte ſie vor Gericht
und verurteilte eine Anzahl derſelben; man unter:
tügte die Bolitil des Zaren beim Batilan und in
ulgarien und ließ ed nicht an Demonijtrationen
(ehem welche die Kampfbereitihaft F.s dartbun
ollten. Troß dieſer rufienfreundlichen Kundgebun⸗
en wartete man in Paris dennoch lange vergeb-
ich auf ein Zeichen der Gunft des Zaren. Endlich
fand dieſe einen beftimmtern Ausdruck, als im
uli ein vom Aomiral Gervais befebligted Ge—
chwader auf feiner Reife ins Baltiſche Meer vor
Kronftadt vor Anter ging. Der Zar jelbit empfing
bie franz. Offiziere, befuchte die Flotte und duldete
ed, dab in jeiner Gegenwart die Marfeillaije ge
tur wurde. —V5 chte heller Jubel. Ein rufl.
nlebn von 500 Mill, . wurde ſiebenfach über
eichnet, und das Selbſtbewußtſein der franz. Madt:
u war durch dieſe Annäherung Aleranders IIL
ftart geboben. Auch zu einer Erweiterung bes afril.
KRolonialgebietes eröffnete in dieſer Zeit ein Zwi⸗
ſchenfall mit Dahome (f. d.) die ſicht.
Frankreich (Geſchichte 1887—94)
Unterbefien mar es ber opportuniftichen Pariſer
Regierung gelungen, auch im Innern Erfolge zu
erringen. In die Reihe der Souveräne, melde die
Republik mit ihrer Neigung auszeichneten, ftellte Pie
aud) der Kardinal Lavigerie, der Erzbifchof
von Algier, hatte ſchon 1890 den tr der franz.
Geiſtlichkeit an die Republik für nüplich erachtet, um
Einfluß auf die Regierung zu erlangen und das
terejje der Kirche zu fördern. Leo . erllärte
ih (aus Abneigung gegen den Dreibund) mit
diefem Gedanken einveritanden und empfahl den
Gläubigen 3.3, die republilaniſche Staatsform und
a Geſetze zu achten. Damit faben fi die franz.
Nonarchiſten eines ſtarlen Rudhalts beraubt. Dazu
tam, daß zwei der monarchiſchen Sache dienende
Berfönlichteiten furz nadeinander ftarben: Prinz
apoleon 17. März und Boulanger 30. Sept. 1891.
Ein weiteres Eingreifen des Heiligen Vaters zu
Gunften der Republik gejhab in einem Schreiben
des Staatäjelretärd Kardinal Rampolla vom 5. Yan.
1892 an den Erzbifchof von —5* das die Auf⸗
ge entbielt, jih zur Wahrung der kirch⸗
ichen Intereſſen auf den Boden der republilani:
jhen
in einer b
Härte, gegen die
machen zu wollen.
Das waren unleugbare Erfolge der Republil und
ihrer opportuniftiichen Regierung. Diefe ermedten
denn auch fofort aufs neue die erbitterte Gegner:
ſchaft der Raditalen. Ihre Unternehmungen blieben
jedoch zunächſt erfolglos, und zwar weil jest auch
die Ronjervativen die Regierung jtügten, die einen
autonomen Schußzolltarıf vorgelegt batte, worin
jene ihre meift landwirtſchaftlichen Intereſſen ge:
wahrt ſahen. Die Kammer entſchied fich für die
Doppelform eine Marimal» und eines Minimal-
tarifs. Dennoch waren die Tage des Kabinetts ge
äblt. Ein im Febr. 1892 vorgelegtes Genoſſen⸗
T haftögeiep verjtimmte die Konjervativen, die darin
eine Waffe der Regierung gegen biereligiöfen Körper:
fchaften erblidten. Als dann das Minifterium dies
öfjentlich in Abrede jtellte, erregte es andererſeits den
orn der Radikalen und blieb fo, von rechts und
inls er in der Minderheit, worauf Frey⸗
cinet 19. Febr. feine Entlaſſung nahm. Da aber
gerade zur jelben Zeit eine päpjtl. Encyllifa (vom
16. Febr.) alle Franzoſen aufforderte, die herrſchende
Regierungsform anzuerfennen und bie Negierung
zu unterjtügen, und da Garnot ein radifales Kabis
nett aus Nüdfiht auf den Zaren nicht berufen
wollte, wurde das Syſtem nicht geändert. Die bie
fidentihaft ging a oubet über, Freycinet bebielt
das run e, doch Conſtans trat aus. Die
päpftl. Encyllifa hatte zur weitern Folge, da etwa
40 monardijtiihe Deputierte, fog. Ralliierte, die
Gruppe der Konititutionellen Rechten (f. d.) bilde:
ten und ſich auf den Boden der beſtehenden Ver:
faſſung jtellten.
In den Monaten Februar, März und April wur:
den die Bewohner von hat dur bäufige Dyna⸗
mitattentate der Anarchiſten beunruhigt. Hr einen
der Verbrecher, Ravadol, gelang es ie N zu er:
i
aſſung zu ſtellen, worauf der Epiſtopat
— vom 20. Jan. ſich bereit er⸗
taatsform feine Oppoſition
reifen. Er wurde 11. Juli hingerichtet. In ihren
rundfeiten wurde die Republit jedoch erjhüttert | F. f
durch eine Kataſtrophe, die am Schluß des Jahres
über fie —— Nach 18monatiger Vorunter:
ſuchung beſchloß der Miniſterrat 15. Nov. das Ari:
minalverfabren gegen die Leiter de Banamalanal:
1045
unternehmen? eröffnen zu laffen, und wenige Tage
darauf (21. Nov.) befchuldigte der Boulan j. De
labaye in der Kammer 150 Deputierte, daß fie ihr
Votum zu Gunſten der Banamaanleibe hätten er:
faufen laſſen, und beantragte die Einſetzung einer
parlamentariichen Unterfußungätommiifon. Sei⸗
nem Antrag wurde ſtatigegeben und Briſſon zum
Vorſitzenden der aus 33 Mitgliedern beſtehenden
Kommiſſion ernannt. Die allgemeine Beunruhi⸗
gung wurde noch erhöht durd den Tod des Ban:
ierd Reina (20. Nov.), der die Finanzopera⸗
tionen ber — — zum größten Teil ge:
leitet hatte. Man behauptete, daß er ſich vergiftet
babe, um ſich der Berantwortung zu entziehen, oder
gar, daß er noch lebe und feine eerdigung nur ein
&heinmandver gemwejen fei. Am 28. Nov. wurde
in der Rammer die Erhumierung ber Leiche verlangt,
und als das Haus troß des Widerſpruchs des Juftiz:
minifter8 Ricard demgemäß beiclob, reichte das
Mintfterium feine Entlajlung ein. Das neue Kabi—
nett, das unter Ribot 6. Dez. zujammentrat
batte nur kurzen Beitand. Neue Angriffe, die fi
namentlich gegen Loubet, Freycinet und Burdeau
richteten, zwangen e8, 10. Yan. 1893 feine Ent:
lafjung einzureihen. In dem neuen «purifizierten»
Kabinett, das Ribot am folgenden Tage bildete,
fanden fie feine Stelle. Ebenfalld 10. Jan. be
gann vor dem Pariſer Zuctpolizeigericht der Bro:
eh gegen die VBerwaltungsräte der Panamageſell⸗
haft, die beiden Leſſeps, Fontane, Cottu und Eiffel,
die 9. Febr. wegen Betrugs und Bertrauendmiß:
brauchs zu hoben Gefängnisftrafen verurteilt wur:
den, doch wurde das Urteil wegen Verjährung durch
den Rafjationshof im ‘uni aufgehoben. Weit fen
fationeller geftaltete fih ein zweiter Banamaprozeß,
ber 8, bis 21. März gegen die oben genannten Di:
reftoren der Banamagejellichaft ala Beftecher, und
den frübern Minifter — einige Senatoren
und Deputierte als Beſtochene vor dem Geſchwo—
renengericht in Paris gerührt wurde. Die meijten
der Angeklagten wurden allerdings freigefprocen,
bob wurden Leſſeps, Blondin und Baibaut ver:
urteilt, und zwar zu 1, 2 und 5 Jahren Gefängnis.
Durch —28 Urteil ſchien der Panamaſtandal in
einer für das herrſchende parlamentariſch-republi⸗
kanifhe Syitem möglihjt günftigen Weife beigelegt
zu fein, und die Kammer, die, jolange diefe An:
gelegenbeit im Vordergrunde geftanden, die rn
rung energijch unterftüßt hatte, engen be plötzlich
dieſes Vertrauen und ließ ſie bei einer Abſtimmung
in der Minderheit, —— Ribot ſeine Entlaſſun
nahm. An ſeiner Stelle übernabm Dupuy 4. Apri
das Präfivium, und ihm bemilligte die Kammer
28. April, was jie dem vorigen Minijterium verfagt
hatte. Ein Handelövertrag mit Rußland, in dem F.
die Zölle auf Naphthaprodulte (Petroleum) auf die
Hälfte des bisherigen Betrages berabjegte und von
Rußland weſentliche Zollermäßigungen für feinere
———— e und Ackerbaugeräte erlangte,
egte von neuem Zeugnis ab von den freundicaft:
lien Beziehungen zwiſchen beiden Mächten. Grenz⸗
——— mit Siam ſpitzten ſich im Juli zu einem
onflitt zu, al3 ven Me:nam age abrende franz.
en beſchoſſen wurben,
. forderte 20. Juli in einem Ultimatum Anerten:
nung des Mesfong ald Grenze und bejeste, als
Siam mit der Annahme zögerte, Tſchantabun. Erit
3. Dit. fam ein Vertrag zu jtande, worin Siam auf
das linte Me⸗kong⸗Ufer verzichtete.
Kanonenboote von den Siame
1046
Inzwiſchen fanden 20. Aug. die Neuwahlen zur
Deputiertenlammer ftatt und ergaben mit den Stich:
wablen 3. Sept. wieder eine Berftärtung der Repu:
blitaner. E3 wurden gewählt 409 Republilaner und
Rapitale, 79 focialiftiihe Radikale und Socialiften,
29 Ralliierte und 64 Konſervative. Kurz vorber
Ye und 17. Aug.) war es zwiichen franz. und ital,
rbeitern in Aiguesmortes zu blutigen — ——
ftößen gekommen, wobei eine — Italiener ge:
tötet und verwundet worden waren, ein Ereignis,
das nicht dazu beitrug, das obnebin geipannte Ber:
bältnis zu Ftalien zu verbejlern. Dagegen feierte die
Nepubliteinen a Triumpb, ala Sukland endlich
den Kronſtadter Flottenbeſuch erwiderte. Am 13. Olt.
traf ein auf der Heimreiſe von Amerila begriffenes
ruſſ. Geſchwader unter Admiral Avellan im Hafen
von Toulon ein, wo es bis 29. Dit. verweilte. Auf
da3 überfchwenglichite wurden die ruſſ. Offiziere und
Seeleute gefeiert, namentlih aud in Paris, wohin
fih ein Zeil begab. ,
Diefer Erfolg hinderte aber nicht, daß das Mi:
nifterium Dupuy bald darauf bei dem Verſuch, ſich
einheitlicher zu gejtalten und feine radilalen Mit:
glieder abzuitoßen, zu Falle kam (25. Nov.). Erſt
nad langem Bemüben fam3. Dez. ein neues Kabinett
mit Ausſchluß der Radikalen unter dem bisherigen
Kammerpräfidenten Gafimir: PBerier zu ftande, der
zugleich das Auswärtige übernahm. In der Sisung
der Deputiertenlammer, 9. Dez., wurde von ber
Galerie eine Dynamitbombe in den Saal geichleu:
dert, die über 20 Abgeorbnete —— Der Thäter,
der Anardift Vaillant, wurde alöbald ergriffen. Dies
Attentat veranlaßte mehrere ſcharfe Gejekezur Unter:
drüdung der anardiftiichen Beitrebungen. Trotzdem
fanden nad ber ter ug Poing (5. Febr.
1894) während der nädjiten ‘Monate noch mehrere
anardiftiihe Bombenanichläge in Paris ftatt. Aber
Gafimir: Berier fuhr fort, nachdem durd die Kon—
verjion ber 42, prozentigen Rente in 3*/,projen:
tige auch das Gleichgewicht im Budget bergeitellt
worden war, bie Negierung mit feiter Hand zu füb:
ren, und unterjtüßt von der Nechten, einen mehr
tonfervativen Zug in die Politik zu bringen.
Dies jollte ſich aud in dem Verhältnis zur Kirche
geltend maden. Der Kultusminifter Spuller erflärte
3. März in der Kammer, daß die Regierung in religid-
ſen fragen das Princip der Toleranz vertrete und
dem «neuen Öeijt» der Berföhnung Rechnung tragen
wolle. Aber die dadurch nur geiteigerten Macht:
gelüfte der Kirche machten dieje Verjöhnlichleit bald
zu Schanden. Berorbnungen, betreffend die Rec:
nunglegung über die Kirchengüter, fanden bei vielen
YBilhöfen und Geiftlichen — Widerſtand, und
die Regierung konnte nicht umhin, gegen mebrere
renitente Biijhöfe mit Maßregelungen einzuſchreiten.
Nun hatte fie auch die Nechte gegen ſich, und fo fam
fie bei der nächſten Gelegenheit zu Falle. Als die
Kammer 22. Dai das Verbot, dab Angeftellte der
Staatöbahnen an Arbeiterfongrejien teil nähmen,
—— nahm das Miniſterium ſeine Entlaſſung.
Dupuy bildete nun wieder ein Kabinett (30. Mai).
Eine hervorragende Stellung nahm darin der Mi:
nifter de8 Auswärtigen, Hanotaur, ein, der ſogleich
mit Energie gegen has se England und dem
Kongoitaat 20. Mai geld oſſene Abkommen vorging,
während ſchon fein Vorgänger mit Deutſchland am
18. März ein jebr günitiges Ablommen über die Ab-
grenzung der beiderjeitigen Machtſphären in Meit:
afrita getroffen hatte, wodurd %. der Jugang zum
Frankreich (Geſchichte ſeit 1894)
5* gran: mar. Inzwiſchen wurde die Auf:
merljamleit von dieſen Dingen abgelenkt durch die
Ermordung des Präfiventen Carnot. Als dieier bei
einem Beſuch in Lyon 24. Juni abends nad dem
Theater fuhr, wurde er von dem ital. Anarchiſten
Gajerio durch einen Dolchſtoß ſchwer verwundet und
ftarb wenige Stunden danadı.
19) Unter der Praſidentſchaft Eafimir:
Agila Faures und Loubets (feit 18%).
dem am 27. Juni zufammengetretenen Rongres
wurde glei im eriten Wahlgang Gafimir: Berier
mit 451 von 851 Stimmen zum PBräfidenten der Ne
publit gewählt. In ihm a man in der Furcht vor
der anardiftiihen und focialiftiihen Gefahr ven
Netter des republilanifchen Staatsweſens. Einen
bedeutenden Erfolg hatte die Regierung durch den
am 14. Aug. zu Hari mit dem Kongoſtaat abge
hlofjenen Vertrag. Darin verzichtete der Kongo:
taat auf die Bejehung nördlich vom 5. Breitengrade
und djtlih über den 30.° ditl. 2, hinaus, wodurch
die in dem Vertrag mit England von diefem an den
Kongoftaat erfolgte «Berpahtung» von Gebiet am
obern Nil nichtig wurde. War bier eine den tolo-
nialen Beitrebunngen drohende Gefahr durch i
Diplomatie wer, a. worden, fo führte das
Verhalten Madagaslars, das ſich den Konſequen⸗
zen des franz. Proteftorat3 zu entziehen fuchte, zum
Kriege. Als ein franz. Ultimatum im Oktober un:
beantwortet blieb, wurde ein Erpeditionstorps nad
Madagaskar eingeſchifft, wo es zunächſt 12. Dei.
Tamalave beſetzte. Die Ausführung der Erpedition
legte mandyerlei Mängel, beſonders in der Kriegs⸗
verwaltung, im Berpflegungs: und ſtrankenweſen,
anden Tag, fo daß die franz. Truppen durch Sumpf:
fieber und i lechte Ernährung größere Berlufte er:
litten ald durch den Widerjtand der Howas, der nur
gering war. Bon Majunga an der Meittüjte Mada-
gastars brad General Duchesne im Mai 1895 auf,
und 30, Sept. konnte er fiegreid in die Hauptitadt
Zananarivo einziehen, worauf er 1. Oft. einen neuen,
die Schutzherrſchaft 5.8 befeitigenden Vertrag mit
der Königin abſchloß.
Am Innern war bie größte Sorge der Steuer:
reform —— doch kam fie nicht zum Abſchluß,
da das Miniſterium Dupuy zuvor durch geicidtes
Operieren der Radikalen und Socialiſten in einer
Etreitfrage wegen der Dauer der vom Staat ber
Drlsand: und Sudbahn geleiiteten Zinsgarantie ge:
türzt wurde. Am 14. Jan. 1895 reichte Dupuy die
imiſſion des Minifteriumsein. Dieſes Entlafjungs:
eſuch hatte aber eine ganz unerwartete Folge: det
Ühräfident der Republik ſelbſt legte fein Amt niever.
{iberbrüffig des intereffierten Barteitreibend und der
perjönlihen Verunglimpfungen, denen er jhuslos
preißgegeben war, zog er ſich von einem Amte zurüd,
worin er nicht, wie er gehofft hatte, einen entſcheiden
den er! bie Regierung auszuüben vermodte.
Der Kongreß zur Wahl eines neuen Präfidenten
trat 17. Jan. in here Im erſten Wahlgang er:
bielten von 794 abgegebenen Stimmen Brijlon 335,
Faure 244 und Walded-Roufjeau 184; da legterer
zu Gunjten Faures verzichtete, wurde dieſer mit
430 Stimmen gewählt. In der vermorrenen Lage
elang es dem neu gewählten Präjidenten erit nad
angen Verhandlungen, 27. Jan, ein neues Miniſte
rium von gemäßigter Farbung unter Ribot einju:
fegen, deſſen ger ie Perjönlichleit wieder Hanc:
taur war, der das Auswärtige behalten hatte und
noch weiter mit Entjchievenbeit leitete. Er icheute ib
Frankreich (Gejchichte ſeit 1894)
auc nicht, obwohl ſchon die Annahme der Einladung
Deutichlands zur Gröffnung des Nordoſtſeelanals
von einem Teil der franz. Freiie wütend betämpft
worden war, eine gemeinjame Aktion nicht nur mit
en ug fondern auch mit Deutjchland gegen den
wiſchen China und Japan 17. April geſchloſſenen
riebensvertrag von Schimonoſeli (j.d.) einzuleiten.
Sodann hielt das Minijterium gegen die Kirche
den ftaatlihen Gedanten aufrecht und wies in einem
großen Ausftande, den die Glasbläjer im Oltober
und November zu Carmaur veranitalteten, bie Aus:
fhreitungen der Arbeiter zurüd. Zwei Tage nad)
der Interpellation über diefen Ausitand, 28. Olt.
wurde e3 geftürzt, indem es wieder in einer Süb-
babnvebatte in der Minderheit blieb. Dem uns
erwarteten Falle folgte, ſeit Jabren N er eritenmal,
ein grundſatzlicher Wechjel in der Regierung. An
die Stelle deö nah innen ziemlich farblojen Kabi⸗
nett3 Ribot fam 1. Nov, ein entſchieden radilales
unter Bourgeois, in dem Gavaignac die Kriegs:
und Bertbelot die auswärtige Verwaltung über:
nabm. Das — Bourgeois' kehrte ſich gegen
die perſonlichen Verbindungen der großen Gejell:
ſchaften mit vem Parlament, gegen die Monarchiſten,
aber auch gegen bie Socialiſten; den —— landal
brachte die endlich ee erhaftung des
vielbeteiligten und mit Abſicht lange vergebens
verfolgten Agenten Arton wieder in Fluß, der
zu mehrjähriger Gefängnisftrafe verurteilt wurde;
dagegen wurden mebrere Abgeordnete, die durch
feine Ausſagen belaftet waren, 1897 a
Als dann aber Bourgeois ein progreſſiwes Einkom⸗
menſteuerſyſtem beantragte, wurde er von rechts ber
focialiftiiher Tendenzen bezichtigt, und der Senat
beſchritt jchließlich den offenen Kriegspfad gegen das
rabilale Kabinett. Nachdem er bereit3 am 11. und
17. Febr. 1896 dem Minifterium in der Südbabn-
angelegenbeit ein Tadelsvotum ausgeſprochen batte,
das Bourgeoid ignorierte, erbob er ſich 21. April
zur Vertagung der Kredite für Madagaskar und
erflärte die Verfaſſung für verlekt, da das Minifte:
rium troß der wiederholten Mißtrauenskundgebun⸗
gen der Erjten Rammer im Amt geblieben fei. Nun
trat Bourgeois 22. April zurüd, und am 28, über:
nahm Meline die Leitung einer neuen, rein oppor⸗
tuniftiihen Regierung, der auch Hanotaur wieder
angehörte. Ernſte Schwierigteiten erhoben ſich für
das Kabinett auf finanzpolit. Gebiet. Zwar ließ es
dad Projekt einer allgemeinen progreffiven Ein:
tommeniteuer fallen, erfannte aber die Notwendig:
keit einer durchgreifenden Steuerreform an. Als
ebod der Finanzminifter Cochery mit einem Plan
bevor wonach — Erleichterung des über:
ürbeten Immobiliar ejibed das Einlommen aus
franz. Rente mit einer 4*/,progentigen Steuer belegt
werben jollte pi; er von rechts und links auf
Widerftand, jo daß das Kabinett 9. Juli die ganze
Steuerreformvorlage zurüdzog.
Bot fo die innere Politik ein oftmals wechſelndes
Bild, jo wurde die äußere im großen und ganzen
von allen Regierungen gleichartig geführt, und zwar
wurde alle8 durch das Berbältnis zu Rußland be
berriht. Der Tod Alexanders II. (Nov. 1894)
wurde von ben era ie aufrichtig betrauert, da
aber jein Sohn und Nachfolger Nilolaus II. die
enge Verbindung mit 5. aufrecht erhielt, jo änderte
fih in dem Verhältnis beider Staaten zu einander
wenig. Daher wurde das ruſſ. Kaiſerpaar, als es
auf jeinen Reiſen an den europ. Höfen vom 5, big
1047
9, Oft. 1896 in F. weilte, mit unermeßlichem Jubel
begrüßt und mit glänzenden Feſten gefeiert, doch
blieb man immer noch im Ungemifjen, ob ein bes
ftimmt formulierterBündnisvertrag eriftiere, Diefer
weifel wurde jedoch befeitigt durch die glänzende
ufnahme, die der Präfident Faure bei feinem
ſuch am ruff. Kaiſerhof 23. bis 26. Aug. 1897 fand,
wobei en. das erjehbnte Wort von den beiden
«alliierten» Nationen geſprochen wurde.
Eine Angelegenheit, die ſich durch die damit ver
bundenen Umjtände und dur das Licht, das fie
auf die berrihenden Kreiſe der dritten Repub it
warf, —— wie die Panamaangelegenheit zu
einer polit. Frage erſten Ranges geſtaltete, war
der Prozeß des jüd. Hauptmanns Dreyfus, der
1894 wegen Spionage zu Degradation und lebens
längliher Deportation verurteilt worden war, Bald
aber tauchten Zweifelan der Schuld des Dreyfus auf,
beſonders nachdem fich 1897 der Senator Scheurer-
Keſtner, der Schriftiteller Zola und der Bruder des
Verurteilten zu feinen Anwälten gemadt und als
den wahren Ba og Pr den Major Eſterhäzy be
—— hatten. Die Kammern, in denen im Dezem⸗
er von den Freunden Dreyfus' die Reviſion ſeines
Prozeſſes angeregt wurde, —— ſich ebenſo wie
das Miniſterium durchaus ablehnend und ſchenkten
den Verſicherungen des Generalſtabs, daß Dreyfus
u Recht verurteilt ſei, unbedingten Glauben, be
Inder nachdem Ejterbäzy, gegen den eine Unter:
uhung eingeleitet wurde, 11.
Kriegsgericht freigeiprodhen war. Dennoch rubten
die Dreyfusfreunde nicht, und als Zola in einem
offenen Brief die Nichter Eſterhäzys beſchuldigte,
"T auf Befehl ihrer Vorgeſetzten freigeiproden
zu haben, richtete fich die volle Wut der Militärpartei
und der Antifemiten gegen ihn und fuchte die ganze
Angelegenheit zu einer Bewegung gegen die Juden
und die Proteftanten auszubeuten. In einem Auf:
ſehen erregenden Prozeß wurde Zola 28. Febr., und
ald er Nevifion einlegte, wieder 18. Juli zu einem
Jahr Gefängnis verurteilt,
ie Wahlen zur Deputiertenlammer, die im Mai
ftattfanden, braten keine wefentliche Veränderu
da etwa 225 gemäßigte Republilaner und 45 Rals
liierte gegen 182 Radikale, 45 Socialiften, 49 Don:
ardiften und 26 antifemitifche Nationaliften gewählt
wurden. Wie ——— aber die Majorität war,
auf die die Regierung fi en zu fönnen glaubte,
zeigte fich ſchon am 14. Juni, wo fie bei einer Inter:
pellation über di gegenüber der focialiftifchen Be:
an. 1898 vom
megung beobadtete Haltung in der Minderheit
blieb, worauf Meline mit feinem ganzen Kabinett
wir —— einreichte. Erſt nach langen Ber:
andlungen pe ang e3 Briffon, 27. Juni ein neues
radikales Kabinett zu ftande zu bringen, in dem er
neben dem Vorſih das Innere, Bourgeois den Unter:
richt, Cavaignac das Kriegsweſen, Yodroy die Mas
rineübernahm. Sofortregten ſich wieder bie Dreyfus:
freunde, doch erwies ſich auch das neue Minifterrum
einer Kevifion des Prozeſſes durchaus abgeneigt.
Eine völlig neue Wendung nahm die Sadıe, als ſich
wenige Wochen darauf das am meiften für Dreyfus
belaftende Schriftftüd als eine Falſchung des Oberſt⸗
leutnants Henry, des Chefs des Informations:
bureaus im Großen Generalftabe, berausitellte,
Henry endete durch Selbftmord, der Chef des Großen
Generalſtabs, General Boisdeffre, legte 1. Sept.
fein Amt nieder, und wenige Tage darauf trat auch
der Ariegäminifter Cavaignac zurüd. Aud fein
1048
Nachfolger, General Zurlinden, ertlärte von Drey:
fus' Schuld überzeugt zu fein. Da trotzdem 17.Sept.
der Minifterrat eihlob, eine Juſtizkommiſſion ihr
Gutachten über die Revifionsbedürftigfeit des Drey:
fusprozejjes abgeben zu lafjen, trat auch Zurlinden
urüd und machte dem General Ehanoine Plaß, der
Ka ebenfall3 ald Dreyfusgegner und als ein Wert:
zeug der Militärpartei zeigte; denn nachdem 26.Sept.
bom Minifterrat die fiberweifung des Prozefjes an
den Kaſſationshof beichlofjen war, erklärte Chanoine
25. Dit. bei einer Interpellation über die Dreyfus:
angelegenbeit von der Tribüne der Deputierten:
fammer berab feine Dimiffion, worauf aud das
übrige Miniftertum zurüdtrat. Präſident Faure
berief Dupuy zur Neubildung bes Kabinetts, und
diefer trat ald Minifter des Innern an die Epige,
während Delcajie und Lodroy ihre Amter bebielten
und Freycinet das Kriegs⸗, Peytral das Finanz
wejen übernahm. Die wichtigite Angelegenheit für
das neue Minijterium war der Streit mit England
um Faſchoda (j. d.), der bereits eine höchſt bedroh⸗
lie Form angenommen * 3 Verſuch, ſich
bier am obern Nil feſtzuſetzen, ſtieß auf fo ener⸗
giſchen Widerfprud von feiten Englands, daß am
8. Nov. der franz. Minifterrat in Anbetracht der
fiberlegenbeit der engl. Seemacht nachzugeben und
Marhand, der bereits die franz. Flagge in Faſchoda
gebeißt batte, abzuberufen befchloh. Der Groll
über dieſe Niederlage wurde noch verftärft durch
ben meitern Verlauf der Dreyfusangelegenbeit.
Als nämlich die Nevifion einen für Dreyfus gün:
hei Verlauf zu nehmen ſchien, beihuldigte der
räjident der Eiviltammer des Kaſſationshofes,
uesnay de Beaurepaire, feine Kollegen von ber
Kriminallammer der Barteilichkeit und erreichte auch
wirllih, daß dieſen durch ein Geſeß die Revifion
entzogen und dem gejamten Kaflationshof über:
tragen wurde. Inmitten diefer Wirren wurde bie
Republik durch den Tod ihres Oberhauptes, des
Präjidenten Faure, betroffen, der 16, Febr. 1899
einem Schlaganfall erlag. Faſt wider Erwarten
vollzog fi die Neuwahl 18, Febr. in aller Ruhe.
Mit 483 gegen 308 Stimmen, von denen 279 M&
line zufielen, wurde der Senatäpräfident Loubet zu
der Böchften Wurde berufen. Freilih demonſtrier⸗
ten die Royaliften und Nationaliften bei jeder Ges
legenbeit gegen den neu gewählten Bräfidenten, und
Deroulede, der Führer der PBatriotenliga, machte
fogar am Tage ber Dijesung — (23. Febr.)
den allerdings vergeblichen Verſuch, den General
Roget an der Spitze ſeiner Truppen zu einem militär.
Staatsſtreich zu veranlaſſen; Loubet ließ ſich jedoch
dadurch nicht beirren und wußte ſich allmählich auch
die Achtung ſeiner Gegner zu erwerben, zumal da
es ihm gelane, durch den Vertrag vom 21. März,
worin England die franz. Einflusfphäre im weftl,
Zeil Mittelafrilad anerkannte, die Nied e von
abher einigermaßen wett zu machen. Die leiden:
chaftlichſten Kämpfe entbrannten jevoch aufs neue,
als am 3. Juni ber —— das Urteil des
Kriegsgerichts, wodurch Dreyfus verurteilt war,
umſtieß und den Angeklagten vor ein neues Kriegs⸗
gericht in Rennes verwied, Die Militärpartei war
durd diefen Schlag aufs höchſte —— und richtete
ihren Zorn abermals hauptſächlich gan Loubet,
der am 4. Juni bei einem Rennen in Auteuil ſogar
thätlich infultiert wurde. Die ſcharfen polizeilichen
Mapregeln, die das Minifterium infolgedefjen
treffen ließ, veranlaßten am 12. Juni eine Inter:
Frankreich (Geſchichte jeit 1894)
pellation in der Deputiertentammer, die eine dem
Minifterium nicht genebme Tagesordnung annabm,
worauf das Kabinett Dupuy feine Entlafjung ein:
reichte. Erft am 22. Juni gelang es dem Senator
Walded:Roufjeau, ein lebensfähiges Kabinett zu
ftande zu bringen, in dem zum erftenmal auch cas:
Sorialiften Blag fanden, und zwar Millerand als
Handelsminifter, Baudin ald Minijter für öffent:
lihe Arbeiten. Neben ihnen ſaß als Kriegsminiſter
General Gallifet, der Befieger des Communeauf:
tandes, während Malded:Rouffeau neben dem Brä:
idium das Innere übernahm, Delcafie das Hußere,
onis die Juftis, Jean
ue⸗
neſſan die Marine,
Dupupden Aderbau, Cailla
den Unterricht, Decrair die
Am 7. Aug. trat das Kriegsgericht, dad von
neuem über Drevfus urteilen jollte, in Rennes zu
ſammen. Seine Verhandlungen dauerten bis zum
9. Sept. und enbeten zwar mit der abermaligen
Verurteilung des Angellagten, doch wurden ihm
mildernde Umftände nugebilligt, und wenige un
barauf wurde er völlig begnadigt; ein Tagesbeie
des Kriegäminifterd erllärte die Affaire für ab-
eſchloſſen, und endlich ſetzte die Regierung eine
mneftievorlage durh, wonach alle Strafverjab:
ren, die auf Grund des Dreyfusbandels eingeleitet
waren, niedergeihlagen wurden. Borber jebod
batte fie fih genötigt gefeben, die während des
Drevfuäprozeffe von den royaliftiichnationalifti-
[hen Kreiſen angeftifteten Unruben zu unter
drüden. Am 12. Aug. wurden bie er ber Be
mwegung, eine Anzabl Rovaliften und Antijemiten,
verhaftet und vor den Staatögerichtäbof geftellt,
ber allerdings die meiften freiſprach, einige jedoch,
darunter Deroulöde, wegen Komplotts gegen die
Sicherheit des Staates zu längern Gefängnisitrafen
und zu Verbannung verurteilte. So mar wenig:
—* äußerlih Ruhe und Ordnung bergeitellt, als
oubet am 14. April 1900 die Weltausjtellung in
Paris eröffnete. Sie war glänzend beſchidt und
wies mehr Befucher auf als jede frühere, batte aber
troßdem nicht den gebofiten pefuniären Erfolg.
as bevenklihe Anwachſen des monarchiſtiſchen
und klerikalen Einfluſſes im Heere, das wäbrend ber
Dreyfusaffaire zu Tage getreten war, mußte es
den republikaniſchen Regierungskreiſen nahe legen,
Maßregeln dagegen zu treffen. Dies geſchah denn
auch, befonders jeitvem nad dem Rüdtritt Galli-
fet3 (29. Mai) General Andre das Kriegsminiſte
rium übernommen hatte. Ein umfajjender Ber:
fonenwechjel im Generalftabe, den er alsbald, nad
dem er fein Amt ü mmen batte, anorbdnete,
veranlaßte den Chef bes Generalitabs Delanne,
feine er map, zur Truppe zu erbitten, und den
General $amont, den Bicepräfidenten des Dberiten
Kriegsrats, ſich zur Dispofition ftellen zu laſſen
Andre lieb fi jedoch dadurch nicht beirren unt
verfolgte dur die Neuorganifation des Dberiten
Kriegsrats (29. Zuli) — wie durch das Dekret
über die ge ige der Offiziers ſchule zu
St. Eyr (26. Sept.) aud meiter den Zwed, bie
Machtvolllommenbeit des Kriegsminiſters zu er
böben und die Demokratifierung der Armee berbei-
pam. Einen Schlag gegen den Klerikalismus
ebeutete ferner das neue Bereinägejeh, das die
Regierung im Jan. 1901 einbradte und das ſich
in erfter Linie gegen die lirchlichen Rongregationen
richtete, die ihren Einfluß vielfah zu feindlichen
Agitationen gegen die Nepublit benugten. De
bie Finanzen,
olonien.
Frankreich (Litteratur zur Geſchichte)
Gefekentwurf hatte den Zived, einerſeits die eins
ſchränklenden Bejtimmungen, die dem freien Ber:
eindrecht im Wege ftanden, zu befeitigen, anderer:
ſeits aber die lirchlichen Kongregationen der Ober:
aufficht des Staates zu unterwerfen. Dies erreichte
er dadurch, daß er zwiſchen Vereinigungen unter:
hied, deren Mitglieder zufammenmwohnen, und
olchen, bei denen dies nicht der Fall ift, und wäh:
rend letztere ohne weiteres erlaubt wurden, follten
eritere, wodurch namentlich die geiftlihen Orden
betroffen wurden, verpflichtet fein, die geſetzliche
Genehmigung einzuholen. Nah langen erregten
Debatten wurde der Entwurf in beiden Kammern
angenommen und am 1. Zuli ala Gejek verfündigt.
Dana wurde den Kongregationen vorgefhrieben,
bis zum 3. Dt. ihre Geſuche um —* nebſt
ihren ——— an den Miniſter des Innern ein:
zureihen. Während die Mehrzahl fih abmwartend
verhielt, zogen es einige, darunter die Jefuiten,
vor, in das Ausland zu geben.
Mar es fo der zielbewußten Haltung des Kabi—
nett3 Walded:Rouijeau gelungen, im Innern all:
gemeine Beruhigung herbeizuführen, p batte auch
auf dem Gebiet der auswärtigen Politik die vor:
bandene —————— nachgela en. Seit
der beibämenden Niederlage von Faſchoda hatte
3 feine Wehrtraft zur See bedeutend verjtärft, und
im Juni 1900 war eine Marinevorlage, die zur
Vermehrung der Flotte, zur Hafenausrüftung und
Küftenverteidigung 900 Mill. Fr3. forderte, mit
großer Mebrheit angenommen worden. Schon in
dem Bertrage mit England vom 21. März 1899
waren %. für feinen Verzicht auf den djtl. Sudan
die Lanpjtriche von Tibefti, Wadai, Kanem und
Bagirmi zugefallen, doch mußte es bier erſt in län«
gern Kämpfen gegen den Sultan Rabeh feine Auto:
rität befejtigen. Einen weitern Erfolg in 3.8 Kolo—
nialpolitit bedeutete die Bejegung der Tuat-Oaſen,
die 1901 ame Miderftand vollendet wurde, und der
1902 die Befeßung der Dafe Sieig folgte.
An der Beilegung der chineſ. Wirren (f. China,
Geſchichte) nahm auch F. im Verein mit den übrigen
Großmächten teil, Ein engerer Anfhluß an Eng:
land und Stalien erfolgte, nachdem die Könige beider
Länder 1903 Baris bejucht hatten. Bon bejonderer
Bedeutung war namentlidh ein Vertrag, den F.
8. April 1904 mit England abſchloß und der alle
tolonialen Differenzen befeitigen foll (ſ. Frankreich,
Bd. 17). Dazu trug au die Ausführung eines
franz.-fiamef. Vertrags 8 Febr. 1904) viel bei.
Ungewöbnlide Energie entwidelte 5. in einem
Konflilt mit der Türkei, die fortvauernd zögerte,
einige Schon lange ſchwebende Forderungen franz.
Untertbanen zu befriedigen. In den erjten Tagen des
November 1901 erſchien eine franz. Flotte vor My:
tilene und nabm einige türt. ——— in Beſitz,
worauf die Pforte alle Anſprüche F.s befriedigte.
Die Kammerwahlen, die 27. April 1902 jtatt:
anden, ergaben eine ſtarke Majorität für die Radi—
alen. Als daher das Minifterium Walded:Roufjeau
28. Mai feinen Rüdtritt erflärte, trat an feine Stelle
ein rein radilales Kabinett unter Combes. Dieſes
veröffentlichte aldbald einen Erla$ an die Präfelten,
worin dieje aufgefordert wurden, alle ftaatlich nicht
genehmigten eignen aufzus
löfen und die von ihnen unterhaltenen Schulen zu
ihließen. Nachträglibe Zulaſſungsgeſuche wurden
von der Kammer mit wenigen Ausnahmen 18. März
1903 abgelehnt und die Präfelten angewieſen, die
1049
rg pre binnen kürzefter Frift ausjus
übren. Da aber nur wenige Rongregationen vielen
efeblen freiwillig Folge leiiteten, fo gab ihre
——— namentlich bei ver klexilal
gefinnten Sandbevöllerung der Weit: und Süd:
epartements vielfah Anlak zu lärmenden Kund⸗
ebungen, Dieſes ftrenge Vorgehen der Regierung
(it iu einem jcharfen ——— mit der Kurie.
eo XIII. verdammte die Geſetze gegen die Kongre—
ationen, worauf es zu Differenzen über die Aus:
egung des Konkordats fam, in der erſt PiusX. ſich
zum Nachgeben entſchloß. Cinen neuen ſchweren
Konflikt brachte der Beſuch, den der Präſident Youbet
(April 1904) dem König von Italien in Rom ab:
ftattete, und gegen den der Papft entſchieden pro⸗
teftierte, worauf die franz. Negierung 31. a die
diplomat. Beziehungen zum Batilan abbrach. ns
folge wiederholter heftiger Angriffe fab fih das Ka—
binett Combes genötigt, 18. Ser. 1905 zu demiſ⸗
fionieren, worauf Rouvier die Bildung eines neuen
Miniftertums übernahm. Unter ibm wurde 17. März
die Vorlage über die zweijährige Militärdienftzeit und
Ende April die Trennung von Staat und Kirche an-
enommen und durchgeführt. Bei der Neumahl des
Fenftenten der Republit wurde 17. San. 1906 ber
enatspräfident Fallidres gewählt, der 18. Febr.
jein Amt antrat.
3.8 Verfuh in Marokko enticheidenden Einfluß
r gewinnen, wurde durch die m. Deutſch⸗
ands weſentlich eingeſchränlt. Auf einer inter⸗
nationalen Konferenz, die vom 17. Jan. bis 7. April
1906 in Algeciras tagte, wurden die wegen dieſer An⸗
—— zwiſchen beiden Staaten entſtandenen
— beigelegt. Als das Kabinett Rouvier
9. März 1906 bei einer Abſtimmung in der Mins
derheit blieb, ſah es fih zum NRüdtritt veranlaßt,
worauf Sarrien die Neubüdung übernahm. (©.
Frankreich, Bo. 17.)
Litteratur zur Gefchichte. Vol.überdieQuellen:
G. Monod, Bibliographie de l’histoire de France,
depuis les origines jusqu’en 1789 (Par. 1888) ; Mo⸗
linier, Les sources de l’histoire de France depuis
les originesjusqu’en 1815 (Bd. 1—3, ebd. 1902—3).
Von allgemeinen Werten find zu nennen:
Guizot, Essai sur l’histoire de France (Bar,
1823; 14. Aufl. 1877); Michelet, Histoire de
France (neue Aufl., 19 Bde., ebd. 1878—79);
Martin, Histoire de France (4. Aufl., 17 Bde. ebd.
1856—60); Darefte de la Ehavanne, Histoire de
France, depuis les origines jusqu’& nos jours
(3. Aufl., 9 Bde., 1885); E. A. Schmidt, Geſchichte
von %.(4Bde.,Hamb. u. Gotha 1835—48) ; Histoire
de France depuis les origines jusqu'âà la r&vo-
lution, bg. von Lavifje (Bar. 1900 fg.); Guizot,
Histoire de la civilisation en France (15. Aufl,,
4 Bde., ebd. 1890); Nambaud, Histoire de la ci-
vilisation frangaise (3 Bde., ebd. 1885 — 88) ; Warns
lönig, Franz. Staatd: und Rechtsgeſchichte (3 Bde.,
Baf. 1846—48); Viollet, Histoire des institutions
litiques et administratives de la France (2 Bve.,
Öhar. 1889 fg.); Glaffon, Histoire du droit et des
institutions de la France (8Bde., ebd. 1887—1902);
ee Seine Gefhihte, Verfaſſung und
ftaatlihen Einrichtungen (Lpz. 1897); Zimmermann,
Die Kolonialpolitit 5.8 (Berl. 1901).
Fürdiehiftor.Litteraturüber einzelne Epochen
find die Litteraturangaben bei den betreffenden
Herrſchern zu vergleihen, für das fränt. Zeitalter
die Litteratur zu dem Artilel Fränkiſches Reich,
1050
Si bie —— ie die Pitteratur der Artikel:
eutſch⸗Franzoſiſcher Krieg von 1870 und 1871,
Franzöfifche Revolutionskriege, Franzöfifch : Ofter:
reichiicher Krieg von 1805 u. f. w.; außerdem über
1) die Zeit von den Rarolingern bis zur Nefor:
mation: Lot, Les derniers Carolingiens (Par. 1892);
von Raldftein, Gefchichte des franz. Rönigtums unter
ben erften Gapetingern (Lpz. 1877); Quchaire, His-
toire des institutions monarchiques sous les Pr
miers Capétiens (2. Aufl., Par. 1891); Fuftel de
&oulanges, Histoire des institutions politiques de
l’ancienne France (4 Bbe., ebd. 1875—80).
2) Bon der Reformation bis zur Revolution:
Ranle, Franz. Geihichte vornehmlich im 16. und
17. Jahrh. (4. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1876—77); Las
cretelle, Histoire de France pendant les guerres
de religion (4 Bde., Bar. 1822); Cheruel, Histoire
de France sous le ministöre de Mazarin (3 Bde.,
ebd. 1882— 83); Lacretelle, Histoire de France
endant le 18° siöcle (5. Aufl., 6 Vde. ebd. 1830);
erlins, France under the Regency (2ond. 1892);
derj., France under Louis XV (2 Bbde., ebd. 1897);
Zocqueville, L’ancien rögime et la r&volution
(7. Aufl., Bar. 1866; deutich Lpz. 1867); de Broc,
l.a France sous l’ancien regime (2 Bde., Bar, 1887
—89); Chereft, La chute de l’ancien rögime (3 Bde,,
ebd. 1884—86).
3) Die Revolution und das erite Kaiſerreich:
Rour, Lavergne und Buchez, Histoire parlemen-
taire de la Rövolution frangaise (40 Bde., Par.
1833— 38); Archives parlementaires, bg. von
Mavidat (ebd. 1860 fg.); Berville und Barriere,
Collection des mömoires relatifs & la R&volution
frangaise (56 Bde., ebd. 1820—26); Mignet,
Histoire de la R&volution francaise ( 16. Aufl.,
2 Bde., ebd. 1890; —* ww: 1842; auch in Re:
clams «lUlniverjalbibliothef»); Thiers, Histoire de la
Rövolution frangaise (15. Aufl., 6 Bbde., Bar. 1881;
deutſch, 2 Bde., Lpz. 1846—49); Blanc, Histoire
de la Revolution frangaise (2, Aufl., 12 Bde., Bar.
1864; neue Ausg., 2 Bde. 1881; deutich Lpz. 1847
—)2); Michelet, Histoire dela Revolution frangaise
(7 Bde., Par. 1847—53); Wachsmuth, Geſchichte
3.8 im Revolutionszeitalter (4 Bde. Hamb. 1835
—44); von Spbel, Geihichte der Revolutiongzeit
(neue Ausg., 10 Bde. Stuttg. 1897— 1900); Sorel,
L’Europe et la R&volution frangaise (5 Bde., Bar.
1885—1903); Taine, Les origines de la France
contemporaine (6 Bde., ebd. 1875—94; deutſch
bearbeitet von Katſcher, Lpz3. 1877— 94); Ziemſſen,
Die franz. Revolution (2. Aufl., Berl. 1893);
Mortimer Ternaur, Histoire de la Terreur (7 Boe.,
Bar, 1862—69); Barante, Histoire de la Con-
vention nationale (6 Bde., ebd. 1851 —53);
derſ., Histoire du Directoire (3 Bde., ebd. 1855);
Granier de Gafjagnac, Histoire du Directoire
(3 Bde., ebd. 1851 —63); Sciout, Le Directoire
(4 Bpe., ebd. 1895 — 97); E. und J. de Goncourt,
Histoire de la société frangaise pendant la Revo-
lution (4, Aufl., ebd. 1880); dief., Histoire de la
societ& frangaise pendant le Directoire (4. Aufl,
ebd. 1880); —* ——* Pariſer Zuſtände wäh:
rend der Revolutionszeit von 1789 bis 1800 (3 Boe,,
Jena 1874— 76); Lacroir, Direltorium, Konſulat
und Raiferreih. 1795—1815 (deutih Lpz. 1898
—99); Bianon, Histoire de France depuis le
18brumaire 1799 (10 Bde. Bar. 1827— 38); Thiers,
Frankreich (Litteratur zur Gejchichte)
Histoire du Consulat et de l’Empire (21 Bde. und
Atlas, ebd. 1845—69); Aulard, Histoire politique
de la Rövolution frangaise (ebd. 1901).
Die Litteratur über die Regierungszeit Napo-
leons L ſiehe bei diefem Artitel.
4) Die Zeit von der Rejiauration bis zur Juli
revolution: Zacretelle, Histoire de France depuis
la Restauration (4 Bde., Bar. 1829—35); Lubis,
Histoire de la Restauration (2, Aufl., 6 Boe., ebd.
1848); Baulabelle, Histoire des deux Restaura-
tions (8. Aufl., 10 Bde., ebd. 1874); Biel : Eaftel,
Histoire de la Restauration (20 ®pe., ebd. 1860
— 78); Duvergier de Hauranne, Histoire du gou-
vernement parlementaire en France, 1814—48
(10 Bde., ebd. 1857—72); Daudet, Histoire de la
Restauration (ebd. 1882).
5) Von der Thronbefteigung Ludwig Philipps
bis zur Februarrevolution von 1848: Louis Blanc,
R&volution frangaise. Histoire de dix ans, 1830
—40 (5. Aufl., 5 Bde., Bar. 1846); Regnault, His-
toire de huit ans, 1840—48 (2. Aufl., 3 Bpe., ebv.
1860); Nouvion, Histoire du e de Louis Phi-
lippe (4 Bde.,ebd. 1858— 61); Hillebrand, Geſchichte
3.8 von der Thronbefteigung Louis Philipps bis
um Falle Napoleons III. (Abteil.1: Geſchichte des
Suliönigtums [1830— 48]; 2. Aufl., 2 Bde. und
gänzungsbeft, Gotha 1881—82); Haufjonville,
Histoire de la politique exterieure du gouverne-
ment frangais 1830—48 (2 Bde., Par. 1850);
ThureausDangin, Histoire de la monarchie de
juillet (7 Bde. ebd. 1887 — 92).
6) Bon der Februarrevolution bis zur Errichtung
des zweiten Kaiſerreichs: Qamartine, Histoire de
la rövolution de 1848 (2 Bpe., Par. 1848 u. d,;
beutfch, 2 Bde., Lpz. 1849); Stern, Histoire de la
revolution de 1848 (3. Aufl., Bar. 1869); Deivau,
Histoire de la r&volution de f&vrier (2 Bpe., ebd.
1850); Garnier-PBag2s, Histoire de la r&volution
de 1848 (8 Bde., ebd. 1861—62): Blanc, Histoire
de la r&volution de 1848 (4. Aufl, 2 Boe., ebd.
1871); Pierre de la Gorce, Histoire de la se
conde republique frangaise (ebd. 1887); Spuller,
Histoire parlementaire dela deuxiöme R&publique
(ebd. 1891). u.
7) Die Zeit des zweiten Kaiſerreichs. Außer der
unter Napoleon II. angeführten 2itteratur ift noch
zu erwähnen: Geyer, $ unter Napoleon IIL. (2pz.
1865); Dayot, Le second empire ( 1900).
8) Die dritte Republik feit 1870: I. Favre, Le
Gouvernement de la defense nationale (3 Bde,
Bar. 1871—75); Balfrey, Histoire de la diplo-
matie du gouvernement de la defense nationale
(3 Bde., ebd. 1871— 73); Duret, Histoire de quatre
ans, 1870—73 (3 Bde., ebd. 1876—81); imon,
Le gouvernement de M. Thiers (2 Bbe., ebd. 1878);
Berthezene, Histoire de la troisiöme r&publique
(ebd. 1880); Steenaders und Le Goff, Histoire du
ouvernement de la defense nationale en province
3 Boe., ebd. 1884—85); Hippeau, Histoire dipl»
matique de la troisiöme r&publique, 1870— 89 (ebp.
1889); Vogel, Die dritte franz. Republit bis 18%
(Stuttg. 1895); Coubertin, L’&volution frangaise
sous la troisiöme r&öpublique (Par. 1896) ; Zevert,
Histoire de la troisi&meröpublique, Bd. 1—4 (ebv.
1897 — 1901); Hanotaur, Histoire de la France
' contemporaine, 1871—1900 (Bd. 1, ebv. 1908;
deutfch Berl. 1903).
Verzeichnis
dei
Tafeln, Rarfen, Textbeilagen und Textabbildungen
zum jechjten Bande.
Bildertafeln und Karten:
Seite Seite
Engliſche Kunſt. L IL IM. . ........ 4 Fiſche, Buntfarbige (Chromotafel) ..... 724
Enten (Chromotafel) ............. BET IRRE LUD ae 124
Erdfarten. I. Voltöpichte auf der Erde um BEIDE: "IV. ET wen 724
1900. II. Berteilung der Religionen auf Fiſche. VII. VIII......... REN 724
— FREE ERERERRRRREI EEE 134 | Fischzucht, Künftlihe....... IRRE 740
Sbheeeeeeeeee 220 Flächen. J. II...... RT 752
Etrustifhe Kunft 2222 r mern. 276 | Slahsfpinnerei. LIL . 2.2.2... 2220. 756
VE re a ae 290 | Flaggen der Seeftaaten (Ehromotafel) ... 759
Guropa: Phyſikaliſche Üiberfichtslarte ... . . 304 | — Internationale Signal und Reederei:
— Regenkarte....... ......... 308 flaggen (Chromotafel) .......... . 760
— Die Voltsvihte in Europa um 1900 0 a 1 RE 774
ME er 11 Ban DIESE 7119
— Etbnograpbifhe Karte... 2.2... BE | om (BE) aan 810
— Politiſche Überfihtälarte ...... 5.2 BR 1 RERER 842
— SHiftorifhe Karten. J. I.......... 314 | Forftinfelten, Schädliche. LIU ...... 900
Eyd: Genter Altar (Lichtdruck). ....... 368 | Frankfurt a. M., Stadtgebiet und Stadt:
N EEE VEN 410 kreis (Kartentafel). ............ 960
JJJ 426 | Frankfurt a. M. (Plan) ........... 962
Faſanen (Ehromotafel) .. ..... .... 406Frankreich (Karte) ............. 972
Fayence (Ehromotafel) ............ 498 | — Nordöftlihes (Karte)... ...2:... 974
Feuerfprigen. L IL IL IV. ........ 634 | — Hiftoriihe Karten „once r rer 1000
Tertbeilagen:
Seite Seite
Fahrrad (Erläuterungen zur Tafel; mit 29 Ubs
Finanzen der wichtigern Länder, Die (Tabellen) 690
eeeeeee 410 | Flaggen: Internationale Reedereien... . . . 760
Gertabbildungen:
Eeite Seite
Engliſche Kunſt .............. >] GEWEBE ne 120
Enfilage (3 Figuren) ............. ER EEE 2 ent 121
Entglafung (2 Figuren) ............ BET EIER una ers 129
EFT TTIETTERTERITE 69 | Erpprudmauer (3 Figuren)... +... « 131
en ..... 88Erdſchlußprüfer ern ee 0. 141
Verzeichnis der Tafeln, Karten u. ſ. w. zum fechiten Bande.
Seite |
Erfurt (Stadtwappen) ............ 154
Erlangen (Stadtwappen) 2220000. 170
ER: aaa 1%
Eichweiler (Stadtwappen)... 2.2.00. 230
Eſſen (Stabtwappen) ............. 244
Eſſigfabriklation ....... — ET 251
Eßlingen (Stadtwappen) ........... 254
Eupen (Stadtwappen). 222222 0% |
Euphorbia............... . 297
Ercelfiormühle (2 Figuren) .......... 341
3 DENE sense .. 341
Ertraftrom (2 Figuren) .. . — 6
Faächer (6 Figuren).............. 391
Facherflügler ae 392
Fachwerk (2 Figuren) ............. 395
Fadengebilde (9 Figuren) ........ 398. 399
Fadenmikrometer. .......... TE
Fahlerz (2 Figuren) .............. 404
Fahrrad (29 Figuren der Tertbeilage) .... 410
Bährte (6 Figuren).............. 414
Falcunculus ....... ge 423
DEE EMMEN ae 430
Faällaxt (2 Figuren) .............. 431
Ballen (5 Figuren) ... 2.2.22... 431. 432
Ballmafdine (2 Figuren) ........... 434
Fallwerk (2 Figuren) .. 22.222220. 436
Falſche Schieferung ...-.--- ren. 438
Falz (5 Figuren)................ 443
Sarbenreibmafhinen... 2.2... 22222. 458
Farne (11 Figuren) ......... 469 bis 471
Be a Ra ren dl 480
ER OETWITIE 499
Feder (7 Figuren) ............ 509. 510
Federwage (3 Figuren) ........ . 512
Fehn⸗ u. Moorkolonien (1 Fig. u. 1 Ran)! 17. 519
Beile (3 Figuren) ........... een |
Beillloben ....... —— 628
Feime (5 Figuren) ............ 523. 524
Belobefeftigung (3 Figuren)... ....... 528
TREE engen 554
Fernrohr (8 Figuren) ........ 578 bis 575
Ferrara (Stadtwappen) ............ 678
Seltigkeit (5 Figuren) ............. 595
ne EEE 598
Beltungen (4 Figuren)... ....... 602. 603
Feuerfeſte Schränke (2 Figuren) ....... 622
Ent
Feuerhahn (3 Figuren) ..... EIER
Feuerleitern (9 Figuren) ........ n25. 626
Feuermelver (2 Figuren) ..... ET 632
Feuerſtahl........... — 636
Feuertelegraphen (4 Figuren) ......... 637
Feuerungsanlagen (6 Figuren)... . 639 bie 641
Fibula (2 Figuren) .............. 659
Bichtelberger Gläjer .. 222 ........ 662
Biligranarbeit (3 Figuren) .........— 683
Hilterprefie (8 Figuren) ........... 685
Finland (Landeswappen) ........... 700
Finnenkrankheit ................ 709
Fiume (Stadtwappen) ............. 740
RR BEER TER ERE 762
ER a ae ee 764
Dei are 768
Flaſchenbatterie (2 Figuren) ......... 769
Flaſchenzug (5 Fiauren)......... 769. 770
Bledermauspapagein . 2222 cerene 71:9
Fleiſchzerlleinerungsmaſchinen (5 Fig.) 792. 793
Flensburg (Stadtwappen) ...... ; . 795
Fliegen (16 Figuren) ............. 79%
Bliefen (4 Figuren) . 222 ce near 2
Slorentiner Flaſche - 2-2 neueren 808
Florenz (Stadtwappen)............ 809
Slugbabn (3 Figuren)... .. 2.2222... 825
Ylügelgläfer (2 Figuren) ........... 828
Fluſſe (Textlarte). ............. 836
Flüſſige Luft (8 Figuren) ........ 839. 840
Flußſpat (2 Figuren)............. 845
Fontange.......... Susann 861
Forbach (Stadtwappen) ....... . 863
Formerei (2 Figuren) us seen... 880
Förmlicher Angriff (2 Figuren) ..... 882. 883
Formmaſchine (2 Figuren)... 2220000. 886
Forſt (Stadtwappen)... 2... 2.00 00r 891
Del BEN) aaa 91
Fleeeeeeee e 916
Forum Romanum ... 2... 2222000 .. “2
TERBHleNGE 43.00 932
Fournierſchneidemaſchine ..... 2.2... 933
Frangulinen (3 Figuren)... 2.2220... 3
Frankenthal (Stadtwappen) .......... “58
Frankfurt am Main (Stadtwappen)... ... 459
Frankfurt an der Oder (Stadtwappen) . . . . 85
Frankreich (Landeswappen) „or ee. ne 0.
Drud von 5. A. Brodbaus in Leipzig.
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