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Full text of "Brockhaus' konversations-lexikon"

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mm. m Grenze des Deutschen Reichs. 


‚=, Oldenburger Landesgrenze. 
\ m Eisenbahn, — Rleinbahr. 


Brockhaus’ 
Konversations-lexikon 








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Brockhaus’ 


Ronverſations-Lexikon. 


Heue Revidierte Jubiläums-Ausgabe. 


— — — 


| Brockhaus’ 
Ronverſations-Lerikon. 


Dierzeimte vollſtändig neubearbeitete Auflage. 


Neue Revidierte Jubiläums-KMusgabe. 


Sechſter Band. 


Engler — Frankreich. 


Mit 39 Bildertafeln, darunter 6 Chromotafeln, 1 Lichtoruck, 
27 Karten und Bebenkarten, 276 Textabbildungen, ſowie 3 Textbeilagen. 





Teipzig: 
FR. Brockhaus. 


1908. 


E. 


Eugter, Anolf, Botaniler, geb. 25. Mär; 1844 
u Sagan, jtudierte 1863 —66 in Breslau, ward 
1866 Fehrer am Magpalenäum daſelbſt und 1871 
Kuftod an den botan. Anftalten in Münden, wo 
e 8 1872 habilitierte; 1878 wurde er Profeſſor 
der Botanit an der Univerſität Kiel und ſiedelte 
in gleicher ne 1884 nad Breslau über. 
Seit 1889 ift E. Profeſſor der Botanil an der Unis 
verfität und Direltor des Botaniſchen Gartens in 
Berlin. E. hat insbefondere auf dem Gebiete der 
Bilanzenivjtematit und ke wich: 
tige Unterſuchungen veröffentlicht. Sowohl in der 
«Flora brasiliensis» wie in De Candolles «Suites au 
Prodromus» bat er eine größere Anzahl von Pflan⸗ 
jenfamilien monographiſch bearbeitet. Außerdem 
find von feinen Werten anjuführen: —— 
der Gattung Saxifraga» (Bresl. 1872), « erſuch 
einer Entwidlungsgeſchichte ver Pflanzenwelt, ins: 
bejondere der Florengebiete feit der Tertiärperiode» 
2 Bde., Lpz. 1879—82), «Die Entwidlung ber 

Hlanzengeograpbie in den legten hundert Jahren 
und weitere Aufgaben derielben» (in der «Humboldt: 
Gentenaricriit», Berl. 1899), «Begetationsanfichten 
aus Deutih:Oftafrita» (2pz. 1902). Ferner giebı E. 
«Botan. Jahrbucher für Spftematil und Bilanzen: 

eograpbie» (Leipzig, ſeit 1881), in Verbindung mit 
Brantl « Die natürliben Pflanzenfamilien» (ebv., 
feit 1887) und «Das Pflanzenreich» (ebp., ſeit 1900), 
mit Drude eine Sammlung pflanzengeograpb. Mo: 
nograpbien u. d. T. «Die Vegetation der Erde» (ebd., 
feit 1896) beraus und redigierte das Wert «Die 
Pflanzenwelt Dftafritad und der Nahbargebiete» 
(3 Tle., Berl. 1896). 

Engler, Rarl, —— ſ. Br. 17, 

Englifch, per ; ne Ber 11. Yan. 1835 
zu —— in Ofterreibifh-Schlefien, ſtudierte 
in Dien, habilitierte fih 1871 als Privatdocent der 
Ebirurgie in Wien, wurde 1876 Brimärarzt der chi⸗ 
rurg. Abteilung der l. I. Kranlenanſtalt «Rudolf 
Blume und 1892 Brofeflor der Chirurgie dajelbit. 

onders bat er ih um die Pathologie und Ehirurs 

gie der Harn» und —— verdient ge⸗ 
macht. Bon feinen zahlreichen Arbeiten ſeien er 
wäbnt: «Beiträge jur Lehre von den Nachkranl⸗ 
beiten des Tupbus» (Wien 1867), «Über die Perl: 
mutterfrantheit» (ebd. 1869), «Zur Entwidlung ber 
innern Leiftenbrüde» (ebd. al «liber Ovarial: 
bernien» (ebd. 1871), «Zur Bathologie der Harn: 
und Geſchlechts organe⸗ (ebv. Se «Zum Kathe⸗ 
teriäömus der Rinder» (ebd. 1875), « ber Lurationen 
im allgemeinen» (ebd. 1875), «Zur Lehre von der 
medullaren Zeufämie» (ebd. 1877), «Zur Radilal⸗ 
bebandlung der Eingemweibebrüdhe» (ebd. 1878), 
«fiber abmorme Lag ded Hodens außerhalb ber 
Bauhhöhle» (ebd. 1885), «Ein Maftparmipiegel» 
Brodhans’ Menverlations-Be 


zilon. 1. Wu RUM VL 


(ebd. 1888), «Über tuberkulödfe Uretbritis und Peri⸗ 
uretbritis» (ebd. 1891), «Über angeborene Penis» 
** Mitch Bafa Hauptft Diftrilts 
8 :Bafär, Hauptftabt des 
Malda (f. d.) in Dftindien. 
Englifhblan, ald Malerfarbe, 1; Bergblau; als 
u ii erfabren, f Fayencedrud. 
en ovielwieBismardbraun(f.d.). 
Engliſch⸗Ceutral⸗Afrika, engl. Befikungen 
zwifchen dem Schire und Niaflafee im D., dem Tan: 
gms und Moerofee im N. und dem Quapula ſowie 
mbeji im W. und ©. (\ die Politiſche Über: 
fihtslarte von Afrika und Sarte: Aqua— 
torialafrila, beim Artikel Afrila). England ers 
Härte 1892 über diefe Länder die Schußherrſchaft. 
Den öftl. Teil derfelben, jegt Britiſch-Centralafrika⸗ 
Proteltorat (f. Njajialand), nahm es in eigene Ber 
waltung; die weiten Gebiete im Welten und Süden 
(Rbobela, ſ. d) überließ es 1895 der Engliſch⸗Sud⸗ 
afrilaniſchen Geſellſchaft (ſ. d.). (S. = Sambefis 
gebiet.) [Legion (ſ. d.). 
Eugliſch⸗Deutſche Legion, foviel wie Deutf 
Englifhe Afrikaniſche Seengeſellſcha 
African Lakes Company), gründete 1878 Handels⸗ 
ationen am Njaflafee und im füplich anftoßen: 
den, vom Schire durchfloſſenen Matolololand (f.d.). 
Sie juchte den Handel am untern Sambefi, am 
Schire und am Niaſſa ganz in ihre Hände zu be 
tommen und den Verlehr mit dem Tanganila zu 
erichließen, nad deſſen Südende fie vom Nordende 
des Niajlafees eine Straße, den fog. Stepbenfon 
Noad, baute, Als 1888 England jeine Smierejlens 
ſphäre vom Betſchuanenland nah Matabeleland 
und bis zum Sübdufer des Sambefi ausdehnte, kon⸗ 
Pak fi 1889 die Engliſch⸗Sudafrikaniſche Ges 
(f. d.). Diefe übernahm 1892 von der 
E. A. S. —65*8 Stationen und Handelsgeſchäfte. 
Euglifche reg f. Uhren. 
Englifche Bagbdette, ſ. Karrier und Tafel: 
Ge nen; Sig IT, [Eifenbabnen. 
glifche Eifenbahnen, —— che 
Eugliſche Fräulein, die Mitglieder des 
ftitutö Mariä, einer Frauentongregation, die ch 
mit der Erziehung von Mädchen — und 
namentlich in Bayern und Oſterreich verbreitet iſt. 
1609 gründete die Engländerin Maria Ward 
(geit. 1645) nad dem Muſter des Jeſuitenordens 
einen weiblihen Orden, deſſen Mitgliever Je⸗ 
en —— —— —— 5 
eine tl, i note und 1 ur 
eine Jule Urbans Yun. unterbrüdt wurbe, Die 
von ern Jeſuitinnen in Bayern gegründete Ger 
noſſenſchaft der «Ratbolifhen adligen Fräulein von 
England» (baber der Name E. F.) mit neuen Regeln 
wurde auf die Bitte des Ku Mar Emanuel 


—1 


2 Engliſche Haut — Engliſche Krankheit 


1708 von Elemens XI. genehmigt, aber erft 1877 
durch Pius IX. beftätigt. Benedikt XIV. erflärtefie 
1749 ausdrüdlib für feine Fortießung der Jeſui— 
tinnen; fie verebren aber Maria Ward, und die Re: 
geln ftimmen vielfah überein. Der Orden wurde 
1808 ın Bayern unterbrüdt, 1835 wieberbergeftellt. 
Es giebt jegt auch in England (Mort) E. F., und 
bie dort und in rg verbreiteten Loretoſchwe⸗ 
tern haben diejelbe Regel. In Deutſchland be 
eben 83 Nieverlafiungen, davon in Bayern 
18 Mutterhäufer und 61 Filialen mit 1500 Mit: 
liedern unter der Generaloberin in Nymphenburg, 
n Öfterreih 7 Klöfter mit 250, in Ungarn 2 mit 
58 Mitgliedern. — Bgl. Leitner, Geſchichte der E. 5. 
(Kegensb.1869) ; Salome, Mary Ward (Lond. 1901). 
glifche Haut, feines Leder für Damenband: 
fchube, |. Hübnerleder. 
Engliiche Hochkirche, ſ. Anglilaniſche Kirche. 
Engliſche Kanäle, |. Großbritannien und Ir— 
land, Abſchnitt Verlehrsweſen, nebſt Tabellen und 
Rarte: Die Schiffahrtsſtraßen in Großbri— 
tannien und Irland, (onien. 
Englifche Kolonien, ſ. Großbritanniſche Ko: 
Engliihe Komddianten, Bezeihnung von 
wandernden Scaufpielertruppen, die egen den 
Ausgang des 16. Jahrh. (1586 — ezeugt) 
von England nad —— kamen und bier mit 
den anfang? englisch geipielten, bald teilmeife oder 
ganz in robes Deutſch übertragenen Stüden ber 
engl. Bühne, ſelbſt Shakeſpeares, namentlich an den 
dien und in großen Städten einen ſehr weſent— 
ihen Einfluß auf tbeatraliihen Geihmad, Schau: 
—— und dramat. Dina gewannen. Diefen 
ypen waren bereit in ber Mitte des 16. Yabrb. 
engl. Mufitanten, Anftrumentiften genannt, 
vorausgegangen, ja ſchon auf dem Konzil zu Ron: 
ftanz (1417) hatten engl. Darfteller biblijhe Scenen 
aufgeführt. Das Epiel der E. K. war grell, leis 
benjdhaftlid bewegt und derb, ihre Komödien und 
Tragddien voll biutiger Greuel und Roheit, voll 
&musiger m. Zoten. Bon ihnen gebt die 
erufömäßige aufpiellunft und das Banden: 
weſen in Deutfhland aus, und aud als Feine 
Engländer mehr bei den Gejelljhajten waren, 
nannten fi diefe, um ihre Anziehungskraft zu 
erböben, E. K. Da die €. K. über die Niederlande 
nah Deutſchland famen, wurden fie auch nieder: 
ländifhe Komodianten oder Niederländer 
—*2 genannt. Von ihren Komddien und 
ragddien eriftieren mehrere Sammlungen. — Bol. 
Die arg iele der E. R. in Deutfchland, ba. von 
Tittmann (in «Deutihe Dichter des 16. Jabrb.», 
Bd. 13, 2p5. 1880); Gende, Lehr: und Wanderjabre 
des deutſchen Schaufpielö (Berl. 1882); Meihner, 
Die E. K. zur Zeit Shatefpeares in Öfterreih (Wien 
1883); Schaufpiele der E. K., bg. von Creizenach 
n Kürjchnerd « Deutſcher National » Litteratur», 
d.118, Stuttgart); Bolte, Die Singfpiele der E. K. 
(Hamb. und 2p;. 1893). (S. Deutſches Theater.) 
Englifche Krantheit(Rhachitis, engl.rickets), 
auch — ———— eine dem Kindesalter 
eigentümliche eihung und dadurch bemirtte 
Biegfamleit des gefamten Knochenſyſtems, melde 
nicht felten mannigfache dauernde Berunftaltungen 
des Knochengeruſtes zur Folge bat. Sie tritt mei 
im ar Lebensalter, weniger in ben zunäd) 
darauf folgenden Jahren, noch feltener im fpätern 
Rinvesalter, und nad vollendeter Entwidlung gar 
nicht mehr auf. Ihrem Weſen nad befteht die €. 


K. in einer eigentümlichen krankbaften Störu 
Knohbenwahstums, durch welche die zur B 
des bleibenden Knochens beitimmten Gewe 
folge ungenügender Kalkzufuhr abnorm meic 
ben und andererjeit3 abnorm ftarte Anorpel 
rungen an den Anocenbildungsgrenzen ein 
fo daß Anihmwellungen, Verbiegungen um! 
frümmungen an den verfhiedeniten Knoche 
Körpers entjteben. Der Verlauf der Rhachi 
gewöhnlich folgender: Den Anfang made 
regelmäßigleiten in der Verdauung, insbeſ 
chroniſche Darmkatarrhe mit ——— d 
Stublentleerungen, unrubigem Schlaf und At 
rung; bäufig neben die Kinder auch Zeiche 
Schmerz von fi, wenn fie Glieder fre 
bewegen oder von ihrer Umgebung berübrt w 
Hierauf beginnen die Gelentenden der Knoch 
— beſonders die des Vorderarm⸗ 
niterſchenlels und der Rippen; daher die Knbe 
Fuß und Hand, wie durd ein umgeichnürtes 
abgebunden, ober: und unterbalb des Gelen! 
vorragen (Doppelglieder, Zweiwuchs)u 
Verbindungsjitellen der Rippen mit ihren Anı 
dur ihre charalteriſtiſche Auftreibung deut! 
das Auge fallen (rhachitiſcher Rojentt 
Allmäblih werden dann die übrigen Teile de: 
ben weich und durd die Musteln, denen fie i 
em Zuftand feinen Stüßpunft mebr bieten ti 
omie durch die Schwere des Körpers frumm gel 
nsbeſondere fommt es leicht zu Verkrümm 
und Berbildungen der Bruft, der Wirbeliäul 
des Bedend, welche nicht felten ſchwere Fol 
das ganze übrige Leben nad ſich zieben. — 
der abnormen Weichheit der Rippen und R 
fnorpel vermag der Bruſtlorb dem äußern Luſ 
beiderinfpiratorifchen Erweiterung des Bruftt 
nicht gehörig Widerftand zu leiften, und es eı 
fo eine eigentümliche Verunftaltung besjelber 
übnerbruft), welde fib durch Vorſtehe 
rujtbeing und Einfinfen der Rippentnorpel 
giebt und oft noch in fpätern Jahren zur Entit 
von Qungentrantheiten ———— eben 
ebenſo vermag die rhachitiſche Verunſtaltun 
Inöchernen Bedens, durch welche deſſen Durch 
beträchtlich verlurzt werden (fog. rbaditi! 
Beden), beim weiblihen Geſchlecht wor. nad 
zehnten für die Trägerin verbängnisvoll zu mı 
indem fie ein ſchweres Geburtäbindernis ab 
tann. Die Zahnbildung ift bäufig erbeblid 
langfamt. Anvererfeits erfranten vie Zähne, w 
ſchlecht, fallen aus und erjeßen fih nur lar 
wieder. Am Schadel bleiben die Fontanellen 
offen und ber Hinterkopf ift häufig jo weich, t 
beim Liegen des Kindes eingebrüdt werben 
dur Drud auf das Gehirn Krämpfe oder S 
fuht und Betäubung — lann (fog. we 
Hinterlopf, Schädelibwund over Cı 
tabes). Die E. K. hat gewöhnlich eine Dauer ı 
bis 3 Jahren. Gebt die Krankheit in Gen 
über, fo pflegt ſich dies zuerft durch die Abn 
der oft außerordentlib großen Magerleit zu 
raten, regal fangen die Kinder an, k 
Bett aufrecht zu ſehen und fi mit Spielen | 
&häftigen; aber gerade da können ſich bei ı 
erbiegungen und dauernde Berkrümmunge: 
Mirbeljäule entwideln. Ebenfo fommen, wen 
Kinder zu früh das Bett verlafien und beru 
laufen verſuchen, am bäufigften Berbiegunger 
Eintnidungen der Gptremitäten ju ſtande 





Engliſche Kunft 8 


Das eben der itis wird durch Erblich⸗ 
leit, unbbeit3ftörungen der Mutter wä 
rend der Schwangerſchaft, durch anhaltende Einwir⸗ 
hing einer naßlalten, feuchten, nebligen Witterun 
oder ungefunder Wohnungen, vor allem aber dur 

edmäßige ober mangelbafte Ernaͤhrung be: 
gänftigt, weshalb vorwiegend gerade lünftlich auf: 
gezogene und aufgepäppelte Kinder von ihr befallen 
werden. Man findet fie bauptjädlid in nörbl. Län: 
dern mit feuchter Atmojpbäre, z. B. in England, 
Holland und Nordfrankreich; gegen den Süben zu 
wird fie feltener; in den Zropenländern verfchwin: 
det fie gang. Die Heilung ift vorzüglich von zmed: 
mäßiger Lebensart und Ernährung (fräftige Fleiſch⸗ 
brüben, Eier, fein zerteiltes, leicht Durchgebratenes 
nk Gemüfe, chtſäfte, Heine Mengen von 
in und Zolajer, fein Brot, feine Meblbreie, 

teine Kartoffeln) ſowie von Verdauung und Blut: 
mihung verbeſſernden Mitteln (Kalt: und Ma: 
äparaten, Stahlmitteln, Phosphor, Leber: 

n), tärtenden Bädern (Solbäder), bejonders 
—— Luft, Aufenthalt an ſonnigen, trodnen 
und von dem fortjchreitenden Alter zu er: 

warten. Individuen, welche in ihrer Jugend an in: 
tenfiver und ausgebreiteter Rhachitis litten, bleiben 
aewöbnlih auffallend, mitunter bis zum Zwerghaf—⸗ 

ten, Hein und bieten zuweilen dadurch, daß ihr im 

Verhältnis zu dem mmerten Körper unförmlich 

roßer Schädel ein lleines Geſicht überragt, eine auf: 
allende und häßliche Entftellung dar. Gegen etwa 
jurüdgebliebene ftärtere Bertrümmungen werden ge: 
eignete Stügapparate und ortbopäd. Kuren, bis: 
weilen jelbit operative Eingriffe erforderlih. Die 

Kranlheit war übrigens fchon im Altertum befannt, 

t aber erft im 17. Jahrh. bei ihrer Verbreitung in 
and die Aufmerljamleit der Urzte erregt. — 
Stiebel, Rickets, Rhachitis oder Rachitis (Er: 

langen 1863); Ritter von —— Die —* 
logie und Therapie der ihachinis Gerl. 1863); ẽhhe 

Das Weſen der Rhachitis und Strofulofe und deren 

Belämpfung (Berl. 1897); Monti, Rhachitis (Wien 

1900); Zweifel, Atiologie, Propbylaris und Thera- 

vie der Rhachitis (2pz. 1900); Schreiber, Prophy⸗ 

laris und Therapie der Rhachitis (Berl. 1901). 

‚Engliihe Ruuft. (Hierzu die Tafeln: a 

liſche Runft I-UL Taf. I: Baukunſi. Taf. I: 

Malerei. Taf. III: Bildhauerkunſt. 

_ 1 Baulunft. Nur wenige europ. Länder rer 

ah dur jo mächtige Baumerke in die Geſchichte 

ein wie England durd feine Stonebenge (j. d.), 

feine Dolmen (f. d.), Cromlech (f. d.) und andere 

vorbiftor. Steinbauten, die ſich durch Ausdehnung 
der Anlage, Größe und fortgejhrittene Bearbeis 
tung auszeichnen. Die frübefte Ornamentil ift die 
vor den iriihen Miniaturen (f. Ben ap 
melde die angeljähi. Monche betrieben; fie zeigt 
eine Berbindung von antiten Glementen mit nor: 
diſchen Ziergeftalten und Schnörtelweien, welche fich 
an der Holzihnigerei ausgebildet hatten. Auch für 
die Folgezeit, für jene nach der Einwanderung der 

Rormannen, blieb der Holzbau maßgebend. Die 

eiten Baumerte elfähf. Stils find jelten und, 
fie erhalten find (wie z. B. die Kirchen von Brad⸗ 
‚ Earl Barton, Worth und Montwearmoutb), 
an Form; die Ornamentil wirb zwar mebr 
mebr dem Steinbau entiprechend gebildet, doch 
die Bidzadlinien und ähnlihe vorwiegend 
—5—*— mebr verwendet als auf dem Kon⸗ 

Grundriß der Kirchen blieben die Nor 


833° 


EB 


mannen, unter benen bad Baumefen zuerft höhere 
Biele anftrebte, bei den Formen des nordfranz⸗ 
roman. Stils bafılifaler Anlage, „eigen aber an 
feilern und Halbjäulen eine Vorliebe für runde 
rmen, die ſich im Aufriſſe durch eine gewiſſe 
Schwerfälligteit äußert. Da nun der Holzbau noch 
in ber Borliebe für flache Baltendeden derart 
bemertlic macht, daß aus normann. Zeit ſich keine 
gewölbte Kirche erhielt, jo erſcheinen vielfad bie 
wuchtigen, erniten und maffigen —— die mehr 
ritterlich troßigen ala kirch vo yſteme des Aufs 
baues in einem Mißverbältnis zu der leichten 
— Kathedralen zu Wincheſter, Worceſter, 
Canterbury (f. Taf. I, Fig. 3 u. 5), Glouceſier, 
Durham, Norwic wurden in diefer Zeit, meiſt an 
der Krypta und am Chor, begonnen und entwidelten 
fih gleich jener zu Peterborougb —5* I, Fig. 2) 
u lang er dreiſchiffigen Bauten mit Kart 
etontem Querſchiff, fräftig horizontal gegliedertem 
Aufbau und reicher Ornamentik. Die neuen Ans 
regungen, welche jeit ver Mitte des 12, Jahrh. der 
abermals über den fanallommende gotiihe Stil 
bot, äußerten ſich zunachſt in der Detailbebanplung, 
welche b den Spisbogen mit allen Konjequenzen 
aufnahm, ohne alsbald zu jener Höhbenfteigerung 
bes Baues zu gelangen, welche der feftländiihen 
Gotik eigen ift. Die Kathedralen von Meftminfter 
u London (al: Londoner Bauten, Fig. 1, 
eim Artikel London), von Salisbury, Beverley, 
Morcefter, Rocheſter (1. Tafel: Engliſche Runftl, 
ig. 1), Wells, Cly, Lincoln, Ficfield (f. Taf. I, 
ig. 6), Kirkwall in Scyottland (fämtlich aus dem 
nfang des 13. Jahrh., doc faſt jeder einzelne 
Teil aud einem andern — zeigen die 
Horizontalteilung der Altern Bauten mit got. Über: 
wölbung. Die Längenausdehnung der Kirchen ers 
est auch jetzt, was ihnen an Höhe fehlt. Saliss 
ry erhielt eine folhe von 181m, Lincoln von 
160m. Es wurde vielfach fogar ein zweites Quer: 
fhiff angelegt und dem Ebor eine Länge gegeben, 
welche der des Langhauſes gleihlommt. Eine öftlich 
angebaute Marientapelle (Lady chapel) erweitert 
nod diefe Abmefjungen. Im Detail bildete ſich in 
diefen Bauten ein großer deforativer Reihtum aus, 
deſſen Grundmweien aber ein minder beloratives war 
als das der franz. Gotil. Die Engländer bezeich: 
nen den Stil diefer Bauten als den Beginn na- 
tionalen Schaffens (Early English). Den fol 
genden Abichnitt (etwa 1274—1377) bezeichnen r 
ald Decorated style (deforierter Stil), 
da num das Detail immer größern, den Bau be 
ftimmenden Einfluß gewann. Rathebralen, wie die 
zu Ereter (1327—69) ni Dart Melrofe, Windefter, 
geben bei immer reicher ſch entfaltender Brundriß: 
gefaltung, — — der Facaden und 
ierungstürme einen außerordentlichen Prunlkin der 
Behandlung der Einzelheiten, der ſich aud noch in 
die ezeit, die de Perpendicular style, 
inüberzieht. Namentlidy die Auflöfung der Bands 
achen durch lotredt teilende Blenvarlaben, die 
nwendung bed Tudorbogens und ber tropfiteins 
artig fich entwidelnden Gewölbtonftruftionen, wie 
fie in der Rapelle Heinrih® VIL zu Weitminfter 
und beſonders in den Kirchen von Somerſetſhire 
ihre hoͤchſte Durhbildung erlangen, find für dieſe 
Zeit beſonders bezeihnend (Tudorftil). Auch 
est fpielten die Holzdeden jelbft im Kirchenbau eine 
eroorragende Rolle, die auf den Steinbau nicht 
ohne Rüdwirtung bfieb. Dazu iam ein hod ent 
1* 


4 


widelter Brofanbau, der ſich ſchon im frübern Mittel: 
alter in mächtigen planmäßig durchdachten Burgen: 
anlagen, jpäter in Schlöffern mit großen Hallen 
—* in großen Stiftern und Colleges, namentlich 
n den Univerfitätsitädten (King's College in Cam⸗ 
bridge; ſ. Taf. 1, Fig. 4), geltend machte und dem 
nefamten Bauweſen einen minder lirchlichen, dafür 
aber um jo heiter präctigern Ebaralter gab als auf 
dem Feſtlande. Die Renaiifance bemächtigte ſich 
—— nur des Details, indem ſie, teilweiſe durch 
ita er, mehr noch durch deutſche (vor allem 
durch Holbein), die Gliederungen zuerſt des landes⸗ 
üblichen Hol tits, fpäter auch des Steinbaues in un: 
Age —** — ter —— 
wahrend der langen und glücklichen Regierung 

ber Konigin Eliſabeth entſtanden Bauten, welche in 
ihrer ganzen Anlage in Renaiſſanceformen gebalten 
3 und zu pruntreicher Darjtellung des wachſenden 
eibtums des Landes fich erbeben (Queen Eli- 
zabeth style). Con Ge I — 
ton Houfe (1580), Holland Houſe bei London (1607), 
Hatfield Houfe (1611) —— als Beiſpiele dieſer 
Richtung genannt ſein. Nebenber ging aber immer 
noch, namentlich bei öfjentlihen Bauten, die natio⸗ 


—— —— ————— 
B ee Rursba, 
. - u 2 ——— * 

EINE TER os 


Bohr zaren- en. 
ee et, 
— 


nale Gotik, die ſelbſt der große Meifter der Renaiſ⸗ 
—— N) zen. (j. d.), noch gelegentlid anwen⸗ 
dete. Diejer brachte aus Stalien die lebhafteſte Be: 
geifterung für Balladio und jeine Kunft mit und 
teilte Diele den Engländern für die Dauer mit, jo 
daß fie zu den eigentlihen Trägern des Palla: 
dianismus wurden. Sein Schloß Wbiteball in 
London ift die Mufterleiftung diejer Richtung. 
Durch Ehriftopber Wren (1. d.), ven Erbauer zahl; 
reicher fleinerer prot. Kirchen (1. Iaf. I, Fig. 7) und 
der auf Wunſch des zum Katholicismus binneigen: 
den Hofö der Stuart nad Art der Peterslirche zu 
Rom errichteten Paulskirche zu London (f. Tafel: 
Londoner Bauten, Fig. 3), ferner dur den 
im Schloßbau thätigen John Banbrougb (f. vor 
ftebende Figur) u. a. fam ein mächtiger, vielfach 
derber Baroditil(Queen Anne style) in Aufs 
nabme, neben dem aber nod got. Formen bergingen. 
Durch die Hafficiftiibe und romantiſche Strömung 
am Ende des 18. Jabrb. wurde England zum fübrens 
ben Lande in der Bautunft. Der Gartenbau lentte 
auf die Nababmung fremder Stile, jo deö chine⸗ 
fen, des ——— und des gotiſchen, die bald, 
n monumentaler Weiſe ausgebildet, den Profanbau 
zu beherrſchen begannen, jo daß man auch auf dem 


der vieljeitigiten Anregungen 






er hs 


Ehlok deneıh in Dorfibire, 


Engliſche Kunft 


' Kontinent bis in die jüngfte Zeit vorzugsme 
Gotik für Schloß» und Gartenbauten amı 
Ebenſo wurben die Engländer dur die Ar 
\ Rent, Cbambers, Adams, Soane, Wpatt, 
Wilkins u. a. von der begeifterten Wiederan 
des Balladianismus auf die Antike hingewi⸗ 
die eigentliben Schöpfer des in Frankreich 
Stil (j.d.) genannten Klafficismus (j. 
waren die eriten, die durch Stuart und 
per durch eine Gejellihaft von für die B 
egeifterten Dilettanten die antiten Baure' 
matiſch aufmefien und fogar, ſoweit mögli 
derielben nah England übertragen ließ 
ber eriten Hälfte des 19. Yabrb. bat aı 
durch zablreihe Auſmeſſungen und Beröffen 
en die Kenntnis fremder Kunſtweiſen 
ortichritt gemacht ; doch je mebr der Klaſſ 
——— wurde, und die Gotik ſid 
ichtung gegenüber frei im modernen Sir 
altete, leihter und mübelojer wur 
öremde in einen eigenartigen nationale 
verarbeitet (Queen Victoria style), jo) 
fer eine beneidenämwerte Einbeitlichleit auf 
und Borbil 


Mn Zuge 


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langte. Die Gotik bildet immer nod die I 
lage, von der aus die €. K. jortjchreitet; ‘ 
wie Barry, Bugin, Scott, Street, Waterhouji 
fi) in diefem Stil bewegt. Als bebeutenditı 
mäler moderner Gotik laſſen fi das Parla 
ebäude (f. Tafel: Barlamentsgebäu 
Si 1), das naturbiitor. eg "por und der 
> aft (f. Tafel: Londoner Bauten, fig 
ondon ſowie die Univerfität in Gladgom n 
Neben der Gotil und ital. Nenaiffance ift neue 
die Jrü iſſance in den Formen des Gli 
ſtils, doch untermischt mit japan. Einflüff 
malerifhen Entwürfen bervorgetreten. An i 
Wert ftebt die engl. Baukunſt feiner anderr 
an Umfang bat fie bei der regen Kirchenbau 
feit, den zablreiben Schulen und Stiftunge: 
Reichtum feiner Bewohner die erite Stelle 
Welt eingenommen. Großartig entmwidelte 
namentlih an den Werten des Ingenieurs ı 
jenen Nusbauten, zu deren Heritellung die 
mit dem Arcitetten in einer Berion verbinde 
Eifenbauten 3. B. für den Arvitallpalaft dei 
ftelung von 1851 (f. Tafeln: Ausftellu 
ebäubde I, fig. 1, und IL, ig. 1), die Ba 
aben den Zon Far ſolche Werte angegeben. 





ENGLISCHE KUNST. L 


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& Kapelle des King's College zu 
Cambridge, 1446—1515 erbaut. 


Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 


a 





14. Aufl. 








6. Grundrifs der Kathe- 


drale zu Canterbury. 


(BAUKUNST: 12, bis 17. Jahrhundert.) 


Innenansicht der St. Stephenskirche zu 
L Rene Ende des 17, Jahrh. von Wren erbaut. | 





R.A. 








ENGLIS 


(MAL 














6. Joshua Reynolds (18. Jahrh.): 7. Thomas Gainsborough (18. Jahrh.): 
Lady Anna Stanhope. 


— — 


Mifs Mary Graham «Edinburghı. 


— 





ae ”. [En I er 


8. David Wilkie (19. Jahrh.): Blindekuhspiel (Buckingham-Palastı. 


a N d 
REN VOR — ——— 





1. Daniel Maclise (19. Jahrh.): Blüchers und Wellingtons Zusammentreffen nach der Schlacht b« 


Brockhaus’ Konversations- Lexikon, 14. Aufl. R.A. 


KUNST. I. 


% Jahrhundert.) 





Era 


ı Häuptlings Freunde. 9, Thomas Lawrence (18, bis 19, Jahrh.): 10, John Everett Millais (19, Jahrh.): 
König Georg IV. Der Towerwächter. 


—— 


Irrmälde im Parlamentsgebäude zu London.) 





ENGLISCHE KUNST. U. 


(BILDHAUERKUNST: 19. Jahrhundert.) 








1. Stephenson, 2. Druide, 3. Paul und Virginie, 4. Graf von Belfas 
von E.H. Baily. von William Theed. von W. C. M all. von P, MacDowell 





b. Prinz-Gemalıl Albert, 6. Kolossalstandbild des 7. Carlyle, von Jos. Edgar | 
vom Albert-Memorlal in London; William Wallace bei Stirling, 
von J. H. Foley. von D. W. Stevenson (1870), 





Du = 
iiensi 


8. Venus 





9. Amor und Psyche (Relief), von John Gibson. 
von John Gibson. James Westm 


Brockhaus! Konversations- Lexikon. 14. Aufl. R.A 


Englifche Kunft 6 


U. Bildnerei. Im allgemeinen erweift ſich die 
mittelalterliche Bildnerei wie Baukunſt ven Frank⸗ 
wih abhängig. Doc ift ein fo reicher bildneriſcher 

mud wie an den franz. Domen in England 
\elten. Eine Ausnahme maben die Katbepralen 
von Wells und Lincoln, in denen ſich ein freier, ans 
mutiger Stil äußert. Nicht minder beadhtenswert 
it die große Zabl von Grabftatuen, in der ſich die 

Eigenart der E. K. früb Geltung verichaffte. Bis 

zum Anfange des 14. Jahrh. dauerte dieſe ergie 

bige Zeit. Im Laufe diejes Jabrhunderts gewannen 
die Skulpturen nicht felten eine zarte Anmut und 
einen reihen arditeltonifhen Stil. Bis gegen 

Ende des 18. Jahrh. wurde weniges und unter 
—— faſt alles Bedeutende von fremden, meiſt 
ital. und niederländ. Kunſtlern ausgeführt. Dann 
trat nad einigen Vorläufern John Flaxrman (1755 
— 1826) auf, — ein genaueres Studium der 
Antile in ge einführen. Fruh machte ſich 
ein als «Realismus» verſchrieener Zug zum eins 
ſchmeichelnd Schönbildneriihen in der engl. Bild: 
nerei geltend: Nolletens, Chantrey, Weltmacott 
Bation waren talentwolle, meift an Ganova fh 
anlebnende fünftler dieſer Richtung. Einen größern 
Ernit zeigte die folgende, Thorwaldſen verwandte 
Schule, an deren Spibe der in Rom lebende Gibſon 
(j. Tafel: Engliſche Kunft IL, ig.8 u. 9) ftand, 
Ferner find zu nennen: Wyatt, Baily (f. Taf. ILL, 
Sig.1), Spence, Slater und der jüngere Richard Weſt⸗ 
macott; im Borträtiah J. H. Foley (j. Taf. ILL, Fig.5), 
RWoolnerund Noßman, im Genre James macott 
6 Taf. I, Fia. 10) und Munro. m neuerer Zeit 

at & ‚ dant der präraffaelitiihen Malerſchule 
die Bildnerei zu einem kräftig sealifiichen Stil 
durchgearbeitet und leiftet namentlih im Porträt: 
fache jehr Bedeutended. Urfprünglih durch die 
Blajtil der ital. Frübrenaiffance zu unbefangenem 
Naturftudium ſich aufrihtend, führte dieſe Rich: 
tung zu einem eigenartigen Stil, der von Arms 
ftead, W. C. Mariball (f. Taf. II, Fig. 3), Steell, 
MacDdomell (f. Taf. III, Fig. 4), Theed (f. af. IU, 
Fig. 2), John Bell vorbereitet, durch Böhm (f. 

af. III, ‚sig. 7), Stevens (1818 — 75) und den 
Schotten D. W. Stevenfon (j. Taf. II, Fig. —* 
bober Monumentalität geſührt, durch den Maler 
Leigbton bereihert wurde und jest durh Hamo 
Thornycroft, Onslow Ford, Alfred Gilbert u.a. ver» 
treten wird. 

IL Malerei. Die Malerei wurde in England 
wäbrend des Mittelalters faum in geringerm Maße 
als in Deutihland und Frantreid in Verbindung 
mit den übrigen flünjten geitbt. Eingeborene Maler 
von Bedeutung treten erſt im 17. Jahrh. auf. Sie 
baben die Wirfjamteit der beiden großen in England 
thätigen Maler Holbein und van Dyd zum Bor: 
bilde. Zuerſt wurde denn aud von dieſen das 
Borträtfach gepflegt. Cooper (1609—72) bezeichnet 
den Höbepuntt der in England früh gepflegten 
Miniaturmalerei. Neben Dobion? Waller, James 
ſon, Wrigbt, Eooper u.a. wirkten auch im 18. Jahrh. 
noch vorzugsweije Ausländer, wie Beter Le 2 
Soeft und Gottiried Kneller aus Lübed. Durch 
Ibornbill, welcher der Srangöfiihen Schule anbing 
und neben andern großen Aufgaben die a der 
Baulstirhe in London ausmalte, lam die barode 
Richtung des Freslo in Übung. Als der erſte eigens 
artige engl. Maler war W. Hogarth (1697—1764) 
der Schöpfer der engl. Karilatur; er gab ber engl, 
Malerei eine auf unbejangene und rüdfichtsloje 


Naturbetrahtung g dete Richtung. Eine jener 
entgegengejebte ideale Richtung wurde in fie eins 
efübrt dur den ausgezeichneten Bildnismaler 
ir Joſhua Reynolds (1723— 92; f. Taf. I, 
ig. 6). Seine Nebenbubler im Porträtfach waren 
amſay (1709—84) und G. Romney, vor allen 
aber Th. Gainäborough (1727—88; |. Taf. II, 
Pie, 7), der auch im Genrebild und in der d» 
haft zu den beiten Meiftern ver Zeit zählte. Als 
der erſte vorzüglichfte Landſchaftsmaler der Eng: 
länder verdient in derfelben Zeit Richard Wilfon 
(1714—82), ein freier Nachahmer Glaude Lorrains, 
genannt zu werben. Dld:Erome und Naſmyth, jeder 
eine eigenartige Schule — richteten durch 
* Bilder zuerſt den Blick auf die Naturf Önbeiten 
glands. Reynolds’ Nachfolger ald Präſident der 
Alademie zu London war der nordameril. Qualer 
und Maler Beni. Wet (f. Tafel: Amerilanijde 
Kunſt U, Fig. 1). Mehr als dur feine Werte 
nügte er der E. 8. durch Fürjorge für das Gedeihen 
der königl. Runftalademie und jeine Teilnahme an 
der 1805 erfolgten Gründung der British Institution, 
welche beide Anftalten dur ihre Ausftellungen die 
Runftliebe des engl. Bublitums und den Wetteifer 
der rn außerordentlich gefördert haben. Unter 
einen Zeitgenofien ift der Schweizer ob. Heinr. 
nebli(1742— 1825) der bedeutendfte. Die Davidſche 
ule, welche ihren Einfluß von Frankreich über 
ganz Curopa verbreitete, übte auf Gngland eine 
eringe Wirkung. Nur einzelne Künftler, wie Weſtall, 
Gassen, pflegten das biftor. Jah; andere, wie Hil- 
ton, Etty, Allan, Briggs, jchlugen einen freiern, an 
die ältere Malmeije der Niederländer und Staliener 
anfnüpfenden Weg ein. Bon lebendiger P antaftit 
waren bie Werke eines Stothart und John Martin, 
Neben ihnen löften die monumentalen Aufgaben 
in gen und Ausführung die im Geiſt der 
deutihen und franz. Romantiter ſchaffenden Hifto: 
rienmaler Maclife (f. Tafel: Engliſche zu U, 
ig. 1), Dyce Herbert und Ward. Dem auf bie 
ndividualität gerichteten Sinn der Engländer ent 
precbend wurde die Borträtmalerei mıt Glüd ge: 
flegt; F and in Sir Tb. Lawrence (1769—1830; 
.Zaf. U, Fig. 9), der 1820 PBräfident der Londoner 
fademie wurde, in Jadion Nortbeote und or” 
ner tüctige Vertreter. Außerdem machten Tb, 
billips, M. U. Shee, W. Beechey, Rothwell, * 
Pickersgill, Gordon und Francis Grant ala 
Vorträtmaler fih Namen. In den fehr beliebten 
Bildern, welche —— aus Dichtern —— 
ſowie in der Genremalerei wurden die engl. Maler 
durch eine jcharfe Beobachtungsgabe unterjtügt, die 
ih ſowohl in Reichtum der Vorwürfe ald aud) in 
chlagendem, bisweilen übertriebenem Ausdrude der 
öpje auslegt. Obenan jteht David Wiltie (1785 
— 1841; f. Taf. I, Fig. 3), der Schöpfer des moder- 
nen Genrebildes. Nach ihm find zu nennen: Mul⸗ 
Bein W. Collins, Eh. Leslie (f. Taf. 24 .5), 
zb. Webiter, Redgrave, Edw. M. Ward, J. Horde 
ley, F. Goodall, H. O Neil, W. > Fritb,deren Bilder 
das engl. Voltsleben vorzügli widerjpiegeln. 8* 
Fache der Landſchaftsmalerei find als die drei bes 
beutenditen Turner (1775—1851), Conſtable (1776 
—1837) und Bonington — zu nennen. 
Zurner (f. Taf. IL, Fig. 4) iſt der viel *55 Geiſt, 
welcher je in der Landſchaftsmalerei wirkte, Meer 
und Sand, heroiſcher Charakter und höchſte Steiges 
rung der malerijhen Wirkungen finden ſich bei ihm 
nebeneinander. Conſtable bat die e in 


6 Engliſche Kunft 


ci en und —— — mit kraftiger Farbe und 
tem Bortrage bei tiefeindringendem Berftänpnis 

E bie Stimmungswerte gemalt. Bon ihm gingen 
bie entſcheidenden Anregungen für die bedeutende 
han ndihaftsichule in den —I*X und ſech⸗ 
ahren aus. Bonington ftellte ſudl. und nord⸗ 


* — und namentlich tonwahr 
jochen ch an: W. Glover, 
B Colt ns Th. arding, wW. Linnell, 


T. Greäwid. ‚d. Meu 2 gr der Seemalerei find 
Gallcott, Stanfield und Eoofe mit Auszeih: | 8 
nung zu nennen. Für die Tiermalerei beſaß 
land in Morland und Edwin Landſeer (1802—7 
J. Zaf. U, ‚a: 8) Künftler erften Ranges. 

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts lam in Eng: 
land die Säule —— 
einen vollftändigen 


räraffaeliten (ſ. d.) auf, welde 
mſchwung des kunſtleriſchen 
Empfindens eiführten. Sie brach mit der Nach⸗ 
ahmung der Holländer und Spätitaliener und führte 
—* unmittelbare Naturbeobachtung und auf eine 
innigere Darſtellung ſeeliſcher Vorgänge hin. Den 
urſprunglichen Anxegern Roſſetti, Holman Hunt und 
ee 6 loſſen vr bald jü Kingere Kräfte an, unter 
welchen Burnes Jones (f. Kar U, Fig. 2) an erſte 
Stelle cr Ki —— — e ſeiner ſtili⸗ 

Din 1 aflung trat. Watts, Paton, Mador 

—— Ri mond, Crane bildeten die Richtung i in 
jelbftändiger Beife! fort. Doch betonte Millais mehr 
und mebr bie re Seite und wurde fomit einer 


der wichtigſten Führer der engl. Malerei. Die prä- 
te ‚nregungen edten ſich aud auf 
‚ in welcher Brett, Hood, 9. Moore, 


ac u. a. länzenbes lei iteten, wie auf die Bild⸗ 
welche durch Millais (f. Taf. Il, Fig. 10), 

na Herfomer, Duleß u. a. fh bödjite 
Stufe ge hrt wurde. Die mehr — che —— 
tumg vertrat Leighton, neben ihm Ph Ideron, 
Poynter u. a., die —— — der Lau⸗ 
rens Alma Tadema. In Edinburgh bildete ig eine 
ondere Malerjchule von kolorijtifch feiner Beob⸗ 
** aus, deren Hauptvertreter Fettes Doug: 
xdfon, als Figurenmaler, Reid, 

Mach irter, Graham, Murray ald Sandidaiter 
machten fih die Einflüfle der 

rifer ule und eine Reaktion gegen ben über: 
triebenen fticiömus und Symbolismus der 
——— in der engl. Malerei hervorragend 
£ Itend; die ſog. Landf —— von Newlyn: 
tanbope Fo Forbes, Eolin Hunter, Stott of Oldham, 
8 U u. a., die Hiftorienmaler Waterlom, 
Stone, Long, Briton:Riviere, Water: 

in uf, Di — Solomon zeigen mehr oder minder 
Einf Gine überaus eigenartige Kunſt⸗ 


mit Vorliebe von 9. Tule und Seymour Luca 
malt; in der Arditelturmalerei ragt D. Rol 
hervor, in der Blumenmalerei Miß Dlutrie, in 
ftüden Swan, Davis und Wain. Befonderi 
pflegt wird in England die Aquarellmalerei | 
und die Miniaturmalerei (f. d.). 

Unter ben Silußratarın nebmen, r 
Millais, Birlet Folter, Gilbert, Galvecott, 
Maurier, M reenaway eine bervorraj 
—— ein. Sir Sohn reis G. Du Maı 

orne, Harry iß, J. Bernard Parti 
KG Eleaver find au en Kreifen durch 
; 1 Bilder, oft bumoriftifchen Genres, im «Punch 
lannt. ter Crane, William "Morris, 2 
Jones errangen durch ihre Bucilluftrationer 
delorativen Zeichnungen geradezu einen We 
Baton Wilfon ſchließt ſich den lehtern, den 
tretern der präraffaelitifchen Richtung an, wäl 
Selwyn Image und Herbert Horn A: mebr 
Haffiihen Richtung befleißigen. Eine ganz 
—** ſchlagen die ſ ig.» — —— 
und Bitminghamer Schule ein; baup 
lihften Vertreter find Herbert hailten, H 
Tringham, W. B. Robinfon und R. Anning 
Unter den humoriftiihen Zeichnern fteht Phil 
obenan, auch Maurice Greiffenhagen und Sul 
leiften darin Anerlennenswertes. 

— Kupferſtechkunſt wurde im Lauf 

8. Jahrh. eine ſehr lebhafte Thätigleit zug 
ed bo geht das Streben hauptſachlich au 
farbige Technik. Die drei bedeutendſten V 
— trengen Linienmanier waren Robert Sti 

barp und MWoollet, der —** * 
— wurde der ſog. So warʒiun 
gen beiondere Bil ege. Die Hauptmei en 
eynolds, Fi Ardell, J. R. Emith, W 
R. Earlom. Die weichere unftiermanter, ı 
Bartolozzi einführte und beliebt machte, ſpät 
emporlommende —— ließen die Stec 
in England nicht auf der Höhe. Zu den < 
zeihnetften Kunſtlern der neueſten Zeit_gel 
ald Rabdierer * wi —— (. d.), Ser 
Zinienmanier: Brandard, Mill 
fonders für gumen) —— E. F a 
Goodall, W. Finden Grave, G 
x. Willmore, .d. Robin nion. Sämar 
manier arbeiteten: CT. Land eer, T. 2. Atkinfı 
ug er — C. un s 

oſſey, Campbe uſammenhang m 
—— Malerei bat ſich namentlich die Radi 

Enge ands gehoben, jo —— te heute namentlid 
die —— von Whiſtler, mer, Slo 
u. a. wohl den erſten Rang einnimmt. Ebenſo 


erſcheinung tft der in finfoniſchen eewar die Holzi Dre durch das techniſche 
gen ſich * de Amerilaner Whiſtler, & | eines Th. Bewid, der fie 1775 erh wieder ı 
die junge ower Schule (Guthrie, Deeioile brachte fowie dur deſſen Nachfolger Br: 
Auften Brown, Lavery, Walton, Millie Dow u.a.) 


mit einenartigen en anſchließt. Außer den ge 
nannten find von neuern Rünftlern noch zu nennen: 
die Pandichaftsmaler Adrian Stofes, David a. 
—* (Motive aus ſeiner Heimat Hampfbire) 
all (meifterbhafte Bebandlung des Dämmerlicht 3 
. W. North, E. A. Waterlow, Davis, Knig om 
der Marinemaler Wyllie ie fomie die ©: die Schotten Pater 
fon, Stevenion, D. meron, Moflat Lindner 
u.a.; die Bildnisma er Pucas dei, . B. Rich⸗ 
mond, S. J. Salomon; die nremaler George 
laufen (Bauernibylie), "Chevalier Tayler, Mouat 
Loudon (Rinderfcenen); hiſtor. Genrefcenen werben 


Elennel, Nesbit u. a. zu einer biöber u * 
Höbe gefteigert. Bu den —A— 
ehdren: die —— Dalziel, M Jadſon, W 
om und W.L Thomas, Die Litbograp ie 
bis in bie ie iger Jahre namentlih im 
chafts⸗ und itefturfadhe au —— 

u erwähnen find: Roberts, M Hagbe, 

win Rnigbt, —— Bond. 

Bol.E Campbell, Vitruvius Britannicus (! 
Lond. 1767— 71); W. Adams, Vitruvius Sc 
Edinb. 1750); Iritton, Architectural anti 
5 Bde., Lond. —2 deri., Be 
quities of Great Britain (ebd. 1814— 32); W 


Englifche Litteratur 7 


Cithedral churches of Einglandand Wales (3Bbde., 
ir.1812), A. Gotch und W. Talbot Brown, The 
swchiteeture of the Renaissance in England 
A Be., Lond. 1891 —94); Blomfield, A history 

Renaissance architecture in England 1500 
—1800 (2 Bode., ebd. 1897); Gurlitt, Geſchichte des 
Baroditild, Abteil.2, TI. 1 (Stuttg. 1888); Konſt. 

Ubve, Baudenkmäler in Großbritannien und Ir— 
land (2 Bde., Berl. 1891— 9); Muthefius, Die 
neuere firhliche Baukunft in England (mit 32 Taf., 
ebd. 1901); derſ., Die engl. Baulunſt der Gegen: 
wart (mit 100 Lichtdrudtafeln, Lpz. 1901 fg.); Scott, 
British school of sculpture (Fond, 1872); Allan 
Eunningbam, Lives of British painters etc. 
6 Bpe., Yond. 1829—33; Bu von rien 1879); 

gen, Kunſtwerke und fKünftler in England 

(2 Bve., Berl. 1837 —38); NR. Rebgrave, Dic- 
tionary of artists of the English school (2. Aufl. 
1878); Bryan, Dictionary of painters etc. (neue 
Aufl., Lond. 1886); R.und S.Redgrave, A century 
of painters of the English school (2. Aufl. 1890); 
Shepberd, Short history of the British school 
of painting (2. Aufl, Lond. 1891); Chesneau, 
La peinture anglaise (Par. 1882); Muther, Ge: 
Khicte der engl. Malerei (Berl. 1908); Rob. de la 
Sijeranne, La peinture anglaise gr par 
og 189; deutih Münd. 1899); ©. Temple, 
e art of painting in the Queen’s reign (Lond. 
1898); ge Animal painters of —— (2Bde., 
ebd. 1900); R. Brydall, Art in Scotland (Edinb. 
1889); David Martin, The Glasgow school of 
inting (Fond. 1897); Hamerton, Etching and 

Etchers (1882); Engl. Meiſterſtiche des 18. Sabrh 
(in Bhotogravüre, Munch. 1899); Redgrave, 
colour painting in England (2ond. 1892); ferner 
—— ournal, Magazine of Art, The 

io, Tbe Artist, The Builder, The british Ar- 
ehitect, The Art Portfolio u.a, 

‚Engliihe Litteratur, Bon einer E. 2. im 
eigentliben Sinne lann man erft fprechen, nachdem 
die Angelſachſen (vgl. Angeliähfiihe Sprache und 
Literatur) mit den Normannofranzojen zu einem 
Bolte verwachſen waren, aljo nicht vor dem zwei: 
ten Viertel des 13. Jahrh. Zwar dauerte ed noch 
über ein Jahrhundert, bis die angelſachſ.engl. Dich⸗ 
tung mit der am Hofe gepflegten franzöfiih nor: 

mannifchen zu einer einbeitlihen Nationallitteratur 
veribmol; und fid eine über den Mundarten 
eg chriftſprache berausbildete. Doc tritt 
it der Mitte des 18. Jahrh. das Franzdſiſche mehr 
und mebr zurüd, bis es am Ende des 14. ganz ver: 
ſchwindet. Gower war der lehte engl. Dichter, der 
auch Franzöfich ſchrieb. — In der zweiten Hälfte 
des 13. Jahrh. und in ber erjten des 14. wurde 
die geſchichtliche Dichtung gepflegt (Chroniten des 
Robert von Gloucefter und des Robert Dlannyng of 
Brunne), dann die Legende (Legendenfammlungen, 
be. von E. Horſtmann, Paderb. 1875; Heilbr. 1878 
u.1881 und Lond. 1887) und die — Dichtung 
(Genefis und Erodus; Richard Rolle de Hampoles 
«Pricke of conscience», «Castell of loue»; die 
Gedichte Wilhelms von Shorebam und der egen 

30000 Berje umfaflende «Cursor mundi»). ltere 

Eagen find in «Havelok» und «King Horn» (neu 
ba. von Hall, 2ond. 1901) bearbeitet, einheimiſche 
Etoffe in «Guy of Warwick», «Sir Bevis of Ham- 
ton» u. a. linter die Ritterromane find zu rechnen: 
das Aleranderlied, verihiedene Bearbeitungen der 
Trojafage, «Tristrem and Ysolde», «Richard Coeur 


ater- 


de Lion», eine Reihe von Gedichten aus der Karls⸗ 
und ber Arthu age. In legterer tritt namentlich 
die Geftalt des Gawain hervor (befonders in «Sir 
Gawain and the grene knight»). Bollstümliche 
Lieder fchrieb Lawrence Minot auf die Kriege 
Eduards III. gegen Schottland und Franlreih. — 
In die zweite Hälfte des 14. Jahrh. fällt die Blüte 
eit der altengl. Litteratur. Die Dichtungen von 

iliam —5 (nicht Langley), «Viſionen von 
Peter dem Prlüger» (dem Vertreter des einfachen, 
wahrhaft — gefinnten Mannes), leiten ſie ein. 

n ſatir.⸗allegoriſcher Weiſe werden hierin die 

eitgebrehen, vor allem die Verjunlenheit ber 

It: und Rloftergeiftlichen, gegei It. Im Gedichte 
«Richard the Redeles» («Der Ratloje») behan- 
delt —— die engl. Verhaltniſſe unter Richard II. 
Als Borläufer Chaucers verdienen noch Erwähn 
Gower und der Schotte John Barbour. Barbour i 
der Berfafler einer gereimten Ehronil, «The Bruce», 
welche die Befhichte Schottlands von 1286 bis 1329 
und bejonders die Lebensſchickſale des ſchott. Natio⸗ 
nalbelven Robert Bruce erzählt. Strenggenommen 
follte man Barbour feine Stellung als dem Be: 
runder der ſchott. —— anweiſen; er darf aber 
her nicht —— weil er gerade in dieſer Eigen⸗ 
haft dem «Bater der engl. Poefie», Geoffrey Chaucer 
De 0, würdig zur Seite geitellt werden 
ann. An der Verſchmelzung des niederdeutichen 
Voltselements mit dem franzöfiihnormanniihen 

t Chaucer (f.d.) durch feine litterar. und dichteriſche 

irtſamleit wie fein anderer thätigen Anteil ge 
nommen, Bon feinen jüngern Zeitgenofien flommen 
nur Thomas Dccleve oder Hoccleve («De regimine 

rincipum», eine engl. Bearbeitung des «Aegidius 
manus», und «La male regle») und John Lyd⸗ 
gate, genannt der Mönd von Bury («Falls of the 
princes», «Troy-book», «Storie of — in Be⸗ 
tradt. Beide find Anhänger und Schüler Chaucers, 
reichen aber in keiner Weiſe an jenen heran. 

Auf die kurze Blüte, welche die E. L. durch das 
Wirken Chaucers erlebte, folgte eine lange Zeit der 
Vertümmerung. Lieben einerfeitö die blutigen 
Kämpfe der beiden Roſen keine rechte Freudigleit 
an dem Genuſſe irgend welcher Poeſie auflommen, 
jo waren andererjeitö die Beſtrebungen ber vor: 
nehmiten Geifter auf die Reformation der kirchlichen 
Zuftände gerichtet. Auch die inzwiſchen in England 
eingeführte Buchdruderkunft konnte keine er 
Hebung der litterar. Zuftände herbeiführen. 
tend mehr ald einem Jahrhundert nach Chaucer bes 
gegnet man nur allegorijhen Dichtern wie Hawes 
und Bartley, Satiritern nad) der Art Steltons, Dis 
daltifern wie Thomas Tufler und Sonettſchreibern 
wie Thomas Wyatt und dem Surrey. Die 
Gedichte der beiden letztern erihienen in einem 
Sammelmwerte, «Tottel’s Miscellany» (in Arbers 
«Reprints», Nr. 24, Lond. 1870). Mag man aud 
Surrey —— Englands und ihn und Wyatt 
«Die erſten Reformatoren des engl. Versbaues und 
Stils» genannt haben, jo wurde doch eine eigent⸗ 
lich neue Richtung der Poeſie erſt angebahnt durch 
Thomas Sadville (1536—1608) und Sir Philip 
Sidney —— Das Werk, das man als die 

eiſtige Brüde zwiſchen Chaucers «Canterbury⸗Ge⸗ 
chichten⸗ und Spenſers «Feenlonigin⸗ betrachten 
muß, iſt der dem Plane nad von Sadville herruh⸗ 
rende «Mirror of magistrates», ein Gedicht, in 
dem nad Ari des Danteichen «Inferno» unglüdliche 
Fürften und andere hervorragende Geſtalten aus 


8 Englifche Litteratur 


der —* Geſchichte in der Unterwelt auftreten, um 
ihr Leben und Leiden zu Nuß und Frommen ber 
achwelt zu erzäblen. 
Sidney für die E, 2. erlangt bat, berubt darin, daß 
er den füdeurop. Schäferroman nad England ver: 
p angte. Die«Diana» bed Montemayor nachahmend, 
rieb er vo. «Arcadia», Seine Eonettjammlung 
«Aftropbel und Stella» ift jedenfall von hoherm 
vet. Werte als jenes Schäfergedicht, deſſen troſt⸗ 
ofe Langeweile ſelbſt die engl. Rrititer nicht in 
rede zu ftellen wagen. 

Später als die Wche bildete ſich die engl. Proſa 
aus. (Bol. Earle, «English prose, its elements, 
history and usage», Pond. 1890.) Noch roh und 
unbebolfen in der erften Hälfte des 14. Jahrh., wie 
Dan Michels «Ayenbite of inwyt» oder Richard 
Rolle of Hampoles «PBrofafhriften» beweifen, zeigt 
fie {bon einen Fortihritt in der Reifebefhreibung 
des Mandeville und in John Trevifas Ü * 
des «Polychronicon» des Ranulfus Highden. * 
die Proſa Wyclifs in feiner Uberſetzung bes Neuen, 
—— die des Niclas von Hereford in der des Alten 
Teſtaments, ſelbſt die Proſa Chaucers, beſonders 
in ſeiner Boethius⸗Uberſetzung, hat noch etwas Un: 
— Gewandter ſind ſchon die umfangreichen 

itterromane in Proſa, wie der von «Merlin», Ma: 
lorys «Morte d’Arthur», verſchiedene des 15. deg 
aus der Karlsſage beweiſen. Im 16. Jahrh. hob 
ſich die Proſa bedeutend, doch nicht, ohne auf Ab: 
mege zu geraten; die große Bibelüberfekung feit 
1526 und die Streitfchriften der Reformation legten 
ben Keim, aus dem fie zur Reife und Schönbeit er: 
wachſen follte. Beitweilig wurde fie von dem von 
Lyly eingeführten «Eupbuismus», jodann durch den 
eingeführten « Artadianismus» oder 
Schaferſtil ftark beeinflußt. Auch der Gongorismus 
follte an der engl. Proſa nicht ſpurlos vorüber 
geben, fo wenig wie der Eoncettiftil des Dubartas, 
ber d Abraham Fraunce zur Einführung ge 
langte. Bon diejen Fefleln befreite fi die Sprache 
erft gegen Ausgang des 16. Jahrh., und Samuel 
Dantel und Walter Raleigb dürften ala die erften 
ju betrachten fein, die ſich zur Reinheit des Stils 
durcharbeiteten. Einen Schritt weiter tbaten Lord 
Bacon, Hobbes, Sir Th. Bromne in —— philo⸗ 
iopbifhen, Milton und Clarendon in ihren hiſtor. 
Schriften. Nicht ohne Einwirkung blieben Yyaal 
Waltons «Compleat angler» und John Bunyans 
«The pilgrim's —— Biſchof Jeremy Taylor 
entwidelte eine Beredſamleit, die ihm den Beinamen 
eines «Shaleſpeare der Theologen» und eines «Spen: 
jer in Ne — bat, und Burton (1576 


von Mar 


— 1640) öffnete in jeiner «Anatomy of melancholy» 
eine von jpätern Schriftitellern, namentlib von 
Sterne, viel benußte Fundgrube des naiven Witzes 
und geiftreicher Beobachtungen. 

Die erften Erzeugniſſe dramatifher Kunft 
find wie bei allen hriftl. Nationen Europas bei der 
nglifhen auf kirchli Boden erwahfen. Ur: 
forünglid unterjhied man zwei Arten von reli« 

idfen Dramen, die Myfterien (Mysteries) und bie 
iralelfpiele (Miracles oder Miracle-plays). Die 
eritern fhöpften den Stoff aus der Bibel; die legtern, 
bie ſchon einen Schritt weiter in der Berweltlihung 
des geiftlichen Schaufpiels thaten, dramatifierten die 
Heiligenleben der Legenden. In England kam es 
nicht zu einer ftrengen Scheidung beider Gattungen, 
fondern man bat unter Miracles Spiele bibliſchen 
wie legendenbaften Inhalts zufammengefaßt. Bor 


dem normann. Einbruch ift in England eir 
irgend weldyen Dramas nicht nachzumeifen. © 


ie Bedeutung, die Sir Ph. | dramat. Aufführung, von der man Runde h 


um 1110 in Dunftable ftatt; zur Darftell! 
langte (ob lateinifch oder franzöfifch, ift unbe 
Geoffreys, des Abts von St. Albans, «L.ı 
S. Katharina», Wie Wil. Fig: Stephen b 
fanden noch bei Lebzeiten deö Thomas a Bei 
—— fur; nad deſſen Tode (1170) häufig ı 
Aufführungen in London ftatt und bald i 

ofen Städten des Landes. Den beiten 

r die Voltstümlichleit der Miracles liefern 
—— Sammlungen, die ſich unter dem Naı 

owuley- oder Woodkirk- (32 Stüde), deı 
(48 Stüde), der Coveutry- (42 zur 
Chester-plays (24 Stüde)erbalten haben. Br 
aus waren die AMiracle-plays gänzlich in de 
der Geiftlichleit, die ihnen ibre —— 
gedeihen ließ, weil ſie in ihnen das beſte Mi 
Eugene Unterweifung in verftändlicher Forn 
Boll zu tragen. Im Laufe des 15. Jahrh. entre 
ſich aus den Zeufeln und ri des Wofterie 
allegorifche Figuren, wie Geiz, Habſucht o' 
rechtigleit, Friede u.a. So entitand die alleı 
Moralität (Morality, Moral-play), Die 
figuren in dem Moral-play find die des «Dev 
des «Vice», von denen die erftere bereits 
ya Mofterien anzutreffen ift, wäbrend n 
ehtere ald Schöpfung des fpecifih engl. 
bumors anzufeben bat. Der«Vice» ift zum ®: 
des «Domestic fool» im ſpatern Drama gen 
Val. Ebert im «Jahrbuch für roman. un! 
Litteratur», I; Ward, History of Englis 
matic literature, Bd. 1 (Lond. 1875); Marti, 
lection of English miracle-plays (Baſ. 
Pollard, English miracle-plays, moraliti: 
interludes. Specimens of the Pre- Elizal 
drama (Oxf. 1890). 

Von der Morality zum eigentlihen Dram 
nur ein Schritt: die allegoriſchen Figuren v 
delten fi in topifche, die dann durch indiv 
Ebaraltere erfeht wurden. Diefen wichtinen | 
that zuerst John Heywood (geft. 1565) in 
«Interludes» («The four P’s» u. a.). Die 
ludien mit ihrem breiten Humor und ihre 
ben Ebaralterzeihnung wurden die Vorſtu 
eigentlihen Komödie, die anfänglih unte 
Einfluß der Renaiflance in Nahbildungen 
tiniſcher und Terenzifcher, fpäter ital. Vo 
auftrat, das Miratelipiel und die Moralits 

en nad) der andern Seite durd das Liber; 
abium der Chronicle history, d. i. des 

ramas, jur Tragödie weiter, die ibrerieit 
Seneca zum Muſter nabm. Dur die Bermi 
tomifcher und tragiicher Elemente entitand die‘ 
tomöbdie, und durch Nachahmung fpan. Bor 
fand auch das Schäferſpiel in England Eir 
Zur Zeit Heinrichs VIII. wurde ferner von I 
er das Mastlenfpiel eingeführt, allerbing: 
nur jur Rurjweil des Hofs und der vorm 
Melt. Beionders gepflegt und weiter gebildet 
die Maste von Ben Jonſon. 
tonnten aber die neuen Formen dramat, Dir 
die alten Miracle-plays und Moralities nicht 
verdrängen; dieſe bielten fi vielmehr untı 
andauernden Bunit des Bublitums bis zum S 
bes 16. Jahrh. auf der Bühne, und Spuren 
fib fogar bis in den Beginn des 17. verfolgen 
Moralitäten traten, befonders erft feit Cduar 


Englifche 


ad jehr entſchieden für den Proteitantismus ein, 
unter Maria dagegen für den Katholicismus. 
Als die älteite engl. Komödie pflegt man «Ralph 


Boyster Doyster» zu nennen, deren Verfaſſer, Ni: 
colas Udall, zuerft in Eton, fpäter an der Weſt⸗ 
mintterihule Lehrer war. Sie lehnt fih an den 
„iiles gloriosus» des Plautus an und muß vor 
1551 geichrieben worden pe Die erfte Chronicle 
history dürfte Bifchof Bales «King Johan» fein (um 
1548). Als erſte regelrehte Tragödie fieht man 
«Gorboduc or Ferrex and Porrex» (1562) von 
Ibom. Sadville (Lord Budhurft) und Thom. Norton 
an, worin auch zuerſt der «blanc verse», d. i. der 
ungereimte fünffüßige Jambus zur Verwendung 
tam. 1571 erfchien «Damon and Pithias» von Ric. 
Edwards (1523—66), die erfte Tragilomöpie, 
Das Traueripiel «Tancred and Gismunda», 1568 
von den Studenten des Sinner: Temple vor ber 
Königin Eliſabeth aufgeführt, war das erfte nad) 
einer ital. Novelle bearbeitete Stüd, und Gas: 
coignes «Supposes» (zuerft aufgeführt 1566) find 
eine Überfegung von Arioſts «I suppositiv. In 
«Misogonus» von Thom. Rychardes (um 1560) trat 
m eritenmal der oben erwähnte Domestic fool 
Schallsnarr) auf, — in «Gammer Gurton’s 
needle» (1575), angeblih von Sohn Still, nad: 
maligem Biſchof von Bath und Wells (geft. 1607), 
der echte Vollshumor ſich geltend machte. Die 
dramat. Poeſie ftieg unter der Königin Elifabeth zu 
immer böberer Blüte. Im MWetteifer um Sit 
betb3 Gunſt dichtete Lyly (1554 — 1606), der 
finder des « uismus», und geit. um 
1598). An Geſchmad ihm nachſtehend, an Kraft 
ibm aber überlegen, war Thom. Kyd (ah. um 1594), 
als jelbftändiger Dichter nur durch feine «Spanish 
a ER, die den zweiten Teil bildet zu 
«The of Jeronimo»; ob aber diefer erite 
Zeil von Kyd brt, bat fich bis jegt nicht feſt⸗ 
ftellen laffen. Mebr Dichter iſt Thom. Lodge (1558 
— 1625), unter deſſen Dramen «The wounds of 
civil war lively set forth in the true tragedies of 
Marius and Sylla» das nennendmwertefte ift. Gin 
anderes Stüd, an dem er mitarbeitete, «A looking 
lasse for London and England», führt über zu 
b. Greene (geit. 1592). Ein hervorragender Dra⸗ 
matiler dieſer Het war aud Th. Naſh (1565— 1602). 
Ale vorher genannten aber überragte durd Kraft 
der Leidenſchaft und Charalterzeichnung Chriſtopher 
Marlowe (1564— 93; «Tamburlaine», «Faustus» 
u. a), der größte Vorgänger Shaleipeared. Zu 
erwäbnen find no Anthony Munday («Sir John 
Oldcastle», — Shaleſpeare zugeſchrieben) und 
Henry Chettle, angeblich ** er von 38 Dra⸗ 
men (von denen indes nur 4 ji erhalten haben). 
Bon vielen Dramatilern diefer fruchtbaren Zeit, 
wie Borter, Smith, Hauabton, Hathaway, Ans 
tbony Bremer u. ſ. w., find nur die Namen auf 
uns gelommen, und andererſeits giebt ed mebrere 
bemerlenämwerte Stüde, deren Verfaſſer unbelannt 
—— find, 3. B. «Yorkshire tragedy», «Lord 
mw «Locrine» und «Arden of Feversham» 
bie man Shalefpeare zufchrieb; ferner «Merry devil 
of Edmonton» und «London prodigals. Aus dem 
Zagebuche Henslowes geht hervor, daß in den J 
1591—97 in London von vier Schauſpielergeſe 
ibaften 110 verſchiedene Stüde aufgeführt wur: 
den, und ba es beren zum wenigiten zehn gab, fo 


* 


lann man ——— daß die Menge des Verlore⸗ Fr 


nen feine Heine 


Ritteratur 4 


Mit Eomund Spenfer (1552 — 99), dem Dichter 
ber «Fairy Queen», beginnt das goldene Beitalter 
der E. X, Die Zahl der Lyriker, Schäferbichter, 
Satiriter, Romanfchreiber, welche die Specialges 
(dichte der Eliſabethaniſchen Zeit nennt, ift Degen. 

ie bebeutendften find: Michael Drayton (« Poly- 
Olbion», eine verfifizierte topogr. Befchreibung Eng: 
lands, und «Nymphidia, or, the court of faery»), 
Sir Walter Raleigb, der treffliche Liederbichter, die 
allegorifhen Dichter Giles Fletcher und Phineas 
— der derb⸗humoriſtiſche Vollsdichter Jo 

ylor, genannt der «Wallerdichter», die Satiriler 
und Sittenmaler John Donne und Joſeph Hall; 
erner Arthur Broofe («Romeus and Juliet»), 
ihard Edwards (« Paradise of dainty devices — 
Robert Southwell («Saint-Peter’s complaint»), 
Stepben Gofjon («The school of abuse»), Sir John 
Davies («Nosce te ipsum»), Joſhua Sylveſtre, 
William Warner, Th. Watfon u. a. m. Doc die 
Hauptbebeutung des Elifabethanifchen ng 
liegt darin, dab ed das Drama Re bödjten Boll: 
tommenbeit ausgebilbet, daß es Shaleſpeare (1564 
—1616), den Dichter aller Dichter hervorgebracht 
t, denn während feine Borgänger auf dramat. Ge 
ieie nur fürihre Zeit gefchrieben, während auch ihre 
elungeniten Werte meiſtens nur noch ein litterars 
Biftor. Intereſſe haben, drüdte er feinen Gebilden 
den Stempel auf, der fie allen Nationen zugänglich 
madt. Amar geriet fein Name während der engl. 
Bürgerkriege faft in Bergefienheit, und erft feit dem 
Beginn des 18. Jahrh. wurden feine Werke wieder 
ein Gemeingut der Nation, ſeitdem aber find die: 
felben mehr und 7 durchforſcht worden und bie 
Kenntnis berfelben ift über bie ganze gebildete Welt 
verbreitet. Mit feinen Heinern en («Venus and 
Adonis», «The rape of Lucrece», «A lover’s com- 
plaint», «The passionate pilgrim», «Sonnets») 
äblt er auch zu den bedeutenden 2yrilern feiner 
Bei. Dichter wie Edward Fairfar, der Überfcher 
des «Befreiten Jerufalem», und Sir John Hax⸗ 
rington, der UÜberſehzer des «Orlando furioso», fuh- 
ren bereits zu John Milton (1608—74) hinüber, der 
als der würdige Schlußftein indem großartigen Baue 
der Eliſabethaniſchen Litteratur zu betrachten ift. 

Eine andere Gruppe von Dichtern hat man die 
«metapbyfiihe Schule» genannt. Zu ihr zäb: 
len Abrabam Cowley («The mistress», «Pindaric 
odes», «The Davideis»), George Herbert («The 
temple»), Richard Craſhaw («Steps to the temple»), 

and QDuarle® («Emblems»), George Witber 
«Abuses stript and whipt», «Satire to the king», 
«Shepherd’s hunting», «Mistress of Philarete» 
u. v. a.), Robert Herrid («Works, human and di- 
vine»). Sie alle find Nachahmer Yohn Donnes, 
der feinerfeitö wieder den euphuiftiihen Romanftil 
ale in die lyriſche Poeſie Übertragen ne * 

ie ſeinen Zeitgenoſſen, ſo blieb Shaleſpeare 
auch Kr Nahfolgern unerreihbar. Bon Chap⸗ 
man (1557 — 1684) find nod 16 wenig bedeutende 
Dramen vorhanden, in denen fih nur geringe 
Spuren eines jchöpferifhen Geifted bemerkbar 
machen; noch frudtbarer war Thomas Heywood, 
dem 220 Stüde zugeichrieben wurden (nur 23 fonnte 
Eollier 1852 jammeln). Der bedeutendſte auch wohl 
von ihm anerkannte Zeitgenofje Shatejpeares ift 
Ben Jonſon —— Reicher an Talent und 
wirlſamer an buhnenmäßiger Berechnung waren 
. Beaumont (um 1586—1616) und J. Fletcher 
(1579—1635), neben ihnen beſonders Maffinger. 


10 


Bon andern Dramatilern feien hier genannt: John 
Marfton, John Webfter («The duchess of Malfi», 
«Vittoria Corombona»), Samuel Rowley («When 
you see me, you know me»), William Rowley («A 
match at midnight», «A woman never vexed» 
u.a.). Ausläufer der Eliſabethaniſchen Schule find: 
ames Shirley (1596 — 1666), Thom. Randolph 
1605—84: «The Muses’ looking-glass») und Will, 
rtwrigbt (1611—43: «The royal slave»). 
Wie nah Ehaucer die Dichtun ——— lang⸗ 
wierigen Kampfe der Roſen in ihrer Entwidlung 
ebemmt wurde, fo wurde fie jetzt durch den Bürger: 
ieg für geraume Zeit brad gelegt. In der kunſt⸗ 
rar Sphäre des Puritanigmus konnte ein 
ier dichterifcher Geift nicht zur Entfaltung lom⸗ 
men. Eine geiftige —— deren Wertſchãtzung 
litterar. Produlte darin gipfelte, daß fie ſagte, neu 
entſtehende Bücher enthielten entweder dasſelbe wie 
die Bibel, und dann wären fie unnüß, oder fie ent« 
bielten anderes, und dann wären fie ſchädlich, ſchnitt 
natürlich jeder weltlihen Poeſie den Lebensfaden 
ab. Der einzige Erfag, den der Buritanismus ge: 
leiftet bat, find bie e Miltons (f. d.). 
ie Bühne wurde gleichfalld auf das empfind- 
lichfte geſchädigt. Einzelne Dichter, wie Shirley, 
ancis Quarles, Davenant u. a, fuhren zwar * 
Dramen zu veröffentlichen, — aber nur Leſer 
und feine Zuſchauer mehr. Thatſächlich ruhte die 
dramat. rend eines halben Menſchen⸗ 
alters, erſt mit der Wiederherſtellung des König⸗ 
tums 1660 öffneten ſich die —— wieder. Aller⸗ 
dings pur ed Davenant veritanden, bie ftrengen 
geieglihen Vorſchriften höchſt geihidt zu umgeben, 
indem er fhon um 1656 eine Art dramat. Bor: 
ftellung unter dem Namen «Moral representation» 
einführte. Aber die mit Karl IL. Zurüdgelebrten, 
die in Fran das Theater Gorneilled und Mos 
lieres tennen gelernt hatten, waren mit der ſchlich⸗ 
ten Einfachheit der alten Schaubühne nicht mebr 
jufrieden. est wurben von Paris Dekorationen, 
bewegliche Scenerie, fünftlihe Beleuchtung u. dgl. 
eingerührt und damit das Hauptgewicht nicht me 
auf den Gehalt der Stüde, ſondern auf die äußere 
Ausitattu elegt. Nah diefer Richtung bin 
thaten fich bejonders Davenant und Droden ber: 
vor, von denen an der Berfall des engl. Dramas 
datiert. Zu Shalefpeares Zeiten war die Bühne 
noch Nationaltheater, jept wurde fie zum Hoftbeater. 
Kärrner und Soldaten durften nicht länger — den 
Brettern ar nur die Blüte der Geſellſcha 
burfte noch d Bühne beleben. Daher die abitr 
entwidelten tonventionellen Begriffevon Ehre, Liebe, 
Heldentum, daber das hohle Nathos und bie rein 
äußerlice Motivierung des Ronflilts. Bon nun an 
ging der fittenloje Hofton auf die Kunſt über. Ver: 
gebens warf fih Otway (gef. 1685) in feinem 
«Venice preserved» und «Örphan» dem Strome 
entgegen; ebenjomwenig blieben Nathaniel Lee (1657 
—92),der Berjajier von«Theodosius» und «Alexan- 
der the Great», und Thom. Southern (1659— 1746) 
ei von den Lerirrun en ber Zeit. ar babnte 
ich jpäter das Trauerſpiel in edler Haltung und 
moralijcher benz wieder Eingang, deflamierte 
aber in den fteifen —* der Schule. So 
Addiſon, A Thomſon, fo die Schöpfungen eines 
Doung, Ölover und Mafon, unglüdlihen Nach⸗ 
abmern des unbegrifienen Altertums. Nicholas 
Rome (1673—1718) wollte zuerſt zurüd auf die 
frübere Bahn, aber weil er nicht durchdrang, ließ 


anj. 


Engliſche Litteratur 


auch er vom Beſſern ab. Einen glucklichern 
ſchlug ©. Lilo (1698—1739) mit der von ih 
gebrachten Gattung des bürgerlihen Traue 
ein. Zu feinen beiten Stüden gehören: «( 
Barnwell» und «Fatal curiosity». 

Eine jelbftändigere Bahn batte die Komö 
nommen. Die Quitipiele der Reſtaurationsze 
faſt ohne Ausnahme profaifche Sittenlomöbdier 
ihr Hauptmangeliftebeneinegrenzenlofe Sitte 
feit. Auch darin hat Dryden den Ton angegeb 
ift von ben Spätern faum übertroffen worber 

auptvertreter find: Wycherley (1640—1715, 
greve (17a 1138), Dozauber und VBanbrug 
weiter Linie ſtehen George Etherege, Aphra 
ufanna Gentlivre, Edw. Ravenscroft und 
Cibber. Obſchon nicht alle decent in ihrem 
haben fih dod manche Luſtſpiele diefer 2 
wenngleid mit den u ern Streihungen, 
Gays «Beggar’s opera» biö zur Gegenwart 

Gunft des engl. Bublitums erhalten, 
Nach der Königin Anna Tode hatte der libı 
der brit. Krone an das Haus Hannover in di 
fon Georgs J. mehrere, die äußern Theatero 
niſſe wefentlich berübrende Veränderungen zur 
rüber hatten Muſik, Gejang und Tanz das ( 
piel von den Brettern gedrängt, Mufil ur 
ang waren inzwiſchen das alleinige Eigenti 
mit Anfang des 18. Jahrh. eingewanderte 
Dper geworben, alfo blieb nur der Tanz. 
mebr Sinn und —— eben, nahn 
ihm einen Teil der von der Muſil geregelten ( 
— ihm dafür die Geberde, i te das Ge 
die zufammenbängende Berfinn 7 irgen! 

abel und nannte ed Bantomime (f. d. und i 

bomw). So entftand die jog. Christmas Panto 
deren Urfprung man fäljhlih auf die in { 
Zeit gebräuchlichen Wei —— en zurü 
und deren Eharalter, befonders feit dem To 
als Tölpel (clown) unerfegt gebliebenen beide 
maldi, Vater und Sobn, fih zwar anfebnli 
ändert bat, die aber do fortdauernd ſich a 
Londoner Theatern behauptet. Dem Drama | 
der Wechſel der Herricherfamilie feinen Segen. 
die George noch Wilhelm IV. unterftüßten es, 
ungeachtet hat es ihm andauernd an Dichterr 
ten Ranges nicht gefehlt. Fielding und Garr 
berübmte Schaufpieler, vermehrten dad Rep 
beträchtlich; ein Londoner Lehrer, Tomnley, 
das launige «High life below stairs», Flüchti, 
oft eigenartig arbeitete Foote. Cumberland 
er eil fentimentale Stüde in der, zie 

prache, aber auch mit der Oberflächlichke 
Meltmanned. George Colman der Ultere je 
die Berfonen feiner 35 Theaterftüde meiſt tre 
dem Leben, was ihre bejte Eigenſchaft if 
miin glängie durd reichen Wiß und unerjchö 
Heiterleit. Sheridan (1751—1816) war € 
Menſchenlenner und Hofmann, Redner, Schi 
und Poet in feinen beiden berühmten Luft 
«The school for scandal» und «The ri 
Schwächer war während dieſer Zeit das 
Bühnenjtüd vertreten; nennenswert find n 
bürgerliche Tragödie «The gamester» von €. ] 
die romantifche Tragddie « Douglas» von 
Home (1724 — 1808), «The mysterious mc 
von Horace Walpole und «The Grecian days 
(1773) von —. 

Eine neue poet. Schule, die erft nach der I 
ration der Stuartö recht zur Geltung gel 


Englifche Litteratur 


kl, die aber ſchon unter der Herrihaft der Puri⸗ 
taner nn die og. « Carvalier poets» gekondigt 
jenige, als deren Haupt man Dryden 


(531--1700 — lann; ſie zeichnet ſich durch 
—— und olatte erfe aus, läßt aber 
unter —— ußern Schimmer nicht ſelten den innern 


Gebalt vermifien. Hat Milton dem Puritanismus 
Haifiihen Ausprud verlieben, fo bat die Gegenpartei 
der Kavaliere ihren Haffiichen Vertreter in Samuel 
Butler —* efunden, deſſen «Hudibras» immer feinen 
Bert als Zeit: und Sittenbilb bebalten wird. Die 
durh Droden vertretene poet. Richtung erreichte 
ihren Höbepuntt in Bope, der in Wis, Korrektheit 
und Gejeiltbeit dad Mögliche leiftete. Nicht mit 
Unrecht man ihn den Boileau Englands ge⸗ 
nannt. en ibm fteben der feingebildete —* on, 
der beitere Fabeldichter Gay, der Naturmaler Thoms 
on, der f aftif-humoriftifche Swift, der religiös: 
ihe Young. Um die Mitte des 18. Jahrh. 
ferner der jententiöfe Johnfon, der büjtere 
ap («Elegy written in a coun church * 

nu ehri ter Alenfide Y «Pleasures of 
nations»), der Elegiler Shenftone («The school- 
mistress»), der bumoriftiihe Armftrong («The art 
of preserving health», eine Art verfifizierter Hufes 
fand), der Lyriler Golling, der Satiriler Churchill, 


Bill en angel he ames Beattie 
trel»), opber Anitey 
= ar a. Der franz. — ſich während dieſer 


de (etwa 1700—85) geltend machte, war haupts 
ählih durch die Stuarts zur haft gelangt. 
er aber aud) die poet. Formen in unverlenns 


—— Weiſe gg fo en er doch | ftr 


—— ung wurde früher Diele Croche Das 
er diefe Epoche ba 
ugufteifche Sehtalter © der E. 2. genannt; je deut: 
—— man aber erlannte, wie wenig wahre Poeſie 
die Hauptvertreter der Periode haben, deſto mebr iſt 
man von diefer Anfhauung — 
—— rderung erfuhr bie engl. Brofa 
gen Ende des 1 Sal * den Kanzelredner 
otſon, den polit. Schri ſieüer Will. Temple, den 
Eile opben Zode und durch ben ſteptiſchen Shaftes- 
bury (1671—1718) in feinen durd Wis und Phan⸗ 
tafie belebten *8 — en. Viel geſchah 
dann d die oe herr yahrb. unter den 
Aujpizien ect gm von Steele ins en gerufenen 
Wochenſchriften «Teilen (1709), «Spectator» (1711) 
und «G » (1718). Bald erbielt jever Stil 


feinen Bilder; der ſatiriſche in Swift («The tale | Na 


of a tub», «Gulliver’s travels»), der — in 
bn Bromn, Hutdefon und Adam Smit 
in Zady —— Cheſterfield und Ju⸗ 
nius, Der biftoriiche in Hume, Robertfon und Gibbon, 
vor allem erbie pi der Konan n jest eine hervor» 
ae Bedeutung. Die Romane des 15. Jahrh. 
waren nur profaiiche ee ger alter Helden: 
—— beſonders aus dem Kreiſe Karls d. Gr., 
Artus’ und der Tafelrunde, es folgten die 
* ne, eingeführt durch die «Arcadia» des 
idney; aber den Charalter, der diefer Dich⸗ 
3 in unfern Tagen eine fo bobe Wichtigleit 
iben follte, g ab ihr Daniel Do (1661 
—1731) durch = in gebildeten —— 
übertragenen Roman: «Life and surprisin 
ventures of Robinson Crusoe» (1719). —— 
Richardſon wurde der Familienroman eingeführt 
(amela⸗, «Clarissa», «Sir les Grandison»), 
der fib lange Zeit einer großen Beliebtheit erfreute, 


11 


9. Fielding (1707—54) trat den gar zu kr ideali⸗ 
fierten Geſialten Richardſons mit feiner Satire ent⸗ 
pe en, - die Schilderungen des wirklichen Lebens 
n jeinen Romanen («Joseph Andrews», «Jonathan 
Wild», «Tom Jones») —— * Meifterwerte. 
Weiter nod ging in dieſer Richtung T. Smollett, 
defien launige Giitengemälve (« Peregrine Pickle» 
und «Humphrey Clinker») nody heute ihren Rei; 
nicht verloren haben. Neben diejen Romanen ine sen 
die halb mutwilligen, halb jentimentalen Gebilde 
eined Sterne («Tristram Shandy» und «A senti- 
mental journ R die ſich Een liebenöwürdigen 
Humor eines © djmith icar of Wakefield») 
verflärten. Ihnen jchlofien fi die Erzeu on 
Madenzies, Miß Burneys, Johnſtones ug 
Moores und Mrs 8. Sncbalds an. In eine etwas 
fpätere Beit fallen die ‚pbilof. Dichtungen Godwins, 
bie auf die Bildung einer neuen Schule einmwirtten, 
wie Horace Walpoled romantiſches «Castle of 
Otranto» und die phantaftiihen Schöpfungen der 
Radcliffe und Borter fih zu den unübertroffenen 
biftor. —* den Walter Scotts veredelten. Seine 
Romane haben den einer vortrefflichen 
——— arſtellung iſt Har und 
eibungen des Landlebens und 
Ländlicher ehr kind anſchaulich und treu, dabei 
gt Scott über einen ichen Humor, obwohl 
er ftet3 den größten fittlihen Ernſt zei 
s lag in der Natur der Berbältnifle € begefinet, 
daß die während der zweiten Hälfte des 18. de ai 
aus Frankreich eingeführte Strömung der gef 
ten, gelünftelten, gefeilten Dichtung eine Gegen 
ömung erzeugte, bie wieder zurüdlenkte nad den 
einfachen Formen wahrer, natürlicher Poeſie. Dies 
fer Umſchwung trat ein mit ee «Reliques of 
ancient English 2 ons « * 
und Ehattertond — tengl. Dichtun 
ormen, wie auch durch das Wiederaufleben Sha 
eares in England. Als erſter Vertreter der neuen 
ken melde bie gele eln der franz. Unnatur 
prengte und ve A| ie in a. —— 
übrte, iſt Cowper —— (ne 
Be dann pie die Einwirkungen anzdfir 
nn. ution und der beutjchen te 


—* * na —* land fühlbar machten, 
and zu —* h. die neue poet. 
chule in voller lie ** Thomas Moore, 


Shelley, Walter Scott, Wordsworih, Eoleridge, 
Southey und Campbell find ihre berühmteften 
men. Byrons gewaltiger Dichtergeift befundete 
& in feinem «Childe Harold», Moores zarte De 
Rookh», Shelley3 ftürmifche Leiden: 
ſchaft in nem! Tragdbien. ott ließ in feinem 
«Lay of the last minstrel» und der « of the 
lake» die Eigenſchaften ahnen, die er fpäter in feinen 
Waverleys Romanen fo glänzend entwidelte. Words: 
worth war ein reiches, tiefed Dichtergemüt, doc 
auch tändelnd mit feinem Gefühle und nicht immer 
Det Der Phantaſie; Eoleridge ift ein Kenner des 

en‘ end, nur oft zu wohlgefälli Bar is in — 
derung des rohtbaren; Soutbey ift 
des Übernatürlihen und Anormen, —— —* 
oft den Schein für den Kern, während Campbell 
durch den melodiichen Fluß feiner Verfe mitunter 
an die ältere Schule erinnert. 

Aus derjelben und der folgenden Beriode find 

nod zu nennen: mo Erabbe («The library» 


The village», «Th ae ter», «Tales o 
the ball»), Samuel he pleasure of 


odie in « 


12 


Sarah Eoleridge («Phantasmion»), James Hogg, 
der fog. Ettrid-Schäfer («Queen’s wake»), Nobert 
Bloomfield («Farmer’s boy», «Rural tales»), 
med Grabame («Mary Stewart, Queen of 
ts»), John Keats («Endymion», «Hyperion»), 
Leigb Hunt («Story of Rimini»), Walter Savage 
2andor («Gebir», «Count Julian», «Imaginary 
conversations»), Letitia Yandon, Yames Mont: 
—— («Wanderer of Switzerland», «West In- 
ies», «Pelican Island»), John Elare, Robert 
ollof, John Wilfon («Isle of palms»), Ebenezer 
lliott («Corn-law-rhymes»), William Herbert 
«Attila»), Barry Cornwall, eigentlih Bryan Wal: 
er Procter («Marcian Colonna; English songs»), 
Henry Hart Milman («The Belvedere Apollo»), 
an Keble («The christian year»), Felicia Hemans, 

b. Hood («The bridge of sighs», «The song of 
the shirt», «The dream of Eugene Aram»). Dichter, 
die den Üiberga in die jept berrichende Richtung 
bezeichnen, find Bulwer, Macaulay, A. A. Watts, 
Dobell (Pieudonym Sidney Nendis), Aird, Aler. 
u ber ſchott. Balladendichter Aytoun, Emme: 
line ®ortley, Eliza Eoot, Adelaide Procter, Miß 
Sean Ingelow; auch müfjen bier noch erwähnt wer: 
ben Rob. Lytton (Sohn Lord Bulwer Lyttons, ala 
Shriftfteller unter dem Namen Omen Mereditb 
betannt) und Mary Anne Evans, befannt unter 
dem Ramen George Eliot («The Spanish gipsy») 
Als Überfeger verdienen genannt zu werden Lord 
Stranaford, —— Lochart, Merivale, Lord 
Ellesmere, Anſter, Bladie und Martin. Genen: 
märtig ift Alfred Tennpfon nod immer in bober 
Gunft bei dem Bublitum, Neben ihm erfreut ſich 
Rob. Bromning einer großen Bewunderung, wenn: 
gleich keiner eigentliben Popularität. 

Zum Schluß ift nod eine Anzahl von Dichtern 
zu erwähnen, die fi durd ihren Bruch mit den in 
der Kunſt biöher als quite anertannten Normen 
ald eine neue Schule betundeten. An der Spike 
derfelben ftand John Ruslin mit feinem Werte 
«Modern painters». Man bat diefe Schule, deren 
litterar, Hauptvertreter Algernon Eb. Smwinburne, 
William Morris und Dante Gabriel Rofietti find, 
von einer Seitediefatanifche, von einer andern die 
präraffaelifche genannt, Urfprünglic ift fie her⸗ 
vorgegangen aus einem Proteft gegen alles Ronven- 
tionelle, —— Gelünftelte und hat nach dieſer 
Richtung hin viel Gutes gewirkt. Wenn fie aber in 
—— eit In bloßer Affeltion und künftleriicher 

onderlichleit ausgeartet ift, fo fann man dafür 
die —— Vertreter diefer Richtung nicht 
verantwortlich machen wollen. Bon modernen lyri⸗ 
fen Dihtern wie W. Watfon, 3. Davidfon, F. 

ompfon, W. B. Yeats, R. Kipling u. a. machte 
Lord Lytton mit feinem Epos «Glenaveril, meta- 
morphoses» —— Aufſehen. George Meredith 
dichtete «Poems and lyrics of the joy of earth», 
Lewis Morris «Songs unsung» und das Drama 
«Gycia». Die heiter ironiſche Öefellfchaftsdichtung 
wird durch Andrew Lang vertreten. 

Die dramatiſche Kunſt war zu Anfang unſers 
SIEBEN mebr und mehr gefunten. Die 

ucht nad Neuem und der fchnelle Überbruß 
—— einen ſtetigen Fortſchritt. Trodem die 

übne heute faum noch unmittelbar aufs Bolt 
wirft, ift die dramat. Poeſie unftreitig vor«, nicht 
zurüdgeichritten, fie bat vielmehr die ihr zu Ende 
des 17. Jahrh. gegebene künftlihe Richtung ver 


Englifche Litteratur 


memory»), Hartley Eoleridge und feine Schwefter | laffen, um ſich wieder in den frifhen Bo 


Natur E tauchen. Einige von Eberidan, 
nbbald und Scott aus dem Deutſchen üb 
tüde leiteten eine neue Beriode ein ; Joanna 

liefert® (feit 1798) eine Neibenfolge von 2 

und Quftipielen, deren jedes eine beftimmte | 

ſchaft ſchildert, Eoleridge fchrieb «Remorse» | 

Procter «Mirandola» (1821), beide freilid 

lyriſch. Frei von Nachahmung, wenn aud 

bübnengerecht, dichtete Byron. Gedantennt 
tieffinntg, mie feine Dramen find, feblt es 
allerdings an Effelt und richtiger Charalt 
nung, jo daß fie jich nicht auf der Bühne beb 

fonnten. Mehr auf den Geihmad des g 

Bublitums berechnet find die Produfte von 

dan Knowles (1784— 1862), der ſich befont 

der Sphäre des Familienlebens heimisch füt 
der er immer zurüdtebrte. Talfourd ift der: 
vertreter der klaſſiſchen, Bulmer der ellel 

Schule, der jede Richtung gleich trefflic er 

wenn fienurden Theatererfolg erzielt. Bromni 

Bailey zeichnen ſich durch philoſ. Erbabenheit 

Hunt durd Zartbeit, Weſtland Marfton duı 

bafte Empfindung aus. Bemerlenswert find o 

Dramen von Swinburne und Wills und die f 

mitallgemeiner Teilnahme begrüßten von Ten 

Bon neu auftretenden Dramatilern gema 

lebhaftefte Teilnabme Michael Field, deſſen 

tus», «Callirrho&» und «Fair Rosamond 
ungewöhnlicher Begabung zeugen. Außerbe 
die Verdienfte derjenigen keineswegs zu übe 

die, im Solde der größern und lleinern 7 

diefe mit Neuigkeiten m. Art verforgen 

Anfang des 19. Jahrh. G. Colman der Si 

Dibpin, D’Reefe, srederid Reynolds und 

in neuerer Zeit Hook, Poole, Plane, Bu 

Peale, D. Jerrold, Marl Lemon, Robertion 

cicault, Tom Taylor, A. Hope, A. W. Pin: 

A. Jones, S. Grundy, D. Wilde, B. Cha 

Bhilipps, H. James u. a. 

er Roman ift im 19. Jahrh. in ganz | 
ragender MWeife gepflegt worden; auf dem ( 
des biftor. Nomans ift Walter Scott der : 
vertreter; von feinen zahlreihen Nachahmer 

nen fib Horace Smith, Thomas rg G 

Mrs. Bray und Louiſa Coſtello aus, Cine 

ſchritt zeigen die Räuber: und Beiftergeichichten 

worths, die ihrerſeits den triminaliftiihen un 
fationdgromanen von Willie Collins, Miß Bı 

Edmund Yates, Whyte Melville, Charles 

u.a. weichen mußten. Die prattifche Leben 

opbie fand in Bulwer (f. Lytton) einen tre 
ertreter , wenn er auch vielfach mit lyriſche 

ſchwenglichleit zu kämpfen bat. Durd feinen | 

«The last days of Pompeii» und «Rienzi» ı 

auch zu den beiten Berfaflern biftor. Rome 

«Pelham», «Eugene Aram», «Devereux» ſ 

er mit pre Menſchenkenntnis Scenen dei 

Voltslebens, dur die «Caxtons» gewann 

eine geachtete Stellung unter den Hum 

Ein treffliher Humorift ift Charles Diden 

den «Pickwick Papers» entwidelte er ei 

fprüngliche Kraft, die in feinen eigenen 
rungen und dem reichen Boltsleben nan 

der mittlern und niedern Klaſſen ibre N: 

ſchöpft. Bon aroßer Zartbeit find die «Chr 

carol» und «The cricket on the hearth » 
feinen zablreihen Romanen ift namentlid 

vid Copperfield», eine Schilderung der Juge 


Englifche Litteratur 


13 


dihters, zu nennen. Die Romane Thaderays find | ten polit. Leben die Parteianfhauumg auch auf bie 


den mehr realiitiich, 
Eatire («Vanity fair» und «History of Penden- 
sie). Diefen Schriftitellern ſchloſſen fich zahlreiche 
Rıdabhmer an, von denen bier nur Eurrer 
(Charlotte Bronte), Margaret Dlipbant, Lynn Pinton 
und vor allen George Eliot (M. A. Evang) mit ibren 
vertrellihen Schilderungen des engl. Provinzial: 
lebens genannt fein mögen. Auf die moraliichen Gr: 
—— der Miß Edgeworth, Mrs. Opie, Miß 
ſten und Mrs. Hofland folgten die Schilderungen 
der ſocialen Gebrechen durch Harriet Martineau und 
Frances Trollope; Kingsley, Mrs. Gastell, Miß 
Nulod und Miß ©. Erait führten die chriſtl.ſocia⸗ 
liſtiſchen Romane ein. Bor ihnen verfhmand ber 
faibionable Roman, der in Lady Bleffington, Lord 
Rormanby, Mrs. Gore und Liſter feine beſſern Res 
präientanten gefunden batte. Religidfe Romane, bie 
Bards «Tremaine» zum Vorbild baben und je nad) 
ibrer Tendenz in hochkirchliche, evangeliiche, puſeyi⸗ 
tiſche und fatbolifche zerfallen, finden nach wie vor 
ein teilnebmendes Bublitum, Eine eigene Kategorie 
nebmen die Merle Disraelis ein, der ald Vertreter 
dei «jungen England» Bolitit, Pbilofopbie, Re: 
ligion und ariftotratifche ig mit joctalen 
ftrebungen verbindet, während Banim, Erofton 
Eroter, Carleton, Zever das irische Vollsleben, Bor: 
tom die Zigeunerwelt, Ch. Reade, Mayhew, Arthur 
Morrifon das Proletariat Londons ſchildern. Außer 
Bulwer und Lodhart fuchten befonders Landor und 
auch W. Collins ihre Stofie in der alten Geſchichte, 
und Hope, Morier, Frazer, Saint⸗-John führten in 
ungenen Schilderungen Leben und Sitten des 
rient3 vor Augen. Auch auftral. Erzäblungen be: 
fist man ſchon von Mrs. Vidal und Will. Homitt. 
Der Seeroman, den Marryat in die E. 2. einfübrte, 
wurde dur M. Scott, Howard, Glascod und Cha: 
mier, aud von J. Wiljon und neuerdings von 
Cact Ruſſell bearbeitet. Das Gebeimnisvoll- 
Scauerliche wirb bejonder® durch Rider Haggard 
vertreten. Sonft ragen unter den Romanfcriftitel: 
lern bevor: W. Blad, Bladmore, Beſant, George 
Meredith, Hall Caine, Thomas Hardy, Du Mau: 
tier, Grant Allen, Zangmwill, Marie Eorelli, Jerome 
ome, %. Buhan, George Moore. Auch Rhoda 
rougbton, James Payn, R. 2. Stevenfon, St. 
Weouman, C. Doyle, Merriman, die Erneuerer der 
biſtoriſchen und der Abenteuerromane, der Satiriter 
Bercy Wbite und J. M. Barrie, der —* eichner 
ſchott. Lebens, ſind zu nennen. Großes Aufſehen 
erreaten «Robert Elsmere» von Mrs. H. Ward und 
die Erzäblungen von Rudyard Kipling. 
In der Geſchichtſchreibung leilteten die Eng: 
länder, nad den Anfängen Raleigbs und Elaren: 
dons, bereit3 im 18. Jahrh. durch die große Welt: 
geſchichte von Guthrie und Gray Bedeutendes. Die 
nädjten, durch Forſchung und Stil ausgezeichneten 
Werte waren die Geihichte Schottlands und Ame 
ritas von Robertſon, Englands von Hume, Eng: 
lands, Roms und Griechenlands von Goldfmitb, 
der röm. Republif von Gegen bes Berfalld des 
Romiſchen Reichs von Gibbon Griechenlands von 
Gillies und Mitford. Hallams vortrefflicher «Con- 
stitutional history of England» folgte Balgraves 
den Berlauf der engl. Staatseinrihtungen gründ- 
fi darjtellendes Wert «The rise and — of 
tbe English commonwealth» und endlich Stubbs’ 
«Constitutional history 
liherweife mußte bei einem fo kräftig entwid 


of England». Beareif P 


oft voll Hohn und bitterer | biftor. Auffaflung einwirten, und in den Darftel- 


lungen der Geihichte Englands durch Adolphus, 
Turner, Lingard, For, Godwin, Madintofb, Etans 
bope, Maſſey, Froude, Schottlands dur Pinterton, 
Scott, Tytler, Marwell, Chamberd, und Irlands 
durd D’Driscol und Moore giebt oft die fubjeltive 
Meinung des Berfaflerd der Erzählung ihre Fär— 
bung und zum Zeil auch ihr Jnterejie. Died gilt 
auch von Hallam, beſonders aud von dem biäher 
als Meifter der engl. Geſchichtſchreibung gefeierten 
Macaulay, der durch feine ftiliftifche Weiferiäal, 
fein glänzendes Daritellungstalent und fein geilt: 
volles Urteil ſtets zu den eriten engl. Proſaſchrift⸗ 

ellern gebören wird. Sonſt hat bie engl. Geſchicht⸗ 
hreibung an Tüchtigleit und Gediegenbeit jeit 
Macaulah mweientlibe Fortichritte gemacht und in 
Freeman, Ereighton, Gardiner, Gairdner, Lech u.a. 
würdige Vertreter gefunden. Ein in feiner Art mei: 
fterbaftes Buch ift Die «Short history of the English 
people» deö 1883 verstorbenen J. R. Green. Einen 
trefflichen Hiftoriter bat Britiſch-Indien in James 
Mill gefunden, dem ſich die Arbeiten von Malcolm, 
Elpbinftone, Wilfon Kaye, Wbeeler, Dawſon, 
Marihman und die «History of the British colo- 
nies» von Montgomery Martin würdig anfchlieken. 
Alifons «History of Europe» ift ein verdienftvolles, 
aber ungleiches und überaus varteilihes Wert. 
Gariple bat die Franzoſiſche Revoiution in feiner 
ternigen De dargeftellt, Napier den ——* 
Krieg mit M eifterdand bef&hrieben, Kinglale die 
Geſchichte des Krimkrieges, Charles Mills die der 
Kreuzzüge, Stebbing die der Reformation, Southey 
die von Spanien und Brafilien, 7. A. Trollope die 
der Florentiner Republit, Milman die Kirchen 
geihichte und Merivale die Geſchichte Roms ber 
arbeitet, über welche auch Cornewall Lewis jcharf: 
finnige Unterfubungen veröffentlichte. Grote ſchil⸗ 
dert das alte Griebenland ala Philoſoph und 
Staatsmann, Thirlwall mehr als fleißiger und 
gründlicher Philolog. Budles «History of civiliza- 
tion» ift leider unvollendet geblieben; am nädıften 
reiben ji ihr an: Lechhs «History of the rise and 
influence of the spirit of rationalism in Europe» 
und «History of European morals», Unter den jüng: 
ften litterarbiftor. Werten feien erwähnt Morleys 
«eſchichte der E. 2.» und Maſſons großartig an: 
gelegteö «Life of John Milton», 

‚Im Gebiete der Biographie ift die E. 2. wohl 
die reihhaltigfte Europas, Epochemachend wurde 
auf diefem Gebiete Boswelld «Life of Samuel 
Johnson», In ähnlicher Weife wurden Burns von 
Eurrie, Wesley von Southey, Burke und Gold: 
ie von Prior und Forfter, Hume von Burton, 

enthbam von Bowring, Scott von Lodhart, Byron 
von Moore, Lamb von Talfourd, Lord Jeffrey 
von Eodburn, a Chalmers von Hanna, Chantrey 
von eb. Willie von Cunningham, Reynolds 
von Leslie und Taylor, Arnold von Stanley, Davy 
von feinem Bruder, Romilly, Wilberforce und 
Erabbe von ihren Söhnen, Diden3 und Swift von 


zehn Forfter, Macaulay von feinem Neffen G. O 
revelyan rlyle von Garnett und Maflon ge 
f&ilvert. Auch die deuiſchen Dichter wurden nicht 


überjeben; Goethe ift von Lewes, Schiller von Gar: 
Iyle, Heine von Sharp dargeftellt worden. Neuer: 
dings find —— Beſant, «Life of Edward 

almer» ; Earl of Lytton, «Life of Bulwer-Lytton» 
(2 Bde. erfebienen); Sir Theod. Martin, «Life of 


14 


Lord Lindhurst»; Froude, «Life of Th. Carlyle»; 
Eroß, «George Eliot’s life»; Stephen, «Life of 
Fawcett»; Domden, «Life of Shelley»; ©. Lee, 
«Shakespeare» ; mehrere Werte über Tennyfon (f.d.) 
u.a. Ein hervorragendes Intereſſe fnüpft ſich an bie 
Tagebücder der Königin Victoria und an die von 
General Grey und Sir Th. Martin herausgegebene 
Lebensgeſchichte des Prinzen Albert, fowie an bie 
Tagebücher und Erinnerungen and. C. Robinſon, die 
Autobiographie von. St. Mill, die «Reminiscen- 
ces» von Garlule und die « Letters and memorials» 
von Mrs, Carlyle. Bon Wim. Biograpbien feien 
erwähnt Sohn Knox von MacCrie, Nelfon von 
Soutbey, Lord Elive von Malcolm, Lord W. Ruſſell 
und For von Lord %. Ruſſell, Hampden von 
Lord Nugent, —— von Coxe, Pitt von 
Stanhope, Canning von Bell, Penn und Howard 
von Diron, Sir Phil. Francis von Merivale, Lord 
Balmeriton von Sir H. Bulwer, Lorenzo von Me: 
dici und Leo X. von Roscoe, Napoleon von Hazlitt 
und Friedrich d. Gr. von Earlyle, neuerdings W. 
€. Öladftone von Reid. Mon Yutobiographien 
find anzufübren: ©. C. Hall, «Retrospect of a 
long life» (1815—83); Trollope, «Autobiography»; 
Malmesburg, «Memoirs of an exminister»; Yates, 
«Recollections and experiences»; Gallenga, «Epi- 
sodes of my second life»; Lady Bloomfield, « 
miniscences of court and diplomatic life»; Gir 
Henry Eole, «Fifty years of public work»; Mart 
Battifon, «Memoirs»; Roberts, «Forty one years 
in India», %. McGartby, «Reminiscences», Sir 
Algernon Weit, «Recollections», Mar Müller, 
«Auld Lang Syne», «My Indian friends» und «My 
Autobiography» u.a. Soutbey bat die brit. Ad⸗ 
mirale, Foren die engl., James bie auswärtigen 
Staatömänner, Agnes Stridland die engl. Köni- 
innen, Lord Campbell die Kanzler und Oberrichter, 
boss die Richter von England, W. F. Hool die Erz⸗ 
iſchofe von Canterbury, Scott die engl. — 
D. vos die Schott. Dichter, Cunningbam die brit. 
Maler Bildhauer und Arditetten, Smiles die brit. 
Techniter, Lord Brougbam die Staatömänner und 
Gelehrten aus dem Zeitalter Georgs IL. bebanvelt. 
Ferner erfhienen umfänglibe Sammlungen, wie: 
«Biographia Britannica» g Bde. Lond. 1747—66), 
«General biography» von Yifin und Enfield (10Bpe., 
ebd. 1799—1815), «General biographical dictio- 
nary» von A. Chalmers (32 Bde., ebd. 1812— 17), 
«New biographical dictionary» von Roſe (12 Bde., 
ebd. 1847; neue Aufl. 1857), «Lives of illustrious 
Scotsmen» von Rob. Ebambers (4 Bde. Glasgow 
eh und das «Dictionary of national bio- 
graphy»,, ba. von Leslie Stephen und Sidney Lee 
(68 Bde., 1885— 1900). Biographien Pebender 
eben: «Men and women of the time» (15. Aufl., 
ond. 1900), ferner Sanders, «Celebrities of the 
century» (1890), und Ward, «Men of the reign» 
(1885). Das neuefte Unternebmen biogr. Art i 
bie von J. Morley rebigierte Serie von «Englis 
men of letters», die die Lebensgeſchichten der ber: 
vorragenditen Schriftfteller und Gelehrten bringt. 
Ein Gegenftüd u wird die unter J. H. Ingrams 
Leitung ftehende « Eminent women series» bilden. 
Aud werden gegenwärtig in Serien kurze Biogras 
—— der bedeulendſten engl. Bolititer und Philo⸗ 
opben veröffentlicht. Hierzu lommen nod die Me 
moiren und Rorrefpondenzen berühmter Staats: 
männer, rag unb @elebrter, wie bie ber 
Familien Fasrfar, Lindfay und Mancheſter, die von 


Engliſche Literatur 


epy3 und Evelyn, Lorb Hervey, Lord Lerington, 

alpole, Lord Chatham, Lord Waldegrave, dem 
Marquis von —— George Grenville, Lord 
Caſtlereagh, Lord Holland, Lord Cornwallis, Lord 
Auckland, G. Roſe, Sir R. Adair, dem Herzog 
von Buclinaham und dem Herzog von Wellington. 
Bon Intereſſe er die von feiner —— und 
feiner älteften Tochter herausgegebenen Briefe Ch. 
Dickens'. Auch fei bier Jeaffreiong «The real Lord 
Byron» und «The real Shelley» gedacht. 

Bon ganz außerorbentliher Bedeutung ift die für 
bie Litteratur fo wichtige öffentliche Wirkſamkeit der 
teild durch Unterftügung der Hegierung, meiſtens 
aber von Privaten allein geftifteten Vereine & 
—— der Kunſte und Wiſſenſchaften. (S. 

hrte Geſellſchaften.) Gerade in neueſier Zeit ſtehen 
dieſe wiſſenſchaftlichen Vereinigungen in hoher Blüte 
und üben durch ihre Beröffentlihungenund Verhand⸗ 
lungen einen weſentlichen Einfluß auf das willen 
haftlihe Leben aus. Als die hervorragenriten 
eien bier genannt: die (fchon unter Karl IL. gegrün- 
dete) Royal Society of London, die Naturbijtorifche 
Gejellihaft zu London, die Geologische und Natur⸗ 
forjchende zu Cambridge, die — ————— zu 
Glasgow, die Linneſche, die Geologiſche, die Geo: 
gevbliäe, die Hiftorijche, die Numtsmatifche, die 

fiatifche, die Pbilologifhe u.a. m. Hierzu kommen 
diein Londoner Vereinen überverfchiebene Zweige der 
Wiſſenſchaften gehaltenen und veröffentlihten B or: 
lefungen; fo die der Royal Institution, der London 
Institution, der Society of Arts und Royal Society 
of Literature; endlich die in eigenen Werfen er- 
fcheinenden Leiftungen der Social Science Associa- 
tion und ber British Association for the Advance- 
ment of Science. Zahlreiche buchhaͤndleriſche Sam: 
melmerte machen die verſchiedenen Zweige ber Lit⸗ 
teratur allen Schichten der Nation zugänglich; wir 
nennen davon: Gajielld «National library», «Edin- 
burgh cabinet library», Ebambers’ «People's edi- 
tions» und «Instructive and entertaining library», 
Bohns «Standard library» und «Classical library», 
die «Antiquarian», «Scientific», «Parlour» und 
«Railway libraries», die «Globe editions», die 
«Golden treasury series» u. a. Denjelben Zmed 
verfolgen die von der Society for the diffusion of 
useful knowledge ** en Schriften, einen 
beſchranktern Die der Society for promoting christian 
knowledge; ferner zablreihe Journale, wie Cham⸗ 
ber#’ «Journal» (jeit 1832), und «All the Year 
round» (aus Didens’ «Household Words» hervor: 
gegangen). Hieran ſchließt ſich die gefteigerte Thä- 
tigteit der gelehrten Zeitſchriften, beſonders der 
trıtiihen, die zugleih du enges Augenmerk 
ar die Form der Darjtellung bei Beurteilung 
wiſſenſchaftlicher Werte allgemeine Verbreitung 
eines gebildeten proſaiſchen Stils bezweden. Mebr 
ober weniger find alle engl. Zeitichriften pen 
oder kritifierenden Inhalts, die Zahl der rein belle: 
teiftifchen ift jehr gering. Bu den bedeutendſten ge 
bören außer dem «Athenaeum» und der, beſonders 
für deutſche Wiſſenſchaft wichtigen «Academy» vor 
allen die «Edinburgh Review» und ihre Londoner 
Nebenbublerin, die «Quarterly Review», jene in 
polit. Anfichten —* und liberal, dieſe Tory und 
lonſervativ. Ihnen ebenbürtig an Gediegenheit des 
Inbalts, oft überlegen an philoſ. Tiefe, wenn auch 
weniger durch ftiliftiiche Meifterichaft ausgezeichnet 
ift die «Westminster Review», bad Drgan ber 
difalen. Jr zweiter Reihe folgen die «Church 


Englifhe Mauer — Engliſche Philoſophie 


«England Quarterly Review», die fath. «Dublin 
ferien», die Monatsfchriften «Fortnightiy Re- 
new», «Contemporary Review», «National Re- 
wem, «Nineteenth Century», die litterar. Wochen: 
\öt «Literature» u. a., nebit ven zahlreichen 
Magazines». (G. Großbritannien und Irland, 
zeitungsweſen.) Bol. I. Duboc, Geſchichte der 
engl. Preſſe (Hannov. 1873). berichten aller im 
engl. Buchhandel ericheinenden Werte mit kritiſchen 
ngen in Journalform bringt jährlid «The 
Annual Register». Aus ihnen lafien bie Encyllo: 
pädien (f. d.) ſich am fiderften ergänzen. i 
Sitteratur. Eine völli —— Geſchichte 
der engl. Nationallitteratur feblt; zu den belannteſten 
Verſuchen zählt Taines Histoire de la littérature 
anglaise (4 Bde., Bar. 1864; 10. Ausg. in 5 Bon., 
1897; engliſch von van Zaun, neue Ausg. 4 Bde., 
gond. 1877; deutic von Gertb, 3 Bde. Lpz. 1878 
—80). Eine Arbeit von wiſſenſchaftlichem Werte 
it ten Brints Geſchichte der E. 2. (Bo. 1, Berl. 
1877; 2. Aufl., Straßb. 1899; Bd. 2, 1889 — 93, 
bis zur Reformation). In England verbreitet find 
auch Morleys English Writers (Bd. 1—11, Lond. 
1887 — 95). ge find zu nennen: Morley, A 
first sketch of English literature (Lond. 1873; 
13. Aufl. 1890); Epalding, History of English 
literature (14. Aufl. 1886; deutich Halle 1854); 
2b. Arnold, A manual of English literature 
(4. Aufl., Lond. 1877); Tb. B. Ebaw, A history 
of English literature (19. Aufl. 1892); Bierbaum, 
History of the English language and literature 
(3. Aufl., Heidelb. 1894); Körting, Grundriß ber 
Geſchichte der E. 2. (3. Aufl., Münfter 1899); 
uljerand, Histoire litteraire du peuple anglais 
I. 1, Bar. 1894); Wülter, JUuftrierte Geſchichte 
der E. 2. (Lpz. 1896); Engel, Geſchichte der €. L. 
(4. Aufl., ebd. 1897); Barnett und Goſſe, Illustrated 
history of English literature (4. Bde. Yond. 1901). 
fiber einzelne Gebiete oder Zeiträume vgl. Broote, 
English literature from the beginning to the Nor- 
man conquest Lond. 1898); Hallam, An introduc- 
tion to the literature of Europe inthe15%®, 16'® and 
17* centuries (4 Bde., Fond. 1837-89); Eunning- 
bam, History of English literature from Johnson 
to Scott (neue Ausg. 1861); Hettner, Geſchichte der 
€. 2. 1660 — 1770 (5. Aufl., Braunſchw. 1894); 
Morley, English literature in the reign of Victo- 
ria (2p3. 1881); Mrs. Dlivbant, The Victorian age 
of English literature (2 Bve., Sond. 1892); Minto, 
A manual of English prose literature (Edinb. 1872; 


3. Aufl. 1886); 3. P Collier, History of lish 
dramatic (3 Bde. Fond. 1831; neue Aufl. 
1879); A. W. Ward, A History of English drama- 


tie literature to the death of Queen Anne (neue 
Ausg., 3 Bde., ebd. 1899); W. C. Hazlitt, The 
English drama and stage under the Tudor and 
Stuart princes (1869); J. 2. Klein, Seſchichte 
des engl. Dramas (2 Boe., 2py. 1876); Brota⸗ 
nel, Geſchichte des engl. Mastenfpield und ver: 
wandter Gattungen (Wien 1901); Saintäbury, His- 
tory of Elizabethan literature (%ond. 1887); derf., 
Essays on English literature (ebd. 1890); derj., 
History of the 19'® century literature (ebd. 1896) 
Hess «2 Basiteh posty (IE Di 16 Suhkee 

istory © glis . Jahrh.; 
Bd. 1—3, Lond. 1774—81; neue Bearbeitung, 
4 Boe., ebd. 1871, von Hazlitt). Beiträge lieferte 
Diöraeli in den Amenities of literature (3 Bde., 
Lond. 1841; neue Aufl. 1886). Für den Handges 


15 


Ehamber3’ Cyclopsdia of Eng- 
lish literature (2 Bde. Edinb. 1844; 4. Aufl. 1899), 
Gajlelld Library of English literature (bo. von 
H. Morley, 5 Bde., Lond. 1881), Craiks Compen- 
dious history of English literature and ofthe Eng- 
lish language (2 Bde., ebd. 1861; 2. Aufl. 1871), 
Allibones Critical dietionary of English litera- 
ture (3 Bde., Bhilad. und Fond. 1859— 71; Br. 1 
in 2. Aufl. 1870; Supplement von Kirk, 2 Bbe., 
Vbilad. 1891), Wattö Bibliotheca Britannica 
(4 Bde., Edinb. 1824), Courthorpes History of 
English (Bd. 1 u. 2, Lond. 1895—97). Bi: 
bliogr. Hilfsmittel find Zomndes’ Bibliographer’s 
manual (neu bearbeitet von Bohn, 5 Tle. in 10 Bon. 
und Nadıtrag, Lond. 1857—64), The English Ca- 
talogue of books (für die F 1835—89, 4 Bde., 
ebd. 1864—91) und Gräfjes Artikel: Engl. Sprache 
und Pitteratur, in Erſch und Gruber «Encpllo: 
pädie» (1. Sektion, Bd. 40). 

Englifche Mauer, f. Ervorudmauer. 

Englifche * erdepocke, ſ. Hautkranlheiten. 

Engliſche Philoſophie. Der Anteil der * 
Nation an der Entwicklung der europ. Philoſophie 
befigt feinen weſentlichen t darin, daß auf dem 
Boden Großbritanniens faft zu allen Zeiten die 
Verbindung der Philoſophie mit dem exalten Wiſſen 
gelucht und gefördert worden ift: weniger für bie 
eigentliche Spetulation begabt, find die Engländer 
falt immer die Vertreter des empiriftiichen Elements 
in der Vhilofophie geweſen und haben durd bie 
Sorgfalt ihrer tha — Unterſuchungen ein 
wohlthuendes Gegengewicht gegen den dedultiwen 
Charakter des franz. und die metaphyſiſchen Reis 
—* des deutſchen Denlens gebildet. Anfänglich 


brauch eignen ſi 


chien es nicht fo; der myſtiſche Vater der Scholaſtik, 

ob. Erigena Scotus, war ſchott. Abkunft, und der 

auptvertreter des lirchlichen Realismus, Anſelm 
von Canterbury, lebte und lehrte, obwohl geborener 
Italiener, in England; allein während ſchon im 
12. Jahrh. Joh. von Salisbury gegenüber der 
theol. Vertrodnung auf die humaniſtiſchen Studien 
hinwies, fand im 18. Jahrh. der friſche Zug, 
ber durch die arab. Vermittelung ber Ariſtoteli⸗ 
chen Lehre in das occident. Denlen fam, an einem 

lerander von Hales und einem Rob. Greathead 
bedeutende Förderer. Der Zerfall der Einheit von 
Glauben und Bst ange de Philoſophie, 
vollzog ſich weſentlich durch den Einfluß dreier Eng⸗ 
länder: durch die zwar lirchlich ftrenggläubige, aber 
metaphyſiſch deſto mehr einjchneidende Stepfis von 
Duns Scotus (f.d.), durch die Betonung des empiri⸗ 
{chen Naturwiſſens von feiten Roger Bacos (f.d.)und 
endlich durch die im 14. Jahrh. von William Decam 
bur hrie Erneuerung des Nominaliömus. In 
der Richtung dieſes Nominalismus u ed, dab 
während der Renaifjancezeit der Bru mit der 
Scholaftif nirgends jo grünblid vollzogen wurde, 
wie in —— durch die weſentlich auf die Methode 
einer umfaſſenden Naturerlenntnis hinſtrebende 
Lehre Lord ons (f. d.). Durch eine übereilte 
Konfequenz gelangte Thomas Hobbeß (f. d.) zu völ: 
fig materialiltiihen Anihauungen. Er fand jene 
Gegner befonders an den Bertretern ber beiftijchen 
Richtung, die, von Herbert von Eherbury begründet, 
ag durd Toland, Collins und Tindal zu einem 
ich den pofitiven Religionen und namentlid dem 
Ehriftentum gegenüber kritiſch verhaltenden Ratio: 
naliömus weiter gebildet wurde. Bgl. Lechler, Ge: 
fchichte des engl. Deismus (Stutta. und Tüb. 1841). 


16 


Mit dem Ende des 17. Jahrh. gewann die E. 

. ihren bebeutenditen Aufſchwung durch John 

ode (f. d.), ber zuerft mit vollem Bewußtſein 
das erfenntnistheoretiihe Problem an die Spige 
ber Bhilofopbie ftellte und e# im Gegenfage gegen 
die Gartefianiiche Lehre von den angeborenen Ideen 
dabin löſte, dab alles menſchliche Wiſſen auf die 
—— der ältnifje zwiſchen den durch 
äußere und innere Erfahrung in uns erzeugten 
Borftellungen befchräntt jei. Diefen Empirigmus 
bildete der Biſchof Berleley (f. d.) zu einem ſenſua⸗ 
liſtiſchen Idealismus um, während andererjeitö 
der Örundgebante Lodes, daß alle geiftigen Thätig- 
feiten auf die Kombination der elementaren Bor: 
Blues —— fein müßten, von ben ſog. 

ſſociationspſychologen Hartley (f.d.) und Brieftley 
(f.d.) weiter ausgebildet wurde. Zugleich fand die 
mechan. Raturauffaflung in Verbindung mit dem 
rationaliftifchen Deiömus ihre wirtjamften Vertreter 
in den Größen der engl. Naturforſchung, dem Ehe: 
miler Rob. Boyle und dem Phufiter Iſaal Newton. 
Den iger reg ga aan nabeftebend, bat end» 
lid der größte engl. Denter, David Hume (f. d.), 
die Ronfequenzen ded Empirismus mit rüdjichtös 
lojer Wabrbeitsliebe und glängendem Scharfſinn 
gezogen, indem er namentlid die Grundlategorien 
aller Erkenntnis, die Begriffe der Subjftantialität 
und der Haufalität, einer einfchneidenden Kritik 
unterzog. Gleichzeitig entwidelte fich die engl. Moral⸗ 
Im opbie, die, teils im Anschluß an Lode, teils 
m Gegenfage zu ibm, die Principien der Moral 
(und teilmeife auch der Uſthetih) aus einem ⁊ 
borenen ®efüble abzuleiten ſuchte: unter den Bes 
m diefer Richtung ift neben Cumberland, 
arte und Wollafton hauptſächlich Lord Shaftes: 
bury (f. d.), unter ihren Förderern Hutchefon, er: 
gufon und der den Humeſchen Lehren nabejtebende 
ationaldlonom Adam Smith zu nennen. In der 
Ausdehnung diejed Princips einer unmittelbaren 
Geſuhlsbeurteilung auf die ge Die en be: 
ründete Thomas Reid die jog. Schottiſche Pbilo: 
opbie (f. d.) oder die Common-sense: Lehre, die 
die metapbufiihe Wabrbeit aus den Thatſachen 
des unmittelbaren Bewußtſeins ſchopfen zu können 
meinte und namentlich Hume beftig betämpfte. 

Die E. P. des 19. Jahrh. war im Anfange 
mejentlid von der Common - sense : Philofopbie 
deherrſcht, die in den Anbängern Reids, Beattie, 
Oswald und namentlih Dugald Stewart (f. d.), 

ter in Thomas Brown und Madintofb ibre 

reter fand. Als Gegner diefer Richtung fuchte 
Ferrier einen die Gedanlen Berteley3 und des deut: 
hen Philoſophen Fichte verſchmelzenden Ideas 
lismus aufzuftellen, woran ſich eine namentlich 
durch Fraſer in Edinburgh vertretene Schule des 
neuern Berleleyanismus anſchloß; andererſeits 
durchſetzte W. Hamilton die ſchott. Lehre mit den 
Refultaten der Kantiſchen VBernunittritit;; ibm ſchloſ⸗ 
fen ſich zablreihe kantianifierende Schüler, von 
denen Manfel der bedeutendite ift, an, während 
Kon vorher Männer wie Whewell die Kantiſchen 
rincipien für die Geſchichte und die Theorie der 
Wiſſenſchaften p verwerten geſucht hatten. In 
neuerer Zeit haben auch Herbartſche und He de 
ten, ferner von Franlkreich ber der Goufn de 
elticismus und die namentlib von Lewes ver: 
tretene pofitive Philoſophie von A. Comte in Eng: 
land ge pen; — hat ſelbſtver⸗ 
ſtändlich auch bier die Seleltionstbeorie Charles 


Engliſcher Garten — Engliſcher Schweiß 


Darwins bedeutende philoſ. Bewegungen hervor: 
gerufen. Die Aſſociationspſychologie iſt von Män— 
nern wie James Dill und ſeinem Sohne Yobn 
Stuart Mill, von Alerander Bain u. a. in der 
glüdliciten Weife neu begründet worden, und in 
der Zufammenfafiung aller diefer Beitrebungen 
möchte Herbert Spencer (f. d.) gegenwärtig als der 
bedeutendfte der engl. Denter anzujeben fein, 

Engliiher Garten, |. Gartenlunſt. 

Engliiher Gruß, i. Ave Maria. 

Engliicher Yobgefang (lat. Uymnus ange- 
a der Lobgejang der Engel Luk. 2,14 (f. Doro: 
onie). 

Englifcher Sattel, Pritſchenſattel. Das 
Sattelgerüft des E. ©. (f. Sattel) beſteht aus dem 
vordern und dem bintern Sattelbaum, die aus 
gebogenem Buchenbolz bejteben, dem Sattel die 
eigentlihe Form geben und auf den Pierderüden 
paſſen müjlen. Der Vorderbaum bildet in feinem 
obern Zeil die Kammer (f. unten), die mit einem 
ftarten Eifen beſchlagen tft, damit fie ſich durch 
das Gewicht des Reiters nicht ausdehnen und 
auf den Widerrift drüden kann. Der hintere Sat 
telbaum ift flacher ald der vordere, feine bintere 
Kante beißt der Sattellran;. Beide Eattels 
bäume find dur zwei flache Holzftüde, ya 
oder Trachten, miteinander verbunden, melde 
vorzugsmeife den Reiter tragen. Der Sattel ift mit 
Schweinsleder überzogen. Den Sattellnopf, 
d. i. der Teil des Sattela über dem vorbern Sattel: 
baum, findet man bisweilen, um das Drüden am 
Widerrift zu verhindern, nad binten ausgeſchnitten. 
Das unter dem Sattelgerüft befindliche Sattel: 
tiſſen ift mit Flanell überzogen und mit Kälber: 
oder Roßhaaren derart gepolftert, daß in ber 
Mitte in der Längsrichtung des Nüdgrates eine 
Rinne, die Kammer, frei bleibt, um der Luft freien 
Durchzug zu gewähren. Bei einem richtig liegenden 
und richtig gegurteten Sattel muß felbjt unter dem 
Gewicht des Reiters immer noch ein leerer Raum 
von einigen Gentimetern Höbe in ber Kammer blei: 
ben. Um den Knien des Reiters einen gemiflen 
Halt zu geben, werden an den Schweißblättern 
(breiten, nad unten abgerundeten, mit ibrem obern 
Rand an den Trachten bejejtigten Leberftüden) Bau: 
{hen angebradt. Die Schnallvorrichtung für bie 
Steigbügel gebt durd die Schweißblätter und lann 
vom Reiter im Sattel verftellt werden. 

Engliiher Schweik oder Schmweißfieber 
(Febris miliaris), eine anftedende Strantbeit, die 
juerft im J. 1486 in England nad der Schlacht 
von Bosworth ausbrach, neben andern bösartigen 
Symptomen (großer Abjpannung und Bellem- 
mun Schnttelkroft und Zittern, Herzllopfen, rheu⸗ 
matiſchen Nackenſchmerzen u. |. m.) mit einem ftar: 
ten, die Kräfte raubenden Schweiße begann und 
raſch in rajende Fieberdelirien oder tiefe Schlaf: 
ſucht überging, aus der ein großer Teil der Kran: 
ten nicht wieder erwachte. Die Kranlheit, melde 
ohne Zweifel zu den jog. Infeltionstrantbeiten ge: 
hörte, entſchied fich metit in einem bis zwei Tagen, 
er rifi bauptjächlic junge, ftarte Individuen und 
ralite eine große Zahl Menſchen bin (in einzelnen 
Epidemien 80—90 Bro. der Ertrantten); 1507 und 
1517 kehrte eine ſolche Epidemie wieder, blieb aber 
beidemal auf die Grenzen Englands beſchränlt, 
indem j nicht einmal Jrland und Schottland er: 
oriff. Mit ermeuerter Heitigteit trat fie in England 
1528 auf und ging dann im folgenden Jahre nad 


Englischer Spinat — Englische Sprache 


deutſchland, Holland, Standinavien und Polen 
über, wo fie ebenfalls überall viele Menſchen hin: 
tufte. Zum leßtenmal brach fie 1651 in England 
aus, ohne jedoch die frühere Ausbreitung und Hef⸗ 
ügleit wieder zu erreihen. Als beite Behand: 
lungäweije bewährten fi Leclane Beförderung des 
Shweibes und ftärfende Mittel, während alle aus: 
lecrenden und ſchwächenden Kuren fich Außerft nad: 
teilig erwiejen. Auch in neuerer Zeit bat man 

Ehmweibfieberepidemien beobabtet, welche inbes 

immer nur auf enge Örenzen beſchränkt waren und 

he vorherrichenn häufig bei einer warmen, feuch— 
ten oder ſtark wechſelnden Witterung entwidelten. 

Sie famen befonders oft in Italien und Frankreich 

por, wo fie Suette miliaire, Schweißfriejels: 
fieber, aud —— Schweiß genannt 
werben, da in der Regel Frieſelausbruche auf der 
Haut joldye beftige Fieberſchweiße benleiten. — Bol. 
Deder, Der €, ©. (Berl. 1834); Türd, De la suette 
miliaire (Bar. 1841); Hirſch, Handbuch der hiftor.: 
geogr. Batbologie, Bd. 1 (2. Aufl., Stuttg. 1881). 

Engliicher Spinat, |. Rumex. 

Engliicher Full, |. Bobbinnet. 

Engliidye® Gewürz, j. Pimenta. 

Engliiched Heerwejen, j. Großbritannifches 
Deermeien. 

Englifched Leder, nad der Art des Gewebes 
auch Satin und, namentlid in den bejlern Sor: 
ten, nad dem Englifhen Moleſtin genannt, ein 
febr dichter, atlasähnlich gelöperter —— 
deſſen rechte Seite, auf welcher der im Verhältnis 
pur fette etwas feinere und dichtere Einſchlag frei 
iegt, geraubt und gefcert ift, während die linfe 
Seite nur geraubt ijt. 

Englifches Pflafter (Emplastrum adhaesivum 
anglicum, Taffetas adhaesivum), Pflafter, beſtehend 
aus fejtem Seidenzeuge von weiber, blaßroter oder 
ihwarzer Farbe, das auf einer Seite mit einer 
dünnen Shiht Hau erg‘ rg ift, die, 
bejeuchtet, ein trefflihes Klebmittel bildet. Man 
benugt das E. B., um die Wundflächen lleinerer 
Riß- und Schnittwunden zufammenzubalten und 
ger den Zutritt der äußern Luft abzuſchließen. 

an büte ſich aber, dasſelbe noch auf der Wunde 
fiegen zu lafjen, wenn ſchon Eiterung in derfelben 
eingetreten ijt, was ſich durch erneuerte Schmerz: 
baftigteit verrät; denn der gehemmte Abfluß des 
Eiters verichlimmert die Entzündung und verzögert 
die Heilung. 

Engliide Eprace. Soweit die Geſchichte 
jurudweijt, wurde im jegigen England zuerjt fel- 
tiſch geſprochen F Kelten). Als dann im Laufe 
ves 5. und 6. Jahrh. die Angelſachſen (ſ. d.) ſich 
dauernd in Britannien niebderließen, drang bie 

n. Sprade von der Süd: und Dftlüfte 

ald weitli bis Devon und Cornwall, nördlich bis 
an bie Grenze von Schottland vor. YAuguftin und 

eine Nachfolger befebrten im 7. Jahrh. die Angel: 

abjen zum Chriftentum, und bald war dies Volt 

eifrig für Ausbreitung der neuen Lehre bemüht. 
Angeljähfiih (f. Angeliähfiihe Sprache und Lits 
teratur) wurde neben Yatein Sprache der Litteratur 
und der Kirche; der Einfluß des Lateins zeigt fich in 
der großen Zahl der mit dem Ebriftentum neu auf: 
enommenen Wörter. Im Norden Englands machte 
5 eit der Niederlaffung der Dänen jtarler Einfluß 
ordiſchen (Däniihen) im Wortihag geltend; 
diefer Einfluß nahm zu bis zur Mitte des 11. Jahrh. 
Mit der Schlacht bei Haftings wurden 1066 die ros 
Brodjaus’ Konverjationd-Leriton.. 1. Auſl. RM VI 


17 


manifierten Normannen der Normandie Herren von 
England. Am Hofe und bei den Vornehmen ſprach 
man nunmehr Normanno: Franzöftih, das Angel: 
ſächſiſche erhielt ſich im Vollsmunde. 

In allmaͤhlicher tiefgreifender Einwirlung des 
———— wird auch der vollstümliche Wort: 
hab umgeitaltet, befonders im Süden. Dieſe Strö- 
mung erreicht ihren Höbepunft in der erften Hälfte 
des 14. Jahrh. Es find wieberbolt Zählungen ver: 
anftaltet worden, um das Verhältnis des roman. 
Spradanteild zum Germanifhen im Englifchen 
feitzuftellen, wonad fi franz. und deutſche Be: 
ftandteile ungefähr das Gleichgewicht halten, die 
deutſchen aber den eigentlichen Kern der National: 
—X bilden. Der roman. Teil des Wortſchatzes 
at ji aud den innern Gejegen ber einheimifchen 
Sprade (wie Accentuation u.a.) fügen müflen. 

F mebr ſich die polit. Verbindung mit Franl⸗ 
reich loderte, deſto mehr machte die franz. Sprache 
in England Rudſchritte. Ihr Verftändnis beichräntt 
fih auf die ariftotratifhe Gejellihaft. 1349 wird 
das Franzöſiſche aus der Schule, 1362 aus dem 
Gerichtsweſen verbrängt. Am Ende bed 13. Jahrb. 
bob ſich die engl. Litteratur wieder und gemann im 
14. Jahrh. unter Eduard III. durch Chaucer den Sieg 
über das ranzöfiihe. Das 15. Jahrh. mit jeinen 
Bürgertriegen war ber Pitteratur wenig günftig, im 
16. dagegen entfaltete fih Dichtlunft und Proja in 
länzendſter Weife und die Sprade nahm die Ge: 
talt an, welche fie, ng = — von der Ortbographie 
und vielen veralteten Wörtern, jept noch hat. me 
mer mehr hatte die Mundart von London den 
Vorrang gewonnen und war allmählich zur Schrift: 
ſprache erhoben worden. — die großen Dich—⸗ 
ter des 16. und 17. Jahrh. fchritt die Sprache 
rafh in ihrer Ausbildung vorwärtd und wurde 
bald eine der reichften Spraden der Welt. An 
Formen bat fie allerdings außerordentlich verloren 
und kann fih 3. B. mit der deutſchen darin nicht 
mejlen, doch wurde fie dadurch einfacher in ber 
Wortfügung und leichter im grammatifhen Bau. 
Die — — beim Erlernen derſelben liegt 
jest in der Orthographie und Ausſprache, 
die vielen Willtürlichleiten unterworfen find. Das 
belannteſte unter den ortboepifchen Werten iſt wohl 
das von Walter (Critical pronouncing dictionary, 
Ber 1791 in London erfcienen, zulegt 1881), das 
ebeutendfte wiflenfhaftlihe über die Entwidlung 
der engl. Ausſprache das von Ellis (On early 
English pronunciation, 5 ®de., Lond. 1869 — 89), 
nicht weniger wichtig ift Sweets Wert History of 
English sounds (Drf. 1874; 2. völlig umgearbei: 
tete Aufl., ebd. 1888). Bol. ferner Morsbad, 
fiber den Urfprung ber neuengl, —32323 
—— 1888); Romſtedt, Die engl. Schriftſprache 
ei Caxton (Gött. 1891). 

Das Engliſche zerfällt in viele Mundarten, 
Schon in ältejter Zeit fann man deren vier unter: 
ſcheiden (ſ. An anne Sprade und Litteratur), 
um deren Darttellung ich vor allen Sweet und Sie- 
vers verdient gemacht haben (vgl. Dialects and pre- 
historic forms of English in den «Transactions of 
the Philological Society», 1875 — 78; €, Sievers, 
Angelſächſ. Grammatil, 2. Aufl., Halle 1886; deri., 
Abriß der angeljähi. Grammatil, ebd. 1895). Auch 
im Yltenglifcen laſſen fi dieje Hauptmundarten 
wahrnehmen: die fübliche, wejtliche, binnenländiſche 
und nörblide. Zur erſten gebören Kent, Suiler, 
Surrey, Hants und Eiler ; ferner Norfolt, Suffolt, 

2 


18 


Cambridge, Huntingdon, Leicefter und Rutland. 
gut zweiten zäblen Dorſet, Somerjet, Devon und 
ornmwall; ferner Wilts, Berks, Oxford und Glou- 
ceiter. Die dritte bilden Northumberland, Durbam, 
ort, Eumberland und Weftmoreland; endlich die 
undarten des Binnenlanded. Den lbergang 
um Norden bildet Lincoln. An das Nordengliſche 
liebt fih das Schottifche an, d.h. die im Tieflande 
Schottlands gefprohene Mundart, die fich aber jetzt 
auch mehr und mebr in die Gebirge verbreitet. 
ei der großen Verbreitung des Englischen ift es 
felbftverftändlic, daß in den verſchiedenen Ländern 
das Engliſche verfchieden lautet. Das Engliſche in 
den Vereinigten Staaten Amerilas bat feine eigen: 
tümlihe Ausfprade, viele ibm eigentümliche Aus: 
drüde und eine Menge von Wörtern, die teild aus 
den Indianerſprachen, teild aus den Spraden ber 
Einwanderer entnommen find. (S. Amerilaniömen.) 
Dasſelbe nilt von dem in Auftralien, Dftindien, 
Ebina (f. in Engl) Dove in Südafrila und 
fonft —— gliſch. Am eigentümlichſten 
entwidelte ſich das Negerengliſch, wie es in Amer 
rila, Weſtindien und Guayana geſprochen wird. 
Keine der neuern Sprachen iſt in demſelben Sinne 
Weltſprache zu nennen wie die engliſche. Sie hat 
eine die Erde umſpannende Berbreitung gefunden. 
Sie gebietet über einen Wortſchatz, der Fhwerlich 
übertroffen wird. Während 1801 die De der eng: 
liſch Spredenden auf 21 Mill. geihäst wurde, 
fprechen jest etwa 125 Mill, diefe Sprache, wovon 
ziemlich genau die Hälfte auf die Vereinigten Staaten 
entfällt. Zur Erforihung der engl. Mundarten des 
Mutterlandes bat ſich 1870 eine Geſellſchaft in Lon⸗ 
don gebilbet: die «English Dialect Society», welche 
eingroßes Mundartenwörterbuch, «The english Dia- 
lect Dictionary» (bg. von J. Wrigbt, Bd. 1 u. 2, Orf. 
1898— 1900), veröffentlicht und eine Anzahl Ber: 
öffentlihungen über einzelne Mundarten veranital: 
tet bat. Bon dieſen * das Schottiſche die bedeu⸗ 
tendſte Litteratur, welche bis ins 14. Jahrh. zurück⸗ 
geht. Der ſchott. Wortſchatz iſt geſammelt von Ja⸗ 
mieſon (Etymological dictionary of the Scottish 
language, 2 Bde., Lond. und Edinb. 1808; Supple⸗ 
mente,3Bde., 1879 fa.; ſeitdem öfters, auch abgekürzt 
von Johnſtone und Longmuir, Edinb. 1877). Eine 
gründliche Arbeit über dieje Mundart fhrieb Mur: 
ray (The dialect of the Southern counties of Scot- 
land, in den «Transactions of the Philological 
Ben 1873). (Bal. W. Steat, Bibliographical 
list o the works ... illustrative of the various 
dialects of English, Zond. 1876.) Doch auch andere 
Mundarten, bejonders bie weitlihen, weijen eine 
reiche Litteratur auf. Bon allgemeinen Werten über 
die E. ©. feien noch erwähnt die betreffenden Ab: 
chnitte in Storms Englisk Filologie (in der deut: 
hen Bearbeitung: Engl. Philologie, Bd. 1,2. Aufl., 

3. 1892—96), in Elzes Grunbriß der engl. Phi⸗ 
lologie (2. Aufl., Halle 1888), in Körtings Ency: 
Hopädie und Methodologie der engl. Philologie 
(Heilbr. 1888) und in der kurzgefaßten Einführung 
in das Stubium der engl. Bhilologie von W. Vietor 
(2. Aufl., Marb. 1897). 

Die erſten Verſuche zur grammatifhen Bearbei- 
tung der E.©. finden ſich in den lateinisch geichrie- 
benen Grammatilen von John Eolet, Dechant 
von St. Bauls, gewöhnlich Paul’s Accidence (zuerſt 
um 1510) genannt, und von W. Lily (zuerjt Lond. 
1542). Die erften eigentlich engl. Grammatifen ver: 
faßte William Bullolar (Booke at large for the 


Engliſche Sprache 


amendment of orthographie of english speech 
etc., Zond. 1580, und Bref —— for English, 
ebd. 1586). Unter ſeinen Nachfolgern erlangten 
das höchſte Anſehen Johnſon (1706), Rob. Lowth 
(1762), Thomas Sheridan (1786), Horne Toole 
in den «Diversions of Purley» (2Bde., Lond. 1798 
— 1805), Lindley Murrap, ein geborener Ameri- 
laner (zuerft 1795), und Noah Webſter (1836). Ein 
Merk des mübjamiten Fleißes ift Goold Browns 
Grammar of English grammars (Neuyort 1857). 
Dur den Einfluß der biftor. und vergleichenden 
Philologie ift auch die engl. Grammatik in ein neues 
Stadium getreten. Lathams Werl Treatise on the 
English language (2ond. 1841 u. 6.) ging noch 
nicht über die von Jak. Grimm in feiner «Deutſchen 
Grammatif» gewonnenen Refultate hinaus und ift 
feitdem vielfad überholt worden, namentlih von 
Garle, The philology of the English tongue 
(3. Ausg., ebd. 1879); Morris, Historical out- 
lines of English accidence (4. Ausg., ebd. 1888); 
Adams, Elements of the English language (ebd. 
1858; öfter aufgeleat); E. A. Abbott, A Shake- 
spearean grammar (ebd. 1869; neue Aufl. 1871) 
u. ſ. w. Sehr bedeutende Leitungen für die wiſſen⸗ 
ſchaftliche Erforſchung der E. ©. verdankt man den 
deutichen Gelehrten, Zuerſt erſchien die Wiſſenſchaft⸗ 
lihe Grammatit der E. ©. von Fiedler und Sachs 
(2 Bde., Lpz. 1850—61; Bo. 1, neu bearbeitet von 
Kölbing, ebd. 1877), dann die zwei bebeutenbiten 
Grammatiten: — Engl. Grammatik (3 Tle., 
Berl.1860—65 ; 3. Aufl.1880—85) und C. F. Kochs 
Hiftor. Grammatik der €. ©. (3 Bde., Weim., Cafl. 
und Gött. 1863—69; Bd. 1 u. 2, neu Bi von 
Zupisa, Caſſ. 1878—82; Bd. 3, neu bg. von Wülter, 
ebd. 1891). Neue Erjheinungen find: Sotoll, Lehr⸗ 
bud der altengl. Sprache (Wien 1901), Morsbach, 
Mittelengliihe Grammatik (Halle 1896), Luid, Un 
terfuhungen zur engl. ——— Straßb. 1896), 
Kaluza, Hiſtor. Grammatik der E. S. (TI. 1, Berl. 
1899). Überfiht über die Geihichte in Kluge, ®e 
ſchichte der €. ©. (2. Aufl., Straßb. 1899). 

Das erjte beveutendere engl. Wörterbuch ftellte 
Bailey (2 Bde., Lond. 1726) zuſammen. Trob der 
—— Mängel und mancher Sonderbarleiten 
hat ſich bis heute in England behauptet Johnſons 
Dictionary of the English language (2 Bde., Lond. 
1755; neu bearbeitet von Todd und Latham, 4 Bbe., 
ebd. 1866— 70) ; Richardſons New dictionary of the 
English language (2 Bbe., ebd. 1835—37; neu be 
arbeitet 1860) iſt beachtenswert wegen der Citate 
von den älteiten Zeiten an, aber der etymolog. Zei! 
iR wertlos, Mit Recht wird fehr geibäst Noah 

ebſters Complete dictionary of the English 
language (2 Bde., Neuyorl 1828; neu bearbeitet von 
Goodrich und Porter, Lond. 1882); wichtig ift auch 
Morcefterd Diction of the English language 


(Bofton 1860; neue Aufl. 1889); J. Ogilvie, Im- 
erial dictionary of the English language (bg. von 
————— 4 Bde., Lond. 1882). Gpochemachend 


iſt das im Erſcheinen begriffene New English dictio- 
nary on historical principles von N. H. Murray 
(Philological Society, Bd. 1—6, Dxf. 1884—1903) 
und Wbitney, The century dictionary. An encyclo- 
pedic lexicon ofthe English la e(6Bde,,Yond. 
und Neuyorl 1889—92). Engl.sdeutjche und deutſch⸗ 
engl. Wörterbücher veröffentlichten: Glare Ball: 
jtändiges Wörterbuch der engl. und deutſchen rk 
(2 Bde., Lpz. 1830; 4. gänzlich umgearbeitete Aufl. 
von Felir Flügel: Allgemeines engl. deutſches 


Engliſches Pulver — Engliſches Schul- und Univerfitätäwejen 


Wörterbub, 3 Bde., Braunfhm. 1891); ferner 
Lucas, Engl.:deutiches und deutſch⸗ engl. Wörter: 
buch (2 Bie., Brem. 1853— 68); Muret, Hopäbd. 
engl.:deutides und deutichsengl. Wörterbud (Berl. 
1891 fg.); ein Auszug daraus ift die Hand: und 
Edulausgabe (2 Bde., ebd. 1897—1900); Hoppe, 
GEngl.:deutihes Supplement⸗Lexilon, eine Ergän: 
zung zu allen erſchienenen Wörterbüchern, bejon: 
berä zu dem von Lucas (ebd. 1871; 2. Aufl., Abteil. 
1 u.2,ı, ebd. 1888—93); Grieb, Engl. : deutſches 
und deutih engl. Wörterbuch (10. Aufl., bg. von 
Schröder, Stuttg. 1894— 1902). Kleinere engl.:deut: 
ſche und deutſch⸗ engl. Wörterbücher find: Thieme 
(18. Aufl., bearbeitet von Kellner, Bd.1, Braunſchw. 
1902), Fügel (15. Aufl., 2 Bde., Zpz. 1891), 
Flügel, Schmidt und Tanger (2 Bde., Braunſchw. 
1895) u.a. Bedeutende etymologijhe Wörter: 
büder find: Ep. Müllers Etymolog. Rörterbud 
der E. ©. (2 Bde., Eötben 1867; 2. Aufl. 1879); 
Balter Steats Etymological dictionary of the Eng- 
lish language (4 Bbe., Drf. 1878—82; 2. Aufl. in 
1 Bo., 1884; ein Auszug erſchien in 4. Aufl., ebd. 
1891) ſowie Kluge und Zus, English etymology. 
A select glossary (Straßb. 1898). Altengliſche 
Börterbüder: Coleridge, Glossarial index to 
the printed English literature of the 13'® century 
(Xond. 1859; neue Ausg. u.d.T. Dictionary of the 
first or oldest words in the English language, ebd. 
1872); Stratmanna umfangreichereö Dictionary of 
the old English language (3. Aufl., Krejelo 1878; 
Eupplement 1881; 4. Aufl., bg. von Dil. 
1892). Rob ausführlicher it Mäsners Altengl. 
Birterbuh (2. TI. der « Altengl. Spradhproben», 
Berl. 1878 fg.); kurzgefaßt ift Mayhew und Steat, 
A concise dictionary of Middle English (Orf. 
1888). Ferner find zu erwähnen: Halliwell, Dictio- 
— archaic and provincial words (10. Aufl., 
2 Bde., Lond. 1887), Tb. Wright, Dictionary of 
obsolete and provincial English (2 Bbe.,ebd. 1857), 
und Joſ. Wrigbt, English Dialect Dictionary 
(Bd. 1-5, ebd. 1896-1902). Altengliſche Leje: 
büder — heraus: Mäßzner, Altengl. Sprad: 
ben (Bd. 1, 2 Tle., Berl. 1867—69); Zupitza, 
t: und mittelengl. Übungsbub (Wien 1874; 
6. Aufl. 1902); Müller, Altengl. Lejebud (2 Tie., 
Halle 1874— 80); Morris, Specimens of early 
English (2 Bde., Lond. 1866—72; neue Ausgabe 
Ort. 1882—85), und Steat, Specimens of English 
literature, from the Ploughmans Crede to the 
Shepheardes Calender (Orf. 1871). Neuengliſche 
Ebreitomatbien find: Sreliget, Rose, thistle 
and shamrock (nur Poeſie enthaltend, 6. Aufl., 
—* 1887), und Herrig, British classical authors 
(65. Aufl., Braunſchw. 1889). 


(6. d.). 

lifche8 ver, foviel wie Algarottpulver 
333 ne f. Peg * 

Engliiches Recht. Das E. R. beteht: 1) aus 


Griehen, Statute Law (f. Act); 2) aus dem fog. un: 
geihriebenen Rechte, Common Law (j.d.), d. h. dem 
in der Gerichtäprari® anerfannten Gewohnheits⸗ 
teht (teilmeife auch aus ſolchen Rechtsſätzen, melde 
die Richter ald angebliches Gewohnheitsrecht ein: 
gm baben). Nur ein Gerichtshof höherer In: 

an; lann einen in einer gerichtlichen Entſcheidung 
aufgeitellten Rechtsfas umftoßen; ein vom House 
of Lords, dem höchſten Gericht, aufgeftellter Rechts⸗ 
ſez lann daher nur durch Geſeß umgejtoßen werben; 
3) aus den Grundjägen, die von den frühern Chan- 
cers Courts da aufgejtellt wurden, wo eine Mil- 


19 


berung oder Ergänzung bes ftrengen Rechts nötig 
mar. Diejelben jind unter der Bezeichnung Equity, 
d.b.Billigkeit (ſ. d.), zuſammengefaßt und werben jeßt 
(ſeit 1875) von allen Gerichtshofen angewandt, aber 
noch immer al vom ſtrengen Recht verfchieden bes 
bandelt. Die einzigen Rodifilationen des E. R, find 
die Wechſelordnung (1882), das Geſetz über die fe 
nen Handelsgeſell — (1890) und das Geſetz ü 
Warenvertauf (Sale of Goods Act, 1893). Die Werte, 
die das geſamte E. R. betreffen, unterjcheiden nicht 
genügend das praktiſch ausgeübte von dem nur theo⸗ 
* geltenden. Dieunten folgende Überficht enthält 
bie Werte, diea. ben neueften Zuftandaritellen, b. bie 
überfichtlichite Darftellung geben, c. zur Einführung 
in die betrefienden Materien alö die geeignetiten 
erſcheinen. Über die Einteilung des Privatrecht ift 
u bemerken, daß fie von dem —— Unter⸗ 
—* ausgeht, der im E. R., ähnlich wie im mittel: 
alterlichen —— Rechte, zwiſchen liegendem Gut 
(Real Property) und fahrender Habe (Personal Pro- 
perin) gemacht wird, und der fich 3.B.in hervorragen⸗ 
der Weiſe im Erbrecht äußert. Die Lehre vom R 
Property behandelt daher Sachenrecht, Familien 
recht und Erbrecht, infoweit fich die Grundfäge dieſer 
Rechtsgebiete auf Immobilien beziehen, dagegen 
—— die Lehre vom Personal Property über diejels 
Rechtsgebiete, inſoweit ſich ihre Grundfäße auf 
Mobilien beziehen, und ebenjo über das Recht an 
immateriellen Gütern (Urheberrecht u. ſ. w.) und fer 
ner über Obligationenreht. Das letztere wirb aber 
in den Büchern über Personal Property gewöhnlich 
nur oberflählid behandelt. Ein Handelsrecht als 
Sonderredteriftiert in England nicht; das von u 
leuten geübte Gemohnbeitärecht (Law Merchant) i 
ein Teil des Common Law; die Bücher über Handels 
recht enthalten die Rechtsbeſtimmungen, die auf den 
Handelövertehr anwendbar find. — Bgl. I. Öffent« 
liches Recht: a. Berfafjung und Verwaltung: Anfon, 
The law and custom of the constitution (Bd. 1, 
3. Aufl., Orf. 1897; Bd. 2, 2. Aufl., ebd. 1896); 
b. Strafredt: Stephen, A general view of the cri- 
minal law (neue Aufl., Yond. 1890); c. Strafprozeß: 
derj., Digest of the law of criminal procedure in 
indictable offences (ebd. 1883); d. Eivilprozeb: 
Schuſter, Bürgerlihe Rechtspflege in England (Berl. 
1887). II. Brivatredht: a. Real property: Goodenve, 
Modern law of real property (4. Aufl., Son. 1897); 
Vollod, Das Recht des Grundbefiges in England 
(deutſch von Scufter, Berl. 1889); b. Personal 
property: Goodeve, Modern law of personal pro- 
perty (3. Aufl., Zond. 1897); Anjon, Principles of 
the English law of contract (9. Aufl., Orf. 1899); 
Bollod, The law of torts (6. Aufl., Lond. 1901); 
J. W. Smith, A compendium of mercantile law 
(10. Aufl., 2 Bde., ebd. 189%); Chalmers, A digest 
of the law of bills of exchange, promissory notes 
and cheques (5. Aufl., ebd. 1896); c. Internatio⸗ 
nales Privatrecht: ftlafe, Lehrbuch des inter: 
nationalen PBrivatrechts, mit befonderer Berüdfich: 
tigung der engl. Gerichtöpraris, deutich von Holtzen⸗ 
dorff (Berl. 1884); Dicey, Conflict of Laws (Lond. 
1896). — Außerdem ift zu erwähnen: A. Wood: 
Renten, Encyclopaedia of the Laws of England 
(12 Bde., Lond. 1897—98), und Carter, Outlines of 
English legal history (ebd. 1899). 
Englifhes Riechſalz, |. Riechſalze. 
Englifches Salz, joviel wie Bitterfalz (1. d.). 
Sugliſches Schul: und Univerſitätsweſen. 
Schulwefen. Eine einbeitlihe Regelung und Abs 
2% 


20 


fufung bed Schulmejens bejteht in England nidt. 
it Ausnahme der Vorbereitungsanftalten für das 
Heer und die Flotte giebt es feine Art von Schulen, 
deren Beſuch bei der Zulafiung zu irgend einer Be 
tujsart vorausgefegt wird. Auch ift die Errichtung 
von Schulen und die Ausübung des Lehrerberufs 
in feiner Weiſe von obrigkeitliher Genehmigung 
abhängig. Der Staat greift in dad Schulweſen ein 
durch die umfafjende Fürſorge für die Errichtung, 
KRontrollierung und Unterftüßung von Glementars 
fhulen, durch Ermöglihung der —— 
Gewerbeſchulen aus Kreismitteln und durch Ober⸗ 
— über die höhern Schulen. j 
on Elementarſchulen beitanden bis 1870 nur 
bie freiwilligen Schulen (Voluntary Schools), 
die, von Vereinen, firhlihen und andern Gemeins 
ſchaften errichtet und erhalten, vom Staat unter ge⸗ 
wifjen Vorausſetzungen unterjtügt wurden. Durch 
die Elementary Education Act von 1870 wurde 
das Schulwefen neu georbnet; das Land wurde in 
Schulbezirke eingeteilt und in diefen der Regel nad 
Sculverwaltungsbehörben (School Boards, ſ. d.) 
errichtet, die von allen tommunaljteuerpflihtigen 
männlichen und weiblihen Einwohnern ermählt 
werden und bei denen oft aud Frauen Mitglieder 
find. Wo keine ſolche Behörde beitebt, hat in grö: 
Bern Städten ein Ausſchuß des Gemeinderats 
(Borough Council, f. MunicipalCorporations), fonft 
ein Ausihuß der Behörde für Armenpflege (Board 
of Guardians, f. Poor Law), ber als School 
Attendance Committee bezeihnet wird, für, bie 
Erfüllung der Schulpflicht zu forgen; die fonftigen 
nitionen der Schulverwaltungsbebörben find in 
olhen Fällen von der Centralbehörde mahrzu: 
wege Die Schulverwaltungsbebörden haben 
dafür zu forgen, daß innerhalb ihres Bezirks eine 
genügende Anzahl von Elementarjhulen vorhan⸗ 
den it und haben im Falle des Bepürfnifies eigene 
Schulen, die Bezirtsfhulen (Board Schools), 
zu errihten, in welchen das Schulgeld den Betrag 
von 9 Bence (75 Pf.) wochentlich nicht überfchreiten 
darf. Als öffentlihe Elementarſchulen gelten 
neben diefen auch die vom Staat unterjtüßten frei⸗ 
willigen Schulen, deren Schulgeld ven en 
Betrag nicht überfchreiten darf. Ein 1891 erlafjenes 
Geſetz em das Schulgeld in den öffentlichen Elemen: 
tarſchulen teilmeije gen befeitigt, teilmeife bevdeu: 
tend vermindert. Der Staat giebt allen ſolchen 
Schulen einen Zuſchuß (Fee Grant) von 10 Schill. 
(10 M.) für jedes Kınd im Alter von 3 bis 15 Jahren, 
welcher Betrag vom Schulgeld abgezogen werben 
muß. Neben dem Schulgeld und dem Staatd- 
zufhuß haben alle öffentlichen Elementarſchulen eine 
weitere Einnabmequelle in dem parlamentarifchen 
Staatszuſchuß (Parliamentary Grant), Db und in 
welbem Maße dverfelbe gewährt wird, hängt von 
dem Refultate von Prüfungen ab, welche die ſtaat⸗ 
lichen Schulauffeber (Inspectors of Schools) in allen 
derartigen Schulen jährlih abhalten müfjen. Diefe 
Schulauffeber fteben unter der Gentralbebörbe für 
Erziehungsweſen (Board of Education, f. Groß: 
britannien und Yrland, Verfaſſung). Endlich er: 
balten die freiwilligen Schulen einen mweitern Zuſchuß 
aus Staatämitteln nah Maßgabe der Voluntary 
Schools Act von 1897, mwelder im ganzen die 
Summe von 5 Shill. für jedes Kind nicht über: 
{breiten darf. Die Verteilung ift dem Ermeſſen 
der Gentralbebörbe überlafien, doch haben Edul- 
verbände, die mit Genehmigung der Gentralbebörbe 


— — 


Engliſches Schul- und Univerſitätsweſen 


errichtet werden, ein Anrecht auf Zuſchuß. Die 
legtere Beſtimmung ſoll die Bildung lonfeſſioneller 
Verbände unter der Aufſicht der kirchlichen Ober: 
bebörven erleichtern. Die Bezirlsſchulen deden den 
Reit ihrer laufenden Ausgaben, jomwie die Aus: 
gaben für den Bau neuer Schulen durch den Er- 
trag ber Schulſteuer, melden die Schulverwaltungs⸗ 
behörde von den einzelnen Gemeinden erhebt und 
die alfo einen Teil der Kommunalſteuern bildet. 

Der Religionsunterriht in den Bezirlsſchulen 
darf nur unter Ausſchluß der Katechismen und jeder 
einen konfeſſionellen Charalter tragenden Glaubens» 
lehre erteilt werden, Die freiwilligen Schulen find 
in der Regel fonfeffionell; doch bar) in ihnen, ſofern 
te aus öffentlihen Mitteln unterftügt werben, Der 

ligionsunterriht nit obligatorifh fein und 
muß entweder in ber erſten oder in ber legten Unter: 
—— erteilt werden. Den ſtaatlichen Schul⸗ 
aufſehern iſt durch Geſetz unterſagt, über den Reli⸗ 
gionsunterricht ittelungen einzuziehen. 

Das erwähnte Geſetßz von 1870 —— es den 
einzelnen School Boards, nad ihrem eflen 
Schulzwang in ihrem Bezirk einzuführen. Ein Ges 
feß von 1876 gab für die Bezirke, in weldyen keine 
School Boards vorhanden find, die gleihen Befug⸗ 
niffe ven School Attendance Committees. Ein 1880 
erlaſſenes Geſetz legt enplih allen School Boards 
und School Attendance Committees die Berpflich- 
tung auf, Beitimmungen über die allgemeine Schul⸗ 

fliht zu erlajien und für ihre Ausführung au 
orgen, fo dab jeht der ———— iſt. 
ewerbeſchulen (Technical ools) waren 
ya teilmeife Privatanftalten, teilmeife wurden 
ie von Vereinen und Kö baften erribtet. Nas 
mentlid haben die großen Londoner Zünfte (City 
Companies) große Summen für die Errihtung und 
Unterftügung derartiger Schulen hingegeben. Die 
vorzügliche City of London Guilds School in South⸗ 
Kenfington ift 3. B. die Frucht diefer Bemühungen. 
Neuerdings bat man aber auch geſucht, die Errich⸗ 
tung von Gewerbeſchulen aus öffentlihen Mitteln 
zu befördern, und zu dieſem Zwecke mwurben bie 
Technical Instruction Acts von 1889 und 1891 er⸗ 
lafjen. Diefe Geſetze ermädhtigen in den Landkreiſen 
die County Councils, in den größern Städten die 
Borough Counceils und in den Heinern Städten die 
feit 1894 als Urban District Councils bezeichneten 
Urban Sanitary Authorities (f. Health Acts), der⸗ 
artige Schulen zu errichten oder zu unterftüßen. 
(Näheres f. Engliihes Schul» und Univerfitäts- 
weſen, Bd. 17.) 
Die Schulen, in welchen Unterricht in den Elaf» 
het, Spraden erteilt wird, und welche in Eng» 
and nicht nur von ſolchen Schülern beſucht werden, 
die fich einem gelehrten Berufe widmen wollen, ſon⸗ 
dern —— von allen, welche zu den hö ®e 
—— reiſen in Beziehung ſtehen, ſind faſt aus⸗ 
chließlich Stiftungsſchulen und ſtammen meiſtens 
aus der Mitte des 16. Jahrh. Den erſten Anſtoß 
zur ausgedehnten Begründung ſolcher Schulen gab 
der Humanijt Eolet, Domdechant an der Baulätirche 
in London, der aus feinen eigenen Mitteln die noch 
beute hervorragende Baulsichule errichtete. Zur Re 
organifation diejer in trodnen Formalismus und 
Abſchließung der jungen Wiſſenſchaften verfuntenen 
fog. Grammar Schools (f.d.) wurde zunächſt 1840 ein 
Geſetz erlafien. Die eingreifendite Reform begann 
indefien kurz nad 1860. Zunädft handelte es ſich 
um bie fog. Public Schools (j. d.), die größten 


Engliſches Schul- und Univerfitätswejen 


unter den Uaſſiſchen Schulen, in welchen die Söhne 
des Adeld und der höhern Stände ihre Erziehung 
erhalten. 1861 wurde eine Enquetelommijfion ein: 
eſegt, weldhe die Schulen von Eton, Windeiter, 
inter, —— Harrow, Rugby und 
Shrewsbury unterſuchen ſollte. Das Reſultat dieſer 
Unterſuchung war die Public Schools Act von 1868 
und bie ſich an dieſelbe anſchließenden Geſetze, infolge 
welcher alle dieſe Anftalten unter neuen Kuratorien 
(Governing Bodies) reorganifiert wurden. 1864 
wurde eine zweite Kommiſſion eingeiekt, welche über 
die andern Stiftungsſchulen zu berichten hatte und 
deren —— den Erlaß der Endowed Schoo 
Act von 1869 bewirkten, welcher fich fpäter weitere 
Geſetze anſchloſſen. Während man den erwähnten 
yo Schulen felbjtändige Auffihtsbehörden ger 
aſſen hatte, um jeder derjelben ibre Eigenart mög: 
lichſt zu erhalten, bat man die Reorganifation der 
andern einer Gentralbebörbe, ven Charity Commis- 
sioners, übergeben. Aud find ejtene Beftim: 
mungen getroffen worden, um bei konfeffionellen 
Schulen den Schülern, die einer andern bw ng 
Gemeinihaft angehören, den Bejuch zu ermöglichen, 
Nur in Bezug auf Schulen, die mit einer Kathedrale 
uud — fteben, ift eine Ausnahme ge 
macht worden. Die böbere Erziehung in England 
iſt infolge der fühnen Mißachtung der Stiftungs: 
beitimmungen in lebhaftere Beziehungen zu dem thä- 
en Zeben der Gegenwart gelommen, und das An: 
feben des Lebrerftandes bat dabei nicht gelitten, eben: 
ſowenig die Bietät der Schüler gegen die Anftalt, der 
fie angehören, die noch bis in die fpätern Lebens— 
jabre erhalten bleibt und zu den charalteriſtiſchſten 
Eigentümlichleiten des engl. Lebens gehört. 
ud für dieböhbere Mäpdchenerziehung wird 
neuerdings in England viel getban, doch hat der 
Staat in diefer Beziehung noch nicht eingegriffen. 
Das höhere Schulweſen war in neuefter Zeit der 
Gegenitand einer Epecialenquete dur die Royal 
Commission on Secondary Education, welche um: 
Tee Material über den Gegenstand der Offent⸗ 
teit übergeben und nad verſchiedenen Richtun⸗ 
gen Reformvorihläge ge bat. 
Univerfitätöwejen. Der Hauptunterſchied zwiſchen 
den engl. und fontinentalen Univerfitäten ift der, 
dab dieje obligatorische Vorbereitungsanftalten für 
die gelebrten Berufsarten find, jene aber haupt: 
fählih dem Erwerb eg Bildung dienen. 
E giebt in England zablreihe Geijtliche, Juriften, 
Ärzte und Lehrer an böbern Lehranitalten, bie 
nie eine Univerfität beſucht haben. Der Beſuch 
der Univerfität bebt aber die fociale Stellung und 
das Anſehen, und diejenigen, welche die höbern 
Etufen ihres Berufs erreihen wollen, und ebenfo 
diejenigen, welche feinen gelebrten Beruf ergreifen, 
ſich aber in den böbern Ocleilfhaftätreifen bewegen 
bejuchen jtet3 die Univerfität, und zwar meine 
ford (f.d.) oder Cambridge(f.d.). Dieje im 12. In 
begründeten Mittelpuntte alademiſcher Gelehrjam: 
kat find in allen ihren Einrichtungen verſchieden von 
den im Laufe diejes Jahrhunderts errichteten Uni: 
veritäten: Durbam (1832), University of London 
(1836), Victoria University (1880), Univerfität von 
Bales in Aberyſtwith (1893) und Univerfität Bir: 
mingbam (1900). Orford und Cambridge find neuer: 
tings in vielen Beziehungen reorganijiert worden, 
namentlich ift 1871 die legte Bejchräntung in Bezug 
auf den Erwerb alademither Würden durch Perſo⸗ 
nen, welbe nicht zur anglitan. Kirche gebören, be: 


1 | lich 


21 


feitigt und feit 1877 dafür gejorgt worden, daß bie 
Einkünfte ver Colleges für die Lehrzwede der Univer: 
fität verwandt werden. Die —— der ſog. 
Local Examinations an vielen Plähen Englands 
im Auftrage der beiden Univerfitäten und Erteilung 
von Diplomen, melde namentlich für die weiblichen 
Kandidaten, die fih dem Lehrfach widmen (en nüß: 
lich find, ift ein weitere Zeichen neuer Thätigteit. 
(S. auch University extension movement.) 

Die University of London war bis vor kurzem 
nur Prüfungsbebörde und Anftalt für die Verlei— 
bung alademiſcher Würden, die jevermann zugängs 

And, der die Eramina ablegt (weiblichen u 
wie männlichen Kandidaten); durch die University 
of London Act von 1898 wurde fie jedoch in eine 
lehrende Univerfität umgewandelt. Außerdem giebt 
es in London zwei univerfitätdartige Anftalten: das 
tonfeffionglofe University Collegeund das anglitan. 
King’s College, welche nach Art der deutſchen Unis 
verjitäten in Fakultäten eingeteilt find, aber nicht 
das Recht haben, akademiſche Würden zu verleihen. 
Jede der beiden Anijtalten bat eine mediz. Fakultät, 
mit welcher ein Hofpital verbunden ift. er find 
aber auch mit folgenden Hofpitälern: Guys, St. 
Bartholomews, St. Georges und St. Thomas”. 
felbjtändige mediz. Zehranftalten verfnüpft. Natur: 
mwifjenichaften werben aud in dem aus Staatämit- 
teln erhaltenen Royal College of Science gelehrt, 
und endlich haben die Rechtsinnungen (Inns of 
Court, ſ. d.) eine jurift. Zebranftalt. Die meiften 
diefer Anftalten fleben infolge der University of 
London Act feit 1898 in näherer Beziehung zu ber 
University of London, in deren Senat fie mittelbar 
oder unmittelbar vertreten find, und weldye auf ihre 
Studienpläne Einwirkung bat. 

Die Victoria University, deren Sitß in Mancheſter 
ift, befchräntt fich ebenſo wie früber die Universit 
of London auf das Gebiet der Prüfungen, do 
werden zu biefen nur folde Kandidaten progioften, 
welche in einem der mit der Univerfität in Zufams 
menbang ſtehenden in verſchiedenen Städten befind⸗ 
lihen Colleges die vorgejchriebenen Studien ge 
macht haben. Unter diejen Colleges ift das bedeu⸗ 
tendſte das 1850 begründete Owen’s College in 
Mancheſter, dad Vorlefungen auf allen Gebieten ers 
teilt, aber hauptfählie auf dem Gebiete der Nature 
wiſſenſchaften hervorragend ift. Diefe aus Meinen 
Anfängen bervorgegangene Anftalt ift durch den 
Dpferfinn zablreiher begüterter Bewohner des 
nördl. Englands mit ehr bedeutenden Mitteln ausge 
ftattet worden und bietet für die thätige und intelli« 
gente Bevölkerung der Fabrikftädte von Lancaſhire 
eine trefilihe Gelegenheit zu böberer Ausbildung. 
Alademiſchen Unterriht für Perfonen weiblichen 
Geſchlechts erteilen hauptſächlich Girton College 
und Newnham College in Cambridge, Lady Mar- 

t Hall und Somerville College in Orford und 
erner Holloway College in Egbam. Die Zöglinge 
diefer Anftalten wohnen in denjelben in ähnlicher 
Meije, wie die Studenten in und Cam: 
bridge in den Colleges, zu welchen jie gehören. Die 
Univerfität von Wales ift nur Prüfungsbebörbe; 
andererjeit3 ift die Univerfität Birmingham mebr 
nad Art der — Univerfitäten eingerichtet. 

Außerdem find eine große Anzahl von Colleges 
verjchiedener Art im Lande veritreut. Die Univer- 
fität Durbam ift von geringer Bedeutung. 

Litteratur. Reports of the schools inquiry 
commission (21 Bde., Lond. 1868—69); Report of 


22 


and Cambridge (ebd. 1874); Report of the commis- 
sion on secondary education (ebd. 1895) und das 
fonftige von diejer Kommiſſion veröffentlihte Ma— 
terial; ferner Syearon, School inspections (ebd. 
1876); Pascoe, Practical handbook to the prin- 
cipal schools in England (ebd. 1877); derf., 
Schools for girls and colleges for women ſebd. 
1879); Garteret:Bifjon, Our schools and colleges 
4. Aufl., ebd. 1879); Eotterill, Suggested reforms 
n public schools (ebd. 1885); M. Arnold, Report 
on elementary schools 1852 —82 (ebv. 1889); 
Dwen, The elementary education Acts (17. Aufl., 
ebd. 1891); Breul, Die Organifation des höhern 
Unterrichts in Großbritannien (Münd. 1897). Jäbr: 
erſcheint: The Public schools’ year book; fer: 
ner veröffentlicht jede Univerfität jährlih einen 
«Calendar» mit ausführlicher Auskunft. 

Englifched Theater. Die erite Stätte dramat. 
Aufführungen war aud in England die Kirche. 
use waren nicht nur die Verfafjer der meijten 
Moiterien, fondern urſprunglich auch die alleinigen 
Darfteller. Die —— zuerſt in, dann vor 
der Kirche ftatt. Als aber bald die Aufführung der 
Mofterien mit in die Hände der Laien überging, 
wurden hbauptjädlich die Angebörigen der Zünfteund 
Innungen die Vertreter der dramat. Kunft. Durch fie 
mußtenatürlich eine Menge profaner Elemente in die 
Mojfterien hineingetragen werben. DieAuffübrungen 
fanden befonders am Fronleichnams⸗- und Pfingit: 
montage ftatt und zwar auf bölzernen Gerüiten, 
die anfangs, auf Rädern rubend, in den — 
umhergefahren, dann an beſtimmten Orten aufge: 
fhlagen wurden. Die Bühnen der Wagen waren in 
drei Stodwerle geteilt, um Himmel, Erde und Hölle 
darftellen zu können, und mit Teppichen bebängt. 
% unterften Raum des Wagens Hleideten fich die 

aufpieler an. Wandernde ee 
ſchaften werden zuerſt unter Heinrich VI. erwähnt. 
Einen ungewohnten Aufſchwung nahm das Theater: 
weſen unter der Königin Eliſabeth. Ihr Sinn für 
tbeatralifhe Schau (denn fie liebte auch maskierte 
Spiele) teilte ſich [hnell den Großen des Reich mit, 
und nicht lange, jo war das Land dergeitalt voll 
wandernder Schaufpieler, daß es 1572 nötig wurde, 
fie auf die Erlaubnis von wenigitens zwei Friedens: 
richtern anzumeifen. Dies bewog den Grafen Lei: 
ceiter, feinen Schaufpielern den erften königl. Frei: 
brief (vom 10. Mai 1574) auszuwirken, der ihnen 
das Recht erteilte, bis auf Widerruf überall zu 
—— Dieſe Urkunde erwähnt zuerſt ausdrücklich 

omödie und Tragodie. 

Der trogige Eigenwille des Lorb:Mayors von 
London, Leicefterd Schaufpieler nicht in der City 
pielen zulafien, und fein —— Verbot jeder Auf⸗ 

ng von Schauſpielen — * bit, hatten 1576—80 
außerhalb des Bereichs des Mayors, an der Grenze 
der Eity, drei Theater ins Dafein gerufen, die eriten 
in London eigens für bramat. 36 tellungen ein: 
gerichteten Gebäude. Wie noch jest, jo war London 
von Anfang an der Brennpunkt der theatraliſchen 
Kunft in England, und es tft mithin die Geſchichte 
der Londoner au die Geſchichte der engl. Bühne. 
Die Königin Elifabetb nahm 1583 zwölf Schau- 
| ieler als the Queen’s players ausoſchließlich in 

Dienfte. Die Zahl der Schaufpieler vermebrte 
ſich jo raſch, daß fie bald, bejonders als der Beit 
wegen mehrmals die Theater in London geichlojien 
wurden, ſich nach dem Feſtlande, namentlih nad 


Englisches Theater 


the commission on the property etc. of Oxford | 


den Niederlanden und Deutihland menbeten, mo 
fhon von 1586 an die Englifhen Komödianten 
(f. d.) in Anfeben ftanden. 

Beſonders anziehend ift ein Blid auf die ein» 
fachen äußern Einrichtungen, vermitteljt deren das 
Eliſabethaniſche Drama feine beifpiellojen Erfolge 
erzielte. Das Eliſabethaniſche Theater war eigent: 
lich nichts ald eine Erweiterung oder Berbeflerung 
des früher in den Höfen von Wirtöbäufern auf: 
gelangen —— gewoͤhnlich ein aus 

olzund Mörtel aufgefübrter freisrunder Bau, der, 
fofern das Theater ein öffentliches war, feine Be: 
dahung hatte. Eine Flagge, die den Namen des 
Haujes trug, wurde während der Dauer der Vor: 
ftellungen aufgebeißt. Das Innere enthielt Logen, 
Galerien und einen Parterre- oder Hofraum obne 
Sige. Die überdedten Brivattbeater waren dur 

adeln oder gewöhnliche Lichter erleuchtet. Das 

lobetheater aus der jpätern Shafefpearejchen 
Periode war ein ſechsſeitiges, oben teild offenes, 
teild mit Stroh gededtes Gebäude. Auf der Bühne, 
bie in der Regel mit Binſen beftreut war, lagen 
oder — auf Schemeln die jungen Vornehmen 
und Schöngeiſter, ſich in den Zwiſchenpauſen mit 
Leſen, Spielen und Rauchen die Zeit vertreibend. 
Die Garderobe der er ag ar war zwar verhält: 
nismäßig glänzend, gg unſtloſer waren aber die 
Jonftigen equifiten; berabbängende Teppiche und 

apeten vertraten die Stelle von Eoulifjen, ein 
Brett mit dem Namen eined Qandes oder einer 
Stadt zeiate den Ort der Handlung an. Eine von 
der Dede berabwallende hellblaue Gardine deutete 
an, daß ed Tag, eine dunklere, daß ed Nacht jei. 
Ein Tiſch mit einem Schreibzeug machte aus der 
Bühne ein ea Irish mehrere Stühle an 
Stelle des Tiſches bedeuteten eine Schentitube, ein 
vorgejhobenes Bett ein Schlafzimmer. Mitten im 
Hintergrunde der Bühne befand ſich eine Art Bal: 
ton oder Altar, wo diejenigen Zwifhenbandlungen 
fpielten, die ald auf Mauern oder Türmen, in obern 

immerräumen u.dgl.vor fich gehend gedacht werben 
ollten. Gigentlihe Couliſſen wurden erjt von Das» 
venant 1662 eingeführt. Die — — wurden 
durch Knaben gegeben. Die Vorſtellungen in den 
öffentlichen Theatern nahmen gewohnlich um 3 Ubr 
Tg Fri enter ne ri ger 
ftöße * undigt wurde. Der Vorhang wurde nicht 
aufgerollt, fondern nad beiden Seiten zurüdge: 
fboben. Ein Schaufpieler in ſchwarzem Mantel und 
mit einem Lorbeerfranz auf dem Haupte ſprach den 

rolog; Tänze füllten die oe aus. Nah 

eendigung des Stüds führte der Clown die cou⸗ 
pletartige Gigue (f. d.) auf. Den Beihluß jeder 
Vorjtellung machte ein allgemeines Gebet für die 
Königin. dis zur Thronbejteigung Karls II. lag 
das Theaterweſen brad. 1636 war die Peit aus: 
gebroden, ihr folgte der Bürgerkrieg. Unterm 
2. Sept. 1642 gebot da8 «Lange Parlament», daß 
für die Dauer dieſer trübfalvollen Zeit alles Büb: 
nenfpiel im ganzen Königreiche aufbören folle, ein 
Befehl, der bei der Vorliebe des Volls für die 
Bühne unterm 22. Dit. 1647 und 9. Febr. 1648 
noc verichärft werden mußte. Nur eine Art muſi⸗ 
kaliſchen Dramas war unter Erommell geitattet; 
dennoch mußten Schaufpieler wie Davenant die 
ftrengen Verordnungen dur die jog. Moral re- 
presentations zu umgeben. Cine der eriten Res 
gierungshandlungen Karls IL. war die Ausitellung 
von Patenten für zwei Schaufpielergefellichaften, 


Englifches Vollblut — Englifche Berfafjung 


das eine für Davenant, der zum erftenmal Schau⸗ 
fpielerinnen auf der engl. Bühne zuließ, das andere 
eure — eil Killigrew 
& im fönigl. % zo Drury Lane anfiedelte, hießen 
e Schaufpieler «The King’s servants», und da 
Davenant das unter dem Schuße des Herzogs von 
Dort ſtehende Theater in Lincolns⸗Inn⸗Fields be 
zog, hieß jeine Gejellihaft «The Duke's company». 
ry:Lane bat feinen Namen, feinen Freibrief 
und den Ruf einer Nationalbühne bi⸗ 3 die Gegen⸗ 
wart behauptet, Lincolns⸗Inn⸗ Fields ſein Patent 
und jeinen Ruf an Eovent:Garden abgegeben.) 
Unter den frauen (die nad der Reſtauration 
der Stuart3 zuerft auf den Bühnen erſchienen) ge⸗ 
bören einige zu Englands beiten Rünitlerinnen, jo 
die Betterton, Barry, Leigh, Butler, Montford und 
Bracegirble. Bis 1708, wo Owen Swiney die Direl: 
tion des Drury⸗Lane⸗ und des Haymarlet:Theaters 
übernahm, hatten die Schaufpieler keine feiten Ge: 
balte. Eine neue Ara trat für die Schaufpieltunft mit 
®arrid ein, der ihr die öffentlihe Meinung, Ernft 
und Würde gewann. Sein Nahfolger war John 
Kemble, der Darjteller und Reiniger Shalefpeare: 
ſcher Dramen, deſſen Schweiter, Mr3. Siddons, als 
die erite * Schauſpielerin Englands glänzte. 
Ihnen zur Seite jtanden Charles Kemble, Coole, 
die Komiler Lewis, Munden und Emery, Miß 
Deren (nachher Gräfin —— und Mrs. Jordan. 
iger vollendet ald John Kemble, aber leiden: 
ſchaftlicher, efjeltoller war dann der geniale Ed: 
mund Kean. Wie er zu Kemble, verhielt ſich Miß 
DMeil zu der Siddons, während in Lijton und 
Matthews die Komik die äußerten Grenzen des 
Burlesten erreihte. Der letzte diejer glänzenden 
Keibe ift Macready, ein hochgebildeter Künftler. 
Bon feinen ——— verdienen höchſtens der 
üngere Kean, die Komiler Robſon, Keeley und 
ole und als jüngſte Shakeſpeare-Darſteller 
ter und Irving Erwähnung. Unter den Schaus 
elerinnen ragen vor allen andern Mr3. Bancroft, 
Miß Neilfon, Mrs. Rousby und Ellen Terry bervor. 
In der Ausübung ihrer Kunſt find die Schaufpieler 
manden Beihränfungen unterworfen: fein neues 
Etüd darf nämlich ohne die Billigung ded Examiner 
of plays gegeben werden; auch ift zur Eröffnung eines 
neuen Theaters in London die Erlaubnis des Lord: 
Kammerherrn nötig, der au den jhon vorhandenen 
die Honzeifion entziehen tan. — Vgl. A new theatri- 
eal dictio (2ond. 1792); Bater, Reed und ones, 
Biographia atica (neue Ausg., 3 Bde, ebd. 
1812); Collier, History of English dramatic poetry 
to the time of Shakspeare and Annals of the stage 
to the Restoration (3 Bde., ebd. wer, Doran, 
Their Majesties’ servants (2 Bde., ebd. 1863); 
deri., Annals of the English stage from Betterton 
to Kean (3 Bde., ebd. 1887); War, A history 
of English dramatic literature (2 Bve., ebd. 
1875); Stein, Geſchichte des Dramas, Br. 12 
u. 13: Geigidte des engl. Dramas (Lpz. 1876); 
Srotanel, Geſchichte des engl. Mastenfpiel3 und 
verwandter Gattungen (Wien 1901); Fitzgerald, 
A new history of the English stage, from the 
Restoration to the liberty of the theatres (2 Bpe., 
gond. 1882); Dyer, Great men at play (2 Bbe., 
ebb. 1889); Hamilton, The drama in England 
ing the last three centuries (ebd. 1891); Gae: 
ders, Zur Kenntnis ber altengl. Bühne (Brem.1888); 
Buler, The London stage (2 Bde., Lond. 1889); 
Nathews, Actors and actresses of Great Britain 


23 


(5 Bde., Neuyork 1886); H. A. Jones, Renascence 
of the english drama (Lond. 1896). 
Engiilces Vollbiut, Pierderafie, ſ. Pferd 
nebjt fe, ig. 11. [bindung (f. d.). 
Englifche Tuchbindung, foviel wie Panama 
Engliihe Berfaffung. Die heutige E. ©. 
(f. Großbritannien und Irland) ift nicht wie die 
anderer moderner Staaten in einer Verfaſſungs⸗ 
urlunde, fondern im Gewohnheitsrecht Ren 
Ihre Geihichte hebt an mit der angelſächſ. Eins 
wanberung. (S. Angeljadhien.) Die Berfafjung 
des Gejamtjtaates entſpricht feiner — 
etzung aus einzelnen Teilen. Die Gemeinde 
Township), der Gau (Hundred) und die Graf—⸗ 
daft (Shire) find einander übergeorbnete Ein 
beiten für die Verwaltung, das —— und 
das Heerweſen. Die Grat haft ift vielfach identiſch 
mit einem frühern Meinen Königreich, ihr vom 
Könige unter Mitwirlung der weiſen Männer 
(Witan, f. Witenagemot) erwähltes Haupt (Ealdor- 
man, j. Alderman) häufig ein Mitglied des frübern 
Königftammes. Die Grafihaftsverjammlung, in der 
Recht geſprochen wird und Grafihaftsangelegen: 
beiten beraten werden, ift die frühere Landes: Volts« 
verfammlung (folkmot). Eine entipredhende Volls⸗ 
verfammlung für das ganze Reid) ift wahrſcheinlich 
nie zufammengetreten. Sn den Rat, der den Reichs⸗ 
angelegenbeiten vorftand (Witena-gemot), wurden 
nur die Großen des Landes berufen: die Brälaten, 
die Ealdormen und die Thegns (db. i. Ministri, 
Leute im unmittelbaren Dienfte des Königs), doch 
erſcheinen die vereinigten Follmots bei beſonders 
feierlichen Gelegenbeiten, wie bei Königswahlen, 
nicht mitratend, aber Beifalloder Mißfallen äußern. 
Der König ftebt über vem Volle als oberjter Heer: 
führer, er greift durch feine Sheriffs in die Ge— 
rihtsbarleit der Grafichaftägerichte und der Hei: 
nern Gerichte ein. Als Hüter des Königsfriedens 
erwirbt er die oberfte Bolizeigewalt im Yande, als 
Haupt der Kirche fteht er über der geiitlichen Hier: 
archie. Seine Würde ift nicht erblid ; er wird vom 
Witena-gemot erwäblt (doc find nur die Glieder 
der berrjchenden Familie wählbar) und kann von 
derfelben Koörperſchaft abgejegt werben. Er erläßt 
Gelege, aber nur unter Beirat bed Witena-gemot. 
Daß dieſe Beratung als wejentlich angejehen wurde, 
ebt aus der Form der Gejehe hervor (vgl. die Bei: 
piele in Stubbs, Constitutional history, Bb. 1, 
5. Aufl., Lond. 1891). Wilhelm von der Normandie 
bat, nachdem er (1066) in der Schlacht bei Haſtings 
das engl. Königreich erobert hatte, in den ſtaatsrecht⸗ 
lichen Einrichtungen des Landes wenig geändert, 
—— nur einer natürlihen Entwidlung durch die 
acht feiner Berjönlichkeit und feine Hare Einſicht in 
die Bedürfnifje des Landes einen friſchen Anſtoß ges 
geben. Die Ve der Königsmacht war eine 
natürliche Folge der Vereinigung des engl. Reichs; 
mit der Zunahme er Macht gebt parallel die 
Ummandlung des Vollsſtaates in den lehnsrecht⸗ 
lien Staat. Bereits unter den angeljädhf. Königen 
—— die Entwidlung begonnen, die die ſtaatsrecht⸗ 
ichen Befugniſſe und Pflichten des Einzelnen mit 
ſeinem Verhältnis zu Grund und Boden in Be— 
ziehung brachte und dem König, der — 
Herrſcher über fein Voll war, die Stellung eines 
oberjten Zerritoriale und Lehnsherrn gab. Die 
umfangreihen Konfislationen Wilhelms und die 
Zumeifungen von Grund und Boden an feine nor: 
mann. Gefolgsleute bejchleunigten diefe Entwid: 





24 


lung; aber Milbelm und gr Nachfolger verftan- 
den es andererſeits dadurch, daß fie die Wirkung der 
Afterbelebnung einfhräntten und das Verhältnis 
der Aiterbelehnten zum oberften Lehnsherrn in den 
Bordergrund brachten, der weitern Überwucherung 
lehnsrechtlicher Grundiäge Einhalt zu gebieten. Die 
— Heinerer Territorialherrſchaften mit 
polit. efugniflen wurde baburd verhindert und 
ber unmittelbare Einfluß des Landesberrn im gan: 
en Reiche gefichert. Ein Geſeß Eduards I. hat die 

fterbelebnung überhaupt verboten. Die Eentralifie: 
rung der Staatsgemwalt beftebt von nun an dauernd, 
die perjönlihe Macht des Königs nimmt bereits 
unter den normann. Klönigen wieder ab. Dann 
traten die folgenden Elemente in den Vordergrund, 

L Aus dem Weifen:Männer:Rat, der zunächſt in 
einen königl. Rat (Curia Regis) verwandelt wurbe, 
ſcheiden fi aus a. der Nat der Großarundbefiker 
und Großmwürbenträger (Magnum Concilium), b. der 
engere Staatörat (Perpetuum Concilium, fpäter 
Privy Council sun, c. gewille Behörden und 
Gerichtäböfe. Die königl. Gewalt wird nur unter 
Zuziehung einer diefer beratenden Körperſchaften 
oder durch diefe nach feiter Gefhäftäpraris handeln: 
den Bebörden und Gerichtäböfe ausgeübt. 

IL. Der tönigl. Rat erweitert ſich andererfeitö durch 
Zuziehung der Vertreter der Heinern Kronvafallen, 
ber Städte und der Geiftlichkeit zu einer allgemeinen 
Sandesverfammlung (Commune Concilium), die 
fpäter in drei getrennte Berfammlungen zerfällt, 
unter denen zwei mit dem Souverän zujammen das 
beutige Parlament bilden. 

II. Die Einnabmen des Königs, die urfprünglich 
nur aus den Erträgnifien der Kronländer und lebns: 
rechtlichen Gefällen beiteben, werden durch Befteue- 
rung erweitert, urfprünglihnurmit der Einwilligung 
der befonders Bejteuerten; fpäter wird die Eins 
willigung der Landesverfammlung oder der Reichs: 
ftände nötig. Hieraus entwidelt ſich aud eine Kon: 
trolleüberdie Ausgabenund ſchließlicheine Trennung 
bes königl. Haushalts von dem Staatshaushalt. 

IV. Die Organifation der Heinern Landesabtei: 
lungen, diedie Engländervonibrer german. Heimats⸗ 
ftätte mitgebracht hatten, gebt nie verloren. Sie er: 
bält bauptjächlich durch das Inſtitut der Friedens⸗ 
richter — Justices of the Peace) neue Bedeutung. 

Es ijt demnad die Entwidlung der folgenden 
Körperichaften und Einrichtungen zu ſchildern: 

I. der Staatäbebörden: 

a. des großen Staatsrats (derfelbe wird fpäter 
Pairskammer, ſ. Lords, House of); 

b. bes engern Staatsrats (Privy Council), 
aus ihm fcheidet fich fpäter das Cabinet (f. d.) aus; 

c. der Staatöämter und Gerichtäböfe; 

I. des Barlaments; 

III. des Finanz⸗ und Steuerweſens; 
IV. der Staficaften und Gemeinden. 

lL. Staatöbebörden: a. Großer Staats— 
rat. Die Curia Regis ift der Rat, der unter den 
normann. Königen an die Stelle des Witena-gemot 
trat. In diejer Berfammlung jollen erſcheinen 1) die 
Prälaten und boben Staatd: und Hofbeamten, 2) der 
Theorie nad jämtlibe unmittelbare Lehnsmannen 
des Königs (Barons), doc wurden tbatjähli nur 
die bejonders hervorragenden (Barones majores) 
berufen. Diefer Rat beriet den König und mar zus 

leib der oberfte Gerichtshof. Die gerichtlichen 
Suntione und ebenio die Kontrolle der Staatös 
nanzen wurbe aber allmäblic einzelnen Mitgliedern 


Englische Berfaffung 


ftändig übergeben und der Name Curia Regis in 
einem engern Sinne dem Kollegium beigelegt, das 
mit diejen Geichäften betraut war. Die größere 
Körperfhaft nimmt dann den Namen Großer Rat 
Magnum Concilium) an; auch aus dieſem ſcheidet 
ich jpäter wieder ein engerer Staatärat aus (f. Ib), 
und andererjeitö erweitert er ſich audy zu der großen 
Landesverfammlung (Commune Concilium, f. II). 
Daneben aber bleibt er aldö Magnum Concilium be⸗ 
fteben und dient in biefer Eigenſchaft 1) ald Ge— 
richtshof, 2) ald Ratsverfammlung des Königs. 
Das Magnum Concilium ald Gerichtshof heißt auch: 
Parlament, curia in parliamento. Der Sprachge⸗ 
braud, wonach nur die aus den drei Reihsftänden 
zufammengejeste Verfammlung Parliamentum ger 
nannt wurde, entjtand erft jpäter. No 1399, als Die 
Commons bereits längjt als jelbftändiges Glied der 
Zandesverfammlung tagten, werden die gerichtlichen 
Entſcheidungen des Barlament3 in einer Erflärung 
der Commons ald ausſchließlich zur Zuftändigkeit 
des Königs und der Lords gebörend bezeichnet, und 
ber Erzbijchof von Ganterbury antwortet im Namen 
des Königs, daß der König und die Lords jeder: 
zeit Die Gerichtäöbarteit des Barlaments gebabt baben 
und nah Rechten weiter baben jollen, fo wie es 
die Commons dargelegt haben, doch wünſcht Der 
König bei dem Erlaß von Geſetzen oder bei Gelbbe: 
milligungen oder Subfidien, oder bei allen Ange: 
legenheiten, die das allgemeine Wohl des Reichs 
betreffen, ihren (d. i. ber Commons) Rat und Zuftims 
mung zu haben. (Über die jegige Gerichtäbarfeit des 
House of Lords, j. Lords, House of.) Als Ratäver: 
jammlung des Königs fommt dad Magnum Con- 
cilium, nachdem einmal das Privy Council (f. Ib) 
ſich — geſtaltet hatte, nicht mehr zuſammen. 
b. Engerer Staatsrat (Privy Council). Es 
iſt anzunehmen, daß unter den Mitgliedern der 
großen Curia Regis unter den normann. Königen 
die Hauptbeamten ſich häufiger als die Geſamt⸗ 
lörperſchaft verjammelten, um den König in wich» 
tigen Angelegenbeiten zu beraten. Ein regelmäßi 
ufammengejester engerer Rat ericheint jedoch er 
keit Heinrich III. (unter der Bezeichnung continuel 
conseil, familiare concilium, secretum concilium 
u. f. mw.) und bat unter Eduard I. bereitö einen 
beftimmten Wirkungsfreis. Zu ihm gehörte bie 
Beratung des Königs in Bezug auf Bittjchriften, 
bie die Milderung der ftrengen Rechtſprechung der 
Gerichtshöfe bezwedten. Dieje Bittichriften wurden 
zunädft dem Kanzler (f. Ic) ge Begutachtung zu 
ewieſen, und aus biefer Praris bildete ſich im 
Oaufe ber Zeit die jog. Billigteitögerihtöbarteit 
diejed Beamten aus. ;yerner hatte diejer engere 
Rat auh Anteil an der Gejehgebung. Unter 
Eduard IIL find die Reihsftände unzufrieden dar: 
über, daß der Rat auch Beiteuerung anordnet (1359). 
Verjcbievenemal verlangen auch die Reichsſtande 
das Recht, bei der Bejegung des Rats mitzuwirken, 
und unter den Königen aus dem Dane ncajter 
beidhäftigen fie fich öfter mit der Ausarbeitung von 
Negulativen für dieje örde, Auch über die Ein: 
vie des Rats in das Gebiet der Rechtſprechung 
at das Parlament ein wachſames Auge. Während 
jo die Macht des Rats dem Parlament gegenüber 
in Schranten gebalten wird, wächſt fie andererjeits 
dem Könige gegenüber. Während der Minderjährig: 
feit der Könige Heinrich IIL., Richard IL. und Hein: 
rich VI. und während der Abweſenheit Heinrichs V. 
werben die königl. Befugniſſe von dieſer Behörde 


Englische Verfafjung 


25 


ausgeübt. Aber auch unter —— Verhaͤlt⸗nannt), unter denen der ——— First Lord 


niſſen tonnte die fönigl. Machivolllommenheit wäh⸗ 
rend dieſer Zeit nur unter Mitwirkung des Rats 
ausgeübt werden. Unter Heinrich VI. fommt die 
Vezeibnung Privy Council zuerft zur Anwendung. 
Unter den Tudors wächſt wieder die perfönliche 
Macht des Königs, namentlich unter Heinrich VIII., 
und unter dieſen Konigen, ebenjo wie unter den 
Etuart?, ift der Privy Council ein williges Wert: 
zeug für bie fibergriffe der Krone. Durd den be: 
rüdtigten Court of Star Chamber (f. Sternfammer) 
werden die gerichtlichen Bejugnifle des Rats auch 
in Straffadhen von neuem zur Anwendung gebracht 
und erweitert, doch bört dieje Gerichtäbarleit 1641 
endgültig auf. Nab ver ——— der 
Stuarts (1660) bildet ſich allmählich die Praxis aus, 
daß nur einzelne unter den Privy Councillors den 
König beraten, und hieraus entjtebt das Syſtem der 
—— Kabinettsregierung (j.Cabinet). Einzelne 
Abteilungen des Rats befteben weiter oder bilden 
ſich für befondere Zwede. Auch werden die Funk— 
tionen des Königs noch jetzt formell ſtets «in 
Couneil», in ®Wirflileit aber nur in Gegenwart 
weniger Privy Councillors auägeübt. Als Ge 
——— tritt dieſe Bebörde nicht mehr zu: 
ammen (f. auch Privy Council). 

e. Die Staatdämter und Gerihtöböfe: 
a. die Staatöämter Der Hauptjtaatäbeamte 
unter den normann, Rönigen war der Oberrichter 
(Justiciar), der während der Abweſenheit des Königs 
als Regent fungierte und auch während feiner An 
mweienbeit das Haupt der Finanzverwaltung und der 
Rebtöpflege war. Das Amt nahm nad dem Falle 
des mächtigen Hubert de Burgb (1232) an Würde ab 
und wurde nod vor Ende des 13. Jahrh. bejeitigt. 
Als Haupt der Juftizverwaltung betbätigt fich in der 
Boloe der Kanzler (Chancellor). Ein folder Beamter 

jtebt ſchon ſeit Eduard dem Belenner und fungierte 
zuerſt nur ald Hauptjchreiber des Königs, wurde aber 
allmäbli fein vertrauter Ratgeber, namentlich in 
Bezug auf Bittſchriften gegen all ns Beſchlüſſe 
der gewoͤhnlichen Gerihtäböfe. Meiſtens dem geiſt⸗ 
lichen Stande angebörend (nachdem das Amt an 
Anſeben ftieg, regelmäßig ein — Prälat) 
fuchte er Treu und Glauben im Gegenfaß zu ber 
Strenge des Rechts zur Geltung zu bringen. Aus 
biejer Funltion entwidelte ra eine regelmäßige Ge: 
rihtöbarleit (f. Ib), die den Namen der Billigteitd: 

erichts barleit erbielt. F der Regel war und iſt noch 
te der Kanzler Bewahrer des großen ur ir das 
unter allen wichtigen Staatsurlunden abgebrudt 
werden muß, und ift im ganzen Verlauf der engl. 
Geſchichte einer der wichtigften Staatöbeamten ge 
blieben (ſ. auch Lord Chancellor). Ferner find von 
bervorragender Bedeutung die Beamten der Finanz⸗ 
verwaltung. Eine Abteilung der Curia Regis (im 
engem Sinne) war das Schaßamt (Exchequer, ſ. d.), 
dem der Treasurer vorjtand, der nach Bejeitigung 
bes Amtes des Justiciar ebenfo wie der Chancellor 
en Hauptbeamter des Königreihs wurde. Sein 
Zitel ift fpäter Lord High Treasurer, und die Nacht 
es en war eine jo überwiegende, dab man 
bäufig das Amt nicht beiekte und es durch eine aus 
mebrern Mitgliedern beitebende Kommiſſion ver: 
walten ließ. Seit Wilbelm II. ift dies regelmäßiger 
Gebrauch geworden, und das Amt des Lord High 
Treasurer wird jebt durch —* Erregern 
of Her Majesty’s Treasury verwaltet (im gewöhn: 
lihen Sprachgebrauch Lords of the Treasury ge: 


of the Treasury, meiftens die Funktion eines Pre 
mierminifter® ausübt und die Regierungspartei 
im House of Commons leitet, weshalb er aud 
als Leiter des Haufes bezeichnet wird. Der zweite 
Lord of the Treasury ijt der Chancellor of the 
Exchequer, der jebt die eigentlichen Funktionen 
eines Finanzminiſters ausübt. Der Präfident des 
Council hatte nie eine hervorragende Stellung als 
Staatöbeamter. Der Titel findet ſich bereitö nur 
Seit Eduards II. Das Amt wird jetzt gemöhnlich 
einem boben Adligen verlieben, deſſen Anmwejenbeit 
im Kabinett erwunſcht ift, der aber für die regel: 
mäßige Xhätigleit ald Haupt eined Zweigs ber 
Staatöthätigleit Feine befondere Neigung ober 
re bat. Das heute höchſt wichtige Amt eines 

taatsjelretärd war früher von untergeorbneter 
Bedeutung. Der Selretär des Königs hatte, nad: 
dem der Chancellor allmählich wichtigere Befugniſſe 
übernommen batte (f. oben), die Korreſpondenz des 
Königs zu führen und war mit dem Signet (dem 
Privatfiegel, im Gegenfag zu dem groben Staats⸗ 
im Great Seal, und dem Siegel, mit dem die 
päter mit dem Staatäfiegel zu verjebenden Urkuns 
den zuerjt verjeben wurden, dem Privy Seal) betraut. 
Sein Titel war urſprünglich King’s Clerk (tönigl. 
Schreiber), aber bereits zur Zeit Heinrichs II. findet 
fih die Bezeihnung King’s Secretary. Unter Hein: 
ri VIII. finden ſich zwei ſolche Sefretäre; von dieſer 

eit an wird ed auch zur Gewohnbeit, daß wenig: 
tens einer von ihnen Mitglied des Privy Council 
tft. Unter Elifabeth findet fich zuerft die — 525 
nung Principal Secretary of Estate als Titel Sir 
Robert Cecils (f. Saliöbury). Die Bedeutung bes 
Amtes wächſt namentlich in der zweiten Hälfte des 
17. Jahrh. während der die Behandlung der aus⸗ 
mwärtigen Angelegenheiten die einen Hauptzweig 
der Thätigfeit der Staatäfelretäre bildete, beſonders 
ſchwierig war. Damals wurden ſämtliche Geſchäfte 
von den beiden Selretären beforgt. Erit jeit 1782 
ift die Verwaltung der innern von der altung 
der auäwärtigen Angelegenbeiten getrennt. Heute 
gt es fünf Staatsfelretäre, die verſchiedene 

eſſorts haben und im gewöhnlichen Sprachge⸗ 
brauch nach dieſen bezeichnet werden, als Home 
Secretary (für bie innere —— ‚ Foreign 
Secretary (für die auswärtigen Angelegenbeiten), 
Colonial Secretary (für die Kolonien), Secretary 
for India (ne Indien) und Secretary for War für 
die Verwaltung der Heeredangelegenbeiten). Der 
offizielle Titel eines jeden von ihnen ift aber One 
of Her Majesty’s principal Secretaries of State. 
Der Übergang von einem Refjort zum andern wird 
nit als Antritt eines neuen Amtes angejehen, 
weshalb auch ein Mitglied des House of Commons, 
das B. die Stellung des Colonial Secretary mit 
der Stellung des Home Secretary vertaufcht, feinen 
Sitz im Parlament nicht verliert. Der Flotte ftand 
früber der Lord High Admiral vor. Ein folder 
wird bereits 1385 ernannt, aber erft feit 1405 wird 
der Poſten regelmäßig befekt ; 1632 wird zum erſten⸗ 
mal eine Kommifjion zur Bejekung des Amtes 
ernannt. Nah der Miedereinjeßung der Stuarts 
wird der Herzog von Work zum Lord High Admiral 
ernannt, muß aber 1684 infolge der Teitalte (ſ. d.) 
das Amt aufgeben, das er fpäter ala König (f. Ja: 
tob II.) wieder übernimmt. Auch Prinz Georg von 
Dänemark (der Gemahl der Königin Anna) war 
Lord High Admiral, aber feitvem wurde dad Amt, 


26 


mit Ausnabme der kurzen Zeit, in der es 1827 der 
Herzog von Elarence (ver jpätere König Wilhelm IV.) 
befleidete, Bm in ähnlicher Weife wie das Amt 
des Lord High Treasurer von einer Kommiffion 
verwaltet, beren erſtes Mitglied, der First Lord of 
the Admiralty, ftet3 Privy Councillor und Mitglied 
des Kabinetts iſt. Im egenfab zu den Lords ber 
Treasury, die nicht ald Kollegium zufammentreten, 
bilden die Mitglieder der Admiralty eine beratende 
Körperichaft, die als ſolche alle neuen Maßregeln 
begutachtet. Ein der neuern Zeit angebörender 
Beamter ift der Präfident der Handelsbehörde. 
Nachdem bereit3 unter Erommell eine Kommiffion 
für Handel und Schiffahrt ernannt worben war, 
wurde 1660 von Karl II. ein Council of Trade ein: 
geiekt, der fpäter mit dem Council of Foreign Plan- 
tations vereinigt und 1782 auf Grund eines An- 
trags von Burke befeitigt wurde. 1686 wurde eine 
—— des Privy Council gebildet, die Com- 
mittee of Council for Trade genannt, fpäter aber 
zu einer getrennten Bebörbe ald Board of Trade 
umgeftaltet wurde. Der Form nad iſt der Board 
of Trade nod immer eine Abteilung des Privy 
Council, die bei Gelegenheit des Regierungsantritt3 
jedes neuen Souveräns gebildet wird, und zu der 
außer dem Präfidenten der erite Lord of Treasury, 
der Chancellor of the Exchequer, die Staatd: 
felretäre, der Sprecher des Haufes der Gemeinen 
und der ee von Ganterbury gehören. That: 
ſächlich aber bejtebt diefes fog. Kollegium nur aus 
einer Perſon, nämlich dem Sräfibenten. Eine an: 
dere Abteilung des Privy Council ift das 1853 bes 
gründete Committee of Council of Education, das 
mit der Überwahung des Schulweſens betraut ift. 
Diefe Abteilung tritt aber thatſächlich ala Kollegium 
ujammen und berät über principielle fragen, die 
aufenden Geſchäfte werden von den Vicepräfiden: 
ten beforgt; Präfident ift der President ofthe Privy 
Council. Neugebildete Bebörden find ferner der 
Local Government Board, die Behörde, die Ge: 
ſundheits⸗ und Armenweſen überwacht und die Kreis⸗ 
und ftädtifche Verwaltung beauffichtigt, und die 
Bebörbe des Setretärs für Schottland, ferner der 
Board of Agriculture (Aderbauminifterium). 

B. Die Gerichtshöfe. Es ift bereits erwähnt 
worden, daß der lönigl.Rat(Curia Regis) zur Zeit der 
normann. Könige neben feinen andern Verugniffen 
auch die eines höchſten Gerichtshofs hatte. Diejer 
Gerichtshof ſtand über und neben den Gerichtähöfen 
in den Provinzen (County Courts, Hundred Courts 
u. ſ. w.). Er diente als höchſte Berufungsinftanz 
und war ausfchliehlih zuitändig in Saden, bei 
denen das Intereſſe des Königs in Frage fam, 
ebenjo bei den Streitigkeiten der großen Grund: 
berren, die der Gerichtsbarleit der Grafſchaftsge— 
richte nicht unterftanden. Er wußte ferner einzu: 
reiten, wenn das gewohnheitsrechtliche, ſtreng 
ormelle Berfabren der Gerichte auf dem Lande den 
ejondern Umjtänden eines Rechtsfalls nidht an— 
pepabt werben konnte, indem er den Prozeß in einem 
olchen Falle an fih beranzog. Je mehr fi die 
Thatigleit dieſes Gerichtshofs entwidelte, deſto not= 
wendiger wurde ed, feine Geſchäfte bejondern Mit: 
gliedern deö Rats anzuvertrauen. Wahrſcheinlich 
waren dies urfprünglich diejelben Perſonen, die ala 
Vorſteher der Finanzverwaltung (Exchequer) den 
Zitel Barons of the Exchequer und als —* 
auch Gerichtsbarleit in Steuerfragen hatten. Hein⸗ 
rich IL., deſſen zielbewußte Politik es war, die unter 


Englifche Berfafjung 


feinem Vorgänger zu ſtark angewachſene Macht der 
Grundberren zu ſchwächen und die Centralmacht zu 
zen wandte jeine Aufmerkfamkeit mit befonderer 
orliebe auf die Gerichtöorganifation. Das Wort 
Curia Regis nahm unter Regierung den engern 
Sinn eined Gerihtähojd an, dem berufämäßige 
Richter vorjtanden, fo daß nunmehr zwei Gerichts» 
böfe befteben: der Court of Exchequer und bie 
Curia Regis. In legterm Gerichtäher wurden, wie 
bereits erwähnt, ſowohl Angelegenheiten der Krone 
— Coronae) als auch allgemeine Angelegen⸗ 
eiten (Communia Placita gleich Common Pleas) 
verhandelt. Der Gerichtshof war noch immer das 
Gericht des Königs, und wenn der König aud nicht 
an den Sigungen teilnahm, fo folgte ver Gerichtshof 
ihm doch auf feinen Reifen durch das Land. Dadurch 
entitand der Mißjtand, dem Artikel 17 der Magna 
Charta begegnet, indem er vorjchreibt, daß in der 
— die allgemeinen Angelegenheiten an einem be⸗ 
timmten Orte verhandelt werben ſollen. Infolge⸗ 
deſſen ſondert ſich ein zweiter Gerichtshof von der 
CuriaRegis ab, der Court of Common Pleas. Zur Zeit 
Eduards J. hat ſich die Sonderung ber drei Gerichts⸗ 
böfe vollendet. Die Courts of King's Bench, Com- 
mon Pleas und Exchequer haben jeder jeinen eiges 
nen Wirkungstreis, und auch das Richterperſonal 
ift nunmehr in drei Kollegien eingeteilt. Das Amt 
des Justiciar (f. Ic, «), der früber jämtlihen Ges 
richten vorjtand, beitand nicht mebr, und es wurden 
nunmehr regelmäßig Oberrichter mit dem Titel Chief 
Justice of the King’s Bench und Chief Justice of 
the Common Pleas ernannt, feit Eduard II. auch 
Chief Barons of the Exchequer. Damit find die 
drei gemeinrechtlichen Gerichtäböfe endgültig fon: 
ftituiert und beſtehen bis 1875 obne weſentliche Ver⸗ 
änderungen fort (j. Court). Wenn aud bie Magna 
Charta nur die Zofalifierung berCommon Pleas ver: 
langt, wurbe es doch bald Gebrauch für alle Gerichts: 
böfe, in Weſtminſter zu tagen. Die Richter wurden 
aber außerdem auf Rundreifen in die ——— 
ſchidt. Das Inſtitut der reiſenden Richter, deſſen 
Spuren ſich bereits unter Heinrich I. finden, wird 
definitiv eingeführt dur den thatkräftigen Hein: 
rich IL, deſſen Streben eö war, die Macht des Adels, 
der in ben County Courts großen Einfluß batte, 
zu ſchwächen. Dur den 19. Artifel ver Magna 
Charta wird das Inſtitut von neuem bejeftigt, in- 
dem bejtimmt wird, daß zwei Richter jede Grafſchaft 
viermal im Jabre befuchen jollen. Die reifenden 
Richter bilden das Bindeglied zwiſchen den Fönigl. 
Gerichten und den Vollägerichten (County Courts), 
ngieren aber weiter, nachdem leßtere bedeutungs⸗ 
08 geworden find, und machen es noch heute * 
die Bewohner der Provinzen moglich, ihre Streitig⸗ 
keiten den hervorragendſten Juftizbeamten des Lan⸗ 
des zur Entſcheidung zu unterbreiten, ohne bie 
Grafſchaft zu verlafjen (f. Court). Nachdem die ge: 
meinrectlibe Gerichtsbarkeit des Königs auf die 
erwähnten Gerichtshöfe übergegangen war, fuchte 
er weiter durch Vermittelung des Kanzlerd in bie 
Rechtſprechung einzugreifen. Es ift bereit3 erwähnt 
worden, daß ſich auc bieraus eine regelmäßige von 
der perfönlihen Willtür des Königs unabhängige 
Gerichtsbarkeit, die ſog. Billigleitägerichtsbarteit 
entwidelte, und es ift ebenfo erwähnt worben, daß 
fodann der König mit Hilfe des Privy Council eine 
über den regelmäßigen Gerichten ſtehende richter: 
lihe Macht T behaupten juchte. 1641 wurde jedoch 
der Court of Star Chamber (f. Sternfammer) und 


Englische Verfaffung 


überhaupt die Gericht3barteit des Königs und des 
Privy Council definitiv befeitigt, jedoch nur in Bes 
pie auf England und auf die weltlihe Gerichtö- 

arleit. Für Berufungen aus den Kolonien und 
aus den geiftlihen Gerichtöböfen ift das Pri 
Council noch immer die höchſte Inſtanz, aber au 
bier bat fich jest in dem Judicial Committee ein 
regelmäßiger Gerichtähof ausgebildet, der von dem 
periönlihen Einfluß des Souveräns ebenfo unab- 
bängig ift wie die andern Gerichtshöfe. Die Act of 
Settlement (f.d.) befeftigte die Stellung der Richter, 
indem fie vorjchrieb, daß jie nur — Grund einer von 
beiden Parlamentshäuſern ausgehenden Adreſſe an 
den Souverän entlaſſen werben können. 

I. Das Barlament. Die Verſammlung, diezur 
Zeit der normann. Könige und der Blantagenets 
vor Eduard I. von dem Könige bei den größern 
Regierungdbandlungen zu Rate gezogen wurde, be⸗ 
ftand in der Regel aus den Prälaten, den bödjten 
Beamten und den großen Grundherren. Der Name 
Barlament für diete Berfjammlung wird von einem 

fin per 1246 angewandt; im Gegenjaß 


Zeitgenoſſ 
zu dieſer Verſammlung ſtehen die Verſammlungen 


der Kronvaſallen für die Zwede der Beſteuerung. 


Die Geſamtheit der Kronvaſallen iſt die Communi- 
tas Remi, die nach der Magna Charta die außer: 
ordentlichen lehnsrechtlichen Abgaben zu billigen 
bat. Sie entwidelt jih fpäter zu einem der Reichs⸗ 
ftände (Estates of the realm), ebenjo wie die Geiſt⸗ 
lichkeit, die ebenfall3 als getrennte Körperſchaft tagt 
und Steuern bewilligt. Da ſich die Prälaten jo- 
mobl wie aud die weltlihen Magnaten bereits im 
eigentliben Reichdrate vereinigten, beitanden bie 
andern Berjammlungen nur aus der niedern Geift: 
lichkeit und aus den kleinern Kronvajallen, die im 
13. Yabrb. nicht mebr Barones minores, ſondern 
Knights (Ritter) ofthe Shire genannt werden. Die 
Knights of the Shire tagen häufig gleichzeitig mit 
dem eigentlihen Barlament und werden ur bier 
und da zu polit. Beratungen zugezogen. So er: 
fcheinen bereit 1213, alfo vor der Magna Charta, 
«vier verjtändige Ritter» aus jeder Graficaft, die 
mit dem wantelmütigen Johann über die Entſchä— 
digung an die Bijchöfe nach Beendigung des großen 
tirhlicen Streits, aber auch im nn über die 
Lage des Landes beraten follen. So werden 1254, 
hr ha der Abmejenbeit Heinrichs II. in Frant: 
reich, zwei «rechtliche und verftändige» Ritter aus 
jeder Grafihaft nah Weftminiter berufen, wo zur 
Zeit das Parlament tagte. Bei dem von Simon 
von Montfort 1265 berufenen Barlament erfcheinen 
zum erjtenmal aud Vertreter der Städte. Das 
Syſtem ber Vertretung, das fi in den Verfamm: 
lungen der Geiftlichleit und der Knights nunmehr 
gan eingebürgert batte, war ben engl. Vollsgewohn⸗ 

eiten überhaupt nicht fremd; bereits zur angelſächſ. 
* erſcheinen in den Grafſchaftsverſammlungen 
ſtatt ſämtlicher Geeleien der Amtmann (Reeve) 
eder Gemeinde (Township) mit vier Männern als 
Bertreter ber Gemeindegenojjen. Nach der Magna 
Charta (Art. 18) joll jede a nigra 
vier Männer erwäblen, die zujammen mit ben reis 
ſenden Richtern gewiſſe Prozejie zu leiten haben. 
Für die Verteilung der Steuern (3. B. bei der 1188 
nah dem Fall von Jeruſalem bewilligten Saladin 
Tithe) und ebenſo in der Eigenſchaft der für ge 
riptliche Zwecke beitellten Geſchworenen (juratores) 
fungieren bereit unter Heinrih II. erwählte Ber: 
treter der Grafſchaft. Da die Berufung der Hleinern 


27 


Kronvafallen zu den fteuerbewilligenden Verſamm⸗ 
lungen nad} der Magna Charta durd ga 
der jeder Grafſchaft vorſtehenden Sheriffs zu erfol⸗ 
gen hatte, lag es nahe, das in der Graſſchafts⸗ 
organifation jo vielfach verwendete Repräſentations⸗ 
am auch bier anzumenden, und bie Vertreter der 
Knights of the Shire in den Grafſchaftsverſamm⸗ 
lungen zu erwählen. Die Wahl ver Mitglieder des 
House of Commons, die noch heute vom Sheriff in 
jeder Grafjchaft geleitet wird, ift von diefem Ver: 
—— ausgegangen. Auch bei den Verſammlungen 
der Geiſtlichen bildet ſich das Syſtem der Vertretung 
im 13. Jahrh. aus. Das erſte Beifpiel findet ſich in 
der 1225 von dem Erzbifchof Stephen Langton be: 
rufenen Verfammlung. 1295 tagen zum erjtenmal 
die drei Reichsſtände zufammen in einem Parla: 
ment, dem 68 Model Parliament Eduards J. Die: 
fer Monarch vereinigte dauernd die jteuerbemilligen» 
den Verfammlungen der Kronvafallen und der Geift- 
lichkeit mit den polit. Verfammlungen des Tönigl. 
Rats, indem er zuerit den Grundſatz ausſprach, daß 
was alle berührt, au von allen gebilligt werben 
folle. Damit war die Orundlage die weitere Ent: 
widlung gefunden (über dieſelbe |. Commons, House 
of, und Lords, House of). Es entwidelte ih: 1)das 
Recht der Steuerbemwilligung, indem die Steuern 
den Charakter lehnörechtliher Abgaben verloren 
und den Charalter von Beiträgen zu den Staatsaus⸗ 
gaben erhielten, und infolgedefjen auch das Recht 
der Kontrolle über die Staat3ausgaben (f. unten); 
2) das Recht der Geſetzgebung, anfangs konkurrie⸗ 
rend mit dem Souverän, ſeit 1610 ausſchließlich 
dem Parlament vorbehalten; 3) weit jpäter erit 
und nur ſehr langfam das Recht der Kontrolle über 
die Erekutive (erited Beiſpiel: Unterfuhung über 
den Krieg in Irland 1689, über die weitere Ent: 
widlung j. Cabinet). Nachdem die Geiftlichkeit ihre 
Beteiligung an den Barlamentäverjammlungen nad 
kurzer Beit wieder eingeitellt hatte, und nachdem auch 
ihre Brovinzialverfammlungen feit 1665 nicht mebr 
den Zweden des Staatshaushalts dienten, giebt 
es nur zwei Reichsſtände: die Lords (zu denen die 
Mehrzahl der Biſchöfe gehört) und die Commons. 
Souverän, Lords und Commons zufammen bilden 
beute das Parlament. 

II. Finanz: und Steuerwejen. Die Finans 
zen des Staates find zur Zeit der normann. Erobe: 
rung identiſch mit den Finanzen des Königs. Als 
oberiter Lehnshert beziebt er die regelmäßigen Ge: 
Ye und die Einnahmen jeiner®erichtäbarteit. Dazu 
ommen im Laufe der Zeit gewijje außerordentliche 
Einnahmen, nämlich: Schildgeld (scutage), das 
von den Ritterlehen ald Erſatß des Dienites im 
Lehnsheer erboben wird (von Heinrich II. feit 1159 
regelmäßig eingeführt); 2) eine Abgabe, die im Ver: 
hältnis zum Grundbelig in ähnlicher Weiſe wie das 
früher übliche Danegeld erhoben wurde und von 
Heinrih II. ald donum —— Abgabe), von 
Richard Löwenherz als carucage bezeichnet wurde; 
3) für beſtimmte Zwecke wurde auch eine Quote des 
beweglichen Vermögens von den Beteiligten bemil: 
ligt fo j. B. die Saladin Tithe nad dem Fall von 
Serujalem 1188; das Viertel für Richards Löſegeld 
1193 u. |. w.); 4) der —— die auf dem Lande 
an die Stelle des Danegelds trat, entſprach in den 
Städten das ſog. Hilfsgeld, auxilium, ſpäter tallage 

enannt, das bereits unter Heinrich J. vorlommt. 
uf dieſe außerordentlichen Abgaben benieht ſich die 
befannte Stelle in der Magna Charta, die jagt, daß 


28 


scutage und auxilium (abgejehen von drei beitimm: 
ten Fällen) nur nad allgemeiner Beratung (per 
commune consilium regni nostri) zu erheben find. 
Der betreffende Artikel wurde von Heinrich ILL. wie: 
ber bejeitigt und blieb aud bei den fpäter erfol: 
genden Beitätigungen bes großen Freibriefs weg; 
Iebodı bat die von Eduard I. 1297 erlafjene Con- 
atio Chartarum eine viel weiter gehende Klauſel, 
deren Bedeutung auch dadurd erhöht wird, daß die 
Verſammlung der Kronvajallen inzwiſchen zu einem 
regelmäßigen Beitandteil des Parlaments gewor: 
den war. Die betreffende Klaufel erwähnt indefien 
nicht außbrüdlich das oben erwähnte tallage, das 
fodann aub von Eduard I. (1301), Eduard IL. 
(1312) und Eduard III. (1332) ohne Genehmigung 
des Parlaments erhoben wurde. Ein Gejek von 
1340 beftimmt ſchließlich, daß überhaupt keine Steuer 
ohne parlamentarijche —— zu erheben ſei. 
Neben den erwähnten direlten Steuern wurden 
chon zur Zeit der normann. Könige Zölle erhoben, 
insbejondere auf Wein und Wolle, Die Zölle wer: 
den in der Magna Charta (Art. 41) als antiquae et 
rectae consuetudines bezeichnet, die zu erheben 
find, jedoch obne alle Erpreffung (sine omnibus 
maletoltis), Unter Eduard I. entmwidelte fich die 
Bedeutung der Zölle auf Wolle als Einnahme: 
quelle, und es wurden ſowohl von diefem Könige 
als von feinen beiden nächſten Nachfolgern aud 
—— e Zölle ohne parlamentariſche Ge 
nehmigung erhoben, mandmal jevod mit Geneb: 
m ung der beteiligten Kaufleute; 1371 wurde in- 
deffen eitimmt, daß Zölle auf Wolle ohne Geneb: 
migung des Parlaments felbjt mit Zuftimmung 
der Kaufleute nicht mehr zu erbeben jeien. 1373 
werben Zonnengeld und Pfundgeld (tonnage and 
undage), d. b. die ſchon in früherer Zeit üblichen 
ölle auf Wein und Kaufmannäware vom Par: 
lament auf zwei Jabre bemilligt, und bilden in der 
olge eine regelmäßig vom Parlament genehmigte 
teuer. Während die andern der Genehmigung des 
Parlaments bedürftigen Abgaben zu dieſer Zeit ſtets 
für einen beſondern Zwech genehmigt wurden, wurden 
tonnage und poundage im allgemeinen bewilligt 
«für die Landesverteidigung und die Bewachung 
und Beſchutzung der Meere und für die Sicherheit 
der Ein: und Ausfuhr von Maren», und zwar an: 
fangs auf eine beitimmte Anzahl von —* ſeit 
Heinrich V. (1413) bis zum Regierungsantritt 
Karls J. (1625) ſtets auf Lebenszeit des Souveräng, 
Die zuerſt erwähnten außerordentlichen Einnab: 
men aus direlten Steuern bilden bereits eine fiber: 
gangsſtufe zwijchen den Abgaben, die die Kron: 
vaſallen als ſolche zu leiten hatten, und einer all- 
gemeinen Landesbeiteuerung, und feit Eduard I. 
tritt die legtere Cigenihaft in den Vordergrund; 
auch fuchte der lekterwähnte Monarch vorzugsmeife 
aud den Iog: parlamentarifhen Abgaben die Aus: 
gaben des Staatöhaushalts zu beitreiten und de 
weniger auf die regelmäßigen lehnsrechtlichen Ge 
älle zu_verlafien. Unter feinen Nadfolgern be 
eitigte fi) die erwähnte Tendenz noch weiter. Im 
esten Regierun 2. Eduard II. (1377) wird 
eine allgemeine Herditeuer (polltax) bewilligt, eine 
Steuer, die den Gedanten einer Beitragspflicht zu 
den Staatöausgaben, im Gegenſatz zur lehnsrecht⸗ 
lichen Verpflihtung, am deutlichiten ausprüdt. 
Berjuce einer Kontrolle über die Verwendung 
derbemilligten Gelder finden ſich bereitöim 13. Jahrh. 
1237 fucht Heinrich IIL. die Barone zu einer Geld: 


Engliſche Verfaſſung 


—— dadurch zu bewegen, daß er ſich mit der 
Verwaltung der Gelder durch eine vom Staatsrate 
ernannte Kommiſſion einverſtanden erklärt; 1244 
ſuchen die Magnaten eine Geldbewilligung von 
einer ähnlichen Bedingung abhängig zu machen. 
Eine ähnliche Tendenz bat die von den Lords Or- 
dainers unter Gduard II. erlaffene Beitimmung, 
daß bie Zölle in die Staatslaſſe (Exchequer) ein- 
zuzablen jeien, Die Kriege Eduards II. ın Frank⸗ 
reih und die mit diefen zufammenhängende Ber: 
mebrung der Staat3ausgaben veranlafjen das Bars 
lament, über die Vermendungsmeije der Gelder zus 
glich mit ihrer Bewilligung zu beitimmen. Das 

eitreben, auch die Bıauunesahlane über die 
Ausgaben dur einen dem Parlament verantwort: 
lihen Schakmeifter prüfen zu lafjen, wurde erjt nach 
dem Negierungsantritt Richards II. von Erfolg ge⸗ 
trönt. Obgleich nachher Heinrih IV. gegen das 
Spitem Widerſpruch erhob (er fagte: «Ftönige legen 
nit Rechnung ab»), wurde ed nach wiederholten 
Kämpfen 1406 endgültig eingeführt und von den 
Zungen aus dem Haufe Yancaiter jtreng beobachtet. 
Die Kriege der Rojen in der zweiten Hälfte des 
15. Jahrh. braten einen Zuitand der Verwirrung, 
in dem die erwähnten Grundſätze in Bergefienheit 
gerieten. Unter den Tudors waren die Parlamente 
au knechtiſch und unterwürfig, um fie wieder zur 

eltung zu bringen, Inzwiſchen war auch ein neues 
Spitem aufgelommen, durd das die Könige ſich 
Geld zu verihaffen wußten. Schon früber batten 
fie died durch Zwangsanleihen verſucht, und ein 
Geſetz Eduards IH. richtet fih gegen dieſe; doc 
fommen fie unter den Königen aus dem Haufe Wort 
unter dem Namen der Benevolences wieder auf. 
Obgleich auch die Benevolences durch ein Gefek 
Richards IL. befeitigt wurden, wurden fie doc 
wiederum von den Tudors angewandt und erjt burch 
die Petition of right (f. d.) befeitigt. Der letzte 
Verſuch, eine nit vom Parlament genehmigte 
Steuer zu erbeben, wurde von Karl I. auf Vorſchlag 
feines Kronanmalts Sir William Noy gemacht, der 
einen alten Gebraud ausfindig gemacht hatte, wo⸗ 
nad) die Seeftädte verpflichtet waren, auf Verlangen 
des Königs eine Flotte auszurüften oder eventuell 
die dazu erforderlihen Gelder beizuiteuern, Die 
Dppofition gen die bierauf erfolgenden Maß: 
regeln, die Weigerung Hampdens und anderer, das 
fog. Ship-money zu zablen, das joppikeifene Urteil 
der Majorität der Richter über die Gefeklichleit der 
Steuer waren zum großen Teile die Urſache der dar⸗ 
auf folgenden Enttbronung und Enthauptung des 
Königs. Nach der Reitauration der Stuartö 1660 bes 
innt die Entwidlung, die dem engl. rg ng 55 
fine noch jeht bejtebende Geitalt a eben bat. Die 
ebnärehtlihen Abgaben werben Heiti t und an 
ihre Stelle die Acciſe (Excise), d. b. eine Abgabe auf 
inländiijhe Erzeugniſſe, wie Malz, Branntwein 
u. ſ. m., eingeführt. Das Recht des Parlaments, 
über die Verwendung der Gelder zu beitimmen und 
die Rechnungen zu fontrollieren, lebt wieder auf und 
wird vondaan has anerfannt (j. Commons, House 
of). Der nächſte Schritt war, auch über die Ver: 
wendung ber jog. erblichen Einkünfte, beitebend 
aus den Erträgnifjen der Kronländer und ber jtatt 
der lehnsrechtlichen Abgaben eingeführten Ercife, 
Beitimmungen zu treffen. E3 geſchah dies bei Wil: 
helms III. und Marias Regierungsantritt (1689), 
Damit wurde bewirkt, dab in der Folge auch für 
die perjönliben Ausgaben ded Souveräns eine 


Engliſche Verfaſſung 


Grenze beitimmt wurde. Bei dem Regierungsantritt 
Geotgs III. wurden die erblichen Einkünfte an ven 
Staat abgetreten und dagegen eine beitimmte 
Summe, die jog. Civil List (Eivillifte, ſ. d.), für 
den König auögejeßt. 

Bereits 1407 war es feftgeitellt worden, daß alle 
Geieke, die fih auf Gelbbewilligungen bezieben, in 
eriter Zinie dem House of Commons unterbreitet 
werden müflen, 1671 wurde ferner beitimmt, daß 
Geſetze, die die Staatäfinanzen betreffen, vom 
House of Lords nicht abgeändert werben dürfen. 
1664 wurbe beſtimmt, daß bie Geiftlihen ebenſo 
wie die Laien die allgemeinen Steuern zu bezahlen 
baben, und die getrennte Bejteuerung der Geiſtlich⸗ 
teit bört von nun an auf. 

IV. Die Bermwaltungder Graffhaftenund 
der kleinern Berbände. Das Wachstum der 
Eentralgewalt und der Macht der Grundberren 
madt ſich zur Zeit der normann. Könige aud in 
Par auf die altung auf dem Lande in viel: 
facher Weiſe bemertlih und verändert die Geftalt 
und die Funktionen der Gemeinde (Township, 
Villa), des Bezirtö (Hundred) und der Grafſchafi 
(Shire). Das Gemeindegericht wird nun zum Ge: 
richt des Grundberrn (Court Baron), wo über 
unmictige Streitigleiten verhandelt wird. Daneben 
bleibt aber die Gemeindeverfammlung (Town-gemot) 
für andere Zmede beſtehen. Sie wählt den Ge 
meindevoriteber (Reeve) und die vier Männer, die 
als Bertreter der Gemeinde in den Bezirks- und 
Grafibaftsverfammlungen erfheinen (mit Auss 
nabme jevod von ben Fällen, wo die Gemeinde 
mitglieder in abbängigem Verhältnis zum Lord 
fteben, dort ernennt der lektere den Reeve). Da: 
neben fungiert die Gemeinde ald Organ der grö- 
Sern Verbände und bat in deren Auftrage Steuern 
einzutreiben, Verbrecher zu verfolgen und — 
Sachen ausfindig zu machen. Pit der Townshi 
identiſch waren zur angelſächſ. Zeit wabriceinlig 
die Zehnſchaften, Tithings, an die antnüpfend die 
normann, Könige das Inſtitut der Geſamtburgſchaft 
einführen; jeder freie Diann foll demnach einer Zehn: 
ſchaft angebören, die für jedes ihrer Mitglieder 
itrafrechtlich haftet und infolgedeſſen aud Aufficht 
über fie ausübt. Der Sheriff bat auf feinen Rund: 
reijen die Ausführung diejer Beitimmungen zu fons 
trollieren. Es geſchieht dies einmal jährlich in der 

erſammlung des Hundred. Es iſt dies die ſog. 
view of frankpledge. 

Größere Wictigteit ald die Landgemeinden haben 
die organijierten Städte, bie jog. Boroughs und 
Cities, meiſtens urfprünglib au3 mebrern Town- 
ships zuſammengeſetzt (legtere beſtehen für einzelne 

mwede weiter und erijtieren teilmeife beute noch ala 

lieder im Gejamtorganigmus). Dieje Boroughs 
und Cities nehmen in der normann. Zeit ſehr an 
Bedeutung zu. Die Stadt London fteht vereinzelt 
ba, da fie bereitö frühzeitig aus dem Grafichatte 
verband herausgeriſſen und ähnlich wie eine jelb: 
tändige Grafſchaft organifiert war. Die Verfaſſung 
der andern Städte gleicht mehr der Verfaſſung eines 
Hundred al3 derjenigen einer Gemeinde. Die mei: 
tten Städte ftehen in unmittelbarem Lehnsverhält⸗ 
nie zum König; mo dies der Fall ift, erhalten fie 
ifr Korporationsrecht dur Tönigl. Sreibrief; mo 
he unter einem Lord ſtehen, verteilt diejer die Pri⸗ 
tilgien. Abgejeben von einzelnen Ausnahmen bat 
det Sheriff in den Städten diejelbe Gewalt, wie in 
den übrigen Teilen der Grafſchaft; um aber nicht in 


29 


ungerechter Weife zu den Steuerlaiten zugezogen zu 
werben, ſetzen die Städte es vielfach durch, ne: ie 
als beſondere Einheit beiteuert werden und die Ber 
teilung der Steuern unter die Bürger felbitändi 
ee Bi Die Entwidlung der Jnnungen jpielt 
eine wichtige Rolle in der Geſchichte der Städte, 
und fie haben jedenfall3 in hohem Maße dazu bei- 
go en, die jtäbtijche Selbitändigfeit zu befördern. 
ine Lolemers wichtige Rolle fpielt die — der 
Kaufleute, infolge ihres großen Grundbeliges und 
der hervorragenden Stellung ihrer Mitglieder. 
Häufig wird den Städten das Privileg eines Court 
Leet erteilt, worin leichtere Straffadhen vor den 
Freiſaſſen verhandelt werben. Im übrigen find in 
den meiſten Städten die Bürger zur Teilnahme an 
dem Grafichaftögericht verpflichtet. Das Hundred 
bat in der normann. Zeit nicht mehr diejelbe Be: 
deutung wie früher. Die Hundred Courts waren zu⸗ 
ftändig in kleinern —— doch iſt ihre Ge⸗ 
richtsbarkeit vielfach durchbrochen durch die Gerichts⸗ 
barkeit der Grundherren mit ihrem Court Baron 
x Civilſachen und Court Leet für Strafſachen. 
er Court Leet mußte ſtets beſonders verliehen 
werden. Wo dies nicht der Fall war, wurden Straf: 
ſachen im Hundred Court bei Gelegenheit der von 
den normann. Rönigen eingeführten Rundreiſe des 
Sheriff (Sheriff’s tourn) verhandelt und teilmeije 
gleich abgeurteilt, teilmeife an das Grafſchaftsgericht 
verwieſen. Jährlich einmal bielt der Sheriff im Ber: 
* dieſer Rundreiſe die view of ledge. 
ährend die Bedeutung der Township und des 
Hundred zur normann. Zeit abnimmt, erhält die 
Grafihaft erhöhte Bedeutung, weil fie das Mit- 
telglied zwiſchen der jelbftändigen lotalen Verwal⸗ 
tung und der königl. Verwaltung bildet. Bei Ge: 
legenbeit des Beſuchs der reifenden Richter jollen 
in der Gra ————— erſcheinen: die Prä⸗ 
laten und Großen des Landes und alle Ritter und 
Sreitaflen, außerdem vier freie Männer aus jeder 
emeinde mit dem Gemeindevoriteber und zwölf 
freie Männer aus jeder Stadt. Vom Erſcheinen bet 
den gewöhnlichen monatlich jtattfindenden Verſamm⸗ 
lungen find indefien viele teild durch Privileg be: 
freit, teils gewohnheitsmäßig abweſend; regelmäßig 
erſcheinen nur die Gemeindevertreter und die Ber: 
onen, die bei den gerabe vorliegenden Angelegen: 
eiten beteiligt find. In diefen gewöhnlichen Ber: 
ammlungen fommen außer den Prozeſſen (vie jeit 
Heinrich II. vielfach bis zum Beſuch der reifenden 
Richter vertagt werden mußten) Angelegenheiten der 
freiwilligen Gerichtöbarteit vor (Auflafjungen, Be: 
urlundung von Rechtsgeſchäften u. j. w.), ferner 
Angelegenbeiten der Verwaltung und der Polizei, 
Wahlen von Vertretern für verſchiedene Zwede u. ſ. w. 
An die Grafſchaft als Einheit 3* ſich das durch 
die normann. Könige eingeführte Syſtem des ſog. 
inquest by oath, d. b der Unterfuchung über that⸗ 
ſächliche oder rechtliche Zuſtände durch beeidigte Ver: 
treter. Dasfelbe wird bereit3 1085 angewandt I 
die Zmede der Landesvermeflung und Statijtik 
(f. Domesday-book), ſpäter aud für die Verteilung 
der Steuern, fchlieklib für die Ermittelung der 
Thatſachen bei gewiſſen Prozefien, die von den reis 
fenden Richtern verhandelt werden. Heinrich II. 
wußte auf dieſe Art feine fönigl. Gerichtsbarkeit 
opulär zu machen, da die Parteien das neue Ver: 
a der plumpen Methode des Zmeilampfes vor: 
ogen, die im Vollögericht vor dem Sheriff und dem 
—* — angewandt wurde. Ebenſo führte Hein— 


30 


cich II. die fog. Jury of presentment ein, die An: 
tlagejury, die verbächtige Perfonen vor den Sheriff 
zu bringen hatte. Wohl um dem Einflufje, den 
der König durch die reifenben Richter in den Graf: 
{haften gewann, entgegenzumwirfen, verſuchte man 
zu wiederholten malen, die Ernennung der Sheriffs 
dem Könige zu entziehen; Eduard I. gab 1300 durch 
die Articuli super Chartas der Grafſchaftsverſamm⸗ 
lung das Recht der Wahl, doch wurde dieſe Ver: 
günjtigung, ebenfo wie die gleiche von Eduard II. 
1338 bemilligte, bald mwieber — Hingegen 
wird bereits 1258 beſtimmt, dab der Sheriff ein 
eifafle der Grafihaft fein muß und nur auf ein 
ahr wählbar iſt. Der Sheriff verliert dadurch den 
harakter eines königl. Beamten, und fein Amt pe 
drt von da an zu den Einrichtungen der lofalen 
elbitverwaltung, wenn er auch weiter vom Könige 
ernannt wird. Zu erwähnen iſt no, daß gewiſſe 
Gebiete aus der Grafſchaft —— wurden, 
indem einzelnen beſonders mächtigen Baronen da⸗ 
ſelbſt das Recht der Gerichtsbarleit und Verwaltung 
unter Befreiung von der Gerichtöfolge bei dem 
——— t verliehen wurde. Dieſe Landes⸗ 
teile heißen Liberties oder Honors. 

Eine große Rolle im Leben der Grafſchaft ſpielt 
das Inſtitut der Justices of the Peace (f. d.). Be: 
reits im 18. (und fogar ſchon Ende des 12.) Jahrh. 
finden fich zeitweile jog. custodes oder conserva- 
tores pacis, angejebene Leute aus der Grafſchaft, 
die, manchmal durch fönigl. Ernennung, manchmal 
durch Wahl in der Grafihaftsverfammlung berufen, 
der Friedensbewahrung und Bolizeiverwaltung ihrer 
Grafihaft vorzuftehen hatten. Bei dem Regierungs: 
antrıtt Eduards IIL. (1827) werben wieder derartige 
Beamte ernannt, und dies geichiebt zu wiederholten 
malen während feiner Regierung, fo z. B. in feinem 
18. Regierungsjahre, wo den Friedensbewahrern 
aud die Beitrafung von Verbrechern übertragen 
wird. Als regelmäßiges Glied in den Organis: 
mus der Provinzialverwaltung tritt dad Ehrenamt 
der Friedensbewahrer erſt 1360. Das in diefem 
Sabre erlafjene Gejek enthält ausführliche Beitim: 
mungen über ihre Ernennung und Befugniffe, die 
— Teil noch heute in Aral find._ Zwei Jahre 
päter werden die vierteljährlihen Sikungen ein: 
geführt, die noch heute unter der Benennung Quar- 
ter Sessions als ſtrafrechtliche Gerihtöböfe regel: 
ei tagen ( Justice of the Peace; über das 
Schuldig oder Nichtſchuldig entſcheidet die Jury, in 
den Städten tritt häufig ein Recorder [f. d.] an die 
Stelle der Friedensridter). So entiteht das Inſtitut 
der Friedensrichter (Justices of the Peace), wenn 
aud die jeßt eingebürgerte Benennung erjt etwas 
fpäter vorlommt. Im Zufammenhang mit ihren 
polizeilihen Befugniſſen entwideln ſich verſchie— 
dene andere Obliegenheiten auf dem Gebiete der 
Verwaltung. Dabin gehört z. B. die Fürſorge für 
den Brüdenbau und die Erhaltung der Brüden mit 
der Berehtigung, für diefen Zweck von den Ein: 
wobnern gig teuern zu erbeben, die 
ihnen durch ein unter Heinrich . (1543) erlafle 
nes Geſetz übertragen wird; ferner die durch das 
Gejeb der Königin Elifabetb (1601) eingeführte 
Aufficht über das — und die damit zu: 
—— Befugniſſe auf dem Gebiete der 

eſteuerung. Ebenſo ermächtigt ein Geſetz Wil: 
helms IIL (1698) die Justices of the Peace, Gefäng: 
niſſe Ein bauen und zu diefem Zwede Steuern der 
betrefjenden Grafichaft aufzuerlegen. Als 1739 die 


Englifche Verfafjung 


ür die verfchiedenen genannten und einige andere 

mwede gejondert einzutreibenden Steuern zujam- 
men in einer County Rate zu erheben, ift die lim: 
wanblung vollendet. Die Justices of the Peace, in 
Quarter Sessions verfammelt, find nunmehr nicht 
allein ftrafrechtliher Gerichtshof und Oberpolizeis 
behörde der Grafſchaft, jondern aud ein Hauptalied 
im lofalen Verwaltungsorganismus. Daß die Tas 
gungen der lönigl. Aififenrichter eigentlih Sikungen 
der alten angelſächſ. —— chaftsverſamm —— 


(ii wre dur Geſetz ermächtigt werben, die 


vergegenmwärtigte man ſich nicht mehr; ebenjomenig 
daß die Wahl der Vertreter der Grafſchaft für das 
Parlament oder der Coroners (ſ. d.) dem Namen 
nad in_einer ſolchen Verſammlung ftattfand; aber 
in den Sikungen der Quarter Sessions fam die In⸗ 
dividualitätder Grafſchaft in —— Weiſe 
ur Geltung. So war an die Stelle der Verſamm— 
ung fämtliher Freiſaſſen oder ihrer Vertreter das 
Kollegium der Justices getreten, gebildet aus an: 
gefebenen Grundbefigern, die vom Könige ernannt 
wurden. Aus dem Verband ber Grafihaft find 
vielfach die Städte herausgeriſſen. Wie weit ihre 
felbitändigen Berechtigungen gingen, bing früher 
von den Beitimmungen bes Freibriefs ab, ber ihnen 
Korporationsrechte verlieh. Auch fie haben teilweije 
ihre Justices of the Peace, wenn der König ſolche 
ernennt, die indeſſen nicht ald Strafgerichtsbof zu= 
jammentreten; wenn ber Freibrief zugleich einer 
Stadt das Privileg eines Court of Quarter Sessions 
erteilt, jo hat ein von der Stadt ernannter Stabt:- 
richter (Recorder) diejem Gerichtshof — 
Unterſte Einheit des Organismus iſt das Kirchſpiel 
(Parish, ſ. d.) An die angelſächſ. Township lebnte 
ih das Kirchſpiel ala firhlihe Einheit an, und 
ale firhlihe Einheit wurde wiederum von dem 
Geſetz der Königin Eliſabeth über Armenmeien 
(1. Poor Law) für weltliche Zwede benugt, bis ſich 
allmählich das bürgerliche Kirchſpiel von dem kirch⸗ 
lien jonderte. Das bürgerliche Kirchſpiel bat auch 
Pflihten und Befugnifie in Bezug auf die Unter: 
baltung öffentliher Wege (f. Wegeorbnungen). 
Neben den Behörden der Grafihaft und des 
Kirchſpiels entjtehen allmählich ferner eine Anzahl 
von Behörden, deren Bezirke in —— 
Weiſe abgegrenzt find, ſo daß ein Ort für einen Zweck 
IS dem, für andere Zwede zu jenem Bezirle gebört. 
abin gehören die Behörden für Armenweſen (f. 
Poor Law), für Geſundheitsweſen (j. Health Acts), 
für öffentliche Wege (j. Wegeordnungen), für Schul: 
weſen (f. School Boards). Die Einführung der be: 
foldeten Bolizeitontingente (f. Constable) hat ferner 
eine Hierardie von Beamten un! dieſem Gebiete 
geſchaffen. So ift die lolale Verwaltung in England 
entitanden, wie alle engl. Einrichtungen, ftüdweiie 
nah Bedürfnis unter Benugung alter Inſtitutio— 
nen, wenn es zwedmäßig ſchien, aud wenn ihre 
uriprünglide Beitimmung eine andere war, unter 
Schaffung neuer, wenn died im Augenblid vor: 
gezogen wurde, ohne Rüdfiht auf die Symmetrie 
des Ganzen. Wenn troß bdiefer —— igkeit 
und der —8* aus ihr ergebenden vielfachen Kraft⸗ 
vergeudung dennoch im ganzen das Reſultat ein 
günſtiges war, ſo iſt das in nicht geringem Maße 
das Verdienſt des lebhaften Sinnes für das öffent— 
lihe Wohl und aud für das Wohl der Iotalen Gin: 
beit, der den Engländer lennzeichnet. 
isher hatte die lofale Verwaltung einen vorwie: 
gend ariftofratifchen Charalter. Seit einigen Jahren 


Engliſchgelb — Englijch-Horn 


it indeſen ein volllommener Syſtemwechſel eingetre⸗ 
ten. Nachdem die ſtädtiſchen Körperſchaften durch die 
Geiesgebung von 1835 bis 1882 auf demokratiſcher 
Grundlage umgeitaltet waren, bat 1888 die Local 
Government Act die jämtlihen Berwaltungsbefug- 
niſſe der Justices of the Peace aufdieneugef Baflenen 
von den Steuerzablern gemäblten County Councils 
(1.d.) übertragen; nur die Bolizeiverwaltung ift nicht 
ganz den Friedensrichtern entzogen; abgefehen von 
diejer bleiben ihnen nur die Befugniffe auf dem Ge: 
biete der us e und einige halb richterliche, 
balb verwaltende eh nifje. Die District Couneils 
unb Parish Councils (}. d.), welche durch die Local 
Government Act von 1894 zur Ergänzung der 
County Councils eingerichtet And, baben ſeitdem 
die meiften Funktionen der obengenannten ver: 
ſchiedenartigen Behörden an ſich gezogen. 

Die obige Darftellung bat die Entſiehung und Ent: 
widiung der Faktoren geichilvert,diejekt in die E. V. 
und Berwaltung eingreifen. Unerwäbhnt ift dabei 
vie Entſtehung und Entwidlung der ſtaatsrecht— 
lichen Grundjäße geblieben, die das Verhältnis 
des Einzelnen zur Staatögewalt regeln und * 
vie freie saraung feines Weſens und feiner An: 
ſchauungen jichern. Dieje Grundfäße ergeben ſich 
teilmeije von jelbit aus der Natur des Staatsorga⸗ 
nismus, namentlich aus der mächtigen Stellung der 
tönigl. Gerichtähöfe. Das beitändig hemortretende 
Streben der Könige, die Macht der Bajallen in 
Grenzen zu balten, fam, mie oben gejagt, auch 
durch das Inſtitut der königl. reifenden Richter zur 
Geltung, die ungeftört von den Einflüffen lolaler 
Mapnaten Recht nah allgemeinen Grundfägen 
ſprechen und jo den Gedanten, daß Leben, Freibeit 
und Gut der Landesbewohner nicht von der Willkür 
Einzelner abhängen, fondern unter dem Schuß der 
Rechtsordnung jteben, in allen Teilen des Landes 
befeitigten. Wurde auf dieje Weife das — — 
deſpotiſcher Territorialherren verhindert, jo wurde 
andererſeits die unbegrenzte Ausdehnung ber königl. 
Macht durch das gemeinfhaftlihe Wirken der Ba: 
fallen unmöglih gemadt. Wenn aud die willtür: 
liche Regierung der Tudors und der zu ihrer Zeit 
einreibende ern ber richterlihen Gewalt eine 
Anderung berbeizuführen ſchien, jo zeigten doc 
bald die Ereigniſſe zur Zeit der Stuarts, daß die 
Rechtsordnung feite Wurzeln im Lande hatte. Der 
Grundjas, dab niemand außer auf Grund eines 
——— Verfahrens — perjönlichen (phyſi⸗ 

chen) Freibeit beraubt, alſo von den Polizeibehorben 
nicht beliebig verhaftet, ausgewieſen oder interniert 
werden wird bereits in der Magna Charta 
(1.d.) nur beitätigt, nicht als neues Recht aufgeitellt 
und durch den jog. Writ of Habeas Corpus war es 
aud ſchon vor Erlaß der Habead-Corpus: Alte (ſ. d.) 
möglih, jemanden, der dem zumiberhandelte, zur 
Rehenfchaftzusiehen. AuhdasBerfammlungs: 
und Bereinsrecht wurde zu feiner Zeit von Vers 
waltung3maßregeln abhängig gemadt, ſondern nur 
infofern —— als dies die Rechtsordnung 
unter Berü —2X ber offentlichen Ordnung ge: 
bot. Auch bier haben ſtets die gewohnlichen —* 
darüber zu entſcheiden, ob ein Eingreifen berechtigt 
war (f. Meeting). Die Brehfreibeit ift eine Ers 
rungenfchaft der neuern Zeit; denn hier handelte es 
hd um die Benutzung einer neuen Erfindung, die 
jur Zeit der Tudors belannt wurde, einer Zeit, in 
der die Macht der Rechtsordnung weniger zur Gel: 
tung lam als in irgend einer andern Periode der 


3l 


engl. Geſchichte. Urfprünglih waren alle Prefien 
in ben Händen der Krone, fpäter hatte eine privi« 
legierte Bereinigung, bie Stationers’ Company, das 
ausſchließliche Recht zu druden. Die ganze reſſe 
unterſtand dem berüchtigten Ztar Chamber⸗Gerichts⸗ 
he, ber unter anderm bejtimmte, daß ſämtliche 

anuffripte vom Erzbifchof von Canterbury ge: 
lefen und gebilligt werben müßten, ehe fie zum 

rude gelangen könnten; nur die jurift. Bücher 
—— der Cenſur eines der Oberrichter unterworfen 

ein. Dieſe Beſtimmungen blieben auch noch unter 

den Stuarts in Geltung, ſelbſt das revolutionäre 
Zange Parlament hielt die Cenſur aub nad Ab: 
Ihaffung des Star Chamber⸗Gerichtshofs aufrecht, 
troßdem daß der Dichter Milton feine berühmte 
«Areopagitica» gegen fie richtete; erſt 1695 wurde fie 
abgelcaftt, und es fam in der Folge der Grundja 
zur — daß der freien — 
nichts im Wege ſteht, ſo ange fie nit Einzelne be: 
leidigt oder verleumbdet, den Staat oder die Religion 
bedroht oder Sittlichkeit oder Anſtand verlegt. Wo 
dies geſchieht, haben die Gerichte nad den durch 
Gefes oder Gewohnheitsrecht (oder Präjudizien) feſt⸗ 
ftehenden Normen einzufgreiten. Somit war von 
u. Zeit an auch auf diefem Gebiete die allgemeine 

echtsordnung unter dem Schuße der ordentlichen 
Gerichte allein maßgebenv. 

Litteratur. Gneift, Das heutige engl. Ber: 
fafjungs: und Verwaltungsrecht (2 Bde, Berl. 1857 
—60; 8. Aufl. 1883); derf., Engl. Verfafiungs: 
geſchichte (ebd. 1882); derf., Selfgovernment, Kom⸗ 
munalverfafjung und Berwaltungsgerichte in Eng: 
land (ebd. 1871); derf., Geſchichte des Selfgovern- 
ment (ebd. 1863); deri., Das engl. Parlament vom 
9. bis zum Ende des 19. Jabrh. (ebd. 1886); Preuß, 
Die engl. Staatöverfafiung (Oldenb. 1894). Ein: 
Fire Perioden behandeln: Stubb3, Constitutional 

istory of England (3 Bbe., 3. bis 5. Aufl., Lond. 
1887—91); Hallam, The constitutional histo 
of England (neuejte Aufl., 3 Bde., ebd. 1882; deutſ 
Lpz. 1828— 29); Erstine May, Constitutional his- 
tory of England (5. Aufl., 3 Bve., Lond. 1875; 
deutſch Lpz. 1864). Hauptjächlich hiftorifch gehalten 
ift Hearn, The government of England (2. Aufl. 
1886). Eine vortrefflihde Sammlung verfafjungs: 
geihichtliber Urkunden enthält Stubbs, Select 
charters (7. Aufl., Orf. 1890). fiber den gegen: 
wärtigen Zuftand der E. V. giebt ein überfichtliches 
Bild das Wert von Anfon, Law and custom of the 
constitution (Bd. 1: The Parliament, 2, Aufl, 
Drf. 1892; Bb. 2: The Crown, ebd. 1892). Geift: 
reiche —— über das engl. Verfaſſungs⸗ 
leben enthalten: Bagehot, The English constitu- 
tion (2. Aufl., Zond. 1872) und Dicey, The law of 
the Constitution (3, Aufl., ebd. 1889). 

Englifchgelb, foviel wie Turners Gelb, f. Blei: 
orochlorid 1. 

Englifchgrün heißen verſchiedene Malerfarben, 
jo Schweinfurter Grün (f. d.), Gemenge von Ultras 
marin und Chromgelb u. a. 

Englifh:Horn (ital. Corno inglese; franz. Cor 
anglais), eine in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. 
erfundene tiefitebende Oboe, früber als Oboe da 
caccia befannt. Das €, repräjentiert die Alt: oder 
Zenorlage der Oboe, verhält ſich daher ar dieſem 
Inſtrument wie die Viola zur Violine. Anfänglich 
war fie Röhre wie eine Sichel gebogen (j. Tafel: 
Mufilinftrumente I, Fig. 3, Bd. 17) JE in 
ftumpfwintliger Form gebaut wie die Baht arinette, 


32 


Ra Seb. Bach benußte das E. oft, bei Mozart, 
eetboven und Weber dagegen findet es ji nicht; 
von Meyerbeer, Berlioz und Halevy ward es wieder 
in Aufnahme gear von ergreifender Wirkung 
iſt die Solojtelle für €. in R. Wagners «Triftan 
und folder. Der Klang des E. ift ſchwermütig, 
getragen. Im Orcheſter erfegt man es auch burd) 
die Klarinette. 

Englifh: Jüdische Affociation, |. Alliance 
Isra&lite Universelle. , 

Englifch : Oftafrifa (Britiſch-Oſtafrika) 
im meıtern Sinne zerfällt in das Proteftorat der 

njel Sanfibar mit Pemba (f. Sanfıbar), auf dem 

eitlande in das eigentlihe E. (Britiſch-Oſtafrika⸗ 

roteftorat) und in Uganda (f. d.) mit Unjoro und 
dem obern Niltbal. Die beiden letztern Protelto: 
rate ftanden früher zum größten Zeil in Verwaltung 
wer British East African Company. €. im engern 
Sinne (f. Karte: Nauatorialafrita, beim Artikel 
Afrika) grenzt im D. an den Indiſchen Dcean und 
den Yub, im N. an Abeffinien, im S. an Deutic: 
Dftafrila und im W. an Uganda. Die Grenze 
nah Abeifinien und dem obern Nilthal ift noch 
nicht fihergeftellt. Der Fläheninhalt beträgt etwa 
700000 qkm, die Einwohnerzahl etwa 2’, Mill. 
Bon der Meerestüfte fteigt das Land zwiſchen dem 
Umba und Sabalı raſch zu einer Hochebene (2 — 
300 m) an, aus welcher einzelne Berggruppen, mie 
die Buraberge (2150 m) und weiter nordweſtlich bie 
Kjulu- und Uluberge, bervorragen. Nördlid vom 
KılimaNpf arobehnihbe Oi Graben 
aus mit dem Naiwaſcha- Baringo: und Rudolffee, be: 
geenit im D.von ber Aberbarelette (4000 m) und dem 

enia (5243 m), — Dem Meere zu ftrömen nınr zwei 
2 Fluſſe: der Sabali und der mit Dampf— 

arlafjen 480 km aufwärts ſchiffbare Tana. — Das 
Klima ift ein tropifches, mit zwei Negenzeiten an 
der Küfte im April und Mai, November und De: 
zember; auf dem Leilipiaplateau äbnelt das Klima 
dem europäiichen. Die Gejundheitsverbältnijje in 
den Hafenplägen find fehr ungünftig. Weitlich der 
20—30 km breiten Kuſtenzone zwijden dem Umba 
und Tana, innerhalb welder Kolospalmen, Mango: 
bäume, Bananen, Auderrohr, Korn und Reis ge: 
deihen, ar ne fih bis zum Kilima-Ndſcharo und 
den Kjulubergen und längs des Ditafrilanifchen 
Grabens eine Steinwüfte aus, hier und da bededt 
mit hartem Savannengras, Alazien und Eupbor: 
bien. Die beiden Uſer des Tana umſäumt ein 
ſchmaler Streifen kultivierbaren Bodend, Das aut 
bemäflerte und hoch gelegene Kikuju am Sudſuß 
des Kenia eignet ih zum Anbau von Feldfrüchten 
aller Art. Erſt jenfeit der Mejtgrenze finden ſich 
fruchtbare und wildreiche Gebiete, 

Die Bevöllerung fest fih zufammen aus 
eingemwanderten Arabern (5800), Indern (13500) 
und Euabeli (76500) in den Küjtenplägen, aus 
Bantuftämmen (1700000), aus alla, Somal, 
Maflai. Das Proteltorat unterftebt dem Com: 
miffioner und Generaltonful zu Sanjibar. Zur 
Verwaltung zerfiel E. bis 1. Dft. 1902 in 4 (ſeit⸗ 
dem in 7) Provinzen mit je einem Subcommilfioner 
an der Spise: Eejjidieb (Küftenprovinz, Hauptort 
Mombas), Ulamba (Hauptort Nairobi), Tanaland 
mit Witu (Hauptort Yamu) und Jubaland (Haupt: 
ort Kiömaju); dazu feit 1902 Kenia, Naiwaſcha 
und Kiſumu (früber ju Uganda gebörig). Haupt: 
ort der ganzen Kolonie iſt Mombas (j. d.) auf 
der gleihnamigen Inſel mit zwei ausgezeichneten 


Englif-Füdifche Affociation — Englifd-Oftafrifa 


Häfen; außer den genannten Hauptorten find zu 
nennen: an der Küfte Wanga, Kilefi und Mas 
lindi; im Innern Taveta und die Station Kib— 
weit. Die Church Missionary Society befigt in €. 
8 Stationen. Eine Eijenbahn von Mombas zum 
Victoria» Njanfa (Port: Florence) wurde 1896— 
1901 erbaut (j. Mombas-Uganda⸗-Eiſenbahn). Bon 
Ulamba nah Kilkuju führt ein Starrenweg von 
500 km Länge. Mit Sanfıbar ift E. durd eın Ka⸗ 
bel verbunden, die Fänge der Telegrapben beträgt 
1898) 225 km. Die Einnahmen aus den Zöllen 
etrugen 1897/98: 43841, 1898/99: 69400 Pfr. Et. 
Die Ausfuhr (Elfenbein, Rautfhul, Rinder und Zie⸗ 
en, Getreide, Kopra, Ropal, Häute, Hörner u. a.) 
etrug 1898/99: 1,07, 1899/1900: 1,83 Mill. Rupien, 
die Einfuhr (Mandejterwaren, ind. Gewebe, Meir 
fing, Drabt, Perlen, Nabrungsmittel) 7,03, 6,64 
Mill. Rupien. Der Raumgehalt der einlaufenden 
Schiffe betrug 1898/99: 321480, 1899/1900: 
332882 Regiitertond. Der Handel liegt fait auss 
ichließli in den Händen ind. Banianen. 1898/99 
litt E, unter einer Hungeränot. 

Geſchichte. Während des 8, bid 10. Jahrh. 
madten fib aus Arabien und Berfien eingemans 
derte Dynaſtenfamilien zu Beherrſchern des Küſten⸗ 
gebictes, die 1500— 1728 dur die Portugieſen 
in wecjelvollen Kämpfen zeitweije verdrängt und 
endlih 1837 von dem Sultan von Sanfibar voll: 
ftändig unterworfen wurden, Diefer verpadtete 
24. Mai 1887 an die British East African Com- 

any Momba3 und Umgenend und im Aug. 1889 
ämtliche Hafenpläge, das Mundungsdelta des Tana 
und die Inſeln Lamu, Manda und Patta. Durch 
den deutſch-engl. Vertrag vom 1. Juli 1890 ver: 
ſchob fi die Norbgrenze vom Tana bis zum Jub 
und fam der Victoria-Njanfa nördlich vom 1." füdl. 
Br. mit den anftoßenden Ländern in das Macht— 
gebiet der engl. Compagnie. Jachſon, Ende 1889 
von König Mwanga gegen die Mobammedaner zu 
Hilfe gerufen, feste ſich im April 1890 in Uganda 
jeit, das dur den mit Kapitän Lugard 26. Dez. 
1890 abgeihlofjenen Vertrag unter engl. Schuß—⸗ 
herrſchaft ſich ftellte. Im Frühjahr und Eommer 
1891 wurden gelegentlid eines Arisgezuge gegen 
Unjoro 6 Militärjtationen zwiſchen Albert-Eduard⸗ 
Eee und dem Victoria: Njanfa errichtet und bamit 
die engl. Oberbobeit über Antori, Ujongora und 
Unjoro begründet. Am 24. Jan. 1892 brab ein 
Yulftand gegen die Engländer in Uganda aus; 
Kapıtän Lugard und Williams ſchlugen ibn nieder, 
doch beſchloß die Geiellichaft, Uganda (f. d.) wegen 
der hoben Koften der Occupation zuräumen. Darauf 
gewährte die engl. Regierung, um die Behauptung 
des Landes vorläufig bis Ende März 1893 zu er 
möglichen, ber Seielliaaft eine ftaatliche Beibilfevon 
260000 M. und zur Tracierung einer Eiſenbahn von 
Mombas zum Victoria » Njanfa 400000 M. Am 
1. April 1893 übernahm Gerald Bortal im Auftrag 
des engl. Minifteriums das Proteltorat, wofür 
das Parlament 1894 einen jäbrliben Zuſchuß von 
1 Mit. M. bemilligte. 1895 löfte ſich die Britifch- 
Oſtafrilaniſche Gejellihait auf, und die engl. Regie⸗ 
rung übernahm gegen Zablung einer Entioävi ung 
von 5 Mill. M. die Verwaltung des ganzen Feſi—⸗ 
landgebietes, von dem Uganda als eis tändiges 
Proteltorat abgelöjt wurde. 

Erforſchungsgeſchichte ſ. unter Afrika, Ents 
dedungsgeicichte, beſonders f. Aquatoriale Oſt⸗ 
tüſte. — Vgl. Krapf, Reiſen in Oſtafrila (Korn⸗ 


Engliſch⸗Oſtafrikaniſche 


tbal 1888); Von der Dedens Reiſen in Oſtafrika 
(4 Be. in 5 Zin., Lpz. 1869—73); Joſ. — 
Turh Maſai⸗Land (ebd. 1885); Höbnel, Zum Ru— 
vol: und Stefaniejee (Mien 1892); Handbook of 
British East-Africa (Fond. 1894); Lugard, Rise of 
our East African Empire (ebd. 1893); Stublmann, 
Mit Emin Paſcha ins Herz von Afrila (Berl. 1894); 
Figaerald, Travels in the Coast Lands of British 
East Africa and the Islands of Zanzibar and 
Pemba (Lond. 1898); Strandes, Die Bortugiejen: 
Zeit von Deutſch- und Engliſch-Oſtafrika (Berl. 
1900); Purvis, Handbook to British East Africa 
and Uganda (Xond. 1900). 

Engliich : Oftafrifanifche Geſellſchaft, |. 
Enzliih:Ditafrita. 

glifch : Dftindifche Compagnie, f. Dit: 
indiihe Compagnie. 

Englifchret, ein eijenorydbaltiger Thon, der 
al& Anftrihfarbe benugt wird. Auch geglübtes 
Eiſenoxyd (f. d.) führt diefen Namen. 

—— afrikaniſche Geſellſchaft oder 
Britiſch-Sudafrikaniſche Geſellſchaft (Bri- 
tish South Africa Company, auch fur; Chartered 
Company genannt), engl. Geſellſchaft, die 15. Olt. 
1839 einen Schusbrief (charter) der engl. Regierung 
erbielt, der ihr, mit Ausnahme der ausmärtigen 
Angelegenbeiten, fajt volltlommene Selbftändigteit 
gewährte in Verwaltung von Matabele:, Maſchona⸗ 
und Manitaland, aud Süprhodefia genannt. Seit 
1899 übt die E. G. aud das Proteftorat über das 
Barotjeland (f. Barotſe) oder Nordweſtrhodeſia, jeit 
1900 aud über Norvoitrbodefia. — Der Engländer 
Rudd batte 1888 im Auftrag der Südafrilaniichen 
Golpjeldercompagnie die ausſchließliche Berechti⸗ 
gung, nad Gold in * Gegenden raben, von 
dem Vialabelebãupt ing Lobengula käuflich erwor: 
ben. Bald darauf trat Maund im Namen der Ex- 
ploring-Company mit gleichberechtigten Arjprüchen 
dagegen auf; ibm folgten nod andere. Gecil Abo: 
deä, damals Mitglied des Kap: Parlaments und 
Begründer der De Beers Diamond Mining Com- 
pany in fimberley; verjtand es endlich, die einzel: 
nen Intereſſenten abzufinden und die €. ®. zu grün- 
den. Gine Erpedition unter Dberft Pennefather be 
jeste Mafchonaland im Sept. 1890. Als fie jpäter 
gegen Manita vorrüdte, kam es zu einem blutigen 

onflitt mit den Bortugiejen bei Maifi Keifi (Mai 
1891). Die engl. Regierung erzwang von Portugal 
den Vertrag vom 11. Juni 1891, wodurh Manila 
in den Bejik der Compagnie gelangte. Die Mata: 
beie unter Yobengula wurden 1893 bejiegt (j. Ma: 
tabeleland) und der unmittelbaren Herrſchaft der 
€. ®. unterworfen. — In die neue Kolonie jtrömten 
Anfiedler und Goldgräber in Menge; 1897 zäblte 
man an 7000 Weihe und 1899 in der Hauptitadt 
Gubulumajo allein 4000 Bewohner. Im Maſchona⸗ 
land waren 2180 Claims (Goldgräberlicenjen) 1899 
tegiftriert, von denen ſich nur 22 Proz. als rentabel, 
60 Bros. als wertlos erwiejen. Eine Eifenbahn von 
Nafeling nah Gubuluwajo (926 km), 1896 be: 

onnen, wurde Nov. 1897 vollendet; eine zweite, 

ira: Salisbury (1737 km), wurde 1. Maı 1899 
dem Berfebr eröffnet. Der Zelegrapb erftredt ſich 
auf 2969 km. Der Eik der Berwaltung ift in Gus 
buluwaje (f. d., Bd. 17); u — 1898 ſteht die 
€. G. unter ſehr verſchärfter Kontrolle der engl. 
Rolenialbebörden. Das Altienlapital von 1 Mill. 
3* St. (1889) wurde allmahlich auf 5 Mil. 

hr. St. (1898) erböbt. Die Einnahmen betrugen 
Srotband’ Konverfations-Leriten.. 14. Hu. R.®. VL 


Geſellſchaft — Engobe 33 


190011: 426800, die Ausgaben 781317 und die 
fchwebende Schuld 1899: 1*/, Mill. Pfd. Et. Die 
E.G. gr von 1898 an ſich auf eigene Rech⸗ 
nung am Golodminenbetrieb zu beteiligen. Der 
finanzielle Mißerfolg ift teild durch den bisherigen 
geringen Goldertrag, teil durch den megen ver 
enorm boben Minengebü mangelnden Zufluß 
friihen Kapitals, und außerdem dur den verun: 
glüdten Einfall in die Südafrikaniſche Republik 
(j. d.) 1896, dur den Aufitand der Eingebore: 
nen 1896/97 und durch die Rinderpeft verurſacht. — 
Val. Mathers, Zambesia (Fond. 1891); Churdill, 
Men, mines and animals in South Africa (ebv. 
1892); Selous, Sunshine and storm in Rhodesia 
(ebd. 1896); Lenard, How we made Rhodesia (ebd. 
1896); Burvis und Binas, SouthAfrica, its people, 
progress and problems (ebd. 1896); Tbeal, South 
Africa (4. Aufl., ebd. 1m: Toit, Rhodesia past 
and present (ebd. 1897); Worsfold, South Africa: 
a study in colonial administration (2. Aufl., ebd. 
1897); Younghusband, South Africa of to-day 
(ebd. 1897); Bryce, Impressions of South Africa 
(ebd. 1897; 3. Aufl. 1899; deutſch Hannov. 1900); 
Selou®, The economie value of Rhodesia (Scott. 
Geogr. Magaz., XIII, 1897). ſliſch⸗Baſãr. 
—— — (ſpr. inggliſch bẽſahr), ſ. Eng: 
Eugliſh-Compauys-Juſeln (ſpr. inggliſch 
lömmpenis), unbewohnte Inſelgruppe im Norden 
Auſtraliens (ſ. Karte: Auſtralien), nördlich von 
der Arnhembai, zum Territorium Nordauſtralien 
gehdrig, beſteht aus fieben er welche der engl. 
—— Flinders 19. Febr. 1803 entdedte und 
zu Ehren der Engliſch-⸗O Pen hen Compagnie be 
nannte, Das größte Eiland ift die Weſſelinſel. 

Engliih:Harbonr (fpr. inggliſch hahrb'r), Has 
fen auf der yold Antigua (f. d.). 

Englifh:River (pr. inggliſch rimm’r), Fluß in 
Britiſch-Rordamerika, ſ. Churchill. 

English spöken (engl., ſpr. inggliſch), «es 
wird engliich geſprochen ». 

English violet (fpr. inggliſch meidlett),, vers 
altetes Streidinftrument mit 14 Refonanzfaiten, 
der Viola d’amour ähnlich. Auf der Bioline ver: 
ſuchte man feinen Klang durch eine febr tiefe Stim⸗ 
mung (ineaea ar See 

Engliih:Zambefia (ipr. inggliſch fämmbibfid), 
j. Sambefigebiet, Engliiches. 

Englifieren oder Anglijieren, eine beim 
Pferde zumeilen vorgenommene Operation, die in 
der Durchſchneidung der an der untern Fläche deö 
Schweifed liegenden Musteln, Niederzieber des 
Schweifes, beitebt. Die Durchſchneidung diefer 
Musteln wird entweder ſubkutan, d. b. unter der 
Haut, oder perlutan, d. b. mit —* Durch⸗ 
trennung der Haut, ausgeführt. Man will durch 
dieſe Operation ein Höbertragen des Schweifes be: 
wirfen und dem Pferde dadurch ein edleres, eb: 
baftered Ausſehen verleiben. Das €. war zuerft 
in England —— Bei Wagenpferden wurde 
es mehr als bei Reitpferden in Anwendung gebracht. 
! t wird allgemein die naturgemäße Haltung des 

eifes bevorzugt. Einem ähnlichen Zweck, wie 
das E., dient das Goupieren der Schweifrübe. 

Engioutieren (frj., fpr. angglut-) verſchlucken, 
verſchlingen; durchbringen (das Vermögen u. ſ. w.). 

Engmäuler, ſ. Engystomatidae. 

Enguis, ſ. Defile. 

Engobe (frz., ipr. anggöb), Beguß, in der Kera⸗ 
mit ein Überzug der Grundmafje mit anders ge 

3 


34 


färbten Maſſen. So überzieht (engobiert) man 
einen mißfarbig brennenden Scherben mit einer 
weiß brennenden E. Ebenſo verwendet man farbige 
E., welche durch Metalloryde (z. B. Chromoxyd, 
Kobaltoxyd u. ſ. w.) die gewünſchie Färbung erhal—⸗ 
ten. So find alle Wedgwoodfabrikate mit farbigen 
E. überzogen. Es ift nötig, daß ſowohl beim Trod: 
nen als auch beim Brennen die E. denfelben Aus: 
debnungskoöfficienten befist wie die Grundmaſſe, 
weil fonft ein Abipringen der €. eintreten würde. 

Engourbdieren (fr;., ſpr. anggur-), einſchläfern, 
betäuben, erftarren machen; Engourdijjement 
— anggurdißmäng), Erſtarren, Betäubung, Ein: 

chlafen En Glieder). 

Engpaf, joviel wie Defle (f. d.). 

En grande tenue (frj., jpr. ang grangd tönüb), 
im Paradeanzuge; en grande toilette (fr;., ipr. 
tdaläbt), in feiniter Setellihafte:, delt: oder Ball: 
Heidung. [Andovis. 

Engraulis enorasichölus Cw., Fiſch, |. 

Engrölure (fr;., jpr. anggrälühr), Randverzie- 
rung mit rundlihen Zädchen, zadige Einfaflung, 
Spißenrand. VI. C nebft Karte. 

Engrifch, f. Engern und Deutihe Mundarten 

En Fr (fr3., ſpr. ang orob; «im Großen»), ein 
im Handel gebräudliher Ausdrud, welder zunächſt 
den Abſatz der Waren in größern Mengen bezeich— 
nen fol, im Gegenfage von en detail («im klei⸗ 
nen»). Demnad) werden Großhandel oder Han: 
del en gros und Kleinbandel, Detailhbandel 
oder Handel en detail unterſchieden, eine Scheidung, 
die in voller Geltung nur im Verkehr mit realen 
Waren plabgreift, nicht jo beim Handel mit ſog. 
ideellen Waren (Obligationen und Altien). Den 
eigentlichen Unterſchied bildet aber nicht die Menge 
oder der Wert der Cinzelumfäße, fondern die 
Stellung der beteiligten Parteien: ſoweit die Han- 
delsgeſchäfte zwiichen Kaufleuten oder zwiſchen fol: 
ben einerſeits (ald Käufern) und Produzenten 
andererfeit3 (ald PVerläufern) volljogen werden, 
bilden fie den Großhandel; fobald als Käufer der 
Konſument auftritt, machen fie den Kleinhandel aus. 
Der Großbandel hat es natürli mit verbältnis- 
mäßig großen Mengen und Werten der Waren zu 
tbun, und dies in um fo höherm Maße, je mebr er 
erfte Hand ift, mit dem Produzenten oder {{mporteur 
(bei ausländifhen Waren) in direftem Verkehr 
—* Der Kleinhandel teilt im Gegenteil die Waren 

n möglichſt Heine Mengen, um dem Bedürfnis 
des Verbrauchers nad jeder Richtung zu genügen. 
Der Großhändler (Groifift, Groſſierer) kauft 
daber entweder von dem Produzenten oder von 
mporteuren und Großbändlern und verlauft an 
oßbändler und RKleinbändler. Der Kleinhändler 
en fauft in der Ro nur von Groß: 
ändlern und verfauft an bie Konjumenten. Zum 
Kleinbandel gebört aud der Hauſierhandel (f. d.). 

Engitligenthal, f. Adelboden und Weitalpen. 

Engitröm:-Schnellfeuerfansne, vom Schwe: 
ben Engitröm fonftruierte, mit einem eigenartigen 
tomplizterten Verſchluß verjebene Kanone; fie war 
auf der Pariſer MWeltausjtellung 1889 von der 
Fabrit Cail ausgejtellt. . 

Enguera (ipr. -gebra), Bezirköftadt in der fpan. 
Provinz Valencia, 16 km mweitlid von Jativa, am 
Nordfuß der Sierra €E,, in einem norböftlic zum 
Jucar geöffneten, mit Oliven: und Maulbeerbäumen 


Engourdieren — Enhuber 


Enguinegatte, Dorf, ſ. Ouinegate. 
Engiwveg, |. Defile. 
Engymeter (ard.), |. Entfernungsmefler. _ 
Engystomatidae, Engmäuler, Familie 
der ungeihmwänzten Lurche, obne Ohrdruſe und obne 
Schwimmbäute zwiſchen ven Zehen der Hinterfüße, 
mit Heiner Munpfpalte. Die 30 und etlihe Arten 
verteilen fi auf 16 Gattungen, leben in tropifchen 
und fubtropifhen Gegenden Aſiens und nauıent- 
(ih Ameritas, einige wenige auch in Afrila und 
Auftralien. Befonders interefjant ift Rhinoderma 
Darwinii Dum. et Bibr. von Ehile, bei weldyem 
die Gier im fteblfad des Männdens ihre Entwid: 
ver" durdlaufen. [fübn machen. 
nhardieren (frz., fpr. ang’ard-), ermutigen, 
Enharmönifh, enbarmonifhes Tonge— 
ſchlecht, Enharmönik, bei den alten Griechen die 
Stufenfolge ihrer Tonleiter, in der das Tetrachord 
aus zwei Biertelötönen und einer großen ag 
hen war,5.B.efesfa—hcesce. (ine 
olche Stala bildetedas enhbarmonifche Tongeſchlecht, 
das dem diatonifchen ſowie dem chromatiichen ent» 
—A war und ſeinen beſtimmten Gebrauch 
atte. (S. auch Griechiſche Muſik) Erfinder des 
enbarmonifhen Geſchlechts war Olympos. Im 
jetzigen Tonſyſtem iſt die Enharmonik mit den übris 
gen Mitteln des Ausdrucks verbunden und bezeich⸗ 
net den Wechſel, die Ablöfung eines Tons durch 
feinen —— verwandten, z. B. cis: des, 
fis : ges (daher der Ausdruck enharmoniſche Verwech⸗ 
felung, |. d.). Die Möglichkeit diefer Verwechſelung 
rubt auf dem Syſtem der gleihichwebenden Tem: 
peratur; die Komponiften wenden fie an, um den 
Ausdrud unerwartet zu fteigern oder abfinten zu 
lafien, und zur Erleichterung für Schreiben und Leſen. 
Enberion, ein Wort, das von Hlopftod den Ein: 
berjern ( d.) beigelegt ift. Es bedeutet bei Klop⸗ 
tod die Berjammlung der Einberjer. Die Ba 
Motbologie tennt Wort und Begriff nicht. 
Enhuber, Karl von, Genremaler, geb. 16. De. 
1811 zu Hof in Bayern, trat 1831 in die Mündes 
ner Alademie ein und widmete fidh erjt der Tier 
malerei, dann aber der Genremalerei, deren Haupt 
in der Müncener Schule er wurde. Seine feine 
Beobachtungsgabe, feine treffliche Auswahl des 
einfach Natürliben aus dem Yeben und Handeln 
bes Volls und feine Fähigkeit, den Humor wie den 
Ernſt glei treffend zu_geitalten, fihern jeinen 
Werten einen bleibenden Wert. Seine eriten Genre: 
bilder bewegten ſich 9— romantiſchem Gebiet, wie 
Die Wildſchützenfährte (1835), Die Tiroler im Ge: 
birgspaß und Der fterbende Konftabler (1836) 
zeigen. Dann betrat er das bumoriftiiche Gebiet 
meist des Rleingewerbed: Der Schuiter ald all 
bottor (1837), Der Bildfchniger (1839; Neue Pir 
natotbet in Münden), Der Haferlguder (1843), 
Der Schufterlebrling (1844), Der beimlehrende 
Müncener Bürgerlandwehrmann (1844; Berliner 
Nationalgalerie), Der Lehrjunge des Dorfmalers 
(1852), Das unterbrochene Kartenspiel (1857 ggeite: 
en von Preiſel), Der Stellmagen vor dem Wirts⸗ 
baus (1859), Der Gerichtötag an einem bayr. Yands 
ericht (1861; Galerie zu Darmitadt, geſtochen von 
Jacquemot), Die verunglüdte Yandpartie und Die 
böfe Zeitungsnachricht (1865). In are legten Jah⸗ 
ren war er vorzugsweiſe mit den Griſaille⸗Illuſtra⸗ 
tionen zu Melhior Meyrs «Erzählungen aus dem 


erfüllten Tbale, bat (1897) 5681 E. und bedeutende | Ries» beichäftipt, von welchen fich vier in der 


Linnen: und Wollinduitrie. 


\ Galerie zu Sch 


eiöbeim und ſechs im Städtiſchen 


Enhydra marina — Enfhuizen 


Ruſeum zu Leipzig befinden. €. ftarb 6. Juli 1867 
Münden. 


zu 
‚Enhfädra marina Flemm., der Meerotter 
6.2. und Tafel: Marder I, Fig. 4). 

Enbydrit, j. Enbydros, 

Euhydros oder Enhydrit, boble, auf der 
Cberflähe podige und runzlige Chalcedonman: 
dein, die im Innern eine hauptſächlich aus Waſſer 
mit een Mengen gelöfter Salze a re 
Bien —— eine beim Drehen der Mandel 
iche Blaſe von atmoſphäriſcher Luft ent 
balten. Die ſchon im Altertum belannten, von Pli⸗ 
nius erwähnten E. fanden ſich in den Monti-Berici 
bei Bicenza; in neuerer Zeit hat man fie nament: 
lich in a angetroffen, von wo fie mit den 
dortigen rohen Adaten zunädft nah den großen 
Steinjhleifereien zu Oberftein und Idar a.d. Nabe 
— en. Sie ſtammen aus Melaphyr- und Ba— 
altaejteinen und find, wie alle Mandeln, Ausfül: 
lun en von Hoblräumen, in denen im vorliegenden 
Falle gewöhnlich Wafler abgefangen wurde; bei der 
2 —— und Zerftörung des umgebenden el: 
ſens werden ie dann als ſehr harte Körper bloßgelegt. 

Enitel oder Entel, Janjen, djterr. Reim: 
&ronift, ſ. Jans. 

Eningen, Dorf im Dberamt Reutlingen des 
württemb. Schwarzwalbfreifes, 5 km ojtfüpöftlich 
von Reutlingen, in 464 m Höbe, am Fuße der Ad: 
alm (701 m) und an der Nebenlinie Reutlingen: 
Scheiflingen der Württemb. Staatsbahnen, das 
ibönjte Dorf Württembergs, bat (1900) 3746 E., 
darunter 77 Ratholilen, (1905) 4000 E., Boft, Tele: 
graph, Lönigl. Forjtrevieramt, Nealihule, Bor: 
Ihufverein, Haufier: und Markthandel. Yährlic 
25. Juni und 25. Dez. fommen bier die Fabri- 
fanten zur Abrechnung mit den Händlern im fog. 
Eninger Kongrefie zufammen, der jedoch an 
Bedeutung verloren hat. 

Enitwetot, Inſelgruppe, ſ. Bromninfeln. 

Enjambement (fr;., pr. angjhangb'mäng, 
«fiberjchreiten»), der Widerſpruch zwiſchen ſyntalti⸗ 
ſchen und mettiſchen Abſchnitten. €, findet ſtatt, 
wenn zwei zufammengebörige Worte durch Cäſur 
oder Versſchluß, wenn Worte desfelben Sapes 
durh den Schluß eines Verſes, eined Strophen: 
teilö oder gar durch den Schluß der Strophe ſelbſt 
auseinander gerifjen werben. — Vgl. Borbed, Über 
Strophen: und Bersenjambement im Mittelboc: 
deutſchen (Greifsw. 1888). 

Enjeu (itz., ipr. angichöb), 

Eufadrieren, |. Encadrem 

Entanaillieren, ſ. En canaille. 

Eutanthis (grch.), Thränendrüſengeſchwulſt. 

Enutauftieren (arh.), eine Behandlung der 
Gipsabgüfje, wodurch diejelben eine ſehr glatte 
und etwas durchſcheinende Oberfläche erhalten und 

im fog. Elienbeinmaffe verwandelt werden. Es 

ſchieht, indem die völlig trodnen Güfle in einem 
Ken ftart angemwärmt und dann in gefchmolzene 
Stearinfäure oder Baraffin getaucht werden, worin 
fie etwa 3 Minuten verbleiben. Nach dem Heraus: 
nehmen läßt man abtropfen und wiſcht mit einem 
weisen Pinfel ven Überihuß fort. Nach einem 
andern lung: beftreiht man die Gegenftände 


pieleinjaß. 
ent. 


witeiner Loöſung von 1 bis 2 Teilen Stearinfäure in 
10 Zeilen Betroleumätber. Durh Färbung der 


Etearinfäure oder bes Paraffins mit wenig Drachen: 


blut oder Gummigutt fann man eine rötliche oder 
aebliche Färbung hervorrufen. 


35 


 Entauftit(geh.,«Einbrenntunfto), beiden Alten 
diejenige Art der Malerei, bei welcher man ſich des 
(eläoporifchen) Wachies als eines Binvemittelä der 
Farben bediente. Die verichiedenfarbigen weichen 
achspaſten wurden, meijt auf Holz, auch auf El: 
fenbein, aufgetragen und mittels einer glübenden 
Koblenpfanne zum Erweichen und dadurch zu feiter 
Bindung mit dem Grunde gebradt. Entauftifche 
Bilder find in den auf Pop gemalten ägypt. 
Mumienporträten (j. Tafel: Alexandriniſche 
Kunft) erhalten, die namentlich durch die Funde bei 
El:Fajüm feit 1888 in größerer Anzabl betannt ge 
worden find. Die erhaltenen antiten Wandgemälde 
in Rom, Bompeji und Herculanum find al fresco, 
nicht entauftiih gemalt. — Vgl. Helbig, Wanp: 
nemälde der vom Beiun verichütteten Städte, nebjt 
einer Abhandlung über die antiten Wandmalereien 
von D. Donner (Lpz. 1868); Eros und Henry, 
L’encaustique et les autres proc&des de peinture 
chez les anciens (Par. 1884); Donner von Richter, 
fiber Technijches in der Malerei der Alten (Münd. 
1885); derj., Die entauftiihe Malerei der Alten 
(ebd. 1888). (S. Wachsmalerei.) 
Ente, Ferdinand, Verlagsbuhhandlung in 
Stuttgart, bervorgegangen aus dem Sortiments: 
eihäft der Buchhandlung von Balm & Ente (dama⸗ 
iger Beliker: Job. Ernit E.,gebürtia aus Themar 
in Thüringen) in Erlangen, das der Sohn des lep: 
tern, $erdinand E., geb. 8. Dft. 1810, geit. 8. Des. 
1869, 1. Jan. 1837 auf eigenen Namen übernahm. 
Er verband damit Verlag und verkaufte 1868 fein 
Sortiment an Theodor Kriſche dajelbjt. Der Ver: 
lag ging nad) zeitweiliger vormundſchaftlicher Lei: 
tung 28. Dtt. 1874 an den Sohn Ferd. E.3, Al: 
jred Eduard E., geb. 12. Aug. 1852, über, der 
ihn gleichzeitig nach Stuttgart verlegte. Von den 
zwei Hauptrihtungen des Verlags umfaßt die eine 
die Medizin mit Tierheiltunde und Pbarmacie: 
«Handbud der jpeciellen Batbologie und Therapie», 
ba. von R. Virchow (6 Bde. 1854— 76), «Handbuch 
der allgemeinen und fpeciellen Chirurgie», bg. von 
Pitha und Billrorh (4 Bde. 1865—86), «Deutſche 
Chirurgie», begründet von Billrotb und Quede (67 
Lfgn., 1879—99), «Handbuch der praftijden Medi: 
sin», bg. von Ebjtein (5 Bde., 1898 fg.), Werte von 
Hebra, Kapofi, von Krafft-Ebing, Lebert, Oppolzer, 
Voliger, Zehender u. a.; mebrere Fachzeitſchriften, 
wie «Sjahrbud der praltiiyen Medizin» (jeit 1879), 
«Archiv jür Kinderheiltunden (feit 1880) u.a. Daran 
ließen jib naturwiſſenſchaftliche und techniſche 
erfe von Moleſchott, Kelule, Elafjen, von Gorup: 
Bejanez, Günther, Em. Kayjer, Kittler, van Bebber, 
Regel («Gartenflora», 1. bis 34. Jahrg. 1852—85). 
Die andere Hauptrichtung bilden Staats:und Rechts: 
wiflenihaften mit Werten von K. L. von Bar, Gold: 
ſchmidt, Heinze, Huſchle, Kobler, Narquardien, Mer: 
tel, Dittermaier, von Schulte, von Schwarze, Wäd: 
ter, Zorn u.a., den Zeitjchriften «Gerhtälane (jeit 
1849), «Zeitfchrift für das gejamte Handelsrecht» 
(feit 1858), «Zeitjichrift für vergleichende Rechts: 
mwiljenjhaft» (jeit 1878). Dazu fommen Werte der 
Philoſophie (Wundts «Logit» und «Ethil»), Kul: 
—— (Zippert) u. a. u 
el, Janſen, öjterr. Reimchroniſt, j. Jans. 
Enthuizen (ipr. entheuſ'n), Stadt in der nieder: 
länd. Provinz Nordholland, am Zuiderſee und an 
der Linie — — (51 km) der Hol: 
länd, Eifenbahn:Gejellihaft, mit Hoorn aud durch 
\ Straßenbahn, mit Stavoren durch Trajeftdampfer 


3* 


36 


verbunden, hat (1899) 7038 E. E. war im 17. Jahrh. 
ein blübender Handeläplas mit 40000 E., welder 
jährlich 400 Schiffe auf den Heringsfang in die bobe 
Seeihidte. Das 1688 erbaute Natbaus, die Weiter: 
fire mit einem Renaiſſance-Chorabſchluß aus Holz 
(f. Zafel: Niederländiſche Kunft ILL, Fig. 5) 
von 1543 bis 1572, ein ftattliher Tborturm, der ge: 
räumige Hafen erinnern noch an bejjere Zeiten. €. 
ift der Geburtäort des Malers Baulus Botter (f.d.). 
Enkirch, Marltfleden im Kreis Zell des preuß. 
Reg.:Bez. Koblenz, rechts an der Moſel und an der 
Nebenlinie Bünderih:Traben-Trarbad der Preuß. 
Staatöbabnen, ift Station der ge und 
bat (1900) 2299 E., darunter 147 Ratbolifen und 
43 Yeraeliten, Poſt, Telegrapb, 2 got. Kirchen; 
Branntweinbrennereien, Mebl:, Öl: und Gipsmuh⸗ 
len, bedeutenden Weinbau (136 ha Weinberge) und 
Handel und in der Näbe Schieferbrüche. der 
Umgegend Spuren röm. Enns: die bei €, 
efundenen Reſte eines röm. Tempels befinden ſich 
eit 1885 im Provinzialmufeum zu Bonn, 
Enfläven (frj.), Heinere Teile eines Staatd- 
gebietes, melde von einem andern Staat 4 
—— ſind. Beſonders häufig waren die E. 
im alten Deutſchen Reiche. Bei der Stiftung des 
Rheinbundes wurde zwar eine große Anzabl der 
Heinern Staaten, welde von andern a 
waren, der Landesbobeit der legtern unterworfen 
(mediatifiert); auch —— die ſouveran geworde⸗ 
nen Staaten durd 9 —— ſich der beiden 
Zeilen läſtigen E. moöglichſt zu entledigen. Allein 
noch immer blieben, beſonders im nördl. Deutfch: 
land, febr viele übrig, die auch der Kongreß zu 
Wien 1815 nicht zu befeitigen vermodte. Durch 
N enfeitigen Austauſch der E. (fo z. B. zwischen 
terreih und Sachſen) oder täufliche Ermwerbung 
folder (mie es Preußen mit dem früber zu Coburg 
gehörigen Fürftentum Lichtenberg am Rhein ge 
madt) hat man dieſen Übelftand, der fich nament: 
lich bei der Rechtspflege und — ———— ſehr 
fühlbar macht, ſoviel wie möglich zu verringern 
geſucht. Infolge des Krieges von 1866 iſt ebenfalls 
eine Anzahl von €, befeitigt worden. Sept find die 
Übeljtände, die das Beiteben der E. mit fich brachte, 
durch die einheitliche Reichsgeſezgebung, Bildung 
von einheitlichen Gerichts- ſowie Poft: und Tele: 
grapben:, Militär: und Steuerbezirten gemindert. 
Bleihbedeutend mit Entlave iſt Extlave als 
ein vom Hauptgebiet eines Staates abgetrennter 
Heiner Gebietäteil, fo daß 5. B. die von Preußen 
umiclofjenen Meinen braunſchw. Gebietäteile vom 
reuß. Standpunfte aus betrachtet ald E,, vom 
raunfchweigiichen aus aber alö Ertlaven bezeichnet 
Eukliſis grch.), ſ. Enllitiſch. [werven. 
Euklitiſch (arc., «ſich —— «anlehnend») 
nennt man in der Grammatik Wörter, die fib, ohne 
eigenen Accent zu befiken, an vorbergebende betonte 
örter anlebnen. der Regel find es Wörtchen 
von wenig hervorftehender Bedeutung, mie «ed» in 
«Mer bat e&?» Der Vorgang jelbit beißt Entlifis. 
Enfolpion (ard.), an der Bruft bängende Re: 
liquientapiel, gewöhnlich in Form eines Kreuzes, 
in defjen Höblung die Reliquie verborgen lag. Der 
an eine antike Sitte anknüpfende Braud tritt be: 
reitö im 4. Yabrb. auf. E. bezeichnet auch andere 
Andactsgegenftände in mannigfaltiger Form, Me: 
daillen, Ehriftu&monogramme (j.d.) u.a. 
Enfomiäftif (arc.), die Runft, verdiente Män- 
ner in einer Lobrede (Entomion, f. Encomium) 


Enkirch — Enlevage 


oder einem Lobgedicht (Enlomiaftiton) zu preis 
fen; Entomiajten, Lobredner. 

Enköping (ſpr. ebntihöpping), alte Stadt im 
ſchwed. Län Upiala, nicht weit vom Mälarjee, an 
der Linie Stodbolm:Beiteräs:Köping der Schwed. 
Privatbahnen, hat (1900) 4201 E. bedeutenden Ge⸗ 
müjebau und im Sommer lebhaften Dampfſchiff⸗ 
fahrtsverlehr mit Stodholm. Bei E. beftegte der 
König Albrebt 1365 feinen enttbronten Obeim 
Magnus II. Erilfon und deſſen Sobn Halon von 
Norwegen, worauf beide ihren Thronanſprüchen 
auf Schweden entjagten. 

Enträtie (grch.) Entbaltfamteit. 

Entratiten (grch., d. b. Entbaltfame), eine gno⸗ 
tiihe Richtung (ſ. Gnoſis), die den Genuß von 
Fleiſch und Wein ſowie die Ebe als fündbaft ver: 
warf. Selbjt der Apologet Tatianus (f. d.) ſchloß 
fih der Richtung an und bildete ihre dogmatiſchen 
Überzeugungen weiter aus. 

Enfriniten, |. Encriniten. 

Entf von der Burg, Michael, ——— 
eb. 29. Jan. 1788 zu Wien, ftudierte daſelbſt Phi— 
ofopbie, trat infolge eines Gelübves feiner Mutter 
1810 in den geiltlihen Stand und wurde hierauf 

Profeſſor an dem Gymnafium zu Melt. Berbittert 
über den Zwiefpalt zwischen feinen Neigungen und 
dem ihm re Stand, madte er 17. Juni 
1843 durd Selbjtmord feinem Leben ein Ende. In 
pbilof. Romanen und pſychol. Unterfuhungen, wie 
«Fudoria, oder die Quellen der Seelenrube» (Bien 
1824), «liber den Umgang mit uns felbit» (ebd. 
1829), «Bon der eg Anderer» (ebd. 1835), 
«liber Bildung und Selbjtbildung» (ebv. 1842), 
befundet E. Schärfe der Sieg wer und des Ur⸗ 
teild. Bedeutender war er als Kunſttritiker, beſon— 
ders im dramat. Fache. Zu ermähnen find bier be- 
ee «Melpomene, oder über das tragiiche 

nterefje» (Wien 1827), «Briefe über —— Fauſt⸗ 
(ebd. 1834) und das polemiſch⸗ſatir. Werlchen «Die 
Epiſtel des Duintus Horatius Flaccus über die 
Dichtlunſt, für Dichter und Dichterlinge gedols 
meticht» (ebv. 1841). €, felbit ift ala Dichter nur 
einmalaufgetreten in «Die Blumen, ein Lehrgedicht⸗ 
(Wien 1822). Das früber geglaubte Gerüdt, E. babe 
Anteil gebabt an den eriten Dramen feines Schülers 
Friedt. Halm, ie grundlos. — Vol. Briefmechjel 
Bien Michael E, und Eligius Frhr. von Munch— 

Uingbaufen, bg. von Shadinger (Wien 1890). 

Enievage (fri.,pr.angl’wabidh') oder Utßpapp, 
in ber Jeugdruderei Bezeihnung von Subjtanzen, 
durch die man bereits gelärbte Stoffe örtlich von der 
Farbe befreien will, um z. B. auf gefärbtem Grunde 
weiße Mufter zu erzeugen. Soll z. B. auf mit In— 
digo blau gefärbten Stoffen em weißes Mufter ber: 

eitellt werben, jo wird an den zu bleichenden Stellen 

bonbrei, dem etwas chromſaures Kali und Salze 
fäure guaeient ift, aufgebrudt; die darin vorbans 
dene Ebromfäure zerjtört an den davon berübr:- 
ten Etellen den gnbigo und läßt den Grund weiß 
erjcheinen. Von der E. unterſcheidet fib die Res 
fervage oder der Schußpapp dadurd, daß fie, 
vor dem Färben aufgedrudt, an den davon bededten 
Stellen die Aufnahme der Farbe hindert. Eine 
Reſervage für Indigo bildet z. B. eine Mifchung 
von Weinfäure und Aupfervitriol, die, ebenfalls 
mit Tbonbrei verdidt, aufgedrudt wird; wird der 
fo bevrudte Stoff in der Indigküpe ausgefärbt, io 
erfcheint das Mufter weiß auf blauem Grunde. — 
E. heißt aud in der Gemäldereftaurierung das Ab» 


En masse — Ennemoſer 


nehmen eined Gemäldes vom Malgrunde; diejes 
Beriahren gebt dem Rentoilieren (f. d.) vorber. 

En masse (it;., ſpr. ang maß), in Maſſe. 

En miniature (Ir;., jpr. ang miniatübr), in 
feinem Maßſtab (j. Miniaturen). j 
Enua oder Henna, das jebige Gaftrogio: 
vanni (ſ. d.), im Altertum eine Stadt im Innern 
Eiciliend, faft in der Mitte der Inſel, weshalb fie 
der Nabel derjelben genannt wurde. Sie lag auf 

eiler Anböbe und war von Seen, Hainen und 

en und in weitem Umkreiſe von fruchtbaren Saat: 
feldern umgeben. Seit alter Zeit war fie ein Hauptſitz 
des Demetertultus. Hier jollte die Entführung von 
Demeters Tochter Perſephone durch Pluton erfolgt 
fein, an dem nabe gelegenen See Bergus (dem beu: 
tigen Lago Perguſa). Im erften Puniſchen Kriege, 
bei deſſen Ausbruch die Stadt den Karthagern pe 
börte, fiel E. in die Hände der Nömer. Schwer litt 
die Stadt durch den bier 135 v. Chr. ausgebrode: 
nen und 132 durd Eroberung derjelben beendigten 
Stlavenaufitand unter Cunus. 859 n. Chr. geriet 
€. durch Berrat in die Hände der Sarazenen. 1087 
fiel eö dem normann. Reiche zu. 
una, Auguft, Komponiſt, ſ. Bd. 17. 
Eunatteris (grch.), eigentlich eine Periode von 
neun Jahren, doch verſtanden die riechen, indem fie 
ſich einer übergreifenden Säblung bedienten, die aud) 
in unjerm «acht Tage» für eine Woche und dem franz, 
«quinze jours» für zwei Wochen zur Anwendung 
tommt, bierunter einen ahtjäbrigen Eyllus, in dem 
durch Einſchaltungen abt Mondjahre zur Dauer 
von acht Sonnenjabren ergänzt wurden. Doc war 
neben E. aud der Ausprud Dltaeteris im Ge 
braud. Eine Periode von acht Jahren, ein jog. 
roßes eh, galt als der Zeitraum, den die Sühne 
fir eine Tötung erforderte. So wurde in Delpbi die 
Sübnung des Gottes jelbit, der er fih nad Erlegung 
des Drachen Bytbon unterwerfen mußte, alle acht 
Sabre feierlih begangen. Ebenfo mußte Heratles 
wegen Ermordung der ihm von der Megara gebore: 
nen Kinder ein jog. großes Jahr dem Euryſtheus 
dienen. Aber aud in anderm Sinne erſcheint dieſer 
er in den Sagen; jo 5.3. regiert nach ber 
doſſee Minos ald Bertrauter des Zeus in neun: 
jäbrigen Beriovden über Kreta. 
Ennäta, |. Cnata. [jegungen, 
Eunda (grch.), neun, bäufig in Zufammen: 
us oder enneagäönijh (grch., 
«neunmweibig») nennt man jede Blüte mit neun 
Griffeln. Enneagynia nannte deshalb Linne eine 
Drdnung in den Klafjen I—XIU feines Syitems; 
diejelbe umfaßt alle vie Pflanzen, die enneaghniſche 
Blüten haben. . 
Euneataidefalteris, bei den alten Griehen 
der vom Atbener Meton 432 v. Chr. aufgeitellte 
19jäbrige Schaltcyllus ; er war für die griech. Zeit: 
tehnung wichtig, weil nah diefem Zeitraum bie 
monde wieder auf denfelben Tag des Sonnen: 
jabres fielen (j. Kalender). 
Euneakrunos, Quelle, |. Rallirrboe und Atben. 
Enneändrus oder enneandrifch (ard., 
meunmännig») beißt jede Blüte, die neun Staub: 
gefäße befist. Enneandria nannte deshalb Finne 
die neunte Klaſſe feined Syſtems, die alle die 

Manzen umjaßt, deren Blüten mit neun freien 

Etsubgeiäßen verjeben find. 

Enneäd (grch.), die Neunzahl, ſ. Neun. 
Enneberg oder Gaderthal, Thal in der dfterr. 
biirtshbauptmannfcaft Bruned in Tirol (j. Karte: 


37 


Tirol und Borarlberg), umihlofien von 
den Kalt» und Dolomitalpen des Peitlerlkofels 
(2877 m) im W., des Seetofelö (2810 m) im O. und 
den Ausläufern des Tofana (3220—3241 m) im ©,, 
43 km * durchfloſſen vom Murz⸗ oder Gader⸗ 
bach, der bei St. Lorenzen im Puſterthale in die 
Nienz einmündet. Das Thal iſt einförmig, raub 
und wild, hat eine mittlere Erhebung von 1220 m, 
iſt paruch evölfert von roman. Einwohnern, deren 
ialeft an denjenigen der Ladiner im Unterengadin 
( Rhätoromanijch) erinnert und deren Sauptbei —* 
tigung neben der Viehzucht das Holzfällen iſt. 
ſudl. Arm, etwa 30 km lang, heiht das Abteis 
oder Badiathal, ber ſüdöſtliche, das eigentliche E., 
20 km lang, heißt auch dad Rau: oder Vigilthal 
und verbindet ſich mit dem Abteithal bei Zwiſchen⸗ 
waſſer (1022 m), wo die ladiniſche Sprache beginnt; 
von bier an führt die Murz bis zu ihrer Mündung 
den Namen Gaber. rege beiden erhebt fi das 
Maffiv des Kreuzlofels zu 2911 m. Hauptort im 
Abteithal ift St. Leonhard oder Abtei, roman. Badia 
(j. d.; 1857 m), mit 635 ladiniſchen E., im Vigil: 
tbal, das in der Thalſprache Marco heikt, St. Vigil 
oder Al Plang (1183 m), mit 456 meiſt labinijchen 
E. Mit dem Buftertbal ift das Abteithal durch 
eine neue, funftvolle Fahrſtraße (32 km) verbunden, 
die biß zum Thalende nah Eorvara (180 E., 
1572 m) führt. gr bei Eorvara St. Eaffian 
(334 €., 1526 m), berühmt durch zahlreihe Ber 
jteinerungdfunde. Bon den rauben Bäflen find 
das Grödner Joch (2240 m), welches ind Gröbner 
Thal (f. Gröden) führt, und das Sellajody (2230 m) 
nad dem Faſſathal die befannteften. Im Herbft 1882 
wurde €. en Uberſchwemmungen ſtark vermwüftet. 
— Der Gerichtsbezirt E. hat 398,83 qkm, (1900) 
5289 labinifche E., 8 Gemeinden und 18 Ortichaften. 
Enneccernd, Ludw., Rechtslehrer und Barla- 
mentarier, geb. 1. April 1843 zu Neuftadt a, R. 
(Hannover), ftudierte in Göttingen anfangs Mathes 
matit und Naturmwifjenihaften, dann die Rechte, 
wurde 1872 daſelbſt außerord. Bro eſſor und 1873 
ord. Brofeiior für röm. Recht in Dlarburg. Seit 
1874 Mitglied des heſſ. Kommunallandtags, ge 
börte er 1882—98 auch dem preuß. Abgeordneten: 
hauſe an, wo er der nationalliberalen Fraktion bei: 
trat und burd feine Thätigleit namentlich auf dem 
Gebiete des Etat: und Steuerwejens bald eine an: 
gejebene Stellung einnahm. 1887—90 und wieder 
1893—98 vertrat er den Wahlkreis Oldenburg im 
Reichstage. Er jchrieb: «liber Begriff und Wirkung 
der le iwbedingung und des Anfangstermind» 
(1. Hälfte, Gött. 1871), Osriebrich Karl von Savigny 
und die Richtung der neuern Rechtswiſſenſchafto 
(Marb. 1879), «Ein Höferecht für Hefjen» (Cafj.1882), 
«Rehtögeihäft, Bedingung und Anfangstermin» 
(Marb. 1889), «Die Steuerreform in Staat und Ge 
meinde» (ebd. 1892), «Bermögenziteuer, fundierte 
Eintommeniteuer oder Erbichaftsiteuer» (ebd. 1893) 
und mit 9. D. Lehmann das groß angelegte Wert 
«Das bürgerliche Recht. Eine Einführung in das 
Recht des Bürgerl. Gejehbuchs» (ebd. 1898 fa.). 
Ennemofer, Joſ., mediz.:pbilof. Schriftiieller, 
geb- 15. Nov. 1787 zu Hinterjee (jest Rabenitein) im 
iroler Landgericht Bafleier, ftudierte zu Innsbrud 
Medizin, folgte 1809 dem Sandwirt Hofer als Ge: 
beimjchreiber und feste dann feine Studien in Er: 
langen und Wien fort. 1818 trat er ald Offizier 
in das Lutzowſche Freitorps, in dem er während der 
Feldzüge 1813 und 1814 eine Compagnie Tiroler: 


38 


jäger führte, und beendete nach dem Parifer Frieden 
jeine Studien zu Berlin. Unter der Leitung des Pro: 
feſſors MWolfart wandte er fi dem magnetischen 
Heilverfahren zu, welche Richtung er mit Vorliebe 
auch auf litterar, Gebiete verfolgte. Er wurde 1819 
Profeſſor der Medizin an der neuen Univerfität zu 
Bonn, ließ fih 1837 in Innsbruck als praftifcher 
Arzt nieder und fiebelte 1841 nah Münden über, 
wo er als praftiicher Arzt und Magnetifeur großen 
Ruf erlangte. ftarb 19. Sept. 1854 zu Egern 
am ZTegernjee. Sein Hauptwerk ift «Der Magne: 
tismus in ſeiner geſchichtlichen —— 
1819), von dem eine zweite Auflage u. d. T. «Ge: 
chichte des tieriihen Magnetiömus» (ebd. 1844) er: 
bien, deren eriter Band die «Geſchichte der Magie» 
bildet. Er ſchrieb außerdem «Hiftor.:pfycol. Unter: 
fuhungen über den Urfprung und das Weſen der 
menſchlichen Seele» (Bonn 1824; 2, Aufl, mit 
einem Anbang über die Uniterblichteit, Stuttg. 
1851), «Anthropol. Anfihten, oder Beiträge * 
beſſern Kenntnis des Menjchen» (Bonn 1828), «Der 
Magnetismus im Verbältnis zur Natur und Reli- 
gion» (Stuttg. 1842; 2. Aufl., mit einem Anbange 
über das Tifchrüden, 1853), «Der Beift des Menſchen 
in der Natur» (ebd. 1849), «Anleitung zur Mes: 
merifchen Braris» (ebd. 1852), «Das Horoflop in 
der Weltgeihichter (Münd. 1860). 

Ennen, riedr. Hubert Leonhard, Hiftorifer, geb. 
5. März 1820 zu Schleiden in der Eifel, ftubierte 
1841— 44 zu Münjter, Bonn und Köln Theologie 
und Boilofopbie und war 1845—57 Vilar und 
Leiter der böbern Stadtihule zu Königswinter. 
Als folder gründete er 1854 den Sioriihen Verein 
für den Niederrbein. 1856 —58 war E. Mitglied 
des preuß. Abgeordnetenhaufes und feit 1857 Archi⸗ 
var und Bibliothelar der Stabt Köln, wo er 14. Juni 
1880 ftarb. Unter feinen Schriften jind zu nennen: 
«Geſchichte der Reformation im Bereich der alten Erz: 
diöceje Köln» (Köln 1849), «Der Spaniſche Erbfolge: 
frieg und Joſeph Clemens» (Jena 1851), «Frankreich 
und ber Niederrhein» (2 Wde., Köln 1855 — 56), 
«Zeitbilder aus der neuern Geſchichte der Stabt 
Köln» (ebd. 1857), «Quellen zur Gejchichte der 
Stadt Köln» (Bd. 1—6, ebd. 1860— 79), «Geſchichte 
der Stadt Köln» (Bd. 1—5, Köln und Düffeld. 1862 
—79; Auszug in 1Bd., 1880), «Die Wahl des 
Königs Adolf von Naſſau» (Köln 1866), «Führer 
durd die Stadt Köln» (2. Aufl., ebd. 1879). 

Ennöpe, Fluß, ſ. Enneper Straße. 

Euntper Strafe, 11 km langes, 1 km breites 
Thal der bei Halver entjpringenden Ennepe, eines 
linten Nebenfluffes der Bolme, im preuß. Reg.:Be;. 
Arneberg, zwiſchen Milspe und Hagen, wird von 
der Ennepetbalbabn (f. d.) durchzogen und ift eine 
derindbuftrielliten Gegenden Weſtfalens, voller Eifen: 
werte und Schmieden (f. Karte: Rheiniſch-Weſt— 
fälifhee Koblen: und Anduftriegebiet). 
Die größten Orte find Haspe und Geveläberg (i.d.). 
Die Anlegung einer großen Thalſperre iſt geplant. 

Ennepethalbahn, Babnlinie von Hagen nah 
Haufe (9,8 km, 1876 eröffnet), Strede der ebemali« 
gen Bergiib:Märtifchen Eifenbahn (f. d.). 

Ennery, Adolpbe Philippe dv’, franz. Drama: 
titer, ſ. Dennery. , 

Ennes, Antonio, portugiefifcher dramat. Schrift: 
jteller, geb. 1848 zu Liffabon, wo er feine litterar. 
Studien abjolvierte und jeit 1872 ald Journalift für 
die Zeitungen «O Paiz», «O Progresso» und «Correio 
da Noite» tbätig war. 1886 wurde er Oberbiblio: 


a VEEREEEED — — 


Ennen — Ennius 


thelar der Nationalbibliothel. Als Journaliſt hat 
er ſich einen ſo bedeutenden Namen erworben, daß 
er im Sommer 1890 zum Marine: und Kolonial⸗ 
minifter ernannt ward, doch befleidete er diefes Amt 
nur einige Monate. 1874 veröffentlichte er jein 
erite8 Drama «Os Lazaristas», das großes Auf: 
ſehen erregte und in Portugal und Brafilien ſich 
dauernd auf der Bühne erbielt. Später verfaßte er 
die Koınödie «Eugenia Milton» (1874) und die Dra: 
men «Os Trovadores» (1875), «O saltimbanco» 
(1876),«A emi 0» (1878),«Um divorcio» (1879). 

Ennetbergifche Vogteien, f. Teſſin (ſchweiz. 
Kanton, Geſchichte). 

Ennigerloh, Bauerjhaft im Kreis Bedum des 
preuß. Reg.Bez. Münfter, an der Linie Hannover: 
Köln der Greub Staatöbahnen (Station Bedum: 
€.), dur Nebenbahn mit dem Dorfe E. verbunden, 
bat (1900) 8434 E., darunter 412 Gvangelijche, 
—* 3609 E. Poſtagentur, Fernſprechverbindung, 
ath. Kirche; Branntwein⸗ und Kallkbrennerei. 

Eunigloh, Bauerſchaft im Kreis Herford des 
preuß. Neg.:Bez. Minden, hat (1900) 4123 E., dar: 
a Ratboliten und 23 Söraeliten, (1905) 
454 


16. 

Ennis, Hauptftadt der irifchen Grafihaft Clare, 
am Fergus, 8km oberhalb feiner Mündung in den 
Shannontridter, hat (1891) 5460 E. Getreide: und 
Holzhandel. E. bejikt eine Kathedrale des kath. Bis: 
tums von Rillaloe mit Seminar, eine O'Connell⸗ 
fäule, no Kirche auf den Ruinen einer Fran— 
zisfanerabtei von 1240, einen Gerihtähof, Irren— 
anftalt und Gefängnis. In der Nähe das von 
Erasmus Smith gegründete Ennis College. Clare, 
3 km unterhalb, dient als Hafen. 

Ennidcorthy, Stadt in der irifhen Grafichaft 
Werford, 19 km im NNW. von Wertord, fübn am 
Abhange eines fteilen Berges über dem ſchiffbaren 
Slaney gelegen, bat (1891) 5648 E., Wollfpinnerei, 
Gerbereien und Handel mit Getreide und Mebl. €. 
entitand aus einem Normannenſchloſſe, Raymond⸗ 
(e:$ro3, wurde 1649 von Erommell und 1798 von 
irifchen Rebellen nad dem Gefecht von Vinegar: Hill 
niedergebrannt. 

Ennisfillen, Hauptftabt der irischen Grafichaft 
——— „auf einer Inſel im Fluſſe Erne (ſ. d.) 
und zum Teil auf dem Flußufer, zu welchem zwei 
Brüden hinüberführen, hat (1891) 5570 E., vier 
Kirchen, Gerichtshof, Stadthaus mit den am Boyne: 
Kup eroberten Fahnen; Meſſerfabrikation, Strob: 

echterei jomie Ka mit Getreide, Schweinefleifh 
und Flachs. Die Stadt befist große Baraden und 
wei ‚Forts, die den Übergang über den Fluß be 
— en; in einem ſteht eine 31 m hohe Säule mit 
der Statue des Generald Lowry Cole. — €. ftammt 
erft aus dem J. 1641, ift berühmt durd die Ber: 
teidigung durch Truppen Wilhelms III. unter Hamil: 
ton gegen Streitkräfte Jakobs II. 1689. Im W. 
von €, die durch König Karl I. gegründete Royal 
Portora School, das iriſche Rugby genannt. 

Ennins, Duintus, röm. Dichter, geb. 239 v. Chr. 
zu Rudiä in Calabrien, that Kriegspienfte, wurde 
ın Sardinien mit dem ältern Gato befannt und fam 
mit dieſem nach Rom, woerdie Freundſchaft derange: 
ſehenſten Männer, unter andern des Scipio Africa— 
nus des Altern, gewann und das rom. Bürgerrecht er: 
langte. Er ſtarb 169 v. Chr. E. war ein vielſeitiger 
Dichter und vertraut mit der griech. Sprache und 
Litteratur, Er bat fich, teils jelbitändig, teils griech. 
Meiftern folgend, in zablreihen Gattungen der 


Ennodius — Enophthalmus 


Roche und Proſa verfucht. Man hatte von ihm 
—— und Komödien, and führte er den Aus: 
drud Satire, aber im Sinne einer Sammlung ver: 
miſchter Gedichte (f. Satura), nicht in dem fpätern, 
x heute geläufigen, in die röm. Litteratur ein. 
Bielleiht waren Zeile diefer Sammlung einige Ge: 
dichte, von denen Fragmente erhalten find, wie die 
— — —3 Inhalts, nach 
echiſchen des Archeſtratus), der «Epichar- 
mus» (ein naturpbiloj. Lebrgedicht, in dem py— 
tbagoreiiche Weisheit vorgetragen wurde), ber 
«Euhemerus» (in dem das Wert des Cyrenailkers 
Eubemerus [j. d.] über die Götter überarbeitet und 
auf italiihe Mythen ausgedehnt mar). Während 
E. als Komodiendichter nicht glüdlih war, gehören 
feine Tragödien (größtenteild Bearbeitungen von 
Stüden des Curipides) zu feinen bedeutenditen 
Leiſtungen. Sein Hauptwerk aber waren die «An- 
nales», ein Epos in 18 Büchern, in dem er die Ge: 
chichte Noms von der Gründung der Stadt bis auf 
eine Zeit berab poetiſch verberrlihte. E. wirkte 
öpferiich und babnbredend auf dem Boden der 
röm. Sprache und Poeſie. Wenn auch Sprade und 
Bers (er führte den Herameter in die röm. Dichtung 
ein) bei ibm troß jeines ungewöhnlichen Form: 
talentö nod nicht die jpätere Eleganz baben konnten, 
o werden dieje Mängel durch die Kraft und das 
er jeiner Sprache ausgeglichen. Die zablreihen 
ruchjtüde, die von des E! verjchiedenen Werten 
noch erhalten find, wurden mehrfach gefammelt, am 
beiten von Vablen («Ennianae poesis reliquiae», 
2p;.1854), 2. Müller («Q.Ennicarminumreliquiae», 
Vetersb. 1884) und Bährens («Fragmenta poeta- 
rum Romanorum», Lpz. 1886). Die Reite feiner 
dramat. Dibtungen bat Ribbed in feine «Scaenicae 
Romanorum poesis fragmenta» (2. Aufl., 2 Bde., 
Lpz. 1871— 73) aufgenommen. — Bol. Ribbed, Die 
röm. Tragödieim Zeitalter der Republik (Lpz. 1875); 
2. Müller, Q. E. (Betersb. 1884). 
Enuodins, — Felix, lirchlicher Schrift« 
—— geb. 473 zu Arles, wurde 511 Biſchof von 

icinum 2 und ſtarb, um feiner klaſſiſchen 
Bildung willen hochgeſchätzt, 17. Juli 521. Seine 
Werte (Briefe, Gedichte und Pebensbeihreibungen) 
wurden bg. von Sirmondi (Par. 1611) in Mignes 
« Patrologıa ıatina» (Bd. 63), Hartel (Bd. 6 des 
«Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum», 
Wien 1882) und Vogel («Monumenta Germaniae 
historica», Abteil. 1und3: «Auctoresantiquissimi», 
Bd. 7, Berl. 1885). — Val. fertig, E. und jeine Zeit 
(Bajlau und Landsh. 1855—58); Magani, Ennodio 
(3 Bde., Bavia 1886). 

Enns oder Ens, rechter Nebenfluß der Donau 
in Oſterreich, entſpringt im Kronlande Salzburg 
am Nordfuß des Mojer Mandl umd tritt bei 
dem Mandlingpaß (810 m) in Steiermarf ein. Bei 
Schladming (737 m) hat der Fluß eine oftnordöftl. 
ar angenommen, die er auf 105 km weit bei: 
bebält, bis er bei Hieflau (517 m) plöglih nad N. 
umbiegt und dann unterhalb des Fleckens Alten: 
markt in Oberöjterreich eintritt. Hier bejpült er die 
Stadt Steyr (302 m) und mündet 22 km unterhalb 
derfelben, 65 m breit, bei der Stadt Enns N d.). 
Bon Raditatt (856 m) bis Be Mündung ziebt an 
ibren Ufern die Eiſenbahn. Die €. ift 304 km lang, 


39 


unterhalb Steyr in einer Länge von 28,4 km bie 

Grenze zwiſchen Nieder: und Oberöſterreich, wes⸗ 
alb erjteres aub Land unter der E,, lebteres 
and ob der E. genannt wird. 

Enns, aub Ens, Stadt in der dfterr. Bezirks: 

uptmannſchaft Linz in Oberöfterreih, in 280 m 

öhe, auf einer Anböbe, lints an der E., ne an 
deren Einmündung in die Donau, an der Linie Wien: 
Linz der Oſterr. Staatöbabnen, Sitz eines Bezirlö: 
gerichts (81 qkm, 8379 E,), bat (1900) ala Ge: 
meinde 4277 E., eine got. Stadtpfarrlirche mit 
Ihönem Portal, ein Rathaus mit freiftehenbem 
Turm (1565), ein der Landgräfin Karoline Fürften: 
berg gehörige: Schloß Ennied (15. Jahrh.) mit ſchö⸗ 
nem Barf, und bedeutende Bierbrauerei. Nahebei das 
uralte Lord (j.d.). Im J. 900 errichteten bier die 
Bayern eine Feſte gegen die Hunnen, Anaſi- oder 
Anesburg (Ennsburg), die unter den Markgrafen 
von Steier bald zu großer Blüte gelangte. jr E. 
wurde 1186 der Erbvertrag * oſſen, durch den 
die Steiermart an Ofterreich lam. Durch Leopold VI. 
erbielt E. 1212 Stadtrechte, 1275 wurde ed von Rus 
dolf von Habsburg erobert. 5.Nov. 1805 fand bier 
ein Gefecht zwischen Duangefen und Öfterreichern ftatt. 

Ennöthaler Alpen, |. Dftalpen C, 13, 

Ennui (jr;., ſpr. annüib), Langeweile, Über: 
druß; ennupteren, langweilen; ennuyant (fpr. 
annütiang), langweilig. 

Enod,, |. Henoch. 

Enodieren (lat.), auflöjen, entwideln, entwir: 
ren; Enodation, Auflöjung, Entwidlung. 

Enomötie, jpartan. Truppenabteilung in der 
Stärte von etwa 25 bis 36 Mann, an deren Spitze 
ein Enomotärch jtand. 

Enomoto zu, japan. Diplomat und Staats: 
mann, geb. in Tofio, wurde 1863 mit mehrern ans 
dern Japanern nad) Holland gefandt, um dort Schiff: 
bau und Marinewejen " ftudieren. 1867 kebrte er 
nad der Heimat zurüd und wurde mit einer der 

öchjten Stellen im Marinewejen betraut. Als im 
Reitaurationstriege 1868 die faiferl. Truppen in 
Tolio einrüdten, fammelte €. B. die zeriprengten 
Reite der Shoguntruppen an der Suptähe der Inſel 

eilo. Hier wurde eine Republit proflamiert und 

. B. zu ihrem Präfidenten ernannt. Er richtete an 
die kaijerl. Regierung eine Betition um Ülberlaffung 
der Inſel Jeſſo an die Tolugamafamilie und ihre 
Untertbanen. Die Regierung ging bierauf nicht 
ein, und in dem nun folgenden Kampfe mit den 
Kaiſerlichen —— E. B. und wurde gefangen 
nad Tokio geführt. Vom Kaiſer begnadigt, trat er in 
die Dienfte der neuen Regierung, wurde 1874 zum 
Viceadmiral der Flotte und bald darauf zum außer: 
ordentlihen Geſandten und bevollmädtigten Mi: 
nifter am Hofe von Petersburg ernannt. Aus 
Rußland zurüdgelebrt, wurde er 1880 zum Marine: 
minijter ernannt und ging einige Jahre darauf als 
Gejandter nah PBeling. Nach jeiner Rüdtehr 1886 
wurde er Minijter des öffentlichen Verlehrsweſens, 
1888 Unterrichtsminiſter, 1891—92 Minijter des 
Auswärtigen, 1892—% Landwirtichafts: und Han: 
deläminiiter. Seit 1888 gebört er dem Staatsrat an. 

Enophthaͤlmus —X das Zurüdfinten des 
Augapfeld in die Augenböble, it bedingt durch 
Bolumabnabme des Inhalts der Augenböble, na⸗ 


wird, nachdem fie zwiſchen Admont und Hieflau mentlich des diejelbeausfüllenden Zellgemebes. Man 


das Gefäufe (f. d.) durditrömt bat, ſchiffbar und 
nimmt —* bei Groß⸗Reifling (428 m) die Salza 
und lints bei Steyr die Steyr auf. Der Fluß bildet 


beobachtet denjelben bei hochgradiger Abmagerung. 
Durch den großen Wajlerverluft des Gewebes ent: 
midelt er ſich innerhalb weniger Stunden bei der 


40 


Aſiatiſchen Eholera. Auch lann E. nah Operationen, | 
wo ein Teil des Augenböbleninbaltes entfernt wird, | 
auftreten, weiter nad Lähmungen des Nervus sym- 

athicus und Berlegungen, wobei der Augapfel 
It t nicht getroffen wird, fondern der obere Augen: 

öblenrand, 

Enopla, Unterordnung der Shnurwürmer (f.d.). 

Euorm (lat.), über das Maß, die Regel hinaus: 
gebend, ungeheuer; Enormität, Ungeheuerlichteit. 

Enos, Stadt im Sandſchal Dedeaghatſch des 
türt, Wilajets Adrianopel, am Igäifhen Meere und 
öftlich von der Mündung der Marika, von Sümpfen 
—— und deshalb ungeſund, mit einem ebe: 
mals bedeutenden, jetzt verihlammten und nur für 
Kleinere Fahrzeuge zu ER Hafen, hat 6—7000 
mobammed. und gried. E., Handel mit den Landes⸗ 
produften wie auch ifcherei und Schiffahrt auf 
dem Agäiſchen Meere und auf der Marisa. Als 
Ausfuhrhafen ift E. jetzt von Dedeaghatſch (f. d.) 
überholt. — €. ift die alte, [bon von Homer erwähnte 
griech. Stabt Unos, eine äoliſche Kolonie, die wäh: 
rend der byzant. Zeit Metropolis (Sig eines Erz⸗ 
— war und vom 7. Jahrh. bis 1204 zum 
Thema Macedonien gerechnet wurde. 

Enoſichthon, Enofigaios (grch., «Erderſchüt⸗ 
terer»), Beiname des Poſeidon. 

Euosmöſe, ſ. Osmoſe. 

Enoftöfe (grch.), Knochengeſchwulſt, die ſich im 

nnern ber Schädellapſel oder im Marltanal eines 

ohrenknochens bildet. 

Enotrio Romäno, Pieudonym des ital. Dich: 
ters Giofud Carducci (f. d.). 

En 5— frz. ſpr. ang paßäng), im Vor: 
übergeben, beiläufig, nebenbei. 

En päte, in Form einer Baite, eines Teiges. 
hg für Bunt: 


En pate-Farben, teigige 
ind Mineral: oder 


papier: und Tapetenfabritation, 
Lackfarben. 

En profil (fr;., jpr. ang), von der Seite, in der 
bildenden Kunft Ausprud dafür, daß das Geficht, 
auch ganze Figur, in Seitenanficht bargejtellt ift. 
(S. Bildnig.) [in Rede ftebend. 

En question (fr;., fpr. ang teftiöng), in Frage, 

Enquete (franz. enquöte, Pr. angläbt), eigentlich 
Beugenverbör, im franz. Civilprozeß das Verfabren, 
in welchem der Zeugenbeweis und der direlte Gegen: 
beweis durch Zeugen (Contre-enquöte) erhoben wırd; 
in der Sprache des franz. Verwaltungsrechts (in der 
Praris meift Enquöte de commodo et incommodo 
—— das der Zwangsenteignung, öffentlichen 

rbeiten, Bergwerlöverleibungen, der Erlaubnis 
zur Anlegung von Triebwerten an Gemäjjern und 
andern Unternehmungen vorhergehende Berfabren, 
durch welches den betroffenen Privaten Gelegenheit 
zur Borbringung ihrer Beichwerden und Wünſche 
gegeben und die zwedmäßigjte und mohlfeilfte Art 
der Ausführung ermittelt werben foll, 

in parlamentarifhen Spradgebraudh be 
zeichnet E. eine enalifhe, aud in andern Pändern 
nachgeahmte Einrichtung. Seit langer Zeit üben in 
England die beiden Häufer des Parlaments jedes 
für ſich das Recht, über ſolche Verbältnifie des Lan— 
des, welche einer Regelungdurd die Geſetzgebung zu 
bedürfen ſcheinen, die aber nicht leicht und nicht von 
jedermann in allen Teilen zu überfeben find, behufs 
Gewinnung der nötigen thatſächlichen Unterlagen 
für die legislatoriſche Thätigleit genaue und um: 
fafjende Unterfuchungen (engl. Inquiries) durch eine 
aus der Mitte des betreffenden Hauſes gemäblte 


6 


Enopla — Enquete 


Kommiffion anzuftellen. Derartige €. haben teile 
auf Antrag der Regierung, teils einzelner Mit: 
ieder jebr bäufig und über die mannigfaltigiten 
egenftände jtattgefunden, 4. B. über das Armen: 
tr die Arbeiten der Kinder in den Fabriten, 
die Banken, die Verbältnifje beftimmter — 
weige, die Zuſtände Irlands, die Schiffahrtsge— 
ee, die Eiſenbahnpolitik. Die zu ſolchem Zmwede 
niedergejegte Kommiffion (Select Committee) bat 
das Recht, nicht bloß freiwillig gebotene Austunft 
anzunehmen, jondern aud öffentliche Beamte und, 
eugen und Sadverftändige 
vorzuladen und zu befragen. Wiſſentlich falſche 
Ausfagen werden in der Hegel ald Privilegienbruch 
betrachtet. Es findet fogar zuweilen Bereidigung 
der Zeugen ftatt. Die Vernehmungen gefcheben 
öffentlich, die ftenographifhen Protokolle werden 
fofort gedrudt und in der Regel auch meiſt fofort 
verbreitet, um dem Volle Gelegenbeit = geben, der 
Kommiffion neue, wichtige, ergänzende Mitteilungen 
h maden. Endlich eritattet auf Grund der Unter: 


Privatperfonen ala 


uchung die Kommiffion felbjt einen ausführlichen 
ericht, der ebenfall3 veröffentlicht wird und ver 
rundlage der parlamentariijhen Berband: 
lungen, mie auch der Beſprechungen in der Preſſe 
dient. Neben den Parlamentsausſchüſſen fest auch 
die Regierung fog. Königlihe Kommiſſionen (Royal 
commissions of Inquiry) nieder, wenn es fi um 
erg bandelt, die umfafjender und von 
jahrelanger Dauer — Man würde ſich in Eng: 
land nicht für befähigt Ks über eine wichtige 
grage der Volkswirtſchaft, des Finanzweſens, der 
echtspflege oder eines andern Zweigs der Geſetz⸗ 
ebung ohne eine ſolche vorausgegangene Unter: 
ee zu entfcheiden, und in der That verbanft 
Gngland jenen Unterfuhungstommiffionen feine 
bedeutenditen und beften Gelee. Die zahlreichen, 
über 1000 Bände umfafienden Kommiſſionsberichte 
bilden ein unihäsbares Material zur Kenntnis der 
ejamten Zuftände Englands. Anderer Art wer bie 
ablprüfungstommifltonen, die, wenn Beitechuns 
gen und Negelmidrigleiten vorgelommen zu fein ſchei⸗ 
nen, von dem Unterbaufe gebildet zu werden pflegen. 
In Frant ne. baben feit Mitte des 19. Jabrb. 
ebenfalls häufig E. ftattgefunden, teild eigentlich 
parlamentarijche, teild mehr abminijtrative, die 
von dem Oberbandelärate geleitet wurden. Sie wur: 
den namentlih vor allen wichtigern Üinderungen 
des Zollſyſtems veranftaltet. Die umfangreichſte 
von allen war bie 1866—68 abgebaltene En- 
quöte agricole, welche 35 Quartbände geliefert bat, 
aber feinen großen praftiihen Wert befikt, mie 
überhaupt in diefer Beziehung die franzöfiichen E. 
den Vergleich mit den englifchen nicht aushalten. 
Auch in Deutfhland verlieh die Reichsver— 
faſſung von 1849 und verleiht namentlib noch 
die preuß. Verfaſſung der Voltövertretung das 
Recht, Unterfuhungstommiffionen niederzufeken, 
und in der That find in Preußen auf Veranlaſſung 
der — derartige Kommiſſionen mehrmals 
vom preuß. Abgeordnetenhauſe gebildet worden. 
Auch Regierungs-Enquetelommiſſionen kommen 
häufig vor, mit denen indes die Vertretungen * 
nächſt nichts zu thun haben. Bon ausſchließlich 
olit. Bedeutung war die 1863 von dem preuß. 
bgeordnetenhauſe eingeſete Unterfubungstom: 
miſſion zur Feſtſtellung der Wahlbeeinfluſſungen. 
Epäter hat man für die ee in kung ern ſowie 
für die preuß. Gejergebung einzelne E. vorgenom: 


als 


Enragiert — Enjchede 


men, jo die Eifenbabntarifenguete 1875 und die 
preub. Eifenbahnunterfuchungstommiffion 1873, die 
6. über die Lage der Eijen:, Baummol , Leinen: 
und Tabalsinduſtrie 1878, über die Reviſion deö 
Patentgejebes 1886, die Börfenenauete (f. d.), die 
Erbebungen der Kommiffion für Arbeiterftatiftit jeit 
1892 und die über VBerbältnijie im Handwerk 1895. 
— Vol. Eobn, Über parlamentarifhe Unterfuchun: 
gen in England (Jena 1875); Das Verfahren bei 

„über fociale Berbältnifje. Gutachten von Embden, 
Eobn und Stieda —8 den «Schriften des Vereins 
für Socialvolitite, Heft 13, ps. 1877). 

Enragiert (frz., ſpr. ang’rajd-), wütend, ra: 
ſend; leidenſchaftlich für etwas eingenommen. 

Euregiftrement (fr;., jpr. ang röihiptr'mäng), 
die Cintragung in ein Regiſter, melde in Frankreich 
und den Yändern des franz. Rechts % B. auch in der 
preuß. Rbeinprovinz, Geſeß vom 23. April 1804) ins: 
befondere dazu dient, Privaturfunden ein ſicheres 
Datum (f. d.) zu geben. Außerdem aber wird da: 
elbit (4.8. auch in Elſaß-Lothringen) unter diefem 

men eine indirefte Steuer erboben, welche im 
J 1790 an Stelle verjchiedener anderer Abgaben, 
namentlich der fog. Contröle, trat und gegenwärtig 

uptſächlich auf dem Gejek vom 22. Frimaire des 

bres Vli berubt. Die Enregijtrementsgebübren, 
welche teilö verbältnismäßige, teils fejte find, wer: 
den ald Mutations:(Handänderungs:)gebübren bei 
der Übertragung des Eigentums an unbemweglihem 
Gut unter Lebenden und bei jedem Eigentums: 
ermwerb von Todes wegen (Sterbfallägebübren) er: 
boben, ferner von andern Rechtsgeſchäften bei Re 
iftrierung der darüber lautenden Urkunden. Die 
ung ber Steuer erfordert jurift. Kenntniſſe, 

wie denn auch Streitigeiten über Enregiftrements: 
ſachen vor die ordentlichen Gerichte verwieſen find, 
wo fie in bejonderm Berfabren verbandelt werben. 

Enregijtrieren (jrz. ſpr. ang'röici-), einregi- 
ftrieren, einzeichnen, —— Enregijtrement). 

Enrhumiert (frz., jpr. ang’rüm-), mit dem 
Schnupjen behaftet, verſchnupft. 

Eurichieren (ir;., ſpr. ang'riſch⸗), bereichern, 
verzieren, ausſchmucken. 

Euriquez Gomez(ipr.-ribteds), Antonio, eigent⸗ 
lich Enrique Enriquez de Paz, ſpan. Dichter, 
Eobn eine? getauften portug. Juden, geb. um 1600 
jr govia, trat im 20. Jabre in Kriegsdienſte, er: 

ngte den Rang eines Kapitäns und das Kleid des 
Kitterordend vom beil. Michael. 1636 verließ er 
Epanien, wohl weil er innerlib an dem ererbten 
Glauben fejtbielt, wenn er auch erjt viel fpäter 
öffentlich — zurücklehrte; ſein Sohn Diego 
Enrique; Baſurto, der 1649 in Rouen ein Gedicht 
«El triumpho de la virtud y paciencia de Job» 
berausgab, wird als Jude bezeichnet. E. ©. fand, 
wie zablreihe andere Spanter, am Hofe Lud— 
wigs XIII. Gunft und Stellung; 1660 wird er von 
der Inquiſition in effigie ald Abtrünniger zum 
Feuertod verurteilt und dabei als in Amfterdam 
anjäffın bezeichnet. Noch während feines Aufent: 

& in Spanien trat E. G. als dramat. Dichter auf. 
«El cardenal de Albornöz» und «Fernan Mendez 
Pinto» werben als bejonbers beifällig aufgenom: 
men genannt. Nach eigener Angabe Ferrieb er 22 
Krmödien, denen die bäufige Anwendung des afjo- 
nierenden bdreifilbigen Irobäus eigentümlid tft. 
Die befte: «A lo que obliga el honor», erinnert an 
Calderons «Medico de su honra», €. G.' Komö: 
tim find im allgemeinen wohldurchdacht, aber 


4l 


dur pbantaftifches Beiwerk und im Stil dur 
fibertreibung entftellt. Dieſer leßtere Febler berricht 
auc in feinen Werten in Berjen und Proſa. Zu 
diefen gebören: «Academias morales de las musas» 
(Bord. 1642; Balencia 1647; Madr. 1660; Barcel. 
1704, verſchiedenartigen Inhalts), «La culpa del 
primer peregrino» (onen 1644; Mabr. 1735), 
ein tbeol.:myjtifches Gedicht; «El siglo pitagörico» 
(Rouen 1644 u. d.), fatir, Charafterbilder von ges 
ringem Werte, in die Form der Geelenwandes 
rung eingelleidet, halb in Brofa, halb in Berfen; 
«La vida de D. Gregorio Guadana», eine Novelle 
im Genre ded Quevedo und Nleman, bie einen 
Teil des «Siglo pitagörico» bildet (in der «Biblio- 
teca de autores espaholes», Bd. 33); «Luis dado 
de Dios» [Bee 1645), «Politica angelica» (Rouen 
1647), welche Schrift Anfichten über Staatsverwal⸗ 
tung enthält; «El Samson Nazareno» (ebd. 1656), 
ein verunglüdtes Heldengedicht. Seinen lyriſchen 
Gedichten ijt Gedantenreihtum und Empfindung 
nicht abzufpreben. Sie ftehben im 42. Bande der 
Madrider «Biblioteca de autores espaholes», zwei 
Dramen im 47. verjelben Sammlung. — Bal. 
Barrera y Leirado, Catälogo del teatro antiguo 
espahol (Madr. 1860). 

Enrolieren (frz., pr. ang'r-), in die Mufter 
rolle oder Werb Ihe eintragen, anmwerben; En: 
rolement (fpr. ang’'rolmäng), Anwerbung zum 
Kriegsdienſt. ſwartsl 


En route ifrz., ſpr. ang rut), unterwegs; vor⸗ 
Ens (lat.), das Seiende, Ding, Weien; E. en- 
tlum, dad Mejen der Weſen, d. i. Gott; E. ra- 


tionis, Gedantenweien, das bloß in der Vorftellung 
vorbanden ift, im Gegenfaß zum E. reale, dem in 
der Wirklichkeit vorbandenen Dinge oder Weſen. 
Ens, Fluß und Stadt in Oſterreich, ſ. Enns. 
Enfchede (ſpr. ens⸗ch⸗) Enſchedeé, Stadt in der 
niederländ. Provinz Oberyſſel, 6 km von der preuß. 
Grenze, an den Linien Hengelo-Grenze der Nieder— 
länd, Staatöbahnen und Winterswijl:E, (44 km) 
fowie E.Oldenzaal (10 km) der Holländ, Eiſenbahn⸗ 
u eng bat 1879: 5450, 1899: 24352 E., 
mehrere Kirchen, eine Gewerbe: und Handelsſchule, 
einen ſchönen Volkspark; Zmwirnfpinnerei und bes 
deutende Kattuninduftrie (1899: 7 Spinnereien mit 
173972 Spindeln, 15 MWebereien mit 7383 Web: 
ftüblen). Am 7. Mai 1862 wurde die Stabt durch 
eine Feuersbrunſt zu zwei Dritteln in Ajche gelegt. 
fchede ( fr enö:h-), bolländ. Buchdrucker⸗ 
familie. Jfaat€., geb. 16. Mpril 1681, geft.1. Mai 
1761, ftammte aus einer Groninger Familie und 
errichtete 1703 in Haarlem eine Buchdruderei. — 
Sein oe Johannes E. geb. 10. Juli 1708, 
geit. 21. Nov. 1780, war Teilhaber, fpäter Inhaber 
der väterlihen Buchdruckerei, zu der 1737 der Ver: 
lag der Zeitung «Oprechte Haarlemsche Courant» 
(gegründet 1656, ſeit 1847 Tageblatt) und 1743 die 
riftgießerei von Floxis Hendrit MWetftein mit 
Schriften von Michael Fleiſchmann (f. d.) — 
wurden. Um zu beweiſen, daß die Buchdruckerkunſt 
in. Haarlem erfunden worden fei, fammelte E 
eine reichhaltige Bibliotbel namentlich von Inkuna⸗ 
bein, die jedoch 1867 wegen Erbteilung verfteigert 
wurde; unter andern entdedte er Fragmente eines 
Donat und eines Horariums, das für einen Drud 
Coſters gehalten wird. Berühmt ift auch feine 
Sammlung von Stempeln und Matrizen aus dem 
15. bis 17. Jahrh., von denen aber nur nod die 
Matrizen vorhanden find, und fein 1768 beraus- 


42 


gegebenes Schriftprobenbuch «Proef van lettern». 
1777 nahm er zwei feiner Söhne als Teilbaber auf, 
und die Firma lautet feitvem bis zur Gegenwart 
«Yohannes Enſchede en Zonen». Dieſe Söhne 
waren: Johannes E., geb. 16. Nov. 1750, geit. 
29. Juli 1799, der die Bibliothek des Vaters 
durch Erwerbung der «Editiones principes» der 
Klafliler und wertvoller Handferiften vermehrte, 
und Jakobus €., geb. 19. März 1753, geit 1. Yan. 
1783, an deſſen Stelle ein dritter Sohn Abrabam 
€., geb: 20. März 1760, geſt. 2. Aug. 1820, trat. 
1896 wurden Bejiger zwei Urentel von Johannes 
.: Sobannes E., Pr 26. Aug. 1851, und 
Charles E., geb. 23. März 1855. 
Die Buchdruckerei (33 Preſſen) mit Buchbinderei 
und Kupferbruderei (15 Preſſen) ftellt befonders 
—— Banknoten, Wertpapiere, daneben 
Bibeln und viele illuſtrierte Werte her. Die Schrift: 
eg ig chiedene holländ. 
Nozemann & Eo., Elzevier, Willem Cupy, Brüder 
Ploos van Amftel u. a.) und belg. Sthriftgießereien 
vereinigt wurden, hat 22 Maſchinen, Galvano- 
plaftit, —— es xylographiſche und me: 
tallographiihe Anftalt, Zintographie, Photogra- 
vüre. Auch Bun Fabrik für Buchdruckgerätſchaften 
vorhanden. Die Gefamtzabl ver beichäftigten Perſo⸗ 
nen beträgt 270, mit Kranlen: und Benkond —* 
Euſchede en Zonen (ſpr. ſohnen), Buchdruderei 
und Schriftgießerei in Haarlem, ſ. Enſchede, Familie. 
Ensdorf, Dorf im Rheinland, ſ. Bo. 17. 
Enfe, Varnbagen von, f. Barnhagen von 
Enjeli, Dafenvlap von Reicht (f.d.). [Enje. 
Enfemble (frj., ſpr. angbängbl), ein aus dem 
ebörigen neinandergreifen des Cinzelnen ent: 
Nebenbes anzed. Im —— verſteht man 
unter E. das — — ei dem jeder ein— 
elne Teil ſich dem Ganzen unterordnet. Des— 
—8 iſt das einſeitige Virtuoſentum der Feind 
des E., wahrend auch eine mittelmäßige Schau— 
ſpieler Beier Befriedigendes erreihen kann, 
wenn jie dem E. Rechnung trägt. In der Mufit 
beißen E. Kompofitionen für mebrere Jnftrumente, 
bejonders für Bianoforte mit Streib: oder Blas: 
Enfenada (ipan.), Bucht. [inftrumenten. 
Enfenada, Hafenort von Pa Plata (ij. d.). 
Enfeth (Enzeth), Pflanzenart, ſ. Musa und 
Zafel: Blattpflanzen, Fig. 4. ’ 
Ensifer (lat., «Schwertträger»), früher Titel 
des Kurfürften von Sachſen ald des Erzmarſchalls 
des ehemaligen Deutihen Reiche. 
Enfilage (fr3., ſpr. — Aufbewahrung 
namentlich grüner Futtermittel, aber auch von Kar: 
' toffeln, Rüben 
u. f. w. in Silo 
(f. d.), wobei die: 
jelben einen mit 
Säurebildun 
verbundenen Gä- 
rungsprozeß 
durchmachen. Die 
Hauptbedingung 
für das Gelingen 
der E. d. b. Hint⸗ 
anbaltung ber 
Eſſigſäure⸗ und 
Beförderung der Milhfäurebildung, iſt möglichſte 
Entfernung der in dem Futter vorhandenen Luft 
—* Schneiden und Feſttreten desſelben), ſowie 
erhinderung des Zutritts von Luft und Feuch— 





Enſchede en Zonen — Enslin 


tigfeit; es erlangt dadurch das enſilierte Futter einen 
böhern Temperaturgrad, und da es nicht jo viel 
Säure wie das gewöhnliche Sauerfutter enthält, wird 
es auch Süfpreßfutter genannt. Die Vorteile der 
€. gegenüber ver 
Trodenwertung 
bejteben haupt: 
ſächlich in der Un: 
abhängigleit vom 
Erntemetter, wes⸗ 
balb vie erftere 
auch namentlich 
in England und 
manchen Gebirgs⸗ * 
—— Be. 
tunggefundenbat.. 
rn ſtellt 
man nad dem Bei⸗ 
ſpiel des engl. Landwirtes Johnſon das Enſilage— 
ober Süßpreßfutter oberirdifch fo ber, daß die 
grünen Futtermittel in Feimen zufammengebradt 
und mit Hilfe von Winden, Ketten oder Drabtjeilen 
(f. Fig. 1) feft zufammengepreßt werben. Neuerdings 








zieht man die fontinuierlihen Preßvorrichtungen 
nad Blunt, jeßtaberinzahlreihen Abänderungen be 
nußt, bei weldyen durch beſchwerte Hebel (Fig.2) oder 
durd Sandfajten (Fig.3) die Futterfeime zufammen: 
geprebt werben, vor. — Bg n, Das Einfäuern 
der Futtermittel(Berl. 1885); Fry, Die Einfüßung der 
ee. (deutjc von Geehl, ebd. 1885); Echüler, 
ie Konfervierung der Futtermittel (ebd. 1899). 
Enfisheim, Hauptjtabt des Kantons E. (264,87 
qkm, 17 Gemeinden, 12843 €.) im Kreis Gebmeiler 
des Bezirks Dberelfaß, an der Straße von Colmar 
nad Bajel und dem aus der de abgeleiteten Vauban⸗ 
tanal, mit Mülhaufen durch Straßenbahn (16 km) 
verbunden, Sig eines Amtögeriht3 (Landgericht 
Colmar), iaid. Delanat3 und einer Oberförſterei, 
bat (1900) 2555 €., darunter 313 Evangelifche und 
23 Israeliten, (1905) 2534 E., Poſt, Telegrapb, 
Spital, Strafanftalt für Männer im ehemaligen 
Jejuitentolleg, zahlreihe Grabhügel kelt. und ger: 
man. Urjprungs, röm. Reſte, Rathaus (1535), eins 
ber hervorragendſten weltlihen Baumerle des Ef: 
fafles, mit einem 7. Nov. 1492 gefallenen Meteor: 
jtein (50 kg ſchwer), ihöne got. Bürgerbäufer; 
dabrifation von Metallwaren, Seife, Kolosmatten 
und Möbeln. — Im Weitfäliihen Frieden fam €, 
an Frankreich und war 1657—74 Sib des in ber 
Folge nad Colmar verlegten —* en Gerichtshofs 
der Provinz (Conseil souverain d’Alsace), ſpäter 
der der vorberöfterr. Een .— Bol. Merllein, 
Histoire de la ville d’E. (2 Bbe., Colmar 1841). 
Enfival (jpr. angbiwäl), Stadt im Kanton Spa, 
Arrondifiement Bervieurderbelg. BrovinzLüttih,an 
der Linie Luttich-Grenze ber Belg. Staatsbahnen, hat 
(1900) 49067 €. und iſt faft mit Verviers verbunden. 
Enslin, Theodor Ehriftian Friedr., Buchhändler, 
geb. 18. Nov. 1787 in Klojter-Sul; bei Ansbadı, 


Ens Martis 


eribtete 1817 in Berlin eine Sortiments« und 
arme re Das Sortiment ging 1826 
unter der Firma « Enslinſche Buchhandlung» in 
andere Hände über. Der Verlag umfaßte ee 
Werte aus der Medizin und Chirurgie (Ruft, Blas 
fius, Dieffenbach, Heder u. a.). €. jelbit verjaßte 
und gab beraus eine Anzahl wiſſenſchaftlicher 
Bücherlataloge, die mehrere Auflagen erlebten und 
fpäter von Wilh. Engelmann (f. d.) in Leipzig be: 
arbeitet wurden. 1833—38 war er Vorſteher bes 
Börjenvereins der Deutſchen Buchhändler und be: 
fonders bei dem Bau der — —— in Leip⸗ 
— thätig. Auch war er Mitglied des Preußiſchen 
tterariihen Sachverſtändigenvereins. Kurz vor 
feinem Tode (22. Mai 1851) ernannte ihn die Uni- 
verfität Berlin wm Ehrendolktor der Philoſophie. 
Sein Sohn Adolf E. geb. 1. Febr. 1826, er: 
richtete im April 1851 eineSortimentsbuchhandlung 
in Berlin und übernahm dazu nad dem Tode feines 
Baters defien Verlag, den er aber unter der alten 
dirma gejondert fortjührte, und namentlich durch 
päbagogiihe Schriften (von Ludw. Erf, Friedr. 
Fröbel u.a.) erweiterte. Das Sortiment ging 1873 
an Alerander Bath über. E. war 1873—82, mit eins 
PapSger\interkrehung, Vorſteher des Borſenvereins 
der Deutſchen Buchhändler; auch war er Mitglied 
des Preußiſchen Litterariihen Sachverſtändigen⸗ 
vereins. ſtarb 25. Juni 1882. 
Der Verlag ging 1. Olt. 1882 an Richard 
Schoet (geb. 26. Juli 1853, geſt. 24. Sept. 1905) 
und feine Erben über, der ihn feit 1. Oft. 1892 unter 
eigenem Namen fortführte und beſonders nad) der 
mediz. und veterinärwiſſenſchaftlichen Richtung er: 
meiterte: «Berliner tierärztlihe Wochenſchrift⸗ 
(jeit 1885) u. a. 

Ens Martis, |. Eiſenchlorid. 

Eniombeden, Inſel, j. Einfamteit. 

Enioöph (grd., d. i. Mxenblides), myſtiſcher 
Name, womit die labbaliſtiſche Philoſophie das 
göttliche Weſen bezeihnet. 

Enjtatit, rhombifhes Mineral der Pyroren⸗ 

ruppe mit ſeitlichem Prismawinkel von 88° 12°; die 
Maulenförnigen Kryſtalle find entweder durd das 
Grundpriäma oder das Makro: und Brachypinakoid 
begrenzt, oben durch zahlreiche Flächen flach gerun: 
bet, oft quer zerbrocden, vielfach mehr oder weniger 
in eine jerpentinäbnliche oder fpediteinartige — 
umgewandelt. Der E. iſt farblos, graulichweiß, 
elblich oder grünlid, von der Härte 5 und dem 
per. Gewicht 3,2. Vielfach enthält er mitroftopifche 
Lamellen von monollinem Pyroxen parallel feiner 
Querfläce eingewachſen. Chemiſch befteht er aus 
dem Magnefiumfilitat MgSiO,, wobei gewöhnlich 
ein feiner Teil des Magnefiums durch Eifenorybul 
vertreten ift. Säuren And obne jede Einwirkung; 
por dem Lötrobr ift er unjchmelzbar. Der E. wurde 
1855 von Kenngott im Serpentin von Nloisthal in 
Mäbren entdedt; ſeitdem ift er ſehr bäufig gefunden 
worden, im Schillerfel3 von der Bafte am Harz, im 
» 2berzolitb der Borenäen, in jebr zahlreichen andern 
olivinbaltigen Gefteinen, in Gabbro, Serpentinen, 
aub Melapboren, Andefiten, vielfah nur milro: 
lopiſch. Liber 40 cm lange, bis 26 cm breite Kry⸗ 
falle führt die Apatitlagerjtätte von Kjörreſtad im 
norweg. Kirchipiel Bamle. Große Maflen von faſt 
reinem E. erjcheinen am —— im norweg. 
Amt Nordland. Sehr reiner E. (Chladnit), von 
derſelben ger und Zufammenjeßung wie 
ver irbifche, iſt auch Gemengteil gewiſſer Meteorite 


— Entamieren 43 
(Meteorftein von Bifbopville in Sübcarolina, von 
Goalpara in Affam). [ununterbroden. 


En suite (fr;., ipr. ang fwit), in einem fort, 

Entäb, Stadt in Syrien, ſ. Nintäb. 

Entäda Adans. (Pursaetha L.), Pranjengob 
tung aus der Familie der Leguminofen (f. d.), Ab: 
teilung der Mimofaceen, mit gegen 11 Arten, von 
denen die Mehrzahl in Afrika, einige in Südamerita 
und eine ſowohl in den Tropengegenden der Alten 
Melt wie Amerikas vorlommt. Es ind meiſt ſtrauch⸗ 
artige, Hetternde Gewächſe mit doppelt gefiederten 
Blättern und Meinen zwitterigen oder polygami: 
ihen Blüten mit glodigem, Fanfzähnigem elch, 
fünf Blumenblättern und zehn Staubgefäßen. Die 
Früchte find lange, flache, holzige Hülfen mit zahl: 
reihen, bis hübnereigroßen, ziemlich platten Sa: 
men. Von der im tropischen Aſien, Afrita und Ame— 
rika wachſenden Riefenhülfe oder Meerbohne 
(E. Pursaetha DC. oder scandens Benth.) werben 
die Blätter mit Reid gemifcht auf den Moluften ge: 
geilen; Saft und Samen dienen in manden Gegen: 
den als Voltäheilmittel. In einigen Tropengegen: 
den dienen fie wegen ihrer harten glänzenden Schale 
zu Schnigereien oder ausgehöhlt zu Heinen Dojen, 

Entail (engl., fpr. -tebl), in England die bei 
Verleihung eines Gutes —— —— 
nach welcher ln als Stammgut zu behandeln 
ift. Derartige Beitimmungen wurden durch den 1285 
erlaffenen Statute de Donis ermöglicht. Nach der 
Set diefes Geſetzes follte der Tenant in Tail 
(d. b. der Inhaber eines in diefer u verliebenen 
Gutes) weder durch Verfügung unter Lebenden noch 
dur Teſtament das Gut veräußern können, und 
nad feinem Tode follte dasſelbe nad der bei der Ber: 
leihung beftimmten Erbfolgeordnung dem nächſten 
Anwärter zufallen. Die Findigleit der Advokaten 
ermöglichte es bereits im 15. Jahrh. diefe Borfchrif: 
ten zu er re und ein Tenant in Tail, der im 
Befig des Gutes ift, kann dasfelbe obne weiteres 
veräußern. Zur Erhaltung der Familiengüter er 
fann man aber die Familienſtiftungen, durch welche 
zunächſt einer Reibe von Perfonen der Nie m 
auf Lebenszeit ae wurde, ehe dad Gut au 
den Tenant in Tail überging; aber auch hier bat 
das Recht durd die jog. Rule a 
und andere höchſt — Vorſchriften der Dauer 
der Stiftung eine Grenze geſeßzt. Die Stiftung 
darf das Gut nicht auf eine Zeit, die fih auf mehr 
ala 21 Fahre über das Leben einer zur Zeit ihrer 
Errihtung am Leben befindlihen Perfon hinaus 
erjtredt, unveräußerlih machen. In der Praris ift 
es üblich, die Stiftung von Generation zu Gene: 
ration zu erneuern, wozu ſich der nächſte Anwärter 
ftet3 gern verftebt, da feine Zuftimmung regel: 
mäßig mit der Zuficherung einer Rente erkauft 
wird. Seit 1883 ıft (infolge der Settled Land Act 
von 1882) die Unveräußerlichkeit von Gütern über: 
baupt bejeitigt; doh muß, wo Syamilienjtiftungen 
eriftieren, der Erlös verfaufter Güter an die Kura— 
toren der Stiftung verabfolgt und von diefen ent: 
weder in andern Gütern oder in Staatöpapieren 
angelegt werden, jo daß die Stiftung befteben bleibt, 
wenn aud das Stiftungsvermögen eine andere 
Geſtalt angenommen bat. Das Hauptmohnhaus 
der Familie u wenn e3 ir Stiftungsvermögen 
gebört, nicht ohne gerichtlibe Genebmigung ver: 
äußert werden. 

Entamiceren (frz., ſpr. angt-), anjchneiden, ans 
fnüpfen, einleiten. 


inst Perpetuities 


44 


Entari, das Unterlleid der Männer im Orient. 
Es beitebt aus Baummolle oder Seide, bat bis über 
die Fingerfpiken hinausreichende, von der Mitte des 
Unterarms ab aufgeichliste Sirmel, wird unter der 
Bruft mitteld eines Shbamlgürteld zufammenge 
ht und reicht bid an die Knöchel. Der E. ents 
pricht in der europ. Tracht der Weſte. 

Entartung, in der Naturwiſſenſchaft, |. Auss 
artung; in der Medizin, ſ. Atrophie. 

Entartungdreattion, f. Bd. 17. 

Entartungszeichen, ſ. Bo. 17. 

Entäfis (grch.), die gelinde Anſchwellung eines 
fih verjüngenden Säulenihaites, fo daß das Profil 
des lektern nicht eine gebe ‚Sondern eine ſchwach 
nad außen gebogene Linie bildet. In diejer Weife 
ift die E. bei den dor. Säulen faum wahrnehm: 
bar, im roman. Stil häufig, im NRenaifjance und 
Baroditil oft übertrieben. (S. eg erg 

Entbehrungslohn, Bergütung für die Ent: 
bebrung der jelbjtändigen Nugung des eigenen Ver: 
mögens, welde dem Kapitalverleiber von dem 
Schuldner in Geftalt von Zinfen (f. d.) gewährt wird. 

Entbindung, Entbindungshäufer, Ent: 
bindungsfunit, ſ. Geburtöbilfe 

Entblätterer, der große Froitipanner, j. Froft: 
ſchmetterling und Tafel: Schadliche Forftinjet: 
ten ll, Sig: 6, beim Artikel Forftinfekten. 

Entbleier, ein Inſtrument zur Bejeitigung des 
Bleies, das fih bei Verwendung von Preffions: 

eſchoſſen mit Bleiführung bei jedem Schuß in den 
Er en ber Rohre feitfeßte und beim Schießen bin: 
derlich wurde. [tector. 

Entdeder, bei Verihlußoorrihtungen, ſ. De 

Entdefung, die Auffindung eines bis dabin 
Nictbefannten oder der Kenntnis der Menfchen 
wieder Entſchwundenen, fei dies ein neuer Gegen: 
ftand oder eine konkrete Thatſache (Urheberſchaft 
eines begangenen Verbrechens), oder die Deutung 
eines bisher nicht Verſtändlichen (Schlüfjel zu einer 
Geheimſchrift, Entzifferung der Keil se oder der 
Hieroglyphen), oder eine allgemeine Wahr nt 
der Brimzablen), oder ein Naturgeſetz. Im Gegenſaß 
= E. ift Erfindung die Auffindung eines neuen 

eged, mie durch menſchliche Thätigkeit ein neuer 
nüslicer Gegenjtand oder ein belannter Gegenſtand 
vorteilhafter bergeitellt werden lann, oder eines 
neuen nüßlichen Verfahrens, oder eines Mittels, 
ein befanntes Berfabren vorteilhafter ins Wert zu 
fegen. Der Unterjdied ift von großer Bedeutung, 
weil Erfinderpatente nicht auf bloße €. erteilt wer: 
den, fondern nur auf Erfindungen. (S. Batent.) 
Auch giebt die bloße E. lein Urheberrecht (f.d.). 
Cine neu aufgefundene, von dem Entdeder zuerjt 
berausgegebene alte Handſchrift, eine von dem Ent: 
deder entzifferte Pesart, ein entdedter mathem. Lehr: 
je u. ſ. w. lönnen beliebig nadhgedrudt werden. Das 

rheberrecht kann ſich hier nur erjtreden auf die dem 
Entdeder eigentümliche Form der Darjtellung. Im 
übrigen f. Erfindungen und Entdedungen. 

Entdefungsreifen, ſ. Reifen. 

Ente, j. Enten. — Im übertragenen Einne be: 
deutet E. eine in Zeitungen auftaucdhende Fabel 
oder — Früher (ſchon im 15. Jahrh.) ſagte man 
blaue E. oder blaue Gans; da es E. und Gänſe 
diefer Farbe nicht giebt, jo diente der Ausdrud als 
Beiſpiel einer finnlofen Lüge. Später (4. B. in Reu— 
ters «Schelmufiffy») heißt es geradezu — oder 
Lügente, eine Umdeutung des im 16. Jahrh. aus 
Legende wortfpielend entitellten Luügende. 


Entari — Enteignung, Enteignungsredt, Enteignungsverfahren 


Eutebbe, Ntebi, Bort:Alice, Sik der engl. 
Bebörden in Uganda (j. B1 

Entehrung, die gänzliche oder teilmeife Ent: 
giebung der bürgerlichen Ehre. Entehrende Ber: 

rechen find die, welde einen Verluſt ver bürger: 
lichen Ehrenrechte (f. d.) nad fi zieben. (S. Ebre 
und Ehrenftrafen.) Über E. einer Nungfrau ſ. De: 
floration. 

Enteignung, Enteignungsrecht, Enteig: 
nungdverfahren. Enteignun,Niftein Alt der jtaat: 
lihen Verwaltung, durd welchen diejelbe auf Grund 
freien Entſchluſſes ein dem Einzelnen in Anfebung 
einer individuell beftimmten Sade zujtehendes Hecht 
im Öffentlichen Intereſſe gegen Entihädigung auf: 
bebt oder beichräntt. Der Fortbeſtand des Privat: 
eigentumd an einer Sache, bejonder® an einem 
Grundftüd, kann mit dem öffentliben Wohl in 
Miderftreit geraten. In Fällen diefer Art muß der 
Staat das Necht haben, das Eigentum zu entzieben 
oder zu beichränfen. Da andererjeitö der Einzelne 
nicht verpflichtet ift, das Wohl der Gefamtbeit über 
die allgemeine Verpflichtung hinaus dur Aufopfe: 
rung jeined Vermögens zu fördern, fo darf der 
Staat das Eigentum nur gegen Entſchädigung ent: 
sieben und befähränten. BER 

Die Enteignung (Erpropriation) in dieſem 

Sinne ift weder dem röm. noch dem ältern deut: 
ſchen Recht befannt; erſt Hugo Grotius gab eine 
wiflenfchaftlihe Begründung des Enteignungs: 
rechts, indem er dasjelbe auf ein dominium emi- 
nens, eine Art Obereigentum des Staates, zjurüd: 
führte, an dejjen Stelle bei dem mweitern Streit der 
Rechtsgelehrten das jus eminens, d. h. das impe- 
rium des Staates, die Staatshoheit trat. Zur ge: 
gung Anerfennung kam das Enteignungsrecht 
eit dem 15. Jabrb. dur landesgejegliche Verord: 
nungen zu Gunſten des Bergbaues. Das Preuß. 
Allg. Landrecht, der Code civil, das Öfterr. Bürgerl. 
Geſetzbuch ſprachen grundſätzlich übereinftimmend 
aus, daß der Einzelne verpflichtet ſein ſoll, gegen 
Entſchädigung fein Eigentum «zum Wohl des Ge 
meinen Melends, «pour cause d’utilite», «wenn e3 
das allgemeine Bejte erheifcht», abzutreten. In den 
neuern deutichen Verfaſſungen iſt diefer Grundſatz 
al Ausnahme von dem Princip der Unverleglic: 
feit des Eigentums zum Ausdrud gebracht, jo in 
Art. 9 der preuß. Verfaſſung vom 31. Jan. 1850 
dabin: «Das Eigentum iſt unverleslih. Es kann 
nur aus Gründen des dffentliben Wohls gegen 
vorgängige, in dringenden Fällen wenigitens vor: 
(Auf Fhuftellende Entihädigung nah Maßgabe 
des Geiepes entzogen oder beichränft werden,» 

Mäbhrend in Frankreich ſchon 1810 ein bejon: 
deres Enteignungsgeſeß gegeben war, wurde die 
Gefepgebung in Preußen und den meijten deut: 
fhen Staaten erft dur die Bedürfniiie des Eifen: 
babnbaues gegen die Mitte des 19. Jahrh. in Be: 
wegung gejeh! und beicränfte er unächſt auf 
dieje Bedürfnifie, fo das preuß. Eifenba ngeieb vom 
8. Don. 1838. Zur Deitienigung der auch auf an 
dern Verkehrsgebieten immer kräftiger fib ent: 
widelnden Bedürfniffe und zur Erfüllung des Ver: 
fafiungsartifelö wurden in Preußen wiederholt An: 
läufe gemadt, bis endlich das Geſeß über die Ent: 
eignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874 
u jtande fam. Auch diefes ftellt in$.1 den Grund: 
Ip an die Spike: «Das Grundeigentum fann nur 
aus Gründen des öffentliben Wohls für ein Unter: 
nebmen, deſſen Ausfübrung die Ausübung des Ent: 


Enteignung, Entelgnungsrecht, Enteignungsverfahren 


egnungsrecht3 erfordert, gegen vollftändige Ent: 
adigung entzogen oder beſchränkt werden.» Der 
ee. örtentlichen Wohls ift ein jo debnbarer, 
dab deiien Anwendung im einzelnen all nit von 
dem Ermejien der Verwaltungs: oder Gerichtäbe: 
börden abhängig gemacht werden ann. Deshalb wird 
in England, Nordamerila, der Schmeiz und einigen 
andern Staaten ein Gejet für jeden einzelnen Fall 
verlangt: ein Verfahren, welches einerfeit3 die ge: 
jepgebenden Körperichaften eines Großitaates über 
Gebübr belaftet, andererfeit3 bei dem nur periodi⸗ 
ſchen Zujammentreten derfelben notwendige Unter: 
—— in bedenklicher Weiſe verzögert. 
andern Staaten find gewiſſe Kategorien von Fällen 
geierlich feftgeitellt, fo in Bayern durch Gefek vom 
17. Nov. 1837. Der Begriff des öffentlihen Wohls 
—— nicht bloß ein dehnbarer, ſondern ein nach 

und Zeit wechſelnder, die Aufgaben des Staates 
und der Geſellſchaft ſind in Deutſchland andere als 
in andern Staaten, ſind heute ſchon andere als 
ſelbſt vor 20 oder 10 Jahren; eine grfenlihe ſt⸗ 
ſtellung der Enteignungsfälle würde aljo einer fort- 
dauernden Nachhilfe durch Sondergejepe bedürfen. 
Das preuß. Geſetz bat deshalb den Mittelweg ein: 
geihlagen, nämlich den, daß die Enteignung (von ge 
willen minder wichtigen Fällen abgejehen) nur auf 
Grund einer auf ſachlichet Vorprüfung der Staats: 
bebörden beruhenden fkönigl. Berorbnung erfolgen 
darf. Die fog. Enteignungsgefege, wie folche 
eine Reibe von deutichen Staaten erft in den legten 
Jahrzehnten erlajien baben (Hejien 1884, Würt: 
temberg 1888), enthalten niht das ganze Enteig: 
nungörebt, jondern nur die Enteignung von 
Grundeigentum, und auch bierfür beſtehen noch 
Specialbeſtimmungen in den Berg:, Wajler:, Forit:, 
Straßen, Militär: (Feitungsranon:), Seuchen: oder 
ſonſtigen Sondergeiegen. Das Reich hat aus Reiche: 
Dertaflung Art. 41 ein durch Bundesrat und Reiche: 
taz zu übendes Enteignungsrecht im Intereſſe der 
Verteidigung Deutichlands und im Intereſſe des 
gemeinjamen Verlehrs. 

Da die Enteignung beutzutage nicht mebr zur 
Erbauung fürjtl. Reſidenzen, auch nicht bloß zum 
Bau con eftungen, Kirchen, Schulen, Krantenbäu: 
fern u. dal., jondern namentlich & Anlegung von 
ſtädtiſchen und Landſtraßen, zu Wafler:, Gas: und 
elektriichen Leitungen, zur Herftellung von Kanälen 
und Eiſenbahnen in Anfpruh genommen wird, 
Werte leterer Art aber nit bloß vom Staat und 
andern öffentliben Verbänden, fondern häufig au 
von Aktiengeiellibaften und ſelbſt von Einzelnen 
unternommen werben, fo bat der Staat bei An— 
wendung des Enteignungsrechts zu feinen Guniten 
feine andere rechtlihe Stellung als jeder andere 
Unternehmer. Derienige, zu deſſen Gunften enteigs 
net wird, ift der Erpropriant oder Enteigner 
(Unternebmer), derjenige, dem enteignet wird, der 
regelt oder Enteignete. 

Der Enteigner, nicht der Staat ala Verleiber des 
———— bat die@ntihädigung zu leiſten. 
Diefelbe wird in der Regel in Geld, nur in Aus: 
nabmefällen dur Land gewährt; fie foll in dem 
vollen Wert des abzutretenden Grundſtücks ein: 
ſchließlich der Zubebörungen und Früchte befteben 
und bei Zeilabtretungen aub den Minderwert 
unfaffen, welcher durch Abtrennung eines ört⸗ 
lid oder wirtfchaftlich zufammenbängenden Teils 
für den übrigen Grundbefig entjtebt. Wird aber 
dur die Teilabtretung das Reitgrunpftüd fo zer: 


45 


itüdelt, daß es nad feiner biöherigen Beſtimmung 
nicht mebr zweckmäßig benugt werden fann, inss 
bejonvere aljo bei Inanſpruchnahme nur eines 
Gebäupdeteils, jo kann ver Eigentümer libernabme 
des ganzen Örundjtüds verlangen. Entſchädigungs⸗ 
berechtigt find außer dem Eigentümer auch die 
Nusungs:, Gebrauchs- und Seritutberechtigten, 
Pächter und Mieter, fomweit ihnen dur die Ent: 
eignung ein Schaden entjteht. Für die Schäkung 
des Wertes maßgebend tft der Wert zur Zeit der 
Enteignung. Eine Wertserhöhung, die das Grund: 
ftüd erſt infolge der Anlage erhält, fommt nicht 
in Betradht. Für Neubauten, Anpflanzungen und 
Verbejierungen, die vor der Enteignung lediglich 
zu dem Zwed errichtet werben, eine höhere Entſchä⸗— 
digung zu erzielen, wird eine Vergütung nicht gelei- 
en — Someit der Unternehmer ſich mit den betrof: 
enen Eigentümern über Abtretung der Örundftüde 
und Höhe der Entihädigung einigt, unterliegen die 
darüber zu fchließenden Verträge hinſichtlich ihrer 
Gültigkeit und Wirkung den allgemeinen Vorſchrif—⸗ 
ten des bürgerlihen Rechts. Someit eine ſolche Eini⸗ 
gung nicht zu ftande fommt, bedarf der Unterneh⸗ 
mer der ſtaatlichen Bermittelung, ja des ftaatlichen 
Zmwanges zur Erlangung der einzelnen Örunpftüde; 
die Gewährung dieſes Smongeb verpflichtet anderer: 
feitö ven Staat, auch dem Eigentümer B der ihm 
ujtebenden, in der Regel voraus uch enden Ent: 
— zu helfen. Dieſe doppelte Aufgabe bildet 
den Inhalt des Entei —— 
Wiſſenſchaft 20 gebung ſtimmen weſentlich 
darin überein, daß die Feſtſtellung des zu übereig— 
nenden Gegenſtandes der Verwaltung, die end» 
gültige Feititellung der zu zahlenden Ent[&bigung 
den Berichten zulommt; eine vorläufige Feſtſtellung 
der lestern durch die Berwaltungsbebörbe vorbe: 
baltlich des Rechtswegs ift nicht ausgeſchloſſen. Nach 
dem preuß. Gejege wird zunächſt ein vorläufiger 
Plan feitgeftellt und zwar unter —— — 
der Anlagen an Wegen, Überfahrten, Triften, Eins 
friedigungen, Bewäſſerungs- und Vorflutanftalten 
u. j. w., ju deren Einrichtung der Unternehmer zur 
Sicherung gegen Gefahren und Nachteile für die 
benahbarten Brundjtüde oder im öffentlichen In— 
terejje verpflichtet ift. Erft wenn auf Grund diejes 
Plans eine freihändige Landabtretung nicht erfolgt, 
tritt auf Antrag des Unternehmers die «befinitive» 
Planfeititellung ein, und zwar nad vorheriger Offen: 
legung des Plans und fommifjarifcher Erörterung 
der gegen denfelben erhobenen Einwendungen, 
Nachdem dur diefe Entſcheidung insbefondere 
Größe und Grenzen jedes abzutretenden Grund» 
ftüds feftgeftellt find, erfolgt a andermweiten An: 
trag des Unternehmers die Feititellung der Ent: 
fhädigung nah fommifjarifher Verhandlung mit 
den Beteiligten, zu welcher Sachverſtändige au 
iehen find, mitteld mit Gründen verjehenen Be: 
Kelufies der Verwaltungsbebörde. Gegen diefen 
jteht dem Unternehmer wie ven übrigen Beteiligten 
innerbalb 6 Monaten nad der Zuftellung der 
Rechtsweg vor dem Eivilgericht offen. yore fol: 
her nacteiliger Folgen der Enteignung, welche erft 
durh Ausführung der Anlage auf dem enteigneten 
Grundftüd entfteben, zur Zeit der lommifjarifhen 
Verhandlung über die Entſchädigung alfo „- nicht 
erfennbar find, gewäbrt das Gejes bis zum Ablauf 
von 3 Jahren nah Ausführung des betreffenden 
Teils der Anlage einen im Rechtsweg verfolgbaren 
verfjönliben Anivrub gegen den Unternebmer. 


46 


Die feitgeitellte Entſchädigung ift, falls neben dem 
Eigentümer andere Entjihädigungsberechtigte in 
Betracht kommen, oder das Grundftüd Lebn oder 
Fideilommiß, oder mit Reallaften, Hypotbeten oder 

rundſchulden belajtet ift, zu binterlegen, andern: 
fallö bar zu zahlen. Erjt nad) Zahlung oder Hinter: 
legung der Entihädigung und, von dringlichen 
gällen abgejeben, nad Ablauf der ſechsmonatigen 

riſt oder Erledigung des innerhalb derſelben be: 
Ührittenen Rechtswegs wird auf weitern Antrag des 
Unternehmers die Enteignung durch Beſchluß aus: 
geſprochen, mit deſſen Zuitellung das Cigentum auf 
den Unternehmer übergebt und der zuglei die Ein⸗ 
weiſung in den Beſitz in ſich ſchließit. An Stelle des 
enteigneten Grundſtücks, welches von allen privat: 
rechtlichen Verpflichtungen frei wird, tritt rüdjicht: 
li aller Eigentums, Nugungs: und fonjtigen Reals 
anſprüche, insbejondere ver Hypotbelen und Grund: 
ſchulden, die Entihädigungsfumme. Auch wenn Er: 
propriant unb Grpropriat über die Abtretung des 
zu enteignenden Gegenitandes gütlich vereinbaren, 
gilt für diefen Kauf doc der Sak, dab der Verkäufer 
durch dieſen Vertrag in feine jchlechtere Yage ſich 
bringen will als die, in welche ihn die Enteignung 
gebracht bätte. Es find alſo eventuell auf dieſen 
Kauf die Vorſchriften über Enteignung anzuwenden. 

Da der in der Enteignung liegende Eingriff in 
das Eigentum nicht weiter geben darf, als es das 
Intereſſe des Unternehmens, zu deilen Guniten es 
geftattet wird, erfordert, jo haben die Gejeke dem 

igentümer für den Fall, daß das enteignete 
Grundjtüd ganz oder teilmweife zu dem bejtimmten 
Zwed nicht weiter notwendig tft, ein Wiederkaufs— 
und Vorkaufsrecht eingeräumt; das preuß. Geſetz 
bat nur letzteres und nur injoweit beibebalten, als 
dem jeweiligen Cigentümer eines durd die Enteig: 
nung verfleinerten Grundjtüds das Vorkaufsrecht an 
den ihm ——— Grundſtücksteilen zuſtehen ſoll. 

Staatliche Enteignung von beweglichen Sa— 
chen, z. B. von Getreide im Fall einer Hungersnot, 
von Pferden zum Zmwed der Mobilmacung u. EN 
iſt dur bejondere Geſeße vorgejeben. Das Ein: 
fühbrungsgeiep zum Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch 
Art. 10% erhält die landesgeieglichen Beitimmungen 
über Enteignung aufrecht. Näbere Beitimmungen 
über die Entſchaͤdigung für Enteignung entbalten 
die Art.52 fg. des Einführungsgeiepes zum Bürgerl, 
Geſetzbuch; über die Enteignung von Örundeigen: 
tum in den Schutzgebieten Afrilas und der Süpjee 
die faijerl. Verorpnung vom 14. Febr. 1903. 

Für die im Reichörat vertretenen Länder Öfter: 
reich s feblt ein einheitliches Geleß über Enteignung 
von Grundeigentum. Es befteben nur Special: 
gejege, das umfajjendjte das über Enteignung zu 
Gijenbabnzmweden vom 18. Febr. 1878, außerdem 
das allgemeine Berggeieh vom 23. Mai 1854, das 
Norftgejeß vom 3. Dez. 1852, das Reichswaſſergeſetz 
vom 30. Mai 1869 u. j. w. Insbeſondere können 
nad Geſeß vom 28. April 1889 auch behufs Errich: 
tung öÖffentliher Zagerbäufer Beitandrechte, welche 
Privatlagerbäufer auf Grunpjtüden öffentlicher 
Gijenbabnen erworben haben, enteignet werden. 
Dazu lommt dann der allgemeine Satz de3 Bürgerl. 
Geſetzbuchs (8.365), wonach, wenn es das allgemeine 
Beſte erbeiicht, ein Mitglied des Staates gegen an: 
gemejiene Schadlosbaltung ſelbſt das volljtändige 
Cigentum einer Sade abtreten muß. 

l. ©. Meyer, Das Recht der Erpropriation 
(2v3. 1868); Grünbut, Das Enteignungsredt (Wien 


Enteijenung des Waſſers — Enten 


1873); von Robland, Zur Theorie und Praris des 
deutichen Enteignungsrechts (Lpz. 1875); Vrazat, 
Hecht der Enteignung in Ofterreih (Prag 1877); ©. 
Meyer, Artikel Enteignung in von Stengels «Wör: 
terbuch des deutihen Verwaltungsrehts», Bo. 1 
(Sreib. i. Br. 1890); Artikel Enteignung im «hand: 
wörterbuch der Staatämijjenichaften», Bd.3(2.Aufl., 
Jena 1900); Artikel Enteignung im «Öfterr. Staats: 
mwörterbud», Bd. 1 (Wien 1895); Layer, Principien 
des Enteignungsrechts (Lpz. 1902); Kommentare 

um preuß. Enteignungsgeieß von Bähr und Langer: 

ans (2, Ausg., Bert, 1878), Seydel (2. Aufl., ebv. 
1887), Loebell (Lpz. 1884), Eger (2 Boe., Berl. 
1887— 92; 2. Aufl. 1902). [gung. 

Enteifenung des Wailers, ſ. Wafjerreini- 

Entelöchie (Irch.), j. Ariftotelifche he 

Enten (Anatidae), eine Familie der Siebſchnäb— 
ler (Lamellirostres), deren Schnabelränver mit 
Hornzähnen bejegi find. Won den verwandten 
Sägern unterſcheiden ſich die E. durd den breitern 
und flahern Schnabel, von den Schwänen dur 
den kurzen Hals. Mit den Gänſen jind fie dagegen 
durd zahlreiche Übergangsformen verbunden, wie 
Brandgans (f.d.) und Glanzgans (ſ. d.). Die Lebens⸗ 
Ben bietet noch die beiten Unterjheidungsmert: 
male. Die E. halten fich meift auf dem Waſſer auf 
und juchen dort ihre Nahrung, wogegen die Gänje 
ſich mehr und geihidter auf dem Lande bewegen und 
dort grajen. In allen Erpteilen finden wır Mit- 
glieder dieſer Familie. Der Nahrung nachgehend, 
wandern jie oft in großen Scharen. So fommen 
im Frühjahr und Herbit die nordiihen E. an die 
deutſchen Küften und oft bis ins mittlere Deutjch: 
land hinein. In der zn en die E. wenig 
wähleriſch. Gräjer, Körner, Würmer, Schneden, 
Inſekten und deren Zaren, Laich, alles wird von 
ihnen genommen. Man kennt etwa 120 Arten, die 
man in 6 Gattungen untergebradt bat. 

Die Taud: oder Moorenten (Fuligula) baben 
weit nad hinten ftehende Beine, jind in ihren Bes 
wegungen auf dem Lande ungejhidt und ganz auf 
das Waſſer angemiejen. Sie tauchen ausdauernd 
nad ihrer meijt animalifhen Nahrung; die befann: 
teten Vertreter diejer Gattung find: die Reiber: 
ente (Fuligula cristata Leach), oberjeits ſchwarz, 
unterjeits beim Männchen weiß, beim Weibchen 
braun, mit langen Schopffedern, aus dem nördl. 
Europa; die Tafelente (Fuligula ferina L.) mit 
rotbraunem Kopf und Hals, ſchwarzem Kropf, eben: 
fall aus dem nördl. Europa; die Kolbenente 
(Fuligula rufina Pall.), tenntlib an dem diden rot: 
braunen Kopf, aus Indien; die Schellente (Fuli- 

ula clangula L., j. Tafel: Shwimmpögel IV, 
Sig. 2), durch die weißen Baden charatterifiert, aus 
den nörbl. Gegenden Europas, Aſiens und Ameri: 
fas; die eigentlihe Moorente (Fuligula nyroca 
Guldenst.), mit taftanienbraunem Kopf, in Süp: 
ojteuropa, auch im nordöjtliben Deutſchland nicht 
jelten. Auc die Eisenten (j.d.) jowiedieTrauer: 
enten (j. d., Oidemia, z. B. die im Winter auf der 
Nordjee häufige Oidemia nigra Gray; j. Tafel: 
Enten, dig. 2) werden bierbin gerechnet. 

Eine zweite Gattung bilden die Eiderenten 
(j. d., Somateria, ;. B. mit der Brachteiderente, 
Somateria Stelleri Zeach, j. Tafel: Enten, Fig. 83), 
die zu der dritten Gattung, den eigentlichen 
Schwimmenten (Anas), binüberfübren. Letztere 
find im allgemeinen von ſchlankerm Körperbau, 
finten beim Schwimmen nicht fo tief ein wie die 


x - _ — — ER 





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Entenadler — Entencholera 47 


Zankenten und verjuchen der Gefahr nicht durch 
Zuuhen, fondern durch Auffliegen zu entaeben. 
Der elanntejte Bertreter Diejer Gattung iſt die ge: 
meine Wild» oder Stodente (Anas boschas L., 
Tafel: Enten, Fig. 1), Die ganz Europa, Afien 
und Jerdaftila bewohnt. Kopf und Hals des Männ- 
dens find metalliich grün, der Hals trägtein ſchmales 
meihes Band. Das Meibchen ift gelb und braun 
gefedt. Die Stodente iſt die Stammform aller 
demeitigierten europätfchen E., von denen einige, wie 
bie gemeine Hausdente und die Rouen:Ente 
(.d.und Tafel: Geflügel, Fig.6), in der Färbung 
ihr gleiben, fie aber meijt in der ftörpergröße be- 
deutend überbolt haben und es auf 6 kg und mehr 
bringen. Der Rouen-Ente verwandt iſt die Duel air⸗ 
Ente, die ebenfalls in Frankreich wegen ihrer 
ſchnellen Entwidlung jehr geſchätzt wird. Die blau: 
graue ſchwediſche Ente, welche Anfang der fieb: 
er Jahre in tichland weit verbreitet war, iſt 

aft vollftändig wieder verſchwunden. Zu den weißen 
Abtömmlingen der Stodente geben zunächſt die 
Aoleäburg: Ente (f. Tafel: Geflügel, Fig. 5), 
die im Bau der Stammijorm ähnlich, nur bedeutend 
öber it. Der Schnabel muß zart fleifchrot fein. 
Iht Gewicht beträgt bis 6 kg, die Jungen find 
ſhon mit 6—7 Wochen marltfähig und haben dann 
ſchon ein Gewicht von 1,50 bis 1,75 kg. Die Pe: 
fingente (j. d. und Tafel: Geflügel, Fig. 7) 
zeichnet ſich durch fteilere Haltung und mächtigen 
Hängebaud von der vorgenannten aus, ihr Gefieder 
tt mebr |. und ibr Gewicht nur 3—4 kg. Der 
Sctnabel joll, abgejeben von der weißlichen Spitze, 
tein rotgelb jein, doch zeigt er fait ſtets ſchwarze 
rer namentlib bei den Weibchen. Von den 
bwarzen Ablömmlingen der Stodente find vie be 
fannteitendie Gayuga:Ente(j.Zafel: Geflügel, 
Fig. 3) und die Smaragd= oder Labrador: 
ente, jene in Nord:, dieje in Südamerifa zuerſt 
gezüchtet. — Ferner find noch erwähnenswert die 
gelbe oder weiße Haubenente, aub Kaiſerente 
genannt, etwas ftärler als die gemeine Haugente 
und mit einer kräftigen Federhaube geziert, die 
est jeltene Ktummſchnabelente und die zier— 
ihe Zmergente, die wildentenfarbig und meiß 
gene wird. Sie dient als Zierente und in den 
tenfängen als Lodente, indem jie dur ihr 
fortwährendes Rufen die umberftreihenvden Wild: 
enten anlodt und in die Nege führt. — In Auſtra⸗ 
lien wird die Stodente durch die aujtralifche 
Bildente (Anas superciliosa Gm.), in Süd: 
etitavurhbie@elbfänabelente(änns xantho⸗ 
rhyncha Forst) und in Indien durch die Bunt⸗ 
ihnabelente (Anas poecilorhyncha Penn.) ver: 
treten. An der Nordküfte Deutihlands und Hol: 
lands werden zahlreiche als Zierarten beliebte Ars 
ten pelemoen, wie die Löffelente (Anas clypeata 
L.. 1. Zafel: Enten, ig. 4) mit dem an der Spiße 
löftelfjörmig verbreiterten Schnabel, die Pfeif⸗ 
ente (Anas Penelope L., ſ. Tafel: Enten, fig. ö), 
die durch ibre Kleinheit auögezeichnete Krick— 
ente (Anas crecca L.) und Anädente (Anas 
eircia L.) und die ſpitzſchwänzige Spießente 
(Anas acuta L.), die man wegen der verläns 
erten Schwanzfeden zum Vertreter einer be 
ondern Gattung Dafila erhoben hatte. Zu der: 
felben redhnete man jerner die aus Sübamerita 
ftammende Spitzſchwan zente (Anas spinicauda 


Das füdl. Südamerita beherbergt ferner noch die 
——— (Anas metopias Poeppig) mit 
ihrem feuerroten an der Bafıs Pöderförmig aufge 
triebenen Schnabel. 

Die in Mittel und Südamerika heimiſche Mo: 
ihusente (Hyonetta moschata L.), die größte be» 
fannte Entenart (Erpel 85 cm lang), repräfentiert 
eine vierte Gattung, Hyonetta, die fih von den 
Schwimmenten durch geftredtern Körper, längern 
Schwanz, nadte Augengegend, nadte Warzen an 
der Schnabelmurzel, die ein ftart nah Moſchus 
riehendes Fett abfondern, die auägerundeten 
Schmwimmbäute und die großen und ftark gekrümm— 
ten Nägel unterjcheidet. Die Mofchusente lebt in 
Wäldern, geht wenig auf dad Waller, hält ihre 
Neitrube in Bäumen und baut dort auch ihr Neft. 
Sie ift in vielen Gegenden zum Haußtier geworben 
und bat aud in Europa, aber mehr als Zier:, denn 
als Nupvogel, Eingang gefunnen ‚ merfwürbdiger: 
weile unter dem Namen Türkiſche Ente. 

Die fünfte Gattung, die ver Shmudenten 
(Lampronessa), umfaßt nur zwei Arten, dieBraut: 
oder Karolinenente (Lampronessa sponsa L., 
f. Tafel: Geflügel, Fig. 4) und die Mandarins 
ente (Lampronessa galericulata L., j. Tafel: 
Enten, Fig. 6), jene in Norbamerifa, dieſe in 
China heimiſch. Ihre prächtige gesms und leichte 
Zuchtfähigleit hat ihnen weite Verbreitung in Eu: 
ropa verihafft. Sie bäumen noch mehr als die 
Moſchusenten und brüten in Baumböblen. 

13 ſechſte Gattung, die durch die hohen Beine 
bon zu den Gänſen binüberführt, werden bie 
aumenten (j. d.) gerechnet. 

Die Liebhaberei für Wildenten ift weit verbreitet, 
und die oben aufgezäblten Arten findet man nicht 
nur in den zoolog. Gärten, fondern auch bei 
vielen Privatleuten, die ihre Weiher mit denjelben 
fhmüden. Man bezahlt für die europ. Arten etwa 
15—30 M., für Braut: und Mandarinenten 30— 
50 M., für die feltenern bis zu 100 M. das Paar. 
Bevor bie E. auf die Weiher gejegt werben, müflen 
ie flugunfähig gemadt werden. Dies geſchieht dur 

bichneiden der großen federn eines Flügels, 
eine Arbeit, die jedoch nad jeder Maufer rechtzeitig 
wiederholt werden muß. Borteilbafter ift es daher, 
wenn man die Handſchwingen mitjamt den fie 

senden Knochen abjchneidet, aber jo, daß die am 
ügelbug befinvlichen Heinen Federn jtehen bleiben. 
8 empfiehlt fi, die Operation vorzunehmen, wäh: 
rend die E. noch ihr Dunentleid haben und noch 
feine Bluttiele den Beginn des Federwechſels mel: 
den. Man fühlt dann am Flügelbug ein winziges 
Glied, welches jpäter die Heinen Federhen trägt, 
und ſchneidet den unter demfelben gelegenen gro: 
Bern Zeil des Flügels mit einer ſcharfen Schere ab. 
Die Ente ift jo dauernd unfäbig zum Em. Alle 
oben genannten Wildenten fönnen im Sommer und 
auch im Winter im Freien bleiben, wenn fie nur 
ftetö eine eine offene Stelle im Waſſer haben. Als 
Futter genügt den Wildenten Gerſte, Garneelenſchrot 
und grüne Wiefenufer. (S. Entenzudt.) 

Entenadler, ſoviel wie Schreiabler (f. Apler). 

Enteucholera, eine bei den Enten vorlommende 
akute Inieltionstrantheit, dur einen fpecifiihen 
Bacillus hervorgerufen, der nahe verwandt oder 
völlig identiſch ijt mit den Huhnercholerabakterien 


Vieill.) unddieBahbama:-Ente(Anas bahamensis | jeuche, der Wilbſeuche und der Blutvergiftung®« 


L.) mit den toralitoten Fleden am Schnabelgrunde. | 


Ki Hühnerdholera), mit vem Bacillus der Schweine: 
antbeit (Septihämie) der Kaninchen. 


48 


Entenfang, Entenberd, Vorrichtung zum 
Fangen mafienbaft vorlommenvder Enten. Man 
nieht fie durch Zodenten heran und fängt fie in Regen. 

ntengrün, Cntengrüße, f. Lemna nebjt 

Entenherod, ſ. Entenfang. [Zertfiguren. 

Ententlaffmufcheln (Anatinidae), artenreiche 
Familie der Sipboniaten (f. Muſcheln) mit dünner, 
am bintern Zeil auseinander jtebender Scale, 
Schloß meift mit undeutlihen Zähnen, aber mit 
einem in der Regel ein einzelnes, ijoliertes Kalt: 
ftüdhen umſchließenden Knorpel. Man tennt etwa 
300 lebende und 400 fofjile Arten, die im Jura zuerit 
auftreten. [Rruftentiere I, Fig. 12. 

Entenmuficheln, ſ. Ranlenfüßer und Tafel: 

Entenfchnabel, eine Jußbelleidung, die gegen 
Ende des 15. Jahrh. an Stelle der Schnabelichube 

.d.) trat. Der E. war vorn rund und bildete den 

bergang von den Schnabelichuben zu einem andern 
Ertrem der Fußbelleidung, dem jog. Kuhmaul (f. d.). 

Entente (m, Ipr. angtängt), Cinverftändnis; 
E. cordiale (jpr. -al), berzlides Einverſtändnis, 
Bezeihnung für die intimen Beziehungen zweier 
Etaatöregierungen; der Ausdrud findet ſich nad 
Littre zuerft in einer Adreſſe der franz. Deputierten: 
lammer von 1840 bis 1841. Metternich führt ihn 
auf Guizot zurüd. 

Entenwal, joviel wie Dögling, |. Delpbine. 

Entenzucht. E. wird betrieben au& Liebhaberei 
oder wirtſchaftlichem Interejie. Jener dienen viele 
wild lebenden Arten (aufgeführt im Artifel Enten, 
f. d.), die, einigermaßen naturgemäß untergebracht, 
* mehr oder minder leicht fortpflanzen. Am leichte: 
ten tbun dies die ausländiichen, namentlich Braut: 
und Mandarinenten, wobingegen die Zucht der an 
den deutichen Küften vorlommenden Enten, von 
der Stodente abgeſehen, nur felten gelingt. Zum 
Niiten dient eine Heine, mit Heu verjebene Holz: 
bütte, wenn die Ente es nicht a ar ihr Neſt an 
einer verjtedten Stelle unter Buichmwerl u. dgl. 
anzulegen. Hat man feine Eierdiebe oder eier: 
raubende Tiere zu fürdten, jo läßt man die Eier 
liegen und wartet ab, ob die Ente ſich jelbit zum 
Brüten bequemt. Zeigt fie dazu feine Neigung, fo 
muß man die Gier einem Hubn unterlegen, das fie 
in etwa 28 Tagen zeitigt. Die von der Ente jelbjt 
ausgebrüteten Jungen maden wenig Sorge, fie 
werden von der Mutter angeführt, am Ufer, auf 
den Waflerpflanzen Inſeltenlarven und Yaich zu 
uchen oder auf die über dem Waſſer fliegenden 

tüden Jagd zu machen, fo dab man höchſtens 
etwas Amerjeneier und Weißbrot zu geben nötig 
bat. Die von einer Henne ausgebrüteten Jungen 
muß man reichliber füttern, und auch bier fpielen 
die Ameijeneier die Hauptrolle, die man dem unten 
angegebenen Mijchfutter zujegt. Bon wirticajt: 
libem Intereſſe ift die Zucht der von der Stodente 
abitammenden Raſſen (j. Enten) und die der dome— 
ftizierten Moſchus⸗ oder Türkischen Ente. Alle be 
dürfen zum Wohlbefinden Wajjer, und die Zucht ift 
um jo ergiebiger, je mehr Nahrung fie in demjelben 
finden. Ein: bis —— Enten find am meijten 

eibäst, doc legen diejelben oft länger denn act 
Sabre. Das Legen beginnt bereit3 im Februar, 
und wenn die Enten warm überwintert find, fchon 
im Dezember und dauert etwa vier Monate. Man 
läßt jtets ein Neftei liegen und kann auf dieje Weife 
in einem Jahre von einer Ente bis zu 100 60—80 
ſchwere Gier befommen. Auch bier fann man fi 
beim angel an brütluftigen Enten der Hühner oder 


Entenfang — Euterbung 


Xrutbübner bedienen und jenen 10—15, diefen 0— 
25 Stüd unterlegen. Die Brutzeit beträgt 26— 
31 Tage. Am zweiten Tage nad dem Ausihlüpfen 
eben die jungen Entchen bereits in das Waſſer und 
riehen nur felten nod unter die wärmende Mutter. 
Die erfte Nahrung beſteht in gebadtem Ei, dem man 
Brottrumen, Grüße oder Kleie und jpäter ehadtes 
Fleiſch, Kartoffeln, Rüben u. dgl. zuſeßt. De ani⸗ 
maliſche Nabrung muß um fo intenfiver fein, je 
weniger Wafjerweide man bieten fann. Auch darf 
an Grünfutter, wie Salat, gebadten Brenneileln, 
MWafjerlinien u. ſ. w., kein Mangel fein. Mit 4—5 
Monaten haben die Gnten ſchon ein Schlachtgewicht 
von 1,5 bis 2 kg, und gemäſtete der großen Raflen 
bringen es oft auf 5 kg und mebr. 1900 wurden 
im Deutichen Reiche 2467 043 Enten gezäblt. — Vgl. 
Dürigen, Die Geflügelzucht (Berl. 1886); Maar, 

Uuftriertes Mufterentenbub (Hamb. 1891); derf., 

nleitung jur Enten: und Gänfezucht (Lpj. 1893). 

Enterälgie a „ſ. Kolil. 

Enterbeile, Beile, die den Zwed batten, die 
Taue oder Ketten der feindlichen Enterbalen (. d.) 
zu lappen. (S. Entern.) 

Enterbung (exheredatio), die legtwillige Ver: 
fügung, durd die der Erblafler (f. d.) einen Not⸗ 
erben (j. d.) oder Pflichtteilöberechtigten (j. Pflicht: 
teil) von dem an ſich ibm gebührenden Bilichtteile 
ganz oder teilweife ausſchließt; das bloße Uners 
wäbntbleiben eines Pflichtteilöberechtigten im Teſta⸗ 
mente ift, ftrenggenommen, ala E. nit anzujeben. 
An einem weitern Sinne fpriht man von E. auch 
dann, wenn jemand, ber zwar zur geſetzlichen Erb⸗ 
folge berufen, aber nicht pflichtteiläberechtigt ift, 
legtwillig nicht bedacht wird, — Die €, ftammt aus 
dem rom. Nechte, während fie ber ältern german, 
Nebtsauffaflung fremd fein mußte, da diejer Das 
wichtigite Erfordernis, die grundſähliche allgemeine 
Bulaffung legtwilliger Verfügungen, feblte. Nad: 
dem das röm, Recht die in den * Tafeln aner⸗ 
fannte völlig unbeſchränkte Teſtierfreibeit aufge— 
geben hatte, verlangte es, daß der Erblaſſer ge: 
wife geleglihe Erben entweder ausprüdlih zu 
Erben einjeße oder ausprüdlich enterbe. Das war 
eine reine Formvorſchrift, die Einſezung auf den 
geringften Bruchteil des Naclafjes genügte, und 
die E. bedurfte feines Grundes. Nah der fpätern 
Entwidlung, die durch Juftinians Novelle 115 zum 
Abſchluß lam, mußten die Pilichtteildberechtigten 
auf einen beftimmten Bructeil ihres geſeßlichen 
Erbteils eingejekt werden, die E. war nur aus ganz 
beftimmten einzeln aufgeführten Gründen zuläffig 
und konnte nur im Teſtament ausgeiprocden wer: 
den, ob aud im Erbvertrag oder im reine m 
eh Überhaupt bejtehen bier im einzelnen viel 

abe Meinungsverfdiedenbeiten, fo über die jurift. 
Ronitrultion der Folgen einer grundlojen E., über 
die Wirkung der Berzeibung u. |. w. 

Das Suftiniani de Recht bildet die Grundlage 
nicht nur für das Gemeine Recht, jondern aud für 
die deutſche Bartikulargejeßgebung auf diefem Ges 
biete, wobei jedoch vielerler Heine Abweichungen 
vorlommen, insbejondere bezüglich der Enterbungs⸗ 
gründe. — Bon einem ganz andern Standpunlte 

ebtverCodecivilaus. Nach diefem lann der Erb» 
ajjer, der Vorfahren oder Ablömmlinge bat, nur 
über einen gewiſſen Teil feines Rachlafies lektwillig 
verfügen, nämlich über die Hälfte, ein Drittel oder 
ein Viertel, je nachbem ein, zwei oder mebr finder 
oder erbjolgeberechtigte Stämme vorhanden find, 


Enterdreggen — Entermefjer 


um über die . ober drei Viertel, je nachdem 
&rlahren ſowohl von der väterlichen wie von ber 
zitterlihen Seite oder nur von einer von beiden 
Siten vorhanden find. Der Reit fällt an die Bor: 
ihren oder Abktömmlinge und kann ihnen nicht 
* werden, gewiſſe Verfehlungen jedoch, die 
jum Zeil mit den anderwärts üblichen Enterbungs⸗ 
— ubereinſtimmen, bemirten die Unfäbigteit, 
juwerben. Angeblich ift die E. deshalb nicht 
mmen, weil jie eine Lieblofigleit gegen die 
mlinge des Enterbten entbielte, die dem Erb: 
laſſet —S teuer ſein müßten. — Das Oſterr. 
Bürgerl. Geſezbuch (88. 768 -772) nennt nur 
vier bejondere Enterbungsgründe gegenüber Vor: 
jahren und Ablömmlingen, jedoch ſind die Erbun: 
würdigleitsgründe auch gleichzeitig Enterbungs: 
gründe. Die E. kann jogar außerhalb des Teſta⸗ 
ments erfolgen, ihre Aufbebung aber ift nur durch 
einen ausprüdlichen, in ber geieglichen Form er: 
Märten Widerruf möglich. Der Enterbungsgrund 
muß nicht notwendig bejonders angegeben werben. 
Das Deutiche he ee Gejesbu t den 
Austrud E. als jeiner Auffafjung vom MWeien des 
pflichtteilsrechts nicht entſprechend abſichtlich ver: 
mieden, da der Pflichtteilsberechtigte keinen An: 
iprud bat, Erbe zu werden, ſondern nur fordern 
kann, dab ihm aus dem Rachlaße eine Geldſumme 
or me werde, die einen bejtimmten Bruchteil 
des Wertes jeines geſetzlichen Erbteils bildet. Statt 
deilen jpricht es von ———— des Pflichtteils⸗ 
(88. 2333 fg.). Dieſe iſt zuläſſig I. gegen einen Ab: 
tömmling, 1) wenn er dem Erblajjer, dem Che: 
nr oder einem andern Ablömmlinge des Erb: 
fiers nah dem Leben tradhtet; 2) wenn er fi 
einer vorjäglichen körperliben Mißhandlung des 
Erblaſſers oder des Ehegatten des Erblajjers dou 
dig macht, jedoch muß im letztern Falle ver Ab: 
tömmling von dem Ehegatten abjtanımen, barf 
aljo z.B. nicht deſſen Stiefjobn fein; 3) wenn er 
Dh gegen den Erblaſſer oder deſſen Ehegatten eines 
rechend oder ſchweren vorlägliben Bergebens 
ſchuldig macht; 4) wenn er jene gejepliche Unter: 
baltungspflicht gegenüber dem Erblafjer bösmillig 
verleßt; 5) wenn er wider den Willen des Erb: 
laſſers einen ebrlojen oder unfittlihen Lebens: 
mwanbel führt, es jei denn, daß er ſich von dieſem 
Lebenswandel jur Zeit des Todes des Erblaſſers 
dauernd abgemendet hätte; II. gegen Bater oder 
Mutter aus einem der Gründe vorftehends unter 1, 
3 und 4; III. gegen ven Ehegatten aus einem Schei⸗ 
dungsgrunde, der auf einem Berihulvden des Ehe: 
gatten berubt (alfo nicht wegen — ——— 
und zwar auch dann, wenn auf Scheidung infolge 
Ablaufs der geſetzlichen er nicht mebr 
aellagt werden könnte. Die Entziehung des Pflicht: 
teils erfolgt durch letztwillige Verfügung, es ge: 
nügt aljo eine vom Erblafjer unter Angabe des 
Ortes und Tages eigenhändig geichriebene und 
unterihriebene Erflärung. Sedod muß der Ent: 
jiebungsgrund zur Zeit der Errichtung der Ber: 
rügung bejtehen und in diefer angegeben Be Zu 
beweiſen bat ihm, wer fi darauf beruft. Das 
Recht zur Entziehung des Pflichtteils erliicht durch 
(ausvrüdliche oder fillihweigende) Berzeibung, 
dieje führt zugleih Unwirlſamleit Pe a 
die Entziebung des Pflichtteild anordnenden Ver: 
er berbei. — Die Zuläffigteit der Entziehung 
des Pflichtteils rihtet fich, wenn der Tod des Grb: 
laflers erft nah Beginn des Jahres 1900 einge: 
Prodhaus’ Ronverfations:Lepiton,. 14. Aufl. R. A. VL 


auf 


49 


treten ift, aud dann nad neuem Recht, wenn bie 
E. in einem vor 1900 errichteten Tejtament aus: 
gelprochen ift. — Außerdem beſtimmt das Deutiche 
ürgerl. Geſetzbuch ausdrücklich, daß der Erblafjer 
dur Tejtament einen Berwandten oder den Ehe: 
atten von der geſetzlichen Erbfolge ausſchließen 
ann, ohne einen Erben einzufegen ($. 1938). 

Neben der gewöhnlihen €. kennt das Gemeine 
Recht eine E. in guter Abſicht (exheredatio 
bona mente), d. b. der Erblafjer fann die Zumen: 
dung des Pflichtteils an feine Noterben unterlaffen, 
wenn dies in wohlmeinender Abficht und im Inter: 
ejie des Pflichtteiläberechtigten oder jeiner Familie 
geichieht, alfo namentlich wegen lüberſchuldung oder 
übermäßiger Verſchwendungsſucht. Do muß dann 
der Pflichtteilsberechtigte wenigftens die Einkünfte 
er Pflichtteils, ſoweit er ibrer zum Lebensunter: 

alte bedarf, aus dem Nachlaſſe erhalten. — Die 
auf dem Gemeinen Rechte beruhenden Bartikular: 
rechte (mit Ausnahme des Bayr. Landrechts) haben 
dieſe Einrichtung übernommen, und gr der Code 
eivil fennt etwas Ahnliches in den Beitimmungen 
über die Subftitution (Art. 1048). — Das Kfterr. 
Bürgerl. Gejegbuh ($. 773) geitattet gegenüber 
allen Noterben die E. in guter Abfiht, wenn bei 
dem ſehr verſchuldeten oder verſchwenderiſchen Not: 
erben die wahrſcheinliche Bejorgnis obmwaltet, der 

flihtteil werde ganz oder zum era Teil den 

indern entgehen, jedoch nur dergeltalt, daß der 
Pflichtteil den Kindern zugemwendet wird. Die Wir: 
tungen einer nicht gerechtfertigten E. oder einer E., 
deren Grund nicht zu erweifen ift, find die gleichen, 
wie wenn ein Pflichtteil nicht oder nicht ausreichend 
gewäbrt ift. 

Das Deutihe Bürgerl. Geſetzbuch ($. 2338) lennt 
feine Entziehung, fondern nur eine Beſchränkung 
des Pflichtteild in guter Abfiht, und zwar nur 
gegen Abtömmlinge, nicht gegen Eltern und Ehe: 

atten. Vorausfegung ift, daß der Abtömmling in 
olhem Maße der Verſchwendung ergeben oder 
überjchuldet ift, daß fein jpäterer erb erbeblich 
geil bet wird, und daß diefer Zuſtand zur Zeit des 

odes des Erblaſſers noch fortdauert; eine bloße 
Befürchtung für die Zukunft genügt nicht. Dann 
fann der Erblafjer anordnen, daß nad dem Tode 
des Ablömmlings deſſen geieklihe Erben das 
ihm Hinterlafjene oder feinen Bflichtteil nach Ber: 
bältnid ihrer geieglihen Erbteile ald Nacherben 
oder Nachvermãchtnisnehmer erhalten follen, oder 
er kann für die Lebenszeit des Ablömmlings die 
Verwaltung einem Teitamentsvollftreder über: 
tragen, jo daß dem — das Recht, über 
den Nachlaß zu verfügen, vollitändig entzogen 
wird, und er nur den jährlichen Reinertrag zu be: 
anſpruchen hat. Im übrigen — dieſelben Vor: 
ee für die gewöhnliche Entziehung des 

flichtteils. 


Enterbreggen, joviel wie Enterhalen (f. d.). 
Enterhafen oder Enterbreggen, leichte, 
nf: bis ſechsarmige, an Ketten ober Tauen be: 
eitigte Anter, die beim Entern in die Talelung des 
eindlihen Schiffs geworfen werden, um es feitzu: 
alten (f. Entern). 
Enterich, die männliche Ente (ſ. Enten). 
Enteritis (grch.), Darmentzündung (f. d.). 
Enterlooper, veralteter niederländ. Ausdruck 
für ein Schleihhänblerfahrgeug. , 
Entermeffer, frühere Bezeihnung der Seiten: 
gemwehre der Matrojen, mit jataganartiger Klinge 
4 


50 


und großem Korb, die namentlich beim Entern (ſ. d.) 
Verwendung fanden. 

Eutern, ein fremdes, wahrſcheinlich aus dem 
ital. entrare (d. b. eindringen) gebildetes Wort; es 
bedeutet ein feindliches Schiff durd Angriff mit der 
blanten Waffe erjtürmen. Das €. kann ausgeführt 
werben, indem man mit bem eigenen Schiffe längs 
jeit des feindlichen läuft und an diefem feſtmacht, 
oder indem man den Feind mit Booten angreift. 
Zur Zeit der Segelſchiffe wurde das E. meilt als 
Gntfcbeidungstampf angewendet. (S. Seetaltil.) 
NY der Neuzeit, jeit Einführung des — 2*— und 

ervolllommnung der Ariillerie, iſt es ſelten ge— 
worden. Die furchtbare Wirkung der modernen Ge: 
ſchoſſe zwingt den Befiegten, au obne E. ſich zu 
ergeben, und außerdem ift eine jebr überlegene 
Gejhmwindigfeit des Feindes erforderlich, um das E. 
gelingen zu lafjen. Überdies wird der an Geſchwin— 
digkeit Üiberlegene meift die gänzliche Vernichtung 
des Gegners durch einen Rammitoß dem Entergefecht 
vorziehen, namentlich bei Banzerichiffen. €, heißt 
auch das un Hinauf: (Aufentern) und Hinab: 
tlettern Niederentern) der Matroſen in die oder 
von der Takelage. (S. auch Enterbeile, Enterbaten, 
Entermefjer, Enterneße, Enterpifen.) 

Enternete, Nebe von Drabt, die früber ober: 
balb der Rebling (f. d.) rings um die Schiffe gegen 
das Entern (f. d.) ausgeipannt wurden. 

Entero:Anaftomofe (grch.), joviel wie Darm: 
anaftomofe (f. d. und Darmverengung). 

Enterocele (grch.), ſ. Bruch. 

Euterocentäẽſe (grch.), der Darmſtich, die Bunt: 
tion des Darms. 

Enterohelföfis (grch.), Darmverſchwärung. 

Enterofatarrh (grch.), der Darmkatarrh (ſ. 
— leingießung, ſ. Klyſtier. 

Euterokliyſis (grch.), Darmwaſchung, Darm: 

Euteröl, ein Gemiſch der drei Kreiole (f. Kreſol), 
das als Antifeptitum bei Darmerklrantungen em: 
pfoblen wird. 

Enterolithen (grch.), j. Darmiteine. 

Enterolögie (grch.), Eingemweibelehre. 

Enterophthifis (rd), j. Darmſchwindſucht. 

Enteropneuften( Enteropneusta), eine Gruppe 
von Geetieren, die Ääußerlih den Würmern nabe 
itehen, in der Entwidlung aber ven Stahelbäutern 
und in manchen Punkten des Baues den Mantel: 
tieren verwandt find. Aus dem Ei fchlüpft wie bei 
den Stadhelbäutern eine mit befonders gruppierten 
Wimperfhnüren befegte, freiihwimmende Larve, 
die Tornaria. Die erwachſenen Tiere leben in 
wenigen und feltenen Arten einer Gattung (Balano- 
glossus Delle Chiaje) in feinem DMeeresfand. N. 
Kowalewſty, C. Metihniloff und ler. Agaſſiz 
ichrieben über die E. — Vgl. Stengel, Enteropneu: 
iten (Berl. 1893). 

Enteroptofe (grch.), die Lageveränderung der 
Bauceingemweide nad) abwärts, fpeciell des Darms. 

er (grch.), die Darmblutung. 

Enterorrhäphie (grch.), die Darmnabt (f. d.). 

Enterofföpie (grch), die Unterfuhung des 
Darms vermittelit des Enteroſtöps (f. Beleudy: 
tungsapparate, medizinische). 

nteroftenöfe (arch.), Darmverengerung. 

Enteroftömie (grch.), operative Anlegung eines 
fünjtlichen Afters dur Annäbung und Eröffnung 
einer nah außen an die Bauchwand vorgejogenen 
Kamaislinge bei Darmverenaung oder Darmver: 
chluß. 


Entern — Eutfernungsmeſſer 


Enterotömie (grch.), Darmſchnitt, Bauch— 
chnitt. 

Enterotyphus (grch.), Unterleibstyphus. 

Enterozöen (Enterozoa, Einzahl Entero— 
z0on), ſoviel wie Entozoen (f. d.). 

Enterpifen, kurze Yanzen, mit denen früber ein 
Teil der Geſchußmannſchaften ausgerititet war, um 
die feindlichen Enterer beim Entern (f.d.) durd die 
Geſchützpforten zurüdzuftoßen. 

Enterung, j. Entern. 

Entötiert (fr;., ſpr. angtät-), eingenommen für 
etwas, verfeflen, erpicht auf etwas; eigenfinnin 
Entötement (fpr. angtätmäng), Gigenfinn, Starı: 
finn, Starrlöpfigfeit. 

Entfärben, tehnijches Verfahren, das die Ent: 
fernung vorhandener Farbftoffe bezwedt. Gewebe 
werben durd das Bleichen (j. d.) entfärbt. ylüffig: 
leiten entfärbt man durch Bebandeln derjelben mit 
Knochenkohle, welche die Eigenichaft bat, Farbſtoffe 
zu abforbieren, Hiervon macht man in der Juder: 

abrifation den umfänglichjten Gebrauch. Saure 
lüffigleiten, die durch ihren Säuregehalt löfend 
auf die Kalkſalze der Knochenkohle wirken und 
durch diefe verunreinigt werden würden, behandelt 
man mit Knochenkohle, die vorher mit Salzfäure 
ertrahiert und gewaſchen ift. Wegen jeiner Eigen: 
beit, mit den meijten Farbſtoffen unlöslice Ver: 
indungen einzugeben, läßt ih Thonerdehydrat viel⸗ 
ach zum E. verwenden. Bleieſſig dient zum E. des 
Rübenſaftes bei der analytiſchen Unterfuchung des⸗ 
—— da er den Farbſtoff als unlögliche Bleiver: 
indung abjcheidet. In manden Fällen kann man 
dur Einleiten von ſchwefliger Säure entfärben. 

Entfernung aus dem Heer oder der Ma: 
rine, militär. Ebrenitrafe, Die von Rechts wegen zur 
Folge bat: den Verluſt der Dienftitelle und der da: 
mit verbundenen Auszeihnungen, fowie aller durd 
den Militärdienft erworbenen Anjprüche, ſoweit fie 
durch Richterſpruch aberfannt werden können; den 
dauernden Verluſt der Orden und Ehrenzeichen; die 
Unfäbigfeit zum Wiedereintritt in das Heer und 
die Marine, welbe nur im Gnadenwege bejeitigt 
werben kann. Gegen penfionierte Offiziere ift, ftatt 
auf E. aus dem Heere oder der Marine, auf den 
Verlujt des Dffiziertiteld zu ertennen. Auf E. aus 
dem Heer u. f. iv. muß erfannt werben: neben Zucht: 
baus und Berluft ver bürgerlichen Ehrenrechte bei 
Dffizieren ſchlechthin, bei Unteroffizieren und 
meinen von länger als dreijäbriger Dauer. 

Entfernungsmeifer, Diſtanzmeſſer, Dia: 
ftimeter, Engymeter, Telemeter, nitru: 
mente, mit denen die Entfernung zwiſchen zwei 
Punkten in der Luftlinie gemejjen wird. Der €. 
jelbft wird jtet3 in dem einen Endpunlt der zu 
meſſenden Entfernung aufgeitellt und, je nachdem 
in dem andern Enbpunlt eine Diftanzlatte (ſ. d.) 
angebracht wird oder nicht, unterjcheidet man €. 
mit Latte und ſolche obne Latte, Die eritern finden 
bei den in der Feldmeßlunſt benugten Inſtrumenten 
Anwendung, z. B. in Verbindung mit der Kippregel, 
dem Tachymeter u. a., und beruben darauf, daß zwi⸗ 
ſchen zwei Fäden eines im Fernrohr angebradten 
Fadentreuzes ſtets eine der betreffenden Entfernung 
entſprechende Zänge an der Latte abgelejen wird. 
Man benust diefe E, (von Reichenbach) zur un: 
mittelbaren Feitlegung minder wichtiger Buntte von 
einem vorher ficher bejtimmten Stationspunft au? 
und erbält bis zu Entfernungen von etwa 600 m 
auc genügende Ergebniſſe. 


Entfernungsmeßfanonen — Entfettungsfuren 


Lehne Latte werden in der Feldmeßlunſt nicht, 
fr miltär. Zwede aber vielfach benust, obwohl es 
und nicht gelungen tft, ein namentlib auch zum 
Aden großer Entfernungen völlig friegsbraud: 
bir Inftrument herzustellen. Die meijten diejer 
Elben darauf, daß man die gejuchte Entfernung 
nein dreied verlegt, aus deſſen Baſis und den an- 
hugenden zu meſſenden Winteln man fie leicht be: 
reomen lann; bei faſt allen —— iſt die 
Entfernung auch nad Einſtellung der Wintel un: 
mittelbar am Inſtrument abzulejen. In der Unent: 
ibrlihleit einer Baſis liegt aber eine große Schwie: 
ngkeit für die techniſch vollendete Heritellung dieſer 
Juftrumente; denn iſt die Bajis am nitrument an: 
«hradt, jo lann fie nur Hein fein im Verbältnis 
zu den Entfernungen, die namentlib mit Rüdficht 
auf die Tragweite der beutigen Feuerwaffen im 
Kriege beitimmt werben müjjen, und infolgedejien 
mifen dann überaus Heine Wintel mit größter 

Schärfe gemeſſen werden, was nur mit feinen, eine 
en Bebanplung erfordernden Wintelmefjern mög: 
bit. Macht man aber die Baſis jo groß, daß die 
Binleimefjung weniger ſcharf jein fan, jo muß 
dieje von zwei räumlich mebr oder weniger weit ge: 
trennten Bunkten von zwei Beobachtern ausgeführt 
werden, was namentlich im Feldkriege jelten aus: 
führbar ift, wäbrend nad diefem Grundjaß ein: 
arritete E. im Feftungstriege und namentlich bei 
ber Küftenverteidigung vorteilhaft verwendet werden. 
Bei legterer find auch E. «mit jenkrebter Bafis», 
die durch die lotrechte Entfernung des Aufitellung®: 
vunttes vom Meeresipienel gebildet wird, im Ge: 
braudy. An Stelle der Wintelmejlung durch Fern: 
robre werden vielfach auch Spiegelinjtrumente nad) 
dem Grundjas des Spiegeljertanten angewendet. 

Während die Artillerie in ver Beobachtungsfähig⸗ 
len der Rauhmolte ihrer Geſchoſſe ein Mittel be: 
fikt, den Einſchlag in Beziehung zum Ziel zu bringen 
und danadı dem Geihük die ver Entfernung ent: 
fprehende Erböbung zu geben, d. b. ſich einzu: 

Ichießen, ift die Infanterie troß der geringern Ent: 
fernungen, auf die fie ſchießt, in der Regel nicht in 
der Lage, die Geſchoßeinſchläge zu beobachten. Sie 
ift aber auf das unzuverläffige Entfernungeihägen 
(1. 8.) angewieien, wofern fie nicht über E. verfügt. 
Gerade die Erkenntnis, daß die große Präciſion der 
modernen Waffen und die beite Schiekausbildung 
der Zruppe nur dann gute Treffergebnifie im Ge: 
folge baben kann, wenn das Viſier der Entfernung 
— gejtellt iſt, bat die praltiſche Bedeutung 
der E wieder mehr in den Vordergrund gerückt, jo 
dab heutzutage niemand mehr an der Nüplichteit 
eines folben Inſtruments zweifelt, jondern nur noch 
die Frage erörtert wird, welche Zugeitändniife find 
dem Konitrulteur binfichtlich der Begriffe «Genauig⸗ 
tet» umb «ftriegsbraucbarteit» der E. zu machen ? 
Infolge der Verichiedenbeit der Auffafiung bier: 
baben mehrere europ. Staaten bereits E. für 

den Felbkrieg eingeführt, jo Frankreich und Ruß: 
land, wäbrend man im Bi Heere (abgejeben 
von dem E. der Küjtenartillerie) unter der Bezeich: 
«ileiner E. 99» nur einen €, für Syriedens: 

der Infanterie zur Prüfung der Entjernungs: 
Ihäsungen u. dgl. eingeführt bat, für Kriegszwecke 
aber €. nod) erprobt. Die Zweifel, daß es jemals 
— einen genügend genauen lriegsbrauchbaren 
€. zu fonftruieren, en u dem Vorſchlag geführt, 
der Infanterie eine a nsstwerlonone. 
d. b. ein leichtes Geihüß, mitzugeben, mit dem fie 


51 


fich die Entfernung «erfdhießen» kann. Diejer Ge: 
danke ſcheint indes feine Zukunft zu haben. 

Einer ber älteften €, ift der geometr. Duabrant 
von Peurbah (um 1450) und Paceccos PBantometer 

1767). In neuerer Zeit wurden viele verfchiedene 
ftrumente diefer Art nden, 3. B. E. von 
uernfeind, von Steinheil, Telemeter von Ber: 

dan und Foitzich, Diaftimeter von Romershauſen, 

E von Nolan, Bafhwig, Kron:Metral, Soudier 

Goulier, Colman, Soude, Elermon. Letztere drei 

tonftruierten Feldſtecher als E, indem fie darin 
ein Netzwerk mit Skala anbraten, von ber ent: 
ſprechend der jcheinbaren Verkleinerung des Ziels 

(eines ftehenden Infanteriften = 1,7m) die Entfer: 

nung abgelejen wird. Diefe Inſtrumente find alfo 
gleihfam ind Kriegämäßige überjegte «E. mit Latte», 
indem biefe durch das feindliche Objelt gebildet wird. 

In Deutihland haben fih um die Entwidlung 

E. beſonders verdient gemadht die Firmen 

A. & R. Hahn in Eafjel und Karl Zeiß in Jena. 

Lestere konftruierte neuerdings auf Grund ihrer 

betannten Relief: oder Doppelſernrohre (f. Fern⸗ 
rohr) einen ftereoflopifhen E. nad ber Idee 
des verftorbenen Ingenieurs de Groufillierd in 

Charlottenburg und des von Helmholg angegebenen 

Teleſtereoſtops. Diefer E. dürfte dem deal eines 

G. nahe lommen, denn er ermöglicht, aus dem Par 

norama des Fernrohrs bie ee mit bins 
längliher Genauigteit direkt ide: Näheres 
über diefen ſtereoſtopiſchen E. von Zeiß f. Entfer- 

nungsmeſſer, Bd. 17. 

Eine bejondere Art von E. find endlich noch die 
akuftifchen, die auf der M ung des Zeitraums be: 
ruben, der zwijchen dem Aufbligen eines Schuſſes 
und dem Hörbarwerben des Rnalles liegt, wobei die 
Geſchwindigleit des Schalles au 333 m per Sekunde 
angenommen wird, Die in Selunden gemeflene Zeit 
mit 333 multipliziert, giebt dann bie Entfernung 
in Metern. Hierauf begründete €. find die von Le 
Boulenge, Fimmerhans, Montaudon u. a. Neuere 
Verſuche haben ergeben, daß die Schallgeſchwin⸗ 
digkeit nur bedingungsweiſe 333 m pro Sekunde, 
oft aber erheblih mehr beträgt. Aluſtiſche E. 
find demnah für militär. Zwede ohne Wert. — 
Bol. Bauernfeind, Elemente der Bermefjungstunde 
( etuttg. 1879); ®irardon, Legons d’artillerie 
(Bar. 1895); Militär. Wochenblatt 1889, Nr. 94, 
und 1899, Nr. 66 (Berlin); Pulfrich, Der ftereofto: 


3,1850) Regen Bean (be. 100) 
Gans eohlansuen. 1. eh 


meſſer. 
tfernungsfchägen, ein militär. Ausbil» 
dungszweig, der deshalb von Wichtigleit ift, weil 
von dem er ie Erlennen der Entfernung vom 
Schüsen nad dem Ziel die Treffwirtung wejentlich 
abhängt, und zwar um fo mehr, je größer die Präs 
cifion der Waffe und die Sicherheit der Schüben. 
m Gegenſaß zum Entfernungsmeflen, das mit In⸗ 
trumenten (j. Entfernungsmefjer) geſchieht, eriolgt 
das €. mit —— Auge. Es iſt von außern 
Umjtänden (Beleuchtung, Geländebildung u. ſ. w.) 
abhängig und erreicht nur auf Heinen Entfernungen 
einen leidlihen Grad von Genauigkeit. — Bol. 
Brunn, Das E. (Berl. 1901). 
— —— j. Eiſenbahntarife. 
etten der Wolle, ſ. Entſchweißen und 
Wollſpinnerei. 
Eutfettungskuren, |. Fettſucht. 
4* 


D2 


Entfettungdmafchinen, |. Wollfpinnerei. 

Entflammungspunft, bei einer brennbaren 
Flüffigkeit diejenige Temperatur, bei welcher fich die 
über der Flüffigteitsoberflähe lagernden Dämpfe 
an einer Flamme entzünden. Der €, jpielt bejon- 
vers bei der Prüfung des Betroleums eine wid: 
tige Rolle (f. Betroleum). 

Entführung. Die E. umfaßt nah geltendem 
deutſchen Strafreht ($$. 236, 237) zwei fälle: 
1) E. einer Frauensperjon gegen ihren Willen 
durch Pift, Drohung oder Gewalt, um fie entweder 
zur Unzudt (Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren) 
oder zur Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis bis zu 
5 Sahren): 9) €. einer — unverehe⸗ 
lichten Frauensperſon mit ihrem Willen, aber 
ohne Einwilligung der Eltern oder des Vormunds, 
um fie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen (Strafe: 
Gefängnis bis zu 5 Jahren). Beitraft wird bie 
ie rte nit. Die Verfolgung tritt in beiden 
gi en nur auf Antrag ein. Sat der Entführer die 
Entführte gebeiratet, jo findet die Verfolgung nur 
ftatt, nachdem die Ehe F ungültig erklärt ift. 

Das Öfterr. Strafgeſetz von 1852 ftraft auch den 
De wenn eine verheiratete —JF—— mit 
ihrem Willen dem Ehegatten liſtig oder gewaltſam 
entführt wird, Der Borentwurf eines Schmeiz. 
Strafgejehbuhs (Art. 105— 107) unterſcheidet 
3 Fälle: 1) E. einer Frauensperſon zu unzüchtigen 

weden a. durch Lift, Gewalt oder Drobung; b. einer 

lödfinnigen, — bewußtloſen oder zu 
Widerſtand unfähigen rauensperjon. 2) €. zum 
Zwede der Ehe durch Lift, Gewalt oder Drohung. 
3) E. von Kindern zu unzüchtigem oder eigennüßt: 
gem Zmed. 

Entfufeln, techniſches Verfahren zur Verwand⸗ 
fung des Rohſpiritus in Feinjpiritus oder Sprit. 
Der in den landwirtſchaftlichen Brennereien durch 
Deitillation der vergorenen Maifche gewonnene 
— — enthält neben feinem Hauptbeitanbteil 
(ütbylaltohol) eine Anzahl von Nebenprobuften der 
Bärung ( Aufel), die ihm einen eigentümlichen, 
unangenehmen Geruch und Geſchmad erteilen. Für 
alle feinern Branntweine, für die befjern Sorten der 
Liqueure und Barfums, namentlich aber zum Ber: 
ſchneiden des Weins ift nur ein völlig reiner Spi- 
ritus verwendbar. E. wird in Deutſchland in großen 
ftädtifchen Naffinerien vorgenommen, von denen ſich 
die bedeutenditen in Berlin, Hamburg, Leipzig, Stet: 
tin finden, Fürdie Heritellung weniger feiner —— 
weine geſchieht das E. durch einfache Filtration über 
Kohlen, namentlich Holzkohlen, welche, beſonders 
friſch ausgeglüht, die Eigenſchaft haben, ſchmeckende, 
riechende und färbende Stoffe aus Flüſſigleiten auf: 
zunehmen. Der auf 50—60 Proz. verbünnte Spirit: 
tus wird in ein mit Kohlen beſchicktes Faß, welches 
mit einem Ruhrwerk verjeben ift, gefüllt und bier 
unter wiederboltem Umrübren mebrere Tage jteben 
gelafjen und dann abgezogen; vielfach werben aud 
mebrere Fäſſer jo miteinander verbunden, daß der 
Spiritus von einem in das andere übertritt; die Rob: 
len werden ſich in dem erften Faſſe zuerit fättigen deh. 
unbrauchbar werden; es wird dann dieſes {ab mit 
friihen Kohlen gefüllt. Der zu reinigende Brannt: 
wein wird dann zuerſt in das zweite Faß geleitet, 
wäbrend das neu gefüllte Faß jest als letztes für 
€. fait reinen Branntweins dient; auf dieje Weife 
wird erreicht, daß der Branntwein auf dem Wege 
durch die Filteranlage mit fortfchreitender Reinigung 
ju immer frifchern, weniger gebrauchten Koblen 


Entfettungsmafchinen — Entgegengejegte Größen 


gelangt, wodurd eine rationelle Ausnußung der 
oblen ftattfindet. Der auf diefe Weife nur durd 
Reinigung über Koblen gewonnene, eines Zeils der 
riechenden Stoffe entlebigte, aber durchaus noch nicht 
—78 Branntwein wird auch Maſchinen— 
piritus genannt, weil man die Filtervorrichtungen 
als Reinigungsmaſchinen bezeichnet. 

Fur die Erzielung von Feinſprit wird in ben 
Spritfabriten ausjhlieplic die Filtration, verbun: 
den mit Reltifitation, benußt. Die Filtration ge: 

cieht bier, indem der auf 50 Proz. verbünnte Rob: 
piritus durd eine Batterie von 10 bis 20 miteinan: 
der verbundenen, großen, eifernen, mit Holztoble 
efüllten Eylindern geleitet wird. Die Filter find 
o angeordnet, daß fie wechſelweiſe ausgeſchaltet 
werben können und daß immer der Robipiritus bei 
dem jeweilig am längiten in Gebraud befindlichen 
eintritt, von da in das frischer mit Kohle gefüllte 
übertritt und zuleßt in die neubejchidten, mit Vier 
Kohle gefüllten gelangt. Die erſchöpften Filter, in 
denen eine reinigende Wirkung nicht mebr eintritt, 
werden ausgefchaltet, der in denjelben befindliche 
Spiritus abgelaffen und Dampf in diefelben gelei: 
tet, wodurd der von den Kohlen aufgelaugte Spi— 
ritus mit einem Zeil des Fujelöld verdampft und 
dur Einleiten in Kühlvorrichtungen wiedergemwon: 
nen wird. Das — wird nun entleert und mit 
friſchen Kohlen beſchickt, während die herausge— 
nommene erſchöpfte Kohle durch Ausglühen wieder: 
belebt wird. Die vom Filter ablaufende Fluſſigkeit 
wird einer Rektifitation unterworjen, dur die der 
Altohol von dem zugejesten Waſſer und den Heften 
der noch vorhandenen Verunreinigungen befreit 
wird. Dies geicieht in Feinfpritapparaten, 
die aus großen eifernen Blafen beiteben und mit 
wirfjamen Reltifilations- und Depblegmations: 
vorrichtungen (f. Deitillation und Spiritusfabrita: 
tion) verjeben find. Die Flüffigkeit wird in der Blaſe 
dur in Schlangenröhren cirtulierenden Deus zum 
Sieden gebradt, worauf alsbald die Deftillation 
beginnt. Die einzelnen Deftillate werden getrennt 
aufgefangen. Zuerit erhält man ein Gemiſch von 
Altohol und niedriger fiedenden Beitandteilen bes 
Robipiritus, namentlid Aldehyd, welder als joa. 
Vorlauf in einen befondern Behälter geleitet wird, 
um fpäter, wenn ſich genügend davon angejammelt 
bat, für fich weiterverarbeitet zu werden. Der größere 
Zeil des Altobols deftilliert darauf als Prima: 
Feinfprit ineinerStärte von 95—96° Tr. Sobald 
das Deitillat auf die Stärle von 93—92° Tr. fintt, 
wird es in ein anderes Neferpoir geleitet, um als 
geringere Sorte von Spiritus, Selundafprit, 
verwertet zu werben. Von da ab nimmt die Stärte 
des Deftillats rajch ab, das dann noch Übergebende, 
welches die böber ſiedenden Beitandteile des er 
fpiritus, namentlid das Fuſelol, enthält, wird als 
Nachlauf bezeichnet und wird mit dem Robfpiritus 
in der nächſten Operation weiter verarbeitet. In der 
Blafe bleibt jchliehlih fait reines Waſſer zurüd, 
wäbrend der Rettifitator eine milchig trübe Flüſſig 
teit enthält, aus der ſich beim ruhigen Steben an der 
Dberflähe Fufelöl abjondert, das gejammelt und 
für fich verwertet wird. 

Die Beitrebungen, das €, auf hem. Wege zu be: 
wirfen, baben feinen Erfolg gebabt. Auch die Vor: 
ſchläge, das E. unter Anwendung von Elektricität 
zu bemirten, haben fi nicht bewäbrt. 

Entgegengeiehte Größen, in der Matbematil 
folhe Größen, von denen die eine negative, bir 


Entgeltlihe Verträge — Enthufiasmus 


ana pehtive Einheiten derfelben Art bat, fo daß 
in Summe durch Subtraftion gebildet wird. Ent: 
zompeieht find eine poſitive und eine negative 
Ja, Bermögen und Schulvden, Gewinn und er: 
af, Fertihritt und Rüdichritt, Beichleuni ung und 
Beiherung, Hebung und Senkung, Anziehung und 
Aktegung; ein beträchtlicher Sortfehritt,ver bei Ein: 
führung der Buchftabenrehnnung gemacht wurde, war, 
dej man Berluft ala negativen Geminn, 3. B. den 
deuft von 3 M. als Gewinn von — 8 M., Schul: 
den ald negatives Vermögen, u. f. m. auffafjen lernte. 
Entgeltlihe Werträge, Berträge, bei denen 


kmand einen Bermögensporteil gegen ein Ber: | F 


migm&opfer erwirbt, jemand 3. B. eine Verpflich⸗ 
tung übernimmt, ein Mecht aufgiebt eine Leiſtung 
bewitlt, wofür er einen Gegenwert ofort erhält oder 
ihm ein folcher verfprochen wird. Die E. V. beißen 
aub onerofe oder läftige. Den Gegenfak bilden 
vie unentgeltlihen (lukrativen) Verträge, 
melde auf eine Gefälligteit hinauslaufen, wie das 
Commodatum (f. d.), oder auf eine S entung oder 
andere Piberalität. Ein Bertrag oder eine Ber: 
fügung fann auf der einen Seite entgeltlic, auf 
fr andern Seite unentgeltlich fein; jo, wenn ein 
Dritter, um dem Schuldner zu ſchenlen, mit dem 
Gläubiger accordiert; der Gläubiger opfert feine 
ganze — egen —— eines Teils. Ver: 
träge, welche die Sicherung des Gläubigers 
betrefien, wie Hypothelbeſtellungen oder Bürg: 
ibaften, lafjen ſich als unentgeltliche auf feiten des 
—— auffaſſen, wenn dieſer fein Opfer, z. B. 
ws äbrun won PETER, giebt, und wenn 
die Sicherung nicht in Erfüllung einer dem Gläu: 
biger gegenüber —— Verpflichtung be: 
ſtellt wird. Eine Schenfung an den Gläubiger liegt 
in der Sicherſtellung nicht.  Umgelebrt kann die 
Unentgeltlibteit aud auf feiten des Bürgen und 
dem Gläubiger gegenüber dadurch ausgeſchloſſen 
ſein, daß dieſer dem Schuldner Eu erteilt, 
woran der Bürge ein eigenes Intereſſe bat, weil er 
den Schuldner, welcher auch dem Bürgen ſchuldet, 
Iten will. Die Unterſcheidung milden entgelt: 
ichen (läftigen, onerofen) und unentgeltlihen Ber 
trägen bat unter anderm rechtliche Bedeutung, weil 
der Schuldner aus läftigem Bertrage in ber Regel 
für einen höhern Grad der Sorgfalt haftet. Sodann 
ftellt fi die Anfehtung (f. d.) von unentgelt- 
lihen Berträgen, welche zum Nachteil von Gläus 
bigern abgeihlofjen werden, vielfach anders als 
die Anfehtung E. V. Wer gutgläubig dur ent 
geltlichen Vertrag von einem der Anfechtung Unter: 
worfenen, als Cigentümer im Grundbub Ein: 
getragenen im Bertrauen auf das Grundbuch er: 
worben bat, ift fiher; nicht aber der, welcher durch 
unentgeltlihen son erworben bat. Bei der 
Entmährung (f. d.) ftellt fih der Anipruc anders 
bei entgeltlihem erb alö bei unentgeltlichem. 
Abnlih bei der Erwerbung von Hppotbelen durch 
Eeifion. Der Gedante, daß der entaeltlihe Vertrag 
einen ftärlern Anfprub auf Rechtsſchuß bat ala 
der unentgeltliche, liegt tief in der menſchlichen Na: 
tur begründet. Erft Nat iſt in der rechtsgeſchicht⸗ 
lichen Entwidlung die Verbindlichkeit des formlojen 
Sch verſprechens anerlannt worden. Rechts⸗ 
geichäfte ſelbſt des Familienrechts, wie die Emanci⸗ 
pation ſſ. d.) oder das Verlobnis und die Eingehung 
ber Ehe, wurden, um ihnen Feſtigleit zu geben, in 
die Form eines Kaufs gefleidet. Über gegenfeitige 
Berträge ſ. Doppeljeitige Schulpverhältnifie. 


53 


Entglafung oder Devitrifitation, eine bei 
— eritarrten glafigen oder mineraliſchen 
hmelzflüffen zu beobachtende Erſcheinung, bie 
darin beiteht, daß jene geſchmolzenen Maflen bei 
ihrer Erftarrung nicht ein reines bomogenes Glas 
liefern fondern ein Glas, das mehr oder minder 
reichlich derſchieden —— meiſt kryſtalliniſche 
Ausſcheidungsprodukte, bald dem bloßen Auge 
ſichtbar, bald von 
mikroſtopiſcher Klein⸗ 
heit, in ſich enthalten. 
Der gewohnlichſte 
all iſt der, daß 
dieſe Gebilde in ihrer 
chem. Zuſammen⸗ 
ſetzung annähernd 
mit der des Glaſes 
ſelbſt — 
men, es ſich alſo nur 
um eine andere Er: 
ftarrungsform einer 
und derſelben Sub: 
ftanz banvelt. Ande: 
rerfeit3 fpricht man aber aud von €., wo chemiſch 
ganz verichiedene Silikate, jelbft Erzpartilelchen in 
dem Glaſe ie ausgefchieden haben. Die Entgla: 
rg te find bald ſog. Kryſtalliten (f. d.), 
ald Globuliten (f. d.), bald Mitrolithen (f. d.), 
die ſich vielfah zu 
Büfheln und Ster: 
nen vereinigen oder 
zu kugeligen Dur 
hen zufammenbal- 
fen, bald unbe 
ftimmte doppeltbre⸗ 
chende fajerige Ge: 
bilde, bald eigen: 
tümliche ftelettähn: 
liche Wachstums⸗ 
formen, daneben 
aber auch wohlaus⸗ 
gebildete kleine Mi⸗ 
neraltryftalle. 
Vrodufte der 
fabrilation mißratenen Maflen, ferner in den Hoch— 
ofenichladen ſowie in den natürlich vorlommenden 
lad: und Pi ra CH den Dbfibianen 
Bimsfteinen, Berliten, Bechfteinen. Von den vor 
ftehenden beiden Abbildungen zeigt Fig. 1 die 
mitroftopifhe €. in einem ungar. Obfidian; Fig. 2 
Grin cc enge Eiſenhochofenſchlacke. 








Bis. 2. 
en 
€. finden fib in den bei der Glas: 


Entglaſtes Glas bezeichnet man ald Reaumur: 
{ches Porzellan. Die E. oder das Blindiwerden 
von Fenfterjcheiben beruht darauf, daß dem Glafe 
durch De Altalien entzogen werden und da— 
durch die Oberfläche fih abblättert. Auf künftlicher 
E. berubt die Herftellung von Keramo (1. d.). 
Entgleifung, ſ. Eiſenbahnunfälle. 
Enthaarung, Enthaarungsmittel, |. De 
Enthauptung, |. Hinrichtung. [pilation. 
Enthelminthen (grch.), Eingeweidewürmer. 
Entheomänie (grch.), religiöier Wahnfınn. 
Enthufiasmns (grch., von entheos, Enthüs, 
«gottvoll», «gottbegnabet»), ein befonders bober 
tab Treubige: Erregung, deren Gegenjtand oder 
Anlaß ein objektive Faltum (eine edle That, ein 
Kunſtwerk, eine wiſſenſchaftliche Leiftung) fein muß. 
(©. —— — Enthuſiasmieren, mit 
E. erfüllen, begeiſtern; Enthuſiäſt, ein leiden: 


54 


ſchaftlicher Bewunderer oder Verehrer; daber En: 
tbufiajten in der Kirchengeſchichte ſchwärmeriſche 


Entim imperlälis Fab. ſ. Ruſſ Irre 
us „ſ. Ruſſelläfern 
Entkarten, ſ. Kartieren. 

Entkehlen, ſ. Degorgieren. 


Entladen, das Nero ar von Geihoß 
und Ladung aus Feuerwaflen. Bei glatten Border: 
ladern dienten hierzu bejondere Geräte (bei Ge: 
ihügen Dammzieher, bei Gewebren Kugel: 
— oder Entladeftod mit korlzieherartigem 
winde am Ende). Bei gezogenen Hinterladern, 
deren Geſchoſſe beim Laden angefeht werben, ift 
das E. wegen ber damit verbundenen Gefahr auf 
Kartätſchen zu beichränten. Bei Gemwehren und 
Schnellfeuerlanonen mit Patronen vollzieht ſich 
das E. einfach durch Öffnen bes —— 
—— elettrifche, ſ. Elektriſche Ent: 
adung. 
Eutladungsſtrahlen, ſ. Bv. 17. 
Entlaffung, vie Loſung eines Abhängigleits— 
verhältnifjes durch die Erklärung desjenigen, von 
welchem die in diefem Verhältnis ſtehende age 
abhängt. Es giebt Verbältnifje, melde obne Zu: 
ftimmung der zu entlaflenden Perſon überhaupt 
nicht, und folche, welche einfeitig nur aus bejtimm: 
ten Gründen gelöft werden können, fo baß eine 
vorzeitige und wiberrechtlidhe E. zum Schadenerſatz 
verpflichtet. — Die E. aus der Staat3ange: 
börigfeit ift für —— durch das Geſeßz 
vom 1. Juni 1870 geregelt. Die Staatdangebörig: 
feit wird unter anderm verloren durch E. auf An: 
trag; durch Beſchluß der Eentralbehörve ihres Hei: 
matöftaates können Deutſche ihrer Staatdange: 
börigfeit verluftig erflärt, alſo entlafjen werben, 
wenn fie im Falle eines Krieges oder einer Kriegs— 
gefahr einer dur den Kaiſer für das ganze Reich 
anzuordnenden — zur Rüdtebr binnen 
der beitimmten geht feine Folge leiften, und wenn 
ie ohne Erlaubnis ihrer Regierung in fremde 
Staatödienjte treten, fofern fie der Aufforderung 
zum Austritt feine Folge leiften. — Bon der E.von 
Saden aus dem Rechtsverhältnis, welchem fie 
unterworfen find, ſpricht man bei ber Pa 
Der Gläubiger entläßt das ihm verpfändete Grund: 
ftüd, unter Rejervation jeiner Forderung an den 
Schuldner oder der Hypothel an den mitverbafteten 
Grunditüden, dur feine Erflärung aus der Hypo: 
thet, welde dann durch Abſchreibung des Grund— 
ftüds auf Antrag des Eigentümers oder des ent: 
lafjenen Grundjtüds erliicht. Liber E. aus dem 
Staatädienfte f. Amtsentbebung und Staats: 
dienjt; E, mit ſchlichten Abſchied, ſ. Abſchied, 
militäriſcher; E. aus der väterlichen Gemalt, ſ. 
Emancipation; aus einem privatrechtlichen Dienſt⸗ 
oder — ——— ſ. Dienſtmiete. 
Eutlaſſung, vorläufige (Beurlaubungsipitem). 
Nach $8.23fg.des Deutſchen Strafgeſetzbuchs lönnen 
die zu einer längern Zuchthaus- oder Gefängnis— 
ſtrafe Verurteilten, wenn ſie drei Vierteile, min— 
deſtens aber ein Jahr der ihnen — Strafe 
verbüßt, ſich auch während dieſer Zeit gut geführt 
haben, mit ihrer Zuſtimmung vorläufig entlaſſen 
werben. SH die feitgefehte Strafzeit abgelaufen, ohne 
dab ein Widerruf der E. erfolgt ift, jo gilt die Frei: 
beitsftrafe als verbüßt. Der Widerruf tft zuläffig bei 
chlechter yührung des Entlafjenen oder wenn ber: 
elbe den ibm au erlegten Verpflihtungen zumiber: 


andelt. Er bat die Wirkung, daß die feit der €. 


Entimus imperialis — Entlaftung 


bis zur Wiedereinlieferung verflofiene Zeit auf die 
eſtgeſetzte Strafpauer nicht angerechnet wird. Das 
nititut der E, ift engl. Urſprungs (ticket of 2 
1862 in Sachſen eingeführt, jap dasijelbe Au 
nahme in das Deutſche Strafgejeßbucd, ohne die ge: 
boflte praltiſche Bedeutung zu gewinnen. 
ungöprüfung, ſ. Maturitätseramen. 
Entlaften, im laufmaͤnniſchen Verlehr jemand, 
ber vorher in den Gejhäftsbüdern mit einer Schule 
fumme eingetragen (belaftet) worden war, für eine 
darauf hin gemachte Gegenleiftung feiner Schult 
oder des bezüglihen Teils derfelben entheben, ibm 
dieſe Leiftung gutichreiben (f. Entlaftung). 


tlaftung, Deharge, die rung des 
jenigen, welchem — gelegt, — 
erteilt iſt, daß er die gelegle Rechnung, Aus 
nft, Rechen haft genügend erachtet. Die E. wird 
einem Gefhäftsfübrer von dem Gefhäftsberrn, dem 
Vormund von der Obervormundſchaftsbehörde und 
von dem Mündel nah erlangter Großjäbrigleit, 


dem Borftand einer Altiengejellihaft, Genofjen 
ſchaft, Rorporation, eines Vereins von der General: 
verfammlung, dem rechnungsführenden Beamten 
von der vorgejehten Behörde erklärt. Bei größerer 
Rehnungsführung werben in der Regel Reviforen 
ernannt, welche die Rechnung zu prüfen haben, und 
auf deren Bericht hin erft die Decharge ausgeſprochen 
wird. Da bie Rechnungslegung dazu bejtimmt ift, 
die gefamte Gefhäftsführung Kar zu ftellen und 
nachzuweiſen, daß der Gefhäftsführer feine Ver: 
pflihtungen erfüllt habe, fo wirft die E. äbnlich wie 
ein Verzicht oder eine Quittung. Soweit die Red: 
nung in einer für den Gefhäftsberrn erlfennbaren 
Meile über einen Bunlt der Verwaltung Auskunft 
erteilt, oder benjelben fo weit berührt bat, daß 
dem Geſchäftsherrn durd die Rechnung Veranlaſ— 
(8 gegeben war, jpecielle Auskunft über einen 
unft der Verwaltung zu forbern, fann der Ge: 
—— nad der E. bezüglich dieſes Punltes keine 
egreßanſprüche an den ——— erheben, 
außer wenn unredliche Handlungen desſelben vor: 
liegen, ober es ſich um Rechnungsfehler handelt. 
Verhältnis von Regierung und Vollsver— 
tretung entfpricht die E. nah Ablauf der Wirt: 
—— dem Voranfchlag (f. Budget). Beide 
kte find ihrem Weſen nad gleichartig; nad dent 
ofitiven Rechte bedarf jedoch der Voranſchlag der 
orm bes Bejehes, die E. nur eines formlojen Be: 
hlufjes, welcher in der Regel vom Landtag, nad 
ichsrecht vom Reihstag und Bundesrat gemein 
ſam zu fallen ift. Entlajtet wird das Minifterium, 
nach Reichsrecht der Reichslanzler. Welche Rechts: 
folgen bei Verfagung der E. eintreten würden, iſt 
durch das Gefeg nicht beftimmt; es handelt ſich bier 
um ein zur Zeit noch ungelöftes tonftituttonelles 
Problem (f. auch Komptabilitätsgefeß). Die E. wird 
vorbereitet durch genaue Prüfung der Rechnungen 
von feiten einer oberjten Rehnungsbebörbe, in Preu⸗ 
ben der Oberrehnungstammer (f. d.), welche für 
das Reich als Reihsrehnungsbof fungiert. Un: 
mittelbar nah Schluß des Rechnungsjahres find 
diejer Behörde alle Rechnungen und Inventarien 
einzureichen, außer über diejenigen Poſten des Etats, 
welche ausprüdlic durch gefepliche Vorfchrift aus: 
genommen find, und die ganz unbedeutenden Red: 
nungen. Auf Grund der rechnerifchen und io 
mäßigen Prüfung der Rechnungen kann jede Be: 
börde zur Rehenidaft gezogen werden, und bie 
| Oberrehnungstammer bat ausgedehnte Zwangs 


Entlaftunggmauer — Entmündigung 


55 


nittel zur Sicherung der Erfüllung ihrer Monita; | — zu Heizzweden Verwendung findel, z. B. an 


ment. ift die Sache zur weitern Verfolgung an die Damp 


Lattalſtelle des betreſſenden Reſſorts abzugeben. 
Sinn die Monita erledigt, fo erfolgt der durch 
Kolegialbeihluß feitzuftellende Jahresberiht an 
ven Sand» oder Reichötag, auf Grund deſſen dann 
der Entlaftungsbefchluß gefaßt wird. ie mas 
kerielle Brüfung liegt jedoch ausſchließlich bei ver 
Dberrebnungslammer, welche dem Parlament in 
tiner Weife verantwortlich ift. Anſchluß an 
die Revifion der Rechnungen auf Örund des Bud: 
xts hat die Dberrechnungstammer den Beitand 
des geſamten Staatseigentums zu fontrollieren. 
Das ganze Nevifionsverfahren h binnen eine 
Yabres zu Ende zu führen. Die geltenden Rechts: 
vorihriften über die €, finden jih in Art. 104 
der preuß. und Art. 72 der Reichsverfaſſungs—⸗ 
urtunde, ferner in dem Reichsgeſetz vom 11. Febr. 
1875, durch welches die Beftimmungen de3 preuß. 
u. vom 27. März 1872 aud zum Reichsrecht 
erlärt wurden, nachdem über ein jelbjtändiges 
Komptabilitätsgefes für das Reich zwiſchen Regie: 
rung und Reichstag eine Einigung nicht hatte erzielt 


werden können. — Bol. Zeitichrift für die gefamte 
Staatswiſſenſchaft, Bd. 32 und 33 (Tüb. 1876, 
1877); Artitel Rechnungstontrolle im «Handmwörter: 


buch der Staatäwijlenihaften», Bd. 6 (2. Aufl., 
Jena 1%1); Georg Meyer, Deutiches Staatsrecht 
(5. Aufl., Wz. 1899). 
Entlaftungdmanuer, |. Decbargenmauer. 
Entlebuch. 1) Landſchaft und Thal im ſchweiz. 
Kanton Luzern, im ſüdlichſten Teil desfelben zwi— 
ſchen Obwalden und Bern gelegen ! Karte: Die 
Schweiz), umfaßt die obern Thalitu 
Emme und der Ilfis und bildet einen eigenen Bezirk 
mit 400,8 qkm Flächenraum und (1900) 16249 E., 
Darunter 972 Evangelijche. engern Sinne wird 
als E. das Haupttbal der Kleinen Emme von der 
Waſſerſcheide gegen die Jlfis bis zu der Umbiegung 
bei Wobhlhuſen bezeichnet. Die Landſchaft trägt ſub⸗ 
alpinen Eharalter. Die Nagelflubgebirge, welche das 
Haup einſchließen, find langgeitredte bewach⸗ 
Vene Bergzüge, rei an Alpmweiden und Waldungen; 
wilder und malerifcher find die ſüdl. Seitentbäler, 
melde von den Kalt: und Flyſchletten der Schrat⸗ 
tenflub (2076 m), der Schafmatt (1980 m), des 
Feuerſteins (2042 m), des Schimbergs (1920 m) 
und de3 Gnepfiteind (1819 m) überragt werden. 
Die wihtigiten Wohnplätze find Eſcholzmatt 
($.d.), im Gebiet der Ilfis, (1900) 3134 €, Schupf⸗ 
beim (j.d.), an der Kleinen Emme, der Hauptort 
ver Landſchaft, und Entlebud (f. unten). Bon den 
vielen Aurorten ift zu erwähnen dad Schimberg: 
bad (1425 m) mit kräftiger allaliſcher Schwefel: 
quelle. — Früber öfterr. Befiß, gelangte die Land» 
ihaft 1405 an Luzern, gegen defien Serrichaft fie 
ſich 1653 vergeblih auflehnte. Die Befreiung von 
der ftäbtifchen H —— erlangte das E. erſt 1798 
beim Umſturz der alten Eidgenoſſenſchaft und 1831 
bei der luzerniſchen Verfaſſungsreviſion. — 2) Dorf 
im Bezirl E,, 35 km weſtlich von Luzern, in 712 m 
öbe, nahe der Einmündung der Entlen in bie 
ine Emme, an der Linie Bern-Luzern der Jura— 
—— — er er 
71 Evangelifche, egraph und Tuchfabril. 
„et smal ine # die Schotoladen. 
rilation, ſ. d. ne el, Fig. 6. 
Enttefinugöventil, bei 3afferpumpen |. Ben 
til € find ferner da anzubringen, wo ftehender 


en der Rleinen | tr 


mänteln der Dampfmaſchine, um die im 
Dampf enthaltene und fih anfammelnde Luft zu 
Entmannung, |. Rajtration, (entfernen. 
Entmündigung, die gerichtlicheszeititellung, daß 
eine Berfon geiitig nicht gefund oder ein Verſchwen⸗ 
der Ay und ne beitimmt das Recht die Fälle, in 
wehhen €. zuläffig ift, im Einzelnen. Das Deutſche 
Bürgerl. —— fügt den bisherigen Fällen der 
Geiſteslranlheit, Geiſtesſchwäche und Berihwen: 
dung noch die Trunkſucht hinzu. Entmündigt fan 
nad) $.6 werden: 1) wer infolge von Geijtesfrantheit 
oder von Geiſtesſchwäche feine zu enbeiten nicht 
zu beforgen vermag; 2) wer durch Verſchwendung fi 
oder feine Familie der Gefahr des Notjtandes aus: 
jest; 3) wer infolge Trunkſucht feine Angelegenbeiten 
nicht zu beforgen vermag oder fich oder Jeine Familie 
der Gefahr des Notftandes ausſetzt oder die Sicher: 
beit Underer gefährdet. Die E, wie ihre Aufhebung, 
die einzutreten hat, wenn ber Grund der E. wegfällt 
($. 6), erfolgt durch ein in ver Deutfchen Eivilprozeß: 
ordnung näher georbnetes Verfahren. Zuftändig zur 
Einleitung des Entmündigungsverfahreng er nad 
der Civilprozeßordnung es. 645, 648) ausſchließ⸗ 
lich dasjenige Amtögericht, bei welchem der zu Ent: 
mündigende feinen allgemeinen Gerihtäftand hat, 
oder in in Bezirk er feinen legten Wohnſiß im 
Deutſchen Reid hatte. Das Gericht kann nad) der 
Einleitung ded Verfahrens, wenn es erforderlich 
erjheint, die Verhandlung und Entiheidung dem 
Amtsgeriht Übertragen, in deſſen Bezirk der zu 
Entmündigende ſich aufhält. Die €, und ihre Auf: 
bebung erfolgt nur auf Antrag. Berechtigt zum An: 
auf €. iſt der Ehegatte, ein Verwandter oder 
derjenige geſetzliche Vertreter des zu Entmündigen: 
den, welchem die Sorge für denfelben zuſteht; be- 
rechtigt zum Aufhebungsantrage iſt der Entmünbdigte 
oder derjenige gejeßliche Vertreter desjelben, welden 
die Sorge für ihn auftebt, ferner der Staatsanwalt; 
legterer jedoch nicht, wenn wegen Verſchwendung 
oder Trunkſucht entmündigt worden ift. Ermittelun: 
gen und Bemweisaufnahmen hat das Gericht von 
mts wegen zu bewirten. Der E. wegen Geiſtes⸗ 
kranlheit muß der Regel nad die perjönlice Ver: 
—— des zu Entmündigenden und ſtets die Ein: 
bolung eines Öutachtens über defien Geifteszujtand 
vorausgeben. Mit Zuftimmung des Antragitellerd 
lann das Gericht anorbnen, dar der zu Entmünbi: 
ende auf die Dauer von höchſtens 6 Wochen in eine 
Seilanftalt gebracht werde. Gegen diejen Beſchluß 
fteht dem zu Entmündigenden, ferner den zum Ent: 
münbigungsantrag befugten Perſonen und dem 
Staatsanwalt die Pi Beihmwerde zu. Die E. 
wegen Geiſteskrankheit tritt, wenn der Entmünbdigte 
unter Elterliher Gewalt oder unter Vormundſchaft 
fteht, mit der Zuftellung des Beichluffes an denjeni« 
en gejeslichen Vertreter, welchem die Sorge für die 
erjon zuftebt, andernfalld mit ver Beitellung des 
Bormundes ın Wirkiamleit. Die E. wegen Geiſtes⸗ 
ſchwäche tritt mit der Juftellung des Beichlufies an 
den Entmünbdigten in Wirlſamkeit. Der Entmündi— 
ungsbeſchluß kann durch Klage bei Dem vorgeſetzten 
ndgeridht binnen eines Monats angefochten wer: 
den. Zur Erhebung der Klage bei E. wegen Geiſtes⸗ 
krankheit oder Geiſtesſchwäche find berechtigt der 
Entmündigte felbjt und die zum Entmündigungs: 
antrag befugten Berjonen, bei E. wegen Verſchwen⸗ 
dung oder Truntjucht der Entmündigte allein. Die 
Klage iſt zu richten im erftern Entmündigungsfalle 


56 


gegen ben Staatsanwalt, wenn diefer aber felbit 
tagt, gegen denjenigen geſetzlichen Vertreter, wel: 
chem die Sorge für die Perſon zufteht, im legtern 
‚alle gegen den Antragfteller, fallö diefer aber ver: 

torben oder fein Aufenthalt unbelannt oder im 

luslande ift, gegen den Staatsanwalt. Erſcheint 
die Klage begründet, fo wird der Entmündigungs: 
beihluß durch Urteil aufgehoben. 

Wird der Antrag auf Wiederaufbebung ber €. 
vom —— abgelehnt, fo kann ſolche im Wege 
der Klage beantragt werden. Zur Klage berechtigt 
ift derjenige geieb iche Vertreter des Entmünbdigten, 
welchem bie Sorge für die Perſon zufteht, bei €. 
wegen Geijteöfrankbeit oder Geiſtesſchwäche aud 
der Staatsanwalt. Will der gejegliche Vertreter die 
Klage nicht erheben, jo kann der Borfigende des 
**— ts dem Entmündigten einen Rechts: 
anmwalt ald Vertreter beiorbnen. Offentlid belannt 
u maden ift die E. wegen Verſchwendung und 

runkſucht und deren Wiederaufhebung. 

‚Die €. bat eine Bevormundung bed Entmün- 
digten zur Folge (f. Kuratel). Der wegen Geiftes: 
frantheit Entmündigte ift volllommen geſchäftsun⸗ 
fäbig. Der entmündigte Verſchwender (j. d.) fteht 
nah Deutihem und nad Djfterr. Bürgerl. Geſetz⸗ 
bu dem Minderjährigen gleich; ebenfo nad Deut: 
—— Buͤrgerl. Geſetzbuch auch der wegen Geijtes: 

wäche oder Trunkſucht Entmündigte ($. 114). 

ah dem Sfterr. Bürgerl. Geſeßzb. $. 49 bedarf 
er aud zur Eheihließung der Genehmigung. (©. 
auch Dispofitionsbefhräntung, Geiftestrantheiten, 
Irrenrecht.) — Vgl. Daude, Das Entmündigungs: 
verfahren nad der Reichscivilprozeßordnung und 
dem Bürgerl. Geſetzbuch (2. Au. Berl. 1899); Er 
lenmever, Die E. wegen Trunlſucht nad dem Bür: 
gerl. Geſetzbuch (Kobl. 1899); Goering, Das Recht 
der Minderjährigen und Entmündigten (Lpz. 1899); 
Kol, Das Entmündigungsreht unter Berüdfihti- 
gung der für Preußen — Vorſchriften (Berl. 

1900); Levis, Die E. Geijtestranter (Lpz. 1901). 

Entuehmen, im kaufmänniihen Verlehr das 
Ausftellen eined gezogenen Wechſels. Man ent 
nimmt einen gewiſſen Betrag auf den Bezogenen. 
Gleichbedeutend ift ziehen oder traffieren. 

Entoooncha mirabilis Joh. Müll., eine 
ehr merfwürdige Schmarogerfchnede, die ſich im 

nnern von Seewalzen (Holotburien und Synapten) 

ndet. Das erwachſene Tier jtellt einen fpiraligen 
Schlauch dar, der außer *8 echtswerlzeugen Em: 
bryonen mit gewöhnlihem Schnedenhaus und Dedel 
enthält. Man weiß no nicht, wie die Jungen 
in neue Wirte gelangen. Sehr bedeutſam ift es, 
daß eine Anzab mehr oder weniger umgebildeter 
Schneden lediglich bei verſchiedenen Stachelhäutern 
Ihmarogt, von dem foffilen —— en 
Platyceras an, ber auf der Mundſcheibe von Pa⸗ 
läocriniden hattet. 

Entoderm (gr), inneres Keimblatt, f. Embryo, 
Keim, Gajträatbeorie, Cölenteraten. 

Entoilage (fr;., ſpr. angtdälahſch'), ein jpipen- 
ähnlich durchbrochenes, gazeartigeö Gewebe. 
Entöma (ei. Inſelten (f. * 
+ ee Hi ie (ard.), jettenbejhreibung. 
Entomolithen (grch.), veriteinerte Inſelten. 
Entomolögie (gr.), die Wiſſenſchaft von den 

nfelten (ſ. d.) oder Kerfen. Da gerade diefe Tier: 

alje die reichfte ift je erlangt das Gebiet jener 
Wiſſenſchaft einen be r großen Umfang. Denn 
wenn annäbernd allein die Anzahl der Arten auf 


Entnehmen — Entomologie 


200 000 angegeben wird, erreicht doch dieſe Angabe 
die Wahrjcheinlichleit noch bei weitem nicht. ⸗ 
möge der nn — ———— die gegen⸗ 
wärtig in der Zoologie und Botanik vorherrſcht, 
wird auch in der E. das Studium mit genauer 
Unterfuhung des innern und äußern Baues der 
Kerfe beginnen und diejer Die Phyſiologie der Kerfe, 
als die Kenntnis von den Berrihtungen ber Organe 
und fonad von den Lebensthätigleiten fomie von 
der Entwidlungsaeihichte durch die Zuftände im 
Ei, als Saroe, Due und volllommenes Inſelt 
folgen müfjen. Auf diefen Grundlagen ver allge: 
meinen €, berubt die befondere E.: die ſyſtematiſche 
Aufzählung der Kerfe oder ihre Anorbnung in 
größere oder Kleinere Gruppen. Untergeordnet jtebt 
diefem rein wiflenichaftliben Teile die angewandte 
E. die ſich mit fpecieller Erörterung über Schaden, 
Nusgen, Zucht der Kerfe beihäftigt und als Forft: 
infeltentunde, ald Naturgefhichte ſchädlicher In— 
jelten, ala Abhandlung über Bienenzudt u. f. m. 
auftreten fan. Bei dem Reichtum an Formen und 
ber nicht jelten großen Schönbeit derjelben, bei der 
ie ng der Cigentümlichleit und dem 
MWunderbaren ver Lebensäußerung der Inſeltenwelt 
at die E. ungemein viel Anziebendes und zwar in 
o verſchiedenen Richtungen, daß für jedes jpeciellere 

ach der ieh Befriedigung geboten wird. Die 

erehrer diejer Wiflenfhaft find daber, fomeit fie 
fih mit der Syitematif befhäftigen, jablreiher als 
die eines andern Zweigs der — der 
Tierwelt, während im Gegenteil die Studien über 
rg mark und Anatomie der Inielten 
weit weniger Bearbeiter gefunden haben. 

Der erfte Naturforfcher, welcher richtige und oft 
überrafchend tiefe Kenntniſſe in der E. bejaß, war 
Ariftoteles (330 v. Chr.). Bei dem Wiederaufleben 
der er haften im Mittelalter kam die E. zulegt 
an die Reibe. Auf Konr. Gesners (1516—65) un: 
vollendete Arbeiten zes nah langer Unter: 
brechung die Unterfuhungen von Malpigbi (1664), 
Redi (1686), Smammerdam (1670—85), Job. Ray 
(1705), Linne (1735), Reaumur (1737), Röfel von 
Rofenbof (1750), de Geer (1752) und Huber (1792). 
Begründer der neuen ſyſtematiſchen €. ift Zob. 
Ehriftian Fabricius (1743— 1808). Ihm find ſehr 
viele —5—82 gefolat, unter denen Zatreille, 
Dumtril, Macley, Kirby und Ber ing ala Be 

ründer neuer Spiteme bervorzubeben find. Die 

itteratur der €, in unüberjebbar zu nennen, ba fie 

ig ri in Sammelwerlen verftreut ift oder 
onograpbien ſich auflöft. Kein Entomolog 

bat es bisher verſucht, das ungeheure Material zu 
einem Ganzen zu verarbeiten. Populäre Bearbei- 
tungen der €. in engern en find in jebr 
roßer Zahl vorhanden. Bon a ig verjtän: 

ichen, aber wiflenihaftliben Werten find die voll- 
ftändigften Kirby und Spences «Introduction to 
entomology» (4 Bde., Lond. 1815 u. 1816; 5. und 
6. Aufl. 1828—42; —* von Olen, 4 Bde., 
Stuttg. 1823— 33) und Vitus Grabers * et: 
ten» (2 Tle., Münd. 1877). Unter den eigentlichen 
Lehrbüchern zeichnen fih aus Burmeifters «Hand: 
bub der €.» (5 Bde., Berl. 1832—55) ſowie 
Lacordaire® «Introduction & l’6tude de l’en- 
tomologie» (2 Bde., Par. 1834— 38) und Weit: 
wood8 «Introduction to the modern classification 
of insects» (2 Bde., Lond. 1839—40). Als Bear 
beiter der Anatomie find namentlich Yon Dufour, 
in der Entwidlungsgeibichte früber Herold, in der 


Entomophaga — Entrelacs 


nuten Zeit Weißmann, Metſchniloff, Bobrekty 
und yerber zunennen; über die Metamorphoſe dern: 
klimjchrieben Lubbod, Braun, Fabre, Kowalewſty. 
dagen ftellte in der «Bibliotheca entomologica » 
2Bbe., 2p3. 1862 — 63) die gefamte Litteratur der 
€, uſammen. Sebr wejentlid wird das Studium 
der €, durch zahlreiche entomolog. Geſellſchaften in 
allen Kulturländern gefördert. Verbreitet find au 
die «Entomologifhen Nadricten», bg. von Karſ 
Berl. 1875 fg.); wichtig für Sammler ift die «Sn: 
ieltenbörje» ( —— fg.); die «Illuſtrierte Wochen: 
\ärift für E.» (Neudamm, feit 1896) erfcheint jest 
u.d.T. «Allgemeine Br r E.» ſebd.). 
Entomophäga, wifienihaftlihe Bezeihnung 
für die Gruppe der infeltenfrefjenden Beuteltiere. 

Exstomophilen (ard.), Injeltenblütler, 
Pflanzen, die auf die — — durch Inſelten 
angewieſen find (ſ. Beſtäubung). 

Entomophthöra, Ril;, ſ. Empusa. 

Entomophthorcen (Entomophthoräse), Pilz: 
familie aus der Gruppe der Phycomyceten (f. 9 
deren ſyſtematiſche Stellung nicht ganz ſicher iſt; 
man jtellt ſie jetzt in die Nähe ber —— 
(. d). Es iſt eine Meine Familie, deren Arten 
parafıtiih au m leben und den Tod derfelben 
berbeifübren. Die befanntefte Gattung ift Empusa 
Cohn oder Entomophthora Fresen. &. Empusa.) 

Entomosträoa, |. Rrujtentiere, 

Entönie (ggrch.), —— beſonders krank⸗ 
bafte; entonijch, geſpannt, überſpannt. 

Entonnoir (frz, fpr. angtonndahr), Trichter, 
trichterförmige Grube einer geiprungenen Mine; 
Abzug eines Fluffes, Schleufe. 

Entoparafiten (grch.), ſchmarotzende Tiere, 
ſ. Schmarotzertum. 

Eutsõpiſch (art) einheimiſch. 

ota, Unterordnung der Moostierchen 

(f. d.), bei welchen die Afteröffnung innerhalb des 
Zentatelträgers gelegen i 

Eutoptiſch (gr&b.), auf der Polarifation des 
Lichts berubend oder dazu gehörig: Entoptiſche 
Erſcheinungen nennt man die Wahrnehmungen, 
die das Auge unter Umftänden von in ihm felbit 
vorbandenen Dbjelten und Borgängen madıt, 3. B. 
die ebmung der Heinenim Glaslorper ſchwim⸗ 
menben Zellenbhäufden (der jog. Mouches volantes), 
von etwa beſtehenden partiellen Linfentrübungen, 
der baumförmig verzweigten ne rm m und 


einzelner Erfheinungen der Blutcirkulation u. f. w. 
Bedin ‚für das Zuftandelommen der entopti⸗ 
ſchen ungen i 


eine geeignete Beleuchtung 
des innern Auges. (©. Geiötätäufchungen.) 

Entortillieren (fr3., jpr. angtortiji-), einwideln, 
verwideln; verwirren, umftriden. 

Entötifeh (gr&b.) nennt man Te nur 
dem Kranken wabhrnehmbare Geräufche, welche im 
Gebörorgan felbit ihren Urfprung nehmen. Hier: 
ber gehören braujende Geräujche durch Schwingun: 

en der Luft im äußern Gebörgange oder in ber 
—— Klirren im Ohre durh das An— 
lagen der Sperrzähne des Hammer : Amboß: 
— Hopfende Ice durh das Bulfieren 
der dem Gehörorgan naheſtehenden Pulsadern, 
das Anaden im Ohr durch plöglihe Öffnung 
der Obrtrompete und andere, Derartige entotiſche 
Gebördempfindungen werben meift weder von Ge⸗ 
funden noch Gebörtranten nad außen verlegt, doch 
fönnen fie bei Trübung der Verftandesträfte auch 
Anlaß zu Hallucinationen geben. 


57 


Entours (fr;., pr. angtuhr), Umgebung, Um: 
egend; entourieren, umgeben, einjchließen, ums 
ofen: Entourage (fpr. angturahſch'), Einfafjung, 
Yaflung (von Schmudgegenjtänden). 
En-tout-cas (fr;., jpr. angtulah, «in jedem 
alle»), ein —————— der auch als Regen⸗ 
chirm dient. [aiftung. 

Entoxismus, Entoriciömus (gr&.), Ber: 

Entozöen (grh.), Binnentiere, Binnen: 
jhmaroser, ein Sammelname für alle Tiere, bie 
innerhalb eined andern, lebendigen Organismus 
Nahrung und Wohnung finden, im Gegenjas zu 
denen, die nur äußerlich an einem foldyen ſchma⸗ 
rohen. So leben viele Urtiere, Gliedertiere (nament⸗ 
lih Krebſe) und MWeichtiere entogoifh, beſonders 
aber Würmer (Eingeweidewürmer, |. od: für die 
die Bezeihnung E. hauptſächlich gebraucht wird. 

Entr’aote I. fpr. angtr’ätt), Zwifchenatt, die 
Baufe ee wei Aufzügen eines Dramas oder 
einer Oper, au ein Mufitjtüd oder Ballett, mit 
dem die Baufe ausgefüllt wird. Die früher übliche 
regelmäßige Zwiſchenaltsmuſil ift in neuerer Zeit 
meift abgeſchafft. Sie follte die Stimmung des 
Bublitums feithalten, verdarb fie aber häu 9 bei 
u per Auswahl der gefpielten Mufikftüde. 

train (fr;., jet ang träng), im Zuge, in ber 
Stimmung, aufgelegt; auf dem Wege; entrai: 
nieren (pr. angträn-), mit fidh fortreißen. 

Entrains (jpr. angträng), Fleden im Kanton 
Varzy, Arrondijjement Elamecy des franz. Depart. 
Nievre, 23 km von Elamecy, in 220 m Höhe, zwi⸗ 
ichen zwei Quellbächen (inter amnes) des zur Loire 

ebenden Nobain, an der Nebenbahn Elamecy: 

oöne, hat (1901) 1320, ald Gemeinde 2167 E., Bof, 
Zrümmer eined dem Auguftus geweihten Tempels; 
Zudfabrilation, Holz: und Getreidehandel. 

Enträta (ital.), muſital. Vorfpiel, ſ. Entree. 

Entreaote, j. Entr’acte. Inſeln. 

Entrecafſteaux⸗Inſeln, ſ. D’Entrecajteaur: 

Entrechat (fc̃., ſpr. angtrihah), Kreuz: 
ſprung, in der Tanzkunſt ein Sprung, bei dem 
man die Füße fchnell über: und aneinander Ä 

Entre:Edte (fr;., ſpr. angtr lobt), das Rippen⸗ 
ftüd vom Rind. 

Entre:deug:-Merö m. angtr dd mähr), frucht: 
bare Ebene im franz. Depart. Gironde, melde 
die Landzunge zwiſchen Garonne und Dorbogne 
bildet und mit dem Bec d' Ambes bei der Vereini⸗ 
gung beider Ströme enbet; fie bringt Weine (Bor: 
deaurmweine) von geringerm Werte hervor. 

Entröe (frz., ſpr. angtreh), Eingang, Eintritt, 
auch a orfaal; Eintrittögeld; in 
der Mufit ift E.(fpan. Intrada, ital. Entrata) foviel 
wie Boripiel; namentlich dient es zur Bezeihnung 

rt prunkhafte Injtrumentaleinleitungen zu ältern 

ern unb geiipielen. Als Tanzitüd bat die E. 
eine ähnliche Bedeutung wie gegenwärtig die Polos 
naife. In der Kochkunſt bezeichnet E. den erſten 
Gang, das Borgericht; es befteht gewöhnlich aus 

ebämpftem Fleiſch oder Geflügel oder auh aus 
ifh mit Sauce. E. de faveur (jpr. fawöhr) oder 

. libre (fpr. lihbr), freier Zutritt, 9 

Entrefilet (frz. ſpr. angtr'fileh), journaliſtiſche 
Bezeichnung für einen in den redaltionellen Zeil 
einer Zeitung ——— fürzern Artilel, be 
ſonders eine offizidfe Mitteilung der Regierung. 

Entrelaos (fr;., fpr. angtr’lah), in der Baus 
kunft Verzierungen aus verjhlungenen Linien, na 
mentlih an Steinbrüftungen. 


58 Entremes 


Entremös («Beigericht»), in der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrh. auf ber jpan. Bühne die Benennung 
bes —— Einalters, der früher Farga, Paso 
bieß; es bezeichnet feine Verwendung ala Zwiſchen⸗ 
ſpiel (f. Autos). DerName findet fich ungefähr gleich 
zeitig in bemfelben Sinne in Frankreich, dürfte ın bei⸗ 
den Yändern dem ital. Intermezzo nachgebildet jein. 
E., oder Tänze 838 ‚ wurben nad) der völligen 
Ausbildung der jpan. Bühne regelmäßig nad dem 
erften und zweiten Alt der Comedia aufgeführt; fie 
waren kurze, in Profa oder in Verſen verfaßte, ge: 
wöbnlich in feinem Zufammenbange mit dem Stüde 
—— Schwänke und ſollten von deſſen, ernſtere 

uſmerkſamleit und Spannung erregender Dar: 
ftellung den Zuf&hauern Erholung bringen. Die E. 
waren Beufg mi Mufit und Tanz verbunden, Aus: 
gezeichnete Dichter, wie Lope de Vega, Calderon, 
verfhmäbten nicht, zu ibren Stüden ſelbſt die E. 
zu verfallen oder, wie Cervantes, folde zu den 
Stüden anderer zu fchreiben. Einige find aus: 
ſchließlich durch diefe Art dramat. Produltionen bes 
lannt geworden, wie Luis Quiñones de Benavente 
(«Joco-Seria», Valladolid 1645). Der Name bes 
etwas —* aufgekommenen Nachſpiels, Sainete 
(eigentlich die Belohnung, welche der Falke nach dem 
Yang erhält), verbrängte zulekt den des E. Die 
Sainetes haben fich bis zum heutigen Tage auf der 
fpan. Bühne erhalten und wurden in neuerer Zeit 
»orzüglih von Ramon de la Eruz («Teatro 6 colec- 
cion de saynetes», 10 Bbde., Mabdr. 1786—91) und 
Juan Ignacio Gonzalez del Eaftillo gerflent. Die 
«Comödie-ballets» Molieres, Quinaults und ande: 
ver franz. Dichter des 17. Jahrh. find umgeftaltete E. 

‚emetö (ftj., ſpr. angtr'meh), leichte Zwis 
ſchengerichte, die nach dem Braten aufgetragen wer: 
den, wie feine Gemüfe ohne Fleiſchbeilagen, Eier: 
oder Mehlſpeiſen. 

Entremetteur (fr;., ſpr. angtr'mettöhr), Ber: 
mittler; Entremise (jpr. angtr'mibhf), Bermittelung. 
, Entremont (jpr. angte'möng), Bald’. 1) Thal 
im ſchweiz. Kanton Wallis (ſ. Karte: Die Schweiz), 
erftredt ſich, 27km lang, vom Großen St. Bernhard 
noͤrdlich bis Sembrancher, wo es ſich mit dem Val 
de Bagne (f. Bagne) vereinigt und fein Fluß, die 
Dranſe d’Entremont, fi in die Dranje des Haupt: 
tbals ergießt. Im S. von den Höhen bes St. Bern: 
hard, im O. von dem vergletiherten Majfiv des 
Eombin, im W. von den felfigen Ausläufern bes Pic 
de Dronaz umſchloſſen, tft die Oberftufe des €. ein 
ernſtes, einförmiges Hochthal mit fteilen Alpweiden, 
dünnen Waldungen und magern ruchtfeldern. Die 
Dranfe fließt ſchäumend in tief eingeſchnittenem 
ſchluchtartigem Bett; die Dörfer Bourg:St. Pierre 
oder St. PBierre-Mont:%our (1633 m, 368 €.) und 
Liddes (1338 m, 1071 €.), mit uralten Kirchen, lies 
gen auf der rechten Thalſeite, über welche die Straße 
zum Großen St. Bernhard hinanſteigt. Bei Orſieres 
(882 m, 2193 E.), wo lints das von der Montblanc 
gruppe beberrihte Val Ferret einmündet und bie 

traße auf das linte Ufer der Dranje überſeßt, 
wird das Thal offener, die Berge treten meiter 
auseinander, und bei Sembrancher (f. d., 720 m) ers 
weitert es ſich zu einem breiten fruchtbaren Kefiel. 
— 2) Bezirk im Bal dD’Entremont, umfaßt die Thal⸗ 
{haften Bagne und E. mit Bal erret und bat 
633,8 qkm und (1900) 9619 meift fath. E. in 6 Ge⸗ 
meinden, Alpenwirtfhaft und Aderbau. Hauptort 
ift Sembrandber (f. d.). [im Vertrauen. 

Entre nous (fr;., ſpr. angtr nu), unter ung, 


— Entreprife 


Entrepdt (fpr. angtr'poh), in Frankreich jeder 
Raum, in welchem folde Waren aufbewahrt werden, 
von denen die geſchuldeten Zölle oder innern Ein: 

— aben Octrois) noch nicht ** find. 
I — * ift dafür der Ausprud Niederlage 
(f. d.) in der Amtsjprahe angenommen worden. 
Der Zwed der Einrichtung befteht darin, daß der 
Kaufmann von den Waren, die nur vorübergebend 
im Lande bleiben, alſo nicht in den inländiſchen 
Konſum übergeben, die Abgabe überhaupt nicht zu 
entrichten bat, und von denen, die er an bie In— 
länder verlauft, die Abgabe erſt nach geſchehener 
Ablieferung ihuldig wird; er kann aljo mit einem 
wejentlich geringern Rapital arbeiten. Man unter: 
ſcheidet in Frankreich Entrepöts reels, fictifs, irre- 
guliers und accidentels. Die Entrepöts reels jind 
Öffentlihe Magazine, in welche die Waren unter 

erantwortlichleit der Magazinverwaltung für die 
gute Aufbewahrung gelagert werben können. en 
pflihtiae Waren können für eine beichräntte Zeit, 
octroipflihtige mit unbeſchraͤnkter Dauer niederge⸗ 
legt werden; lestere können dann aud teilmeije, 
aber jeveömal nur in einer größern Quantität zurüd: 
gezogen werden. Die Entrepöts fictifs —F die 
eigenen Lagerräume des Kaufmanns. Dieſer lann 
hier unverzollt die abgabepflichtigen Waren lagern, 
indem er he vor der Niederlegung vellariert, ber 
Steuerbebörde die Beauffihtigung einräumt und 
für alle Abgänge, die fi ergeben, die Abgaben 
zablt. Als Entrepöts irr&guliers bezeichnet man es, 
wenn Maren, die in eg nicht eingeführt wer: 
den dürfen, als Beitanbteil einer größern Schiffs: 
ladung in einem Hafen antommen und bier nun 
einige Zeit bis zur Wiederausfubr in den Zollhäufern 
aufbewahrt werben. Won Entrepöts aceidentels 
endlich fpridyt man, wenn Räume, die man nicht 
als eigentlihe Lager anſehen lann, die Wirlung 
baben, die vahin gebrachten Waren bis zum liber: 
gang an den wirllihen Verbraucher zollfrei zu 
maden; es lann das z. B. ein in; ein, das 
einer Ausitellung gegeben wird. Die nd ſchon 
im 17. Jahrh. nach holländ. Vorbilde durch Eolbert 
in Frankreich eingeführt worden, haben aber damals 
nur ganz vorübergehend beftanden. Feten Fuß ge 
wannen fie erſt feit einem Gejek vom 28. April 1803. 
Die Entrepöts reels find nicht alle Staatsanftalten; 
ie find das im u nur in ben größern 

äfen; an andern Orten können fie mit ftaatlicher 
Genehmigung für Rechnung und unter der Verwal: 
tung der Gemeinden oder Handelslammern errich: 
tet werden. Auch den Lagerhäuſern (f.d.) kann durch 
Verordnung die Funktion von €, übertragen wer: 
den. Als Dock-Entrepöt bezeichnet man das Ganze 
eines größern Bezirks, der aus Wafjerwegen, ihren 
Ufern und dabei gelegenen Magazinen bejtebt und 
allen darin befindlihen Waren, auch wenn fie in 
Schiffen verladen find, wie ein E. vorläufige Freibeit 
von der Zollzablung verſchafft. 

En frz., ipr. angtr’prönöhr), Unter: 
nehmer (bejonders von Konzerten u. bgl., aud von 
gemeinihaftlihen Vergnügungen und Feſtlichleiten 
auf allgemeine Koften); Lieferant; entrepre: 
nieren, unternehmen. 

Entreprife (m, fpr. angtr'pribf”), Unterneh: 
mung; im Gegenſaß zur Werkverbingung (f. d.) der 
Bertrag, durch den ein nicht fachverftändiger Unter: 
nehmer die Ausführung eines Wertes, 3. B. eines 
Baues, übernimmt, meldes er dann u: ine Ge: 
fahr durch Techniler berjtellen läßt, um es fertig 


Entre Rios — Entropie 


den Beiteller abzuliefern. rn 
die me eines großen, aus vielen Teilen bes 
—— erkes, zu welchem Techniler verſchiedener 
ranhen mitzuwirten haben, z. B. Herſtellung einer 
Eiienbabn. Der Generalentrepreneur ſchließt dann 
wohl wieder mit ba erg Iren ab, 
Entre Rios («Zwiichen Flüfjen»), Provinz der 
then Republit in Südamerila (f. Karte: 
YaBlata-Staaten u. f.w.), umfaßtden ſüdl. und 
lleinern Teil des Landes wwiſchen den Flüjien Ba: 
tana im W. und ©. und Uruguay im D. (daher der 
Rame), deſſen nordl. Abſchnitt Eorrientes (f.d.) ein: 
nimmt. Die Brovinz zerfällt in 14 Departamentog, 
bat 74571 qkm und 1895: 292019 E., d. i. 3,» auf 
I gkm, 1899 nad einer Berehnung 327951 €, 
Die Rorbgrenze bilden der Arrayo Öuayquiraro, 
en Zufluß des Parana, und der fih in den Uru: 
quad ergiebende Tunas, unter etwa 30'/,° ſudl. Br. 
Die beiden Hauptflüfje bilden im Süden ein weit: 
verzweigte® Delta, bevor fie fib zum Rio de la 
Blata vereinigen. Unter den — Neben⸗ 
und ——— iſt der großte der Gualeguay, welcher 
von N. gegen S. —28* in den Pabon, einen Arm 
des Parana, fällt und das Land faſt halbiert. Die 
das im ganzen flache Land durchziehenden Boden: 
erbebungen (Euchillas) überſteigen nirgends die Höbe 
von 8O m. Im nordweitl. Teile finden fib Wälder 
mit Mimojenbäumen und Palmen, die Selva de 
Montiel, Die jebr reichliche Bemäflerung, der vor: 
treffliche Aderboden, die ganz außerordentlich fetten 
Weiden, das milde und gefunde Klima maden das 
Land in gleicher Weife für einen ausgedehnten Bes 
trieb der —— wie für den Aderbau ge: 
eignet, auch gedeiben mande tropiſche Produlte, 
Die jebr günftigen Verlehrsverhältniſſe, namentlich 
die zahlreichen Wafleritraßen, geftatten eine meit: 
ebende Berwertung der Landesprodulte. Der Vieh: 
Kann ift ein außerordentlich großer, befonders an 
Schafen, Rindern und Pferden. Die wichtigſten 
Ausfubrartifel find Häute, Hörner, Talg und Fleiſch. 
iſenbahnen hat €. R. rund 900 km; bie wid: 
tigfte Bahn ift die Eentral:E. R.-Bahn (PBarana- 
Soncepcion del Uruguay, 288 km) mit Seitenlinien 
nad Billaguay, Victoria, —* und Guale⸗ 
— Die alteſte Bahn von E. R. iſt die Erſte 
.R.Babn (10 km) zwiſchen Gualeguay und Puerto 
de Ruiz. Bon der oftargentin. Eifenbahn (Eoncep: 
cion⸗La Eruz) liegen etwa 300 km in E.R. Hauptftadt 
ift Barana (j. d.) mit (1895) 24261 E. wichti 
Danbelsplas Gualeguaydhu (f. d.) mit 13282 €. 
Entreroches (Ipr. angtr'röih, «Zwifchen Fel⸗ 
jen»), Weiler im Bezirt Cojjonay des jchmeiz. Han 
tons Waadt, Gemeinde Orny, 15 km ſudſudweſtlich 
von verdon, in 448m Höhe, am Fuße des Maure- 
mont (608 m), ift befannt durdy den Kanal von 
E., der, 1637 begonnen, die Drbe und die Venoge 
und damit ben Neuenburger See mit dem Genfer 
@utrefet (fra. for. angtehäl), 1. Halbefdop. 
» ., fpr. ), 1. geſchoß. 
 Entretaille(fr3.,ipr.angtr'täj), — 5 
in der Kupferſtechtunſt feinere Zwiſchenſtriche zwi⸗ 
ſchen den Hauptſtrichen. 


Eutretenieren (frz., ſpt. angtr't-) 
ſowohl in dem Sinne: den Unterhalt geben, als 
auch in dem: die Unterhaltung beforgen; femme 
entretenue (jpr. famm angtr't'nüb), unterhaltenes, 
ausgebaltenes Zrauenzimmer, Maitrefle; Entretien 
(pr. angtr'tiäng), Unterbalt, Erhaltung, Inſtand⸗ 
haltung: Unterbaltung. 


unterhalten, 


69 


Entrevang (pr. angtr’wob), ebemalige Feſtung 
und Hauptort des Kantons E. im Arrondijjement 
Eajtellane des franz. Depart. Bafled: Alpes, 38 km 
nordöjtlic von Eaitellane, an der Einmündung des 
Chalvagne in den Bar, in einer tiefen, maleri: 
ſchen Schlubt, am Fuße der Felſen, deren einer 
noch beute befejtigt ift, hat (1901) 655, ala Ge 
meinde 1657 E., Soft, Telegraph; Yabrilation von 
Zub und Dlivenöl. 

Entrevue (fr;., jpr. angtr'wüh), „rum 
funft und Unterredung, namentlich von Monarchen 
zu polit. Sweden. 

Entrez (fr;., ipr. angtreb), berein! treten Sieein! 

Entrieren (fr3., ſpr. angtr-), aufetwaseingeben, 
fi einlafien, etwas beginnen, , 

Entröpie (grch.). Carnot jtellte (1824) den wich⸗ 
tigen Sas auf, dab Wärme nur dann Arbeit leijtet, 
wenn fie eine abjteigende» Richtung bat, d. b. 
wenn jie von einem wärmern Körper zu einem käl⸗ 
tern übergeht; fie gleicht in diejer Beziebung dem 
Maffer, das nur dann Arbeit leiten kann, wenn 
es von einem böbern zu einem tiefern Drt zu fallen 
vermag. Wie beim sense Waſſer nichts 
von demſelben verloren gebt, jo meinte Carnot 
au, es gehe beim Herabfinten der Wärme ven 
dem wärmern zum lältern Körper feine Wärme ver» 
loren. Erſt Clauſius jtellte (1850) den Carnotſchen 
Sat von der Arbeitsleiftung der berabfinfenden 
Märme dadurd richtig, daß er ausſprach, es gebe 
für jede geleiftete Arbeitseinbeit eine proportionale 
MWärmemenge wegen ihrer Umwandlung in Arbeit 
ala Wärme verloren. (S. ei e Märme: 
theorie.) Claufius, Ranline und W. Thomſon bar 
ben die Gejege der Verwandlung der Wärme mas 
thematiſch abgeleitet und gefunden, daß nur dann 
die Wärme gänzlich in Arbeit umgewandelt werden 
tönnte, wenn der abtüblende Körper die Tempera: 
tur des abjoluten Nullpunttes, d. i, —273° C. 

j. Abjolute Temperatur), befäße. Da dies nicht der 

all iit, fo bat fih aus ihren Unterfuchungen erge 
ben, daß bei jeder Berwandblung von Wärme in 
Arbeit nur ein Heiner Teil der «abfteigenden » 
Wärme in Arbeit fi verwandelt, während der 
rößere Teil der Wärme als ſolche zu den kühlern 

örpern binabfintt. Dagegen lann Arbeit, wie 
3. B. bei der Reibung, beim Zujammenjtoßen un: 
elajtiicher Körper, nahezu gänzlid in Wärme ums 
gewandelt werden, von der fih dann aber nur ein 
Heiner Teil wieder zu Arbeit umformen läßt. Wenn 
aljo die mechan. Arbeit jo leicht und unter Umftän: 
den nabezu gänzlih in Wärme umjesbar ift, die 
Zurüdverwandlung der Wärme aber jchwierig und 
nur zum fleinern Zeil möglich iſt, jo folgt daraus, 
wie W. Thomjon (1851) und Glaufius (1865) ge: 
zeigt haben, daß die mechan. Energie des Weltalls 
von Tag zu Tag immer mehr in Wärme umge: 
wandelt wird, die fi nad allen Seiten bin ver: 
breitet (nad Ihomfon «zerftreut») und dadurch die 
Zemperaturunterjhiede des Weltalls immer kleiner 
madt, indem nad Clauſius (1850) die Wärme 
nit von felbft von den fältern zu den wärmern 
Körpern übergeben kann. Man kann fi nun die 
gejamte Energie des Weltalls in zwei Zeile zerlegt 
vorftellen, von denen der eine bereit3 in Wärme 
umgemanbelt und in fältern Körpern angefammelt 
ift, der andere aber ald Wärme der höher erwärm⸗ 
ten Körper, jene: als mechan., hem., elettriiche 
und magnetiihe Energie vorhanden ift. Diefer 
legte Teil läßt ſich nod in Arbeit umjegen, ber 


60 


erjte nicht. Und da ber letztere Teil der Gejamt: 
— des Weltalls während der künftigen, un: 
äblbaren Jabrmillionen, unter den mannigfachiten 
DBermandlın en, Umformungen und Metamorpbo: 
fen, zulegt ald Wärme zu den lältern Körpern über: 
gehen muß, fo fieht man, daß die Wärme des Unis 
verfums immerfort zunimmt und einem Marimum 
zuftrebt. Wird einjt nad langen Zeiten dieſes Mari: 
mum erreicht fein, dann wird auch jeder Unterſchied 
der Temperaturen im Univerfum ausgeglichen und 
alio ewige Ruhe im Weltall eingetreten fein. 
Um die angedeuteten Betradbtungen mathematiſch 
——— alte eben der Begriff E. nötig. 
Soll z. B. in ein jergefäß mit der Drudhöbe 
das Kleine —— dP eingepumpt, oder auf 
einem eleftrifch geladenen Körper vom Potential 


(j. Eleltriſches Botential) die Ladung um die Eleftris | Bd 


citätömenge dE le werben, jo — un. 
zuwachs dW in dieſen Fällen dAW=H-dP 
und dW=VdE. Das Waſſergewicht und die 
Eleltricitätämenge find dP= au unddE= . 
Drud und Potential find demnach analoge Niveau⸗ 
werte, durch deren Divifion in die Energieände: 
rungen man die Er rag Mengen erhält, 
Ebenjo ftellt die abfolute Temperatur einen ana: 
logen Niveaumert vor. Die Wärmemenge (f. d.) ift 
aber als eine Energie (f. d.) aufzufaſſen. Das Ele: 
ment der Wärmemenge d Q, dividiert durch Die Tem⸗— 


peratur T, d.h. die Größe ds = L. entfpricht alſo 


der Elektricitätsmenge. S heißt nad Claufius die €, 
be3 wärmeaufnebmenden Körpers. Während nun die 
algebraifhe Summe aller Eleftricitätömengen bei 
eleltriſchen Veränderungen unverändert bleibt, ftellt 
es ſich heraus, daß nur —— — 
. d.), bei denen gar feine unnötigen Verluſte von 
e durch Leitung ftattfinden, für den dem Pro: 


zeß unterworfenen Körper IF- Oift. In allen 


andern Fällen ift die der Elektricitätsmenge ana= 
loge auf Wärme bezüglihe Größe, d. i. die E., 
im Bunehmen begriffen. Gebt B. die Wärme: 
menge Q von einem Körper von Fehr gebe: Kapa⸗ 
cität, deſſen Temperatur T dadurch nicht geändert 
wird, auf einen ebenſolchen Körper von ber niebern 
Temperatur T, über, fo verliert erfterer die €. 


7, während Inter gewinnt. Da aber T,<T,, 
ac Q N _R, 
fo ift L, > T,’ demnad bedeutet ı einen 


Gewinn an E. Nach Claufius ift die Energie der 
Melt konftant, während die E, derfelben einem 


Marimum —— 
op die Einwärtäfehrung des 


um (acc. 
Lidrandes, wobei die Wi in fteter Berübrun 
as b peinliche Lei⸗ 


mit dem eg in find. 

den führt zu ungen und Berfhmärungen 
der Hornhaut, welche die Sehtraft dauernd fähigen. 
Das E. kann entſtehen durd eine Verkürzung ber 
dem Lidrande zunaͤchſt liegenden Fafern des Schließ⸗ 
musfels, die Ali mwäbrend eines anbalten: 
den Lidkrampfes ſich ausbildet, oder durch eine nar- 
bige Entartung des Lidknorpels und ber jeine innen: 
flähe befleivenden Bindehaut nach Ver —— 
Üsungen oder tiefgreifenden Entzündungen der Lid» 
innenfläbe. Das €. erfordert eine Operation. 


Entropium — Entſchädigung unſchuldig Verurteilter 


Entry (engl.), Sportausdrud, ſ. Propoſitionen. 

Entfagung, ſ. Verzicht; E. der Erbſchaft, 
ſ. Erbſchaftserwerb. 

Entjat, Befreiung einer eingeſchloſſenen oder 
belagerten Feſtung. Nur ganz ausnahmsweiſe wird 
es der Bejakung eines eingeſchloſſenen Plahes ganz 
aus eigener Kraft möglich fein, den Feind zur Auf: 
bebung der Belagerung oder Einſchließung zu zwin- 
gen; meijt bedarf es *— der Mithilfe eines von 
außen fommenden E. (Entſaßkorps, Entſaßz— 
armee), deſſen Operationen von der Befakung im 
entſcheidenden Augenblid durch einen kräftigen 
Ausfall unterftügt werden. 

Entihädigung, ſ. Schadenerſatz; für Poſtſen— 
dungen ſ. Erſatzleiſtung. 

Entichädigung unſchuldig Verhafteter, ſJ. 
SIE 
Entfhädigung unschuldig Verurteilter., 
So fehr man auch das Strafverfabren verbeffern, 
mit foviel [hüsenden Vorſchriften man den Ange- 
Hagten umgeben mag: die Möglichkeit, dab ein 
Angellagter unſchuldig verurteilt wird, kann, da die 
Richter, gelehrte wie Yaien, dem m unterwor: 
fen find, nicht befeitigt werben. Nicht bloß der Irr— 
tum des Richters, der, wenn er ein thatſächlicher ift, 
durch die Berufung (}. d.), wenn ein rechtlicher auch 
durch die Revifion (ſ. d.) feine Berichtigung finden 
fann, bäufiger noch die Bosheit anderer Menden, 
Meineid, Fälihung oder die mangelhafte Verteidi- 

ung des Angellagten, die ihm gaünftige That- 
achen oder Beweismittel unbenußt läßt, führen un: 
richtige Entſcheidungen berbei. Für lektere Fälle, 
die gewöhnlich erft nach Abfchluß des Berfabrens, 
oft erft nach gänzlicher oder teilmweifer —— 
der Strafe an den Tag kommen, gewährt ſowoh 
die Deutſche ($$. 399 fa.) als auch die Öfterr. Straf⸗ 
prozeßordnun 68 352 fg.) eine Wiederaufnahme 
(f. d.) des Verfahrens. Gerade die im Wiederauf- 
nabmeverfabren —— Freiſprechungen haben in 
neuerer Zeit die allgemeine Teilnahme in Anſpruch 
genommen und die E. u. V. auf die Tagesordnung 
gebracht. Der Anſpruch des «unfhuldig» Verur— 
teilten iſt an ſich gewiß berechtigt, war für dieſen 
auch fhon in der MWürttemb. Strafprogehorbnung 
von 1868 anerfannt; zu bevenfen bleibt aber, 
dab dur die Freifprebung im Wiederaufnahme: 
verfahren nicht immer die Unſchuld bewiejen wird, 
Menn inzwiichen Jahre verflojien find, kommt es 
erfahbrungsmäßig bäufig vor, daß die Erinnerun 
der früber vernommenen Zeugen verblaßt ift, da 
das Geriht nun, felbft wenn die neuen Beweiſe 
nichts für den Angellagten ergeben, nicht mehr zur 
fiberzgeugung von der Schuld desfelben gelangen 
fann. Dann bleibt e8 mindeftens fraglich, ob diefe 
Freiſprechung oder der urfprünglihe Schuldſpruch 
der Wahrheit näber ift. Zur Zahlung der Entſchädi⸗ 
gung ift nad —— echt derjenige verpflichtet, 
durch deſſen Schuld die Verurteilung berbei * tt 
ift, alfo der meineibige Zeuge, der Uetundenfä N er 
u. ſ. w.; es läßt fih aber ſehr wohl die Verpflich- 
tung des Staates begründen, nad befien Gefeken 
ber Ingellagte verfolgt, durch deſſen Organe er ver: 
urteilt ift. Bei der dem Strafrichter auftebenden 
volltommen freien Beweiswürdigung waren Ric: 
ter und Geichworene nicht gebunden, dem Zeugen 
u glauben, die Urkunde für echt anzunehmen. 

er Angellagte muß fi dem durd die Gejche be: 
gründeten Berfabren unterwerfen ; er fann fi dar: 
auf bejhränten, feine Schuld zu leugnen; er darf 


Eutjcheidung 


ararten, daß er nur, wenn wirklich ſchuldig, ver: 
umeilt werde. Wird er unjculdig verurteilt, oder 
itder im Wiederau gr gegen ie 
menigitens rechtlich als unjhuldig anzufehen, jo 
iuht er die Ausgleichung des ihm „woefügten Uns 
seht bei der Gejamtheit, in deren Namen und mit 
xeen Gewalt ihm dasſelbe zugefügt iſt. 
‚Aus diefen Anfchauungen heraus hat die öffent: 
ide Meinung in Deutihland immer dringender 
die geiegliche Anerkennung der Erſatzpflicht des 
Staated für unſchuldig erlittene Strafen gefordert. 
Rahdem fih früher Ichon einzelne Schriftiteller, 
Anwaltverein und AJuriftentag für diefe Anerlen: 
nung auögeiprochen baben, bat die Frage jeit 1882 
wiederholt den Reichstag beichäftigt. Am %. 1886 
nahm der Heichstag den von einer Kommiſſion aus: 
gearbeiteten Geſehentwurf an. Derjelbe wurde, 
nahdem der Bundesrat ie Zuftimmung verjagt 
batte, 1887 wieder eingebradt und im März 1888 
vom Reichstag abermals angenommen. Doc erit 
mit dem unterm 28. Juni 1894 beichlofjenen Ent: 
wurf einer Strafprozepnovelle hat der Bundesrat 
der allgemeinen — nachgegeben, die da⸗ 
bin draͤngte, dem unſchuldig Verurteilten ein Recht 
auf Entihädigung, die biöber {bon im Wege der 
Gnadenbemwilligung dur die Juftizverwaltung ge: 
übt worden war, zu gewähren. 
Gejeß wurde der Entwurf erſt am 20. Mai 1898. 
Diejes Geſetz beſtimmt, daß Berfonen, welche im 
BWiederaufnahmeverfabren freigeiproden oder in 
Anwendung eines mildern Strafgelekes mit einer 
geringern Strafe belegt werden, Entihädigung aus 
der Staatätafje verlangen lönnen, wenn die früber 
ertannte Strafe ganz oder teilmeije gegen fie voll: 
itredt worden iſt. Das — ang bye 
muß die Unſchuld des Berurteilten bezüglich der ihm 
ur Saft gelegten That oder bezüglich eines die An: 
wendung eines jchwerern Strafgejeßes begründen: 
ven Umijtandes ergeben oder Bo dargetban haben, 
daß ein begründeter Verdacht gegen den Angellagten 
nicht mebr vorliegt. Die €, u.®. joll nur Ber: 
mögensihaden und zwar nur den durch die Straf: 
volljtredung, nicht auch den durch error 
erlittenen, umfajjen. Außer dem Verurteilten fönnen 
Dritte, denen der Berurteilte nach bürgerlihem Recht 
zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet war, in: 
tomeit Erjas fordern, als ihnen durch die Strafvoll 
itredung der Unterhalt entzogen war. Die Entſchädi— 
gung letjtet der Bundestaat, bei deſſen Gericht das 
Strafverfahren in erfter Inftanz anhängig war, das 
Reih, wenn das Reichsgericht in eriter und letzter 
Inſtanz erfannte. Staat und Reich haben Regrek 
gegen Dritte, durch deren rechtswidrige Handlungen 
die Verurteilung herbeigeführt war. Der Anſpruch 
iſt jpätejtens drei Monate nad Rechtskraft des frei: 
iprebenden Urteils bei der Staatsanmwaltichaft des 
Gerichts zu ftellen, welches dies Urteil erlajjen hat. 
Üiber den Antrag entſcheidet das Juſtizminiſterium 
oder, wenn das Reichsgericht in erfter und letzter 2% 
itanz erfannte, ver Reihstanzler. Gegen die Entſchei⸗ 
dung ift Berufung auf den Nechtäweg binnen Aus: 
ichlupfrift von drei Monaten nad) Dupelung der Ent: 
ſcheidung zuläffig. Zuftändig find die Givillammern 
der Landgerichte. Der Anjprud auf Entihädigung 
ist ausgehoffen, wenn der Berurteilte die frühere 
Berurteilung vorſätzlich herbeigeführt oder durch 
grobe Fabrläfiigleit verſchuldet hat. Die Verjäus 
mung der Einlegung eines Rechtsmittels iſt nicht 
ale Fabrläffigkeit zu erachten. Die Vorſchriften des 


61 


Gejeges betr. die Entſchädigung der im Wieder: 
aufnahmeverfahren freigeiprodhenen Berfonen fin: 
den u die im militärgerichtlihen Verfahren 
verurteilten Perſonen entiprebende Anwendung 
(88. 465—468 der Militärjtrafgerichtsordnung vom 
1. Dez. 1898). Die Entihädigung für unſchuldig 
erlittene Unterfuhungsbaft wurde durch Gejek vom 
14. Juli 1904 in wine Weiſe Teftgeiet (f. Ent: 
ſchädigung unſchuldig Berhafteter, Bd. 17). Aus: 
gaben des Gejehes, zum Teil mit Kommentar, ver: 
öffentlichten Koliich (Hannov. 1898), Leſſing Lpz. 
1898), Siebdrat (ebd. 1898), Woermann (Berl. 
1899), Hellweg (ebd. 1899), Mamroth (ebv. 1900). 

Öfterreich (Gefeb vom 16. März 1892) ift 
die E. u. V. bereits 8 in ähnlicher Weiſe ge: 
ordnet. Gegen die Entſcheidung des e 
riums geht der Rechtsweg hier an ein Verwaltungs⸗ 
gericht, das Reichsgericht. In Frankreich, Belgien 
und Italien — ſich die Gefehgebung eben: 
fall mit der E. u. V. In Schweden ift 12. März 
1886 ein Geſetz erſchienen, wonach einerfeit3 der 
Entihädigungsaniprud unter Umjtänden aud für 
die Unterfuhungsbaft — andererſeits die 
Entſcheidung darüber, ob und inwieweit E. u. V. 
zu gewähren, für jeden einzelnen Fall dem Könige 
vorbehalten wird. — Vgl. Schwarze, Die Entſchädi⸗ 
gung für unſchuldig erlittene Unterfuhungs: und 
Strafhaft (Lpz. 1883); Geyer, Über die ven ungerecht 
Angellagten oder Verurteilten gebübrende Entſchä⸗ 
digung (Berl. 1882); Kroneder, Entſchädigung un: 
—* Verhafteter (ebd. 1883); Berolzheimer, Die 
E. u. V. und Verhafteter (Fürth 1891). 

Eutſcheidung, der Ausſpruch, welcher die Er: 
ledigung eines vor den Entſcheidenden gebrachten 

Rechtsſtreits bezweckt. E. können von Gerichten, von 
Verwaltungsbehörden und von Schiedsrichtern er: 
geben. Nah dem Sprachgebrauch der deutſchen 
Reichsjuſtizgeſetze iſt E. der — die nn ungen 
(f.d.) einzelner Richter (Vorfigender, Unte — 
richter, erſuchter, beauftragter Richter), als auch die 
Beſchlüſſe (ſ. d.) der Kollegialgerichte, als auch die 
Urteile (ſ. d. umfaſſende gemeinſame Ausdruck. Ber: 
Maungen und Beihlüfje find ver Regel nad durch 

ſchwerde (j.d.), Urteile durch Berufung (f. d.) und 

Revifion (j. d.) anfechtbar; eritere können, joweit 
nicht — Beſchwerde zuläſſig, von dem Rich: 
ter, der jie erlaſſen, widerrufen werden, leßtere nicht. 
Die unmiderruflicen E. geben in Rechtskraft (j. d.) 
über, wenn gegen fie ein Rechtsmittel (Berufung, 
Nevifion, jofortige Beſchwerde) überhaupt nicht oder 
nicht mebr zuläflig iſt. E. welche in der mündlichen 
Berbandlung ergeben, werden dur Verkündung 
(f. d.), andere dur Suftellung (f. d.) befannt ge: 
madt.. Vgl. Eivilprozekoron. 88. 329, 571, 577, 
705; Strafprozehordn. $$. 35, 348, 353, 

Nach der Deutihen Konkursordnung find Strei: 
tigfeiten, welche bezüglich eines Ausjonderungs: 
oder Abſonderungsrechts (ſ. Ausjonderung und 
—— Befriedigung) oder hinſichtlich der 
Zulafjung einer angemeldeten Forderung (f. Prü— 
fungsverfabren) entjteben, nicht vom Konkurs: 

ericht zu entjcheiden, fondern im Wege des orbent: 
ichen —*9* zu erledigen. Das Konkursgericht 
bat deshalb niemals ein Urteil, fondern nur Be: 
ſchlüſſe zu erlaſſen. Alle E. können nad) der Deut: 
hen Konkursordnung ($. 73) obne mündliche Ber: 

andlung erfolgen und von den Beteiligten, deren 
Intereſſe dadurch verlegt wird, durch jofortige Be: 
ſchwerde (j. d.) angefochten werben, — Nach ber 


62 
Oſterreichiſchen Konkursordnun 


berufen, welche nicht ausdrücklich der Beſchluß— 
aſſung des Konkursgerichts vorbehalten ſind. Wer 
ich durch die Verfügungen des Kommiſſars für be: 
chwert erachtet, kann die E. des Konkursgerichts 
einholen, gegen welche (nach $. 257) der Rekurs an 
den böbern Richter offen ſteht. 

Entiheidungsgebühr, ſ. Gerichtsloſten. 

Entfcheidungdgründe, die für ein Urteil, über: 
baupt eine —æ Entſcheidung maßgebenden 
Gründe. Sie find ein weientlicher Beftanbteil des 
Urteils, bilden für die Beteiligten die Gewähr, daß 
der zur Entſcheidung (j. d.) Berufene die Sache ge: 
börig geprüft hat, und bieten zugleich den Stoff I 
die Anfechtung der Entſcheidung durch die nach dem 
Geſetz zuläffigen Rechtsmittel. Desbalb müſſen alle 
Urteile, in Straffadhen alle durch ein Rechtsmittel 
anfebtbaren und alle einen Antrag ablebnenden 
Entſcheidungen mit Gründen verfeben werden. Nur 
für die Begründung der Urteile Nr d.) enthalten die 
deutſchen Reichsjuſtizgeſeze nahere Vorſchriften. 
Mangel an €. bildet einen Reviſtonsgrund ſowobhl 
gegen Givil: als auch gegen Strafurteile. 

Entichlicdhten, das dem Bleiben vorausgebende 
Einweichen, ae und Spülen der Gewebe jur 
Beieitigung der Weberſchlichte. 

Entichweihen, Entjetten, die robe Schaf: 
wolle durh Wachen von dem fie verunreinigenden 
Schweiß und Fett befreien. (S. Wollipinnerei.) 

Eutſetzung, |. Entjas; E. von Staatsbe: 
amten, }. Amtsentbebung und Staatädienit; €. 
eines Meiers, ſ. Abmeierung. 

Entftchungdguftand (lat. Status nascendi), 
in ver Chemie Bezeihnung für eine befondere 
Reattionsfäbigteit, die einzelne Körper zeigen, wenn 
fie im Augenblid der Abjheidung aus ihren Ber: 
u auf andere Körper wirken. Läßt man 
R B. wel gas beliebig lange und in be 
iebigen PBerbältniffen auf falpeterfjaure Salze 
wirten, io bleiben biefelben völlig unverändert. 
Bringt man aber falpeteriaure Salze su einer 
Waſſerſtoff entwidelnden Miſchung, 3.8. Zint und 
verbünnte Schwefelfäure oder Aluminium und Kali: 
bybratlöjung, jo werden dieje Salje fofort der: 
artig zerjekt, dab der durch die bem. Wirkung jener 
Stoffe entitebende Waſſerſtoff ſich ſowohl mit dem 
Sauerftoff wie mit dem Stiditoff der Salpeter: 
fäure verbindet und fie in Wajler und Ammonial 
verwandelt. Es zeiat daber der Waſſerſtoff bier 
ganz verjchiedenes Berbalten. Als freier Waſſerſtoff 
tft er indifferent, im andern Falle von großer chem. 
Energie. Diefe Realtionsfäbigteit wurbe früber dem 
E. zugeſchrieben. Die neuere 14 fand dafür fol- 
ger Grllärung: Das Waſſerſtoffgas befteht aus 

Baflerftofimolelülen, die aus je zwei untereinander 
chemiſch verbundenen Wajlerftoffatomen bejteben, 
demnad einen Teil der den Atomen innewohnenden 
chem. Energie eingebüßt baben. Infolgedefien ift 
der freie oder molekulare Waſſerſtoff wenig realtions⸗ 
fäbig, weil erſt eine Trennung der MWafjerftoffatome 
des Moleküls jtattgefunden haben muß, um die 
felben räbig zu maden, andere Verbindungen ein: 
zugeben. Wird aber Waflerjtoff aus feinen Verbin: 
dungen abgeichieden, z. B. durch das Zink aus der 
Scwefeljäure oder durd das Aluminium aus dem 
Kalihydrat, fo beitebt ein, zwar verſchwindend kurzes, 
Zeitintervall, in dem der Waſſerſtoff nod in Form 
von nic zu Molekülen verbundenen freien Atomen 


Entjcheidungsgebühr — Entwährung 


* iſt der Kon: | vorhanden iſt, und dieſer atomiſtiſche Waſſerſtoff be 
lurstommiſſar (f. d.) zu allen Verfügungen und E. | fit die große chem. Energie, die jene 3 


egung be 
Entvogel, die männliche Ente. [wirtt. 
Entvögel, ſ. Siebihnäbler. : 
Entvölferung, ſ. Bevölterungstbeorie. 


Entwährung, das Gegenteil von Gewährung, 
alfo das Unterlafjen einer Leitung, nah Grimms 
Wörterbuch ſcharf zu trennen von Entwehrung, 
der Entjesung aus dem Befise oder der Gewere 
(j. d.). Der neuere jurift. Spradgebraud verwen: 
bet beide Worte unterſchiedslos im Sinne des lat. 
evictio. Dies bedeutet im röm. Recht und den auf 
ibm beruhenden Geſetzbüchern die Entziehung der 
Kaufſache aus dem Bejige des Käufers jeitens eines 
bejier Berechtigten, namentlich durch rechtskräftiges 
Urteil. Die €. verpflichtet den Verkäufer, da er 
feiner Hauptpflicht, vem Käufer das dauernde Haben 
der gelauften Sache zu verſchaffen, nicht genügt hat, 
unter gewiflen Vorausfegungen (3. B. Streitver: 
ae zum Scadenerjage. — Das Deutſche 
Bürgerl. Gejekbuc bat den Ausdrud E. nit. Es 
verlangt vom Bertäufer, daß er dem Käufer nicht 
nur den dauernden Genuß, das tbatfächliche Haben, 
fondern das wirkliche Eigentum an der Kaufſache 
oder das wirkliche verlaufte Recht verſchaffe ($. 433), 
und zwar frei von Rechten, die von Dritten gegen 
den Käufer geltend gemadht werben können ($. 434), 
abgejeben von öffentlichen Laften. Hat der Ber: 
täufer dieje Verbindlichkeit nicht erfüllt, fo verpflic: 
tet ibn das Geſeßbuch zur Gewäbrleiftung wegen 
Mängel im Rechte ($. 439) im Gegenfas zu der 
wegen Mängel der Sache ($$. 459 fg.). Einer €. 
bedarf es nit, der Käufer kann alfo nit nur, 
wenn ibm von dem befjer beredytigten Dritten die 
Sache oder das Recht entjogen oder der Genuß 
daran beeinträchtigt wird, den Berläufer in An: 
jprud nehmen, es genügt vielmebr, wenn ver Käufer 
den Mangel im Rechte beweijen fann (8.442). Und 
war fann ber Käufer die Haftung nicht bloß in 
Form einer Schadenerjaßforderung wegen Nicht: 
erfüllung, jondern auch durch Anſpruch auf Ver: 
ſchaffung der Freiheit von diefem Rechte des Dritten 
oder, wenn dem nicht —— werden lann, durch 
Verweigerung der Zahlung des Kaufpreiſes oder 
Rüdtritt vom Vertrag geltend machen (8.440). Eine 
Ausnabme ijt nur binfichtlih bemegliher Sachen 
gemadt. Nach 88. 440 und 441 kann, fall eine be: 
weglide Sache oder ein zum Beige berechtigendes 
Recht — verfauft und die Sache dem Käufer 
übergeben iſt, der Käufer —* des Rechts eines 
Dritten, das zum Befige der Sache berechtigt, den 
Anſpruch auf Schavdenerfag wegen Nichterfüllung 
nur dann geltend maden, wenn er die Sache dem 
Dritten mit Rüdficht auf deſſen Recht herausgegeben 
bat (aljo E. jtattjand) oder jie vem Verkäufer zurüd: 
— oder wenn die Sache untergegangen ijt. 

er Herausgabe der Sache an den Dritten Mehr es 
geag, wenn der Dritte den Käufer oder dieſer den 

ritten beerbt oder wenn ver Käufer das Recht des 
Dritten andermeit erwirbt oder den Dritten abfinvet, 
An die Stelle ver Rüdgewäbr kann Abtretung eines 
Anſpruchs auf Herausgabe, den der Käufer gegen 
einen Andern bat, treten. Die Befeitigung der E. 
im übrigen ertlärt fi daraus, daß durch die Grund: 
bucheinrichtung und durch die Vorfchriften über Shus 
des gem Glaubens (j. Vinditation) die Ermittelung 
des Eigentums und der Rechte Dritter an Grund: 
ftüden wie an beweglichen Sachen fo erleichtert iſt, 
daß der Verkäufer regelmäßig in der Lage ift, etwaige 


Entwäfjern — Entwidlungsgefchichte 


Ringel feines Rechts zu kennen. Die Berpflic: 
tung zur Gewäbrleijtung entfällt, wenn der Käufer 
den Mangel bei Abichlun des Kaufes kennt ($. 439), 
und barum ift der Verkäufer nad $. 444 verpflichtet, 
dem Käufer über die den verfauften Gegenitand be: 
treffenden rechtlichen Verhältnijie Auskunft zu er: 
teilen. Eine Ausnahme bejtebt für Hypothelen, 
Grund: und Rentenſchulden und Pfandrechte und 
Bormertungen zur Sicherung des Anſpruchs auf 
Beitellung eines diefer Rechte. Sie hat der Verkäufer 
—— auch wenn fie der Käufer lennt ($. 439). 
Vertrag über Erlaß oder Beichräntung der Ge 
ange gr ift nichtig, wenn der Verkäufer 
den Mangel im Recht argliftig verfchweigt ($.443). 
Die Vorkhriften über Gewäbrleiftung finden aud 
auf andere Verträge, die auf Veräußerung oder Bes 
lafung eines Gegenjtandes gegen Entgelt gerichtet 
ind, Anwendung ($. 445). 
neuejter Zeit braudt man den Ausdrud E. 
aud für Demonetifierung eines Währungsmetalld 
oder einer Münze (j. Demonetifieren). ’ 
Eutwäflern, ein Verfahren, das in der Technik 
mie im chem. Laboratorium vielfadh vorgenommen 
wird, um Subftanzen von chemiſch gebundenem oder 
nur mechaniſch anhängendem Wafjer zu befreien. In 
den meiften Fällen läßt fich das E. dur Erwärmung 
(f. Abdampfen) bewirlen, wobei die nicht zu über: 
Ichreitende Temperatur durch die Beſchaffenheit der 
zu entwäflernden Subftanz bedingt ift. Pottaſche, 
Soda, Glauberjalz bringt man bis zur Rotglut und 
serjtört damit zugleich organiſche Subjtanzen, die 
als Berunreinigungen den Salzen anhängen können. 
Organifche Berbindungen entwäfjert man in der 
Regel bei nicht über 100° C. liegenden Tempera: 
turen, manche derjelben ertragen aber jelbft dieſe 
Temperatur nicht und find nur zu entwäflern, ins 
dem man fie im luftleeren Raume über lonzentrierter 
Scwefeliäure längere * verweilen läßt. (S. Erſie⸗ 
cator.) Mit Mafjer miſchbare flüchtige Flüffigfeiten 
lafien ſich vielfah durch Deitillation vom Wafler 
bejreien. Häufig ift dies aber nicht tbunlid. Man 
tft dann gezwungen, wafjerbindende Körper zu Hilfe 
su nehmen. Spiritus läßt ſich 5. B. durd Deitilla- 
tion nur bis zu einem Altobolgebalt von 96 Proz. 
anreidern. il man ihn weiter entwäjlern, jo 
läßt man ibn mit gebranntem Kalt, geihmolzenem 
Eblorcalcium, entwäfjertem Kupfervitriol längere 
Zeit fteben, wobei dieje Subftanzen das Waſſer 
&bemiib binden, worauf man durch eine nochmalige 
Retrifitation abjoluten Allohol erhält. Flüffigkeiten, 
die durch konzentrierte Schwefeljäure nit zeriegt 
werden, fönnen dur Deftillatton mit dieſer Säure 
entwäfjert werden. Um geringe Mengen von Wafler 
andern Flüffigkeiten zu entziehen, klann man fich end» 
lich mitunter vorteilhaft deö metallijhen Natriums 
bedienen, das man drabtförmig oder in feine Späne 
ſchnitien einträgt und jo lange mit der Flüſſigleit 
in brung läßt, bis die durch Wafjerzerjehung 
bewirfte Entwidlung von Waſſerſtoffgas aufbört. 
— €. der Grunpjtüde; 1) im Bauweſen, um dem 
de feine Feuchtigkeit zu nehmen. Es giebt 
ein €. für die Grundmäfler und ein ſolches für 
Regen: und Hauswäſſer. Eriteres geſchieht durd 
offene oder verbedte Abzugstanäle nad dem Stra: 
kentanal oder andern tiefer —— Stellen, wobei 
zu beachten iſt, daß der Kanal beim Steigen der 
Örmdmwäfler Sochwaſſer, Stauungen) nicht gerade 
ven Zufluß berbeifübrt. Die aus den Brunnen, 
Uuttraufen und vom Regen zujammenlaufenden 


63 


Waſſer führt man am beiten in gepflaiterten, ge 
jenften Rinnen vom Haus und Grundftüd fort; 
2) in der Landwirtſchaft, j. Drainierung. 

Entwäflerungsgenoffenfchaften, |. Waſſer⸗ 
genoſſenſchaften. 

Entiwehrung, ſ. Entwährung. 

Entwenden, in der Sprache des heutigen Straf: 
rechts foviel wie ftehlen. Der Ausprud wird ins; 
bejonvere da angewendet, wo e3 ſich um gering- 
fügige Diebſtähle handelt, 3.3. im alle des Mund: 
raubes (f.d.), des Feldfrevels (j.d.). [(.2.). 

Entwideln, Berfahren in der Photographie 

Eutwicklung (Evolutio), in der Pbyliologie 
die allmähliche Ausbildung eines Organismus vom 
formlojen Keim bis zu feiner Vollendung (f. Ent: 
widlungsgeſchichte), insbejondere die in gewiſſen 
Zebensperioden ftärker hervortretende Ausbildung 
des menſchlichen Körpers und Geiſtes. In diefem 
Sinne unterfheidet man drei Hauptperioden ber 
E. (Entwidlungsjtufen oder Entwidlungs— 
perioden), von denen die erjte das Kindesalter 
vom eriten Zabnen bis zum 8. Jahre umfaßt, die 
zweite vom 8. bis zum 14. Jahre reicht, die dritte 
das 14. bis 20. oder 24. Jahr im fich begreift. Die 
legte Beriode wird vorzugsmeije als Entwidlunge: 
periode bezeichnet, weil während dieſer Zeit mit 
der Ausbildung der Geſchlechtsorgane und deren 

nttionen die E. des Körpers und Geiftes ihren 

bſchluß erreiht. Während diefer Epochen ift der 
Menſch aud zu bejondern Krankheiten geneigt, die 
als Entwidlungstranfheiten ( — werden. 
Uber die Entwidlungsſtufen ſ. Embryo, Säugling, 
Kind, Jungling und Jungfrau. 

Entwidlungsgeichichte, die Lehre von der 
Entwidlung der pflanzlichen oder tierifchen Orga: 
niömen; ihr Endziel ift die Darlegung der Geſetze 
und Bedingungen, unter denen die Gejtaltung der 
pflanzlichen und tieriiben Organismen entjtanden 
iſt. Die E. der Tiere zerfällt in zwei Hauptabſchnitte, 
in die Ontogenie oder Embryologie, das iſt 
die E. der Einzelweſen, deren Aufgabe es ift, die 
allmäblibe Entſtehung eines jeden organiſchen 
Weſens ſowie die aller feiner Formelemente und 
Organe von den eriten Anfängen an bis zu ibrer 
Vollendung in ihren Formverhältniſſen genau zu 
verfolgen und darzulegen, und in die Zoogenie 
oder Bhylogenie (f. d.), die Lehre von der Ent: 
widlung der gefamten Tierwelt, welde die Umge: 
ftaltungen der einzelnen Tierformen ineinander und 
die Beränderungen, welche die Reihe der Vorfahren 
einer jeden Tierart im Laufe der Zeiten erlitt, zu 
erforihen juct (f. ne rundgejeg und 
Darwinismus). Die E. ijt deshalb nicht nur ein 
** und weſentlicher Teil der Lehre von der 
Fortpflanzung und Zeugung (f. d.), ſondern bietet 
auc die wertvollften Aufiblüfje für die geſamten 
biolog. Wiſſenſchaften und bat deshalb ſchon früb: 
zeitig das nterefje der Naturforjcher in Anſpruch 
genommen. 

Schon bei Ariſtoteles finden fih eine Menge 
feiner Beobachtungen über die Zeugung und Ent: 
widlung der Tiere, und auch die großen Anatomen 
der neuern Zeit, vor allen Fallopia, Fabricius, 
Harvey, Graaf, Smammerdam, Malpighi u. a., 
baben jich ein ehend mit entwicklungsgeſchichtlichen 
in beſchaftigt. Als eigentliher Begründer der 

utigen E. ift indeſſen Rafpar Friedr. Wolff (f. d.) 
zu nennen, der 1759 in jeiner berühmten Difjer: 
tation «Theoria generationis» den wichtigen unt 


64 


epochemachenden Nachweis führte, dab der Embryo 
(. d.) nur ganz allmählich durch eine Reihe langſam 
aufeinander folgender Veränderungen aus einer ein: 
oe Anlage entitebt (Theorie der Epigeneie), 
nicht aber, wie man bis dahin annahm, burd ein: 
fache Enthüllung ſchon im Ei von Haus aus vorban: 
dener Teile (Lehre der Evolution). Bon größ: 
ter Bedeutung für den weitern Auſſchwung der E. 
waren die Arbeiten von Ehrijtian von Bander (geb. 
12. Juli 1794, geft. 10. Sept. 1865), der 1817 die 
Entjtebung und weitern Umänderungen der fleim: 
blätter beichrieb, und von Karl Ernſt von Baer (f.d.), 
der die erite vollftändige und bis ins einzelne durch⸗ 

eführte Unterfuchung über die Entwidlung des 

übndens veröjjentlihte und ala der eigentliche 
Schöpfer der vergleihenden Embryologie zu 
betrachten ift. Die Vorgänge, weldhe man als Ent: 
widlungsvorgänge bezeichnet, finden durd die Ge: 
burt des Tieres oder Menichen leineswegs ihren 
Abſchluß, es jehen fich diejelben vielmehr bis zum 
Eintritt der gortpfanzun sfäbigfeit oder der rüd: 
fchreitenden Metamorphoje (Jnvolution) fort, 
und man bat fomit eine intras und ertrauterine 
—— zu unterſcheiden. Die wichtigſten Vor: 
gänge der leßtern find beim Menſchen die Weiter: 
entwidlung des Gebijies (erfte und zweite Dentition) 
fowie der zur Ausbildung des Geſchlechtslebens un: 
mittelbar oder mittelbar gehörigen Organe. Die 
Geburt felbjt bildet allerdings einen tiefen Ein: 
ſchnitt in dem Entwidlungsgange lebendig ge: 
bärender Tiere, bezeichnet indes feineswegs eine 
bejtimmte Etappe desjelben, indem fie bei verſchie— 
denen Gattungen mit jehr verjcbiedenen Stufen der 
Entwidlung zufammenfällt. So entſpricht unter 
den Säugetieren das Neugeborene der Beutler dem 
menſchlichen Fotus etwa des 3. bis 4. Monats; 
manche Tiere (3. B. Nage: und Raubtiere) werden 
in einem bilflofen und wenig entwidelten Zuſtand 
geboren, während andere, wie Wiederfäuer, Pferde, 
eine bereits vorgefchrittenere Ausbildung befiken. 
Bei eierlegenden Tieren ann man in gewiſſem Sinn 
von einer zweimaligen Geburt fprecben, indem man 
einmal die Ciablage, dann das Ausjchlüpfen der 
Jungen als Geburt bezeichnet. (S.aud Ei, Embryo, 
Furchung und Metamorpboie.) 

In neueiter Zeit haben ſich um die Ausbildung 
der E. in Deutichland Biſchoff, Rathle, Reichert, 
Jobs. Müller, Kemat, Kölliter, Haedel, His, Richard 
Hertwig und Goette, in Frantreid Eojte ſowie Pre: 
voſt und Dumas, die ben Furchungsprozeß ent: 
dedten, in England Wharton Jones, Allen Thom: 
fon, Hurley und Balfour, in Rußland endlich Ro: 
walewity und Metichnitoff große Verdienſte er: 
worben. — Bal. von Baer, liber E. der Tiere 
(2 Bde. Königsb. 1828— 37); Haedel, Antbropo: 
genie. E. des Menſchen (Lpz. 1874; 4. Aufl., ebd. 
1891); derj., Ziele und Wege der heutigen E. (Jena 
1875); His, Unjere Körperform und das phyſiol. 
Vroblem ihrer Entſtehung (Ypz. 1875); Köllifer, 
€. des Menſchen und der höhern Tiere (2. Aufl., 
ebd. 1876—79); deri., Grundriß der E. (2. Aufl., 
ebd. 1834); Folter und Balfour, Grundzüge der E. 
der Tiere (deutich ebd. 1876); Balfour, Handbuch 
der vergleihenden Embryologie (deutich, 2 Boe., 
Jena 1850—81); Korſchelt und Heider, Lehrbuch der 
ee €. der wirbelloien Tiere (Specieller 
Zeil, 3 Hefte, ebd. 1890— 1893; allgemeiner Teil, 
2.Aufl.,1902 fa); Marſhall, Vertebrateembryology 
(Lond. 1893); Haade, Geitaltung und Bererbung. 


Entwidlungsfranfheiten — Entwöhnung 


Cine Entwidlungsmebanit der O ——— (Lpz. 
1893) ; Minot, Lehrbuch ver E. des Menſchen (deutſch 
von Kaeſtner, ebd. 1894); O. Schultze, Grundriß 
der E. des Menſchen und der Säugetiere (ebd. 1896 
—97); Clodd, Pioneers of evolution from Thales 
to Huxley (Lond. 1897); Rollmann, Lehrbuch der €. 
des Menichen (Jena 1898); Hertwig, Lehrbuch der 
E. des Menſchen und der Wirbeltiere (7. Aufl., 
ebd. 1902); derj., Die Elemente der Entwidlungs: 
lebre des Menihen und der Wirbeltiere (ebd. 1900); 
Michaelis, Kompendium der E. des Menſchen (Berl. 
1898); Handbuch der vergleichenden und erperimen: 
tellen Entwidlungslebhre der Wirbeltiere (bg. von 
Hertwig, Jena 1901 fa.); Studien über E. der Tiere 
veröffentlicht Selenta (Wiesb. 1883 fg.); ein «Archiv 
für Entwidlungsmedanik der Organismen» giebt 
Rour (Leipzig, jeit 1895) heraus. 
Entwidlungsfranfheiten, Krankheiten, deren 
nee durch die körperliche umd geijtige 
twwidlung und ibre verjchiedenen Perioden (f. Ze: 
bensalter) begünftigt wird. Mande der bierber 
—— Krankheiten ſind nur — — 
ntwidlungsperiode eigentümlich, wie z. B. bie 
Kopfblutgeſchwulſt und die Nabelkrankheiten ber 
Neugeborenen, die Rhachitis oder Engliſche Kran» 
beit; andere kommen zwar auch in den fpätern 
Lebensaltern vor, nehmen aber während des Ent» 
widlungsitadiums einen eigentümliden und ab» 
weihhenden Verlauf an. So find während des 
Kindesalters die Knochen infolge ihres intenfiven 
Wachstums viel blutreiher, weicher und weniger 
widerjtandsfähig und werden deshalb häufig von 
entzündlichen und tubertulöfen Affektionen befallen. 
Während des Schulalters lönnen unzwedmäßigne 
Sculverbältnifje auf die körperlihe und geiſtige 
Entwidlung in der mannigfachiten Weiſe ſchädigend 
und bemmend einwirken (j. Ehulbugieine). Im 
Jünglings: und Jungfrauenalter giebt der Eintritt 
ver geſchlechtlichen Entwidlung bei vertehrter Gr: 
jiebung vielfach Anlaß zu —— beim 
weiblichen Geſchlecht zu Bleichſucht und Menſtrug— 
tionsftörungen, bei beiden Geſchlechtern zu extra⸗ 
vaganter Stimmung, zu Schwärmerei, jelbit zu 
wirllicher Geiftesftörung in der Form der Melan— 
cholie, des erotiihen und religiöfen Wahnſinns. 
Aus diefem Grunde ift während der Entwidlung®: 
perioden eine jorgfältige Üiberwahung der lörper: 
liben und pſychiſchen Junltionen jowie die ern: 
baltung allerjhädinenden Einflüfje ganz unerläplich. 
(S. Säugling, Kind, Jüngling und Jungfrau.) 
Eutwicklungsmechauik, |. Bd. 17. 
Entwidlungsperioden, |. Entwidlung. 
Entwicklungstheorien, ſ. Evolutionstbeorien. 
Entwöhnung, die Entziehung der Mutter: oder 
Ammenbruft und die hierdurch bedingte Gewöh— 
nung des Säugling an eine andere Nahrungs: 
weife; fie jollte ald wichtiger Eingriff in den Orga: 
nismus nur vorgenommen werben, wenn ſich das 
Kind volllommen wohl befindet, gewöhnlich etwa 
im zehnten oder elften Yebensmonat. Dan verfäbhrt 
am zwedmäßiajten dabei je, daß man zur Zeit der 
beginnenden €, die Brujt dem finde während der 
Nacht gar nit und während des Tags einmal 
weniger ald gewöhnlich giebt und dafür mittags ein 
Süppden von Gries mit entfetteter, ſchwach geſal— 
zener Fleiſchbrühe, oder einen Zwiebad (in Waſſer 
aut ausgelocht und mit Milch und ein wenig Zuder 
oder mit ſchwacher Fleiſchbrühe verſetzt) darreicht. 
In der zweiten Woche der E. giebt man dieſe Mabl: 


Entwurf — Entzündung 


jeiten häufiger, die Bruft feltener, ſchließlich nur 
not ; bis dreimal des Tags, bietet dem Kinde 
ud 9 id an und reicht endlich die Bruft nur 
ı0& einmal am Tage, worauf man fie ſehr bald ganz 
mtzieben kann. manden Fällen ift freilich ein 
beihleunigterer Modus der E. nicht zu umgehen. 

‚ in der Runft die erſte zeichnerifche 
sder bildneriſche Darftellung eines Gedantend. In 
ibm ftellt aljo unmittelbar das vom Künitler 
peiftig Erſchaute im vorläufigen Bilde dar, während 
Me Stizze nur eine flüchtige vorbereitende Dar: 
tellung des geiftig noch nicht fertigen Gedanlens oder 
eines erſchauten Öegenftandes ift. Inder Baukunſt 
nennt man €, die in allen Teilen wohl durchdachte 
und dem fpätern Bau zu Grunde zu legende Dar: 
kellung eines Gebäudes in verjüngtem Maßjtabe. 
Der E. wird auf Grund der dem Bauberrn vorgeleg: 
ten und mit ibm burdberatenen Skizzen in En 
er a ife im Grundriß für alle Stod: 
werte, Anfihten und Schnitte derart durchgear—⸗ 
beitet, daß nad ihm alsbald die —— 
und Koſtenanſchläge gemacht werben können. Die 

efamte Anlage, das Berbältnid der einzelnen 
Räume — die Geſtaltung der Façaden, der 

ebenanlagen (Aborte, Kuchen, Waſſer⸗ 
) beruben alſo auf der richtigen, umſich⸗ 
tigen und kunſtvollen Durhbildung des €. Die 
Roften eines ſolchen €. für die Bauherren werben 
nad einer vom Berband Deuter Arditelten und 
Ingenieurvereine aufgeftellten und jest faft allge: 
mein anerltannten Norm berechnet. 

Auch in litterariſcher Hinfiht fpriht man 
von einem E. Man meint damit einerfeitö die erſte 
jchriftliche Skizze einer wiſſenſchaftlichen oder belle: 
triſtiſchen Arbeit, in der nur die Dispofition des 
Ganzen und ber wefentlihe Inhalt aller einzelnen 
Zeile kurz angegeben ift. So enthält der E. eines 
Dramas in der Hauptfahe nur dad Scenarium, 
d. b. die ı ing in Alte und Scenen mit Ans 

der in den einzelnen Scenen auftretenden Ber: 
onen und Andeutung des Inhalts ihrer Geipräce. 
Andererjeit verfteht man unter E. auch folde Ar: 
beiten, die zwar in allen ihren Zeilen ſchon auss 
u A * —— ed als anzus 

‚ u ihrer endgültigen Geſtaltung 

nad Gehaden no, wejentlihe Ünderungen vor: 
bebalten find. diejem Sinne ſpricht man befon- 
ders von dem ©, eines Schriftjtüds (Konzepts), 
eines es (ſ. Gejegentwurf) oder Geſetzbuchs. 
Entz un 
Eutzi 


Döfe, 


göfur, ſ. Hungerkur. 
uuen, Berjabren, um von Weißblech⸗ 
abjällen das Zinn wiederzugewinnen. Die Abfälle 
werden bei höherer Temperatur mit verbünntem 
Eblorgas bebanbelt, das ſich mit dem Zinn zu Zinn: 
&loriddämpfen verbindet, welche abgejaugt und auf 
verſchiedene Weife londenfiert werden. 
Entzündung, die Einleitung einer Verbren⸗ 
.d.) dadurch, daß der betrefiende Körper 
bigen auf eine bejtimmte Temperatur, die 
Entjündungdtemperatur, gebracht wird. Un: 
ter Umſtänden kann auch Selbitentzündung (f. d.) 
rn (Inf a TERREUE 
Entz u ammatio, ogosis), eine 
mit ontbaften, a en aus den Blut: 
gefäßen verbundene drtlihe Gemwebäftörung, an 
die ich im meitern Berlaufe gewöhnlich eine re 
generative Gewebswucherung anſchließt. Faſt alle 
Kanbeiten verlaufen unter dem Bilde oder doch 
in Begleitung einer E. Wenn fomit die E. einen 


Brsdbaus’ Konverfationss2eriton.. 14. Aufl. R. u. VI. 


65 


der im täglichen Leben häufig beobadhteten, dem 
Laien wie dem Arzt * gleich geläufigen Vor: 
gang bildet, fo ift ihr Verlauf im einzelnen doch fo 
verwidelt und je nad der Urſache und Ortlichleit 
o verichieden, daß in der mediz. Litteratur der Vor⸗ 
lag auftaudhte, den Begriff der E. ald unwiſſen⸗ 
—— anz fallen zu laſſen. 

Die 8 chon in der antiken Medizin eine 
Rolle; der röm. Arzt —* der um Chriſti Geburt 
lebte, lehrte ald Kardinalſymptome der E, die Röte, 
Hiße, Schwellung (rubor, calor, tumor) de3 entzun⸗ 
beten Teils, Galen fügte noch den Schmerz und die 
Gebraubsihädigung (dolor, functio laesa) hinzu. 
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. m. der 
wiſſenſchaftliche Ausbau der Lehre von der E. der 
fib an die berühmteften mediz. Namen antnüpit 
—— ——— u. a.) und jahrelang mit Auf: 
ietung aller Kräfte und teilmeife unter leidenſchaft⸗ 
liben Barteiungen durchgeführt wurde. Heute be 
fteht eine Art refignierten Friedens in der Littera- 
tur über die €. 

Als wejentlihfte Merkmale der E. müſſen wir, 

enau wie Galenus vor ungefähr 2000 Jahren, die 
nf Zeichen: Nöte, Hitze, Schwellung, Schmerz und 
nttionsftörung aud jet noch anerkennen, unter 
mftänden auch Citerung, Grgüffe in Rörperhöhlen, 
Abjterben von Gemwebsteilen 2. und eine all: 
—— Zurüdhaltung der Ab onderungen (Durft, 
xodenbeit der Haut, fparjamer dunkler Harn 
u.dol.). Jede €, beginnt mit einer Kongeſtion, 
d. b. mit Blutüberfüllung, und führt im weitern 
Verlauf zu einer drtlihen Ernä —— der 
Gewebe mit dem Charalter des beſchleunigten und 
geſteigerten Stoffwechſels. Eben die Kongeſtion in 
den Haargefäßen läßt den entzundeten Teil, z. B. 
die Haut, röter und wärmer erſcheinen als die 
Nacbarſchaft. 

Die feinern Borgänge bei der E., wie man 
fie mit Hilfe des Mikroſtops an der lebenden Froſch⸗ 
ſchwimmhaut oder dem Fledermausflugel beobach⸗ 
ten kann, beſtehen namentlich in örtlihen Störungen 
der Blutcirkulation: die Gefäße erweitern fich, der in 
ihnen rollende Blutjtrom verlan im fih nad an⸗ 
fänglicher Beihleunigung, um io ießlich ganz ſtille 
zu ſtehen (Stalis); dem Stillſtand gebt ein pendelarti⸗ 

es Hin und Herſchwanlen der Eirkulation voraus. 
FBahrend diefer Störungen ift in dem Blute felber 
eine eigentümliche Veränderung vorgegangen, in⸗ 
dem nämlich die farblofen (jog. weißen) Blutlörper: 

in die Randzone der Gefäße (namentlich der 
enen) getreten find und dort langjamer fortbemwegt 
werben, während bie farbigen (roten) Blutkörperchen 
in der Mitte des Gefähes bleiben und dort raſch 
dahin wirbeln. An dieſe Eriheinung ſchließt fib 
eine weitere an, indem aus den Gefäßen zuerft 
Slüffigteit vom Blute in die Gewebe übertritt, bald 
aber aud ſich die farblofen Blutkörperchen durch 
die Gefäßwand hindurchwinden und auswandern; 
in den hochgradigen E. folgen auch noch rote Blut: 
förperhen nah. Im umgebenden Gewebe bleibt 
das jo ausgeſchwitzie Material (Erfudat) teils flüſſig 
(feröje E.), teils gerinnt es (fibrindje E.), teils 
jtirbt eö mitfamt dem Gewebe ab ER RR e 
E.); jest ihm das Gewebe vermöge jeiner Dichtheit 
Miderftand entgegen, fo bildet es Blajen (3. B. 
Brandblajen der Haut), ift eine Körperböble benach⸗ 
bart, jo kann fi dort Exſudat in großen Mengen 
anfammeln, in der Schädelhöhle mehrere Eplöftel, 
in dem Bruſt⸗ oder Bauchraum mebrere Liter; über» 

5 


66 


wiegen die weißen Blutkörperchen über die Flüffıg- 
keit, fo ift ein eiteriges Erfudat, ein Abſceß, ge 
geben, die E. führt zur VBereiterung. 

Die Rüdbildung der E. erfolgt nad Aufbören 
des fie veranlaffenden Reizes meilt raſch. In den 
leichteſten Fällen verengern ſich die Gefäße wieder, 
und die Randitellung und Auswanderung ber farb» 
lojen Zellen hört auf, Meift tritt aber, und zwar 
fhon innerhalb der erften 24 Stunden, eine Buche: 
rung ber Gewebszellen im entzündeten Gebiete noch 
pindu bie bei längerer Dauer zu Geweböneubildung 

brt; die auf Wundflächen erfcheinenden Seiler 
wärzchen, auch das fog. wilde Fleiſch, find aus fol- 
hen Gewebsneubildungen bervorgegangen. Wenn 
die —— einen durch Gewebsdegeneration 
entſtandenen Defelt ausgefüllt haben, jo ſchrum⸗ 
pfen fie wieder und werben mit der Zeit feſt und 
gefäßarm, dann nennen wir fie Narben; oder, wenn 
diefe Neubildungen zwei vorher getrennte Gewebe 
verbinden, fo fpriht man von Adhäſionen, Ver: 
wachſungen. Die Schrumpfungstendenz folder Nar⸗ 
ben und Apbäfionen iſt recht läftig; fie entitellen das 
Gefiht, firieren den Bruftlorb , daß er ſchlecht 
atmet, verurfachen bei Frauenkrankheiten lebhafte 
Schmerzen, verlegen gelegentlih die natürlichen 
Kanäle oder Öffnungen des Körperd, mindern die 
Glaftichtät der Haut, jo daß fie immer wieder 
aufreißt (3. B. nah PVernarbung großer Branb: 
munden). 

Der wifjenihaftliche Streit in der Entzündungs: 
lehre drebt fi namentlih um den Eharafter, ber 
Erjubatzellen. Cohnheim, Ziegler und die meiften 
andern * es find ausgewanderte Blutlörper⸗ 
chen, andere, wie Stricker, ſagen, es ſind außer den 
erſtern auch an Ort und Stelle entſtandene Ablömm- 
linge der Gewebäzellen, wieder andere nehmen einen 
vermittelnden Standpunft ein. Weſentlich wichti⸗ 
ger als diefer Streit ift die Fyrage nad) der Urfache 
bes vermehrten Durchtrittö der weißen Blutlörper: 
hen. Mit Aufbietung aller methodiſchen Feinbeit 
bat man bier —* daß die Kittſubſtanz zwi⸗ 
ſchen den einzelnen Gefäßzellen, alſo die Fugen der 
Gefaäßwand, etwas gröber werben und ſich nad) 
Durdtritt des farblojen Blutkörperchens nod eine 
Meile offen balten, fo daß rote Blutkörperchen durch 
die entjtandenen Süden folgen können. 

As Urfahen der E wirlen mechan. Ber: 
legungen, fremde Körper in oder an denfelben, Hitze 
und Kälte, hem. und eleltriſche Reize. Wohl die 
bäufigite Urfade der E. find die Mikroorganismen, 
und unfere Infektionskranlheiten bilden geradezu 
Mufterbeifpiele von E. Beim Scharlach entzündet 
fib unter anderm die Haut, bei Influenza die 
Brondien, bei Diphtherie der Rachen und fehl: 
to ‚ bei Typhus und Ruhr der Darm, beim 
Gelbfieber die Leber, bei der Genidjtarre das 
Him u. f.w. Außer der Art des Reizes ift aber 
aud eine gewiſſe Stärle erforderlich, damit E. ent: 

ebe; die flüchtige Berührung eines heißen Eiſens 

ewirlt eine Rötung der Haut, längere bewirkt 
E., nod längere das Abſterben des betroffenen 
Hautbezirks. Doch ift die Stärke des entzündung- 
erregenden Reizes nicht abfolut, ſondern nad Ort: 
lichkeit und Umjtänden verſchieden: fo erregt Ejfi 
auf der Haut höchſtens ein leichtes Brennen, au 
der Schleimhaut eine heftige E.; die kalte Winter: 
luft wirft auf normale Luftwege nicht ſchädlich ein, 
katarrhalifh affizierte reizt ſie zu beftigerer €.; 
werben dem Menichen geringe Mengen von fpan. 





Entzündungstemperatur — Entzündungswidrig 


befommt er eine heftige Nierenentzündung, der 

gel dagegen kann tagelang ungeſchädigt feine 
ganze Nahrung aus fpan. Fliegen Beftreiten. 

Die Wirkung der €. iſt in vielen Fällen un: 
verfennbar und auch teleologiih als günftig zu 
bezeichnen. infizierte yremdlörper werden ausge 
ftoßen, afeptiiche entweder eingefponnen oder durch 
die Erfudatzellen verbaut und ee Defelte 
werben durch Narbengewebe ausgefüllt, tuberku⸗ 
en ber Zungen werden eingelapfelt, 
alles infolge der E. Doc ſchießt der an jich zwed⸗ 
mäßige Borgang auch gelegentlich über das Ziel 
binaus, wie bei den oben erwähnten Adhäſionen 
ſchon angedeutet, oder ſchädigt auch direlt; fo ver: 
laufen €. der Leber, der Nieren, des Hirns oft töd- 
(ih. Es erfcheint das gleichſam wie ein Kompromiß 
Baden der Zweckmäßigleit und der geſetzmäßigen 

echanik der Natur. 

Außer den bereit erwähnten Arten ber E. 
unterjcheidet man noch alute und chroniſche, 
d. h. kurz» und langbauernde, ferner parenchy—⸗ 
matdfe und interjtitielle, je nachdem fie mebr 
das funktionierende Gewebe oder mehr das Stütz: 
gewebe der Organe beteiligen; letztere find gut: 
artiger, durch längere Dauer ſchädigen fie aber auch 
das Organ felber. €, ver Schleimhäute nennt man 
Katarrhe. Diemediz. Bezeihnungen für €, endigen 
gemeinjam auf itis, und es bebeutet 3. B. Bronchi- 
tis: €, der tiefern Quftwege, Enteritis: €. des 
Darms, Nephritis: €, der Nieren, Meningitis: €, 


des Hirns. 
der E. muͤſſen fremde 


(ie (3.8. ald Pflafter oder Salbe) einverleibt, 
D 


Bei der Bebanpdlun 
Körper und Splitter ertrabiert, thermiſch und che: 
miſch reizende Dlittel entfernt oder neutralifiert, ein: 
gebrungene Bakterien durch Desinfektion getötet 
werben. Um die Blutanſchoppun —— lon⸗ 
nen ſich Blutentziehungen (Aderlaß, futegel), ferner 
volllommene Rube und zmedmäßige Lagerung des 
entzündeten Teils, die örtliche Anwendung der Kälte 
Eisbeutel), eine möglichft reizlofe Diät, gebörige 

egulierung der Stublentleerung und bie Fern: 
baltung —— pſychiſchen Aufregung nützlich er: 
weiſen. Außerdem kommen zerteilende, erweichende, 
auflöjende und —— befördernde Mittel in 
Anwendung. Iſt Eiterung eingetreten, jo ift der 
Eiter möglıhft frübzeitig durch Einftih oder Ein— 
ſchnitt mit dem Meſſer zu entfernen; aub vor nad: 
mweisbarer Eiterung wirft ein Einfchnitt manchmal 
weanins und actuilsenn. Bei chroniſchen 

. und Eiterungen ift der Kräftezuftand des Kran⸗ 
ten forgfalti u überwadhen und durch roborie: 
rende Witte N Eier, Fleiſch, Milh, Schokolade, 
Altobol) zu unterftügen. Iſt e8 im Verlaufe einer 
€. zum Brand gelommen, jo muß man abwarten, 
bis der u Zeil vom Körper abgeitoßen 
wird. — Bol. außer den Zehrbüchern der allgemeinen 
— ——— und der allgemeinen Chirurgie noch 

ohnheim, Vorleſungen über allgemeine Patho— 
logie, Bd. 1 (2. Aufl., Berl. 1882); Leber, Die Ent: 
ftehbung der €, und die Wirkung der entzündbung: 
erregenden Schäpdlichkeiten (2p3.1891); Grawitz, Über 
die jhlummernden Zellen des Bindegewebes u. ſ. w. 
(in «Birhoms Arhiv», Bd. 127, 1891); Ziegler, 
Artikel Entzündung in Eulenburgs «Realencyllo: 
päbdie der geſamten Heilkunde⸗, Bd. 7 (Mien 1895). 

Entzündungdtemperatur, ſ. Entzündung. 

— ————————— 
Mittel, ſ. Antiphlogiſti 6 und Entzündung. 


Enuffeation — Enzersdorf 


Enufleation (lat.), die Trennung eines Glie: 
des aus dem Gelenke durch Eröffnung und Durch⸗ 
5 der Gelenfbänder, ohne den Knochen zu 

ur en. 

Euumerieren (lat.), aufzäblen, berzäblen, be: 
rechnen; davon das Eubftantiv Enumeration. 

Enuneciation (Enuntiation, lat.), Ausſage, 
Sas, Ausdrudameije, Belanntmadhung, Erklärung, 
Ausiprade: enunciativ, ausjagend, erflärend; 
Enunciätum, Ausſpruch, Rechtsſpruch. 

Enurefid (grch.) unwillkürliches Harn: 
lajfen (Incontinentia urinae), Krankheit, die darin 
beitebt, daß der Harn entweder fortwährend, meijt 
tropfenmweije (Harnträufeln) —— wird, 
wie dies bei Blajenlähmung, Blaen ein u. f. w. 
verfommt, oder nur zu gewiſſen Zeiten, nament: 
lih des Nachts bei Kindern (fog. nächtliches 
Bettnäfien oder Bettpiſſen, Enuresis noc- 
turna). Meiſt handelt es ſich in dem letztern Falle 
um eine eigentümlihe Störung der findungss 
äbigfeit der Blaſe für den Harnreiz, jo daß der 

tere im Schlafe entweder gar nicht zum Bemußt: 
fein gelangt oder nur eine dunlle, ven Schlaf nicht 
unterbrebende Traumvoritellung erregt. Strafen 
und Beihämungen ermeijen ſich gegen dieſes Lei: 
den, welches —— in den Jahren der Ge— 
ſchlechtsentwicllung von ſelbſt verſchwindet, in der 
Re gar erfolglos dagegen foll man den be: 
treffenden Kindern während ber Abenditunden Ge: 
tränte und flüffige Nahrung entziehen, joll fie wäb: 
rend der Nadt ein: oder mebrmals weden, um fie 
an eine regelmäßige —— zu gewöhnen, 
ſowie für geregelte ee lentleerung 
jorgen. Günitig wirkt Schlafen auf_barter Ma: 
trage, Bededung mit leichter Dede, Hochlagerung 
des Bedens Doc untergelegte Kiffen u. |. m. Bis: 
mweilen zeigen fih aud Atropin, China: und Eifen: 

äparate, kalte Douchen und Seebäber jomwie die 
nwendung ber Gleltricität und die fünftlihe Deh⸗ 
nung des Blaſenhalſes nüglib. — Bol. Ulsmann, 
tiber Neuropatbien des männlihen Harn: und Ge 
ſchlechtsapparates (Wien 1879); Brud, Die nächt⸗ 
liche Enureje und deren Behandlung (Lpz. 1900). 
Enütwetof, Inſelgruppe, f. Bromninjeln. 
Enveloppe (fr;., jpr. angw’löpp), Hülle, Um: 
lag, Briefcouvert; auch eine Art Damenmantel.— 
der Befeſtigungskunſt ift E. (Mantel) ein 
Senwerl, das den Hauptwall einer Feftung ganz 
oder teilmeife umgiebt und aus einer völlig zujam: 
menbängenden Ummwallung befteht oder ſich dadurch 
bildet, daß Raveline, Kontergarden und Eouvre: 
facen miteinander in Verbindung gebracht find. an 
ältern arm findet man die E. häufig, 
namentlich bei Coehoorn, dem jüngern Landsberg 
in ber un herr Befeftigungdmanier und bei 
Montalembert; jelbjt in neuern — Be⸗ 
feſtigungen aus ber Zeit der glatten Geſchutze lom⸗ 
men fie noch vor. — In der Mathematik jind E. 
foviel wie Einbüllende Kurven (f. d.). 
Enveloppieren (frj., ipr. angw’l-), einhüllen, 
eimwideln; in Händel verwideln. j 

Envers (fr;., jpr. angmwäbr), die linfe, unrechte 
Seite von Zeug. j 

Environ ( — ſpr. angwiroͤng), ungefähr, etwa; 
Environs, die umliegende Gegend —— 

En vogue (frz., Ipr. an mohg), im Anjeben, 
im Rufe, in Aufnahme, im Öange, im Schwange. 

Envoi (fr;., ſpr. angmöd), Sendung, Gejandt: 
(daft; Envoye@ * angmöäjeh), Geſandter (zwei: 


(391,63 qkm, 14039 


67 


ten Ranges); rl extraordinaire (fpr. -näbr), 
ſ. Bevollmächtigter Minifter. 

Enyalios, ein Beiname des Ares; ſpäter wurde 
€. als Name für deſſen Sohn gebraudt. 

Enyed, Nagy: (jpr.nabdjennjebd) oder Groß⸗ 
Enyed, deutih Straßburg, rumän. Ajubu, 
Stabt mit geordnetem Magiftrat im Unterweißen: 
burger Komitat in Siebenbürgen, in 270m Höhe, 
reht3 an der Maros und an der Linie Klaujen: 
burg⸗Kronſtadt⸗Predeal der Ungar. Staat2bahnen, 
Siß der Komitatäbehörden, hat (1900) 7494 meijt 
reform, yar, E., Sparlafje, eine bejuchte, vom 
Fi ten Gabriel Bethlen 1622 geitiftete, reformierte 
theol. Lehranſtalt (Lyceum), an welcher Opiß lehrte, 
Dbergymnafium und Lehrerfeminar. Die Stadt 
bat 4 Kirchen der verſchiedenen a ftl. Ronfeffionen, 
ein Minoritentlofter, Winzerfchule, große — 
kaſerne, Strafanſtalt und ſchöne Promenade. In 
der — wird viel Wein gebaut. 

Euij 0; Groß: Gemeinde und Hauptort des 
Stuhlbezirtd E. (28696 €.) im ungar. Komitat 
Veſzprim, öftlih vom Plattenjee, an der Linie Raab: 
Ujdombopär der Ungar. Staatäbahnen, hat (1900) 
3634 magyar. E. und Sparkaſſe. 

End, in Ber prieh. thologie eine Schlachten: 

öttin, die Begleiterin deö Ares; au eine der 
raien (f. d.). [der Wiederfäuer. 

Enyftron (ah) ber vierte Magen (Qabmagen) 

Enz, linter Nebenfluß deö Nedars in Württem: 
berg, entjteht im Schwarzwalbe auf der Hochfläche 
öftlih vom are aus verſchiedenen Bächen, 
von denen die 9 E. (aus dem Enzbrunnen) 
und der Poppelbach (aus dem Poppelſee, 764 m) 
bie wichtigern find, Die vereinigte E. fie t in einem 
tief eingejchnittenen wilden Thale an Wildbad vor: 
über, verläßt bei Pforzheim in 253 m Höhe den 
Schwarzwald und empfängt von Süden die Nagold 
( b.). Sn dem untern obftreihen Thal beträgt das 

efälle nur ein Zehntel von dem des Dberlaufs bis 
Wildbad. Rechts nimmt fie noch die Glems auf, 
fließt über —— unter dem fhönen Viaduli 
von Bietigheim hindurch und mündet in 175 m Höbe, 
faft ebenfo groß wie der Nedar, nad) einem Laufevon 
112 km bei Befigheim. Sie ift nicht ſchiffbar, wird 
aber ftark zur Holzflößerei gebraudt und ift fehr 
reih an Siöhen, namentlid an Forellen. 

Enza, rechter Nebenfluß des Po im ital. Com: 
partimento Emilia, entſpringt an der Alpe di Suc: 
ciſo (2017 m) im Apennin, fließt nah NND,., trennt 
die Provinzen Reggio und Parma und mündet 
nad 112 km ea der Barma bei Breicello. 

Enzbahn, württemb. Staatsbabn, von Pforz: 
beim nach Wildbad (23 km, 1868 eröffnet), mit einer 
neuen Brüde über die Enz bei Höfen. 

Enzeler, Liqueur, ſ. Enzian. 

Enzeli oder Enfeli, Hafen von Reidt (ſ. d.). 

Enzerddorf. 1) E. oder Groß-Enzersdorf, 
Stadt in der öſterr. Bezixlshauptmannſchaft Flo: 
ridsdorf in —— 11 km nordöſtlich von 
Wien, auf dem linfen Ufer der Donau, der Inſel 
Lobau gegenüber, mit Dampfitraßenbahn nad 
Wien (20,38 km), if Eis eines Bezirksgerichts 

€.), hat (1900) 2103 E., in Gar: 
nifon 2 Esladrons des 8. Ulanenregiments, Mauern 
und Thore, eine ſchöne got Kirche; wichtige Getreide: 
märkte, Ein Teil von E. wurde 1905 mit Wien ver: 
einigt. Der Sitz der Bezirlshauptmannſchaft Groß: 
Enzersdorf wurde im Ian. 1897 nad Floridsdorf 
verlegt. Der Ort war ein wichtiger Punkt in den 

5* 


68 


Schlachten von Aspern und von Wagram (1809). — 
2) E. am Gebirge, aub Maria-Enzersporf, 
Dorf in der öfterr. Bezirtshauptmannschaft und dem 
Gerichtsbezirt Mödling in Niederöfterreih, an ver 
Linie Wien: Trieft (Station Brunn: Maria: €.) der 
Shen Südbahn und an der Dampfitraßenbahn 
öbling:Hieking, bat (1900) 2675 E., Franzis: 
— 1454 vom Grafen Ulrich von Cilly ge: 
ftiftet; Weinbau und Felbwirtichaft uud wird ala 
Sommerfrifche viel befucht (Station Brunn kb) am 
Gebirge). Die jegt erneuerte Feſte €. (12. Jabrh.) 
bat von dem Geſchlecht, dem fie einft —* und in 
deſſen Befik fie ſeit Beginn des 19. Sahr . wieder ift, 
den Namen EBEN erhalten und liegt dem 
neuen Schloß Liechtenftein gegenüber, Fig. 4. 
Enzeth, j. Musa und Tafel: Blattpflanzen, 
Enzheim, Dorf im Kanton Geispolzheim, Kreis 
Erftein des Bezirks Unterelfaß, 12 km von Straf: 
burg, an der Linie ge der Elſaß⸗ 
dr Eijenbabnen, bat (1900) 707 €., darunter 45 
Ratholiten, Boft, Telegraph; Hopfen: und Tabal: 
au. — Am 4. Dit. 1674 fand bei E. eine Schladt 


der Kaiſerlichen (35000 Mann, 50 Geſchutze) unter | fi 


Bournonville gegen die Franzoſen (24000 Mann, 
24 Geihüße) unter Turenne ftatt, die bis zur Nacht 
dauerte, aber unentſchieden blieb. Beide Gegner 
ingen in der Nacht zurüd. Die Kaiferlichen ver: 
oren 3000 Mann und 8 Gejhüße, die Franzoſen 
angeblih 2500 Mann. 

—— ‚ der deutſche Name der Pflanzengat— 
tung Gentiana aus der Familie der Gentianaceen 
(f. d.) mit gegen 200 faft über die ganze Erbe 
verbreiteten Arten, vorzugsweiſe in den Hochaebir: 
gen der nörbl. Halbkugel. E3 find kahle, der Mehr: 
zahl nad ausdauernde Kräuter mit gegenftändigen, 
unzerteilten, ganzrandigen Blättern, die oit in 
arundftändine Rofetten zufammengedrängt erſchei⸗ 
nen, und meift großen, äbrigtraubig oder trug: 
doldig angeorbneten, jelten einzeln ftebenven, ge: 
wöhnlich blau oder violett, felten rot oder gelb, oft 
jehr prächtig gefärbten Blumen. Yebtere haben 
eine trichter-, gloden: oder keulenförmige Geftalt, 
einen in vier oder fünf Zipfel zerjpaltenen Saum 
und find bisweilen im Schlunde mit fleifhigen 
Baier bejegt (bärtig). Aus dem Fruchtknoten ent: 
tebt eine zweifächerige, vielfamige Kapſel. Mebrere 
Enzian : Arten find offisinelle Pflanzen geworben; 
insbefondere der gelbe, Gentiana lutea L. (f. Tafel: 
Eontorten, Fig. 1), eine ftattlihe Gebirgäpflanze 
mit großen, bläulic bedufteten, eiförmigen oder 
elliptifhen Blättern und bis 1 m bobem Stengel, 
der in feinen Blattwinfeln Büfchel großer, gold: 
gelber, häufig rotpunltierter Blumen trägt. Diefe 
ihöne Pflanze wächſt an fräuterreichen Stellen der 
Alpen und anderer europ. Hochgebirge, wird aber all: 
mäblich feltener, weil ihre diden, nolligen Wurzel: 
jtöde als Heilmittel fehr gefucht find. Sie find, gleich 
den Wurzeln von Gentiana pannonica Scop., Gen- 
tiana purpurea L. und Gentiana punctata L., als 
Gnzianmwurzel (Radix Gentianae) offizinell. Die 

etrodnete Wurzel ift merfwürbig leiht und daran 
owie an ihrem eigentümlic bittern Gefhmad von 
äbnlihen Wurzeln zu unterfheiden. Man bedient 
fih ihrer gegen Verbauungsftörungen, Magen: 
frampf, Strofulofe, bei Blutarmen, Bleibfüchtigen 
u. ſ. w., in Billenform, in Aufgüflen und Mirturen, 
bereitet aus ihr durch Ausziehen mit Weingeift die 
offizinelle, braunrote Enziantinktur (Tinctura 
Gentianae) und durch Auszieben mit Waſſer und 


Enzeth — Enzio 


nachherigen Weingeiftzufaß das offizinelle, rot: 
braune Enzianertraft (Extractum Gentianae) 
und benußt fie bei der Heritellung der Tinctura 
amara, = Ertratt zu Pomeranzenelirir (Hoffmann: 
ſchem Magenelirir) und verſchiedenen en: 
tropfen. Auch dient fie zur Bereitung aromatijcher 
Liqueure (de Spanifchbittern, der Kräuterfchnäpfe, 
des Enzianbranntweind, Enzelers ober 
Enzigs der Alpenbewohner). Die Enzian 
enthält Pektin, Br dejien Quellbarkeit ihre An: 
wendung als Quellſonde (f. d.) berubt. 

‚Die —*— Arten des E., der Mehrzahl nach 
ni e, aber groß: und ſchoͤnblumige Berg: und 
Alpenkräuter, gehören zu den größten Zierden der 
Hochgebirgsregionen. Stebilden, gleich ven Brimeln, 
einen io eutihen Beftandteil der Alpenvegetation. 
Manche Arten find zu Sierpflangen geworben, 5.9. 
die ftengellofe Gentiana acaulis Z. (f. Tafel: Alpen: 
plessen. dig. 13) mit bis 6 cm langen, azur: 

auen Blüten in der Mitte einer Blattrofette, bie 
im Riefengebirge häufige Gentiana asclepiadea L., 
ftattlich, mit engen rauben großer, duntelblauer, 
eltener weißer Trichterblumen u. a. m. 

Enzig, Liqueur, |. Enzian. , 

Enzina, Juan del, jpan. Dichter, ſ. Encina. 

Enzio (ital. für Heinz, Heinrich), König von 
Sardinien, geb. 1224 als natürliher Sohn Kaiſer 
—— II, durch Schönheit, Geiſt, Mut und Lie: 

enswürdigleit ausgezeichnet, war neben feinem 

wager Ezzelino (}. d.) des Kaiſers treuefter Hel: 

er im Kampf gegen den Papſt und die geritten 
tädte. Durch feinen Vater mit der Witwe des 
Ubaldo Visconti von Piſa, Adelaſia, der Herrin 
von Torre und Gallura, 1238 vermäblt, nabm er 
den Titel «König von Torre und Gallura», fpäter 
«von Sardinien» an; doch ließ ſich Adelafia 1244 
durch Innocenz II. zur Scheidung von E. bewegen 
und ging eine neue Ehe ein. Als —— 
(1239) nahm er für ge mwäbrend defien Ab: 

a 


weſenheit in — ‚einen Teil des Kirchen: 
ftaates dem tegor IX. ab. Er erwarb jib 
noch größern Ruhm durd den Sieg bei der Inſel 


Meloria 3. Mai 1241 über die Flotte Genuas, wo: 
bei er drei päpftl. Zegaten, über 100 Erzbijchöfe und 
Biſchofe gefangen nahm, infolgedeſſen das von 
edrich II. verbotene Konzil in Rom nicht ſtatt⸗ 
nden konnte. Seit 1245 fämpfte er dann an der 
Seite Ezzelinos namentlich ggegen Mailand und 
Parma, 30g darauf aus der Romagna zum Schuß 
des bedrohten Modena gegen die Bolognefen, denen 
er jedoch im Gefecht beim Bad) Foſſalta 26. Mai 
22 A die * F —* 7 itten ns die 
en Friebrihs erwirkten feine Freilafjung 

bei der Burgerſchaft von Bologna, die have wo⸗ 
ren hatte, E. nicht herauszugeben; doch wurde ſeine 
anfangs harte efangenfcait allmäblic gemilder; 
Gefellk aft, Dichtkunft und jelbjt die Liebe (von 
einem Bund E.s mit Lucia Viadagola leitet ſich die 
Familie Bentivoglio her) erbeiterten feine Haft. Da: 
egen wurde ein Glubtwerue, den nad Konradins 
—* E.s Freund Aſinelli 1269 vorbereitet hatte, ver: 
eitelt. E. jtarb 14. März 1272 nad 23jäbriger 
Gefangenihaft. Sein 0 wurde mit fönigl. 
Pracht in der Dominikanerfirhe zu Bologna bei: 
ejest. E.s Geſchick legte Raupad einem Trauer: 
Ic «König E.» zu Grunde, A. Dulk einer von 
bert fomponierten Oper. — Val. Köler, Com- 
mentatio historiae de Entio sive Henrico, rege 
Sardiniae (Gött. 1757); PBetrachi, Vita di Arrigo 


Enzootie — Eos 


üSvevia, r& di Sardegna (Ferrara 1750); Münd, 
König Enzius (Ludwigsburg 1827); Schirrmacher, 
Die legten Hobenftaufen (Gött. 1871); Großmann, 
Konig €. (ebd. 1883); Blafius, König E., ein Bei: 
trag zur G — 
e (grch., d. i. Ortöfeuche), eine auf klei⸗ 
nere Bezirle oder auf gewiſſe Stallungen beſchränkte 
Biehjeuche, im Gegenſatz zu der Epizootie (f. d.). 
Als enzootijch bejeihnet man z. B. das Auf: 
treten von brandfällen in gewifien Gegenden 
en, das Auftreten von Rob oder 
enſeuche auf einzelnen Geböften u. ſ. w. 
Sushm, f. Fermente. j 
E.0., Abtürjung von ex offcio (lat.), aus Pflicht, 
von Amts wegen, amtlid. ; 
Eobänus Hefind, neulat. Dichter, |. Heſſus. 
Eobasileus, Sattung der Dinoceraten (ſ. d.). 
Eocänu, die unterjte, ältejte Stufe der Tertiär: 
formation ( d.). Es ltennzeichnet fih namentlich 
durch die formenreihe Entfaltung der Säuge 
tiere; fo find häufig die Refte von Anoplotherium 
und Palaeotherium, zwei pflanzenfrefienden Huf 
tieren. Die marinen Faunen ungemein formen: 
reich, 3. B. im Barijer Beden. (S. die Tabellen der 
geolog. Ener beim Artitel Leitfoffilien, und 
die Tafel: Betrefalten der Kanozoiſchen 
De mansne tuppe I, Fig. 1—15, beim 
rtifel Känozoifce Formationsgruppe.) Zu beiden 
Seiten de3 Mittelmeers ift das E. dur feinen 
enormen Reihtum an Nummuliten AR d.) ausge⸗ 
zeichnet. Auch der größte Teil des Flyſches f d.) 
tft eocänen Alters. age. 
Eödem (lat., zu ergänzen a an demielben 
Eohippus, foſſiles Säugetier, }. Hippotherium. 
Bo ipso (lat.), eben dadurd, von Pet, ohne 
Eona, Inſel, j. Jona, [weiteres, 
Eon de Beaumont (jpr. eöng dE bomöng), 
Ebarles Genevitve Louis Augufte Andre Thimo: 
tbee d’, betannt ala Chevalier d’Eon, geheimer 
Korreipondent Ludwigs XV., geb. 1728 zu Ton: 
nerre in Bourgogne, ftubierte die Rechte, wurde 
Advolat und madte ſich durch einige polit. Schrif: 
ten dem Prinzen von Eonti belannt, auf deſſen 
Enipfeblung er von Ludwig XV. 1755 eine Mifjion 
an den ruf). Hof erhielt. In viermaliger Sendung, 
anfangs verkleidet, gewann er die Gun 
ber a Sa ifabeth, leitete —— den ge⸗ 
beimen Briefwechſel derſelben mit Ludwig XV. und 
wirfte erfolgreich, jpäter als Geſandtſchaftsſekretär, 
in defien Sinne. Nah der Rüdtehr nah Frank⸗ 
rei 1760 betrat er en nicht ohne Auszeich⸗ 
nung bie kriegeriſche ſbahn und folgte dann 
dem Herzog von Nivernais (ſ. Nevers) ald Ge: 
fanbtj bontsietretär nad 2ondon. Hier fpielte er 
ala gebeimer Agent diefelbe Rolle wie in —5 
burg und führte einen geheimen Briefwechſel mit 
Ludwig XV., der ſich neben feiner offiziellen diplo⸗ 
mat. Bertretung eine zweite, geheime, ganz perjön: 
lie eingerichtet hatte. Als Nivernais nad Frank⸗ 
reih zurüdging, blieb E. als Reſident in London 
und wurde jpäter zum bevollmädtigten Minijter 
ernannt. Durch eine Hofintrigue geftürzt, von dem 
Könige mit ſcheinbarer Ungnade entlajjen, führte 
er do die geheimen Korreipondenzen desjelben 


e 
meiter. Auf Beieht Ludwigs XV. hatte er durch | f 


Anl weiblicher Kleider jein Geſchlecht zweifel⸗ 
KR Reden müfjen. Nad Ludwigs Tode wurde er 
abberufen, einmal in Berjailles vorgelaben, dann 
auf Jahre in die Provinz verwiejen; wieder zog er 


69 


ich von da nad London prüd: dieRevolutionnahm 
eine Dienite, die er anbot, nicht an, er wurbe als 

igrant behandelt und farb 1810 in bürftiger 
Lage in London. E.s e erſchienen u. d. T. 
«Loisirs du Chevalier d’E.» (13 Bde., Amſterd. 
1775). Die von Gaillardet herausgegebenen «Me- 
moires» (2 Bbe., Par. 1836), die jeinen Namen 
tragen, find unecht. — Vgl. Boutaric, Correspon- 
dance secröte de Louis XV sur la litique 
etrangtre (2 Bde., Par. 1866); Homberg und 
Souflelin, Le chevalier d’Eon (Bar. 1904). 

Eophön, |. Bd. 17. 

03, bei den Römern Aurora genannt, bie 
Göttin der Morgenröte, war eine Tochter des 
Sonnengotted Hyperion und der Theia, Schweiter 
des Helios und der Selene, wirb aber yes auch 
als Tochter, des Helios und der Nacht bezeichnet. 
Bei Homer ift fie die Gemahlin des Tithonos (f. d.); 
beider Söhne find Memnon (} d.) und Emathion 
(f. d.). An jevem Morgen erhebt ſich E., die Göttin 
mit den rofigen Fingern (Rhododaltylos bei Homer), 
vom Lager des Tithonos und fährt mit ihren Rofjen 
Lampos und —DE aus der Tiefe des Meers 

auf, um den Menſchen das Licht zu bringen. 

enſo wie einſt den Tithonos, entführte ſie ſpäter 
den ſchönen Jäger Drion (f. d.), den Vertreter des 
beim Erſcheinen der Morgenröte verſchwindenden 
Sternbildes. Eine ähnlihe Verbindung mit le 
pbalos (f. d.) en Hefiod, der aber Aſtraios 
\ d.), den — achthimmel, als ihren Gatten 
ezeichnet. Dieſem gebiert ſie die ſich am Morgen 
ee Winde Argeites, Zephyros, Boreas und 
Notos ſowie den Hesperos und die Geftirne, mas 
offenbar auf jüngerer Abjtraftion er — Auf 
Bildwerken — E. meiſt als jugendliche, voll⸗ 
belleidete Frau mit großen Flügeln, raſch aus: 
ichreitend und einen Süngling auf den Armen tra⸗ 





gend, unter dem bald Tithonos, Drion, Kleitos, 
epbalos, bald ihr toter Sohn Memnon zu ver: 
ftehen ift._ Später lommt fie aud in gelbem Ge: 
wande ar einem Magen mit geflügelten Rofjen 
aus dem Meer auffteigend vor, und zumeilen ift fie 
durd die über ihrem Haupt chwebende Sonnen⸗ 
ibe oder durch einen Nimbus gelennzeichnet. 
Einigemal tragt ſie auch als Tau ſpendende Goͤttin 
Krüge in den Händen (ſ. vorſtehende Abbildung). 
Berühmt ift das Freslogemälde von Guido Reni 
im Palaſt Rofpigliofi zu Rom (Aurora vor dem 


70 


Magen des Sonnengotte3 Blumen ftreuend; ſ. 
Tafel: Stalienifhe Kunft VIII, Fig. 1) und das 
von Guercino in der Billa Ludoviſi dafelbft. — €. 
beißt aud der 221. Planetoid. 


fander, Johann Friedrich Freiherr von, Bau: 
meijter, * eines Generals Nils E. in Riga, 
erbte das Adelsdiplom von Göthe von einem 


Verwandten, kam 1692 nad Berlin an ben fur: 
brandenb. Hof, wurde 1699, nachdem er in bes 
Ku en Auftrag Stalien und Frankreich berei 
batte, Hofarditelt und Hauptmann, 1702 General: 
quartiermeifter und Baudireltor, 1705 Oberft. In⸗ 
folge der Beſchränkung der Hofhaltung beim Re: 
gierungsantrett Friedrich Wilhelms L trat er 1714 
ala Generalmajor in ſchwed. Dienfte über. Nach— 
dem er bei der Belagerung von Stralfund von den 
Preußen gefangen, bald aber wieder freigelafien 
worden war, ging er nad Frankfurt a. M., ruinierte 
durch aldimiit. Berfuhe das mweitbelannte Bud: 
bändlerhaus Merian, aus dem er eine Tochter gehei⸗ 
ratet hatte, trat dann 1723 in die Dienfte Auguſts 
de3 Starten von Sachſen und Polen und ftarb 1729 
in Dresden. Als Architelt war E. der Nebenbubler 
und Gegner Schlüter, als jchulgerecht gebilbeter 
Künftler gegenüber dem Vertreter üppigen Barod: 
ſtils. Er baute Schloß Schönhaujen bei Berlin 
1704), am Schlofje Dranienburg (17069) zwei 
fügelbauten, das Drangeriehaus und den Garten: 
pavillon Favorite, gab dem Eharlottenburger Schloß 
jeit 1706 feine jegige Geftalt und trat nah Schlü— 
ter8 Sturz in deſſen Stelle ald Schloßbaubdireftor. 
Bas im Schloſſe jein Werk ift, ift ftreitig. Sicher 
ugeſchrieben wird ihm das große Triumphthor 
Bortal II), eine Nachbildung des Konſtantinbogens 
in Rom, und die Weftfagade, und nad den alten 
Blänen die Berlängerungen der Flügel am Schloß: 
yiabe und Lujtgarten. Bei Dresven baute E. Schloß 
bigau. Er gab in Frankfurt a. M. heraus: «Die 
Kriegsübung oder ber deutſche Soldat» (1. TL.). 
Eofin, ein practvoll roter, zum Färben von 
Seide und Wolle dienender Jarbito Es iſt Tetra: 
bromfluorescein, C,, H, Br,O, (j. Fluoresceĩn). In 
der Färberei wird vorzugsweiſe ein ſog. majler: 
löglihes E. angewendet, welches das Kalium: 
ſalz des — iſchen Tetrabromfluoresceĩns ift: 
oH,K,Br,0,-6H,0. Man erhält das E., indem 
man eine Söfung von 1 Teil luorescein in 4 Tei⸗ 
len Ciöeifig mit einer Löfung von 2 Teilen Brom 
in 10 Zeilen ———— wobei es I nad 
einigem Steben in g oten Kryſtallen abſcheidet. 
Das waſſerlosliche E. entſteht, indem die Kryſtalle 
mit einer zur Loſung derſelben unzureichenden enge 
von Kalihydrat erwärmt werden. Das Kaliumſalz 
ift ungemein leicht loslich, die konzentrierte waͤſſe⸗ 
rige Löfung ift dunkel gelbrot, auf Zuſaß von viel 
aſſer wird die Flüffigkeit rotgelb mit grüngelber 
Bergen! Die Löfung färbt Wolle und Seide 
eiht und liefert ſchön rofafarbene Nuancen mit 
gelblihem Stich. Es wird hauptfählic zum Färben 
von Papieren und zum Heritellen von Laden, in der 
Mitroflopiihen Technil (f. d., Bd. 17) zur Färbung 
von Präparaten benutzt. Aihyl- und Metbylätber 
des E. beißen Erythrin und Spriteofin (oder 
Primerofe). Erfterer hat einen bläulichen Stich. 
Eofinophil (arch.), ſich leicht mit Eofin färbend; 
eofinopbile Zellen, gemwifle Arten der weißen 
Eoſiuſcharlach, |. Ecarlate. Blutkorperchen. 
Eötvös (ſpr. öttwöſch), Joſ., Baron, ungar. 
Schriftſteller und Staatsmann, geb. 3. Sept. 1813 


Eofander — Eötvös (Joſ., Baron) 


in Ofen, ftudierte in Peſt Philofophie und Juris: 
prubenz und trat, nachdem er 1833 die Advolaten- 
prüfung beftanden, in bie amtliche Laufbahn, die 
er aber bald verließ, um ſich ausschließlich der Lit- 
teratur zu widmen. Seit 1830 fchon veröffentlichte 
er mehrere, namentlich bie Luſtſpiele «Kritikusok» 
Ko Kritifer») und «Häzasulök» («Die Heirats⸗ 
uftigen») und die Tragödie «Boszü» («Rache»), die 
graben eifall fanden. Nach der Nüdlehr von einer 

eije durch Deutſchland, Frankreich, England, die 
Schweiz und bie Niederlande erſchien feine Schrift 
«Velemeny a foghäzjavitäs ügy&ben» («Gutachten 
über —* nisreform», Peſt 1842; deutſch, ebd. 
1842), die eine ganze Litteratur hervorrief und den 
Anftoß zu 2* en Reformen auf dieſem Ge- 
biete in Ungarn gab. Bald folgte fein Roman «Kar- 
thausi» («Der fartäufer», Beft 1842; deutſch, 8. Aufl., 
2 Bbe., Wien 1890), der wiederholte Auflagen er: 
lebte und eins der beiten Produkte der ungar. Litte⸗ 
ratur ift. Die Regfamteit, die feit Koſſüths Auf: 
treten in der Journaliftif entftand, zog auch E. an, 
und feine in dem Koſſuth-Szechenyiſchen Kampfe 
gegen Szechenyi veröffentlichte Schrift: «Kelet 
n£pe €s a Pesti Hirlap» (Peft el) übertraf durch 
Klarheit und gewandte Dialektik jelbft die Koſſuths. 
ALS die Liberalen ſich fpäter (1844) in Municipa- 
liften und Eentraliften fpalteten, wurde E. einer der 
beredteften Wortfübhrer der legtern. Um diefe Zeit 


dienen auch feine Romane: «A falu jegyzöje» 
= er Dorfnotar», 3 Bde., Veit 1845; deutſch von 
ailäth, 3. Aufl., 3 Boe., ebd. 1872; von Weil: 


zn in Reclam « Univerfalbibliotbel»), der das 
omitatsleben der Gegenwart, und «Magyarors 
1514-ben» ——— im J. 1514», 3 Bde., ebd. 
1847; deutſch von Dur u. d. T. «Der Bauernkrieg 
in Ungarn», 3 Tle., ebd. 1850), der den Dösfafchen 
Bauernaufftand von 1514 mit meifterhafter Treue 
und Lebensfriſche ſchildert. 

Nach der Märzrevolution von 1848 zum Kultus: 
minijter ernannt, entſprach E. wubl den Anforde: 
rungen feines Bortefeuille, aber nicht den ſtürmi⸗ 
ſchen Zeitverhältniffen. Er verließ nach der erfolg: 
ten Auflöfung des Minifteriums Batthyänyi das 
Land und ging nah München, wo er bis 1851 
verblieb und ſich ausschließlich mit litterar. Stu: 
dien befhäftigte. Die bedeutendſte Frudt der: 
felben ijt: «Der Einfluß der berrjchenden Ideen 
des 19. Jahrh. auf den Staat» (ungariſch, 2 Bde., 
Wien 1851; deutſch, 2 Bde. Lpz. ei n deut⸗ 
ſcher Sprade erfhien von ihm die «Gleichberechti— 
gun der Nationalitäten in Öjfterreich» (2. Aufl., 

ien 1851). Biel Auffeben machte feine anonyme 
Schrift: «Garantien der Macht und Einheit Öjter- 
reichö» (Pp5.1859). E. der 1851 nad Ungarn zurüd: 
Fr war, wurde 1856 zweiter Präfident der Un: 

arijhen Alademie und erntete als ſolcher großen 
Ruhm durch feine alademiſchen Feitreden, die 1868 
—— erſchienen («Magyar irök és Allamfer- 
iak», d. h. « Ungariſche Schriftjteller und Staats: 
männer»). Auf dem kurzen Reichstag von 1861 
war er Repräjentant der Stadt Dfen. Hierauf 
mwibmete er fich wieder mehr der Bolitil. Er be: 
ründete 1865 das «Politikai Hetilap» («Bolit. 
Bochenblatt»). ALS Ungarn wieder ein eigenes, 
dem ungar. Parlament verantwortlides Minifte: 
rium befaß, wurde E. 18. Febr. 1867 zum Kultus: 
und Unterrihtöminifter ernannt und entfaltete na- 
mentlich im Unterribtöbepartement eine eifrige und 
ſegensreiche Thätigleit. Ein unbeftreitbares Ber: 


Eötvös (Karl von) — Epalten 


vimft erwarb er ſich durch Einführung des Schul 
wanges und burch die Erhebung der Vollsſchule 
einem vom Konfeſſionalismus unabhängigen 
Bemeind einjtitut. In allen polit. Sagen nahm €. 
tine beruortagende Stellung im Minifterium wie 
m Reihötage ein, wo er einer ber bedeutend» 
ten Redner galt. 1866 wurde er zum Präfipenten 
ver Ungarif Alademie gewählt. Er ftarb 2. Febr. 
1871. Sein Dentmal (Brongefiatue von Ädolf 
Dalcz) auf dem Edtvösplak in Budapeſt wurbe 
5. Mai 1879 enthüllt. E. gehörte zu jenen ungar. 
— Tu weientlih ta ber iberalen und ne 
eit ich in i en und nas 
tionalen Deals bewegte. Eine Geſamtaus⸗ 
gabe jeiner 'e tft im inen iffen. i 
Sein Sohn Roland, Baron E., geb. 27. Juli 
1848 in Budapeft, ftudierte in Königsberg und 
Heidelberg Naturwiſſenſchaften, habilitierte ih 1871 
als Docent an der Univerfität in Budapeft und 
ibernabm 1875 den 2ebrftuhl für Erperimental- 
phofik daſelbſt. Seine Forſchungen in betrefi der 
Rapillarität und der Gravitation ſowie zahlreiche 
in Fachblattern veröffentlichte Auffäge machten E.' 
Ramen aud im Auslande befannt. Seit 1873 ift 
E. torreipondierendes, feit 1883 ordentliches Mit- 
ied und jeit 1898 Präfident der Ungarijchen 
tabemie der Wiſſenſchaften. Auch ift E auf Les 
ben3zeit ernanntes a. lied des ungar. Magnaten: 
baufes. Im J. 1884 ahm er das Vortefeuille 
far Kultus und Unterricht und erftrebte die Durch⸗ 
rübrung ber fi olit. Gejege ( Civilmatrilel, obli: 
gatorijhe ECivi je, Reception der Juden); doch 
ſchied er mit Welerle 1895 von feinem Boften und 
übernahm wieder feine Profeſſur an der Univerfität 


zu Bud 2 
&Eötudß (ſpx.ottwoſch), Rarlvon, ungar. Staats⸗ 
mann und wert eb. 11. März 1842, war 
Brofejjor der Philoſo die an der prot. Rechtsala⸗ 
demie zu Im Parlament jhloß er jih der 
Deät-Barıei an und z0g ſich nach der Vereinigung 
ver Deäliften mit dem unter Führung Roloman 
Tiſzas ſtehenden linlen Gentrum in das Privatleben 
zurüd. 1878 erſchien er wieder im Parlament, dies⸗ 
mal als Mitglied der Unabhängigleitspartei, die 
das Ausgleihöwerl Deäts befehdet. In derfelben 
Zeit ließ er fih in Budapeft ald Rechtsanwalt nie: 
der und machte fi im ZiijasEizlärer Morbprozeb 
als Berteidiger befannt. Er genießt den Ruf eines 
ichlagfertigen Redners im t3faal wie im 
Barlament. Neben polit, Artiteln jchreibt er au 
Seuilletons und belletrijtiihe Sachen, von denen 
eine Sammlung u. d. T. «Munkäi» (4 Bde., Budas 
peſt 1901) erſchien. 
Eozöõiſche Formation, |. Archäiſche Forma⸗ 


pe. 
Es zõñ on rg «Morgenrötetier»), auch Eozoon 
canadense, hat man durch eingeſchaltete Kalllagen 
— ſch gebänderte Serpentinballen (alſo 
eine Art Ophicalcit) genannt, die zuerſt von Logan 
in den alliniſchen Kallſteinen der Urgneis⸗ oder 
Laurentiſchen Formation Canadas, ſpäter auch 
anderorts Baytiſcher Wald, Krumau und Raſpenau 
in Bohmen, Finland, Schweden) gefunden und von 
ihm und andern Naturforſchern fuͤr Reſte einer rie⸗ 
figen Foraminifere gehalten wurden, Der Name E. 
follte darauf hindeuten, daß dieſes Foſſil eins der 
eriten organij, en auf Erben daritellt. Der 
erganifche Urjprung gilt jedoch durch Möbius (Der 
Bau des Eozoon canadense, in den «Paläonto: 


71 


rapbica», Caſſ. 1878) als widerlegt. — Bol. no 
er, Das Eozoon canadense (Spz. 1885). 
o. p., Abkürzung auf Bifitenfarten für en per- 
sonne (frz., d. b. perjönlidh). = 
s Cav., Pflanzengattung aus der Familie 
der fridaceen (ſ. d.) mit gegen 25 größtenteils 
auftral. Arten, zierliche Sträuder mit meijt ſchma⸗ 
len und grünen Blättern und ährig oder traub 
geordneten Blumen, die aus einem gefärbten fünf: 
teiligen, von gleichfalls gefärbten Dedblättern ums 
ebenen Kelche und einer röhrigen Blumentrone be; 
eben. Zu den jhönften Arten gehören: E. grandi- 
flora Smth., von der mehrere Spielarten rein weiße 
(4.8. var. candidissima und hyacinthiflora alba), 
— a und —— —5 ——— 
yacinthiflora rubra u. a.) beſißen; E. pungens 
deren Blumen nad und nah aus Purpur in Beiß 
übergeben; E. Colepandi, paludosa, impressa u. a. 
Die Epatriden ftimmen im allgemeinen mit den füd: 
afril. Ericaceen überein, find aber etwas bärterer 
tur, fo daß fie in Südeuropa ſogar im Freien 
unterhalten werben können. In Deutfchland da- 
gegen müfjen fie gleich diefen in Topfen mit Heide: 
erde in der Orangerie oder in einem eigens für fie 
eingerichteten Glas hauſe unterhalten werden. Man 
vermehrt fie aus Samen und dur Stedlinge. 
Epagöge (grch.), Induktion (f. d.); epagogi⸗ 
ber Beweis, indultiver Bemeis. 
—— (grch.) die fünf Ergänzungstage 
am Schluſſe des äghpt. Jahres (ſ. Kalender). 
Epakme (grch.) — Palaontologie. 
Epafridaccen, Pflanzenfamilie aus der Ord⸗ 
nung ber Bicornen (f. Bicornis) mit gegen 300, meift 
außertropifhsauftraliihen, auch neufeeländifhen 
und neucaledonijhen Arten. Es find Sträucher 
oder Heine Bäume mit Meinen, dicht ſtehenden, 
häufig ſehr fhmalen, nabelartigen Blättern. Die 
regelmäßigen zwitterigen Blüten fteben einzeln oder 
in Ahren und Trauben und find gewöhnlich weiß 
ober rot gefärbt, bejigen einen meijt fünfteiligen 
Kelch, eine in der Regel gloden: oder röhrenför- 
mige Blumentrone mit fünf Lappen, jünf Staub> 
efäßen und einen oberitändigen, zwei: bis zehn: 
äcerigen Fruchtkhnoten, auf dem ein fadenförmiger 
Griffel auflist. Die te find bei mehren E. 
Steinfrüchte mit fleifhiger Hülle, bei andern da⸗ 
gegen Rapfeln. Einige E, werden in Deutſchland 
in ben Ralthäufern wegen ihrer fhönen Blüten und 
zierlihen Blätter kultiviert. (S. Epacris.) 
Epaͤkten (grch. d. i. binzugefügte, eingeſchaltete), 
in ber —— diejenigen Zahlen, welche für 
jedes Jahr das Alter des Mondes am Neujahrs: 
tage ausbrüden, d. b. a wieviel Tage am 
1. Jan, feit dem legten Neumond verflofien ae 
Man nennt fie daher auh Mondzeiger. n 
at aftronomifche und kirchliche €. zu unter: 
cheiden. Die erftern geben genau an, wieviel Tage 
im Anfange eines bejtimmten Jahres feit dem leg: 
ten Neumonde wirklich vergangen find. Wenn z. B. 
der legte Neumond eines Jahres in der Mitternacht 
vom 26. en den 27. Dez. ftatthatte, jo find am 
1. Jan. des folgenden 9 fünf volle Tage Ki 
jenem Neumonde verflojjen oder die Epalte des fol: 
enden 338 iſt 5. Zieht man dieſe Zahl von der 
(mon en Umlaufszeit des Mondes, d. b. von 29,53 
agen, ab, jo erhält man 24,58, oder ber erite Neu: 
mond dieſes folgenden Jahres fällt auf den 25. Jan. 
12,71 Stunden nad) Mitternadt, d. i. 43 Minuten 
nah Mittag. Man braucht nun zu der Zeit die: 


12 


ſes erften Neumonde3 nur wiederum 29,53 Tage 
zu abdieren, um den folgenden Neumond zu fin 
ben, worauf fih in analoger Weije die fämtli 
Bean Neumonde des betreffenden Jahres ermit: 
teln lafien. Doc find dies nur die jog. mittlern 
Neumonde, wobei man die Bewegung des Mondes 
als gleihförmig vorausſetzt, was fie doch nicht ift: 
die wahre Zeit der Neumonde berechnen die Aitro: 
nomen nah den Mondtafeln. — Falt immer find, 
wenn von E. die Rede ift, die kirchlichen gemeint, 
nad denen das Diterfeit beitimmt wird. Hierbei 
wird bie Differenz zwiſchen dem Gregorianifden 
bürgerlichen Jahre von etwa 365*/, Tagen und dem 
aus 12 Mondwechſeln oder fynodifhen Monaten 
beitehenden Mondjabre, welche eigentlich 10,88 Tage 
beträgt, in runder Zahl zu 11 Tagen, der ſynodiſ 
Monat aber zu 30 Zagen angenommen. Die einem 
Jahre zulommende Epalte hängt ab von der Stelle, 
die ed im 19jährigen Mondcyllus, nad) beijen Ab: 
lauf die Voll: und Neumonde wieder auf bie näms 
lihen Zeitpunkte des Sonnenjahrs ng (f. Ras 
lender), einnimmt. Im Gregorianifhen Kalender 
—— der Mondcyllus mit einem auf den 1. Jan. 
fallenden Neumond. Dieſer Tag wird daher mit 
* (m I bezeichnet. Im zweiten Jahre ift die Epalte 
11 (d.h. der Mond iſt am 1. Yan. 11 Tage alt), im 
dritten 22, im vierten 383 oder, da das Alter des 
Mondes (Mondmonat) 30 Tage nicht überjchreiten 
tann, 3, im fünften 14 u. ſ. w. Dan kann bie E. 
eines jeden Jahres direkt finden, wenn man von der 
Goldenen Zabl (f. d.), d. b. von der Nummer, die 
das betreffende Jahr im 19jährigen Eyflus führt 
1 abziebt, den Reit mit 11 multipliziert und durd 
80 dividiert. Der alsdann verbleibende Reſt ift die 
geinhte Gpalte. So bat 3. B. das 3. 1905, defien 

oldene Zahl 6 it, die Epalte 14. 

Für längere Perioden erfordert die Epalte zeit: 
weilige Korrekturen, weil im YJulianifchen Kalender 
die Neumonde nad 310 Jahren einen Tag zu früb, 
im Gregorianifchen ge nad 235 Jahren einen 
Tag zu Mat eintreten. Um nun nicht im Laufe eines 
Jahrhunderts eine IInderung vorzunehmen, wird, 
indem man den Julianifchen Kalender zu Grunde 
legt und fodann die Abweichungen des Öregoriani: 
f den Kalenders berüdfichtigt, nach dem Ablauf von 
je drei Jahrhunderten die Epalte um eine Einheit 
erböbt, page en nad denjenigen Säfularjabren, in 
denen die € Saltun unterbleibt, um benfelben Be: 
trag vermindert. Die eritere Korrektur beißt bie 
Mondgleihung, die legtere die Sonnenglei: 
hung. Die Mondgleihung trat zum erftenmal 
ein im J. 1800 und wird mithin 2100, 2400, 2700 
u. f. m. wiederum ftattfinden. 

Um die Gregorianifhen €. für jedes Jahrhundert 
bequem berechnen zu konnen, bedient man ſich der 
fog. Julianifhen E., melde dad Monvdalter am 
1. Jan, alten Stil zur Zeit der Kalenderreform 
(1582) für die 19 Sabre des Mondzirteld be: 
zeichnen. Hiernach ift im erften Cyllusjahr die 
er 11, im zweiten 22, im dritten 3=3 u.j.w. 

an findet num die Gregorianifhen E. der ver: 
ſchiedenen Eyllusjahre für jedes einzelne Jahrhun⸗ 
dert, indem man von ben entiprechenden Juliani⸗ 
Iden €. jo viel Einheiten abziebt, als nach Berüd: 
ihtigung ber zur Zeit der Reform beftehenden 
Kalenderdifferen; ſowie der nachher eintretenven 
Sonnen: und Mondgleihungen in Wegfall tom: 
men muſſen. Cin bequemes Hilfsmittel, um auf 
Grund der E. die Gregorianiſchen Daten ſämtlicher 


Epaktos — Epaminondas 


Neumonde eines gegebenen —— zu finden, 
bietet der ſog. Immerwährende Kalender (f. d.). 

Epaktos, griech. Ort, ſ. Lepanto. 

Epaminondas (grieh.Epameinöndas), der 
ge te Staatömann und Feldherr Thebens, ein 

obn des Bolymnis aus einer vornehmen, aber nicht 
ſehr wohlhabenden Familie, wurde um 418 v. Chr. 
geboren. Wichtig wurde für ihn der Umgang mit 
dem aus Tarent nach Theben geflüchteten und von 
€. Bater gaftfreundlih aufgenommenen Pytha— 
goräer Lyfis, dem E. die Ausbildung der hoben 
und edein Ei enſchaften, welche ibn auszeid: 
neten, hauptſächlich verdankte. Im J. 385 v. Chr. 
diente er in dem von den Thebanern den Spar: 
tanern zur Unterftügung ihres Angriffs auf Man: 
tinea in Arladien pfosten Hilfslorps und rettete 
im Kampfe, obwohl felbit verwundet, jeinem ſchwer⸗ 
verwunbeten Freunde Pelopidas das Leben. Nah 
der Beſetzung der theban. Eitadelle Kadmea durd 
die Spartaner (382) lebte er zurüdgezogen in Armut 
peilof. Studien, nahm aber eifrigen Anteil an der 

orbereitung ſowie aud an der Ausführung des 
fühnen Handitreihs, wodurd Ende 379 die Unab: 
pängigteit Thebens mwiederbergeitellt wurde. Nur 

ei der Ermordung der oligardhiihen Regenten 
verweigerte er feine Teilnahme. Als er 371 zum 
Böotarhen ernannt und mit andern tbeban. Abge 
ordneten im Juni zum Friedenslongreß nad) Sparta 
geſandt ward, vertrat er die Anjprüche Thebens 
auf die Herrſchaft über die andern böot. Städte mit 
unbeugfamer Entſchloſſenheit. Als darauf bin die 
Spartaner unter Führung des Königs Kleombrotu: 
in Böotien einfielen, wurden fie von den Thebanern 
unter Führung des €,, deflen liberlegenheit in der 
Zattit (Erfindung ber ſog. ſchiefen Schlachtordnung 
zn ich den Sieg entſchied, in der Ebene von 

euftra geidlagen Sul) Nunmehr vermochte 
€. die Böoter und Pholer zur Anerkennung der 
theban. Oberherrſchaft zu nötigen; auch die Ültoler 
und Lokrer verbündeten fich mit ihm. 

Das Jahr darauf 30 ., wieder zum Böotarden 
ernannt, in den Peloponnes, bewog die Argiver, 
Arkadier und Eleer ſich ihm anzuſchließen, drang 
im Dez. 370 in Lalonien felbft ein und durchzog 
dieſes Land, das feit unvordenflicher Zeit von feinem 
feindlihen Heere betreten worden war, 369 von 
einem Ende zum andern; nur die von Agefilaus 
verteidigte Hauptſtadt vermochte er nicht zu erobern. 
Um aber die Übermacht Spartas dauernd zu ver: 
nichten, bewog er die Bewohner des ſudl. und weſtl. 
Arladiend jowie die durch ihn wieder zur Selbitän: 
digfeit erhobenen Mefjenier, ſich je zu einem Ein: 
beitäftaate zu organijieren; als Mittelpuntt ber 
polit. Konzentration hatten die Arkadier ſchon vor 
E.’ Zug in den Peloponnes Megalopolis gegründet; 
jest gründeten - efiene ald Hauptitadt Meile 
niens. Nach Theben zurüdgelehrt, wurde er zu: 

leih mit Pelopidas von feinen radifal-bemotrati: 
—* Gegnern «wegen eigenmächtiger Verlängerung 
einer Amtsdauer⸗ n ben Tod angellagt; aber ale 
er die Erfolge des Feldzugs darg sat tte, ging 
das Gericht, ohne aud nur zur Abftimmung zu 
f&hreiten, auseinander. Das Bdotarchat wurde ihm 
aufs neue übertragen und er unternahm noch 369 
einen — Einjall in den Peloponnes, diesmal 
obne bedeutende ie Er wurde infolgedejien 
von neuem von feinen Gegnern angellagt und dies: 
mal feines Amtes entjegt. Als er aber 368 ein 
tbeban. Heer, in dem er al gemeiner Soldat diente, 


Epandieren — Epee 


in Theſſalien durch feine Umfiht vor Vernichtung 
teitete, wurde ihm der Dberbefehl wieder übertragen. 
Seit 365 bewog er in gefährliher fberfpannung 
der Kräfte feines Landes die Thebaner, eine Flotte 
u gründen, um aud zur See, jebt auf Koſten der 
tbener, die Führung der grieh. Staaten zu ge 
winnen; 364 un m er an der Spiße einer an⸗ 
ſehnlichen Flotte eine Seefahrt bis nah Byzantion, 
das er ſowie Ebiod und Rhodus zum Aklal von 
Athen und Anſchluß an Theben bemog. Eine Spal⸗ 
tung unter den ‚ von denen ein Teil, die 
Mantineer an der Spike, auf bie Seite ber Spar: 
taner trat, veranlaßte die Thebaner zu einem vierten 
Zuge in den Beloponnes, wiederum unter yührun. 
des E.; bei Mantinea fam e3 zur Schladt, in wel: 
cher auf Seite der Thebaner 33 000, auf Seite der 
Gegner 22000 Mann fämpften. Noch bevor der 
Si chieden war, wurde €. durd einen Wurf: 
fpieß tödlich verwundet, jo daß er hinter die Schlacht: 
linie getragen werden mußte; bier erfreute i 
ver Anblid jeines geretteten Schildes und die Nach⸗ 
richt, daß der Sieg gefichert jei. Bald darauf ver: 
ichied er (3. Juli 362) und wurde auf dem — 5— 
felde —— Mit ſeinem Tode war die Madt: 
jtellung Tbebens, das feine E. ebenbürtigen Männer 
* Zi — Anger — - ge ift eine 
urze Biographie des E. von Cornelius Nepos er: 
— Bol. Bun €. und Thebens Kampf um 
die Hegemonie (Bresl. 1834); Bomtom, Das Leben 
des E., jein Eharalter und feine Politik (Berl. 1870); 
Stern, Geſchichte der jpartan. und theban. Hege⸗ 
monie (Dorpat 1884). , 
Epandieren (frj., ſpr. epangih-), fein Herz 
— ſich * —— * anche⸗ 
ment (jpr. epangſchmangh, Herzensergießung. 
—— der griech. Mythologie des 
Zeus und der Jo. Als König von — erzeugt 
er mit Memphis, der Tochter des Nil, oder mit 
KRaffiopeia die Libya, Lyſianaſſa und Thebe. 
ärch (arieb. Eparchos), Vorgeſetzter, Be: 
jebls ‚ beſonders Statthalter einer Provinz; 
Epardie, die Würde eines €. und der Verwal⸗ 
tungäbezirt eines ſolchen. Das Byzantiniſche Reich 
war in ber ältern Zeit in 64 Epardien geteilt, von 
denen in dem «Synekdemos» des Hierolles (wahr: 
ſcheinlich aus der Zeit des Kaiſers Juſtinian I.) 
und in Georgius Eyprius (um 600 n. Ebr.) eine 
ftatift. Überfiht erhalten ift. Auch die Diöcejen 
oder Sprengel der Biſchofe oder Erzbiſchofe der 
— irche wurden Eparchien — in Ruß⸗ 
and iſt dies noch jetzt der Fall. — Im jetzigen 
Konigreich Griechenland iſt Eparchie die Bezeich⸗ 
mung der Unterabteilungen des Nomos (ſ. d.). Das 
Land war bis 1886 in 59 Epardien eingeteilt. 
Seitdem wurden aber die Epardien, eine kurze 
Wiedereinführung von Mai 1891 bis Juli 1892 
ausgenommen, abgeihafit und die Demen (j. De: 
rt, goes direlt unter bie Nomarchen (f. d.). 
Eparchie, ſ. cc. 
———— ., Ipr. vol mäng), ß 
Epauletten (frz., von épaule, ſpr. epohl, 
«Schulter»), Uniformteile, die auf den Schultern 
en werben, und — von Offizieren gleich den 
Koiehinden (f. d.) auf dem Waffenrode, jevod nur 
jum Parade⸗, a: und Gejellihaftsanzuge, außer: 
dem auch von den Mannjhaften der Ulanen: und 
Schweren Reiterregimenter und von den Gtabs: 
erdonnanzen (f. Orbonnanz), ſowie aud von den 
böbern Militär: und Eivilbeamten; doc find fie bei 


13 


den Galauniformen der legtern feit 1889 weggefal: 
len. Die Felder der E., meift aus farbigem, dem 
der Achfelllappen entiprechendem, bei Feuerwerls⸗ 
—— ſchwarzem Tuch, für Generale und eins 
zelne Regimenter (3. B. der ſächſ. Armee) filbern, 
auch für höhere Beamte filbern oder golden, werben 
von einem Halbmond aus glattem, bei Beamten 
ham weißen oder gelben Metall eingefaßt. 
a3 Scieberftüd dient zur Befeftigung unter den 
Gpaulettbaltern ( ug en und an den Schulter: 
Indpfen. In den Feldern befinden ſich die be 
ondern Abzeichen der Truppenteile (Nummern, 
** oder der Korporationen (Askulap⸗ 
ſtab der Sanitätsoffiziere, Wappenſchild der Be 
amten), ſowie die Sterne oder Roſetten als Grad: 
abzeichen. Als Gradabzeichen treten bei Stabsoffi⸗ 
ieren die von den Halbmonden herabhängenden, 
eglichen Franſen (Kantillen), bei Generalen bie 
5 ſilbernen Raupen hinzu. Die Marine: 
offiziere tragen E. mit goldenen Feldern, ebenſolchen 
—— Halbmonden und Franſen oder Rau 
ie E. find in faſt allen Heeren, außer in Oſter— 
rei, eingeführt, zuerft in Frankreich. Urfprünglich 
aus den Schugwaflen hervorgegangen, dienen fie 
jest nur als Zierat. Im deutjchen Heere wurden fie 
(außer bei ven Ulanen) 1866 in ber Feldbelleidung, 


1888 in der Dienftbelleidung überhaupt dur 
age ver (f. d.) erjebt. , Schweiz). 
aunnm, alte Stadt, f. Saint Maurice 


Epe, Dorfim Kreis Ahaus des preuß. Reg.Bez. 
Münfter, an der Dinkel und der Dortmund: Gro: 
nau:Enjheder Eiſenbahn, bat (1900) 1314 E., dar: 
unter 52 —— und 36 Israeliten, Poſt, Tele⸗ 

raph, ln mmollweberei. Das Kird» 
Piel E. bat 3169 E., darunter 469 Evangelifche. 

Epée (fpr. epeh), Charles Michel, Abbe del, 
einer ber Begründer be3 franz. Zaubftummenunter: 
richts, geb. 25. Nov. 1712 zu Verſailles, widmete 
ſich dem geijtlihen Stande, wurde aber, ba er das 
in Bezug auf die Janfeniftifhen Streitigkeiten ein: 
ge übrte Formular nicht unterzeichnete, vom geijt: 

ihen Amte ausgejhlofjen. Als er jpäter doc 
durch des Prälaten Boſſuet Einfluß Prediger und 
Ranonikus zu Troyes wurde, entjegte ihn der Erz⸗ 
biſchof von Paris, de Beaumont, wieder. Er lebte 
nun zurüdgezogen in Paris, wo er um 1765 Vers 
aan and, fih mit dem Unterricht zweier 
taubjtumm geborenen Schweitern zu beihäftigen, 
Ohne etwas von frühern Verſuchen, Taubjtumme 
zu bilden, zu wiſſen, erzielte er mit Hilfe einer mes 
tbodifh entwidelten bärdenfprahe und bes 
dingeralphabet3 jo glüdliche Erfolge, daß er ſich 
entfchloß, diejen Bemühungen fein ganzes Leben zu 
widmen. Um 1770 —— er auf ſeine Koſten in 
Paris die erſte Taubſtummenanſtalt. Sein Unter: 
richtsverfahren (ſ. Taubſtummenunterricht) fand 
unter dem Namen der «Franzöfifhen Methode» 
in vielen Ländern Eingang. Biele Unannehm: 


. | lichkeiten entftanden dem Abbe aus feinen Strei: 


tigleiten mit Heinide (j. d.) und aus einem 

rojeB, den er im Intereſſe eines taubftummen 

öglings führte, den man im %. 1773 auf der 

traße von Peronne bilflo8 gefunden hatte. €. 
meinte in ihm den ausgeftoßenen Erben der reihen 
gräfl. Familie Solar zu entdeden, und forderte 
dejjen Recht zurüd. Derjelbe wurde aud 1781 als 
Graf Solar anerlannt; aber bei Revidierung des 
Prozeiied nah dem Tode E,3 wurde 1792 das Ur- 
teil umgeftoßen. Bouilly benugte diefen Stoff zu 


14 


feinem Scaufpiele «L’abb& de E.», welches 
Kotzebue u.d.T. «Der Taubjtumme» für die deutiche 
Bühne bearbeitete. E.3 Lieblingswunſch, die An: 
ertennung feiner Taubftummenanitalt als Rational: 
inftitut, kam erft nad) feinem Tode (23. Dez. 1789) 
unter feinem Nachfolger Abbe Sicard 1791 zur 
Ausführung. €. ſchrieb eine «Institution des sourds- 
muets» (Bar. 1774), die fpäter von ibm verbeflert 
u.d.T. «La vöritable maniöre d’instruire les sourds 
etmuets» (ebd. 1784) erſchien. — Val. Bebian, Eloge 
de Charles Michel de I’E. (Bar. 1824); Neumann, 
Die — — zu Paris (Königsb. 1827); 
Berthier, L'abbé de l’E. (Bar. 1852). 
Epeios (lat. Epeus), der Erbauer des böl: 
ernen Rofies, mitteld deſſen Troja erobert wurde. 
der Ilias ift E., Sohn des Panopeus, ein 
tapferer Kämpe, ausgezeichnet im Fauftlampf. Nach 
einer andern Sage war er ein MWaffenträger der 
Atriden, und u ilowerlen jeigt er biömweilen dem 
Agamemnon neben dem Herold Talthybios. 
‚Epeira, j. Kreuzipinnen. E. diademäta Cl., 
die gemeine ſtreuzſpinne, ſ. Tafel: Spinnentiere 
und TZaufendfüßer I, Fig. 6. 
Epeiroß, ſ. Epirus, 
Epen, , Epos. lhöhlen überziebt. 
Ependyma (grech.), die feine Haut, die die Gehirn⸗ 
Epenthẽſe (grch. das «Dazmifchenjeken», «Ein⸗ 
Ihieben»), die Einſchiebung von Lauten zur Er: 
leihterung der Ausiprade, 3. B. canif (frz.) aus 
(angeljäd u) enif, Alcumäöna (lat.) aus (grch.) 
Alkmönd. Die heutige Sprachwiſſenſchaft gebraucht 
dafür die Ausprüde Anaptyris (grd.) oder 
Sparabbalti (indiſch) und nennt E. den Vorgang, 
= der i⸗ oder u⸗Laut einer Silbe in der vorher: 
gebenden Silbe vorklingt und ſich hier mit einem a, 
e oder o zum Diphthongen verbindet, 3. B. griech. 
phainö («ich — aus phanjõ. (S. auch Umlaut.) 
Eperdu (fr;., pr. -düb), beftürzt, außer ſich. 
Eperjed (pr. epperjeſch), jlam. Preiov, Stadt 
mit georbnetem Magijtrat mit dem Titel lonigl. 
* adt und Haupiſtadt des ungar. Komitats 
äros, bis 1876 königl. Freiſtadt, eine der älte— 
ſten und nach Kaſchau die ſchönſte Stadt Dber: 
De leg lint3 von der Tarcza, an der Linie Abos: 
Drlö der Kaſchau⸗Oderberger Bahn und an der E.: 
Bartfelder Eifenbahn (45 km), Sitz eines griech. 
tatb. Biſchofs, des Obergeſpans, eines königl. Ge 
richtshoſs und Wechſelgerichts und der 54. Infan— 
teriebrigade; €, ijt mit alten Ringmauern um: 
geben und nad dem Brande von 1887 größten: 
teilö neu aufg baut, es bat (1900) 14447 meift 
flowat. kath. €. (5513 Magyaren, 1705 Deutſche; 
1581 Griedi en de, 1556 Gvangelifche und 
2106 Söraeliten), in Garniſon 2 Bataillone des 
67. ungar. Infanterieregiments und da® 18. Divi: 
——— 6 Kirchen, eine Synagoge, 
ein luth. Diſtriktskollegium (tbeol. Lehranſtalt und 
Dbergymnaftum), katholiſches —* Obergymna⸗ 
ium, eine Hauptſchule, biſchöfl. Bibliothek, ein 
are ange und ein Franziskanerlloſter; Leis 
neninduftrie und Gteingutfabrifen, bedeutenden 
Handel mit Getreide, Leinwand, Bauerntuc, He: 
— Wein und Vieh. Die ſchönſten öffentlichen 
ebäude der Stadt find: die fpätgot. St. Nitolas: 
tirhe mit Turm (70 m) aus dem 18. Jahrh., das 
Komitatshaus, Kapitelbaus, Stadthaus und Thea: 
ter. Liber der Tarcza befindet fich der viel bejuchte 
RKalvarienberg (82 m) mit fhöner Ausſicht. Etwa 
+ km im Süden Sövär (f. d.) mit Solquelle. — €, 


Epeios — Epernon (Stadt) 


verbantt feinen Urfprung deutſchen Roloniften un 
war um die Mitte des 13. Jahrh. ſchon ein blühen 
ber Ort. Ludwig I. erhob €. 1374 zur königl. ⸗ 
dee ſpäter wurde es befeſtigt und mit einer 

enge — beſchenkt. Die Lehren Luthers 
anden bereits 1530 —— Unter der — 
chen und der Rakoczyſchen Revolution hatte E. 
viel zu leiden, und ſeit 1673 kam auch durch die 
latholiſierende Gegenreformation viel Ungemach 
über die Stadt. Der kaiſerl. General Anton Ca— 
ee bier 1687 das fog. Eperiejer Blut— 
gericht ein und ließ auf dem Hauptplae ein ſtän⸗ 
diges Schafott errihten, auf dem 9. Mai 30 
ber angejebenften prot. Bewohner der Stadt ihr 
Leben einbüßten. Großen erwarb im 16. 
und 17. Jahrh. die Stadt durd ihr vortrefflices 
——— in ihren Lehranſtalten unterrichteten 
zumeiſt hervorragende Gelehrte und Schulmänner 
aus Deutſchland, doc ging das Deutſchtum dafelbfr 
mebr und mehr zurüd, das Slamentum gewann 
die Oberhand. Am 7. Mai 1887 wurde ein großer 
Zeil der Stadt durd Brand zerftört. 

Epernah (ipr. -näb). 1) Arrondiffement im 
franz. Depart. Marne, hat 2136 qkm, (1901) 
97868 €., 174 Gemeinden und zerfällt in die 
9 Kantone Anglure, Avize, Dormans, E., Efternay, 

ere⸗Champenoiſe, Montmirail, Montmort und 

tjanne, — 2) Hauptitadt des Arrondifiements 
und des Kantons E., liegt 33 km norbiweftlib von 
Chaͤlons⸗ ne, an der Marne, über welche 
eine auf fieben Bogen rubende Brüde führt, am 
Ausgange eines fruchtbaren, reigenden Thals, ins 
mitten der reihften Weinberge der Champagne und 
an den Linien Paris: Deutih:Aoricourt (Örenze), 
€.:Romilly (84km) und E.:Reims (30 km) der Franz. 
Ditbahn. DieStadt ift Sik eines Gerichtshofs erſter 
re eined Handelögerihts, eines Kommunal: 

ollöge und einer Aderbautammer und bat (1901) 
19091, als Gemeinde 20478 E., in Garnifon das 
81. Dragonerregiment und Teiledes 1.,4.,9.,25.und 
26. Jägerbataillong, einen Flußbafen, große Aus: 
beflerungswerfftätten der Ditbabn, eine Bibliotbet 
(30000 Bände, 160 Handicriften), ein Theater, 
— Promenaden und eine 1828 — 31 im 
ital. Stil erbaute Pfarrkirche mit guten Glasmale: 
reien, E.ift Hauptbandelsplag für dieroten, weißen, 
mouffierenden und nichtmouffierenden Champagner: 
weine und treibt Wolljpinnerei, Brauerei, Gerberei, 
Fabrikation von Korkpfropfen, Müblfteinen, Lis 
queuren ſowie Handel mit Getreide und Mehl. Die 
Vorſtadt La Folie, bemohntvon den reichſten Wein: 
bändlern, mit geihmadvollen Häufern und fhönen 
Gärten, tft befonders merkwürdig durch in den wei⸗ 
hen Zuffitein getriebene Keller, in welchen durch⸗ 
ſchnittlich 5 Mill. Flafchen lagern, von denen etwa 
800000 aus den großen Beinpflanzungen bed Arron» 
diſſements ſelbſt lommen (Umjas jährlih 20 Mill. 
— — €. erſcheint in der Meromwinger: und Karo» 
ingerzeit unter dem Namen Sparnacum im P 
Remensis und kam unter den Rapetingern an die 
Grafſcha —— mit der die Stadt 1328 an die 
Krone gelangte. — Bol. Fievet, Histoire de la ville 
d’E. (3 Bde. Reims 1869); Nicaife, E. et l’abbaye 
St.-Martin de cette ville (2 Bove., Chälons 1870). 

Epernon(ipr. nöng), Stadtim Kanton Mainte: 
non, Arrondijjement Chartres des franz. Depart. 
Eure⸗ et⸗Loir, 8 km norböftlihd von Maintenon, 
am Zufammenfluß der in die Eure gebenden Guesle 
und Droue, in 106 m Höbe, an der Linie Paris: 


Epernon (Jean Louis de Nogaret, Duc d’) — Ephedra 


harttes der Franz. Weitbahn, hat (1901) 2294, ald 
de 2372 E., Bolt, Telegraph; Steinbrüce, 
berberei und Handel mit Getreide, Mehl, Gips, 
duch, Ziegeln, Pferden, Vieh und Wein. Bei €, 
irgt ein gewölbter Keller (13. Jahrh.), die Dechanei, 
tdemal3 zu der Priorei St. Thomas gehörig. Am 
‚Dt. 1870 fand in der Räbe ein Gefecht zwiſchen 
fanzofen und der6.preuß. Kavalleriedivifion ftatt. 
Eperuon (ipr. -nöng), Jean Louis de Nogaret, 
duc d’, franz. Staatömann, geb. 1554, aus einem 
Pelsgeſchlechte des Languedoc, ichloß fich ſchon 
kit 1573 Seinrich II. an, wurde dann einer ſeiner 
danſtlinge, und zwar der mädtigfte und zugleich 
der a bedeutendſte von allen. Anfangs hieß 
aCaumont und La Balette, 1581 machte ihn 
feinrich, der ihn mit Geld und mit Amtern über: 
i#üttete, zum Herzog von E. und Pair von Franl: 
md. E. * dies ſeinem Herrn redlich vergolten; 
ven ſtändiſchen Kräften gegenüber war er ein Ber: 
treter des reinen Zn Der Katholiſchen Liga 
war er unter Heinrichs Genoſſen der größte Stein bed 
Anftoßes; 1587 von jenem zum Gouverneur der Nor⸗ 
manbie ernannt, warf er jeine ganze Macht gegen 
fe in die Bagicale; doc zwang fie den König, ihn 
1588 nad Loches zu verbannen. Er blieb Heinrich 
dis zuleßt getreu; gegen Heinrid IV. aber bielt er 
ib zunächſt jurüd, trat jogar mit den Spaniern in 
indung und unterwarf ſich erft 1596. Er bebielt 

tus Goupernement Limoufin. Aus einem Bartei- 
yinger der Krone war er ein Mitglied der Dligar- 
ie der Provinzialftattbalter geworden (j. Liga 
und Heinrich elbftändigfeit der 


IV.), denen die 


deutſchen Fürften ald Ziel vor Augen ftand. E.war | R 


vielleicht der bedeutendſte unter diejen Stattbaltern; 
tolz, unlentjam, jeiner Nacht bewußt und fie ganz 
chend, bielt er fich beijeite. 1622 befam er 
dad Goupernement Guyenne; doch klagte man 
baufig über feine Herrihiudt, auch geriet er mit 
dem ment in Zwiſt. Richelieu aber, der foldye 
Sonderftellung nit mehr duldete, drüdte (1633) 
ven Herzog nieder; für die Härten jeiner Verwal: 
tung mußte er fi entichuldigen, er wurbe über: 
** und 1641 nach Loches verwieſen. Er ſtarb 
1642. — Bol. Girard (E.s Sefretär), Histoire de la 
vie du duc d’E. (Bar. 1655 u. d.); Montbrijon, Le 
premier duc d’E. (ebd. 1874). 
Widerlager 


' „‚Ipr.ep'röng, «Sporn») 

der bepfeiler, Bubne, Eiäbrecher, Giabod llei⸗ 
ußenwerl bei —— 
efügter Cab. 


ned vorfjpringendes 
SER EEE, nn all 
egeie (ard.), ein zur rung binzu: 
&pfig, Dorf im Kanton Barr, Kreis Schlett: 
kapt des Bezirls Untereljaß, 12 km nörblid von 
Sclettftabt, an der Linie Straßburg:Sclettitabt 
ver Eljah-Lothr. Eijenbahnen, hat (1900) 2423 E., 
darunter 39 Evangeliſche und 58 Israeliten, Boft: 
agentur, Telegrapb, Fernipredverbindung; Baums 
wollfpinnerei, bedeutenden Weinbau (290 ha Wein: 
berge), Aderbau und Biebzudt. Auf dem Richdon 
am öftl. Ende des Ortes die frübroman. Totentapelle 


Et. 
... ftebt in zufammengejepten Worten vor 
afpirierten Bolalen Hr Epi...(f.d.). 
Epha (Epbi), Hoblmaß der alten Hebräer, der 
jebnte Zeil eines Ebomer (\. d.). 
Epbe, joviel wie Ewe (j.b.). 
Fr. —— aus * — 
der Gall ten. te wenigen Arten bil: 
— rafenförmige Überzüge auf feuchten 


argareten (11. Jahrh.) in Kreuzform. 


75 

fen und find dadurch —— daß die 

* der Alge, auf der der flechtenbildende Pilz 
€ 


t, faft ganz —— wird; die Pilzfaͤden wu⸗ 
chern zwiſchen den Zellen der Alge in den gallert⸗ 
artigen Hüllen und bilden an manchen Stellen 
Apothecien, die jedoch in dem Thallus eingefentt 
liegen. Da bei der in Deutihland häufigen Art 
E. pubescens Fr. died Verhältnis zwiſchen Alge 
und Pilz fehr deutlih zu erkennen ift (j. Tafel: 

lebten I, Fig. 7), fo bildet ar leicht zu bes 
haffendes geeignetes Beijpiel für die eigentüms 
ihe Natur der Flechten. (©. Flechten.) 

Epheben (grch., wörtlic «die Mannbaren»), im 
alten Athen Name der Fünglinge vom vollendeten 
18. bis zum vollendeten 20. Jahre. Mit dem Ein: 
tritt in die Ephebie erfolgte die bürgerlihe Mun⸗ 
digleit3erllärung der E. nachdem ihre rehtmäßige 
bürgerliche Ablunft einer forgfältigen Prüfung (Do⸗ 
fimafie, |. d.) unterworfen worden war, durch bie 
Eintragung in dad —— und die Stammrolle 
der Geburtsgemeinde S emo8), das jog. Löxiarchi- 
kön Grammateion. Die Waifen und Söhne von 
Erbtöchtern erhielten bei der Mundigleitsſprechung 
die Derfügung über ihr Vermögen, ſaͤmtliche E. das 
Recht, jelbftändig vor Gericht — Von der 
Bollsverfammlung blieben fie aber vorläufig aus⸗ 

eſchloſſen, erft mit dem vollendeten 20. Jahre 
chrieb man ihre Namen in die Wählerliften, ven 
Pinax ekklesiastikös, ein. Als €, hatten die jun: 
gen —— zunächſt im Heiligtum der Aglauros 
den Fahnen: und Bürgereid zu leiſten, dann erhiel⸗ 
ten fie ihre foldatiihe Ausbildung. Nach einem 
efrutenjabr wurde ihnen von Staat wegen Lanze 
und Schild verlieben ; fie verſahen weiterhin den 
Wacht⸗ und Sicherheitsdienſt ee in Attila, 
erſchienen gejhlofien in den Prozeifionen an den 
großen Bötterfeften, namentlich den Banatbenäen, 
und wurden in alle Dienftzweige eingeführt. 
der macebon.stöm. Zeit geitaltete man das ganze 
Ephebenweſen in einer für dad Nadlafien der 
Mehrfäbigleit des Burgertums fehr charalteriſti⸗ 
chen Weile um. An Stelle der an ein beitimmtes 
er gebundenen —— militär. Zwangs⸗ 
erziehung trat ein einjähriger, anſcheinend nicht 
obligatoriſcher und nicht genau nach dem Alter der 
Teilnehmer geordneter Unterricht mit gymnaſtiſchen 
und Waffenübungen, wiſſenſchaftlichen Vorträgen 
über Philoſophie, Rhetorik u. dal., die in den 
Gymnaſien von eigens dafür angeftellten Lehrern 
gehalten wurden. Dieje Einrichtung zog viele aus: 
mwärtige junge Männer nad Athen, die neben oder 
nad den Bürgerjöhnen als Epengraphoi in die 
Liften der E. eingetragen wurden und badurd das 
Net erhielten, an allen jenen PBorträgen und 
Übungen teilzunehmen; Athen erhielt jo mehr und 
mehr den Eharalter einer Hochſchule für ganz Hel⸗ 
lad. Die Aufficht über die E. führten in der erjten 
Periode die vom Volle durch Wahl (für jede Phyle 
einer) ernannten Sophroniften unter der Ober: 
leitung eines Kosmetes, d. i. Ordners; feit der 
macedon. 2 finden wir nur den Rosmetes, dem 
die fämtlihen von den einzelnen Fachlehrern ab» 
ebaltenen Übungen unterjteben. — Vgl. Ditten 
erger, De ephebis Atticis (Gött. 1863); Dumont, 
Essai sur l’&phöbie attique (2 Bde., Par. 1875— 
76); Grasberger, Erziehung und Unterriht im 
Haififhen Altertum, Bd. 8 Want 1881). u 

— L., Pflanzengattung aus ber Familie 

der Önetaceen (f. d.) mit gegen 30 Arten, teils in 


16 


Eüdeuropa und Nordafrika, teild im gemäßigten 
und fubtropifchen Aſien, teils = im außertropi: 
fhen Amerita. Es find aufrechtitebende, niederlie 
*— oder auch kletternde, ſtrauchartige Gewächſe. 
ie Zweige find gegliedert wie die der Schachtel⸗ 
balme, die Blätter find nur rudimentär vorhanden 
in ber Form von zwei⸗ bis vierzähnigen Scheiben, 
aus beren Achjeln die Blütenlägchen entipringen. 
Die Blüten find eingeſchlechtig und meijt zwei⸗ 
häufig. Die Frucht ift ähnlich wie eine Steinfrudht 
ebaut und mit einer fleifchigen Hülle verjeben. 
on einigen Arten werben bie Früchte gegeilen, jo 
von der in Nordafrika, Kreta, Arabien einheimi- 
ſchen E. fragilis Desf., ferner von den im ſüdl. 
Sibirien und im Kaufafus wachſenden E. mono- 
stachya L. und E.distachya L. Bon leßterer 
waren ſonſt Zweige und Blüten ald Amenta uvae 
marinae offizinell. , 
Eph ee geh Beinamederantiten Steptiter 
(f. Stepfis), weil dieſe ſchon von Pyrrho (f. d.) ber 
die Enthaltung (epoch&, von epéchein) von allem 
Urteil ie en, da die menſchliche Erkenntnis doch 
nicht zu zweifellofen Einfichten gelangen könne. 
pheliden (grech.) Sommer vojen , 
Ephemer, Epbemeriich (gr * nur einen 
Tag während, eintägig, fchnell vergebend. _ 
emöra, die Cintagäfliege; Epbemeren 
(Ephemeridae), j. Einta öfltegen, 
&% emöra, Eintagsneber, j. Bd. 17. 
Ephemeriden (grch.), Tagebücher, Tageblät- 
ter, tägliche Aufzeihnungen; periodiſch erſcheinende 
Blätter überhaupt, — tehnii für den dur 
Alerander d. Gr. vielleiht nach —— uſter einge⸗ 
hrten Hofbericht. Insbeſondere aber verſteht man 
te in der Aſtronomie unter E. die Vorausberech⸗ 
nungen der täglichen Stellungen der Himmelätörper. 
Die eriten E, der Sonne, des Mondes und ber 
gi Planeten gaben Purbach (für 1450—61) und 
egiomontanus Kür 1475—1506) heraus. Gegen: 
wärtig werben von mehrern ajtron. Redeninftituten 
(f. d.) jäbrlih Sammlungen von E. herausgegeben. 
Ephiferbrief, ein im neutejtamentlichen Kanon 
enthaltener, mit dem Namen des Apojteld Paulus 
überjchriebener Brief an die Gemeinde zu Epheſus, 
den mehrjährigen Mittelpunkt der Miſſionswirk— 
—— des Apoſtels in Kleinaſien. Dieſer Brief 
ildet mit dem Rolofjerbrief (f. d.) eine eigene, durch 
Stil und weiter entwidelten Gedankengehalt von den 
unzweifelhaft ebten Briefen des Apoſtels verfchie: 
dene Gruppe. Da der Brief nicht in allen Hand» 
fhriften an die Gemeinde zu Ephejus abreifiert ift, 
—— auch Brief an die Laodicener heißt (vgl. 
ol. 4, 16) und wegen ſeines vollſtandigen Mangels 
an lotalen und perjönlichen — en nicht wohl 
an eine Gemeinde, die dem re 8 T nabe ſtand, 
— ein lann, jo betrachtete man ihn als ein 
mlaufſchreiben des Paulus an Heinafiat. Gemein: 
den, das —— mit den Briefen an die Koloſſer 
und an hi emon durch Tychilus (Epb. 6, 21; 
Kol. 4, 7) überbradht worden jei. Da Paulus fi 
in dem Briefe ala Gefangener bezeichnet, jo lafien 
ibn die einen Vertreter der Echtheit während der 
Gefangenihaft zu Eäjarea, die andern während 
ber röm. Gefangenſchaft gejhrieben jein. Die legte 
Annahme entipridt der Anficht des Briefs jelbit 
befier. De Wette und Schleiermader bielten den E. 
für eine jpätere Überarbeitung des Koloſſerbriefs. 
Die Unechtheit des Briefs ift namentlih von F. C. 
Baur (in feinem « Baulus», 2. Aufl., Bd. 2, Lpz. 


Ephektiker — Ephejus 


1867) und ſeiner Schule —*— und jetzt faft von 
allen tritifchen Theologen anerkannt worden. — Bal. 
Holgmann, Kritit der Ephejer: und Koloſſerbriefe 
(Lpz. 1872); Pfleiderer, Der Baulinismus (ebd. 
1873; 2. Aufl. 1890); Hilgenfeld, Hiftor.-tritifche 
Einleitung in dad Neue Teitament (ebd. 1875); 
von Soden, Kommentar zum E. (im «Handlommen: 
—— Neuen Teftament», 3. Bd., 1. Abteil., 
eib. i. Br. 1893); für die Echtbeit zulegt wieder 
chmidt in der 6. Aufl. von Meyerd Kommentar 
(8. Abteil., Gött. 1886; 8. Aufl. derfelben Abtei: 
lung, neu bearbeitet von Haupt, ebd. 1902); neuere 
Kommentare von Klöpper (ebd. 1891); für Die Echt: 
heit aud Dltramare (2 Bde., Bar. 1892), Finblay 
Lond. 1892), Macpberjon (Evinb. 1892), Wohlen: 
berg (im «Sturzgefaßten Kommentar zum Alten und 
Neuen Teitament», Nünd. 1895). Ülltere Kommen: 
tare von Rüdert, De Wette, Ewald u. a. 
Ephefia, Epbefifhe Artemis, Beiname der 
Artemis (f.d.) von ihrem Tempel zu Ephefus; auch 
ein ihr zu Ehren dort gefeiertes nächt 7 Seit, 
dad ausfchmeifend begangen wurde; nur Männer, 
unverbeiratete rauen und Stlavinnen burften ben 
Tempel betreten. 
befifche Buchſtaben (Ephesiae littörae, 
tie. Ephesla äta), im Altertum ein Rame 
t Zauberfprücde, die man alö Amulett bei ſich 
trug oder in ſchwierigen a. berjagte und die auf 
dem Bilde der Epheſiſchen Artemis geftanden haben 
ollten. Auf irdenen Amuletttäfelchen findet fi das 
nbeil abwehrende Bild der Epbefifhen Artemis 
neben Zauberjprüchen barbarifchen Urſprungs, 3.8. 
aski kataski lix tetrax eneus aision. — 
Bol. Weſſely, Ephesia mata (Wien 1886). 
Epheſus — o s), Stadt im kleinaſiat. 
Jonien, am lügen Selinus, unweit der Mün: 
dung des Kayſtros gelegen, wurde zuerſt von Rarern 
bewohnt, dann nad) der dor. Wanderung von den 
Honiern unter Führung des Atheners Androklus 
in Befiß genommen. Durd ihren treffliben Hafen 
(der gegenwärtig vollftändig verſchlammt ift) erbob 
fie ih ald zu Reichtum und Macht und nahm die 
weite Stelle im Bunde der 12 ion. Städte ein. Ur: 
prünglic auf den Rüden und den füpöftl. Abbang 
des Berges nassen beſchränkt, breitete fie fih in 
der Zeit des Iypifchen Königs Kröſus um 560 v. Ebr. 
in der Niederung gegen Norden nad dem Hafen 
und dem Fluſſe zu weiter aus. Dur den Könia 
Lyſimachus (zu Anfang des 3. Jahrh. v. Ebr.) wurde 
auch der öftlich von der ältern Stadt gelegene Bera 
Pion in die Befeftigungsmwerle der Stadt aufgenom: 
men und mit Gebäuden bejest. Das berühmteſte 
Bauwerk der Stabt war der Tempel der epheſiſchen 
Artemid, der in der Niederung norböftlih vom 
Berge Pion errichtet war. Der etwa um 660 v. Ebr. 
durd den Kreter Eherfiphron aus Knoſſos en 
nene, durch deflen Sohn Metagenes ng rte 
Bau wurde erſt nah 120 Jahren durch Deme: 
trius und Päonius von Epheſus vollendet, 356 
in der Ge un Aleranderd d. Gr. dur 
den mwahnfinnigen Herojtratus (f. d.) in Brand 
geRedt, aber bald darauf unter der Leitung des 
rchitelten Dinofrates größer und prädtiger ala 
früber wieder aufgebaut. Der Neubau, ein ion. 
Dipteros Delaftylos, mit 128 Säulen von 20 m 
Höbe, war 130 m lang und 70 m breit und mit 
Kunſtwerken aller Art reich verziert, von denen 
ipäter viele Durch Neros Agenten (65 n. Ebr.) fort- 
geicbleppt wurden, das übrige bei der Verbrennung 


Epheten — Ephialtes 


es Tempels durch bie Boten er n. Ebr.) zu ®runde 
ging. Bis auf die Zeit des Hröfus ** die Stadt 
re Unabbängigteit gegen die Angriffe der lydiſchen 


fönige zu verteidigen g t, um 560 v. Ehr. wurde 
iejebod nach bartnädı er Verteidigung gezwungen, 
fe Oberhobeit ber Spber anzuertennen. Rad) dem 


Eturze des Kröfus geriet E. in die Gewalt der 
— 10 Jahre, BS4 dur Mieranber . Or, auf immer 
au 2 u er d. Ör. auf immer 
—— In den Diad kriegen wurde es 
von Antigonus erobert und blieb bis zum Sturze 
des Syriſchen Reichs (189) in den Händen von defien 
Rahtommen. Bon den Römern wurde die Stabt 
— —— Wohlwollen be elt und erhielt den 
Titel einer Metropole der Provinz Aſia. In ihr 
murben mebrere Ronzilien gebalten, bejonbers 431 
tas dritte Öfumenijde (f. ve 449 die ſog. 
Käuberjynode, auf welder Eutyches (f. d.) für 
techtgläubig erllärt wurde, fein Gegner Flavian 
tanenen abgeſetzt und fo mißhandelt wurde, daß 
er wenige Tage jpäter ftarb. Teils infolge von 
Erpbeben, teild durch die Berihlammung des 
dafens kam die Stadt in der röm. Kaiferzeit all: 
ich zurüd. Sie gehört feit 1391 zum Dömani- 
ſchen Reih. Bedeutende Trümmer der Stabt fteben 
noch bei dem Dorfe Ayaslugh (j.d.). Das ziemlich 
gut erhaltene Theater von 183 m Durdmeter muß 
56 700 Berfonen gefaßt haben, das Stadium 76000 
onen; das 6 ha einnehmende Gymnafium ift 
282 m lang und 168m breit. Det des Artemis: 
tempel3 bat der Engländer 3. T. Wood bei feinen 
Ausgrabungen jeit 1868 aus ber Tiefe von 6 m zu 
e gefördert, vor allem Fragmente der Relief: 
; weitere interefjante Funde haben die 1895 
begonnenen dfterr. Ausgrabungen ergeben, fo einen 
beileniftifchen Rundbau, einen röm. PBradtbau, 
mehrere Thore und die Waflerleitungen. — Bal. 
Start, Nah dem griech. Drient (Heibelb. 1874); 
E. Eurtius, Epheſos [. 1874); Bimmermann, 
E. im erften driftl. Jahrhundert (Jena 1874); 
J. T. Wood, Discoveries at E. (Lond. 1877); Fer: 
—— The temple of Diana at E. (ebd. 1883); 
ndorf, Epheſus (Wien 


1897). 
Epheten (grech.) hieken bei den Athenern die | D 


mindeſtens feit dem 7. Jahrh. v.Chr. neben Areopa 
und Bhylobafleis benehenden 51 abligen Blutthör 
fen, die unter Borfig des Arhon Baſileus je nad 
der Ratur des Falled in drei von den fünf alten 
Dikafterien Athens (Balladion, Delphinion und 
Bbreattys) das Urteil zu fällen hatten. Sie mußten 
50 3. alt und tadellojen Rufes fein. Ende des 
5. Zabrh. v. Ehr. verſchwinden die E. ihre Pflichten 
übernimmt das Vollsgericht der Heliäa (f. d.). — 
Bgl.Lange, Die E. und der Areopag vor Solon (Lp;. 
1871); Bhilippi, Der Areopagunddie E.(Berl.1874). 
Epbeu (Hedera), eine zu den Araliaceen (f. d.) 
gebörige Gattung, welde Sträuder mit lletternden 
Stämmen und Aſten und leverartig derben, immer: 
grünen, glänzenden Blättern umfaßt. Die zu Dol⸗ 
den georbneten Blüten haben einen unterftändigen 
Fruchttnoten, weldyer zu einer fünffäherigen Beere 
wird, einen sfünfzäbhnigen Kelh und 5—10 
Blumenblätter, die an der Spike in Form eines 
Müshens zufammenbängen. Bemerlenswert ift, 
daß die Blätter aufrechter, vorzugsweiſe blühender 
— ihre Form verändern. Bei dem gemeinen 
.. 3. wirb das br wa Blatt größer, ver: 
fiert die Lappen, wird länglid und ſpiß und nimmt 
ein lebbafteres Grün an. 


77 


Von den Arten ift ver gemeine €. (Hedera 
helix L., f. Zafel: Umbellifloren I, fie. 4), 
meiftens fleinblätteriger E. genannt, Er. den 
Glanz feiner Belaubung und bie Leichtigkeit, mit 
welcher er ſich vermitteljt feiner Klammerwurzeln in 
die Höhe arbeitet, ganz befonders aber wegen feiner 
Winterhärte für die Gärten landſchaftlichen Stils 
die wichtigfte geworden. Er überkleidet raſch den 
Boden, Hettert bis in die Spiße der hochſten Bäume, 
Himmt an den glatteften Yyeldwänden empor und 
bededt Mauern und Wände mit einem dichten Tep: 
pih und läßt fi jogar baumförmig erziehen (He- 
dera arborea). Bejonders maleriſch geftaltet er ſich 
in Südeuropa und England. Die meifte Berwen: 
dung findet der fleinblätterige €. zur Belleivung 
der Örabhügel. Für diejen Zwed wird er in den 
Handelögärtnereien in großen Mengen meift aus 
Stedlingen, ſeltener aus Samen rn Der 

roßblätterige oder irländifhe €. (Hedera 

elix var. hibernica Hort.) bat er und jchönere 
Blätter und einen viel ſchnellern Wuchs als der Hein: 
auge muß jedoch in Deutihland im Winter 
gegen Kälte geihüßt werden. An Spalieren wird 
er häufig aud in Wohnräumen unterhalten. 

Für die Kultur in Töpfen eignen fih vorzugs⸗ 
weiſe feine etwas weniger üppigen Spielarten. 
Unter diejen — ſich folgende durch ihre Zier⸗ 
liteit und Eleganz aus: var. palmata mit tleinern 
banbteiligen, bei einer Untervarietät (var. aurea) 

anz goldgelben, var. digitata mit ſehr tief einges 
Nönltenen tleinen, var. dentata mit großen dun⸗ 
elgrünen, flach gebuchteten, abgerundet dreiedigen, 
var. sagittaefolia mit ſehr fpiklappigen, var. ar- 
genteo-variegata mit weißbunten, var. aureo-varie- 
gata mit gelbbunten Blättern u. a. m. 

Der Raultafusepbeu, Hedera colchica 
C. Koch (Hedera Roegneriana und taurica Hort.), 
bat größere, derbere, weniger gelappte, und ber 
canarifche E., Hedera canariensis Willd., grö: 
bene mebr breite als lange, verbere, am Grunde 

ergförmige Blätter. 

er E, war ſchon im höchften Altertum eine volls⸗ 
tümliche, vielfach gefeierte Pflanze, in Hgypten dem 
firis, in Griechenland dem Dionyjos geweiht, der 
ihn bei Nyſa am Indus gepflanzt haben ſoll Dr 
Dionysos), und die Mänaden ſah man mit €, be: 
krängt. wog U Dichter trugen bei feftlihen Ge: 
legenbeiten Epheulränze. Er galt ald das Sinnbild 
der Freundfchaft und der Liebe. 

Ephi, altes Hoblmaß, ſ. Epha. 

tes, |. Schlupfweſpen. 

Ephiältes, athen. Barteiführer, der Sohn des 
Sopbonibes, ein Athener * Ablunft, trat nach 
der Vertreibung des Themiftolles aus tben an bie 
Spiße ber jüngern demokratiſchen Richtung, die ſich 
u ber Bolitit Kimons in ſcharfen Gegenja ftellte. 

em Antrage des legtern, den im dritten Mefjeni: 
{hen Kriege (464 —456) jchmer bedrängten Spar: 
tanern Hilfe zu leiften, widerſetzte er fich vergeblich. 
€. brach im Bunde mit feinem jüngern Freunde 
Berifles die polit. Üibermaht des Areopags Ga) 
Bald nachher (457) wurde er auf Beranlaflung feiner 
Gegner durch Arijtodicus aus Tanagra ermordet. 

hialtes, Sobn des Eurgdemos, ein Malier 
oder Tradinier, zeigte den Perfern unter Zerres 
den Weg, auf welchem fie 480 v. Chr. bei Thermo: 
pylä den Griechen in den Rüden fielen (f. Leonidas J. 
und Thermopylä). E. wurde von den Amphiltyonen 
geächtet und in Anticyra ermordet. 


18 


. —— (grch.), Schweißſucht, übermäßiges 
witzen. 

Ephod (bebr.), im Alten Teſtament als Bezeich⸗ 
nung eines Gottesbildes und als Name eines vom 
Prieſter als Dratel benugten Gegenſtandes gebrauch⸗ 
tes Wort; auch bezeichnet es im Prieſtercoder (2Moſ. 
28 u. 39) das Schulterkleid des Hohenprieſters, feine 
eigentliche Amtstracht (bei Luther «Leibrod»). 

Ephorät, Amt und Würde eines Ephorus 
(. d. und Epboren). , 

Ephören (grch., d. h. Aufjeher), eine aus fünf 
Mitgliedern beitebende fpartan. Behörde, die 757 
v. Ehr. von den Königen Theopompus und ar 
borus eingefekt wurde, urfprünglih um als Stell: 
vertreter der Könige neben verſchiedenen polizei: 
lien und civilrechtlichen Befugniſſen die Aufjicht 
über die Unterthanen der Spartiaten, die Periölen 
und Heloten, zu führen. riheinlich nad dem 

meiten Mefleniichen Kriege wurden fie eine unab: 
ängige Behörde, nunmehr jährlih auf eine nicht 
näber befannte Art aus fämtlichen Spartiaten ge: 
wählt, verwalteten ihr Amt ein —*— fonnten 
nad deſſen Ablauf nur von ihren Nachfolgern zur 
Berantwortung gezogen werden. Allmählich wur: 
den ihre Befugnifte erweitert, befonders feit der 
ae 580—570 v. Chr. fallenden gewaltigen 

eritärfung der Ariftolratie in Sparta auf Roften 
bes Königtums. Sie erhielten die Gerichtsbarleit 
in allen privatrechtliben Brozeflen und in den Bro: 
jefien über Leben und Tod der Periöten; fie waren 
die oberften Wächter der Gejebe und der ganzen 
Staatöverwaltung, die die Bollöverfammlungen 
beriefen und Gejege vorjchlugen; fie konnten alle 
Beamten abjegen, mit Gelditrafen belegen, ins Ge: 
[mens werfen; felbft die Könige durften fie vor 
ich laden, bei geringern Vergehen ihnen leich- 
tere Bußen auflegen, bei jchwerern fie bei der 
Gerufia (dem Senat) anllagen. Ferner führten 
die E. die Oberauffiht über die Erziehung der 
Knaben und Jünglinge; die Verwaltung des Staats⸗ 
ſchahes, die Oberleitung der auswärtigen Angele: 
enbeiten lag in ihrer Hand, fie ernannten die Be 
(löhabe der Flotte und oft auch die der Sand: 
eere. Ihrem - gegenüber fant die Macht 
der Könige immer mebr. Als Agis IV. bie alte Ly⸗ 
turgiſche Berfafjung wiederberitellen wollte, ward er 
240 v. Chr. von den €, erdroſſelt. König Kleome⸗ 
nes III. bob 226 v. Chr. das Inſtitut der E. auf, aber 
als er 221 den Thron verlor, ward das Ephorat 
wiederbergeftellt. — Vgl. Dum, Entſtehung und 
Entwidlung des jpartan. Epborats (Innsbr. 1878). 

Ephörie, der einem Epborus (f. d.) oder Super: 
intendbenten (f. d.) unterftellte Sprengel. 

Ephöros, |. Ephorus. 

horus (griech. ephoros), fpartan. Behörde, 
er oren. In der reform. Kirche ift E. Bezeichnung 

t Superintenbent (f. d.). manden Anftalten, 
3. B. Seminaren, führt ein Vorſteher den Titel E. 

Ephörus (Ephoros) aus Kyme in dem Heins 
aftat. UNolis, griech. Gefhichtichreiber des 4. vor 
ik yahı. ein Hauptwerk waren die 30 Bücher 
«Hiltorien», in denen er die Geſchichte Griechenlands 
von der dor. Wanderung bis zu den Kämpfen des 
macedon. Philipp um die Stadt Berinth behandelte. 
Die Fragmente des E. jammelte Marx (Karlsr. 1815), 
dann C. Müller in den «Fragmenta historicorum 
Graecorum», Bd. 1 u. 3 (Bar. 1841—49). — Val. 
Rlügmann, De Ephoro historico Graeco (Gött. 

hradmiten, |. Gpbraimiten. [1860). 


Ephidrofig — Ephräm 


Ephraim (bebr., —— »), einer der 12 
Stämme des israel. Volls, im Centrum des Landes 
auf dem Gebirge E. wohnhaft. Die hebr. Üüberliefe⸗ 
rung leitet ihn von dem zweiten Sohne des Joſeph 
ab, den Yalob z ie feinen eigenen Söhnen 
zum Erben da t babe. Mit Manafje zujam- 
men bildete er in ältefter Zeit das «Haus Jofepb». 
Die Kultftätten von Bethel und Silo lagen auf 
feinem Gebiet. Nah Sauls Tode erfannte E. mit 
allen nörbl, Stämmen Sauls Sohn Eſchbaal (Is⸗ 
bojeth) als rechtmäßigen König an, während, der 
Stamm Juda vom Reiche Israel abfiel und feinen 
Landsmann David zum König wählte. Die Riva- 
lität beider Stämme warb feitdem die Haupturſache 
be iger innerer Unruhen. Nach Ermordung Is bo⸗ 
eths duldeten die Ephraimiten die Davidiſche Re: 
ierung und die Hegemonie Judas, aber ſchon gegen 
e von Davids Leben fam ed zu Aufitänden, 
die fih auch unter Salomo wiederholten und nad 
deſſen Tode zur definitiven Trennung Israels in 
wei Reiche, das Reich Juda und das Reih €., 
brten (wabrfheinlih um 975 v.Chr). DerBegrün- 
der des lektern wurde der Ephraimite Jerobeam, 
der alle Stämme bis auf Juda für feine Herrichaft 
gewann. Das Reich E., mit der Hauptftabt Sichem, 
dann Tirza und fpäter Samaria, betrachtete ſich mit 
Recht als die legitime Fortfeßung des von Saul ge: 
gründeten israel. Reichs. Ihm fi daber von felbit 
der alte nationale Ehrenname “srael zu. E3 war 
der Hüter des nationalen Gebantend. Auch der 
Fortſchritt der religiöfen Entwidlung vollzog fid 
zunädjt in ibm. Allein e8 vermochte fi nicht zu 
einer feften Erbmonardie zu entwideln. Dynajtie 
folgte auf Dynaftie im rafhen Wechſel. dem es 
die Jahrhunderte langen Syrerkriege überbauert, 
fiel e8 722 v. Chr. dem —F hen Reich zur Beute. 
Die hauptftädtifche Bevölkerung und das in bem 
eroberten Samarien ergriffene Heer wurden depor⸗ 
tiert, das Land aflyr. Provinz. Die Mafle der Be: 
völferung blieb zwar wohnen, allein e8 wurden auch 
fremde Koloniften in Land geführt. Über bie —— 
tern Schickſale der israel. Bevollerung des mittlern 
Landes ſ. Samaritaner. — E. heißt auch ein Ort 
im Gebiete des Stammes (2Sam. 13,25), wahrſchein⸗ 
lich mit dem famarit. Bezirt Apherima identifch, 
ben 145 v. Chr. der Maflabäer Jonathan mit feinem 
Gebiete vereinigte. Vielleicht entipricht er dem gro- 
ben Dorfe et:Taijibe, 8 km norböftlic von Beitin, 
das an Eifternen und Selfengräbern als eine alte 
Ortslage kenntlich ift. — €. ift ferner ein Wald dft- 
lid vom Jordan, wo Abfalom gegen das Heer jeines 
Vaters David den Tod fand; vielleiht mit Epbron 
zu vergleihen. — Bon €. ift das Gebirge E. be 
nannt, ein Bergzug im mittlern Baläftina, im N. 
von der Ebene Jesreel (f. 2 begrenzt und ſudlich 
bis in die Nähe Yerufalems ſich erſtreclend. 
Ephraimiten, Ephraämiten, minderwertige 
Eilbermünzen, während des Siebenjährigen Krieges 
unter Friedrich d. Gr. geprägt, wurden vom Volle 
nad den jüd. Kaufleuten Ephraim, Itzig & Eomp., 
denen der König die Ausmünzung übertru ‚genannt. 
Ephräm (genauer Apbrem, d. i. Epbraim) der 
Syrer, der gefeiertite Kirhenfcriftiteller der for. 
Kirche, daher mit ebrenden Beinamen, wie «Prophet 
der Syrerz, «der beredte Mund», «Säule der Kirche» 
u. a., auögezeichnet, wurde um 306 von beibn. Eltern 
u Nifibis geboren, ward der Schüler des Biſchofs 
alob von Niſibis und vollendete jeine Ausbildung 
in Edeſſa. Als 363 Nifibis vom Kaiſer Jovinianus 


Ephrat — Epiharmus 


an die Berfer abgetreten ward, begab fi E. nad 
Edeſſa, das ſchon damals Hauptjig der jur. Gelehr⸗ 
famleit war. Er wurde Mönd, lebte in einer Höhle 
in der Näbe ver Stabt, mit ascetiſchen Übungen und 
tel Serifttellerei beihäftigt. Auch fammelte er 
eine von Schülern um fih und prebigte 
gegen verſchiedene Ketzereien der Zeit. Der Bericht 
von einem längern Aufenthalt E.s in — iſt 
wenig glaubwürdig, —** beſuchte er Baſilius 
d. Gr. im lappadociſchen ges und wurde von 
ibm zum Dialon geweiht. ftarb zu Edeſſa im 
Juni 378. Griechen und Maroniten feiern fein Ge 
dachtnis den 28. Jan., die Römifcen den 1. Febr. 
Bon E.s zahlreichen Werken find einige im for, Ur: 
tert, andere in griech., lat., armenifcher, fopt.,ätbiop. 
und ſlaw. a auf uns gelommen. Die 
vollftändigfte Sammlung der fyr. und gried. 
Zerte erſchien unter päpftl. Autorität von Afjemani 
(6 Foliobände, Rom 1732—46), der armenifchen 
von den Mechitariften (4 Boe., Bened. 1836), der 
ſlawiſhen von Peter Kohl (Mostau 1701). Die 
töm. Ausgabe der ſyr. Driginalwerke ift durch fol- 
ende Zertpublilationen vielfach gen 
Diverbed, «E — ete. 
(Of. 1865); Tb. Samy, phraemi Syri hymni 
etsermones» (2 Bde., Mecheln 1882—86) ; ©. Bidell, 
«Ephraemi Syri Carmina Nisibena » (Lpʒ. 1866); 
—— rmones duo» (Brixen 1870; vgl. dei: 
fen «Monumenta Syriaca», Bd. 1, Innsbr. 1869); 
®. Bedjan, «Histoire complöte de Joseph. Po&me 
en 12livres» (2p3.1891). Von größter Bedeutung ift 
der im Anſchluß an die Peſchita ausgearbeitete ſyr. 
Kommentar zu [ämtlihen Büchern des Alten und den 
meiften B bes Neuen Teftamentd, von denen 
fein Kommentar zum —— nur in einer alten 
armeniſchen fiberjegung vorhanden iſt. ( Vgl. G. Mo⸗ 
finger, Evangelii Concordantis Expositio facta a 
Syro Ephraemo, Vened. 1876.) Außerdem giebt es 
von ihm eine große Anzahl Hymnen und Reden, 
von denen viele überjegt worden find: ind Deutiche 
——— («Des heiligen Kirchenvaters E. aus: 
gewählte Schriften», de., Innöbr. 1830 —37; 
2. Yudg. 1845—46, auch jeder Band unter bejons 
derm Titel; «Ausgewählte Schriften des heiligen 
€. von Syrien aus dem Syriihen und Griedif 
überjegt», 5 Bde., Kempten 1870—76; «Die Reden 
die Fleger», ebd. 1850; «Marienrofen aus 
amastus», 2. Ausg., Innsbr. 1855; «Meden 
über Selb eugnung und einfame Lebenämeifer, 
ebd. 1871), von C. Made («Hymnen aus dem Zwei⸗ 
ömel — Maing1889), .Daffer(«Gomilie aber 
das Bilgerleben», 1896) und in Zeitichriften von 
E.Ravier(«Baffionspredigten», 1883, und «Ein Brief 
an dießergbrüber», 1884), ©.Bidell («Gedichte gegen 
Yulian den —— und Stat Rordam (zehn Ge⸗ 
dichte in der «Theologiſt Tidsſtrift», Kopenh. — 
ins Engliſche von Morris (Orf. 1847) und Burgeß, 
«Hymns and homilies» (Lond. 1853) und ins Sta: 
lieniſche von Baggi und Lafinio (1851). fiber E.3 ere: 
be Zeiftungen bandeln Zengerle, De Ephraemo 
acrae scripturae interprete (Halle 1828) und De 
Ephraemi arte hermeneutica (Rönig3b. 1831), 
D. Gerion, Liber die Kommentaren des E. Syrus 
im Verhältnis zur jüd. Eregefe (Berl. 1868), und 
Hl, A dissertation on the gospel commentary of 
E. the Syrian (Lond. 1896); über feine Bedeutung 
ald Dichter Ferry, S. Ephrem poete (Nimes 1877), 
und Srimme, Der Stropbenbau in den Gebichten 
€. des Syrers (Freib. i. Schweiz 1898). — Das 


worden: 
selecta» 


79 


«Leben des heiligen E.» fchrieben Alsleben (Berl. 
1853) und Bingerle im 1. Bde, feiner Überjegung 
in der Kemptener Sammlung. 

Ephrat oder Ephräta, Ort, mo Rahels Grab 
ſich nad 1 Mof. 35, is befand, nad) Fer. 31, ı5 und 
1 Sam. 10,» an der —— ——— und Ben⸗ 
jamins gelegen, von einer Gloſſe zu 1 Mof. 35, 10 
mit Bethlehem identifiziert (vgl. 1 Moſ. 48, 7), 
welches in nacheriliſcher Zeit diefen Namen getragen 
bat. Daher iſt €, Mia 5, ı, Ruth 4, 11 Beir 
name Bethlehems. Infolge des Irrtums des Glof: 
ators von 1 Mofe 35, ı9 wird jet Rahels Grab in 

thlehem gezeigt. 

Ephron, Gebirgäjug an der Örenze der Ge 
biete von Juda und Benjamin, etwa zwiſchen den 
jegigen Orten Beit Ilſa und Karjet Enab. 

Eobron (Efron; daneben aub Efrajin). 
1) Stabt in Baläjtina an der Grenze der Reiche Juda 
und $örael, Dienad dem Onomaftiton des Eujebius 
und Hieronymus etwa bei dem —— Dorfe Sind⸗ 

chil, 30 km nördlich von Jeruſalem 


elegen haben 
oll. — 2) Sehr feſte Stadt im — — nde, 
von unjicherer Sage an einem Engpaß, wurde von 


dem Mallabäer Judas 164 v. Chr. erobert. 

Ephydriäden (grch. Wafler:, Quellnymphen. 

Ephfra, die junge Brut mander Quallen, |. 
Atalepben. 

Epi... oder (in Zufammenfegungen, wo das 
Kompofitionswort mit einem afpirierten Botal an: 
fängt) Epb..., gried. Vorwort, bedeutet auf, über, 

ei, über etwas hin, gegen (feinblid)), zeigt auch eine 
ar und Erneuerung an. 

Epibläft grch.), ſ. Embryo und Keim. 

Epiblömum soenioum L,, j. Springfpinnen 
und Zafel: Spinnentiere und Tauſend— 
füßer I, Fig. ba u. b. 

Epicanthus (rd), ein angeborener Überjhuß 
der Augenlivhaut, welcher faſt jtet3 beiberjeits in 

orm einer vertilal ftehenden alte den innern 

ugenwintel überragt. Die Entfernung geſchieht 
auf —— Wege. iii en 
oarpium oder Epilarp (grd.), in der Bo: 
tanik der äußere Teil der Fruchthaut —3 

Epicedium (griech. epiködeion), elied, ge: 
fungen bei der Ausftellung ver Leiche. Aus dem Alter: 
tum ift nur ein (in feiner Echtheit angezweifeltes) 
E. und zwar auf den Bruder des Kaiſers Tiberius 
(Drufus) erhalten. 

Epicentrum (gr&b.slat.), ſ. Erpbeben. 

Epichaͤrmus, griechiſcher dramat. Dichter, Ber: 
treter einer eigenen Gattung ber Komödie, ber 
doriſch⸗ ſiciliſchen, wurde im 5. Jahrh. v. Chr. auf 
der el Kos geboren. Er fam frühzeitig nah 
dem ficıl. Megara und ließ fi, ſpäteſtens nah 
ber Zerftörung biefer Stadt durch Gelon, in Sy: 
rafus nieder, wo er an dem Hofe des Königs Hiero 
—— Aufnahme fand, durch ſeine Dichtungen 
außerordentlichen Beifall ſich erwarb und im * 
Greiſenalter ſtarb. Die ſicil. Komödie des E., 
her ausgebildet als die attiſche, ging aus den Mi 
men (f. d.) hervor, deren unzuſammenhängende 
Bilder und Scenen €. zu rafch verlaufenden, beiter 
bewegten Stüden zu verbinden wußte. €, foll das 
Atrortichon (j. d.) erfunden haben. Die Brudjitüde 
find von Abrens («De dialecto dorica», Gött. 1843), 
Lorenz («Leben und Schriften des Koers E.», Berl. 
1864) und Guigniaut («Fragments pour servir à 
V’histoire de la comedie antique», ar. 1062) e⸗ 
ſammelt und erläutert worden, wichtige Ver ee 


80 


rungen berjelben gab Th. Bergt in den Leltiond: 
verzeihnifien der Halliihen Unwerfität vom Som: 
merjemefter 1868 und vom Minterjemefter 1868/69. 
Neu entdedte Berje des E. beſprach Gomperz in den 
«Mitteilungen aus der Sammlung der Papyri Erz 
berzog Rainer», Bd. 5 (Wien arte 

ichlorhydrin, eine organiihe Verbindung 
von der Zuſammenſehung 

C,H, OCl = CH, -CH-CH, Cl 


L0,J 
die aus aeg a ren Eimirtungsprodutt von 
Salzjäure auf Giycerin, durch Behandeln mit Aßlali 
oder Ünatron — wird. E. iſt eine in Waſſer 
unlosliche, leicht bewegliche Flüffigleit von chloro⸗ 
formähnlichem Geruch und dem Siedepunkt 117°. 
oria abus, —A Vers, in dem nach 

ß ein Choriambus — ift. 
ch (grch.), einheimiſch. 

€ (orh.), Hautfärbung, befonders auf 
Barbenveränderu er Hautausſchlag. 

Epicdnum (grch.), in der Grammatil ein Tier: 
name, ber nur ein —— Geſchlecht (Mast. 
oder Femin.) hat, aber von beiden natürlichen Ge: 
ſchlechtern gebraucht wird, 3. B. die Maus. 
& Tre reger 






Epiorfiumglu i 

Epicũrus (Epiluros), —3 
341 v. Chr. zu Athen oder Samos, empfing den erſten 
bilof. Unterricht beim Blatoniler Bamphilus, hörte 
päter den Demokriteer Nauſiphanes und wurbe ganz 
ür die Philoſophie Demolrits gewonnen. Später 
gte er auf feine Abweichungen von Demofrit ftär: 
letes Gewicht und betrachtete fich felbft ald den Ur: 
beber der wabren Philofopbie. Er trat als Lehrer 
erft in Mitylene und Lampjacus “ 806 eröffnete 
er > Schule in einem Garten zu Athen, der jeiner 
le verblieb, die man daber auch als «den Gar: 
ten» deö E. bezeichnete. Er ftarb um 270 in Atben. 
Seine zablreihen Schriften waren zum Teil mit einer 
ewiſſen Nachläſſigleit abgefaßt; nicht unbedeutende 
Breite davon find erhalten (bg. von H. Ufener, «Epi- 
curea», Lpz. 1887; über einen neuen Fund vgl. den⸗ 

felben ım «Rhein. Mufeum», Bo. XLVII. 
€. Philoſophie aliedert ſich wie die ftoifche 
deutlich in Logik, Phyſik und Ethik, au Kg eben» 
als bei ihm dag Schwergewicht auf die Ethit. Seine 
ogil, von ihm Kanonik genannt, ftellt den «fa: 
non» oder die Norm der Erlenntnis feft; fie bildet 
eigentlib nur die Einleitung in die Phyfit. Das 
Haupttriterium (Fundament der wahren Erlennt: 
nis) ift die Wahrnehmung, fie ift weder zu wider: 
legen dur andere Wahrnehmungen (denn leine 
itet mit der andern), noch durch die Vernunft, die 
elbft ganz und gar von der Wahrnehmung, ab: 
ängt. Auch die Phantasmen der Wahnfinnigen 
owie die Träume find, als evidente Wahrnehmun: 
gen, nicht bloß unleugbar wirklich, ſondern eben 
darum au wahr. Ein zweites Kriterium ift die 
—— die mit dem Wort verbundene, aus der 
innerung vieler gleichartiget Wahrnehmungen 
entſtandene Vorſtellung (nicht zu verwechſeln mit 
ber ſtoiſchen prolepsis oder ennoia). Kriterien find 
außerdem bie le (pathe), nämlih für das 
altiſche Verhalten. Alle Möglicteit des Irrtums 
ingegen berubt allein auf der Meinung (doxa) oder 
Annahme (hypolepsis), die, über die gegebene 
Wahrnehmung hinausgebend, teilö auf ein * 
Wahrzunehmendes —— teils auf über: 
—— nicht Wahrnehmbares (adelon) ſich erſtreckt. 
ne ſolche ift wahr im erſten Falle, wenn die ſpä⸗ 


Epichlorhydrin — Epicurus 


tere Wahrnehmung für fie zeugt (epimartyresis), 
im zweiten, wenn mwenigitenä feine Babrnchmung 
gegen fie zeugt (uk antimartyresis), Nur jo ge 
winnt E, die Gewißheit von der Eriftenz der Atome 
und bes Leeren. Da aber diefe Erlenntnis doch über 
das Gebiet des Wahrnehmbaren hinausgeht, jo 
muß E., gegen die jenjualiftifche Tendenz feiner Er- 
tenntnislebre, dem theoretiſchen Denten einige Zu: 
geſtändniſſe machen. Die Phyjik des €, berubt auf 
der Borausfekung des Atomismus. Abweichend von 
Demolrit nimmt E. eine grundloje Abweichung ber 
Atome von dem urjprünglich ſenkrechten Fall ald An- 
ſtoß = Weltbildung an. Die Teleologie, vollends 
die Annahme einer göttlihen Leitung des Weltlaufs, 
befämpft er ebenio wie Demokrit, deögleichen bält 
er die Annahme unendlich vieler Welten feft. Die 
wirkliche Größe der Sonne und der Geftirne unter: 
ſcheidet ſich nach ihm nicht von der ſcheinbaren. Die 
Seele ift ein feiner luftähnlicher Stoff; mit dem Tode 
—— ſie ſich und alle Empfindung hört auf. Die 
ahrnehmung kommt (wie bei Demokrit) durch Aus⸗ 
flüſſe und Bilder zu ſtande. Die Freiheit der Will 
für bebauptet E. und fließt daber die fonft alles 
beberrichende Notwendigleit von den Willensalten 
aus. Die Götter eriftieren ald Körper, aus ben 
feinsten Atomen gebildet und in den leeren Räumen 
zwifchen den Welten wohnend. Dieje ganze Phyſil 
dient, wie au €, ausdrüdlich erklärt, nur der ge 
börigen Sicherung feiner naturaliftiihen Ethil und 
ift nicht aus felbjtändigem naturwiſſenſchaftlichem 
tereſſe hervorgegangen. Die Ethil des €. ftüht 
ih, obwohl obne principielle Klarbeit, auf das 
rincip der Luft. Doch iſt darum nicht jede ſich 
darbietende Luft 3 erſtreben, ſondern zu berechnen, 
bei welcher Handlung im ganzen ein Uberſchuß von 
Luft (oder ein Minus von Schmerz) ſich ergiebt. 
Daher empfiehlt E. Genügjamleit, Vermeidung loft- 
—* üppiger Genüfje, zur Bewahrung ber Gr 
undbeit und Genußfähigleit. Daher gehört zum 
angenehmen Leben aud, daß man vernünftig, ans 
ftändig und gerecht lebe, wie umgelehrt mit dieſen 
Tugenden die Annehmlichteit ven ih olgt. Bis⸗ 
meilen erſcheint an Stelle der Luft auch die bloße 
Schmerzlofigleit und Unerſchütterlichleit als Ziel. 
Die feeliiche Luft ift von der förperliden burdaus 
abhängig und gebt aus ihr hervor, doch hat fie in- 
A ben Borzug, als fie völlig in unferer Gemalt 
» Daß diefe Moral auf einen ziemlich folgerechten 
noismus binausläuft, ift Har; das hindert nidt, 
daß auf die Freundſchaft großer Wert gelegt wird, 
denn dieſe jelbft wird wejentlic auf ven Nuben für 
den, ber fie genießt, gegründet, obwohl baneben, 
etwas intonfequent, auch ein uneigennüßiges Wobl- 
wollen eingeräumt wird. Die Epikureijche Ethil 
ag ſichtlich mit der Cyrenaiſchen, aber aud mit 
der Demofritifchen zufammen. BR 
Im ganzen fam der Epilureismus mit feinem 
groben Dogmatidmus, feiner im ganzen kaum 
wiffenfchaftlih zu nennenden Haltung und mora: 
liſchen Zarbeit der Zeitftimmung entgegen und ge 
warın beträchtlichen Einfluß befonders in ber röm. 
Welt des Augufteiihen Zeitalterd. Die Schule des 
E. zeigt im allgemeinen wenig Selbftänbdigteit, ber» 
vorzubeben ift nur die Ausbildung einer beftimmten 
Seite der Logik dur Zeno (f. * von Sidon und 
feine Schüler, wie Demetrius den Lalonier. ‚Her 
vorragend ih die dichterifche Daritellung der Epi- 
kureifhen Philojopbie in dem Lehrgedichte des Lu⸗ 
cretius. Auch Dionenes Laertius bing der Epilu- 


Epicykel — Epidemie 8 


wihen Richtung an, fpäter ift fie jo gut wie er» 
leihen. — g- 3eller, —A — der Griechen, 
dd. 8, Abteil. 1 (3. Aufl., 8p;. 1880); Gifycki, 
über va8 Leben und die Moralphilofophie des E. 
(Halle 1879); Kreibig, Epicurus (Wien 1886); 
Bene ‚E.’ Berbältnis zu Demokrit in der 
Raturpbilo opbie (Straßb. 1897). j 
EpichHkel (arch.), eine gelrümmte Linie, die man 
erhält, wenn man fich dentt, daß ein Punkt mit 
eihförmiger Gejchwindigteit den Umfang eines 
es durchläuft, während gleichzeitig der Mittel: 
vunlt dieſes Kreiſes wieder um einen andern Punkt 
einen Kreis befchreibt. Lesterer Kreis wird der 
beferierende genannt. Der E. fpielte namentlich 
in der Ajtronomie des Altertums eine wichtige 
Rolle, indem er zur Erklärung des ſcheinbaren Laufs 
der Blaneten benugt wurde. (S. Weltfyiteme.) 
Hi —— ſ. Cylloide und Tafel: Rur—⸗ 
ven UI, 


bammus, alte Stadt, j. Durazjo. 
Epidbauros, j. Epidaurus. j 
ö us (och.Epidauros), eine urfprüng: 
Gib von Kariern gegründete, dann von Joniern be 
este, jpäter aber be der dor. Wanderung von 
rg03 aus bdorifierte Stadt an der Ditlüfte von 
Argolis am Saronijhen Meerbufen, zu deren Ge: 
biet urjprünglich aud die Inſel Agina (ſ. d.) ge 
börte. Durdy ihre günftige Yage, bejonbers ihren 
treffli Hafen, wurde €. fruͤhzeitig eine bedeu— 
tende Handelsſtadt und gründete in nn 
mit —— Nachbarſtädten Argos und Trözen meh: 
tere Kolonien auf den Inſeln Kos, Kalydnos und 
Riipros. Seit 640 v. Ehr. ward die Stadt von dem 
Tprannen Profles regiert, jpäter von dem korinth. 
Bj Beriander unterworfen; nad dem Sturze 
der forinth. Kypſeliden (681) erlangte fie fax: ibre 
Selbſtändigleit wieder, aber infolge des gleichzeitig 
erfolgten Berluftes von gina vermochte fie ihre 
ere Blüte nicht mehr zu erreichen. In der Folge 
chloß ſich das oligardifch regierte E. eng an Sparta 
an. Die Hauptgottbeit von E. war Astlepios, der in 
einem Waldthale 10 km weſtlich von der Stadt ein 
Heiligtum batte, das zugleich ein nod im 2. Jahrh. 
n. Chr. blübender Kurort war. Daber befanden fi 
in demjelben, außer dem Tempel des Gottes jelbit, 
Wohnungen für eine jablreiche Briefter‘ haft, Wohn: 
bäujer für die fremden und verſchiedene Anlagen 
zu deren Bflege, Unterhaltung und Erbeiterung, wie 
namentlih das von Polyklet aus Argos erbaute 
aroße Theater, dejien marmorne Sitzreihen noch 
wohl erhalten find. In den legten Jahrzehnten find 
durch Nahgrabungen der Griehiihen Archäologi⸗ 
ſchen Geſe haft aud ſonſt Reſte alter Baulichkeiten 
in €. wieder aufgebedt worden; jo in dem ganzen, 
noch jest vom Bolle «das Heiligtum» (to hiero) ge: 
nannten Thale die Tholos des Polyklet, ein kreis⸗ 
runder Säulenbau, ferner das Stadion u. a. Jetzt 
liegt bei den Nuinen ver alten Stadt ein gleich: 
mamiged Dörfhen und etwas mehr nördlich das 
Städten Piädha. — Bol. Kabbadias, Fouilles 
d’Epidaure (Bd. 1, Athen 1893). — Über die griech. 
Rationalverfammlung zu €. ſ. Piädha. 

Eine andere gried. Stadt E., von der vorer⸗ 
mwähnten durch den Beinamen Limera unterſchie— 
den, lag an der Oſtküſte Laloniens, eine Stunde 
von dem beutigen Städtchen Monemwaſia entfernt: 

Epideigis, Epidiris (grob., das «Aufmeijen»), 
Brobeitüd, Bruntjtüd, bejonders Prunfrede; davon 
als Adjeltivum epideiktiic. 

Brodbaus’ Konvderjationsskeriton.. 14. Aufl. R. U. VI 


Epidemie (grch) oder epidemijhe Krank— 
beit, auch Volkskrankheit oder Seuche, wer: 
den Kranlheiten genannt, welche ſich zu beſtimmten 
Zeiten über größere oder kleinere Gebiete aus: 
breiten, während fie nad ihrem Erlöjchen wieder 
—— nicht vorlommen. Im Gegenſatz zu den 
epidemiſchen Krantbeiten ſtehen die jporad ? ben, 
melde nur einzelne Berjonen befallen, und die en: 
demiſchen, mweldhe beitimmte Gegenden dauernd 
heimſuchen (f. Endemie). Jit die Krankheit über 
ganze Länder gleichzeitig verbreitet, jo daß faft alle 

ewohnte Gegenden der Erde von ihr befallen find, 
jo jpriht man von einer Bandemie oder pan— 
demiſchen Krankheit. Größere E. verurſachen 
nur ſolche Krankheiten, die durh Mikroorganis— 
men hervorgerufen werden, die nfeltionstrant: 
ee (f. d.), wie Cholera, Influenza, Scharlad, 
ajern, Typhus, Blattern, Gelbes Fieber, Beulen 
peit u.d (to daß ſich der ZSegri nfeltionslrankheit 
und Boltötrantheit in der Regel dedt. Epidemiſch 
wird eine Krankheit auftreten, wenn entweder eine 
beftimmte Schäblichfeit mehrere zur Erkranku 
bisponierte Individuen trifft, oder wenn ber Krant: 
—— in reichlicher Anzahl vorhanden iſt und 
elegenbeit findet, ſich zu vermehren und ſtets wie: 
der auf neue ———— Individuen zu verbreiten. 
Bon alters ber wurden kosmiſche, telluriſche und 
polit.efociale Verhältnifje ald Urjachen der epide⸗ 
mijchen Verbreitung einer Krankheit angejehen. Der 
Glaube an den kosmiſchen Urjprung der Seuchen 
als Folge beftimmter Stellungen der Sterne zu ein» 
ander oder des Erſcheinens eines Kometen ift uralt, 
jedoch lediglich als ein Aberglaube zu bezeichnen. 
Großer Einfluß wird Fi Zeit noch den tellurif 
Verhältnifien, den eleltrijhen und magnetijchen 
Verhaͤltniſſen eines Landſtrichs, Uberſchwemmun⸗ 
gen, anhaltender Hihe und Trodenbeit teip. anhal⸗ 
tendem Regen, einem bejonderö ungewöhnlichen 
Verlauf der Yahreszeiten, Steigen und Sinten des 
Grundwaſſers u. dgl. von manden zugeichrieben. 
Allein auch diefe Umftände dürften nur geringen 
Einfluß haben und zwar nur injofern, als fie bie 
Dispofition vielleicht erhöhen, wie z. B. Lungen: 
entzündungen entjchieden häufiger find bei rauber 
Witterung, welde zu Ratarrhen diöponiert, als 
bei milder Witterung. Auch die Beihafienbeit des 
Bodens, ob er jene oder jandig, ——— 
ober pord3 iſt, iſt für das Auftreten von E. ohne 
Einfluß. Bedeutend wichtiger und beftimmender 
auf den Gang einer €, find polit.:fociale Ber 
bältnifjie. Die BVerfehröverhältniffe eines Ortes 
und Landes, die Sitten und Lebensgewohnheiten, 
die — ung, die durchſchnittliche Wohlhaben⸗ 
beit, die Wohnungs: und äbrungsverbältnifie, 
envlich der Grad der Durchſeuchung und dadurch er: 
langte — einer —— ſind für den 
Verlauf und die Ausbreitung einer E. von größter 
Bedeutung; fie find ausſchlaggebend für die to viel: 
fach betonte örtliche und zeitlihe Dispofition zu 
einer E. Verlehrscentren pflegen bei E. jtet3 zu: 
erit betroffen P werden, und von da aus verbreitet 
ih die Krankheit in die umliegenden Ortſchaften. 
eute, welche in überfüllten ——— und in Fa⸗ 
briträumen ſtets in enger Berührung leben und viel» 
leicht noch ſchlecht genäbrt find, haben eber Gelegen⸗ 
beit zur Infeltion und find weniger widerftandsfäbi 
ala eine Bevölkerung, melde zeritreut wohnt, fi 
meift im freien aufhält und wohlhabend ift. In 
Orten mit guten hygieiniſchen Einrichtungen, wo für 
6 


82 


eine geeignete Entfernung der Abfallftoffe, für gutes 
Trinkwaſſer geforgt ift, mird eine €. ſich viel ſchwerer 
verbreiten fönnen als da, wo dieje nicht der Fall ift. 
Die Ausbreitung einer E. wird bedingt durd die 
Anftedung (f. d.). Wird eine Anfeltionstrantheit 
irgendwo eingejchleppt, fo entfteben daſelbſt zuerft 
E. in der genik, dann im Haufe, in der Straße, 
und endlich ift die Krankheit über die ganze Bevol⸗ 
ferung einer Stabt verbreitet. liberaus injtruftive 
Beiſpiele für die Art und Weife, wie fih E. aus: 
breiten, liefern bie in legter Zeit mehrfach epidemiſch 
aufgetretenen Infektionskranlheiten, die Cholera 
(f.d.) und Influenza (Grippe, ſ. d.). Bei beiden war 
es möglih, den Gang der E. volllommen Har zu 
legen, und jedesmal zeigte fi, daß ſtets eine ſpä⸗ 
tere Erkrankung mit einer frühern zufammenbing, 
und daß nicht mwillfürlich einzelne Ortſchaften ver: 
ſchont blieben, während andere häufig heimgeſucht 
wurden, fondern daß dieje fcheinbare Immunität 
angel an Infeltions⸗ 


Epidemiologie 


verſchiedener Gegenden aus 

elegenheit infolge der Verlehrsverhaltniſſe oder der 

bensweiſe zu erflären war. Auch die Beobachtung, 
daß in beitimmten Häufern und Straßen mande 
Anfeltionstrantheiten häufiger vorlommen, was 
dazu geführt bat, 3.9. Dipbtberie: und —— 
bäufer anzunehmen, läßt ſich zwanglos ren. 
Meift handelt es bier um Häufer mit vielen 
empfänglihen Individuen, fo bei der Dipbtberie 
mit vielen Kindern, oder um Häufer, in denen ein 
fchneller Wechſel der Mieter eintritt, jo daß immer 
neue noch empfänglidhe Individuen binzufommen, 
oder endlih um Stadtviertel, in denen eine arme 
Bevölkerung dicht gedrängt zuſammenwohnt, fo daß 
reichliher Gelegenheit zur Anftedung gegeben ift. 
Die Übertragung des Anfeltionsftoffes kann dur 
Berührung (Dipbtberie, Ros, Miljbrand, Influenza), 
durch Mailer und Nabrun Smittel (Typbus, Cho⸗ 
(era), durch Einatmung (QTuberkuloje) und wahr: 
ſcheinlich durch ſtechende Inſelten (Malaria, Recur: 
rens) erfolgen. Jede Seuche zeigt eine Zeit der Zu: 
nahme, ber Höbe und der Abnahme, und zwar findet 
ſich meiſt, daß die Zunahme raſch vollendet und das 
Höbeftadium bald erreicht ift, während ſich das 
Stadium der Abnahme länger hinausziebt. Nah 
ihrem Ablauf > die Krantbeit entweder fpurlos, 
nicht felten auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus ver: 
ſchwunden, bis plößlich wieder einzelne Fälle den 
Beginn einer E. antündigen, oder fie befteht wäbrend 
der Pauſe in einzelnen meift Arge 
—*—* Fällen fort, wie dies z. B. beim Schar⸗ 
ad in großen Städten der Fall iſt, und entwidelt 
ſich dann infolge beitimmter Umftände zur E., jo beim 
78 wenn beiſpielsweiſe Nahrungsmittel oder 
das Trinkwaſſer infiziert werden. Die Dauer der E. 
ift verſchieden, gewöhnlich nicht unter 2—3 Mo: 
naten, ſelten über ein halbes Jahr während; meiſt 
dauern fie deſto kürzere Zeit, je heftiger fie auftre⸗ 
ten, d. b. je mehr Individuen fie glei anfangs er: 
Er Ebenjo wechjelnd wie die Verbreitung der 
8. it auch ihre Mortalität; während in einzelnen 
E. alle Fälle gutartig verlaufen, ift in andern die 
Prozentzabl der Toten eine jehr beträchtliche, ohne 
daß ſich ein beitimmter Grund dafür bisber mit 
Sicherbeit anführen läßt; vermutlich banvelt es 
% dabei um verjchiedene Virulenzgrade der In— 
ettionserreger. Gemöbnlic find die Erfrantungen 
zu Anfang einer E, die ſchwerſten, am bäufigiten 
tödlich, weil meiſt die ſchwächlichen Individuen zu: 
erit ergriffen werden. Die €. hört nab und nad 


— Epidermis 


von ſelbſt auf, jei es, weil fie alle Disponierten Ins 
dividuen aufgezebrt bat (da epidemiſche Krankbeiten 
einen Menſchen oft nur einmal befallen), ſei es, 
weil ihre Urſachen aufbören, fei es, weil die Leute 
fih befier dagegen ſchützen u. |. m. 
Die jehr mannigfaltigen Schutz⸗ und Hilfs⸗ 
mittel gegen E. gehören in das Gebiet ber 
entlichen mie der privaten Hygieine. Sie find 
allgemeine oder fpecielle; zu den allgemeinen ge 
bören beſonders Berbefjerung der Lage, ber Nab- 
rung, bejonders auch des —— ferner der 
Kleidung und Wohnung der ärmern olfatlafen, fo: 
wie größere Sorge für Entfernung alles Unrats aus 
bem Bereiche —— Wohnungen, ausgiebige 
Ventilation und Desinfeltion der Wohnpläge und 
ihrer Umgebung ſowie jtrenge Beauffihtigung der 
DWaflerleitungen, Brunnen und Quellen; — 
aus der Eigennatur des Ubels entnommene Schußz⸗ 
mittel ſind z. B. die —— ſolierung der Er⸗ 
frantten, die energiſche Desinfeltion der Kranten: 
immer, bie Schugpodenimpfung gegen Blattern, die 
perrmaßregeln gegen orient. Belt, das go auf 
bie Höben des innern Landes gegen Gelbes Fieber. 
Über die gefeplihen Maßregeln gegen Verſchleppung 
von E. f. —— 
Litteratur. Grieſinger, Infeltionskrankheiten 
(2. Aufl., Erlangen 1864) ; Heder, Die großen Volta: 
frantbeiten bes Mittelalters (Berl. 1865); Öfterlen, 
Die Seuchen, ihre Urſachen a und Belämpfung 
Tüb, 1873); Allgemeine Zeitichrift für Epidemio⸗ 
ogie, bg. von Kuchenmeiſter, Bd. 1 (Erlangen 1873); 
Hirſch, Über die Verhütung und Bekämpfung ber 
Voltstrantheiten (Berl. 1875); deri., Handbuch 
der biftor.:geogr. Pathologie (2. Aufl, 3 Abteil., 
Stuttg. 1881— 86); Rei, Studien über die epide- 
miſchen Krankheiten (Lpz. 1894); Flügge, Mitro: 
organiömen (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1896); alt 
Geihichte der Volis ſeuchen (Berl. 189); Weicfel: 
baum, Epidemiologie (im «Handbud ber Hygieine», 
bg. von Weyl, Bd. 9, Nena 1899). 
Epidemiologie (gr&.), die Lehre von den Epi⸗ 
bemien (f. d.). 
Epidermibdöfen (grch.), Hautkrankheiten, welche 
auf Ernährungsjtörungen der Epidermis beruben. 
idermin, gegen Wunden, Eiterungen, Ber: 
brennungen, Flechten u. |. w. empfoblene Salbe aus 
un. Bafeline, Fluorpfeubocumol und Difluor- 


dipbenpl. 

—ã (grch.), die oberſte Schicht der menſch⸗ 
lichen und tieriſchen Haut (f.d.);epidermoidäl, mit 
der E. zufammenbängend oder von ihr ausgehend. 

In der Botanik ift E. die Zellfhicht, melde 
fämtliche Organe der höbern Pflanzen nad außen 
abſchließt, bevor noch fetundäre Veränderungen in 
den peripberifch liegenden Geweben, 3. B. Rort: 
bildung, eingetreten find. Cine von den darunter 
liegenden Geweben chiedene, oberflählih lies 
gende Zellſchicht ift eigentlich nur bei den Gefäß: 
pflanzen vorhanden, und felbit bier nicht ganz aus: 
nahmslos; denn bei manden Waſſerpflanzen, 3.3. 
bei den Blättern von Elodea canadensis Rech., 
lann man von einer €, nicht ſprechen; ebenio 
wenig ift dies der all bei erg Farnkrautern, 

. B. den Hymenophyllaceen. Von den übrigen 
a unterjcheidet fib die E. im mweientlichen 
dadurch, daß die Va aus denen fie fih zufammen« 
fest, in lüdenlofem Verbande miteinander Do 
alfo feine Antercellularräume zwiſchen ſich baben, 
mit Ausnahme gewiſſer Stellen, wo die Spalt- 


Epidiaffop — Epidot 


nungen und die MWafferporen oder Waflerfpal: 
ten liegen. (S. Tafel: Blatt, Fig. 34, o, u.) 
Die €. überziehbt demnach fämtlihe Organe der 
BMlanze als Hautgemwebe, das nur an den Stel: 
im, wo jene Spaltöffnungen und Waſſerſpalten 
liegen, unterbrochen ift. Der t ihrer Zellen N: 
in den meiften Fällen daburd darakterifiert, da 
dad Chlorophyll fehlt, nur bei Wafjerpflanzen und 
538 Schatten liebenden — findet 
ſich Chlorophyll in den Epidermiszellen vor, außer: 
dem regelmäßig Chlorophyll in den fog. Schließ⸗ 
sellen der Spaltöffnungen, melde entwidlungs- 
geibichtli als Epidermiszellen aufzufafien find. 
Die Form der Epidermiszellen ift gewöhnlich 
prismatiſch und tafelförmig, der Umriß derjelben 
in ben meijten Fällen gerablinig, jeltener wellen⸗ 
linig, legtere8 nur dann, wenn bie Radialwände 
nit ebene, ſondern gemellte Flächen daritellen. 
Gewöhnlich ift nur eine einzige Zellihicht vorhan⸗ 
den, die man ala E. — lann, direlt dar⸗ 
unter lommen dann chloroxhyllfuhrende, mit Inter: 
celularräumen —— Gewebeſchichten; in eini⸗ 
Fällen ug ind me Zellſchichten vor⸗ 
a deren Elemente betreffs des anatom. Baues 
und des Zellinhalts mit der oberflächlich liegenden 
Schicht übereinitimmen; man fpricht in einem fol- 
ben Falle, . bei Ficus elastica L., von mehr: 
ſchichniger € Die nah außen gerichtete Fläche 
der Spidermiszellen ift in der Regel eben, doch fin: 
den fi in vielen Fällen papillenartige Ausftül: 
pungen, befonders bei den mit jammetartigem Glanz 
verjebenen Laub: und Blumenblättern, und außer: 
dem die verſchiedenartigſten Haar: und Schuppen: 
bildungen. Sämtlihe Epidermiszellen famt den 
aus ihnen heroorgegangenen Haaren find mit Cuti- 
cula überzogen, und bisweilen ift auch die ganze 
Außenwand der Zellen, zumal wenn diefelbe ftart 
verdidt ift, futikularifiert; man ſpricht in dieſem 
Falle von futikularifierten oder Kutikularſchichien. 
Die phyſiol. Bedeutung der E. für die Pflanze 
liegt ar, erg darin, daß die Waſſerverdun⸗ 
ftung möglichft herabgejeßt und daß der Vertehr 
der im Innern der Gewebe vorhandenen Luftgänge 
mit der umgebenden Luft nur an bejtimmten Stel 
ien, namlio da, mo die Spaltöffnungen liegen, 
ftattfinden kann. Die legtern ermöglichen zugleich 
infolge ihres eigentümlihen Baues eine Regulies 
er. diefes Verkehrs. An vielen lan haupt⸗ 
ſachlich trodner Gegenden, finden ſich noch mehrere 
BVerftärtungen der Cuticula vor, die entweder in 
dichter Haar: oder Schuppenbededung befteben oder 
durch Ausscheidung von Wachs gebildet werben. 
Das Wachs tritt in Form von Körnden oder Stäb: 
chen auf, die dicht aneinander die ganze E. bededen. 
Während fomit an den oberirdifchen Teilen die 
Einihräntung der Wafjerabgabe dur die €. er: 
zielt wird, und zwar durch verjchiedene Einrichtuns 
gen, wie Cuticula, Kutilulariſierung der Zellwand 
u. ſ. w, muß an den Spiken der Wurzeln und 
bauptiählib an den ſog. Wurzelbaaren, die nichts 
anderes find, als fhlaubförmig ausgemadjene 
Eridermiszellen, der Verlehr für Wafler beſonders 
erleichtert werden; denn bier wird ja faſt das ge: 
famte Wafjer aufgenommen, welches in der Pflanze 
verbraudt wird. Die Epidermiszellen und die 
Wurzelbaare find deöbalb an jenen Stellen äußert 
ſchwach verdidt, die Cuticula ift, wenn überhaupt 
vorbanden, ſehr zart. Bismweilen finden ſich auch 
an der E. oberirdifcher Pflanzenorgane, haupt: 


83 


fählih an Blütenteilen, beftimmte Stellen, die 
für Slüffigleiten eine größere Durdläffigleit bes 
figen; ed find dies bejonbers die ſog. Neltarien 
N d.), an denen zuderhaltige Tröpfchen vortreten. 

ieje fühen Sefrete an den Blütenteilen haben oft 
Bedeutung für das Zuftandelommen der Wechielbe: 
ftäubung durch Infelten. (S. Betäubung.) — Val. 
Maurer, Die E, und ihre Ablömmlinge (Yyp3. 1895). 

Epidiafköp (ardh.), ſ. Bo. 17. 

Epididgmis (grch.), der Nebenhode (f. Hoden); 
Epididpmitis,die Entzündung des Nebenhodens. 

Epidigis, J. Epideiris, 

Epiddt, ein monollin Erpftallifierendes Mineral 
mit einem außerordentlichen Reihtum an Formen, 
von denen bis jebt 258 verſchiedene nachgewieſen 
find; die ſtryſtalle find faft immer borizontal-fäulen- 
artig (f. bei teenbe Figur: Kroftallform des E. von 
Achmatowsl im Ural), in: 
dem fie nad der Quer: 
achſe langgeftredt und 
vorwaltend Drtbopina- 
toid, Ortbodomen und 
Ben ausgebildet find; 
diefe Säulen find an dem 
einen Ende meift aufge { 
wachſen und zeigen an 
bem andern frei ausgebildeten Ende oft jehr lompli⸗ 
zierte Kombinationen von Hemipyramiden, Pris⸗ 
men und Rlinodomen. Zwillingsbildung nad) der 
Querfläche ift jehr häufig, die Spaltbarleit nad ber 
Baſis fehr volllommen, auch eine ſolche nad der 
Querfläche vorhanden. Die Kryſtalle, oft ftart nah 
der Querachſe geitreift, finden fich meift zu Drufen 
vereinigt, find glasglänzend, meiſt grün, gelb oder 
grau gefärbt und ftarf trichroitifch (f. Dichroismus); 
die optiſchen Achſen liegen in der Ebene des Klino⸗ 
pinaloids, Die hem. Analyfe führt auf die Formel 
H, Ca, (R,)s Sig Ogs, worin (R,) zum Teil Alumi: 
nium (Thonerbe:Epidot), zum Teil Eifen Nahen 
Epibot) it. In den Analyfen ſchwankt der Gehalt 
an Riejeliäure von 36 bis 40 Proz., an Thonerde 
von 18 bis 29, an Eifenoryd von 7 bis 17, an Ralt 
von 21 bi8 25, an chemiſch gebundenem Wafler, das 
erſt in ftarfer Glühhitze entweicht, um 2 Proz. Die 
robe Subftanz wird von Säuren faum angegriffen, 
die ftark geglühte oder geihmolzene von Salzfäure 
mebr oder weniger leicht unter Abjcheidung von 
Kiejelfäuregallerte ar 

Barietäten des E. find: 1) Der eigentlidhe E. 
oder Piftazit, öl: und zeifiggrün, piftaz- bis 
ihwärzlibgrün, ſehr jchwer vor dem Lötrobr 
ſchmelzbar, in Kryftallen, auch ftengligen und för: 
nigen Aggregaten eingefprengt; die ſchönſten Kry—⸗ 
ftalle finden fih an der Knappenwand im Unter: 
ſulzbachthal (Binzgau), am Rotentopf bei Schwar⸗ 
zenjtein im Billertbal, zu Rotlaue im Haslitbal, 
Bourg d'Diſans in der Daupbind, Lanzon in Pier 
mont, Zöptau in Mähren, Arendal in Norwegen. 
Der eigentliche E. erſcheint in ſehr vielen Fällen als 
Neubildungsprodult auf den Klüften von Horn— 
blendegejteinen und iſt ſehr häufig in erfichtlicher 
Weiſe durd eine Ummandlung von Hornblende, 
auch von Augit und Biotit entftanden; aud aus 
Feldſpaten fann unter befondern Umftänden €. ber: 
86 Eine Anſiedelung von ſelundärem E. in 
mikroſtopiſchen Körnchen, Neſtchen und Schnürchen 
zeigt ſich daher vielfach in Syeniten, Dioriten, Por⸗ 
phyriten, Amphiboliten, auch Diabaſen, Graniten 
nr w. 2) Der Manganepidot oder Piemon— 

6* 





84 


tit, ftenglige Aggregate von San Marcel in Pie 
mont, rötlihjchwarz bis dunlelviolblau, ſehr leicht 
fchmelzbar —— durch einen Gehalt von 
14 bis 24 Proz. Manganoryd neben zurüdtretender 
Thonerde und Eifenoryd; bildet, mit feinen Quarz 
lörnern — in Japan ein weitverbreitetes 
dunlelviolettes Schiefergeſtein. 3) Der Buclan⸗ 
dit von Achmatows!l im Ural, ſchwarz und eiſen⸗ 
reich, —— hiſch charalteriſiert durch das 
untergeorbnete Auftreten von Baſis und Brady: 
pinaloid, [reinigungsmafcinen. 
Epierreur (fr;., ſpr. epläröhr), ſ. Getreide: 
‚ gl — * —* Recht, 
eine gültige mit allen gejeb olgen einzu: 
geben. Dieies Recht bei innerhalb eines Staa: 
tes nur die Bollbürger. Den Angehörigen fremder 
Staaten wurde eö nur burd bejondere geſetzliche 
Berfügung (Beihluß der Vollsverſammlung) zu teil. 
Der €. entipricht bei den Römern das Connubium. 
aſtrion (grch.), obere Bauchgegend; epi: 


+, 
gaſtriſch, dazu gehörig. ngsgeichichte. 
— igeneſis 4“**— 
Epiglottio 8) Rebidedel lt. Itopf); Epi⸗ 
alottitis, Kehlde tzündung. 
Epiguäthu® (grch.), eine parafitäre Doppel: 
mißgeburt, bei welder ein frühzeitig verfümmertes 


— als Paraſit dem kräftiger entwidelten 
tus anbaftet und gewöhnlich aus der Mund: 
Öffnung des legtern heraushängt. Durch nadıträg: 
libe Wucherung kann der Barafit an Größe beträcht⸗ 
li zunehmen und volllommen untenntlich werben. 
Cs onen 8 .), eigentlih Rahgeborene, 
in der Mythologie vorzugsweife Bezeichnung für 
die Söhne der fieben Helden der altgriedh. Sage, die 
mit Bolyneites gegen Theben gezogen und in biejem 
Kriege jämtlich bis auf Adraftos (f.d.) umgelommen 
waren. Die E. unternahmen, um den Tod ihrer Bäter 
u rächen, 10 Jahre fpäterunter Anführung des Adra⸗ 
oder des Allmaion einen Rachezug gegen die 
bebaner und ſchlugen fie fo entſchieden, daß fie auf 
des Teirefiad Rat in der nächſten Nacht ihre Stadt 
verließen, die nun von den Siegern geplündert und 
geichleift wurde. Die Namen der E. find: Altınaion 
und — Söhne des Ampbiaraos; Yigia- 
leus, Sobn des Apraftos; Diomedes, Sohn des 
Tydeus; Promachos, Sohn des Partbenopaios; 
Stbenelos, Sohn des Kapaneus; Therfander, Sohn 
des Polyneiles; Euryalos, Sohn des Mekiſteus. 
Aigialeus allein war im Kampfe gefallen. Schon 
in Früher Zeit war der Krieg der E. ein Gegenitand 
der epiſchen Dichtung, weniger bearbeiteten ibn die 
Zragiter und die bildende Kunſt. — In der Ge: 
ſchichte beiken E. die Söhne der großen, fiegreich 
an die Spitze ber verſchiedenen Teile des Alerander: 
reichs getretenen Diadochen (ſ. d. Aleranders d. Gr. 
— In der Litteratur und Wiſſenſchaft be 
jeichnet man diejenigen als E., welche, obne felbft 
epohemadend zu wirken, nur die been ihrer 
epochemachenden Vorgänger weiter verarbeiten. 
Epigrämm (grch. d. i. Auffchrift), bei den Gries 
chen urjprünglich wirklich die üblichen Aufichriften auf 
Kunftwerten, namentlich folhen, die eine religiöfe 
Weihe erbielten, auf Grabmälern u. dgl. Da diefe, 
meijt in Diftihen abgefaßt, ihren Gegenftand did: 
terijch erflärten oder auch neue ®edanten anftnüpften, 
jo wurde das €. bald eine jelbftändige Dichtart, die 
in fnappfter Faſſung die manninfaciten Gedanten 
abrundete, mobei eine geiftvolle Pointe weſent— 
lies Erfordernis, aber die größte Verfchiedenbeit 


Epierreur — Epigraphit 


des Inhalts möglich blieb. Die zahlreichen €. der 
— Dichter, in denen höchſte Zartheit mit fedftem 
Witz wecjelt, wurden im byzant. Zeitalter zu ums» 
fangreiben Anthologien (f. d.) vereinigt, deren 
mebrere erhalten jind. Bei den Römern war das 
€. faft nur in fatir. Richtung ausgebildet, Haupt: 
vertreter Martial (ſ. d.). Auch im buddhiſtiſchen 
wie im brahmaniſchen Indien und im mohammed. 
Berfien giebt es —— finnige Sprüde 
der Weisheit. Bei den roman. Böltern war das €, 
meift eine Waffe des Spotts, im Mittelalter und 
im 16. Nabrb. befonders bei den lateinjchreibenden 
Humaniften; in der ital, Zitteratur aber ging es all: 
mäblich in die Form des Madrigals, zum Teil auch 
des Sonettö über. Am meiften war es in Frankreich 
beliebt, befonders feit Marot (f.d.). Weniger fünit« 
leriich vollendet, aber fhärfer und wirlſamer waren 
in Frankreich zabllofe mündlih und ſchriftlich ver 
breitete E. die feit Nichelieus Zeiten, befonders kurz 
vor der Revolution der font zum Stillſchweigen 
verurteilten polit. Oppofition Ausdruch gaben. Sn 
England abmte 3. Owen (f. d.) im lateiniſchen €, 
den Martial gut nad. Als die älteften deutjchen 
€, fann man viele Sprüde des 13. Jahrh. (Frei⸗ 
dank u. a.), beionders aber die Bräambeln oder 
Priameln (f. d.) des 14. und 15. Jahrh. anfeben, 
die troß ibrer allgemeinen Haltung ver fatir. Zus 
fpigung felten entbehren; eine vollstümlihe Epi⸗ 
grammart bilden heute noch die Schnaderhüpfel(f. d.) 
u.a. Das kunjtmäßige E. in deutiher Sprache, 
das fib an die Alten anſchloß, begann erit im 
17. Jahrh.; das Bedeutendſte leiftete darin Yogau 
mit einen Sinngedisten. In gleicher Richtung 
folgten im 18, Jahrh. Wernide und Käftner, im 
19. Jabrb. die Brüder Schlegel, F. Haug, Platen, 
neuerdings Hebbel, Leutbold, Schad, Bodenitedt, 
Viſcher, Bauernfeld, 2. Fulda. Die zahlreichen €. 
Goetbes und Schillers find vielfach rubige Sprüche 
von allgemeiner Wahrbeit; nur in ben XZenien 
(f. d.) trieben fie die Schärfe des epigrammatifchen 
Angriffs auf die Spike, und aud Goetbes «Bene 
tianiſche E.» atmen oft polemiichen Geift. Die 
Theorie des E. wurde mit Scharffinn von Leifing 
1759 in den «Anmerktungen über das E.» bebans 
delt, in denen er vorzugämweife das witzig ſpottende 
E. der Römer vor Augen batte, und von Herber 
in der Abhandlung «liber das griehifhe E.,», ber 
eben dur die Berüdfichtigung der grieh. Antho— 
logie zu einer böbern Anficht gelangte. Sammlun: 

en von GE. veröffentlichten Denedir (2p3. 1861), 
Booth (2. Aufl., Yond. 1865), Dodd (2. Aufl., ebd. 
1875), Kaibel (Berl. 1878), Adams (Lond. 1890), 
Vreger (Lpz. 1897). — Bol. Reitzenſtein, E. und 
Stolion (Gieß. 1893), ſſcharf zugeipist. 

Epigrammätifch (ar.), kurz und treffend, 

Epigräphif (grib.) oder Inſchriftenkunde, 
derjenige Teil der Altertumswifienibaft, der das 
Verſtändnis der in Metall, Stein oder andern 
dauerhaften Stoffen eingegrabenen Inſchriften (ar. 
epigraphaf; lat. inscriptiones) vermittelt. In vielen 
Fällen, wo die fonftige Litteratur eines Volls voll: 
jtändig untergegangen, ijt man jogar ausſchließlich 
auf die Inſchriften angemwiefen, fo 3.8. bei den Aſſy— 
tern, Bböniziern, Phrygern, Lyliern, Karern, ebenio 
wie bei manchen Dialelten von Hellas und talien. 
Bon den ſemitiſchen Anicriften find bejonders 
bervorzubeben: die für die Geſchichte der Schrift be⸗ 
ſonders wichtige Stele des Mefa, Koönigs von Moab 
(um 890 v. Ebr,), der Sarlopbag des Eſchmungzar 


Epigraphif 


ud die Siloahinſchrift; font überwiegen diefalralen 
und Grabinjchriften; viele find, obmohl formelbaft 
und bedeutungslos, dennod wichtig durch den Ort, 
mo fie gefunden wurden, nämlich an ben verſchieden⸗ 
ten Punkten des Mittelmeers, jomeit der phönlı 
Handel reichte. Eine er rg | aller jemit. 
‚nibriften ift von der Franzoſiſchen Alademie be: 
gonnen bu ba3 «Corpus inscriptionum semiti- 
arım» (Par. 1881 fg.). (Vgl. außerdem Hiero- 
glupben und feilichrift.) Noch nicht ak ert find die 
Juſchriften der Hetbiter (\. nr Anjcheinend jehr 
alte, aber noch nicht gedeutete Inſchriftzeichen find 
neuerdings in Kreta gefunden worden (vgl. Evans 
im «Journal of Hellenic studies», 1894 u. 1897; 
derj., Cretan pictographs and praephoenician 
script, Lond. 1895; Wolters im «Jahrbuch des 
Deutihen Arhäol. Jnftitutse, 1900, S. 149 fg.). 
Am wichtigſten iſt die griebiide und latei: 
niihe E. wegen ber —— Kulturbedeu⸗ 
tung dieſer beiden Voller. Das in den griech. und 
lat. Inſchriften ung jest in bequemen Sammelwer: 
ten vorliegende Material bereichert in früher nicht 
eabnter Wei fe unjere Kenntnis der Sprade, Ge: 
dichte, Religion, Kunſt, Wiſſenſchaft ſowie des 
—— er ichen und privaten Lebens beider Bol⸗ 
. Die Griechen kannten die Schrift etwa feit dem 
Beginn des 1. Jahrtauſends v. Chr., verwendeten fie 
aber anjcheinenderit jpät zur Aufzeichnung auf dauer: 
baftem Material: die älteften erhaltenen Infchriften 
(Grabjteine aus Tbera und Melos) gehen faum über 
das 7. Ton binaus; die erhaltenen lateinischen 
und italtfchen find noch bebeutend jünger, da bie 
Italiler das Alphabet erft von den unterital, Grie: 
&en (die Römer etwa im 6. Yahrb.) überfamen. 
Bon den rdöm. Infhriften ift die ältefte die im Mai 
1899 unter dem fog. «Lapis niger» in der Tiefe des 
zöm. forums gefundene, die zwar in Schrift und 
Sprache ſehr —— aber doc wohl nicht über 
das 5. Jahrh. v. Chr. binauf zu batiren ift; noch 
etwas jünger ift die Inſchrift der präneftiniichen Fi⸗ 
bula und die Duenosinſchrift. Yür die jpätere Zeit 
wird aber das epigrapbiihe Material sehr umfang: 
reih, und die Kenntnis des Altertums ift dadu 
auf eine nicht nur breitere, ſondern auch feitere 
Grundlage geitellt. Die Maffe der öffentlichen Ur: 
funden in Rom während der Kaiferzeit war jo groß, 
daß allein beim Brande des Kapitols unter Veſpa⸗ 
fian 3000 vernichtet wurden. Faſt noch wichtiger 
find bie Inſchriften für das Privatleben der Alten; 
von ber Geburt des Menſchen bis zum Tode giebt 
es faum irgend einen Abſchnitt, irgend ein freudi⸗ 
e3 oder trauriges Ereignis, das ſich nicht in ben 
nfcriften widerjpiegelte. 
Die antiten Hiltoriter haben die Maſſe des in: 
ſchriftlichen Materials,das ihnen außer ven Archiven 
felbft zu Gebote jtand, meift in freierer Weiſe aus: 
genußt; ſelbſt Thucydides erlaubt ſich Abweichun: 
gen vom Wortlaut, und Tacitus zieht es vor, ſtatt 
ber im Original erhaltenen Rede des Kaiſers Clau: 
dius dem Zeitgeſchmack gemäß eine frei fomponierte 
einzuleger. Doch haben andere, namentlih die 
Ebronijten, Urkunden im Wortlaut eingelegt, auch 
gab es früb Sammlungen von Inſchriften, mie 
die Sammlung von Boltsbeihlüfien (Ympropdrwv 
snaywyh) des Krateros aus dem 3. Jahrh. v. Chr. 
Daß im Mittelalter das Studium der antiten €. 
nicht gepflegt wurde, ift nicht wunderbar, im Gegen: 
teil ift e3 zu verwundern, daß ſchon im 9. Fahrb. die 
röm. Inſchriften berüdjihtigt wurben: aus biefer 


85 


Zeit ftammt die berühmte, ſehr forgfältige Samm⸗ 
lung eines St. Galler Monches, des nad) dem Funds 
ort der Handſchrift jog. Anonymus Einfide u: 
Erſt in der Renatfjancezeit fing man an, den In⸗ 
ſchriften wieder ei Aufmerkſamkeit zuzumenden, 
und Jahrhunderte hindurch war Italien das Land 
der Inſchriften und zugleih der Inſchriftenlunde. 
F panien fing man am Ende des 15. Jahrh. in 
ankreich und Deutichland Mitte des 16, Yahrb. 
an zu — In Italien entſtanden eine Reihe 
ber wichtigſten Sammlungen. (Bol. De Roſſi, Le 
prime raccolte d’antiche iscrizioni im «Giornale 
Arcadico», 127, 128.) Schon Gola di Rienzi, der 
legte der Tribunen, hatte eifrig fopiert und gejam: 
melt, ebenſo Boggio (1380 — 1459) und Cyriacus 
von Ancona (1391, geit. vor 1457), der von feinen 
weiten Reifen in den Drient auch griech. Urkunden 
mit beimbrachte. Ferner find zu nennen die $taliener 
as Marcanova, as Bentomnel, Dnupbrius 
Banvinius, Accurfius, Die Deutſchen Beutinger und 
Birdheimer,die Franzoſen GabrielSimeoniund Jac. 
Sirmond, die Niederländer Smetius und Pighius. 
In die zweite Hälfte des 16. Jahrh. fallen aud die 
beionders für die lateinifhe €, wert nisvoDen 
roßartigen Fälſchungen des neapolit. Architelten 
Birro Ligorio, die bis in das 19. Jahrh. herab in 
den Inſchriftenſammlungen eine bedeutende Rolle 
—— am wenigſten noch in den von N 3. Sca⸗ 
iger angeregten und mit einem mufterbaften Inder 
verjebenen, von Janus Gruter herausgegebenen 
«Inscriptiones antiquae totius orbis Romani* 
(Heidelb. 1602; neue vermehrte Auäg. von X. ©. 
Gräpvius, Amiterd. 1707). Marquard Bude, Thom. 
Reinefius, Spon, Fabretti, Gori lieferten Ergänzun: 
gen. Muratoris Verfuche einer neuen Sammlung 
ber —— mißglüdte, dagegen —— Maffei 
in ſeinem «Museum Veronense» (Verona 1749), 
Gadtano Marini in «Gli attie de monumenti fra- 
telli Arvali» (Rom 1795) mit einer neuen forgfältis 
gen Kritik der — 
Die eigentliche Neu we 1 ber römifchen €. 
ebt aber aus von Marinis Schüler Bartolomeo 
orabei (1 d., 1781—1860). Da fid das epigrar 
phiſche Material von Jahr zu Jahr mebrte, jo wurde 
das Bedürfnis nad einem neuen «Corpus inscri 
tionum» immer lebhafter nden. AufBorgbefis 
Anregung hin nahm den Plan zunächſt die Barijer 
Atademie auf und, ala deren Berfuche jcheiterten, die 
Berliner Atademie, die nad) längerm Schwanken die 
Aufgabe dem bedeutendſten ber jetzt lebenden Evi- 
grapbiter, Th. Mommſen, übertrug, deflen epoche⸗ 
macende«Inscriptiones regni Neapolitani latinae» 
bereitö (Lpz. 1852) erfchienen waren. Dem erften 
Bande deö «Corpus inscriptionum latinarum » 
(Berl. 1863), der die Snichriften republifanifcher Zeit 
vi ammenfaßte, gingen al3 Vorläufer die von Ritjchl 
earbeiteten «Priscae latinitatis monumenta epi- 
graphica» (Berl. 1862) voran; dann erfchienen die 
mweitern Bände nad) der geogr. Reihenfolge der röm. 
Provinzen geordnet, bearbeitet von Mommſen, Hen- 
es Hirfchreld, Hübner, Wilmanns, Zangemeiiter, 
ormann u.a. Das riefige Wert ift (1898) bis zum 
15. Bande vorgefchritten; es fehlen nur noch einige 
Teile von Mittelitalien, Germanien und Gallien, die 
den Reit des 11. und den 18. Band ausmachen. Die 
nötigen Ergänzungen bieten außer verſchiedenen 
Supplementbänden undder Neuauflagevon Br. 1,1, 
1893, die«Ephemeris epigra — erl.jeit 1872), 
von der bis 1899 8 Bände erihlenen ind. Eine Aus 


86 
wahl der wichtigften lat. Inſchriften bieten außer 


der Altern «Inscriptionum latinarum amplissima 
Collectio» von Job. Eaip. Orelli und Wilh. Henzen 
(3 Boe., Zür. 1828—56), ©. Wilmanns «Exempla 
inscriptionum latinarum» (2 Bde., Berl. 1008) 
Deflau, «Inscriptiones Latinae selectae», I (Berl 
1892 und de Ruggiero, «Sylloge e igra hica orbis 
Romani» 1892 fg.). — Bol. Handbud 
der Haffiihen Altertumswiffeni an . von J. 
Müller, Bd. 1 (2. Aufl., * 1892); Cagnat, 
Cours d'é pigraphie latine (2. Au ır. 1889): 
be Buagen, Dizionario ep co (Rom 1886 fg.). 
ie in bem «Corpus» nicht berüdfichtigten In⸗ 
krie der italif — ste bat gejammelt 
Fabretti, «Corpus inscriptionum italicarum » 
(Zur. 1867; mit Sof ar und Drei —. ebd. 
1872 — —78) ferner Büceler, «Umbrica» (Bonn 
1883) und Zoelaieff ‚«Sylloge inscriptionum osca- 
rum » (PBeteröb. 1878), derf., «Inscriptiones Italiae 
mediae dialecticae» (Lpʒ. 1884), derf., «Inscrip- 
tiones Italiae inferioris dialecticae» (Most. 1886). 
— Die etxuskiſchen Inſchriften (f. Etrusker) find 
in « Corpus inscriptionum Etruscarum » (bp. 
von E. Pault, Lpʒ. 1893 fg.) vereini igt, b die ibert- 
{hen in den «Monumenta linguae Ibericae» (bg. 
von Emil Hübner, Berl. 1893). 
Per guieniiae €. war bis in das 19. Jahrh. wes 
als die lateinifche gepflegt worden, erlangte 
Fe doc früher als erftere auf Beranlafjung der 
Berliner Alabemie ein zufammenfaflendes «Cor- 
8 inscriptionum graecarum», begonnen von A. 
Boch, er efübrt von Job. „geany, Ernft Eurtius 
iröbo (4 Boe., Berl. 1825—77; mit In- 
dices von Röhl). Allein dieje für die damalige Beit 
hoch beveutende Leiftung genügt beute nicht mehr, 
namentlich weil damals die Mittel fe og N ten, im Orient 
Hei Abichriften 8R&6 en. Auch das 
ve dat ſich inzwiſchen ftarl vermehrt. Das 
—* iſt A zum Zeil erjeßt gleich: 
ein er Veran ſſung der Berliner Alademie durch 
bie «Inscriptiones graecae antiquissimae», bg. von 
H. Röhl (Berl. 1888), ı das «Corpus inscriptionum 
rn e- Bde. nebit ———— und Indi- 
A; von A. Kirchhoff, U. Köhler, W. Ditten- 
berger ebd. 1873 fg. 2 die «Inscriptiones graecae 
Siciliae et —— bg. von Kaibel (ebd. 1890), 
die «Inscriptiones Graeciae septentrionalis», bg. 
von Dittenberger (Bd. 1, ebd. 1899; Br. 3, 1897) 
und bie «Inscriptiones graecae insularum maris 
Aegaei» (Br. 1 Dans g. von Hiller von Gaert: 
ringen, 1890; Bb. 2, Lesbos, Nejos, Tenedos, ‚be 
von Baton, 1899; I 8, Thera, Melos u. a., 
von Hiller von Gaertringen, 1898). Für den Reit iſt 
man immer nod angemwiejen auf ältere Inſchriften⸗ 
und Sonderpublifationen, namentlih Phil. Le Bas’ 
«Voyage arch&ologique en Gröce et en Asie mi- 
neure» (Bd. 1—6, Par. 1847— 77), deren Bearbei- 
tung von Waddington und Foucart fortgeießt, aber 
nod nicht zu Ende geführt wurde, und «The col- 
lection of ancient Greek inscriptions in the British 
Museum», bg. von Newton, Hid8, Hirſchfeld (3 Bde., 
1874-94). Die dialektiſch wichtigen Inſchriften 
m zufammengeftellt in der «Sammlung der griech. 
ialektinfohriften», bg. von Eollig und Bechtel 
re —** Bd. I-IU,ı, noch unvoll- 
ndig III, 2 und Gött. 1884 fa.): eine nament: 
lih für Unterrichtäjwede geeignete Auswahl von 
> ktinf&riften giebt B. Eauer, «Delectus inscrip- 
tionum graecarum propter dialectum memorabi- 


Epigraphit 


lium» (2. Aufl., Lpz. 1883); biftertich»antiquarijg) 
wichtige enthält Dittenbergers « —F gr 
tionum graecarum» (2 Bbe., A 
und 1900 nebit einem ——ã— —8 = 
«Recueil d’inscriptions grecı ues» von Charles 
Michel (Brüfj. 1900); für die Redtsaltertümer 
—— enthält mit —— Kommentar der 
«Recueil des inscriptions juridi ues» 
von Darefte, Haufjoullier und Th. Reina (1. Bo., 
Bar. 1891; 2. Bd., ebd. 1898 fg.). Eine Auswahl 
epigraphiicher Terte ohne Umſchrift giebt Rohl, «Ima- 
eg inscriptionum antiquissimarum» (2, Aufl., 
{. 1894 und vermehrt um neue Terte aus Thera 
und Melos, ebd. 1898). Zur Einführung in das 
Studium ift außer dem veralteten Buche von Franz, 
«Elementa epigraphices » (Berl. 1840), 
Hids, «A manual of greek historical inscriptions» 
(Drf.1882), C. T. Newton, «Die griech. Inf De 
überfegt von elmann, Hannov. 1881), 
—— ‚«Trai @’ pigraphiegrecque» (Par. 1885), 
€. joberts, «An introduction to greek epigra- 
* "ICambr. 1887) und Larfeld im «Handbuch der 
af teriumömifenf@e ‚12. Aufl, Rind. 
1892) und «Handbuch — E.» (Bd.2, &p .1898 
— 1902) zu nennen. —— wichtig End die 
geitihri en der A äolog * Inſtitute (f. d.) in 
then und Rom, die offiziellen Nusgrabungs« und 
Fundberichte aus Griehenland und Italien, das 
«Bulletin öpigraphique» in der Zeitſchrift «Revue 
des &tudes grecques»; von grie . Zeitfchriften die 
feit 1837 mit Unterbre &heinende «Ephe- 
en archaiologike». Fur bie Geſchichte ver griech. 
rift beſonders der ältern Zeit ift die bedeutendſte 
4 ng die von A. Kirchhoff, «Studien zur Geſchichte 
des griech. rem (4. Aufl., Güterälob 1887). 
Die hriftliche E. Früher zu jehr vernadläffigt, 
beginnt jekt er Bedeutung entſprechend gepflegt 
u werben. Bon den griechiſchen chriſtl. In⸗ 
—* war im 4. Bde. des alten «Corpus inscrip- 
tionum » nur eine völlig ungenügenbe 
Auswahl gegeben worden; jept wird von der Di- 
reltion der franz. Arhäolgi hen Schule zu Athen 
eine —— Sammlung der —8 abge⸗ 
faßten 457 ſchriften aus röm., byzantin. und 
neugrie eit (bi$ zum 18. Jahrh.), bg. von M. 
Laurent und Fr. Cumont, unternommen (vgl. das 
—— Homolles im «Bulletin de correspon- 
ance hellenique», 1898, Bb. 22, ©. 410 fo.), 
der fpäter ein «Corpus i inscriptionum graecarum 
christianarum» folgen fol, Die lateiniſchen 
chriſtl. Inſchriften find zum Teil in das «Corpus in- 
scriptionum Latinarum» mit aufgenommen; die 
römischen find gefammelt von J. B. de Roſſi, dem 
Herausgeber der «Inscriptiones christianae urbis 
Romae VII saeculo antiquiores» (2Bde., Rom 1861 
— 88). — Vgl. Bulletino di archeologia christiana 
rer andſchaftlich geordnete Sammlungen 
chriſtl. — lieferten Ye Blant, Inscriptions 
chretiennes de la Gaule (Bar. 185565); Hübner, 
Inscriptiones Hispaniae christianae (Berl. 1871); 
berj., Inscriptiones Britanniae christianae (ebd. 
1876); Kraus, Die riftl. Inſchriften der Rhein 
lande (2 Tle., "Sreib. i. x. 1890— 94); Egli, Die 
riftl. Infchrif ten der Schweiz vom 4, bis 9. Jahrh. 
(Zür. 1895); Millet, Inscriptions byzantines de 
Mistra (Bulletin de correspondance hell&nique, 
1899, ©. 97—156); Latyſchew, Sammlung gried. 
Anfchriften chriſtl. Zei aus Südrußland (ruffiich, 
Veterab. 1896). 


Epigynus — Epilepfte 


Epigjnus, eriapni ch (ard., «obermeibi ? 
heijen die Blüten, bei — a e Ölütenteile bö 


heben ald der Fruchtknoten (1.Bläte nebjt — ). 
a Glycidverbindungen. 


* Epicarpium. 
itafte, im — — Mutter und Ge 


mablin des ipu3, j. 

Eyifauma (erh), 2 . hide: Geihmwür auf 
ter Hombaut Des 

—— (gr 3 köbrung ſchaͤdlicher, ſcharfer 
Stofie aus dem —— ef gelinde Mittel; Hei: 
lung durch gelinde 

, fs, Epitri e (ai ), —— 
wiſſenſchaftliche Beurtei einer Krankheit nach 
ihrer Entſtehung, ihrem Ber — und reg 

Epifrufiß (arch.), das agen eined Körper: 


teild mit Soden, als Außeres Reizmittel. 

Epiktet (Epiltetos), reife er zu 
Hierapolis in —— um 50 n. Chr. geboren, 
war zu Rom der Sklave des —— eines 
Freigelaſſenen des Nero. Später freigela fien, wurde 
er 94 n. Chr. nebft andern 3 ti von Domis 
tian verbannt, ließ I itopolis in Epirus nie: 
der, tebrte aber wahrſcheinlich nad dem Tode Domi⸗ 
tiand na Rom zurüd und ſcheint noch unter Hadrian 
gelebt zu haben. Unter dem Drude feines Zeitalters 
erhielt feine ernfte, fittlihe Weltanficht einen mebr 
—— als —— en Charalter; Mittelpuntt iſt 
nung, zu entbehren und zu dulden und auf 
nichts einen Wert zu legen, was nicht in der eigenen 
Gewalt des Wollenden ftehe. Seine Lehren find er: 
balten in den Schriften feines Schülerd Arrianus 
(j. d). S. Schentel gab heraus: «Epicteti disser- 
tationes ab Arriano digestae» — 1894); Hilty 
e ne = erflärte u feinem Buche «Glüd» 
Lpz. und Frauenfeld 1893 > von Ar: 
—— tr erten Lehren des E.— Bol. Schranta, 
Der Stoiter €. (Franlf. a. D. 1885); Bonhöffer, 
E. und die Stoa (Stuttg. 1890); — Die Ethil 
des Stoilers €. (ebd. 1894); ahn, D er Stoiler €. 
und jein Berhältnis zum Chriſtentum (2. Aufl., 2pz. 

1895); Bruns, De schola Epicteti (Kiel 1897). 
Epifureismus, die von Epicurus (f. d.) bes 
gründete philoj. Richtung. ref. est nennt man fo 
Ber Lebensanſchauung, die fein I * Ziel kennt 
als heitern Genuß. Epiklurẽer, Anhänger des E., 
au im allgemeinen jemand, der dem (feinern) Sin: 


—— f. — [nengenuß huldigt. 
Eyitycma (g — einer Epikyẽſis 
D·h. Überihmwängerun n jog. Mondlalb oder 


Mole (i d. hr neben der eibeäfrucht 

Epilation (lat.), ſoviel wie Depilation. 
ilepfie (gr, von epilöpsis, «Anfall»), auch 
uet, un Weſen oder Böfe Staupe 
horbas sacer Haut-mal), eine chroniſche 
ankheit des deren yſtems (Neurofe), die in ihrer 
ausgeprägten Form aus öfter wieberfehrenden, mehr 
oder a beftigen und mit gänzlihem Erlöjchen 
des Bewubtjeind verbundenen Krampfanfällen be 
ftebt, welche durch freie Zmiihenräume von ver: 
fchiedener, oft ſehr langer Dauer voneinander ge: 
trennt werben. Bisweilen treten die epileptiichen 
Rrampfanfälle ohne alle Borboten plögli und in: 
mitten des volllommenjten Wohlbefindens ein; in 
andern Fällen werden fie durch gewiſſe Anzeichen 
vorausverfündet. Dabin gebören Aufgeregtbeit 
jeder Art oder Niebergeiälagenheit der Kräfte wie 
des Gemüts, Mustelzudungen, Funken⸗ und Farben: 


87 
jeben, Dbrenfaufen, Schwindel oder ein eigentüm: 
iches Gefühl von füblem oder warmem Anmweben 


(aura epileptica), welches, von einem Endpunfte des 
Körpers ausgehend, denselben durchzieht und am 
Kopfe oder in der Herzgrube endigt. Bei manden 
Kranten fann man den Ausbrud des eigentlichen 
Krampfanfalls verhüten, wenn man die Stelle, an 
welcher die aura zuerſt bemerkt wird, mit einem feit 
oberhalb berjelben angelegten Bande umfchnürt. 

Der Anfall ſelbſt wird häufig durch einen lauten und 
grellen Schrei eingeleitet, mit weldyem der Krante 
plöglich bemußtlos au Boden jtürzt. Nacd dem Hin- 
jtürzen tritt gewöbnlich zunächſt eine kurz dauernde 
toniſche Rontraftion der Musleln, ein jtarrtrampf- 
ähnlicher Zuftand ein; die Augen find jtarr nad 
oben und innen gerollt, der Kopf nad hinten ge 

en, der Atem angehalten, der Mund feſt ge 
ie ofien, Arme und Beine geitredt, die Haut meiſt 

laß. Schon nach wenigen rc erfolgen aber 
einzelne heftige zudende Bewegungen und dann die 
gewaltigiten Honijdhen oder Schüttelträmpfe, welche 
ſich ſchnell über den ganzen Körper verbreiten. Die 
Singer find gewöhnlich gefrümmt und die Daumen 
feft in die Hand ei ngeilagen. Während des gan—⸗ 
zen zn. ift die Atmung ſehr Jg ber 
Herzihlag beichleunigt, der Bulsjebr Hein, die Haut 
mit Schweiß bevedt. Das Bewußtſein ift während 
der ganzen Dauer des Anfalls jo vollftändig er: 
loſchen, daß der Krante, jelbjt wenn er nem den 
lübenden Dfen oder in offenes Feuer fällt, jo daß 
\eine Glieder verkohlen, nicht zu ſich fonımt und 
teinerlei Schmerze Ginuten, Heat von ſich giebt. Nach 
wei bis zehn Minuten, höchſtens einer Viertel: 
rar lehrt, oft unter einem tiefen Seufzer, Rube 
und —— zurück, und der Kranfe verfällt in 
einen tiefen Schlaf, nad) dem er oft noch ftunden;, 
ja tagelang verjtört bleibt. 

Bei manden Kranken kommt es nicht zu jo ausr 
eprägten Anfällen, jondern nur zu dem jog. epi⸗ 
eptiſchen Schwindel ( (Abfence, Petit-mal): 

inmitten einer Beihäftigung ober eines Geſprachs 
werden fie von Schwindel befallen, erblafjen, zeigen 
— leichte Zudungen und ſprechen oft verwirrtes 

fönnen aber ſchon ne —— Minuten, 
RR 806 ihnen nichts gejcheben fei, ihre Beichäftigung 
wieder aufnehmen. 

Bei zahlreichen Epileptiichen finden fih außer den 
bereits erwähnten noch andere geijtige Störungen, 
teils vorübergebenbder, teild dauernder Natur, welche 
man unter dem Namen des epileptiſchen Irre: 
ſeins ——— Die vorübergebenden 
Geiſtesſtörungen (pfhchiſche E.) treten meiſt im An— 
ſchluß an Krampfanfälle auf teil vor (prä⸗), teils 
nad ſolchen (poftepileptiiche Geiftesitörung), oder 
auch unabhängig von Krampfanfällen, von (egtern 
durd längere‘ ge green Verhaltens getrennt 
(«pfochiich:epileptifche Uquivalente», d. b. Anfälle 
von Geiftesftörung, welche gleichſam Rrampfanjälle 
erjegen). Dieje tranfitoriichen epileptiichen Seelen: 
—ã welche in gerichtlicher Hinſicht von hohem 

ntereſſe find, fönnen verſchiedene F Formen darbie- 
ten; man untericheidet bie jog. Dämmerzuftände 
(eigenartige Umnebelungen des Selbjtbemußtieins 
mit jonberbaren been u. ſ. w.), den Stupor (Öe- 
bemmtjein aller geijtigen Thätigfeit bis auf einzelne 
Wabnideen und Sinnestäufchungen mit äußerlich 
pajjivem Verhalten), beftige Aufregungsjujtände 
1 Grund ichredlicher Hallucinationen, event, 
aller Sinne, triebartige Handlungen ohne jedes be: 


88 


mußte Motiv oder auf Grund unmiberfteblich trei- 
bender Gedanten (die Monomanie instinctive E93: 
quirols). Während diefer anomalen Geijteszuftände 
werden häufig Gewaltthaten ber gräßlicten Art 
(Selbftmord, Mord, Brandftiftung, au Diebftäble 
u. ſ. m.) begangen, weldye den Kranken nicht zugerech: 
net werben lönnen. Gewöhnlich (und dies ıft bis zu 
einem gewiſſen Grab caralteriftifch für die tranſi⸗ 
torifche epileptifche Gei np ah das Bemußt: 
fein (die Erinnerung) für alle Erlebniffe während 
des anomalen geiftigen Zuftandes aufgehoben, doch 
fann aud ſummariſche Erinnerung oder Erinne: 
rung an Einzelheiten vorbanden fein. Die wid: 
tigften von den chroniſchen geijtigen Anomalien 
der Epileptiter find Zuftände von Schwadjfinn, 
welche fi befonders im Anſchluß an «epileptijchen 
Schwindel» entwideln, in größerer Intenfität ſich 
aber meift nurbei angeborener oder in früber Jugend 
erworbener €. finden. Bei vielen Epileptifchen tritt 
auch eine anomale Gemütsreizbarteit hervor, fo daß 
fie auf geringfügige Anläffe in heftige Wut verfallen. 
Ungerechtfertigt iſt es aber, alle Epileptiter als 
geitig anomal oder gar unzurehnungsfähig zu 
zetrachten, da zahlreiche geiftig befonderä hervor: 
ragende Perſonen (Cäjar, Mohammed, Roufjeau, 
— I.) epileptiſch waren. 
as eigentlihe Weſen der E. ift nod völlig un: 
befannt. Ihr Sik ift jedenfall3 im Gebirn, ent: 
weder, wie man früher auf VBerfuche von Kußmaul 
und Zenner bin annahm, in der Gegend des ver: 
längerten Marles oder, wie man gegenwärtig 
aus Hitzigs Verjuhen und andern Beobadhtungen 
(Jadion) Shlicht in der Rinde des Großbirns 
(Rindenepilepfie). Jeder diejer Teile fann bei 
Jalljüchtigen entweder unmittelbarerkrantt fein oder 
durd abnorme Erregungszuftände mancher Empfin: 
dungänerven in abnormer Weiſe erregt werden; jo 
bat man wiederholt durch den Reiz von Eingemweide: 
würmern oder durch Reizungszujtände der Gebär: 
mutter €, entjteben jeben (fog. Reflerepilepjie). 
Die entferntern Urſachen der Krankheit find man: 
niefaltig; nicht felten laſſen fie fich heben, viele aber 
bieten aller ärztlichen Kunſt Troß. Bisweilen fonnte 
dur Ausichneiden einer Narbe, durch welche ge: 
wiſſe Nervenenden gezerrt und gereizt und weiter: 
bin das Gehirn in Mitleidenichaft veriegt worden 
mar, vollitändige Heilung berbeigeführt werben. 
Die Krantbeit ift überall einbeimifch und verſchont 
fein Alter und fein Geſchlecht; doch fallen die meiften 
Fälle auf das Alter vom 10. big zum 20., näcdjtdem 
am das Alter vom 2. bis 10. und vom 20, bis 30, 
ge rg im eigentlihen Greifenalter entjtebt 
elten E.; Frauen werden etwas häufiger von ihr 
* als Männer. Die Anlage zur E. kann an: 
geboren, erblich oder in der Konititution begründet 
und erworben fein burd unzwedmäßige körperliche 
und geijtige Erziehung, Trunkſucht, Geſchlechtsaus⸗ 
— namentlich Dnanie. Beſonders die 
Erblichkeit ſpielt unter den disponierenden Urſachen 
der E. eine wichtige Rolle, und zwar kann jede Ner— 
venkrankheit der Eltern in den Kindern den Keim 
it Entwidlung der €, legen. Bei_angeborener 
Anlage tritt die E. gemöhnlich in den Entwidlungs: 
jabren, beim Zahnen und beim Eintritt der Buber: 
tät, auf, nad welcher lektern ein Ausbruch einer 
ererbten E. faum noch ftattfindet. Bon der Häufig: 
teit des fibels klann man ſich einen Begriff machen, 
wenn man bebentt, dak in Deutihland allein 
etwa 10000 Menſchen daran leiden. 


Epilepfiemittel — Epilobium 


en ae der E. fommen unzweifelhaft vor; doch 
find die Bedingungen ihres Zujtandelommens noch 
volltommen duntel, weshalb aud über die Be: 
bandlung nur wenig Zuverläjiges zu berichten 
ift. Am beiten wäre es, die habituell Epileptiichen 
in Verforgungsanftalten unterzubringen, da, wenn 
w frei umbergeben, fie leicht ſich ſelbſt und andere 
eſchädigen; epileptijche Kinder dürfen nicht durch 
den Schulunterricht übermäßig angejtrengt mer: 
den, fondern follen womöglich auf dem Lande leben 
und den größten Teil des Tags im Freien zubrin- 
en; bie dei der VBubertät erheiſcht beſonders Jong: 
ige Uberwachung. Einen großen Ruf gegen €. 
at das Bromkalium erlangt, weldes die Reizbar- 
keit der jenfiblen Nerven abftumpft; aud tägliche 
Mafhungen des aanzen Körpers vermögen bie 
abnorın erhöhte Neflererregbarleit berabjujeßen 
und jo eine Verminderung und Abſchwächung ber 
Anfälle herbeizuführen. Während des Anfalls ſelbſt 
ift nur al u jehen, daß ſich der Kranke nicht 
beſchadigt, weshalb Epileptifer niemals, aud bei 
Nacht nicht, ohne Aufſicht und allein gelafien wer: 
den jenen: das Aufbredyen der Daumen aus der 
eballten Fauſt hilft nichts und ift nur ſchädlich. 
benfo find das Binden der Glieder, gemaltiames 
ſthalten, Riehmittel u. ſ. w. obne allen Nußen, 
im Gegenteil füblen fi die Kranten binterbrein 
mwejentlich erleichtert, wenn man fie während des 
Anfalls möglihft ungeftört fih austoben ließ. 
MWünfhenswert ift eine zwedmaßige Lagerung der 
Kranten, namentlid des Kopfes, mwäbrend des 
Anfalls, damit keine Verlegungen entitehen. Nach 
dem Anfall reihe man ihnen bödjtens ein Glas 
Waſſer oder ſchwarzen Kaffee und lafie fie dann 
ordentlich ausſchlafen. Die pſychiſche E. ift ebenſo 
zu behandeln wie die gewöhnliche. Die Natur der 
r Grunde liegenden Hirnftörung ift wahrſcheinlich 
ei beiden diejelbe, nur find bet der pſychiſchen E. 
andere Teile des Hirns krankhaft (beionders die 
raue Rindenfubjtang des Großhirns). In neuerer 
eit hat man durch irurg. Behandlung beitimmter 
ormen von E. bemerfenäwerte Erfolge erzielt. 
Litteratur. Herpins bewährte Heilmethode der 
E. (deutſch von Frank, Quedlinb, und Lpz. 1854); 
Ruſſel Reynolds, E. ihre Symptome und Behand: 
lung (überjegt von Beigel; Erlangen 1865); Notb: 
nagel, Über den epileptiihen Anfall (Kpz. 1872); 
Magnan, Legons cliniques sur l’epilepsie (Bar. 
1882); ere, Les &pilepsies et les — 
(ebd. 1890; deutſch Lpʒ. 1896); Voiſin, L'épilepsie 
(Par. 1896); Deutſch, Die Urſachen und Heilung 
ber E. (2. Aufl., Berl. 1898); Arvin-Delteil, L’Epi- 
lepsie psychique (Bar. 1898); Binswanger, Die €. 
(Wien 1899); de Fleury, Recherches cliniques sur 
le I et sur son traitement (Par. 1900). 
* —— Epilepfiepulver, ſ. Ges 
mmittel. 
Epileptiſcher Schwindel, ſ. Epilepfie. 
Epilobium L., Weidenröshen, Pflanzen⸗ 
gattung aus der Familie der Dnagraceen (f. d.), 
egen 50 in den gemäßigten und kalten Zonen, be= 
onders reichlich in Neujeeland vortommende Arten 
umfafiend. E3 find perennierende, teilmeije zu 
den ſchönſten Wald: und Sumpfpflanzen gebörende 
Kräuter, fo E. angustifolium L. und E. roseum 
Retz. Gritere Art, mweidenblätterig und bis zu 
1,5 m und darüber bob, trägt zablreiche purpurs 
rote Blütentraubenäbren. Auf dem Thüringer Walde 
und in andern Gebirgägegenden find oft ganze 


Epilog — Epinal 


Imbinge mit vdiefer Pflanze bewachſen. Die 
bunn einiger, wie von E. angustifolium, dienen 
inderälichung des Thees. 

&ilög (arh.), Nach⸗ oder Schlußrede, tommt 
wieder Brolog (j. d.) hauptſächlich bei Scaufpielen 
vr. Der E. des antilen Dramas enthielt allge: 
meine Betrachtungen über das Stüd, in ber neuern 
attiiden und der röm. Komödie fordert der E. die 

dauer zum Beifall auf. Shaleipeare beviente 
mebrmal3 des E., um feinen ei den 
Geſichtspuntt anzudeuten, aus dem fie fein Wert 
betrachten follten, und zugleih um Nachſicht für die 

Mängel des Stüd3 zu erbitten. 

Epimachinae, Baradieshöpfe, Öruppe der 

Baradiesvögel (f. d.). 

Epimedium 


L., Sodenblume, Pflanzen 
gattung aus der Familie der Berberideen (f. d.). 
an lennt nur wenige Arten; es find Kleine, mit 
ihrem Rhizom ausdauernde Alpenpflanzen —— 
und Rordaſiens. Sie ſtimmen alle im Habitus über: 
ein. Ihre aufrechten, auf dünnen, fteifen Stielen 
ftebenden Blätter bilden recht elegante Büfche, welche 
noch lange nad der Blüte, bis gegen Ende des 
Winters, ihr frifhes Grün bewahren. Die Blüte: 
zeit tritt im April und Mai ein. Die in den 
@ärten am bäufigften angepflanzten Arten find: 
E. macranthum Lindl. aus Japan und feine Ba: 
rietäten mit weißen Blumen, E. violaceum Dene. 
(Japan) mit rein violetten, E. pinnatum Fisch,, 
alpinum L., sulphureum Hort. mit gelben, etwas 
purpur oder braun überbaudten, und endlich E. 
atropurpureum Hort. mit größern, außen karmin⸗ 
roten, innen blaßgelben Blumen. Alle diefe Arten, 
obaleid in unjerm Klima bart, geben wenig oder 
gar feinen Samen und müjlen daher durch Teilung 
des Stodes vermehrt werben. Sie gebeiben nur in 
arobbrodiger, friſch zu erbaltender, mooriger Heide⸗ 
erde und in etwas —— Lage. 

Epimelẽten (grch. «Bejorger», «Aufjeber»), im 
alten Atben Borfteber der Phylen (j. d.) und 
Seſchlechter, ferner die Mitglieder gemwifjer Ber: 
waltungabehörden oder außerordentliher Kommiſ⸗ 
foren. Regelmäßige Bebörden waren die €, des 

orion, d. b. des — und die E. der 
Reoria, d.b. der Werften, auf welchen die Kriegsſchiffe 
lagen, und der dazugehörigen Seearſenale, beide 
mit ihren Amtslolalen in der Hafenſtadt Athens, 
dem Beiraieus; ferner die E. der eleufinifchen My⸗ 
fterien und der großen Dionyfien, melde die Ober: 
beamten, denen die Leitung diejer dee oblag, zu 
— hatten. Außerordentliche Kommiſſionen 
wurden hauptſächlich zut UÜberwachung von Bauten, 
deren Ausführung dem Staate oblag, wie Befeſti— 
gungäwerle, Straßen, Tempel, Brunnen u. dal, 
niedergejegt. — Außerhalb Athens gab es E. äbn- 
lichen alters in Delpbi, Eparta, Meflene (An: 
denia), Rhodos, Delos, Chios u. a. D. 
Epimenides, im 6. Jahrh. v. Chr. auf der 
Injel Kreta wohl in Bhäftos geboren und in Knoſſos 
wobhnend, wird in den Sagen und Märchen, mit 
denen fein Leben von den Griechen früh ausge: 
Ihmüdt worden 2 als ein Bertrauter der Götter 
und alö Geber g dildert. Nah dem Zeugnis des 
Ariftoteles ſagte er aber nicht voraus, was flommen 
werde, jondern deutete vielmehr das Vergangene, 
das dunlel geblieben war. Es wird berichtet, daß 
er losmogoniſche Lehren aufgeſtellt hat. Als die 
Athener einft, von der Beit heimgeſucht, nad dem 
Ausipruh des Drakels den Zorn der Götter zu 


89 


fühnen fuchten, den fe fih durd die feit Nieder 
werfung des Roloni hen Aufſtandes auf ihnen 
laftende Blutſchuld angezogen hatten, beriefen fie 
(596 v. Ehr.) auf Solons Rat den €, zu ſich, der 
die Stadt entfühnte und manche heilſame Einrich: 
tungen traf, Bei jeinem Fortgange nahm er zum 
Lohn nichts ald einen Zweig von dem ber Ardene 
geweibten Ölbaume. Bon ihm ging aud die Sage, 
dab er als Yüngling in einer Höhle von einem 
Schlaf überfallen worden fei, der 57 Jahre ge 
dauert. Dieje Sage liegt Goethes Dichtung «Des 
€. Erwachen», zur Feier der Befreiun Deutiehlanda 
durch die Befiegung Napoleons verfaßt, zu Grunde. 
E. ftarb in feinem Baterlande in hohem Alter. Die 
Kreter, welche ihm fpäter göttliche Ehren erwieſen, 
behaupteten, er habe 299 Jahre gelebt. Neuerdings 
ift feine geihichtliche * tenz mehrfach überhaupt 
beſtritten worden. — Bol. Heinrich, E. aus Kreta 
(Epz. 1801); Schulteß, De Epimenide Crete (Bonn 
1877); Kern, De Orphei, Epimenidis etc. theo- 
goniis quaestiones criticae (Berl. 1888). 

Epimetheus, nad der griech. Mythologie ein 
Sohn des Japetos, der jüngere Bruder des Pros 
metheus, der, wie fein Name befagt, im Gegen: 
fas - feinem Bruder erit nachher ftatt vorher 
überlegte und jo ſich bereden ließ, die Pandora 
(j. d.) aufzunehmen. Mit ihr —— er Pyrrha, 
die Gattin des Deulalion und Stammmutter des 
Menihengeihlehts. Auch Prophafis, die Aus— 
rede, wird feine Tochter genannt. 

Epimythium (grch.), Schluß einer Fabel mit 
der Nukanmendung, der Moral. 

Epinae (ſpr. -nad), Hauptitadt des Kantone €, 
im Arrondifjement Autun des franz. Depart.Saöne 
et:2oire, 18 km öftlih von Autun, an der zum 
Arrour gehenden Dree, in 325 m Höhe, an ber Li⸗ 
nie —— E.:2e3 Laumes der Franz. 
Mittelmeerbahn, Mittelpunkt eines wichtigen Stein⸗ 
toblenbedens (3435 ha) mit einem 1874 gegrabenen, 
etwa 800 m tiefen Schacht, das durch einen 28km 
langen Schienenftrang mit dem Kanal von Bour: 
gogne verbunden ift, hat (1901) 1539, al3 Gemeinde 
4096 E., Fabrikation von Weinflaſchen und OL. 

Epinal (fpr. -nall),. 1) Arrondiffement des 
franz. Depart. Vosges, hat 1472 qkm, (1901) 
115603 E. 127 Gemeinden und erfällt in bie 
6 Kantone Bains, Bruyeres, Ehätel, E. Ramber: 
villers und Zertigny. — 2) Hanptftabt des Depart. 
Vosges ſowie des Arrondijjements E., liegt in 
331 m Höbe in einem engen, maleriihen Thale zu 
beiden Seiten der Mojel, an den Linien Nancy: Bel: 
fort, E,:Remiremont (28 km), E.Juſſey (79 km) 
und E.:Neufchäteau (79km) der Franz. Oſtbahn 
und an der Lokalbahn E.:Arches:Laveline (35 km) 
und ift Siß eines Präfelten, eines Gerichtshofs 
eriter Inſtanz, eines Aſſiſenhofs, ſowie des Kom— 
mandos der 4. Brigade Jäger zu Pferde. E. hat 
feine Stabtummwallung, ftatt ihrer eine beiderſeits 
der Mofel fie nissen innere Linie von Forts. 
Der äußere Fortgürtel (44 km), 1895 au mit 
Zwiſchenwerlen ausgeftattet, legt ſich dem rechten 
Ufer als jlah und breit gejtredter Brüdentopf vor 
greift aber am linten Ufer in ſüdweſtl. Richtung auf 
9km hinaus; er zählt im ganzen 14 Forts und einige 
30 Zwijchenwerle. Die Stadt hat (1901) 19144, 
ald Gemeinde 28080 E., in Garnifon Teile des 149. 
und 152. Infanterieregiments, das 18. Negiment 
Jäger zu Pferde und 8. ps gerri denn 
eine eiſerne Hängebrüde und mehrere jteinerne 


9% 


Brüden, hubſche Duais und Promenaden, öffentliche 
Bäder, am Fuße eines von Ruinen eines alten 
Schlofles überragten Felfens die St. Moriptirde 
und hervorragende Gebäude, fo die Präfektur, das 
Kommunal:Eollöge (in einem ehemaligen Jeſuiten⸗ 
follegium mit ſchöner Kapelle), das Hoipital (in 
einem ebemaligen Auguftinerklofter) eine Bibliotbet 
(37650 Bände und wertvolle Manufl fripte, darunter 
ein mit Goldbuchftaben geſchriebenes Martus:Evan- 
elium), ein Muſeum, eine Mufil: und eine Zeichen: 
chule, ein a und eine Filiale ver Banf von 
Frankreich. 6. bat ferner —— Leinwand⸗, 
aumwollwaren⸗, Tapetenfabrilen und bedeuten⸗ 
den Handel. Ein der Stadt eigentümlicher Induſtrie⸗ 
zweig ift die Anfertigung von Bildern für Kinder 
(Imagerie d’Epinal). 10 km füpöftlih an der 
Moſel die berühmten Bapierfabriten des Dorfes Ar: 
hettes (48€). Im Deutſch⸗Franzoſiſchen Kriege 
wurde €, 12, D8t.1870 von —— des 14. Armee⸗ 
tdorps beſetzt und war bis zum 15. Oft. Hauptquartier 
Werders. — Bol. Eh. Ferry, Guide des voyageurs 
et touristes & E. et aux environs (Nancy 1888), 
Epinay (jpr. -näh), Louife Florence Petronille, 
ame de La Live d’, franz. Schriftitellerin, geb. 
11. Mär; 1726 zu Balenciennes, warb an ben 
reihen Generalpädter d'E. verheiratet. Da ihr 
Gemahl ein Verſchwender und Wüftling war, fuchte 
fie felbft den, Verkehr mit Schriftitellern und PBhir 
lojopben, mit Grimm, d’Holbah, Diderot u. a. 
Bet, ihr damaliger Bertrauter, führte 1745 
ouffeau bei ibr ein, deſſen Wohlthäterin fie 
wurde. Im Garten ihres Schlofjed La Chenrette, bei 
Montmorency, richtete fie ein Häuschen, die Eremi- 
tage, für ihn ein. Dftern 1756 bezog er ed und 
bewohnte ed noch im Winter de folgenden Dane 
bis feine eigenfühtigen Launen und jeine Eiferjucht 
auf Grimm, der der vertraute Freund der Frau E. 
geworden war, ben Bruch berbeiführten. Sie ftarb 
17. April 1783. Ihre binterlafjenen «Me&moires» 
bg. von Boiteau, 2 Bde., Par. 1863), eine mit 
nitlerifher Freibeit behandelte Selbitbiographie, 
ebörenzuden anziehendſten Büchern des 18. Jahr. ; 
e find ebenſo interefjant ald Denkmal der Sit- 
tengefhichte wie, als — Bei Leb⸗ 
zeiten veröffentlichte Frau d'E. ein Erziehungs: 
wert «Les conversations d’Emilie» (2 Bde. Par. 
1774 u. d.), denen der Preis Montbyon bei feiner 
eritmaligen Erteilung zugeiproden wurde, ſowie 
anonym die Schriften «Lettres & mon fils» (Genf 
1758) und «Mes moments heureux» (ebd. 1752, 
1758). Ihre «CEuvres» veröffentlichte Challemel⸗ 
Lacour (2 Bde., Bar. 1869). — Vgl. Perey und 
Maugras, La jeunesse de Madame d'E. (1882); 
dief., Derniöres anndes de Madame d’E. —— 
Epinifion (grch., «Siegeslied»), bei den alten 
Griechen der von einem Chor vorgetragene Preis: 
ejang (mie bie noch erhaltenen Pindariihen und 
achplideiihen) auf den —* in den großen 
Nationalſpielen (ſ. Pindar und Agon). 
No Serie (fr3.), bormig, — mißlich, ſchwie⸗ 
rig; Epinofität, Mißuchleit, Schwierigleit. 
Epiparoxysmus (grch.), verſtärlter Parorxys⸗ 
mus oder Kranlheits⸗, beſonders Fieberanfall. 
Epipäfton (grch.), Streupulver. 
Epiphänes, Gnoftiter, Sohn desSeltenhauptes 
Rarpoftrates (f. d.). 
Epiphania ſ(grch., «Erſcheinunge), bei den Grie- 
hen Bezeihnung der zum Gedächtnis der Erſchei⸗ 
nung eines Gottes an einem Orte gefeierten Feite; 


Epinay — Epiphyllum 


in der hriftl. Kirche beißt nad Titus 2, 11 das 
der Erjheinung Chriſti unter den Meni 
ande: Es wurde nad dem Borgange 
der Baſilidianer jeit Ende des 3. Jahrh. in Äghpten 
und anderwärtö in ber orient. Kirche 6. San. ala 
Zauffeft, und da im Herablommen bes Heiligen 
Geiſtes bei der Taufe auf Jeſum deſſen eigentliche 
Geburt zum Sohne Gottes erblidt wurde, zugleic 
als Geburtäfeit Jefu ** Als ſpater, überein: 
ſtimmend mit ber röm. Kirche, die griech. Kirche die 
Geburt Jeſu durch ein bejonderes Feſt (25. Des.) 
—— wurde das Epiphaniasfeſt als Tauffeſt bei⸗ 
ehalten. Noch gegenwärtig findet an €. in der 
riech.⸗kath. —8— die große Waſſerweihe (ſ. d.) 
fat benblande brachte man das Feſt mit der 
nkunft der Weiſen aus dem Morgenlande in 
Bethlehem (Matth. 2,1 fg.) in Verbindung und deu⸗ 
tete nun den Namen auf die O —— 
als Erloſers der Heidenwelt. Daher der auch, 
daß an dieſem Tage in Rom zu Miſſionaren aus 
— Männer aus allen Nationen jeder in jeiner 
prache predigen, um fo die Offenbarung Ebri 
unter allen Heiden darzuftellen. Da fpäter jene 
Weifen für Könige gehalten wurden, beibt das Feſt 
auch Feſt der Pelligen drei Könige (j. Drei 
Könige). Als nächſtes Feit nah Neujahr wird es 
auch Hohes Neujahr genannt. — Vgl. Wiener, 
Religionsgefhichtlihe Unterfuhungen (Bd.1, Bonn 
1889); Bornemann, Die Taufe Chriſti durch Jo— 
bannes in der dogmatifchen Beurteilung der chriſtl. 
Theologen der vier erjten Jahrhunderte (2pz. 18%). 

Epiphanius, griech. Kirchenſchriftſteller, geb. 
bei Eleutberopolis in Paläjtina von jüd. Eltern, 
warb von ägypt. Mönchen auferzjogen und im 
16. Lebensjahre getauft. 367 zum Metropoliten von 
Ronftantia (Salamis) auf Eypern ernannt, nahm er 
bis an feinen Tod (403) an den theol. Rämpfengegen 
Arianer, Semiarianer u. f. w. in orragender 
Weiſe teil und gab feit 394 das Signal zur Ber: 
folgung der Schule des Drigenes. Gelehrt, aber be: 
ſchränkt und fanatiſch, galt er den Zeitgenoflen als 
Säule kirchlicher Drtbodorie. Bon jeinen Schriften 
(bg. in 5 Bon. von Dindorf, Lpz. 1859—63) find die 
wichtigften fein «Panarion» (Apotbefertaften), eine 
Beichreibung und Beftreitung aller (80) Ketzereien, 
und «De mensuris et ponderibus», über die bibli» 
ſchen Maße und Gewichte, fyriich bg. von P. de La: 
67 (« Symmicta», 2 Bde., Gött. 1877 —80). — 

gl. —— Ju Quellentritit des E. (Wien 1865); 
H. ©. Voigt, Eine verfhollene Urkunde des antı- 
montaniftiihen Kampfes. Die Berichte des €. über 
die Kataphryger und Uuintilianer (%pz. 1891). 

Ein anderer E. geb. 439 zu Bavia, aus adligem 
Geſchlecht, war Bischof von Pavia (en 466 und 
machte ſich in der Vollerwanderung ſehr verdient 
durd feinen großen Einfluß auf die in Italien ein: 

allenden Germanen wie durch feine ausgedehnte 
obltbätigleit. Er ftarb um 495 und wurde jpäter 
tanonifiert. Tag: 21. Jan. : 

Ein dritter E, mit dem BeinamenS cholafticus, 
lebte im 6. Ja = und . mit Gaffiodorus aus 
den Werten des Sokrates, Sozomenos und Theo: 
boret bie «Historia tripartita», das tirchengeſchicht⸗ 
fihe Handbuch des Mittelalters, zuſammen. 

Epiphlogisma (grch.), oberflädliche Entzün: 

Epiphöra, ſ. Anapbora. (dung. 

Epiphfllum Pfef., zen aus der 
—— der Kalteen (ſ. d.). Man kennt nur wenige in 

rafilien vortommende Arten; es find Heine Halb» 


Epiphyſe — Epirus 


bite, deren Stengel und Zweige aus blattartig 
kehritertem , am Ende abgeitumpften, bebaarten, 
‚Heifchigen Gliedern —— etzt find, 
Aihinen feuerroten Blumen brechen im Winter 
as den Enden hervor. Sonſt ift die Gattung cha: 
satteriiert durch einen nadten, glatten, oben 7 
; Fruchttnoten, Kurz zurüdgebogene Kelch: 
er, eine bauchige Kronenröhre mit ſchiefer Mun⸗ 
dung und zurüdgebogenen, kurzen, gefärbten Rand⸗ 
lappen. Die dünnen Staubfäpen, etiwa 100 an der 
re von denen die mittlern kürzer, find mit der 

e verwacdien, in einem Bundel —— 
länger als die Blumenkrone und umſch 

ern, fſadenförmigen Griffel. 

e beliebtefte Art ift E. truncatum Haw., mit 
mrüdgebogenen Aſten, an deren Spihe je nad 
ven Spielarten pu ote, farmefin= oder braun: 
tote oder violette Blumen hervorlommen. Dieſer 
Art ftebt E. Gaertneri K. Sch. nahe, das fid 

durch halb fo lange und fchmälere Glieder und 
fürzere, anberd gelernte Blumen unterſcheidet. E. 
truncatum wãchſt in feiner Heimat auf großen 
Bäumen in dem zwiſchen den ftarten Aſten ange 
melten Humus. Daber erfordert fie in der ul: 

tur vegetabiliihen Humus, viele Feuchtigfeit und 
Schatten. Man unterhält fie im Winter bei einer 
Temperatur von +10 bis 12° R., verpflanzt fie 
nad ver Blütezeit im März, wenn der junge Trieb 
beginnt, hält fie während des Wachſens feucht und 
warm und läßt fievom September an, nachdem der 
Trieb vollendet, zur Knoſpenbildung troden fteben. 
Die E. werben oft ald Meine Bäumen gezogen 
und find in folden Fällen auf Stämmchen von 
Peireskia aculeata Mill. veredelt, während fie fonft 
jebr leicht als —— ner 
Epiphiſe (grch, «Anwuhs»), in der Anatomie 
wäbrend des Anohenwahstums der mit Gelent: 
rollen verjebene Knochenfortſaß der Rohrenlnochen, 
welcher durch eine Knorpelicheibe, den jog. Epipby: 
fen£norpel, mit dem Mittelftüd, der Diaphyſe 
(f. d.), des betreffenden Knochens verbunden ift und 
vorzugsweiſe dad Längenwahstum des Knochens 
vermittelt. Nach vollendetem Wachstum verſchwindet 
der mg ring völlig, und die E. verjchmel: 
zen durch knöcherne Verbindung mit dem Mittelftüd 
der Röbrentnohen. Bismweilen entzünden ſich bei 
jugendlichen Berjonen die Epiphyſenknorpel, und 
es fommt dadurch zur Lostrennung und Ablöfung 
der E. von der Diapbyfe (Epipbyfentrennung), 
woburb ahnliche Symptome wie beim Rnoden: 
brud entſtehen. — Über die Gehirnepiphyſe ſ. 


Zirbelprüje. 

Epiphätifch oder Epipbäten (greh.) nennt 
man bie parafitifch lebenden Pilze, die mit allen 
ihren Zeilen, Mycelium ſowohl wie yruchtlörper, 
ver bg Dberfläche der Nährpflanze vegetieren und 
nicht in das Innere derjelben eindringen. Hierber 
gebören ;. B. die Pilze des Meltaus (j.d.). Außer: 
dem beiben Epipbyten Gewächſe, die auf andern 
Bilanzen vegetieren, obne dabei als Paraſiten zu 
leben, jo 3. B. zahlreiche tropifche Arten aus ber 

ilie der Orchideen, die auf Bäumen wachſen. 
(S. Barafıten.) i 
Epiplegie (0), einfeitige Lahmung, bie 
durch Schlagfluß hervorgerufen iſt. 

Epiploon (grch.), das Netz (.d., Darmnetz; Epi: 
ploitis, Nezentzundung; Epiplocele, Nehbruch. 

Epipsliſche Disperſion, frübere, von Her: 
ſchel eingeführte Bezeichnung für Fluorescenz (f. d.). 


ießen den 


9 


Epirrhẽma (grch.), in der altgrieh. Komddie 
das nad der Barabafe (f. d.) vom Chorführer ges 
wöhnlich in trohäiihen Tetrametern Geſprochene. 

Epirus(grieb.Epeiros,imdor. Dialelt Apeis 
203, eigentlih «bas Feſtland» überhaupt), etwa 
feit dem 5. Jabrh. v. Chr. Name fpeciell, der weftl. 
Hälfte des nördl. Griechenlands, welde im N. und 
NO. an Illyrien und Macedonien, im D. an Thefs 
ei im ©. an Ültolien, Alarnanıen und den Ams 

rakiſchen Meerbufen, im W. an das Joniſche Meer 
grenzt und in ihrer größten Ausdehnung, mit Eins 
rechnung der Gebiete der Athamanen, Ambralioten 
und Ampbilocher, einen Flächeninhalt von ungefähr 
11000 qkm enthält. Die ganze Landſchaft wird, mit 
Ausnahme des fünlichiten Teils zunäcjt dem Am⸗ 
brakiſchen Meerbufen, der flach und teilweiſe von 
Lagunen eingenommen ift, von rauben und ſchwer 
gänglichen Gebirgen durchzogen, welche als 
ralleltetten der Pinduslette, die E. von Thefja- 
lien ſcheidet, — von NW. nah SD. ſtreichen, 
toße Zängsthäler zwiſchen ſich einihließend. Der 
indus verbindet i im NR. mit den Gebirgen Als 
baniens dur den Paß des Lakmon (jebt Zygos 
bei Mebovon), in —* Auge fünf der bebeutenb» 
ften Fluſſe des nördl. Griehenlands entipringen: 
der illyr. Aoos (jet Bojuca), der macebon. Haliak⸗ 
mon (jet Biftrica), der theſſal. — (jest 
Salamoria), der —— (jeßt Fluß von Aria), 
der Hauptfluß des eigentlichen E., und der Achelous 
(jest Aipropotamos), der das Gebiet der Atbhas 
manen durchfließt und dann die Landſchaften Altar 
nanien und Ütolien ſcheidet. Andere gu e von E. 
In der Thyamis (jekt Ralamas), der Acheron (jegt 
avros, auch Lakliotilos oder Phanariotikos) mit 
dem Nebenfluſſe Kolytos (jest Vuvos) und der Oro» 
pos (jehzt Luros). Bon Gebirgen find noch die Tymphe 
(jest Paläovuni), die Keraunien, welche in einem 
—— Vorgebi e, den durch zablreihe Schiff: 
brücde berüchtigten Afroferaunien (jekt Kap Gloſſa; 
ital. Zinguetta), endigen, und der Tomaros (jetzt 
Olycita) in der Nähe von Dobdona (f. d.) zu erwäh⸗ 
nen. (6. die Karten: Griehenland und Das 
alte Griechenland.) . 

Geſchichte. Bewohnt wurde bie —— 
in der ältern Zeit von Hellenen, die aber ebenſo 
wie die Bewohner von Gltolien und Alarnanien 
im 12. Jahrh. v. Chr. —* eindringende illyr. 
Völker verdrängt und zur Auswanderung nad 
Theflalien und Mittelgriehenland gejmungen wur⸗ 
den. Dieſe Illyrer zerfielen in 14 ——**8 
unter denen die Chaoner (f. d.) im NW., die Mo» 
lotter (Moloffer, j. d.) im NO. und die Thefproter 
(in der Sandicaft Theſprotia, f. d.) im ©, die 
mächtigſten waren. Im 7. Jahrh. v. Chr. verfuchten 
die Hellenen dur Anlage ver Pflanzitadt Ambratia 
einen Teil des verlorenen Gebietes wieder zu gräs 
cifieren, aber fie vermocdten nicht außerhalb der 
Umgebung diejer Stadt in €. feſten Fuß zu faflen. 
Unter den barbariſchen Bölterichaften ar die 
Molofjer ihre Herrſchaft allmählich befonders nad 
Süden zu aus, unterwarfen fich das den Theipros 
tern gebörige Gebiet von Dodona und die Hafjopäer; 
ja der bedeutendſte ihrer Könige, Byrrbus(f.d.), hatte 

ogar jeit 295 v. Chr. die gen e Landichaft zu einem 
Einbeitsjtaate vereinigt. * revolutionärer Beſei⸗ 
tigung ſeiner Dynaſtie (238—235 v. Chr.) entſtand 
ein Bund der epirot. Völkerſchaften, welcher zur Zeit 
der Kriege zwiſchen Macedoniern und Römern von 
nicht geringer polit. Bedeutung war, aber am Ende 


92 


des britten Macedonijhen Krieges nad der Be: 
fiegung des Königs Perjeus 167 v. Chr. durch Umi⸗— 
lius Baullus (ver damals 70 epirot. Ortichaften zer: 
ftörte und 150000 Menſchen zu Stlaven madıte) 
augelöft wurde. Dctavian gründete im ſüdlichſten 
Zeile der jeit 27 v. Chr. mit der röm. Provinz 
Achaia verbundenen Landſchaft die Stadt Nitopolis 
ur Erinnerung an den Sieg bei Actium. Geit 
Salem erfcheint €. in Verbindung mit Atarnanien 
als eigene Heine Provinz. Die Provinz Epirus 
nova, die Diocletian einridhtete, umfaßte keinerlei 
Teile der Landihaft E., jondern nur den Süden 
Illyriens. — Nach der Eroberung Konftantinopels 
—* die Lateiner 1204 errichtete ein Verwandter 
de3 byzant. Kaiſers Aleris IL, Michael J. Angelos, 
ge eine jelbitändige Herrſchaft, das jog. Deſpotat 

., das ſich von Dyrrhachium bis füdlih nad Nau— 
paltos, weftlich über einen großen Zeil — 
ausdehnte, und unter wechſelnden Schickſalen bis 

ur Einnahme Janninas durch die Türen 1430 be⸗ 
tand. Diefe blieben im Befik von E. (abgejehen 
von der Gewaltberrihaft des Ali Bafcha von Jan: 
nina 1788—1821). Nur ein kleiner Yandftric dit: 
lih vom Artafluß fam 1881 an Griechenland. Be 
ruhmt ift der wilde und ſchwer zugängliche Berg: 
dijtritt Suli oder Suliafi (oberhalb der Weftküfte) 
durch die Verteidigung feiner Bewohner (Sulioten, 
kB) gegen Ali Paſcha. — E. bildet jeht den ſüdl. 

eil des Wilajets Jannina mit der gleihnamigen 
Hauptftadt. — Vgl. Merleler, Hiftor.:geogr. Dar: 
ftellung des Landes und der Bewohner von €, 
(ZI. 1, Königsb. 1841); Burfian, Geographie von 
Griehenland, Bd. 1 (Lpz. 1862); Nomanos, Iept 
toü Sesmordrou tc Hreipou feat 1895); Philipp: 
fon, Theſſalien und €, (Ber .1897). 

Epifche Poefie, ſ. pos. 

Epiſcher Cyklus, |. Cylliſche Dichter. 

Epiſcopius, Simon, Biſhopoder Biſcop, das 
Haupt der Arminianer (ſ. d.) nach dem Tode des Ar: 
minius, geb. 1. Jan. 1583 in Amjterdam, ftudierte 

eit 1600 in Leiden, wo er fi dem Arminius an: 
chloß, wurde hier 1606 Magijter und 1610 Prediger 
in Bleiswyk bei Rotterdam. Den arminianifchen 
Lehrbegriff verteidigte er 1611 im Geipräd zu Haag; 
1613 wurde er ald Nachfolger des Gomarus Pro: 
felior der Theologie in Leiden. Bor der Dordrechter 
Synode (j. d.) erfhien E. mit 12 Geiftlichen zur 
Verteidigung der arminianischen Lehre, fand aber 
fein Gehör und wurde nebit allen arminianifchen 
Geiftlihen des Landes verwiejen. E. wandte ſich 
uerjt nah Antwerpen, bierauf nah Rouen und 
ara durfte aber 1626 wieder nah Rotterdam 
zurüdehren,, übernahm 1634 das Inſpeltorat und 
bie erſte theol. Profeſſur an dem neuerrichteten Se: 
minar der Nemonjtranten in Amjterbam und ftarb 
4. April 1643. Zu feinen wichtigſten Schriften ge 
bören die «Confessio» (1622), die mit diejem Werte 
in Verbindung ftehende «Apologia» (1629) und 
feine unvollendet gebliebenen « Institutiones theo- 
logicae»r, Cine Gefamtausgabe feiner Werte be: 
orgten Gurcelläu8 und ee (2 Bbe,, 

miterd. 1650—65). 

Epifcopins, hervorragende Buchdruder⸗ und 
Buchbändlerfamilie zu Barel im 16. Sabrb., deren 
Nahlommen unter dem deutiben Namen Biſchoff 
noch jetzt zu den angejebenften Gefchlechtern diefer 
Stadt zählen. Nilolaus E., geb. 1501 zu Ritters: 
bofen bei Weißenburg im Elſaß, erwarb 1520 = 
Bafel das Bürgerrecht, fcheint diefe Stadt zunächſt 


Epifche Poeſie — Epiſkopalſyſtem 


aber wieder verlafjen zu haben und erft gegen 1529 
dabin zurüdgelehrt zu fein. In Diefem Sabre ver: 
mäblte er ſich mit Juſtina, des berühmten Bud 
bändlers Job. Froben Tochter, Mit feinem Schwa⸗ 
ger Hieron. Froben und mit Job. Herwagen, dem 
zweiten Mann der Witwe Job. Frobens, begründete 
er ein Berlagsgeihäft, aus welchem 1531 Herwagen 
ausſchied, während die beiden Schwäger für immer 
vereint blieben. Sie gaben zahlreiche pbilol. und 
tbeol. Terte und Schriften heraus, die fi durch 
Ausftattung und Genauigkeit auszeichneten. €. 
ftarb 7. März 1564. 
Nilolaus (I.) E., Sohn des vorigen, geb. 
1531, batte fi frübzeitig dem Beruf feines Vaters 
ewibmet, jo daß bereit3 1553 Bücher in feinem 
Verlage erihienen. Er jtarb 29. Dez. 1565 an der 
Veit. — Sein Sobn Nitolaus (IIL.), geb. 1555, 
wurde gleichfalls Buchruder, ftarb aber ſchon im 
Dit. 1582, — Eufebius E., der Bruder bei 
Nitolaus (II.), geb. 1540, geit. 5. Dit. 1599, trat 
1565 in Gemeinſchaft mit jeinem Bruder Nilo 
laus und erwarb 1568 die Herwagenſche Bud: 
—— Sein Druckerzeichen war eine aus einer 
olfe reihende Hand mit einem Biſchofsſtab, auf 
dem ein Kranich fteht. — Bal. Stodmeyer und 
Reber, Beiträge zur Basler Buchdruckergeſchichte 
Baſ. 1840); ehrum sbuch der Froben und Eri⸗ 
copius, bg. von Rud. Wackernagel (ebd. 1881). 
Episoöpus (lat.; gried. episkopos, «Aufieber), 
Biſchof (f.d.); E. episcopörum, Biſchof der Biihöfe, 
der Bapit; E. in partibus (infidelium), f. In par- 
tibus; E. oecumenlcus, Titel des Biſchofs von 
Konftantinopel; Summus E., ſ. Summepiflopat; 
Episcopi ruris, |. Chorbijchöfe. , 
Epiſẽmon (grch.), Zeihen für Ziffern, die als 
Buditaben nicht mehr gebraucht wurden, aber ihren 
Bablenwert und Platz in dem jüngern Zahlenſyſtem 
behielten: F (Digamma) = "=c=6; P (Koppa, 
lat. Q)=G=%; und M=T=7 (Sampi)=900., 
Epifioeẽle (grch.), Schamlefjenbrub; Epi» 
fioncus, Schaml A 
gie, Seamlehenb utung; Epifiorrhäpbie, 
— t (dirurg. Operation). 
iffleritiö (grc.), die Entzündung der äußern 
Oberfläche der weißen oder harten Augenhaut. 
Epiffopäl (gr&b.), was zum Biſchof oder deſſen 
Amte gehört; Epiftopale oder Epijtopaliften, 
Anbänger der biichöfl. oder anglilan. Kirche im 
Gegenſatze den Presbyterianern und übrigen 
Diſſenters, beſonders in Nordamerika. Zumeilen 
werden mit Epiſtopalen auch die Angehörigen eines 
biſchöfl. Sprengels bezeichnet. 
Epiſkopalismus, ſoviel wie ee 
nee f. Anglilaniſche Bra 
Epi —— (von episcopus, d. i. Bifhof), 
im romiſch-katholiſchen Kirchenrecht diejenige 
Theorie von der Verfaflung der Kirche, nach welder 
der Papſt zwar oberjter Biichof, doch nur der erfte 
unter Gleichberechtigten (primus inter pares) it, 
unter der Autorität der im allgemeinen Konzil 
verfammelten Biihöfe, ala Repräfentanten der 
ganzen — ſteht und nur mit deren Einwilli⸗ 
gung die geſeßgebende Gewalt in kirchlichen An— 
gelegenheiten ausüben darf. Diefes Spitem, das 
in ver röm. Kirche dem Papalſyſtem (1. ei gegenüber: 
ftebt, bat in der alten ungeteilten kath. Kirche ge 
berricht, wie die morgenländiich-fath. Kirche beute 
noch auf ihm berubt, und wurde dann gegenüber 
der fibermaht und den Ausartungen der Papit: 


Epiffopat — Epistolae obscurorum virorum 


mitm Ausgang des Mittelalterd von den Ron: 
En u Ronftanz und Bafel vertreten, vermochte 
dabet nur im fog. Sallikanismus (j. Gallilaniſche 
Kirk) ver franz. Kirche zu behaupten und — 
Ente des 18. Yen in ob. Nitol. von Hontheim 
Üd)einen geichidten Verfechter. Prattiihe Aus: 
gegaltung fand es ſeit etiwa 1700 in der holländiſch⸗ 
alttatboltichen Gantentiiihen) und feit 1870 in ber 
neuen alttatb. Kirche. Die Refultate, die Hontheim 
in em Werte «De statu ecclesiae et legitima 
potestate romani pontificis» (Frankf. a. M. 1768 
u. d.) vorlegte, brachten große Bewegung in der 
töm. — beiner. und feine Gegner rubten nicht 
tber, als bis er er Ausſprüche widerrufen hatte. 
Durh das Vatikaniſche Konzil Y d.), welches den 
bapft sum Univerjalbifhof machte ift das €, dog: 
natiſch verworfen worden, nachdem es in Frankrei 
bon dur die Revolutionsftürme und die dur 
Rapoleon I. durchgeführte Wiederberftellung der 
tatb. Kirche feine feiteite Burg verloren hatte. — 
Bol. von Schulte, Die Stellung der Konzilien, 
Bäpfte und Biihöfe (Prag 1871). 

In der evangelifhen Kirche ift dur die 

äußern Berhältniife bewirkt worden, daß dem 
Landes das Summepiftopat (f. d.) über feine 
Lanvestirhe zugefallen ift. Auch bier ift ein €, theo⸗ 
retifch vertreten worden und hat eine Zeit lang das 
firhlihe Leben beberriht. Antnüpfend an die 
ichon bei Hech vortommende Dreiteilung in einen 
status politicus (Übrigleit), ecclesiasticus (Geiſt⸗ 
[ichteit), oeconomicus (Gemeinde) ſchrieben die 
Anbänger diefed Syſtems dem eriten Stand bie 
äufkere firhengemalt iu, verlangten aber, daß er 
fih von dem zweiten leiten lafjen follte. Weſent— 
lich durch Earpzov vertreten, bat dieſes Syſtem 
in der Folgezeit dem Territorialfyftem (f. d.) wei⸗ 
ben müfjen und ift in neuerer Zeit dem durd die 
DOrganifation der Synoden zur Vorherrſchaft ge 
langten Kollegialſyſtem (j. d.) erlegen, zählt aber 
immer nod jeine hochkirchlichen Anhänger, welche 
fpeciell die Stellung der Generalfuperintendenten 
zu einer derjenigen der kath. Bijhöfe analogen zu 
geitalten mit Eifer bejtrebt find, 

ba gear at.), das Biſchofsamt oder die Ge: 
famtbeit der Biihöte (j. Biihof). 

iffopins, |. Epifcopius. 2 

Eyiföde (grd., «Cinibaltung»), nad Arijtoteles 
in der alten Tragödie Bezeihnung der zwijchen den 
Ehorg Angen eingefhalteten Zeile, ded Dialogs, 
dann aller Rebenbandlungen in Epos und Drama, 
die an die Hauptbandlung anknüpfen und nicht 
mejentlich zu ihr gehören, fondern ein Heineres 
Ganzes bilden. Die neuern Kunjtrichter haben die 
Bedeutung des Wortes auf die letztere Kategorie 
eingeihränkt. Bei guten Dichtern find die E. nicht 

unnötige erweiternde Anbängfel oder Füllfel, fon: 
dern bieten näbern Aufiatuß über verborgene Ur: 
lachen, jo die E. des Therfites bei Homer und die 
lung von der Eroberung Trojas in Virgils 
« Üineid>, die ald Muſter gelten lönnen, da fie die 
Einheit des Gedichts Jogar fördern. (S. audy Epos.) 
Epifpädie (grch.), Mißbildung des männlichen 
Geihlehtsapparats, wobei ſich die Harnröhre auf 
dem Rüden des Penis öffnet; Epiipadidus, F 
bivibuum mit einer derartigen Bildungsanomalie. 
Epiſpaͤsmus (grch.), das Vorziehen der bes 
ſchnutenen Vorhaut über die Eichel, jeit der Zeit 
der Maltabäer zur Berleugnung des Judentums 
unter den Juden vorlommenb. 


93 


—— rch), blaſenziehende und eite⸗ 
rungbeförbernde Heilmittel, na anthariden, Cro⸗ 
tonöl, Brechweinſteinſalbe u. a. 

——— xch.), Naſenbluten (f. Naſe). 

Epiftel (grch.), Brief (f. d.), insbeſondere der 
poet. Brief, der bald erzäblend (epifch), bald Iyrifch, 
gewöhnlich didaktifh ift, wie fchon die befannte 
«Epistola ad Pisones» des Horaz. Der Ton richtet 
fi jederzeit nah dem Inhalte und Berhältnifie 
des Schreibers zum Empfänger. So grenzen Dvids 
«Epistolae ex Ponto» durchgehends an die Elegie, 
wie auch die röm. Heroide (j. d.), die Horazif 
«Epistolae» an die Satire; die neuern E. von Bois 
leau, Voltaire, Hagedorn, Gleim, Jacobi, Gödingt, 
Goethe u. a. find meift plaudernde Ergüfle ſcherz⸗ 
bafter Laune. — Die im Neuen Teftament enthalte 
nen Briefe der Apoftel und dann die aus biejen 
von alters ber am Altar verlefenen und zu Predigt: 
tertenausgemäbhlten Abfchnitte(epiftolifhe Beris 
lopen) werden meijt €. genannt. 

4 —— an — ieh. Air 

emon xch.), er Kirche 
—8 der über die Neinhet. der Lehre 
—— — — ieh. epistold, das «lib 

at.; griech. tol& «Über: 

fandte»), der Brief ald Send hreiben (während 
litterae den Brief als Gefchriebenes bezeichnet); im 
Altertum befonders die faiferl, Antwort auf eine 
von einer Behörde geitellte Anfrage über das von 
ihr zu beobachtende Verhalten in einem ſchwer zu 
entſcheidenden falle. 

tölae formätae (lat.), die Empfehlungs⸗ 
briefe, die ſchon in ber älteften Zeit der chriſtl. Kirche 
Angehörige einer Gemeinde einge m mußten, wenn 
fie bei einer andern Gemeinde Aufnahme finden 
wollten. Weil jhon früh Falſchungen vorlamen, 
—— die Konzilien beftimmte Formen für die 
elben vor, und daber dürfte (im 4. Jahrh.) der 
Name entitanden fein. Biſchöfe oder Presbyter 
ftellten fie im Namen der Gemeinde aus, Als Lit- 
terae commendaticiae werben fie nad der Bor: 
ſchrift des Tridentinifchen Konzils von den Bifchöfen 
den reifenden Geiſtlichen erteilt, damit diefe in frem⸗ 
den Didcefen Eirhlih amtieren, befonderd Mefle 
lefen tönnen (Celebret, ſ. d.). 

Epistölae laureätae (lat.), mit Zorbeeren 
ummunbene Briefe, die die röm. Feldherren mit der 
Siegesnachricht nah Rom zu ſchiden pflegten. 

in gg obsourörum virörum (lat., d. i. 
Briefe von Duntelmännern, im Gegenſaß zu den 
Epistolae clarorum virorum ad Reuchlinum 1514), 
Titel einer Sammlung fatir. Briefe, die, durch die 
Haltung der Kölner Theologen im Streit zwiſchen 
Reudlin (f. d.) und dem getauften Juden ‚piefler 
torn veranlaßt, in barbarıjchem, fog. Küchenlatein 
(Möndslatein) unter dem Namen von damals be: 
fannten Geiftlihen und Brofejjoren in der Rhein: 

egend, namentlich aus Köln, gejhrieben, die Ob: 
—— der Scholaſtiler und Monche in 

eziehung auf ihre Lehren, Schriften, Sitten und 
Redeweiſe, ihre Lebensverhaͤltniſſe, Thorheiten und 
Ausſchweifungen mit ſchonungsloſem Spott geißel⸗ 
ten und fo nicht wenig der Reformation vorar: 
beiteten. Die Briefe, an Ortuin Gratius, einen 
der befannteften Führer der Kölner Obſturanten⸗ 
partei, gerichtet, follen in erfter Zeit jogar von 
manden Mitgliedern der veripotteten Partei für 
autbentifch gehalten worden fein. Als die Haupt: 
verfaffer dürfen Crotus Rubianus und Ulrih von 


94 


Hutten — Der erſte Teil en 1515 ange 
lich zu Venedig bei ——2 ſichtlich ſtatt 
nutius), in der That aber zu 5 enau bei Ynzhelm 
(nad andern in Köln oder in Mainz), der zweite 
1517 in Bafel. Die Briefe find oft gebrudt und 
herausgegeben worden, am beiten von Böding (Lpz. 
1858; 2. Aufl. 1864; auch in Bockings Ausga 
«Hutteni opera», 'Supplementum, 2 Bde 
1864— 70). — In neuerer Zeit hat ®. Sawetfcle 
in Halle «Novae epistolae obscurorum virorum» 
(anonym, Frankf. a. M.1849; Jubelausgabe, Halle 
1874) und ein anonymer töm. elebrter «Epistolae 
obscurorum virorum de concilio Vaticano» (ano: 
Beth: vr veröffentlicht. In den erftern werden 
die Beuth stern 6 von 1848 bis 
1849, in gr legtern das Batilanifche Konzil (1869 
—70) und bie Klerilalen perfifliert. 
Epistöla Piläti (lat., d. b. Brief des Pilatus) 
— okryphe Schriftj ftftüde, i in denen angebli 
Bonttus Bilatae an den röm. Kaiſer über Proz 
und Kreuzigung Jeju_ berichtet; das älteite ift an 
Raifer Claudius adreffiert (j. Acta Pilati). 
piftolär (lat.), E der kath. Kirche derjenige 
Geiftliche ——— der beim Hochamte, auf 
der (vom Schiff der Kirche aus) rechten Seite des 
Altars (Epijtelfeite) einen Abſchnitt aus 
den — (f. d.) vorzuleſen hat. brieflich. 
Epi ch (lat.), briefartig, in Brieffgrm, 
ar slarium (lat, )f. Seltionarium. 
@piftölifch, foviel wie EEE: epifto: 
liſche PBerilöpen, f. Epiitel. 
iftologräph (gr 9 Verfaſſer von Briefen, 
Ag hreiber; — — — 
piftologräpbif, f 
2 lieöphe (grch.), . Anay here 
Epiftröphens ( jaater ber»), in ber 
Anatomie der zweite Balswirbel, — er die Dreh⸗ 
en des Kopfes vermittelt (f. Hals nebit 


ur 2 
piithl (arch.), ſ. Architrav. 

Epistylle jattung der Vorticelliden (f. d.). 

Epitäpb, |. Epitapbium. 

Epitap {08 ( ch., zu ergänzen logos, Rebe), 
Grabrebe, namentlich die —— öffentliche Trauer⸗ 
rede auf die für das Vaterland Gefallenen. Berühmt 
ift der E. des Perilles auf die im J. 481 v. Chr. Ge 
fallenen (im 2. Buche des Thucydides). Erhalten ift 
außerdem, wenn aud nur unvollitändig, ein E. des 
Hyperides. Die meilten der aus dem (tertum auf 


uns gelommenen Epitapbien find bloße Bruntreben, | (— 


"a nie ehe worden find. 

Epitaph ot a epitäphion)obder Epi: 
tapb, Grabſchrift, auch Grabftein mit Inſchrift; 
in chriſtl. Zeit ein ſtehendes, meift an die Wand 
einer Kirche gelehntes Grabrelief oder eine Inſchrift⸗ 
tafel aus Stein oder Bronze, biömeilen — auch 
aus Holz. Die en Epitapbien i in Deutſchland 
dürften die unter ven Pieilerfodeln der im 11. Jahrh. 
erbauten Teile des Münfters zu Bonn jein. Erſt das 
fpätere Mittelalter nahm die fünftlerifche Gejtaltun 
der Epitapbien auf, welche in der deutichen Renaij: 
fance ihren Höbepunft erreichte. 

Epithalamium (ard.), bei den Alten ei — 
das vor dem Brautgemache (thälamos) 
mäblter gefungene Eborlied, aber auch allgemein ein 
Hochzeitslied. Ein Beifpiel iſt Catulls « Epithala- 
mium Pelei et Thetidos». (S. Hymenäus.) 
Epithel (grch.), die Oberhaut der Schleim: und 
anderer innerer Häute des menſchlichen und tieri: 


Epistola Pilati — Epode 


A Körpers, bildet einen gefäßlofen hautartigen 
berzug auf der freien Fläche ver —— den 
ſecernierenden Flächen der en, der Schleimhaut 
der Geihlehtäorgane u. a. und gebt an den Körper⸗ 
Öffnungen ohne Unterbrehung in die Epidermis 
bie Oberhaut der äußern Haut (ſ. d.) über. Auf 
dieſe Weiſe ift die gefamte Oberfläche des Kö 
die nad außen wie die nad) innen gelebrte, in rem 
ganzen Umfange mit einer fchirmenden Hülle um: 
geben, welde unter normalen Verhältniſſen gegen 
alle von außen einwirlenden Schäblichleiten bin: 
—— Schutz gewährt. Je nad der Form der 
CM en —— man verſchiedene Epithelien: 
linderepithel, Flimmer- oder Wimperepithel, 
— u. a. 


Epitheliäl, dem Epithel angehöri wre ihm aus: 
gebend; Epithelialgemwebe, Oberbautgemebe. 
itheliom grch.), durch kranlha — 


des Epithels entitandene Neubildung (. Krebs). 

Epithefe (grch.), Beifag zu einem Hauptjage. 

Epithäton (grch. «Zujak»), das a. aupt: 
worte zugefügte Beiwort. Das E. beißt, wenn es 
eine von dem Zuſammenhang erforderte Ginfhrän- 
fung des — — ein notwendiges 
— necessarium), z. B. die öftlihen Sterne. 

agegeniftdas E. ein * hönerndes oder [hmüden: 
Fl (epitheton ornans), wenn es dazu dient, durch 

Veran —— — Hauptbegriff nach einem 
ſeiner M antaſie näber zu bringen, 
z. B. ———— —— m Volksepos find 
von bejonderer Bedeutung die jog. ſtehenden Beis 
wörter (epitheta perpetua), die demſelben Gegen; 
ftande, fo oft er —X wird, beigelegt werden, 
z. B. oe media e Achilles. [Frauen. 

Epithämie (ar s). das Gelüften jhmangerer 

Epitdme (ard.), gg Sam einem größern 
Wert. Bejonders von de mern wurden folde 
veranftaltet; Beispiele ſ. Aurelius Victor, Livius, 
Juſtinus. Davon neulat. Epitomätor, Verfern⸗ 
ger eines en 98. 

Epitradhelion (grch.), ein zur Kleidung der 
griech ‚tatb. Prieſter geböriges breites fteifes, mit 

euzen bejtidtes, in der Farbe verjchiedenes Band, 
das, um den Hals getragen, bi über den Gürtel 
mit beiden Enden erabhängt. 

Epitritus (grch.), ein vierfilbiger Versfuß, der 
aus einer Kürze und brei Längen beſteht und — 
nachdem die Kürze die 1., 2., 3. ober 4. Stelle 
—— primus (vo _ — ic epitritus — 

— —) u. f. w. beißt. 
Epizöen (g r&b.), ſ. Schmarogertum. 
Chan (grch.), Vie ee von größerer Aus: 
dehnung, Landesjeude; sgen] : Enzootie dı x 
Epizootifc tritt in der Negel Rinderpeſt, Ma 
und Klauenſeuche, Influenza der Pferde auf. 

- B. M., in den Kanzleien früber Abkürzung 
für —— Promemoria. 

Epöche (grch., d.i. Hemmung, Haltpunlt)h, in der 
Chronologie der Anfang einer Zeitrehnung oder 
Ura (f. d.); in der Gejdichte nennt man E. einen 
Zeitpunkt, mit welchem eine neue bedeutjame Ent: 
widlung beg innt. Epochemachende Ereignifje oder 
Perfonl tete find alfo ſolche, die eine derartige 

twidlung veranlaflen. (©. Periode.) — In der 
Aitronomie bezeichnet E. eins der Elemente (f. d.) 
der Bahn eines Himmelälörpers; über die €, ver 
Sterntataloge ſ. d. 

Epöde (arch., «Nach: oder Schlußgefang»), bei 
den alten Griechen der auf die Strophe und Gegen⸗ 


Epomadion — Epos 


tjolgende Abgejang. Die meiften Hymnen 
Kindar und wiele Ehorgefänge der grieh. Dra⸗ 
se {nd epodifch gebaut. Außerdem hießen E. 
ke dntarten (mit Ausnahme des elegiichen Difti- 
den), die : a. — einer längern und 
einet irgern € eben, beſonders aus einem 
umbiihen Trimeter und einem ſolchen Dimeter. 
Diele Gattung verpflangte Horaz auf röm. Boden; 
kine «Epoden» erbielten jedoch erſt fpäter dieſen 
Kamen, er jelbft nannte fie iambi. 

Eyomadion (grd.), eine lange, von den Schul: 
tem biö auf die e berabhängende Binde im 
Dmat der griech. Geiitlichen. 

omeo oder Monte:-San Nicola (bei 
ven Alten Epomäus oder Epop&us), der hödjite 
Gipfel (792 m) der 22 km lih von Neapel ges 
fegenen vultanischen Infel Jschia (f. d.). Bon der 
Höbe eine wundervolle Ausſicht. Wenig unterhalb 
ift in das bier mürbe Trachytgeſtein eine Einfiedelei 

ebauen. An der Norbjeite des Berges find 
vom Krater einige Refte erhalten. Die legte Erup⸗ 
tion fand 1302 Itatt. 

Epöna (von epus für lat. —— Pferd), lelt.⸗ 
ital. Göttin, welche Pferde, Eſel und Mauleſel bes 
ſchũtzte. Sie wurde weniger in Italien, wo ihr Kult 
erit ın der Kaiferzeit mehr auflam, als in den von 
R gen = man > — ne 

ä e Inſchriften gefun at, v u 
—e— iſt E. zwiſchen den de heiligen Tieren 
ftebend oder fißend dargeftellt. 

&Epouhmos (grh., d. h. eine Benennung ge: 
bend), im alten riehenland Bezeichnung für die⸗ 
jenige jäbrlich wechſelnde Staatöbehörbe, nad) der 
(wie in Rom nad den Konſuln) in Ermangelung 
einer allgemein gültigen Zeitrehnung die Yabre 
bezeihnet und gezählt wurden; jo in Athen nad 
dem erften Arcdon (j.d.), in Sparta nad dem erften 
Epbonu3, in Theben nach dem oberften Böotardyen. 

‚Epöpeud, in der griech. Sage Sohn des Pos 
ſeidon und der Kanale oder Sohn des Aloeus, 
König von Sityon, ift wahrſcheinlich eigentlich ein 
Sonnengott, «der auf der Warte Thronender, wie 
auch der Name jeined Gegners Nylteus, des Nacht⸗ 

‚ und bie mit ihm verbundene Mondgöttin 
— (h),1.Ch (ic 
opde (acd).), j. Epos. auung. 

Epöpfie (ord.), eigene An: oder Einjiht, Ans 

Epopten (arc., d. b. Schauende), Eingemeibte, 

&porebia, |. Jorea. f. Eleufis. 

Ep08 und Epifche Poeſie. Die epiſche 
Boejie ift erzäblender Natur, fie ftellt Handlungen 
als —— dar, d. h. als vergangen und 
abgeſchloſſen. Sie gehört zu den älteiten 7 Abend 

gen der poet. ndung, doch gebt ibr, der Zeit 
nad, die horifche Hymnenpoefie voran. In weiterm 
Umfang begreift fie in fi aud die Ballade (f. d.) 
und Romanze, ferner bie er (f. d.), die Fabel 
(1.d., Tierſage und Reinete Vos) und Parabel (j.d.), 
die Satire (}. d.), eine Art der didaltiſchen Epit, ja 
felbit ven Roman (f. d.), infofern diefer wenigſtens 
ein Halbbruder der Poefie heißen darf, die No: 
velle (j.d.) und das Märchen (j.d.). 

Die Hauptgattung ift aber das eigentliche Hel⸗ 

dengedicht, das Epos oder die Epopöe. Es 
ebt faum ein Bolt, bei welchem nicht wenigſtens 
niäge zum Epos vorhanden wären. Abgejeben 
von den durch den Vollscharalter bedingten Ver: 
hbiedenheiten giebt es auch jolhe der Gattung und 
ber Zeititufen. Nach erfterer gruppiert fich das Epos 


95 


in ein eh ein hiſtoriſches, ein lomiſches 
ein parodiftijches, ein religiöjes und ein lehrhaftes; 
ber Beitjtufe nah in ein Volksepos und ein 
Runftepo3; jenes ift das frühere; auf und aus 
feinem Stamme entwidelt ih und zieht Nahrung das 
Kunſtepos; am vollenbetiten ift diejenige Gattung, 
in der ſich beide Arten durchdringen und zu einem 
untrennbaren Ganzen verjhmelzen, wie dies in den 
Homeriihen Gedichten, Jlias und Odyffee, und teil: 
weife auch im deutichen Heldengebicht der Nibelun: 
en der Fall ift. Denn wenn ſich aus den Homeri: 
Phen Gedichten die epiihen Aunhaciepe am reinjten 
und vollftändigften entwideln lajjen, jo ift dies nur 
deswegen möglich, weil de aus dem Bollsepos 
emaden find, in einer Weife, daß man ſchwanken 
er fie eher ala —— oder als Kunſtepos 
u bezeichnen ſeien. Dem Heldengedicht des Virgil 
ehlt dieſe vollämäßige Unterlage. 

Das Volksepos wurzelt — und allein in der 
nationalen Heldenſage (ſ. d.), welche die Gedanken 
eines Volls über feine fruheſte Geſchichte (heroi⸗ 
—* ee mwiderfpiegelt. Das Vollsepos ift 

ochariſtokratiſch; nur die Öötter, Die Helden (Söhne 
der Götter) und deren Nachlommen (ber Abel) fin 
den Plat in diefem Rahmen oder füllen wenigſtens 
den Vordergrund. Bon den Sängern wird dieje 
Heldenſage als belannt vorauägefegt und darf es; 
fie felber greifen einzelne Abſchnitie aus dem Gan- 
en beraus und geftalten dieje zu Liedern; durd vie 
Kt lihe Sammlung folder Lieder und ihre Um⸗ 
eitaltung zu einem einbeitlihen und poet. Ganzen 
(mas nur durch Hinzudichtung von Übergängen und 
inbegliedern, durch Aus: und Angleihung wider: 
ftrebender Zeile, durh Wandlung des Gefanges in 
einfache Recitation geicheben kann) entfteht dann das 
Bollsepos. Die berühmteften Vollsepen der aelant- 
ten Weltliteratur find die «Jlias» und die «Dpyjiee», 
lestere an poet. Wert ihre ältere Schweſter über: 
ragend. (S. Homer.) Als analog entjtanden jind 
anzujeben die ind. Epen «Mahabharata» und «Ra- 
mayana», da3 perj. «Schah-Nameh» de3 Firduſi, 
die franz. «Chanson de Roland», das finn. Epos 
«Ralewala»; die german. Epen «Beomwulfs, «Nibes 
lungenlieb», «Gudrun» verbanlen ihren Zufammens 
{hluß aus Liedern zum Epos jedenfalls direlt oder 
mittelbar Einflüffen fremder Kunſipoeſie. In der 
nordijhen «Edda» und dem fpan. «Eid», auch in 
den jerb. Geſangen vom Helden Marlo u. a. liegen 
die Vollälieder noch im lodern Zuftande, unver: 
mittelt und durch feine ordnende, fügende Rünftlers 
band verſchmolzen vor. 

Das eigentliche Epos findet ſich nur in der ariſchen 
Völterfamilie; das Schi-king der Ebinejen, das 
ägypt. Heldenbuch vom Pr“ Ramfes, die zwölf 
derer Fang Abenteuer der Eimfonfage 
urfprüngliher Eonnenmythus?), das Siegeslied 
ber Deborah und ahnliche Erzeugnifje der bebr. 
Litteratur entfprechen nur höchſt unvolltommen ven 
Runftgejeßen der Gattung. 

Die epiiche Vollsdichtung ift eine aus dem gans 
zen Boll entipringende und dem ganzen Volt ans 
gehörige, durd den lebendigen Geſang mitteilbare 

arjtellung einzelner Mythen und Sagen (Märchen 
und Tierfagen). Die einzelnen Lieder, welche das 
Epo3 nad und nad bilden (indem fie um einen ber: 
vorragenden Punkt, der zum Mittelpunkt wird, ſich 
gruppieren), pflanzen fi, wie fie aus dem Munde 
des Volts bervorgingen, jo im Munde desſelben 
Volls durd Generationen und Jahrhunderte fort, 


96 


e fommen bei allen Anläflen der 
ensthätigleit und Empfindung \ abl, Gelage, 
Tanz, Krieg, Br u. j. w.) zum Vortrag und ers 
leiden im Laufe der Zeit dur bie halb bemwußte 
alb unbewußte Mitwirkung der Zubörer allerlei 
eränderungen durch Zus und Umdichten, aber auch 
dur Weglaſſung und Kürzung. Es ift ein Läutes 
rungsprozeß, der ſich nad und nad) vollzieht, bis 
die ganze Voltsjeele (Empfinden und Denten Bin: 
{hen und ®ollen, Glauben und Hofien) ihr Bild in 
diefen Liedern ſich abjpiegeln ſieht. E3 kann je nad 
der Stimmung ein ernſtes oder heiteres oder ein 
aus beiden Stimmungen Bild fein, es 
tann auch wechſeln, je nach den Idealen, welche das 
fittlihe Leben des Menſchen beberrihen (vgl. auf 
der einen Seite «Jlias» und «Nibelungen», auf der 
andern «Odyſſee⸗ und «Gudrun»; dort Heldenmut 
und Peg ier Rlugbeit und Ausdauer, dort 
das tobende Sch — ‚ bier das rauſchende 
Meer). Da aber das Altertum jedes rap deale 
in irgend einer Gottheit verförpert fiebt, fo iſt fein 
Epo3 denkbar, in welchem nicht der göttlihen Ein⸗ 
und Mitwirtung ein breiter Raum gegönnt wäre. 
Die Einheit de Epos muß aus dem Fern 
erauswachſen, um welden fi nad und nad) die 
ieder angejammelt haben, in ihr muß fi das 
deal verlörpern; dies fann aber nur in einer fon: 
eten Gejtalt, dem Helden, in die Erſcheinung 
treten. Da aber in den urfprünglichen verſchiedenen 
Liedern =. nicht durchweg der Mittelpunlt war, 
und beider Berfchmelzung nicht alle Zeile, die ſich nicht 
unmittelbar auf ihn bezogen, wegfallen durften, ohne 
daß das Ganze an Schönheit Flle und Mannig⸗ 
faltigteit fhwere Einbuße erlitten hätte, jo traten 
diefe Teile ald Epifoden in den Rahmen des Epos 
binein. Daber die —— Breite des Epos, feine 
Ausbiegungen nad Iink3 und rechts, nad) vorwärts 
und jurüd, feine Keen die in den urjprüng: 
lichen Liedern wohl die Kolle der Hauptfiguren ge: 
fpielt hatten. Die Rompofition des Epos ijt darum 
loderer, nicht fo fnapp und Baden wie beim 
Drama, defien auf ein Ziel gerichtete Handlung kein 
Verweilen bei I — (j. " duldet. Diefe (für das 
Epos charalteriſtiſchen) Epijoden gehören zwar vor: 
zugsweiſe, aber nicht ausnahmslos, einem und 
demjelben Sagentreije an; ſchon in der «Ilias⸗ fin: 
den fich deutliche Fäden aus andern reifen in den 
troiſchen Sagenftoff bineingewoben, und mit ber 
Ausgeftaltung deö Epos durd die fog. Cylliſchen 
Dichter (ſ. d.) vermebren ſich diefe Ausnahmen, das 
Epos jelber wird cykliſch, d. b. es bat die Tendenz, 
den Stoff (nit zum Borteil der Kunft) aus ver: 
ſchiedenen lotalen Sagentreijen zufammenzubäufen, 
obne ihn zur Einheit zu verjchmelzen. 

Hiermit beginnt das Gebiet des Kunſtepos. 
Der Haupt: und Grundunterjchied, der es in Gegen: 
faß zu der Vollsdichtung ftellt, ift der, dab es 
die Schöpfung, eines einzelnen Dichters ift. Ein 
weiter, zwar nicht notwendig, aber gewöhnlich vor- 

andener, ift der Bruch mit dem Glauben an My: 
thus und Sage, ber dritte, der die Art des Vor: 
trags betrifft (ob recitierend oder mit Gejang oder 
gar nicht für Vortrag berechnet), ift nebenjählich und 
durch feine fefte Norm beftimmbar. Birgil hat die 
«Sage», auf welcher feine «Sineide» beruht, zum 
gr Zeil jelber nben, von einem naiven 

lauben an feine Böttermefen kann alſo feine Rebe 
fein; noch weniger bei Dvid in — phantaſtiſchen 
«Metamorphoſen⸗ (in denen jonft alle nur dent: 


—— Le⸗ 


Epos 


baren Arten des Epos vertreten find), und fpäter bei 
den Romantifern, einem Camöes (in den «Lufia 
ben»), Arioft (im «Rafenden Roland»), Tafjo («Be 
freites ——— u.a. Das Götter: und Fabel: 
—* wird bier zum üppigen, reizenden Spiel, an 
mwelhem Gemüt und Glaube keinen Anteil mebr 
haben, um jo größern die Phantafie. In dieje Ka⸗ 
tegorie gehören auch die Ritterepen bes Chretien de 
Troyes und in Deutichland die der Pfaffen Konrad 
und Lamprecht, Hartmanns von Aue, Gottfrieds 
von Straßburg und Wolframs won Eſchenbach. 
era lebte zu ihrer Zeit noch in manden 

ijen ein Nachhall heidniſcher (vornehmlich —— 
man.) Mythologie, der Glaube an Niren, Elfen 
u. ſ. w., fort, während dann Wieland im «Überon» 
die Märden: und Zauberwelt feiner a u. ſ. w. 
mitten in eine kuhle glaubensleere enwart 
bineinftellte und nur durch Anregung ber Phantaſie 
oder gar durch ——— Iconie rn made. 

Man fah ſich alfo, wenn man überhaupt nod ein 
ernftes Epos ſchaffen wollte, genötigt, dem Unter: 
und Hintergrund ber * zu verlaſſen oder ihn 
wenigſtens in den ſchriſtl.) Legenden zu ſuchen; dies 
thun im religidſen Epos Milton im «Berlorenen 
Paradied» und Klopftod im «Meſſias⸗, der F dem 
großen Thema zurüdtehrt, das einft der altſächſ. 
«Heliand» und Otfrids «Evangelienharmonie⸗ ge 

altet hatte. Das driftl. Dogma, nicht bloß die 
gende, tennt aber bad Wunder, und auf dieſem 
Boden weiter zu bauen, durfte der dichteriſchen 
Vhantafie nicht verwehrt werden. Schon Dante 
batte fi dies in feiner «Divina commedia» ge 
attet, in der nicht bloß Heibnifches und Chriſtliches, 
ondern alle Elemente der Ethit, Sage, Geſchichte, 

—— — Satire, teils in realer, teils 
in allegoriſcher Geſtalt durcheinanderfluten. 

Auch das hiſtoriſche Epos kann der Phantaſie 
nicht entraten, wenn es ein Dicht fein mill, 
und dieſe herricht fogar fouverän, wo die «Geſchichte⸗ 
nicht das wirklich — iſt, ſondern das, was 
nah dem Geſeß der Kauſalität hätte geſchehen 
können (ideale Geſchichte). Zur erftgenannten Art 

ehören Boltaired «Henriader, Pyrkers «Rubol: 

as», Einggd «Böllerwanderung», © ergd 
«Hobenfriedberg», «Leuthen», «Ligny», «Waterloor, 
Jordans Bearbeitung der —— Ha⸗ 
merlings «Ahasver», «König von Sion», zu leh: 
terer, weldye man die romantiſche Epil nennen 
darf, E. Schulzes «Cäcilier, Scheffeld «Trompeter 
von Sältingen», ©. Kinkels «Dtto der Shühr. 
(Über Se «Hermann und Dorothea» und Bop’ 


«Luiſe⸗ — lle.) 

Das Te thafte Epos umfaßt die Fabel 
(Tierepos3) und die Satire (die im Tierepos 
übrigens auch vertreten ift), es fällt mit dem jog. 
Lehrgedicht nicht —— Heſiods «Werte und 
Tage» und Birgild «Georgica» find feine Epen. 
Byrons «Don Juan» tann ſowohl ein fatir. als 
ein fomifches Epos genannt werben, ebenjo But: 
lerö «Hudibras». 

Das lomifhe Epos kann entweder mit un: 
ſchuldig lachender Miene auftreten, wie in K. H. 
Kortums «obfiade», oder mit tendenziöjer Paro⸗ 
die des Erbabenen; als ſolches kann es aud al? 
beiondere Gattung — werden. Auch das 
rein Komiſche entbehrt ſelten eines oder des andern 
parodiſtiſchen Zuges, weil es faum eine danfbarere 
Komik giebt, als Heine und Heinlihe Dinge des 
Altagslebens im Pathos des heroifchen Epos dar: 


Eppan — Epulis 


— Beiſpiele des parodiſtiſchen Epos ſind 
us «flir ult», Popes «Lodenraub» und 
«Dundader, Zachariãs «Renommijt» und «Schnupf: 


tuh>; ausgeprägt parodijtiihen Charakters und 
muftergültig für die Gattung ift bereits ein Gedicht 
des frübern Altertums: «Die Batrachomyomachie⸗ 


(«Sreihmäufeler»), nachgeahmt von dem Deutſchen 
Georg Rollenbagen, aus fpäterer Zeit Boltaires 
«Pacelle» und A. Blumauers «Traveitierte Ülneis»; 
mebr rein jatirifch ift Ad. Bartels’ komiſches €. 
«Der dumme Teufele. (S. Traveftie.) j 
Unfere Zeit ift dem Epos ungünitig. Es wird faft 
ei verdrängt vom Roman (}. d.), dem Epos in 
roja, deſſen Kunſtgeſetze freilich nicht völlig auf das 
moderne Epos anzumenden find. Ein ſolches ift belle 
Grajied eNobespierre» (2 Bde. 1894), ein anderes 
greßen Stil verfpricht Das noch unvollendete «Lied 
der Menichbeit» von Heinr. Hart zu werden. 
Eppauoder St. Michael in Eppan, Gemeinde 
im Gerihtäbezirt Kaltern der öfterr, Bezirkshaupt⸗ 
mannibaft Bozen —— in Südtirol, nahe 
am Beginn der Straße über die Mendel (1354 m), 
auf einem Plateau (410 m), ringdum von Wein: 
ärten (berühmter Eppaner Wein) umgeben, an 
der Bahn Bozen= Gries:Kaltern —— — 
umfaßt die e St. Michael oder E., Girlan, 
St. Pauls, Miſſian und Montiggl und bat (1900) 
5410 E. Dberbalb E., deilen Name von planum, 
d. i. Hochebene, bergeleitet wird, liegen die Ruinen 
vonHoben:E zen (720 m) mit dem freideturm, 
Stammfig der Grafen von E., die durch ihre eb: 
ten mit den Bijchöfen von Trient und den Grafen von 
Titol belannt find, Schloß Boimont und Alten: 
ar ee die Gegend früber den Namen trug. 
pelheim, Dorf in Baden, ſ. Bd. 17. 
Eppendorf. 1) Dorf in der Fran rn nen 
Ihajt Floha ver ſächſ. Kreishauptmannſchaft Chem: 
ms, an der Nebenlinie Heßdorf-E. (10 km) der 
Sidi. Staatsbahnen, hat (1905) 4732 E., darunter 
108 Katholiken, Boft, Telegrapb, Kirche; Baum: 
wollipinnerei, 2 Mebl: und Sägemüblen, Spiel: 
waren: und Gigarrenfabrif. — 2) Bauerjhaft im 
Sandtreis Gelſenlirchen des preuß. Reg.Bez. Arns⸗ 
berg, hatte 1900: 3507 E., darunter etwa 1100 
Ratboliten, 1905: 3583 E.; Koblenbergbau und 
i Bis . —— —— (. a 
p mittelhochdeutſch epfich, entlehnt aus 
lat. apium), in älterer Sprache _ wie Sellerie 
(.d.und Apium); jest auch für Er angewendet, 
T 


„Siadt in der engl. Grafihaft Eſſer, 
im .von London, oo &; 
Handel mit Butter, Mil und Fleiſch. E. liegt am 
Nordende des Epping-Foreſt, eines bügeligen 
Forftes, der einſt bis vor Londons Thore —— 
jeßt in einer Größe von 2", qkm erbalten wird und 
einen beliebten Ausflugsort der Londoner bildet. 
Eppiugen. 1) Amtsbezirfim bad. Kreis Heidel⸗ 
berg, hat 168 qkm, (1905) 18437 E.in 15 Gemeinden. 
—2) Hanptjtadt des Amtsbezirls E., linls an der 
zum Nedar gehenden Elſenz, an den Linien E.:ftarlös 
rube (48 km) der Bad. und Erailäheim:Heilbronn: 
€. (112 km) der Württemb. Staatöbabnen, Sitz des 
bezitlsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht 
Heidelberg), bat (1905) 3450 E., darunter 714 Katho⸗ 
\iten und 106 Jsraeliten, Poſt, Telegrapb, evang. 
und 2 Pfarrlirhe, landwirtihaftlibe Winter: 
chule, höbere Bürgerfchule, Gewerbeihule, Vor: 
'Qußverein, Spartalfe. In der Näbe befinden fi 
Sanpiteinbrüche. 
Brodhaus’ Konverfations-Lerilon. 14. Aufl. R. A. VL 


97 


Eppishuſen, Meiſter Sepp von, ſ. Laßberg. 

Eppftein, Flechen im Obertaunuskreis des 
preuß. Neg. Bez. Wiesbaden, am Schwarzbach, in 
184 m Höhe, am Südabbang des Taunus und am 
Unfange des bei Hofheim nad der Mainebene ſich 
öffnenden Lorsbachthals, an der Linie Frankfurt 
Höchft- Limburg der Preuß. Staatöbahnen, hatte 
1900: 991 E. darunter 467 Katboliten, 1905: 
1227 E., Boft, Zelegrapb, evang. Kirche (15. Jabrb.), 
deutſches Kriegerheim (1901); Aderbau, Bleimalz: 
werte, Stanniol- und Kijtenfabrifen, Gerbereien, 
—— fiber der Stadt die Nuine der Burg 

«, bie, früher im Befik des alten Geſchlechts der 
Eppfteiner, die 1535 im Mannsſtamm ausſtar— 
ben, jest Eigentum des Fürften Stolberg: Wernige: 
rode ijt und um 1120 — t erwähnt wird. Von 
1585 bis 1803 gebörte E. zu Kurmainz, jeit 1803 
zu Nafjau. — Bol. Brumm, E, und feine Um: 
gebung (Eppftein 1896). 

Eppur si muöve ae «llnd fie (die Erde) 
bewegt jich doch», Ausruf, mit dem Galilei (f. d.) die 
ihm abgedrungene Abihwörung der Kopernilani- 
ſchen Lehre begleitet haben foll; er ift nicht durch 
pleichzeitiges Zeugnis verbürgt, jondern wird erit 
im «Dictionnaire historique» (Caen 1789) erwähnt. 

Epreuve (ft;., ipr. epröhw), Probe, Verſuch; 
Korrefturbogen; E. d’artiste (ſpr. dartiſt, d. i. 
ein vom Künftler [Stecher] gemachter Brobeabzug), 
ein Kupferjtich mit der radierten Namenäzeihnung 
bes Stechers, die na Anfertigung einer Kleinen 
Zahl von Abdrücken weggeſchliffen wird, damit die 
«Abdrüde vor der Schrift» (avant la lettre) gemacht 
werben lönnen, Als allererfte Abprüde im ſolche 
Blätter natürlich am teuerſten. (S. Kupferſtechlunſt.) 

Epſöm, Marttitadt in der engl. Grafſchaft Sur: 
ren, 22 km im Südweften von London, bat (1901) 
10915 E. eine polytechniſche Schule und eine Bitter: 
alzquelle. Berübmt find die auf den E, Downs 
tattfindenden Pferberennen, das Derby: Rennen 
(j.d.) und die Dals. In der Nähe das Royal 
Medical College für Söhne von Ärzten. 

Epjomfalz, Epſomer Salz, Bitterfalz. 

Epte (jpr. ept), rechter Nebenfluß der Seine, 
entipringt zwifchen Serqueur und Forges:les:Caur 
im franz. Depart. Seine: nferieure, fließt zuerjt 
nad SO. und berührt Gournay, wendet ſich hier: 
auf nach S. und pipe das Depart. Seine⸗In⸗ 
ferieure vom Depart.Dife, gleich darauf auch das Der 
part. Eure (weitlid) von den Depart. Dije und ipäter 
Seineet:Dife (öftlich) und mündet nach einem Laufe 
von 102 km oberhalb Vernon in zwei Armen in 

Epülae, j. Epulonen. [die Seine. 

Epülis.(ard.), eine trankhafte, mehr oder weni: 
ger pilzförmige Geichwulft des Zahnfleiſches, welche 
nicht, wie die jog. Parulis, auf einer abjcedie: 
renden Entzündung des Zahnfachs, fondern auf 
einer Gewebswucderung beruht und entweder zu 
der Bele der fog. Sarlome (ſ. d.) oder auch zu 
andern Geſchwulſtſformen gehört. Sie kann fi in 
jedem Lebensalter, ſelbſt bei Kindern, entwideln; 
über ihre Urfachen ijt nichts Sicheres belannt. Ge: 
wöhnlich ſtellt die E, eine en bis hühnerei⸗ 

roße, balblugelige, gefäßreihe Geſchwulſt von 
öderiger Oberfläche und fleiichiger Konſiſtenz dar, 
welche allmäbli dur ihr Wachstum die benach— 
barten Zähne auseinander drängt oder deren Aus: 
allen bewirkt und durd Blutungen und Geſchwürs⸗ 
dung ſehr beſchwerlich werden kann, weshalb ſie 
möglicit frübzeitig operativ zu entfernen ift. 
7 


98 Epulonen 


Epnlönen (lat., «Speifemeifter»), ein in Rom 
196 v. Chr. eingerichtetes Priejteramt, meldyem zus 
naͤchſt die —— der Speiſung (epulum) der 
mit menſchlichen Bedurfniſſen gedachten lkapitolini⸗ 
* Götter en Dann wurde ibnen aud die 

eforgung und Beauffihtigung der öffentlichen 
Bewirtungen (epulae) des Volls übertragen. Urs 
fprünglich zäblte das Kollegium der E. drei Mit: 
glieder (tresviri epulones), jpäter fieben (septem- 
viri epulones), und legtern Namen bebielt es aud 
bei, ald es von Eäfar auf zehn vermehrt wurde. 
Die €, find bis zum Ende des 4. Jahrh. n. Ehr. 
nachzuweiſen. 

Epntlöfi® (grch.), Vernarbung; Epulotica, die 
Vernarbung befördernde Mittel. 

Epurateur (frz., jpr. epüratöhr, d. i. Reiniger), 
in der Baummollipinnerei eine von Risler ers 
—— Maſchine, welche zuweilen an Stelle der 

ortratze angewendet wird; fie zerftört die Anord⸗ 
nung der Safern in Büiceln und liefert das Mate: 
rial in Form gleihmäßiger loderer fyaferbänder ab, 

An der Bapierfabrilation iſt E. foviel wie 
Knotenfänger (f. Papier). Als E. wird auch eine 
Mafhine der Holzitofffabrilation bezeichnet 
(f. Holzftoff und Tertfigur 2). 

Epureänn, Manolate Koftale, rumän. Staatd: 
mann, geb. 1823, ftudierte die Rechte in Göttingen 
und begann feine Yaufbahn ald Richter in Berlad. 
Seit 1848 an allen polit, Ereignifien feines Vater: 
landes beteiligt, ftimmte er 1857 im Diwan ad hoc 
(j. Moldau) für die Vereinigung der beiden Donau: 
fürftentümer und wirkte 1859 für die Wahl Eufas 
zum Fürſten der Moldau. 1866 war er Präfident 
der Nationalverfammlung, die den Prinzen Karl von 
Hohenzollern, den jegigen König Karl I., zum Für: 
ften von Rumänien prollamierte. Der Bojaren 
partei angebörend, bemühte er ſich jedoch mit Hilfe 
jüngerer Kräfte dieje zu einer junglonjerwativen, 
den Zeitverbältnijjen — tragenden Partei 
umzugeſtalten. Am 1. Mai 1870 übernahm er als 
Winitterpräfibent die Leitung der Geſchafte, die er 
unter den ſchwierigſten Berbältniflen führte, bis 
ihn 26. De;. 1870 ein Mißtrauensvotum, das ihm 
die ag bremen aus Anlaß der Strouäberg: 
ſchen Eifenbabnangelegenbeit (f. Rumänien und 
Strouäberg) erteilte, zum Rüdtrittveranlaßte. Bom 
9. Nov. 1872 leitete er im Kabinett Catargiu das 
Juſtizminiſterium, trat aber 11. April 1873 zurüd, 
um in Verbindung mit den Nationalliberalen (der 
fog. Koalition Mazar Paſcha) die Bojarenwirtihaft 
am Vorabend des Ruffiich «Türkifchen Krieges zu 
türzen. Am 9. Mai 1876 bildete er mit Joan 

ratianu ein liberaled Minifterium, befien Prä: 
ſidium ihm zufiel, fchied aber ſchon 5. Aug. 1876 
aus, die Führung ganz dem nationalliberalen Ele 
ment überlajiend. Er blieb im Parlament bis zu 
feinem Tode (1884) in abmwartender Stellung. 

Epurieren (lat.), reinigen, das Schlechte aus: 
merzen; Epuration, Reinigung, Ausmufterung. 

E pur si muove, |. Eppur si muove, 

Eques (lat., Mehrzahl Equlites), Neiter, Rit⸗ 
ter. Im röm. Staatäleben bildeten die Equites 
oder Ritter urjprünglich die aus den wohlhabend⸗ 
jten Bürgern patricifben Standes zufammengejehte, 
zu Roß dienende und am höchſten ftebende Klafje 
des röm. Heerd. Durch die Verfafjung des Ser: 
vius Tullius wurden die Equites ein Korps von 
18 Genturien, 1800 Rittern, die nun nicht nur aus 
patricifhen, fondern aud aus plebejiſchen Fami⸗ 


— Eques 


lien genommen wurden. Die in die Centurien aufge: 
nommenen erhielten vom Staate 10000 As zur 
Anihaffung eines Kriegsroſſes (das aes equestrei 
und jährlid 2000 As für den Unterhalt desſelben 
* aes hordearium), ſonſt aber leine Lohnung. 

ie Reitercenturien hatten in den Centuriatlomi⸗ 
tien (f. Komitien) bis zu der Reform im 8. Jahrh. 
v. Chr. das Recht, zuerit abzujtimmen. 

Neben diefen alten Rittercenturien entftand, wie 
eö beißt feit 403 v. er eine neue Art Equites; diele 
erbielten einen regelmäßigen Sold, der dreimal jr 
hoch war als der der Legionsſoldaten, ftanden aber, 
weil fie die Privilegien der alten Ritterſchaft nit 
bejaßen, an Anſehen und Bedeutung meit binter 
den lestern zurüd. Mit diefer ging in der jpätern 
Zeit der Republit eine große, dur die Umgeital: 
tung der DBermögensverhältnijje veranlaßte er: 
änderung vor. Ob ſchon durd die Genturienver: 
faſſung für die Ritter ein —— Cenſus feitgeieht 
war, der den für die erſte Klaſſe der andern Cen⸗ 
turien überjtieg, ift ungewiß. Gewiß aber bat ein 
older in fpäterer Zeit beitanden, der in ber 
etzten Zeit der Republil und in der Kaiſerzeit auf 
400 000 Sefterzien (gegen 90000 M. beutigen Gel: 
des) belief. Bei der fteigenden Wohlbabenheit wuchs 
die Zahl derer, die den Cenſus —— ohne in die 
18 Rittercenturien eintreten zu loͤnnen. Eine Ver 
mebrung der Genturien ward aber gleihmohl nicht 
beſchloſſen, weil den Anſpruchen, welche die Kriege 
der Römer an die Reiterei ftellten, durch die Ritt 
wenn deren Zahl aud erhöht worden wäre, doch 
lange nicht mebr genügt werben fonnte. Die Reiterei 
ber Bundesgenoſſen oder aus den Provinzen war 
militärifch wichtiger geworben. Schließlich börte 
in der legten Zeit der Republit vie militär. Ver: 
wendung ber Rittercenturien als foldyer ganı auf, 
und die Angehörigen des Ritterſtandes leiſteten 
militär. Dienite in der Eigenſchaft von Offizier 
afpiranten und Dffizieren. 

Diezablreiche,moblbabend gewordene Klaſſe derer, 
bie den census equester und bie übrigen erforder: 
lihen Eigenfhaften hatten, aber in den Ritter 
centurien feinen Pla fanden, wurden ebenfalls 
als Ritter bezeichnet. Sie bildeten zwiſchen dem 
Senat, defjen Mitglieder feit 129 nicht mie biäber 
ihre Pläge in den Rittercenturien behalten durf⸗ 
ten, fondern mit dem Gintritt in ben Senat aus 
denjelben auätreten mußten, und dem Bolte einen 
Mittelftand, der aud als folcher anerfannt war, 
feit durch ein Gejeg von C. Grachus beſchloſſen 
worden war, daß bie Geſchworenen nicht mehr aus 
den Senatoren, fondern aus den Rittern, d. b. 
alfo den rg fe mit einem Bermögen von mebt 
ald 400000 As genommen werden mußten. Bon 
ba an beginnt ein ununterbrodyener Kampf um die 
Gerichte, in dem bald die Senatoren fie wieder 
allein erbielten, bald zufammen mit den Rittern 
oder mit den Nittern und Ülrartribunen (aus den 
Plebejern). In der Kaiferzeit wurden 5 Abteilun: 
gen Richter gebildet, 3 bevorzugtere aus Rittern 
und Senatoren und 2 aus Leuten von geringerm 
Rang und mit geringerm Vermögen. 

Durch Auguſtus erhielten die Ritter fogar bie 

läge, die den Senatoren eingeräumt waren, zurüd. 

übrigen verloren fiedoch weit mehr an polit. Rech⸗ 
ten, als fie gewannen. Dazu lam, daß infolge der 
taiferl. Berwaltungsreform die Thätigleit der Ritter 
als Pächter von Staatseinnahmen und Übernebmer 
von Lieferungen immer mebr befhräntt und immer 


Eaqueftrit — Equifetaceen 


weniger ergiebig wurde. Cine neue Bedeutung da: 
gegen erlangten fie dadurch, daß die meiſten Offizier: 
und Berwaltungsitellen, namentlich die der Proku⸗ 
ratoren und Bräjelten, von den Kaiſern ausſchließ⸗ 
'ıh mit Männern aus dem Ritteritande befegt wur: 
den. Dieje jtanden allerdings dem Rangenad wenig: 
end größten Teil weit unter den fenatoris 
hen Ehrenämtern. Aber der wirllihen Bedeutung 
sad lamen jene Civil: und Milttärämter ben 
yenatoriihen nicht bloß gleich, ſondern überragten 
fie jogar, was namentlih aud von dem bödften 
i Amt, dem des praefectus praetorio, 
enüber dem höchſten aus republilaniſ eit 
——— Magiſtrat, dem Konſulat, A t. Auch 
die militia equestris, der Dienft der Ritter als 
Offiziere in der Armee vor Eintritt in die ibnen 
zuftebenden Eivilämter und höhern Militärftellen, 
und ebenjo die Korperſchaft der mit Staatspferden 
verjehenen Ritter, die equites Romani equo pu- 
blico, beitand fort. Dieje erhielten fogar neuen 
Aufſchwung, da das von Auguftus reorganifierte 
und jtarl vermehrte Korps zwar nicht wieder tie 
einft zu Felde 309, aber all abelich von den Kaiſern 
gemuitert und burd neue Mitglieder ergänzt wurde, 
ſowie bei andern feierlihen Gelegenheiten unter 
feinen seviri al& Paradetruppe aufzog. 

Als äußere Ebrenzeihen batten fämtlihe Mit: 
glieder des Nitterftandes das Recht, ſchmale Pur: 
purfäume (im Unterjhied von den breiten der Se: 
natoren) an der Tunila (f. Clavus) und gleich den 
Senatoren goldene Fingerringe zu tragen. Auch 

tten fie im Theater einen bejondern bevorzugten 

8. In der jpätern Raiferzeit wurden fie mit den 
itgliedern des Senatorenftandes, mit denen fie 
auch nod einige befondere Vorrechte gemeinfam hat: 
ten, unter dem Namen der honestiores zujammen: 
gejagt. — Vol. Mabvig, De ordine equestri 
(Ropenb. 1840); Zumpt, Über die röm. Ritter (Berl. 
1840); Marquardt, Historiae equitum Romano- 
rum libri IV (ebd. 1840); Belot, Histoire des che- 
valiers romains (2 Bde., Bar. 1866— 73). 

Egueftrif,Reittunit, befonders im Eirtus(Schul- 
reiten und Pierbedreflur). 

Eomilib ſ. Aquilibrift, 

Equipage (ft;., ſpr. elipahſch'), beim Militär 
ein veralteter Ausdrud, unter welchem die gefamten 
Ausrüftungd: und Belleidungsitüde eines Offiziers, 
bei dem berittenen ier einfchließlich der Zäu- 
mung, Sattelung und Badung der Pferde veritan- 
den mwurbe; bei der ar ge die gefamte Be: 

eines Schiffs. €. bedeutet auch ſoviel mie 
ein (eigener) bejpannter feiner Wagen. 

x (fr3., fpr. elipöbr), in Gewehrfabrilen 
der ifter, der die von befondern Geh ve ge 
arbeiteten einzelnen Gewehrteile zufammenpaßt und 
das Gewehr jufammenfest. 

Egquipieren (frz., ſpr. eli-), ausrüften, ausſtat⸗ 
ten; Sautpiszeng on Be or 
Ausrüftungs- und eidungsftüde für einen Of⸗ 
Ruier (f. Equipage). j 

etaceen (Equisetackae), Schachtel⸗ 

bolme oder Schafthalme, Pflanzenfamilie aus 
ver Gruppe der Gejäßkryptogamen. Sie haben 
aufrechte, gegliederte oberirdiihe Stämme, die aus 

i — —— — Bei auss 

sauernden vielfach verzweigten Rhizom hervor: 
Die — en Stämme erſcheinen in 

vn meiften Fallen jede⸗ und halten nur wah⸗ 
cend einer etationdperiode aus, bei wenigen 


99 


Arten vermögen fie mehrere Jahre hindurch aus⸗ 
zudauern. Die Blattorgane find in Form von 
trodenhäutigen Scheiden vorhanden, in deren Ads 
es die Seitenzweige ftehen; da die legtern ſchon 
ald nad ihrer Anlage von den Blattfheiden über: 
mölbt werden, jo müfjen fie bei ihrem ——— 
die Scheiden an der Baſis durchbrechen. Infolge: 
deſſen hat es den Anfchein, als ob die —S 
am Grunde der Scheidenenden aus dem Stamme 
per Der anatom. Bau der oberirdifchen 
eile und des Rhizoms ift im weſentlichen nicht ver 
fhieden. Die Stammorgane find fämtlid hohl und 
nur in den jüngften Stammipigen mit Dart erfüllt. 
Die Gefäßbündel find in einen *4 geſtellt, aus 
jedem Zipfel der Scheide gebt ein Bundel in den 
Stamm und läuft bier gerablinig bis zum nachſt 
ältern Anoten und zwar parallel mit den en 
Bündeln des Internodiums; im Knoten —— eine 
Spaltung in zwei Schenlel statt, welch letztere An 
an bie recht# und lint# benachbarten Bündel dieſes 
ältern —— anlegen. So kommt es, daß in 
jedem Internodium ebenjoviel Gefähbündel ver 
ufen, wie die auf demfelben ſihende Blattfcheide 
gi fel befigt. Die Markhöhlung geht nicht ununter: 
roͤchen durch den ganzen Stamm hindurch, fondern 
u eg gt ie Sch ragma, 
n mel ſich Gefäßbündelanaftomofen finden, 
geſchloſſen. Die Stengel find außen deutlich — 
und zwar zeigt jedes Internodium fo viel Angs⸗ 
leiften, wie die Mugehöripe Scheide Zipfel befist; fie 
entfprechen den dab ündeln im en Die 
eben beichriebenen Längsleiften und Ze 2 
bei den Rhizomen weniger entwidelt. Das Scheitel: 
wachstum ber €, gef —* wie das der —— 
Gefäßlkryptogamen, mittels einer Scheitelzelle. Die 
ungeſchlechtlichen doripflanzungs⸗ en, bie Spo⸗ 
ren, werden in Sporangien gebildet, melde in den 
ährenförmigen Enden S Tafel: Gefäßlrypto: 
gamen, Fig. 10a) der Stämme ftehen. Die Spo— 
rangien selbh ſtehen auf der Uinterfeite eigentümlich 
umgewanbelter Blätter. E3 find meift 5—10 folcher 
—— auf den ſchildfoörmigen fruchttragenden 
Blättern vorhanden (Fig. 10b). i den meiften 
Arten ſtehen diefe äbrenförmigen Sporangienftände 
an der Spiße ber normalen Chlorophyll führenden 
Stämme, bei einigen dagegen werben fie auf be 
— dlorophou oſen unverzweigten Stengeln ge⸗ 
ildet, die im Frübjahr vor den grünen Stämmen 
auftreten. Die reifen Sporangien öffnen fi durch 
Sängerifle, damit die Sporen austreten können. 
Die Wände der Sporen beſtehen aus mehrern Schich⸗ 
ten, die äußerfte davon bildet die fog. Elateren 
oder Schleudern (Fig. 10c,d), fie jerreißt nämlich 
in —— —— änder, die ein vier: 
armiges Kreuz bilden. Vermöge ihrer ftarlen Hy: 
roflopicität lönnen fie fih aufs und einrollen und 
o eine Fortbewegung ber Spore bewirken. Die 
Sporen keimen, wenn fie in Wafjer oder auf feuch⸗ 
ten Boden gelangen, und bilden ein Brotballium, 
an welchem die Gefhlehtöorgane, Antberidien und 
Archegonien, fteben. Das Prothallium ift flächen: 
artig entwidelt und meift in mehrere Lappen zerteilt. 
Der Bau der Antberidien und Archegonien ijt im 
weſentlichen derjelbe wie bei den Farnkräutern. 
Aud die Entwidlung des Embryo3 aus der Eizelle 
ift der bei den Farnkräutern analog. j 
Die jetzt noch lebenden E. find über die ganze 
Erde verbreitet. Es find jämtlih Gewächſe, die auf 
fumpfigem Boden oder im Wafler vorlommen. (E- 


- 
’» 


100 


Equisetum.) In ihren Größenverbältnifen und in 
der Anzahl der Arten (etwa 40) jtehen fie weit zurüd 
egen bie E. ver Borwelt. Die Refte, welche von den 
ehtern erhalten find, gehören ſehr verjchiedenen For: 
mationen an. Man bat fie in mehrere Gruppen ein: 
geteilt. Diejenigen, welde den jegigen E. am meiften 
ähneln, hat man einfach unter die Gattung Equi- 
setum (f. d.) jelbjt — Andere Formen, welche 
vorzuglich in der Steinlohle auftreten, aber auch 
ſchon in ältern Schichten vortommen, hat man unter 
dem Namen Calamites vereinigt. Es find dies baum: 
artige Schadhtelhalme von bedeutender Größe, die 
fih dadurch auszeichnen, daß fie weder Blätter 
noch Blattſcheiden haben; vielleicht fehlten diefelben 
gänzlich, oder fie waren fo vergänglich, daß fie leicht 
abfielen und — nicht mehr an den foſſilen 
Stämmen zu ſehen find. Die Sporenſtände ber» 
felben find nicht fiber befannt; man rechnet hierher 
einige, nicht im Zufammenbang mit den Stämmen 
erhaltene Sporenftände, die ald Calamostachys 
bezeichnet werden, doch berubt dies nur auf Ber: 
mutungen. Aud unter dem Namen Equisetites 
werben neuerdings von Schimper ſolche Frucht⸗ 
ände zufammen en die in der Steinkohle vor: 
ommen. Die fo en Stämme, welde unter den 
Bezeihnungen Calamodendron und Arthropithys 
befannt find, rechnen einige Baläontologen eben: 
—* zu den E., doch iſt ed wahrſcheinlicher, daß dies 
elben zu ben & mnojpermen (j. d.) gebören. Bon 
den übrigen foſſilen Cquifetaceengattungen find 
noch zu erwähnen Schizoneuron, welche mit einigen 
Arten von Equisetum im Buntjandjtein und im 
Keuper vorlommen, und ferner die Annularien, 
deren Stämme ähnlich wie die von Equisetum ge: 
baut waren, deren Blätter aber nicht zu einer Scheide 
—— waren, ſondern frei in Wirteln an den 
Knoten ſtanden. Die Seitenäjte find zweizeilig ge: 
ftellt, es find alfo nur in den Achſeln zweier oppo⸗ 
nierten Blätter eined Wirtels Seiten prffen vor 
—— Die früber zu den €. geſtellte Gattun 
phenophylium gehört jedenfalls nicht hierher, iſt 
vielmehr zu den Lycopodiaceen (f. d.) zu jtellen. 
Diejenigen Refte, die man unter dem Namen 
Asterophyllites vereinigt, find vielleicht zum Teil 
u den €. zu rechnen, doc find fie, hauptſächlich 
etreifö bed Baues ihrer Fruchtäbren, zu ungenau 
betannt, um etwas Sicheres über ihre fyjtematifche 
Stellung beftimmen zu lönnen. Bon einigen Ba- 
läontologen werben fie ald die blättertragenden 
Zweige der Galamited:Arten angefeben. 

Equisetites, j. Cquifetaceen. 

Equiſẽtkraukheit, bei Haustieren vorlom- 
mende, durch die unter gewiſſen Umftänden giftigen 
Shadtelbalme heroorgerufene Krankheit. 

quifetfäure, |. Aconitfäure, 

Equisötum L., Schachtelhalm, die einzige 
noch lebende —————— aus der nach ihr be⸗ 
nannten Familie der Equiſetaceen (ſ. d.) mit etwa 
40 über die ganze Erde verbreiteten Arten, von 
denen 11 in Deutſchland vorlommen. Ein Teil 
derjelben bat zweierlei Stengelformen, eine fer 
jweigbildende und eine fruchttragende zweigloſe, bei 
den andern werben Sporangienjtände und Seiten: 
jweige an denjelben Stengeln Be Bei den 
eritern erjcheinen die chlorophyllloſen, ———— 
lichen, fruchttragenden Sproſſen ſehr bald im Fruh—⸗ 
jahr, die ſterilen ——————— dagegen ſpa⸗ 
ter. Hierher gebört der 


Equisetites — Equitationsſchulen 


——— Dumod belanntes läftiges 
Aderunfraut E. arvense L. (f. Tafel: Gefaß— 
fryptogamen, ‘ig. 10), deſſen tief in den Boden 
inabjteigende Rhizomäſte nur ſchwer auszurotten 
ind. Da die Pflanze nur in naflem, ſchwetem 

oden gedeiht, jo fann man fie durch geeignete 
Entwäflerung, dur Drainage u. f. w. am beiten 
entfernen. Ihre Stengel waren alö Herba 
Equiseti minoris efgiel gl. Weber, Der 
Dumod, in Heft 72 der «Arbeiten der deutſchen Land 
— Berl. 1902.) Ferner gebört 
bierher die größte deutiche Art E. telmateia Ehrh,, 
die ftellenweife bis zu 2m hoch wird. zu. Arten, 
wie E. silvaticum L. und E. pratense Ehrh., haben 
zwar ebenfalld fruchttragende und fterile Stengel 
getrennt, doch bilden die legtern nach der Sporen; 
reife noch Seitenzweige und ergrünen ebenjo mie 
die fterilen Stämme. _ : 

In die Gruppe, bei der fterile und frudı: 
tragende Stämme nicht getrennt find, gehört unter 
anderm dad Polierſchachtelhalm oder Bolier: 
beu genannte E. hiemale L. mit etwa 1 m hoben, 
meift aftlofen Stengeln. Die Halme diefer Art waren 
früber offizinell als Herba Equiseti majoris. Tie 

rößte jetzt noch lebende Equiſetum⸗Art ift das in 
übdamerifa wachſende E. giganteum L., deſſen 
Halme eine Höbe von 10 m erreichen; fie find jedoch 
fo dünn, daß fie ſich nur aufrecht erhalten können, 
wenn fie fihb an benadbarte Bäume anlegen. 
Alle Equifetum:Arten enthalten bedeutende Den: 
gen von Ricfeljäure in der Epidermis (E. hiemale 
7 Bros. der Aſche), wodurd fie eine gewiſſe Härte 
und Raubigteit erhalten. Beim Verbrennen hinter: 
lafien fie deshalb ein zartes Kiefelftelett, weldes 
die Formen der Halme no ziemlich volllommen 
zeigt. Wegen dieſes Gehalts an Kiejelfäure werben 
viele Arten, wie E. silvaticum, pratense, arvense, 
ustre L., als Scheuerfraut, Rannenlraut, 

innfraut, oder andere, wie hauptſächlich E 
hiemale, zum Polieren verwendet. 

Bon den fofjilen Formen, die man zur Gattung 
E. rechnet, oder aud unter dem Namen Equisetitcs 

ufammengefaßt hat (vgl. Equifetaceen), find haupt: 
Nachlich ju erwähnen: das im Buntfandjtein auf: 
tretende E. Mougeotii Schimp., deſſen Stamm 
gegen 20 cm did war und jedenjall® eine gan; 
edeutende Höhe erreichte; ferner gehört hierher das 
im untern Reuper bäufige E. avenaceum Jaeg, 
deſſen Halme ebenfalld eine Dide von 20 cm und 
eine Höhe von 8 bis 10 m erreichten. Bei einigen 
emplaren der leßtern Art ift die Scheide ſehr gut 
er rg ift gegen 3 cm lang und hat etwa 120 
Zipfel. Auch die Rhizome find noch erhalten und 
mit biejen zufammen eigentümlich Inollenartig ent 
widelte Rbizomteile, die etwa die Größe eines Hüb- 
nereied haben. Solche Inollenartig ausgebildete 
Rhizompartien kennt man übrigens auch bei u. 
lebenden Eauifetum:Arten, nur erreidyen fie bier 
taum die Größe einer Hajelnuß. | chulen. 

Equitationsauſtalt zu Münden, ſ. Militärreit⸗ 

Eguitationsfchulen, frühere Bezeichnung für 
die Reitfhulen der öfterr. Kavallerie. Aus der ehe: 
maligen Central-Equitationsſchule ift das 
jegige Reitlebrerinftitut zu Wien hervorgegangen; 
an die Stelle der früber bei allen Negimentern ber 

ehenden E. find eine Anzahl Brigabe-Dffizier: 
chulen zur Ausbildung von Subalternoifizieren in 


derſchachtelhalm, ein | allen Zweigen des favalleriftifhen Dienftes getreten 


unter dem Namen Scheuerfraut, Kaßenwedel, | (f. Militärreitfhulen). 


Equites 


gun Mehrzahl von Eques (f. d.). — liber 
. [2 o 
ve E. genannten Schmetterlinge |. Site. 

Equity und Equity Courts, ſ. Billigteit. 

Equivoque (fr;., jpr. elimöd), |. Aquivot, 

Equulöus, Sternbilp, ſ. Füllen, 

Equus, Gattung der Einhufer, zu welder das 
Bierd, der Ejel, der Dnager, der Dichiggetai und bie 
Jebras (f. die betrefienden Artilel) gehören. 

Er (pavon das Zeitwort Eren, Erzen), Anrede, 
die in Deutihland im 17. Jahrh. auflam. Schon 
im Mittelalter wurde der Bornehme nicht mit 
—28 mit einem Namen angeredet, der ſich auf 

eine Würde bezog. Bon Frantreid und Italien lam 
dieje Sitte nad Heutihland, und eginn des 

17. Jahrh. gebraudte man ftatt bie Anrede 
«ber Herr» und vorerft in Verbindung damit das 

& dem Begriffe nach auf die dritte Perjon richtende 
Aürmort er; jo Scriver 1640... «geliebter Herr! 
ih zweifele zwar nicht, daß er feinem Gott bereits 
mieder abgebeten habe». Als das Er fc eingebürs 
gert batte, gebrauchte man es bald allein ftatt der 
jmeiten Heron. Aus einer vornehmen Anrede 
ward es dann nad und nad) zu einer —— 
In der erſten Hälfte des 18. Jahrh. fant der 
des Er beträchtlich infolge der Übertreibung, den 
Blural des Er anzuwenden. Aber noh Schillers 
Water redet ihn in feinen Briefen mit Er an, 
mas damals noch für vornehmer galt ald Du und 
Ihr. 19. Jahrh. nannte man zulegt nur Nies 
vrigerjtebende (Bediente, geringe Handmwerler und 
Bauern) Er, eine Anrede, die jept als Mißachtung 
betrabtet wird. In der bayr. Armee wurden die 
Soldaten von den Difizieren bis 1868 mit Er an» 

eiprodhen. «Er» wurde aud für Mann, für das 

ännden von Tieren gebraudt; der Plural hier» 
von ijt: die Em. (S. Duzen.) 

&r, Kriegsgott, j. Tyr. 

Er, dem. Zeichen für Erbium, 

Er., bei naturwifienibaftlihen Namen Abkur⸗ 
— Wilh. Ferd. Erichſon (ſ. d.). 

a, linler Nebenfluß des Arno in Toscana, 

gen entipringt an der Weſtſeite des 

Monte: iccioli, fließt nah W. bis Volterra, dann 

nah RW. und mündet bei Bontedera, wo über ihn 
eine jhödne Marmorbrüde —* 

Eradiation (neulat.), Lichtausſtrahlung. 
Eradizieren (lat.), auswurzeln, entwurzeln, 
mit der Wurzel ausrotien; davon das Subſtänti— 
vum Erabdilation. 
Eragrostis Host, Liebesgras, Pflanzen: 
gattung aus der Familie der Öramineen (f. d.) mit 
egen 100 in den gemäßigten und warmen Zonen 
Fr weit verbreiteten Arten. Die wichtigjte Art ift 
das in Abeffinien einheimiſche und dort allgemein 

alä Getreide kultivierte Tef- oder TZafgras, E. 

abyssinica L., deſſen Meine, aber zahlreiche Früchte, 

etwa von ber Größe ber Hirfetörner, ein wichtiges 

R smittel für die Bewohner ganz Abeſſiniens 
bilden. 8 dem Mebl werden Brotfladen mit ans 

genehm fäuerlihem Gejhmad gebaden. 

Grän, Hochland in Weitafien, |. ran. 

Erandigue (fpr. -bible), Diftritt im SD. des 
Depart. Gracias der Republil Honduras mit gleich: 
namiger Hauptftabt (2000 E.), hat reihe Minen mit 
berrlihen, oft roten Opalen. i 

Gräns® (grch.), im alten Griehenland eine 
Mablzeit, zu welcher jeber Gaſt feinen Beitrag an 
&bensmitteln oder Geld gab (Pidnid); in Athen 
insbeiondere hießen Eranoi organifierte Genoſſen⸗ 


— Era 


101 
ſchaften, die ſich teils ie gemeinſchaftlichen Vergnü⸗ 


ngen und Schmauſereien, teils zu gegenjeitiger 
ügung durch Geldvorſchüſſe verbunden hat: 
ranijten, die Mitglieder eines E. 
Eranthis Salisb., Winterlin ——8 
tung aus der Familie der Ranuntulaceen (1.d.). 
Sie iſt die frübefte aller Gartenblumen und entwidelt 
ſchon im Februarund Maärz noch vor den Blätternibre 
großen gelben, von einer vielblätterigen Hülle um: 
benen Blumen auf einem nur 10 cm hoben Schafte. 
on im Mai ift fie fpurlos verſchwunden. Man 
pflanzt fie in einer etwas —— Lage und dicht 
beiſammen zwiſchen Schneeglodchen und Scillen, 
von denen fie in der Blüte abgeloſt wird. Vermeh⸗ 
rung durd Teilung der Stöde oder durch Samen, 
welde fojort nah der Reife gefammelt werden 
müjjen, da fie fonft zur Erbe fallen. Man lennt 
nur zwei in den Gebirgägegenden Aſiens und Euro: 
pas vorlommende Arten. Deutſchland findet 
fih nur eine davon, E. hiemalis L., felten wilt 
wachſend; doc; wird fie oft in Gärten angeb anzt. 
Era of good feeling (engl., jpr. ihr? dj gubd 
fibling; «Feit des guten Cinvernehmens»), in 
den Vereinigten Staaten von Amerila die Periode 
von 1817 bis 1825 während der Präfidenticaft 
Monroes, bejonders feit 1820, wo die Neite ber 
Föderaliftenpartei verſchwanden und alle Männer 
von Bedeutung in dfientlihen Amtern zur demo: 
tratiihen Partei gehörten. Heftige perjönliche 
mwijtigleiten madten ihr ein Ende und es folgte 
eine neue Trennung der Parteien in Demolraten 
und nationale Republitaner oder Whigs. (S. auch 
Demokratiſche Partei.) , j 
Erard (fpr. erabr), Sebaftien, Mufilinftru: 
mentenbauer, geb. 5. April 1752 zu Straßburg, 
trat 1768 bei einem Klaviermader in Paris in 
Arbeit. Schon 1770 konftruierte er ein Clavecin 
mecanique, dad durd feinen Mechanismus Auf: 
eben erregte. Sein erſtes Bianoforte baute er 1777 
t die Herzogin von Villeroy, die ihm in ihrem 
Hotel einen Kaum für ein Atelier überließ. Mit 
feinem Bruder Jean Baptifte gründete E, bald 
darauf ein größeres —— das ſchnell 
zur Blüte gelangte. Während der Revolution lebte 
er in London, wo er eine Fabrik errichtete, in der 
außer PBianofortes auch Harfen (um 1796 durd 
E. bedeutend verbefjert) gebaut wurden. Bon bes 
erg Wichtigleit war feine Erfindung der Pedal: 
arje & double mouvement (f. Harfe). Die Re 
petitiondmedanil (f. d.) brachte er 1823 fr ftanbe 
und ftellte ein Inſtrument mit diefer Erfindung 
in Paris aus. Geit 1825 gab fih E. auch mit 
dem Drgelbau ab und führte bier ebenfalld Ver 
bejierungen ein. Er ftarb 5. Aug. 1831 auf dem 
von ihm erworbenen, ehemals königl. Jagdſchloſſe 
La Muette bei Paſſy. 
Sein Neffe Pierre E., geb. 1794 in Paris, fam 
Ing * ondon, wo er die Harfenfabril ſeinet 
heims leitete, hielt ſich nad deſſen Ableben zur 
Leitung der Geſchäfte abwechſelnd in Paris und 
London auf und ftarb 5. Aug, 1855 auf La Muette, 
nachdem er einige Jahre im Jrrfinn zugebradt. 
Die E. ſchen Fabriken befteben fort. 
Eras, Wolfgang, vollswirtſchaftlicher Schrift: 
eller, geb. 14. April 1843 zu Schönfeld bei Großen: 
in, Funiete in Leipzig, und Berlin an 
angs Mathematik, fpäter Nationaldlonomie und 
urisprudenz, war 1866 — 70 in den Rheinlanden 
und Weltfalen teils journaliftiich, teild ald General 


nte 
ten 


102 


jefretär des Rheiniſch⸗Weſtfäliſchen Gewerbevereind 
und des Verbandes der Leineninduftriellen thätig 
und wurde 1871 Synditus der Handeläfammer in 
Breslau. Seit 1886 war E. auch Syndilus der Schle⸗ 
ſiſchen Textil⸗Berufsgenoſſenſchaft. Er ftarb19. Dez. 
1892. Früher eifriger Freibändler, nahm er feit 1876 
(Kongreß in Bremen) in Zollfragen auf volkswirt⸗ 
ſchaftlichen Kongrefien und in Vereinen wiederholt 
eine vermittelnde Stellung ein und wendete ſich mehr 
ſolchen ei et zu, die abfeitö der Zollpolitik lies 
gen. Cr gab 1868— 69 das «Jahrbuch für Volls⸗ 
wirtſchaft⸗ (Leipzig) beraus und ſchrieb außer zahl- 
reihen Auffägen und Abhandlungen: «Mas ftebt in 
den preuß. Schulregulativen?» (2yp3.1868), «Der 
Zwangsſiaat und die deutfchen Socialiften» (ebd. 
1868), «Bier Zeitfragen aus dem Gebiete der Volls⸗ 
wirtichaft» (ebd. 1870), «Handeläpolit, —*58— 
nach dem Kriege⸗ (Berl. 1871), «Der Prozeß Vebel⸗ 
Liebknecht und die offizielle Vollswirtſchaft⸗ (Bresl. 
1872), «Aus der Praris» (ebd. 1872), «Das Reichs⸗ 
bahn: Projekt, feine Entjtehung und jeine Gefahren» 
(ebd. 1876), «Der Mäbrungsjtreit» (Berl. 1883), 
«Die Oderregulierung» (Bresl. 1884), «Einrichtuns 
he die Binnenſchiffahrt an deutichen und bols 

mer; vr (ebd. 1885), «Das Brannt⸗ 
weinmonopol» (Berl. 1886), « Unſer Handel mit 
den Baltanländern» (2pz. 1891). 

Erafinos, im Altertum Name mehrerer Flüffe 
in Griechenland, 3. B. des iebign Flufjes von Ka⸗ 
lavrota (f. * Ein anderer E. entſpringt 5 km 
füdlih von Argos als mächtige Quelle, die von 
den Alten ala Abfluß des Stympbaliihen Sees 
angefeben wurde. 

afifteätu®, grieh. Arzt, um 300 v. 5 
ſtammte von Julis auf der Anfel Keos, hielt ſich 
eine Zeit lang am 6 des Seleucus Nilator zu 
Antiochien auf, begab ſich dann wahrſcheinlich nach 
Samos und ſoll dort in hohem Alter geſtorben ſein. 
Gleich groß in der Theorie wie in der Praxis, ward 
er Stifter einer eigenen mediz. Schule, die unter 
dem Namen der Erafiftrateer befannt ift. 
nahm in dem Körper zwei Hauptgegenfäße an, den 
Lebenzgeift und das Blut, und machte namentlich 
in der Lehre vom Gehirn und Nervenfpitem mich 
tige Entdedungen. Bon feinen zablreihen Schrif⸗ 
ten baben ji nur geringe Bruchftüde, meift bei 
Galenus (f. d.), erbalten. . Stacidmus, 

Eradmifche Ausfprache oder Etaci3mus, 

Erasmus, Heiliger und Märtyrer, foll unter 
Diocletian Bifchof in Syrien gemwejen fein und zu 
Formiä in Campanien den Tod erlitten haben. Als 
die Sarazenen diefe Stadt zerftörten, jollen feine 
Gebeine nah Gaeta — worden ſein; doch 
wollen noch andere Städte Italiens und Deutſch— 
lands Reliquien von ihm beſihen. Der 2. wen 
ift —— Gedachtnistag. Er gebört zu den 14 Not⸗ 
belfern und wird gegen Biehtrantbeiten, Bauch 
ichmerzen und Geburtäwehen angenufen. 

Erasmus, Defiderius in entlib Gerbard 
Gerhards, d. i. Gerhards Sobn, bolländ. Geert 
Geerts; E. und Deſiderius bedeuten: der Begehrte, 
Erſehnte), genannt €. von Rotterdam, der ge 
Bu und gem Humanift Deutfchlands, geb. 
28, Dit. 1467 oder 1469 zu Rotterdam als unebe: 
liher Sohn des Gerhard de Praet, beſuchte die 
Schule von Deventer, die Hegius leitete. Fruh ver: 
waiſt, trat er auf Drängen feiner Bormünder halb 
widerwillig in das Kloſter Stein (Emmaus) bei 
Gouda und folgte, froh aus dem Klofterzwange 


Er | fer Schriftfteller (3. 


Erafinndg — Erasmus 


—* zu lonnen, 1491 einer Berufung durch den 
iſchof von Cambrai. Durch deſſen Fürforge konnte 
€. 1496 Paris beſuchen und teilte feitvem, während 
fein Ruhm ſchnell wuchs, me Aufenthalt mit 
weltbürgerliher @leichgültigfeit zwischen Frankreich, 
England, wo der Kanzler Thom. Morus fein Freund 
war, und den Niederlanden, überall als erfolgreicher 
Vorlämpfer des Humanismus. In Italien, das 
er erſt 1506 lennen lernte, wurde ibm 4. Sept. 
1506 in Turin die tbeol. Doktorwürde, zu Bene: 
dig bie Freundfcaft des Aldus Manutius zu teil, 
Doc die höchſte Verehrung genoß er in Deutſch⸗ 
land, das ihn alö feinen größten Sohn feierte; 
eine Reife nah Straßburg und Bafel 1513 war 
ein wahrer Triumpbjug. Zur Annahme eines Am: 
tes konnte ß8 der unrubige Mann trog der Müb: 
ee feines Wanderlebens nicht entſchließen; doch 
ezog er ſeit 1516 eine Penſion von Karl V. 1517 
ließ er ih an der Hochſchule Löwen nieder, fiedelte 
aber ſchon 1521 nad Bafel über, mo Holbein ibn 
malte. Bon dort trieb ihn die Einführung der Re: 
formation 1529 nad) Freiburg i. Br., wo er leidend 
den Reit feiner Tage zubrachte. Er ftarb bei einem 
Beſuch in Bafel 12. Juli 1536. In Rotterdam 
mwurbe ihm 1662 ein Bronzeitandbild errichtet. 

E. war nit nur ein gelebrter Philolog, for: 
dern vor allem ein unglaublich fruchtbarer, ftet: 
aeihmadvoller Schriftfteller, ein glänzender Stiliſ 
und ein vollendeter Weltmann. Gin überlegener 
Verftand, den er gern in Sarlasmen zeigte, leitete 
—* von Leiden * lannte er nur bie Eitelteit. 

an bat . treffend mit Voltaire verglichen. Kaum 
gab es ein Gebietderdamaligen Wiſſenſchaft, auf dem 
er nicht thätig war. Seine «Adagiorum chiliades» 
—* 1508 u. b.) find eine Sprichwoͤrterſamm⸗ 
ung mit ſchönen Erläuterungen. €, verfaßte treii: 
liche pädagogiihe Schriften. Mit gefundem Gefübl 
befämpfte €. die Alleinberrfchaft des ciceroniani- 
hen Stils in der Satire «Ciceronianus» (1528). 

ie Babl feiner ——— llaſſiſcher und patriſti⸗ 
Cicero, Seneca, Ariſtoteles, 

Hieronymus, Auguftinus) ift unabſehbar. Sein 
Herz hing an der griech. Literatur, während ihm 
das Hebräifche fern lag. Lucian war fein Liebling. 
Die noch heute gültige Ausſprache des Haffiihen 
Griehifhen gebt auf E. zurüd («De recta latini 
graecique sermonis pronunciatione dialogus», 
1528). Seine dem Bapft gewidmete und mit einer 
lat. liberfegung verjebene Ausgabe des Neuen 
Teſtaments (Baf. 1516), der bald eine wertvolle 
Parapbrafe folgte, trug, ihm lebhafte Anfeinbungen 
von ber Kirche ein, weil fie an der Bulgata Kritit 
übte, wurde dagegen von Luther feiner Bibel: 
überfekung zu runde gelegt. . in andern 
Schriften äußerte E. reformatorifhe Gedanken, ſo 
in dem ausgezeichneten Erbauung&bud « Enchiri- 
dion militis christiani», in den vielbenugten «Fa- 
miliaria colloquia» (1524), Meifterftüden der lat. 
Umgangsfprade, und in der eleganten, — 
Satire auf alle Stände «Encomium moriae» («Lob 
der Narrbeit», Bar. 1509). Sie gehörte, durd Hol: 
being Federzeihnungen geihmüdt, zu den geleien: 
en Büchern des Jahrhunderts. * mancher 
bereinftimmung ftieß den geiftigen Ariftofraten 
E. das Auftreten des Vollsmannes Luther ebenio 
ab wie die Leidenſchaft Ulrichs von Hutten, mit 
dem er in eine wenig ehrenvolle Fehde geriet, Gegen 
Qutber richtete E. unter anderm feine «Diatribe de 
libero arbitrio» (1526). Trogdem bat ihn auch die 


Eraſtianismus — Erb 


tatb. Partei nicht als einen der Ihrigen angefeben, 
jentern jeine Schriften auf den Inder geſeßt. Die 
velftändigite und beite Ausgabe jeiner Werte 
beſetgte Zeclerc (10 Bde., Leid. 1708—6). — 
ol. Stihart, Erasmus (CEpʒ. 1870); Drummond, 
Erasme (2 Bde., Lond. 1878); F. C. Hoffmann, 
Essai d’une liste d’ouvrages et dissertations con- 
cernant la vie et les écrits d’Erasme (Brüff. 1866); 
%an, Erasmiana (Rotterd. 1881); de Nolbac, E. 
en Italie (mit ungedrudten Briefen, Bar. 1888); 
Amiel, Un libre-penseur du XVI”* siöcle: E. (eb. 
1859); Glödner, Das deal der Bildung und Ers 
jiebung bei €. (2pz. 1890); U. Richter, Erasmus: 
Studien (ebd. 1891); Hartfelver, Defiderius E. von 
Rotterdam und die Bäpfte feiner Zeit (im «Hiſtor. 
Zajchenbubh», 6. Folge, Jahrg. 12, ebd. 1892); 
ude, Life and letters of E. Cond. 1894); Lezius, 

ur Charalteriftil des religiöfen Standpunktes des 


. (Güteröloh 1895); Tögel, Die padagogiſche An: 
icha des E. in ihrer pſychol. Begründung 
anidmus, j.Craitus.  [(Dresd.1896). 


Eraſtus, Thomas, gräcifiert aus Lieber oder 
LZiebler, Theolog, geb. ın Auggen bei Badenweiler 
1524, ftudierte in Bafel Theologie, in Senn und 
Bapdua Philoſophie und Medizin, ward Xeibarzt 
des Grafen von Henneberg, 1558 des Kurfürften 
Otto Heinrich von der Pfalz und Profefjor der Me: 
dizin zu — 1580 Profeſſor der Medizin 
und der Moral in Bajel, wo er 1. Yan. 1588 ftarb. 
Als Naturforiher trat er den alchimiſt. und den 
naturpbiloj. Anihauungen des Paracelſus ent: 
gegen, verteidigte aber jelbit die Verbrennung der 
Deren; als Theolog vertrat er Zwinglis Auffaſſun 
des Abenpmabls gegen den Calvinismus und völ: 
ige Unterordnung der Kirhe unter den Staat. 
Nach jeinem Tode erihien die «Explicatio gravis- 
sirmae quaestionis, utrum excommunicatio man- 
dato nitatur divino, an excogitata sit ab homini- 
bus», worin er die jelbjtändige Kirchengewalt be 
fämpft. Dadurch wurde E. and in Großbritannien 
betannt, wo nod jest Eraſtianis mus jede Unter: 
ftellung des Kirchenregiments unter die Staatö: 
autorität beißt. Name des 62. Planetoiden. 

Eratö, eine der Mujen (i. * — €, ift auch der 
Eratoſthenes, griech. Öelebrter der Alerandris 
nijchen Schule, der fich jelbft den Beinamen des 

Philologen gab, nicht im jegigen Sinne, jondern in 

dem bes Freundes der Wifienichaft überhaupt, geb. 

um 275 v. Chr. zu Kyrene in Afrita, wurde um 285 

von Btolemäus Euergeted aus Athen nad Aleran- 

dria, wo er früber, namentlih unter Kallimachus, 
ftudiert hatte, zurüdgerufen und wardort viele Jahre 

Vorſteher der großen Bibliothel. Er ftarb 194 oder 

196 v. Ebr., wie es beißt ben freiwi igen Hungertod 

aus Gram über jeine Erblindung. E. war ein fein: 
iinniger Dichter und —— Grammatiler, 

wobei übrigens feine Thätigleit mehr den realen Dis: 
üplinen al& der ſprachlichen Seite zugewendet war, 

zugleich aber auch einer ber größten Forſcher im 

Gebiete der jog. erakten Wiſſenſchaften. Er erfand 

namentlich eine Sun des Problems der Verdop⸗ 

velung des Würfelö (vgl. den Brief des E. bier: 
über, überfegt von Drebler, Wiesb. 1828) und eine 
Metbode, die Brimzablen zu finden (das jog. Sieb 
des €, griech. koskinon, lat. cribrum Eratosthenis 
genannt, nach bem Zitel der Schrift des E. dar: 
über). Auch beftimmte er um 220 v. Chr. an gro: 
sen Armillen, die unter dem Bortitus des Alade⸗ 
miegebäudeö in Alerandria aufgeftellt waren, die 


103 


Schiefe der Efliptit mit ziemliher Genauigleit. 
Große Berühmtheit erlangte aber beſonders jeine 
Gradmefjung, die erfte wirkliche Erdmeſſung. Er 
beftimmte zu dieſem Zwede die Zenithdiſtanz der 
Sonne zur Zeit des Sonnenjolftitiums im Mittag 
zu einem Fuͤnfzigſtel des Kreiſes, während fie in 
Syene Null war; die Entfernung zwiſchen beiden 
Orten nahm er zu 5000 Stadien an und fand da: 
er ür den Erbumfang 250000 Stadien. Ferner 
at E. in drei Büchern «Geographika» das erite 
wiſſenſchaftliche Syſtem der — aufgeſtellt, 
das nad dem Verluſte aller Werte des E. beſonders 
dur die Anführungen bei Strabo verhältnis: 
mäßig gut befannt ift. — Vgl. Wilberg, Die Kon: 
jtruftion der allgemeinen Karten des E. (Ejjen 1834); 
derſ., Das Nek der allgemeinen Karten des €. und 
Ptolemäus (ebd. 1835); Schäfer, Die aftron. Geo: 
apbie der Griehen bis auf €. (Flensb. 1873); 
erger, Die geogr. Fragmente des E. (Lpz. 1880). 
— Wie €, durd jenes Werk der Schöpfer der 
wiſſenſchaftlichen Geographie ward, jo ijt er durch 
eine «Chronographiai» der Begründer der wiſſen⸗ 
chaftlichen — geworden. Von ze 
tie über die Sternbilder find die erhaltenen, 
von Schaubady (Gött. 1795), Robert (Berl. 1878) 
und Dlivieri (in den «Mythographi Graeci», Bd. 8, 
Lpz. 1897) herausgegebenen «Catasterismi» ein 
Auszug. Bol. * Analecta Eratosthenica (in 
den «Bhilolog. Unterjuhungen», Heft 6, Berl.1883). 
In einem vierten großen Werte behandelte €. die 
alte vo Komödie. Bon diefem Werte find nur 
—— e erhalten. Von den Dichtungen des E. 
enthielt ein Epos «Hermes» (Merkur) die Kind: 
heitsgeſchichte dieſes Gottes und reihte daran eine 
demielben in den Mund gelegte Beichreibung der 
Sphärenbarmonie und des Himmelsgewölbes, ein 
anderes enthielt in elegiſchem Versmaße die Sage 
von Grigone, der Tochter des Jlarius. Die Bruch: 
jtüde diejer beiden und einer dritten Dichtung hat 
Hiller («Eratosthenis carminum reliquiae», Lpz. 
1872) zulegt herausgegeben. Cine Sammlung der 
Fragmente aller Schriften veröffentlichte Bernbarby 
u.d. T. «Eratosthenica» (Berl. 1822). 
Erb, Wilh. Heinr., Neuropatbolog, geb. 80. Nov, 
1840 zu Winnweiler in der bayr. Pfalz, ftubierte 
1857—62 zu Heidelberg, Erlangen und Münden 
und wurde 1862 Aſſiſtenzarzt der mediz. Klinik zu 
Heidelberg. Er habilitierte fich dort 1865 für innere 
Medizin, wurde 1869 außerord. Profeflor dajelbit, 
1880 ord. Profejior Dr —— ologie und 
Therapie zu Leipzig, ſiedelte aber 1883 in gleicher 
Eigenichaft und ald Direktor der mediz. Klinik 
wieder nad) Heidelberg über. 1907 trat er in den 
Ruheſtand. E. bat fi et mit Eleltro⸗ 
therapie und Neuropatbologie beihäftigt und beide 
Disciplinen durch genaue und ſcharfſinnige Unter: 
uchungen und Beobachtungen wejentlich gefördert, 
uber —— Journalaufſätzen verfaßte er ein 
«Handbuch der Kranlheiten der peripheren cerebro⸗ 
ſpinalen Nerven⸗ (ep. 1874; 2. Aufl. 1876) und 
ein «Handbuch der Krankheiten des Rüdenmarts 
und des verlängerten Marl» (ebd. 1876—78; 
2. Aufl. 1878), beide in von Ziemſſens «Handbud 
der jpeciellen Batbologie und Therapie» erjchienen; 
ferner ein «Handbuh der Eleltrotberapie» (ebp. 
1882; 2. Aufl. 1886), das zugleich den dritten Band 
von von Ziemſſens «Handbuch der allgemeinen The: 
rapie» bildet ; «liber die neuere Entwidlung der Ner: 
venpatbologie» (ebd. 1880), «Die Thomſonſche Krank⸗ 


104 


beit» (ebd. 1886) und «Dystrophia muscularis pro- 
gressiva» (ebd. 1891). Auch giebt er in Gemein: 
ſchaft mit von Bergmann und Windel die Neue Folge 
der von R. von Vollmann begründeten «Samm: 
lung kliniſcher Vorträge» und mit Lichtbeim, Friedr. 
Schule und Strümpell die « Deutiche Zeitjchrift 
für Nerwenbeiltunde» beraus. 

Erbach. 1) Kreis in der heſſ. Brovinz Starken⸗ 
burg, hat 593,12 qkm und (1905) 47 707 E., 4 Städte 
und 97 Landgemeinden. — 2) E. im Odenwald, 
— des Kreiſes E., in 279 m Höhe, an der 

tümling und der Linie Frankfurt-Eberbach der 
Preuß. Staatöbahnen, ift Siß des Kreisamtes, eines 
Bezirtslommandos, Hreisbau: und Aichamtes, einer 
Dberförfterei und hat (1905) 2985 E., Darunter 209 
Katholiten, Voſt, evang. und kath. Kirche, Kredit: 
verein; Tuchfabriten, Gerberei, Elfenbeinſchnitzerei 
und Märlte. Das gräfl. Schloß der Linie Erbadı: 
Grbad (ſ. Erbady), über der Stadt gelegen, Mitte 
des 16. Jahrh. im Nenaifjanceftil erneuert, im 18. 
Jahrh. zum Teil umgebaut, birgt interejjante, von 
dem lekten fouveränen Grafen Franz I. erworbene 
Sammlungen griech., röm. und german. Altertümer, 
eine reihe Gewehrlammer, einen Ritterjaal mit den 
Nüftungen berühmter Heerfübrer, ‚wertvolle Glas: 
malereien (13. bis 17. Jahrh) und in der Kapelle 
Steinſarkophage von Einbard (f. d.) und Imma, 
1810 aus dem Kloſter zu Seligenjtadt bierber ges 
bradt. — 3) E. im Rheingau, Dorf im Rhein: 
gaufrei® bes preuß. Neg.: Bez. Wiesbaden, 2 km 
weitlib von Eltville, rebts vom Rhein und an der 
Linie Frankfurt-Niederlahnſtein der Preuß. Staats: 
bahnen, hatte 1900: 2199 E. darunter 526 Cvange: 
liſche und 30 Järaeliten, 1905: 2355 E., Voft, Tele: 
grapb, evang. und kath. Biarrlirche, Schloß Rein: 
bartsbaujen des Prinzen Albrecht von Preußen, 
mit einer Sammlung von Gemälden und Stulps 
turen; Konjervenfabrif, vortrefflihen Obſt⸗- und 
Meinbau (auf dem Markobrunnerberg wächſt der 
fhon 1104 erwähnte edle Marlobrunner). €. 
ericheint bereits 954. 4 km im N. die ſchön gelegene 
Heils und Blegeanftalt für Geiftestrante Eich berg, 
1843 errichtet; in der Nähe bei Dorf Kiebrich bie 
Nuine Scharfenitein. j 

Erbach, fränt. Dynaſtengeſchlecht, das feinen 
Stammbaum bis auf Einbard (f. d.) und deſſen Ge: 
mablin Imma (Emma, ſ. d.), der Sage nad eine 
Tochter Karla d. Gr., zurüdfübrt, aber erſt ſeit Mitte 
des 12, Jahrh. urlundlich nachweisbar iſt, erbielt 
1532 die reichsgräfl. Würde und 1541 dad Münz: 
recht. Gemeinſchaftlicher Stammvater bes jegigen 
Haufes ift Georg Albrecht II. (geft. 1717). Es teilte 

ich nach defjen drei Söhnen in drei Linien: Erbad: 
yürftenau, Erbach-Erbach und Erbad: 
Sh önberg, dienad dem Alter des Hauptes jeder 
Familie rangieren. Der Linie Erbab:Schönberg 
wurde 1903 der erbliche Fürftentitel verlieben. Das 
Geſchlecht ift noch im Befip des Landes, welches 
Ginbard von Kaifer Ludwig dem Frommen erbielt 
und 4 Jahre nachher dem Kloſter Lorſch unter der 
Bedingung vermadte, dab es alö Lehn feinen et: 
waigen Nahlommen verbleiben folle.. Die ganze 
gegenwärtig unter die drei Linien geteilte Grafſchaft 
liegt in der heſſ. Provinz; Starlenburg und umfaßt 
523 qkm. Sie verlor durd die Rheinbundsalte vom 
12. Juli 1806 ihre Unabbängigteit und bildet jetzt 
eine heſſ. Stanvesberrijhaft. Die Linie Erbad: 
Grbad trat 1806 in das Erbe der Grafen Kolbe 
von Martenberg:Rotb. — Bol. Simon, Die Ge: 


Erbach — Erbauungsbücher 


chichte der Dynaften und Grafen zu €. und ibres 
andes (Frankf. 1858) ; Lift, Franz regierender Grai 
zu E. (Straßb. 1903). 

Erbäcker, ſ. Walzende Grundftüde. 

Erbadel, ſ. Adel. 

Erbämter, Hofämter, welche im erblichen 
Beſitz gewiſſer Familien find. Die E. haben befon- 
dere Bedeutung in der Geſchichte des alten Deutſchen 
Reichs und feiner Territorien. 1) Am Königs: 
bofe find die Reichserbämter die den Erzämtern 
ef d.) unmittelbar folgenden Hofämter. Sie ent: 
tanden dadurch, daß die Erzämter immer mehr 
bloße Ehrenämter wurden. Die wirkliche Verfebung 
des Dienites am 4 die Leitung der Hofgeſchaäfte, 
wurden daher Miniſterialen übertragen, In deren 
Familie die Üimter erblich wurden. Später wurden 
auch die E. bloße Dignitäten, aber im Gegenſatz zu 
ben Erzämtern mit gewiſſen Einnabmen verbundene. 
Die wirkliche Führung der Geſchäfte kam an Oberft: 
bofbeanıte (Oberitbofmeifter, Oberjtmarfchallu.f.m.). 
Das Erbmarihallamt batten die Grafen von 
Bappenbeim (j. Erzmarfball); Erbſchenken 
waren die Grafen von Limburg und feit 1713, wo 
die Schenten von Limburg ausjtarben, die Gra— 
fen von Altban; Erbtruchſeſſen waren im 
14. Jahrh. die Grafen von Nortenberg, jeit dem 
Ende des 15. Jahrh. die von Selden:Ed, jeit dem 
Ende des 16. Jahrh. die Grafen von Waldburg: 
das Amt des Erblämmerers batten die Grafen 
von Faltenftein, Später die Fürften von Hobenzollern. 
Als infolge des MWeftfäliichen Friedens eine achte 
Kur mit dem Erzicbagmeijteramt errichtet wurde, 
lam aud ein a er binzu, weldes 
die Grafen von Sinzendorf erhielten. Auch gab 
ed E. ohne entfprechende Erzämter, nämlid das 
Neihsjägermeifteramt der Grafen von Urach, 
fpäter der Herzöge von Württemberg, das Reichs— 
tbürbüteramt der Grafen von Mertbern und 
dad Reichserbvorſchneideramt der Herzöge 
von Medlenburg. — 2) An den Fürftenböfen die 
den Erzämtern im Reich entſprechenden höchſten Hof 
beamten, die nur bei bejonders feierlichen Gelegen: 
beiten in Funktion traten, an berzogl. und bijhöfl. 
Höfen vielfach an Fürſten verlieben. (S. Erblandes: 
bofämter.) lihaftsvermädtnis. 

Grbantwartichaft, ſ. Anmwartibaft und Erb: 

Erbauung (grieb. oikodome), bilplicyer Aus 
drud im Neuen Zejtament, von der Vergleihung 
der chriſtl. Gemeinde mit einem Haufe oder einem 
a. entlehnt, wird vorzugsweije auch nur von 
der Gemeinde insgeſamt gebraucht und bezeichnet 
dann die wechjeljeitige Förderung im chriftl. Leben 
oder die Arbeit ver Apojtel, Propbeten u. ſ. m. an 
der gemeinjamen Heiligung. Injofern bat die E. 
ihre Stelle im öffentliden Kultus, und ihr Zwed 
it die Darftellung und Belebung der gemeinjamen 
Frömmigleit oder die gemeinfame Erhebung des 
Berußt eins zu Gott. (S. auch Andadıt.) 

Grbauungsbücher oder Andachtsbücher, 
Schriften zur privaten Erbauung oder Pflege deö 
religiöjen Lebens. Am kirchlichen Altertum bien: 
ten dazu namentlich Wunderlegenden von Apofteln 
und Heiligen, im Mittelalter auch Schriften über 
Mönhsmoral, ipäterhin die Schriften der Moititer, 
von Meijter Edardt, Tauler u. a., die «Deutice 
Ze ie» und namentlich dad Buch von der «Nah: 
[e e Ehrifti» (f. d.). Die Reformation brachte dem 

olte alö bejtes Erbauungsbud die deutiche Bibel, 
daneben Geſangbücher, Lutbers Poftille und zabl- 


Erbbauern — Erbbeicheinigung 


ide religidfe Flugſchriften oder Traltate. Seit 
km 17. Zabrb. tamen dazu ascetiihe Schriften, Job. 
Amts «Wabres Chriftentum», Heinrih Müllers 
·Geiſiliche Grauiditunden», Chriftian Scrivers 
«Seelenihag», banadı aus der Zeit des Pietismus 
die Schriften von Spener, das «Tägliche Handbuch⸗ 
von Joh. Friedr. Stark, das «Güldene Schab: 
Hitlein» von Bogagky u.a. m. In England fanden 
namentlich die praltifchen Schriften von Ric. er 
(vor allem die «Emige Ruhe der Heiligen») und John 
Bunyans «Pilgerreifer, die auch ind Deutſche über» 
fest wurden, die weitejte Verbreitung. In neuerer 
Zeit ift für E. der Titel «Stunden der Andadıt» 
aufgelommen, zuerft dur Heinr. Zſcholle (Aarau 
1809— 15); bieje Schrift gehört dem ältern Rationa- 
lismus, Die «Stunden chriſtl. Andacht» von Tholud 
(8. Aufl., Gotba 1870) der jog. «gläubigen» Rid: 
tung, die «Stunden der Andacht» von Heinr. Lang 
(Wintertbur 1862—65) der neuern freifinnigen 
Xbeologiean. Daneben dienen als E. zahlreiche Pre: 
biatiammlungen, Traltate und periodiſche Blätter 
febr verichiedener Rihtung. In der lath. Kirche 
find außer dem «Brevier», dem tägliben Andacts: 
buche der Kleriler, die Schriften von Fenelon, dran) 
von Sales, Molinos u. a. viel gelefen. — Bol. 
Bed, Die Erbauungslitteratur der evang. Kirche 
Deutiblands (TI. 1, Erlangen 1883); derſ., Die 
religidie Voltslitteratur der evang. Kirche Deutſch⸗ 
lands (Gotba 1891); und den jährlich erjcheinenden 
Theol. Jahresbericht», Abteil. 4 (bg. von Holy: 
mann, Berlin), 

Erbbauern, Bauern, die in i 
erblihe Güter befi en (Rolonat, 
vacht, Erbleibe). ber verftand man unter €. 
a 0 Bauern, die an der Scholle hafteten 
und mit den Gütern, auf welchen fie ſaßen, ver: 
erbt wurden. 

Erbbaurecht, das vererblice und veräußerliche 
Het, auf oder unter der Oberfläche eines fremden 
Grundftüdes ein Bauwerk zu haben. Das €. ift 
nicht, wie vielfad) irrig angenommen wird, etwas 
urjprünglid Germanijches, fondern bat fi, wäh: 
rend das deutſche Privatrecht von vornherein über: 
baupt feine Leibverhältnijjie am Grund und Boden 
tannte, aus der röm. Superfizies (f. d.) entwidelt. 
Beſonders aud unter dem Einflufje der Kirche ift 
daraus die ſich in manderlei Rechtsformen aus: 

bildende Hr Landleihe entftanden, die dem fo: 


rer Familie ver: 
eierrecht, Erb: 


eralen und wirtſchaftlichen Leben des Mittelalters ein 

ſo caralteriſtiſches Gepräge aufgedrüdt bat. Sie 

ü unter verſchiedenen Namen (Platzrecht, Bau: und 
ellerredht, Bodenzinsrecht) in die deutichen Parti⸗ 

tularredhte übergegangen; dad Deutſche Bürgerl. 
Geſetzbuch bat fie unter der Bezeichnung E. aufs 
genommen ($$. 1012—1017). 

Das €. ift hier gedacht alseindingliches Nupungs: 
scht, für das die Art der Benugung, das Gaben 
eines Bauwerls (aljo nicht einer Baumpflanzung, 
eines Weinberges u. dal.), weſentlich ift; zuläffig 
iſt es aber, das E. auf die Benupung eines für das 

wert nicht erforderlichen Teiles des Grundjtüds 

iu eritreden, wenn fie für die Benußung des Bau: 
wertö Borteil bietet, aljo auf die Benußung eines 
Hofes oder Garten? am Haus u. dgl. Unftatthaft 
it die Beſchränkung des €. auf den einem Mit: 
figentümer gebörenden Anteil eined Grundſtucks 
fomie auf einen Gebäubdeteil; 8 bleibt das zur 
it des Snfrafttretend des Burgerl Gejehbuchs 
nn Stodwertäeigentum beiteben (Einfüb: 


105 


rungsgejeg Art. 182), ferner bleiben die landes» 
— Vorſchriften unberührt, die unter den 
iteigentümern eineö mit einem @ebäude ver: 
jebenen Grundftüd3 die Benugung räumlich ver: 
teilen (Art. 131). — Das E. wird beitellt durch Auf: 
laſſung (das Geſet gebraucht diefen Ausdruck beim 
E. allerdings nicht) und Eintrag ins Grundbuch. 
r das €. ift auf Antrag ein beſonderes Grund: 
uchblatt anzulegen; dies gefchieht von Amts wegen, 
wenn das E. veräußert oder belaftet werben joll. 
Das einmal beftellte E. wird —* wie ein Grund⸗ 
ſtück behandelt; für feinen jeweiligen Inhaber kann 
eine Grunddienſtbarleit beſtellt werden, es wird durch 
Auflaſſung und Eintragung im Grundbuch über: 
tragen, e3 kann felbftändig mit a — belajtet 
werden u. ſ. w. Die am Grundjtüd ſelbſt baften: 
den Hopotbelen berühren das E. nur, wenn fie vor 
ihm eingetragen find. Die wage und liber: 
tragung kann beim €. (anders ald beim Eigen: 
tum an Grundftüden) unter einer Bedingung oder 
Zeitbeftimmung geſchehen. Unweſentlich ilt_für 
den Begrifi des E, ob für die Benugung ein Zins 
gezahlt wird, doch ift das natürlich die Regel; es 
empfiehlt fih, den Zins als Neallaft auf das €, 
zu legen, da ein ing in das E. fonft nicht 
an dieje vertragämäßige Pfliht gebunden iſt. 
Ebenso ift unmejentlih, ob das Bauwerk bei Be: 
rang des €. bereits errichtet ift oder nicht; im 
estern Falle fommt das Bauwerk in das Eigen: 
tum des Erbbauberedhtigten, im erjtern folgt es ala 
wejentlicher Bejtanbteil ($$. 94, 95 des Bürgerl. 
Geſetzbuchs) des Grundftüds dem an diejem be: 
ftehenden Eigentum. — Beendet wird das im 
Grundbuch eingetragene E. weder durch Berjäb: 
rung, noch durch Untergang des Baumertes, ſon⸗ 
dern nur durch Yufgabeerllärung und darauf 
folgende Löoſchung im Grundbuche, ferner durd 
Eintritt des Endtermind oder der auflöfenden Be: 


dingung. 

n — — fest man auf das €, große 
Hoffnungen. Man erwartet vielfach von ihm nichts 
Geringered, als Unterbrüdung der Grundſtüce— 
ipetulation und Löjung der Wohnungsftage (f. d.) 
in den großen Städten: die großen öffentlichen 
Korporationen brauchten ihren Grundbeſitz nicht 
mehr — zu veräußern, ſondern könnten ſich 
dur jeine Vergebung zu E. auf Zeit die Ber: 
fügung für fpäter erhalten, andererſeits könne ba: 
durch auch der kapitallofe Teil der Bevölkerung ein 
eigenes Haus erwerben, da man für den Grund 
und Boden feinen Kaufpreis, fondern nur einen 
Zins zu zahlen brauche und das Geld zum Bauen 
durch hypothelariſche Belaftung des E. beſchaffen 
könne. Ohne Zweifel wird ſich in diefer Beziehung 
mandes Gute ſchaffen lafien, ob aber der private 
Grundbefig ſich auf Beitellung von Erbbaurechten 
einlafien wird, insbeſondere aber, ob das private 
Kapital für die Beleibung von Erbbauredten zu 
haben jein wird, muß bie * lehren. Die bis⸗ 

erigen Verſuche auf dem Gebiete des E. (in Halle, 
anlfurt a. M., Leipzig) find zu neu, um einen 
luß für fpäter zu KH 
€. als Mittel zur 
(Hanno. 1901). Dar iu ae 
Erbbeicheinigung, Erbeslegitimations: 
atteft, Erbj&bein (dies der Ausdrud des Deut: 
ſchen Bürgerl. Gefepbuch3), ein dem Erben vom Ge: 
richt auf Antrag erteiltes Zeugnis über fein Erb: 
recbt und, mern er nur au einem Teil der Grhichaft 


atten. — Bol. Mertens, Das 
elämpfung der Wohnungsnot 


106 


berufen ift, über die Größe des Erbteild. Das die 
E. erteilende Gericht iſt regelmäßig das Nachlaß: 
ericht. Das Bedürfnis nad der Jnititution der E. 
at jich insbefondere da ergeben, wo Grundbud: 
recht gilt. Es hat fi da ald notwendig erwieſen, 
behufs ge der Rechtsnachfolge in das 
Grundbuh dem Erben einen urtundlihen Rad: 
weis feiner Erbeneigenihaft zu beihaffen. Dem 
Richter oder Beamten, der die Eintragung anzu: 
orbnen bat, fann nicht zugemutet werben, ei 
Ermittelungen, wie fie bei einer Prüfung der Sad: 
lage erforderlich find, ſelbſt anzuitellen. Überdies 
ift ed angemeſſen, die Prüfung nur dem Nad: 
Io zu überweifen, meil diejem die Verhält— 
nijje befannt find oder doc deren Aufflärung leich« 
ter fällt, und weil ein Erblafjer Grunpjtüde und 
dinglihe Rechte, Hypothelen u. $ mw. im Gebiete 
zahlreicher Gerichte binterlajjen haben kann. Außer: 
dem war das Bebürfnis vorhanden, eine urkund⸗ 
liche Grundlage dafür zu haben, mer als der Erbe 
eines Berftorbenen anzufeben ijt mit Rüdjicht auf 
das Handeläregijter, Staatsſchuldbücher, Hinter: 
(egungöftellen und aud im Verkehr mit Gläubi: 
gern und Schuldnern bes Verftorbenen. 

So beitand die Einrihtung der E. früher ſchon 
in Preußen, Baden, Medienburg, Sachſen, Olven: 
burg, Elja — und ebenſo hat ſie das neue 
Bürgerl. Geſebuch aufgenommen ($$. 2353 fg.). 

Selbſtverſtändlich begründet die E. nur eine dem 
Begenbeweis unterliegende Vermutung, daß dem, 
der in ber E. als Erbe bezeichnet ift, das in ihr an— 
gegebene Erbrecht zufteht, und daß er nicht durch 
andere ald die angegebenen Anordnungen beſchränkt 
jei. Die Bermutung wirkt für und gegen jeden, auch 
gen den, der jelbit Erbe zu fein behauptet. Die 

eilung einer E. hat alſo rechtlich eine ähnliche 
Bedeutung, wie eine Eintragung in bad Grund: 
buch. Nur wer unentgeltlich von dem im Erbſchein 
Bezeichneten etwas erworben bat, ift durch feinen 
auten Blauben in den Erbichein nicht geihüßt, wenn 
der Befiger des Erbſcheins nicht der wahre Erbe ift. 
Gr ift zur Herausgabe nad den Vorſchriften über 
ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet. 

ie Mehrzahl der bisherigen Geſetze befchräntt 
fi darauf, nur dem geſetzlichen Erben eine E. er: 
teilen zu lajfen. Nac dem Banane des medlenb, 
und des bamburg. Rechts giebt das Bürgerl. Gejeb: 
buch auch dem Zeitamentserben ein ſolches Recht, 
im Hinblid darauf, daß die Formgültigleit lept: 
williger Verfügungen mitunter ſehr ſchwer feitzu- 
itellen ift und mit Rüdjicht auf verwidelte Ver: 
fügungen großen Umfanges erbeblihe Schwierig: 
feiten für die Prüfung entjteben können, welche 
beiondere Rechtslenntnis erfordern. Zablreihe Ges 
fege, auch das Bürgerl. Geſetzbuch, enthalten eine 
weitere Beitimmung, durch melde für den Yall 
vorgejorgt it, dab es fih um den Nachweis der 
Erbeneigenibaft dann handelt, wenn der Beritors 
bene nicht Jnländer war, aber im Inlande Grund» 
befig oder Hypotbefenforderungen hatte, Es kann 
dann für diefe Gegenitände die Erteilung einer €, 
verlangt werden. — Die Berfabrensvorichriften 
find verjchieden, Nach dem Bürgerl. Geſetzbuch bat 
der Antragiteller feine im Gejek näber bejtimmten 
Angaben teild durd Urkunden (in der Regel öffent: 
liche), teild durch Verſicherung an Eidesitatt zu bes 
legen. Das Gericht bat dann unter Benußung 
dieſer Beweismittel von Amts wegen die erforder: 
lien Ermittelungen zu veranjtalten und die geeig- 


Erbbeftand — Erbe 


neten Bemeife aufzunehmen. Es kann zu any = 
Zwed aud eine öffentlihe Aufforderung zur Anı 
meldung der andern Berjonen zuſtehenden Erbrechte 
erlajjen. it ein Rechtsſtreit anhängig, fo foll vor 
Erteilung der E., wenn thunlich, der Gegner des 
Antragitellerd gehört werden. Sind mehrere Erben 
vorhanden, fo iſt auf Antrag eine gemeinſchaftliche 
E. zu erteilen. Jeder, der ein rechtliches Intereſſe 
glaubhaft macht, alfo namentlich jeder Nadlap: 
ya tann vom Gericht eine Ausfertigung der 
. verlangen (Geſetz über freiwillige Gerichtäbarteit 
.85, —— 8. 792). — Die gleiche Wir 
ng, wie die E,, bat das Seugniß, das einem 
Zeitamentsvollftreder über feine Ernennung erteilt 
iſt ($. 2368). — Vgl. Ehlinger, Der Erbichein nah 
dem Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch (Münd. 1902); 
Boſchan, Der Erbihein und das Recht der Erb: 
folge (Berl. 1902). 
bbeitand, joviel wie Erbpadt (f.d.); Erb: 
bejtänder, ber Erbpächter; Erbbeſtandsgeld, 
ein bei Begründung des Verhältniſſes vom Erb 
pädter an den Erbverpädter ald Kaution oder als 
Entgelt für die Verleihung gezabltes Kapital, 
ebe (lat. heres), wer in Bezug auf die ver: 
mogensrechtlichen Rechtsverhältniſſe eines Verſtor 
benen in ihrer Geſamtheit deſſen Rechtsnachfolger iſt, 
ſoweit dieſe Rechtsverhältniſſe vererblich ſind; wie 
das Bürgerl. Geſetzb. 8. 1922 jagt, derjenige, auf den 
mit dem Tode einer Berjon (Erbfall) deren Bermögen 
(Nachlaß) ald Ganzes übergeht. Schon den Hömern 
erſchien es unzuläfjig, dab Durch den Tod eines Men: 
ven deſſen vermögensredhtlihe Verhältniſſe ibre 
endigung finden oder in der Weiſe auseinander: 
fallen, daß alle einzelnen Beitanbteile ein beſonderes 
Scidjal haben, Gedanle der Fortdauer einer 
Nectseinbeit führte dahin, von einer Geſamtrechts⸗ 
nachfolge (Univerfalfucceffion) & fprehen. Der, auf 
den das Vermögen in feiner Geſamtheit übergebt, 
beikt E. Dem ältern deutſchen Rechte war eine jolde 
— rg Frege unbefannt; das Vermögen 
eriel in einzelne Beſtandteile, insbeſondere ge 
ngte der Grundbeſitz an gewiſſe Perjonen, meiſ 
den nächſten männliden Verwandten, während bie 
st andern zufiel. Gewiſſe Antlänge hieran 
nden fich noch im engl. Rechte, nad welchem das 
real property oft in andere Hände gelangt als der 
ersonal estate. Auch die Berbindlichkeiten bes 
Berischenen, fomeit fie überhaupt fortbeitanden, 
verteilten fih im ältern deutihen Rechte auf ver: 
hiedene Maſſen. Mit dem Einbringen bes röm. 
echts gewann überall der Gedanke der Gejamt- 
rechtsnachfolge Boden. Erhalten bat ſich jedoch, 
daß noch häufig befondere Bermögensmaflen (4.2. 
Leben, Fideilommißgut u. |. m.) vorlommen, die zum 
Teil bereitö während des Lebens einer Berjon alt 
neben dem übrigen Vermögen beitebend gelten, zum 
Teil aber bei dem Tode der Perjon von deren 
mögen ausgeſchieden und einem befondern reihtlichen 
Schidjale unterworfen werden. (S. aud) Certa res.) 
Die Folge der Geſamtnachfolge iſt, daß auch bie 
Schulden des Berftorbenen auf den E. übergeben, 
unabbängig davon, ob fie durd die Altivbeſtand⸗ 
teile des Nachlaſſes gededt werden (f. Inventarredit), 
und daß, wenn mebrere E. vorhanden find, die Ans 
teile der einzelnen E. nur Bruchteile jein können. 
Wer die Berfon des €. fei, bejtimmt im Gemeinen 
Rechte entweder das Geſetz oder der Wille des Ber 
orbenen (Erblaſſers, ſ. d.). Eine Bereinigung beider 
erufungsgründe iſi im röm. Recht ausgeichlofien 


Erbeinigung — Erbeinjegung 


vernöge des Grundfages «nemo paganus pro parte 
isstatus pro parte intestatus decedere potest», 
} d. das Teſtament muß fih auf den gelamten 
Rachlaß eritreden, nicht nur auf einen Zeil des: 
felben. Das Hfterr. Bürgerl. Gefepb. 8.534 und das 
Deutibe Bürgerl. Gejegb. 88. 2065 u. 2088 haben 
u. Srundjag aufgegeben. Im größten Teile von 
eutihland war neben dem Teitament der Erb: 
vertrag (|. d.) als Berufungsgrund anerfannt, und 
das iſt auch im Bürgerl. Geſeßb. $$. 2274 fg. beibe: 
balten worden. Die vertragsmäßige Srbfolge (. d.) 
lann inſoweit neben der en eintreten. 
Nah dem röm. Rechte gilt ferner der Em; «semel 
heres semper heres», d. h. die Eigenichaft ala E. 
fann nicht wieder verloren werben. Dieſer Sab 
liebt daher die Berufung ald E. mit einer Be 
iftung oder auflöjenden Bedingung aus. vn 
Falle der auffchiebenden Bedingung, melde für 
gar gilt, iſt bis zur Erfüllung oder bis zum 
usfalle der Bedingung der Berufene proviforisch 
als E. gegen Sicerbeitäleiftung einzumeifen. Die 
neuern Rechte, inäbejondere das Olterr. Bürgerl. 
GSeiesb. 8 695, 704 fg. und das Bürgerl. Gejepb. 
SS. 2100 fg., lafjen dagegen Nacherbſchaft zu. Nach: 
erbe iſt nad legterm der, den der Erblajjer in der 
Weiſe eingejest hat, daß er erft E. wird, nachdem 
zunädjt ein anderer E. (Borerbe) geworden ilt. 
So lann z. B. jemand jeine Frau als Vorerben, 
irre Tochter ald Nacerben (etwa von ihrer Ber: 
iratung oder vom Tode der Mutter an) einfepen. 
Es ift dadurd die Frau dann nicht den Beihrän: 
tungen unterworfen, bie mit der —— eines 
bloßen Nießbrauchs an der Erbſchaft verbunden 
ſind. Erfaperbe iſt der E., den der Erblaſſer für 
ven Fall, daß der zunächſt berufene €. vor oder nad 
Eintritt des Erbfallö wegfällt (nicht E. fein will oder 
tarın), als €, einjekt ($. 2096). Iſt jemand für den 
Fall, daß der Zunachſt berufene €, nit E. ſein lann, 
eder den Fall, daß er nicht €, fein will, als Er: 
ſatzerbe eingeießt, jo iſt im Zweifel anzunebmen, daß 
er für beide Fälle eingejept iſt. Die Einſetzung als 
#acerbe enthält im Zweifel auch die als Erſaherbe. 
Sit zweifelhaft, ob jemand als Erjaß: oder ald Nach: 
erbe eingejebt ift, — gilt er als Erſatzerbe (F. 2102). 
Als Rad: und Vorerben gelten im Zweifel die ge: 
jeglichen €. ($$. 2104, 2106). Bertragserbe ift 
der durch Erbvertrag eingefeste €. ($. 1941). 

Der Code civil und das Badische Landrecht ver: 
fteben unter E. nur den geſetzlichen E.; fie fennen 
auch die Nacherbſchaft nur in Form einer Heraus: 
gabepflicht gegenüber den Ablömmlingen der fin: 
der und gegenüber Geſchwiſterlindern, in legterm 
Salle nur jeitend des finderlojen Erblaſſers (Art. 
1048 fg). Mittelö einer legtwilligen Verfügung 

lann der Erblafjer, abgejehen von den gewöhnlichen 
Bermädtniffen, nur Univerfallegatare, Erbver: 
mädtnid- oder Erbteilvermähtnisnehmer 
ihaften, jelbjt wenn er die Worte Einfegung ala €, 
gebraucht bat (Art. 1002). Erbvermächtnisnehmer 
iſt derjenige, welchem der Erblaffer den ganzen Nach: 
la binterläßt. Hinterbleiben Berfonen, denen ge: 
iber ver Erblaſſer nur über einen Bruchteil feines 

3 verfügen kann (im rhein. Rechtsgebiete 
Borbebaltserben genannt; ſ. Enterbung), jo find 
diefe kraft des Geſetzes im Nachlaßbeſitz von ihnen 
muß die Aushändigung gefordert werden. Erbteil⸗ 
vermädtnisnebmer ift der, dem der Erblaſſer einen 
beitimmten Bruchteil des Vermögens, über das er ver: 
figen darf, zumeift. Ein folder muß jtetö die Heraus: 


107 


gabe von den Borbebaltserben oder von den Erbver⸗ 
mächtnisnehmern oder in Ermangelung aud folder 
von den geſetzlichen E. fordern (Art. 1003 fg.). Der 
Erbvermachtnisnehmer haftet neben dem Borbebalts: 
erben perjönlich für Schulden und Lajten des Nach⸗ 
lafjes nad) Verhältnis feines Anteils und Bruchteils 
und hypoth&cairement für das Ganze (Art. 1009); 
der Erbteilvermädhtnisnehmer baftet perjönli für 
Schulden und Lajten des Nachlaſſes entſprechend 
wie jener, Art. 1012. Jener muß, von der gefeh: 
lichen Kürzung ab — die Vermachtniſſe ganz 
entrichten, Nice, 5 ern nur über einen Bruchteil 
verfügt ift, zulammen mit den natürlichen E. ver: 
bältnısmäßig, Art. 1009, 1013. — Bol. Binder, Die 
Rechtsſtellung des E. nad) dem Deutfchen Bürgerl. 
u (2 Zle., 2p3. 1901—3). 
rbeinigung, j. Erbverbrüderun 
Erbeinfegung oder Erbesein Pebun g, die 
legtwillige (aljo einfeitige) oder vertraggmäßige An: 
ordnung, woburd) der en —— einen 
Erben (}. d.) beſtimmt, vgl. Oſterr. Bürgerl. Geſetzb. 
.553; Deutſches Bürgerl. Geſetzb. 88. 1937 u. 2087. 
ültig eingejegt werden lönnen nur Erbfähige (f. 
Erbfähigkeit); wegen der Einfeßung einer unbe: 
— Perſon ſ. Incerta persona. Eine be 
timmte Form iſt fur die E. nicht erforderlich; es 
genügt, daß der Wille, einen Erben einzufeßen, er⸗ 
ellt; insbeſondere wird nicht verlangt, dab das 
Dort Erbe gebraucht fei (3. B. Bürgerl, Gefegb. 
$$. 2087 u. 2103). Die E. konnte na Gemeinem 
Recht ſowohl in einem Teftament als in einem Erb: 
vertrage, nicht aber in einem Kodicill (f. d.) erfolgen. 
Doc war auch zugelafen, daß die Berjon des Erben 
in einer Urkunde bezeichnet werde, auf melde das 
Zeitament verweiſt (}og. testamentum mysticum); 
die Urkunde bedurfte keiner befondern Form. Nah 
dem Code civil ift eine E. nur wirkſam, foweit der 
Erblaſſer — fann (f. Erbe). Nach dem Deut: 
ſchen Bürgerl. Geſetzbuch, dem der Begriff des Kodi⸗ 
cills fremd ift, findet die E. entweder im Teſtament 
oder im Erbvertrag jtatt ($$. 1937, 1941), und zwar 
im erftern auch dergeltalt, daß der Erblafjer dem 
Richter (Notar) eine Echrift offen oder verjchlofien 
mit der mündlichen Erklärung übergiebt, daß bie 
Schrift —— legten Willen enthalte. Sie lann 
vom Erblajler oder einer andern Perfon gefhrie: 
ben jein. * den neuern Rechten kann die €. 
auf einen Bruchteil bejhränft fein. Es tritt dann 
die Iepliche Erbfolge in Anſehung besjenigen 
aut s ein, über welchen der Erblaſſer nit ver: 
fügt hat; vgl. Deutſches Bürgerl. Gejebb. $. 2088. 
Sollen bie eingejegten Erben die alleinigen Erben 
fein, fo tritt, wenn jeder von ihnen nur auf einen 
Bruchteil eingefegt iſt und die Bruchteile das Ganze 
nicht —— eine verhältnismäßige Erhöhung 
ber Bruchteile ein ($. 2089). Hat der Erblaſſer meh: 
tere Erben eingejebt, ohne daß die Erbteile beftimmt 
find, fo find fie zu gleichen Teilen eingeſetzt ($. irn 
eö müßten denn feine gie Erben jein; dieſe 
elten als nah dem Berbältnis ihrer gefeklichen 
bteile bedacht ($$. 2066 fg.). Hat der Erblaſſer 
feine Verwandten oder jeine näditen Verwandten 
bedacht, jo find im Zweifel die Verwandten, welche 
zur Zeit des Erbfalls feine gejeplihen Erben fein 
würden, als bedacht anzuſehen ($. 2067). Wegen der 
E. von Erben auf bejtimmte Gegenjtände j. Certa 
res. Sit die E. befrijtet oder auflöjend bedingt, Je 
* nach den neuern Geſetzen, welche eine ſolche 
dingung zulaſſen, ebenfalls die gefeglichen Erben, 


108 


fei es als Borerben oder Nacherben berufen (vgl. 
Deutiches Bürgerl. Geſetzb. 88. 2104 u. 2105). Für 
das Dfterr. Bürgerl. Geſezbuch wird gewöhnlich das 
Öleihe angenommen. 

Erbeinfegungdvertrag, |. Erbvertrag. 

Erben, Joſef, czech. Geograph, Statiitifer und 
Kartograpb, geb. 29. April 1830 zu Ablerlojteleg in 
Böhmen, Itudierte Philoſophie und Rechtswiſſen⸗ 
{haft in Prag und wurde 1853 ord. Profeflor an 
der czech. Oberrealſchule in Prag. 1862 habilitierte 
ih €. als Docent für Induftrieftatiftit am Prager 

olytehnitum und ging nach der 1868 erfolgten 

rennung ber Anitalt an das czech. Polytechnilum 
über, wo er bis 1873 verblieb. Als die Brager Stadt: 
—— im Juli 1870 ein eigenes ſiatiſt. Bureau 
egründete, wurde E. zu deſſen Leitung berufen. 
E. fchrieb in czech. Sprade eine Geographie und 
Statiftit von Kärnten und Krain (Pra 18) und 
eine Geographie und Statiſtik bes uflen eichs 
(ebd. rein in deutfcher und *9 prache ſeit 
1872 Statiſt. Jahrbücher von Prag. Prag und Vor: 
orte betrefien auch E.s Beiträge zum Öfterreichifchen 
Städtebuh (Wien 1887, 1888, 1891) und zum 
«Bulletin annuel des finances des grandes villes» 
(Budapeft 1877—91). Auf kartogr. Gebiete find zu 
erwähnen: eine Spradenlarte von Europa mit be: 
fonderer Berüdfichtigung der flam. Welt, eine Ge: 
neraltarte von Böhmen im Maßitabe von 1:415000, 
beide in czeh. Sprade, eine Geſchäfts- und Reife 
farte von Böhmen, Mähren und Schlefien in deut: 
{cher Sprade (8. Aufl., bor 1888) und ein Atlas 
der 89 eg eg) alten Böhmens im 
Maßſtabe von 1:100000 (ebd. 1882—86). 

Erben, Karl Jaromir, czech. Gelehrter und Did: 
ter, Nur 7.Nov. 1811 zu Miletin, ftudierte in Pra 
bie Rechte, — einige yahre im Staatödienit 
thätig, durchforſchte dann die Archive Böhmens und 
—— ſich eifrig an den nationalen Beſtrebungen 
feiner Landsleute. 1851 wurde er Archivar der Stadt 
era und madte fih um die —— des 

tadtarchivs ſehr verdient. Er ſtarb 21. Nov. 1870 
zu Prag. E. veröffentlichte «Regesta diplomatica 
nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae» (TI. 1, 
für die J.600— 1253, Prag 1855), «Die Primatoren 
der —— Altſtadt Prag» (ebd. 1858), at ee 
dertönig "privtlegierien Brager bürgerlichen charf⸗ 
fhügen» (Bd. 1, 1868). Außer dieſen hiſtor. Arbeiten 
machte er ſich verdient durch eine Sammlung czech. 
Vollslieder (3 Vde. Prag 1842 45 u. b.), denen die 
Melodien (4 Hefte, 1844—47 u. 1860) folgten, Im 
we diefer Lieder dichtete er felbft einen «Strauß» 
& ytice», 1853 u. d.; deutih Wien — von 

lladen. er veröffentlichte er eine hiſtor. 
Chreſtomathie («Vybor») aus der czech. Litteratur 

15. bis 18. Jahrh. 2 Bde., 1859—64), gab altezech. 

erte beraus: von Thomas Stitnd (1852), Huf 
(3 Bde., 1864— 68) u.a. Als Vorarbeiten zur 
Aufitellung eines Syſtems der jlam. Mptbologie 
> dienen: eine czech. Überjegung und kritiſche 

usgabe von Neftors ruf). Annalen (1868) und vom 

Liede vom Heereöjug Igors und der Zadonskina 
(1869), ferner «Hundert Vollämärden u. ſ. w. in 
den urjprünglichen Dialelten», auch u. d. T. «Slo- 
vanskä Citanka» (Prag 1863—65). 

Erbendorf, Stadt im Bezirtsamt Kemnath des 
bayr. Reg.:Bez. Dberpfalz, 6 km weitlich von Reuth, 
an ber Fichtelnaab, Siß eines Amtsgerichts (Land: 
aeriht Weiden) und zweier Überförftereien, bat 
(1900) 1261 E., darunter 329 Cvangelifche und 


Erbeinfegungsvertrag — Erbfähigfeit 


18 Jaraeliten, (1905) 1265 E., Bofterpedition, Tele- 
graph, evang. und kath. Kirche. 

Erbenfchaiten, |. ——— 

et neh f. Erbeinjegun 


Erbeötopf (Walderbestopf), böchfter Bera 
des Hundrüds (816 m), liegt im ſog. Hochwald, 
11 km norbmeitlid von Birtenfelv. — ung. 

Erbedlegitimationdatteft, ſ. Erbbeiceint: 


Erbfähigkeit und Erbunfähigkeit. Die Erb: 
fäbigleit, d. b. die Fähigleit, Uuberhaupt jemals Erbe 
zu werben, betrachtete das röm. Necht als ein Vor: 
recht des röm. Bürgers, und demgemäß waren Stla: 
ven und Fremde von ihr aus eihloffen: äbnlid er: 
fannte das ältere deutiche Hecht Erbfäbigfeit nur 
dem Ebenbürtigen zu. Nah und nad ſchwächte ſich 
das ab, und in den modernen Rechien, inäbelon: 
dere auch im Deutſchen Bürgerl, Geſetzbuch, fällı 
die Erbfäbigleit mit der allgemeinen Rechtsfähig— 
teit zufammen. Eine Ausnahme gilt in manden 
Rechten für gewiſſe jurift. Perjonen, insbeſondere 
firhliche Körperichaften (die «tote Hand»), und für 
Mitglieder een religiöjer Orden; diefe können 
vielfach nur mit ſtaatlicher Genehmigung Erbe wer: 
den (vgl. Code civil Art. 910). Das Cinfübrungs: 
eich zum Deutſchen Bürgerl. Gejepbud (Art. 86 
u. 87) läßt dergleichen landesgejeplihe Vorſchrif— 
ten unberübrt, bezüglich jurift. onen jebod mur 
dann, wenn Gegenjtände im Werte von mebr als 
5000 M. in Frage fommen (j. Amortifation). Eine 
unbeftimmte Anzahl von Menſchen, die keine jurift. 
Perſon bilden, lann nicht ala Erbe eingejent werben 
(alfo aud fein Verein der in 8.54 des Bürgerl. 
Geſetzbuchs gedahten Art); doch wird, wenn der 
Erblafjer etwa feine Dienftboten oder die Armen 
einjegt, durch Auslegungsregeln gebolfen ($$. 2071, 
2072). Da nur der Rechtsfähige Erbe werden kann, 
befigt Erbfähigleit nur, wer beim Tode des Erb 
laſſers ag ne bereitö im Mutterleibe vorban: 
den war (Bürgerl. Geſetzb. $. 1923, Code civil 
Art. 725; |. au Embryo). Handelt es fich um bie 
Fähigkeit, etwas aus einem beftimmten Nachlaſſe 
zu erwerben, je ſpricht man Pe von Erbunfäbigleit 
von Erwerbunfäbigteit oder Jnlapacität. 
Den Hauptfall hierfür bildet die Vorſchrift des Deut: 
ſchen Bürgerl. Geſetzbuchs ($. 1077), wonach eine 
legtwillige Berfügung, durch die der Erblafjer feinen 
Ebegatten bedenkt, unwirkſam ift, wenn die Ebe 
nichtig oder wenn fie vor dem Tode des Erblaſſers 
aufgelöft worden ift. Der Auflöfung fteht es gleid, 
wenn der Erblafjer zur Zeit jeines Todes auf Schei- 
dung wegen Verſchuldens des Ehegatten zu Hagen 
berechtigt war und die Klage auf Aufhebung der 
ebelihen Gemeinſchaft oder auf Scheidung erhoben 
batte. Eine legtwillige Verfügung zu Gunften des 
Verlobten ift unwirfjam, wenn das Verlöbnis vor 
dem Tode des Erblafjerö aufgelöft worden ift. Die 
Verfügung ift jedoch nicht unmwirtfam, wenn anzu 
nebmen iſt, daß der Erblaſſer fie auch für einen 
folben Fall getroffen haben würde. : 

Das Dfterr. Bürgerl. Gejegbud kennt noch eine 
Reihe von Grbunfäbigleitsgränden, und zwar teils 
olche, welche ftetö zur Anmendung gelangen, z. B. 

ejertion, Ablegung des feierlihen Gelübdes der 
Armut ($$. 544, 539), teild ſolche, welche nur in 
Beziehung auf gewiſſe Perfonen anwendbar find 

. 540, 542; vol. Unger, Das diterr. Erbredt, 

pʒ. 1864, 8.5). Diefe legtern Gründe * ſolche, 
welche den andern Geſetzgebungen meiſt nur als 
Gründe der Erbunwürdigkeit (f. d.) gelten. In Ans 


Erbfall — Erbium 


als Erbe werden noch außer: | Rognatentbronfolge. In Bayern, Sachſen und Hef: 
Kae für erbunfä Rn erklärt, die mit dem Erb: 


der Einjegun 


lafier Chebruch oder Blutſchande getrieben haben 
543). Die gleichen Beichräntungen gelten in 
ebung der Fähigleit, mit einem Vermächtniſſe 
bedacht zu werben (8. 647). 
Erbfall, der Tod eines Menihen als Zeitpunkt 
des nns ſeiner Beerbung (j. Erbſchaft). 
Erbfolge oder Succeſſion, das Eintreten 
eines Ractolger? in alle privatrechtlichen Ber: 
—— Teinſchließlich des Befiked; Bürgerl. 
Seſetsb. $.857) und Vermogenspflichten eines Ber: 
korbenen. Weil bei ihr die Gefamtheit aller Rechte 
und Pflichten, wie fie durd die Perſon des Beritor: 
benen ————— worden iſt, auf ein neues 
Subjeft übertragen wird, iſt fie eine Univerſal⸗ 
fucceffion. Die E. fann auf verſchiedenen Titeln 
(og. Delationsgründen)beruben, entweder auf Erb: 
oder auf legtwilliger (aljo einfeitiger) An: 
erbnung des Erblaſſers (Teitament, die Form der 
lestwilligen Verfügung, melde das ——— Geſetz⸗ 
buch allein kennt, 8. 1937, oder Kodicill) oder auf 
dem familienrechtlihen Grunde der Verwandtſchafi 
oder ber Ehe (Gejegliche Erbfolge, f.d.). Be 
rufung durch Erbvertrag gebt derjenigen durch letzt⸗ 
mwillige Berfügung und lestere der geſetzlichen €. 
vor; jedoch iſt den nädjten Verwandten und ben 
Ebegatten ein fog. Pflichtteilsrecht (j. Pflicht: 
teil) eingeräumt. Die Reihenfolge, in welcher die 
erbberedtigten Perſonen zur €. berufen werben, 
nennt man die Erbfolgeordnung. 

An der Staatögewalt und andern öffentlichen 
Rechten giebt ed nad der modernen Auffafiung 
vom Staate feine E. im eigentlihen und wahren 
Sinne; d. h. die Rechtsſatze über E. finden als pris 
vatrechtliche auf öffentlichrechtlihe Berbältnifje nicht 
obne weiteres Anwendung. Insbeſondere nicht mehr 
wie früber, mo die Staatsgewalt ala ein Privat: 
vermögendreht der regierenden Familie angejehen 
mar, auf die Thronfolge. Der Thronfolger ala 
folder tritt heute nur in die Hoheitörechte feines 
Borgängers, nicht auch in feine Brivatvermögens: 
rechte ein, eben weil die Hobeitärechte nicht mehr 
als Bejtandteil des Familienvermögens gelten. Die 
Tbronfolgeordnung ift auch nicht mehr in pris 
vatrechtlichen Hausgefegen, —— in Verfaſſungs⸗ 

urtunden enthalten. Nur iſt in der überwiegenden 
Mebrzahl aller monardiihen Staaten da3 Thron: 
—— ganz ebenſo geordnet wie ein Erbfolgere t, 
d. b. die Krone verbleibt in der berrfchenden familie 
und gebt nad) einer bejtimmten Ordnung über. Das 
it die Erbmonardie. Die Thronfolge ift in 
Deutichland eine agnatiſche, d. b. ein Vorzug der 
von Männern abjtammenden Männer vor den Wei⸗ 
bern und den von Weibern abjtammenden Män: 
nern, auch wenn fie ebenbürtig und, wo dies für die 
Ihronfolgefäbigkeit erforderlich ift, aus einer mit 
migung des Monarchen abgejchlofjenen Ehe 
bervorgingen. In andern europ. Staaten, z. B. 
in Rußland, England, Dänemark, Spanien u. |. w. 
fteben Weiber und Kognaten nur hinter gleich nabe 
verwandten Aanaten zurüd, In Preußen, Alten: 
burg, Coburg⸗ Gotha, Reuß, Nedienburgiftjede Erb: 
folge der Rognaten — * in andern Staa⸗ 
ten Bavern, Sachſen, Württemberg, Baden, Heſſen, 
Ralded, Echaumburg⸗Lippe) tritt nach Ausſterben 
der gelamten Agnaten lognatiſche Thronfolge als 
iog. außerordentliche ein. Wo Beitimmungen jeb: 
in, fpricht die Vermutung gegen Zuläffigfeit der 


des Metalla €. 


109 


en geben die Erbverbrüderten den Kognaten vor. 

doption, uneheliche Abſtammung und Abftammung 
aus — we Ehe begründen nie ne — 
recht. Liber die Reihenfolge der Thronfolgefähigen 
f. Brimogenitur. j 

Erbfolgetriege, Kriege, die aus Streitigleiten 
über Thronfolgerechte entipringen. In der neuern 
Geſchichte find bejonders hervorzuheben: der Spa: 
niſche Erbiolgelrieg (f. d.) 1701—13, der Oſter⸗ 
rei * bfolgefrieg (f. d.) 1741—48, der Bay: 
riſche Erbfolgefrieg (f. d.) 1778—79. 

————— — 
ErbgericdhtSbarkeit, eine Art der Eigentums» 
oder Batrimonialgerihtsbarteit (f. d.), die mit dem 
in der Regel abligen Gut verbundene Gerichtöbarfeit 
ber Qutäherten über ihre Hinterfaffen. Im Mittel: 
alter begründet, beſtand fie in Deutichland bis in die 
neuere * iſt durch die neuern Verfaſſungen in 
ben meiſten deutſchen Staaten, zuletzt durch das Ge: 
richtsverfaſſungsgeſetz ericht und Gerichtäver: 
jaffung) t das ganze Deutiche Reich lg 
‚ Erbgefeffen, joviel wie angefellen, Grund: 
eigentum bejigend, 

Erbgraf, Titel des älteften Sohnes oder Entels 
des Hauptes eined mebiatifierten, früher reich3: 
ſtändiſchen Grafenhauſes (j. Graf), dem Titel Erb: 
prinz (j. d.) nachgebildet. 

Erbgrind, j. Favus. 

Sehgeokberaug, f. Erbpring. 

Erb on) erzogädfrone, in ber Heraldik eine 
geſchloſſene Königskrone (f. d.), wie fie auch Prin— 
—— lönigl. Häuſern zum Unterſchiede von ber 

ne des Herrſchers (der offenen Königskrone) tra: 
gen. (S. Tafel: Kronen I, Fig. 9.) 

Erbgüter, in der Rechisſprache mehrerer, be 
onders norbdeuticher Landesrechte gewiſſe Grund: 
tüde, welche durch Erbſchaft erworben find und 
ohne Zuftimmung näher bezeichneter Perſonen, 
meijt gewifler ur ga nädjter gejeglicher Erben, 
nicht durch tögeichäft unter Lebenden veräußert 
oder durch Verfügung von Todes wegen den Erben 
entzogen werben dürfen. Die Veräußerung kann 
in Ermangelung der Einwilligung innerhalb näber 
beitimmter Frift von dem Tode des Veräußererd an 
widerrufen und das Erbgut zurüdgefordert werben. 
I" neuerer Zeit ift die Rechtsbildung meift bejeitigt. 

em Erbgut ftand das —— But, d.i. 
das anderweitig erworbene Vermögen, gegenüber. 
(S. aub Stammpgüter.) 

Erbherzogöfrone, in der Heralbil die offene 
Herzogälrone (f. d.), die bis zur halben Kronenhöhe 
gefüttert ift. (S. Zafel: Kronen I, Fig. 10.) 

Erbil, Stadt im Wilajet Bagdad, ſ. Arbil, 

Erbinerbde, ſ. Erbium. 

Erbisdorf, Dorf in der Amtshauptmannſchaft 
Freiberg der Ir Kreisbauptmannihaft Dresden, 
unmittelbar jüblih an Brand (f. d.) anftoßend, an 
der Nebenlinie Brand:Fangenau der Sächſ. Staats: 
bahnen, bat (1900) 2077 meift evang. E.; Spiben: 
Höppelei, — — Poch⸗- und Wäſchwerle. 
Weſtlich große fislaliſche Silber: und Bleierzgruben. 

Erbium,hem.SymbolEr, Atomgewiht=166,0, 
breiwertiges Element. In dem Mineral Gabolinit 
( d.) fommt es ald Erbinerde an Riefelfäure ge: 

unben neben andern Erben und Metalloryden 


vor. 1843 wurde aus Gadolinit von Mofander die 


Erbinerde, ErzO,, zuerft hergeftellt und ald Oxyd 
erfannt. Die Abicheidung bes 


110 


Metalls ift bislang noch nicht gelungen; auch die 
Erbinerde ift nur äußerjt ſchwierig rein zu erhalten 
und vielleicht überhaupt kein einheitlicher Körper. 
Erbjungfernrecht, das im Medlenburgifhen 
beitebende Hecht der Tochter eines obne männliche 
Abtömmlinge verftorbenen Lehnbeſitzers (Bafallen), 
das Leben, jelbft wenn es Familienfideilommiß ift, 
lebenslänglic als Nießbraucherin zu befigen. 
Erbfaiferliche Partei, Bezeihnung für eine 
Ba in der Deutfchen Nationalverfjamm * 
ankfurt a. M. von 1848 bis 1849, die einen Erb⸗ 
laiſer an die Spitze des Reichs geſtellt wiſſen wollte 
und im «Weidenbuſch⸗ in Frankfurt a. M. ihre Zu: 
jammentünfte bielt. Da fie felbft zu ſchwach war, 
um ibr Programm durchzuſetzen, mußte fie an das 
linte Centrum erbeblihe Zugeſtändniſſe maden, 
um dieſes — Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum 
Kaiſer (28. März 1849) zu beftimmen. 
bfämmerer, j. Erbämter. 
Erbflaffenrenten, ſ. Lebensverſicherung. 
Erbkurx, ſ. Kux und Bergwerlsabgabe. 
Erblande, Länder, in denen ein Fürft kraft Erb» 
recht3 fuccediert. Eigentlich müßten alle Qänder, die 
nicht erft von ihrem gegenwärtigen Beherrſcher durch 
Eroberungen, Tauſch, Kauf oder auf andere Meife 
erworben wären, E. genannt werden. Gewöhnlich 
jedoch verſteht man darunter nur ſolche ſchon früher 
im ererbten Befige einer Dynajtie befindliche Län- 
der, deren Verhältnis zu fpätern Hinzuerwerbungen 
dur irgendwelche ftaatd: oder wölferrechtliche Feſt⸗ 
ftellungen bezeichnet ift. So unterſcheidet man noch 
immer in Sachſen die E. von ber —— welche 
zwar im allgemeinen der Geſamtverfaſſung des 
KUönigreichs unterworfen, jedoch außerdem kraft ges 
wiſſer Staatsverträge, bie ſich auf ken Anfall an 
Sachſen bezieben, eine beſondere Provinzialver: 
faffung und andere Sonderrechte befist. Vorzugs⸗ 
weiſe aber in Gebraud war die obige Bezeihnung 
für die deutiben Provinzen Oſterreichs im Gegen: 
in: zu Ungarn und Italien, namentlih zu dem 
eritern, * egal: dem Herricher eine 
weſentlich andere, weit befhränttere Machtſtellung 
tinräumte, als demfelben in — Erbländern zu⸗ 
ſtand. Seit dem Verluſte Italiens und ſeit dem ſog. 
Ausgleiche mit Ungarn pflegt man letzteres ſamt 
ven dazugehörigen Ländern mit Transleithanien, 
die E. dagegen mit Cisleithanien zu bezeichnen. 
Als E. der preuß. Monarchie werden insbeſondere 
Brandenburg und Preußen bezeichnet, jedoch ohne 
daß bier irgendwelder rechtliche Unterſchied vors 
banden wäre; ebenfo in Bayern die altbayr. Lande. 
Erblandeshofämter, aub Kron- ober 
Neihsämter, Name der Erbämter (f. d.) in den 
einzelnen deutfchen Territorien. Ihre Errichtung ift 
dem Ermefjen des Landesherrn überlaffen. Weder 
polit. Funktionen nod finanzielle Dotationen aus 
der Staatslaſſe kommen ihnen u, Ki baben aus 
—— folenne Ehrendienſte bei feierlichen Ge 
egenbeiten zu leiften, die ſich nach dem Staatd: und 
Hofceremoniell beftimmen. Jedoch find öfters Eins 
fünfte aus Altern Stiftungen mit diefen ÜUmtern ver 
bunden. Hinfichtlih der Zahl und Namen dienten 
jwar im allgemeinen die Reihserbämter (f. Erb: 
Par zum Vorbilde; in den einzelnen Territorien 
t aber dennod eine große Mannigfaltigleit. 
In Preußen befteben außer den oberften Hoſchar⸗ 
en, nämlich dem Oberftlämmerer, Oberftma Seh 
berittruchjeß und Oberftichent, eine Ieht große Zahl 
von Hof und Erbämtern in den einzelnen Landes: 


Erbjungfernrecht — Erbliche Krankheiten 


teilen, aud denen die Monardie nad und nad ger 
bildet worden ift. Unter ihnen ragen beſonders ber: 
vor die vier großen Hofämter im (alten) Königreich 
(Dit:)Breußen: Lanphofmeiiter, Oberburggraf, Ober: 
marſchall und Kanzler; die Inhaber find als ſolche 
Mitglieder des Herrenhaufes. Ein Verzeichnis jämt- 
licher oberften Öafhargen, der Hofämter und der 
Erbämter nebjt Angabe ihrer Inhaber giebt das 
erg ic Ay nur abrbud für den preuß. 
Staat». Auch in Öfterreich beſtehen in den Landes: 
teilen, welche ehemals zum Deutichen Bunde gebört 
baben, Erbhofämter in ehr großer Zahl. In —— 
Ser nad der Verfaſſung von 1808 vier lebnbare 

eihäfronämter eingeführt worden: der Dberft- 
bofmeifter, Oberjtlämmerer, Oberftmarfhall und 
Oberſtpoſtmeiſter. Ihre Würden find Thron⸗Mann⸗ 
lebne, die entweder auf Lebengzeit ded Würden: 
trägerd oder mit dem Rechte der Bererbung auf def- 
fen männliche Defcendenz nad) dem Rechte der Erft- 
geburt verliehen werden. Die Inhaber find Mit 
glieder des rg Familienrates und der Kammer 
der Reichsräte. Die alten, in den einzelnen Landes: 
teilen vorhanden gewejenen Erbämter find aufge 
—— Ahnlich if die Einrihtung in MWürttem- 

erg. Dafelbft find 1808 vier lehnbare Kronerb⸗ 
bofämter errichtet worden, nämlich Erbreichsmar⸗ 
(ball, Erboberbofmeifter, Erbreihsoberlämmerer 
und Erbreihspanner; 1819 wurde das Erblandpoſt⸗ 
meifteramt errichtet. Dazu fommen die beiden aus 
älterer Zeit ftammenden Erbämter des Erblämme: 
rerd und des Erbmarihalld. — Val. König, liber 


Erbämter (in der «Minerva», Jena 1843, Mai: und 
Erblafien, ſ. Erroöten. Juniheft). 


Erblafſer, jede verſtorbene Perſon mit Bezug 
auf die Beerbung, alſo die Perſon, deren Vermögen 
(Attiva und — vererbt wird. In — yo 
der letztwilligen Verfügungen nennt man €. ben, 
ber legtwillig verfügt bat. — Hanbelt es fib um 
die Beerbung einer rechtskräftig für tot erflärten 
Perſon, fo wird auch dieje Perſon als €, bezeichnet, 
fomweit das geltende Recht (vgl. Deutfches Bürgerl. 
Geſetzb. 8. 18) die Beerbung einer foldhen ven 
geitattet. — Nach kanonifhem Rechte können Mi 

lieder eines Klofterordend nicht beerbt werben, 
tſprechende Vorſchriften finden ſich nod in man» 
hen Rechten, dann aber, wie 3. B. im Preuß. Land» 
recht, dahin umgewandelt, daß die Mönde und 
Nonnen nad abgelegtem Kloftergelübve (Profeß) fo: 
fort als tot angeſehen und beerbt werben, mitunter 
auch fo, daß nur der Eintritt in die Bettelklöfter 
dieſen Grfolg bat. Das Öfterr. Bürgerl. Gejegb. 
8.578 entzieht Kloftergeiftlihen für bie Regel nur 
die Befugnis, letztwi ig zu 2 en. Mit Ein- 
—— des Deutſchen Bürgerl. — traten 
dergleichen partikularrechtliche Beſtimmungen außer 
ſtraft —— * Art. 55). > 

Erblehne, Lebngüter, bei denen nicht das 
Le —— ſondern die Grundſätze der civil⸗ 
r — Erbfolge gelten. Ferner verſteht man 
unter €, auch Bauerngüter, die den Bauern nad 
lehnrechtlichen Grundfägen übertragen find (Heu: 
dafter, Zind», Beutellehne). Someit es 
nit um Bafallentreue und Ritterdienfte han 
entſchieden die Grundfäge des Lehnrechts. End⸗ 
lich wird E. auch für die Erbleihe oder das erb⸗ 
liche bäuerliche ungsrecht (Rolonatredt, ſ. Ko⸗ 
lonat) gebraudt. 

Erbliche Kraukheiten, hereditäre Krank— 
beiten, Krankheiten, deren Entſtehung im gegebenen 


Erblichkeit 


111 


* auf eine von den Eltern oder Voreltern ererbte ! Entſtehung und Ausbildung durch zmedmäßige 


der 
— Kinder iſt jo groß, daß ſich auch die be 
ondern (individuellen) Eigenihaften, welde einen 
Menihen von dem andern unterſcheiden, burc bie 
Zeugung auf die Kinder wenigftens zum Teil über: 
tragen, vererben. Daber können gewifle Abnormi: 
täten innerer Organe, welche die Anlage zu bejondern 
Krankheiten varkelen, von den Eltern auf die Nach⸗ 
fommen durch Vererbung übertragen werben. In 
der That lommt es nicht jelten vor, daß der Sohn ın 
demjelben Zebensalter von einer Krankheit ergriffen 
wird, in welchem der Bater daran litt. Was bier 
vererbt wird, ift nicht die Krankheit, fondern die 
Anlage; die Ausbildung der Krantheit erfordert 
immer noch andere Umſtande, welche fie begünftigen. 
Bon eigentlichen Krankbeiten werben nicht bloß 
die iog. Konititutionstrantbeiten, wie Gicht, Zuder: 
barnrubr, Blutertrantbeit, Syettleibigleit u. a., fon» 
dern aud Tuberkuloſe, Syphilis, Geiſteskrankheiten, 
Epilepfie, Hypochondrie und Hyiterie, Migräne und 
andere Rementrantheiten, Kretinismus, Neigung 
u Schlagfluß und Steinbildung vererbt. Die 
futertrantbeit zeigt dabei die auffallende Eigen: 
tümlicleit, daß fie faft nur bei Männern vortommt, 
fo aber, daß die Töchter, melde jelbft nit an 
der Krankheit leiden, diefelbe auf ihre Söhne über 
tragen. Die Tubertulofe, die Gicht, die Fettleibig— 
teit u. f. mw. breden bei den Nachkommen ge 
wobnlich erft zu der Zeit auß, wo biefe Rranl- 
beiten überbaupt am baufgfien find. Die Kinder 
ſchwindſüchtiger Eltern 3. B. find oft bis in das 
20. und 25. Yabr ganz geſund und erfranten 
dann auf einmal und gewöhnlich viel ſchwerer als 
bei erworbener Quberkulofe; freilich ſterben viele 
auc ſchon in den eriten Lebensjahren. Es kommt 
nicht jelten vor, daß beide Eltern zur Zeit, mo fie 
die finder zeugten, noch ganz gefund zu fein jchie: 
nen, daß aber der eine Erzeuger, aus einer ſchwind⸗ 
füchtigen Familie ftammend, den Keim der Krank⸗ 
beit ſchon in ſich trug: die Kinder werden doch tuber: 
tulos. Nicht immer find es die leihen Gebredhen 
und die gleiben Kranlheitsanlagen, die in der 
Familie fi wiederholen, jondern häufig nur ähn» 
liche Formen; insbefondere gilt dies für Nerven: 
trantbeiten, die nit nur für die mannigfadjten 
Formen von Nementrankbeiten, ſondern auch 
Fud br u. ſ. w. disponieren. Cigenartig 
tjt Die tjache, daß in familien, in denen Geiſtes⸗ 
franfheiten einheimifd find, bisweilen zugleid, die 
intelligentejten und genialiten Köpfe vorlommen. 
Noch merktmürdiger ik wie oft ee ganz gefunde 
Eitern faft lauter Kinder mit Mipbildungen oder 
Gebrehen beroorbringen; gemöhnlih handelt es 


r 


fi bier um —— auf die Großeltern oder noch 
tere Ahnen. (S. Erblichleit/ 

ie phyſiol. Geſetze, nad) denen die erbliche fiber: 

tr von Kranfbeitsanlagen vor ſich gebt, find 

nob völlig unbelannt. Der Einfluß des Vaters 


binfichtlich der Vererbung von Krankheitsanlagen 
jann natürlih nur während der Zeugung ftatt- 
finden; die Mutter wirkt dagegen auch während der 
Schwangerfchaft und während des Stillens noch 
auf das Kind, und es ift die Möglichteit zuzuge⸗ 
tteben, daß auch hierdurch nod die Gelegenheit zu 
6. 2, namentlich der Zubertulofe, gegeben wird. 
Für die Behandlung der erblihen Samilienübel 
it & von der größten Wichtigkeit, daß man ihre 


| 
| 
Die | burt 
K 
ſt 
ü 
fü 
S 


itsanlage zuructzuführen iſt. Der Einfluß | Verhaltungsmaßregeln ſchon beizeiten zu hindern 
tern auf den Drganısmus der von ihnen er⸗ ſuch 


t. Mande Kranke, jo Epileptiler, Tubertulöfe, 
Geiftestrante, follten überhaupt nicht heiraten; 
jedenfalls follte jever, der eine erbliche Anlage bes 
ſigt, es vermeiden, eine Perſon zu heiraten, melde 
diefelbe Anlage ererbt bat, vielmehr fich mit einer 
ſolchen verbinden, welche von entgegengejebter Kon⸗ 
jtitution ift. Da bei der Bildung des Embryo 
(f. d.) männliche und weiblihe Zeugungäftofie zus 
ammenmirten, jo kann durch ibergemiet von einer 
ite ber der Einfluß von der andern eliminiert 
und aufgehoben werden. Aus diefem Grunde ift 
eine vernünftige —— Ausleſe und die 
durch fie bedingte Kreuzung (f. d.) der Stämme das 
befte Mittel, um der YAusartung der Geſchlechter 
vorzubeugen, während befanntlic durch fortgeſetzte 

nzucht oder Heiraten unter naben wandten 
ewiſſe Familienzüge und Yamilienübel bie 
em ausbilden und fortpflanzen. Nament: 
ei ift Died vom Kretinismus und von der Jpiotie 
befannt. Man richte weiterhin bei dem Verdachte 
einer erblihen Rrankheit3übertragung von der Ge: 
an alle Umftände, unter denen das Rind lebt, 
v ein, daß die ererbte Anlage möglichft wirkſam be 
ämpft wird. Man forge zu diefem Bebufe für ein« 
verftändige Kräftigung und Abhärtung Pr d.) dee 
örperd, wobei namentlih der möglihft unge: 
ſchmälerte Aufenthalt in guter reiner Luft von 
deutung ift, und fuche namentlich in dem Lebens: 
alter, in welchem die Krankheit bei den Eltern ent: 
anden war, alle jene zufälligen Gelegenbeitd- 
urſachen möglichft fern zu halten, die erfabrungs: 
emäß bie —— der betreffenden erblichen 
ankheit begunſtigen. — Vgl. Bollinger, Über Ber: 
erbung von Krankheiten (Stuttg. 1882). 
Erblichkeit, im biologifhen Sinne die Fäbig: 
teit der Lebeweſen, ihre körperlichen oder en en 
Eigenihaften mehr oder weniger getreu au ihre 
Nahlommen zu übertragen. Jede einzelne derartige 
bertragung wird ald eine Vererbung (hereditas) 
bezeichnet, doch wird diefer Ausdruck bäufig aud 
leihbedeutend mit E. angewandt. Wir find zu: 
Reit noch fo meit entfernt von einem Berftänbnis 
der bierber gebörigen Erſcheinungen, daß man bie 
€. als das duntelite Gebiet der gefamten Biologie 
anfeben darf. Immerhin find in den legten Sahrı 
ebnten mit Hilfe des Mitroflops fe 
Fortfchritte erzielt worden durch eine 
nis der Vorgänge bei der Befruchtun 
wiflen jegt, daß bei der geiclectliden 
ein neues Lebeweſen dadurch entftebt, ba vom 
mütterlihen Körper das einzellige Ei, vom väter: 
lien der Samenfaben ablöft, und daß dieſe bei» 
den einzelligen Gebilde miteinander —— 
Hierbei wird in vielen Fällen der größte Teil 
des Samenfadens, nämlich der protoplasmatiſche 
Schwanz, nicht mit in das Ei aufgenommen, fon: 
dern nur der vorderſte Abfchnitt, der fog. Kopf. 
Diefer beitebt faft ausſchließlich aus dem Kern der 
amenzelle, der fodann mit dem der Eizelle ver: 
wächſt, fo daß die Verſchmelzung diefer beiden 
Kerne als das weſentliche des Befruhtungsvor: 
gangs angejeben werden muß. Aus der Thatiache, 
daß die väterlihen Eigenichaften durch die ch⸗ 
tung ebenſo wollſtändig auf das Kind übertragen 
werden können wie bie mütterlichen, ergiebt ſich der 
Fundamentalfag: die Bererbungstendenzen find an 
die Kerne der Samen: und der Eizellen gebunden. 


ch 
um 


weſentliche 
re Erlennt⸗ 


112 


Damit ift eine der finnliben Wabrnebmung zus | 
aänglihe Grundlage für die Beobadtung und die | 
tbeoretiiche Deutung der Vererbungserſcheinungen 
yermonnen worden. i 

Haedel und andere Naturforfher haben Ver: | 
erbungsgeſetze aufgeitellt; jedoch handelt es ſich 
bierbei nicht um ausnahmsloſe, —— Zuſam⸗ 
menbänge, ſondern nur um gewiſſe Regeln, bie die 
Natur mehr oder weniger bäufig und genau einhält. 
Die wichtigſten davon find folgende: 

1) Beide Eltern find im gleiben Maße befäbigt, 
ibre lörperlien und geiftigen Eigenſchaften auf die 
Nahlommen zu übertragen; obwohl aljo bei den 
lebendig gebärenden Geſchöpfen, einſchließlich des 
Menſchen, die Mutter allein den Embryo ernäbrt, 
braucht deshalb ihr Einfluß auf die Merkmale des 
Rindes nicht größer zu fein als der des Vaters. 

2) Eigenihaften, die beiden Eltern in ungefähr 
demjelben Grade (3. B. eine bejtimmte Länge der 
Haare) zulommen, treten bei einzelnen Nahlommen 
bäufig In verftärltem Maße auf. Die Vererbung 
bewirkt alſo dann eine gewiſſe Summation der 
Gigenfhaften. Diejes Princip ift von höchſter 
Bedeutung für die Züchtung der Haustiere. Indem 
der Züchter aus einer größern Anzabl von Indivi— 
duen diejenigen auswählt, welde eine gewünſchte 
Eigenſchaft in einem gewiſſen Grade bejigen, und | 
dieje untereinander freuzt, erhält er einige rem: | 
plare, die jenen Ebaralter in noch höherm Maße: 
befigen, und dadurch, daß diefer Prozeß planmäßig 
durch viele Generationen —— geübt wurde, 
ind die —— Raſſen erzielt worden, die 
wir beute bei Hubn, Taube, Hund, Schaf u. a. fennen. 

3) Falls die Eltern erbeblich verjchiedene oder gar 
entgegengejepte Eigenſchaften des Körpers, des 
Geiſtes oder nur der Konftitution befigen, jo tommt 
es bei den Kindern entweder zu einer Miſchung 
der Merfmale oder e einer Abſchwächung 
oder Aufbebung derjelben. Hierauf beruht nad 
der Auffafjung der meiften Naturforjdher die Be: | 
deutung ber —— Vermehrung im Gegen⸗ 
ſatz zur ungeſchlechtlichen durch einfache Teilung oder 
durch Bildung einer Knoſpe, die ſpäter abgeworfen 
wird und weiter lebt. Die geſchlechtliche 
Fortpflanzung ſpielt in der Natur eine jo außer: 
ordentliche Rolle, indem fie jhon bei den Protozoen 
und Algen beginnt und von den Wirbeltieren an 
die ausjchließlihe Vermebrungsform daritellt, daß 
ibr eine tiefere Bedeutung im Hausbalte der Natur 
inne wobnen muß. Die Miſchung der —— 
iſt eine der Urſachen der Variabilität und liefert ſo 
der Natur für ihre ſtetig wechſelnden Verhältniſſe 
neue anpaſſungsſähige Individuen. Durch die Ab— 
| und Aufbebung von Merkmalen fönnen 
idädliche Eigenihaften, die ſich im Laufe der Zeit | 
gebildet haben und bie bei weiterer Dauer zum Aus: 














ıterben der Art fübren würden, gemildert oder be: 
jeitigt werben. Vielfältige Erfahrungen zeigen ben 
eminent fcbädlichen Einfluß der Anzucht & d.), de b. 
der Kreuzungen nahe verwandter Individuen. Die 
— jedoch nur dann von unangenehmen 
Folgen begleitet zu ſein, wenn die Erzeuger mit 
irgend welchen Gebrechen oder krankhaften Dispoſi⸗ 
tionen behaftet find; bei völlig gefunden Organis: 
men ſchadet Inzucht nicht, wie daraus hervorgebt, 
daß ſie in vielen Fällen bei Tieren wie Menkhen 
durd Generationen bindurd ohne nadleilige Folgen 
ausgeübt worden ift. Eo waren 5. B. bei Perjern, 
Pböniziern und Arabern Heiraten nicht nur zwiſchen 





Erblichteit 


Geſchwiſtern geftattet, ſondern aud zwiſchen Bater 
und Tochter, Mutter und Sobn; einige Säugetiere 
baben fib auf Injeln enorm zablreih entmwidelt, 
obwohl fie alle von demſelben Paar abftammen. 
Im allgemeinen aber find krankhafte Tendenzen bei 
allen Organismen fo verbreitet, daß wir in der ge 
ſchlechtlichen Vermehrung ein Gegenmittel jeh 
dürfen, das darauf berubt, daß fi entgegengeiekte 
Bererbungstendenzen in vielen Fällen aujbeben. 
Stammt daber jemand aus einer Familie, in der 
Lungentranfbeiten häufig aufgetreten find, jo lann 
er jeine Nachlommen nur dadurch |hüßen, dab er 
in eine möglichft gefunde Familie einbeiratet. 

4) Wenn die Merkmale beider Erzeuger auf das 
Kind übergeben, jo können fie entweder getrennt 
nebeneinander auftreten, oder fie verſchmelzen. So 
erbält man durd Kreuzung von rein weißen und 
rein ſchwarzen Ranindhen neben einfarbig weißen 
oder warzen Tieren ſolche mit großen weiken und 
ihwarzen leden. Werden lektere weiter unter: 
einander gelteuzt, jo werben die Flecen Heiner und 


' fchließlich erfolgt durch Verfhmelzung jener Ten: 


denzen ein gleibmäßiged Grau. Beim Menihen 
jeigen erviife Merkmale, 5. B. die Hautfarbe und 
die Größe des Vaters und der Mutter, eine große 
Neigung zu einem Mitteltopus zu verichmelzen, 
mäbrend andere, 3. B. die Farbe der Regenbogen: 
baut des Auges, meift getrennt übertragen werben. 
Dasſelbe gilt für geiitige Eigenjdaften. In einem 
Kinde kann ein bejtimmtes Talent des Baters zu: 
zen mit dem Fleiß der Mutter auftreten und 
o zu einer bedeutenden Steigerung der Leiftung?- 
fäbigteit führen. 

5) Häufig werden ganze Gruppen von Merkmalen 
gleichzeitig vererbt, was darauf binmweift, daß fie 
irgend wie miteinander verbunden fein müſſen und 
in einem feften Abhaängigkeitsverhältniſſe (Horrela: 
tion) zu einander jtehen. In Deutihland haben 
große Menſchen meift einen längliben Kopf, eine 
einen runden; belle Augen find meift verbunden mit 
bellen Haaren und beller Haut, dunkle mit bunller 
Haut und Bebaarung. 

6) Unter latenter, unterbrodener Ber» 
erbung veritebt man die Erſcheinung, daß ein 
Merkmal eine oder mehrere Generationen über: 
{pringt und von einem Organismus vererbt wird, 
der jelbft dieſes Merkmal nicht in einer fichtbaren 
Form aufweilt; man nimmt dann an, daß er zwar 
die Anlage zu der a reg batte, dieſe aber nicht 
pt Entjaltung bradte. Häufig wird z. B. eine 

igentümlichteit des Vaters (Bartwuchs, Form der 
Nafe, Talent) durch die Tochter auf den Entel über: 
tragen, ohne bei der Tochter nahmeisbar zu fein. 
Over der Bau des Bedend vererbt ſich von der 
Mutter dur den Sohn auf die Entlelin. Da folde 
Fälle ungemein bäufig find, fo muß man annehmen, 
daß jeder Organismus viel mebr Vererbungsten⸗ 
denzen enthält, als man nad) der Zabl jeiner fit: 
baren Mertmale vermuten follte; er befist latente 
Charaltere ala Erbteil feiner Vorfabren, die aud 
auf jeine Nahlommen übergehen und in dieſer oder 
jener Generation plöklic wieder auftauchen fönnen. 

o erflärt fih die Erſcheinung des Generation 
wechſels (ſ. d.), bei dem mebrere differente Genera 
tionen in regelmäßigem Cyklus miteinander ab- 
wecjeln. In ähnlicher Weiſe werden die Erſchei— 
nungen des Rüchſchlags (Ntavismus) gedeutet, 
bei dem Eigenſchaften von zeitlich jebr weit zurüd 
liegenden Generationen plöglich wieder auftauden. 


Erblichfeit 


1) Häufig wird eine Gigentümlichleit immer oder 
überwiegend nur auf das eine Geſchlecht übertragen. 
Ran ſpricht dann von einfeitiger oder ferueller 
Bererbung. Hierbin gebört die libertragung der 
jelundären aldharaltere, d. b. ſolcher Diertmale, 
die niht den Geichlechtsorganen angehören, aber 
doch immer nur entweder bei den Männchen oder bei 
ven Veibchen auftreten, 3.8. der Bart des Mannes, 
das Geweib des Hirfches. Eine ſolche —— Ver⸗ 
erbung wird häufig ganz außerhalb der Sexual⸗ 
ipbäre oder jedenfalls ohne nahmeisbaren Zujam- 
menbang mit ihr beobachtet, namentlich bei manchen 
Konftitutionsanomalien und Mißbildungen. So 
wurde die Borftenhaut des Edward Lambert durch 
De! Generationen bindurd nur auf die männlichen 

aclommen vererbt. Farbenblindheit und Blu: 
terkrantheit geben mit Vorliebe auf die Männer 
über, mwäbrend nah Galton eine Dispofition für 
die Schwindfucht vornehmlich von der Mutter ges 
erbt wird. j 

Über die wichtige Frage, welche Eigenſchaften 
erblih find und welche nit, geben die Anjichten 
der Forſcher gegenwärtig mehr ala je auseinander. 
Der geſchlechtsreife —— iſt hinſichtlich ſei⸗ 
ner Eigenſchaften gleichſam ein Doppelweſen. Einen 
Zeil derſelben bat er ererbt, d. b. ihre Anlagen waren 
vom Moment der Befruchtung an dem Keim ge: 
— Derartige Mertmale werden angeborene, 
ongenitale oder blajtogene genannt. Biele 
andere Gbaraltere erwirbt der Menſch, das Tier 
oder die Bilanze nad volljogener Befruchtung durch 
die Einflüjje der Außenwelt. Diefe lönnen bei einem 
Säugetier af die Mutter während der Tragzeit 
und damit auf den ſich entwidelnden Embryo ein: 
wirten, oder aud ein im Waſſer liegendes Froſchei 
oder ein an Baumrinde —— nſeltenei wäb: 
rend der Embryonalentwidlung beeinfluſſen. Sit 
die Embroonalzeit verjtrichen, fo ift das betreffende 
Individuum mwäbrend feines ganzen Lebens den 
allmäctigen Einflüfjen feiner Umgebung auögejest. 
Ficht und Luft, Kälte und Wärme, Trodenbeit und 
Feuchtigleit, Nahrung und Boden wirten beftändig 
darauf ein und verleihen den innern und äußern 
Drganen ein ganz beitimmtes Gepräge. Alle ſolche 
Eigenjhaften werden im Einzelleben erwor: 
bene, individuell erworbene, fomatogene 
oder furjmeg erworbene genannt. Daß die Heim: 

—5* die blaſtogenen Charaltere vererbt werben, 

ff nblid, denn da fie jelbft ererbt wurs 

den, fi aljo von ———— Generation 
ableiten, ſo iſt nicht einzuſehen, weshalb ſie nicht 
auf die nachfolgende übergeben ſollten. Die große 

Streitfrage jedoch ijt, ob die erworbenen Eigentüm: 

lichleiten vererbt werden. Hier jpalten ſich die Bio: 

logen und Bathologen in zwei ſcharf gefchiedene 

Barteien. Unter der Führung von Weismann und 

Galton leugnen die jog. Neodarwiniften bie 

Übertragbarteit der erworbenen Eigenfchaften und 

meijen darauf bin, daß BVerlegungen oder beren 

‚ ferner durch einjeitige Thätigfeit erworbene 

Veränderungen (Bingerterngieit des —— 

harte Muskulatur des Schloſſers) und geiſtige Er: 

werbungen —S—— nicht übergehen. Es 
lann in der t nicht geleugnet werden, daß Ber: 
tümmelungen, felbit wenn fie durch viele Generas 
tionen bind regelmäßig ausgeübt werden, wie 
die fünftliche — ————— Füße bei den Chi⸗ 
nefen, die Entfernung ber Borhaut bei den Semis 
ten, bad Durchbohren der Obrläppchen bei unfern 

Urodhaus’ Monverfationdßeziton. 14. Huf. R VI 


113 


Frauen, nicht erblich werden. Die Veränderungen, 
die fih an den Arten im Laufe der Erdgeſchichte 
vollzogen haben, werben von jener Schule auf die 
Wirkungen der Ausleje (Selektion, ſ. Zuchtwahl) 
urüdgeführt. Die fünfzebigen Vorfahren der Bierde 
find 3. B. nit daburd allmählich zu einzebigen 
geworden, daß die Mitteljehe einer Generation 
durch das Gewicht des Körpers bejonders gereizt 
und vergrößert und diefe individuell erworbene Ber: 
größerung auf die nächte Generation übertragen 
wurde und fo ichließlih eine Summierung dieſer 
Veränderungen ftattfand, fondern es blieben nad 
der Auffaſſung von Weismann und Wallace immer 
nur bie Pferde im Kampf ums Dafein am Leben, 
die auf Grund einer zufälligen Reimesvariation 
eine ſehr lange Mitteljebe beſaßen, dadurch befon: 
ders jchnellfüßig waren und jo ihren Berfolgern 
leicht entrinnen fonnten. Im Gegenfa zu biefer 
Auffafiung halten die meiften Naturforjcher an der 
alten, von Lamard und Darwin vertretenen Anficht 
feit, daß die erworbenen Eigenichaften vererbt wers 
den können (fie müflen es nicht in jedem Yalle), 
falls fie durch viele Generationen durd einen Reiz 
von genügender Intenſität hervorgerufen werben, 
Eine fihere Entſcheidung in biefer Fundamental: 
age iſt Br * nicht moglich, da ſich im einzelnen 
alle vie Wirkung der natürlichen Auslefe nicht über: 
eben läßt und auch keine völlig einwandfreien Erpe: 
rimente weder dafür noch dagegen vorliegen. 
Bererbungstbeorien jind von verichiedenen 
Naturforfchern aufgeitellt worden, ohne jedoch allge: 
meine Anerltennung zu finden, Wir nennen bier nur 
die wichtigſten. Darwind Pangeneſistheorie 
nimmt an, daß alle Organe feinfte Keimchen (gem- 
mulae) abgeben, gleihjam Heinfte Abbilver ibrer 
felbit, die in die Eier und Samenfäden des betreffen: 
den Individuums eindringen und fo diefelben For⸗ 
men in der zweiten Generation hervorrufen. Sie 
tönnen auch im latenten, gleichjam jchlummernden 
Zuſtande an eine der folgenden Generationen weiter 
gegeben werben und jo die Ercheinungen des Ge: 
nerationdwechjeld und des Rüdichlags hervorrufen 
Es liegt auf der Hand, daß durd eine foldhe Bor: 
ftellung bie E. nicht verftändlicher wird, da wir nicht 
wiſſen, melde Kräfte die Keimchen in den Keim: 
- auffpeichern, und zwar gerade in der Zahl und 
nordnung, daß fie die Übereinftimmung mit den 
Eltern hervorrufen. Galton brachte das Blut von 
weißen Kaninchen in fchmwarze hinein, ohne daß 
deren Nahlommen — 5* wurden. Durch das 
Blut werden die Keimchen alſo nicht übertragen. — 
Um diejer Schwierigteit aus dem Wege zu geben, 
bat der holländ. Botaniter H. de Vries die Dar: 
winſchen Anfhauungen etwas verändert zu einer 
Theorie der intracellularen Bangenetis. Er 
nennt die Keimchen Bangene und nimmt an, baf 
jede Eigenſchaft dur ein befonderes Bangen ver: 
treten iſt. Dieſe materiellen Träger der körperlichen 
Eigentümlichleiten wandern jedoch nicht im ganzen 
Organismus umber, fondern fie finden ſich ſämt⸗ 
lic in jedem Zelllern, der alfo gleichſam die Summe 
der Eigenſchaften repräjentiert. Bon bier wandern 
einige wenige Bangene in das Zellplasma der be: 
treffenden Seue und rufen deren Befonderbeiten 
bervor. Bei diefer Auffafjung befteht die Schwie: 
rigleit, zu verftehen, warum nur dieſes oder jenes 
en in das Eytopladma übertritt, und wie eine 
an einer Stelle des Körpers erworbene Beränbe 
rung alle übrigen Kerne und vor allem die Kerne der 


114 


Keimzellen entiprechend verändert. Um letzteres zu 
verfteben, hatte ſchon 1876 Haedel eine Theorie der 
Berigenejis der Plaſtidulen aufgeitellt, nad 
der das Protoplasma aus Einbeiten (den Plaſti— 
dulen) beitebt, die fich je nad ihren Eigenſchaften 
in verſchiedenem Schwingungszuftande befinden 
und diefe Schwingungen bis zu den Genitalzellen 
weiterleiten können. Nägeli dentt ſich alle gelen 
des Körperö durchſetzt von einem Nebmwerl von 
Spioplasma, d. b. einer Subjtanz, die von Indi— 
viduum zu Individuum wechſelt. Gebt, wie Plate 
annimmt, diejes Netzwerl von Kern zu Kern, alfo 
— von der Haut bis in den Hoden, ſo iſt eine 

bertragung erworbener Eigenſchaften, rein theo: 
retifch betrachtet, möglih. Umgekehrt glauben Gal- 
ton und Weismann, daß die in den Keimzellen be 
findlihe ſpecifiſche Subſtanz (das fog. Keim: 
plasma) nicht mit den Klörperzellen in direlter 
Berbindung ftebt, fo daß demnach erworbene Eigen: 
haften nicht erblich fein fönnen. Bei der Furchung 
ebt nad diejen Forſchern das Keimplasma mit 
einen blaftogenen Eigenichaften unverändert in 
diejenigen Embryonalzellen über, die fpäter die 
Reimzellen liefen. So bejtebt von Generation zu 
Generation eine Rontinuität des Keimplas— 
mad und bedingt die Ähnlichkeit derfelben. 

Val.Lucas, Traite de Phérédité naturelle (2Bde., 
Bar. 1847—50); Darwin, Das Variieren der Tiere 
und Bilanzen im Zuftande ver Domeftikation (deutich 
von Carus, 2 Boe., Stuttg. 1868; 2. Aufl. 1873); 
Buchner, Die Macht der — (2pj. 1882); 
Brool3, The law of heredity (Baltimore 1883); 
€. Rotb, Thatfahen der Vererbung (2. Aufl., Berl. 
1885); Ziegler, Können erworbene Eigenfhaften 
vererbt werden? (Jena 1886); Galton, Natural in- 
heritance (2ond. 1889); derj., Hereditary genius 
(2. Aufl., ebd. 1892); MWeismann, Das Keimplasma. 
Eine Theorie der Vererbung (Jena 1892); deri., 
Auffäge über Vererbung (ebd. 1892); Haade, Ge: 
ftaltung und Vererbung (2pz. 1893); Rhode, Ent: 
ftebung und Vererbung ermworbener Eigenſchaften 
Jena 1895); Ribot, Die E. (deutih von Aurella, 

3.1895); ®oette, liber Vererbung und Anpaflung 
(Rektoratörede, Straßb. 1898); Kaſſowitz, Allge: 
meine Biologie, Bd. 2: Vererbung und Entwidlun 
(Wien 1899); J auch die Litteratur zu rer x 

Über €, oder Heredität im ubulio ogiſchen 
und pathologiſchen Sinne ſ. Erbliche Kranlhei— 
ten; über E. im juriſtiſchen Sinne ſ. Vererblichkeit. 

Erblindung, ſ. Blindheit. 

Erblofung, Art des Retraktes (ſ. d.). 

Erbmarſchall, j. Erbämter und Erzmarſchall. 

Erbmonardhie, j. Erbfolge. 

Erbpadjt, Erbzinsleibe, eine der Formen 
des fog. geteilten Eigentums. Sie gewährt ein 
erblihes und veräußerliches dingliches Nugungs: 
recht an Grundftüden, namentlib an Bauern: 
gütern, und ſteht meift Fällen der röm. Emphyteuſe 
18) ehr nahe. Der Erbpäcter (Erbzjinsmann, 

rundbolde, Erbmeier) bat jährlib einen * 
Kanon, d. i. eine Geld: oder Körnerabgabe, außer: 
dem regelmäßig bei jedem Befipiwechrel ein Lau⸗ 
demium oder Mortuarium an den Örundberrn zu 
entrichten. Bei der Begründung einer neuen E. 
pflegt der Erbpächter eine gemifje Anzahlung, das 
Erbbeitandgeld (I. Grobeltand) zu leilten. Der 
Grundberr bat bei Veräußerungen in der Regel 
das Vorlaufsrecht; Berpfändungen und Teilungen 
lönnen nur mit feiner Zuftimmung vorgenom: 


Erblindung — Erbprinz 


men werden, und bei Deterioration des Gutes, 
ſchlechter Wirtſchaft des Erbpädhters, längerer Ber: 
fäumnis der Zinszablung kann er das Gut zurüd: 
ziehen. Die in der Geſeßgebung ſeit einem Jahr— 
hundert vorberrjcende indivibualiftifch : liberale 
Strömung führte in mandyen Staaten in Zuſammen⸗ 
bang mit der Bauernbefreiung zur Befeitigung der 
E. und aller andern Arten des geteilten Eigentums, 
So hob insbefondere das preuß. Geſetz vom 2. Mär; 
1850 das Eigentumsrecht des Grundberrn ohne 
Entihädigung auf, verlieh dem Erbpächter das volle 
Eigentum, indem die auf dem Grundjtüd baftenden 
beftändigen Abgaben und Leijtungen in ablösbare 
Reallaften umgewandelt wurden, und bejtimmte 
ferner, daß in Zukunft bei erblicher Überlafjun 
eined Grundftüds nur die Übertragung des vol: 
len Eigentums zuläffig fei, daß die Ablösbarleit 
der Renten nie Hr länger als 30 Jahre vertragd: 
mäßig ausgeſchloſſen werden, aud deren Ablöjungs: 
betrag das Funfundzwanzigfache der Rente nicht 
überfteigen dürfe. Ebenſo Ichließt die franz. Ge 
Isacbung eine eigentlihe €. aus, wenn fie auch 
Pachtver ie von langer Dauer — In 
neuerer Zeit iſt in Deutſchland die Wiedereinfub 
rung der E. vielfadh empfohlen worden als ein Mit: 
tel, um den Bauern: und Kleingrundbeſitzerſtand 
namentlich in den Gebieten dftlich der Elbe zu meb: 
ren und bisher unbebauten Moor: und Heideboden 
in ertragsfäbhige Aderländereien umzugeſtalten 
Man konnte dabei auf die nicht unbefriedigenden 
Ergebnifje derjelben in Medlenburg- Schwerin If. 
Domänen), in den Moorkolonien von Hannover 
und Oldenburg, in Holland (mo die €. unter dem 
Namen Beklemmrecht namentlich in der Provinz 
Groningen von Bedeutung ift) und in andern Län: 
dern verweilen. Die E. bietet für die Zmede der 
innern Rolonifation den Vorzug, daß fie den Erwerb 
eines dauernden Beſihes mit einer verhältnismäßig 
Heinen, etwa nur den Gebäubemwert repräjentieren: 
den Anzahlung, ja fogar ohne eine ſolche geitattet 
und dem Grundberrn eine Handhabe bietet, Zei: 
lungen und d plitterungen der neu errichteten 
Stellen zu verhindern. Andererſeits ſchließt aber bie 
E. die Gefahr der Auferlegung ſchädlicher Beichrän: 
kungen in der Benußung der Grundftüde ſowie der 
Enttebung bedenklicher jocialer Abhängigteitäver: 
bältnifje in ſich. Aus dieſem Grunde ift in Breußen 
die Wieberzulafiung der E. abgelehnt und ftatt der: 
elben zur Förderung der innern Rolonifation das 
ftitut des Rentengutes (ſ. d.) 1890 neu belebt 
worden; dieſes befist alle Vorzüge der E., vermei: 
det aber im wejentlichen deren Nachteile. In Rüd: 
fiht auf die befondern Verhältniſſe Medlenburgs 
iſt nah Einführungsgefes zum Bürgerl. Gefegbud 
Art. 63 das Landesrecht über E., wo fie beitebt, auf: 
recht erhalten. — Vgl. Ruprecht, Die €. (Gött.1882); 
Artikel Erbpaht im «Handmwörterbuh der Staats: 
wijlenicaften», Bd.3 (2. Aufl., Jena 1900); Mitteis, 
Zur Geſchichte der E. im Altertum (Lpz. 1902). 
Erbprinz, ein Titel, welden in den beutichen 
Herzog: und Fürftentümern der ältefte, zur Thron: 
folge berechtigte Sohn des Souveräng führt; aud 
dem zur unmittelbaren Thronfolge berechtigten 
älteften Entel des Souveränd wird diefer Titel beis 
gelegt. Dagegen pflegen andere Agnaten, wenn fie 
die nächſte Ynwartf aft zur Thronfolge nur des: 
balb haben, weil Dejcendenten oder näbere Agna⸗ 
ten nicht vorhanden find, diejen Titel nicht zu Füb- 
ren. Auch der ältejte, erbberechtigte Sohn der me: 


Erbprinzenfrone — Erbrecht 


vatiierten, ehemals reich3unmittelbaren deutfchen 
Färftenhäujer wird E. genannt. Die Gemahlin 
eines E. beißt Erbprinzefjin. — In denjenigen 
Etaaten, deren Souverän den Titel Raifer oder 
König führt, heißt der E. meift Kronprinz (f.d.), 
in den Großberzogtümern Erbgroßherzog, wä 
rend erin Kurfürjtentümern früber Kurprinz hieß. 
Erbprinzenfrone, j. Kronprinzentrone. 
Erbrechen (Vomitus), die jtoßmeife Entleerung 
des Hüifigen ug wer nah oben durd den 
Schlund und die Mundöffnung, während man das 
Auffteigen des gasartigen Mageninhalts durch die 
Speijeröbre als Aufftoßen (f. d.) bezeichnet. Ein: 
eleitet wird das E. in der Regel durd das Ge: 
[des Gtels (ſ. d.), Zufammenlaufen von Speichel 
im Munde, Ausbreden von Schweiß; das Geficht 
wird blaß, ein Gefühl von Schwäde verbreitet 
nch über den np Örper, und der Puls wird 
Hein und beichleunigt. Endlich ziehen ſich die Bauch⸗ 
muzsteln und das Zwerchfell ftark zujammen, und 
mit größerer oder geringerer Anjtrengung wird 
alles ausgeworfen, was der Magen entbält, zu: 
erft die — Speiſen und Getränke, dann 
Schleim aus Magen und Speiferöbre, endlich Galle, 
die aus dem Zmwölffingerdarm hberübertritt und 
durch ihren grünen Farbjtoff dem Erbrocenen eine 
arüme Farbe erteilt, und oft aud der Schleim aus 
der Quftröbre und den Lungen, in Krankheiten aud 
mancderlei abnorme Stoffe, z. B. Blut S. Blut: 
Streben), Kot (f. Miferere), eigentümlihe Pilz: 
zmen (f. Sarcine), Eingeweidewürmer u. dg 
ft das E. vorüber, fo jtellt fih Mattigteit und 
chlaf oder, war die Anjtren —— ſehr be⸗ 
deutend, bald das vorige Wohlbefinden wieder 
ein. Die Urſachen des €. find verſchieden. In der 
erjten Kinpbeitsperiode ift es infolge der mehr fent: 
rechten Lagerung des Magens faft normal und 
obne alle Beſchwerden, jowie bei manden Tieren 
das €. eine normale Rebenäverrihtung ift 4.8. 
das Ausbrechen des Gemwölles bei manden Raub: 
vögeln). Der Säugling entfernt das libermaß der 
—— Milch durch ein dem Aufſtoßen ähn: 
laches, mübelojes Brechen. Das krankhafte E. ent: 
ſteht entweder durch Reizung des Magens, beſonders 
bes untern Magenmundes, z. B. durd fberfüllung 
des Magens, durd in den Magen gebrachte Gifte 
oder Reizmittel (j. Brechmittel), durch Entzündun 
oder Geſchwure des Magens, Magenkrebs, dur 
Berengerung des Magenausganges, des Darms 
u.f.m., oder durch eine vom Gehirn ausgehende 


tranfbafte Erregung (3. B. bei Schwindel, heftigem | über 


Kopfſchmerz, Himerjhütterung, ——————— 
dung, in Anſchluß an Nartofen, z. B. bejonders mit 
Ebloroform oder Ülther, bei der Seetrantheit und 
andern ſtarl jhaufelnden und drebenden Bewegun⸗ 
)auf refleltoriſchem Bege(f. Reflererfcheinungen), 
onders vom Schlund und Zäpfchen aus (menn 
man den Finger in den Hals ftedt oder das Zäpfchen 
mit einer Feder ligelt), und bei Leiden anderer 
Organe, am bäufigiten der Leber, der Nieren, der 
Gebärmutter (namentlid das E. der Schwangeren) 
und des Bauchfells, oder pſychiſch durch die Ein: 
wirfung efelerregender Vorftellungen und gr 
Gemütserregungen. Aberaus hartnädiges €. findet 
fih bei der Bright ſchen Kranlheit (j. d.) als Aus: 
drud der broniichen Hamitojivergiftung oder Urä: 
mie. Pillfürlid können mande, namentlich hyſte⸗ 
riihe Berfonen, durch Verihluden von atmoiphäris 
(ber £uft €. beroorrufen. 


— 


neben äußerlich auf die 


115 


‚Vie Bebandlung des €. ift je nad) der vor: 
liegenden Grundurfache verſchieden. Wo der ei 
gereizt ift, pafien nah Umftänden: das Berfchluden 
von kaltem Waſſer oder Eisftüddhen, von kohlen⸗ 
fäurebaltigen Getränten (Braufepulver, Soda: oder 
Selterwafler, mitunter Champagner), im Notfall 
Nartotita (z. B. Opium, Belladonna, Bittermandel- 
waſſer, Nux vomica in fehr geringer Dofis), das 
i Ragengegend talte Um: 
„la enfteige oder Ginreibungen mit Senf . 
iritus. In andern Fällen find ätherijch:ölige 
ittel (3. B. Kamille, Baldrian, Bomeranzen, auch 
—*** Kaffee) oder zuſammenziehende Stoffe 
(4. B. Gerbſäute, Kreoſot, Wismutweiß) oder fäure: 
tilgende Mittel (z. B. doppeltkohlenſaures Natron, 
Magneſia) angezeigt. Erfolgt das E. nur mit gro: 
ber Anftrengung, fo kann man es dur Trinten von 
warmem Wafler oder Kamillenthee ſowie dur rot: 
tieren der Magengegend zu befördern juhen, Wenn 
das E. vom Gehirn ausgeht oder jehr ſchnell wieder: 
kehrt, J —— Lage, körperlihe und geiſtige 
Ruhe, Duntelbeit u. ſ. w. am beiten. Wenn Gefunde 
plöglich von heftigem E. befallen werden, vente man 
zunächſt immer an Bergiftung oder Brucheinflem: 
mung. Das bei Schwangern Kiuhor koztuäige €. 
erfordert nur dann einen ärztlihen Eingriff, wenn 
die Ernährung der Mutter darunter leidet. Häufig 
widerſteht es der ärztlichen Kunſt, und ed muß dann 
in befonbers heftigen Fällen —— tunſtlichen 
eburt geſchritten werden. — gl Janowſti, Phy⸗ 
iologie und allgemeine Pathologie des E. (Lpz. 
1902); derf., Allgemeine Semiotil des E. Jena 1908). 
Erbrecht, einerſeits die Rechtsgrundſäte, nad 
welchen der Übergang der durd den Tod eines 
Menſchen nicht erlöfhenden vermögensrechtlichen 
Rechtsverhaältniſſe, in welchen der Verftorbene ala 
Berechtigter oder Verpflichteter ftand, auf einen ans 
dern fich vollzieht; andererfeit3 das Recht einer ben 
Erblafjer überlebenden Berfon, ihn zu beerben oder 
das Recht dedjenigen, der Erbe geworben ift, auf 
die Gejamtheit des Naclafjes. 3 €, berubt au 
folgendem Örundgedanten: Der Einzelne alö end: 
lie, vergängliche Perſon findet durch den Tod fein 
Ende. Dieje Perfon ala Individuum und alle nur 
mit der —* — enge Rechte und 
Pflichten, z. B. viele * iche Rechte, aber auch 
die familienrechtlihen fugniſſe, hören mit dem 
Tode auf. Die vermögensrechtlihen Rechtsverhält⸗ 
wir aber bleiben, von gemwiffen Ausnahmen ab: 
gejeben — und gehen auf andere Perſonen 
ber. der usgangspuntt der Vererbung ift einer: 
feitö, daß das, was der Erblafler an Vermögens: 
rechten erworben bat, mit en Tode nicht ala 
berrenloje Gut ins Freie fällt, fondern den * 
am naͤchſten ſtehenden Perſonen, alſo ſeiner Familie, 
oder dem, welchen er durch die ung ala Er: 
ben als ven ihm am nädjten Stehenden bezeichnet 
— verbleibt. Er hat, was er hinterläßt, mittel⸗ 
r für dieſe Perſonen erworben, wie ein ſorgſamer 
Hausvater jür ſeine Kinder ſpart. Andererſeils muß 
ſeinen Gläubigern das Recht verbleiben, ſich aus 
dem Nachlaß zu befrievigen. Beides ift eine Konjes 
quenz aus der Anerfennung des Privateigentums 
ald einer Grundlage unjerer rechtlichen Einrihtuns 
gen. Deshalb wenden fih aud die Socialiften, die 
dad Privateigentum anfechten, mit bejonderer 
Schärfe gegen die Fortdauer des 6. (S. Eigentum.) 
Nach allen in Deutſchland geltenden Rechten tom: 
men Bermögensgegenftände vor, über welche in ber 
8* 


ſchlaͤge, 


116 


Regel letztwillig nicht verfügt werben kann, z. B. 
Leben, Fiveilommiffe u. f. wm. Auch dieſe Ber: 
mögensgegenftände unterliegen nicht dem freien Zu: 
rifte, jobald derjenige, welchem der Gegenftand ge 
drte, verftorben ift; fie find aljo aud einem E. 
unterworfen. Allein einmal tritt infoweit eine Ge: 
ſamtrechtsnachfolge, alfo eine Haftung für Die Schul: 
den des legten Beſihers, nicht oder nur mit Beſchrän⸗ 
hingen ein, und dann wird der Rechtsnachfolger 
.na —— Vorſchriften beſtimmt oder iſt im 
voraus beſtimmt (successio ex pacto et providentia 
majorum), d. h. der Lehnsnachfolger, welcher nicht 
Nahlomme des legten Beſitzers ift, und der Fidel: 
tommißnadfolger beerben nicht ben legten rer 
ober ideilommißbefiger; fie erhalten das Lehns⸗ 
oder Sibeilommißvermögen aus der Zuwendung des 
— *— Stifters oder erſten erbers. 
ur Geſamtrechtsnachfolge berufen fei, bes 
timmt ſich entweder auf Grund der Gejeglichen Erb: 
olge (f. d.) oder nach der Verfügung des Erblafjerd 
von Todes wegen, mag dieſe eine eine, ein Teita- 
ment (f. Leptwillige Verfügung und Bürgerl. Geſetzb. 
. 1937) oder ein Erbvertrag (j. d.) fein. Neben dieſen 
rufungsgründen kommt, ſoweit gewiſſe Perſonen 
als Erben eingeſezt werden müſſen, das Noterbrecht 
ſ. Noterben und Enterbung), ſoweit gewiſſen Ber: 
onen nur ein gewiſſer Betrag hinterlaſſen werben 
muß, das Pflichtteilörecht (f. Pflichtteil) in Frage. 

Die Rechtsnormen des €. beichränten fich nicht 
auf die Geſamtrechtsnachfolge und deren Grund. 
Sie umfajjen aud den Erwerb der Erbichaft (f. Erb: 
ſchaftserwerb und Erbteilung), die —— 
durch Vermächtnis, die Lehre vom Teſtamentsvoll⸗ 
—5 von der Erbbeſcheini rn und dem Erb: 
chaftslauf. — Bol. Koepven, Gebr uch des heutigen 
römijhen €. (3 Abteil., Würzb. 1886—95); Schir: 
mer, Handbuc des römiſchen E. (Lpz. 1863); Unger, 
Das diterreihiihe E. (4. Aufl., ebd. 1894); Zürn, 
Handbud des preußiihen E. (Berl. 1892); Artitel 
Erbrecht im «Handmörterbub der Staaiswiſſen⸗ 
ihaften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); Gerber, 
Syſtem des Deutſchen Privatrechts (17. Aufl., bear: 
beitet von Coſack, Jena 1895); Strobal, Das 
Deutſche E. auf Grundlage des Bürgerl. Geſehbuchs 
(2. Aufl., Berl. 1901); Böhm, Das E. des Bürgerl. 
Geſetzbuchs (2. Aufl., Hannov. 1900); Hallbauer, 
Das neue Erbichaftärecht des Bürgerl. Geſetzbuchs 
Lpz. 1900); Borderdt, Das E. und die Nachlaß: 

handlung nad den geltenden Reichs⸗ und Landes» 
gelegen (3 Bde. Bresl. 1899— 1901). 

Erbrezef, ſ. Erbteilung. 

Erbrichter, ein Richter, defjen Amt ein erb: 
licher Beſitz iſt (j. Erbgerichtäbarteit); dann aber auch 
wie Richter vielfab den Schulzen bezeichnet, der 
Erbſchulze, aljo ver Ortävoriteber, welcher fein 
Amt kraft des ererbten Erbſchulzenguts (Erbrichter: 
lebng) ausübt. (S. Schulze.) Die Einrichtung iſt in 
Deutſchland durch die Gejeßgebung dieſes Jahrhun: 
dertö bejeitigt, in den ditl. Provinzen Preußens 
erit durch die Kreißorbnung vom 13. Dez. 1872. 

Erbichaft, in der Rechtsſprache das Bermögen 
des Erblaſſers, welches ala Ganzes auf den Erben 
übergebt. $. 1922 des a Geſetzbuchs fagt: 
«Mit dem Todeeiner Perſon (Erbfall) gebt deren Ber: 
mögen (Erbſchaft) ald Ganzes auf eine oder mehrere 
andere Berjonen (Erben) über.» Die E. umfaßt die 
Rechte und die Verbindlichleiten des Verjtorbenen. 
Man jpriht auch von E. zur Bezeichnung der recht: 
lien Stellung, in welder der Erbe ſich befindet, 


Erbrezeß — Erbichaftserwerb 


3. B. «die E. wird verlauft», «jemand bat eine E. ges 
macht». Endlich wird der Ausdrud E. auch verwendet, 
um das Recht, Erbe zu werben, zu bezeichnen, 3. B. 
jemand bat Ausficht auf eine E, 

Neben dem Worte E. wird nicht felten für die 
Geſamtheit der einzelnen Stüde oder Beitanbdteile 
des Vermögens des Erblaſſers, ſowohl der al: 
tiven als der paffiven, wenn eine Beziebung auf den 
Erben nicht in Betracht fommt, der Ausdrud Ber: 
laſſenſchaft oder Nachlaß gebraudt. Wo es ſich Da: 
gegen um das Verhältnis des Erben zu dieſer Ber: 
mögensmafle — bedient man ſich des Aus: 
druds €. (z.B. Oſterr. Bürgerl. Geſetzb. 88. 531, 
532). Jedoch ift die Geſetzesſprache nit immer 
genau in der Unterſcheidung, 3. B. beim Gebraud 
der Worte Erbichaftsgläubiger und Nachlaßgläu— 
biger. — Die Eivilprogekorbnung ſpricht im $. 27 
von einem Gerichtsſtande der E. Zuftändig ift das 
Gericht, bei welchem der Erblaffer zur Zeit ſeines 
Todes den allgemeinen Gerichtsſtand gebabt bat. 
ar diefem Gerichtäjtande können aud Klagen der 

ahlaßgläubiger aus Anſprüchen an den Erb» 
lafjer oder die Erben als foldye erhoben werben unter 
den dort angegebenen Vorausfegungen, außerdem 
Klagen, welche Erbrebte, Anſpruche aus Vermächt⸗ 
niſſen oder jonftigen Verfügungen auf den Todes: 
fall oder die Teilung der E. zum Gegenſtande baben. 

Nubende €, (Hereditas jacens) heißt die E., für 
welde ein Erbe desbalb noch nicht vorbanden ift, 
weil ed nad dem geltenden Rechte zuvor einer Erb: 
——— (j. Erbſchaftserwerb) bedarf, oder 
weil eine mwirtiame Erbſchaftsberufung noch nicht 
vorliegt, 3. B. nach Gemeinem Rechte im Falle einer 
auficiebend bedingten Erbeinfegung (j. Erbe). Für 
die rubende €, war nab Gemeinem Rechte ein 
Pfleger (curator) zu beftellen, ob ſtets oder nur in 
den in den röm. Rechtsquellen bejonders erwähnten 
Fällen, ift ftreitig. — Für die Rechte, nach denen 
der Erbſchaftserwerb kraft Geſetzes eintritt, giebt e# 
feine rubende E.; wohl aber Fürforge des Nachlaß: 
gerichts (event. Aufitellung eines Nachlaßpflegers), 
wenn der Erbe unbelannt oder wenn ungemwiß ift, 
ob er nicht ausſchlug, oder wenn ſonſt ein Bedurf⸗ 
nis bejtebt, folange die €. nidt angenommen ift 
(Bürgerl. Gejekb. 8. 1960). 

Gegenübergeitellt wird im röm. Rechte Hereditas 
und Bonorum possessio (f. d.). 

Grbfchaftdanfprud, ſ. Erbſchaftsklage. 

Erbſchaftserwerb, der —— der Erb⸗ 
chaft auf den durch Geſeß oder leßztwillige Ber 

gung (Teſtament) oder Erbvertrag zum 
berufenen Erben, welcher den Erblaſſer überlebt 
bat. Doch giebt ed au Fälle, in melden das Recht 
auf den Erwerb und jelbjt von jolden Perſonen, 
welche vor dem Erblaſſer verjtorben find, auf andere 
Perſonen — (S. Transmiſſion, rechtlich.) 
Bezuͤglich des E. gr es zwei Spjteme; nad dem 
einen tritt der E. ohne Zuthun des Erben ein mit der 
Berufung (Anfall der Erbihaft), doch verbleibt 
dem Erben das Recht, die ermorbene Erbſchaft ins 
nerbalb geſetzlich bejtimmter Friſt wieder aus zu— 
84 Das gilt nach Gemeinem Recht wenig⸗ 
ſtens bezüglich der sui, d. h. der Abkommlinge des 
Erblaſſers, die ſich bei deſſen Tode in ſeiner väter: 
lihen Gewalt befunden haben oder befunden haben 
würden, wenn jte jhon geboren geweſen wären, 
allgemein nah Preuß. Landrecht, nad) franz. Recht 
für die gefekliben Erben und für die durch Teſta— 
ment oder Vertrag Berufenen, ſofern den legtern 





Erbſchaftsgebühren — Erbſchaftskauf 


nicht Vorbehaltserben gegenüber ſtehen Ver eivil 
124, 1006). E3 galt im Mittelalter über aupt nad 
dem Grundſatz: Le mort saisit le vif (frz., d.1.: Der 
Zote ergreift den Lebenden). Auch das Bürgerl. 
Geiegb.$.1942 hat fich dafür entſchieden. Es jpricht 
bierfür namentlich, da —— ſelten Erb⸗ 
Yhatten ausgeſchlagen werden und Nachlaßglãubiger 
und Sculoner fo leicht willen, mit wem Te gültig 
verhandeln fönnen. Die Ausſchlagungsfriſt beträgt 
6 Wochen jeit Kenntnis des Anfall3 und des Grun: 
des der Berufung (Tejtament, Erbvertrag, Geieh), 
6 Monate, wenn der Erblaſſer jeinen legten Wohn: 
fig nur im Ausland hatte oder wenn der Erbe bei 
Beginn der Friſt fih im Ausland aufhält ($. 1944). 
Der Erbe ijt, während die Ausihlagungsfrift läuft, 
nicht gehindert, erbſchaftliche Gejhäftevorzunehmen. 
Cine ſtillſchweigende Nihtausihlagung läßt ſich 
bieraus leineswegs ohne weiteres ableiten. Schlägt 
er demnädjt aus, fo bleibt er wie ein Geſchäfts— 
führer ohne Auftrag berechtigt und verpflichtet 
($. 1959). Annahme und Ausihlagung fünnen 
nicht bedingt oder unter einer Zeitbeitimmung und 
nicht bloß auf einen Teil erfolgen ($$. 1947 u. wre 
Annahme und Ausihlagung können erft nad Er 
fall jtattfinden. Mit Ablauf der Frift gilt die Erb: 
Schaft als angenommen ($. 1943). Der Fislus fan 
Die ibm als —— rben angefallene Erbſchaft 
nicht ausſchlagen ($. 1942). 

Nah dem andern Syitem wird der zum Erwerb 
Berufene nur Erbe, wenn er Erbe fein zu wollen 
erllärt (Antretung der al aditio here- 
ditatis) oder wenn er fih durch jolhe Handlungen, 
melde fi nur in diefem Sinne veriteben laſſen, ala 
Erbe zeigt (pro herede gestio). Der Erbe kann alfo 
die Erbiaft antreten oder ausſchlagen. Diejes 
Spitem gilt nad Gemeinem Recht für andere Ber: 
fonen als die sui, ferner nach Code civil in andern 
al3 den oben bezeichneten Fällen und nah Öfterr. 
Bürgerl. ip $. 547. Nah beiden Syitemen 
it die Ausſchlagung (abgejehen von der Aus: 
ichlagung der sui, die noch in drei Jahren zurüd: 
genommen werden kann), nad dem zweiten auch 
die einmal erllärte Erbſchaftsantretung (abgejehen 
etwa von_einer Wiebereinjegung [f. d.] in den 
vorigen Stand) re uch nah dem 
eriten Spitem ſchließt die innerhalb der Frift abge: 
gebene Erllärung, Erbe jein zu wollen, das Recht 
der Ausſchlagung aus. Für die Erklärung der An: 
nahme oder der Ausſchlagung ijt nah Gemeinem 
Recht keine Form vorgeichrieben, nach Preuß. Land: 
recht muß die Ausjhlagung vor Gericht oder in 
notariell beglaubigter, eigenhändig unterjchriebener 
Urkunde, nad Code civil 784 zu gerichtlihem Bro: 
totoll, nad dem Bürgerl. Geſeßb. ($. 1945) vor 
Rachlaßgericht in öffentlich beglaubigter Form er: 
Härt werden. Ausidhlagung und Antritt werben 
auf die Zeit des Anfalld der Erbſchaft zurüdbezogen, 
fe daß ım Fall des Antritt3 der rb ala ſchon 
beim Anfall gemadt, im Falle des Ausſchlagens 
der Anfall als niemals erfolgt gilt ($. 1953). 

Eine Erbſchaft kann derfelben Perſon aus meb; 
ren Gründen anfallen. Nah Bürgerl. Geſetzbuch 
lann bier, mer durch Verfügung von Todes wegen 
md Gefeß berufen iſt, als eingefehter Erbe aus: 
ihlagen und als gejeblider annehmen, wer durch 
Seftament und Erbvertrag berufen ift, aus dem 
einen Berufungsgrund annehmen, aus dem andern 
uöldlagen ($. 1948). Nach Öfterr. Bürgerl. Geſetzb. 
1.398 gilt Ausfchließung von der geſeßlichen Erb: 


117 


folge, wenn aus dem Tejtament entjagt wird. In 
einem gewiſſen Zufammenhange mit dem E. ſteht 
die frage, ob und inwieweit der Erbe eigenmäd: 
tig von dem Nachlaß Befis ergreifen fann. Wäl 
rend für das Gemeine Recht in diefer Hinficht Bes 
ihräntungen nicht beitanden, beſtimmten einzelne 
Rechte, dab der Erbe ſich ftetö gegenüber dem Nach— 
laßgericht als Erbe auszumerjen habe, und daß 
ihm der Nachlaß, erſt nachdem dies gegeben , von 
dem Gericht ausgehändigt werde. Auf ähnlichem 
Boden ſteht das öjterr. Necht, welches davon aus: 
gebt, dab das Erbrecht vor Gericht verhandelt und 
von dem Gericht die Einantwortung des Nachlaſſes 
bewirft wird, daß alfo ver Rachlaß nur dem rechten 
Erben auögefolgt wird, aber aud nur der reine 
Rachlaß, d. h. frei von Schulden und Lajten. Andere 
Rechte lajien den Nachlaß teils regelmäßig, teils 
nur in gewilien Fällen verfiegeln (obfignieren) oder 
fogar inventarifieren, insbeſondere wenn der 
unbelannt oder abweſend oder mindberjäbrig ift, oder 
ſich nicht meldet. Hierzu gehört namentlich der Code 
eivil (Art. 819), dem überdies eine gerichtliche Eins 
weiſung in gewiſſen Fällen belannt ift (Art. 724, 
770, 773, 1007, 1008). Aud wird zum Zeil vorge: 
chrieben, e3 müſſe ſtets ein Berrahren vor dem 
achlaßgericht jtattfinden, falld das Inventarrecht 
geltend gemacht wird. Nad dem Bürgerl. Gejekb, 
. 1960 findet eine amtlihe Verlaſſenſchafts⸗ 
ehandlung nur in befondern Fällen ftatt, indem 
das Nahlafgericht für Sicherung des Nachlaſſes, 
foweit ein Bedürfnis —* nur dann zu ſorgen 
hat, wenn der Erbe die Erbſchaft noch nicht ange— 
nommen bat oder wenn er unbelannt oder wenn 
ungewiß ijt, ob er angenommen bat. Wegen der 
— vgl. 88. 72—74 des Geſetzes über die 
iwillige Gerichtsbarfeit. 

Menn der, dem die Erbfchaft kraft Teftamenta 
als Alleinerben angefallen ift, ausfchlägt, jo wird 
nah Gemeinem Recht das Teftament in der Regel 
unwirkſam (destitutum), indeſſen giebt es gemilie 
Ausnahmefälle (f. Transmiffion, rechtlich); find 
mebrere Erben eingefekt, jo tritt Anwachſung (ſ. An- 
wachſungsrecht) ein, jofern ein Erjagerbe nicht bes 
zeichnet ift; in Ermangelung eined folhen und 
eined Miterben fällt vie Erbſchaft an ven gefelichen 
Erben. Iſt e3 ein geſetzlicher Erbe, der ausſchlügt 
fo fällt die Erbfhaft nad) einigen dem Fiskus, nad 
andern den folgenden ge en Erben an, foweit 
nicht auch bier Anwachſung —— In An⸗ 
ſehung des suus, für welchen der Erbſchaftsantritt 
erforderlich iſt, wird es rechtlich ſo angeſehen, als 
wenn er — nicht Erbe geworden wäre. Nach 
Buͤrgerl. — 1953 fällt die Erbſchaft dem an, 
der berufen jein würde, wenn der eg rg zur 
Zeit des Erbfalld nicht gelebt hätte; der F gilt 
al3 mit dem Erbfall erfolgt. Das Nachlaßgericht 
bat diefem den Ausſchlag mitzuteilen. — Der Code 
civil Art. 785 bejtimmt, der Ausfchlagende fei jo 
anzufeben, als wäre er nie Erbe geworden. 

tbichaftögebühren, ſ. Erbihaftäfteuer. 


Erb 2 gelb, ® oß. 
Erbf auf. Zum es] einer Erbſchaft 
ift der berechtigt, dem eine Erbſchaft angefallen ift. 

ah Gemeinem Recht, Code civil Art. 1696 fg,, 
Oſterrt. Geiebb. 8. 1278 fg. und dem Bürgerl. Gejebb. 
8.2374 bat der E. die Bedeutung, daß der Verkäufer 
die einzelnen zur Erbichaft gehörigen Gegenitände 
dem Käufer zu übertragen bat, die Sachen zum 
Belik und Eigentum, die Forderungen durch Abtre- 


118 


tung. Someit der Erbichaftöverkäufer vor dem €. 
zur Erbſchaft gehörige Gegenftände veräußert, For: 
derungen eingezogen bat, muß er dert Käufer den 
Wert gewähren. Familienpapiere und Familien- 
bilder gelten im Zweifel nit mitverfauft 
($. 2373). Dagegen ijt der Käufer dem Verkäufer 
verpflichtet, die Erbſchaftsſchulden zu bezablen, bie 
Erbihaftslaften zu übernehmen, jo daß —— den 
Vertragſchließenden dasſelbe Reſultat berbeizufüh: 
ren iſt, wie wenn ber Käufer Erbe geworden wäre. 
Der Erbichaftsverkäufer haftet für die Entwährung 
(f. d.) einzelner Erbſchaftsſachen nicht, wenn er in 
diejer Beziebung feine Garantie übernommen bat. 
Dagegen bat er für den Beftand bes Erbrechts ein: 
aufteben, auf deſſen Grund er veräußert bat (Bürgerl. 
Geſetzb. 12000). Die Erbihaftägläubiger verlie: 
ren ibre Rechte gegen den Verkäufer nicht, fie kön: 
nen fih aber aud unmittelbar an ven Erbjcdafts: 
fäufer halten $ 2382). Die Erbihaftstlage (f. d.) 
egen dritte Perfonen und die Klagen gegen den 
iterben jtehen dem Käufer nach Gemeinem Recht 
ohne weiteres zu; nah dem Bürgerl. Geſetzbuch 
müjjen F ihm abgetreten werden. Eine beſondere 
orm iſt für den E. nur in dem Bürgerl. Geſetzb. 
(8. 2371) vorgeſchrieben und zwar die der gericht: 
lichen oder notariellen Beurfundung. Ein Miterbe 
tann feinen Anteil am Nachlaſſe unmittelbar ver: 
faufen, d. b. ohne bejondere fibertragung der einzel: 
nen Gegenjtände (Bürgerl. Geſeßb. $. 2033). 
Erbichaftöflage (lat. Hereditatis petitio), 
A (jo das Bürgerl. Gejepb. 
88. 2018 fg.). Da der Erbe alle die Nechte, welche 
zum Vermögen des Erblaſſers gehören, ebenſo bat, 
wie fie der Erblajjer hatte, fann er —— aus ſol⸗ 
chen Rechten fo anſtellen, wie fie der Erblaſſer hätte 
erbeben können, 3.8. Sachen, welche fih im Befik 
dritter Perfonen befinden, aber dem Erblaſſer ge: 
—— von dieſen mit der —— Vindi⸗ 
ation) abfordern, die Kaufklage auf Leiſtung der 
dem Erblaffer vertauften, aber nicht gelieferten 
Ware erheben. Das find die fog. erbſchaftlichen 
Singular:(Einzel:)Hagen. Behaupiet aber der dritte 
Befiger von Erbſchaftsſachen oder der Befiker des 
anzen Nachlaſſes, ſelbſt Erbe zu fein, fo kann der 
rbe gegen ihn aud einen Gejamtaniprud (eine 
Geſamtklage) auf Herausgabe alles deſſen, was er 
auf Grund des vermeinten Erbrechts vom Nachlaß 
innebat, erheben, wenn dies aud nur eine einzelne 
Sache iſt. Dies ift die €. Es kann damit z. B. die 
gablung einer Schuld verlangt werden, wenn der 
tagte behauptet, von Zahlung derjelben dadurch 


befreit zu fein, daß er ſelbſt der Erbe des Gläubi— 
gers iſt. Im Gegenjag zum Gemeinen Recht, wo: 
nad die E. auch gegen den gegeben it, der bloß 


thatſächlich in die Erbſchaft eingegriffen bat, ge 
währt das Bürgerl. Geſezbuch die E nur gegen den, 
der ein Erbrecht für fib in Anſpruch nimmt; wie 
ed ih ausdrüdt: Der Erbe fann von jedem, der 
auf Grund eines ibm in Wirklichkeit nicht zuſtehen⸗ 
ben Erbrechts etwas aus der Erbſchaft verlangt 
(eö nennt diefen Erbſchaftsbeſitzer), die Her 
auögabe des (jo) Erlangten verlangen. Gegen er: 
tern ift der Erbe hinreichend auf Grund des Beſitz⸗ 
chutes geſchützt. Da nah $. 857 der Befik von 
elbjt auf den Erben übergeht, hat der Erbe gegen 
ben, der bloß tbatfählih in die Erbidaft ein: 
pen immer die Beſißklage ($. 861) und den An— 
pruc aus früherm Befiß ($. 1007). Nur die Ber: 
pflihtung des Erbſchaftsbeſihers, dem Erben über 


Erbſchaftsklage — Erbichaftsiteuer 


den Beitand der Erbſchaft und über den Verbleib 
der Erbſchaftsgegenſtände (duch Nachlaßverzeichnis, 
event. durch Offenbarungseid) Auskunft zu geben, 
ift auch dem auferlegt, der ohne Erbſchaftsbeſißer zu 
fein, eine Sache aus dem Nachlaß in Befik nimmt, 
ebe der Erbe den Beſitz thatſächlich ergriffen bat 
($. 2027). Ebenſo ift, wer fih zur Zeit des Erbfalls 
mit dem Erblafjer in häuslicher Gemeinſchaft be: 
fand, verpflichtet, dem Erben auf Verlangen (event. 
durch Offenbarungseid) Auskunft darüber zu er: 
teilen, welche erbſchaftliche Geſchäfte er geführt bat 
und was ihm über den Verbleib der Erbſchafts— 
gegenftände befannt ift ($. 2028). Auf dieje Weife 
iſt der Erbe leichter in der Lage, feitzuftellen, wie 
weit ſich in anderer Hände Nachlaßſachen befinden. 
— Dem Erbſchaftsbeſitzer wird gleichgeitellt, wer 
von ihm die Erbſchaft durch Vertragerwirbt (8.2030), 
und bann wird eine der E. analoge Klage einer für 
tot erklärten Perſon gegeben, die den Zeitpunft, der 
als Zeitpunkt ihres Todes gilt, thbatjählih über: 
lebte, ſowie einer Berjon, deren Tod ohne Todes: 
—— Unrecht angenommen wurde. Doch 
iſt der Erbſchaftsbeſißer zur Herausgabe der — 
rbſchaft gehörenden Sachen nur gegen Erſatz aller 
auf die Erbſchaft gemachter Verwendungen (z. B. 
Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten) ver: 
pflichtet, ſelbſt wenn dieſelben nicht notwendig wa: 
ren und der Wert der Grbichaft durch fie nicht mebr 
erhöht ift. — Wie im Gemeinen Hecht ift ed dem 
Ermeflen des Erben überlafien, ob er ven Erbſchafts— 
befiger mit der E. oder mit den erbſchaftlichen Einzel 
a in Anſpruch nebmen will. An ſich fönnte der 
Erbſchaftsbeſiher dur den Gebraud der Singular: 
Hagen, namentlih was den Erjaganjprud wegen 
Verwendungen betrifit, der gegenüber der Eigen: 
tumsllage nicht fo umfaſſend ijt (Erjaß nur der not: 
wendigen Verwendungen, $. 994), in eine ungün: 
ftige Rechtslage kommen, daber bejtimmt 8. 229, 
da auch gegenüber dieſen Klagen die daftung 
des Erbſchaftsbeſihers nad den Vorſchriften über E. 
richtet. Die E. ee auf alles, was der Erbſchafts⸗ 
befiker aus der Erbichaft erlangt bat. Hierzu rechnet 
auch, was er mit Mitteln der Erbichaft durch Rechts: 
geihänt erwirbt ($. 2019). Selbjt der gutgläubige 
bihaftsbefiger muß die gezogenen Nußungen famt 
den Früchten herausgeben ($. 2020). 

Im Gebiet deö Code civil, der ſich völlig der 
Regelung der E. enthalten bat, hat die PBrarıs fie 
eingeführt. — Das Hfterr. Bürger. Geſetzbuch be: 
ſchränkt ji darauf, in den $$. 823, 824 die Zu: 
läffigkeit der Klage auszufpreden und in Anfchun 
ber bezogenen Früchte und der Verwendungen = 
die Orundfäße der Eigentumsklage zu verweifen. — 
Bol. Leinweber, Die hereditatis petitio (Berl. 1899). 

Erbichaftöftener, eine Rechtsverlehrsſteuer, 
die dann erhoben wird, wenn ein Vermögen wegen 
beö Todes feines Bejikers in andere Hände über: 
geht. Man unterjheidet die Erbihajtsgebüb: 
ten, welche die mitteld Stempel oder in anderer 
Form erhobene Vergütung für die ftaatlihe Mit: 
wirkung bei der Nachlaßregulierung daritellen, und 
bie eigentlihe E. Es iſt ohne Zweifel den finanz 
wiſſenſchaftlichen Grundſatzen angemeſſen, daß bie 
E. mit der Entfernung der Verwandtſchaft der 
Erbenden einen jteigenden Prozentjak des über: 
—— Vermögens bildet, der feinen Höchſtſaß 

ei den mit dem Grblafjer gar nicht verwandten 
Erben erreicht. Bermäctniffe und Schenlungen von 
Todes wegen find entipredend zu behandeln. In 





Erbſchaftsvermächtnis 


den deutſchen Staaten beſtanden bis vor kurzem jebr 
verſchiedene E., die in der neuern Zeit mehrfach 
wirtiamer ausgejtaltet worden waren. 

Durd Gejes vom 8. Juni 1906 ift unter Beſeiti⸗ 
* der einzelſtaatlichen E. eine Reichserbſchafts⸗ 

euer eingeführt, won deren Roheinnahme den 
Einzelitaaten ein Drittel (bis Ende 1910 mindeſtens 
ibre Durbihnitt3einnahme aus der E. während der 

J. 1901—5) verbleibt. Die Einzelftaaten können 
zur Reichserbſchaftsſteuer für eigene Rechnung Zu: 
ſchlage und außerdem eine E. von beftimmten Ber: 
mwanbtengruppen erbeben, die von der Reichäerb: 
icaftsiteuer befreit jind, nämlich von Defcendenten 
und Ebegatten und von den 10000 M. nicht über: 
ſteigenden Erbichaften der Aicendenten und der uns 
ebeliben anerlannten und der adoptierten Kinder 
inebit deren Abtömmlingen). Außer diejen bleiben 
von der Reichserbſchaftsſteuer unter anderm frei: 
Alle Anfälle bis zu 500 M., weiter der Erwerb 
von Kleidern und rt dmg. enftänden bis 
zu 5000 M. für Geſchwiſter und elhwifterfinder, 
Schwieger⸗ und Stiefeltern, Schwieger: und Stief: 
finder, — leibliche Aſcendenten, falls der Erwerb 
in Sachen beſteht, die ſie ihren Ablömmlingen durch 
Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten; 
weiter Anfälle bis zu 3000 M. für Berjonen, bie in 
einem Dienjt oder Arbeitöverbältnis zum Erblaſſer 
geitanden haben; jodann Anfälle an ——— 
tungen auf Grund eines in einer Verfügung von 
Todes wegen beitchenden Stiftungsgeſchäfts; Ber: 
mögensvorteile bis zu 5000 M. für inländifche 
Kirchen, Stiftungen, Unterjtügungsanftalten u. dgl. 
mäber bezeichneter Art. Steuerpflichtige Anfälle für 
inländiihe Kirchen, Stiftungen, Unterjtüßungs: 
anjtalten u. ſ. w. haben 5 Proz. zu zahlen. Im übrigen 
iſt der normale Saß für jteuerpflichtige Erbichaften 
4 Proz. für leiblihe Eltern, Geſchwiſter und 
Geihmiiterablömmlinge 1. Grades; 6 Proz. für 
fonjtige Ajcendenten, Schwieger: und Stiefeltern, 
Schwieger: und Stieftinder, Gefhmifterablömmlinge 
2. Grades, adoptierte jowie unebelihe anertannte 
Kinder (nebſt Ablömmlingen); 8 Proz. für Ges 
Ichmijter der Eltern und Verſchwägerte im 2, Grad 
der Seitenlinie; 10 Broz. in fonftigen Fällen. Für 
die mit 6, 8 und 10 Bros. belafteten Erben werden 
bei einem Erbſchaftswert von über 20000 M., für 
die mit 4 Proz. belajteten bei einem Wert von über 
50000 M. nad) der Höhe des Erbichaftswertes Zu: 
ſchlage zum Normaljage erhoben, derart, daß bei 

Erbichaften von mehr ala 1 Mill. M. im ganzen das 

2’, fabe des Normalſatzes zu zahlen if und für 

geringere Erbidaften eine ſtufenweiſe Ermäßigung 

des Zuſchlags eintritt. Für Schenkungen unter 
Lebenden gelten entſprechende Vorſchriften. 

In Oſterreich beträgt die Steuer bei Anfällen an 
Aicendenten, Dejcendenten 1 Broz., von Seitenver: 
wandten bi3 zum 4. Grad 4 Proz., ſonſt 8 Proz, 
bei unbeweglihem Vermögen find die Säbe 2"), 
5,9%, Proz. Durd Gejeg vom 31. März 1890 
wurden einige Erleichterungen gefhaffen. Die fran: 
söfiiche E. ift Durch die Geſetze vom 26. Febr. 1901 
und vom 30. März 1902 neu geregelt. Sie erfaßt 
jet mur den Nettobetrag der Erbſchaft, während 
vorber ein Sculpenabzug nicht gejtattet war. Die 
Stmerift abgeftuft nad) Berwandtihaftägraden und 
nah der Gröbe der Erbihaft. Für die direkte Linie 
herägt Die Steuer 1—2'% Proz., für Ehegatten 3°, 
-1, fir Geſchwiſter 8’.—12, für Ontel, Tanten, 
kim, Brüder 10—13',, für Großontel, Groß: 


119 


tanten, Großneffen, Großnicten und Geſchwiſter⸗ 
finder 12—15, für Verwandte 5. und 6. Grades 14 
— 17), in allen andern Fällen 15—18'/, Proz. Die 
Schenkungsſteuer ift nur nah Verwandtichaftsgra: 
denabgeftuft und fteigt von 1,7 auf 13,5 Proz. — Eng: 
land bat jeit 1894 nur nod 3 E. (früher 5), die eine 
(Estate Duty) jteigend nach der Größe der Gejamterb: 
maſſe (100 bi8 500 Pfd. St. 1 Broz., über 1 Mill. Pf. 
St. 8 Proz., Vermögen unter 100 Pfd. St. fteuerfrei), 
die beiden andern Ergänzungsfteuern hierzu, fteigend 
mit der Entfernung der Verwandtichaftsgrade, die 
Legacy Duty erhoben vom Kapitalwert des bemeg: 
lihen, die Succession Duty erhoben vom Kapital 
des unbeweglichen Bermögeng; beide zuſammen 1— 
10 Proz. betragend; frei alle Erbſchaften bis zu 
1000 Bid. St. und Aſcendenten und Defcendenten, 
welche die Estate Duty zu entrichten haben. 
Vol.von Scheel, E. und Erbrechtsreform (2. Aufl., 
Jena 1877); Eſchenbach, Grbrechtäreform und €. 
(Berl. 1891); Labus, Das Erbſchaftsſteuergeſeß 
vom 30. Mai 1873 (2. Ausg. 1891); Georg Meyer, 
Lehrbuch des deutihen Berwaltungsrehts, TI. 2 
(Lpz. 1894); Bartoszewicz, Die E. im internatios 
nalen Recht (Lemb. 1899); H. Schmidt, Das bayr. 
Geſetz über die E. in der Fafjung der Belannt: 
madung vom 11.Nov. 1899 (Münd. 1900); Artikel 
Sröidalishene im «Handwörterbuch der Staats: 
wifjenichaften», Bo. 3 (2. Aufl., Jena 1900); Aron, 
Das Reichserbſchaftsſteuergeſeß Cpz. 1906); Siber, 
Klein und MWeegmann, Das Reichserbſchaftsſteuer— 
geile vom 3. Juni 1906 (2. Aufl., Stuttg. 1907). 
Erbſchaftsvermächtnis, Univerjalfidei: 
fommiß, das einem Erben (und zwar Ru 
einem * Erben als einem durch den Erb: 
lajler Berufenen) oder einem diefem Gleichgeitellten 
(Fiduziar, Vorerbe) auferlegte Vermächtnis, die 
bihaft ganz oder zum Teil an einen andern 
(Fideitommiffar, Nacherben) herauszugeben. Das 
., zu unterjheiden von dem Vermächtnis einer 
Erbichaft, welches meilt nur vorlommt, wenn der 
Erblafjer die von ibm erworbene Erbſchaft eines 
Dritten durch Vermächtnis zumendet, findet fich in 
den Partikularrechten unter verfhiedenen Namen 
(3. B. Erbanwartſchaft, Aftererbiegung). Im Öfterr. 
ürgerl. Geſetzbuch heißt es ($. 608) fideilom: 
mifjarifhe Subftitution, im Code civil (896) 
Substitution, im Bürgerl. Geſebuch Einſetzung 
eines TU BERFARNEER SE DEE AION. Das 
legtere bejtimmt: wenn der Erblafjer — 
habe, daß der Erbe mit dem Eintritt eines beſtimm— 
ten Zeitpunktes oder Ereigniſſes die Erbſchaft einem 
andern — — ſolle, ſo ſei anzunehmen, da 
der andere als Nacherbe ne fei. liber die prak⸗ 
tifche Bedeutung des E., der Nacerbfolge, ſ. Erbe. 
Nach den meijten geltenden Rechten kann das E., die 
Nacerbfolge, nur für eine beftimmte Zahl von 
Fällen eintreten, bald viermal, bald nur zweimal, 
nad franz. Recht (Code civil 1048 fg.) und dem 
Oſterr. Bürgerl. Gejesb. ($. 608) nur einmal. Auch 
nad dem Bürgerl. Geſetzbuch joll der Nachlaß nicht 
— unabſehbare Zeit durch Anordnung eines E. 
ebunden und dem freien Verkehr entzogen ſein. Die 
inſetzung des Nacherben ſoll 30 Jahre nach dem 
Erbfall unwirkſam werden, wenn nicht vorher der 
Fall der Nacherbfolge eingetreten ift, es müßte denn 
die Nacherbfolge von einem beitimmten Ereignis in 
der Perſon des Vorerben (Tod) oder des Nacherben 
(Berbeiratung) —— gemacht ſein (dann muß 
aber der Vor: oder der Nacherbe, in deſſen Perſon 


120 


das Ereignis eintreten joll, beim Eintritt des Erb: 
falls fich bereit3 am Leben befinden), oder es müßte 
dem Vorerben oder einem Nacherben für den Fall, 
dab ihm ein Bruder oder eine Schweiter geboren 
wird, der Bruder oder die Schweſter ald Nacherbe be 
ftimmt fein. Iſt Bor: oder Nacherbe, in dejien Ber: 
jon das Greignis eintreten foll, eine jurift. Berjon, 
jo bewendet es bei der 3Ojährigen Frift ($. 2109). 
Hat der Erblafjer einem Abtömmling, der zur Zeit 
der Errichtung des Teftaments feinen Ablömmlıng 
bat oder von dem der Erblafjer dies nicht weiß, für 
die — nach deſſen Tod einen Nacherben beſtimmt, 
ſo iſt anzunehmen, daß derſelbe nur ae den Fall 
eingefeßt ift, daß der Ablömmling ohne Nachkommen⸗ 
ſchaft jtirbt ($. 2107). Iſt bei Einfeßung des Nadı: 
erben fein Zeitpunft genannt, fo fällt die Erbichaft 
dem Nacerben mit vem Tod des Vorerben anbeim. 
Sit eine ra Zeit des Erbfalld noch nicht erzeugte 
Rerfon als Erbe eingeiekt, jo gilt dies im Zweifel 
als Einjegung eines Nacherben. In diefem Fall 
fällt dem Nacherben die Erbſchaft mit der Geburt 
anheim. Entſpricht es nicht dem Willen, daß der 
Eingeſeßte Nacherbe werden joll, fo it die Ein: 
egung unwirkſam. Entſprechendes gilt bei Ein: 
ebung einer juriit. Perſon, die erjt nach dem Erb: 
all zur Entſtehung gelangt ($8$. 2101 u. 2106). 
Der Vorerbe gilt jomit ald Eigentümer der Nadı: 
laßſachen. Allein zur Sicherung der Rechte des Nadı: 
erben iſt fein Recht Beſchränkungen unterworfen. 
Nah manden Rechten, inäbejondere dem Hfterr. 
GSejepb. $. 613 gilt der Vorerbe dem Nacerben 
—— nur als Nießbraucher. Nach dem Bürgerl. 
ſetzbuch darf er nur feine Verfügungen vorneb: 
men, die das Recht des Nacherben vereiteln oder 
beeinträchtigen ($$. 2112 jg.); dagegen iſt er z. B. 
u Schenkungen befugt, durch die einer fittlichen 
Sicht oder einer ar den Anftand zu nebmenden 
Rüdjiht entſprochen wird ($. 2118). Seinem Ver: 
waltungsrecht entipriht die ibm dem Nacherben 
——— obliegende Verwaltungspflicht ($. 2131). 
uch lann ihn der Erblaſſer von den meiſten zu 
Gunſten des Nacherben geſehlich beſtimmten Berfü- 
ngsbeſchränkungen befreien (8. 2136). Eine ſolche 
Befreiung gilt im Zmeifelsfall ald angeordnet, 
wenn ber Erblafjer bejtimmt hat, daß der Vorerbe 
ur freien —— über die Erbſchaft berechtigt 
kin fol, und bei der Nacherbſchaft auf den 
bereit, bei welder der Nacherbe auf das ein: 
gelebt ift, mas von der Erbichaft beim Eintritt der 
acherbfolge übrig fein wird; diefes E. auf den 
Überreft fannte ds das Gemeine Redt. Hier: 
nad baftet der Vorerbe nur im Falle argliftiger 
oder unentgeltlicher Veräußerung. Nad einer An: 
ordnung von — mußte jedenfalls dem Nach⸗ 
erben ein Viertel des Nachlaſſes bleiben, und bier: 
Ir war, jofern nicht der Erblaffer ein anderes be: 
immte, von dem Borerben Sicherheit zu leiften. — 
t das djterr. Recht behauptet Unger ba öfterr. 
bredht», $.48, Anm. 14), daß in dem bezeichneten 
Halle im weſentlichen das vorjuftinianifhe Recht 
— — Mit Eintritt der Vacherbfolge hört der 
;orerbe in allen Fällen auf Erbe zu fein und fällt 
die Erbſchaft dem Nacherben an ($. 2139). Schlägt 
der Nacherbe die Erbſchaft aus, jo verbleibt fie dem 
Vorerben, ſoweit nicht der Erblajjer ein anderes be: 
ftimmt bat ($. 2142). 
Eu Stwappen, |. Wappen. 
Erbichatz, eine bejtimmte Summe Geldes, welche 
Vorfahren (Afcendenten), Seitenverwanbte oder 


Erbichaftswappen — Erbſchlüſſel 


andere Perſonen (Freunde) den Ehegatten unter 
der Bedingung zugewendet haben, daß das Eigen: 
tum den in der Ehe erzeugten Kindern vorbehalten 
werden, den Ehegatten aber Befis und Genuß zus 
Ken ſoll. Das Preuß. Landr. II, 1 hat dies Ins 
titut ohne einen Anhalt in der bisherigen Nechtss 
entwidlung geſchaffen. Es ift im Leben auch faft 
völlig ohne Anwendung geblieben. Das Deutice 
Bürgerl. Geſetzbuch bat das Inſtitut auch formell 
außer Kraft (Einführungsgeſeß 55) gefebt. 
Erbichaymeifter, Erbichenf, j. Erbämter. 
Erbichein, ſ. Erbbeiheinigung. 
Erbichleicherei, die Bemübung um eine Erb- 
[haft unter Anwendung von widerrechtlichen oder 
unmoraliihen Mitteln. Wird hierzu ein Teftament 
untergefhoben oder ein ſchon errichtetes vernichtet, 
F tritt die Strafe der Fälſchung (f. Urtundenfäl 
hung) ein. it der Teſtator durd falihe Vor: 
Ipiegelungen zu einem Letzten Willen vermocht wor: 
ben, den er obne diefe Täufhung nicht errichtet 
baben würde, jo kann das Tejtament wegen ber 
Behinderung der Willensfreiheit feines Urhebers 
ciwilrehtlih angefochten werden (Näberes Bürgerl. 
Geſetzb. 2078). (S. au Erbunmürbigfeit.) 
Erbichlüffel, die jpätere Bezeihnung eines aus 
dem Aberglauben des Mittelalter ftanımenden 
Baubermitteld, auhSieblaufen oderSchlüfjel: 
laufen genannt. Es wird zuerſt von dem 1500 in 
Villingen im Schwarzwald geborenen Arzt und 
Schwarzfünitler Georg Victor erwähnt. Er jtellt 
die urfprünglihe Form in einem Holzihnitt dar, 
in dem man ein von einer gang oder Schafichere 
(womöglich eine Erbſchere) gefahtes Kornfieb ertennt 
und für deſſen Gebraud Sitor unter der Bezeich- 
nung ber fo&cinomantie (vom gried. köskinon, 
Sieb) eine ie Theorie aufitellt. 
Danach halten (j.nachftehende Abbildung) zwei eins 
ander gegenüberjtehbenve Perſonen mit dem Mittel: 





finger ber rechten Hand das von ber federnden Zange 
oder Schere gefaßte Sieb unterhalb der Feder in der 
Schmebe, nennen den einzelnen Namen jeder der 
des Diebitahls verbädtigen Berfonen nadeinander, 
mobei fie ſechsmal bei jeder Berjon die faudermwel: 
ſchen Worte (Pictor fagt: Verba nec sibi ipsis nec 
aliis intellecta) DIES MIES JESCHET BENE- 
DOFFET DOWIMA ENITEMANS ausfprecen, 
momit fie den Dämon in das Sieb bannen und ibn 
zwingen, den Dieb zu offenbaren, indem der Dä: 
mon bei dem Namen des richtigen Diebes das Sieb 


Erbſcholtiſei — Erbftollen 


it in Bewegung ſetzt, Daß bie federnde Zange den 
amgern der Beichwörenden entgleitet und nebft 
dem Siebe zu Boden fällt. Statt des Siebes wird 
m gend em Buch (wahrſcheinlich Gertrudenbud, 
Grinngbuc oder Poſtille), das ererbt fein muß, ein 
grober, jedenfalls auch ererbter, Schlüfjel (daher 
der Name €.) gelent, fo, daß der Sclüfjel etwa 
um ein Dritteil oben aus dem Buch berausragt. 
Dat Buch wird ſtillſchweigend mit einer Schnur 
feit ummidelt und nun, ganz wie oben erwähnt, mit 
den Mittelfingern unter dem Ringe von zwei Per: 
jonen gehalten, bis die Finger unter dem Dr 
wegaleiten, wobei der in diefem Augenblid Ge 
nannte ala fibeltbäter ermittelt ift. 
Erbſcholtiſei, Erbijhulzgenamt, f. Dorf: 
foftem, Erbrichter, Schulze. 
Erbfe (Pisum L.), Pflanzengattung aus der 
Genie der Leguminoſen (ſ. d.),, Abteilung ber 
ilionaceen. Man kennt nurmwenige Arten, die in 
den Mittelmeerländern und Weftafien vorlommen. 
Es jind einjäbrige, faftoolle, blaugrüne, lahle Kräus 
ter mit zerbrechlichen, äftigen Stengeln, paarig ge 
fiederten Blättern, deren Stiel in eine Ranke aus: 
läuft, großen blattartigen Nebenblättern und blatt» 
winteljtändigen, langgeftielten, wenigblütigen Trau⸗ 
ben. Die Blüten haben einen zweilippigen Kelch, 
eine große, Jerbegetzionene Fahne und einen an 
der untern Seite tiefrinnigen, an der obern Seite 
bärtigen Griffel. Die Fruct ift eine länglide, uns 
reif ftet3 ne yon again aber jpäter aufgetrie- 
bene, oft faſt walzige, vieljamige Hülfe. Zu diefer 
Gattung gebören einige unjerer wichtigften Hulſen⸗ 
früdte. Es ſcheint drei Hauptlulturarten zu geben: 
die Adererbje (Pisum arvense L.), die Pahl⸗ 
oder Rneifelerbfe (Pisum sativum L.) und die 
udererbjfe (Pisum saccharatum Host.), letere 
iden meijt als Gartenerbie (f. d.) zuſammen⸗ 
gefaßt. Bei der Ackererbſe aud oſtpreußiſche 
gear €. oder Peluſchke(ſ. d.) genannt, find die 
Iütenitiele einblütig, die Blumen violett oder pur: 
purn, die Schalen der Hülfen ani —— mit 
einer anfangs abziehbaren Baſthaut verſehen, die 
gedrängt ſtehenden marmorierten Samen kuge 
rund oder faſt vieredig. Die Adererbje fcheint in 
Deutihland heimiſch zu fein. — Die durch ganz 
Europa verbreitete Erbfentultur ift zwar alt, war 
doch den Römern unb Griechen nod nicht belannt. 
ne Ausfaat von 2hl liefert gebrillt pro Heltar eine 
Ernte von 16 hl Körner und 40 Gentnern gutes 
Futterftrob. Gegenwärtig wird der Erbjenbau in 
den jüdeurop. Ländern in bei weiten gröyerm Map: 
ftabe betrieben als in Deutfhland. Die Samen der 
€. bieten reif und unreif Menfhen und Vieh eine 
ebr nabrbafte und angenehme Speife. Liber bie 
rwendung der E. zur Erbswurſt ſ. d. Auch das 
Erbjenftrob ift ein gutes Viebfutter. 

Unter den verſchiedenen Inſelten, melde den €. 
Schaden bringen, ift namentli der Erbjentäfer 
. d.) zu bemerten. Bon den pflanzlihen Para- 
Rten der E. ift beſonders der Erbjenroft, Uro- 
myces pisi Schröt., ſchãdlich; derſelbe bildet auf 
den Stielen, Blättern und Schoten rötlihbraune 
und dunllere Fleden, melde aus den Sommer: oder 
Binterfporen des Pilzes befteben. Stark mit Roft 
befallenes Erbfenftrob ift mit Borficht zu füttern. 

Erbienbaum, j. Caragana. j. Hand. 

Erbienbein, einer der acht Handmwurzeltnochen, 

(Mamestra pisi L.),eine36—40 mm 


Erbieneule 
bannende Eule (Schmetterling), bat rotbraune 


121 


Borbderflügel mit hellern Fleden und Uuerftreifen 
und einer Belgelben queren Wellenlinie, die Hinter: 
flügel find grau. liegt im Mai und Juni, Die 
rüne oder braunviolette Raupe bat vier bellgelbe 
Sangsbinden, findet fi im Hochſommer und Herbfi 
und wird bisweilen den Hüljenfrüchten ſchaͤdlich. 
Erbſenkäfer (Bruchus pisi L.), ein bis 5 mm 
groß werdender, zu den Samentäfern (j.d.) geböri: 
er Käfer. Das Weibchen legt jeine Eier in die 
(üten der Erbien, in deren Samen fi die Larve 
Ice jung einbobrt, je eine Erbje volljtändig aus» 
ibt und fih innerhalb der Schale verpuppt, um 
erft nach der Ernte auszukriechen. 
Erbfenmufcheln, ſ. Kugelmuſcheln. 
Erbſeunroſt, ſ. Erbſe. 
Erbſenſtein, Piſ au ein Kallſtein, der aus 
erbjengroßen kugelrunden Körnern mit fonzentrifch 


haliger und radialsfaferiger Zufammenfegung be: 
tebt (1. Abbildung). Die aus Aragonit beftebenden 


Sarah” fi 





Schalen haben meiftend als innerften ſtern ein 
Quarzlörmden, Feldipatftüdihen oder anderes frem: 
des Partilelchen überkruftet. Der E. bat fib aus 
beißen kalthaltigen Quellen abgejebt; im Spiel der 
auffteigenden Quellen wurden die wachſenden Rü- 
gelchen ſchwebend erhalten und in fteter dreben: 
der Bewegung fo lange umbüllt, his fie, zu ſchwer 
eworden, niederfielen und fi mit ben bereits 
Pertigen vereinigten. Bismweilen überjpannt aud 
eine äußere gemeinfame Schalenzone zwei oder mehr 
innere kleinere Kügelchen. Abmwechjelung von bellern 
und von gelblihbraunen (vielleicht dur —— 
Stoffe gefärbten) Zonen macht den Schalenaufbau 
noch deutliher. Die ihönften, oft zu Blatten ver: 
hliffenen €. liefern die Thermen von Karlsbad in 
ohmen; andere Fundpunlte find der —— pr 
bei Dfen und Felſo⸗Lelocz in Ungarn, Vogelöberg 
in Dberfrain, Vichy⸗les⸗Bains. 
Erbfenftraud, $ Caragana. 
Erbftand, gleihbedeutend mit Erbpadt (f. d.). 
Erbftände, Stände, die ſich vererben, naments 
ih vom Vater auf den Sobn; in focialer Ber 
iebung alſo d B. die erbliben Kaſten des alten 
diens und eyptens, die Leibeigenen des Mittel: 
alters; in polit. Beziehung der Erbabel, 3.3. Eng: 
lands, der als ſolcher polit. Rechte (Mitglienfchatt 
im Oberbaufe) ausübt. (Statthalter, 
Erbjtatthalterichaft (der Niederlande), f 
Erbftollen, ein bejonderes, mit feinem Gruben: 
eigentum zufammenbängendes Bergwertdeigentum. 
med des Unternehmens ift es, den fhon vor: 
andenen Gruben Wafjer: und —— 
verſchaffen (das Gebirge aufzuſchließen). Die Erb⸗ 
ſtollengerechtigleit wird, wie das Bergwerkseigen⸗ 
tum, erworben. Die Gebührniſſe, worauf ein E. Anı 
ſpruch hat, wenn er ſeine Leiſtungen vollſtändig er⸗ 


122 


füllt und zugleich die Erbteufe einbringt, d. b. wenn 
er in einer gewiſſen Tiefe in das Feld der Grube ein- 
fommt, find in der Regel der Stollenbieb (das 
Mineral, welches beim Treiben des Stollens gewon⸗ 
nen wird), der vierte Pfennig, beftebend in dem Er: 
faß des vierten Teils des Koſtenaufwandes, und das 
Stollenneuntel, der neunte Teil der Bruttoaus: 
beute. Geſchieht die Loſung nicht durch ofienen Durch⸗ 
brud, fondern mittelbar durch Klüfte u. |. w., fo kann 
der Stöller nur das halbe Neuntel beanfpruden. 
Sind feine Anbrüche vorbanden, die Loſung wird aber 
mittelbar durch andere Gruben bemirft, fo ftebt ibm 
ein Waſſereinſtandsgeld ala Stollenfteuer zu. Wird 
ein tieferer Stollen eingebradht, fo enterbt er den 
obern und die Gebührnifje gehen auf den untern 
Stollen über. — Die neuern Berggefege in Deutſch⸗ 
land und Öfterreich ertennen zwar die vorhandenen 
Erbitollenrechte ala rechtsbeſtändig an, lafjen aber, 
da die E. Durch den Tiefbaubetrieb und die geiteigerte 
Anwendung von Dampfmafhinen entbehrlih ge 
worden find, eine weitere —— nicht mehr zu. 
Erbfände (lat. peccatum originale oder originis 
oder hereditarium), in dem firhlichen Glaubens: 
fofteme die dur Adams Fall(peccatum originans) 
entitandene, durch die Jeugung auf alle Menſchen 
fortgepflangte gänzliche Verderbnis der Vernunft 
und des Willens (peccatum originatum), wodur 
die Menſchen von Natur zur Erienntnis und Liebe 
Gottes und des Guten gänzlich untüchtig und zu 
allem Böfen begierig fein follen, wofür fie Gottes 
Zorn teild mit dem leiblihen Tode beftraft, teils 
um ewigen Tode, d. b. zur — — in der 
olle, beſtimmt habe. Man gründete dieſe Lehre in 
der Kirche vornehmlich auf die Stellen Gal. 3, 23; 
5, ı7; Rom. 3, 23 fg.; 5, ı2; 11, ss, die indes nur 
die —— Verbreitung der Sünde im menid: 
lichen Geſchlechte bezeugen. Die älteſte Kirche kannte 
dieje Lehre noch nicht; vielmehr hielten die ältern 
Kirchenlebrer im Gegenjage zu den Gnoftilern, die 
die Sünphaftigfeit der Menſchen auf ihre Natur: 
beihafienheit begründeten, an der menſchlichen 
Willenöfreibeit feſt, wenngleich der Tod nicht ala 
Naturgefeg, jondern (nah Röm. 5,12) als Folge der 
Sünde Adams betradtet wurbe. Die Meinung des 
Drigenes, daß der Urfprung der Sünde in einem 
—— Freiheitsmißbrauche (Seelenfall) zu 
ſuchen ſei, wurde als ketzeriſch verworfen und 
die Haupturſache der Sünde die Sinnlichleit bes 
trachtet, deren Reizen aber der Menſch ebenio wie 
den teufliihen Verſuchungen widerſtehen lönne. 
Dieſe Voritellungen bielten die griech. Kirchenlehrer 
im weientlichen feſt. In der lat. Kirche nabın ſchon 
Zertullian den pauliniſchen Gedanten wieder auf, 
daß ſich mit der Sterblichteit auch die Sundhaftig⸗ 
teit von Adam auf alle erg ae tortgepflangt babe; 
doch wollte er den ererbten Hang zum Böfen weder 
al& wirkliche Sünde noch ala unwiderſtehlich fafjen. 
Die jtrenge Lehre über die E. entwidelte zuerſt 
Augujtinus im Streit mit Belagius und deſſen Ge 
sn u Yin (j. Belagianer) und feßte auf den 
Synoden zu Rartbago (412, 416, 418) die Ver: 
dammung feiner Öeaner durch, wäbrend die morgen- 
länd. Spnoden von Jeruſalem und Diospolis (415) 
ünjtig für fie entſchieden. Eine Modifikation der 
nſichten des Pelagius war die Lehre der Semi— 
pelagianer (j. d.), die unter dem Namen der Auguftis 
niſchen im Mittelalter berricbend blieb, während 
die echte Lehre des rg er für ketzeriſch pr 
Hiernad bildete ſich ſeit Anſelm von Eanterbury 


Erbfünde — 


Erbswurſt 


und Thomas von Aquino die ſcholaſtiſche Lehre aus, 
wonach durch Zurehnung der adamitiihen Schuld 
an alle natürlib geborenen Nahlommen zwar ber 
Verluft der urfprünglihen Volllommenheit, aber 
nureine Schwächung ber menſchlichen Natur durch die 
ihres Zügelö beraubten finnlichen Triebe eingetreten 
ei. Das Tridentiniſche Konzil hat diefe Lehre im 

e eriake zum Proteſtantismus dogmatifiert. Hier: 
nad it Ehriftus als übernatürlic erzeugt von ber 
E. frei. Die im 12. yabrh. uerft aufgeitellte Lehre, 
dab auch Maria ohne E. geboren jei, hat Bius IX. 
(8. Dez. 1854) zum Dogma erhoben. i 

Die Reformation deö 16. Jahrh. erneuerte die 
Auguftiniibe Erbfündenlehre. Qutber batte im 
Streite wider Erasmus die abfolute Unfreibeit des 
menſchlichen Willens behauptet. Die prot. Kirchen 
lebre bejchräntte dieje Unfreibeit auf die natürliche 
Unfähigleit der nichterlöften Menſchheit zum wahr: 
baft Guten, mies aber die Lehre des Flacius, daß 
bie E. das einentlihe Weien des Meniben aus 
mache, ald 5* feiner Erlöfungsfäbigfeit zus 
rüd. Swingli atte, obne bei den Reformierten Nach⸗ 
folge zu finden, die E. nur für eine ererbte Krankheit 
erklärt. Auch die Arminianer, Socinianer und einige 
andere Heine Setten ein er die E. im ftreng fir» 
lihen Sinne. Seit der Auftlärungszeit murde auch 
in ber prot. Kirche die Lehre von der E. mit ratio: 
nalen und ger Gründen befämpft. Kant bezog 
die E. auf das in der Menſchennatur liegenve 
«radilale» Böfe, welches er aus einer tranfcenden: 
talen Freiheitsthat ableitete. Dertbeol. Rationalid- 
mus lehrte dagegen, wie Belagius, nureine Shwäde 
der menſchlichen Natur in Ertenntnis und Ausfüb: 
rung des Guten. Scleiermader ſah in der €. die 
menſchliche Gattungsjünde oder das durd das ur: 
fprüngliche Übergewicht der Sinnlichleit über den 
Geift begründete Böje, das erjt dur Chriſti un: 
fündlihe Volllommenbeit principiell überwunden, 
nah und nad in der chriſtl. Gemeinfhaft wieder 
ausgeſchieden werde. Die neuere Drthodorie bat die 
——— ‚Erbfündenlebre einfach reſtauriert, 
ohne ſich um eine Loſung ihrer Widerſpruche zu ber 
müben, wäbrend bie Ritt ſche Schule zu den pela⸗ 
gianifhen Anihauungen des alten Rationaliömus 
jurüdgelebrt ift. (S. Sünde.) 

Erbswurft, eine von dem Koch Grünberg in 
Berlin erfundene, im Kriege von 1870/71 zum 
erftenmal in großartigem —* e verwendete Kon⸗ 
ſerve. Sie pe t aus einer bung von Erbien: 
mebl, Sped, Zwiebeln, Salz und Gewürz und ent: 
bält im Mittel 16 Proz. Eiweiß, 30 Proz. Fett, 
12 Bros. Amylum, 13,2 Bros. Salze und 28,8 Proz. 
Waſſer. Zu 75000 Stüd Würften zu je Y, kg ge 

dren 225 Etr. Sped, 450 Etr. Erbsmehl, 28 Schef⸗ 
el Zwiebeln, 40 Etr. Salz. In luftigen Räumen aufs 
ewahrt, erbält ji die E. Jahre hindurch. Hinfichts 
lid der Ey Si ni ftebt die E. ungefähr auf 
gleiber Stufe mit Linfen: oder Bohnenmehl. Bor 
dem Genuß muß fie in Waſſer aufaelocdht werben 
und wirb zu dem Ende entweder in Würfel gejchnit: 
ten und in Suppenform genojjen oder im ganzen ge 
locht und ald Wurft gegellen. Während des Krieges 
geſchah die Herftellung der E, in Berlin in einer 
eigens zu dieſem Zmede auf Staatätoften errichteten 
Fabril, die anfänglich täglich 14000 Pfd., ſpäterhin 
aber bis 130000 Pfd. erzeugte und im ganzen 
9—10 Mill. Bid. lieferte. Auch die große Militär: 
lonſervenfabrik zu Main; vermag fehr bedeutende 
Mengen dieſes ſowohl die Verpflegung der 


Erbteil — Erbunwürdigfeit 


jeßtruppen wie zur Werproviantierung der Feſtun⸗ 
vateiilih geeigneten Fabrilats herauitellen. 
Erbteil, gejesliches, ſ. Geiehlihe Erbfolge. 
Erteilung, die Auseinanderjegung unter 
Nuten, welche die Erbichaft erworben haben, be: 
wait Aufpebung der unter ibnen beſtehenden Ge: 
neinihaft durch Teilung des Nachlaſſes. Man un 
teriheivet außergerichtlihe und gerichtliche, 
befier bebörbliche E. je nachdem die Auseinander: 
\egung unter ben Miterben allein oder unter Mit: 
mirtung einer Bebörbe oder Leitung des Berfab: 
tens durch die Bebörde erfolgt. Die Rechte, welche 
het eine amtliche Nachlaßregelung (f. Erbſchafts⸗ 
erwerb) eintreten laſſen, tennen eine bebordliche 
€. Rad den meiſten findet eine bebörblide E. nur 
katt, wenn eine joldye von dem Erblafjer angeordnet 
oder von einem Miterben beantragt wird, manch⸗ 
mal aud dann, wenn Bevormundete ald Miterben 
beteiligt find. Nah Reichsrecht hat das Nadlap: 
geribt auf Antrag die Nuseinanderfeßung zu ver: 
mitteln, fofern nicht dazu ein Tejtamentsvollitreder 
vorbanden ift (8.86 des Geſetzes über die freiwillige 
Gerichtsbarkeit). Someit die Erbteile wegen ber zu 
erwartenden Geburt eines Miterben noch unbestimmt 
iind, wird die €. bis zur Hebung der Unbeitimmt: 
beit aufaeichoben, ebenfo, joweit die Erbteile unbe: 
ftimmt find, weil die Entſcheidung über eine Ehelich⸗ 
teitserflärung, Beitätigung einer Adoption oder 
einer vom Erblaſſer errichteten Stiftung nod aus: 
hebt (Bürgerl. Gejebb. $. 2) Das BVerfabren 
iſt in dem Geſetze über die Angelegenheiten der frei: 
willigen Gerictöbarleit vom 17. Mai 1898 geregelt 
(88.87 fa.). Das Nachlaßgericht lädt die Beteiligten 
zu einem Berbandlungstermin. Kommt bier jojort 
eine endgültige Einigung zu ftande, jo hat fie das 
Geribt zu beurtunden und zu beitätigen. Wenn 
man zunächſt nur über vorbereitende Maß: 
regeln einig wird, fo hat dann das Gericht einen 
Audeinanderjegungsplan anzufertigen, über den 
in einem weitern Termin verhandelt wird. Someit 
er angenommen wird, beftätigt ihn das Gericht; 
ſoweit Streitpunfte verbleiben, verweiſt es die Be 
teiliaten auf den u Wer zu einem Vers 
bandlungstermin vor dem Nadhlaßgericht nicht ers 
icheint, wird von dem Ergebnis ſchriftlich benach⸗ 
richtigt und fann, wenn er mit diefem nicht zu: 
frieden ift, innerhalb einer ihm beftimmten Frift 
einen neuen Termin beantragen. Thut er das nicht 
oder bleibt er aud in dem neuen Termin aus, fo 
wird fein Einverftändnis mit dem Inhalt der bis« 
en Abmadbungen angenommen (vorbebältlid 
der Wiebereiniegung in den vorigen Stand bei uns 
verſchuldeter Säumnis). Iſt der vom Geridht nun» 
mebr zu erlafjende Beitätigungsbeihluß unanfecht⸗ 
bar geworben, jo ift bie Auseinanderjegung für alle 
Beteiligten in gleicher Weife verbindlich wie eine 
vertragämäßige Bereinbarung. — Die außergericht: 
liche E. kann bereits durch den Erblaſſer in dem Um⸗ 
fange vorgenommen fein, dab nur noch die Aus: 
führung übrig bleibt, fei e& dur die Miterben 
jelbit, jei eö durch einen ernannten Tejtamentsvoll- 
ereder (Bürgerl. Gejesb. 8.2048). Für das Gemeine 
Aecht f. Teilung der Eltern unter den Kindern. Die 
Art der Zeilung ift verfchieden bejtimmt, fomeit 
darüber überhaupt Borfchriften gegeben find. In 
nanchen Rechten ift von der Bildung von Lojen 
tie Rede, jo auch im Code civil Art. 831 fg., und 
sen einer Losziehung (Bürgerl. Geſetzb. 3 752). 
meine Rebte tennen ein fog.Rürrecht (dad Riefen 


123 


de3 Sadjfenfpiegel3 und des lübifhen Rechts): der 
ältere Miterbe macht die Teile, der jüngere wählt 
oder zieht zuerjt das Los. 

Die E. lann von dem Erblaſſer nicht ſchlechthin 
verboten, wohl aber nah den meiften Rechten in 
pen des ganzen Nachlaſſes oder einzelner 
Nachlapgegenjtände u en werben. Die Ber: 
Ben. wird nah Bürger. Gefepb. $. 2044 unmirt: 
am, wenn 30 Sabre jet dem Eintritt des Erbfalla 
verſtrichen find. Jedoch kann der Erblafjer anorb: 
nen, daß die Verfügung bis zum Eintritt eines be: 
ftimmten Ereignijies in der Yerlen eines Miterben 
oder, falls er eine Nacerbfolge oder ein Vermädht: 
nis anordnet, bis zum Eintritt der Nacherbfolge oder 
bis zum Bermädtnisanfall gelten foll (8. 2044). — 
Scriftitüde, die ſich auf die perſönlichen Verhältniſſe 
des Erblaſſers, auf deſſen — oder auf den gan⸗ 
zen Nachlaß beziehen, bleiben gemeinſchaftlich. Hat 
der Erblaſſer angeordnet, daß einer der Miterben 
das Recht haben ſoll, ein zum Nachlaß gehörendes 
Landgut zu übernehmen, fo iſt das Landgut im 

weitel zum Ertragswert anzurechnen, über deſſen 

eititellungdasPandesrect beftimmen ann ($.2049; 

inführungsgefeg Art. 137). , 

Das Bürgerl. Geſeßbuch beftimmt aud, daß bei 
der E. auch die, übrigens nur unter Ablömmlingen 
des Erblaſſers ftattfindende, Ausgleihung wegen 
bed Borempfangenen zu erledigen jei (j. Aus: 
gleihungspflict). Die Klage auf Herbeiführung 
ber E. beißt Erbteilungätlage. 

Die Urkunde über die erfolgte E. oder Ausein: 
anderfegung nannte das ältere Recht Erbrezeß. 

Erbteilvermächtnis, |. Erbe. 

Erbtochter, die nächſte Verwandte des lebten 
männlihen Inhaber eines primär im Manns 
ftamm erblichen Familienfiveitommiß:, Lehns⸗ oder 
Stammgutes; ala ſolches galt auch der Thron. Um 
die Vererbung im Mannsſtamm zu befeitigen, war 
es üblih, daß die Töchter eine Heierlice erzicht- 
ertlärung auf die Thronfolge ausſtellten. Wenn 
dies aud heute noch vorkommt, fo ift es rechtlich 
bedeutungslos. Hatten die Töchter für fih und ihre 
Erben ——— ſo wurde angenommen, daß 

blommlinge auch im aledigen Anfall⸗ 


und br 
ausgeſchloſſen waren, d.b. wenn der Rannsſtamm 
ausjtarb. Vielfach verzichteten fie aber nur «bis 


auf den ledigen Anfall». Die Frage, ob in diefem 
Falle die E. oder die verzihtende Tochter und ihre 
Abtömmlinge (fog. Regredienterben) vorgeben, wird 
beute (anders das Rei 
der €, entſchieden. 

©rbtraber, ſ. Trabertrantbeit, 

Erbtruchfeh, |. Erbämter. 

Erbunfähigkeit, |. Erbjäbigteit. 

Erbunterthänigfeit, |. Leibeigenihaft. 

ErbunwärdigfeitovderIndignität. Im röm. 
Rechte wurde in gewiflen von dem Geſetze beftimmten 
Fällen eine teftamentarifche oder geienlihe bſchaft 
und ſelbſt ein Vermaächtnis dem Berufenen oder Be: 
dachten wegen Unmürbdigfeit entzogen. Es banbelte 
fih bauptfählih um Impietät (Mißachtung) gegen 
den Erblajjer oder deilen Willen. Das Entjogene 
(MR erepticium) wurde urjprünglih nur dem 

istus zugemwielen. Die neuern Rechte, insbeſon— 
dere aud das Dfterr. 95 fg.) und das Deut: 


Slammergericht) zu Gunſten 


he Bürgerl. Geſetzb. 2339 fo.), haben das 
ftitut unter Einſchränkungen der Gründe und 
bweihungen im einzelnen aufgenommen. Nach 
legterm bat E. zur Folge: abfichtlihe Herbeiführung 


124 


des Todes des Erblaſſers oder Verſuch bierzu oder 
Verſehung in einen —— der den Erblaſſer bis 
> feinem Tode unfähig macht, eine Verfügung von 
odes megen zu errichten oder aufzubeben, Zers 
ftörung, Fälihung oder Bejeitigung der Verfügung 
von Todes wegen ſim Umfange von Reichsſtrafgeſetzb. 
88. 267— 274), argliſtige Verhinderung an der Er: 
rihtung oder Underung einer foldhen oder Beſtim⸗ 
mung a dur argliftige Täufhung oder durch 
Drobung. Anfehtungsberedtigt iſt jeder, dem ber 
Wegfall des Unmürdigen zu ftatten fommt. Die 
gleihen Gründe machen auch den Pflichtteilsanſpruch 
anfechtbar. 
bverbrũderung (Confraternitas), ein Rechts⸗ 
— welches in der Regel nur unter Familien des 
ohen Adels und hier ſeit dem Ende des 14. Jahrh. 
häufiger vorlommt, doch war E. auch beim niedern 
Adel, mindeſtens bei der reichsunmittelbaren Ritter: 
ſchaft, zuläffig. €. wird ein Erbvertrag genannt, 
deſſen Inhalt —* geht, daß nad dem Ausfterben 
der jucceffiongfäbigen Mitglieder der einen gg 
oder doch der männlichen Mitglieder derjelben, die 
andere Familie, d. I: der nad deren Succeifiond: 
ordnung Nächſtberechtigte, ſuccediexen foll. Vertrag: 
ſchließende Parteien find die Familien. Regelmäßig 
räumten die Familien ſich geseni eitig Rechte ein. 
Durd die Auflöfung des Deutjchen Reichs find die 
früber geichlofienen €. bezüglich ver Thronfolge nicht 
— —** Es iſt nur die privatrechtliche 
atur 4 her €. weggefallen, nachdem die Throns 
* nunmehr regelmäßig (nit in Medlenburg) 
nicht mebr privats, ſondern öffentlichrechtliche Natur 
bat (. —— Daher gilt an ſich noch die zwi— 
chen Preußen, Sachſen und Heſſen 1373 und 1457 
abgeſchloſſene und jpäter wiederholt (zulekt 1614) 
erneuerte E. allein ihre Durchführung bedarf wegen 
des für die Tbronfolge nunmehr maßgebenden öffent: 
lichen Rechts der Zuftimmung der Vollsvertretung. 
Die E. fieht nämlich Teilung der einzelnen Länder 
vor. So foll bei Ausjterben des hohenzollernſchen 
Mannsſtamms Heilen und Sadjen je die Hälfte 
bes brandenb, Gebietes erhalten. Teilung des 
Staates bedarf aber der Mitwirkung des Landtags. 
Neue E. über Thronfolge konnen, weil fie das Ber: 
faſſungsrecht betreffen, nur mit Zujtimmung der 
Voltövertretung abgeichlofien werden. Nach bayr., 
—* und heſſ. Verfaſſungsurkunde geben Erbver: 
rüderte Age in der Thronfolge vor. Cine 
noch gültige €. beftebt zwifchen den beiven Medlen: 
burg von 1642. — Bol. Georg Meyer, Lehrbuch des 
Deuiſchen Staatsrechts (5. Aufl., 8. 90, Cpz. 1899). 
Mit den E. wurden nicht —— Erbeinigungen 
uniones hereditariae) verbunden, d. h. rer die 
achtommen verpflihtende Schuß und Trußbünd: 
Erbvermächtnid, |. Erbe. [nijfe. 
Erbvertrag, im allgemeinen ein Vertrag, 
welcher unmittelbar die Beerbung eines der Vers 
tragichließenden oder beider zum Gegenitande bat, 
Je nachdem derſelbe die Gewährung eines Rechts 
auf die Erbſchaft als Erbe überhaupt oder zu einem 
Bruchteile (E. im engern Sinne, neuerlich meiſt Erb» 
siniepunnänerieug genannt) oder den Verzicht 
auf eine fünftige Erbfolge (Erbverzidt) zum 
Gegenitande bat, jpriht man von affirmativem 
oder negativem E. Werben nur bejtimmte Stüde 
des Nachlaſſes oder eine Geldfumme zjugefichert, fo 
nennt man den Vertrag einen Bermädtnisver: 
trag (f. d.). Als folder kommt er namentlich in 
bäuerlichen Rreifen vor. Das Bürgerl. Geſeybuch 


Erbverbrüderung — Erbvertrag 


nennt E. nur den Bertrag, durch welchen der Erb: 
lafjer einen Erben (Bertragserben) einfeht oder 
Vermãchtniſſe und Auflagen ($$. 2192 fg.) anord: 
net, und ftellt den Erbverziht in Gegenſatz bierzu 
(88. 1941, 2274 fa., 2346 fg.). In die Urkunde, 
welche ven E. enthält, dürfen zwar aud andere Ber: 
—*— als Erbeinſetzungen, Vermaͤchtniſſe, Auf⸗ 

gen, nämlich alle, die duch Teſtament getroffen 
werben fönnen u | eines Tejtamentsvoll: 
ftreders, familienrechtlihe Anordnungen, 3. B. Be: 
nennung eines Vormundes), aufgenommen werben, 
aber nit als Beitandteil des €. ala ſolchen, d. b. 
nicht mit bindender Wirkung für den Verfügenden 
($. 2278), fondern nur als einjeitige Verfügungen 
von Todes wegen. Für eine Verfügung diejer Art 
gilt das Gleihe, wie wenn fie durch Teſtament ge 
troffen wäre. Die Verfügung kann aub in einem 
ſolchen Vertrag aufgehoben werben, durch den eine 
——— Verfügung aufgehoben wird. Wird 
der E. durch Rucktritt oder durch Vertrag aufge 
boben, fo tritt im Zmeifel auch diefe Verfügung 
außer Kraft ($. 2299). Als Vertragderbe und als 
Bermähtnisnebmer kann im E. nicht bloß der an: 
dere Vertragfchließende, jondern auch ein Dritter 
bedacht werben ($. 1941). Der Erblafier kann einen 
E. nur perfönlih fließen; ebenfo nur, wenn er 
unbefchräntt geibäftsfähig ift. Eine Ausnabme 
beftebt wegen der häufigen Verbindung von Ebe— 
und Erbverträgen nur für 8 und Berlobte. 
Nur bedarf der nicht voll Geſchäftsfähige dann der 
BZuftimmung feines gejeglihen Vertreters, oder, 
wenn dies der Vormund oder Pfleger ift, auch des 
Bormundfchaftsgerichts. Der E. kann nur vor einem 
Richter oder Notar bei gleichzeitiger Anweſenheit 
beiver Teile geichlojien werden, und zwar gelten im 
einzelnen die yormvorjchriften über das vor Ric: 
ter oder Notar errichtete ordentliche Tejtament (alio 
insbejondere entweder mündliche Erllärung vor Ge 
richt u. f. w. oder Übergabe einer Schrift). Für den 
mit dem Ehevertrag verbundenen €. genügt die für 
den Ehevertrag vorgeichriebene Form, der übrigens 
auch vor Gericht oder Notar abgeſchloſſen werden 
muß ($$. 2276, 1434). Haben Ehegatten in einem 
E., durch den fie fich gegenfeitig ald Erben einfegen, 
bejtimmt, daß nad) dem Tode des fiberlebenven der 
beiderjeitige Nachlaß an einen Dritten fallen foll, 
oder ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tode 
des liberlebenden zu erfüllen ift, jo iſt im Zmeifel 
anzunehmen, daß der Dritte für den gefamten Nach⸗ 
laß als Erbe des zuletzt verfterbenden Ehegatten 
eingejegt ift und das Vermächtnis dem Bedachten 
erft mit dem Tode des liberlebenven anfallen ſoll 
($. 2280). Wegen Unvankbarteit des im E. Be: 
dachten ift nach näherer Bejtimmung der $$. 2294 
und 2295 Rüdtritt vom E. zugelaſſen. — Ein Ber: 
trag, wodurd jich jemand verpflichtet, eine Ver: 
fügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu 
errichten, aufzubeben oder nicht aufzuheben, ift nich⸗ 
tig ($. 2302). Der Erbeinjegungsvertrag erzeugt 
einen Anfallagrund (f. Anfall), welder ın Wirt: 
amleit tritt, wenn der Erblafler verjtirbt und der 

rtragserbe ihn überlebt. Aber zum Unterſchied 
vom Tejtament als der einfeitigen Verfügung von 
Todes wegen (lestmwilligen Verfügung, $. 1937) 
kann der Erblafjer diete Verfügung von Todes 
wegen nicht ohne Zustimmung des eingejegten Erben 
urüdnebmen. Nur Beräußerungen unter Lebenden 
ind ihm geftattet ($. 2286). Die Vertragichlieken: 
den können fi gegenfeitig zu Erben einjegen. Sind 


Erbverzihdt — Erchanger 


in einem €, von beiden Teilen vertragämäßige Ver: 
fügungen getrofien, fo hat die Nichtigkeit einer dieſer 
Verfügungen die Unwirkſamkeit des ganzen Vertrags 
jur Folge ($. 2298). Dem röm. Rechte war der €. 
nicht befannt, wobl aber jhon dem Gemeinen Rechte. 
Für das Gemeine Hecht wird von der herrſchen⸗ 
den Meinung angenommen, daß die Beobahtung 
rg nicht erforderlich fei, fo daß ſelbſt der 
mün Abſchluß genügen foll. Der Eingeſetzte 
iſt nad dem Tode des Erblafjers in derfelben Lage 
wie der Teſtamentserbe (f. Erbihaftserwerb). — 
Bol. Stobbe, Handbuch des deutſchen Privatrehts 
(3. Aufl., Berl 1893— 1901), 88.298 fg.; Hartmann, 
Lehre von den €. (Braunſchw. 1860); Schiffner, 
er E. nad dem Bürzgerl. — * ena 1899). 
Erbverzicht, der Verzicht auf ein Erbrecht. Über 
den Berzicht auf ein angefallenes Erbredt (Aus: 
ihlagung) j. Erbichaftsermwerb. Nad den meiften 
tft ein einfeitiger Verzicht auf das künftige 
Erbfolgerecht unwirkſam, insbefondere nad Ge: 
meinem Rechte und Bürzgerl. Geſetzb. 8.1946. Ge: 
wöhnlich verjtebt man unter €. den Bertrag, in 
dem jemand dem Erblafjer gegenüber auf fein Erb: 
rebt in deſſen Nachlaß verzichtet. Das röm. Recht 
tannte diefen E. nicht. Der Code civil Art. 791, 
1130 beftimmt ausprüdlich, daß alle Berträge über 
die Erbichaft eines Lebenden, aud wenn jie mit 
dieſem ſelbſt geichlofien werben, ohne Wirkjamteit 
ind. Das Gemeine deutſche Redt, in3befondere die 
Braris desfelben, ertannte den dem Erblaſſer gegen: 
über auögeiprochenen, von biefem angenommenen 
iht an. Nicht minder kennen den vertrags⸗ 
mäßigen E. zablreiche andere Rechte, insbeſondere 
das Dfterr. Bürgerl. Geſetzb. 8.551 und das Deutiche 
Bürgerl. Gefegbud, und zwar letzteres ald E. den Ver: 
| t der Berwandten und Ehegatten auf ihr geieß- 
iches Erbrecht, dann jedes durd Teftament oder Erb» 
vertrag Bedachten (58. 2346, 2352), immer aber nur 
ald Verträge zwiſchen Erblafjer und Berzichtendem. 
Der Vertrag, durch den jemand auf bg ulünfti« 
aed Erbrecht einem Dritten gegenüber bei Lebzeiten 
des Erblaſſers verzichtet, wird von vielen Rechten 
für unzuläffig erflärt (Code civil, Öfterr. Bürgerl. 
Geiegb. 8.879, Nr. 4). Für das Gemeine Recht be: 
jabte die herrſchende Meinung die Zuläffigkeit, fo: 
fern der Erblaſſer mitwirft. Das Deutſche Bürgerl. 
Geſetzbuch erlaubt einen folchen Vertrag nur unter 
tünftigen gefeglichen Erben und nur über den geſetz⸗ 
liben Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen 
und Ya gerichtliche oder notarielle Beurkun: 
. 812). 
vn meijten Rechte enthalten für den E. Form- 
vorihriften nicht; das Deutſche Bürgerl. Geſetzbuch 
($$. 2348, 2352) forbert e richtliche oder notarielle 
—— Zum €. iſt nach Bürgerl. Geſetzb. $. 2347 
ehmigung des Vormund ſchaftsgerichts erforder: 
lich, wenn der Berzichtende unter Vormundſchaft 
hebt; ftebt er unter elterlicher Gewalt, fo gilt das 


oder 


bten geichlofien wird. Iſt der Erblafjer 
der Geihäftsfäbigkeit beihränft, fo bedarf er 
nit der Zujtimmung des geſetzlichen Vertreters. 
Nah den meiften Rechten .; die Wirkung des 
vertragsmäßigen Verzichtes injofern eine erbrecht- 
liche, ald dem Verzichtenden die Erbſchaft gar nicht 
anfällt, Der Verzicht auf das Grbredt enthält 
nah Gemeinem Rechte, DÖfterr. Bürgerl. Gejepb. 
$. 767 und Deutihem Bürger. Gejegb. $. 2346 
x.a. aub den Berzicht auf ven Pflihtteil. Der Ver: 


‚ jofern der Vertrag niht unter a beb 


125 


zicht kann aud auf den Pflichtteil beſchränkt werben 
(ebenda $.2346). gen jemand zu Gunſten eines 
andern auf das gejegliche Erbrecht, fo ift im Zweifel 
anzunehmen, dad der Verzicht nur für den Fall gelten 
fol, daß der andere Erbe wird. Verzichtet ein Ab: 
tömmling des Erblafjerd auf das geſeßliche Erbrecht, 
fo ift im Zweifel anzunehmen, dab der Verzicht nur 
zu Qunften der andern Ablömmlinge und des Che: 

— des Erblaſſers gelten fol (Bürgerl. Geſeßb. 


). 

Hinfihtlih der Wirkung für Ablömmlinge des 
Berzichtenden beftehen manderlei Verſchiedenheiten. 
Rad dem Öfterr. Bürgerl. Gejesb. 88. 551, 732 wird 
—— durch den Verzicht auch das Erbrecht der Ab» 
un. des Verzichtenden —— Die herr⸗ 
reis einung für dad Gemeine Recht ging das 
in, das Erbrecht der Ablömmlinge bleibe unbes 
rührt, wenn der Berzichtende vor dem Erblafier 
pers: jedoch ſei alsdann die erhaltene Abfindung, 
omeit fie auf die Ablömmlinge gelangt jei, zur 
Ausgleihung zu bringen. Das Bürgerl. Gefebb. 
8.2349 jagt, Br wenn ein Ablömmling oder Seitens 
verwandter des Erblaſſers auf das gejegliche Erb⸗ 
recht verzichtet, fih die Wirkung des E. auf feine 
Abkömmlinge erjtredt, fofern nicht? anderes ber 
ftimmt wird. — Aud für den Vertrag, dur den 
ein E. aufgehoben wird, gilt nad Bürgerl. Geſetz⸗ 
buch notarıielle oder gerichtlihe Form ‘ 2351). — 
Die vor Inkrafttreten des Bürgerl. Geſetzbuchs er» 
folgte Errichtung eines E———— ſowie 
die Wirkungen eines ſolchen Vertrags beſtimmen 
ſich nach bisherigem Recht. Das gleiche gilt für 
den den E. aufhebenden Vertrag (Einfuhrungsgeſetz 
Art. 217). Der E. fand früber für den hohen Adel 
jehr bäufig Anwendung, um die Töchter von der 
Succeifion auszuſchließen (j. Erbtodhter). Neuerlid 

ben die Hausgeſetze diefen Verzicht zumeiit ent: 
ehrlich gemacht, ſoweit er ſich nicht auf dasjenige 
Vermögen erjtreden foll, weldes nicht zum Familien: 
ute gebört. — Vol. Stobbe, Handbuch des deuts 
chen —E (3. Aufl. Berl, 1893— 1901). 
Erbzind, eine in Geld oder Naturalien be: 
ftehende gleichbleibende Abgabe, ge welde ein 
Grundftüd, namentlich Bauerngut t rbzinsgut), 
vertragämäßig erblich verliehen wird. Der Zins 
census, canon) ſteht in feinem Verhältniſſe zum 

chtertrage, wie in der Regel bei der Erbpacht 
N d.); er ie jedoch auch feine vereinzelte Reallaft, 
ondern ftellt ein allgemeines Abhaͤngigleitsver⸗ 
bältnis mit Obereigentum des Zinsherrn dar. Bei 
Beränderungsfällen in chender oder dienender 
Hand pflegt ein das Verhältnis beſtätigender neuer 
Erbzinslehnbrief ausgefertigt zu werden, wobei 
dann eine entweder in Prozenten des Kaufpreiſes 
oder in einem Mehrfachen des Zinſes beſtehende 
Lehnware (laudemium) zu zahlen iſt. Die neuere 
Geſetzgebung bat auch bier für Klärung der Eigen: 
tumsverbältniffe des Erbzinsmannes durch Auf: 
ung des Obereigentums und Loſung der durch 
diefeö begründeten Abhängigfeitäverbältnifie_ ge: 
jorgt. Meiſtens ift der Zins und die Laubemialpflicht 
in eine ablösbare Geldrente verwandelt. 

—— „ein mädtiger Graf in Schwaben, 
der unter König Ludwig dem finde mit feinem 
Bruder Berchtold zum Verwalter der königl. Güter 
und Einkünfte in Schwaben ernannt war und bori 
Herzog zu werben trachtete. Ihrer Abkunft nad 
waren bie Brüder wahrſcheinlich Entel des Grafen 
E.vom Nordgau und Breisgau. 918 erfochten fie am 


126 


nn einen glänzenden Sieg über die Ungarn. Ihre 
*— unigunde war mit dem König Konrad 
vermählt. Wegen fortgeſetzter Fehden mit dem 
Biſchof Salomo von Konſtanz wurden ſie 914 vom 
König des Landes verwieſen, ſchloſſen ſich aber 
dennoch einem neuen Aufitande in Schwaben an, 
fiegten 915 bei Wahlwies, worauf ſich E. mwirllich 
als derzog ausrufen ließ. 916 vor die Synode zu 
Hobenaltheim geladen, —— ſich die Brüder frei⸗ 
willig und wurden zu lebenslänglicher Einſperrung 
in ein Kloſter verurteilt. Doch (don 4 Monate dar: 
auf wurden fie, 21. an. 917, auf Befehl König Kon⸗ 
rads zu Adingen hingerichtet. — Bol. Roth von 
Schredenſtein, Der Untergang der alamannifchen 
Grafen €, und Berdtold (in den «Forſchungen zur 
deutihen Geſchichte», Bd. 6, Gött. 1866); F. 8. 
Baumann, Zur jhmäb. ri er (in den 
«Bierteljabröbeften für württemb. Geſchichte und 
Landeskunde», Bd. 1, Stuttg. 1878). 
Erchtag, |. Dienst. 5 
Ercilla y Züniga * -ilja i dſünjiga), Don 
Alfonjo de, ſpan. Dichter, geb. 7. Aug. 1533 zu 
Madrid, wurde Bage bei dem Infanten Don Phi— 
lipp und begleitete ihn 1547 —51 auf feinen Reis 
fen. Dann nahm er an dem Zuge gegen die auf: 
ftändigen Yraufaner an der Küfte von Ehile teil und 
ließ fi durch ihren Heldenmut zu dem Gedanken 
begeijtern, diefen Kampf zum Gegenftande eines 
roßen Epos zu machen, das er um 1558 begann. 
Falicher Verdacht, einen Aufrubr geftiftet zu baben, 
vermwidelte ihn nadber in eine peinliche Unter: 
— und ſchon ſtand er auſ dem Blutgerüft, ala 
eine Unſchuld ertannt wurde. Tief geträntt ging er 
1562 nah Spanien zurüd und madıte dann eine 
Reiſe durh Frankreich, Italien, Deutichland, Böh— 
men und Ungarn. Er wurde 1571 zum Ritter von 
Santiago ernannt und diente einige Zeit ald Kam: 
merberr bei Kaiſer Rudolf IL. (1576). Doch war er 
ſchon 1578 wieder in Madrid und ftarb 1595. Sein 
hiſtor.epiſches Gedicht in Dttaven, «La Araucanas», 
in 37 Gejängen, ift, einzelne Epifoden abgerechnet, 
eine treue Schilderung der Begebenbeiten, denen 
er in Chile jelbjt beigewohnt, in der Charalteriſtik 
ift es vortreiflid und in fprachlicher Beziehung Haf: 
fi. Gervantes jtellt ed im «Don Quixote» den 
beiten Epopöen der Staliener an die Seite, Die 
erite, 15 Feine umfaflende und 1555 —63 ge 
ſchriebene Abteilung erſchien zuerft allein (Madr. 
1569). 1578 folgte erft die zweite Abteilung, in der 
E. duxch Einflebtung romantiſcher und — 
ſcher Epiſoden ſchon mehr dem Zeitgeſchmacke hul⸗ 
digte. Noch mehr iſt dies in der dritten Abteilung 
der Fall, die mit den beiden frübern zuerſt 1590 ge 
drudt wurde. Das Gedicht ift oft abgebrudt worden 
(am eleganteften, 2 Bde., Madr. 1776; am korrel⸗ 
tejten, 2 Bde., ebd. 1828); neuerdings ward es in 
die «Biblioteca de autores espanoles» (Bd. 12) auf: 
enommen. Eine ortiegung lieferte Don Diego 
antifte van Oſorio (Salamanca 1597; mit der 
«Araucana» — 2 Bde., Madr. 1733—35), 
eine deutſche üͤberſezung Winterling (2 Bde., Nurnb. 
1831). — pl. Noyer, Etude litteraire sur l’Arau- 
cana d’Ercilla (Dijon 1880). 
Erfmann:Chatrian (pr. ſchatriäng), Kollek⸗ 
tioname der franz. Romanſchriftſteller Emile Erd: 
mann und Alerandre Chatrian. Erdmann, 
eb. 20. Mai 1822 zu Pialzburg, bejucte das 
ollöge jeiner Baterftabt und begab ſich dann nad 
Paris, um die Rechte zu ftubieren. Chatrian, geb. 


Erdtag — Erdapfel 


18. Dez. 1826 im Weiler Soldatenthal der Ge— 
meinde Aberjchweiler bei Pfalzburg, befuchte eben: 
falls das Gollöge zu Pfalzburg und war eine Zeit 
lang in belg. Glashütten thätig, lehrte jedoch bale 
in bie Heimat zurüd und übernahm die Stellung 
eines Studienaufjeberd am Eollöge zu Pfalzburg. 
Hier machte er die Belanntibaft Erdmanns, an 
den er ſich in enger Pranbiha anſchloß. Bon 
diejer Zeit ab datiert ihr litterar. Zuſamm en. 
Sie gelangten glei anfangs (1848) zu einer ſolchen 
Einbeit in Kompofition und Stil, daß man Er 
lang unter dem Doppelnamen nur einen t 
vermutete. Sie ſchrieben zahlreiche Novellen, bei 
denen der Einfluß der deutſchen Litteratur unver: 
fennbar iſt. Ihr erfter größerer Roman in Hoff: 
mannfcer Manier, «L'illustre Docteur Mathe&us» 
(1859), bildete ihren erjten Erfolg. Bald wuchs ihr 
Ruf befonders wegen ibrer forgfältigen Schilderun⸗ 
gen der Sitten und Gebräuche ihre Heimatlan- 
bed, Chatrian ftarb 5. Sept. 1890 in Billemomble, 
nachdem er fich mit feinem Mitarbeiter entzweit 
batte; diejer ſtarb 14. Mär; 1899 in Qundville, we 
ihm 1902 ein Denkmal errichtet wurde. R 
Die berporragenditen Romane der beiden Schrift: 
fteller find: «Contes fantastiques» (Par. 1860), 
«Contes de la montagne» (1860), «Maitre Daniel 
Rock» (1861), «Contes des bords du Rhin», «L’in- 
vasion ou le fou Yegof» (1862), «Le joueur de 
clarinette» (1863; deutfch Lpz. 1888), «La taverne 
du jambon de Mayence», «Les amoureux de Cathe- 
rine», «Madame Thertse» (1863), «L’ami Fritz», 
«llistoire d'un conscrit de 1813» (1864), «Water- 
loo, suite du conscrit de 1813», «Histoire d’un 
homme du peuple» (1865), «La maison forestidre», 
«La guerre» (1866), «Le blocus, &pisode de la 
fin del’Empire» (Belagerung von Bfalzburg, 1870), 
«Histoire d'un paysan» (4 Vde., 1868— 70), «His- 
toire d’un sous-maitre» (1871), «Les deux fröres» 
(1873), «Le brigadier Frederic» (1874), «Maitre 
Gaspard Fix» (1876), «Contes vosgiens» (1877), 
«Le banni» (1882). Auch als Dramatiler find 
beide Autoren mit Erfolg aufgetreten: «Le juif 
lonais» (1869), «L'ami Fritz» (1877) und « 
Rantzau», eine Bearbeitung ded Romans «Les 
deux freres», die 1882 auf dem Theätre frangais 
in Scene ging. Die beiden legten Stüde dienten 
Mascagni als Vorlagen zu Opernterten. Viele Werte 
von €. jind ins Deutiche (mehrere in Reclams «llni» 
albibliothel») und ——— uberſetzt worden. — 
Bal. Julian Schmidt, Bilder aus dem geiftigen 
Leben unferer Zeit (Neue Folge, Lpz. 1871). 
Ercöle del Rio, ital. Schadipieler, j. Rio. 
Erefi (jpr.ertici), auch Ercjeny (fr. ertihehni), 
Groß⸗Gemeinde im Stublbezirt Adony des ungar. 
Komitats Stuhlweißenburg (Feier), rechts an ber 
Donau, an der Linie Budapeit: Zälany: Aaram 
der Ungar. Staatöbahnen, iſt Dampfihiffabrts- 
ftation und bat (1900) 6197 meift fath. magyar. E.; 
Spiritus: und Ölfabrilation. 
Erdachſe, ſ. Erde, auch Nutation und Bräceffion. 
Erdagamen (Humivagae), ſ. Agamen. 
Erdalkalien, foviel wie Altaliihe Erden (f. d.). 
Erdalfälimetalle, Bezeibnung für die aus 
Baryum, Strontium und Galcium beitebende 
Gruppe em. Elemente. 
Erdan, PBjeudonym, j. Jacob, Alerandre Andre. 
Erdapfel, die Knolle der Topinamburpflanze, 
ſ. Helianthus und Tafel: Futterpflanzen l, 
Fig. 1; auch foviel wie Kartoffel (f.d.). 


Erbäquator 


Errägquator, |. Aquator. 
Erdarbeiten, die Arbeiten des Erbbaues (f.d.). 
- de E. für Hoch bauten, welbe einen Poften 
dei Bauanichlags (f. d.) bilden, umfaflen zunächſt 
ve Ausſchachtung des Bodens für den Grundbau 
und die Keller und bie Fortſchaffung des heraus⸗ 
acer Bodens. Die Härte des Bodens, das Vor: 
denlein jtörender Grundmäfler, die größere Tiefe 
des Örundes fteigern die Koſten des Ausihachtens. 
Dichtig ift, in der Näbe einen eng gr mag für 
Erde und Schutt zu befigen. Zu den E. gehören aber 
auch die Auffüllungen von Boden, die J namentlich 
bei Terraſſenbauten oft nötig machen, ferner das 
Ausgleichen (Nivellieren) des Grundſtücks nad volls 
endetem Bau, die Anlage der Beete, ferner die Pfla- 
der Zufabrtämwege und Höfe, die Anlage von 

Abmätlerungsgräben u. a. 

Außerdem ift noch für die Beihaffung der Geräte, 
als Spaten, Haden, Karren und Karrdielen (Bohlen), 
15 ar des Arbeitslohnes in Rechnung zu jeßen. 
Hiernach erfordert das Loſen des Grande, erfen 
biö zu 4 m Entfernung (oder Berlaben in Karren) 
folgende Arbeitszeiten in Stunden pro 1 cbm Erb» 
reich für die verjchiedenen Bodenarten: 


Sandboden.............. EIER: 
Adererde und leichter Lehm... ....... 1,8 
Strenger Lehm mit Thonſchichten und Gerölle 2,3 
Geftein, mit Brechftangen zu löjen ...... 4,5 
Felien, mit Pulver abzjufprengen ....... 7,5 


Soll der Erdboden nicht von der Bauftelle ent: 
En fondern auf derjelben eingeebnet werben, jo 
dieſe Zablen dur einen geringen Zuſchlag 
von einigen Prozenten abzurunden. 
Bei Erdbewegungen auf große Entfernungen hin 
fest man folgende Werte in Rechnung: 
Entfernung in Metern 50 100 150 200 250 300 
rbeitöftunden für Icbm 0,8 13 18 232 26 3,1 
Die Ermittelung des kubiſchen Inhalts der Bau: 
grube bat unter Berüdjihtigung eines Boͤſchungs⸗ 
raum und Arbeitäraums zu erfolgen. Im allge: 
meinen rechnet man 1 cbm Erbe auszugraben und 
bis auf 50 m weit zu verfarren 0,45 bis 0,75 M. Über 
G. im Eijenbahnbau ſ. d. — Bol. Schwatlo, Hand: 
buch zur Beurteilung und Anfertigung von Bau: 
anſchlagen (9. Aufl., Karlst. 1890); Bentwis, Das 
Beranjhlagen von Hochbauten (4. Aufl. Berl. 1893). 
Erdarbeiter, joviel wie Grabemaſchine (f. d.). 


Erbarten, j. Erben. 

Erdaffeln (Geophilus Leach), eine Gattung der 
Stolopendren (j.d.), ſehr langgeftredte Arten mit bis 
zu 93 Beinpaaren. bis 45 mm lange, bei ung 
einbeimijhe Geophilus electricus L. leuchtet im 

Erdbäder, j. Bad. [Dunteln, 

Erdbau, die Lehre und die Durchführung von 
Erdarbeiten, welde die Gewinnung des Bodens 
(Abgrabung), den Transport desjelben, die regel: 
sehte Aufi —— kuünſtlicher Bobenerhoͤhungen 
die Sicherung der Boſchungsflächen, die Anlagen 
zum Schutze und zur Wiederberitellung gefäbrveter 
oderabgerutichter dlörperjumÖegenftanbebaben. 

Der €. bat ſich zu einem felbftändigen, wichtigen 

Zweige des Ingenieurweſens berausgebildet und 

erlangt genaue Kenntnis der chem., phyſik. und 

wolog. Berbältnifje des Bodens, der ung tie: 
ticher und elementarer Motoren jomwie der Theorien 
kr Mafienverteilung, des Erddrudes u. |. m., welche 

'  Röbeiondere in der grapbiicen Statik ibre weitere 
hatwidlung gefunden baben. 


— Erdbau 127 


Die Bodengewinnung unterfheidet: 1) Stid: 
boden (Humus u. f. w.), welcher mit der Schaufel 
allein gelöft und verladen werden fann; zur Löjung 
großer Mengen diefer Bodenart in — Zeit hat 
man beutzutage vielfab Maſchinen, die Erfavatoren 
(f. Grabemajdinen), angewendet. 2) Der Hau: 
boden oder Hadboden (fetter Thon u. ſ. w.), ber 
mit der Breithaue, dem Krampen, gelöjt und mit 
der Schaufel verladen wird. 3) Brechboden (feiter 
bon, zerllüftetes Gejtein u. |. w.), den man mit 
dem Pidel, der Bredftange, dem Keil oder der 
Schrämmajdine löft. 4) Der Sprengboden 

eld), der durch Sprengarbeit gewonnen wird. 

ynamit und Sprenggelatine haben bier das früber 
allgemein verwendete Schießpulver vielfach ver: 
drängt, für tellung der Bohrlöcher find bei Ar: 
beiten größern Umfangs, jo namentlih beim Tun: 
nelbau, an Stelle der Handarbeit mehrfad die Ge: 
ſteinsbohrmaſchinen (f. d.), an Stelle der Zündung 
mitteld abbrennender Schnüre die Elektriihe Zün- 
dung (j. d.) getreten. (S. auch Tunnel.) 

Der Transport des Bodens erfolgt auf 
ganz Heine Entfernungendurdeinmaligen oder mebr: 
maligen Wurf mit der Schaufel, auf etwas größere 
Entfernungen mit dem Schubtarren, auf meitere 
mittels Handkippkarren, Pierdelipptarren, auf In: 
terimsgleifen mitteld Pferbezug oder eigener Lofo: 
motiven (f. Transportable Eiſenbahnen). Bei För: 
derung auf langen, fteilen Lehnen wird zur Anlage 
von — Aufzügen oder Bremsbergen geſchritten. 
Auch Seilbahnen (ſ. d.) finden vielfach Verwendung. 
Die Ermittelung der zweckmäßigſten Transport: 
weiſe für die gegebene Dienge unter Berüdfichtigung 
der Transportweiten und der auf denjelben zu ge 
wärtigenden Steigungen und Gefälle der Bahn 
gehört zu den wichtigſten, aber auch ſchwierigſten 

ufgaben des disponierenden Ingenieurs. Hierbei 
wird bei langgeitredten Erblörpern (Eifenbabnen, 
Straßen u. j. m.) vielfach zu erwägen fein, ob z. B. 
eine beftimmte Partie eines Dammes aus dem oft 
weit ber zu führenden, im nädjten Einſchnitte ge: 
wonnenen Material mittel Längstransportes 
oder aus einer eigens bierzu angelegten Seiten: 
entnabmejtelledicht neben dem fraglichen Damm, 
alfo mitteld Quertransportes, bergeftellt wer: 
den joll, wobei dann ber aus dem entfernten Ein: 
fchnitte gewonnene Boden neben dem Einſchnitte 
= Ablagerung gelangen kann. Die mittlere 

ransportmweite bezeichnet den Abftand der 
Schwerpunkte einer bewegten Majle in ihrer ur: 
fprünglichen und ihrer neuen Lage, die reduzierte 
Transportweite eine horizontale rn e, auf 
welcher der Transport ebenfoviel koftet ald auf einer 
beitimmten Weglänge von gegebener Steigung. 

Die Herftellung der Erdeinfhnitte und 
:Aufträge (Dämme) erfolgt nad beftimmten 
Metboden. Man unterfheidet den Abbau in Lagen, 
den Strojjenbau, den Seitenbau, den engl. Ein 
ſchnittsbetrieb, bei welchem der Herftellung des Erb: 
einſchnitts ein Stollen in der definitiven Baufoble 
Maar wobei durh Schächte von oben ber das 
abgegrabene Material in Wagen geworfen wird, 
die in den Stollen auf Arbeitäbahnen eingeführt 
werden. Bei Herftellung von Dämmen kommen 
Schuttgerüfte (Sturzgerüite), Gerüftbrüden u. ſ. m. 
in Anwendung. (S. Eifenbahnbau.) 

Die Sicherung der Boſchungen (f. d.) erfolgt 
dur Berafungen, Bepflanzungen, PBflafterungen 
fomwie Erbprudmauern /i, d.). Die Anlagen zum 


128 


Schutze des Beitandes der Erbbauten beitehen außer: 
dem aud häufig in forgfältig außzuführenden Ent: 
wäflerungsanlagen, welche mitunter zur Heritellung 
beveutender Drainierungen, Stollen u. f. wm. fübren 
fönnen, in einer entfprechenden Gründung des Baus 
weris bei nicht mwiderftandsfäbigem Boden (Moor 
u. ſ. w.), in einem ausreibenden Schuße gegen die 
Angriffe des Waſſers an Flüſſen und Meeren u. j. w. 
(S. aub Durchlaß.) 

Bei Wiederberftellung zerftörter Erbbauten 
ift vor allem das noch Beltebende vor dem zer: 
ftörenden Einfluffe zu ſichern, dann die Bejeitigung 
der Entſtehungsurſache, jo 5. B. die Entwäſſerung 
des Nutichterraing oder der Abbau des Wildbachs 
u.j. m. vorzunehmen und hierauf die vorläufige 
oder endgültige Heritellung der neuen Anlage zu 
vollzieben. Unter Umftänden kann bei ungünſtigem 
Terrain nur die volljtändige Umlegung der Baur 
linie Sicherbeit bieten. — Bal. von Bauernfeind, 
Grundriß der Vorlefungen über Erb: und Straßen: 
bau (Münd. 1875); Handbuch der Ingenieurwiſſen⸗ 
ihaften, Bd.1—4 (Bd. 1—3 in 2. Aufl., Lpz. 1882 
—%); Henz:Stredert, Praktiſche — zum E. 
(3. Aufl., Berl. 1873); W. Heyne, Der E. (Wien 
1876); Giejeler, Lehrbuch des €. (2. Aufl., Bonn 
1895); Goering, Mafjenermittelung, Mafjenverteis 
lung und Transporttojten der Erbarbeiten (4. Aufl., 
Berl. 1902). Val. auch die Litteratur zu Eiſenbahn⸗ 
bau und Brüde. 

Erdbeben, —— des Erdbodens, 
die ihre Urſache unter der Pen baben. 
Nach der Verichiedenartigfeit diejer ihrer Urſachen 
teilt man die €. ein in: 1) Einſturzbeben, ent: 
ftanden durch Zufammenbrud —— Hohl⸗ 
räume; fie find ſelten und lokal und reſultieren aus 
der gejteinsauflöjenden Thätigkeit des Waſſers; 
2) vullanifche E. over Erplojionsbeben mer: 
den dur Stöße erzeugt, die dur die aus Vul— 
fanenjhlünden entweihenden Gafe und Dämpfe 
bervorgebradt werben; 3) tektoniſche €. oder 
Dislotationsbeben find Glafticität3erfcheinun: 

en der Erdrinde und haben ihren Urfprung wahr: 

Nheinlic in der libergangsjone aus dem gasfdr: 
migen Erdkern in den flüjfigen und jeften Zuftand 
der Rinde. Mit der Gebirgsbildung ſtehen die €. 
in feinem urſächlichen Zuſammenhange. Die Riſſe 
und Brüche, von denen jie ausgeben, nennt man 
Stoß: oder Schütterlinien, aud ſeismiſche 
Linien. Die Art der Bewegung, in melde die 
Ervoberflähe durch E. verjegt wird, ift entweder 
eine wellenförmige (undulatorifche E.) oder 
eine jtoßförmige (ſuccuſſoriſche E.). Die unter: 
jeeiiben €. werden Seebeben und Erbbebenfluten 
genannt. 

Die — der E. iſt bald eine 
centrale, indem ſich die Erſchütterungen gleich— 
mäßig nach allen Seiten hin fortpflanzen, oder 
dies geſchieht nur nach einer Richtung, wodurch 
lineare €. entſtehen. Das Gebiet der erſtern 
nennt man Erſchütterungskreis, das der legtern 
—— Der oberflächliche Mittelpunkt 
eines centralen E. heißt Epicentrum; die Lage 
desſelben lann gefunden werben vermittelſt der Ho: 
moſeiſten, d. b. der Verbindungslinien aller der 
Punkte, wo das E. gleichzeitig gefpürt wird. Die 

omofeiften haben bei centralen E, Kreisform. Die 

auer der E. ſchwankt zwiſchen weiten Grenzen. 
Manche der verbeerenditen E. waren das Wert mes 
niger Selunden, andere hielten monate:, ja jahre 





Erdbeben 


lang an und beitanden dann aus Taufenden von 
Stößen (5. B. das pholiihe E. 1870—73, über 
50.000 Stöße). Die meilten €, find von unterirbi: 
fhem Donner, Rollen, Klirren, Krachen ng 
andere mit Spaltenbildung, Schlamm:, fier: 
und Gasausbrühen, Sentungen oder Horizontals 
verjhiebungen des Bodens verlnüpft. Daß größere 
E. die Zeritörung ganzer Städte und die Vernich— 
tung u von Menſchen im Gefolge haben 
fönnen, ijt befannt. Zur Beobadtung der Fort: 
pflanzungsrichtung und des Zeitpunftes der E. die: 
nen die — * (. d.). 

In neueſter Zeit haben einige bedeutende E. in 

erhoͤhtem Maße das Intereſſe auf dieſe Etſcheinung 
elenkt. Es war dies zunächſt das €, oder in die 
em alle beſſer gelangt Seebeben von Jquique in 
eru (9. Mai 1877), bei dem es gelang, die Fort: 
flanzung der wellenförmigen Bewegungen nament: 
ich im Stillen Dcean zu verfolgen. (S. umjtebenbe 
Figur, in der die punltierten Linien, Iſo rachien 
— den Eintritt der Flutwelle von Stunde zu 
tunde darſtellen; ſ. auch Gezeiten.) Von noch gro⸗ 
Bern Wirkungen verſchiedener Art war ber viel ge 
nannte, überaus heftige Ausbruch des Kralatau (f.b.) 
in der Sundaitraße begleitet, der in der Nacht vom 
26. zum 27. Aug. 1883 erfolgte. Zu nabe gleicher 
Zeit wurden auch in Nordamerifa mebrfahe €. 
wahrgenommen, jo daß es jcheint, als ob diejes Er- 
eignis das weit —— der bis jetzt beobachteten 
€. geweien ſei. Von großem — iſt auch hier 
die Verfolgung der Flutwelle geweſen, und zwar 
wurden bei dieſer Gelegenheit mehrere ſolcher Wellen 
an den Flutmeſſern in Indien, Südgeorgien u. ſ. w. 
wahrgenommen. 

Das Auftreten der E. ift nit gleihmäßig auf 
der ganzen Erde. Am zablreihiten find fie in Ge: 
bieten mit jungen Schichtenjtörungen, befonders an 
den Bruchrändern der Gebirge. In Europa find 
am meijten von E. heimgeſucht die brei jüdl. 
Halbinjeln, Ungarn und die Gegend des Mittel: 
rheins. In Ajien find E. am häu alten im Weiten, 
dann im Indus: und Gangesgebiet, in Hinter: 
indien, dem Malaitihen Ardipel und in Japan. 
Afrika und Auftralien find verhältnismäßig von 
€. verfjbont. Dagegen find fie zahlreicher auf den 
prfeln des Stillen Oceans, befonders in Neufee- 
and und den Sandwidinjeln. Am reichſten mit €. 
bedacht ift die Weſtlüſte von Amerila, beſonders 
von Südamerila. Noch nie von E. heimgeſucht 
wurde das europ. Rußland. 

Zu den bedeutendſten E. der neuern Zeit gehören 
das in Lima 28. Dit, 1746, das in Liſſabon 1. Nov. 
1755, das fih von Grönland bis Afrika, ja bis 
Amerika ausdehnte, jo daß die gleichzeitig dadurch 
erihütterte Oberfläche etwa ein Dreizehntel der ge: 
famten Erdoberfläche betrug; die in Galabrien 
5. Febr. 1783, in Ecuador 4. Febr. 1797, am Mit: 
fiffippi unterhalb St. Louis 13. Juni 1811, in 
Caracas 26. März 1812, in Balparaifo und Chile 
19. Nov. 1822; ferner die E. auf Terceira 12, Yuni 
1841, auf Guabeloupe 8. Febr. 1843, auf Sum: 
bawa 15. April und auf Haiti 7. Mai 1842, zu 
Gumana 15. Juli 1853, zu San Salvabor (Een: 
tralamerila) in der Nacht vom 16. zum 17. April 
1854, zu Brufja 28. Febr. und 18. April 1855, in 
Wallis (Visp) 25. Juli 1855, zu Jeddo (Navan) 
12. Rov. 1855; jodann im Neapolitanifhen (Atena, 
Badula, Bolta) feit 16. . 1857, zu Korinth 
12. Febr. 1858, zu Merito 19. Juni 1858, zu Quito 


Erdbebenmefjer — Erdbeere 


2 Ri 1859, zu Mendoza 3. März 1861, in 
Cmader und Peru Mitte Aug. 1868, in Kalifor: 


nen 21. Dit, 1868, zu Belluno 8. Aug. 1873, auf 
ca 28. Juli 1883, an der Riviera 28. Febr. 
1857, weitlib von Totio (Xapan) vom 28. Dit. big 
15.Rov. 1892, auf Luzon am 16. März 1892, auf 
Jante im Aug. 1892 bis Jan. 1893, in Theben 
2.3. Mai 1893, in Lokris 20, April und fol 
gende Tage 1894, in Japan 28. April und 20. Juni 
18%, Sommer 1894 in Konftantinopel und an der 
Oftieite des FÄtna, in Argentinien am 27. Dt. 1894, 
in Südweſtdeutſchland 13. Jan. 1895 und 22. Jan. 
1896, in Mittelichlefien 11. Juni 1895, bei Florenz 
18. Mai 1895, bei Laibach 14. und 15. April 1895 


und 15. Juli 1897, im Mijfiffippibeden 31. Ott. 
1895, auf Island 26.27. Aug. und 5./6. Sept. 1896, 


im Ecuador 3. Mai 1896, in Ehile 13. Mai und 
ſolgende Tage 1896, in Japan 81. Aug. 1896, in 
Südauftralien am 12. und 13. Mai 1897, auf 
Rindanao 8. Ott. 1897, in Merito und Norbborneo 
im Spätjommer 1897, in Indien 12. Juni 1897, in 
Ralıfornien 30. März 1898, in Venezuela 29. Dit. 
1900, in Rorbweitindien 4. April 1905, in Ralifor: 
nien (San Francisco) 18. April 1906 u. j. w., wie 
man denn wohl behaupten kann, daß fajt an jedem 
Tage irgendwo auf der Erde ein €, jtattfindet. 
i Gelegenbeit des E. an der Riviera bat fi 
auch wieder die Frage über Schußmittel gegen E. 
und über den Wert der VBorberfagungen joldyer Er: 
rignifje in den Borbergrund gedrängt. Was die 
erfte Frage anlangt, jo kann natürlih nur die 
Rede fein von Mitteln zur Sicherung des Lebens 
und der Gebäude. Was jedoch 
die — anlangt, ſo ſind die 
Anſichten darüber ſehr geteilt. 
Die —— Anzahl der Forſcher 
glaubt, daß ſolche Vorherſagun⸗ 
gen von E. im allgemeinen nicht 
mit irgend welcher Zuverläffig: 
feit gegeben werden können, 
jomeit ſich diejelben über das |ne 
binaus erftreden, was durd) die 
Berbahtungen etwa an tbäs |, 
tigen Bultanen ermittelt werden 
tarn. (Solche Obſervatorien 
deſisen bis jetzt der Veſuv und 
der Atna.) DieAnbänger der entgegengeſetzten Rich: 
tung, deren Hauptvertreter Ku, ab (1.d.) war, find 
der Meinung, auf Grund gemifjer kosmiſcher Vor: 
gänge, unter denen namentlid die Stellung von 
Sonne und Mond zur Erde die größte Rolle jpielt, 
bejtimmte Berioden und Zeitpunttevorber bezeichnen 
su können, an denen eine große Wahrſcheinlichkeit für 
das Auftreten der E. vorhanden jei. Wenn auch zu: 
weilen ein €. zu einer von diejer Seite vorhergeſag⸗ 
ten Zeit eintrifft, fo kann dies noch nicht als Be 
weis für die an und für fi) nicht ganz biagenge 
Theorie gelten. Im weſentlichen beruht dieſelbe 
nämlich auf der Anſicht, dab der noch feuerflüffige 
Kern der Erde äbnliben Schwankungen unterwor: 
ten ſei, wie man diejelben an den Oceanen als Ebbe 
und Flut wahrnimmt, und daß dann durch die 
mittelbare oder unmittelbare Wirkung dieſer Flut: 
welle die E. beroorgebracht würden, noch unteritüßt 
turb auf diefelben fosmijchen Urſachen zurüdzu: 
ende Boraänge in der Atmoſphäre. Mollte 
Bon einen pre Zufammenbang endgültig ent: 
teiden, jo müßte bei der —— feit der wir: 
den Kräfte eine jebr große Anzahl von Fällen 
Brodhaus’ Konverjations-Lerilon. 14. Aufl. R. A. VL 





129 


der Betrachtung unterworfen werden, was bis jegt 
noch nicht geichehen ift. Zum Zmede eines genauen 
und ſyſtematiſchen Studiums der ſeismiſchen Vor: 
gänge auf der Erde (Seidmologie), insbeſon— 
dere der wohl ununterbrochen jtattfindenden Heinen 
Bitterbemegungen, der jog. mikroſeismiſchen Erſchut⸗ 
terungen, iſt neuerdings dur von Rebeur:Bajch: 
wis und Gerland vorgeichlagen worden, Erpbeben: 
ftationen über die Erde hin zu verteilen, die, mit 

leihen Inſtrumenten ausgejtattet, nach gleicher 
Inſtruktion arbeiten und ihre Beobachtungen ein: 
beitlich veröffentlichen jollten. Außer vielen andern 
Erpbebenjtationen, welche daraufhin in faft allen 
Kulturftaaten eingerichtet find, wurde 1900 in 
Straßburg i. €. die Kaiferl. Hauptitation für Erb: 
bebenforichung eröffnet. Durch die 1001 in Straß: 
burg tagende erjte Internationale Erobebentonfe: 
ren; (der vom fiebenten Internationalen Geo: 
graphentongreß ernannten Bermanenten feismolo: 
giihen Kommiffion) wurde eine Aflociation der 
Staaten behufs Förderung der Erbbebenforihung 
mit ber (vorläufigen) Gentrale Straßburg gegründet. 

Litteratur. J. F. 3. Schmidt, Studien über 
E. (Lpz. 1875; 2, Aufl. 1879); R. Hoernes, Erd— 
bebenitudien (Wien 1878); derf., Erbbebentunde 
(Lpz. 1893); Heim, Die E. und deren Beobachtung 
(Baf. 1880); Rotb, ber die E. (Berl. 1882); Fuchs, 
Statijtit der E. von 1865 bis 1885 (Wien 1886); 
Belar, liber Erbbebenbeobadbtung in alter und 
gegenwärtiger Zeit (Kaibach 1898); Milne, Seis- 
mology (Xond. 1898); Baratta, I terremoti d’Italia 
(Zur. 1900); « Mitteilungen» giebt die Erdbeben: 








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fommiffion der AMlademie der Wiſſenſchaften in 
Mien (Wien, jeit 1897) heraus; in Laibach erjcheint 
feit 1901 die Monatsfchrift «Die Erbbebenmwarter, 
Ausführlihe Angaben über die verfchiedenen Theo: 
rien und 2itteratur bis in die neueſte Zeit finden 
fih in Güntbers Handbuch der Geophyſik (2 Boe,, 
2. Aufl., Stuttg. 1897 — 99) fowie in Gerlands 
Beiträgen für Geophyſik (ebd. 1894 fg.) und im 
—— Jahrbuch. 

Erdbebenmeſſer, ſ. Seismometer. 

Erdbeeräther, Fruchtäther (ſ. d.) der Erbbeeren. 

Erdbeerbaum, J. Arbutus und Tafel: Bicor: 
nen, Fig. 1. 

Erdbeere (Fragaria), eine Gattung der großen 

amilie ver Roſaceen (ſ. d.), Abteilung der Botentil: 
een. Ihr wichtigſtes botan. Merkmal beftebt in dem 
fleiſchig und jaftig gewordenen Fruchtboden, in dem 
die Heinen Trockenfrüchtchen (Achänen) eingebettet 
liegen, fo daß die E. nicht eine Beere im botan. Sinne, 
fondern eine Scheinbeere ift. Die Gattung Fra- 
garia ift jaft über die ganze Erde verbreitet. Sie 

umfaßt ausdauernde, faſt jtammloje Kräuter mit 
‚ dreizäbligen, gezäbnten, bald glatten und glänzen: 
9 





I 
| 





130 


den, bald mattgrünen und mehr oder weniger 
bebaarten Blättern, aus deren Mitte ſich aufrecht 
abelteilige oder trugdoldig veräftelte Stengel er: 
heben, welche die bald zwitterigen, bald durch Fehl⸗ 
lagen eingeſchlechtigen Blüten tragen. Aus den 
Blattahfeln entwideln fih die Ausläufer, d. h. 
über den Boden binlaufende fadenförmig lang: 
glievrige ÜUſte, welhe an den Knoten Wurzeln jchla: 
gen und oberjeit# eine Heine Blattrojette ald Ans 
[eng einer neuen Pflanze erzeugen. Die Blumen 
efteben aus einem mit einem Hülltelbe verwad: 
jenen fünfteiligen Kelche und einer fünfblätterigen, 
immer weißen Blumentrone. Die Einführung der 
E. in die Gärten datiert erft aus dem 16, Yabrb. 
Die wiſſenſchaftlich feitgeftellten Arten der €. find: 

1) Diegemeine €. (Fragaria vesca L., |. Tafel: 
Rofifloren II, Fig. 5), durch ganz Europa, Aſien 
und Amerika verbreitet. Ihre Früchte find die Hein: 
Den unter den E., aber die beiten und würzigften. 

ie Blätter find oben grün, unten weißlich und 
die Blütenftiele mit angedrüdten Haaren bejest. 
Durch die Kultur werden die Früchte doppelt jo 
groß mie die der wildwachſenden Pflanzen. Cine 
wabriheinlih in den Gärten entitandene Form 
derielben ift die Monatserpbeere (Fragaria 
semperflorens Heyne), fäljhlib Alpenerdbeere 
genannt (f. Tafel: Beerenobit, Fig. 9): Sie ift 
die einzige E., die den ganzen Sommer blübt und 
fruchtei. 

2) Die Moſchuserdbeere (Fragaria elatior 
her Sie bat einen viel befhränttern Verbrei⸗ 
tungsbezirt als die vorige Art, ift aber in Mittel- 
europa ziemlih gemein. Die Blatt: und Blüten: 
ftiele find, wie auch die Blätter oben und unten, 
wei bebaart. Die Frucht (ſ. Tafel: Beerenobft, 
Fig. 8) iſt ziemlich groß, ſpit und ftumpflantig, 
reih und moſchusartig gewürzt. Ihre verbreitetite 
Rulturform ift die Bierlander €, 

8) Die Birginifbe oder Scharladerd: 
beere (Fragaria virginiana Ehrh.) ift in Nord⸗ 
amerila zu sun und wurde erft in der Mitte des 
17. Jahrh. in Europa eingeführt. Die Blattftiele 
find mit abftebenvden weihen Haaren beſetzt, die 
Blätter auf der obern Fläche glatt, die Frucht N 
Tafel: Beerenobit, Fig. 10) groß und ihön. Diele 
ausgezeichnete Art hat entweder auf dem Wege na: 
türliher Wandlung oder infolge einer Kreuzung 
mit andern Arten, vorzugsweiſe mit der folgenden, 
viele Varietäten bervorgebradt. 

4) Die Ehile:Ervbeere (Fragaria chilensis 
Molin.), eine andere amerik. Art, unterjcheidet fich 
dur die Größe der Blätter und der Blüten, wie 
auc die Größe der Frucht, melde bei einigen ihrer 
Spielarten das Volumen eines mittelgroßen Hüh— 
nereies erreicht. Die Blätter und Blattjtiele find 
von abftebenvden Haaren weißlich-grau. Sie wurde 
1712 in Europa eingeführt und zunädft in Yyranl: 
reich kultiviert. 

5) Die großfrühtige Garten: oder Ananas: 
erbbeere de grandiflora Ehrh. oder ana- 
nassa J. Das Herlommen dieſer E. ift nicht 
genau belannt, —— aber iſt ſie eine bota⸗ 
* oder Gartenform der vorigen. Blätter und 
Blütenftiele find mit weißen abſtehenden Haaren 
beſetzt, erftere nur auf der obern Fläche; Kelchblät— 
ter aufrecht, die Früchte (f. Tafel: Beerenobft, 

. 11) rot oder blafrot, von Ananasgeibmad. 
ndere Arten find für die Gartentultur beveu: 
tung2log, j. B. der in Mitteleuropa gemeine Bres⸗ 


Erbbeerpoden — Erbbeerfpinat 


ling (Fragaria collina Ehrh.), welber in ber 
Hauptſache durch den der Frucht eng ſich anſchlie— 
benden Kelch charalteriſiert ift. 

Von den unter 3, 4 und 5 beſchriebenen Arten 
ftammen alle großfrüdtigen Spielarten (Sorten) 
der Gärten ab. Dieje zäblen nah Hunderten. Die 
Erdbeerzucht und aud die Treiberei derjelben bildet 
einen lobnenden gärtneriihen Kulturzweig. Die €. 
werben durch Ausläufer vermehrt, durch Samen 
nur dann, wenn man neue Sorten oder von Monats: 
erbbeeren dankbarerer tragende, weniger Ausläufer 
bildende Pflanzen erziehen will. Die Zeit zur 
Anlage einer Pflanzung ift der Monat Auguſt, da 
ie dann jhon im nädjten Jabre ertragsfäbig iſt. 

ie €, erfordert einen tiefgründigen, friihen (nit 
feuchten), nabrhaften Boden und eine zwar freie, 
aber weder raube, nach der Mittagsſonne aus: 
geichte Lage. Das Gedeihen der Bilanzung wird 
durd liberjprigen der Beete abends bei trodner 
Witterung, dur mebhrmalige Zoderung bes Bo- 
dens, Unterbrüdung des Unkrauts und dadurch, 
daß man die Entwidlung von Ausläufern in den 
nötigen Schranten hält, — Im Herbſt muß 
das Erdreich nicht nur behadt, ſondern auch mit 
put verrottetem Rindermijt oder mit der aus Miſt⸗ 

eeten ausgemworfenen Erde gevedt werben, nicht nur 
um den Boden friich zu erhalten, jondern auch um 
ibn gegen tief eindringenden Froſt zu ibüsen. Das 
Dedmatersal aber wird in der zweiten Hälfte bes 
März; wieder abgeräumt und wenn möglich durch 
etwas guten Kompoft erjegt. Bei trodner Witte— 
rung ift fleißig zu gießen, während der Blütezeit 
nur mit bem Robr und ſtets nur am Fuß der Pflanze, 
um nicht die Befruchtung zu verhindern. 


Um die Früchte gegen die Berührung mit Dem 
etwa aufgeweichten Boden zu fihern, küst man 
die Pflanzen durch Meine Dradtgeftelle, ſog. Erd⸗ 


beerhalter, oder bededt den Boden rings um ben 
Etod mit —— Kiefernnadeln oder Lohe. 
Länger als 4 Jahre ſollte man feine Pflanzung er— 
balten wollen, da die Stöde nad diefer Zeit immer 
weniger leiften und die Frücte an Größe und Güte 
verlieren. 

Von den zahlreichen deutſchen Sorten find bejons 
ders —— frübreifende: Teutonia, onia, 
Deutihe Kronprinzeffin, Helvetia; mittelfrübe: 
König Albert von Sachſen, eine der allerbejten 
Sorten, Auftria, Otto Lämmerbirt und Profeſſor 
Dr. Liebig; jpätreifende: Bavaria und Graf Moltke. 
Bon ausländiihen Sorten: Königin Marie Hen: 
riette Marguerite, Theodor Mulie und Jucunda. 
— Vol. Göihte, Das Bud) der €. (2. Aufl., Berl. 
1888); Möchte, Die E. (ebd. 1892); Hechler, Der 
Erbbeerfreund (Erfurt 1898); Zürn, Die E. und 
ihre gewinnbringende Freilandkultur (Berl. 1900); 
Heinemann, Die Kultur der E. im freien Lande 
und im Topfe (7. Aufl., Lpz. 1900); Barfuß, Das 
Erdbeerbuch (Berl. 1901). 

Erbbeerpoden, |. jramböfie. = 

Erdbeeripiuat, zwei Arten der zur Familie 
der Ehenopodiaceen (f. d.) gehörenden Gattung 
Blitum L. Es find jpinatäbnlibe Kräuter mit 
Ipießförmigen,, ————— Blättern und in 

näuel vereinigten Blüten, deren breis bis fünf: 
teilige Perigone nah der Blütezeit anſchwellen, 
fleifchigsfaftig werden, über der Heinen einfjamigen 
Schlauchfrucht a und fi rot fär: 
ben. Dadurd befommen die frudttragenden Blü: 
tentnäuel eine Übnlichleit mit den Erdbeeren. 


Erbbeerwein — Erde 


Tiefe Scheinfrüchte haben einen ſüßlichen, aber 
aden Geihmad. Beide Arten, Blitum virgatum L. 
und Blitum capitatum L., wachſen auf fettem Schutt: 
beden im ſũdl. Deutfchland ſowie in Südeuropa wild 
und fommen auch in Mittel: und Norbdeutichland 
auf bebautem Boden, an Dämmen u. ſ. w. verwil⸗ 
dert vor, weil fie oft zur Zierde angepflanzt werben. 
Beſonders gilt dies von Blitum virgatum, bei der 
bie roten Scheinbeeren eine lange, endftändige, be⸗ 
blätterte Ahre bilden, während diefelben bei Blitum 
eapitatum zufammengebäuft in den Adjeln der 
obern verfümmerten Blätter fteben. 
Erdbeerwein, ſ. Beermweine. 
Erdbeicgreibung, j. Geographie. 
Erdbiene (Andrena F.), eine Gattung der eins 
fam lebenden Sammelbienen, deren Weibchen in 
fandiger Erde traubenartig verzweigte Röhren aus⸗ 
graben, an deren Ende fe Blütenftaub anhäufen 
und in deren jede fie ein Ei ablegen. Biele ver jehr 
—— Arten fliegen im zeitigen Frühjahr an 
venfägchen und Stachelbeerblüten. Zu den in 
Deutihland gemeinen Arten gebört Andrena albi- 
cans Müll. mit lebhaft roftrot bebaartem Bruftitüd 
und glänzend ſchwarzem nadtem Hinterleib (f. Tafel: 
Inieften II, Fig. 1). 
Erdbirne, die Knolle der Topinamburpflanze, 
. Helianthus und Zafel: Futterpflanzen I, 
.1; auch foviel wie Kartoffel (f. d.). 
bogen, DMauerbogen, welde bei befondern 
Gründungen der Gebäude angewendet werben. 
Durh aufrebte E. oder Gurtbögen kann man 
die Mauern auf einzelne Pfeiler er welche 
durch Bögen verbunden werben. Es Beißieht dies 
meift, um an Erdarbeiten und Mauerwerk zu fparen, 
wie z. B. bei leichten niedrigen Gebäuden ſowie bei 
Gebäuden mit innern Pfeilerftellungen, in denen 
diefe feine erhebliche Laſt zu tragen haben, wenn 
der Baugrund ein guter ift oder ſich erft in größerer, 


nob grundwaflerfreier Tiefe findet. Die Grund: 
pfeiler — ets unter den Fenſterpfeilern anzuord⸗ 
nen. Als Bogenform tritt der Halbkreis und der 


Flachbogen mit ein Viertel der Spannweite als 
Etihbö auf. Die Lehre für die Bögen wird von 
dem darunter liegenden Erdreich gebildet. Bei gleich: 
mäßigem, aber nicht bejonders feftem Baugrunde 
lann man die Lajten der einzelnen Pfeiler, mie 
Wandpfeiler, Säulen in Speichern und Kirchen 
u. ſ. w. durch umgekehrte E. aufnehmen und fie 
auf den Ba nd zwiſchen den Pfeilern verteilen. 
Sie bilden die eigentlichen E. und find mit ibrem 
Scheitel oder der lonıveren Seitenad unten gerichtet. 
Erdbohne oder Erpnnuß, [.Arachis und Tafel: 
un I, Fig. 4. 
bobrer, ſ. Berabobrer. , 
Eröbrand, Gruben brand, die bald kürzere 
bald längere Zeit, felbft jabrhundertelang dauernde 
Verbrennung ber aun = und Steintoblenlager 
ever anderer brennbarer Geſteine in wechſelnder 
Tiefe unter der Erboberfläde. Die Urſache eines 
€. iann ein wirkliches Arzünden gemwejen fein, in 
den meiften Fällen wirb man fie in der durch Zer⸗ 
jesung der Eifentiesbeimerigungen entjtebenden Er: 
bisung fuchen müfjen, Die eine Selbitentzündu 
bewirtt, wo die Luft genügend Zutritt bat. Einm 
entzündet brennt ein Koblenflö; Lange fort, und nur 
durch forgfältigen Verſchluß aller ugänge (Ber: 
und Bermeidung aller Abbauarbeiten in 
läßt ſich der Brand loſchen oder 


dammung 
iu großer „läbt 
wenigitenö auf ein eines Gebietbeihränten. Durch 


131 


einen E. entſtehen, abgejeben von dem großen Ver: 
lufte an Koblen und von den Gefahren für den Berg: 
mann durd die ſich entwidelnden Gaſe (brandige 
Metter), interejlante — — ie nahe 
liegenden Geſteinſchichten werden gebrannt, zum Teil 
in ſog. Porzellanjaſpis umgewandelt; iff⸗ und 
Einjtürze bilden ſich an der Oberflache über dem E., 
—— entwickeln ſich Rauch und Dämpfe, zu: 
weilen ſelbſt Flammen, und Salmiak und andere 
Sublimate jegen [4 ab, findet der E. nahe unter ver 
Oberfläche jtatt, jo erlangt der Boden eine Wärme, 
die fich zur Treibgärtnerei benugen läßt, wie 3. B. 
früber in Planig bei Zwickau. — Bol. Lamprecht, 
Die Grubenbrandgemältigung (Lpz. 1899). 

@rdbuhne, |. Bubne. 

Erddrudmaner, Boͤſchungsmauer, Fut— 
termauer, Stüßmauer, eine Steintonftruftion, 
welche einen ſeitlich wirtenden Erddruck aufzuneh⸗ 
men bat. E. tommen in den verjchiedenen Zweigen 
des Bauweſens vor. Sie widerfteben durch ihr Ge⸗ 
wicht oder ihre Stanbbarkeit dem auf Umwerfen oder 
Fortibieben wirkenden Erddruck. Ihre Stärke wird 
zu etwa ein Drittel der Höbe ausgeführt, wenn das 
obere Terrain horizontal abgeglichen ift und keine 
Auflaft auf der Mauer fteht. In legterm alle 
kann fie ſchwächer werden, mogegen man die Stärte 
bis zur Hälfte der Höhe —— wenn eine Erd⸗ 
böſchung oberhalb der E. liegt. Die E. iſt wie 
jedes Bauwerk auf feſten Baugrund zu ſtellen und 
wirb deshalb in Ermangelung eines folden nad 
den Regeln des Grundbaues (f. d.) fundiert. Steht 
die E, unmittelbar am Wafjer, fo ift fie durch eine 
Spundwand ohne Steinfhüttung oder bejonders 
tiefe N reset vor Unterwafhung zu jchüßen. 
Die Vorderfläche der E. ift entweder vertifal oder 
wird etwas geböjcht, mobei die Standbarleit mit der 
Größe der vordern Neigung wachſt. Auch gelnidte 
oder gelrümmte Mauerfläben (jog. Engliide 
Mauern) lommen vor. Iſt der Stein ſeht loſt⸗ 
fpielig, dann baut man die E. nicht als einen tom: 
patten Körper von gleichartigem Querfchnitt, wählt 
vielmehr gegliederte E. mit hintern Berftärtungs: 
pfeilern (contreforts) oder vordern Strebepfeilern, 
mit ftebenden oder ſchrägen Zwiſchengewölben, baut 
auch wohl die Mauer mit innern Hoblräumen, welde 
als Lagerraum Verwendung finden, jo im Feſtungs⸗ 





bau. (©. aa ea €. am Wafler werben 
Ufer: oder DQuaimauern genannt (f. Hafenbau). 
Borftehende Fig. 1 ftellt im Quexſchnitt eine E. mit 
geböichter Vorderflähe und geglieverter Rüdwand 
dar, Die: 2 eine ſolche mit vertitaler Vorderfläche 
und abgetreppter Rudwand, Fig. 3 eine engliſche E. 

Erde (ajtron. Zeihen &), der von uns bewohnte 
Planet, der dritte unſers Sonnenfuftems. Die Ges 

g# 


132 


alt der E. erſcheint dem nad allen Richtungen 

i um ſich blidenden Beobachter als eine flache, 

eisförmige Scheibe, auf deren Rande das Himmels: 
gemwölbe gleichſam zu ruhen iheint. Demgemäßk wurde 
die E. im Altertum jelbft von den Griechen lange Zeit 

r eine auf dem Wafjer ſchwimmende Scheibe ge: 

Iten. Allein ſchon im Altertum nabmen einzelne, 
zuerst wohl Eudorus, nad ibm Ariftoteles, die Kugel: 
geftalt der E, an, durch die allein alle ſich darbieten- 
den Ericheinungen —— erflärt werben kön: 
nen. Nur die Kugelgeitalt der E. macht erflärlich, 
daß die E. von jedem beliebigen Standpuntte aus 
rund ericeint, daß ſich aber der Gefichtätreis in 
vemfelben Maße erweitert, in dem wir unfern 
Standpunkt böber nehmen; daß wir ferner die 
Spigen und Giebel von Türmen, Bergen, Schif: 
en u. ſ. w. aus der Ferne eber erbliden ald den 
Fuß oder die untern Teile derjelben. Außer dieſen 
weiſen für die Kugelgeſtalt der E. giebt ed noch 
zablreidhe andere. Dahin gebören das allmäbliche 
Sichtbarwerden neuer, vorber unfichtbarer Geſtirne, 
jobald man jih, von den Polen berfommend, dem 
Aquator näbert, der runde Schatten der E. auf 
dem Monde, jobald diejer durch fie verfinftert wird, 
die ungleichen Tageszeiten, in denen gleichzeitige 
himmliſche Ericheinungen in verfchiedenen Gegen: 
den der E. wabrgenommen werben, endlich insbe— 
fondere die jeit 1519 oft ausgeführten Reifen um 
die E. (die ſog. Weltumjegelungen). Die E. ıft aber 
nicht genau eine Kugel, jondern ein Geoid (f.d.); ibr 
Durdmefler zwiſchen den beiden Drebungspolen ift 
Heiner ald der Durchmefjer im Siquator, fie ift an 
den Polen abgeplattet (f Abplattung), wie ſich 
teild aus Grabmejjungen (1. d.), teild aus Pendel: 
beobadıtungen (j. d.) ergniebt. Die Größe der Ab: 
plattung beträgt nad den neueiten Rechnungen 
von Clarke "go; der Durchmefler der €, ift am 
Hauator 12756498 m, an den Polen 12718 030 m. 
Der Umfang des AÄquators beträgt 40.075 700 m, 
aljo die Länge eines Hquatorialgrades 111307 m, 
die Dberfläbe der E. 510 Mill. gkm, ihr Inhalt 
1083210 Mill. cbkm. Durd beide Pole gehende 
größte Kreife nennt man Meridiane (f.d.), deren 

nge 40003423 m (ein Grad 110564—111680 m) 
beträgt, die zu dieſen fentrecht ſtehenden Kreiſe, 
deren Mittelpuntt zugleih in der Erdachſe liegt, 
Baralleltreiie (f. x ey nad den Polen zu ab: 
nehmenden Längen. Der 4Omillionfte Teil eines 
Meridiang wurde die Einheit des metrifben Maß: 
ſyſtems (j. Meter). Der größte Barallelfreis, der 
die E. in eine nördl. und eine ſudl. Halbkugel (f. 

lanigloben) teilt, ift der Rquator (f. d.). Dur 

eridvian und Paralleltreis ift die geogr. Länge 
(f. d.) und Breite (j. d.) und damit die geogr. Lage 
eines jeden Ortes beitimmt. Wahrſcheinlich infolge 
der wechjelnden Belaftung der Erde durch meteo: 
rolog. Vorgänge (Wafjer, Schnee, Eis u. |. m.) er: 
jäbrt die Erdachſe geringe Schwankungen (bis zu 
einer halben Bogeniefunde = 16 m an der Erd: 
oberfläche), deren Erforſchung erft neuerdings in die 
Wege — iſt. Über Einteilung der E. in Zonen 
J. d. Die — und —— 
ſchichte der Erdrinde(ſd.) lehrt die Geologie (1. d.). 

Uber die Beſchaffenheit und den Zuſtand des In— 
nern der €, (deö Erdkerns) liegen keine direlten 
Beobahtungen vor, da man mit Bobrlöcdern und 
Schädten nur bis 2003 m (bei Rybnit in Über: 
ichlefien) tief in die Erdrinde eingedrungen iſt. Ne 
doch läßt fi daraus, daß die Erdwärme (f. d.) mit 


Erde 


der Tiefe überall zunimmt, ferner aus der allgemeis 
nen Verbreitung von warmen und beißen Quellen, 
aus der Eruption geſchmolzener Geſteinsmaſſen 
(Laven), aus der Bildung von Geſteinsfalten durch 
Abtüblung und ————— der E. ſchließen, 
daß deren Inneres glübend oder glutflüſſig iſt. Fer⸗ 
ner weiſt das hohe ſpecifiſche Gewicht der E. (5,5) 
und die Zunahme der Dichtigkeit derſelben gegen 
ihr Centrum darauf bin, daß das Erdinnere aus 
Metallmaſſen, vorzüglich aus Eiſen beſtehen dürfte. 
Endlich gebt aus der Entwidlung enormer Gas— 
und Dampfmafien aus Vullanen und Lavaftrömen 
bervor, dab dieſes alutflüfjige Innere von Gaſen 
und Dämpfen durctränft ilt. 

Die Dichte oder das fpecifiihe Gewicht der €, 
in ihrer Gefamtmafje kann nicht direft gemeſſen 
werben, iſt aber durch die Einwirkung von belann⸗ 
ten Maſſen auf die Schwingungen eines Pendels 
beitimmt worden. Mit großer Sicherheit ift ans 
junebmen, daß die mittlere Dichte der E. 5,;mal 

rößer ift alö die des Waſſers. Da nun das mitt» 
ere jpecififche Gewicht der feiten Erdkruſte, fomeit 
wir fie ala aus Geiteinen bejtebend lennen, nur 
etwa balb fo aroß ift, B ergiebt fib daraus, daß 
das Erdinnere jhwerer fein muß. Die Mafie der 
E. —— etwa "ggsoeo der Sonnenmaſſe. 

Umgeben ift die € von einer Atmoſphäre 
(1. d.), die als ein zu ihr geböriger Beitandteil an— 
zuſehen ift, an ibren Beweaungen teilnimmt und 
weſentlich dazu beiträgt, daß auf der E. Organis⸗ 
men fich erbalten und gedeiben können. 

Die E. ald Beftandteil des Sonnen: 
ſyſtems betrachten lehrt die Ajtronomie; fie zeigt, 
daß die E. ſich nebit den übrigen Planeten von 
in nad Diten um die Sonne bewegt und von 
derjelben als ein an fib dunkler Körper Licht und 
Wärme erhält. Kopernitus jtellte zuerft die Be: 
bauptung auf, daß die Sonne rube und die €, nebft 
den Blaneten, Kometen u. ſ. mw. ſich um fie bewege, 
eine Hypotheſe, die jetzt allgemein als unumjtößliche 
Gemwihbeit angenommen wird. Durd fie alleın laſſen 
fih die jo ungemein verwidelten, jcheinbar ganz 
regelloien Blanetenbewegungen,, wie fie von der €. 
aus ericheinen, auf einfachem eg in völlig 
befriedigender Weije erllären. (S. Weltſyſteme und 
Tafel: Sonnenfpitem.) 

bren Weg um die Sonne, die Kevolution, 
legt die E. in einem Zeitraum von ungefähr 365'/, 
Tagen zurüd, den wir ein Jahr (f. d.) nennen. 
Die Bahn, die die E. befchreibt, ijt eine Eilipie, 
in deren einem Brennpunfte die Sonne ftebt. Dar: 
aus folgt, dab die E. ey zu allen Zeiten des 
Jahres gleihweit von der Sonne entfernt ift, und 
zwar jtebt fie ihr am nächſten (in ver Sonnennäbe 
oder dem Peribelium) zu Anfange des Jahres, alio 
wenn es für die nördl. Halbfugel Winter ift, am 
ferniten (in der Sonnenferne oder dem Arbelium) 
um die Mitte des Jahres, wenn bie nörbl. Halb» 
kugel Sommer bat. Der Unterjchied zwiſchen der 
größten und Meinften Entfernung iſt indes verhält: 
nismäßig zu unbeträdtlib, um auf die Wärme, die 
wir von der Sonne erhalten, einen erbeblichen 
Einfluß zu äußern. Die Heinfte Entfernung der 
Sonne von der E. beträgt 146 Mill. km, die arößte 
151 Mill, die mittlere (die der balben großen 
Achſe der Erdbahn gleich iſt) 148154000 km. Hier: 
aus ergiebt ſich, daß der Weg, den die E. jährlich 
durdhläuft, 931 Mill. km beträgt; demnad legt 
die E, (genauer ihr Mittelpuntt) in jeder Sekunde 


Erde 


ungefähr 29,5 km zurüd. Die Erdachſe ſteht nicht 
fentrebt auf der Gbene der Erdbahn, fondern die 
Mauatorebene der E. bildet mit der fheinbaren 
Eonnenbabn, der Ekliptik (f. d.), einen Wintel von 
23° 27’, den man Sciefe der Elliptit nennt. 
Hierin haben der Wechſel der Jahreszeiten (ſ. d.) 
und die verfchiedene Tageslänge ihre Urjache. 
Nah neuern Beobadtungen führt die Erdachſe 
Heine Schwankungen aus, die fib in den Schwan⸗ 
fingen der geogr- Breite eines Ortes zu erlennen 
geben. (S. Breite, Bd. 3 und 17.) 

Außer diejer jährlichen Bewegung um die Sonne 
bat die E. noch eine zweite, täglıdhe Bewegung, die 
Rotation (den Erbumfchwung), indem jie fh in 
24° Sternzeit (= 23° 56= 4° mittlere Sonnenzeit), 
und jwar von Mejten nad Dften, einmal um ibre 
Achſe drebt. Die Folge diejer Umdrehung ift das 
jbeinbare Auf: und Untergehen der Sonne und 
überhaupt der Mechiel von Tag (f. d.) und Nacht 
(f.d.), va mit Ausnahme der beiden Bolargegenden 
jeder Drt der €. fich mäbrend eines Teil jener Im: 
drebungszeit auf der erleuchteten oder der Sonne 
sugelebrten, wäbrend bes übrigen Teild auf der 
dunfeln ober von der Sonne abgewendeten Hälfte 
der E. befindet. Die lUmpdrebungsgeibmwindigs 
teit, die offenbar von den Polen oder Endpunften 
der Erdachſe aus bis zu den von ihnen gleihmweit 
entfernten Gegenden des Aquators allmäblid zu: 
nebmen und dort am größten fein muß, iſt unter 
dem Slquator etwa der Geichbwinpdigteiteiner Buchſen⸗ 
fugel glei, indem jeder Punlkt des ÄAquators, ganz 
abgeiehen von der Bewegung ber E. um die Sonne, 
in einem Tage 40076 km, alfo in einer Sekunde 
464 m jurüdlegt. j 
, Für die Achſendrehung der ©. liefert einen 
indireften Beweis die Abplattung der E., die fich, 
wenn wir berüdfichtigen, daß ſich die E. jedenfalls 
urfprünglib in einem flüffigen oder doch ſehr wei: 
den Zu de befunden baben muß, nur aus der 
Achſendrehung der €. erklären läßt, indem diejelbe 
fonft die Kugelform angenommen baben müßte. 
Auch zeigt die Rechnung, daß der Betrag der Ab: 
plattung, welde die E. hat, der Geſchwindigkeit, 
die wir ibrer IImprebung — müſſen, und der 
Schwere, die ibre Mafje ausübt, genau entipricht. 
Penn nun zweitens die Pendelbeobahtungen eine 
Abnahme der Schwerkraft ven den Polen nad; dem 
fiquator zu lehren, jo ift Dieje Abnahme nur zum 
Heinern geil aus der nicht genau kugelförmigen 
Geftalt der E. zu erflären, zum größern aus ber 
die Schwertraft vermindernden Schwungfraft, die 
eine notwendige Folge der Achſendrehung fein 
muß. Ferner kann man 31 den direften Beweiſen 
für die Umdre ung der E. aud die öſtl. Abweichun 
frei fallender Körper rechnen. Ein Körver, der fi 
in beträhtliher Höhe über der Erboberfläce befin: 
det, befikt wegen feiner größern —— 
von der Erdachſe infolge der Umdrehung der € 
eine gröhere nad Oſten gerihtete Geſchwindigkeit 
ald ein Körper an der Erdoberfläche. Da er dieſe 
aub beim Herabfallen beibehält, fo muß er beim 
Fallen den Boden öjtlich von dem Buntte erreichen, 
wo dies geſchehen würde, wenn die E. fih nicht 
drebte. Da die Höben, die für Verſuche diefer Art 
angewendet werden lönnen, immer nur Hein find 
und 100 m felten überjteigen, jo Tann die ermäbnte 
Abmeihung immer nur jebr gering jein; jo würde 
diefelbe z. 3 am Siquator bei einer Fallhohe von 
13m etwa 1 mm betragen. Durch Verſuche, die 


133 


Benzenberg auf dem Micaelisturm in Hamburg ans 
an bat, bat er eine ſolche öftl. Abweichung deut 
id nachgewieſen. Endlich ift durch die Pendel: 
*560 Leon Foucaults in neuerer Zeit noch 
ein jchlagender erperimenteller Beweis für die Um— 
drebung der E. geliefert worden. Diefe Berjuche 
beruben nämlich 1 dem Umitand, daß ein Benvel 
in derjelben Ebene fortihwingt, während (wenn es 
in einiger Entfernung vom Hauator, am beiten 
recht nahe einem der Mole aufgehangen ift) die €, 
ſich gleichſam darunter herumdrebt, jo daß dadurch 
die Lage der Schwingungsebene ſich ſcheinbar ver⸗ 
ändert, während eigentlich dieſe konſtant bleibt und 
vielmebr die €, fi) dreht. Der Einwand, daß wir 
ja von der Bewegung der E. gar nichts fühlen, ver⸗ 
dient im Grunde gar feine ernftliche Widerlegung. 
An Stößen und Erfchütterungen werden wir die 
Bewegung, wenn fie jo gleihmäßig und regelmäßig 
vor ji gebt, ald wir annehmen müllen, ebenfo 
wenig ober vielmehr noch weit weniger wabrneb« 
men können, als die Bewegungen eines Fabrzeugs 
in einem volle rubigen Wafler, und das Durds 
ſchneiden der Luft kann uns darum nicht merklich 
werden, weil die Atmoſphäre an der Umdrehung 
der €, teilnimmt. 
Die Oberfläche der E., welche zu 509950714 
km berechnet wird, ift teild mit Land, teild mit 
ler bevedt. Das Land umfaßt (nah Wagner) 
einen Flächenraum von 144,5 Mill. qkm (28,3 Broz.), 
das Mafjer bevedt 365,5 Mill. qkm (71,7 Broz.). 
Die größte Yändermajle liegt im norböftl. Teil der 
E., die größte Wafleranfammlung im Südweſten 
(Stiller Ocean) [f. die Karten: Blanigloben der 
Erde). Das Land verteilt ſich auf fünf Erbteile 
(j. d.), Dceanifche Inseln und Bolargebicte folgen: 
dermaßen: Europa (obne Jsland, Rowaja Semlja 
und atlantifche Infeln) mit 9729861 qkm (wovon 
68 Proz. Tiefland und 32 Proz. Hochland) und 
31460 km flüftenentwidlung (Verhältnis der Glie 
der zum Stamm wie 1:2); Aſien (obne Bolarinjeln) 
mit 44142658 qkm (wovon 37 Proz. Tiefland und 
63 Proz. Hochland) und 56985 km füftenentmwid- 
lung (Verhältnis der Glieder zum Stamm wie1:8); 
Afrıla (obne Madagastar u. f. w.) mit 29207100 
qkm (35 Broz. Tiefland und 65 Proz. Hodland) 
und 26000 km Küftenentwidlung (Berbältnis der 
Glieder zum Stamm 1:47); Amerika (obne Polar: 
nebiete) mit 38334100 qkm (46 Proz. Tiefland und 
54 Bros. Hochland) und 64500 km ftüftenentwids 
lung (Berbältnis der Ölieder zum Stamm wie1:12); 
Auftralien (Feftland und Tasmanien) mit 7695726 
qkm (78 Proz. Tiefland und 22 Bros. Hochland) 
und 7500 km Küſtenentwicklung (Berhältnis der 
Blieder zum Stamm wie 1:36); Deeaniſche Inſeln 
mit 1898700 qkm und Bolargebiete mit 4482620 
qkm Flädeninbalt. s 
Die mittlere Höbe des trodnen Teils der €. ift 
auf ungefäbr 700 m berechnet worden (Europa 300, 
Aſien 880, Airita 660, Amerita 610, Aujftralien 
und Oceanien 300 m). Das ganze Feſtland vers 
teilt fib auf 53 Proz. Tiefland gegen 47 Proz. 
Hodland. j 
Bon der Waſſerfläche fallen auf den Stillen 
Dean 47 Broz., den Atlantiſchen Dcean 24 Proj., 
den Indiſchen Dcean 20 Broz., das Nörvlice Eis: 
meer 4 PBroz., das Südliche Eismeer 5 Bros. Die 
mittlere Tiefe beträgt beim Stillen Dcean uns 
aeiäbr 3870, beim Atlantifhen 3330, beim ns 
diichen 3600, insgeſamt 3500 m. (S. die Artitel 


134 


Sand und Meer) Über Verteilung der Wärme, 
der Niederfhläge und über den Erbmagne: 
tismus f. Temperatumerteilung (mit Karte: Tem⸗ 
BERINEM LINKEN] der Erde), Regenver: 
teilung (nebft Karte: Regentarte ber Erde) und 
Magnetismus der Erbe. liber die Verteilung der 
Pflanzen: und Tierwelt auf der E. |. Pflanzen: 
—Ar und Tiergeographie (nebſt Karten). 
ie Gejamtbevölferung der E. hat Way: 
ner für das J. 1900 auf 1557 Mill. Menſchen 
berechnet; davon entfallen auf Europa 392 Mill, 
Aſien 875 Mill., Afrita 170 Mill., Amerika 
143 Mill., Auitralien und Dceanien 7 Mill. Be 
mwobner. Die Bevöllerungsdichtigkeit (ſ. Bevöllke— 
rung) iſt am größten in Europa, in Japan, China, 
Ditindien, im Nilthal und in den Neuenglandftaaten 
Nordameritas, am dünnſten in der Sabara, inner: 
auftralien und in den Polarländern. (V L. bierzu 
Grofarten I: Boltsdichte auf der Erde um 
1900.) Den Raſſen nach verteilen fich die Dienjchen 
zu ungefähr 795 Mill. auf den ind.zeurop. Stamm, 
500 Mill. auf die Mongolen, 45 Mill. auf die 
Malaio: Polynefier, 34 Dill. auf die Ameritaner 
und Mifchlinge, 150 Mill. auf Afritaner, 60 Dill. 
auf Dravida und 3 Mill. auf Papua und Auitra- 
lier. (S. Menſchenraſſen nebſt Karte: Die Ver: 
breitung der Menſchenraſſen nad 5. Müller 
und D. Beichel.) Der Religion nad giebt es 
etwa 555 Mill. Ebrijten (Europa, Norbamerila, 
mit Ausnahme der Bolargebiete, Südamerika, auss 
— das Amazonentiefland und Patagonien, 
apland, djtl. Madagaskar, Oſt- und Süpmeit: 
australien), nahezu 9 Will, Juden, 245 Mill. Mo: 
bammedaner (Osmanifhes Neih, ran, Inner: 
ajien, Ojtindien, inneres China, Malafa, Sumatra, 
ava, Borneo), 656 Mill. Berebrer des Brabma 
(Oftindien) und Buddha (Dftindien, Tibet, Mon: 
olei, China und Japan) und etwa 123 Dill. Bes 
enner heidn. Religionen (Slquatorialafrita, Auitra- 
lien, Nord: und Oftjibirien, Amazonentiefland, Ma: 
laiiſcher Archipel, Polyneſien und Bolarländer). 
Bol. hierzu Erdkarten Il: Berteilung der Re: 
ligionen auf der Erde, ſowie Neueres in der 
Beilage: Religiongjtatiftil (Bo. 17). 
Yitteratur. A.von Humboldt, Kosmos (5 Bde., 
Stuttg. 1845—62; neue Aufl., 4 Bde. 1889); Burs 
meister, Geſchichte der Schöpfung (7. Aufl., Lpz. 
1872); Ule, Die E. und die Ericheinungen ibrer 
Oberfläche (2 Boe., ebd. 1873— 76); Sue, Das 
Antlik der E. (Prag, Lpz. und Wien 1883 fa.) ; Kirch: 
boff, Unfer Wiſſen von der E. (Prag, Lpz. und 
Mien 1886 jg.); Roßmäßler, Geſchichte der E. 
(4. Aufl., von Engel, Stuttg. 1888); Supan, Be: 
völferung der E. (Gotha 1899 fa.); Vauchez, La 
terre, Evolution de la vie & sa surface (Par. 1893); 
Jakob, Unjere E. (2. Aufl, lien i. Br. 1895); Neu: 
mayr, te (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1895); 
Heiderib, Die E. (Wien 1896); Bommeli, Die Ge: 
Say der €. (2. Aufl., Stuttg. 1897); Hellwald, 
ie E. und ihre Bölter (5. Aufl., von Wächter, ebd. 
19W5—7),; Hann, Hoditetter und Pokorny, All: 
emeine Erdkunde (5. Aufl., 3 Bde, Prag, Lpz. u. 
ien 1896— 99); Zimmermann, DieWunderder Ur: 
mwelt(34.Aufl., von Kaliſcher, Berl.1898— 99; Suppl. 
ebd. 1899 fg.); Nabel, Die E. und das Leben (2 Boe., 
Lpz. Bludau, Erdumrißkarte in flächen— 
treuer Planiſphäre, 1:80000000 (Berl. 1900); 
Debes’ phyſik. Erdkarte in Mercator& Projettion 
(2. Aufl., Lpz. 1900). (S. auch Geogranbie.) 


Erdebill — Erden 


Erdebil, per. Stadt, j. Ardebil. 

Erdeichel, f. Arachis und Tafel: Legumi— 
nojen II, ig. 4, jomie Lathyrus. 

Erdely (ipr. erveblj), ungar. Rame von Sieben» 
“7 (1. d.). [mann, j. Bo. 17. 

rdely (fpr. erdebli), Alerander, ungar. Staats⸗ 

Erpdeiyi (fpr. erdeblji), Job., ungar. Schrift⸗ 
fteller, geb. 1814 zu Kapos im Komitat Ung, itus 
dierte im reform. Kollegium zu Särospatak, von 
wo er alö Erzieber nah Peſt fam. Hier trat er ſo⸗ 
fort alö lyriſcher Dichter und Aftbetifch : fritifcher 
Scriftfteller auf und errang folde Anerkennung, 
daß ihn die Akademie ſchon 1839 zu ihrem Mits 
glied wählte. 1841 machte er mit feinem Zögling 
eine große Reife durch den yaye und Süpen Eu⸗ 
ropas. Nach jeiner Rüdtehr gab er feine gefammel: 
ten Gedichte (Dfen 1844) und, im Auftrage der 
Kisfaludy⸗Geſellſchaft, deren Mitglied und Sekretär 
er war, ſeine xUngar. Vollslieder und Sagen» heraus, 
die auf die Entwicklung der ungar. Dichtung von 

roßem Einfluß waren (3 Bde., Peſt 1846—48; zum 
Zeil deutich von Stier u.d. T. «Ungar. Sagen und 
Pärchen», Berl. 1850). Abhandlungen über die 
ungar. Volksdichtung und die Sammlung «Ungar. 
Sprihmwörter» (Peſt 1851) folgten. Er gab auch 
«Ungar. Voltsmärden» (Peft 1855) heraus. E., ver 
1849 Veit verlafien mußte, ftarb 23. Jan. 1868 in 
Särospatak als Profeſſor der Philoſophie. 

Erden, in der ältern Chemie —— für 
eine Anzabl farblojer, in Wafler un Böllher Wers 
bindungen, dieman damals nicht verisben fonnte und 
deshalb für Elementarftoffe bielt. Man unterjchied 
Alkaliſche Erden (j.d.) und eigentlihe €., 
und rechnete zu leßtern Thonerde, Beryllerde, Tbor: 
erde u. a. m. Nah Entdedung des Saueritofig 
und der Elektrolyſe wurden die E. ald Saueritofl: 
verbindungen, Oxyde und Oxydhydrate, bi dahin 
unbetannter Elemente, namentlich leihter Metalle 
(f. Erpmetalle) erkannt. 

Sn der Geologie werben unter E. (Erbirume) 
die zum Teil dur Waſſer von ihrem Urfprungsort 
weggeſchwemmten und dann wieder abgelegten 
ſandig⸗ thonigen Vermitterungärejte und Zerfleines 
rungsprodulte der Gejteine veritanden, denen oft 
verwejende organifche Subftanzen beigemiſcht find. 
Der wichtigſte Beſtandteil der Erbfrume ift das 
mwaflerbaltige Thonerdeſilikat, die Thonſubſtanz, die 
aus der Jerjegung der Felbipatgeiteine bervorgebt. 

Die E oder Erdarten der Gärtnerei find teils 
organijcer, teild anorganifcher Herkunft. Zu den 
aus tierischen und pflanzlichen Reiten entjtandenen 
Groarten gebören: die Laube, Dünger:, Heide», 
Moor:, Raſen-, Schlamm: und Torferde. Die 
Lauber de entitebt in natürlicher Weije durch Ber: 
— von Blättern und andern Pflanzenabfällen 
an muldenartigen ee ai oder an ſonſtigen 
gegen den Wind geſchützten Stellen des Waldes. Faſt 
in den meisten Gärten bereitet man fie aus reinen 
Raub, welches man auf Haufen ſeht und von Zeit zu 
Zeit unter Zufas des vierten Teiles Sand durch— 
arbeitet, um den Zutritt der Atmoſphärilien zu beför: 
dern und dadurch die Zerjegungzubeichleunigen. Die 
Düngererde wird meiſt bereitet aus reinem, ftrob- 
loſem ER von Weideplägen oder aus den 
Ställen. Man bebanvdelt diejen wie die Qauberde, 
bauptjählih zur Zeit ftarter Fröſte. Die Heide: 
erde entitebt aus den verweiten Blättern der Heis 
deliträucher (Vacciniaceae), wie Heidel- und Brei: 
Belbeere und des Heibetrautes (Erica), ſowie aus 


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Erdenge — Eroferfel 


Tannennadeln an den natürlichen Standorten die: 
ier Bilanzen. Am beften ift fie, wenn fie aus dem 
Boden, auf dem fie ſich bildet, reihlihe Mengen 
Quarzſandes aufnimmt. Sie eignet fib vorzugs⸗ 
weile zur Rultur —— Gewächſe, ſollte 
aber immer nur in brodiger Form zur Verwendung 
tommen. Eine ganz vorzügliche faferige Heideerden⸗ 
art wird in belg. Gärten unter der Bezeichnung 
terre fibreuse jur Orcideentultur verwendet. Die 
Moorerde findet man auf jog. Moormwiejen und 
Iorimooren; fie ift aus den bei reichlicher Feuch⸗ 
tigteit verweiten Wurzeln der auf Standorten fol: 
ber Art in großer Zabl vortommenden Bilanzen 
iammengejest. Bei der Gewinnung jhürjt man 
vorber Die darüberliegende Grasnarbe ab und ſam⸗ 
melt nur die obere 10—12 cm hohe Schicht. Sie 
bat vor der Heibeerde eine größere wafjerhaltende 
Rraft voraus, muß aber vor dem Gebraude längere 
eit an der Luft gelegen haben und mit reichlihem 
—— vermiſcht werden. Rafenerde iſt aus 
—— iliſchen und mineraliſchen Beſtandteilen ge⸗ 
miſcht. Man bereitet fie, indem man auf ſchwartz⸗ 
grundigen, lehmig⸗ſandigen Triiten die Dichte Gras: 
narbe abihält, vie Stüde mit dem Grafe nad) unten 
auf Haufen jet und dieje häufig durcharbeitet, bei 
dieſer Gelegenbeit Lauberde und düngende Sub: 
tanzen zujeßt und dad Ganze mit Jauche übergieht. 
Schlammerde wird aus dem Schlamme bereitet, 
welcher fi in Teiben und Dorfgräben, die von 
vielem Hofgeflügel beſucht werben, oder in den 
nn voltreicher Ortſchaften zu Boden jet. 
Auch fie muß unter öfterm Umftechen atmoſphaäri⸗ 
liſchen Einflüfen für längere Zeit ausgejeßt liegen. 
Tori, die aus der Zerjegung von Sumpfpflanzen 
im Waſſer entjtandene faferige, im Alter und in 
trodnem Zuftande feſte Erdart, wird in der Gärt: 
nerei vielfach verwendet. Bejonders geihäkt wird 
der meiſt aus verweitem Sphagnum (j. Sumpf: 
moos) beitebende rote braunjchweiger Torf, der zur 
Bermebrung und Ausſaat von Sarnen und zur 
Beimiihung für Orchideen: und Araceenerde dient. 
Erparten anorganischer Herkunft fommen in 
der Gärtnerei, abgejeben von dem meift humoſen, 
mebr oder weniger kallbaltigen und fandgemifchten 
Yebmbovden des Gemüfe: und Blumengartens, ſehr 
jelten für ib, jondern meiftens nur als Beimif hung 
jur Anwendung, bödjftens etwa reiner Quarzjand 
ur Anzucht von Bilanzen aus Stedlingen. Als 
54 für allerlei Erdmiſchungen, wenn fie von 
etwas fompafterer Beſchaffenheit fein müfjen, bes 
nunt mangern vermitterten Wandlehm, in Ermanges 
lung deſſen auch gegrabenen Lehm, der 1—2 Jahre 
an der Zuit gelegen bat und öfter durchgearbeitet 
wurde, andernfalls auch Raltihutt. Hat man feinen 
Quarzſand zur Verfügung, wie er fih am Ufer 
mancher ylürje und Bäche in reichliher Menge fin: 
det, jo fann man an feiner Stelle Grubenjand be: 
nugen, der aber vorber wiederholt in Waſſer durch: 
ewaſchen werden muß. Für eine große Zahl von 
achſen der Topflultur genügt eine jog. Normal: 

oder Durchſchnittserde. Dan bereitet fie aus vege: 
tabiliiben Reften aller Art, Blättern, trodnem 
Gezweig, Untraut, Strob u. ſ. w. Man jent dieſe 
Materialien in Haufen, bringt fie durch Umſtechen 
von Zeit zu Zeit mit den die chem. Zerjeßung be: 
fördernden Armojpbärilien in Berührung, vermischt 
he bei dieſer Gelegenbeit mit Kalt: und Vebmfchutt, 
Eben, Abe, Ruß u. j. w. und begießt fie mit 
mäjlern aus der Küche oder der Waſchküche, auf: 


135 


gelöftem ee Jauche und Abnlihen Flüffigteis 
ten. Dieje Erde iſt fomit faft dasſelbe mie der 
Kompoft, und kann durd einen reihlihen Zufag 
von Lehm oder Sand ſchwerer und dichter oder 
leihter und loderer gemadbt werden. Manden 
Pflanzen genügt ſchon ein Erdreich, das einem ſtets 
reichlich gedüngten und gut gepfie ten Gemüjegar: 
ten entnommen wurde. — Über Eßbare Erben 
—— ſ. Halbinſel. ſ. d. 
Ervderichätterung, Erdbeben. Eten. 
Erdeſſer, griech Geophagen, ſ. Eßbare 
Erdfahl, eine Farbe, die, der trocknen Erde 
ähnlich, eine Miſchung von Grau und Braun iſt. 
Erdfall, der Einſturz unterirdifcher Hoblräume 
infolge der allmäblihen Weglaugung auflöslicher 
Geſteinsmaſſen (Gips, Salz, Kallſtein). Sole E. 
find deshalb in allen Gips, Steinfalz, Kalt, Dolomit 
ie Gegenden häufige Eriheinungen, jo in 
büringen, am Südmweitrande des Harzes, im Zeus 
toburger Wald, bei Lüneburg u. ſ. w., nirgends aber 
roßartiger als in dem Kallſteingebirge von Krain, 
Nüpre und Dalmatien, wo durch GE. unzäblige 
olinen (f. d.) entitanden find. Viele ſolcher Trichter 
ar von Waſſer ausgefüllt und fo in Seen oder 
eiche (Teufelslöcher) umgewandelt. Den €, analog 
find die foa. Pingen (f. d.) der Bergleute. 
Erdfarben, diejenigen Mineraltarben (j.d.), bie 
aus erdigen Mineralien (Farberden), wie Oder, 
Brauntoble, Grapbit, Thon, Kreide, Schwerjpat 
u. ſ. w,, entweder unmittelbar oder nach dem Bren- 
nen * einſchlammen oder Mahlen hergeſtellt 
werden. Als ſolche E. ſind vorzugsweiſe zu nennen: 
Bergblau, Bolus, Grunerde, Kreide, Oder, Schwarz⸗ 
treide, Umbra (f. die Einzelartifel). Die natürliche 
Farbe der Farberden wird durch verſchiedene Hitz⸗ 
grade bei dem Brennen (Röften), durch Miſchen 
mit andern Erben, bier und da aud durch den Zus 
jag von Metalloryden vielfach verändert und ab» 
eituft, fodann unter nicht felten neu erfundenen 
Bad oder Hinzufügungen von Ziffern oder Buch: 
ftaben zur Grunpfarbe (4. B. Umbra V, Bolus F) 
in den Handel gebradht. Vertreten ift diefe Induftrie 
in Deutfchland vorzugsweiſe in —— (Saals 
feld), zen Heſſen⸗Caſſel und im nörbl. Bayern. 
Erdferfel, Erdſchwein oder Ameiſen— 
ſchwein (Orycteropus), eine zu der Gruppe ber 
——— geſtellte Säugetiergattung, welche ſich 
ihrem innern Bau nach den ameril. Gürteltieren 
näbert, während die Lebensweiſe jener der Ameiſen⸗ 
bären und Schuppentiere (f. d.) gleicht. Es find 
große, plump und unfhön gebaute Tiere mit uns 
verhältnismäßig Meinem, ihmalem Kopf, langen, 
aufrehten, bünnbebaarten Obren und kurzen, mit 
bufartigen Grabfrallen bewaffneten Füßen; bie 
Bezabnung befteht bloß aus einer nad dem Alter 
wechſelnden Zahl febr einfah gebauter Badzäbne. 
Die Zunge iſt lang voritredbar, warzig und platt 
bandförmig und wird in bderjelben Weiſe mie 
jene der Ameijenbären und PBangoline zur Nah— 
rung3aufnabme in den zuvor geditneten Termitens 
bauten verwendet. Man fennt nur eine Art, das 
tapſche E. (Orycteropus capensis Geofr.; |. Tafel: 
abnarme Säugetiere l, Fig.4, beim Artifel 
Zabnarme), dad 1 m lang mit 50 cm langem 
Schwanze wird und ein nächtliches eben führt. Es 
bewohnt Süpdafrifa bis zum Senegal ( f Ratte: 
Tiergeograpbiel). Bel Tage gräbt es ſich in die 
Erde oder verbirgt ſich in leeren Termitenbauten; 
nachts gräbt es ſolche ſowie aud Ameifendügel 


136 


auf, um ſich der Inſaſſen zu bemächtigen. Nach der 
Verbreitung und der damit auftretenden Variabilität 
bat man noch Unterarten (Orycteropus aethiopicus, 
senegalensis) unterſchieden. In die zoolog. Gärten 
Europas gelangt das E. äußerſt felten. Doc hält es 
fib gut und wird ernäbrt wie der Ameijenbär (f.d.). 

Erdferne, j. Apſiden. 

Erdfeſte, j. Land. 

Erdfeuer, mit oft boben, lodernden Flammen 
brennende natürliche Erdaaje (ſ. Bitumen), wie fie 
befonders bei Balu am Kaſpiſchen Meer und bei 
— mala im Apennin zwiſchen Boloana und 

lorenz vortommen. — Auch brennenden Torfboden 
nennt man €, (f. Waldbrand). 

Erdflöhe (Haltica), eine jeht in viele inter: 

attungen zerlegte Käfergattung mit viergliedrigen 
faelenten aus der Abteilung der Blattläfer, 
umfaßt ſehr Heine Käfer, die bedeutend verdidte 
Schentel der Hinterbeine haben und viele Centi— 
ineter weit fpringen, aber nur langjam kriechen 
können. In Deutichland giebt es etwa 100 Arten. 
Die Käfer überwintern, paaren ſich im Frühjahr 
und legen dann ibre Eier. Die Larven find läng: 
lih, drebrund, mit bornigem Kopf und Naden: 
(sie, furzen Fühlern, ftarten Kinnbaden, kurzen 
orderbeinen und Nachſchiebern am Hinterende. 
Mebrere von ihnen fügen den Gewächſen bedeuten: 
den Schaden zu, und unter diefen ift befonders der 
gemeine Erdfloh oder Koblerpfloh (Haltica 
oleracea Fabr.), welcher 4 mm lang, jtablblau oder 
metalliichsgrün und unregelmäßig Fein punktiert ift, 
vorzugsmeife den Gemüfepflanzen und Scoten: 
—* ſen ſchädlich. Nicht minder ſchädlich und ſehr 
äufig tft der geſtreifte Erdfloh (Haltica nemo- 
rum L.), der 3 mm lang, ſchwarz, fen punftiert 
und auf jeder lügeldede mit einem ſchwefelgelben 
Längsftreifen gezeichnet ift. Sie erſcheinen beſon— 
ders bei trodnem Metter und fliegen meiſt auf die 
Gewächſe, die fie anfreſſen, jo daß die meiſten Ber: 
tilaungsmittel, die auf ihr Springen gegründet 
ind, nuplos find. Häufiges Begießen und Ab: 
höpfen der Käfer und Larven ſcheinen die einzigen 
ertilgungsmittel. Von den Landleuten wird, neben 
dem eigentliben Rapsflob (Haltica s. Psylliodes 
chrysocephala L.), aud der Rapskäfer (ſ. d.), 
welcher nebft dem Pfeifer (Scopula margaritalis 
Hb.) für Raps und Rübjen der jhädlichfte Käfer 
ift, oft falſchlich ale Erdfloh bezeichnet. 

Erdfröiche, |. Fröſche. 

Erdgalle, das gemeine Tauſendgüldenkraut 
(f. d. und en Gontorten, Fig. 4). 

Erdgas, joviel wie Naturgas (f. d.). 

Erdgeifter, ſ. Gnomen. 

Erdgeſchichte, Entſtehungsgeſchichte der Erde, 
beſonders der feſten Erdkruſte, Forſchungsgebiet 
der —— (1. d.). 

Erdgeihof, Barterre, das zu ebener Erde 
gelegene Geihoß (j. d.). Im Mittelalter wie auch 
in der Folgezeit enthielt das E. meist die Geſchäfts— 
und Verlehrsräume, jelbit in fürjtl, Schlöfiern, wäh— 
rend das 17. und 18. Jahrh. es liebte, dortbin vie 
Feſträume in Verbindung mit den Gärten zu legen. 
ber die Erfahrung, dab nicht gut unterfellerte €, 
leicht feucht find, bat bewirkt, daß man jekt das E. 
—— in Villen nicht zu niedrig, womöglich ober— 

alb eines Kellergeſchoſſes als ſog. Hochparterre 

Erdglaſur, ſ. Glaſur. 

Erdglobus, ſ. Globus. 

Erdgürtel, ſ. Zonen. 


lanordnet. 


Erdferne — Erdkrebs 


Erdhacke, auch Breithacke oder Karſt ge— 
nannt, eine Hade mit zwei Zahnen, die namentlich 
in gebirgigen Gegenden und in Weinbergen zur 
Bodenbearbeitung dient. 

Erdharz, ſ. Aspbalt und Bitumen. 

Erdhörnchen (Tamias), Gattung der Eid: 

Erdhütten, ſ. Hütten. hörnchen (f. d.). 

Erdig nennt man denjenigen Agaregatzuftand 
ber Mineralien, bei dem mebr oder weniger feine 
Beitandteile (feinerdia, groberdig) zu einem 
leicht zerreiblichen oder pulverifierbaren Ganzen ver: 
bunden find und auf der Bruchfläce lauter ftaub- 
artige oder ſandähnliche Partikel bervortreten, 3.2. 
bei vem Thon, dem Tripel, der Kreide u. ſ. m. 

Erding. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.Bez. Ober 
bayern, bat 777,20 qkm und (1900) 41122 (20128 
männl., 20994 weibl.) €. in 48 Gemeinden, dar: 
unter 1 Stadt. — 2) Bezirköftadt im Bezirfäamt 
€., 36 km im NO. von Münden, in 462 m Höbe, 
an der rechts zur Iſar gehenden Sempt und ber 
Nebenlinie Shwaben:€.(13,#km) der Bayr. Staats: 
babnen, Eis eines Bezirlsamtes, Amtsgerichts 
(Landgeribt Münden II) und Nentamtes, bat 
(1900) 3388 E., darunter 50 Evangelifde, (1905) 
3812 E., Poit: und Bahnerpedition, Telegrapb, 
3 kath. Kirchen, Fortbildungsſchule, Krantenbaug, 
Waifenhaus, Bürgerjpital, Joſefianſtalt; Woll— 
ipinnerei und Wollzeugmweberei, yabrifation von 
landwirtichaftliben Mafchinen und Flanell ſowie 
große Getreidemärfte. E. war ſchon 950 Hauptort 
eines Gaues und wurde im Dreihigjäbrigen Kriege 
dreimal verwüſtet. Das Erdinger Moos 
(275 qkm) erjtredt jich zwiſchen far und Sempt 
bis gegen Moosburg bin und findet jeine jüpl. 
Fortiekung im Jamaninger Moos. 

Erdiödzeg, ungar. Ort, ſ. Diöszeg. 

Erdkarten, j. Landkarten, Erde und PBend. 

Erdkäſten, 30—100 cm tiefe, an den Seiten 
mit Brettern ausgeichlagene oder ausgemauerte 
Erdaruben, zum liperwintern von jhusbepürftigen 
Topfgewächſen, oder 20—40 cm bobe, auf die Erde 

eftellte Brettertäften obne Boden, die mit guter 

de angefüllt und mit Mijtbeetfenitern bevedt im 

eitigen Frühjahr zur Ausſaat von Sämereien jarter 
— und zur Anzucht von jungen Pflänzlingen 

Erdfern, f Erbe. [dienen. 

Erdfobalt, ein in derben, traubigen und nie= 
renjörmigen Maſſen vortommendes Mineral von 
der Konſiſtenz des trodnen plaftiicben Thons und 
bläulibihwarzer Farbe; es iſt jebr milde, abfär- 
bend, fchimmernd bis matt, im Strid etwas glän— 
send. Chemiſch bejtebt es aus Kobaltoxydul (1I— 
20 Proz.), Nanganjuperorvd (daber die Benennung 
Kobaltmanganerz gerechtfertigt), einem gerin- 
gen Gebalt an Nupferoryd, Baryt und Kali, ſowie 
etwa 21 Bros. Waſſer. Salzjäure wirft löfend unter 
Eblorentwidlung. Dieſer ———— E. findet ſich 
3. B. bei Camsdorf, Saalfeld, Glüdäbrunn, Rie: 
chelsdorf und wird zur Blaufarbenfabrilation be: 
nust. Gelben und braunen E. nennt der tbü: 
ring. Bergmann andersgefärbte, ebenfalld erdige Ko: 
balterze von abweichender chem. JZufammenfekung, 
indem fie großenteild Gemenge von waflerbaltigem, 
arfenjaurem Eiſenoxyd, Kobaltorud und Kalterde 
daritellen; in ibnen liegen wabrſcheinlich in eriter 
Linie Zerjehungsprodulte von Speislobalt vor. 

Erdfreb3, eine vorzugsweife die Nadelbölzer, 
aber auch Laubhölzer jeden Alters treffende Baum: 


trantheit, befonders ven jungen Navdelbolzpflanzun: 


Erdkrokodil — Erdmann (Morik) 


va ſhadlich. Die kranten Stämmchen zeigen ge: 
nid am MWurzelftod eine Anſchwellung mit 
umipender Rinve, bei Navelhölzern mit Harzaus: 
wi. Urſache ver Krankheit ift ein parafitiicher 
dutpil;, der Hallimajfc (f. d.) oder Honigpilz 
Aarieus melleus Vahl), deſſen ſchneeweißes der: 
tes Nxelium (Rhizomorpha subcorticalis Pers.) 
nd fäherförmig im lebenden Stamm oder in Wur: 
iin im lebenden Rindengewebe verbreitet und den 
iod der bejallenen Bäume verurſacht. Das Myce 
mm tritt aber auch in Geftalt von jhwarzbraunen, 
barten Strängen (Rhizomorpha subterranea Pers.) 
auf, ald ſolches wächſt es in der Erde fort und be: 
wirt Anitedung benachbarter Bilanzen, indem es 
üb in deren Wurzeln einbobrt und fi darin als 
weibe& Mocelium meiter verbreitet. In bereits ge: 
töteten Bäumen findet man dieje ſchwarzbraunen 
Stränge auch zwiſchen Holz und Rinde. Im Herbit 
hebt man an den im Boden frei wachſenden Rhizo— 
morpben jomie aus der Rinde der durch den Para- 
ſiten getöteten Bäume, namentlib am Wurzelitod, 
die großen braunen, eßbaren Fruchtträger zur Ent: 
widlung gelangen. Die weißen Sporen derjelben 
werben durch den Mind verbreitet oder auf andere 
Art verichleppt, entwideln zunächſt ein fädiges 
Mocel,und aus dieſem gebt jodanndie Rhizomorpha 
genannte Mpcelform hervor. Als Sapropbyt tommt 
diejer Bil; aub an abgeftorbenen Wurzeln und 
Stöden jämtliher Yaub: und Nadelbäume, jomwie 
an bereitöverbautem Holzein Majjerleitungsröbren, 
Bergmwerten, an Brüden u. ſ. w. vor. — Vgl. Hartig, 
Bictige Krankheiten der Waldbaume (Berl. 1874); 
beri., Yebrbud der Baumtrankheiten (2. Aufl., ebd. 
1859). — Auch die Maulmurfägrille (f. d.) nennt 
man zumeilen €. [fen II, Fig. 1). 

Erdfrofodil, der Skint (f. d. und Tafel: Ech— 
Erdkröte, j. Kröten und Tafel: Fröſche und 
Kröten U, Fia. 3, beim Artitel Froſchlurche. 

Erdfrume, j. Erden. 

Erdfrümmung, die Gröhe der Abweichung der 
Riveaufläche der Erde von der durch einen beftimm: 
ten Buntt gelegten Horizontalebene. Die Größe 
der E. muß man bei Höbenmejlungen, die zwiſchen 

—E in größerer Entfernung voneinander liegenden 
Buntten ausgeführt werden, jtetö ermitteln und 
in Rechnung jtellen, um ein richtiges Ergebnis zu 
erhalten. Fur den praltiſchen Gebraud find hierzu 
bejondere Tabellen berechnet. — —* von Bauern⸗ 
feind, Elemente der Vermeſſungskunde (7. Aufl., 
Erdkruſfte, j. Erdrinde. [Stuttg. 1890). 
Erdfufud (Geococcyx), aus zwei Arten be 
ſtehende Gattung der Kududsvögel des fühl. Nord: 
amerilas mit bräunlicher Färbung, hohem Lauf, lan: 
gem, ftuigem Schwanz und kurzem Federſchopf auf 
Erdkugel, ij. Globus. [dem Hinterkopf. 
Erdfunde, j. Geograpbie. 
Erdleguane, ij. Zequane. 
Erdpmagnetismus, j. Magnetidmus der Erbe. 
Erdbmandeln, die an den Ausläufern der Wurzel 
von Cyperus esculentus L. (ſ. Cyperus), einer im 
fübL Europa und in Nordafrita wild wachſenden und 
aud fultivierten Cyperacee, befindlichen mehligen 
Knollen in der Größe von Hafelnüjjen. Diejelben 
d außen bräunlichrot, innen weißlich, von ſüßem, 
jelnußartigem Gejhmad, enthalten gegen 25 Proz. 
fettes Al und werden teils rob, teilö geröftet zum 
Racrifh genofien, aud als Material zur Olge: 
winnung und als Kaffeeſurrogat verwendet; früßer 
benugte man ſie arzneilih gegen Brufttrantbeiten, 


137 


(S.aud Lathyrus und Arachis fowie Tafel: Legu: 
minoien II, Fig. +.) 
Erdmann, —— Philoſoph, ſ. Bo. 17. 
Erdmann, Dapid, prot. Theolog, geb. 28. Juli 
1821 zu Güftebiefe in der Neumart, ftudierte in Ber: 
lin, wurde 1850 Hilfäprediger am Dom, 1851 Divi: 
fionsprediger in Berlin, 1853 auch Brivatdocent an 
der Univerfität daſelbſt, 1856 ord. Brofejjor in Kö: 
nigsberg, wo er jeit 1857 zugleich das Pfarramt an 
der altjtädtiichen Kirche belleidete. 1864 wurde €. 
als Generaljuperintendent von Sclefien nach Bres: 
lau berufen und 1865 zugleich ord. Honorarprofeflor 
an der Univerjität datel jt. Seit 1879 war er Mit: 
lied des Generaliynodalrates, wurde 1889 zum 
Mirll,Oberlonjiftorialrat ernannt und 1900 von der 
Ausübung feiner akademiſchen Lebrtbätigfeit ent: 
bunden. €. ftarb im März 1905 in St. Blafien. Er 
fchrieb : «Lieben und Leiden der erſten Chriſteny (Berl. 
1854), «Primae Joannis epistolae argumentum, 
nexus et consilium» (ebd. 1855), «Die Reformation 
und ihre Märtyrer in Jtalien» (ebd.1855),« Der Brief 
des Jakobus, erklärt» (ebd. 1881), «Luther und die 
Hobenzollern» (Bresl. 1883; 2. Aufl. 1884), «Luther 
und feine Beziebungen zu Schlejien» (ebd. 1887). 
Erdmann, ob. Eduard, Philoſoph der Hegel: 
{hen Schule, geb. 1/13. Juni 1805 zu Wolmar in 
Livland, ftudierte in Dorpat Theologie, in Berlin 
.. bilofopbie, lehrte 1828 nad) Finland zu: 
rüd und wurde 1831 Pastor primarius in feiner 
Baterftadt, legte jedoch 1833 dieje Stelle nieder, um 
fih ganz der Philoſophie zu widmen, und habilitierte 
fih 1834 bei der philof. yatultät in Berlin. Er er 
bielt 1836 eine außerordentliche Profeſſur in Halle, 
wurde 1839 ord. Profeſſor und ftarb daſelbſt 12. Juni 
1892. Unter E.s Schriften, die ibm in der Ge: 
dichte der Hegelichen Schule eine ebrenvolle Stel- 
ung ſichern, ijt das Hauptwerk der «VBerjuc einer 
wiſſenſchaftlichen Darjtellung der Geſchichte der 
neuen Bbilofopbie» (3 Bde., Lpz. 1834—53). Eine 
gebrän te und bis zur Gegenwart weiter geführte 
Darftellung desſelben Gegenjtandes gab E. in 
dem zweiten Bande feines ausgezeichneten Wertes: 
« Grundriß der Geſchichte der Philojopbie» (2 Boe., 
Berl. 1865 ; 4. Aufl. 1895—96; in engl. Überjegung 
von Hougb, 3 Bde., Lond. 1890). Ferner find zu 
nennen: «VBorlejungen über Glauben und Willen» 
(Berl. 1837; ins Holländifche 1846 überjegt), «Natur 
oder Schöpfung» (Lpz. 1840), «Leib und Seele» 
(Halle 1837; 2. Aufl. 1849), «Grundriß der Pſycho⸗ 
logie» (Lpz. 1840; 5. Aufl. 1873), «Grundriß der Lo: 
git und Metapbyfil» (Halle 1841;5.Aufl., Leid.1901; 
ins Polnische überjeht, Lpz. 1344), «»Philoſ. Vorlefun: 
gen über den Staat» (Halle 1851), «Vorlefungen 
über atademifches Leben und Studium» (Lpz. 1858) 
und feine Biograpbie Hegels in der « Allgemeinen 
Deutihen Biographie» (Bd. 11, ebd. 1880). In den 
«Pſychol. Briefen» (Lpz. 1851; 7. Aufl. 1896) fuchte 
er die Viychologie in der Form belebrender Unter: 
baltung darzuftellen. Eine Anzahl geijtvoller Bor: 
träge, die er in Berlin und Halle vor einem größern 
Zubörerfreife gebalten, find u. d. T. «Ernjte Spiele» 
(Berl. 1855; 4. Aufl. 1890) gefammelt erfchienen. 
Außerdem hat E. eine große Anzahl von Predigten 
und Predigtiammlungen ſowie von alademiſchen 
Reden und Gelegenbeitsichriften veröffentlicht. 
Erdmann, Moris, Landihaftsmaler, geb. 
15. April 1845 zu Arneburg bei Stendal, beſuchte die 
Akademie in Berlin fomie das Atelier von H. Eſchle 
und madte dann Studienreifen durch Deutich: 


138 


land, Schweden und Stalien. Unter jeinen Bildern 
find berporzubeben: Heide am Re DR: im Harz, 
Das Morjumlliff auf der Inſel Sylt, Die grüne 
Grotte auf Capri, Die Villa Habriana in Tivoli, 
Römiſcher Park bei Mondſchein, Campoſanto in 
Neapel; ferner: Landſchaft mit Maria Magdalena 
und Maria am Grabe Ebhrijti trauernd. Neueſtens 
bat der jegt in München lebende Künſtler ſich auf 
einer ſpan. Reife ein weiteres Darjtellungsgebiet 
angeeignet, worin er zunädjt mit Bildern aus 
Segovia an die Öffentlichkeit getreten ift, welchen 
er 1888 und 1889 ſchöne Stimmungäbilder aus 
Capri und Tivoli zur Seite ſetzte. Auf der Inter: 
nationalen re zu Berlin 1891 ſah 
man von ihm die Gemälde: Die Thermen der Billa 
Hadrians bei Tivoli, Puerta Sant’ Andres in Se: 
ovia, Der Makmann bei Berchtesgaden; 1892 
fit er in Münden aus: Straße in Segovia, in 
erlin: Subiaco im Mondſchein. 

Erdmann, Dölar, Germanift, geb. 14. Febr. 
1846 in Thorn, ftudierte in Seipäip, Berlin und 
Königsberg, wurde 1868 Gymnaftallebrer in Grau: 
benz, 1874 in Königsberg, 1883 Privatdocent dort, 
1885 außerord. Profeflor in Breslau, 1889 ord. 
gatdier der deutſchen Sprache und Litteratur in 

iel, wo er 14. Juni 1895 ſtarb. E.s Forſchungen 

alten namentlich der deutichen Syntar («linter: 
uchungen über die —— Sprache Otfridso, 
2Bde. Halle 1874— 76; «Grundzüge der deutſchen 
Spntar», Bo. 1, Stuttg. 1886); von Dtfrids Evan: 
pe ienbuch veranitaltete er eine trefflihe Ausgabe 
Halle 1882). Mit H. Gering redigierte er die 
«Zeitfchrift für deutſche Philologie». 

Erdmann, Dito, Genremaler, Sohn von Dito 
Zinne E. geb. 7. Dez. 1834 zu Leipzig, bildete ſich 
in Leipzig, Dresven und Münden und ließ ſich 
1858 in Düfleldorf nieder, wo er in der Nat zum 
9. Dez. 1905 jtarb. Er entnabm feine höchſt eleganten 
KRojtümbilder meijt der Rofokozeit. Seine befannte 
ten Gemälde find: Das Blindekubipiel (1863; Mu: 
eum zu Leipzig), Ein kritiſcher —— (1868), 

ie Schachſpieler, Die Erwartung, Die Einführung 
der Braut (1878),Liebesoratel,Cin Zeitament (1886), 
Gnadengefuh (1887), Das kranke Prinzechen(1888), 
Die Rache des Nebenbublers (1889), Zwei Bartien 
(1892) ,Runft bringt Gunſt, Im Reich ver Töne (1894). 

Erdmann, Dtto Linne, Chemiter, geb. 11. April 
1804 zu Dresden, Sobn des bejonders um die Ein: 
fübrung der Schuspodenimpfung in Sadjen ver: 
dienten Amtspbyjitus und Arztes Karl Gott: 

ried E. (geb. 31. Mai 1774, geit. 13. Jan. 1835), 
vierte auf der Mediziniſch-chirurgiſchen Akademie 

u Dresden und in Yeipzig, wo er ſich 1825 für 
bemie babilitierte. Als 1826 die —— des 
Nickels zur Fabrikation des Argentans befannt 
wurde, widmete ſich E. eine Zeit lang dieſem Indu— 
ſtriezweige als Chemiler einer Fabrik am Harz, 
lehrte aber bald nad Leipzig zurüd. Er wurde 
1827 außerord., 1830 ord. Profeſſor der techniſchen 
Chemie, 1842 Direltor eines daſelbſt nad feinem 
Plane errichteten em. Laboratoriums. €, itarb 
9. Dit. 1869 zu Leipzig. Bon jeinen Forſchungen 
find vorzüglich die Unterjuhungen über das Nidel 
Lpz. 1827), über den Indigo und einige andere 
arbeitoffe, die von ıbm engen. mit 
tarband ausgeführten Arbeiten über die Atom- 
ewichte der — Körper und ſeine Unter— 
en über Yeuchtgas zu erwähnen, Er aab 
das «journal für techniiche und dlonomiſche Ehe: 


Erdmann (Oskar) — Erdmannsdorff 


mie» (Lpz. 1828—33) und teil allein, teils mit 
Schmweigger:Seidel, Mardand und Wertber das 
«Journal für praktiſche Chemie» (ebd. 1834 fg.) ber: 
aus. Er veröffentlichte au ein «Lebrbucd der Che: 
mie» (2p3. 1828; 4. Aufl. 1851) und einen «Grundrig 
der Warenkunde» (ebd. 1833; 12. Aufl. von Hanauſet, 
1895). Die Heine Schrift «liber das Studium der 
Ebemie» (Lpz. 1861) ift mehrfach überjekt worden. 

Erbmännchen, |. Alraun nebjt Tertfiguren. 

Erdmaunsdorf. 1) E. in Schleſien, Dorfim 
Kreis Hirſchberg des preuß. Reg.:Bez. Liegnitz, 7 km 
füdöftli von Hirfhberg, an der Lomnitz, in 385 m 
Höhe, an der Nebenlinie Hirjehberg: Schmiedeberg 
der Preuß. Staat3babhnen und der Kleinbahn E.: 
Krummbübel (7 km), hat (1900) 1256 €., darunter 
187 —— Poſt, Telegraph, Kaiſer⸗Friedrich⸗ 
Denkmal (1899), koönigl. Schloß mit Gartenanlagen, 
2 Domänen, 1 Vorwerk, feit dem %. 1840 königl. 
Krongut, 1 Jobanniterfranfenhaus; eine große, der 
Preußiſchen Seebandlung gehörige Flachs arnfpins 
nerei und : Weberei (800 Arbeiter), Büren und 
Knohenmehljabril, Aderbau und Viehzucht und ift 
als Sommerfrifche viel beſucht. Im Part liegt das 
Schweizerhaus der Fürſtin von Liegnig; weſtlich 
davon die 1838 nad Schinlels Plan erbaute Kirche. 
Süplic liegen die Schweizerhäujer der 1838 gegrün: 
beten Tirolerlolonie Nieder: Zillertbal (zu E. 
gebörig); Hohen: Zillertbal mit 50 €. (zu Seis 
dorf gehörig) und die bejondere Landgemeinde 

illertbal mit 1120 €., darunter 223 Katholiken 
(1. Zillerthal). — Vol. Donat, E, Seine Sehenswür: 
digfeiten und Geſchichte (Hirſchb. 1887). — 2) E. in 
zagıen, Dorf mit Rittergut und Schloß in der 
Amtsbauptmannihaft Flöha der ſächſ. Kreisbaupt: 
mannſchaft Chemnig, 2km im NW. von Scellen 
in 293m Höbe, an der Zihopau und an der Linie 
Chemnig:- Annaberg der Sächſ. Staatsbahnen, bat 
(1900) 1610 E., darunter 52 Ratholiten, Boit, Tele: 
graph; Baummollipinnereien, Steinbrühe, Mahl: 
müblen, Sägemüble, Ziegelei, Holzihraubenfabrit, 
Bierbraueret. 

Erdmannsddrfer, Dar von, Mufiter, geb. 
14. Juni 1848 in Nürnberg, wurde auf dem Leipziger 
Konjervatorium und jpäter von J. Rieß in Dresden 

ebildet, war 1870—81 Hoffapellmeiiter in Sonders: 

aufen, 1882—88 Dirigent ber Konzerte der Ruſſi⸗ 
ſchen Mufilgefellihaft in Mostau und leitete 1889 
— 95 die Konzerte der Philharmoniſchen Geſellſchaft 
in Bremen. 1896 wurde er zum Profefior an der 
Atademie der Tonkunft und zum Hoflapellmeifter in 
Münden ernannt, wo er 14. Febr. 1905 jtarb. €. 
ſchrieb Vokal⸗ und Inftrumentaltompofitionen. (Bgl. 
Charles, Zeitgendffiihe Tondichter, Bo. 1, Lpz. 
1888.) — Seine Gattin (feit 1874) Bauline, ge 
borene Fichtner, Klavierfpielerin, geb. 28. Juni 
1851 zu Wien und dort gebildet, 1870— 71 von Lift 
weiter gejchult, fonzertierte mit aroßem Erfolg. 

Erdmannddorff, Friedr. Wilb. von, Arditett, 
geb. 18. Mai 1736 zu Dresden, ftudierte in Witten: 

era und begleitete dann den Fürjten Leopold von 
Anbalt:Deflau auf deilen Reifen in England, Frank—⸗ 
rei, der Schweiz und Italien. Sein Kunjtfinn 
entwidelte ſich beſonders für die Baukunſt ver 
Alten. Sein eigentlicher Lehrer bierin wurde der 
Franzoſe Elerifjeau, der ihm die Kenntnis der an: 
tifen Bauten und Ruinen Roms und Süpfrant: 
reichs erſchloß. Er baute den großen Saal im 
Sclofie zu Deflau aus, entwarf die Pläne zum 
Schloß und Part Wörlig (1769— 73), erbaute das 


Erdmannsdörffer — Erbödy 


Anbaus Luifium bei Defjau(1777) 
sh Wübelm IL. fchmüdte er die Wohnzimmer in 
ſansſouci und im Sclofje zu Berlin aus. End⸗ 
ih baute er, nachdem er 1789— 90 nochmals mit 
den Erbprinzen von Braunſchweig Italien bereift 
hatte, die Theater zu Deflau und Magdeburg. 
Sane Werte atmen den Geiſt röm. Antile, E. ver« 
anlate die Gründung der Challographiſchen Ge: 
vlihaft, Die von 1799 an eine Reihe von Stichen 
6.3 veröfientlichte. Er jtarb 3. März 1800. — Bol. 
Rode, leben E.3 (Defjau — 
Erdmanus dörffer, Bernhard, Hiſtoriler, geb. 
4. Yan. 1833 in Altenburg, ſtudierte ſeit 1852 erſt 
in Jena, dann in Berlin Philologie und Geſchichte, 
arbeitete 1857 im Archiv und in der Marktusbiblio: 
thel zu Venedig und babilitierte ſich 1858 in Jena. 
1859 trat er im Auftrag der Hiſtoriſchen Kommiſſion 
in Münden eine Stupdienreife nah Stalien an, um 
in den ital. Bibliotbefen und Ardiven Materialien 
für bie Herausgabe der «Deutfchen Reihstagsalten» 
zu fammeln. Nac feiner Rückehr habilitierte er 
kb an der Univerfität zu Berlin. Bon 1863 bis 
1870 war er zugleich Lehrer der Geſchichte an ber 
Rriegsalademie, 1869 wurde er zum außerord. Pro: 
jeſſot in Berlin ernannt, ging 1871 ald ord, Profeſſor 
nad Greifäwald, 1873 nad Breslau, 1874 nad) Hei: 
deiberg, wo er 1. März 1901 ftarb. Gr ſchrieb: «De 
commercio quod inter Venetos et Germaniae civi- 
tates aevo medio intercessit» (Lpz. 1858), «Herzog 
Karl Emanuel I. von Sapoyen und die deutiche 
Kaiſerwahl von 1619. Ein Beitrag zur Vorge— 
ſchichte des Dreißigjährigen Krieges» (ebd. 1862), 
«Graf Georg Friedrih von Walded; ein preuß. 
Staatsmann im 17. Yabhrb.» (Berl. 1869), «Das 
talter der Novelle in Hellas» (ebd. 1870), «Deut: 
be Geihichte vom Weitjäliichen Frieden bis zum 
gierungsantritt Friedrichs d. Gt. 1648— 1740» 
(in Ondens «Allgemeiner Geſchichte in Einzeldar⸗ 
—— 2 Boe., ebd. 1890—93; 1894 mit dem 
unpreis gekrönt), « Mirabeau» (Bielef. 1900) 
und gab in bem Werk «Urkunden und Altenitüde 
zur bite des Kurfüriten Friedrich MWilbelm 
von Brandenburg» Bd. 1,4, 6, 7, 8 die «Bolit. Ver: 
banblungen» Bo. 1—5 (Berl. 1864—84) ſowie fer⸗ 
ner mit Obſer die «Bolit. Korrefpondenz Karl Fried⸗ 
rihs von Baden 1783— 1806» (Bd, 1—5, Heibelb, 
1888—1900) heraus. 
Erdmaſt, Untermait, die Nahrung, die das 
Schwarzwild aus der Erde bricht (nimmt). 
Erdmaus, j. Wuhlmaus. (fung. 
meffung, internationale, ſ. Grabme}: 
Erdmetalle, diejenigen metallifchen Elemente, 
deren Uryde und Oxvdhydrate Erden (f.d.) genannt 
wurden. rüber bildete man aus denſelben eine 
bejondere Gruppe von Metallen, zju der man das 
Aluminium, Berpllium, Eerium, Didym, Lanthan, 
ttrium und Zirfonium rechnete. Da indefien dieje 
Metalle teilmeife ganz verſchiedenen Elementar: 
familien (j. d.) angebören, fo ijt der Name €. jekt 
bedeutungslos. 
Erdmilbe, die Sammetmilbe (f. d. und Tafel: 
Spinnentiere und Taujendjüßer II, Fig. 4). 
Erdmolche, j. Landjalamanver. 
‚Erdmörfer, eine im Erbboden durch jchräges 
Eingraben eines Faſſes bergeitellte Art Mörier. 
Auf die Bulverladung wurde ein Hebeipiegel (f. d.) 
gelegt und auf diejen Steine gepadt, welche 200 bis 
400 m weit geſchleudert wurden. Zuerſt wurden jie 
von den Schweden bei der Belagerung von Kon⸗ 


139 


und fur Fried⸗ ftanz 1633 gebraudt. Der Schuß aus dem E. hieß 


Erdwurf. Später murden dafür Steinmörjer eins 
Erdnähe, j. Apfiden. , [gefübrt. 
Erduer Treppchen, |. Mojelmeine. 
Erdnuf, f. Arachis und Tafel: Legumino— 
Erduühchen, ſ. Lathyrus. [fen II, Fig. 4. 
Erdnuffuchen, die beim Preſſen der Eronüfie 

verbleibenden Küdjtände, ein wertvolles Viehfutter, 

im gejhälten Zuftande über 43,2 Proz. Broteinftoffe, 

6,7 Broz. Fett und 24,4 Proz. ſtickſtoffhaltige vers 

dauliche Ertraftitoffe enthaltend (f. Erpnußöl). 

Erdnuköl, Arahisöl, das durch ge der 
Erdnüſſe (f. Arachis) gewonnene fette Öl. Farblos 
(kalt gepreßt) bis gelblih, von angenehmem Ges 
Ihmad; fpec. Gewicht Om bis 0,920, eritarrt bei 
—3° bis —7° C. Das E. befteht zum größten Teil 
aus den Ölyceriden der Balmitin«, Hypogäa= und 
Arachinſäure. Man verwendet ed als ic Ken 
Brennöl und zur Seifenfabrifation. Die befjern 
Sorten tommen als Tajelöl (Kronentafelöl) in den 
Handel. — Bgl. Benedikt, Analyje der Fette und 
Wachsarten (3. Aufl., Berl. 1897). 

Erdb: Junger, d.b. Wald), häufig in zuſammen⸗ 

ejesten Namen von Drtichaften in Ungarn und 
jebenbürgen. 

Erdöbenye, ungar. Groß-Gemeinde, ſ. Bd.17. 

Erdöd, Groß: Gemeinde und Hauptort des 
Stublbezirtd E, (26519 €.) im ungar. Komitat 
Sjatmär, 18 km im ©. von Szatmär Nemeti, 
am Fuße des Büllgebirges, hat (1900) 3211 meift 
tath. magyar. E., Spartlaſſe, fhöne got. Kirche, 
Mufterwirtichaft der gräfl. Familie Karolyi mit 
ausgezeichneter Pferdezucht, eine Glashütte und 
große Kaltbrennerei. 

Erdödy, ungar. Grafengeſchlecht, das wi der 
wabhrjdeinlihften Annahme von Nilolaus Balacs, 
einem Bruder des Kardinal: Erzbifhofs Thomas 
Batacs, abjtammt und das Prädikat «de Erböd» 
nach feinem Heimatäort im Szatmärer Komitat 
angenommen bat. ebenfalls verdantt die Familie 
diefem Erzbiihof iht Emporlommen und ihren 
Reihtum. Als fie jpäter die eiibung Monyords 
teret (db. i. Eberau) im Gijenburger Romitat er 
bielt, nannte fie fib E. von Monyoröterdt. Bis 
auf Peter ( eit. 1566), der mit dem Prädikat 
«von Monyohlö» 1565 in den —— erhoben 
wurde, führte die Familie den Titel Freiherren 
von Monyoröterst. Gegenwärtig blüht das Ge 
ſchlecht in zwei Linien, von denen die ältere in zwei 
Stämme zerfällt; eine dritte Linie erlofch 1824 mit 
dem Grafen —5 IL, ungar. Hofkanzler. 

Belannte Mitglieder des Geihlehts find: Nillas 
(Nikolaus) E., Banus von Kroatien, enthüllte im 
März 1670 die Verſchwörung der Grafen Beter 
— (ſ. d.) und Frangipani (f. d.), wurde 1687 

anus von Kroatien und erfocht 1691 bei Roftajniga 
einen —— Sieg über die Turlen. — Johann 

Nepomut €, (geb. 1794, geit. 1879), t. f. Käm: 

merer, Erbobergeipan von Warasdin, königl. Statt: 

baltereirat, 1848 Gouverneur von Fiume, war Ans 
bänger der ungar. Revolution und Gegner der kroat. 

Anfprühe und als ausgegeidhneter lat. Redner bes 

tannt. — Wlerander E., geb. 10. Aug. 1804, 

zeichnete fih auf den ungar. Landtagen 1839/40 

und 1843/44 al3 eppofitioneller Redner aus; 1848 

bot ihm Graf Ludwig Battbyanyi das erledigte 

Minifterportefeuille um die Berion des Monarchen 

an, welches der Graf jedoch ablehnte. Er zog ſich 

darauf von dem Schauplag der Politik zurüd und 


140 


ftarb im Yan. 1881 auf Vep bei Steinamanger 
in Ungarn, 

Erdöl, Bergöl, Steindl, Mineralöl, 
Napbtba, Canadol, in der Natur vorlommen: 
des, dick- oder dünnflüffiges, gelbes oder braunes, 
durd fraltionierte Deftillation und Raffination aber 
faft farblos darzuftellendes Öl, das unter dem Na: 
men Betroleum (f. d.) als Yeuchtftoff dient. j 

Erdorgeln, geologijhbe Orgeln, Erdpfei— 
fen, enge, tiefe, mebr oder minder cylindrifche Hobl: 
räume, die biöweilen in größerer Anzabl beifam: 
men von der Oberfläche ber in manche Gejteine ein: 
dringen und durd die auflöjende oder mechaniſch 
jeritörende Wirkung des Waſſers entitanden jind. 

Erbdorfeille, j. Lecanora. [€., |. Elaterit. 

Erdpech, |. Asphalt und Bitumen; elaſtiſches 

Erdpfeifen (geoiog.), f. Erborgeln. , 

Erdpfeiler oder Erbpyramiden, Ipislegel: 
förmige Säulen aus diluvialem, fandigem, mit 
größern Geiteinzftüden durchmiſchtem Lehm; fie 
ep meijt auf ihrer ad. ein größeres Gejteins: 
ftüd, welches die darunter liegende Maſſe der Säule 
vor der Zeritörung durch den berabfallenden Regen 
Ihüste, während die Maſſe zwiſchen den Säulen, 
obwohl fie diefem gleihartig war, durd Regen und 
zum Teil durch fließendes Waſſer binmeggei chwemmt 
wurde. Am großartigſten finden ſich E. im Thale 
des Rio Grande (Colorado), bei La Paz (Bolivia), 
bei Sanſibar u. ſ. w., in Europa am ſchönſten in 
der Nähe von Bozen in Südtirol, wo fie aus einer 
bis über 30m mädytigen Schutt: oder Schottermafle, 
wahrſcheinlich glacialen Urſprungs, die den Boden 
eines Thals bededt, ſich berausgebildet baben. — 
Vol. Kittler, Über die geogr. Verbreitung und Natur 
der Erdpyramiden (Münd. 1897). 

Erdphyſik, ſ. Geophyſil. 

Erdpole, ſ. Pole. 

Erdprofile ſind Darſtellungen des vertikalen 
Durchſchnitts eines Teils der Erdoberfläche, die ähn— 
lich den Relieftarten (f. d.) zur Veranſchaulichung 
der Bodenunebenbeiten dienen (f. aud Profil und 
Terrainzeichnung). Im Erdprofil laſſen ſich auch die 
geolog. — * Kulturzonen u. ſ. w. ſichtbar 
machen. Alexander von Humboldts Profil durch 
Meriko iſt in mehrjacher Beziehung vorbildlich ge: 
worden. Als erſtes wirkliches Erdprofil, das die 
natürliche meridionale Krümmung des Meeres: 
niveaus berüdjichtigt und jede Übertreibung der 
Höhen: und Tiefenverbältnifje vermeidet, außerdem 
mit größter Genauigfeit eine Fülle von geophyſil. 
Thatladıen verzeichnet, muß das von F. Lingg im 
Nedultionsverhältnifje von 1: 1000000 bearbeitete 
Erbprofil der Zone von 31° (Tripolis) bis 65° 
nordl. Br. (Munch. 1886) angejeben werden. Auf 
Fıngg und Löble führt auch der Name Erpprofil 

urüd. — Bgl. au Beuder, Drei Tbejen zum Aus: 
au der tbeoretiiben Kartograpbie (in der «Geo: 
graphiichen Zeitichrift», VILL, Lpʒz. 1902). 

Erdpurzler, j. TZümmlertauben, 

Erdpyramiden, ſ. Cröpfeiler. 

Erdanader, ſ. Erdſteine. 

Erdrauch, Pflanzengattung, ſ. Fumaria. 

Erdraupen, die Raupen einiger Schmetterlinge 
aus der Gruppe der Eulen. Sie liegen am Tage 
zuſammengerollt am Fuße ibrer Futterpflanzen 
unter Blättern oder flach in der Erde ag und 
gehen bloß in der Nachtzeit zum Fraße. Vorzugs— 


Erdöl — Erdrofjelung 


jaateule (Agrotis segetum Hübn.) auf Salat, 
Koblarten, Rüben, Zwiebeln, Kartoffeln u. f. m., 
auch an Welten und andern Ziergewächſen, und die 
der Kreuzwurz-Ackereule (Agrotis exclamatio- 
nis L.) an den nämlichen und an andern Bflanzen. 

Erdre (jpr. erdr), rechter Nebenfluß der Zoire in 
der Bretagne, entipringt öftlih von Cande (Maine- 
et:Xoire), ließe anfangs parallel mit der Loire nad 
SW., tritt bei St. Mars la Zaille in das Depart. 
Loire:Anferieure, wendet fih nad der Einmündung 
des Baillon nah SSW., nimmt unterbalb Nort den 
Kanal von Nantes-Breſt auf, bildet die Seen Blaine 
de la Boupiniere und Plaine de Mazerolles und 
mündet, 105 kın lang, bei Nantes. Bon Nort an 
wird fie [hiffbar und befonders zum Transport von 
Brennbolz und Getreide benußt. 

Erdrinde, Erdkruſte, Lithoſphäre, die fefte 
Gefteinihale, die das unzugänglihe Erdinnere 
umgiebt. Sie jebt fi aus Erſtarrungs-, Sedi— 
mentär= und Eruptivgefteinen zujammen, und über 
ihre Entſtehung bat man folgende Anfihten. Die 
Erde war urfprünglih ein glutflüffiger Ball, der 
fib infolge der Ausitrablung von Wärme in den 
falten Weltenraum mit einer Critarrungstrujte bes 
dedte. Diefe ältejte Gefteinsbildung ift mit Sicher 
beit nirgends an der Erboberfläbe nachzuweiſen, 
vielleicht ift fie überall von jüngern Ablagerungen 
bevedt. Auf diejer im Laufe der Zeit erlaltenden 
Kruste ſchlugen fich die Wafler, die ald Dampf bie 
dabin in der Atmojpbäre vorhanden waren oder 
dem Erdinnern entjtrömten, nieder; in dem Urmeere 
bildeten ſich zunädjt die geichichteten, aber kryſtal⸗ 
liniſchen Gefteine der Archäiſchen Formations— 

ruppe (f.d.), wie die Gneiſe, Granulite, Glimmer⸗ 
chiefer, Hornblendeiciefer, troftalliniichen Ralt: 
jteine, Quarzite u. |. w., deren bejonbere Art der 
Entjtebung uns noch unbelannt ift. Nachdem dann 
organiiches Leben auf der Erde ſich zu entfalten 
begonnen batte, famen in den Meeren die ſedimen— 
tären Gefteine durch die mechan. und dem. Thätig: 
teit des Waſſers, zum Teil au dur die Lebens: 
tbätigleit von Tieren und Pflanzen zur Ablagerung; 
es find das bie fih im ganzen gleichbleibenden 
Sanpdfteine, Konglomerate, Thonſchiefer, Kalkiteine, 
Dolomite, Steinjalj, Tbon, Mergel. Nah den 
weientlihiten der Umgeitaltungen, denen ſowobl 
die Flora wie die Fauna feit ihrem erjten Auf: 
treten in der Vorzeit unterworfen waren, wird bie 
Entwidlungsgeibichte der Erde in reg Perio⸗ 
den eingeteilt. Die Abſäßze des Meers während 
jeder Periode, die gleihiam als Dentmünzen und 
Inſchriften aus ihrer Entjtebungszeit die Reite der 
jedesmaligen Tier: und Pflanzenwelt (f. Berjteine- 
rungen) umjcließen, nennt man Formationen (1.d.). 
Die Erſtarrungskruſte aber und die jie bededenden 
edimentären ‚sormationen find gangiörmig ober 
todartig durdjest von den aus dem Erdinnern 
emporgedrungenen Gruptivgefteinen, aljo von Gras» 
nit, Diorit, Diabas, Porphyren, Trabyt, Bar 
Salt u.a. Auch beute gebt die Bilduna von jedimen: 
tären Bejteinen und die Eruption von Trachyten und 
Bafalten no vor fi. Die Dide der E. iſt nicht 
betannt, da man in fie nicht weiter als bis zu einer 
Tiefe von 1000 bis 2003 m mit Shädten und Bobr: 
Löchern eingedrungen iſt: doch darf man vielleicht 
50 km als geringftes Maß annehmen. 
Erdrofielung (Strangulatio), diejenige Art 


weile zwei folder Raupenarten machen fib dur | des gewaltiamen Erftidungstodes, bei welder bie 


ibre 


erbeerungen bemerllid, die der Winter: | Tötung durch feites Anlegen eines einfhnürenden 


Erdrübe — Erdfteine 


deheugs um den Hals (meift durch fremde 
dan) bewirtt wird. Ermwürgen, bie Tötung durch 
ttarlen oder anhaltenden Drud mit den Fingern 
aiden Hals, entweder jeitlich oder in viel jeltenern 
an ven vorn nad binten. Über Erbängen ſ. d. 
gentümliche Art der E. ift das in England 
un Rorbdamerita bäufig vorlommende Garrot⸗ 
tieren (j. Garrotte), bei welbem das auszjuplün: 
dende Opfer Durch eine von binten übergemorfene 
Sälinge bemußtlos gemacht wird; die engl. Gefeh: 
aebung glaubte 1863 biergenen nur durch Wieder: 
enfübrung des Auspeitichens (fogging, whipping) 
anlämpfen zu tönnen. Beim Erbroijeln wird nicht 
aur die Luftrohre und der RKebltopf zufammen: 
geihrürt und Daburd der Luftzutritt in die Lungen 
verhindert (wodurch der —— Erſtickungstod 
eintritt), ſondern auch der Blutlauf am Halſe (beſon⸗ 
ders in den fog. Drofielvenen) unterbroden, mo: 
durch jebr rajch Blutanhäufung im Gehirn, Betäu: 
bung und Schlagfluß entſtehen kann. Bei manden 
>. B. der in Spanien als gejeplihe Strafe 
übliben Erwürgung —— und beim rn. 
lann auch eine jhnelltötende Verlegung des Rüden: 
mars, jogar ber Halsmwirbel ftattfinven. 

Das Haupterfennungszeichen des Erdroſſelungs⸗ 
todes iſt die durch den Strang oder das einſchnü— 
rende Werkzeug bervorgebradte blutunterlaufene, 
aub wohl pergamentartig trodne Furche um den 
Halt oder einen Teil desfelben herum, die fog. 
Strangrinne oder Strangulationsmarte. 
Sie bat gewöhnlich eine — und verläuft bei 
Erbangten meiſt zwiſchen Kebllopf und Zungenbein 
quer über den Vorderhals, wogegen fie beim Er: 
drofjelten gewöhnlich tiefer, etwa in der Mitte des 
Halies, angetroffen wird; auch bilden ſich dur die 
Ausführung der Strangulation leicht Ercoriationen 
und Sugillationen in und an der Strangrinne. Die 
— —— Strangulations⸗ 
vertzeug ſofort nach dem Tode wieder vom Halſe 
entjernt wurde oder wenn die E. durch einen weichen 
Segenſtand, wie 3. B. ein jeidenes Tuch, erfolgte. 
übrigens ift es häufig genug eine der jchmeriten 
Aufgaben des Gerichtsarztes, felbft bei ſtattfinden⸗ 
ber Seltion, feftzuftellen, wie in dem einzelnen Falle 
die Tötung aeibab. — Bol. die beim Artikel Ge 
rid tliche Medizin genannten Hand: und Lehrbücher. 

Bei der Behandlung Erdroſſelter hat man vor 
allen au den einjchnürenden Körper zu löfen 
oder (5.3. den —— des Erhangten) durchzu⸗ 
ſchneiden, wobei man die Vorſicht anwenden muß, 
dab der Erhängte nicht zur Erde falle, dann die 
Kleider zu öfinen, dem Körper eine halbfigende Lage 
su geben, fühle Luft zuzufäceln, kaltes Wafler an: 

Iprigen und bejonders auf Wiederanregung ber 
Ntembenegungen binzuarbeiten. Im übrigen bat 

verfa 


man ganz wie beim Scheinto (f.d.) zu en. — 
et en ee In F plöglien Un: 
tallen , PR . . 
Erpdrübe, ſ. Robfrübe, 


Erdfalamander, j. Landſalamander. 

Erdicheibe, Pflanzenart, j. Cyclamen und Ta: 

kl: Alpenpflanzen, fig. 11. 
ellad, ſ. Alaroidharz. dſchiſch. 
Da b, pr in Kleinafien, |. Ar: 
ergſchlipfe, Heinere Berg: 
kürze, die durb Herabgleiten von Geſteinsmaſſen 
auf einer durch Waſſer erweichten Schicht entiteben. 


Sind die —— Maſſen beträchtlich, ſo | 


bilden fie einen Bergrutid. (S. Bergitürze.) 


141 


Erdſchlußprüfer, ein namentlich bei Glüh— 
lihtanlagen angewendeter Hilf3apparat, der dazu 
dient, jederzeit über das Vorhandeniein oder Nicht: 
vorbandenjein eines zent in ber Leitung 
Aufihluß zu erteilen, d. b. alfo eines Jſolations⸗ 
—— durch den dieſelbe mit der Erde in leitender 

erbindung fteht und der zu Stromverluften An: 
laß giebt. Cine der einfachften Einrichtungen diefer 
Art ift folgende, in nachſtehender Abbildung ver: 
anſchaulichte: Eine Umſchaltekurbel K, deren Dreb» 
punkt D mit der Erde verbunden ift, ftebt für ge- 
wöhnlich auf dem mittlern M von drei Schalt: 


Inöpfen L, M und R, in welchem Falle der Apparat 


Dynam. 
maschine, 





Erde 


ausgeſchaltet iſt. Stelltman dagegen die KurbelaufL 
reſp. R, fo hat der pofitive (-+) rejp. der negative (—) 
Pol Verbindung mit der Erde. Erglüht dabei die 
eine der in der betreffenden Abzweigung befindlichen 
beiden Glühlampen GG, fo ift das ein Zeichen, daß 
auch der andere Bol Erdſchluß bat, dort alfo ein 
Iſolationsfehler vorhanden ift, denn nur fo kann 
die Lampe Strom erhalten. Glüht beiſpielsweiſe die 
linte Lampe bei Umlegen der Kurbel auf L, jo deutet 
dies auf Erdſchluß des negativen Pols, durch mel: 
hen der vom pofitiven Bol in die Lampe geflofjene 
Strom zur Dynamomajcine zurüdtebrt. 
Srolhiwe u, das Erdferkel (f. d. und Tafel: 
—— Säugetiere I, Fig. 4, beim Artikel 
abnarme). V 
Erdfittich (Pezoporus), Gattung der Sittiche, 
mit ftufigem, verlängertem Schwanze, etwas vers 
längerten Läufen und Beben, geftredten Beben: 
nägeln. Die einzige Art (Pezoporus formogus Illig.) 
ift von grünlicher, auf der Oberſeite mit braun: 
ſchwarz vermiſchter Färbung, 31 cm lang, lebt in 
Eid: und Weitauftralien, ıft eine ausgeſprochene 
Bodenform, läuft ſehr jchnell, fliegt ungern und legt 
feine Eier obne weitere Unterlage auf die nadte Erde, 
Erbipiegel, ſ. Zauberiviegel. tein. 
Erdſtein, der durch Graben gewonnene Bern⸗ 
Erdfteine, Erdquader, Piſeſteine, aus 
Erde oder Lehm durch Preſſen oder Rammen in 
eiſernen Formen hergeſtellte künſtliche Steine, welche 
in Ermangelung gebrannter Steine zu den Ober: 
mauern einfacher ländliher Gebäude verwendet 
werden. Solche Mauern bebürfen zum Schutze 
egen die Erbfeuchtigkeit einer ſichern und trodnen 
ndamentierung aus natürlihen Steinen oder 
gebrannten Biegeln bis 40 cm Höbe über dem Ter- 
rain und ebenjo zum Schuge gegen die atmoipbä- 


142 


riſchen Niederfchläge eines dichten überragenden 
Daches. Die E. werden bei genügender Größe 
troden verfeßt, bei Heinerm format mitteld eines 
Mörteld aus dünnem, mit Flachsſcheben vermiſch— 
tem Lehm verbunden. Thür: und Fenſtergewände 
werden aus Holz gebildet, oder e8 werden eichene, 
teilförmige Klötze (Holzziegel) mit eingemauert, an 
denen die Befeitigung der Verkleidungen ftattfindet. 
Die innern Wände der aus E. gebildeten Mauern 
werden gemöbnlih mit Lebmmörtel gepukt, die 
äußern am beften mit einem mebrmaligen Xeeran: 
ftrih und —— mit Anſtrich von Weißlall verſehen. 
Erdſtern, ſ. Geaster und Tafel: Pil ze IV, isig.7. 
Erdſtreu, Erſaß des Strohes durch Sand oder 
Erde als Einſtreu im Stalle, um den Tieren ein 
trodnes Lager zu ſchaffen und die Exkremente der: 
felben —— en. (S. auch Torfſtreu.) 
Erdſtriche, ſ. Zonen. 
Erdſtrom, ſ. Bd. 17. 
Erdtauben (Geotrygon), eine Taubengattung, 
deren belanntefter Vertreter die Dolchſtichtaube(ſ. d.) 
Erdteer, ſ. Bitumen. liſt. 
Erdteil, Weltteil oder Kontinent, ein 
Länderraum der Erdoberfläche, der durch feine Größe 
und feine jämtlihen Naturverbältnifje ſich weſentlich 
von jedem andern untericheidet. So bilden Auſtra— 
lien (mit Dceanien) und Amerila oder der Kontinent 
der Neuen Welt vn, dagegen der Kontinent der 
Alten Welt drei E., nämlib Aſien, Europa und 
Afrika. Curopa und Afien find eigentlich nur ein ein: 
jiger E, den man Eurafien genannt bat; dagegen 
werden jekt Nord: und Südamerifa als zwei ver: 
[üiebene €. getrennt. Nicht die bloßen gegenfeitigen 
egrenzungen von Land und Meer find es, welche 
die Abteilung des Landes der Erdoberfläde in €. 
rechtfertigen, fondern mehr nod die Verſchiedenheit 
der on und des ganzen äußern und innern 
(geolog.) Charalters, die jedem Teile eigentümliche 
borizontale Gliederung und vertifale Oberflächen: 
geſtaltung, wie fie fib in der Verteilung und Bil: 
dung des Hoc: und Tieflandes ausfpricht, die von 
diejer wiederum abbängigen bydrogr. Verhältniſſe 
oder Verteilung und Entwidlung der Landgemäjler, 
owie die von dem plaftifchen Helief und der Be: 
haffenbeit des Bodens bedingten übrigen Natur: 
verhältnifie, wonad jeder E. einen beftimmten Typus 
binfichtlic feines Klimas, feiner Pflanzen: und Tier: 
welt, feiner Bevölterung und deren Raſſen, Kultur: 
entwidlung und Geihicte bat. Inſofern dürfen 
aud die 
oder die Inſeln als Heine Kontinente angeieben 
werden. Die Engländer bezeichnen mit Kontinent 
—— das europ. Feſtland. (S. Europa, Aſien, 
frita, Amerila, Auſtralien, Oceanien.) 
Erdtoffel, ſoviel wie Kartoffel (f. d.). 
—— ſoviel wie Weltreiſe (f.Reifen). 
Erdwachẽé, ſ. Gzokerit. 
Erdwalze, in der Befeſtigungskunſt, ſ. Sappe. 
Erdwanzen (Cydnus), artenreiche, faft fosmo: 
olitifch verbreitete Gattung der Wanzen, von dunk⸗ 
er, meilt ſchwarzer Farbe und gemwölbter Körper: 
geftalt. Die 7 deutſchen Arten find 5—7 mm lang 
und finden fich bejonders an jandigen Orten. 
‚Erdwärme, teils die Wärme der Erdoberfläche, 
teils und vorzugämeiie die des Erblörpers in einer 
gewiſſen Tiefe. Die Temperatur der äußern Erd» 
oberfläde ſowie die der Luft hängt aroßenteils 
von den tägliben und jäbrlihen Einwirkungen 
der u an ab, Ihr jäbrlihes Mittel 


ontinente nicht als die größten nfeln- 


Erditern — Erdwolf 


beträgt in Mitteldeutihland 9—10° C., unter dem 
Aquator 27,5°C. Dieje Angaben find nur für den 
Meeresipiegel berechnet und deshalb nur für jolche 
Drte gültig, die nicht viel böber liegen. J böber die 
Lage eines Beobahtungspunttes tft, deito geringer 
wird bie mittlere Temperatur der Luft und des Bo: 
dens, und bei einer gewiſſen Höbe erreicht man bie 
Grenze des ewigen Schnee, die Schneelinie. br 
Abjtand vonder Meeresfläcde nimmt von der ewigen 
Eiöregion der Polargegenden nad dem Üiquator bin 
beftändig zu, zeigt aber in diefer Zunahme Ungleic: 
beiten, die von der Lage der Iſothermen (ſ. d.) ab: 
bängig find. In keinem Zufammenbange mit dieſer 
Temperatur der äußern Erdoberfläde jtebt die 
innere E., aub Eigenwärme der Erde genannt. 
Dringt man in die Tiefe ein, fo findet man zu: 
nädjt, daß in Deutjchland ungefäbr bei 1,3 m 
Ziete die täglihen Temperaturwechſel aufbören; 
dann erreiht man bei 20—25 m Tiefe eine Re: 
pion, in der auch die jäbrliben Wechſel, aljo über: 
yaupt alle wechjelnden Wirkungen der Sonne gän;: 
lich verſchwinden und ſomit die der eigentlichen 6. 
allein herrſchen. Bon diejem unterirdiichen Niveau 
an findet nun überall, wo und wie tief auch bis jekt 
Beobahtungen angeftellt werden konnten (bis zu 
1748 am in Schladebach bei Merjeburg und 2003 m 
in Barufhomwig bei Rybnik in Schlejien), eine ftete 
Iemperaturzunabme nad) ber Tiefe zu ftatt. In dem 
arufhomiger Bobrlohe wurde an der tiefjten 
Stelle eine Temperatur von 69,3° C. feſtgeſtellt. 
Die Anzabl von Metern, die man in die Tiefe geben 
muß, um eine Erbikung der Temperatur um 1° C. 
wabrzunebmen, beißt die geotbermiihe Tie— 
enjtufe. Dur in zablreiben Bobrlöbern und 
ergwerlen vorgenommene Beobachtungen wurde 
feftgeftellt, daß diejelbe im allgemeinen etwa 30— 
35m beträgt. An andern Bobrlöchern und Schäch⸗ 
ten ergaben fib zwar teils Kleinere, teild größere 
Merte (fo z. B. im St. Gottbarb 55 m), aus: 
—— aber wurde feſtgeſtellt, daß eine Zu— 
nahme der Temperatur nach unten hin ſtattfindet. 
Die Eruption glutflüffiger Laven endlich weiſt dar⸗ 
auf bin, daß in uns unerreichbaren Tiefen die E. 
eine fo bobe ift, daß Geſteinsmaſſen im Schmel;: 
fluß erbalten werden. Die Mefjung der €. geſchieht 
durb die Geothermometer (f. d.). — Bal. Bilchof, 
MWärmelebre des — unſers Erdlorpers (Lpj. 
1837); Franz, Die täglichen Schwankungen der 
Temperatur im Erdboden (Königsb. 1896); Dunder, 
Über die Wärme im Innern der Erde (Stuttg. 1896). 
Erdweber (Territelarise) oder Dedelfpin: 
nen, die einzige zur Hauptgruppe der Bierlunger 
(Tetrapneumones) gebörende Unterorbnung der 
Spinnen (f. d.), außer dur den Befis von vier 
fog. Lungen durd die nah unten einihlagbare 
Klaue ibrer Kieferfübler und ihre act ſehr dicht 
beieinander jtebenden Augen ausgezeichnet. Die 
€. bewohnen die Länder der beißen und wärmern 
gemäßigten Zone, befonderd Süd: und Mittel: 
amerila, und leben in jelbitgegrabenen, mit ®e- 
fpmit ausgelleiveten und mit einem falltbürartigen 
Dedelverjebenen Erbröbren, in Baumlödern u. ſ. w. 
ge den €, gebören die größten Spinnen, wie bie 
ogelipinnen (if. * und Tapezierſpinnen (ſ. d.). 
rdwinde, Hebeapparat, Winden. 
Erdwolf, Zibethhyäne (Proteles Lalandii 
Geoffr.; ſ. Tafel: Wilde Hunde und Hyänen I 
Fig. 4, beim Artitel Hunde), ein burd fein Gebi 
auffallendes Tier aus dem Kaplande, das im übrigen 


Erdwürmer — Eref 


duch den diden Kopf mit abgeftugter Schnauze, 
deboben fünfzebigen Vorderfüße, den abſchüſſigen 
demaͤhnten Rüden, das ſchwache Hinterteil, den 
twihigen Schwanz und den langbaarigen rauben 
KU mit dunteln Streifen einer Hyäne gleicht. 
Säneide: und Edzäbne find wie bei einem Fleiſch⸗ 
feier gebilvet; jtatt der Lüden: und Badzähne 
Anden ſich aber nur einzelne kleine Spiszähne, die 
möt ineinander greifen, jo daß alfo diejer Teil des 
Gebiſſes durchaus verkümmert ift. Das nächtliche 
Tier lebt in Erpböblen, die es fih ausgräbt, foll 
nad Lammern jagen und den alten Schafen nur 
den Settihwanz abfrefien; nad andern ernährt es 
ib von Aas und weißen Ameifen (Zermiten). 

Erdwürmer, j. Borftenwürmer. 

Erdzunge, ſ. Halbiniel. 

Eribo®, bei Homer der finftere Aufenthalts: 
ort der Schatten der Toten unter der Erbe; bei 
Hefiod ift E, ein mythiſches MWefen, der Sohn des 
Chaos (j. d.), der mit jeiner Schweiter, der Nacht 
Ror), ven Aither und den Tag (Hemera) zeugte. 

Erebus, tbätiger Bullan auf einer Heinen, dem 
antarttiſchen Victorialand vorgelagerten Inſel, in 
774,° füdl. Br. und in 167° öftl. 2. von Greenwich, 
der jih 3770 m erbebt, während unfern von ihm der 
ſcheinbat erlojhene Mount:Terror 3317 m er: 
reiht. Beide Bullane wurden 1841 von Sir James 
Elarte Roß mit jeinen beiden Schiffen E. und Terror 
entdedt und 1902 als auf einer Inſel liegend nad: 
gewieien (j. Victorialand). 

Erebus und Terror, Namen zweier Schiffe, 
mit denen Sir James Clarke En (f. d.) 1839—43 
nab dem Südlichen und Sir John Franklin (f. d.) 
1845 nah dem Nörblichen Eismeer Entdeckungs⸗ 
fabrten unternabmen. 

Eribudbanf, von James Rob nad feinem 
Scifie Erebus benannte große gefährlihe Bant 
fhwarzen Sand: und Felöbodens, die er im Mai 
1840 bei Kerguelenland im Indiſchen Ocean ent⸗ 

Erec, ſ. Erel. [dedte. 

— rag reg Are ee serien 
der Tempel der Athena Polias (Stadtbefhügerin) 
auf der Atropolis in Athen (f. Plan: Das alte 
Atben) desbalb genannt, weil er zugleich dem 
Bofeivon:Erehtbeus beilig war. Der alte Tem: 
pel wurde 480 v. Ebr. von den Perſern zerftört; 
der Wiederaufbau im attiſch⸗ion. Stil begann wohl 
ſchon unter Perilles, warb aber nah 409 
völlig beendet. Bis in das 17. Jahrh. n. Ebr. 
im mejentliben erhalten, wurde ihm wie dem 
Bartbenon (j. d.) die Belagerung Athens durch 
die Benetianer verderblih. Doc fteht auch jest 
das meifte noch aufrecht. Das E. lag auf unebenem 
Boden und hatte außer der einen öftlihen von 
Säulen getragenen Borballe, mit welcher es eine 

e von 20 m, eine Breite von 11 m hatte, 
an jeinem bintern tiefer gelegenen mejtl. Ende 
eine Borballe im Norden und eine von Karyatiden 
getragene (j. Tafel: Griechiſche Kunſt I, Fig. 7) 
im Süden. Ebenio zerfiel das Tempelbaus in meb: 
rere Räume: das Beiligrum der Athena, einen 
tiefer gelegenen, der dem Bojeidon und Erechtheus 
—— war, und einen mit Mauern eingefaßten 

der das Heiligtum der Pandroſos enthielt. 
In dieſem ſtand der Altar des Zeus Herleios und 
der Olbaum der Athena, den ſie nach der * im 
Wettſtreit mit — um den Befis von Ättila 
berooriprießen ließ. Die angeblihen Spuren des 
Stobes durch den Poſeidon in jenem Streit einen 


143 


Salzquell auf der Burg hervorgerufen hatte, hat 
man unter der Nordhalle des E, wieder aufgefuns 
den. Die Arbiteltur, namentlib an der Thürein: 
afjung, an den Säulentapitälen und an den Kaſ— 
ettendeden ift von großer Feinheit der Ausführung. 

on dem Stulpturenihmud des Frieſes find nur 
wenige Reſte erhalten. — Bol. Böttidher, Bericht 
über die Unterfubhungen auf der Akropolis (Berl. 
1863); Julius, Das E. (Münd. 1878); Ferguſſon, 
Das E. (2pz. 1880); Michaelis und Borrmann in 
den « Mitteilungen des Archäologiſchen Inſtituts 
in Athen» (Bd.2, 1877, und Bd.6, 1881); Bötticher, 
Die Alropolis von Athen (Berl. 1888). 

Erechtheus, nah der urfprüngliben Sage 
identiſch mit Erichthonios (f.d.), attijcher Heros, 
deſſen Mythus mit dem der Atbene und mit der 
älteften Bebauung des Bodens Attila in der 
engiten Verbindung ftebt. Homer kennt nur einen 
E., weldyer Sohn der Erde war und von Athene 
in ihrem Tempel zu Athen auferzogen wurde; bie 
ipätere Sage fennt mehrere Heroen dieſes Namens, 
zunäcft den E. oder Bandion, Sobn des Erichtho— 
nios und Bater der Zwillinge E. und Butes, von 
denen jener die H aft, diejer das Prieftertum 
der Atbene erhielt. Die Schweitern der Zwillinge 
waren Profne und Philomela. Bon dem Thralier 
Eumolpos, der in Attila eingefallen war, oder nad 
andern von den Eleufiniern und dem von dieſen zu 
Hilfe gerufenen Eumolpos (f. d.) belriegt, erhielt 
E. vom Dratel die Weifung, er werde fiegen, wenn 
er eine feiner Töchter opfere. Er opferte die jüngjte 
oder ältefte Tochter, worauf die übrigen ſich je f 
töteten. Hierauf ſchluß er die Feinde, wobei Eumol⸗ 
—— fiel; er ſelbſt aber wurde von Bofeidon dem 

ater des Eumolpos, oder auf Bitten des Pojeidon 
von Zeus getötet. Die Sage von dem Kampf des 
E. mit Eumolpos e Guripides in einer verlorenen 
Tragödie behandelt. Auf erhaltenen Bilpwerten ift 
namentlich die fibergabe des Kleinen Erichthonios 
durch Ge an Athene dargeftellt. — Vgl. E. Curtius 
in ber —— — Bd. 30 (1872); Flaſch 
in den «Annali dell’Instituto», 1877. 

Erehthiden, die Nachkommen des Erechtheus 
(f. d.), im weitern Sinne alle Athener. 

Ereotis digitis (lat.), mit aufgebobenen Fin» 
gern (mie bei dem Eid). 

May ie 1) €. oder Herakli, Stadt im San: 
dſchal Rodoſto des türk. Wilajets Adrianopel, am 
Marmarameer, auf einer vorſpringenden flachen 
Halbinſel, mit 2000 E., mer Fiſchern. Der Hafen ift 
ziemlich gut und fiber, aber größern Fahrzeugen 
nicht zugänglid. €. ift das alte Berintbos, 
unter dejjen Ruinen die Refte eines Amphitheaters 

erporragen. — 2) E. von den Türken zum Unter: 
hiede von andern gleichnamigen Orten aud 

endberegli (Bender Eregli), von den Griechen 
Herally genannt, Stadt im afiat.-türf. Wilajet 
Raftamuni, Sandſchal Boli, am Schwarzen Meere, 
zwiſchen dem Ausfluß des Heinen Flüßchens Kili— 
ai hu und dem die Reede beſchüßenden VBorgebirge 
aba, bat 6274 E., einen gegen die Winde gut 
— und den größten Fahrzeugen zugäng- 
ihen Anterplag. Mebrere Kilometer landeinwärts 
liegt ein ausgedebntes Steinlohlenbeden, das jeit 
1897 von einer ehe die auch einen 
Hafen in Songuldaf berjtellt, ausgebeutet wird. 
E. iſt das Heraclea Pontica der Römer (f. Herallea). 

@ref (vd. i. Eorik, vielleicht eine jagenbafte Er: 
innerung an den Weftgotenlönig dieſes Namens), 


144 


der Held einer Nitterbichtung, die nach bretonifcher 
Quelle zuerjt Chretien de Troyes in franz. Verſen 
( ba, von MW. Förfter in der «Romaniſchen Biblio: 
tbeb», Bd. 13, Halle 1896), und frei nad diefem 
Muſter bald nah 1190 Hartmann von Aue deutich 
bearbeitete. E. erwirbt die jhöne Enite, die Tochter 
eines armen Ritters, im Turnier und vermäblt ſich 
mit ihr, «verliegt» ſich aber in unthätigem Leben. 
Durch ein En rl Enitens, die darüber 
trauert, Ar Bewußtjein gebracht, zieht er, von 
Enite begleitet, auf Abenteuer aus, verbietetibraber, 
mit ihm zu fprechen, ein Berbot, das fie immer über: 
tritt, wo jie ihn vor Gefahren zu warnen bat; jedes» 
mal wird fie bart von ibm geſcholten. Endlich fiegt 
ihre Treue über jeinen Zorn. 

Ereftil (neulat.), aufrichtbar, anjchwellenp (f. 
Scmelltörper). 

Ereftion (lat, «Aufrihtung»), die Anſchwel⸗ 
lung gewijier Gewebe des tierijhen und menjch: 
lihen Körpers, insbejondere der jo . Schwelltörper 
(f. d.) der männlihen und weiblien Geſchlechts— 
organe. Sie kommt infolge ber refleltoriſchen 
Reizung gewiſſer Nerven, namentlich der Gefäß: 
nerven ® d.), durd eine periodiſche — — 
des Blutes in den eigentümlich verteilten Blut⸗ 
petaben der betreffenden Teile zu ftande und J 

x die normale Verrichtung ihrer phyſiol. Funk— 
tionen von der großten Bedeutung. Die Schwell: 
törper beftehen nämlich aus zahlloſen ſchwammartig 
untereinander fommunizierenden Hoblräumen, in 
welche die feinſten Veräftelungen der betreffenden 
Bulsadern einmünden, und aus welden die Venen 
hervorgehen. Solange nun die Gefäßnerven ber 
die Schwellförper verforgenden Arterien fich nicht 
im Zuftande der Erregung — ſind dieſe 
Blutgefäße ziemlich eng und fontrabiert, laſſen 
nur — lut in die Schwelltörper einftrömen 
und die lestern find welt und erſchlafft; fällt 
jedoch infolge reflektoriiher Erregung (dur wol: 
(üftige Gedanten oder durch mechan. Berübrung der 
Genitalien) diefe toniiche Kontraktion der Blutge- 
fäße binmweg, jo jtrömt das Blut in größerer Menge 
in bie erweiterten Arterien ein, obne mit gleicher 
Geſchwindigkeit aus den betrefienden Benen wieder 
abfliehen 8 tonnen. Die Solge biervon iſt, daß 
lämtliche — ** der Schwellkorper ſich ſtrotend 
mit Blut erfüllen und die leßtern eine beträchtliche 
Vergrößerung und gleichzeitig einen hoben Grad 
von Härte und Starrheit erreihen. Mit dem Nadı: 
laſſen der refleftorifhen Reizung tritt die frübere 
toniiche Kontraltion der Arterienwände wieder ein, 
die Gefäße der Schwelllörper entledigen ſich ibres 
überflüfjigen Blutes, und legtere febren wieder in 
den vorherigen Zujtand der Gridlaffung zurüd. 
Das nervöje Gentralorgan für die erigierenden 
Nerven (nervi erigentes) befindet jih im Lenden- 
teil des Ruckenmarks. Bei manden Krankheiten, 
.B. Rüdenmartsibwindfudt, Zuderbarnrubr u. a., 
omwie im Alter gebt die Ereltionsfäbigteit (Potenz) 
verloren, andererjeits iſt fie bisweilen krankhaft ge: 
jteigert. Auch die Kämme und Klunkern auf dem 
Kopfe und am Halje mander Vögel, befonders der 
—— (3. B. des Truthahns), beſtehen aus 
ereltilem Gewebe und find der €. fäbig. 

Eremit (grch.), Einſiedler (j. Anachoreten); 
Joologiſch ſoviel wie Einſiedlerkrebs (ſ. d.). 

Eremitage (frz. Ermitage, ſpr. -tahſch'), Einſie⸗ 
delei; in Parks und Gartenanlagen des 18. Jahrh. 
eine mit Stroh gedeckte holzerne, mit Baumrinde 


Erektil — 


Eretria 


befleidete oder in Felſen gearbeitete Hütte, welche 
die Wohnung eines Eremiten nahabmen fol. Den 
Namen E. führten au eine Anzahl von Baulich⸗ 
keiten, die dem Zurüdzieben aus dem Treiben 
der Welt dienten. So das Haus Jean Jacques 
Rouſſeaus zu Nontmorency; Ludwigs XIV. Schloß 
Marly bei Verfailles; die Einfiedelei der Marl: 
gräfin Wilhelmine bei Bayreutb; das mit dem Win- 
terpalaft in Peteröburg (f. d.) zuſammenhängende 
Palais, an defjen Stelle 2. von Klenze eine Ge: 
mäldegalerie, jest €. genannt, erbaute, u. a. m. 
In Mostau heißt E. das berübmte ruſſ. Reftaurant 
(Zraltir) und der demjelben Beſitzer gebörige Gar: 
ten, in dem im Sommer des Abends Schauftel: 
lungen und Voltsbeluftigungen aller Art jtatt: 
finden. — €, oder Hermitage heißt aud ein franz. 
Mein, f. Hermitage. 

Eremiten des heiligen Franz von Baula, 
ſ. Minimen. ronymiten, 

®remiten des heiligen Hieronymus, ſ. Hie 

@remiteninfeln, j. Hermitinieln. 

Eremit von Gauting, j. Hallberg : Broich, 
Reihsfreiberr von. 

Eremodicium (grd.), im alten röm. Brozefle 
das auf den einfeitigen Vortrag der einen anweſen⸗ 
den Bartei gegen den Abwefenden ergebende Ber: 
fabren, weideh auch Bemweiserbebung einſchloß. 

Eren, Flur im fräutifchetbüring. Bauernhaus 

Eren, mit «er» anreden, ſ. [(i. d.). 

Erepticium (lat.), ſ. Erbunmürbigteit. 

Ereöburg (Aeresburgum), Grenzburg ber 
Sadien im Südmejten ihres Landes, an der Die 
mel, heute Marsberg (f.b.), wurde von Karl d. Gr. 
772 gleich auf feinem erften Zuge gegen die Sachſen 
erobert, auf dem er auch das nörblih davon gele: 
gene Heiligtum des Kriegsgottes Ziu, die Irminſul, 
zerftörte. Bon den Sadjen wurde die E. bald 
darauf zerjtört, aber 775 von Karl wieder aufge: 
baut und befeftigt. Bapft Leo IIL. weibte hier 799 
die Kirche des beil. Betrus, in welder 938 Dttos 
d. Gr. aufrühreriſcher Bruder Thankmar (f. d.) er: 
ſchlagen wurde. — Vgl. Fiſcher, Die E., Ober: und 
Niedermardberg nebſt Umgegenb (Paderb. 1889). 

Ereſos, griech. Stadt auf der Weſtlüſte der 
Inſel Lesbos, in deren Hafen anikolis 8. Juni 
1821 eine türk. Fregatte mit 84 Kanonen und 
1100 Mann durd einen Brander in die Luft jprengte. 
Die unmittelbare Folge dieſes Ereignijjes war das 
Zurüdweihen der türk. Flotte nah den Darda— 
nellen, wodurch die Inſel Samos gerettet wurbe. 

Erẽthiſcher Koller, Pferdelranlkheit, ſ. Koller. 

Erethismus (grch.), in der Medizin ein Zus 
ftand von Reizung (erböbter Erregung), dem eine 
trankhaft gefteigerte Reizbarkeit (Erreabarleit) der 
Nerven zu Grunde liegt, jo daß einwirfende ‘Reize 
ftärfere und intenjivere Reaktionen bedingen als im 
normalen Zujtande. Bei E. der Sinneönernen fin» 
det Lichticheu, Funkenſehen, Obrentlingen u. j. w. 

tatt. Ein erethiſches (eretbiftiihes) Ge— 
bmür ift bochrot, jehr empfindlich und ſchmerz⸗ 
aft. Beim eretbijtifhen Stadium mander 
ieber (z.B. des Typhus) werben die Kranlen durch 
die leifelien Anregungen (Licht, Geräufh, Berüb: 
rung u. dgl) zu Irrereden, Zudungen u. dal. veran: 
laßt, im Gegenjas zu dem torpiden Stadium, wo 
fie betäubt und ſchwer erregbar baliegen. 

Erethizon, j. Stadbelichweine. 

Eretria, eine der älteiten Städte der Inſel 
Euböa, auf der Weitküfte am Euripus, 18km ſudlich 


Eretrijhe Schule — Erfindungen und Entdeckungen 


won Challis gelegen, urfprünglib von Minyern 
gründet, zu denen dann ion. Anſiedler hinzu: 
Imen, gelangte durch Schiffahrt und Handel bald 
u — Bedeutung, daß es einen anſehnlichen 
Zeil der Inſel und mebrere von den Eyfladen unter 
km Überberrichaft brachte und mit Chaltis zufam: 
wen eine Anzahl Kolonien in Unteritalien, Sicilien 
und auf der Halbinjel Chaltidite gründete. Dann 
nurde die Stabt in einen — Kampf mit 
Ealfis um den Befis der fruchtbaren lelantiſchen 
Ebene verridelt, in dem fie fchließlich unterlag. 
Im eriten verſeririege wurde die Stadt 490 v. Chr. 
durh Verrat erobert und zeritört, die Bewohner 
zu Ellaven gemadt und nad Sufa, von dort in 
das Land der Kiſſier abgeführt; bald aber wurde 
E. wabricbeinlich mit Hilfe der Athener, wiederher⸗ 
— und blieb bis in bie röm. Kaiſerzeit nächſt 
hallis die bedeutendite Stadt der Inſel. €, iſt 
die Baterftadt des Philoſophen Menedemus (f. d.), 
der bier die Eretriihe Schule gründete. Seit dem 
trüben Mittelalter ift E. verſchollen; ein in ber 
reuern Zeit zwiſchen ihren Ruinen angelegtes Städt: 
ben, in welchem die griech. Regierung die 1824 
aus ihrer Heimat vertriebenen Bewohner der Inſel 
Biara angefiedelt hatte, ift wegen des ungejunden 
Klimas fait ganz wiederverödet. Das Theater von E. 
wurde 1890— 94 Durch Die Amerilaner ausgegraben. 
Erẽtriſche Schule, ſ. Menedemus. 
Erfahrung, Empirie, die Erkenntnis, die 
nd auf Wahrnehmung der Thatfahen, genauer, 
auf die Eyntbefis (f. d.) der Wahrnehmungen grüns 
det; wie ſchon Ariftoteles erllärt: viele Erinnes 
rungen (mwabrgenommener Thatfachen) maden die 
eine E. Daher ſchließt E. eigentlich immer die Dent: 
oder Berjtandesthätigleit (Einheit der Spntbefis) 
ein, während fie andererjeit3 das Gegebenfein eines 
finnliben Stoffs durbaus vorausſezt. Darum 
fonnte Kant die E. definieren ala Prodult aus 
Sinnlicleit und Berftand. Sie berubt nad ihm 
auf den Grundgejegen der Sinnlichkeit einerſeits, 
des Verſtandes andererfeits. Die erjtern find Naum 
und Zeit, die lektern die Kategorien (f. d.), beide 
jujammen maden die Möglichkeit (d. h. den In— 
begriff der gejegmäßigen Bedingungen) der E. aus. 
€. bedeutet nach diefer tiefern Ableitung ihres Be: 
ariffa das amtgebiet deö in Raum und Zeit 
—— den Geſetzen des Verſtandes (z. B. den 
etzen der Subſtantialität und Kauſalität) Er— 
lennbaren. Sofern die Kritik der reinen Ber: 
runft oder Tranſcendentalphiloſophie eben die 
Grundgejege der Möglichkeit der E. nachweiſen 
will, läßt fie ae geradezu ald Theorie der €, be: 
jeichnen. — Vol. Cohen, Kants Theorie der €. 
(2. Aufl., Berl. 1885). 
Bon diejer prägnanten Bedeutung des Auspruds 
€. iſt eine viel weitere zu unterjheiden. Da die E. 
nicht bloß die Aufgabe hat, die bier und jetzt ge: 
gebene Thatſache in ihrer ganzen Beftimmtbeit zu 
ertennen, fondern auch auf das Gegebene immer an: 
gemiejen bleibt, ja recht eigentlich die Abhängigkeit 
unferer Erfenntnis von einem ſinnlich gegebenen 
Stoff ausprüden will, jteht E. oder dad Empi- 
riſche der Erkenntnis gegenüber dem, was pr Er: 
!enntniägejegen a priori berubt, bedeutet aljo in 
diejem alle nur den einen der beiden Faltoren, die 
julammen die E. in der erft erllärten Bedeutun 
ausmachen. €. in diefem letztern Sinne ift, na 
Kant, die Materie der Erkenntnis im Unterjchied 
von ihrer gefegmäßigen Form, So bilden Raum 
Brodbaus’ Konverfationd-Lerilon,, 14. Aufl. R. A. VL 


145 


und Zeit die Form der Anſchauung, das Empirische 
dagegen, d. h. die Empfindung, durd die allein 
Etwas in Raum und Zeit gegeben ift, die Materie. 
So beißt ein empirifcher oder Erfahrungs: 
begriff, eine empiriſche (Erfabrungs:)Er: 
fenntnis ein folder Begriff, eine ſolche Erlennt⸗ 
nis, die ſich auf bejtimmte Data der E., nicht rein 
auf das aprioriihe Gejeß der Erkenntnis ftüßt; 
empiriſche a od ae eine 
ebenjolde Wiſſenſchaft. In jolhem Sinne ſteht auch 
bei Kant das Empiriihe dem Tranicenventalen 
gegenüber, während im andern Sinne tranfcenden: 
tale Gejege nur Geſetze der E. find, So ift ſchon 
den Alten der Gegenjak des Empiriihen und Ra: 
tionalen befannt, der in der neuern Philoſophie den 
großen Hauptgegenſatz erfenntnistheoretiicher Rich: 
tungen, den des Empiriömus und Rationaliömus, 
begründet. Kant fucht diefen Streit zu Zen 
durd die Feſtſtellung (mit der er feine «Kritik der 
reinen Vernunft» eröffnet), daß zwar alle unfere Er: 
fenntniö mit der E. anfange, aber darum doch nicht 
alle aus der E, entipringe (fofern €. jelbft, wie oben 
erlärt, aprioriiche Elemente vorausjeßt). 

Die man äußern und innern Sinn unterjcheidet, 
fo pflegt auch zwiſchen gl 3 und innerer €, 


unterſchieden zu werben, ie erjtere umfaßt dann 
das u... der räumlichen Greignifje, die 
legtere die Thatſachen des Bemwußtfeins. Diefe 


Scheidung ift berechtigt, infofern jedes Erfahrungs: 
objelt nach zwei Richtungen bin betrachtet werben 
lann, nämlic nad feinen räumlichen — 
als Körper (die Betrahtungsreibe der Naturwiſſen⸗ 
haft) und als Ereignis in einem Bewußtſein (die 
pſychol. Auffafjung). - 

Erfahrungsbemweis, ein Beweis, der auf er⸗ 
[nhrene hatſachen, nicht lediglib auf aprioriſche 

rincipien fi gründen will . Indultion). Doch 
ift ein Beweis auch auf dem Grunde der Erfahrung 
nicht möglich, ohne daß ſolche PBrincipien ſtillſchwei⸗ 
gend zu Grunde gelegt werden, die vielmehr Geſetze 
des Erfennens ed ausbrüden, ald aus einer be: 
fondern, empirijchen Ertenntnis erft abgeleitet find 
(3. B. das Geſetz der Verurfachung). 

Erfahrungsfeelenlehre, die in der neuern 
De faft zu ausſchließlicher Geltung gelangte Auf: 
aſſung der —5 wonach dieſe ſich nur en! 
die durch Erfahrung ſeſtzuſtellenden Thatſachen, au 
Beobadhtung und Analyſe der einzelnen Seelen: 
uftände und Erforſchung ihrer gejegmäßigen Ab: 
han feit von körperlihen Vorgängen gründen 
oll. Die E. hat verſchiedene Verfahrungsweiſen, 
je nahdem man dieſe Erfahrung auf erperimen- 
tellem, ethnogr., ftatift. oder rein innerm Wege oder 
durd Kombination diefer Quellen gewinnen will. 
(©. Buchologie.) , 

Erfelden, Dorf im Kreis Großgerau der heſſ. 
Provinz Starfenburg, reht3 am Rhein, an den Li: 
nien Franlfurt: Mannheim und Darmitadt: Worms 
der Preuß.Heſſ. Staatäbahnen (Station Goddelau⸗ 
E.), hat (1900) 1024 E., darunter 22 Ratbolilen und 
44 Jöraeliten; Aderbau und Viehzucht. In der 
Nähe die Schwedenjäule (12 m) mit einem Obelisken 
(T m) mit bebelmtem Löwen zur Erinnerung an 
Buftav Adolfs Rbeinübergang 17. Des. 1631. 

Erfinderpatent, ſ. Ratent. 

Erfindungen und Entderfungen. Die Be: 
griffe Erfindung und Entdedung find, obwohl fie 
vielfach —— werden, doc weſentlich verſchie⸗ 
den. Eine Entdeckung betrifft etwas zur Zeit der 

10 


146 Erfindungen und Entdedungen 


Entvedung bereitö Vorhandenes, das aber biäher 
unbelannt war, an welchem aber durch die Ent: 
dedung nichts geändert wird. Dies kann etwas 
rein Materielles fein, oder etwas der Materie 
nnewobnendes, eine Eigenſchaft derſelben; fo 
preben wir von der Entdedung eines Planeten, 
der Entdedung Amerilas, der Entvedung eines 
Minerals, eines Bacillus, irgend eines Gegenſtands 
der bejchreibenden Naturwitieniha ten, aber aud 
von der —— Schwerkraft, des Magne: 
tismus, der chem. Verwandtſchaft u. ſ. w. Solche 
Entdedungen werden durch Beobachtung allein oder 
im Verein mit —— durch Verallgemeine⸗ 
rung von aufgefundenen Thatſachen, Aufſtellung 
von Hypotheſen und Theorien und demgemäß plan⸗ 
mäßig angejtellte Erperimente gemadıt. 
ine Erfindung betrifft allerdings aud immer 
eine Sade, die vorher dem Menſchen nicht befannt 
war. Aber diefelbe fteht mit ſchon befannten Din: 
gen in engem Zujammenbang; fie tritt nicht als 
etwas völlig Neues in die Erſcheinung. Es wer: 
den an befannten Dingen Anderungen vorgenom: 
men, fo daß man mit dem veränderten Dinge quali« 
tativ oder quantitativ befiere Wirkungen bervor: 
bringen fan, als mit dem befannten. Gewiſſe 
Teile an einem materiellen Dinge oder in der Ope— 
rationsfolge (dem Verfahren) zur Herftellung eines 
folhen werben durch andere er E Erzielung 
einer neuen oder volllommenern Wirkung. 

Die Entdeckungen betreffen jedoch nicht nur die 
muterielle Rörperwelt, ſondern auch abjtrafte Dinge, 
allgemeine Gejeße, wiſſenſchaftliche Wahrheiten, die 
ala folhe einen rein geijtigen Beſit darftellen; 
auch die Erfindungen können auf dem rein intellet- 
tuellen, dem tüntlerifchen, dem philoſophiſchen, 
dem moralifhen Gebiete liegen. Die Recentunit 
mit Hilfe von Logarithmen tft als eine Erfindung 
— die Logarithmen ſelbſt ſtellen eine 

tdedung dar. Man kann von der Erfindung 
eines Versmaßes, eines philoſ. Syſtems, einer 
Staatsform u. dgl. ſprechen. Indeſſen neigt der 
Spradgebraud dazu, als Erfindungen nur Neue: 
rungen auf materiellem Gebiete zu bezeichnen 
und fpeciell ſolche, welde, zur Befriedigung mate: 
rieller Bedurfniſſe bejtimmt, eine gewerbliche Ber: 
mwertbarleit geitatten. Dieſe —— fönnen 
einen Körper betreffen, z. B. ein Werlzeug, eine Ma- 
ſchine, oder ein Verfahren zur Heritellung eines Kör⸗ 
perd. Die Subititutionen, durch welde die Erfin- 
dungen auseinander hervorgehen, fönnen aus einer 
Formveränderung oder einer Stoffverändberung 
oder einer Veränderung in ven Operationen, welche 
das Heritellungsverfahren ausmachen, oder aus 
mehrern diejer Elemente beſtehen. Diejen Entwid: 
lungen gemäß kann man die Erfindung im engern 
Eim,d.t. die gewerblich verwertbare Erfin: 
dung, definieren als eine durch Subjtitution ber: 
vorgebrachte Neuerung an einem Mittel zur Befrie: 
bigung der materiellen Bebürfnifje des Menſchen, 
welche Neuerung diefes Ziel in einer volllommenern 
Weije erreicht, als es bisher möglich war. 

Die erften Erfindungen, die der Naturmenſch 
madte, waren einfahe Werkzeuge, die den Zweck 
hatten, die Wirkjamleit feiner Organe, namentlich 
des Arms und der Hand, zu veritärten. So ent: 
ftand beifpieläweije, nachdem der Menſch die Ent: 
dedung gemadt hatte, daß die Wucht feines Arms 
durch die Benukung eines in die Hand genommenen 
Steins vergrößert würde, durch befondere die Wir: 


fung dieſes Steins erböhende Formgebung das 
primitive Werkzeug der —— 

Erfinden iſt weder als eine Kunſt, noch als eine 
Wiſſenſchaft zu bezeichnen; es iſt eine eigentümlice 
geilige äbigfeit, welche bei dem einen jtärker ent: 
widelt ijt alä bei andern, bei verbältnismäßig me: 
nigen überhaupt in beträhtlibem Maße vortommt. 
Wiſſenſchaftliche Kenntnijje, befonvdere Vertrautbeit 
mit den Örundlagen, auf welden die Erfindung er: 
fteben fann, Konzentrierung des Verſtandes auf ein 
zu erreichendes Ziel können je fih obne Mitbilfe 
der angeborenen Fähigkeit faum zu Erfindungen 

bren. Große Gelehrte, Foriher und Entdeder 
ind nur felten große Erfinder. Die erfinderiſche 
Kraft beſteht eber in einer befondern Kombination» 
gebe: ie ijt deshalb auch nicht im ausfchließlichen 

efiß befonderer Stände oder Berufstlafien. 

enn die durch Subftitution an Belanntem er: 
zielte Wirkung im nüglichen Sinne ſehr verſchieden ift 
von dem, was frübhererreihbar war, jo baben wir eine 
Erfindung, welche der gewerblihen Thätigkeit neue 
Wege öffnet. Eine se Erfindung lann hunderte 
und taufende Heiner Erfindungen nad fich zieben, 
welche Verbeſſerungen an der erſtern darftellen, ohne 
ihren ad Charalter weſentlich zu ver: 
ändern. Diefe Veränderungen, Kombinationen mit 
bekannten *8 und Formen, die nah dem Bor: 
bilde analoger Fälle bervorgebradt werben, erfor: 
bern oft nur eine ſehr geringe erfinderijche Thätig: 
keit, fie find ein Ergebnis der gewerbliben Routine. 
Dennoh können jolde anicheinend unbedeutende 
Abänderungen die Haupterfindung praktiſch nüslich 
maden und ihr einen techniſchen Wert verleiben, 
den dieſe urfprünglih nicht bejah. Die Dampf: 
maſchine in ihrer urjprünglichen ie blieb 7 Jahre 
lang als einziges Eremplar ohne Wiederbolung, und 
es dauerte 30 Jahre, bis fie, mit Berbejjerungen 
verfeben, fabri — wurde. 

In den meiſten Staaten find Mafregeln ge: 
teoffen worden, weldhe dem Erfinder gejtatten, ben 
ihm gebührenden Lohn an Geld und Anertennung 
zu ernten, und troßdem den Segen feiner Erfindung 
der Allgemeinheit zulommen laſſen. Dies wird er: 
reicht durch Patente (f. d.), melde der Staat gegen 
eine mäßige Abgabe erteilt. In allen Ländern mit 
guter Batentgefeßgebung bat jeit deren Einführung 
die Menge der Erfindungen ungemein zugenommen. 
Wenn aud viele —— von geringem Wert find, 
jo kann man doc behaupten, daß die Kultur, ſoweit 
fie von Indujtrien und Gewerben getragen wir, 
niemals rafchere und eritaunlichere Fortſchritte ge- 
macht bat als unter dem Schuße der PBatentgejese. 
Dies wird auch aus der folgenden Tabelle erſicht— 
ih, welche in chronol. Ordnung wichtige Erfin= 
dungen und Entdedungen aufzählt. Mande aus 
dem grauen Altertum ftammende Erfindungen von 
grober Bedeutung fehlen in der Aufzählung, wie die 

arjtellung des Schmiebeeifens, der Bronze, des 
Quedfilbers, die Erfindung des Spinnens und We: 
ben3, der Brotgärung, der Wein: und Bierbereitung. 





Beit | Gegenftand Urheber 
1800 
dv, Chr. | Glas Aghpter. 
um 600 Waſſeruhrt Aligrer. 
585 Magnetismus Thales von Miler. 
um 560 | Sonnenuhr Unarimanber, 
390 Rolle, Schraube Arhutas von Tarent. 
350 Deitilation | Ariitoteles. 


Erfindungen und Entdedungen 








Urheber 





Bett | Gegenftand 
“0 | Papier 
um 2350 Flaſchenzug, Schraube 
ohne Ende, Waſſer⸗ 
ihraube, Hebelgeſed, 
Auftrieb 
em 150 | Bay —— Real» 
140 en * 
130 |  Stereograppiiäe Karten» 
roje 
30 Zironiihe Roten 
% nn Chr. Hydraulif er Mörtel 
um 750 Scheibewafler, Stönigs- 
rn Höllenftein, 
um 950 | — (Edweleliäure), 
1010 | Klavier (Klavidhord) 
um 1280 | —— 
1285 | Brillen 
um 1300 Ehiekpulver in Europa 
um 1300  Kompaß in Europa 
um 1430 , Antimonfalze; Salzjäure 
1435 Buchdruckerkun 
um 1450 aupferſtechtunſt 
um 1500 Wadierfunft auf Aupfer 
‘ _ (&gverfahren) 
10 Taſche nuhr 
1530 | Epinnrad 
50 | Ronius 
1550 | Smalte 
1557 | Gewinnung bes Silbers 
durch Amalgamierver- 
| fahren 
1561 | Epigenklöppeln 
10 | Mifrofto: 
1597 Ihermof op 
- | Fernrohrt 
endelgeſete; Belege der 
Falgeſchwindigte 
1614 | Zogarithmen 
1619 | ftreislauf dead Blutes 
am 1620 | Natur ber Gaſe; Kohlen⸗ 
‚  jäure 
1690 | Aitronomiihes Fernrohr 
1643 Barometer 
1650 | Euftpumpe 
1656 Bendeluhren 
1656 | Anterhemmung db. Uhren 
1656 Schweiellaures Natrium | 
1661 Danometer 
1655 Beugung des Lichts 
1665 Bleikifte aus Graphit, in 
Eng —— 
1669 Bbosp 
1670 Slasäpung mittels Fluß» 
jäure 
16732 Ele kit iſtermaſchine 
163Aufgußtierchen 
1677 Samenfäden 
1680 | Dampftefiel 
16857 | Graritationdgeieg 
= | Gießen von Diygrigias 


| Unbdulationstheorie bes 


Lichts 
um 1700 | Holländer in der Bapier- 
era 
1703 3* 
1704 — Blau 
1714 | ir Bein ER 
Ir | Kompenfationspendel 
1723 | Abirrung des Lichts 
1735 Fr —— 
174 utichut 
1146 —— zur Schwe · 
felläurefabrifation 
u Be in der Runfelrübe 
am 1750 | | Berendte Bapiertapeten 
1150 , Gußftahl 
1251 | Midel ifoliert 
1753 Bligableiter 
1752 @elbes Blutlaugenjalz 
1157 Achtomatiſches Fernrohr 
1160 | Gulindergebläfe 
1161 Verkuſſiongin der Medizin) 
17% | Baummwolliammet 


Ehinejen. 


Archimedes. 


eron von Alexanbria. 
tefibius, 


pparchus. 
iro. 
Vitruvius. 


Geber. 


Rhafes. 
Guido von Arezzo. 


Salvino degli Armati, 


lavio @icja. 
afilius Balentinus, 
Joh. Gutenberg. 


Albr. Dürer (7). 
Beter Henlein. 
ürgens. 


unes. 
Eprift. Schürer. 


Bartoleme de Mebina. 

Barbara Uttmann. 
harias Janfen. 
alilei. 


Galilei, 

Napier of Merchiſton. 

William Harvey. 

Job. Bapt. van Hel- 
mont, 


Joh fe 
orrice Biviani. 
Otto von Bueride. 
ent eier 

ungbens 
@lauber. 


Otto von @ueride, 
Grimaldi. 


Brand, 


Schwankhardt. 
Drto von Guericke. 
van Leeuwenhoet. 
dan Hamm unb ban 
— 
enis n. 
Naac Newton. 
Abr. Thevart. 


Huhghens. 


ob. Fr. Böttger. 
iesbach. 
—— 
Graham, 
Sun 


fa J— 


Roebuck. 
Andr. Sig, Mar 


raff. 
Don Antonio de 


Uoa. 


Huntsmann, 
Eronftebt, 

Beni. Frantlin. 

Macquer. 

John Dollond. 
Smeaton. 

Auenbrugger. 

I. Bilion. 


J 


Gegenſtand 


—— ine (Jenny) 
Dampfmaidine 
Damp Inekeriongen 
Wate rmaſchine 
Sauerftoff 
Chlor 
Muleſpinnmaſchine 
Schnellgerberei 
Glycerin 

yrometer 

uftballon 
Argandſche Lampe 
Waſſerſtoff 
eng eb 

echan. bſtuhl 

orſtons·Wage 

Stalenaräometer 
Chlorbleiche 
Galvaniſcher Strom 
Sodaſabritation 
Optiſch⸗mechan. Telegraph 


ofen 
Sduopodenimofung 


Bithographie 

Echweteltohfenftoff 
Gasbeleudhtung 

piermafchine 

blortalffabrifation 
Boltaihe Säule 
Elettrolnfe des Waſſers 
Stnallquedjilber 
Blehwalzwert 


—52 
benzuderfabrifation im 
großen 
acquardinehanismus 
pbrauliiche Brefie 
Bar e iff 
Bertuifionsgemehr 
Galvanifcher u ug 
Metalle der Wltalien u. 
altatiich. Erden ijoliert 
Bolarifation des Lichts 
Bobbinnetmafhine 
Scnelprefie f. Buchdruck 
Zraubenzuder (@intole) 
aus Stärfemehl 
Elettrifher Bogen 
Batuum-Berbampfpfanne 
Spettrallinien 
Sicherbeitslampe 
Austultation 
—5* le 


rphiu 
— Wineralmafier 
Waſſerglas 
unſtl. hydraul. Cement 
ündhütchen 
apbthalin im Steinkoh⸗ 
lenteer 
Chinin ijoliert 
Eleltromagnetiömus 
Thermo-@leftricität 
Glas linſenkonſtrultion 
für Leuchttürme 
Notes Blutlaugenſalz 
Schnellefigiabrifation 
Bortlandcement 
Median. Flachsipinnerei 
Gelfaltor 


rin im 
Anka (als Reine) 


Schiffs ſchraube 
Aluminium 

Erſte ſynthetiſche Dar⸗ 
ſtellung einer organi⸗ 
Pia ae (des | 


Harn 

nern nase | 

Stidmaidhine 
apieritereotypie 
ettenſtichnaͤhmaſchine 

Dague rrotypie 

Erite Lokomotive ·Nocket · 

Hodoienbetrieb mit er» 
bigter Gebläfeluft 


Baraifin 
Stabljchreibfedern 





147 












Urbeber 








ames Hargreaves. 
Jam Br 
ugnot, 
Rich. Arkwright. 
of. "Brie len. 


.®. Scheele. 
Sam. Gr Grompton. 


RW. Sceele. 
Medgmood. 
Sc tgeiäen, 
Argan 
Bord De Cavendiſh 
Cort und Barnell. 
Ebm. Gartwrigbt. 
Coulomb. 
Nicholſon. 
558 
Aloiſio Galvani. 
gr —* 
aude Chappe. 
Sue 


Sen nner. 


pa 
Will. Murdod. 
Robert. 
er Tennant. 
Aleſſandro Volta. 
Garlisle und Nicholſon. 
Edm. Howard, 


Fr. Carcet 


. €. Achard. 
of. Maria Jacquarb. 
ramab. 
Rob. Fulton. 
tiutbe. 
ömmering. 


—5*3 Davy. 
Et. %. Malus. 


—* 

König. 

J. ©. Kirchhoff. 
umpbry Davh. 
oward. 
of. Fraunhofer. 
umphry Davy. 
ennec. 

von Draiß, 

Sertürner. 


Struve. 
uchs. 


2.59. Bicat. 

—2 

Garden. 

—— u. Caventou. 
riteb. 

Th. Seebeck. 





ge 
.. Gmelin. 
Schüpenbad. 

J. Uspdin. 
een 

Robert 

Eolin * NRobiquet. 
Unverdorben. 


ER 


} 

| fr. Wöhler. 

| Chr. G. Gmelin. 
eilmann. 


enour. 
Thimonnier, 
Daguerre. 
G. Stepbenion. 


| Neilfon. 
von Reichenbach. 
Wiſe. 


10* 


148 Erfindungen und Entdedungen 








Beit Begenftand | Urheber Beit Gegenſtand | Urheber 

















1831 | Magnetelektriiche Indut- 1869 | Gellulofeaus Holz mittels 
tion Mid. Faraday. Natronlauge | ®. Ungerer. 
1831 Elettrifhe Zündung für 1869 | Eelluloid Hyhatt. 
Sprengzwecke Shaw. 1869 Kathodenſtrahlen | Dittorf. 
1832 | Magnetelettriihe Mas | 1870 —— — laͤſe Tilghman. 
fine Dal Negro u.von Bigii. 1870 | Betoneifenbau Monier. 
1832 Stearinkerzen de Milly. 1871 — für Eiſen⸗ 
1833 hosphorzundholzchen — babnzüge Seberlein. 
1833 —— ine \ Berrot. 1873 | Künftliche Blutleere Esmarch. 
1633 ündnadelgewehr | enie. 1875 | Eleftromagnetijches Tele: | 
1833 r erfte (magnet=) elef: | phon Graham Bel. 
triſche Telegrap Gauß und Weber. 1875 a las U. de la Baſtie. 
1834 | Phenol —— im 1877 erfeäffigun fog. perma= 
Steinfohlenteer Runge. nenter Gaſe \ Eailletet und R. Bicten, 
1836 | Eentrifuge zolbt, 1877 Bhonograph Edition. 
1836 | @alvanoplaftif acoby. 1878 | Witrophon Hughes und Lüdtge. 
1837 | Moberateurlampe andot. 1879 | Entphosphorung d. Eiſens . 
1837 Eleftromagnet. Schreib» im Stonverter Thomas und Gildrif. 
oder Drudtelegraph Steinheil und Morſe. 1879 | Eleftriiher Mecumufator | Gafton Plante. 
1838 Vietmaſchine irbairn, 1880 | Whotophon Graham Bel. 
1839 | Gasfeuerung iſchoſ. 1880 | Xcprabacillus Hanjen und Neißer. 
1839 | Qultanifierter Stautichut | Goodnear 1881 | Autotypie | Meijenbad). 
1840 hotographie auf Papier x Talbot. 1882 | Tuberfelbacillus od. 
1840 | alvanifche Vergoldung la Rive. 1883 | Gholerabacillus Ktod. 
1840 | Dgon Schönbein. 1883 | Reinzucthefe Hanien. 
1841 Galvaniſche Zink Kohlen⸗ 1885 Elettrolytiſche Darſtel⸗ 
Batterie R. Bunſen. lung des Aluminiums Gebrüder Cowles. 
1841 Vicolſches Prisma Ricol. 1885 | Gasglühlicht Auer von Welsbad. 
1842 Aquivalenz zwiſch Warme 1885 Benzinmotorwagen | Daimler; Benz. 
und medan. Arbeit 3, R. Mayer. 1886 | Drabtglas riedr. Siemens, 
1843 Ferro aſmyth. 1886 luor ı Moifien, 
1843 olzichleiferei Seller, 1887 rammophon \ Berliner. 
1844 tereoſtop David Brewſter. 1868 Elekttriſche Wellen He 
1845 | Roter Phosphor Schrötter. 1890 Fritter zur Funkentele-⸗ 
1845 Schießbaumwolle Schönbein, graphie Branlyu. 
1845 Elektriſches Gluͤhlicht Starr. 1891 | Karborundbum ' Schügenberger; 
1846 | Rotationsjchnellprefje Applegath. ‚ _ Adeion. 
1846 | Athernartoje adjon, 1891 | Teelaftröme ' Tesla. 
1847 | Chloroformnarkofe impjon. 1892 nfluenzabacillus | Rich. Pieiffer. 
1847 Uodium Maynard. 1893 iphtherieheilferum Behriug (Kong). 
1848 | Phosphorfreie Zünbhölz- 1894 | Argon und Helium in der | Lord Wayleigb und 
en Böttger u. Lundftröm. tmofphäre entdedt | @. Ramiay. 
1849 | Milzbrandbacilius Pollender. 1894 * cillu erſin; Kitaſato. 
1849 | Benzol aus Steinkohlen⸗ 1895 tnematograph A und £. Qumidre. 
teer im großen Mans field. 1895 füfige Luft (im großen) | Linde. 
1850 | Aneroidbarometer Bourbon, 1895 Öntgenftrahlen | Röntgen. 
1851 Augenipiegel von Helmbolg. 1895 Aluminotbermie Goldichmidt. 
1851 | Revolver Colt. 1896 | Becquerelftrablen | Henri Becauerel. 
1851 nduftionsapparat Kubmelorff. 1896 Gantenteiegennhie arconi. 
1852 artgummi Gooppear. 1897 ernitlicht Rernit, 
1855 eißluftmaichine Ericsjon, 1897 | Rubrbacillus Shiga. . 
1856 tablergeugung im flon« 1898 | Bolonium und Radium B. und S. Eurie, 
verter Henry Beſſemer. 1899 | Telegraphon Roulion. 
1856 | Mnilinviolett,erfter fünft- 1900 | Bremerlicht Bremer. 
liher aus bem Stein» 1900 | Damiumlicht Auer von Welsbad. 
tohlenteer ftammenbder 1903 | Ultramifrojlop Bigmonde u. Bulfrie. 
Farbſto W. 6. Berlin. 1904 Tantallicht d. Bolton u. Feueriein 
1857 | Ringofen für Biegel, de 1905 | Syphilisipirodhäte Shaudinn und Hofi: 
ment u. dgl. Dun und Licht. mann, 
1857 | Regenerativgasfeuerung # — und 1905 | Spigertypie Epiper. 
. Siemens, s 
1857 | Duedfilberluftpumpe @eihler. Über geogr. Entdedungen ſ. Reifen. 
1858 | Eellularpathologie Birchow. A * 
1859 | Spettralanalyfe Bunfen und Kichhoffl.| Litteratur. 2. Darmftädter und R. Du Bois: 
nn a Sinn. En 4000 Jahre Bionierarbeit in den erakten 
1860 Zelepbon er eh, —— — libri = (Baj. —— 
1860 | Ugofarbitoffe Grie C. Fr. Flögel, Einleitung in die Erfindungskunſi 
= ——e— ———— — — — Bresl. und Lpz. 1760); Dictionnaire des origines 
1861 | @loverturm für d. Schwer: 6 Boe., Par. 1777); $. Bedmann, Beiträge zur 
I —— var —— En. ejhichte der Erfindungen (5 Bde., Lpz. 1786); 
1862 Aufteismalhine : Kirk. Donndorff, Geſchichte der Erfindungen (6 Boe., 
1863 | Indium Reid) und Richter. Quedlinb. und Lpz. 1817); Dictionnaire des de- 
1863 Difufionsverfabrent. ‚der — couvertes, inventions etc. en France (17 Bpe., 
ee. Par. 1822); Dictionnaire technologique par une 
1865 | Anfluengmalchine gel und Zöpfer. soci6t6 de savants et d’artistes(24 Bde., ebd. 1822); 
1866 | Sulfitcelluloje aus Holy | Zilghman. Baudrimont u. f. w., Dictionnaire de l’industrie 
= — *— — Liſter. manufacturitre, commerciale et agricole (10 Bde., 
1867 | Donamoprineip Berner Siemens, ebd. 1833); 3. H. M. von Poppe, Geſchichte aller 
a | —— aus Anthracen J Erfindungen und Entdedungen - Bereiche der Ge: 
1569 | Sichtorud, Photolitho: | werbe, Künfte und Wiſſenſchaften (Stuttg. 1837); 
graphie Hof. Albert. €. Ferd. Vogel, Geſchichte der denlwürdigſten Er: 





Erfindungsbefig — Erfrierung 


intungen (3 Bde., Lpz. 1842); De Jouffroy und 
Kine, Dictionnaire des inventions et découvertes 
Adre., Bar. 1852); Henry Dirds, Inventors and 
inventions (Pond. 1867); Karmarih, Geſchichte 
ver Zehnologie (Münd. 1872); Das Buch der Er⸗ 
findungen (9. Aufl., 10 Bpe., Lpz. 1895 — 1900; 
Lolleausgabe in 1 Bp., ebd. 1900); Samter, Buch 
der Erfindungen (Berl. 1893); Capitaine, Das Mefen 
dei Erfindens (Ypz. 1895); Vogt, Das illuftrierte 
Bub (Die illuftrierte Welt) der Erfindungen (ebd. 
1895 fg.); Schmeblit, Das Erfinderredt der wid: 
fgiten Staaten (2. Aufl., Stuttg. 1900); Jahrbuch 
der Erfindungen, begründet von Gretſchel und Hir⸗ 
jel (pa. 1865 fa.). j 
Erfindungsbefig, Bezeihnung für das Net 
desjenigen, welcher eine von ibm zur Patentie: 
rung entweder gat nicht oder ſpäter ala von einem 
andern angemeldete Erfindung vor deſſen Anmel⸗ 
dung bereit in Benugung genommen oder durch 
Benußung vorbereitet bat. Nah 8. 5 des Deut: 
ſchen Batentgejeges vom 7. April 1891, weldes 
jum Unterſchied von andern, namentlid den engl. 
und amerif. Batentgejegen, den Anſpruch auf das 
Patent nicht dem erjten Crfinder, fondern dem 
eriten Anmelder gewährt ($. 3), tritt die Wirkung 
des .. egen denjenigen nicht ein, welcher 
mr Zeit der Anmelvung bereit3 im Inlande die 
Erfindung in Benutzung genommen oder die zur 
Benutzung erforderlichen Veranſtaltungen siehe 
batte. Derjelbe ift befugt, die Erfindung für die 
Bepürfnifie feines eigenen Betriebes in eigenen oder 
fremden Werlftätten auszunügen. Dieje Befugnis 
lann nur zujammen mit dem Betriebe vererbt oder 
veräußert werden. Auf den E. kann fi der Be 
her, aud ohne daß dies im Geſetze vorgeſehen ift, 
nicht berufen, wenn er die Kenntnis der Erfindung 
dem Anmelder entwendet bat. Steht er in einem 
Bertragdverbältnig zum Anmelder bezüglich der 
Benutzung, jo entſcheidet dieſes Rechtsverhältnis 
darüber, wieweit er die Erfindung, nachdem fie 
patentiert ift, gegen den nder weiter benüßen 
darf. F umgekehrt dem Erfindungsbeſitzer die 
angemeldete Erfindung entwendet, iſt der weſent⸗ 
liche Inhalt der Anmeldung den Beſchreibungen, 
Zeihnungen, Modellen, Gerätihaften oder Ein: 
ribtungen eined andern. oder einem von biefem 
angemendeten Verfahren ohne defien Einwilligung 
entnommen, jo lann diefer Einſpruch gegen bie 
Batenterteilung mit dem Erfolg erheben, daß das 
tent nicht erteilt wird. Hat der Einfpruc die 
rüdnabme oder Zurüdweifung der Anmeldung 
ur Folge, jo tann der Ein prechende, falls er inner: 
eines Monats feit Mitteilung des hierauf be 
ügliben Beiheids des Batentamtes die Erfindung 
einerjeit3 anmeldet, verlangen, daß ald Tag feiner 
nmeldung der Tag vor Belanntmadhung der frü: 
bern Anmeldung feitgeießt werde ($. 3). Iſt das 
Patent erteilt, jo kann der Berlegte ($. 28) die Ber: 
nibtung des Patents beantragen ($. 10). Er kann 
aber auch nad einem Urteil des Reichsgerichts vom 


3. Mai 1892 auf die Übertragung des Patents 
Kagen, wie dies außerhalb Deutihlands allgemein 
Recht iſt. Hat die Vorbenugung einer ndung 


vor der Anmeldung im Inlande jo offenkundig ſtatt⸗ 
rt daß danach die Benußung dur andere 
Sadveritändige moglich erſcheint & 2), fo lann 
jedermann die Vernichtung des Patents beantra: 
en ($$.2, 10). Diejer Antrag ift nah Ablauf von 
ir Be von dem Tage der über die Erteilung 


149 


des Patents erfolgten Belanntmahung gerechnet, 
unftattbaft ($. 28). Bei Batenten, welche am 1. Dt. 
1891 bereit3 erteilt waren, fand die Beitimmung 
mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag 
mindeftens bis zum 1. Dft. 1894 ftattbaft war. 

Nah dem Gefege vom 1. Juni 1891 werden 
Gebrauhbämufter (f. d.) für denjenigen gefhüßt, 
auf deſſen Anmeldung die Eintragung in die Rolle 
je Gebrauhsmufter erfolgt iſt. Das neue Ge 

rauchsmuſter brauct feine Erfindung zu fein, fie 
tann ed aber fein. Gleichwohl bat diejes Geſeß einen 
dem 8.5 des Patentgeſetzes entiprehenden Schuß 
des E. gegen den Eingetragenen nicht vorgejeben. 
In der vollftändigen Unanfechtbarteit des fremden 
Schubes wurde der größere Vorteil für die Induſtrie 
erblidt als in der Bejeitigung diefer materiellen 
Härte. Nur wenn ber mwejentliche au der Eins 
tragung den Beichreibungen, Zeihnungen, Mo: 
dellen, Gerätichaften oder Einrichtungen eines an: 
dern ohne defjen Einwilligung entnommen ift, tritt 
dem Berlegten gegenüber der Schuß des Geſetzes 
nicht ein ($. 4), wie diefer auch Loſchung des Ger 
brauchsmuſters beantragen kann ($. 6). Diefelbe 
fann im Fall offenktundiger Vorbenugung im Ins 
lande von jedermann beantragt werden ($$. 1, 6). 
Das Gleihe gilt auch für den Martenihus (f. d.) 
nad dem Geſetß zum Schuß der Warenzeichen vom 
12. Mai 1894. Das dur die Eintragung in die 
Zeichenrolle entftandene Zeichenrecht wirkt auch dem 

egenüber, der fchon vor der ke das Zei⸗ 
2 benußte, aber nicht zur Anmeldung brachte. 

Erfrierung (Congelatio), Wenn ein beftiger 
Grad von Kälte anhaltend auf den Körper wirlt, 
b wird diefem die nötige Wärme Fee dad 

lut an der Oberfläche des Körpers ftodt ın feinen 
Haargefäßen und häuft fich in den innern Organen, 
bejonders im Gehirn, an, die Feuchtigleit an der 
Dberfläche wird in Eis verwandelt, fo daß einzelne 
Stellen und fogar ganze Glieder brüdig werben 
wie Eis. Eine unmiderftehliche Neigung zum Schlaf 
bemächtigt fich des Erfrierenden, die bald in völlis 
gen Berluft der Befinnung abergelt: der Buls ift 
nicht mebr füblbar, der Herzſchlag faum zu bören, 
die Atmung faum wahrnehmbar, der ganze Körper 
eifig falt. So wird durch die Einwirkung der Kälte 
auf den gejamten Körper ein Scheintod berbeige: 
fahrt, der nach längerer oder kürzerer Zeit, wenn 
eine Hilfe fommt, in wirklichen Tod übergeht. 
Nicht immer find hierzu ſehr hohe KRältegrade er: 
forderlich; oft genug fommt die E. auch bei geringer 
Kälte zu ftande, wenn Menſchen, durch lange 
Märſche und Hunger erihöpft oder durch Brannts 
mein betäubt, fih am Wege nieberfegen und ein: 
hlafen und nun ein lalter Wind ihnen rajch die 

ebenswärme und das Bemwußtfein entzieht. Ger 
funde und kräftige Fer aa widerſtehen der Kälte 
viellänger als ſchwächliche; bei nahrhafter und kräf⸗ 
tiger Koſt, bei der es namentlich nicht an Fetten und 
ESpirituofen fehlt, und bei ausgiebiger und lebbafter 
Körperbewegung vermag fi der Menſch an außer: 
— niedrige Temperaturgrade zu accommo: 
dieren. Bei drobender Erfrierungsgefahr ar ed von 
der größten MWichtigfeit, die eintretende Müdigleit 
und Sclafjuht dur —— te Muslelbewe⸗ 
ge en zu überwinden, da diejelbe bei paflivem 

ar ſehr raſch in Scheintod und Eritarrung 
übergebt; jpirituöje Getränte wirkten in Duien 
Stadium nadteilig, da fie nur dur früber herbei» 
geführte Ermattung die Schlafjucht befördern. Wie 


150 


lange ein Menih in einem folhen Erftarrungss 
zuftande bei kaum erfennbaren Lebenserſcheinungen 
verbleiben kann, um wieder zum Leben zurüdzuteb: 
ren, ift nicht genau befannt, doch giebt es Fälle, 
in denen ein folder Zuftand tagelang gedauert hat. 
Die Behandlung Erfrorener erfordert große 
Vorſicht. Um einen — Scheintoten wieder in 
das Leben zurüdzurufen, würde man eine durchaus 
faliche, bödft ſchädliche Behandlung wählen, wenn 
man denjelben rafch ermärmte. Die erjtarrte Ober: 
fläche würde jchnell auftauen, und dadurch würden 
die Gewebe, Gefäße und Nerven gelähmt oder 
felbft zerftört werben. Ein erfrorener Körper muß 
vo — lein Glied zerbricht, an einen nicht 
warmen Ort, welcher jedoch möglichjft vor dem Wind 
geihüpt ift, gebracht werben. Hier entlleidet man 
ihn mit der größten Vorfiht und bededt ihn bis 
auf den Mund und die Nafenlöher mit Schnee, 
oter, wo bdiefer nicht vorhanden ift, mit nafien 
Tüchern, und reibt ihn tüchtig damit ab, bis die 
Haut auftaut und fo das 4 Zeichen des wie— 
derlehrenden Lebens erſcheint. Erſt wenn ſich Ber 
weglichleit der Glieder und Lebenswärme auf der 
Haut einftellt, kann man allmäblih die Tempe: 
ratur des Ortes erhöhen und die übrigen Be: 
lebungsverjuche wie beim Scheintod (ſ. d.), insbe: 
—— fünftlihe Atmungsbemwegungen, eintreten 
aſſen. Hierauf verfuht man durch NRiechmittel 
Salmialgeift, Ather, Hoffmannſche et zer⸗ 
chnittene Zwiebeln) und innere Reizmittel (ſtarken 
in, falten Kaffee) das Bewußtſein wieder zurück⸗ 
jurufen. Mit diefen Wiederbelebungsverfuchen höre 
man nicht zu frübzeitig auf, da es —9 wiederholt 
gelungen iſt, Erfrorene in das Leben zurüchzurufen, 
die ſchon viele Stunden AR gene batten. 
Hinfihtlih der drtlihen Wirkung der Kälte 
unterjcheidet man ganz ähnlich wie bei den Ber: 
brennungen (f. d.) drei Grade der E., deren eriter 
I dur Rötung und ——— Haut ſowie 
ebhafte brennende Schmerzen kundgiebt, wäh— 
rend ſich beim zweiten mehr oder ——* — 
dehnte Blaſen bilden, durch deren Zerfall die ſchlei⸗ 
chend —— bisweilen bis auf den Knochen 
dringenden Froſtgeſchwüre entſtehen; beim drit— 
ten Grad endlich wird das betroffene Glied durch 
die volllommene Aufhebung der Blutcirkulation 
und bie Zerſtörung der einzelnen Gewebselemente 
in eine ſchwarze, gefühllofe, falte Maſſe verwandelt, 
welche nur allmählich durch eine demarkierende Ent: 
zundung von den geiunden Teilen abgejtoßen wer: 
den fann. (S. Brand.) In leihterm Grabe erfro: 
rene (jog. erbällte) Körperteile unterliegen einer 
—— Entzündung, die ſich durch einen ger 
äbmten Zuftand der ——— von andern 
unterſcheidet und gern im Winter Nüdfälle macht. 
Man muß dieje jog. Froftbeulen (perniones) 
im Sommer und Herbit fleikig mit belebenven ſpi— 
rituöjen Mitteln waſchen. Dazu dienen am 5 — 
Kampfergeiſt, Steinöl mit Spirituoſen vermiſcht, 
verdünnte Kantharidentinktur, Bepinſelung mit 
—— u.dgl. Im Winter, wenn ſich die Stellen 
{ch entzünden, bededt man fie mit milden Salben 
oder überziebt fie mit Tifchlerleim, Ichthyolſalbe, 
Jodtinktur, Hölenfteinlöfung oder Kollodium, wen: 
det auch wohl nad Umftänden Blutegel und andere 
entzündungswidrige Mittel an. — Vgl. Sonnen: 
burg, Verbrennungen und E., in der « Deutſchen 
Ebirurgie», hg. von Billrotb und Lüde (Stuttg. 
1879); Esmarch, Die erjte Hilfe bei plöglichen Un: 


Erfriſchungsinſel — Erfüllung (bei Schuldverhältnijjen) 


Arsen 17. Aufl., Pp3. 1901). fiber das Er» 
eren von Ba f. Froſtſchaden. 
a nfel, ſ. Triſtan da Cunha. 
Erft, linker Nebenfluß des Rheins, entſpringt 
in der nörbl. Eifel, 8 km ſüdlich von Munſtereiſel 
in 279 m Höbe, verläßt bei Eusfirchen (150 m) dad 
Dergland, fließt faft nördlich, dann dem Höbenzug 
Ville parallel nah NW., wendet ih nah NO. und 
mündet bei Grimlingbaufen Neuß. Sie ift 
115 km lang, 4 km vor ihrer Mündung bei Neuß 
gebt von ihr ein Wafler nach dem Rhein, der Erft⸗ 
anal (4km), erbaut 1855—57, mit einer Soblen> 
breite von 7,5 m und einer geringjten Tiefevon 1,sm, 
berjelbe ift Schiffen von 7000 Etrn. zugänglid. Im 
Winter wird der Erftlanal als * benußt. 
Uung, bei Shuldverbältnijjen die 
Leiſtung defien, was geſchuldet wurde (lat. solutio; 
ber ‚le paiement), vgl. Bürgerl. Gejegb.$$.362fg.; 
ei Geldſchulden heißt die E. Zahlung, damit wird 
aber auch die Übergabe von Geld zu Eigentum des 
Empfängers allgemein bezeichnet, alſo auch wenn 
durch die geblung ein Schuldverhältnis begründet 
wird, 3.8. ein Darlehn (f. d.). Die E. tilgt das 
Schuldverhältnis und die zu deſſen Sicherung be 
gründeten Rechte (Anſpruch gegen Bürgen, Brand» 
recht). Macht der Gläubiger oder jein Rechtsnach—⸗ 
folger nad) der €. das Forderungsrecht gegen den 
Schuldner oder deſſen Erben, den Anſpruch gegen 
den Bürgen, das Recht aus der Hypothel geltend, 
fo fteht ibm die Einrede der Tilgung entgegen, 
melde der Bellagte freilich geltend mahen muß, 
damit fie vom Richter berüdjichtigt werben kann. 
Es giebt Rechtsverhältniſſe, welche durch die €. 
allein nicht direkt geldft werden. Damit eine im 
Grundbuch eingetragene Grundſchuld (j. d.) oder 
Hppothel (f. d.) getilgt wird, muß zur €, die 
Löihung im Grundbuh binzutreten. Erfolgt die 
Löihung nicht, fo jteht zwar dem Inhaber, welchem 
die E. geleiftet wurde, und feinen Erben eine die 
Klage ausſchließende Ginrede entgegen, jeinen Ceſ⸗ 
fionaren aber nur unter gewiffen Borausjeßungen. 
Ebenjo wird bei Inhaberpapieren (f. d.) oder bei 
Drberpapieren (ſ. d.), 3. B. einem an Order ge 
tellten Wechfel, der Schuldner, welcher zablt, gegen 
achforderungen dritter Perjonen, auf welche das 
Papier übergeht, nur dadurch gefichert, daß er jich 
das Papier zurüdgeben läßt und fiher aufbewahrt 
oder vernichtet. In jedem Falle hat der erfüllende 
Schuldner Anipruh auf Loſchung, Rüdgabe des 
Berpflihtungsiceing, Quittung (Bürgerl. Gejesb. 
u 368 u. 371), Rüdgabe der — änder. Bei Grund⸗ 
chuld und Hypotbet kann er jtatt Loſchung Abtres 
tung fordern. (S. Eigentümerhypothel.) Bei gegen: 
feitigen Schulpverhältnifjen, 5. B. dem Kauf, dem 
Mietvertrag, hat die Partei, melde geleijtet bat, 
den Anſpruch auf Gegenleiftung; es kann ibr nun 
nicht mehr die Einrede des nicht erfüllten Bertrags 
entgegengejeßt werden. 
ie E. hat eine fo verfchiedene Geitaltung, wie 
die Schuloverhältnifje einen verjhiedenen Inhalt 
haben. Hatte fih ver Schuldner verbindlich gemacht, 
etwas nicht zu tbun, jo erfüllt er damit, daß er 
unterläßt; bat er einen Auftrag (j. d.) übernommen, 
fo erfüllt er damit, daß er die veriprocenen 
and — ausführt, ohne daß der Gläubiger 
ei der E. zugezogen iſt, wenn dies dem Inhalt 
des Auftrags entſpricht. Wo der Schuldner zur 
Rüdgabe einer entliebenen (ſ. Commodatum) oder 
einer hinterlegten (j. Depofitum) Sache verpflichtet 


Erfüllung (der Rechtögefchäfte des Gemeinjchuldners) 


ft, erfüllt er damit, daß er dem Gläubiger den 
Gemahriam der Sache einräumt. Db er dem 
Gläubiger zu bringen bat (j. Bringſchuld), oder ob 
der Gläubiger von ihm abzuholen hat (j. Holſchuld), 
eb er von jeiner Berpflihtung befreit tft, wenn der 
von ihm zur Überbringung beauftragte Bote bie 
Sade unterjchlägt, richtet ſich nad} den für die ein: 
—— Rechtsverhältniſſe getroffenen geſetzlichen 
Feſtimmungen. War der Schuldner verpflichtet, 
in Recht, 3. B. eine Dienftbarkeit, zu beftellen over 
Üigentum zu übertragen, jo gebört zur E., daß das 
m gewäbrende Recht in der Perſon des Empfän: 
3 entjtebt. Deshalb tritt in der Perjon des 
Shulonerd nad Gemeinem Recht keine Befreiung 
ein, wenn er eine fremde Sade oder eine mit einem 
Biandreiht bebaftete Sache leiftet. Natürlich ift dann 
der Gläubiger zur —— des Erhaltenen ver: 
pflichtet. Iſt Geld gezahlt, welches dem Leiſtenden 
nicht gebört, jo tritt Schulbtilgung ein, wenn der 
—— das erhaltene Geld in gutem Glauben ſo 
— en oder mit ſeiner Kaſſe vermiſcht hat, daß 
die geleiſteten Geldſtücke nicht herauszufinden find. 

Rach dem Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch ($. 935 
wird der gutglaubige Empfänger von Geld au 
obne Vermiſchung Eigentümer und ift alſo mit dem 
Empfange befriedigt. Durd) bloße untrennbare Ber: 
miſchung fremder Sachen mit eigenen entjteht nad) 
Dfterr. (5.415) wie nad Deutihem Bürgerl. Gejeb: 
duch (8.948) Miteigentum, und es tritt fomit feine 
Beiriedigung ein, 

„it eine Forderung auf eine Leiftung des Ber: 
plichteten in Perſon bejchräntt, fo muß diefer ſelbſt 
erfüllen. Sonſt lann die E. für den Verpflihteten 
jelbjt ohne deſſen Einwilligung von einem andern 
geiheben, und der Öläubiger muß die E. von diefem 
annehmen. Nach Bürgerl, Gejegb. $. 267 kann der 
Gläubiger die Leiftung eines Dritten ablehnen, wenn 
der Schuldner widerſpricht. Die E., welche der an: 
dere im Namen des Schuldners leiftet, befreit dieſen. 
Leiſtet ein anderer E. für den Schuldner, um dadurch 
eine ibn jelbjt irgendwie gefährdende Zwangsvoll⸗ 
fredung abzuwenden, jo gebt die Forderung auf 
ihn über ($. 268). Sihnliche Beitimmungen trifft 
Code civil Art. 1251 (j. Subrogation). 

Damit Tilgung eintritt, muß die E. dem Gläubiger 
oder deſſen legitimiertem Stellvertreter geleijtet fein, 
aljo, wenn der Gläubiger nit bandlungsfähig ift, 
leinem geſetzlichen Bertreter. Iſt dem nicht hand: 
lungsfähigen Gläubiger, 5. B. einem Minderjäh: 
rigen oder bevormundeten Geiftestranten, geleiitet, 
jo muß der Bormund oder Bater die E, gelten laſſen, 
mern der geſchuldete Gegenitand an ihn gelommen 
iſt, jonjt nur, joweit das Bermögen des Bevormun: 
deten durch die Leiftung bereichert ift. 

Wurde an einen andern als den Gläubiger ohne 
deſſen Zuftimmung geleiftet, fo tritt Tilgung ein, 
wenn der Gläubiger die Leijtung genehmigt, oder 
wenn der Empfänger den Gegenitand erwirbt, oder 
er von dem Gläubiger beerbt wird und diejer für bie 
Nachlaßverbindlich eiten —— haftet (ſ. In⸗ 
ventarreht und Bürgerl. Geſetßb. 88. 362 u. 185). 
Bisweilen gilt die Leiſtung des Zugentigen Schuld⸗ 
nets an einen andern als den Gläubiger als E. 
Bürgerl. Gejesb. 88. BR, , 

Hat jemand in dem falſchen Glauben geleijtet, er 
Khulde, jo kann er nad) Entbedung feines Irrtums 
ge was der rebliche Empfänger von der 

iftung oder ihrem Wert nod hat (condictio in- 
debiti); wer fich miflentlih eine nicht beftehende 


€ 


151 


Schuld gun läßt, haftet ſchlechthin auf die Rück⸗ 
ge e. Den Römern galt er ald Dieb. War der 

chuldner im Zweifel oder beftritt er die Schul, 
jo fann er ſich die Rüdforderung dur einen Vors 
bebalt fichern. 

Bei Bedingungen (f. d.) redet man von E., 
wenn das un enie Ereignis, an welches eine 
ir gelnüpft ift, eintritt, 

Erfüllung der Rechtsgeſchäfte des Ge: 
meinjhuldners durch den Konkursverwalter. 
Die Deutfche Konkursordnung in der Faſſung vom 
20. Mai 1898 (88. 17—28) giebt bejondere Vor: 
fchriften bezüglich der zweifeitigen oder, wie fie 
das Bürgerl. — $. 320 nunmehr nennt, der 
gegenjeitigen Verträge. In $. 17 wird der 
allgemeine Orundjaß aufgeitellt, dab der Konkurs: 
verwalter, wenn ein zmweifeitiger Vertrag zur Zeit 
der Konkurseröffnung vom Gemeinfchuldner und 
von dem andern Teil noch nit oder nicht voll: 
ftändig erfüllt ift, das Recht hat, an Stelle des 
Gemeinſchuldners den Vertrag volljtändig zu er 
füllen und von dem andern Teil die E. zu verlangen, 
daß aber dem andern Teil nicht das Hecht zuitebt, 
auf der vollitändigen E. zu beſtehen, ſondern er 
nur feinen Entihädigungsanipruh als Konkurs: 
gläubiger (f. d.) — machen kann. Der Ber: 
walter muß auf Erfordern des andern Teils ohne 
Verzug erklären, ob er die E. verlangen will, und 
kann, wenn er dieſer Verpflichtung nicht nachlommt, 
auf der E. nicht bejtehen. Hat er rechtzeitig erklärt, 
daß er die E. verlange, jo iſt der Anſpruch des 
andern Teils nad $.59, Ziff. 2, der Konkursord⸗ 
nung eine Maſſeſchuld. 

Tritt bei einem eat (f. d.) die Ablie 
TE erit na öffnung des Konlursver⸗ 
abrens ein, fo fann der Konkursverwalter nicht auf 
E. bejteben, fondern nur eine Forderung wegen 
Nichterfüllung geltend mahen. Die Berehnung 
diefer Entihädigun et regelt $. 18, 

Wie es mit Bag: und Mietverträgen zu 
balten ijt, wird in den $$. 19—21 bejtimmt. War 
dem Gemeinſchuldner ein von ihm gemieteter oder 
achteter ®egenftand vor der Eröffnung bes Ber: 
sah übetaje ‚To fann ſowohl der andere Teil 
als der Berwalter das Miet: oder Pachtverhaältnis 
tündigen. Die Kündigungsfrift ift, falls nicht eine 
kürzere Seit bedungen war, die geſetzliche. Kündigt 
der Verwalter, jo ijt der andere Teil berechtigt, Er: 
fag des ihm durch die Aufhebung des Vertrags 
entjtebenden Schadens zu verlangen. War dem 
Gemeinfhuldner ein von ihm gemieteter oder ge 
—— Gegenſtand zur Zeit der Eröfinung des 
erfahrens noch nicht überlafjen, fo fann der an» 
dere Teil von dem Vertrage zurüdtreten. Auf Er: 
—— des Verwalters muß der andere Teil dem: 
elben ohne Verzug erklären, ob er von dem Ver: 
trage zurüdtreten will, — er das, ſo lommen 
die Beſtimmungen des 8.17 (}. oben, Abſ. 1) zur 
Anwendung. Hatte der Gemeinſchuldner einen von 
ihm vermieteten oder verpachteten Gegenftand dem 
ieter oder Pächter vor der Eröffnung bes Verfah— 
rend überlafjen, jo ift der Miet: oder Bachtvertrag 
auch der Konlursmaſſe gegenfiber wirlfam, (Eine 
Sonderbeitimmung enthält jedoch Abj. 2 des $. 21.) 
Die vom Konkursverwalter vorgenommene freiwil⸗ 
lige Veräußerung eines von dem Gemeinfhuloner 
vermieteten oder verpadteten Grundjtüdes wirft, 
jofern dad Grundftüd dem Mieter oder Pächter vor 
der Eröffnung des Verfahrens überlafjen war, auf 


152 


das Miet: oder Bahtverhältnis wie eine Zwangs⸗ 
verfteigerung. 
in in dem Haushalt, Wirtihaftsbetrieb oder 
Erwerbsgeſchäft des Gemeinſchuldners angetre: 
tenes Dienſtverhältnis kann nad $. 22 der Kon: 
fursorbnung von jedem Teil aufgelündigt werben, 
und zwar ijt auch bier, falls eine kürzere Friſt oder 
nähere Zeit nicht bedungen war, die gefeßliche Frift 
—— Kündigt der Verwalter, ſo iſt der an: 
dere Zeil berechtigt, Erfaß des ihm dur die Auf: 
bebung des Dienjtverhältnifjes entjtebenden Scha— 
dens zu verlangen. Der Fall, daß der Gemeinſchuld— 
ner in einem Dienftverhältnifje fteht, wird dur 
die ermäbnte Vorſchrift nicht berührt. Die $$. 23, 
24 und 27 bezieben fih auf Auftragsverbältnijie, 
Dienft: und Werfvertrag und auf den Fall der 
Sicherung von Anſprüchen durch Vormerkung im 
Grundbuch. Soweit rückſichtlich einzelner, durch die 
SS 18—24 nicht betroffener Rechtsverhältniſſe das 
ürgerliche Recht befondere Beitimmungen über die 
Wirkung der Eröffnung des Konkursverfahrens ent: 
bält, fommen bieje Bektmmun en zur Anwendung. 

In $. 26 wird bejtimmt, daß in ſolchen Fällen, 
in melden infolge der Konturseröffnung eine Ver: 
bindlichkeit des Gemeinſchuldners nicht erfüllt oder 
ein Nechtöverbältnig aufgehoben wird, der andere 
Zeil nicht berechtigt ift, mit Rüdjicht darauf zu ver: 
langen, daß ihm nun auch zurüdgegeben werde, 
was er geleijtet bat, ſondern daß er — nicht ein 
Anſpruch auf Abgeſonderte Befriedigung (ſ. d.) 
beſteht, nur ſeine Forderung wegen Nichterfüllung 
als Konkursgläubiger geltend mächen kann. 

Wird eine nach 705 des Bürgerl. Geſetzbuchs 
eingegangene Geſellſchaft durch die Eröffnung des 
Konkursverfahrens über das Vermögen eines Ge: 
fellihafters aufgelöjt, fo ift der geihäftsführende 
Gejellihafter in Anfebung der Anſprüche, welche 
ihm aus der einftweiligen Fortführung der Ge: 
ſchäfte nad 8.728, Saß 2, des Bürgerl. Geſeßzbuchs 
zuſtehen, aflegläubiger, in Antehung der ibm 
nah $. 729 des Bürgerl. Geſeßzbuchs zuftehenden 
Anſpruche Kontursgläubiger ($. 28). 

Pb rt — . Eid. 

Erfüllungsort, Leiſtungsort (Bürgerl, Ge: 
I. $. 269), der Ort, an welchem eine geſchuldete 

eiftung von dem Berpflichteten zu erfüllen ift, und 
wo andererjeitö der Berechtigte die Erfüllung for: 
bern kann. Der E. lommt hauptſächlich bei Schuld— 
verbältnijjen (Obligationen) in Betracht, jei es daß 
diefelben durch Rechtsgeſchäft, durch unerlaubte 
Handlung oder durch Gejek begründet find, Aber 
auch für dinglibe Anfprüde (ſ. d. und Bürgerl. 
Geſetzb. $. 194) iſt er zu beftimmen, Bei Schulpver: 
ältniffen aus Verträgen bat der E. nod eine be: 
ondere prozefjuale Bedeutung. Nach 5 29 der 
eutihen Civilprozeßordnung ift für Klagen auf 
——— oder Aufhebung eines Vertrags ſowie 
auf Entihädigung wegen Nichterfüllung oder nicht 
eböriger Erfüllung, ferner für Klagen auf delt: 
ellung des Bejtebens oder Nichtbeſtehens eines 
ertragd das Gericht des €. zuftändig. Bejtimmt 
fi der E. durch andere Umſtände ala den Wobnort 
des Schuldners, fo lann, obwohl der Schuloner 
—— Wohnſitz im Bezirk des E. nicht bat, doch 
eim Gericht des E. gellagt werden. Iſt der E. der: 
felbe wie der Wohnort des Schuldners zur Zeit des 
Vertragsſchluſſes, jo bleibt der Gerichtsſtand des 
€. bejteben, wenngleich der Schuloner, bevor er ver: 
Hagt wurde, diejen Wohnfis aufgegeben bat. In 


Erfüllungseid — Erfüllungsort 


allen Fällen kann am E. gellagt werden, aub wenn 
der Schuldner fi in dem Bezirk des Gerichts nicht 
aufbält. Der E. bat dann noch befondere Bedeutung 
für das Erfüllungsangebot des Verpflichteten. Da 
der Berechtigte die fhuldige Leiftung nur dann an- 
zunehmen braudt, wenn fie ihm am E. angeboten 
wird, fo wird er durch Jurüdmweijung derſelben, weil 
fie ibm am unredten Ort angeboten worden jei, 
nicht in Annabmeverzug (ſ. Berzug) gejest (Deut: 
ſches Bürgerl. Geſetzb. — 293). 

Bei Verpflichtungen, welche durch Rechtsgeſchäft 
(Bertrag, lehßtwillige Verfügung, einſeitiges Ber: 
fprechen) begründet find, fann der E. dadurch ge 
Ar fein, dab das mahgebende Rechtsgeſchäft 

eftimmt, wo der Vertrag zu erfüllen, » . eine 
bejtellte Maſchine zu übergeben, eine Geldzahlung 
zu leijten ſei. * den Geſchäftsverkehr iſt wohl zu 

emerlen, daß Erfüllung durch Übergabe und 
Ablieferung (ſ. d.) verſchiedene Dinge ſind. Die 
Übergabe kann bei einem Diftanztaut (j. d.) durd 
Klee auf die Eiſenbahn jegn, jo daß ber 
Aufgabeort €. ift, während die Ablieferung am 
agni des Empfängers erfolgt. Auch aus dem 
Umjtand allein, daß der Schuloner die Transport: 
En übernommen hat, der Preis Cif (j.d.) am 
Ablieferungdort beftimmt ift, iſt noch nicht zu ent: 
nehmen, daß der Ort, nach welchem die Berjendung 
zu erfolgen bat (Ablieferungd:, Bejtimmungsort), 
der €, jein ſoll (Bürgerl. Gejebb. 8.269). Wo es an 
ausdrüdlicher Verabredung des €. fehlt, kann vie 
fer durch die Natur der Leijtung gegeben jein; jo 
iſt eine beitimmte bewegliche Sache da zu übergeben, 
wo fie ſich mit Wiffen der Kontrabenten zur Zeit 
des Vertragsabichlufjes befindet, ein Grundjtüd da, 
mo es liegt, vor dem zuftändigen Gericht et en, 
eine Hypothel oder Grundſchuld da zu zahlen, mo 
fie zu löfchen ift; ein Wechſel oder ein anderes in: 
dofjables oder auf den Inhaber lautendes Papier 
ijt dem Schuldner zur Zahlung zu präfentieren. 

Mird der E. nicht ausprüdlich verabredet, auch 
nicht durch die Natur der Leiftung bejtimmt, jo haben 
die Gefeße fubfipiäre Beitimmungen über den €. 
getroffen. Die * ür Handelsgeſchäfte gelten: 
den befondern Borjhriften über den E. find ın das 
neue Handelägejesbudh vom 10. Mai 1897 nicht mit 
aufgenommen, jondern durch die Beftimmungen bes 
Bürgerl. Geſetßzbuchs erſetzt worden. 

Das Bfterr. Bürgerl. Gefekbud ($$. 905, 1420) 
chreibt vor, wenn der Ort, wo eine vertraggmäßige 

erpflibtung erfüllt werden jolle, weder aus der 
Verabredung, noch aus der Natur oder dem Zwecke 
des Gefhäfts zu bejtimmen ſei, jo jollten unbemweg- 
lihe Sachen an dem Orte, wo fie liegen, bewegliche 
Sadıen an dem Drte, mo das Verſprechen gemacht 
worden fei, übergeben werden. Nicht vertrags- 
mäßige ungen dagegen ift der Schuldner nur 
am Orte Jeined Wohnſißes abzuführen ſchuldig. Für 
— — gilt in Oſterreich nod Art. 325 des 
Handelsgeſeßbuchs von 1861, wonach im Zmeifel 
G. der Ort ift, wo der Verpflichtete zur Zeit des 
— ——————— ſeine Handelsniederlaſſung oder in 
Ermangelung einer ſolchen feinen Wohnſiß hatte. 

Nach dem Code civil (Art. 1247) muß die Zab: 
lung an dem im Bertrage bejtimmten Orte geſchehen 
oder in —— eines ſolchen, falls es ſich um 
eine gewiſſe genau bezeichnete Sache handelt, da, 
wo ſich dieſe Sache zur Zeit der Entſtehung der Ver— 
bindlichkeit befand. Liegt kleiner von beiden Fällen 
vor, fo ijt E. der Wohnjig des Schuldners, 


Erfüllungsfurrogate — Erfüllungszeit 


Das Deutſche Bürgerl. Geſetzbuch enthält in 
ven $$.269 und 270 über den €. bei Dbliga- 
tionen die nachfolgenden Vorſchriften: Iſt ein 
€. weder beftimmt noch aus den Umftänden, ins— 
beiondere aus der Natur des Schuldverbältnifjes 
zu entnebmen, fo ift E. der Ort, wo der Schulbner 
— — Zeit der Entſtehung des Schuldverhältniſſes 

en Wohnſitz hatte. Iſt die Verbindlichkeit im 
Gewerbebetrieb des Schuldners entſtanden, tritt, 
wenn der Schuldner ſeine gewerbliche Niederlaſſung 
an einem andern Orte hatte, der Ort der Nieder: 
lajjiung an die Stelle des Wohnſibes Daraus 

ein, daß der — die Koſten der Verſen— 
dung übernommen bat, iſt nicht zu entnehmen, da 
der ‚ nad mweldem die Verjendung zu erfol- 
gen bat, der Leiftungsort fein ſoll. Geld — der 

Schuldner zwar im Zweifel auf ſeine Gefahr und 

ſeine Koſten dem Gläubiger an deſſen Wohnſitz zu 

übermitteln oder, iſt die Forderung im Gewerbe: 
betrieb des Gläubiger entftanden, an ben Ort feiner 

— Niederlaſſung, aber der E. iſt darum 

ein anderer als der, der id aus obigen Vorſchriften 

ergiebt. Erhöben jic infolge einer nach Entftehung 
des Schuldverbältnijjes eintretenden Sinderung bes 

Bobnfiges oder der gewerblichen Niederlafjung des 

Gläubiger die Koſten oder die Gefahr der fiber: 

mittelung, jo bat der Gläubiger im erſtern Falle die 

Mebrloften, im legtern die Gefahr zu tragen. Im 

Einführungsgejek Art. 92 ift jedoch die weitere Gel: 

—— eſeßlichen Vorſchriften vorbehalten, 

nach welchen — aus Öffentlichen Kaſſen an 

der Kaffe in Empfang zu nehmen find. Solde Vor: 

—— enthalten faſt alle —— zum 

gerl. Geſetzbuch (z. B. das Preuß. vom 20. Sept. 
1899 in Art. 11). 

Bei gegenfeitigen Verträgen können die Regeln 
über den E. dahin führen, daß jede Bartei an einem 
andern Orte zu erfüllen bat, daß demzufolge eine 
Partei mit der Erfüllung vorangehen muß, ohne 
unmittelbar darauf die Gegenleiftung zu erhalten, 

Rad) einer weitverbreiteten Anſicht ift das Necht 
dei E. aud maßgebend für die Gültigkeit und den 
Inhalt der vertragsmäßigen Verpflichtungen. 

ungdfurrogäte, melde den Schuldner 

ebenfo befreien wie bie Erfüllung (f. d.), und dem 
Gläubiger den Wert der Erfüllung oder die Mög: 
liheit gewähren ſich zu befriedigen, find die An- 
e an Zablungsitatt und Depofition ( d.). 
ungöverfprechen oder Zahlungs: 
verſprechen haben einige Rechtslehrer das röm. 
Constitutum debiti (f. d.) genannt, indem fie deſſen 
beutige Gültigteit behaupten. Doc j diefe Anficht 
nicht allgemein angenommen, wennjchon die Klag: 
barteit eines unter Anerfennung einer bejtehenden 
Schuld abgegebenen E. allgemein zugeftanden wird. 

Erfällungdzeit, die Zeit, zu welcher eine ge: 
ſchuldete Leitung erfüllt werden muß und erfüllt 
werden barf. St die E. in dem maßgebenden Rechts: 
aeibäft nicht beftimmt und ergiebt ſich dieſelbe 
aud nicht aus den Umjtänden, jo kann der Gläu— 
biger die Erfüllung fofort verlangen, der Schuldner 
fe fofort bewirten. Natürlid muß dem Schuldner 
die * elaſſen werden, welche zur Herſtellung oder 

—5*— der Leiſtung erforderlich iſt, wenn 
olche allgemein nicht jojert bewirkt werden kann. 


dem Diterr. Bürgerl. Geſetzbuch kann vor Ab: 
lauf der beitimmten ER der Ehulpner dem Gläu⸗ 
t aufdrängen ($. 1413); im 


iger die Leiftung ni i 
—— par die E. durh Mahnung («Eins 


153 


a ») bejtimmt, jet nichts Beſonderes ver: 
einbart ih 1% 1417). — Nach dem Deutichen Bürgerl. 
Geſetzbuch ($. 271) ift, wenn eine Zeit beftimmt ift, 
im Zweifel anzunehmen, daß der Gläubiger die Leis 
fund nicht von diefer Beit verlangen, der Schuldner 
fie aber vorber bewirken lann. Die E. lann auf ver 
chiedene Art beftimmt fein, durch Angabe eines 
eiten Kalendertags, Anfang, Mitte oder Ende eines 
onats, Angabe einer Frift (nah Monaten oder 
Tagen), im Verhältnis zu einem andern Greignis 
(auf Kündigung, nad Sicht). Wie event. der präcife 
Erfüllungstag zu bejtimmen ift, darüber bat das 
Bürgerl. Geſetb. S 187 — 193 Auslegungsregeln 
aufgeftellt, die auch für Handelsgeſchäfte gelten, für 
welche in Öfterreich jetzt noch die inbaltli übrigens 
mit dem Deutfchen Bürgerl. Gefepbud nahezu voll: 
ſtändig übereinjtimmenden Art. 328— 333 des 
Handelsgeſetßzbuchs von 1861 gelten. Iſt als Zeit der 
Leiftung das Frühjahr oder der Herbit oder ein in 
ähnlicher Weile a eitpunft vereinbart, fo 
entfcheidet bei Handelägeihäften im Ameifel der 
Handelsgebrauch des —— ſsortes. Iſt eine Friſt 
von acht Tagen vereinbart, ſo ſind hierunter bei 
Handelsgeſchäften im Zmeifel volle acht Tage zu 
—— Endlich kann bei Handelsgeſchäften die 
Leiſtung nur während der gewöhnlichen Geſchäfts— 
zeit bewirkt und gefordert werben (Handelsgeſeßbuch 
von 1897, $$.358 u. 359). Bezablt der Schuloner 
eine unverzinsliche Schuld vor der Fälligkeit, fo ift 
er leineswegs berechtigt, Zwiſchenzinſen en 
rium, Diskont) abzuziehen, wenn ibm das vom 
Gläubiger oder durch Handelägebraud nicht bemil- 
ligt ift (Bürgerl. Gefebb. $. 272). Iſt für die Erfül- 
lung eine Zeit nad dem Kalender beftimmt, fo 
fommt der Shuloner bei Bringſchulden (f. d.) ohne 
Mabnung in Verzug (f. d.), wenn er nicht zu der 
bejtimmten Zeit leiftet (Bürgerl. Geſeßb. $. 284). 
Im übrigen bat die Feſtſtellung einer bejtimmten 
€. eine verſchiedene Wirkung nad der Bedeutung, 
welde die E. für das Intereſſe der Bartei bat. & 
die Leiftung zu einer bejtimmten Zeit jo weſentlich, 
daß eine jpätere Leiftung gar kein Intereſſe für den 
Gläubiger mehr bat, wie das mit Saifonartiteln 
der all ift, fo braucht der Gläubiger auch nad 
Ablauf der Zeit die Leiftung nicht mehr anzu: 
nebmen; und läßt fih nad Ablauf der E. die Lei— 
—— nicht mehr beſchaffen, fo kann auch 
der Gläubiger die engl nicht geforderte Natural: 
erfüllung nah Ablauf der E. nit mehr bean: 
pruchen — beides unbeſchadet des Rechts, das 
nterefje zu fordern, meil nicht rechtzeitig aeleiftet 
(oder abgenommen) ift. Iſt in einem gegenfeitigen 
Vertrag vereinbart, daß der eine Teil genau Mi 
einer feitbeitimmten Zeit leiften foll, liegt alſo 
ein Firgeibäft (ſ. d.) vor, fo hat nad Bürgerl. 
Gefepb. $. 361 im Zweifel der andere Teil ein Nüd» 
trittörecht, wenn die Leitung nicht je beitimmten 
Zeit erfolgt; er braucht nicht, wie jonit ($. 326), 
erft eine Nachfrijt zu gemäbren; der Schuloner kann 
ihm für Erllärung darüber, ob er zurüdtreten oder 
nadträglib Erfüllung wolle, ſeinerſeits eine Frift 
ſetzen (8.355). Anderes gilt nad $.376 des Handel: 
geſetzbuchs von 1897 bei Handeläfäufen und was 
ihnen gleichjtebt, wenn fie Firgeibäfte find. Bei 
ihnen tft regelmäßige Abſicht, namentlich bei ihrer 
bäufigften Art, den Geſchäften über Waren mit 
Markt: oder Börfenpreis, dab verſpätete Erfüllung 
ausgeſchloſſen fein joll. Daber die Vorſchrift, daß, 
wenn der Gläubiger nachträgliche Erfüllung will, 


154 


er dies dem Schulpner unverzüglich mitzuteilen babe. 
Andererieits ift bei Handelskaͤufen das Nüdtrittö: 
recht nicht mebr wie bisher, von einem Verzug der 
Gegenpartei abhängig, mie das ja aud nicht nad 
dem Bürgerl. Gejegbud der Fall iſt. Will der Käu— 
fer ftatt der Erfüllung Schadenerſatz megen Nicht: 
erfüllung fordern, was nur bei Verzug des Schuld⸗ 
ners aulaffe ijt, fo darf er ohne weitere Begrün: 
dung die Differenz zwiſchen dem (niebrigern) Kauf: 
preije und dem (böbern) Markt: oder Börfenpreije 
ur Zeit und am Orte der gejchuldeten Lieferung 
—— (og. abſtralte Schadenberehnung). Even: 
tuell darf er aber auch einen höhern Schaden for: 
dern (ſog. fontrete Schadenberehnung). fann 
nämlich, weil der Verkäufer nicht rechtzeitig lieferte, 
anderweit kaufen (jog. Dedungstauf). Das Ergeb: 
nis diejes Kaufs — falls die Ware einen Börſen⸗ 
oder Marktpreis hat, dem —— u Grunde 
elegt werden, wenn der Kauf unverzüglich nach Ab⸗ 
auf der E. bewirkt iſt. Entſprechend hat der Ver: 
das Recht des Realifationsverlaufs, um da: 
nah den Schadenerjag wegen Nichterfüllung zu be: 
mejjen Gandelsgeſetzbuch von 1897, $. 376). 

Die E. kann endlich in unbeftimmten Ausdrücken 
bezeichnet fein, wie «ſobald als thunlid», «ſobald 
ih vermag» u. ſ. w. In diefem Fall ift bei Streit 
die genauere E. vom Richter nah den Umjtänden 
zu bemejjen. 

Wichtig ift, Daß nad der neuen Civilprozekorb: 
nung vom 20. Mai 1898 ($$. 257—259) vor Ein: 
tritt der E. auf künftige Zeiftung geklagt, werden 
fann, wenn bie Öeltendmadhung einer nicht von 
einer Öegenleiftung abhängigen Geldforberung oder 
eines Raͤumungsanſpruches an den Eintritt eines 
Ralendertages geknüpft ift, ferner bei wiederlehren⸗ 
den Leitungen, endlich allgemein, wenn die Be: 
jorgnis gerechtfertigt iit, daß fi der Schuldner 
der rechtzeitigen Leijtung entziehen werde. 

‚Erfurt. 1) Regierungsbezirk der preuß. Pro: 
vinz Sachſen (f. Karte: Königreih Sadjen, 

rovinz Sachſen u. f. w., beim Artifel Sachſen, 

onigreich), umfaßt Teile des frübern Erzbistums 
Mainz und Kurſachſens, das Fürſtentum Eichsfeld 
(j.d.) und die Reichsſtadt Mühlbaujen, grenzt im N. 
an Braunjhmeig, im ©. an die thüring. Füxſten⸗ 
tümer, iſt zum Teil jebr fruchtbar, zum Teil raub und 
öde (oberes Eichsfeld), zum Teil ſehr gebirgig und 
waldreich (Entlaven &hleufin jen und Ziegenrüd), 
bat Ader: und Gartenbau, Saljbergwert und Eijen: 
gruben. Der Regierungsbgzirt umfaßt 12 Kreije: 












* bs “ » 
Kreife F FF 5* 253 
mE um 53267 532 








1434| 474 & 






Norbhauien® . 


Grafſch. Hohen 

J 6,19) 44431 1069| 192] 47726 
Worbis. . . . | 446,83] 40204 30941 3) 41480 

eiligenftabt . | 433,84] 39191 35821) 64| 4109 

3 baujen® „| 64,29] 33428 1769| 216] 34359 
Müplbauien 395,25| 34666 14867] — | 35873 
Langenfalza 418,62| 37636 504] 13) 38803 
Weiheniee . . | 291,77| 24922 556) 11) 25613 
Edun® „.. 44,68| 85202 10672| 782] 98847 
Erfurt . . . „| 280,25] 33116 3462 8 34770 
Biegenrüd . 200,14) 17400 161] — | 18214 
Scleufingen .| 458,04| 477261 47066 406| 215] 51236 


Eumme 3531,61|466 419] 361 666101 662|1978| 497 897 


Der Regierungäbezirt hat 3531,61 qkm und 
(1900) 466419 E., darunter 2471 Militärperjonen, 
23 Städte mit 473,47 qkm, 223851 E., 407 Land: 


Erfurt 


gemeinden und 155 Gutäbezirfe mit 3056,76 qkm, 
242568 E., ferner 62480 bewohnte Wohnbäufer, 
104181 Haushaltungen und 890 Anftalten für ge: 
meinjamen Aufenthalt. Dem Religionsbelenntnis 
nad waren 361666 Evangeliſche, 101662 Katbo: 
lifen, 1071 andere Ebrijten und 1978 Jsraeliten. 
1905 wurden 497897 E. gezäblt. 

Der Regierungsbezirk zerfällt in 4 Reichdtag:: 
mabltreife: Nordhauſen 1906: Abgeordneter Dr. 
Miemer, Freifinnige Voltspartei); Heiligenjtadt: 
Worbis (von Strombed, Centrum); Müblhaujen: 
Langenjalza (Eidhoff, Freifinnige Volkspartei); 
Erfurt:Schleufingen-Ztegenrüd (Hagemann, natio: 
nalliberal). — 2) Landkreis im Reg.:Bez. E. (f. vor: 
ftehende Tabelle). — 3) Stadtkreis (44,63 qkm) 
und Hauptitadt des Kea.- 
Bez. E., an der Gera, die 
die Stadt von SW. nad 
NO. in drei Armen durch— 
fließt, liegt in 200 m Höbe in 
dem Vorlande des Thürin: 
ger Waldes, wird ſüdlich von 
ben Den des Eteiger: 
waldes begrenzt und batte 
1880: 53254, 1885: 58380, 
1890: 72360, 1895: 78174, 1900: 85202 E. dar: 
unter 10672 Katholilen und 782 Söraeliten, ein: 
fchließlih der 1905 einverleibten Orte Alt: und 
Neudaberſtedt 86 702, (1905) 98847 E. In Gami: 
j liegen Stab, 2. und 3. Bataillon des 3. Tbüring. 





nfanterieregiments3 Nr. 71 und das 1, Tbüriny. 

eldartillerieregiment Nr. 19. Die Zabl der Ge: 
burten betrug 1899: 2626, die der Eheſchließun— 
gen 200, der Todesfälle (einſchließlich Totgeburten) 
1524, 
Anlage, Straßen, Brüden, Plätze. Die 
Stadt, bis 1873 eine bedeutende Feitung, von der 
ein Teil der Citadelle Petersberg und die Gafematten 
der Cyrialsburg noch vollftändig erhalten find, zeigt 
im Innern troß zablreiher Neubauten noch immer 
den Eharafter einer altertümlichen Stadt ; bejonders 
am — Friedrich-⸗Wilhelms⸗Platz, Wenigen 
Markt und in den engen Straßen am ehemaligen 
Augujtinerklojter finden ji zahlreiche interejjante 
Bauten aus der Nenaijjancgzeit. Von den zabl: 
reihen Brüden ift die Krämerbrüde bemerlens— 
wert, bis 1325 in Holz, fpäter in Stein erbaut; 
fie trägt zwei Reiben de bis dreiftödiger Häujer 
mit Läden. Bon den Kirchen an ihren beiden Enden 
iſt nur die jeßt weltlihen Zweden dienende Ägidien: 
tirhe am Menigen Markt erhalten, während die 
Benediktitirhe dem Bau einer neuen Brüde zum 
Dpfer gefallen ift. Neue ſchöne Brüden führen 
über den Umflutgraben, der unter Benugung des 
ebemaligen Feitungsgrabens zur Bejeitigung der 
Sehwalleradahr angelegt iſt. Mittelpuntt des Ber: 
tebrs ijt der Anger, eine ſchöne Straße mit Baunı: 
reiben, ferner die Johannes-, Schlöjjer:, Martt:, 
Bahnhofs: und Löberitraße; jhöne neue Straßen 
find die Wilhelms, Schiller:, Bismard: und Steiger: 
jtraße fowie der Dalbergäweg. Am Norbende des 
Angers das Lutherdentmal "1890. von F. Schau: 
per); am Sudende ein Monumentalbrunnen, von 
Stöhardt; auf dem Friedrih: Wilhelms: Pla ein 
Obelist, 1770 um Andenten an den Mainzer ur: 
fürjten Friedrich Karl errichtet; auf dem Hirjchgarten 
genannten Blake ein Dentmal für 1866 und 1870/71; 
auf dem durch Zufchüttung der Gera vergrößerten 
Reihartöplage ein Standbild des ehemaligen Bür 


Erfurt 


ermeifters Neichart und ein Neiterftanpbild Kaiſer 
Flbelms IL. (von Brunom:Berlin, 1900). _, 
Gebäude. E. hat 9 evang. und 9 kath. Kirchen. 
Bon den erjtern find bemerkenswertdiegot. Prediger: 
Ihe (1228), mit einem ſchönen Schnigaltar von 
Boblgemutb (1460—70), Kunjtwerten und Dent: 
nälern, die got. Barfüßerlirche, nach dem Einſturz 
1838 auf Staatäkoften mwiederhergejtellt und 1850 
eneuert;, die Reglerlirche, ehemals dem um 1135 
ründeten Klojter der Regulierten Chorberren ge: 
drig, jeit 1850 wiederhergeitellt und in Benußung, 
nit einem Altar von Woblgemutb; von den fatho: 
läichen: der Dom St. Marien, auf einer Anböbe 
jübmweitlih am Friedrih: Wilhelms: Plas, mit breiter 
Freitreppe (die Graben), an Stelle eines 1158 ge: 
gründeten Baues in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. 
errichtet, der Chor, 1349—72 im edelſten got. Stil 
vollendet, rubt auf einem gewaltigen Unterbau (den 
fog. Kavaten, cavatae), das Langhaus wurde 
1456— 72 al3 jpätgot. dreiſchiffige Hallentirche um: 
ebaut; am Norbportal eine reihgejhmüdte Vor: 
Kal (1358); im Innern ein Relief von P. Viſcher, 
nung der heiligen Jungfrau, ein Olbild (1499), 
den großen Chriſtoph daritellend, darunter der Grab: 
ftein (13. Jahrh.) eines Grafen von Gleihen mit 
feinen beiden Frauen, Kanzel und Orgelbühne nad 
Schinlels Entwurf, gejhnigte&horjtühle (15. Jahrh.), 
ein metallener Leuchter (11. bis 12. Jahrh.), die 
Figur eines Betenden darftellend, Glasmalereien 
(14. Jabrb.) und ſchoner pe Kreuzgang. Die Dom: 
türme, im Übergangsftil des 13. Jahrh., enthalten 
10 Gloden, darunter die große Gloriosa, das Wahr: 
zeichen der Stabt, 275 Etr. ſchwer. Der Dom wurde 
1845— 70 durchweg reftauriert und durch ein großes 
Nadonnenbild in Moſaik auf Goldgrund (von Sal: 
viati) am weſtl. Giebel geziert. Im NW., dicht 
neben dem Dom, gleichfalls auf der Höbe, jtebt die 
lath. Severilirche da. Sabrb.) mit drei jpiken Tür: 
men, 1878 rejtauriert, mit Altarreliefö (14. Jabrb.), 
einer heil, Michael: (1472) und einer Madonnaſtatue 
über dem Taufſtein (15. Jahrh.). Die ältejte Kirche 
iſt die Schottentirche, eine Pfeilerbaſilika (12. Jahrh.) 
mit got. Veränderungen. Die evang. Thomaskirche 
ift im ©. der Stadt neu errichtet worden. Von den 
ige Klöjtern befteht nur noch das Urjuliner: 
fter, jest Erziehungsanftalt für Mädchen. Das 
Auguitinertlofter, in welches Luther 17. Juni 1505 
als Mönd eintrat, dient jetzt teils ald Waifenhaus, 
teilö als Rettungsbaus je Erziehung verwahrloſter 
Kinder (Martinsitift); Erinnerungen an Luther da: 
rin wurden1872meift durch Feuer zerftört. DieKirche, 
1273 begonnen, mit Schiff (1432) ift in ibrer ur: 
fprünglichen Geftalt wieder * und war 1850 
Sis des Unionsparlamentd. Bon weltliden Ge: 
bäubden find zu nennen dad Rathaus am Fiſch— 
marft, an Stelle eines ältern Baues nad dem Ent: 
wurf von Baurat Tiede 1869—75 von Sommer er: 
baut, mit Bandgemälden aus ber Erfurter ®eichichte 
von Janſſen im Feitjaal, auf dem untern Flur die 
ibenjage in nbgemälden, auf dem obern 
de betreffend Luther Aufenthalt in E., in 
den Treppenaufgängen unten Bilder aus der Tann 
bäuferfage, oben aus ber Seuftfage, fämtlih von 
Rimpffer; gegenüber das Waltherihe Privathaus 
«Zum breiten Heerb» (16. Jabrb.) und die «Hohe 
lie» am Friebrih- Wilhelms: Plag; das Regie: 
tungsgebäude am Hirfhgarten, früher Wohnun 
dei Mainzer Statthalters, zulet Karl von Dal: 
bergä (f. d.) und 1808 Napoleons Wohnung, als er 


155 


bier die Fürſten um ſich verfammelte (f. unten, Ge: 
ſchichte), und der 1894 eröffnete Gentralbahnbof; an 
die ehemalige Univerfität (j. unten, Geſchichte) er: 
innert das Öroße Kolleg in der Micaelisftraße, mit 
prächtigem fpätgot. Bortal, jekt Realichule, 

Verwaltung und ftädtifhe Einrichtun— 
gen. Die Stadt wird verwaltet von einem Ober: 
bürgermeijter (Dr. Schmibt, jeit 1895, 12000 M.), 
Bürgermetfter (Lange, jeit 1892, 9000 M.), 15 Ma: 
giſtratsmitgliedern (8 bejoldet), 48 Stadtverord- 
neten und bat freimillige Turnerfeuerwebr mit 16 
Sprigen, ein bedeutendes ftäbtiihes Waſſerwerk 

90 km Rohrnetz), welches das Grundmwajler vom 

orfe Mehmar (21 km) und vom Gerathal bei 
Möbisburg nad den Hochbehaltern an der Eyrials: 
burg und im Steiger leitet. Die Ausdehnung der 
Kanäle beträgt 69800 m. Die 2 asanitalten 
(Siß der Direltion in Defjau) gaben 1897: 3,745 
Mill. cbm Gas ab, davon 711811 cbm zu techni: 
ſchen Zweden. | dem ſtädtiſchen —38— 
wurden 1899 geſchlachtet: 8455 Stüd Rindvieh, 
27701 Schweine, 22017 Kälber, Schafe und Ziegen 
und 239 Pferde. j 

dinanzen. Am 1. April 1900 betrug das Ver: 
mögen 18,5 Mill. M., die Schulden 8,5 Mill. M. 
Nah dem Gtat 1901 betrugen die Einnahmen 
3287000 M.,darunter 1906 400M. direlte, 2830800 
M. indirete Abgaben; die Ausgaben 3287000 M. 
gar Unterrihtöziwede wurden aufgewendet 675750 

., für öffentlihe Beleuchtung 67 170 M,, für Stra: 
benreinigung 52600 M., für Armenwejen 169 100 
M., für Kranlenanftalten 71450M. 

Behörden. E. ift Sitz der Lönigl. Bezirks: 
regierung, de3 Landratsamtes für den Landkreis 
E,, eines Landgericht3 (Oberlandesgeriht Naum: 
burg) mit 7 preuß. Amtögerihten (E., Zangen: 
alza, Mühlbaufen, Sömmerda, Tennſtedt, Tre: 

rt, Weißenjee) und 5 Schmwarzburg » Sonders: 

aufener Amtsgerichten (Arnjtadt, Ebeleben, Geb: 
ren, Greußen, Sondershauſen), eines Schwur: 
gerichts, Amtsgerichts, einer Oberpojtdireltion für 
den NReg.: Bez. E., den Kreis Schmallalden, das 
Großberzogtum Sachen, die Herzogtümer Sachſen⸗ 
Meiningen, Sahjen:Coburg:Gotba und die Fürjten: 
tümer Schwarzburg-Sonderöhaujen, Schwarzburg: 
Rudolſtadt und Reuß (6350 km oberirdiſcher Tele: 
erg mit 26 718 km Leitungen, einſchließ⸗ 
ih 5424 km Stadtfernſprechanlagen, und 528 
Verlehrsanſtalten), einer königlich preuß. Eifenbahn: 
bireltion, einer Generaljteuer:, Forſt- und Berg: 
infpeltion, eine3 Hauptjteueramtes, einer Reichs⸗ 
bantitelle, Handelslammer jowie Siß der Komman- 
dos der 38. Divifion, 76. und 83. Infanterie- und 
38. Feldartilleriebrigade, eines Artilleriedepots und 
Bezirlätommandos. 

Unterridht3s und Bildungswesen. €, hat 
ein tönigl. Oymnafium, hervorgegangen aus dem 
evang. Hatögumnafium (1561), reorganifiert 1820 
und ei 1896 in einem neuen Gebäude in der 
Schillerſtraße, Lönigl. Realgymnaſium, 1844 er: 
öffnet, ſtädtiſche Realſchule, private höhere Handels: 
fachſchule, föniglic evang. Lehrerjeminar (1820), 
fimultane Bid und landſtändiſche Taub: 
jtummenanftalt, 1822 dur die Loge gegründet 
und mit einer ortbildungsihule für erwachſene 
Taubſtumme beiberlei Gejchleht3 verbunden, 1 
ftäbtiihe und 2 private höhere Mädchenſchulen, 
Mittel:,5Bürgerihulen, 3evang. und 1fath. Volle: 
ſchule, Handwerler- und Kunftgemwerbe:, ftaatlidye 


156 


Baugemwerlen:, Landwirtſchaftsſchule, — für 
weibliche Handarbeiten, Seminar für Lehrerinnen, 
Mufitihule, Hebammenſchule, Lehranſtalt für Huf: 
beihlag. Mit der königl. Bibliothet (65000 Bände) 
ift zugleih verbunden die Amplonianiſche Hand: 
Ihriftenfammlung (Schriften big zum 9. Jahrh. zus 
rüd; vol. Schum, 1 Verzeichnis der Am: 
plonianiihen Handichriftenfammlung, Berl. 1887); 
im Martinsitift die ſog. Minifterialbibliothet, meift 
theol. Inhalts, mit vielen auf E. bezügliben Hand: 
hriften; im Rathaus das Stabtarhiv mit Hand: 
hriften und alten Druden, im Dom das Dom: 
archiv. Ferner bejteben Mufeen für Kunft und 
Kunjtgewerbe und für ſtädtiſche Altertümer, eine 
ethnogr. Sammlung, eine Akademie der Mifjen: 
ſchaften, Vereine für Gefhichte und Altertums: 
kunde, Kunft und Kunftgewerbe (mit Gemäldeauss 
jtellungen), KRonzertverein, Gewerbeverein u. a., 
eine fyreimaurerloge, ein ftädtijches Theater. Im 
Aug. 1896 wurde dad Muſeum — Alter: 
tümer und Trachten eröffnet, das feine Entjtehung 
dem Thüringer Waloverein in E. verbantt. 

MWobhlthätigleitsanftalten. Neues ftädti: 
— und fath. Kranlenhaus, Anſtalt für Behand: 
ung chroniſcher Krankheiten, Inftitut für Heilgym— 
naftit und Maflage, Kliniten für Augen, Obren: 
und Frauenkrankheiten, PBrovinzialentbindungsan- 
ftalt, Pflegeanftalt für kath. rauen, evang. und kath. 
Waiſenhaus. Die Stadt hatte Ende 1899: 8 Orts: 
frantentafjen (10607 Mitglieder, 216198 M. Ein: 
nabmen, 188112 M. Ausgaben, 125565 M. Ge: 
jamtvermögen), 17 Betrieb3:(Fabrik:)trantentafien 
(3349, 69426 M., 67403 M., 95224 M.), 6 In: 
nungsfrantenlafjen (1883, 36488 M., 29584 M., 
32252 M.). In der offenen Armenpflege wurden 
1899: 1263 Perſonen unterftüßt; die Selamtloften 
betrugen 194624 M., wozu die Stadt 149 760 M. 
uſchoß. In den evang. milden Stiften waren 189 
Deren untergebradt; die Koften betrugen 57 977 

. Die beiden Siehenhäufer beberbergten 142 
Berjonen und erforderten 27427 M. Die beiden 
Heilanftalten haben zujammen 450 Betten, 3 Ürzte 
und 5 Aſſiſtenzärzte. 

Industrie, Gewerbe und Handel. Bedeu: 
tend ijt die Herftellung von Damenmänteln (22 Fir: 
men) und die Scubfabrifation (25 Fabriten mit 
etwa 1500 Arbeitern); ferner befteben 4 Gijen: 
giehereien, 7 Webereien für Woll:, Baummoll: 
und Zeinenwaren, 18 Bud: und Steindrudereien, 
10 Brauereien, 15 Mabls, &l:, Graupen: und 
Schneidemühlen, 2 Kalt» und Ziegelbrennereien, 
1 Gerberei ſowie endlih Fabriten für Mafchinen, 
Dampfkeſſel, Centralbeizungsanlagen, Fahrräder, 
Yampen (4), Mal; (5), Gummimaren (3), Tabat 
und Cigarren (3), Muſilinſtrumente (2), chem. Brä: 
parate, fünjtliben Dünger, Leder, Seife (5), Stiefel: 
wichſe (3), Möbel (28), Leiften (2), Nudeln (5), 
Pojamenten (5) und Kartonnagen (3). Die königl. 
Gemwebrfabrit — t etwa 2600, die Betriebs⸗ 
werlſtätte der königl. Eifenbabndireltion etwa 550 
Arbeiter. Berühmt ift E. durd feinen Gartenbau, 
feine Kunſt- und Handelägärtnerei, Gemüſe- und 
Eämereibandel. Bon den 25 im größern Umfange 
betriebenen Kunſt⸗ und Handelögärtnereien beſchaf⸗ 
tigen mebrere, 3.8. %. €. Schmidt, gegen 500 Ber: 
jonen; 52 Gemüjegärtnereien (Blumentobl, Weiß: 
und Rotlohl, Brunnentrejje) verjenden ihre Erzeug: 
nifje nach allen Weltteilen, in den Sommermonaten 
werben wöchentlich 40—60 t Blumentohl, jährlich 


Erfurt 


bis 50000 Schod Brunnentrejjenbündel ausgeführt. 
(S. Dreienbrunnen.) Neben der Reichäbantitelle 
(Umfaß 1905: 1595 Mill. M.), der Handels- und ber 
Gemwerbetammer befteben Feuer:, Hagel: und Lebens: 
eg Fine «Thuringia» (1800000 M. Altientapi: 
tal), Altienbad⸗Geſellſchaft, Erfurter Bant (Bindert, 
Blanchart & Eo.), Neue Erfurter Borjhußbant, 
tatb. Spar: und Darlehnätafje St. Joſeph, Er: 
furter Spar: und Leihbant, 8 Generalagenturen aus: 
mwärtiger Verfiherungsgejellihaften und 14 Zweig: 
niederlafjungen auswärtiger Handelsgeſchäfte. Bei 
der ftädtiichen Spartafje (1823 gegründet) waren 
Ende 1899 auf 38573 Bücher 16398341 M. ein: 
gezahlt, bei ver Kreisſparlaſſe (1883 gene auf 
(Ende 1899) 6569 Bücher 3847366 M. m ſtaͤdti 
ſchen Leihhaus waren 1. April 1900: 12124 Pfänder 
mit 74714 M. belieben. €. ift Sitz der Thüringi— 
ſchen Baugewerts + Berufsgenofjenichaft und ibrer 
4. Seltion, fowie der 4. Seltion ber Norddeutſchen 
Edel: und Unedelmetallinduftrie: und der 13. Seltion 
der — — 
Verkehrsweſen. E. liegt an den Linien Halle— 
Bebra, E.:Sangerbaufen (70 km), E.Ritſchen— 
baufen (87 km), Nordhauſen-E. (79 km) und der 
Nebenlinie E.:Langenjalja (38 km) der Preuß. 
Staatöbahnen und hat eine Straßenbahn (feit 1894 
mit elettriihem Betrieb). KR \ 
E. bat ein Poſtamt eriter Klaſſe mit vier Zweig: 
ftellen, ein Telegrapbenamt erfter Klafje und ern: 
ſprecheinrichtung. 1899 kamen an (gingen ab) 
8616036 (15098824) Briefe, Poſtkarten, Drud: 
fahen und Warenproben, 603504 (930257) Palete 
ohne, 27532 (28531) Briefe und 7288 (5391) Ba: 
tete mit Wertangabe, 69743 Poftnahnabmeien: 
dungen und Boftauftragsbriefe. 32,106 Mil. M.mur: 
den auf Poſtanweiſungen aus:, 2,11 Mil. M. ein: 
geahlt; 3408258 Zeitungsnummern wurden aus: 
egeben. Der Telegrapbenvertebr umfaßte 219340 
elegramme, darunter 112503 abgegangene. 
Vergnügungsorte, Umgebung. Bon ben 
— en oͤffentlichen Garten der Stadt ſind die 
beſuchteſten Vogelsgarten, die Flora und der Ste: 
gergarten. Die Umgebung ift befonders nad Ci: 
den fehr anmutig durch den Steigerwald, deſſen 
Reftaurant3 und fchöne Promenadenwege viel be: 
jucht werden. Dabei auf der ehemaligen Napoleont: 
höhe ein Denkmal (1868) Friedrich Wilhelms IL 
von Preußen und im Auguſtapark ein Denkmal der 
Kaiferin Augufta. Auf dem Hochplateau ſüdlich von 
E. wurde 1901 eine Bismardfäule errichtet. Im N. 
ftößt an E. das Dorf Ilversgehofen (j. d.), dabei 
ein Steinſalzbergwerk mit 400 m tiefem Schadt. 
Geſchichte. iſt eine uralte german. oder ſlaw. 
Gründung und wurde bald ein bedeutender Aus: 
taufchplag zwiſchen fränt. und flaw. Waren. Das 
741 von Bonifatius gegründete Bistum gi jedoch 
bald wieder ein. Es ſcheint mit dem zu Mainz ver: 
einigt worden zu fein, denn die Mainzer Erzbiihöfe 
treten bald Adel He ala Herren in E. auf. Karld. Gr. 
erhob E. 805 zu einem der Stapelpläge für bie 
Slawen. Genauere Nahridhten beginnen erſt mit 
dem 13. Jahrh., als ein faft felbftändiger Rat ent: 
ftand, der die frühern mainzifhen Beamten ganz 
aus der Verwaltung verbrängte. Seitdem nahm die 
Stadt einen großen —— und wurde Mittel⸗ 
punkt des Handels von ganz Thüringen. Mit den 
benachbarten Fürften, namentlich mit den Landgrafen 
und fpätern Herzögen von Sachſen kam es zu hefti— 
gen und lange dauernden Fehden, während deren E. 


Erfurter Kongreß — Ergänzungsgefhworene, Ergänzungsrichter u. j. w. 


teimal belagert wurde. Allein der Rat ging fieg: 
rib aus allen Kämpfen bervor. Die höchſte Blüte 
fält in da& Ende des 14. und den Anfang des 
15. Jahrh. E. beſaß ehemals eine Univerjität, die, 
1392 gegründet, fi bervortbat als ©ik des Hu: 
manismus; fie litt jehr durch die Neformations: 
kriege. Die Erſtarlung der landesherrlichen Macht 
der Herzöge von Sachſen führte — einen 
Stillſtand in der Ausdehnung des Gebietes berbei, 
und die fibergriffe der ſächſ. Beamten veranlaßten 
sablloje Klagen und Gegenllagen, in deren dei 
der Etadt oft genug die Straßen m. Sachſens 
geſperrt wurden. Als 1480 der Wettiner Albrecht 
erzbiihöfl. Statthalter in E. werden ſollte, ließ der 
Rat ibn nicht ein, worauf der Kurfürft von Sachſen 
die Stadt jo bedrängte, daß fie ſich 1483 zu einem 
Schutzvertrage entſchließen mußte und zur jähr: 
liben Bezahlung von 1500 Gülden. 1509 und 1510 
fanden infolge der Verſchwendung des Rats durch 
—— e ——— Aufſtände des Volks ſtatt. Erſt 
nach der Mitte des 17. Jahrh. gelang es Kurmainz, 
ſeine Anſprüche auf E. volllommen geltend zu 
machen; mit Hilfe von franz. und Reichsexelutions⸗ 
truppen wurde die Stabt durch Kurfürſt Johann 
Philipp von Mainz 1664 genommen, Sachſen aber 
verzichtete auf feine Schußgeredtigleit. Seitdem 
blieb €. ein unbeftrittenes Befistum der Rurfürften 
von Mainz, die es zugleich mit dem Eichsfeld (. d.) 
durch Statthalter regieren ließen, bis es 1802 nebit 
jenem an Preußen fam. Nach der Schlacht bei Jena 
ging €. durh Kapitulation 16. Oft. 1806 an die 
Franzoſen über und blieb unmittelbar unter franz. 
Herrſchaft, wäbrend das Eichsfeld nachher zu Weit: 
falen geihlagen wurde. Bom 27. Sept. bis 14. Dit. 
1808 fand in E. eine Zufammentunft Napoleons 
mit dem Kaijer Alerander I. von Rußland ftatt, 
der jog. Erfurter Kongreß, bei welchem auch die 
Könige von Sachſen, Bayern, Württemberg und 
Ättalen. Vertreter Öfterreih3 und Preußens, der 
Fürſt-Primas und viele andere Große erſchienen. 
In dem Bertrage vom 12. Dit. wurde das Tilfiter 
ündnis zwischen Frankreich und Rußland erneuert. 
Im ir 1814 ergab fich die Stadt an die Preußen; 
die Citadelle erjt im Mai deöfelben Jahres. In— 
folge des Wiener Kongreſſes fam €, nebjt feinem 
Gebiete (770 qkun mit etwa 45000 E.), von dem 
jedoch etwa die Hälfte an Weimar abgetreten warb, 
und dem Eichöfelde wieder unter preuß. Hobeit und 
wurde 1815 Siß einer Regierung. 1816 wurde bie 
Univerfität aufgehoben. Im Frühjahr 1850 tagte 
in der Kirche des Augujtinerllofterd das Erfurter 
Barlament (f.d.). Seit der Aufhebung der Feitung 
(1873) und der Niederlegung der Feſtungswerlke 
bat ji die Stadt außerordentlich fchnell entwidelt. 
—* fand eine thüring. Gewerbeausſtellung in 


ſlatt. 
‚Bol. Fallenſtein, — und erfurtiſche Chro⸗ 
nila (5 Tle. Gotha 1749); Dominikus, E. und das 
Erfurter Gebiet (2Tle. ebd. 1798); Conſt. Beyer, Neue 
Ehronif von E. (Erf. 1822— 23); Schorn, liber alt⸗ 
deutibe Skulptur, mit befonderer Rüdfiht auf €. 
(ebd. 1839); Buttrid, Dentmale der Baulunſt des 
Mittelalter8 in Sachſen, Abteil. 2, Heft 14— 16 
(%;. 1846); Konrad Stolles thuringiſch⸗ erfurtiſche 
Ehronif (ba. von Thiele in den «Geihichtsquellen 
der Provinz Sachſen und angrenzender Gebieten, 
32,39, Halle 1900); E. Herrmann, Bibliotheca Er- 
fartina (Grf. 1863); von Tettau, E. in feiner Ber: 
gangenheit und Gegenwart (ebd. 1868; 2. Aufl. 


157 


1880); derf., Die Stadt E. und der Erfurter Lan: 
freis (in der «Beichreibenden Daritellung der ältern 
Bau: und Kunjtventmäler der Brovinz Sadjen», 
Heft 13, Halle 1890) ; Lambert, Die ältere Gefchichte 
und Verfafjung der Stabt E, (ebd. 1868); Kirchbofi, 
Die MWeistümer der Stadt €. (ebd. 1870); derj., E. 
im 13. Sehrı, (Berl. 1870); Gejhichtäquellen der 
Provinz Sachſen und angrenzender Gebiete (Bd. 1: 
«Erfurter Dentmäler», Halle 1870; Bd. 8: «Akten 
der Erfurter Univerfität», 3 Tle., ebd. 1881—99; 
Bd. 23 u. 24: Beyer, «Urkundenbuch der Stadt E.», 
ebd. 1890—97); Kruspe, Die Sagen der Stadt E. 
(2 Bodn., Erf. 1878); Röll, Erfurt (in den «Europ. 
MWanderbildern», 3. Aufl., Zür. 1900); Karl Beyer, 
Geſchichte der Stadt E. bis 1664 (Halle 1893); derſ., 
Geſchichte der Stadt E. (Erf. 1900—1); Gurlitt, 
Hiftor.Städtebilder (Bd. 1: Erfurt, Berl.1901) ; Ju: 
ſtrierter Führer durch E. und Umgegend (Erf. 1896); 
Dvermann, Die eriten Jahre der preuß. Herrihaft 
in E. (ebd. 1902); Mitteilungen des Vereins | 
die Geſchichte und Altertumstunde von E, (ebv. 
1865 fg.). 

—— Kongrek, ſ. Erfurt. 

Erfurter Barlament, die Berfammlung, die 
vom 20. März bis 29, April 1850 in Erfurt tagte 
und von den auf Grund des Dreilönigsbündnifies 
(f. d.) zur jog. Union zufammengetretenen Staaten 
zur Beratung des Verfaſſungsentwurfs für den 1 
planten Bundesjtaat einberufen worden war. (©. 
Deutihland und Deutiches Neih, Geſchichte.) 

Erfurter Programm, j. Socialdemofratie. 

Erg (vom ar. ergon, Arbeit), die Arbeitzein- 
beit nad) abjolutem Daß (f. Maß und Gewicht im 
abjoluten Sinne), d. i. die Arbeit, melde die Kraft 
ein Dyne (if. er 1 cm Wegitrede leijtet. 

Erg, El-, Areg, Teil der Sahara I d.). 

Ergamönes, ätbiop. — von griech. Bil: 
dung, welcher das ganze obere Nilland beberrichte. 
Er war ein Zeitgenofje des agypt. Königs Pto— 
lemäus Philadelphus (3. Jahr v. Ehr.). Seine 
Hau e- war Napata, bei dem heutigen Berge 
Barlal, Er brad die hierarchiſche Gewalt, melde 
bis zu feiner Zeit die Priefter felbit über den König 
re und verlegte dann * Reſidenz nach dem 
üdl. Meroe, mo in der Nähe von Begerauieh noch 
jest feine halbzerftörte Grabpyramibde ftebt. 

Ergäne, Beiname der Athena (f. d.). 

Ergänzendes Necht, ſ. Dispofitivgefeke. 

Ergänzungsbillet® oder Zuſchlagsbillets, 
ſ. Eifenbahntarife. 

Ergän — foviel wie Komplemen⸗ 
tärfarben & d.). E 

rgänzungögefchtuorene, Ergänzungs: 
richter, PORVERSBEIRENEN fönnen bei Ber: 
bandlungen von längerer Dauer auf Anordnung 
des Vorſitzenden de ezogen werden. Diejelben 
müfjen der ganzen ——— beiwohnen, dürfen 
bei der Enticheidung aber nur mitwirken, wenn 
durch Verhinderung eines Gefhmworenen, Richters 
oder Schöffen ein Ausfall an der rn vor: 
geichriebenen ur eintritt. (Bol. Deutiches Ge: 
regte . F. 19%; Strafprozeßordn. 
8. 285.) Die Dfterr. Strafprozeßordnung fagt ftatt 
Ergänzungsgeihmworene, Ergänzungsrihter: Er: 
faßgeihmorene, Erfaßridter + 221, 310), 
und gebraudt jene Ausprüde für Hilfsgeſchworene 
(j. d.) und — (f. d.) im Sinne der Reichs⸗ 
juſtizgeſetze ($$. 301, 302). (S. auch Schöffengericht 
und mwurgericht.) 


158 


Ergänzungdftener, eine Steuer, welche zur 
Ergänzung eines einzelnen Steuerzweigs ober des 
geſamten Syſtems in das bejtebende Steuerſyſtem 
eingefügt wird oder, vom rein finanziellen Stand: 
punkte des Staatshaushalts aus betrachtet, einen 
Ausfall in den bisher ———— Staatsein⸗ 
nahmen decken und ergänzen ſoll. Durch das preuß. 
Geſeh vom 14. Juli 1893 iſt für den Verzicht des 
Staated auf die Ertragsfteuern dur die liber: 
—2 derſelben an die Gemeinden nicht nur zur 
Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Staats⸗ 
haushalt, ſondern auch zur beſſern Erfaſſung des 
fundierten Vermögens eine €. als nominelle Ber: 
mögensfteuer eingeführt worden. Steuerpflictig 
find alle phyſiſchen Dans nad dem Werte ihres 
preuß. Grundbefikes und des in land: und forftwirt: 
—— bergbaulichen oder (ſtehenden) gewerb⸗ 
ichen Unternehmungen in Preußen verwendeten 
Anlage: oder Betriebskapitals und des ſonſtigen 
Kapitalvermögend. Der Beiteuerung unterliegt, 
mit Ausnahme des Mobiliars, alles bewegliche und 
unbeweglihe Vermögen nad Abzug der Schulden 
und des Rapitalwertes der vom Steuerpflihtigen 
zu entrichtenden periodijchen geldwerten Leiſtungen. 
au E. werden nicht herangezogen: Perfonen, deren 
teuerbares Vermögen den Wert von 6000 M., und 
folde, deren fteuerpflichtiges Cintommen den Be: 
trag von 900 M. nicht et fofern das Ver: 
mögen nicht mebr ald 20000 M. beträgt; weiter 
gebende Erleichterungen werden Witwen, Waifen 
und Erwerbsunfäbigen gewährt. Die E. beträgt 
durchſchnittlich ein halb vom Taufend der fteuerbaren 
Vermögen und zwar gerechnet nad dem Anfangs— 
fat der Steuerftufe. Die Stufen umfaſſen bis zum 
Vermögen von 24000 M. je 2000 M., aldvdann bis 
um Vermögen von 60000 M. je 4000 M., weiter 
ei Vermögen bis zu 200000 M. je 10000 M. und 
bei no größern Vermögen je 20000 M. Die Ber: 
anlagung erfolgt auf Grund einer Bermögensanzeige 
in Verbindung mit, der Cinlommenjteuerveran: 
lagung für eine Periode von 3 (das erjtemal 1) 
Steuerjabren. Wermögendvermebrungen oder :Ber: 
lufte während dieler Periode werden befonders be: 
rüdfihtigt. Die E. trat 1. Yan. 1895 in Kraft. Auch 
in Heſſen ift 1899, im Königreib Sachſen 1902 
eine Vermögensſteuer als E. zur Einkommenſteuer 
eingeführt worden (ſ. Vermögensſteuer). — Vgl. 
die Kommentare zu dem — Ergänzungsſteuer⸗ 
eſeß von Höingbaus (Berl. 1893), Gauß (ebd. 1894), 
Zweigert (Eſſen 1895), Fuiſting (2. Aufl., Berl. 
1905) und Schäffle, Die Steuern, beſonderer Teil 
“im «Hand» und Lehrbuch der Staatswifjenihaften», 
bg. von Frantenjtein, Lpz. 1896). 
Ergänzungdtruppen, |. Criaktruppen. 
Ergänzungsurteil, im deutſchen Civilprozeß 
eine nachträgliche Entſcheidung, durch melde das 
erlaſſene Urteil mit Bezug darauf ergänzt wird, 
daß ein nad dem urjprünglich feitgeitellten oder 
nachträglich berichtigten Thatbeſtande von einer 
Partei geltend gemadter Haupt: oder Nebenan: 
fprud oder daß der Koftenpunft bei der Entichei: 
dung ganz oder teilmeife übergangen iſt. Das €. 
darf nur auf Antrag einer Bartei, nicht von Amts 
wegen erlafien werden. Der Antrag ijt binnen einer 
einwöchigen mit der Urteiläzuftellung beginnenden 
Friſt zu ftellen, und zwar durch Zuftellung eines 
E hriftiages, welcher den Ergänzungsantrag und 
die Ladung des Gegners zur mündlichen Verband: 
Aung enthalten muß. Die mündliche Verhandlung 


Ergänzungsjteuer — Ergograph 


bat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsſtreits 
zum Gegenitande. Aufgeboben find die landes— 
geſetzlichen Vorſchriften, nad melden eine Nebenfor: 
derung als aberlannt gilt, wenn über diejelbe nicht 
entſchieden iſt. Befondere Fälle nadhträglicher Ur: 
teildergänzung find da vorgefeben, wo ein in ber 
Berufungsinftang oder im Urkundenprozeß er: 
gangenes Urteil einen Vorbehalt wegen vorläufig 
zurüdgemwiefener Berteidigungsmittel nicht entbält, 
oder wo es überfeben ift, das Urteil für vorläufig 
vollitredbar zu erflären. (Vgl. Civilprozeßordn. 
88. 321, 517, 540, 599, 716.) 

Erga schedam (lat.), gegen Erlaubnisicein. 

Ergafterium (grb. Ergajterion), Werkſtätte, 
Arbeits: oder Zuchthaus; aud foviel wie Kloſter, 
als eine Werkftätte geiftliher Übungen und körper: 
licher Arbeiten. 

Ergäftit (gr), Thätigleitslehre; ergaftiich, 
tbätig, zur Arbeit gehörig. 

Ergaftiria, griech. Stadt, ſ. Laurion. 

Ergaftirionbahn, ſ. Bergwerlsbahnen. 

Ergaftülum (lat.),imalten Rom das Gefängnis, 
worin Sklaven, auch zuweilen Schuldner zu barter 
Arbeit angehalten wurden; jekt Bezeihnung des 
Arbeitsortes im phbarmaceut. Dfen. 

Ergeben, ſich, von dem Widerſtande geaen 
den Feind ablaſſen und fich feinem Willen unter: 
werfen. Eine Truppe kann fich ergeben auf ſchrift⸗ 
lihen oder mündlichen Vertrag (nad vorausgegan: 
genen Verhandlungen) oder obne jede Bedingung 
auf Gnade und Ungnade. Als Zeichen der beab: 

ihtigten Ergebung dient das Aufpflangen weißer 
t gen OBEN derthatſächlichen Ergebung 
das Niederlegen (Streden) der Gemwebre. 

Ergene oder Erteneb, im Altertum Argi: 
ne3, Fluß im türf. Wilajet Aprianopel, kommt 
vom ———— in weſtl. Richtung berab, 
durchfließt eine fruchtbare Thalebene und vereinigt 
ſich mit der Marika kurz oberhalb deren Mündung. 
An ibren Ufern wurden 1371 die Serben von den 
Türen geichlagen. an, j. Jergeni. 

Ergeni, Höbenzug im uff. Bouvernement Miro, 

Ergent, Fluß in Albanien, j. Devol. 

Ergeri, türf, Name von Argyrokaſtron (j. d.). 

Ergo (lat.), folglich, aljo; E. bibämus («Aljo laßt 
ung trinten!»), Titel eines Goetbeichen Trinkliedes, 
welches anfängt: «Hier find wir verjammelt zu 
löblihem Thun». Der Spruch wird zuerſt von dem 
Dante:Erflärer Francesco da Buti erwähnt, ala 
von dem Papſt Martin IV. gebraudt. 

Ergograph (grch.), ein von dem Phyſiologen 
A. Moſſo in Turin konjtruierter Apparat, der die 
Arbeit der Fingermuskeln verzeihnet. Worderarm 
und Hand der Verſuchsperſon ruben auf einer pal: 
fend geformten Stüße und find dort — ſo daß 
nur der Mittelfinger frei bleibt, deſſen Bewegungen 
(Beugungen) aufgeſchrieben werden. Gewöhnlich 
werden Ermüdungsreihen geſchrieben, d. b. der 
Finger bebt nah dem Talte des Metronoms ein 

rößeres Gewicht (2—5 kg), das mittels Leder: 
chlinge und Echnur an ibm befeftigt ift. Die Schnur 
läuft über eine Rolle und führt mit ji den Schreib: 
apparat, der die Zahl und die Höbe der Hebungen 
auf eins der gebräuchlichen Negiftrierubrwerte ver: 
zeichnet. Erfolgen die Hebungen jede Selunde oder 
jede zweite Selunde, fo tritt febr bald Ermüdung 
ein, die Hubböben werben Kleiner und ſchließlich 
Null. Der Verlauf der Ermüdung iſt individuell 
ſehr verſchieden. Anitatt die Musteln willtürlich zu 


Ergolz — Erhaltung der Welt 


bewegen, lann man fie auch fünftlich (elektrifch) reizen, 
tirelt oder von ihren Nerven aus. Solche Reizung: 
räben verlaufen in anderer Weile als die Arbeits: 
reiben der willtürlichen Bewegung, jo daß die peri- 
pbere Ermudung von derder — Centralorgane 
unterſchieden werden kann. Der E. hat ſich nicht nur 
in der Phyſiologie, fondern aud in der Bharmalo: 
logie und Pſychologie ala ein wertvolles Hilfsmittel 
erwieien, durch das die Wirkung der Lebensweiſe, 
der Nahrungs: und Genußmittel, der Arzneimittel 
u. ſ. w. in überrafhender Weiſe fihtbar wird. — 
Bol. A. Moſſo, Die Ermüdung (Lpz. 1892). 
Ergolz (Ergols), linter Nebenfluß des Rheins 
im ſchweiz Kanton afel:2and, entjtebt aus mehrern 
Duellflüflen im Jura, am Fuße der Schafmatt, bildet 
bei Lieftal einen Waſſerfall und mündet bei Auoft. 
Ergome, Duellitrom des Amur, ſ. Argun. 
Ergoftät (grch.), ein von Gärtner angegebener 
Apparat zur tberapeut. Verwendung der Mustel: 
arbeit, vermittelft defien die Kranken in ratio: 
neller Beife abmepbare Mengen von Arbeit, je nach 
ihrem Rräftezuftande, verrichten können, Die Ar: 
beit beftebt darin, dak der Krante mit beiden Hän: 
den an einer Kurbel dreht, deren Länge fo gewählt 
ift, daß er fich bei jeder Umdrehung ziemlich tief 
büden muß. Dabei fann dur einen eigentümlichen 
Bremsapparat die bei jeder Umdrehung der Kurbel 
zu leiftende Arbeit beliebig verändert werben; bie 
eleiitete Arbeit, ın Kilogrammmetern ausgedrüdt, 
Iomie die Zahl der gemachten Kurbeldrehungen, 
ajien ſich direft von dem Apparat ablejen und 
eitatten jo eine ganz genaue —— der zu 
leiſtenden Mustelarbeit. Der E. bat ſich bei allen 
jenen Leiden, bei denen Muskelarbeit als Heilmittel 
angewandt wird (Fettleibigleit, Gicht, Dralurie, 
unftionelle Nervenjtörungen u. ſ. w.), ald ein nüß: 
icber Heilapparat bemäbrt. 5 
Ergotin (Ergotinum) oder Ergotinin, ein 

von Wiggers entdedter, aber nicht rein darge 
ftellter,mirffamer Beitandteil des Muttertorns (j.d.), 
über deſſen Eigenihaften und Zufammenjegung 
wenig belannt tft. Nach neuern Forſchungen iſt 
es mindeſtens zweifelhaft, ob dem E. eine bejondere 
Wirlſamleit zulommt. Nah Dragendorff iſt dies 
nicht der Fall. Kobert giebt an, daß das im Mutter: 
torn enthaltene Gornutin, die Sphacelinfäure und 
die Ergotinjäure die Träger der Wirtjamteit feien, 
und von anderer Seite wird dies dem Scleromucin 
und ber Sclerotinfäurezugeihrieben. — Man bezeich⸗ 
net mit E. auch kurzweg dad Mutterlornertraft 
(Extractum secalis cornuti) des Arzneibuchs für 
das Deutſche Reich. Dasſelbe wird bereitet durch 
— Ausziehen von 2 Teilen grob gepul: 
vertem Mutterlorn mit 4 Teilen Waſſer. Die Aus: 
jüge werden bis auf 1 Teil eingedampft, der Rüd: 
and mit 1 Zeil Weingeift gemiſcht, nah 3 Tagen 
abnitriert und das Filtrat zu einem diden, rot: 
braunen Ertraft ———— Mutterkornerxtrakt 
wird innerlich und unter die Haut eingeſprißt bei 
Olutungen angewendet ; zur Beförderung der Wehen 
iſt es da das Ertraft die fpecifiihen Eigenſchaften 
dei Muttertorns nicht befigt, nicht geeignet. Neben 
dieiem Ertralt enthält das Arzneibuh noch ein 
Nutterfornfluidertralt (Extractum secalis 
cornuti Auidum). , 

Ergotismm® (abgeleitet vom frz. ergot, das 
Rutterforn), Bezeihnung bes Zuftandes, welcher 
nad einer Bergi ng mit Mutterlorn (f. d.) ein 
tritt (f, Kriebelfrantbheit). 


159 


Ergreifung, ſ. Deprebenfion. 
Ergunt, Duellitrom des Amur, f. Argun. 
Ergufgeiteine, f. Gefteinsbildung. . 
Grhaben beißt ein Gegenftand, der durd feine 
Größe gefällt; man unterfcheidet ertenfivuund intenfiv 
Erhabenes, je nachdem ein ——— durch ſeine 
Ausdehnung oder durch feine Kraft erhaben wirft. 
Manche Hjthetiler führen die erfte Art der Erhaben⸗ 
beit auf die zweite zurüd (Köftlin, Hartmann). Ein 
Gegenftand tft dann erbaben, wenn er durch feine 
Unermeßlichleit in und Gefühle erregt, die und auf 
ein Überfinnliches (Bernunftidee) hinweisen, wodurch 
wir uns gehoben fühlen. Dies ift die Anficht Kants. 
Natürlich erfcheint nicht nur die förperliche, fondern 
aud die eilige Kraft erhaben, wo fie über das 
gemöhnlid aß hinaus ſich äußert, Unter den 
Iten f&hrieb über das Erhabene Longinus. Unter 
den Neuern bat ſich um die Aufbellung dieſes Bes 
griffs nad dem Vorgange Burkes in feiner Schrift 
«Philosophical inquiry into the origin of our 
ideas of the sublime and beautiful» (Xond. 1756; 
deutſch Lpz. 1773) ganz bejonders Kant verdient 
emadht in der «Stritik der Urteiläfraft» (Berl.1790). 
ejentlib auf Kantſcher Grundlage hat Schiller 
den Begriff des Erhabenen meiter entwidelt und 
ihn auf äftbetifche und etbifche Gegenjtände ange 
mwandt, und zwar in den Aufjäßen «Über das Er: 
abene», «tiber das Bathetifcher u. f. m. — Bal. 
ifcher, Über das Erhabene und Komiſche (Stuttg. 
1837); €. von Hartmann, Die Deutiche Hitbetit 
eit Kant (in den «Ausgewäblten Werten», Bd. 3, 
erl. 1886). 
Erhabene Arbeit, |. — 
2 der Energie, j. Energie. 
Erhaltung der Flächen, f. Erhaltung des 
Schmwerpunttes. 
Erhaltung der Kraft, |. Energie. 
Erhaltung der Welt, in der hriftl. Dogmatit 
diejenige Thätigkeit Gottes, die dem Weltall nad 
Subſtanz und Form das Fortbeftehen fihert. Sie 
wird von der Schöpfung (. d.) und von der Regie 
rung der Welt unterſchieden, mit letzterer aber ger 
möhnlich wieder unter dem Begriffe der Vorjebung 
( d.) zufammengefaßt. Die ältern prot. Dogmatifer 
ielten die Erhaltung eigentlich für ein jtetes Neu: 
ſchaffen der fonjt fofort wieder in Nichts zurüd» 
fintenvden Welt. Die neuere Theologie feste an die 
Stelle der Unterſcheidung von Schaffen, Erbalten 
und Regierung der Welt den Begriff einer ewigen 
Schöpfertbätigfeit Gotted. Richtiger ift unter der 
Schöpfung die göttlihe Kaufalität in Bezug auf 
das Dajein, unter der €. d. W. diefelbe Kauſalität 
jedoch nur in Bezug auf den gefegmäßigen Berlauf 
oder auf die Ordnung der Welt zu ver neben, wo⸗ 
gegen bie Begerung ih * die Verwirklichung des 
goltlichen Weltzweds bezieht. Die Frage, wie ſich 
die endlichen im natürlihen Raufalzufammenbang 
inbegriffenen Urſachen zur unendlichen göttlichen 
Raujalität verhalten, wird von der altprot.Dogmatit 
dur den Begriff der göttliben Mitwirkung (con- 
cursus) beitimmt, vermöge deſſen jede Wirkung einer: 
feit3 ganz göttlich, andererſeits ganz freatürlich fein 
joll. So unbeweislich diefe Annahme aud iſt, fo 
unmöglich ijt es doch, das Verhältnis von göttlicher 
und natürlicher Thätigkeit näher auäzudenten,. Eos 
bald man nämlich diejes verfucht, feßt man entweder 
die freatürlihen Urſachen zu unjelbjtändigen Wert: 
eugen der in Wahrheit alleinigen göttlihen Raus 
—88 herab oder halbiert zwiſchen beiden dergeſtalt, 


160 


daß die göttliche Urfächlichkeit durch die endliche be 
grenzt, alfo felbft verendlicht erſcheint. 

Erhaltung des Schwerpunkts. Der Schwer: 
punft zweier Majjen, 3. B. m und 2m, liegt in de 
ren Verbindungslinie, doppelt jo meit von der 
Maſſe m ald von 2m. (S. Echwerpuntt.) Da fi 
nun nad Newtons Gejeb der Gegenmirkung (j. d.) 
die m durch ihre Mecjelmirlung entgegen: 
gelebte ejchleunigungen in der Richtung der Ber: 

indungslinie erteilen, die den Maſſen umgelebrt 
proportional find, fo verſchiebt fi die Mafle 2m 
immer nur balb jo viel ald m, weshalb man aud 
nad der Berihiebung den Schwerpunft an deriel: 
ben Stelle zug wie zuvor. Diefer Sap ailt all: 
emein für frei bewegliche Maſſen. Bewegt ſich der 
chwerpunlt derjelben jhon vor der Wechſelwir— 
fung, fo wird deſſen Bewegung durd die Wechjel: 
wirtung nit abgeändert. Die Bewegung des 
Schwerpunkts zweier Maſſen ift vor und — dem 
Stoße dieſelbe. Der Schwerpunkt einer Bombe 
beſchreibt ſeine paraboliſche Flugbahn weiter, wenn 
auch die Bombe während des Fluges platzt. Der 
Sap der Erhaltung der Flächen ift eine Erwei— 
terung des eben angeführten Satzes, die ſich auf 
drebende —— bezieht. — Bal. Mach, Die 
Mechanil in ihrer Entwidlung (4. Au. 293. 1901). 
Erhaltungsfutter, j. Bebarrungäfutter. 
Erhaltungspulver, ſ. Konſervierunge mittel. 
Erhäugen (Suspensio), die bei weitem häufigſte 
Form des Selbſtmordes, nur ganz jelten in mör: 
deriſcher Abſicht vorgenommen, ift diejenige gemalt: 
ame Todesart, bei welcher ein um den Hals ge 
&lungener und irgendwo befeftigter Strid durch 
die eigene Körperſchwere der betrejienden Perjon 
= eſchnürt wird und fo durch den Verſchluß der 
— baldigen Erſtickungstod herbeiführt. Ger 
wohnlich bleibt der Körper frei in der Schlinge 
hängen, obne daß die Füße den Boden berühren, 
doch lommt es auch oft genug vor, daß die Sus: 
fion an fo niedrigen Gegenftänden oder an fo 
ngen Striden erfolgt, daß der Körper des Selbjt: 
mörbers nad dem E. mit den Füßen oder andern 
Teilen auf dem Boden —— und ſo in ſtehender, 
lauernder, kniender oder ſel liegender Stellung 
gefunden wird. Am Halſe Erhängter beobachtet 
man in der Regel eine ſog. Strangrinne oder 
Strangulationdmarle, d. h. einen ringförmi— 
gen, mebrere Millimeter tiefen, von der einſchnü— 
senden Schlinge berrübrenden Eindrud der Haut, 
in ira Grund die Lederhaut ei bornartig feit 
und bläulic oder bräunlich verfärbt ericheint. Die 
onftigen |... find die des aluten Er: 
idungstodes: das Geſicht ift blaurot und gedun— 
en, Gebirn und Lungen find ftrogend mit buntel: 
rotem Blut erfüllt, die rechte Herzlammer erweitert 
und blutbaltig, die linte gewöhnlich leer, auch find 
Heine Blutergüjle im Gehirn, unter dem Bauchfell 
und den Scleimbäuten nicht jelten. weh genug ift 
die gerichtöärztlibe Beurteilung binfichtlih der 
Frage, ob ein Mord oder Selbſtmord vorliegt, 
außerordentlich ſchwierig und nur durch die ſcharf⸗ 
finnigjte Verwertung aller einzelnen Momente mit 
Sicherheit zu entſcheiden. Hinſichtlich der Häufig: 
feit des E. in den einzelnen Lebensaltern bat die 
Statiftil ergeben, daß die jugendlichen männlichen 
Eelbitmörder mit Vorliebe zum Strid greifen, daß 
dagegen im mittlern Lebensalter dieje Art des 
Er * abnimmt und an ihrer Stelle das 
Ertränlen, Erſchießen und Vergiften in den Vorder: 


Erhaltung des Schwerpunft? — Erhöhung 


grund tritt, und daß erft im fpätern Alter das E. 
wiederum häufiger wird. Beim meibliben Ge: 
ſchlecht kommt das Ertränten als Selbjtmorb in 
der Jugend häufiger vor, nimmt aber mit dem 
Alter immer mehr ab und wird dann aub durch 
das E. erjegt. (S. au Erprofjelung und Hängen.) 

Erhard, Johann Ebhrijtian, Radierer, geb. 
21. Febr. 1795 in — bildete ſich bei dem Nuͤrn⸗ 
berger Kupferſtecher Gabler aus. Mit Klein begab 
er —* 1816 nach Wien, wo er 3 Jahre verlebte 
und eine ur Anzahl Blätter berausgab. Er reijte 
1819 ori om, verfiel aber in tiefe Melandpolie 
über ein förperlihes Leiden und machte 18. Yan. 
1822 feinem Leben freiwillig ein Ende. Seine Ra- 
dierungen befunden den Einfluß des Waterloo und 
Smwanevelt. Gute Blätter von feinen 185 landfchait- 
lichen Radierungen find: der Schneeberg von Klojter: 
tbal aus, bie Sandichaft mit der Betjäule, das 

ädchen mit den Biegen, Bucberg, Hobenjalzburg 
u. f. w. — Val. Apell, Das Wert von J. Ebr. E. 
Maler und Radierer (2 Bde, Lpz. 1866— 75). 

Erhartt, Luiſe, Schaufpielerin, ſ. Bd. 17. 
— ebung (geolog.), ſ. Hebungen und Sem 

en. 
ger j. Erbebungätbeorie. 

Erbhebungstheorie. Die meijten Vulkane be 
fteben aus Schichten von Aſchen, Lapilli, Bomben 
und Laven, die eine mebr oder weniger regelmäßige 
Neigung von innen (vom Krater) nah außen (dem 
Fuß) beiigen. Man nahm früber mit 2. von Bub 
und X. von Humboldt an, daß dieje geneigte Yage 
feine urfprünglice jei, fondern daß die horizontal 
abgelagerten Zuffe, Aſchen u. |. m. dur die be: 
bende Kraft eingeengter und hervorbrechender Erup⸗ 
tionsprodulte (Gaſe, Dämpfe, Laven) emporgebo: 
ben und aufgerichtet worden wären. Durch Ber: 
ftung follen in der Achſe der Erhebung Krater 
entitanden fein, welde man Erbebungäfrater 
nennt. Auch auf Schichtſtörungen, die ſich entfernt 
von Bullanen zeigen, wendete man dieje Theorie 
an. —— meinte man, daß die Gebirge durch 
den aus dem Erdinnern radiär auf die Oberfläche 
wirlenden Drud entſtanden ſeien, und nahm an, daß 
Eruptivgeſteine von unten aus keilformig zwiſchen 
die Schichten eingetrieben und injiziert und * da⸗ 
durch zerſtückelt, aufgerichtet und gefaltet, alſo zu 
Gebirgsmaſſen emporgeboben worden ſeien. Dieter 
Theorie widerſprechen jedoch alle Beobadhtungen; 
fie ift deshalb, nachdem fie in Deutichland lange 
die Geologie beherrſcht hatte, vollftändig aufge 
geben. (©. ig Are , 

Erhigende Mittel, alle diejenigen Mittel, 
melde die Herztbätigleit fteigern und die Eigen— 
wärme erböben, wie die alloholiſchen Getränte, die 
Gewürze, der Schwefeläther und andere titherarten, 
der Kampfer und die ätberiihen Öle. Übermäßig 
genofien, ihädigen fie die Verdauung, führen zur 

berreizung des Nervenſyſtems und lönnen entzund⸗ 
lihe Zuitände der innern Organe zur Folge haben. 

Erhöhung eines Tons um einen halben Ton, 
1. B. c—cis, d—dis, wird in der Notenſchrift ber 
zeichnet durch ein Kreuz (5). Die doppelte E., be 
Kar, durch Doppellreuz ( $) oder Andreas 
reuz (X), fteigert das betreffende Intervall um 
einen ganzen Ton hinauf, 3. B. c—cisis, d—disis. 
Der franz. Ausdrud für # ift diese, ber ital. diesi, 
der engl. sharp, der bolländ, kruis, z.B. $c= do 
diöse, ut diesi, Csharp u. f. m. — Über E. im mili⸗ 
tärifhen Einne ſ. Elevation. 


Erhöhung des Kreuzes — Ericaceen 


& — bed Kreuzes, |. Kreuzeserhöhung. 

Erholen, ic, im Hanbehdie Einziehung einer 

9 ober eines Teils einer rien durch 
elausftellung. 

Erica L., Erila, Heide, Pflanzengattung 
aus der Familie der Ericaceen (j. d.) mit gegen 400 
Arten, die größtenteild in Südafrila und in den 
Mittelmeerländern vorlommen. Faft alle Arten 
iind Sträucher oder Halbfträucer, und nur einige 
erheben fi zur Baumform, z. B. E. arborea L. 

Bon den europ. Arten find zu nennen: E. 
einerea L., mit frugförmigen, buntelpurpurroten 
Blüten und zu breien ſtehenden Blättern; E. car- 
nea L., in Öfterreih und Ba und bis in bie 
Schweiz hinein, jehr fenntlih an den blaßroten, 
einjeitig herabbängenden Blüten mit ſchwarzroten 
Staubfäden; E. mediterranea L., 2—3 m bobe, 
yoramidale Büjche bildend; E. polytrichifolia Sa- 
ksb., mit weißen Blumen, in dem jandigen, feudh: 
ten Sande des jühweltl. Frantreichs E. ciliaris Z., 
mit gemimperten Blättern und Kelchabſchnitten und 

örmigen, rroten Blüten; E. multiflora 
L., von jhön bufhigem Wuchs mit bellroten auf 
ismäßig —— Stielen überhängenden 
Blumen; E. vagans L., mit weißen, paarig ſtehen⸗ 
den Blütenglödcben wie die der Maiblume; E. te- 
tralix L., Sumpfbeibe (j. Tafel: Bicornen, Fig.2), 
mit zu vieren ftebenden quirligen Blättern und fugel- 
runden, weißen oder rojenroten Blumen; endlich 
die bereit3 erwäbnte E. arborea, Baumbeide, 
auf allen unbebauten ie gr der Mittelmeerländer 
gemein und bier überall als Feuerungömaterial 
verwendet. en ihres boben Wuchſes, ihrer 
reichen Blüte im jahre und des zarten Anjebens 
ibrer weißen oder rofenroten Blumen ift fie, wo fie 
im freien Lande ausbauert, ein dierſtrauch erſten 
Ranges. Ihr erg Ama in der Drechölerei 
benußt (j. perebols). ne, wie cine car- 
nea, ciliaris, vagans, tetralix, find in Deutichland 
völlig winterhart. Man verwendet fie im Garten 
am beften für den äußerften Rand der Moorbeete 
oder für Heine blumenbeetartige Gruppen in Heide 
—— een eich größerer Bedeutu 
die Gärten von unglei erer Bedeutung 
And die jüdafrif. (lapiſchen) — Sie ſind, wie 
bie europ. Arten, Straͤucher oder Halbſträucher mit 
Reifen, immergrünen, dichten, jhmallinienförmigen, 
pfriemliben Blättern und in dichtem Stande zu 
Riſpen, Trauben oder Knäueln georbneten Blumen. 
Biele derjelben unterſcheiden fih von den europäis 
ſchen dur eine viel größere, bald jchellenförmi 
—— bald rohrige Blumentrone und dur 
bie —— der Blutenſarben: Weiß, Roſa, 
Schatlach, Karminrot in den verſchiedenſten Nuan- 
cen, Duntelrot, jeltener Gelb; oft find die Blumen 

Bee der Saum anders gefärbt als die Röhre. 

on den Kap:Eriten jind viele in die Gewächshäu⸗ 

Ver eingeführt, doch ift immer nur eine mäßige Ans 

yabl der ſchönſten kultiviert worben. von 

1780 ab fing man in England an, förmliche Rollef- 

fionen in den Gewaͤchs hauſern zu unterhalten. Seit 

iener Zeit haben fie fih über den ganzen Kontinent 
verbreitet, aber immer noch findet man in England 
die größten Sammlungen in ——a—e Kultur, 
während man die Erilen in Deutihland faſt ganz 
aufgegeben bat oder doch nur nod eine Heine An: 
‚bl Der bejjern reichblühenden Arten in Maſſen 
ir den Pflanzenmarlt kultiviert. Zu ben Arten, 
selbe bei jorgiältiger Pflege immer gedeihen, ge 
Prodfan#’ Konveriatiund-2eriton. 14. Aufl. Ru. VL 


161 


—— E. cylindrica Wendl., von pyramidalem 
Wuchs, mit zu vieren quirligen Blättern und lan 
röhrigen, lebhaft roten Blumen im April und Mat; 
E. Wilmoreana Knowl. et Westk., pyramidal, bus 
ſchig, etwas wollig behaart, mit langröbriger, cylins 
driſcher, rojenroter oder weißer Korolle, blüht zu 
Ausgang des Winters; E. hiemalis Hort. angl., 
ppramidaler Halbſtrauch mit — Blättern 
und mit diden, fegelförmigen Übren röhriger, am 
Grunde rojenroter, am Saume weißer Blumen im 
Winter; E. Bowieana Lodd., mit zu drei ſtehenden, 
linienförmigen, blaugrünen Blättern und hängen 
den, röhrigen, unter der Mitte etwas bauchigen, 
mattweißen Blumen von Juli bi8 September; E. 
ventricosa Thund., buſchiger Halbitraud mit vers 
Itmiömäßig großen, quirligen, — weich 
ehaarten Blättern und zu Endinäueln geſammel⸗ 
ten länglich⸗krugfoörmigen, glänzend weißen, am 
Saum roten oder rojenroten Blumen im Mai und 
ar mit zablreihen zum Teil noch weit jhönern 
ac rten, —— —— — — 
tricolor, porcellana, pyramidalıs; E. gracili 
kisb., elegantes Buſchchen mit ſchwachen Zweigen, 
auirligen, dreifantigen Blättern und großen Riſpen 
Heiner, ſehr zahlreicher, — lebhaft 
roſen⸗ oder dunkellarminroter Blüten, je nad) der 
Varietät, von Herbftanfang bis in die Mitte des 
Winters; E. persoluta L., bufchiger Halbſtrauch 
mit zu vier ftebenden, linearischen, ſchlaffen Blättern 
und an ben —X zu Köpfchen geſammelten 
lodigen weißen Blüten. — E. vulgaris ift die 
— Bezeichnung des jett Calluna vulgaris ge⸗ 
nannten gewöhnlichen Heidekrauts (ſ. Calluna). 
Wo man gute, ſtark ſandige Heideerde und kallk⸗ 
freies Waſſer haben fann, da ſind die Erilen leines⸗ 
wegs jo ſchwierig zu kultivieren, wie oft angenom⸗ 
men wird. Außerdem muß man für einen guten 
Abzug ded Waſſers Sorge tragen. Im Winter ers 
fordern fie einen bellen, luftigen Standort und 
möglichft wenig Wärme; die Temperatur darf nicht 
über + 3° R. hinausgehen. Sie ertragen im Winter 
auch vieles Begießen nicht, doch find fie auch gegen 
völliges Austrodnen ſehr empfindlih, und das ift 
die ſchwierigſte Aufgabe ihrer Kultur, den rechten 
Grad der Feuchtigkeit zu treffen. Die Umpflanzung 
nad beendigter Blüte und das damit verbundene 
Beſchneiden der Zweige darf nicht verabjäumt wer: 
den. Man vermehrt die Erilen im Februar und 
ung bar den Spiken der Triebe, die man in reis 
nen Sand jtedt und mit Glasgloden bebedt. 
Gricacken (Ericacöae), Vflanzenfamilie aus 
der Drbnung ber Bicornen (f. Bicornis) mit gegen 
1000 faft über bie ganze Erde verbreiteten Arten, 
wovon etwa zwei Drittel Südafrika gehören. Einige 
dringen im Norden bis an die äußerften Vegetations⸗ 
grenzen vor. Es find meift immergrüne Sträucher 
oder Halbiträuder, jelten baumartig, mit aus einem 
vier: bis fünfteiligen Kelch und einer ebenfo ge 
teilten, einem ande eingefügten Blumentrone bes 
ftebenden Zmitterblüten, deren Staubbeutel ge 
wohnlich in zwei Löchern aufipringen und eigen: 
tümliche Anhänge an der Spitze oder Baſis tragen. 
Der meift vier: bis fünffächerige Fruchtinoten trägt 
die Eierchen an Samenträgern, die jih in bem 
Innenwinfel der Fächer befinden. Auf dem wal⸗ 
igen Griffel befindet ſich eine ſchild- oder kopf: 
örmige Narbe. Die Frucht ift eine Happige, aufs 
pringende, vielfamige Kapſel. Die meijten E. find 
wegen ihrer fhönen Blüten in Gärten als Bier 
11 


162 


fträucher beliebt, wohin beſonders die Gattungen 
Erica (f. d.), Azalea (f. d.), Rhododendron (f. d.) 
und Kalmia (f. d.) gebören. Sie lieben der Mehr: 
zahl nad einen fandigen, trodnen Boden und ſon⸗ 
nigen Standort, nur wenige wachſen in Sümpjfen 
und Torfmooren. edras. 
Ericeira (ſpr. ßeira), Linien von, ſ. Torres 
ch, Name mehrerer Könige von Dänemart; 
f. Dänemart und Erich (ſchwed. Könige). j 
ch, ſchwed. Erik, Name mebrerer Könige 
von Schweden. Der erite berühmte Träger des: 
elben war E. der Heilige, König von Dber: 
chweden (Spitbiod, 1150—60), berühmt alö Ge: 
ebgeber und Beförberer des Chriſtentums; auch 
unterwarf und befebrte er einen Teil von Finland. 
Er wurde von dem dän, Prinzen Magnus, Urentel 
des Spend Eitridfon, überfallen und nad tapferer 
Gegenmebr bei Upfala 18. Mai 1160 getötet. Seine 
Tugenden und ftrenge Lebensweiſe verſchafften ibm 
=: dem Tode das Anjeben eines Heiligen. Er 
alt ald Schußpatron Schweden‘, und jeine Re 
iquien werden noch im Dom zu Upjala bewahrt; 
jedoch ift er niemals förmlich fanonifiert worden. 
Seine Nahlommen regierten abwechſelnd mit den 
Enteln Sverlers (f.d.). Der legte, Erich Erichsſon, 
ftarb 1250; nah ibm bemädtigten fi die Fol— 
ar 4 des ſchwed. Thrones. 
‚XII. von Bommern, Unionslönig von 
Dänemark, Schweden und Norwegen (1396—1439), 
eb. 1382 als der Sohn des Herzogs Wrati— 
(a VIL von Bommern:Stolp und der dep in 
aria von (Medlenburg)Schwerin, einer Nichte 
der Königin Margarete, wurde von diejer zu ihrem 
Erben auserjeben und 1389 von den dän, und 
normweg. Ständen, 1396 aud von den ſchwediſchen 
um König gemäblt. Am 17. Juni 1397 wurde €. 
eierlich zu Kalmar gefrönt. Nach Margaretes Tode 
1412 übernahm er allein die Regierung und geriet 
bald mit Schleswig, das er als erledigtes Le 
einzieben wollte, in einen langjäbrigen Krieg, in 
dem re die Hanja zu Gunſten Schleswigs 
den Ausſchlag gab. (©. Shleswig-sol tein.) Hier: 
durch ſowie durch Bevorzugung feiner Verwandten 
machte er fi äußerft unbeliebt, jo dab ſchon 1434 
in Schweden unter Engelbre&t Engelbrechtſon ein 
Aufitand gegen ibn ausbrach; 1439 erllärte Däne 
mart, 1442 aud Norwegen ibn für abgejest. €. be 
ab ſich nach Gottland, bebauptete ſich dort noch 10 
—* lang und beunrubigte ſeine frübern Unter: 
thanen durch Raubzüge. 1449 lehrte ernabBommern 
— das ihm ſchon 1394 nach dem Tode ſeines 
ters zugefallen war, und lebte in Rugenwalde bis 
an ſein Ende 16, Juni 1459. €, war vermählt mit 
Philippa, einer Tochter Heinribs IV. von Eng: 
land. — Bol. von der Ropp, König E., der Pommer 
(2p3. 1875); Erslav, Erich af Pommern, hans tamp 
for Sonderjydland og Kalmarunionens oplösning 
(Ropenb. 1901). 
€. XIV., aeb. 13. Dez. 1533, König von Schwe 
den (1560—68), der ältefte Sobn und Nachfolger 
Guftav Waſas, ift durd fein tragiſches Geihid 
berühmt geworden. Er war ein Mann von großer 
Begabung, aber von leidenihaftliher Heftigteit, 
mißtrauiſch, ſinnlichen Genuſſen und ajtrol, Träus 
mereien ergeben, die ibn bis zu Verbrechen und 
Geiftesverwirrung fortrifien. Die erften Jahre 
feiner Regierung verliefen günftig. €. erwarb Reval 
und Ejtbland, befriegte die Dänen und ſchuf zuerft 
einen ſchwed. hoben Adel (Grafen und Freiherren). 





Ericeira — Erichthonios 


Aber durch den Gas feines Kanzlers, Göran 
Persſon, ward er dem Adel entfremdet. Die Macht 
—— Brüder, die der Bater mit großen Lehns⸗ 
erzogtümern een hatte, fürdtete er ale 
eine Heti e Gefahr für feine Krone, Der ältefte, 
Johann, Herzog von Finland, Inüpfte wirklich ver: 
räteriiche Verbindungen mit Polen an und ward 
deshalb 1563—67 gefangen gebalten. Auch den 
Adel fürdtete der König und lieb endlich auf den 
Verdacht einer Verſchwörung bin eine Anzabl ver 
Bornehmiten gefangen jeßen und ermorden (1567). 
Vielleiht war dies ſchon ein Zeichen der Geifted: 
verwirrung, die nun bei €. zum Ausbruch fam. Gr 
eiratete jeine Bublerin, Karin Mänsdotter, und 
eleidigte dadurch jeine Familie und den boben 
Adel. Als 1568 Göran Version wieder zum Ein: 
fluß zu kommen ſchien, empörten fich die Brüder, 
Johann, der 1567 freigelafien war, und Karl. Dat 
ganze Reich fiel ihnen zu, Stodholm warb genom: 
men, ber König gefangen und mit Zuftimmung 
der Stände zur Enttbronung und ewiger Haft ver: 
urteilt. Johann beitieg den Thron 1569 (ij. Jo: 
bann IIL). Da jedod wiederholt Verſchwörungen 
und Aufftände zu Gunften des gefangenen Königs 
ausbraden, erwarb Johann bie — deẽ 
Reichsrats zu dem Todesurteil E.s. Wahrſchein⸗ 
lich, aber nicht erwieſen, iſt, daß dieſes Urteil voll⸗ 
ſtreckt wurde. Der Tradition nad befam E. Gift 
in einer Grbfenfuppe, worauf er 26. jyebr. 1577 
ftarb. Die Geſchichte E.8 XIV. ift von ſchwed. 
Dichtern mehrfach dramatisch behandelt worden, in 
Deutſchland unter anderm von Kruſe in der Tra: 
ddie «König E.» (Lpz. 1871; 2. Aufl. 1878). — 
ol. Ablauift, Konung Erik XIV. (Stodb. 1879). 
Einer feiner Söhne von der Karin, Guſtar 
Eribfon, ward aus Schweden entfernt und bei 
den Jeſuiten in Bolen erzogen, jpäter ein eifriger 
Schüler des Kaiſers Rubolf IL in der Aldimie. 
Er wurde vom rufj. Zaren Boris Godunomw zum 
Eidam auserjeben, was er aber abſchlug, da er 
defien polit. Abſichten gegen Schweden nicht teilen 
wollte. Guſtav Erichſon jtarb, nad zeitweiliger Hait, 
1607 in der Heinen Stadt Kaſchin in Rußland. 
Erichfon, Wilh. Ferd., Entomolog, geb.26.Rov. 
1809 zu Stralfund, war Brofeflor der ifien: 
ſchaften zu Berlin und 18. Dez. 1848. Cr 
ichrieb: «Genera Dyticorum» (Berl. 1832), «Die 
Käfer der Mark Brandenburg», Bd. 1 (ebd. 1837— 
39), «Genera et species Staphylinorum insecto- 
rum» (2 Tle. ebd. 1839—40), «Entomograpbien», 
Heft 1 (ebd. 1840), «Bericht über die wifjenfcha lien 
Leiftungen in dem Gebiete der Entomologie» (ebr. 
1838 fg.), «Naturgeſchichte der Inſelten Deutid- 
lands» (1. Abteil.: Goleoptera; Bd. 3, ebd. 1845— 
48). Aud gab E. das «Archiv für Naturgeſchichte⸗ 
(ebd. 1835 fa.) beraus. j Bu 
Ericht, Loch (jpr. lod Erridt oder ihridt), See in 
den ſchott. Grafihaften Inverneß und Perth, in 
352 m Höhe, in einer der wildeſten Gegenden bed 
Grampiangebirges, erfüllt eine von SW. nad M. 
gebende, 26,8 km lange, 1,8 km breite Gebirgsipalte 


‚zwilben dem Ben Alder (1113 m) und dem Ben 


dlaman, ift bis 155,7 m tief, 24,51 qkm groß und 
fließt zum Loch Rannoch ab. Er iſt reich an Lachſen 
und Forellen, , 

Erichthonios, nad der urjprünglihen Sage 
identifch mit Erechtbeus (ſ. d.). In der andermeitt: 
gen Überlieferung iſt E. ein Sobn des Hepbaiftes 
und der Erbgöttin Ge (Baia) oder aud der Athene, 


Ericsion — Eriefee 


nelhe den der gemöhnlihen Sage nad ihr von Ge 
ansertrauten €. in eine Kiſte legte und fo der Ban- 
dreſos, einer Tochter des Kelrops, und beren 
Ehmweitern Herie und Aglauros übergab, mit dem 
Gebot, die Kiſte ja nicht zu Öffnen. Die Scheitern 
der Bandrojos öffneten fie jedoch aus Neugierde 
und tanden das Rind in Schlangengeftalt oder mit 
Shlangenbeinen oder aub von Schlangen um: 
fingelt, worauf Athene die Pflege ſelbſt übernahm. 
Herangewadhien, vertrieb nach der aus den Mythen 
undErbichtungen zufammengeitellten älteftenSagen: 
eibichte Attilas €. den Amphiltyon und jtiftete das 
Set der Banathenäen. Sein Sohn beißt Erechtbeus 
oder Pandion. — E. hieß auch der Bater des Tros. 
Ericöfon, John, ſchwed.ameril. Ingenieur und 
Erfinder, geb. 31. Juli 1803 zu Längbansbyttan im 
Kiripiele Syernebo der ſchwed. Landſchaft MWerm: 
land, trat in die ſchwed. Armee und rüdte 1822 
zum Seutnant auf. Um jeiner neu erfundenen 
Heibluftmafhine (f. d.) Eingang zu verſchaffen, be: 
gab er fib 1826 nah England. Obgleich er bier 
zunädft feinen Erfolg hatte, beſchloß er doch, ſich 
fortan dem Maſchinenbau zu widmen, nahm feinen 
Abſchied als ſchwed. Offizier, ließ In in England 
nieder und erjand bier die Dampfiprige und den 
Aäcentondenjator. Auf ——— des ameril. 
Schiffslapitäns Stodton ſiedelte E. 1839 nach den 
Bereinigten Staaten über, wo er ſeitdem in Neu: 
port lebte. Hier erbaute er 1843 das Kriegsſchiff 
Princeton, den eriten Dampfer mit dem Propeller 
unter dem Waſſer, der eine vollftändige Ummälzung 
tm Bau der —— e hervorrief. Seit 
dem Ausbruch des ameril. Bürgerkrieges erwarb 
ſich E. durch den Bau des Monitors (f. d.) einen 
gro ßen Ruf, den er durch feine Arbeiten zum Ber: 
volltommnen der Torpebos (Destroyer) noch er: 
böbte. Zu feinen fpätern Erfindungen gebört die 
foa. Solarmaſchine, die beftimmt war, die Sonnen: 
Arabien mittelö befonderer Brennfpiegel zu fam: 
meln und als direlte Wärmequelle zu verwenden. 
Die an diefe Erfindung gelnüpften wiſſenſchaft— 
lichen Unterfuhungen bat er in zwei MWerlen: «So- 
lar investigations» (Neuyort 1875) und «Contri- 
butions to the Centennial Exhibition» (ebd. 1877), 
veräffentlidt. Er ftarb 8. März 1889 in Neuvortl. 
Sein Leihnam wurde 1890 nah Schweden über: 
Cr Seine Biographie jhrieb Church (2 Boe,, 
2. „Lond. 1893). 


Sein älterer Bruder, Nils Ericjon (mie er fi, 
nachdem er geadelt, jchrieb), ebenfalls ein ausge: 
jeichneter Ingenieur, geb. 31. Jan, 1802, wurde 
1823 Unterleutnant beim Ingenieurkorps der 
ſchwed. Armee, 1828 Leutnant in der Armee, 1830 
Kapitän, 1832 Major, 1850 Oberft im mechan. Korps 
der Flotte. Seit 1855 mirlte er als birigierender 
Chef der Eijenbabnbauten des Staates. Al bedeu: 
tender ingenieur belundete er fi unteranderm durch 
die neuen Schleufen im Trollbättatanal (1837 —44), 
durch den großen Kanal zwiihen dem Saimen und 
dem Finniſchen Golf in Finland (1849—56), bejon: 
derä aber durch die ſchwed. Eijenbabnen, weiche recht 
igentlih als fein Werk angeſehen werden können. 
er 1862 von der Leitung des Eiſenbahnweſens 
at, bemwilligten ibm die Reichsſtände eine 
zlängliche Penſion von jährlih 15000 Ritss 
dalerd. Schon 1854 mar er geabelt und 1860 in den 
freiberrenftand erhoben worden. Er jtarb 8, Sept. 
1870 zu Stodbolm. i . 
lesfoufche Machine, [.Heihluftmafgine. 


163 


Eridänos, in der arieh. Mythologie der Name 
eines Flufjes, der im fernen Norden in ben Dieanos 
mündet. In ihn ftürzte Phaethon (f. d.) hinab, 
Später er Name des Bo (j. d.). 

Eridaͤnus, fehr ausgedehntes Sternbild des 
jüdl. Himmels, das nicht in feiner ganzen Auss 
dehnung in wem Gegenden fihtbar iſt. In dem⸗ 
ſelben befindet ſich ein Stern erſter Größe J arnar), 
der aber für uns unter dem Horizont bleibt. Es 
enthält zahlreiche, zum Teil ſehr intereſſante —* 
pelſterne, von denen einer eine auffallend ſtarle 
Eigenbemegung bat. (S. die Sternlarte des 
füadlihen Himmels, beim Artikel Sterntarten.) 

Erie (jpr. ihri), Hauptftabt des County E. im 
nordamerik. Staate Benniylvanien, am Sübufer 
des Erieſees, ift Eifenbabhntnotenpunft, bat (1900) 
52733 €. (gegen 1880: 27737); Fabrikation von 
Eijen, Eifenwaren, Wagen, Leder, Orgeln, Stiefeln 
und Shuben, und bedeutenden Handel mit Fiſchen 
und Getreide. Der geräumige Hafen wird durch die 
vorliegende Sie resque⸗Isle geihüht; große 
Flöße und Schiffe bringen Eitenerze aus Michigan 
und Holz aus Canada und nehmen als Rüdladung 
hauptſächlich Kohlen. €. wurde 1795 gegründet an 
der Stelle eines von Franzoſen gegen 1749 er: 
bauten Forts (de la Presquisle). 

Eriefanal (pr. ihri-), eine das fühl. Plateau 
bes Staated Neuyork von W. nad D. durchziehende, 
585 km lange Wafjerftraße zwijchen dem Erieſee und 
dem Hudfon. Er beginnt nabe bei Buffalo, bebt fi 
auf die Höhe von Lodport (115 m über dem Eriefer), 
überjchreitet den Genejeefluß bei Rocheſter ſowie 
nod —— fleinere Flüſſe, bis er bei Syracuſe eine 
112 km lange, jchleufenloje Kanalbaltung erreicht 
und ſich von Rome ab in der Thaleinfentung des 
Mohawkfluſſes allmäblih zum Hudſon binab)entt. 
Hier hat der Kanal auf der Etrede von Troy bis 
zum großen Baſſin unterhalb Albany mehrere Aus: 
mündungen oder Durcfabrten zu dem parallel lau: 
fenden Flußbett. Der Weg von Buffalo bis Troy 
oder Albany wird in einer durchſchnittlichen Yabr: 

it von 243 Stunden zurüdgelegt. In den Haupt: 

anal münden Nebentanäle, wie der Oswego⸗-, Black⸗ 
River: und Ehbamplaintanal von N. In den %. 
1817—25 bergeitellt, 1836 —42 und noch jpäter 
erweitert und vertieft, ſowie mit den beiten Ein: 
—— zum Laden, Löſchen, Durchſchleuſen, 
Wiegen der Schiffe verſehen, beanſpruchte der Bau 
einen Geſamtaufwand von 187647700 M. Der 
Kanal befist eine Oberflächenbreitevon 21,33m, eine 
Sohlenbreite von 16m und eine Maflertiefe von2 m 
gegen — 1,à m. Seine 72 aus Quadern 
erbauten Schleuſen ſind 1876 in — —— 
umgewandelt; jedoch ſind die Schleuſenlammern 
durchweg einfach, d. b. je für ein Schiff eingerichtet 
mit 33,5 m Länge und 5,5 m Breite. Die laden 
Kanalboote haben bei 27,70 m Länge und Se m 
Breite 1,38 m Tiefgang und laden bis 240. Seine 
Entjtebung verdanft der €. dem amerif. Staatsmann 
De Witt Clinton. Da jeit Eröffnung der Eijen- 
bahnen die Bedeutung des E. ald Berbindungsmweg 
zwiichen dem Weſten und der atlantiichen Küfte 
—— verringert wurde, wird ein Umbau des: 
jelben für Schiffe von 1000 t Tragfäbigteit geplant. 
— Bol. Mosler, Die Waſſerſtraßen in den Ber: 
einigten Staaten von Amerika (Berl. 1877). 
el8, ſchweiz. Dorf, ſ. Airolo. 

Eriefee (pr. ibri-), der ſüdlichſte der Canadi- 

ſchen Seen in Nordamerifa (j. Karte: Vereinigte 
11* 


164 


Staaten von Amerila. II. Oſtlicher Zeil), 
begrenzt im N. von Obercanada, im ®. 

und ©. von den Unionäftaaten —** Ohio, 
Vennſylvanien und Neuyork. Der See umfaßt 
bei einer Länge von 402 km und einer Breite 
von 50 bis 100 km 24491,94 qkm, liegt 172 m 
0.d. M. und 4 m tiefer alö der Huronfee und 
102 m böber ald der Ontarioſee, mit dem er 
durch den Niagara (f. d.) in Verbindung fteht. Cr 
ift wegen der ihm durch den Detroit am Huroniee 
ugeführten Schwemmitoffe und bes weichen Ge: 
teins feiner Ufer der ſeichteſte und ſelten mebr ala 
87, an feiner tiefften Stelle aber 76 m tief. In den 
€. ergießen Anl nur kurze Flüfje; die größten find: 
der Grand:River (195 km lang) von N. und der 
Maumee:River, der an der MWeitede bei Toledo 
mündet. Der Wellandlanal ftellt eine fabrbare 
——— wiſchen dem E. und dem Ontarioſee 
Von ufalo am Dftende führt der Erielanal 

f. d.) oftwärts zum Hudſon, von Eleveland der Ohio⸗ 
anal jübwärts bis Portsmouth am Obio, von To: 
ledo der Miamilanal nah Cincinnati; am ihn 
—* ſich bei Defiance der — —8 an. 
luch durch ein dichtes Bahnıneß ſteht der E. in Ber: 
bindung mit den Koblen-, Eiſen⸗, Betroleum:, Ge: 
treide:, Salz: und Holzregionen der begrenzenden 
Staaten, deren Erzeugniſſe über den E. zum St. 
Lorenz und vr i fowie zum Meere verfcifit 
werden. Die Sci rt ift von Anfang Dezember 
bis März oder April unterbrodyen und wegen der 
ftarten Strömungen und Stürme gefährlib. Wie 
die übrigen canad. Seen weiſt aud der €. einen 
Mangel an natürlichen Häfen auf; bis auf den 
von Grie find alle erjt durch Kunftbauten geſchaffen. 
Wichtige Pläße find: Buffalo, Dunkirk, Erie, Cleve⸗ 
land, — Toledo und etwas entfernt Detroit, 
Erigena, ne Scotus, Gelebrter in Irland 
(baber &., verborben aus Jerugena, d. b. aus Jr: 
land gebürtig), geb. um 810, in einer iriſchen Klojter: 
ſchule gebildet, erfheint um 840 am Hofe Karla 
des Kahlen. Er wurde Lehrer und Voriteber der 
Hofihule, die damals ſchon in Paris war, und 
wirlte hier mehrere Jahrzehnte als Lehrer der Theo: 
logie. Sein Ende iſt ungewiß; entweder ijt er um 
877 in Frankreich geitorben, oder er folgte, in Frank⸗ 
reih wegen legeriiher Anfichten über Abendmahl 
und Präbeftination angefeindet, einer Einladung 
Alfreds d. Gr. nah England, lebrte ig - abre 
I Drford und ftarb 882 als Abt zu Malmes: 
ury, von feinen der Wiſſenſchaft mißtrauenden 
Mönden erſtochen. €. bejah eine damals feltene 
Kenntnis der griech. Sprahe und überfegte und 
lommentierte die erlag des Dionyſius (f. d.) 
Areopagita, die burd ihn dem Abendlande juerft 
ugänglid und die Grundlage der mittelalterlichen 
jtil' wurden. Inden dogmatiſchen Kämpien feiner 
geil ftand er im Abendmablaftreit auf der Seite des 
atramnus (f. d.), da er im Salrament nur ein An: 
denten an das Leiden Ebrijti und ein Zeichen des 
allgegenmwärtigen Gottes jab; im Prädejtinations: 
ftreit Gottſchalls (f. d.) nahm er in feiner Schrift 
«De praedestinatione» eine eigenartige Mittel: 
tellung ein, indem er die Einbeit der göttlichen Bes 
chluſſe nebft der vollen menſchlichen Freiheit ver: 
teidigte. Die eigene Anficht E.s enthält jein Haupt: 
werl: «De divisione naturae» (bg. von Gale, Orf. 
1681; Schlüter, Münft. 1838; deutih von Noad, 
in der «Philoſ. Bibliotbef», Berl. 1874). Auf dem 
Grunde neuplatoniiher Spelulation fortbauend, 


Erigena — Erinaceus europaeus 


betrachtet er ** und Philoſophie als weſent⸗ 
lich identiſch, die Welt als eine —— des 
allein wahrhaft ſeienden Gottes nad verſchiedenen 
Stufen der Entwidlung, den Gottmenſchen ala den 
Wendepunkt, mo der von Gott ausgehende Prozeh 
der Weltentwidlung wieder zu ibm zurüdfebrt. €. 
ift der Begründer der Religionspbilofopbie des 

bendlandes und ftebt jo hoch über feiner Zeit, dab 
erſt viel fpäter die von ihm ausgehende Bewegung 
verwertet und zugleich das Ketzeriſche einiger Lehren 
ertannt wurde. Honorius III. verorbnete 1225, dah 
fein Hauptwerf überall auioehuät und verbrannt 
werde. Geſamtausgabe der Werte von Floß (in 
eg «Patrologia», Bd. 122, Bar. dr — 
Bol. Staudenmaier, J. S. E. und die Wiſſenſchaß— 
ten feiner Zeit (Franlf. a. M. 1834); Taillandier, 
Scot ne et la philosophiescolastique (Straßb. 
1843); Nil. Möller, J. ©. E. und feine Jrrtümer 
(Mainz 1844); Chrijtlieb, Leben und Lehre des Sco: 
tus E. (Gotba 1860); Huber, 3. ©. E. ein Beitrag 
ur Geihichte der Philoſophie und Theologie im 

ittelalter (Münd. 1861); Kaulich, Das fpetulative 
Spitem des Scotus E. (Prag 1860); 3.3. Hoffmann, 
Der Gotted: und Schöpfungsbegrili des J. ©. €. 
(Jena 1876); Buchwald, Der Yogosbegrifi des. ©. 

. (2p3.1884); Wotjchle, Fichte und E. (Halle 1896). 

Erigöron L., Durrwurz, Beruflraut, 

flanzengattung aus der Familie der Kompofiten 
(j. d.); man kennt gegen 100 Arten, die in den ge: 
mäßigten Zonen ſowie in den Gebirgägegenden 
der Tropen eine ausgedehnte Verbreitung * 
Es find einjährige ausdauernde Gewächſe von ſeht 
verjhiedenartigem Habitus. Die gemeinjte europ. 
Urt ift das gemeine Beruflraut oder Floh: 
traut (E. acris L.), ein zweijähriges Kraut mit 
aufrehtem Stengel und Heinen, trugdoldig angeord⸗ 
neten Blütentörbcben, deren rötlich : lilafarbene 
Strablblümchen nad unten umgerollt find. Diele 
Pflanze wächſt faſt überall an trodnen Aderrainen, 
auf grafigen, fteinigen Hügeln u. f. w. und gilt 
unter dem Volle als beilträftig. Früher wurde es 
gegen das Beihreien (Berufen) der Kinder Fi 

raucht. Eine einjäbrige, urſprünglich ameril. Art, 
E. canadensis L., mit Heinen, gelblibmweißen Blu⸗ 
tenlörbchen, ift jhon vor langer Zeit in Guropa 
eingewandert und auf Sandboden ein oft jebr läfti- 

es Unkraut, Mehrere Arten haben wegen ibrer 

hönbeit in den Gärten Aufnahme gefunden. Zu 
biejer gehören vorzug&weife: E. speciosum Dec., 
aus Kalifornien, mit bellblauen, E. glabellum 
Nutt., aus Nordamerila, mit blafvioletten Strab: 
lenblüten und gelber Scheibe, fowie das in neuerer 
Zeit eingeführte E. aurantiacum Kgl. mit dunlel⸗ 
orangeroten Blüten. 

Erigerondl, das ätherifhe Öl von Erigeron 
canadensis L., in Nordamerita als blutftillendes 
Mittel benukt, bejteht zum größten Teile aus rechts: 
drebendem Yimonen. 

Erigieren (lat.), aufs, emporridten, erbeben; 
davon abgeleitet Erektion (f. d.); erigibel, auf 


richtbar. 
an Tochter des Ilarios (f. d.). — E. beißt 
Erif, ſ. Erich. auch der 163. Planetoid. 
Erika, ſ. Erica; Erilaceen, ſ. Ericaceen. 
Eriksſon, Kriſtian, ſchwed. Bildhauer, j. Bd. 17. 
Erin, der alte kelt. Name von Irland (f. d. und 

Hibernia). 
Erinacdus europaeus L., der Jael (1. d. 

und Tafel: Infettenfrejfer, Fig. 1). 


Erineum — Erinnyen 


Erindum Pers., ſ. Filjttantheit (der Blätter). 
ri Bezirt im fcmeiz. a 
Hrend. al d’). 
a a — a LLee 
Erinit (von Erin, Irland), Name für mei ganz 
wrihiedene Mineralien. Das von Haidinger fo 
ger Üt Imaragdgrün, von nierenförmiger Ge: 

It mit lonzentrifch fchaliger Zufammenjegung 
und hemilch das waſſerhaltige arfenjaure Kupfer: 
od 5Cu0,As,0, + 2H,O; es findet ſich nicht, 
wie —— — zu Limerick in Irland, 
ondern in Cornwall, daher der Name E. überhaupt 
bierfür nicht mehr paſſend iſt. —Thomſons E. 
ein rotes, bolus⸗ oder ſteinmarkähnliches Mineral, 
ein wafjerbaltiges Thonerdefilifat mit 6,4 progentis 
gem Gijenoryd, aus den Klüften der Bafaltberge 
von Antrim in Irland. 

Erinna, griech. Dichterin, war wahrſcheinlich 
eine —— der Sappbo (f. d.). Erhalten find 
von ibr nur fünf Berje von den 300 des Gedichts 
« Die Spindel», außerdem unter ihrem Namen drei 
Epigramme, die jedoch nicht vor dem 4. yabrh. ver: 
faßt find. Die Fragmente find von Fr. W. Richter 
(«Sappbo und €.», Queblinb. 1833) ind Deutſche 
übertragen worden. 

Erinnerung, j. Gedächtnis. 

Erinuerungsmedaille, geitiftet zum Andenken 
an den bundertiten Geburtstag Raifer Wilhelms J., 
am 22. März 1897, ift aus Bronze von eroberten 
Seſchutzen geprägt und zeigt auf der Vorberjeite 
das Bruftbild Kaifer Wilhelms I. nebft der In: 
ſchrift: Wilhelm der Große, deuticher Kaifer, König 
von Preußen; die Rüdjeite trägt die Infchrift: Zum 
Andenten an den bundertiten Geburtätag de3 gro: 
Gen Kaiſers Wilhelms L. 1797 — 22. Närz — 1897, 
darunter befindet ſich auf einem Lorbeer: und einem 
Eichenzweige rubend die Kaiſerkrone, der Reichs: 
apfel und das Reichsſchwert. Sie wird an einem 
orangefarbenen gewaͤſſerten Bande getragen und 
wurde allen Militärperjonen verliehen, die 22. März 
1897 dem altiven preuß. Heere oder den unter preuß. 
Bermaltung ſtehenden Kontingenten angehörten, 
oder zu einem preuß. Truppenteil kommandieri 
waren, jowie allen Inhabern der preuß. Kriegsdenk⸗ 
münze für 1864, des preuß. Erinnerungstreuzes für 

1866 und ber Kriegädentmünze von 1870/71. 
Erinnerungsihwäche, eine Form der Am: 
nefie (f.d.). Die E. berubt entweder darauf, daß 
der Gedähtmisinhalt infolge von Vernichtung der 
organiſchen Grundlage im Hirn bleibend verloren 
en ift, oder darauf, daß irgendwelche Ein: 
ütje die Rüdtehr im Gedächtnis noch aufbewabhrter 
Eindrüde ind Bewußtſein men. Letztere Form 
findet ſich vorübergehend ſchon bei geringern Sto— 
tungen des Selbſtbewußtſeins (Angſt, Berlegenbeit), 
deögleichen bei allen tiefern, die mit Gedächtnis: 
Ihwäce im engern Sinne verbunden find; erftere 
tt Kennzeichen jablreicher auögebreiteter Krankheiten 
des Gehirns, befonders feiner grauen Rindenſchicht. 
Die E. erftredt ſich in beiden Faͤllen entweder nur 
auf einen Zeil der gefammelten Erfahrungen (Am- 
nesia ialis) oder auf alle (Amnesia totalis), 
Die eritere zeigt ſich entweder ald Unfäbigteit, eins 
jelne Eindrüde aus allen möglichen giftigen und 
finnliben Gebieten ind Bemwußtiein zurüdzurufen 


(3.8. bei der im höhern Alter häufigen Amnesia | 
senilis die Erlebnifje der legten Jahre, während | 
onders Erinnerungen aus der Jugendzeit, | 


ältere, 


165 


fe: einzelne Wiſſensgebiete, 3.8. die Sprade (Ber: 

uft des Wortgedächtniſſes, ſ. Spradftörungen), 2 
Zahlen, Melodien, Thatſachen, Berfonen u. p mw. Die 
Urjache ift bier die Erkrankung gewifjer Heinerer Ab» 
ſchnitte der Großbirnrinde oder ihrer Umgebung. 

Eriunerungdzeichen, |. — 

Erinnhen, Erinyen (Erinfes; lat. Furiae, 
Yurien, d.i. die Grollenden, Wütenden), fchon in 
der älteften griech. Boefie die den Schidialsgöttinnen 

Moiten) verwandten WäcterinnenderNaturgefeke, 

tenerinnen der ig und Räderinnen jedes 
Frevels. Nach Hefiod gebar fie Ge (Gäa, Erde) aus 
den Blutätropfen des von Kronos entmannten Ura⸗ 
no3, in andern Theogonien heißen Kronos und Ge 
mit dem Beinamen Euonyme, d. b. von gutem 
Namen, ihre Eltern, bei Aſchylus werben die €, 
Töchter der Nat, bei Sophotles Töchter von Sto: 
to8 und Ge, Finfternid und Erbe genannt. Ihr 
Wohnſitz ift die Unterwelt, aus der fie auffteigen, 
um mit unermüblicher Ausdauer den Verbrecher zu 
verfolgen. Uſchylus hatte fie in den «Eumeniden» 
auf die Bühne gebracht, wie fie, furdtbar anzu» 
fhauen, den Gorgonen ähnlich, mit dunteln Ge 
wändern angethban und mit Schlangen im Haar, 
den Dreftes, der feine Wutter auf Gebeiß des 
Apollon getötet hatte, verfolgen, bis er vom atbe 
niihen Areopag vermitteljt des Einjchreitens der 
Athene losgeſprochen wird, den E. aber, die num 
zu Gumeniden (db. b. Woblwollende) werden, ein 
Heiligtum in Athen felbft, am Fuße des Areopags, 
und göttlibe Verehrung als Erſatz für das nad 
dem alten Blutrecht ihnen verfallene Opfer zuer: 
fannt werben. 

Doh wurden die Eumeniden bier nicht ſowohl 
unter diefem Namen ala vielmehr unter dem der 
Semnen (Semnaji), d. b. der Ehrwürdigen, — 
Sie hatten eine eigene Prieſterſchaft (3 oder 10 Opfer: 
priefter und eine Priefterin aus dem Geſchlecht der 
Heſychiden), welde ihnen zu Ehren alljährlich ein 
‘seit feierte, Dasielbe wurde mit einer Prozeffion 
begangen, mobei die tiefjte Stille herrſchen mußte. 
Dargebraht wurden nädtlihe Schladtopfer und 
Honigtrant ohne Wein, Kuchen und Mild. Ein 
— Heiligtum hatten die Eumeniden nahe bei 

then im Gau Kolonos Hippios, wo nach Sopbo: 
lles Divipus feine Rubeftätte fand. Wahrſcheinlich 
ward dur die tragifhe Dichtung der Name Eu: 
meniden zuerjt in Athen, dann pin fonft in Hellas 
gebräudlicher. Zue 2 bald von der Erinys in 
der Einzabl, bald von E, Semnen, Eumeniden in 
unbeftimmter gahl die Rede. Die jpätern Dichter 
baben die Zahl der E. auf drei firiert, Tifipbone 
Br den Mord Rächende), Alelto (die unverföhn: 
ih Grollende) und Megaira (die Neidifche). 

Auch im Heiligtum am Areopag ſtand zuerft nur 
eine Bildjäule von Kalamis. Erjt jpäter wurde die 
Dreizahl sn indem zwei Statuen von der 
Hand des Slopas hinzu efügt wurden. Diejelben 
batten nichts Graufiges. In erbaltenen Runjtwerten 
ericheinen fie, ge rg im Anſchluß an die Kult⸗ 
bilder, bald als rubig dajtebende, langbetleidete 
Frauen mit mildem Ernft im Blid, bald raſch dabins 
eilend, geflügelt, mit Sadeln, oft mit Schlangen, 
bisweilen auch mit einer Geißel oder mit Lanzen 
und Schwertern in den Händen, die Gemänder wie 

ägerinnen bob aufgeibürzt, nicht aber, wie die 

oefie fie wohl ſchildert, in graufenbafter Haßlich⸗ 
keit. Erft auf Vajenbildern ſpäteſten Etils tritt 


no feit haften), oder als Verluſt des Gedächtnifies | auch diefer Typus hervor. — Bgl. Rojenberg, Die 


166 Eriobotrya 


G. (Berl. 1873). Daß der Erinnyenglaube in ur: 
altem Seelentult wurzelt, und daß 3.2. «die Erinys 
eines Ermordeten nicht& anderes war als jeine eigene 
zurnende, ſich jelbit ihre Rache holende Seele, die erſt 
in ſpäterer Umbildung zu einem den Zorn der Seele 
vertretenden Hollengeiſt geworben ilt», hat neuer: 
dings E. Rohde (in «Pſyche⸗, 2. Aufl., Freib. i. Br. 
und Lpz. 1898, und im «Rhein. Mufeum», Bd, 50, 
6.6 fg.) Har erwieien. (S. Seelentult und Keren.) 


Eriobotrfa, gilanıe, f. Photinia. 
Eriooam irſchblattweſpe, ſ. Blattweipen. 
Eriod n DC. (Ceiba Gärtn.), ®oll: 


baum, Pflanzengattung aus der familie ber 
Malvaceen (f. d.) mit nur wenigen Arten, die faft 
fämtlih in den Tropengegenden Ameritas vorlom: 
men; nur eine Art findet fich im tropijchen Aſien 
und Afrika. E3 find große, jhön belaubte Bäume, 
mit ftacheliger Rinde, großen, gefingerten Blättern 
und en boldig gruppierten Blüten. Die 
Frucht ift eine bolzige, mit fünf Klappen auf 
pringende, vielfamige Kapſel. Die Samen aller 

rten find dit wollbaarig. Bon E. anfractuosum 
DC. (jest fait in den ganzen Tropen verbreitet) 
ftammen die unter dem malaiifshen Namen Kapot 
oder ald Pflanzendunen bejonders von Java 
aus in den Handel kommenden Wollbaare. Der 
Same wird zur Herjtellung von Polſtern u. dal. 
verwendet. Durch Einjchnitte in den Stamm kann 
eine Art Gummi gewonnen werden, das jedoch, da 
es in Wafjer zwar aufſchwillt, aber fich nicht Löft, ala 
Surrogat des echten arab. Gummi nicht benußt wer: 
den lann. Der Baum wird wegen rg fchnellen 
und regelmäßigen Wachstums vielfah als Allee: 
baum oder als lebende Telegrapbenftange kultiviert. 

Eriomöter (grch.), |. Wollmefier. 

Eriömys, j. Ebindilla. 

Eriophörum L., Watte, Wollgras, Bin» 
fenjeide, Pflangengattung aus der Familie der 
Epperaceen (j. d.) mit zehn in der nördlichen 7 
mäßigten und arltifchen done verbreiteten Arten. Es 
find — Gewächſe, die ſich durch ſtarke Be: 
baarung der Blütenköpfchen, die beſonders nah 
dem Abblüben deutlich bervortritt, auszeichnen; fie 
fommen meift auf moorigem Boden vor. Am ver: 
breitetften find wohl E. latifolium Hoppe (f. Tafel: 
Epperaceen, ge. 1) und E. angustifolium Rth., 
von denen bie erite flache, an der Spike dreilantige, 
die zweite ige da befigt und längere Moll: 
qualten trägt. Die Stengel werben, wenn bie Üihr: 
hen voll entwidelt, aber die Samen noch nicht 
reif find, gefammelt, in verfchiedenen Nuancen 
gefärbt und ald Bouquetmaterial verwendet. 

Eriphijle, die Tochter des Talaos und der 
Lyſimache, die Schweiter des Adraſtos und bie 
Gemahlin des Ampbiaraos. Sie ließ jih von Poly: 
neites mit dem Halöbande der Harmonia (j. d.) bes 
ftehen, daß fie ihren Gemabl veranlaßte, an dem 
von Adraftos geführten Zuge der Sieben gegen 
Theben teilzunepmen. Ampbiaraos fand dort den 
Tod, den nun der eigene Sohn Alkmaion (j. d.) an 
€. rädhte, nachdem he nob von Tberfandros den 

eplos der Harmonia dafür erhalten, daß fie ihren 

obn zur Teilnahme am Epigonenzug bejtimmt 
batte. Sopholles behandelte den Stoff in einem 
verloren gegangenen Traueripiel. 

Eripieren lat.) entreigen. 

Eris, die grieb. Göttin der Zwietracht, war 
nah Homer die Gefährtin und Schweiter des Ares; 
nad Hefiod giebt es neben einer guten E., dem zur 


— Eriwan 


Thätigleit anfeuernden Wettftreit, eine böje €,, die 
Tochter der Nacht, bie kein Sterblicher liebt. Wo fie 
erſcheint, iſt fie, nach Homer, anfangs Hein, ragt aber 
bald mit ihrem Haupt bis zum Himmel empor, Am 
belannteſten ift jie durch den Streit, den fe bei der 
Hochzeit des Peleus und der Thetis aus Rack, 
weil jie nicht eingeladen war, unter den Göttinnen 
um den Preis der Schönheit erregte, indem fie 
(nad) jpätern Dichtern) einen Apfel (daher die Be: 
gihnung Erisapfel) mit der Aufſchrift « Der 
hönjten» unterdie Hodyzeitögäftewarf. (S. Paris.) 
Ihr nachgebildet ift die bei Bırgil und andern röm. 
ichtern auftretende Discordia. AufBajenbildern 
ericheint fie als langbetleivete Frau, an den Schul: 
tern und Füßen geflügelt. — Vgl. Wiefeler, Über 
E. (in den «Nahrichten der Königl. Gejellidaft der 
Wiſſenſchaften zu Göttingen», 1885, ©. 87 fe.). 

Erisapfel, ein Gegenitand, der Zwietradt er: 
zeugt, ſ. Eris. 

Erismaturinae, Ruderenten, Unterfamilie 
der Enten, welde in einer Gattung und 6 Arten 
Amerita, Afrita, Auftralien und Kleinafien nebit 
Südofteuropa bewohnt. Sie haben einen etwas ver: 
längerten Hals, die Nageltuppe an der Schnabel: 
jpige ift wenig entwidelt, die Flügel find vertürzt, 
der aus 18 fteifen, ſpitzen * gebildete Schwan; 
verlängert. Eine Art (Erismatura leucocephala 
Eyton.) findet fi in Südungarn und auf der Bal: 
tanbalbinjel; fie ift 56 cm lang, von brauner Grund: 
farbe mit ſchwarzen Fledchen, dad Männchen mit 
weißem, das Weibchen mit braunem Kopf. 

Eriställs, Gattung der Schlammfliegen (1. d.), 
von fräftiger, bienenartiger Gejtalt. Die Larven 
baben einen hwanzartig verlängerten Hinterleib, 
der am Ende die Atemöffnung trägt. Leben als fog. 
Rattenjbmwanzlarven in a erlei jchmußigern 
Waſſer, Sentgruben u. f. w. 

Erfitit (grch.), Streittunft, Disputierktunft; da: 
ber Eriftiter, Philoſophen, die dialeltiſche Spis- 
—— nicht in ernſter, etwa logiſcher Abſicht, 

ondern um der überlegenheit im Wortgefecht willen, 

aufſuchen. Vorzugsweiſe nannte man ſo die Ver— 
treter dieſer Richtung in der Megariſchen Schule 
(j. d.), wie Eubulides und Diodorus Kronos. 

Erith (pr. ihr-), Stadt in der engl. — 

Kent, 25 km öſtlich von London, rechts an der ie, 
am Fuße bewaldeter Hügel —— gelegen, hat 
1901) 25295 E., viele Landhäufer Londoner Kauf⸗ 
eute, Klubhäuſer und eine epbeuumrantte Kirche 
mit Dentmälern aus dem 15. Jahrh.; Ziegelei, du 
britation von Zeugen und künjtlibem Dünger. 

Eritis siout Deus, soientes bonum et 
malum (lat., «br werdet jein wie Gott und willen, 
was gut und böje ijt»), Citat aus 1 Moſ. 3,5, von 
Goethe in der Schülerjcene des «Fauft» angemandt. 

Eritröa, ital. Kolonie in Afrika, ſ. Erytbräa. 

Eritwän, Eriwänj. 1) Gouvernement des null. 
Generalgouvernements Kaufafien im füpl. Teil 
Transtautafiens (f. Karte: Kaukaſien, beim Ar 
tifel Rußland), grenzt im ©. an die Türlei und 
Berfien, im W. an das Gebiet Kara, im N. an dat 
Gouvernement Tiflis, im NO. und D. an das Gou: 
vernement Jeliſawetpol, hat 27830 qkm mit 
804757 E., d. i. 28,9 auf 1 qkm. Es ift ein Hod- 
land, das ganz im Flußgebiet des Aras liegt; nur 
im N. gebt der Bambal unmittelbar zur Kura. Im 
NO. liegt der Goltſchaſee (1398,7 qkm). Im D. 
—— zuſammenhängende ſchmale, er Klei⸗ 
nen Kaulaſus gehörige Bergrüden das Land, an 


Erf — Erkältung 


andern Stellen erbeben ſich nur vereinzelte Berge, 
wie der Alagös, Ararat u.a., zu bedeutenden Höhen. 
Der vullanifche Urſprung iit deutlich erfennbar. 
Der Mineralreichtum ift groß, doch wird nur Stein: 
kalz, rüber auch Kupfererz, abgebaut. liberal fin: 
den ih Mineralquellen. Der Aras gebört auf 
335 km dem Gouvernement an, bildet auf 180 km 
die Grenze desjelben E en Berfien, ift aber weder 
Ihiff: noch flößbar. €. H fehr waldarm. Die mitt: 
lere YJahrestemperatur beträgt in Alerandropol 
11291 m) 4,4°, in Aralych (833 m) 11,6°. 

Die Bevölkerung beitebt aus Armeniern (54 Proz.), 
Zataren (40 vo.) Kurden (5 Proz.), Rufien (0,8 
Vroz., meift Rastolniten), Ajfioren, Griechen, Ju: 
den. Der Religion nad — 1 von 588710 E. 
6468 der ruſſ. Kirche (mit ihren Selten), 288950 
der armenijch=gregorianifchen, 4020 der armeniſch⸗ 
tatboliichen, 214 der latholiſchen an; 203674 waren 
ſchiitiſche, 27596 funnitishe Mobammedaner, 4 Bro: 
tejtanten, 24 Ysraeliten, 7772 Jeziden. Das Haupt 
der armenijchen Kirche wohnt in Etſchmiadzin. Die 
Dauptbeihäftigung der Bewohner beiteht in Ader: 
bau und Viehzucht, darunter auch die Zucht von 
Kamelen (17000 Stüd) ſowie Maultieren und 
Eieln. Der Aderbau wird in den Flußthälern durch 
Bemäflerungstanäle gefördert. Es werden bier ge: 
baut Weizen, Gerfte, Mais, Luzerne, Hirfe, ferner 
Baummolle (3 Mill. Bud jährlih), verjchiedene 
Olfruchte, Wein (60000 hl), Obſt, Gemüje und 
Zabat. Im hocgelegenen Norden wiegt die Vieh: 
Ser vor, dabei beiteht Flachsbau und Bienenzudt. 

ie Fiſcherei ift ftart am Goltſchaſee; Blutegel wer: 
den von alters ber in den Sümpfen und Kanälen 
gezüchtet und nad Perfien ausgeführt. Durd €. 
gebt der Karawanenweg von Tıjlis nah Perſien, 
anbererjeitö nad Kars, jomwie die Eifenbahn Tiflis: 
Kars mit Zweigbahn nad E. (264km). Der Handel 
liegt in den Händen der Armenier und zum Zeil der 
Zataren. Das Gouvernement zerfällt in 7 Kreiſe: 
E., Alerandropol, Nomwobajajet, Nachitſchewan, 
Surmalin, Scharurodaralages, Etiſchmiadzin. 

2) Kreis im mittlern Teil des Goupernements 
E., lints vom Aras (von der Mündung der Sanga 
an bis zur Mündung des Tihanahtihan) bis 
zum Goftichafee, im NO. gebirgig, im SW. eben 
(Arastbal), bat . qkm, 127072 €. (54 Proz. 
Zataren, 36 Proz. Armenier, 8", Proz. Kurden), 
gr Bewäſſerung, Weizen:, Mais⸗, woll⸗, 

bitbau und Viehzucht. 

3) €., perj.Rewan, Hanptftabt des Gouverne— 
ment3 und des Kreiſes E., 278 km füpjüpdäftlich 
von Tiflis, in 994m Höbe, links von der Sanga und 
an der Zweigbahn Alerandropol-E,, in einem Keſſel, 
beitebt aus 4 Stabdtteilen, mit einer Feſtung ſüdlich 
von der Stadt auf einem Hügel und bat (1897) 
29033 E. alten Balaft mit Spiegeljaal und orient. 

nifien, 1ruff., 6 armeniſch⸗gregorianiſche 

Kirchen, 5 Moſcheen, 1 Gymnafium, 1 Nädchenpro: 

gymnaſium, 1 Zehrerjeminar, viele Gärten mit Obſt⸗ 
(berühmt find die eriwanſchen Pfirfiche) und Gemuſe⸗ 
bau; vier Kanäle aus der Sanga mit zahlreichen 
Berimeigungen bemäfjern die Umgebung. infolge: 
deiien entiteben im Sommer Miasmen, auch treten 
jliegen, Müden, Mosquitos jo maſſenhaft y; 
daj jelbjt die Behörden während dieſer Zeit E. 
verlaffen und das ofpital an einen andern Plat 
verlegt wird. . it eine ber älteiten Städte 
Ameniens. Unter perj. Herrihaft war es Haupt: 
habt der Provinz Ararat. 1583 fam es an die 


167 


Zürfen, 1605 an die Berjer, 1635 wieder an bie 
Zürfen. 1780 zablte es den Georgiern Tribut, 1827 
lam e3, von Bartewitfch erobert, der deshalb ven 
Beinamen Eriwanjtij erhielt, an Rußland und ift 
feit 1850 Hauptitabt des Gouvernements. 

Erf, Ludw. Chriſtian, Muſiler, geb. 6. Jan. 1807 
in Weplar, war Schüler feines Vaters, jpäter von 
N. Andre, wurde 1826 —— an dem Lehrer⸗ 
ſeminar zu Mors und erhielt im Dit. 1835 bie 
pam Stellung an dem Seminar für ——— 
ehrer zu Berlin. Hier gründete €, ſeit 1841 Ber: 
eine re Pflege des mebritimmigen —— 
und begann für dieſe Vereine in umfaſſendſter Weiſe 
Volkslieder zu fammeln und zu bearbeiten. Durch 
die Herausgabe diejer Arbeiten hat ſich €. be 
Verdienfte um die praftiihe und wiſſenſchaftli 
Pflege des deutjchen Volläliedes erworben. Die 
—— Sammlungen find: «Schullieder⸗ 
Ejien 1828; 3. Aufl., 3 Hefte, end denen 
ſich als Fortjegung und Überarbeitung der jeit 1839 
in über 100 Auflagen erſchienene «Liederfrang» (mit 
MW. Greef, 3 Hefte) anſchließt; « Mebrftimmige Ge: 
fänge für Männerjtimmen» (7. Aufl., 2 Hefte, Eſſen 
1883), «Bolt3llänge. Lieder für mebritimmigen 
Männerchor» (3. Aufl., 3 Hefte, Berl. 1865 —67), 
«Singvögelein. Sammlung ein:, zwei⸗ und dreiſtim⸗ 
miger Lieder für Schule, Haus und Leben» (6 Hefte, 
das 1. Heft in 61. Aufl., Eſſen 1896), «Deuticher 
Liederfhag» (Gefamtausg., 7. Aufl., Lpz. 1899), 
«Die deutihen Voltsliever mit ihren Singweifen » 
(mit W. Irmer, 2. Ausg., ebd. 1843), Letztere 
waren ein Vorläufer der vorzüglihen Sammlung 
deutjcher Volkslieder, die er als «Liederhort» (Br. 1, 
Berl. 1856; neu bearbeitet von Böhme, 3 Bde. Lpz. 
1893 — 94) begann. 1877 legte E. der 1857 zum 
— Muſildireltor ernannt worden war, ſeine 
amtliche Stellung nieder. Er jtarb 26. Nov.1888 in 
Berlin. Auf dem alten Elifabethlirhhof in Berlin 
wurde ihm 1885 ein Denkmal errichtet. — Vgl. Karl 
Schulge, 2. Erf (Berl. 1876). 

Erfa, german. Sagengeitalt, ſ. Helce. 

Erfältung (Refrigeratio) oder Verluhlung, 
alle diejenigen nadhteiligen Folgen, welche für 
den menſchlichen Körper aus einer zu raſchen 
Abnahme der Temperatur entipringen lönnen. 
Einer der wichtigiten Prozejje in der Ölonomie des 
tieriihen Organismus ih die Ausdünjtung der 
Haut, durch deren Boren und aus deren Schweiß: 
tanälchen unaufbörlich ein Teil der im Körper ents 
—— Fluſſigleiten verdampft, wozu die nötige 

ärme durch die Blutcirkulation geliefert wird. 
Wird diefe Wärme durch längere Zeit einwirtende 
bedeutende Kälte ver Oberfläche entzogen, jo erfolgt 
Erfrierung (f. d.); wird fie jchnell durd einen o 
verbältnismäßig nur unbedeutenden Rältegrad, be: 
fonderö durch feuchte Kälte, zurüdgedrängt, jo er: 
folgt E. Das Wefen der dadurch entjtehenden Stö- 
rung ift noch nicht aufgellärt. Die Anficht der 
ältern Arzte, daß infolge der unterbrüdten Haut: 
ausſcheidung ein dem Organismus ſchädlicher Stoff 
im Blute zurüdgebalten werde, —5 Anbäufung 
dann die ber rä folgenden örtliben Krantbeiten 
beroorrufe, ift durch die neuern phyſiol. Unterſuchun⸗ 
gen über die Thätigleit der Haut völlig unhaltbar 

eworden. Eine andere Meinung gebt dahin, daß 
er Ertältungsvorgange das Nerven» und das 
—* eine wichtige Rolle ſpielt, indem bei 
der Abkühlung die ſenſibeln Hautnerven in einen 
tranlhaften Erregungszuftand verjegt werben, wel⸗ 


168 


her bis zu den Gentralorganen des Nervenipitems 
fortgeleitet und von bier auf refleftoriichem Wege 
auf gewifle andere, ei * Reiz beſonders em: 
pfängliche Nervenbahnen übertragen wird; erjolgt 
die libertragung auf jenfible Nerven, jo entjteben 
rheumatiſche Schmerzen, während bei Übertragung 
auf das der Wärmeregulierung vorjtebende Nerven: 
centrum Fiebererregungen zu ſtande lommen. 

Die Organe, welche am bäuft ” durh E. er: 
franten, find die Haargefähe, die Nerven, die Mus: 
feln und die Schleimhäute; Entzündungen, Rheuma: 
tiämen und Katarrhe find aus diefem Grunde, wie 
die tägliche Erfahrung zeigt, die häufigiten Erkäl— 
tungsfrantbeiten, Sende fann eine E. auch die 
Gelegenbeitäurfahe zum Ausbruch gewiſſer Infel⸗ 
tiondfrantbeiten, 3. 4 der Lungen: und Bruitfell: 
entzündung, de Mumps u. ſ. w. abgeben. 

Bisweilen beftebt eine innige Beziebung zwifchen 
dem ertälteten Hautteil und gewiſſen nabe gelegenen 
Organen; jo führt E. des Halfes Vehr leicht ju Kebl: 
— die der Bruſt zu Luftröhrenkatarrh; 
Menitruationsjtörungen kn bäufig durd €. 
der Füße, ———— nach E. des Leibes u. dal. 
Andererſeits freilich wird bei manchen Perſonen 
durch jedwelche E., gleichviel auf welchen Kürperteil 
fie auch einwirlte, immer dieſelbe Krankheit erzeugt. 
Zu den ſchädlichen Urſachen, die E. herbeiführen, 
gebören vorzüglib Zugwind und innere oder 
äußere Abkühlung durd; kaltes Waſſer. Beſonders 
ſchwitzende Hautteile werden leicht durch Zugwind 
erlältet, weil die durch den Du bedingte rajchere 
Verdunſtung des Schweihes jo viel Wärme bindet, 
dab die Haut, auch wenn der Zugwind an fich nicht 
talt war, doch ſtets eine plöslihe Abkühlung er: 
leidet. Am gefaͤhrlichſten find die E. ſchwißender 
Füße, weshalb man nafje Strümpfe fo ſchnell als 
möglidy wechſeln joll. Eine beiondere Anlage zur 
€, (Erlältbarteit) ift vielen, beſonders ver: 
weichlichten Perfonen eigen. Übrigens ift nicht zu 
vergejien, dab der Volläglaube jebr geneigt iſt, 
alle mögliben Krankheiten, alio aud ſolche, die 
nie — E. entſtehen, auf eine ſolche, den ſog. 
Verſchlag, zurüchzuführen. Jr neuerer Zeit in 
die E. ala eigentlibe Urjabe von Kranlheiten 
jebr eingejhränft worden. Hinfichtlich der Behand⸗ 

m it zu bemerken, daß möglichſt bald nad ge 
ſchehener €. äußere Wärme, Bettrube und warmes 
waſſeriges Getränf (5. B. Lindenblütenthee, Warm: 
bier, hinef. Thee, weniger gut die erhigenden Auf: 
güfje von Kamillen oder lieder) anzuwenden find, 
weil durch eine energijche und anhaltende Schwitz⸗ 
kur ernſtliche Folgen der E. am eheſten verhütet 
werden. Bei chroniſchen Erlältungsfrantbeiten find 
beionders die rufj. Dampfbäder beliebt. Übrigens 
H die einmal entitandene Erfältungstrantbeit nad 
ihrer befondern Natur zu bebandeln. Gegen Er: 
kältbarleit, die womöglih ſchon in früber Ks 
energiſch befämpft werden foll, wendet man ent: 
weder lalte Waſchungen des Körpers, Fluß: und 
Seebäder, und jonftige Hydrotberapie an, oder 
jhüst, wo dies untbunlih, den Kranken durch 
wollene oder jeidene, auf dem bloßen Leibe zu tra: 
gende Unterkleider. (©. Abbärtung.) 

Erkel, Franz, ungar. Kompontit, geb. 7. Nov. 
1810 zu Betes-Cyula, empfing Mufitunterrict von 
feinem Bater, einem Scullebrer, ging 1835 als 
Kapellmeifter und Pianiſt nach Peſt, mo er feit 1838 
als erjter Kapellmeifter, ſeit 1865 als General: 
mufildireltor des Nationaltbeaters (des jekigen 


Erfel — Erfenntnistheorie 


loniglich ungar. Opernbaufes) wirkte. 1875—88 war 
er auch Leiter der Landesmufilalademie. Er jtarb 
15. Juni 1893 in Budapeit. Bon E.s namentlich 
in Ungarn —— au —— Opern ſind her⸗ 
vorzubeben: «Hunyad 6» (1844), die beite 
ya Nationaloper «Erzsebet» (1857; mit Fr. und 
8. Doppler), «Bänkbän» (1861), «Dözsa György» 
(1867), «Nevtelen hösök» (1880), «Hönig Stefan» 
1885). Von Fe Hleinern Kompofitionen und 
iedern ift ebenfalls vieles unter feinen Landsleuten 
populär geworden, —— die Muſil zu Koleſeys 
«Hymnus» (1845). E.s Hauptlraft beſtand in der 
lüdlihen Verſchmelzung der modernen ausländi- 
hen mit der altungar. Nationalmufil. 

ee Kreis im preuß. Reg.⸗Bez. Aachen, 
bat 288,99 qkm und (1900) 36 696, (1905) 38127 €, 
1 Stadt und 24 Landgemeinden, — 2) Kreisftadt 
im Kreis E., 40 km im NO. von Nahen, 63 km 
von der niederländ. Grenze, in 99 m Höhe, auf 
einer Hochebene in fruchtbarer Gegend, an der 
Linie Nahen: Düfjelvorf der Preuß. Staatsbabnen, 
Sitz des Landratsamtes, eined Amtsgerichts ( 
gericht Aachen) und Bezirlslommandos, bat (1900) 
4612 E., darunter 217 Evangeliſche und 62 Israe⸗ 
liten, (1905) 4619 E. Boftamt zweiter Klaſſe, Tele: 

rapb, zwei ſchöne kath. Kirchen, Synagoge, Hofpital, 
über Schule mit Knabenpenfionat, Boltsbant mit 

parlafje, Kriegerbentmal; Fabritation von Plüſch, 
Halbwollwaren, Spigen, Bändern, Leinwand, Leim, 
Firnis und Lad, Deitillationen, Brennereien, Ge 
treide: und Flachsbau, Viebzuct, ſowie Handel mit 
Getreide und Leinſaat. — Im J. 966 ſchenkte Kaiſer 
Otto I. E. an das Marienſtift zu Aachen, welches vie 
Grundherrſchaft über das Erkelenzer Gebiet bis 1794 
ausübte; 1326 erhielt der Ort ſtaͤdtiſche Rechte, 1648 
lam €. an — Karl V., 1579 an Jülich und 
Berg; 1794 nahmen die Franzoſen Beſitz von der 
Stadt, 1815 fam fie an Preußen. 

tfench, in der Zürlei, ſ. Ergene. 

Erfenue dich felbft, j. Gnothi seauton. 

Erkennen, Erlenntnis, im allgemeinen dad 
Erfaſſen der Wahrheit im Bewuf ein, vermdge 
einer dem Gegenftand gemäßen Borjtellung. Ihre 
Grundfaltoren find Anſchauung (f. d.) und Begriff 
(1. d.). Das Problem der Bezi —— Erlenntnis 
auf den Gegenſtand behandelt die Etlenntnistheorie 
. d.). (S. aud Intuition und A priori.) 

Erfennen, ein faufmännifcher, mit gutbringen, 

utjchreiben gleihbedeutender Ausdrud. Man er: 
ennt einen Dritten für eine von ibm gemäbrte 
au von ihm gelieferte Ware, zuge 
fandte Wechſel u. ſ. w.), t jomit, daß man 
ibm deren Geldbetrag in den Handelsbüchern aut: 
ſchreibt, ihn dafür kreditiert. 

Erkenntnis, f. Erlennen. — In der Rechts⸗ 
ſprache beißt E. oder Sentenz das in einem Pro: 
zeß —— Urteil, im Gegenſatz zu den bloßen 
prozeßleitenden Verfügungen (ſ. Urteil, Dekret und 
Ent|evung i 


enntniskritif, ſ. Erlenntnistheorie. 

Erfeuntnistheoretifch, zur Erlenntnistheorie 

. d.) gebörig oder darauf besüglih, ein in neuerer 

eit aufgelommener Ausprud, wofür Kant trans 

cendental (f. Tranfcendent), andere gnojeo: 
ogiſch gebrauden. j 

enntnistheorie, Name für die pbilof. Dis: 

ciplin, deren Aufgabe die Unterfuhung der Grund: 

eſetze der Erlenntnis (ſ. Erkennen) und die yet: 

tellung der Grenzen ihrer Gültigfeit ift. Kant be 


Erfenntnisvermögen — Erlad) 


ihnet diefe Aufgabe als die einer «Kritil» des 

enntnisvermögens (oder der Vernunft) oder der 
Äranjcendentalpbilojophier. Der JIrrtum, als ob 
die Loſung diefer Aufgabe auf dem Menge empiriſch⸗ 
riohol. Erforſchung der Entſtehung der Erkenntnis 
—— ſei, hat den erſt außerordentlich raſch in 

fnahme gelommenen Ausdruck E. wieder etwas 
verdãchtig gemacht, daher H. Cohen (zuerſt in «Das 
Princip der nfinitefimalmethode», Berl. 1883, $.8) 
den abfihtlich auf Kant zurüdweilenden Ausprud 
Erlenntniskritik bevorzugt. — Bgl. Voltelt, Er: 
fabrung und Denten. Rritiiche Grundlegung der E. 
(Hamb. 1886); E. 2. Fiſcher, Die Grundfragen der 
€. (Mainz 1887); Domer, Das menſchliche Er: 
tennen (Berl. 1887); E.von Hartmann, Das Grund» 
problem der E. (2p3. 1889); Al. Schmid, Erfenntniss 
lebre (2 Boe,, Freib. i. Br. 1890); Ed. Grimm, Zur 
Geſchichte des Erfenntnisproblems (Lpz. 1890); Hey: 
mans, Die Gefege und Elemente des wiſſenſchaft— 
liben Dentens. Ein Lehrbuch der E. (2 Boe., ebd. 
1890 — 94); Uphues, Pſychologie des Ertennens 
vom empiriiben Stanbpuntte (Bd. 1, ebd. 1893); 
Schuppe, Grundriß der €. und Logit ur 1894), 

Erfenntnidvermögen, früberphilof. Ausdrud 
für den Inbegriff der zur Ertenntnis zujammenmwir: 
lenden Faktoren (mie — Begriff u. ſ. w.). 

Erfennungsmarfe, ein Blehtäfelben mit 
Angabe des Truppenteild und der Nummer ber 

Kriegsitammrolle des Inhabers, trägt jeder deutjche 
Soldat (einſchließlich Offiziere) im Nebe an einer 
Schnur um den Hals auf bloßem Leibe behufs Feit: 
jtellung der Berfönlichteit bei Bermwundungen u.|. w. 
Erfer, ein aus dem Gebäude herausgekragter, 
von unten nicht direkt unterftühter Gebäubdeteil, der 
durch ein oder mehrere Etagen geſchloſſen —— 
und als Erweiterung des dahinter liegenden Raus 
mes dient. Die ſchönen E. des Mittelalters nennt 
man Ebörlein (f.d.). Die deutiche Nenaiflance 
bradte den Erferbau zur größten Entwidlung. 
Hervorge * aus dem Befeſtigungsbau (wie 
> am jog. Rafjauer Haus zu Nürnberg), wurden 
€ iu einem der mictigiten Schmudgliever an 
Schlöffern und Wohnbäujern und Fehlen taft niean 
Bauten jener Zeit. Der Hlafficismus wußte mit 
ibnen wenig anzufangen, Man verbot die E. in 
vielen Städten, weil fie angeblih den Nachbarn 
Licht und Ausfiht nehmen. In neuerer Zeit haben 
fie in Deutichland wieder eine weit verbreitete Ver: 
wendung gefunden und für die reichere Geitaltung 
ſowohl der Façaden ald der Innenräume reizvolle 
Motive geboten. 

Erflären, durch Auseinanderjegung klar ma: 
ben, dem Berftändnis nabe bringen. Einen Begriff 
erllären beißt, genau angeben, was darin gedacht 
iſt (f. Definition). Eine Thatſache erllären heißt, fie 
auf ıbr Geieg zurüdfübren, fo daß die einzelne That: 
ſache nicht in ibrer Bereingelung verbarrt, fondern 
durch Erlenntnis ibrer Gleihartigteit mit andern 
und genaue Fejtjtellung ihrer gejegmäßigen Be: 
dingungen in einen weitern Bulommenhang ein: 

ronet und dadurch verjtändlider wird. (S. 

rie.) Über die Erllärung von Schriften, Ge: 
ba u. ſ. w. ſ. Snterpretation; über Erklärung der 
ibel f. Eregeie. _ _ EN, 

Erfuer, Dorf im Kreis Nieverbarnim des 

yreuf. Reg.:Be3. Botsvam, am jhiffbaren Kanal 
ihen Slafen= und Dämerikjee, an der Linie 
Iin:oblfurt:Breslau der Preuß. Staatöbabnen, 
mit Rorortverfebr nach Berlin und Fürjtenwalde 


169 


und Dampferverlebr, hat (1900) 3119 E., darunter 
184 Katholiten, Pot, Telegraph, Fernipredan: 
ihluß, Genezaretblirdhe —* Fabrilation von 
Teerprodukten und Kohlenſäure ſowie Kalkbrennerei. 

Erfoberung, j. Errungenſchaft. 

Erkrath, Dorf im Grub eg.Bez. und Land: 
frei3 Düfjeldorf, an der Düffel und der Linie M.: 
Gladbach⸗ Schwerte der Preuß. Staatöbahnen, hat 
(1900) 5785 E., darunter 1467 Evangeliſche und 
28 Jöraeliten, (1905) 6061 E., Boft, Telegraph, kath.” 
und evang. Kirche; Weberei, Hochofen, Gerberei, 
Badpapierfabritation und Ziegelei. 

Erlach. 1) Bezirk im ſchweiz. Kanton Bern, 
en dem Dieler und dem Neuenburger See, der 
Ziehl und der dur die FJuragemäjlerregulierung 
entjumpften Ebene des Großen Moors im berni: 

hen Seelande gelegen, bat 78,2 qkm, (1900) 
7077 €. in 14 Gemeinden. — 2) E. franz. Eerlier, 
Stadt und Hauptort des Bezirls E., 15 km ſüd⸗ 
weitlih von Biel, in 444 m Höhe, auf dem jüd: 
weitl. Ufer des Bieler Sees, am Fuße des Jolimont 
er m), Dampferftation, — altertümlich gebaut, 
at (1900) 849 meijt evang. E., Poſt, Telegrapb, ein 
hochgelegenes Schloß, ehemals Sit der Amtöbebörs 
den, mit einem uralten Turm, eine ftaatlihe Ret: 
tungsanftalt für Knaben; ferner Uhrmacherei, Wein: 
bau, Landwirtſchaft, Jahrmärkte und etwas Wein: 
handel. Nicht weit von E. liegt das alte Klofter 
St. Yohanfen, jest Strafanitalt; auch tritt in der 
Nähe ein Steinfohlenflöz zu Tage. Am Djtufer des 
Sees bei E., bei Lüſcherz und weiter nörblich bei 
Möringen, wurden zahlreiche Überreite von Pfahl: 
bauten gefunden. 

Erlach, eins der ältejten Adelsgeſchlechter der 
Schmeis, deſſen Stammhaus E. am Bieler See it, 
urkundlich —— zwiſchen 1212 und 1220 unter den 
Miniſterialen der Grafen von Welſch-Neuenburg 
— erwähnt, von denen es die Kaſtellanei 
von E. zu Lehen trug, ift feit 1250 in Bern einge: 
bürgert, dem eö mebrere hochverdiente Kriegs: und 
Staatömänner jhentte und dejjen höchſtes Staats: 
amt, die — ———— von 1444 bis 1787 
jfiebenmal von Gliedern diefes Geſchlechts bekleidet 
wurde, Ulrich von E. follan der Spibe der Berner 
am Dombühl (2. März 1298) über Pape und 
den babsburg. Adel gefiegt baben (ſ. Bern). — 
Rudolf von E., Ulrichs Sohn, war angeblich der 
berniſche Feldhauptmann in der jiegreihen Schlacht 
bei Zaupen, 22, Juni 1339, was aber von einigen 
Zn beitritten wird. — Hans un von 

. (1595— 1650) war ein ausgezeichneter Feldherr 
und Staatömann, der zahlreiche Feldzüge im Dienite 
Venedigs, Fr Ehrijtians von Anhalt, mit dem 
er in der Schlaht am Weißen Berge 1620 ge: 
—— wurde, des Markgrafen von Branden: 

urg= Jägerndorf, Ehriftians von Braunjchmeig, 
Guftad Adolfs von Schweden mitmachte, namentlich 
aber am Ende des Dreißigjährigen Krieges als 
Generalleutnant Bernhards von Weimar eine 
wichtige Rolle fpielte, zum Gouverneur der 1638 
eroberten Feitung Breiſach ernannt und nad deren 
fibergabe an Frankreich auch vom dortigen Hofe in 
... Stellung bejtätigt wurde. In franz. Solde 
nahm er an den Kämpfenam Rbeinund in Badenteil, 
entſchied 1648 den Sieg bei Lens und fämpfte an 
Turennes Stelle gegen die Fronde. Vgl. von Gon: 
— General Hans Ludwig von E. (3 Bde., 
Bern 1880—82). — Hieronymus von €. (1667 
— 1748) diente zuerſt im franzöfifchen, dann, während 


170 


des Spanifchen Erbfolgetrieges, im öfterr. Heere, 
in weldbem er bis zum Generalfeldmarſchallleut— 
nant aufrüdte, wurde 1712 von faifer Karl VI. 
in den Reichsgrafenſtand erhoben, 1745 vom Kaiſer 
Franz I. in diefem Stande bejtätigt und ftand 1732 
—47 ald Scultbeiß an der Spibe der Stadt und Re: 
publit Bern. — Karl Ludwig von E. (1746—98) 
ftand bis zum Ausbruch der Revolution in franz. 
‚Dienften und wurde 1798 beim Einbrud der Fran: 

ofen in die Schweiz an die Spike bes berniſchen 
Geers geitellt. Von den Franzoſen unter Schauen: 
burg angegriffen, erlag er in den ebrenvollen Ge: 
fechten bei Fraubrunnen und im Grauholz der fiber: 
macht und wurde auf dem Rüdzuge 5. März 1798 
von bernifchen Landſtürmern ermordet. 

Erlaf, aubErlaufund Erlapb,redhterNieben: 
fluß der Donau in Niederöfterreih, fommt mit ihrer 
Hauptquelle vom Zellerrain an der nördl. Grenze 
von Steiermarf, an der fie auch nad dem Durchfluſſe 
durch den Erlaffee nod eine Strede weiter entlanı 
fließt. Sie mündet nach einem 67 km langen Sau 
bei Bechlarn. 

Erlangen. 1) Bezirfsamt im bayr. Reg.Bez. 
Mittelfranten, bat 233,36 qkm und (1900) 13040 
(6278 männl., 6762 weibl.) €. in 30 Gemeinden, 
darunter 1 Stadt. — 2) Unmittelbare Stadt, nörb: 

lich von Nürnberg, am Ein: 
fluß der Unten Schwabach 
| in die Regnisg, in 280 m 
J Höhe, am Ludwigskanal, an 
der Linie ar 
Hof und den Nebenlinien E.: 
Gräfenberg (28km) und €. 
Herjogenaura km) der 
Bayr. Staatsbahnen, zerfiel 
, früber in die jeit 1822 zu einer 
een vereinte Altſtadt und Neuſtadt, 
welch lektere zu Ehren des Markgrafen Chriſtian 
Ernſt von Brandenburg-Bayreutb, der dieſen Teil 
den nad der Aufhebung des Edikts von Nantes 
aus Frankreich vertriebenen PBroteftanten 1686 ein: 
räumte, auch Ebriftian « Erlangen genannt wurde, 
Die Stadt ift Sik des Bezirldamtes, eined Amts: 
erichts (Landgericht Fürth), Nebenzollamtes, eines 
Rente, Forft: und Aichamtes ſowie einer Bahn: und 
Boitverwaltung, ftaatlichen rg ie Sanftalt 
für Nahrungs: und Genußmittel, Bezirtäfomman: 
dos und Bezirlögremiums und hat (1900) 22953 
(12215 männl., 10738 weibl.) E., darunter 6639 
Katholilen und 198 Jsraeliten, (1905) 23737 E., 
Boftamt zweiter Klafie, Telegrapb und Fernſprechein⸗ 
rihtung, in Garnijon das 19. Infanterieregiment 
König Victor Emanuel II. von Stalten und 10. Feld⸗ 
artillerieregiment, 2 [uth., je 1deutſch⸗ reform., franz.: 
reform. und fatb. Kirche, eine 1846 errichtete reis: 
irrenanftalt, einen Vorſchuß⸗ und Kreditverein, Uni: 
verjität, ein fönigl, Oymnafium (1745 gegründet), 
eine fönigl. Realthule böbere Mädchenſchule, ge: 
werbliche Fortbildungsſchule, Hebammenſchule, Kin: 
derbewahranitalt, ftäbtiiche Rettungsanftalt, Wafler: 
leitung, Kanaliſation, Gasbeleudhtung, Schlachthof 
(1890) und 2 —— Bon öffentlichen 
Denkmälern verdient ähnung das von 
Schwanthaler mobellierte und von Stiglmayer in 
Erz gegoſſene Standbild des Markgrafen Friedrich, 
Stifter8 der Univerfität, welches no 1. 1843 





vor dem Univerfitätsgebäube auf dem Schloßplage 
errichten ließ; ferner das ebenfalld von Ludwig I. 
jur Erinnerung an die Erbauung des Ludwigs— 


Erlaf — Erlangen 


fanala errichtete Dentmal, deſſen Skulpturen aud 
von Schwanthaler find; auf dem Luitpoldplatze das 
Erzſtandbild des Medizinerd Herz, von Profeſſor 
Zumbuſch modelliert; der Pauliſche Kunjtbrunnen 
auf dem Marltplatz, nad dem Entwurf von Wan: 
derer:Nürnberg 1889 von Schwabe, Lenz und Leiftner 
ausgeführt; das Kriegerdentmal (1890, von Wan 
derer); im Scloßgarten eine unvollendete Reiter: 
hal Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfüriten 
älfhlih «Markgraf» genannt), und ein aroßer 
pringbrunnen mit 45 tleinen Statuen; das Denl: 
mal Kaiſer Wilhelms 1. (1897,vonSchwabe). Dieleb: 
bafte Jnduftrie der Stadt erftredt fi auf Baum: 
wollipinnerei, Weißgerberei, ferner Fabrikation von 
—— die einen großen Teil Deutſchlands 
verſieht, von elektriſchen und mediz. Apparaten, 
eterie⸗ und Portefeuillewaren, Spiegeln und 
innfolien, Tabat, Elfenbein:, Horn:, Kamme, Bür: 
en: und Holzgalanteriewaren, Badpapier, Baum: 
mwollzwirn; ferner befteben in E. 15 Brauereien, 
melde jährlich über 160000 hl Bier ausführen. 
Die Univerfität, feit Mai 1889 in einem nad 
Entwürfen von Profeſſor Romeis: Münden erbau: 
ten Gebäude, verbanft ihren Urfprung dem Mart: 
rafen Friedrich von Brandenburg: Bayreuth, der 
ee 1742 für feine Reſidenz Bayreutb jtiftete, fie 
aber bereit? 4. Nov. 1743 nah €. verlegte. Ihre 
Mittel waren anfangs jehr beihränft, in fpäterer 
Zeit wurden aber Fonds und Inſtitute anſehnlich 
vermehrt, jo beſonders durch den Markgrafen 
Alerander, dem zu Ehren fie den Namen Friedrich⸗ 
Aleranderd:Univerfität führt, ebenfo unter der preuß. 
und gegenwärtig unter der bayr. Negierung. Die 
Zahl der Docenten betrug 1898: 60, der Studie 
renden 1883 etwa 700, 1900/1: 986, 1902/3: 964, 
24 Hörer und 10 Hörerinnen. * ehemaligen marl⸗ 
räfl. Schloſſe befindet ſich die Univerſitätsbibliothel 
180000 Bände, etwa 1700 Handſchriften und viele 
Handzeichnungen niederländ. und deutſcher Meijter 
des 15. und 16. Jahrh., jo von Dürer allein 20 Blät: 
ter), in der 1840 zu Univerfitätsjmeden eingerichteten 
Schloßlirche das mineralog. Inftitut; Die übrigen 
Inſtitute (das zoolog.:jootomilce Inftitut, die Ana 
tomie, die beiden hem. Laboratorien) befinden ſich in 
eigenen Gebäuden um den der Univerfität gebörigen 
Schloßgarten herum; ein neues pbyfil. und ein phar: 
malol. Inftitut wurden 1893, das neue Anatomie 
gebäude 1895 vollendet, die Mittel für ein neues 
pharmaceut. Inſtitut ſowie für Erweiterung des 
chem. Zaboratoriums — Zur Univerfität 
5* ein Krankenhaus, eine Augenllinik, chirutg. 
linik, Entbindungsanſtalt mit Hebammenſchule, 
ein anatom. Theater, pathol.:anatom. Inſtitut, 
botan. Garten, em. Laboratorium, phyſik. und 
mineralog. Kabinett, phyſiol. Inftitut u. ſ. w. 
Bis zu Ende des 18. Jahrh. befand fid in E. 
eine Burg der Ritter von E. — 2 der Nähe die 
viel bejuchten Vergnügungsorte Rathsberg mit 
Schloß und Ausfihtsturm, Aßel3berg mit Schloß, 
Spardorfund Marloffftein mit Schloß. Schöne 
zur änge bietet auch ver Altſtädter Berg, ein 
Ausläufer des Fränkiſchen Juras, an deſſen Fuß all: 
jährlih zu Pfingjten die Bergkirchweib abgebalten 
wird, — E. ift ſehr alt, brannte wiederholt ab, ae 
Brig zur Zeit der Gauverfafjung zum Ratenzgau, 
am 1017 vom Bistum Würzburg an Bamberg, 
1361 an Böhmen, erhielt 1398 Stadtrechte durch 
König Wenzel, kam 1400 an die Burggrafen von 
Nürnberg, 1541 an die Markgrafſchaft Bayreuth, 


Erlanger Blau — Erle (Pflanzengattung) 


1791an Preußen und 1810 an Bayern. — 
merd, Geſchichte der Stadt €. (2. Aufl., 
1343), derj., E., ein Führer durch die Stadt und ihre 
Sehenswurdigleiten (ebd. 1879); Stein und 2. Mül: 
ir, Die Geſchichte von E. in Wort und Bild (ebd. 
1898); Feſter, Beiträge zur Geſchichte der Univerfis 
tät €, (Yp3. 1901). 

Erlanger Blau, f. Berliner Blau. 

Eich ‚„ Nebenfluß der Donau, j. Erlaf. 

Erlaf. Wenn ein Gläubiger auf feine Forde: 
rung durch einfeitige, von dem Schuldner nicht 
angenommene Erflärung verzichtet, fo ift das wir: 
tungslos. Der €. gilt nur als Erlaßvertrag, er 

bt das Forderungsrecht auf, oder giebt dem 

>huldner eine Einrede gegen den von dem Gläu- 
biger troß des E. jpäter erhobenen Anfprud. Ein 
E. kann wie ein jhuldbegründender Vertrag ver: 
ſchiedene Causae |. Causa) haben; er kann abge 
ſchloſſen jein, weil der Gläubiger dem Schuloner 
damit ſchenlen will, oder fich die Parteien verglichen 
baben oder der Gläubiger durch einen andern Ber: 
mögenäwert entſchãdigt wird. Aber der E. wird nicht 
dadurch ungültig, daß der Rechtsgrund, welcher die 
Barteien zum Grlaßvertrage bejtimmt hat und dem: 
felben zu Grunde liegt, in dem €, feinen Ausprud 
den bat. Entbebrt freilich der E. eines gültigen 
techtögrundes, jo fann der Gläubiger den €. ton: 
bizieren, d. h. zurüdfordern. (S. Bereiherung und 
Bereiberungsllage.) Der E. kann aud in der Weife 
ftattfinden, daß der Gläubiger durch Vertrag mit 
dem Schulbner anerlennt, daß das Schulpverbält: 
mis nicht beſtehe (Deutfhes Bürgerl. Geſetzbuch 

397, jog. negativer Anerkenntnisvertrag). Eine 

ormvorſchrift beftebt für den E. nit. (S. auch 
3erzicht.) — In einem andern Sinne bedeutet €. 
die Berfügung eines Landesherrn, eines Staats: 
minifteriums, einer Oberbehörbe. 

Erlafjahr, j. Halljabr und Jubeljahr. 

Erlaffünde, läßliche Sünde (lat. peccatum 
veniale), nad) der kath. Moral im Unterjchied von 
den Zodjünden (j.d.) eine Sünde, die vergeben wer: 
den kann, auch ohne gebeichtet zu fein. (S. Sünde.) 

aftag, |. Gründonnerstag. 

Erlau, ungar. Eger (mittellat. Agria), Stadt 
mit georbnetem Magijtrat im Hevejer Komitat 
in m, früber ; ai 1 an ber €. und der 

iglinie Füzes:Abony:E, (17 km) der Ungar. 
Staatsbahnen, in einem tiefen, von Weinbergen 
umſchloſſenen Thale, in 155 m Höhe, iſt Siß ber 
Komitatäbehörden und eines kath. Erzbiſchofs und 
bat vier Vorftädte, enge, vernadhläffigte Straßen 
und (1900) 24893 meiſt fath. magyar. E. in Gar: 
niion 2 Bataillone des 5. und 1 Bataillon des 
60. Infanterieregiments, zahlreiche Kirchen, Klöfter, 
öffentliche Gebäude, Erziehungs: und Wohlthätig: 
katsanftalten, darunter eine große Domlirche im 
ital. Stil, nah Entwürfen des ungar. Arditelten 
Hild vom Erzbiihof Ladiſſaw Porter 1831 —37 
erbaut, in Form eines lat. Kreuze mit Kuppel 
(38 m) und zwei Türmen (56 m); ferner eine Kirche 
der Barmberzigen Brüder, gegenüber ein ſchönes 
Rinaret (35 m), liberrejte einer Mofchee, einen erz⸗ 
biihöfl. Balaft mit wertvoller Bibliothet (45 000 
Bände), ein vom Erzbiihof Graf Ejterhäzy 1765 
35 erbautes Lyceum mit Bibliothel und 56 m 
hohet Sternwarte; ein Ciftercienfer-Obergymna: 
kum, erjbiichöfl. Seminar, Lehrer: und Lehrerinnen: 
mäparandie, Zeichenſchule und ein großes und reich 
dotierte, von dem Dombern J. Komäromy 1830 


171 


a0 Lam: gegeünbeieh, teils erzbiichöfliches, teils ſtädtiſches 
langen 


oipital und eine Sparkaſſe. In der Nähe des erz: 
biihöfl. Parks zwei gut eingerichtete Badeanftalten, 
das Biſchofs⸗ und Raigenbad mit warmen (31° C.), 
gegen Magen: und Hautleiden wirkſamen Mineral: 
quellen. Induſtrie und Handel find bedeutend und 
werben durch große Wochenmärkte gefördert. Der 
Meinbau bildet die Hauptbejhäftigung; der Er: 
lauer Bein ift ber befte rote Wein Ungarns und 
auch im Auslande geſucht. Auf einem Ausläufer 
des Almägyberges find die Ruinen des ehemaligen 
Schloſſes, durch Pyrker in einen Ralvarienberg ver: 
wandelt und mit jhönen Anlagen verjehen. Da: 
ſelbſt das Grabmal des tapfern Verteivigerd von 
E. gegen die Türken, Dobs. Seine Bedeutung ver: 
dankt E. namentlich dem jehr alten, angeblich noch 
von St. Stephan. 1009 gegründeten Bistum, bas 
ug wegen feines Neichtums den vierten Königs: 
obn auf Fin Koſten erzieben und erhalten mußte 
und 1804 zum Erzbistum erhoben wurde. Es um: 
aßt Teile der Komitate Heves, Abauj:Torna, Bor: 
od, Szaboles ſowie die frübern «freien Dijtritte» 
azygien, den Haidufendtftrilt und Großfumanien 
mit über 780000 tath. E. — 1241 von den Mon: 
golen zerftört, wurde die Stabt 1261 wieder auf: 
gebaut und mit Ringmauern befeftigt. 1460 und 
1468 fanden bier Landtage ftatt; 1552 verteidigte 
ber tapfere Stephan Dobö gegen türk. Üübermacht 
(150000 Mann) die Stabt vom 10. Sept. bis 12, Oft, 
und wehrte unter beldenmütiger Teilnahme der 
Frauen 13 blutige Stürme ab. 1563 fam €. in 
König Ferbinands I. Hand; 1596 eroberte fie Sul: 
tan Mohammed II. Erft 17. Dez. 1687 wurde Stabt 
und Schloß aus der Türtenmacht befreit. 
Erlaubt (im ethiſchen Sinne), ſ. Adiaphora. 
Erlaucht (ältere Form für «erleuchtet»), ehedem 
ber Titel der regierenden Reichsgrafen, fommt nad) 
dem Bundesbeſchluſſe vom 13. Febr. 1829 als Prä⸗ 
difat den Häuptern der vormals reichunmittel: 
baren, jet mediatifierten gräfl. 43 zu. Doch 
fann jeder deutſche Souverän das Prädikat auch 
andern Perſonen verleihen. €. und Durchlaucht 
(j. d.) hatten früher gleiche Geltung; fpäter wurde 
das Prädifat Durhlaudt nur fürjtl. Berfonen bei: 
Erlauer, Bein, |. Erlau. [gelegt. 
Erlauf, Fluß, ſ. Erlaf. 
Erlbach. 1) Flecken in Mittelfranken, ſ. Martt: 
Erlbach. — 2) Dorf in Sachſen, ſ. Bd. 17. 
Erle, aud Eller over Elfe (Alnus L.), Bflan: 
engattung aus der Familie der Betulaceen (f. d.). 
Kr nicht zahlreichen, über die nördl. Halbkugel zer: 
ftreuten Arten find Bäume und Sträucher mit geftiel: 
ten, rundlichen oder eiförmigen, am Rande gejägten 
oder gezähnten, felten fiederförmig eingejchnittenen 
Blättern, und von den ihnen zunädjit verwandten 
Birken vorzüglih dadurch unterfchieden, daß die 
weiblichen Räschen nach der Blütezeit fib in bol- 
zige Zapfen umgejtalten, die nadı dem Ausfallen 
der meiſt edigen und ungeflügelten Samen (Nüß: 
hen) noch lange Zeit an den Zweigen hängen bleis 
ben. Außerdem jteben bei den E. unter den ſchild— 
förmigen Schuppen ber männlichen Kätzchen je drei 
geionderte, von vier rabförmig auögebreiteten Hüll: 
blättern umgebene, viermännige Blüten, unter den 
faft ganz eiförmigen Schuppen der weiblichen Kätz— 
hen bloß zwei Stempel. Bei der Mehrzahl der E. 
ſtehen die Kätzchen zu mebrern traubenförmig an 
einem gemeinſchaftlichen Stiele, der ſich ſchon im 
Sommer vor der Blütezeit entwidelt. Davon macht 


172 


bloß die Grün: oder Alpenerle eine Ausnahme. 
Man kennt bis jegt etwa 14 Erlenarten. 

Die beiden gemeinjten europ. Arten find bie 
Schwarz: und die Weißerle. Die Shwarzerle 
(Alnus glutinosa Gärtn.), aud gemeine, rote 
oder ſchwarze E. oder Roterle genannt, be: 
jet oberjeit3 Hlebrige und kahle, unterjeit3 in den 
Rippenwinteln braunbärtige, ſonſt ebenfallö table, 
verfebrt=eiförmige, abgerundete oder an der Spiße 
eingebuchtete, am Grunde ganzrandige, fonft ein: 
fach bis doppelt gezähnte oder gejägte, oben glän— 

end dunfelgrüne, unten matt bellgrüne Blätter. 
Die Knoſpen find geftielt, ftumpf, die Kägchen 5— 
6 cm lang, violettbraun. Die Zapfen find eiförmig, 
gejhtoflen 10—13 mm lang mit llebrigem, gold: 
elbem Wachsharz überzogen, reif lahl und bleiben 
iS Spät ins nächfte Frühjahr hängen. Die Nüß— 
ben find — 2—3 mm lang, unge: 
flügelt oder mit ihmalem lederartigem Saum. Der 
höne, ſchlanle Baum wird felten höher als 25 m 
und ift im Alter mit riffiger, tafelförmig fi) ab: 
löiender ſchwärzlicher Borke bededt. Die Schwarz: 
erle ift durch ganz Europa verbreitet, fommt aud 
in Aſien und Afrika vor, fteigt in Norwegen noch 
bis 300 m, am Harz bis 600 m, in ben ſüdl. Alpen 
bis 1200, jelbjt 1300 m Meereshöbe. Vor allem 
beanſprucht fie viel Feuchtigkeit des Bodens, im 
Gebirge und Hügellande findet fie fich meift an den 
Ufern der Bäche und Flüffe ſowie auf Heinern ver: 
näßten Stellen inmitten der Nadelbolz: und anderer 
Hochwälder. Ausgedehnte mädtige Hochmoore 
jagen ihr nicht zu, um jo mehr Wieſen- und Grün: 
landsmoore der Niederungen. Erlenbrüde, d.b. 
mit Erlennieder: oder Hochwald bevedte jumpfige 
Niederungen, finden ſich häufig, 3. B. in Nord: 
deutihland in den Auen langjam fließender Ge: 
wäjler. So im Spreewald, im Oderbruch, in der 
Lüneburger Heide, in Dftpreußen; ferner find Li: 
tauen, die baltiijhen Provinzen, au das ungar. 
Tiefland reih an Erlenbrühen. Die Schwarzerle 
entwidelt feine Wurzelbrut, der Stod behält aber 
bis in hohes Alter Ausſchlagfähigleit, wesbalb fie 
fih zu Niederwaldbetrieb gut eignet. Das Holz iſt 

i H gefällt rötlich, färbt fih aber in Berührung 
mit der Luft dunkler rot und ift nur unter beftän- 
diger Feuchtigleit im Boden oder unter Wafjer dauer: 
Fr t. Im Trodnen wird es bald von Nageläfern zer: 
tört. Es ift gut geeignet zu Tiichler: und Drechsler⸗ 
arbeiten, da es eine jhöne duntle Politur annimmt. 
zn Glasfabriten zu Formbolz, zum Glätten des 

afelglajes wird vorzüglihd gern Erlenholz ver: 
wendet, ebenjo findet es gute Verwertung bei der 
Heritellung von Bürften, Bantoffeln, Spielwaren, 
Cigarrenliſten u. ſ. w. Als Brennholz ift Erlenbolz 
weniger geſucht, obwohl es jelbjt im grünen Zu: 
tande recht gut brennt. Gefahren iſt die E. nicht fo 
ehr ausgejegt ald mande andere — die 
jungen Pflanzen leiden mitunter von Spätfröſten, 
noch mehr durch Graswuchs, unter dem fie leicht 
eritiden. Später beſitzt fie namentlich in einem 
NRüfjeltäfer (Cryptorhynchus lapathi L.), deſſen 
Larve im Holze lebt, einen argen Feind, der ſchon 
mande Erlenanlage zerjtört bat. 

Die Abbildung auf Tafel: Laubhölzer. Wald: 
bäume V, Sie. 1, zeigt die Shwarzerle als 
Baum, außerdem ı Zriebipige mit den für das 
nädjte Jabr vorgebilveten großen männlichen und 
tleinen weibliben Käschen, a männliches Blüten: 
täschen im Fruhjahre, 3 dreiblütige KRäßchenichuppe 


Erle (Pflanzengattung) 


von der Seite gejeben, an der Spindel aufſitzend, 
4 und 5 diejelbe von vorn und von unten gejeben, 
6 und 7 eine vierzipfelige einzelne Blüte mit vier 
Staubbeuteln von oben und von der Seite, s weib⸗ 
liches Blütenläschen, 9 weibliche Blütenihuppe mit 
den zivei zweigriffeligen Blütchen, 10 und 11 Zapfen: 
ſchuppe von innen (mit den zwei Früchten) und von 
vorn gejeben, ı2 eine t, is Querdurdhichnitt 
derjelben, ı4 einen reifen Fruchtzapfen, ı5 Trieb: 
ftüd mit Blattlnofpe (2, ı4 und ı5 in natürlicher 
Gröhe geaämen. 

Die Weißerle (Alnus incana DC.), aud nor: 
diſche oder Grauerle genannt, bat eiförmig: 
länglihe, fpiße, am Grunde abgerundete, ganz 
randige, ſonſt ſcharf doppelt geidake, nicht Flebrige, 
oben duntelgrüne fable, unten bläulichgraue fein: 
behaarte Blätter, gewöhnlich ohne Haarbüfchel in 
den Rippenwinkeln. Übrigens ift fie ver Schwarz 
erle ſehr äbnlih, doch find die Zapfen höchſtens 
lcm lang, auch erlangt fie nicht die Höbe der vori- 
gen; die Ninde bes glatten grauen Stammes reißt 
im böbern Alter etwa3 auf, verwandelt ſich aber 
nicht in losblätternde Borke. Die —— tritt 
etwa drei Wochen ei ein al bei der Schwarz: 
erle, in Mittelveutihland oft ſchon im Februar. 
Die Weißerle ift dur ganz Europa, im weſtl., 
nörbl. und öjtl. Ajien und in Norbamerita verbrei: 
tet. In den Gebirgen jteigt fie bedeutend böber ala 
die Schwarzerle. In Deutihland und Oſterreich 
wächſt ſie beionderd an Bad: und Flußufern, ver: 
meidet jeboh faure jumpfige Auen und gedeibt 
ganz gut auf trodnerm Boden, jelbjt an Berabän- 

en. Die Weißerle ſchlägt nah dem Abtrieb vom 
WBurzelbals und reihlih von den Wurzeln aus; fie 
—— ſich daher beſonders zur Befeſtigung von 
Flußufern u. R Das Holz der Weißerle iſt heller 
als das der Schwarzerle und wird ähnlich ver— 
wendet. Spätfröſten iſt fie weniger ausgeſetzt, da⸗ 
gegen ebenſo dem Fraß des Erlenrüſſelläfers. 

Eine Baſtardform zwiſchen Weiß: und Schwarz⸗ 
erle iſt die nur einen Großſtrauch bildende weich— 
haarige €. (Alnus pubescens Tausch.); dieſe 
iſt namentlich im Norden heimiſch, fommt jedoch 
auch in Deutſchland und Oſterreich, ſelbſt noch im 
Kaulaſus vor. Ein wichtiger Strauch iſt die Al— 
pen: oder Grünerle, auch Droſſel genannt 
(Alnus viridis DC.). Die grünen Blattinojpen find 
nicht geftielt, jigend, Diemweiblichen Blüten entiwideln 
ſich erft mit vem Laubausbrud, die männlichen im 
Sommer vorher. Die längliben Nüßchen jind 
bäutig:geflügelt. Die Blätter find oben dunfelgrün 
tabl, unten hellgrün, an den Nerven bebaart, eiför: 
mig, ſcharf doppelt gelägt, in der Jugend Hlebrig. 
Die Grünerle —* ſich in der lältern gemäßigten 
und kalten Zone der nördl. Halbkugel faſt überall, 
feblt in Norbveutihland vom Harz an und in 
Standinavien. Ihre eigentlihe Heimat find die 
Gebirge, fie fteigt in den ſüdl. Alpen bis über 
2000 m öbe; berabgewebter Samen fiedelt 
ſich oft auch am Fuße der Berge an. Wichtig tft die 
Grünerle für die Aufforftung ag Hochgebirgs 
itreden als Vorläuferin weiterer Forſtlultutr. Bon 
den füb- und außereutopäifchen E. ift ermähnend 
wert die feingejägtblätterige €, (Alnus ser- 
rulata Willd.), ein norbameril. Straub, der in 
botan. Gärten angepflanzt wird, in Norpböhmen 
vermwildert vorlommt. Bon den beiden Hauptarten 
der €, giebt es viele, namentlich auf Abweihungen 
in der Blattform begründete Varietäten, jo z. B. 


Erle (Bauerfchaft) — Erlöfung 


die zu Alnus glutinosa gehörigen laciniata Willd., 
ineisa Willd. mit tief gelappten Blättern. 

Erle, Bauerſchaft im Kreis Redlingbaufen des 
peu. Reg.⸗Bez. Münjter, zur Gemeinde Buer ger 
börig, hat (1900) mit Gut Berge 8117 E. 

Erlenbad, Weiler und Bad im Amtsbezirk 
Adern des bad. Kreiſes Baden, zur Gemeinde Ober: 
jasbadı (1900: 824 kath. E.) gehörig, 3 km öſtlich 
von Ahern, an der Linie Heidelberg: Bajel der Bad. 
Staatöbabnen, am Weſtabhange des Schwarzwal: 
des, bat etwa 110 E., laumarme (23° C.) eifen= und 
jhmweielbaltige Duelle, Kurhaus, Molten: und Trau: 
bentur. E. wird ſchon 1469 erwähnt als Erlibad. 

Erleubruch, |. Erle. [Zertabbildung. 

Erlenrüjfelfäfer, |. Berborgenrüßler net 

Erlenftegen, ebemalige Landgemeinde, jeit 1899 
zu —— ebörig. 

Erlenze fg, ſ. Zeifig und Tafel: Mittel: 
europäijhe Singvpdögell, Fig. 1, beim Artitel 
Eingvögel. , 

Erler, Franz Ehrijtopb, Bildhauer, geb. 5. Dit. 
1829 in Kisbüdl in Tirol, kam 1850 zu einem Holz: 
ſchnitzer in Kufſtein in die Lehre, wurde dann in 

brud und an der Wiener Alademie weiter 
ausgebildet, beteiligte ſich zunächſt an dem bildne—⸗ 
riſchen Schmude für die neue Kirche von Altlerhen: 
—— und ſchuf dann für diejenige zu VBöslau bei 
ien mebrere Figuren von Sandftein. E3 folgte 
1871 die Marmorjtatue des Grafen Niklas Salm 
für die Ruhmeshalle im Wiener Arfenal, 1873 die 
Figuren in der neuen Kirche in der Brigittenau, 
1875 die —— in der Fünfhauſer Pfarrlirche 
ferwie die lebensgroßen Apoſtelfiguren für die Votiv⸗ 
fire. Anläßlich der Rejtaurierung des St. Ste 
phans doms lieferte E. den Adlerturm die Sta⸗ 
tuen Kaiſer Friedrichs IV., Maximilians J., Ma: 
rias von Burgund, Kaiſer Franz Joſephs und der 
Kaiferin * eth, 1878 den heil. Laurentius an 
der Facçade ſowie das Epitaphium des Erzbiſchofs 
Kardinal Othmar Rauſcher im Innern des Doms. 
In neueiter Zeit vollendete der Künjtler neun Sta: 
tuen für das Stift Kloſterneuburg. E. lebt in Wien, 

Erleuchtung (lat. illuminatio), in der firhlichen 
Sprache die Mitteilung der Ertenntnis der göttlichen 
Wahrheit, vermittelt dur das Wort Gottes oder 
durch Geſetz und Evangelium. Die fpätern luth. 
Dogmatiler wiejen der E. in der jog. Heilsordnung 
die ——— Stelle an, nach der Berufung (j. d.). Bon 
der E. durd das Wort unterſcheidet man eine außer: 
ordentliche und wunderbare E. deren die Propheten 
und Apoſtel, überhaupt die Träger der göttlichen 
Difenbarung gewürdigt wurden. 

Erlewin, j. Erwin. 

Erling, Gemeinde in Oberbayern, ſ. Andechs. 

Erlitz, Nebenfluß der Elbe, ſ. Adler. 

‚Erliggebirge, Gebirgszug im Glatzer Gebirgs⸗ 
viered, ſ. Bohmiſche Kämme. 

Erlkönig, in der deutſchen ha und Mufit 
der König der Waldgeiiter, der den Menſchen durch 
jeine jhmeichelnpen Verlodungen Unbeil und Ber: 
derben bereitet. Das Wort iſt durch Herder ins 
Deutihe eingeführt, der das dän. «Ellelongen» (ent 
fanden durch Vollsetymologie aus «Elvelongen», 
in Rorwegen «Elletrold», d. b. Elfenkönig) aus 
Rikverftändnis (nad «Eller», d. i. Erle) mit E. 
überfegte. Das urfprünglihe Lied weiß nur von 
GsTöhtern, d. i. den Elfen, zu erzählen; erſt Goethe 
hat aud ihren Bater zur halt gemadht. 

Erlon, franz. Marjcall, ſ. Drouet d’Erlon. 


173 


Erlöfer (Erretter; grch. söter), gleichbedeutend 
mit Heiland (j. d.) ala Beiname Ehrijti in Beziehung 
auf die Wirkungen feines Todegleideng (ſ. Erlöfung). 

tlöferorden, einziger griech. Orden, geitiftet 
durch die®eneralverfammlung der Hellenen 12. Aug. 
1829 zur Erinnerung an die Erlöfung des Landes 
vom türk. Joche, von König Otto mit Statuten vers 
feben 1. Juni 1833, erweitert 26. (14.) Aug. 1848, 
mit neuen Statuten verjehen 9. Mai 1863. Er 
bat fünf Klaſſen: 12 Großfreuze, 30 Großlomture, 
70 Komture, 240 Nitter des goldenen Kreuzes und 
Ritter des filbernen Kreuzes in unbefchräntter Zahl. 
Um das Orbenszeichen, ein weißes, adhtipigiges 
br Kari der Königskrone, befindet ji ein Kranz 
von Eichen: und Lorbeerblättern, auf der Border: 
feite das Bild des Crlöferd mit der Umfchrift 
«Herr, Deine rechte Hand ijt verberrlicht mit Kraft», 
auf der Rüdjeite das griech. Kreuz und die In— 
chrift «Geftittet von der IV. griech. Nationalver: 
ammlung in Argos 1829». Der E. wird an blauem, 
weiß eingefaßtem Bande getragen, von der fünften 
und vierten Klafje auf der Bruft, von der dritten und 
zweiten (nebjt Brujtitern) um den Hals, von der 
eriten an breitem Bande von der linten Schulter zur 
rechten Hüfte, (S. Tafel: Die wichtigſten Or: 
den 1 Bio. 40.) [ſ. Birgittenorden. 

Erldferorden, Moönchs- und Nonnenorden, 

Erlöfung (lat. redemtio), in der Dogmatik im 
allgemeinen Befreiung der durd die Sünde Gebuns 
denen und Gefangenen. Im Alten Teftament wird 
das Mort von der Befreiung des Volkes Gottes 
von feinen Feinden, oder des Gerechten von feinen 
Leiden gebraudt, ohne ausdrüdliche Beziehung auf 
die Sünde. Im Neuen Tejtament wird es in engjte 
Berbindung mit Ehrijti Werk gefebt und nament: 
lih von Paulus in dem Sinne einer Loskaufung 
der unter dem —— Menſchheit von dem 
Fluche des Geſetzes (Gal. 3, 13; 4, 5), oder auch von 
der göttlihen Strafgerechtigfeit (dem göttlichen 
Zorne). Als gezahltes Löfegeld wird Shrifti am 
Kreuze vergofienes Blut bezeichnet (Röm. 3, 24 fg.; 
Hebr. 9, 13 fg.; vgl. Matth. 20, 28), und die Wirkung 
des vergofjenen Blutes als eines Sühnopfers ijt 
neben der eiung vom Geſetzesfluche die Sünden: 
vergebung und Rechtfertigung wie die Annahme zur 
Kindihaft bei Gott (Rom. 3, 24-26). Andererſeits 
wird = Chriſti Tod die Befreiung der Gläubigen 
von ber erricpaft ber Sünde im Seil (Röm.6 10.; 
8, 3) oder von der Ungerechtigleit, dem böjen Wans 
del jelbit (Tit.2, 14; 1 Petri 1, en zurüdgeführt. 
Verwandt iſt die Vorftellung der Heinern paulini: 
ſchen Briefe und des Hebräerbriefö von der durch 
den Tod Ehrijti gewirlten Errettung der Gläubigen 
von den Mächten der Finfternis. Im Anſchluß 

ieran betrachteten die ältern Kirchenlehrer (Itenäus, 

rigenes, Öregor von Nyfja, Ambrofius, or 
u.a.) die E. als eine elung von des Teufels 
Gewalt und göttlihe Reuſchaffung der Menſchheit 
in —*0 ge on, wobei jein Tod als ein dem Zeufel 
gezabltes öfegeld erklärt wurde, das diefem jedoch 
entging, weil er die Seele Chriſti nicht feftzubalten 
— Anſelm von Canterbury begründete 
zuerſt die jpätere Lehre, wonach Chriſti Tod das 
von der heleidigten Ehre Gottes geforderte Löſegeld 
jei, infolgedeſſen der zn Gottes Genüge 

eicheben und jo die E, der Sünder vom ewigen 

erberben ermöglicht worben jei. Die Begriffe E., 
Verjöhnung, Sühnung und ftellvertretende Genugs 
thuung floſſen ſeitdem ineinander. 


174 


Der ältere Proteftantismus bat dieje Theorie im 
weſentlichen beibehalten und nur das eig 
wert Ehrijti ald ein doppeltes gefaßt: als ein 
dulden der Sündenitrafen und ala ein Erfüllen der 
volllommenen Gerechtigleit an unjerer Statt. Die 
Rationaliften jaben nah dem Vorgange der Soci- 
nianer in dem Tode — nur die Beſiegelung 
einer Lehre; Chriſti erloſende un fanden fie in der 

erfünbigung des göttlichen Willens, befonders in 
der Botichaft von Gottes unveränderlic jündenver: 

ebender Liebe und in feinem zur Nachfolge im 

uten aneifernden Beifpiel. Kant fand in der Lehre 
vom Grlöjungstod Chriſti die emige Wahrheit von 
dem rag rain eiden des idealen Menſchen in 
ung für den jündigen Menſchen abgebildet. Schleier: 
macher ze das Erlöjende in Ebrijtus in bie ur: 
bilvlihe Kräftigkeit feines Gottesbewußtſeins, die 
auf alle fi im Glauben ihm Anfcließenden eine fitt- 
lih und religiös erneuernde Wirljamleit ausübt 
und dadurch zuerjt Die Macht der Sünde in und und 
erft infolgedeſſen das Schuldbewußtſein befeitiat. 
Dagegen faßte Hegel die E. als den notwendigen 
Prozeß des Geiſtes, vermöge deſſen das endliche 
und im Bewußtſein feiner Endlichkeit gottentfrem⸗ 
dete und ſchuldbewußte Subjelt zur Erkenntnis 
feines urjprünglicen geiftigen Metens oder feiner 
ewigen Einheit mit Gott und dadurch zur Befreiun 
von den Schranken der Enplichleit, zu denen au 
die Sünde gehört, und zur abjoluten Verſohnung 
gelangt. Dieje Einheit des Bemußtjeind mit Gott 
iſt nach der Hegelihen Schule zuerjt in dem ge: 
ſchichtlichen Shritus verwirklicht worden, doch wurde 
die abjolute Urbilplichleit Jeſu feit Strauß immer 
entſchiedener beitritten. Die neuere vermittelnde 
—— hat ſich vornehmlich an Schleiermacher 
angeſchloſſen, teilweiſe unter möglichſter Anſchmie— 
gung an die alttirhlichen Formeln, wodurch fie der 

ejtauration der alten Orthodoxie auch in diefem 
Lebritüde die Wege bereitete. Die freifinnige —— 
logie der Gegenwart findet das Erlöfende in Chriſtus 
in dem in feiner Berjon voll offenbarten göttlichen 
Leben, wie dasjelbe in und durch Jeſus Chriſtus 
das neue Leben&princip der von ibm ausge angenen 
religiössfittlihen Gemeinſchaft (der chriſtl. Kirche) 
eworden ift. Doch it bei diefer Auffafung die E. 
orgfältig zu unterjcheiden von der Verſohnung 
j. d.) oder dem allerdings in Chriſti Berjon berge: 
tellten Sindicaftsverbältniffe des Menihen zu 
Gott. In welcher Art ſich die Idee der E. auch in 
andern Religionen findet, zeigt Bfleiderer in den 
Schriften «E. und Erlöjer» (Franlf. a. M. 1878) und 
Meligionspbilofopbie aufgeihichtliher Grundlage» 
(3. Aufl., Berl. 1836). (S.aub Buddhismus, Bd. 17.) 
— Bol. Dilger, Die E. des Menſchen nah Hinduis: 
mus und Ebrijtentum (Bafel 1902). 

Erman, Adolf, Orientalift, Sohn von Georg 
Adolf E., geb. 31. Olt. 1854 zu Berlin, jtudierte in 
Leipzig und in Berlin und ift a 1885 außerorb., 
eit 1892 ord. Profejjor der Ägyptologie an der 

erliner Univerfität und Direltor des Ägyptiſchen 
Mufeums. In feinen Arbeiten: «Die Bluralbildung 
bes Agyptiſchen⸗ (Lpz. 1878), «Neuägypt. Gramma⸗ 
til» (ebd. 1880), «Die Sprache des Papyrus Weſtear⸗ 
(Gött. 1889), «»Agypt. Grammatik» (2. Aufl., Berl. 
1902), «Die Flerion des ägypt. Verbums» (ebd. 
1900), wirkte er für die methodiſche Erforichung der 
ägypt.Sprace. Wichtige Litteraturdentmälergab er 
beraus u.d. T. «Die Närcen des Papyrus Weitcar» 
(mit fommentar und Gloſſar, 2 Bde., Berl. 1891) und 


2 
3 


Erman (Adolf) — Erman (Jean Pierre) 


«Geſpräch eines Lebensmüden mit ſeiner Seele» (ebd. 
1896). Ferner veröffentlichte er «Brucditüde kopt. 
Voltslitteratur (Berl. 1897) und «Zauberjprüche für 
Mutter und Kind aus dem Bapyrus 3027 des Ber: 
liner Muſeums⸗ u" 1901). Agypt. Rulturgejchichte 
bietet das Wert «dlgupten und ägppt. Leben im Alter: 
tum» (2 Bde., Tub. 1885—87; neue Ausg. 1896). 
Seit 1882 giebt er (bis 1894 mit 9. Brugfch, ſeitdem 
mit ®.Steindorff) die «Zeitſchrift für ägypt. Sprache 
und Altertumstunde» heraus, Seine Hauptichrift 
aufnumismat. Gebiet ift die «Gefhichte der deutſchen 
Medailleure des 16, und 17. Nabrb.» (Berl. 1884). 

Erman, Georg Adolf, Phyſiler, Sobn von 
Baul E., geb. 12. Mai 1806 zu Berlin, ftudierte 
dort und in Königsberg unter Beſſel Naturmifien: 
ibaften. 1828—30 madte er aus eigenen Mitteln 
eine Reife um die Erde, deren Hauptzwed war, ein 
Neh von möglichit genauen magnetiihen Beltim: 
mungen für den Umkreis der Erde zu gewinnen. 
| diefe Beobachtungen gründete Gauß zum erjten: 
mal eine anne ded Erbmagnetidmus. Für den 
eriten Teil feiner Reife bis nad Irlutsk ſchloß er 
fih an die magnetometrifche Erpedition an, melde 
Hanfteen durch den weitl. Teil Sibiriend unternabm; 
die weitere Reife durch Norbafien von der Mundung 
des Ob über Ochotsk nach Kamtichatla und von ba 
zur See über die rufj.:amerif. Kolonien, ge 

tabeiti, um Kap Hoorn und über Rio de Janeiro 
zurüd nach Petersburg und Berlin vollendete er 
allein. E. war feit 1832 PBrivatdocent, jeit 1834 
Brofefior der Phyfil an der Univerfität in Berlin. 
Er ftarb 12. Juli 1877. Die Beihreibung feiner 
«Reife um die Erde durch Nordafien und die beiden 
Dreane» zerfällt in eine hiſtoriſche (3 Bde., Berl. 
1833 —48) und eine willenichaftlihe Abteilung 
(2 Bde., ebd. 1835—41, nebit Atlas). E.3 Arbeiten 
über Erbmagnetismus und andere phyſil. Fragen 
w in Poggendorffs «Annalen», den «Aſtron. 

ahrichten», in mebrern engl. Denen und, 
fomeit fie auf Rußland Bezug haben, in dem von 
ibm berausgegebenen «Archiv für wiſſenſchaftliche 
Kunde von Rußland» (25 Bde., Berl. 1841—67) 
entbalten. 1845—48 gewährte ihmbdie British Asso- 
ciation in London und 1874 die kaiferl. deutſche 
Admiralität die Mittel, um aus den von ihm ge: 
mejienen Werten der magnetiſchen Erſcheinungen 
die Werte der Konftanten der Gaußſchen Theorie de# 
Erdmagnetismus zu berechnen. Die Ergebniſſe find 
veröffentlicht in den «Reports» (1846 — 48) ber 
Association und in der mit Pelerſen berausge: 
— Schrift « Die Grundlagen der Gaußiſchen 

beorie und die Erſcheinungen des Erbmagnetis: 
mus im $. 1829 (Berl. 1874). 

Erman, Jean Pierre, Hijtoriter, geb. 1. März 
1735 zu Berlin, ftanımte aus einer Genfer Familie, 
die 1720 nah Berlin übergefiedelt war. Bereits 
mit 17 Jahren wurde er Lehrer am franz. Gym— 
nafium und nod vor dem 20. Jahre Prediger der 
franz. Gemeinde, um deren Entwidlung er ſich die 
arößten Verdienjte erwarb, 1766 Direltor ibres 
Gymnaſiums und 1783 Oberlonjiitorialrat. 1792 
wurde er zum Hiftoriograpben der branbenb. Ge: 
fbichte ernannt. Er jtarb 11. Aug. 1814. Sein 
Hauptwerk find die noch beute wertvollen «Me- 
moires pour servir & l’histoire des refugies» (mit 
Reclam, 9 Bde., Berl. 1782—99). — Yal. Gatel, 
Jean Pierre E. (Berl. 1804) und die Denlſchrift Butt: 
manns in den «Abhandlungen der Königl. Preub. 


Alademie der Wijjenfhaften» (1818). 


Erman (Paul) — Ermöleben 


Erman, Baul, Sohn von Jean Pierre E., Phy: 
hier, geb. 29. Febr. 1764 zu Berlin, widmete ſich den 
Ratumifienichaften und übernahm früh ein Lehramt 
der Raturfunde beim franz. Gymnafium zu Berlin, 
1791 aub an der Allgemeinen Rriegsfaule. Bei 
Gründung der Univerfität (1810) erbielt er die Bro: 
fenur der Phyſik; 1806 wurde er Mitglied der Alta: 
demie, und 1810—41 war er Sefretär der matbem.: 
boit. Klaſſe derjelben. Er ftarb 11. Dft. 1851 zu 
lin. E. bat ſich namentlich um die Lehre von der 
Eleltricität, dem Magnetismus, die Hpgrologie, 
Optit und Phyſiologie verdient gemacht. — Val. Hu 
Bois⸗Reymond in den «Abhandlungen der König. 
Alademie der Wiſſenſchaften zu Berlin» (1853). 
anrich, Ermanaric, bei den Angelſach— 
fen Eormenric, altnord. Jörmunrelr oder Er: 
menrelr, jagenberühmter got. König, wahrſchein— 
lich identiſch mit dem Dftgoten Hermanarid (ſ. d.), 
der 374 dur die Hunnen befiegt wurde und fi 
jelbit tötete. In der Heldenjage, die jene biftor. 
Geitalt mit einem Mythus vom Himmelsgott Irmin 
verſchmolz, ijt er der Typus eines ſchlimmen Ty: 
rannen geworben, der, durd die üblen Einflüfte: 
rungen jeines böjen Hates Sibich (nordiſch Bilti) 
verjübrt, ſeinen eigenen Sohn, fein Weib Sman: 
bilt, jeine Neffen, die Harlungen, tötet und feinen 
Bruderjohn Dietrib von Bern aus feinem Reiche 
vertreibt. Nach Jahren lehrt Dietrib, von Epel 
unterjtügt, zurüd und fchlägt den Obeim in der 
Schlacht bei Ravenna, der Rabenſchlacht. Bon E.s 
Ende durd Dietrich berichtet das in der Nibelungen: 
itropbe abgefaßte niederdeutiche Gedicht «Koninc 
Ermenrikes döt» (bg. in von der Hagens «Helden: 
bud», Bd. 2, Lpz. 1855); dagegen wird E. in der 
Eda und nad dem Zeugnis des Jordanes dur 
die Brüder feiner gemordeten Gattin getötet oder 
verwundet. — Vgl. Heinzel, Über die oftgot. Helven: 
fage (Wien 1889); Röpdiger in der «Zeitfchrift für 
Vollskunde⸗, Bo. 1 (Lpz. 1889). 
Ermähigungsrecdht, j. Moderationsredt. 
, Ermatingen, Martifleden im Bezirk Kreuz: 
lingen des ſchweiz. Kantons Thurgau, 7 km met: 
lih von Ronftanz, in 417 m Höhe, an der Linie 
Ronitanz: Winterthur der Schweiz. Norbojtbahn, 
auf einer Halbinjel des Unterjees (f. Bodenjee), 
gegenüber der Inſel Reichenau, bat (1900) 1725 E., 
darunter 241 Katholilen, Boit, Telegrapb, ſchönes 
Ratbaus; Ader:, Obſt⸗ und Weinbau, Fiſcherei 
und Handel mit Fiſchen ſowie mit Getreide, Obſt, 
Honig und Wein. In der Umgebung find zahl: 
reihe Schlöfler und Villen, darunter Wolfsberg und 
Ermeland, j. Ermland, [Arenenberg (j.d.). 
Ermellöt, ungar. Weingebiet, ſ. Bd. 17. 
Ermenonpille (pr. ärm’nongwil), Dorf im 
Kanton Ranteuil-le-Haudouin, Arrondifjement Sen: 
lis des franz. Depart. Dije, mit (1901) 444, ala 
Gemeinde 498 E. Der Drt gelangte zu großer Be: 
rübmtbeit durch J. J. Roufjeau, der im Mai 1778 
zu E. feinen Wobnjig nahm, 3. li 1778 daſelbſt 
karb und auf der jog. Pappelinjel (Ile des peupliers) 
im Bart bejtattet ward. 1794 verjegte man die Aſche 
des Philoſophen in das Pantheon zu Paris. 
Ermihälyfalva (fpr. ehrmihahlj-), Groß: Ge: 
meinde und Hauptort des Stublbezirts E. (23461€.) 
im ungar. Komitat Bihar, an den Linien Debreczins 
firalpbaza und Großmarbdein:E, (67 km) der Ungar. 
Staatsbabnen, bat (1900) 5575 meijt reform. 
maayar. E., und Sparlaſſe. 
Grminonen, j. Herminonen, 


175 


Ermitage (fr;.), ſ. Eremitage und Hermitage. 
Ermland (Warmia), aub Ermeland, Land: 
ftrih im preuß. Neg.: Bez. Königsberg (f. Karte: 
Dft: und MWeftpreußen, beim Artifel Weit: 
preußen), zwiſchen Friſching, Bafjarge, dem Friſchen 
Haff und Alle gelegen, war urjprünglic eine der elf 
Landſchaften, in die fih das alte Preußen teilte, 
und, nachdem es von den Deutjchen Rittern erobert 
worden, eins der vier Bistümer, in die Bapft Inno— 
cenz IV. das Ordensland teilte. Es war dicht von 
Deutſchen bevöllert. Der Biſchof von E. ftand an: 
fangs in lirchlicher Rüdjiht unter dem Erzbiſchof 
von Riga, dann unmittelbar unter dem Bapft und 
erlangte im 14. Jahrh. den deutſchen Reichsfürften: 
ftand. Durd den Thorner Frieden fam €, 1466 mit 
ganz Weftpreußen unter poln. Herrſchaft; mit ihr 
egann das gewaltiame Polonijieren des Landes, 
Der Biſchof gebörte feitvem dem poln. Senat an, 
batte pas Recht, bei Thronerledigungen die preuß. 
Stände zu berufen, präfidierte im preuß. Senat 
und bieß deshalb Prussiae regiae Primas. Die be 
rübhmteften Biihöfe von E. find: Aneas Sylvius 
Biccolomini (f. Pius IL), Mauritius Ferber, der 
1526 den Nichtlatbolifen den dauernden Aufenthalt 
in E. verbot, Stanislaus Hofius (f. d.), der Begrün: 
ver des Lyceum Hosianum in Braunsberg (}. d.), 
deſſen ftrenge Maßregeln gegen die Reformation zur 
Folge hatten, daß die Landſchaft, während rings— 
um der evang. Glaube ſich verbreitete, katholiſch 
blieb, und Kraficki (j.d.). Die Refidenz des Biſchofs 
war Braunsberg, jpäter Heiläberg; gegenwärtig ift 
Frauenburg der Sik des Domtapiteld. E. wurde 
1772 dem preuß. Staate einverleibt. Friedrich d. Gr. 
bob die alte Landesverfafjung auf, und der Biſchof 
verlor jeine fürftl. Machtbefugnifie und Einkünfte. 
Das Gebiet von E, umfaßt 12 Delanate mit 108 
Pfarreien und entſpricht den jeigen vier Kreijen 
Braundberg, Heiläberg, Röſſel und Allenftein, die 
auf 4250 qkm (1900) 238393 meiſt fatb. E. zählen. 
— Bol. Hipler, Litteraturgeihichte des Bistums E. 
(2p3. 1873); derf., Analecta Warmiensia. Studien 
zur Geſchichte der ermländ. Archive und Bibliothefen 
(Braunsberg 1872); Bötticher, Die Bau: und Kunſt⸗ 
dentmäler der Provinz Djtpreußen, Heft4: Das E. 
(Königsb. 1894); Bludau, E., Oberland u. ſ. m. 
(Stuttg. 1901); Buchholz, Abrik einer Gefhichte E.s 
(Braunsberg 1903); Zeitichrift für die Gejchichte 
und Altertumsfunde E.s (ebd. 1858 fg.). 

Erms, rechter Nebenfluß des Nedars in Wurt⸗ 
temberg, entipringt oberhalb Seeburg auf der Alb, 
er durh das reizende, objtreihe Erms- oder 

rachthal und mündet nad 27 km langem Laufe 
bei Nedartenzlingen, 

Ermöleben, Stadt im Manäfelvder Gebirgs: 
frei des preuß. Reg. Bez. Merjeburg, ſüdweſtlich 
von Aſchersleben und norbmweitlib von Mansfeld, 
aufeinem fliesrüden an der Selte und an der Neben: 
linie Froſe-Quedlinburg der Preuß. Staatöbahnen, 
Siß eines Amtägerihts (Landgericht Halle) und 
einer Superintendentur, bat (1900) 2950 E., darunter 
65 Katbolifen und 29 Yöraeliten, (1905) 2992 E., 
Boft, Zelegraph, ſtädtiſche Sparlaſſe; Kallbrennerei, 
Zuderfabrit, 2 Pechfabrilen, 4 Wajjermüblen, 
2 Brennereien, Malzfabrit, Aderbau. Zu E. gebören 
die Domäne E. mit Zuderfabrif und zwei Ritter: 

üter. 2 km entfernt die Ruinen der Konrad3: 

urg mit Kirche und Krypta. E., weldhes ehemals 
zum Bistum Halberjtadt gebörte und 1648 an Bran⸗ 
denburg kam, ift Geburtsort des Dichterd Gleim. 


176 Ermöthalbahn 


Ermöthalbahn (rad: Mesingen), ſ. Deutiche 
Eifenbabnen, Überjicht C, I. 
Ermüdung, j. Gemeingefübl und Musteln. 
Ermunduren, german. Volt, ſ. Hermunduren. 
Ernährung, im weiteften Sinne alle dem. und 
phofit. Vorgänge, durch welche den Zellen des Tier: 
oder Pflanzenlörperö die zu ihrem Leben und zu 
ihrem Aufbau notwendigen Beitandteile zugeführt 
und verarbeitet werden. Das Leben einer jeben 
Zelle berubt auf ununterbrochenen Zerjehungsvor: 
gängen; da der Körper bierbei en Stoffe zeritört, 
die zu feinem Zellbeitande gebörten, andererjeits 
auch für feine Kraft: und Wärmeentwidelung Stoffe 
zerftört, jo ift eine Zufubr von Nabrung erforderlich, 
und zwar um fo mebr, je lebbafter die Zeriegung®: 
vorgänge vor ſich geben. Wird das Leben der Zelle 
durch —— — oder rn 
bung berabgedrüdt (f. Anabiofe, Winterfchlaf, Som: 
merichlaf), dann find die Stoffwechjelvorgänge auf 
das niedrigfte Maß geſunken, jo dab monatelang 
jede äußere Nahrungszufubr entbehrt werben kann. 
Dieſe biolog. Gejehe haben ihre Gültigkeit im 
Tierreihe mie im Pflanzenreiche. Ein mejent- 
licher —— beſteht nur in der Art des Nähr— 
ftoffmateriald. Die Pflanze begnügt ſich in ber 
Regel mit relativ einfachen Stoffen, welche fie 
aus dem Erdboden und aus der Luft aufnimmt 
und unter dem Einfluffe des Sonnenlidts und der 
Märme in böbere organiihe Berbindungen um: 
wandelt, um mit ibnen die Zellen und den ganzen 
Pflanzenleib aufzubauen und zu ernähren. Der 
Tiertörper hingegen beſitzt dieje Eigenſchaften nicht. 
Ihm müflen bereits hoch zufammengejegte Verbin: 
dungen, wie fie die unorganiſche Natur gar nicht 
darbietet, ald Näbrmatertal gereicht werben, und 
die Lebensvorgänge des Tierlörpers ſtützen ſich dar: 
auf, dieje hoch zutammengejekten organiichen Ver: 
bindungen zu verbrauden und zu zeritören, joweit 
er fie nıcht als jolde direft zum Anjap und Aufbau 
eines Körpers ablagert. Hieraus folgt die große 
bbängigfeit der €. ver Tierwelt von dem Pflanzen: 
reihe. Die Pflanzen bilden die Nährſtoffe, welde 
der tierifche Körper zu feinem Leben notwendig bat, 
B daß auch der Fleiſchfreſſer nur wieder ganz die: 
elben Verbindungen und Näbritoffe verzebrt, welche 
vordem der Pflanzenfreſſer, auch ſchon im fertigen 
Sullonte, von der Pflanze empfangen bat. Das 
oblergeben und die Zunahme der Bevölkerung ift 
alio ungemein abhängig von der Produktion der 
Pflanzennährſtoffe, welche entweder direlt oder auf: 
geipeichert und konzentriert in der Fleiſchloſt ge: 
nojjen werden. Für die Kraft und Märmeproduf: 
tion, auf die der bei weitem größte Stofiverbraud 
entfällt, bedarf e3 nicht ſpecifiſcher Stoffe, fondern 
nur der in den Stoffen aufgeſpeicherten Spann: 
fräfte, jo daß fi in diefer Beziehung die einzelnen 
Nabrungsitoffe nah Maßgabe ihrer hem. Spann: 
kraft, d. i. ihrer Verbrennungäwärme, vertreten 
fönnen. Dieje Verbrennungswärme beträgt unter 
den im Organiämus bejtebenden Bedingungen im 
Durbichnitt für 1g Eiweiß und Kohlehydrate 4,1, 
eig Fett 9,ı Kalorien, Neben der Kraft: und 
Bärmeproduftion iſt für den Erjak der jeritörten 
Korperſtoffe ein Heiner Teil von Nabhrungsitoffen 
erforderlib. In diefer Beziehung können fi die 
einzelnen Näbritoffe nicht vertreten, jonbern jeder 
Stoff hat jeine fpecififbe Bedeutung, jo daß für die 
verbrauchten und ausgeſchiedenen Stoffe die gleichen 
Gruppen ald Erfah zugeführt werden müſſen. 


— Ernährung 


Für die Zwede einer richtigen E. ift es um: 
bedingt erforderlich, daß die Nahrung folgende Be 
ftanbteile enthält: 

1) Eiweißlörper oder Broteinftoffe (f. d.). 
Die Grundſubſtanz jeder tieriihen Zelle find Ei— 
weißverbindungen, und mit Recht bezeichnet man 
daher die Siweistoffe als ——— he Näbhrſtoffe. 

der lebenden Zelle des Tierlorpers und durch 
wandeln fi die aufgenommenen Eimeißitojie 

in organifiertes, lebendes Eiweiß um. Diefer Bor: 
gene verläuft jedoch nicht ganz glatt. Durd die 
benäprozejje wird ein Zeil der Eimeißmoletüle 
ſelbſt betroffen; fie jpalten ſich und zerfallen in nie 
dere Produlte, die num für das Leben der Sn 
wertlos und durch den eingeatmeten Sauerſtoff 
weiter orydiert und ald Endzeriegungspropulte 
aus dem Körper ausgeihieden werben. So wird 
beim Menſchen und Fleiſchfreſſert bie LE 
ruppe bed Eiweißes größtenteild als Harnſtoff, 
ei den Pflanzenfrejjern als Hippurfäure, bei den 
Vögeln gr u. f.w. ala Harnfäure im Harne 
abgegeben. (S.Stoffwechjel.) Empfängt der Menſch 
oder der Tierlörper gar fein Eiweiß in der Nab: 
rund, wie bei Hunger oder in Krankheiten, fo ift 
die lebende Zelle gezwungen, von ihrem eigenen 
Vorrat zu zehren. Je reichlicer vorher die Ei: 
weißernährung war, und je größer der in guten 
Ernährungstagen angejegte Vorrat von organi» 
fiertem Eiweiß ift, deſto länger erträgt der Kür 
per den Eiweißhunger und kann in diefem Falle 
30 bis 40 Tage und jenr länger ohne jede Eiweiß⸗ 


zufubr befteben, während ein vorber ungenügend 
mit Eiweiß ernäbrter Körper jchon in einer Woche 


dem Eimeißbunger erliegt. Es iſt leicht verſtändlich, 
daß die Zellen des Körpers nur jo viel Eiweiß ans 
egen und organifieren können, als fie jelbft ver 
auct haben oder zur Neubildung und zum Wachs 
tum benötigen. Ein Überfhuß an Eimweißnabrung 
lann jomit im Körper keine Verwendung en, 
—— wird zerftört und in Form ber Endzer⸗ 
etzungsprodulte wieder ausgeſchieden (cirkulieren- 
des Eiweiß). Darum fteigt auch mit der Eiweiß— 
ufuhr die Größe des Cimeißzerfalled, und Boit 
ei daß der Fleiſchfreſſer 480 g und 2500 8 Fleiih 
täglih aufnehmen konnte, bei längerer Fütterung 
die ganze Menge täglich zerftörte und deren Zer: 
etzungsprodulte ausſchied (Stiditoff:-Gleihgemict). 
ichtig iſt die Thatſache, daß der Menſch wie auch 
der Tierförper bei angeſtrengter Mustelarbeit nicht 
mebr Eiweiß — als in der Ruhe. Eine Stei⸗ 
gerung des Eiweißumſatzes tritt jedoch ein durch 
reihlibes MWaffertrinten, durch Zufubr einiger 
Salze, Gifte (namentlich Bhospbor) und befonders 
dur Temperaturerböhung des Körpers. terer 
Vorgang wirkt dirett auf die Lebensprozeſſe der 
ellen und zwingt fie zu raſcherer on\umtion. 
olche Fälle treten ein bei anftrengenden Märichen, 
die eine Überwärmung des Körpers zur Folge 
aben, oder bei unvorfihtigem Gebraude von 
eißen Dampf» und Sandbädern und bei allen 
eberbaften Zuftänden des Körpers. Zur E. bedarf 
der erwachjene Menſch bei mittlerer Arbeitsleiftung 
nah Voits Beobahtungen täglih 118 g Eiweiß. 
2) Fette. Dieſe find dem Körper darum fo 
wichtige Näbrftoffe, weil fie im Heinften icht 
die größte Menge von Spannkräften enthalten. 
Sie find aljo beſonders geeignet, innerbalb bes 
Körpers große Mengen von Wärme zu bilden, die 
zum Leben notwendige Eigentemperatur zu erhalten 


Ernährung 


jomie an der Entmwidlung der Musteltraft ſich zu 
iteiligen. Zur Rejorption und einer Zerlegung im 
Körper find nur jolche Fette fähig, welche unter 40° 
Rüifig find. Wo Fett im Körper cirtuliert, lommt 
es in Form feinster Tröpfchen vor (Milh, Chylus, 
Blutierum, Lomphe). In diefer Form vermag es 
vie feinften Kanäle und Spalten im Körper leicht 
udurhwandern. An dem Aufbau der Zellen kann 
ah das Fett nicht direkt wie die Eiweißſtoffe be: 
teiligen. Es wird in beftimmten Zellen, den Fett: 
jelen, an verjchiedenen Stellen im Körper ab» 
gr bejonders im Unterbautzellgewebe, mo: 
durh es dem Körper die runden formen verleiht. 
Die Größe der Fettzerfegung und der Fettbedarf 
bängt ganz wefentlich von den äußern und innern 
Zuftänden des Körpers ab. So zerjtört ber 
bungernde Menjc genau jo große Fettmengen, ald 
er zur Gleihhaltung feiner Körperwärme bedarf. Bei 
jeder körperlichen Arbeitsleiftung, dur die mehr 
Kraft verbraucht wird und aud die Wärmeabgabe 
infolge der ftärtern Refpiration gefteigert ift, er: 
iolgt joiort eine Erböhung des Fettumfages. Wäh: 
rend 5.2. ein bungernder Menſch bei körperlicher 
Rube im Tage 208 g Fett zeritörte, wurde von dem: 
jelben bei Hunger und Arbeitsleiftung faſt noch 
einmal joviel Fett (380 g) verbrannt. Stets wird 
im Schlafe weniger Fett verbraucht als beim Wa— 
hen, und in dem auf einen anjtrengenden Arbeits: 
tag folgenden Sclafe ift ver Fettumſaß ſogar noch 
um 22 Proz. geringer als während des weniger 
tiefen Schlafs nab einem rubig verlebten Tage. 
Aud jede Einwirkung von Kälte erhöht fofort den 
Fettumfas, jo daß ın falten Klimaten das drin: 
endite Bedürfnig nad Fettnahrung befteht. Die 
tmengen, welche der ftörper in feinem Fettgewebe 
aufipeichert, jind als Rejervenahrung von größter 
Wichtigkeit. Sie mahen den Menſchen in bejtimm: 
tem Umfange unabhängig von der Nabrungsauf: 
nahme. Genieht der Menſch im Dursfemit viel 
Fett, ala er täglich zerftört, fo bleibt jein Vorrat 
unverändert. Wimmt aber der Menſch mehr Nab: 
rungäfette auf, als er braucht, jo wird der ganze 
Aberſchuß aufgeipeihert, und es tann der Fettanjak 
im Körper jo weit geben, daß krankhafte Fettan— 
jammlungen eintreten. Für die Gejamternährun 
it noch der Umftand von großer Bedeutung, da 
die Darreibung von fetten den Eimeißumjaß ver: 
ringert und der Körper bei gleichzeitiger Fett: und 
Eiweißzufubr weniger Eiweiß zerftört, als wenn 
aur Eiweiß verzebrt wird. Felt äußert aljo eine 
eimweißeriparende Wirkung. 
3) Koblebyprate. Sie werden vorzugs— 
weiſe mit der Pflanzennabrung als Stärtemehl, 
uder und Pflanzenjhleime eingenommen. 
ierlörper wie in der Fleiſchnahrung finden ſich 
nur Hleire und für die E. bedeutungsloje Mengen 
von Koblebydraten, wie Glylogen und Trauben: 
juder. Nur in der Milch fteigt der Gehalt an Zuder 
Bo Größe, daß er für die €. von mwejentlicher 
Bictigleit ift. Innerhalb des Körpers werden die 
Koblebydprate gleich den Fetten zu Koblenjäure und 
Bafler verbrannt. Entiprebend ihrer Zufammen: 
fesung liefern fie jeboch nur etwa die Hälfte der Ver: 
drennungsmärme und Spannträfte wie die Fette. 
Geihwohl haben die Koblebydrate für die €. des 
Neniben die größte Bedeutung. Sie find wegen 
der leihten und * ergiebigen Produktion durch 
die Pflanze der billigſte Nährſtoff. Innerhalb des 
Körpers übernehmen ſie dieſelbe Rolle wie das 
Brodbaus’ Konverjationt-Lerilon. 14. Huf. R. A. VI 


177 


Bett, fo daß der Menſch ebenfo gut mit Eiweiß und 
Stärlemehl wie mit Eiweiß und Fett zu ernähren 
it. Auf den Eiweißumſatz wirkt Kohlehydratnah⸗ 
rung nod in volltommenerer Weife erfparend wie 
Fettzufuhr. Die reihlihe Aufnahme von Koble: 
hydraten befördert aber auch den Fettanſatz, indem 
die Kohlehydrate leichter zerjeglih find und an 
Stelle des in der Nahrung aufgenommenen Fettes 
und auch des Fettes, das bei der Spaltung des 
Eimeißes gebildet ift, verbrannt werden. Für ein: 
— Tierklaſſen, wenn auch noch nicht für den 
enſchen, iſt der experimentelle Nachweis erbracht 
daß ſich die aufgenommenen Kohlehydrate auch 
direkt an der fyettbildung und am Fettanſatze be 
teiligen. Mit Recht überwiegt daher in der menſch⸗ 
lihen Nahrung die Menge der von den Pflanzen 
reichlichjt gebotenen Koblebyprate die Fettzufuhr. 
Nah den ittelungen von Voit nimmt der er- 
wachſene körperlich arbeitende un in feiner tägs 
liben Nahrung als ftidftofffreie Rährſtoffe durch— 
fhnittlib 56 g Fett und 500 g Kohlehydrate ein. 

4) Anorganijche Näbritoffe. Die Zahl der: 
von, deren der menjchlihe und tieriihe Körper 

edarf, ijt jehr beichräntt; außer dem Waſſer find 
es nur die kohlenjauren und phosphorjauren Salze 
und die Chloride von Kalium, Natrium, Ammonium, 
Calcium und Magnefium, welde nebjt Eifen für 
die Lebensporgänge unbedingt notwendig find. Die 
Salze beteiligen fih bei dem Aufbau der Zellen wie 
bei den Umjeßungen im Körper in bervorragendem 
Make. In Körperflüfjigkeiten, wie Lymphe, Blut: 
jerum, überwiegen die Natriumfalze gegenüber ben 
Raliumverbindungen, die bejonders In den organi= 
ierten Gebilden, in den Mustelfajern und Zellen ver 

rüfen und Organe vorkommen. Die hem. Eigen: 
ibaften ver phosphorfauren und koblenjauren Al- 
talien geitatten, daß die vom Körper gebildeten Säus 
ren leicht und raſch gebunden und in einer das Zellen: 
leben nicht mebr beeinträchtigenden Meife durch die 
Niere ausgeſchieden werden können. Die phosphors 
fauren und foblenfauren Erden find jo ſchwer löslich, 
daß jie ſich vorzüglich zur Ablagerung in Knochen eig: 
nen und diejen dur Einlagerung in die — 
Subſtanz eine Härte und Widerſtandsfähigkeit ver: 
leiben, wie fie das Stüßgerüft des Körpers erfordert. 
Das Eifen ift unentbebrlib zur Bildung des Blut: 
farbjtoffs (ſ. d.). Das Kochſalz, vorhanden in allen 
Körperflüjligteiten, fpielt eine vieljeitige wichtige 
Rolle, indem es die QDuellungszuftände der Zellen 
erhält und auf die Diffufionsvorgänge und Säfte— 
jtröme nachhaltend einwirkt. Durch die Thätigleit 
der Magendrüjen wird das Kochſalz in freie Salz- 
ig zerlegt, wodurch der Magenjaft die wichtige 
ten Eigenichaften erhält, welche je die Berbauung 
und Löjung der Eiweißjtoffe maßgebend find. Bei 
E. mit Pflanzenkoft muß Kochſalz als ſolches der 
Nahrung zugefügt werben, weil die großen Mengen 
der Kaliumverbindungen in der Pflanzentoft Stö- 
rungen im Zellenleben bedingen, indem die Kali— 
falze der Vegetabilien fih mit dem Kochſalz des 
Körpers umfegen; e3 werden Natriumpbosphat und 
Kaliumchlorid gebildet, jo daß eine Verarmung an 
Kochſalz zu ftande kommt. Für die Lieferung ber 
erforderlihen Salze, befonderd aud des Eiſens, 
iheinen bie grünen Gemüje von befonderer Bes 
deutung zu fein. 

Wichtig für die E. find au die Genuß: und 
Reizmittel, indem fie einmal zur Nahrungsauf: 
nahme anregen, andererjeit3 eine günftige Wirkung 

12 


178 


auf die Verdauungsorgane ausüben. Bei ganz 
reizlojer Nabrung tritt bald ein Zuftand der Ab: 
egeilenbeit ein, in welchem die Nahrungsaufnahme 
Partnädig verweigert wird. Mit Hilfe ver Nah: 
rungsmittel (f. 9 ſeßen wir die Nahrung zu: 
ſammen, melde dann eine geeignete und voll 
fommene wird, wenn fie alle Näbritoffe in der 
Menge und Mijbung enthält, wie fie der Körper: 
bejtand und die ——— bedurfen. Die 
en un der — alſo ihr 

ehalt an Eiweiß, Fett, Kohlehydraten u. ſ. w., 
ergiebt den Nährwert — jedoch nur vom 
chem. Standpunkte aus. Es iſt klar, daß für die 
Zwede der €, des Körpers nur bie —— in 
Frage kommen, welche vom Darmkanal aufgenom: 
men und in den Blutkreislauf gelangt ſind. Je 
weniger verdaulich Nahrungsmittel ſind, deſto wert⸗ 
loſer wird die Nahrung bei gleicher Zuſammen— 
ſehung. Der wirklih pbyfiol. Nährwert der Nab: 
rung und einzelner Nahrungsmittel läßt fich aljo 
nur auf Grund von Berjuben über ihre Ver: 
dauungs: oder Ausnukungstäbigteit beitimmen. 
(S. Verdauung.) Die animalifhen Nahrungsmittel 
werben viel volllommener re als die vege: 
tabiliſchen. In legtern find die Nährftoffe, wie Ei: 
weiß, Kohlehydrate u. ſ. w. von den Pflanzenzellen 
eingeſchloſſen, deren äußere Hülle aus unverdau— 
licher und ſchwer löslicher —5— beſteht. Bei 
der E. mit Pflanzenkoſt it es alſo beſonders wichtig, 
daß die Nahrungsmittel in geeigneter Weife bear: 
beitet werben, um auf mechan. Wege (durch Zer: 
Heinern, dur Koden u. ſ. mw.) die Zellmembranen 
au fprengen und den Inhalt hierdurch leichter löslich 
und aufnehmbar zu maden. 

Pettenkofer und Voit ftellten an verſchiedenen 
Perſonen zablreihe Ernährungsverſuche an und 
— als mittleres Koſtmaß, daß der kräftige 

rbeiter täglih 118g Eiweiß, 56 g Fett und 
500 g Koblebyprate in feiner Nahrung bedarf. 
Ültere Berjonen odernicht körperlich arbei: 
tende Menſchen reihen mit einem —— von 
etwa 80g Eiweiß, 30g Fett und 300g Kohlehydraten 
aus, Die E. der Truppen ift durch ganz bejtimmte 
Vorſchriften geregelt und erreiht im * die 
Normen, wie ſie für den mittlern Arbeiter gefunden 
find. Beim Manöver und im Kriege iſt beſonders 
die ——— erhöht und es wird mehr Fleiſch 
verabreicht. Voit berechnet für den Soldaten 


Rost Sleiſch 
obles mit 
und fyett 


in der Gamifon 120 56 500 230 750 
beim Manöver. 1355 80 500 258 750 
im Rriege. ... 145 10 500 281 750 


Unter den ſchwierigen Transportverbältniffen des 
Krieges bat ſich 1870/71 während des Winters die 
reichliche Abgabe von Sped als ein wichtiges Kraft: 
und Näbrmittel für bie Truppen bewährt. Bon dem 
erforderlichen Eiweiß werben mit den die Kohle: 
bydrate liefernden Vegetabilien durchſchnittlich 50 g 
dem Körper zugeführt, der Nejt, mindejtens 60 g, 
fann nur durch tierishes Eiweiß gededt werden, 
weil jonjt der Körper nublos mit derartigen Men: 
gen von Kohlebydraten belaftet würde, daß er die 
ugeführten Stoffe nicht mebr verarbeiten fünnte. 
Knfolgedefien ift diefer Eiweißreſt auch durch Vege: 
tabilien nicht billiger zu erfegen als durch tieriſches 
Eiweiß. Für die Vollsernährung kommen hier be: 


Ernährung 


ſonders die billigen — —— Seefiſche, abge 
rahmte Milch und Käfe in Betracht. 

ei der E. der Gefangenen kommt je nach 
ihrer Thätigleit das Koſtmaß des mittlern Arbei— 
ters oder der ruhenden Perſonen in Betracht. Über 
die E. der Kranken und Rekonvalescenten 
ſ. Diät; über die E. der Kinder ſ. Kinderernährung 
und Kindernahrungsmittel (Bd. 17); über die E. 
der Haustiere f. Futter und Futterbereitung. — 
Über die wichtigften Näbrpräparate ſ.d. (Bd. 17). 

Unter fünjtliber €. verjtebt man das Ein: 
bringen von nährenden Flüffigteiten (Fleiſchbrühe, 
Milch, Eivotter) in den Magen oder Darm mittels 
der Schlundfonde oder des Klyſtiers. Sie wird 
überall da nötig, wo die Zufubr von Nahrungs: 
ftoffen auf dem natürliben Wege unmöglich iſt, 
wie bei kranlhaftem Verſchluß des Mundes over 
der Speiſeroöhre (durch Kinnbackenkrampf, narbige 
Verwachſungen, ———— bei ſchweren organi⸗ 
ſchen Veränderungen des Magenmundes, oder wenn 
von den Kranken jede Nahrungsaufnahme hart: 
näckig verweigert wird, wie dies nicht ſelten bei 
Geiſteskranken der Fall iſt. Nah dem Einführen 
der Schlundſonde gießt man entweder die nähren: 
den Flüffigkeiten direkt mitteld eines angefügten 
Gummiſchlauchs und Tridhters in die Schlundfonde 
und jo in den Magen, oder jprißt fie langjam mit: 
tels einer angefegten großen Sprige ein. Unter 
den ernährenden Klyjtieren, die überall da in 
Betracht fommen, wo das Einführen der Schlund» 
fonde nicht mebr möglich ijt, haben ſich befonvers 
die von Profeſſor Leube in Erlangen empfoblenen 
jog. Fleiſchpankreasklyſtiere bewährt, in de 
nen jeinzerteiltes Fleiſch bereits außerhalb des 
Körpers durch Zufas von PBantreasjaft gleichjam 
verbaut wird, ebe man e3 zur Auflaugung dem 
Diddvarm einverleibt. Zu diefem Bebufe wird die 
forgfältig vom Fett befreite Bauchſpeicheldrüſe 
(Bantreas) vom Schwein oder Rind, welche für 
drei Klyſtiere zureicht, fein zerbadt, mit 250 g Glv: 
cerin verjeßt und in einer Reibſchale zerrieben; 
von dieſer Panlkreasglycerinmiſchung wird ein Dritt⸗ 
teil zu 120—150 g feingehackttem Rindfleiſch * 
gefügt und in den Maſtdarm eingeſpritzt. Neuer: 
dings werben aud vielfah Peptonklyſtiere zur 
fünjtliben €. benugt. (S. Pepfin.) Ebenfo find 
Eierklyſtiere zu empfehlen; zwei bis drei Gier 
werben mit einem halben Bolumen Waſſer mittels 
eines Glasftabes zu einer gleihmäßig gelblich: 
weißen Flüffigkeit gejchlagen, zwölf Stunden in 
den Keller geitellt, jovdann Burhgefeit auf 28° R. 
erwärmt, mit etwas gelochter Stärke und einigen 
rk rg eier und nun als Klyſtier 
eingeiprigt. Es gelingt jevod nie, einen Kranken 
längere Zeit dur Nährklyſtiere zu erhalten, da das 
Näbhrbedürfnis nur etwa zur Hälfte auf dieie Weije 
gededt werden kann, 

Bol. Voit, Über die Theorien der E. der tieri- 
hen Organismen (Münd. 1868); derf., Phyſiologie 
des Geſamtſtoffwechſels und der E. (in Hermanns 
«Handbud der Phofiologie»r, Bd. 6, TL1, Lpʒ. 
1881); Rante, Die €. des Menſchen (Münd. 1876); 
König, Chemie der menfhliben Nahrungs: und Ge: 
nußmittel (3. Aufl., 2Bpe., Berl. 1889—93); Munt 
und Uffelmann, Die €. des gefunden und kranten 
Menſchen (3. Aufl., bearb. von Munt und Ewald, 
Wien 1895); Germain Ste, Die Lehre vom Stoff: 
wechjel und von der €. (deutjch Yp3. 1888); Grabam, 
Die Phofiologie der Verdauung und E. (deutic, 


Ernährung der Pflanze 


5. Aufl, Cothen 1893); von Rehenberg, Katechis⸗ 
mus der menjchlichen E. (Lpz. 1894); Rahm, liber 
€, Geſundheits⸗ und Krantenpflege (2. Aufl., Bai. 
1896); die Abſchnitte Nahrungsmittel und E. in 

# «Handbuh der Hpgieine», Bd. 3 (Jena 
1896); Handbuch der Ernährungstberapie und Diäs 
tetit, bg. von Leyden, Bd. 1 (%pz. 1897); Neuburger, 
Die Anihauungen über den Mechanismus der Ihe: 
anihen E. (Wien 1900). 

Ernährung der Pilanze, Bezeihnung für 
alle dem. und phyſil. Vorgänge, die teild bei 
der Aufnabme der für das Leben der Pflanzen 
nötigen Näbrjtoffe aus den umgebenden Medien, 
teils beiden mannigfaltigen Ummwandlungen, welche 
die aufgenommenen Stoffe in der Pflanze erfahren, 
und endlich bei dem Berbrauce, d. b. bei der dur 
den Lebensprozeß bedingten Ausſcheidung derſelben, 
ſtattfinden. Den Teil der botan. Wiſſenſchaft, der ſich 
mit der Unterjuchung diejer Vorgänge beihäftigt, 
nenntman Ernäbrungspbyiiologie oder wohl 
auch die Lehre vom Stoffwechſel in der Pflanze. 

Außer dem für alle lebenden Organismen unent⸗ 

bebrliben Koblenftoff, Waſſerſtoff, Sauerftofi und 
Stidjtoff find noch mehrere andere Elementarftoffe 
in allen Pflanzen vorhanden und zu ihrem Lebens: 
prozeb notwendig. Vor allem ift der game u 
nennen, der ſtets an der Bildung der Eiwei ftofe 
teilnimmt; jerner —— für alle Pflanzen unentbebr: 
lich Pbosphor, Kalium und gewiſſe altalifche Erden. 
Bon den legtern find es Calcium und Magnefium, 
die ſich ſtets als Aſchenbeſtandteile vorfinden; nur 
einige Pilzgtruppen, die Schimmel-, Spalt- und 
Sproßpilze, machen nach Nägeli in dieſer Hinſicht 
eine Ausnahme, indem bei ihnen die beiden genann: 
ten Elemente aub dur Strontium und Baryum 
vertreten werden können. Auch das Kalium kann 
in dem Ernäbrungsprozeß der Pilze durch verwandte 
Stoffe, wie Cäſium und Rubidium, nicht aber durch 
Ratrium und Lithium erjegt werden. Das Eijen it 
für alle dlorophyllführenden Bilanzen zur Neubil: 
dung von Chlorophyll (j. d.) unbedingt nötig. Für 
Bilze ift Eiſen entbebrlih, ob aud für die böbern 
&loropbylllojen Bilanzen, ift no nicht genügend 
unterjudt. Für alle böhern Pflanzen find demnach 
als unentbebrliche Elementarftoffe außer Sauerftoff, 
Waſſerſtoff, Koblenftoff, Stidjtoff noch zu nennen: 
Schwefel, Phosphor, Kalium, Calcium und Magne: 
fum; dazu fommt no für alle chlorophyllführen⸗ 
den Bilanzen das Eijen. 

Außer den genannten Stoffen finden ſich nod in 
taft allen Pflanzen Natrium, Eblorund Silicium, die 
aber,wiejorgfältigangeftellteBerjuche gelehrt haben, 
nit ald unbedingt notwendig für die Ernährun 
betrachtet werden können. Zwar lommen dieje drei 
Etoffe in ſehr vielen ar er in außerordentlich 
reichlichen Mengen vor, fo Natrium und Chlor in 
den jog. Saljpflanzen, Silicium in den Gräjern, 
und zwar bauptjächlid in den Getreidearten, doch 
it in beiden Fällen nachgewiejen worden, daß die 
betreffenden Pflanzen ohne Eblornatrium oder Sili- 
cum fib ganz normal entwideln fönnen. Fur die 
Shadtelbalme (j. Equisetum), ferner für die Bacil: 
lariaceen, die ganz beſonders reich an Riefeljäure Ind, 
liegen allerdings noch feine Verſuche über die Not: 
wendigleit oder Entbebrlicleit des Siliciums vor. 
Un dieje drei Stoffe ſchließen fih noch eine ganze 
Reihe anderer an, von denen jicher ift, daß jte für 
die Pflanzen entbebrlih find und aljo mehr als 

zufällige Beftanpteile betrachtet werden müflen. 


179 


Man hat bei Aſchenanalyſen bis jest noch folgende 
Stoffe in den Pflanzen nachgewieſen: Aluminium, 
Mangan, Zint, Lithium, Rubidium, Baryum, 
Strontium, Idt Brom, Fluor, Thallium, Silber, 
Queckſilber, Blei, Kupfer, Kobalt, Nickel, Zinn, 
Arſen, Selen, Titan, Bor. 

a man jeßt bereits für ſehr viele Pflanzen die 
re normalen Entwidlung unentbebrliben Stofie 
owohl in betreff der Qualität ald auch der Quan- 
tität ga fennt, jo lann man Rezepte für geeiz: 
nete Blungen, fog. Näbrftofflöfungen, angeben; 
o wird 3.2. zur Kultur von hloropbyllführenden 
Phanerogamen vielfach folgende Juſammenſetzung 
angewandt. Zu einem Liter dejtillierten Waſſers 
werden hinzugeießt: 

1,1 g jalpeterjaurer Kalt, 
0,3 g jalpeterjaures Kalium 
0,3 g ihmejeljaures Magnefium, 
0,3 g jaures phosphorfaures Kalium, 
0,2 g phosphorſaures Gijenorypd, 


2,2 g jeite Beitandteile. 


Es find aljo in der Löfung ungeibe 2 Bromilie 
Salze. Daraus gebt hervor, dab chlorophyllführende 
Pflanzen ohne irgendwelche organiſche Subftanzen 
ſich normal entwideln tönnen; aus den dargebotenen 
Salzlöfungen, aus dem Saueritoff und der Kohlen⸗ 
ſaure der Luft jind fie im ftande, organische Körper zu 
bilden. Es find jomit die chlorophyllführenden Pflan⸗ 
zen gewillermaßen das Zwiſchenglied zwijchen der 
anorganijchen und organischen Natur. Zur Kultur 
von Pilzen hat man ebenjall3 verſchiedene ähnliche 
Näbritofflöfungen benugt, nur müſſen bier außer 
anorganischen Beftandteilen auch noch organiſche 
Körper vorhanden fein, da ja die Pilze nicht aſſimi— 
lieren fönnen; man giebt dieſe organiſchen Beftand: 
teile meift in Form von Robrjuder und weinjaurem 
Ammonium binzu, dagegen können die Eifenjalze 
nad dem Obengefagten wegbleiben. 

Die Aufnahme der Nä ekoffe je in der 
Pflanze jtet3 durch Diosmofe, ſowohl der gasför: 
migen, ald auch die der tropfbarflüjligen Körper. 
Manche Näbritoffe können den Pflanzen au in 
rer dorm geboten werden, wie es ja in ber 

atur au häufig genug geiciebt; in Mile Halle 
erfolgt jedoch ebenfalls die eigentlihe Aufnahme 
in das Innere der Pflanze nur nad) vorbergegan: 
gener Loͤſung der betreffenden Stoffe. Die Loſung 
geſchieht meilt in ber Weife, daß von den aufnehmen: 
den Pflanzenteilen jauer reagierende Gelrete oder 
auch gewiſſe Fermente ausgeſchieden werben, unter 
deren Einfluß der Auflöjungsprozeß allmählich vor 
ſich gebt. So wird 5.2. eine polierte Narmorplatte 
durch Pflanzenwurzeln ſchon ſehr bald angegriffen 
und zeigt an den Stellen, wo die Wurzeln ib ans 
gelegt hatten, eine rauhe Oberfläche. 

Bei den Landpflanzen wird die große Mebrzahl 
der Näbrftoffe durch die Wurzeln aus dem Boden 
aufgenommen. Aus der umgebenden Luft gelangen 
eigentlich nur Koblenftoff in Form von Koblenfäure 
und Sauerftoffindie Pflanze; da Wafjerdampfnurin 
ganzgeringen Mengen an den oberirdijchen Pflanzens 
organen aufgenommen wird, fo ift der Waflerftoff, 
der hierbei in die Bilanze eintritt, faum in Betracht 

u zieben. (Betreffs ver Aufnahme der Koblenjäure 
f Affıimilation; des Sauerftoffs j. Atmung.) Alle 
andern Stoffe werben nur aus dem Boden dur 
die Wurzeln aufgenommen. Eine Ausnahme bier: 
von bilden in gewiſſem Sinne nur die fog. ne 

19” 


180 


jeltenfrefienden Pflanzen & d.). An den Wurzeln 
iſt jedoch nicht die ganze Oberfläche zur Aufnahme 
von Stoffen geeignet, jondern faſt ausnahmslos 
nur die jüngften Partien, und zwar hauptſächlich 
die in der Näbe der Wurzelfpigen ſich befindenben 
Wurzelbaare (j. d.). 

Das lebende Protoplasma befigt die Ei enfhaft, 
nur beftimmte Stoffe und aud nur gewiſſe Quan— 
titäten davon in das Innere der Zellen eintreten 
= lafien, fo daß alfo demſelben ige Firm ein 

ablvermögen zulommt, das tote Protoplasma 
dagegen verbält ſich bei der Diosmofe ganz anders, 
indem von allen Stoffen, für die überhaupt eine 
Diosmoſe dur dasjelbe möglich ift, auch unbe 
ftimmte Quantitäten bindurdgelaflen werden; es 
verhält fib alſo phyſilaliſch ganz ähnlich wie jede 
andere Membran. 

In gewiffen Organen, die zur Fortpflanzung 
bejtimmt find, wie in Samen, Knollen, Sporen 
u. dal., findet eine Speicherung der bereits ajjimi: 
lierten Stoffe ftatt, dasfelbe gilt von ausdauern: 
den Rhizomen folder Pflanzen, die ihre ober: 
irdifhen Teile bei Beginn ded Winters verlieren, 
und aud von bejtimmten Zellgruppen in den 
Stämmen überwinternder Pflanzen, die im Herbft 
ihre Blätter abwerfen. Bei beginnender Keimung 
oder Neuentwidlung von Blättern und jungen Zwei: 
gen werden die aufgefpeicherten Stoffe, die man all: 
gemein ald Rejerv N zufammenfaßt, wieder 
—— Die Kohlehydrate find in den meiſten 

ällen in Form von Stärle, feltener als Eellulofe, 

nulin und Zuder in jenen Pflanzenteilen aufge: 
ſpeichert; auch fette Öle jcheinen in vielen Samen 
die Kohlehydrate vertreten zu können. 

fiber die infolge der Ernährung abgeſchiede— 
nen Stoffe, wie Gummi, ätberifche Ole u. ſ. w., 
j. Pflanzenſekrete. 

l. die Litteratur bei Phyſiologie und befonders 
Hanfen, Die E. d. P. (2. Aufl., Wien, Prag und 
Lpz. 1898); Mayer, Die Ernährung der landmirt: 
ſchaftlichen Kulturpflanzen (Berl. 1898). 

Ernährungätherapie, j. Bo. 17. 

Ernafölam, Hauptitadt des oftind. Vafallen: 
ſtaates Kotſchi (ſ. d.). 

Erne (ſpr. örn), Fluß und zwei Seen in deririfchen 
— Ulſter. Der Fluß lommt aus dem in der 

rafſchaft Longford in 65m Höhe gelegenen Gowna⸗ 
fee, jtrömt nach N., durchfließt in Cavan den Dugb: 
terſee mit ſeinen zerriſſenen Ufern, ie nah NW. 
um und mündet 116 km lang in die Donegalbai, 
Ein Baflerfall bei Ballyibannon hemmt die Schiff: 
fahrt. In der Grafſchaft Fermanagh bildet er zwei 
Seen (f. Karte: Jrland). Der obere See €. (Loch 
Erne Upper) ift 373 qkm groß, bis 68 m tief und 

tebt durch den Uljterfanal mit dem Loch Neagb in 
Jerbindung; der untere, durd einen Kanal von 
6 km Länge von diefem getrennt, bevedt 113 qkm. 
Die Ufer beider find reich an jhönen Landichafts: 
bildern, namentlich die des untern (der irifche Win: 
dermere genannt) mit feinen 400 Anfeln. Die be: 
ſuchteſte unter lebtern ift die etwa 50 ha große 
Devenifbinsel, welche mitteld Dampfer leicht zu 
erreichen ift. Auf ibr fteben der ſchönſte der iriichen 
Aundtürme, 21 m hoch, fowie Ruinen einer Abtei 
und einer Kirche. 

Ernee (ipr. -neb), Hauptſtadt des Kantons E. 
im franz. Depart. und Arrondijjement Mayenne, 


in 142 m Höbe, an der rechte zur Mayenne geben: | 


Ernährungstherapie — Ernefti 


Franz. Meftbabn, hat (1901) 3663, als Gemeinve 
5099 E. ein Hoipital, ein Schloß im Renaiflanceftil, 
röm. Altertümer; Mabl: und Olmühlen, Gerberei, 
Roheiſen⸗ und Leinenfabrilation, Handel mit Schie: 
fer, Kalt, Gips, Getreide, Wein und Brannıtmwein. 

Ernefti, Heinr. Friedr. Theod. Ludw., evang. 
Iheolog, geb. 27. Mai 1814 zu Braunfhmweig, ftu: 
dierte in Ööttingen, wurde 1838 Dialonus ın jei: 
ner Baterjtadt, 1842 Prediger in Wolfenbüttel, 
1843 Superintendent, 1850 Nonfiftorialrat, 1858 
Generaljuperintendent, 1877 Vicepräfident des Lan: 
desfonjiftoriumd, präfidierte feit 1874 der Eile 
nacer Kirchentonferenz und ftarb 17. Aug. 1880 
u Wolfenbüttel. Die prot. Landeslirche feiner 
Selma verdantt ibm bejonders die Durchführung 
einer jonodalen Kirchenordnung. Er ſchrieb eine 
«Erklärung des Kleinen Katechismus Dr. Luthers⸗ 
(Braunihw. 1859; 51. Aufl. 1895), «Vom Ur: 
fprunge der Sünde nad pauliniichem weg: er 
(2 Boe., Gött. 1862) und «Die Ethik des Apoſtels 
Paulus» (3. Aufl., ebd. 1880). 

Ernefti, Joh. Aug., Theolog und Philolog, der 
Stifter einer neuen tbeol. und philol. Schule, geb. 
4. ug. 1707 zu Tennſtedt in Thüringen als Sobn 
des Superintendenten und tbeol. Scriftftellers 
Johann Chriſtoph €. (geb. 11. Jan. 1662, geit. 
11. Aug. 19, ftudierte zu Wittenberg und Leipzig 
zn Theologie, machte aber, nachdem er 1731 

onreltor und 1734 Rektor der Tbomasichule in 
Leipzig geworden war, die alte klaſſiſche Yitteratur 
und die mit ihr verwandten Wiflenibaften zum vor: 
züglichften Gegenitande feiner Studien. wurde 
1742 außerord. PBrofejjor der alten Literatur an 
der dortigen Univerfität, 1756 Profeſſor der Bere: 
Kraft erbielt 1759 noch überdies eine ordentliche 
Profeſſur der Theologie und legte erft 1770die erstere 
nieder. Als erſter Brofefior ver tbeol. Fakultät ftarb 
er 11. Sept. 1781. Durch gründliches Studium der 
Philologie wurde E. zu einer rihtigern Eregeie der 
bibliihen Schriftjteller geführt. Von ihm ging aröf- 
tenteil3 die tbeol. Aufklärung aus, infofern fie ſich 
auf Philologie und richtige grammatiſche Erllärung 
gründet. Als genauen Kritiler und Grammatiter 
jeiote er fih in feinen Ausgaben der «Vlemorabi: 
ien des Gofrates» von Xenophon (5. Aufl., Lpz. 
1772), der «Wollen» des Ariftophanes (ebd. 1753; 
neue Ausg. von G. Hermann, ebd. 1830), des Homer 
(5 Bde., ebd. 1759—64; 2. Aufl. 1824), Kallimachus 
(2 Bde., Yeid. 1761), Bolpbius (3 Bde. Lpz. 1764), 
Suetonius (ebd. 1748; 2. Aufl. 1775), Tacıtus (ebd. 
1752; 2. Aufl. 1772; zulegt neu aufgelegt von 
Better, 2 Bde.,ebd. 1831), vor allem aber durch feine 
vortrefflihe Ausgabe des Cicero (5 Boe., ebd. 1737 
—39 u. d.), die er mit einer «Clavis Ciceroniana» 
(6. Aufl., Halle 1831) als ſechſtem Bande begleitete. 
Auch veranftaltete er eine neue Ausgabe ver «Biblio- 
theca Latina» des J. A. Fabricius (3 Bde., ebv. 
1773—74). Wegen feiner vortreffliben Latinität 
erhielt er den Namen eines Cicero der Deutſchen. 
Bon feinen felbjtändigen Werten find bervorzubeben: 
«lnitia doctrinae solidioris» (Ypz3. 1736; 8. Aufl., 
Berl. 1802), die «Opuscula varii argumenti» (2p;. 
1794), «Opuscula oratoria, orationes, prolu- 
siones et elogia» (Leid. 1762; 2. Aufl. 1767), das 
nad feinem Tode erichienene «Opusculorum ora- 
toriorum novum volumen» (2p3. 1791). Zablrei 
jind auch feine tbeol. Schriften, unter denen ſich be: 
fonder® der «Anti-Muratorius» (ebd. 1755) und die 


den E. und an ber Linie Mayenne: Fougdres der | «Opuscula theologica» (ebd. 1773 u. 1792) auszeich+ 


Erneftinifche Linie — Erniedrigt 


nen. Auch feine «Opuscula philologico-critica» 
Reid. 1762 u. 1776) enthalten für die Theologie 
manded Wichtige. Die Schrift «Institutio inter- 
is Novi Testamenti» (Lpʒ. 1809) ift in 5. a. 
— *— herausgegeben. Verdienſte erwar 
ih €. auch durch Die Herausgabe der «Neuen theol. 
liotbef» (10 Bde., ebd. 1760—71) und ber 
«Neueften tbeol. Bibliothet» (4 Bde. ebd. 1773—79). 
Erneitinifche Linie, die ältere, herzogl. Linie 
des jähj. Fürftenbaufes Wettin (j. d.). Als die 
Söhne Kunürft Friedrichs des Sanftmütigen, Ernſt 
6.2.) und Albrecht (j. d.), ihr Erbe 1485 teilten, er: 
bielt ver ältere, Ernft, das ſudl. —— die weſtl. 
Hälfte des Diterlandes mit Zwickau, Altenburg und 
Leipzig, die vogtländifhen und fränk. Befigungen 
des Haujes und die Kur mit dem Herzogtum Sachſen 
und dann die Vogtei über das Bistum Naumburg. 
Die Schusberribaft über das Bistum Meißen, Er: 
fur und die Reichsftädte (Müblhaufen und Nord: 
auſen) jowie die Bergmerle blieben gemeinſchaft⸗ 
lib. Der Entel diejes Stifter der E, L. Johann 
—— der Großmütige (j.d.), trat 1542 ſeinem 
der Johann Ernft die Pflege Coburg ab, wo: 
durh eine Nebenlinie Coburg gegründet wurde, 
verzihtete dur die Kapitulation zu Wittenberg 
119. Mai 1547) auf die Kurwürde und verlor 
feine Länder bis auf Eiſenach, Weimar, Gotha, 
ena und einige andere Städte und Umter. Co: 
rg, Hildburghauſen und anderes fiel 1553 an die 
Erneſtiniſche el zurüd, die auch durch den 
Vertrag zu Naumburg (24. Febr. 1554) Altenburg 
nebjt dem Neujtädter Kreis von Kurſachſen erwarb, 
Die Söhne Yobann Friedrichs des Großmütigen, 
Johann Friedrich IL (der Mittlere) und Johann 
Wilhelm, ftifteten 1566 durd Teilung die ältern 
Beimarer und Coburger Linien. Jjamn ied⸗ 
rib IL. ſtarb 1595 in der Gefangenſchaft. Seine 
Eöhne Johann Kaſimir und Johann Ernit erlang- 
ten ſchon 1570 die Wiedereinjegung in den väter: 
liben Befiß, vondemallerdings der Neuſtädter Kreis, 
zunächſt als Pfand, an Kurſachſen gefallen war, 
und verglichen ſich mit ihrem Obeim Johann Wil: 
m 1572 zu Erfurt dabin, daß diejer Weimar, 
ena, Saalfeld, Altenburg und andere thüring. und 
oiterländijche Hmter, eine beiden Neffen aber außer 
Coburg und andern Orten namentlih Gotba und 
Eifenad erhielten. Durch eine von ihnen 1596 bes 
wirkte Teilung alone abermals eine coburgijche 
und eine eiſenachiſche Speciallinie. Ihre weimar. 
Bettern folgten 1603 diejem Beijpiel, indem fie von 
Beimar ein Fürftentum Altenburg abſchieden; doch 
erloih die Altenburger Linie 1672 wieder. Die 
coburgiſchen und eiſenachiſchen Befigungen waren 
ibon 1633 und 1638 nad dem kinderlojen Ableben 
von Jobann Kafımir und em Ernjt an Weimar 
jwrüdgejallen, jo daß ſämtliche —— des Er⸗ 
neſtiniſchen Hauſes, ſeit 1660 noch vermehrt durch 
heben Zwölftel des Erbes der 1583 ausgeſtorbenen 
Grafen von Henneberg, wieder unter dem 1603 
von Herzog Johann geftifteten (jüngern) weimar. 
ige vereinigt waren. Bon Johanns acht Söb: 
nen, unter denen Johann Ernjt durch Gelehrſam⸗ 
kit und als Stifter der Fruchtbringenden Gejell- 
ihaft (1617), Bernhard (f. d.) als eloherr im 
Vreiigjährigen ggg. Arge innen waren 1640 
noch drei am Leben. Diele teilten damals das an- 
jangs gemeinjchaftlich regierte Land in der Weife, 
der dritte Bruder, Wilhelm, Weimar, der vierte, 
Ubreht, Eiſenach, der jechfte, Ernft, Gotha erhielt. 


181 


Eiſenach ward jedoch ſchon 1644, nahdem Albrecht 
ohne Leibeserben verjtorben war, wieder zwiſchen 
eimar und Gotha geteilt. 

Die noch jeßt regierende neue weimariſche 
Linie fpaltete fih nah dem MWiederabgange des 
altenburg. Zweigs, . Befigungen jedoch zum 
Zeil aud an Gotha gelangten, in die Linien Weis 
mar, Markſuhl, Eiſenach und Jena, von denen aber 
die zweite 1741, die beiden leßtern 1671 und 1690 
ar Ihre durh den Wiener Kongre um 
1707 qkm vermehrten Lande bilden gegenwärtig 
das Großherzogtum Sadijen : Weimar: Eifenad. 
Die Befigungen der von Ernft dem Frommen 1640 
geftifteten gotbaifhen Linie wurden 1680 von 
deſſen Söhnen mittels 1686 vom Kaiſer beftätigten 
Erbſchaftsreceſſes geteilt, und bb gründete 1) Fried⸗ 
rid I. die Unterlinie Gotha-Altenburg, 2) Albrecht 
Coburg, 3) Bernhard Meiningen, 4) Heinrih Rom⸗ 
—— 5) Chriſtian Eiſenberg, 6) Ernſt Hildburghau⸗ 
en, 7) Johann Ernſt Saalfeld. Von dieſen ſtarben 
Coburg 1699, Eijenberg 1707 und Römbild 1710 
wieder aus, mas, abgefehen davon, daß Coburg an 
Saalfeld gelommen war, abermalige Teilungen des 
Erbes unter den Nebenlinien zur Folge hatte. Zu 
Anfang des J. 1825 beitand demnach ber fog. 
Nexus Gothanus aus den Häufern Gotha, Mei: 
ningen Te und Hildburghauſen. Als 
bierauf die Linie Gotba 11. Febr. 1825 mit Fried: 
rih IV. ausftarb, ward 12. Nov. 1826 ein Erbtei- 
lungsvertrag zu Hildburghauſen geichloffen, durch 
welchen Coburg ir Saalfeld Gotha, Hildburg- 

aufen für feinen bisherigen Bejig das dan tum 

Itenburg, Meiningen aber Saalfeld und Hildburg⸗ 
haufen erbielt. Die €. £. beitebt aljo nunmehr aus 
dem großberzogl. weimarifchen und dem berzogl. 
—— Hauſe, das wieder in die Linien — en⸗ 

einingen, Sachſen-Coburg-Gotha und Sadjen: 
Altenburg zerfällt. — Bol. Burkhardt, Stamm: 
tafeln der E. 2, des Haujes Sachſen (Weim. 1885). 

Erneftinifcher Hausdorden, 25. Dej. 1833 
ala gemeinjamer Hausorden von den Herzögen von 
Sadjen-Meiningen:Hilvburghaufen, von Sachſen⸗ 
Altenburg und von Sadjen : Eoburg : Gotha ge 
ftifteter Orden, im Andenken an den 1690 von Fried⸗ 
rich I. von Sachſen⸗Gotha und Altenburg geftifteten 
«Orden der deutfchen Reblichleit». Er hat nad) dem 
erneuerten Statut vom 13. Febr. 1864 fünf Klaſſen, 
Großkreuze, Komture 1. und 2. Klaſſe und Ritter 
1, und 2. Klaſſe, jowie ein affiliiertes Verdienſtkreuz 
und eine goldene und filberne Berdienftmebaille. 
Das Großkreuz verleiht den Erbadel. Das Ordens: ' 
zeichen ift ein achtipigiges, weißemailliertes Kreuz, 
zwiſchen deſſen Armen ſich goldene Löwen befinden 
und auf dejjen Mitte ein rundes goldenes Schild 
mit dem Bruftbilde Herzog Ernits des Frommen 
und der Umſchrift «Fideliter et constanter» («Treu 
und ſtandhaft ! rubt. Das Band ift karmefinrot 
mit grüner Ein == , 

Erneuern, erfigern, in der Jägerſprache 
das *8 Umziehen A Jagen (}. Beitätis 
gen), ehe das Jagdzeug geftellt wird. 

——— — Brudergemeine. 

Erneuerungsfouds, ſ. Abſchreibung und 
Eiſenbahnrecht. 

Erneuerungdfchein, die Urkunde, die zum 
Empfange neuer Zins⸗ und Rentenjcheine ermäd- 
tigt, alfo foviel wie Talon (ſ. Coupons). , 

Erniebrigt (franz. abaisse) wird in ber Heralbit 
eine Wappenfigur genannt, wenn fie dem Schildes⸗ 


182 


fuße näber gerüdt ift, als ihr ordnungsmäßig zu: 
tommt; beifpielämweije ein Schildeshaupt, wenn ſich 
über demjelben noch ein ſchmaler Pla von der 
Tinktur des Schildes befindet. 

Erniedrigung eines Tond um einen halben 
wird durch ein P oder bei Kreujnoten durd &, um 
einen ganzen durch PP, bei Kreuznoten durch &P ange 
zeigt. Bei den Stalienern beißt das P bemolle, bei 
den Franzoſen b&mol, bei den Engländern flat. 

Ernouf (fpr. -nüf), Alfred Augufte, Baron, 
he . Schriftjteller, geb. 21. Sept. 1817 zu Baris, 

t Ih bejonders durch Schriften über aelhictlice 
Gegenſtände bekannt gemadt. Hervorzubeben find: 
«Nourvelles &tudes sur la r&volution frangaise» 
(2 Bpe., 1852—54), «Histoire de Waltrade, de 
Lothaire II et de leurs descendants» (1859), 
«Histoire de la derniöre capitulation de Paris» 
(1859), «Le général Kleber» (1867), «Lies oiseaux 
chanteurs des bois et des plaines» (anonym, 
83. Ausg. 1872), «Souvenirs de l’invasion prus- 
sienne en Normandie» (Rouen 1872), «Les Fran- 
gais en Prusse, 1807—8» (1872), «Histoire des 
chemins de fer frangais pendant la guerre franco- 

russienne» (1874), «Souvenirs d’un officier po- 
onais» (1877), «Maret, duc de Bassano» (1878), 
eins von feinen beiten Geſchichtswerken, u. ſ. w. €. 
bearbeitete und vollendete ferner die «Histoire de 
France sous Napol6&on I» jeines Schwiegervaters, 
des ehemaligen Minifters aron Bignon (14 Bde., 
1838—50). €. jtarb 11. Febr. 1889 in Paſſy (Paris). 

Ernft, Fürit von Anbalt, vierter Sohn Ebri: 
ftians I. von Anbalt:Bernburg, geb. 19. Mai 1608 
zu Amberg, begleitete 1621 feinen nach der Schlacht 
am Weißen Berg geäcteten Vater nah Schweden 
und Dänemart, bereifte 1622—25 die Niederlande, 
Dänemark und Italien, und fuchte nad der Heim: 
kehr am kaiſerl. Hofe und im Lager Wallenfteins 
pe Grleihterung der Kriegskoſten Anhalts zu wir: 

. Sodann übernabm er den Befehl über ein 
Wallenſteinſches Reiterregiment in Italien, blieb 
aber nur widerwillig im kath. Dienft und trat 1631 

u Buftav Adolf über. Er ftarb an einer in ber 
chlacht bei Lügen erhaltenen Wunde 1. Dez. 1632. 
., Martaraf von A 7. Olt. 
1482, der jungſte Sohn des Martgrafen Ebriftopb I., 
erbielt bei der von feinem Vater vorgenommenen 
Teilung der Markgrafſchaft das hochbergiſche Ge: 
biet, deflen Regierung er 1516 antrat. Die Tei- 
lung verurſachte Zwiftigleiten unter den Brüdern, 
die durch den Vertrag zu Worms 1527 geichlichtet 
wurden. Als der ältelte Bruder Philipp 1533 ohne 
männliche Erben ftarb, entftand zwijchen den über: 
lebenden Brüdern, Bernbard und E., neuer Streit, 
bis durch Bermittelung des Kurfürften von der 
Pfalz die Markgrafſchaft Baden: Baden von ver 
Martgrafihaft Baden: Durlab, die €. erbielt, 
vdllig getrennt wurde. Der Reformation nicht ab: 
geneigt, buldete er die Verbreitung der evang. Lebre 
und bob mebrere Klöfter auf, unterließ jedoch den 
offenen Anſchluß an die neue Lehre. Er entjagte 1552 
der Regierung und ftarb 6. Febr. 1553; ihm folgte 
fein Sobn Karl I. (S. Baden, Geſchichte.) 

Ernit Friedrich, Markgraf von Baden-Dur— 
lab, geb. 17. Ott. 1560, ältefter Sohn Karla II. 
(ſ. Baden, Geſchichte), regierte zuerjt 1577 ge: 
meinjbaftlih mit feinen Brüdern Jalob III. und 
Georg Friedrich, erbielt bei ver Teilung 1584 die 
untere arigraff chaft mit —— Anfangs Luthe⸗ 
raner, ward er fpäter Calviniſt; als er 1594 die Ver⸗ 


Erniedrigung — Ernſt Auguſt (Kurfürſt von Hannover) 


waltung des unter Eduard Fortunatus vermabr- 
lojten Baden-Baden übernahm, geriet er in Konflikt 
mit dem faifer, dem die Bereinigung des Fatb. 
Landes mit dem proteftantifchen wiberjtrebte. €. F. 
ftarb 14. April 1604 kinderlos. Ihm folgte ſein 
jüngfter Bruder Georg Friedrich. 
Ernft, Herzog von Bayern, f. Emft, Kurfürft 
von Köln. 
Ernft Auguſt, Herzog vonCumberland, ſ. Ernſt 
Auguſt, König von Hannover, und Cumberland. 
ruft Auguſt, erſter Kurfürſt von Hannover, 
geb. 1629 als vierter Sohn des Herzogs Georg 
(f. d.) von Braunjhmeig «Lüneburg, wurbe für 
den geiftlihen Stand beftimmt, ftudierte in Mar: 
burg und warb 1646 zum Kloadjutor von Magde: 
burg gemäblt. Da das ftift durch den u ⸗ 
nie hen Frieden dem Ku en von Branden⸗ 
urg zugeiprocden wurde, p erbielt €. X. ala Ent: 
hädigung die Anwartſchaft auf das Bistum Osna⸗ 
rüd, das ihm 1662 nah dem Tode des Fürft- 
biihofs Franz Wilhelm zufiel. 1658 heiratete er die 
—** n Sophie (ſ. d.), Tochter des Pfalzgrafen 
iedrich V. 1673—75 nabm er an dem Reichskriege 
geoen Frankreich teil. 1679 folgte E. A. feinem ältern 
ruder Johann Friedrich als Herzog von Braun: 
jhmeig-&alenberg:Sannover. Unter dem Einfluf 
des Minifterd Grote richtete E. A. fein Beftreben 
darauf, alle Befikungen feiner fyamilie, der jüngern 
Linie des Haufes Braunſchweig, in einer Hand zu 
vereinigen und für jein Haus die Kurwürde zu er: 
werben. 7 er es, die Brimogenitur für Hanno» 
ver und für Celle, wo fein Bruder Georg Wilhelm 
(f. d.) eine unebenbürtige Ebe geſchloſſen batte, ji 
ſichern. Durd ein Teftament, dem Georg Wilbelm 
und der Kaiſer zuftimmten, führte E. A. das Erft: 
geburtäreht ein. Aber die — Söhne E. As 
waren nicht gemwillt, all ibre Rechte dem älteften 
Bruder Georg Ludwig e überlajien. Es bildete fi 
in Hannover eine förmliche Verſchwörung, an deren 
Spitze der Oberjägermeifter von Moltte ſtand. Die 
———— Sophie Charlotte von Brandenburg, die 
Tochter E. A.s, von der Ausſicht auf die Größe 
ihres Haufes durbdrungen, teilte dem Bater die 
Pläne ihres Bruders Marimilian Wilhelm mit, 
der fih an ben brandenb. Minijter Dandelmann 
gewandt hatte. Moltke wurde bingerichtet, Mari: 
milian verhaftet und gezwungen, auf jeine Rechte 
eiplih Verzicht zu teiften. Um fib die Gunft des 
Kaiſers zu erwerben, fandte E. A. 10000 Mann 
gegen die Türken, andere hannov. Truppen foch—⸗ 
ten in venet. Solde ebenfalls gegen die Pforte. 
Gegen Ludwig XIV., der 1688 ın die Pfalz ein- 
ebrohen war, führten €. A. und der Erbprinz 
eorg Ludwig beveutende Streitlräfte an den Rhein 
und nad den Niederlanden. Trotzdem mollte die 
dfterr. Regierung der Erlangung der neunten Kur: 
würde für Hannover nicht zuftimmen; fie ftellte als 
Bedingung den fibertritt des welfifjben Haufes zum 
Katholicismus. Erft ald E. A. drobte, mit Frant: 
reich einen Neutralitätsvertrag eingeben zu wollen, 
aab der Kaiſer nah und ſchloß im März 1692 mit 
dem Herjoge den Kurtraftat. E. A. veriprab da—⸗ 
egen 6000 Mann und 500000 Gulden Subfidien 
Fir den Türlenfrieg und ging außerdem noch meb- 
rere Bedingungen für die Kaiferwahl der Habs— 
burger und zu Gunften der kath. Kirche ein. Im 
Der. 1692 wurde Grote für feinen Herrn im Kur: 
gg mit der Kurwürde belehnt; E. A. em 
telt den Titel eines Reichserzihapmeiiterd. Länger 


Emft Auguft (König von Hannover) — Ernſt (Graf zur Lippe-Biefterfeld) 183 


mährte der Kampf mit den Reihsjürften, die unter 
rag der ältern braunfhm. Linie und im An: 
dus an Dänemark zu dem Bunde der «ftorreipon: 
dDierenden Yürften» fich vereinigten und dem neuen 
Kurbauje einen erbitterten und zäben Widerſtand 
entgegenjeßten. E. A. wußte aud im Innern jein 
Land zu beben und zu fördern; dem Gedanken einer 
Riedervereinigung von Ratbolifenund Proteitanten 
kand er —— egenüber, ebenſo wie Leibniz, 
jein Hiſtoriograp J A. ftarb 23. Jan. 1698 in 
Scloß Herrenhauſen. Ihm folgte fein ältefter Sohn 
Georg Ludwig (f. Georg I. von Großbritannien). 
Eruft Auguft, König von Hannover, geb. 
5. Juni 1771 zu 2ondon, war der fünfte Sobn 
König Georgs III. von England aus der Ehe mit 
Ebarlotte, geborenen Brinzeffin von Medlenburg: 
Strelig. Der Brinz befuchte 1786— 91 die Univerfität 
Göttingen, trat wäbrend jeiner Studienzeit 1790 
in den Militärbienft und nabm 1793—95 als Be: 
teblababer eines bannov. Kavallerieregiments an 
den gelpgügen in den Niederlanden teil. Nach dem 
Bajeler Frieden kehrte er nah England zurüd 
und trat 1799 ald Herzog von Gumberland in 
das brit. Oberbaus ein. 1813 begab er fib in 
das Hauptquartier der Verbündeten, nabm nod 
an der Schladt bei Kulm (30. Aug.) teil und be: 
juchte au 4. Nov. das von dem Feinde geräumte 
Hannover. Doc erbielt nicht er, ſondern (1816) 
fein jüngerer Bruder, ber Herzog von none. 


die Würde eines Statthalter von Hannover. In 
Berlin vermäblte er jih 1815 mit der Prinzeſſin 
Friederile von Bag er (geit. 29. Juni 
1841), Schweiter der Königin Luiſe von Preußen. 
Am Hofe zu Berlin, in der Bit der Reaktion und in 
enger —— zu dem Herzog Karl von Medien: 
burg, gewann €. A. jeine Auffafjung der deutſchen 
Berbältnifie und feine Vorliebe für das preuß. Mi: 
ftärweien. Als Tory widerjtrebte er im brit. Bar: 
lament der Hatbolilenemancipation. Auch war er 
Großmeiiter der Drangelogen (ſ. d.), von deren Ten: 
denzen er ſich jedoch 1836 difentlich losſagen mußte. 

Als mit dem Tode Wilhelms IV. 20. Juni 1837 
die brit. Krone der weiblichen Linie zufiel, folgte 
€. A., nad dem Rechte der männlihen Erbfolge, 
in Hannover. Er nahm nun als eriter jelbftändiger 
König feinen Sik im Lande, fand aber die Berfaf: 
fungs: und Berwaltungszujtände desjelben feinen 
Anſichten jo wenig entiprechend, daß er jofort deren 
Beleitigung unternahm, um dadurch jeinem blinden 
Sohn die Thronfolge zu ermöglichen und um freier 
über die Finanzen des Landes jchalten zu können. 
Nachdem er 28. Juni 1837 die verjammelten Stände 
vertagt hatte, erklärte er 5. Juli, daß das Staats: 
grundgejeg von 1833 weder dem Bebürfnifje des 
Landes entſpreche, noch für ihn rechtäverbindlich fei, 
und bob jodann 1. Nov. das ——— förm⸗ 
lich auf. Mit eiſerner Konſequenz, ſelbſt Gewaltjams 
keit, verfolgte E. A. jede Oppoſition, die ſich für die 
aufgebobene Verfaſſung erllärte. Unterftüßt von den 
beiden deutichen Großmädhten, ging E. A. aus dem 
Berfaffungsitreite ald Sieger bervor, der durch eine 
neue, 6. Aug. 1840 veröffentlichte Verfaſſung jeinen 
Abſchluß erbielt. Am Mai 1843 unternahm er eine 
Reife nah England, wo er der brit. Königin den 
Untertbaneneid leiftete und als Peer im Oberhauſe 
eribien. Durch die Märzereignifje von 1848 fand 
ih indes E. A. bemogen, die Verfaſſung von 1840 in 
liberaler Ribtung umzugeitalten und bie Vertre— 
tung durch Geieg vom 5. Sept. 1848 auf neuen 


Grundlagen berzuftellen, jo daß die Bewegung in 
Hannover ohne grobe Störungen verlief. Bei dem 
Eintritt der Reaktion zögerte der König, mit dem 
neuen Spitem offen zu brechen; die auf die Juſtiz 
und Verwaltung bezüglihen Gejeße wurden zwar 
zögernd beitätigt, ebenjo die ———— und 
die Provinziallandſchaften, nicht aber die Land⸗ 
Deren und einige andere Geſetze. E. A.s 
erhalten feit 1848 bat die öffentliche Meinung zu 
feinen Öuniten umgejtimmt, Er ſtarb 18. Nov. 1851. 
1860 mwurde ihm in Hannover ein Neiterdentmal 
(von Alb. Wolff) errichtet. — Vgl. Malortie, König 
E. A. (Hannov. 1861); Wilkinſon, Reminiscences 
of the court and times of king Ernest of Hanover 
(2 Bde. Lond. 1886; deutſch, Braunſchw. 1902). 

Eruſt, Landgrafvon Heſſen-Caſſel, Stamm: 
vater der 1834 ausgeſtorbenen Linie Heſſen-Roten⸗ 
burg, geb.19. De}. 1623 zu Caſſel ald Sohn des Land» 
grafen Moriß, machte große Reifen und trat 1641 
in Kriegsdienfte auf jhmwed.:franz. Seite. Nach 
dem er 1649 die ihm zugefallene Herrihaft Nbein: 
* in Beſiß genommen, trat er 1652 zum Katho— 
icismus über. Seinen Befik vergrößerte er nad 
dem Tode feiner Brüder (1655 und 1658) durch den 
Erwerb von Eſchwege und Rotenburg. Er jtarb 
12. Mai 1693 zu Köln. Er fchrieb: «Der jo wehr: 
haffte als aufrichtige und discret gefinnete catho« 
liſche Discours über ven heutigen Zuftand des Res 
ligions⸗Weſens» (Köln erg und «Description de 
la vie du prince Ernest» (1669), eine Selbſtbio⸗ 

rapbie. Seinen Briefmechjel mit Leibniz gab 
—— heraus (2Bde., Frankf. 1847). 

Eruſt Ludwig, —J——— von Heſſen und 
bei Rhein, einziger Sohn des Großberzogs Lud— 
wig IV, aus deſſen Ehe mit der Prinzeifin Alice 
von Großbritannien, geb. 25. Nov. 1868 zu Darm: 
ſtadt, bejuchte die Univerfitäten zu Gießen und Leip: 
zig, trat dann in das preuß. 1. Garderegiment, rüdte 
in diejem zum Premierleutnant auf und übernahm 
nad dem Zode jeined Vaters (13. März 1892) die 
Regierung feines Landes. Nachdem er jchon bei ſei⸗ 
ner Thronbefteigung zum Oberft befördert worden 
war, wurde er 1894 zum Generalmajor, 1896 zum 
Generalleutnant, 1900 zum General der Infanterie 
ernannt. Er vermäblte ſich 19. April 1894 mit der 
Brinzeifin Victoria (geb. 25. Nov. 1876), der zweiten 
Tochter des Herzogs Alfred von Sadhjen: Coburg» 
Gotha, doch wurde die Ehe 21. Dez. 1901 geſchieden. 
1895 wurde ihm eine Tochter, Prinzeſſin Elifabetb, 
geboren, die 16. Nov. 1903 in Sternewisy jtarb. Am 
2. Febr. 1905 ſchloß E. L. eine zweite Ebe mit Prins 
sch Eleonore zu Solms⸗Lich (geb. 17. Sept. 1871), 
die ihm 8.Nov. 1906 einen Sohn gebar. 

Ernit, Herzog von Bayern, Kurfürft von Köln, 
geb. 17. Dez. 1554 als Sohn Herzog Albrechts V. 
von Bayern, wurde, von Jeſuiten berangebilvet, 
1566 zum Biſchof von Freiſing, 1573 zum Bijchof 
von Hildesheim gewählt. Nah der Exkommuni— 
fation des Kurfürften von Köln, Gebhards Truchſeß 
von Waldburg, wurde €, 22. Mai 1583 in Köln 
zum Erzbif gewählt. Mit Hilfe des Kaiſers ver: 
trieb er Gebhard aus dem Stift; 1581 war er au 
um Biſchof von Lüttih und 1584 wurde er zum 
D ag Münjter gemäblt, jo daß er fünf Bis— 
tümer bejaß, in denen allen er ven Proteſtantismus 
verfolgte. Er ftarb 17. Febr. 1612 in Arnsberg. 

Ernft, Graf und Edler Herr zur Lippe-Bie— 
fterfeld, Regent des Fürſtentums Lippe, geb. 
9. Juni 1842 ald Sohn des Grafen Julius (aeit. 


184 Ernſt Kafimir (Graf v. Naſſau-Dietz) — Ernft I. (III.) (Herzog v. S.-Cob. u. Gotha) 


17. Mai 1884), feit 1869 vermäblt mit Gräfin 
Karoline von Wartendleben (geb. 6. April 1844, geit. 
10. Juli ck erbob nad dem Tode des Fürjten 
Woldemar (geit. 20. März 1895) von Lippe (f. d.) als 
nächſter Agnat Anspruch auf die Regentſchaft, mußte 
aber zunädjt gegen den von Woldemar zum Regenten 
ernannten Grafen Adolf von Shaumburg:Lippe zu: 
rüdjteben, bis er dur den Spruch eines Schiedsge— 
richts 22. Juni 1897 1 erbjolgeberedhtigt anerfannt 
wurde, worauferalsbald die Regentſchaft übernahm. 
€. ftarb 26. Sept. 1904. Den Streit über die Thron: 
folgeberechtigung feiner Söhne hat das Reichsgericht 
erſt unter E.3 Sohn Leopold (j. d., Bd. 17) zu deren 
Gunſten enticieden. (©. Lippe.) 

Ernſt Kafimir, Grafvon Naſſau-Dietz, geb. 
1573 zu Dillenburg als Sohn des Grafen Johann 
des Altern, nahm jeit 1594 an faft allen Feldzügen 
Morig’ von Oranien teil, wurde 1606 niederländ. 
Feldmarſchall, 1620 Statthalter von Friesland, 
1625 von Groningen und Drentbe und fiel 5. Juni 
1632 vor Roermonde. 

Ernft der Eijerne, Herzog von Oſterreich, 
geb. 1377 als dritter Sohn der og Leopolds IIL., 
erbielt nad) dem Tode — ältelten Bruders Wil: 
belm 1406 bei der Teilung der Länder ihrer Linie 
Steiermark und nad dem Ableben feines Bruders 
Leopold IV. 1411 auch dejjen Länder Kärnten und 
Krain. Er ftarb 10. Juni 1424. 

Ernft, Erzherzog von Öfterreich, geb. 15. Juni 
1553 zu Wien alö Sohn Kaifer Marımilians IL, 
wurde 1576 Statthalter in Ober: und Unteröfter: 
reich, wo er ber Ausbreitung des Protejtantismug 
mit ir und Eifer widerſtand. Auch wurde er 
1590 Bormund des Erzherzogs Ferdinand von 
Steiermarl, des jpätern Kaiſers Ferdinand IL., und 
1593 von Philipp II. zum Statthalter der Nieder: 
lande ernannt. Er jtarb 12. Febr. 1595 zu Brüfjel. 

Ernft, Kurfürft von Sachſen, der Stifter der 
Erneftiniihen oder ältern ſächſ. Linie, geb. 24. März 
1441 ald Sobn des Kurfürſten Friedrich des Sanft: 
mütigen und der Erjberjogin Piargareta von Oſter⸗ 
reih. Als 14jäbriger Knabe mit feinem Bruder 
Albert von Kunz von Kaufungen und defjen Ver: 
bündeten vom Sclofje zu Altenburg 1455 ge 
raubt (j. PBrinzenraub) und glüdlich gerettet, folgte 
er feinem Vater 1464 in der Kurwürde, regierte 
aber die übrigen ſächſ. Länder gemeinſchaftlich mit 
feinem Bruder Albrecbt bis zur Leipziger Teilung 
26. Aug. 1485. (S. Albertiniiche Linie und —— 
niſche Linie.) Kaiſer Friedrich ILL. belehnte 24. Febr. 
1486 zu Frankfurt ig mit ihren Qändern 
und beftätigte die von ihnen über die gegenjeitige 
Erbfolge feitgeiegten ee fomwie die Tei— 
lung ſelbſt. €. forgte für den innern Wohlftand 
feiner Länder jowie für den äußern Anwachs der: 
felben; 1466 erwarb er mit feinem Bruder das 
jegige jähl. Vogtland, 1472 erlaufte er das Fürſten⸗ 
tum Sagan in Sclelien von Herzog Johann dem 
Wilden für 50000 Goldgulden, 1477 vom Frei: 
berrn Hans von Biberftein die Herrſchaften Sorau, 
Beeslom und Storfow. Außerdem nötigte er 1477 
bie Reichsſtadt Quedlinburg, 1483 Erfurt zur An: 
ertennung der ſächſ. Schußherrſchaft und unterwarf 
Halle dem Erzbifhof von Magdeburg, feinem Sobne 
Ernſt. Erjtarb 26. Aug. 1486 zu Eoldig. Bon feiner 
Gemahlin Elifabetb, einer bayr. Prinzeſſin, hatte 
er vier Söhne, von denen der ältefte, Friedrich der 
Weiſe, und der jüngjte, Johann der Beitändige, 
ihm nacheinander in ber Kurwürde folgten. 


Ernft, Herzog von Sadjen: Altenburg, 
ältejter Sohn De Georgs und der Prinzeijin 
Marie von Medlenburg: Schwerin, geb. 16. Sept. 
1826, lebte feit 1840 mit feinem Bruder Morig zu 
Studienzweden in Jena und 1843—46 in Yaufanne 
und Genf und widmete fich bis 1849 in Breslau den 
Militärwiffenihaften. Dann ftudierte er bi 1851 
in Leipzig die Staatswifjenichaften und diente 1851 
—53 im 1. preuß. Garderegiment zu Fuß zu Pots⸗ 
dam. 1853 verließ er den aktiven Militärdienit, ver: 
mählte ſich (28. April 1853) mit der Prinzeſſin Agnes 
von Anbalt:Defjau (geb. 24. Juni 1824, geit. 23. Olt. 
1897) und folgte 3. Aug. 1853 jeinem Vater in der 
Regierung. Er ſchloß 1862 eine Militärtonvention 
mit Preußen, nahm im Aug. 1863 an dem Fürſten⸗ 
longreß in Frantfurt teil und trat 1866 dem Bündnis 
mit ray bei. Am Kriege gegen Frantreic 1870 
beteiligte er fih anfangs im Hauptquartier der zum 
Schuß der norddeutſchen Küjten gebildeten Armee, 
dann in der vom Großherzog von Nedlenburg tom: 
manbierten 18. Divifion und nahm teil an der Ein- 
nahme von Toul und Soifjons, an den Kämpfen 
gegen die franz. Südarmee und an der Belagerung 
von Paris. Er wurde 1907 zum Generaloberit er: 
nannt. Sein einziges Kind, PBrinzeifin Marie (geb. 
2. Aug. 1854), jeit 1873 mit Bring Albrecht von 
Preußen vermäblt, jtarb 8. Oft. 1898; jein Bruder 
Prinz Moris, geb. 24. Dit. 1829, geit. 13. Mai 
1907, war jeit 15. Oft. 1862 vermäblt mit Prinzeifin 
Augufte von Sahjen: Meiningen, aus welcber Ehe 
außer brei Töchtern ein Sohn, der eventuelle Thron: 
[eipr: Prinz Ernft, geb. 31. Aug. 1871, vermäblt 
eit 1898 mit Prinzeſſin Adelheid von Schaumburg: 
Lippe, hervorgegangen ift. — Bol. Volger, Herzog 
€. von Sahjens Altenburg (Altenburg 1896). 
Ernft1. (III), Herzogvon Sadhijen:ECoburg 
und Gotba, der Sohn des Herzogs Franz von Eo: 
burg:Saalfeld und der Auguſte KarolineSopbievon 
Reuß, geb. 2. Yan. 1784, folgte ald Ernſt II. feinem 
Vater 9. De3.1806. Da er ip: an dem Feldzuge gegen 
Napoleon 1806, namentlich an der Schlacht bei Auer: 
ſtedt, beteiligt hatte, wurde jein Land von Frankreich 
in Befig genommen, jedoch im Tiljiter Frieden auf 
gariprade des Kaiſers Alerander zurüdgegeben. 
eitdem war er vorzüglich mit der Organijation 
der zerrütteten Verwaltung jeines erſchopften Lan: 
des beichäftigt, mußte aber troß jeiner gut deutſchen 
Gefinnung dem Rheinbund beitreten, ſchloß fi 
jedoch nad) der Schlacht bei Leipzig an die Berbün: 
deten an, übernahm den Oberbefebl über das 5. 
deutſche es und brachte Mainz zur Über: 
gabe. Auf dem Miener Kongreß wurde ibm in 
dem jenjeit des Rheins gelegenen Fürjtentum Lich 
tenberg eine Landeövergrößerung mit 20000 €, zus 
geſprochen, die im zweiten Barifer Frieden, nachdem 
er als Oberbefehlshaber der jähj. Truppen wieder 
am Feldzug gegen Napoleon I. teilgenommen hatte, 
durch eine weitere mit 5000 E, vermebrt wurde. 
Doch trat er Kichtenberg 22. Sept. 1834 für 2 Mill, 
Thlr. an Preußen ab. Eine bedeutende Gebietöver: 
gröberung en ihm nad Erlöfchen des —— 
tammhauſesdurch den Staatövertragvom 12.Nov. 
1826 in dem Herzogtum Gotha zu, wojür er das 
Heine Fürftentum Saalfeld nebſt der Herricaft 
ſtranichfeld an Meiningen abtreten mußte. Hier: 
durch wurde er ald Ernjt I. Gründer des nunmeb:- 
rigen Haufes Goburg:Gotba. In Coburg gab er 
1821 eine repräjentative Verfafiung; in Gotba 
aber ließ er die alten Stände befteben und führte 


Enft II. (Herz. v. S.-Eob. u. Gotha) — Ernft I. (Herz. v. S.-Gotha u. Altenburg) 185 


nur eine der preuß. nachgebildete Städteverfaſſung 
an. Seine Länder verjchönerte er durch Bauten 
und Bartanlagen, wie das berzogl. Schloß, die 
Rejenau und den Kablenberg, das Schauipiel- 
baus in Coburg, das Schlob Reinhardsbrunn 
u. ſ.w. Auh Wiſſenſchaft und Kunſt unterftüßte 
a und war namentlich auf die Vermehrung der 
Biblietbet in Gotha und der dort befindlichen 
Sammlungen bedacht. Er jtarb 29. Jan. 1844. ae 
telgte jein Sohn Ernit II; fein zweiter Sohn Albert 
war der Gemabl der Königin Victoria von England. 
Ein jhönes Dentmal der Bietät hat der erjtere dem 
Bater im 1. Bande feiner Dentwürdigleiten «Aus 
meinem Leben und aus meiner Zeit» (Berl. 1887) 
ejegt. — Val. A. Bed, Geſchichte des gothaifchen 
andes, Bv.1 (Gotha 1868). 

Ernft A., Herzog von Sachſen-Coburg 
und Gotba, als Herzog von Sadjen: Gotha 
Emft IV. genannt, Sobn des Herzog3 Ernit I. (III.) 
und der Herzogin Luife, einer Tochter des Her: 
zogs Auguft von Sadien: Gotha: Altenburg, ge 
21. Juni 1818 zu Coburg, bereifte 1836 Eng: 
land, Frankreich und Belgien, ftudierte dann in 
Bonn bejonders — enate und trat als 
Rittmeifter in königlich ſächſ. Militärdienfte. Nach 
verſchiedenen Reifen in Spanien, Stalien, ‘Bortu: 
gal und Nordafrita vermäblte er ſich 3. Mai 1842 
mit Alerandrine (geb. 6. De;. 1820, geit. 20. Dez. 
1904), der Tochter des Großherzogs Leopold von 
Baden. Am 29. Jan. 1844 folgte er jeinem Vater 
als Herzog von Coburg-Gotha und Chef des Ge: 
jamtbaujes —— Er ſuchte den langen Zwiſtig— 
feiten mit der Coburger Ständeverfjammlung ein 
Ende zu machen und vereinbarte mit ihr 1846 ein 
neues Wahlgeſetz. 1848 und 1849 mußte er durd 
rechtzeitige Zugeſtändniſſe und feſte Haltung fein 
Land vor Unruben zu bewahren. Die Delegierten 
von Gotba wurden zur Beratung eines Landtags: 
wablgeieges einberufen und der Abgeordnetenver: 
fammlung der Entwurf zu einer neuen Verfaſſung 
vorgelegt, die 1849 ins Leben trat. Die engere 
—— der beiden Herzogtümer Coburg und 
Gotba erfolgte dur das Staatsgrundgeſeß vom 
3. Mai 1852, In den deutſchen Angelegenheiten er: 
kannte der Herzog die Frankfurter Reichsverfaſſung 
an und juchte Friedrich Wilhelm IV. zur Annahme 
der Kaiſerkrone zu bewegen; dann übernahm er im 
März 1849 ein elbftändiges Kommando (über eine 
tbüring. Reſervebrigade) im Kriege gegen Dänemart. 
Unter jeinen Augen wurde 5. Aprıl 1849 der 2 
bei Edernförde gewonnen. Später ſchloß ih €. 
dem jog. Dreilönigsbündnis an und veranlaßte 
den Fürftentongreß u Berlin (Mai 1850). 

der folgenden Reaktionszeit war er eifrig be: 

mübt, die nationalen und liberalen Ideen lebendig 

zu erhalten und die deutjchen Interefjen zu wah— 

ren. Deshalb ſuchte er während des Krimkrieges 

Öfterreih und Preußen zu entſchiedenem Auftreten 

gegen Rußland zu veranlajjen und knüpfte als der 

erite europ. Fürtt dur einen Beſuch in Paris im 

—— perſonliche Beziehungen zu Napoleon III. 

an. Angeſichts der Gefahren, mit denen die nach 

dem Ende des Krieges ſich vollziehende Annäherung 

—— Rußland und Frankreich Deutſchland be— 
drobte, verfolgte Der Herzog den Plan, einen litterar.⸗ 
polit. Berein zur Aufllärung des deutſchen Publi— 
kums zu begründen; aber erjt die — der 
Regeniſchaft in Preußen durch Prinz Wilhelm 1858 
gab ihm die Hoffnung auf eine günjtige Wendung in 


den deutfchen Dingen. Im Stalienifchen Kriege von 
1859 bemühte erfich, freilich vergeblich, um ein öfterr.= 
preuß. Bündnis. Dann aber entitand unter jeinem 
Schutze der Nationalverein, und indem er den deut: 
ſchen Schüßenfeften, deren erjtes 1861 in Coburg ab: 
gehalten wurde, eine nationale Richtung zu geben 
verjuchte, machte er jeinen. Namen in ganz Deutſch⸗ 
land populär. Andererjeits half er durch den Ab: 
ihluß einer Militärlonvention mit Preußen 1862 
die Einheit des deutſchen Heerweſens vorbereiten. 
Dem Gedanken einer notwendigen Regeneration 
Deutſchlands buldigend, war er ein eifriger Teil: 
nehmer am Frankfurter Aürftentag 1863. Beim 
Ausbruch des ſchlesw.-holſtein. Konflikts wirkte er 
beim Bundestage für die Trennun 
tümer von Dänemark und für die Cinjeßung des 
— Friedrich von Auguſtenburg als Herzog 
von Schleswig-Holſtein, mar auch bei Napoleon I. 
perjönlich für dieſen Plan thätig. Beim Ausbruch 
des Deutihen Krieges von 1866 ftellte er fich ſofort 
auf die Seite Preußens; feine Truppen nahmen 
27. Juni 1866 an der Schlacht bei Langenſalza teil. 
Nachdem er bei den Kapitulationdunterhandlungen 
mit den Hannoveranern mitgewirkt hatte, machte er 
im Hauptquartier des — von Preußen 
die zweite Hälfte des böhm. Feldzugs mit. Am 
Feldzuge 1870— 71 nahm E. im Großen Haupt: 
quartierteil. Erjtarb 22. Aug. 1893 zu Schloß Rein: 
hardsbrunn, in deſſen Bart jein ebernes Standbild 
(von Aug. Sommer) 1903 errichtet wurde. 

Seine Mußeftunden widmete E. den Wiſſenſchaf— 
ten, der Naturfunde und der Mufit, Bekannt find 
feine Opern «Gafilda» (1855), «Santa Chiara» 
(1854), «Diana von Solange» (1858). Ins Volt 
gebrungen a unter anderm feine vielgefungene 
«Hymne», Als Frucht einer Reife, die E. 1862 nad 
Agypten und den nördl. Grenzländern Abeffiniens 
unternahm, erihien das Prächtwerk «Reiſe des 
Herzog3 E. von Sadhjen:Coburg:Gotha nad Ügyp⸗ 
ten und den Ländern ber Habab, Menja und 
Bogos» (Ppz.1864). Auch veröffentlichte er u. d. T. 
«Aus meinem Leben und aus meiner Zeit» (3 Bde., 
Berl. 1837—89; Bearbeitung in 1 Bd., ebd. 1892) 
hodinterefiante Denktwürbdigfeiten. In Coburg 
wurde ibm 1899 ein von Cberlein modelliertes 
Reiterjtanpbild errichtet. — Vgl. Ohorn, Herzog 
€. IL von Sachſen-Coburg-Gotha (Lpz. 1894); 
Beyer, Der Borlämpfer deutſcher Größe, Herzog 
E. II. (Berl. 1894); Tempeltey, Herzog E. von Co: 
burg und das Jahr 1866 (ebd. 1898). 

enjt I. oder a Are Herzog von 
Sachſen-Gotha und Altenburg, Stier des 
—— Geſamthauſes, geb. 25. Dez. 1601 zu 

——— der neunte von zehn den Vater über⸗ 
lebenden Brüdern, deren jüngſter der Herzog Bern: 
I (j.d.) von Weimar war, erbielt nad dem Tode 
eines Vaters, des Herzogs Johann von Weimar 
il en von jeiner Mutter Dorothea Maria von An: 


der Herzog: 


alt eine von dem Hijtoriter des Schmalkaldiſchen 

undes, Friedrich Hortleder, geleitete, auf religiöfer 
Grundlage berubende trefiliche Erziehung, die jeinen 
Eharalter für jein ganzes Leben bejtimmte. Einer 
ge Jugend folgten noch härtere ' hg er als 
E. bei dem Ausbruch des Dreigigjährigen Krieges 
mit den Brüdern nah dem VBertrage vom 2. Dez. 
1618 die gemeinfame Verwaltung des Landes über: 
nahm. Seine jtreng prot. Gejinnung führte ihn in 
die Dienjte Guſtav Adolfs ala Oberit eines Regi: 
ments (Oft. 1631); er wohnte den Belagerungen 


186 Ernft II. (Herzog v. S.-Gotha und Altenburg) — Ernft I. (Herzog v. Schwaben) 


von Königshofen, Schweinfurt und Würzburg bei, 
fämpfte tapfer in der Schlacht am Lech, und jo 
nah einer jchweren Krankheit, die er fich beim 
Durchſchwimmen des Lechs geholt hatte, in den 
Schladten bei Nürnberg und Lützen, in welch letz— 
terer er nad dem Falle Guſtav Adolfs den Sieg 
über Bappenbeim vollftändig machte. Als jein Bru⸗ 
der Bernhard 1633 den Oberbefehl über das ſchwed. 
Heer erhielt, übertrug ihm diefer die Verwaltung 
feines Herzogtums Franken, die er mit muiterbafter 
Sorgfalt führte. Zwar begab 1 E. nod einmal 
unter jeinem Bruder in ſchwed. Kriegsdienſt und 

alf Landshut in Bayern erobern; allein nad der 

chlacht bei Nördlingen 6. Sept. 1634 zog er fi 
vom Kriegsihauplag zurüd und trat 1635 dem 
Arager Frieden bei. vermäblte ſich 1636 mit 

lifabetb Sophia, der einzigen Tochter des Herzogs 
Johann Philipp von Altenburg, und befnaftiate ih 
von nun an lediglich mit der Reorganijation feines 
durch den Krieg zerrütteten Landes, deſſen Regierung 
er je: dem Erbteilungsvertrage vom 13. Febr. 1640 
felbjtändig leitete. Nach dem Tode feines Bruders 
Albert von Sachſen-Eiſenach 1644 fiel ihm durch 
den Teilungsreceß vom 30. März 1645 die Hälfte 
des Fürſtentums Eifenah zu, dann ein Teil der 
Grafihaft Henneberg 1660 und durch he, 
Wilhelms IH., des legten altenb. Herzogs, Ableben 
1672 fam er in den Befiß der altenb. und coburg. 
Länder, von denen er jedoch mittels eines 16. Mai 
1672 zu Altenburg abgeichlofienen Vergleichs einen 
Teil an Weimar abtrat. Seitdem nannte er fi 
Herzog von Sachſen-Gotha und Altenburg. Er 
ftarb 26. März 1675. Im J. 1904 wurde ibm in 
Gotha ein Standbild (von Finkenberger) errichtet. 

E. bewährte als ein eifriger Anhänger von 
Luthers Lehre eine ftreng lonfeifionelle Fürſorge 
r alle Kirchen: und Schulangelegenbeiten feines 

ndes, und fuchte den fittlichereligiöjen Zuftand 
feines verwilderten Volks möglichjt zu heben. Sein 
weitered Bemühen ging dabin, die dem Sande 
durch den Krieg geihhlagenen Wunden durch eine 
ftraff geregelte Verwaltung, die von fünf hoben 
Kollegien geleitet wurde, und fparjamen, gerechten 
Staatshaushalt unter beftändiger Mitwirkung der 
Landſtände und Pflege des Vollswohlſtandes zu 
beilen. Auch eine Landesdefenſion (Landmiliz) 
wurde 1641 eingerichtet. Zugleich war er um Ver— 
breitung der evang. an auch im Auslande be: 
mübt, wie fein Briefwechſel mit dem Zaren Alerei 
Michailowitſch über die Angelegenheiten der prot. 
Gemeinde zu Moskau, des Zaren Gejandtichait 
nah Gotha und die Stiftung einer — 
Gemeinde zu Genf San, Sein Intereſſe für 
allgemein chriſtl. en jeigen die An: 
wejenbeit des Abtes Öregorius aus Abejfinien an 
feinem Hofe, feine Briefe an den König von Äthio— 
pien, die Sendung ob. Mid. Wanslebens aus 
Erfurt nah Abejfinien und die Briefe des Batriar: 
en von Alerandria an ihn. Bon feinen 18 Kindern 
überlebten ihn 7 Söhne und 2 Töchter. 

Bol. Gelbte, Hiftoriih altenmähige Daritellung 
des Lebens E.3 des Frommen (3 Bde., Gotba 
1810); Klaunigund Schneider, E. Herzog zu Sachſen— 
Gotha (Lpz. 1858); Bed, E. der Fromme (2 Bpe., 
Weim. 1865); Böhne, Die pädagogiihen Beſtre— 
bungen E.s des Frommen (Gotba 1888); Kreyen: 
berg, E. der Fromme (Frankf. a. M. 1890); Schroevel 
und Moeller, E, der Fremme. Ein Pädagog unter 
den Fürſten (Gotha 1901). 


Ernft II., Herzog von Sachſen-Gotha und 
Altenburg, geb. 30. Jan. 1745 ald der zweite 
Sohn Herzog Friedrichs LIL. und der Luiſe Dorotbea 
von Meiningen. Unter dem Einflujje jeiner geiſt⸗ 
reihen Mutter,von trefilichen Lehrern wie durch Rei: 
fen nad) Holland, England und Frantreih 1767 —69 
gebildet, folgte er 1772 feinem Vater. Er brachte 
in das durch den Siebenjäbrigen Krieg zerrüttete 
Finanzweſen Ordnung, verbeflerte die Suftispflege, 
errichtete eg ten, Arbeits- und Kranken— 
bäufer, ftiftete eine Benfionsanftalt für die Witwen 
und Kinder der Staatsdiener, forgte für Verbeſſe— 
rung und Erweiterung der Schulen und beförberte 
auf alle Weiſe Künfte und Wiſſenſchaften. Nächſt 
der Sprachkunde legte er auf Matbematif und Natur: 
wiſſenſchaften befondern Wert, war jelbft aftron. 
Shhriftiteller, gründete die Sternwarte auf dem 
Seeberge bei Gotha (1791) und war der erjte, der 
in —— eine Gradmeſſung veranſtaltete. 
Er ſchloß ſich dem von Friedrich d. Gr. geſtifteten 

rſtenbund an und widerſetzte ſich allen fremden 

erbungen in ſeinen Landen, wies ſelbſt das 
Verlangen des Königs von England, feines näch⸗ 
en Anverwandten, ibm für anfebnliche Gelb: 
ummen Truppen nad Amerika zu überlafjen, von 
ib. Er ftarb 20. April 1804. Abm folgte fein 
Sohn August. — Pal. Nicolai, &. IL. ( rntadt 
rg Bed, E. IL, Herzog zu Sachſen-Gotha 
und Altenburg (Gotha 1854); derf., Geihichte des 
gotbaiihen Landes, Bd. 1 (ebd. 1868). 
Ernft, Herzog von Sachſen-Hildburghau— 
en, geb. 12. Juli 1655 als Sobn Herzog Ernits des 
mmen von Gotha, erhielt bei der Teilung von 
1680 Hildburgbaufen und 1702 nad Loſung des 
fog. Nexus Gothanus die volle Souveränität über 
das Land. Er nahm 1683 an der Entießung Wiens 
ſowie fpäter an den Feldzügen gegen die Türken 
und gegen Ludwig XIV. teil; = gründete er bas 
Gymnasium illustre in Hildburgbaufen. Er ftarb 
17. Dtt. 1715. 

Ernſt Ludwig J., Herzog von Sabjen:- Mei: 
ningen, geb. 1673 ald Sohn Herzog Bernhards L, 
fämpfte mit Nuszeihnung im Spantihen Erbfolge 
kriege in faiferl, Dienften, trat 1706 bie Regierung 
an und wurde 1712 Reichs-Generalfeldzeugmeiſter. 
Er ſtarb 24. Nov. 1724. 

Ernft Auguft, HerzogvonSahfen: Weimar, 

eb. 19. April 1688 ala Sohn Johann Ernſts IIL, 
fubierte in Halle, Jena und Ütrebt und regierte 
eit 1707 gemeinfam mit feinem Obeim Wilhelm 
Ernft, nad deſſen Tode 1728 allein. Er liebte die 
Pracht und baute mehrere Jagpiclöfier; auch wer: 
wendete er große Summen auf das Militär und 
auf feinen Hof. 1732 Siftet er den Orden der Bad: 
famleit oder vom weißen Falten. Er ftarb 19. Yan. 
1748 zu Eiſenach. — Val. Freiberr von Beaulieu: 
Marconnay, E. A., Herzog von Sahjen: Weimar 
Eiſenach (Lyz. 1872). ſtein, ſ. Bd. 17. 

Ernft Günther, Herzog zu Schleswig-Hol— 

Ernft L., Herzog von Schwaben, en um 
970 als der zweite Sohn des Markgrafen Luitpold 
von der Oſtmark. E. tritt zuerft 1002 als Begleiter 
Herzog Ottos von Kärnten, des Sobnes fon: 
rads des Roten, bei deſſen erfolgloier Belämpfung 
des ital, Gegentönigs Arduin von Jorea bervor. 
* nächſten Jahre ſchloß er ſich dem Aufſtande ſeines 

etters, des Nari rafen Heinrich vom Nordgau, ge: 
gen Kaiſer Heinrich II. an. Bei der Belagerung der 

urg Greußen ward er gefangen und nur der eifrigen 


Ernst II. (Herzog von Schwaben) — Ernft & Sohn, Wilhelm 


Bermendung des Erzbifhofs Willigis von Mainz 
er es, die über ihn verhängte Todesſtrafe in eine 
obe Geldbuße umzuwandeln. Bon nun an blieb €. 
dem König treu. Seine Heirat mit Gifela, der 
Schmweiter Herzog Hermanns IIL von Schwaben, ver: 
Ihaffte ihm nach defien Tode 1012 das Herzogtum 
Schmaben. Doc ftarb er jhon 1015 auf der Jagd. 
Ernjt A., Herzog von Schwaben (1015—380), 
Sohn des vorigen, geb. 1007, wurde noch al 
Kind von Kaiſer Heinrich II. zum Nachfolger jeines 
Baters ernannt und ftanb während feiner Minder: 
jäbrigfeit erft unter der Vormundſchaft feiner Mutter 
Gijela (j. d.), dann feines väterlichen Oheims, des 
biſchofs Voppo von Trier. Da die verwitwete 
Giſela ſich mit dem Grafen Konrad von Franken 
vermäblte und dieſer als Kaiſer (Konrad II.) mit 
König Rudolf II. von Burgund einen Vertrag 
86 wodurch ihm und ſeinem Sohne Heinrich die 
Erbfolge in dem burgund. Königreiche geſichert 
wurde, ſo geriet er in Streit mit ſeinem Stiefſohn 
E. und mit dem Grafen Odo von Champagne, 
die beide ald Nachlommen von Schweitern des Kö: 
nigs Rudolf Anjprüce auf die burgund. Erbſchaft 
madten. Der erjte Aufſtandsverſuch wurde nieder: 
eihlagen, und E. begleitete darauf (1026) feinen 
tiefvater nah Stalien. Bon da (1027) nad 
Deutſchland zurüdgejandt, um eine dort inzwifchen 
aufs neue ausgebrochene Fürftenempörung zu 
dämpfen, rechtfertigte er das Bertrauen des 
Königs, der ibn noch eben erft mit der Abtei 
Kempten belehnt batte, nicht, fondern ſchloß ſich 
den Aufrübrern (Odo, Graf Welt) an, vermüftete 
das Elſaß und brab in Burgund ein, Nach des 
Kaifers Rüdtehr von Stalien mußte ſich E. ihm 
auf Gnade und Ungnade ergeben. Er wurde auf 
die Feſtung Giebichenftein (bei Halle) gebradtt. 
Do ſchon 1. Juli 1028 erjcheint er wieder frei 
und als Herzog. Als er fih 1030 weigerte, feinen 
treuen Freund und fiengenofien, den Grafen 
Werner vom Thurgau, befriegen zu belfen, belegte 
ibn Konrad mit der Reichsacht, lieh den Bann über 
ibn ausſprechen und übertrug das Herzogtum 
Schwaben deflen Bruder Hermann. €. vereinigte 
ib nun mit Werner, ſuchte vergeblih Hilfe bei 
Dvo von der Champagne, ‚eg fih dann auf die 
delfenburg Faltenftein im Schwarzwalde zurüd 
und lebte dort von Raub und un Am 
17. Aug. fiel er Fir leih mit Werner im Kampfe 
gegen den vom iechof Marmann von Konſtanz, 
dem Verweſer des Herzogtums, gegen ihn ausge: 
andten Grafen Mangold, der gleichfalls den Tod 
and. Wenn E. aud in der Geſchichte als ein un: 
otmäßiger, unbejonnener und undanlbarer Fürft 
egen feinen Stiefvater erſcheint, jo bat jeine 
eundestreue und das tragiiche Ende feines Lebens 
ihm die Sympatbie des Vollks erhalten. Sage 
und Lied bemädtigten ſich diefes Stoffs, ver: 
woben damit die Schidjale anderer unglüdlichen 
enjöbne und ſchufen das Volksbuch «Herzog 

» (1.d.). 2. Ubland bat in feinem Trauerfpiel 

«C., Herzog von Schwaben» deſſen Freundestreue 
ein würdiges Denkmal geſetzt. — Val. Breklau, 
ücher des Deutichen Reichs unter Konrad IL, 

. 1 (£p3. 1879). „Pen f.d.). 
Ernft, Dichtername von Matthias Jatob Schlei: 
Eruft, Adolf, Dicter, j. Stern. 20.17. 
Ernft, Adolf von, Maſchinenbaulehrer, f. 
Eruft, Heinr. Wilb., Violinift, geb. 1814 zu 
Brünn in Mäbren, geit. 10. Dit. 1865 zu Nizza, 


187 


war Schüler von Böhm, Mayfeder und Beriot, 
1830—50 einer der bebeutendjten Virtuofen, der die 
Borzüge der deutſchen und franz. Schule vereinigte 
und mit einer jouveränen Technik einen geift: und 
temperamentvollen Vortrag verband. Seine Kunſt⸗ 
reifen führten €. durch ganz Europa; feit Mitte der 
vierziger Jahre lebte er vorwiegend in England, 
mußte aber, körperlich leidend, das Violinſpielen 
zulegt aufgeben. Seine Kompofitionen für Violine 
find alle ſchwierig; obenan fteht in diefer Beziehung 
das Fis-moll: Konzert. In der Mehrzahl gebören 
Re ins Gebiet der brillanten Salonmufit. Die be 
iebteften find die «Elegier, die «Dibello:-Phantafie» 
und «Der Karnevalvon Venedig» (eine Nabahmung 
des gleihnamigen Baganinifhen Stücks). 

Ernft, Dtto, Pſeudonym des Schriftjtellers Otto 
Ernſt Schmidt (f. d.). 

Ernft, Wilb. und Eberhard, Verlagsbuchhänd⸗ 
ler, ſ. Ernſt & Sobn, Wilhelm. 

Cenft- Auguft- Orden, bannov. Orden, vom 
König Georg V. 15. Dez. 1865 geftiftet, zäblte fünf 
Klaffen: Großkreuze, Komture 1. und 2. Rlasle, it 
ter 1. und 2. Klaſſe. Das Ordenszeichen beſteht in 
einem mweißemaillierten achtipigigen Kreuze, zwi—⸗ 
ſchen deſſen Armen abwechſelnd ein Kurbut und eine 
Königskrone erfheint und deſſen Mitte ein rundes 
rotes Schild mit dem goldenen Namenszuge E. A., 
umgeben von dem Wablfpruche«Suscipere et finire» 
(«Uinternehmen und zu Ende bringen»), auf blauem 
Grunde trägt. Das Band ift fharladhrot mit 
duntelblauen Ranpdftreifen. 

Ernftbahn, Kleinbahn (4 km) zwiſchen Stadt 
und Bahnhof Braunfels, 

Ernfthall, Saline im Herzogtum Sachſen-Co— 
— in der Nähe von Bufleben (ſ. d.). 

ftthal, ebemalige Stadt, ſeit 1. Jan. 1898 mit 
Hobenftein zu Hobenjtein-Ernftthal (f. d.) vereinigt. 

Ernft & Sohn, Wilhelm, Verlagsbudhhand:- 
lung für Arditeftur und Technik in Berlin, wurde 
1850 unter der Firma «Ernft & Korn» (bis 1891) 
von Wilhelm Ernft, geb. 10. Dez. 1814, geft. 
15. April 1894, und Heinrih Korn in Breslau 
begründet dur Ankauf des Verlags von Karl Rei: 
marus, der 1842 die Buchhandlung von George 
Gropius (gegründet 1827) in Berlin mit einem Teil 
ihres Verlags übernommen hatte. Später famen 
noch Ermwerbungen aus anderm Verlag binzu. 1880 
trat H. Korn aus und Wilhelm Ernſt blieb Befiger, 
jet 1891 mit feinem Sohn und Nachfolger Eber: 

ard Ernjt (geb. 4. April 1852, geit. 25. März 1902 
in Lugano), wobei zugleich die Firma geändert wurde, 
Seit 1902 find Vefiber des lektern Söhne Wil: 
belm, Georg und Kurt E. Der Verlag (über 
600 Werte) umfaßt Monographien aus dem Gebiete 
der Kirchen-, Schul: und Krantenbaus:Arditeltur 
fowie des gejamten Eiſenbahnweſens, des Hoc: 
baue3 und der Ornamentil, darunter zahlreidhe 
Prachtwerke mit Stihen und Ehromolithograpbien 
erſten ——— von Autoren wie F. Adler («Mittel⸗ 
alterlihe Badjteinbaumerte»), K. Boetticher, Gott: 

etreu, Graeb, E. Gropius, ©. Hagen, Hibig, 

obrecht, Georg Meyer, Nafchdorfi, von Rittinger, 
Rziha, Salzenberg («Altchriſtl. Baudenkmale Kon: 
ftantinopels3»), Schinkel («Sammlung arditelto: 
nijcher Entwürfe», «Deloration auf den königl. Hof: 
tbeatern e Berlin» u. a.), von Stillfried, Strad, 
Stüler, Waejemann u. a.; ferner das «Arcitel: 
tonifhe Skizzenbuch» (201 Hefte), «Ingenieurs 
Zafbenbuh», bg. vom Verein «Hütte» (1857; 


188 


18. Aufl. 1902), «Zeitſchrift für Baumefen» (feit 
1851), «Zeitfchrift für Berg, Hütten: und Salinen: 
wejen» (ſeit 1853), «Gentralblatt der Bauverwal⸗ 
hung» (fett 1881) u.a. j 
ente, der nbegriff aller Arbeiten, die zum Ein: 
bringen landwirtichaftlicher Gewächſe und Früchte 
notwendig find. Bon größter Bedeutung ift Wahl 
des richtigen Zeitpunftes, Wetter und jchnelle Förde: 
rung aller Erntearbeiten. Man kann in Deutſchland 
drei Haupternten unterfcheiden: die Heuernte, die 
Getreide: (Hülfen: und Olfrucht-) Ernte und die 
Wurzelfruchternte. Die drei Arten bedürfen natür: 
lich eines verschiedenen Beitpunftes, befonderer Verf: 
aeuge und bejonderer Methoden beim Einheimfen. 
ie Heuernte erjtredt fihb auf alle grünen 
Futtergewächſe, die in trodnem Zuftande den Win: 
ter über aufbewahrt werben jollen, wie Gra3, Klee, 
Luzerne, Ejparfette. Der Schnitt, der meiſtens mit 
ber Senje, jet aber auch vielfach mit Mahmaſchinen 
(j. d.) vorgenommen wird, hat zu erfolgen, wenn 
die Pflanzen in voller Blüte Ri Bei früberm 
Abbringen ift die Menge geringer, weil das Wachs⸗ 
tum der Bilanzen noch nicht vollendet ift; bei jpä- 
term Mähen erbält man eine größere Futtermaſſe, 
aber geringern Nährwert, weil die eigentlichen Nähr: 
tojje in die Samen gemwandert find. Die grünen 
flanzen fann man durch einfaches Trodnen, durch 
Trocknen aufReutern und dur Braunbeubereitung 
in Heu verwandeln. Beim einfachen Trodnen wird 
das in Schwaben gemäbte Gras auseinandergeichla: 
en, mebrfad) gewendet und am Abend in eine Haus: 
I gelebt, um am folgenden Tage von neuem in der 
eſchriebenen Weije behandelt zu werben, bis eine 
völlige Trodnung erreicht ift. Klee wird nur vom 
Schwad aus in Heine Haufen gebracht. Beim Klee 
und der Zuzerne findet aud ein jog. Buppen ftatt; 
der im Schwad abgemellte Klee wird zu etwa 30 cm 
im Durchmefjer haltenden Bündeln aufgerollt, auf 
die Sturzenden 78 oben etwas ſpitz ausgezogen 
und mit einigen Halmen umbunden. Er leidet in 
den Buppen, die bis zur Abfuhr des Heues unberührt 
bleiben, wenigvon der Witterung. Beim Trodnen auf 
Reutern, namentlich beim Klee üblich (j. Kleereuter), 
wird derjelbe am zweiten Nachmittag nad dem Ab: 
mäben auf den Reutern — feſtgepact und 
trodnet b völlig nad. Bei der Braunpeuberei: 
tung läßt man die grüne Mafje erft abwelten, bringt 
je dann in Mieten oder Feimen und tritt fie feft zu: 
ammen. Die — vor ſich * Erwärmung 
des Haufens hat nad einigen Wochen ihr Ende er: 
reicht; der Klee u. ſ. w. ftellt dann eine braune, aro: 
matiſch riechende Maſſe dar. Der Vorteil der bei: 
den letten Arten der Heugeminnung berubt in der 
größern Unabhängigkeit vom Wetter und Erſparung 
an Arbeit, die unter ungünjtigen Witterungäver: 
bältnifjen bei der Dürrbeubereitung ſehr bedeutend 
Fi Bei häufigem Beregnen wird ein Teil der im 
eu enthaltenen Nährſtoffe ausgewaſchen. (S. Heu.) 
Bei der Getreideernte benukt man diejelben 
Geräte und Maſchinen wie zum BR des Graſes, 
Klees u. ſ. w., nur mit Vornahme Heiner inderun: 
* in der Konſtrultion. Die namentlich im Klein 
etriebe vielerortö no) verwandte Sichel kann au 
von rauen und Kindern gehandhabt werden; da= 
egen leiftet fie wenig. Der richtige Zeitpunft des 
täbens iſt beim Getreide außerordentlich wichtig. 
Ye mehr fich die Reife näbert, dejto mehr wandern 
die Nährjtoffe aus dem Stengel und Halm in bie 
Körner; um fo gebaltlofer wird das Stroh, um fo 


Ernte 


reifer werben die Körner. Beides ift aber nachteilig, 
denn die überreifen Körner fallen in großer Zahl 
aus und geben verloren. Man joll desbalb mit dem 
Mäbhen beginnen, wenn fid die meijten Körner über 
dem Fingernagel brechen laſſen, aber noch einen 
breiigen Kern befiken (Gelbreife). Bei der 
Milchreife Beben fi die Eimweißftoffe und das 
Stärtemehl noch in flüffigem Zuſtande. Wenn die 
Körner ſchon ieh ( NN oder jogar völlig 
hart geworben find (Totreife), ift der Verluſt 
durch Ausfallen oft jebr bedeutend. Es kommt 
binzu, daß bei günftigem Wetter die Reife jebr 
Gneil zunimmt, daß dann alſo, während das erſt 
Gemäbte gelbreif iſt, das Korn der zuletzt gemäh— 
ten Felder me wird. Das frübere Abbringen bat 
noch den Vorteil, daß dabei ein feineres Mebl und 
weniger Kleie erbalten wird. Am wenigſten Scha: 
den verurſacht die vorgefchrittenere Reife beim Ha: 
fer, weil diefer nur wenig ausfällt. 

Das Minterlorn wird beim Gebraucde der Senie 

ewöhnlih an das noch ftebende angebauen, das 

emäbte abgerafit und gleich mit der Hand oder 
einer Garbenbindmaidine (f. d.) zu Garben (f. d.) 
—— Sommerlorn dagegen in Schwaben ge 
egt, nad einiger Zeit — und gebunden. 
Das Verfahren beim Trocknen des Getreides, 
namentlich des Weizens und des Roggens, iſt ſehr 
mannigfa ig. Empfehlenswert iſt das Aufießen in 
Puppen. Es wird dabei eine Garbe ſenkrecht mit 
dem Sturzende auf die Erde geſtellt, hierauf meiſtens 
acht andere Garben im Kreiſe an dieſelbe angelehnt 
und das Ganze mit einer ſtärlern Garbe zugededt, 
deren Ühren dadartig von allen Seiten über die 
übrigen Garben Derukkängen. In den Buppen rei: 
en die Körner im Schatten nad, und das Getreide 
eidet jelbit durch heftigen Regen nicht. Die Kreuz: 
manbdeln, bei denen zunädjt vier Garben, mit 
ihren Ährenenden IE: auf die Erde 
und oben darauf noch zwei ebeniolde Schichten ge 
legt werben, find namentlich für jehr reif gemordenes 
Korn geeignet. Bei den Stiegen werden je zivei 
Garben mit den Sturzenden — Boden geſtellt, 
mit den Ahrenenden gegeneinander geneigt und in 
gone Meije eine Reihe von jehn Garben an jeder 

eite errichtet. Außerdem giebt ed noh Pyrami: 
den, Öarbenlajten und Dachhaufen, die aber 
weniger verbreitet find. Buchmweizen wird meijtens 
in Puppen, wie bei der €, des Klees angegeben, 
getrodnet. Das Bergen des Getreides, wobei trods 
nes Wetter bejonders wichtig ift, geichiebt in Scheu: 
nen (ſ. d.) oder in Feimen (f. u die zunächſt auf 
dem Felde zufammengefabren, ipäter aber auch in 
die Scheunen gebracht werden. Neuerdings wird das 
Getreide mit Hilfe der Dreſchmaſchinen zumeilen 

leih von den Puppen oder Stiegen aus oder au 
äter aus den Feimen gebroihen. Nah dem 
Abbringen des Getreided vom Felde wird letzteres 
mit einer fog. Hungerbarle (Pferdereden) 
nachgeharlt, um die zurüdgebliebenen Halme auf: 
zufammeln. 

Bei der E. der Hülſenfrüchte, namentlich 
Bohnen und Erbjen, find im allgemeinen diejelben 
Arbeiten vorzunehmen wie bei der Getreideernte. 
Das Mähen muß erfolgen, wenn die am meijten 
in der Reife vorgeſchrittenen Hüljen braun werben. 
Die Hülfenfrüchte werden entweder gleih nad dem 
Mäben gebunden oder aud, 3. B. die Erbien, un: 

ebunden in die Scheunen gebradht. Die Ölfrüchte, 
Raps, Nübjen u. ſ. m., ſollen gemäbt werden, wenn 


Erntedankfeft — Eröffnung des Hauptverfahrens 


die Körner braune Bäckchen belommen; man bin: 
det das Abgebrachte in Heine Bunde, von denen 
40 bis 60 Stüd unter einer Strohhaube zufammen: 
geftellt werden und bis zum Einfabren oder Dre 
hen auf dem Felde bleiben. Bei erfterm jind die 
Emtewagen mit Leinwandplanen auszuſchlagen, 
um die —— Samen zu ſammeln. 

Um die E. vom Wetter unabhängig zu machen, 


um auch in naſſen Sommern Gras und Getreide Ha 


trodnen zu können, baben in allerneuefter Zeit ver: 
ihiedene engl. Landwirte, jo Neiljon, Gibb u. a., 
beſondere Ernteverjahren ausfindig gemacht, die 
in der Hauptiache darin beiteben, daß durch das in 

i aufgeſetzte Gras, Getreide u. ſ. w. mittels 
eigener Maſchinen, welche durch Dampf oder Göpel 
getrieben werden, erwärmte Luft geſogen wird, 
die ſich mit der Feuchtigleit des Getreides ſättigt 
und dadurch letzteres trodnet. Nach den bisher 
vorliegenden Erfahrungen ſcheinen dieſe Methoden 
ihren Zwed noch nicht vollftändig zu erfüllen. 

Die E. der Wurzelgewächſe darf nicht zu früh 
im Herbjte erfolgen, damit die Wurzeln und Knol⸗ 
len völlig reif geworden find, wenigjtens in land: 
wirtichaftlibem Sinne, d. h. bis die Bildung von 
Stärlemebl (Kartoffeln) oder Zuder (Rüben) u. |. w. 
ihr Marimum erreicht bat. Bei den Kartoffeln be: 
dient man ſich entweder des Spatens oder ber Ga: 
bei, im Großbetriebe dagegen des gewöhnlichen 
PBfluges oder eines bejonders konjtruierten Kartof⸗ 
felpfluges. Rüben werden entweder mit der Hand, 
dur den Spaten oder mit einem jog. Nübenbeber, 
der durd Geipanne fortbewegt wird, aus der Erde 
geboben. Die Aufbewahrung der Wurzelfrücte 
geibiebt entweder in Kellern oder in Mieten auf 
dem Felde, was bei größern Mengen faft immer 
nötig jein wird. (Näberes |. Kartoffel jowieRüben: 
aufbemabrung.) liber die Ernteerträge j. die Ab: 
ſchnitte Landwirtſchaft in den einzelnen Zänderarti: 
tein jomie den Artilel Getreideprodultion. — 24 
Löbe, Anleitung zum rationellen Betriebe der E. 
(2. Aufl., Braunſchw. 1887). 

Die E. wurde jhon bei den Griechen und Römern 
dur bejondere Feitlichleiten nad ihrem Abſchluß 

eiert. Das bei den driftl. Vollern eingeführte 

blibe Erntedankfeſt oder Erntefeft, das in 
Deutſchland meijtens am erften Sonntage nad 
Nichaelis gefeiert wird, ift an Stelle der Erntedanl: 
opjer getreten. Außerdem findet gewöhnlich noch 
eine vom Gutsherrn den Arbeitern gegebene Tanz: 
beluftigung mit Bewirtung, das fog. Erntebier, 
ftatt, wobei leßtere dem eritern eine Erntelrone 
oder einen Erntelranz übergeben. 

Erutedautfeit, Erntefeit, ſ. Ernte. 

Erntehüter (lat. Custos Messium), ein von 

Lalande benanntes Sternbild des nördl. Himmels 
bei der Kaſſiopeia, in einer an Heinen namenlofen 
Sternen reihen Gegend. Es joll an den Kometen: 
entdeder Meifier erinnern. 

Erntemafchinen, j. Mähmaſchinen. 

Erntemonat, ſ. Auguſt. 

Erxuterũckſtãude, die Stoppeln und Wurzeln, 

die bei der Ernte der Kulturgewächſe im Boden 
feiben, und die durd ihre jpätere Umwand— 
in Humus und Pflanzennäbritoffe einen be 
fimmenden Cinfluß auf die Nachfrüchte und da— 
mit auf die Fruchtfolge ausüben. Nach den Unter: 
fuhungen von Weisle und Werner in Prostau 
fanden ſich, auf 1 ha in Kilogramm berechnet, nach⸗ 
hebende Rüdftände bei verjhiedenen Früchten: 










Luzerne .| 10811 162,6 

Rotllee, 9976 | 214,6 292,9 

Qupinen ...... 3943 | 69,7 ”“,1 

Weizen. ...... 86 

Roggen ...... 7 21 

Gerite . 2.2220. 474 
J „, 


Eroberung, die im Kriege volljogene Befis- 
ergreifungvon feindlihem Staatögebiet und Staats: 
eigentum. Gie gewährt, wenn Aneignungswille 
vorhanden ift, Eigentum an beweglichem Staatsgut, 
onft, jolange ber Kriegäzuftand dauert, nur die 

gnis, das Croberte zu allen der Kriegführu 
dienliben und nicht durch den Kriegsgebrau 
(f. d.) unterfagten Zweden zu benugen. Eine völter: 
rechtliche Pflicht, in dem beſetzten Gebiete die Staats⸗ 
gewalt ſoweit möglib auch zum Wohle der Ein: 
wohner auszuüben, entftebt dagegen durch E. nicht. 
Das feindliche Gebietäreht und das Eigentum des 
Feindes an feinem unbemweglihen Gut endigt erft, 
wenn infolge der E. Abtretung (ſ. d.) der Gebiets: 
bobeit dur iedensvertrag oder jog. Debellation, 
d. b. kriegeriihe Vernichtung der völterrechtlihen 
Berjönlichleit des feindlihen Staates und damit 
völferrehtlihe Dccupation (f. d. und Annerion), 
ftattfindet. 

Eroburgo, Drt auf Tenos (f. d.). 

Eropdieren (lat.), wegnagen, wegbeizen (f. Ero⸗ 
fion); Erodentla, igmittel, 

Erodium L’Herit., Reiberihnabel, Pflans 
jengattung aus der Familie der Öeraniaceen (f. d.) 
mit gegen 50 faft ſaͤmtlich in der nördl. gemäßigten 
Dom und befonders in den Mittelmeerländern vers 
reiteten Arten. Die gemeinfte, in fajt ganz Europa 
wachſende ift E. cicutarium Z’Herit., ver ſchier⸗ 
lingsblätterige Reiherſchnabel (f. Tafel: 
Gruinalen, Fig. 2), häufig als Unkraut auf bes 
bautem Boden und Schutt. Eine andere in Deutſch⸗ 
land nicht feltene und in ganz Südeuropa ver: 
breitete Art ift E. moschatum L’Herit.; die ganze 
Pflanze, früher unter vem Namen Herba Moschatae 
offizinell, riebt nah Moſchus. Die ſüdeuropäiſche 
E. ciconium Willd. und E. gruinum Willd, dienen 
ihrer bygroflopifhen langen Schnäbel wegen zu 
Zimmerbygrometern, d. b. als Wetterpropbeten. 

Eröffuung des Hauptverfahrend, der jei- 
tens des Gerichts (nicht Staatdanmwaltihaft) erfol⸗ 
gende Beichluß, ven Beihuldigten vor ein Strafge: 
richt zu Aburteilung zu verweifen. Der Beſchluß 
bet einen Antrag (Anklagefchrift) ver Staatsanwalt» 
haft zur Vorausfegung. Die Anklageſchrift wird 
dem Angeſchuldigten Durch den Gerichtsvorfißenden 
ur Erklärung mitgeteilt, ob er Vorunte — 
alls ſolche ni —— oder Vornahme einze 
ner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung 
beantragen oder Einwendungen gegen die E. d. H. 
vorbringen will. Nach Eingang der Erllärung oder 
Ablauf der für dieſelbe zu jtellenden Frijt Fakt das 
Gericht Beichluß, der dabin lauten fann: 1) daß das 
Bemweiämaterial durh Eröffnung oder Ergänzung 
der Vorunterfuhung oder einzelner Beweiserhe: 
bungen zu vervollftändigen; 2) daß das Verfahren 
Sun en (j. Einjtellung des ls 
3) dab das Hauptwerfabren, fei ed aus thatjächlichen 
oder rehtlihen Gründen, nicht zu eröffnen jei, wel» 
her Beichluß, ift er rechtöträftig, eine nochmalige 


190 


Klage hindert, ſoweit nicht neue, zur Zeit jener Bes 
ſchlüßfaſſung unbelannt gewejene Thatjahen oder | 
Beweismittel zum Vorjhein fommen; 4) dab das 
Hauptverfabren zu eröffnen fei. Zu diefem Beſchluß 
wird erfordert, daß der Angeſchuldigte nach den Er: 
gebnijlen des Vorverfabrens der That hinreichend 
verdächtig erfcheint; der Beſchluß ift für den Ans | 
—— nicht anfechtbar, u fann der | 
taatsanmwalt die Ablehnung der E. d. H. mit fo: 
eig Beihmwerdeanfehten. Beichliebt das Gericht 
im Widerſpruch zu den Anträgen des Staatsan: 
walts €. d. H., jo bat diejer eine dem Beſchluſſe 
entiprechende Anklagejchrift einzureichen. Die Ent: 
cheidung über E. d. 9. erfolgt, ſoweit jie nicht dem 

mtörichter (Deutjche Srpiiipgion gering I = 197) 
zuftebt, in beratender Sigung des an die Anträge | 
der Staatsanwaltſchaft nit gebundenen Gerichts 
(Straftammer der Landgerichte oder 1. Strafienat | 
des Reichsgerichts) auf Grund Vortrags eines Be: 
richterſtatters. Ausnahmsweiſe kann ohne ſchriftliche 
Anklage und ohne beſondern Eröffnungsbeihluß zur 
Hauptverhandlung geſchritten werden, nämlich in 
Schöffengerichtsſachen ($$.211, 451,456) und zwar, 
wenn der Beſchuldigte ſich freiwillig ftellt oder in 
Folge vorläufiger Feſtnahme vorgeführt oder nur 
wegen lÜbertretung verfolgt wird ($. 211); ferner 
wenn gegen einen amtsridhterliben Strafbefebl | 
rechtzeitig Einfprudy erhoben, und wenn gegen eine | 
voligeiliche Strafverfügung Antrag auf gerichtliche 
Entibeidung gejtellt wird. Die Beitimmungen der 
Deutihen Strafprozeßordnung (88. 196— 211) über 
E. d. 9. haben den Zwech, zu verhindern, daß jemand 
auf ungenügende Verdachtsgründe bin auf der Un: 
tlagebant eriheinen müßte, Die Oſterr. Strafprozeß⸗ 
ordnung F hierfür dadurch, daß auf Einſpruch 
des Angeſchuldigten eine Entſcheidung über die Zus 
läjjigteit der erhobenen Anklage jeitens des Gerichts 
jweiter Inſtanz jtattfindet. (S. Antlagejtand.) 

Erogation (lat), Verteilung, Auszahlung ; 
Erogätor, Ausgeber, Ausitatter, Verteiler einer 
Erbſchaft. 

Eroioo (ital.; franz. höroique), or Vor: 
tragsbezeihnung: beldenmäßig, mit geiteigerter | 
Kraft und mit Schwung. Beetboven benußte dieſes 
Wort zur Bezeichnung des Gejamtcharatters jeiner | 
dritten Sinfonie (Erolca, in Es-dur), die er ur: | 
fprünglih Napoleon I. widmete, weil er in ihm einen | 
ecbten Republitaner jab; als dieier aber die Kaiſer— 
würde annahm, zerriß er die Dedifation. Auch Neus | 
tomm ſchrieb eine Eroica. | 

Ero3 (ard.; lat. Amor und Eupido), die Ber: 
fonifitation der Liebe, inäbefondere der Geſchlechts— 
liebe, wird von der jüngern Dichtung und bildenden 
Kunjt der Griehen und Römer als der Sobn und | 
unzertrennliche Begleiter der Aphrodite (Benus) | 
jan ren bäufig mit den verwandten Geftalten 
Himdros und Potbos (Verlangen und Sehn: | 
fucht) verbunden, biöweilen auch dem aus einer 
mebr pbilof. Idee bervorgegangenen Anteros (f. d.) 
gegenübergeftellt. In der Heſiodiſchen Theogonie und 
dann beſonders bei den ſog. Orphilern erſcheint €. 
als eine der erſten und mächtigſten Gottheiten, als 
der Urheber aller Zeugung und daher der Welt: 
er überhaupt (der de losmogoniſche E.). 

n einigen Gegenden Griechenlands wurde 
aber jchon jeit uralter Zeit ald Hauptgottbeit ver: 
ehrt, wie 5. B. zu Tbefpiä in Böotien, mo ihm alle 
vier Jahre ein berühmtes dt (Erotidien) mit 
Iymniſ und muſiſchen Wettlämpfen gefeiert 











' einer Lyra in der 


Erogation — Eros (Mythologie) 


wurde. Dort galt er ald Sobn des ithyphallifchen 
Hermes und der chthoniſchen Artemis, jo daß er ala 
Gott der zeugenden Kraft der Erde zu betrachten 
ift. Sein Symbol war ein rober Stein, doch ſtan⸗ 
den daſelbſt auch berühmte von Prariteles und 
Lyſippus gefertigte Statuen. Cine andere an 
faſſung des E. ald Sinnbild reiner Freundſcha 

und begeifternder Liebe des Wahren, Schönen und 
Guten ift dur die Philoſophie, bejonders durch 
die Platoniſche, begründet worden. In der aleran- 
driniſchen Poeſie iſt E. bald der alles überwindende 
bald der nedifche Gott der Liebe. Namentlich mu 

ſeit dieſer get jein Verhältnis zu Pſyche (ſ. d.) ein 
beliebter Gegenftand der Sage (j. Apulejus) ges 
weſen fein. — 
regelmäßig als nadter 


argejtellt wird €. in älterer Zeit 
geflügelter Knabe, oft mit 


Hand, vereinzelt 
aub als Yüng: 
ling und unge: 
flügelt. Der pari: 
ice E. des Prari: 
teles lehnte ſich 
mit dem linken 
Arm auf eine 
Säule; ein ande: 
rer Typus dieſes 
— ers legte 
wohl die rechte 
Hand ruhend über 
den Kopf und er: 
bob die linte mit 
dem Bogen, der 
fonft erit feit dem 
4. Jahrh. als At: 
tribut auftritt. 

Auf ein Wert des 
er jcheint der in mebrern Nachbildungen, 3.8. 
im Kapitoliniihen Mufeum zu Nom, vorbandene 
bogenprüfende €. zurüdzugeben. (©. vorjtebende 





| zum Später erhält er auch eine Fadel als 
\ Beigabe. Se 


it der Zeit des Hellenismus wird er 
als ind mit Heinen Flügeln und mit allerlei Spiel 
beihäftigt aufgefaßt. Wie in der Poeſie diefer Zeit, 
R erſcheint er auch in der bildenden Kunft, nament: 
ich in Terratotten, Gemmenbildern und Gemälden 
als ein nedifcher, mutwilliger Knabe, der alle Göt: 
ter und Menſchen, ja fogar die wildeſten Tiere be: 
zwingt und über fie triumphiert. Die röm. Kunſt bat, 
bejonders in zahlreihen Sartophagrelief3, Ero: 
ten in ber Mehrzahl als Knabenfiguren (Amoret: 
ten) mit und obne Beflügelung (in der legtern 
‚Form von mancden ohne rehten Grund Genien 
— in verſchiedenen Deihäftinungen, beim 

piel, bei Wettfahrten, bei der Weinlejfe, bei Trint: 
gelagen u. ſ. w. dargeftellt. Auch die Verbindung 
von Amor und Alpe ift von derjelben oft beban- 
belt worden; die ſchönſte derartige Gruppe befindet 
fih im Kapitoliniſchen Muſeum zu Rom. Auch die 
neuere Kunſt hat den €, entiprehend dem Vorbilde 


| der Antife dargeftellt. So haben Eanova (Amor 


und Pſyche mit dem Schmetterling, Amor und 
Pſyche jib umarmend; beide im Louvre zu Paris), 
Thorwaldſen (Amor als Löwenbändiger), Rietichel 
(Amor auf dem Panther), Frailin (Der gefangene 
Eupido) meifterhafte Crosfiguren geſchaffen; unter 
andern tellte der engl. Bildhauer Gibſon Amor und 

ſyche in einem Relief dar (f. Tafel: Engliſche 

unft II, Fig. 9). Unter den die Fabel von €, 


Eros (Planetoid) — Erotomanie 


und Pſyche behandelnden Malereien find bekannt 
die nah Raffael3 Entwürfen von mebrern feiner 
Schüler ausgeführten zwölf Daritellungen in ber 
Billa — zu Rom. — Vgl, Gerhard, Über den 
Gott €. (Berl. 1850); 3. Grimm, fiber ven Liebes: 
gott (ebd. 1851); Furtwängler, E. in der Vajen- 
malerei (Münd. 1875). 

Eros, Planetoid, |. Bv. 17. 

Erofion (lat.), Zernagung; in der Geologie 
Bezeichnung für alle die Oberfläche des Feitlandes 
geitaltenden Vorgänge, injofern bierbei das Waſſer 
und die meteorolog. Verbältnifle in Frage fommen. 
Hauptjaltor der E.ift das fließende Waſſer, das 
in einem auch nur wenig geneigten Boden ein mit der 
Zeit immer tiefer werdendes Rinnſal einſchneidet, ibn 
immer weiter erodiert. Je ftärler das Gefälle iſt, 
um fo mebr fann das Wafler Sand und Steine als 
Schleifmaterial mit fi fortführen. Gebirgsbäde 
üben eine viel jtärfer erodierende Thätigleit aus 
als in der Ebene langjam dabinjchleichende große 
Ztröme, die oft genug im Gegenteil ihr Bett und 
ibr ganzes Gebiet durch Abjak des von der Höhe 
berabaetührten Materials erhöhen. Stark erodie: 
rend wirten oft Wajlerfälle durh Unterwüblung 
des fturzes an ihrem Fuße; jo fchreiten die 
Niagarafälle jäbrlib etwa 0,5, die Antbonyfälle 
des Mifhijtppi 1,rım rüdwärts. Weitaus die meiften 
Ibäler in allen nicht rein vulkaniſchen Gebirgen, 
und viele auch in diefen, verbanten ihre Geitalt, 
die Form und Tiefe ihres Querſchnittes der rüd: 
märts f&hreitenden E. des Waſſers. Der Meg, auf 
welchem die €, erfolgt, wird in den meiſten Fällen 
durch die geolog. Beihaffenheit, die Zufammen: 
jesung und den Bau des betreffenden Gebietes vor: 
gezeichnet. (S. Canon.) Die erodierende Thätigfeit 
des fließenden Waflerd wird unterftüßt und zum 
Zeil wird ihr vorgearbeitet dur die Auflöfung, 
Zerjegung und Bermitterung der fejten Gejtein: 
maſſen dburb Regen und durch Quellwaſſer 
und durch die mechan. Aufloderung der oberfläd: 
lisen Maſſen durch in Spalten gefrierendes 
Waſſer oder andererjeits durh Inſolation, 
durch ftarle Ermärmung dur die Sonne mit dar: 
auf folgender jchneller Abkühlung in der Nacht. 
Auch die Bildung von Grundeis und das Gefrieren 
der Oberfläche der Flüfje unterjtügt ihre erodierende 
Ibätigfeit in bedeutendem Maße. Im Hochgebirge 
und in ben polaren Gegenden wirkt auch das Eis 

erodierend, mag es alö Gletſcher wie ein Strom, 
eder mag es als Inlandeis in breiter Maſſe ſich 
abwärt3 bewegen; die E. wird hierbei —* 
lich durch das Abſchrammen und Abhobeln des 
Grundes durch vom Eiſe mitgeführtes, zerkleinertes 
Geſteinmaterial bewirkt. Nach der Annahme vieler 
Geologen iſt aber die erodierende Thätigkeit des 

Eiſes viel geringer als die des Waſſers. Auch be: 

wegte Luft wirkt auf der Erdoberfläche erodie⸗ 

tend; der Wind nimmt Heinfte Mineralpartitelcen, 

Staub, mit ring transportiert fie von den Höben 

binab ın das Meer; der Sturm vermag ſelbſt grobe 

Sandlörner vom Boden aufzubeben und mweitbin 

jortzuſchaffen; dieſe wirken dabei in ähnlicher Weije 

auf feites Geftein erodierend, abtragend ein, wie 
das Gefteinmaterial, welches der Gebirgsbach oder 
der Gletſcher mit ſich führt. (S. Sandſchliffe.) An 
dem Hüften bes tlandes wirten Wellen und 
Brandung zeritörendb und erzeugen oft im ein⸗ 
en jormen, wie jie auch durch fließendes Waſſer 
gebracht werben; an ſinkenden Küften zeigt 


19] 


id dann wohl das Phänomen der Abrafion (f. d.). 
eeresitrömungen lönnen vielleicht in den fels 
tenen Fällen, wo fie auf den Meeresboden reichen, 
auf legtern erodierend wirken, 

n der Medizin ift €. ein oberflählihes Ge: 
ſchwür; in der Zahnbeiltunde jowiel wie mangel: 
bafte Bildung des Zahnſchmelzes. 

Erofionsichlände, |. Schlünde, 

Erofionäthäler, |. Thal. 

Erotematifche Lehrform, ſ. Katechetik. 

Erdten, Erotidien, |. Eros, 

Erötif (grch.), Lehre von der Liebe, auch bie 
erotijche Poeſie (j. Erotic). 

Erotifer (grch.), Verfaſſer von erotifhen Schrif: 
ten (ſ. Erotiſch), in der griech. Litteratur vorzugs⸗ 
meije die Verfaſſer von Novellen und Romanen, in 
denen Liebesverbältniije eine bedeutſame Rolle ſpie⸗ 
len. Zu den novelliftiichen gehören die unter dem 
Namen « Milefifjhe Geſchichten»(ſ. Milet) befanns 
ten Erzählungen. (S. Bartbenius.) 

Eine weitere Stufe der Entwidlung bildet der 
riech. Roman (lögos erotikös). Die Grundlage 
teferten die von alter ber beliebten Erzählungen 
von abenteuerlihen, pbantaftifh ausgeibmüdten 
Reifen, von denen ſchon die Irrfahrten des Odyſſeus, 
die Abenteuer der Argonauten, die Sage von den 
Hpperboreern Beifpiele gaben. In alerandriniicher 
Zeit famen dazu phantaftiihe Erzählungen von 
den Eroberungszügen Alexanders d. Gr. und wun— 
derjame Berichte über Reifen in fremde Länder, 
wie fie Lucian in feinen «Wahren Geidhichten » 
parodiert hat. Aus der Verflechtung folder Er: 
— mit Liebesgeſchichten gingen die griech. 
Romane hervor, von denen eine —— An: 
ahl noch erhalten find. Eins der ältejten diejer 
ücher, deö Antonius Diogenes «Vierundzwanzig 
Bücher von den Wundern jenfeit Thule» (wabr⸗ 
iheinlih aus dem 1. Jahrh. n. Chr., nur im Aus» 
ug erhalten), gehört mehr noch zu den phantas 
—2* Reiſeberichten. 

Die übrigen erhaltenen Romane find durchweg 
Erzeugnifje der jog. «zweiten griech. Sopbiitik», d. b. 

der in der röm. Kaiſerzeit neu auflebenden rbetori: 
ſchen Runft. Es war den Berfaffern vor allem darum 
u thun, in Schilderungen, Reden, Monologen, 

riefen diefe ihre Kunſt zu zeigen. So find denn 

diefe Romane fajt alle nad einer und derſelben 
Schablone gearbeitet. Ein Liebespaar findet fi, 
wirb getrennt, Braut und Bräutigam werben weit 
mgetrieben und erleben die abenteuerlichiten 
bidjale, bis fie fih endlich wiederfinden. So ift 
der Berlauf bei Jamblichus («Babyloniaca», Ge: 
ihichte des Liebespaares Sinonis und Rhodanes) 
und Zenophon von Ephejus, bei Heliodor, Achilles 
Tatius und Ehariton, wie aud in dem nur in lat. 
fiberjegung erhaltenen Roman «Apollonius von 
Tyrus ». Nur Longus hat einen etwas jelbftän- 
digern We eingeiälogen. Die beite und voll» 
ftändigjte Ausgabe diejer Schriftjteller ift die von 
Herder, «Scriptores erotici graeci» (2 Bbe., Lpz. 
—— — Bal. Rohde, Der grieh. Roman und 
feine Vorläufer (Lypz. 1876). 

Erötifch (arh., von Eros, f.d.), Bezeichnung 
für alles, was auf Geſchlechtsliebe Bezug bat. 
Erotifhe Boefie ift demnach alle Liebespoefie, 
vornehmlich das lyriſche Liebeslied. (S. Erotiter.) 

Erotomänie (gr.) oder Liebeswahnſinn, 
die Neigung zu geſchlechtlichen Ausjhmeifungen ; 
in engerm Sinne ein frankhafter Geilteszujtand, 


192 


der den Gegenjag zum Verfolgungswahn bildet 
und hauptſächlich charakteriſiert wird durch die fire 
Idee, von einer (gejellihaftlich meiſt höher ſtehen⸗ 
den) Perſon des andern Geſchlechts ausgezeichnet 
oder geliebt zu werden. Es ift demgemäß die E. 
eine Unterart der Verrüdtbeit (f. d.) im Sinne der 
neuern Pſychiatrie und allgemein betrachtet eine 
Störung der ntelligenz. Häufig verbindet ſich in- 
des mit jener firen dee auch eine ſchwärmeriſche 
Liebe zu der betreffenden Perſon des andern Ge: 
ſchlechts, die, weſentlich im ——— wur⸗ 
elnd, jeder ſinnlichen Färbung entbehren kann. 
Die E. tft in der Regel unbeilbar. 
Erp, Dorf bei Zülpich (f.d.). 
Erpel, Enterih, die männliche Ente. 
el, Fleden im Kreis Neumied des preuß. 
Reg.» Bei. OR DR Bürgermeijterei Untel ge 
örig, 25 km im NW. von Neuwied, rechts vom 
bein, Remagen gegenüber, an der Linie Köln: 
Niederlahnftein der Preuß.Staatöbabnen, hat (1900) 
923 meijt fath. E., Poftagentur, Telegrapb, drei: 
Kgiit e Pfarrkirche; eine Mineraljarbenfabrit, 
einbau und an der Erpeler Lei (in 203 m Höhe, 
153 m über dem Rhein) Bafaltbrüce. 
Erpeniud, Thomas, eigentlib van Erpe, 
Drientalijt, geb. 11. Sept. 1584 zu Gorkum in Hol: 
land, ftudierte zu Leiden Theologie und orient. 
Spraden, beſuchte England, Frankreich, Italien 
und Deutichland, fam 1612 nad Holland zurüd und 
wurde PBrofejjor der orient. Sprachen. 1619 erbielt 
er auch die neu errichtete zweite Profefiur des He 
bräijchen zu Zeiden und bald nachher das Amt eines 
orient. Dolmetſchers bei den Generaljtaaten. Auch 
errichtete er jelbit eine Druderei mit bebr., arab., 
fyr., äthiop. und türk. Topen, die nach jeinem Tode 
mit der Elzeviers vereinigt wurde, Er jtarb 13.Nov. 
1624. Nächſt feiner «Grammatica arabica» (leid. 
1613 u. d.) und den «Rudimenta linguae arabicae» 
(ebd. 1620) ift bejonders feine Ausgabe von El: 
Makins «Historia Saracenica» (ebd. 1625) betannt. 
Erpfingen, Dorf im Dberamt Reutlingen des 
mürttemb. Schwarzwaldfreijes, 15 km im ©. von 
Reutlingen, in der Schwäbiſchen Alb, unweit vom 
Norbmweitabbange derjelben, am ſüdöſtl. Fuße des 
Guppenlochfels (831 m), bat (1900) 804 — E.; 
Mollerei, Landwirtſchaft und Schweinezucht. Nabe: 
bei die Ruine Hohen-Erpfingen, Stammfik der 
Herren von E. und 3km nordditlihbdieKarlaböble 
im Höblenberge (714 m), 30. Mai 1834 entdedt. 
Sie ift 163 m lang, 3—17 m breit und 3,5— 
10,3 m body, gebt 14,5 m unter der Oberfläche des 
Berges, von SW. nah ND., und beiteht aus fieben 
Haupträumen, von denen der fünfte ein ſchönes, 
den got. Bauformen ähnliches Gewölbe bildet und 
&böne Tropfiteinbildungen zeigt; man fand fofjile 
nochen von Menſchen, Bären u. ſ. w., ferner Waffen, 
Vaſen, Ringe, Geräte aus Gold und Sr: 
Erpreffung. Nah dem Deutihen Strafgeieh: 
bud ($. 253) wird wegen E. beitraft: Wer, um ſich 
oder einem Dritten einen rehtömwidrigen Bermögend: 
vorteil zu verichaffen, einen andern durch Gewalt 
oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder 
Unterlafjung nötigt. Strafe: Gefängnis nicht unter 
einem Monat. Der Berfuc ift jtrafbar. Wenn mit 
Mord, Branditiftung oder überſchwemmung gedroht 
it, jo tritt Zuchtbaus bis zu 5 Jahren, und wenn die 
. dur Gewalt gegen eine Perjon oder durch An- 
wendung von Drohungen mit gegenmwärtiger Ge: 
fahr für Leib oder Leben begangen iſt (räuberijche 


I 


Erp — Errantia 


E.), Zudtbaus bis zu 15 Jahren ein. Abgeſehen 
von der Drohung im Falle der räuberifhen E., ge 
nügt jede Drohung, auch die mit einer Handlung, 
welche an fich nicht unberedtigt ift, fall fie nur 
zum Zwede der Erzielung eines rechtöwidrigen Ber: 
mögensvorteild geſchieht. Aus dieſem Grunde murde 
ein Zeitungsreporter wegen E. beitraft,dervon einem 
Angeklagten 5 M. für Nichtveröffentlihung des Be 
richts über die Gerichtöverhandlung aefordert hatte. 

In dem geltenden —— Strafgeſetzbuch von 
1852 iſt ($. 98) die Drohung im Falle der E. ge 
nauer babın definiert: es mürte mit einer Berlegung 
an freiheit, Ehre, Körper oder Eigentum gedrobt 
fein, und die Drohung müſſe geeignet fein, dem 
Bedrohten begründete Bejorgnitie einzuflößen, und 
es ilt die Strafe für die einfache E. auf ſchweren 
Kerter von 6 Monaten bi? zu 1 Jahre, und für 
die ſchwerern Fälle auf 5 Jabre feitgeiegt. Der 
Oſterr. Strafgeiegentwurf folgt ** ich dem 
deutſchen Recht. röm. Recht fam die E. als 
concussio ebenfalls vor. 

Eine ganz andere Bedeutung bat die E. in $. 343 
des Deutſchen Strafgefegbubhs, nad welchem ein 
Beamter, welder in einer Unterfuhung Zwangs— 
mittel anwendet oder anwenden läßt, um Geſtänd— 
nijje oder Ausfagen zu erprefien, mit Zuchthaus 
bis zu 5 Jahren beitraft wird. Das gilt nicht nur 
von richterliben und jtaatsanmalticaftlichen, fon: 
dern auch von Beamten des Polizei: und Sicer: 
beitsdienjtes, welche zu Zwedcen eines richterlichen 
Strafverfahrens irgendwelbe Amtsbandlungen 
vornehmen. Wegen der civilrehtliben Wirkung 
der €, j. Drohung. — Val. Thurom, Beiträge zur 
Lehre von der E. (Berl. 1902). 

Err, Bid, Bergitod der Oberbalbiteiner Al: 
en, zu den Rhätiſchen Alpen (f. Ditalpen A, 2) ge 
Örend, erbebt ſich im ſchweiz. Kanton Graubünden 

nördlich vom Oberengadin zwifchen dem DOberbalb- 
fteintbale und ber Bever und trägt mebrere 
vergletierte Gipfel, von denen der Piz d’Err 
3395 m, ber Piz dellas Calderas 3393 m Höbe 
erreicht. Die beiden größten Gletſcher find der Err: 
gleticher, defien Abflug dem Oberbalbjteiner Rhein 
zugebt, und der djtlich gegen Val Bever abfallende 
Galverasgleticher, der feinen Bach zum Inn jendet. 
Die Errgruppe, zu welcher aud die Stöde des 
Piz Lungen (3170), Piz Julier (3385) und Piz Di 
(3249 m) gebören, bejtebt fajt ganz aus kryſtalli⸗ 
nifchem Gejtein, während die ihr im Norden von 
Bal Err und Bal Lugn vorgelagerte Nelagruppe (Pi; 
d’Aela 3320 m) der Kallkdecke angebört. 

Errante, Vincenzo, ital. Staatömann und 
Dichter, geb. 16. Juli 1818 zu Palermo, nahm leb» 
baften Anteil an den polit. Bewegungen Siciliens, 
weshalb er lange in der Berbannung leben mußte. 
Er ftarb 29. April 1891 in Rom als Senator und 
Seltionspräfident im Staatärat. E. fchrieb: «Tra- 
gedie e liriche» (2 Bde., Nom 1874), die Trauer: 
\piele «La San-Felice», «Solimano il Grande» 
(ebd. 1877), die Dichtungen «L’ideale», «La 
libertä» (ebd. 1878) und «Storia dell’impero Os- 
mano da Osman alla pace di Carlowitz» (2 Boe., 


ebd. 1882 Br 

Errantia, Unterordnung ber vielborftigen 
Ringelmürmer (f. d.) mit vorjtülpbarem, oft mit 
träftigen liefern bewebrtem Rüſſel, deutlich entwidel» 
tem Kopf, meijt mit Augen verjeben. Borjten jebr 
verſchiedenartig entwidelt. Kiemen in Geftalt von 
Schuppen oder verzweigter Anhänge an den Yühen 


Errare — 


ver obern Reihe. Sind in der Mehrzahl freiſchwim⸗ 
mend, andere hauſen in Röbren, alle ſind Raubtiere. 

Erräre (lat.), irten; E. humänum est, lat. 
Sprihwort: «Irren ift menſchlich ». 

Erräta, Errätifch, ſ. Erratum. 

Errätifhe Blöcke, Fi Actayi ge bie 
—— und groben Geſchiebe, die ſich weit von 
ıbrer uriprünglichen Heimat auf der Erdoberfläche 
zerſtreut vorfinden und durd Transport auf Eis 
an Drt und Stelle gelangt find. So liegen auf 
den den Alpen ee Abhängen des Jura 
eine Menge Felsblöde, die aus den böchften Zeilen 
der Alpen ftammen; ebenfo finden ſich in Holland, 
Dänemart, Norddeutichland, dem europ. Rußland 
und Polen eine zablloje Dienge von Je öden, 
von denen erwiejen ift, daß fie in Schweden und 

inland ihre Heimat haben. Eine ganz äbnlühe 

cheinung findet fih auch in Nordamerika. Die 
Größe ſolcher E. B. ift oft außerordentlich; jo fin: 
det ſich bei Pverbon in der Schweiz ein Granitbl 
von 17 m Länge, 13 m Höhe und etwa 7 m Breite; 
einer in Medlenburg hat 9 m und einer auf Fünen 
15 m Länge. Die E. B. find meift nur wenig ab: 
erundet, aber ſehr oft mit den charalteriſtiſchen 
iben des Gletichertransports, nämlih mit 
fiffläben und Schrammen verfeben. Die E. B. 
des Vorlandes der Alpen find während der Dilu⸗ 
vial: oder Eiszeit von den damals weit vorgeſcho⸗ 
benen Gletihern an ihren jegigen Fundpunlt ge: 
tragen worden. In äbnliber Weile wurden die 
Blöde der Norbdeutihen Ebene dur eine Dede 
von Inlandeis von Skandinavien ber an Ort und 
Stelle geibaift. (S. Dilupium und Eiäzeit.) In 
vielen Gegenden Norddeutſchlands erießen dieſe 
€. B. die fehlenden anftehenden Felämafien; fie 
werden zum Pflaſtern oder als Baufteine verwen: 
det; aus beionders feiten und großen wurden mono» 
fitbiihe Monumente bergeftellt, wie die Granit: 
fbale vor —— Kae in ag Bf 

Errätum (lat. rzahl Errata), et, 
tum , beſonders Drudfebler; elle — 
irtend, umherſchweifend. 

Erregbarkeit. Reizbarkeit, ſ. Senfibilität, 

Erregende Mittel, ſ. Analeptila. 

Erregungätheorie, das von dem en 
engl. Arzt John Brewn (f. ».) on. und von 
feinen Anhängern weiter auägebildete Syſtem der 
Heilbunde. Nach feiner Anihauung entiteht das Leben 
durch die Tbätigleit der Grregbarteit (Incitabilitas), 
deren jeder Drganiämus eine gewiſſe Menge be: 

t und die ihren Sis im Nerpenmarle und in ben 
usteliajern hat. Dieje Erregbarteit wird zu ihrer 


Thatigleit (Incitatio) durch gemifje Reize (Potesta- 
tes incitantes) veranlaft, melde teils emein, 
teils örtlidy wirten und in äußere (Luft, Wärme, 


Rabrungsmittel, Arzneien, Gifte) und innere (Be: 
wegung, Empfindung, Thätigleit der Denttraft, 
Gemütsbewegungen) zerfallen. Das Berhältnis 
der Erregbarfeit zu den einmwirfenden Reizen kann 
nun ein verjchiedenes jein. Das ganz richtige Ber: 
bältniö mit etwas mehr ober weniger auf der einen 
oder der andern Seite iſt Sejundbeit. Iſt jedoch 
die Erregung zu part vermehrt, jo entſtehen Kran: 
beiten mit dem Charalter der Stbenie, d. b. 
bes der Kraft; ift fie zu ſtarl vermindert, fo 
entfteben aſtheniſche, d. h. Schwädelrantheiten. 
dieſe legtern beruhen entweder auf verausgegan: 
gener liberreizung, und dann beißt die wãche 
eine mittelbare (Asthenia indirecta), oder darauf, 
Brechaus Konverfationd-Lerilon. 14. Aufl. R.A. VL 


Erröten 193 


daß überbaupt die Lebensreize mangelten oder, wie 
bei Berbungernden oder Berblutenden, entzogen 
wurden, und dann beißt die Schwäche eine unmit: 
telbare (Asthenia directa). Dieje gegenwärtig ganz 
aufgegebene Theorie (jog. Bromnianismus) ges 
wann ibrer Zeit wenig Anbänger in England, mebr 
in Stalien, die meiften in Deutihland. Hier wurde 

e 1790 befannt und zuerft 1797 von Weilard aus» 
ührlich dargeitellt, von Röſchlaub aber 1798 geift: 
voll bearbeitet und bejonderd gegen Hufelands, 
Cappels und Stieglis’ Angriffe aufrecht erbalten. 
Unter ihren Hauptanbängern ift Joſ. Frank zu 
nennen. Nur wenige nahmen übrigens das Brown: 
{che Syſtem unverändert an; die meiften faßten nur 
die Grundidee auf und errichteten auf ihr ein neues 
Spitem y daß zu Ende des 18. und zu Anfang des 
19. Jahrh. eine Menge E. entjtanden, welche aber 
zum größten Zeil bald wieder verſchwanden. 

Errera, Alberto, ital. Nationalölonom, geb. 
14. April 1842 zu Venedig, ftudierte zu Padua und 
war dann rl are Brofeflor der Nationals 
ölonomie und der Statiſtik an den technifchen Inſti⸗ 
tuten zu Benedig, Mailand und Neapel und an ber 
Univerfität Neapel. Seine Hauptwerle find: «Storia 
e statistica delle industrie venete» (Bened. 1870), 
«Le nuove istituzioni economiche nel secolo XIX» 
(Mail. 1874), «Storia dell’ economia politica nei 
secoli XVII e XVIII negli stati della repubblica 
Veneta» (ebd. 1877), «Manuale delle piccole in- 
dustrie» (ebd. 1879), «Le finanzi dei grandi co- 
muni» (jlor. 1882), «La riforma del credito 
fondiario» (Tur. 1856), «Istituzioni industriali po- 
polari» (ebd. 1888), «Le operazioni di credito 
agrario e le cartelle ie» (Berona 1889), «De- 
mografia» (Neap. 1899), «Lezioni di economia po- 
litica» (Livorno 1892). 

Errhephorien oder Arrhephborien, ein at⸗ 
tiiches, im Monat Stirophorion (Juni bis Yuli) 
zu Ehren der Athena gefeiertes Nachtfeſt, an dem 
wei Mädchen zwiſchen 7 und 10 —— die ſog. 

erhephoren, auf ihren Köpfen Behä tnifle mit ger 
willen heiligen Gegenftänden vom Tempel der 
Athena Polias nad einem in der Nähe des Tem: 
pelö der Aphrodite in den Gärten gelegenen Heilig» 
tum zu tragen hatten. Diejed Heiligtum beſtand 
aus einer unterirdijchen Grotte, in welcher die Bes 
bältnifje mit den heiligen Gegenitänden zunächſt 
nieder —— worauf die Mädchen andere 
—* eiligtümer in Empfang nahmen, bie fie 
in den Boliadtempel binaufzutragen hatten. 

Errhina (grch.), Rieömittel, 

Er:Rif, Gebirge, ſ. Rif. 

Error (lat.), Yrrtum, Fehler, Verjeben; E. cal- 
chli oder in calcülo, net E. facti, 
thatſächlicher, d. b. eine Thatjache betrefiender Irr⸗ 
tum; E. juris, Rechts fehler, Irrtum in einem Rechts: 
jnbe: E. loci, den Ort betrefjender Irrtum; nad 

oerhave die widernatürliche Ergießung oder Ans 
jammlung von Säften in Teilen, Höblen u. ſ. w. des 
Körpers als Krankheitsurſache; E. justus, entſchuld⸗ 
bares Berjeben; Erröre ebrio, im Taumel der 
Trunlenheit; E. non est imputabllis, Irrtum iſt 
nicht zurechenbar. 

Erröten. Das E. berubt auf einer plößlichen 
Wallung des Blutes nad den ———— der Haut, 
insbeſondere des Geſichts. Dasſelbe iſt beſonders 
deutlich bei jugendlichen Perſonen mit zarter, weißer 
Haut und leicht erregbarem Nervenſyſtem. Sowohl 
Erregungen des Gehirns (Scham, Zorn) als anderer 

13 


194 


Drgane können die Thätigleit gewiſſer Nerven, 
welche in der Wandung der Heinen Arterien endigen, 
plöglib umftimmen, fo —— läbmen, infolge 
deſſen die garten Mustelfajern der Gefäße erichlaf: 
fen. Die Gefäßwände leiften deshalb dem Drude 
des Blutes geringern Widerftand und dehnen ſich 
aus, fo daß fie nicht nur mehr Blut faflen tönnen, 
fondern auch die rote Farbe desjelben leichter hin: 
durchſcheint. Dies giebt der Haut die rötere Faär⸗ 
bung, um jo mebr, wenn die Haut felbjt zart und 
arm an Farbeftoff ift, wie bei blonden und bei 
on en Berjonen. Künftlidhes E. kann man 
erporrufen durch Einatmungen von Amplnitrit 
oder falpetrigfaurem Amyloxyd, welches ſchon in 
minimalen Diengen faft unmittelbar nach dem Eins 
atmen durch Grmeiterung der Blutgefäße ftarle 
Rötung des Gefihts und och radiges Hitzegefühl 
im Gejiht und Kopf verurjadht und deshalb bei 
allen auf Gefäßlkrampf berubenden Formen des 
Kopfihmerzes mit Nutzen gebraudt wird; doch 
treten bei fortgejeßtem Gebraud leiht ohnmacht⸗ 
äbnlihe Eriheinungen ein. Das plöplihe Er: 
blafien berubt im Gegenteil auf einem Krampfe 
ber Gefäßwandmusleln mit oder ohne gleichzeitig 
—5—— Herzthätigleit. — Bol. Henle, Über 
das €. (Bresl. 1882). 
Errungene Güter, im Gegenfak zu den durch 
Erbfolge oder dergleichen erlangten Gütern das, mas 
jemand durch eigene Thätigfeit und Sparfamtleit er: 
mworben bat. zum Ehelihen Güterredht (f. d.) ift der 
Ausprud gleichbedeutend mit Errungenschaft (f. d.). 
Errungenfchaft oder Erfoberung, in der 
Rechtsſprache das, mas der Ehemann oder die Ehe: 
frau während der Ebe holen in derjelben Errun: 
enſchaftsgemeinſchaft [ſ. d.] beitebt) —— ein⸗ 
— der Nutzungen der Sondergüter beider 
Gatten, jedoch ausſchließlich des in die Ehe Ge: 
brachten und in der Hegel ausſchließlich des wäh: 
rend der Ebe durch Erbichaft oder Freigebigleit eines 
Dritten Erworbenen, Mitunter wird unter E. nur 
das verjtanden, was durch Geihäftsthätigleit und 
Eriparung erworben ift (fog. Kollaboration). 
Errungenfchaftögemeinfchaft, derjenige Gü⸗ 
terftand, in welchem die Errungenfdaft (f. d.) 
emeinschaftlihes Vermögen (108; ejamtgut 
Bürgerl. Geſeßb. $. 1519) oder Samtgut) der 
Ehegatten wird. Gemeinfam ir bier zwar dem We: 
fen der Ebe entfprechend nicht bloß das durch Thätig⸗ 
teit wie dur Ertrag des Eingebrachten während 
der €. Erworbene, jondern auch die Ausgaben für 
diejen Erwerb und die ebelihen Laſten ($. 1529), 
aber die E. bat den großen Nachteil, daß im Falle 
der Beendigung eine verwidelte Auseinanderfegung 
und Berechnung der einzelnen Bermögensmafjen 
notwendig wird. Die E. war geſetzlicher Güterftand 
nur in Heinen Zeilen Deutihlands, insbefondere 
MWeft: und Süpveutichlands, und ift es noch beute 
namentlich in Spanien und Südamerila. Nach dem 
Code eivil und dem Bürgerl. Gejegbucd kommt die 
€. nur als vertragämäßiges Güterrecht in Betracht; 
nur für diefen Fall enthalten jene Rechte eine Rege: 
lung. (S. aud Ehevertrag.) Nach dem Deutichen 
Bürgerl. Geſeßzbuch befteben in der E. mindeſtens 
drei Bermögensmajlen: außer dem Gefamtgut das 
eingebradte Gut (früber Einhandsgut [f. d.] ge: 
nannt) des Mannes und das der Frau (Bürgerl. 
Gejekb. 88.1520 fg.), möglicherweiſe noch eine vierte, 
das Vorbehaltsgut der rau; Vorbebaltsgut des 
Mannes ift unzuläffig. Eingebrachtes Gut iſt, abge: 


Errungene Güter — Errungenichaftsgemeinfchaft 


ſehen von dem, was einem Ehegatten bei Eintritt in 
bie E. gehört, namentlich 1) waservon Todes wegen 
oder mit Rückſicht auf ein hünftiges Erbredt, durch 
Schenkung oder Ausftattung (mehr ald Ausſteuer: 
8. 1624) erwirbt, jedoch mit Ausnahme eines Er: 
werb3, der den Umſtänden nad zu den Einkünften 
u rechnen ift, 2) die Gegenstände, welche nicht durch 
echtögefhäft übertragen werben können, fowie 
Rechte, die mit feinem Tode erlöjchen oder deren Gr: 
werb durch den Tod eines der Ehegatten bedingt ift, 
3) was durch Ehevertrag hierfür erklärt ift, 4) was 
der Ehegatte auf Grund eines zu feinem Einge 
braten gebörenden Rechts oder als Erfaß für einen 
dazu gehörenden Gegenſtand oder durd ein Rechts: 
genäht erwirbt, das ſich auf eingebrachtes Gut be 
zieht, ausgenommen den Erwerb aus dem Betrieb 
eined Erwerbsgeſchäftes. Auf dad Geſamtgut 
wendet das Bürgerl. Geſetzbuch im allgemeinen das 
Recht der allgemeinen Güter:, auf das Eingebrachte 
der rau das der Verwaltungsgemeinſchaft an; nur 
daß die Nubungen des lehtern bier nicht dem 
Manne, fondern dem Gejamtgute zulommen 
($$. 1519 u. 1525). Alſo unterſteht Geſamtgut 
und Eingebradtes beider Ehegatten in der Regel 
(Ausnahme für Vorbebaltsgut) der Verwaltung 
de3 Mannes und ift dieſer der Frau F die Ber: 
—— ſich nicht verantwortlich. Daraus kann 
ſich im Laufe der Zeit leicht Ungewißheit ergeben, 
zu welchem Teil ein Gegenſtand gehört. lm 
Streitigkeiten zu vermeiden, gilt daber die Ber: 
mutung, daß das vorhandene Vermögen Gejamt: 
ut fei ($. 1527). Um ibr vorzubeugen, ann jeder 
eil gemeinjhaftlihe Aufnahme eines Verzeich— 
nifjeö beider Einhandsgüter verlangen ($. 1528). 
Das Gefamtgut, die Exrungenſchaft, baftet Dritten 
wohl für alle Berbindlichkeiten des Mannes, aber 
nur für folche der Frau, die vermöge des Zwecks der 
€. dem Gejamtgut zur ?aft fallen (58.1531, 1533 u. 
1534) oder aus einem Rechtögefchäft der Frau ent: 
ftanden find, das mit Zuftimmung des Mannes vor: 
enommen oder ohne jeine Zuftimmung für das Ge- 
* wirkſam ißz 1532). Andererſeits haftet 
ann für die Berbindlichkeiten der rau, für 
welche das Gefamtgut haftet, auch perjönlich ala 
Gefamtihuldner. — Im Berbältnis der Ehegatten 
untereinander find Gefamtgutöverbindlicteiten 
Eheſchulden) alle, welche von einem Ehegatten zum 
Zwed der Beitreitung des ehelichen Aufwandes und 
der vom Gejamtgut zu tragenden —— des ein⸗ 
ebrachten Guts eingegangen oder welche kraft Ge⸗ 
ebes vom Geſamtgut zu 5 find. 

Für die Beendigung der E. gilt im allgemeinen, 
dak fie aus denjelben Gründen zu Ende gebt, mie 
die allgemeine Güter: unt die Verwaltungsgemein: 
ſchaft. Wird die Ehe durch den Tod geiot o tritt in 
der Regel aud die Beendigung der E. ein, und zwar 
in der Art, daß die nach Dedung der Schulden übrig: 
bleibende Maſſe zur einen Hälfte ald dem Ebemanne, 

ur andern Hälfte ala der Ehefrau gebörend ange: 
* wird. Bon der Hälfte des verſtorbenen Ebe: 
gatten hatte nad einigen Rechten der überlebende 
ar nichts, nad andern einen Bruchteil, gewiſſe 
enftände oder alles zu erhalten; nad Bürgerl. 
Geſetzb. 8. 1482 lommen die allgemeinen erbrecht: 
liben Vorſchriften 63: 1931 fg.) zur Anwendung. 
Sind gemeinjame Ablömmlinge vorhanden, jo gilt 
ortgejeßte Gütergemeinihaft zwiſchen dem ber: 
benden und den flindern ($. 1483). Endigt die €, 
während beftebender Ehe (piemwirtichaftlice Stellung 


Erſa — Erjatleiftung 


der rau wird z. B. dur das Verwaltungsrecht 
des Mannes gefährdet), fo gilt fürdie — üter: 
trennung ($$- 1545, 1426 fg.). Die Frau haftet nicht 
für die bei der Auseinanderjegung ſich ergebende 
Einbuße ($. 1481), ſonſt könnte der Mann mittelbar 
über ibr Sondergut —— — Bal. Schefold, 
Die E. des Bürgerl. Geſetzbuchs (Stuttg. 1899). 

Eria, Stamm der Mordminen (j. d.). 

Erſatz, die im Frieden und Kriege erforderliche 
Ergänzung der Heere. m Frieden gefchieht der E. 
durd junge Mannſchaften, die erjt die militär. Aus: 
bildung durchzumachen und an Stelle der in die Hei: 
mat Entlafjenen zu treten haben. Im Kriege müjlen 
der vor dem Feinde ftebenden Armee ausgebildete 
Elemente zur ? * ung der durch Tote, Verwun— 
dete, Gefangene, Bermißte entitandenen Lüden zu: 
geführt werden. (S. Nachſchub.) Der E. im Frieden 
pollziebt ſich, je nachdem die allgemeine pertönliche 
Wehrpflicht gilt oder andere Formen für die Heeres: 
ergänzung bejteben, z. B. die Werbung in England, 
auf verſchiedene Meile. Für das Deutjche Neich find 
alle Geſetze über das Erſatzweſen (f. d.) in der Deut: 
then Webrorbnung vom 22. Juli 1901 und in der 
Herrordnung vom 22.Nov. 1888 (Neuabdrud 1904) 
zulammengefaßt. 

über €. in ver Bedeutung von Schadenerjaß ſ. d. 
und Erjasleiftung. 

Eriaybehörden, im Deutihen Reich en ya 
Behörden, denen die Regelung des Mannjcafts: 
erjages für Das Heer und die Marine obliegt. Die 
€, befteben aus Vertretern der Militär: und Civil: 
verwaltung und zerfallen in vier Anftanzen: 1) Er: 
ſaßzlommiſſion N d.), 2) Obererfaßlommiffionen, 
3) €. dritter Inſtanz, 4) Miniftertalinitanz. (Vgl. 
$.2 der Wehrordnung vom 22. Juli 1901. 

Erſatzberufung, ſ. Subititution. 

Erſatzbezirke, ſ. Bezirk (militäriſch). 

Erſatzerbe, wer für den Fall als Erbe eingeſetzt 
it, daß der in erſter Linie berufene Erbe vor oder 
na dem Eintritt des Erbfalld wegfällt (ſ. Erbe). 

Erſatzgeſchäft, ſ. Erſatzweſen. ſu. ſ. w. 

Erſatzgeſchworene, |. Ergaͤnzungsgeſchworene 

ra. f. Glied, fün liches, j 

Erſatzkommiſſion, im Deutihen Reich diejenige 
Griakbebörbde, welcher innerhalb der Aushebungs- 
bezirte (f. Bezirk) die ftändige Beſorgung der Erſatz⸗ 
angelegenbeiten obliegt. ‘jede E. beiteht aus einem 
Dfnzjier, in der Regel dem Bezirlscommandeur 
(.d.), und einem Berwaltungsbeamten des Bezirk, 
in Breußen in der Regel dem Landrat oder Polizei: 
direltor. — Die ea ee bat die 
Erjagangelegenbeiten innerhalb eines Infanterie: 

igabebezirls zu beforgen. Sie beſteht aus einem 
Offizier, meift dem njanteriebrigadecommandeur 
oder Yandwebrinipecteur (Berlin) und einem höhern 
Verwaltungsbeamten. ($. 2 der Deutichen Wehr: 
ordnung vom 22. Juli 1901, Neuabprud 1904. 

Erfagleiftung für ah a0 ie 
Beitimmungen über die Haftpflicht der Poſt im 
Deutihen Reich find im 2. er des Geſetzes 
über das Poſtweſen vom 28. Oft. 1871 enthalten. 
Hiernad leiftet die Bojtverwaltung dem Abjender 
im alle reglementämäßig ie Einlieferung 
Erjas für den Berluft und die Beihädigung der 
Briefe mit Wertangabe, der Palete mit oder ohne 
®ertangabe und für den Berluft eingejchriebener 
Sendungen. fyür einen durch verzögerte Beförde— 

rung oder Beitellung der Briefe mit Wertangabe 
und der Balete mit oder obne Wertangabe entitans 


195 


denen Schaden leijtet die Boftverwaltung nur dann 
Erſatz, wenn die Sache durd die verzögerte Ber 
eier oder Beitellung verborben ift oder ihren 
ert bleibend ganz oder teilweife verloren bat. 
Auf eine Veränderung des Kurſes oder markt: 
ängigen Preiſes wird jedoch hierbei feine Rück⸗ 
Acht genommen. Die Verbindlichkeit der Poſtver⸗ 
waltung zur €. bleibt ausgeſchloſſen, wenn ver 
Verluſt, die Beihädigung oder die verzögerte Be: 
——— oder Beſtellung durch die eigene Fahr— 
äſſigkeit des Abſenders, oder durch die unabwend⸗ 
baren Folgen eines Naturereigniſſes, oder durch 
die natürliche Beſchaffenheit des Gutes herbei— 
eführt worden ift, oder auf einer auswärtigen Be: 
— ſich ereignet hat, für welche die 
Poſtverwaltung nicht durch Übereinkunft die Erſatz⸗ 
leiftung ausprüdlih übernommen hat. Für die auf 
Poſtanweiſungen eingezahlten Beträge leiftet die 
Poltverwaltung Garantie. Dagegen wird weder 
im Falle eines Berluftes oder einer Beihädigung 
noch im falle einer verzögerten Beförderung oder 
Beitellung gewöhnlicher Brieffendungen Erſatz ge 
leijtet. Es if daher durchaus davor zu warnen, Geld 
in gewöhnliche Briefe hineinzulegen. Die Poſt ver: 
— dieſe keinerlei Nachweis zu liefern. 
enn bei Baleten die Angabe des Wertes unter: 
blieben ift, jo vergütet die Boftwerwaltung im Falle 
eines Verluftes oder einer Beihädigung den wirt: 
lih erlittenen Schaden, jedoch niemald mehr als 
EM. für jedes Pfund (= 500 g) der ganzen Sen- 
dung. Dies iſt fo zu verftehen, daß für 2 Pfd. 6 M., 
für 3 >> IM. u. ſ. w. erjeht werden können. Für 
den Verluſt einer —— * Sendung wird ein 
Erjas von 42 M. gezahlt. Bei eingeſchriebenen Ba: 
teten kann die Entihädigung im Falle des Ver: 
luftes oder der Beihädigung unter Umftänden auch 
mebr ala 42 M. betragen. 

Bei Reifen mit den ordentlichen Poſten wird im 

alle der körperlihen Verlegung eines Reiſenden 
ür die erforderlihen Kur: und flegungätojten 
Erjaß geleiftet, wenn die Beſchädigung nicht erweis⸗ 
ih durch höhere Gewalt oder dur die . 
u line des Reiſenden herbeigeführt ift. Der 

niprud auf Schabloshaltung muß in allen Fällen 
an die Oberpoftdireltion des Bezirks gerichtet wer: 
den, in deren Bezirk der Drt der Einlieferung 
der Poſtſendung oder der Ort der Einjhreibung 
gu oftreife gelegen ift. Der Anſpruch erlifcht mit 

blauf von 6 Monaten, vom Tage der Aufgabe 
der Sendung oder vom Tage der Beihädigung des 
Reifenden an gerechnet. 

Für die E. im Weltpoſtvereinsverkehr 
find die Beitimmungen des Weltpoftvertragd vom 
15. Juli 1897 und verfchiedener am gleihen Tage 
abgeichlofjener Übereintommen maßgebend. Hier: 
nad wird im Falle des Verluftes einer Einjchreib: 
fendung, den Fall höherer Gewalt ausgenommen, 
eine — von 50 Frs. gezahlt. Wenn 
ein Brief oder ein Käſtchen mit Wertangabe oder 
ein Poſtpaket verloren geht, beraubt oder beſchädigt 
wird, jo wird, den Fall höherer Gewalt ausgenom⸗ 
men, ein dem ir gr Betrage des Verluſtes, 
der Beraubung oder Beſchädigung entſprechender 
Erſatz geleiſtet, jedoch nicht mehr als 15 Frs. für 
Palete bis 3 kg und 25 Frs. für Palkete über 3 kg. 
Für die auf Pojtanweifungen eingezablten Beträge 
wird den Abjendern bis zum Augenblide der richtig 
erfolgten Auszahlung an die Empfänger oder ihre 
Bevollmädtigten gewährleiſtet. 

13* 


— 
2* 


196 


Eine €. für Telegramme beiteht nit, doc 
wird unter gewiſſen Umjtänden die Telegrapben: 
gebühr zurüdgezablt. (S. Telegramm.) 

‚In Ofterreih:Ungarn beträgt die €. für einen 
Einichreibbrief 40 Kronen; für den Verluft oder die 
Beihädigung eines gewöhnlichen Palets wird in 
Diterreih als Schadenerfaß für jedes Kilogramm 
ber ganzen Sendung ein Hödjitbetrag von 4 Kronen 

ezahlt; in Verluftfällen wird auh das Porto er: 
tattet. In Ungarn beträgt die E. bei Pateten bis 
8 2 höchſtens 15 Kronen, über 3—5 kg höchſtens 
25 Kronen und bei fhwerern Baleten 5 Kronen für 
jedes Kilogramm der ganzen Sendung. 

In der Schweiz beträgt die €. ir eine Ein: 
ſchreibſendung 50, für die Verzögerung der Beför: 
derung einer Polen um mehr als einen Tag, oder 
einer Boftanweifung um mebr als zwei Tage, oder 
für die Verzögerung der Abtragung eines Bojt: 
patetö 15 Frs. Bei Wertbriefen und Wertpaleten 
wird ber wirklich erlittene Schaden bis zur Höhe der 
verfiherten Summe vergütet; bei gewöhnlichen Pa: 
teten ijt der Hödjftbetrag 15 Frs. für jedes Kilo: 
gramm. Der Anſpruch muß binnen 90 Tagen gel: 
tend gemacht werben. — Bol. Dambach, Das Geſetz 
über das Poſtweſen des Deutſchen Reichs (6. Aufl., 
bearb. von €. von Grimm, Berl. 1901). 

Erfatreferve, im Deutſchen Reiche die Klaſſe 
der Wehrpflichtigen, die zur Groänzung des Heers 
bei Mobilmahungen und zur Bildung von Erfah: 
truppenteilen dient. Ihr find alljährlich jo viele 
Mannſchaften zu überweiſen, daß mit jieben Jahres: 
Hafjen der erfte Bedarf für die Mobilmahung des 
Heers gededi wird. Der E. werden zugeteilt die über: 
zäbligen Mannſchaften, die eine bobe Losnummer 

ezogen haben und im Frieden vom Dienit befreit 
And: die wegen häuslicher Verhältnifie für den Frie⸗ 
den zurüdgeitellten; die mit geringen Fehlern be: 
bafteten Dienfttauglihen und die im dritten Militär: 
pflichtjahre noch zeitig Untaugliden, wenn ihre 
Heilung zu erwarten fteht. Die Erjagrefervepflicht 
dauert 12 Jahre und rechnet vom 1. Okt. desjenigen 
Kalenderjahres ab, in dem das 20. Lebensjahr voll: 
endet wird. Die Mannibaften der E. (Erſatz— 
reſerviſten) werden in Jahresklaſſen nad dem 
Zeitpunkt, von dem ab ihre Erjagrejerwepflicht be: 
rechnet wird, eingeteilt. Die Erfakrefervijten find 
im Frieden zur Ableiftung von 3 Übungen (10, 6 
und 4 Wochen) verpflichtet. Übungen mit der Waffe 
finden jeit 1893 nicht mebr ftatt. Marineerjaßrefer: 
viften werben * er überhaupt nicht mehr 
berangezogen (Deutihe Wehrordnung $. 117). Wer 
geübt bat, tritt nad Ablauf der Erjagrefervepflicht 

ur Landwehr zweiten Aufgebots, die übrigen Er: 
Tahreferviften zum Landſturm erjten Aufgebots über. 

Erſatzrichter, ſ. Ergänzungsgeſchwörene u. ſ. w. 

hg nd er diejenigen Truppen, welche im 
Kriege Mannihaften und Pferde ausbilden, um 

eim Feld» und Beſatzungsheer entſtehenden 
Abgang zu erfegen. Die E. bilden gleichzeitig einen 
Teil des Befakungäbeers. 

Erfatverteilung, die jog. Verteilung des Er: 
ſatzbedarfs, d. i. des Geſamtbedarfs an Rekruten, 
der zur Crreibung der etatsmäßigen Stärte von 
Heer und Marine jährlich erforderlich ift, auf die 
einzelnen Bundesftaaten. Der Modus der E. ift 
dur NReichsgejek vom 26. Mai 1893 erheblich ge: 
ändert worden. Nachdem der Kaifer für das gejamte 
Reichsheer, mit Ausnahme des bayr. Kontingents, 
und für die Marine den Rekrutenbedarf für das 


Erjagreferve — Erſch 


betreffende Jabr fejtgejest hat, verteilen die Kriegs: 
minijterien der brei Kontingente (preuß., ſächſ. und 
mwürttemb.) den Bedarf auf die ihnen unterfteben: 
den Armeelorpsbezirle nah dem Verhältnis der 
Zahl der im laufenden Jahre in dem einzelnen Be: 
zirk vorhandenen dienfttauglichen Militärpflichtigen, 
wobei der Ausfall des einen Bezirt3 an tauglicher 
Mannſchaft auf die ——— Tauglichen der 
andern Korpsbezirke desſelben Kontingents verteilt 
wird. ring Kontingente, aljo z. B. von Preu⸗ 
Ben auf Sachſen, fann nur jo weit übergegriffen 
werben, als dort —— des einen Kontin- 
gent3 (alio Th und Sadjen) ausgeboben 
werben. Die freiwillig eintretenden Mannjcaften 
fommen bei der E. nicht in Betracht. Hieran ſchließt 
fih als zweiter Teil die Zuteilung der Rekruten an 
die einzelnen Truppen: und Marineteile. Den mei: 
* Truppenlörpern find beſtimmte Relrutierungs: 
ezirle zugeteilt. Nach den Militärkonventionen 
(f. d.) baben beſtimmte Staaten Anſpruch darauf, 
daß ihre Rekruten in beftimmte Truppenlörper ein: 
geitellt werben. 
Erſatzweſen, die Ergänzung der Heere durch 
Ernie im engern Sinne die Friedenser— 
gänzung. Deutſchen Reiche ift das €, durch den 
eriten Teil der Wehrordnung vom 22. Juli 1901 (Neu: 
abdruck 1904) geregelt. Hiernach umfaßt das Erſatzge⸗ 
chäft die Maßnahmen, durch die ver Mannſchaftser⸗ 
asfürHeerund Marine aufgebracht wird. Es zerfällt 
in drei Hauptabſchnitte: 1) das Borbereitung®: 
geſchäft being | der Liften über die Wehr: 
pflihtigen); 2) das A äft durch 
die Erfaglommiifion (f. d.); 3) das Ausbebungs: 
eſchäft durch die Overerfaglommiffion. Bei dem 
orbereitungögejchäft werden zunädft alle Wehr: 
pfictigen in Liſten eingetragen und demnächſt zum 
ufterungsgeihäft vorgeladen. Bei diefem wird 
eine vorläufige Entiheidung über die Braud- 
barkeit der Wehrpflichtigen oder über ihre Zurüd: 
jtellung vom Militärdienft wegen privater Verhält⸗ 
niffe, deren Berüdfichtigung das Geſetz zuläßt, ae- 
fällt. Demnädjt müfjen die Wehrpflichtigen, mit 
rn Ausnabmen, fämtlib noch vor der Ober: 
erfasgtommiffion erſcheinen, weldhe über die Brauch: 
barkeit zum Militärdienft, für eine bejtimmte Waf: 
{en ttung u. f. m. oder über die Befreiung vom 
ilitärbienft oder die Überführung zum Landſturm 
(ſ. d.) endgültig enticheibet. Über die Bildung 
der Erjaßbezirke j. Bezirt und Bezirlscommandeur. 
Näheres ſ. Erjagweien, Bd. 17. Über die Erjas: 
verteilung }.d. — Bol. Brandt, Das deutſche 
Militärerfagmweien (3. Aufl., Langenfalza ag 
Erfatteiderftand für Bogenlampen. Will 
man bei der für reine Bogenlichtbeleuchtung be- 
auemjten und —— Reiben: oder Hintereinander: 
ſchaltung einzelne Zampen oder Gruppen von jolden 
ausſchalten, obne daß die andern dadurch beeinflußt 
werden, jo muß für jede derartige einzeln zu löfchende 
Lampe oder Qampengruppe ein E, vorbanden fein. 
Der in der Näbe der betreffenden Lampe oder der 
Lampengruppe zu montierende Apparat entbält 
außer dur entfprecbend aewählte Widerſtandsſpi⸗ 
ralen noch einen Umfcalthebel, mittelö deſſen ent- 
weder die Lampe oder aber der Widerſtand einge: 
fchaltet werden fann. 
Erfatzuftellung, j. Zuitelung. , 
Erich, Job. Sam., Bibliograpb, geb. 23. Junt 
1766 zu Großglogau, jtubierte in Halle anfänglic 
Theologie, dann die geſchichtlichen Wiſſenſchaften. 


Erjcheinung — Erſitzung 


ing mit Fabri 1786 nach Jena, um dort mit dem⸗ 
Felben die ſchon in Halle angefangene «Allgemeine 
polit. Zeitung für alle Stände» herauszugeben, die 
nachhet in Hammerbörferd Hände kam. Lebterer 
und Fabri ermunterten ihn zur Herausgabe des 
«Repertoriums über die allgemeinen deutfchen Jour⸗ 
nale und andere periodifhe Sammlungen für Erd: 
beihreibung, Geſchichte und die Damit verwandten 
Wiſſenſchaften (3 Boe., Lemgo 1790—92), Schük 
und Hufeland zur Veröffentlihung des «Allgemei- 
nen Repertoriums der Litteratur» (8 Bde., Jena, 
dann Weim. 1793—1809) und der «Allgemeinen 
Sitteraturzeitung», die jämtlihe Schriften und alle 
in Journalen und andern periodijhen Sammlungen 
abgedrudten Heinern Abhandlungen vollitändig 
und genau verzeichnete. Zugleich bejhäftigte ihn der 
Entwurf eined «Allgemeinen Schriftitellerleritong 
der neuern Zeit», den er fpäter darauf befchräntte, 
die neuejte Yitteratur der europ. Nationen einzeln 
zu behandeln. 1795 übernahm €, die Leitung der 
«Neuen Hamburger Zeitung» und verfaßte «La 
France litteraire» (3 Bde., Hamb. 1797—98; zwei 
Supplementbände 1802 und 1806). Als Teilnehmer 
an der —— —————— 1800 nach 
Jena zurüdberufen, erbielt er daſelbſt aud das 
ibliotbelariat, ging aber 1803 mit der Litteratur: 
zeitung nah Halle, wurde 1806 ord. Profeſſor der 
Geographie und Statiftit und 1808 auch Ober: 
bibliotbelar. Hier unternahm er das «Handbud der 
deutjchen Pitteratur jeit der Mitte des 18. Jahrh. bis 
auf die neuejte Zeit» (4 Bde. in 8 Abteil. Lpz. 1812 
—14; 2. Aufl. 1822—40) und mit Gruber die 
« Allgemeine — der Wiſſenſchaften und 
Kinite» (f. Encyllopãdie), die er bis zum 21. Teile 
der 1. Seltion leitete. Durch eriteres Wert hat E. 
die neuere deutiche Bibliograpbie techniſch beagins 
bet; Bolljtändigleit, Genauigleit, Anordnung And 
innere Einrichtung machten e3 zu einem Muſter. 
€. itarb 16. Jan. 1828 zu Halle. 
Ericheinung (philoi.), |. Phänomen. 
Ericheinung ti, ſ. Epiphania. 
Erfichlaffende Mittel oder erweihende 
Mittel, j. Emollientia. 
Erſchl „ſ. Atonie. 
Erſchleichen, etwas aufSchleichwegen erreichen, 
ewinnen, ſich zueignen, hat rechtlich Bedeutſamleit 
i Amtern, Feet gr sei Erbſchaften, ein: 
zelnen Verbrechen, wie z. B. Chebetrug (f. d.). Die 
Strafbarkeit ſchließt fih an beitimmte verwendete 
Mittel an, 3. B. Beitehung bei Wahlen oder Be: 
fesung von Umtern, ferner Fälſchung, Unterfchla- 
gung, Amtsmißbrauch u.a. Das röm. Recht jtellte 
den Grundſatz auf, daß die auf einjeitigen Antra 
erlaffenen landesberrlihen Reffripte unter der ſtill⸗ 
idjweigenden Vorausjesung der Wahrheit der vom 
Geiudjiteller behaupteten Thatſachen erlaffen feien. 
Es wurde deshalb die Einrede der Erjchleihung 
{ tio sub- et obreptionis) auoelafien, wenn der 
Geſuchſteller das Reftript dur Angabe — oder 
Unterdruchung wahrer Thatſachen erſchlichen hatte. 
Davon iſt in der Praxis analoger Gebrauch gemacht. 
(S. auch Ambitus und Beweis.) 
chiwerende limftände, j. Bd. 17. 
efüjvär, ungar. Name der Stadt Neus 
bäufel (f. d.). 
Erferüm, türt. Stadt, ſ. Erzerum. 
Erſindſchau (Erfingjan), türt. Stadt, ſ. 
Erfirum, türf. Stadt, ſ. Etzerum. [Erzingjan. 
Erfiſch, joviel wie Gäliſch (f. d.). 


197 


Erfigung (lat. capio oder usucapio, auch prae- 
scriptio), urjprünglid röm. Rechtsinſtitut, bedeutet 
in erfter Zinie Erwerbung des Eigentums durch 
längere Dauer des a eſihes, d. i. des Beſihes, 
bei dem jemand die Sache als ihm gehörend beſißt 
(Bürgerl. Geſetzb. $. 872). Man unterjchied im 
Gemeinen Recht ordentlide E,, bei der ein der 
Vermutung nad zum —— führender 
Befigbeginn durch einen Titel wie auf, Schenkung, 
Erbſchaft u. f. mw. Hargelegt wird, und außer: 
ord „.. E., bei welcher der Beſitzbeginn unauf⸗ 
gellärt bleibt, jo daß der Erfikende einen Titel nicht 
anzugeben braucht, die Fristen aber auch länger find. 
Die neuern Gefebgebungen kennen meift nur eine, 
die erftgenannte Art der E.; fie lajlen die außer: 
ordentliche E, in der Anfpruchsverjährung aufgeben 
(vgl. aber Oſterr. Bürgerl. Gejesb. $. 1477, fo auch 
das Deutihe Bürgerl. Geſetzb. 88. 937 .; 194 fg.). 
Der Zwed der E. ift einesteild, dem Beſitzer 
Beweiſe feines Rechts ein en in die Ber: 

angenbeit zu erfparen, hauptſächlich aber, den red» 
ihen Erwerb, welcher die Erfigungszeit hindurch 
unangefochten geblieben ift, definitiv zu jchügen. 
Dem deutihen Recht war die E. im röm. Sinne 
unbelannt, Die «rechte Gewere⸗, welche im jpätern 
Mittelalter fih entwidelte, hatte nur prozejjuale 
Bedeutung. 

Bezüglih der Grundftüde hat das moderne 
Grundbuch⸗ und Hypothelenreht mannigfadhe Ins 
derungen herbeigeführt. In Ojterreich ilt das In: 
—* der Tabularerſitzung hinzugetreten (Geſetzbuch 

1467) die eine dreijaͤhrige Dauer der Eintragung 
eined Rechts rechtsbegründend wirken läht; eine 
den Angaben des Buches zumwiderlaufende E. wird 
durch 1500 ausgeſchloſſen. Viele neuere Grund» 
buchgejeße erklären die ordentliche E. gegen den ein: 
getragenen Berechtigten für unzuläffig oder ſchließen 
die ordentlihe E. von Grunditüden fogar jchlecht: 
bin aus, fo das Deutſche Bürgerl. Geſetzb. $. 937 
mit 902, das jedoch auch eine Art Tabulareriikung 
von Örundftüden kennt (8.900). An ſich ſchon fonnte 
die E. feit Einführung ded modernen Grundbud: 
recht3 nur felten vorlommen. Auch für das moderne 
Mobilienrehtbatdie E. jehr an Bedeutung ver: 
loren. Der redliche Erwerber wird nad ihm meijt 
fofort Eigentümer (f. Bona fides; «Hand muß Hand 
wahren»). Code civil Art. 2279 («possession vaut 
titre») und das Bur 1006 ſtellen ſogar 
zu Gunſten des Beſihers ſchlechthin die Vermutu 
auf, * er Eigentümer der beweglichen Sache je 
Von erheblich praftiiher Bedeutung ir deshalb in 
den modernen Rechten die E. nicht mehr. 

Die erforderliche Beſitzzeit (im Gemeinen Recht 
bei bewegliben Sachen 3 Jahre) ift im Deutjchen 
Bürgerl. Gejegb. $. 937 auf 10 Jahre verlängert. 
Die Zabularerfigung eines Grundftüds erfor 
dert, daß jemand das Grundftüd 30 Jahre im Eigen: 
befiß gehabt hat und ebenjo lange als Eigentümer 
im Grundbuche eingetragen gemejen ift ($. 900). 

Neben der Eigentumserfikung giebt es auch eine 
E. anderer Ye Ti Rechte. Im Mobiliar: 
recht fam die E. an Dienjtbarfeiten oder Pfand: 
rechten bisher nicht vor; das Bürgerl, Geſeßb. 
} 1033 läßt €. des Nießbrauchs an einer beweg— 
ihen Sache zu, im Immobilienreht finden die 
Vorſchriften über die Zabularerfigung des Eigen: 
tums entjprehende Anwendung auf die zum Be: 
fie eines Grundftüds berechtigenden oder nad ben 
für den Befip geltenden Vorſchriften geihüsten 


198 


Rechte ($. 900), alfo namentlih die Dienjtbar: 
keiten. — Das franz. Recht unterfcheidet zwiſchen 
ändigen und zugleih offenfichtlihen Dienftbar- 
eiten, servitutes continues et apparentes, und 
nicht ftändigen oder verborgenen, indem es bei 
jenen die E. zuläßt, bei diefen aber eine jede (auch 
die unvordenkliche) E. ausfchließt. — Eine €. oder 
Berjäbrung im Widerfprud zu dem im Grundbuch 
eingetragenen rg iſt nach dem Deutfchen 
Bürgerl. Gefesb. $. 902 unzuläffig. Jedoch hat es 
diefen Grundfag dadurch durchbrochen, daß e3 in 
einem Falle eine —— der Grunddienſtbar⸗ 
keiten durch Nichtgebrauch lennt, nämlich dann, 
wenn der Berechtigte unterläßt, die Pefeitigung einer 
fein Recht beeinträchtigenden Anlage auf dem be: 
lajteten Grundftüd zu verlangen ($. 1028). 

Selbſtändige vererblihe und veräußerliche Ge: 
rechtſame, Jagdgerechtigleiten, Fiſchereien, Rega: 
lien u. f. w. gelten, aähnlich wie das Grundeigen— 
tum, als erfikbar, nur nicht Öffentlich:rehtliche (Ber 
fteuerungd:, Münzprägungöredt u. f. w.) (Öiterr. 
Bürgerl. Geſetzb. B. 1456, 1457.) — Val. Rlein, 
Sachbeſit und €, (Berl. 1891). In Deutichland ift 
bezüglihes Landesreht vom Bürgerl. Geſetzbuch 
unberührt (Einfuhrungsgeſetß Art. 69 u. 73). 

Erokiue (ipr.örklin), St. Vincent, engl. Reifen: 
der in Sübdafrila, der Sohn deö Gouverneurs von 
Natal, unternabm 1868 mit Mauch eine Forſchungs⸗ 
reife von Natal nad Transvaal und dem Dlifant: 
fluß; er verfolgte alö eriter den mittlern Limpopo 
bis zu feiner Mündung. Bon der Regierung in Na- 
tal mit einer polit. Sendung zum Könige Umzila 
im Gajalande betraut, verließ er 25. Juni 1871 
Durban und landete 13. Juli in Inhambane. Hier: 
- vervolljtändigte er feine 1868 begonnene Auf: 
nabme des untern Limpopo und brach 25. Nov. nad 
Norden auf. Am 9. März 1872 überfritt E. den 
Fluß Sabi und erreichte 8. April Umzilas Ktraal 
Sihamatfchame, wo er bis zum 30. Juli zurüd: 

ebalten wurde. Auf der Rüdreije kreuzte er den 

abi und Limpopo und erreichte 29. Sept. 1872 
Lydenburg in Trandvaal. 

Auf feiner zweiten Reife in das Gafaland landete 
€. 30. Juli 1873 in der portug. Stadt Tſchiluane 
an der Hüfte von Sofala, ging den Sabi aufwärts 
und erreihte 17. Dt. Umzilas Kraal. Nach einem 
längern Aufenthalt am Sabi lam er 22. Jan. 1874 
wieder nad Tſchiluane, machte von bier einen Aus: 
flug nad der Inſel Boene im Mündungsgebiet des 
Gorongofaß, landete 2. April den Bafaruto:Infeln 
gegenüber bei Singoni am Kap San Sebaltian, 
reiite längs ber Kuſte nad — erreichte 
dieſe Stadt 10. April und ſchiffte fih bier nad) Na: 
tal ein. Als wertvollites Ergebnis dieſer Reife ift 
die forgfältige Aufnahme des untern Sabi und ſei— 
ne3 meitverzweigten, bis dahin faft unbelannten 
Deltas zu bezeichnen. 

Auf feiner dritten Reife —— E. vom 
Nov. 1874 bis Juni 1875 den Diſtrilt Mazibbi des 
Gafalandes in verſchiedenen Richtungen und be 
ſuchte auf Verlangen Umzilas deſſen neue Refidenz 
Utſchaniud. Doch ebenjo wie 1873 war auch dies: 
mal Umzila nit zu bewegen, den ar et 
verlebr von der portug. Küjte nach dem weſtlich ge: 
legenen Matabelereih zu geftatten. E.s Reifebriefe 
find enthalten in dem «Journal of the Royal Geo- 
graphical Society», 1868 und 1875, und in den 
«Proceedings ofthe Royal Geographical Society», 
1875 und 1878, 


Ersfine — Erftattung 


Ersdfine(jpr.örklin), Thomas, engl. Advolat und 
Staatsmann, ſeit 1806 Lord E., war 1750 als pritter 
Sohn des ſchott. Grafen eg von Buchan 

eboren. 1764 trat er in die Marine, 1768 in das 
andbeer, begann aber 1775 mit dem Studium der 
Rechte und wurde 1778 Sadmalter in London. 
Gleich in feinem erften Prozeß für den als Libellift 
angellagten Kapitän Baillie errang er einen glän- 
zenden Sieg und wurde nun in den .—. 
polit. Progelien als Verteidiger herangezogen. Der 
Prinz von Wales (nahmals Georg IV.) ernannte ibn 
zu feinem Generalanwalt, doch verlor er die Stelle 
durch jeine Verteidigung des Thomas Paine (f. d.), 
des Berfaflerd von «Rights of man», worin die 
föni des angegriffen wurde. 1800 führte erbie 
Sade Hadfields, der im Wahnfinn auf den König 
eſchoſſen hatte. Im Unterhaus bielt er als Whig zur 

ppoſition gegen Pitt; 1806 wurde er Peer und 
unter Grenville Lorblanzler, rechtfertigte aber in 
dieſer Stellung nicht die von feinem Talent gebeg: 
ten Erwartungen. Auch ftand feine Beredjamteit 
und Wirkung im Parlament nicht entfernt der ge 
rihtlihen gleih. Bon feinen Schriften fand ſchon 
das anonyme Pamphlet «Abuses in the Army» 
(1772) weite Verbreitung, bejonderes Auffeben er: 
regte aber fein «View of the causes and conse- 

uences of the present war» (1797), das 48 Auf: 
agen erlebte. In feinen fpätern Jahren jchrieb er 
einen polit. Roman «Armata» (Tond. 1817). Cr 
tarb 17. Nov. 1823. Eine Sammlung feiner Reden 
«Collected Speeches ») ge er jelbft beraus (4 Bre., 

ond. 1810—11; neue Aufl. mit Biograpbie von 
Lord Brougbam, 1847). Eine Auswahl derjelben 
nebft einer Biographie E.s veröffentlichte Walford 
(2 Bde. Ta 1870). — Bol. Dumeril, Lord E. 


(Per. 1883), 
ir Ehriftian, dän. Gefhichtsforfcher, geb. 
28. Dez. 1852 zu Kopenhagen, ift feit 1883 do: 
—* der Geſchichte an der Univerſität zu Kopen⸗ 
agen. Seine hbauptfählichften Schriften find «ftonae 
og Lensmand i det 16de Aarhundrede» (Kopenb. 
1879), eine für die Auffafjung der lönigl. Gewalt im 
16. Jahrh. grundlegende Schrift, und « Dronning 
Margrete og Ralmarunionens Grundläggelfer (ebr. 
1882), welche leßtgenannte Arbeit eine neue Auf 
fafjung der Union und der Pläne der Königin bie: 
tet, ſowie «Eril af Pommern, hans famp om Son: 
deriptland og Kalmarunionens Opldösning» (ebd. 
1901). Mit Steenftrup u. a. veröffentlichte er «Dan- 
marl3 Riges Hiftorie» (Bd. 1-6, Kopenh. 18% — 
1901). Außerdem hat er fi verdient gemadt 
dur eine mufterhafte Ausgabe der Verbandlun: 
en des Neihsrats in den Zeiten Chriſtians IV. 
«Altitykler og Oplysninger til Rigsraadets og 
Ständermadernes Hiftorie i Ehriftian IV's Tid», 
2 Bde. Kopenh. 1883—90). 
Erftarren, ſ. Gefrieren. , 
en f. Geologie. 
Erftarrungspunft, Erftarrungstempera: 
tur, ſ. Gefrieren und Schmelzen. — 
Erſtattung, Rüderjtattung, Reſtitution, 
im Kaſſenweſen die Rüdgabe zu viel erhobener Ein: 
nahmen, bei den Staatskaſſen namentlich die vor 
dem Abſchluß der Rechnungen und vor deren Cin- 
reihung an die Prüfungsbebörbe (Überrechnungs: 
fammer) erfolgende Rüdgabe. Die E. erſcheint 
unter den Ausgabepoften, da Radierungen und 
Streibungen in den Büchern unzigſie ſind. Im 
burgerlichen Recht ſpricht man von  vornebinlie 


Erſte Bitte — 


beim Schabenerjag (j. d.) und beim Regreß (f. d.); 
im Eivilprozeß bezüglich der Koſten des rend. 
Erfte e (Jus primariarum precum), ſ. 


veltanzen. 

Eritein. 1) Kreis im Bezirk Untereljaß, bat 
497 sı qkm und (1900) 62 962(31 297 männl., 31665 
weibl.) E. in 50 Gemeinden und zerfällt in bie 
4 Kantone Benfeld, E., —— und Oberehn⸗ 
beim. — 2)9 dt des Kreiſes und Kantons E. 
(185,23 qkm, 13 Gemeinden, 14701 E.), 21 km 
süblih von Straßburg, lints an der SU, deren 
HSochwaſſer dur den 8 km langen Illhochwaſſer⸗ 
tanal in ben — werden, an der Linie 
Straßburg:Bajel der Elſaß⸗Lothr. Eifenbabnen und 
ijt mit dem 6 km entfernten Bahnhof durd Straßen: 
bahn verbunden, Sig der Kreisdireftion, eines 
Amtsgerihts (Landgericht Straßburg), Steuer: 
amtes und bat (1900) 5593 €., darunter 760 Evan: 

eliiche und 136 Israeliten, (1905) 5836 E., Boft, 
Selgraph, ta . Delanat, evang. rn Bürger: 
ipital; große arnjpinnerei, Bleicherei, Ger: 
berei, Zohmüble, Mabl- und Sägemübhlen, Ziegelei, 
ergiebig al⸗ Hanf, Hopfen: und Gemüfebau‘ 
— hy arb, Histoire de l’abbaye et de la 
efigebozener Cohn ber Rirhe (Fils aind 

eborener Sohn der e 
ge YEefiee) ‚, Titel der franz. Herrſcher, angeblid 
ſeit Eblodmig. 

eburt. Bei den alten Ssraeliten — 
der eborene Sohn ein ——— und geno 
roßes Anſehen in der Familie. Er erhielt nach des 
Faters Tode ein doppeltes Erbteil und die väter: 
lie, vormundſchaftliche Auffiht über feine nod 

ichten Geſchwiſter. 


ie Erſtgeborenen 
waren ſo die geborenen er der Familien oder 
auch die Häuptlinge der Geſchlechter und der Stamme 
(Erita el), und in der Regel war aud der 
erftgeborene tönigl. Prinz ber nfolger jeines 
Baters, den Geichlehtäregiftern wurden darum 
aud die Erjtgeborenen regelmäßig als ſolche beſon⸗ 
ders bezeichnet. Doch konnte das Recht der E. auch 
mit einer gewifjen Beihräntung übertragen werben 
Ben 21,16, X — 48,5;1 man. 5,1, 2). 
ie Erftlinge der — e, jo waren 
die E. des reinen (opferbaren) Viehs Jahwe geweiht 
und mußten zu Opferjhmäufen verwendet werden. 
Im 7. .v. Chr. drang aus der heidn. —— 
des Molochdienſtes das Opfer des erſtgeborenen Soh⸗ 
nes ein. Es bat in dem Geſetze, das die Loſung des 
eritgeborenen Sohnes befiehlt, eine bleibende Spur 
binterlafjen. Ebenjo find die ð . des nicht opferbaren 
Viehs zu löfen oder durd Tötung dem profanen 
—— entziehen. Auch hierin durfte eine jün- 
gere Berallgemeinerung des urfprünglih nur von 
den opferbaren Tieren geltenden Brau 
bliden jein. Aus dem Opfer der 
eburten der Herben gr fih wahrſcheinl 
Baflabfeft entwidelt. (S. Erftlinge.) 
rang und Vorrecht der Erjtgeborenen erklärt ſich auch 
die bilvlihe Anwendung des Ausdruds «eritge: 
berener Sobn» auf das ganze Volk Ysrael, ſowie 
im Neuen Tejtament ee Cpriftus und deſſen 
treue Belenner. — Über €. in neuerer Bedeutung 
', Brimogenitur. — 
ng (Suffocatio), diejenige Todesart, 
welche Durch Entziehung atembarer Luft und diedar: 
auf folgenden Blutveränderungen verurjacht wird. 
Sie erfolgt entweder dadurd, daß die äußere Luft 
verhindert wird, in die Lungen zu gelangen, alio 





Er: | der Lu 


Eritidung 199 


“DB. dur Beidnlrung der Luftwege von außen 
er, durch Erbrofjelung (j. 3 durch Verſtopfung 
ege (3. B. such verf fudte fremde Rörper, 

durch phaͤute), durch Anfüllung der Luftwege 
und Lungen mit fremden Flüſſigleiten, wie beim 
Ertrinten (ſ. d. und beim Stidfluß oder Lungenödem 
92 durch Verminderung oder Aufhören der 
tembewegungen bei verſchiedenen Erkrankungen 
des jog. Aimungscentrums im verlängerten Mart 
bes Gehirns, oder dadurch, daß ftatt der atmoſphä⸗ 
riſchen Luft ein anderes Gas eingeatmet wird, 
welches entweder einfach unatembar (jaueritofflos), 
wie die Kohlenjäure, oder direlt giftig fein kann, 
wie das Kohlenoxydgas, Schwefelwäſſerſtoffgas 
u. a. Das Weſen der E. bejtebt in Folgendem: 
Sobald fein Sauerftoff, feine Lebensluft mehr in 
die Lungen gelangt, fo verliert das Blut jeine be: 
lebende pen und nimmt im ganzen Körper 
eine dunlle, vünnflüffigere anotiide Beihaffen- 
beit an; es färbt daber auch Lippen, Zunge, Wangen 
und andere Teile blau oder jhmwärzlic und häuft 
fi in den Lungen, dem rechten Herzen, den Körper: 
venen und dem Gebirn an, wodurd bald heftige 
Bellemmung und ‚Atemnot (Dyspnoe), Irampf- 
artige Eger der Atmungsmusteln 
und ſchließlich allgemeine, den epileptiichen äbn- 
libe Krämpfe (Erftidungsträmpfe) entjteben. 
Durch dieſe Überfüllung mit jauerftofflofem, da: 
gegen ftart fohlenjäurebaltigem, wie ein narfotifches 
ift wirlendem Blute wird jedoch raſch die Thätig: 
teit des Gehirns gelähmt (Betäubung) und nicht 
minder bie bes verlängerten Martes, ver Atmungs: 
und Herjnerven. Daber erfolgt nun der Tod von 
dieſen Gentralorganen aus, wie man ſich ausprüdt, 
bald durd Stidfluß (Atmungslähmung), bald durch 
Schlagfluß (Hirnlähmung). Da beides beim Er: 
ftidungstode dur Unfall nicht gar zu raſch vor ſich 
ebt, diefer vielmehr durch ein verihieden langes 
tabium von Scheintod eingeleitet wird, jo find Be: 
lebungsverſuche bei@rftidten niemals zu unterlafien. 
Die Belebungsverſuche beginnt man damit, 
dab man ben Atmungöwegen wieder die Möglich: 
feit giebt, jauerftoffreiche Yuft aufzunehmen, aljo 
. B. den Strid des Erhängten abjchneidet, den 
tidten aus den mit ſchädlichen Luftarten ge 
füllten Räumen binwegbringt, alle beengenden 
Kleidungsftüde entfernt u. ſ. w. Befindet ſich der 
Eritidte in einem mit Koblendunft erfüllten Zim: 
mer, jo darf man nur mit der gröhten Vorficht 
eindringen, um nicht felbjt zum Opfer zu fallen; 
man erzeuge erjt mittelö Öffnen ver Thüren und 
Einjhlagen der Fenfter von außen ber einen ge: 
—— uftzug, und wenn dies nicht möglich iſt, 
inde man ſich ein naſſes Tuch vor Mund und Nat, 
höpfe noch einmal vor der Thür tief Atem und 
pringe dann dur das Zimmer auf das nächſte 
Fenſter zu, um es einzufchlagen; hat man durch das 
eingeftoßene Fenſter friiche Luft geſchöpft, jo ipringe 
man zum nädjten Fenſter und fahre jo fort, bis ftar- 
fer Zuftzug den Koblendunft vertrieben hat und der 
Bewußtloſe ohne Gefahr herausgebolt werden kann. 
Dann beginne man die Wiederbelebungsverjuce 
mit der fünftlihen Atmung (f. Scheintod), bis die 
eriten jelbjtthätigen Atembewegungen des Erjtidten 
bemerkt werben. it dies der Fall, jo find ſtarle 
Riech⸗ und Niesmittel, träftige Hautreize (Beipren- 
gen mit kaltem Waſſer, Reiben und Bürften des 
ganzen Körpers, Einwickeln der Füße in Senfteige) 
und reizende Klyitiere anzuwenden; auch jlöße man 


200 Eritlinge 


nun dem Berunglüdten einige Theelöffel warmes 
Waſſer, Thee, Kaffee, Wein oder Grog ein. Übrigens 
foll man derartige Belebungsverjuhe niemals zu 
früb abbrechen, mweil wiederholt Fälle beobachtet 
wurden, in denen Erftidte erjt nad mebritündigen 
—— aus ihrem Scheintode erweckt wurden. 
— Bol. Esmarch, Die erfte Hilfe bei plöglichen Un— 
—— (17. Aufl., Lpz. 1901); Furſt, Über den 
od durch giftige Gaſe (Berl. 1901). 
ritlinge. Die Sitte, von Pflanzen und Tieren 
alö den Gejchenten der Gottheit den erſten Ertrag 
wiederum der Gottheit zu weihen und darzubringen, 
ift im Altertum weit verbreitet. Erft bierdurd er: 
bält die ganze übrige Ernte den Eharalter der Rein: 
beit, wird ihr Genuß erlaubt. Daber bildet bei ven 
alten Böllern die Darbringung der €. (Aparche) 
einen mwejentlihen Teil des Opferkultus. So war 
es auch bei den alten Israeliten. Doc haben nicht 
alle Erftlingsopfer ihren urſprünglichen Dpfer- 
Ber bebalten, viele find zu Abgaben für die 
riefter geworden. Aus den u Sopfern haben 
fih wahrſcheinlich die drei großen Wallfahrtäfefte 
des iörael, und jüd. Volks, Dftern, ten und 
Saubhütten, entwidelt. Sehr deutlich ift der Erit- 
lingöcaratter noch bei der Ditergarbe und den 
Pfingitweizenbroten. (S. auch Erjtgeburt.) 

Erftlingddrude, ſ. Inkunabeln. 

Erſtmilch, |. Coloſtrum. 

Erſuchen (Requiſition), 1) um Rechts— 
hilfe, dasjenige E., welches die mit einer Rechts— 

ade beſchaͤftigte Gerichts- oder Verwaltungsbe— 
orde an eine andere Amtsſtelle, ſei es des In: 

nde3 oder des Auslandes, um Vornahme eines 
zur Erledigung der Rechtsſache dienenden, aber 
außerhalb der eigenen Zuftändigleit liegenden Altes 
richtet. Das E. tommt im Eivil- und Strafprozeile 
insbefondere vor für Zuftellungen im Auslande, 
für Mitteilung bebörvliher Urkunden und Alten, 
für Beweisaufnahmen im In: und Auslande, für 
A 2 um range 
ilfe, d. i. um Hilfe in Verwaltungsſachen. Die 
deutſchen Gerichte müflen fi in bürgerlichen Rechts⸗ 
ftreitigfeiten und in Strafſachen Rechtshilfe (f. d.) 
leiiten und ebenfo . eihögeies vom 9. Juni 
1895 die Berwaltungsbebörden Berwaltungsbilfe 
bei Einziehung von öffentlichen Abgaben und im 
Verwaltungsweg verbängten VBermögensitrafen. — 
Erſuchter Rıdter beißt im deutjchen * 
der Amtsrichter, welcher von dem erkennenden Ge— 
richt um Vornahme einer Beweisaufnahme oder 
eines Suhneverſuchs angegangen wird. 

Erſuchter Richter, |. Erſuchen. 

Ertag, ſ. Dienstag. 

Ertgau, im Mittelalter ein die jegigen württemb. 
Tberämter Riedlingen und Saulgau des Donau: 
kreiſes umfaflender Bezirk. 

Erthal, Franz Ludw., Freiherr von, Fürftbifchof 
von Bamberg und Würzburg, geb. 16. Sept. 1730 
zu Lobr am Main, ftudierte in Mainz und Würzburg 
und bielt fid) längere Zeit in Rom und in Wien auf. 
Nach jeiner Rüdlehr nah Würzburg wurde er 1763 
Vräfident der weltlihen Regierung des Hochſtifts 
Würzburg, 1768 kaiſerl. Geheimrat und Kom: 
mijjar bei der Unterjuhung des Reichslammer— 

erichts in Weplar. 1776 wurde er von Kaiſer 
ojepb IL zum Kommijjar am Reichstag zu Regens: 
burg ernannt; 1779 ward erin Würzburg und Bam: 
berg zum Fürſtbiſchof gewählt. Nach einer in jeder 
Hinſicht treiflichen, unter der geiftigen Signatur der 


— Ertrag 
—— ſtehenden Regierung — E. 16. Febr. 
1795 zu Würzburg. Er jhrieb: «liber den Geiſt ver 


Zeit und die Pflichten der Ebriften» (1793) und 
«Predigten, dem Landvoll vorgetragen» (Bamb, 
1797; 2. Aufl, Würzb. 1841). — Vol. Bernbard 
a H.Reudlin), Franz Ludw. von E. (Tüb. 1852); 
tihub, Franz Ludw. von E. (Bamb. 1894). 
Erthal, Friedr. Karl Joſeph, Freiherr von, 
Kurfürft von Mainz, Bruder des vorigen, geb. 
3. Jan. 1719 zu Mainz, wurde 1753 in das flapitel 
aufgenommen, 1758 Präfident des Hofrats, 1768 
Domkuftos, 1769 zum Mainzet Gefandten am 
Raijerhofe ernannt und 1774 zum Erzbiſchof und 
Kurfürften ze. Entgegen der freifinnigen Po: 
litik feines Vorgängers Emmerich Joſeph, 309 E. die 
ejuiten von neuem beran und duldete, daß die im 
tus und im Schulweien begonnenen Reformen 
rüdgängig gemadt wurden. Dob nad einigen 
en lehrte E. in die liberalen Babnen jeines 
ee zurüd und fuchte nun auch feinerjeits 
die Bolizei und die Verwaltung, inäbejondere die 
Unterrihtöverwaltung, zu bejlern und zu beben. 
Sein Wert war 1784 die Neugeftaltung der Mainzer 
Univerfität und die Entfernung der Jejuiten aus 
ihr. Im —— Jahre ſchloß ſich der Kurfürſt 
dem Fürſtenbunde Friedrichs d. Gr. an. Unter 
— Vermittelung wurde das ſeit der Emier 
unktation 1786 ſehr geſpannte Verhältnis zur 
Römiſchen Kurie wieder gebeſſert; die Reform: 
beſtrebungen, die Wunſche nach einer größern Un: 
abbängigfeit von Rom, blieben jedoch unter ber 
Mainzer Geijtlichkeit erbalten. Nah Ausbruch der 
Revolution nahm ſich der Kurfürjt ſehr eifrig der 
—71 Emigranten an und betrieb den Krieg gegen 
die Republit, 1792 mußte er vor den En 
franz. Heeren aus Mainz flühten. Dur den Frie— 
den von Luneville verlor er den lintärbein. Teil 
feines Erzbistums an Frankreich, bald darauf jtarb 
er 25. Juli 1802 zu Aſchaffenburg. 
Ertholmene, Injelgruppe, ſ. Ehrijtiansd. 
Ertingen, Dorf im Oberamt Rievlingen des 
württemb. Donaufreifed, an der Schwarzah im 
Donautbal und der Linie Ulm:Sigmaringen der 
Mürttemb. Staatsbahnen, bat (1900) 1910 meiſt 
tath.E., Boit, Telegrapb, kath. Kirche; mechan. Wert: 
ftätte, Seidenwinderei, Müblen und Brauereien. 
Ertogrul, türk. Heerführer, Bater Osmans L. 
(f. d.), des Begründers des Osmaniſchen Reichs. 
Ertrag, der Überſchuß, der ſich ergiebt, wenn 
von der Geſamtheit der Einnahmen, die aus einem 
einzelnen Produltionsbetrieb oder einer andern be- 
jondern Eintommensquelle innerhalb einer beitimm: 
ten Periode, inäbejondere eines Jahres, erzielt wer: 
den, die — der zur Beſchaffung dieſer Ein: 
nahmen aufgewandten Ausgaben oder Koſten ab: 
gesvoen wird. Der E. in diefem Sinne beißt auch 
Neinertrag, indem man ihm den Wert des Bro: 
duftes oder unmittelbaren Ergebnifjes einer Ertrags: 
quelle alö ET —— Der Unter 
fhied des E. von dem Einlommen (f.d.) liegt darin, 
daß der eritere feine Beziehung auf die wirtſchaftende 
Verjönlichkeit entbält, jondern fih an ein bejtimmtes 
Dbjelt, z. B. ein Grunpftüd, ein Miethbaus oder an 
einen ebenfalls als felbftändige Einbeit angeiebenen 
Produktions⸗ oder Berufsbetrieb Mmüpft. Der €. 
kann fich alfo auf mebrere jelbftändige Wirtfchaften 
als Einkommen verteilen, und umgekehrt kann fit 
das Einlommen einer Perfon aus den Ergebniflen 


| mehrerer Ertragäquellen zufammenjegen. 


Ertragsanihlag — Ertragafteuer 


— ————— auch Taration, Güter: 
neun. in der —— die auf Wahr: 
teitärechnung gegründete Ermittelung des 
Berted ſowohl ganzer Wirtihaften als einzelner 
detriebs zweige derjelben oder auch einzelner Grund⸗ 
küde. Je nach dem Zwece des €. find verſchiedene 
—— maßgebend. Bei der bypothelariichen 
leibung wird nur der Sicherheitswert ins Auge 
giebt: beim An- und Verlaufe fommt der kapitali⸗ 
Reinertrag in Betracht, der je nach dem Zins⸗ 
fuße, — dem der Kaäufer ſein Geld anlegen will, 
vechſelt; bei ver Bachtung oder Verpachtung endlich 
it nur der Reinertrag nn bare Letzterer wird in 
der Weiſe berechnet, dab zunächſt jämtliche in der 
Birtihaft erzeugten Rohwerte (Rohertrag, Brutto: 
ertrag) feitgeitellt werden, daß das Gleiche mit den 
Aufwendungs⸗(Pro dultions⸗Koſten geſchieht, und 
daß letztere von den erſtern abasjogen werben; es 
verbleibt dann der Reinertrag. Beim E. eines ein: 
zelnen —— iſt die Berechnung des Reim 
erttags einfach; ſchwieriger gpebe Ah dagegen 
diejenige für eine vollftändige Wirtichaft. Es führt 
dabei nicht zum Ziele, den Reinertrag eines jeden 
Grundftüds u. ſ. w. für fich zu berechnen, fondern 
e& kann dies nur mit Rückſicht auf die Gejamtwirt: 
chaft geibeben, da die Höhe des Neinertrags der 
einzelnen Teile durch ihre Wechſelwirkung aufeinan- 
der, dur das Zuſammenwirken einer ganzen Reihe 
von Faltoren bedingt ift. 

Der €. eines Gutes jet fi aus folgenden ein: 
ke Zeilen zujammen: Information oder Guts⸗ 

chreibung; Feititellung des Wirtſchaftsplanes; 
Ermittelung des Robertrags; Beitimmung der 
Wirtſchaftstoſten; Berehnung des Reinertrags 
event. des Kapitalwertes. 

Die Information oder Gutsbeſchreibung 
bat fih namentlich zu erftreden auf die örtliche und 
flimatiihe Lage, auf den Umfang und die Art des 
Areals (Ader, Weide, Wiefe u. }. w.), auf die Be 
iaffenbeit des Bodens, auf die biöber ebauten 
und event. zu bauenden Früchte, auf die Zahl und 
Beibaftenbeit der Gebäude und des Inventar, 
auf die Arbeiterverhältnifje, auf die etwa vorban- 
denen techniicben Gewerbe, auf die zu tragenden 
Steuern und Laſten, auf die fonftigen Pflichten und 
Rechte des Gutes und ſchließlich auf die Höhe und 
Art der —— ſowie die Mittel zur Er: 
langung von Kredit. Die Information ift der wich: 
tigite Teil des E. da fie die Grundlage namentlich 
für den Wirtſchaftsplan giebt. 

Bei der Aufitellung des Wirtjhafts: 
plans thut man gut, ſich zunächſt an den frühern 

zu balten, bejonders wenn er —— zweck⸗ 
mäßig erſcheint; er giebt für den €. die ſicherſten 
Grundlagen. Eine Änderung des Wirtſchaftsplans 
iſt im der Regel mit erheblichen Kojten verknüpft, 
und die barauf gegründete Rechnung bietet niemals 
diejenige Sicherheit für den E., wie ſolche der alte 
Birtihaftspları gewährt. In jedem Falle ift aber 
die Hauptrihtung des Betriebes, ob hauptſächlich 
Getreide: oder Hadfrudtbau, ob Nindvieb: oder 
Shafbaltung u. ſ. w., feitzuftellen, dann die auf 
eritere ſich beziehende Fruchtfolge und der Bedarf 
an tieriſchen Arbeitsfräften zu ermitteln, woraus 
dann auch die Zahl und Art der Maſchinen, Ge: 
täte, d. b. das tote nventar, berechnet werden 
lann. Bei Projektierung techniſcher Gewerbe ift 
darauf Rückſicht zu nebmen, inwieweit dadurd die 
eben genannten Puntte eine Underung erfabren. 


201 


Zulegt ift der Geldwert für das ſtehende Kapital, 
das fi aus lebendem und totem Inventar zuſam⸗ 
meniest, und für das umlaufende oder Betriebs— 
tapital zu veranſchlagen. Erſteres ergiebt fih aus 
der Abjbäßung des Inventars, leßteres beträgt im 
Mittel 40—50 Proz. des ftehenden Kapitals. 

Es folgt dann die Berehnung des Rob: 
ertrags, die zweckmäßig nad den einzelnen Be: 
triebözweigen vorgenommen wird, 3. B. Rohertrag 
des Aders, der Wiejen, der Rindviebhaltung u. ſ. w., 
wobei der Überfichtlichfeit wegen jeder Zweig wieder 
in Untergruppen zerlegt wird, wie bei der Rindvieh⸗ 
Beltıng: für Moltereiprodufte, für Kälber, für 

aftvieh u. |. m. Die Höhe der dem Anſchlag zu 
Grunde liegenden Preiſe ift im allgemeinen na 
denen ber legten 20 Jahre zu normieren; nur bei 
Produlten, welche thatſächlich eine jchnelle Preis: 
fteigerung aufweiſen, 3. B. Butter und Milch, lann 
man bejjer die Preiſe der legten 10 Jahre benutzen. 
Hierauf find die Aufwendungskoſten feſtzu— 
re die der beabfihtigte Wirtichaftsplan ers 
ordert; fie jegen fih namentlih zufammen aus 
den Rojten für die ee für die menſchliche 
Arbeitökraft, für die gefamte Viehhaltung, für die 
Unterbaltung und Abnußung der Gebäude und des 
toten Inventars, für Saat und Dünger, für Bers 
fiherungen und Rapitalzinfen u. f. w. 

Endlich ergiebt fi der Reinertrag aud dem 
zu. der Aufwendungstoften vom Rohertrage. 
Der Geldwert des Grund und Bodens und ber 
Gebäude wird repräjentiert durch die Kapitaliſie— 
rung des Reinertrags; für Deutjchland beträgt der 
Zins des im Boden angelegten Kapitals im Mittel 
4 Proz., jo daß die Höhe des Reinertrags mit 25 zu 
multiplizieren ib Bei hoben Sandpreifen find nur 
3%, Proz. und bei niebrigen 4"), Proz. Zinfen ans 
zunehmen. Die Werte für das ftehende und laufende 
Kapital ergeben die Höhe der e den Wächter zur 
Wirtihaftsübernahme nötigen Summe. — Bgl.Graf 
zur Lippe, Der landwirtſchaftliche E. (Lpz. 1862); 
von der Golg, eg Zarattionslebre 
(2. Aufl., Berl. 1891); Eihbolg, Die Bodeneins 
Ihäßung u.j.w. (ebd.1900) ; Huſchke, Landwirtichafts 
liche Reinertragsberechnungen bei Klein: Mittel: und 
Großbetrieb (Jena 1901). (S. auch Bonitierung.) 

Ertragsſteuer, eine direlte Steuer, welche von 
den verjchiedenen Ertragsquellen als ſolchen (ſ. Grs 
trag)nah Maßgabe ihrer Erträgnifje erhoben wird, 
Sie richtet ſich alſo nicht nad dem Einfommen und 
der A — Leiſtungsfähigleit 
der Steuerpflichtigen, und fie wird daher im Gegen⸗ 
ſatz zu den Perſonalſteuern auch als Real: oder 
Objektſteuer bezeichnet. Doch paßt dieſe Bes 
nennung nicht wohl für die Beſteuerung des auf 
rein perjönlicher Thätigfeit beruhenden Verdienſtes, 
obwohl auch in diejem Falle eine eigentliche E. vors 
liegt, wenn feine Rüdjiht darauf genommen wird, 
wie viel von dem Ertrage jeiner } erufäthätigleit 
} B. der Arzt, Advokat u. ſ. w. als wirkliches Eins 
ommen behält und wie viel er als Schuldzinſen 
abgeben muß. Die ———— der Zin⸗ 
ſen und Renten, welche die * aber der Ertrags⸗ 
quellen aus den ihnen zufließenden Erträgen ent: 
richten müſſen, ijt überhaupt das Charakteriſtiſche 
in dem Syſtem der E. und zugleich der Grund, 
weshalb dasjelbe weniger rationell erſcheint als 
die perjonale Bejteuerung des Cinfommensd. Die 
Grunditüde und in geringerm Maße die Häujer 
bieten, als Ertragäquelle betrachtet, allerdings jür 


202 


jenen Übelftand dadurd eine Ausgleihung, daß die 
Steuer mit ihnen zu einer Art von Neallaft ver: 
mädjft und von dem Käufer bei feinem Preiögebot 
in Anſchlag gebracht wird. Grunpfteuer (f. d.) und 
Gebäubdeiteuer (f. d.) find die am allgemeinften ver: 
breiteten Arten der E., was ſich 2 daraus er: 
Härt, daß ihre Objelte offen daliegen und auf die 
bequemfte Weife zu erfahren find. Die Gewerbe: 
—* (1. d.) iſt ſchon weniger ausgebildet, indem 
ie als befondere E. entweder ganz fehlt, wiein Eng: 
land, oder in 7 feinem beftimmten —— 
mit dem wirllichen zen edsar ichen Unters 
nehmer ſteht, wie in Frankreich. Die Kapitalrenten: 
fteuer (f. d.) De in England als jelbjtändige €. 
anz, in Preußen ift durch die Ergänzungsiteuer 
ſ. d.) eine Art Kapitalrentenfteuer geihaffen, in 
ankreich ift fienur in ganz unvollitändiger Ge: 
talt vorhanden. Am lonjequenteiten ift das Sy: 
em ber E. in Bayern und Württemberg ausgebildet. 
So en in Bayern die Grundſteuer, Hausfteuer, 
Gemerbejteuer, Kapitalrentenfteuer und die ſog. Ein: 
lommenfteuer, welche das den übrigen Steuern nicht 
unterliegende Einlommen, aljo hauptſächlich das 
dur wiſſenſchaftliche Berufstbätigkeit erworbene 
und die Bejoldungen und Penfionen der Beamten 
trifft, wobei aber ausbrüdlih das Abziehen von 
Schuldzinſen verboten ift. Die €. find wichtig, weil 
fie einen fihern und gleichbleibenden Ertrag haben, 
tönnen aber andererſeits dem wachſenden Bedarf des 
Staates nur unvolllommen angepaßt werben. — 
Vgl. Artikel Ertragsfteuern im «Handwörterbuch der 
Staatöwifjenjhaften», Bd. 3 (2, Aufl., Jena 1900). 
Ertragdtafeln, foritlibe, aub Zuwachs— 
tafeln genannt, die tabellariihe Daritellung des 
Ganges des Maſſenzuwachſes eines Beitandes. Sie 
jollen für alle vortommenden Holz: und Betriebs: 
arten und Bonitätäflafien auf die landesübliche 
Flächeneinheit (Heltar) reduzierte Angaben von Zeit 
zu Zeit — — 10:, mindeſtens 5jäbriger Ab⸗ 
ſtufung) über die Beſtandsmaſſe und die fie bedin— 
aenden Faktoren ſowie über die verjchiedenen Sorti⸗ 
mente (Derbbolz, Reifig) enthalten. Die Angaben 
der €. erjtreden ſich meift nur auf die Maſſe des 
Hauptbeitandes (ausgeſchloſſen Stodbol;), va über 
die des Zwiſchen- oder Nebenbeſtandes nod feine 
recht genügenden Unterjuhungen möglih waren. 
Schon Ende des vorigen Jahrhunderts erfannte 
man die Wichtigkeit der E. für alle Arbeiten der 
Grtragäregelung und Waldmwertrehnung; infolge: 
deſſen befist ſchon die ältere forſtliche Litteratur 
eine große Anzahl folder Tafeln, 3.8. von Hartig, 
König, Burdbardt, Feiftmantel, Grebe, Preßler u.a, 
Die große Schwierigkeit der Aufitellung der E. war 
aber Urſache, daß die ältern derjelben nen zu fünft: 
lich —— worden waren. Deshalb betrachtete 
es der Verband der deutſchen forjtlihen Verſuchs⸗ 
anftalten (f. Forſtliches Verſuchsweſen) neuerdings 
als eine feiner wictigften Aufgaben, auf Grund 
ausgedebntejter, genaueſter Unterſuchungen in ganz 
Deutſchland neue Tafeln aufzuftellen. Dergleiben 
Itegen nun vor für die Fichte von Baur, Kunze und 
Loren, für Kiefer von Weife, für Tanne von Lorey, 
für Buche von Baur. Die Unterfuchungen werden 
noch fortgejeßt, indem die Maſſen einer großen 
Menge dazu beftimmter Probebejtände von 5 zu 
5 Jahren neu aufgenommen werden. Aud) außer den 
genannten haben ſich mebrere Foritleute neuerdings 
mit der jehwierigen Frage der Aufitellung von €. 
beichäftigt, jo 3. B. Guttenberg, Schuberg u. a. 


Ertragstafeln — Ertrinfen 


Man unterſcheidet allgemeine (auhb normale 
—— und Iolale E. Erſtere gelten für ganze 
änder, legtere nur für beftimmt abgegrenzte Wirt: 
——— Die Angaben der lokalen E. ermög- 
ichen natürlih viel genauere Entiheidung wirt⸗ 
ſchaftlicher Fragen als die allgemeinen, weil dieje 
bob nur Durchſchnittsergebniſſe oft ſeht weit aus⸗ 
einander liegender Größen find. Der Wachstums⸗ 
gang der Beitände ift in den böbern Gebirgslagen 
ein ganz anderer als in der Tiejebene. ä 
erden die in den E. angegebenen Mafjen mit 
ben zugehörigen durchſchnittlichen Preiſen multiplis 
— Fararojpesiun arg will bar Di E.,die 
natürlich nur ganz lofaler Natur fein fönnen. Sie 
find noch viel unficherer als die bloßen Maſſen— 
ertragdtafeln, können aber unter Umſtänden für 
aldwertrehnungen, für Ermittelung finanzieller 
Umtrieb3zeiten, recht wertvoll fein. 

Ertrinfen, eine der bäufigiten gewaltjamen 
Zobesarten, wirb dadurch herbeigeführt, daß durch 
Eindringen einer tropfbaren tafk feit in die Luft⸗ 
wege ber — der atmoſphäriſchen Luft zu den 
Lungen gehindert und die in denſelben dadurch vor 
ch gene Bluterneuerung unterbrohen wird. 
n3 Waſſer Gefallene jterben entweder fuffofato- 
riſch, d. b. dur Unterbrehung der Lungenfunt: 
tionen (f. Erftidung), ober apopleltiih, d. b. an 
einer durch Überfüllung der Blutgefäße des Ge 
Ba bedingten Lähmung dieſes Organs, Dft ver: 

inben fich beide Todesarten. Tod durch Apo— 
plerie tritt nur in feltenern Fällen ein, wenn der 
Körper fehr erbigt in die ältere Flüſſigleit fommt 
und fo das Blut plößlid von der Oberfläche nah 
dem Innern gedrängt wird; die auf diefe Art Er: 
truntenen werden nur jelten wieder ins Leben zus 
rüdgerufen, wogegen bei denjenigen, deren Leben: 
äußerungen nur infolge Mangels an Luft (Suffo- 
tation) erlofden find, die Wiederbelebung, wenn 

die Hilfe zeitig genug fommt, leichter rg ift. 
Vor allen Dingen muß der Berunglüdte jebr vor: 
fihtig, ohne an Bruft und Unterleib gebrüdt zu 
werben, an bie Luft gebradt, völlig entlleivet an 
einem mäßig warmen Orte auf ein paffendes Lager 
mit wenig erhöhtem, feitwärtö gebeugtem Kopfe ae 
legt, bier zuerft der Mund und die Nafe von Schleim 
chlamm gereinigt und dann ber ganze Körper 
* mit bloßen Händen frottiert 


und 
mit Flanell oder au 
werben. Meiterhin muß man möglichjt eitig die 
Atmung durd künstliche Atembewegungen Pokeins 
tod) in Gang zu ringe ſuchen. 

Nach den erſten ſtthätigen Atembewegungen 
des Verunglüdten hülle man ihn in trodne Deden 
ein, frottiere ihn kräftig und bringe ihn möglichit 
bald in ein warmes Bett, in welhem man jeine 
Körperwärme durch Auflegen von Wärmflajchen 
oder MWärmfteinen auf die Magengrube, in vie 
Achſelhoͤhlen, zwiihen die Scentel und an bie 
Fußſohlen ſowie durch theelöffelmeiies Einflöhen 
von warmem Waſſer, Thee oder Wein allmählich 
wiederherzuſtellen ſucht. Verwerflich iſt es, den 
nkenen auf den Kopf zu ſtellen, was zuweilen 
eſchieht, um das übermäßige Waſſer aus dem 

agen zu treiben. Wenn der Ertruntene ee. 
eriroren iſt, ſo muß man ibn zunädjt als ore⸗ 
nen behandeln. (S. Erfrierung.) — Bol. außer 
den Handbüchern der gerichtlichen Medizin: Baltaut, 
fiber den Tod durd €. (Wien 1888); Cämard, Die 
erite Hilfe bei plöslihen Unglüdsfällen (17. Aufl.. 
Lpz. 1901). 


Erubescen; — Eruptivgefteine 


Erubedcenz, Grröten, Schamrödte. 
Erüca Tourn., Pflanzengattung aus der das 
milie der Kruciferen (}. d.) mit nur drei Arten in 
Europa und Ben alien. Es find ein« oder zwei⸗ 
Hbrige Irautartige Pflanzen mit fiederteiligen Blät: 
ten und ziemli "großen, weiß und rot gefärbten 
Blüten. on ber in ———— einheimiſchen 
E. sativa Lam. (Senfkohl, Runke, Rauken— 
lehl) werden die Blätter 8 und gelocht, als 
Gemüje oder Salat geg Die Samen wer: 
den wie Senf und — als Mittel gegen 
Hautkrankheiten angewendet. [Raupen. 
‚ die BEN * — ſJ. 
Erucadinſäãure, |. Eruca 
Erürafänre, Seaffintäure, Kr HAO., 
ietten Ol der Senffamen, aud im Rüböl als Slvceri 
vortommende Säure. Siege drt derÖlfäurerei er 
Aus Altohol feoftallifiert jie in weißen, glänzenden, 
bei 34* C. ſchmel — Nadeln, die in Wa Waller uns 
doelich, aber in Al ohol und ütherö8lich find. Siefie 
det ungerfegt bei 255° unter einem Drud von 10 mm, 
beilängermErmwärmen auf 100° wird fie unter Braun: 
färbung verändert. Bei Einwirlung von falpetriger 
Säure wird fie in die ihr ifomere, bei 56° ſchmelzende 
Erucadinjäure verwandelt, —— 
dieſer * ebenſo wie die Ölfäure zur n⸗ 
vre ( 
este (lat.), das Aufheben (. d.). 
Erudieren (lat., «entroben»), bilden, unterrid: 
ten; sen \e\en elehrte Bildung, Selehriamteit. 
e &r etwas Berborgenes zu Tage 


iger zu 
————— (lat J; fen, aufftoßen; Erul: 
tation, dad rg her ufitoßen (j. d.). 
Grüler, Boll; ler. 
Erülus, Sohn der Feronia (f. 
Eruption (lat.), Ausbrud, das — mit donner⸗ 
artigem Gerauſch und Erzittern des Exrbbodens ver: 


bundene, oft plöglide Hervorbr 
Dämpien, lochendem Wafler, —* 
nen aus ber Erdtiefe. Es lann gr an \ Bun 
geideben, die feit längerer Zeit in offener Ber: 
indung mit bem Erdinnern ftehben, aljo aus Ara: 
tern der Bullane, aus ern, aber auch an 
völlig unbeftimmten Stellen, zu denen Lava und 
— dere friſch entitandene Spalten empor: 


ruptiogänge, j. Lagerungsformen. 
efteine, Maffengefteine, maſ⸗ 
ige Gefteine, Feldarten, die aus den Tiefen der 
Erde emporgebrungen und zur Ablagerung gelangt 
ind; im Gegenfas dazu ftehen die febimentären 
Gefteine, deren Material einen mechan. oder chem. 
Bodenfak aus Gewäſſern darſtellt. (Bgl. Geſteins⸗ 
bildung.) Die E. der heutigen Zeit, die recenten 
Laven, treten in einem feurig erweichten, lut⸗ 
—* (pyrogenen) Zuſtande aus den Bul:- 
en hervor, indeſſen ift ihre Schmelzmaſſe nicht 
durbaus etwa mit derjenigen unferer kunſtlichen 
dochofenſchladen zu vergleihen, weil fie mit einer 
bettächtlichen Menge von überhiktem Wafler oder 
Bafjerdampf beladen ift, der aber während ber 
Örftarrung ausgejchieden wird. Huch ift jede 
—— Eruption mit gewaltigen Dampfaus⸗ 
und Exploſionen verlnupft. Cine 
große —— enge 


ffgen 


von —— en vereinigt ſich 
u dem Schluß, daß die M derjenigen €., 
die in den frübern geolog. Zeitepocen an bie da: 
malige Oberfläche emporgebroden find, in einem 


203 


noch — Maße durchwäſſert oder mit Waſſer⸗ 
dampf imprägniert war, als dies bei den modernen 
Laven der Fall ift. Seide 0, bei deren Entftebung 
neben dem Schmeljfluß fer in überbiktem Zus 
ftande eine Rolle gejpielt 
pyrogene u brend der Augenſchein 
über die Herkunft ber — ag belehrt, muß 
für die E, älterer Erd —— bei deren 
Entftehung der Menſch ni Ye e war, bie erup⸗ 
tive Ratur überhaupt erft feit 346 oder wahr: 
ſcheinlich gemacht werben, was injofern aud mit 
Schwierigleiten verfnüpft ift, als dieſe ältern Fels⸗ 
arten mitunter von den recenten in mebrfadhen Ber 
iehungen, 3. B. in ihrer — * uſammen⸗ 
etzung, in ihrer Struktur, abweichend beſchaſfen find. 
ennoch iſt die eruptive Entſte — sweiſe mit einer 
Anzahl von gewifien, für fie haralteriftiiben Ber: 
bältnifien ſowohl der blagerung ls der Geſteins⸗ 
ausbildung verbunden, die als maßgebende Ans 
altspunkte für die Gruptivität besjelben gelten 
Önnen. Zu diefen Momenten gebören die durchs 
greifende Zagerung, das Hindurchſetzen durch an 
dere Gefteine in orm von Gängen und Stöden, 
das Fehlen eigentliher Schihtung, die Auftürs 
mung des Gefteinämateriald in Form von primi⸗ 
tiven Kuppen, feine Ausbreitung zu geflojienen 
Deden und Strömen; bie Störungen des be 
nahbarten Schichtenbaues, die Stauchungen und 
Windungen der De Schichtenenden, bie 
der ripaltungen d ebengefteind und das adern- 
weile Eindringen ber Gefternsmaffei in basjelbe; die 
Bermalmung des Nebengefteind und die Bildung 
von Reibungsbreccien, das Erfülltfein mit Brud: 
ftüden des ebengefteins die nachweislich nicht von 
der Seite her ftammen, ſondern aus der Tiefe mit 
emporgefördert worden find, das Begleitetjein von 
Maffen, die ihrer Natur nad unfern beutigen aus: 
—— vullaniſchen Aſchen, Sanden und 2a- 
pilli en —— die eigentümlihen Einwirlungen 
— das Nebengeſtein oder auf umſchloſſene Frag⸗ 
er desjelben, die jog. Kontaftmetamorpho EN, 
als Frittu erglajung, Berlofung, 

—* alliſieru , Erfüllung mit neugebildeten lines 
ralien fundge en. Während ſich diefe Punkte auf 
bie Lagerung ber —— im —— 


at, werben als hydato⸗ 


nen beziehen, find es andererſeits auch petr 
phiſche Verhältniſſe, die durch die eruptive vi 
ſtehung bedingt werden, deren Fehlen aber nicht un« 
mittelbar gegen diejelbe zu Ipre rechen braudt. Als 
folde können folgende Eharaltere gelten: Borbans 
denjein der majfigen Strultur, ſowie Fehlen echter 
Scieferung, wie di bei Sedimentge teinen vor⸗ 
fommt; glafı gen Ic ‚f — blaſiges oder mandel⸗ 
fteinartiges Gegenwart von Glasjubftanz 
zwiſchen den Erpftallint hen Mineralgemengteilen 
des Geſteins oder von milrojlopiihen Glasein— 
ſchluſſen innerhalb derjelben; diejes Glas bildet im 
erſtern Falle die Schließlich verjeftigten Reſte, im 
lestern die von den auslryſtalliſterenden Minera: 
lien eingebüllten Teilen des geihmolzen geweſe⸗ 
nen ep die fog. Fluktuationsftruf: 
tur, die gewöhnlich im milroflopifhen Maßftabe 
die "Bewegungen, Ballungen, Strömungen und 
Stauchungen innerhalb der er m enden noch 
zn plaftiihen Eruptivmaſſe v er ib unjerer 
ahrnehmung aufbewahrt bat. die fäulen: 
förmige und ſphäroidiſche Abjonderung der E. hängt 
mit ihrer Entftehung zufammen, desgleichen werben 
diefelben ftet3 völlig frei von foſſilen organiſchen 


204 


Überreften befunden. Bon diefen Geſichtspunkten 
aus ermweijen fi nicht nur die Bafalte, Andefite, 
bonolithe, Trachyte ald echte eruptive Gefteine, 
die der verhältnismäßig neuern ZTertiärzeit ange: 
en und in jeder Beziehung, auch darin, daß ſie 
ulfane aufbauen und Savaltröme i mit un: 
fern modernen Laven übereinlommen; auch die den 
älten Formationen zuzurechnenden Diabaſe und 
Diorite, die Porpbyrite und Melapbyre, Duarzpor: 
pbyre, die eigentlichen Granite und Syenite (d. i. 
diejenigen, die nicht ald Glieder des Irpftallinifchen 
iefergebirges auftreten und nicht als förnige 
Gneije zu betrachten find) find danach wahrha 
eruptive Gejteine. (S. Gefteinsbildung.) — Bal. 
Lowinſon⸗Leſſing, Studien über E. (Petersb. 1899), 
und die Litteratur —— 
Ervalenta, ſ. Geheimmittel und Linſe. 
Erve, Ervum, ſ. Linie. 
Ervenlinfe, die Linſenwide (ſ. d. und Tafel: 
—— II, Fig. 12). tion. 
Erwählung, in der Dogmatik, |. Prädeitina- 
Erwartungswert, eine Bezeihnung für die 
Summe, die jih aus der Distontierung der von 
einer Ertragdquelle, 3. B. einem Hauje, einem 
Grundftüd, zu erwartenden Reinerträge ergiebt. 
Erwedung, bei den Bietiiten und Metho— 
diften der Anfang der Belehrung aus dem geijtlichen 
Sclafe (Epb. 5, ı4), oder derjenige Zuftand, in dem 
der Menſch er Angft über jeine Sünde und zur 
Hoffnung, aber noch nicht zur völligen Gewißheit 
der Sündenvergebung gelangt iſt. Nach pietijtiicher 
Anſchauung bildet Diele €. den Durchgangspunkt 
der reliniögsfittlihen Entwidlung jedes —— 
Gläubigen, und nach der methodiſtiſchen Buß— 
praris erfolgt dad «Angefabtwerden durch die 
Gnade» unter heftigen jinnlihen Erregungen, oft 
unter Judungen und Kraͤmpfen. Die —— chen 
fog. Revivals in Nordamerika ſuchten die E. gan: 
Vollsmaſſen durch die jtärkjten Einwirkungen auf 
Dbantafie und Nervenſyſtem fünitlich herbeizuführen. 
Erweichende Mittel, j. Emollientia. 
Erweichung (Malacia), in der Medizin die 
Berminderung der Dichtheit und Widerftands: 
fähigkeit (Heitigleit) eines Organs oder feiner 
Gewebteile. Ste iſt immer_die Folge vorausge- 
gangener krankhafter Prozeſſe und bat verſchie— 
dene Grade, von der einlodhen laffung zur 
Mürbbeit, Brücigkeit und breiigen Weiche. n 
unterjcheidet dem Weſen nah: 1) die weiße €, 
wo das Drgan in mwäjlerigen Zelljäften und aus: 
aeibwistem Blutwailer Hasen maceriert ift; 
2) die rote E., wo das Organ der Sig von Ent: 
jündung oder Blutaustretung war und außer roten 
Blutlörperchen meijt Entzündungsprodufte und Ge: 
webätrümmer die erweichte Stelle füllen; 3) die 
gelbe E., meijt eine Folge der vorigen, wo die er: 
meichte Stelle von Blutfarbitoffen, Fett, auch wohl 
Eiter durchjegt ift. Die E. dehnt ſich jelten über das 
ganze Organ aus, jondern ergreift meift einzelne 
Stellen. Diejelbe tann jedes Organ, felbit die Nägel, 
Dberbaut und Haare in gewiſſer Hinſicht befallen. Am 
meiſten hat man beobachtet die €. des Gehirns (En- 
cephalomalacia), des Rüdenmarts (Myelomalacia), 
des Magens (Gastromalacia), was jedoch fait immer 
nur Leichenerſcheinung ift, und der Knochen (Osteo- 
malacia), welche durch Rejorption der Kallſalze er» 
weichen und dadurch leicht zu Knochenbrüchen dispo⸗ 
nieren. Die Symptome der E. find oft ſehr duntel; 
fie haben im allgemeinen eine große Neigung um ji 


Ervalenta — Erwerben 


zu greifen und geringe Neigung zur Selbitbeilung. 
Letztere geichieht 3. B. bei Knochenerweichung durch 
Ablagerung von Kallſalzen an der tranten Stelle, 
bei Hirnerweihung dur‘ Aufjaugung des Breies 
und Bildung einer Eyjte oder einer Narbe. Zur 
—— dieſer Heilungsvorgange läßt ſich nicht 
viel thun; die Hauptſache bleibt die Sorge für zwed⸗ 
mäßige Ernährung und für gehörige Pflege und 
Schonung des erkrankten Organs. 

Erwerben. Bermögen erwerben heißt Die Er- 
langung eines Vermögens, weldes der Erwerber 
bis dabin nicht hatte, oder die Vermehrung dei 
Bermögens um einen Betrag, welcher dem Erwerber 
bi dahin nicht zuftand. Der Erwerb ift vornehm⸗ 
lid die Frucht ———— Thätigkeit in Verbin⸗ 
dung mit Sparſamleit, welche vermeidet, das ganz 
wieder auszugeben, was vorher erlangt war. Er: 
worben werben kann auch ohne eineverdienftoolle 
Ihätigleit des Erwerbers durd Spiel, Schenkung, 
Erbſchaft, Heirat, zreishe erung der früher er: 
mworbenen Güter. Dem eultat nah lann Ber: 
mögen jelbft auf unerlaubte Weife dur ftrafbare 
Handlungen erworben werden, wenn der Thäter 
nicht entdedt oder nicht verfolgt wird. Da das Ber: 
mögen ermittelt wird durch Abzug der Schulden von 
den Altiven, jo begründet Erwerb einzelner Güter 
oder ber Umſatz von Gütern nicht notwendig einen 
Vermögenserwerb, jo wenn ohne Gewinn oder wenn 
fogar mit Berluft eingelauft wird. Wer ein Dar: 
lebn aufnimmt, erwirbt das Eigentum an ben ihm 

eliehenen Gelpitüden, aber erwirbt fein Vermögen, 
ondern kontrabiert eine Schuld. Ya es kann ein 
Erwerb eines einzelnen Gutes eintreten, ohne dab 
ein VBermögenderwerb des Erwerbers aub nur be 
abſichtigt iſt und —— — werden darf, ſo wenn 
d zwar im eigenen Namen, aber für fremde 
————— (ſ. Fur Rechnung) kontrahiert. Der Er: 
werber muß hier das, was er erlangt hat, dem ei 
ausgeben, für deſſen Rechnung er erworben bat. 
Umgelebrt kann das Bermögen ohne jeden Erwerb 
neuer Güter bedeutend fleigen, wenn der Wert 
dieſer Güter fteigt, 3. B. die Bauten einer Stadt 
nähern fih den bis dahin rein landwirtſchaftlichen 
Grundftüden, die nun Baujtellenwert erlangen. 

‚ Der Erwerb von Rechten, welche die Aktiven 
eines Bermögens bilden, vollziebt jih hauptſächlich 
durch Rechtsgeſchäfte, welche dieſen Zweck haben. 
In dieſen lommt der wirtſchaftliche Gtund des Er⸗ 
werbs nicht immer zum Ausdrud. So wird Eigen⸗ 
tum (f. Eigentumserwerb) an Waren nicht durch 
den Kauf erworben, jondern durch bie zur Erfüllung 
der durch den Kaufabſchluß — Schuld 
des Berläufers vorgenommene libergabe des Be 
fises; bei Grundftüden durch Auflaffung. Diefe und 
die Übergabe können aber jebr chiedenen wirt» 
ſchaftlichen Zweden dienen. Eine Forderung, eine 
Hypothel over Eeifion wird übertragen und erworben 
durh Geifion, ohne daß in diefer zum Ausdrud 
fommt, ob eichentt oder verlauft oder geliehen ift; 
ein Wechſel wird übertragen und erworben durch 
—— green (f. ».), obne daß aus diefem zu er: 
eben tft, wofür und weshalb der Wechſel giriert ift. 

‚Nur bei der Neubegründung von Schuldverhält- 
niffen tritt der wirtjchaftlibe Grund für die Er: 
werbung der Forderung an den Schuldner regel» 
mäßig in dem Vertragsſchluſſe felbit hervor, mie 
bei dem Kauf, dem Tauſch, dem Darlehn. Er tritt 
auch bier nicht bervor bei den fog. Formalverträgen, 
wie beim Wechſel. So verſchiedene Rechte es nad 


Erwerbsgenofjenjhaften — Erwerbs- und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften 


vem Syſtem des Privatrechts giebt, jo verſchieden 
altet fih deren Erwerb: anders beim Befik 
. Beigerwerb und »Berluft), anders beim Eigen: 
tum (j. Eigentumserwerb), anders bei der Begrün- 
dung * licher Rechte, anders bei der von Forde⸗ 
—— Forderu —8 anders bei dem Er⸗ 
des Ebrechi⸗ wenn auch einzelne Er⸗ 
werbäarten, moiigiert, ih bei mehrern zu er 
Rebten gemeinfam finden, en die ung (. 
bei dem Er entum . den Dinglihen Re * 
— — et —2 Befis und Eigentum, 
die on (1.d.) bei An en, 
—— 
emeinſame Regeln e er 
Erna on Rechten, man muß in die Ginzelheiten 
Shen bat man wohl die allgemeine 
Kegel au * eder un eines Rechts fordere 
einen ti adquirendi, und Beier darunter 
jene Hehtag eh e, welde den wirtſchaftlichen 
Grund des es darftellen, wie Kauf, Schen⸗ 
bung —* w., und einen modus adquirendi, wie bie 


igentums: oder — gene rt Aber die Regel | €. 


weder allgemein zu, noch giebt fie im beſon⸗ 
dern Fall einen richtigen Inhalt wieder. Gie ift des⸗ 
balb von der Rechtswiſſenſchaft längft aufgegeben. 
Dag unterjceidet man heute noch allgemein 
und ir alle Klaſſen von Rechten derivativen oder 


Abgeleiteten Erwerb (f. d.) und Driginären Erwerb | In diefem 


(1. d.). Den abgeleiteten Erwerb teilt man wieder 
ein in Geſamtrechtsnachfolge (Univerjal: 
—— wenn ein Vermogen an Altiven und 
fiven als Ginbeit übergeht, mie bei ver Erbichaft, 
und in eg (Singular 
—— wenn ein einzelnes Recht oder eine 
Eumme von Kechien, aber nid als Ginheit über: 
1 Saft enoſſenſchaften. 
erbsgenofſenſch Erwerbs⸗ und 
————————— ellſchaft (ſ. d.) 
im —— Sinne, die als Zwe ogens⸗ 
u ne rteil der einzelnen Mitglieder vers 
folgt. find namentlich die Handelsgeſellſchaften 
(f. d.), doch nicht diefe allein. Bö —— 
in Anteilen von E. iſt nach Börfengejeß vom 22. 
1896 nur geitattet, wenn das Rapita der betr 
den €. mindeftens 20 Mill. M. beträgt. dami 
die Beamten ſich nur ihren dienſtlichen Int 
widmen und namentlich unparteiifch und wet ch 
ibtes Amtes walten, haben die deutſchen Staats—⸗ 
dienitgejehe vielfach eifach angeorhnet, da te in ben 
® d,den Berwaltungd: oder einer 
E.nicht eintreten dürfen ohne höhere ung, 
und daß diefe Genehmigung regelmäßig zu a 
ift, iR, fofern die —* mit einer — — * 
bunden iſt. Bol. Reichsbeamtengeſeß vom 31. März 
1873, $. 16, preuß. Gejeß vom 10. Juni 1874 u. |. w. 
—* im weitern Sinne auch Vereine ———— * — 
m von Ermerbögeihä bu 
Solde Bereine haben oft den Ramen Ge 
— —— unterſcheiden ſie ſich von der E. 
ern Sinne dadurch, wodurch ſich Verein und 
— juriſtiſch unterſcheiden. Veränderung in 
den Berfonen loͤſt die Gejelli ide auf; für den 
kand des Bereins ift ein Wechſel itglieber uns 
erbeblih. Ermwerbövereine Ah leichter Rechts: 
periönlichfeit als nichtwirtſchaftliche Vereine und 
unterfteben nicht den Bereinspolizeigefegen. 
Imatnefeih deren, Deusterfifrila, Deutkc Eid 
ellſcha ‚eu ‚weutia)* 
** Kamerun, Kiau⸗tſchou und Togo. 


en werden. 


205 
Erwerböftener, joviel wie Gemwerbefteuer (f. d.). 
Ermwerbd: und Wirtjchaftögenoflenfchaf- 


ten (engl.CooperativeSocieties;franz.Associations 
—* ratives; ital. societä coo tive per ri 
ellfhaften von nicht gef Ioflener Mitglied 
— die Forderung des ober ber —* 
ſchaft ihrer Mitglieder mittels gemeinſchaftlichen 
——— und unter unbeſchrankter oder 
beſchränkter Haftung der Mitglieder für Gefell: 
Er tsſchulden bezweden. Huf nennt man fie 
eingetragene Genoſſenſchaften, — 
—A (früher Aſſociationen) ſchlechiwe 
Genoſſenſchafth. m Unterſchiede von andern 
— emeinſchaften wirtſchaftli 
rt iſt ihr Charalterz Baum lit der Mit: 
Kr aft, Selbfthil era Ho anal von Bor: 
oder Zwangsrechten nad Art der Befugnifie der 
alten Zünfte oder ähnliher Berbände und Ber: 
ſo nal⸗, nit Rapitalgemeinihaften. Auf legterm 
Umftand berubt vor allem ihre focial- und wirt: 
ſchaftspolit. Bedeutung, weil * in der Bildung von 
u. W. den in ihrer Iſoliertheit wirtſchaftlich 
ſchwachen Perſonen möglid wird, durch wechſelſei⸗ 
tigen Anſchluß an Kraft zu gewinnen und an die ge: 
meinfame Loͤſung von * aben zu ſchreiten, deren 
Bewältigung ihnen bei der —— Mit⸗ 
—— ——— — möglich ch wäre. 
Sinne ſtellen als ein 
wichtiges Mittel dar, um nn —— zu heben 
und die Stände der kleinern Landwirte und Ge 
werbtreibenden fonturrenzfäbig zu erhalten ge 
über dem neuzeitlihen Großbetrieb oder Ro 
Bebrängnifien. 
Die moderne Genoſſenſcha —— *— 
ihren Ausgangspuntt in England, woſ 
wien des vorigen Jahrhunderts — a. 2er 
meinfamen affung von Lebensmitteln ent: 
Behr Eine bef ande örberung fanden derartige 
BR durch das Auftreten von Robert Owen 
si He A ng Bewegung mit 
EN ropaganda verband, indem 
bie — denen ften gewiflermaßen ala Bor: 
Ders und Borthulen für die Umgeſtaltung ber 
ejellihaft angejehen wurden. Ep hend war 
ſodann die Gründung des Konfumvereind der 
ioniere von Rochdale (f: d.), welcher zuerft ven 
rundſatz einführte, ” ielten Reingewinn nicht 
nad Geſchäftsanteilen, fo nad; Maßgabe der 
Einkäufe an die einzefnen Mitglieder zu verteilen, 
und damit nicht nur einen gerechtern ad für 
dieſe Verteilung ſchuf, jondern aud das 
der Mitglieder an der — und Erhaltung ie 
enofienjchaftlihen Inſtitution weſentlich erhöhte. 
SB Frankreich entwidelte zuerft Buchez (f. den 
lan einer Produltivgenoſſenſchaft, * wel * 
Arbeiter in den Stand geſett werden ſollten, ſelb 
Unternehmer zu werden. Der Blorlariondgetante 
wurde übrigens in Frankreich von mehrern focia: 
liſtiſchen Schulen, insbejondere au von der Louis 
Blancs (f. Bd: ‚gepflegt, und zum Teil diefem Einfluß 
it es ‚pa reiben, daß zur Zeit der Februar⸗ 
tepublit (1848) der Staat zur Unterftüg —* Ge⸗ 
noſſenſchaften zwiſchen Arbeitern oder zwiſchen Ar⸗ 
beitern und Unternehmern einen Kredit, von 3 Mill. 
518. beitimmte. Durch den Staatsſtreich wurben 
übrigens den meiften Genoſſenſchaften ihre Führer 
entzogen und damit die Entwidlung des Genoſſen⸗ 
ſchaftsweſens zunächſt unterbunden, welches erjt 
ſpäter wieder zu neuem Aufſchwung kam. 


206 
Später als in England und Frankreich tritt in 
Deutihland die Genoſſenſchaftsbewegung auf; 


doch betrifft fie nicht wie dort in erjter Linie den 
Arbeiterftand, fondern die Handwerler. Maß: 
ebend wurde bier die Wirktfamteit von Schulze: 
Delipich (j. d.), melde mit der Gründung eines Rob: 
ftoffvereina für Shubmader und Zifchler in Delitzſch 
1849 begann. Epodemadend war aud) die 1850 
im gleichen Orte erfolgte Errichtung eines Vorſchuß⸗ 
verein, Buch t bei den Hobjtoffvereinen und dann 
aud bei den VBorfhußvereinen wurde das — 

der unbeſchränkten ſolidariſchen Haftbarkeit der 
—* lieder angewendet und die ———— 

eng geſchäftliche Unternehmungen unter 
— auf —— Beibilfe durchgeführt, 
eides zum großen Vorteile für die Einrichtung. 
olge vervielfältigten fi die Zwede der 


Genotler haften, inöbefondere fam es zur Grün. | Im 


dung zablreiher Konſumvereine; auch traten ber 
Arbeiterftand und die Sandıvirtfcaft in die Ge 
noſſenſchaftsbewegung ein. Um eine engere Ber: 
bindung unter ri ch —— fand 1869 
Weimar eine Verſammlung der deutſchen — 
vereine ſtatt, woſelbſt die Errichtung eines Central⸗ 
bureaus beſchloſſen wurde, deſſen Leitung Schulze 
übernahm. 1864 ging daraus der Allgemeine 
Verband deutfher Erwerbs- und Wirt: 
A —— hervor. Schulze ſelbſt 
wirkte bis zu ſeinem Tode (1883) als Genera 
anwalt der Genoſſenſchaften und veröffentlichte in 
diefer Eigenſchaft «Jahresberichte» über den Stand 
des Genoſſenſchaftsweſens, gr auch nod von 
feinen Nachfolgern * d und H. Cruger ſeit 
1898 u. d. T. “uch uch» fortgefept werden. 1883 
tam eine dem "Allgemeinen erbande angepaßte 
Bereinigung der Landwirtichaftlichen Genoſſenſchaf⸗ 
ten (ſ. d.) zu ſtande. Die größte Verbreitung und 
Ausdebnung baben die Kreditvereine gefunden, und 
—81367 ſowohl die von Schulze-Delitzſ gründeten 
chuß⸗ und Kreditvereine (f. d.) wie die Raiff- 
Fri Spar: und Darlebnätafien (f. Darlehns⸗ 
taflenvereine), leßtere mehr für landwirtfchaftliche 
Verhältniſſe beftimmt. gr Förderung der Einzel: 
genofienfchaften baben ſich in verſchiedenen Ländern 
tralgenoſſenſchaften (j. d.) gebildet; in Preußen 
wurde 1895 pe Heburlg des genofi enfcaftlichen 
Kredits eine Centralgenoſſenſchaftskaſſe 5 d.) ge 
—— Uber die Statiftil der €. u. W. ſ. Deutſ 

d und Deutſches Reich (Handel). 

In Oſterreich iſt das Genoſſenſchaftsweſen ge 
regelt durch Geſeß vom 9. April 1873, welches mit 
dem deutichen vom 4. Juli 1868 fait toörtlich über: 
einftimmt, nur daß es jhon auch E. u. W. mit be 
ſchränlter "Haftpflict fennt und die — ins 
Genoſſenſchaftsregiſter, alſo die Unterſtellung der 
Genoſſenſchaften unter ſeine Beſtimmungen obli— 
gatoriſch macht. Andererſeits iſt dem öfterr. Recht 
= geſetzliche Reviſionspflicht noch fremd. 

Zu einer emp Entwidlung in kurzer Zeit 


aben es die E. u. ®. unter dem Einflufje der 
riftenvon Schulze⸗Delitzſch in Jtalien ge Bu 
wo ſich Luzzatti (ſ. d.) um die Hebung des en⸗ 


erg sen bervorragend verdient —— at. 
uch in Belgien, Holland, Dänemark, Rußland, in 
der Schwei ir den Vereinigten Staaten von Amerila, 
in Ebina, Epanien und Brafilien ift es ausgebildet 
oder im Entfteben begriffen. Näheres über bie Ent: 
widlung des Genoſſenſchaftsweſens in den einzelnen 
Etaaten ſ. Erwerbd: und Wirtſchaftsgenoſſenſchaf—⸗ 


Erwerb3- und Wirtjchaftsgenofjenichaften 


ten, Bd. 17. Wiederholt fanden ſchon internationale 
Genofienibaftätongrefie ftatt, und 1896 wurde ein 
internationafer Berband der Genoſſenſchaften be 
rer mit dem Zwed, die Genoſſenſchaften aller 
änder miteinander befannt zu maden und fie unter: 
einander in geichäftlie Beziehungen zu bringen. 
Eine eigene Genofjenfhaftsgefeggebung, 
dazu beftimmt, den €, u. W. eine ihrem en ent: 
ſprechende Rechtsgrundlage zu verleihen, innt 
in Deutichland mit dem preuß. Bejek vom 27. Man 
1867, dem andere Landesgeſetze und dann das f — 
auf da⸗ ganze Reich ausgedehnte norddeutſche 
desgeſetz vom 4. Juli 1868 folgten, welche Befehe 
alle mit Auänabme des bayriihen vom 29. 
1869 (aufrecht erbalten für beftebende Vereine durch 
Einführungsgejeß zum Bürgerl. Gejegbud Art. 165) 
nur E. u. W, mit unbefhränlter Ha ns kannten. 
terefje der E. u. W., die großes Vermögen 
angejammelt hatten oder nach ihrer Art auf Kredit 
nur in geringem Umfang angewiefen find, ſchuf das 
im übrigen bie in der Praxis hervorgetretenen 
Mängel des bisherigen Geſetzes bejeitigende neue 
—— —* — mie vom 1. Mai 1889 außer der 
mit unbeſchranlter Nach —*8 
ie ondere die mit — Haftp or Das 
Gefeg trat am 1. Olt. 1889 in Kraft. Als Haupt: 
Fa er — en zäblt das Geſetz auf: 
an s und #reditvereine (j. d.); 
Rot pe! vereine(f.d.); 3) Vereine zum gemein: 
daft! ftli uf landiwirtf aftliher oder gewerb- 
lider Gneugnife(HbTa —— — da 
— —— ——— ten, ſ. d.); 4) Ber: 
eine zur Herftellung von enftänden und zum 
Verlauf derſelben auf — * ——— 
(Produktivgenoſſenſchaften, |. d.); 5) Ber 
eine ade emeinfchaftlihen Einlauf von Lebens 
oder ürfnifjen im großen und Bertauf 
im eat (‘ onfumpvereine, f.b.); 6) Bereine 
Beibaffung von —— des landwirt⸗ 
N Haftlichen oder gewerblichen Betriebes und zur 
—— — auf — — Red: 


— nſchaften, f.d.); 7) Vereine 
Sertelun von ungen (Baugen offen» 
Baer uge efell haften und Baugenofjen: 


haften). Die Novelle vom 12. Aug. 1896 bezwedt 
in ber Hauptfade nur im —— des Detailge⸗ 
werbtreibenden die Durchführung des für die Kon» 


hs | jumvereine beſtehenden Verbots, an Nichtmitglieder 


u verlaufen, in erhöhter Weife —— Die 
. u. W. erwerben * der eingetragenen 
Benoflenihaft, wenn ierüber im Geſeß auf: 
geftellten Erforderniſſen gr prechen und die Ein» 
tragung in das bei ig zu führende Genoſſen⸗ 
ſchaftsregiſter erlangt Sie können derart 
errichtet werben, daß bie einzelnen Genofjen für 
bie Berbinblicteten ber — chaft er (alio 
eine ‚jo Nachſchuß⸗ oder Secungenfi fomie 
unmittelbar den Gläubigern derjelben mit ihrem 
gar Bermögen baften (eingetragene Ge: 
otfenfcaft mit unbejhränlter Haft: 
oilict), ober daß fie mar mit ihrem ganzen Ber: 
mögen , aber nicht unmittelbar den Gläubigern der 
Öenofien/taft verhaftet, ſondern nur verpflichtet 
find, der legtern die zur Befriedigung der Gläubiger 
erforderlichen Nachſchuſſe zu leiten (aljo nur eine 
Rachſchußpflicht, vaher der Name: eingetragene 
Genoſſenſchaft mit unbejhräntter Rach— 
ſchußpflicht), oder daß die Haftpflicht fomobl der 
Genoſſenſchaft wie unmittelbar den Gläubigern 


Erwerbs» und Wirtjchaftsgenofjenichaften 


über im voraus auf eine beftimmte Summe 
räntt ift (eingetragene Ra ER NIE 
zit beihräntter Haftpflicht). Ob die eine 
edet andere Art gewählt wird, ift wichtig für den 
en. Genoſſenſchaftstonkurſes. Die Zabl der 
fen muB mindejtens fieben fein. Die Firma 

der eingetragenen Genojjenihaft muß vom Gegen: 
kand des Unternehmens entlebnt jein und eine 
&ner der vorbenannten Arten der Genojjenidaften 
entiprechende zufäßliche Bezeichnung enthalten. Der 
Rame von Genotjen oder andern Perſonen darf 
in die Firma nicht aufgenommen werden. Jede 
neue Firma muß fi von allen an ———— Drte 
oder in derſelben Gemeinde bereits beſtehenden 
Firmen eingetragener Genoſſenſchaften deutlich 
unteribeiden. Das Statut der eingetragenen 
Genoſſenſchaft ift fchriftlih zu errichten. Dasjelbe 
mu enthalten Firma und Si der Genoſſenſchaft, 
Gegenitand des Unternehmens, Beitimmungen 
über Form der Berufung der Generalverfammlung 
und der Beurkundung ihrer Beihlüffe und über 
den Boris in der —— En gen 
über die Form, in welder die Genofjenihaft Be 
fanntmabungen erläßt, jowie über die öffentlichen 
Blätter, in welche fie aufjunebmen find. Das 
Etatut muß die Art der Haftpflihbt der Genojjen, 
die Grenze für die Höhe des Gejchäftsanteils nad 
eben und unten, die Grundfäße über Aufitellung 
und Prüfung der Bilanz und über ven Reſervefonds 
beitimmen. Notwendige Organe der Genoſſenſchaft 
find Vorſtand und Aufſichtsrat. Vorſtands- und 
Auffibtöratämitglieder müflen Genojjen fein. Der 
pe Bertretung der Genoſſenſchaft — Vor⸗ 
and beſteht aus mindeſtens zwei Mitgliedern 
und wird von der Generalverſammlung gewählt. 
Tas Statut kann höhere Mitgliederzahl und andere 
Art der Beitellung feitjegen. Die Beitellung ift zu 
jeder Zeit widerruflihd. Die von dem Rorjtande 
namens der Genoſſenſchaft abzugebenden Ertlärun: 
gen find von wenigſtens zwei, und wenn das Statut 
nichts anderes beftimmt, von jämtlihen Vorſtands⸗ 
mitgliedern zu zeihnen. Der Aufjihtsrat bat 
den Borftand bei jeiner Gejhäftsführung in allen 
— der Verwaltung zu überwachen. Er hat 
ahresrechnung, Bilanzen, Vorſchläge über Ber: 
teilung von Gewinn und Verluſt zu prüfen und 
der Generalverjammlung Bericht zu eritatten. Er 
nimmt die Rechte der Genoſſenſchaft gegen die Mit: 
glieder dei Vorjtanded wahr und kann diejelben 
—— Die Mitglieder des Aufſichtsrats dürfen 
leine Vergutung (Tantieme) beziehen; der Aufſichts⸗ 
tat beitebt, wenn nicht das Statut eine höhere Zahl 
beitimmt, aus drei von der Generalverjammlung 
zu wäblenden Mitgliedern. Die Anmeldung zur 
Eintragung liegt dem Vorftande ob. Sie erfolgt 
unter Beifügung des Statuts, welches von den 
Genofien unterzeichnet fein muß, und einer Ab: 
\hrift desjelben, einer Lifte der Genofjen und einer 
Abſchrift det Urkunden über die Beitellung des 
Vorſtandes und des Auffihtärats. Die Mitglieder 
des Voritandes haben ihre Unterſchrift vor dem 
Gericht zu unterzeichnen oder die Zeichnung in be: 
laubigter Form einzureihen. Das eingetragene 
Statut ift von dem Gericht mit der Belannt: 
machung zu veröffentlihen, daß bie Einſicht der 
te der Genofjen _mährend der Dienftitunden 
jetem geftattet it. Die Beröffentlihung muß ent- 
alten: Datum des Statut; Firma und Siß der 
Geellibaft; Gegenstand des Unternehmens; An: 


207 


ee der dffentlihen Blätter, in melden vie Bes 
nntmadhungen der Gejellihaft aufzunehmen find 
und bie Form, in welcher fie erfolgen; Zeitdauer 
der auf eine beitimmte Zeit beihräntten Benoffen: 
Halt: das Geihäftsjahr; Namen und Wohnort 
der Mitglieder des Vorſtandes. 

Vor erfolgter Eintragung in das Genoſſenſchafts⸗ 
regifter bat die Genoſſenſchaft die Rechte einer 
eingetragenen Genofjenjhaftnidt. Die ein: 
getragene Genoſſenſchaft ift Körperihaft, d. b 
Hi als ſolche rechts⸗ und prozeßfähig. Sie erwirbt 

echte und übernimmt —— als Ganzes, wie 
eine einzelne Perſon. Die Verteilung auf die Ein: 
elnen erfolgt erjt bei der Auflöfung der oſſen⸗ 
* und der dann eintretenden ne gi i 
So nimmt die eingetragene Genofienihaft na 
außen dieſelbe Stellung ein wie die Altiengefell: 
ſchaft oder ein Verein mit Korporationsrechten; fie 
—*——— erfon (f. d.). ; 

as Gejeg bat im zweiten Abfchnitt S 17—23) 
Beitimmungen getroffenüberdaö®erhä tnis der 
— zu den Genoſſen. Dasſelbe 
richtet ſich an erſter Stelle nach dem Statut; dieſes 
darf von den Beſtimmungen des Geſetzes nur 
— abweichen, als dies ausdrücklich für zus 
läſſig erklärt iſt. Nach der Anmeldung des Sta— 
tuts zum Genoſſenſchaftsregiſter bedarf ed zum 
Erwerbe der Mitgliedſchaft einer von dem Beitreten: 
den zu unterzeichnenden unbedingten Erflärung des 
Beitrittö. Der bei Genehmigung der Bilanz für 
die Genoflen fih ergebende Gewinn und Ber» 
luft des Geihäftsjahrs ift auf die Genoſſen zu ver⸗ 
teilen. Den Maßſtab, nad welchem fi Diele Ber: 
teilung vollzieht, bietet das jeweilige Guthaben 
der —— Genoſſen, wenn das Statut nicht 
anders beſtimmt. Die Verteilung des Gewinns er⸗ 
gt durch Zufchreibung, folange nit der Ge: 
häftsanteil erreicht ift. Auch findet bis zur Wieder: 
ergänzung eines durch Verlujt verminderten Gut: 
—— eine Auszahlung des Gewinns nicht ſtatt. 
urch Statut kann ferner feitgefegt werben, daß 
der Gewinn nicht verteilt, jondern dem Nejerve: 
fonds zuzuſchreiben jei. zuden von bejtimmter 
Höhe für das Geſchäftsguthaben zu vergüten, ift 
unzuläffig. Das Gejhäftsguthaben eines Genoflen 
darf, folange er nicht —— iſt, von der Ge⸗ 
noſſenſchaft nicht ausgezahlt oder zum — ge. 
nommen werben. Eine geſchuldete Einzahlung darf 
nicht erlafjen werben, no findet gegen ſolche eine 
Aufrechnung ftatt. — der Gläubiger und 
ber übrigen Genofjen kann eine Herabfegung bes 
Geihäftsanteild oder der auf denjelben zu leiten: 
den Einzahlungen und eine Verlängerung ber 
Friften nur unter Beobabtung der Beitimmungen 
erfolgen, weldhe für die Verteilung des Genoflen- 
ihaftsvermögens im Falle der ganz rer 
Jeder Genofje hat das Recht, mittels Auflündis 


"gung feinen Austritt aus ber Genoflenihaft zu 


erllären; die Auftündigung findet aber nur zum 
Schluſſe eined Geihäftsjahrs ftatt; fie muß min: 
deitens drei Monate zuvor erfolgen, dad Statut 
kann eine längere Friſt vorſchreiben, doch nicht über 
zwei —— ie Kündigung kann auch durch einen 
Gläubiger des Genoſſen erfolgen, welchem nad 
fruchtlos verſuchter Zwangsvollſtredung in deſſen 
übriges Vermögen das dem Genoſſen bei der Aus— 
einanderſezung zulommende Guthaben überwiejen 
ift. Ein Genojje fann von der Genofjenihaft aus: 
geichlofien werden 3. B. megen Verluſtes der bürger: 


208 


lichen Ehrenrechte. Die Auflündigung und der Aus— 
ſchluß find dem Gericht zeitig anzuzeigen und in 
die Liſte der Genofjen einzutragen. Die Ausein: 
anderjegung des Ausgeichiedenen mit der Genoſſen⸗ 
ſchaft beſtimmt ſich nah der Vermögenslage und 
dem Beftande der Mitglieder zur Zeit feines Aus: 
fcheideng; fie erfolgt auf Grund der Bilanz. Reicht 
das Vermögen zur Dedung der Schulden nicht 
aus, jo bat der Ausgeſchiedene von dem Fehlbe—⸗ 
trage den ihn treffenden Anteil an die Genoffen- 
ſchaft zu * Der Anteil wird in Ermangelung 
anderer Beſtimmung des Statuts nad der Kopf: 
zahl der Mitglieder berechnet. Die Klage des 
ausgeſchiedenen Genofien auf Auszahlung des Gut: 
babens verjährt in zwei Jahren. Wird die Ge 
nofienihaft binnen ſechs Monaten nah dem Aus: 
ſcheiden des Genoſſen aufgelöft, fo gilt fein Aus: 
ſcheiden als nicht erfolgt, der Benofie aftet alſo 
weiter, obne daß er inzwiſchen an den Beſchlüſſen 
der Genoſſenſchaft teilnehmen konnte. Sonjt wird 
ihm das Guthaben nad Ablauf der ſechs Monate 
ausgezahlt, ohne daß er an den Reſervefonds 
und das fonftige Bermögen der Genofjenihaft 
Aniprüde - Der Genofje fann im Laufe des 
Geſchäftsjahrs dadurch ausſcheiden, daß er jein 
ältsguthaben einem andern überträgt, wenn 
dieſer an feiner Stelle Genoſſe wird, oder, fofern 
verjelbe ſchon Genoſſe ift, wenn deſſen Guthaben 
zufarmen mit dem Guthaben des ausjheidenden 
Genoyen den Gejhäftsanteil nicht überfteigt. Wird 
die Genoſſenſchaft in jolhem Falle binnen ſechs 
Monaten nah dem Ausſcheiden des Genofien auf: 
elöit, jo bat diejer im * der Eröffnung des 
onturjes die Nachſchuſſe jo weit zu leiften, als der 
Erwerber dazu unvermögend ift. Das Statut kann 
beitimmen, daß bie Übertragung des Geſchäfts⸗ 
anteild an einen andern ausgeſchloſſen oder an 
noch weitere gie son efnüpft fein fol. 
Im Fall des Todes eines —* gilt dieſer mit 
dem Schluſſe des Geſchäftsjahrs, in welchem der 
Tod erfolgt iſt, als ausgeſchieden. 

Die Genoſſenſchafi lann von der Generalver: 
fammlung jederzeit aufgeldft werben. Der Beſchluß 
bedarf einer Mebrbeit von drei Vierteilen der er: 
—— Genoſſen. Das Statut kann noch andere 

orderniſſe aufitellen. Die en ift zur Ein⸗ 
tragung in das Genofienfchaftäregifter anzumelven. 
ft die Zeitbauer der Genoſſenſchaft nad dem Statut 
ejbräntt, jo tritt die Auflöjung mit Ablauf der 
Zeit ein. Sinkt die Zahl der Genofjen auf weniger 
als fieben herab, jo hat das Geriht auf Antrag 
des Borftandes oder von Amts wegen die Aufld« 
un auszufpreben. Diefjelbe fann aud von der 
erwaltungöbehörbe ausgeſprochen werben, wenn 
eine Geno —— ſich geſezwidriger Handlungen 
oder Unterl Kr gi —— macht, durch welche 
das Gemeinwoh geit rdet wird, oder wenn fie 
andere ala die oben bezeichneten geſchäftlichen Zwecke 
(8. 1 des Geſetzes) —— Die Liquidation erfolgt 
durch den Vorſtand, wenn dieſelbe nicht durch Statut 
oder durch Generalverſammlungsbeſchluß andern 
Perſonen übertragen wird. Aut Antrag des Auf: 
ſichtsrats oder des zehnten Teild der Genoſſen kann 
die Ernennung von Liquidatoren durd das Gericht 
erfolgen. Über die Liquidation enthält das Gejes 
Vorſchriften, melde der für die Altiengefellichaft 
etroffenen nachgebildet find. Die Verteilung er: 
Pit zunächſt nah Verhältnis der Geſchäftsgut— 
aben, darüber hinaus nah Köpfen. Das Statut 


Erwerbs⸗ und Wirtjchaftsgenofjenichaften 


fann ein anderes Verhältnis für die Verteilung be 
jtimmen oder die Verteilung des Vermögens übers 
baupt ausſchließen. Letzternfalls fällt diejes Rein: 
vermögen, jofern es nicht ftatutarifch einer phyſi ſchen 
oder juriſt. Perjon zu bejtimmtem Zwed über 
wieſen ilt, an die Gemeinde des Genojienichafts- 
fies, welche die Zinfen zu gemeinnüßigen Jeden 
u verwenden hat ($. 92). Die Verteilung des 
Ögens unter die Genoflen darf nit vor Til 
gung oder Dedung der Schulden und nicht vor Abs 
auf eines Jahres jeit dem Tage vorlegen werben, 
an weldem die Aufforderung der Gläubiger in den 
ierzu beftimmten Blättern zum drittenmal erfolgt 
iſt. Liquidatoren, welde dieſer Vorſchrift zumider: 
handeln, und Mitglieder des Aufſichtsrats, welche 
mit Kenntnis der Zuwiderhandlung nicht eingeſchrit⸗ 
ten ſind, haften den Gläubigern ſolidariſch. 

Die Genoſſenſchaft wird ferner aufgelöft durch 
Eröffnung des Konkurſes. Derjelbe kann auch 
nad anderweiter Auflöjung eröffnet werden, fo: 
lange das Genoſſenſchaftsvermögen nicht verteilt 
ift. Der Konkurs ift zu eröffnen im alle der Zah⸗ 
lung3unfäbigteit, nad andermweiter Auflöjung auch 
im Fall der Überfhuldung. Die Eröffnung erfolat 
auf Antrag des Vorftandes, eines ag des 
Borftandes oder der Gläubiger. Eine Aufbebung 
des Konkurſes . Zwangsvergleich findet nicht 
tatt. Someit die Konturägläubiger wegen ibrer 
ei der Schlußverteilung berüdiihtigten Forde— 
rungen aus dem zur Zeit der Konturseröffnung 
vorhandenen Vermögen der Genofjenihaft nicht 
befriedigt werden, find die Genofien — 
Nahihüffe zur Konkursmaſſe zu leiſten. 
Geiek bat das — geordnet, in welchem die 
Höhe der Nachſchuſſe jo feſtgeſtellt wird, daß auf 
Grund der Berechnung die Zwangsvollſtreckung 
gepen den einzelnen Genoſſen ftattfindet ($$. 105 fe.). 

te für vollftredbar erllärte Berehnung kann von 
jedem Genofjen im Wege der Klage angefochten 
werben ($. 111). Übrigens ftellt * das Maß der 
zu leiſtenden Nachſchüſſe für die Genoſſenſchaften 
mit verſchieden geordneter Haftbarkeit verſchieden. 

Bei Genoſſenſchaften mit beſchränkter Haft» 
pflicht darf die Haftjumme ber einzelnen Genofjen 
nicht niedriger als der Geſchäftsanteil fein. Sie 
muß bei Errihtung der Genofjenidaft ſtatutariſch 
beftimmt werden; Beltimmung, wie eventuelle 
Abänderung ift zu veröffentlihen. Die Haftſumme 
kann dur einen Beihluß der Generalverjamms 
lung mit einer Mebrbeit von drei Bierteln der er 
ſchienenen Genofjen erhöht werden. Das Statut 
fann nod weitere Erfordernifje vorſchreiben. Für 
eine Herabjegung der Haftjumme find dieſelben 
—— wie für die Verteilung des Genoſſen⸗ 
ſchaftsvermögens im Fall der Auflöfung maß 
ebend. Das Konkursverfahren findet bei be 
— Genoſſenſchaft auch in dem Falle der 
überſchuldung ſtatt, ſofern die Überſchuldung 
ein Viertel des Betrages der Haftſummen aller 
Genoſſen überſteigt. Die einzelnen Genoſſen 
fönnen über ihre Haftfumme hinaus weder auf 
Leiſtung von Nachſchüſſen, noch von den Konkurs» 
läubigern in Anſpruch genommen werben. 

eno rg mit unbejhräntter Nach— 
ſchußpflicht find die einzelnen Genofjen mit 
ihrem ganzen Vermögen verpflichtet, der Genoſſen⸗ 
[Baft die zur Befriedi ung der Gläubiger erforder 
ichen Nachſchüſſe na aßgabe des Geſetzes zu 
leiſten. Im Falle des Konkurſes haften nicht bloß 


Erwerbsunfähigfeit 


vie innerhalb ver legten 6 Monate vor der Auf: 
Ikiung der Genofjenichaft ausgeſchiedenen Mit: 
glieder, auch die früber, d.h. innerhalb 18 Monate 
ver Ronturseröffnung ausgeſchiedenen Mitglieder 
ind heranzuziehen, wenn nad Ablauf von 3 Mo: 
naten jeit dem Xermine, in welchem die Nach: 
iaußberehnung für vollitredbar ertlärt iſt, die 
Befriedigung oder Siceritellung der Kontursgläu: 
biger noch nıcht bemirft ijt, deren Forderungen bei 
ver Shlufverteilung berüdfihtigt ſind. Doc find 
viejen Ausgeichiedenen die von ibnen geleijteten 
Berträge aus den Nachſchüuſſen der Genojjen zu er: 
ktatten, jobald die Befriedigung oder Sicheritellung 
jener Konkursgläubiger erfolgt ift. Bei den Ge: 
noſſenſhaften mit unbeſchränkter Haftpflicht 
baften die einzelnen Genofien mit ibrem ganzen 
Vermögen nicht bloß der Genoſſenſchaft, jondern 
unmittelbar auch den Gläubigern verjelben im 
folgender Weiſe. Sobald ſich bei der Geſchäftsfüh— 
tung ergiebt, dab das Vermögen der Genoſſenſchaft 
ur Dedung der Schulden nicht ausreicht, bat der 
Korkand die Generalverfjammlung zur Beichluß: 
jafjung, ob die Genoſſenſchaft aufgelöft werben foll, 
zu berufen. Im Fall des Konkurſes find die ein: 
jelnen Genofjen mit ibrem aanzen Vermögen den 
KRonturdgläubigern für den —— verhaftet, wel⸗ 
&ben dieſe an ihren bei der Schlußverteilung berüd: 
fihtigten Forderungen erleiden. Nah Ablauf von 
3 Monaten jeit vem Termin, in welchem die Nach— 
ſchußberechnung für vollitredbar erklärt ift, fönnen 
die Gläubiger, joweit fie bisher nicht befriedigt find, 
die einzelnen Genofjen in Anſpruch nehmen, obne 
dab den lektern die Einrede der Teilung auitebt. 
Eomeit die in Anſpruch genommenen Genojjen die 
Konturögläubiger befriedigen, treten Ie in die 
Rechte der leutern gegen die Genoſſenſchaft ein. 
Bon den Gläubigern in Anſpruch genommen wer: 
den können auch ſolche frühere Genofjen, melde 
in den legten 2 Jahren vor Eröffriung des Kon: 
kurjes ausgefcieden jind. Die Klage der Gläubiger 
gegen die einzelnen Genoflen verjährt in 2 Jahren. 
ur Siberftellung der Gläubiger wie der 
einzelnen Genofien entbält das Gejeg endlib in 
den $$. 53—64 Beitimmungen, nad welchen Ein: 
rihtungen und Geihäftsfübrung der €. u. W. in 
allen ibren Zmeigen mindeitens in jedem zweiten 
Jabre der Brüfung durd einen der Genoſſenſchaft 
nicht angebörigen, jelbjtändigen Revifor zu unter: 
en ſind. 

Einzelne Underungen an dem Genojlenihaftäge: 
jeg ſind jüngit durch das Einführungsgefes zum 
Handelsgeſeßzbuch vorgenommen worden, indem 
danad unter anderm auch die Nichtigerllärung einer 
Genoſſenſchaft wegen Abgangs wejentlider Beitim: 
mungen oder Borbandenteins nichtiger Beitimmun: 

—— Statut ausgeſprochen werden lann, mas bie 
idlung ihrer Berhältnifje na den für den all 

der Auflöjung geltenden Borichriften zur Folge dat 
Dieſe Beftimmungen find 1900 in Kraft getreten. 
Val. Holyoale, History of Cooperation (2 Bde., 
nd. 1885—86 ; Deutich Lpz. 1888); Hopkins, His- 
tory of cooperation in the United States (Yond. 
1888); Erüger, Die E. u. W. in den einzelnen Län: 
ern (Jena 1892); derj., Der heutige Stand des 
deutichen Genojjenicaftswejens (Berl. 1898); Webb, 
Die brit. — — (Lpz. 1893); 
Jeidler, Geſchichte des deutſchen Genoſſenſchafts— 
wejens (ebd. 1893); Genoſſenſchaftliche Zeit: und 
Streitiragen (Berl. 1895 fg.); Knittel, Beiträge 
Bredbau⸗e Ronverfations-keriton. 14 Anfl. RAM vi 


209 


zur Geſchichte des deutſchen Genoſſenſchaftsweſens 
—* i. Br. 1895); Die gewerblichen Genoſſen⸗ 
ſchaften in Oſterreich, bg. vom oſterr. Handelsmini⸗ 
ſterium (2 Bde. Wien 1895); Jeſſenberger, Die 
eingetragenen Genofjenihaften (Würzb. 1897); 
Barifius und Cruger, Formularbuch zum Reichs: 
geiek betr. die E. u. W. (3. Aufl., Berl. 1900); Artikel 
Erwerbs: und Wirtſchaftsgenoſſenſchaften im «Hand: 
wörterbuch der Staatsmijjenihaiten», Bd.3 (2. Aufl., 
Jena 1900); Graf, Das Genojjenichaftäweien im 
Handwerk (Lpz. 1902); Ausgaben des deutichen Ge: 
ſeßes, aum Teil mit Anmerlungen, veröfjentlichten 
Birlenbihl (Neumied 1899), Gareid (Gieß. 1849), 
Merzbacher (Münd. 1900), O. Nichter (Lpz. 1900), 
Stoll (Karlär. 1900), Pariſius und Erüger (9. Aufl., 
Berl. 1901); einen ausführlichen Kommentar gaben 
Barifius und Crüger (3. Aufl., ebd. 1899) beraus, 
Periodiſch erjcheinen «Blätter für Genojjenihafts: 
weſens (Lpz. und Berl. 1866 fg.); «Jabresberichte 
über die deutſchen E. u. W.» (Lpz. 1865997; feit: 
dem u.d.T. «Jahrbuch des Allgemeinen Verban— 
des der beutichen €. u. W.», Berl, 1898 fg.); «Mit⸗ 
teilungen über die allgemeinen Genoſſenſchaftstage⸗ 
(ebd. 1897 fg.); «Die Genoſſenſchaft⸗ (Wien 1871 fg.). 

Erwerböunfähigfeit. Die E. ift die Voraus: 
jegung für faft alle Unterftügungsanfprüde aus 
den Arbeiterverfiherungsgejeßen und für die Dauer 
diejer Anſprüche. Bei der Kranfenverfiherung 
wird zwar Arzt und Arznei bei jeder Krankheit, 
Krankengeld dagegen nur dann gewäbrt, wenn bie 
Krankheit mit E. verbunden iſt Ktanlenverſicherungs⸗ 
gef etz $.6); leztere muß in dieſem Sinne dann als vor: 
iegend angeteben werben, wenn ber Berficherte durch 
die Krankheit verhindert wird, feinem biöberigen 
Erwerb nadyzugeben. Bei der Unfallverſiche— 


rung lommt es binfichtlich der Höhe der Mente, 
der Zuſtändigkeit zur Feſtſezung berjelben und 
der Zuläſſigkeit der Rechtsmittel weſentlich auf 


das Maß der dur den Unfall berbeigeführten E. 
an; ed wird dabei völlige und teilmeife, dauernde 
und vorübergebende €. unterſchieden. Böllige E. 
bedingt eine Rente von zwei Dritteln des biöberigen 
Jabhresarbeitsverdienftes (Bollrente); teilweiſe €, 
—— einen Bruchteil der Vollrente, welcher das 
nad berechnet werden muß, welden Bructeil des 
bisherigen Verdienſtes der Verleßte noch ferner 
verdienen fann ( — — . 9). 
Diejer Bruchteil verbält fib zu der vollen Rente 
wie der verlorene Teil der Erwerbsfäbigteit zu der 
vollen Grwerbsfäbigteit. Wer aljo nach dem Unfall 
noch ein Viertel jeines bisherigen Berdienftes ver: 
dienen lann, dem find drei Viertel der vollen Rente, 
aljo die Hälfte feines bisherigen Jabresarbeitsver: 
dienjtes zu gemäbren. Bei vorausfihtlih vorüber: 
gehender E. (d.i. nad der Praxis eine E,, die vor: 
ausfichtlih binnen 6 Monaten befeitigt fein wird) 
ift die Seltion oder der Vertrauensmann zur Feſt— 
jegung der Rente zuftändig, auch ift in dieſen Fällen 
dasSciebögerichtäurteilendgültig; beidauernder 
E. ijt immer der Relurs an das Reichsverſicherungs— 
amt (oder Landesverjiherungsamt) zuläjlig; auch 
wird die Rente für jolde Fälle nach der gejeplichen 
Regel, welche aber durch das Statut geändert werben 
darf, von dem Genoſſenſchaftsvorſtande jelbit feit: 
geftellt B———— 88. 69, 80). Bei 
der Invaliditäts- und tersverfiderung 
tennt das Gejeg (vom 13. Juli 1899) zwei Fälle 
von €,, eritens eine E., welche die icherungs⸗ 
pflicht ausſchließt und damit von der Beitrags⸗ 


14 


210 


leiltung entbindet ($. 5, Abj. 4), und zweitens eine 
E. deren Eintritt für Verficerte den Anſpruch auf 
Snvalidenrente begründet ($. 15, Abi. 2). Die E. 
war nad dem Gejeß vom 22. Juni 1889 für beide 
gale gejeblich anders definiert. Die zweitgenannte 
. war anzunehmen, wenn der Berficherte nicht 
mebr ein Sedjtel des 300fahen Betrags des 
ortsüblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagesarbeiter 
und ein Secjitel des Durchſchnitts der Lohnjäte, 
d. i. des Durchſchnitts-Normal⸗)lohns derjenigen 
Lohnklaſſen erwerben konnte, in melden ir ihn 
während ber lekten 5 Jahre Beiträge entrichtet 
wurden. Man wollte aljo bei ver Feititellung dieier 
€. den allgemeinen Durchſchnittsverdienſt der Ar: 
beiter und den burdbjcnittlihen Normalſaß der 
Arbeiterklafje, welcher der Invalide angehörte, kom: 
binieren. Allein diefe Kombination ift für den Ar: 
beitgeber, der über Die Verſicherungs⸗ und Beitrags: 
pflidht eines ältern und in feiner Erwerbsfähigkeit 
beſchränkten Arbeiters fih unterrichten muß, überaus 
erihwert und zu kompliziert. Deswegen bat das 
Geſeh vom 13. Juli 1899 es vorgezogen, die E. in 
diejem zweiten Fall nach demfelben in der Praris 
leicht ertennbaren,, aljo etwas niebrigern Maßitab 
zu bemejjen wie im erjten Fall, nämlich danach, ob 
jemand nicht mebr im ftande ijt, durch eine feinen 
Kräften und Fähigleiten entſprechende Thätigfeit, 
die ihm unter billiger Berüdfichtigung feiner Aus: 
bildung und feines bisherigen Beruiß jugemutet 
werden fann, ein Drittel desjenigen zu erwerben, 
was förperlih und geiſtig gefunde Perfonen der: 
felben Art mit ähnlicher Ausbildung in derfjelben Ge: 
gend durch Arbeit zu verdienen pflegen — 5, Abſ. 4). 
E.während derdem Intrafttretendes Geſetzes unmit: 
telbar vorangehenden Jahre geftattet nicht die Anz 
wendung der Übergangsbeitimmungen ($$. 189 fg.), 
weil ſolche E. eben den Eintritt der Verſicherungs— 
pflicht hindert und die Übergangsbejtimmungen ab: 
fichtlich nur denjenigen zu gute fommen follen, welche 
innerhalb der dem Inkrafttreten des Geſetzes zunächſt 
vorangebenden Jahre verfiberungspflichtig geweien 
fein würden, fofern das die Verficherungspflicht bes 
ründende Gejek damals fchon bejtanden hätte. — 
iſt nicht mit Erwerbsloſigkeit zu verwechjeln. 
Erſtere beſteht, wenn die Möglichkeit, durch Arbeit 
zu erwerben, aus gefundbeitlihen Gründen fort: 
gefallen ift; leßtere, wenn der Mangel des Erwerbs 
durch objeltives Fehlen der Gelegenheit zum Gr: 
werb, freiwillige Aufgeben der Erwerb3arbeit u.a. 
berbeigefübrt ıft. Ahr dient die Arbeitslofen: und 
Streitverfiherung (j. Arbeitölofigleitsverfiherung 
und Gemwerkvereine). — Bol. 2. Beder, Lehrbuch der 
ärztlihen Sachverſtändigenthätigkeit für die Unfall: 
und nvaliditätsverjicherungsgelebgebung (4. Aufl., 
Berl. 1900); Statiftil der Urjachen der E. nadı dem 
enge pi und Altersverfiherungsgefeb. 4. Bei: 
eft der «Amtlihen Nachrichten des Reichsverſiche⸗ 
rungsamtes» (ebd. 1898); Seelmann, Die Feſtſtel⸗ 
lung der Invalidität im Sinne bes nvalidenver: 
fiberungsgejeßes (ebd. 1901). Am Sinne der Ar: 
menpflege und der familienrehtliben Alimen: 
tationspflicht (Bürgerl. Geſetzb. $. 1602) ift er: 
werböunfäbig, wer aus irgend einem Grunde außer 
ftande ift, ſich ſelbſt ji unterbalten. 
Erwerbövermödgen, j. Vermögen. 
Erwiderung von Verbrechen, ſ. Kompen⸗ 
ation. 
Erwin, feit 1277 Baumeijter am Münjter zu 
Etraßburg, erbaute dort die prachtvolle Schaufeite 


Erwerbövermögen — Erworbene Rechte 


im Stil der franz. Dome, die jedoch erit 1339 (die 
Plattform erit 1365) vollendet wurde. Nurbder nörbl 
Turm und zwar nur bis zu den Fenſtern des Bloden: 
baufes wurde nad) altem Blan aufgeführt. Ferner er: 
böbte E. das Mitteljchiff des Münfters. (S. Zafel: 
Deutſche Kunſt IH, Fig. 2.) Sein Anteil an 
andern Bauten ift nicht ficher zu erweifen, doch war 
er zweifellos ein hervorragender Meijter in feiner 
Kunft. Er ftarb 17. Yan. 1318. Aufeiner Anhöhe bei 
Steinbadh wurde ibm 1844 ein Standbild errichtet. 
Der Zujak zu feinem Namen E. von Steinbad 
taucht erft ſeit dem 17. Jahrh. auf und gründet ji 
auf eine ſchwerlich alte, aufgemalte Inſchrift am 
Hauptportal. Erwiejen ift, daß die angebliche Tod: 
ter und Schülerin E.s, die Bildhauerin Sabine 
von Steinbad, nicht gelebt hat. Dagegen treten 
nah E.s Tode feine Söhne E. oder Erlewin 
(1335—38), Johannes Winlin oder Winde: 
lin (1332—34, geit. vor 1342) und Gerlad (bis 
1371 vortommend) auf. — Vgl. F. X. Kraus, Meitter 
E. und feine Yyamilie (in der Kunſtchronil⸗, XI, 
Lpz. 1876); derj., u und Altertum in Elia: 
Lothringen (Bd. 1, 2 Abteil., Etrafb. 1876—77). 
Eriwitte Flecken im Kreis Lippjtadt des preuf. 
Reg.⸗Bez. Arnsberg, an der Nebenlinie Warftein: 
Sippftadt der Weitfäl. Landeseijenbabn, Sitz eines 
Amtsgerichts (Landgeriht Paderborn), hat (1900) 
1569 E., darunter 50 Evangelifhe und 29 Istae 
liten, (1905) 1600 €., Bojt, Telegrapb, Neltorat?: 
ſchule, Krantenbaus; Cigarrenfabriten. 
Erworben beißt im Unterſchied von Angeboren 
(1. d.) ein aus der Erfahrung newonnener Bearifl. 
Erworben find eigentlih alle Begriffe, wenngleich 
die letzte Wurzel aller Begrifisbildung in urjprüng: 
lichen Gejegen unſers Bewußtfeins liegt. 
Erworbene Rechte (Jura quaesita, Jurs 
singulorum), der Gegenfaß 1) zu den angeborenen 
Rechten (f. Angeboren), die nach Anficht diefer oder 
jener philoſ. over polit. ——— das Weſen 
des Menſchen nicht geforderten Rechte bedeutend, 
2) zu den Rechtshoffnungen und Rechtsmöglichlkeiten, 
foviel wie beftehende Rechte bedeutend, in dieſem 
Sinne mit dem Zuſatz «mwohlerworben» (mobler 
worbene Rechte) früher verjeben, weil man ſchon 
die bloßen Rechtsausſichten als wirkliche Rechte an: 
fab. Der Ausprud bat jurift. Bedeutung nur im 
jweiten Sinn, denn jurijtifch ift gar fein Recht an 
eboren, fondern alle find erworben, d. b. durd die 
Rechtsordnung gu Die jurift. Bedeutung 
des Ausdruds E. R. liegt in dem Satz, daß neue 
Geſetze auf vergangene Thatſachen im Zweifel leine 
Anmendung finden, wie man fagt, Gejege keine 
rüdwirtende Kraft baben. E3 wurde früber (©u: 
vignd, a dabin ausgedrückt: «Neue Ge 
fee laſſen E.R. unberührt.» Der Say ei nur für 
das Privat, nicht jr das öffentlihe Recht. Wenn 
eu die Gejeßgebung das geſetzliche Alter der 
olljährigteit vom 21. auf das 25. Lebensjahr ver: 
legte, jo würden die Menſchen, welche bereits das 
21. Lebensjahr aber nod nicht das 25. Lebens: 
jahr erreicht haben, nicht wieder unter Vormund- 
haft treten. Wenn andererjeit3 in einem Lande, 
in meldhem bisher die Soldaten geworben jind, 
das Aushebungsſyſtem eingeführt wird, jo müjlen 
die nach dem neuen Geſetze militärpflichtigen Leute 
fofort eintreten. Auch innerhalb des Privatredts 
gilt der Sat nur für Gejege, durch deren Anwen: 
dung die beitebenden Rechtsverhältniſſe verſchlechtert 
würden, Gr gilt nicht, wenn das neue Geich 


Erwürgen — Erythem 


wöhließlih eine Beilerftellung dieſet Rechtsver⸗ 
bälmifie zu bewirten geeignet ift. Das Einführung: 
acer zum Deutichen Bürgerl. Geſeßbuch regelt in 
den Art. 198 — 217 — wie weit ſich nach 
dem Inkrafttreten des Bürgerl. Geſetzbuchs be: 
hebende Rechts verhältniſſe nach den bisherigen Ge⸗ 
ſehen deſtimmen ſollen. Es iſt falſch, zu behaupten, 
der Staat lönne durch ſeine Geſetzgebung E. R. nicht 
beieitigen, die E. R. feien unverleglih. Cine recht: 
ide Chrante für die Staatsgewalt bilden bes 
de Rechte nit. Wäre * eine ſolche geweſen, 
ſo würden die bedeutendſten Fortſchritte, welche wir 
im Laufe des 19. Jahrh. gemadt haben, unmög- 
lich geweſen jein (Aufhebung von Leibeigenſchaft, 
Lehns herrlichleit, Jagdrecht auf fremdem Grund und 
den, gewerblicher Zwang®: und Banntechte und 
ausfcli icher Gemwerbeberechtigungen; Ablöfung 
von Reallaften und Serituten; Eifenbahnverftaat: 
lichungen, — — en u. ſ. w.) Nur der 
Ca iſt rihtig: der Staat Joll in E. R. nur ein 
greifen, wenn es burd höhere Rüdfihten des Ge 
meinmwobls gefordert wird. Vermögensrechte follten 
nur gegen Entibädigung aufgehoben werden. Das 
Gerühmtefte an einer derartigen Entihädigung 
bietet die engl. Stlavenemancipation (f. Stlaverei), 
welche nicht anders erfolgte, ald daß die Eigentümer 
der für frei erklärten Sklaven vom Staat entſchä⸗ 
digt wurden. 

Eine andere, aber unbaltbare Theorie verfteht 
unter E.R. im zweiten Sinne die dur einen ſpe⸗ 
ciellen Rechtstitel ermorbenen, individuell bejtimms 
ten Perſonen juftebenden Rechte, wie das Eigen: 
tum, jofern e8 durch Kauf und Übergabe erworben 
it, im Gegenjaß zu den auf Geſetz —— (ſog. 
—— — Ständen oder Perſonenllaſſen 

uftebenden Rechten — alle, Gerber, Gierke). — 

Rot. Eormar Vom te, das mit uns geboren 

1893); Regelsberger, Pandelten, Bd. 1 (Lyʒ. 
1893), 8.47; Georg Meyer, Der Staat und die E. 

Erwürgen, j. Erbrofielung. ebd. 1895). 

Eracl., bei naturmifjenihaftlihen Namen Abs 
türzung für Job. Chriſtian eben (f. d.). 

Errieben u he Kreis Neuhaldensleben des 

reu Reg. Bei. deburg, an der Nebenbahn 
— aldensleben⸗Eilsleben (Station E.Uhrsleben), 
Sis eines Amtsgerichts (Landgericht Magdeburg), 
erg nn 2 —— gran ae 

rapb, jwei Nittergüter; Molterei, Damp e. 

Ergleben, Job. briftian, Mediziner und Natur: 

der, geb. 22. Juni 1744 zu Queblinburg als 
Sohn von Dorotbea Chriftine E., geborener 
Zeporin (geb.13.Rov. 1715, geft. 18. Juni 1762), 
der erſten Frau in Deutichland, welche die mediz. 
Doltorwürde erlangte. E. wurde 1771 außerorb., 
1775 ord. Brofeflor der Phyfil in Göttingen, wo er 
19. Aug. 1777 ftarb. €. ſchrieb: «Anfangsgründe 
der Raturgeihichte» (Gött.1767;4. Aufl. 1791), · An⸗ 
fangsgründe der Raturlehre» (ebd. 1772; 8. Aufl. 
1794), «Bhyfil.shymifhe Abhandlungen» (2pj. 
1776), «Systema regni animalis » (ebd. 1777). 

ſ. Sandſchlangen. 

Eryeina (Eryline), Beiname der Aphrodite 
nad dem Tempel auf dem Berge Eryr (f. d.). Bei 
den Römern wurde ber E. in Nom 216 v. Chr. ein 
Tempel auf dem Kapitol und 181 v. Chr. ein zweiter 
vor dem Colliniſchen Thor auf dem Quirinalgemeibt. 

Ery ifcher Eber, |. Heralles. 

Erymantho®, im Altertum Name des je 
Elonos genannten weitlihiten der nordarlad. 


211 


Hochgebirge (2224 m), auf der Grenze von Arka⸗ 
dien, Elis und Achaia (f. Karte: Grieche nland), 
in weldem der Sage nad Heralles ven Erymanthi⸗ 
ſchen Eber — gr 
id De ., Pflanzengattung aus der Fa: 
milie der Umbelliferen (j. d.) mit zahlreichen, * 
einen großen Teil der Erde verbreiteten Arten, 
meiſt dornigen, diftelförmigen, lahlen Kräutern mit 
aufrechtem, äjtigem weg eblättertem Stengel 
und langgeitielten Wurze lättern. Die kleinen 
Blüten find in balbkugelige, von dornigen langen 
üllblättern —— Köpfchen geitellt. Die ver: 
eitetfte Art in Europa ift E. campestre L., 
Mannstreu oder Brachdiſtel, eine ın Deutſch— 
land häufige, ausdauernde Pflanze von hell grau: 
rüner Farbe. Ihre lederartigen, ftarren Blätter 
And dreizäblig, zerfchnitten, die Blüten weiß oder 
rünlih. Ihre Wurzel war früher offizinell. Eine 
Behr ſchöne Pflanze ift das auf den Dünen am 
Strande der Dit: und Nordfee und auch des Mittel: 
ländifhen Meerö wachſende E. maritimum L., die 
blaue Meerwurz oder Meerdiſtel, deren fleis 
ſchige Frühjahrsſchoſſen wie Spargel genoſſen wer: 
den können. Stengel und Blätter find blaugrün, 
die Blüten und bie —— gelappten, 
dornigen Hüllblätter ſchön blau. Einige Arten 
baben ganz azurblau angelaufene Stengel, Üfte, 
Dedblätter und Blüten, 5. B. E. amethystinum ZL. 
aus Südeuropa, auch als Zierpflanze kultiviert. 
ri, Berg, |. Snomdon. 
Exyſichthon, der Sohn des Triopas, Königs 
von Thejjalien. Er wurde nad) der griech. Sage da: 
ür, daß er in einem der Demeter heiligen Haine zu 
otion Bäume umbieb, von diejer mit einem nie 
zu —— Hunger gepeinigt. Nach ſpäterer Sage 
verlaufte er jeine Tochter Hypermneftra, Mnejtra 
oder Meftra, um von dem Kaufpreis fich . fättis 
en. Dieje batte aber von Poſeidon die Gabe er: 
alten, ſich in verſchiedene Geitalten zu verwandeln, 
und kehrte jo immer wieder zu ihrem Vater zurüd. 
Zulegt aber zehrte fich dieſer dennoch felbit auf. 
Erpfipel oder Eryfipelas (grch.), Roſe, Not: 
lauf, wandernde Haut» oder Zellgewebsentzünbung 
(. Rofe); eryfipelatds, rojen: oder rotlaufartig, 
von der Roſe befallen. 
fipeloid, zoonotiſches, eine fi langjam 
ausbreitende entzündliche, ſchmerzhafte Nöte an den 
Händen von Berjonen, die mit toten Tierſtoffen zu 
thun baben, 3.8. Wildhändler, Fiſchhändler, Ködin: 
nen, Fleiſcher u. ſ. w. Das E. iſt eine ungefäbrliche, 
jedoch zuweilen recht langwierige Wundkranlheit; fie 
entfteht durch Einimpfung einer beſtimmten Babte⸗ 
rienform im Anſchluß an meift leichte Verlegungen. 
ieber ift gewoͤhnlich nicht vorhanden. Die bejte 
ndlung beſteht in Einjprigung von 3prozentiger 
rboljäure in die entzündeten Hautjtellen und 
he, j. Meltau. (Umgebung. 
ous rubeoüla Cw., j. Rotlehlchen und 
Tafel Mitteleuropäifhe Singvögel U, 
ig, beim Artitel Sinwögl. 
rythem (grch.), in der Medizin eine akute 
oberflählihe Hautentzündung, melde fi durch 
ausgebreitete, auf Fingerdrud völlig verſchwindende 
Nöte der Haut, dur mehr oder minder lebhaftes 
Brennen und leichte hr der Epidermid 
tennzeichnet und fi von der Roje N d.) bauptjäd: 
(ih durd ihre Entjtebungsweife, ihren fieberlojen 
Verlauf, die geringere Schwellung der betroffenen 
Hautflähe und den Mangel von Brnfenihmwelluns 
14* 


212 


gen unterfceidet. Am bäufigften entjteht das €. 
dur mechan. Reizungen der Haut (j. Hautmwolf), 
erner durch Einwirkung hoher Temperaturen, ind: 
eiondere der direlten Sonnenitrablen, dur de: 
mifch reizende Stoffe, wie Senföl, Kanthariden, die 
Haare der = ejliondraupe u. dgl. In der Regel 
enügt bie ernung der genannten Schäpdlid: 
eiten, um auch alsbald das €, zum Verſchwinden 
u bringen; in bartnädigen Fällen erweifen ſich kalte 

midläge, Doucebäder, Aufftreichen von Bleijalbe 
oder Hebrafcher Salbe jomwie gleichzeitig damit ans 
newandtes Streupulver aus Sin od (1 Zeil) und 
Stärtemebl (4 Teile) nutzlich. mir Lehen von dem 
ewohnlichen €. ift durch feinen eigentümlichen Ver: 
auf das inotige €. (Erythema nodosum), welches 
bisweilen ohne belannte Veranlafjung bei jugend: 
liben Berjonen auftritt und fi meiſt wochen-, 
mitunter felbft monatelang binztebt. Unter Fieber: 
erjheinungen, Niedergeſch — 
Gelenlſchmerzen und Cclaflofigteit bilden ſich haupt: 
ſächlich an den untern Extremitäten, namentlich an 
den Unterſchenleln, walnußgroße, bei Drud ſehr 
—— rote Hautlnoten, welche große AÄhnlich⸗ 
eit mitden durch Stößeentftandenen Beulen beſitzen. 

Eröthrä, im Altertum eine Stadt in Böotien 
nabebeim Schlachtfeld von Platää, die ſchon zur Zeit 
des Paufanias verödet war, und dann aud Ihre 
Tochterſtadt (jest Ritri), eine der 12 ion. Städte 
in Kleinaſien auf einem Vorſprung der Küjte, gegen: 
über der Inſel Ebios. Die Stadt ijt berühmt durch 
die nad ihr genannte Sibylle (f. d.) und einen ur: 
alten Tempel des Heralles. — Bol. Gaebler, Ery: 
tbrä (Berl. 1892). 

aea Rich., ſ. TZaufenpgüldentraut. E. 
centaurlum L., das gemeine Taujendgüldentraut, 
f. Tafel: Gontorten, Fig. 4. 

Erythräa (ital. Eritrea), ital. Kolonie an der 
Weſtküſte des Noten Meers (f. Harte: Abejfinien 
u.f. w., Bd. 17); fie umfaßt den zwiſchen Ras Kaſar 
(18° 2’ nördl. Br.) und Ras Dumeirab (unweit der 
Strabe von Bab el: Mandeb ſüdlich von Nabeita, 
12° 30’ nördl. Br.) liegenden Küſtenſtrich mit den 
Küfteninjeln Maſſaua, Dablat und Hauatil und den 
nördl. Zeil des abeſſin. Hochlandes mit den Städten 
Keren, Ailet und Gura; gegen Abeſſinien verläuft 
die Grenze zunädjft entlang der Mareb: Beleja: 
Dluna:Linie, dann parallel der Küfte in 60 km Ab» 
tand von derjelben. Die Nordarenze ziebt ſich vom 

as Kaſar über den Dichebel Kureb und öjtlib an 
Rajjala vorbei zum Mareb. Die fläche der Stolonie 
E. beträgt 247300 qkm, die Bevölferung nad der 
Zäblung 1899: 327502 Eingeborene und 2014 
Fremde. Hauptorte der Kolonie find Maſſaua, As: 
mara und fleren. Sik der Regierung ijt neuerdings 
Asmara. liber das früber zu E. gehörige Italieniſch⸗ 
Eomalland f. Somalland, 

Das a. abeifin. Hochland gehörende Gebiet liegt 
in der Dollaregion und wird wegen jeiner Höhen⸗ 
lage als Gejundbeitsjtation der ital. Truppen be 
nußt. Das Küftengebiet, in dem nur Winterregen 
fällt, hat Steppencaratter mit jpärlicher Vegetation 
und wenigen menschlichen und tierischen Bewohnern; 
Zaufende von auf dem Hocdlande entiprungenen 
Rinnjalen durchfurchen die aus Kalt, befonders Ma: 
dreporenlalt aufgebaute Küftengegend, und im ©,, 
wo ſich zwiſchen Küfte und Hochland das Land der 
Danatil einſchiebt, tritt der mit tbätigen und erloſche⸗ 
nen QVultanen bejegte Abfall der Wüſtenfläche bart 
an die Küite beran. Mafjaua bat bei einem Jahres: 


Erythrä — Erythräa 


mittel von 31,6” ein Junimittel von 33° C., ein 
Januarmittel von 25,5° C. Die abjoluten Tempe 
raturertreme von acht Jahren waren 44,5” und 18,5°. 
Die jährliche Regenmenge ſchwankt von 747 mm 
(bei Keren) bis 222 mm bei Mafjaua und 61 bei 
Aſſab. Das Marimum fällt in Keren auf den Auguit, 
fonft auf den Dezember, Die Bewohner des Landes 
find arab. Urfprungs und im N. teils jehbaft, teils 
nomabijierend; den jüdl, Teil bewohnen die Aiar 
oder Danatlil (f.d.). Der Specialbandel der Kolonie 
bewertete ſich (1899) auf 6 777736 Lire in der Ein: 
br (baummollene Garne und Gewebe, Durra, 
lindvieh, Holz, Wein, Mebl u. a.), auf 1289976 
Lire in der Ausfuhr (Berlmutter, animaliſche Pro- 
bufte, trodne Häute, Edelmetalle und Dlünzen, 
Perlen u. a.). Die Durhfubr nad Abeffinien be 
trug 1162364, nah dem Eudan 1131290 Lire, 
aus Abefjinien wurden eingeführt für 239 158, aus 
dem Sudan für 99020 Fire. An Schiffen liefen ein 
2953 von 113179 Regiitertond, aus 2947 von 
113095 Regiſtertons. Die Einfubr von abeljin. 
Landesproduften nad €. wird jeit 1899 durd Zoll⸗ 
—5* derſelben begünftigt. Den wirtſchaftlichen 
ittelpunft der ganzen Kolonie bildet Maſſaua 
. d.), der natürlihe Hafen Abeſſiniens, in deſſen 
—* eine Reihe von Ortſchaften: Arlkilo, 
M'Kullu (Monkullu), Saati, Arafali u. ſ. w. liegt. 
Die aus ſtrategiſchen Rückſichten erbaute Bahn von 
Maſſaua über M'Kullu nad Saati bat eine Länge 
von 26,9 km und foll bis zum Fluſſe Dia:Daga und 
weiter in der Richtung auf Asmara (j. d.), den 
jeigen Hauptort, zu verlängert werden. “oft: 
ämter beiteben in ats, Asmara, Ginda, 
Sagamiti und Aſſab. Mafjaua und Afjab find durd 
Telegrapb (622 km) verbunden, ebenio Maſſaua und 
Kaſſala (470 km), Mafjaua und Adi Ugri (180 km), 
Maflaua und Adikaje (110 km) ſowie Ajjab und Pe 
rim (101 km). Im ganzen hat talien 1882—96 jalt 
304 Mill, Lire für die Kolonie aufgewendet, davon 
124 Mill. allein 1895/96. 1900 betrug der Zuſchuß 
7, Mil, Lire, Die Steuererträge find von (1894) 
285500 auf (1899) 587650 Lire geitiegen. Die Be 
ſatzung bildet ein dur Gejeg vom 10. Juli 1887 
geichafjenes Speciallorps, das 1899 aus 187 Offi⸗ 
ieren, 1021 Stalienern und 5313 Cingeborenen be 
hand und in Maſſaua (Forts Abd el⸗Kader, Taulud 
und Gberar), Saati, Ginda, Keren, Asmara, Agor: 
dat, Adi Ugri und brei andern Stationen verteilt lag. 
Geſchichtliches. 1881 ftellte Italien an der 
Aſſab⸗Bai die gleihnamige Stadt und eine Strede 
Landes unter feinen Schuß und nabm 5. Juli 1882 
das Gebiet ald Kolonie in Befis. Die Niedermeke 
lung des Reifenden Biandi im Lande der Danalil 
ab dann 1885 Veranlafiung zur Beſetzung des 
fens von Bailul und Maſſauas mit den umliegen⸗ 
den Ortſchaften, ſowie zur Ertlärung derital. Schuß⸗ 
herrſchaft über die ganze Küfte von Has Kaſar bis 
ur Bebeta:Bai. den infolgedejien mit Abel: 
Knie entitandenen Streitigleiten fonnte Stalien 
einen Beſiß nur mit Mühe behaupten und jab 
ſich ſogar Anfang 1887 gezwungen, die Auen 
pohten, wie Saati, Arkilo, einzuzieben und ſich auf 
afjaua zu beichränten. Nah Blodierung der 
anzen Küjte von Aſſab bis Ras Kaſar und der 
ndung eines ital. Erpeditiondtarps gelang es 
aber bald, die alten Bofitionen wieder einzunehmen 
und noch einige neue Forts in der Umgebung von 
Maflaua zu errichten. (S. Abeſſinien, Geſchichte. 
Inzwiſchen hatten Die Stämme im Norden Maſſauas 


Erythräifcher Thaler — Erythrit 


die ital. Schugberrichaft anertannt; 9. Dez. 1888 
elannıe der Eulen von Auſſa das ital. Broteltorat 
über das Land der Danatlil an, und 1889 bejegten die 
Yaliener die wichtigen Hodlandspläße Keren, AB: 
mara, Ailet und Gura. Am 2. Mai 1889 (Bertrag 
von Kccialli) ſchloß Italien mit dem —— Meni⸗ 
kt .d) einen Vertrag, in dem der a > Ita: 
lien& anertannt und de Schupberrihaft Italiens 
über Abejfinien au ageipronen wird. Doc wollte 
Dientlet ſpäter den Vertrag nicht anerfennen. Die 
Abarenzung der ital. und engl. Intereſſenſphären 
wurde — Vertrag vom 15. April 1891 feſtge wir 
der duch das 5. Mai 1894 in Rom unterzei 
Brototoll ergänzt wurde. Die gegen Agordat — 
gedrungenen Mahdiſten unter Hamed Ali wurden 
daſelbſt 21. Dez. 1893 mit großem un von den 
Italienern zurüdgeihlagen. 1894 gingen dann die 
ital. Kolonialtruppen unter Beneral Baratieri gegen 
Ratjala vor, eroberten 17. Juli die Stadt .. 
un fie. Reue Kämpfe begannen Ende 1894 gegen 
Mangaida von Tigre, der fih auf Deren afs 
= Men’lets erhoben hatte. er 1895 wurde 
s Mangaſcha von — atit geſchlagen. 
Tigté wurde nun unter ital. Schuß geſtellt, Adua 
und Adigrat erhielten Bejagungen. Nachdem bierauf 
at ilet ein bedeutendes Heer von angeblich 90000 
ejammelt, rüdte er im Dez. 1895 vor; bei 
Kun d a zwei Tagemärſche von der ital, 
SeRun Matalle, jtieß Ras Malonnen 8. Dez. auf 
jor Toſelli, mit 2400 Stalienern, von denen faum 
300 zurüdfamen, worauf General Arimondi Ma: 
kalle dem Major "Galliano zur Verteidigung über: 
ließ und ſich nad Adigrat jurüdiog, wo Baratieri 
etwa 20000 Mann famme m 22. Yan. 1896 
mußte Galliano nad —— Verteidigung Ma⸗ 
talles unter 5 freien Ab —* ugs lapitulieren, 
und 1. März griff Baratieri die Abeſſinier bei Adua 
an, erlitt aber eine jchwere Niederlage. Baratieri 
wurde fofort des Oberbefehls enthoben; fein Nach⸗ 
folaer wurde General Balvifjera, dem es gelang, 
5. Mai die Beſatzung von Adigrat zu entießen, worauf 
aud dieſer Plag 18. Mai gegen en Auslieferung der 
Gefangenen geräumt wurde. Am 26. Dft. 1896 lam 
es jum ſchluß in Addis Abeba; der Vertrag 
2. Uccialli wurde aufgeboben, die volllommene Un: 
rang en Abejjiniens anerkannt, bie Freilaffung 
= ital. Gefangenen und als —— bie Linie Mareb⸗ 
Beleſa-Muna beſtimmt. Am 22. Dez. 1897 ging 
Kaſſala aus rg eh in engl. Hände über. — 
Bal Schmweinfurtb, Il presente e l’avvenire della 
Colonis Eritrea (Mail. a: von Bruchhauſen, Die 
Staliener in Afrika (7. — zum ⸗· Militaͤrwochen⸗ 
blatt», Berl. 1895); Hitärmnchenblate, | m 
Krieg 1395/96 (1. ads zum «Militärwocdenblatt» 
ebd. 1897); Schöller, Mitteilungen über eine Reife 
in der Colonia Eritrea (ebd. 1895) ; Naflaja, L'ayve- 
nire della Colonia Eritrea(Rom 1895); onquiere, 
Les Italiens en Erythrée (Par. 1897); Bellenc Les 
Italiens en Afrique, 1880—96 (ebd. 1897); Bara⸗ 
tieri, Memorie d’Africa (Zur. 1897); Brumialti 
Le colonie degli Italiani (ebd. 1897); Eritrea. I 
nostri errori (ebd. 1898); Melli, La colonia Eri- 
trea Jalle sue origini fino al 1° marzo 1899 (Barma 
1599; neue Ausg. u. d. T.: L’Eritrea dalle sue 
origini a tutto l’anno 1901, Mail. 1902); den 
jahrlich erſcheinenden Estratto des ftatift. Jahrbuch⸗ 
Possessĩ e Protettorati in Africa». — arten: 
Carta della colonia Eritrea, 1:50000 (lor. 1891 
—92); Nuova carta dei dominii e protettorati 


213 


nell’ Eritrea e regioni limitrofe, 1: 1500000 (Rom 
1895); Dalla Vedova Etiopia e Somalia. 1 Blatt, 
1:3000000 oder 2 Blatt, 1:2000000 (Zur. 1896); 
Carta dimostrativa della Colonia Eritres er 
adjacenti (16 Blatt, 1:250000, bg. vom Mi Itärs 
geogr. Inititut, Flor. 1897 u.d.); Carta della Colonia 
Eritrea, 1: 100000 (ebd. 1899— 1900). 
trälfcher Thaler (Scudo eritreo), eine 

eg des Maria: Therefien:Thalers (f. d.), 
die —* iens Bejigungen am Noten Meere 
ftimmt i a... diejes Thalers find zu yo, Yıo 
und *,, in Silber, zu ,, und oo In Bronze, 
Diefe Zeilüde entiprehen den Münzen zu 2 Lite, 
1 und Lira ſowie 10 und 5 Gentefimi. 

Erpthräifches Meer, |. Arabiihes Meer. 
Erythrasum ( —* ), anitedende Hautkranlheit 
der ech en: und Achſelgegend, deren Urſache ein mi: 
one Pill Microsporon minutissimum, ift. 
Erythrin, er — für ſe verfchiedene 
—— 1) € . Robaltblüte; 
2) E. von Kane ift — er; 3) €. oder 
Erytbrinfäure, Sweifad:Driellinfäure: 
Erytbritätber, fommt in verſchiedenen Flechten, 
Roccella tinctoria DC., Roccella fuciformis DO., 
vor; 4) eine Hthplverbindung des Eoſins (j.d.) oder 
Monäthyltetrabromfluorescein. 
‚Korallenbaum, Bilanzen: 
gatung aus der Familie der Le — minoſen (1. b.), 
bteilung der Bapilionaceen. n fennt 9 en 
30 Arten, die in den Tropen und fubtropif 
Gegenden vorlommen. Es find baum: oder ſtrauch⸗ 
artige, oft bedornte Gewachſe mit Bobnenblättern 
ähnelnden, dreizäbligen Blättern, großen Trauben 
lederartig derber, roſen⸗, ſcharlach⸗, ponceau⸗ oder 
braunroter Blumen und Langen, —— den Samen 
ns Hülfen. Die Blumen haben einen 
lodenförmigen, — weilippigen, jeltener 
Panfzähnigen Kelch und eine fehr lange, ſißende oder 
agelte Fahne, welche die kurzen tügel unb das 
Se füen einſchließt. Einzelne Arten ind Pracht⸗ 
gewächfe und werben in Deutſchland in ber Dran- 
ge e oder in wärmern Gewähshäufern, je nad) ber 
rt, überwintert und im Juni zur Deloration des 
Gartenrafend verwendet. Die belannteiten und in 
den Gärten häufigften Arten find E. crista galli L. 
aus Brafilien und E. laurifolia, weld leptere nur 
u eine Form ber erftern zu betrachten iſt. 

Ein aus der Kreuzung zwiſchen E. crista galli 
und E. herbacea L. entſtandener Blendling, Marie 
Bellanger, ift — ſeines niedrigen Wu fes und 
feiner reichen Fülle von zinnoberroten Blumen in 
60 cm langen Zrauben zur Kultur zu empfehlen. 
E. indica ‚ und eine Reibe neun baumförs 

ec er Arten dienen ald Dadapbaum allgemein 

Adaſien, und vielfach aud in Amerila ald Schat: 
uk er in den Kaffee: und andern trop. Pflan⸗ 
zungen, ſowie aud als Stühe ber Pfefferpflangen. 
Das weiche, rn Hol; (Korallenholz, bois 
d’immortel) der in —— als Schatten⸗ 
baum kultivierten E. corallodendron L. (Arbol 
madre) dient zu Pfropfen, Leitern u. ſ. w. 

thrin rd Erythrin. 
Erythrit, Erythromannit, Er Ic Hoi 
cin oder Bhyeit, ein vierwertiger Altobol von der 


öufammenjegung 

«4,0, = CH, OH: CHOH- CHOH-C *8 
der in freiem Zuſtande in einer Alge 
ſellinſaureeſter oder Erythrin (f. d.) in Sm Se 
ten, namentlich der Roccellaflechten, vorlommt. Gr 


214 


bildet inreinem Zuftande große quadratiſche, in Waſ⸗ 
er leicht, in Altobol ſchwet — talle, ſchmilzt 
i 126° und ſiedet gegen 330°. Durch Redultion mit 
Jodwaſſerſtoff liefert er Butyljodid, gemäßigte Dry: 
dation führt ihn ineine Zuderart, ——— Dryda: 
tion in Erytbritfäure, C,H,O, (Trioxybut— 
terfäure oder Erptbroglucinfäure), über. 
Wie alle mebrwertigen Altobole fchmedt er fü. 
Erythritfäure, Erythroglucin, Erythro: 
glueinfäure, Erythromannit, ſ. Erythrit. 
Erythrodegtrin, |. Dertrin. 
a rg ſ. Bo. 17. 
Erythrophlöin, ſ. Casca. 
phloeum Afz., Bflanzengattung aus 
ber Familie der Leguminofen (f. d.), Abteilung der 
Eäfalpiniaceen, mit fünf Arten, zwei im tropiſchen 
Weſtafrila, je einerin Auftralien, aufden Seychellen 
und in Sübdina. Es find ftachellofe Bäume mit 
boppelt gefiederten Blättern und Kleinen unanfehn: 
lihen, zu dichten rifpig angeordneten Trauben 
vereinigten Blüten. Bon E.guineense Don.,Saj: 
fybaum, Rotwafjerbaum, engl. Red-water- 
tree —— an ber Weſtkuſte Afrikas), giebt 
bie Rinde mit Waſſer ausgezogen eine intenfiv rote 
Fluſſigleit, die ftark purgierend und erbrechenerre: 
gend wirft. (5. Casca und Pfeilgifte.) 
Erythrophüjll (grch.), roter Farbſtoff der Laub: 
blätter, ſ. Blatt abe 
Erythrophutoftöp, |. Exythroſtop. , 
Erythroſin, Diantbin, Bezeichnung füreinige 
tunſtliche organische Farbitofie, die aus dem Fluores⸗ 
cein durch Einwirkung von Halogenen erbalten wer: 
den. Das Allaliſalz des Dijodfluoresceing ift Ery— 
throſin G, das des Tetrajodfluoresceing ErptbrofinB, 
welch lehiere Bezeichnung auch dem Tetrabromtetra⸗ 
odfluoresceĩn oder Phloxin beigelegt wird. Sie 
ärben Seide und Wolle gelbrot oder bläulichrot. 
obann dienen fie zur Heritellung farbenempfind- 
licher Platten in der Photograpbie. 
Erytbhrofföp oder Erytbrophytoſtopl(grch., 
«Rot[pflangen]jeber»), Name eines optiſchen In: 
ments. i bellem Sonnenſchein zeigen ſich 
in blauem Lichte, etwa in einem Raiten aus Ro: 
baltglas, die a Teile lebender Pflanzen, 
weil fie viel Chlorophyll enthalten, wegen der 
Bluorescenz (| db.) rot. vollen Sonnen: oder 
jerjtreuten weißen Tageslicht ift dies nicht der Fall, 
weil die in folbem Lichte enthaltenen nichtfluores: 
cierenden Strablen vorwiegend find. Schaltet man 
aber letztere mitteld eines blauen Glajes aus, fo 
tritt die Wirkung der fluorescierenden Strahlen 
iſoliert und daher wahrnehmbar auf. In ähnlicher 
Weiſe verhält es fi, wenn man im Sonnenglanze 
liegende friſche Bilanzen durd ein blaues Glas be: 
trachtet; man fiebt diejenigen, die viel Chlorophyll 
enthalten, darin rot. Hierauf berubt das E. von 
Simmler (1862). (S. Melanojlop.) 
Erythroxylacẽen, Pflanzenfamilie aus der 
Orbnung der Asculinen di. d.) mit gegen 90, vor: 
— im tropiſchen Amerila heimiſchen ürien. 
Es find Sträucher oder Bäume mit lederartigen, 
meift ganzrandigen Blättern und Heinen in der 
Regel weißen Blüten mit zehn Staubgefäßen und 
einem drei⸗ bis vierfächerigen Frudtinoten. Zu 
den E. gebört die Stammpflanze der fog. Koka—⸗ 
blätter. (S. Erythroxylon und Koka.) 
r oxflon L., Pflanzengattung aus der 
Famiſie der throrylaceen (f. d.) mit gegen 
90 Arten, Sträuchern oder fleinen Bäumen mit 


Erythritjäure — Erz 


meift lederartigen Blättern und Meinen meißlichen 
Blüten. Die wichtigſte Art ift der fog. Rokaftraud 
oder die Kolapflanze, E. Coca Lam. (f. Rota und 
Fig.3 beim Artikel Äsculinen). Von einigen an: 
dern Arten wird das ſehr barte def) (Red Wood), 
welches einen roten Farbſtoff enthält, techni —* 
wendet, wie z. B. das von E. areolatum L. (Reit: 
inbien); wieder andere Arten liefern in der Rinde 
einen braunrötliden Farbftoff. 

Eryx, im Altertum der jest Monte-San Giu: 
liano genannte fteile, 751 m hohe Berg an der Weit: 
küſte Siciliend in der Nähe von Drepanum. Auf 
balber Höbe des Berges lag eine Stadt E. auf der 
Spiße der Tempel der Benus Erycina. Die Griechen 
leiteten den Namen von einem Sohne der Apbro: 
bite, Eryx (f. d.), ab. Stadt und Tempel waren ein 
Merk der Phönizier, die bier eine Hauptftätte für 
die Verehrung ihrer großen Naturgöttin jchufen. 
Pyrrhus nahm die Stadt, die den Kartbagern ge 

örte, 278 v. Ehr. im Sturm. Im erften Puniſchen 
iege, wohl 261 v. Ehr., wurde fie von Hamillar 
eritört. 249 v. Chr. bemädtigten fich ihrer die 
mer, verloren fie aber bald an Hamillar as, 
der fie bis 241 v. Ehr. behauptete. 

Eryx, ein Sohn der Aphroditevon Poſeidon oder 
von dem Argonauten Butes, wurde von den Sirenen 
verlodt, von Aphrodite aber gerettet. Er ſoll Stadt 
und Tempel auf dem Berge Erpr (ſ. d.) erbaut baben. 
Als Heralles mit den Kindern des Geryon nad 
Sicilien gelommen war, forderte ihn E. zum Ring: 
tampfe heraus, wurde aber von Heralles bejient. 

Erz, in der Mineralogie ein metallbaltiges 
Mineral, 3. B. Bleiglanz, Eifenfpat, an 
Kupferglanz, im —— und in der Technil 
alle diejenigen metallhaltigen Mafien, die vom 
Bergmann zur weitern Verarbeitung in den Auf: 
bereitungämwerfftätten und den Hütten Ri Zug 
fördert werden, z. B. Gefteine, die metallijche Mine 
ralien feinverteilt eingeſchloſſen enthalten (Kupier: 
chiefer, Sanpftein mit Bleiglanz), ferner folde 

ineralien, die fo miteinander oder mit Geftein 
verwachſen vortommen, daß fie gemeinſchaftlich ge 
monnen werben müflen (Quarz mit gediegenem 
Gold, Bleiglanz mit Quarz und Thonſchiefer, Kalt: 
pat mit Kupferlies und Zintblende). Zum techni⸗ 

hen Begriff E. gehört das Vorkommen in größern 

engen: ein Magneteifentroftällden, eingeipreng! 
in einem Schiefer, ift nur im mineralog., nicht im 
bergmännifcen Sinne ein E. Jener Begriff bängt 
aber nicht allein von der Größe des Metallgebalts 
ab, fondern aud von dem Handeläwert ber einzel: 
nen Metalle, von der größern oder geringern Leich⸗ 
tigleit, mit der fie von den nicht metallifchen Neben: 
beftanbteilen getrennt werden können, von den Preis 
— der Arbeitälöhne, der Brennmaterialien, des 

ransports. So kann man z. B. einen duntelbrau: 
nen Sanbdftein, trotzdem er vielleicht 10 Proz. Eiien- 
oxyd enthält, fein Eifenerz nennen, weil das Metall 
nicht mit Vorteil daraus dargeftellt werben fann, 
togegen eine Duarzmafie, in der fih nur 1 Proj. 
Gold fein verteilt Ander, chon als ein fehr edles 
und reiches Golverz gilt. Aber * hiſtoriſch ge 
nommen iſt der techniſche Begriff E. inſofern ein 
relativer, als die Zuzählung eines Minerals ju den 
€. von dem jeweiligen Standpunkte der hüllen⸗ 
männifhen Erfahrungen abhängt und durd Die 
Erweiterung der chem. Kenniniſſe ſowie die Ber 
volllommnung metallurgifher Operationen früber 
befannte aber unbeadhtete Mineralien, z. B. die 


Erz... — Erzbiichof 


Kobalt: und Nidelverbindungen, aud die Zintblende, 
et im Laufe der Zeit zu E. geworden find. 
_ Gemeinbin werben jo viele Arten von €. unter: 
Wieden, al& es verſchiedene einfache Körper giebt, 
die im Großen aus denſelben dargeftellt werben; 
daber ipriht man von Arfenit-, Blei:, Eiſen-, 
Kupier:, Gold⸗ Silber:, Bitriol:, Zink, Zinnerzen. 
Entbalten die E. mebrere Körper, deren Gewinnun 
zugleich beachtet wird, fo werben biefelben dur: 
einen au& beiden Körpern gebildeten Namen be 
jeichnet, indem man jenes Metall, das dem andern 
nur zufällig beigemengt ift, in Form eines Beis 
wertes vorausjegt, z. B. ſilberhaltige Blei⸗, 54* 
Silber⸗, tupferige Silbererze. Gediegene €. hei⸗ 
ben ſolche Metalle, die mit andern Stoffen nur 
wenig oder gar nicht vermijcht find. Nach den vor: 
mwaltenden, den €. beigemengten Beftanbteilen uns 
tericheidet der Hüttenmann behufs Gattierung und 
Beibidung quarzige, —— chieferige, ſpatige, 
tbenbaltige, bituminöfe, lallhaltige, lieſige, antis 
monialiſche, arfenitalijbe, blendige u. |. w. E.; er 
unterſcheidet ferner Glanzerze, die einen metallis 
ſchen Glanz befigen, und dürre E., bei denen bie 
Orgde der metalliihen Grundlagen vorberrihen, 
die in der Chemie Erden beißen. Rad) der eg 
barteit unterjheidet man ferner leichtflüffige E., 
welche die zur Bildung eines leichtflüffigen Sililats 
nötigen Beitandteile befigen, und ftrengflüffige E., 
die nur mit — en Zuſchlägen (verſchladende, 
yerlegende oder aufloſende Subſtanzen) verſchmol⸗ 
zen werden können. Die vor dem eigentlichen Hüt- 
tenprozeſſe vorzubereitende mechan. Abfonderun 
der mit den E. einbrechenden tauben Gefteine i 
Gegenftand der Aufbereitung (f. d.) und das durch 
die trodne Scheidung gewonnene E. wird gewöhn: 
lich Scheideerz, Stufenerz, Guterz genannt; 
das Prodult der nafjen Aufbereitung dagegen beißt 


Schlidb, auch gewaſchenes E., oder aufbereitete ſch 


dgänge, oder Waſcherz. Das Vorlommen der 
. ift jo überaus mannigfaltig, und die Erſchei⸗ 
rungen dabei find fo verwidelt und zahlreich, daß 
bier nur die her | enügen muß, wie haupt: 
fächlid die Irpftallinife Id erigen Gebirgsarten 
and die Gefteine der ältern geolog. Formationen 
ben größten Teil der E. auf urfprünglicher Lager: 
Rätte enthalten. (S. Erzlagerftätten.) 
€. war von alters ber bei den Völkern deut: 
ſchen Stammes (wie bei den Griechen chalkös und 
bei den Römern aes) der Name für das Kupfer, 
insbejondere aber für die Metallmifshungen, in des 
nen das Kupfer den Hauptbeftanpteil, Zinn, Blei 
oder ie den Zuſatz — —— 


tft es ſoviel wie Bronze. ( gieberei, Bronze, 
B, Kunftguß, Metallgiekerei.) 
..., eine untrennbare, aus dem griech. archi- 
entjtellte Borfilbe, die fich bereit im 13. Jahrh. bei 
Verdeutſchung der Fremdworte archidux, archiepis- 
copus, archipresbyter, archangelus zu Erzherzog, 
Erzbifchof, Erzpriefter, Erzengel zeigt. Später wurde 
dieje Borfilbe zunächſt zu Titeln und Würden ge: 
tügt, um den höhern Grad anzudeuten, wie in Erz: 
amt, Erzlanzler, Erjlämmerer, Erzvater (für Patri⸗ 
ar), dann aber auch zur Bildung fchmeichelnder, 
beionderä aber jcheltender Ausdrüde verwendet, z. B. 
in Erjböfewicht, Erzichelm, Erzdieb, Erzteger. 
es t, ſ. ae — 
ämter (archiofficia), in der aflung des 
tbemaligen Deutſchen Reichs ewifje oberite Hof: 
ämter, weldhe die Kurfürften (f. d.) belleideten und 


215 


welche fie bei feierlichen Gelegenbeiten, insbeſondere 
beim Krönungsmabhl, urjprünglich zur Leiftung von 
beſtimmten ———— fpäter verpflichteten, 
hierbei den Hofitaat des Kaiſers zu bilden. Auf dieſe 
€. und die ihnen entfprehenden Titulaturen und 
Infignien wurde wegen der damit fidh verbindenden 
polit. Stellung ein großes Gewicht gelegt. Heute 
darf als fiher angenommen werben, daß das Erz: 
amt das primitive Recht war, dem die Kurſtimme 
entitammte, und nicht die Kur das Hauptrecht, dem 
das Erzamt ſich ge Seit dem Interregnum 
war die Zahl der Kurſtimmen fieben und demge— 
mäß gab ed auch fieben E., deren Träger die Bol: 
dene Bulle Karls IV. von 1356 geſetzlich feitlegte. 
Die vier eigentlichen, der älteften Hofverfaſſung 
entitammenden Umter hatten die vier weltlichen 
Kurfürften: der Pfalzgraf vom Rhein war Trud: 
feß (fi. d.), der ——— Sachſen Marſchall 
N Erzmarſchall), der Markgraf von Brandenburg 
ämmerer(j.d. und Kammer), der König von Böb: 
men Schent(j.d.). Den drei geiftlihen Kurfürſten 
wurden Ranzlerämter zugeſchrieben (j. Erztanzler). 
Mäbhrend des Dreißigräbrigen Krieged wurde ins 
folge der Uchtung Friedrichs von ber Pfalz die pfälz. 
tftimme mit dem Erztruchſeßamt auf Bayern über: 
tragen. Im MWeftfäliichen Frieden aber wurde bie 
pfälz. Kur (als achte Stimme) wiederbergeftellt und 
ihr das Erzfhagmeifteramt — Durch 
die Vereinigung von Sm und Bayern 1777 fiel 
biefe Kur weg, und die Pfalz trat wieder in die alte 
Kur ein. Nun wurde das Erzſchatzmeiſteramt der 
ſchon 1692 vom Raifer errichteten, 1708 vom Reiche 
anerlannten braunfchw.:lüneburg. Kur (Hannover) 
übermwiefen. Den 1803 dur den Reichsdeputa⸗ 
tionsbauptihluß geichaffenen vier neuen Kurſtellen 
(Württemberg, Baden, Heflen, — wurden 
€. nicht beigelegt; nur Württemberg erhielt das 
on früher von ihm in Anſpruch genommene Erz: 
panneramt. Den E. waren Erbämter (f.d.) unter: 
—— Auch für die Kaiſerin gab es beſondere 
„die von gefürſteten Üübten geführt wurden, aber 
für die Reihsverfafiung obne Bedeutung waren. 
Erzaufbereitung, |. Aufbereitung nebſt Tafel, 
ee \ Eifenerz (Marktfleden.. Fig. 2. 
Erzbifchof, in der röm.:tath. Kirche derjenige 
Biſchof (f. d.), der über mehrern bifhöfl. Sprengeln 
(Didcejen) einer Kirchenprovinz fteht. Nachdem im 3. 
und 4. Sabrh. die Biichöfeder Hein talbauptitäbte 
(Metropoliten) den Vorſitz auf den Provinzialiyno: 
den und ein Oberaufſichtsrecht über die ibnen uns 
tergebenen biſchofl. Sprengel erhalten, und unter 
ihnen wieder einzelneeine gewiſſe bmacht gewonnen 
hatten, wurden dieſe archiepiscopi oder E. und Par 
triarchen (f.d.) oder Brimaten genannt. Später aber 
wurde im Abendlande, wo die Metropolitanverfafs 
[ung erjt inder Zeit Karls d. Gr. zu ihrer vollen Aus: 
ildung dam, die Stellung der €, beruntergebrüdt, 
und jegt iſt der Vorrang der E. in der Hauptſache nur 
Io ein Ehrenvorrang. Außer den allgemeinen 
bifhöfl. Rechten und der Verwaltung der eigenen 
Erzdidcefe fommen den E. nad lanoniſchem Rechte 
allerdings noch gewiſſe Rechte zu, die fie über die 
anze Kirchenprovinz und über die zu derfelben ge 
örigen Biihöfe (Suffraganen) ausüben, fo bes 
fonders das Recht der Zufammenberufung der Pro: 
vinzialjpnode und der Vorſitz bei derjelben; fernerbie 
Viſitation der Briefterfeminare und die Aufficht über 
die Refidenz der Suffragane; außerdem gemiffe Ehren» 
rechte, insbejondere die Bortragung des Kreuzes in 


216 


allen Teilen der Kirhenprovinz und das Pallium (f. 
Pallien). In der griech. und ruſſ. Kirche bat fich die 
boppelte Bezeihnung E.und Metropoliterbalten; da 
edoch — in ihren Rechten einander gleichge⸗ 
tellt ſind, iſt der Rame E. nur noch Ehrentitel. Von 
derröm.-fath. Kirche ging mit der Ve le 
auch die Würde der E. zu der anglikan. und ſchwed. 
Kirche über. Die Ernennung des Öeneraljuperinten: 
denten Borowſti in a part, zum evangeliſchen 
€. (1829) iſt ganz vereinzelt geblieben. In Preußen 
baben die E. den Rang der Wirklichen Geheimen 
Räte, in Ba Baden, Öfterreich find fie Mit: 
glieder der Griten Rammer. Sie haben ven Titel Er: 
cellenz, in Öfterreich einige auch Fuͤrſt (f. Fürſtbiſchof). 
— Bol. Maft, Dogmatifch:hijtor. Abhandlung über 
die rechtlihe Stellung der E. in ver kath. Rirce 
(Freib. i. Br. 1847). 

Erzbifhoföhut, in der Heralpit Wappen: 
zeichen ber erzbiihöfl. Würde: ein flader runder 
grüner Hut mit beiderſeits abhängenden, je zehn 
(1+2+3+4) Quaiten zäblenden verſchlungenen 
Schnüren. Auf dem Schilde rubt die Nitra, hinter 
dem Schilde jhaut ein boppelarmiges Vortragskreuz 
und der Krummijtab hervor (h Tafel: Kronen II, 

tg. 50). Die ebemal3 jouveränen geiftlichen 

eihöfürften führten ein blankes Schwert mit dem 
Krummftabe hinter dem Wappenſchilde gekreuzt, 
ald Zeichen des Blutbanns (ſ. Taf. UI, Fig. 46). 

Erzbistum, Erzdiöcefe, in der kath. Kirche 
der Bezirk, innerhalb defjen ein Erzbifchof die kirch— 
lihe Verwaltung bat. (S. Biätum und Erzbiichof.) 

en er, Mineralien, mit denen erfahrungs⸗ 

emä bäurs —* vorlommen. Dahin gehören 

altipat, Quarz, Schwerſpat u. ſ. w. 

Erzbruderſchaften, ſ. Bruderſchaften. 

Erzbutze, ſ. — 

Erzdiöcẽſe, ſ. Bistum und Erzbistum. 
‚Erzengel, in der Rangitufe der fog. bimm: 
liſchen Hierarchie die Fürften unter den Engeln. Sie 
beißen Michael (Dan. 10, ıs, 21; 12, ı), Gabriel 
(Dan. 8, ı5 fg.; 9, 21), Raphael (Bud Tobias) und 
Uriel (Bud Es: 4. Esra-Buch). Die jpätere 
jüd. Theologie zählte fieben €. j 

Erzerüm (Erjerüm oder Erfirüm), be: 
ejtigte Hauptftabt des gleichnamigen afiat.stürt, 

ilajetö (49700 qkm, 645700 €. ; }. Karte: Wet: 
afien I, beim Artifel Ajien) in Türkifch: Armenien, 
am Sübrande einer 38 km langen, 22 km breiten, 
im Winter jebr kalten, im Sommer warmen Hod: 
ebene, welche zum Teil gut bemäjlert, aber holz. 
arm und ſchwach bevöltert ift und vom Kara⸗ſu oder 
weitl. Eupbrat durchfloſſen wird, etwa 8 km von 
diejem entfernt, in 2032 m Höbe, ift Refidenz des 
Mali oder Generalgouverneursd. E. wird (nad) 
Euinet) von etma 39000 Menfchen bewohnt, welche 
ur Hälfte Türlen, F Haͤlfte Armenier und 
Beier nebft einigen Griechen find. In neuerer 
Zeit bat die Stadt ihre Phyſiognomie infolge 
deö 1866 begonnenen Abbruchs der hoben, ver: 
allenen Mauern der Diſch-Kaleh (d. b. äußere 

a ), welche die Eitadelle oder Itſch-Kaleh um: 
& i Gebt ng eek Seit 1864 wurde die 

tabt mit neuen Feitungsmerlen umgeben, unter 
denen die Forts auf dem Top-Dagb Medſchidine 
Tepe) und Kirimitlis-Dagb die wichtigſten find. Die 
Straßen find nur zum Teil gepflaltert, eng und 
frumm. €. bat 65 Moſcheen, 15 Demijchklöiter, 
4 riftl. Kirchen, eine trefjlihe, nad deutſchem 
Mufter eingerichtete armeniſche Schule, 17 Bäder 


Erzbifchofshut — Erzgebirge 


und einige mit ae Anschriften bededte Mauſo— 
leen. Das Scifteh-Minaret, ein Doppelturm (jent 
Militärgefängnis), gilt für das älteſte Baudenkmal 
E.s. Derebemals bedeutende Handel ift jebr gejun: 
ten, feitdem der perj.seurop. Handel feinen Weg nit 
mebr über das armenifche Hochland nimmt, und bie 
früber jo belebte Karamwanenftraße von Trapezunt 
über E. zur perj. Grenze ift ſeitdem mehr und mebr 
verödet, obgleich zwiſchen erftern beiden Orten jeit 
1870 eine Art Ehaufjee beftebt. Auch der Gewerbfleiß 
der Stabt, welche vordem durd ihre Schmiedearbei: 
ten in Eifen und Kupfer ausgezeichnet war und ibre 
Erzeugnifje namentlich nach Berfien verjendete, iſi 
infolge der Auswanderung zahlreicher geihidter ar: 
menijcher Arbeiterauf ruſſ. Gebiet (1829) jebr zurüd: 
gegangen, Am meiften haben die Teppich: und Leder: 
manufalturen gelitten. Den Ruf ald Markt für Bel; 
werf und Pferde hat E. verloren. Durch Generalfon: 
pas find Perſien und Rußland, durd Konjulate 

ngland und die Vereinigten Staaten, durch einen 
Vicelonful Frankreich, durd einen Konjularagenten 
Italien vertreten. 

Geſchichte. €. ift ein fehr alter Ort, bei den 
Armeniern Karin oder Garin Khalakh (Stavı 
der Landihaft Garin) genannt, woraus die Ara: 
ber Kalikalah machten. Der Feldherr Theo: 
dofius IL, Anatolius, baute bier im 5. Nabrb. 
die Feitung Theodofiopolis, die häufig x 
ihauplas war. Seit 1049 zu einem reichen 
porium aufgeblübt, fiel fie 1201 in die Hände der 
Seldſchulen. Dann kam fie 1242 in den Befis der 
Mongolen und 1517 endlich an die Türlen. Im 
Ruffiih-Türlifhen Kriege von 1828 und 1829 ent: 
ſchied die Eroberung E.8 durch Paskiewitſch (9. Juli 
1829) den rufj. Feldzug in Afien. Frieden zu 
Adrianopel (14. Sept. 1829) wurde es an die Turken 
zurüdgegeben. Die Auflen hatten aber die Stadt 
arg vermwüjtet, und viele Armenierfamilien wan— 
derten auf rufj. Gebiet aus. Durd das Erdbeben 
vom 2. Juni 1859 wurden zablreibe Gebäude in 
Trümmer gelegt. Ein Verſuch der Rufen, die Stadt 
9, Nov. 1877 zu überrumpeln, mißlang; erft im 
Waffenftillftand von Adrianopel (Febr. 1878) wurde 
ihnen die Bejegung E.3 zugeitanden, das fie jedoch 
nad) dem Frieden von San Stefano wieder räumten. 

Erzeugende, matbem. Linie, ſ. Cylinder. 

Erzflöze, |. Erzlagerftätten. 

Erzflüägeltaube, Bronzeflügeltaube 
(Phaps chalcoptera Lath.), wegen ihrer Schönbeit, 
pi Haltbarkeit und leichten VBermebrung ein be 
iebter Bolierenvogel, der mit etwa 70 M. das Paar 
bezablt und mit Hirje und Weizen gefüttert wird. 
Die E. ftammt aus Sübdauftralien und iſt jtärler als 
die Lahtaube. Das Männden unterſcheidet jih vom 
Weibchen durd die bräunlichweiße Stirn. Beiden 
gemeinſam find die metalliih glänzenden Flügel. 
(S. Tafel: Tauben, Fig. 7.) 

Erzfürften, |. erzog. 

Erzgänge, ſ. Erzlagerjtätten und Gang. 

Erzgebirge, Sächſiſches, dahförmiges Ge 
birge, das 40 km breit, in einer Ausdehnung von 
etwa 150 km in norböjtl. Richtung vom Elſter— 
gebirge (f. d.) bis zum Sihfenpeingeßtsge (j. d.) 
port (j. Karte: alien EYnteL een] . Süb: 

iher Zeil), im ©. vom Egertbal und ım N. von 
einer Linie begrenzt wird, die etwa über Noſſen, Hai: 
nichen, Frantenberg, Chemnitz und Zwidau gezogen 
edact werden fann. Nah ©. bricht es mit einem 
im Mittel 500 m hoben Steilabjall ab, während 


Erzgebirgijche Eijenbahn 


Sich nah N. allmählich und fanft verflaht; nach 
B. tritt e& in breiten Scieferplatcaus an die obere 
Eaale. Infolge des Steilabjalld nah ©. öffnen 
fit die zur Eger ziebenden Thäler nur in tiefen 
Edluhten, während ſich nad N. langgedehnte, im 
edern Zeile wildromantiſche, im untern fruchtbare 
Ibäler eritreden. .Diefe beginnen nahe dem etwa 
70 m boben Gebirgstamme in flahen Mulden 
und eritreden ſich ala 200— 300 m tiefe, meift 
ihmale,gewundene Rinnen weiter. Die Waſſerſcheide 
liegt zumeift auf böbm. Gebiete. Die den nörbl. 
Hohflähen aufgejegten Kuppen erheben ſich jelten 
mebr als 200 m über ihre Umgebung, wie 5. B. vie 
beiden hochſten einander gegenüberftebenden Gipfel 
des Keilberges (f. d.) oder Sonnenwirbels (1238 m) 
in Böbmen und des Fichtelberges (j. d.; 1213 m) 
in Sachſen. Diefer im Uuellgebiete ver Zihopau 
und der Zmwidauer Mulde gelegene Teil it der 
böchite des E., das ſog. Sähfide Sibirien. Andere 
Gipfel find: der Spigberg (1120 m), der Scheiben: 
berg (805 m), der Bärenitein (898 m) und der Pohl⸗ 
berg (833 m). Zwiſchen dem Schwarzwafler, der 
rang Muldeund Zwodau ragen noch der Auers⸗ 
e (1.d.; 1018 m), der Rammeläberg (996 m) und 
der Schnedenftein (876 m) über das 800m hobe 
Blateau bemwor. Der —** erreicht 942, der 
Berniteinberg 921, der Kablenberg bei Altenberg 898 
und der am öjtl. Flügel gelegene Haßberg 991m. Die 
Waſſer des Gebirges jammeln ſich in der durch das 
fog. wi iſche Beden vom Hauptlamm ge: 
trennten Borftufedes ſchſ. Mittelgebirgs zur Mulde. 
Als Hauptpäfle find zu nennen: der Ya von Nol- 
lendorf, der von Tepliß über Birna nah Dresden 
fübrt (675 m), der Zinnwalder Paß von Teplig nad) 
Dippoldiswalde, der Sebaftianäberger Paß, der von 
Komotau über Zihopaunah Chemnik — der Paß 
von Gottesgab oder Oberwieſenthaler Paß (1085 m), 
der höchſte, führt über Gottesgab und Joachims⸗ 
thal nad Karlsbad, die Straße Karlöbad: Platten: 
banngeorgenftadt, der Wildentbaler Paß und der 

& von Neuded (von Eibenftod nad Karlsbad). 
Das E. wird von den Bahnlinien Eger: Adorf, 
Frallenau » Graslig : Schöned, Komotau : Weipert: 
nnaberg, KomotausKeigenhain-Marienberg und 
Yrüz » Klojtergrab: Freiberg überfchient. Berührt 
wird das Gebirge von zahlreihen Linien auf ſächſ. 
und böhm. Seite. Das Klima ift im allgemeinen 
raub; auf den Hochflächen gedeiht nur Hafer und 
Kartoffeln. Das €. ift ſehr waldreich; bier findet 

ſich der größte Teil der ſächſ. Staatswaldungen. 

An dem geologiihen Aufbau beteiligen fid, 
abgei von untergeorbneten jüngern Gebilden, 
vor allem die ältejten Sedimentgejteine: Gneife, 
Slimmerſchiefer und re und zwar in ber 
Beife, daß eritere den flach kuppeljörmig gemölbten 
Kern bilden, an deſſen nörbl. und weitl. Abfall ſich 
die nächſtjungern Glimmerſchiefer anlegen, welche 
wiederum von dem Urthonſchiefer (Phyllit) und 
dann dislordant von dem otliegenden des erz⸗ 
oebitgiſchen Baſſins Zwidau⸗ Hainichen überlagert 
werden. Die Gneiſe haben im mittlern, die Guͤm⸗ 
merſchiefer und Phyllite im füdweſtl. Teile ihre 
eröbte Verbreitung. Die Schichten werden von jehr 
zablreichen —— gang⸗ und ftodjörmig 
durchiegt, jo von Granit und Syenit, Glimmer: 
dierit, Borphyren und Melapbyren, denen fich eine 
Anzahl ijolierter Bafalt: und Phonolithluppen zu 
geſellt. Die Oberfläche ift vielfach mit Loß bevedt. 
— Der Reihtum an Erzlagerjtätten bat dem €. 


217 


feinen Namen verfhafft. Seitdem bier 1163 eine 
filberreihe Erzftufe entbedt wurde, manberten 
Harzer eig 2er bierber, um die Erzſchätze aus: 
zubeuten. Abgejeben von dem Vorlommen von 
* (Geyer, Ehrenfriedersdorf, Zinnwald), von 
idel und Kobalt (Schneeberg, Annaberg), von 
Kupferlies, Rot:, Braun: und Magneteitenftein, 
zieht fih von Meißen aus über Freiberg, “Marien: 
berg und Annaberg bis nah Joachimsthal eine 
Zone von filber: und bleierzführenden Gängen in 
Adſüdweſtl. Richtung ſchräg über das Gebirge. 
Das wichtigſte Gebiet für die Silberausbeute iſt 
die Umgegend von Freiberg. Der Mittelpunkt für 
die Gewinnung des Eifens ift Eibenftod. Zwiſchen 
widau und Chemnig dehnt ſich ein mächtige: 
teintoblenbeden aus. Im Zufammenbang mit 
dem Bergbau, der jedoch bedeutend nachgelaſſen 
bat, ſteht eine reiche Fabrikthätigfeit. Bejonders 
wichtig ift die Tertilinduftrie in Chemnig, Blauen, 
Glauchau, Erimmitihau, den Thälern der Mulde, 
albopau, löha und Eljter. Eine dem, eigentüm: 
iche Induſtrie iſt die Spigenllöppelei, die um 1560 
durch Barbara Uttmann eingeführt wurde, Zur 
eit beftehen über 20 —— — im E. 
n Verbindung damit jteben Stiderei, MWirkerei, 
ojamentierarbeiten und Seidenmweberei. Sehr vers 
breitet ift Eifen:, Blech⸗, Spiel: und Holzwarenindu⸗ 
F auch werden Porzellan und Thonwaren, 
affen und Chemilalien fabritmäßig_bergeftellt. 
Dazu kommt Hausinduftrie, die ſich z. B. mit An: 
fertigung von muſilaliſchen Inſtrumenten (in Mart: 
neulirchen, Klingenthal, Graslis, Shönbab), Hand: 
fhuben und Strobmwaren beichäftigt, und fo ertlärt 
es fi, daß troß der geringen Ertragsfähigteit des 
Bodens die Bevölterung, wenigſtens des ſächſ. 
Teiles, zu den dichteften (207 auf 1 qkm), aller: 
dings auch zu den ärmiten Deutichlands gebört. 
Au) der böhm. Seite dagegen find die Bewohner 
vieljah genötigt, auswärts ihr Brot zu * 
(Muſilbanden, Harfeniſtinnen, hauptſächlich aus 
dem böhm. Bezirl Preßnitz). Beſiedelt wurde das 
E. von Koloniften aus Thüringen und Dftiranten, 
deren Miihmundart jegt mehr und mebr der meiß: 
niihen weight. (S. Deutihe Mundarten). Das €, 
wird, jeit ein Erzgebirgsverein thätig ift, in neuerer 
Zeit auch gern von Touriften befucht. — Vol. Mofer, 
Reiſehandbuch für das ſächſiſche E. und das Vogt: 
land (ep 1882); Weymann, Fuͤhrer vurd das böb- 
miſche €. (Karlöb. 1881); I. Burgkhardt, Das E., 
eine orometriih:anthropogeogr. Studie; 9. Schurtz, 
Die Bälle des E. (beide in den « Forſchungen zur 
deutſchen Landes: und Voltätunde», Stuttg. 1888 
u. 18%); Hardenberg, Das E. Praktiſches Reife: 
bandbuch für den Zouriften (Dresd. 1888); von 
Sußmilch gen. Hörnig, Das E. in Vorzeit, Ber: 
angenbeit und —— (2. Aufl., Annab. 1894); 
en. Das Übererzgebirge und feine Etädte 
(2. Aufl., ebd. 1903); Koblihmidt, Sächſiſches E. 
(Schmwarzenb. 1893); Griebens Neifebüdher: Tas €, 
(4. Aufl., Berl. 1900); führer durd das Obererjge: 
birge (Annab, 1901); Berlet, Wegweiſer dur das 
ſächſ.bohmiſche €. (10. Aufl., ebd. 1902); Karte von 
Gaebler (1:125000, 3. Aufl., Cbemn. 1902); Mein: 
olds Überfichtäfarte (1:300000, Dresd. 1900). — 
ber dad Ungariſche und Siebenbürgifde E. 
f. Karpaten. 
Erzgebirgiſche Eifenbahn, von Rieſa nad 
Ehemnig, 1847 von Riefa nad Limmriß (29 km) 
feitend der Erzgebirgiicben Eiſenbahngeſellſchaft er 


218 


öffnet, Ende 1850 vom ſächſ. Staate erworben, ſpäter 
nad Chemniß (1852) und Zwickau (1858) Tortgeebt 
(65 km), mit der Abzweigung Schönbörncen: Dee: 
rane:-Gößnig (12 km); hiernach heißt die ganze Bahn 
Niedererzgebirgiihe Staatseifenbahn. 
Erzglanzitar, Singvogel, |. Stare. 

guß, diejenige Operation, mitteld deren aus 
den ala Erz bezeichneten Mifhungsmetallen oder 
Legierungen (Bronze, Stablbronze, Kanonen: und 
Glodenmetall u. |. m.) durch Gießen im flüffigen 
Zuftande in Formen die betreffenden Gegenftände 
(Statuen, Kanonen, Gloden u. j. w.) bergeftellt 
werden. (5. Metallgießerei und Bildgiekeret.) 

Erzherzog (Archidux), Titel der Prinzen des 
Haufes Efterreih wegen ihrer angeblih von Kaiſer 
driedrih I. 1156 ausgeſprochenen Gleichſtellung 
mit den Aurfürften, die ald Verwalter von Erz 
ämtern (f. d.) auch Erzfürften hießen. Allgemeine 
Anerkennung fand der Titel erſt 1453 auf An: 
ordnung Kaiſer Friedrichs UI. 

—— ut, Erzherzogskrone, eine den 
ofterr. Erzherzogen zuſtehende Krone von eigentüm⸗ 
licher Form. (S. Tafel: Kronen I, Fig. 13.) 
— — ſ. Neltarinien nebſt Textab⸗ 
ildung. 

——— im weitern Sinne jeder, der die Er⸗ 
ziehung (ſ. d.) eines unerwachſenen Menſchen leitet; 
im engern Sinne foviel wie Hauslehrer (ſ. d.). 

Erzieherin, Helferin oder Vertreterin der Mut: 
ter bei Erziehung der Kinder, meistens auch mit dem 
Unterricht betraut. Bon den €. wird daber wie von 
den Lehrerinnen meiſt eine pädagogiiche und wiſſen⸗ 
ſchaftliche Vorbildung und das den einer Lehre: 
rinnenprüfung verlangt. Es beſtehen wie für Lehre: 
rinnen { d.) Heimftätten auch für E. auch für die 
im YAuslande wirfenden (fo zu London und Paris). 

Erziehung, im allgemeinen jede Einwirkung 
auf unmündige Menihen, wodurch dieſelben an: 
geregt und in den Stand gejekt werden, ſich auf 
die Stufe der Münbdigfeit zu erbeben. Diefe Ein: 
wirkung kann eine zufällige, unbewußte ober eine 
abſichtliche, zielbewußte, planmäßige fein. Unab— 
fihtlihe Einwirkungen erfährt das Kind z. B. durch 
die Sprache, die es ſich nah und nad aneignet, 
durch das Leben überhaupt, dur die äußern Ver: 
bältniffe, in denen es aufwächſt, durch den befondern 
Umgang u. 3 w. Im engern Sinne bat man jedoch 
unter €, nicht dieſe, jondern eine planmäßige Ein: 
wirtung Erwachjener zur Erreibung des genannten 
Zieles zu verjtehen. Da die Entwidlung des Men: 
den eigenen innern Geſetzen folgt und von den 
befondern Anlagen der Zöglinge abhängig ift, fo 
wird ber —— ſeine Aufgabe hauptſächlich darin 
zu ſehen baben, dieſelbe anzuregen, zu unterjtüßen, 
vor Störungen zu bewahren und in der rechten 
Richtung zu erhalten. Die Stufe der Münpigteit 
if erreicht, wenn der Zögling in den Stand geſeßt 
it und es als feine Aufgabe erfennt, fernerbin jein 
eigener Erzieher zu fein. Die E. hat ſowohl die 
eritige wie die förperlihe Ausbildung des Men: 
den zu betreiben. Auch die Ausbildung für einen 
beitimmten Beruf bat die E. zur rechten Zeit zu 
berüdjihtigen; aber immer fommt e3 darauf an, 
daß dabei zugleich die Ausbildung der fittlichen 
erg des Zöglings mweiter gefördert wird. 

ordernis für eine gute E. iſt die auf vielfache 
Beobachtung, nicht bloß auf die Theorie, gegründete 
gr Kenntnis des Entwidlungsganges und ber 

twidlungsgejege des menſchlichen Geiftes und 


Erzglanzjtar — Erziehung 


Körpers von jeiten des Erziebers jomie die Kennt: 
nis der Mittel, welche anzumenden find, um bie 
Entwidlung in rechter Weile anzuregen, zu unter 
ftügen und in der rechten Richtung zu erbalten, 
Die Einwirkung des Erziehers auf den Zögling ift 
teild eine indirelte, requlierende, den verſchiedenen 
Eindrüden und Einflüfjen gegenüber, melden len 
terer ausgejeßt ift, teil eine direfte durch jeine 
ganze Verjönlichkeit, insbefondere durch Belebrung 
und Unterricht (f. Unterrihtswejen) und durch Pflege, 
Gewöhnung und Zucht (j. Schulzudt). Die Geſetze 
und Regeln für die Thätigleit des Erzieberö werben 
in der Erziehungslebre oder Pädagogit (f. d.) darge: 
ftellt. Die nächſte Stätte der €. ift naturgemäß das 
elterlihe Haus (häusliche E.). Da aber die Eltern 
oft nicht in der age, oder auch nicht fäbig find, die 
ganze E. des Kindes zu übernehmen, da es ferner 
aud von großer Wichtigleit ift, dab das Kind ſich 
ſchon frühzeitig als Glied einer Gefamtbeit füblen 
und bewegen lernt, fo bat fich die Notwendigleit 
geltend gemacht, bejondere VBeranftaltungen zu 
treffen, um die häusliche E. zu unterjtüßen, ja ın 
ewiſſen Fällen ganz zu erjegen. Solde Beran: 
——— ſind die Schulen, von denen einzelne 
(Alumnate ſ. d.), Benftionate) die Zöglinge garı 
bei fi aufnehmen, die Kindergärten (f. d.), die Hin: 
derbewahranitalten (f. d.) und die Rettungshäuier 
( d.) für fittlih verwabrlofte Kinder. Auch lann 
die ragen. der Eltern bei der E. der Kinder 
durch eine dazu befäbigte, zu dieſem Zwede in das 
Haus aufgenommene Perſon, eine Erzieherin (ſ. d.) 
oder einen Hauslebrer (f. d.) oder Hofmeifter itatt: 
finden. Bei völliger Unfäbigleit der Eltern zur Aus: 
Übung ibred Erziebungsredhts bat der Staat bie 
Befugnis, für fittlih verwahrlofte Kinder die Map: 
regel der en (f. d.) in Anwendung zu 
bringen. In Sparta wurde nad der Befengebung 
bes Yylurg die E. der Kinder ganz vom Staate 
übernommen (Staatös oder öffentliche E.); in 
neuerer * bat Fichte eine Nationalerziebun 
in äbnlihem Sinne in Vorſchlag gebracht, und a 
in der jeßigen jocialen Bewegung ſind Anjichten ver: 
wandter Art aufgetaucht, obne in weitern Kreiſen 
Antlang In finden. Cine eigentlihe Wiſſenſchaft 
der E. giebt es erft jeit dem 16. yabıh. Beſonders 
ſeitdem die Idee der Vollsſchule lebendiger wurde, 
waren neben den Fragen des bloßen Unterrichts 
auch die Principien der E. im allgemeinen Gegen⸗ 
ſtand vielfacher Erörterungen, und zwar —— 
ſich daran nicht bloß die hervorragendſten Schul 
männer (Trokendorf, Johannes Sturm, Midel 
Neander, Wolfgang Ratıch, Amos Comenius, 4. 9. 
ande, Baſedow, Campe, Salzmann, von Room, 
Behtalos i und deſſen Schüler), jondern auch Philo⸗ 
fopben (M. von Montaigne, John Lode, Rouſſeau, 
Kant, Fichte, Kraufe, Hegel, Roſenkranz, Herbart, 
Ziller) und Theologen (Schleiermacher) und verſchie⸗ 
dentlih aud uniere Klaſſtler Goethe (in den «Wan: 
derjabren»), Schiller («tiber aſthetiſche €, »), Jean 
Paul («Levanas) u. I w. liber diereligiöfe E von 
Kindern aus Miſcheben f. Kindererziehung, religiöie. 
Litteratur. Schwarz und Eurtman, Allgemeine 
Erziehungslehre (Lehrbuch der E., Bd. 1, nz. 1880); 
Niemeyer, Grundfäke der E. und des Unterrichts 
(neue YAusg., 3 Bde., Langenſalza 1878— 79); 
Benete, Erziehungs: und Unterrichtslebre (neu von 
Drebler, 4. Aufl., 2 Bde., Berl, 1876); Schleier 
macher, Erziehungslehre (Sämtliche Werte, 3. Ab 
teil., 9. Bv., ebd. 1849); Diefterweg, Wegweiler zur 


Erziehungsanftalten — Erzlager 


Abung für deutſche Lehrer (5. Aufl., 8 Bde., Eſſen 
84-77), S. Baur, Geunbiäge der Erziehungs» 
iebre (4. Aufl., Gießen 1887); Dittes, Schule ber 
ogit (5. Aufl., Lpz. 189); Waik, Allgemeine 
ogit (neue Ausg., Sangenfalza 1899); Strüm: 
vl, Biychol. Bädagogit (2p5. 1880); Stop, Ency: 
Nopädie, Metbodologie und Litteratur der Päda- 
aogit (2. Aufl., ebd. 1878); Schiller, Handbuch der 
mattiihen Bädagogil (3. Aufl., ebd. 1894); Balmer, 
Evang. Pädagogit (5. Aufl., von Gundert, Stuttg. 
1882); X. A. Schmidt, Encyllopädie des gefamten 
—— und Unterrichtsweſens (fortgejeßt von 
Schrader, 2. Aufl., 10 Bde. Lpz. 1876—87); deri., 
badagogiſches Handbuch für Schule und Haus 
(2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1883 —84); Lindner, Ency: 
Lopãd. anbbud der Erziehungstunde (4. le: 
Bien 1891); Rein, Encyllopäd. Handbud der Pa: 
bagoait (7 Bde., Langenſalza 1894—99); Schorn: 
Blatb und Supprian, Handbuch der Erziehungs: 
und eigen (Bd.1—2, Lpʒ. 1900, Klende, 
Die Mutter ald Erzieherin (11. Aufl., ebd. 1899); 
R. Lehmann, E. und Erzieher (Berl. 1901); Dtto, 
Die Zukunftsſchule. Lehrgang, Einrichtungen und 
Begründung (1. A. Lpz. 1901); K. Richter, Päda- 
aogiice Bibliotbet (ebd. 1870 fe.); Mann, Biblio: 
tbet pädagogifcher Klaſſiler (Langenjalza 1869 fg.); 
Lindner, Pädagegiihe Klaſſiler (Wien 1876 fg.); 
Monumenta Germaniae paedagogica, bg. von flebr: 
dach (Bd. 1—20, Berl. — Padagogiſche 
Zeit: und Streitfragen, Ku von Ihs. Meyer (Heft 
1—57, Gotba und Wiesb. 1887—99); die Ger 
chichten der — ———— von Schwarz, K. Schmidt 
(4. Aufl., 4 Bde., Cöthen 1876—88), von Raumer, 
Schiller (3. Aufl., Lpz. 1894), Ziegler Munch. 1895), 
RK. A. Schmid (fortgejekt von G. Schmid, Bd. 1—5, 
S 1884 — 1901); die pädagogiſchen Schriften 
von art und Ziller (f. d.). 
. Erzichungsanftalten, ſ. Alumnat, Pädago: 
gtum, Rettungäbäujer und Sivangderäiehung. 
iehungsfapital, die Gefamtheit der Koften, 
die aufgewenbet werben müfjen, um den Menſchen 
von der Geburt durd die unprobuftive Kindheits⸗ 
und — bis zu dem Alter der wirtſchaft⸗ 
lichen Selbſtaändigleit und Erwerbsfähigkeit zu brin⸗ 
gen. Das E. iſt natürlich um jo größer, eine je längere 
und foftipieligere Vorbereitung und Ausbildung 
it die von den Einzelnen gewählte Berufsthätig: 
rberlich ift, und da infolge davon der Wett: 
ıb in den höbern Berufszweigen verhältnis: 
mäßig vermindert wird, jo wird man im allgemeinen 
in dem Ertrag der letztern auch die Verzinjung eines 
größern Kapitals finden, als bei den leichter zu: 
wänglihen Erwerbözweigen. Doch muß aud der 
gewöhnliche Arbeitälohn ausreichen, um das E. des 
nob nicht arbeitäjähigen Nachwuchſes zu deden; 
bie gegenwärtige Generation erjtattet das in ibr 
angelegte €, ftetö dadurch zurüd, daß jeder Er: 
werböjäbige eine Familie unterhält und für Aus: 
bil feiner Kinder Sorge trägt. 

Erz — — rziehungswiſſen— 

aft, J. Padagogil. 

Erz: Imprägnationen, ſ. Erzlagerſtätten. 
Erzingjau, Erſingjanoder Erſindſchanlar— 
meniſch Hein a), Hauptijtabt des Sandſchals E. im 
ahatstürt, Wilajet Erzerum in Armenien, in 1160 m 
Höbe, am rechten Ufer des Kara⸗ ſu oder weſtl. Gu: 
pbrat, über den zwei, durch eine Inſel getrennte 
Brüden führen, Eiß des Kommandos des 4. Armee: 
lerps, bat 23000 €., meiſt Türten, einige 20 Mo: 


219 


fcheen, 4 armenifche Kirchen, Bazare und Bäder. Die 
Ebene von E. bis Kemal (Gamadı) ift an Fruchtbar⸗ 
feit in ganı Kleinafien unübertroffen. 

Erzfämmerer, j. Erzämter und Kammer. 

Erzkanzler, eins der Erzämter (f. d.) des alten 
Deutihen Reichs. Die Ausfertigung der Lönigl. 
Urkunden und die Aufſicht über die tönigl. Schreiber 
lag am fränf. 2 dem Referendarius ob, der in 
der nachlaroling. Zeit Kanzler (f. d.) genannt wurde. 
Da die Schreibtunft faft nur den Geiftlichen ver 
traut war, jo waren ſowohl die Kanzliſten wie die 
Vorfteber der Kanzlei (für lektere war die Bezeich⸗ 
nung «ftapelle» gebräuchlich) Kleriker. Dtto I. ſchuf 
eine feite Orbnung. Er ernannte zum Kanzler zu: 
erſt jeinen Bruder Bruno L (f, d.), dann feinen Sohn 
Wilhelm, Erzbifhof von Mainz. Seitdem blieb das 
Kanzleramt mit dem —— Stuhl von Mainz 
fait bis zum Ende des Reichs in dauernder Ber: 
bindung. Nominell gab ed im Deutfchen Reich drei 
E., den Erzbifhof von Mainz für Deutfchland, den 
Erzbiſchof von Köln für Jtalten und den Erzbiſchof 
von Trier für Burgund. Die beiden legtern Wür— 
ben waren aber ohne alle praftifche Bedeutung. Der 
Erzbifhof von Mainz hatte ala E. die Borbereitun: 
gen zur Königswahl zu treffen, die Fürften zu ihr 
durch Briefe einzuladen, die Wablverbandlungen zu 
leiten und die Protokolle audzufertigen. Diejelben 
—— lagen ihm ob, fo oft ein Reichſstag ein: 

erufen wurde und verfammelt war. Ferner war er 
der Chef der königl. Kanzlei und ernannte und be 
auffichtigte alle darin angeftellten Beamten. 

Der €. hatte den Vorrang vor allen Kurfürften, 
ſaß zur Rechten des Kaiſers, hatte den Borfik im 
Kurfürftenfollegium und die — der allgemei⸗ 
nen Reichstagsangelegenheiten. Die mainziſche 
Geſandtſchaft am Reichstage in — — wurde 
daher als Reihspdireltorium und der Geſandte 
als der Reichsdireltorialgeſandte bezeichnet. 
Alle Eingaben und Schriftſtücke für ven Reichstag 
mußten Bier eingereicht werben und mwurben von 
bier aus azur Diktatur gebracht», d. h. vervielfältigt 
und an die Gefandten der Stände verteilt. Auch die 
Prüfung der Legitimation der Gefandten erfolgte 
durh das Direktorium. Die Kanzlei des Reichs: 
—* wurde von Mainz beſetzt; an der Spitze der: 
jelben jtand der fog. Reichsdiktator, der den 
Schreibern die Anfagezettel u. f. w. diltierte. Auch 
das ganze Archiv des Reichstags ftand unter ber 
Verwaltung des E. Die Beichlüfle des Reihstags 
wurden vom E. im Original ausgefertigt, in der 
mainzijchen Kanzlei ingrofjiert, gejiegelt und in be 

—* Abſchriften den Ständen mitgeteilt. Die: 
Ibn Rechte und Pflichten hatte der E. auch hin» 
ichtlich der Reichsdeputationen. Auch verwaltete er 
die faiferl. Hofkanzlei, ernannte den Vorſteher derſel⸗ 
ben (den Reichövicelangler) ſowie die Referendarien, 
Sekretarien, Regiitratoren und Kanzliſten. Diejel: 
ben Rechte übte er aus hinſichtlich der Kanzlei des 
Reichshofrats, die von der «geheimen Reichshof: 
fanzlei» verſchieden war. Auch die Kanzlei und das 
Arhiv des Neichölammergeriht3 wurde vom E. 
des Reichs bejest. Nach der Einverleibung des 
linten Rheinufers in das franz. Staatägebiet und 
nah dem Wegfall des Mainzer Kurfürftentums 
wurde ein neues geiftliches Kurfürftentum Regens⸗ 
burg geihaffen und demjelben das Erzlanzleramt 
übertragen. — Bgl. Seeliger, E. und Reichslanzleien 
(Jnnäbr. 1889). 

Erzlager, ſ. Erzlagerftätten. 


220 


Erzlagerftätten, örtliche zur Gewinnung geeig: 
nete Anbäufungen irgendwelcher Erzarten, auch in 
dem Falle, daß dieielben außer den Erzen andere, 
nicht metalliihe Mineraljubitanzen fübren. Der 
Form nah pflegt man die E. einzuteilen in die 
regelmäßigen, wozu die Lager und Gänge 
gen, und in die unregelmäßigen, mozu die 

töde, Nefter und fog. Jmprägnationen 
gerechnet werden. Dieje Formen jind leineswegs 
immer fcharf gegenfeitig abgegrenzt, jondern geben 
oft ineinander über, jo daß dann bie nd 
nicht immer leicht fällt. Manche E. befteben weſent⸗ 
(ih nur aus einer Erzart, die meijten dagegen ent: 
—— mebrere oder zahlreiche Erzarten miteinander 

omie mit vielen nicht metalliiben Mineralien, den 
sur oder Lagerarten, verbunden. Auf der Tafel: 
Erzlagerftätten, Sig; 1, find die verfcbiedenen 
ormen und Arten des Borlommens der E. über: 
chtlich und ſchematiſch im Profil vereinigt. 

Erzlager find Eraanhäufungen, die der Schich⸗ 
tung des jie einjchließenden Gebirges parallel ver: 
** und ihrer ganzen Natur nach ſelbſt ala erz⸗ 
haltige Schichten Kr find, die ungefäbr oleid- 
jeitig mit dem umgebenden u. d. b. nach ihrer 
Unterlage, dem urſprünglich Yiegenden, und vor 
ihrer Dede, dem uriprünglih Hangenden, gebildet 
1% fein feinen (Fig. 1, a). ie eigentlichen 

ager nehmen bei verhältnismäßig großer und 
oft jebr wechſelnder Mächtigleit (Dide) nur ge: 
ringe Flächenräume ein (3. B. die Eijenerzlager 
der archäiſchen Formation), und davon pflegt man 
wohl die Erzflöze zu unterſcheiden, die bei be 
deutender, weientlich ununterbrochener Verbreitung 
über weite Flächenräume eine ziemlich fonitant 
bleibende, verhältnismäßig geringe Mädhtigfeit be 
figen (3. B. die Eifenerzflöge des Braunen Juras, 
das Mansfelder Kupferichieferflös). Die Erzlager 
im allgemeinen bejteben vorzugsweife aus einer 
oder mehren Schichten lompalten Erzes, z. B. 
Brauneifenftein, Magneteifenftein; bie Grenzen 
* Lager gegen das Hangende und Liegende 

nd bald ſcharf und beſtimmt, bald aber finden ſich 
aud allmäbhliche Übergänge in das oben und unten 
einihließende Geſtein (Gegenfas zu Gängen). Da: 
bei ijt die Verteilung der Erzmaſſen eine ziemlich 

leihmäßige, und der Erzreichtum der Lagerjtätte 

ängt mei bloß von der Mächtigkeit ab. Andere 
Erzlager bejteben nur in einer Anbäufung bis: 
meilen jebr jein verteilter Erzpartitelhen in einer 
beftimmten Schicht (3. B. Kupferſchiefer). Wabre 
Erjlager fommen nur innerhalb echt geidichteter 
Geſteine vor, in denen fie aber au obne Unter: 
ſchied des geolog. Alters auftreten. Unter allen 
Erzen finden ſich entſchieden die Eifenfteine am 
bäufigiten gerade in der Form von Lagern. Fur 
die bergmänniſche Gewinnung ift die Lagerform 
bei hinreichender Mächtigfeit und Qualität befon- 
ders günjtig wegen ibrer Negelmäßigleit und Ver: 
breitungsart, jomie wegen ber immerbin relativ 
großen Bleichförmigleit des Erzgebalts. 

Außer diejen in das Gebirge eingebetteten Eins 
lagerungen giebt es auch oberflählibe Erzauf: 
lagerungen, bie feine oder nur fpurenbafte Bes 
dedung durch fremdes Gejtein befisen. * e⸗ 
bören z. B. die in der Tertiärzeit abgeſeßzten Ro 

e im Gebiete des Weißen Juras, die alluvialen, 
ſich jegt noch forterzeugenden Rajeneijenerze, Wiejens 
erze, Sumpjerze, Morajterze in der großen Niebe: 
rung des nördl. Gentraleuropas, vor allem aber 


Erzlagerjtätten 


auch die ſog. Seifenlager (Fig. 1,q), oberfläd- 
liche Schuttablagerungen, namentlic folcbe von leb: 
migen Sandmaſſen und Duarzgeröll, die in reichlicher 
Menge edle Metalle, daneben aud Eveljteine in 
fi enthalten. Dieſe lofen Schuttanbäufungen find 
u betrachten als das Reſultat förmliber, von der 
atur jelbit ausgeführter Waſchprozeſſe, bei denen 
durh das Wegſchwemmen der leibtern, weichern 
und vermwitterbaren Gejteind: und Mineralfrag: 
mente der zerjtörten Felſen eine lolale Konzentra- 
tion jener — harten und unzerſebaren Metall: 
und Edelſteinteilchen bewirlt wurde. Bon ſolchen 
Seifenlagern mit Gold, Platin, Zinnerz finden ſich 
die edeln Metalle namentlich in Braſilien, Oft 
indien, Kalifornien und im Ural, das Zinnerz in 
Cornwall, Malata, Banka, Aujtralien. Die Ge 
winnung dieſer Erze aus den Seifen ift viel lob- 
nender al3 die von der urjprünglichen Zageritätte, 
wo fie meift fein verteilt und ſpärlich eingejtreut 
find, auch leichter wegen der Oberflächlichleit und 
Loderbeit des fie führenden Schuttes. Fig. 7 ftellt 
den Querſchnitt eines Goldfeifenlagers amliral 
dar, wo die Goldlörner aus den Sand», Lehm⸗ und 
Geröllfhichten b und e gemonnen werden, die bier 
die unebene Oberfläche von kryſtalliniſchen Sciefer: 
geiteinen (a) überdeden und jelbit no von einer jün- 
gern unbaltigen Bodenſchicht (d) überlagert werden. 
Erzgänge nennt man diejenigen Erzanbäufun 
en, bie frübere, in dem feſten Geſtein aerifiene 
palten ausgefüllt haben und ſich daher als mebr 
oder weniger plattenförmige Körper darjtellen, die 
je nah dem Verlauf der urjprüngliden Spalte 
das Gejtein (Nebengejtein genannt) mie fremde 
Mailen unter irgend einem Wintel durchſchneiden, 
alfo aud in einem geſchichteten Gebirge allermeift 
eine von der Schichtung ganz unabhängige Rid: 
tung verfolgen (ig; 1,b,c,d,e,i,k). Dieſe jog. 
durdgreifende agerung üft febr charalteriſtiſch 
im _— zu den Erzlagern. Dod giebt es aud 
echte Gänge, d. b. unzweifelhafte Spaltenausfül: 
(ungen, die der Schichtung eines Gefteins parallel 
** (wie in Fig. 1 bei f) und wohl als Lager: 
änge bezeichnet werben, weil fie in ihrer en 
cheinungsweiſe eine große Ähnlichleit mit Lagern 
bejigen und leicht mit legtern verwecjelt werben 
fönnen; tritt jedoch der Fall ein, daß ein der Schich 
tung des Nebengeiteind paralleler vun einen an 
dern oder mebrere durchichneidet («durdiegt»), mie 
eö f gegenüber den eigentlihen Gängen c bemirtt, 
fo ift vamit (abgefeben von der vielleicht vorhande⸗ 
nen lagenmweijen Strultur) feine Gangnatur, d. b. 
feine Entftebung als Spaltenausfüllung, infofern 
offenbar erwiejen, als ein echtes Lager, dem f viel: 
leiht an andern Stellen gleiht, niemals einen 
Gang zu durchſetzen im ftande ift, indem ihm die 
durdgreifende Lagerung abgeht. Auch tommt es 
vor, daß ein ſolcher Lagergang, nachdem er eine 
Strede weit parallel zwiſchen den Schichten ſich ein: 
bergezogen bat, plößlich in bezeichnender Weiſe feine 
Richtung Ändert und die Schichten durchquert. 
Kontaktgänge beißen die Spaltenausfüllungen, 
die fih auf der Grenze a zwei verſchieden⸗ 
. Geiteinen, z. B. bei i in fig. 1, finden, ein 
B ‚der gar nicht Feiten ift, wahrſcheinlich weil auf 
olchen Grenzflächen bejonders leicht Spalten riſſen, 
die nachber zu Gängen ausgefüllt wurden. 
Den Durchſchnitt des Erzganges mit der Gebirg& 
oberfläbe nennt man dad Ausgebende, das 
Ausftreiben, Ausbeißen, feine beiden Seiten, 





| ERZLAG]I 








1. Verschiedene Formen der Erzlagerstätten in geschichtetem (4) und massigem (B) Gestein: a Lager. 
o gangförmige, p stockförmige Im 





2 Teil eines Freiberger Erzganges: a Schwefelmetalle, 
(nurz, v lınels 


83. Gangstiick von Freiberg mit «r 





6%, Klealer Durchschnitt des Erzgebietes von Cornwall. 





——— en — 





i 
, Durchsetzung un«l 
7. boldeeifenlager nm Ir werfung. 





Brocktiaus® Konversations- Lexikon. 14. Aut 


STATTEN. 








gewöhnliche Gänge, f Lagergang, ! Kontaktgang, k Netzgäuge, ! Lagerstock, m Gangstock, n lagerfürmige, 
stionen, q Seifenlager, r Erzputzen. 


Blende 


Quarz 


Flufsspat 
Blende 
Schwerspat 
Schwefelkies 
Schwerspat 
Flufsspat 
Schwefelkiex 
Kalkspat 
Kalkspatdrusen 
Kalkspat 
Schwefelkies 
Flufsspat. 
Schwerspat 

- Schwefelkien. 
Schwerspat 





Blende 
- Flufsspat * * 
a — ——— 
— Quaræ 
—— * — 4, Erzgänge im Kulkstein am Monte Calvi 


ital. Pıovinz Pisa 





8. Doppelter Erzgang. % Verästelung und Durchsetzung. 








Erzlagerjtätten 


alio die den wormaligen Spaltenwänden —— 
gelegenen Gangteile, die Salbänder. Es giebt 
Gänge, die nicht zu Tage ausgeben, indem entweder 
die urfprüngliche Spalte im Geftein nicht bis zur 
Oberfläche reichte oder neuere Ablagerungen das 
den Gang enthaltende Gebirge bededt haben. Die 
Nächtigkeit (Dide) der Erzgänge ift I wechſelnd, 
nah Maßgabe der alten Spalte. Selbſtverſtändlich 
bat aud ein und berjelbe Gang zufolge feiner 
Spaltennatur nicht allentbalben eine gleichbleibende 
Mädtigleit, bald «verdrüdt er fi», bald «thut er 
hd wieder auf». Auch in der Länge, nad dem 
Streiben walten große Verſchiedenheiten ob. 

Dit geſchieht es, daß mehrere oder viele Grzgänge 
jiemlih parallel nebeneinander verlaufen, jomobi in 
ıbrer Längsrichtung als in ihrer Neigung (in ibrem 
Steigen und allen), und den Kompler derjelben 
nennt man alddann einen Gangzug. Wenn das 

egen eine größere Anzahl von Gängen in einer 
gend fih nach verſchiedenen Richtungen durch: 
ihneiden (mie bei k in Fig. 1), fo bezeichnet man 
diefelben ald Nepgänge, auch als einen Gang: 
ftod, oder bei jchmaler Ausbildung der Gänge als 
einen Trümerftod (3. B. die den Granit durd: 
ihwärmenden Zinnerzgänge von Geyer und Alten 
—* Erzgebirge). Wo u zwei Gänge fi 
in ibrem Verlauf einfach durchſchneiden, da bilden 
fe ein fog. Ganglreuz (mie 3. B. mebrfad in 
sig. 6 und bei k in Fig. 1), und zwar bei faſt recht: 
—— Durch jchnitt ein ſog. Winteltreuz, bei 
ziemlich ſpizem Durchſchniti ein Scharkreuz. Auf 
derartigen Gangkreuzen pflegen oft reichlichere oder 
befiere Erze vorjulommen ald fie die einzelnen 
Gänge in ihrem getrennten Verlauf enthalten. Gebt 
der eine Etzgang einfach mit feinem Körper durd 
den andern Da fo wird dies eine Durd: 
iekung genannt, und zwar ift in ſolchem alle 
allemal der durchſe zende Gang jünger ald der durch⸗ 
este, weil der legtere ſchon ala folder vorhanden 
fein mußte, bevor diejenige Spalte durch ihn hin: 
durbriß, die dann mit dem Material des durch⸗ 
legenden Ganges erfüllt wurde (3. B. Fig. 9, wo 
ser Shweripatgang b durd den mit Blende und 
Yleiglanz maſſi üllten ältern Gang a hindurch⸗ 
est). Sehr bäufg aber ift mit einer ſolchen Durch⸗ 
\efung zugleich eine ſog. Verwerfung verbunden, 
d. h. die beiden ifolierten Teile des durchſetzten 
Ganges haben eine gegenfeitige VBerrüdung oder 
Veribiebung längs der durcfegenden Spalte er: 
habren, fo daß diesſeit und jenjeit der letztern die 
Stüde nit mehr aufeinander paflen (3. B. mehr: 
ab in ig. 6); auch bier ift natürlicherweife der 
verworfene Gang ſtets der ältere. 
j die. 5, worin bie Pfeile die Richtung des Ein: 
jallens bezeichnen, ftellt einen eigentümlichen Fall 
von Berwerfung dar, bei dem es auf den eriten 
Blid den Anſchein bat, ald ob gegen alle Wahr: 
Ibeinlihleit der jüngere Gang b, der einen ältern 
a jebr deutlih durchiekt bat, dennod von dem äl⸗ 
tern a fogar zweimal verworfen fei, was nad) der 
ftreng matbem. Theorie der Verwerfungen durchs 
aus unmöglich ift. Dieſer Widerſpruch löft ſich ins 
deflen jebr einfach durch die Borausjegung, dab an 
den Wänden des Altern Doppelganges a, nad: 
dem er bereitö von b durchſeßt war, nochmals 
Epalten aufgerifien find, die mit einer Verſchiebung 
der Maſſen verbunden waren, ohne ausgefüllt zu 
werben, d. b. ohne mwirflihe Gänge zu bilden, wie 
dies jebr häufig geſchehen zu fein pflegt. Sole 





221 


Spalten heißen Verwerfungsklüfte. Aber nicht 
alle Gragänge bie in ihren Richtungen aufeinander 
ftoßen, rauen ſich zu durdjegen, bisweilen find 


| ibre Mafien, zum Zeugnis einer faft gleichzeitigen 


Ausfülung, an den Kreuzungspunlten innig mits 
einander verwachſen, bisweilen jhleppen oder [baren 
je ich, d. b. der eine oder beide Gänge ändern ibre 

ichtung und laufen eine Strede weit parallel mit: 
einander fort. Wenn ein Gang fi in zwei zer⸗ 
fpaltet, «gabelt» oder «zerichlägt», wie c in fig. 1 
oder b in Fig, 9, fo wird bie lleinere Abgrenzung 
derjelben ald Seitentrum bezeichnet. 

Die Mafie des Erzganges beitebt nun einer 
m aus metalliiben Mineralien (Erzen), anderer: 
eitö aus nicbtmetalliiben Mineralfubftanzen der 
ſog. ——— oder Lagerart, z. B. Quarz, 
Raltipat, Schwerſpat, und beide pflegen bier weit 
mannigfaltiger zu fein, als es bei den Erzlagern 
der Fall if. Das quantitative Verhältnis beider 
Zeile bedingt den Gegenſatz von reichen oder edlen 
Mitteln zu tauben oder leeren Mitteln, den Gang⸗ 
artien, die ganz oder fat ganz aus Gangart bes 

eben. In den andern Fällen bilden die Erz: 
mittel größere oder Heinere unregelmäßige Mailen 
(Nefter) in den Gangarten, oder fie ericheinen 
darin bloß eingewachſen und eingeiprengt in lleinen 
rundlihen oder edigen PBartiteln, auch finden ſich 
Erze eingeiprengt in Erzen, 3. B. Kupferlies in 
Bleiglanz. Eine intereflante —— vie⸗ 
ler Erzgänge iſt die lagenformige oder bandartige. 
Die lagenmweife Anordnung befist oft eine große 
Negelmäßigleit in der Art, daß diefelben Bänder 
oder Schichten in einer gleiben Neibenfolge vom 
Hangenden zum Liegenden und vom Liegenden 
zum Hangenden oder von jedem Salband nah 
der Mitte zu auftreten; die forrefpondierenden Ab: 
fäge find gleichzeitig entſtanden. 

ig. 3 liefert dafür ein Beifpiel, worin die von 
a bis a geöfinete Spalte nab und nad von den 
Bandungen ber dur 10 verjchiedene Mineral: 
ſchichten ausgefüllt wurde, die durch die Buchſtaben 
a biö k in ihrer hronol. Neibenfolge bezeichnet find. 
Zuerft bildete jih an beiden Spaltenwänden bie 
aus Zinkblende beftebende Pape a aus, darüber die 
Quarzlage b, dann eine Flußipatlage c und fo fort 
bis k, das die mitteljte aus Kallſpat beitebende 
Doppellage ift. Da dieje beiderfeitig angefangene 
Schicht den no übrigen Spaltenraum nicht allent« 
balben völlig erfüllte, jo blieben teilweiſe flache 
Hohlräume übrig, in die der Kaltipat austryitalli» 
jierte und fo mittlere Drufenräume (l) bildete. Auch 
die ſymmetriſche Anordnung der Lagen ift zumeilen 
unterbrochen oder geitört, indem einzelne derjelben 
nur einfeitig auftreten oder in einer falſchen Stel: 
lung eingejchoben erfcheinen; diefe legtere Abwei— 
hung von der normalen Symmetrie kann meift da⸗ 
durch erklärt werden, daß nad der eriten Ausfüls 
lung der Spalte in dem jomeit fertigen Gange aufs 
neue Spalten aufgerifjen find, die der anfänglichen 
mebr oder weniger parallel verlaufen und erjt jpäter 
von Mineralfubitanzen erfüllt wurden. Auf dieſe 
Weiſe ſcheint ji 3. B. der in Sie. 2 dargeitellte 
Fall am einfachſten deuten zu laſſen. 

Fig. 8 zeigt den Durchſchnitt eines fog. Doppel: 
ganges, der durch Ausfüllung zweier parallel 
neben: und nadeinander aufgeriljener Spalten zu 
erflären ift. In der durch a und b bezeichneten 
Spalte ift zuerſt eine tryftallinifhe Quarzlage (a) 
an beiden Wänden abgelagert worden und dann 


222 


wurde der mittlere Raum (b) durch eine Breccie 
ausgefüllt, deren aus Blende und Bleiglanz be 
ftebende Brucftüde durch Due verbunden find, 
der die einzelnen Stüde radial umjtrablt. Die 
Spalte zwijchen a und c ſcheint dann fpäter auf: 
geriffen und durch ganz andere Materialien aus: 
gefüllt worden zu fein. 

Die Erzgänge find oftmald durchzogen von uns 
regelmäßig geitalteten Höblungen, den jog. Drujen: 
räumen, auf deren I{nnenwand allerhand Kryſtalli⸗ 
fationen zum Abſatz gelangt ſind. Während der 
Spaltenausfüllung hineingefallene Bruditüde des 
apa er find ziemlih häufige Erſcheinungen 
in den Erzgängen; die platten Fragmente des ſchiefe⸗ 
rigen Nebengefteind liegen dabei meift parallel dem 
Streihen und Fallen des Ganges, in deflen Maſſe 
oftmals mächtige Keile und Scheidewände bildend. 
Die fremden Gefteinsbruchftüde von ediger oder 
aud mehr abgerundeter Geftalt find zumeilen 
von fonzentrifben, zugleich radiallryſtalliniſchen 
Erz: und Gangarten umbällt, förmlich lagenmeife 
umtruftet und dann breccienartig miteinander ver: 
bunden (jog. Kotardenerze, Ringelerze, mie 
z. B. bei b ın Fig. 8). 

dig 4 ftellt eine unregelmäßig zeripaltene und 
von ängen durdzogene Marmorfelswand bes 
Monte⸗Calvi bei Campiglia marittima in Toscana 
dar, in der ſich die hiefigen Erze und Gangarten 
aud — Ten gruppiert haben, jo daß 
im Querbrud freisähnlide Lagen von ungleicher 
Farbe und Beſchaffenheit ericheinen. 

Fig. 6 liefert einen idealifierten Querfchnitt der 
jebr verwidelten Gejteind: und Gangverhältniſſe 
eines Zinnerzgebietes in Cornwall. Hier bejtebt die 
Gegend vorwiegend auf dem von den dortigen Berg: 
leuten Killas genannten Thonſchiefer (K); diefer i 
zunächſt lokal unterbrochen und durchſetzt von mäch⸗ 
tigen Granitmaſſen (G), die bier und da auch Heine 
gangförmige Ausläufer in den Thonjciefer hinein 
entjenden. Dieje beiden Gefteine find nun aber 
wieder mehrfach gangjörmig durchſetzt von einer Art 
Quarjporpbyr (P), den die comijchen Bergleute El: 
van zu nennen pflegen. Noch jpäter find dann zahl 
reihe Spalten aufgeriffen, in denen ſich Zinnerze 
und zum Zeil auch Rupfererze zugleich mit verſchie⸗ 
denen andern Minerallubftanzen ablagerten. Dieſe 
Erzgänge find auf der Abbildung durch ſchwarze 
Linien dargeſtellt, und es ift aus den Beziehungen 
diejer Linien zueinander fofort ertennbar, daß dieje 
Spalten in verſchiedenen Zeiten nacheinander auf: 

erijjen und ausgefüllt worden fein müflen, denn 

e treuzen fi nit nur vielfach, ſondern durchſetzen 
und verwerfen fi aud ziemlich häufig, jo nament⸗ 
lich bei v und e. Die Heine Partie bei S deutet ein 
Binnfeifenlager an, das bier offenbar durch teilmeife 
mechan. Zeritörung, Ab⸗ und Anſchwemmung aus 
den Zinnerzgängen entitanden iſt. 

Die verſchiedenartigſten Erfahrungen liegen über 
die wichtige Frage vor, in welcher Tiefe die Erzgänge 
ibre * en Anbruche haben, und es iſt zweifel⸗ 
haft, ob darüber irgend eine feſte gemeinſame 
Hegel exiſtiert. Anfänglich, fo müfjen wir an— 
nebmen, bejitand das im Gange verteilte Erz für 
viele Metalle lediglich oder vorzugsmeife aus einer 
Verbindung derjelben mit Schwefel, aus Kupferkies, 
Kupferalanz, Bleiglanz, Silberglanz, Zintblende 
u. a. Schweielmetallen, wozu ſich Arjenmetalle ge 
ſellen. Erze von ſolcher Beſchaffenheit lagern auch 
moch allerorten unten in großer Tiefe in den Gängen, 


Erzlagerftätten 


ar der Nähe der Erboberfläde aber, wo die mit 
sauerftoff beladenen Tagewaſſer fich bewegen, mo 
die atmoſphäriſche Feuchtigkeit wirkt, da finden ſich 
jene Erze auf dem. Wege in waflerbaltige Metall: 
falge umgewandelt und von dem urfpränglic auch 
dort vorhandenen Schwefel: oder Arjenmetall iſt 
oft wenig mehr zu finden. Da treten dem Berg: 
mann die zablreihen jchwefelfauren, arjenfauren, 
eg toblenjauren Salze des Kupiers, 
Bleies, Eiſens, auch Sauerftofjverbinbungen der 
Metalle entgegen, fhöne Mineralien, oft von zier: 
liber Kryitallifation und bübjcher Färbung. Die 
Tiefe, bis ee der eine ſolche hem. Veränderung des 
Ganginhalts von oben berabreicht, iſt oft nicht un: 
bedeutend, beträgt manchmal 60—130 m, und erit 
unterbalb —* Region trifft man dann auf das 
alte urſprungliche Schwefelmetall. j 

Mit diefen Vorgängen jteht aud der fog. Ciſerne 
Hut in Berbindung. Sp nennt man In Deutib: 
land das Ausgebende vieler reicher Erzgänge, weil 
durch die em. Zerſetzung der meift ziemlich viel 
Eijen enthaltenden Schwejelmetalle und des Eilen: 
ſpats daneben viel Eifenoryd und Eifenoder gebil: 
det wurde, deſſen rojtfarbene Subjtanz die gan 
Gangmafje durchzieht und intenfiv braun Part. 
Da nun diejer Eiſerne Hut die Anweſenbeit von 
eifenhaltigen Schweielmetallen und von Eifenipat 
vorausjegt und dieje häufig mit Silber: oder Blei⸗ 
erzen oder Gold verbunden find, jo lann er ein 
Vertündiger unterirdifcher reicher Erzmittel fein. 
Dasjelbe Oberflähengebilde heißt in Cornwall ter 
Gofian, in Mexilo Bacos und Golorados, ın 
Südamerita Negrillos. 

Bei der frage nad der Bildung der Erzgänge 
banbelt eö ſich um zwei getrennte Funtte, erſtens 
wie die urſprungliche Spalte entſtanden, zweitens 
wie die erzjührende Gangmaſſe bineingelangt ik. 
Auf die erfte diefer Fragen antwortet die dynamiſche 
Geologie. Den Abſaß der in den Gängen vor: 

andenen metalliihen und nichtmetallifben Sub: 
tanzen fann man ſich nur auf eine dreifach ver 
chiedene Weife erfolgt vorftellen: die Ausfüllungs: 
materialien ftammen entweder 1) von ber Erbober: 
fläde, alfo von oben, oder fie find 2) aus der Ziele 
in den Spalten emporgeftiegen, lommen aljo von 
unten, ober fie rühren 3) aus dem recht und linke 
befindlichen Nebengeftein, alſo von den Geiten ber, 

Was nun die erhe Möglichleit betrifft, die jog- 
Deicenfionstbeorie (1), jo hat diefelbe ſchon 
feit Anfang diejes Jahrhunderts Leinen Bertreier 
mehr gefunden, da jenes Material eben eine ganj 
anders —*— atur beſitzt als die 9 dem 
Erdboden zur Verfügung ſtehenden Stoffe. 
eine Abftammung des eis aus ber 
Tiefe angenommen wird, fo gliedert ſich dieſe 
Xbeorie, die Aicenfionstheorie (2), wieder in 
dreifacher Weife, k nad) der ipeciellen Borftellung, 
die man mit dem Bildungsatte jelbft verknüpft: die 
Erze könnten a. in Geftalt von Dämpfen, die ſich 
verdichten, emporgeitiegen, oder b. in einem lava⸗ 
artig geſchmolzenen Zuftande auf den Spalten herauf: 
gebrungen fein, oder c. als Erzeugnifie von Mineral: 
quellen gelten, die aus der Tiefe ihren Weg nad 
oben genommen und bie in ibnen gelöit entbaltenen 
Stoffe an den Wänden ber Spalten zum rn 
bracht haben. Als man ſich dem Studium der Vul⸗ 
tane und der vullaniſchen Erſcheinungen zumanbie, 
glaubte man auch die Ausfüllung der ne ar 
durch vultanifche Thätigkeit vermittelt. Vielfach war 


Erzlagerjtätten 


in den Spalten der erfaltenden Lavaſtröme, in den 
Kratern der Bullane die dort durh Dämpfe und 
Gaje zu ftande gelommene Bildung von — 
Etjen, 3. B. Eiſenglanz u. a. Mineralien, beobach⸗ 
tet, mehrfach z. B. —— in den Gemäuerfugen 
von Flammöfen unter Berbältnifjen erzeugt wahr: 
genommen worden, daß er dort nur burd gegen: 
veitige Einwirtung von Dämpfen abgejegt Jen 
konnte, ja es gelang, eine Anzahl geſchwefelier Erze 
aus den Metallgajen kunſtlich in Kryſtallform zu er» 
balten und fo une Sublimationstheorie 
2a) dur das nachabmende iment anſcheinend 
weientlich zu jtügen. Andererjeit3 brach fich vielfach 
die Überzeugung Babn, und fie ift lange fait herr: 
ſchend geweſen, dab das Material der Gänge in 
einem feurig erweichten, geſchmolzenen Buitande 
aus den Erbtiefen, wo man von jeber ben . 
der ſchweren Metalle vermutet batte, in den Spals 
ten emporgeitiegen fei. Sie lönnten alfo vermittelft 
der — Ausfüllung entſtanden fein und 
durh die ſog. Injektionstheorie (2b) erllärt 
werden. Doc) find ſolche Vorlommniſſe ganz außer: 
ordentlibe Seltenbeiten, und es ftebt augenblid: 
lih allgemein feit, daß beide Hypotheſen, die von 
der dampfjörmigen Sublimation jomie die von 
der rege Injektion, auf die Bildung der 
um ih überwiegenden Anzahl der Erzgänge 
feine Anwendung finden lönnen, und zwar bes: 
balb, weil leineswegs metalliihe Erze allein die 
Sangipalten erfäillen, jondern dieje darin innig ver: 
wachſen vorlomanen mit einer ganzen Menge von 
nihtmetalliiben Mineralien, mit Quarz, Kallſpat, 
Hußipat, Schwerſpat u. ſ. w., unter Verhältniſſen, 
welche die Bildung der einen nicht von der Bildung 
der andern trennen lafjen. Zur Zeit aber gilt es 
als ausgemacht, daß jene nichtmetalliſchen Minera⸗ 
lien bier weder aus Gaſen noch aus geichmolzenen 
Stoffen jeit geworden find, weil ſowohl ihre chem. 
Natur als auch ihre mikroſtopiſche Strultur einem 
felben Bildungsporgange meiftens direlt wider: 
ftreitet. Somit ıft für die allergrößte Mebrzabl der 
Erjgänge diejen beiden Theorien der Boden voll: 
Nändig entzogen. Erbeblih günitiger fteht ed um 
die dritte der oben erwähnten Anjichten (2c), zufolge 
deren man in den Erzgängen Abjäge von Mineral: 
quellen zu erbliden bat, die von unten ber in den 
Spalten aufgeitiegen find und ibre gelöften Teile 
metallijher und urrmetallifcher Art an den Wänden 
jur allmäbliben Abſcheidung braten. Die ganze 
materielle Natur der Erzgänge, bie ber Subli:- 
mationd und Injeltionstbeorie jo unüberwindliche 
Scwierigleiten erıtgegengeitellt, ift gerade derart, 
daß ſie umgelebrt dieſer jog. Infiltrationd: 
theorie laut das Wort redet. Taufende von em. 
Analyjen erweiſen, daß jene Stoffe, die in den Erz: 
ängen fteden, wirklich in den zu Tage tretenden 

‚uelmäflern, wenngleib manchmal nur in ſehr 

kwaden Spuren, aufgelöit enthalten find, und 
andererjeit# haben fich Die ger pn von außer: 
erdentlih gehäuft, daß die auf den Erzgängen am 
tiblihften vortommenden metalliihen und nicht: 
metalliihen Mineralien fih aus dem Wafler und 
nur aus dem Waſſer abgeichieven baben. Ferner 
in es gelungen, eine ganze große Menge von fol 
und Mineralien daburb vor unfern 

Augen im Laboratorium und in der zugebörigen 
Kryitallgeftalt zu erzeugen, dak man Gemäjler, die 
mit diejen oder jenen Stoffen beladen waren, bald 
bei gewöhnlicher, bald bei erböbter Temperatur 


223 


unter gewillen Umftänden aufeinander einwirken 
ließ. Durch die fo oft zu beobadhtende —— 
ujammenjeßung, ber ag einzelnen beider: 
eitig forrejpondierenden en wird bie Bor: 
tellung febr geitüßt, daß die Erfüllung der * 
durch Abſcheidung aus Gewäſſern erfolgte. Wäh— 
rend man aber bis in die neueſte Zeit in dieſen 
innerhalb der Spalten cirkulierenden Gewäſſern 
Mineralquellen zu ſehen geneigt war, die aus unbe⸗ 
lannter Tiefe in die Höbe ſtiegen, ſcheint neuerdings 
eine etwas andere Modifilaſion dieſer Auffaſſung 
Beifall zu —— Man behauptet, insbeſondere 
nad dem Vorgang von Guſtav Biſchof, die Erze 
tönnten allerdings nur als in Waſſer gelöft in bie 
Spalten eingeführt worden fein; aber dieje Gewäſſer 
urn feine emporjteigenden Mineralquellen gemefen, 
ondern die gewöhnlichen Siderwajler des ben Erz: 
ang entbaltenden Gebirgägeiteind, die auf ung 
igen haarfeinen Klüftchen in den benachbarten 
fen umberriejeln und aus ihnen jene Stoffe heraus: 
löjen und berausfaugen, die nachher, wenn fie in 
die offenen Spalten gelangen, dort von ihnen zum 
Abjak gebracht werben. So würde alfo der Erzgang 
nicht von unten, ſondern von der Seite ber ausge: 
bildet, eine Zateraljetretion (3) jein. Doch ſtehen 
auch diejer Yateraljetretionstheorie manche gewich—⸗ 
tige Bedenlen gegenüber, und fie iſt, wie jeve der 
andern, nicht geeignet, univerjell die Bildung fämt: 
liher Erzgänge zu erllären. 

Erzitöde nennt man maffige, ihrer Geitalt 
nad ganz unregelmäßige Erzanbäufungen in irgend 
einem Geſtein oder auf der Grenze wi en zwei vers 

hiedenartigen Gefteinen, wie 5.8. |, m und r in 
Fig. 1; jene Unregelmäßigleit unterſcheidet fie von 
den Bängen und Lagern, ihre beitimmte äußere Be: 
grenzung von den Imprägnationen. Man pflegt fie 
zu fondern in die Lagerftöde oder liegenden 
und die Gangjtöde oder jtebenden Stöde,. Er: 
ftere find folde, deren Hauptausdehnung ungefähr 
der Schichtung des einjchließenden Geſteins folgt, 
wie bei l, Fig. 1, leßtere —— deren Hauptaus⸗ 
dehnung von den Lagerungsverhältniſſen des Neben: 
*— ganz unabhängig iſt, wie beim. Füllt eine 


F 
2 


todförmige Maſſe nur eine Vertiefung der Ober: 
äche aus, wie bei r, jo heißt fie wohl eine Erzbuge 
oder Rahel. Auch bei den Stöden kann man vers 
fcbiedenartige reichere und ärmere Regionen unter: 
ſcheiden. Magneteifen tritt befonders häufig in 
Stodform auf (Ural, Schweden), aber auch andere 
Erze lommen auf ſolcher Lagerſtätte vor, hauptſäch⸗ 
lich im Kalkſtein, wie namentlich Bleiglanz, Blende, 
Galmei. Die Lageritöde von unregelmäßiger Linſen⸗ 
geitalt geben bei geringer Mächtigleit in Sager über. 
Als Erzimprägnationen werben folde 
Lagerftätten bezeichnet, deren Erzteile dur bie 
anze Mafje eines gewöhnlichen Geſteins verteilt 
Im, obne jcharfe äußere —— ihres Vertei⸗ 
ungsraumes, 3. B. Magneteifen in Irpitallinifhen 
Schiefern. Es ſind meiſtens lotale, förmlich wolten: 
ähnliche Konzentrationen von Erzpartikelchen, die 
aub außerhalb der Imprägnationszonen in dem 
betreffenden Geitein, bier jedoch nur in fehr jpärs 
liher Verbreitung, vortommen. Dabei können fie 
auf Grund der allgemeinen Geitalt des von ihnen 
eingenommenen Raums bald mebr lagerartig (mie 
bei n in Fig. 1), bald mehr gangförmig (0) oder 
jtodförmig 6) fein. 
Litteratur. B.von Cotta, Die Lehre von den C. 
(2. Aufl., 2 Bde., Freiberg 1859—61); Grimm, Die 


224 


Lagerftätten der nugbaren Mineralien (Prag 1869); 
von Örodded, Die Lehre von den Lageritätten der Erze 
(23. 1879); Sandberger, Unterfuhungen über Erz: 
günge (Heft 1, Wiesb. 1882; Heit2, 1885); Bodepnd, 

ber die Genefis der €. ( Wien 1895); Dahlblom, 
Über magnetiſche E. (deutſch, Freiberg 1899); Bed, 
Lehre von den E. (2 Tie., Berl. 1900—1). 

Erzlori, Bapageienart, ſ. Breitſchwanzloris. 

Erzmarfchall (mittellat. archimarescalcus), 
eins der Erzämter (f. d.) des alten Deutſchen Reiche. 
Das Amt des Marſchalls (f. d.) batte bereits am 
fränt. Königshof eine hervorragende polit. Be: 
deutung, teild wegen des Umfangs und des wirt: 
ihaftlihen Wertes der königl. Gejtüte und Pferde: 

ftände, teild wegen der ftet3 wachſenden militär. 
Wichtigkeit der Banzerreiter. Meift hatte der Mar: 
ſchall aud den militär. Oberbefebl über die Panzer: 
reiter, und es erflärt fih hieraus die Berwendbun 
der Worte Marſchall und Eonnttable (f. d.) ald Tite 
für Feldherren. j 

* Deutſchen Reiche ſtand das Amt des E. ſeit 
früber Zeit dem Herzog von Sachſen zu; nach den 
in dem fähf. Fürſtenhauſe 1212 und 1260 ein: 
getretenen Teilungen war es unter den verichie: 
denen Linien ftreitig, wurde aber unter Karl IV. 
in der Goldenen Bulle 1355 und 1356 Sadjen- 
Wittenberg ausicliehlich beigelegt und bi den 
Schidjalen der ſächſ. Kurſtimme. Der Ebrendienit 
des E. beftand darin, dem König bei deſſen Krö— 
nungäfeier eine filberne Schüjlel, gefüllt mit Hafer, 
darzureichen und bei der url Brozeffion un: 
mittelbar vor dem König einberzufchreiten und 
ihm das Reichsſchwert, eins der laiſerl. Snfignien, 
vorzutragen. Dem Amt des E. verblieb im Ge: 
— zu den andern Erzämtern inſofern eine ge 
wiſſe ftaatsrechtlihe Bedeutung, als ibm die 
Funltion oblag, bei der Königsmwahl die Polizei zu 
Bandhaben und fall der König am Wahlort nicht 
anweſend fein ollte, ihn jofort von der erfolgten 
Wahl zu benachrichtigen. Auch in der Stadt, in 
welcher ein Reichstag gebalten wurde, hatte ver E. 
die Anmweifung und nein der Quartiere und 
die dazu notwendige — der —— Zur 
Ausübung dieſer Obliegenheiten war dem €, unter: 
geordnet der Reichserbmarſchall (submarescal- 
cus), ein Erbamt der Grafen von Bappenbeim. (©. 
Erbämter.) Aber auch der Reihserbmarjhall war 
am Reichstag nicht perjönlih anweſend, fondern 
wurde vertreten durd den Untermaricall (sub- 
stitutus subınarescalcus), für den der Titel Reich 3: 
quartiermeijter üblih wurde. Für die Erlebis 
gung ber Geihäfte beitand die jog. Reichserb— 
marſchallskanzlei, beitebend aus einem Pap: 
penbeimichen Hofrat, einem Negiitrator und zwei 
Ranzlijten, von denen einer fatholiih und der an» 
dere evangelifch fein mußte, und einem Polizei: 
diener, dem jog. Reichsprofoß. Der Erbmarſchalls⸗ 
tanzlei lagen auch gewiſſe Kanzleigefchäfteam Reichs: 
tag ob. Die nähern Beitimmungen wurden getrof: 
fen in Berträgen des E. mit dem Reichserzkanzler 
von 1529 und 1562 und in einem Vertrag des Reichs⸗ 
erbmarihalld, Grafen von Bappenbeim, mit den 
Reichsſtädten vom 26. Dit. (5. Nov.) 1614. 

Erzmittel, die zwiihen andern Gangarten oder 
Mineralien lagernden Erze. 

Erzpanneramt, j. Erzämter. 

tel: im alten Deuticen Reib die Pfalz 
amı Rhein, weil jie die vornebmite war. 

Erzpoẽt, ſ. Arhivoeta. 


Erzlori — Eſau 


Erzprieſter (lat. archipresbyteri) oder Land⸗ 
detane (decani rurales), in der kath. Kirche ſeit 
dem 9. Jahrh. die die nächſte Auffiht über eine An: 
zahl Kirchen und deren Geiſtliche führenden Pfarrer. 
Sie find die Mittelöperjonen zwiſchen den Geiit- 
lichen ihres Bezirls und dem Biſchof und Die Organe 
des legtern bei der Aufrechterhaltung der Ordnung 
und der Durbfübrung neuer Einrihtungen und 
Vorſchriften. Deshalb werden fie aub Bezirks: 
vilare genannt. In der griecd.:lath. Kirche beißen 
fie Protopresbyter. 

Erzihatmeiiter, Erzichenf, |. Erzämter. 

Erzſchleiche (Seps chalcides Bonap.), eine 
bis 36 cm lange, nidtgiftige, gelbrote, glänzende, 
oben meift mit einigen dunllern Streifen gezeich⸗ 
nete act: mit zwei auffallend kurzen, weit aus: 
einanderjtebenden ep Ertremitätenpaaren, 
durch die fie den libergang bildet zwijchen dem Stint 
(f. d.) und den volllommen fußlojen Blindfchleichen 
(j. d.). Sie bewohnt die Mittelmeerländer. 

Erzfebetväros (pr. erſchehbetwahroſch), ungar. 
Name von Elifabethitabt (j.d.) in Siebenbürgen. 

Erzftahl, j. Eiienerzeugung. 

Erzitifter, |. Stift. 

Erzitöde, j. Erzlageritätten. 

Erzteufe, die Teufe (Tiefe) eines Gebirges, die 
vorzugsmeije reihe Ausbeute an Erz liefert. 

Erztrucdhfen, j. Erzämter und Truchſeß. 

Erzväter, j. Batriarben. _ 

8, älteres bis Ende Juni 1861 geieglih ae 
weienes dän. Gewicht von 8 dän. Gran, *,, des 
damaligen Ort, des Lots oder ss bed 
Piundes (von 500 8) = 6l,ossısng. In Norwegen 
wurde das Pfund (von 498,11 g) bis Ende Juni 
1882 ebenfo eingeteilt wie in Dänemark; das nor: 
weg. Es war daber = 60,84443 mg. 

Es (ital. mi bemolle; franz. mi bemol; engl. e 
Hat), in der Muſik das um einen halben Ton ernie: 
drigte e (bezeichnet durch e mit einem $), ift von 
dis nur enharmoniſch verſchieden. 

65 (fr., ſpr. äb oder äbh), zujammengezogen aus 
en les, in den, nur in einzelnen Verbindungen nes 
bräuchlich: bachelier, licencié &s sciences, Bacca— 
laureus, Licentiat der Wiſſenſchaften; maitre &s 
arts, Magijter der freien Künſte; docteur &s lettres, 
ds sciences, Doktor der Bbilofopbie. 

€. S., deutiher Kupferſtecher, ver ih auf meb- 
tern feiner Blätter der Initialen E. oder €. S., 
mitunter in Begleitung der Jahreszahlen 1465, 
1466 und 1467 bediente. Er ſcheint im Dberrbein: 
thal oder im Elſaß . um 1450 gelebt zu baben; 
man kennt mebr al3 300 Stiche von feiner Hand, 
darunter drei Daritellungen der wundertbätigen 
Madonna von Ginjiedeln (1466), ein Figuren⸗ 
alpbabet und zwei Kartenspiele (ba. von Lebrs, Berl. 
1891). Er kann als der geiltige Bater Martin 
Schongauerö (f. d.) betrachtet werden. — Bal. Lionel 
Cuſt, The master E. 8. (Lond. 1898). 

farhaddon (ipr.ibjerhäpp’n),engl. Schreibung 
für Aſarhaddon (j. d.). 

Eſau (d. i. nah 1 Moſ. 25, 25 der Behaarte, 
auch Edom, d. i. der Rote, genannt, nah 1 Mei. 
25,30 wegen feines Wunjces, von dem «roten Ge 
richt» zu efien), nad der bebr. Überlieferung ber 
Stammpvater der Epomiter (j.d.). Der Bericht über 
ihn im erften Buch Moſe jpiegelt ſpätere geſchicht⸗ 
lihe Verbältnifje wider. Die israel. Sage bezeich⸗ 
net ibn als den ältern Sobn Iſaals, d. b. die Evo» 
miter find früber als Israel zu Macht und Anſeben 


Esbjerg — Eiche 


gelangt. Jakob (f. d.) jucht ihm ſchon bei der Geburt 
j men, liftet ihm die Erjtgeburt wie den 
Eegen des Vaters ab, d. b. Edom ift infolge der 
———— Israels, fi ſudwarts auszubreiten 
———— Die nach 1 Moſ. 27 von Iſaa 
über b und €. geiprodenen Segenswunſche 
nehmen außerdem auf die jabrhundertelangen 
Kämpfe beider Völter deutlich Rüdjiht. _ 
Eöbjerg, Nordſeehaſen (Ladeplads), feit 1899 
Stadt, im dän. Amte Ribe, der Infel Fand gegen: 
über, an der Linie Lunderslov: Holjtebro :Pangaa 
der Jutiſchen Eifenbahnen, ſteht mit der engl. Dit: 
tüfte in lebbaftem region ar iſt Siß meh⸗ 
rerer Konſulate, darunter eines deutſchen, hat (1901) 
13355 GE.; Reiterftatue Ehrijtiand IX. auf bem 
Markt; bedeutende Inpuftrie, Fiſcherei und ift wich⸗ 
tiger Ausfuhrplag für Vieh, Sped, Yutter, Räfe 


und R 
Escadre (frz., {pr. -lahdr), joviel wie Geſchwader 
(. dA für Flottille (f. d.). 
Escadrille (fr;., ſpr. -drij), jeltene Bezeichnung 
Eöcadron, |. Estadron, 
@öcalade, ſ. Eslalade. 
Esoalier (fr;., ipr. -Iieb), Treppe; E. de de- 
gagement (fpr. -gafdh’'mäng) oder E. derobe, Ge: 
beimmtreppe, Nebentreppe; Esprit d’escalier, Trep: 
venmwiß, j. Esprit. . 
Escalopes (ir;., pr. -Löp), Heine runde Schei⸗ 
ben von Wildbret, Geflügel, Fiſch, Kalbfleiſch u. ſ. w., 
die gedampft oder gebraten und mit einer Sauce 
angerichtet werden. 
scambia:River (ſpr. ẽslämmbie riww'r), 
Küſtenfluß des nordameril. Staates Florida, ent⸗ 
ttebt aus der Vereinigung des im Staate Alabama 
entipringenden Pigeon⸗Creel und Gonecub: River 
und ergießt fi in den Golf von Mexilo. Seine 
buchtenartig einfhneidende Mündung bildet den 
ausgezeichneten Hafen von Penjacola (f. d.)., 
Edcamstieren (frz.), durch Taſchenſpielerei, 
dann auch überhaupt heimlich, unvermerlt ver: 
ſchwinden lafjen, wegihafien; Escamoteur (jpr. 
-töhr), Zajcenipieler; Cöcamotage (Ipr. -tabid"), 
Taichenipielerei (auch figürlich). 
eandal (ipr. -Tangdal), Mehrzahl Escan— 
daur (ipr. -langdob), älteres, in der Preisjtellung 
nob üblihes Flüffigteitsmaß in Marjeille, auch in 
Toulonin — —— Der E. war ehemals 
die Einheit ver Marſeiller Flüſſigleitsmaße und hatte 
den Inhalt eines Kubil:Ban, war alſo geſetzlich = 
15,92455 1; die Marjeiller Aicher nahmen aber den 
Ban etwas Heiner an und den E. = 15,352 1. In 
neuerer Zeit rechnet man den legtern bei der Preis: 
notierung genau = 161. Der €. war *, der Mille 
rolle und wurde ald Weinmaß in 15 Pots zu 
4 Duarts (Biertel) oder Vihounes, ald Olmaß in 
40 Quarterons geteilt; an Gewicht nimmt man jeis 
nen Baumölinbalt zu 14'/, bis 14°, kg an, 
Eöcarpe (frz., ſpr. -tärp), ſ. Estarpe. 
Escarpins (ir;., jpr. -päng), Zanzihube; en 
escarpins (jpr. anneslarpäng), im Ballanzug (nad) 

überer, unter anderm 1890 am preuß. Hofe wie: 
der eingeführter Mode, mit kurzen Beinkleivern, 
eidenen Strümpfen, Schnallenj&huben). 

Escaut (fpr. -Lob), franz. Name der Schelbe (f.d.). 

Edcayrac de Lauture (fpr. -täräd dE lotübr), 

Stanislas, Graf von, Afrikareijender, geb. 6. Dez. 
1830, befuchte bereit 1847 Madagaslar, die Co: 
moren, Sanfıbar, fpäter die Küjten der Berberei und 
Uarrten fowie 1849 Kordofan und Talale, von wo 

Grodbaud’ Komperjations-Beriton. 14. Aufl. R.U VI. 


225 


er über Chartum und Sualin 1850 zurüdtebrte. Er 
wurde 1856 vom Bicelönig von Ughpten — Ehe 
einer großartig angelegten internationalen Erpe: 
bition zur Erforjchung der Nilquellen ernannt, welche 
Erpebition aber jhon in Ügypten ſelbſt jcheiterte. 
Als Cbef einer wiſſenſchaftlichen Miffion begleitete 
er 1860 die franz. Truppen nad Peling, geriet in 
chineſ. Gefangenſchaft und kehrte 1861 leidend zu: 
rüd. Er ftarb 20. Dez. 1868 zu Fontainebleau. 
Außer vielen Abhandlungen in Ian, anne 
veröffentlichte er: «Notice sur le Kordofan» (1851), 
«Le Dösert et le Soudan» (1853; deutſch Lpz. 
1855), «M&moire sur le ragle, ou hallucination 
du d&sert» (1855), «M&moires sur leSoudan»(1855), 
«Mömoires sur la Chine» (1864). — Bol. Durand⸗ 
Zapie, Le comte d’E. La vie et ses ouvrages 
(Bar. 1899). 

Esch., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab: 

ir > für Joh. Friedr. Eſchſcholtz (ſ. d.). 

ära (grch.), Schorf, Brandicorf, eine trus 
ftenartige Schicht abge torbenen Gewebes, die ent» 
weder fpontan beim Brand oder bei Anwendung 
des Gluͤheiſens oder eines Üigmittels entiteht. 

Es ‚ Familie der Moostierden (f. d.), 
mit talligem, blätterigem, biöweilen negartigem 
Stelett,mit wechfelitändigen Einzelzellen. Zahlreiche 
Arten des Meers vom Jura an bis in die Jeßztzeit. 

Edöchatolögie (grch.), in der firhlihen Dogmatil 
die Lehre von den * legten Dingen (lat. res no- 
vissimae, d. b: ultimae; griedy. ta 6schata), d. h. vom 
Enpdgeihid ſowohl der Einzelnen nad dem Tode 
als aud der Welt und der Menſchheit. Dabin ges 
börenZod, Zwiſchenzuſtand, ger Reich 

j. Ehiliasmus), Wiederkunft Chriſti, Auferſtehung, 

eltgericht, Weltende. Im Mittelalter und in der 
Rejormationgzeit waren phantaftiihe Ausmalungen 
der legten Dinge bei apolalyptiſchen Parteien jehr 
verbreitet. Innerhalb der evang. Kirche beichäf- 
tigten fih damit namentlih die Theoſophen der 
Bengel:Detingerfhen Schule. Scleiermader be: 
banvelte die E. unter dem Namen Ba er Lehr: 
ftüde, die feine eigentlihen Glaubensſätze jeien, da 
fie nıht auf fronımer Erfahrung berubten. Der 
Rationalismus bielt nur die Hoffnung perfönlicer 
Unſterblichleit je Die Hegelihe Schule beitritt 
auch dieſe und juchte das Unendliche im Endlichen, 
das Ewige im Zeitlihen als lebendige Gegenwart 
zu ergreifen. Die moderne theiſtiſche Spekulation 
N}: 9. Fichte, Ulrici, Weiße, Rothe u. a.) hat die 

eiblihe Fortdauer der Individuen neu zu begrün: 
den verſucht und auf die E. wieder großes Gewicht 
gelegt. Die neuere, ziemlidy zablreiche Litteratur 
über E. gehört ausſchließlich der orthodor:pietifti« 
ihen Richtung an. 
& baal, |. Isboſeth. 
beerbaum, die Ebereice (f. d. und Tafel: 

Laubhölzer: Waldbäume VI, fie. 1). 

Eiche (Fraxinus L.), Pflanzengattung aus ber 
Familie der Dleaceen (f.d.); man tennt gegen 30 Ars 
ten, die in den nörbliden gemäßigten und fub- 
tropifhen Gegenden wild wachſen. Die E. haben 

egenitändige, unpaarig gefiederte Blätter und zwei⸗ 

äufige oder polygamijche, bühenlofe, bloß auf die 
Geſchlechtsorgane reduzierte, aus Seitentnofpen ſich 
entwidelnde Blüten, Die männlichen find aus zwei 
Staubgefähen, die Zwitterblüten aus einem Stem: 
pel und zwei Staubgefäßen zufammengejekt, die 
weiblihen haben nur einen Stempel. Die Blütezeit 


ı fällt in den fyrübling vor dem Laubausbrud, wo 


15 


226 


die wegen der meiſt violetten Staubbeutel gemöbn: 
lich jhmwärzlih gefärbten Blüten in Büchel oder 
Riſpen geitellt erſcheinen; aus den Stempeln ent: 
widelt ſich eine einfamige Schließfrucht mit langem, 
lanzettförmigem, leverartigem Flügel. 
nter den europ. Eſchenarten tft die gemeine E. 
(Fraxinus excelsior L.) die widhtigfte. Die großen 
Blätter find aus 8—15 ſitzenden Blätthen an ge 
meinjamem Stiel zuſammen efegt; nur die erſten 
Laubblätter der Keimpflanze And ftetö einfach, die 
zweiten find zwei⸗ bis dreiteilig u. ſ. w.; die Blätt- 
chen find lanzettförmig, ungleich ſcharf aefägt. Die 
Knospen find dunkel ſchwarzbraun. Die gemeine 
E. iß ein ſchöner Baum erſter Größe, der nicht jel- 
ten biö 30 m hoch wird, in der Jugend mit grünlich: 
grauer, jeinrijfiger Rinde, im Vöhern Iter mit 
rauber, längärifitger Borte. Sie iſt durd fait ganz 
Europa fowie die Kaufafusländer verbreitet und 
mebr ein Baum der feuchten Niederungen, der Fluß: 
auen als des Gebirges, doch fehlt fie legterm nicht; 
in den Alpen fteigt fie bis 1200, wohl auch 1300 m 
Meeresböbe. Walpbildend ift die E. nur auf ihr 
[ehr zufagenden Standorten, z. B. im ungar. Tief: 
ande, in Slawonien in den feuchten Jnundations: 
gebieten der Flüfje; in Deutichland findet fie ſich 
einzeln und borjtweife eingemengt in Laubmwäldern, 
namentlih in Buchen, vielfach u angebaut an 
Bachufern. Sie befikt eine große Ausihlagsfäbig: 
feit ſowohl aus dem Stod ald aus dem Stamm, 
weshalb ſie fich zum Niederwald-, Kopf: und Schnei: 
deiholzbetrieb gut eignet; leßterer wird namentlich 
ur Gewinnung von Futterlaub angewendet, z. B. 
in einigen öfterr. Alpenländern. Ihr weihes, zäbes, 
bartes Hol; wird von Stellmadern und Tiſchlern jebr 
eſucht (j. Tafel: Fremdlaändiſche Nutzhölzer, 
ge 5, beim Artifel Holz) und ſteht bezüglich der 
rennfraft nabe dem ber Buche. Die fhlanten zäben 
Stodlohden find von jeber zu Lanzenſchaften ver: 
wendet worden, jüngere zu Beitfchenitielen. Gefahren 
tft die E, in Deutichland vielfach ausgeſetzt; in der 
Jugend leidet fie jebr von Spätfröjten und Verdäm— 
mung burd hoben Graswuchs. Später wird ſie durch 
Mild und MWeidevieb oft fo beſchädigt, daß fie ein: 
gebt. Mancherlei Inſelten werden ibr gefährlich, fo 
B. die Sornifle, welche die jungen Triebe fhält, 
der hauptſächlich von Eichenlaub lebende, unter dem 
Namen Spanische Fliege (1. d. und Tafel: Schäd— 
lie Forſtinſekten I, Fig. 1, beim Artilel Forft: 
infelten) betannte Käfer(Lytta vesicatoria Z.), zwei 
Bortentläfer, Hylesinus crenatus Fabr. und fraxini 
Fabr. (f. Tafel I, Fig. Sa und b). 

Die Abbildung auf Tafel: Laubbölzer: Wald: 
bäumeV, Fig.2, zeigt die gemeine E. ald Baum, 
außerdem ı einen blübenvden Kurztrieb mit Zwitter: 
blüten, deſſen Endknoſpe fich bereits entfaltet, 2 ein 
Blatt, s und + Zwitterblüten, s männliche Blüte, 
bloß aus zwei Staubgefäßen beſtehend, s Frucht: 
fnoten mit weggejchnittener Vorderwand, um die 
am Samenträger bängenden Samentnofpen zu 

eigen, 7 Querſchnitt desjelben, s Zweigſpitze im 

inter mit anbängenden Früchten, » geöffnete 
Frucht mit an dem Samenfaben hängenden Samen, 
10 einen Teil des auseinandergelegten Samen: 
lappen® mit dem Keimling, u Querſchnitt des 
Samen, ı2 Keimpflanze. 

Die füdeurop. Eichenarten, fo z. B. Fraxinus oxy- 
carpa Willd., find meift zu empfindlich für das deut: 
be Klima, dagegen vertragen mebrere nordameril. 

rten dasfelbe aut, fo namentlich die gemeine ame: 


Eichel — Eſchenbach (Bezirksamt und Stadt) 


ritanifhe oder Weißeſche (Fraxinus ameri- 
cana L.), von der das zu Bootöriemen benußte 
Eſchenholz (White Ash, Ash Wood, Bois de frene) 
ftammt, die Roteſche (Fraxinus pennsylvanica 
Marsh.) u.a. m., die vielfach in Gärten angebaut 
werden. Die meiften ameril. Arten baben nicht 
figende, jondern geftielte Blättchen. Von der gemei- 
nen €, fennt man manderlei Varietäten, jo die 
einfabhblätterige €. (Fraxinus monophylla 
Desf. oder simplicifolia Wılld.), eine Spielart, die 
früber für eine eigene Art gehalten wurde, deren 
Blätter alle auf der Entwidlungsitufe der —— 
Laubblätter verharren, alſo nicht gefiedert find, ſon⸗ 
dern einfach eiförmig bleiben; die Hänge: oder 
Zrauerejce (var. pendula) mit berabbängenden 
Langtrieben und Üſten, die man vielfach zu Lau: 
ben verwendet; fie entitebt zumeilen von felbit 
aus Sämlingen und wird durd Pfropfen auf 
Stämme gemwöhnliher Form vervielfältigt; die 
Goldeſche (var. aurea), deren Zweige rötlich: 
elbe Rinde befigen; die frausblätterige €. 
Ir crispa) mit bunfelgrünen, am Rande ge 
räuſelten Fiederblättchen. 

Zur Gattung E. wird gewöhnlich auch die Blu— 
meneſche (Fraxinus ornus L.) gerechnet. Andere 
bilden aus den Blumeneſchen eine beiondere Bat: 
tung Ornus. Die meijt zwitterigen Blüten diefer 
Gattung Öffnen fich erſt nach völliger Entfaltung der 
Blätter, jteben in endftändigen, großen, aus Trug: 
dolden zufammengejegten Sträußen, die in den 
Gnbtnefpen fih entwideln, haben Heine zwei⸗ bis 
vierteilige Kelche und zwei bis vier lan —— 
Blu lätter. Im eng find die di er ge 
börigen, in Südeuropa, Aſien und Nordamerila 
heimiſchen Arten denen der — febr 
ähnlich. Die bäufigfte Art ift die Blumen: oder 
Manna-Eſche (Ornus europaea Pers.). Die Blät: 
ter beftehen nur aus drei bi& fünf Paaren gegen: 
ftändiger Fiederblättchen mit einem Enpblätten, 
die Knoſpen find hell graubraun, die wohlriechenden 
Blüten baben vier weiße Blumenblätter. Der mit 
bell aſchgrauer, etwas rauber Rinde bevedte Baum 
wird jelten bis 10 m bob; er ift in faft ganz; Sud⸗ 
europa und im Orient —— ſteigt in Südtirol 
bis etwa 800 m Meereshöhe, ift ald mehr oder 
weniger früppeliger Straub bäufig in den Stein: 
meeren der arfigebiete Oſterreichs u. ſ. w. Die 
Blumeneſche liefert zwiſchen Mitte Juni und Ende 

li an Stämmen und Zweigen durch ſelbſtent⸗ 
tebende oder auch fünftlih berporgerufene Riſſe 
der Rinde einen zuderreichen, fich felbit verbidenden 
Saft, der ald Manna (f. d.) in den Handel kommt. 
Auch infolge der Stiche einer großen Eitade (Cicada 
orni L.) quillt diefer Saft aus. Die Blumeneſche 
wird als Zierbaum (auch zu Allen) häufig ange 
pflanzt, ebenfo einige gemeine Varietäten. 

chel, die feinste Sorte der Smalte (f. d.). 

Eschen, Ehen oder Höhen (d. h. Tleines 
3), hieß ein — Heines deutſches Gewicht. 
Die kölniſche Mark wurde in 4352 €. geteilt, und 
das E. war = 53,725 mg = 9,2713 lölniihe Aa 
= 1,117804 bolländ. As. (©. As.) 

Eſchenbach. 1) Bezirksamt im bayr. Reg. 
Bez. Oberpfalz, hat 507,44 qkm und (1900) 22058 
(10608 männl., 11450 weibl.) €., 53 Gemein: 
den, darunter 5 Städte. — 2) Bezirköftabt im Be 
zirksamt E., 50 km im N. von Amberg, in 433 m 
Höbe, Sik des Bezirtsamtes, eined Amtsgerichts 
(Landgericht Weiden) und Rentamtes, hat (1900) 


Eichenbah (Ulrich von) — Eicher 


1286 €., darıınter 26 Evangelifche, (1905) 1315 E., 
boſterpedition, Telegrapb, zwei tatb. Kirchen und ein 
Beitlätrantenbaus, — 3) Stadt im —— 
Gunzenbaufen des bayr. Reg.Bez. Mittelfranken, 
die Heimat Wolframs von E., bat (1900) 953, (1905) 
389 metit fatb. E., Vofterpedition, Telegrapb, eine 
tatb. Biarrlirche und Dentmal Wolframs von €. 
Eſchenbach, Ulrih von, deutſcher Epiker, der 
am Hofe des Erzbiſchofs Friedrichs II. von Salz: 
burg (aeit. 1284) und Wenzels II. von Böhmen 
(get. 1305) lebte, verfaßte, feinen Namensvetter 
und vielleiht Verwandten Wolfram von E, nad: 
abmend, zwei Epen, in denen er die Lügen der Ar: 
tusromane durch biltor. Wabrbeitverbrängenmollte; 
er wußte nicht, daß fein «ANlerander», um 1284 be: 
ſonders nad der «Alexandreis» des MWaltber von 
Ehatillon gedichtet (bg. von Toifcher in der «Biblio: 
tbet des Litterar. Bereind» in Stuttgart, Bo. 183), 
und jein «eWilbelm von Wenden», für den er um 
1290 den «Guillaume d’Angleterre» des Chrötien 
von Troyes benußte (bg. von Toiſcher, Prag 1876), 
nicht minder nur waren als jene Artusgedichte. 
Eſchenbach, Wolfram von, ſ. Wolfram von 


ad. 
Eichenbaftfäfer, f. Hylesinus und Tafel: 
Schädliche Forſtinſekten I, Fig.8a u. b, beim 
Artitel Forftinjetten. 
Eichenburg, Job. Joabim, Litterarbiftorifer, 
geb. 7. Des. 1743 zu Hamburg, ftudierte in Leipzig 
und Göttingen Theologie und Philofophie, kam 
1767 nach Braunſchweig und erhielt dort 1768 
eine Profeſſur am Carolinum, befreundete fich mit 
Leffing imni (va. E.s Briefwechſel mit ibm in 
Hempels «Belfing, usgabe», Bd. 20), wurde 1786 
zum —— ernannt und ſtarb als Mitdirektor des 
Carolinums 29. Febr. 1820. Deutſchland verdankt 
ſeinen Überjeßungen die Bekanntſchaft mit den vor: 
züglichiten engl. Schriftitellern im Gebiete der ae. 
tif, wie z.B. Browns, Webb, Burneys, Prieftleys 
und Hurds; ferner gab er die erjte vollitändige Über: 
tragung von Shaleſpeares «Schaufpielen» (13 Bde., 
Zür. ing Sehr nützlich waren jeine wifjen: 
Maftlich nit jelbjtänbigen, aber höchſt überjicht: 
lihen und gelebrten Handbücher, jo der «Entwurf 
einer Theorie und Litteratur der jhönen Willen: 
ihaften» (Berl. 1783; 5. Aufl. von Binder, ebd. 1836) 
mit der «Beilpielfammlung zur Theorie und Littes 
ratur der jhönen Wifjenjchaften» (8 Bde., ebd. 1788 
— 3), fein «Lehrbud der Wiſſenſchaftskunde⸗ (ebd. 
1792; 7. Aufl. 1825), das «Handbuch der Haffiichen 
Litteratur⸗ (ebd. 1783;8. Aufl.,von Fütle, ebd. 1837). 
Mit jeinen «Dentmälern altdeutſcher Dichtkunft» 
(Brem. 1799) und feiner Ausgabe von Boners «Evel- 
ftein» (Berl. 1810) war er einer der erjten, melde 
Dichtungen des Mittelalterö neu befannt madten; 
aub den Werken neuerer deutſcher Dichter, wie 
Zacharia, Ebert, Hagedorn, Sciebeler und einzel: 
nen Schriften Leſſings wandte er feine Herausgeber: 
forgfalt zu. Seine Igrifhen, epiſchen und dramat. 
Berjuche, wie die Dperetten «Lucas und Hannden», 
«Der Dejerteur» u. a., find unbedeutend, nur einige 
feiner geiftlihen Lieder baben ſich noch erhalten. 
Eihenlohe, Dorf im Bezirlsamt Garmisch des 
bayr. Kea.:Bez. Oberbayern, 9 km im ©. von Mur: 
nau, am Austritt der Loiſach aus den Alpen und an 
der Nebenlinie Murnau:Garmiic: Bartentirchen der 
Lelalbahn⸗Altiengeſellſchaft, bat (1900) 507 kath. €., 
eine ftarte Schmefelauelle; Holzhandel, Fylößerei und 
Obftbau. Auf dem nahen Beitbühl, derin früherer 


227 


Zeit eine Burg der Grafen von €, trug, befindet ſich 
eine Kirche. j 
chenmayer, Adam Karl Aug., Philoſoph 
und Naturforſcher, geb. 4. Juli 1768 zu Neuenburg 
im Württembergifchen, wurde 1811 außerorb. Pro: 
fefior der Pbhilofopbie und Medizin in Tübingen 
und 1818 ord. Brolefer der vraltilihen Philofopbie 
dafelbft. Er lebte feit 1836 zu Kirchheim unter Ted, 
wo er 17. Nov. 1852 ftarb. Seine — — läßt 
ſich auf die Kantſche —— zurückführen. 
Auch von Schelling gewann E. viele ſpekulative 
Anregungen, ohne jedoch an deſſen abſoluter pen: 
titãtslehre eh Unter feinen — 
Schriften find zu nennen: «Süße aus der Naturmeta⸗ 
pbyfil» (Erlangen 1797), «Berfuc, die Gejege magne: 
tiiher Erſcheinungen aus Sätzen der Naturmeta- 
phyſil zu entwideln» (Tüb. 1798), «Die Philojophie 
in ihrem Übergange zur Nihtphilofophie» (Erlans 
gen 1803), « Verſuch, die jheinbare Magie des tie: 
riſchen Magnetismus aus phyſiol. und pſychiſchen 
Gefegen zu erflären» (Tüb. 1816), «Syftem der 
Moralphilofopbie» (Stuttg. 1818), « Normalrecht» 
(2 Bde., ebd. 1819—20), «Piychologie in drei Tei⸗ 
len, als empiriſche, reine und angewandte» (ebd. 
1817; 2. Aufl. 1822),«Religionspbilofophie» (3 Bpe., 
Tub. 1818— 24). Die Hinneigung zu einem religid: 
fen und naturpbilof. Myſticismus, die jich in diefen 
Schriften bundgiebt, fteigerte ſich jpäter noch und 
äußerte ſich in beftiger Polemit gegen die Hegeliche 
Schule und in eifriger Verteidigung der feit der 
Seherin von Prevorit (f. d.) ſich häuſenden m. 
eriheinungen. Hierher gehören: «Die Hegeliche 
Religionspbilofopbie verglihen mit dem chriftl. 
tincip» (Tüb. 1834), «Der Iſchariotismus unferer 
age» (Bd. 1, ebd. 1835), gegen «Das Leben Jeſu⸗ 
von Strauß gerichtet, der darauf Ich nahdrüd: 
(ih antwortete; ferner: «Konflikt zwifchen Himmel 
und Hölle, an dem Dämon eines befeflenen Mäd— 
chens beobachtet» (ebd. 1837), «Eharalteriftit des 
Unglaubend, — und Vollglaubens⸗ 
(ebd, ch Sein Streben, den Gebieten der drei 
Ideen Wahrheit, Schönheit und Tugend das Heilige 
als Offenbarung und Tranfcendenz überzuorbnen, 
befunden die Schriften: «Grundriß der Na Fe: 
—5* » (Tüb.1832), «Grundzüge einer chriſtl. Philo⸗ 
opbhie» (Baf. 1840), eOrganon des Ebhriftentums» 
(anonym, Stuttg. 1845), «Sechs Perioden der 
chriſtl. —*38 (Heilbr. 1851), «Betrachtungen über 
den phyſiſchen Weltbau» (ebd. 1852). Bon Immer: 
mann wurbe er im«Münchhaufen» unter vem Namen 
Eſchenmichel veripottet. 

Eichenfingzirpe (Cicada plebeja Scop.), eine 
30 mm lange, in Südeuropa, einzeln aud in Süp: 
deutihland einheimiſche Singzirpe (f. Singzirpen 
nebſt eg 

Efchenthal, ſ. Domo v’Dfjola. 

Eicher, Alfred, ſchweiz. Staatdmann, geb. 
20. Febr. 1819 zu Zürich, widmete ſich zu Zürich, 
Bonn, Berlin und Paris jurift. Studien. 1843 
ließ er fi ald Docent an der Hochſchule zu Zürich 
nieder, wurde 1844 in den Großen Rat des Kan— 
tons gewählt und trat ſchon damals nad der 
Reaktion von 1839 mit einem entichieden frei— 
—** Programm auf. Seine 1845 erfolgte 

ahl in den Großen Rat des Innern und die 
von 1846 in den Erziehungsrat eröffneten ihm ein 
weites Feld abminiftrativer Thätigleit. Im Dez. 
1846 wurde er Vicepräfident des Großen Rats, 
im Sommer 1847 erjter Staatsjchreiber, im Dez. 


15* 


228 


1847 PBräfident des Großen Rats und 1848 Mit: 
lied des Regierungsrat3 und mit Furrer zweiter 
Sefanbter bei der — u wo er die Annahme 
der neuen Bunbesverfafjung betrieb. Hierauf er: 
folgte feine Lin den Nationalrat, deſſen Vice: 
präfident und fpäterer Präfident (vom 16. i 
1849 bis Juni 1850) er wurde; im Dez. 1848 wählte 
man ihn zum (legten) Bürgermeifter des Kantons 
ürih und, nah Ein —— Direlktorialſy⸗ 
ems, das bauptfächlic ein ft war, zum Prä- 
jipenten des neugewäblten Regierungsrats, in wel: 
chem er bis 1857 verblieb. Aber auch noch jpäter 
beherrſchte er durch feinen Geift die Regierung, bis 
1867 dur den Sieg der Demolraten (j. Zürich) 
jein Einfluß in kantonalen — ———— (das 
«Spftem») gebrochen wurde. Näch tung ber 
eipgenöffiichen Bolgtepniicen Hodfchule zu Zürich, 
für die er auf das thätigfte gewirkt hatte, wurde er 
1854 zum Vicepräfidenten des Schulrats diefer An: 
ftalt gewäblt. In den 9. 1856—57 und 1861—62 
war er wieder Vicepräfident und in den folgenden 
Jahren Präfident des Nationalrats, Mit Eifer be 
mädhtigte er ſich der Schweizer eh ragen 
und wirkte im Gegenfaße zu Stämpfli bei der Be: 
ratung in der Bunbesverjammlung am den Ent: 
fcheid zu Gunften des Privatbaues. €. ift der Be: 
ründer der Schweizerifhen NRorboftbahn und des 
ftitutö der Schmeizerifhen Areditanftalt in 
ürih; auch das Gottbarbbahn : Unternehmen, 
defien erfter Direltor er 1871 war, iſt mwejent: 
lid fein Werl. Er ftarb 6. Dez. 1882 in Zürich, 
wo ihm 1889 ein Brunnendentmal (Bronzeitatue, 
nad u un Modell) errichtet wurde. — Bol. 
Scerr, Alfred E. (1883). 

Eicheruy, Francois Louis, Graf d’, franz. 
Schriftiteller, geb. 24. Nov. 1733 in Neufchätel, 
machte 1764 in Motier:Traverd Roufjeaus Be: 
kanntihaft und ſchloß fich dieſem vielfah auf Er 
kurfionen an, die er in feinen «M&langes» anziehend 
beſchreibt. Seit 1765 lebte er an verjchiedenen 
europ. Höfen, von 17% an pr in Bari, wo 
er 15. Juli 1815 ftarb. Seine erjte Schrift, «Les 
lacunes de la philosophie» (Bar. 1783), war eigent: 
lih nur ein Brudftüd aus dem größern erle, 
woran er 30 Jahre gearbeitet: «Le Moi humain, 
ou de l’ögoisme et de la vertu» (ebd. 1791). Dem: 
nädjft erichien feine «Correspondance d’un habi- 
tant de Paris avec ses amis de Suisse et d’Angle- 
terre sur les &vönements de 1789 u. f. w. (Bar. 
1791; wieder gebrudt u. d. T. «Tableau histo- 
rique de la R£volution», 2 Bde., ebd. 1815). In 
der Schrift «De l’Egalit&, ou principes généraux 
sur les institutions civiles, —— et reli- 
gieuses» (2 Bde., Bar. 1796; neue Aufl. u. d. T. 
«Philosophie de la politique», 2 Bde., ebd. 1798) 
Bu er die Gleichheit als das unfeligite, alles ver: 
ebrende und zerrüttende Socialprincip dar. E.s 
leßtes Werk waren die «M&langes de litterature, 
d’histoire, de morale et de philosophie» (3 Bde., 
Bar. 1809; neue Aufl. u.d. T. «(Euvres philoso- 
phiques, littöraires, historiques et morales», 
8 Bde., ebd. 1814). 

Eſchershauſen, Stabt im braunſchw. Kreis 
Holzminden, Sitz eines Amtägerichts (Landgericht 
Braunſchweig), bat (1900) 1773 E., darunter 19 Ka: 
tbolifen, (1905) 1926 E., Poſt, Telegraph; Asphalt: 
und Dahpappenfabritation, Sandjteinbrüde. 

Eicher von der Linth, Hans Konrad, ſchweiz. 
Staatsmann, bervorragend durch gemeinnüßige 


Eſchernh — Eiche (Hermann) 


Zhätigleit, geb. 24. Aug. 1767 zu Zürih, war zu: 
erjt in der Kreppfabrit feines Vaters in Zürich 
thätig, ftudierte dann 1786—88 in Göttingen und 
trat nad einer Reife in Italien wieder in das 
väterlihe Geihäft. Daneben ftudierte er eifri 
Geologie und unternahm Alpenwanderungen. 

ebr. 1798 wurde er in die Landesverjammlung 
gewählt, aber jhon im März, nad der Gründung 
der Helvetiſchen Republit, folgte er dem Rufe in 
den gejeßgebenden helvet. Rat. Hier leiftete er mit 
Ufteri, teils durch Herausgabe des «Schweiz. Repu: 
blitaners», teils durch (ebbafte Zeilnabme an allen 
Verhandlungen, dem Baterlande bervorragende 
Dienfte, trat jedoch, vom Parteitreiben angemivert, 
1802 vom polit. Schauplake zurüd und begann ſich 
der Hauptaufgabe jeines Lebens, der für die ſchweiz. 
Bodenlultur überaus wichtigen Ranalifierung ber 
Linth (ſ. Limmat), zuzumenden. Gin fhon 1784 
vom Hauptmann Lanz von Bern der Tagſatzung 
mitgeteilter, durch Tulla (f. d.) und E. erweiterter 
Plan zu der og. Linthunternehmung wurde 1803 
durch die Züriher Gejandtihaft der in Freiburg 
verjammelten Tagjakung —— und 1804 an: 
— E. ſelbſt erhielt dabei als Präfident der 

ufſichtsbehoͤrde die Ausführung und unterzog ſich 
nun jeit 1807 der großen Arbeit bis zur Vollendung 
ber mit aufopferndfter Hingebung. Aud) die ſitt⸗ 
iche Bildung der Bewohner jener Gegenden förderte 
er durch Unterftügung der Glarner Hilfsgeſellſchaft, 
die auf dem durch die Zintbverbefjerung gewonnenen 
Boden eine landwirtſchaftliche Armenſchule (Lintb: 
tolonie) begründete, Seit 1815 Mitglied des Züricher 
Staatörats, erwarb er ſich aud in diejer Stellung 
Berbienfteum fein Vaterland. Erftarb9. März 1823. 
Der Große Rat verlieh ihm und feinen Nahlommen 
den Beinamen «von der Lintb», und die Tagfasung 
ließ ihm am 2intblanal ein Dentmal errichten. — 
Bol. Hottinger, Hans Konrad E. (Zür. 1852); Brief: 
wechjel zmiihen ob. Rudolf Steinmüller und He. 
Konrad E,, bg. von %. Dierauer (St. Gallen 1889). 

Sein Sohn Arnold E. v. d. 2., geb. 8. Juni 
1807 zu Zürich, ſtudierte jeit 1825 in —* und Ber⸗ 
lin, bereiſte zu geolog. Studien Deutſchland, Jta: 
lien und Algerien, wurde 1834 Privatdocent an 
der Univerfität Zürich und 1856 Profeſſor der Geo: 
logie am dortigen Polytechnilum. Er ftarb 12. Juli 
1872 zu Züri. Beſonders wichtig find feine Unter: 
ſuchungen der —— Alpen und des Atlasgebit⸗ 
ges ſowie die Entdedung, daß die Sahara bis zur 
partie Zeit vom Meere bededt war. Außer 

eiträgen & den « Denkſchriften der allgemeinen 
Schweizer Gejellibaft», zu Leonhards und Bronns 
«Jahrbuch für Mineralogie» u. a. veröffentlichte er 
eine «Karte des Kantons Glarus» (1849), batte 
Anteil an Studers — — ber Schweiz» 
und gab mit Bürkli «Die MWafjerverbältnifje der 
Stadt Züri und ihrer Umgebung» (1871) beraus. 
— u a Arnold €, (Zür. 1873). 

E:S&cieber, bei Dampfmaſchinen eine gemifie 
Bauart des einfadhen Sciebers. 

Eichke, Hermann, Maler, geb. 6. Mai 1823 zu 
Berlin, wurde dafelbft bei Herbig, Kramer, dem 
Marinemaler Kraufe und 1849 —50 zu Paris bei Le⸗ 

oittevin ausgebildet und in Berlin von feinem Mit: 
ner Ev. Hildebrandt beeinflußt, eröffnete jeit 1855 
— ein Atelier, aus dem Kunſtler wie Douzette, 
or. Erdmann, Salgmann und feine beiden Söhne 
Oslar und Richard bervorgingen. Bon jeinen beion: 
ders in England beliebten Küftenlandichaften gebören 


Eichte (Richard) — Eschscholtzia 


in dad 3. 1854 Clijabeth:Eaftle auf Jerjey, in das 
ger Montorgueil auf 453 und St. Aubins⸗ 
Caftle. 1861 malte er die Weſtküſte von Helgoland 
im Winter; 1863 die ziel euwerk an ber Elbe: 
mündung, Die alte Liebe und den Leuchtturm von 
Eurbaven (Danzig, Mufeum); 1865 eine Dämmes 
dem Deere, Motiv von Dftende; 1868 
St. Eatharina auf Jerjey; 1870 Diftjeeitrand im 
Binter (Galerie zu Stettin); 1872 Rettungsboot 
bei der Sandbant Bogelfang (im Beſitz des Deut: 
Iben Kaiſers); 1879 Djtmole von Swinemunde und 
Leuchtturm auf der Klippe bei Mondſchein (Motiv 
aus Schottland; Berliner Nationalgalerie); 1880 
Strand bei Spithead, Nebliger Morgen im Har: 
danger Fjord; 1881 Mormähead an der Küjte von 
Sübmales; 1883 Stettin vom Dunzing aus; 1885 
Sturmiſche See in der water Bay; 1887 Wate 
combebay auf der Inſel Wight. Auf der Inter: 
nationalen Kunftausftellung zu Berlin 1891 ſah 
man von ihm die Gemälde: Schwediſche Hüfte am 
Kattegat, Londoner Parlamenishaus und Weit: 
minfterbridge bei Mondicheinbeleubtung, Hohe See 
bei Wormähead, Stranddune in Prerom; auf der 
Ausſtellung 1893: Piccola marina auf Capri. Außer: 
dem hat E. mit feinem Sohn Richard für das Kaiſer⸗ 
panorama zu Berlin: Die deutſche Flottendemon⸗ 
ration vor Sanfıbar, ferner das Diorama: Beſitz⸗ 
ergreifung von Neuguinea gemalt. 1881 wurde ( 

—— roſeſſor ernannt; er ſtarb 16. Jan. 1900 in 


in. 
Eſchke, Ribard, Marinemaler, Sohn des vori: 
en, geb. 1. Sept. 1859 in Berlin; erft Schüler 
ne3 Baterd und der Berliner Akademie, bildete 
er ji dann in München unter Wenglein weiter aus 
und verweilte mehrere Jahre in England, wo er die 
Studien zu folgenden Gemälden madte: Eintritt 
ber Flut an der Küfte von Lynmouth (1883), Ebbe 
am Bic von Gorey auf der Inſel Jerſey, Fort von 
St. Aubin auf Jerjey (1884), Markttag in Newlyn 
(1887). 1886 von London zurüdgelehrt, malte er 
zufammen mit feinem Vater zwei Dioramen (f. Ejchte, 
) nn). 1889 nahm er an der Plankton⸗Expedi⸗ 
tion unter Profefjor Henfen teil. Neuerdings ſchuf er: 
Barade einer Torpebobootäflottille vor Kaiſer Wil: 
beim LI. (1892), Sturm im Golfitrom (Danzig, Mu: 
jeum), Stürmijhe Mondnacht im Kattegal (1893). 
» Berg in der Hardt in der bayr. Rhein» 
pfalz, jüdlid von Raiferdlautern, 612 m ho, Aus 
gangspunlt der Hauptthäler des Gebirges. 
Eſchl ſ. Porree. 
Aftarte, ſ. Aſtarte. 
olzmatt, D 
des ſchweiz. Kantons Luzern, in 853m Höbe am 
Zube des Schwendelberges, an der Linie Bern: 
zern der Jura-Simplonbabn, hat (1900) 3134 E., 
darunter 367 Evangeliiche, Poſt, Telegraph, lath. 
Rirde (1754). 
Eschr., hinter lat. Tierbenennungen Abtürzung 
für Daniel Frederik Eſchricht (f. d.). 
Eichref, perj. Stadt, ſ. Aſchraf. 
ht, Daniel Frederit, dän. —— und 
Zoolog, geb. 18. jan; Fake zu Kopenhagen, prak⸗ 
zierte 1822 — 25 auf Bornholm als Arzt, ftudierte 
dann nochmals Phyfiologie und vergleihende Ana» 


temie im Auslande und ward nad) jeiner Rüdtehr | 3 


1829 zum Leltor und 1836 zum ord. Profefjor an 
der Ropenbagener Univerfität ernannt, wo er biö 

jeinem 22. Febr. 1863 erfolgten Tode wirtte, 
di meiften feiner rein wiſſenſchaftlichen Arbeiten 


im Amtsbezirk Entlebucd | defi 


229 


find in den Alten der Bidenflabernes Selſtab ver: 
Öffentlicht worden; fo die anatom. Unterfuhungen 
über die Salpen (Kopend. 1841), über die Baltlhe 
er Abhandlungen, 1843—62). Zu erwähnen 
ind noch «Haandbog i Phoyfiologie» (neue Aufl. 
ion, «Foredrag over Laren om Livet» (1850), 
olfelige fyoredrag» —— und eine Studie 
über Kaſpar Hauſer («Unverſtand und ſchlechte Er: 
ziehungs, Berl. 1858). 
Eschsch., bei lat. Tiernamen Abkürzung für 
Johann eg, Eſchſcholtz (ſ. d.). 
Eſchſcholtz, Joh. Friedr. Naturforſcher und Rei: 
ſender, geb. 1/12. Nov. 1793 zu Dorpat, ſtudierte 
dafelbft ebizin und machte als Schiffsarzt 1815 
unter Dtto von Kotzebue die Reife um die Welt 
mit. In Verbindung mit Adelbert von Chamiſſo 
—— E. ge ge le Reife eine Menge von 
aturlörpern wie wiſſenſchaftliche Beobahtungen 
und lieferte für den dritten Band von Kotzebues 
«Entde eur in die Sudſee und zu. abe» 
Meim. 1821) eine Reihe von Arbeiten «Über die 
oralleninfeln, ihre Entftehung, Ausbildung und 
Eigentümlichleiten» u.a. €. zu Ehren nannte Kotze⸗ 
bue eine Bucht im Kotzebueſunde Nordweſtameri⸗ 
kas die Eſchſcholtzbai (f. Rogebuefund) und Chamiſſo 
eine neue zur Familie der Papaveraceen gehörige 
langengattung Eschscholtzia (f. d.). Nach feiner 
erg 1819 zum außerord. Brofefior der Ana: 
tomie in Dorpat ernannt, begleitete er 1823 ala 
Naturforfcher und Oberarzt zum zweitenmal Kotzebue 
auf feiner Reife um die Welt. Auch diesmal ver: 
ewigte Robebue €.’ Namen in den Eſchſcholtz⸗In— 
feln (f. d.). Nach feiner Rüdlehr 1826 vermadte E. 
jeine reihen naturhiftor. Sammlungen der Uni: 
verfität Dorpat und veröffentlichte feine « Überficht 
der zoolog. Ausbeute», welche 2400 Tiere umfaßt, 
im zweiten Bande zu Kotzebues «Neuer Reife um 
die t» (Meim. 1830). Beſonders aber hervor: 
ubeben ift €. «Zoolog. Atlas, enthaltend Ab: 
dungen und Beihreibung neuer Tierarten» 
5 Hefte, Berl. 1829—33) und fein «Syftem der 
falephen. Eine ausführliche Beichreibung aller 
medufenartigen Strabltiere» (ebd. 1829). €. ftarb 
7/19. Mai 1831 zu Dorpat. 
Eſchſcholtzbai, ſ. Rogebuefund. 
Eschsoholtzia Cham., Pflanzengattung aus 
der Familie der ee (.d.). Man kennt nur 
wenige im weſtl. Norbamerita einheimische Arten, 
unter denen bie zuerft von Chamiſſo aufgefundene 
californica — ein ſehr beliebtes und allge: 
mein verbreiteted Gartenzieegewächs geworden tit, 
en man fic in feiner Heimat auch als beruhigen: 
des Arzneimittel bedient. Die Pflanze hat auf 
eigenbe, der äftige, reich beblätterte, Taftige, zer: 
echliche pi ar feingerteilte Blätter mit linealen 
Abſchnitten und einzeln ftehende Blüten mit auf: 
fpaltendem Kelch und großer, vierblätteriger, fhön 
old: oder —— lumenkrone. Die ganze 
flanze iſt kahl, bläulihgrün. Die E. iſt zwar aus⸗ 
dauernd, erfriert aber bei und während des Winters, 
weshalb man fie ald bloßes Sommergewachs be: 
rege Der im Mai ins freie Land gefäete Same 
bald auf, und die ſchnellwüchſige Pflanze, 
welche fhöne Büfche bildet, ziert daber ſchon vom 
uli an bis in den Spät —— die Gärten mit ihren 
ablreihen goldgelben Blumen. Sie gedeiht fehr 
eicht auf jedem Boden ohne alle Pflege. Man bat 
reiche Spielarten mit weißen, außen roten und innen 
weißen und mit bunlelorangefarbigen Blumen ge 


230 
zogen. Faft noch ſchöner als die vorige Art ift E. 
crocea ., von ihr unterfhieden dur den um: 


gerollten Rand des am Ende verdidten Blütenitiels, 
die länger zugeipisten Kelhblätter und zahlreiche, 
größere, feurigorangefarbige Blumen. 
hicholg:Znjeln, aub Biginni: oder 
Bikini: —— nördlichſte Gruppe der Ralik— 
anjeln im Marſhall⸗-Archipel (j. Karte: Kaijer: 
ilhelms-Land u.f. m.) im Stillen Dcean, 1825 
dur Kotzebue entdedt und zu Ebren feines Schiffs: 
arztes 4 (ſ. d.) benannt. Sie haben 30 €. 
und ſtehen jeit 1886 unter deutihem Schuß. 
Eichftruth, Nataly von, Echriftitellerin, ſ. Kno— 
belsvorff:Brentenboff, Nataly von. 
eigwege. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. Caſſel, 
bat 502,61 qkm und (1900) 43203, (1905) 44657 E., 
8 Städte, 68 Landgemeinden und 26 Gutäbezirte, 
— 2) Kreisftabt im Kreis E. 41 km jüdöftlic von 
Caſſel, an der Werra, in 171 m Höbe, in einem 
fhönen frudtbaren Thale, an der Linie Treyſa— 
Leinefelde der Preuß. Staat3babnen, beftebt aus der 
Alt: und Neuftadt am linten Flußufer und der mit 
beiden Ufern dur zwei fteinerne Brüden verbun- 
denen Inſelſtadt Brüdenbaufen, Sitß des Landratd: 
amtes, eines Amtögerichtö ( Landgericht Caſſel), 
Steueramtes und einer Reichsbanknebenſtelle, bat 
(1895) 10285, (1900) 11113 €., darunter 621 Ka: 
tboliten und 517 Israeliten, (1905) 11846 €., Boit: 
amt erfter Klaſſe, Telegrapb, ein Denkmal (30. Okt. 
1893), den Opfern des — — 1806 
und 1807 gewidmet, ein 1380 erbautes, 1581 
wieberbergejtelltes Schloß, jest Sitz verſchiedener 
Behörden, zwei evang. Kirchen, eine kath. Kapelle, 
Synagoge, neues Poftgebäude, zwei Hofpitäler, ein 
Landkrantenhaus, ſtaͤdtiſche "Griari : Wilhelm: 
Schule (Progymnafium mit Nealprogymnafium) mit 
tönigl. Kompatronat, 1840 al& Realſchule mit Bro: 
oymnafium eröffnet, zwei Bürgerfhulen, Mädchen: 
—— Privathandelsſchule, Handwerkerſchule, 
Kreisſparkaſſe, Vorſchußverein, Freimaurerloge, 
Gasanſtalt, offentliches Schlachthaus und Eifen: 
bahnmaſchinen⸗Reparaturwerlkſtätte. Bon dem von 
Karl d. Gr. geſtifteten Cyrialusnonnenlloſter ſteht 
nur noch der jog. Schwarze Turm. Dasfelbe wurde 
mit dem 1278 gegründeten Auguftinermöndsätlofter, 
jest die jog. Klofterbrauerei, von Philipp dem Groß: 
mütigen 1527 aufgeboben und u chulzwecken ver: 
wendet. Der Leuchtberg ift mit Anlagen bededt und 
bietet prächtige Ausfihten. Wegen feiner lebhaften 
Induftrie wird E. das «heſſiſche Elberfeld» ge: 
nannt. Bedeutend — die Gerberei (namentlich Sohl⸗ 
(ever aus füdamerit. Rinderhäuten, Weißgerberei), 
Moll: und Haarjpinnerei, Roßhaarſpinnerei, Woll: 
zeug⸗, Flanell⸗ und Leinweberei, Eigarren: und Ta- 
bakfabrikation, die Schlächterei Dur mitScinten 
und Wurjt), Leim: und Seifenjiederei (Eihmweger 
Seifen), Fabrikation von Schuhen (2 Fabriken, 
87 Schubmadhereien), Bürften und Pinſeln, Maſchi⸗ 
nen, Sprigen und Pumpen, Wachstuch, Tüten und 
Eouvertö, Peitihen, Wichſe und die Bierbrauerei. 
Der jährlihe Umſaß von Leder ift auf 2°,, von 
mollenen und baummollenen Waren auf 2 und von 
Zabaf auf 1 Mil. M. zu veranſchlagen. — Auf dem 
Eyriafusberge bei E. foll Bonifatius 732—740 
eine Klauſe, Karl d. Gr. 812 ein — ———— 
egründet haben. — Die Stadt iſt zu Karls d. Gr. 
get oder noch früber entjtanden, wird jevoch urkund⸗ 
ich zuerft im 10. Jabrb. erwähnt und gebörte da: 
mals zum thüring. Gau Eichsfeld; während der 


Eihicholg-Injfeln — Escoiquiz 


Hobenitaufenzeit war fie eine Befikung der Welfen 
und fiel dann an die Landarafichaft Heilen, bei der 
fie jeit der zweiten Hälfte des 13, Jahrh. verblieb. 

Eſchweiler, Stadt im preuf. Reg.:Bez. und 
Landkreis Nahen, ebemald zum Herzogtum Julich 
gehörig, 13km im NO, von Aachen, zu beiden Sei⸗ 
ten der Inde, in 159 m Höbe, im Mittelpunfte des 
gewerbreichen Indethals (f. Karton auf der Karte: 
Rhbeinprovinz u. f. w. L Nöordlicher Teil), 
an der Yinie Köln: Herbestbal und der Nebenlinie 
M.:Glapbad:Fülih-Stolberg der Preuß. Staats: 
babnen, zwiſchen fanft anjteigenden Hügeln ge 
legen, it Siß einer Bürgermeifterei, eines Amts: 
gerichts (Landgeriht Nahen), eines Steueramtes 
und bat (1900) 21903 E., darunter 1130 Evan- 
geliihe und 127 Israeliten, (1905) 28624 €, 

— — Bojtamt erſter Kaſſe, Tele 
graph, zwei lath. und eine 
evang. Kirche, Progymnaſium 
mit Realprogymnaſium, Hoſpi⸗ 
tal in dem mit Zinnen gefrön: 
ten Burgbau der Familie Eng- 
lertb, Kreis: Invalidenbaus, 
Waſſerwerl und Gasanitalt. 
Die Hauptinduftriesweige find 
Fabritation von Eifen- und 
Blechwaren, Maſchinen, — 22 Nähnadeln, 
Eiſendraht, Seife, Leder, Dachziegeln und feuerfeſten 
Steinen, auch Bierbrauerei. Erwähnenswert ſind 
drei große Eiſenwalzwerle, die Fabrik für Eiſen— 
bahnbedarf, die Zinktwarenfabrik, mebrere ſupfer⸗ 
bämmer, Robzintwerte und die großen und er 
ergiebigen Steinloblengruben. Die an der Eifen- 
bahn gelegenen Koblengruben des Eſchweiler Berg: 
merlövereins find ebenjo bemerfenäwert wegen ber 
Güte ihrer Kohlen ald wegen der bedeutenden Tiefe 
(400 m) und der großartigen Anlagen zur Förderung 
der Kohlen und des Waflerd. Die ganze Gegend bis 
Stolberg ift reib an AInpuftrieanlagen. — In der 
Nähe das Dorf Greitenic (1.d.). — Val. Roc, 
Geſchichte der Stadt E, und der benachbarten Ort: 
ſchaften (2. Aufl., 2 Bde., Franff. a. M. 1890). 

Esolavage (fr;., jpr. wahſch'), Stlaverei, 
Knechtſchaft; dann aud ein balbkreisförmiger Hals» 
ſchmuch von Diamanten. 

Escobär y Mendöza, Antonio, jpan. Theo: 
(og, geb. 1589 zu Valladolid, trat 1604 in den Je 
—— und ſtarb 4. Juli 1669. Er war als 
Moralift und Kaſuiſt berübmt und jchrieb «Theo- 
logia moralis» (7 ®de., 1646), «Universae theo- 
logiae moralis receptae sententiae» (7 Bde. 1663) 
u. ſ. w. Sein Name ift durch Pascal ſprichwörtlich 
geworden. Escobardieren heißt, ſich jeſuitiſcher 
Kunſtgriffe bedienen, etwas mit deren Hilfe ins 
Wert ſetzen. 

Escoiquiz (ipr.-tib3), Don Juan, ſpan. Staats: 
mann, geb. 1762 in Bermeo (Biscaya), war anfangs 
Page König Karlö III., widmete ſich ipäter dem 
geiftlihen Stande und wurde Kanonikus zu Sara- 
golle- Später wurbe er mit ber Erziehung des 

onprinzen yerdinand betraut. Seine yreimütig: 
feit 309g ihm aber die Feindſchaft des Friedens: 
fürften Godoy (f. d.) je durch den er nad Toledo 
verwiejen wurde. Als 1808 Ferdinand VII. den 
Thron beitieg, wurde E. Staatörat. Cr begleitete 
Ferdinand VII. nah Bayonne und fuchte ihn zu 
beftimmen, der Krone nicht zu entjagen. Darauf 
2 Bourges vermwiejen, kehrte er im Dez. 1813 
nah Valencay zurüd und nahm nun an den Ver: 





Escompte — Escofura 


kandlungen teil, welche die Bourbons wieder auf 
den ſpan. Thron festen. Nichtsdeſtoweniger fiel er 
1814 in Ungnade und wurde nad Andalufien ver: 
dannt. Er jtarb 29. Nov. 1820 im Eril zu Ronda. 
Seine «Idea sencillaetc.» (1808), eine Auseinander⸗ 
kesung der Gründe, die Ferdinand VII. bewogen, 
ah nah Bayonne zu begeben, wurde in, viele 
Spraben überjeßt und erſchien franzöfiih mit Ans 
mertungen von F. Bruand u. d. T. «Expose des 
motifs qui ont engag® etc.» (Par. 1816). 
Edcompte, j. Eslompte. , 
Edcvriäl(elEscoriäl, nihtEscurial), Schloß 
und Hieronymitenklofter San Lorenzo el Real im 
Betr! San Lorenzo del E. der Br Provinz 
Madrid, liegt 40 km norbmweitlib von Madrid, 
unmeit des jledens €. de abajo mit (1887) 1151 
E., an der Linie Jrun: Madrid der Span. Nord: 
bahn, auf deren anderer Seite die Stadt San Lo⸗ 
renzo del E. de arriba mit 3233 E. liegt. An den 
Südabbang der rauben Sierra de Guabarrama 
angelehnt, in öÖder, jeläreicher Gegend (1130 m) 
und aus dem grauen Granit derjelben aufgebaut, 
einem Alofter äbnlicher als einer Königsreſidenz, 
entipricht jein Bau wie feine Lage dem fanatiſch 
ftrengen Charalter feines Erbauerd. Seinen Ur: 
— ————— der Palaſt einem Gelübde Phi— 
lipps II. in der Schlacht von St. Quentin. Da ber 
beil. Laurentius, den der jpan. König als den Hei⸗ 
ligen des Tags um den Sieg angerufen hatte, der 
Sage nah auf einem glühenden Roſte den Mär: 
torertod in Rom ftarb, jo ward dieſes ihm gemweibte 
Gebäude in Form eines Roſtes 1563—86 von 
Juan Bautifta de Toledo und deſſen Schüler 
uan de Herrera erbaut. (S. Tafel: Spaniſche 
unft ll, Fig. 8.) Die Spanier pflegten es das 
achte mwunber (la octava maravilla) zu nennen. 
Aus Granitquadern erbaut (206 m lang, 161 m 
treit), bat es 7 Türme, 15 Thore und 1111 Außere 
fter und dient zugleich als Schloß und Kloiter. 
der nad dem Mufter der Peterskirche in Rom 
erbauten Hauptlirhe (1595 geweiht), die, außer 
dem unter einer 90 m hoben — gelegenen Hoch⸗ 
altar, 48 Altäre und 2 Orgeln in ſich faßt und 
Fresten von Giordano enthält, befinden ſich zwei 
betende Gruppen aus vergoldeter Bronze, Karl V. 
und Bhilipp IL mit Gemablinnen und Verwandten 
darftellend. Vier kolojjale quadratifche Pfeiler (je 
$ m Seitenfläce) tragen das Dad. In der Sakriſtei 
ift das aus Marmor und Bronze gearbeitete Satra- 
mentshaus, Retablo de la Sta, Forma genannt, jo: 
wie ein wertvolles Bild von Claudio Eoello, das 
die Beripeltiog der Sakriftei und der Kirche Dh 
darftellt. Unter dem Hochaltar befindet ſich die 
1654 vollendete Begräbnistapelle des königl. Haus 
ſes, Pantheon genannt, die durch ein kunftvolles 
Thor aus vergoldeter Bronze verſchloſſen wird. 
Marmorftufen führen hinab; aus Jaſpis und Mar: 
mor beftebt der Fußboden und aus Bronze die Kup⸗ 
vel. Rings in ven Wänden find 26 Nifchen, in den 
meiiten derfelben ſchwarze marmorne Särge mit den 
Überreften der Könige und Königinnen Spaniens. 
Es —9* bier die Könige ſeit Karl I. (V.) bis Ferdi⸗ 
nand VII., mit Ausnahme Philipps V. und Ferdi⸗ 
nands VL, welche in Madrid begraben find. Aus 
der Kirhe gelangt man in die 
die ih die Kapiteljäle mit wertvoller Gemälde: 
ſammlung (beſonders Ribera) anſchließen, und dann 
auf der großen Treppe, mit einem 
Giordano, zum Klofter und zur Bib 


iotbef. Dieje, | 


231 


von Philipp II. angelent, enthält große handſchrift⸗ 
libe Schäge, namentlich ber Halten und arab, 
Sitteratur, und kojtbare Drudwerle (Codex aureus) 
fomwie Porträte. Einen Katalog lieferte Caſiri in 
der «Bibliotheca arabico-hispana Escurialensis» 
(2 Bde., Madr. 1760—70). Der königl. Palaſt, 
etwa den vierten Teil des gefamten Gebäudes ein: 
nebmend, ift nicht anſehnlich, aber inwendig pracht⸗ 
voll * chmückt. Dasjelbe gilt von dem Pavillon 
Karls IV., der Gafita del Principe im Bart, 177% 
von Villanueva erbaut. Das Intereſſanteſte im 
Palaſt find die Zimmer, in welchen Philipp II. faft 
wie ein Mönch die legten 14 Jahre feines Lebens 
verbrachte, fein Andachtſtuhl, in der Ede des Chors 
neben der Galerie, mit dem Ehrijtus am Kreuz in 
Lebenägröße, von Benvenuto Eellini in Marmor, 
und fein Arbeits» und Sterbezimmer. Einer der 
Türme des €. brannte 1. Dit. 1872 infolge eines 
Blipftrahlö nieder, wurde aber rejtauriert. Der E. 
ift auch jeßt noh Sommer: und Herbitrefiben; des 
Hofs. — Val.Rotondo, Historia descriptiva, artis- 
tica y pintoresca del monasterio de San Lorenzo, 
comunmente llamado el E. (Mabr. 1862, Fol.). 
Edcofüra, Don Patricio de la, ſpan. Staats» 
mann und Scriftiteller, geb. 5. Nov. 1807 zu Ma: 
drid, ftudierte in Valladolid und Madrid und wurde 
ein Schüler des berübmten Lifta ſowohl in der 
Dichtkunſt wie in der Mathematik. Als Mitglied 
des polit. Gebeimbundes der Numantinod mußte 
er 1824 flüchten, ging nad Paris, wo er unter Pas 
croir feine mathem. Studien fortfeßte, und febrte 
1826 nad Madrid zurüd. Ende 1826 trat er in das 
Artillerielorps und wurde 1829 Dffizier. Zuerft er: 
ſchienen von ibm der hiſtor. Roman «El conde de 
Candespina» (Mabr.1832). 1834 wurde er, farlifti- 
ſcher Gefinnung verdächtig, nah Dlvera verbannt 
und vollendete dort den hijtor. Roman «Ni rey, ni 
— (ebd. 18365). Später wurde er Adjutant und 
Sekretär des Generals Cördova und ſchrieb das 
epiſche Gedicht «El bulto vestido de negro capuz» 
in Bamplona. Als Cördova nah dem Aufitande 
von San Ildefonſo fein Kommando niederlegte, 
trat auch €. aus dem Dienfte und widmete fih nun 
der dramat, Produktion. Er brachte jeit 1837 meb: 
tere Stüde auf die Bühne, unter denen «Bärbara 
Blomberg» den meiften Wert bat, und führte zu 
— eit die Redaltion der Zeitſchrift «El Eco 
e la razon y de la justicia». Als im Sept. 1840 
Eipartero die Regierung an ſich riß, verteidigte €. 
an der Spike der Zöglinge der Ingenieurſchule von 
Guadalarara, wo er jeit 1838 Provinzialchef war, 
das Intereſſe der Regentin und mußte deshalb nad 
Frankreich flüchten. In Paris fchrieb er fait allein 
den fpan. Text zu dem Prachtwerk «La Espaäa ar- 
tistica y monumental» (3 Bde., Par. 1842—49), 
mwaı Rebacteur und Mitarbeiter der «Revista enci- 
clopedica», fchrieb ein Handbud der Mythologie, 
das ala Lehrbuch an den fpan, Univerjitäten Eins 
gang fand, und begann ein epifches Gedicht «Hernan 
Cortesen Cholula», Nachdem er 1843 nah Madrid 
zurüdgelebrt war, ward er Unterftaatsjefretär in 
dem Miniſterium Narvaez, mit deſſen Rüdtritt auch 
er refignierte. In der folge verfaßte er eine Reihe 
von Dramen, unter denen beſonders «Las moce- 


Ktreuzgänge, an | dades de Hernan Cortös» Erfolg hatte, obgleih auch 


bier, wie immer bei ihm, das dramat, Element in 
der biftor. Bilderreibe nur ein fehr ſchwaches iſt, und 


tried von Luca | jchrieb mehrere biftor. Romane, worunter «El pa- 


triarca del valle» (2 Bde., Madr. 1846) bervors 


232 


- zubeben ift. Nachdem er 1847 einige Zeit die Stelle 
eines Unterſtaatsſekretärs im Minifterium Soto: 
mayor verjeben batte, ging erim Juni 1855 als ipan. 
Gejandter nad Liſſabon, kehrte aber jhon im Jan. 
1856 nah Madrid zurüd, wo er im Sabinett 
Eſparteros das Portefeuille des Innern übernahm. 
Aber ſchon Mitte Juli 1856 erfolgte wegen Zwiſtig⸗ 
feiten mit D’Donnell und der Realtionspartei der 
Nüdtritt E.3 ſowie Ejparteros und die Auflöfung 
des Kabinetts. Von 1872 bis 1874 fungierte E. als 
Gefandter bei dem Deutihen Reiche in Berlin. Er 
ftarb 22. Yan. 1878 zu Madrid. E. bat auch einige 
bijtor. Schriften, darunter eine «Historia consti- 
tucional de Inglaterra» (Mabdr. 1859), veröffentlicht. 

Escouade (fr;., fpr. -Fuabd), in der franz. Ars 
mee die einem Korporal unteritellte Mannicaft, 
mit derflorporalichaft der deutichen Armee identisch; 
auch die Bedienungsmannihaft eines Geichüßes; 
ferner beim Sappieren eine Abteilung von vier Sap⸗ 
peuren. Im taftifchen Sinne bedeutet E. eine Set: 
tion oder Gruppe der — Infanteriecompagnie. 

Ederupülo, Skrupel, älteres kleineres Ge: 
wicht in Spanien, Bortugal und Brafilien (in beiden 
legtern Ländern gewöhnlicher Scrupulo genannt), 
wurde in 24 Gran (jpan. Granos, portug. Gräos) 
geteilt. In Spanien diente der E. nur als Mebi- 
zinal: und Apothetergewicht (er war "Isa, des Mes 
bizinalpfundes), in Sertuga und Brafilien bildete 
er zugleich eine Stufe der übrigen Gewichtsklaſſen 
mit Ausnahme des Juwelengewichts (er war bier 

des Handeläpfundes, Marco des Gold⸗, 
Silber: und Münzgewichts, az, ded Medizinal: 
fundes, immer aber an Schwere gleih). Der 
pan. (caftiliiche) €. war = 1,19816 &, der portug. 
und brafilianiice €. = 1,1955125 g. Catalonten und 
Aragonien hatten ein abweihendes Gewicht (doch 
ganı mit der auch im übrigen Yande gebräuchlichen 

inteilung); der cataloniihe E. war = 1,04427 g, 
der aragoniihe E. = 1,21528 g. 

oudöro (ipan., «Schildtnappe»), ein Aoliger 
niedern Ranges in Spanien. 

Escudillo (ipr. -dilljo), genauer E. de oro 
(leiner Golbtbaler), Durillo, Eoronilla, Peſo 
duro de oro oder Peſo fuerte de oro (harter 
Goldpiajter) oder VBeintena (Zwanziger), eine 
1730— 1848 in Spanien geprägte lleine Goldmünze, 
urjprünglic im Wert von 20 Reales de vellon 94 
Kupferrealen) oder eines Silberpiaſters — 414 M. 
Für die Philippinen wird der E. noch jekt in etwas 
geringerm Wert geprägt. 

Edcüdo («Thaler»), Name einer frübern Geld: 
einbeit und mebrerer Münzen Spaniens jowie einer 
ebemaligen Goldmünze Hortu ald und mehrerer 
Goldmünzen der jpan.:amerit. Freiftaaten. 
Spanien rechnete man in Gemäßbeit des 
vom 26. Juni 1864 bi8 Ende 1870 nab €, zu 
1000 Mileiimas oder zu 10 Reales oder zu 100 Een: 
timos, Die Währung war eine Alternativwäbrung 
(j. Währung). Der €. Gold (ald einzelnes Stüd 
nicht geprägt, fondern in 10, 4 und 2 E.) war 
eine Menge von 16%, 3* Granos oder 0,3387 g 
eines 900 Tauſendteile feinen Goldes; demnach 
batte er ein Feingewicht von 15,12 caftil. Granos 
oder 0,7548 g und war (zum Preife von 2790 M. 

ür 1 kg Feingold) = 2 M. 10%, Bf. deutſche 

brung. Der €. Silber war eine Münze von 
260 caltil. Granos oder 12,3801 g eines 900 Tau: 
fendteile feinen Silbers, mitbin batte er ein ein: 
gewicht von 234 caftil. Granos oder 11,6820 g und 


Escouade — Escurialichafe 


war (zum Preiſe von 180 M. für 1 kg Feinſilber oder 
den deutſchen Thaler zu 3 M. gerechnet) = 2,102# 
deutſche Mark (jo daß er mit dem Goldescubo ziem⸗ 
lich übereinjtimmte) = 1 1. bass fr. djterr. Silber: 
wäbrung (45: Gulvenfuß). Infolge der Gejege vom 
15. April 1848 und 30. Dez. 1855 redhnete man 
nah Neales und der E. begriff 10 Reales, mar 
eine Silbermünze, die Hälfte des Duro (PBiaiter) 
und eine Menge von 263'%/,, caftil. Granos oder 
13,1455 g eines 900 Taufendteile feinen Silbers; 
er batte fonah ein Feingewicht von 236°’... 
caftil. Granos oder 11,8310 g (auf obiger Grund: 
lage) = 2,1296 deutiben Marl = 1 Fl. 6,179 Kr. 
öfterr. Silberwährung; demnad war diejer E. nur 
um eine Rleinigleit beſſer als der vorber erwähnte 
neuere Silberescudo von 1864. Silberitüde E 
1E. wurden ferner ausgemünzt: a. nad dem : 
jeß vom 29. Mai 1772 (fog. E. de vellon), 17 Stüd 
aus dem rauben Marco, Gewicht 13,532 g, Fein: 
beit 10°, Dineros oder 902’), Taufenbteile, 18°*,,, 
Stüd aus dem feinen Marco, Feingewicht 12,2165 g 
(auf der weiter oben angegebenen Grundlage) = 
2,1990 deutſche Mark = 1,0935 diterr. Fl.; b. von 
1728 bis 1772 gejehlih in dem eben angeführten 
Gewicht, aber in der Feinheit von 10'*/,, Dineros 
oder 909,722 Taujendteilen, Feingewicht 12,5105 g 
= 2,2159 deutihe Mart = 1,1080 djterr. FL; c. von 
1707 bis 1728 16°, Stüd aus dem rauben Marco, 
Gewicht 18,781 g, Feinheit 11, Dineros oder 
930", Taufendteile, 18 Stüd aus dem feinen 
Marco, Feingewiht 12,804 g = 2,3005 deutſche 
Mart = 1,1508 diterr. $t. Der achte Teil der in 
Spanien bis 1848 und in Merito bis 1861 ge: 
prägten Onza oder des Doblon, der €. de oro 
oder Goldescudo wurde in diefen beiden Ländern 
an; nah dem Münzfuße der Onza geprägt; man 
ann ihn etiwa 8 M. rechnen. (©. Dublone.) 

In Bortugalmar der E. eine von 1722 bis 1835 
geprägte Goldmünze zu Y, Dobra (f. d.), urfprüng- 
ich in der Geltung von 1600 Reis, 1822 gejeplic 
(mie ſchon vorber im Verlehr thatjächlic) auf 
1875 Reis und 1847 auf 2000 Reis erböbt, geiek: 
fih 72 Gräos oder 1 Dutava = 3,5859 g ſchwer, 
bei 916%, Tauſendteile Feinbeit = 9,ır104 deutiche 
Mari. Es wurden aud halbe E. und Viertelescudos 
(fog. alte Golderuzados) ausgemüngt. (S. Eruzado.) 
— €, werden in Amerila als ——— ge⸗ 

ägt, ſämtlich 900 Tauſendteile fein: in Bolivia 
eit 1871: 2,5 g jchwer, alfo */,, ber dortigen Onza 
= 6,2775 M.; in Columbia ebenfalls */,, Unza oder 
2. Condor = 2 Peſos, feit 1857 dem 10-Franken⸗ 
ftüd gleib = 8,ı N.; in Ebile feit 1860 = 2 Peſos 
oder !/, Condor (i. d.). 

Eöcnintla, Hauptftadt de Departamento G. 
(32001 €.) in der mittelamerit. Nepublit Guate: 
mala, an der Eiſenbahn San Joſe de Guatemala: 
Guatemala und am Fuße der Küftentette im ©. des 
Vulkans Agua nabe der Küfte, hat (1893) ald Ge: 
meinde 12343 €,, Kaffee, Kakao⸗ und Juderrobrbau. 

Esoulenta (lat.), eßbare Dinge, Speiien. 

Escurial, Schloß bei Madrid, }. Escorial. 

Edcuriälichafe, uriprünglih Bezeihnung der 
zu der ſpan. Wanderihafberde Escurial gebören: 
den Tiere, aus der um die Mitte deö 18. Jabrb. 
die Stammeltern der heutigen Merinos (f. d.) nah 
Deutſchland gebrabt wurden. Aus den ipaniichen 
€. find durch bejondere Züchtung auf feine Wolle 
die Elektoralſchafe (ſ. d.) ın Deutſchland bervorge 
gangen, deren vielfach überbildeter und zu Zwirn 


Esdragon 


neigender Wolljtapel Dur Thaer verbeſſert wurde. 
Gegenwärtig bat die Zucht des Eleltoral: und Es⸗ 
analihafs wegen der niedrigen Tale für feine 
Bolle und wegen der Beheigerten achfrage nad 
Heih, der das Escurial 2a nicht ge en lann, 
weniger Bedeutung. — Bol. Bohm, Die Schafzucht 
nah ihrem jegigen rationellen Standpuntte (neue 
Ausg., 2 Bde. Berl.1883); Korte, Das Wollſchaf, 
feine Wolle, Züchtung, Ernährung und Wartung 
(2. Aufl., Brest. 1880). 

Eödrägon, joviel wie Ejtragon, ſ. Artemisia. 
en Sdrelon, griech. Aussprache für 

zreel (1. d.). 

Es-dur (ital. mi bemolle maggiore; franz. mi 
bemol majeur; engl. e flat major), die Durton: 
art, beider h, e, a um einen halben Ton erniedrigt 
werden, aljo drei P vorgezeichnet find; die parallele 
Molltonart ift C-moll. (S. Ton.) 

Eſel (Equus asinus L.; ſ. Tafel: Einhufer, 
Fa. 1), ein Haustier aus der Gattung oder Sippe 
der Pferde, unterjcheidet ſich von dem eigentlichen 
Bierd durch die Länge der Ohren, den Haarbüfchel 
am Ende des furzbebaarten Schwanzes, die Kürze 
der aufrecht ftebenden Mäbne, den Mangel der 
Hormmwarzen an ben Hinterfüßen. Es giebt verſchie⸗ 
dene wilde Efelarten, die in ihrem Baterlande, 
Afıen und Afrila, in Trupps zufammen leben, 
melde von einem Hengfte geführt werden, äußerſt 
Eluge, ſcheue, vorfichtige und flüchtige Tiere, die ſich 
mutig gegen Raubtiere wehren und deren Jagd 
als ein oh ſchwieriges und kunftvolles Wert gilt. 
Man unteriheidet drei Arten wild lebender E.: 
den nordafrif. Steppenejel (Equus taeniopus 
Heugl.), den Dnager oder Gurfur (Equus ona- 
ger Schreb.) und den Dichiggetai(f.d.und Tafel: 
Einbufer, ig. 3)._ Der Steppenejel, der einige 
verwajcene Dueritreifen in der Nähe der Hufe an den 
Beinen zeigt, tommt wahrſcheinlich aufallen Steppen 
öftlih vom Nil bis an die Hüfte des Roten Meers 
vor; der Burtur bewohnt Syrien, Arabien, Berfien 
und Indien; der Dſchiggetai oder Kulan endlich, wel: 
ber die Größe eined Maultier bat, ifabellfarbig 
iſt und dem Pferde am nächſten fommt, ift in gan 
Mittelafien bis Turleitan und Tibet heimisch. Sad 
Wilckens ift der nordafrik. Steppenefel der Stamm: 
vater unferd Hauseſels. Bernahläffigung und Ein: 

5 eines ihnen ungünftigen Klimas haben dieſe 

iere in Europa jebr herabgebracht. Im Orient, wo 
man fie ald Haustiere ſehr jhäßt, erjcheinen fie unter 
weit eblerer Form, dienen zum Reiten und zeigen 
feine Spur von jenem Phlegma und der aller: 
dings übertrieben geſchilderten Dummbeit, durch 
welche fie in Europa ſprichwörtlich gemorden find. 
Durh Kreuzung mit Pferden entſtehen die Maul: 
tiere (f. d.) und Maulejel (. d.), ungemein nüßliche 
und in rg. enden faum dur andere erjeß: 
bare Reit- und —* Die Eſels milch enthält 
meht Milchzuder, dagegen ungleich weniger Butter⸗ 
und Käſ⸗ als die Milch anderer Säugetiere und 
wird als leicht verdaulich und näbrend oft in Krank⸗ 
beiten verordnet, wo große Störung und Erichlaf: 
fung der Verdauungsfunktionen vormwalten. — Bol. 
Jüm, Der E. und feine Baſtarde (Stuttg. 1900). 

Efel (Eifel), Nebenflub des Irtyic, |. Ichim. 

Ejelöbräde, Hilfsmittel zum Verftändnis eines 
fremden Schriftiteller3, das den Zwed hat, dem 
Lernenden das eigene Nachdenken zu erſparen, alſo 
auf defien Faulheit und Trägheit berechnet ift. Die 
bei €. foll man zuerſt der Schrift «Super 


— Ejerin 233 


summulas» von ob. Buridan (f. d.), die «asini 

pons» (d.i. E.) genannt wurde, beigelegt haben. 

Heute nennt man €. (oder Schwarten, Klatjchen) im 

Spradgebraude des Gymnafiums die wörtlichen 
berfegungen fremder Schriftiteller. 

lee f. Trinitarierorben. 

Ejelödiftel, j. Onopordon. 

Ejfelöfeft (lat. festum asinorum), ein im Mittel: 
alter an einigen Orten in ankreich und Spanien 
gefeierted Vollsſchauſpiel, bei dem zur Erinnerung 
an den redenden Eie Bileams oder an die Flucht 
nach Ügypten ein Eſel, in letzterm Falle mit einer 
darauf jigenden Jungfrau mit einem finde, in die 
Kirche geführt wurde. Damit wurde allerlei Unfug 
verbunden. In Deutihland wurdevielfah am Balm: 
onntag bei der zur Erinnerung an den Einzu 

hriſti in Jeruſalem gehaltenen Prozeſſion ein höl⸗ 
zerner Eſel mit oder ohne ein Bild * darauf 
er ir (in Salzburg bis 1788). Soldier Palm: 
efel bejist das Germanifhe Mufeum in Nürnberg 
mebrere. — Bol. Didron, Annales arch&ologiques, 
VII, 26; XV, 673; XVI, 26. 

Efeldgurfe oder Springgurte, f. Ecballium 
und Tafel: Sampanulinen, Fig. 6. 

Eſelshaupt oder Eſelshoofd, im Schiffs: 
weſen ein eifernes oder hölzernes Joch, welches die 
Marsitengen (f.d.) am Topp (f. d.) der Untermajten 
(f. Maft) fowie die Bramitengen (1 Stengen) 
am Topp der Maräftengen in Ber nn mit 
den Saling3 (f. d.) feſthält. In eriterm Fall heißt 
es Untereſelshaupt, in legterm Bramejels: 
haupt. Das €. greift mit einem vieredigen Rod 
über den Mafttopp und hat vorn ein rundes Loch 
zum Durdlafjen der Stengen. 

Eſelshoofd, j. Eſelshaupt. 

elshuf, ſ. Klappmuſchel. 
elslehen, im Mittelalter die Verpflichtung 
beſtimmter Familien in vielen deutſchen Städten, 
den Eſel zu ſtellen, auf dem Verbrecher, von dem 
Büttel geführt, durch die Stadt reiten mußten. 
Eee ad, |. Speſſart. 
eldrüden (in der Architektur), ſ. Bogen. 

Eſenbeck, Botaniker, |. Nee von Ejenbed. 

Eſens, Stadt im Kreis Wittmund des preuß. 
Reg.Bez. Aurih, 4 km von der Nordjeefüfte, am 
ſüdl. Rande der Mari, an der Nebenlinie Emden: 
Wittmund der Preuß. Staatöbahnen, Sitz eines 
Amtes und Amtsgerichts (Landgericht Aurich), hat 
(1900) 2138, (1905) 2213 meilt evang. E., Boft: 
amt zweiter male: elegrapb, evang. Kirche mit 
Grabmälern frieſ. Häuptlinge, Methodiftentapelle, 
Synagoge, Genoſſenſchaftsbank; Pferde: und Rind: 
viebzucht, Pferde: und Viehmärtte. Bon dem 4 km 
nordmweitlic gelegenen Küftenorte Benjerfiel ift im 
Sommer Dampferverbindung nad). den Seebädern 
Langeoog und Spieleroog. E. war Hauptort des 
Harlingerlandes (j. d.). 

Ejerin oder Pbyioftigmin, das neben Cala: 
barin den Galabarbohnen, den Samen von Phy- 
sostigma venenosum (j. d.), eigentümliche giftige 
Altaloid von der Zufammenfeßung C,H, N, 05, 
bildet rhombiſche Kryſtalle oder eine gelbe, amorpbe, 
bei 45° ſchmelzende Mafje, in allen Zöjungsmitteln 
löslich, wird beim Kochen mit Waſſer, ebenfo durch 
Licht: oder Luftzutritt rafch zerfeht und färbt ſich da: 
bei rot. Dffizinell find das jalicyljaure E. als 
Physostigminum salieylicum (Bbyfoftigminfalicy: 
lat) und das ſchwefelſaure E, als Physostig- 
minum sulfuricam (Phyſoſtigminſulfat). Erſteres 


234 Eiher — 


bildet farblofe oder ſchwach gelblihe, in Wafler, 
leichter Weingeift losliche, glänzende Kryftalle, und 
it das haltbarſte Phyſoſtigminſalz, leßteres ein 
weißes, kryſtalliniſches, —— ſehr leicht in 
Waſſer und Weingeiſt löslihes Pulver. Das E. 
und jeine Salze lähmen die motorijhen Nerven und 
tommen bauptfählich in der Augenbeiltunde nad 
u Starker Atropinifierung (Bupillenerweiterung) zur 
Verwendung; fie bewirken Verengerung der Bupılle 
und leijten auch bei Nccomodationslähmungen, glau: 
tomatöjen Drudjteigerungen u. ſ. w. gute Dienfte. 
Auch gegen gewiſſe Nervenleiden (Tetanus, Epilepfie, 
Chorea), befonverd aber gegen Rolif ver Pferde wird 
E. angewendet. — Das Calabarin (1876 von 
Harnad und Witkowſty entdedt) ijt in Sitber unlös: 
{ih und ruft bei Fröfchen Tetanus bervor, während 
E. Laähmung des Gehirns und Rüdenmarts bewirkt. 
Efber (ipr. ihſch'r), Dorf in der engl. Grafichaft 
Surrey, 22 km im SW. von London. Eſher— 
Blace, einft Schloß des Kardinal Wolſey, iſt jeßt 
umgebaut. Im naben Sandomwnparf werben 
Pferderennen (Sandown-Races) abgebalten. 
‚Efino (aud yejino), Fiume di Jeſi oder 
giumefino, der Äſis der Römer, Fluß im ital. 
Sompartimento Mare (die Marten), entipringt 
meitlih von Matelica in der Provinz Macerata 
auf dem Dftabbang des Römiſchen Apenning, tritt 
gleich darauf in die Provinz Ancona, fließt zuerſt 
nah N., dann nach NO., berührt Jeſi und mündet 
nah einem Laufe von 52 km mweitlih von Ancona 
an verjandetem Ufer ins Adriatiiche Meer. 
Eſiuokalk, lihtgraue, petrefattenreihe Kalt: 
fteine, die in den fühl. Alpen den untern Keuper 
Deutichlands vertreten. [®ebeimmittel.) 
Es ijt erreicht, ſ. Habys «Es ift erreicht» (unter 
Efito ( u: Ausgang, Ausfuhr; Efito: 
waren, Ausfubrwaren; Ejitozoll, Ausf * 
Est, Name mehrerer Flüffe in Schottland, Eng: 
land und Irland. Darunter: 1) Der E.,entipringtam 
gube bes Ettrick Pen (688 m), durchfließt bie saott 
rafihaft Dumfries, tritt in die engl. Grafſchaft 
Gumberland, um, nad einem Laufe von 60 km, in 
den Solway⸗Firth zu münden. Hauptnebenfluß it 
der Liddel (j. d.). — 2) Der Südest, 79km lang, 
fließt nad SD. aus dem Estjee im nordöftl. Teil 
der ſchott. Grafſchaft Forfar, berührt Brechin und 
mündet in die Bai von Montroje. — 3) Der 
Nordest, entipringt ebenbort, hat einen auf von 
47 km und ergieht ji 6 km nörblih von jenem 
ebenfalls in die Nordſee. (0. d.). 
E3fadre (fr;., fpr.-tabdr), joviel wie Geſchwader 
E3fadron (fr;., pr. -dröng), Shwadron, Be: 
jeihnung für die taftijche ee der Kavallerie, 
war urfprünglich im 16. und Anfang des 17. Jahrh. 
Bezeichnung einer Stellungsform, indem man unter 
Squadron (von Quadra) jeden vieredig geformten, 
d. b. aus mebrern hintereinander ftehenden Com: 
pagnien gebildeten Schlachthaufen verftand obne 
Unterfhied der Waffengattung. Später wurde mit 
E. eine aus je 2 Compagnien beftebende Kavallerie: 
abteilung bezeichnet; im preuß. Regiment Garde 
du Corps beitand noch bis 1889 die abminiftrative 
Einteilung der E. in 2Compagnien, und in England 
ift die E. noch jetzt aus zwei abminiftrativ ſelbſtän— 
digen Troops zujammengejekt. — Die Kriegsſtärke 
einer E. beträgt fajt überall ungefähr 150 Pferde. 


Rubland, Sfterreih und Jtalien bilden 6, in | 


eutichland und Frankreich 5, in England 4 E. ein 
Regiment; in Deutichland und Frankreich bleiben 


Esfarpine 


im Kriegdfall die fünften €. als Erjag:(Depot:-) 
Eskadron zurüd und die Regimenter rüden nur 
mit 4 E. ins Feld; in den andern oben genannten 
Heeren rüdt die volle Zahl der angegebenen €. aus. 
Innerhalb des Regimentsverbandes bilden in Sta: 
Tien je 3 E. ein Halbregiment, in Rußland, Frant: 
reih und Oſterreich je 2 E. eine Divifion. An der 
Spitze einer E. jtebt ein Rittmeister (Deutfc- 
land [GEsfadrondef, j.d.], Oſterreich, Rußland, 
talien) oder ein Kapitän (Frankreich, Eng: 
and), in Deutichland ausnahmsweife au wohl 
ein Stab3offizier. Die Halbregimenter in Italien, 
die Divifionen in Rußland, Frankreich und Ofter: 
reich werben von Stabsoffizieren befebligt. Jede E. 
bat außerdem einige Subalternoffiziere. Der erſte 
Unteroffizier der E. (dem Feldwebel der Infanterie 
entjprechend) ift ver Wacht meiſter, fein Stellver: 
treter der Dicewadhtmeijter; der Quartier: 
meijter bat die Verwaltung der Futtervorräte, der 
Reitzeuge und der Uniformjtüde, er leitet und über: 
wacht die Arbeiten der Esladronhandwerker; der 
Beihlagunteroffizier(Jabnenfhmien,f.b,, 
Kurſchmied, f.d.) bejorgt mit Hilfe der Esladron⸗ 
ihmiede ven Beſchlag. Eskadron-Handwerker und 
:Schmiede find Mannjcaften aus der front und 
thun für gewöhnlich allen Dienft mit. Dem Roß— 
arzt (j.d.) liegt die ärztliche Bebandlung der Pferde 
ob. Die €. wird im innern Dienft in Beritte (f. d.), 
in taltiſcher Beziebung in 4 zweigliedrige Züge ein: 
geteilt. Die gebräuclichiten taltiſchen Formationen 
der deutſchen €. find Linie, Zug: und Halblolonne, 
ala Marſchformationen die Kolonne zu vieren oder 
zu zweien. Die Zahl der E. beträgt in Deutichland 
(1901) einjhließlih 15 €, Jäger zu Pferde 480, in 
Frankreich 448, Oſterreich-Ungarn 252 und 39 €. 
der Yandwebr, Rufland 636 in Europa, 93 in Aiien, 
Stalien 144, Großbritannien 234'),. 
Eskadrouchef (ipr. röngihefi), in Deutſch⸗ 
land Funltionstitel des eine Esladron befebligen: 
den Rittmeifter® (oder StabSoffiziers); in Frankreich 
bei der Kavallerie Chargentitel der jüngjten Stabs⸗ 
ir en ng dem deutſchen Major entfprict. 
falade (frz.), Erfteigung von Mauern oder 
fteilen Boſchungen mit Hilfe von Sturmleitern. 
Edfamotieren, j. Escamotieren. (ie. 7. 
Eskariõl, ſ. Sartenjalat und Tafel: &emüjelI, 
Eöfarpe (er) ‚ die dem Berteidiger zunädit 
liegende (innere) Böihung eines Hindernisgrabeng, 
von der äußern Bruftwebhrböfhung gewöhnlich 
durch die Berme (f. d.) getrennt. Das Erſteigen 
der E, muß dem Angreifer durch fteile —— 
und Hindernismittel moglichſt erſchwert werden. Bei 
Feldbefeſtigungen mit Hindernisgraben führt man 
die E. ganz flach, um dieſen frontal beſtreichen zu lon⸗ 
nen. In der Permanenten Befeſtigung (1. d.) erhält 
die E. nafjer Gräben N beſſern Saltharteit gegen 
die zerftörende Einwirkung des Waſſers gewöbnlich 
doppelte Anlagen; bei trodnen Gräben wurde früber 
die E. mit hohen Mauern befleivet Revétements, 
Suttermauern), welde zur Entlajtung vom Erddrud 
vielfah mit überwölbten Strebepfeilern verjeben 
(Entlajftungdmauern) und fogar fafemattiert wurben 
(Decbargengalerien). Später ftellte man am Fuß 
der E. eine verteidigungsfähige freiftebende Mauer 
auf, welche nad Einführung der Briianzgranaten 
durch ein eifernes Hinderniägitter erjeßt murbe. 
Eskarpiue (frz.), gewehrähnliches Schiffsgeſchutß 


| früberer Zeit, welches vorzugsweiſe zum Beſchießen 
der Talelage diente. 


Eski — Eskimo 


Eoti ſturt., «alt»), haufig in Ortönamen, wie 
B. Esk⸗Schehr, dv. h. alte Stadt. 
Eökidiche, Stadt in Thrazien, ſ. Ranthi. 
Edi Dinmäja (ipr. dihu-) oder Eski— 
Djumna, Stadt im Kreife Sumen in Bulgarien, 
am Nordabhange des Balkans, hat (1895) 8942 
meit mobammed. E., mehrere Moicheen und Bä- 
der, Seidenzucht, Töpferei und Mefien. 
Esti-Jftambol, Stadt, j. Esti-Stambul. 
Esti-Krym, Stadt, ſ. Stäryj Krym. 
Eskilstuna (ipr. eſchil⸗), Stadt im ſchwed. Län 
Södermanland, «Schwedens Sheffield» genannt, an 
der bier fanalifierten Eskilstuna⸗a und an den Linien 
Flen:Kolbäd und Södertelge-Nyby der Schwer. Pri⸗ 
datbahnen, beſteht aus der am Dftufer des Fluſſes 
gelegenen alten Stadt und den regelmäßig gebau: 
ten neuern Stadtteilen am weſtl. Ufer, bat (1900) 
13663 €. (gegen 1870: 5716), eine 1814 ag 
königl. Gewehrfabrik, mechan. Werlſtätten (bemer: 
lenswert J. T. Munktells Eiſenwerle), Fabriken für 
Stabl: und damascierte Waren (ſog. Estilstuna- 
Arbeiten), Mit Stodholm beſteht lebhafter 
Dune. tebr. — Schon im 12. Jahrh. befannt, 
erbielt die Stadt erft durch die von Karl X. (1654) 
angelegten Fabrilen und (1659) erteilten Privilegien 
ee ern Den Namen bat jie vom beil. Eskil 
aus = nd, dem Apoftel von Söbermanland, 
der den Märtprertod erlitt und bier begraben wurde. 
Eskilstuua⸗a (ipr. eſchilstuna oh), Nebenflug 
de& Mälariees (f. d.). 
Eskimo, Gewebe, ſ. Br. 17. 
Eskimo, Bolt, dejjen Name aus der Sprache 
wein benachbarter Indianerſtämme herrührt und 
ohfleiſcheſſer bedeutet, während fie ſich ſelbſt In— 
nuit (d. h. Menſchen) nennen. Sie bewohnen den 
äuberiten Norden Amerilas und einen Kleinen 
Küftenftrih_auf der afiat. Seite der Beringftraße 
(j. Karte: Die Verbreitung der Menihen: 
rajjenu.f.mw., beim Artikel Menihenrafjen). Nach 
den neuejten Unterſuchungen von Rink und Boas ijt 
ibre urjprüngliche Heimat in den fee: und flußreichen 
Gegenden weitlic der Hubfonbai zu fuchen, und von 
bier haben fi die Stämme ſchon vor langer Zeit 
teild gegen Weiten nad Alaska, teilö gegen Oſten 
nad der Nordkuſte Labradors, nad Baffinland und 
Grönland verbreitet. Troß phyſiſcher, ſprachlicher 
und kultureller Übereinftimmung zeigen fie doc nicht 
geringe lofale Verſchiedenheiten; einige Stämme im 
tübmeitl. Alaska bilden einen Übergang zu den Yn: 
dianern. Sie entfernen ſich jelbft bei Jagderpeditio: 
aen nur wenig von der Küjte nach dem nern, das 
auf dem Feſtlande meiftwon ge er ihren 
erbittertiten Feinden, bejeßt ıft. Die Entfernung der 
öftlichften E. von den weſtlichſten beträgt 8000 km. 
Die Anzahl der E. feſtzuſtellen iſt unmöglid. Es 
dürften ihrer faum über 40000 fein. Davon wur: 
den im bän. Grönland (1895) 10639 gezäblt; für 
Alasla wird ihre Zahl auf der Grundlage einer Zäh: 
lung auf etwa 8500 geſchätzt. Die E. find ein ty: 
iſches Bolarvoll, das fih in bewundernämerter 
eife jeinen ärmlihen Wohnfigen angepaßt und 
deren Hilfämittel entmwidelt hat. Am beiten be 
fannt find die grönländiſchen oder weitgrönländi- 
iden €,,die allerdings gr ftart mit europ. 
Blute gemifcht find. Es find mittelhobe, dunfel- 
bäutige Peute (nie Männer 160 cm), fie haben mejo: 
teybale Schädel, flaches Gefiht und ſtraffes, ſchwar⸗ 
jes Haar. (S. Tafel: Amerikaniſche Bölter: 
tppen, Fig. 1, beim Artilel Amerilaniſche Raſſe.) 


235 


Sie alternrafch. Ihre Kleider machen fie von Fellen, 
welche fie ſehr hübjch verarbeiten, wohnen des Win: 
ter? in Erbbütten oder in balbrunden gemölbten 
Hütten, die fie aus rechtwinklig ausgeſchnittenen 
Quadern von Schnee herzuitellen wiſſen, des Som: 
mers in — inſoweit ſie nicht mit yp und 
Fiſchfang beſchäftigt find. Die weſtlichen E. bejigen 
große Tanzhäuſer, die meiſt zugleich als Badeſtuben 
dienen. Ihre Boote, die ſog. Kajaks, find leicht 
und fchmal, ein Geitell von Walrippen mit See: 
hundsfell überzogen, und werben von einem ein: 
zelnen Manne gehandhabt. Daneben befigen fie 
noch größere Boote, jog. Weiberboote (Umiaks), 
die für Transport geeignet find und worin die Fa: 
milien ihre Wanderungen antreten. Ihre Haupt: 
waffe ift die Harpune, entjtanden aus dem allen 
€. befannten Blafenpfeil, an dejien Schaft eine 
Blafe befeftigt war, um dem Tauchen und Schwim: 
men ber getroffenen Seehunde ein Hindernis zu 
bereiten. Die wichtigite Erwerbsquelle ift Jagd 
auf Geejäugetiere, namentlib Seebunde, deren 
leifh und Sped, roh und gelocht, zu den alltäg: 
ihen Nahrungsmitteln gehören; auch beichäftigen 
fie fih mit Fiſcherei, Auffuchen von Treibholz und 
im Sommer mit Renntierjagd, wie denn * das 
Einſammeln von Beeren (Empetrum nigrum L.) 
ölonomijche Bedeutung hat. Da Thran ihr Haupt: 
getränt Ir ift Übertreibung; derjelbe ift zu wert: 
voll für fie, da er ihnen im Winter Wärme und 
Licht Spenden foll. Sie find feine eigentlihen No: 
maben; nur ihre Sommerlager wechſeln fie, wie es 
Jagd und Fiſchfang erfordern. Die €, find intellis 
ent und befißen großes Talent für Nahabmung, 
ür Mufil und Zeichnen; fie zeichnen ſogar Karten, 
Eigentümlihe Züge der Fremden failen fie rajch 
auf und entdeden bald deren ſchwache Seiten. Sie 
baben feine Häuptlinge; Yamilien-, Haus: und 
Dorfgenojien halten zufammen; aber die verſchie— 
denen Dörfer haben untereinander faum Beziebuns 
en. Da fie jeden Anlaß zum Streit unter ſich forg: 
Mio vermeiden, befriegen fie ſich nie. Doc führen 
fie gegen ibre Topfeinde, die Indianer, erbitterte 
Kämpfe. Volygamie iſt felten, aber Trennung der 
Ehe und MWiederverheiratung leiht. Die €. find 
roße Eifer und en von Feſtlichkeiten. Als 
Beiden der Begrübung gilt das Najenreiben, dod 
erricht diefe echte Eslimoſitte nur noch bei den wil: 
den En in Grönland begrüßen fi jo nur no Kin—⸗ 
der. Die Litteratur der €, ift nicht unbedeutend, 
Die meijten Bücher in ihrer Sprache werden in 
Dänemark, nur weniges in einer Heinen Druderei 
Grönlands gedruckt. Seit 1861 beftebt ein Unter: 
————— Am belannteſten unter den litterar. 
zeugniſſen der E. iſt die Selbſtbiographie von 
Hans Hendrik, dem Begleiter mehrerer Bolarreifen. 
(Bgl. Geographical Magazine, Bd. 5, Lond. 1878.) 
Die dän. Rolonifation bat den Kulturzuftand der 
rönländiſchen E. vielfah verbejjert. Die Einge— 
orenen der Weſtküſte, welche früber Tornarjuf und 
eine unzählbare Geijterfchar verebrten und in den 
fog. Angeloks eine befondere Klafje von Shamanen 
ae find längjt Ehriften und genießen etwas 
Schulunterricht; fie haben ftellenmeite beſſere Woh⸗ 
nungen und find woblbetannt mit Kaffee und Tabak. 
Die oſtgrönländiſchen E. find größer als die weit: 
grönländifchen, haben mehr markierte Gefihtszüge 
und eine recht eigentümlicbe Sprade. 
Litteratur. Cranz, Hiſtorie von Grönland 
(2p3. 1772); Hall, Life with the Esquimaux (2 Bde., 


236 


2. Aufl., Lond. 1865; neue Ausg. 1871); Rink, Eski— 
moijte Eventyr og Sagen (Kopenh. 1878) und viele 
andere Schriften desjelben; Morillot, Mythologie 
etlögendes des Esquimaux (Par. 1874); 9.9. Ban: 
ceroft, The native races ofthe PacificStates ofNorth 
America, Bd. 1 (San Francisco 1875); Dall und 
Gibbs, Contributions to North American ethno- 
logy (Bafhingt. 1877); von Klutſchak, Als E. unter 
den E. (Wien 1881); Cruise ofthe Corwin in Alaska 
and N. W. Arctic Ocean in 1881 (Wafbingt. 1883); 
een Reife an der Norbmweittüfte Amerikas 

3. 1884); The E. tribes (in den « Mevveleljer 
om Grönland», XI, 1887); Boas, The Central E. 
(in dem «Sixth Annual Report of the Bureau of 
Ethnologyr, Wafhingt. 1891); Bourquin, Gram: 
matit der Eskimoſprache (Gnadau 1891); Nanfen, 
Estimoliv (Krift. 1891; deutfh von Langfeldt, 
Berl. 1903); Peary, My arctic journal, a year 
among ice-fields and E. Lond. 1893); Ayberg, Om 
Erhvervs⸗og Befoltnings:Forboldenei®rönland (in 
«Geo TapbiftZipftrifte 12. Bd. Ropenb. 1893); Hoff: 
man, The — art of the E. (Wajbingt. 1897); 
Nelion, The E. about Bering Strait (Lond. 1901). 

Eskimobai, ſ. Hamilton Jnlet. 

Esfimohund, ſ. Hunde nebft Tafel: Hunde: 
raf IE, .15. 
8fi- ehr, Stadt im Sandihal Kutabia im 
afiat.«türt, Wilajet Khodamendiljar, am Purfat, 
norböftlid von Kutahia gelegen, an der Bahn 
Stutari:Angora und E.-Afiun-Karahiſſar-Konia, 
ift das alte Doryläum in Phrygien, war einft bes 
deutenber Stapelplaß und unter den byzant. — 
wichtige Feſtung, hat berühmte Warmbäder, Grä— 
ber mehrerer mohammed. Heiliger, Fabrilation von 
Meerſchaumpfeifen und 19000 E. In der Näbe 
große —— mit jäbrliher Ausbeute 
von mehr ald 30 Mill. Piaſter. 

E3ti-Seräi, j. Serail. 

E3fi-Stambul,bulgar.Marktfleden, ſ. Preslav. 

Eski⸗Stambul (Eski-Iſtambol), Stadt und 
Hafenort im turk. Wilajet Dichejairi: Bahri: Sefid, 
an der Heinafiat. Kuſte der Inſel Tenedos gegenüber, 
die Ruinenftätte der alten Stadt Alerandria (Troas), 
eine röm. Kolonie; fie wurde nad ihrem Erbauer 
Antigonia, aber von Lyſimachos fpäter zu Ehren 
a d. Gr. Alerandria benannt. 

#fi-Bagra, bulgar. Stara-Zagora oder Zelez- 
nik, Hauptftadt des Kreiſes E. (1901: 393240 €.) 
in Dftrumelien, das alte Berda in Thrazien, am 
Süpdfuß der Gerna:Gora (f. Balkan) und an der 
Bahn Feni:Zagra:Girpan, in fruchtbarer Gegend, 

at (1901) 19428 €. (Bulgaren, Türten, Juden, 
inzaren), viele röm. und byzant. Altertümer; 

eppich: und Roſendlfabriken; Getreidebau. €, H 
ein wichtiger Straßentnotenpuntt für die Päſſe 
des mittlern Balkans, die von bier nad Philip: 
popel und Adrianopel zu führen. — Bei E. warf 
fih Ende Juli 1877 Suleiman Paſcha mit 35000 
Mann dem ruff. Avantgardenkorps unter Gurko, 
das den Ballan 13. bis 15. Juli überjchritten hatte, 
entgegen, bemädhtigte ſich 31. Juli der Stabt und 
warf die Ruflen nah dem Balkan zurüd. 

Eskol (d. i. Traube), ein Thal nördlid von He: 
bron, worin die Aunhidaer Israels neben Granats 
äpfeln und eigen berrlibe Weintrauben fanden 
(4 Moſ. 13,24 fg.; 32,9; 5 Moſ. 1,24fg.). Nach 
1 rg 14, ıs, 24 foll €, der Name eines der drei 
mit Abrabam verbündeten Amoriter geweſen fein. 


Wahrſcheinlich bat fich der Name in Beit Iskahel, 


Esfimobai — Esmarch (Friedrich von) 


Dorf und Thal nordweſtlich von Hebron, erbalten, 
gewöhnlich Bet Kabel genannt. 

Eskompte (fr;., pr. -töngt), ſ. Dislont. Es: 
tomptieren ift gleichbedeutend mit bislontieren. 
Die Bezeihnungen E. und estomptieren Pr Die: 
font und diöfontieren find befonder3 in Oſterreich 
gebräudlidh. 

Eskorial, |. E3corial. 

Eskorte (frz.), Geleit, Ebrengeleit, Bededung 
(1.d.); estortieren, geleiten, — Geleit geben. 

Eödfuära, |. Basliſche Sprade. 

Eskulent (lat.), eßbar. 

Esla, rechter Nebenfluß des Duero in den ſpan. 
Provinzen Leon und Zamora, auf der Hochebene 
von Leon, die er in vorwiegend ſudſudweſtl. Rich⸗ 
tung durdfließt. Der E. entjpringt auf dem Süd— 
abbange des Cantabriſchen Gebirges, am Pico de 
Ventaniella, nimmt rechts den Bernesga (von der 
Stadt Leon ber), Orbigo und Terraz, links den Eda 
auf und mündet nah 250 km Lauf unterhalb 
Zamora am Duero. j 

Eslaru, Marttfleden im Bezirksamt Boben: 
ftrauß des bayr. Reg.:Bez. Oberpfalz, 4 km von 
der böhm. Grenze, Sig einer Grenzwachſtation, bat 
(1900) 2541 E., darunter 13 Evangelifche, Pott: 
erpedition, Telegraph; Landwirtſchaft. 

Esläva, Don Miguel Hilarion, fpan. Mufiter, 
geb. 21. Dft. 1807 bei kr geft. 23. Juli 
1878 zu Madrid als Hoflapellmeifter, zählt zu den 

erporragendften Komponiften (Kirchenmufil und 
pern) des neuen Spaniend. Allgemeinere Bedeu: 
tung gewann er durch die Herausgabe älterer jpan. 
Meiſter. Das wichtigfte diefer Sammelmwerte ift die 
«Lira sacro-hispaha» (5 Tle. in 10 Halbbon., 1869). 

Edmarch, Friedrich von, Chirurg, geb. 9. Jan. 
1823 zu Tönning, ftubierte feit 1843 zu Kiel und 
Göttingen Medizin, wurde 1846 Aſſiſtent Langen: 
bed3 am dirurg. Hofpital zu Kiel, beteiligte it 
im Qurnertorps am jchlesmw.:boljtein. Kriege von 
1848 und ward 9. April mit dem größten Zeile 
desjelben gefangen. Nachdem er jpäter ausge 
wechſelt war, wirkte er einige Zeit als Dberarit 
beim Lazarett im Bürgerverein zu Flensburg. Die 
beiden folgenden Feldzüge made er ala Adjutant 
Stromeyers mit. zwifchen hatte fich E. mäb: 
rend des Waffenftillftandes 1849 zu Kiel babili: 
tiert, 1854 wurde ihm nad Stromeyers Weggang 
die Direltion der chirurg. Klinik übertragen, 1857 
ward er ord. Profejior und Direktor des Hoſpital⸗ 
zu Kiel. Während des jchlesmw.:holftein. Krieges von 
1864 madıte fi €. in hohem Grade um die Lazarette 
in Flensburg, Sundemitt und Kiel verdient. 1866 
ward er nad Berlin berufen, um als Mitglied in 
die Immediat⸗Lazarettlommiſſion einzutreten und 
die Überleitung der chirurg. Thätigfeit in den dor: 
tigen azaretten zu übernehmen. 1870 zum General: 
arzt und konfultierenden Chirurgen der Armee er 
nannt, wirkte er zunächit in Kiel, jodann in Hamburg 
bei der Organifation der freiwilligen Hilfe, ipäter ın 
Berlin als tonfultierender Chirurg bei dem großen 
Baradenlazarett auf dem Tem elbofer Felde. In 
zweiter Ehe iſt E. jeit 1872 mit Prinzeſſin Henriette 
von Schleswig:Holftein-Sonderburg:Auguftenburg 
(geb. 2. Aug. 1833), einer Tante (Vatersſchweſter 
der jehigen Deutichen Kaiferin, apa ei 1887 
wurde er in den erblichen Adelſtand erhoben, 1897 
zum Wirkl. Geheimen Rat mit dem Prädilat Er 
cellenz ernannt. 1905 wurde ihm ein Bronzeftand: 
bild (von Ad. Brütt) in Tönning errichtet. 


Esmarch (Karl) — Esocidae 


€. bat fi weientliche Verdienfte um das Laza⸗ 
ttmeien, die Kriegschirurgie und beſonders bie 
hiegihirurg. Technik erworben, aud das Ber: 
jahren, Gliedmaßen ie yes blutleer zu maden 
und jomit ohne Blutverluft zu operieren, erfunden 
und ih um die Einführung der Samariterjhulen 
(. Erg Sg rated hin Deutichland verdient ge: 
mabt. Er fchrieb: «liber Nefeltionen nah Schuß: 
munden» (Kiel 1851), «Beiträge zur praltiſchen 
Gange (Heft 1 u. 2, ebd. 1853—60), «liber chro⸗ 
niihe Gelententzündungen» (ebd. 1866; 2. Aufl. 
1867), «Berbanbplas und Feldlazarett⸗ (Berl. 1868; 
2. Aufl. 1871), «fiber den Kampf der Humanität 
en die Schreden des Krieges» (Kiel 1869; 2. Aufl., 
1899), «Der erfte Verband aufdem Schlacht⸗ 
felde» (Kiel 1869; 3. Aufl, 1899; mehrfach über: 
\egt), «liber Vorbereitung von Refervelazaretten » 
(Berl. 1870), «Über Gelentneurojen» (Kiel 1872), 
«Die Krankheiten des Maſtdarms und Aiters» (Er: 
langen 1873; 2. Aufl., Stuttg. 1887), «Über fünit: 
lade Blutleere bei Operationen» (2p;. 1873), «Die 
erſte Hilfe bei —— Gannov. 1875), «Hand: 
buch der kriegschirurg. nit» (ebd. 1877; 4. Aufl., 
mit Kowalzig, 2 Bde. Kiel 1893— 94; Bd. 2 Mpe⸗ 
— 5. Aufl. ebd. 1901; zugleih Bv. 1 
u.2 der «Chirurg. Tehnit», 8. Auf, 4 Boe., ebd. 
1899), «Die erite Hilfe bei plöglichen Unglüds: 
fällen. Ein Leitfaden für Samariterfhulen» (Lpz. 
1882; 17. Aufl. 1901; in 23 Spraden überjest); 
«liber elepbantiajtiihe Formen» (mit Rulentampff, 
Hamb. 1885), «Samariterbriefe» (Kiel 1886). 
€3 ‚ Karl, Jurift, geb. 3. Dez. 1824 zu 
Sonderburg, ftubierte Re töifienihaf u Riel, 
Bonn, Heidelberg und Berlin, nahm am ſchlesw. 
belftein. Kriege 1848—51 teil und habilitierte ſich 
1851 zu Göttingen für das röm. Recht. 1855 wurde 
er ala on. Broefor des röm. Rechts nad Krakau, 
1857 nad) Prag berufen, wo er 22. an. 1837 ftarb. 
Bon E.s wiſſenſchaftlichen Arbeiten find zu er: 
wäbnen: «Röm. Rechtögeidhichte» (2 Tle., Gött. 
1856; 2. Aufl., Eafj. 1877—80), «Örundfäge des 
VBandeltenrehts» (2 Tle., Wien 1859— 60), «Va- 
cuae ionis traditio. Eine civiliſtiſche Un: 
terjuchung» (Prag 1872) und «Pandelten⸗ Exegeti⸗ 
cum» (ebd. 1875). Unter dem Pſeudonym Karl 
von Aljen bat E. auch mehrere —— meiſt 
epiihen Inhalts veroffentlicht; «Der Sieg bei 
Bornböved» (Kiel 1847), «Der Hort der Dichtung. 
Fine Götterjage in 16 Gefängen» (Lpz. 1853), «Aus 
alten und neuen Tagen» (Berl. 1860), «Knud La: 
warb» (Hamb. 1865), ſowie mehrere metrifche liber: 
fegungen aus dem Schwediſchen und Altnordifchen. 
Eöma f. Eorbierit. 
Esmenard (jpr.-nabr), Joſeph Alphonſe, franz. 
Dichter, geb. 1770 zu Peliſſanne (Depart. Bouches⸗ 
du⸗Rhöne), wurde Mitarbeiter on Yan er royali⸗ 
ſtiſchen Zeitungen, verließ aber Frankreich nach dem 
10.Aug.1792 und bereifte England, Holland, Deutſch⸗ 
land und Jtalien. Seit 1797 lebte er wieder in Paris, 
wurde aber nad dem 18. Fructivor (4. Sept. 
1797) verbannt, tebrte 1799 zurüd, begleitete 
den General Leclerc nah San Domingo und folgte 
Ipäter dem Admiral Billaret:Joyeufe nah La Mar: 
tinigue. Rapoleon ernannte ibn zum Theatercenfor 
in Baris; ſchließlich wurde er Direktor des «Journal 
de l’Empire» und eg am Bolizeiminifte: 
rim, 1810 auch in die Franzoͤſiſche Akademie auf: 
aenommen. Nachdem eraber 1811eine heftige Satire 
gegen Rußland veröffentlicht hatte, wurde er ver: 


237 


bannt, nad 3 Monaten begnadigt und ftarb auf der 
Rüdreife nad) Frankreich 25. Juni 1811 in der Nähe 
der Stabt Fondi. Unter feinen Werten find hervor: 
uheben: eine Dve, «L’oracle du Janicule», zu 

bren der Heirat Napoleons verfaßt, eine Samm⸗ 
lung von bonapartijtiihen Gele enheitägedichten: 
«La couronne po&tique de Napol&on» (1807), zwei 
Dpern, «Le triomphe de Trajan» (1808) und «Fer- 
nand Cortez» (mit Jouy; fomponiert von Spontini 
1809). Sein beftes Werk ift das Lehrgedicht «La 
navigation» (2 Bde., 1805). 

Edmeralda (jpan., « Smaragd»), aus Galop 
und Polla beitehender Rundtanz in Talt. A 
eine Mäpchenfigur aus dem Roman Victor Hugos 
«Notre-Dame de Paris» fowie Titel danach be 
arbeiteter Opern (unter anderm von Louife Ange 
lique Bertin). 

E3dmeraldas, norbweitlihite Provinz der für: 
amerit. Republik Ecuador (f. Nebentarte zur Karte: 
Columbia u. f. w.), grenzt im N. an Columbia, 
im D. an die Provinzen Carchi, Imbabura und 

ihinda, im S. an Manabi und im W. und NW. 
an den Stillen Dcean. Diefer flachfte Teil der 
Republik hat nur Höhen von 50-600 m aufzumweifen, 
beitebt großenteild aus Tertiär ſowie vulkaniſchen 
Hügeln am Abbang der Wejtlette und ift im Innern 
ganz mit Wald bevedt. Der einzige bedeutende Fluß 
iſt der E. welcher auf der Hochebene von Quito, am 

be des Eotopari entfpringt und in den Golf von 
ncon bed Großen Oceans mündet. Die Ausfuhr 
beftebt vorwiegend in Kautſchul. Die Provinz ns 
auf 19267 gkm etwa 14600, meijt an der Küſte 
ſeßhafte E. (darunter 1500 Weiße und etwa 6500 
civilifierte Indianer und Neger). Hauptftabt ift der 
Hafen E. am Fluſſe gleihen Namens mit 3000 €. 

Es-moll (ital. mi bemolle minore; franz. mi 
b&mol mineur; engl. e lat minor), die Molltonart, 
bei der h, e, a, d, g, c um einen halben Ton er: 
niebrigt werben, aljo ſechs P vorgezeichnet find * 
bei dem parallelen Ges-dur). Der unbequemen Bor: 
zeihnung wegen kommt diefe Tonart ebenso felten 
vor, wie die nur enharmoniſch von ihr verfchiebene 
Tonart Dis-moll. (S. Ton.) 

Edneh, Stadt in Dberägypten, Provinz El: 

Hedud, am linken Nilufer, 45 km ra von den 
Ruinen von Theben, an der Niltbalbahn, hat etwa 
9000 E., ift Sigeines kopt. Biſchofs und ein reger Ber: 
lehrsplatz, wo namentlich mit Kamelen, Töpferwaren 
und den Malajeb genannten ſehr feinen Baummoll: 
ftoffen und Shawls gehandelt wird. Die Sennarlara- 
wane taufcht bier ihre Vorräte an Gummi, Strauß: 
federn und Elfenbein gegen europ. Waren ein. Die 
Stadt fteht auf den Ruinen des alten Latopolis. 
Agyptiſch * Enyt oder Sn&; ihre Bewohner 
verehrten nach Strabo die Athene (d. i. Hathor) und 
den Fiſch Latus. W Tempel, der in feiner jebigen 
Geitalt aus der Ptolemäer: und röm. Kaijerzeit 
tanımt, in feiner urfprünglichen Anlage aber zweifel: 
08 in bie älteften Zeiten zurüdreicht, ift verjchüttet 
und von der jegigen Stabt überbaut. Nur feine 
Vorhalle ift ausgegraben und durch eine Treppe, die 
32 Stufen hat, von der Straße aus zugänglid. * 
Dach wird von 24 mächtigen Säulen in 4 Reihen 
getragen, deren mannigfaltige Kapitäle vortrefflich 
erhalten find. Unter den Darſtellungen und In: 
Ihriften an den Wänden ift beſonders die deö Kai: 
jerö Decius bemerkenswert, da fie die legte batierte 
—— iſt, die man gefunden hat. 

Esoo ‚ die familie der Hechte (f. d.). 


238 


Efoterifch (grch.), bloß für die Eingeweihten 
(Ejoteriter) beftimmt, im Gegenfaß zu erote: 
riſch, für die Außenftebenden bejtimmt. Cinen 
Unterſchied efoterifcher und eroteriicher Kr follen 
die Pythagoreer gemadt haben. Ariſtoteles nennt 
von feinen Schriften die nit ausſchließlich für den 
Gebraud innerhalb feiner Schule, fondern für ein 
weitere Publikum bejtimmten eroterifche; die Be: 
nennung der andern (mozu jämtliche erhaltene 
Werle des Ariftoteles gehören) als efoterifche findet 
% erjt bei jeinen neuplatoniſchen Auslegern, ebenſo 

aben erft diefe die Meinung aufgebradt, ald ob 

jene Unterfheidung den Sinn gehabt hätte, daß 
die eigentlich philer. Lehre jedem, der der Schule 
nicht angebörte, babe verfchlofjen bleiben jollen. 

Esox luofus L., der gemeine Hedt, ſ. Hechte 
und Tafel: Fiſche J, dig 

Esp., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab: 
fürzung für Eugen Joh. Chriſtoph ee (f. d.). 

E (fpan.), Degen; dann auch der mit dem 
Degen oder Schwert Bewaffnete (f. Stiergefecte). 


E (ipan.,ipr.-billja ; verdeutiht: Spa: 
diller Heiner Degen. 


Espadon (fr;., ipr. -böng), großes, breites, 
jweihändiges Schlachtſchwert; Eipadonbieb, ſ. 
Zirtelbieb. Fenſter. 

Eſpaguoletteverſchlufße(frz., ſpr. -annjolett-), 

Eſpalion (ſpr. -Tiöng). 1) Arrondiſſement im 
franz. Depart. Aveyron, bat 1485 qkm, (1901) 
55652 E,, 49 Gemeinden und zerfällt in die 9 Kan⸗ 
tone Entraygues, E., Ejtaing, Yaguiole, Mur:de: 
Barrez, Saint Amans, Saint Chely, Sainte Gene: 
vieve und Saint Genies. — 2) Hauptitadt des 
Arrondifjements und des Kantons €,, 27 km nord: 
oſtlich von Rodez, in 342 m Höhe, rechtö vom Lot 
und am Fuße eines hoben, mit Wein bepflangten 
Hügels, iſt Siß eines Gerichtshofs erfter Initanz, 
einer Agritulturfammer und bat (1901) 2392, als 
Gemeinde 4149 E., Poſt, Telegrapb, ein College, 
ein Bellengefängnis, ein Hoipital, ein Stadthaus 
(16. Jabrh.), ein altes Schloß, auf den Höben 
maleriſche Ruinen der Schlöfler Calmont :v’Dlt 

11. Jahrh.) und NRoquelaure; Wachs: und Hut- 
abrifation, Gerberei, Handel mit Getreide, Wein, 

olle und Vieh. 1 km — die roman. Kapelle 
Saint Hilarion (11. Jahrh.), in Form eines lat. 
Kreuzes gebaut, mit Relief, das Jungſte Gericht 
daritellend; 6 km entfernt die 1147 gegründete Ei: 

ercienferabtei Bonneval (Bona vallis), 1876 den 

rappijtinnen eingeräumt. Haiti (f. d.). 

Eſpañola, urfprüngliber Name ver ſel 

Eſparraguera (ipr. -gehra), Stadt im Bezirk 
San Felio de regt der jpan. Provinz Bar: 
celona, 33 km im . von Barcelona, am rechten 
Ufer des rechts in den Llobregat gebenden Noya, 
in 185 m Höbe, am füdöftl. Fuße des Monferrat, 
bat (1897) 5283 €. und nörblih am Aobregat die 
warmen (29° C.) Aguas de la Buda, Schwefelwaſſer, 
die zum Trinken und zu Bädern verwendet werden. 

Eiparfette. der franzöfiiche, auch in die deutſche 
Sprache übergegangene Name der zur Familie der 
2eguminofen (f. d.), —— der Papilionaceen, 
igen Pflanzengattung Onobrychis Gaertn. 
oder Hedysarum L., welche ſich durch einſamige, 
runzlig⸗grubige, am Rande mehr oder minder dor: 
nig gezähnte Hülfen auszeichnet. Zu ihr gehört die 
gemeine €. (Onobrychis sativa Lamk. oder Hedy- 
sarım onobrychis L.), aub Eſper, Süßllee, 
türtifcher oder ſpaniſcher Klee, Schildklee, 


Eſoteriſch — Eijpartero 


HafentopfundSchmeizerklee genannt (f. Tafel: 
utterpflanzen I, Fig. 16), eine der trefflichiten 
yutterpflanzen, die nur auf faltbaltigem, lebmigem 
oden und zwar bejonders in Berggegenden ge: 
deiht und langgeftielte Ähren mit rojenroten, ge 
ftreiften Schmetterlingsblumen trägt. Mittelö der 
E. können au dürre, unfructbare, dem Pfluge 
nicht menge Berge und Abbänge, welche jonit 
feinen Nuben gewähren, aufs zmedmäßigfte nup: 
bar gemadht werden. Gewöhnlich giebt fie blos 
einen Schnitt und nur auf gutem Boden zwei 
Schnitte des beiten Heues, das an nährendem 
Stoff viele andere Futterpflangen weit übertrifft. 
Eine Abart ift die zweiſchürige €. Man jäet auf 
das Heltar etwa 150 Samen und lann bi 
120 Etr. Heu ernten. Bei geböriger Pflege in gün- 
ftigen Lagen dauert die €. 10—15 Yabre uus und 
läßt dann den Boden noch jo befruchtet zurüd, dat 
er mehrere Ernten obne Düngung liefert. Die 
Blüten bieten den Bienen viel Honig dar. Die €. 
wächſt auf dürren, fonnigen Raltplägen in Mittel: 
und Südbeutfchland, desgleihen in Südeuropa aus 
wild. Die E, wird namentlich befallen von einem 
Pilze, Uredo leguminosarum Lk., der Uredoform 
von Uromyces —— Schroet. (trifolii Wint.). 
Eipartero, Don Baldomero, Graf von Lu: 
chana, Herzog von PVittoria, fpan. General und 
Staatämann, geb. 27. Febr. 1792 zu Granatula in 
der Manda ald Sohn eines Stellmaders, wurde 
um geiftlihen Stande beftimmt, verließ aber 1808 
eim Einfall der Franzoſen das Klofter und trat in 
das fog. gebeiligte Bataillon. 2% an. 1815 fhlos 
er fich der vom General Don Bablo Morillo be 
ebligten Erpebition gegen die aufftändifchen Ro: 
onien in Südamerifa an und kehrte nad) der Ra- 
pitulation von Ayacudo (1824) nad Spanien E 
rüd. Er erllärte fih 1832 offen für die Thronfe 
Iſabellas, und als nad dem Tode des Königs Fer 
dinand VII. der Bürgerkrieg ausbrach, wurde er 
Generallommandant von Biscaya, kämpfte jedob 
unglüdlich gegen Zumalacarreguy. Im Mai 1836 
übernahm er interimiftiihb das Dberlommande, 
rettete im Auguſt Madrid und wurde im September 
um Oberbefeblöbaber ver Armee des Nordens, zum 
Dicelönig von Navarra und Generalfapitän ber 
bast, Provinzen ernannt. Auch als 12. Sept. 1837 
die Armee des Don Carlos vor Madrid ericien, 
rettete er die Hauptftabt, trieb den PVrätendenten 
über den Ebro jurüd, nahm im Dezember die 
Höhen von Luchana und entjeste Bilbao, worau! 
er zum Grafen von Quchana ernannt wurde. Bei 
Burgos vernichtete er 1838 die Erpedition des far 
liſtiſchen Generals Negri. Sein glüdlicher Feldzug 
1839 brachte ihm den Titel eines Granden umt 
Herzogs von Vittoria. Geſchict mußte er die Um 
einigleit der Rarliften zu Unterbandlungen mit Na- 
roto zu benußen, die zum Vertrage von Vergare 
f. Spanien, Geſchichte fürten infolgedefjen Don 
los nad Frankreich floh. Als 1840 die Eortet 
ein die Municipalgewalt der Städte (f. Ayunta 
miento) bejchräntendes Geſeß annabmen, und bie 
Königin:Regentin Maria Ehriftina gegen E.s Rat 
das Geſeß genehmigte, ſchloß fi E. der Bewegung 
gegen dieje Dabregel an. Die Königin ſah ſich 
genötigt, E. zum Minifterpräfidenten zu ernennen 
und 12. Dft. 1840 ihre Abdankung zu erflären. 
wurde 8. Mai 1841 zum Regenten des Landes und 
zum Vormund der Königin Iſabella und deren 
Schweiter, der Infantin Luife Fernanda, ermwäblt. 


Eiparto — Eſpinaſſe (Eiprit Charles Marie) 


Nit Energie, Feſtigkeit und Klugheit führte er die 
Staatäleitung; er widerſetzte ſich den Anforderun⸗ 
gen der Romiſchen Kurie, bielt die Republikaner 
meter und bämpfte ben von O'Donnell zu Gunften 
Ehritinens erregten Aufſtand in Bamplona. Allein 
infolge des Bünpnifies der Progreſſiſten und Res 
publitaner mit den Moderabos (der Ebriftinijchen 
Bartei) mußte E. 9. Mai 1843 in die von dem 
Rinifterium Lopez beantragte allgemeine Amneftie 
willigen, 20. Mai entließ er jedoch das Miniite: 
rum und löjte 26. Mai aub die Eortes auf. 
Schnell verbreitete ſich hierauf durch die Gegner E.s 
der Aufitand in Gatalonien, Andalufien, Arago: 
nien und Galicien. Am 13. Juni beſchloß die in 
Barcelona gebildete Junta E.s Abſetzung und die 
Großjäbrigleit der Königin Iſabella, worauf die 
1. Juli 1843 eingeſetzte Proviſoriſche Regierung 
(2ope;, Caballero, Serrano) ihn als Verräter am 
Baterlande der Regentſchaft für verluftig erklärte, 
An die Spige des Aufjtandes in Valencia trat 
Rarvass, jein perjönlicher Feind, der 22. Juli 1843 
in Madrid einzog; infolgedeſſen ſchiffte ih E. 
30. Juli in Cadiz nad England ein; in Spanien 
wurde er durch ein Dekret vom 16. * aller Titel 
und Würden für verluftig erllaäͤrt. Anfang 1848 
dur ein Delret der Königin wieder in feine Würden 
eingefest, kehrte er nad Spanien zurüd. In der pro: 
—— Revolution von 1854 ernannte ihn die 

igin Nabella zum Chef der neuen Regierung, 
mäbrend ibn zugleich die Proviſoriſche Regierung zu 
Saragoſſa zum Seneralijjimus der Nationaltruppen 
proflamierte. €. bildete ein Kabinett, worin General 
D’Donnell das Ariegdminifterium übernabm. Die 
Spaltung der fiegenden Partei in reine Brogreffi: 
ften, die E. anbingen, und in fonjervative, welche 
die Bartei O'Donnells bildeten, madten die Her: 
ftellung einer georbneten Regierung unmöglid. 
Die Intriguen O’Donnells führten 14. Juli 1856 
die Abdankung E.3 und feiner Kollegen berbei, 
wäbrend O’Ddonnell fein Nachfolger wurde. Hier: 
auf u ſich E. nad Logroño ins Privatleben zurüd. 
Die Thronlandidatur, die ihm nad der September: 
revolution 1868 mebrmals angeboten wurde, lehnte 
er ab. Er ftarb 10. Jan. 1879 in Logroño. — Bol. 
Alore;, E., historia de su vida militar y politica 
(3 Bde., Mapr. 1843—44); Mariano, La regencia 
de Baldomero E. (ebd. 1870). 

Eiparto (ipan.,getrodnetes Gras, lat.spartum), 
ala Pflanze Atocha (jpan., ſpr. atotſcha), Name 
eines im weſtl. Mittelmeergebiet auf jalzfreien, trod: 
nen Steppen häufig, ja oft mafjenhaft wachſenden 
Grafed, der Stipa (Macrochloa) tenacissima L. 
(6. Zafel: Gramineen V, Fig. 1), außerdem von 
Lygeum spartum L. Die binjenartigen, äußert 
zäben und biegjamen, graugrünen, 40—70 cm lan» 
gen, nad der Breite zufammengerollten Blätter 
(Spartos, Faden-, Strid: oder Pfriemen: 
gras, fälſchlich ſpaniſcher Ginſter genannt) 
werben zu allerhand Flechtwerk benutzt, find aber 
erit durch ihre Weltbandelbeveutung in der ier: 
fabrilation zu der jest allgemeinen Berühmtheit ge: 
langt, da die Eipartofafer ſich vor andern Strob: 
faiern durch die Reinheit der Gellulofe, verbunden 
mit größter mechan. Leiſtungskraft, auszeichnet. 
Im mittlern Algerien, zwiſchen den beiden Ketten 
des Atlas, liegt eine Steppenregion, welche nad) 
dem dort Alfa oder Halfa genannten Atocha oder 
6. Aljaregion heißt. Algerien erntet (bejonders im 
Depart. Uran) jäbrlid gegen 200 Mill. kg und 


239 


führte davon 1900 fait 98 Mill. kg (89 Mill. kg nach 
England) aus; auch die Produltion von Tripolis, 
Spanien und Tunis gebt nad England. 

Eſpe oder Ai se Bappel und Tafel: Laub: 
bölzer: Walpbäumel, Fig. 2. 

Espöoe (fr;., ipr. eſpahß), Gattung, Art, Sorte, 
bejonders Geldiorte; en especes (fpr. anneſpähß), 
in Hingender Münze. 

Eſpelui, Stabt, ſ. Illiturgis. 

Eiper, j. Eiparjette und Tafel: Futterpflan— 
zen, Fig. 16. 

Eiper, Eugen Joh. Chriſtoph, Naturforſcher, geb. 
2. Juni 1742 in Munfiedel, wurde 1782 außerord., 
1799 ord. Profeſſor der Naturgeihichte, 1805 Di: 
reftor des Naturalientabinett3 in Erlangen und ftarb 
—— 27. Juli 1810. E. veröffentlichte: «Natur: 
geihichte im Auszuge des Linneiihen Syitems» 
(Nürnb. 1784), «Die europ. Schmetterlinge» (5 Tle. 
in 7 Bon. und 1 Supplementband, Erlangen 1775 
— 1805 ; neue Ausg. 1829— 39), «Die ausländiichen 
Schmetterlinge» (16 Hefte, neue Ausg., ebd. 1830), 
« Die Pflanzentiere» (3 Tle., beendet von Hammer, 
und Fortjegung, 2 Tle., Nürmb. 1788 — 1830), 
«Icones fucorum» (7 Hefte, ebd.1797— 1802), «Nadı: 
richt von den neuentbedten Zoolithen» (ebd. 1774). 

‚Esperanoe (ft;., jpr.-rängp), Hoffnung; eſpe⸗ 
tieren, boffen. 

Efperänto, ſ. Weltiprade. 

Eiperanza, Aderbaufolonie in der argentin. 
Provinz Sta. 6, 25 km nordweſtlich von Sta. Fe, 
an der Gifenbahn von Sta. Fe nab Pilar, bat 
(1895) 2649, ald Gemeinde 7540 E. Aderbau und 
bedeutende rg rag von Fruchtbãumen, aud 
etwas Anduftrie. E. war die erfte, 1856 gegrün: 
dete Kolonie ihrer Art in den La: Plata:Staaten 
und bat fi ale entwidelt. 

Efperto (ital.), ein — Kundiger; na⸗ 
mentlich ein in einen polit. Bund Eingewebier. 

Espiögle (ftz. ipr. eiplähgl, vom deutſchen 
«Sulenipiegeln), Schelm, Schalt; Espiöglerie, 
Scelmerei, Eulenfpiegelei. 

Efpiel, Minenitadt im Bezirk Fuente Dvejuna 
der jpan. Provinz Gordoba, an der Bahn Cordoba: 
Almorhön, lint3 von dem in den Guadalquivir 

ebenden Guadiato, hat (1897) 3185 E. und an+ 
Fbnliche Steinfoblengruben. 

Eipinäles,mit Dorngeitrüpp ——— Gegen⸗ 
den der Argentiniſchen Republit (j.d., Pflanzenwelt). 

Efpinaffe (ipr. näß), Eſprit Charles Marie, 
franz. General, geb. 2. April 1815 zu Saifjac (De: 
part. Nude), erbielt feine militär. Vorbildung in 
der Militärichule zu St. Eyr, trat 1837 ala Leut⸗ 
nant in die Fremdenlegion in Algier, zeichnete ſich 
1845 als Bataillonschef des Zuavenregiments im 
Belbaus egen die Kabylen aus und wurde 1851 

berit. Als folder jprengte er beim Staatsſtreiche 
vom 2. Dez. 1851 die Nationalverfammlung und 
unterdrüdte dann mehrere Aufitandsverfuche. Hier: 
für im Mai 1852 zum Brigadegeneral und Adju— 
tanten Ludwig Napoleons ernannt, befebligte er 
im Aug. 1854 die mißlungene Erpedition nad der 
Dobrudiha, wurde zunädjit na ankreich zurüd: 
berufen, aber 1855 nad der Krim er her 
zeihneie ſich 13. Aug. 1855 in der Schlacht an der 
Tſchernaja aus, wurde dafür 29. Aug. zum Divi: 
fionsgeneral befördert und focht ala ſolcher mit 
ur Zapferleit 8. Sept. beim Sturm auf den 
Malakow. Als Napoleon III. nah dem Orſiniſchen 
Attentat (14. Jan. 1858) die Regierung Frankreichs 


240 


militärifh zu organifieren verfuchte, übertrug er 
8. Febr. €. das Bertefeuile des Innern, womit 
das neugebildete Minifterium der öffentlichen Sicher: 
beit vereinigt wurde. In dieſer Stellung führte E. 
jedoch das Schredensſyſtem des jog. Sicherheits: 
—5* mit fo draloniſcher Strenge und Rudſichts⸗ 
ofigteit durch, daß er die allgemeine Unzufrieden: 
eit erregte und ſchon 15. Juni zurüdtreten mußte; 
oleon III. ernannte ihn hierauf zum Senator. 
Beim Beginn des Italieniſchen Krieges von 1859 
erhielt €. das Kommando über eine Divifion des 
1. Armeelorps, überfchritt den Ticino und fiel4. Juni 
beim Sturme auf — 
Efpinaffe (ſpr. -naß), Julie Jeanne Eléonore 
de l, j. LEſpinaſſe. 
Eſpinẽl, Vicente, ſpan. Dichter und Muſiler, 
geb- Ende Der. 1550 zu Ronda, nahm ftatt des 
damens feines Vaters ——— Gomez den ſeiner 
mütterlihen Großmutter an. Die ublichen Studien 
in Salamanca (1570— 74, nicht ohne Unterbrechung) 
ermöglichten feine Ernennung zu einer von Ber: 
wandten geftifteten Kaplanei in der Heimatjtabt 
1587, troß eines etwas ee foldatifchen Zwi⸗ 
ichenlebens, das ihn 1578 bis * 1584 nach 
Flandern und Italien führte. Dod ieß er fich durch 
die Pfründe ebenfomwenig dauernd an Ronda fefjeln 
als dur die ibm 1591 —— Kaplanei des 
Spitals. Die Gunſt der Vornehmen und Dichter 
verdankte er neben feinen Verſen, der von ihm 
aufgebrachten Kunftform der Ejpinelas, einer 
leichten Variante der Dezima, und ganz befonders 
einer anfehnlihen mufitaliihen Begabung, welde 
der Guitarre die fünfte Saite gab. 1599 wurde 
er geiftliher Kapellmeifter des Biſchofs von Pla: 
jencta (in Madrid). Er ftarb 4. Febr. 1624. Den 
Schriftſtellernamen fihert ihm feine «Vida del Escu- 
dero Marcos de Obregon», ein Schelmenroman, 
der troß moralifcher Weitläufigfeiten —— 
charalteriſtiſch iſt, belannt zumal durch den Streit 
über die Originalität von Le Sages Gil Blas, der 
fib an die Anlehen aus E. nüpfte. Seine «Rimas» 
erfchienen in Madrid 1591, der Roman ebd. 1618, 
dann unter andern in Bd. 18 der «Biblioteca de 
autores espaholes», und mit wertvoller Einleitun 
von — erez de Guzman (Barcel. 1881; deutf 
von Tied, 2 Bde., Bresl. 1827). 
pinelas, |. Eſpinel. 
Efping, tleines ſchwed. Fahrzeug. 
pingole (frz., ſpr. eipänggoöll), eine (jebt 
veraltete) Muslete mit fegelfürmig erweiterter Mun⸗ 
dung, zum Schießen von Streugeihoflen; dann 
auch ein er (noch 1864 bei ben Dänen) ge: 
bräuchliches Gejhüs mit mehrern Läufen. — Bol. 
Wille, Über Kartätſchgeſchütze (Berl. 1871). 
Eſpinhaco (ipr. -pinjabku), Serra do («Rüd: 
ratögebirge»), Gebirge im brafil. Staate Mina? 
Öerae (ſ. Karte: Brafilien), ftreiht in ber 
dortjegung ber Serra da Mantiqueira, etwa von 
22 bis 18° ſudl. Br., und trennt die obern Beden 
der Ströme Rio de Säo Francisco und Rio Doce. 
Sie beitebt aus archäiſchen Schieſern. Hoch auf 
ihren **7 liegen im W. Barbacena und 
Queluz, im O. Ouro⸗Preto, Conceicão und Serro. 
Jenſeit des legtern Ortes, etwa in 18° ſudl. Br., 
gebt die Kette, nachdem fie an 400 km meit ihre 
orbnorboftrichtung behalten bat, nad NO. meiter. 
jüdl. Zeile, nörblih von Barbacena, bildet 
te den Hauptgebirgsfnoten Brafiliens; der Ita— 
columi bei Quro: Preto erbebt ſich zu 1750 m; 


Eipinafje (Julie Jeanne Eleonore de 1’) — Eipirito-Santo 


250 km nörblid von diefem, bei Diamantina, der 
Pico Jtambe zu 1360 m. 

Eipindfa de los Monteros, Stadt im Be 
zirt Villarcayo der jpan. Provinz; Burgos, etwa 
60 km weitfübweftlih von Bilbao, in 734 m Höbe, 
am Fuße einer Kette des Cantabriſchen Gebirges, 
an der mittelö der Nela zum Ebro gehenden Trucba 
und an der Koblenbahn La Robla: Balmajeda, 
* (1897) 3730 E. Hier wurde 10. Nov. 1808 der 

eneral der Ar Gentraljunta, Blale, durd den 
franz. Marſchall Victor geihlagen. 

Eipirito-Santo (d. b. «Heiliger Geift»), Hüften: 
ftaat Brafiliens (ſ. Karte: Brajilien), zwiſchen 
18 und 21° füdl. Br., im N. dur den Nie 
Mucury von Bahia, im ©. durd den Parabyba 
von Rio Kaneiro geſchieden, im W. durd die 
Serra dos Caymores oder Aimores gegen Minas 
Geraed begrenzt, wird in der Mitte von dem 
90 km aufwärts bis zu feinen Kataralten Idir: 
baren Rio Doce fowie von zablreihen andern 

ſchreichen, aber nicht ſchiffbaren Flüſſen durd- 

ofien, bat 44839 qkm und (1890) 135997 €, 
alſo 3,03 E. auf 1 qkm. Die Mündungen der Flüuſſe 
find dur Barren gejperrt und unter den Einjchnitten 
der Küfte bietet nur die Babia de E. einen guten 
Hafen. Im füdl. Teile treten die Ausläufer der Een 
do Mar oft mit jentrechtem Abfalle an das Meer; 
im Innern erheben fich deren Gipfel bis zu 2100 m. 
Das tropische Klima ift durch die Seeluft Gebirge 
und Wälder gemäßigt, ver Boden ſehr fruchtbar und 
namentlih für den Anbau des Zuderrobrs geeig- 
net. Die großen Wälder liefern koſtbare Hölzer 
und Droguen. Weite Streden des Landes, nament: 
(ih der wilde und wenig befannte Norden dei: 
felben, werden jedoch noch von Wilden bewohnt, 
melde, wie namentlih die Botokuden, die Kultur 
tören. Die Küftenniederungen erzeugen AJuder, 

aummolle, Reis, Maniol, Mais und haupt: 
ſächlich ñaffee. E. gehört zu den den meiſten 
Kaffee produzierenden Staaten Brafiliens. Ein 
Teil der Benöllerung nährt Il von der Fiſcherei 
in den Flüffen und namentlib am Meere. Ein 
Neuntel der Bewohner kann lejen und fchreiben. 
Nur ein Sechſtel der Kinder von 6 bis 15 Yabren 
befucht die Schulen, obwohl die Provinz ein Viertel 
der jährlihen Einnahmen für den öffentlichen Un: 
terricht verwendet. In E. befteben drei meift von 
Deutihen bewohnte Kolonien: Rio Novo, Sta. 
Jzabel und Sta. Leopoldina. In der Babia de €. 
oder der Bai von E, liegt auf einer Inſel die Haupt: 
ftadt Noſſa Senbora da Victoria oder Pic: 
toria, in ihrer Nähe das Klofter Noſſa Senbora 
da Benba, eins der reihiten Brafiliens, Wallfahrts- 
ort mit wundertbätigem Marienbilde und entzüden: 
der Ausficht. Eine Eifenbahn führt von dem im ſüdl. 
Teile belegenen Hafen Cachoeira (de Jtapemirim) 
nad (Ribeträo do) Allegre (72 km, 1887 eröffnet), 
und nad —F do Mundo; weitere Bahnen von 
Cachoeira, Victoria und Linhares aus find geplant. 

Die Hüfte von E. entdedte der Portugieſe Vasco 
Fernandez Coutinho 23. Mai 1535 (am Pfingft: 
tage); nad diefem Tage wurde die Bai, in wel 
der Enideder einlief, jpäter die dort gegründete 
Stadt, endlih das ganze Land umber benannt. 
König Johann IU. von Vortugal machte dem Ent: 
deder das Land zum Geſchent. Ein Nachlomme 
des Entdeders verlaufte 1674 das Land an Babia; 
1809 wurde es dem Reiche Brafilien einverleibt, 
deſſen Geſchiche es von nun an teilte. 


Eipiritu-Santo — Esquilinischer Hügel 


Eipiritu- Santo, Merena, die größte Inſel 
der Neuen Hebriden (f. d.) in Dceanien, zählt auf 
4357 qkm 15000 €. 

Eiplanäde (fr3.), ſ. Eitabelle. 

Eipouton (fr3., jpr. -pongtöng), Sponton, 
dievonden In ——— im ganzen 18. Jahrh. 
getragene Halbpike. Die Waffe war 2—2'/, m lang 
und am obern Ende mit einem 25 cm langen, brei- 
ten und u verzierten Lanzeneifen bewehrt. Auch 
die Genera en als Ehefe von Infanterie 
tegimentern das bei feierlihen Gelegenheiten, 
wenn fie ihre Truppe zu führten. 

sivo (ital.), auöbrudsvoll, mujila- 
liſche Bortragsbezeihnung. j 

Esprit (pr. -rih), ein franz. Wort, wofür im 
Deutichen ein völlig finnentjprehender Ausdrud 
[eht, etwa foviel wie Geift, Scharffinn, Wis, bie 

de Begabung für wisige Einfälle und feine 
Wendungen, melde einen haralterijtiihen Vorzug 
des franz. Vollscharalters bildet. E. d’escalier 
(fpr. -lieb) oder Treppenwitz, Bezeihnung für 
trefiende gen, die jemand erjt beim Her: 
unter auf der Treppe, aljo nad) der Ges 
it, fie paſſend anzubringen, einfallen. E. de 
eorps (jpr. fohr), Rorpögeift, nennt man in Kor 
ationen (namentlid militäriihen) die thätigfte 
— jedes einzelnen an dem gemeinſchaft⸗ 
lien Wohle aller, unter Beijeitefegung aller perjön: 
lichen Rüdfiten. E. fort (pr. fohr), Freidenler (f.d.). 
Eipritö (fr, jpr. -rib), Bezeihnung für ver: 
ſchiedene einfa arfüme, meijt Löfungen äthe 
riſcher Ole in Altobol. Über Esprit d’Amaranth 
und Esprit de Menthe j. Gebeimmittel, 
Eiprouceda, oje de, jpan. Dichter, geb. 1810 
dralejo ın emabura, fam nad dem 
Befreiu na A Mabrid, —— ur 
Zeitung zeitig jeine poet. Anlagen en 
widelten. Schon als 1a er Knabe jchrieb er 
polit. Gedichte und war Mitglied des Geheimbuns 
des der Numantinod. Dies 309 ihm eine Berban- 
nung nad einem ſtloſter von Guabalarara zu. Zwar 
durfte ernacd Madrid zurüdtehren, doch ging er bald 
nad Gibraltar, Liſſabon, London, enblihnad Paris, 
wo er fi) an ber Julirevolution von 1830 beteiligte. 
Er lehrte nad der Amneftie 1833 nah Spanien zu: 
rüd und erhielt fjogar einen Bla unter den königl. 
Leibgarden. Ein polit.sjatir. Gedicht zog ihm jedoch 
Entlafjung und abermalige Berbannung zu. In 
das Städtchen Euellar verwieſen, jchrieb er einen 
jeböbändigen Roman: «Don Sancho Saldaüa, 6 el 
eastellano de Cuellar» (Madr. 1834), der Plan und 
Dbjeltivität vermiflen läßt. Nach Octroyierung der 
Berjafjung (Estatuto a lehrte E. nad) Madrid 
d und nahm en Anteil an der Bolitit als 
itrebacteur der Zeitichrift «El Siglo», aber auf 

jo maßloſe Weije, daß er abermals flüchten mußte. 
Eiftig beteiligte er jih an der Revolution von 1835 
und 1836. Während des Aufftandes im Sept. 1840 
trat E. in die Nationalgarde als Leutnant. Als 
Berteidiger eines im republilanifchen Sinne ge: 
\öriebenen Artilelö in der Zeitſchrift «El Huracan» 
wurde er mit ber Stelle eines Gejandticaftsjetretärg 
im Haag belohnt (1841), lehrte jedoch nach wenigen 
Nonaten zurüd, da er zum Abgeorbneten für Als 
meria erwäblt worden war. Er jtarb 23. Mai 1842 
im Madrid. E.3 Gedichte zeigen große techniſche Ge: 
wandiheit und glübende Phantaſie, der es aber an 
finitleriiber Selbjtbeberribung Neo fein Vorbild 
Byron überbietet er in jelbitzerfleiichenber Stepfis, 

Bbrochaus Konderfationd-Leziton., 14. Huf. R.M. VI. 


241 


wie felbft feine beliebteften Gedichte: «EI pirata», 
«El mendigo» (ganz joctaliftifch), «El verdugo» (ein 
Gegenftüd zu Vict. Hugos «Dernier jour d'un con- 
damne»), «El cosaco», das graufige «El estudiante 
de Salamanca» und bejonders fein berühmtes Frag⸗ 
ment «El diablo mundo» (Madr. 1841) beweiſen. 
E.s «Obras poeticas» erjchienen zu Paris 1840 
(neue Ausg. von Hartzenbuſch, 5. Aufl. 1885; von 
A. Ferrer del Rio, Madr. 1876; von Eſcoſura, ebd. 
1884). Ein pofthumes, erft 1874 erſchienenes Wert 
von ihm find die «Paginas olvidadas». — Bol. Ro⸗ 
driguez Solis, Espronceda (Madr. 1883). 

sg. und Esgr., engl. Ablürzungen für Es- 
quire (j.d.). , 

Edquera, |. Bastiihe Sprade. 

Es quilache (fpr. lilahtſche), Don Francisco de 
er y Aragon, Principe de, fpan. Dichter, Urs 
ente Bapf lexanders VI., geb. um 1580, erbielt 
ben Tite Ga Parken von &. durch die Erbprins 
zeifin von Squillace im Königreich Neapel, mit der 
er ſich vermäblte. Er war 1614—21 Bicelönig von 
Beru. Nach dem Tode —— IL lehrte €. nad 
Madrid zurüd, wo er fortan lebte und 26. Dit. 1658 

b. E. nahm ſich ——— den jungern Argen⸗ 
ola zum Muſter und ſtre —— — und 
arheit mit ſanftem, melodiſchem Fluß des Vers⸗ 
baues zu verbinden; fie ermangeln aber der Tiefe, 
Originalität und des Schwunges. Seine lyriſchen 
Gedichte, unter denen die Letrillas, Madrigale und 
die S äferromanzen leicht und anmutig find, erſchie⸗ 
nen juerjt zu Madrid (1639, 1648, vervolljtändigt 
Antwerp. 1654, 1658, 1663). Ohne poet. Wert ı 
fein epifcher Verfuh«Näpolesrecuperada por el rey 
Don Alonso» (Sarag. 1651; Antwerp. 1658), worin 
er die Eroberung Neapeld durch Alfons V. von 
Aragon im 15. Jahrh. bebanbelt. Seinen fpätern 
Lebensjahren gehört die Überfegung von Thomas’ 
a Kempis «Nahfolge Ehrifti» (Brüff. 1661) an; eine 
Komödie ift verloren. 

Esqu — —— 
einer der fieben Hügel Roms (ſ. die Pläne: Rom 
und Altes Rom) oder vielmehr eine Hochfläche 
die im N. zum Teil mit dem Biminal und Duirin 
zufammenbängt und im D. fi allmählich in das 
vorſtädtiſche Zerrain verliert. Nah ©. und SW. 
fpringen zwei Hügelzungen mit fcharf geichnittenen 
Rändern vor, von denen bie nördlidere Cispius, 
die ſudliche Opius und (die Außerfte Weitipige) Ca- 
rinse genannt wird. Der Name He unficherer Ab» 
leitung; die Römer ſelbſt braten ihn mit aesculus, 
die Wintereiche, zufammen; und jedenfalls war in 
der älteiten Zeit der E. H. mit Wald bededt, der mit 
dem —— Anbau ſich in zahlreiche heilige 
Hainbezirke verwandelte; unter andern werden er⸗ 
wähnt der Lucus fagutalis (Buchenhain), der Lucus 
esquilinus (Eidhenbain) und der Lucus Lucinae, 
wo fpäter (379 v. Ehr.) der Tempel der Juno Lu⸗ 
cina errichtet ward. Die bebeutendften Reſte aus 
dem Altertum gehören den Befeitigungen an, durch 
welche die Stadt nad) D., wo fie durch die natürs 
lichen Bodenverhältnifje nicht geihat war, ver» 
teidigt wurde. Hierift ein Erdwall von 1,5 km Länge 
errichtet, davor ein mächtiger Graben (30 m breit, 
9Imtief). Der Erbmwall (agger), deſſen Außenjeite 
eine 4 m dide Quadermauer aus Tuffſtein mit 
Binnen und Türmen bildete, begann bei der Porta 
Esquilina (ihre Stelle nahm jpäter der jest noch ers 
baltene Gallienusbogen ein) und reichte bis zur 
Porta Collina (unweit der Via venti Settembre un» 

16 


242 


dem inungminifterium); dazwiſchen befand ſich ein 
dritted Thor, die Porta Viminalis, deren überreſte 
bei dem jebigen Centralbahnhof fehtbar find, Der 
mit Türmen und Graben galt ſchon im Alter: 

tum als ein Wert des Servius Tullius; da aber 
bie erbaltenen Refte ſämtlich unter Anwendung des 
——— Fußes von O,296 m, wie derſelbe 
—— Docemvim um 450 v. Chr. eingeführt 

ebaut 7* darf man be ſchwerlich für älter 


— 8 das 4. Jabrh. v. C ber die weitern 
chickſale des €. ö: ‚Rom. — gl. D. Richter, Über 
antite Steinme (Berl. 1885). 


Esauimalt torrumpiert aus dem indian. Jsk⸗ 
oy Malt), Hafenplag in Britiſch⸗ Columbia, an der 
Süpdtüfte der —— hat ne — 
42m ‚ meift eisfreien Haf fen, A 
ber und Dods ſowie Garniſon. €. rel nur durch eine 
ſchmale Landzunge von der Hauptftabt Victoria ges 
trennt und bilbet eine wichtige Vorſtadt derjelben, 

Esquire (engl, fpr. Amen) Ehrentitel, in der 
Schrift gewohnlich nur durch Esq. angedeutet, ift 
von dem engl.mormann. Worte escuier, frj. beu er, 


lat. scutifer, d. i. Schilofnappe, hergeleitet. 
fen Titel fü - urjprünglib in England re 
jenigen, mel Peers oder Ritter zu fein, 


wappenfäbig Iwaren. Der Titel ftand in hohem An- 
Mer da er eine fehr bedeutende Klaſſe des engl. 
die eigentliche Gentry, gl en 
—* — beßfeen * du BI Wappen: 
e, die jedoch längft nicht me hr 1 

—8— und vererbten ihn dann auf ihre Dahn 
men. In neuerer Zeit dagegen geben in England 
alle Staatsämter, vom Friebensrihter aufwärts, bie 
Doltorwürbde und der Grab eines Barrifter An 
fprud auf den Titel E. Doc wird der Titel aus 
Höflichteit auch jedem Manne von einiger Bildung 
oder im Beſitze einer gewiſſen focialen Stellung 
— ber Briefadreſſe beigelegt. Zu bemerken ift, 
dab Esq. — den Namen geſetzt wird, wo dann 
das vorgelegte Mr. (Mister, Herr) weafällt und ber 
Zaufname meift hinzugefügt wird, während umge: 

fehrt jeder Titel die Ginzuf inzufügung des . aus: 
ſchließt. —— eich⸗ 
net das Wort einen ländlichen Patronatsherrn. — 
In den Bereinigten Staaten von Amerila wird 
der nsrichter im gewöhnlichen Leben oft der 
Sauire genannt. 


Es öl (fpr. -H-), Jean Etienne Dominique 
franz. rrenarjt, Schüler und Nachfolger Binels, 
eb. 4. Yan. 1772 zu Toulouse, diente 1794 in dem 


ilitarlazarett zu Narbonne und warb 1811 Arzt 
an der Salpitridre. Seit 1817 bielt er Hinifche 
Vorlefungen über die Geiftestrankheiten und ihre 
Bebandlung und 1818 veranlaßte er die Ernen⸗ 
* einer Kommiſſion, deren Mitglied er wurde, 
nterſuchung und Abftellung der Mifbräude 

I ge Irrenanitalten. 1823 warb er erals 
infpecteur der Univerfität und 1825 Chefarzt an 
der fönigl. Maison des aliönds in Eharenton und 
leitete gleichzeitig feine in der Näbe — und 
—* ich organiſierte Privatirrenanſtalt. Durch 
vie Julirevolution, der er ſich nicht fügte, feiner 
offentlichen Umter verluftig eworben, twirtte er von 
—* = nur noch als praftiicher ar und in u 

It, fowie litterarijch, bis er 12. Dez. 1840 

5 ah — ſeltenen — Pe Talt in * 
agnoſe und prognoſtiſchen Beurteilung der vor 
ihm zum Teil noch unbelannten Geiſteskrankheiten. 
Seine Abhandlungen über verſchiedene Gegenſtände 


Edquimalt — Esra 


der Pſychiatrie erfchienen gefammelt u. d. T. «Des 
maladies mentales» (2 Bde., Var. 1838; deutic 
von Bernhard, Berl. 1838). Sonft find von Be: 
deutung: Handbuch zur Erlenntnis und fur der 
Seelenitörungen» (frei bearbeitet von Hille, Wj. 
1827) und «Aliönation mentale. illusions 
chez les ali&n&s» (Bar. —* 

Esoquniros (ſpr. -firöß), A phone, fran 538 
fteller und radilaler Politiker, i 1812 
zu Baris, trat zuerft mit einem —* Gedichte, 
—— mit einem biftor. Roman: «Charlotte Cor- 

y» (Bar. 1840 u. 1850), hervor. Seine belann- 
tehen Werte find: «L’ du peuple» (1840), 
in dem Chriſtus ala —— tionär dargeſtellt iſt 
und das ihm acht Monate Gefängnis zujog; «Les 
vierges folles», «Les —* martyres» und «Les 
vierges sages» (184142), 9) drei — ſocialiſtiſche 
Schriften; «Histoire des Mon Bor, 
1847) und «Histoire des martyrs de la liberte, 
(1851), zwei Werte, die E.' Namen febr populär 


machten. - Geſe ae a Verjammlung von 
1849 gew Em ig, auf dem neuen 
—— —* dem Staats ſtreich (2. —— * 


verbannt und veröffentlichte von England aus 
ber «Revue des Deux Mondes» Abhandlungen, die 
in Buchform erſchienen u. d. T. «L’Angleterre et 
la vie anglaise» (5 Bde., Par. 1859 — 70), «1a 
Ne&erlande et la vie hollandaise» (2 Bde., ebr. 
1859), «La morale universelle», «Les moralistes 
anglais», u.f.m. 1869 zum Deputierten, 1871 indie 
Nationalo —— —33. ſaß er wieder auf 
der äußeriten Linle n:feit San. 1876 war er Mitglied 
des u ftarb pl 12. Mai 1876 zu ailles. 
Edra (bebr., «Hilfe»), jüd. Priefter und ift⸗ 
—** ftammte aus der Familie Zadols Cr 
fh 458 v. Chr. im Auftrage des perf. Königs 
—— Langhand mit weitgehenden Vollmachten 
an ber Spitze einer zurüdwandernden ten: 
ſchar nad Yerufalem, um die Jerufalemer 
auf Grund eines in feinem Befise befinblichen Ge 
* (f. Pentateuch) zu reformieren. Seine erfte 
ir el nad der us! in Jerufalem richtete ſich 
e zablreihen Miſch ſetzte einen Ge 
—— chluß durch, der no. u löfen befahl. 
Das Bud Rehemia ergiebt, daß diejer Beſchluß die 
Beranlafjung großer innerer Wirren und eines An 
griffes der in der wohnenden iörael. Bevölle 
rung auf die Gemeinde geworben ift. Diejelbe er 
en deren Angriffe, die Mauern Jerufalemd wurden 
r neh die Thore verbrannt (f. Sama- 
—— [ab nachdem Nebemia (f. d.) 444 v. Ehr. 
die Wiederberftellung gelungen war, vermodte €. 
mit feinen Plänen wieder beroorzutreten. Es er 
folgte am Neumondafefte des Monats Tiihri 444 
Chr. die Verleſung des Geſetzbuches in einer 
Yloerfemmlung, die am 2. Tiſchri bei €. im 
Kreife der Gamüienpäupter fortgejeßt mwurbe. Du 
bei jtieß man auf die Beitimmungen des Geirh 
no. über Laubbütten und feierte num da eriten; 
mal nad den Vorſchriften desfelben Yaubbütten 
D bis 23. Tiſchri). Am 24. hielt man einen groben 
ußtag und darauf ya ichtete fich die Gemeinde 
as 6 2 ns {en —— —— *— 
das eb 3 zu befolgen a 
fih im Alten Teftament = Bud, das ei 
Fortjegung der Bücher der Chronil bildete, in 
ir Geſtalt Fe den Berfafler der Chronil — 
aber in Rap. 7, a7 bis 9, ı5 einen aus ©. 
* ſtammenden Abſchnin enthält. Da dad Bud 


— 


in 


Esromſee — Eßbare Erden 243 


Rebemia mehrfach ala 2. Bud E. 8 [t wird, 
fo nennt man ein in der griech. Bibel erhaltenes 
ayelcyphiſches Bud) E., welches durch Erweiterung 
einer alten liberjegung des lanoniſchen Buches ent: 
den iſt, gewöhnlich 3. Buch GE. Kommentare 
ben au (für das Kurzgefaßte eregetijche 

dbuch zum Alten Teftament>, 2. Aufl., be. von 
Ryſſel, Wz. 1887) und li (im «Rurjgefaßten 
Kommentar zum Alten und Neuen Zeftament und 
ber Apotrypben», bg. von Strad und Zoedler, 
* 8, a el: in Das hr Bud —* eine 

o e (f. Apolalyptik), entſtanden etwa zur 
Zeit der AN Ri Jeruſalems durd Titus, Es 
berihtet von einer außerordentlichen Igeifthele 
riſchen Thätigleit E.3 und von einer Reihe der 
mwunberbarften Vifionen. Wir bel en dasjelbe (ur: 
—— wahrſcheinlich griedii ) nur in einer 

und mebrern orient. Überjegungen. — Bol. 
Bollmar, Handbuch der Einleitung in die Apotry 
pben, Abteil. 2 (%p3. 1867); Hilgenfeld, Die Bro: 
pbeten GE. und Daniel (Halle 1863); Ewald, Das 
4. Esrabuch nad) feinem Zeitalter u. f. w. (Gött. 
1863) ; Hilgenfelb, Messias Judaeorum (2p3. 1869); 
isibe, Libri apocryphi (ebd. 1871); Rofenthal, 
ier apolryphijche Bücher aus der Zeit und Schule 
Rabbi Alibas: Assumptio Mosis, der 4. Brief E. 
u.j.w. (ebd. 1885); Schürer, Geſchichte des —— 
im Zeitalter Jeſu Chriſti (Bd. 1,4. —— d. 1901); 
Kabijch, Das 4. Buch E. auf feine Quellen unterfucht 
(Bött. 1889); Dillmann, Über das Adlergeſicht in 
ber Apolalypie des E. (in den «Sigungsberichten der 
Berliner Atademier, 1888); Holzhey, Die Bücher E. 
und mia. Unterfuchungen ihres litterar. und ge: 
chichtlichen nen ring Die — 
ausgabe veranſtalteten Bensly und Jam — 
The fourth book of E. (Cambr. 1897). 

Edromfee, Binnenjee im nordöftl. Teile der 
dän. Inſel Seeland (f. Karte: Dänemark und 
Südihmeden), fübmeitlih von Helfingör, ift 
18 qkm groß. In der Nähe der Dftküfte die Sommer: 
refiden; Fredensborg (f. d.). 

Eh, ala Benediltiner Leander, eigentli gr 
bann Heinrich van, kath. Theolog, geb. 15. Febr. 
1772 zu Warburg bei Paderborn, trat 1790 in die 
Benevdiltinerabtei Marienmünfter, widmete ſich nach 
ber rifierung derjelben feit 1802 dem Stu: 
dium der orient. Sprachen, wurde 1812 Pfarrer und 
außerord. leer in Marburg, lebte jeit 1822 
als Brivatgelebrter zu Darmftadt und Alzey und 
ftarb 13. Ott. 1847 zu Affolderbah im Ddenwald. 
€. ift bejonders durch feine Bibelüberjegungen be 
lannt, denen er nicht die Bulgata, fondern den Ur: 
tert zu Grunde legte. Der infolgedejlen 1821 vom 
Bapft verbotenen Überjegung des Neuen Tefta: 
ments (Braunſchw. 1807; Sulzbach 1810 u. ö,, 
gemeinjam mit feinem Vetter Karl van €.) folgte 
die des Alten Teftament3 (2 Tle., Sulzbach 1822 u. 5.) 
fowie eine Gefamtausgabe der Bibel (cbv. 1840, 
mit Weser). Die Einwände, welde von ftreng 
tath. Seite gegen fein Zurüdgreifen auf den Grund: 
tert erhoben wurden, und das in feiner Kirche berr: 

bende Vorurteil gegen das Bibellefen der Laien 

lämpfte er in: «Auszüge aus den heiligen Ba: 
tern und andern Lebrern der kath. Kirche über dag 
notwendige und nüßliche Bibellefen» (Lpz. 1808; 
2. Aufl, Sulzbach 1816) und «Bragmatischekritifche 
Geihichte der Bulgata» (Tüb. 1824; gefrönte Preis: 
jörift). E. beforgte aud Ausgaben der Vulgata 
(3 Bve., ebd. 1822—24), der Septuaginta (Lpz. 


1824; neue Ausgabe von Neftle, 1887) und des 
griech. Neuen Teſtaments (Tüb. 1827). 

Effäer, jüd. Selte, j. Eſſener. : 

Essai (fr;., fpr. ejläb), ſ. Eſſay; über Eſſais 
als Probemarken j. Bojtwertzeichen. 

Es⸗Salt, Stadt, ſ. Salt. 

Eſſarts (ſpr. efiabr), Charlotte des, geb. um 
1580, wurde die Maitreſſe Heinrich IV., dann die 
des ſtardinals von Lothringen, Ludwigs von 
*8 und heiratete, ſchon im vorgerüdten Alter, 
den Marichall de ’Höpital. 1633 wurde fie in die 
Verihwörung Gajtons von Orléans (f. d.) gegen 
Ricpelieu verwidelt und auf ihre Güter verbannt, 
wo jie 1651 ftarb. 

Eſſah (engl.,ipr.efieb; franz.essai, d. h. Verfuch), 
furze Abhandlung populärmifjenfchaftlihen oder 
litterar. Inhalts. Es jeint, daß Bacon, der zuerſt 
die €. in die engl. Litteratur einführte (1597), 
durch Montaigne dazu angeregt wurde, der in feinen 
1580 gejammelten pbilof. Betrachtungen dieſe Gat: 
tung bereits in vollendeter Form gepflegt batte. 
Bon unmittelbaren Nachfolgern Bacons verdienen 
Eowley, Dryden und Temple befondere Erwähnung, 
die ihm in Gedantenfülle weit —— an Leich⸗ 
tigleit des Stils aber ihn übertrafen, ferner Defoe. 
Neu belebt wurde der E. durch Addiſon und Steele, 
deren «Tatler» (1709), «Spectator» (1711) und 
«Guardian» (1713) ihm zuerjt die periodische Preſſe 
eröffneten und burch die Beſprechung der Zuftände 
des Tags einen bedeutenden Einfluß auf die Bil: 
dung der Nation fiherten. Diefen vorzugsweife jo 

enannten Eſſayiſten folgten in gleicher Richtung 
Fohnfon im «Rambler» (1750) und «Idler» (1758), 
Hamlesworth im «Adventurer» (1752), Moore in 
ber «World» (1753), Colman und Thornton im 
«Connoisseur» (1754), Madenzie im «Mirror» (1779) 
und «Lounger» (1785). Einzelne €, ſchrieben faft 
alle bedeutenden Schriftfteller jener Zeit, Gold: 
ſmith, Chejterfield, Walpole, Warton u.a. Seine 
legte und — e Geſtalt gab dem E. ſeit 
1802 die «Edinburgh Review», der die «Quarterly 
Review» und andere Vierteljabrsfchriften folgten. 
Die äußere Form ift hierbei meift die einer Recen⸗ 
fion, doc giebt das angezeigte geiftige Erzeugnis 
nur den äußern Anlaß zu jelbitändiger Behand» 
lung desfelben oder eines verwandten Themas. 
Dergleihen E. lieferten zuerit Sidney Smith, 
Brougbam, Jeffrey, Sonthey, Eoleridge; in ftiliftir 
ſcher Beziehung übertraf fie alle Nacaulay. Neuere 
Scriftjteller diefer Richtung find: de Quincey, Car: 
Iyle, J. S. Mil, N. W. Senior, Bulmer:Lotton, 
Lord Stanhope, Lord Houghton, John Forfter, Gold⸗ 
win Smith und Matthew Arnold; als einer der 
———— ragt der Amerikaner Emerſon hervor. 

nter den Deutſchen waren die erſten Vertreter 
Leſſing, Juſtus Möfer, Herder; die deutſche Littera: 
tur, die von jeher mebr eine erichöpfende Erörterung 
als elegante Skizzen liebte, hat fich die Gattung des 
E. nur langjam angeeignet; Vertreter aus neuerer 
zeit find: Otto Gildemeiiter, Hermann Grimm, 

arl Hillebrand, Friedr. Spielhagen, Erich Schmibt, 
Karl Frenzel, M. ©. Conrad, Anton Bettelbeim, 
M. Harden, Lady Charlotte Blennerhaſſett u. a. 
Als geiftvolle Schriftitellerin auf diefem Gebiete ift 
aud die Schwedin Ellen Key herporzubeben. 

Eſſayiften, ſ. Cijan. 

Eßback, Gefäß, |. Bad (in der Schifferſprache). 

Ehbare Erden, erdige Mafjen, die in manden 
Gegenden gegefien werden, z. B. die fette Erde, 

16* 


244 


melde nad dem Bericht A. von Humboldt die am 
Drinoco wohnenden Dtomalen verzehren. Der 
Hauptbeitandteil diefer E. E. find lebende oder foj: 
file Bacillariaceen (f. d.), wie fie in dem jog. Berg: 
mehl (j. Kieſelgur) fich finden, das faft ausſchließlich 
aus den Riejelpanzern folder Algen beſteht. Sehr 
verbreitet ift der Gebrauch des Erdeſſens (ver Geo: 
pbanie) auf dem boliv. Hodland. Hier tft es eine 

ichte weiße Thonerde, die in der Nähe von Druro 
gegraben wird und im Aymara den Namen phasa 
Führt. Sie wird entweder roh gegefien oder ge 
ſchlämmt und zu Figuren (Töpfchen, Krügen, Mon: 
jtranzen, Heiligen u. dgl.) geformt, Dieje Artikel 
werden auf dem Markte verkauft und bejonders 
von der indian. Bevölterung zur Bereitung einer 
Art Sauce gebraudt und mit gefottenen Kartoffeln 
gegejen. ußerdem kennt man das Erdeſſen von 
den Negern von Guinea, aus dem Indiſchen Ardi: 
pel und an andern Orten. Es fcheint nicht, daß 
* aVerirrung des Nabrungstriebes» nachteilige 
Folgen bat. Die betreffenden Bölterihaften werden 
Erdeffer oder Geopbagen genannt. 

bare Nefter, ’ Indische Vogelnefter. 

Ehbonguet (frz., fpr. -buleh, Abkürzung vom 
engl. Essence of Bouquet), beliebtes Parfüm, das 
man 3. B. erhält, wenn man 2 kg Veilchenwurzel 
mit 20 I Weingeiſt ertrahiert und 30 g Rofenöl, 
15 g Neroli, 0,5 g Moſchus und 1500 g Jasmin: 
eſſenz hinzu * 

chen, Gewicht, ſ. Eschen. 

Esse (der ſubſtantiviſch gebrauchte Infinitiv 
de3 lat. Berbum sum), das Sein; in feinem Eſſe 
be: & son aise) fein, joviel wie ſich in dem jeinen 

eigungen, Fähigkeiten u. j. w. entjprechenden Zu: 


ftande befinden. 
Eſſe, }. Schornſtein. 
Ess ſ. Gladiatoren. 


@ffeg, mager. Eszek, troat. Osjek, fönigl. 
iftabt mit Municipium, Haupt: und bedeutendite 
nduftrie: und Hanbelsftabt von Slamonien, rechts 
an der Drau, an den Linien Großmwardein: E.: 
Villany und E.:Ujlapela:Batrina (108 km, Ela: 
won. Lokalbahn) der Ungar. Staatsbahnen, ift 
Sitz der Bebörben des Komitats Virovitik, einer 
tönigl. Gerichtstafel, Finanzbezirksdireltion, Eijen: 
bahnverlehrsvorſtehung, Geniedireftion, der Kom: 
mandos der 7. Infanterietruppendivifion und der 
13. Infanteriebrigade fowie einer Handeld und 
Gemwerbelammer und beftebt aus der Feſtung, mit 
ort auf dem linfen Ufer der Drau und von der 
tabt burd einen 760 m breiten Zwiſchenraum ge: 
trennt und mit —2* und Baſteien umgeben, 
aus der Unter: und Oberſtadt und aus der Neu: 
ftabt. Die Stadt bat ſchöne —— und 
1900) 24930 meift tatb. €. (12436 Deutſche, 9511 
erben und Kroaten; 2092 Griechiſch-Orientaliſche 
und 2070 Föraeliten), in Garniſon drei Bataillone 
bes 78. Infanterieregiments und das 38, Divifiond: 
artillerieregiment, 6 Kirchen, 2 Klöfter, eine ſchöne 
Synagoge, ein froat. Staatdobergymnafium, eine 
Staatöoberreal:, höhere Mädchen: mit Mädchen: 
gewerbeſchule. In der Feſtung, von Kaiſer Leo— 
pold I. angelegt, find bemerlenswert die Komman— 
dantenwohnung und das Rathaus in der obern 
Stadt, das jhöne Komitatshaus und das Kaſino 
mit Theater in der untern Stadt. Die Induſtrie 
erſtredt fih auf Seidenfpinnerei und? Müllerei 
(8 große Dampf, 33 Flußmüblen), der Tranfito: 
bandel auf Getreide, Mebl, Holz (Dampfſägewerle), 


Eßbare Nefter — Eſſen (Stadt) 


eihene Faßdauben, die hauptfählih nah Franlk⸗ 
reih ausgeführt werben, Obſt, Honig, Slivomwis 
und Spiritus, Borftenvieb, Bretter, Baranpyaer 
und Syrmier Wein und Bäcier Flachs. Bei E. 
befindet fih das Schloß des Grafen Pejalevid mit 
hönem Bart. — E., zu Römerzeiten unter dem 

amen Mursia belannt und Siß des Präfelten von 
Unter: Bannonien, lam 1526 unter türf. Herrichaft. 
1690 befreite Graf Guido Starhemberg E. von den 
Türken; 1712 wurde die heutige Seftung angelegt. 
In der Revolution von 1848 wurde Pas 8 
vom Grafen Kaf. Battbyänyi für die ungar. 
pierung behauptet, nad einer mehrwöchigen Be 

gerung aber 23. Febr. 1849 von dem laiſerl. 
General Baron Treberöberg genommen. 

Effel, Nebenfluß des Irtyſch, |. Iſchim. 

Effen. 1) Landkreis im preuß. Reg.Bez. Duſſel⸗ 
dorf, hat 182,29 qkm, (1900) 206106, (1905) 
244486 E., 8 Stäbte und 18 Yandgemeinben. — 
2) Stadtkreis (19,28 ha) im preuß. Reg.:Bez. Duſſel⸗ 
dorf(j.Rarte: Rheiniſch-Weſtfäliſches Kohlen: 
und MRIELTERERIER) IRRE IN ES REEL — 

ineralihäsgen 


überaus reicher 


| von der Stadt) 
undRubr (5km) 
bildenden Ar 
deyberge, in 
79 m Höbe, am 
Limbedbahe und an der Berne, zwei linlsſeitigen 
Zuflüffen des Emſcher. Die Stadt, die durch die 
weithin fichtbaren zahlreihen Schornfteine als 
lan gelennzeihnet wird, 2 im leßten 
abrzebnt einen bedeutenden Aufſchwung genom- 
men und ift ver Mittelpuntt des rhein.weitfäl. In⸗ 
buftriebezirl3 geworben. 
evöllerung. €. hatte 1880: 56944, 1885: 
65064, 1890: 78706, 1895: 96128, 1900 mit dem 
1901 einverleibten Altendorf (f. d.) 182100, 1905 
mit dem 1905 einverleibten Ruttenſcheidt (f. d.) 
231360 E., darunter 127278 RKatholiten, 99534 
Evangeliſche und 2411 Yeraeliten. Zum Stadtteil 
Altendorf gehören die Arbeiterlolonien der Firma 
Krupp: Kronenberg, Alfredsbof und Schederhof fos 
wie die Bauerfchaften Bochelt und Vogelheim. 
Gebäude und Dentmäler. E.bat6tath. Kir: 
hen, darunter bieMünfter:, Narien:, Öertrubis: und 
—— 4 evang. Kirchen, darunter die Pau— 
us⸗, Markt: und Rreuzestirche, mehrere Kapellen und 
eine Synagoge. Die Münfterlirche, eins der älteften 
erhaltenen riftl. Baudenkmäler Deutfblands, iſt 
1881—86 von Zindel wiederhergeſtellt; ver Weſtchor, 
aus dem 10. Jahrh., die Krypta unter dem Oſtchor 
1051 geweiht, das got. Schiff und der Chor nad 
einem Brande 1265—1316 erbaut, die Satriftei von 
1554. Merkwürdig find ein Fer Leuchter 
aus Erzguß (von der Abtiſſin Mechtildis, Nichte Kaiſer 
Dttos11.,998 geſchenkt) und einereibeSchaklammer; 
der Kreuzgang ſtammt aus dem 11. und 12. Jabrhb. 
Val. die Monographie von Humann, Düfjeld. 1904.) 
ie got. Baulustirche ijt 1872 von Slügae, die got. 
Gertrudislirche 1877 von Ninglale in Düſſeldorf, 
die St. Joſephslirche 1896 und die roman. Kreuzes: 
fire, beide von Orth: Berlin, 1897 erbaut. Von 





Eſſen (Stadt) 


witlihen Baumerten find hervorzuheben: das neue 
&täude der Eifenbabnpirettion am Bismardplape, 
dad neue Landgerichtägebäude, das got. Rathaus 
in der Burgitraße, 1875 von Zindel erbaut, mit 
Zurm, gemalten Fenjtern und verfchiedenen Bil: 
dern ſowie einer Marmorbüfte Bismard3 von Scha: 
per im Sißungsjaal, die energy 
der Ejjener Kreditanftalt, des Rheiniſch-Weſtfäli— 
iben Kohlenſyndikats und des Berabaulihen Ver: 
ans, die Reihsbant, das ehemalige Knappicaits: 
gebäude, zwei Krantenbäufer, ein Hoſpital und das 
aus einem Geichent (700000M.) des Friedr. Grillo 
erbaute Stadttheater (1892). Neuerbaut wurden ver 
Hauptbahnhof, das Hauptpoftamt und ein Konzert: 
baus im Stadtgarten. Gegenüber dem Rathaus 
ftebt jeit 1889 das Bronzeftandbild Alfred Krupps 
von Schaper in Berlin; ein zweites Kruppbent: 
mal (3 m bobe Bronzeftatue) von Aloys ara 
und W. Menges in Münden wurde 1892 enthüllt; 
au; dem Kopſtadtsplatze ein Kriegerdenkmal von 
Emit Seger, auf dem Burgplas das Reiterjtandbild 
Kaiſer Wilhelms I. (1898) von Bolz, auf dem Bis: 
mardvlage das Standbild Bismards von Felder: 
boff:Ebarlottenburg (1899). 

Berwaltung. Die Stabt wird verwaltet von 
einem Dberbürgermeifter (weigert, jeit 1886 
17000 M.), 8 Beigeorbneten (5 bejolvet) und 36 
Stabtverordneten. Die Polizeimannſchaft beitebt 
aus 2 Bolizeiinipeltoren, 7 Kommifjaren, 12 Wadıt- 
meijtern, 151 Schugleuten; die Feuerwehr aus einer 
Berufö: und mehrern freiwilligen Feuerwehren. 
Das Wafjerwert in der Gemeinde Bergerbaujen an 
der Rubr —* die Stadt E. mit Trinkwaſſer 
(1899/1900: 9,7 Mill. cbm); die Gasanſtalt gab 
1899/1900: 7,5 Mill. cbm Gas ab. Auf dem ftädt. 
Schlacht- und Viehhof wurden 1899/1900 aufge: 
trieben: 44941 Stüd Grofvieb, 6609 Bausen, 
107 230 fette Schweine, 47 978 Kälber, 5921 Schafe, 
6918 Fertel, 15686 magere Schweine, 39 Pferde; ge: 
ſchlachtet: 777 Pferde, 10733 Stüd Großvieh, 47 275 
Schmeine, 122 Kälber, 5574 Schafe und Ziegen. 

Finanzen. Nah dem Etat für 1901 jtellten 
ſich die Schulden der Stadt auf 16 Mill. M., die 
Einnahmen auf 5,5 Mill. M., darunter 260000 M. 
indireite Abgaben; Na er auf: 

ewendet 1,1 Mill. M., für Beleuchtung 300000 M., 

t ie 60000 M., für Armenwejen 
355000 M. 

Bebörvden. E. ift Sik des Landratäamtes des 
Landkreiſes E., eines Landgerichts (Oberlandes: 
gericht Hamm) mit einer Kammer für Handelsſachen 
und 9 — — (Borbeck, Bottrop, Buer, 
Dorſten, E. Gelſenlirchen, Hattingen, Steele, Wer: 
den), eines Schwurgerichts, Amtsgerichts, zweier 
Steuer:, zweier Katafterämter, einer fönigl, preuß. 
Gijenbabntvireltion, des Eifenbabnabnahmeamtes 
(fi. d.), einer freisbau:, Gewerbeinipeltion, Reichs: 
bantitelle, Handelätammer und zweier Bezirkslom⸗ 
mandos. 

Schul-und Bildungsweſen. €. hat ein 
fimultanes Lönigl. Gymnafium mit ftädtifchem 
Kompatronat, aus der Vereinigung des kath. oje: 
vbinums und der evang. Bürgerſchule bervorge: 
gangen, 1819 ald Bürgerihule, 1824 als Gymna- 
Kum gegründet; Rejormgymnafium mit Vorſchule, 
näbtiibe Oberrealihule, jtäbtiihe Gewerbe: und 

bildungsjchulen, eine ſtädtiſche und -_ private 
böbere Mädchenſchulen, Provinzialtaubitummenans 
ftalt, 10evang., 10 fatb., 1altfatb,, 1 israel. Volks⸗ 


245 


ſchule, 2 Hilfsfhulen, eine Bergſchule, Handels: 
ſchule und 2 Bräparandenanftalten; außerdem eine 
a — und Haushaltungsſchule auf den Krupps 
hen Werten. Es bejteben ein Hiſtoriſcher Verein 
für Stadt und Stift E. Kolonialverein, Gewerbe: 
verein mit umfangreicher Bibliothef, Potalabteilung 
des Landwirtſchaftlichen Vereins für Rheinpreußen 
fowie auch eine Ort2gruppe des Deutſchen Sprad: 
vereins und ein Kaufmänniſcher Hüfsverein (ein: 
geſchriebene Hilfstajle). — 

ee Wohlthätigkeits— 
anſtalten. Der ag der «Kruppſtiftung der 
Stadt E.» (500000 M.) iſt zu gemeinnüßigen und 
wohlthätigen Zweden bejtimmt. Ferner == 
Anjtalten für verlaffene Kinder und arme Wöch— 
nerinnen, ein ſtädtiſches Hofpital für alte Leute, 
evang. Krantenhaus «Huyſſens Stift», kath. Kran: 
tenbaus, evang. und kath. Waifenhaus, Armen: 
baus ſowie zablreihe muftergültige Wobhlfahrts: 
einrichtungen der Firma Krupp. 

Susukrie, Gemwerbeund Handel. Ihre 
Blüte verdanlt die Stadt in eriter Linie dem großen 
Reichtum an Steintohlen (f. Rheiniſch-Weſtfäliſches 
Koblenbeden) und der durch dieſen 33 erufenen 
Eiſeninduſtrie. E. iſt Sit des Rheiniſch-Weſtfäliſchen 
Kohlenſyndikats. Im Weichbilde der Stadt befinden 
fich die Tiefbauanlagen: Zehen Hercules, Graf 
Beuft, Victoria Mathias und Vereinigte Sälzer und 
Neuad, die 1900: 4256 Arbeiter bejhäftigten und 
1062495 t Kohlen förberten. Die im Stadt: und 
Landkreis E. beſtehenden 36 Steintoblenzechen be 
ſchäftigten 1900: 43170 Arbeiter und förberten 
12850978 t. Die Sn ift vertreten durch eine 
Gußjitahlfabrit (Krupp, |. d.), die in E, allein 27462 
en beihäftigt, ein Blechwalzwerk (Altien- 

eſe — Schulz: Anaudi ampfleſſelfabriken 

Carl Lange und Lerſch), Maſchinenbauanſtalten 
(Aktien * ſchaft Union, Emil Wolff), das Rhei⸗ 
niſch-Weſtfäliſche Clektricitätäwerl, 1 Fabrik für 
Heizungsanlagen, 1 dem. Fabrik, Fabrilen für 
Sattler: und Gummiwaren, Golpleijten, Zuder: 
waren u..mw., 8 Ziegeleien, mebrere Kallbrenne⸗ 
reien, 1 Dampfmahlmüble, 2 größere Brauereien, 
4 Sägewerle und Schreinereien. Bon den Gewerben 
namentlich das Baugewerbe ftarl vertreten. E. 
it Siß der 1. Sektion der Rheiniſch-Weſtfäliſchen 
Hütten: und Walzwerks⸗Berufsgenoſſenſchaft. Ende 
1900 batte E. 1 Ortötrantentafje (8622 Mitglieder), 
15 Betriebs: (Fabrik :)Krantentaflen (30373 Mit: 
glieder) und 3 Innungskrankenlaſſen Pech 

‚Der Großhandel eritredt fih auf die Erzeug- 
nijle deö Bergbaues, der Eifen: und Stahlinduſtrie 
und der Landwirtichaft ſowie auf Wolle, Kolonial⸗ 
und Farbewaren, Manufaltur:, Rurzs, Meiks und 
Mollmaren. Der Handel wird unterftügt durch eine 
Reichsbanlſtelle (Umſatz 1900: 4028 Mill. M.), 
Handelätammer, Frucht: und Induftriebörje ſowie 
zablreihe Vieb: und Schlahtviehmärtte. In der 
jtädtifchen Sparkaſſe (1841 gegründet) waren 1900: 
233,7 Mill. M. eingelegt. gr dem een Leib: 
Dan (1881 gegründet) befanden ſich 1900: 5896 

fänder im Werte von 59458 M. Neben verfchie: 
denen Bantbäufern haben in E. ihren Sik die Efjener 
Kreditanitalt (Umſatz 1899: 1896 Mill. M.), die 
Weſtdeutſche Berfiherungs : Attienbant (Berjiche: 
rung3fumme Ende 1899; 1996 Mill. M.) und fol: 

ende Bergmerts:Aktiengefellihaften und Gewerk— 
(haften: Arenbergihe Attiengejellihaft für Berg: 
au und Hüttenbetrieb, Bergmwertägejellichaft Ber: 


246 


einigter Bonifacius, Kölner Bergwerlsverein, Berg: 
wertöverein König Wilhelm, verowerisgefeliſcha 
Dahlbuſch, Bergbaugefellibaft Neu⸗Eſſen, Alten» 
geieiieaft Norditern, Zeche Vereinigter Sälzer und 
teuad, Zeche Königin Elifabeth. I 

Verkehrsweſen. €, liegt an den Linien €. 
Winterswijt (73,5 km), Hamm-E.-Duisburg:M.: 
Gladbach (140,8 km), Bochum⸗-E. (15 km), E. Kett⸗ 
wig: Düffeldorf (34,6 km), Kalt: Deu: Spelvorf- 
Dortmund und E.:Altenefien (6,5km) und bat 
2 Bahnhöfe, den Hauptbahnhof im S. und ben 
Bahnhof Eſſen-Nord im N. der Stadt, legtern nur 
Re die beiden zulegt genannten Ei —— 

er Gefamtgüterverlehr auf den Eiſenbahnen be 
trug 1898/99: 4124930 t, darunter 1976860 t ans 
— Güter, Straßenbahnen führen nad 
Borbed, —* Bredeney, Alteneſſen, Horſt, 
Altendorf, Frohnhauſen, Gelſenkirchen und Steele 
und beförberten 1899/1900: 12 Mill. Berjonen. 

E. bat ein zn eriter Klafje mit zwei Zweig: 

ellen, ein Telegraphenamt erfter Klaſſe und Fern: 
preeinrihtung. 1899 kamen an (gingen ab) 
8272602 (12732824) Briefe, Poftlarten, Drud: 
ſachen und Warenproben, 617692 (359593) Balete 
ohne, 38972 (49089) Briefe und 11228 (7144) Balete 
mit Werian abe, 106789 Boftnahnahmejendungen 
und 18995 Voftauftragsbriefe, Telegramme 243 172 
130569). Der Wert der ausgezahlten hr 
oe betrug 19,752, ber eingezahlten 33,306 Mill. M. 
eihihte. Das ehemalige reih3unmittelbare 
Benediktinernonnenftift €, (in lat. Urkunden des 
Mittelalter Astnid, Astnide) mwurbe 874 durch ben 
Bi yet Alfred von Hildesheim gerne Die Ub⸗ 
tiſſin Hagona, eine Schweiter König Heinrichs L., 
geitaltete den Ort durch Ummauerung im 10. Jahrh. 
zu einer Stadt, als weldye fie zuerft 1003 genannt 
wird. Das Stift ftieg durch Privilegien und Schen⸗ 
tungen zu folder Bedeutung, daß es 1275 zu einem 
taiferl. freiweltlihen Stift und die Abtiſſin — Fürs 
ftin erhoben wurde. Die Schirmvogtei übten die 
Grafen von Berg: Altena und von der Marl, ſpä⸗ 
ter beren Nachfolger, die Herzöge von ülih-Gleves 
Berg und Kurfürften von Brandenburg. 1598 
und 1627 wurbe E. von den Spaniern, 1629 von 
den Niederländern und 1641 dur die Branden- 
burger unter Sparre eingenommen. Das 1808 
fätularifierte Stift, defien Gebiet etwa 165 qkm, 
zwei Städte (E. und Steele) und 14000 €. 552 
wurde 1802 von Preußen als Entſchädigung in Be⸗ 
» genommen und ihm im Reichsdeputationshaupt⸗ 

[uß von 1808 förmli abgetreten. Seit 1807 dem 

roßherzogtum Berg einverleibt, fam es 1818 (for: 
te > — — eh) —— an 

reußen. — Bol. Funde, ichte des entums 
und der Stadt E. (2. Ausg. Elberf. 1851); Goebel, 
Die Nünfterlirhe zu E. und ihre Kunftihäße (Efien 
1895); Bürgerbud für die Stadt E., bg. von ber 
ftäptifchen Verwaltung (ebd. 1899); rer durch 
E. (ebd. 1900); — Die Induſtrieſtadt E. (ebd. 
1902); Beiträge zur Geſchichte von Stadt und ut 
E., vom Hiſtoriſchen Verein für Stadt und Stift 
E. (ebd. 1881 fg.). — 3) Gemeinde in Oldenburg, 
f. Bd. 17. — 4) Solbad bei Wittlage (f. d.). 

Effen, Hans Henrit, Graf von, ſchwed. Reichs: 
feldmarſchall, geb. 26. Sept. 1755 auf Schloß 
— in Meitgotland, ftammte aus einer alten 
livländ. Familie, bildete fi in Upfala und Got⸗ 
fingen und trat in ſchwed. Kriegsdienſte. Er war 
Quitavs III. Begleiter auf den Reifen durch Stalien, 


Elfen (Hans Henrik, Graf von) — Efjener 


— —— und Deutſchland und ig ibm 1788 bei 
eginn des Krieges gegen Rußland nah Finland. 

r bie von ihm bemertjtelligte Entjegung von 

Öteborg wurde er zum Überiten und Komman⸗ 
danten der reitenden Garde ernannt. €, war an 
der Seite des Königs, ald diefer 16. März 1792 in 
Stodholm auf dem Mastenballe tödlid verwundet 
wurde. Unter den nachfolgenden Regierungen ge 
noß er ebenfalls hohes Anfeben, fungierte 1795—97 
ala Oberitattbalter in Stodbolm, wurde 1800 zum 
———— in Bommern ernannt und ver: 
teidigte Stralfund 1807 ehrenvoll 2 Monate lang 
gegen een ofen, bis er ſich endlich entjchloß, 
einen Waffenitillitand vom Marſchall Mortier an: 
zunehmen. Als der König darüber unzufrieden war, 
nabm €. feinen Abſchied und zog fi auf feine Gü- 
ter zurüd, Erſt nach der Thronentjagung Guſtavs IV. 
(1809) wurbe er wieder in den Reichsrat gerufen 
und 29. April 1809 in den Grafenftand oben, 
1810 zum Reichsmarſchall und 1811 zum Reiche 
felomarjhall ernannt. Im Auftrage Karls XIIL 
ging E. ald Geſandter nad Paris, um den Frieden 
mit Frankreich zu fchließen, wodurch Schweden mie 
der in den Bejik von Pommern kam. 1813 erbielt er 
unter dem Kronpringen von Schweden (f. Karl XIV.) 
den Befehl über die gegen Norwegen bejtimmte 
Armee. Nah Vereinigung beider Reihe wurde er 
Reichsftatthalter Aber Norwegen und normweg. 
marſchall. Bon diefem Poſten wurde er Be 1816 
entlafjen, aber 1817 zum Generalbefehlshaber in 
Sconen ernannt. Er jtarb 28. Juni 1824 im Bade 
Uddewalla in Schweden. Seinen Briefmechiel mit 
Rarl XIV. Johann (1814—16) gab Y. Nielſen 
(Krift. 1867) heraus. 

Bon der in Livland zurüdgebliebenen Pinie er 
warb ſich bejonders Graf Beter Kirilomwitih €, 
geb. 1772, einen Namen. Ertrat früb in ruff. Kriegs: 
dienfte, wurbe 1819 zum General der —— er⸗ 
nannt und ſtarb 1844 als Mitglied des Reichsrats 
in Petersburg. 

Essenoe d'orient frz., pr. ebängk doriäng), 
ſ. Sihihuppen und Silberfiich. 

senoes (fr}., fpr. äjlängß), f. Eau. 

ats oder Ejjäer, Name einer adcetifchen 
Genoſſenſchaft, die zu zur Zeit des Malta: 
bäer8 Jonathan um das %. 150 v. Chr. vorlommt. 
Unfere Quellen über fie find Philo, Plinius und 
Ylavius Fofepbus. Letzterer bat fie neben ven Pha⸗ 
rifäern und Sabducdern als dritte jüd. Selte ge 
ſchildert, und dies hat, da damit fehr Verſchieden⸗ 
ig jufammenge tellt wird, viel Verwirrung in 
den Borftellungen über die E. erzeugt. Die Phari: 

der und Sabducäer waren große, um bie Zeitung des 

olls fämpfende religiöfe und polit. Barteien inner: 
alb des jüd. Volls, die E bildeten einen fih vom 

oltsförper ifolierenden Geheimbund, eine Art 
Mönchsorden, welder die ee des Volls nie 
mals in ausſchlaggebender Weiſe beeinflußt hat. Der 
Name der E. wird verſchieden erllärt. Die wahr: 
—“ Etymologie iſt die Herleitung vom ſyr. 
(aramätjhen) Worte hase («fromm»). brend 
einige den Eſſenismus aus dem ftrengen hafidäiichen 
und pbarifäifhen Judentum (Derenbourg, Reuß, 
Kuenen) oder doch aus dem reinen Judentum ber» 
leiten (Hilnenfeld, Ritſchl, Lucius), bat nab andern 
der Parſismus oder —— die Bildung 
beeinflußt (Zeller, Holtzmann, Keim). Die Ein: 
miſchung fremdartiger Gedanken kann nit wobl 
in Abrede geftellt werden. Aber ebenfo Har iſt, daß 


Eſſenkopf — Eſſenz 


die —— —— Eigentumlichteiten des Orbens 
ib als Ableitu ——— jud. Gedanten bes 
weten lafien. P ie und Sofephus ſchatßzten die €. 
a Kopfe. Nach Joſephus waren fie über ganz 
balaſena verbreitet, jo da —* * in jeder Stabt 
traf, Eine Nie derlaffung ver € ebi beichreibt 
Yintus. Der Drven der E. * Br alle —— 
ae g einheitlich organifiert. An der Spige 
orjteber, denen jedes Orbendmitglied un: 

kein un Gehorfam ſchuldete. Aufgenommen in 


wurden bie Mitglieder nad einer 
Biobeyeit 3 nach —— eines Eides, durch 
welchen ſie ſich zur Geheimh g der Lehren des 


—— und E Offenheit gegen bie Brüder ver: 
flihteten. Sein Drdenämitalied hatte eigenen 
Bei, Es herrſchte volle Gutergemeinſchaft. Aller 
Erwerb floß in die von eigenen Beamten verwaltete 
— Kaſſe, aus welcher die arbeits unfähigen 
titglieder ihren Unterhalt bezogen. Ihre Mahl⸗ 
zeiten waren gemeinſam, ihr Tagemwerl wurde durch 
die Vorſteher gerege Der Grundzug ihrer Ethil 
war weltflüchtige Asceſe. Sie übten ftrenge Saften, 
bielten das Sabbatgefeg und die Bo niften über 
förperlide Reinheit mit Außerjter Sorgfalt * 
en in der Schärfung der hierauf bezüglichen 
—* erungen noch weit über bie Strenge des Ge⸗ 
binaus. Um ihrer Berwerfung der blutigen 
Opfer willen vom — ausgefchloffen, rich: 
teten fie ſich einen eigenen —— mit zahl⸗ 
reichen Balhungen, eihen, Gebeten und Opfer: 
mablzeiten ein. Sie verwarfen von Eid im —— 
lichen Verlehr, den Krieg und alle auf Krieg und 
Erwerb von Reichtum abzielenden Beihäftigungen 
und beidräntten fi daher auf Aderbau und fried⸗ 
lie Gewerbe. Die Ehe ward verworfen, doch nahmen 
fe gern fremde Kinder an, um fie in ihren Grund» 
jägen zu erzieben. über ihre theoretifchen en 
wenig befannt, doch feinen fie Geheimle 
über die Engel und die menſchliche Seele beſeſſen zu 
baben. Ihre Auffafjung vom Sabbat und vom Ge- 
jes charatterifiert fie als ftrenggläubige Juden. Da: 
2% Ar — daß Solen us von ihnen erzählt, 
bätten bei Aufga onne altberfömmliche 
Gebete an dieſe g A Vermittelſt des Schrift: 
ftudiums zus, so fie die Zukunft und die Heil 
fräfte der Bilanzen und Steine. Daß Johannes der 
Zäufer mit den E. in Verbindung geitanden habe, 
ift ſebt unwahrſcheinlich. Völlig ausgeihloffen aber 
55 die Entſtehung des Chriſtentums mit dem 
enertum in Verbindung zu bringen, vielmehr 
—— was KH im fa zu —* —3 
mus redet ſteigertem Maße den Eſſe⸗ 
nis mus. Er yo) en nad Chriſtus ſcheinen 
in die Chriſtengemeinden Palaſtinas ar Ele 
mente eingedrungen zu fein. (S. Ebioniten. 
&riftl. Gemeinde Baläftinas trugen die E. die Eng: 
berzigleit deö Selienweſens und den zähen Wider: 


Fe gegen fortſchreitende Entwidlung hinein. — 
L. außer den efienden Werten über die Ge 
ſchichte der 

unb 


—— ed Fade Hersfeld, Gratz 

D ourg —38 der 
Griechen, Bo. 3, 2. R * 1881); R eim, Ge: 
ſchichte Jefu von — Bd. I (Zür. 1867); Haus: 
tatb, Reuteftamentliche Zeitgeſchichte, Bd.1(3. Aufl., 
Ründ. 1879); Lipſius ın — «Bibelleriton» 
(293.1875), Artitel «Efjäem; Leutbecher, Die Ejiäer 
re ** Lucius, Der —S in ſeinem 


Berbältnifje zum ech er ubentum (Straßb. 1881); Wein: 
fein, Beiträge zur Geſchichte der Efläer (Wien 1892). 


In die | Wa 


247 


Bol. noch die litterar. Nachweiſe bei E. S Wi 
ren des — Volls im Zeitalter Jeſu 
—— 
entialien (lat. essentialia), weſentliche Bes 
ftanbteile, 3. B. eined Rechts gejhäfts (f. Acciden⸗ 
talien); € Ehfentiatitat, — etwas Weſent⸗ 
lies; el entiell, wejentlich ( 
985 Babeor, f. Jeſſentuli. 
Efienwein, Auguft von, Architekt und Aue 
&riftfteller, geb. 2. Nov. 1831 zu Karlsruhe, bes 
uchte 1847—52 bie Nah u he Schule, ver: 


eſen). 


rachte dann mehrere Jahre auf Reiſen. Er ver 
öffentlichte: «Norbdeutichlands Baditeinbau im 
Mittelalter» (4 Lief., Karlsr. 1855), jiebelte 1856 
nad Wien über und trat bier 1857 in die Dun 
der Staatseifenbahngefellihaft. 1864 nah 
als ſtädtiſcher Baurat berufen, wirkte €, dort * 
Gründung des Steiermärliſchen Vereins für Kunſt⸗ 
induſtrie Fi! wurde 1865 Profefjor des Hochbaues 
an ber Techni (den —* 1866 folgte er einem 
Rufe als Borftand des Germaniſchen Mu: 
ſeums nad Nlürnberg, als welcher er für umfaflende 
Sammlungen biefer Anftalt ganz bejonders t . 
war. Er legte 1891 feine Stelle nieder und ſtar 
13. Okt. 1892 zu Nürnberg. In feinen fünftlerifchen 
Arbeiten vertrat er, da er allen Kunſten und Ge 
werben, die im Mittelalter zur Heritellung und Aus: 
ftattung der Kirchen zufammenmirtten, gleiche Auf: 
merffamleit zu 2 andte, in Deutichland die arbäol. 
—— der Baukunſt. Der Ausbau der Kartauſe, 
des Germaniſchen Muſeums in Nürnberg, die 
auration der dortigen eg die 
innere Ausftattung ber Kirhe St. Maria im Kapi⸗ 
tol zu Köln, die Ausmalung des Doms zu Braun: 
ſchweig, die Erweiterung des Nürnberger Ratbaufes 
und die Ausführung des Mofailfußbodens im Ehor 
des Kölner Doms find als feine Hauptwerte zu 
betradbten. An Kirchen, Altären, Glasmalereien 
u. f. w. findet fich vieled von ibm an verſchiedenen 
Orten Deutſchlands und Öfterreih3. Bon E.s Schrif⸗ 
ten ſind noch das Prachtwerk «Die mittelalterlichen 

Kunſtdenkmale der Stadt Kralau« (Nurnb. 1867) 
und «Die innere Ausſchmuckung der Kirche Groß: 
St. Martin = Köln» (Köln 1866), «Die Wand: 

gemälde im Fe u Braunfhweig» (Nürnb, 
1881), «Der Bilderfe und der Liebfrauentirche zu 
Nürnberg» (ebd. 1881), «Bilveratlas zur Kultur: 

eſchichte des Mittelalterd» (1884), «Hand a der 

olzſchnitt, darftellend die — Köni 
dinands I. mit den djterr. Erbländern durch ie 
Karl V.» (18 Tafeln mit Tert, Frankf. a. M. 1887), 
«Die farbige hg des zehmedigen Schiffes 
der Barttır e zum beil. Gereon in Köln durch 
nd» und Glasmalereien» (36 Tafeln mit Tert, 
ebd. 1891). Bon dem «Handbuch der Arditettur» 

g. von Durm u.a.) bearbeitete er außer der «Ein: 

eitung»: «Die Ausgänge der Haffiihen Baukunſt 
(hriftl. Kirchenbau) und bie Aoniekmg der klaſſi⸗ 

en Baufunft im Oſtrömiſchen Reihe (byzant. 

aufunft)» (ZI. 2, Bd. 3,1. Hälfte, 1886) und «Die 
roman. und die got. Bauhunft» (<L2, Bp.4, Heft 1: 
«Die Kriegdbaulunft», 1889; Heft 2: «Der Wohn⸗ 
bau», 1892). 

Effenz (lat. essentia; franz. essence), das Mejen, 
die — veſchaffenhei einer Sache, Weſen⸗ 
heit (ſ. Weſen); daher der Auszug irgend einer 

pflanzlichen oder aus dem Tierreih ftammenden 
Drogue, die deren mejentliche (ejientielle) oder wirk⸗ 


248 


— Beſtandteile enthält. Daher werben die ätheri⸗ 
hen Öle im deutichen Handel ER im franzöfifchen 
a oe ig €. genannt, mweil fie den charalteriſti⸗ 
f toff der aromatijden Pflanzenteile darſtellen. 
Eine andere Art von E. find die mit Alkohol ber: 
geftellten Auszüge aromatijher Subftanzen, die 
man zur —— * von Riechwäſſern und 
um Räuchern gebraucht (vgl. en; dabin ge 
dren z. B. Ambra:, Moſchus-⸗, —— Neem 
ewiſſe fonzentrierte Präparate, die nur mit Waſſer, 
bee, Wein u. f. w. vermifcht zu werden brauden, 
um Getränte zu — werden E. genannt, z. B 
Punſch-⸗, Biihof:, — u. dgl. {ber €. 
bei der Weinbereitung f. Ausbrud. 
— f. Ausbruch. 
Efſequĩbo. 1) Fluß in Britiſch⸗Guayana, der 
alte Diſſequebe der Eingeborenen, der größte unter 
den 5 en von Guayana, entjteht etiwa unter 0° 40’ 
nördl. Br. im SW. der Sierra Ncarai, welche fein 
11500 qkm großes Beden von dem des Amazonen: 
—— trennt, und ergießt j nad einem gegen 
orden gerichteten, vielfach gewundenen Zaufe 
von etwa 960 km burd eine 30 km breite, von 
flaben Inſeln in drei Arme geteilte Mündung 
unter nörbl. Br. in den Atlantifhen Dcean. 
Der ftärkjte der Mundungskanäle des Aſtuars 
ift vo 3 km breit und 4 m tief, bietet aber 
der Einfabrt megen der vorliegenden Schlamm: 
bänte große Schwierigkeiten; doch können Seeſchiffe 
von 5 m Tiefgang mit Hilfe der Flut 70 km weit 
aufmwärt3 gelangen bi® in die Näbe ber unterften 
Stromſchnellen, bei welden bie Granitregion be: 
ginnt. Troß der vielen Stromſchnellen, morunter 
der Waraputa: und der Orotoloſall namentlich ber: 
vorragen, wird der Fluß doch noch 630 km weiter 
aufmärt# durch Boote befahren. Das größte Hin- 
bernis bietet der große Kataralt King Williams IV. 
unter 3° 13” nörbl, Br., ungefähr 500 km vor ber 
Mündung. Der E, bat mebrere bedeutende Neben: 
üfle, jedoch nur an der linten Seite. Die beträdt: 
ichiten find der 370 km lange Rupununi oder 
Weihe Fluß, der Potaro oder Schwarze Fluß 
und der durch den Mazaruni verftärkte, 450 km 
lange Cuyuni. — 2) Grafidaft in —— 
u (f. — in Südamerila, zwiſchen den 
ündungen de3 €, und des Waini, ein frudht: 
bares und reiches Land, das im ganzen die Natur 
von Demerara und Berbice teilt und ohne die wil⸗ 
den Indianer und das Militär eine ausschließlich 
ländliche Bevöllerung von 25 000 €. zäblt. 

Eifer, Heinrih, Komponijt, geb. 15. Juli 1818 
in Mannbeim, war erjt Hapellmeifter an der Mann: 
— Oper, dann am Kärntnerthortheater in 

ien und 1857—69 an der Wiener Hofoper. Er 
ftarb 3. Juni 1872 in Salzburg. €. ſchrieb die 
Opern «Silas⸗ (1840), «Thomas Riquiqui» (1843) 
und «Die beiden Prinzen» (1845), zwei efter: 
fuiten, Sinfonien und andere Inſtrumentalwerke. 
Größern und anbaltenden Erfolg hatten feine 
Männerhöre und Lieder. 

Eſſex, Grafihaft im öftl. England (f. Karte: 
England und Wales), ſüdlich durd die Themſe 
von Kent, weftlih durch die Lea von Middleſer 
und Hertford, nörblih dur den Stour von Suf: 
foll getrennt, im NW. von Sambridge und öſtlich 
von der Nordfee begrenzt, bat 3994,28 qkm und 
(1901) 1085576 E., d. i. 272 auf 1 qkm. €. wird 
vom Roding und andern Themjezuflüjien jowie vom 
Crouch, Chelmer und Eolne reichlich bemäflert, welche 


Ejjenzweine — Eifer 


in tief eingefchnittene Nordfeebuchten münden. Das 
Land ift flach, an den Küſten teils arg teil, wie 
auch die Inſeln Canven, Foulneß und Merjea, aus 
Marien beitebend. Bodenanſchwellungen im In: 
nern erreichen nur 225 m Höhe. €. ift äußerft Frucht: 
bar; Wieſen und Aderland umfallen vier Fünftel 
der Flache. Die Benölterung treibt Anbau von ausge: 
zeichnetem Weizen, Gerſte, Kartoffeln, Hopfen, Raps 
und Gemüfe, bauptfählich aber Wieſenkultur, Bieb— 
* Butter: (von —— beſte in England) und 

äfebereitun „auch Strobflehterei, Schifibau und 
Reederei, Filcherei und Aufternfang. Leßterer fin: 
det befonders bei Colcheſter, Tolleebury, Malvon, 
Leigbund Briabtlingfea ftatt. Hauptftabt ift Cbelms: 
ford. Bebeutender find Weſt-Ham und Eoldheiter. 
Die Grafihaft wählt acht Abgeordnete in das Bar: 
lament. — Das alte m. ädj. Königreich E. over 
Oſtſachſen (Eaftjeare, Ejtjaronia), um 527 von 
Erkenwin gegründet, umfaßte auch Hertforb und 
Middleſex und batte zur Hauptitadt Lundenwyl 
(Lundene), d. i. London. Es warb fpäter mit Kent 
vereinigt, dann von Mercia abhängig und 823 durch 
Eabert von Weiler unterworfen. — Bol. Walford, 
Tourist’s guide to E. (Lond. 1882). 

Eſſex, alter engl. Apelstitel, der von bem 12. 
bis zum 16. Jahrh. nadyeinander von den Familien 
Manveville, Fitßpiers, Bohun und Bourdier ge: 
übrt ward. Heinrih VIII. verlieb ibn 1539 an 
einen Minifter Thomas Erommell (j.d.). Na 
eure —— bie einige Monate ſpäter er: 
folgte, wurde Wi (iam Barr, Bruder der jechften 
Gemablin Heinrichs VIIL., zum Grafen von €. er: 
geben ftarb aber 1566 Hain Nachlommenſchaft. 

ie Würde kam zunächſt an die Familie Devereur, 
did ihre Abſtammung von einem Genoſſen Wil: 
helms des Eroberers, Walter d’Eoreur, berleitete 
und, in —— anſäſſig, ſich Generationen 

indurch im Grenzkriege gegen Wales hervorgethan 
atte. Aus ihr ſtammte der erfte Graf E., Walter 
evereur, Lord Hereforb, geb. 1541, der mütter: 
liherfeits ein Nachlomme der Grafen €. aus dem 
Haufe Bourdier war. Er foht in Irland und ftarb 
ald Graf: Marjball von Irland 1576; falſchlich 
wurde die Schuld an feinem Tode dem Grafen 
Leiceiter zugefchrieben, der E.’ Witwe beiratete. 

E. Sohn war Robert Devereur, zweiter 
Graf von E., ge: 10. Nov. 1567, der befannte 
Günjtling der Königin Elifabetb. Er wurde durch 
Gecil an den Hof gebradt, zeichnete ih 1585 
unter feinem Stiefvater Leicefter in Holland aus 
und wurde nad deſſen Tod (1588) fein Nachfolger 
in der Gunft der Königin. Des Hoflebens über: 
drüifig, machte er gegen Glijabetb3 Willen eine 
friegerijhe Erpedition von Norris und Drate nad 
zn. mit (1589), wurde aber bald wieder in 

naden aufgenommen, jedoch erregte er der Königin 

öcften Zorn dur feine heimliche Ehe mit der 

ochter Waifinghams. 1591 focht er in Frankreich 
auf Heinrichs IV. Seite und beteiligte fib 1596 
rubmvoll an der Einnahme von Cadiz. Als er 
dann nad geringen Erfolgen heimlebrte, wurde 
er lalt von Elijabeth empfangen, bei einer beftigen 
Auseinanderjegung mit der Königin erbielt er jo: 
gar von dieſer öffentlich eine Ohrfeige. Nicht lange 
darauf übertrug ihm Glifabeth jedoch 1599 den 
Poſten eines iriſchen Generalftattbalters zur Unter: 
drüdung der dort unter Tyrone ausgebrochenen 
gern Empörung. €. ſchloß einen nadteiligen 

tillftand, vielleicht nicht ohne verräteriiche Ab⸗ 


Eifig — Eifigfabrikation 


höten, und als —— die Beftätigung verwei⸗ 
grie, lehrte er ohne Erlaubnis zu einer Recht⸗ 
krgung zurüid. Eliſabeth ftellte ihn vor das Ge⸗ 
nöt der Sternfammer, und als fie auf deren Urteil 
vi Ämter: und Güterverluftes nicht jofort Gnade 
wilten ließ, juchte E. einen Aufruhr in London 
perregen, wurbe aber gefangen genommen, ver: 
wteilt und nad langem Schwanten der Königin 
2. yebr. 1601 ala Hochverräter enthauptet. Die 
—* von dem Ring, den er an Eliſabeth, 
um ihre Gnade zu erhalten, geſchickt habe, iſt eine 
Fabel. €. tragiiches Ende war durchaus ſelbſt⸗ 
verihuldet. Er war eitel, heftig, ohne jede Selbit- 
beberrihung, und obwohl tapfer bejaß er weder 
zum Anfübrer, noch zum ®Bolitifer irgend hinrei- 
bende Begabung. €. ift der Held in Laubes Trauer: 
ipiel «Graf E.». 

Bon feinen drei Söhnen wurde Robert Deve: 
treu (geb. 1591) 1604 die väterlihe Würde ald 
brittem Grafen von €. zurüdgegeben, er jelbft jung 
mit Franziska Howard vermählt, die bald eine 
Scheidung durdjeste, um fih mit Robert Earr, 
Grafen von Somerjet, zu verbeiraten. 1620 diente 
er im Heer des Kurfürften von der Pfalz, 1625 
beiebligte er als Viceadmiral gegen die Spanier. 
Eifrig wohnte er den PBarlamentöfigungen bei und 
ftand ſchon 1626 zur Dppofition gegen Karls I. ab: 
folutiftiihe Beftrebungen. Er gehörte zu den Füb: 
rern des Langen Barlaments und erbielt 1642 den 
Oberbefehl im —— Sein anfängliches 
Glüd ſchwand bald, da er weni —— er 
Heerfübrer befaß, 1644 mußte jein Heer vor Karl 
die Waffen ftreden. Nach der Selbftentäußerungs: 
atte (f. u trat er ab und ftarb 1646, 

Die Würde eines Grafen E. erlojh mit ihm, 
Eie ging über auf die Familie Capel und wurde 
1661 an Artbur Eapel, geb. 1631, den Sobn 
bes 1649 enthaupteten Ford Eapel von Hadham, 
übertragen. 1672—77 war diejer Lorblieutenant 
von Iland, nad feiner Rüdtehr kämpfte er im 

rlament für den Ausihluß des Herzogs von 

ort (nahmaligen Jakob IL.) von der Thronfolge. 
Teilnahme am Rye⸗Houſe-Komplott verbädtig, 
wurde er verhaftet und 13. Juli 1683 im Kerfer 
mit durchſchnittenem Halje aufgefunden; höchſt 
wabrſcheinlich bat er fein Leben durch Selbftmord 
—— nicht, wie verbreitet wurde, durch Mord. 
ein Sobn, Algernon Eapel, zweiter Graf von 
€., fämpfte unter Wilhelm ILL. in Slandern. Dem 
fünften Grafen von E., George Gapel, geb. 
1757, geit. 23. April 1839, 5* — fein Neffe Ar: 
tbur Algernon Eapel, jehiter Graf von E,, 
geb. 27. Yan. 1803, geft. 11. Sept. 1892; diefem 
als fiebenter Graf von E. fein Entel George 
Devereur de Bere Eapel, geb. 24. Dit. 1857. 

‚Eifig, im weſentlichen mit Wafler ftark verdünnte 
Sirajäure (f. d.) mit einem Gehalt von 5 bis 6 Proz., 
die als Nebenbeitandteile, je nad) der Bereitungs: 
weile, u. Mengen organifcher —— ver⸗ 
ſchiedener Art, — aus dem zur Darſtellung be⸗ 
nusten Waſſer herrührend, anorganiſche Salze ent⸗ 
bält. E. wird verwertet zum Würzen der Speiſen 
(Speifeeifig), in der Bharmacie (der ald Acetum 

sinelle E enthält 6 Proz. Eſſigſäure), in der 
Zechnil zur Anfertigung der reinen Eifigiäure und 
ehafaurer Salze. Man unterſcheidet MWeinejig, 
Bier, Malz: oder Getreibeeilig, Obfteifig, Rüben: 
eig, Branntweineffig und Holgejfig, von denen der 
lestere aber ala Speileeifig nit verwendbar ift. 


249 


Hinfichtlich feiner Darftellung ſ. —— — 
Aromatiſchen E., auch Vierräubereſſig oder 
Peſteſſig (Acetum aromaticum), nennt man ein 
pbarmaceutifches Präparat, das als Desinfeltiong: 
mittel in Krankenzimmern und als Schukmittel 
gegen Anftedungen, als belebendes Mittel bei Ohn⸗ 
madten, zu Waſchungen u. ſ. w. angewandt wird, 
Der aromatiihe E. verdantt feine Wirkung auss 
ſchließlich den darin gelöften ätherifhen Ölen. Er 
bat den Namen PVierräubereffig, Vinaigre des 

uatre voleurs, daher erhalten, daß zur Zeit der 

eit in — vier Männer, die ſich durch Anr 
wendung biejes Präparats geihüst batten, in die 
Wohnungen der Kranten eindrangen und fie bes 
raubten. Nah dem Arzneibudh wirb der aroma- 
tiſche €. folgendermaßen bereitet: Lavendeldl, Pfef⸗ 
ferminzöl, Rosmarinöl, Wacolderöl, Zimmetöl, 
von jedem 1 Teil, Eitronenöl, Cugenol, von jedem 
2 Zeile, werben in 441 Teilen Weingeiſt gelöit und 
dann 650 Zeile verbünnte Eſſigſäure und 1900 
Zeile Wafjer hinzugefügt. Nach adıttägigem Stehen 
wird filtriert. — Medizinifcher E. tft Bezeich 
nung für verjchiedene durch Maceration mit ver: 
dünnter Ejjigjäure erhaltene und durch einen Zufaß 
von Weingeijt vor freiwilliger Zerſetzung bewahrte 
Auszüge von heilträftigen Prlanzenjubftanzen. Das 
Arzneibud für das Deutſche Reich enthält nur nod 
einen mediziniſchen E., den Meerzwiebeleſſig (f. d.). 
— Ronzentrierter oder radilaler €, (Acetum 
concentratum oder radicale) ift die verbünnte Eifig- 
jäure des Arzneibuchs. 

Eſſigälchen, ſ. Haarwürmer und Eſſigfabrika⸗ 

Eifigäther, ſ. Eſſigſäureäther. ſtion. 

— — f. Rhus. 

Effigbildner, f. Eſſigfabrilkation. 

Eifigeouleur, j. Raramel. 

Eiffigeffenz, eine konzentrierte Loſung von 
Eifigfäure, die nad geböriger Verbünnung mit 
Matter ala Speiſeeſſig verwendet wird. 

Eifigefter, ſ. Eſſigſäureäther. 


Eſſigfabrikation. Bei der Darſtellung des 
Speiſeeſſigs (ſ. Eſſig) kommt in erfter Linie die— 
jenige 


ethode in Betracht, die ei der durch Oxy⸗ 
dation bewirkten Umbildung von Altobol in Eſſig⸗ 
fäure beruht; zweitens fann ei durch Verbünnen 
reiner Ejjigfäure (f. d.) mit ie bergeitellt wer: 
den. Als alloholhaltige Robftoffe für die erjte Mer 
thode können dienen: Wein, Bier, vergorene Malz: 
auszüge, —— Obſtſafte, vergorener Rübenfaft, 
verdünnter Branntwein. Werden dieſe der Luft 
auögejebt, jo bildet * bald an der Oberfläche der⸗ 
ſelben eine zarte weiße Pilzdecke (Eſſigkahm) von 
Bacterium (Mycoderma) aceti Zopf, dem Eſſig⸗ 
pilz oder ffioferment. ‚Die lebenden gen 
dieſes Pilzes haben die Fähigkeit, Sauerftofj aus 
der Luft aufzunehmen und denfelben auf verbünn: 
ten Al * übertragen, wodurch dieſer in Eſſig⸗ 
fäure und Waſſer umgewandelt wird, welchen Vor: 
ang man mit Ejf fi ärung bezeichnet. Ber: 
—* man ge künft ‚md Mege den Zutritt von 
ilzen zu den alloholiſchen Fluüſſigleiten, oder ver: 
fegt man bdiejelben mit pilztötenden Stoffen, 3 
einer Spur von Garboljäure, fo fann man Eauer: 
kon beliebig lange zutreten lajjen, ohne daß eine 
üdung von Eſſigſaͤure eintritt. Es ift daber die 
Gegenwart von lebendem Eſſigpilz das Bedin— 
gende für die Eſſigbildung, und lehtere wird be: 
ünjtigt, wenn Verhältnifie geihaffen werben, die 
Ar der Lebensweiſe dieſer —— am meiſten 


250 


anpaffen. Diefe find, außer der Anweſenheit einer 
altobolifhen Flüffigkeit, deren Altoholgebalt jedoch 
10 Bolumprozent nicht überfteigen darf: 1) mög: 
lichſt reihlicher Zutritt der Luft, 2) eine Tems 
peratur, die nicht unter 10° 0. fintt und nicht über 
85°C. Reigt, 3) Vorbandenfein von wenn aud nur 
geringen Mengen von Näbrftoffen der niedern Dr: 
anismen (Phosphate des Ammonium, Raliums, 
agnefiums), 4) eine gewiſſe Menge von bereits 
fertig gebilveter Eifigfäure, da der Effigpil; vor: 
ugsweiſe auf fauren Fluſſigleiten gedeiht. Begun⸗ 
hit und beihleunigt wird die Eſſigbildung durch 
inftliche Ausſaat oder reihlichere Zufuhr des Eſſig⸗ 
Hr es. Daber tritt die Gifebilbung ets in Ge 
ßen und in Räumen, die bereit zur Ifgbereitung 
edient haben, weit rafcher ein und verläuft dort 
hneller als in ungebraudten Gefäßen und in neuen 
äumen. Die in den gebrauchten Gefähen und an 
den Deden und Wandungen der alten —— 
ets vorhandenen Eſſigpilze entfalten eben ihre 
bätigteit, jobald fie in bie ihrer Entwidlung güns 
Nigen Bedingungen zurüdverjegt werben. 

a Bacterium aceti nur durd fbertragung 
von Sauerftoff die Eſſigbildung veranlaßt, fo fann 
. * —* — * eine et eier 

e genheit findet, Sauerjtoff au eb: 
men, db. b. wenn e3 a einer mit ns a 
rübhrung ſtehenden Fluſſigleit ſchwimmt. Wird es 
in dieſer untergetaucht und dadurch vom Sauerſtoff 
ber Luft getrennt, fo hört feine Wirkung ſofort auf. 
Die einzelnen Zellen umllei 
gallertartigen Subftanz, und diefe finkt zu Boden, 
wo fie ald Gallertmafie, Ejfigmutter genannt, 
jo lange unwirkſam bleibt, bis ihre Zellen wieder 
n Berührung mit —— fommen. Dieſe Maſſe 
beſteht aus jahlreichen erien, welche dicht an⸗ 
einander lagern, während gleichzeitig die äußern 

elatinöfen ihten der Balterienzellmandungen 
rt anſchwellen (Zooglöenbildung, Batterien 
bleim). Bei der E, muß daher eine einmal ge 
te * moͤglichſt unberührt erhalten blei⸗ 

n joll daher die in Säuerung zu vers 

en igleiten, das Eſſiggut, nicht auf 
— e je in die ſchon in Betrieb befind: 
ihen Gefäße eingießen, jondern fie von unten aufs 
—— langſam einfließen laſſen. Eine Unter: 
ehung des Betriebes kann mitunter auf eigen 
tümlihe Weije dur eine Zerftörung des Pilz: 
raſens berbeigeführt werben. In den der €. die: 
nenden Apparaten fiedeln ſich leicht Heine Tieren, 
die Eſſigälchen (f. Haarwürmer), an, die zum 
Atmen des Sauerftoffs bedürfen. Um ihren Sauer: 
ftoffbedarf —— zu können, drängen fie ſich 
an die Oberfläche der Flüfjigleit und ſuchen den 
Pilzraſen zu durchbrechen. So entjteht ein Kampf 
ums Dafein zwiſchen Tier und Pflanze, bei dem 
bei kräftiger Vegetation des Pilzes bie Tiere 
unterliegen und entweder erftiden oder an bie 
von der Fluſſigkeit durchnäßten Wandungen flüch⸗ 
ten müflen, während, wenn fie das Übergewicht er: 
langen, ver Bil rafen an vielen Stellen durch⸗ 
brochen oder aud wohl ganz zerrifjen und in die 
Sinffigteit untergetaucht wird, momit die Eſſig⸗ 
ildung ibr Ende erreicht und mit Erfolg erft wies 
der eingeleitet werben kann, wenn die Tiere durch 
Ausbrüben mit heißem Waſſer getötet worden find. 
ur Darftellung von Tafeleſſig benugt man ala 
Eſſiggut nur Wein oder verbünnten Branntwein. 
Die Darftellung des Weineffigd wurde früber in 


iden fih dann mit einer | a 


Eſſigfabrilation 


ſehr umfangreichem Maße in Frankreich und zwar 

vorzugsweiſe in Orleans betrieben, wo der fiber: 

fluß der Kleinen, obnebin wenig baltbaren Weine 

auf diefe Meife vorteilhaft verwertet wurde. In⸗ 

olge des Auftretens der Reblaus ift diefer Indus 
iezweig bedeutend zurüdgegangen. 

Der Apparat der Weinejjigfabrilation be 
fteht nad der in Frankreich fait ausſchließlich bes 
nußten ſog. Orldansmethode in einer dem Umfang 
des Betriebes angemejlenen Zahl von Weinfäflern, 
die, mit dem Spundloch nah oben gerichtet, auf 
Stollen gelagert find. Zur Beförderung der Luft: 
cirfulation find die Fäfler oben mit Löchern ver 
feben, und zum Ablafjen ift unten ein Habn ein- 

ejeht. Beim Beginn der Fabritation werden bie 
äffer zum etwa vierten Teil mit einer Miſchung 
von Wein und heißem Eſſig gefüllt. ft ver Wein 
ejäuert, jo fügt man allmäbhlih eine Mengen 
ſchen Wein⸗ zu, bis das Faß zur Hälfte gefüllt 
ft. Alsdann zapft man vor —— uſatz 
von Eſſiggut eine gleich große Menge fertigen Eſig 
ab, ber in einem Klärbehälter gejammelt wird. Hier 
ift der Eſſig vor weiterm Zutritt der Luft zu bewah⸗ 
ren; aud dürfen feine Reſte des Eifigpilzes mit in 
den Lagerbehälter gebracht werben, da diejer bei Ab» 
—— von Alkohol feine orgdierende Wirkung 
auf die Eifigfäure überträgt, wodurch dieſe teilmeiie 
in Roblenjäure und Waller verwandelt wirb und 
ein Schalwerden des Eifigs eintritt. PBafteur hat 
— ——— inſoſern abgeändert, als er 
uf die in Eſſig umzuwandelnde Fluſſigleit den Eſſig⸗ 
pilz fünftlih ausfäet. In Deutichland wird Wein⸗ 
ng nad einem verbeijerten und ga 
dandverfahren (D.R.P. Nr. 31363) von Ri 
Hengitenberg in Ehlingen am Nedar bergeftellt. Es 
verdient bemerkt zu werben, daß ber weitaus größte 
Zeil des ald «Weinefjig» Kuhn Eſſigs aus ge 
wöhnlibem, mit wenig Weineſſig verjegten, im 
günftig en Falle aus einem auf Weintreftern gela⸗ 
gerten Spritefjig befteht. Wirklicher Weineffig muß 
aus lauter Wein oder unter Verwendung größerer 
Mengen von Wein (mindeitens aber 20 Proz.) ber» 
geitellt werben. 

Der — — uni gehe Meife 
bergeftellt werben wie der Weineifig. Diefe Art der 
Darftellung ift aber durch ein weit vorteilbafteres 
Verfahren, die von Schutzenbach (1823) eingeführte 
re I lab verbrängt worden. 
Bei diejer lektern wird das in Eifig überzufüh- 
rende Ejfiggut (verdünnter, mit fertigem Eſſig ver: 
mifchter Branntwein) mit der atmojpbärijben Luft 
bei der erforderlihen Temperatur in die innigfte 
Berührung — und dadurch die Oxydation des 
Allohols zu 2 in der kürzeſten Zeit und mit 
dem geringften Berluft bewertitelligt. Dazu find 
ar eingerichtete Gefäße (Gradierfäfier, 
Eſſigſtänder, Eſſigbildner) erforberlih, von 
denen man je nad der Stärte des darzuſtellenden 
Eifigs zwei bis vier braucht, die zufammen wieder 
eine Gruppe ausmachen. Ein derartiges Gefaß ift 
in nachſtehender Figur abgebilvet; es ift aus ſtar⸗ 
tem eihenem Daubenbolz angefertigt, — m body 
und 1—1,3m weit. 20—30 cm body über dem uns 
tern Boden find in gleichen Abjtänden im Ums 
freife des Falles 6—10 Luftzuglöber m von etwa 
3 cm Durchmeſſer und mit etwas Gefälle nad ins 
nen angeordnet. Etwa 33 cm über dem Boden bes 
findet ſich ein Boden b, der ſiebähnlich durchlochert 
ift und auf den Rotbucenbolzipäne geihichtet wer 


Eifigferment 


ven. Die Späne werben, zu engen Spiralen zus 
\ammengerollt, jo wie man fie durch Hobeln von 
ginem Holz und nachheriges Trodnen erhält, an: 
gemendet. Nachdem bie Eijfigftänder mit den trod: 
nen Spänen beichidt worden find, fchreitet man 
yum Anläuern derjelben. Zu diefem Zwede gießt 
man erwärmten Eſſigſprit über die im Ständer bes 
Aindlihen Späne. Die angejäuerten Fäller bleiben 
4 bi8 48 Stunden bebedt ftehen, damit der Eſſig 
das Holz möglichft durchdringt. 18—25 cm unter 
dem obern Rand befindet ſich ein bölzerner, mit 
möglihft vielen feinen Löchern durchbohrter Sieb⸗ 
boden a. Damit das Sifiggut durch diefe Löcher in 
dünnen Strahlen über die Späne ſich ergießt, bringt 
man in die Löcher Bindfäden, die etwa 3 cm unten 
beroorragen und oben mit einem Anoten verfeben 


find, um zu verhindern, daß fie durch die Bohr: 


locher gleiten; die Fäden faugen das Eſſiggut auf 
und la 


en ed vom untern Ende auf die Hobelfpäne 
abtropfen. In dem 
ER Siebboden befin: 





* den ſich ferner fünf 
— —— bis acht größere 
Were! Bohrldcher von 
8—5 cm Weite mit 

durchgeftedten 


\\ Glasröhren von 10 
—15 cm Länge, bie 
der durch die Zug: 

x lödher von unten 
eindringenden, im 

9 Ständer ihres 
irre bes 
4 ee raubten > den 
— ee Austritt nad oben 
* — geſtatten. Der Eſ⸗ 
ſigſtänder wird mit 
einem gut ſchließen⸗ 
den Deckel d bedeckt, 
in deſſen Mitte ſich 

Es eine runde Off— 

j ; nung 1 befinet, 
durch die einerjeitö das Eſſiggut aufgegoflen, ans 
bererjeitö durch geringere oder weiteres Öffnen der 

Lujtaustritt geregelt wird. Infolge der Sauerftoff- 

abjorption entwidelt fi im Innern des Gifig- 

—— ſo viel Wärme, daß die Luft darin in 

trömung von unten nach oben erhalten wird. 

Nachdem die Effigftänder beihidt und eingefäuert 

find, giebt man da& vorbereitete Effiggut auf. Das 

aus dem erften Eſſigbildner abfliegende Cifiggut 
fommt in das zweite und fließt von da, wenn der 

Altobolgebalt der jäuernden Fluſſigleit 3—4 Proz. 

nicht überftieg, als fertiger Eifia ab. Die in einem 

Etänder nah unten gelangende Flüffigteit ſammelt 

fh in dem Raume u an und wird von da durch 

den Habn in das untergeftellte Gefäß abgelafien. 

Die Zufammenjegung des Eſſigguts ift verjchieden; 

bäufig beftebt ed aus 20 | Branntwein von 50 Bolum: 

prozent Alkohol, 40 1 Ejfig und 120 1Wafjer, ver man 
alt Nahrung für den Pilz einen Auszug von Rog- 
genmehl und Kleieoder etwasNährjalzlöfung (. oben) 
zuiest. Die Ejfigftube ſoll bis auf 20—24° C. ers 
wärmt fein, in den Eſſigſtändern fteigt die Wärme 
aber bis auf 36° und darüber, wodurch infolge der 

Berdunftung von Alkohol und Eſſigſaure ein Ber: 

luft von über 10 Proz. ftattfinde. Mit Rüdjicht 

auf diefen Berluft farın man annehmen, daß 1 hl 

Branntwein von 50 Bolumprozent (= 42 Gewichts: 


— Eifigjäure 


251 


prozent) Alkohol 7,» hl Eſſig von 5 Bros. Eifipfäures 

Beier liefert. Für den Verſand iſt e8 am vorteils 
afteften, nur den ferien Eifig (Eifigfprit) dar 

ag — ben ine‘ F des —— * 

aſſer zu nnen; auch iſt zur Erzielung 

ter Saltbazfeit und Reinheit das nnd ec 

und Filtrieren, wodurch die Cifigälen vernichtet 

und entfernt werben, zu empfeblen. 

Die zweite Methode der Darftellung von Speife 
eifig durch Berbünnen reiner Eifigfäure mit Wajler 
macht neuerlich, infolge Berbilligung und Verbeſſe⸗ 
rung der Herftellung reiner Gifafdure, der Schnell: 
eiglabrilation mitteld Altobol erhebliche Kontur: 
renz. Zur Herftellung von Eifig wird ber reinen 
Eifigfäure jo viel Waſſer Gnnugelet bis der Eifig 
einen Gehalt von 5 Proz. Ejfigiäure zeigt. Solder 
Gifig wird vielfach durch etwas Eſſigather oder durch 
Gewürze (3. B. Eitragon) aromatisch gemacht. Zur 
Gebaltsermittelung des Eſſigs bedient man ſich noch 
häufig des Acetometers (f. d.). — fiber die Fabrila⸗ 
tion von Holzeffig f. d. 

ol. Bafteur, Etudes sur le vinaigre (Par. 1868); 
Berih, Die E. (4. Aufl., Wien 1895); derf., Der 
rationelle Betrieb der E. (ebd. 1900); Fontenelle, 
Handbuh der €. (7. Aufl., von ®. von Ziegler, 
Weim. 1895); Brannt, Practical treatise on manu- 
facture of vinegar (2. Aufl., Zond. 1901); Frande, 
Manuel pratique du fabriquant de vinaigre (Bar. 
1901); Zeitfchrift für Effiginduftrie (Berl. 1895 fg.); 
Die deutihe Eſſiginduſtrie (ebd. 1897 fg.). 
eifi ent, |. Fermente und Eſſigfabrilation. 

@ffigfliege (Drosophila funebris F), eine 
etwa 4 mm lange, plump gebaute, rojtgelbe, am 
Hinterleib ſchwarz gezeichnete Fliege aus der Fa⸗ 
milie der Oemeiningen, Sie fliegt langjam ſchwe⸗ 
bend in Rellereien, Speifetammern u. f. w. umber, 
wo ihre in von Pflanzenjäuren durchtrankten 
Subjtangen, wie in faulem Obſt, eingemachten 
Früchten, an Wein, Bier: und Eſſigfäſſern leben. 
figgärung, |. Eifigfabrifation. 
figgeift, joviel wie Aceton (f. d.). 
figgut, Effigfahm, f. Cifigfabrilation. 


Einemeiler, f. Acetometer. Bffgfabritation. 


gmutter, Eſſigpilz, 
figuaphtha, joviel wie fäureätber (f.d.). 
Br ware, sl "COOH, nad = 


fi 
gfäure, H,O, = CH,- 
Ametfenjäure, H-COOH, das nädjte Glied in ber 
Reihe der fog. Fettläuren. Sie fommt fertig ges 
bildet in manden Pflanzenfäften und in tierijchen 
Slüffigleiten, 3. B. im Schweiß, vor und ift nad) 
verjhiedenen Methoden ſynthetiſch erhalten worden. 
Sie entfteht durd die Oxydation des gewöhnlichen 
Ütbylaltobols nach folgender 8 

—9— -CH,OH + 0, = CH, -COOH + H,0. 

Der Altobol läßt ih durch Blatinmobr orydieren; 
ur u bereitung im Großen benußt man aber die 
5 & gärung (j. Effigfabrifation). Dieſe Eſſig⸗ 
gärung findet au beim Sauerwerben des Biers 
oder Weins ftatt (Biereffig und Beineffip) E. ent» 
ſteht ferner bei Fäulnisprozefien und bei der trod⸗ 
nen Deftillation jauerftoffreicher or ER Stoffe. 
Bedeutende Mengen von €., Holzeilig (}. d.) werben 
dur Deftillation des Holzes gewonnen. 

Aus diefem Holzeffig wird reine konzentrierte E. 
erhalten, indem man ihn durch fraftionierte Deitil: 
lation von Holzgeift und dem größten Teile der 
teerigen Beitandteile trennt und dann durh Soda 
oder Kalkmilch in das Natrium: oder Kalkjalz über: 
führt. Die Salze werden zur Trodne verdampft 


252 


und auf Temperaturen von 200 bis 250° erbigt, um 
die legten —— Beimengungen zu zeritören. 
Durh Deftillation der Salze mit lonzentrierter 
Schwefeljäure und nochmalige Deftillation über Ras 
liumbihromat erhält man dann reine E. mit nur 
wenigen Prozenten Wafjer. Durch Abkühlen ver: 
— man das Auskryſtalliſieren ganz waſſerfreier 
E. Dieje N eine ftehend ſauer riechende, llare, 
farblofe Flüffigteit, die bei 16° in großen Kryitallen 
eritarrt (Eis eſſig, Acetum glaciale). Sie ſiedet 
bei 118° und befigt hochſtens da fpec. Gewicht 1,056. 
Der Dampf brennt mit blauer Flamme. Der Eis— 
eilig ziebt energifh Waſſer an, indem ſich er 
das Hydrat C,H,O, + H,O mit dem fpec. Gewicht 
1,orı bildet. Bei weiterer Verdünnung nimmt dann 
das ſpec. Gewicht wieder ab. Im Handel fommen 
neben dem ganz mwajjerfreien —** noch die höch⸗ 
ſtens 4 Proz. Waſſer enthaltende E. (Acidum ace- 
ticum) und die verbünnte E. des Arzneibuches 
Acidum aceticum dilutum) mit 30 Proz. E. vor. 
tere beißt im Handverlauf ſchlechthin E. 
Konzentrierte E. wirkt ftarl atzend und zerjtört 
die Haut fofort unter Blafenbildung; fie dient als 
Riehmittel und, mit der gleihen Menge Waſſer 
verdünnt, zum Ügen von Warzen und Hübneraugen. 
Auch ift ie ein ausgezeichnetes Löfungsmittel für 
viele Stoffe (Öle, Rampfer, Harze, Schießbaummolle, 
auch Phosphor und Schwefel in Meinen Be) 
und findet in ber särberei und Teerfabrilation An: 
wendung. Die €. löft fi in Waſſer, At Al: 
tobol, Chloroform, Glycerin in jedem Ber ältnis. 
Sie ift eine ftarte einbafifhe Säure, rötet Ladmus, 
geht mit den Oryden der Metalle leicht lösliche 
alze (f. Siigiaure Salze) und treibt aus den Car: 
bonaten die Koblenfäure aus. Durch Erſetzung ber 
Waſſerſtoffatome der —— in der €. ent: 
eben Subftitutionsprobdulte, 3.8. Mono:, Di: und 
rıhloreffigfäure, CH,CI- COOH, CHCL - COOH 
und CC, -COOH, Säuren, die in ihren Eigen: 
ſchaften der E. ähnlich find und von denen die Tri: 
bloreifigfäure Mor zerfließliche, rhom⸗ 
boedriſche, in Wafler, Weingeift und Ather [ösliche 
Kryſtalle bildet, al? Acidum trichloraceticum offi: 
jinell ift und als Utzmittel Verwendung findet. 
@ffigfäureamülcfter, CH, -COO Hys, Ber: 
bindung der Gifigfäure mit ee tie: 
keit vom Siedepunkt 140°, (S. auch Birnätber. 
Effigfäureanhydrid, leitet fi von der Eifig: 
fäure dadurch ab, daß zwei Moleküle ſich unter Aus: 
tritt von Waſſer verbinden: 
2CH, - COOH = CH, -CO-0-CO-CH, + H,0. 
Man ftellt es dar, indem man forgfältig getrodnetes 
eifigfaures Natrium mit Wbospbororn lorid oder 
bei 140° mit Phosgen behandelt und das Deftillat 
reltifiziert. Das E. ift eine bewegliche, ftechend 
riechende, bei 137° fiedende Zlüffigleit vom fpec. 
Gewicht 1,075. An feuchter Luft nimmt es allmäb: 
lih Waſſer auf unter Rüdverwandlung in Eſſig⸗ 
äure. Es ift ein viel benutztes Reagens, indem es 
Itobole ſowie primäre und fetundäre Ammonial: 
bajen in Acetylverivate überführt. 
Eiffigfäureäther, Eſſigäther, Effigefter, 
C,H,0, = CH, -COOC, H,, eine Verbindung der 
Eifigfäure mit dem gewöhnlichen Athylalkohol, die 
Kine Klaſſe der Ejter (f. d.) gehört. Die Eſter der 
halte mit andern Allobolen, mit Ausnahme 
des — ———— . d.), baben eine geringere 
ung. 


t Man gewinnt den E. am beſten, indem 
man ein 


emenge von Alkohol und konzentrierter 


Eifigfäureamplefter — Eſſigſaure Salze 


Schwefelfäure mit Effigfäure oder eſſigſaurem Na» 
trium erbigt, wobei die folgende Realtion ftattfindet: 
CH,-COOH + C,H,0H = CH,-C00C, H, + H,O. 
Der rohe E. deftilliert Aber, wird mit einer lonzen⸗ 
trierten Loſung von Chlornatrium gejhüttelt, um 
allen Altobol zu entfernen, der Sfler abgehoben, 
über Chlorcalcium getrodnet und reftifjjiert. Der 
E. ift eine ſehr bewegliche, farblofe, neutrale Fluſſig⸗ 
teit von ftarlem, angenehm erfrifchendem 8, 
fiedet bei 77°, bat das fpec. Gewicht 0,924 bei 0”, 
u fih in jedem Verhältnis mit Allobol und 
üther und löft fich in der 14fahen Menge Wafler. 
Er ift als Aether aceticus ojfizinell und findet als 
anregende Mittel mebiginilch Anwendung, tech 
niſch als Loſungsmittel und in der Liqueurfabri: 
tation und Parfümerie. Im Großbandel koſten 
100 kg €. (1903) 175 M. 

Sffigfaure Salze oder Acetate entjteben, 
indem in ber Effigjäure, CH, -COOH, der Waijer: 
ftoff der Carborplgruppe durch Metalle erſetzt wird. 
Sie bilden fi, indem wäſſerige Eifigfäure durd 
die Metalloryobyprate neutralifiert wird, oder ins 
dem Gifigfäure auf die foblenfauren Salze ver Me 
talle wirkt; einzelne Metalle löfen fi in Eifigfäure 
unter Entwidlung von Waſſerſtoff zu eifiglauren 
Salzen, fo namentlid Eifen und Zink; mande Ace 
tate laſſen ſich erhalten, indem man eſſigſaures 
Blei dur das ſchwefelſaure Salz des betrefjienden 
Metalls zerlegt. Als einbafiihe Säure kann die 
Eijigfäure nur eine Reihe von Salzen bilden; bie 
Ammoniums, Raliums und Natriumfalze haben 
aber die Eigenfhaft, jog. Diacetate oder ſaure eſſig⸗ 
Br Salze zu bilden. Mande der mehrw en 

etalle geben bafıfhe Salze. Bon den neutralen 
Salzen ift nur das efjigfaure Silber und das Qued⸗ 
filberorybulacetat in Waſſer ſchwer löslib, alle 
übrigen find leicht loslich, viele find auch in Altobol 
löslich; die meiften Erpftallifieren. Bei trodner Er: 
bigung geben einzelne Salze unveränderte Gifatäume 
ab, andere werden dabei zerjeßt und liefern Aceton 
(ſ. d). Beim Erbigen mit Natrontalt liefern fie 

ethan oder Sumpfga®, CH,, und kohlenſaures 
Salj. Bon den zahlreichen hierher gehörenden Sal: 
zen jind namentlich zu nennen: 

1) Aluminiumacetat, eſſigſaure Thon: 
erde, eriftiert ald neutraled Salz, AL(C,H,O,), 
nur in —25 Löfungen und wird erhalten, in: 
dem ſchwefelſaure Thonerde durch eſſigſaures Blei 
zerſeht wird. Diefe Flüffigkeit findet ald Rotbeize 
vielfach Verwendung in der Färberei. Als antijep- 
tiſche und mild adftringierende Flüffigkeit zu Umſchlä⸗ 
gen u. ſ. w. in der Medizin benugt, wird die als Li- 
.. Aluminii acetici offizinelle Aluminiumacetat- 

jung durh Eintragen von Galciumcarbonat in 
eine mit eihgjäute verjeßte Aluminiumfulfatlöfun 
bergeitellt. Bei gelindejtem Erwärmen oder ja 
beim Eintrodnen an der Luft zerjeßt fi die Pöjung 
unter Freiwerden von Eifigläure und Bildung von 
unlöslichem bafifhem Salz, ALO(C,H,0,). 

2) Ammoniumacetat, eſſigſaures Am- 
monium, C,H,0,-NH,, entjtebt al weiße rvftal- 
liniihe Salzmaſſe beim Sättigen von Eisefjig mit 
mwajlerfreiem Ammonial. Cine wäflerige, 15 Proz. 
des Salzes enthaltende Löfung ift der offizinelle 
Liquor Ammonii acetici oder Spiritus Mindereri, 
ein fhmweißtreibendes Mittel. Saure Ammonium: 
acetat, C,H,0,-NH,+C,H,O,, entjtebt als ölige, 
fryftalliniih erftarrende ylüffigleit beim Grbigen 
eines Gemenges von Raltumacetat und Salmial, 


Eifigjaures Bleioxyd — Eifipoff-Lefchetigfi 


3) Nruumacetat faurer Barpt, 

— On H,0,) —— * Sm von kohlen ſau⸗ 

— es kryſtalliſiert bei 0° mit 

{Auen Das mwaflerfreie Salz ift nicht 

— Exbipen liefert e8 Aceton. Cal⸗ 

tiums, —— en und Strontiumacetat 
verhalten fih im wejentlihen wie Baryumacetat. 


4 Bleiacetat, ——— — yd, 
aeuttales, 40 a)a + 3H,0, i [eis 
mder(j.d ). Das afitde Salz, Pb,(O CH, O.), 


H der Bieieffig (j.d 
5) — a. Eiſenoxydulacetat, 
et Sn planzen Gijeno ydul, 
6* Din e+4H,O, entſteht beim dien von 
en in jäure oder durch Zerjegen von Blei: 
der mit at in äquivalenten Meng — 
legterm Falle ſcheidet ſich unlosliches 
Hub 


aures Blei aus, die davon abfiltrierte = 
binterläßt nad dem Verdampfen bei Lu 

Meine grünliche Kryſtalle des Salzes. Eine * 
fung des Salzes wird in ber Färberei als an 
(Shmwarzbeize) verwendet und für dieſe 3 
entweder durch egung von effigfaurem Kalt mit 
Eifenvitriol oder durch Löfen von metallifhem Eifen | d 
in robem Solgel ig dargeftellt. — iſt das ſog. 
bolzjaure en des Handels, eine re: ries 
ende jlüffigleit won_1,0s5 fvec. Gewidt. — 
b. Eijenorydacetat, en Aal igſau— 
res Sllınszob, ‚(C,H,0, nn nur 
in febr leicht zerfeßbarer eh * — werden. 

6) Raliumacetat, GH,0,-K, eſſigſaures 
Kalium, Kalium aceticum, Terra foliata tartari, 
wird erhalten, indem man Effigfäure mit reinem 
toblenjaurem Kalium neutralifiert und zur Trodne 
verdampft. E3 ift ungemein leicht loslich in Wafler. 
Bei ftärterer ie! ſchmilzt eö ohne —* und er⸗ 

ftarrt bei zu einer kryſtalliniſ ®. Es ift 
Ber in Altobol löslich rn aber aus diefer Loſung 
durch Uther gefällt. Die offizinelle Raliumacetat: 
—— (Liquor Kalii acetici) enthält ein Drittel 
alzes in Wafler gelöft und wird als harn⸗ 
treibendes Mittel verwendet. Das ir faure e Salı 
oder Kaliumbiacetat, C, 
entjtebt beim Löjen des neutralen * a Eh 
fäure; läßt man die Löfung über Schwefelfäure ver: 
dunften, jo ſcheiden fi Kryſtalle ab, die 6 Moleküle 
Waſſer enthalten. Außer diefem Sal; eriftiert noch 
eine —— ED mit F fäure, das fa: 
liumtriacetat, C,H, 0, 

7) Rupferacetat, h u Cu, € i fau: 
res Aupfer, entftebt be eim Böen von Kupferoryd 
in ————— und Verdampfen een | 5 

bei das Sala, mit 1 Molekül Waſſer verbunden 

ent Es bildet Heine glänzende grüne Kry: 

5 Zeilen heißem und in 13 Teilen 

A Waller sic © Altohol ſchwer, in Ather 

aber unlöslih find. (S. Grünfpan und Schwein: 
furter Grün.) 

8) —————— C,H,0,-Na+3H,0, 

eifigjaureä Natrium, Natrium aceticum, 

erra foliata tartari —— entſteht bei 

der  Reutzliation von Eſſigſaure mit koblenjau- 

tem Natrium. Es bildet fhöne große Kryſtalle, die 

bei gewöhnlicher Agnes rang in 2,3 Zeilen, beim 

Sieden in U,5 Teilen Waſſer, auch leicht in Wein: 

geift löslich find. Das waflerfreie Salz ift in 
wallerfreiem Altobol unlöslid. Das trpftallifierte 
Sal; giebt fein Waſſer unter Schmelzung bei 100° 
ab, wajlerfrei ſchmilzt ed ungerjegt bei 819°. 


253 


a Sal; abforbiert begierig Feuchtigkeit aus 
der Luft. Mit Effigfäure bildet es ahnliche Ver: 
bindungen wie das aliumacetat. Natriumacetat 
ift offizinell und dient in Loſung ald mildes, harn- 
treibendes Mittel, 
9) Quedfilberacetat, effigfaures Qued— 
—— —— dul wie das Oxyd 
ehen Verbindungen mit ein. Da} 
Sutaniiberonneulaseat, | Os), ents 
jebt als weißer, aus Koalition eftebender 
tiederfchlag beim Bermiihen von Löfungen von 
—— Quedfilberorybul und eſſigſaurem 
tatrium, ift in 133 Zeilen taltem Waſſer löslich, 
erjegt fih beim Kochen mit Waſſer unter Aus: 
beidung von Metall. ——— Aid 
Hg(C,H, O,), dur Loſen von Due lberoppp | in 
Eiligfäure zu erhalten, kryſtalliſiert in 'bierfeitigen 
Tafeln, löft fi im gleichen Gewicht fiedenden, in 
4 Teilen kalten Waflerd und giebt bei dauerndem 
Kochen Säure ab. Das trodne Salz läßt fich bei vors 
Rat emGrbigen — ohne Säure zu verlieren. 
10) Silberacetat ehe aured Silber, 
* —— als wei ftallinifcher Nie- 
chlag beim Bermifhen von Löjungen von Gil: 
bernitrat und NRatriumacetat, löslich in 100 Teis 
len kaltem Waſſer, leicht 18lich i in Säuren. 
11) Bintacetat, an dlanres al Zin- 
cum aceticum, Zn(C,H, Os)a, bildet ſich beim Neu- 
tralifieren von Sinefäur mit Zintoryd oder ioblen⸗ 
aurem Zink. Nah dem Verdampfen der Löjung 
cheidet es fich inweißen, perlmutter ae ſechẽ⸗ 
eitigen Tafeln ab, die 3 Moleküle Waſſer enthalten. 
ei ſtarlem Grbigen fublimiert faures Salz, wäb- 
rend zugleich ein Teil in Aceton und Roblenfäure vers 
wandelt wird. Binkacetat ift offizinell und wird os 
wohl innerlid als Beru we rg bei nervöfen 
—— und als Brechmittel, als auch äußerlich 
— —— zu Augenwäflern, Einfprigungen, 
Verbänden u. f. m. angemenbet. 
— Bleioxyd, ſ. Bleizuder. 
eree Eifigftänder, |. Eſſigfabrilation. 
figft Era eine innere Berbrauds 
* und 
—— 
vom 


ſſteuer auf 
fäure. In der Norbdeutihen Braus 
emein ft wird die E. wie die Braufteuer 
Dal und den unter Bierfteuer genannten 
ae erhoben (Gejeg vom 31. Mai 1872, $.2). 
In Belgien wird eine E. von allen zu Gärungs: 
zweden und zur Aufbewahrung dienenden Gefäßen 
der Effigfabritation erhoben. Zur Zeit werden von 
je 1001 Raumgehalt dreimal im * 4 Frs. (ab⸗ 
glich 18 Proz.) entrichtet. anfreich ift der 
u! Fe —* * Prozentſaß der Eſſigſaure im 
Eſſig A: r 1001, N au kg kryſtalli⸗ 
ſiene 3 yes 62,0 Fr 
—* en Krankheit des Wins und Biers, 
* dur Anfiedelung von Bacterium aceti Z f, 
des Eſſigpilzes (f. Ejfigfabrikation), in den Getränten 
roorgerufen wird, aber zu ihrer Entwidlung aud 
noch längern Luftz utritie⸗ bedarf. Der E. beruht 
auf einer Orpbation des Allohols zu Eſſigſäure. 
Vom E. befallene Biere und Weine können nur noch 
zur Eifigfabritation verwendet werben. 
Effigweinfaure Thonerde, |. Weinfäure. 
Eifipoff: Leſchetitzti, Annette von, ruſſ. Pia; 
—— geb. 1. Febr. 1851 zu Beteräburg, ı murde am 
Konjervatorium dafelbft unter Leſchetißli gebildet, 
mit dem fie jeit 1880 vermäblt it. Sie bemäbrte 
ſich auf Konzertreifen, die fie jeit 1875 in Europa 


Das | und Amerita unternahm, als eine der erften leben: 


254 


ben Pianiftinnen. 1885 wurde fie preuß. Hofpia- 
niftin. Ihr Spiel ift mehr ſtark accentuiert und 
leidenſchaftlich als gefangvoll und mufitaliich fein. 

Eflair (ipr. -lä I dinand, Schauſpieler, 

eb. 2. Febr. 1772 zu Eſſegg in Slawonien, war in 
feiner gend Soldat und ging 1795 in Innsbruck 
ur Bühne, wurde dann Mitglied des Theaters zu 
lau, wandte ſich 1797 nah Münden und von 
* 1788 nach Prag. 1800 entwich E. aus Prag und 
pielte nun erſt in Augsburg, dann in —— 
und Salzburg, wurde bier flüchtig und fam Ende 
1801 nad Nürnberg, wo er bis Dez. 1806 blieb, 
feit 1805 als Mitdirektor. Er ging dann nad) Stutt: 
art, wirfte 1807—12 in Mannheim, 1812—14 am 
arlöruher, bis 1816 am Stuttgarter Hoftbeater 
und feit 1820 als lebenslänglihes Mitglied und 
Regiſſeur an der Munchener Hofbühne. Er jtarb 
10. Nov. 1840 in Muhlau bei Innsbruck. E. glänzte 
befonders in Heldenrollen und der Darftellung 
bürgerlicher Charaltere. j , 
ling, Eßlingen, Dorf im Gerichtäbezirk 
Großenzersborf der öfterr. Bezirlshauptmannſchaft 
ridsdorf in Niederöfterreich, bei Wien, am linten 
onauufer, im Marchfeld an der Dampfitraßen: 
bahn Wien:Grofenzersdorf, hat (1900) 623 €. €. 
iſt befannt durd die Schlaht am 21. und 22. Mai 
1309 (f. Aspern und Eßling), von welder ber 
Marſchall Maſſena (f. d.) den Titel eines Fürften 
von €. erhielt. 

Ehlingen. 1) Oberamt im württemb. Nedar: 
treiß, hat 137,66 qkm und (1900) 47820, (1905) 
52060 E., 1 Stadt und 15 Landgemeinden. — 
2) Oberamtsjtadt im Oberamt E., ehemals ſchwäb. 

— ie Reichsſtadt, 10 km dt: 
> lid von Stuttgart, in 240 m 

Höhe, reht3 am Nedar, über 
den eine 1286 erbaute und 
1838 reftaurierte, 26,3 m 
lange Brüde führt, und an 
der Linie Ulm:Stuttgart der 
Mürttemb. Staat3bahnen, 
Sig des Dberamtes, eines 
Amtögeriht3 (Landgericht 
Stuttgart), Kameral⸗, —— 
Hauptſteueramtes und Bezirlslommandos, iſt noch 
jegt mit 1216 vom Kaiſer Friedrich II. erbauten 

auern umgeben und bat (1900) 27 325 E., darunter 
2760Ratholiten und 133 Jsraeliten, (1905) 29145 €., 
Poſtamt erſter Klaſſe, Fernſprecheinrichtung, Altiens 
bant, Gewerbebank, Konjum: und Sparverein, Ret⸗ 
tungsanitalt, israel. Waijenhaus, Kranlenhaus, 
St. Clara⸗Hoſpital, Haus der Barmberzigleit, Gas: 
anftalt,elektriiche Gentralftation; ein evang. Lyceum, 
vor 1886 Pädagogium, Realanſtalt (Healjchule), 
Schullebrerjeminar(1811 —— Präparanden: 
anftalt, böbere Mädcenicu e, Induſtrieſchule. Uns 
ter den Öebäuden zeichnen ſich aus: die Dionyfius: 
Stabt-)lirhe mit zwei Türmen, Pfeilerbafilita im 

bergangsitil, im 11. Jabrb. gegründet, im 14. und 
15. zum Zeil umgebaut, mit alten gemalten Chor: 
fenftern, ſchönem Lettner und Salramentshäuschen 
von 1486, die katholijche frühgot. St. Paulskirche, 
1268 vollendet, die jhöne jpätgot. Liebfrauentirche, 
ein Hallenbau mit ſchlanken Pfeilern, 1406—1522 
von Ulrich von Enfingen und feinen Söhnen und der 

amilie Böblinger ausgeführt und 1862 unter Egles 

itung reftauriert; fie gt trefflibe Stulpturen an 
den drei Portalen (im Bogenfeld des Südportala 
das Jungſte Gericht), Shöne Gladgemälde im Chor 


—— 





Eßlair — Eflingen 


unb neben der Orgelbühne die Grabfteine von Hand 
und Matthäus Böblinger; der jhöne durchbrochene 
Turm (75 m), 1520 vollendet, ift auf 267 Stufen 
zu erjteigen und gewährt eine peüchtine Ausjicht auf 
die Stadt, das Nedartbal und die Alb. (Val. Pfaff, 
gen der Frauenlirhe in E., Ehling. 1863; 
Egle, Die Frauenkirche in E., Stuttg. 1897.) Noch 
böber it die ebemalige faiferl. Burg Perfried, 
mit ftattlihem Edturm. Gegenüber dem Rathaus, 
ehemals Schloß des Grafen Alerander von Würt: 
temberg, liegt das alte, 1430 erbaute Rathaus, 
einft das «Steinerne Haus» genannt; —— das 
rübere Gerichtsgebäude für den Nedarfreis, das 

olfäthor (1216) mit ven fteinernen bobenftauftfchen 
Löwen und das im altdeutihen Stil 1882 renovierte 
Haus der Familie W. Bauſch. Auf der mit Anlagen 
verjebenen Maille, einer Inſel in Nedar, befindet 
fi die Erzbüſte des Hiftoriters Karl Pfaff. 

Die bedeutende Induftrie (etwa 80 Fabrilen) 
erftredt ſich auf die yabrilation von Gold», Silber:, 
Neufilber:, ladierten und filberplattierten Waren, 
Del, Meßwerlzeugen, Knöpfen, Leder, Hand⸗ 

uben, Tertil:, Spielwaren, Ol, Farben, Seife, 

fig, Senf, Champagner, ferner auf Zolomotiven- 
(2000 Arbeiter) und Mafchinenbau, Kammgarn⸗ 
ſpinnerei (1000 Arbeiter), Baummwollipinnerei (41000 
Spindeln), große Bierbrauereien und Kunftmühlen. 
Hervorragend iſt auch der Wein:, —* und Ge 
müjebau. In der Nähe —* ländlicher Abge⸗ 
ſchiedenheit die n= und —5——— Ken— 
nenburg und das konigl. Luſtſchloß und Geſtüt 
Weil, ehemals Dominilanerinnenlloſter, mit treff⸗ 
licher Viehzucht. — €. (Hetsilinga, Ezzelingin im 
Mittelalter) wurde um die Mitte des 8. Jahrh. ge 
gründet, gehörte in der älteften Zeit zum Nedargau 
ded Herzogtums Schwaben und war ſchon 1077 
ummauert, ald Rudolf von Schwaben bier jeine 
Anhänger verfammelte; infolgedejlen zerftörte es 
Heinrich IV. Unter dem Schuße der Hobenftaufen 
gedieh der Drt jedoch wieder ſchnell und erbielt 1209 
von Kaiſer Dtto IV. die Rechte einer Freien Stadt 
des Reich; fie wurbe 1216 von Kaifer Friedrich II. 
befeitigt und gehörte zur Niederſchwäbiſchen Land: 
vogtei. Hier wurde 1488 der Schwäbiſche Bund 
errichtet; auch beſtand bier bis 1733 eine reichsfreie 
Nitterjhule, und 1567 und 1571 ward ber 
wegen die Univerfität von Tübingen bierher verlegt. 
Der Reformation ſchloß ſich E. En 1531 an. 179% 
Im bier ein Treffen zwijchen den Franzoſen unter 

oreau und den Öfterreichern ftatt. Die fortwäbren: 
den Fehden mit dem Haufe Württemberg, welches 
das Reichsſchultheißenamt in der Stadt bejaß, endig⸗ 


ten 1802, ald Stabt und Gebiet dem tum 
Mürttemberg zugeteilt wurde. — Bal. Karl Pfafi, 
Geſchichte der Reichsſtadt E. (2. Aufl. mit Er: 


gänzungäbeit, Ghlingen 1852); Ströbmfeld und 
dhnorr, E. in Wort und Bild (ebd. 1890); K. 9. 
©. Pfaff, Chronik der Stadt E. 1802—95 (ebv. 
1896); Urkundenbud der Stadt E. (Bd. 1, bearb. 
von Diehl und Pfaff, Stuttg. 1899). 
Ehlingen, Dorf in Oſterreich, ſ. Ehling. 
Ehlingen, der Schulmeiiter von, fahrender 
Spruchdichter des 13. Jahrh., der den Titel Schul: 
meifter wohl nur ald Spiknamen fübrte, bat in 
or polit. Sprüchen mit rüdjihtslojem, aber 
ochſt amüjantem Wis die Habgier und den = 
Rudolf von Habsburg verböhnt. Eine Auswah 
feiner Dichtungen entbält von der Hagens Samm- 
lung der «Minnefinger»(4 Bde., 2p3.1838), Nr. 96. 


Efionne — Eſte (Stadt) 


Ekſonne (pr. efiönn), linter Nebenfluß der Seine 
n den kanz. Depart. Loiret und Seine: et:Dife, 
afeht an der Grenze des Waldes von Orleans im 
datt, Loiret Durch Vereinigung des 40 km langen 

der Bithiviers berührt) und der fürzern Ri⸗ 
nude. Die E. fließt über Malesherbes nah N., 
ummt die Juine auf, berührt den Induſtrieori 
Efionnes ({. d.) und mündet nad einem Laufe von 
#% km (100 km bis zu ben Quellen des Deuf) bei 
Gorbeil, in 30 m Höbe, in die Seine. 

Efiounes (jpr. efiönn), Stadt im Arrondiffement 
und Kanton Eorbeil des franz. Depart.Seineset:Dife, 
1', km Pe von eil, an der Eſſonne und 
an der Linie Baris: Montargid:Sens via Eorbeil 
ga Serra in 34m Höbe, hat (1901) 
7073, old Gemeinde 9374 E., eine Kirche aus dem 
12. und 545* Bernardin de St. Pierres Haus; 
Kupfer: und Eifengießerei, Maſchinenbau, bedeu⸗ 


tende Bapierfabriten, Mühlen, Baummollipinnerei, 
RX Brennereien und Kallofen. 

Eitabäl, noch vorlommendes älteres f 
Zängenmaß, das in Gaftilien 4 Baras oder 12h 
begrifi = 8 24062 m, im Verlehr aber, namentli 


der andern Provinzen, abweichende Größen hatte, | E 


zwifchen 5", und 15 Fuß fhwantte und ala Wein: 
gartenma' bisweilen zu 11 Fuß gerechnet wurde, 
Eftadio, Stadium, Stadion, älteres Weg: 
maß Spaniens und —— war in Spanien .. 
der jchon 1658 geſetzlich eſcha en, aber öfters 
noch vorlommenden juridifhen Wegftunde (Legua 
jaridica) oder */, der juridifchen Meile (Milla juri- 
dica), und wurde zu 125 Schritt (Pasos) oder 
625 (Pi6es) gerechnet = 174,147 m. or⸗ 
wo der €. bis 1868 ea war, bilbete er 
"ja Der Milha oder Heinen Meile oder */,, der Legoa 
oder großen Meile und war = 258,207 m. 
ädo, jpan. Pängenmaß, ſ. Faden. 
—— frz.) oder Stafette, reitender Eil⸗ 
bote. Beförderung von afettenfendun en 


und Kurierreiſenden durch die Boft findet in Deutſch⸗ 
land nicht mehr ftatt. Dagegen beftebt eine ſolche 
in Oſterreich Ungarn und in Rußland. 


Eftagel (jpr. -ajhell), Stadt im Kanton Latour: 
be: France, Arrondifjement Perpignan des franz. 
—— ————— am Aglg, der bier 
lin den Berbouble aufnimmt, bat (1901) 2774, 
ald Gemeinde 2789 E., eine Statue des ne gebo⸗ 
renen Aſtronomen Arago; Wein: und Dlivenbau, 
Honig:, Getreide⸗, Wein: und Branntweinhandel. 
Eſtaires (ipr. eſtahr), Stadt im Kanton Mer: 
ville, Arrondifjement Hazebrouf des franz. Depart. 
Nord, an der zur Schelve gehenden Lys und an der 
Linie Armentired:BerguettesSt. Omer der Franz. 
Nordbahn, bat (1901) 3597, als Gemeinde 6635 E., 
ein Rommunal-Eollöge, eine Spartaffe, ein Waiſen⸗ 
us; Zeinenfabriten und :Bleichen, Sabriten von 
majttafeljeug, Stärte, Seife und Ol. 
Eſtajo, meril. Flächenmaß, f. Almude. 
takade (frz.), eine unter Waſſer angebrachte 
Berpfäblung zum Adiperren des Fahrwaſſers. 
Estamento Ion.) Ständeverfammlung, den 
Gortes in Spanien entiprechend. 
Eitamin, Kleiderfutterzeug, |. Etamin, 
Estaminet (fr3., jpr. * in Frankreich und 
ien ein Kaffeehaus, wo geraucht werden darf. 
‚ Estampe iftz., jpr. eitängp), Bild als Abdrud 
einer Blatte, beſonders Kupjerſtich, —— 
Eitampes (jpr. etängp), Stadt in Frankreich, 
[. &tampes. 


255 


Eftamped (Etampes, ſpr. etängp), Anna von 
ana — von, Geliebte L von 
on, 


anfreih, Tochter Antond von 0 * 
—— bei der Her⸗ 


1508, war —* Mee d'Heill 
zogin von Angouldme, der Mutter des Königs, und 


trat diefem 1526 bei jeiner Rüdtebr aus der fpan. 
Gefangenſchaft näher. Bald —*— ſie ihn du 
Schönbeit, Geiſt und ihren litterariſch und fünftlerif 
fein gebildeten Sinn dergeſtalt r fefleln, daß er 
ihr die Stelle —— bisherigen Geliebten, der Gräfin 
von Chäteaubriand, einräumte. Bei ihrer Schein: 
beirat mit Jean de Brojie 1536 befchentte er fie mit 
der zum Herzogtum erhobenen Grafihaft E. Um 
on und die ihrer Gegnerin Diane de 
oitiers (f.d.), der Geliebten des Dauphin Heinrich, 
ruppierten ſich die Parteien, welde in Franz 
päterer Zeit den Hof jpalteten. An allen ragen 
der Regierung war fie damals ftarf beteiligt. Nach 
dem Tode Franz’ I. 1547 wurde fie auf * 
der Diane de Poitiers auf ihre Güter verwieſen. 
Sie trat nun zu den Hugenotten über und leiftete 
ihnen gelegentlichen Vorſchub, lebte aber jonit zubi 
bis an ihren 1576 erfolgten Tod. — Bol. B. Paris, 
tudes sur Frangois I, Bd. 2 (Par. 1885). 
Eſtaucia (fpan., «MWohnung»), in den fübameril. 
Bampas Name der Befigungen, die zur * 
beſtimmt find; Eftanciero, Beliger einer E. 
Sonft in Südamerila überhaupt einem Heinern 
Landgut entiprechend. 
Shaples, Jacques le eure d’, ass: b. 
Estatüto reäl (ipan., «tönigl. Statut»), das 
Verfaſſungsgeſeß, welches die Königin » Regentin 
Maria Ehrijtina von Spanien 10. April 1834 
eigenmädtig erließ. Dasſelbe jepte eine beichräntte 
konftitutionelle Berfafjung mit zwei Kammern (die 
der Pröceres als erfte, und die der Procuradores 
als zweite, lehtere aus den Höchſtbeſteuerten auf 
3 Jahre gewählt) ein, wurbe aber durch den Militär: 
aufftand von La Granja 13. Aug. 1836 bejeitigt. 
Eſtavahyer⸗le· Lac (ipr. * deutſch Staf⸗ 
he am See, Stabt und Hauptort des Bez 
roye im ſchweiz. Kanton Freiburg, in 469 m Höhe, 
auf einer Anhöhe am rechten Ufer des Reuenburger 
Sees, an der Linie Freiburg: Bayerne-Nverbon der 
Schweiz. Weitbahn, bat (1 1660 E., darunter 
etwa 220 nz Poſt, Telegrapb, viel- 
türmiged got. Schloß Chilnaur, Kirche mit wert» 
vollem Altarblatt, Dominitanerinnenftift, ein ehe 
maliges Jefuitenfeminar, alte8 Rathaus, Hafen für 
die Dampferlinie E,-Neuhätel und Landwirtſcha 
Eite, linter Nebenfluß der Elbe in der preuß. 
Provinz Hannover, entipringt in der Lüneburger 
—— aüug von Welle, und mündet nad einem 
ufe von 57 km Blantenefe gegenüber. Sie ift 
von Burtebube an (13 km) (ib 
Efte, Hauptitadt des Diſtrikts E. (47896 E.) in 
der ital. Provinz Padua, am kanalifierten Fraffıne, 
am ſudweſtl. Borjprung der Euganeen (des Montes 
Murale) und an der Linie Legnago : Monfelice des 
Adriatiihen Netzes, hat (1901) ald Gemeinde 
10962 E., malerische Zinnen und Mauern aus der 
venet. Epoche des 15. Jahrh., eine 1334 durch Über: 
tino Garrara erbaute Rocca (Burg), in Sta. Maria 
delle Grazie, der größten Kirche der Stadt, eine 
ſchöne Madonna (1509) von Cima da Eonegliano; 
Seidenzudbt, Fabrifation von Filzbüten, Fayence, 
Salpeter und Wesjteinen. — E. (Ateite), urjprüngs 
lich zur Marca Veronensis et Aquileiensis gehörig, 
tam im 12. Jahrh. an Padua, mit diefem 1405 


256 


an die Republif — 5* und teilte ſeit deren Auf⸗ 
loſung 1797 die Geſchice Venetiens. 
‚engl. Familie, ſ. D’Eite. 

Eſte, eins der älteſten Fürftenhäufer Italiens, 
Ahnen der deutſchen Welfenhauſer; Vorkämpfer 
der Guelfen im 12. und 18. Jahrh., waren ſie im 
14. Jahrh. entſchiedene Ghibellinen und nahmen als 
Vaſallen zugleich der Kirche und des Reichs im 15. 
und 16. Jahrh. eine bedeutende Stellung ein, wäh: 
rend fie gleichzeitig ihren Hof in Ferrara zu einem 
der glänzenditen des Renaiffancgzeitalterd ausbil- 
deten. — Die Ballavicini (}. d.) und Malafpina 
(1. d.) beanipruchen gemeinfamen Urſprung mit den 
E., welche ſich auf faroling. Statthalter Toscanas 
im 10. Jahrh. zurüdfuhren. gr erwarben dann 
nah und nad in —— die Lehen: E., Rovigo, 
Montagnana, Caſale-Maggiore, Pontremoli, Fer⸗ 
rara, Modena und Reggio. Ihre m. von 
Fulco 1. (f. unten) ftammende und deshalb fulcs 
eſtiſch genannte Linie erlofh in ihrem Haupt: 
jweige mit Alfons H. (f. unten) 1593; die ihr fol: 

ende Baftardjeitenlinie ſah 8 — die kaiſerl. 
— Modena und Reggio, beſchränlt und erloſch 
mit Franz II. 1694; die an ihre Stelle durch Rinaldo 
v’Efte getretene zweite Seitenlinie erlojch 1803 mit 
Ercole Rinaldo KR unten); feine Anjprüde auf Mo: 
dena, Reggio und Mafja:Earrara, für weldes er 
dur Heirat mit Maria Tereia Eybö Erbredte er: 
langt, gingen über auf feine Tochter Maria Beatrice 
Nicciarda, deren Sohn von Erzherzog Ferdinand, 
dem dritten Sohne Kaiſer 
1814 Modena und 1829 — erbielt. 
Mit dem Tode von dejlen Sobne Franz V. 1875 
erloib aud die Linie —— ſte, die ſchon 
1859 ibr Land an Victor Emanuel verloren und Ita⸗ 
lien verlafien hatte; der Titel Herzog von E. ging 
über auf den Erzberzog Franz Ferdinand (j. d.), den 
mutmaßlichen öjterr. Thron olger. — Bon Fulcos L 
Bruder, Welf IV., der von Katjer Heinrich IV. 1070 
wit Bayern belehnt wurde, ſtammt bie Linie Welf: 
Kite (f. Weljen), welche in den Häufern Brauns 
hweig und Hannover F Bedeutung gelangt iſt. — 

on den italienifchen €. find hervorzuheben: 

YAıjol. (get 1029), Sohn Obertos LI. (get. um 
1015) und Enlel Obertos I. (get. um 972), welche 
dad Martgrajentum über Tuscien beanjpruchten 
und ji in den Kämpfen ber deutſchen * in 
Ralien gegen Berengar und Arduin von Jorea 

emerflih machten, wurde wegen Barteinahme für 
legtern 1014 von Heinrich II. mit feinem Bruder 
dugo gelangen geſeßt, entlam jedoch und fuchte 
dann Heinrich II. Schwierigleiten zu bereiten durch 
Anerbietung der Krone Italiens an Robert II. von 
Arantreih ſowie an Wilhelm IV. und V. von Aaquis 
tanien, Sein Sobn A ir IL. (geit. 1097) verſtan⸗ 
digte fich mit Heinrich IL, fuchte fich in Abweſenheit 
Wilbelms von der Normandie in der Grafſchaft 
Maine jejtzujegen und unterjtüste Gregor VII. und 
Mathilde von Tuscien gegen Heinrich IV. 

Fulco I., geb. um 1060, geit. um 1135, Sobn 
des vorigen, Begründer der fulczejtiichen Linie 
murde von feinem jüngern Bruder Herzog Del 
von Bayern, der ihn im Bunde mit Heinrih von 
Kärnten enge aus feinem Erbe vertrieben, ver: 
itändiate fib aber mit ibm durch Abtretung der 
Herrihaftärenie in den Städten Novigo und E. 

A330 VII. geb. um 1205, geit. im Febr. 1264, 
entwand den Salinguerra Ferrara, das ſie während 
feiner Diinverjäbrigteit in ibre Gewalt gebracht 


anz’ I., Franz IV,, 


Eite (Familie) — Eſte (Fürftenhaus) 


batten, und belämpfte danach an der Spike der 
quelfiihen Städte Überitaliens die Romane, mit 
denen ſchon 1235 eine Berihwägerung angemüpft 
worden war, ohne daß fie den — * ieden 
herbeigeführt hatte. Er brachte Ezzelino 16. Sept. 
1259 die . von Caſſano bei, die deſſen 
leuchtender Laufbahn ein Ende bereitete, 

Obizzo IL., Entel Obizzos I., geb. um 1240, 
geit. 13. Febr. 1293, fämpfte an der Seite Karla I. 
von Anjou gegen Manfred, wurde 1276 von Rus 
dolf I. von Habsburg ala Marlgraf von E. und 
Herr von Ferrara beitätigt und von den Bürgern 
von Modena 1288—89 und ebenjo 1290 von 
Reggio zum Stadtherrn berufen. Der Streit jeiner 
Söhne, Azzos VIU. (geft. 1808), Francescos (er- 
mordet 1312) und Aldobrandinos (geit. um 1312), 
ermöglichte zuerft die —— der Bürgerichaf: 
ten, — die Feſtſezung Roberts von Neapel 
als päpftl. Lehnsmannes in Ferrara. E3 gelang 
jevod den Söhnen Aldobrandinos II., Rinaldo, 

bizzo II. und Nicola I., durch ihre Einigteit trog 
Jobanns XXI. Gegnerſchaft Ferrara wiederzuge 
winnen; von bier auserwarben dann die Söhne Obiz⸗ 
308 III. unterftügt durch Karl IV., teild im Kampf, 
teils im Bunde mit den Bisconti und Gonzaga bie 
Herxrſchaft über die benahbarten Städte zurüd. 

Nicola IL, Entel Obizzos III., Herr von Fer 
tara, Modena, Be und Reggio, geb. 1384, geit. 
26. Dez. 1441in Mailand, befand fih abwechſelungs⸗ 
weije im Kampf und im Bunde mit Gian Galeaj;o 
Visconti; er ift berühmt als Wiederberfteller der 
von feinem Bater Alberto gegründeten Univerfität 
zu Ferrara und durch feine glänzende Hofhaltung 
dajelbit. Seine Liebe zu den Wiflenichaften vererbte 
er auf feine drei Söhne und Nachfolger, deren Alte: 
fter Lionello (geft. 1. Dit. 1450) ſich außerdem 
dur Vermittelung des Friedens zwiſchen Venedig 
und Alfons von Neapel (2. Juli A verdient ge⸗ 
macht hat. Der zweite Sohn, Borfo (geft. 20. Aua. 
1471), verichaffte fich 1452 von Friedrich IIL. den 
Titel «Herzog von Modena und Reggio», von 
Pius II. 1471 den Titel «Herzog von Ferrara», das 
er als päpftl. Lehen anerkannte; unter ihm ſoll die 
erfte Druderei durch Andreas Gallus in Yerrara 
eingerichtet worden fein. Nicolas dritter Sohn, 
Ercole I. (geb. 1433, gt 25. Jan. 1505), bielt 
fi, von Sirtus IV. und Venedig 1482 angegrifien, 
im Bunde mit Ferdinand von Neapel, Ludovico 
Moro und Florenz in Ferrara, weldes dann jeit 
dem Frieden von 1484 unter ihm wirtibaftlich auf: 
blübte und zu einem der glänzendften Sammelpunite 
der Dichter, Künftler und Humaniften der Zeit 
wurde; beides mwejentlih durch die Mithilfe won 
Ercoles Minifter, vem Dichter Bojardo (I. d.). 

Alfonfol. Sohn und Nachfolger des vorigen, 
geb. 1486, geſt. 31. Dit. 1535, jeit 1501 vermäblt 
mit Lucrezia Borgia (f. d.), gefeiert von den Dich⸗ 
tern feiner Zeit, namentlih von Ariofto (f. d.), 
zeichnete fih unter fehr ſchwierigen Berbältnirien 
als Feldherr und Staatsmann aus. 1509 der Liga 
von Gambrai beigetreten und von Julius II. zum 
Gonfaloniere der Kirche erhoben, lämpfte er mit 
Glüd gegen die Benetianer, wurde aber dann von 
Julius IL felbjt gebannt und feiner Lehen verluftig 
erflärt und fam aud um eig und Modena, als 
er fich weigerte, ih von der Yıga von Cambrai los⸗ 
ufagen und der Heiligen Liga beizutreten. Leo X. 
achte ihn 1519 aus Ferrara zu verjagen, und Ele: 
mens VI. ließ ſich nur durd die entſcheidenden 


Eitebanez Ealderon — Eitepa 


Sup ſ. Sacco di Roma) Karls V., der ibm Mo: 

voa un Reggio zurüdgab, bewegen, Alfonjo ala 

haimann in Ferrara wieder anzuerfennen. 
Excole IL, Sohn und Racıfo ger des vorigen, 

‚4. April 1508, geft. 3. Oft. 1559, entfchiedener 

F Karls V., trat 1556 über zu dem Bunde 

Bayit Bauls IV. und Heinrihs II. von Frankreich 
gegen Spanien, führte aber, obwohl zum Gon: 
aloniere der Kirche ernannt, den Krieg mit Vorſicht 
und machte ſchon im April 1558 Frieden. Seine Ge: 
sahlin Renata (j. d.), Tochter Ludwigs XII. von 
Ftantreih und Annas von Bretagne, iſt berühmt 
dur die Berfolgungen, die fie ald Anbängerin 
der Reformation zu erleiden hatte, Ercole und noch 
mebr jein jüngerer Bruder, der Kardinal Ippo— 
lito d'Eſte, Erbauer der prächtigen Billa d’Eite 
in Tivoli, find berühmt ala Begünitiger der Künſte 
und Wiſſenſchaften. j 

Alfonjo IL, Sohn und Nachfolger des vorigen, 
karb finderlos 27. Dit. 1597. Seinen Hof verberr: 
fihte Zorquato Tajjo (j. d.) been Tjährige Gefan⸗ 
genbaltung feinem Andenten Eintrag that. Von 
rärftl. der omendung und koftipieligen, aber ver: 

eblichen Berjucen, die Krone Polens zu erlangen, 
Bei er fib durd den wirtidhaftlichen 
nes Landes nicht ame. 

Gejare, Ente —525— I, Sohn von deſſen 
aatũrlichem Sohne Alfonfo, geb. 1562, geit. 11. Dez. 
1628, ließ fib von Elemens VIII. welcher jein Recht 
—— Erbfolge beſtritt und unter ſeinem Neffen Pietro 

dobrandini Truppen gegen ihn ausjandte, zum 
Berzicht auf feine päpitl. Zehen bejtimmen; in jei- 
nen Baijerl. Leben, Modena und Reggio, folgte er 
dem vorigen obne Beanftandung; nur über Gar: 
jagnana fam es zu Streitigleiten mit Lucca, die 
—— durch Spaniens tg ibre Er: 
edigung fanden. Seine Nachfolger Alfonfo IL. 
(geit. 1629), Francesco I. (geſt. 1658), Alfonſo IV. 
(geft. 1662), Francesco IL (kinderlos, geit. 6. Sept. 
1694) find ohne Beveutung. 

. ‚Rinaldo, Sobn Francescos I. und Nachfolger 
ſeines Nefjen Francescos II., geb. 25. April 1655, 

eft.27.D8t.1737, vereinigte diejeit 1070 getrennten 
Zweige des Haufes dur Heirat mit Carlotta Feli: 
cıtas von Braunjchweig:Hannover, nachdem er be: 
bufs der Erbiolge auf die Kardinalswürde verzichtet 
batte. Er behauptete ſich in den Kriegen zwiſchen 
Sranlreih und Oſterreich ala Herzogvon Modena und 
erwarb —— durch Kauf das Herzogtum Mirandola 
und das Marchiſat Concordia. Mährend des Hfter: 
reichiichen Erbfolgekrieges wurde Diodena ei neue 
von den Kaiſerlichen bebrüdt unter dem Sobn und 
Rachfolger Rinaldos, Francesco II (geb. 2. Juli 
1698, gejt. 23. Febr. 1780), der indeijen in franz. 
Dienjten im Kirchenſtaat, Neapel und Piemont focht. 

Ercole Rinaldo, Sohn und Nachfolger des 

vorigen, geb. 22. Nov. 1727, geft. 14. Dit. 1803 
ohne männlie Nadlommen, flob, als Wüftling in 
jeinem Lande mißliebig, 1796 nad Venedig. Für 
Modena und Reggio, welche 1797 im Frieden von 
Campo: Formio der Eisalpiniihen Republit ein: 
verleiht wurden, erhielt er durch den Frieden von 
Luncville (1801) den Breiögau und die Ortenau, 
Gebiete, melde der Sohn jeiner Todter (f. oben 
und Franz IV., Herzog von Modena) im Prekbur: 
ser Frieden (1805) wieder verlor. 

Tal. Litta, Famiglie celebri italiane, Bv.3; N. 

jjjt, Memorie per la storia di Ferrara (2. Aufl., 
Ferrara 1847/48); 2. Benwenuti, Bibliografia Ates- 

drechaus· Konverfations«Leriton.. 14. Aufl. R.M. VL 


üdgang ſei⸗ 


257 


tina (Bologna 1881); Venturi, L’arte ferrarese 
nel periodo di Ercole I d’Este (ebd. 1888); G. Cam: 
port und A. Solerti, Luigi, Lucrezia e Leonora 
d’Este (Tur. 1888); Sola, Curiositä stor.- art.- 
lett. tratte dal carteggio di San Riva (mit 2.9. 
Muratori, Modena 1887); A. Ciscato, Storia 
d’ Este dalle origini al 1889 (Ejte 1890). 
Eitebanez Ealderön, Don Serafin, fpan. 
Schriftjteller, geb. 27. Dez. 1799 in Malaga, ftu: 
dierte in Granada, wurde 1822 biſchöfl. ital un 
Lehrer der Rhetorit am Seminar jeiner Baterftadt, 
1824 dajelbit Advokat. 1830 jiedelte er nah Madrid 
über, wo er 1831 den erften und einzigen Band jei- 
ner im veralteten Haffiihen Gefhmad gehaltenen 
Gedichte unter dem von da an beibebaltenen PBfeu: 
donym El Solitario (nah dem Hermite de la 
Chauſſee D’Antin) erfcheinen ließ. Noch in demjelben 
ahre erjchien in den «Cartas espaholas» das erfte 
einer andaluj. Sittenbilder. In legitimiftifcher alt: 
ſpan. Gefinnung ein entjchiedener Anhänger der 
weiblichen Thronfolge, trat er 1833 in eine halb 
offizielle Thätigfeit, wurde 1834 Generalauditeur 
des Nordheers und dazu Jefe politico (Präfident) 
von Logroño. 1836 führte der Sturz des Gene: 
rals Eordova jeine Enthebung herbei. 1838 Jefe 
politico von Sevilla, gründete er die bortige —— 
ragende Gemäldeſammlung, die Provinzialbiblio— 
thel, das Liceo Bético, mußte aber im gleichen Jahre 
einem Aufſtand weichen. 1840 ließ er ſich wieder 
dauernd in Madrid nieder. Von da an war ſeine 
Zeit arab., biler. und litterarbiftor. Studien, vor 
allem aber eifrigjter Bü —— gewidmet. 1849 
beteiligte er ſich an der ital. Expedition, war wieder⸗ 
holt Deputierter, feit 1856 ſandiges Mitglied des 
Staatsrats, doch ohne politifch hervorzutreten. Er 
tarb 5. Febr. 1867. Die wertvolle Büherfamm: 
ung bat die Madrider Nationalbibliotbel erworben. 
Das «Manual del official en Marruecos», eine 
geogr. und geſchichtliche Schilderung des Landes, 
wird troß Panne Vorzüge vergefjen bleiben; eine 
prob angelegte «llistoria de la infanteria espanola» 
lieb unvollendet wie die Mebrzabl feiner Unter: 
nebmungen; bie Gejchichte der «Expediciones y 
aventuras de los Espaüoles en Africa» foll ge: 
drudt werden. Einen bleibenden Namen fihern ihm 
die «Eiscenas andaluzas» (1847), reigvollfte Schil: 
derungen, von einem Humor getragen, der durch— 
aus an Gervanteö erinnert. Zu größern Kompo: 
fitionen feblte ihm die Erfindung; aud die Novelle 
«Cristianos y Moriscos» (1838) Hi im Örunde rag: 
ment. Eine Ausgabe jeiner Werte hat die«Coleceion 
de escritores castellanos» 1883 mit den «Escenas 
andaluzas» eröffnet. — Bal. Canovas del Gaftillo, 
El Solitario y su tiempo (2 Bde., 1883). 
Eitelin (fra., fpr. ejt’läng), altes franz. Gewicht, 


f. Engels. 

GSfiella (ipr. -ellja), Hauptſtadt des Bezirks €. 
in der ſpan. Provinz Navarra, linl3 an dem zum 
Ebro gehenden Ega, umgeben von terrafjenförmi: 
gen Hügeln, bat (1897) 5284 E. — E, eine altröm. 
Stadt, beberricht mehrere Defiles auf den Straßen 
von Gaftilien und Aragonien und war 1872 — 76 
das Hauptquartier des Don Carlos, 

Eiten, ſ. Eſthen. 

Eftẽpa, Hauptſtadt des Bezirks E. im O. der ſpan. 
Provinz Sevilla, nahe an einem linken Zufluſſe des 
Genil, in einer auf den Berggehängen mit Ölbäumen 
bedeckten Gebirgsgegend, von einem maur. Kaſtell 
beherrſcht, bat (1897) 8766 €, E., das alte Aſtapa, 

17 


258 


wurde 1236 von den Gajtilianern den Mauren ent: 
rifjen und jpäter Sig eine Marquifats. 

Ejtepöna, Hauptitadt des Bezirks E. im SW. 

der ſpan. Provinz Malaga, an der Hüfte des Mittel: 
meerd, nabe der Punta de [od Marmoles, am 
Rande einer Heinen, von der Sierra Bermeja be 
berrichten Ebene, hat (1897) 8307 €. 

Eiter oder te Ather, im all: 
emeinen Verbindungen der [tobolraditale mit 
äuren, die dadurch entjteben, daß Altobol und 

Säure unter Austritt von Waffer ſich verbinden, 
3. B. entitebt Ejfigfäureätber (f.d.) nad folgender 


—— 
CH. COODMHM + C,H,OH = CH,-CO0C,H, 4H. O. 
Die Bildung des €, erfolgt ſchon, wenn eine Säure 
mit einem Alkohol in Berührung lommt, jedoch i 
die Reaktion langfam und bei weitem nicht voll: 
jtändig, da das austretende Wafler die E. wieder 
rüdwärts in Säure und Alkohol zerlegt (Berfeifung). 
Bei der Darftellung wendet man deshalb ein wafjer: 
bindendes Mittel an, in der Negel konzentrierte 
Scmefelfäure oder gasförmige Salzfäure, die man 
in das Gemenge von Altobol und Säure einleitet 
(j. Effigfäureätber). Auch indem man Säuredlo: 
ride auf Altobole, oder Halogenaltyle auf Salze 
von Säuren einwirken läßt, erbält man E. nad 
folgenden Beifpielen: 
CH, -COC1 + C,H,-OH=CH,-C0-0-C,H, +HCl 
Acetylchlorid Eifigeiter 
C,H,Cl + CH,-COONa=CH,-CO0C, H, +NaCl. 
Athuldlorid NRatriumacetat. 
Man unterſcheidet €. der Mineraljäuren, wie 
J. B. —— —— oder Uthylnitrat, 
Se a, oder den Schwefelfäureätbylefter, 
S0,(0C, H,),, und €. der organifhen Säuren, 
wie den Giligjäureätber. Zwei: und mebrbafifche 
Säuren find im ftande, verichiedene Stufen von €. 
u bilden, neutrale und faure E. So y> die Athyl⸗ 
Nhmeielfäure, („H,:0-S0, - OH, der jaure E. der 
Schwefelfäure, der noch die Eigenfhaften einer 
Säure befigt. Ebenfo verhält es Fi .B. mit der 
Sthyloraljäure, C, H,-0-CO-COOH. Dieneutralen 
E. find im allgemeinen unzerjegt flüchtige Fluſſig⸗ 
feiten, die zumeift in Waſſer unlöslic oder ſchwer⸗ 
löslich find. Biele werden ihres angenehmen Ge 
ruchs wegen als Barfüme und befonders ala Frucht⸗ 
eſſenzen (Fruchtäther) fabritmäßig bergeftellt. Durch 
Kochen mit Waſſer oder Alfalien werden die E. ver: 
feift, d. i. in ihre Komponenten unter Aufnahme 
von Waſſer zerleat; fo liefert der Eſſigeſter beim 
Erwärmen mit Natronlauge effigfaures Natrium 
und Altobol: 

CH,-C00C,H, + Na0H = 

CH,-COONa + C,H, OH. 

Ammoniat pr die E. in Säureamide über. 

Hochmolekulare €. bilden den Hauptbeftandteil 
der natürliben Wachsarten. 

Eine befonders wichtige Klaſſe von E. mit befon; 

dern Eigenſchaften find_bie Fette (f. d.), die €. des 
dreiwertigen Altobols Glycerin, C, H, (OH), ,, mit 
den böbern —— — Feuſauren und Ol: 
äuren. Die Berjeifung diefer Verbindungen ift 
eine technisch jebr wichtige Operation, indem man 
ee das Glycerin und die Salze der betreffenden 
Fettſäuren, die Seifen, erhält, wober aud der Aus: 
drud BVerjeifung ſtammt. 

Efterel, Mont3 d’, ifolierter Gebirgsitod im 

üdl. Frankreich, in den Depart. Bar und Alpes: 
aritimes (f. Karte: Mittel: und Süpdfrant: 


Eitepona — Eiterhäzy 


reich, beim Artikel Frankreich, Bo. 17), etwa 300 qkm 
groß, erhebt ſich nörblid von Frejus, an der Küjte 
des Mittellandiſchen Meers, zwiſchen Cannes (wel⸗ 
ches er gleich einer Felſenmauer vor dem gefähr⸗ 
lichen Miftral ſchutzt) und Draguignan, nordöftlih 
von der Chaine des Maured, von welder ihn das 
ſchöne Argenstbal ſcheidet, und füplich vom Biancon» 
tbale. Der höchſte Gipfel erreicht im Mont-Binaigre 
616 m. Die Eifenbahn Marjeille Nizza führt durch 
mebrere Tunnel des Gebirges. 

Efterhäzy von Galantha (ſpr.eſterhahſih, alte 
ungar. Magnatenfamilie, deren Hauptaft jpäter 
zur beutichen Reichsfürſtenwürde gelangte. ey an 
man den Stammbaum bi3 auf einen angeblichen 
Ablömmling Attilas, Paul Ejtoras, binaufzufübren 
geſucht hat, reichen doch die urlundlichen Nachrichten 
nicht über 1238 binaus, in welhem Jahre Beter 
und Elias, die Söhne des Salomon von Efto: 
rad, das väterlihe Erbe teilten. Der erjtere er: 
ya Zerhäz, der zweite Illyeshäza, fo daß fie die 

tifter zweier Hauptlinien wurden, von denen die 
letztere 31. Juli 1838 mit dem Grafen Stepban 
Illeshäzy im Mannsſtamm erlofb. Die Nachtom: 
men Peters nannten fi nad) ibrer Befigung Zer: 
band, bis Franz Zerhäzy (geb. 1563,_geft. 
7. März 1594), Bicegefpan des Preßburger Komi: 
tat3, diefen Namen 1584 bei Gelegenheit feiner 
Ernennung zum Freiberrn von Galantba in Ejter: 
bäzy verwandelte. Seit 1421 befigt die Familie 
Schloß und Herrihaft Galantha im Prekburger 
Komitat und führt von baber den Beinamen «Frei 
berren von Galantha⸗. Franz hinterließ vierSöbne: 
Gabriel (get. 1628), Daniel (geb. 1580, geft. 1654), 
Paul III. (geb. 1581, geft. 1641) und Nikolaus II. 
(geb. 1582, geft. 1645), von denen die drei letztern 
die drei Hauptzweige der Familie gründeten, und 
mar den zu Glefznet im Beßprimer, den zu Alt: 
jest im Sobler und den nu Sordtenftein im 

denburger Komitat. Die beiden erſten Linien er: 
langten 17. Nov. 1684 die aräfl. Würde; von der 
legtern wurde bereit der Stifter Nitolaus UI. von 
E. einer der berübmteften des Geſchlechts, 10. Aug. 
1626 yon Erbgrafen von Fordtenitein, fein Sohn 
Paul IV. 1687 zum Reichsfürften erhoben. 

1) Die Hauptlinie 1 Giejjnel warb durch 
vier Söhne Daniels I., ihres Begründers, fortge 
führt, doch nur von dem dritten, Michael . 
von E., der 1686 ala Generalfeldwachtmeiſter bei 
Dfen ftarb, bis auf die Gegenwart verpflanzt. Mit 
DanielIII. und LZavislauslll., den beiden Söb: 
nen Michaels II., teilte ſich die Fabtommeniba 
des lektern in zwei Nebenlinien. Nachlommen von 
Ladislaus II. I nit mebr vorhanden, Die 
erfte Nebenlinie ee. Pi rd abermals mit 
Daniel VI. von ©. (geit. 1759 als Dberbireftor 
des Landesfommiffariats in Ungarn) und Emme: 
rid VII. von €, (geb. 1726, ſeit 1768 Feldmar⸗ 
ihallleutnant, feit 1773 General der Kavallerie, 
geft. 2. Juni 1792) in zwei Ölfte. Repräſentant des 
ältern Aſtes ift Graf Georg von E. (geb. 20. Juni 
1848), deflen Bater, Graf Georg von €, (geb. 
14. Juli 1811), jeit 1848 Gefandter am fpan. 84 
war und 1854 in außerordentlicher Miſſion nach 
Berlin ging, 30. April 1855 definitiv zum öſtert. 
Geſandten Ni ernannt wurbe und 24. i 
1856 ſtarb. Haupt des jüngern Aſtes iſt Graf 
Emmerich von E., geb. 11. April 1840. 

2) Die Hauptlinie zu Altfobl oder Zolvom 
wurde von Paul II. von E., geb. 1581, geit. 


Eiterhäzy 


Il al Hoftriegsrat, 2 Bicegeneral in Un: 
;e) 


am und Kommandant der deſtung Neubäufel, 
— Bon — drei Söhnen ehe der jüngfte, 
lerander von E., geft. 1629, durd feinen 


Erhn, Ste banV. von, den erften Grafen 
aus diejer inie, das Geſchlech fort. Step — 
hatte pwei Söhne, von denen nur der jüngere, 
bannvon E. einen Sobn hinterließ, den ——— 
jdimahtmeifter Karl von E. Dellen drei Söhne 
wurden die Begründer dreier Aſte, von denen zwei 
jest erlofhen find. Haupt des nod blühenden Aſtes 
it si Danielvon E., geb. 4. Juni 1843. 

Die Hauptlinie von Forchtenſtein ftif- 
= telaus oO. von E., geb. 8. 1582 zu 
Galantha. Er fam durch feine Gemahlin Urfula 
Dersfy in den Beſitz der jämtlihen Güter der 
Aamilte Deröfy und Magociy und ftarb ala un: 

gar. Balatin und kaiſerl. Feldmarſchall 11. Sept. 
1545. Graf Nitolaus trat von der prot. zur kath. 
Kirche über und war einer ber eifrigften Beförderer 
der fatb. Gegenreformation in — Von ſeinen 
vier Söhnen ſtarben die älteſten, Stephan IV. 
von E. 1641, und Ladislaus Il. von E., Ober: 
1de 3 des Ödenbur —— 1652 obne männs: 
Nachlommenſ daft, während bie beiden jüns 

aul IV. und $ranz V., die Stifter zweier 

— "plühender Linien, der Allee und der er 
lichen, wurden. — Der tifter der gräfl. Linie, 
Franz V. von E., geb. 17. Jan. 1641, geſt. 
16. Dft. 1683 als General der Kavallerie, zeichnete 
ſich in den Feldzügen gegen die Türken vielfach aus. 
Er hinterließ drei Söhne ald Begründer von ebenfo 
vielen Nebenlinien. a. Der ältejte Sobn, Anton. 
von son 6. bielt Fe u der Partei Franz 


Raälscays und flüchtete nad Frankreich, wo ro 
Nachlommen ü 2 Sabre lebten, bis fie Anfang 
des 19. Jahrh Sfterreich zurüdtebrten, wo fie 


feitdem die —— —— des Hauſes €. bil: 
den. Dieſen Namen erhielt fie infolge der Ber: 


mäblung des Grafen Nifolaus von E., franz. 
Hujarengenerald, mit Maria F Be ista, "Gräfin 
von Hallweil (Hallewyl). Bay enlinie ift in 
Rußland reich begütert. Graf — Ladis⸗ 
laus Ferdinand von E ‚geb. 28. Jan. 1814, 
widmete fib ber diplomat. ufbahn, mar erit 
außerordentlicer diterr. Gefandter und bevollmäd- 


figter Minifter zu Stodbolm, ſodann Juni 1850 
bis De. 1853 zu *— Wahrend des Drient⸗ 
trieges wirkte er n. 1854 als diplomat. 
Vertreter Öhterreich = BVeteröburg. Er ftarb 
2. Nov. 1858 &, So — b. Der zweite Sobn 
—— V. von ojepb von E, geb. 29. Juni 
use zeichnete fih aus in den Kriegen 
* öczy, in den beiden Feldzügen gegen die 
ürlen (1716—18 und 1736—39) und ın den 
ſcleſ. Kriegen (1740— 45). Seit 1733 war er 
mmandant, Feldmarſchallleutnant und Ba- 

nus von Kroatien, feit 1741, Feldmarſchall * 
Judex curiae; er er ftarb 10. Mai 1748. Sein geid- ? 
aa: 


namiger Sohn ftarb 1759 ohne männliche 
tommen. — c. Der britte Sohn Franz’ V. von 


€, ah drang VI. von E. geb. 19. Juni 1682, 

karb 1758 als met all und binterließ drei 
Söhne, von denen ber mittlere, Graf Karl von 
€, geb, 1725, jich dem geiſt lichen Stande widmete 
171 legter Biiof von Erlau wurde, fi * 
zahlteiche humanitäre und gemeinnüßige Stiftun⸗ 
gen und Einrichtu a auszeichnete und 15. März 
1799 ftarb; der 


ejte und der jüngfte von den | großartigen Schlofjes in Eizterbäz (f. d.). 


259 


Söhnen Franz’ VI. begründeten zwei Nebenzweige, 
zu Zotid (Papa) und Lanj ni Der Stifter der 
ältern Die u Totis, Graf Nitolaus von E., 
neb. 1711, ei. 27. Juni 1764, ift der Großvater 
* Grafen Bau von E,, geb. "30. Dt. 1805, geft. 
uli 1877, deſſen Entel Baulvon E., geb. 
[i 1883 jeht das Haupt dieſer Linie iſt, und 
rafen vloriß von E. geb. 23. Sept. 1807, 
Letzterer war bis März 1856 öfter. Gejandter zu 
Rom und trat 19. Juli 1861 als Minifter obne 
BVortefeuille in das Kabinett Schmerlings ein. Nah 
deſſen Rüdtritt im X 1865 behielt er im Mini: 
fterium Belcredi diejelbe Stellung. Dt. 1866 
verließ er den altiven Staatsdienit, ewabrte aber 
nod feinen Einfluß ala Hauptvertreter der ftreng 
tath. Richtung in der Politik Oſterreich- Ungarns. 
Er ftarb 8. Nov. 1890 in einer rrenanftalt zu 
Pirna. — Die jüngere Linie zu Lanſchitz be 
ründete der innofte der drei Söhne Franz’ VI., 


raf Gran FI von E., geit. 1785 als Ober: 
pelvan dei des Neelbanger Romtate und ungar. Hof: 
nzler. Bon feinen Nachlommen ift Graf Michael 


von E. geb. 11. Juli 1853, das gegenwärtige Haupt 
biejes —*— des Hauſes. 

ie furſtliche Linie des Forchtenſteiner Haupt⸗ 
aſtes ward durch Paul IV. von E., geb. 8. Sept. 
1635 zu Eiſenſtadt, geft. 26. März 1718, den drit- 
ten Sohn des alatins Nitolaus IL. von @,, begrün: 
det. Derfelbe hatte an allen Shladten in den 
Zürlenfriegen von 1663 bis 1686, bejonders an ber 
bei St. Gotthard (1664), an der Entjegung von 
Wien (1683) und an der Eroberung Ofens (2. Sept. 
1686) teil und mirkte als Balatin von 1681 bis 
1718 für fein Vaterland. Eeit 1667 General der 
Kavallerie, ward er in Anerlennung_ feiner Ber: 
dienfte um die Erbfolge des Haujes Habsburg in 
Ungarn 1687 in den Reichsfürſtenſtand erhoben 
und mit dem Münzrecht und dem großen PBalati- 
nat, vererblid nad dem Recht der Eritgeburt, be 


nabet. Kurz vor feinem Tode wurde ir er riten: 
Rand 1712 auf den —————— eborenen 
ausgedehnt. In den Räköc eanihen Unruben (1704 


—11) verhinderte er den a — nen Anſchluß an 
dieſe gefährliche Bewegung. Der Au war aud 
ein freund und Bejörberer der Wi —— und 
Kunſte, ein Wohlthäter der Armen. Von ſeinen 
25 lindern find drei Söhne zu bemerken: 1) Fürſt 
abet blaue der feinem Bater in dem Furſten⸗ 
tum und in ber Odenburger Obergeipanswürbe 
Igte und 24. Mär; 1721 ohne männlihe Erben 
tarb; 2) Gabrielvon E., Dbergeipan des Sza— 
* und — er Romitats der 1704 ebenfalla 
ohne männliche 83 verftarb, und 8) Joſeph 
nton von ., get. 7. Juni 1721, der De 
binterließ. Der erite m von diejen, Fürft aul An: 
ton von E., geb. 22. April 1711, errichtete im 
Oſterreichiſchen Erbfolgekriege 1741 auf eigene 
Kojten ein Hufarenregiment, wurde 1747 Feldmar—⸗ 
ſchallleutnant, ging 1750 als Botjchafter nad 
Neapel, avancierte 1757 zum General der Kavalle⸗ 
rie, 1758 zum Selomarjdall und ftarb 1762. Sein 
Bruder Nikolaus epb von E., geb. 18. Dez. 
1714, ftieg bis zur Würde eines Generaljelomar: 
(calls, erhielt 21. Juli 1783 für alle feine Nab- 
mmen bie reihsfüritl. Würde und ftarb 28, Sept. 
1790 in Wien. Der war ein befonderer 
> der Mufit, aus feiner Kapelle — Joſ. 
aydn und Viebel hervor; er iſt der Erbauer des 
Sein 
17* 


260 Eiterlin — Either 


Sohn Fürft Baul Anton von E. geb. 1738 zu 
Wien, geit. 22. Jan. 1794 als Feldmarfcallleut: 
nant, war Vater der Fürften Anton von E. geit. 
18. ö0 1796 als Dberftleutnant, und Nikolaus 
von €., geb. 12. Dez. 1765. Lebterer bereite in 
jeiner Jugend faft ganz Europa und wurbe jpäters 
bin I diplomat. Sendungen gebraudt. Er ift 
der Begründer der herrlihen Gemälvefammlung 
in dem vom en Raunig gelauften Garten: 
palajt in der Wiener Vorſtadt Mariabilf. Dort 
legte er auch eine auderwählte Sammlung von 
rg und Zeichnungen an. Beide befinden 
ſich ſeit 1865 im alademiſchen PBalaft in Peſt als 
Landeseigentum. In feiner Sommerrefidenz in 
Eijenitadt, wo er Haydns Gebeine mit großer Pracht 
beijegen ließ, pregie er in großartiger Weije bie 
Tonkunſt und die Botanik. war durch die Er: 
werbung der Herrichaft (ebemaligen Abtei) Edel 
ftetten in Franlen und deren Erhebung zur gefürfteten 
Grafſchaft (17. Dez. 1804) in das Heichsfü tentolles 
ium eingetreten; aber bereit? 1805 gelangte das 
Sürlentum Edelſtetten (5,5 qkm mit 830 E.) unter 
pr. Oberhobeit. Als Napoleon 1809 damit um: 
ging, Ofterreich durch Abtrennung von Ungarn zu 
ſchwächen, madte er dem Fürjten Anträge bezüglich 
der Krone Ungarns, die dieſer jedoch austchlug, 
Er ftarb 24. Nov. 1833 zu Como in Stalien. 
Seine ungebeuren Ausgaben legten den Grund 
um materiellen Ruin des Hauſes. Sein Sohn, der 

rt Baul Anton von E., geb. 10. März 1786, 
ging 1810 als öfterr. Gejandter nah Dresden, 
1815 nad London. Er kehrte 1842 in fein Vater: 
(and zurüd, wo er fi der nationalen Richtung 
anſchloß und als Dbergeipan des Ödenburger Ro: 
mitat wie ald Bräfes der Naturforſchergeſellſchaft 
(1847) den polit. wie litterar. Fortſchritt eifrig för: 
derte. Dies brachte ihn im März 1848 in das Mi: 
nifterium bes Grafen Ludwig Batthyänyi, worin 
er als Minifter um die Perſon des narchen 
die Intereſſen Ungarns am Wiener Dale * vertre⸗ 
ten hatte, Er wirkte für einen Ausgleich, legte aber 
noch vor Auflöfung des Batthyänyi-Miniſteriums 
im Aug. 1848 jein Amt nieder und zog ſich vom 
öffentlihen Schauplag zurüd. 1856 ging er als 
Ahern ige nah Mostau, wo er mit un: 
aewöhnlibem Glanz auftrat. Er ftarb 21. Mai 
1366 zu Regensburg. Sein einziger Sohn Fürft 
Nilolaus von E., geb. 25. Sumi 1817, jtarb 
28. Yan. 1894 in Wien; ihm folgte jein Sohn Dar 
Paul von E. geb. 21. März 1843, geit. 22. Aug 
1898, und diejem fein Sohn Fürft Nitolausvon 
E. geb. 5. Juli 1869. Das Majorat der fürftl. Linie 
G. beitebt aus 29 Herrichaften mit 21 Schlöjjern, 
50 Marltfleden, 414 Dörfern und 207 Bräpdien, 
die von Eiſenſtadt aus verwaltet werden, gegen: 
märtig aber ſehr berabgelommen find. G3 laftet 
auf denjelben der fönigl. Sequeiter, und die Fa— 
milie bezieht nur eine firierte Jabresrente. 

Aus einer illegitimen Eeitenlinie ſtammt ber in 
ver Drevfus:Affaire vielgenannte ehemalige franz. 
Major Graf Walfin:Ejterbazn. 

Efterlin (ipr. — Eſterling, belg. und 
franz. Gewicht, ſ. Engels. 

Est, Est, Est, berühmter ital. Mustateller: 
mein, ſ. Montefiascone. 

Eithen (Ebiten, Ejten), die Bewohner Eſth— 
lands (f. d.) und des nörbl. Teils von Livland, 
finn. Stammes (f. Finnen). Bon den verſchiedenen 
Dialelten der eſihn. Sprache dient der Dialekt 


von Reval als allgemeine Schriftſprache. Die beften 
tammatifchen Bearbeitungen des Eitbnifchen gab 
iedemann, «Grammatil der ebjtn. Sprade» 
(Betersb. 1875), «Ehſtniſch⸗deutſches Wörterbuch» 
(ebd. 1869; 2. Aufl., redigiert von Hurt, ebd. 1891 — 
93). Eine eithn. Litteratur begann im 17. Jabrb., 
als im Lande angeſeſſene oder angeitellte Deutſche 
dem Volke Bücher religiöfen und moralijhen Inhalts 
in eſthn. Zunge darboten; aber erft im 19. Jabrb. 
fing man an, die Sprade diejer Bücher von Ger: 
manismen zu reinigen. Der Paſtor Rojenpläntner 
(1782 —1846), feit 1813 Herausgeber der «Bei: 
träge zur genauern Kenntnis ber eitn. Sprache», 
und feine Mitarbeiter Knüpffer —— und 
Heller (1786— 1849) erwarben ſich bedeutendes Ver⸗ 
dienft in hiftor. Kritit, Sprad: und Sachforſchung. 
Einen aud) für die gebildeten Stände befriedigenden 
eithn. Stil ſchrieben zuerft Mafıng eg bu 
feinen «Eſtniſchen Originalblättern für Deutfcher, 
und Graf Manteufjel in dem 1839 neu aufgelegten 
Lejebüchlein «Zeitvertreib beim Scheine des Bergelö» 
(«Ajaviite pero valgussel»; vgl. darüber Schott in 
Ermand «Arhiv für wiffenihaftlibe Kunde von 
Rupland», Bd.13, Berl.1854). 1838 trat die noch 
bejtehende «Gelehrte Eſthniſche Gefellihaft» ins 
Dafein, gegründet von Fählmann, Kreuzwald, 
Boubrig, Hollmann u. f. w. Diejen verdanlt man 
ründlihe Abhandlungen zur Mythologie und Ges 
hichte der Heimat, Auffindung und Nacherzählung 
von Mythen und Volksliedern (vgl. über die von 
Neus in 3 Abteil., Reval 1851—52, herausgegebene 
Sammlung ſolcher Ermans «Archiv», Bd. 13), jowie 
(durch Kreuzwald) eines — voltstümlichen Epos 
(Kalewi-poeg, ru alems»; 1857 fg., be. mit 
ungenauer beuticher Überjegung von Reintbal; val. 
Schott, Die eftn. Sagen von Kalewi-Poeg, Berl. 
1863; vgl. die Monatsberichte der Berliner Ata- 
demie vom J. 1866). Proſaiſch erzählte «Borzeitliche 
Sagen des Eſtenvolls» («Eesti rahwa ennemui- 
stesed jutud») ließ Kreuzwald (1866) den von ibm 
gelammelten und geordneten Schäßen in Berien 
nadfolgen. Eine der anziehenditen, von ihm ſelbſt 
überjegt, ift «Der dankbare Fürftenjohn». — Val 
Löme, Ebftn. Märchen (Halle 1869). 

‚Neben der Gelehrten Eſthniſchen Gefellihaft, 
bie ihre «Sigungsbericte» und «Berbandlungen» 
berausgiebt, beitebt jeit 1873 eine nur eſthniſch 
ſchreibende Litterariſche Gejellihaft (Eesti kirja- 
meeste selts), zu deren Mitgliedern Hurt, Kurrit 
u.a. gebören. Die regelmäßig erjcheinenden «Be- 
forgungen» («Toimetused») 9 en ſind vorwie⸗ 

end für die reifende Jugend beſtimmte, alle Lehr⸗ 
(ie in mujterbafter Weiſe behbandelnde Schriften. 

uszeichnende Erwähnung verdienen der oben- 
genannte Kreuzwald, der Entdeder und Drdner des 
epiiben Sagentreifes, wegen feiner meifterbaften 
achbildungen lyriſcher Poeſie des Auslandes, be 
ran Deutihlands, und Lydia Jannſen, eine 
elbftändige Dichterin in Verſen und Proſa. 
Ejther (vom perj. sitaröh, «Stern»), Name 
der Heldin des nad ihr benannten Buchs im Alten 
Teſtament. Die Fabel des Buchs ift folgende: der 
erj. König Abasverus (d.i. Zerxes) feiert im dritten 
Fahre feiner Regierung zu Suſa ein grobes Gaft: 
mabl. Die Königin Vaſchti belommt Befehl, dabei 
zu erſcheinen, weigert jib aber. Zur Strafe wird fie 
verftoßen. Um einen Erſatz zu gewinnen, läßt 
Terxes unter den Jungfrauen des Reichs Ausleie 
balten. Unter vielen andern wird aud eine Jüpin, 


Estheriidae 


Hadajla Re) genannt, in den Harem ein 
geliefert. Auf den Kat ihres Ontel und Bor: 
munded Mardochai verjchweigt fie ihre Herkunft 
und empfängt ben perf. Namen €. 7. Jahre 
des Terres dommt fie in den Palaſt, findet Gnade 
vor Kerred Augen und wird zur Königin erhoben. 
Durh ihre Bermittelung entdedt Mardochai eine 
Berihwörung. Weil er jedoch dem Günitling des 
Kinigs, Haman (ſ. d.), die Adoration verweigert, jo 
bittet diefer den König, alle Juden töten zu dürfen. 
Der Tag dazu wird durchs Los (pür) h 


— 
Da läßt ſich der König eines Tages aus der Reichs: | Inſel 


coronit vorlejen und ftößt hierbei auf eine Erwah⸗ 
nung des ibm von Mardochai geleijteten Dienftes. 
Da eine Erkundigung ergiebt, daß er hierfür noch 
feine Belohnung erbalten bat, jo befiehlt er Ha: 
man, ihn nachträglich zu ebren. €. entvedt Kerres 
Hamans Ränle, worauf diefer aufgebentt wird. 
Das frübere Dekret gegen die Juden kann zwar 
richt annulliert werden; dafür aber erhalten die 
Auden die Erlaubnis, ihre Feinde zu töten und ihre 
Habe zu plündern. Die Juden feiern die fröhliche 
Kunde durd einen Schmaus. Als der Tag beran- 
tommt, töten fie 75000 Berfer. Da €. hierdurch noch 
nicht ganz befriedigt ift, jo erlaubt der König den 
Auden, das Mordgeihäft noch am 14. Adar fort 
tegen zu dürfen. Zum Andenten daran ſchreibt Mar: 
dochai das Feſt der Loſe, d. b. Burimfe S: d.), aus, 
Es ift offenbar, daß der Inhalt dieſes Buchs 
unbiftorijch ift. feinem 7. Jahre hatte Zerres 
die Ameſtris zur Frau. Zudem entnabmen die perf. 
ae. ibre rauen aus den edelften * Familien, 
mit Vorliebe ihrer nächſten Verwandtſchaft. Der 
Gedanle, daß mit Einwilligung eines perſ. Königs 
von den Juden 75000 Berjer erſchlagen worden 
fein follten, ift abgeihmadt. Gleiches er 
t ber afler bei Verwertung ber biblijchen 
ngaben. Marbodai ift nad E. 2,6 mit Jojachin 
(597 v. Ehr.) ind Eril geführt worden. Zerres fam 
455 v. Chr. zur Regierung. Im 7. Jahre des Zerres 
war baber Mardochai, wenn er ald Säugling depor⸗ 
tiert worden ift, etwa 120 Jahre, E. 60— 0 J. alt. 
Daran ändert der Umftand nichts, daß der Ber: 
fafler im übrigen mit Sitten und Unfitten orient. 
Hefbaltungen nicht übel vertraut ift. Das Bud 
€., ein Lieblingsbuch des fpätern Judentums, beab: 
ſichtigt, das in fpäter Zeit von den Babyloniern 
und ern entlebnte Purimfeſt ven Juden zu em: 
vieblen, indem es eine nationale Begründung für 
dasjelbe aufftellt. Der Berfafier Mnüpft aber an 
eine Vollsetymologie pür = Los an, während in 
Wirklichkeit der Name Purim ein wort ift und 
die Feitihmäufe bezeichnet. Die griech. und lat. Über: 
fenung des Buch E. haben einige Kapitel mehr ala 
das bebr. Driginal. Sie ftehen in Luthers Bibel- 
überfegung als «Stüde in €.» unter den jog. Apo: 
tropben. Dramatifch bearbeitet wurde der Stoff 
bauptfählih von Racine und Grillparzer (unvoll: 
endet). — Bol. de Lagarbe, Burim (Gött. 1887). 
Die en Kommentare find von Wildeboer (im 
«Aurzen Handlommentar zum Alten Teftament», 
bg. von Marti, Freib. i. Br. 1898), Siegfried (im 
«Dandlommentar zum Alten Teftament», hg. von 
Romad, Gött. 1901) und Jahn (Leid. 1901). 
Estheriidae, Familie der Blattfüßer (f. d.) 
mit jweillappiger, den Körper völlig umſchließender 
Schale. Die etwa 40 bis jetzt befannten lebenden 
Irten bewohnen ausſchließlich das fühe Wafler. 
Foffil treten fie ſchon im Devon auf. 


— Eithland 261 


Efthland, auch Ejtland oder Ehſtland, bei 
den Eſthen Eesti-ma, bei den innen Wiro-ma, 
bei den Letten — bei den Ruſſen 
Estljandskaja gubernija, Gouvernement im weſtl. 
Zeildes Europ. Rußlands, dienörblichite und kleinſte 
der drei Dftfeeprovingen, längs des Sudufers des 
Finniſchen Meerbufens (f. Karte: Weftrußland 
und Dftfeeprovinzen, beim Artitel Rußland), 
im W. an die Dftfee, im ©. an Livland, im D. an 
Ingermanland oder das Gouvernement St. Peters: 
burg (Grenzfluß Naroma) grenzend, hat mit den 
n Dagd, Worms, Odensholm, Nargen und 
etwa 40 kleinern Inſeln 20247,7 qkm, wovon 19072,5 

km auf das Feſtland und 1175,2 qkm a bie In⸗ 
eln fommen, mit 413724 E., alfo 20,4 auf 1 qkm. 

E. iſt ein faft ebenes, mit vielen Sümpfen, Sand», 
Raltjteinflächen und Granitblöden übe äctes, von 
mebr als 200 Heinen Seen (552 qkm) und Eleinen 
Fluſſen bewäflertes Land, das vom baltischen Höhen: 
rüden durchzogen ift und im N. mehr oder weniger 
fteil gegen das Meer ar gie Die Unterlage bilden 
ſiluriſche Schichten, auf denen die obere, diluviale 
oder alluviale Schicht, beitehend aus Sand, Kies, 
Lehm, in ſehr ungleiher Höhe aufgetragen ift. 
Dammerde findet ſich oft jehr fpärlih; nur einige 
Gegenden Jerwens und Wierlands haben eine dichte 
Humusſchicht und Lehmboden. Stellenweife finden 
NE Zorjlager. Bon der Gejamtflähe fommen auf 

derland 16,58, auf Wieſen⸗ und MWeideland 41,75, 
auf Waldland 18,98, auf Unland 22,88 Proz. Das 
Klima ift veränderlih, im Innern rauber ala an 
den Küſten. Die mittlere Temperatur in Baltij 
port beträgt im Sommer 15°, im Winter — 4,8, 
im Jahresdurchſchnitt 4,5° C. Die Bewohner zer: 
eg in Ejtben (ſ. d.) und Eſthländer. Letziere 
ind alle in E. geborenen Perſonen; vorzugsmeife 
verfteht man aber darunter den deutihen Adel und 
die deutiche Bevölkerung in den Städten. Nad der 
Nationalität find 82 Proz. Eſthen, 5 Broz. Deutiche, 
5 Proz. Ruffen, das übrige Letten, Schweden (diefe 
bejonderd auf den Inſeln) und Finnen; der Reli: 

ion nach 94,7 Proz. Evangeliſche, 5 Proz. Ruſſiſch⸗ 
rthodoxe. Die Hauptbeihäftigung bildet der Ader: 
bau, bejonders auf Roggen, Gerite und Kartoffeln. 
Sebr entwidelt ift die Viehzucht, darunter auch die 
Pferdezucht. An den Kuſten und Seen wird Fiſcherei 
betrieben. In der Fabritation ſtehen Branntwein: 
brennerei und Bierbrauerei in erfter Neibe; die Ge: 
famtproduftion betrug 1896 : 24,4 Mill. Rubel; da: 
von fommen auf die Kräbnholmer Baummwollmanu: 
altur (gegründet 1857) bei Narwa allein 11 Mill. 
ubel. Der Handel ift vorwiegend Tranfitbandel; 
die Ausfuhr befteht aus Spiritus, Hafer, Roggen, 
glac, Hede, Slkuchen u. a., die Einfuhr aus rober 
aummolle, Steintoblen, Mafbinen :, Eifen= und 
Stahlfabritaten, Heringen, Kolonialwaren u. a. An 
Eifenbahnen liegen in E. von der Linie Beteröburg- 
Reval 208, die Linie Reval-Baltifchport 48, von 
der Linie Dorpat:Taps 46 und von der Linie Moife: 
ful:Reval 150, zufammen 452 km, die erftern drei 
Linien gebören zur Baltifhen Eifenbahn. Haupt: 
bandelöpläge find: Neval, Baltifchport, Hapjal, die 
zoll Dagö, die Häfen Kunda und Werder. An 
ollsſchulen gab es in €. 1898: 619 mit zu: 
fammen 13 584 Schülern und 10525 Schülerinnen. 
E. zerfällt in 4 Kreiſe: Harrien oder Reval, MWier: 
land oder MWejenberg, a. oder Weißenſtein 
und Miet oder Hapfal. Siy der Verwaltung 
des Goupernementö ift in Reval. Das Wappen 


262 


von €, ift dasſelbe wie von Reval (f. d., Tertab- 
bildung). 

€. wurde Anfang des 13. Jahrh. teild von Deut: 
den, teild von Dänen riftianifiert und unterwor⸗ 
enund, da dauernde Streitigleiten mit dem Schwert: 
orden . d.), der ebenfalld Anſpruche darauf erhob, 
das Land zu einem unfichern Befis madten, 1346 
von Waldemar IV. von Dänemark dem Hochmeiiter 
des Deutichen Ordens verkauft. Nach dem Verfall 
des Deutichen Ordens unterwarfen fi die Stände 
von &. 1561 freiwillig Erih XIV. von Schweden. 
Im Nordiſchen Kriege (f. d.) wurde €. 1710 von 
den Ruſſen erobert und diefen 1721 im Frieden zu 
Noftad abgetreten. 1721—1882 hatte es den Titel 
eined Herzogtums, ſeitdem den eines Fürftentums. 
(S. Ditfeeprovingen.) 

Litteratur. Liv-, eft: und kurländ. Urkunden: 
buch (1. Abteil., 10 Vve., Riga 1852—97, nebft 
Sadıre a ebd. 1900); 
Rat (ed lizze der orogr. und hydrogr. Berbältnifie 
von Liv, Eſth- und Kurland (Reval 1852); Bei: 
träge zur Runde Ebft:, Liv: und Kurlands, bg. von 
der Chläntigen literärifchen Gefellichaft — 
—6, ebd. 1868— 1902); Bunge, Das Herzogtum €, 
unter den Königen von Dänemark (Gotha 1877); 

ordan, Beiträge zur ———— und Statiſtik E.3 

} 1889); Arbufom, Grunbriß der Geſchichte 

v:, Ejt: und Kurlands (Mitau 1890); Serapbim, 
Geſchichte Liv:, Eſth-⸗ und Kurlands (2. Aufl., 2 Bde., 
Neval 1897). Eine «Arhäol. Karte von Liv:, Eſth— 
und Kurland» im Maßjtab von 1: 1000000 (Dor: 
pat 1896) gab Sikta heraus. (S. auch die Pitteratur 
zu Kurland und Livland.) 

Eftienne (ſpr. etienn), ſ. Stepbanus. 

Estilo oulto, f. Gongora y Argote. 

Estime (frj., ſpr. -ihm), Schäsung, Achtung; 
eftimieren, ſchäßen; ejtimäbel, ſchätbar. 

Estive (fr;.,ipr.-ibm), Gleihgewicht der Schiffs: 
ur’ auf beiden Seiten; eftivieren, Sciffägüter 

@ftland, ſ. Eſthland. [gebörig ftauen. 

Est modus in rebus, sunt oerti denique 
fines (lat.), «es ift ein Map in den Dingen, es 

iebt überhaupt beftimmte Grenzen», Eitat aus 

oraz’ «Satiren» h ud 1,1, 106). 

Efto, Ellenmaß auf Sumatra, ſ. Covado. 

Estoo (fr3.), Stoßdegen. 

Estooäda (fpan.; franz. estocade, fpr. -abd), 
Stoß mit dem Degen; aud nennt man fo eine zus 
dringliche Bitte um ein Darlehn. 

Estomihi (lat., «jei mir» [ein ftarter Fels]), 
—— des Sonntags Quinquagesima ober 
itebenten Sonntags vor Dftern nah dem An: 
iang ber Meſſe diejes Tages Pſalm 71, 8). 

Ehtompe (fr3., ſpr. eitöngp), Wiſcher, an beis 
den Enden mäßig zugeipiste Stangen aus Leder, 
Kort_oder Papier zur gleihmäßigen Verteilung 
und Abfchattierung von Kreide: und Bajtellfarben. 
Zeichnungen & l’estompe find die mit Wifcher be: 
bandelten; eftompieren, mit Wiſcher bebandeln. 

Efton ({pr. eßt'n), Stabt im ng der 

.Grafſchaft York, oſtlich von Middlesbrough, zu 
deſen Induftriebezirt es gehört, hat (1901)11182 C. 

Eſtrach (ipr. -atih), Caldas de, f. Caldas. 

Eiträda, La, Hauptort des Bezirts E. in der 
ipan. Brovinz Bontevedra (Galicien), etwa 30 km 
norbnorböftlih von Bontevedra, in volfreiher Ge 
birgsgegend, hat (1897) ald Gemeinde 24700 €. 

ftrade (fr3.), der um eine oder mebrere Stufen 
erhöhte Teil des Fußbodens; in den Kirchen zur 


Eitieune — Ejtrees 


Abfonderung der Chorftüble und zur Hervorhebung 
des Altard oder eines Katafalls; in Thron: und 
Baradejälen far den Thron u. ſ. w.; beim Schleuſen⸗ 
bau der erhöbte Teil der Schleuſenkammer oder des 
Raums — beiden Schleuſenthoren. 

Eftr gon, Pflanzenart, f. Artemisia; Eftra: 
goneffig, ein durch Anfeken von Eitrag 

mit MWeineffig bergeitellter aromatifcher Speiſeeſſig. 

Eiträgondi, ein ätheriſches Öl, das aus dem 
Kraut von Artemisia Dracunculus L. durch Dampf: 
beitillation gewonnen wird. Es hat das ſpec. Ge 
wicht 0,95 und bejteht hauptſächlich aus Eſtragol, 
einer Verbindung, die dem Anetbol (f.d.) ifomer ift 
und durd Kali in jenes übergeführt wird. 

Eſtraugelo, |. Syriide Sprache, Schrift und 
Literatur. Schriftprobe f. Tafel: Schrift IL, 10, 

Eftrapäde (frz.), das Wippen, der Wipr: 
oder Schnellgalgen, eine ai Schiffen übliche 
Strafe, welde darın beftand, daß man den Delin- 
quenten auf das Ende einer Segelftange beißte und 
ihn darauf mehrmals hintereinander in das Meer 
türzen ließ. Diefe — war auch — dem Feit: 

nde in Gebrauch. Man ließ bierden Delinauenten, 
an einem Seile feftgeihnürt, Hände und übe rüd: 
wärts zufammengebunden, von einem Meter Höbe 
auf die Erbe hinabfallen. — Place de I’E. ſſpt. 

lahß de leſtrapahd), ein Platz in Paris, wo ein 

ippgalgen ſtand, an dem beſonders viele Bro 
teitanten gefoltert wurden. — €, beißt aud ber 
Bodsfprung der Pferde, das gleichzeitige Bäumen 
und Ausſchlagen derjelben. 

Eftrees (ipr. -reb), altes franz. Geſchlect, 
das jeinen Namen von einem Schloß in der Näbe 
von Arras führt. Jean, Marquis d’E., geb. 
1486, war ein ritterliher Krieger und bejaß jeit 
1559 die Würde eines Großmeijterd der Artillerie. 
Er belannte fi, obwohl im erſten Hugenottentriene 
im Sr > Dienfte, zum Brotejtantismus und ftarb 
1571. Sein Sohn Antoine d’E. war ebenfallt 
Großmeifter der Artillerie, machte fih berühmt durd 
Ser Verteidigung von Noyon 1593 und ftarb im 

nfang des 17. Jahrh. ald Gouverneur von La Ftre, 
Paris und Jsle-de: France. { 

Defien Tochter Gabrielle d’E., Herzogin von 
Beaufort, Geliebte Heinrichs IV. von Frankreich, 
mar um. 1571 geboren. Sie ftand im Alter von 
20 J. al3 der König fie auf dem Schlofje ibres 
Baters, Coeuvres, kennen lernte und durch ibre 
Reize gefefielt wurde. Um ihr eine Stellung in ber 
Gejellihaft zu geben, wurde fie mit Herm von 
Liancourt, einem Witwer mit 14 Kindern, ver 
mäblt. Indes wurde diefe Ebe bald aufgelöft, und 
Gabrielle, zur Marquife von Monceaug, dann zur 
Herzogin von Beaufort erhoben, tonnte hoffen, dem 
an. das thörichte Verjprechen, fie zur Gemahlin, 
ur Königin zu erheben, abjugewinnen. Gegen 

ftern 1599, als ſchon die Scheidung des König! 
von Margarete von Balois eingeleitet war, begab 
fi Gabrielle, ihrer Entbindung nabe, auf Anraten 
ihres Beichtvaters vom Hofe weg nad) Paris, mo 

e bei einem vertrauten Juden des Königs, Nament 
amet, wohnte, Am Öründonnerätage erfrantte 
e plößlich, wie es bie nad dem Genuſſe einer 
Orange, und ftarb ſchon am Sonnabend 10. April. 
Die Voltaftimme ſprach von Gift; es ift laum 
zweifelhaft, daß fie vielmehr Krämpfen einer vor: 
Br Geburt erlegen ift. Sie hinterließ dem 
dnige drei Kinder, Teſar und Alerandre (j. Ben: 
döme) und Henriette Catherine, vermäblt mit bem 


Ejtreiher — Ejtremadura (Provinz in Portugal) 


berzog von Elboeuf. Nicht ohne Habſucht und Ehr⸗ 
A war «die jchöne Gabrielle» dem Könige doch 
wohl wirtlich treu; troß ihrer zweideutigen Stellung 
genoß fie Snieitige Neigung und fogar Achtung. 
Die unter ihrem Namen elslmenen «Mömoires» 
4 Bpe., Bar. 1829) find wahrſcheinlich von einem 
rer Freunde nach ihrem Tode verfaßt. Moret 
oeröfjentlihte: «Me&moires secrets de Gabrielle 
dE» (Bar. 1875). — Bol. Loijeleur, Questions 
kistoriques du 17* sidcle (Bar. 1873); verf., 
Problömes historiques (ebd. 1867); derſ., Ra- 
raillac et ses complices. L’&vasion d’une reine 
de France. La mort de Gabrielle d’E. (ebd. 1873); 
Desclojeaur, Gabrielle d’E. marquise de Mon- 
ceaux (ebd. 1889). 

François Annibal d’E., Gabriellend Bru: 
der, geb. 1573, jeit 1626 Marſchall, fpäter auch 
Herzog von E., war in feiner Jugend Geiftlicher, 
wurde 1594 Bifchof von Noyon, trat dann aber 
in den Kriegsdienſt über; unter Ludwig XIU. be: 
wäbrte er Eh als Diplomat, befebligte 1624 in 
Graubünden, bald darauf im Mantuaniſchen Erb: 
folgelriege und endlich in Deutichland, wo er ver: 
wundet wurde (1632). Er war 1636—48 ala Ge: 
fandter in Kom thätig und ftarb 1670 in Paris. 
Er ichrieb «Me&moires de la rögence de Marie de 
Medicis» (Bar. 1666). 

Jean, Graf d’E., Sohn des vorigen, geb. 
1624, foht mit Auszeihnung im Dreißigjährigen 

ge und gegen die mit ber Fronde verbündeten 
Spanier, wurde 1655 gefangen und _erft 1659 im 
enäijhen Frieden mieder frei. Seit 1668 im 
ienft, befämpfte er die engl.-amerif. Kolonien 
und 1669 die Raubftaaten an der afrit. Küfte. 
1672 befebligte er die franz. Flotte, die mit der eng: 
ktjchen vereinigt die holländ. Kuſte blodierte. Die 
rüdhaltung, die er dabei, vielleicht geheimen 
jungen jeines Königs folgend, in zwei See 
Sladten beobadtete, machte ihm nicht nur den 
Englänvdern, fondern auch den eigenen Untergebe: 
nen verbaßt. Aber Ludwig XIV. vergalt ihm dies 
Berbalten durch erhöhte Würden, und E. redhtfer: 
tigte jeine Tüchtigteit dur fpätere Siege. Er ent: 
riß den Holländern 1677 die Inſel Tabago; 1681 
murde er dafür zum Marjchall und 1686 zum Vice: 
könig der ameril. Kolonien ernannt. 1691 kämpfte 
er nochmals glüdlich gegen die Engländer, erhielt 
dann dad Gouvernement in mehrern Provinzen, 
sulegt in der Bretagne. Er ftarb 1707. 
R Victor Marie, Herzog d’E., Marjhall von 
örantreih und Grande von Spanien, Sohn des 
vorigen, geb. 1660, diente erjt in der Landarmee, 
dann unter jeinem Water auf der Flotte, bewährte 
ſich im Seelriege der neunziger Jahre und wurde 
im Spanifhen Erbfolgelriege von Philipp V. als 
Überlommandant der jpan. Flotte mit nah Spa: 
nien binübergenommen und jpäter no von Lud: 
wig XIV. zum Marſchall ernannt. Er führte 1704 
ſeht glüdlich vie franz. flotte gegen die Verbündeten 
bei Malaga. Nach dem Tode jeines Vaters erhielt 
er deſſen Gouperneurjtellen; 1715 wurde er zum 
Leiter des Marinerates und 1733 zum franz. Mi: 
after ernannt. Er jtarb 1737. 

Louis Charles Ceéſar Letellier, Herzog 
dv’E, Marfhall und Minifter von Frankreich, geb. 
1697, war als Sohn Michel Letellierö de Courtan: 
vaur und der Marie Anne Eatherine d’E, Entel 
Lorvois und Jeans d’E. Er diente zuerft in Spa: 
nien unter Berroid, dann im Öfterreibiichen Erb: 


263 


Igetriege; als Generalleutnant unter dem Mar: 
chall von Sachſen zeichnete er ſich in den Nieder: 
anden mehrfah aus und erhielt von Ludwig XV. 
nebft dem Marſchallsſtab im Siebenjährigen Kriege 
den Oberbefehl über das große Heer in —* ⸗ 
land, Nachdem er 26. Juli 1757 bei Haftenbed 
über den eo, von Gumberland gefiegt hatte, 
mußte er das Kommando an den Herzog von 
Richelieu abgeben. 1763 wurde er Herzog. Mit 
feinem Tode, 2. Jan. 1771, erloſch das Geſchlecht. 

Ejtreicher, Rarol, poln. Sitterarbiftorier und 
Bibliograph, geb. 22. Nov. 1827 in Kratau, ftu: 
dierte auf der dortigen Univerfität Rechtswiſſen— 
—— und wurde Landesgerichtsadjunkt in ⸗ 

erg, wandte ſich aber der poln. Litteraturgeſchichte, 
peciell der Bibliographie zu, die er auch an der 
Warſchauer Hochſchule vertreten ſollte. 1868 wurde 
er als Bibliothelar der Jagelloniſchen Univerji- 
tãts bibliothek nach Kralau berufen. Außer meh⸗ 
rern Monographien über poln. —— über 
Mickiewicz (Wien 1860), Janocki (ſtralau 1869), Bol 
Lemberg 1881) u. a., Artikeln für Zeitfchriften und 

x die große Orgelbrandiche «Encyklopädie», ſchrieb 
er «Teatra w Polsce» («Theater in Polen», 3 Tle., 
Kratau 1874—79) u. a. Sein Hauptwerk ift die 
poln. Bibliographie, «Bibliografia polska» (Bd. 1 
—12, Rralau 1872—91).— g' Die poln. Biblio: 

tapbie und ihr Pfleger Karl E. (im «Anzeiger für 
Bibliographie», 1875, Mai). 

Eftrella, Serra da (d. p Sterngebirge), das 
höchſte Gebirge Portugals (ſ. Karte: Portugal, 
Bd. 17), eine 60 km lange, kahle Kette, welche 
ſich in, der Provinz Beira Baira zwiſchen dem 


Mondego nörblih und dem Zezere ſüdlich als ein 
platter, granitiiher Wall erhebt; fie ift im SW. 
am höchſten und fchroff zerflüftet, nah N. ſanft 


abgedadıt. Der mit Gras, Kräutern und Wadol: 
dergebüſch bededte Rüden trägt vom Dltober 
bis Juni Schnee; in feiner Mitte erhebt nd der 
1993 m bobe auulbin da Serra. Eine öftlicher 
gelegene Felsmaſſe heißt o Cantaro Delgado, d. i. 
der feine Waflerfrug; zwei andere find der Can— 
taro magro und Cantaro gorbo, d. i. der magere 
und ber fette Krug. Von diefen Höhen erhal: 
ten der Mondego, der Alva ſowie der Zezere ihr 
Waſſer; auch liefern für Liſſabon das Eis. 
Nahe dem Hauptgipfel liegen vier tiefe, Mare Alpen: 
jeen, namentlich der Lagda oscura, von 2,5 km 
Umfang, und der Zagda redonda, aus welchem der 
Alva kommt. — Bol. Rivoli Die Serra da €. 
—— Nr. 61 zu « Betermanns Mitteir 


ungen», Gotha 1880). j 

Gitremadära urjprünglid ein in Spanien er: 
eugtes Baummwollgarn. Sept bezeichnet man mit 

. ein meift zum Striden verwendetes ſechsdrähti⸗ 
ges Garn mit rundem, gleihmäßigem Faden. 

Eftremabüra, a. des Hlönigreibs Por: 
tugal (f. Karte: Portugal, Bd. 17), grenzt 
im N. und NO. an die Provinz Beira, im D. 
und S. an Alemtejo, im W. an den Atlantifchen 
Dcean und bat 17382 qkm, (1900) 1232593 E., 
alſo 71 auf 1qkm. €. zerfällt abminiftrativ in die 
drei Diftrikte Liſſabon (7042 qkm, 708750 €E.), 
Santarem (6862 qkm, 283676 €.) und Leiria 
(3478 qkm, 240167 €.), zufammen mit 95 Eon: 
celhos und 471 Kirchipielen. Die Provinz mird 
durch den gegen SW. ftrömenden, gegen die Mün- 
dung bin injelreihen Tejo (ipan. Tajo, |. d.) in 
zwei faft gleichgroße Teile geteilt, deren füdlichen 


264 


der aus Alemtejo kommende Sabäo (Sabo) durd: 
ſchneidet. €. ift größtenteild gebirgig, indem es 
den weſtlichſten Abichnitt des Scheidegebirges der 
beriſchen Halbinfel einfaßt. Im N. des Tejo zieht 
ich aus Oberbeira die Fortſetzung der —* Serra 
da Eſtrella mit ihren ſteilen, dürren Kalkſteinbergen 
herein und ſendet verſchiedene Seitenzweige durch 
das Sand. Im MW. der Tejomündung if das 488 m 
bobe romantiich:wilde Granitgebirge der Serra de 
Eintra, welches im Cabo da Roca, der weſtlichſten 
Spiße des europ. Feitlandes, endet, Im ©. des Tejo 
liegen die dürren, von Sümpfen unterbrocdenen, 
jest zum Teil fultivierten Heiden jomwie das auf 
Sandftein liegende Kallgebirge Serra da Arrabida, 
das fi bis pP 500 m Höbe am Nordrande der Bucht 
von Setubal erbebt und im Gabo Espichel ausläuft. 
Das Land bat ein berrlihes Klima, wirb aber 
bäufiger von Erdbeben heimgeſucht als das übrige 
dortugal, Es ijt, mit Ausnahme der Umgebung 
iſſabons und der weiten Ebene des rechten Tejo: 
ufers, der Riba-Tejo, nur fpärlich bevöltert und 
taum zur Hälfte bebaut, reich an unbenußt liegen: 
den Erzgängen, an wertvollen Steinen (Marmor), 
an Mineralquellen (im ganzen 16 Badeorte), Sa: 
linen (die bedeutendfte ijt bei Rio Major im NW. 
von Santarem) fowie auf der Hüfte an Seeſalz, 
befonders bei Setubal, in deifen Lagune ſich der 
Sadäo oder Sabo ergieht. Von den bedeutenden 
Kiefernwäldern (70000 ha, 40000 nörblih und 
30 000 füdlich vom Tejo) ift der im 13. Jahrh. vom 
König Dionyfius gepflanzte Pinhal del Kei (Kiefern: 
wald des Königs) oder de Peiria, weitlich von Leiria, 
zu nennen, welcher eine Fläche von 10000 ha be: 
dedt und Hol; im Werte von 15 Mill, Frs. enthält. 
Auch die Waldungen der Serra de Cintra zeichnen 
ih durch prachtvollen Baumwuchs aus; die andern 
Gebirge find meift kahl. Im S. und SD. des Tejo 
ſowie im N. von Leiria breiten ji gewaltige Eiftus: 
geben aus (die fandigen Charnecas, von tiefen 
bälern durchriſſen, faum bewohnt und wafierlos), 
die nur als —*—— dienen. Eine Ausnahme 
bildet die Halbinſel von Setubal oder die Serra da 
Arrabida mit ————— Drangen: und Wein: 
gärten und hübſchen Landhäuſern. Die Fruchtbar— 
feit de angebauten Bodens an Weizen, Mais, 
Wein, Ol ift außerordentlich, bejonders in der 
Riba⸗Tejo, auf den Leziriad und um Lijjabon, mo« 
Bor alle Feld:, Garten: und Baumfrüchte, aud 
ein, Öl und Orangen in Fülle und jeltener Güte 
erzeugt werden. Gezüchtet werden vor allem Pferde, 
Erel und Schweine, auch Maultiere und Ziegen, 
aber wenig Schafe. Nicht unbedeutend ift auch die 
Bienenzudt. Die Sana bat ihr Centrum in 
Liffabon, der Handel zugleich in Setubal, €. bat die 
beiten Landſtraßen und die meiften Eifenbabnen in 
Portugal. Die Bewobner gelten als die gebildet: 
ften, die Frauen als die jchönften des Königreichs. 
Eftremadüra, Name einer alten Landſchaft, 
früber Provinz Spaniens (f. Karte: Spanien 
und PBortugal), deren polit. Grenzen ſich im 
Laufe der Geihichte vielfad änderten, im wejent: 
lihen aber zwifchen 30 und 40° 25’ nörbl, Br. und 
5 und 7° weftl. L. blieben, zwiſchen Portugal und 
Neucaftilien, zu beiden Seiten des Tajo imN. und 
des Guadiana im ©., dort von Peon, bier von 
Anbdalufien begrenzt. Seit 1833 auf die beiden Pro: 
pinzen Badajoz und Caceres verteilt, umfaßt €. 
41757 qkm mit (1900) 882410 €., d.i. 21 €, auf 
1 qkm. Es bildet die mweitl. Fortiekung des neu: 


Ejtremadura (Landſchaft in Spanien) — Ejtremadurit 


caitil. Hochlandes, bietet aber beveutend mehr Ab- 
| als diejed. Im R. breiten ji die, aui 
den Südabbängen mit Getreidefeldern und en: 
und Raftanienwäldern bededten Sierra de Gredos 
und Sierra de Gata fajt bi zum Tajo aus. Das 
am Tajo liegende, von vielen waſſerloſen Barrancos 
durchfurchte Blateauvon Hod&:Eitremadura(@.alta) 
trägt mit Eijtusbeiden abwechſelnde Eichenwälder. 
Der weſtl. ebene Teil E.s, zwiſchen Tajo und Gua: 
diana, bat jandigen Boden mit Weiden und Eiftus- 
beiden und wird von einzelnen Bergzügen durch— 
ogen, die, wenig über die Hochfläche aufiteigend, im 
. zur granitiihen Sierra de Guadalupe (1558 m) 
zujammenlaufen. Südlich vom Guadianaerbebt ib 
das von niebrigen Bergreiben unterbrobene Hod: 
land von Nieder-Ejtremadura (E. baja, 600 m im 
Mittel), das nah ©. allmäblic zur Sierra Morena 
aufiteigt. Dasjelbe ift meift baumlos, nicht be 
wäſſert, an den Flußufern ungejund, ichledht an: 
gebaut und beftebt aus Deheſas (Weiden) und Des: 
poblados (Cinöden), bat aber aud ftellenmeiie 
fruchtbaren Weizenboden. Unter röm. und maur. 
Herribaft war E. eine Kornlammer Spaniens. 
Seit der Vertreibung der Mauren und nachdem 
das Land infolge der großen Peit von 1348 fomie 
dur andere Urjachen, namentlich ftarte Auswan: 
derungen nad Amerila, entvölfert worden, verödete 
und verarmte ein großer Teil. Dennod liefert das 
Sand noch beute große Mengen Weizen, Hüljen: 
früchte und Wein. Der Hauptzmweig der Viehzucht 
ift die durch die Eichelmajt begünftigte, berübmte 
Schinten und Würfte liefernde Schweinezudt. In 
den Gebirgen werben viele gegen ſowie aub Maul: 
tiere gezüchtet. Auch die Bienenzuct ift nit un- 
bedeutend. Die Gebirge E.3 find reih an Metallen, 
Baufteinen und Mineralquellen, aber der früber 
ergiebige Bergbau liegt längft danieder. Die In: 
duitrie ift obne Bedeutung und der Handel nad 
außen faſt nur auf Schmuggel mit Portugal be 
ſchränkt; die Wafferftraßen des Tajo und des Gua— 
diana find innerhalb E.3 ganz unbenugt. Die 
Bahn Huelva:Salamanca durchſchneidet das Ge: 
biet von Süd nad Nord, die von Madrid nad 
Liffabon und von Eiudad:Real nab Elvas durch— 
queren ed, Die Einwohner (Eſtremeños) find, 
wie die Neucaftilianer, ein Mifhlingsvolt, zeichnen 
ich aber vor diejen durch Ernft und ſchweigſames 
ejen aus. Das niedere Volt ift roh, träge, aber 
utmütig, ebrlid, uneigennüßig, gaftfrei und tapfer. 
Gortes und Pizarro waren Eſtremeños. 
Ejtremadurit, Bezeichnung des in der Provinz 
Gäceres in Spanien vorlommenden Phosphorits 
(f. d.). Derjelbe findet fi dort teild im Granit, 
teils in cambriſchen Schiefern, teils im devoniſchen 
Kalt über eine Fläche von 16800 qkm verteilt. Der 
nörblichite Fe der Fundſtelle wird durb das 
Lager von Prebejos, der weitlichite durch das von 
Marvas in Portugal gebildet, während die Süb- 
—— bei Albuguerque und die Ditgrenze bei 
ogrojan Tiegt. Der im Granit und Schiefer vor: 
fommende €, ift mebr oder weniger von Duarj 
durcjegt, während der dem Devon entitammende 
bäufig reihlihe Mengen von foblenfaurem Kalt, 
der in jenem gänzlich fehlt, entbält. Die Haupt: 
mafle des €. iſt ercigriaferig, nicht durchſcheinend, 
bat Seiden: big Berlmutterglang, ift 8 häufig rein 
weiß, doch fommen aud alle mögliden ſonſtigen 
Färbungen vor, von gelb bis braun, von roja bis 
rotbraun, febr felten violett bis bellgrün, die Dichte 


Eſtremoz — Efzterhäz 


wank zwiſchen 2,6 und 3. Der Gehalt des von 
äußern Beimengungen befreiten E. an phospbor: 
ſautem Kalt beträgt 40—87 Proz. Der E. wird 
namentlih nah Hamburg und London verſchifft, 
um ald Robmaterial zur Yabrilation der Super: 
yheipbate zu dienen. 

Eftremoz (ipr.-ob8), Ortichaft im Diftritt Evora 
der portug. Provinz Alemtejo, 50 km nordöſtlich 
von Evora, in 461 m Höbe auf einem Berge des 
Gebirgs zugs Eaireiro, in ſehr fruchtbarer Gegend, 
an der Linie Caſa Branca:€, (78 km) der Portug. 
Sudoſtbahn (Zweigbahn nah Vortalegre im Bau), 
bat (1900) 7857 E. und Ausfubr von in Spa: 
nien und Frankreich berühmter Wolle. Weiber, 
bmarzer und grüner Marmor wird gebrocen; 
die Säulen des Escorial ftammen von bier. Auch 
find in ganz Portugal die hier gefertigten irbe: 
nen eg (Bilhas de barro, fpan. Bucaros) be: 
rübmt, Berfallene Feſtungswerke mit zwei Forts 
umgeben die Stadt. Etwa 9 km im NM, liegt 
Santa Bictoria do Ameirial, wo 3. Juni 
1663 der portug. General riedrib von Schom: 
berg einen glänzenden Sieg über die Spanier er: 
tocht, der die Unabhängigkeit Portugals unter dem 
Haufe Braganca dauernd gegen bie Üibergrifie des 
Nachbarſtaates Spanien fiherfieite, 

Eftribillo (fpr.-billjo), fpan. Tanz, |. Seguibilla. 
Eſftrich oder Äſtrich, jeder Fußboden, der aus 
einer zuiammenbängenden, anfangs weichen, fpäter 
erbärtenden Maſſe beſteht und fonac eine von keiner 
Fuge —— Fläche bildet. Je nach der An— 

wendung von Lehm, Kalkmörtel, Gips, Asphalt, 
Cement unterjceidet man Lehm-, Kaltmörtel:, 
Gips:, Asphalt-, Gementeftrih. Bei Gemwölben 
giebt man eine Sandihüttung ala Unterlage, wäh— 
rend auf Ballendeden —— ein dichter Bretter— 
belag hergeſtellt werden muß, deſſen Fugen durch 
3—4 cm ſtarlen Lehmverſtrich gedichtet werden, 
worauf eine geebnete Sandſchicht die unmittelbare 
Unterlage der E. bildet. 

Lehmeſtrich findet namentlich bei landwirt— 
caftlichen Bauten Anwendung und bildet vor: 
zugsweiſe den Fußboden in Drejchtennen, auf Ge: 
treide: und Dabböden. Er beſteht aus einer 20 cm 
arten Lehmſchicht, welche mit aan eaeln feit ge: 
ſchlagen und geglättet wird. Zu befierer Bindung 
wird das Material mit Ochjenblut oder Teergalle 
geitrihen und mit Hammerſchlag beitreut. 

Die Kallmörteleftribe find fchon von 
den Alten angewendet worden, wie Vitruv und 
Blinius berichten (vitruwianifcher und griedifcher 
€). Der zuiliige Kaltmörteleitrich hat 
eine aus Steinen aehampfie Unterlage, wor: 
auf der hydrauliſche Kalt, mit Kied im Michungs: 
verhältnis 1 : 2 vermengt, gebreitet und feſtge⸗ 
ſtampft wird. 

Gementeftrihe müfjen eine ganz befonders 
feite Unterlage erhalten, wozu ſich der Beton am 
beiten eignet. Zum E. verwendet man am meijten 

andcement mit gewaſchenem ſcharfen Kieſel⸗ 
fand in einem Miſchungsverhältnis von 1:3. Er 
wird geglättet mitteld Glätteifen oder ungeglättet 
—* welches letztere dem erſtern vorzuziehen 
iſt. Eine beſondere Art der Cementeſtriche iſt der 
Traßeſtrich, welches Material im Brohlethal am 
Rhein bei Andernach gewonnen wird. Derſelbe be 
hebt aus 3 Teilen Kalt, 8 Teilen Traß und 6 Teilen 
—55* Durch den Traß erhält der gemöhn: 


t budrauliiche Eigenihaften. Der E. wird 


265 


25 cm hoch aufgetragen und bi auf 15 cm Stärte 
ujammengejtampft, während die Oberfläche mit 

ijenfeilfpänen und Kalkſtaub beftreut wird. Wer: 
den in eine Gementbetonunterlage feine (bunte, 
arbige) Marmorjtüde eingelegt, event. nad be: 
timmtem Mujter, k entjteht der venetianiſche 
oder italienifche Terrazzo, welder troden po: 
liturfäbig iſt. Die Bolitur wird erzielt durch Schlei- 
fen mit feinem Sand und Stein und Bimsftein, wor: 
auf die En mit Leinöl abgerieben wird. 

Die Gipseſtriche find namentlibh in Italien, 
in Frankreich und am Harz gebräuclih. Auch fie 
erhalten eine geebnete Unterlage aus feinem Sand 
worauf der mit Leimwaſſer zu einem dünnen Brei 
bereitete Gips 3 cm ſtark aufgetragen wird. Nah 
Erhärtung desfelben wird die Fläche dreimal mit 
beibem Leinöl abgerieben. 

Die Aspbalteftriche werden in neuerer Zeit 
am meijten angewendet und eignen fich vorzugs: 
weiſe für Keller, Fluren, Korridore, Abtritte, Bil: 
ſoirs u. f. w. Der Gufaspbalt wird auf eine I— 
12 cm jtarfe Betonfbicht oder auf in Sand ver: 
legtes Ziegeljteinpflafter in einer Stärfe von 10— 
25 mm aufgetragen, worauf die Gußmaſſe mit ge: 
fiebtem Sand gleihmäßig überjtreut wird, um fie 
törnig zu maden. Die Eſtrichmaſſe beſteht aus ge: 
ſchmolzenem Asphaltmajtir, dem man etwas Bitu: 
men und rein gewaſchenen Sand oder jebr Heinkör: 
nigen Ries unter ftetem Umrübren zuſetzt. 

Die E, find kühl, baltbar und feuerfiher und 
gewähren Schutz eo. Ungeziefer. 

Eſtrun, eine Abtei der Benediktinerinnen für 
er. Fräulein in der Näbe von Arras, foll von 
Karl d. Gr. geftiftet worden fein. Um 1670 gab der 
Biihof von Arras ihnen verbefierte Sapungen. 
Die Klofterfräulein waren zu ftrengem Schweigen 
gegenüber allen nicht dem Kloſter Angehörigen, da: 
gegen nur zu mäßigem Faſten verpflichtet. 

ſtrup, Jacob Brönnum Scavenius, dän. 
Staatsmann, geb. 16. April 1825 zu Sord, begann 
1854 im Folleting feine polit. Wirkſamlkeit, erbielt 
1864 einen Sig im Landsting und nahm als Chef 
der Gutsbeſitzerpartei eifrig teil an der Revifion 
der Konftitution (1866). Vom 6. Nov. 1865 bis 
18, Sept. 1869 Minifter des Innern, forgte er für 
die Entwidlung der Eifenbabnen, die Übernahme 
des — ——— durch den Staat und die kom— 
munale Geſetzgebung. Am 11. Juni 1875 wurde 
er Conſeilpräſident und — In dem 
Streit mit der Mehrheit des Folleting zeigte er viel 
Energie und ſuchte ſich durch mehrfache Auflöſun— 
gen desſelben eine ſeinen Plänen geneigte Majo— 
rität zu ſchaffen. Der negativen, ſog. Verwelkungs: 
politi Kine Gegner trat er mit einer Reibe provilo: 
rifher Finanzgeſetze entgegen, und erjt nachdem im 

bling 1894 eine Einigung über das Budget zu 
tande gelommen war, legte er im Aug. 1894 fein 
Amt nieder. 1900 wurde er om Mitglied des Lands: 
ting3 ernannt. (S. auch Dänemart, Geſchichte.) 

ſus, Heſus, Aſus, keltifcher Gott, der durd 
Menſchenopfer geehrt wurde. 

Eizeg, Stabt, |. Cie 

Efiztergom, ungar. Name von Gran (f. d.). 

Siiterhäz (ipr. -babs), Klein: Gemeinde im 
ungar. Komitat Ödenburg, nahe dem Südufer des 
Neufiedlerfees, an der Raab: Ödenburg: Ebenfurter 
Babn, hat (1900) 498 magyar. E. und das Stamm: 
[up der fürftl. und gräfl. Familie Ejterhäzy (f.d.), 
das feiner Ausdehnung und Pracht wegen vormals 


266 


das ungar. Berjailleö genannt wurde. Es ift in ital. 
Renaijjance erbaut, hat drei Stodwerle und eine ſehr 
wertvolle Schaß:, Naritäten: und Borzellantammer. 
Der umgebende Bart bat 8 km im Umfang und 
beberbergt das Theater, in welchem Haydns Kom: 
pojitionen zuerft aufgeführt wurden, 

Efzterhäzy, j. Eſterhäzy. i 

Et., Abtürzung je «etwas» in Kurdzetteln, 
wenn zu dem angegebenen Kurje nur Heine Poſten 
gehandelt wurden. Der Zuſatß wird gemacht, da: 
mit dem Kurs nicht eine der Sachlage nicht ent: 
ſprechende yo ar beigelegt werde. 

Eta, Voll, j. Negrito. 

Etablieren (fr3.), gründen, errichten; [19 
etablieren bedeutet: ſich geihäftlich niederlaſſen. 
Etabliffement (ipr. -blißmäng), Niederlafjung, 
no im weitern Sinne überhaupt 
Geihäft, Fabrik u. ſ. w. 

acismus, |. Itacismus. 

Etage (fr;., jpr. etahſch'), Stodwert, Geſchoß 
(1.d.); etagieren, — etagenmäßig abteilen, 
namentlich das Haar fo verſchneiden. 

Etagenräder (pr. -abjhen-), foviel wie Stu: 
fen: oder Staffelzahnräder (ſ. Zahnräder). 

Etageurojt (jpr.-abihen-),\. Jeuerungsanlagen. 

Etagenventil (jpr. -abjchen-), ſ. Stufenventil. 

Etagenzünder (pr. -abihen-), Shrapnelzünder 
neuerer Ronitrultion, bei denen zur Erreichung einer 
längern Brennzeit jtatt eined Satzringes zwei oder 
———— gelegte benutzt werden. (©. 

nder. E 

Etagere (feh, ipr. -afhäbr), Geftell (auch Wand: 

brettchen) für Nippfachen, metjt in mehrern Abtei: 
u (Etagen) übereinander. 
, Etain (ipr. and) Hauptitadt des Kantons E. 
im Arrondifjement Verdun-ſur-Meuſe des franz. 
Depart. Meuje,an der Orne und an der Linie Berdun: 
Eonflans der Franz. Dftbabn, hat (1901) 2747, als 
Gemeinde 2877 E., ein Koınmunal:Collöge; — 
tation von Öl, Woll: und Baumwollſtoffen, Gerbe⸗ 
teien, ärbereien, Handel mit Holz, Getreide, Wein, 
Kalt, Eiien, Vieh und Fleiſchwaren. 

Etalieren (frz.), zur Schau ausjtellen, Waren 
auslegen; Etalage (fpr. Tahſch'), Schauftellung, 
Darenauslegung. 

Etalon F ipr. löng), ſ. Normalmaß, Wäh— 
rung; Etalon boiteux (ipr. böätöb), Hintende Wäb- 
rung (j.d.). — E. it auch Bezeihnung für einen 
Muſterzuchthengſt. 

‚Etalonnieren (frz.), Gewichte oder Maße 
aihen; Etalonnage (ipr. -nabid’), Aihgebühr. 

Gtamieren (fr;.), verzinnen, 

Etamin, Eſtamin, Stamin (vom franz. eta- 
mine), ein jebr pünnes Gazegewebe (j. d.) meiſtens 
aus Baummolle, jedoch auch aus anderm Faſer— 
material, welches weſentlich als Futterzeug in Klei⸗ 
dungeitüden Verwendung findet. 

Etamped (jpr. etängp). 1) Arrondiffement 
im franz. Depart. Seine: et:Dije, bat 800 qkm, 
(1901) 42826 €,, 70 Gemeinden und zerfällt in die 
4 Kantone E., La Ferté-Alais, Mereville und 
Milly. — 2) Hauptjtadt des Arronvifiements E., 
50 km ſüdlich von Paris, an der Linie Paris: 
Tours der Franz. Orleansbahn, mit Zweigbahn 
nab Auneau (33 km), im fruchtbaren Thale der 

ine gelegen, Eik eines Gerichtshofs erjter In— 
tanz, bat (1901) 8496, ald Gemeinde 9001 E., 
drei alte merlwürdige Kirchen: St. Bafıle, mit 
Bortal und Turm (aus dem 12. Jahrh.), Notre: 


Eizterhäzy — Etaples 


Dame, im lbergangsitil des 12. Jahrh., mit 
ihönem Turm, St. Martin, mit jchiefem Turm; 
ein Stadthaus (16. Jahrb.), die jog. Zour Gui— 
nette, den jchönen vieredigen Donjon eines zwiſchen 
1150 und 1170 erbauten, von Heinrich IV. zer: 
törten Sclofjes mit 27 m boben und 4 m diden 
auern, in welchem Philipp Auguft feine Gemab: 
lin yngeborg 1199—1201 gefangen bielt, ferner 
ein Kommunal-College, Zellengefängnis und ein 
ofpiz. Die Stadt hat Fabrikation von, Farben, 
irnis, Liqueuren, Kalt und Gips, Ziegeleien, 
üblen, bedeutenden Handel mit Getreide, Mebl, 
Gemüfe, Wein, Wachs, Honig und Wolle — 
Im 14. Jahrh. wurde €, zur Grafſchaft erhoben, 
deren Beliger ſchnell wecielten. Als Franz I. 
In Geliebte Anna von Bilfeleu an Sean de 
rofje, Grafen von Penthievre, verheiratete, ver 
lieh er ihr 1536 die Grafihaft E., die er zum 
——— erhob, Nah Franz' J. Tode erhielt 
iane de Voitierd das Herzogtum, das aber von 
Karl IX. 1562 an Jean de Brofje zurüdgegeben 
wurde, mit deſſen Tode es 1565 wieder an bie 
Krone fiel. Heinrih IV. ſchenlte es 1598 feiner 
Geliebten Gabrielle d'Eſtrées, durch die es an derer 
Sohn, den Herzog Ceſar de Vendöme, kam, deſſen 
Nachlommen es bis 1712 befaßen, mo es wieder 
der Krone anbeimfiel. — Val. de Montrond, Essais 
— a ville d’E. — *— 1836—37). 
tampes, Herzogin von, |. Eitampes. 
Etäng («Teich»), im ſudl. Srantreich an der Bet: 
wie an der Sudkuſte Bezeichnung für die Ir aeg 
Küftenfeen (ſ. Lagunen), die Dadurch gebildet wer: 
den, daß die Dünenreihen die Süßmwajjer, melde 
fih hinter ihnen anfammeln, hindern, in das Meer 
= fließen. Namentlih liegt eine Reihe folder 
., meijt untereinander in Verbindung ftebend, an 
der Küjte der Gascogne, in der Sandiihaft Lande: 
(. Karte: Mittelzund Südfrankreich, Br.17), 
wie die E, von Soustons, von Leon, der €. du 
Lit, der E. d'Aureilhan, die 28 qkm großen E. von 
Biscarrofje und von Parentis, der 53,5 * grobe 
E. von Cazau und von Sanguinet, der E. von Lu: 
canau, der 53,7 qkm ge” E. von Hourtin oder ven 
Carcand. Auch das Baſſin von Arcabon (j. d.) il 
ein folder E., der fih aber eine Öffnung zum 
Meere verfchafft bat. An der Südküſte, der von 
Languedoc, liegen die E. von St. Nazaire, von Leu 
cate (57 qkm), von Lapalme, von Bages und von 
Sigean (. d.). liber den E. de Berre j. Berre. Die 
Aude empfängt nabe bei ihrer Mündung das Wailer 
des 19 gkmgroßen E.von Eapeftang und des 25 gkm 
großen E. von Vendres. Es folgen der 80 qkm 
große E. von Thau und der von Mauguio zwiſchen 
den Mündungen des Herault und der Vidou 
In den E. von Mauguio mündet ein Arm des 
Beaucairelanald und an dem Weſtende dieſes E. be 
ginnt der 44 km lange Canal des Etangs, von 
dem ein Arın, der Lezlanal, nah Montpellier 
Der Etangslanal endigt bei Cette im €. von Zbau 
und ſchließt fi fomit an den Canal du Midi; der: 
felbe wurde im 18. Jahrh. bergejtellt und gebt durch 
die E. von fyrontignan, Maguelonne, Perols und 
Mauguio; er ift 38 km lang und 2 m tief und trägt 
Fahrzeuge von 100 bis 200 Negiſtertons. [Piertt. 
Gtäng, Graf del’, franz. General, ſ. Dupons, 
Etaples (ipr. etahpl), Hauptjtadt des Kanton? 
E. im Arrondifjement Montreuil des franz. Depart. 
Pas de Calaia, 13 km nordweſilich von Montreuil, 
unmeit ber Mündung der Canche in den Kanal (la 


Etappe — Etats göneraux 


Rande), an den Linien Baris:Boulogne:Ealaid 
und Arras-⸗Boulogne der Franz. Norbbahn, ift 
An Ueiner Schiffer: und Fiſcherhafen, wichtig für 
He Einfuhr von engl. Roblen und olz, 
und bat (1901) 4563, als Gemeinde 4709 E., —5 
des 1595 geſchleiften Schloſſes, Seebäder; Schiff⸗ 
bau, Salzraffinerie und Seifenfabrilation. 
Etappe frz. &tape, vom deutihen Wort Stapel, 
d.1. Niederlage), ein militärisch eingerichteter Ort 
an einer Militärftraße (Etappenftraße), der als 
Aubepunkt für die marfchierenden Truppen ſowie 
al Stapelplag an den bindungslinien einer 
operierenden Armee in deren Rüden dient. (©. 
Etappenlinien.) 
Etappenbehörden, j. Etappenlinien. 
EINE DENDEBE BB, f. Oeneralarjt. 
Etappeninfpettion ,- Etappenfomman: 
dant, j. Etappenlinien. , j 
Etappeulazarette, Yazaretteinrihtungen im 
u an Gtappenorten (f. Etappe) zur Aufnahme 
der Kranlen von burchrüdenden Truppen, ſowie von 
Krantentrandporten und von Kranken ber der Etap⸗ 
peninipeltion unterftellten Truppenteile. Erforber: 
li find €, befonders an ſolchen Etappenorten, mo 
die Krantentransportlommiffionen (j. d.) oder Set: 
tionen derjelben fi befinden, ſowie an wichtigern 
Eifenbahnpuntten. Die Zuteilung von eigenen 
firzten erfolgt nötigenfalld durch die vorgefehte Be: 
borde des Gaypenories; nur vorübergehend follen 
Mitglieder des Kriegslazarettperfonald und der 
Krantentransportlommiffionen in €, Verwendung 
finden. Das erforderliche Pflegeperfonal wird im all: 
gemeinenvon der freiwilligen euren geitellt. 
, Etappenlinien, die rüdwärtigen Verbindungen 
einer operierenden Armee mit der Heimat. Der 
Regel nad erjtredt fich die Wirkfamleit der Etap⸗ 
penbebördeneiner mobilen Armee von der Grenze 
des durd die operierende Armee jelbjt beſetzten Ge: 
bietes rüdwärtd bis zur Grenze bed eigenen Landes 
oder aud über die heimatlihen Bezirke, die den 
KRriegäihauplag bilden. Liber diefe Grenzen bin: 
aus baben die Landesbehörden die Aufgaben des 
Stappenwejens zu löjen, zu denen bie folgenden 
Leiftungen gebören: 1) Heranziehung des Nadı: 
ſchubs (j. d.) und aller Bedürfniſſe für die Armee; 
2) Zurüdführung aller von der Armee zeitweilig 
oder dauernd zurüdzufendenden Mannihaften, 
ge und bed —— 8) Unterbringung, 
flegung und Wiederberftellung der zu und 
von der Armee gebenden Berfonen, Pferde und 
Segenftände, jolange diejelben ſich im Bereich der 
Stappenbehörden befinden; 4) Erhaltung und 
Sicherung der Berbindungslinien der Armee inner: 
balb des von den Ctappenbehörden verwalteten 
Gebietes, alſo Erhaltung, rg ep und 
Anlegung von Landſtraßen, Brüden, Telegrapben: 
linien und big vi (f. Felopoft), ſowie 
militär. Bejegung und Berteidigung fämtlicher 
Verbindungsmittel, Handhabung der Polizei auf 
den €. und in deren Gebiet; 5) Handhabung ber 
öffentlichen Verwaltung im feindlichen Gebiet, bis 
Generalgouvernementd eingeiet find, Das gefamte 
Gtappenmwefen ftebt unter der Leitung des General: 
infpecteurd des Etappen: und Eiſenbahnweſens. 
ger jene Armee oder ein felbftändig operierendes 
meelorp8 wirb eine Etappeninfpeltion ge 
bildet, an deren Spiße ein General jteht und dem 
außer den Adjutanten ein Belbgenbarmerieoffigier, 
ein Intendant, ein Generalarzt, ein Auditeur, ein 


267 


Rokarzt, ein Telegrapbendireltor, ein Poſtdireltor, 
ein Eivilverwaltungsbeamter und die Etappen: 
tommandanten, jowie aud die zur Sicherung 
des Etappengebietes bejtimmten Truppen 
unterftellt find, Deutichland ift das Etappen» 
weſen durch die Hriegdetappenorbnung vom 3, Sept. 
1887 geregelt. — —* Cardinal von Widdern, Der 
Heine Krieg und der Etappendienſt (2Tle. Lpz. 1892; 
2. Aufl., Tl. 1, Berl. 1894); derſ., Der Krieg an den 
rüdwärtigen Berbindungen der deutſchen Heere und 
der Etappendienft (ebd. 1893— 96) ; Dit, Das Kriegs⸗ 
etappenmwejen des Deutichen Reichs (Münd. 1896). 

Etappenredht, j. Durchzugsrecht. 

Etappenftrafte, ſ. Etappe. 

Etappenwefen, der Inbegriff der zur Einrich⸗ 
tung und Erhaltung der Etappenlinien (f. d.) er: 
forderlihen Einrichtungen. 

Etat (frz., ipr. etab), Stand, Zuftand, Staat. In 
der Stantöhaushaltungslehre ift E. der Boranfchlag 
der Einnahmen und Ausgaben und infofern gleich: 
bedeutend mit Budget (f.d.). Gemöhnlicher noch be: 
dient man fich dafür des Ausdruds Staatshaus— 
balt3etat, während man €, ſchlechthin mehr von 
den einzelnen Teilen des Budgets gebraudt, 3. B. 
€. des are gg 7 des Innern. ee 
beißt demnad im Staats: oder Gemeindebausbalt 
das, mas mitdenangenommenen Feitfegungen über: 
einftimmt, im Gegenſatz zu dem bloß Tranfitorijchen, 
z. B. den perfönlien Zulagen für einzelne Dienite, 
daher man Dh von einer Etatijierung gewüller 
Gebalte, d. h. ihrer Aufnahme in den bleibenden E., 
ſpricht. Beim Militär ift etatsmäßig das, mas zum 

entlihen Beſtande gebört und in den Liften auf: 
geführt it; etat3mäßiger ee, neuerdings 
als Dffizier (Major oder Oberitleutnant) beim 
Stabe bezeichnet, der einem Regimentäftabe zuge: 
teilte Stabsoffizier (Major oder Dberjtleutnant). 
Ausgaben, die ihrem Gegenjtande nad im Etatd: 
geſeß vorgefeben find, aber die dafür ausgeworfe— 
nen Summen ü erfteigen, beißen Etat3über: 
fhreitungen; Ausgaben oder Einnahmen, die 
im E. gar nıcht in Ausficht genommen find, außer: 
MEERE AL Der außerordentlide E. um: 
jest in dem — was Einnahme und Bedarf 

etrifft, das vorübergebend, einmal oder doch un: 
periodife Auftretende und bildet, da er faft nur 
neue Forderungen enthält, —— den Gegen⸗ 
ſtand parlamentariſcher Behandlung und Bewilli— 

ung. (S. Bud TH 
ab: €, in der Rupferftehlunit, f. d. 

Etat Ind6pendant du Congo (ftj., for. etab 

ängbepangdäng x offizieller Name des Kongo: 

erung, |. Etat. [ftaates (f. d.). 

tisme (frj., « Berjtaatlibung»), ein von 

Numa Droz 1896 in das polit. Leben der Schweiz 

eingeführtes Schlagwort, das der Belämpfung der 

Erweiterung der Bundeskompetenz gegenüber ver 
Rantonaljouveränität dient. 

Etat-majJor general (fr;., fpr. etab maſchohr 
fheneräll), Generaljtab. 

Etats göndraux (jpr.etah ihenerob), in Frank⸗ 
reib Name der Reichöjtände, die, erwachſen aus 
ältern feudalen Verfammlungen, zum Zwede der 
Bewilligung bejonderer königl. Unforderungen zus 
fammenberufen wurden. Sie nahmen eine allge: 
meine und umfafjende Geftalt erſt jeit vem 14. 38* 
an; 1355 trugen fie zuerſt den Namen E. g.; feit- 
dem murben fie bis 1614 wieder und wieder be 


268 


rufen: fein fejtes Recht verfügte ihren Zufammen: 
tritt. Der Grundſatz, daß neue Auflagen der jtän- 
diſchen Bewilligung bevürften, wurde oft aufge 
ftellt, aber niemals voll und dauernd anerkannt. 
Nur wenn die Krone dur Bedürfnifje oder Nöte 
ftarf gedrängt war, berief fie die Neichsjtände; dieje 
vermochten, infolge des jeltenen Zufammentrittes 
polit. Vorbildung entbehrend, ſich au in günftigen 
Zeiten feine verfafiungsmäßige Stellung zu ſichern 
und Ind fo nie eine ftändige Einrichtung geworben. 
Die E. g. begleiteten die Wirren der engl. Kriege 
in Frantreih (Mitte 14. bis Mitte 15. Yabrb.); 
Ludwig XI. berief fie einmal; ihre Haffiihe Zeit 
liegt zwifchen 1484 und 1614; 1484 fpraden fie 
fib gegen Ludwigs XI. Abjolutismus aus; erft 
1560/61 wieder berufen, gaben fie der Unruhe und 
den Wünſchen der beginnenden Hugenottenzeit 
Ausdrud; 1576, 1588 fteigerte ſich in ihnen der 
ſtändiſche Gegenfaß gegen das ſchwache und doch 
abſolutiſtiſche Regiment Heinrichs III. und die kath. 
Ausſchließlichleit; 1614, nach Heinrichs IV. Tode, 
traten ſie zuletzt zuſammen; doch zeigte ſich ſchon 
damals ihre innere Uneinigleit, der dritte Stand 
zog die volle Hingabe an die einheitliche und ord— 
nende Monarchie vor. Die neue ſtärlere Unruhe 
vor der großen Revolution rief wieder nad) Reichs: 
ftänden; fie traten 5. Mai 1789 zufammen, wurden 
aber alsbald des ſtändiſchen Charakters entlleidet 
undleiteten vieRevolution jelber ein. (S. Frankreich.) 

Nicht in ihrer, polit. Wirkſamleit rubt die hiftor. 

Bedeutung der E. g., die war gering; wohl aber 
ind ihre Verhandlungen, die Hefte (cahiers) von 
Wunſchen und Beichwerden, die jie nad Ständen 
(Klerus, Adel, dritter Stand) aufzuftellen und dem 
Könige einzureichen batten, Zeugniſſe der innern 
polit. Entwidlung Frankreichs: fie fpiegeln die 
fortichreitenden Anſprüche des dritten Standes, 
des Bürgertums, wider in feinem Bündniſſe mit 
dem Königtume und mit dejjen Gentralifationsbe: 
jtrebungen im Kampfe mit dem bevorrechteten Adel. 
Viele der in den Heften auögejprodenen Wünjce 
baben Stoff zu neuen beveutjamen Geſetzen gegeben. 
— Val. Picot, Histoire des E.g. (4 Boe., Par. 1872; 
neue Ausgabe, 5 Bde., ebd. 1888); Thierry, Essai 
sur l’'histoire du tiers &tat (ebd. 1853); Brette, 
Recueil de documents relatifs à la convocation 
des E. g. de 1789 (®v. 1, ebd. 1894). 

Gtatjoll, im Staatöbausbalt, f. Soll. 

Etawa, Diftriktsjtadt in Dftindien, f. Itawa. 

etc., Abkürzung für et cetöra (lat., «und das 
übrige»), aleihbedeutend mit au. ſ. w.». 

Et ego in Arcadia, j. Et in Arcadia ego. 

Eten, Hafenjtadt im Depart. Yambayeque der 
füdamerif.Republil Beru, mit Ferreñafe durch Eifen: 
babn über Ebiclayo und Lambayeque verbunden, 
bat etwa 3000 E., Baummollinduftrie, Anfertigung 
von Strobbüten und Hängematten. 

Etendieren (fr3., etangd-), ausbreiten; Etendue 
(ipr. etangdüb), Ausdehnung (räumlich und zeitlich), 
Etrede, Umfang, Bereich. .d.). 
Eteogramm ga), foviel wie Chronogramm 
&teöfle8, der Sohn des Didipus (j. d.), ri 
von Theben, und der Jokaſte, der Bruder des Poly— 
neiles, fam mit diejem überein, abwechſelnd ein 
Jahr um das andere die Regierung zu führen, bielt 
aber diejen Vertrag nicht. Polyneiles wandte fi 
bilfefuchend an Adraſtos (f. d.), welcher, um ibm zu 
feinem Rechte zu verbelfen, mit ſechs andern Fürften 
den berühmten Zug der Sieben gegen Tbeben 


Etatfoll — Ethelftan 


(f.d.) unternahm. Theben wurbe nicht erobert, E. 
aber und Polyneiles töteten ſich gegenfeitig im Zwei: 
tampf. Da er als Verteidiger der Vaterſtadt e 
fallen, wurbe er ehrenvoll beitattet, wäbrend Poly: 
neites unbeerdigt liegen blieb. Sihylus’ «Steben 
gegen Theben» und Euripides’ « Phönifjen» haben 
diefe Sage zum Gegenſtand. 

Gteofi on (grch.), ſ. Chronogramm. 

Gternitichiefer, |. Bd. 17. [(.2.). 

Etefien (grch., «FJabreswinde), die Monfune 

Etez, Antoine, franz. Bildhauer und Maler, geb. 
20. März 1808 in Paris, ging aus der klaſſiſchen 
Schule Ingres' und Pradiers hervor und befuchte 
die Afademte. 1829 erlangte er für feinen Hyacinth 
den Rompreis, ging für zwei Jahre nach Italien 
und bereifte dann Algier, Eorfica, Spanien, Deutſch⸗ 
land und England. Im Salon 1833 jtellte er die 
Kolofjalgruppe: Kain und fein Geſchlecht von Gott 
verflucht, aus, gen die erjte Mevaille und belam 
nun die Ausführung von Gruppen für den Arc de 
l’Etoile ſowie des Grabmonuments für Gericault 
übertragen. Die Mebrzabl feiner Werte find öffent: 
libe Denkmäler; jo für Bauban im Invalidendom, 
General Lecourbe in Lons-le-Saulnier, die Statue 
Roſſinis in der Oper (1842), Karla d. Gr. im Lurem: 
bourg, St. Auguftin in der Kirche Ste. Madeleine, 
das Ingres-Monument für Montauban, mit dem 
vorzügliben Relief der Apotbeoje Homers; ferner 
die Marmorgruppe der Schiffbrüdhigen (1867). In 
dieſen Arbeiten ftrebte er wuchtige Kraft nicht obne 
fibertreibung an. Nebenbei pflegte E. die Malerei 
(Martorium des beil.Sebaftian, 8 ofen feinen Bro: 
bern die Träume auslegend [1844], Flucht nach 
Agypten). Er veröffentlichte: «Cours &l&ömentaire de 
dessin» (3. Aufl., Bar. 1859), «J. Pradier» (ebv. 
1859), «Ary Scheffer » (ebd. 1859), «Beaux -arts. 
Cours public, fait A l’Association polytechnique» 
(ebd. 1861). Er - 16. Juni 1888 in Ebaville. 

Ethane, foviel wie Sltbane (f. d.). 

Ethelbert (ditbelberbt), König von Kent, geb. 
um 550, beftieg 560 den Thron, vermäblte ſich mit 
Bertha, der Tochter des eig Ebaribert, 
einer Ehriftin, auf deren Beranlafjung zu Eanter: 
bury eine hriftl. Kirche eingerichtet wurde. Als dann 
Auguftin, der Apoftel der Angeliahien, 597 nab 
Kent kam, ließ €. fih taufen und that viel zur 
Verbreitung des Ehriftentums. Er ftarb 616. Von 
€. jtammen die ältejten angelſächſ. Geſetze. 

beired (Uthelred) J., angelſächſ. König 
(866—871), älterer Bruder und Vorgänger von 
Alfred ald König über Weller und Kent, lebte 
in beitändigem Kampf mit den Dänen. Er ftarb 
bald nad einem Sieg über fie 871. 

€. IL., der Unberatene, König von England (978 
— 1016), bezeichnet vornehmlich die Zeit des Nieder: 
gangs des Angelſachſenreichs nad der Epoche Ev: 
gars und Dunttans, Dentwürdig ift er durch jei: 
nen Verſuch, durd die Ermordung aller in Weiler 
lebenden Dänen (13. Nov. 1002) fi diefer Dränger 
zu entledigen, wodurd er aber nur ſchwerere Rabe 
ige veranlaßte. 1013 eroberte König Svend von 

änemark jein Reid, und E. mußte im folgenden 
Jahre in Die Normandie flieben. Na Svends glei 
darauf erfolgtem Tode zurüdgerufen, ftarb er im 
Kampfe mit defien Nachfolger Knut 1016. 

Ethelitan (Ütbelitan), — — (935 
—940), Sohn Eduards des Ültern, Entel Alfreps, 
debnte feine ererbte Herrſchaft über Mefler und 
Mercia nad Nortbumbrien und Cornwall aus und 


Ethelwulf — Ethik 


mußte eine gefäbrliche —— von Schotten, 
Dänen und unzufriedenen Briten bei Brunanbuſh 
7) —— zu beſtehen. 
Ethelwulf — bei Dramen pen id 
—858), folgte jeinem Vater Egbert auf dem Thron 
von Weiler. Er hatte gegen die Dänen zu fämpfen 
und brachte ihnen eine große Niederlage bei Ddle 
in Eurrey bei (851). 855 machte er eine Reife na 
Kom und richtete dann den Beteröpfennig (Rome 
scot) in England ein. af ri 858. 
gea, der 331. Blanetoid. 
it (vom gr. ethos, Sitte, Cbaralter), 
Moral (lat.) oder Sittenlebre, der Zweig ber 
Philoſophie, der die Gefege der fittlihen Beurteis 
lung, d. b. der Beurteilung der Willenshbandlungen 
als aut oder böfe, jeinjollend oder nicht en 
Pr Gegenjtand hat (daher auch praltiſche Phi: 
eiopbie genannt). Auch in ihr madt fich der 
arobe Gegenfaß des Rationalismus (f. d.) und Em: 
piriämus (f. d.), der Begründung auf Vernunft oder 
auf Erfahrung, geltend. Yit —— nur der Aus⸗ 
drud für die Forderung der Rechenſchaft über die 
legten begtündenden Principien oder Geſetze, jo 
lann eine Theorie eigentlich nur rationaliſtiſch fein 
und iſt aljo die Frage, ob die E. rational oder em: 
pirifc fein müffe, einerlei mit der Frage, ob eö eine 
€., als Theorie des ſittlichen Urteils, überhaupt 
— oder nicht. Zudem handelt es ſich in der ſitt⸗ 
chen Beurteilung eben um den Standpunlt, den 
wir in unjerm praltiſchen Bewußtſein dem zu be: 
urteilenden Objelt (der — ——— gegen⸗ 
über einnebmen; um fo mehr lann die leßte Be 
grünbung des ſittlichen Urteils allein geiucht werden 
in dem einenen Geſetze des praftiichen Bewußtſeins, 
d. b. in einer praltiihen Vernunft. Darum gilt 
mit Recht Sotrates als Urbeber der E., der zuerit 
erklärte, dab das Gute auf einem Wiljen, auf Be 
ariff und Erkenntnis, nicht auf irgendwelche (empi⸗ 
riiche) Brincipien der Luft und Unluft, des Begeb: 
tens und Meidens ſich gründen müfle. Der letztere 
Weg ift der allein mögliche für jeden Verſuch einer 
—— Moralbegründung. Er bat ſein ſchein— 
bares Recht darin, daß die Willenshandlung zwar 
einerſeits vom praltiſchen Bewußtſein (des Grundes, 
warum wir wollen) abbängt, andererſeits aber ſtets 
zugleich bedingt ift durch jinnliche Triebfedern des 
Begebrens der Luſt und Widerftrebeng gegen Un: 
luft, dur das unbeftimmte Verlangen nad Glüd: 
veligteit, oder dur die Rüdficht auf den Nußen, 
d. b. auf die von der Handlung direlt und indirekt 
zu erwartenden Lujtfolgen. Daber fteht der ratio 
nalen oder aprioriſchen Begründung der E. gegen 
über die beboniftifche (auf die Luft), eubämontitiiche 
(auf — — oder utilitariſtiſche (auf den 
Rutzen); drei Standpunlte, die dem letzten Princip 
nad in einen zuſammenfallen. Mit dieſem Ge 
genſatze dedt ih der der autonomen und hetero: 
nomen Begründung, d. b. der Begründung auf ein 
eigenes, inneres Gejek des Wollens oder auf eine 
fremde, äußere Geſetzgebung. Vom Zmange des 
Benebrens fühlen wir und abhängig, während wir 
im reınen Wollen uns frei wifjen, d. b. ung felber, 
nicht irgend einer Sache aufer uns, von der wir abs 
bängen, die Handlung zueignen und uns dafür ver- 
antwertlih machen. Deshalb richtet ſich auch das 
hitlibe Urteil auf die Handlung, nicht fofern jie 
geibiebt, jonbern jofern fie gewollt iſt; nicht auf 
das Äußere der That, jondern auf das Innere der 
Geinmung, aus Der fie gewollt war. 


269 


Dad Princip, warım wir etwas Beitimmtes 
wollen, beißt Zmwed (j. d.). Der Zweck iſt aljo das 
voraus Gemwollte, um deswillen ein Anderes ge: 
wollt wird. Nun kann der Zmwed jelbjt wieder um 
eined andern Zweds willen gewollt fein u. ſ. w.; 
foll nun dieje Reihe nicht ind Unendliche geben, in 
welhem Falle das Wollen überhaupt grundlos 
bliebe, fo muß ein legter Zwed vorausgeſetzt wer⸗ 
den, um deswillen alles Meitere, der Gelb aber um 
feined andern willen, jondern —— gewollt 
wird; dieſer heißt Endzwech, abſoluter Zwed (auch 
wohl Selbſtzwech. Offenbar kann nun fein einzelner 
Gegenſtand des Begehrens (Luſt oder Befriedigung) 
Endzwed ſein; auch nicht etwa Luſt oder Glüdſelig⸗ 
feit überhaupt, oder etwa das erreichbare Maximum 
der Luft und Minimum ber —— für den Ein» 
zelnen oder für irgend eine Gejamtbeit. Außer daß 
die Luft: und Unluftfolgen der Handlung ſich ſchwer⸗ 
lic je auch nur annähernd überjeben laſſen, würden 
die Begriffe des Sittlihen bei diefer Begründung 
in ein unſicheres Schwanfen geraten, mindeſtens 
einer beventlichen Kaſuiſtil anbeimfallen. Man ver: 
ftebt dann 3. B. nicht, weshalb die Handlungämeije 
deſſen, der dur feinen, von feinem bemerlten Be: 
trug ſich eine jehr bebagliche Eriftenz zu verſchaffen 
veritebt und dabei die vorübergebenden und ſchwa— 
den mr. gewiß minder es fühlt als 
die Freude des Gelingens, ſittlich tadelhafter fein 
jollte alö die des darbenden Ehrlichen, der den 
Drud der Not pen ftärter empfindet als den 
armſeligen Stolz, feın Betrüger zu fein. Somit find 
Luft und Unluft nicht die alleinigen Faltoren, die 
unjer Urteil über die Handlung, mithin auch den 
Willen, jelbft_beitimmen. Das Sittengejeb jagt 
z. B. nicht: Sei ebrlih und betrüge nicht, wofern 
du vorausſichtlich mehr Befriedigung (für did und 
andere) als Unbefriebigung dabei erzielft; fondern: 
Sei ebrlih, auch wenn du feinen Vorteil - dich, 
ja jelbft, wenn du empfindlichen Nachteil für dich 
und vielleicht nicht einmal einen dagegen in Betracht 
lommenden Vorteil für andere davon vorausjiebit. 
Dies fommt daber, daß das fittliche Urteil nicht die 
— bloß ſoſern fie geſchah und gewiſſe Folgen 
(thatſächlich oder möglıder: oder notwendigerweiſe) 
nad) ſich zog, ins Auge faßt, jondern die Handlung 
jelbjt wie deren Folgen ausfchlieflic, fofern fie ge: 
wollt ift, und das Princip, aus dem jie gewollt iſt, 
zum Objeft hat. So wird im werignn eiipiel der 
Eine als gut beurteilt, weil er den Willen bat, ein 
ebrliher Menich zu jein, und fi durch feinerlei 
Rüdjicht auf irgendwelche Folgen für ihn oder an: 
dere beirren läßt; der Andere als böfe, weil er diefen 
Willen nicht befist, ſondern allenfalls, ſoweit e3 fein 
Vorteil erbeifcht, den Schein der Ebrlichteit behaup: 
ten möchte, vor jich jelbjt aber die Masle abwirft 
und nur an feinen Gewinn dent. Biel milder ſchon 
wird der beurteilt, der zwar gern ehrlich jein möchte, 
aber dem Drange der Not und der Stärte ber 
Verſuchung bisweilen unterliegt. Die Beurteilung 
beziebt ſich aljo ftet3 auf die Willensbeichaffenbeit 
oder Geſinnung direkt, und auf die Handlung nur, 
fofern fie die Gefinnung fundgiebt; mit den Folgen 
der Handlung bat fie direlt und an ſich gar nichts 
zu hun, fondern allenfallö nur, jofern auch die Rüd: 
ſicht auf fie für die Beurteilung der Gefinnung in 
Betracht lommt; Daher 3. B. das fittliche Urteil über 
eine Handlungsweile ganz verſchieden ausfallen 
lann, je nad dem Maße der Einſicht, nad) der Weite 
des geiftinen Horizonte, die man bet der beurteilten 


270 


Berfon voraugfegt. Diejer für alles fittlihe Urteil 
— Unterſchied, der dem gemeinen ſitt⸗ 
ichen Bewußtſein völlig ilat iſt, fordert jedenfalls 
eine Erllärung. Der eigentliche Ausdrud für dieſe 
Unbedingtbeit des fittlihen Gebotes ift die Pflicht 
(4. d.), welcher Beariff vaber mit vollem Recht von 
Rant in den Mittelpuntt der ethiſchen Unterſuchung 
geitellt wird. Die Antwort nun auf die große Frage, 


wie Sittlichleit in diefem Sinne des unbedingten | 


Pflichtgebots zu erklären jei, lann zulegt nur darauf 
fußen: daß wir Vernunftweſen find; d. b., daß wir 
ein legteö unbedingtes PBrincip des Wollen eben 
nicht entbebren können; daß wir, in unſerm prakti⸗ 
{chen wie theoretifchen Bewußtfein, der ganzen Welt 
der Natur oder Erfahrung gegenübertreten, allem 
empiriſch Bedingten, eben weil es bedingt üft, die 
Unbebingtbeit, in der wir die fittlihe Forderung 
notwendig denken, entgegenbalten und jagen können: 
Fiat justitia, pereat mundus (e3 geichebe was Recht 
Hg und ob die Welt darüber zu Grunde ginge). 
ehr als daß mir =. Gedantens fähig, alfo in 
unferm Denten, in unjerer Idee des Sittlichen nicht 
anz der Bedingtheit der Erfahrung unterworfen 
Ind. bedarf eö in der That nicht; denn daß, wer 
den Gedanken des Unbedingten überhaupt faßt, ihn 
notwendig allem Bedingten als letztentſcheidende 
Inſtanz entgegenftellt, ih ſelbſtverſtändlich. Auf 
dem gleichen Brincip berubt die Löjung des ſchwie⸗ 
rigen, aber für die E, nicht minder fundamentalen 
Problems der Freiheit ( d.), das mit dem eben be: 
ſprochenen eigentlich zujammenfällt. 

Iſt fo die Grundfrage der E. gelöſt, jo beant⸗ 
wortet fich leichter die weitere Frage: was ift gut? 
d. b. welche Gefeke des Handelns können jenen hoben 
Unfprub der unbedingten Geltung mit Grund er: 
beben? — wird kein einzelnes, ein None 
tesempirisches Verhalten vorſchreibendes Gejek die: 
fen — — behaupten fönnen. Es beißt z. B.: 
du ſollſt nicht töten, nicht ſtehlen u. ſ. w.; allein 
3. B. der Staat und wen er dazu ermächtigt, darf 
mit fittlihem Fug und Recht töten, enteignen, Ehen 
und jonjtige Verträge durch Zwang aufheben u. ſ. m. 
In letzter Linie ift alles Empirische dem Sittengeieß 
gegenüber bloß verfügbarer Stoff ;nichts Empiriſches 
darf unbedingt gelten wollen, wie nichtö Unbebingtes 
je empirifch werben fann. Es giebt nur ein um 
wanbelbar, unter allen Bedingungen Gutes, und 
dad ift die Sittlichleit des Willens ſelbſt. ia ift 
überall nichts in der Welt, ja überhaupt aub außer 
derjelben zu denten 88 was ohne Einſchraͤn⸗ 
fung für gut konnte gehalten werben, als allein ein 
guter Wille», ſagt Kant.) Unverletzlich ift daher 
unter allen Umjtänben die Würde der fittlihen Per: 
fon jelbft. Alles andere bat feinen Preis oder Taufc: 
wert, der Meni allein, als fittlihe Perſon, bat 
eine Würde, die über allen Marktpreis erbaben, 
deren Verluft durch nichts anderes zu erfeken ift. 
Auf diefe Würde aber läßt ſich in der That alles, 
was zum menjclichen Dafein gebört, au das 
Niederfte und — beziehen und dadurch adeln 
und verſittlichen; inſofern iſt Sittlichkeit natürlich 
der Entwidlung unterworfen und eines unbegrenzten 
Fortſchritts Fäbig. Das ift der Boden, auf dem die 
Sonderbegrifie ver Tugenden entipringen; während 
der Grund des Guten oder der Tugend überhaupt 
ein einiger und unwandelbarer fein muß. Cine aus: 
— Tugendlehre iſt daher nur auf empiriſcher 

rundlage — und es haben bier die Er— 
wägungen der Glüdieligfeit, Nutzlichleit u. ſ. w. ihr 


Ethil 


Recht, wenn ſie nur nicht den Anſpruch erheben, den 
legten Grund, warum etwas gut ift, auszumachen, 
Kine den auf anderm Boden zu begründenden 
rincipien der Sittlichleit ſich willig unterorbnen. 
Die Geſchichte der pbilofopbiichen E. zeigt eine 
große Mannigfaltigleit von Richtungen, mwäbrend 
doch diejelben Grundprobleme immer wiedertebren. 
Doc bleibt der große Hauptgegenjaß der apriori- 
hen oder empiriſchen, autonomen oder heterono: 
men, idealiftiichen oder naturaliftiihen Begründung 
immer ber allbeberrihenve. Sofrate® und Plate 
batten ibre idealiftiihen Grundfäße bereit3 gegen 
eine mächtige empiriftifhe Richtung der E. (bejon- 
ders vertreten durch die Sopbiften) durchzuſetzen; in 
Ariftoteles fiegt eigentlich der Empirismus. 
die jtoifhe Moral, jo entjchieden fie einen ivealifti: 
ſchen Zug verrät, I bod fie die ideale Forderung 
der Sittlichkeit zu ſpannen weiß, bleibt doch in der 
eigentlichen Begründung (die übrigens bei dem 
—— ogmatismus dieſer Philoſophie nicht im 
Vordergrunde ſteht) eudämoniſtiſch und natura- 
liſtiſch; vollends die Epilureiſche E. iſt der Typus 
einer empiriſtiſchen Moralbegründung. Ganz zwar 
wurde dieſe Richtung zurüdgebrängt durch den Su: 
anaturalismus der Neuplatonifer wie des Ebri- 
tentum3, von dem erſt die beginnende Neuzeit ſich 
allmählich losmachte. Männer aber wie Montaiane, 
Gafiendi, Hobbes bezeichnen ſehr kenntlich die Rüd: 
wendung zu einem entſchloſſenen Empirismus, ver 
dann in voller Schärfe namentlih in der engl. 
Moralpbilofopbie feit Yode entwidelt wurde. 
Spinoza gebt dieje naturaliftiihe Richtung einen 
merkwürdigen Kompromiß ein mit einem halb myſti⸗ 
hen Rationalidmus. Zugleich treten die ethiſchen 
Brobleme feit dem 17. Jahrh. in zunehmend engern 
ontaft mit denen der Staatd- und Geſellſchafts— 
lehre. Diefe Richtung ift in England und Frankreich 
im großen und ganzen berrihend geblieben, wäh— 
rend in Deutichland das Auftreten Kants («Grund- 
legung zur Metaphyſik der Sitten», 1785; «Kritit 
ber praftifchen — 1788) einen ſcharfen Ein⸗ 
ſchnitt macht und die —— der E. auf lange 
hinaus beſtimmt, ſo daß auch die Gegner ſeiner (oben 
ſtizzierten) Grundrichtung unter ſeinem Einfluß 
* So laſſen fi Fichte, Schleiermacher, Her: 
art eigentlich nur von Kant aus richtig ver 
ſtehen. Sm jüngjter Zeit ift der bei den Engländern 
namentlich dur Bentham und Mill zur Herrichaft 
gelangte Empirismus und Utilitarismus, ebenſo wie 
der Evolutionismus Spencers, aud in Deutſchland 
wieder re geworden, jo daß die Betonung der 
idealiftiihen Grundfäge von neuem zur Notwendig: 
feit geworden ift. — Hervorgeboben jeien von den 
neuern Werfen nur die von Baumann (Handbuch der 
Moral, 33. 1879),von Hartmann (Phänomenologie 
des fittlihen Bewußtſeins, Berl. 1879 u. d.), Laas 
(Spealiftiiche und poſitiviſtiſche E., 2. Teil von: 
Idealis mus und ebd. en Steintbal 
(Allgemeine E., ebd. 1885), Wundt (Etbif, Stutta. 
1886; 2. Aufl. 1008), von Gihycti (Moralpbilo- 
fopbie gemeinverftändlich dargeſtellt. Loz. 1888), von 
Hoͤfſding (Ethik, deutih von Benpiren, ebo. 1888,, 
Baulfen (Syitem ber E., Berl. 1888; 4. Aufl.,2 Boe., 
ebd. 1896— 97), Stange (Einleitung in die E., 2 le, 
Lpz. 1900—1), Ragenbofer (Bofitive E., ebd. 1901) 
— Aud die Geſchichte der E. iſt, nad dem Vor— 
gang Silterer, wie Meiners, Stäublin, J. H. Fichte 
u. a., mehrfach wieder bearbeitet worden, jo nament: 
lich von Jodl (E. in der neuern Philoſophie, 2 Bve., 


Ethikotheologie — Ethnographie und Ethnologie 


Etutta. 1832 — 89), Ziegler (E. der Griechen und 
Amer, Bonn 1881; Chriftlice E., Straßb. 1886; 
2. Auf. 1892), K. R. von Köftlin (ZI. 1, Tüb. 1887), 
Yathardt (Die antike E. in ihrer gefchichtlichen Ent: 
mdlung, Wz. 1887; Geſchichte der chriftlihen E., 
I Hälften, ebd. 1888—93). 
Ethikotheologie (grch.), bei Kant im Gegen: 
jah zur Phyſikotbeologie in der « Kritik der Urteils: 
traft» diejenige Lebre vom göttlichen Weſen, vie 
auf der Borausfepung des Endzwecks der Menſchen 
als moraliiher Individuen beruht. 

Ethiſch, auf Erbit (f. d.) bezüglid, darauf be 
rubend, fittlib. Neuerdings entjtand nad dem 
Vorgang von England und Nordamerika au in 
Deutihland eine Jog. ethiſche Bewegung, die 
die Erlenntnis des Sittlih:Guten mit dem Han: 
deln in Einklang bringen will. 1892 wurbe die 
Deutibe Geſellſchaft für ethiſche Kultur 
begründet. Die Bewegung ftellt ſich auf den gemein: 
famen Boden der fittlihen Begriffe, behauptet da: 
gegen den trennenden religiöfen Befenntnifjen gegen- 
über ftrengite Unabbängigfeit. Sie bat ſich auch der 
focialen frage, beſonders der Frauenfrage zuge 
mwanbdt und fih der Weltfrievdensbeitrebungen nad: 
drüdlih angenommen. Zu den führern der Bewe: 


aung zäblen in Deutichland Profefjor Wilb. Foerfter 
($. d) ſowie jein Sohn F. MW. Foeriter (in Freiburg), 
Brofeſſor Fr. Jodl (in Wien), Profeſſor G. von Gi⸗ 


(m Berlin, geſt. 3. März 1895) und deſſen Witwe 
ily von Gifncki, geborene von Kregihman. Als Dr: 
gr der etbiichen Bervegung gilt «The International 
ournal of Ethics» (Philadelphia, feit 1891), ber: 
ausgegeben von einem internationalen Komitee, vem 
von deutſcher Seite Jodl angehört. In Deutichland 
erſcheint jeit 1893 die Zeitjchrift «Ethifche Kultur» 
(Berlin), zuerft heraus eye en von G. von Gihycki, 
nach deſſen Tode von 5. W. Foerfter. — Bol. Jodl, 
Was beißt etbifche Kultur? (Prag 1894); derf., liber 
das yo und die Aufgabe der Ethiſchen Gejell: 
Ihaft (Wien 1896); Die Eifenaher Zufammentunft 
zur Förderung und —— der ethiſchen Be: 
me ‚5. bis 15. Aug. 1893 (Berl, 1894). 
_ moidältuochen (Os ethmoidöum), das 
Sieb: oder Riechbein (f. d.). 

Ethuärd (grch., d. b. Boltäherricher), in Syrien 
und Baläftina zur Römerzeit häufiger Titel eines 
unter der Dberbobeit Roms ftebenden Teilfüriten. 
Der Rame kommt aber aud in der Bedeutung Statt: 
balter vor. Ethnarchie, Bezirk eines E. 

te De „ſ. Hetärie. 
thuogräphie und Ethnoldgie (gr&.), zwei 
enge der Wiflenichaft, Die man unter dem 
Ausprud Bölterlunde zuſammenfaßt. Manche 
machen einen Unterſchied zwiſchen Etbnograpbie, der 
einf Beichreibung und Rlaffifitation der Völker, 
ie, der tiefern Unterſuchung über Raſſe, 
Bollstum, Abſtammung, Sitten und Zeugnifie des 
iftigen Lebens der Völker. Das Objekt der unter 
iden begriffenen Wiſſenſchaft iſt der Menſch als 
Mitglied einer Familie, eines Stammes oder Volks, 
furz einer durch eine gemeinjame Kultur und Sitten 
oebildeten und meift auch durch eine gemeinjame 
Sprache geeinten und geſchichtlich verwandten Geſell⸗ 
ſchaft . auch Anthropologie 8 und Menſch 3). Daraus 
ergiebt ſich der Unterſchied zwiſchen der Ethnographie 
und den mit ihr ſachverwandten Wiſſenſchaften, vor 
allen der ſomatiſchen Anthropologie oder Anthropo⸗ 
logie im engern Sinne (f. Anthropologie 1) und der 
Antpropogeograpbie (j.d.) und polit. Geographie, bie 


271 


den Menſchen und die Völter nad ihrer geogr. Ber: 
breitung betradhten. Daher iſt es ul e des Eth: 
nographen, die verſchiedenen Geſellſchaftsformen, 
unter denen der Menſch auftritt, zu ſchildern und 
2 Bedingungen zu analyjieren, alled was ben 
efig des Menſchen ausmacht, vom einfachſten Ge: 
rät bis zur mytbolog. Dichtung zu befchreiben, ent: 
widlungsgeihichtlid 2 —— und den Einfluß 
aller dieſer Dinge auf das Leben der Voller nach 
uweiſen. Da die Sprache das dharafteriftifche 
ertmal menſchlicher Gemeinſchaften und die 
Sprachenkunde ſich verhältnismaͤßig früh an tiefere 
völlerkundliche Probleme gewagt bat, bildete bis: 
ber die Beichreibung und Klaſſifilation der Spra: 
chen N Ethnographie) die willen: 
ſchaftliche Bafıs faſt eines jeden natürlichen Syitems 
der Ethnograpbie. Alle vorwiegend von deutichen 
Gelehrten der Boppſchen Schule gelieferten ſprach⸗ 
vergleichenden Arbeiten allgemeiner Natur find 
aud Vorarbeiten In die linguiftifche Ethnographie. 
(S. *7*9 chaft.) Be 
abrbeit ift die Sprachenkunde nur ein Heiner 
Teil der Völkerkunde, ihre übermäßige Betonung 
brt ebenjo auf Irrwege wie die ausschließliche 

— anatom. Merkmale bei der Einteilung 
der Voller. Dieſe Einteilung aber ift ja ohnehin nur 
der Anfang der tiefern Forſchung; jolange aber die 
Völkerkunde an den Krüden anderer Wiſſenſchaften 

ebt, vermag fie nicht die ir gebübrende herrſchende 

telle einzunehmen. Es iſt vor allen das Verdienſt 
Ratzels, diefe Wifjenihaft auf eigene Füße geſtellt 
und fie darauf bingewiejen zu baben, daß es der 
geiftige wie der ſtoffliche Kulturbeſitz der Menſchheit 
iſt, den fie zu unterfuchen bat. Schon vorher hatte 
Baftian die Wichtigkeit des ftofflichen Kulturbejiges 
erkannt und durch Feine unabläjfige ng Lem 
Sammeln der rajch verſchwindenden ethnogr. Doku 
mente es erreicht, daß nunmehr reichgefüllte Mufeen 
dem Forſcher zur Verfügung ſtehen und vieles, mad 
ſchon dem Berberben geweiht fchien, gerettet ift. 

Erft feit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bes 
ginnt man mit Verſtändnis ethnogr. Gegenjtände 
zu fammeln, während man früher dieſe Dinge nur 
ala Kuriofitäten mit heimbrachte. Nunmebr aber 
find_ fie unentbehrlihe Grundlage der ethnolog. 
ag — die man mit andern Worten 
er als Geſchichte der Menſchheitsentwicklung be 
Ki nen fann. Man erfennt aus ven gefammelten 

affen und Geräten eines Volks, mie fich diejes 
Volt an feinen Boden und feine Lebensbedingungen 
angepaßt bat, man kann andererjeit3 verfolgen, wie 
fi ein Gerät umbilvet, wie es verbeflert oder neuen 
Zwecken vienftbar gemacht wird. Erlangt man damit 
einen Einblid in die Rulturentwidlung der Völter, 
fo lafjen wieder überrafchende Ahnlichteiten der Form 
darauf ſchließen, daß in manchen Fällen ein Voll 
von dem andern gelernt hat, ſo daß ſich Spuren 
uralter Verkehrs: und Wanderzüge oft ebenſo deut: 
lih aus dem Kulturbeſitz erkennen lafjen, wie aus 
dem Wortſchaß der Sprade. 

Bedentt man nun, daß Waffen und Geräte nicht 
einfach Erzeugnifie förperlicher Arbeit, ſondern vor 
allem des menſchlichen Geiſtes jind, der den Stofj 
feinen Zwecken dienftbar macht, dann fällt die 
Schranle zmifchen ſtofflichem und geiftigem Kultur: 
befig wieder, und man erfennt, daß ber Ethnolog 
im engern Sinne ebenjo an der Gejchichte des 
menſchlichen Geiftes arbeitet wie der Linguiſt ober 
der vergleihende Mytholog. Die Völkerkunde als 


212 


die umfafjenpfte diefer Geiſteswiſſenſchaften ift be: 
rufen, die Führung zu übernehmen und vermöge 
ihres allumtafjenven Überblid3 der Forſchung neue 
Wege zu babnen. Ein Zweig der Völlerkunde ift die 
Sociologie (ſ. d.), die Wiſſenſchaft der — 
lichen Verbände, zu der auch die neuerdings raſch 
emporgewachſene ethnologiſche Jurisprudenz 
u rechnen iſt; eine ethnologiſche Uſthetik, die 
ich mit den Anfängen ber Künite bei den Natur: 
völfern befchäftigt, ıjt im Aufblüben begriffen. 
Litteratur. Kain und Gerland, Antbropologie 
der Naturvölter (6 Bde., Lpz. 1859—72; TI. 1, 
2. Aufl. 1877); Peſchel, Völkerkunde (6. Aufl.,bg.von 
Kirchhoff, ebd. 1885; 7. Aufl., unveränderter Ab: 
drud des Urtertes, ebd. 1897); F. Müller, Allge: 
meine Etbnograpbie (2. Aufl., Wien 1879); Hand: 
wörterbuchber Zoologie, Anthropologie und Ethno: 
logie (Bresl. 1879 jg.); Andre, Ethnogr. nn 
— — .1878; Neue Folge, Lpz. 1889) 
Ratzel, Völkerkunde (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1895); 
Schurtz, Katechismus der Völkerkunde (ebd. 1893); 
Voſt, Grundriß der ethnolog. Jurisprudenz (2Bde., 
Oldenb. 1894 — 95); Vierlandt, Naturvoller und 
Rulturvölter (Lpz. 1896); Achelis, Moderne Völker: 
funde (Stuttg. 1896); Heilborn, Allgemeine Völler: 
tundein kurzgefaßter Darſtellung (2p3. 1897); Haber: 
landt, Böltertunde (ebd. 1898); Keane, Man pastand 
present (Cambridge 1899); De Gubernatis, I po- 
li del mondo. Usi e costumi (Mail. 1900 fg.); 
ampert, Die Völter der Erde (2 Bde., Stuttg. 1902). 
Val. ferner die Echriften von Baitian, Tylor, Zub: 
bod, Spencer, Quatrefages, Brinton u. ſ. w., den 
Atlas der Vollerkunde von Gerland in Berghaus’ 
Phyſikaliſchem Atlas» (Gotha 1892), die Berichte 
Gerlands im «Geographiſchen Fabrbudy» (jeit 1876), 
die Zeitichrift für Ethnologie (Berlin), das Inter: 
nationale Ardiv für Ethnographie (Leiden), das 
Internationale Centralblatt für Anthropologie und 
verwandte Wiſſenſchaften (Stettin), aa ſches 
Notizblatt (Berlin) und die Litteratur zum Artitel 
Anthropologie. [haec olim meminisse juvabit. 
Et hoo meminisse juvabit, j. Forsan et 
Etholögie (grch.), Schilderung des Charatterä 
einer Perſon, jowie der Sitten und Gebräude 
eines Volts, 
Etho8 (grch., d. b. Eharalter), j. Pathos. 
Etienne (jpr. etienn), Stadt, j. Saint: Etienne. 
Etienne (ipr. etienn), Buchdruder, j. Stepbanus, 
Etienne (ipr. etienn), Charles Guillaume, frans 
zöfticher dramat. Dichter und Journaliſt, geb. 6. Jan. 
1778 zu Ehamouilley (Haute: Marne), bejuchte das 
Gymnafium zu Bar-le-Duc und ging 1796 nad 
Paris, wo er mit der einaltigen Oper «Le Röve» 
(1799) auftrat, die ziemlichen Erfolg batte. Dann 
erjchienen eine große Anzabl Theaterjtüde, darunter 
«Brueys et Palaprat» (1807), ein ſehr gelungenes 
Luftipiel. Im Lager zu Brügge verfaßte er die Poſſe 
«Une matinse du camp ou les petits bateaux», 
Ein anderes Stüd: «Une journee au camp de 
Bruges» (1804), empfabl ihn dem Herzog von Baj: 
ſano, der €. als Privatjelretär in feinen Dienſt 
nabın. Als folder begleitete E. den Herzog nad 
Deutſchland und Polen. Nac feiner Rückkehr ward 
er 1810 zum Genjor des «Journal de l’Empire» 
und zum Chef des Preßdepartements ernannt. 1810 
fand die erite Aufführung feines beiten Stüds: 
«Les deux gendres», jtatt, und noch im jelben Jabre 
wurde er in die Franzöfiihe Akademie aufgenommen. 
Nach der Ruückehr der Bourbonen wurde E. ſeiner 


Et hoc meminisse juvabit — Etifette 


Umter entſetzt; während der Hundert Tage begrüßte 
E. den Kaifer im Namen des nititut3 und wurde 
wieder mitder leitung bes«Journal des Debats» (des 
ebemaligen «Journal de l’Empire») beauftragt. 
Unter der zweiten Reftauration ward E. aus ber 
demie ausgeſchloſſen, in dieererit 1829 wiebereintrat. 
Er war mehrmals Mitglied der Deputiertenlammer; 
1830 unterzeichnete er die Adrefje der 221; unter 
ber —— ward er Mitglied der Pairs⸗ 
lammer. ſtarb 13. März 1845 zu Paris. €. 
ſchrieb auch mehrere polit. Flugſchriften und gab 
in Gemeinfhaft mit Martainville eine «Histoire 
du theätre frangais depuis le commencement d» 
la Revolution jusqu’& la ré union gönsrale» (4 Bode, 
Par. 1802) heraus. Seine jämtlihen Werte ver: 
öffentlichte A. Francois (5 Bde., Par. 1846 — 58 ı. 
— Bol. Sainte-Beuve, Causeries du lundi, Bo. 4 
(1859); Leon Thiefie, E., essai biographique er 
littöraire (Par. 1853). 

Etienne (ſpr. etienn), Michael, Bublizift, geb. 
21. Sept. 1827 zu Wien, war frübzeitig litterariib 
tbätig und fam 1849 wegen Preßvergehen ins Ge 

ängnis. 1850 entzog er ſich durch die Flucht weitern 

——— lebte bis 1855 in Paris als Korre⸗ 
fpondent deutjcher Blätter, eine Zeit lang aud als 
Mitarbeiter an der «Correspondance Havas», und 
wurde wegen jeiner Oppofition gegen den Staats» 
ftreich zugleich mit Morig Hartmann in Mazas in 
Haft gebalten. In Wien, wobin er 1855 zuräd- 
tebrte, trat E. an die Spiße des Journals «Donau», 
bald darauf der «Prejie. Mit Mar Friedländer 
(f. d.), feinem langjährigen Kollegen, gründete er 
1. Sept. 1864 die «Neue Freie Prefie» und leitete 
dieſe bervorragenbfie Zeitung Deutſch⸗ Oſterreichs 
als Chefredacteur in deutſch⸗ liberalem Sinne bis 
zu feinem 29. April 1879 erfolgten Tode. 

tifette (frz. &tiquette, jpr. -fett), Auffchrift, be 
—— an Waren zu deren näberer nen Serra 
ngabe der firma u. ſ. w., aud die an Verkaufe⸗ 
gegenftänden befeftigten Zettel mit ver —— 
jeichnung. In der Gärtnerei find die E., welche 
den Namen jeder Pflanze angeben, je nad ihrer Be 
per in Material und Form verichieden. Für 
aumichulen gebraubt man angeichnittene und 
auf der Schnittfläche beichriebene lurze Piäble, den 
einzelnen Bäumen aber hängt man ein mit dem 
Namen —— Brettchen oder Zinlblech an. 
An Stanpbäume hängt man nicht ſelten Porzellan— 
plättchen mit eingebrannter ſchwarzer Schrift. Für 
Zierbäume, Koniferen, Sträucer, Staudengewädie 
u. dgl. verwendet man eiſerne Stäbe, an denen oben 
die Tafel aus Hol oder Eiſenblech bejeftigt if. 
Für Topfgewächſe benugt man behufs des Ein⸗ 
—* in die Erde ſpiß zugeſchnittene Brettchen 
oder Zinkſtreifen. — E. bezeichnet auch den Inbe— 
griff der durch Herlommen und Vorſchriften gere 
een Formen bejonders an den Höfen (Hofeti: 
eite) und überhaupt in der vornehmen Gejellichaft. 
Dieje Bedeutung bat das Wort dadurd erlangt, 
dab &tiquettes («Aufjchreibzettel»), auf denen die 
Reihenfolge der am Hofe zugelafienen jonen 
ihrem Range gemäß verzeichnet jtand, zur Aufrecht⸗ 
erbaltung der vorgejhriebenen —— am 
—— Hofe Verwendung fanden; fie bildeten ſo die 
nfänge der jpäter erweiterten Rangreglements. 
Beritöße gegen die Rangorbnung und die damıt 
zufammenbängenden Bejtimmungen wurden kurz 
weg als ſolche gegen die €. bezeihnet. Hieraus 
übertrug fi diejes Wort auf die Bezeichnung des 


Etikettieren — Eton 


wlonten, am franz. Hofe geltenden Hofceremoniells 
und it in X Bedeutung aud in die hen 
anderer Länder übergegangen. In monarchiſchen 
Staaten hat diefe E. ihre arte Macht bewahrt. 
Den Traditionen — herrſcht an den alten 
otſen die ſtrengere, die ftrengite E. am ſpan. Hofe. 
Ein Teil der Hofetilette ift das Eeremoniell (f. d.). 

Etifettieren, mit einer Gtilette (ſ. d.) verjeben. 

Etin Arcadia ego (lat., «Aud id war in 
Irtadien»), findet ſich zuerft auf einem Gemälde 
des Schidone (geft. 1615), wo bie Worte unter 

einem am Boden liegenden Totenkopf fteben, auf 
den zwei jugendliche Hirten wehmutig niederſchauen. 

i ouffin brachte die Worte auf dem Grab» 
ftein eine berühmten Landſchaftsgemäldes (Les 
bergers d’Arcadie; jest im Louvre) an; Schiller 
überjegte fie in der Anfangszeile jeined Gedichts 
——— («Auch ich war in Arkadien geboren»), 
Goethe benugte fie ald Motto («Auch ich in Arka⸗ 
= feiner «talienifchen Reife». Ferner hat Her: 

zog Auguft (f. d.) zu Sachſen⸗ Gotha und Altenbur 
eine Sammlung von jelbit verfaßten Idyllen (1806 
betitelt «Auch ich war in Arladien», [gebirge. 

Etinde, Mongo:ma:Etinde, f Kamerun⸗ 

Et iolemeut fpr. -ol'mäng), |. Etiolieren. 

‚ @tiolieren, tiolement oder Vergeilen, 
die — amten Erſcheinungen, die bei längerer Ber: 
h “u an ſolchen Pflanzen eintreten, die zu 

er normalen Entwidlung des Lichts bedürfen. 

die Chlorophyllbildung mit nur fehr wenigen 
Ausnahmen (Reimlinge mancher Nadelhölzer) nur 
unter Einfluß des Lichts ftattfinden kann, jo unter 
bleibt viejelbe natürlich bei Pflanzen, die unter 
Ausschluß des Lichts kultiviert werden. Zwar wer: 
den die Bladmalörper, weldye unter normalen Be: 
dingungen zur Aufnahme des Chlorophylls dienen, 
vollitändig ausgebildet, aber die grüne Färbung 
unterbleibt, und es tritt ftatt derjelben durch das 
Etiolin (j.d.) eine Gelbfärbung ein. 

Mit dem 6, treten re noch andere Ber: 
änderungen auf. Zunädft fällt bei jeder etiolierten 
Pflanze die unverhältnismäßige Länge der Stengel 
und die geringe Ausdehnung der Blattipreite auf; 
wäbrend alfo bei Ausſchluß des Lichts das Längen» 
wadhstum der Stengelinternodien bedeutend ge: 
fördert wird, erleiden die Blätter eine Wachstunis⸗ 
verzögerung in der Weiſe, daß die Blattipreite viel 
Heiner wird als im normalen Zuftande. Ganz ähn: 
——— treten auch ein, wenn die 
Bilanzen nicht vollſtandiger Duntelbeit, ſondern 
nur Licht von geringer Intenſität ausgeſeßt find, 
So bemerft man ;. ». bäufig an Zimmerpflanzen, 
die zu weit entfernt von den Fenſtern fteben, die 

ngen des E.; allerdings unterbleibt in 
ſolchen Fällen die Ehkoropbyllbildung nit gan 
aber fie wird doch bedeutend rer fo vak 


die Bilanzen allmählich ein bleihes Ausſehen be 


lommen; aud das ftärtere Längenwadhstum ber | Stil 


Stengel und das Zurüdbleiben der Blätter macht 
ſich dabei oft ganz deutlich bemerkbar. 

Benn bei der vollen normalen Beleuchtung die 
Ehioropbylibildung unterbleibt, fo ift dieſe Grihei 
sung nicht ala E,, en als Bleichſucht (ſ. d.) oder 
Chlotoſe zu bezeichnen. (6. auch Buntblätterigteit.) 

Etiofin, ein dem Ehloropbyll verwandter Farb: 
Kofi, von dem die Gelbfärbung beim Gtiolieren 
. d) der Bflanzen berrübrt, vieleidht identijc mit 
dem Zantbopbyll (f. Blattjarbitofie). Seine chem. 
Au fegung ift nicht genau befannt. 

Orsähauß’ Konverlationd-LBeriton.. 14. Aul RW. VL 


273: 


@tiquette, |. Etilette. 

@tlar, Earit, Pjeudonym, f. Brosböll, Job. 
Karl Ehriftian. j 

Etmal (niederländ., d. i. Tag), in der Nautilk die 
Zeit des ajtron. Tags von 12 Uhr mittags bis zum 
nädjften Mittag. Der Ausdrud wird meiſt mit 
Bezug auf die von dem Schiffe während dieſes Zeit: 
raums zurüdgelegte Fahrt in Seemeilen angewandt. 
Durchſchnittlich ſann man für Dampfer 300 See: 
meilen, für Segelichiffe 120 Seemeilen als mittleres 
Reife Stmal rechnen. 

ea, Zuname der Stadt Randazzo (f. d.). 

Etoges (ipr. tobi’), Dorf im franz. Depart, 
Marne, ArrondijjementEpernay, Kanton Nontmort, 
25 km im SSW. von Epernay, an der Straße von 
Chälond:fur: Marne nah Montmirail (1901) 513 
E., ift geihichtlih dentwürdig durch das Gefecht 
14. Febr. 1814. Blucher verfügte bei Bergeres⸗les⸗ 
Bertus über 18000 Mann, darunter wenig Kaval⸗ 
lerie, und war über das Schidfal der von Napoleon 
11. Febr. bei Montmirail geihlagenen Korps Yord 
und Saden in Ungewißheit, beſchloß .. den 
Vormarſch auf Montmirail, Am 13. Febr. traf die 
Vorhut unter Graf Zieten bei €. auf Widerftand, 
doch zog fih Marmont auf Bauhamps zurüd; 
Blüherd Hauptquartier fam nah Ehampaubert, 
Napoleon erreichte Ehäteau:Thierry. Am Morgen 
des 14. rüdten Blücherd Truppen weiter vor, trafen 
aber bald auf die durch Napoleon verftärkten Streit: 
träfte Marmonts und mußten Vauchamps räumen. 
Blücer bejeste eine Stellung bei Janvillierd mit 
den Korps Kleift und Kapzewitſch. Da Napoleon 
immer neue Streitträfte (zufammen 30000 Mann) 
beranfübrte, wurde 2 Uhr nachmittags der Rüdzug 
angetreten. Die franz. Kavallerie verfuchte die 
ai zu umgeben und den Wald von E. vor den 

teußen und Ruflen zu erreichen, vermochte aber den 
Marſch der Infanterie nicht aufzuhalten. Aber eine 

anz. Kolonne war in E. eingedrungen, und es ent: 
pann ſich ein hartnädiges Gefecht mit der ruf. Nach: 
ut. Erft in der Nacht erreichten die Truppen Blä- 
chers Bergeres⸗les⸗Vertus; man hatte 6000 Dann 
verloren. — Bol. von Sothen, Das Gefeht von €. 
(Berl. 1894). 
ile (frz., fpr. etdäl), Stern; & la belle stoile 
(ſpr. beil), unter freiem Himmel. 

Eton (ipr. iht ). Stadt in der engl. Grafichaft 
Budingham, am linken Ufer der Theme, 34 km 
weitli von London, gegenüber von Windjor, mit 
dem eine eiferne Brüde ed verbindet, mit (1901) 
3293 €., verbantt feine Bedeutung der von Hein« 
rich VI. 1440 gegründeten, anſehnlich ausgeftatteten 
Gelebrtenichule: Eton College, der berühmteften 
und größten von ganz Gngland. Die Schule gleicht 
im Außern und Innern einer llöſterlichen Anftalt, 
Ihre Gebäude mit den Klafien, Wohnungen u. |. w. 
umfchließen zwei vieredige Höfe und find in got. 
ile ohne ierungen erbaut, ebenſo die Kirche, 
die neben dem Altar eine jhöne Kapelle enthält und 
auch wegen ihrer flahen Dachlonſtruktion mertwürs 
dig ift. Die geht der Freiitellen für die Alumnen, 
die königl. Scholaren (aud Collegers) heißen und 
ſchwarze Tudröde von Monchsſchnitt tragen, ift 
auf 70 feitgefeßt und wird durch periodiſche Exami⸗ 
nationen ergänzt. Das Hauptlontingent der Schüs 
ler beitebt jedoch aus den gegenwärtig die Zahl von 
900 überjchreitenden fog. Oppidans, die in einer 
Anzahl zur Schule gebörigen, meiſtens von Lebs 
tern verwalteten * Häufern wohnen und für 

18 


274 


Wohnung und Koft jährlich de 105 Pfd. St. zu ent: 
richten haben. Jeder Schüler hat Unterricht im Schul: 
baus, erhält aber außerdem einen Classical Tutor, 
der ftet3 ein zur Schule gebörender Lehrer ift und 
den ihm zugewieſenen Schülern Unterridt erteilt, 
daneben aber auch die Schulaufgaben, ebe fie ein: 
eliefert werden, zu prüfen bat. jeder Hausvor- 
tand, der Philolog ift, ‘ Tutor der in feinem Haufe 
wohnhaften Zöglinge, jo daß thatſächlich meijt der 
Einfluß des Haufed weit größer ift als ber der 
* e. Über der Schule ſteht ein Verwaltungs— 
follegium (Governing Body), beftehend aus einem 
ebr hoch befolvdeten Präjidenten, der den Titel 
rovoft bat, und neun von den Univerfitäten Dr: 
ford und Cambridge und verſchiedenen wiſſenſchaft⸗ 
lien Körperichaften ernannten Fellows, die in: 
deſſen nicht am Orte wohnen und mit den vor 1872 
ernannten Fellows nur ben Namen gemein haben. 
Diefe legtern find aufdem Ausfterbeetat. Der Re: 
form, die an die Stelle eines Stifts für emeritierte 
Lehrer aus dem — Stande ein Kollegium 
von Vertretern der Wiſſenſchaft geſetzt hat, folgte 
eine Reform in der Erziehungsweiſe. Die Mathe: 
matil wird jeht — elehrt, und es beſteht 
eine beſondere Abteilung Ahr Naturmwiflenihaften 
mit Unterabteilungen für Phyfiologie, Geologie, 
Biologie und Chemie; ein phyſik. und ein chem. 
Laboratorium, ein Objervatorium und ein natur» 
biftor. Mufeum. Die Knaben, die fih auf dem Ge 
biete der Naturmifjenichaften auszeichnen, werden 
von Unterrihtsftunden in andern Fächern bispen: 
fiert. Ebenfo ſteht es einem Zögling, der die Fifth 
Form (etwa der deutſchen Selunda entipredend) 
erreicht bat, frei, ftatt des Griedhifchen Unterricht in 
der deutichen Sprache zu wählen. Endlich beſteht 
eine Klaſſe für Schüler, die die militär. Laufbahn 
mäblen. Für die körperliche Erziehung wird reichliche 
Yürforge getroffen, befonders eifrig wird das Ru: 
dern betri Bol. Lyte, A history of E. Col- 
lege (3. Aufl., Zond. 1899); Euft, History of E. 
College (ebd. 1899); Benjon, Fasti Etonenses. 
Biographical history of E. (ebd. 1899); Glutton: 
Brod, Eton (ebd. 1900). 
Etonnieren (fr5.), in Erftaunen fegen, erftau: 
nen; etonnant (jpr. -näng), ftaunend, erftaunlich. 
uffieren (fr;., ſpr. etuff-), erftiden, bämpfen; 
Etouffade (Eitouffade), das Dämpfen, ge: 
dämpftes Fleiſch; Etouffement (fpr. etuff'mäng), 
Atembellemmung. 
Etourberie (fr3., ſpr. eturd’rib), Unbefonnenbeit, 
unbefonnener Streich ; etourbieren, betäuben, be: 
ürzt machen, verblüffen; Etourdi, unbefonnener 
Renſch, Wildfang; Etourdifjement (ſpr. etur⸗ 
diß'mäng), Betäubung, Beſturzung. 
Etrange (fr3., fpr. eträngich), fremd, befrem: 
dend, feltfam; Etranger (fpr. etrangicheb), fremder. 
ef, Fluß in Transtafpien, f. Atrel. 
trennes (fr3., ſpr. etrenn; vom lat. strena), 
Geſchenke, die man zu Neujahr in Frankreich den 
— liedern u. ſ. w. macht, und die unge: 
ähr unſern Weihnachtsgeſchenlen entſprechen. 
Etrepaguh (ſpr. -pannjib), Hauptort des Kan⸗ 
tons E. im Arrondiſſement Les Andelys des franz. 
Depart. Eure, 50 km im SD. von Rouen, an der 
Linie Bontdel’Ar e:@ifors der Franz. Lofalbahnen, 
bat (1901) 1892, als Gemeinde 2177 €. Hier wurde 
in der Naht zum 30. Nov. 1870 eine Abteilung des 
ſachſ. Armeelorps von den Franzosen überfallen und 
zum Rüdzuge genötigt. 


Etonnieren — Etrurien 


Etretat (ipr.-tah), Bade: und Fiſcherort im Kan⸗ 

ton Eriquetot:l'E3neval, Arrondiſſement Le Havre 
de3 franz. Depart. Seine: nferieure, 27 km nord 
öftlih von Havre, am Meere und am Ausgange 
mweier Thäler, an der Bahn Les Ifs-E. (15 km), bat 
1901) 1892,alö Gemeinde 1944 „Beh Lee rapb, 
neu eingerichtete Badegebäude und zahlreiche Billen. 
Die Im * in der viele Altertümer gefunden 
ei ‚it durd ey delsfjormen aus: 
gezeichnet, darunter die 70 m hohe Nadel von €. 

Etröpol:Balkan, |. Baltan. j 

Etropölje (Etröpol), Stadt im flreis 5* 
(Land) in Bulgarien, 60 km im DOND. von Sona, 
an dem rechts zum Isler gebenden Mali-Islker, 
in 550 m Höbe, am Norbabhange des Etropol:Bal: 
fans, bat (1893) 3579 €. 

Etruria (jpr. itruhriẽ), Ort in der engl. Graf: 

chaft Stafjord, 21km im NO. von Stofe:upon:Trent, 
at (1891) 5897 E., entftand aus der 1760 von 
ebgwood (f. d.) errichteten Fabril feiner Fayence⸗ 
warenundiftjet Mittelpunft des etwa 640 qkm gro⸗ 
ben Thonwarenbiftrikts (j. Potteries), mitvolkreichen 
Städten und Dörfern, in melden faſt nur Thon: 
waren, Zerralith und Porzellan fabriziert werden. 

Etrurien (lat. Etruria; gr. Tyrrhenia), im 
Altertume Name ded Landes am Tytrheniſchen 
oder Untern Meer, das von Ligurien durch das 
Arnothal, vom ciöpabanifhen Gallien durch den 
Kamm der Apenninen, dur den Tiber von lim: 
brien, den Sabinern, Latinern und dem Gebiet von 
Rom geſchieden war. Der Name Tuscia war für 
das Fand erft in fpäterer Zeit, dagegen der Name 
Tusci neben Etrusci ſchon eh ür das Boll 
üblih. Das Land wird von zahlreichen Hügelletten, 
teil Ausläufern des Apennin, teils felbjtändigen 
Höhenrüden, durchzogen, von denen bejonders das 
Ciminiſche Maldgebirge im Süboften zu nennen ft. 
Zwiſchen den Hügeln öffnen fib fruchtbare Thäler, 
teils von Flüffen durchzogen (unter denen der Arnus, 
jest Arno, und Glanis [Ehiana] die bedeutendſten 
waren), teil® mit Landſeen vultanifhen Uriprungs 
bevedt, wie der Lacus Trafimenus mweitlih von 
Peruſia (Berugia), der Lacus Volfinienfis bei Vol: 
ſinii (Bolfena), der Lacus Ciminius (Lago di Ron: 
ciglione oder di Vigo) und der Lacus Sabatinus 
bei Sabate (jebt Lago di Bracciano). (S. Karte: 
Das alte Jtalien, beim Artilel Italien.) 

Die ältefte Bevölkerung gebörteteild dem ligu- 
rifchen, teil& dem umbrifchen Stamme an. Nach den 
von den Alten überlieferten Nachrichten drangen 
gegen Ende des 2. Yabrtaufends v. Ehr. de 
pelasgiſch⸗griechiſche, als kühne Seefahrer und See: 
räuber ee KRoloniften aus der IImgebung der 
Stadt Tyrrba (in Pydien) ein, bie ſich an der Hüfte 
feftießten und allmählih jene Ureinwohner unter: 
warfen. Während nun die Griechen für das dur 
Verſchmelzung der Eindringlinge mit der Urbevöl- 
ferung entjtandene Miichvoll den alten Namen 
jener — * Tyrsenoi, Tyrr&noi) allezeit bei⸗ 
behielten, nannten ſich die Herren des Landes ſelbſt 
fortan Rasenae (rasnes), d. h. wahrſcheinlich «die 
GEolen»,im Gegenſaßtz zu der von ihnen vorgefundenen 
Bevölkerung, die he u einer Art von Leibeigenen, 
nah Weife der t efalifhen neften, machten. 
Nach einer andern zuerit von Niebubr vertretenen 
Anficht wären die Etruster ftammperwanbt mit dem 
Alpenvolte der Rhater und höchſt wabrfcheinlich zu 
Lande in Mittelitalien, von den Alpen aus vor: 
dringend, eingewandert. Thatfähli findet man 


Etrurien 


simlih die hauptſächlichſten Sitze der Etruäter, fo: 
mit unlere Kenntnis zurüdreicht, im Gentrum, meift 
jogar im Diten Tyrrheniens; mit Ausnahme von 
ta trifft man feine einzige größere unmittel: 
bar am Meere gegründete Stadt an. Cine 1885 
in Lemnos aufgefundene pelasgiſche —5* fest 
illerdings die ſprachliche — — aft der tyr⸗ 
theniihen Pelas ger des Agaiſchen Meers mit den 
Tort Italiens außer Zweifel; ſie iſt daher als 
Hauptftüge der erſtern Anſicht aufgeführt worden. 
Doch wäre aud eine Einwanderung der lemniſchen 
Peladger von Meften ber denkbar. Bon den die 
Äyrrhener umgebenden italifhen Bölterichaften 
wurbe mit einem italiſchen Ableitungsjuffir der 
Name Tursco- gebildet, woher der Plural umbriſch 
Turscor, lat. Tusci; daneben gebrauchten die Römer 
auch die ihrem U prung nad unffaren Namen 
Etrusci (Boll) und Etruria — 
> welcher Bölterfamilie died Bolt gehörte, ift 
no nicht feftgeftellt, da feine Sprade, von der 
fh zahlreiche Reſte in Infchriften, befonders Grab: 
ichriften erhalten haben, noch keinen Anſchluß an 
andere belannte Sprachen gefunden bat. Solder 
Anſchluß ift ſchon nad den verfchiedenften Rich: 
gr in gefucht worden, und eine größere An: 
abl beroorragender Sprachforſcher hat in den legten 
Babrjehnten diefem Problem eindringende Unter: 
tuchung gewibmet. So hat unter anderm Wilh. Deede 
in zablreihen Schriften enge Berwandtichaft mit dem 
Lateiniſchen zu erweifen fi bemüht, Sophus Bugge 
dagegen Verwandtſchaft mit dem Armeniſchen. Dieſe 
—X nd jedoch, wie alle ähnlichen Verſuche, 
mit guten Grunden abgelehnt worden. Drientierende 
Überficht über die Geſchichie der Frage bei Fr. Stolz, 
«Die Urbevölterung Tirols» (2. Aufl. Innsbr. 1892), 
und Guſtav Meyer, «Ejjays und Studien» (Bp. 2, 
Straßb. 1893). Die Schrift der Etrußter ift, wie die 
anderer altitaliſcher Böller, eine Abart ber griech. 
Schrift und gebt zunädjit auf das Alphabet der 
challidiſchen Kolonien von Unteritalien zurüd. 
Unter den etrusf. Städten find namentlich Veji, 
gun, Volſinii (et Boljena), Elufium (Chiuf‘ 
fa, Eortona, Arretium (Arezzo), Fäſulä (Fie⸗ 
ſole), Bolaterrä, Bopulonia, ujellä, Vetulontum, 
Saturnia, Eofa, Volci, Tarquinii und Cäre zu er: 
wähnen. Bon diejen Städten bildeten zwölf unab: 
bängige, felbftändige Staaten, die zu einem Bunde 
vereinigt waren. Das Bundesverhältnis jcheint 
ziemlich loſe geweſen zu fein; doc wurden zu reli⸗ 
es und polit. Zweden mindeftens einmal jähr: 
ammlungen beim Tempel der Göttin 
Boltumna gebalten. den einzelnen Staaten be: 
Hand eine ftrenge Geſchlechterherrſchaſt und priefter- 
lie Ariftofratie. Nur aus den Adelsfamilien, die, 
wie es ſcheint, mit dem Namen Lucumonen bezeichnet 
fonnten der König und die Senatämit: 
gewählt werden; an die Stelle der Könige 
inen freilich fpäter überall jährlich wechſelnde 
getreten zu fein. Unter dem Herrenitande 
befand fi ein großer Zeil der Bevölferung in 
einer Klientel, die hier einen härtern und ftrengern 
Charalter als bei den andern mittelitalifchen Böltern 
bt zu haben ſcheint. Der Stand der Gemein: 
fien in ben Städten gelangte zu feiner Bedeutung. 
e Rümpfe des Volks hatten bauptfächlic nur bie 
Birtung, die Staaten zu zerrütten und ihre Wider: 
—— egen Rom zu ſchwächen. Der Einfluß 
der — ng auf die römifche wird 
fm ganzen wohl nur auf einzelne Außerlichkeiten. 


275 


wie die Magiftratsinfignien, die Einrihtung ber 
Liltoren, die Triumpbzüge u. dgl., zu befchränten 
kin Dagegen kann die Einwirkung des etrusl, 

eilonsmciens auf die Geftaltung des römischen 
faum geleugnet werben. 

Die Religion der Etruster, tiefinnig, aber 
büfter und phantafiearm, war in ge Anwendung 
auf das Staats: und Privatleben jorgfältig bis in 
da3 einzelnfte ausgebildet. Unter den vielen heiligen 
Büchern genoſſen die des Götterfnaben Tages (f. d.) 
befonderes Anſehen; daneben enthielten die Ache⸗ 
rontiſchen Bücher die Lehre von ber Ber: 
gr der Götter, der Aufihiebung bes Scid: 
als, der Bergötterung der Seelen. Außerdem gab 
es weitläufigere Werte, in welchen die «etrust. Dis: 
— ausführlich entwidelt war. Die Götter 
felbft, Afar genannt, deren Sik im Norden gedadıt 
warb, zerfielen in zwei Orbnungen, die der obern 
und verhüllten Götter, und die der zwölf Götter, 
melde von den lat. Autoren ald Conſentes oder 
Complices bezeichnet werden. — über die Kunft 
der Etrusler ‘ Etrusfifche KRunft. 

Im 8. bis 6. Jahrh. v. Ehr. erreichte die Macht 
der Etrusfer ihren Höhepuntt. Ganz Dberitalien 
von Nizza bis Venedig und Ariminum war außer 
dem eigentlichen €, in ihrem Befiß; ſelbſt der größte 
Teil Campaniend war a unterworfen, und 
in dem zwiſchen dieſen beiden Gebieten liegen: 
den Rom regierte ein etrusk. Königsgeſchlecht, die 
Zarquinier. Auch Elba und die Dftküfte Corſicas 
gehorchten ihnen. Erft feit dem 5. Jahrh. v. Chr. be⸗ 
gann ihre Macht zu finken. Der nicht allzu zahl: 
reihe Vollsſtamm der Etruster war nicht im ftande, 
ein 8 ausgedehntes Gebiet, in dem er großenteils 
die Minderzahl der Bevölkerung bildete, gegen die 
ummobhnenden, allmählich eritarfenden Nadıbars 
völter überall gleichzeitig zu ſchützen. Zuerſt bes 

annen die Römer, die nach der Vertreibung der 

arquinier um 508 eine Zeit lang durd den clufi 
—— König Porſenna in ein gewiſſes Abhängig: 
eitöverhältnis gebradht worden waren, die etrust, 
Oberhoheit abzufhütteln und 499 durd die Bes 
lagerung von Fidenä zum Angriffäfrieg gegen die 
nördl. Nachbarn vorzugehen. 485 eröffneten fie den 
Kampf gegen Beji, der, duch Waffenjtillitände mehr: 
ad unterbrochen, 396 mit der Zeritörung diejer 

tabt durch Gamillus endete. 445—421 wurden die 
Etrusfer dur die Samniten auf immer aus Gam: 
panien verdrängt, und Ende des 5. Jahrh. drangen 

roße Scharen von Galliern über ‚die Alpen in 
Italien ein, die in der Po-Ebene ſich niederließen und 
im Berein mit den Ligurern alles Land nördlich des 
Arnus, mit alleiniger Ausnahme von Mantua, an 
ſich J en. Bald wurde auch der Ciminiſche Wald, der 
etwa ſeit 375 die Grenze gegen die Römer bildete, 
von ben legtern (unter Quintus Fabius Rullianus) 
überfhritten und die Macht E.8 vollends gebroden, 
namentlid dur die großen Schlachten am Babis 
monifchen See, wo jener Fabius der Macht der 
Etrusfer einen entjcheivenden Schlag verfeßte, und 
283, wo bie Römer den Etrusfern und den mit 
ihnen verbündeten Galliern eine ſchwere Nieder 
lage beibradten. 280 wurde ganz E. genötigt, in 
ein abhängiges Bundesgenofjenverhältnis zu Rom 
zu treten; zu Anfang des Bundesgenofentrieges 
wurde E., da es den Römern treu geblieben war, 
mit dem röm. Bürgerrecht beſchenlt. Den Unter 
gang der etrust. Eigentümlichleiten, die bis zu Aus: 
gang der röm. Republil in Sprade, Sitte und 

15* 


276 


Religion unverändert fortbeftanden hatten, beför: 
derten —— Sullas Anweiſungen von Land 
an ſeine Veteranen und die Militärkolonien, die 
Drtavian anlegte; dieſer war es auch, der bei der 
Neueinteilung taliens in elf Regionen die Ören: 
pa en E.s im Nordweſten erweiterte und bis Quna und 
i8 an den Macrafluß ausdebnte, 
Geit dem 3. Yabrb. n. Ebr. wurde der alte Name 
E. durch den Namen Zuscien verdrängt, ber nachher 
in den Namen Toscana (f. d.) überging. Nur nod 
einmal tauchte der alte Name des Landes wieder 
auf und zwar feit dem 10. Dit. 1800, wo E. oder, 
wie man es oft, obwohl mit Unrecht, ud enannt 
bat, Hetrurien vom franz. Griten Ronjul Bonas 
parte dem Erbpringen Ludwig von Parma als 
Königreich überlajien wurde, Nach feinem Tode 
1803) übernabm feine Witwe, die Infantin Marie 
uife von min vie Be als Vormünderin ihres Sohnes 
Karl Ludwig die Regierung, die fie jedoch ſchon 
10. Dez. 1807 infolge eines zwifchen Frantreic und 
Spanien gefblofienen Vertrags wieder niederlegte. 
€. wurde hierauf franz. Provinz und durch Senats⸗ 
beihluß vom 30. Mai 1808 für einen Zeil des franz. 
Reichs erklärt, 1809 aber Napoleons Schweſter, 
Elija Bacciochi (f. d.), als Generalftattbalterin des 
Kaiſers, übergeben, die von da ald Großberzogin 
von Toscana das and vortrefilich regierte, es aber 
1814 wieder an Ferdinand ILI., das — lothr.⸗ 
habsburg. Regentenhaus, abtreten mußte, 
Litteratur. 8.D. Müller, Die Etruäter (2 Bde., 
Bresl. 1828; 2. Aufl. — Deede, Stute. 1877); 
Noel Desvergers, L’Etrurie et les Etrusques 
2 Bde., Bar.ıe 1863); - — Etruscan researches 
Lond. 1874 W. Uber die Sprache der 
Etruster (2 Ride 187475); Deede, Etrust, 
Seridm en (Heft 1—4, Stuttg. 1875—80); uli, 
ae (3 Hefte Gt 1879—80) ; eede 
und Paul Etrust. Forihungen und Studien (Heft 
1—$6, Stuttg. 1881—84); Euno, Die Etruster und 
ihre Spuren im Voll und im Staate der Römer (Bor 
gelei te Roms, Bd.2, Grauden; 1888); Mommien, 
dichte, Bo. 1 (8. Aufl., Berl. 1888); Pauli, 
Corpus inscriptionum etruscarum (2p3. 1893 fg — 
Vgl.auch die ed en Artitel Etrustifheftun 
Etruötfer, |. 

Etrndtiiche Kun. (bier die Tafel: Etrus⸗ 
kiſche Kunſt) Die E. K. deren Entwidlung man 
etwa vom 8. Jahrh. v. ‚Chr. bis in die bellentftifche 
Zeit —** tann, zeigt, bei aller Abhangigleit 
von fremder Kunſt doch einen eigenartigen Cha⸗ 
ralter, der fih teild in einem jtarl entwidelten 
Sinn für das Praltiſche, teils in einer gemifien 
Schwere und Anmutlofigleit der Formen ausſpricht. 

die Zeit, bevor noch die Etruster in dem nad 
nen benannten Gebiet jehbaft wurden, fällt die 
eriode der jog. Billanovatultur (f.d.). Infolge der 
neuen Sitten, welche die Etruster mitbrachten, und 
ber regen —— des Landes mit dem 
Drient verſchwand dann die alte einheimiſche Kultur. 
Während für * das Verbrennen der Toten bezeich⸗ 
nend iſt, war es bei den Etruslern, die wie die avp- 
— an eine Fortfegung des irdiſchen Daſeins glaub: 
Braud, die Toten zu begraben. Es find viele 
en bei Ehiufi (j. d.), bei Perugia (1. d., 
Grab der Bolumnii) und Eorneto Taxquinia (1. d. ), 
erbalten, die mit ihrem architeltoniſchen Schmu 
und ibrem reihen Inhalt eine wertvolle, aber wi 
br die einzige Duelle für die Kenntnis der E. K 
en. Für die ältere Zeit, bis in das 6. Jahrb. 


Etruster — Etruskiſche Kunſt 


binein, iſt der Einfluß orient. Mufter maßgebend, 
die durch die Phonizier den Etrustern vermittelt 
wurden. Das zeigt ſich befonvders in den Schmud: 
ormen, unter welchen Rojetten, 2otosblumen, 
almetten und —— en von Spbinzen, 
reifen u. dgl. vorwiege Die Beziehungen zu 
Griehenland beginnen * im 8. Jahrh., von der 
* der Koloniengründungen in Unteritalien und 
icilien an; griech. Künftler, wie Demaratos von 
Korinth, famen nad Gtrurien, und grieh. Ware 
fand dort reihen Abfag. Am Iebbafteiten murde 
die Einfuhr kunſtleriſcher Erzeugniſſe aus Griechen: 
land feit dem 6. Jahrh. v. Chr. und ſetzte ſich bie 


in das 4. Yabrb. v. Ebr. fort. 
Diefen fremden Einflüffen gegenüber bewabrte 
bie Baukunſt am meilten ibre Eigenart. Die 


Städte, meift auf Hügeln oder Bergen im Innern 
des Landes gelegen, waren mit Mauern umgeben, 
die aus großen, obne Mörtelverband gefhichteten, 
teils unregelmäßig, teild rechtwinklig bebauenen 
Steinblöden gebaut wurden. Die Etruster baben 
den Bogen: und Gewölbebau juerft zur ſtunſtform 
erhoben und zur Nuganmwendung nebradt. Das 
jei en nicht nur die Kanal: und Brüdenbauten (3.8. 

iterbo, Blera, Beji), fondern auch die arok: 
—* Stadttbore (in olterra, Perugia, Falerii 
6* und der Gewolbebau in den Grabern bei 

Te ie in Rom das etrust. Borbild gewirkt 
bat, zeigt fih in dem gut gefügten Quaderbau der 
Servianifben Stadtmauer und mebr noch in den 
MWölbungen der Cloaca maxima. 

Die Anlage der Gräber ift je —— der Zeit, der 
Art der 38* und der Bodenbeſchaffenheit 
—ã te ältefte, in der Ebene vorberrſchende 

en ge das Hügelgrab (Tumulus), bejtebend aus 
.. elförmigen, auf einem emauerten oder 
felfigen U nterbau errichteten Erbbügel in runder 
oder rechtediger Geitalt, deflen Spise bäufia mit 
einem fkugel:, birnen: oder fäulenförmigen dern 
aeihmüdt ift (f. Fig. 3). Im Innern derj 
waren Grablammern angelegt, zu denen von außen 
ein oder mebrere Zugänge brten. Eine andere 
Art von Grabanlagen haben die Ausgrabungen 
in Bologna (äelfin —8* tennen gelehrt. Hier ſind 
die Toten in ben gebettet, die oben mit 
einem kreis⸗ oder, län ae Dentftein ge 
ihmüdt find. Die Reliefs auf den legten, nah 
orient. und fpäterhin grieb. Muftern ausgefübrt, 
zeigen —— von Todesdämonen, welche 
die Verſtorbenen mit fi führen, ‚ Rlmpfe, ‚ ®elage, 
Tänze u.a. (Bal. — Gli scavi della 22 
di Bologna, 1876.) Die in den gebirgigen Gegen 
den übliche Art von Gräbern find die in den 
gebauenen Kammern (f. Fig. 9), die im Grundriß 
und im innern NAuspuk das etrusl,. Haus, vom ein: 

5* bis an prunfvollausgeftatteten,nadhabmen. 

ie einzelnen Gemäder find durch b Wände von: 
einander getrennt, die mit Thüren oder 
dfinungen verfeben durch Bilafter und Nif 
lebt werben. mei aus dem * — 
Säulen ftügen de Deden. —* lreichen Gräbern 
war der Innenſchmuck in Male erei auägeführt; jo 
kiet 5 Fig. 12 die nad altetrust. Weife alten 

bonplatten aus einer Grablammer von 
Fig. 13 die auf enge Beziebung zur griech. Kunft 
deutende Wandmalerei aus einer Grablammer zu 
Corneto. Vielfach wurde auch die Außenjeite der 
Gräber fünftlerifh ausgeftattet, indem durch Thür 
umrabmungen oder tempelartige Faraden an der 


—* 


ETRUSKISCHE KUNST. 





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EN en — ñ 


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di ren —— NT 
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— 4. Knabe mit 
3. Grabmal der Horatier der Gans 
und Curiatier bei Ariecia. (Museum in 
ee — » Leiden), 





2. Thor zu Falerii. 











7 ‘ Tat 3 N 
1. Etruskische Säulenordnung: 
“ Säuleukapitäl, 5 Pfeilerkapitäl, 


e Säulenfufs der Cucumella 
bei Vulci, 


4 Pfeiler aus einer Grabkammer 
zu Cervetri. 








5. Grundrifs des etruskischen 
Tempels. 6. Kapitolinische Wölfn mit Romulus 
und Remus (Rom\. 

















eine 


9. Grabkammer zu Cervetri. 





11. Handspiegel: 
a mit Semele und Bacchus. 


10. Thonsarkophag aus Cäre. 13. Wandmalerei. 








Broekhans’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 


Etruskiſche Kunft 


delewand gleichſam der ya ce des Grabgemades 
gelennzeihnet wurde. Verſchieden hiervon war nad) 
der Schilderung Varros das Grab des etrust. Königs 
Borjenna, beftebend aus in Stodwerten übereinan: 
der geordneten Pyramiden auf einem großen vier: 
igen Unterbau, 
iger fiher befannt ift die Architeltur der 
etrust, Tempel und Wohnbäufer, da von ihnen 
nichts erbalten ift. Nach der ſchwer verftändlichen 
et bei Vitruv batte der etrust. Tempel 
(. Fig. 5) nicht die länglihe Form mie der gries 
chiſche, jondern eine mehr quadratifche Geftalt; er 
war in der Mitte geteilt, jo daß die vordere Hälfte 
von einer Säulenhalle, die hintere von der Cella ein- 
enommen wurde, die, metft für eine Dreizahl von 
ottbeiten beftimmt, durch Quermände in einen 
mittlern Hauptraum und zwei Heinere Nebenräume 
abgeteilt wurde. Nach ſolchem Plan war der große 
Iempel des Jupiter Capitolinus in Rom gebaut, 
der nad der Überlieferung von Tarquinius Priscus 
gegründet und von Zarquinius Superbus vollendet 
wurde; dann dreimal dur Brand zerftört, wurde 
er nad dem alten Grundriß zulegt unter Domitian 
wieder aufgebaut. Die altetrust. Säulen (f. Fig. 1) 
erboben fib, abweichend von der dor. Ordnung, 
auf einer wulftartigen Bafis; doc war das Kapitäl 
(f. Fig. 1,a u. b) dem doriſchen ahnlich, nur von 
Inapperer Form. gar den künftleriihen Schmud 
wurde im weiteften Umfange gebrannter Tbon ver: 
wendet. Bemalte Terracottaplatten dienten zur 
Berlleivung des Gebälts, und Reliefs und Statuen 
aus Thon jüllten die Giebel. Zahlreiche Reſte ders 
en Schmudes find in Falerii, Conca (bei Rom) 
und Alatri gefunden. Erbaltene tempelartige Grab: 
mäler mögen ungefähr eine Vorjtellung von dem 
Aufbau des etrust. Tempels geben (f. Sie. D. Die 
Kenntnis der äubern Erſcheinung der Wohnhäuſer 
ift noch viel unficherer. Beſſer belannt ift das Aus: 
feben des Innern durch die plaftiichen Architekturen 
und Gemälde der Felſengräber. Das von Vitruv bes 
ichriebene jäulenloje Atrium tuscanicum (f. Atrium) 
mit dem in der Mitte offenen Dach findet ſich bei 
den Gräbern nidt. 
Die StulpturinEtrurien diente wejentlich delo: 
rativen Zweden. Marmor fehlte, dagegen arbeitete 
man viel in Kallſtein (Zuff) und Terracotta und ver: 
jab dieſes geringere Material mit einem farbigen 
Überzug. Die Reliefs an den Seitenflächen der Sarto: 
vdage und Eiften haben fich zum Teil —— ihrem 
vollen Farbenſchmud erhalten. Auf den Sarlopha⸗ 
gen, vie als Rubebetten gedacht, find die Verſtorbenen 
meift wie zum Mahle gelagert dargeftellt (ſ. Fig. 10). 
Ramentlich in diefen Figuren fpricht ſich ein lebhaft 
ntwidelter Sinn für das Individuelle aus. Die 
af die einfache und entſchiedene Wiedergabe der 
Birllichleit ausgebende Borträtlunft der Etrus: 
ler findet in der röm. Borträttunft ihre Fortſetzung. 
Berübmt war im Altertum die Bronzelunit 
der Etrusler; von größern erbaltenen Bronzewerken 
find die bedeutendften der finabe mit der Gans 
(im Mufeum zu Leiden; ſ. Fig. 4), die Marsftatue 
im Batilan, die Ebimaira (}.d.) und die eines Red⸗ 
"ers in den Uffizien zu Slorenz; die berühmte kapi⸗ 
loliniſche Wolfin { Fiß 6) ift eher ein griech. als ein 
arusl. Werl. Beſſer belannt find die Erzeugnifie 
des Kunſtbandwerks, von denen faft jedes Mu: 
ſeum eine größere Menge beſitzt. Der Schmud weift 
griech. Ginhup auf, und die auf den bronzenen Spie: 
geln (f. Fig. 11) und Eiften eingravierten Bilder 


277 


jeigen Fe —— mit etrust, Vorſtellungen ge: 
miſcht. Aud in Rom find, namentlich vom 4. . 
v. Ehr. an, ald der Betrieb in den etrust, Wert: 
— — zurüdging, derartige Werte zahlreich gear: 

eitet, darunter fo hervorragende wie die Fico: 
tonifde Eifte (f. d. und Sig. 8), bie bei Ihrer 
vollendeten Feinheit der Ausführung den beften 
Stüden et pri Kunſt faum nachſteht. 

Die Ausbildung der Malerei ſteht in enger Ber: 
bindung mit der Architektur. Thonplatten, die zur 
Verkleidung der Wändeund Gebälte dienten, find mit 
figürlihen Darftellungen und Ornamenten bemalt. 
Größere zufammenbängende Kompofitionen find in 
den Wandgemälden aus den Grablammern erhalten. 
Die älteften Gemälde aus dem 6. Jahrh. v. Chr. 
zeigen nicht nur in der gehuun, fondern auch in 
ber Färbung den Einfluß der griech. Malerei. Die 
ſchönen Bilder in der Grotta del triclinio in Eor: 
neto (j. Fig. 13), welde Tanz und Gelage ſchildern, 
erinnern an die kräftige Zeichnung der attiſchen 
Vaſenmaler; einen freiern Stil zeigen die Gemälde 
der ebenfalld zu Gorneto befindlihen fog. Grotta 
dell’ Orco, die wohl im 4. Jahrh. v. Chr. entſtanden 
find. Nach und nach bildet ſich eine reichere Färbung 
und eine mehr malerijche Behandlung aus. In den 
Darftellungen weijen die Gemälde neben vielem 
Griechiſchen auch mandes echt Etrustifche auf, fo: 
wohl in den ältern ausicließlih auf den Toten: 
dienft bezüglihen Bildern (f. Fig. 12) ald in den 
jüngern, vorwiegend mytholog. Scenen. Schilde: 
rungen rein etrust. Sagen dagegen, wie in dem 
drangoisgrabe von Vulci, find h ten. 

Die etrust. Keramilk ftand unter dem Einflu 

der hochentwidelten Bronzetechnit. Die zablrei 
vortommenden altertümlihen Vaſen mit ſchwarzem 
Firnisüberzug von metalliihem Glanz und mit ein: 
geprebten Ornamenten oder Zieritreifen (fog. Buc: 
herovajen) und die jüngern ſchwarzen Reliefſchalen, 
deren Herftellung von Sampanien aus in Etrurien 
u. wurde, ſind deutliche Nachahmungen cije: 
ierter und getriebener Metallgefäße. Ihnen fließt 
fi die befondere —— ſog. Canopusvaſen 
an. Die feinere Thonware 20 man aus Griechen: 
land, jeit vem 5. Jahrh. v. Ehr. aus Athen. Der 
röhte Teil der zahllojen erhaltenen bemalten griech. 
Ya en ftammt aus etrusl. Gräbern; in Bulci allein 
wurden 1830 über 3000 woblerhaltene Gefäße auf: 
efunden. Aber die mafjenhafte Einfuhr von Athen 
Batte feinen Aufihwung der einheimischen Keramil 
ur Folge. Etrust. Töpfer verſuchten zwar in der: 
felben Technil zu arbeiten; aber die wenigen ſchwarz⸗ 
und rotfigurigen Bafen einheimiſcher Fabrit lom⸗ 
men kaum über ſtümperhafte Nachahmung hinaus. 
Litteratur. Abelen, Mittelitalien vor den Zei: 
ten rom. Herrichaft nach feinen Dentmalen * 
ftellt (Stuttg. und Tub. 1843); Dennis, The cities 
and cemeteries of Etruria (2 Bde., Fond. 1849; 
3. Aufl. 1892; deutſch . 1852); Ingbirami, 
Monumenti etruschi (10 Bde., Flor. 1821—26); 
Durm, Baulunft der Etruster (im «Handbud der 
Architektur II,2,2. Aufl., Stuttg. 1905); Martha, 
Manuel d’arch6ologie &trusque et romaine (Bar. 
1884); derf., L’art &trusque(ebv. 1888); Irilievi delle 
urne etrusche (Bb. 1 von H. Brunn, Rom 1870; 
Bd. 2 von ©. Korte, Berl. 1890—96); €. Gerbarb, 
Etrust. Spiegel (Bd.1—4, Berl. 1839—68; Bo. 5 
von Aluegmann und flörte, ebd. 1884—97); derf., 
Etrust. und campan. Bafenbilder (ebd. 1848); 
Julius, Etrust. Kunft (in «Baumeifterd Dentmäler 


278 


des tlaſſiſchen Altertums», Münd. 1884 — 88); 
. Girard, La peinture antique (Par. 1892); 
b. Seemann, Die Kunft der Etrusfer (Dresd. 

1890). Vgl. auch die Litteratur zum Artikel Etrurien. 
Eiſch, bei den Römern Athesis, von den Sta: 

lienern Adige genannt, feiner Waffermafje nad 

nächſt dem So der bedeutendfte Fluß Italiens, 
entjpringt an der Reſchenſcheideck (ſ. Scheided) 
aus dem in 1494 m Höhe gelegenen Reichenfee 
in Tirol, fließt gerade nah ©. über die Malſer 

Heide und bis Glurns, 17km. weit, im Obern 

Vintſchgau, wendet fih nun nad SD. und dann 

nad D. dur das 47km ————— Vintſchgau 

bis zur Paſſeiermundung bei Meran (319 a): dar: 
ei füdlih und ſüdöſtlich 34,5 km weit über bie 

Eifadmündung fort bis Branzoll, wo fie, 78 m 

breit, {chiffbar wird. Im —— iſt ihr 

Thal zum Teil verſumpft und weiter bis Bozen 

eine zum Zeil von entwäſſerten Sumpfitreden ein: 

gela te Thalebene. Nach ©. fließt fie nun durch das 
tihland (j. Karte: Tirol und Vorarlberg), 

unterhalb Rovereto durd die mwahrjcheinlich 883 

durd einen Bergſturz verurfadhte Stromenge Sla: 

vinidiSan Marco, dann zwifchen ſenkrechten Felſen 
durch die Ehiufa di Verona (Beronefer laufe) und 
tritt 120 m breit aus den Alpen in die Ebene, In 
der Ebene neben von ihr mebrere Arme zum parallel 
laufenden Po und zahlreiche Kanäle verbinden beide 
lüjfe. Die 680 m breite Mündung bei zen 
one kann als nörblichfter Bunt des Bo:Deltas 
etrachtet werden, jo daß E. und Po als Zwillinge: 
ftröme gelten dürfen. Die Länge der €, en 

377,7 km (von denen 300 km ſchiffbar, bis Branzoll), 

ihr Stromgebiet 13896 qkm. Zur Zeit der Römer 

lag das Flußbett nördlicher. Durch ihr Anfchwellen 
und Austreten richtet fie oft große Verbeerungen 
an, fo namentlih 1721 und 1774. Eine furdtbare 

Uberſchwemmung bat 588 den untern Lauf verän: 

dert; 300 Jahre jpäter entjtand infolge eines Erd: 

bebens der jegige Adigetto (ein Kanal, welder 
fi bei Badia vom Hauptbett löft und über Lendi⸗ 
nara und Rovigo, zwiſchen der untern E. und dem 

Ro, fließt); das alte Bett wurde Flumen Vetus ge: 

nannt. Im 15. Jahrh. bildete die E. fih einen Weg 

—* Tartaro, der 1838 zugejchüttet worden iſt. Die 
'ossa Clodia des Plinius fcheint dem Canale 

di Ponte Lungha zu entiprechen und der Togisonus 

dem Bachiglione. Der Medoacus minor und major 

follen zwei Arme der Brenta fein. — Vgl. Nicolis, 

Sugli antichi corsi del fiume Adige (Verona 1898). 
ti buchtgebirge, j. Dftalpen D, 15. 
Etſchẽge, äthiop. Klofterwürde, |. Abeſſiniſche 


irche. 

Etſchmiadzin, Etſchmjadſin. 1) Kreis im 
mweitl. Teile des ruſſ. Gouvernements Eriman in 
Transtaulafien, eine offene Hochebene, im ©. vom 
Aras begrenzt und im N. von Ausläufern des Ala⸗ 
aös und des Kleinen m durchzogen, bat 
3858,ı qkm, 124237 €. (62 Proz. Armenier, 31 
Bros. Zataren, 7 Proz. Kurden), Ader:, Garten:, 
Baummollbau und Viehzucht. Sik der Verwal: 
tung ift im Dorfe Wagarſchapat (armenifh 
Wagbarjbabad), km von E. und 19km von Eri: 
man, mit 2910 €. (Armeniern), Boft und Telegrapb. 
— 2) Armenifh:gregorianifhes Kloſter, Mittel: 
punlt der nichtunierten Armenifchen Kirche (f. d.), 
ganz nabe im S. von Wagarſchapat gelegen, das 
zum Kloſter gebört, am Fuße des Alagos und Kar: 
nicharych und am Bemwäljerungslanal Schadr:ard. 


Etſch — Ettal 


Es befteht aus drei nicht weit voneinander flegen- 
den und mit Mauern umgebenen Teilen, jeder mit 
einer Kirche, weshalb das Kloſter von den Zürten 
Utſch-⸗Kiliſſe, d. i. Drei Kirchen, genannt wird. 
Der hauptfählichite und zugleich ältefte Teil ent: 
geit die Kirche Schoghagat (nad alter Ausſprache 

cholalath) oder das eigentlihe E. Norböftlie 
davon lieg die Kirche Sta. Hripfime und füdditlib 
die Sta. Kajane (Gajiane), Das eigentliche €. bat 
die Geftalt einer Bas und ift von einer 9 m 
boben und 2 km langen Mauer mit Türmen und 
Schießſcharten umgeben. Darinnen liegt das Klo: 
fter mit der zu ihm gehörigen Geiftlichen Akademie, 
der Schule, der Buhdruderei, der Bibliothel (655 
Nummern teils geſchichtlicher, meift religiöfer Werte, 
davon nur 481 armenifh; vgl. Broffet, Catalogue 
de la bibliothöque d’E., Beterb. 1840) und die 
ur Aufnahme der Pilger beftimmten Bauten. Das 

lofter ift feit 1441 der Siß des Katholilos (. d.) 
und in neuerer Zeit auch des von Rußland einge 
richteten, au8 mehrern Erzbiihöfen und Biſchöſen 
beftehenden Heiligen Synod8 aller Armenier. Das 
Hauptbeiligtum bildet die Kirhe Schogbagat (. b. 
«Ausfluß des Lichts») oder E. (d. h. «Der einge 
borene Sohn ftieg herab»), die 301 n. Ebr. von 
Gregor, dem Apoftel der Armenier, errichtet worden 
fein fol. Sie ift ein Kreuzgebäude mit kugelför 
miger Kuppel in byzant. Stil und mit Wandmale: 
reien in perf. Blumenitil. Das dem Apoitel Gre 
—— gewidmete Tabernalel ſteht angeblich an der 

telle eines ehemaligen Altars der Artemis, der 
amt dem Götzenbilde in die Tiefe verſunlen fein 
oll, alö hier der Heiland zu Gregorius in einem 

lendenden Lichtglange herabſtieg (vgl. Langlois, 
Collection des historiens d’Arm&nie, Bb. 1, Par. 
1867). Beſonderes Anſehen genießt aud) die 
durd die darin aufbemwahrten Reliquien. 

An Stelle von Wagarfchapat ( gharigebe, 
nad alter Ausſprache Walarſchapat) lag die alte 
berühmte Stadt aleihen Namens, die angeblid 
im 6. Jahrh. v. Chr. vom König Eruand IL ge 
gründet fein foll, im 2. Jahrh. n. Chr. als Ref 
denz und Hauptort der Provinz Kotailh von Konig 
Wagharſch (Vologhefes) befeitigt wurde. Als die 
Pforte und die Perſer das Anfeben des Ratbolilo: 
um Drud feiner Glaubensgenofjen mißbraudten, 
fob derjelbe mit den Mönden, Archiven und Hei 
igtümern in das Gebiet der Rufjen. Der perf. Hol 
verlangte hierauf die Auslieferung desſelben, und 
die a Forderung galt als eine 
der Urfachen des Krieges der Perſer mit den Ruflen, 
der von Paſtewitſch durd die Eroberung von €. 
27. April 1827 eröffnet wurde. Im Frieden von 
Turkmantſchai (22. Febr. 1828) ward E. mit andern 
Gebieten von PBerfien an Rußland abgetreten. — 
Vol. Wagner, Reife nad) dem Ararat (Stuttg. 140). 

Ettal, Dorf im Bezirksamt Garmiſch des bayı. 
Reg.:Bez. Oberbayern, unweit der Quelleder Ammer, 
in 878 m Höhe, am ſudl. Fuße des Laberberas, 
deſſen hochſter Gipfel, das Ettaler Mandl! 
(1641 m), in 3 Stunden p — iſt, bat (1900) 
528 fath. E., Bofterpedition, Telegraph, eine lath 
Pfarrlirche. Die weitläufigen Gebäude der 1802 
jäfularifierten Benebiltinerabtei jind ausgebaut und 
1904 wieder geweiht worden. Die Klofterkirde, 
nad dem Brande von 1744 im Zopftil aufgebaut, 
enthält dad vom Kaiſer Ludwig aus Jtalien mit: 
neführte Madonnenbild aus carrarifhem Marmor, 
das man ber Schule des Andrea Bifano zufhreibt.— 


Ettaro — Ettlingen 


Bal. Seivel, Baugefchichte des Domes und Kloſters 
6. (Berl, 1890). 
Ettäro, ital. Bezeichnung für Heltar. 
Eitenheim. 1) Amtsbezirk im bad. Kreis Frei⸗ 
burg, hat 181 qkm und (1905) 18420 €. in 16 Ge: 
meinden. — 2) Hauptitabt des Amtsbezirls E., am 
Austritt des Ettenbachs in die Rheinebene und an 
der Lolalbahn Rhein-Ettenheimmünfter (16 km), ift 
Sig eined Bezirlsamtes, Amtsgerichts (Landgericht 
Freiburg) und einer Bezirköforftei, hat (1905) 3163 €, 
darunter 142 Evangelifche und 79 Jeraeliten, Poſt, 
Zelegrapb,latb. Pfarrkirche mit [hönen Dedengemäl: 
den, neue Synagoge, got. Rathaus, Realgymna: 
ſium, Arbeitsjchule, Spital, Gewerbe: und Vorſchuß⸗ 
verein, Spartafje; Eigarrens und Leberfabrifation, 
Ader: und Weinbau, Baumſchulen und Handels: 
gärtnerei. — E., 763 zuerſt urfundlich in Verbindung 
mit dem Klofter Ettenheimmünfter, das bier Patro⸗ 
natsrecht bejaß, erwähnt, gehörte bid 1803 zum 
Bistum Straßburg, defien letzter Furſtbiſchof, Kar 
dinal Prinz Rohan, 1790— 18083 hier refidierte und 
auch begraben liegt, und fam dann an Baden. 
€., Sammelplag franz. Emigranten war, 
ließ Bonaparte in der Nacht vom 14. zum 15. März 
1804 den Herzog von Enghien überfallen und ge 


fangen nehmen. 
Eiterbeet, Vorſtadt von Brüffel (f. d. nebit 
lan), an den Linien Brüfjel-Namur und Brüffel: 
eren der Belg. Staatäbahnen fowie an ber 
—— Schaerbeek-JIxelles, bat (1900) 
20838 E., Baummollfpinnereien, Gerbereien, Fär⸗ 
bereien kr PVottafche:, Seifen: und Wacholder: 
beerjaftjabrilen. j 
Etteräberg, Höhenzug nörblid von Weimar 
ee en, Provinz 
ach ſen u. ſ. w, beim Artilel Sachſen, Königreich), 
der im W. mit ſeiner höchſten Erbebung (ver Hot tel⸗ 
ſtedter Ede, 481 m) beginnt und ſich, allmählich 
niedriger werdend, auf eine Strede von 22 km F 
wärtö bis in die Gegend von Apolda binziebt. 
bildet nun einen einzigen, in feiner meitl. Hälfte 
ftart bewaldeten Rüden, der durch die Straße Wei: 
mar-Sömmerda in den weitlihen großen und öft: 
lien tleinen E. getrennt wird. Er gehört durchaus 
der Muſchellalkformation an. Die Ausficht von der 
ftedter Ede gilt für eine der ſchönſten in gan 
i Auf dem E., befonders auf dem na 
imar zugelehrten Abbang des Heinen E., waren 
die Lieblingsfpazierwege Herderd. Auf der meitl. 
Hälfte feines Kammes liegt das in den Jahren 1706 
bis 1738 erbaute groß ersopl. de und Luſt⸗ 
ſchloß Etters burg, auf welches acht Waldalleen 
Dabei befindet ſich das ſehr alte Dorf 
burg (229 €.) mit einem Kammergut und 
einer i, und ein 27. Dt. 1901 eingeweibter 
— Andreas, Freih Math 
en, Andreas, Freihert von, e⸗ 
matiler und Phyſiler, geb. 26. Nov. 1796 zu Heidel⸗ 
berg, wo fein Vater, damals Major im dfterr. 
Generalftab, jpäter General, ftationiert war, bes 
trieb zu Wien neben dem Beſuch der Univerfität 
auch militär. Studien und legte in der Schule des 
‚ Bombardierlorps den Grund zu feinem ma: 
Wiflen. 1822 wurde er zum Profeflor der 
böbern Ma til an der Wiener Univerfität er: 
— N — in 
nalyfis» (Wien 1 und die « ungen über 
die höbere Mathematik» (2 Bde., ebd. 1827) erreg: 
ten damals die Aufmerkjamleit der gelehrten Welt, 


279 


Von 1826 bis 1832 gab er mit A. Baumgartner 
die «Zeitjchrift für Phyſik und Mathematik» (Wien) 
heraus. 1834 tie er die mathem. mit der 
hyſil. Profeffur und 1837 zeigte er der Natur: 
orſe ammlung in Prag die von .- fon: 
truierte und nad ihm benannte magneto⸗eleltriſche 
tajhine, eine namhafte Verbeflerung der von 
na (1832) erfundenen. Seit 1844 widmete er 
ic ganz der mathem. Phyſik, auch hatte er be: 
deutenden Anteil an der Errichtung einer Alademie 
ber Wiſſenſchaften (he) beren er. da Generalſekre⸗ 
taͤr er war. 1848 folgte er bei der Reorganiſation 
ber Ingenieuralademie zu einer Art militär. Hoch: 
ſchule dem Rufe ala Profejjor der höhern Mathe: 
matik, Phyſik und Mechanik an diefer Alademie, 
1852 ward er an das Wiener Polytechnikum ala 
Profeſſor der höhern In any an Ko und 
1853 zum Direktor des — ilaliſchen Inſtituts in 
Wien fen. Er ſtarb 25. Mai 1878. Sein Lehr: 
buch «Anfangsgründe der Phyſiko (4. Aufl., Wien 
1860), deſſen erſte Auflage 1844 een, zeichnet 
ich durd Originalität und präcife Faſſung aus, Er 
trieb ferner «Die Principien der heutigen Phyſil⸗ 
ien 1857) und bearbeitete mit Baumgartner defjen 
«Raturlehre» (7. Aufl., ebd. 1842). 
Ettingshanfen, Konſtantin, Freiherr von, Bald: 
ontolog und Botaniler, Sohn des vorigen, geb. 
16. Juni 1826 zu Wien, ftubierte hier Medizin und 
Botanik, 1850 berief ihn Haidinger an die Geo: 
logiihe Reihsanftalt, wo ihm die Aufgabe zu teil 
wurde, die Lageritätten foffiler Pflanzen in Öfter: 
reich zu unterfuchen und den gewonnenen Pflanzen: 
has zu bearbeiten. E. wurde 1854 Profeſſor der 
otanik und mediz. Naturgeſchichte an der Joſephs⸗ 
alabemie in Wien und nad) deren Aufhebung 1870 
an die Univerfität Graz verjeht, wo er 1. —* 
1897 ſtarb. 1878—80 wurde er vom Britiſchen 
Mufeum in London zur Unterfuhung der dor: 
tigen Sammlungen fojfiler Pflanzen berufen. €. 
veröffentlichte in den «Abhandlungen der Geolo: 
giſchen Reihsanftalt» fomwie in den «Denticriften» 
und «GSitungsberidhten» der Wiener Alademie 
eine Reihe Arbeiten, von denen hervorzuheben 
find: «Die Tertiärfloren der öfter. Monardie» 
(1851), «Die tertiäre Flora von Häring» (1852), 
«Die Steinloblenflora von Radnitz» (1854), «Die 
of Im von Bilin» (1866, 1868, 1869), «Die 
ojjile Flora von Sagor» (1872), «Die foffile An 
von Leoben» (1888) und allber neue Pflanzenfoſſilien 
aus den Tertiärfhichten Steiermarfs» (1898). Bon 
IubRänbigen Werten E.3 find anzuführen: «Photogr. 
Ibum der Flora Oſterreichs (Wien 1864, mit 173 
photogr. Tafeln), «Die Blattflelette ver Dilotyledo⸗ 
nen» (ebd. 1861, mit 95 Tafeln in Naturjelbftprud), 
«Die Farnkräuter der Jehtwelt» (ebd. 1865, mit 180 
Zafeln in eg « Phyſiographie der 
Medizinalpflangen» (ebd. 1862) und mit Pokorny 
«Physiotypia plantarum austriacarum. Die Ge: 
abpllanzen Oſterreichs in Naturjelbftorud» (2 Be. 
ert, 10 Bde. Rupfertafeln, ebd. 1856— 73). 
lingen. 1) Amtsbezirk im bad. Kreis Karls: 
rube, hat 183 qkın und (1905) 27986 E. in 19 Ge 
meinden. — 2) Hanptitadt des Amtäbezirts E., 
7 km füplih von Karlärube, in 186 m Höhe, am 
—— des romantiſchen Thals der Alb und an 
der Linie Heidelberg⸗ * der Bad. Staatsbahnen 
elegen, mit Straßenbahn (3km) nad dem Bahn: 
of, Sik des Bezirlsamtes, eines Amtögerichts 
(Landgericht Rarlörube) und zweier Bezirlsforſteien, 


280 


bat Refte alter Stabtmauern, (1905) 8669 G., 
darunter 2308 Eva ". und 66 Söraeliten, 
Boftamt zweiter Sue, ath. Schullehrerfeminar, 
—* Bürger: und Mädchenſchule, Gewerbeſchule, 
dnigl. Unteroffizierſchule (im Schloß), Vorſchuß—⸗ 
und Sparverein, ſtädtiſches Krankenhaus, private 
Heil: und Pflegeanftalt; Gasbeleuhtung und Waſ⸗ 
jerleitung. Die mertwürbigften Gebäude find: das 
alte fürftl. Schloß, 1728—33 erbaut, mit großem 
Garten auf dem Grunde eines röm. Kaftells, 
1689 von den Franzofen rliedergebrannt und im 
Anfange bes 18. Jahrh. neu gebaut, die 1689 zum 
Zeil erhaltene und wieder ausgebaute kath. Pfarr: 
firhe, die neue prot. Kirche, das Rathaus und 
das neue fhöne Knabenſchulhaus, vor welchem 
ein jhönes Kriegerdentmal fteht. Die Bevölte: 
rung betreibt Hopfen, Tabaf:, Obſt⸗ und Wein: 
bau, verbunden mit —— Es beſtehen drei 
Papierfabrilen, eine Altien⸗Baumwollſpinnerei 
und Weberei (1200 Arbeiter, 30000 Spindeln), 
— mt Färberei, Bleicherei und Appretur: 
anftalt, Bergament:, gr Ham und 3 Kunſt⸗ 
müblen, 2 Eifigfabriten und Viehmärkte. — E. ift 
aus einer röm. Niederlafjung hervorgegangen und 
witd 788 urlundlih als Ediningom en da: 
mals bejtätigte Otto I. dem Kloſter Nee m urg das 
Batronat und E. fein Marktrecht. 1227 kam E. durch 
einen Güteraustaufc mit Kaifer Friedrid II. an Ba: 
den, deſſen Ei fe zeitweije die Pfarrrechte dem 
Klofter Yichtentbal überließen. 1459 wurde die Pfarr: 
firche in ein Stift verwandelt, das bis 1585 beſtand. 
Im 17. Jahrh. wurde E. zerftört, aber jpäter wieder 
aufgebaut. Im Spanifhen und Polniſchen Erb: 
[plgetviege wurde E. befannt durch die Ettlinger 
inie, die von bier bis zum Rhein gerogen wurde. 
Bei E. wurde 9. und 10. Juli 1796 Moreau vom 
Grzberzog Karl befiegt. — Bol. Schwarz, Geſchichte 
der Stadt €, (farlör. 1900—2). 
Ettmäller, Ernft Mor. Ludw., Germaniſt, geb. 
5. Dit. 1802 zu Gersdorf bei Löbau in En. 
ftubierte 1823 — 26 zu Leipzig, habilitierte ſich 
1830 in Sena, ging 1833 ala Profefior der 
beutfhen Sprache und Litteratur an das Gymna⸗ 
fium zu Zürih und war dort zugleich, feit 1863 
ausſchließlich, an der Hochſchulet np Er ftarb 
15. April 1877 in Unterftraß bei Zürid. Bon fei- 
nen zahlreihen Ausgaben mittelhochdeutſcher und 
mittelniederdeutfher Dihtungen find beute höch— 
end . braudbar «Heinrih& von Meißen des 
auenlobes Leihe, Sprüde n. ſ. mw.» (Queblinb. 
1843) und «Heinrich von Veldele» (Lpzj. 1852). Da: 
gegen bat E. in «Sant Oswaldes leben» (Zür. 1885), 
den «ubdrunliedern» (ebd. 1841), in dem «Maere 
von froun Helchen sünen» (ebd. 1846), «Drendel 
und Bride» (ebd. 1858) u. a. bie ** 
Methode höherer Kritik und eigene willlürliche 
kritiſche Grundſähe fo unglücklich angewendet, 
daß dieſe Arbeiten wertlos ſind. Mehr Ertrag 
brachten feine angelſächſ. («Lexicon anglosaxoni- 
cum», Quedlinb. 1851) und altnorb. Studien, die 
er namentlih verwandte, um altgerman. Sagen 
und zen in Überfegungen belannt zu machen: 
ieber ber Edda von den Nibelungen» (Zür. 1837), 
«Beomwulf» (ebd. 1840), «Altnord. Sagenſchatz⸗ 
(ebd. 1870). Die Form des Stabreims fuchte E. auch 
in einer felbftändigen Dichtung «Deutihe Stamm: 
tönige» (Zür. 1844) wieder zu beleben, der er 
(anonym) zwei hbumoriftifche Epen: «Rarl d. Gr. und 
das fränf, Jungfrauenbeer» (2. Aufl., ebd. 1847) und 


Ettmüller — Etymologie 


«Das verbhängnisvolle Zahnweh, oder Karl d. ®r. 
und der beil. Goar» (ebd. 1852), folgen ließ. Sein 
«Handbuch der deutſchen Litteraturgejchichte» (2. 
u bat einen gewifjen Wert dadürch, daß es bie 
angelfädi., altnord. und mittelniederländ. Poeſie 
mit berückſichtigt, während die novelliſtiſch und 
dialogiſch eingelleidete Litteraturgeſchichte «Herbit- 
abende und Winternächte» (3 Bpe., Stuttg. 1865— 
67) verfeblt ift. 

Etto, ital. ———— für das griech. Helto bei 
Mapbezeihnungen, 3. B. Ettogramma für Helto: 
gramm, Ettolitro für Heftoliter u. ſ. w. 

Ettrick, Kirchſpiel im ſudl. Teil der jchott. Graf: 
ſchaft Sellirk, im Thale des Fluſſes E., hat (1901) 
331 E., ift befannt durch den ſchott. Voltsdicter 
James Soga (f. d.), genannt der Ettridihäler. 
— Ettrid Forkit iſt ein alter Name der Graf: 
ſchaft Seltirk, im 16. Jabrh. ein drevier. 

Etty, William, engl. — . 10. März 1787 
zu ort, befuchte jeit 1807 die Akademie in London, 
wo er Schüler von Lawrence war. Ein durd) eigen: 
artige Farbenwirtung Aufſehen erregendes Bild: 
—— der Kleopatra, begründete 1821 feinen Auf. 
Sein Hauptwerk, die befdichte ber Judith in drei 
Bildern (1831), wirkte durch Außerft geſchidt ange 
bradtes Hellduntel. E. war ein Meijter in der 
farbigen Wiedergabe des Fleiſches, infolge der Ans 
wendung von Asphalt in der Farbe find aber jeine 
Bilder jegt ſchon fait alle — Gr ſtarb 13. Nov. 
1849 in York. — Val. Gilcrift, Life and letters 
of William E. (2 Bde., Lond. 1855). 

@tüden (frz. ötudes, ſpr. etübd, d. i. Studien), 
in der neuen Muſik folbe Stüde, die zur Übung 
und Ausbildung in der Technil irgend eines In— 
ftrument3 verfaßt find. Der eigentliche Zwed der 
E. ift, Paflagen, Figuren und Verzierungen fo 
durdzuführen, daß ber Studierende fie in allen 
Lagen und Wendungen beherrſchen lernt. Doc ift 
vielfach der Ubungsſtoff fo verarbeitet, daß ein muſu 
taliich abgerundetes, gebaltvolles Tonftüd entiteht. 
So ift es gelommen, dab man fogar €. für Salon 
und Konzert fomponiert bat. Für E. rein technifcher 
Art gebrauht man aud den Ausdrud Exercices 

Übungsftüde). Die ältere Zeit bat für die E. ver 
hiedene Namen: Job. Seb. Bad nennt ein Heft 
Klavieretüden «nventionen», Händel bringt E. ald 
«Variationen» u, ſ. w. Die Litteratur der €, iſt 
neuerdings fehr angewachſen; klaſſiſche Bedeutung 
durch Bereinigung von Kunjtgehalt und inſtrultivem 
Ebaralter haben die ältern E. für Klavier von Era 
mer, Glementi, die neuern von Chopin und Mo 
(deles ; technifch bedeutend find die von Ezerny und 
ertint. Ihnen entfpreben auf dem Gebiet der 
Violine die von Rode, Kreußer, Campagnoliu.a.— 
n der Zeichenkunſt beißen €, die Vorlags⸗ oder 

bungsblätter, 5.8. en 

Etui (fr., fpr. etüib), Befted, Futteral, Behälter 
für Heinere Gegenftäne. 

Etuz (ipr. etüb), Dorf im Kanton Marnay, Ar: 
rondiſſement Gray des franz. Depart. Haute-Saöne, 
15 km nördlich von Befangon, am —** bat(1%1) 
185 E. — Hier wurde nach beitinem Kampfe 22. Dit. 
1870 von der 2. bad. Infanteriebrigabde der fiber: 
gang über den Ognon erzmungen. 

twashaufen, Borkadt von RKigingen (ſ. d.) 

N 3 ie Wiſſenſchaſt, die dat 
moldgie (grch. die Willen ‚die 

etymon,d.b.bas ie. das x entlich zu Grunde 

Liegende fucht), der Teil der Sprachwiſſenſchaft, 


Etel — Eu (Stadt) 


ver von der Ableitung der Wörter durch Zerlegung 
in ihte Bildungsbeitandteile handelt. Dieje find 
die d. b. der Teil, dem die Bedeutung an: 
de jtammbildenden Suffire, die den Begriff 
der in beftimmter Weiſe mobdifizieren, und 
die Flerionsendungen, welche die Beziehung bes 
Borted im Sage angeben. 3. B. griechiſch pösis 
(Gemabl) hat als Wurzel po- (beihügen), -si- giebt 
die Bedeutung einer handelnden on, po-Bi- 
Beihüger), -s ift Nominativendung. Die Löfung 
dieſet Aufgabe ift meift nur möglich, wenn e3 ge 
(ingt, die Worte auf ihre Orumalorm, d. b. auf den 
älteften erreihbaren Zautbeftand, zurüdzufübren; 
es gehört aljo zur E. genaue Kenntnis der geſchicht⸗ 
lien Entwidlung der Laute von der ältejten Zeit 
an. iebt es eine wiſſenſchaftliche E. erft 
feit dem Auflommen ber ne — 
Sprachwiſſenſchaft im 19. Jahrh. Die Neigung, 
den Urjprung der Worte zu juchen, ift zwar ſehr 
alt (eins der belannteften ältejten Beifpiele ıft Platos 
«ftratylos»), allein die olog. Verjuche der griech. 
und röm. Örammatiter find mijenjcafti wertlos, 
fie beruben auf willtürlihen Einfällen, zufälligen 
Gleihllängen und führen nur durch Zufall bier 
und da zu richtigen Refultaten. Sammlungen der 
€. griech. Grammatiter enthalten das ſog. «Etymo- 
logicon magnum» aus dem 10. abıh, (bg. von 
Splburg, Lpz. 1816, und von Baistord, Orf. 1848) 
und das ältere «Etymologicum graecae linguae 
Gudianum » (bg. von Sturz, Lpz. 1819) u.a. Eine 
kurze Geihichte der ältern E. giebt Curtius, «Grund: 
züge der griechiſchen €.» (5. Aufl., Lpz. 1879) in 
der Einleitung. Nachdem durch Bopp und Grimm 
die richtige Unterlage für etymolog. Forſchungen 
—— war, erſchienen Potts «Etymolog. For: 
chungen auf dem Gebiete der — Spra: 
ben» (2 Bve., Lemgo 1833—36; 2. Aufl., 5 Bde. 
Detmold 1859— 74). Die etymolog. Durbforihun 
des gejamten Indogermaniſchen bezweckt auc id, 
«Bergleihendes Wörterbuch der indogerman. Spra⸗ 
ben» (3. Aufl., 4 Bde., Gött. 1874— 76; 4. Aufl., 
Bd.1u.2, ebd. 1891 — 94). Ein«Handbud gas. 
&.» (4 Boe., Lpz. 1901—2) veröffentlichte L. Mever; 
die neuhochdeutſche Sprache behandelt Kluge, «Ety: 
rain £ orterbuch der deutichen Sprache» 6 Aufl 
Straßb. 1893— 94). (S. auch Vollsetymologie.) 
@pel, we. Bergrüden und Er der Sihl⸗ 
in den Glarner Alpen (f. Weitalpen B, 11) 
ım ſchweiz. Kanton Schwyz, erhebt ſich zwiſchen der 
Sihl und dem Züriher See mit dem Hochekel, 
ungefähr 6 km nördlich von Einfiedeln (f. d.), zu 
1102 m Höbe. 
ar (althochdeutſch Azzilo oder Eyzilo; nor: 
diſch Ali), der Name, unter dem der Hunnenlöni 
Attila (j._d.) in der deutſchen Heldenfage a 
tritt, Im Nibelungenliede refidiert er, der zweite 
Batte von Siegfried: Weibe Kriembild, in Etzel⸗ 
burg (Dfen oder Gran) inmitten einer gro 
Schar von Helden (darunter der verbannte Dietrich 
von Bern) ald milder gütiger Fürft. Die norbiiche 
Sage ſchildert ihn als überaus habgierig; aus Hab- 
fuht bat er die Brüder jeined Meibes Gudrun 
(= Ariembild) getötet und wirb von ihr aus Rache 
erihlagen. Diefer ug fnüpft an die geſchichtliche 
Thatfahe an, dab Attila in den Armen eines ger: 
man. Weibes Ildico (Hildchen) ftarb. 
Egel, Franz Aug., anfangs Degel, fpäter 
D’Epel,dannı von E.genannt,preuß.Generalmajor 
Eohn eines irijchen figers, geb. 19. Juli 


‚| Brennerbabn, ftarb aber noch vor deren 


281 


1783 zu Bremen, wurde Apothefer, jpäterhin Berg: 
mann, trat 1810in das brandenb.Ulanenregiment, in 
dem er an den Feldzügen 1813 und 1814 teilnahm. 
Dem Feldzug 1815 wohnteerald Generaljtabsoffizier 
im Blücherfchen Heere bei. Nach dem Frieden wurde 
€. vorzugsweife mit geodätifhen Arbeiten beſchäf⸗ 
tigt, —— die optiſche Telegraphie zwiſchen Berlin 
und Koblenz ein und bereitete ſpäterhin die Ein: 
führung der elektriihen Telegrapbie vor. Er fchrieb 
unter anderm: «Erdkunde fürden Unterricht» (3 Teile, 
Berl. 1817—22) und « inlebre» (Bd. 9 der 
«Handbibliothet für Offiziere», in 3. Aufl. Berl. 1850 
erſchienen). €. er 26. Dez. 1850 zu Berlin. 
Epel, Gottlieb Chriftian Eberh. von, Wege 
baumeifter, geb. 15. Dez. 1784 zu Stuttgart, wurde 
1807 Wegeinfpeltor, 1808 Sean ig a & 
leitete den Bau der Gebirgäftraße von Munſingen 
nad Ehingen, wurde 1817 Mitglied des Oberbau: 
follegiums und 1819 techniſcher Rat im Mini: 
fterium des Innern, in welder Stellung er das 
Straßen: und Brüdenbaumejen Württembergs re: 
or — Auch baute er die Gebirgsſtraße 
«Weinſteige⸗ bei Stuttgart (1822 -80), die Do: 
naubrüde bei Ulm (1827—32), die Enzbrüde bei 
Befiabeim und die Nedarbrüde bei Gannitatt. €, 
ftarb 30. Nov. 1840. j 
N Karl von, Sohn de3 vorigen, Arditeli 
und Eiſenbahningenieur, geb. 6. Jan. 1812 zu Heil: 
bronn, befuchte die Gewerbefchule zu Stuttgart und 
—— in Paris und England. Dann war er als 
enieurin Frankreich b sartigt und fiedelte 1839 
nad Wien über, mo er an der «* — arbei⸗ 
tete und das Dianabad bei Wien baute. E. wurde 
1843 als Oberbaurat nad Stuttgart berufen, ent⸗ 
warf ein Eifenbahnneg für Württemberg und über: 
nahm die Leitung der Linie Plohingen-Stuttgart- 
Heilbronn; aud) redigierte er feit 1844 die «Eijen: 
—— ». 1853 folgte er einem Rufe nad 
Bafel als Oberingenieur der Schweizeriſchen Een: 
tralbahn. Nebenbei baute er unter anderm das 
Bantgebäude in Bafel. 1857 wurde E. Baubdireltor 
der Raifer-Franz:Xofeph-Drientbabngejellihaft in 
Wien und 1859 Baudireltor der Oſterreichiſchen 
Sudbahngeſell en. Er entwarf das Projelt zur 
ollendung 
2. Mai 1865 in Kemmelbach bei Linz. Seine Büjte 
wurde in der Nähe der Station Brenner aufgeftellt. 
E. gab heraus: «Brüden und —— —— 
Eiſenbahnen⸗ (30 ini in 2 Bon,, ? 1856 — 
59), «Oſterr. Eifenbahnen, entworfen und ausge: 
fübrt in den 9. 1857—60» (4 Bde., MWien) 
Eheld Hofhaltung, Gedicht f. Wunderer. 
Eu ſ(ſpr.doh), —— des Kantons E. im Ar: 
tondifjement Dieppe des franz. Depart. Seine-In 
ferieure, an den Linien Barid:Beauvaid:Treport und 
Abbeville-Treport ber Franz. Nordbahn und Dieppe: 
€. (33 km) der franz. Weſtbahn, an der Breäle, 
38km von deren Mündung bei Treport (f. d.), wohin 
ein 3375 m langer und 4 m tiefer Schiffahrtskanal 
übrt, hat (1901) 4611, als Gemeinde 5398 E,, ein 
ommunal:Collöge, Handels⸗ und Friedensgericht, 
ihöne got. Kirche (13. und 15. Jahrh.) mit Gräbern 
der Buife und Artois, ein Schloß, Chäteau d'E. 
—— Fabrilation von Spitzen, Segelleinwand, 
ollſtoffen, Schiffszwiebad, Glas, Papier, Öl und 
Seife; Schloflereien, Moll: und Baummollipinne: 
teien, Seilereien, Gerbereien, Schneide:, Mahl: und 
Gipsmühlen und Ziegeleien, fowie Fiicherei und be: 
deutenden Ha — In der Zeit der Kapetinger 


282 


erſcheint E. unter dem Namen Auga (Auca, Ou) im 
Pagus Talon. Die Grafibaft E. wurde im 11. und 
12. Jahrh. von einem Seitenzweige des normann. 
Konigshauſes beherrſcht undlam fpäter an HeinrihL. 
von Guiſe. 1675 fam €. durch Kauf an die —— 
von Montpenſier, fiel dann dem Herzog von Maine 
zu, von welchem es auf den Herzog von an: 
und endlich, nachdem es 1793 fequeftriert und jpäter 
Eigentum Napoleons I. gewejen war, an Ludwig 
Fade überging. Diefer verwandte viel auf die 
erſ eig er im ital, Stilvon rötlihem Stein 
aufgeführten Schlofjes jamt deſſen Park von 46 ha, 
der zu den fchönften in Frankreich gehört. Der erft: 
geborene Sohn des Herzogd von Nemours erhielt 
den Titel eines Grafen von Eu (f.d.). Bon 1852 an 
gi das Schloß Napoleon LIL.; fpäter lam es in 
# des Grafen von Paris, dann des Herzogd von 
Orléans. In der Naht vom 11. zum 12. Nov. 1902 
wurbe es durch Feuer zerjtört. — Vgl. Therin, Tr&- 
port, E. et les environs (Amiens 1874). 

En (ipr. db), Prinz Louis Philippe Marie Fer: 
dinand Gafton von Orleans, Graf von, geb. 
28. April 1842 zu Neuilly als ältejter Sohn des 
Herzogs von Nemours und Entel Ludwig Phi— 
lipps, wuchs nach dem Sturz ſeines Großvaters 

1848) in England und Spanien heran, vermählte 

ch 15. Dit. 1864 mit Iſabella, der alteſten Tochter 
des Kaiſers Dom Pedro II. von Brafilien, und trat in 
die brafil. Armee ein. Schon 1865 wurde er zum Mar: 
fhall ernannt. In dem zu. mit Baraguay über: 
nahm er 1869 den Oberbefehl über die brafil. Trup: 
pen und befiegte ven Bräfidenten Lopez bei Piritebu 
(12. Aug.) und bei Caraguatay (15. Aug.), womit 
der Kampf beendet war. ce, araguay, Geſchichte.) 
Er war Mitglied des brajil. Staatörat3 und ftand 
ebenjo wie * Gemahlin — klerilalem 
Einfluß. Bei dem Ausbruch der braſil. Revolution 
1889 begab E. ſich mit der ganzen kaiſerl. Familie 
nad Europa. lebt jest in Boulogne:fur:Seine. 
Aus feiner Ehe gingen drei Söhne hervor: Bedro 
(geb. 15. Dit. 1875), Ludwig (geb. 26. Jan, 1878) 
und Antonio (geb. 9. Aug. 1881). 

®n..., griech. Vorſilbe, dem deutſchen wohl... 
entjprechend, bezeichnet im Gegen ab zu Dy3... das 

te, Angenehme, Normale, efunde u. ſ. w. 

Enagdrad, König des cypriihen Salamis aus 
dem Haufe der Teufriden, gewann bie Herrſchaft fei: 
ner Familie über die Stadt Salamis um 410 v. Chr. 
durh einen Hanbftreih zurüd und wurde von 
dem perſ. Hofe gegen Zahlung eines Tributs als 
ng | anerltannt. Seiner Hugen Bolitit hatte es 
der Athener Konon, der nah der Schlacht von 
ügospotamoi bei ihm (405) eine Zuflucht fand, 
weſentlich zu verdanken, daß dieſer die Führung 
der perj. Flotte erhielt, mit welcher er 394 die 
—— Seemacht bei Knidos vernichtete. Aber das 

treben des E., ganz — ſich zu unterwerfen, 
führte allmählich zum Bruche mit Perſien; ſeit 
391 v. Chr. wurde E. von den ern als Feind be⸗ 
—— eroberte jedoch im Bunde mit ÜUghpten und 

then faft die ganze Inſel, feste nah Phönizien 
über, gewann bort Tyrus und mehrere andere 
Städte, und bewog Eilicien, ſich mit ibm zu ver: 
binden. Auch nachdem 386 infolge des Antalcidi: 
ſchen Friedens die Athener ihre Hilfätruppen zurüd: 
ziehen mußten, lämpfte E. noch 10 Jahre (385—376) 
gegen die perf. libermadht, nur zeitweije von dlgypten 
unterftügt. Zulest ſchloß er unter der Bedingung 
Frieden, daß er gegen einen jährlichen Tribut Herr 


Eu (Graf von) — Euböa 


der Stadt Salamis bleiben und al3 König den Be 
feblen des Perſerkönigs Folge leiften follte. Schon 
374 wurde E. aber dur einen Eunuchen ermordet. 
Von Sokrates ift eine Leichenrede auf €. erhalten, 
Enagriod, byzant. Kirchenhiſtoriler, der be: 
beutendite Fortjeger des Eufebius, geb. um 536 zu 
Epiphania in Syrien, gejt. um 600. Seine Kir 
— * (von 431 bis 594) iſt gebrudt bei 
igne, «Patrologia graeca», Bd.86, II Bar. 1860), 
und mit Einleitung und Anmerkungen bg. von 
Bidez und Parmentier (Lond. 1899). 
Enämie gb), gute Beſchaffenheit des Blutes, 
Euandbrod (lat. Evander) war nad ber 
Sage etwa 60 Jahre vor dem Trojaniſchen Kriege 
aus Arkadien nah Italien gelommen und batte, 
von Faunus gaftli —— da, wo jpäter 
Rom ftand, eine Nieder ig Ba Palatiniſchen 
Berge(ſ. d.) gegrundet. ſollte die Buchſtaben⸗ 
kart, den Gebrauch muſilaliſcher Jnftrumente ftatt 
nstlofer Hirtenpfeifen, überhaupt Gefittung und 
namentlid aud den Dienjt des Gottes Ban mit: 
gebradt haben. Am Aventin war ibm ein Altar 
errichtet. Daß der Erzählung vom €. altitaliice 
Sagen & Grunde liegen, deren Geftalt fpäter durd 
griech. Einwirkung verändert worden, darauf deu: 
tet bie er. bin, €. fei der er oder Gemabl 
der echt ital. Carmenta (j. B) geweſen. 
Euagauthia, Stadt, |. Galaribi. 
Eubiõtik (grch.), die Kunft wohl (d. i. gefund: 
beitögemäß) zu leben. 
böa (neugr&. Evvia, jpr. chwwia), die größte 
nfel des Königreichs Griehenland im Ülgsiihen 
eere, begleitet die Norbküfte von Mittelgriechen⸗ 
land daepenäber den Landſchaften Lokris, Böotien 
und Attila) in geringem Abjtande, ift bei 170 km 
Länge durbichnittlih nur 22 km (im Marimum 
52km) breit und hat (nad Strelbitjtij) 3775,2 qkm 
Flächeninhalt. Sie wird von Thefialien im R 
durch den Kanal von Trikeri, von Mlittelgrieben: 
land dur den Atalantitanal und den Stanal von 
Eretria geſchieden, die fih in der Mitte zu einer 
nur 60 m breiten, durch ibre wechjelnden Strö: 
mungen belannten Meerenge zujammenzieben, den 
Euripos (f. d.), neugrch. Egripo, mit weldem 
Namen auch die Inſel felbft im Vollsmunde be 
wars wird und aus welchem der ital. Rame 
egroponte forrumpiert iſt. E. ift ein durd 
einen langgeitredten Einbruch [osgelöftes Stüd des 
Feſtlandes, deſſen Gebirge auf die Inſel hinüber 
reihen. Sie wird daher von Faltengebirgen er 
Ut, welche meift quer über die Längsrihtu 
der Inſel von SW. nah ND. ftreichen; im jüb 
Drittel befteben fe, als Fortjegung der attijchen Ge 
birge, aus kryſtalliniſchem Schiefer und Marmor, in 
dem mittlern und nördl. Zeil aus Thonſchiefer, Kall 
und Serpentin der Kreideformation. Drei Gebirgs: 
Die ragen bejonders hervor, nach welchen ſich dur 
nfel in Nord:, Mittel: und Sudeubda teilt. Im R. 
das pn mit dem Keron Dros (96 m, 
beiden Alten Teletbrion) und weiter ſudlich das Kan⸗ 
diligebirge (bei den Alten Matiftos, 1209 m). In 
der mittlern Gruppe jteigt der rm (bei den Alten 
Dirpby3) 1745 m und in der ſudlichen der Dcha (jeh! 
St. Eliaöberg) 1475 m hoch empor. An die Gebirge 
lagern fich tertiäre Ablagerungen mit Brauntoblen: 
zen (bei Kymi) an. „m . bei Adipſos treten 
ilfräftige heiße, ſchwefe — Quellen zu Tage. 
ortreffliche Weiden und dichte Waldungen, namen! 
lich von Weißtannen, bebeden die Seiten der Gebirge 


Eubulie — Eucalyptus 


e nörblihern Teils der Inſel; in der Mitte findet 
—* —— Kaſtan enwaldungen, während 
Berge im ©. er anz tabl find. Das Klima 
—* geſund, oden in den Thälern und 
ebenen gt dh ert und fruchtbar. Haupt: 
modutte find Baummolle, Ol, Wein, Weizen, Obft, 
‚Seide und Honig. (©. die Karten: Örie: 
benland und Das alte Griehenland.) 
Die Bewohner der Inſel waren in der älteiten 
he N. die theſſal. Heftiäer und Helloper, in der 
e die Abanten und Kureten, im ©. die Dryoper; 
dann wurde fie, beſonders in der Mitte und im R., 
von Attila aus ionifiert und die Bevölterung feit 
dem 4. Jahrb. v. Ehr. durchaus zum ion. Stamme 
gerechnet. Urjprünglih von —5— —— 
nahm fie frũhzeitig —— erfaſſung a 
Die einzelnen Städte wurden ſelbſtändig un 
langten zum Zeil zu bedeutender Blüte, Kamentiih 
Ebaltis und Eretria. Um 506 v. Chr. wurde Chaltis 
und ein großer Teil der Inſel von den Athenern er: 
—— = ſchloß Eh ihnen nad den Berjer- 
verfudhten die Eubder 
bie er — — abzuſchutteln, aber der Kamp 
endete 445 mit der völligen Unterwerfung der X e 
durch Berilles. Erſt in der zweiten Hälfte des Pelo⸗ 
vonneſiſchen Krieges vermochten die Eubder mit Hilfe 
der Spartaner und Böoter ihre Selbftändigleit wie: 
berzuerringen (411 v. Ehr.). Sie behaupteten die: 
jelbe bis 338 v. Ehr., ftanden aber in den Kriegen 
biejer Periode meijt als freiwillige Bundesgenoſſen 


auf Seite der Athener. Nah der Schlacht bei 
mußten ſie ſich den Macedoniern unter⸗ 
werfen, bie en bie Feſtung Challis als wid 


tige Fwingburg gegen das mittlere Griechenland 
benußten. Nah dem Sturze der macedon. Herr: 
ft dur die Römer wurde E. erft der Provinz 
onien, jeit 27 v. Ebr. der Provinz Adaia 
verbunden. Später ein Be hanbteil des Byzantini⸗ 
ſchen Reichs, wurde fie bei deſſen Zertrummerung feit 
1205 durch lembard. Große (die jog. Terzieri oder 
— ) beberriht und zerfiel damals in bie 
nien Oreos, Negroponte und Karyſtus; 
* ſchon Ki 1a! gewann die Republit Bene: 
tier ein beberrijchendes Anjehen und erlangte 
—8 1366 den Befis der Inſel. 1470 wurde fie 
von den Osmanen erobert, denen fie bis zum Ende 
des griech. Befreiungstrieges (1829) blieb. 
ge beutigen Königreich Griechenland bildet E. 
der Neueinteilung von Fr mit ber Inſel Sty: 
08 einen Nomos von 3783 sr N äcdhe mit 20 De: 
or und (1896) 106777 €. Derjelbe zerfällt in drei 
gzirle (Eparchien): ng —* 8 Karyſtia. 
* ſudl. Hälfte bewo Die Haupt⸗ 
ſtadt des —* und —* des —— (Nom: 
arhen) ift Ehaltis. — Bal. Baumeifter, Topogr. 
Slizze der Er Euboia übed 1864); Burſian, 
Geographie von Griechenland, Bd. 2 in 3 Abteil, 
(2p5. 1868— 73); rn ‚Topograpbie und Geſchichte 


beit. 
N käne (arch. \ es Beraten, Einſicht, ze 
Eubälus, Dichter der ſog. mittlern griech. Ko: 
mödie, der um 376 v. Chr. lebte und über 100 Stüde 
verjaßt baben fol. Deren Inhalt bildete neben 
Barodien von Mythen — Spott auf Dich⸗ 
ter, insbeſondere Euripided. Die Fragmente des 
E. fteben i in der Ausgabe der «Comicorum Attico- 
rum ta» von tod, Bd. 2 (2pz. 1884). 
8, atben. Staatsmann, veranlaßte im 
Bundeögenofientrieg 355 v. Chr. den ilten 


283 


—— ber den Austritt der größten Soc aus 
thens Symmadhie beftätigte. Seit 354 v. Ebr. ſtand 
er mehrere Jahre ald Schagmeilter an der Spitze a. 
attifchen Finanzverwaltung. In einer Zeit, wo 
Athens Zukunft alles davon a bing, da ei en 


F Eroberu — des macebon. 668 die 
a. De Ne fammelten, bielt er daran feft, 
daß Veh ülle bes Staates, ftatt wie früher 


1" ——— ei verwandt zu erben, an die Ärmern 
ürger verteilt —— um ihnen die Eintritts⸗ 
gelder in die Theater en. Ja 350 v. Chr. er: 
Bee er ben PT a der jeden Antrag, die 
chauſpielgelder ee) wieder zu Kriegszweden 
zu verwenden, mit Todesſtrafe bedrohte. Ein eif: 
* Gegner des E. war Demoſthenes; do 
— zu ſpät (340—338 v. Chr.), das 
zu brechen, deſſen Tod bald darauf 
Seine Reden waren im Altertum ir 


* 


bat ſich nichts davon. — Vgl. A. S —— 
nes und — Zeit, Bd. 1 (2. Aufl, 
der Meibylefter einer ————— 
—— wirkt lokal anäfthefierend 
und wird daher wie Cocaĩn ai ifhe 
Eucalypto ., eine bevoni 

Seelilienfamilie, *2 durch 10, je aus 2 
übereinander liegenden Stüden gebilvete Ralt: 
iheidewänbe u hen den 10 Armen; fie find auf 
den Kelch aufgeiebt und über den Armen zu einer 
Fin! fürmigen Kronenbede vereinigt. 

ncalyptöl, aus dem Cucalyptusöl —— 
waſſerhelle Fluſſigleit — 175°, die die 
Wirkung des —— . d.) hat. 

tus L’Herit., lanzengattung aus 

der Familie der xtaceen ( h. d.) gegen 140 faft 
fämtlih auftral. Arten: bo äume mit leder: 
artigen, immergrünen Blättern und in enbftändigen 
Scirmrifpen jtebenden weißen Blüten. Die Euca- 
lyptus⸗Arten enthalten reichlich ätherifche Öle und 
Harze und faft alle einen roten Saft, ber bei man: 
hen Arten von felbit austritt und nad dem Ein: 
trodnen als auftral, Kino (f (’ d.) einen wi * 
Handelsartilel bildet. —* ung u er 
leucoxylon F. v. — . crebra 
melanophloia F. v. In neuerer Zeit ift E 
globulus Lab., der Ban Gummibaum ober 
Gifen-Beildenbaum Victoriad und Tasma: 
niens, berühmt geworden wegen feiner außerorbent: 
lien "Rafchmüdfigteit und jeines jehr harten und 
dauerhaften Holzes und weil er durch feine rajche 
Entwidlung zur Entwäfjerung und jomit zur Reini: 


ung der Luft in —— en Gegenden beitragen 
Bol. Er jr deshal ——— 
Deutſchland 


It dieſer gra — belaubte, sem: 
lich ſtark aromatijch duftende Baum im Freien nicht 
aus, in Südeuropa un: B. in Stalien, Spa: 
nien, Südfranfreich, gedeiht er jehr gut. Er wächſt 
fo raſch, daß er binnen fieben Jahren eine Höhe von 
20 m und einen Stammumfang am Grunde von 
120 cm zu err vermag. Auch der höchſte Baum 
der Jetztzeit, der bis über 120 m gemeſſene Riefen: 
gummibaum oder id = 
ygdalina za gehört zu dieſe hg 
ea truftur der Rinde und oberflächlichen —* 
teitenin Bezug auf das Holz werden die Eucal zn 
Auftralien in verihiedene Gruppen eingeteilt, 3.8. 
Ironbark, Stringybark, Box, Gumtree, Mahogany. 
Namentlich bi —— ne wegen ihrer 
Stärle und Halt tbarleit geichä erner werten 
aud) die Mahagonies unter Br Namen neubol: 


284 


ländifhes Mahagoni oder White Mahogany 
ald Baubolz und zu Zifchlerarbeiten vieljah ver: 
wendet, jo von E. resinifera Sm. (f. Tafel: Myr: 
tifloren, Fig. 2), botryoides Sm., robusta Sm. 
Noch wertvoller find E. diversicolor F. v. M. 
(Rarribaum) und bejonders E. marginata Sm. 
(Dibarras oder Jarrabbaum), beide im füd- 
weſil. Auftralien, deren ungerftörbares Holz jetzt viel: 
fach zu Holzpflaiter (f. Pflafterung) benugt wird. 

Eucalyptusdl, das ätheriihe Ol deö neuer: 
bings als Fiebermittel vielfad empfohlenen Euca- 
—— globulus DC. Es beſteht aus verſchiedenen 

ehyden, aus Pinen (ſ. d. und Cineol (ſ. d). Seine 
Anwendung bei Erkrankungen der Reſpirations⸗ 
organe wird empfohlen. 
—— —— Näbrpräparate (Bd. 17). 
Hornbiene. 

Euchäris, Planzengattung aus der Familie 
der Amarpllidaceen (f.d.) mit wenigen in Südame 
rila heimijchen Arten. Es find immergrüne Zwiebel: 
gewaͤchſe, von niedrigem uchſe, mit breiten Blät: 
tern und jhönen weißen — Blüten. 
als Zierpflange unter dem Namen E. amazo- 

nica Lind. verbreitetite Art ift E. grandiflora 
Planch. Ihre blendenbweißen, jehr angenehm 
buftenden Blüten haben einen Durchmeſſer von 10 
bis 12 cm und fipem zu mehrern auf einem Blü- 
tenihafte. Sie werben in der Blumenbinderei ver: 
wendet und für dieſen Zwed in niedrigen Warm: 
—* entweder in großen Töpfen oder in einem 
eizbaren Erbbeete ausgep —— kultiviert. Sie 
ge am beiten in einer Miſchung lebmiger 

fen: mit erg und werben leicht dur Brut: 
—— vermehrt. Der Herbſt iſt ihre natürliche 
lütezeit, doch Abt ſich era durch geeignete Kultur 
en zu andern Jahreszeiten und in einem Jahre 
or nehmt Blüben der Pflanze erzielen. 
Gattung der Rippenquallen, mit 
großem Nundlappen, anggeftielten Taftpapillen, 
mit einer Anzahl Heinerer und zwei großen Fang⸗ 
fäden. Die einzige Art (E. multicornis Eschsch.) 
wird gegen 25 em groß, lebt im Mittelmeer und 
den wärmern Zeilen des Atlantiſchen Dceans. fiber 
ihre Azur sad Diſſogonie. 
Euchaäͤris, der 181. Planetoid. 

Euchariftie (grch.) Dankſagun 
der Liturgie der alten Kirche das lgebet, bas 
Matth. 26,26, 27) der Konſelration des rotes und 

eines im Abendmahl vorberging und teils auf 
die allgemeinen Wohlthaten Gottes, teild aber auf 
ben Segen der Erlöjung ſich bejog, Am mweitern 
Sinne bedeutet E. die gefamte Abendmahlsfeier 
oder auch die fonjetrierten Elemente, Brot und Wein. 

Euchariftik (grch.), die Lehre vom Abendmahl, 

Cuceläon tch.), Gebetsöl, in der griech. er 
eine der Letzten Olung ber röm. Kirche ähnliche Gere 
monie, die ſich auf Jal. 5, ı4 gründet. 

Euoheuma Ag., Algengattun aus der Öruppe 
der Rhodophyceen f. d.). Es jind rajenförmig 
wachſende, reich verzweigte Algen, meift an ben 
—— t. z — an ten. Einige Arten, wie E. 

nb E. gelatinae Ag., werben ala 

Öemife g geaen und bilden außerdem in neuerer 

eit im Berein mit andern Algen ald Agar: Agar 

. d.) präpariert einen wichtigen, zur Herjtellung 
— Gallerten u. dgl. benusten Handelsartilel. 

Euchinin, der Üthultoblenjäureefter des Chi: 
* e, die durch 
hplefter auf Eis 


= Gebete; in 


nins, farb» und geſchmack 
Einwirku tung von Gblortoblenfäureät * 


Eucalyptusoöl — Eudämonie 


nin erhalten werben. @. wirft wie Chinin, aber 
obne deſſen unangenehme Nebenwirtungen, und 
wird wie Chinin, namentlich bei Reuchbujten und 
Qungenentzündung, angewendet. 
uo o us, ber langarmige Bin 
—— f. Roſenläfer und Tafel: Käfer J, Fie.2. 
Euditen, ſ. Maſſalianer. 

Euchologlon (grch.; er Trebnik), das 
Hauptritualbuch der ried. Kirche, entbält die drei 
Liturgien des Chryſoſtomus, des Bafilius und die 
der vorher geweibten Gaben, die Feiern des Drtbros 
(ſ d.) und des Heiperinos (f. d.), die Sakramente, 
die Ordnungen für das große und Heine Schema 
(f. d.), ver A Formen für den Hagiadmos 
(1. d.) und viele Gebete. Gedrudt wurde das €. zu 
erit 1526 in Venedig und fpäter oft, 1703 in Bulareſt 
und 1808 in ftonjtantinopel (offizielle ——*— 
griechiſch und lateiniſch von Jalob Goar, Baris 
1647 und Venedig 1730, ins Ruſſiſche üb 
Petrus Mogilas 1646, ind Deutſche von 
kai (3 Bde., Wien 1861—62) und zum aroßen 

eile von A. von Maltzew (Berl. 1890 u. 1892). 

Euchri (türt.), Euhry, ein Zebntel; Eudri: 
jira’, Decimeter (O,ı m), Eudbri:dirbem, Deci⸗ 
gramm (0,1 g). 

Euchröma, eine Gattung tropifh-fübamerit, 
Prachtläfer (f. d.) mit nur einer Art (E. gigantea L.), 
die eine der belannteften brafil. Fre us Das 
6—7 em lange Tier it rotbrauntupfrig glänzend 
mit goldgrünem Saum. 

Eucdrön, eine duntelbfaue, in Altalien mit roter 
Farbe löslihe Subftanz, bie durch Reduktion aus 
der Euhronfäure, einem Imid der Mellithfäure 
von der Zufammenfegung C,,H,N,O,, entjtebt und 
an der Puit in diefe umgemanbelt wird. 

Euchry (türf.), ein eine (f. Eudri). 

Enden, Rudolf Ebriftopb, A por opb, ” 
5. Yan. 1846 zu Aurich in Dftiriesland, ‚fie 
1863—67 in Göttingen, 5 1867—71 als Gym: 
nafiallebrer und wurde 1871 als ord. —5— der 

hiloſophie nach Bafel, 1874 nach Jena berufen. 

ſchrieb unter anderm «Die Methode der Ariftote 
er Forfbung» (Berl. 1872), « Geicicte der 
Terminologie» (2pz. 1879), «Über Bilder und 
Blei nifle inder Bbilofopbie» (ebd. 1880), —— 
zur Geſchichte der neuern Philoſop a vorne 
der deutjchen» (Heidelb. 1886), «Die Philoſo hi 
des Thomas von Aquino und die Kultur der Neu: 
zeit» (Halle —X «Die Lebensanſchauungen der 
großen Denter» (4. Aufl., Lpz. 1902), «Der Kampf 
um einen geijtigen Lebensin alte (ebd. 1896). Auf 
bem Gebiete der —— Philoſophie ſuchte €. 
eine jelbftändige Überzeugung zu entwideln durch die 
Schriften: «Die Grundbegriffe ver Gegenwart, bifto: 
riſch und kritifchentmwidelt» (2pz.1878;2. Aufl. 1898), 
«Prolegomena zu Forſchungen über die Einheit des 
Geifteslebens» (ebd. 1885), «Die Einheit des Geiſtes 
lebens in Bemwußtjein und That der Menſchhbeit⸗ 
(ebd. 1888), ee —— der Religion⸗ 

Euoo * Copepoden. (ebd. 1901). 

Eucykliſch (ar nennt man folde Blüten, 
bei venen fämtliche Blattkreife (f. Blüte) gleichzablis 
find und die Teile eines jeden Blattkreiſes mit denen 
des vorbergebenden und folgenden abwechſeln. 


t von 


Eudämdnie (grh.), Glüdjeligteit - Eus 
dämonismus, die Richtung in ber ilo⸗ 
iopbie, die die Glüdjelinteit ala hoch = "Prindp 
des Handelns betrachtet; Gudämontit, der Ber 


treter diejer Richtung. 


Eubes — Euborus 


1601, geit.1680, ftiftete 1643 zu Caen eine Genoſſen⸗ 
daft von Jeſus und Maria — zu von Mif 
honen und zur Zeitung von Seminarien. Dieje Welt: 
peterlongregation, gewöhnlich die der Eudijten 
genannt, tft fait nur in Frankreich verbreitet. Aus 
der 1640 von E. geitifteten, 1651 von Innocenz X. bes 
kätigten Genoſſenſchaft der Schweſtern ( Damen) 
von Unjerer Lieben Frau von der hriſt— 
liben Liebe (Saurs de Notre Dame de Charite 
du refuge) oder Schweſtern von St. Midhael 
it, die Menibaft der Frauen vom guten 
Hirten (f. d.) hervorgegangen. E. war aud ein 
Hauptbejörberer der Andacht zum Herzen Mariä 
4. eſu). — Bol. Pinas, Der ehrwürdige 
Bater E. (aus dem Franzoſiſchen, Salzb. 1890). 
@udialht, ein rbomboedrifch mit dem Boltantens 
wintel von 73° 80’ troftallifierendes, Be große 
Individuen, auch körnige Aggregate bildendes Mi: 
neral mit bafıfcher Spaltbarteit, Glasglanz, dunkel 
prfihblütroter bis bräunlichroter Farbe, der Härte 
5 bis 5,5, dem fpec. Gewicht 2,84 bis 2,85, von der 
——— 6 . “ Si, Zr, 0,5) + NaCl. 
Durch Salzjäure wird Kiejelfäure : Gallerte abge: 
ſcdieden. E. findet ſich mit Sodalith und Zirton im 
Spenit von Kangerdluarfut in Grönland, auf der 
* Sedlovatoi im Weißen Meere, zu Magnet 
in Artanfas, auch bei Brevig in Norwegen 
(braumer fog. Eutolit). 

‚Eudiometer (grch.), LZuftgütemeffer, Hilfe: 
mittel = —— des Sauerſtoffgehalts der 
atmoſphaͤriſchen Luft. Das Verfahren heißt Eudio⸗ 
metrie, Luftgutemeſſung. Es kommt dabei im all⸗ 
gemeinen darauf an, daß man einer genaueſt ge: 

enen oder gemogenen Menge atmafpbär.icher 
Luft mittels leiht orydierbarer Materien (Pbos: 
pbors, erbigten Eiſens, Kupfers, glübenden Waſſer⸗ 
ſtoffs u. |. w.) den Saueritoff entzieht, dann aus 
der Gewihtözunabme des orydierten Stoffs die 
Saueritoffmenge berechnet und das Gewicht jenes 
zwurüdbleibenden Stickſtoffs beftimmt. Im mweitern 
Sinne bezeichnet man aud jede Analyſe der atmo: 
ſphäriſchen Luft als Eudiometrie. (©. eg gen 
und Luft.) Das einfacjite E. ift — bei dem 


Endes (ipr. ohd), Jean, franz. Prieſter, fe 


nach Volta (1777) durd ein gemeſſenes Gemenge 
atmofpbärifcher Luft und Waflerftofis ein elettriicher 
dunte geleitet wird; es verbindet ſich dann aller 
vorhandene Sauerjtoff mit einem Teile des Majler: 
e s zu Waſſer und ein Drittel der eintretenden 

olumenverminderung jened® Gasdgemenges giebt 
das Bolumen des vorhanden gemwejenen Sauerftoffs. 

Eupdiften, j. Eudes, Jean. 

Eudo, Odo, Herzog von Aquitanien (688— 
735), war unabbängig vom Fränkischen Reich, ſchlug 
721 die Araber, welche Touloufe belagerten, und 
bebauptete fich gegen fie, bis er, geſchwächt dur 
einen unglüdlichen Krieg gegen Karl Martell, 732, 
von ihnen zur eg u den Franken gezwungen 
wurde, Unter Karl Dlartell bank er dann bei 
Tours und Poitiers mit und bebielt fein Land 
unter der Dberbobeit Karla, Seine Söhne fuchten 
kb unabhängig zu machen, erlagen aber 769, 

@ndo, Graf von Paris, ſ. Odo. 

Eudofia, Alia, byzant. Kaiſerin, ſ. Athenais. 

Eudokla, Malremb olitiffa, byzant. Kaiſe— 
rin, bie Tochter des Johannes Makrembolites, eines 
vornebmen Byzantiners, war berühmt durch ihre 
Ehönbeit, ihre Gelehrſamleit und ihre feine helleni⸗ 
Ide Bildung und wurde die zweite Gattin des Kon⸗ 


285 


ftantin Dulas, der 1059 ala Konftantin X. den 
Thron beitieg. Ronftantin ernannte fie 1067 kurz vor 
—— Ende zur Regentin, worauf E. im San. 1068 

omanos (IV.)zum Gatten nahm. Als fie ih 4 Jahre 
darauf weigerte, auf die Intriguen ihres sy 
Johannes Dulas und bes Michael Pſellos (. d.) ein: 
ugehen und den beim Kriege gegen Alp Arsları 
1071 gefangenen, aber dann befreiten Romanos 
der Herricaft verluftig zu erklären, wurde fie durch 
Dulas verhaftet und als Nonne in ein von ihr er: 
bautes Klofter am Bosporus ** Das ihr 
lange —— unter dem Namen «Jonia⸗ 
oder «Biolarium» belannte biftor.:mytholog. Hand: 
buch (bg. von Flach, — — wird von der mo⸗ 
dernen Kritik als das Werk eines Fälſchers des 
16. Jahrh. betrachtet. «Eudociae Augustae, Procli 
Lyeıi, Claudiani carminum graecorum reliquiae» 
gab Ludwich Em 1897) heraus. — Bal. 9. Flach, 

ie Kaiferin E. Makrembolitiſſa (Tüb. 1876); derf., 
Unterfuhungen über €. und Suibas (Lpz. 1879); 
Buld im « eö», XVII; derf., De Eudociae 
quod fertur Violario (Straßb. 1880). 

@udöra, der 217. Planetoid. 

Eudogia, byzant.Raiferin, bie Tochter des fränt. 
Generals Bauto, wurde 27.April8395 n. Chr. mit dem 
jungen byzant. Raifer Arcadius vermäbhlt. Bei der 
Willenlofigteit ihred Gatten erlangte fie erheblichen 
Einfluß auf die Bolitit des Reichs und war wejent: 
(ih mit beteiligt bei dem Sturze des Eutropius 
(Yan. 899) durch den got. General Gainas. Ihre 
Eitelteit brachte fie naher in harten Konflikt mit 
dem Patriarhen Johannes Ehryfoftomus, deſſen 
Berbannung nad Kappadocien fie im Juni 404 er« 
jielte. Sie farb bald darauf (6. Okt.) noch ziemlich 
jung. — 20 Thierry, St. Jean Chrysostome et l’im- 
peratrice Eudoxie (2. Aufl., Bar. 1874); Gulden⸗ 
penning, Geſchichte des oftröm. Reiches unter den 
Kaiſern Arcadius und Theodofius II. (Halle 1885); 
Hobglin, The dynasty of Theodosius (Orf. 1889). 

Eudogia, Licinia, die durch Schönheit mir 
zeichnete Tochter des byzant. Kaiſers Theodoſius 
und der fhönen Atbenerin Athenais (f. d.), wurde 
422 n. Chr. in Konstantinopel geboren und 29. Dit. 
437 die Gemahlin des weitröm. Kaiſers Valen— 
tinian III., der dabei verpflichtet wurde, Yllyrien 
—— Schwiegervater abzutreten. Als aber Va— 
entinian (f.d.) 16. März 455 ermordet worden war, 

wang fie der Senator Petronius Marimus, ihm 
ihre Hand zu reichen, Bon ihm felbft r E. nun 
feinen Anteil an Valentinians Untergang und rief 
nad der Überlieferung den Bandalentönig Genie: 
rich (f. d.) heimlich um Hilfe an, der bei der Blünde: 
rung Roms 455 die Kaiferin mit zwei Töchtern ala 
Gefangene nad) Karthago führte. Grit 462 bemog 
der byzant. Kaiſer Leo I. den Vandalentönig, die ge 
gene Raiferin nad Ronftantinopel zu entlafjen. 
ubozia fFeodorotwna, —— von Rußland, 
Tochter des Bojaren Feodor Lopuchin, erite Ge 
mablin Peters d. Gr. feit 1689 und von ihm Mutter 
des Alexej Petromwitich (f. d.), warb 1698 in ein 
Klofter verbannt. Später in den Prozeß des Bares 
witfch Alerej verwidelt, wurde fie in ein Kloſter bei 
Schluſſelburg gebracht; erſt ald *3 Entel Peter IL. 
den Thron beitieg, durfte fie nah Moskau fommen, 
wo fie 7. Sept. (27. Aug.) 1731 ſtarb. — Bol. Fürftin 
Schabovstoy, Drei ruf. Frauengeftalten (deutſch 
dogin, |. Noſophen. [Heibelb. 1902). 

Ka pn aus Knidus, Aftronom und Philos 
fopb, geb. um 408, geit. 855 v. Ebr. zu Athen, 


286 


Schüler des Archytas und Blatos, deſſen Atademie 
er eine Zeitlang angebörte, nachdem er jchon vorher 
in Kyzikos eine Schule geleitet hatte. Bon allen 
griech. Philoſophen und Aſtronomen fcheint er zuerſt 
—— Vorſtellungen über die Krümmung der 
Erdoberfläche ** zu haben. Wiewohl er, wie 
es ſcheint, die Meinung von der Kugelgeſtalt der 
Erde nicht auszufprehen wagte, bat er doch diefer 
Anſicht wabhrjcheinlih den Weg aebabnt. Er jtellte 
die Aufgabe vom «golbnen Schnitt», verfaßte das 
erjte Lehrbuch der Stereometrie, fchrieb über Ber: 
bültniszablen, begründete die Ühnlichkeitslehre und 
teilte den Himmel in Sternbilver ein, Seine Werte 
jind verloren. Aus einigen erhaltenen Brudftüden 
haben Ideler und befonders Schiaparelli feine Theo: 
rie der bomocentrifhen Spbären, durch melde er 
die Ungleichbeit der Blanetenbewegung zu erklären 
trachtete, wieder — verſucht. In der Ethil 
erllärte er die Luſt für das höchſte Gut. — Bal. 
Schiaparelli, liber die homocentriſchen Sphären 
des E., bes Kallippus und des Nriftoteles (deutſch 
von W. Horn, in der «Zeitfchrift für Mathematik», 
XXI, Supplement 101—198, 1877). 
Eudromias, Vogel, ſ. Regenpfeifer. 
Eu er, Vogel, |. Koal. 

tes, eine Gattung der Pinguine mit 15 
antarktiichen Arten, mit ziemlich räftigem, plumpem 
Schnabel, teilweife mit befonderer, ftärler entwidelter 
Kopfbefieverung. 

Eudjtes, veralteter Name der Seetaucer (j.d.). 

Enuemöroö, — Schriftſteller, ſ. Eubemerus. 

Euerdorf, Marktflechen im Bezirfsamt Ham: 
melburg des bayr. Reg.: Bez. Unterfranfen, 5 km 
von Kifjingen, an der Fränliſchen Saale, Sit eines 
Amtsgerichts (Landgericht Schweinfurt), bat (1900) 
876 E,, darunter 18 Evangelifche, (1905) 892 E., 
Bofterpedition, Telegrapb, ſchoͤne got. Kirche, Di: 
ftriftsjpital; Landwirtſchaft und Weinbau. 

Euergétes (grch.), Wohlthäter, Beiname bes 
ägypt. Konigs Ptolemäus II. (ſ. Ptolemäer). 

Euegie (arc.), das Wohlbefinden. 

Enfanla (ipr. jufabld), Stadt im County Bar: 
bour im norbamerif. Staate Alabama, ſüdöſtlich 
von er auf einem Bluff (f.d.) des Chat: 
tabootcheeflufies, ift Eiſenbahnknotenpunkt, bat 
(1900) 4532 E. Baummwollwaren: und Baummoll: 
ölfabrilation, ein Female College und Handel mit 
Baumwolle und Früchten. 

Eugämmon, griech. Dichter, j. Cylliſche Dichter. 

Euganden, Euganeiſche Hügel, Colli 
Euganei, audy Monti isolati oder Paduani, pul: 
laniſche Gebirgsgruppe im nördl. Italien (j. Karte: 
Dber- und Mittelitalien), faft in Dreiecks— 
geftalt, etwa 15 km von N. nad S. mefjend, 12 km 
idmweitlih von Padua, zwiichen Abano und Eite, 
Diefelben find, wie die 20 km entfernt im NW, 
gelegenen Bericiihen Hügel (f. d.), völlig iſoliert 
aus der venet. Ebene aufgeitiegen. Der Trachyt 
bat bier die Kreideihichten gehoben. Das Gebirge 
bildet zwei Öruppen mit dem 589 m hoben Monte: 
Benda und dem 387 m boben Gero und iſt dur 
feine zablreihen Schwefel: und Salzquellen, welche 
zu wichtigen Badeanftalten gefaht find, und durch 
die treiflichen Quabderfteine wichtig. Die E. haben 
den Namen von einem den Etruäfern verwandten 
Vollsſtamme, der wabrjcheinlich bier wohnte. 

Eugen, Name ven vier Päpften: 

E. L, ein Rönter, wurde zu Lebzeiten des ver: 
bannten Martin I. 652 von Voll und Klerus Roms 


Eudromias — Eugen 


(Bicelönig von Italien) 


gewählt, aber erft 654 vom Raifer anerkannt. Ber: 
geblic bemühte er fih um Beilegung der mono: 
theletifhen Streitigkeiten. Er ftarb 657 und murbe 
heilig ‚gelproden; edächtnistag 2. Juni. 
‚€. U. (824—827), ein Römer, räumte dem Kaiſer 
ein Dberaufihtsreht über die Papftwahl ein: 
Klerus und Bolt verpflichteten ſich, daß jeber frei 
gewählte Bapft vor feiner Konjelration dem Katjer 
den Eid der Treue leifte. Eine Synode zu Paris 
1. Nov. 825 ſprach ſich gegen die Verehrung der 
Bilder aus und erhielt die päpftl. Genehmigung. 
Eine Synode zu Rom im Nov. 826 gab Ver: 
fügungen zu ftrengerer Handhabung der Kirchen⸗ 
zudt und Förderung theol. Gelehrjamleit. 
€. II. (1145-53), ein Pifaner, Schüler Bern: 
hards von Clairvaux, vorher Abt im Eiftercienier: 
Elofter des heil. Anaftafius zu Nom, mußte aus 
Rom flüchten, weil das von Arnold (f. d.) von 
Breſcia aufgeregte Volk die weltliche Herrſchaft dei 
Papſtes Basen und die Republit aufrichten wollte, 
gi na iterbo und lonnte erft nad) längern 
andlungen in Rom einziehen, mußte es aber 
don 1146 wieder verlaflen. Er zog dann nad 
arid und Trier, kehrte 1148 nad Italien zurüd, 
erzwang, mit Hilfe des Normannenfürften Roger 
von Sicilien den Einzug in Rom, mußte aber jhon 
1150 den Republitanern wieder weichen, lebte bann 
meift zu Segni und ftarb 8. Juli 1153 in Tivoli. 
€. veranlaßte den zweiten erfolglofen Kreuzzug. 
Der beil. Bernhard richtete an E. die Schrift «De 
consideratione sui libri V» (deutjc bearbeitet von 
Reintens, Münit. 1870), worin er ihm ein ideales 
Bild firhlicher Hierarchie vorhält und ihn ermahnt, 
der Verweltlihung der Kirche entgegenzumirten. 
€. IV. (1431—47), aus edig ſtammend, bie 
eigentlich Gabriel Condolmieri, und mar ſeit 
1408 Biſchof von Siena und Kardinal. Er war 
fromm und jittenftreng, aber ohne polit. Klugbeit 
und Feitigleit des Willens. Die Verwandten fei: 
nes Vorgängers, die mächtigen Eolonna, reizte er 
u offener Auflebnung, woraus ein Bürgerfrieg 
hervor ing, der E. zur Flucht nad Floren ran 
Das Bafeler Konzil (f. d.) iprad die Ab — 
über ihn aus und wählte Felix V. zum — * do 
elang es E. durch Verlegung des Konzils nach 
Ferrata (1437) und von da nad) Florenz und durch 
nterhandlungen mit den einzelnen Fürften feine 
Stellung zu behaupten. In König Sigismund batte 
er einen mächtigen Freund, aber unter deſſen Rad: 
folger Albrecht IL. wurden in Deutfchland durch 
die Acceptationsurtunde (26. März 1439) die Be 
ſchluſſe des Bafeler Konzil® angenommen. Eril 
unter Friedrich III. (feit 1440) gelana ed dem 
äpftl. Geheimfchreiber Aneas Sylvius (fpäter 
Bopft Pius IL) durd gefhidte Unterhandlungen 
die deutfchen Fürften für E. zu gewinnen. Diefer 
mußte fih zwar verpflichten, die Defrete des Kon: 
ftanzer Konzils über die Würde eines allgemeinen 
Konzils zu behttinen, den Beſchwerden der deutſchen 
Nation abzubelfen, die abgefegten Erzbifchöie von 
Köln und Trier zu reitituieren und die während be? 
Bafeler Konzils in Deutſchland erfolgten Berleibun: 
gen kirchlicher Amter zu beftätigen ; aber ſchon 6. Febt. 
1447 erflärte er in der «Bulla Salvatoria» alle Ju: 
aeftändnifie für ungültig, die dem päpftl. Stubl nad: 
teilig werben könnten oder gegen die Lehre der Väter 
ftritten. — 2 Abert, Papft E. IV. run 188). 
Eugen (Beaubarnais), önig von 
Stalien, f. Leuchtenberg, Herzog von. 


Eugen (Prinz von Savoyen) — Eugen (Prinz von Schweden) 


Eugen, Prinz von Savoyen, öſterr. Feld: 
ter und Staatämann, geb. 18, Dit. 1663 in Paris 
ald der jüngfte von den fünf Söhnen des Prin⸗ 
zen E. Morig von Savoyen:Carignan, Grafen 
ven Soiſſons, und der Olympia Mancini, einer 
Tihte des Kardinals Mazarin. Mit 10 Jahren 
ihon im Beſitz des Titelö und der Einkünfte eines 
Abbe, bewarb ſich E. gleichwohl um eine Stelle in 
der Armee, jedoch vergeblich. Er ging deshalb nad 
Eiterreih, wohin ihm fein älterer Bruder Ludwig 
Julius ſchon vorangegangen war, und traf 1683 
in dem Augenblid dajelbt ein, als die Türken zur 
Belagerung Wiens beranzogen. Mit dem Range 
eines Oberiten trat er unter dad Kommando des 
Rartgrafen — von Baden. Bei Petronell, 
mo ſein Bruder fiel, legte er 7. Juli 1683 zum erſten⸗ 
mal Proben feiner Zapferleit ab. Er kämpfte dann 
12. Sept. die Schlaht mit, die den Eniſatz der 
Hauptftabt und die Niederlage der Türken herbei: 
führte. Zum Oberſten des Dragonerregiments Kuef: 
ftein ernannt, das noch jekt jeinen Namen führt, 
folgte er dem Laiferl. Heere nad) —— ee 
mit Karl von Lothringen den Sieg bei Gran als 
Generalfeldwachtmeifter, on hervorragenden An: 
teil an der Einnahme von Ofen (1686) und entſchied 
(1687) die Schlacht am Berge Harfan bei Mohacs. 
Schon bei einem Sturm auf Ofen leicht verlegt, wurde 
er bei der Einnahme von Belgrad (1688) ſchwer ver: 
wundet. Durch 6 Jahre fämpfte nun E. in dem 
Kriege gegen Ludwig XIV. als Korpsführer im 
nordweſil. — egen die Franzoſen. Schon 
1693 Fr eldmarſchall ernannt, erhielt er 1696 
den jelbftändigen Oberbefehl über das kaiferl. Heer 
gegen bie Türken, erfocht 11. Sept. 1697 den großen 
Steg bei Zenta und beendigte den Feldzug durch 
Fe —— * —— wo er erall die 

igung der chriſtl. Benölterung empfing. 

Im Spanischen Erbfolgetriege machte ® (1701 
den fühmen Zug über die Alpen, fegte bei Garpi 
(9. Juli) und Chiari (1. Sept.) über die Frangofen, 
gewann eine Reibe von Feitungen und hielt (1702) 
den an Zahl weit überlegenen Streitträften Ben: 
domes vor Luzzara mitfeinen geſchwächten und durch 
die Schlafiheit der Kriegsleitung in Wien verwahr: 
loften Truppen ftand. 1703 ließ er ſich das Prä- 
hdium des Hoffriegärats übertragen, wandte ſich 
mit Energie gegen die Infurreltion des jüngern 
Ratdczy in Ungarn, übernahm dann aber bei dem 
Vorbringen der bayr.:franz. Armee in Oberſchwaben 
den Oberbefehl über das kaiferl. Heer in Deutſch⸗ 
land und brachte, mit Marlborougb vereint, den 

zoſen und Bayern 13. Aug. 1704 bei Höd: 
täbt eine vernichtende Niederlage bei. Hierauf 
eilte er nah kurzem Aufenthalt in Wien 1705 
wieder nad Italien, wo zwar die Schlacht bei 
Caſſano, in der E. wieder einen Streifihuß am 
Halfe erhielt, — blieb, der Sieg bei Tu: 
rin aber 7. Sept. 1706 die gänzlihe Vertreibung 


der —— — = talien nad fi 309g. Zum 


aiſerl. Generalleutnant und 
Stattbalter von Mailand ernannt, führte E., der 
damals den durch Peter d. Gr. ihm gemachten Bor: 
ſchlag, König von Polen zu werden, ausjchlug, 
1707 das Heer der Verbündeten nad Südfrantreich, 
vermochte jedoch Toulon nicht zu nehmen. Um io 
olüdlicher Lämpfte er während der folgenden Jahre 
ın den Niederlanden, mo er und Marlborougbh 
bei Dubenaarde (11. Juli 1708) und Malplaquet 
(11. Sept. 1709) fiegten und eine Reihe der wich: 


287 


tigiten und ftärlften Feſtungen, vor allen Bau: 
bang Meifterfhöpfung Lille (22. Dkt. 1708) er: 
oberten, bei deren Belagerung E. wieder feine 
verwegene Tapferkeit mit einem Streifihuß am 
Kopfe bezahlte. Erft der Abfall Englands von der 
Allianz, der auch durch E.s Reife nah London 
im Jan. 1712 nicht abgewendet werden konnte, und 
die Dadurch berbeigeführte Schwächung feiner Streit: 
fräfte bradıten hierin eine Sinderung hervor. Der 
Abſchluß des Utrechter Friedens zwischen den See: 
mädhten und Frankreich zwang den Raifer Karl VI., 
auch feinerfeit3 mit Frankreich Frieden zu ſchließen. 
Nach längerer Verhandlung mit dem Marſchall 
Billard, wobei fih E.s ftaatSmännifhe Talente 
im glä aygr Lichte zeigten, brachte er 1714 zu 
Raftatt (f. d.) den Frieden zu ftande. 

Als 1716 der a a die Pforte wieder aus: 
brach, erfocht E. den Steg bei Beterwarbein und er: 
oberte Temespär. Im folgenden Jahre gewann er 
die blutige Schlacht bei Belgrad und eroberte dieſe 
Feſtung. Nach dem — des — —— Frie⸗ 
dens (21. Juli 1718) kehrte E. nach Wien zurüd und 
befleidete nun die vornehmſte Stelle unter ven Rat: 

ebern des Kaiſers. Gleichzeitig wirkte er durch feine 
Berrlichen Bauten (Belvedere), feine auserlefenen 
—— feine Verbindung mit gelehrten Män: 
nern aller Länder (darunter Leibniz, der ihm bie Mo: 
nabenlehre widmete, J. B. Roufjeau u.a.) in hohem 
Grade anregend für MWiflenihaft und Kunft. 
den legten Jahren war er insbeſondere für die An: 
erlennung der Bragmatifchen Santtion diplomatiſch 
thätig. Noch einmal erfchien er 1734 im Felde, ala 
fich wegen der Thronfolge in Polen ein neuer Kriea 
—— dem Kaiſer und Frankreich use So 
unzulanglich waren aber die Streitkräfte E.s, daß es 
ſchon ald ein großer Gewinn angejehen werden 
mußte, wenn bie Franzoſen außer der Eroberung 
PVhilippsburgs keine entſcheidendern se zu ers 
ringen vermocdten. Seit der Rüdlehr nad Wien im 
Spätherbit 1735 trug er durch feinen dringenden 
Hat zum Frieden nicht wenig zu an Abſchluß bei. 
Mäbhrend des darauffolgenden Winters vielfach 
träntelnd, wurde der Prinz am Morgen des 21. April 
1786 tot in feinem Bett gefunden. Mit ihm verlor 
Öfterreih den bervorragendften Feldherrn und 
Staatsmann, den es je gebabt hat. «Die militär. 
Korreipondenz des Prinzen E. von Savoyen» wurde 
ba. von Heller (2 Bve., Wien 1848), 1865 wurde ihm 
in Wien ein vom Bildhauer Ferntorn gefertigtes 
Reiterftandbild errichtet; in Turin befindet fi von 
ihm ein Marmorftandbild (von Simonetti). 

Bol. Kausler, Das Leben des Prinzen E, von 
Sapopen (2 Bde., Freiburg 1838—39); A. von Ar: 
netb, Prinz E. von Savoyen (3 Bde., Wien 1858 
—59); von Sybel, Prinz E. von Savoyen (Manch. 
1861); Feldzüge des Prinzen E. von Savoyen. 
Nah den Feldalten ft: vom f. f. Kriegsarchiv 
(20 Bde. und Regifter, Wien 1876—93); Dlallefon, 
Prince Eugene of Savoy (Zond, 1888); A. Schulte, 
Die Jugend Prinz E.,3 (in den «Mitteilungen des 
ring ür öfterr. Gefbidhtöforfhung», XIII, F 

aurer, Prinz E. von Savoyen (Munſter 1894); 
— er €. von Savoyen (3. Aufl., Freib. 
i. Br. 1899); Landmann, Prinz E. Die Begründung 
— — ðSflerrech· Ungarn⸗ (Münd. 
1 


Eugen, Prinz von Schweden, Herjog von 
Nerite, geb. 1. Aug. 1865, Sohn König Dstars IL, 
bat fih als Landſchaftsmaler einen Namen ge 


288 


madt. Er murbe ausgebildet unter 
Paris und dem ſchwed. Maler H. Salmſon, in der 
Radierung unter A, Tallberg. Prinz E. malt mit 
feinem Naturgefühl die nordiihe Natur bejonders 
tn ihren ftillen träumeriihen Stimmungen. 
Eugen, Herzog von Württemberg, rufj. Gene: 
ral der Infanterie, geb. 8. Yan. 1788 zu Öls, wurde 
ſchon 1796 von feinem Obeim, dem Zaren Paul, zum 
ruſſ. Oberit und 1798 zum General ernannt. Er ftu: 
dierte 1802—4 in Erlangen und widmete ſich dann in 
Stuttgart militär. Studien, Den Krieg von 1806—7 
in Oftpreußen machte er an der Seite feines Vaters 
mit, der das Reſervelorps befebligte. Ende Novem: 
ber begab er ſich zur rufj. Armee, wo er dem General 
Bennigien beigegeben wurde. Nach dem Frieden 
befebligte er eine Brigade, nahm an dem Feldzuge 
1810 in der Türlei teil und führte 1812 die 4. Di: 
vifion. Infolge jeiner Waffentbaten bei Smolenst 
(17. Aug. 1812) wurde er zum Generalleutnant 
befördert. Ebenſo ausgezeichnet wie bier bewies er 
fih bei Borodino, beim Überfall von Tarutino, bei 
Krasnoj und, nahdem er —— den Befehl 
über das 2. Armeelorps erhalten hatte, bei Kaliic. 
In der Schlacht bei Lügen 1813 dedte er den Rüd: 
zug der Armee, in der Schlacht bei Bautzen ver: 
teidigte er 20. Mai die Stadt, wies 21. Mai den 
Angriff Macdonalds ab, und beim Rüdzuge be 
—— er am 22. den Topferberg bei Reichen⸗ 
ch, bis der Abmarſch der Armee gefihert war. 
Nah dem Waffenitillftande bielt er während der 
Schlacht bei Dresden die Rüdzugsitraße bei Pirna 
befegt und wurde bier von Vandamme, ber _bei 
Königftein über die Elbe gegangen war, angegriffen. 
Dem Prinzen, nicht Djtermann, gebührt das Ber: 
dienft, Vandamme bei Kulm —— und die 
Armee gerettet zu —— In der Schlacht bei Leip⸗ 
zig führte er 16. Dft. eine der vier Angriffskolonnen 
und kämpfte bei Wachau in heldenmütiger Aus: 
dauer mit furdtbarem Verluft; am 18. vollführte 
er den legten Angriff bei Probſtheida. Auch im 
gelbau e von 1814 zeichnete er fi bei Bar und 
rcid:fur-Aube rubmvoll aus, vorzüglich aber in 
der Schlacht bei Paris, wofür er zum General der 
Infanterie ernannt wurde. Im Zürfentriege von 
1828 befebligte er unter Diebitſch ein Armeetorps. 
Für die Dauer des Friedens vom aktiven Dienite 
entbunden, lebte er nad dem Tode feines Vaters 
auf der Herribaft Karlsruhe in Sclefien, wo er 
16. Sept. 1857 ftarb. Er ſchrieb «Erinnerungen aus 
dem Selbzuge des %. 1812 in Kußland» (Bresl. 
1846) und «Demoiren» (8 Bde., Frankf. a.D. 1862). 
— Bol. Nachgelaſſene Korreſpondenz zwiſchen dem 
og E. von Württemberg und dem Chef jeines 
tabes, Hofmann, 1813— 14 (bg. von Hoffmann: 
Chappuis, Cannſt. 1883); von Helldorf, Aus dem 
Leben ded Prinzen E. von Württemberg (4 Bbe., 
Berl. 1861—62). — Sein einziger Sobn aus erfter 
Ebe war Herzog Eugen Wilbelm Alerander 
Erdmann, geb. 25. Dez. 1820, preuß. General der 
Kavallerie, erblibes Mitglied des preuß. Herren: 
re geit. 8. Ran. 1875 zu Karlsruhe in Ober: 
chleſien. — Der ältefte Sohn aus zweiter Cbe, Her: 
og Wilhelm Nitolaus, geb. 20. Juli 1828 zu 
arlsrube in Obericlefien, trat 1847 in das diterr. 
er, Er madte 1849 und 1859 die Feldzüge gegen 
talien mit, zeichnete jib im Deutic: Däntiben 
iege 1864 bei Överfee aus und führte im Deut: 
{hen Ariege von 1866 eine Brigade. 1864 wurde 
er Feldmarfchallleutnant und Befehlshaber der 


Eugen (Herzog von Württemberg) — Eugenie 
lien in | 7. Divifion. Mit diefer rüdte er unter dem Über: 


befebl des Generals Bhilippovich 1878 in Bosnien 
ein, ſchlug die Aufftändifchen bei Jajce, wurde zum 

(djeugmeifter und Gommandeur des 13. Armee 

orp3 ernannt und unterwarf das weftl. Bosnien. 

Nah Philippovichs Abberufung wurde er 18. Nov. 
tommanbierender General der Befagungsarmee und 
Chef der Landesregierung von Bosnien und ber 
Herzegowina. 1881 wurde er lommandierender Ge: 
neral in Lemberg, 1889 in Graz. Dies Kommando 
legte er nieder, ald er durch den Tod des Königs 
Karl von Württemberg (geft. 6. Dit. 1891) eriter 
Agnat des Königshauſes wurde. Er ftarb unver: 
mäblt 6. Nov. 1896 in Meran. — Bol. Magirus, 
Herzog Wilbelm von Württemberg (Stutta. 1897); 
Zeuber, eldzeugmeiiter Wilhelm, Herzog von Würt: 
temberg (Wien 1898). 

Eugene Eity (ſpr. juhdſchen Bitti), Hauptort 
des County Lane im nordamerif. Staate Oregon, 
200 kın ſüdlich von Bortland, am Willamettefluß 
und an ber Oregon: Ealifornia:Babn, bat (1900) 
3236 E. und ift Sig der Staatduniverfität. 

Eugenglanz (nad Breithaupt) oder Boly: 
bafit (nad H. Rofe), ein jehr wichtiges Silber: 
erz, kryſtalliſiert in rhombiſchen, oft jebr bünnen 
Zajeln mit einem Prismenmwintel von nabe 1%0°, 
weshalb es vormald als beragonal galt; auch derb 
und eingefprengt; eiſenſchwarz, in Io dünnen La⸗ 
mellen rot durdfceinend und optifch: zweiachſig 
Härte 2 bis 2,5, milde, ſpec. Gewicht 6 bis 6,35. Die 
chem. Analyjen führen größtenteild auf bie Formel 
9Ag,S + As,S,, wobei ftatt Silber aud etwas 
Kupfer, ftatt Arſen aud etwas Antimon, dazu ge 
mwöhnlic etwas Eifen und Zinf vorhanden ift. Der 
rien ar beträgt 64 bis 72 Proz. Der €. findet 
ich auf den Erzgängen von Freiberg, Joachimsthal, 

ndreasberg, Bribram, Schemnis, Guanazuato in 
Merito, Idaho, Nevada. = 

Eugenia L., Pflanzengattung aus ber Familie 
der Myrtaceen (j. d.) mit 625 faft durchweg im tro⸗ 
pifhen Afien und Amerita, weniger in Afrika ver 
breiteten Arten. Es find ſchöne immergrüne Bäume 
oder Sträucher mit aromatijh duftenden Blättern 
und weißen Blüten, können aber nur im Warm: 

ufe kultiviert werden. Viele Arten befinen ebbare 

üchte, andere finden in der Bollsarznei Verwen⸗ 
dung, die Früchte einzelner Arten dienen ald Ge 
würz. Die Gattung iſt jehr unficher begrenzt ; einige 
rechnen zu ihr auch die Gattung Caryophyllus und 
Arten anderer Gattungen. (S. auch Gemwürznelle, 
Pimenta und Ebelenblätter.) 

Eugenia, der 45. Planetoid. 

Eugeniacrinus Goldf., neben Apiocrinas 
(f. d.) die eigentümlichfte Seeliliengattung bes 
obern Jura, eine ſehr Heine Form von embryonalem 
Gepräge, bei welder der Stiel nur aus wenigen 
(5—6) langgeftredten, nad der Krone bin an Dide 
zunehmenden Gliedern beftebt, die Krone aber nur 
aus 15 Deditüden gebildet ift: aus einem Keld, 
nicht viel dider als das oberfte Stielglied und viel 
türzer, von 5 Bafaltäfelben, und aus den 5Armen, 
deren jeder ein unteres und ein großeres eingebogenes 
oberes, breites Stüd bat, ohne Anhänge. 

Eugenie, Marie von Montijo, ehemalige Kai⸗ 
ſerin der — geb. 5. Mai 1826 zu Gra⸗ 
nada in Anvdalufien, zweite Tochter des Grafen 
Manuel Fernandez von Montijo, Herzogs von 
—— (aeſt. 1839), und der Maria Manuela 
irtpatrid von Elofeburn (geit. 22. Nov. 1879 in 


Eugenol — Euhemerus 


Radriv), ſtammt väterlicherfeit3 aus dem altadli⸗ 
gen, im 14. Jabrb. von Genua nad Ejtremadura 
ausgemanderten Geſchlecht Porto⸗Carrero, das ins 
folge von Verjhmägerungen die Namen Guzman, 
Cirvoba, La Gerda, Leira noch zu dem feinigen bin: 
wiegen durfte und bie drei Grandenwurden erjter 
Kafie von Teba, Banos und Mora vereinigte. 
Turb ibre ebenfall3 in Andalufien geborene Mutter 
gehört fie zu einer jchottifchen kath. Familie, Die nad 
dem Sturz der Stuarts flüchten mußte. Ein Ge 
rüht (vgl. Rauroy, Les secrets des Bonaparte, 
Bar. 1889) bezeichnete fie ald Tochter der Königin 
Ehriftine von Spanien und von biejer noch vor 
ihrer Bermäblung mit Ferdinand VII. geboren. 
Abwehielnd in Frankreih und England erzogen, 
verlebte E. den größten Teil ihrer Jugend auf 
Reifen mit ihrer Mutter, unter dem Namen Gräfin 
Teba. Auf den Feiten Napoleons, die er als Prä- 
hident im Elyſte gab (1851), madıte fie viel Auf: 
jeben durd die Grazie ihrer Erfcheinung, und nad 
feiner Erhebung zum Kaijer lenkte Napoleon III, 
der vergeblid um die Hand von Prinzeflinnen 
aus europ. Dynaſtien angehalten, feine Wahl auf 
die ihöne Gräfin. Am 29. Jan. 1853 fand bie 
Eiviltrauung in den Zuilerien ftatt, am 30. Jan. 
die firliche Einjegnung in der Notre⸗Dame⸗Kirche 
zu augen Am 16. März 1856 wurde fie von einem 
Sobn entbunden, der den Namen Napoleon (f. Na: 


roleon, ine Louis Jean Joſeph) und den 
Titel Haiterliher Prinz ( — impérial) erhielt. 
Bei der Abreiſe des Kaiſers zum ital, Feldzug 


(1859) erbielt fie die Reichsregentſchaft übertragen, 
und auch während der Reife des Kaiſers nad} Algier 
im Mai und Juni 1865 war fie Reichsverweſerin. 
Vielfah wurde ihrer Cinmijhung der größte Teil 
der Schu dan dem Deutſch⸗Franzð hr, Kriege von 
1870 unY 1871 zugejchrieben, doch bat fie Sybel in 
der «Berründung des Deutihen Reichs durch Wil: 
beim L», Bo. 6 und 7 (Münd. 1894), von dieſem 
Vorwurf im mejentlichen entlaftet. Bei dem Aus: 
brud des Krieges wurde fie wieder zur Regentin 
ernannt, mußte aber infolge der Revolution, die 
bei der Nachricht von der Gefangennahme des Kai⸗ 
ſers ausbrad, jhon 4. Sept. 1870 die Tuilerien 
verlafjen und begab ſich 8. Sept. nah England. 
Seit 9. Jan. 1873 Witwe, lebt fie ald Gräfin von 
Bierrefonds meiſt zu Farnborough. — Vgl. Clara 

ſchudi E., Kaiſerin der Franzofen m dem 
Rormweg. des Erich Holm, Lpz. 1892); de ano, His- 
toire a: »cdotique du second empire. L’impera- 
trice E..genie Bar. 1900). 

Eug?nöl, Eugenjäure, Nellenjäure, 
C.. H,s O,, ein zu den Phenolen zu rechnender Kör⸗ 


OCH, 
per von der Formel C,H, nn Es ijt der me: 


5 

ſentliche, fauerftoffbaltige Beftandteil des Nelken: 
ols (j. Gewürznelte) findet fih außerdem in dem 
ätherijcken imentöl, im Simmetblätteröl und an: 
dern. „ ur Darjtellung des E. wird Neltenöl mit 
tonzent::erter Kalilauge gejhüttelt, mit Wafjer ver: 
dünnt das nicht gelöite Ol bejeitigt und die allas 
liſche "ung dur Säure zerjegt, worauf ſich das 
E. als ölige Schiht abſcheidet. Letztere wird in 
einem &strome eines indifferenten Gaſes rektifiziert. 
Das C. ift eine farbloje oder gelblice, ſich an der 
Luft b>tunende, ftark lichtbredhende Flüfligkeit; es 

ist den Geruch des Neltenöls, hat das —* Ge⸗ 
wicht I— 1,m0 und ſiedet bei 201 -268*. Dry: 

Brechaus· Konverfationd-Leriton.. 14. Aufl, R. A. VL 


289 


diert man das E. in altalifher Löfung mit über: 
manganfaurem Kalium, jo liefert es Banillin. 
Durch Erhisen mit Altalien auf höhere Temperatur 
gebt E. in Iſoeugenol (f.d.) über. Es ift ald Oleum 
Caryophyllorum offizinell und wird zum Parfüs 
mieren von Zahnpulvern und Zahntinkturen und 
gegen tariöfe Zähne verwendet. 
genfäure, ſ. Eugenol. 

Eugippius, lat. Kirchenſchriftſteller, bejchrieb 
511 das Leben des heil. Severinus (f. d.), mit dem 
er lange im Donaulande zwiſchen Baljau und Wien 

elebt hatte, in einfacher, vollstümlicher Sprache. 
— hatte, in einfach tstümlicher Sprach 

as durch die getreue Schilderung von Land und 
Leuten wichtige Wert wurde zulegt bg. von Knöll 
(im «Corpus scriptorum ecclesiasticorum lati- 
norum», Bd. 9, Wien 1885), überfegt von Ros 
denberg (Gejchichtichreiber der deutichen Vorzeit, 
Fl 55, Berl. 1878). — gl Brunner, Das 
Leben des Norilerapoitel St. Severin von feinem 
Schüler E. (Wien 1879). 

Euglöna, Gattung der Geißeltierchen (f. d. und 

Tafel: Urtiere, dig. 5). 
gubinifche Tafeln, die jieben ehernen Ta: 
—— in deren Seren allein ein —— 
enlmal der umbriſchen Sprache (ſ. Umbrer ſowie 
Italiſche Völker und Sprachen) erhalten iſt. Sie wur⸗ 
den 1444 zu Gubbio, dem alten Iguvium in Umbrien, 
im Mittelalter Eugubium genannt, aufgefunden und 
werben noch jebt dort aufbewahrt. Die Schrift ift 
auf fünf Tafeln die umbrifche, die von der etrus: 
fiihen wenig verfchieden ift, auf zweien und einem 
Teil einer dritten die lateinische; den Inhalt bilden 
Vorfchriften über Aufpizien, Sühngebräuche, Dpfer, 
Beiträge zu den Opfern und Berteilung des Opfer: 
ee omwie Gebetöformeln. Die Tafeln in ums 
riſcher Schrift find etwas älter als die mit lateini- 
ſcher und dieje wiederholen in ber Hauptjadhe, was 
auf einer von jenen fteht. Die E. T. ftammen ficher 
aus vordriftl. Zeit, wahrſcheinlich aus dem 8. oder 
2. Jahrh. v. Ehr.; früher wurde ihr Alter oft be 
deutend überfhägt. Philipp Bonaruoti machte fie 
zuerſt eg in Dempfterö «De Etru- 
ria regali» (2 Bde., Flor. 1723 — 24). Ein ge 
naues Abbild der Inſchriften gab zuerjt Lepfius in 
den «Inscriptiones umbricae et oscae» (Lpz. 
1841), eine gründliche und ausführliche Arbeit über 
Sprade und Inhalt der Tafeln haben Aufrecht und 
Kirchhoff in ihrem Werte «Umbriſche Sprachdenk— 
mäler» (2 Bbe., Berl. 1849 —51) geliefert. Einen 
weitern Fortſchritt in der a. bezeichnen das 
Wert von Michel Breal, «Les tables Eugubines» 
* 13 * nach —— — der Inſchriften, 

t. 1875) und Büchelers Arbeiten, die jetzt in 
feinen «Umbrica» (Bonn 1883) find, 

Eugublum, der mittelalterlihe Name 
Gubbio (f. d.). 

Euhemerismus, ſ. Euhemerus. 

Euhemerus (griech Euemeros), nach gewöhn⸗ 
licher, aber unbewieſener Annahme ein Bhilofopb 
der Eyrenaifhen Schule und Schüler des Atheijten 
Theodoros, lebte am Hofe des macedon. Königs 
Kaſſander (311— 298 v. Chr.) und juchte zu zeigen, 
daß die von den Griechen als Götter verehrten Weſen 
ausgezeichnete Menſchen geweſen jeien. Dieje Art, 
die alten Sagen zu erllären (Euhemerismus), 
—* im Altertum vielen Beifall; ſie wurde nament⸗ 
ich auch von den Kirchenvätern zur Belämpfung 
des alten Götterglaubens benubt, Auszüge aus 
feiner Schrift «Hiera anagraphö», d. i. Heilige Urs 

19 


von 


2% 


lunde, finden fi bei Diodor, Bruchſtücke aus ber 
vom röm. Dichter Ennius verfaßten liberfekung 
oder aus einer Bearbeitung derfelben bei Lactan 
tius. Die Fragmente des Werkes find gefammelt 
von Mefleling in feiner Ausgabe des Diodor (Bd. 2, 
Amfterd. 1746), von Müller in den «Fragmenta 
bistoricorum graecorum», Bd. 2 (Par. 1853) und 
von Nemethy (Budapelt 1889). — Vgl. Gerlach, 
fiber die heilige Gefhidhte des E. (in den «Hiftor. 
Studien», Bd. 1, Gotha 1841); Gauß, Quaestio- 
nes Euhemereae (ftempen 1860); Sierola, De Eu- 
— er —* nk om 
1 ; Gruppe, Die griech. Rulte un then (Lpz. 
1887); Sreinpart in ber li emeinen Encyllopäbie» 
von Erſch und Gruber, I, Bo. 89, 
Euiohthyes, wahre Fifche, ſämtliche File 
m't Ausnahme der Lanzettfiichchen und Kreismäuler. 
Eukairit, ein derb in feinlörnigen Aggregaten 
belanntes bleigraues, weiches Mineral, dad nad 
der Formel CuAgSe oder Cu,Se, +Ag,Se ie ammen: 
geieht ift. Der E. fand fi zuerft zu Skriferum in 
mäland (Schweden), dann nörblid von Tres Bun: 
ta& in der Wüfte Atacama ſowie mehrorts in Chile. 
Euklas, gelb, grün:, blau: oder mweißgefärbtes, 
aft oder ganz durchſichtiges Mineral, das nur ſehr 
elten in Ser, in einem Chloritfchiefer von Boa: 

ifta in Brafilien und in einigen Goldwäſchen am 
Ural in lofen Kryſtallen gefunden worden ift, ſich 
auch einmal auf einer alpinen, wahrjcheinli aus 
ten Raurifer Tauern ftammenden Stufe zeigte. Das: 
ſelbe kryſtalliſiert monollin mit äußerft volllommes 
rer Elinodiagonaler Spaltbarteit, ift etwas härter 
al& Quarz und bat das fpec. Gewicht 3,1. Es bes 
ſiehl aus etwa 42 Proz. * äure, 85 Thonerde, 
17 Beryllerde und 6 Proz. er, das erft in ſtar⸗ 
ter Gluhhitze — wird (H. Be, Al Si.O..). 
Säuren greifen E. nit an. Vereinzelt kommen 
namentlid in Rußland, geſchliffene €. in den Handel 
und werben, wenn fie grün oder tief blau find, mit 
Liebhaberpreifen bezahlt (Aber 200 M. pro Karat). 

Eukleia, die griech Göttin des Ruhms, welche in 
Athen einen Tempel hatte, — €. iſt auch Beiname 
der Artemis. 

Euklides (Eukleides), von Megara, gen. 
zbilefoph, einer der ältejten Schüler des Sokrates, 
bildete nach deſſen Tode eine Zeit lang den Mittel: 
unft des So en Rreifes und gründete die 

egariſche Schule(j.d.). Er verknupfte die Eleatifche 

Moilofopbie mit der Sotratifchen, indem er das 
feiende Eine der Gleaten dem Guten gleichſeßzte, 
es zugleih auch Gott, Vernunft oder Befinnung 
(phröndsis) nannte, Die Tugend iſt ſchlechthin eine 
und beſteht nur im Wiſſen des Guten; die vielen 
Tugenden find nur verſchiedene Namen einer 
Eade. Nur das eine Bute ift überhaupt; mie €. 
von allem Übrigen, fomit Nichtfeienden, dachte, ift 
unbelannt. In den Beweiſen gegen die Realität 
ber Sinnenmwelt ſcheint er fih an den Eleaten Zeno 
(1. d.) angeſchloſſen zu baben. In feiner Schule bildet 
die Dialektit fih zur Eriftil (fopbiftifhen Streit: 
tunft) aus, woher die Schule fpäter auch bie 
eriftiiche heißt. — Pal. Zeller, ilofopbie der 
Griehen, Bd. 2, Abteil. 1 (4. Aufl., Lpz. 1889). 

Euffides ( Gutleides), der Eponymos (ber 
erite Archon) unter den neun Ardonten, die Ende 
Sept. 403 v. Ehr. in Athen nah dem Sturze des 
dur die Dreißig Tyrannen eingeleiteten oligardi: 
* Syſtems neu gewählt wurden. Da in demſelben 

abre durch das Gejeg des Archinus das ion. Al: 


Euichthyes — Eulen (Raubvögel) 


pbabet in den öffentlichen Urkunden ftatt des biäber 
gebräuchlichen altattiihen eingeführt und dadurch 
in Griechenland allgemein gebräuchlich wurde, heist 
es gewöhnlich das euklidiſche Alpbabet. 
-uffides (Eufleides), grieh. Matbematiter, 
ftudierte zu Athen in der Platoniſchen Schule und 
begann um 300 v. Ebr. unter Btolemäus Soter in 
Alerandria Mathematik öffentlib zu lehren. & 
bat die damals belannte reine Mathematik in jet 
nen «Glementen» (Stoicheia) mwiflenjchaftlib zu 
jammengeftellt, welche allen äbnlihen Werten bi 
auf unfere Zeit zum Vorbild gedient haben. Aus 
durch eigene Unterfuhungen (Data, Borismata) bat 
er die Grenzen der Matbematif erweitert, wie man 
befonders aus Pappus’ (f. d.) Sammlung erfiebt. 
Ausgaben feiner fämtlihen Werte beforgten Gre 
gory (Orf. 1703), Beyrard (3 Bde,, Bar. 1814—18) 
und Heiberg und Menge (7 Bbe., Lpz. 1883-86; 
Euppl. 1899). Die ältejte grieh. Ausgabe feiner 
«Stoicheia», die auf einer im 4, re: n. Ebr. ver: 
anftalteten Revifion berubte, erjhien (1533) zu Ba: 
jel, diejelbe gab heraus Auguft (2 Bode., .18% 
— 29); ind Deutjhe wurden fie überfeßt von Lorenz 
(Halle 1781; zulekt ba. von Hartwig, ebd. 1860), die 
« Dedomena» oder «Data» von Wurm (Berl. 18%). 
Die vielleicht nicht unmittelbar von ibm berrübren 
den «Anfangägründe der Mufil» (Rudimenta mu- 
sices) gab Pena (Par. 1557) heraus. — Vgl.Eantor, 
E. und fein Jahrhundert ( Br 1867); Heibera, Lit: 
terar:geihichtlihe Studien über E. (ebd. 18881 

Eufolit, Mineral, ſ. Eudialyt. 

Eukraſie (arch.), eigentlich «gute Mifchungs der 
Körperjäfte (im Gegenſatz zur Dyskrafie); dann 
glüdlihes Temperament. 

Eufräte, der 247. Planetoid, 

Eufrit, ein von ©. Nofe benanntes 
geitein, das aus einem Froitallinifch-förnigen @& 
menge von Anorthit und Augit beitebt, denen 
accejjorifh Dlivin, Hornblende, Epibot und 
fies zugejellen lönnen, Man tennt ältere und jün 
gere E. Gritere, die zu den Diabafen gebören, 
durchſehen 3.3. den Kohlenkall von Garlingford in 
Irland, leßtere die Schichten der untern Kreibde bei 
a no in Mähren gangförmig, bilden aber 
auch, fo auf Island, echte bafaltifhe Lanaftröme, 
Es iſt bebeutungsvoll, daß gewiſſe — 
diejenigen von Stannern in Mähren, von 
im Depart. Ardeche u, a.) die nämliche min 
Zufammenfeßung zeigen wie die €. 

Euläbes, Bogelfamilie, ſ. Stare. 

Eulalia, Silberbergwerl, j. Santa Eulalia. 

Eulampis juguläris L., der Strabllolibt, 
f. Kolibris nebit Tafel, Fig. 4. 

Eule, Hobe, Gipfel des Eulengebirget (j. b.). 

Eule, czech. Iflove, Stadt in der öfterr, Bezirke 
hauptmannſchaft Königliche Weinberge in Böhmen, 
öftlich vom Einfluffe der Sazama in die Moldau, an 
der Linie Cerdan Piſely-Wran der Öfterr. Staat 
bahnen, eine der älteften Bergftäbte von Böhmen, 
deren Berabau auf Gold unter Kaiſer Karl Vi. eine 
jäbrlihe Ausbeute von 1500000 Dufaten lieferte, 
Sitz eines Bezirlsgerichts (273,19 gkm, 20196 uch. 
G.), bat (1900) ald Gemeinde 2556 «geh. €, und 
ein altertiimliches Rathaus. Nad ber — 
der Stadt durch die Huffiten wurde der Bergbau 
wieder unter Maria Therefia aufgenommen. 

Eulen (Strigidae),eine FamiliederRaubvögel, 
bie durd die infolge der nächtlichen Lebensweiſe er 
worbenen Gigenfhaften deutlich gelennzeichnet iſ. 


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Eulen (Schmetterlinge) — Eulenberg 
gie 8. find für die Zwece der nächtlichen Er or⸗ 


291 


Eulen (Noctuidae), eine Familie von Nacht⸗ 
fhmetterlingen mit über 2500 Arten, wovon 
allein auf Europa etwa 1000 kommen. Diele 
Schmetterlinge haben einen dicht behaarten, runden 


garniert, denn ihr Jeidenartiges Gefieder gejtattet 
er geräufchlojen 9. Ihr Kopf ift groß und 


die Augen jebr groß und nabezufammengerüdt, 
—— ve und ſcharf, von der Wurzel 
zn gelrümmt und faft ganz zwiſchen den Federn 
gertedt, die ig bis an die Zehen befiedert und 
gut ſeht Äharfen Krallen bewaffnet. Ihr Ohr fängt 
IN) ae auf, indem bei den meiften 
ine Art Dhrmuſchel durch einevor den Obröffnungen 
yeripringende, mit einem franz jteifer Federn be: 
e Hautfalte gebildet wird, und der Bau ihres 

es macht ſcharfes Sehen im Dunteln möglid. 
er tennt man mehrere am Tage * 
ende Gulenarten. Jedoch gleichen ſich alle in Ber 
ichung auf ihre Ernahrungsweiſe als Raubvögel, 
nu nur friſch getötete Tiere zur Nahrung wäh: 
Im. Die ftärtern (bei und nur der Uhu) —— 
og rer bis zur Größe eines Hafen oder Vögel, 
die ſchwächern leben von Mäufen, Maulwürfen, 
Reptilien, Fiſchen und Inſelten. Ein Eulenpaar 
vertilgt , zumal wenn es Junge bat, mehr Mäufe 
als 10 Rapen zufammen. Die unverdaulichen Refte 
er Nahrung werben als jog. Gewölle ausgewor⸗ 
fen. Die Färbung aller ift er aber feine Zeich⸗ 
nungen ſchmücken dennoch ihr efieder; die arftifche 
Shneeeule N} d., Nyctea nivea Bonap., |. Tafel: 
Eulen, Fie. 1), ift im Alter rein weiß, jung grau: 
braum gebänbert.' Die E. find in zahlreichen Arten 
über die ganze Erde verbreitet. Dem Bolte find fie 
von jeber unbeimlid erſchienen, teils infolge ihres 
morieiligen nädtlichen Lebens, teild wegen ihres 
llagenden Geſchreies und des wunderlichen Anjebens 
ihres Kopfes und Auges, teild endlich wegen ihrer 
Lichtſcheu undibres jonderbaren Betragens bei Tage. 
Insbeiondere wird dad Kauzchen oder ver Stein: 
faua (Athene noctua So) ogar für einen Bor: 
boten Des Todes gebalten. Die Alten fanden in ihnen 
den Ausdruck des Ernſtes und Denkens, und daber 
war die füdeurop. DmstenDennte (Asio scops L., 
ig. 3) der Minerva gebeiligt. Mebrere Arten laſſen 
leicht rum, nd aber —— Geſell—⸗ 
chafter. Die E. find allen andern Bögeln verhaßt 
und werden genedt, mo fie fich bei —* laſſen. 
dieſen —— benutzt der Vogelfaänger, der zwi: 
iben feine Zeimruten den Walblauz jest, während 
der Fäger gi der Kräbenbütte den 
Deutjchland befist 9 Arten, von welchen der Uhu 
(1.d., Bubo maximus L., ig. 4) die größte, bie ges 
meine Schleiereule (j.d.,Strix flammea L., Fig.2) 
aber die jhönfte und gemeinfte ift. Man unterſchei⸗ 
det drei Hauptgruppen: die Ohreulen (Buboninae) 
mit Federbuſcheln an den Obren, wozu der Uhu, die 
Baldohreule (Asio otus, Otus vulgaris Flem., 
Fig. 6) und Zwergohreule gehören; die Räuze(Ulu- 
Iinae) ohne Obrbüfchel, mit mebr oder minder voll: 
Rändigem Schleier, wozu der Waldkauz (f. d. Syr- 
nium aluco L., Fig. 5), die Schneeeule, der Stein: 
lauz, die Sperlingseule (Athene passerina L.), der 
amerit. Prairielauz (Speotyto) gerechnet werben; 
ie Schleiereulen (Striginae) ohne Obrbüfcel, 
mit vollftändig geſchloſſenem Schleier und duntel: 
braunen bis ſchwarzen Augen, deren bekannter 
ertreter die gemeine Scleiereule iſt. Alle E. legen 
Bein weiße Eier und niften in alten Krähenneſtern 
Sder in Baum⸗ und aa de por Die zoolog. Bär: 
on beherbergen in der Regel die genannten Arten, 
ir mit Mäufen und Ratten oder mit Pferdefleiſch, 
Ns mit Haaren vermengt ift, gefüttert werden. 


bu gebraudt. 


rl große en und Schnurren, fadenförmige 
Fuh hörner, teilförmige Vorderflügel, turzen, meift 
zugeipisten Hinterleib; fie jeßen —* zum Saugen 
und halten dabei die Flügel horizontal über dem Leibe. 
Die Raupen, von denen manche zu den ſehr ſchäd⸗ 
lichen gehören, bilden drei Gruppen. Die einen, mit 
act Fußpaaren, bilden durch ihre meift dichte Der 
baarung ben Übergang zu den Spinnern. Sie fisen 
tagsüber frei auf den Futterpflanzen. Die ber zweiten 
Gruppe, der typiſchen E., haben ebenfalls acht Fuß: 
yaare, find aber kahl, oft jhön gefärbt, die Schmetter: 
inge meijt büfter; fie —8 meiſt bei e in 
die Erde und freſſen nachts. Raupen der dritten 
Gruppe bilden, durch die mangelnde Ausbildung 
von einem oder zwei Fußpaaren, den Übergang zu 
ben Spannern. Die Puppen 2 ge mit langer 
Rüffelicheide, felten in einem eingeſchloſſen. 
Es gehören dahin: die Gemuſe-, Lattich- oder 
Salateule (Mamestra oleracea L.), die gelb» 
braune Raupe auf Kohl, Lattih, Mangold; der 
Herzwurm ober die Kohleule (Mamestra bras- 
sicae L.) in den Robltöpfen; die Graseule (Cha- 
raeas graminis L.), Lermüfterin der Wiefen im 
Norden; die Saateule (Agrotis segetum Hl.), die 
fih tags in der Erde birgt und nachts die Winterfaat 
eritört; das Ypfilon (Plusia gamma L.) auf Klee, 
Sudereifen: mente (Trachea piniperda 
2 Zafel: Shädlihe Forftinjelten II, 
dig. 3, beim Artikel Forftinjekten), eine arge Wald» 
verwüjterin; dieRitterjporneule (Chariclea del- 
phinii L.,f. Zafel: Schmetterlinge Il, Fig.3),eine 
der 5* ten und ſeltenſten deutſchen Arten: bie im 
Herbit fliegende Xanthia fulvago L. (Fig. 8); die 
elbe Bandeule oder Hausmutter (Agrotis 
bria L., Fig. 16), deren fette Raupe im Frũhjahr 
nädtlih an Brimeln und andern niedern Pflanzen. 
ißt; Catephia alchemista Ochsenh. (Fig.20), deren. 
upe — nächtlich iſt und ſich von Wicken 
nährt; Jaspidea celsia Hübn. (Fig. 28) und die in 
Deutihland weit verbreitete Gattung Ordensband 
(f. d.), darunter das rote Ordens band (Catocala 
promissa Esp., ig. 31). 

Eulenberg, Hermann, Mediziner, geb. 20. Juli 
1814 zu Mülheim a. Rh., ftudierte von 1832 bis 1834 
zu Bonn ang 3 und fiedelte dann nach Berlin über, 
wo er unter Schwanns Leitung die Differtation 
«De tela elastica» (Berl. 1836) als erfte monogr. 
Arbeit über das elaftiihe Gewebe veröffentlichte, 
Er ließ fi nad) längern Reifen als praftiicher Arzt 
in Lennep nieder, wurde 1846 Kreisphyſilus in Bonn 
und habilitierte fi dafelbft ala Brivatdocent für ge 
richtliche Medizin und Arzneimittellehre. 1850 wurde 
er Medizinalrat des Medizinaltollegiums und Kreis⸗ 
phyſikus zu Koblenz, begründete bier mit Erlen» 
meyer in Benborf das «florreipondenzblatt ber 
beutichen Gefellichaft für Piychiatrie und gerichtliche 
Medizin» und beihäftigte fi eingehend mit der 
endemiſchen Verbreitung des Kropfes und Kretinis: 
mus in dem Kreiſe Koblenz, worüber er mit Mar: 
felö «Beiträge zur pathol. Anatomie des Kretinis: 
mus» (Meplar 1857) veröffentlichte. 1860 wurde 
E. ald Regierungd: und Mevizinalrat nad Köln 
verſetzt und bearbeitete hier feine «Lehre von den 
fbädlichen und giftigen Gajen» (Braunſchw. 1865). 
1870 ala Geh. Medizinalrat und vortragender Ras 
19* 


292 


in das —— ee berufen, wurde er 1871 
Mitglied der wiflenichaftliben Deputation und 1874 
Geb. Obermedizinalrat. Seit 1887 lebte er nad 
—— Austritt aus dem Kultusminiſterium zu 
onn, wo er 4. Dt. 1902 ſtarb. E. ſchrieb noch: 
«Das Medizinalweſen in Preußen⸗ (Berl. 1874), ein 
«Handbuch der Öewerbebygieine» (ebd. 1876), und im 
Verein mit Fachmännern ein «Handbud des dffent: 
lihen Gejundheitämwefens» (2 Bde., ebd. 1881—82), 
«Schulgejundbeitslehre» (mit Bad, 2. Aufl., ebd. 
1900); auch redigierte er von 1870 bis 1890 die von 
Casper begründete «Vierteljahrsſchrift für gericht: 
liche Medizin und öffentlihes Sanitätöwefen». 
Eulenburg, preuß.Grafenfamilie, die ihren Ur: 
fprung von den dynaſtiſchen Burggrafen von Wettin 
ableitet, vondenen ein Zweig um 1170 Schloß, Stabt 
und Herrſchaft —— erwarb. Während ſich eine 
Linie in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. in Böh— 
men jeßbaft machte, aber ſchon 1538 im Manns: 
— erloſch, fand die erſte Anſiedelung des Ge- 
chlechts im deutſchen Drdenslande Preußen erit 
vorübergebend zu Anfang des 15. Jahrh., dauernd 
aber nad) der n enbigung des Bundeskrieges (1454 
—66) Statt. Bon den Mitgliedern diefes Zweiges 
wurde Ernft Chriſtoph, Freiherr zu E., 19. Sept. 
1786 mit allen feinen Rahlommen von König Fried: 
rich Wilhelm IL in den preuß. Grafenjtand erhoben 
und ift der Stammpater aller jeßt lebenden E. Bon 
feinen fünf Söhnen begründeten Botbho Wilhelm 
(1778— 1865) auf Zeuneburg Brafien ‚Wenzel 
Heinrich (1779— 1842) auf Widen, Alerander 
Ernit (1781—1845) auf Gallingen und Friedrich 
Leopold (1787—1845) auf Perknilen die noch jet 
blühenden vier Zweige des Haufes zu E., deren 
jüngfter 1. Jan. 1900 gefürftet wurde. Die Häupter 
derjelben find zur Zeit: 1) Graf Richard zu E,, 
eb. 12. Yan. 1838, Majoratöberr auf Zeuneburg- 
Praſſen, Obermarihall und Vorfigender des oft: 
preuß. Provinziallandtags, erblihes Mitglied des 
reuß. Herrenhaufes; 2) Graf Botho zu Eulen: 
urg (j.d.), —— 1831, ehemaliger Praſident 
des preuß. Staatsminiſteriums und Miniſter des 
Innern; 3) Gh Botho-Wend zu E., geb. 
27. März 1883, Bejiger der gallingifchen Zebhngüter; 
4) Fürſt Philipp zu Eulenburg (j. d.), geb. 
12, Febr. 1847, 1894—1902 Botſchafter in Wien, 
Haupt des fürftlihen Haufes zu E. und Hertefeld. 
Außerdem find Auguſt (1. d.), Botho Heinrich 
ſ. d.) und Friedrid Albredt, Graf zu Eulens 
urg (ſ. bervorzubeben. — Val. von Muͤlverſtedt, 
Urlundenjammlung zur Gejhichte und Genealogie 
der Grafen zu E. (2 Bde., Magpeb. 1877—79). 
Eulenburg, Albert, Arzt, geb. 10. Aug. 1840 zu 
Berlin als Sohn des um die Einführung der ſchwed. 
Seilaymnafti verdienten Arztes und Orthopäden 
M. E., ftudierte feit 1857 in Berlin und Bonn 
Medizin, wurde 1863 Aififtent am Univerfitäts- 
trantenhaufe zu Greifswald und verfaßte bier die 
(1864) von der Hufelandſchen Gefellihaft in Berlin 
prämiierte Preisſchrift «Die bypodermatiihe In: 
jeltion der Arzneimittel» (Berl. 1865; 3. Aufl. 1875), 
Seit 1866 in Berlin als Brivatdocent für Nerven: 
franfbeiten und Gleftrotberapie babilitiert, wirkte 
€. als Affiftenzarzt der mediz. Univerfitätspoliklinit 
und bearbeitete mit P. Guttmann die «Pathologie 
des Sympatbicus» (Berl. 1873) ſowie ein treffliches, 
in mebrere Sprachen überjegtes «Lehrbuch der Ner: 
ventrantheiten» (ebd. 1871; 2. Aufl. 1878). An den 
Feldzügen von 1866 und 1870 nahm E. ald Mili- 


Eulenburg (Grafenfamilie) — Eulenburg (Botho, Graf zu) 


tärarzt tbätigen Anteil und folgte 1874 einem Ruf 
al3 ord. Profeſſor der Arzneimittellehre und Direl: 
tor des Pharmalologiſchen Inſtituts zu Greifswald, 
tebrte jedoch 1882 wieder nad Berlin zurüd, um 
ſich bier als Arzt und Lehrer ausſchließlich der Ner- 
venpathologie zu widmen. E. bat die allgemeine 
und fpecielle Bathologie und Therapie der Nerven: 
trantheiten durch wertnolle erperimentelle Arbeiten 
und zahlreiche ge und nr Ein: 
zelunterfuhungen außerorbentlih gefördert. Er 
gen die «Encyllopäd. Jahrbücher der gefamten 

eilftunde» (Wien 1891 fg.) beraus; auch redigierte 
er die «Real:Encpllopädie der gefamten Heiltunde» 
(15 Bde., Wien 1880—83; 3. Aufl., ebd. 1893 ja.) 
und 1894—1903 mit J. Schwalbe die «Deutiche 
mediz. Wocenjcrift» (Leipzig); ferner erjchien von 
ihm: «Seruale Neuropatbie» (Lpz. 1895). 

Eulenburg, Auguit, ir preuß. Oberbof: 
und Hausmarſchall, geb. 22. Oft. 1838 zu Königs: 
berg, Sobn des Sandhofmeiiters im —— 
ze. Grafen Botho Heinrih zu Eulenburg: 

iden, wurde 1858 Leutnant im 1. Öarderegiment, 
war 1860—62 Attache der preuß. Erpedition nad 
Ditafien, 1865—68 perfönlicher Adjutant des Kron⸗ 
prinzen, 1868—83 Kammerherr und Hofmaricall 
— wurde 1871 zum Vice-Oberceremonien— 
meijter, 1883 zum Oberceremonienmeijter und 1890 
ugleich zum Oberhof: und Hausmarichall des Kai: 
Vers ernannt. Auch iſt er Generalleutnant & la suite 
der Armee und Geremonienmeijter des Ordens vom 
Schwarzen Adler. 

Eulenburg, Botho, Graf zu, preuß. Staats— 
mann, geb. 31. Juli 1831, ftudierte 1849—52 in 
Königsberg und Bonn die Nechte, wurde Ende 
1857 Verwalter des Yandratsanıtes zu Marienmwer: 
der und 1859 Landrat in Deutich:firone. 1864 trat 
er als Hilfsarbeiter ins Minifterium des Innern, 
wurde 1867 vortragender Rat in demſelben und ging 
1869 als Regierungspräfident nah Wiesbaden, 
1872 als Bezirkäpräfident nah Meb und 1873 als 
Dberpräfident nah Hannover. 1863—70 und 1879 
— 81 Mitglied des Abgeordnetenhauſes, war er 1867 
Vicepräfident desfelben, und im jelben Jabre auch 
Mitglied des erften Reichstags des Norddeutichen 
Bundes. Als fein Ontel Grat Friedrich Albrecht €. 
feine Entlafjung ald Minifter des Innern genom: 
men batte, wurde €. 31. — 1878 deſſen Nach— 
(eier und ſetzte das von jenem begonnene Wert ver 

erwaltungsreorganifation im Einne der weitern 
Entwidlung der Selbjtwerwaltung fort. Dabei fam 
in der Herrenhausfikung vom 19, Febr. 1881 eine 
Meinungsverſchiedenheit zwiſchen E. und Bismard 
in einer allerdings von Bismarck nicht für die 
Öffentlichkeit beftimmten Form zum Ausprud. €. 
nabm — ſofort ſeine Entlaſſung, die er 
auch 27. Febr. 1881 erbielt. Während ſeines Mi— 
niſteriums war E., wie ſchon 18667 —69, gleich» 
zeitig preuß. Bevollmächtigter im Bundesrate und 
entwidelte namentlih in der Verteidigung und 
Durchführung des Socialiftengejeßes eine energiſche 
Thätigleit. Nach feinem Rüdtritt aus dem Minijte 
rium übernabm er noch 1881 das Oberpräfidium 
der Provinz Heflen:Nafjau, bis er 23. März; 1892 
zum preuß. Minifterpräfidenten ernannt wurde. 
Ein eigenes Refjort erbielt er erjt durch den Rüd: 
tritt Herrfurtbs (Aug. 1892), zu dejlen Nachfolger 
ald Minijter des Innern er ernannt wurde. Im 
Olt. 1894 traten zwiſchen ibm, der damals als preuß. 
Minifterpräfident von Reichs wegen entichiedene 


Eulenburg (Botho Heinrich, Graf zu) — Eulenfpiegel 


Vabregeln gegen die Socialdemokratie befürwor⸗ 
tete, und dem Reichskanzler Grafen Caprivi Mei: 
nungsverjchiedenbeiten bervor, die ſchließlich dazu 

en, daß der Kaiſer 26. Dit. beider Entlaſſungs⸗ 
geruh genehmigte. 1899 wurde E. zum Mitglied 
dei preuß. Herrenbaufes ernannt. 

Eulenburg, Botho Heinrih, Graf zu, geb. 
N. Dez. 1804, war während des Waffenſtillſtan⸗ 
des in dem Kriege der Schleöwig:Holiteiner mit 
Tänemart (Aug. 1849 bis Juli 1850) Mitglied der 
Landesverwaltung in Schleswig, 1855—58 Praſi⸗ 
dent des preuß. Abgeordnetenhauſes, bis 1874 Land⸗ 
tagsmarſchall in Km, feit 1864 Mitglied des 
Herrenbaufed und feit 1867 auch Mitglied des 
Reichstags, 1850— 75 Präfident der Regierung zu 
Marienwerder und feit 1874 Direktor der preuß. 
Staatäfhuldenverwaltung. Er ftarb 17. April 1879. 

Eulenburg, Friedr. Albrecht, Graf zu, preuß. 
Staatämann, geb. 29. Juni 1815, wurde 1844 
Regierungsafjeflor zu Oppeln, 1848 Hilfsarbeiter 
im Ainanzminifterium und 1849 im Minifterium 
des Innern, trat aber 1852 in den diplomat. Dienjt 
über und wurde Generaltonjul in Antwerpen. 

Lit. 1859 wurde er an die Spibe der preuß. 
aſiatiſchen Erpedition geftellt, um Freundſchafts⸗, 
Handels: und Schiffahrtöverträge mit Japan und 
Ebina abzuſchließen. Troß der großen Schwierig: 
teiten lam der Vertrag mit Japan bereits 24. Jan. 
1861 und der mit Ebina 2. Sept. 1861 zu ſtande. 
Die Umſicht, die E. dabei bewährt hatte, veranlaßte 
bei der Bildung des Minifteriums Bismard E.s 
Ernennung zum Minifter des Innern (8. Dez. 1862). 
Mit Energie unterjtügte er Bismard in deſſen Käm⸗ 
pien mit dem Abgeorbnetenbauje. Die Organifation 
ber 1864 und 1866 an Preußen gefallenen Provinzen 
ebnete ihm den Boden für die Ausführung einer ums 
afenden Verwaltungsreforn aud in ben ältern 
rovinzen. Sie jollte auf tonjervativer Grundlage 
cuben, jedoch unter Berüdfihtigung der Idee der 
Seclbftverwaltung; doc der Auspehnung derjelben 
auf die weitl, Provinzen ftellten ſich durch die oppo⸗ 
htionelle Haltung der kath. Landesteile Bedenten 
entgegen, und fo verſuchte E. zunädjft die Verwal: 
tungsreform der öftl. Provinzen durch den Erlaß 
einer Städteorbnung weiter zu führen. Hier wurde 
er jedoch zu Konzeſſionen an die Forderungen des 
Liberalismus — fo daß er auf den Wider: 
fand Bismards ftieß und fich in der weitern Auss 
führung gebemmt jab. Nach längern unfruchtbaren 
Berbandlungen mit dem — nabm er 30. März 
1878 feine Entlaſſung. E. Be 2. Juni 1881 zu 
Schöneberg bei Berlin. Dem — auſe ge⸗ 
börte er 1866— 77 an. Einen Überblid über ſeine 
polit. Thätigleit geben die «Neden des Grafen E., 
1862— 12» (Berl. 1872); E.s Briefe über feine Miſ⸗ 
fien nah Dftafien veröffentlichte fein Neffe Philipp, 
t zu Eulenburg, u. d. T. Ditafien 1860—62» 
(ebd. 1900). 

Eulenburg, Philipp, Fürft zu E, und Hertefeld, 
Ziplomat, geb. 12. Febr. 1847 zu Königsberg i. Pr., 
trat während des Krieges 1866 in das Negiment der 
Garde du Corps, wurde 1868 zum Dffizier befördert 
und machte als ſolcher den Krieg gegen Frankreich 
mit. Darauf unternahm er 1871—72 Reifen im 
Orient und ftudierte 1872— 75 in Leipzig und Straß: 
burg, arbeitete dann als Neferendar beim Kreis⸗ 
eriht in Neuruppin, trat 1877 in ben biplomat. 
ienft über,murde 1879 Botichaftsjetretärin Paris, 
1881 in Münden, 1888 preuß. Gefanbter in Olden⸗ 


293 


burg und Braunſchweig, 1890 in Stuttgart unt 
1891 in Münden. 1894—1902 war €. deutfcher 
——— in Wien; 1900 wurde er in den Fürften: 
ftand erhoben und zum erblichen en des preuß 
Herrenhaujfes berufen. €. ift aud Dichter und Kom: 
ponift. Er veröffentlichte außer den Briefen feines 
Oheims (f. Eulenburg, Friedr. Albrecht): «Stalden: 
gelänge. Dichtungen» (Braunihw. 1892), «Das 

eihbnadhtsbud» (Stuttg. 1892), «Eri und Erilo 
und andere Erzählungen für Kinder» (Münd.1893), 
«Abenderzäblungen, Märchen und Träume» (ebd. 
1894), «Drei Märchen» (ebd. 1899) ſowie zahlreiche 
Lieder und Balladen. 

Eulengebirge, zum eig ren der Subeten 
(f. d.) gebörender langgedebhnter, breiter Waldrüden 
von etwa 650 m mittlerer Höhe, ber dad Glaker 
Keſſelland auf der Norboftfeite abſchließt und ſich 
an bie Dftjeite des Waldenburger Gebirges anjeßt 
(j.Rarte:Schlefien). ee er 

amm vom Durchbruchsthal der 9 nach SO. 
bis zur Glahzer Neiſſe und ſcheidet die Kreiſe Neu: 
rode und Glas von Reihenbad und Frankenſtein. 
Nah NO. zur Ebene fällt es ſcharf und geradlinig 
ab. Seine höchſte Erhebung ift die 1014 m hohe 
Hohe Eule, die, abgerundet und faft ganz bewaldet, 
einen Ausfihtsturm trägt. Andere Gipfel find: die 
Kleine Eule (972 m), die Sonnentoppe (952m) 
mit ſchöner Ausficht, der Ottenftein (877 m) und 
der Steindberg (930 m). Die Hauptmafje beſteht 
aus Gneid; am Südabbange liegen roter Sand: 
ftein, Steinkohlen, Kalt und Graumadenjanpdftein ; 
auf der Norbjeite des dftl. Endes Serpentin. Am 
Norbweftabfall beginnt das er Stein: 
toblenbeden (f.d.). Das €, trägt namentlich auf dem 
Nordoſtabhange zahlreiche ſtark bevölterte Dörfer, 
in denen die Leinweberei, als or betries 
ben, den fümmerlichen Erwerb der Bewohner bildet. 
— Bol. Lehmann, Neuer Führer dur das G, 
(Reihenbad i. Schlef. 1902). 

Eulen nach Uthen ** ſprichwörtliche 
Redensart u: etwas ganz ÜÜ ranen eginnen. 

m alten Athen war die Eule ein häufiger Vogel, 

ttribut der en Athena und Stadtwappen. 


apagei, ſ. Nachtpapagei und Tafel: 
Bapageien * 7. 
Eulenfhwalm, der Rieſenſchwalm (f. d. und 
gar = Kududsvögel I, Fia. 4). 
lenfpiegel ( —— Ulenſpegel), 
Till oder Tyll, der Held eines bis heute immer 
wieder gebrudten, auch viel, überſetzten deutſchen 
Vollsbuchs. Es erzählt in beinahe 100 Abenteuern 
E.s oft jehr ſchmuhige Späße, deren bezeichnende 
Spige meijt darin liegt, daß E., namentlich als 
Handwerler, bildliche Befehle wörtlih nimmt. Wahr: 
jheinlih gab es einen nieberbeutfhen E. von 
1483, nah dem das bochdeutfche Vollksbuch viel: 
von Th. Murner (f. d.) gearbeitet wurde. 
E. ſoll danach zu Kneitlingen in Braunſchweig ge 
boren und, nah Wanderungen durch Nordweſt⸗ 
deutſchland, Jtalien und Polen, 1350 zu Mölln in 
Lauenburg an der Beit gejtorben fein. Wirklich wird 
es einen burchtriebenen Handwerlsburſchen bes 
Spitznamens gegeben haben, um deſſen Streiche ſich 
verwandte Schmwänle aus allen md lichen Quellen, 
unter anderm vom Pfaffen Amis (f. Strider) und 
dem Pfaffen vom Kalenberg (f. Rablenberg) erzählte, 
anfegten. Der noch vorhandene Grabſtein E.3 in 
Mölln (mit Eule und Spiegel) ſtammt erſt aus dem 
17. Zabrb., önnte aber die Erneuerung eines ältern 


294 


fein. Den ey Drud des Volksbuchs (Straßb. 
1515) bat Knuſt nah dem Eremplar des Britifchen 
Mujeums (Halle 1885) neu herausgegeben, den 
—— von 1519 Lappenberg («Dr. Murners Ulen⸗ 
viegel», Lpz. 1854), mit wertvollen litterarhiſtor. 
Unterſuchungen; eine undatierte Kölner Ausgabe 
(um 1520—30) erjhien in phbotolitbogr. Nach⸗ 
bildung (Berl. 1865). Fiſchart (f. d.) bearbeitete 
den €, in Reimen. Simrod bat in feinen « Deut: 
yon Volls buchern⸗ (1878) auch den E. erneuert. Der 
dame €. liegt dem franz. Wort espiögle (Schall) 
und —— Schelmerei) zu Grunde. Mehrere 
moderne Dichtungen, in deren Titel der Name E. 
vortommt, Inüpfen zwar irgendwie an E.s Charalter 
oder Perſon an, find fonft aber ganz felbjtändig und 
fpielen, meijt tendenziös, in der Gegenwart, jo die 
von Tibabufhnigg, Adolf Böttger («Tıll E.», 
Lpz. 1850), 3. Wolff und Karl Schultes «llblen: 
fpegel I» (Erzäblung, Nena 1867). Dagegen wurde 
die alte Aneldotenſammlung ſchon fruh ins Czechiſche 
und Polniſche, Holländiſche, Engliſche (44 merge 
fest of a man that was called Howleglas: Mi- 
racleplay»), Dänifche, Franzöfifche (ſchon 1532), 
Stalienithe, Lateiniſche und a he über: 
tragen. Auc in der Litteratur mebrfad (4. B. von 
9. Sachs) verwertet, machte fie den bäuerlichen 
Schallsnarren zu einer viel berufenen Geftalt. Val. 
Brudentius van Duyſe, Etude litteraire sur Tiel 
’Espiögle (Gent 1858). — Das Ausland kennt 
— Geſellen, z. B. Italien Bertoldo 
roce); vgl. user, Murad Efjendi, Nafir eddin 

bobja, ein osmaniſcher E. (4. Aufl., Öldenb. 1890), 
und Die Schwänke des Naßr⸗ed⸗din und Buabem von 
Mebemed Tewfil (deutſch von Müllenvorfi, 1890; 
Univerjalbibliothel 2735). Der mittelhochdeutſche 
Martolf (j. Salman und Morolt) gebört auch bierber. 

Euler, Karl Philipp, Gymnaſial- und Turn: 
lebrer, geb. 8. Febr. 1828 zu Kirchenbollenbad im 
Reg.» Bez. Trier, ſtudierte feit 1848 in Bonn und 
Berlin ———— und Geſchichte und wurde 1854 
Lehrer in Schulpforta, 1860 Lehrer der Civil— 
abteilung an der Gentralturnanftalt in Berlin und 
war namentlich * Rothſteins Entlaſſung (1863) 
mit Erfolg bemübt, das deutſche Turnweſen daſelbſt 
einzuführen. 1872 wurde er zum Profeſſor und 
1892 zum Schulrat ernannt. Seit 1877 war €. 
Unterrichtsdirigent der königl. Turnlebrerbildungs: 
anftalt zu Berlin, wo er 15. Sept. 1901 jtarb, 
€, veröffentlichte: «Der Unterricht im Turnen» (in 
Dieſterwegs «Wegweiſer zur Bildung für deutfche 
Lebrer», 5. Aufl., Bd. 3, Efien 1877), «Die Ge: 
ſchichte des Turnunterrichtö» (in Kehrs «Geſchichte 
der Methodik des deutſchen Vollsfchulunterrichtö», 
2. Aufl., Bd. 5, Gotha 1891), — Ludw. Jahn» 
Stuttg. 1001), «Friedr. riefen» (2. Aufl., Wien 
1899), «Lehrbuch der Schwimmkunft» (mit Kluge, 
Berl. 1870), «Turngeräte und QTurneinricdtungen» 
(mit demfelben, ebd. 1872), «Kleines Lehrbuch der 
Schwimmlunſto (ebd. 1891), «Friedr. Ludw. Jahns 
Auffaſſung vom deutſchen Volklstum⸗ (ebd. 1892), 
Encyllopaͤd. Handbuch des geſamten Turnweſens⸗ 
tim Verein mit andern, 3 Bde., Wien 1893—96). 
Seit 1882 gab E. mit ©. Edler die aMonatsſchrift 
für das Turnmwefen» (Berlin) beraus. 

Euler, Leonh., Mathematiker, geb. 15. April 
1707 zu Bafel, erbielt von feinem Vater, Baul E., 
der feit 1708 Prediger zu Niechen war, den eriten 
Unterricht in ver Matbematif. re Univerfität 
zu Bafel genof er den Unterricht Job. Bernoullig 


Euler (Karl Philipp) — Euler (Leonh.) 


und war mit Dan. und Nil. Bernoulli befreundet. 
Durd die Bernoullis, die Katharina I. bei der Stif- 
tung der Petersburger Alademie berufen batte, 
wurde aud E. — nad Petersburg zu geben, 
wo er 1730 die Profeſſur der Phyſik erbielt, bie er 
1733, ald Daniel Bernoulli nad der Schweiz zu 
rüdtlebrte, mit einer Stelle bei der Alademie ver: 
taufchte. Seitdem arbeitete er mit großer Frucht⸗ 
barteit im Fache der — br als die 
Hälfte der mathem. Abhandlungen in ven 46 Duart: 
bänden, welche die Petersburger Alademie von 1727 
bis 1783 heraus gab, find von ihm, und bei jeinem 
Tode hinterließ er noch über 200 ungedrudte Abhand⸗ 
lungen, welche die Atademie nach und nach erjcheis 
nen Tief. ‚Von der Akademie der Wiſſenſchaften zu 
Bars, die ihn 1755 zu einem ihrer auswärtigen 
itglieder ernannte, wurbe ihm zehnmal ber Preis 
zuerfannt. Er folgte 1741 einem Rufe Friedrichs 
d. Gr. an die Akademie der Willenihaften zu Ber: 
lin alö Lehrer der mathem. Wiſſenſchaften, tebrte 
aber 1766 nad) Petersburg zurüd und ftarb dafelbft 
18. Sept. 1783 als Direktor der matbem. Klaſſe der 
Akademie, nachdem er bald nad feiner Rüdtebr 
en — völlig erblindet war. Sein Auf: 
enthalt zu Petersburg beftimmte ihn, die Matbe 
matif auch auf die uung und Lenkung ber 
Schiffe anzuwenden, und fo er, Ser feine «Theorie 
complete de la construction et de la manauvre 
des vaisseaux» (Petersb. er Die wichtigen 
—* en über das Weltſyſtem, welche Newton ſeinen 
achfolgern aufzulöfen binterlaffen batte, und 
byfit. Fragen waren Hauptgegenftand feiner 
is chungen. In feinen «Lettres & une princesse 
’Allemagne sur divers sujets de physique et 
de philosophie» (3 Bbe., Betersb. 1768— 72; neue 
Ausg. von — 2 Bde. Bar. 1812; deutſch von 
Kried, 3 Bde., Lpz. 1792—94; mit Bufägen von 
Müller, a er ® — — — — 
von populärer Darſtellung wiſſenſchaftli en⸗ 
ſtande gegeben. Unter Bas leide matbem. 
Schriften find zu nennen: «Theoria motuum plane- 
tarum et cometarum» (Berl. 1744; deutfch von Ba: 
caſſi, Wien 1781), «Introductio in analysin infini- 
torum» (2 Bbde., Yaufanne 1748; deutſch von Michel⸗ 
en, 8 Bbe., Berl. 1788— 91; neue Aufl. 1836), die 
r E.8 Hauptwerf geltenden «Institutiones calculi 
differentialis» (Petersb. 1755; neue Aufl., 2 Boe., 
ebd. 1804; deutich von Micheljen, 3 Bde. und Supple⸗ 
ment, Berl. 1790—98, und von Majer, ebd. 1885), 
«Mechanica sivemotusscientiaanalyticeexposita» 
4 Bde., Petersb. 1736; deutſch bearbeitet von 
olfers, 3 Bde. in 4 Abteil., Greifsw. —— 
«Institutiones calculi in ( Petersb. 
1768— 9, 3. Aufl. 1824—45; deutſch von Salo⸗ 
mon, 4 Bde, Wien 1828 — 30), die «Anleitung 
ur Algebra» (2 Vde., Vetersb. 1770; neu bg. in 
eclams «liniverfalbibliothel»), die «Dioptrica » 
(8 Bve., Peiersb. 1769—71) und die «Opuscnla 
analytica» (2 Bde., ebd. 1783—85). E.ö «Cor- 
respondance» gab ®. 9. Fuß heraus (2 Bpe., ebd. 
1843), derj. mit N. Fuß eine Sammlung der «Com- 
mentationes arithmeticae» (2 Bde., ebd. 1849). — 
Bol. Di Eloge de M. L&onard E. (Petersb. 1783; 
deuti af. 1786); Rudio, Leonhard E. (in den 
«Dffentlihen Vorträgen», Baf. 1884); Sagen, Index 
operum Leonardi Euleri (Berl. 1896). Sein Sobn 
Johann Albert E., geb. 8. Dez. 1784 zu Peters: 
burg, geſt. 18. Sept. 1800, war bafelbit ald Pro 
fefior und Aufjeber der Militäratademie tbätig und 


Eulogie — Eumolpus 


det ſih ala Aſtronom, Mathematiter und Phy— 
her delannt gemacht. 
Enlögie (ar .), eigentlich jhöne, wohlllingende 
Kete. In der Liturgie bezeichnet E. ſowohl den 
Stgenäipruh, mit dem ein Geiftliher ordiniert 
wird, ald denjenigen, den der Presbyter oder Biſchof 
den volle erteilt. Bei ber eier des Abenbmahle 
ng €. urjprünglih nad 1 For. 10, ıs und 
Ratth. 26, 26, 27 die Segensſprüche, durch welche 
Brot und Wein geweibt wurden; aber bald ging 
der Name auf dieſe geweibten Elemente jelbjt über. 
Später bezeichnete man damit das zum Opfer dar: 
gebrachte Brot, von dem die Hoftie genommen war 
und deſſen nicht lonſekrierter Teil am Schluß der 
Mefie unter die Anmwejenden verteilt (jo noch jest 
als pain beni in Frankreich), oder Abweſenden, wie 
Kranken und Gefangenen, überbradt, oder auch 
* Zeichen der Glaubensgemeinſchaft an Ange: 
örige fremder Parochien verſchickt wurde. 
ae nannte m Erbmann ein dünnplatti« 
ges Geltein, das bei Utterwil und Strömäbult un: 
meit Zunaberg in Schweden linfenförmige Einlage: 
rungen im Gneis bildet; es beiteht fajt zur Hälfte 
aus einer an Eiſen⸗ und yery eig ſehr reihen 
magnefiaarmen VBarietät des Olivins, dievon Salz: 
jäure unter Abjheidung gelatinöfer Kiefelfäure ſehr 
leicht zerjeßt wird (baber der Name); zur andern 
Hälfte führt es grünlihen Augit und bräunlich⸗ 
roten Granat mit Apatit und Magnetit, während 
Hornblende und Arjenties nur lofal vorhanden 
Eulytin, j. Kiejelmismuterz. ind, 
Eumaios (lat. Eumäus), der «edle Saubirt» 
der Odyſſee, ein Sohn des Ktefios, Königs von 
Spros, lam als Knabe durd Kauf in das väter: 
lihe Haus des Odyſſeus. Er blieb feinem Herrn 
wäbrend deſſen Abwejenbeit treu, nahm ihn bei 
feiner Rüdtebr bei fi nn leiftete ihm dann 
a Freier gute Dienite. , 

‚ein Grieche aus Karbia im Thrazi: 
ſchen Cherſoneſos, geb. um 363 v. Chr., wurde, noch 
Fri 20 alt, von Philipp von Macedonien zum 

eimſchreibet ernannt und genoß ebenſo ſehr das 
Vertrauen —** als Alexanders des Großen. 
Rach deſſen Tode ſehzte der Reichsverweſer Perdiklas 
322 den E. mit Waffengewalt in die diefem bei der 
—— Provinzen zugefallene Statthalter: 
ſchaft von Kappabocien tnihto er in das ihm gleich 
falls zugejagte Paphlagonien) ein. €. fiegte über 
Rraterus, als diefer mit Antipater gegen Perdillas 
j0g, 321 in einer Schlacht, in der Kraterus jelbit und 
jein Berbündeter, Neoptolemus, Satrap von Arme: 
nien, fielen. Antigonus, dem nach deö Perdillas Er⸗ 
mordung Antipater den Krieg gegen €. aufgetragen 
batte, wußte den größten Teil der macebon. Sol: 
daten (320) dem Griechen abtrünnig zu maden, 
blug aud den E., vermochte aber die Bergfeſte 
tora in Kataonien, in ber E. fidh über ein Tahr 
bielt, nicht zu erobern. Nach Antipaters Tod 319 
entlam €. aus Nora, war fiegreid in Eilicien und 
Bbönizien und wurde von dem Reichsverweſer 
Bolyiperbon zum Strategen in Afien ernannt, 
317 zog Antigonus jelbit gegen €., der fih nad 
Sufiana, dann nad dem nördl. Perfis wandte, 
Hier wurde er von feinen macebon. Soldaten 316 
dem Feinde een und von biejem ee 


Biographien des E. find überliefert von Plutarch 
und Cornelius Repo2. 

Eumines IL, Herriher von Pergamon, der 
älteite Sohn und feit 197 v. Chr. der Nachfolger des 


295 


Königs Attalus L., war wie fein Vater den Römern 
ergeben und unterjtüßte fie 195 im Kriege gegen den 
lacedämoniſchen Tyrannen Nabis ſowie gegen den 
Ütolifchen und. Zum Dankfürdie Hilfe, die erihnen 
im Kriege gegen Antiochus d. Gr. von Syrien geliefert 
hatte, erhielt er von * nad dem Siege 188 v. Chr. 
den Thrazifchen Eherjones und einen großen Teil des 
weſtl. Kleinafien; auch die Streitigleiten, in die er 
mit Prufias von Bithynien und mit Pharnaces von 
Pontus ſowie mit den Thraziern geriet, die über 
feine Bebrüdungen 172 vergeblih in Rom, Be: 
Komerne führten, wurden durch die Römer zu feinem 

orteil entſchieden. Später änderte ſich Roms 
En gegen ibn; eö hieß, daß in dem Kriege gegen 

tieus von Macedonien, zu dem er vornehm x 
durch feine Klagen den Römern erwunſchten Anla 
gegeben, feine Treue ſich ſchwankend gezeigt hätte, 
und Rom begünftigte nunmehr die afiat. Kelten 
(Galater), mit denen er in Krieg geraten war, indem 
es fie für unabhängig erllärte, Rom ſuchte aud, 
wiewohl vergeblich, feinen Bruder Attalus gegen 
ihn aufzumiegeln. Bevor es zum offenen Bruce 
fam, ftarb E. 159 0. Chr. Die pergameniſche Biblio: 
thek, die fein Vater * hatte, vermehrte E. 
anſehnlich; den großen Altar zu Pergamon mit dem 
Gigantenfries vollendete er und zeichnete ſich über: 
haupt als Freund der Wiſſenſchaften und Bildung 

Eumeniden, ſ. Erinnyen. [aus, 

Eumeninae, |. Faltenweſpen. 

Eumenius, röm. Rhetor, geb. um 255 n. Chr. 
in Auguftodunum (Autun), zeichnet fi in den ihm 
beigelegten vier Reden (wovon neuerdings drei ans 
gezweifelt worden find) durch männliche Haltung 
und PBatriotiömus aus. Die Reden finden fi in 
den «Panegyrici Latini XII» von Bährens ( > 
1874). — Bol. Kilian, Der Banegyrift E. (Würzb. 
< ; Brandt, E. von Auguſtodunum und bie em 
nuge riebenen Reden — i. Br. 1882). 

umẽtrie (grch.) Ebenmaß; eumẽtriſ 

Eumolpiden, ſ. Eumolpos. mäßig. 

Eumolpo8 (d. b. der jhön Singende), Sohn 
des Pojeidon und der Ehione, wurde von feiner 
Mutter, die den Zorn ihres Vaters fürchtete, ins 
Meer geworfen, aber von Poſeidon gerettet und 
nad Üthiopien zu Benthefilgme gebracht, die den 
Knaben aufzog. Später erhielt er ihre Tochter Ta 

au; als er aber auch nad deren Schweiter Ber: 
angen trug, wurde er vertrieben, gelangte nad 
Thrazien und dann nach Eleufis. Hier lebte er als 
Hirte und war einer von denen, welche Demeter die 
Mofterien lehrte, und übte fie zuerft aus. Er war der 
Heros, von dem das Ge lecht der gene a 
in Athen, welhem ber Hierophant bei den Myſte— 
rien in Eleufis (f. d.) angehören mußte, abjtammen 
ollte. — E. ift auch Anführer in einem Kriege gegen 

then ; nach einigen als Fürſt der Eleufinier, nad 
andern als thraziſcher König, vereinen Einfall in At⸗ 
tila machte, weil er ald Sobn des Poſeidon Anſpruch 
auf das attiſche Land erhob, nachdem fein Vater 
im Streite mit Athene um dasjelbe unterlegen war. 
Nach einer dritten vermittelnden Meinung war €. 
von den Eleufiniern zu Hilfe gerufen. (S. Erechtheus.) 

Eumolpus, Gattung ver Blattkäfer (f. d.), mit 
didem, ziemlih plumpem Körper, großem, nad 
unten überhängendem ya und dünnen fabens 
—— Fühlern von mehr als halber Körpers 
änge. Im tropiſchen Südamerila giebt e3 ſtattliche 
Arten von lebhaften Metallglanze; in Deutſchland 
tommen nur zwei Heine, unjdeinbare vor, deren 


‚eben: 


296 


eine (E. vitis Fabr., der Weinftod-Fallläfer) 

etwas über 4 mm lang und von fchwarzer Farbe 

u und unter Umftänden den jungen Trieben ber 
einftöde jehr ſchädlich wird. 

Eumörphie (grch.), Woblgeftalt. 

Eunapius, griech. Geſchichtſchreiber aus Sar- 
des, lebte um 400 n. Ehr. Am befannteiten ift er 
durch feine aLebensbeſchreibungen von Philoſophen 
und Sophiften», eine Hauptquelle für die G Te 
der fpätern Sophiſtik, bg. von Boifjonade (2. Aufl. 
in «Philostratorum opera», Par. 1849). 

Euneotes murinus, Schlange, |. Analonda. 

Eunto8,SohndesJajon und derHypfipyle(1.d.). 

Eunioldae, Kiefermürmer, Familie der po: 
lychäten Boritenwürmer (f. d.), langgeitredt, mit 
jzahlreihen, kurzen Segmenten, im Sclundfopf 
mit fompliziertem, aus Ober: und Unterliefer be 
Bepenbem auapparat. Sie befisen meijt 2 Augen. 

iezablreigen (über250) Arten find meijt rötlich mit 
Metalliciller, mande haben rotes Blut, einzelne 
werben über 1m lang. Es find freilebende, teils 
aber auch im Sande fi einbobrende oder aud 
Sandhülſen bauende Raubmwürmer, die, befonders 
in wärmern Meeren, in untiefem Waſſer haufen. 

Eumile, der 185. Planetoid. 

Eunomia (d. i. er eine der Horen 
(f.d.); auch der Name des 15. Planetoiden. 

Eunomius, das Hauptderftrengen Nrianer(f.d.) 
oder Anomöer, die nah ibm auch Eunomianer 

enannt werden, geboren in Dalora in der Provinz 

appabocien, war Schüler und —— — 
des Aetius zu Alexandria, warb um 360 Biſchof 
von Cyzikus, aber bald ald Arianer abgefeht. 
Kaiſer Theodofius verbannte ihn 883 nach Cäfarea 
in Rappadocien und fpäter nad) Dakora, wo er nad 
392 ftarb. Von feinen Schriften ift wenig erhalten. 

Eunüchen (grch. «Bettbüter»), im allgemeinen 
gleichbedeutend mit Raitraten (j. Raftration), bejons 
ders Bezeichnung für die Verſchnittenen, denen im 
Drient die Obhut über die Harems anvertraut ift. Die 
Sitte, E. ald Frauenwächter zu balten, ift eine Folge 
ber Bielweiberei; fie wird daher cn im Orient 
und in Nordafrika angetroffen. In Ländern, we 
Monogamie Sitte ift, fam fie nur vor, wenn afiat. 
Wollüſte und Sitten eindrangen, wie 3. B. in der 

eit der röm, und byzant. Kaiſer. Die Sitte der 

ntmannung zu dem Ywed, Haremswächter zu ge: 
innen, iſt jebr alt. Syrien und flleinafien waren 
in biefer Beziebung befonders berühmt. In Griechen: 
land gewann die Sitte, E. zu balten, weniger Aus: 
breitung, weil — Vielweiberei dafelbit nicht 
beimifh war. Von den jpätern Nömern wurden 
E. zwar gehalten, doc nalen um 
* u gewinnen, war bei ihnen nicht gebräuch⸗ 
ih. Bon den Ehriften der erjten Zeit wurde nicht 
Kr die Selbitentmannung vorgenommen, um 
leichter das Himmelreid zu erwerben. Später ward 
in der Kirche die Selbitwerftümmelung entſchieden 
verdammt. Die größte Rolle fpielten die E. im 
Byzantiniihen Reihe. Am oftröm. Hofe pflegten 
fie namentlih die hohe und einflußreihe Stelle 
eines «Borgejebten des heiligen Schlafgemache» zu 
belleiden und waren häufig die Günitlinge der 
Raifer und Großen. Gegenwärtig herrſcht die Sitte, 
€. zu halten und zu machen, vorzüglich noch unter 
den — Vollern, denen das Geſetz die Poly⸗ 
gamie förmlich geſtattet. Man findet bei ihnen 
—— E., weiße, denen bloß die Hoden, und 
chwarze, denen alle Geſchlechtsteile genommen ſind. 


Eumorphie — Eupatorium 


Letztere bezieht man als Sklaven aus Afrika; ibr 
Oberhaupt am türf. Hofe ift der Kyzlar Agaſſy (ſ. d.. 

Eunus, ein aus Apamea in Syrien ftammenbder 
und nad Enna in Sicilien verfaufter Slave, wurde 
in dem eriten großen ficil, Stlaventriege im 2. Yabrb. 
v. Ehr. unter dem Titel eines Königs Antiochus 
Haupt der vielen Taujende von Stlaven, die rau: 
bend und morbend durch Sicilien zogen. Die 
Stlaven beheaten vier röm. Prätoren und batten 
Sicilien jahrelang in ihrer Gewalt. Die Römer 
mußten zulegt drei Jahre hintereinander (134—132 
v. Ebr.) Konſuln mit konſulariſchen Heeren nach ber 
ziel jbiden, bis endlih mit der Eroberung von 

auromenium und Enna der Aufitand niederae: 
worfenwar. E. ward gefangengenommen, jtarb.aber, 
noch ebe er im Triumpb aufgeführt werden konnte, 
in Sicilien. — Val. Siefert, Die Stlaventriege. Ein 
Beitrag zur Geichichte icilieng (Altona 1860); Bü: 
ber, Die Aufftände der unfreien Arbeiter 143—129 
v. Ehr. (Frantf. a.M. 1874). 

Euo us, Pflanzengattung, j. Evonymus. 

Eupatör (grch., d. b. von einem guten oder 
edlen Bater jtammend), Beiname mebrerer ſyriſcher, 
Brise und bosporanifcher Könige, bejonders 

ntiohus’ V. und Mithrivates’ VI. 

Eupatoria, rufj. Jewpatorija. 1) Kreis im 
ruf. Gouvernement Taurien, im norbmweftl. Teile 
der Halbinjel Krim, ein wafjerarmes Steppenland 
mit Salzfeen und fumpfigen Hüften, bat 5904,» 
qkm, (1897) 62441 €. (meift Tataren), Schafzudt 
und Salzgewinnung — 8 Mill. Bud). — 2) E. 
im Volksmunde Rojlom, Kreisſtadt im Kreis E., 
67 km nordweſtlich von Simferopol, nördlich an 
der Bucht Kalamita auf der Weſtküſte der Krim, 
bat (1897) 17915 E., meiſt Tataren und karai— 
miſche Juden, je 1 rufl., armeniihe und röm.: 
kath. Kirde, 3 Synagogen, 16 Moſcheen; Ger: 
berei, Seifenfiederei, Handel mit Getreide, Wolle, 
Häuten und Salz. Dampfſchiffahrtsverbindung be: 
ſteht mit Odeſſa und —— — Zu Ende des 
15. Jahrh. beſtand an der Stelle Es eine türf. 
Geltung und Stadt Gößlewe. Sie lam 1783 an 

ußland und erbielt zur Erinnerung an das alte, 
von Mithridates VI. Eupator gegründete Gupato: 
reion ihren jekigen Namen. Im Orientkrieg bildete 
E., mit einer Beſahung von 21000 Turken, einen 
—** Stüspunft der gegen Rußland verbün: 
deten Mächte; fie fchifiten bier 14. bis 18. Sept. 
1854 ihre Truppen aus und räumten den Ort erit 
nad dem ‘Barifer Frieden. Ein Angriff, den Fürit 
Menihitow 17. Febr. 1855 auf die Stadt unter: 
nabm, ſchlug febl. 

patorium L., Pflanzengattung aus der 

amilie der tompofiten (f.d.). Man kennt über 400 

rten,biein den ———— und warmen Gegenden 
der Alten und Neuen Welt eine weite Verbreitu 
befigen, zum weitaus größten Teile jedoch der ameri 
Flora angehören. Es find frautartige Gewächſe 
oder Sträucher mit verſchieden —— Blättern 
und lebhaft gefärbten Blütentöpfchen, die in um: 
fangreichen riſpen⸗ oder —— Blüten: 
ftänden vereinigt find. In Deutichland findet ſich 
nur eine einzige Art, der jog. Wajferbojten oder 
Waſſerhanf, E. cannabinum ZL., deſſen Blätter 
früber offizinell waren und nod jest ald Haus: 
mittel gegen Wunden, Geihmwülfte u. dgl. ange 
wendet werden; bie zu befigen ziemlich feite 
Holen, die wie Hanf gebraucht werden können. 

ebrere ameril. Arten And als Zierpflanzen eins 


Eupatriden — Euphorbia 


geführt worden. Es find ftattlihe, große Büſche 
bildende, ausdauernde Pflanzen, welche für die 
Ausftattung der Nabatten des Blumengartens die 
beiten Dienjte leisten, da fie ſehr mwetterbejtändig 
find und ng: blüben. Die interefjantejten diejer 
Arten find: E. purpureum L. mit weinrotpurpur: 
nen, E. aromaticum L. mit weißen, jebr wohl: 
riebenden und daber für Bouquetö verwendbaren 
Blumen. E. Weinmannianum Rgl. et Körn. und 
ageratoides L. find Sträucher und Halbfträucher 
Südamerilad, mit weißen Blumen, welde im Spät: 
berbit und Vorwinter blüben und in Töpfen im 
Kaltbaufe oder in fühlen Wohnräumen unterhalten 
ju werden verdienen. 

Eupatriden (arh.), im alten Athen der grund: 
beigende Adel, die ritterlihen Cigentümer der 
eropen Güter, im Gegenjaß zu den Geomoren, 
der Maſſe der mittlern und Heinern —— 
der bäuerlihen Bevölterung. Durch Solon verloren 
die E. ihre verfaſſungsmäßigen Vorrechte, behaup: 
teten aber infolge ihres Reihtums bis in des Berifles 
Zeit einen bedeutenden Einfluß im Staate. 

Eupen. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. Nahen, 
bat 175,91 qkm und (1900) 26 083, (1905) 25414 E., 
1 Stadt und 8 Landgemeinden. — 2) E., franz. 
Neaux (jpr. nob), Kreisſtadt 
im Kreis E,, dicht an der belg. 
Grenze, 15 km im SW. von 
Nahen, am Zujammenfluß 
der Hill und te in 256 m 
Höbe, in einem ſchönen Thal 
am Fuße des Hohen Venn, 
an ber Nebenlinie Herbesthal: 
Raeren der Preuß. Staatsbah⸗ 
nen und der Kleinbahn E.⸗ 
Dolbain in Belgien (10km), Sitz des Landratd: 
amtes, einer Bürgermeijterei, eines Amtsgerichts 
Landgericht Nahen), Kataſter⸗ und Nebenzollamtes, 
einer Reichsbanknebenſtelle und Handelstammer für 
den ſreis E., bat (1900) 14297 E,, darunter 423 
Evangelifche, (1905) 13600 E., Boftamt erjter Klaſſe, 
Zelegrapb, 8 kath. und 1 evang. Kirche, je 1 Klojter 
der Franzistanerinnen und Rekollektinnen, Progym: 
naſium, 2 höhere Mädchenſchulen, Gewerbeſchule, 
Baiſenbaus, Verſorgungsanſtalt, Krankenhaus, 
Vrivatirtenanſtalt, landwirtſchaftlichen Verein, Gas⸗ 
anftalt, Waſſerwerl; Kammgarn: und Streichgarn⸗ 
Ipinnereien, Karbonifieranitalten, Eifengiehereien, 
därbereien, Waltereien, Gerbereien, bedeutende Fa: 
britation von Maſchinen, Zub, Buckſkin, Kaſimir, 
Handſchuhen, Trilot, Seife, Lichten, Salmiat eiſt, 
Leim und Leder, Kragen, Filz, Riemen und Holz: 
cement, ferner Dampf: und Waflermahlmüblen, 
darbholzmahlmuhle, Kall: und Ziegelbrennereien 
und mebrere Brauereien. Viehzucht, Butter: und 
Kälebereitung und Viehmärlte find bedeutend. — 
Val. Rutſch, E. und Umgegend (Eupen 1879). 

Eupepfie (grch.), gute Verdauung; eupeptijch, 
kiht verdauend oder verdaulid. 

hausiidae, Familie der Spaltfüßer (j. d.), 
ven geringer Größe, pelagijch lebend und mit Leucht⸗ 
organen an den Seiten des Körpers. — Bol. G. O. 
Cars, On the propagation and early development 
of E. (Rriftianıa 1898). 

Euphöma, der Grasfittic (ſ. Orasfittiche und 
Battibweiffittiche) ; E. pulchella Shaw, ver Schön: 
Ktih, |. Tafel: Bapageien II, fig. 4. 

Euphemismus (arc.), die Umſchreibung einer 
anftöhigen oder unangenehmen Sadye durch mildere 





297 


oder beſchönigende Worte. So bezeichnen die Alten 
3. B. den Begriff des Sterbens durch eine Menge 
Euphemismen (3. B. si quid acciderit), wie es auch 
im Deutfchen geihieht, wenn man dafür jagt: zu 
feinen Bätern verfammelt werden, entſchlafen, fchei: 
den, vollenden; euphemiſtiſch, beſchönigend. 

Euphemiten, j. Maijalianer. j 

id ön (Gupbonion, Eupbonium), mw 
ſikaliſches Inſtrument aus Glasröhren, 1790 von 
Ehladni (f. d.) nden. E3 werben dabei abge 
probte gläjerne Röhren, wie die er timmten 
Gloden der Glasbarmonila und in ziemlich gleicher 
Wirkung, mit nafjen Fingern zum Tönen gebradt. 
Ein dem Chladnithen äbnliches Inftrument baute 
Ehr. Friedr. Quandt in Jena; er erjebte die Glas: 
röhren durch 12—13 cm breite Glasſtreifen, welche 
angejtrichen damit verbundene Glasgabeln zum Er: 
zittern und Tönen brachten. Dieſes Inſtrument, 
das nicht zu allgemeinerer Verwendung kam, batte 
den Umfang G—d?. Militärlapellen beikt E. 
oder Baritonhorn (j. Bariton) ein Blechblas: 
inftrument. 

Euphönie (grch.), Wohlklang, Wohllaut; 
euphoniſche Budjtaben nannte man früber 
diejenigen Laute, von denen man meinte, daß ſie 
bloß des Wohlklangs wegen in ein Wort einge: 
ſchoben jeien — eine jet veraltete Anſicht. Der 
Gegenjas ift Kalophonıe (f. d.). 

Euphoninae, linterfamilie der Sperlings: 
vögel, f. Organijten. 

uphonion (Cupbonium), |. Eupbon. 

Euphorbia L., Wolfsmilch, Pilanzengat: 
tung aus der Familie der Eupborbiaceen (j.d.). Man 
fennt über 600 Arten, die größtenteild in den ge: 
mäßigten Zonen, weniger häufig innerhalb ver 
Tropen vorlommen. Es jind Gewächſe von febr 
verjchiedenem Habitus mit eigentümlih gebauten 
Blüten, Das Gebilde, welches man meijt ald Blüte 
bezeichnet, iſt eigents 
lih ein Blütenftand, 
in welchem männlide 
und weibliche Blüten 
vereinigt find, aber 
beide nur aus Staub: 
gefäben be}. 3— 

noten mit Griffel be— 
ſtehen. Dieſer Blüten: | 
ſtand, das jo: Evar;, ‚\F 
tbium (j. beiſtehende 
Figur und Tafel: 

iftpflanzen I, 

Fig. 4a), ift in der Negel von einigen verfchieden 
gefärbten Hüllblätthen und Drüjen umgeben und 
enthält drei bis zahlreiche nadte männliche Blüten, 
in deren Mitte auf einem mehr oder weniger langen 
Stiele die aus einem dreifächerigen Fruchtknoten mit 
drei Griffeln beftebende weibliche Blüte ſich erbebt. 
Alle Arten diefer Gattung enthalten reichlich Milch— 
faft, der bei Berlegungen oft in großen Mengen aus: 
fließt und dann zu einer barzigen Maſſe eintrod: 
net. Sowohl der am Saft wie der eingetrod: 
nete haben ägende Eigenſchaften und bewirten beim 
Genuſſe jtartes Purgieren und Erbreden. 

Die in Deutihland einbeimiihen Arten find 
ſämtlich frautartige Gewächſe. Bon einigen, wie 
E. cyparissias L., esula L., wird der Milchſaft 
zum Wegätzen der Warzen benußt; beide jind ges 
meine Unfräuter. Von andern, wie E. lathyris L, 
dienen die Samen als Burgierlörner (j. Croton). 





298 


Ein häufiges Aderuntraut ift E, helioscopia L. 
(j. Tafel: Siftpflanzen I, sig. 4). Bon ven ero: 
tifchen Arten ift zu ermäbnen die im nordweſtl. Afrika 
vorlommende, einem Säulentaltus ganz ähnliche, 
blattlofe, vidfleiihige, fantige und ftachlige E. offi- 
cinarum L. (E. resinifera Berg, |. Tafel: Tri 
coccen, ig. 1), von mwelder der ——— 
Milhiaft ald Euphorbium (f. d.) offizinell ift. Von 
äbnlibem Habitus find E. canariensis L. (Cana= 
riſche Infeln), E. antiquorum L. (Oftindien) und 
eine Reibe afrik. Arten (teilweife jog. Randelaber: 
eupborbien). Kurze, dide Stämme mit fopfig am 
Scheitel ftehenden hängenden Üſten bildet das De: 
dufenbaupt, E.caput Medusae L. (f. Tafel: Tri: 
coccen, Fig. 2), aus dem ſudl. Afrifa. Mehrere 
ad Arten, ferner die mit fleiſchigen Blattihöpfen 
verjebene E. neriifolia L. eye und die aus 
einem Gewirr cylindrifcher, faſt blattlofer grüner 
Ameige beſtehende, urfprünglich wohl afrif.,jegt auch 
in Sübafien verbreitete E. tirucalli L. dienen als 
wirtungsvolle Einfriedigungen. Andere Arten wer: 
den zur Bereitung von Pieilgift (f. d.) verwendet. 
Durch —— gefärbte Blütenhüllblätter befien 
ein gewifles blumtftifches Intereſſe vorzugsweiſe E. 
fulgens Karw. (Merilo), mit oben brennend ſchar⸗ 
lachroten, unten dottergelben Blütenbüllen, und E. 
splendens Bojer, von Madagaskar, mit länglichen, 
nad unten verfchmälerten Blättern mit fcharladhs 
innoberroten Blütenbüllen. Diefe Art blüht im 
Sm jabr, die erftgenannte den ganzen Winter hin: 
durch. Ehenio f dn und fulturwürbig ift E. punicea 
Sw. mit leuchtend purpurroten Blütenhüllen. Der 
einzige Mißſtand bei diejen Gewächſen ift der un: 
angenehme, fparrige Wuchs, bei E. splendens 
aud bie jharfe Bewehrung des Stammes. Alle 
diefe Gewächfe gehören in das Warmhaus, können 
aber auch recht gut in Wobnzimmern unterhalten 
werben. Im Winter müfjen fie dit unter dem 
Glaſe ftehen und dürfen nur wenig Waſſer er: 
balten. Im Sommer fann man fie ins Freie auf 
ein jonnig gelegenes, bedachtes Geitell jtellen. Nach 
der Blüte 4 man die Zweige, um eine reichere 
Veräftelung beroorzurufen. Alle in Gewächshäu— 
fern lultivierten Eupborbien lafjen ſich leicht durch 
Stedlinge vermehren. — Einen ganz andern Wuchs 
aben die meift unter dem Namen Poinsettia be: 
annten, amerilanifchen, jest viel fultivierten E. 
pulcherrima Willd. mit blutroten und E. hetero- 
an 3er L. mit rofafarbenen Hodhblättern. 
upborbiaceen, Bflanzenfamilie aus der Orb: 
nung der Tricoccen (f. d.) mit gegen 3000 faft auf 
der ganzen Erde, zum größten Zeile aber in ben 
Tropen verbreiteten Arten. Es find Bäume, Sträu: 
cher und —— Pflanzen von ſehr vericieden: 
artigen Formen. Alle aubaltan reichlich kautſchuk—⸗ 
baltıgen Milchſaft faft in allen Zeilen. Die Blät- 
ter jtehen meijt abwechjelnd und find gesmis 
ungeteilt, felten bandförmig Ye ie Blüten 
find ein oder zweihäuſig. Meift befigen bie jehr 
— geſtaͤlteten Blüten eine kelchartige Blüten: 
hülle. Die Anzahl der Staubgefäße wechſelt ſehr, 
der Fruchtknoten iſt — — dreifächerig mit ent⸗ 
prechend gleicher, 9 zahl. Die Frucht iſt ge 
wohnlich eine dreilnopfige, Happig aufipringende 
Kapiel, die Samen tragen einen ſleiſchigen Wulſt. 
Viele E. find offizinell oder techniſch wichtige Ge: 
wächſe, z. B. Ricinus communis L., die Burgiernuß 
(Jatropha curcas L.), der Erotonölbaum (Croton 
tiglium L.), der Ca&carillrindenbaum (Croton Eleu- 


Euphorbiaceen — Euphorion 


theria Sw.), das Manihot (Manihot utilissima 
Pohl), der Ceara- und der PBarafautihulbaum 
(Manihot Glaziovii Müll. und Hevea brasiliensis 
Müll.), der Kamalabaum (Rottlera tinctoria Rorxb.), 
der Lichtnuß⸗ und ver Holzölbaum (Aleurites mo- 
luccana Willd. und cordata Müll.), der chineſ. Talg: 
baum (Stillingia sebifera Willd.), ver Bubsbaum 
(Buxus sempervirens L.) u.a. Auch einige ſehr 
giftige Pflanzen gehören hierher, wie der Manza⸗ 
nillabaum (f. Hippomane), verſchiedene Eupborbias 
Arten, Toxicodendron, Hura, Excoecaria u. a.; 
als Zierpflanzen dienen Arten von Euphorbia, Co- 
diaeum, Croton, Phyllanthus u. a. 

Euphorbium, der eingetrodnete Milchjaft der 
im Innern Maroflos bung Euphorbia resini- 
fera Berg. (f. Euphorbia). Durch Einfhnitte in die 
—— weige, die man im Spätſommer oder 

nfang des Herbſtes macht, fließt der Milchſaft aus 
und trodnet bald zu unregelmäßigen Körnern an, 
die von den —— eſammelt werden. E. 
bildet linſen und bohnengroße meiſt abgerundet drei⸗ 
edige, häufig durchlocherle und gemöhnlih Stacheln 
oder Fruchtchen der Stammpflanze einſchließende 
zerreiblihe Stüde von jhmusiggelbliher Farbe. 
Geruchlos und anfangs faum jhmedend, reizt es 
binterber ftarf, wie aud fein Staub beftiges Nieſen 
erregt und Hautentzündungen hervorruft. Beim 
Pulvern des Harzes ift daher mit großer Vorſicht 
zu verfahren. Das CE. beſteht aus einem Gemenge 
verſchiedener Harze, Gummi, apfelfauren Salzen 
und Kautſchuk. on den Harzen nennt man das 
eine Eupborbon; man erhält ed, wenn E. mit 
Petrolbenzin erihöpft wird; die Loſung binterläßt 
es nach dem Verdunften in unreinem Sultanbe. Um 
ed zu reinigen, wird der Nüdjtand in $ iber gelöit, 
die ätheriſche Loſung mit verbünntem Weingeiit 
verſetzt, wodurch fich gelbes Harz abſcheidet, während 
die Loſung nad dem Verbunften reines Eupborben 
(etwa 35 Proz.) giebt; es jchmilzt bei 67— 68° C. 
und ift leicht loslich in Allohol, Äther, Betroläther. 
Das E. ift offizinell, wird aber nur noch felten als 
Neizmittel äußerlich zu Salben und Pflaſtern, ipes 
ciell in der Zierheillunde gebraudt; früher wandte 
man e3 innerlich als draftiihes Abführmittel an. 

Euphorbön, |. Euphorbium. 

Euphorbos, in der Ilias einer der tapjerften 
der Trojaner. Er verwundete den von Apollon bes 
täubten Patrollos, den hernach Heltor tötete, und 
fiel dann ſelbſt beim Kampfe um den Leichnam bes 
Patroklos von der Hand des Menelaos. 

Euphörie (grch.), das leichte Ertragen von 
etwas; das gute Belommen einer Arznei oder 
Speife; auch das Wohlbefinden. 

Euphorine, Bhenyluretban, entitebt durch 
Einwirkung von &lortohlenfaurem Athyläther auf 
Anilin und ftellt ein weißes, ſchwach aromatiih 
riechendes, in Waſſer ſchwer, in Allobol leicht lös⸗ 
liches —— Pulver von ſchwachem gemürz 

ajtem Geihmade dar, das neuerdings als anti⸗ 
eptifches Mittel fowie als Heilmittel gegen Gelent- 
rheumatismus und Neuralgien empfoblen wird. 

Euphorion, der auf den Inſeln der Seligen 
geborene, geflügelte Sohn des Adilleus und ber 
Helena, wurde von Zeus durd einen Blitzſtrahl ge 
tötet. — —— giebt dieſen Namen im zweiten 
Zeil des —* t» dem von der Sage Juſtus Fauſt 
benannten Sohne des Fauſt und der Helena, 

Euphorion, grieb. Dichter aus Challis aut 
Euböa, geb. um 275 v. Ehr., bildete fi in Athen und 


Euphranor — Euphrat 


murde jpäter Bibliotbelar des Königs Antiohus 
d. &r., der 222 den Thron beitieg. Beſonders ver: 
jafte er Epen, in denen er in ber Weife der ge: 
lerten Dichtung ber —— * Zeit eine 
Rufe wenig belannter Mythen aufhäufte. Eigen— 
tumlich iſt ihm die Verwendung zahlreicher mundart⸗ 
liher Wörter. In der letzten deit ber Republit jo: 
wie in der erften röm. Kaiferzeit wurden in Nom 
feine Elegien vielfah nahgeabmt (befonders durch 
Gallus, 1.d.). — Über ihn giebt es eine Mono: 
grapbie von Meinele (Danzig 1823), neu bearbeitet 
ın deilen «Analecta Alexandrina» (Berl. 1843). 
Eupbränor, griech. Maler und Bildhauer, ge: 
bürtig vom lorinth. Iſthmus, Schüler des Ariſtides 
(j.d.), blühte um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. 
Berühmt war feine Statue des Paris. Auf dem 
Gebiete der Skulptur ſchloß er ſich der ſilyoniſchen 
Säule an und war wie in feinen theoretijchen 
Schriften, jo aud in feinen Kunſtwerlen auf Er: 
forihung und Darftellung der rihtigen Verhältnifie 
des menſchlichen Körpers bedacht. Auch über die 
arben verfaßte er eine Schrift. Er ſcheint in jeinen 
uren beſonders nah dem Ausprud des Groß: 
artigen, eg ejtrebt zu haben. 
f we; anzengattung aus der ja: 
milte der Scropbulariaceen \ d.) mit gegen 20, 
mit Ausnahme der Tropen, fait über die ganze Erde 
verbreiteten Arten. Es find Heine einjährige, felten 
ausdauernde Kräuter, die auf Brei raspläßen 
und Bergtriften wachen, gegen tänbige Blätter 
und äbrenförmig georbnete Blüten mit zweilippiger, 
elb⸗ und violettgefledter Blumentrone be- 
e verbreicetfte Art ift ver Augentroft 
E. offieinalis L., eine in vielen Varietäten au 
trodnen Wiejen u. f. w. wachſende und im Auguft 
und September blühende Pflanze. Ihre ſchwaäch—⸗ 
dalſamiſch riehenden Blätter waren als Herba 
Euphrasiae offizinell und galten für ein die Seh: 
traft der Augen ftärlendes Mittel. Die meiften 
Arten leben infofern jhmarogend, als ihre Wur— 
‚ein gewiſſe Näbrftoffe nit aus dem Boden, fon- 
dern aus Näbrpflanzen, in diefem Falle in der Re: 
F Graſern, entnehmen. — Bgl.R. von Wettſtein, 
onogtaphie der Gattung E. Cpz. 1896). 
Euphräfie (grch.), Frohſinn, Heiterteit. 
rat (griech. und lat. Euphrätes; bebr. 
Brath; armeniſch und aramäifh Ephrät; arme 
niſch aud Aradzani;arab. rät oder yurät;ba- 
bolon.-afiyr. Burätu; altperj. Ufrätu, d. b. der 
ſehr breite), ver größte Strom Vorberafiens, bildetmit 
dem Tigris (j.d.) defien bedeutendſtes Stromfpftem. 
Er ebt innerhalb des armeniſchen Hodlandes 
aus zwei Duellflüfien von faft gleicher Wafjerfülle: 
dem fürzern weftlicyen, für welchen der Name E. auch 
im Abendlande um fo belannter geworben ift, als 
jabrhundertelang ein Zeil feines aufs die Oftgrenze 
des Römischen Reichs bildete (jet neben dem arab. 
Namen Frät türkifh gewöhnlih nur Kara⸗fu, 
—8 Schwarzwaſſer, genannt), und dem längern 
ihen, aus der Mitte Armeniend kommenden, 
dem (türl.) Murad:ju, der zuweilen mit dem: 
jelben jemit. (aramäifchen) Namen Epbrat, eigentlich 
aber mit dem echt armenijchen Aradzani (Arjanias) 
bezeichnet wird, welchen die Armenier au häufig 
auf den vereinigten Strom, felbjt des jemit. Un: 
terlandes, anwenden. Der erſtere hat feine Quelle 
37 km im NO. von Erzerum, die Duelle des legtern 
liegt im SW. von Diabdin, im N. des — am 
Ala⸗Dagh, in 2750 m Höhe. Der Kara⸗ſu flieht 


weißer, 
ſigen. 


299 


anfangs nah W., durchſtrömt die fruchtbare Ebene 
von Erzingjan und tritt dann in ein enges, bis 
Kemal reihendes Defild, wo er Hößbar wird. Dieje 
Schlucht fest m meiterhin mit 350—500 m hoben 
Steilwänden fort; dann folgt, nachdem der Fluß 
plöglic feine Rihtung nah SSO. genommen bat, 
das tiefe Thal von Egin, mit 1300 m hoben Fels⸗ 
wänben, welches jo eng it, dab man es überbrüdt 
bat. Südlicher folgt die Furt bei den Bleiminen 
von Keban: Maden, in 708 m Höhe, wo ſich der 
Sub nah einem Laufe von 444 km mit dem 
urad:fu vereinigt. Letzterer fließt zuerft im NW. 
des MWänfees und nimmt dann weftl. Richtung an; 
er bat bis Keban⸗Maden etwa 666 km Länge. 
‚Von der Vereinigung der beiden Duellflüffe an 
wird die Richtung eine im allgemeinen —— 
Der 108 m breite Strom fließt zuerſt nah SW. 
durh ein Längenthal; dann durchbricht er den 
Taurus: zwiſchen den wildeſten, 650 — 1000 m 
hoben — en durchſtromt er ein Erofionsthal, 
in welchem er auf etwa 60 km eine Reihe von Huns 
derten von Stromſchnellen und FKataralten zeigt, 
bis er bei Telet an einer Stelle, weldye Gleitajch 
oder Hirſchenſprung beißt, auf 20 m eingeengt ift. 
Ganz nahe bei Telek im N. liegen die Quellen des 
Zigris (Didſchleh oder Schatt). Bon Telet wendet 
er jih nah ©., fpäter nah SSW. und WEB, 
macht zwijchen den Orten Gerger und Samfat (Sas 
mojata) feine legten Waflerftürze, noch immer zwi⸗ 
hen fteilen, rötlihen Sandfteinwänden von 100 
is 130 m Höhe. Die Länge ded Stroms von 
Keban⸗Maden bis hierher ift 185 km, und von bier 
an wird er auf 190 km ſchiffbar. 
Mit dem Eintritt in die große Se Ebene bes 
innt der zweite Teil des Stromlaufs, welcher bis 
Bit reicht. Bei Rum⸗Kale wendet er fih nad ©.; 
bier und bei der gegenüber Biredidik gelegenen 
frequentierteften Furt in ganı Syrien näbert fid 
der E. dem Mittelmeere bis auf 215 km. Die 
tünftlich bewaͤſſerten Ufer befteben aus Gips, Sand⸗ 
Bes und Konglomeraten; dahinter ift die offene 
üfte im Frü Pr mit üppigem Grün bebedt. 
52 unterba irebfchit folgt nah Aufnahme 
bes rechts von Aintab kommenden Sadſchur (Sans 
gar der Ajiyrer) der Kalaat a — und 74km 
weiter Balıs. Der Strom mwindet jih nun 60 km 
weit, eine öftl. Richtung annehmend, bis Ralta 
(das antile Nikephorium) durch ein ſchönes, weides 
reiches Land. Oberhalb Nakta, bei Phunſah (Thap- 
sacus), ſtehen Reſte einer alten Brüde; hier hat der 
€. 225 m Breite und feine Ufer find mit Tamas 
risken —— bevedt. Bei Halebi⸗Dſchelebi (Jaba 
und a ber Araber) verengen die öden, aber 
nicht hohen Abuſchirberge den Stromlauf. Ober: 
alb von Deir erfcheinen die erften Gruppen von 
attelpalmen, von Limonen= und Orangenbäumen; 
ort fpaltet ji der Strom und umfließt flache Ins 
jeln. Der €. ftrömt weiter zwijhen hoben Hügeln 
in einem fteinigen Bette und bat hier im Sommer 
nur 1,45 m Tiefe. 45 kın unterhalb Deir mündet 
bei Abu:Serai (Circesium) von lints der Chabur; 
110 km weiter, bei Werdi, wirb der Lauf öſtlich 
und bat 860 m Breite und 5,5 m Tiefe. pn Krüms 
mungen fließt der E. 150 km weiter bis Anah 
(techts) und Rawa (lints), 26 Se umſchließend; 
bei der letzten durchſetzt ihn ein Felſenriff, welches 
das Haupthindernis in ſeinem Bette bis Basra bil⸗ 
bet. 1200 km vom Eintritt in die Ebene und 890 km 
von der Mündung liegt Hit. Der €. ergießt hier in 


300 Euphratbahn 


jeder Selunde 2065 cbm Wafjer. Bon da nehmen 
die Hügel an Höhe ab; nur etwas oberhalb Hilleh ift 
noch ein felfiger Strich, jonft findet fi bis zum 
Meere bin nicht ein Stein. Der Strom wird bei 
Hit tiefer und wilder und ähnelt der bulgar. Donau. 
Gegen Ende März beginnt mit der Regenzeit das 
Eteigen ded Stroms, der zwiſchen dem 21. und 
28. Mai feine größte Höhe erreiht. Während die: 
er ganzen Zeit follen die Dampfer für ihre Fahrt 
ein Hindernis — indes geſchieht das Be: 
fahren hauptſächlich nur mit Flößen, welche auf auf: 
geblajenen Hammelbälgen, jog. Kelels, liegen. Am 
niedrigften ift der Fluß im November und dann bietet 
er die halbe Strede zwiſchen Biredſchil und Basra 
(40 km) weit durd jene Felfen und Untiefen an 
39 Stellen Hindernifje für die Schiffahrt. Unter: 

Ib Hit find zu beiden Seiten zahlreiche Kanäle zur 

ewäfjerung der Felder abgezweigt. Im Altertum 
ging von bier aus auf der rechten Seite des €. 
ein großer Kanal bis zur Mündung bes Er 
ftet3 dem Laufe desſelben folgend; die Reſte find 
noch vorbanden. 

Der untere Teil des Fluffes, von Dimanieh bis 
Korna, bildet von jeher eine Reihe von ſchilfigen 
Lagunen, die Paludes Chaldaicae, el» Batiba der 
Araber, jest Lamlumfümpfe genannt. Der Strom 
ift bei Dimanieh 150, bei Lamlum, wo ſich ein Arm 
abzweigt, 110 m breit und meiſt 3,4 m tief; er 

römt 4,5 km in der Stunde bei Hochwafler. Nach 
iedervereinigung mit dem Lamlumarme bei el: 
Ebidr erreiht er wieder 180 m Breite; er um: 
m. neun Inſeln und bat bobe, mit Diebangel 
ededte Ufer. Bis dabin bilden die Pamlumjümpfe 
die Hauptfchwierigleit für die Beihiffung; das 
Klima ift peftilenzialifh, die Bewohner find wild 
und ungaftlib, aber es liegen auf Bodenhöben in 
den le die Reſte vieler alten Städte, offen: 
bar die frübeften Sige der Eivilifation: Erech (Uruf), 
jest Arla, und Ur der Ehaldäer, jegt Mugajir. Bei 
Korna (31° nörbl. Br.) endet der E. indem er aa 
mit dem Tigris zum Schatt el: Arab vereinigt. Der 
E. ernährt treffliche Fiſche; Holz, Steintohlen, 
Bitumen und nm nben 19 reichlich längs 
der Ufer. Die Gefamtlänge des E. beträgt 2775 km. 
Die Verſuche der Engländer, den E. mit Dampf: 
booten zu beſchiffen (1835—37), ſcheinen bargetban 
zu haben, daß der Blan, ibn zu einer Waſſerſtraße zwi⸗ 
ben Dftindien und dem Mittelmeere zu machen, in 
einer gegenwärtigen Beftalt illuſoriſch ift. (S. Karte: 
eftafien, beim Artilel Ajien.) — Bol. Ebes: 
nep, The expedition for the survey of the rivers 
Euphrates and Tigris (2 Bde., Lond. 1850); Sahau, 
Am E. und Tigris (Lpz. 1900). 

Euphratbahn. Im J. 1872 wurde von einem 
Ausſchuß in London zur möglichit ſchnellen Verbin: 
dung mit Indien eine E. (1400 km) von dem Hafen 
Sueidie (Seleucia) am Mittelmeer (Eppern gegen: 
über) über Antakie (Antiohia) und Haleb (Aleppo) 
nah Balis am Eupbrat geplant, die dem —— 
tbale folgend, bei Basra am Schatt el-Arab, der 
Schiffahrtsgrenze für — enden ſollte. Die 
Koſten waren auf 200 Mil. M. veranſchlagt; da: 
durch wäre die Reife von England nad) Indien mit 
einer einzurichtenden regelmäßigen Schiffsverbin— 
dung zwiſchen Basra und Rarantichi (an der Indus: 
mündung) in ungefähr 12 Tagen — worden. 
Der Plan wurde jedoch nicht ausgefübrt. 1884 er: 
langten ſyr. Kapitalijten die Genehmigung zum 
Bau einer Babn vom Hafen Iskanderun über 


— Euplectes 


Haleb nad Balis, von wo der Eupbrat nach Durch⸗ 
führung der Schifjbarmahung mit Flußdampfern 
— bis Biredſchil befahren werden ſollte. 
Allein auch dieſer Plan ſcheiterte. Erſt in neuerer 
Zeit ſchien der Gedanle einer E. feſtere Geſtalt an— 
zunehmen, als ſich die «Merſina⸗-Tarſus-Adana 
Railway Company» unter finanzieller Beihilfe ver: 
pflichtete, ihre 1884 eröffnete Bahn von Merfina 
am Mittelmeer nad Adana (67 km) vorläufig nad 
Maraſch (210 km) zu verlängern und fpäter die 
Reftitrede über Aintab nad Biredſchil am Eupbrat 
(190 km) zu bauen. Auch diejer dritte Blan kam 
nicht zur und: ebenio ift die bereit 1893 
der Syrifchen Eifenbahn-Gefellihajt genebmiate €. 
von Damaskus über Homs, Hamab und Haleb nad 
Biredſchil nicht gebaut worden, aud find die 1899 
von der Anatolijchen Eifenbabn-Gefellibaft unter: 
nommenen Verſuche zur Regelung der Damaskus: 
Biredihikfrage wieder geiceitert. In Biredſchil 
würde die E. Anſchluß an die der Anatolijchen 
Eijenbahn: Gefellfhaft durch einen Borvertrag mit 
der türt, Regierung bereits zugeſicherte Bagdadbahn 
erhalten (ſ. Osmaniſches Reich, Verkehrsweſen, und 
Karte: Weſtaſien I, beim Artitel Ajien). 

zumuten: eine der drei Ehariten (ſ. d.); 
auch Name des 31. Planetoiden. 

Euphuismus, ein nah John Lolys Roman 
«Euphues. The anatomy of wit» (1580) genannter, 
— antitheſenreicher, ſchwülſtiger Stil, der 
ich in der engl. Dichtung der Zeit Shalejpeares 
breit madıte, äbnlich dem Marinismus der Jtaliener, 
dem estilo culto oder Gongorismus der Spanier, 
dem style pr&cieux ber Franzoſen, der eleganten 
Schreibweiſe oder dem Schwulft der ſog. ‚weiten 
Schleſiſchen Dichterſchule u. a. gefünftelten Schreib: 
arten in der Litteratur des 16. und 17. Jahrh. — Val. 
3. Landmann, Der E., fein Wefen, feine Duelle, 
eine Geſchichte (1881); Child, John Lily and 
Euphuism (2p3. 1894). 

ion, flüffiges Baraffın, hochſiedendes De 
ftillationgproduft von Braunkohlen over Betroleum. 

Eupittön, Eupittonfäure, Pittalal, ein 
aus dem Buchenhbolzteer abgeſchiedener Farbitofi, 
der in Verbindung mit Altalien intenfiv blau ge 
färbte Salze giebt. Derfelbe ift fontbetiih aus 3b. 
rogallolmetbylätbern en und ald Hera: 
methoryaurin, C,, H, (OCH,), O,, erfannt worden. 
Praltiſche Verwendung bat er nie gefunden. 

Euplastioa (grch.), Mittel, welde die Ernäb- 
rung des Organismus oder einzelner Organe be: 
fördern, im Gegenjaß er Anti- oder Dysplastica, 
den Mitteln, die das Machstum oder die Umfangs: 
vermebrung bes Körpers oder einzelner Organe 
verbindern. 

Eupleotella aspergillum R. Owen, ber 
Venusblumentorb, j. Glasjbwämme nebit Tafel, 
Fig. 1, ſowie Eölenteraten nebit Taf. I, Fig. 3. 

Eupleotes, Feuerweber, eine Gattung der 
Mebervögel '. d.) mit mebrern Arten, darunter der 
Feuervog⸗ E. franciscanus Isert (j. Tafel: 
Meberpögel, Fig. 4); das Männden wird in der 
Brunftzeit feuerrot mit fammetartiger, fchmwarzer 
Befiederung des Oberlopfes, der Wangen, der Bruft 
und des Bauches und verlängerten Schwanzbded: 
edern. Außerhalb der Brunftzeit ift ed wie das 

eibhen einfach —— arben, wie die Federn 
der Schwingen und des Schwanzes immer bleiben. 
Der Vogel iſt ein 12 cm langer Bewohner Mittel: 
und Ditafritas. Ferner gebört zu dieſer Gattung 


Euplocomus — Eure 


nogaster Swains., Fig. 

‚Euplooömus en: Faſanhühner, 
eime artenreihe Gattung der Faſanen (ſ. d. ne 
Zum. 80. 3 u. 4, ſowie die Tafel: Geflügel, 


upnod (grch.), das leichte Atmen. 
lis, einer der brei Meifter der alten atti- 
iben Komödie, war ein etwas älterer Ha enoſſe 


der Vebervogel der auaneleenänngel (E. mela- 
). 


und eine Zeit lang auch Freund des Ariftophanes, 

bis dieſe Freundſchaft ſich ın das Gegenteil verkehrte. 

Er bradte jhon im 17. Jahre eine Komödie zur 

Aufführung, ftarb aber noch vor dem Ausgang des 
Veloponneſiſchen Krieges, wahrſcheinlich im yo 
Seine «Schmeidhler» waren gegen den reichen Kal: 
liad, der «Marilad» gegen Kleons Nachfolger 
Hyperbolus, «Die Täufer» gegen Alcibiades ge: 
richtet. Der Reichtum der Phantaſie, der treffende 
Epott und die Grazie, welche die Alten an ihm 
rübmen, läßt fi nad dem Verluſte aller von ihm 
gedichteten Schaufpiele nod in deren Brucftüden 
erlennen. Dieje find gejammelt von Meinete in 
beiten Ausgaben der « enta comicorum grae- 
corum» (5 Bde., Berl. 1839—57; 2 Bpe., ebd. 
1847) und von Kod in «Comicorum atticorum 
fragmenta», Bd. 1 (2p3. 1880). 

ompud, griech. Maler aus Silyon, be: 

gründete zu Anfang des 4. Jahrh. v. Ehr. eine 

neue Malerſchule, die ſilyoniſche, die neben der aſia⸗ 

tiſchen umd attiſchen (thebaniſch-attiſchen) blübte. 

Sein bedeutendſter Schüler war Pamphilus (ſ. d.). 
‚1. Bäripinner. 

Eupyrin, Banillinätbylcarbonatphenetidin,das 
mediziniih als ftimulierendes Antipyretitum ver: 
wendet wird. 

‚Eurafien, von denen, die Europa als jelbftän: 
digen Erdteil nicht anertennen, gebrauchte Benen: 
nung für Europa und Aſien ala Erbteil. 

er(eine a wer aus Europ:Afier) oder 
Halbtaften (engl. Half-casts), in Oftindien Ber 
rung der Ablömmlinge von Europäern und ind, 
Müttern. Ihre Zahl wird in Bengalen auf 20000, 
in ge indien auf mehr alö 100 000 geihäßt. 
Viele von ihnen erhalten eine europ. Erziehung und 
ſprechen das Engliſche lorrelt, wiemohlmiteigentüm: 
lichem Accent. Die Mädchen find troß ihrer dunllern 

Farbe meift |hön und woblgebaut. Die Söhne fin: 
den — als untere Beamte oder als Commis 
bei Kaufleuten Beſchäftigung. In untergeordneten 

Stellungen find fie im allgemeinen fehr brauchbar, 

—* unglei weniger geichidt für die Ausübung 

böberer jelbftändiger Amtögewalt. Obgleich dies 

felben in neuerer Zeit Zutritt zu den höchſten Kreis 
fen gefunden haben, werden fie von den Europäern 

im allgemeinen nicht fehr geihäßt. 

Eure (fpr. öbr), linter Nebenfluß der Seine im 
norweitl. Frankreich, entfteht im Depart. Orne, aus 
Zeiben im Walde von Longni, in 285 m Höhe, bes 
rübrt Ehartres, Nogent:le:Roi, Anet, Jory⸗la⸗ 
Bataille, Pach und Louvierd und mündet nad) 
einem Laufe von 226 km, nad Aufnahme der Vegre 
auf der rechten, der Blaije, Avre und des Iton auf 
der linlen Seite, unfern Pont⸗de⸗l'Arche oberbalb 
— Fluß iſt von der Stadt St. Georges 

ſchiffbar. 

Eure (ſpr. öbr), Departement im nördl. Frank⸗ 
reich (nach dem Fluſſe E. benannt; ſ. Karte: Nord: 
ditlibes Frankreich, beim Artikel Frankreich), be: 
ftebt aus Teilen der Öftl. Normandie mit den Land» 


bit | DO. an Dife und Seine:et:Dife, im 


301 


fhaften Due, Roumois, aus Teilen von Verde 
und Berin, grenzt im N. an den Mündungsbufen 
der Seine und das Depart. Seine: Anferieure, im 
. an Eureret: 
Loir, im W. an Orne und Calvados, bat 5958 
(nad Berechnung des Kriegsminiſteriums dagegen 
6037) qkm und (1901) 334 781 E., und zerfällt in die 
5 Arrondifjements Les Andelys, Bernay, Eoreur, 
Louvierd, Pont: Audemer, mit 36 Kantonen und 
700 Gemeinden. Hauptſtadt iſt Evreux (ſ. d.). Das 
Departement bildet eine fruchtbare, hier und davon 
einzelnen, bis 194 m boben Hügelgruppen und 
namentlih im Nordoſten von den malerijchen, fteis 
len und bewaldeten Uferrändern der Seine durch⸗ 
zogene Ebene. Alle Flüſſe deöfelben münden in 
dieſen gr nen rehts die Andelle und die 
ſüdwarts fließende Epte, lint3 die Eure (f. d.) 
und die Rille. Im allgemeinen ift die Ebene mit 
einer auf einer Unterlage von Kallſtein, Kreide, 
Feuerftein und Tuff rubenden, tiefen Schicht leh⸗ 
migen chtbodens bevedt. Längs der Seine 
ift das Land ftrichweife jandig, an mebrern Stellen 
einig und mwüft, im ganzen aber ſehr fruchtbar, 
ie Üder nehmen 63,8 Proz., der Wald 19 Proz., 
Wieſen und Weiden 6,7 Proz. und ———— 5A 
Proʒ. der Gefamtoberfläce ein. Der Ertrag der 
legtern, namentlich an Ülpfeln und Birnen, ilt ber 
deutend (1897 über 53,5 Mill. kg Upfel zur Eiders 
bereitung, im Durchſchnitt 1888—97 jährlich 
1052554 hl Eider). Die Weinberge an der Seine, 
E. und More gaben im Durchſchnitt (1888—97) 
8102, 1898 aber nur 2974 hl Wein. 1897 wurden 
1486130 hi Weizen und 164251 hl Roggen ger 
erntet, Außerdem baut man Hanf, Flachs, Hüls 
enfrüchte und Zuderrüben. Die Weiden und Wies 
en ernähren eine große re Pferde (47411), 
Rindvieh (149 030), das auf die Märkte von Sceaur 
und Bafly gebracht wird, Schafe (293 764), Schweine 
und Bienen. Kleines Mildbret, insbeſondere Ges 
Y el, giebt es in Menge und die Flüffe find ſehr 
—*— Es werden Eiſen, Bau: und Müblfteine, 
Topfer⸗ und Ziegelthon gewonnen. Unter den lalten 
Mineralquellen bat beſonders die von Vieur— 
Conches einen Ruf. Die Induſtrie iſt lebhaft und 
mannigfaltig. Die Hochofen, Eiſen- und Kupferhüt⸗ 
ten, welch leßtere engl. und Chilelupfer verarbeiten, 
bejchäftigen 3000 Arbeiter. er tehen Hammer» 
werte für Eifen: und Weißbleb, Nagelihmieden, 
Fabrilen für Stednavdeln und Kurzwaren. Bedeus 
tend find die Fabrilation von Geweben, namentlich 
Wolle und Baummolle, die Rot: und Weißgerbe— 
reien, ärbereien, Bleichereien, ZTöpfereien; das 
Arrondifjement Louviers ift das an Fabriken 
reichte. Zudem wird ein wichtiger Ausfuhrhandel 
betrieben, welchen das Meer, die Seine und die 
chiffbare Berbindung mit Paris, Rouen, Havre ſehr 
drdern. Das Departement befist 121 km ſchiffbare 
afierftraßen, (1899) 468,4 km Nationalitraßen 
und wird von den Eifenbahnlinien Baris:Evreur: 
Pont:Audemer, Berfailles:Dreur:Laigle und ihren 
Abzmweigungen (im ganzen 1897: 670,9 km) durch⸗ 
sogen. Es befist an höhern Unterrichtsanftalten 
1 &yceum und 2 Eollöges. — Bal. Blofjeville, Dic- 
tionnaire topographique du departement de l’E. 
(Bar. 1878); Paſſy, Description geologique du de- 
partement de l’E. (Evreur 1875); Joanne, Géo- 
phie du departement de l’E. (ar. 1881); 
erray, Hydrographie du departement de V’E. 
1. ZI., Evreur 1896); Arbouin:Dumazet, Voyage 


302 


en France. 6. Serie: Cotentin, Basse-Normandie, 
pays d’Auge, Haute-Normandie, pays de Caux 
(Bar. 1896). 
Eure:et:2oir (fpr. öhr e ldahr), Departement 
im nördl. Frankreich ei Rarte: Norddftlidhes 
Frankreich, beim Artitel Frankreich), benannt nad 
den beiden Flüffen Eure und Loir, bejtebt aus Teilen 
der ehemaligen Gouvernements Orleans, Maine 
(here) und Isle⸗de⸗France, gran im R. an dad 
epart. Eure, im D. an Seineet He, im SD. an 
Loiret, im S. an Roir:et:Cher, im SW. an Sarthe, 
im ®. an Drne, bat 5874 (nad Berechnung des 
Kriegäminifteriums 5938) qkm, (1901) 275433 €., 
und zerfällt in die 4 Arrondiſſements Chartres, 
Ehäteaudun, Dreux, Nogent le Rotrou, mit 24 Ran: 
tonen und 426 Gemeinden. Hauptftabt ift Chartres 
f.d.). Den weftl. und norbweftl. Teil bildet wellen: 
drmiges Hügelland, reih an Thälern, Bächen und 
eihen, den öftlidhen einförmige waflerarme, aber 
ehr fruchtbare Ebenen. Den Norden bemwäjlert die 
ier noch nicht ſchiffbare Eure mit der Vegre, Blaije 
und Aore, einen Heinen Teil des Weftens die Huiane, 
ben Süden der Loir mit der Conie und Dzanne. Das 
Klima ift gemäßigt, die Luft rein. Der Boden be 
ftebt teild aus Thon, gemifcht mit Sand oder Kiefel, 
teild auch, befonders im Weiten, aus lahlen Heide: 
ftreden und Sanpfelvdern. Die Hügel find bald 
aus Sand: und Feuerftein, bald aus Seuerftein und 
Mergel zufammengefest. Die Hauptbeihäftigung 
ber Bewohner ift ver Aderbau. 82 Broz. der Boden: 
fläche ommen auf Aderland, 10,4 Proz. auf Wald 
34 Proz. auf Wieſen und Weiden, faum 0, auf 
inberge. 1897 wurden 1883500 hl Weizen und 
154200 1 Roogen, außerdem Gerite (636000 hl), 
Hafer (3439000 hl), Kartoffeln, Hanf, Flachs, Rüb: 
amen, Karbenbifteln und viel Upfel zur Eider: 
ereitung (1897: 10,1 Mill. — — Runkel⸗ 
rüben werben vorzugsweiſe im Arrondiſſement Char⸗ 
tres gebaut. Der Viehſtand iſt beträchtlich; es giebt 
vor allem Schafe (18907: 651159), Rinder (105758), 
ferde(42194)und Bienen (216535 kg Honig). Eifen 
ndet fib häufig, außerdem gute Baufteine, Töpfer: 
und eben Die Induftrie ift, Muhlenbetrieb 
und PBapierfabrilation ausgenommen, nicht nen: 
nenswert. Der Handel mit en Percherons), 
Schlachtvieh, Geflügel, Mehl iſt anſehnlich. Die Ver: 
ſorgung von Paris mit Getreide, Mehl, Schafen und 
Geflügel, ſowie die Ausfuhr von Korn und Wolle 
in die benachbarten Gegenden bringt reichlichen Ge⸗ 
winn. Das Departement wird von den Eiſenbahn⸗ 
linien Orleans: Ehartres: Dreur, Paris⸗Chartres⸗ 
Nogent le Rotrou und verjdiedenen Abzweigungen 
(im ganzen 1897: 582,6 km) durchſchnitten. Außer: 
dem bejikt eö (1899) 377,2 km Nationalftraßen und 
an böhern Unterrichtsanſtalten 1 Lyceum und 3 Col: 
leges. — Vol. Joanne, G&ographie du departe- 
ment de l’E. (Bar. 1881); Dictionnaire des com- 
munes, hameaux etc. du dpartement de l’E. (Char: 
tres 1887); Arbouin:Dumazet, Voyage en France, 
16. Serie: De Vendée en Beauce (Par. 1898). 

Eureka, ſ. Heurela. 

Eureka (ſpr. jurihle), Orte in den Vereinigten 
Staaten von Amerila, darunter E., Hauptitadt 
deö County Humboldt im nörbl. Teile von Kali: 
fornien, an der Humboldtbai (f. d.), 11 km von der 
See, hat (1900) 7327 E., Sägemühlen und leb- 
baften Handel mit Holz. 

Eureka —— (fpr. furibte), Hauptort des 
County Carroll im nordweſtl. Teile deö nordamerif. 


Eure⸗et⸗Loir — Euripides 


Staates Arlanfas, bat (1900) 3572 E., Sägemüb- 
len und Mineralquellen. 
Eurhodine, eine Gruppe künftlicher organifcher 
arbitoffe, die ald Amidoderivate der Azine oder 
benazine (f. d.) aufzufaflen find. Das einfachite 
. ift demnach 
ftitutiongformel: N 
GH .C. Bs-NH,. 


Es giebt verfchiedene Darftellungsmethoden für die 
E. Diefe haben die Eigenfchaften Eee en 
und geben mit Säuren rote bis violette Salze. Im 
Handel fommen nur €, mit zwei Amidogruppen 
vor, welche fpecielle Unterabteilung auch ala To: 
luplenrotgruppe bezeichnet wird. Der Wafler: 
fef der einen der Amidogruppen ift noch durch 
hart en erſetzt. Diefe praltiſch wichtigen 
arbſtoffe 


midophenazin mit folgender Kon⸗ 


nd das Neutralviolett und das 

teutralrot, die falzfauren Salze des Dimetbyls 
diamidophenazins und Dimetbyldiamidotolupbenas 
zins: — 
(CH.). N. C. HH 1 GH «NH, - HCl 


Reutralviofett 


(CH N. HN ICH, (CH,)NH, -HOL 


Reutralrot. 

Sie werden durd Einwirkung von falzfaurem Ri: 
——— auf Metaphenylendiamin und 
Metatoluylendiamin gewonnen. Die Farbftofie 
Löfen fi in fonzentrierter Schwe —— mit er 
Farbe, die beim Berbünnen der Zöjung mit Waſſer 
in Blau und dann in Violett und Rot umſchlägt. 
Man verwendet fie zum Färben von mit Zarınin 
und Brechweinſtein gebeizter Baumwolle. Durch 
Erhigen mit Säuren auf 180° wird in den E. bie 
Amibogruppe durch die Hydrorylgruppe erfegt unter 
Bildung der Eurhodole. 

Gurböthmie (grch.), das richtige ſchoͤne Ber: 
bältnis in der Bewegung der Teile zum Ganzen, 
das Ebenmaß, 5. B. im Tanze, im Takte der Mufil, 
in der Rebe u. |. m. 

Eurich, König der Weitgoten, Sohn des Welt: 
otenlönigs Theodorich L,bejeitigte466 jeinen ältern 
ruder Theodorich II. €. ae Tine olle zuerft 

geichriebene Gefeke, eroberte alles nod) röm. Gebiet 
jwifchen Loire und Pyrenden ſowie 468—470 Spas 
nienund war damals dermädhtigfte Fürft des Abend: 
landes, dabei maßvoll und Hug. Gegen die aus dem 
galliſchen Adel ——— lath. Bijchöfe, die 
in ihm den Arianer und den Barbaren haßten, mußte 
er wiederholt einjchreiten, aber es ift Berleumpdung, 
daß er den tath. Glauben verfolgt babe. Diejer 
Gegenfas führte dann nad E.3 Zode (484) unter 
feinem Sohne Alarich II. den Berluft des galliihen 
Hauptlandes berbei. 

Euricius Cordus, Humanift, ſ. Cordus. 

Euripides, der jüngite der drei großen atti- 
—* Tragiter, Sohn des Mneſarchus und ber 

ito, aus dem attiichen Demos Phlya, wurde nad 
den Berechnungen der Alten 484 oder 480 v. Chr. 
geboren. €. foll fih anfangs, angeblid infolge 
eined von feinem Vater mißverftandenen Drafels, 
mit Atbletit, dann auch mit Malerei befbäftigt ba: 
ben, bevor er fib pbilof. Studien und der Poeſie 
zuwandte. Er ſchloß fi namentlid dem Pbiloſo— 
pden Anaragoras an; aud foll er nit nur die 

erübmten Sophiften Protagora® und Propifus 
gebört haben, fondern aud mit Sokrates befreun⸗ 


Euripides 


det geweſen ſein. Er mar einer ber erſten Athe—⸗ 
ner, der ſich eine größere Bücherfammlung an: 
legte, daber ihn die Komiler, —— ee 
ned, ald einen Stubenboder daritellen. Sein Cha⸗ 
salter wird als ernft und finfter geſchildert; in ſei⸗ 
nen a tritt ofters ein hartes Urteil über 
das weibliche Geſchlecht hervor, zu welchem er durch 
* trübe Erfahrungen an feinen beiden Frauen, 
elito und Ebörile, veranlaßt worden fein foll. 
Der Tragddiendichtung foll er ſich ſchon in feinem 
18. Jahre zugewandt baben; doch brachte er - 
455 jeine rften Tragödien auf die Bühne, und erit 
41 en er bei einer Au ng den eriten 
Preis, —— ſpãtern Jahren (etwa 408 v. Chr.) 
folgte er einer Einladung des Königs Archelaus 
von Macedonien. Hier dichtete er mindeftend noch 
zwei Dramen, den «Archelaus» und «Die Balken», 
und jtarb (nach einer unfihern Nachricht von Hun⸗ 
den zerrifien) Ende 407 oder Anfang 406 v. Ehr. 
Archelaus feste ihm in ber macebon. chaft Are: 
thuſa ein prächtiges Dentmal, und auch die Athener 
errichteten ibm an der Straße vom Peiraieus nah 
Atben ein Kenotaphium mit einer ehrenvollen 
chrift. Später wurde dur Lykurgus feine Bild⸗ 
äule, ebenfo wie die des Hichylus und Sophofles, 
im atben. Theater aufgeftellt. Es find noch viele, 
zum Zeil trefilihe Bülten (die beiten in Mantua 
und Neapel nebit dem zu einer Büfte ergänzten 
dragment in Rom) des Dichters erhalten. 
€. bat nad) den aleranbrinifhen Gelehrten im 
ganzen 92 Dramen verfaßt, von denen jene noch 
67 echte Tragödien und 7 Satyrbramen kannten, 
außer drei Tragödien und einem Satyrdrama, die 
fie für unecht bielten. Auf ung gelommen find unter 
des E. Namen außer ſehr zablreihen und zum Teil 
umfangreihen menten ber verlorenen Stüde, 
die man am beiten in Nauds «Tragicorum grae- 
corum fragmenta» (2. Aufl., Ep. 1889) gefammelt 
findet, noch 19 Stüde, nämlich die Tragödien «Alce⸗ 
ftiß», «Andromadher, «Balchen», «Helabe», «Helena», 
«Gleftra», «Herallidä», «Der rafende Heralles», 
«Ditetidved» (die Schußflehenden), «Hippolytus», 
«Fpbigenie bei den Tauriern», aspbigenie in Aulis» 
(wie die «Balchen» erſt nad dem Tode des Dichters 
durch feinen Sohn oder Neffen, den jüngern E. auf 
die Bühne gebracht), «Jon», «Medea», «Dreited», 
«Rbejus» (dies Stüd ift aber jedenfalls nicht von E., 
ondern von einem jpätern, den Anforderungen der 
ihne wenig lundigen Dichter, vielleicht des 4. vor: 
driſtl. men —— das von €, ſelbſt in 
jungen Jahren verfaßte gleihmamige Stüd verloren 
gegangen ift), «Troades» und «Phönifjär (die Phö- 
nizierinnen), ferner ein Satyripiel «Eyflops». €. 
bat den Standpunkt feiner Vorgänger Achylus 
und Sopbolles mit Bewußtfein verlajien; er it in 
der Boejie der Vertreter der großen Umwandlung 
des griech. Geiftes, des Herortretens des fub: 
jeltiven Elements, der Berechtigung des Einzelnen 
gegenüber der Gejamtheit und der Loslöfung von 
der alten Tradition in Bezug auf Glauben und 
Sitte. Er ſchaltet frei mit den mytbiihen Stoffen 
und trägt in biefe ganz und gar die Verhältniſſe, 
Eitten und Anſchauungen feiner Zeit hinein, ja er 
iebt fie in den Bereich des täglichen Lebens herab. 
adurch entjtebt freilich bäufig ein Kontraſt zwischen 
der Sandlung und bem Charatter der handelnden 
Berionen: die Tragödie verliert ibr ideales, reli— 
iöjeg Gepräge, aber fie erhält dafür ein anthropo⸗ 
iihes, fie wird zu einem Spiegel des wirllichen 


303 
Lebens und ber darin fich kreuzenden Beftrebungen 
und Pläne der Menſchen. E. hat zuerjt wirkliche 


Intriguenftüde gedihtet und ift dadurch namentlich 
auch für die jüngere attiſche Komödie das Vorbild ge 
worden. Seine größte Stärle beftebt in der Schil- 
derung der Leidenſchaften, vor allem der Liebe. Seine 
ſchwächſte Seite dagegen ift, die Rompofition feiner 
Stüde: nicht wenigen fehlt bie Einheit der Handlung. 
Einige beſtehen nur aus einer Anzahl ziemlich [oder 
verbundener Scenen, die als Einzelfcenen oft mit 
Meifterfchaft bebandelt und äußerſt effeltvoll, ala 
Zeile eines größern Ganzen aber entſchieden man 
elbaft find. Den —— jedes Stüd3 bildet an⸗ 
hatt einer planvoll angelegten, die Zufchauer in 
die richtige Stimmung verjegenden und gleich mitten 
in die Handlung et ar Erpofitionäfcene 
regelmäßig ein monologiſch bebandelter, mit der 
Tragödie felbft nurlofe zufammenbängender Prolog. 
Die Entwidlung der Handlung jelbit wird oft dur 
rhetoriſche und pbilof. ee die ber Dich 
ter einer der handelnden Perſonen in den Mund 
legt, unterbrochen; die Löjung des Knotens ges 
ſchieht nicht felten in ganz äußerlicher Weife durch 
das unmittelbare Einjchreiten eines Gottes, des 
og. Deus ex machina (f. d.). Endlich ift die Stels 
ung des Chor bei E. gegenüber der ältern Tra- 
aödıe eine andere geworden: er fpielt eine ziemlich 
untergeorbnete Rolle; feine Gefänge find mebr.ein 
äußerliher Schmud als ein wefentliher Beftandteil 
der Stüde, dagegen läßt der Dichter häufig einzelne 
Scaufpieler längere Gefänge (Monovien), eine Art 
Bravourarien, auf der Bühne vortragen. 

Die .. Gefamtausgaben des €. haben nad 
Musgrave (Orf. 1778;3 Bde., Bene 
tbiae (10 Bbe., Lpz. 1813—36), Dindorf, Fir u. a., 
Kirchhoff (2 Bde., Berl. 1855; neue Ausg., 3 Bde,, 
1867—68), Naud (3. Aufl., 3 Bde., Lpʒ. 1869—71) 
und Paley (3 Bde. Cambr. 1858—60; neue Ausg., 
Bd. Lu. 2, Lond. 1872, 1875) geliefert. Eine neue ri» 
tifhe Gejamtausgabe haben Prinz und Wedlein 
SH 1878 fg.) begonnen, von der bis 1900 drei 

ände erichienen find. Die Ausgabe mit Kommentar 
von Pflugl und Klo (Gotha, fpäter Lpz. 1829 fg.), 
deren einzelne Bände zum Zeil in wiederholten 
Auflagen erfchienen find, enthält bis jebt erft 
11 Stüde. Eine gute Ausgabe von fieben Stüden 
ift die von Weil (Bar. 1868; 2. Aufl. 1879). Unter 
den Herausgebern einzelner oder mehrerer Stüde 
find beroorzubeben: VBaldenaer (« Phöniſſäv und 
«Hippolytus», 1755 u. 1768), Markland (1763 fg.), 
Brund (1779 fg.), Borfon (1797 fg.), G. Hermann 
(1800 10). Elmsley (1813 fg.), Geel, Badham, 
Schöne, Köchly, Herwerben, edlein, von Wilamo⸗ 
wiß («Heralleö», 2 Bde., Berl. 1889; 2. Aufl. 1895, 
und «Hippolytus», ebd. 1891, mit —— Uber⸗ 
feßung). Die Scholien und eine Auswahl der An—⸗ 
merkungen früberer Bearbeiter hat W. Dindorf 
(«Euripidis Tragoediae et fragmenta», Bd. 3—8, 
Drf. 1840—63) herausgegeben; eine neue Ausgabe 
der Scholien veranftaltete Ed. Schwark (2 Bde., 
Berl. 1887 — 91). Bon neuern Überjekungen find 
zu nennen die von Donner (2. Aufl., 3 Bde., Lpz. 
1859; 3. Aufl., Heidelb. 1876), Hartung (griechiſch 
und deutih, 19 Bochn., Lpz. 1848—53), Frike und 
Rod (2 Bode., Berl. 1856—68; 2. Aufl. 1869— 70), 
Mindwis (2. Aufl., ebd. 1900 fg.). Über Leben und 
Merle des E. jchrieb von Wilamowiß («Analecta 
Euripidea», Berl. 1875). — Vgl. Arnoldt, Die 
horifihe Tecnil des E. (Halle 1878); Holjner, Stu» 


304 Euripos — Europa (Lage, Grenzen, Größe, Küjten. Oberflächengeftaltung) 


dien zu €. (Wien und Prag 1895); Neftle, E., der 
Dichter der griech. Aufllärung (Stutig, 1901). 

08 (lat. Euripus), im Itertum der 
ſchmale Meeresarm, welcher die Inſel Cuböa (f. d. 
eg Tg gg Site ſtlande, d. h. von 
ber Oſtluſte der Landſchaft Böotien, trennt, ein 
durchſchnittlich eine halbe Stunde breiter Kanal, über 
befien engite Stelle, den E. im engern'Sinne, feit 411 
v. Ehr. eine 200 Fuß lange, on erneuerte Brüde 
binüberführt, die jeßt durch eine jolide Drebbrüde 
erjegt ift. Der E. war ſchon im Altertum berüchtigt 
durch feine wechjelnde Strömung, man behauptete 
fogar, daß dieſelbe fiebenmal im Laufe des Tags 
und ebenjo oft im Laufe der Nacht ſich ändere ſdaher 
der Name im S fprihwörtlich zur Bezeihnung 
eines — Menſchen gebraucht wurde). 

„J. it. 

Europa, Schweſter des Kadmos, ſ. Europe. — 
E. beißt auch der 52. Planetoid. 

Europa, einer der fünf Erdteile, der Heinfte der 
Kontinente der Alten Welt. 

Rage, Grenzen, Größe, Küften. €. ift der Lage 
nad gewiſſermaßen eine halbinfelartige Fortſetzung 
Afıend und wird von vielen mit diejem zu einem 
Erbteile, Eurafien, vereinigt, aber der eigen: 
artige Charakter feiner Bildung ftempelt es zu 
einem felbjtändigen Erbteile. Bon felbft ergiebt fich 
die Begrenzung desjelben im NW. und ©.; im O. 
dagegen wird jet meift der Kamm des Uralgebirges 
und ſudlich davon der Uralfluß, die Manyſſchlinie 
vom Rafpifhen zum Aſowſchen Meere und dieſes 
elbft als Grenze angenommen, während bie Kaſpi— 
che Steppe und der Kaukaſus zu Aſien gerechnet 
werben. Bei ziffermäßigen Angaben über Größe 
und Bevölterung wird hier indes die polit. Abgren: 

ung zu Grunde gelegt. Die äußeriten Punkte diefes 
Kit andes find im U, der Berg Khaĩ udy-paĩ im 
Ural (66° 8’ 40” öftl. 2. von Greenwich), im W. das 
Gabo da Roca (9° 30’ weftl.2.), im N. das Norblap 
(71° 12’ nördl. Br.) und im ©. das Kap Zarifa (35° 
59 nördl, Br.); die größte Ausdehnung von SW. 
nah ND. beträgt 5560 km, die größte Breite in 
norbfüdl. Richtung zwifchen dem Nordkap und dem 
Kap Matapan 3860 km; die ———— zwi⸗ 
chen dem Golf du Lion und dem Biscayiſchen Bufen, 
at 430 km Länge. SD. nur durch die ſchmalen 
afeıheaben des Bosporus und des Hellesponts 
von Aſien und im SW. dur die 17,1 km breite 
Straße von Gibraltar von Afrika getrennt, ift 
die Weltitellung E.s back charakteriſtiſch. Im 
Mittelpuntte der kontinentalen Landhalbkugel, und 
doch wiederum unmittelbar an den Atlantifchen 
Ocean ftoßend; nah D. bin kontinental, im ©. 
mediterran, nah SW. bin unter allmäblicher Brei: 
tenverfüngung oceanifch, faft durchweg in der ge 
mäßigten Bone, ift ed auserloren zu einer eigent⸗ 
lien Kulturregion. 

Die Größenberehnung für das gefamte €, fällt 
verjchieden aus, je nachdem man die —— weiter 
oder enger ſtedt. Rechnet man die Ditjeel fie, = 
land, die Azoren und Madeira, die Canariſchen 
fein das Aſowſche Meer und Nowaja-Semlja dazu, 
o erhält man 9937287 qkm; ohne die polaren und 
atlantifchen Inſeln 9729861 qkm. E. ift alfo etwas 
größer als Auftralien, Afrika tft aber mebr als drei: 


die Entwidlungfeiner Hüften. Der Rumpf, ein recht⸗ 
winkliges Dreied, mit den Eden am Nordufer des 
Kaſpiſchen Meers, an der Waigatſchſtraße und am 
Meitrande der Porenden, bededt 6547000 qkm, 
d. i. nur doppelt ſoviel Fläche wie die Halbinjeln 
(2686 000 qkm) und Inſeln (785 000 qkm). 

Die größten Halbinjeln find: 


qkm qkm 
Stanbinavien 800 000 ſche Halbinfel | 39500 
inland . ...» 440000 ER 25 708 
a 22.20 120000 | Bretagne . . . | 23700 
renäifhe Halb» Rurlanb ... . 17606 
niel...... 000 | Ranin....» 10500 
Ballanhalbiniel . | 474000 | Gotentin 2000 
Apenninhalbinirl . | 149000 
Als wichtigſte oceaniſche Eingriffe in die Feſtlands 
maſſe erſcheinen das Weiße Meer (83 606,4 qkm), die 


Oſtſee mit Kattegat und Slagerrak (41 987,3 qkm), 
Nordfee (536 201,5 qkm), Kanal (81917 qkm) und 
Biscayiſcher Solt (176 934,8 qkm); die Hauptein⸗ 
chnitte des Mittelländifchen Meers(2608598,» qkm) 

nd der Golf du Lion (16838, qkm), die Bufen 
von Genua (4145,5 qkm) und Tarent (11597,s qkm), 
das Adriatifche (135231 qkm) und UÄgäiſche Ifeer 
(196 350 qkm); jenfeit deö vermittelnden Marmaras 
meers (11655 qkm) greift das Echwarze (423 993,5 
qkm) mit dem Aſowſchen Meer (37 603,9 qkm) tief 
ein. Im einzelnen ift die Auszadung der Küſten 
I ftarf, daß ibre Länge (86 873 km) die des dreimal 
o großen Afrikas weit übertrifft. Ja denkt man fi 
die Landmaſſen des Erbteild in eine gleicharoße, 
freisumfchlofjene Kugellappe umgeformt, jo würden 
von je 100 km ftüfte 87,6 in orttall fommen. Und 
zwar fommen von dieſem Kültenreichtum auf atlan- 
tifche Küften (einjchließlich der Randmeere Oft: und 
Nordfee) 57470 km, auf die des Mittelmeers 
14513, die arktifchen 10552, die pontiſchen Küften 
4338 km flüftenlänge. Der Atlantifche Dcean mit 
66,2 Br überwiegt alfo bedeutend; der W. ift vor 
dem D. bevorzugt; das ruff. Binnenland entfernt 
fi um mebr als 700 km vom Meere. Bon dem D. 
des vielfach gegliederten Mittelmeers ging die europ. 
weg aus, verbreitete ja von bier nah W. 
und N., um dann von den atlantifchen Hüften aus 
nad allen Teilen der Erde zu dringen. Bei den 
Inſeln ift die große Zahl der Küjteninfeln, mie die 
norweg., frief. und dalmatin. Inſeln, von den ſelb⸗ 
ftändigen Eingelgebilden, wie Großbritannien, Si» 
cilien, Sardinien und Gorfica zu trennen. Im SD. 
liegt der Griechifhe Arcipel als nädfte Kultur 
brüde von * und Aſien, im NW, die brit. In» 
feln, ala äußerfter VBorpoften in den freien Ocean 
eihoben und durd feine Lage beitimmt zur Herr: 
* über die Meere und zur Vermittelung mit 
Amerika; bierSicilienalslibergangsland von Afrila 
nad Italien, dort der Dänische Archipel eine Brüde 
ur Verbreitung des Germanismus nah N. Rur 

Sland liegt vereinzelt. 

Oberflãchengeſtaltung. Betrachtet man den Wech⸗ 
fel von Gebirgs: und Tiefland, jo erſcheint in der 
äußern Anordnung eine gewiſſe Einförmigleit, ins 
fofern im kontinentalen —— durch eine Linie 
zwiſchen der —* und Rheinmundung der Nord⸗ 
often als ein großes Tiefland vom Südweſten als 
vorherrſchendem Gebirgsland geſchieden wird; die 
nähere Einſicht aber lehrt, daß es dort ebenſowenig 


mal ſo nn bededt mehr ald das Vierfache, | an landſchaftlicher Gliederung fehlt, durch niedere 


Afıen 


nabe das Fünffache der Fläde E.3. Was | Erhebungen und wechſelnde Bodenbeihafjenbeit, 
aber €. neben feiner glüdlihen Weltlage vor dieſen als bier dur das vielfache Eingreifen 
allen auszeichnet, das ift feine reihe Oliederung und | 


einerer 
Ziefebenen und aushöhlender Flußthäler, und dat 


















Jull 1908. Westl. 0 Östl.L.v. Greenwich 


Broddhaus’ Korversations - Lexikum. 1%. Aufl. 


RTE VON EURO 


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Höhen und Tiefen Abstufungen 


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Höhen -137301 und Tiefen (3730) Zahlen in Metern 


Maßstab 1221000000 








‚oo o 00 zu 200 “nu 00 “00 700 200 2 
— vum — J — — 
— * se | 
- — .— * a. 
' 
40 su | 


F.A.Brockhaus’ Geogr.- artist, Anstalt,Leipzig. 


Europa (Oberfläcyengeftaltung) 


im Gegenjage zu andern Erbteilen die Mannig: 
taltigteit des Reliefs einen Grundzug europ. Natur: 
verhältniffe bildet. Im ganzen überwiegt das Tief: 
land (wiihen 0 und 200 m Seehöhe) mit 60 Proz. 
ver Gejamtfläche; 24 Proz. liegen zwiſchen 200 und 
500 ım, 10 Proz. zwiſchen 500 und 1000 m, 5 Proz. 
wilden 1000 und 2000 m und nur 1 Proz. über 
2000 m. Die mittlere Erhebung des Erbteils ift zu 
292, nad anderer Berechnung zu 296,8 m ermittelt 
worden. E. ijt auch hierin Onfliger geftellt als alle 
andern Erbteile. (S. Grie) 

Tas große ofteurop. Tiefland Br im ©. des 
rn das im nördl. Teile bis 1688 m 
bed, in jeiner Weithälfte archäiſch, in feiner Dit: 
bälfte paläozoifch tft, mit den aſiat. Steppen im 

jammenbange und befigt im N. des Rafpifcen 
I jenes große Böltertbor, durd das ajlat. 
Herden eindrangen, um E.s Civilifationsentwid: 
lung auf furze Zeit zu bedrohen und jein Völker: 
gemiſch mit neuen Elementen zu verjehen. Es be 
rübrt im R. mit den unmwirtbaren Moorfläden ber 
Tundren das Eismeer, wird im SD. von der Ma: 
nptihniederung, von Kautafien etrennt, umgürtet 
die Rordgeſtade des Schwarzen Meers und erhält 
innere landihaftliche Gliederung durch waldreiche 
Höbenrüden, die —— Feld: und Seeplatte, das 
Spitem ber Ruf chen Gentralplatte, den Nordruſ⸗ 
üihen Landrüden, den Baltiſchen Höhenrüden und 
die Volhyniſch-⸗Podoliſche Platte. Dies große Ge 
biet ift ein geologiieh ſehr altes, ungeftörtes Gebilde 


ausungefalteten Schichten läozoifchen, Trias, 
Jura: und Kreidezeit. Zwiſchen Weich Fi und Rhein 


t fih die Ebene zu dem german. Tieflands: 
Derjelbe begleitet die Gejtade der Dit: und 
erdſee, wird ebenfalls durch zwei Höhenrüden, die 
baltiihe Seenplatte im N. und den von dem fube: 
uden Borland bis zur Lüneburger Heide verlaufen: 
den Höbenrüden im ©. und tiefe Thalrinnen ge: 
gliedert, geht von D. nah W. in feinem mittlern 
Streifen aus der Form der Sandflächen in Heide 
und Moorland über und finkt endlich bis in und 
wilmeije unter das Niveau der Nordjee herab. 
Züdmeitlich der Rheinmündungen bilden die frucht⸗ 
baren flandr. Ebenen den Übergang zu den franz. 
Teflandſchaften, die jenfeit der flandr. Grenzhöben 
und Platten der Picardie hinabfteigen zu den Flä- 
den, die die franz. Mittelgebirge vom Atlantiſchen 
Deean und von den Gebirgen ber Bretagne tren⸗ 
nen und ji jüdlich an die Sorenden lehnen. 
Während jo das ſüdweſtl. Gebirgsland in einem 
nördl. Bogen von Tiefland umgürtet it, greifen 
von D. ber die Ebenen Rumäniens und Ungarns, 
die Thäler der March und Oder, von W. ber die 
Ebenen der Ahöne und des Rheins, im ©. die des 
Bogebietes in den Gebirgsförper und ei vier 
proße —— ab. Das wichtigſte und aus⸗ 
dehnteſte iſt das Alpenſyſtem. Genannt wird das: 
elbe nach dem vo Ketten — der Alpen (' d.), 
mit 4810 m Gipfelhöhe im Dlontblanc, einer Geſamt⸗ 
bafis von 230000 qkm und Rammböhe von 3250 
dis 3900 m, über welche Päfje von 1000 bis 2500 m 
döbe führen. Als Fortjegung der Alpen gegen ND. 
gelten die Karpaten, auf einer Grundfläche von etwa 
183000 qkm, Gipfelhöhen von fat 3000 m in der 
Hoben Tatra und in Siebenbürgen, alfo aud noch 
von Hochgebirgscharalter und die ungar. Ebene im 
RL. und S.umgürtend. Gegen ©. nehmen fie den 
Ramen der Trans ſylvaniſchen Alpen an und ſtreichen 
run binüber zur Baltanbalbinfel, indem fie ven Bal: 
drechaus' Konverfationssteriton. 14. Aufl, R. U. VL 


4 


305 
fan (2374 m) bilden, der erſt am Schwarzen Meere 


endet. Ein dritter Zug des Alpenſyſtems ift der bis 
nariſch⸗ albaniſche (2528 m), der ſich von ven Quellen 
der Save durch den NW. der Ballanhalbinfel, Bos- 
nien, Albanien fortjegt und erſt in den füdl. Zacken 
des Beloponnes endet. Ein vierter Zug ift der Apen— 
nin, der in den Abruzzen 2000 m Kammböbe, im 
Gran:Safjo d’Ftalia 2914 m Gipfelhöhe erreicht, 
dann nad Sicilien übertritt und fi auf afrif. Bos 
den im Atlasjviten weiter fortſeßt. Das Alpen: 
ſyſtem ift in allen feinen Zweigen durch ſtettengebirgs⸗ 
natur ausgezeichnet, befist in jeinem Hauptitamm 
eine archälſche Gentralgone und zu beiden Seiten 
jüngere jevimentäre Züge. Diefe find zum Teil im 
©. abgejunten, fo in der lombard. Ebene weſtlich 
vom Lago Maggiore, fowie in Ungarn. Hier 
fehlen aud giohe Teile der archäiſchen Central— 
zone in den Harpaten. Auch im Apennin find von 
diejer nur noch geringe Nejte vorbanden, in dem 
dinarishen Zuge fehlt fie völlig. Im Ballan und 
Transivlvanien aber zeigt fie Eh wieder. Vullka— 
niſche Ausbrüche bezeichnen die innern Ränder 
diejer Ketten, in der Lombardei die Euganeen, in 
Ungarn zahlreiche Züge junger Eruptivgeiteine, im 
S. des Apennin die Vullane Vefuv, die —— 
Inſeln und Utna, ſowie zabhlreiche erloſchene Vulkane 
um Rom ſowie auf Jschia ———— Vor 
dem Alpenſyſtem liegen eine Reihe von fremden 
Gebirgsgruppen; im N. desſelben zwei archäiſche 
Tafeln, das — Centralplateau mit zer en 
erlojchenen Vulkanen Bund), die Stöde der Vo: 
gejen und des Schwarzwaldes, durd die Graben: 
————— Rheinthals getrennt, und die böbm. 
Scholle. An allen dreien bat fi das Alpenfyitem 
bei jeiner Emporfaltung BER Sie bilden die 
Kerne der deutichen Mittelgebirge, welche auf einer 
Bafıs von 280000 qkm Mittel: und Süddeutſch⸗ 
land durchziehen. Zu ihnen gehören der Deutſche 
ura (der Schweizer Jura erjtredt ſich von ber 
böne zum Schwarzwald), die fränf. und lotbr. 
Platte zu beiden Seiten des Nheins, der Oden— 
wald, Speflart, Hardt, der große Kompler des 
aläozoifhen Rheiniſchen Schiefergebirges, Harz, 
büringer Wald, Erzgebirge und Sudeten. Weiter 
liegen vor dem Apennin die alten Maffen von Eor: 
fica und Sardinien, vor dem Dinarifchen Gebirge 
die Gebirasitöde von Agram, vor dem Ballan der 
Rhodope-(Despoto:)Dagb, der Rilo⸗Dagh, Schar: 
Dagh jowie Olymp. Die Iberiſche Halbinfel bat 
gewaltige Platten im W. und Innern, tertiäres 
and, zwiſchen dem alte archäiſche Gebirgszüge ber: 
vortauchen, wie die Sierra Guadarrama u. a, Im 
NE. nimmt das arcbäifche Land zu im Gebirge von 
Galicia; den S. nimmt die Sierra Nevada ein 
mit 3481 m Höbe im Cumbre de Mulbacen; Kreide 
und Jura erfüllen die Hochflädhen im SW. des 
Ebro. An der Grenze der Halbinfel im N. treten 
das Aſturiſch⸗Cantabriſche Gebirge und die Pyre⸗ 
nden auf, lehßtere mit archäiſchem Kernzug im O., 
im übrigen beide aus paläozoiſchen und Kreide— 
ablagerungen beftehend. Sie erreichen 3404 m Höbe 
im Pico de Nethou, tragen aber nur Heine Gletſcher. 
Ein jufommengendrigeß ſehr altes archäiſches 
und paläozoiſches Gebirge bilden die Bretagne, 
Wales, Irland, Schottland, während England, wie 
Mittels, Dit:, Nordoits und Südweitfranfreic aus 
Jura, Kreide, Tertiär beſteht. Im Ben⸗Nevis er: 
reicht Schottland 1343, im Snowdon Wales 1094 m. 

Der Reft ift flacher. 

20 


306 


Gin mweiteres großes, durchaus archäiſches Ge: 
bir —** iſt Skandinavien ſamt Finland. Im 
Galdhopiggen erreicht es 2560 m, im Sarjeftjäfto 
im N. 2125 m. Nur Süpfchweden bat Quartär: und 
Kreideland. Die mit —— und Gletſcherfeldern 
reich überdeckte Hochfläche (1850 km lang) mit ſchroff 
zerflüfteten Wänden, von N. nad ©. 650 zu 1650 m 
Höhe zunehmend, tritt an die wild zerfplitterte Meft: 
füfte, während zu den Dft- und Sübdoftebenen fee: und 
walbdbededte Plateaus terrafienförmi wa 

€. fest fi in feinem Sodel nah NW. fort. Nur 
eine 50— 200 m tiefe Wafjerfläche umgiebt rings 
die brit. Inſeln, und eine geringe Senkung des 
Meeresfpiegeld oder Hebung des Bodens würde ge 
nügen, um Frankreich, Großbritannien, Irland, die 
Drfney: und Shetlanbsinjeln über die Nordſee 
hinaus mit Dänemark zu verbinden und die Oſtſee 
verſchwinden zu laſſen. Zahlreiche Thatſachen be: 
weiſen, daß dieſe jetzige Meeresfläche vor Yabr: 
tauſenden Feſtland an ift. Nod in biftor. Zeit 

at an mebrern tief gelegenen Hüften, zumal an der 

orbfee und im . des Adriatiſchen Meers, der 
Kampf des Feiten mit Flüffigem mannigfade Ber: 
Änderungen hervorgerufen; die Zeugnifle noch fort: 
wirfender vulkaniſcher Thätigleit beihränten ſich 
auf den Atna, die Vullane der Lipariſchen Inſeln, 
den Veſuv, die Inſel Santorin und Island; bie 
übrigen rein vulfanifhen Gebilde in Süditalien, 
der Yuvergne, in Norbungarn, der Mitte Deutſch— 
lands und Süpichottland gebören mit wenig Aus: 
nabmen einer vorbiftor. Epoche an. Auf die Haupt: 

ebirgägruppen und die wichtigften Ebenen entfallen 
reine Fläbenräume: 


Standinav. Gebirge ....... 500 000 qkm 
0 1 RE Re 000 » 
13 VENEN 000 * 
Le 187 000 » 
BDERBIE.. mr 110000 » 
N N: 55 000 » 


a8 große Flachland mit den 
Randmeeren aber obne die flan- 


dinav. und brit. Ebenen... . . 6400000 » 

Die ungar. Ebene... ..... » 100 000 » 

Die rumän. Ebene ........ 83000 » 

Die Bo:Ebene........... 55000 » 
eicht mit 4810m 


Der böhfteBerg,derMontblanc 
nur die balbe Ode des höchſten Berges der Erde. 

Eine Höbenberehnung für die einzelnen Länder 
ergiebt für die Schweiz 1300 m mittlerer Erhebung, 
für Spanien und Portugal 700, für die Balkan: 
balbinjel ohne Rumänien 579,5, für Öfterreich-Un: 
garn 517,87, für Stalien 517, für Standinavien 
430, für frankreich 400, für Rumänien 282,28, für 
die brit. Inſeln 217, für Deutichland 213,66, für 
Rußland 167,08, für Belgien 163,36, für Dänemarf 
35,3, für die Niederlande 9,61 m. Die —— 
Stadi E.8 iſt Briancon (1321m). Vereinzelte Wohn: 
ſtätten, wie das St. kl (2472 . das 
auf dem St. Gotthard (2093 m), liegen noch höher. 
Die höchſtgelegene Hauptitadt ift Madrid in etwa 
655 m Höhe; dann folgen Münden in 528, Genf 
408 und Turin in 275 m Höbe. 

Geologiſches, ſ. Europa, Bd. 17, nebit Karte. 

Bewäflerung. Die Gegenfäge von Wafjerarmut 
und Wafjerüberfluß finden ſich in E. nirgends fo 
großartig vertreten wie in andern Erdteilen: nad 
allen Richtungen bin öffnen Ströme den Zu: 
gang zum Binnenlande und bieten dur die Näbe 


Europa (Bewäfjerung) 


ihrer Quellgebiete vieljeitige ——— u Kanal⸗ 
verbindungen. Solche Mittelpunkte der Stroment- 
ang Kar in Rußland die Waldaiböbe, von der 
Düna, Dnjepr und Wolga nad drei Meeren aus: 
einandergeben, das Gebiet zwiſchen Rarpaten unt 
dem Mäbrijchen Geſenke, mo MWeichfel, Over, Elbe 
und Donau (March) ſich beinabe berühren, und in 
den Alpen das Bergland zwiſchen Bernina und Et. 
Gotthard, wo die Syfteme von Rhöne, Rhein, Donau 
(nn) und Bo (Teſſin) zufammenftoßen. Der gröhte 
Strom E.s, was Fänge des Laufs und Ausdehnung 
des Flußgebietes betrifft, ift die Wolga, dann folg! 
die Donau, die Hauptverfehrsader nah D., dann 
eine Reibe ruff. Ströme, denen das ungebeure lab: 
land bedeutende Entwidlung gejtattet; unter ben 
mittel: und weſteurop. a en r der bein ver 
wictigfte; weniger günjtig, weil zum Teil nidt 
ſchiſſbar, find die Blateauftröme der Borenäticen 
Halbinfel. Eine liberficht der Hauptflüfle des Erd 
teild, ihre Länge und ihr Stromgebiet giebt die 
Tabelle bei dem Artitel Flüfie (f. d.). 

Die Größe nimmt beinabe — * O. nach W 
zu ab. Das gewaltigſte Stromgebiet, die Wolga, 
entwäfjert zum Rafpilhen Meer; das Nördliche Ci: 
meer empfängt die Wafler einer Fläche von 1, 
Mill. qkm, vor allem vermittelft der Petſchora, dei 
Mefen, der Dina und Dnega. Zur Ditiee geben 
die Adern der Südoftabdahung Skandinaviens, mie 
Zorned: und Dalelf, die Abflüfeder finn. Seenplatte, 
erner Newa, Düna, Niemen, Pregel, Weichſel und 

der, indgefamt Flüffe aus einem Gebiete von 
1,03 Mill.gkm. Der * find tributär 725000 
qkm, untlächlic vermittelft ver Elbe, Weſer, Ems, 
des Rheins und der Schelde. Themfe und Seven, 
Seine, Loire, Garonne, Duero, Tajo, Guadiana, 
Guadalquivir u. |. m. entwäflern 1,142 Mill. qkm 
Land zum Kanal und zum Atlantifchen Dcean. Die 
Hauptftröme des Mittelmeers find Ebro, Rhoͤne und 
Bo, fein Anteil an E. beträgt 944000 qkm. Da: 
größte MWafjergebiet (2,000 Mill. gkm) gebört zum 
Schwarzen Meere; bier münden Donau, Dnieftr, 
Dnjepr und Don. 

uch Ranäle verbunden ift in Rußland das 

Gebiet des Kaſpiſchen Meers mit dem Eismeet durd 
Wolga (Scheläna) und Divina (Sucona), mit der 
Oſtſee vermittelft Wolga und Newa auf mehrfache 
Weiſe, desgleihen die Dftjee mit dem Schwarzen 
Meere vermittelft Dnjepr, Düna, Niemen und 
Weichſel; in der Mitte E.3 verbindet der (Lu: 
330 Donau⸗Main⸗-Kanal Rhein mit Donau oder 
Norbfee mit Schwarzem Meere; durch Frankreich 
führen zahlreiche Kanäle vom Gebiet der Rhöͤne 
zum Rhein, wie zur Seine, Scelde und Loire, 
alfo vom Golf du Lion zur Nordfee, zum Kanal 
und offenen Dcean, der durch Garonne und Canal 
du Midi nochmals mit dem Mittelmeer verbunden 
ift; in Schweden führt der Götalanal, in Holitein 
der neue Norboftjeelanal aus Dftfee zur Nordſee 
und auf den brit. Inſeln bat ein außerorbentlib 
reiches Ranalneß im ©. und N. Oft: und Weftfüfte 
in Verbindung gefebt. . 

Unter den Seen ift das falzbaltige Kaſpiſche 
Meer, der größte Reit ehemaliger Meeresbevedung, 
u Afıen zu rechnen. Beipus:, Ladoga- und Onega: 
ee, die Seen Schwedens, wie Wener: und Wetter: 
ee, die große Seenplatte Finlands, die Seen Groß⸗ 

itanniens und Irlands, wie auch die im N. und S. 
der Alpen, welch letztere zugleich als Läuterungs 
beden der Flüſſe dienen, ſtehen mit der Eiszeit in ur: 


Europa 


achlichem Zufammenbange. Andere Formen find 
die Strandfeen der deutichen Dftfeeküfte und einzelne 
Seen —— Urſprungs (Eifel). Selten find 
Seen in — Die finn. Seen bededen 


11 Proz. der Fläche des Landes, die ſchwediſchen 8, 
die n n — ——58 und iriſchen 1,12 
und 1,92 u I lut größte Ausdehnung 


baben vie Seen ——— mit 68435 qkm 
mäbrend das gefamte Seeareal E.s, einfchlie ih 
der Hofe, aber obne dad Aſowſche Meer, au 
167968 qkm berechnet Fi 
Sümpfeund Karl ———— Menſchen⸗ 
arbeit befeitigt oder beſchrankt worden; doch find 
noch weite Streden, wie die Tundren Rordruß ands 
und zum Zeil die Rokitnoſumpfe m FE 
ze des Anbaues und des Ver Den 
Feige vom Sg en zum Feſten, — Dieer zu 
Land, bilden die Ma ichen ber Norbjeelüfte und die 
Lagunen ded Adriatifchen Meerd. (Hierzu: Phy⸗ 
fitalifhe Dana von Europa. 
Klima. bat von allen Erbteilen das 8 
mäßigtite Klima Es liegt mit Ausnahme des 
äußerften R. in der gemäßigten Zone und wird auf 
der ganzen Norbmweitieite von den warmen Strö: 
mungen des Golfſtroms befpült. Auch geftattet die 
reiche Gliederung im NW. dem mildernden Einfluß 
des Meers Eingang gegen - —— (Nordjee, 
Ditjee); dasſelbe findet im ©. ftatt (Mittelmeer). 
So liegen die yab tesifotbermen bier nördlider a ala 
in den andern fiontinenten; die von 0° fchneidet im 
R. nur die Halbinfeln Rola und — ab, nur die 
allernordlichſten Gegenden haben alfo eine mittlere 
Jabrestemperatur von unter 0°. Andererjeitö be: 
rührt die Jahresiſotherme von 20° E. gar nit. 
Man unterfcheidet fünf große Klimaprovinzen. 
1) Die Mittelmeerprovinz wird durch den Wall 
der Borenden und des Alpenſyſtems vor den rauhen 
nördl. Winden gefhüst. Gegen D. ift die Tempe 
ratur niedriger als im W., meil bier die höbern 
Gebirge am Nordrand der Provinz feblen. Die 
Einbeitlicheit des Klimas ift der Siſtenz deö ge: 
—— Mittelmeers zu danken. Die Temperatur 
Meermwajlers A Minter um 3° (Palermo) 


(Klima) 307 


britannien, Weſtdeutſchland, Holland, Belgien for 
wie die MWeitkü ten Jütlands und Norwegend; er 
liegt zwifchen den Jabresifothermen von 15° und 

‚und bat nur 10—20° Wärmeihmwantung. 
Starker Regenfall herrſcht an den —ãx Frant: 
reichs und der brit. —— eln. 

3) Die Kontinentalprovinz eigt ein Übergangs» 
fima * der oceaniſchen zur baltiſchen und ponti⸗ 
gr Zu ihr gehören Deutichland öjtlih von der 

inie  Hambur g-Straßburg, die Schweiz, Oſterreich 
diesjeit der Se a und Dänemarl, Hier finden ſich 
ſchon höhere Wintertemperaturen, aud böbere 
Sommerwärme und ftärlere Schwankungen. 

4) Die baltiſche Provinz und 5) die pontiſche Pro: 
vinz zeigen echtes —— ma, je — gegen O., 
deſto ſtarker. Die Waſſerumgebung G.s verliert bier 
ihre Wirkfamleit, dagegen wirten die breitern Land» 
mafjen im Sommer erwärmend, im Winter erlältend. 
Daber find die Schwankungen bier befonbers hoch. 
Niederjchläge find bier geringer (600— 400 mm), 
durch eine Linie Wien⸗Kralau⸗Moslau⸗Kaſan wird 
bie füdliche pontifche Provinz von der nordlichen 
baltifhen geſchieden. Im * hen kalte Winter, 
u u Sommer, im S,t inter, heiße Som: 

m ©. ift die Bewöthing gi geringer, bie Sonnen: 
ftrablung, rößer, bie —— wächer. Gegen 
D. wird dieje Differenz mie fhen Sommer und Winter 
noch —— Die mitteldeutſchen und ran Gebirge, 
die Norw —— chottlands, Wales’ und 
die Alpen aben ohenkl ima. 

Die folgende liberficht, in der neun Gruppen 
von Orten ungefähr ‚gleiber Breite —— 
ſtellt find, giebt ein Bild von der Verſchiedenheil 
der Mimati hen Berhältniffe von Weit:, Mittels, 
Süd: und Diteuropa: 






Bänge 
D. oder W. 
von Greenwich 









bis 5°C. Toulon) höher als die der Luft. Schnee | grond ...... ss 
üt felten. —A iſt das ſtarle Steigen der Separanda .. Leser 0,0 
Wärme im bling. Der Mai ift jo warm mie | Ardangelst 643 0,4 
der Juni im Mittelpeutichland. —— Abtei⸗gergen ..... on FF 
lungen in der Mediterranprovinz bilden das fpan. n 59° 55° X) 
Tafelland mit kontinentalerem Klima und ftarten ars 9 3 
—— wankungen trog Nahe der See, ferner das —— 34 3 
ittelmeergebiet mit größerer Gleichmäßig⸗ 

teit; dann das ſudfranzoſiſch⸗liguriſche Küftenland, — ————— un = 2 
* ogebiet, wieder mit kontinentalerem Klima Ride art hen sr gs 
ee zu — Jahreszeiten; Süpitalien mit | Mostau ..... 55° 46’ 3,9 
aturen und geringer Feuchtig⸗ Ralan ...... 55° 47’ 2,3 
ein die dalmatini &:illyrifhe Brovinz mit großer Batentia (Irland)| sı° 55° 66 
‚ infolge der Lage am Fuße der Gebirge, | London ..... 51° 35° 10,3 
In allen . bieten tommen Fallwinde, Niftral —— nn. x * 
in Sudftantreich, Bora in Iſtrien und Dalmatien | Gamer ©: :..:. | 323 93 
vor, dagegen in Sübitalien der heiße Sirocco; bie Beipnia ach 51° 90 8,5 
Br des griech. Sprachgebietes zeigen größere Boten IRRE EE = = 8 
* terihiede von Sommer und Winter und Abnahme | Faydeu m. Kr 
tur gegen NO. (Ronftantinopel). Kurt ..... 51° 48 5. 
n Die ee ober atlantiihe Provinz, Weit: 2 — 
europa —— bat — oceaniſches Klima, | BErh ++, 48,28 103 
—72 ur Due —* —* e 5* he jer: Stutt art * “ rn 

'ält in zwei Teile. Der eine begreift Bortugal und en 2 12 * 
panien, mit geringen Schwankungen und viel | Gral. | age ae | 523323388 
Niederihlag. Der andere umfaßt Frankreich, Groß⸗ Sarepta... .... 48° 30° | 44° 34° lin! 2339| 75 








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..r ern 


—— A 






ewaltopol .. . 12,1 
Aftradan .... 9,4 
Eoimbra..... 14,8 
Barcelona 16,9 
Hiaccio. ..... 17,6 


..er er. 


Malta ...... 


Beſonders wichtig find die Temperaturfchwans 
kungen zwiſchen dem kälteften und dem wärmſten 
Monat. Hier ot ber ausgleihende Einfluß 
der Meere im D., . und ©.; nur im D. wird 
eine Differenz von 30° erreicht, —— die Atlan⸗ 
tiſche und Mittelmeerlüſte nur 15, faſt ganz Mittel⸗ 
en und Skandinavien (bis auf die Bodgebirge) 
nur bis 20° Unterjchied aufmweifen. 

Ein anderer wichtiger Faltor für das Klima ift 
die Höbe über dem —— Die —— 
wie vor allem die Alpen (f. d.), bilden Kälteinſeln, 
fie tragen ewigen Schnee, deilen untere Grenze je 
nach der geogr. Breite und beſondern Berhältniffen 
höher oder tiefer lieat Im DovresFjeld in Nor: 
megen, in 63° nördl. Br., gebt die Schneelinie bis 
ji 1600 m binab, liegt aber, wie in Norwegen über: 

aupt, auf der Nord: und Rordo feite höher als 
auf der Welt: und Südmeftfeite, weil leßtere bei den 
vorherrſchenden Seewinden die didere Schneelage 
empfangen. In Lappland liegt fie beim Meere 
etwas unter 1000 m, in der Schweiz, in 47° nörbl. 
Br., zwifchen 2700 und 2800 m. 

Das die Niederfchläge betrifft, fo erhält der 
D. und die Mitte weniger Regen ald der W., im 
allgemeinen der N. weniger als der ©. Die Deit: 
jeite Großbritanniens und Norwegens empfangen 
drei: bis viermal foviel Regen als die Mitte Deutſch⸗ 
lands und Rußlands, bis wohin die Winde vom 
Allantiiben Meere ihre Feuchtigkeit nicht tragen. 
Unendlid verſchieden zeigen fich die Dana 
niffe im einzelnen. In Frantreich 3. B. fallen in 
Dünlir nur 850 mm, in einem Teile von 
Yslesde: France und der Champagne 400 mm; 
dagegen in Teilen der Hochgebirge über 2 m. In 
Spanien fallen auf Eaftilien, Murcia und Ara: 
aonien 300, 400, 500 mm, aber auf Santiago 
1739 mm und in Oporto 1430 mm. In Stalien 
empfängt Rom 760 mm, Tolmezzo 2435, Cofenza 
1177 mm, in Öfterreih:UIngarn die Donautiefebene 
460 mm, der Südabfall der Alpen 1470 mm; in 
Deutichland fallen in einer Gegend 500, in andern 
800 und 1000 mm; in England empfangen bie 
trodenften Striche 500 mm, die regenreichſten über 
2000 mm, aljo mebr als das Bierfache jener. Die 
maritime Mejtbälfte ift mehr mit Feuchtigkeit ge: 
ſegnet ald der kontinentale D.; eine Linie vom 
Kuriichen Haft zur Donaumündung ſcheidet beide 
Hälften, Nur die fpan. Hocebenen erfcheinen ab» 


Europa (Pflanzenwelt) 


norm. Deutlich zeigt ſich diefer Unterſchied zwifcten 
Meft: und Dftfeite auf den brit. Inſeln und in Süp: 
flandinavien. Auf der Weſtſeite empfangen Galmay 
1295, Stye 2578, Penzance 1054, Bergen 2258, 
Göteborg 827 mm; auf der Ditjeite Dublin 742, 
Aberdeen 748, London 624, Kriitiania 537, Stod: 
bolm 401 mm; ferner Norderney 924, Hamburg 
732, Sranlfurt a.D. 523 mm. Im nörblidern E. 
fann jeder Tag Regen bringen; in der Mitte und 
im D. fällt der meijte im Sommer, im ®. und auf 
den Inſeln im Herbit, im ©. im Winter und im 
grab inge, an den Südlüften im Herbjt. Die in 
iNabon im Dezember fallende Regenmenge verbält 
ſich zu der im Juli wie 55 zu 2, zu Palermo wie 37 
zu 2"; in Neapel fällt im November 11mal joviel 
als im Juli, in Rom im Dftober 10mal foviel als 
im Juli; in Palermo ift von 1806 bis 1853 im Juli 
nicht ein Tropfen gefallen. Hier im S. muß man 
alfo bewäfjern, während der Boden im N. vielfach 
Entwäflerung verlangt. Im nörbl. Italien ift die 
Regenmenge im Frühling und Herbit etwa gleid, 
im füdl, —S mindert ſich der Frühlings: 
regen, in ber Bretagne ift er Null. In Irland und 
Schottland fällt der meifte Regen im Winter, in Nor: 
wegen im Herbft. Die ftärkite Regenmenge in €. 
baben ee und die Inſel Skye. Mittel lann 
man für Weiteuropa 800 mm annehmen; wo über 
850 fallen, tft das Land feucht, wo unter 600, iſt 
es troden. (Hierzu: Regenlartevon Europa) 
In ganz Süd» und Wejteuropa find die wärmern 
Süd: und inde, in Diteuropa Norbimeit:, 
doch auch Oſtwinde vorherrſchend, welche letztern 
die trodnne Kälte oder Hitze des afiat. Kontinents 
mitteilen, An den Küften Südeuropas ift der Wed: 
fel *8 Land: und Seewinden viel füblbarer 
als in Nordeuropa und trägt viel zur Milderung 
ber wärmern Tagestemperatur bei; die Luft ift im 
©. Harer als im N.; aber die beißen Winde (Ei: 
rocco, Solano) und die ungejunden Dünjte über 
den fühl. Maremmen find dem N. unbelannt. 
Pllanzenwelt. Die Verbreitung und Bhy- 
fiognomie der Pflanzenwelt teilt E von Norden 
u: Süden in vier, an Umfang fehr verſchiedene 
Blorengebiete. 1) Die Arktiihe Flora, das 
nörbl. Yappland und die flandinav. Hochgebirge, die 
Nordhälfte von Kola und oftwärts bis zum nördl. 
Ural die Samojeden: Tundra umfafjend, ift baum: 
108 und bat leine Felpkultur. 2) Die Mitteleuro: 
päiſche Biere, bis zu den Byrenden, Südalpen 
und dem Balkan ſich eritredend, erzeugt jenes Bene 
tationsbild von Nadel» und Laubwaͤldern mit arü: 
nenden Wiefen, Mooren und Sümpfen, wie e8 aͤhn⸗ 
lich aud) in Sibirien und Canada den Grundton bil 
bet; iedoch bilden die weiten Flächen der Heiden (mit 
Grica-Arten oder Calluna vulgaris Salisb.) einen be 
fondern mitteleurop. Charakter. Hier find wiederum 
drei Gürtel zu unterfcheiden: der nörblihe umfaßt 
Schottland, Skandinavien, Finland und Nordrub: 
land. In ihr find die Birke, Fichte und Kiefer ber 
nörblichjte Vertreter des Baumwuchſes, ‚und 
Hafer werben kultiviert, fogar bis zum 70. Breiten: 
— Der mittlere Gürtel reicht ſudlich bis zur 
orbgrenze des Weinjtods. Diefe beginnt im W. bei 
Bannes (im NW. von Nantes), biegt norböftlich zum 
Rheinthal bei Köln, verfolgt die Nordterrafien des 
Mainthald, greift in das Werrathal bei Witzen 
bauen, in das Saaltbal bis Naumburg, erreicht den 
nördlichften Punkt bei Freienwalde am Oderbruch⸗ 
und wendet alddann füdöftlich zu den Karpaten, zu 


REGENKARTE 


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Brockhaus’ Konversations - Lexikon. 1%. Aufl 











VON EUROPA. 


















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Mittlere Jährliche Niederschlagshöhe 
in Millimetern. 








Niederschlagsarme 
Unter 250 ınm Gegenden 
250 - 400 
Gegenden 
"00 - 500 >, mit mässigen 
500 - 750 " | Niederschlägen 


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1000 | 


1 
1000-2000 * |Ninderschingsreiche | . 
| Gegenden. * 
über 2000 * ; 


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FA. Brockhums’ Geogr.- artist Anstalt. Leipzig, 


Europa (Zierwelt) 


den untern Läufen von Dnjepr, Don und MWolga, 
und verläßt E. im N. von Aſtrachan. Diefer von den 
brit. Inſeln, Norbweitfrantreih, Belgien und den 
Niederlanden, Norddeutihland, Sudſtandinavien, 
Bolen und Mittelrußland gebildete Gürtel wird be: 
Bas durch Eichen: und Buchenwälder (die Buche 
ört in Polen mit 51 und 52° auf und ee” be: 
ſonders gut im weftl. Gebietäteil und in Dänemarf, 


feblt norböftlich von — — den obens | (V 
len un 


genannten nordifchen Bäumen, d Meiden, 
dur die Kultur von Roggen und Weizen, im Sü- 
den auch ala Wintergetreibe, von Rartofjeln, Bud: 
weizen, Flachs und Hanf und von nördl. Objtbäumen, 
Ter jüdl. Gürtel umfaßt die Hügel: und Berg: 
länder von Frankreich, Deutihland es 52° und 
50° nördl. Br., ÖfterreihUngarn, Serbien:Bulga- 
rien, auögezeichnet dur ergiebige Weinkultur im 
jonnigen Hügellande, durch das Auftreten der Tanne 
(neben Fichte) im Bergmwald, durch die Bergliefern, 
G en, Lärchen und Zirbelliefern in den obern 
Bergregionen mit Alpenmatten über der Baums 
pas: je nad) der Höhenlage wechſelt die Flora und 

Iturfäbigteit fehr, der milde Weiten bält ſchon 
immergrüne Laubhölzer (Quercus ilex L.) aufrecht. 
3) Die Mittelmeerflora umfaßt das ſüdliche E., 
geidjeitig das norbieftl. Afrita und Kleinafien. 

ie fann die der immergrünen Laubbölzer genannt 
werden, denn in untern Regionen fehlen die nördl. 
Waldbäume und überhaupt größere Waldungen; 
dagegen treten im Heinern Gehölzen Bäume und 
Geiträube obne periodiſchen Laubfall auf: neben 
Kork: und Steineiche Forbeer, Granate, Piitazie, 
Dleander, baumartige Erica, Myrte, Seefichte, Binie, 
Cypreſſe, Blatane und die ehbare Raftanie. Der Ol: 
baum und die Orange werden neben dem MWeinftod, 
Nandelbaum, Pfirſich und Zeige feldmäßig ge 
jogen, außer Weizen 5. ais; Fackeldiſteln 
(Opuntien) find neben dem letztern ameril. Getreide 
eingeführt und nunmehr weit und breit angefiedelt. 
Eine Zwergpalme, Chamaerops humilis L., wächſt 
in Südeuropa wild, die Dattelpalme wird angegen 
nur hier und da kultiviert und reift felten. Die Ge: 
birge ir ſich inniger an die mitteleurop. Flora 
an, aber fehlt auch die jommerliche Unterbrehung 
durh Dürre. 4) Das jüdl. Rußland zwiſchen Dnjepr⸗ 
und Wolgaunterlauf bildet eine eigene Gras dep. 
penjlora, deren Angehörige bis gegen Rafan nad 
Norden und durch die Theißniederung in Ungarn 
bid Wien und weiterhin nah Weften verbreitet 
Ind, Das ertreme Klima läßt auf der ſchwarzen 
Erde (Tſchernoſem) trogdem reiche Getreideernten 
su; das Baumleben ift von Natur ausgeichlofien 
und endet mit Kiefer und Hainbuce. (Bol. Karte: 
J———— U: Verbreitung der 
wihtigften Kulturgewächſe in Europa. 
Erntezonen in Europa, 

Tierwelt. E. gehört zu der großen paläoarttifchen 
Region (f. Tiergeograpbie). Seine Fauna ift von 
Norden nah Süden zweigliedrig, fie zerfällt in bie 
der Mittelmeerländer und in die des übrigen E., 
welche legtere ſich minder fcharf in die oft: und weit: 
europäifche ſcheidet. 

Von den Ordnungen der Säugetiere find 7 ver: 
treten. Affen (1 Art) finden ſich bloß in Gibraltar, 
aber wahrſcheinlich eingeführt, Fledermäufe kom— 
men 26 Arten vor, davon find 13 weit verbreitet, 
2 mehr nördlich, 1 in den Alpen, 10 finden ſich nur im 
Süden. Bon den 14 Arten Inſeklenfreſſern find 8 
Erigmäufe (5 weitwerbreitet, 1 in England, 1 in 


309 


Stalien, 1 in den Alpen), 2 Bifamfpigmäufe (eine, 
der Wuchuchul in Sübrußland, die andere in den 
———— 2 Igel (1 weitverbreitet, 1 im äußerften 
Sübojften), 2 Raſſen von Maulmürfen (1 mehr nörb: 
li, 1 füdlih). Raubtiere find durch 28 Arten ver: 
treten: 1 echte Rabe (vielfach ausgerottet, ſonſt all: 
gemein vertreten), 3 Luchſe (1 meitverbreitet, aber 
vielfach ausgerottet, 1jüdlich, 1nördlich), 2 Viverren 
iverra civetta eb. im Außerften Süden, 
Herpestes Widdringtoni Gray bloß in ten 
7 marberartige (5 weitverbreitet, 1 Jltis bloß im 
Südoften, der Nörz nad Oſten — 1 Fiſch— 
otter allgemein verbreitet), 5 Arten der Gattung 
Hund (Fudhs und Wolf allgemein verbreitet, lektere 
vielfach ausgerottet, der Eisfuchs im hoben Norden, 
der Schatal und Korſal im Südoften), 2 Bären (der 
braune vielfach ausgerottet, fonft allgemein ver: 
breitet, ver Eisbär im hoben Norden), 1 Dachs (all: 
ee. verbreitet), 1 Vielfraß (im hoben Norden). 
ie Nagetiere find in E. die zahlreichften Säuger 
(43), doch weichen die Anfichten über Artberechti« 
ungen ſehr auseinander. Echte Mäufe (Mus) finden 
Ka 7, davon find mweitverbreitet 6 und 1 bewohnt 
den Süden; Wühlmäufe find 11 vorhanden, 4 weit: 
verbreitet, 2in Mitteleuropa hin und wieder, in den 
Alpen 1, im hohen Norden und im Süden je2. Dir 
beiden Lemmingarten gehören dem Norden, bie 
beiden Zieſel dem Oſten an. Hamfter finden fich 2, 
ber eine im ganzen Dften, in Mitteleuropa zwiſchen 
der Nord: und Oſtſee, dem Rhein und Main, ber 
andere im äußeriten Südoften. Die Murmeltiere 
find in den Alpen und im Dften durch je 1 Art ver: 
treten. Die Birkenmaus ift rein nörblidh, die beiden 
Springmäufe gehören allein der ſüdruſſ. Steppe. 
Die 8 Schläfer finden ſich hin und wieder durch den 
rößten Teil des Gebietes, werden aber im Dften 
Päufiger. Bon den beiden Eihhörnden ift das ge: 
meine überall, wo der geeignete Wald vorhanden 
ift, das fliegende bloß im Norden. Der Biber, 
früber meit verbreitet, ift (abgefehen von einer 
Heinen Refttolonie an der Elbe zwifhen Mulde: 
und Saalemündung) nad Dften gedrängt. Das 
Stachelſchwein tritt auf der Pyrenätfchen Halbinfel 
auf, Bon den 2 Hafen ift der eine weitverbreitet, 
der andere findet fi in den Alpen und im Norden. 
Das Kaninchen, vielfach vermildert, ftammt aus 
Spanien. Wiederkäuer werden in 10 Arten in €. 
angetroffen, 5 derjelben gehören zu den Hörner:, 5 
zu den Gemweihetragenden. Bon diefen legtern ſind 
2 weitverbreitet (Reh und Hirſch), 1 Art ift als wirt: 
(ih wild auf den Süden befchräntt (ver Damhirſch) 
und 2 (El und Renntier) auf den Norden. Bon 
den Hörnertragenden find 2 Antilopen vorhanden: 
die Gemfe in den Hocdgebirgen, von den Pyrenden 
bis zu den Rarpaten, und die Saigaantilope in 
Südrußland zwiſchen Wolga und Don. Weiter ge: 
hören bierber 1 Wildichaf, der Mufflon (Ovis musi- 
mon Schreb.), in den Gebirgen Sardiniens und Cor: 
ſicas, ferner der Steinbod, welcher in mehrern Arten 
die hoben Gebirge des eigentlichen Spaniens, die 
Porenden und nurnod in wenig Individuen und febı 
lofalifiert die ſchweiz. und ital. Alpen in der Gegent 
des Monte:Roja bewohnt, ferner die Bezoarzieg: 
auf Kreta. Ein Rind, der Wifent, wird unter menſch 
lihem Schuß nur noch im Nordoften angetroffen 
— Bon Seefäugetieren treten 2 oder 3 Robben 
auch in der Oſtſee beftändig auf, * in der Nord⸗ 
ſee, eine Art iſt a Adriatifche Meer beichräntt 
und im Giömeer finden ſich 5—6 Arten und das 


310 


Walroß. Delphine treten in allen Meeren um €. 
berum auf, nehmen aber nah Norden an Artenzahl zu 
und von den echten Walen werden mehrere mit dem 
Rarwal bloß in den hochnordl. Gewäflern gefunden. 
Die Zahl der Bogelarten beträgt mit Sicher: 
+ 417, wahrſcheinlich werben aber im Norden, 
doften und vielleicht im Sudweſten noch einige 
Arten binzulommen, außerdem darf nicht überjehen 
werben, daß die Anfichten über die — 
mancher Arten gar ſehr auseinandergehen. Sing⸗ 
vögel find weit bis allgemein verbreitet 84, der 
Süden hat 23, der Norden 29, der Dften 7, ber 
Süpdoften 9, der Sudweſten 3, der Weiten 2, die 
Alpen 12 eigene Arten, zufammen in €. 169. Seg: 
ler finden fi 4 Arten, 2 weitverbreitet, 1 im Süben, 
lim Sübmeften; nn (Rlettervögel, Schrei: 
vögel) 16, davon 11 weitverbreitet, im Süden, Sud⸗ 
often, Sudweſten je 1 eigene, 2 in den Alpen (aber 
— Norden); Nachtraubvogel 13 Arten (6 weit⸗ 
verbreitet, 4 im Norden, 2 in den Alpen, 1 im Su—⸗ 
den); Zagraubvögel 37 Arten (15 mweitverbreitet, 6 
im Süden, 7 im Sübdoften, 4 im Norden, 3 im Oſten, 
2in den Alpen): Hühnervögel 12 (allgemein vers 
breitet 5, im Süden 4, in den Alpen 2, im Norben 
1); Tauben 4 (weitverbreitet 3, im Süden und 
Weiten 1); Stelz: oder Watvögel 66 (meitverbreitet 
29, im Norden 21, im Süden 11, im Diten 2, im 
Südoften 2, im Sübmeiten und in den Alpen je 1); 
Siebfchnäbler (Enten, Gänje, Schwäne) 45 Arten, 
(meitverbreitet 10, im Norden 32, im Süboften 2, 
im Süden 1); Rormorane und Belitane 5 (meitver: 
breitet 1, im Norden 2, im Süboften 2); Möven 
und Seefhmwalben zufammen 82 Arten weitverbreis 
tet 10, im Norden 19, im Süden 3); Taucher und 
Alte zufammen 14 (weitverbreitet 4, im Norden 10). 
Aus der Klaſſe der Reptil ien werden 6— 7 Schild: 
trötenarten gefunden, 2 Land: und 1 Waſſerſchild⸗ 
fröte im Dften, 1 Waflerjchildfröte bis ae 
land und in ganz Südeuropa und 2—8 Seeſchild⸗ 
tröten im Atlantıfhen und Mittelmeer. Bon den 
33 Eidechſenarten find nur 3 allgemein verbreitet, 
14 gehören dem Südoften, 9 dem Süden überhaupt 
und 7 (darunter ein Chamäleon) dem Sudweſten an. 
Schlangen find 24 Arten, 3davon giftige, vorhanden, 
aber nur 8 find weit verbreitet, die Kreuzotter am 
mweiteften (in Schweden bis zum 67° nördl. Br.), 
8 (davon 2 giftige) bewohnen den Süden, 10 den 
Süpoften und 8 den Sudweſten. — Bon den 27 
Amphibien find 15 Arten Froöͤſche und Kröten, von 
denen viele im Weſten big Mitteleuropa, 4 aber 
bloß auf der Pyrenaiſchen Halbinfel gefunden wer: 
den. Geſchwaͤnzte Ampbibien treten 6 auf, davon 
weitverbreitet 5, 2 im Süden überhaupt, 1 in Frank⸗ 
rei, 3 in Spanien, 8 in talien, 1 in den Alpen 
und 1 (der Dim) in den Krainer und Illyrer Höhlen. 
Knochenfiſche find aus dem europ. Sußwaſſer 
etwa 300 Artenbelannt. Die Lachſe (Lachs, Forellen, 
Saiblinge) find biesfeit der Alpen bejonders im 
böbern Rorden und in den Alpenjeen viel artenreicher 
als im Süden. Auch der Hecht, der Wels, der Stich: 
(ing, der Stint u.a. find Fiſche des mittlern und nord⸗ 
liben €.8. Der Aal feblt in allen Zuflüffen des 
Raipiihen und Schwarzen Meerd. Der Hundsfiſch 
(Umbra Crameri Filj.) ift auf einige Gemäjler Un: 
garns beichräntt. Knorpelfiſche (Störe) treten etwa 
6—7 Arten auf; die meiften finden fich in den Zus 
Hüflen des Schwarzen und Kaſpiſchen Meeres. 
Bon Infelten jind Käfer zahlreich, ihre Arten- 


Europa (Mineralreih. Bevölferungsverhältniffe) 


nördl. Hälfte berrihen Lauf» und Raubläfer, in 
der füdlichen die Melanofomen vor. Die Miitläfer 
werden biesfeit der Alpen vorzüglid durd bie 
Aphodien oder Dungläfer vertreten, zu denen ſich 
weiter nah Süden immer mehr und größere For: 
men gejellen. Aud Pradtläfer und Eetonien neb⸗ 
men nad Süden zu, beögleihen die blüten: und 
borfeliebenden Bodtäfer, während die Holzbodtäfer 
abnehmen. In Südipanien greifen einige tropiice 
—— yet Tetracha u. er. in bie europ. 
auna über. Unter ven Schmetterlingen berriden 
die unfceinbaren Eulen, Spanner und Alein: 
fhmetterlinge vor, aud die Tagfalter find meiit 
durch Heinere und unſcheinbare Arten vertreten. 
Auch ihre Zahl und Schönbeit vermehrt ſich im 
Süden, mo einzelne tropijche Familien binzutreten. 
Die Zahl der Abendfalter und Spinner verdoppelt 
ſich jenfeit der Alpen. Zu den gewöhnlichen nicht 
allzu zablreihen Arten der Geradflügler treten im 
Süden andere und zum Teil aus tropiiden Fami⸗ 
lien (Gottesanbeterin, Gefvenitheufgrreden) inzu. 
Bon Hautflüglern beſitzt der nordl. Teil mebr blumen⸗ 
beſuchende (Bienen, Hummeln), der Süden mebr in 
Sand haufende Arten. — Auch die Zahl derSpinn: 
tiere vermehrt ſich nah Süden beträchtlich und es 
treten Repräjentanten von in der cidalpinen Fauna 
nicht vorfommenden Familien und Ordnungen (3 
oder 4 Arten Storpione, die Walzenjpinne oder 
Solpuga im Südoſten, 1 Minierfpinne [Cheniza 
sementaria Ler.] u. |. w.) binzu. Auch die Kreb?: 
fauna vermehrt ſich jenfeit der Alpen um ein neues 
Element, nämlih um eine Süßwajlertrabbe (Tel 
phusa pluviatilis Bel.). — Die nördl. Hälfte von E. 
tft reiber an Süßmwaffermollusten und wald— 
bemohnenden Landweichtieren, im Suden berriden 
die bürre Stellen und Felſen liebenden vor, im feliigen 
Süpoften befonders die Glaufilien, im Weiten mebr 
dieSchnirkelihneden. Eine Familie von Sußwaſſer⸗ 
fchneden, die Melaniden, ift auch nur im Süden ver 
treten. — Über die Meeresfauna ſ. Adriatiſches 
Meer, Mittelländifches Meer, —* und Dftier. 
Bei den Eivilifationsverbältnifjen E.s iſt es natür- 
li, daß die Menge der Haustiere außerorbentlih 
coß ift. Der Verbreitung des Pferdes, Rindviebs, 
chafs, des Schweins und der Ziege wiberftebt nur 
der äußerjte Norden, wo das Renntier und der all 
verbreitete Hund kümmerlichen Erfaß bieten, ım 
Süden aber gejellt ſich noch der Büffel, unter be 
fonderer Pflege jogar das Kamel und weit zahl 
reicher ald im Norden Maultier und Eſel binzu. 
Mineralreich. €. ift befonders reich an nußbaren 
Mineralien. Gold findet fih im Ural und in den 
Karpaten; Silber am meiften im Ural, in den 
Karpaten, dem ſachſ. Erzgebirge und Schweden, 
Quedjilber in Joria in Jlyrien, Jtalien und A: 
maden in Spanien; Platina nur im Ural; Zinn am 
meiften und beiten in Cornwallis; Zink in England, 
— und Deutſchland; Blei beſonders in Eng⸗ 
and, Spanien, Ungarn und Deutſchland; Kupfer 
in England, Schweden, Norwegen, Rußland, U 
gan; Gifen das meifte in England, das beite ın 
chweden, viel in Rußland, Sjterreih, Preußen; 
r Steinfoblen find namentlich England, Belgien, 
ftfrantreih und Deutihland wichtig; für Sal, 
Steinfalz Galizien, Quellfalz Deutſchland und Var 
Ic ortugal; für die meiften und berühmtellen 
ineralwäller Deutichland und Böhmen. 
Bevölferungsverhältniffe. Die Bewohner leben 


vabl mag ſich auf etwa 12000 belaufen. In der | in feitbegrenzten Staaten, deren polit. Grenzen 


DIE VOLKSDICHTE 


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Bewolmer auf 1 Quadrat - Kilometer. 


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a 30000 - 100000  " 
Sämtliche Städte mit mehr als 50000 Binwohnern. - | 
sind von der Berechnung ausgeschlossen warden «50 

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F.A. Brockhaus’ Geoßr- artist. Anstalt.Leipaig 


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Europa (Bevölferungsverhältnifje) 


niät ganz übereinftimmen mit denen des Erbteils. 
As Übergriffe find zu betrachten die Canariſchen 
Yieln, Madeira und die Azoren, melde politiſch 
zu Spanien und Portugal gehören, und die trans⸗ 
uraliiben und fautafifchen Zeile Rußlands, welche 
gesrapbilc zu Aſien gehören. Da aud das Ge: 
iet von Spisbergen, die Injel Yan Mayen und 
ie Bäreninjel von dem natürli begrenzten €. 
auszuidließen find zur Erzielung eines enger .. 
jaflenden europ. Staatengebietes, jo beſchränlt 
dd diejes auf 9820504 qkm. Auf diefem Raum 
leben, nach Berechnung für das 3. 1900, ungefähr 
392 Mil. Menſchen, d.i. 40 auflgkm. E. nimmt 
damit unter allen Erdteilen an Bevöllerung?: 
dihtigleit die erſte Stufe ein, wenn aud in un: 
gleiber Verteilung, je nad den natürlichen, ge 
ſdichtlichen und Givilijationsverbältnifien. Am 
dünniten ift die Bevöllerung (im nörbl. Rußland 
und Sfandinavien) im allgemeinen im Djten und 
Norden, jowie bejonders auf den Hocgebirgen und 
Steppen des übrigen Teild, am dichteſten im Weiten, 
den meiiten Teilen der Mitte und dem mittlern Sü: 
den (Ytalien). Die höchſte 2. (mobei alle 
Städte mit über 50000 €. von der Berechnung aus: 
geſchloſſen jind) erreichen die großen Handeläcen: 
tten, mie dad Depart. Seine in Frankreich (1723 E. 
auf I gm), die Grafihait Middleſer in England 
(44% €. auf 1 — die Umgebungen von Ham: 
burg, Wien, Mailand, Neapel, Konftantinopel; 
meiſt finden fich dafelbit aud eine größere Zabl 
von Mittel» und Grofftäbten dicht beifammen 
(im Depart. Seine 16, Mipplefer 13 mit über 
2000 E.). An die Handelscentren reihen oft Küften 
und Ynfeln, die ebenfalld den Handel begünftigen, 
nabe heran. Sehr ftart bevöltert find auch die Ge: 
biete der Großinduſtrie, die meift an das Bor: 
tommen von Kohlen oder Erzen gebunden find. Es 
wohnen bier —— weit über 200 €, auf 1 qkm, 
jo in Beitengland (Lancafter und Durham), Süd: 
ſchottland (Cladmannan und Renfrew), Nordfrant: 
teih (Depart. Nord), im geſamten Belgien nördlich 
der Maas, außer in den Kempen im Nordoſten, aber 
eingeſchloſſen die hr Lüttich füdlich der Maas, 
ferner im Rheiniſch-Weſtfäliſchen Induftriegebiet, 
in Sachſen, Nordböhmen und einem Zeil Ofterreich.: 
Schleſiens (reiftabt), fowic im Oberſchleſiſchen Rob: 
den. Auch bier pflegen ſich größere Städte zu 
bäufen, jo hat Lancafter 43 Städte mit über 20000 E., 
darunter 8 mit über 50000, 5 mit über 100000 und 
2 mit über , Mil. €. yiyhe e3 in Durham (10 
Städte mit über 20000 E.), Belgien (Brabant 10), 
Beitfalen (26) und Sachſen. Gerade das Gegenteil 
ift der Zall in Norbböhmen, wo ſich in dem ganzen 
Gebiet mit über 100 E. auf 1 qkm nur 8 Städte 
von 20—50000 E. und 1 Großftabt finden. Wo 
bie Landwirtſchaft intenfiv betrieben wird, hat auch 
ne große Dichtigleit erzeugt; dieſe beträgt in den 
Brovinzen Nord: und Süpholland, am Mittelrhein, 
in der Lombard. Tiefebene und in Gampanien um 
150. Größere Stäbte find in diefen Gebieten auch 
aicht jelten. Es giebt aber auch dünn bewölterte 
Gegenden mit vielen Städten; jo hat Oviedo (Spas 
nen) bei einer Dichtigleit von 56 E. auf 1 qkm 7, 
Gadiz bei 39 E. auf 1 qkm 6, Eherfon (Rukland) 
bei 30 E. auf 1 qkm 5 Städte. Mähren und das 
nicht viel größere Sicilien haben ziemlich gleiche 
Dichte (105 bez. 112), eritereö hat nur 3, lehteres 
eima 25 Städte mit über 20000 €, (Hierzu die 
Rarte: Die Bollspichte in Europa um 1900.) 


311 


Näheres über die Bevölterungsverhältniffe in E. 
ſ. Bevöllerung. j 
‚In Stamm: und Sprachverſchiedenheit zeigt E. 
eine jeiner Natur und Geſchichte entiprechende große 
Mannigfaltigleit. Man unterfdeidet in E. neun 
verſchiedene Hauptgruppen von Volkern, melde 
wei Raſſen, ver mittelländifchen und der mongolis 
ſchen, angehören. : 

A. Böller der mittelländifhen Rajfe. 

1) Die Romanen gehören der Sprade = 
zujammen, beftehen aber ihrer Abjtammung na 
aus ſehr verfchiedenartigen Elementen. Die röm. 
Heere und Koloniften, melde aus allen Gegens 
den des meiten Reichs ftammten, baben das 
Bulgär: Latein in die von ihnen eroberten Län: 
der getragen, jo daß fih dasſelbe in Gallien, 
Iberien und Dacien verbreitete. So entjtanden 
die jeßigen roman. Völler mit ihren Spracden; 
das Italieniſche mit feinen zahlreihen, unter ji 
ftarl abweichenden Dialelten; das Provengalifche, 
das Limoufinifche, das Gascogniſche und das Cata: 
laniſche, aljo die Dialekte der Languedoc im ſüdl. 
Frankreich und im Nordoften Spaniens; das Fran— 
zöjiiche, feit alterö herrſchend im nörbl. Franlreid; 
das Caſtiliſche oder Spaniſche, dad Portugieſiſche 
und das dem Portugieſiſchen verwandte Galicifche; 
das an der untern Donau entwidelte Moldo-Wla⸗ 
chiſche, jest Rumäniſch genannt, fomie die Sprache 
der Kutzo-Wlachen (Zinzaren) im Pindusgebirge, 
in Fan Epirus und im nörbl. Griechenland; 
das Rhäto-Romaniſche oder Ladinifhe in einem 
Zeil von Graubünden im Engadin, im ſüdl. Tirol, 
in der ital. Brovinz Udine (Friaul) und der öjterr. 
Grafihaft Görz und Gradiäca, 

2) Der germanifhe Stamm (f. Germanen) 
nimmt Deutihland, Slandinavien und Britannien 
ein. Am unvermifchteiten baben ſich die Stanbi: 
navier gebalten, während die Engländer ſich mit 
der felt. Urbevölterung Britannieng, die len 
mit den im Rhein: und Donaugebiet einheimijchen 
Keltoromanen und den Slawen öſtlich der Saale 
und Elbe gemijcht haben. Romanifiert worden find 
die got. Völler, die im 5. Jahrh. das weſtl. Mittel: 
meer beberrfchten. Die Standinavier, welde in 
Schweden, Gotländer, Norweger, Jsländer, Dänen 
und Süten zerfallen, haben ſich in den legten zwei 
Jabrtaujenden allmählih über das nördl. Standi- 
navien verbreitet, hier finn.:lappiidhe Stämme teils 
vertreibend, teild germanifierend. Ysland ift von 
Norwegen aus 874 befiedelt worden. Die Angel 
achſen (f. d.) haben von Schleswig: Holjtein und 

ütland aus im 5. und 6. Jahrh. er erobert. 

ie riefen (ſ. d.) und Deutichen (f. Deutfches Volt 
und Deutiche Sprache) haben den Kelten Weit: und 
Süddeutihland und feit dem 12, und 13. Jahrb. 
den Slawen Norboftdeutichland abgemonnen. Über 
die fpradliche Gliederung j. Deutihe Mundarten. 

3) Die ſlawiſch-baltiſchen Bölter (f. Slawen) 
zerfallen in zwei Oruppen: a. Baltiſche Stämme; 
zu ihnen p° ören bie auögeftorbenen Breußen (Alt 

reußen, }. Litauifche Sprache) im heutigen Oſt⸗ und 
ejtpreußen ; die Litauer in Oſtpreußen und dem an: 
a ers weftl. Rußland; die Letten in Rurland 
und Livland. — b. Die ſlawiſchen Völker zerfallen 
in Weitflamen (Czechen mit Mährern und Slowalen; 
Polen, zu denen im weitern Sinne auch die Rafjuben 
und in Norbdeutichland ehemals zwifchen Elbe und 
Oder anfäffigen jog. Polaben zu rechnen find; Eors 
ben oder Menden der Ober: und Niederlaufik); 


312 


Ruſſen (Groß: und Kleinrufjen); Sudſlawen (Bul: 
garen, Serben und Kroaten, Slowenen). 

‚4) Die Kelten (ſ. d.) ericheinen in der älteiten 
biftor. Zeit E.8 über die Alpen und ganz Gallien 
verbreitet, von wo ſich ihr Bereich über die brit. 

njeln, das heutige Süddeutſchland und über die 

prenäen bis in das mittlere und weſtl. Spanien 
ausbreitete, während ſich ſpäter Abzweigungen 
nah Stalien, Thrazien und Kleinafien (Galater) 
finden. Bolt und Sprade find in drei Ge: 
enden vorhanden: in Wales (das Malififche oder 
älſche oder eigentliche Kymriſche), in der Bre: 
tagne (da8 Bas: Breton oder das Armoritanijche), 
in Irland und Hochſchottland (das Iriſche in Sr: 
land, in Hochſchottland das Gäliſche oder Erſiſche, 
und das Manr auf der Inſel Man). 

5) Die Griechen § d.) oder Hellenen bewohnen 
fait den ganzen griech. Staat nebft Kreta, Teilen 
von Epirus, einen Teil Macedoniens und des ſüd— 
ditl. Thraziens. 

6) Die Albanefen (Arnauten) oder Schlipe: 
taren, die direlten Nachlommen ber alten Illyrier, 
wohnen in Albanien, Griebenland, Italien und 
Oſterreich (ſ. Albanefen ſowie Albanefiihe Sprache 
und Pitteratur). 

T) Die Basken, melde fi felbft Euscaldunac 
nennen, find der einzige Reit der Ureinwohner 
E.s, der feine alte Sprache noch bewahrt bat. Sie 
find die Nachkommen des iber. Volksſtammes, der 
einft über die ganze Porenäenbalbinjel und über 
den Südmweiten Frankreichs binaus verbreitet ge 
weien ift. (S. Basken und Bastifche Sprade.) 

B. Völker der mongoliihen Raſſe. 

8) Die ugro-finniſchen Völker. Sie find in 
alter Zeit dur Einwanderer von Dften nah Nor: 
den gebrängt worden (j. Finnen). 

9) Dietürkifhen Völker (j. Türken). Sie ſtam— 
men aus den Steppen Hochaſiens und find feit den 
eriten Jahrhunderten unferer —— zu ver⸗ 
ſchiedenen Zeiten in das bſtliche E. eingewandert. Zu 
ihnen gehören a. die Osmanen oder ottomaniſchen 
Turken, durch Vermiſchung mit Griechen und Sla— 
wen ſowie mit cirkaſſiſchen Sklavinnen veredelt 
und dem europ. Typus ſehr angenähert; b. die 
Tataren der Krim, ein Gemiſch aus Kumanen, Ds: 
manen und Nogaiern; c. die Wolga-Tataren in 
den rufj. Gouvernement3: Aſtrachan, Saratom, 
Samara, Benfa, Simbirst, Kaſan, Orenburg, Ufa, 
Diatka, Niihnij-Nomgorod und vereinzelt in Perm 
und einigen mittlern Gouvernements (Kaſſimowſche 
Zataren); d. die Bajchliren; e. die Tſchuwaſchen; 
diejelben find nur ſprachlich zu den Türken zu rec: 
nen, fie find wahrſcheinlich urjprünglich Ugrier (Bul: 
garen?), hauptſächlich in den ruf. Gouvernements 
Ufa und Orenburg. 

Eine annähernd genaue Schäßung nimmt für E. 
an auf Grund der Zahlen von 1880: 94355 000 
Slawen, von denen 65270000 Rufen und Ru- 
tbenen, 11580 000 ®Bolen, 7 220 000 Czechen, Mäb: 
ren und Slowaken, 130000 Wenden, 6030000 
Serben und Kroaten, 2865000 Bulgaren und 
1260000 Slomwenen; 98948000 Nomanen und 
zwar 40280000 Franzoſen mit den Wallonen, 
29 570 000 Staliener, 20 810 000 Spanier und Bor: 
tugiefen, 8240000 Rumänen, 48000 Rhätoroma: 
nen (Zabiner); endlich 105130000 Germanen, von 
denen 63 205 000 Deutiche mit den Holländern und 
Nlärnen, 32980000 Engländer, 8945 000 Stan» 
dinavier. Es bleiben noch die überall zerftreuten 


Europa (Religion. Staatliche Berhältniffe) 


— ** zu erwähnen, in größerer Menge lebend in 
Rußland, Polen, dem nordöſtl. Deutſchland, Bali: 
zien, Ungarn und Rumänien; die aus Aſien ſeit 
dem 12. Jahrh. (nach der Zerſtörung der Stadt Ani) 
Ara. eingewanderten Armenier, weldein Ga: 
izien und Siebenbürgen größere Kolonien bilden 
und dann in allen bedveutendern Handelsſtädten des 
ditlichen E.3 ala Kaufleute, Wechsler u. f. w. an: 
gefiedelt find; die Zigeuner, aus Ditindien ſtam— 
mend, und die im Nordoſten E.s auf den Tundren 
nomadifierenden Samojeden, bie m. nad 
gl net thnographiſche Karte 
von Europa.) ö . 
Religion. Der ethnogr. Dreiteilung flieht ji 
auch eine kirchlidhe an, indem dem romaniſchen €. 
das römiſch-katholiſche, dem germaniſchen das 
proteſtantiſche und dem ſlawiſchen das griechiſch— 
tatholiſche entſpricht; aber eine etwas genauere 
Betrachtung ſtört dieſen Zuſammenfall mehrfach 
und giebt Ahr bie Weitgrenze der Verbreitung der 
— Kirche eine er ag Linie an: vom 
olf von Gattaro zu der mittlern Save, dem mittlern 
Dnjeitr, der untern Düna, dem Peipusſee, Saĩmaſee 
bis zum Weißen Meer. Oſtlich von diejer Linie 
berricht die griec.=fatb. Kirche mit Ausnahme des 
eingedrängten Mohammedanismus im Süden vor; 
mweitlib von ihr fann man als Scheide zwiſchen 
Proteftantismus und Katbolicismus eine Linie 
verfolgen von der untern Düna zum untern Nie: 
men, obern PBregel, zur Negemündung, obern Oder: 
Elbpforte zwiſchen Sadhien und Böhmen, zum 
obern Main, untern Kr nad) der Scheldemün: 
dung, dem Pas-de-Calais, St. Georgslanal und 
ur Weſtküſte von Island. Ausſchließlich protk- 
tantiich ift nur Skandinavien und die german. 
Ziefebene, ausichließlich römijch-tatholiich der Sud⸗ 
weiten €.8. Neben diefen drei Hauptiormen der 
chriſtl. Religion (zu denen ſich 96,1 Bros. betennen) 
beitebt zwar noch das Gemiſch chriſtl. Seftierer, der 
Mobammedanismus, das jüd, Glaubensbelenntnis 
und im äußerjten Norden noch Heidentum; wie jebr 
aber die nihtchriftl. Elemente zurüdtreten, erbellt 
aus folgenden Zablen: Bon 327 Mill. Europäern im 
%.1880 waren Römifch:ftatbolifhe etwa 156 Mill. 
(47,3 Proz.); Bekenner criftl.sorient. Religionen 
81510000 (24,71 Proz.), und zwar Griehiich:Ratbo: 
liſche 80 367 000 (24,86 Proz.), griech.⸗ orient. Set: 
tierer 1019000 (0,51 Proz.), armeniſche Gregoria- 
ner 124.000 (0,04 Proz.); PBroteitanten 79,33 Mill. 
24,05 Proz.), und zwar goangeifer (Lutberaner, 
eformierte, Unierte) 54,4 Mill. (16,4 Pro;.), 
Anglitanifhe 18,88 Mill. (5,72 Proz.), Metbodiiten 
3,51 Mill. (1,07 Proz.), andere prot. Konfeſſionen 
2,7 Mill. (O,8e Proz.); Unitarier (Socinianer) 
120 000 (0,04 Bro3.); aber 5 984.000 (1,81 P®ros.), 
und zwar 3 Mill. in Rußland, 1005394 in Diter: 
reib, 363790 in Deutihland; Mobammedaner 
6 445 000 (1,95 Broz.); Heiden und ohne Konfeſſion 
447000 (0,1 Broz.). Mitbin find die Nichtchriiten 
nur 3,86 Proz. der Gefamtbevölterung E.s. (S. 
Karte: Verbreitung der Religionen auf der 
Erde, beim Artilel Erde; neuere Zablen ſ. die Bei: 
lage: Religiongftatiftif, Bo. 17.) 
Staatliche Verhältniffe. Syſtematiſch gruppiert 
verteilen fi die europ. Staaten folgendermaßen: 
4 Raijerreihe: Deutfches Reich (mit 4 Königreicen, 
6 Grohberzogtümern, 5 Herzogtümern, 7 yürftentü: 
mern, 3 Freien Städten und 1 Reihsland), Oſterreich⸗ 
Ungarn, Rußland, Türkei; 11 Königreiche: Grob: 


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Brockhaus’ Konversatians -Lexzikon. 14, Aufl. 





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Europa (Geſchichte) 


pritannien und Irland, Niederlande, Belgien, 
und Norwegen, Dänemark, Spanien, 
Bortugal, Stalien, Griechenland, Rumänien, Ser: 
bien; das voßbergogum Luremburg; 4 Fürſten⸗ 
tümer: Liechtenjtein, Monaco, Bulgarien, Monte: 
negro; 4 Republiten: — ——— die Schweiz, An⸗ 
dorta, San Marino. Als Großmächte werben be 
trachtet das Deutſche Reich, Rußland, Großbritan⸗ 
nien, Oſterreich⸗ Ungarn, Frankreich und Italien. 
(Hierzu: Politiſche Überſichtskarte von 
Europa.) Auswärtige Befigungen europ. Staa: 
ten f. Kolonien (mit Überfihtstarte ver Kolo— 
nien europäifcher Staaten). fiber Heeres: 
verbältmifje f. Heerweſen (mit Karte: Militär: 
dislotation in Don, 
Geſchichte. Nachdem €. jeine Bevöllerung von 
Often ber erbalten batte, ward feine Geihichte auf 
länzende Weife eröffnet durch den Stamm ber Hel: 
die Gründer der Macht und der Eivilifation 
Griechenlands. Wetteifer mit den Phöniziern 
ſuchten ſich die Griechen im ganzen Bereiche des 
Mittelmeers auszubreiten; aber dem Hohepunlte 
ihrer Blüte um 400. Chr. folgte bald die Zertrüm: 
merung ihrer Freiheit durch Aleranders d. Gr. Be: 
ründung bes großen macebon. Reichs (336 v. Ehr.). 
end Alerander das ſudl. Diteuropa mit den 
Geſchiden feiner Herrihaft in Afien verflocht, waren 
die Römer in —— mit Ausdehnung und Be— 
an ihrer friegerifhen Macht beichäftigt und 
durh die Entwaffnung Kartbagos zur Oberberr: 
Idaftin Südeuropa gelangt. Sie erweiterten durch 
Legionen den Horizont europ. Geſchichte über 
dad Beden des Mittelmeer und dehnten das 
Reih unter Auguftus um 30 v. Chr. aus vom 
Allantiihen Meere bis zum Cupbrat und vom 
Rhein und der Donau bis zu den Wuſten Afritas. 
(©. die Karte: Das Römiſche Reich in feiner 
röbten Ausdehnung, beim Artikel Rom.) 
brend unter ber ae aft der röm. Impera: 
toren mebrere barbarifhe Provinzen des Reichs, 
wie Gallien, der Eivilifation gewonnen wurden und 
aud die riftl. Religion in allen Teilen zahlreiche 
er, jeit Ronftantin d. Gr. ftaatliche Anerten: 
nung und Macht gewann, zeigte fich doch, daß der 
töm. Staat und die röm. Gejellihaft dem Unter: 
gang verfallen tmaren. Der Drud des Defpotis: 
mus hatte die Kraft des Volls erjhöpft und zer: 
Rört. Zur Bildung neuer Ordnungen in Staat und 
Geiellihaft bedurfte ed der noch ungebrodenen 
Kraft friiher Stämme, und diefe fand fich in den 
germaniihen. Der Einfall der Hunnen von Afıen 
aus um 375 n. Ehr. gab der ſog. Böllerwanderung 
1.d.) einen neuen Anftoß, der röm. Staat konnte 
dem Andrange der mächtigen Völterftämme nicht 
mierfteben, und das MWeftrömifche Reich warb 476 
durd den Heerlönig ver Herulerund Rugier,Doaler, 
Kat während das morgenländijche mit der neuen 
en; Ronftantinopel noch 1000 Jahre lang ein 
fümmerliches ‚Leben friftete. Auf den Trümmern 
des miſchen Reichs breiteten ſich german. 
derrihaften aus und gelangten im 6. Jahrh. zu 
ibrer größten Ausdehnung. Am bervorragenpften 
war dad Reich der Dftgoten in Stalien und nord: 
is zur Donau, an deren linfem Ufer da: 
mald die Langobarden und die Gepiden Sitze ge⸗ 
vannen, dann das Reich der MWejtgoten über faſt 
kan Spanien und Süpdmeitfranfreich; neben ihnen 
anden das ſueviſche Reich in —— 


die Reiche der Franken und Burgunder, jenfeit des 


313 


Mittelmeers in Nordafrila das Reich der Bandalen. 
S: Hiftorifhe Karten von Europa I, 1.) 
brend ſich im Weiten E.s die Völlerbemegungen 
allmählich berubigten und bier und da eine feit: 
ebung begann, deren Grundzüge nod durch das 
eutige Staatenbild hindurchſchimmern, dauerte das 
tängen Und MWogen mächtiger Völterftämme im 
Diten fort. Die Hunnen zogen fi zwar nad At: 
tilas Tode wieder in bie pontiſch⸗aſpiſchen Steppen 
— aber turk. VBölterftämme drängten über den 
ral bis zum Don und hoben die Avaren immer 
weiter weitlich; die Bulgaren befegten die Norboft: 
ige Pad Sour pic eichs, die Slawen erfüllten 
die Hämusbhalbinfel und —— zugleich bis in die 
Mitte Deutſchlands vor. Um dieſelbe Zeit verloren 
die MWeft: und Dftgoten ihre ſelbſtändige Stellung; 
in Spanien zog ein neues, für die Eivilifation ein: 
flußreiches Element mit den Arabern und der Grün: 
dung bed Ehalifat3 Cordoba ein. 

Die nächte Beriode der europ. Staatenentwid: 
lung fällt in das Zeitalter Karls d. Gr. Er ver: 
einte faft alle Romanen und Germanen in feinem 
Frankenreiche, aus dem die unter feinen Enteln 
entftehenden Einzelftaaten die gemeinjchaftlichen 
Grundzüge der Kultur und Berfafjung mitnab: 
men. (S. Hiftorifhe Karten von Deutſch— 
land 1,1.) Dann wurden die Normannen im Nor: 
den mächtiger und verfuchten fich in abenteuerlichen 
GEroberungszügen bis zum Süden E.s, und aus der 
fog. Heptardie der Angelſachſen ward allmählich 
ein Königreih England (827). Unter ven Slawen: 

ämmen erfcheinen die poln. Lehen am bedeutend» 
ten; von der untern Wolga bis zum Dnjeftr befeftigt 
ich das Reich der hafariichen Ehane; die Bulgaren 
werden am Ende des 9. Jahrh. aus ihren neuen 
a an der mittlern Donau und Theiß dur 
die Magyaren verdrängt; das Byzantiniſche Reich 
med) elt feine Grenzen vielfach unter fteten Rämpfen 
mit ſlaw. bulgar. und avariſchen —— 
Um das g. 1000 find jchon wieder bedeutende Ver: 
änderungen im europ. Staatengebiete fihtbar. In 
Spanien treten das Königreich Leon und die Braf: 
ſchaft Gaftilien fräftiger hervor, aber die arab. 
Herrichaft beſteht noch; ——— und Burgund 
(Arelat) als Königreiche ſtehen weit zurüd gegen 
das röm.:deutiche Kaiſertum, das den Mittelpunkt 
der europ. Geſchichte bildet; ein vereinigtes König: 
reich Norwegen dehnt fih aus bis zum Weißen 
Meere; das Chaſariſche Reich gebt unter und ein 
gg wädhft jchnell heran vom La: 
dogaſee bis zum Kaufafus; die den an her ge 
alachen 


wichenen Bulgaren werfen ſich mit den 


auf einen großen Teil des Oſtrömiſchen Reichs, 
und tüurk. Völker, unter ihnen die Petſchenegen, 
rüden am Nordgeſtade des Schwarzen Meers näber 


beran. (©. die Karte: Byzantinifhes Reich 
um das d 1000 n. Ebr.) Der Entwidlung 
der europ. Civilifation drohten jo große Gefahren, 
und —— war Italien und in Italien Rom, 
der Mittelpunft und das Haupt der chriftl. Kirche, 
wiederholt in wüjfter Zerrüttung und tiefer mora: 
liſcher Verſunlenheit. Aber die deutſchen Könige 
- die Ordnung daſelbſt immer wieder ber, er: 

oben ausgezeichnete Männer zu Bäpften und ſchutz⸗ 
ten die Miffen, melde das Ehriftentum über die noch 
beidn. Länder im Norden und Dften E.s ausbreitete, 
Dann erhob das Genie Öregors VIL die Hegemonie 


des Papfttums über das Kaiſertum, und feine Nach⸗ 


folger riefen zu den Kreuzzügen, das Gemeingefühl 


314 


des chriſtlichen E.s neu belebenv. Während der Kreuz: 
züge, vom Ende des 11. bis zu dem des 13. Jahrh., 
treten neue Staaten jelbjtändig auf, andere verlieren 
an Nacht. Bortugalwird als jpäteres Königreich von 
Spanien — Aragonien ſtrebt mit en 
nad der Verdrängung der Araber, Sicilien ift blü- 
end, erfährt aber einen vielfachen Herrſchaftswechſel. 
ankreich wird auf längere Zeit in a weitl. 
eile ein Zehn engl. Könige, das alte Burgund 
ftebt in Abhängigleit des Deutſchen Reichs, diejes 
erreicht unter den Hobenftaufen die größte Aus: 
dehnung, Dänemark um diejelbe Zeit jeine größte 
olit. Bedeutung. Schweden dehnt fi big nad 
inland aus und Ungarn fchreitet bis ans Aria: 
tijche Meer vor, Venedig und Genua werden mäd: 
tig auf dem Mittelmeere, vu gewinnt an jelb: 
tändiger Macht, ein neues Walachiſch-Bulgariſches 
eich 64 ſich zwiſchen Balkan und Donau, und 
das große ßſer Reich zerſplittert in mehrere 
Teile und wird unfähig, die rl ni Ar Mon: 
olen zurüdjumerfen. Seitdem im Kampfe der 
taufer mit den Päpſten Deutichland feine Macht 
und innere Feſtigleit eingebüßt, fintt jeit dem Ende 
deö 13. Jahrh. auch die päpſtl. Macht immer mebr 
(Eril zu Suse: England und Frankreich er: 
langen größere Bedeutung, zerfleiihen fi aber 
in einer langen Reihe blutiger Kämpfe. (S. Hifto: 
rifhe Karten von Europa I, 2.) Am Ende 
des 14. Jahrh. werden die drei ſtandinav. Reiche 
(wirtiam freilib nur auf kurze Dauer) vereinigt, 
Polen tritt unter Jagello in jeine Glanzperiode, 
und im Sübmejten wird durch die Kraft der Portu— 
gieſen der Islam bis nad Afrila verfolgt und auch 
in Spanien auf die ſüdlichſten Grenzen zurüd: 
geworfen, Während der Halbmond im Weften all: 
mahlich finkt, fteigt er im Often um fo mächtiger 
auf; 1453 erobern die Türlen Konftantinopel und 
machen dem Dftrömifchen Reiche ein Ende, 

Mit der Mitte des 15. Jahrh. be — E. die 
Epoche, welche es zur Herrin des —* s machen 
ſollte. Nah umwälzenden mechan. Erfindungen, 
wie Pulver re und Buchdruckerkunſt, 
olgen am Ende des Jahrhunderts die Entdedung 

merilad und die bes Seewegs nad Djftindien; 
1521 umjegelte Magalbäes die Erbe, In denjelben 
Yabren brach Luther auf immer die ausſchließliche 

at der Papjtlirhe im Abendlande, und in den 
Kämpfen, welde an feine Reformation antnüpfend 
bie gelamten roman.:german. Nationen in zwei 
Lager teilten, bildete ih ein neues europ. Staaten: 


Ipftem aus. (S. Hiftorifhe Karten von 
uropa l,3.) In wiederholten Kriegen erwehrten 
jih Franfreid unter Franz L, die deutichen und 


ſlandinav. Proteftanten und die Magyaren der 
erbrüdenden übermacht, welche Karl V. als Kaiſer 
und Grbe der öſterr., burgund. und ſpan. Macht 
vereinigt hatte. Seine Abdanlung (1556) trennte 
die deutiche Linie des babsburg. Haufes von ber 
ſpaniſch-⸗burgundiſchen und ifolierte den großen 
Religionslampf wejentlih auf den Weiten E.s; fein 
Sohn Bhilipp IL, unterftügt vom Papſt und den 
franz. Ratboliten, leitet vie Politil der Gegenrefor: 
mation; die —— die Niederländer und vor 
allen Königin Eliſabeth von — halten den 
Proteſtantismus aufrecht. Das Ergebnis am Ende 
des Jahrhunderts ift die Selbſtändigleit der nieder: 
länd. Nepublif, die Begründung der engl. Seehege⸗ 
monie, die ſchon auf die jpan.:amerif. Kolonien über: 
greift, die innere Einigung Frankreichs unter dem 


Europa (Geſchichte) 


Hugenottenbaupt Heinrich von Navarra, der aber 
als König Heinrih IV. den Katholicismus ans 
nimmt, und bie Jjolierung und dauernde Schwä- 
bung Spaniens. An entwideln ſich in Deutſch⸗ 
land die religiöjen Gegenjäge, melde der Aug 
burger Religionsfriede (1555) verewigt batte, unter 
dem neuerwachten Religionseifer der von den jpan. 
Berwandten angeſtachelten deutſchen Hab&burger 
in blutigem Hader. Die Stiftung der Liga, die 
—— Donauwörths (1607), die Grün 
dung der Union find Voripiele des großen deut: 
ſchen Krieges, der dreißig volle Jahre hindurch 
(1618—48) Deutihland zum Schauplaß zerrütten: 
der innerer und europ, Kämpfe macht, die großen 
Fragen der deutſchen Politil aber nicht lölt und 
nur die Auflöjung des alten Reichs vollendet. 

n dieſem Ringen lommt im Kampf gegen Site 
reih und Spanien das durch Richelieu geleitete 
Frankreich an die Spige der europ. Maͤchte. Wäb 
tend diejer gewaltige Staatdmann bie Hugenotten 
niebderwirft, alle innern Stürme gegen die firone 
bändigt und die Macht des Staates durch Re 
formen der Verwaltung ungemein fteigert, reiht 
er in Deutichland dem Borlämpfer des Proteftan- 
tismus, Gujtav Adolf, der die Hegemonie Schwe⸗ 
dens an allen Küften des Baltiſchen Meers in 
glänzenden Kämpfen gegen Ruſſen, Polen und 
die deutihen Katholilen begründet, die Hand 
— eide Mächte ſtärken ſich auf Koſten 
Deutſchlands, das an ſie herrliche Provinzen ab⸗ 
treten muß. Während dieſes Krieges erlämpfen die 
Niederlande geoen Spanien * voͤllige Unab⸗ 
hängigkeit. S . Hiftorifche Karten von Eu: 
ropa 1,4.) In England erliegen die Stuart in 
ihrem Verſuch, ein abjolutes Königtum mit hHilie 
der engl. Staatölirhe zu errichten. Karl. ftirbt 
auf dem Schafott (1649), und Erommell grüne 
die auf dem ndependentismus bafierte, Englands 
Macht im Kampf gegen alle katbolifierenden Kid: 
tungen gewaltig fördernde Republit. In Deutſch 
land ringt fih unter allen Territorialitaaten der 
brandenburgiiche des Großen Kurfürften am glüds 
gaben und fräjtigften empor. hilft Karl X 
Guſtav von Schweden die Polen ſchlagen und dieſen 
darauf felbft vemütigen, und gewinnt dabei die 
Souveränität von Ditpreußen Friebe von Dliva 
1660), ein Jahr nachdem Mazarin im Pyrendiſchen 
Frieden die Fronde und die En Feindſchaft zum 

roßen Triumph Frankreichs beigelegt bat, in dem 
elben gehe, wo für England durd die Rejtaw 
ration Karls II. Stuart eine neue Epode beginnt. 
Mit dem Tode Mazarins (1661) beginnt das 
eitalter Ludwigs XIV. Seine immer weiter grei 
enden Annerionen, die auf die direlte Beberr 
dung der ganzen fpan. Erbihaft abzielen, werden 
durch die Roalitionen der bedrohten Mächte, denen 
jeit der Revolution von 1688 England, mit den 
Niederlanden engverbunden, vorlämpit, abgemebrt. 
Im Beginn des 18. Jahrh. wird Schweden 
durch Rußland, das Peter d. Gr. in den Kreis der 
europ. Mächte einführt, im Nordiſchen Kriege von 
einer Machtitellung verdrängt; Öfterreich ermebrt 
ch 1683 zum legtenmal der Türlen und begründet 
dann durd die Siege Eugens jeine Macht bie an 
die Donau und Save, Die jpan. Monardie mırd 
durch den den Spanifchen Erbiolgefrieg abſchlieben 
den Utrechter Frieden (1713) mweientlih auf die 
Porenäenhalbiniel beſchränkt, und die Bourbonen 
beiegen die Throne von Spanien, Sicilien und 


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Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Auf. 


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EUROPA 
iem Jahre 1721, 
Maßstab 1130000000, 










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Brockhaus’ Konrersations-Lexilem. 14. Aufl 


ENVON EUROPA. II. 


EUROPA 
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VESER KONGRESS S). * 








F.A. Brockhaus Geogr.-artist. Anstalt, Leipxiü 


Europa (Geichichte) 


Barma. (S. Hiftorifche Karten von Europa 
0,5.) Preußen legt Frievrih Wilhelm I. die 
ebenen Junbamente, auf denen Friedrich d. Gr. in 
mufterbafter Verwaltung und beroiihen Kämpfen 
gegen Öfterreich, j hlieblio, von England unterftüßt, 
gegen —— ———— das Deutſche Reich, 
Soweden und Rußland die preuß. Großmacht ſchafft. 
frantreich ſinkt unter Ludwig XV. jchnell von feiner 
höbe herab; fein KRolonialbefis wird ihm größten: 
tald von England abgenommen. 

Rußland jtreicht im Berein mit Preußen und 
iterreih Polen von der europ. Staatentarte. (S. 
siftorifheKartenvon@uropall,6.) Nahdem 
vie Sranzöfifche Revolution von 1789 die polit. und 
ixialen Zuftände €.3 tief erjchüttert, tritt aus dem 
oben Sturme Napoleon I. hervor. Seine Siege 
serändern den ftaatlichen Zuftand E.s, namentlich 
indem fie das alte Deutjche Reich zertrümmern, und 
ebeben durch die densſchluſſe zu Luneville 1801, 
Brebburg 1805, Tilſit 1807 und Wien 1809 feine 
Nacht 1810 auf den bödjften Gipfel. (S. Hifto: 
tiſche Karten von Europa U,7.) Der Stem 
Rapoleons erbleicht aber jhon 1812 in Rußland, er 
zeht unter 1813 und 1814 und fladert noch einmal 
1815 auf. Die europ. Mächte ftellen nicht allein 
de alte Drbnnung wieder ber, jondern vereinfachen 
ud durch den Wiener Kongreß von 1815 das 
urop. Staatenbild und verbinden fi zur Erhal⸗ 
tung eines fejten Gleihgewidhts. (S. Hiſtoriſche 

fartenvon Europa ll, 8.) 

Als erfte Außerliche Beränderungen dieſes Gleich⸗ 
wichts find zu betrachten einerſeits die Neubil- 
dungen des Königreihs Griehenland 1829 und 
ws Königreichs Belgien 1830, andererjeits der 
eweiterte Einfluß Ruplands durch das im Frieden 

a Aprianopel 1829 — — Proteltorat über 

imtliche Griechiſch⸗Katholiſche der griech. Halb: 

iniel, die jpecielle Beihügung_ ber —— 
timer und bie Erwerbung des Donaudeltas. Das 
dergebliche Streben der Polen nach Wiederher⸗ 

kellung ihrer Selbitändigfeit in den Kämpfen 1830 
-31 erhält einen neuen ——— Schlag 
durch Die Einwerleibung Kralaus in Öſterreich 1846. 
Räbrend das —** des Herzogtums Lucca in 
loscana und die libernahme Parmas ſeitens des 
derzogs von Lucca 1847 als friedliche Alte von 
grin er Bedeutung verlaufen, erhebt ji aus dem 
Shoße der europ. Staaten und Völler die Frei- 
kitsbemwegungvon1848. DieAusgangspuntte der: 
klben bildeten ber Sonderbundstrieg in ver Schweiz 
und vie Kevolution in Sicilien. Dann zünbeten 
tre Blige in Frankreih, Deutihland, Oſterreich, 
Breußen. Aber die Reaktion nimmt den Kamp] 
denen die Revolution auf; fie widerjteht mit Erfolg 
m Berlin, Wien, Baden und Dresden, in Jtalien 
und Ungarn und jolgt ihr auf das Feld focialer 
und parlamentarijher Kämpfe. Aber ein nod 
mädtigereö Triebmittel als der Gedanle der polit. 

freiheit war das Hand in Hand mit ihm gehende 

tionalitätsprincip. Napoleon III. deſſen Regime 
ein ſchon einen Proteſt gegen das Syſtem von 

1815 bildet, verbindet ſich mit ihm. So entjteht 

bie mächtige re die 1859 und 1860 in ta: 
km aus der fchon lange glimmenden Aſche hervor: 
bad, die Throne von Toscana, Modena, Parma 
up Neapel umftieß, dem öfter. Raiferftaate die 

Ymbardei entrib, den Kirchenſtaat auf faum ein 
Trittel jeines Areals beihräntte und Frantreich 
Nie Brovinz Savoyen und den größten Teil von 


315 


Nizza zuführte. Während der Friede von Villa: 
anca 1859 und die piemont, Erfolge 1860 in 
eapel die Karte von yoallerı weſentlich umgeital- 

teten und ein Königreich Jtalien hervorriefen, hatte 

der Friede * Paris 1856 auch im Oſten E.s den 

Stand der Dinge erheblich verändert. Der Druck 

Rußlands auf die Türkei wurde ſeitens der ver: 

bündeten ——— (Frankreich, England und 

—— im Orientkriege und durch die Einnahme 
—— 1855 nachhalti r den 

Verluſt im Drientlriege —E ſich Rußland 

1860 durch gänzliche Niederwerfung der Kaukaſus⸗ 

völler; was es an der Donau verloren hatte, er⸗ 

feßte es durch eg ng in Aſien. Als 
weitered Nejultat des Parijer Friedens erfolgte 

1861 die abminiftrative Vereinigung der Moldau 

und Walachei unter einem einzigen Fürften und 

demnäcft die Broflamation der Union zu einem 
neuen europ. Staate Rumänien. Vorläufig ward 
daburd der Befigitand der Pforte nicht berührt, 
denn das Verhältnis Rumäniens blieb ein tribu: 
täred. Montenegro kam nah den unglüdlicen 

Kämpfen 1862 in ein ag Abbängigleitöver: 

bältnis von der Piorte, Dem Thronwedjel in 

Griechenland, der durch die Vertreibung des Königs 

Dtto 1862 veranlaßt war, folgte das Aufgeben der 

brit. Hoheitsrechte über die ion. Injelrepublif und 

1863 deren Einverleibung in Griechenland. 
Mäbhrend die poln. Revolution 1863 und 1864 

nicht zu der eritrebten ftaatlihen Veränderung 

führte, gelang es durd den Deutſch-Däniſchen 

Krieg 1864 den vereinten Streitkräften Oſterreichs 

und Preußens, die Herzogtümer Lauenburg, Hol: 

ftein und Schleswig von Dänemark zu trennen und 
damit deijen Staatöfraft wejentlih zu ſchwächen. 

Das Verhältnis Scleswig:Holjteins blieb vor: 

.. in der Schwebe, während 1865 das Herzog⸗ 

tum Zauenburg definitiv Preußen zufiel. Die im 

ftillen gefammelte Kraft des preuß. Staates riß 

im Deutihen Kriege von 1866 allen Widerſtand 

nieder, und das Gentrum E.s erbielt nun eine ans» 

dere Seftalt. Zunädft wurde Oſterreich aus dem 

Deutihen Bunde verdrängt und verlor Venetien 

an das Königreich Jtalien; dann erfolgte die Ber: 

—— Hannover, Kurheſſen, Naffau, Franl⸗ 

furt a. M., Heſſen-Homburg, Schleswig-Holſtein 

und einigen bayr. und heſſen-darmſtädtiſchen Ge: 
bietsteilen mit Preußen und die Gründung eines 

Norddeutihen Bundes, der mit den ſüddeutſchen 

Staaten durh Allianz» und Zollverträge in Ver: 

bindung blieb. Der Deut: Sranzöfilche Krieg 

von 1870 und 1871 vereinigte jofort bei feinem 

Ausbrudhe ganz Deutichland unter der Führung 

Preußens. Der Kapitulation von Sedan (2. Sept. 

1870) folgte 4. Sept. der Sturz des franz. Kaiſer⸗ 

throns und die Umgeftaltung Frankreichs zur Res 
ublit, Die Verſailler Berträge des Norbdeutichen 
undes mit Bayern, Württemberg, Baden und 
ejlen (im Nov. 1870 abgeſchloſſen) begründeten das 
Jeutiche Reich; 18. Jan. 1871 erfolgte in Berjailles 

die Proflamierungdes Königs Wilhelm von Preußen 
zum Deutichen Raifer und im Frankfurter Frieden 
vom 10. Mai 1871 die Abtretung Eljaß⸗Lothringens 
an das Deutiche Reih. Gleichzeitig benußte auch 
Rußland die Gelegenheit, um ſich auf der Londoner 
R as aulden von den Beihräntungen jeiner Sees 


abgewehrt. 


mat au] dem Schwarzen Meere zu befreien. 
‚Das Deutihe Reich galt ev vermöge feiner 
militär. Kraft und der meifterbaften Zeitung jeiner 


316 


auswärtigen Politil für die erfte Kontinentalmacht, 
zumal nad) der Dreilaiferzufammenktunft in Berlin 
1872, welcher, ala jpäter die Freundſchaft mit Ruß: 
land ii zu trüben begann, das beutjch:öfterr. 
Defenſwbundnis von 1879 folgte. Die — 
ber chriſtl. Provinzen auf der Ballanhalbinſel gegen 
die Pforte und der Ruſſiſch-Turliſche Krieg von 
1877 und 1878 hatten große Veränderungen im 
Diten E.s zur Folge. Gemäß den Beſchlüſſen des 
Berliner Kongrefjes vom 13. Juli 1878 erhielt 
Rußland den 1856 abgetretenen Zeil von Beſſara⸗ 
bien zurüd und in Armenien die Gebiete von Kars, 
Ardaban und Batum; Öfterreih:Ungarn wurde 
das Mandat erteilt, die türt, Provinzen Bosnien 
und Herzegomina in * und Verwaltung zu 
nehmen; Rumänien, Serbien und Montenegro 
wurden unabhängige Staaten, und erfteres De 
als Erjag für Beilarabien die Dobrudica, Serbien 
einen Gebietszuwachs von 11560 qkm, darunter 
die Feſtung Nice, mit 280000 E., Montenegro einen 
Gebieiszuwachs von 5009 qkm mit etwa 116000 €. ; 
das nördl. Bulgarien wurde ein felbftändiges und 
tributpflichtiges Yürftentum; das fühl. Bulgarien 
erbielt unter dem Namen «Ditrumelien» eine jelb: 
—— e Verwaltung, blieb aber unter der unmittel⸗ 
aren Botmäßigleit des Sultans; Griechenland er: 
bielt, jedoch erft 1881, das er vom Salambria- 
iluß gelegene Gebiet von Thefjalien und den dftlich 
vom Artafluß liegenden Teilvon Epirus. Rumänien 
wurde 1881, Serbien 1882 zum Königreich erhoben, 
Schon vor der Eröffnung des Berliner Kongreſſes 
bejeste England im Einverjtändnis mit der Pforte 
1878 die Inſel Eypern und ließ fie dur einen 
engl. Gouverneur verwalten; Frankreich übernahm 
1881 das Proteltorat von Tunis; England machte 
durd feinen ägypt. Feldzug von 1882 feinen Ein: 
uß im Pharaonenland zum faft ausſchließlichen, 
onnte aber mit den übrigen europ. Staaten zu 
feinem vollen Einverftändnis über figypten kommen. 
Überhaupt zeigte fih in diefen Jahren eine auf: 
—— Tendenz der europ. Mächte nach Aus— 
reitung oder Gewinnung einer außereurop. Macht⸗ 
ſphäre. Frankreich befehte 1883 Tongkling, Italien 
1885 Maſſauah an der Hüfte des Noten Meers; 
1884 begann Deutihlands Rolonialpolitit einzu: 
fegen. Das blieb nicht ohne wichtige Rüdwirkungen 
auf die europ. Bolitit. Italien, gegen Frankreich 
wegen Tunis verftimmt, jchloß fih Deutichland und 
Dfterreih an, Frankreich erlangte durch Deutſchlands 
Unterjtügung auf der Kongokonferenz 1884—85 er: 
bebliben Gewinn in Afrika, und Deutſchland ſchloß 
1. Juli 1890 mit England ein Ablommen, das für 
den Preis erheblicher Zugeftänpniffe an England 
in Dftafrifa für Deutichland den Gewinn der Inſel 
Helgoland bradte. Schon vorber hatte die Ne: 
volution in Oftrumelien und bie Vereinigung dies 
er Brovinz mit Bulgarien unter Fürft Alerander 
im Aug. 1885 wieder die Augen der Mächte auf die 
Drientalifhe Frage gelenkt. Der Fürft Alerander 
mußteder Feindſchaft Rußlands weichen und 7.Sept. 
1886 abdanten, und aud feinem Nachfolger, dem 
Brinzen Ferdinand von Coburg, verfagte Rußland 
Jahre hindurch die Anerkennung, bis es ihm endlich 
elang, ih den Ezaren Nikolaus IL. durch fein 
——— geneigt zu machen, worauf ihn 
der Sultan 14. März 1896 zum Fürften von Bul⸗ 
garien und zum Statthalter von Dftrumelien er: 
nannte. Bald darauf —— auch feine Aner: 
fennung von feiten der übrigen Mächte. Endlich 


Europa (Zitteratur) 


nahm feit 1895 der anſcheinend unaufbaltiame 
ger all de Osmaniſchen Reichs von neuem die 
ufmerkſamkeit E.s in Anſpruch. Die jhredlihen 
Armeniermorde, die Aufitände in Macedonien und 
Kreta veranlaften das gemeinfame Einfhreiten der 
Großmädhte, die im Aug. 1896 für Kreta Autonomie 
erlangten und auch für die übrigen Wilajets Ber: 
waltungsreformen durchſetzten. 

Litteratur. Ritter, E., Vorlefungen (bg. von 
Daniel, Berl.1863); Kohl, Die Völter &.3 (2. Aufl., 
Hamb. 1872); Bracelli, Statift. Skizze der europ. 
Staaten (3Abteil.,3.T.in 13. Aufl., 2pz. 1879-92); 
Kolb, Handbuch der — Statiftit (8. Aufl., 
ebd. 1879); Neclus, Nouvelle göographie univer- 
selle. Europe, Bd. 1—5 (Par. 1875 fg.); Bradelli, 
Die Staaten E.s (4. Aufl, Brünn 1884); Bougier, 
Geographie physique, politique et &conomique de 
l’Europe (Par. 1885); Unfer Wiflen von der Erde, 
ba. von Kirchhoff, Bd. 2 u.3: Länderkunde von E. 
(rag und Lpz. 1887—93); Dubois, ag hie 
&conomique de l’Europe (Par. 1889); icher, 
Plantae europaeae (Lpz. 1890 fg.); Rofier, G&ogra- 
or gendrale illustree. Europe — 1891); 

öbler, Die Pflanzenwelt und das Klima Ge ſeit 
der geſchichtli Zeit (Berl. 1892); Bhilippfon und 
Neumann, Europa (Lpz. 1894); Chriftenien und 
Laſſen, Europa (Kopenh. 1895 fg.); ©. Marinelli, La 
Terra, trattato populare di geografia universale. 
Geografia speciale: L’Europa nordica, L’Europa 
centrale, L’Europa occidentale von Ricchieri 
(Mail. 1896); Lehmann, Länder: und Vollerlundel: 
Europa (Neudamm 1898); Scharff, The history of 
the European Fauna (Lond. 1899); Chiſholm, 
Europe (ebd. 1899 fa.); Ripley, A selected biblio- 
graphy of the anthropology and ethnology of 

surope (Bofton 1899); deri., The races of Europe. 
A sociological study (2 ®de., Neuyort 1899); 
Thonner, Erturfionsflora von E. (Berl. 1901); Ge 
bauer, Handbuch der Länder: und Böllerkunde. 
Bd. I: Europa (%pz. 1901); zur Geſchichte nal. 
die Weltgeihichten von Schloſſer (24. Aufl., 19 Bde, 
Berl. 1898), Weber (2. Aufl., 15 Bde., Epz. 1882— 
90), Rante 8 Aufl.,4 Bde., ebd. 1896) u. a.; Al: 

emeine Geſchichte in Einzeldarftellungen, bg. von 

nden (45 Bve., Berl. 1878—94); beidicte der 
europ. Staaten, begründet von Heeren und Ulert 
Kenn 1819 fg.; feit 1901 u. d. T. «Allgemeine 

taatengeihichte», 1. Abteil., d% von K. Lam: 
prebt); U. Stern, Geihichte E.s feit den Ber: 
trägen von 1815, Bd. 1—3 (Berl. 184—1%1); 
Seignobos, Histoire politique de l’Europe con- 
temporaine 1814— 96 (Par. 1897); Periods of 
European History (2ond. 1901 fg.); Dyer, His- 
tory of modern Europe 1453— 1900 (neue Aufl. 
be: von Haflall, 5 Bde., ebd. 1901 fo.); — —— 

odern Europe 1815—99 (ebd. 1901). — Karten: 
Preftwich, Geological Map of Europe, 1:10000000 
(1880); Rofier, Carte de la distribution en Europe 
des combustibles mineraux et des principaux m&- 
taux (Genf 1884); Bazin, Atlas de l’Europe &cono- 
mique (Stuttg. 1887); Sydow⸗Habenicht, Methodi⸗ 
cher Wandatlas Nr. 2 von Habenicht, 1:30000% 
(Gotha en; Coordes und Bamberg, Rlimatolo: 

iſche Wandkarte von E., 1:3000000 (Berl. 1888); 

aquier, Atlas de g&ographie physique et mili- 
taire de l’Europe (Par. 1888); H. Kiepert, General 
tarte von E,, 1:4000000 (4. Aufl., Berl. 1894) 
Koh, Eifenbabn: und Verkehrsatlas von €. (Lpi- 
Neuftadt 1894); Beyrich, Hauchecorne und Beyſchlag 


Europa⸗Inſel — Europäisches Völkerrecht 


jıternationale eolog. Karte von E,, 1:1 


larte von 
ter, 293.1897) , Liebenows Speciallarte von 


tarte von 


karte von 


Nadagadlar und der Küſte des 


tugieſiſch⸗O ige 
@uropäiiche Cholera, j. Cholera. 
Europäii 


ge Frantreichs, Großbritanniens, Öfterreichs, 
reußens, Rußlands, Sardiniens und der Türkel 
beitebend, trat 4. Nov. 1856 in Galak zufammen, 


am bie Herftellung ver Schiffbarteit, vie Uberwachung 
ber ibeit der Sahrt von Sulina bis Galag und 
die Eröffnung einer Einfabrt in die Sulinamündung 


in die Hand zu nehmen. Durd) die auf der Barifer 
Konferenz; 1866 beichlofjene neue Schiffabrtsatte 


für die Donaumündungen, dur die Bontustonie: 
ren; 1871 und dur den Berliner Vertrag 1878 
murben die Vollmachten der Donaulommiſſion ver: 
längert und erweitert. Da die Kommiſſion ibre 
Aufgaben bis Ende 1882 nicht erledigt hatte, trat 
20. Sebr. 1883 zur gering der ſchwebenden Fra: 
gen ın London eine Donaulonferenz zufammen, 
an welcher Vertreter der Signatarmächte des Ber: 
(iner Bertrags (f. Berliner Kongreß) und der betei: 
ligten mittlern und Heinern Staaten, leßtere abernur 
mit beratender Stimme, teilnahmen. Die Konferen; 
wurde 10. Mär; 1883 geſchloſſen; fie batte ihre Be: 
hlüfje in einem aus 9 Artiteln beitebenden Ver: 
trag niedergelegt, nad) welchem die Kompetenz der 
Donaulommiijion von Galap bis Braila aus: 
gebehnt wird und die Vollmachten derjelben auf 
21 Zabre bis 24. April 1904 verlängert werden. 
Die €. D. bat ihren Sit in Galak, ) unabhängig 
von ber rumän. Regierung und hat als gemeinjame 
Bertretung der ſieben Vertragsmächte und Ruͤmä— 
niens gewiſſe Vollmachten mit ſouveräner Gewalt 
über die Strede der Donau von Galatz abwärts, 
übt die Bolizei, beſchließt und veröffentlicht Regle: 
ments mit Geſetzeslraft, erhebt Schiffahrtsabgaben, 
nimmt UAnleiben auf und verfügt über dieje Gin: 
nabmequellen zum Zwede von Arbeiten im öffent: 
iben Nutzen. Ri %. 1901 betrugen die Cinnabmen 
3242930, die Ausgaben 2472159 Fr3.; die Schuld 
it jeit 30. Juni 1887 Benbantig getilat. 

opä ſche Nachtſchwalbe, ſ. Langhänder 
nebjt Tafel, Fig. 5. 

Eurspäilder Bote, rujj. Vestnik Jevropy 
(Wjestnik Ewropy), 1866 gegründete, anfangs 
vierteljährlich, ſeit 1868 monatlih in Bänden von 
ama 40 Bogen, unter Redaktion und im Verlag 
on M. M. Stafjulewitib in Petersburg erſchei⸗ 
ende rujj. Zeitichrift. Sie bringt Romane, Gedichte, 
Sülenfbaftlibe Abhandlungen, Rrititen, polit. liber: 
hbten u. J. er ag am ſich pe wiſſen⸗ 
i auch national unbefangene Haltung aus. 
—— des Journals E. ». auf 1866—90 
(eufj., Beteröb. 1891). — Eine Zeitichrift gleichen 
Nmena, begründet von Karamſin, fpäter vor: 


500000 | wiegend von Katſcheno 
4 Blätter, Berl. 1894 fg.); von Haardt, Überfichtö: 

n €, 1:3000000 (16 Blätter, Wien 1895); 
Agermifien, Wandfarte von €.,1:2850000 5 
i 
auropa, in 164 Blättern. Neue Ausg. von L. Raven: 
kein ——— a.M. 1899 fg.); Langhans, Verkehrs⸗ 

., Norbafrifa und dem Morgenlande, 
1:5000000 (Gotba 1900); Berlebröatlas von €., 
bg. von der Geographifchen Anftalt von 3. J. Arno, 
in 66 Seltionen Epz. 1901—2); Franz, Cijenbabn: 
E., 1: 3000000 (6 Blätter, Glogau, all: 


Europa» Zufel, Heine franz. Inſel zwifchen 
aſalandes (Bor: 











e Donaufommiffion, aus Dele: 


317 


nomwffij redigiert, erſchien halb: 
monatlich 1802—30 in Mo3tau und fuchte Rußland 
namentlid mit den litterar. und polit. Bewegungen 
in Europa (d. i. Wefteuropa) befannt zu machen, 
—— onzert, die noch im Art. 7 
des Pariſer Vertrags vom 30. März 1856 feierlich 
angemwendete, ſeitdem allmäblih außer Gebrauch 
& ommene Benennung ber dur den Vertrag von 
baumont (1. März 1814) begründeten, durch das 
Protefoll des Aachener Kongrefles vom 15. Nov 
1818 durch Aufnahme Frankreich ergänzten und 
durch die Deklaration vom felben Tage allen Staa: 
ten angelündigten Vereinigung der europ. Groß: 
mädte. Weſentlicher Zwed der Vereini ung war 
die Erhaltung des europ. Friedens en lid: 
tung entjtehender Streitigfeiten auf Kongreſſen 
ſ. d.), an deren Stelle fpäter meiſt —— Kon⸗ 
gi (f. d.) traten unter Zuziebung der jedes: 
mal beteiligten Staaten zu den Beratungen ber 
Großmädte, die allerdings nicht immer ftattge: 
funden bat. So wurden, abgejehen von der In⸗ 
tervention in die ital. und ſpan. An ge 
auf den Kongreſſen von Troppau, ai ab und 
Verona (1820—22), auf den Londoner Konferenzen 
1829—30 die griehiihe, 1830—39 die belgifche, 
1840—41 bie orientalifche, 1850—52 die ſchleswig⸗ 
bolftein. Frage georonet. Der Parifer_Kongre 
1856, urjprünglih nur von den kriegführenden 
Mächten und Öjterreich ala vermittelnder Macht be: 
ididt, ergänzte fih dur den Eintritt Preußen: 
ur tung des €. K., und die hier vereinbart« 
Adnung ber orient. Angelegenheiten wurde aui 
einer Reihe weiterer Konferenzen bis zum Rongrek 
(1878) und der Konferenz (1880) in Berlin ergänzt 
und abgeändert. Das Königreich Stalien, welches 
an dieſen Vereinigungen urjprünglich als Pariſer 
Signatarmacht teilnahm, wurde zu der Londoner 
Konferenz von 1867 über Luremburg — un: 
— als Großmacht zugezogen. So hat das 
. 8. bis in die neueſte Kar wenn auch nicht mehr 
unter diejem Namen, fi als eine zur Erhaltung 
be3 Friedens wirkſame Einrihtung im Sinne feiner 
— bewahrt. [f. Eismeer. 
rop * Norbmeer, Grönlandiee, 
Europäifhe Sumpfichildfröte, ſ. Schild: 
fröten nebſt Tafel Sp: 3. , 
Enropäifched Völkerrecht, nad geigicht 
liher Anſchauung das heutige Vollerrecht (f. d.), 
weil es feine — in dem durch das drei⸗ 
fache Band der german. Abſtammung und Einwan- 
— der antilen Kulturüberlieferung und der 
abendländischschriftl. Religion ujammengehaltenen 
Völterkreife erlangt bat, den Ranke in feinem Grit: 
lingswerle (1824) «Die roman. und german. Voller⸗ 
nannte. Dieſer geſchichtliche Vollerrechtskreis hat 
ſich dann einerſeits über die dem Chriſtentum pe: 
wonnenen Länder bes europ. Oſtens, andererjeitö 
über die aus europ. Kolonien entitandenen über: 
ſeeiſchen Staaten —— während die nicht 
europ. und nicht drijtl. Staaten an diefer Völter: 
rechtsgemeinihaft nur einen beichräntten, durch 
pofitive Thatja des Volkerrechtsverlehrs und 
ihre Annäberung an das Weſen der europ. Ge: 
fittung beftimmten Anteil haben (Japan, Sanfi: 
bar). (Bgl. Heffter, Das E. B. der Gegenwart, 
95.67, und Holgendorff, Handbuch des Vollerrechts 
‚88. 3—5.) In der diplomat. Sprade wird das 
E.V. manhmal(;. B. Pariſer Vertrag vom 30. März 
1856, Art. 7) als europ. öffentliches Hecht bezeichnet. 


318 


Euröpe (lat. Europa), nad der Jlias eine 
Tochter des PVhoinir, u 4 Herodot und andern eine 
Tochter des Königs Agenor von Phönizien und der 
Telepbafla, die Eihmelter des Kadmos, gewann die 
Liebe des Zeus, der, um fie zu beſitzen, ſich in einen 
Stier verwandelte und in dieſer Geitalt an den 
Ufern des Meers bei Sidon oder Tyrus ericien, 
wo fie mit ihren Geipielinnen luftwandelte. E. fand 
den Stier & berrlih und f 97— daß ſie es wagte, 
ihn 3 beſteigen, worauf dieſer mit ſeiner Beute 
dem Meere zueilte und nach der Inſel Kreta hinüber⸗ 


De ier verwandelte er jich in einen fhönen 
üngling, der mit ihr unter oder in einer Blatane 
den 


inos und — — nach Heſiod u. a. 
auch den Sarpedon zeugte. Später vermählte ſich 
E. mit Aſterion, dem Könige von Kreta, deſſen 
Name «der Geftirnte» urſpruünglich offenbar nur 
ein Beiname des Himmels: oder Sonnengottes war, 
wie E. felbft wohl eine Mondgöttin ift. 
Europhen, Jjobutylort a ge 
entitebt u Einmirtung von Jod auf Iſobutyl⸗ 
ortbofrefol, ift ein gelbes, amorpbe3, in Waſſer un: 
löslihes, in Altobol und Uther leicht lösliches 
Pulver von ſchwachem jafranartigem Geruh und 
hervorragenden antifeptiihen Cigenfhaften und 
wird neuerdings wegen feiner Ungiftigleit und ſei⸗ 
nes ſchwachen Geruchs als Erfagmittel des Jodo— 
formd in der Chirurgie vielfach verwendet. 
Europoräma, j. Banorama. ſwind. 
Euros (grch.; lat. Eurus), der Dft:, Sudoſt⸗ 
Eurõtas, der bedeutendſte Fluß der peloponneſ. 
Landſchaft Lalonien zes e Iri gran ent: 
fprin taufeiner Hoche enedeö üb) l. Arkadiens un: 
weit Belemina aus mehrern kleinen Bächen und fließt 
nr durd ein ungefähr 30 km langes enges 
bal, die antile Tripolis. Nachdem er von Diten 
ber feinen bedeutendſten Nebenfluß, den Dinus (jet 
Relepbina),aufgenommen,betritterbaslanggeitredte 
Beden von Sparta (f. d.), durchſetzt dann eine durch 
die ditlichften Borfprünge des Taygetos und durch 
die ſüdweſtl. Ausläufer des Barnon umrabmte, von 
den Alten Aulon genannte Schlucht und mündet in 
einer fumpfigen Schmwemmlandebene, zwiſchen Gy: 
tbeion und Helos, in den lakoniſchen Meerbujen. 
Eurotium Link —— aus der Familie 
der Periſporiaceen yrenomyceten), mit Asper- 
gillus jegt zu vereinigen, da man nad) ewiejen ei 
daß die als E. herbariorum Link befchriebenen 
Fruchtlorper oder Beritbecien in den Entwidlungs- 
ang von Aspergillus glaucus Zink gehören. Diefe 
Berithecien nd Heine goldgelbe Kügeldyen, die oft 
auf faulenden Pflanzen, auf Fruchtſäften u. dal. 
einen goldgelben Überzug bilden. (S. Aspergillus 
und Tafel: Bilge II, Fig. 6.) 
Eurus (lat.), ſ. Euros. 
Euryäle, eine von den Gorgonen (f. Gorgo). 
Euryälos, Sobn des Metijteus aus Argos, 
nahm nad der grieb. Sagendichtung am Zuge ber 
—— . 9 gegen Theben, nach einigen auch 
am Argonautenzug teil; in der Ilias zählt er zu 
den Genoſſen des Diomedes von Troja. — Ein ans 
derer €,, Sohn des Odyſſeus und der Cuippe in 
Epirus, wobin jener fi nad feiner Rüdtebr nad) 
Ithaka begeben baben jollte, war ver Held einer 
topbotleiichen Tragödie: E. ward von feiner Mut: 
ter nad Ithala geihidt, aber von Odyſſeus, dem 
Penelope einredete, €. ftelle ihm nad, getötet, be: 
vor er erfuhr, daß E. fein Sobn ſei. wurzel. 
Euryangium sumbul Kauffm., ſ. Sumbul⸗ 


Europe — Eurypya helias 


Eurybiädes, der Führer des ſpartiatiſcher 
Flottenfontingents und zugleih der Oberanführer 
der großen Bunbdesflotte, welche die zum Rampie 

egen die Perjer vereinigten grieh. Staaten im 

ommer und Herbſt 480 v. Ehr. ausrüiteten. In 
diejer Stellung joht er in den Schlachten bei Arte 
mifium und Salamis. 

EuryoörosPrevostli Less. j.Nashornvögel. 

@urhypdice, |. Eurydile. — €. ift auch der Name 
des 75. Blanetoiden. 

Eurydife (lat. Eurpdice), inder griech. Motbo: 
logie eine Droade, die Gemablin des Orpheus (1.d.). 

Euryfleia, nah der Odyſſee die Amme des 
Odyſſeus und treue Nflegerin des Telemad. Sie 
erfannte ben verlleideten und von Atbene entitellten 
Odyſſeus, als er, ohne ſich noch zu ertennen zu geben, 
in in Haus zurüdgelebrt war, beim ern 
an einer Narbe, ward aber von ihm fofort am Re: 
den rn und zum —— bis er Solljup 
der Rache an den Freiern verpflichtet. — €. ift au 
der Name des 195. Planetoiden. 

@urylliden, ſ. Bauchredner. 

Eurylaemidae, ſ. Hornrachen. 

Eurylöcdyo®, der Anführer derjenigen von 
Divoffeus’ Gefährten, welche dieier auf der Inſel der 
Kirte auf Kundſchaft vorausfhidt. Inder Unterwelt 
ei . und Perimedes die Opfertiere, die Odyſ⸗ 
eus darbringt. Auf der Inſel Thrinafia 
E. die von Hunger gequälten Gefährten des Odyſ⸗ 
feus, von den Rindern des Sonnengottes Helios 
einige zu ſchlachten. Dies führt den Untergang 
aller mit Ausnahme des Odyſſeus herbei, da Yeus 
auf Bitten des Helios das Schiff mit dem vlige trifft. 

rymächo®, Sohn des Polybos, einer der 
anmaßendjten Freier der Benelope, wirft nad dem 
als Bettler eideten Odyſſeus mit einem Sche 
mel. Nachber verfucht er eine Verſohnung berbei- 
zufübren, wird aber von Odyſſeus erſchoſſen. 

Eurymödon, jekt Köprüsfu, hr ‚an ber 
Süpdtüfte Kleinafiens, entfpringt in Piſidien und 
mündet in an gie unterhalb der alten Stabt 
Aspendos in das Mittelmeer; er ift berübmt durch 
den Doppelfieg, welchen Kimon 465 v. Chr. über 
die perf. Flotte und das Landheer erfodht. 

Eurymedon, atben. Feldherr, wurbe 427 
v. Ehr. mit einer Flotte nad Kerkyra und 425 nad 
Sicilien gefandt, wo er bis 424 blieb, obne jedoch 
etwas auszurichten. Für diefen Mikerfolg wurde 
er *3 —— gar hie 414 ſchidten * 
die Athener mit zehn Kriegsſchiffen zum en⸗ 
mal nach Sicilien zur Verſtärkung des rate 
belagernden Heers; er fiel in einer Seeſchlacht vor 
a 31. Aug. 413. 

rynöme (d. b. die Weithinmaltende), Tochter 
des Dieanod, gebar nach Hefiod dem & bie 
Ehariten und nahm nad der Ilias mit Tbetis 
den von Hera aus dem Olymp berabgemworfenen 
und ing Meer fallenden Hepbaiftos auf. Nach Ipd- 
terer theogoniſcher Fler He batte fie vor Kronos 
mit ibrem Gemabl n die Weltberrichaft. €. 
batte ein Heiligtum bei dem arlad. dien ia, wo fie 
für eine Artemis mitdem Beinamen E. galt. br Bild 
daſelbſt hatte von den Hüften an einen Fiſchleib. — 
€. i. nn Name je 79. —— gie 
arynxpeleoanoides Tiefſee⸗ 
fiſch, ſ. — nebſt Tafel, Fig.26. [ftomen. 

Euryptörus, foſſile Rrebögattung, |. Mero: 

helias Illig., die Sonnenralk, |. 


Eurypya 
Sonnenvögel und Tafel: Stelzvögel U, ie. 5. 


Eurpfthenes — Eufebius (von Emefa) 


Eurpfihäues, Sohn des Heralliden Arifto: 
mod und der Argeia, war mit jeinem Zwillinge: 
mberBrotles König von Sparta und der Stamm 
nuter des — Konigshauſes der Agiaden. 

Earyſtheus, Sohn des Sthenelos, Konig von 
Rolene, Tiryns und Midea in Argolis, wurde 

dath eine Liſt der Hera gern: über fämtliche 

terieiden und damit aucd über Heralles (f. d.). 

Wei vieler ihm auf fein Gebeiß den erymanthiſchen 

ber lebend brachte, verkroch ſich E. in ein Faß, 

eine Scene, von der mehrere Darftellungen auf und 

—— find. Nach dem Tode des Heralles ver: 

e E. deſſen Söhne, die Heralliden. Als dieſe 
tita bei Thejeus Schuß geſucht und gefunden 
hatten, Tam e zur Schlacht; E. wurde beſiegt und 
auf der Flucht erichlagen. Euripides hat die Ge: 
dichte des E. in einem Satyrdrama behandelt. 
Eurptanien, feit Juli 1899 Nomos im König: 
rib Griechenland, vorber norböftl. Epardie des 
tmmalinen Nomos Alarnanien und Sltolien, hat 
217 am, 9 Demen und (1896) 43667 E.; Haupt: 
tadt Karpenifion (2017 E.), füplih vom Veluchi. 
Eurhtod, König von Didalia, ein —— 
ter Bogenſchutze, der nad der Odyſſee wegen Über⸗ 
bebung von Apollon getötet wurde. Nach einer an: 
dern e Dane € jene Zodıe ole en hi 
jrrochen, der ihn und feine Söhne im Bogenſchießen 
übertreffen würde, bielt dann aber fein Wort nicht, 
als Herafles die Bedin ung erfüllt hatte, und wurde 
fpäter von diefem erſchlagen. Den Bogen, melden €, 
von Apollon erhalten hatte, erbte fein Sohn Jpbito2. 
tiefer jhentte ihn dem Obyſſeus ala Gaftgefchent. 
Scära, |. Bastifche Sprache. 
Eusoorpius oarpathious L., j. Storpione 
und Tafel: Spinnentiere und Taufendfü:- 

Ser II, Fig. 1. [farea. 

Enjebia, Hauptitabt von Kappadocien, |. Cä- 
Enjfebiäner, |. Eufebius von Nilomedien. 
Enfebind von Cäjarea, mit dem Beinamen 

Bampbili, d. b. freund des bilus (f. d.), 

ver Bater der rijtl. Kirchengeſchichte, geb. wahr: 

Irre in Baläftına eden 270 n. Chr. wurde 314 

iichof von Cäfarea (Ba äftina) und ftarb um 340, 

Er mar der & rtejte der griech. Kirchenfchriftiteller 

Des wg ltertums und hinterließ in —— zahl⸗ 

reichen en reiche Auszüge aus einer Menge jeit: 
ber verlorener Schriften, unterftüßt durch die reich» 
baltige Bibliothel des Pamphilus und die —* ge⸗ 
ifmeten archivaliſchen und enfigen Sammlungen 
und Quellen. Seine theol. Richtung erhielt er durch 
da® Stubium des Drigened. In den Arianifchen 
Streitigleiten fuchte er ald Mortführer einer mitt: 
lern Meinung die dogmatifche ——— der 
ältern Bäter feſtzuhalten. Der ſpätern Orthodorie 
it er daher als Semiarianer verdächtig, was den 
Peter Untergang mancher feiner Schriften veran: 

#t haben mag. (S. Arianer.) Sein Hauptwerf, 
die Kirchengeſchichte (verfaßt zwiſchen 324 und 326), 
bebandelt in zehn Büchern die innere und äußere 
Entwidlung des Ehbriftentums bis zum 9. 324 auf 
Grund umfaffenber Quellenforihung, doch ——— 
danlos und ungleihmäßie. (S. Kirchengeſchichte.) 

Ausgaben von Valeſius (3 Bde. Bar. 1659—73; 

Eambridae 1720), Heinichen (2. Aufl., 3 Bde., 1868 

-70), rton (2 Bde., Orf. 1888 u. d.; dazu 

«Annotationes», 2 Bde., ebt. 1852), Dinborf 
4 Bde., 2pz. 1867 — 71), Wright und MeLean 

nd. 1898), Neitle (2pz. 1901). Deutiche Über: 
mal von Strotb (2 Bde. Queblinb. 1799) und 


319 


Stiglober (Kempten 1870). Sein bis tief ins Mittel: 
alter hinein als Quelle aller ſynchroniſtiſchen Ge 
——————— benutztes «Chronicon» enthält einen 

briß der Weltgeſchichte bis 325 und chronol. Ta: 
bellen, welche Hieronymus, fein lat. Bearbeiter, bis 
378 fortgeführt bat (ba. von Scaliger, Amſterd. 
1658). Das griech. Original ift bis auf Brucitüde 
verloren; eine 1792 aufgefundene armenifhe, aus 
dem 5. Jahrh. ftammende Üiberfegung gaben Aucher 
(Vened. 1818) und Mai (Mail, 1818) heraus; die 
neuefte und vollftändigfte Ausgabe ift von A. Schöne 
(3b. 2, Berl. 1866; Bd. 1, 1875). 

Von des E. übrigen Schriften find zu erwähnen 
die «Praeparatio evangelica», eine Beltreitung des 
Heidentums in 15 Büchern, mit zablreihen Aus⸗ 
zügen aus den Schriften gried. Philoſophen (be. 
von Viger, Bar. 1628; Heinichen, Lpz. 1842; Gais» 
ford, Dr. 1848), die «Demonstratio evangelica », 
ein apologetifcher Beweis der Wahrheit des Ehris 
ftentums in 20 Büchern, von denen nur nod 
zehn erhalten find (ba. von Montacutius, Bar. 
1628; Gaisford, Oxf. 1852), die «Theophania», eine 
kurze Zufammenfaljung des Inhalt? der zwei vor: 
erwähnten Werke, nur in for. *2* erhalten 
(bg. von Lee, Lond. 1842, und in engl. Überfegung, 
Cambr. 1843), die Lebensbeſchreibung des Kaiſers 
Ronftantiri und die Lobrede auf denfelben (bg. von 
Heinichen, Lpz. 1830; 2. Aufl. 1869), worin er fi 
ala ſchönfärbender Hoftheo og zeigt; dad «Ono- 
masticon», ein alpbabetifches Verzeichnis der bibli« 
{hen DOrtönamen, Brudftüd eines größern Werts 
ba. von Larſow und Parthey, Berl. 1862, und von 

garde in den «Onomastica sacra», Gött. 1870). 
Die Gefamtausgabe der «Opera» des E. von Migne 
(6 Bde., Bar. 1856—57) it in kritifcher Beziehung 
wertlos, Unvollftändig ift die Ausgabe von Din: 
dorf, «Eusebii Caesariensis opera» (4 Bde., Lpz. 
1867— 71). Eine neue Ausgabe der Werke veran- 
ftaltet die preuß. Akademie der Wiffenfhaften (in 
den «Griechiſchen dhriftl. ee ern der erften 
drei Jahrhunderte», Bo. 7 ig, j. 1902 fg.). — 
Bol. Stein, E. nach feinem Xeben, Schriften und 
dogmatiſchem Eharalter (Würzb. 1859); Hely, E. de 
Césarée, premier historien de l’&glise (1877) ;Over: 
bed, Über die Anfänge der Kirchengeſchichtſchreibung 
Bi Fe Reiner Die — Apologeten der 
llaſſiſchen Bäterzeit. 1. Buch (Würzb. 1896) ; Halmel, 
Die Entſtehung der on eſchichte des E. von 
CAfarea (Eſſen 1896); Violet, Die paläftinifchen 
Märtyrer des E. (Dpz. 1896); Halmel, Die paläfti: 
nifhen Märtyrer des €, in ihrer zweifachen Form 
(Eſſen 1898); Schöne, Die Weltchronit des E. in 
ibrer Bearbeitung durch Hieronymus (Berl. 1900); 
Geßmann, Studien zu E.' Theophanien (Lpz. 1903). 

Eufebius von Emefa, & Kirchenlehrer 
des 4. Jahrh., geb. zu Edeſſa, Schüler des E. Pam—⸗ 
phili und Freund des E. von Huͤomedien Ein nüch⸗ 
terner Schrifterflärer im Geiſte der antiocheniſchen 
Schule, aber allen theol. Spißfindigkeiten und kirch⸗ 
lichen Händeln feind, jhlug er den von der Synode 
u Antiohien 341 ihm angebotenen Patriarchen: 
I I von Alerandria an Stelle des abgefesten 

thanaſius aus und nahm das Heine Bistum Emefa 
an, das er bald nachher, vom Volle wegen feines 
ee pe Wiſſens als Zauberer verfhrieen, 
aufgab, ging nad Antiohien, wo er um 359 
ftarb. Bon feinen vielen eregetifchen, dogmatiſchen 
und polemifchen Schriften find nur Brucdjtüde er- 
balten. — Die von Augufti, Eusebii Emeseni opus- 


320 


cula quae supersunt graeca (Elberf. 1829) zufam: 
mengeftellten Fragmente gehören jedoch, wie Thilo, 
fiber die Schriften des E. von Alerandrien und des 
E. von Emifa (Halle 1832), erweist, dem E. nicht 
an, jondern andern deöfelben Namens. 
Euſeblus von Nilomedien, Patriarh von 
Ronitantinopel, der Erzieher des Kaiſers Julian, 
mit dem er verwandt war, wurde zuerit Bijchof von 
Berytus, dann von Nilomedien. Er trat auf der 
Synode zu Nicäa ald Beihüger des Arius und 
fpäter mit E. von Cäſarea als Haupt der vermit: 
telnden Partei, der fog. Semiarianer oder Euje: 
bianer, auf. Unter Konſtantin 325—328 nad) 
Gallien verbannt, aber bald wieder eingeſeßt, er: 
(angte er das Bistum von Konftantinopel (338) 
und leitete die antiohenifhe Synode (341), auf 
welcher der Semiarianismus für den Drient feſt— 
geitellt wurde. Er taufte Konjtantin und ftarb 342. 
Enfebins Emmeran, |. Daumer, Georg Fr. 
Euskirchen. 1) Kreis im preuß. Neg.:Bez. Köln, 
bat 366,38 qkm und (1900) 45928, (1905) 47140 E., 
2 Städte und 46 Landgemeinden. — 2) Kreisitadt 
im Kreis E. im 15. bis 17. Jahrh. Hauptort des 
jülihichen Dftlanvdes, 35 km im SW. von Köln, in 
167 m Höhe, nicht weit von der Erft, an den Linien 
Köln:Trier, Bonn:E, (34 km), Neuß-E. (79 km) 
und der Nebenlinie E.: Münjtereifel (14 km) der 
Preuß. Staatsbahnen, mit Kleinbahn nah Liblar 
(28 km), Sig eines Landratsamtes, Amtsgerichts 
(Landgericht zen Bergrevieramtes, Eiſenbahn— 
und Wegebauinfpeltion, bat (1900) 10286 E., dar: 
unter 556 Evangelijhe und 241 Israeliten, (1905) 
11350 E., Postamt erfter Klafje, Telegrapb, zwei 
tatb. Kirchen, eine Kapelle, evang. Bethaus, Syna: 
goge, fath. Progymnafium, Kranfen: und Maifen: 
baus, Wafjerleitung; 20 Zuchfabrifen, 11 Gerbe 
reien, Wollfpinnerei, 3 Dampfmüblen, 6 Brauereien, 
Bleimeiß: und Metallmaren:, Seifen:, Zuder:, 
Strumpffabrit, Zohmüble, Eifengieberei, 2 Dampf: 
ziegeleien, Kram: und Biehmärlte. — Bol. Kunit: 
dentmäler der Rheinprovinz. Bd.4, Abteil. 4: Kreis 
E. (Düffeld. 1900). ſchwamm (if. d.). 
E officinälis Bronn, der Bade: 
Euftach II., Graf von Boulogne (feit etwa 
1049), war durh Anſchluß an Wilhelm den Er: 
oberer aud in England begütert und erwarb mit 
eine zweiten Gattin Ida, Tochter Gottfricds des 
—— von Niederlothringen, die Herrſchaft 
Bouillon. Er ſtarb 1002. Von den drei Söhnen 
aus jener Ehe folgte Euſtach III. in Boulogne; fein 
Bruder Gottfried von Bouillon hatte durch Kaifer 
Heinrih IV. das Herzogtum des mütterlihen Groß: 
vaters erhalten und murde durch den erften ſtreuz— 
zug Herriher des Königreihs Jerufalem, in wel: 
chem ihm 1100 ber dritte Bruder Balduin I. nad: 
folgte, während Euſtach ILL, der ebenfalls am Kreuz: 
zuge mit Auszeichnung teilgenommen hatte, nad 
— Er ſtarb um 1125 und hinterließ 
aus jeiner Ehe mit Maria von Schottland eine Tod: 
ter Mathilde, durch welche Boulogne auf deren Gat: 
ten Stephan von Blois, Grafen von Mortain und 
1135—54 König von England, überging. Da ihr 
Sohn Euſtach IV. ſchon 1153 gejtorben war, erloſch 
mit MatbildeundStepban 1154 das Geſchlechtẽ n 
Euſtache, Saint, ſ. Saint Euſtache. 
Euſtachio (ipr. -itaffio), Bartolommeo, ital. 
Arzt und Anatom, geb. zu San Severino in der Mark 
Ancona, nad andern bei Salerno oderin Galabrien, 
itubierte in Rom, wo er jpäter päpjtl. Zeibarzt und 


Eufebius (von Nifomedien) — Euftathius (byzantinifcher Erflärer) 


Lehrer der Anatomie an der Sapienza wurde, und 
ftarb im Aug. 1574 auf einer Reife zu dem Karbi: 
nal della Rovere in Foſſombrone. Faſt alle Teile 
der anatom. Wiſſenſchaften bat er durch wichtige 
Entdedungen bereichert, die aud zum Zeil nad ihm 
benannt worden find; fo die ver! von ihm beicrie: 
bene Obrtrompete (Euftahijhe Röhre, Tuba 
Eustachii, ſ. Gehör) und die halbmondförmige 
Klappe an der Einmündung der untern Hoh in 
den rechten Vorhof (Euſtachiſche Klappe, Valvula 
Eustachii). Er verfaßte Die «Opuscula anatomica⸗ 
(Bened, 1564; Leid. 1707 und Delft 1726), ſowie die 
wahrſcheinlich von Giulio de Mufi geftochenen «Ta- 
bulae anatomicae», gefertigt 1552, die zuerft Lanciſi 
(Rom 1714)berausgab. Der Text judenteiben cheint 
verloren zu ſein; eine — Erklarung gab Albinus 
— 1743). — Bol. Choulant, Geſchichte und Bir 
liograpbie der anatom. Abbildung (Lpz. 1852). 
Eufta ide Klappe, j. Euſtachio. 
un ifche Röhre, die Ohrtrompete, |. Gebör. 
Eu ins, Hei * und Märtyrer der röm. 
Kirche, einer der 14 Nothelfer (j. d.), ſoll nad der 
Legende vor der Taufe Placidus geheißen, mit feiner 
Frau Tatiana das Chriſtentum angenommen und 
mit ihr und feinen beiden Söhnen Agapus und Theo: 
iftus zu Rom um 118 den Märtyrertod erlitten 
aben. Seit dem 6. Jahrh. wird fein Gedächtnis ge: 
eiert (20.Sept.) und Bapit Eöleftin IIL (1191—%) 
ieß bereitö eine ihm geweihte Kapelle reftaurieren. 
Reliquien von ibm beoß die Abtei St. D und 
Ihentte fie der Pfarrkirche St. Euſtache zu Paris. 
Enuftathiäner, ſ. Euſtathius von Antiodien 
und Euftatbius von Sebaite. j 
hius von Antiochien, feit 325 Biſchof 
von Antiodhien, trat mit folder Strenge für die 
Beihlüffe von Nicka und gegen den Arianismus 
ein, dab ihn Raifer Konſtantin 331 als Unrubeftif- 
ternad) Thrazien und ſpater nachIllyrien verbannte, 
wo er um 360 ftarb. Ein Teil der antiochenifchen 
Gemeinde erfannte feinen Nachfolger nicht an und 
bildete unter dem fpäter zum Biſchof — 
Presbyter Paulinus eine —— irhenge 
* aft (Euſtathian erh die ſich bis ins 6. Jahrh. 
erhielt. E. Schriften find bis auf eine und einige 
Dr mente verloren gegangen. — n, Des 
eiligen E. Beurteilung des Drigenes ( 1886). 
Euftathins von Sebajte, geb. in Kappadoe— 
cien, wurde um 355 Bifhof von Sebafte in Ar 
menien, wo er 380 ſtarb. ben arianifchen Strei- 
tigleiten ſchloß er fih den Anomdern an (. Arianer). 
Er gründete in Sebajte ein großes Spital und fuchte 
das Monchsleben zu befeitigen. Als Anhänger einer 
übermäßigen Asceſe warb E. der Begründer einer 
—J—— Partei, deren Anhänger 
( ge allen Berbeirateten und Reichen 
die Seligleit abfpradhen und von einem verbeirateten 
Prieſter das Abendmahl nit annahmen. Gegen fie 
richtete um 365 die Synode zu Gangra mehrere ver: 
dammende Beihlüffe. — Val. Loofs, E. von Sebafte 
und die Chronologie der Bafiliusbriefe (Halle 189). 
Euſtathius, byzant. Erllärer des Homer und 
bes Geograpben Dionyfius Periegetes (ſ. d.), war 
anfangs Dialonus und Lehrer der Rhetoril in jei: 
ner Vaterjtabt Konjtantinopel und feit 1175 Erz: 
biſchof von Theffalonih, wo er um 1194 ftarb. Be 
— ſein vorzüglich aus den Wörterbüchern der 
tticiſten Alius Dionyſius und Pauſanias geſchopf⸗ 
ter Kommentar zum Homer (mit Devarius’ Regiſter, 
4 Bde., Rom 1542—50; 3 Bde., Bal. 155960; 


Euftathius (Mafrembolites) — Euthymius Zygadenus 


' Bde., Lpz. 1825— 30) ift eine Fundgrube philol. 
&elehrjamteit. Bon feinem Kommentar zu den Hym⸗ 
nen des Bindar tft nur das «Provemium» erhalten 
hg.von Schneidewin, Gött. 1837). Die tbeol. Auf: 
ige und Briefe des €. gab Zi zuerft heraus 
«Opusenla», Frantf. 1832). Gejamtausgabe der 
teol. Werte bei Migne, « Patrologia graeca», 135 
16. — Bol.Tafel, De Thessalonica (Berl. 1839); 
R.Reumann, E. als kritifhe Duelle für den Ilias— 
gt (2p3- 1893). 
athins, mit dem Beinamen Matrembo: 
lite oder Barembolites, auh Eumatbius 
genannt, ein bober Würbenträger in Byzanz, 
verfaßte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. eine 
Romangeihichte von Hysminiad und Hysmine 
deutſch von Erneftine K. Reiste in «Hellas», Bd. 1, 
Nitau 1778), Die ein noch weit fchlechteres und ab: 
age Macmert ift als fein Vorbild, der 
man des Achilles Tatius (ſ. d.). Außerdem ift 
von E. eine Sammlung Rätſel überliefert. Befte 
Ausgabe beider Werte von Hilberg (Mien 1876). 
Euter, die zwiſchen den Scenteln gelegenen 
Nilchdrüſen der Huftiere, befonders ber Wieder: 
täuer und Einbufer. Die Zahl der am E. befind: 
lichen Zigen oder Striche (zwei bei dem Pferde, 
dem Cjel, der Ziege, vier bei der Kub, bei letzterer 
jumeilen nody zwei weitere Striche, die feine Milch 
geben, Afterzigen) zeigt für gemöhnlih an, 
aus mie viel Drüjenlompleren das €. zujammen: 
est ift; das E. der Hub jedoch beſteht aus zwei 
Drüjen, die vier Stride zufammen beſitzen. In 
jeder Zige findet ſich bei MWiederläuern und Ein— 
bufern ein größerer Kanal (Strich: oder Zitzenkanal), 
- in welchen die milhausführenden —— ein⸗ 
münden, wahrend die letztern bei einzelnen Säuge 
tieren direkt an ber Spige der Zitze ihre Ausgangs: 
dffnumgen haben. Die Milhdrüfen find modifizierte 
Hautdrüjen, fie zeigen den Bau — — 
acinõ ſer Drüfen auf, d. b. die Drüfenfubftans beitebt 
aus traubenförmig zufammengruppierten Bläs: 
ben (Drüjenlörmen), die durch Bindegewebe zu: 
— zu Läppchen geeint und in ein Fett balten- 
des Bindegewebänekwert eingebettet find. Kleine, 
milchfübrende Röhren, die von diejen Lappchen 
ausgeben, vereinen ſich zu größern Kanälen, den 
Milchlanälen oder Milchgängen, melde in einen 
ößern Hoblraum, in eine Art Eifterne (Milch: 
ammelbeden, Milccijterne) führen, die unmittel- 
bar über der Wurzel der Zitze in der Drüfe ge 
en ift, mit dem Strichfanal aber fommunijiert. 
Die Zisen: oder Strihöffnung ift mit einem vor: 
wiegend aus Mustelfajern gebildeten Apparat ver: 
ſchloſſen, welcher ſich öffnet, wenn gemollen wird, 
wobei die in der Ciſterne und in dem Kanal befind⸗ 
liche Milch ausgeitrihen wird; die genannten Hobl: 
räume füllen fih dann allmählich wieder durch Ver: 
mittelung der Drüfengänge mit der in den Drüfen: 
bläschen vorwiegend aus —* Blutkörperchen 
oder Lymphzellen produzierten Milch. Bei Lahmung 
des Verſchlußapparats der Zihenoffnung findet das 
Selbftauslaufen der Milch ftatt. Je nad) den ver: 
fbiedenen Tierarten können die Zißenlanäle eine 
eder mehrere Ausführungsöffnungen (beim Pferd 
zwei, felten drei) aufzeigen. Cine dichte Binde: 
sbülle, die Milhprüfentapfel, überzieht die 
ibdrüfe; die zum €. geeinten Drüfen umgiebt 
die feine, wenig behaarte, mit vielen Talg: und 
Shweißbrüfen verfebene Körperdede, die Haut. 
Ran (hließt aus ber Geitalt, Größe, Weichbeit, 
Brodbaus” Konverfations-Leriton., 14. Hull R. A. VI. 


321 


einbeit der Haut des E., aus Beichaffenbeit und 
oße der ee auf den Milcertrag. 
Das E. iſt verjhiedenen Krankheiten, naments 
ih Entzündungen (Euterentzündung) und Er 
krantungen der Zißen (Auffpringen, Knoten: und 
Bläschenbildung, Furunkel, Verengerung), ausge: 
jest. Hinſichtlich der Euterentzündungen unter 
ſcheidet man nad Beichaffenbeit des Sefret3 und 
der Prüfe: Entzündung ohne Veränderung der 
Milch (oberflählihde Entzündung, Ein: 
ſchuß, Euterödem), ſolche mit geringer Ber: 
änderung der Mil und des E. (Euterlatarrb), 
Entzündung mit erbeblicher Veränderung der Milch 
und geringer der Drüfe (ſchleichen de Euter: 
entzündung, Galt) — die Milch ift hierbei 
erſt wäfferig:bläulich, wird dann fchleimig, klebrig, 
gelb, bis fie allmählich ganz verfiegt —, Entzüns 
dung mit erheblicher Veränderung der Drüfe und 
des Sekrets (tiefe, parenchymatöſe Euter— 
entzündung, meiſt auf Infektion durch Spalt: 
pilze —————— und beſondere Entzundungen 
(brandige, — u. ſ. w. en) 

Euterfiftel, Milchfiſtel, bei Küben ein abnor⸗ 
mer Kanal am Euter oder an den Striden, durch 
den Mil fortwährend oder nur beim Melten ab» 
läuft. Die E, ift unter Umftänden ein ſehr erheb⸗ 
licher Fehler einer Milchluh. 

Euterpe Gaertn., Pflanzengattung aus ber 
Familie der Balmen (ſ. d). Man kennt 8 Arten, 
die Nabe im tropiſchen Amerika vortommen. 63 


ar bobe Balmen mit ſehr fhlanten Stämmen und 
eberförmigen, bis 4 m langen Blättern. Die be 
tanntefte Art ift die in Brafilien vorfommende 


Koblpalme oder Balmito, E. oleracea Mart. 
yore jungen Knoſpen liefern ein wohlſchmeckendes 
emüje, ven Palmtohl, und fönnen auch rob ala 
Salat gegefien werden. Aus den Früchten wird 
ein beliebtes Getränt gewonnen. In den Warm 
bäufern größerer Gärten findet man, wiewohl fel- 
ten, die E. edulis Mart., eine dur eigentümliche 
Leichtigkeit und Eleganz ausgezeichnete Art Bra— 
filiens, deren gerader Stamm faum ftärler wird 
als eines Kindes Arm und auf feiner Spige einen 
großen Buſch der zierlichiten Fiederblätter trägt. 

Euterpe, eine der Muſen (ſ. d.). — E. ift auch ber 
Name des 27. Blanetoiden. 

Euthanäfie (grch.), Todeslinderung, das: 
jenige Berfabren, durch welches der Arzt den als uns 
vermeidlich erfannten Tod für den Sterbenden mög⸗ 
lichft leicht und ſchmerzlos zu machen ſucht befteht 
hauptſächlich in zmedmäßiger Lagerung, Fernbals 
tung aller äußern Störungen, Linderung der 
Schmerzen durch anäjtbetiiche und narkotiſche Mit: 
tel (j. auch Arzt, Bd. 17), Sorge für friiche Luft und 
zeitweiligem Einflößen von milden und labenben 
Setränten. Bei dem jcharfen Gehör, welches Sters 
bende bi& zum legten Augenblide zu haben pflegen, 
ift die größte Vorficht binfichtlib aller Nußerungen 
der Umgebung geboten. 

Eutharich, Gatte der Amalafuntba (f. d.). 

Euthymius —5*—— (unrichtig Ziga⸗ 
benus), gelehrter Monch der griech. Kirche, lebte 
zu Anfang des 12. Jahrh. in Konſtantinopel, jeiche 
nete ſich teild als verftändiger Ereget, teild als 
Dogmatiker und Bolemiter aus und ftarb nad) 1118, 
Michtig für die eig ift die von E. 3. auf 
Befehl des Kaiſers Alerios I. Komnenos verfahte 
«Banoplia (d. i. Ruſtlammer) des orthodoxen Glaus 
ben» in 24 den einzelnen Härefien gewibmeten 

21 


322 


Titeln. Doch find ſowohl in der griech. Ausgabe 
von Gregoras (Tergovijt 1711) mie in der lateini- 
ſchen von Zinus (Vened. 1555) mehrere Titel aus 
dogmatiſchen Rüdfichten weggeblieben. Den Titel 
«De Bogumilis» gab Gieſeler griechiſch und lateinisch 
befonders heraus (Gött. 1842). Unter feinen Kom: 
mentaren find am bedeutendſten der zu den vier 
Evangelien, eine Sammlung älterer an 
(griechiſch und lateinifdh bg. von Matthäus, 3 Tle. 
in 4 Bon., Lpz. 1792; neue Ausg. in 3 Bon., Berl. 
und Lond. 1845) und der zuden« Briefen des Baulus» 
(ba. von Galegoras, Athen 1887). 

Euthytöna (Eutbptönen, ard., d. i. Gerad— 
fpanner), ſ. Wurfmaſchinen. 

Eutin, Hauptſtadt des zum Großherzogtum DI: 
denburg gebörigen Fürſtentums Yübed, 36 km 
nördlich von Lübed, in ſehr fruchtbarer, wald: und 
feenreiber Hügellandſchaft (Holjteiniihe Schweiz), 
zwiſchen dem ** (27 m tief, 3km lang) und 
Kleinen (29m, 1km) Eutiner See, an der 
Linie Kiel-E. (48 km), der Nebenlinie E.:Neuftadt 
(15 km) der Preuß. Staatöbahnen und an der 
E.:Lübeder Eifenbahn (33 km), ift Si der Regie: 
rung des Fürftentums, einer Adminiftration der 

2 Ko l. reger pa eines Amtsgerichts 
er übed), einer Oberforftmeifterei, Ober: 
bau: und MWegeinipeltion, eines Steueramtes und 
der Verwaltung der E.:2übeder Bahn, bat (1900) 
5204 E., darunter 193 Katboliten, (1905) 5399 €., 
Poſtami erfter Klaſſe, Telegrapb, eine Säule zur 
Erinnerung an den Krieg 1870—71, Dentmal des 
KRomponiften Karl Maria von Weber und Bronze: 
büfte des Dichters Voß, groBberzagl. Gymnafium, 
böbere Mäpchen:, Gewerbeſchule, Spar: und Leib: 
tafle, Kreditverein, Spar: und Vorſchußbank, Gas: 
anitalt, öffentliche Bibliotbet (30000 Bände). Er: 
mwähnenswerte Baumerte find die alte Michaelis: 
tirche, vor 1155 erbaut, mit fpikem Turm, die latb. 
Kirche, das Voßhaus, Rathaus (1791) und das groß: 
berzogl. Schloß (13. 5— am Großen See mit 
Gemaͤldeſammlung, zeitweiſe Reſidenz des Groß: 
herzogs. Dieſes wurde, nachdem es 1689 zum Teil 
abgebrannt, vom damaligen Bi Rouen aufgeführt 
und fpäter verfchönert. Es beſte a 
ten, Wagenbauanftalt, Ofen:, Tütenfabrit, Flachs⸗ 
—— nebſt Holzſchneiderei, Lohmuhle, 
drei Dampfſägen, Zie —— Brauereien, 
Aderbau, ihm t, Fiſcherei, Kunſt⸗ und Handels: 
gärtnereien. Die Landgemeinde €. hat 2502 €. 
— €. (lat. Uthina, im Mittelalter Utin) wurde zur 
* der Einführung des Chriſtentums im Wenden: 
ande Wagrien begründet. Anfänglich gebörte die 
Landeshoheit über E. den Grafen von Holitein; 1155 
tam es an das Bistum Oldenburg, deſſen Sik 1163 
nad Lübed verlegt wurde, doch war E. Refidenz des 
Biſchofs; 1253 erhielt die Stadt Lubiſches Recht; 1534 
(ee fie die —— ein; von 1535 bis 1802 
ielten die Fürftbifhöfe von Lübed bier Hof; nad 
der Säkularifation des Bistums (1803) fam es 
mit E. an den Herzog von Oldenburg. Ende bes 
18. Jahrh. lebten bier unter vem Schuß des Herzogs 
Beter von Oldenburg die Dichter Job. Heinr. Voß 
und Leopold Graf zu Stolberg, der Maler Xob. 
Heinr. Tifchbein, der Philoſoph Friedr. Heinr. Jacobi 
und der Schriftfteller Job. Georg Schlofjer (Goetbes 
Schwager). €. ft Geburtsort des Komponiften Karl 
Maria von Weber, 5 km norbmweitlib Grems: 
müpblen (f.d., Bd. 17). — Bal.von Bippen, Eutiner 
Skizzen (Weim. 1859); Aye, Aus E.s vergangenen 


Euthytona — Eutropius (Geichichtichreiber) 


Tagen (2 Tle., Eutin 1891— 92); Fübrer durd die 
Holſteiniſche Schweiz (5. Aufl., Altona 1901). 
Euting, Julius, Orientalift und Epigrapbiler, 
eb. 11. Juli 1839 zu Stuttgart, ſtudierte erſt Theo: 
ogie, dann orient. Spradhen zu Tübingen (1857— 
62), feit 1864 zu Barıs, London und Orford. Seit 
1866 wandte er fich der bibliotbefarifhen Laufbabn 
u, —— an der Stiftsbibliothek, dann an ber 
niverjitätsbibliotbet zu Tübingen; 1871 wurde er 
als eriter Bibliotbefar an die Univerfitätä- und 
Lanbesbibliotbet zu Straßburg berufen, deren Direl⸗ 
tor er feit 1900 ift, und 1880 zugleih zum Honorar: 
profejjor ernannt. Bon verſchiedenen wiſſenſchaft— 
lichen Reifen in Europa und im Orient bat er außer 
einzelnen Driginaliteindentmälern eine bedeutende 
Sammlung von Vervielfältigungen aller erreihba- 
ren altfemit. Inſchriften zufammengebradt, die er 
der Univerfität Straßburg vermadhte. Er veröffent- 
lihte: «Qolasta» (mandätfher Tert autograpbiert, 
Stuttg. 1867), «Punifche Steine» (in den «Me: 
moiren» der Beteräburger Altademie, 1871), «Erläu: 
terung einer zweiten Opferverordnung aus far 
tbago» (Straßb. 1874), «Sechs phöniliſche ab ei 
aus Ndalion» (ebd. 1875), aNabatäiſche Inſchriften 
aus Arabien» (Berl. 1885), «Sinaitifche Infchriften» 
(ebd. 1891), «Tagebuch einer Reife in — 
Zeil 1(Leid. 1896), «Inſchriftliche Mitteilungen» 
in der «Beitfchrift der Deutfchen Morgenländiſchen 
Gefellihaft», ven «Sikungäberichten» der Berliner 
Alademie und andern Sammlungen. Bon feinen 
paläograpbifchen Arbeiten find die jemit. «Schrift: 
tafeln» als die beiten Wegmeijer auf dem Gebiete 
der jemit. Schrift befonders bervorzubeben. Außer- 
dem gab er unter anderm einen «flatalog der faiferl.' 
Univerfitätö« und Pandesbibliotbet in Straßburg. 
Arab. Litteratur» (Straßb. 1877), eine«Beihreibung 
der Stabt Straßburg und des Munſters⸗» (ebd. 1881; 
11. Aufl. 1900) ſowie zablreiche Reifeberichte beraus. 
Entocins, von Astalon, Schüler des berühmten 
Architekten Iſidorus, verfaßte etwa in der zweiten 
Hälfte des 6. Jahrh. n. Ebr. Kommentare zu 
Schriften des Archimedes und des Apollonius. 
Die Kommentare zu Arhimedes find zulekt in 
der von Heiberg bejorgten Ausgabe des lektern 
(3 Bde., Lpz. 1880—81) herausgegeben; der zu 
den vier erften Büchern der Renelfritte des Apol⸗ 
lonius * t in der Ausgabe dieſes Werles von 
Halley (Oxf. 1710). — Bol. Heiberg, Pbilol. Studien 
zu griech. Mathematikern (Lpz. 1880). (Fie.1. 
Eutoxöres aqulla, ſ. Kolibris nebft Tafel, 
Eutrigfch, Stadtteil von Leipzig (ſ. d.). 
Eutropins, lat. Geſchichtſchreiber, der unter 
— 363 n. Chr. mit gegen die Perſer focht, unter 
Valens noch lebte und um 370 n. Ebr. ftarb. Sein 
«Breviarium historiae Romanae», worin die röm. 
Gefhichte von der Gründung Roms bis auf Jo— 
vians Tod (864 n. Sr) kurz erzäblt wird, ift in 
einer einfachen und ziemlich reinen Sprache mit ver: 
ftändigem, unparteitfchem Urteil und geſchidter An- 
ordnung verfaßt. Neuere Ausgaben lieferten Hartel 
(Berl. 1872), Droyien (ebd. 1878, und eine arößerein 
den «Monumenta Germaniae historica. Auctores 
antiquissimi», Bd. 2, ebd. 1879), Eichert (Hannov. 
1871), Wagener (Lpz. 1834) und Rübl (ebd. 1887). 


Eine gried. Überjegung von Päanius ift erbalten 
(ba. von Kaltwafjer, Gotha 1780). — Bal. Birogoff, 
De Eutropii indole ac fontibus (Teil, .1873); 


Droyfen, «Prolegomena» zur arößern Ausgabe; 
Sorn, Der Spradgebraud des E. (Laibach 1892). 


Eutropius (Staat3mann) — Evangelien 


Eutropius, ein Eunud, der einige Zeit lang 
unter Kaiſer Arcadius leitender Staatsmann des 
Utrömifhen Reichs war. Auerft ein Sklave, iam er 
dann an den Hof des Theodofius I. und mar bei 
um Tode dieſes Kaiſers Kammerherr des jungen 
Ircadiu® und Gegner des leitenden Minifters Ru⸗ 
mus. Erbeftimmte den Arcadius, April395 n.Chr., 

niät des ang ihn Tochter, ſondern ..n (1. d.), 

det Sranten Bauto Tochter, zu heiraten. Als nad: 

ber der got. General Gainas, der {freund des weſi⸗ 
rim. Staatsmanns Stilidho 

Aufnus batte niederbauen laffen, wurde G. der 

führende Staatömann des Reichs, aufden nun auch 

die Würden eines PBatricius (398) und des Ronfu: 
lat# (399) gehäuft wurden. Dem Rufinus folgte er 
inder Bolitit thörichter Feindſcha —— das Abend⸗ 
landiſche Reich, zunächit gegen deſſen Lenler Stilicho, 
mit dem E. im Sommer 396 n. Chr. auf Grund des 
weitgot. Krieges im Beloponnes völlig brab, um 
dann Alarih, Stilibos Gegner, einen günftigen 
Frieden zu bemilligen unddie Mauren er u — 
gegen Stilicho aufzuhetzen. Stilichos Einfluß ſcheint 
er bei €.’ Ende mitgewirkt zu haben. Als 
nämlich 398 in Kleinafien die Empörung des Goten 
Zribigild ausbrad, —— Gainas, der dieſen 
Aufſtand dämpfen ſollte, im Einverftändnis mit 
der Kaiſerin Euboria Ende Jan. 399 die Abſetzung 
des E.,der darauf in Ehalcedon entbauptet wurde. 
Eutiches, Arhimandrit zu Ronftantinopel im 

5. Jabrb., Vertreter der dogmatifchen Anfichten des 
Eyrillus (f. d.) von Alerandria und der Aleran: 
drinifchen Schule. Die Lehre der legtern, der Gott: 
menſch babe nad der Bereinigung der beiden Na- 
turen nur eine Ratur, die Natur des fleiſchgewor⸗ 
denen Logos, gehabt, führte er bis zu der Folge⸗ 
rung fort, Ebrijti Leib gi dem Leibe anderer Men: 
fen nicht weſensgleich. Wegen diefer Anfichten 
auf einer Synode zu Ronftantinopel 448 angellagt 
und von feinem —— abgeſetzt, fand 
er in der Gunſt des Miniſters Chryſaphius und 
des alerandbriniihen Patriarchen Dioslorus ſowie 
in der ägypt. Monchspartei eine mächtige Stutze. 

Auf dem unter feinem Vorfig verfammelten Konzil 

zu Epbejus 449 ſetzte Dioskorus mit Hilfe feiner be 

waffneten Mönde die Freifprehung des E., die 

Berurteilung Flavians und die lirchliche Santtion 
der alerandriniihen Lehre von der einen Natur 
durch. Indes wurden ſchon 451 zu Ehalcedon die Be: 
fblnfje von Eyheſus durch die Gegen rtei annuls 
tiert, die Synode des Dioslorus ald Räuberfynode 
aebrandmarlt, der Eutyhianismus für Ketzerei 
erflärt und gegen ihn feitgefeßt, daß in ber einen 
Berfon Ehrüjti beide Naturen ohne Bermifhung und 

nblung miteinander vereinigt feien. Doch 
erbielten fi die Nonopbyfiten f d. von den Ortho⸗ 
doren Eutychianer genannt, als getrennte Kirchen; 
partei in Armenien, Ägypten und Athiopien. 
Euzanthinfäure, Burreefäure, Borris: 
äure, C,,H,,0;:ı , eine organische Säure, bie ala 
agnefiafal; den Hauptbeitandteil de Purree 
bildet. Diefer Farbftoff lommt aus Oftindien und 

China in fugeligen Maſſen von 100—1%0 g in den 

Handel und wird aus dem Ham von Küben ge 

wonnen, die mit Mangoblättern gefüttert find. Das 

bafıihe Magnefiumfalz der E. ift die in der Dl- 

malerei benußte farbe Jaune indien oder Indian 

Yellow. Durch Kochen mit verbünnter Schwefel: 
\ure wirb es gefpalten in Ölyturonfäure (f.d.) und 
Gurantbom (Diorydipbenylentetonoryp). 


27. Nov. 395 den | des erft 


323 

Euganthön, ſ. Curanthinfäure. 

Eugenit, rhombiſches, felten kryſtalliſiertes, ge 
wöhnlich derbes, bräunlihfchmwarzes Mineral, im 
weſentlichen titanfaure und niobſaure Pttererbe (Er: 
binerde) und Uranbiorgd. €. findet ſich befonders 
bei Yöljter im Bergenftift (Norwegen) und im Peg: 
matit bei Arendal. 

Euxolus, Pflanzengattung, |. Amarantus, 

Eva (bebr. Chavvä, «Mutter des Lebens»), nad 
der Schöpfungsfage des 1. Buchs Mofe die Frau 
en Mannes und Stammmutter des menſch⸗ 
lihen Geſchlechts. Die Bedeutung des Namens ift 


wie die Herkunft diefer mythiſch igur noch nicht 
genügend erllärt. F Adam.) — Fa auch ber 
164. Blanetoid. eerung. 


8 
Evaouantia (lat.), ausleerende Mittel, ſ. Aus⸗ 
Evagdrad, lat. für Euagoras (f. d.). 
Evagrins, lat. für Euagrios (f. d.). 
Eva⸗Juſel, ſ. Franz⸗Joſeph⸗Land. 
Evakuation (lat.), mung, ſ. Krankenzer⸗ 
Bars: evaluieren, auäleeren, räumen; in der 
vi: einen luftleeren Raum erzeugen. 
valvieren oder valvieren, das franz. 6va- 
luer (aus dem lat. valere, gelten), die Geltung, 
den Wert eined Objekts abſchätzen oder feftftellen, 
namentlid von Münzen gebraäuchlich (f. Balvation). 
Evan, j. Evoe. 
Evänbder, j. Euandro3. 
Soangellarium, f. Zeltionarium. 
oal Allianoe (engl., jpr. imänn- 
dichellitall Aleienk), f Evangelifhe Altan 
oal Assooilation of MNorth- 
Amerloalengl.,fpr.imänndichellitäll aͤſſoß lehſchn), 


f. Albrechtsleute. 
lioal Friends (engl., ſpr. imänn: 
dichellitäll frennds), ſ. Qualer. 
angelien und Evangelienfritif. Die Bor: 
— von Jeſus als dem ienenen Heiland, ur⸗ 
prunglich mit dem Namen Evangelium (f. d.) be 
jeichnet, wurde anfangs nur mündlich überliefert. 
päter entitanden fchriftlihe Aufzeihnungen ber 
Reden oder Ausſprũ brifti, bald auch größerer 
oder kleinerer —— —— bis etwa ein 
Menſchenalter na eſu Tod die erften zufammen: 
—— Niederſchriften über Leben, Leiden und 
terben Ehrifti in Um 2 famen. Um die geſchicht⸗ 
lie Erinnerung rantte fih im Laufe der Zeit bie 
Sage; bewußt oder unbemußt fombolifhe Dar: 
r ungen wurden als eigentlihe Geſchichtserzah⸗ 
—— Nachbildungen altteſtamentli 
Vorbilder, geſteigerte Vorſtellungen über ſti 
Urſprung und meſſianiſche Macht, endlich die vers 
fchiedenen Auffaffungen feines meffianifchen Wertes 
und bes —— —— zur jud. und zur 
heidn. Welt ließen auch Lehre und Lebensbild Schu 
immer wieder in neuer Beleuchtung erfcheinen. So 
exwuchs bis zum Anfange des 2. Jahrh. eine ganze 
Litteratur von Darftellungen des Evangeliums, 
oder wie diefe Schriften fpäter hießen, von Evan: 
—— Gegen Ende des 2. Jahrh. wurden die vier 
angelien nach Matthaus, Markus, Lulas und 
ohannes herausgehoben, von der Kirche aus: 
chließlich mit kanoniſchem Anſehen belleidet und auf 
die Männer, nach denen fie benannt waren, zurück⸗ 
geführt, die übrigen dagegen als ne (f. d.) 
verw (S. auch —— ium.) 

Ein nen über Urfprung und Ber: 
wandtichaft diejer Evangelien gehören erſt erneuern 
Zeit an. Die auffälligen wörtlihen und ſachlichen 

21* 


324 


Berührungen, beſonders der drei eriten (deshalb ſog. 
ſynoptiſchen) Evangelien untereinander nötigten 
— wiſſenſchaftlichen Unterſuchung. Den erſten 
erlenswerten Verſuch machte Eichhorn in feiner 
«Einleitung in das Neue Teftament» (2 Tle., Lpz. 
1804—10), indem er alle brei von einem gemeins 
famen Urevangelium ableitete, das von ihnen in 
verfchiedenen Hedaltionen vorgefunden und ausge: 
fhrieben worden ſei. Die weitere Durchführung 
diejer Hypotbefe machte aus den Evangeliſten bloße 
reiber, die aus vier oder nod mehr Büchern 
ihren Stoff mehanifch zufammentrugen. Eine Modi⸗ 
filation diefer Anficht iſt die Schleiermacherſche io9- 
Diegeſenhypotheſe, die das Urevangelium in zahl: 
lofe zerſtreute Blätthen mit einen Stüden ber 
evang. Geſchichte —**— aus denen dann die Evan⸗ 
eliſten ihre Werte zuſammengeſtellt hätten. Den 
nwahrſcheinlichleiten dieſer Theorien gegenüber 
machte die zuerjt von Giejeler aufgeitellte Tradi— 
tionsbypotheje viel Glüd, welche unjere Evangelien 
lediglih aus mündlicher, im Laufe der Zeit jozu- 
} en typiſch gewordener lüberlieferung entiteben 
ieß. Die Frage, in welcher Ordnung dies geicheben, 
rte zur Erwägung der Priorität unter den Evan: 
gelien, und zuerit zu der Hypotheſe Griesbachs (j. 0): 
daß Matthäus der ältefte, Markus dagegen, als 
bloßer Auszug aus den zwei andern, der jüngfte 
Evangelijt * Schon Credner (1832) aber ſtellte 
—* vielmehr als den alteſten voran und hielt Mat: 
tbäus für eine Kombination aus Markus und der 
Sprubiammlung des Apofteld Matthäus. Diefe 
Schwantungen bewogen Strauß unter Begünftigung 
der Griesbachſchen Anſicht, der in feinem «Leben 
Jeſu⸗ (1835—36) die evang. Erzählungen von der 
motbenbildenden Gemeinde berleitete, von einer 
fitterar. Kritil ver Evangelien doch abzufeben und 
ig auf eine Kritik ihres Inhalts zu bejchränten. 
ilte dagegen (1838) machte Martus als ven älte: 
ften Evangeliften geradezu zum jhöpferiihen Ur: 
—— und betrachtete ihn als einzige Quelle 
r Matthäus und Lukas. Bruno Bauer — 
hrte dieſe Anſicht zu der Behauptung fort, da 
der Grundſtamm der evang. Geſchichte aus dem 
ſchopferiſchen Selbſtbewußtſein, d. b. aus der Phan⸗ 
taſie eines Einzelnen, nämlich des Markus, hervor— 
gegangen und deſſen Schrift von dem « Zweiten» 
und «Dritten» umgeitaltet und erweitert worden fei. 
Dieſen Anfichten trat zuerſt Ferd. Chriſt. Baur 
(f. d.) erfolgreich gegenüber, indem er, das Unge— 
nügende des rein negativen Stanbpunfte von 
Strauß einräumend, die Umbildungen bes evang. 
Stofis aus den allgemeinen geiftigen Gegenfägen 
und Tendenzen des apoſtoliſchen Seitoltere zu er: 
Hären fuchte («Kritifche Unterfuhungen über die 
tanonifhen Evangelien», Tüb. 1847). Hinſichtlich 
des Beranbtichaftsverhältnified der drei Spnop: 
tifer bielt er die Griesbachſche Anficht feit, doc 
ließ er neben der Benutzung je eines Evangelijten 
dur den andern zugleih die Möglichleit einer 
fberarbeitung älterer Grundſchriften offen. Be 
deutiamer war, daß Baur ſich das Verſtändnis 
der Rompofitionsweife der einzelnen Evangelien 
vom Jobannesevangelium aus zu eröffnen ſuchte. 
Lebteres, defien Echtbeit ſchon von Bretſchneider 
bezweifelt worden war, erwies ſich unter der Baur: 
{ben Kritil nicht als eine hiſtoriſche, fondern ala 
eine planvoll angelegte dogmatifhe Schrift, in 
welcher das Hiſtoriſche nur als durchſichtige Hülle ver 
See, nur als künſileriſche Einlleidung eines rein 


Evangelien 


geiftigen Gebantengebalts zu nehmen ſei, wobei ſich 
der —— Urſprung dieſes Evangeliums 
von Gelbh ergab. Bon den übrigen Evangelien er 
ſchien die Darftellung des Lulas am meiſten, die 
des Mattbäus, da Markus als farblojer Auszug 
nicht in Betracht fam, am menigiten von der dog» 
a Idee beberriht, obwohl auh Matthäus 
ebenſo einen judenriftlichen, wie Lulas einen pauli⸗ 
nifben Tendenjcharalter an ſich trage. 

Die Baurſchen —— wurden durch zabl« 
reihe Arbeiten des Meiiterd und jeiner üler 
weiter geführt und teilweife berichtigt. Der weient: 
lie Anteil der dogmatiſchen Tendenzen und Bartei- 
rihtungen der Zeit an der Entjtebung und Geital- 
tung jämtliher Evangelien kann jeitvem als aus: 
a — Derſelbe erſtredt ſich nicht bloß auf 


uswahl und Anordnung, ſondern auch auf die 
ärbung, ja teilmeife auch auf die Entitebung des 
toffs, Fomohl in Rebejtüden als in biftor. Bartien. 


Jedoch blieb die Tendenztritil, jolange als fie nicht 
durch die litterarbiftorifche Kritik, d. b. durch ein- 
dringende Erforſchung des äußern ſchriftſtelleriſchen 
und jtiliftiihen Verwandtichaftsverbältnifies der 
——— ergänzt wurde, manden Täuſchungen 
und lbertreibungen auögejegt. Die von Baur, 
Strauß, De Wette, Bleel, Keim u. a. feitgebaltene 
Griesbachſche Anſicht ftieß bald auf erhebliche Be 
denten. Schon Chr. H. Weiße batte in feiner« Eva 
Gefhidhte» (Lpz. 1838) die Crednerſche Anſicht 
weiter ausgeführt, dab das geriet. re 
aus zwei Hauptquellen gefhöpft jei: aus der aReden⸗ 
wear des Apoſtels Mattbäus, deren Bor: 
andenjein der RKirchenvater Bapias bezeuge, und 
aus dem Marfusevangelium, das den uriprüng- 
lichen bijtor. Rabmen für Mattbäus und Yufas dar: 
biete. Dieſe Anfiht wurde als Schußwehr gegen die 
Tendenzkritik von allen Seiten mit vr ergriffen. 
Nebenkonfervativen Theologen, wie G. A. eyer, 
B. Weiß, folgten auch freier geſinnte Forſcher, wie 
Reuß, Wittichen u. a., dieſer Richtung. Am gründ⸗ 
lichſten wurde die Hypotheſe ausgeführt in der 
Schrift von Holgmann: «Die ſynoptiſchen Ebange⸗ 
lien» (Lpz. 1863), auf deren —— auch Schen⸗ 
telö «Charalterbild Jeſu» (Wiesb. 1864) beruht. 
Mit mebr oder minder erheblichen Modifilationen 
baben aud Weizfäder («UInterfubungen über die 
evang. Geſchichte», Gotha 1864; 2. Aufl., Tüb, 
1901) und B. Weiß («Das Markusevangelium», 
Berl. 1872; «Das Mattbhäusevangelium», Halle 
1876; «Das Leben Dehun 2 Bpe., Berl. 1882; 
3. Aufl. 1888; «Einleitung in das Neue Teita: 
ment», ebd. 1886; 3. Aufl. 1897) dieſelbe kriti- 
ſche Grundanibauung zu begründen verjucht, wos 
gegen Hilgenfeld («Die Evangelien», Lpz. 1854), 
Strauß (« Das Leben Jeſu für das deutiche Volt», 
ebd. 1864; 8. Aufl., Bonn 1895), Keim («Geſchichte 
yn von Nazarar, 3 Bde, Zür. 1867—72) und 
oljten («Die ſynoptiſchen Evangelien nad der Form 
ihres Anbalts», Heidelb. 1886) die Baurſche Anſicht, 
daß Matthäus der älteſte Evangelift fei, feitbielten, 
in diefem Evangelium felbjt aber eine judenchriſtl. 
Grundſchrift und eine freier gefinnte Überarbeitung 
unterſchieden, wobei Hilgenfeld nicht den Markus, 
fondern den Yulas als jüngiten Evangeliiten betrache 
tet. Boltmar («Die Evangelien», Lpz. 1870; «Jeſus 
Nazarenus», Zür. 1882) erneuerte die Anjiht Bruno 
Bauerd mit der Mopifitation, daß er das «ll 
evangelium» des Martus als ein vom pauliniihen 
Stantpunlte verfaßtes Lehrgedicht, alle übrigen 


Evangelienharmonie . 


Sbangelien aber als tendenzidfe Umbildungen be 
hadtete. Ebenfo legen die Mitglieder der neueften 
delland. kritiichen Schule (Loman, van Danen 
1.2.) ein wejentlich dogmatiſch gebaltenes «Urevan- 
yelium> zu Grunde, das unter Yenupung einer mehr 
—— ih gearteten mundlichen Tradition zu vie 
let Evangelien verarbeitet fei, wovon die lanoni⸗ 
\ben Evangelien die Schlußrebaltionen daritellen. 
In der heutigen Kritif herrfcht jedoch die «Zwei: 
auellentheorie» durchaus vor, und wird nur immer 
detaillierter aufgearbeitet. Die eine Quelle der 
moptiichen Tiberlieferung wird dabei entweder 
direlt in unjferm Martus oder in einer ihm fehr 
sabe verwandten, jest verlorenen Schrift gejehen; 
die zweite, ober «die Sprubjammlung» — im 
meientlichen mit den von Papias bezeugten «Logia», 
den Sprüchen des Herrn, aramäiſch gejammelt vom 
Apoitel Matthäus, identiſch gewejen, aber in etwas 
veribiedenen griech. Bearbeitungen einerjeitd von 
Matthäus, andererjeits von Lulas benupt worden 
ein. Insbejondere ift ftreitig, wie weit Diefe zweite 
Quelle auch Erzäblungsftüde enthielt. Die beiden 
Hauptquellen ſtammen noch aus der Zeit vor ger 
rörung Jeruſalems. Lulas ſcheint unter allen Sy: 
noptitern der jüngjte zu fein, obwohl aud das Mat: 
tbäusevangelium jeine gegenwärtige Redaltion erſt 
im 2. Jahrh. erhalten baben kann. Unmittelbar 
apoftoliic ift jedenfalls fein ein igeb unferer Evan: 
ien. Der uriprüngliche bijtor. Rahmen der evang. 
zäblung ijt relativ am treueiten bei Markus be 
wabrt, wogegen die Sprüche Jefu und eine Reihe 
einzelner Erzäblungen meift bei Matthäus in ur: 
fprünglidjter Gejtalt aufbebalten find. Doc feblt 
es auch bier nidt an Ausnahmen, Am mwenigiten 
unter allen tragen die Reden und Erzählungen des 
vierten Evangeliums einen geſchichtlichen Charakter, 
wie denn die Unmöglichkeit, daß Johannes der Ver: 
fafjer dieſes Evangeliums ſei, von Baur, Hilgen- 
feld, Köftlin, Echolten, Keim, Thoma, Holgmann 
—— erwieſen iſt. Näheres ſ. Johannes (der 
eliſt). Allgemeine Orientierung über ben 
gegenwärtigen Stand der Evangelientritit geben 
die «Einleitungen zum Neuen Teftament» von Holtz⸗ 
mann (3. Aufl., Freib. i. Br. 1892) und von Yülicher 
4. Aufl., Tub. 1901). Bgl. ferner Nippold, «Der 
Entwidlungsgang des Lebens Jeſu im Wortlaut 
der drei eriten Evangelien» (Hamb. 1895); Wernle, 
«Die ſynoptiſche Frage» (Freib.i.B. 1899); Soltau, 
«liniere Evangelien, ihre Quellen und ihr Quellen: 
wert» (2pz3. 191). Tb. Zahn («Einleitung ins Neue 
Zejtament», 2. Aufl., ebd. 1900) verteidigt die kirch⸗ 
ü Tradition über die Entjtehung der vier Evan: 
gelien. — Kommentare zu den drei erjten Evangelien 
ſchrieben B. und J. Weiß (für Meyers «Kritiſch⸗ 
eregctijhen Kommentar über das Neue Teftament», 
9. Huf. Gött. 1897— 1901), Holkmann (im «Hand» 
tommentar zum Neuen Tejtament», 3. i 
i Br. 1901), Nösgen (im 
zum Reuen Teftament», bg. von Strad und Zoedler, 
2. Aufl. Mänd. 1897). Zur Tertkritit: B. Weiß, 
«Die vier Evangelien in berihtigtem Tert mit furzen 
Erläuterungen» (2p3. 1900). (S. auch Lukas.) 
Neue Brobleme find der ———— ge⸗ 
ſiellt durch drei neuere handſchriftliche Entdedungen, 
teren bedeutendere von zwei engl. Damen, Mrs. 
Gibion und Mr3. Lewis, auf dem Sinaiklofter ges 
mabt wurde. Sie fanden im Febr. 1892 hier eine 
Yılimpfeftbandfichrift Der vier Evangelien, unter der 
Aufisrift «Die getrennten Evangelien» (im Gegen: 


Aufl., Freib. 
urzgefaßten Kommentar 


325 


ſatz deren eisen arena im Diatefjaron 
bes Zatianus, j.Evangelienbarmonie). Sie erſchien 
1894 im Drud (Cambridge) und in engl. Überjegun 
(London), Der ſyr. Tertdiejer Handichrift erwies fü 
als dem des fog. Curetonſchen Syrers nahe ver 
wanbt, jedoch als älter, und wahrſcheinlich fogar 
aud älter als Tatianus. (Bol. Merr, «Die vier 
fanonifchen Evangelien —— alteſten belann⸗ 
ten Text. Uberſezung und Erläuterung ber ſyr. im 
Sinaiflofter gefundenen Balimpjeitbandfchri ‚Berl. 
1897.) Am meiften Aufieben erregte ver Wortlaut 
von Mattb. 1, ıs: «und Jofepb, dem die Jungfrau 
Maria verlobt war, zeugete Jelumm womit andere 
Abweihungen in der Geburtägeihichte in Verbin: 
dung fteben. Ferner fehlt im Kobannesevangelium 
nod die Erzäblung von der Ehebrecherin (ob. 8, 
1-11) fowie der Schluß des Marlusevangeliums 
(16, 8-20). In Bezug auf diefen machte ferner der 
engl. Armenijt Conybeare («Aristion, the author of 
the last twelve verses of Mark», in «The Exposi- 
tor», Lond. 1893) die Entdedung, daß er in ber 
Handſchrift einer armeniichen Überfegung in deut 
liher Abtrennung vom Evangelium einem gewiſſen 
«Arifton, dem Presbyter⸗, zugeichrieben wird. 
li wurden 1897 zu Oxyrhynchus in —— pten 
von engl. Gelehrten viele Bücher und Papyrusblatter 
entdedt, darunter ein Blatt, dad 6—8 Sprüche Jeſu 
enthält, die unfere Evangelien nicht oder in anderer 
orm entbalten. Es ergab ſich indes, daß man es 
ier mit gnojtijh gearteten Relationen aus dem 2, 
und 3. Yabrb. zu un bat, denen nur zum kleinſten 
Teil Autbenticität beizulegen ift, die aber neue Auf: 
fchlüfje nit geben. — Val. darüber Grenfell und 
Hunt, Adyıa Inood (Fond. 1897); Harnad, Über die 
—5— entdedten Sprüche Jeſu (Freib. i. Br. 1897); 
od und Sanday, Two lectures on the sayings of 
Jesus recently discovered (Orf. 1897); Holgmann, 
Neue Sprüche Jefu (in den «Proteftantiihen Monats» 
beften», Berl. 1897, ©. 385 fg.); Brufton, Les pa- 
roles de Jesus r&cemment decouvertes en te 
(Bar. 1898); Cauſſe, Les nouveaux logia de Jesus 
(ebd. 1898); Taylor, The Oxyrhynchus logia and 
the apocryphal gospels (Ort. 1899); Ihs. Weiß, 
Das Äältefte Evangelium (Gött. 1903). 
Evangelienharmonie, eine aus allen vier 
Evangelien zufammengearbeitete Darftellung, der 
Geſchichte Jeſu. Die ältefte Zufammenitellung diejer 
Art ift das jog. Diatejjaron (d. h. durd vier) 
des Tatianus (}. d.), dad um 170 in gried. Sprade 
verfaßt, aber namentlich in ſyr. Gemeinden ver: 
breitet und noch um die Mitte des 4. Jahrh. in 
Edeſſa gottesdienſtlich verlefen wurde. Noch in ber 
Zeit vor Fixierung des Kanons entitanden, jcheint es 
den Tert unferer Evangelien ziemlich frei behandelt 
"7 * und galt ſpäter für letzeriſch, daher der ſyr. 
iſchof Theodoret um 400 alle in ſeinem Sprengel 
verbreiteten Exemplare konfiszieren und durch unſere 
lanoniſchen Evangelien erſehen ließ. Das Diateſ⸗ 
ſaron Tatians iſt verloren, aber ſeinem Inhalte nach 
um größten Teile noch aus einem Kommentar des 
eil. Ephräm belannt. Eine jüngere, ſtark veran⸗ 
derte Bearbeitung in lat. Sprache machte 
von Capua (geſt. 544) belannt; eine althochdeutſche 
—— der letztern iſt der Deutſche Tatian 
g. von E. Sievers, Paderb. 1872). Bol. Zahn, 
orſchungen zur Geſchichte des neuteſtamentlichen 
anons, ZI. 1: Tatians Diateſſaron (Erlangen 
1881). — Dem ⸗ Diateſſaron⸗ des Ammonius von 
Alerandria (3. Zabrb.) lag dad Evangelium des 


326 


Matthäus zu Grunde; der u der drei andern 
Evangelien war in zablreihe Heine Settionen ge 
teilt, auf die durch Buchſtaben und Ziffern am 
Rande des Grundtertes verwiefen wurde. Deutiche 
poet. Bearbeitungen der evang. Geſchichte auf Grund 
aller vier Evangelien find aus dem 9. Jahrh. die E. 
Otfrieds (f. d.) und der «Heliand» (f. d.). — Die 
Bezeichnung E. (lat. Harmonia evangelica) wird zu⸗ 
erft für die gelehrte Bearbeitung der vier Evangelien 
von Martin Chemnig (vollendet 1593 durd Johann 
Gerhard) gebraudt. Jetzt nennt man eine jolde 
—— ellung des griech. Textes aller vier 
— zu willenfhaftlihen Zmeden Synopſe 
ober un i8. 
Evangelienfeite, in der lath. Kirche die (vom 
Schiff aus) linke Seite des Altars, fo men weil 
2 das Evangelium verlejen wird. Sie heißt auch 
rotfeite, weil bei der Kommunion auf biefer 
Seite dad Brot verabreicht wird, Gegenfas 
Dez heißt die ri ker ‚Epiftolar) Kelchſeite. 
angelifation, bie Verbreitung ber evang. 
Lehre unter den Ratholiten. In Frankrei 
widmet bie —— Geſellſchaft (ſ. d.) einen 
Zeil ihrer Kräfte der E. in Elſaß-Lothringen wurde 
bierzu1842die@vangelifationd:Gejellihaft 
geftiftet. In Spanien wirft neben von Eng 
—— Sendboten der deutſche Pfarrer F. 
iebner (f. d.), in feinen Erfolgen glücklicher 
eine fübhnen Vorgänger Matamorod, Trigo und 
Ihama, bie ihre evang. —— faſt mit ihrem 
Blute bezahlen mußten. In Italien betreibt haupt: 
jählic die Waldenſerlirche eine erfolgreide Evan: 
gelifationsarbeit. Auch die Freie Kirche und bie 
met 288 und baptiſtiſche Miſſion ſind dort ſehr 
tbätig. Bari und Meffina, wo ſich viele evang. 
Deutiihe aufbalten, find — . Gemeinden 
in der Bildung begriffen. Ebenſo ß die €, in 
andern kath. Ländern, wie in Öfterreich (Los von 
Pen engen); Belgien, und in den über: 
feeifchen Gebieten, wie in Brafilien, Ebilen.a., 
Erfolge. — Vgl. Eglise &vangelique vaudoise, rap- 
port annuel sur l'œuvre d'évangélisation en Italie 
etä l’ötranger 1895 (Rom 1896); Grape, Spanien 
und dad Evangelium (Halle 1896). Zur E. * 
liens vgl. «lugfchriften des Evang. Bundes», Nr. 
121, 122 (Lp3. 1896). (S. auch —— Frig.) 
augelilch, alles, was dem angelium (1.d.) 
oder der im Neuen Teftament enthaltenen göttlichen 
Heilsbotihaft gemäß ift. Die Proteftanten nennen 
ih Evangel N e,weilfiedas «reine Evangelium», 
db. b. die in der Heiligen Schrift —— Heils⸗ 
vahrheit im Gegenſaße zum kath. Traditions- und 
firhlichen Autoritätsprincip als alleinige Glaubens» 
—— anerkennen. (S. Proteſtantismus.) Der 
ame vangelifhe Kirche ift ſeit der Re 
formationgzeit offizieller Titel prot. Landeskirchen 
+ geblieben, und erjt in neuefter Zeit vorzugsweiſe 
denjenigen Kirchen beigelegt worden, in denen die 
Union‘ d.) eingeführt ift, im Unterſchiede von den 
tonfeffionellen (luth. oder reform.) Sonderlirhen. 
Die moderne ortbodor:pietiftifche Richtung in der 
pr Kirhe nimmt im Gegenjage zu ber freiern 
ihtung den Namen evangeliih ausschließlich für 
Ir Anſpruch, weil fie an der urfprünglichen ges 
hichtlihen Form des Evangeliums, mit der ihr 
dieſes jelbit zufammenfällt, und inäbejondere an 
der unbedingten Autorität der biblifchen Urkunden 
als der Erkenntniäquellen für das «lautere Evan: 
gelium» buchſtäblich feſthalten will, 


Evangelienfeite — Evangelifche Kirchenverfafjung 


Evangelifche Allianz (engl. Evangelical Al- 
liance), eine von Schottland und England aus ins 
Leben gerufene Vereinigung evang. Chriſten aller 
Länder zum Schuß der prot. Sache, namentlich der 
Glaubensgenoſſen in kath. Ländern, und zur Pflege 
des evang. Gemeinſchaftsbewußtſeins in den ver: 
fhiedenen Kirchen. Infolge eines Aufrufs vom 
5. Aug. 1845 vereinigten ji) 921 evang. Männer im 
Sommer 1846 zu London zu einem Ehriftenbund auf 
Grundlage des gemeinjamen Glaubens an die get 
lihe Eingebung und Autorität der Bibel bei Wab- 
rung des Rechts felbjtändiger Auslegung, unter 
Anerlennung der Lehre von der Trinität, der Erb» 
fünde, ber Menſchwerdung des Gottesjohnes, fei- 
nes Mittler: und Königamtes und der Redtfertir 

ung allein dur den Glauben. Das apoftoliihe 

laubenäbelenntniö wurde das Belenntnis der 
Allianz, zu der demnach auch die prot. Freilirchen 
und Selten Zutritt hatten. Sie fand vor gegen 
in Großbritannien und in Amerila, — ei den 
Baptiſten und Methodiſten Förderung. 1857 tagte 
fie zum erftenmal auf deutjhem Boden in in 
unter dem befondern Schuß des Königs Friedrich 
Wilhelm IV. Das mehr und mehr bervortretende 
ee Gepräge und die überhandnehmende Aus: 
[lich ihleit in der Beurteilung der religiöfen und 
irhlihen Zuftände Deutfchlands und der Schweiz 
bat die Verdienſte nicht gg Anertennung tom: 
men laſſen, welche die E. A. um die Befreundung 
der glaubensverwanbten Kirhen und Sekten, um 
die Abwendung von Verfolgung der Evangeliihen 
in ben Gebieten der röm. und rujl. —* um die 
Belampfung der Sklaverei und um die Wedung des 
Solidaritätsgefühls bei den verſchiedenen evang. 
Selten gegenüber dem Papſttum unſtreitig ſich er⸗ 
worben hat. Die E. U. bedient fi der Wanderver⸗ 
fammlungen, die in beftimmten Zwiſchenräumen in 
einer Hauptftadt Europas oder Amerilas abgebal- 
ten werden, um bie Zeilnabme an ihren t 
bungen zu weden. Den gleihen Zwed haben die 
«Gebetöverfammlungen» und aGebetswochen⸗, die 
mit vorher bezeichneten Gebetszweden von ihr an- 
geordnet werden. vereine (Bd. IT). 

a Urbeitervereine, ſ. Arbeiter 

Evangelifche Brüdergemeine, j. Brüder 
gemeine, evangeliſche. [leute. 

@vangelifche Gemeinfchaft, ſ. Albrechts⸗ 

Evangelifche Gefellichaft (frz. Societe Evan- 
gelique), ein feit 1830 von Genf aus über Franfreih 
verbreiteter Verein zur Erhaltung und Ausbreitung 
des Protejtantismus. Die Geſellſchaft entjendet 
Reifeprediger und verbreitet Bibeln und Erbauungs- 
Ir dur Kolporteure. Auf orthodor:pietiltis 

chem Standpuntt jtehend, fordert jie die Trennung 
der Kirche vom Staat und befördert die Freilirche, 
wogegen die E. ©. ded Nordens der Staatslirhe 
dient. In der deutſchen Schweiz verfolgt eine ortho⸗ 
dor: pietiftifche €. ©. rc * 

angeli * Kirche, j. Evangeliſch. 

Evangeliiche Kirchenkonferenz, Deutih:, 
f. Eiſenacher Kirchenlonferen;. 

EvangelifheKirchenverfafiung. Dieevany- 
Kirche ift auf die beiden Principien der unfichtbaren 
Kirche und des allgemeinen Priejtertums begründet. 
Beide haben zunachſt eine oppofitionelle Kg 
gegenüber der kath. Kirche, denn fie leugnen da 
die Zugehorigleit zur äußern kirchlichen Anftalt Be: 
dingung des Seelenbeils fei, und zertrümmern bie 
Drganilation dieſer Anftalt, die A dem befondern, 


Evangeliiche Dftafritanifche Miffionsgejellichaft — Evangelifcher Bund 


zit göttliher Weihe begabten Stande des Klerus 
6.2.) aufgebaut iſt. Dagegen ift dieſe Lehre untaug: 
üb für die pofitive Berfotfungsbilvung, denn eine 
unſichtbare Kirche kann nicht ſichtbar verfaßt fein, 
und ein allgemeines Priejtertum ift firhliche Anar⸗ 
die, aljo der Gegenjas jeder Verfaſſung. Darum 
bedurften beide Principien ver Mopifilation, die 
fe ſchon im Reformationgzeitalter jelbit gefunden 
baben. Man geftand zu, daß die unſichtbare Kirche 
in der ſichtbaren enthalten und aljo — 
fabig ſei, und man verlangte, daß die allen zuſtehende 
priejterliche Befähigung durch ein geordnetes Amt 
zur Ausübung fomme. Als fih aber die Hoff: 
zung auf lübertritt der Mehrzahl der Biſchöfe als 
eitel erwiejen hatte, war die Zeit der frifchen ver: 
faffungsbildenden Kraft unbenugt vorbeigegangen 
und batten die deutſchen Landesherren in der Kirche 
die Stellung eingenommen, welde vorher die Bi: 
ihöfe gebabt batten (j. Summepijlopat). Daher iſt 
in Deutſchland keine deutſche evang. Kirche zur Ent: 
febung gelommen, und die Territorien erhielten 
Krchlich nicht einmal den Zufammenbang, den die 
Reihsorganifation politiih gewährte. 

Die Berfafjung bat ſich demnach ſchon im 16. Jahrh. 
dabin geſtaltet, daß die Landesherren und Stadt— 
magiſtrate Biſchofe ihrer Kirchen wurden und fo ihr 
—* liches Amt ungetrennt von dem weltlichen führ⸗ 
ten, denn die Forderung, fi für das legtere geijt- 
lihen Beirats zu bedienen, erwies fich bald als eine 
praftifh unwirtſame. Unter den Obrigfeiten führten 
von ibnen beitellte, aus Geiftlihen und Nichtgeiſt— 
lien zuſammengeſetzte Behörden (Konſiſtorien) 
das kirchliche Regiment bald indem Umfange und mit 
der Kompetenzabgrenzung wie früher die lath. Bi: 
iböfe. Die Verbindung zwiſchen Konfiftorien und 
Geijtlihen wurde durd von jenen delegierte Super: 
intendenten oder Dekane geübt. Von irgend welchen 
Rechten der Gemeinde, worin der Gedanke des all: 
—— prieſterlichen Berufs allein zum Ausdruck 

mmen konnte, war bald feine Rede mehr, und höch— 
ſtens negativ fonnte fie bei ver Wahl der Pfarrer 
m einigen Territorien ihren Willen äußern. 

Die reform. Lehre iſt von vornherein auf eine 
radikale kirchliche Neubildung ausgegangen und hat 
auch eine hg ph aufgeitellt, die fie aus der 
Heiligen Schrift ſelbſt abzuleiten unternahm. Dem: 
nach regiert die Gemeinde fich ſelbſt durch ein Kolleg 
gewählter Männer (Presbyterium), welches 
dem Geijtlichen zur Seite tritt, ihn ſelbſt fontrolliert 
und mit ibm die Gemeinde. Die organische Verbin: 
dung der verjchiedenen Gemeinden wird in einem 
Repräfentativförper gefunden, der aus den Geiſt— 
lichen und einer gleihen Zahl von dem Presbyterium 
ze Nichtgeiſtlichen bejteht und das oberfte 

irhenregiment handhabt. Dies find die Grund: 

danfen der hr td Freilih in 

eutſchland vermochte die reform. Kirche dieje Ver: 
faffungsform nur bei den aus dem Auslande dort- 
bin geflüchteten Gemeinden aufrecht zu erhalten. 
In den reform. Territorien nahmen die Landesher⸗ 
ten diefelbe Stellung für fi in Anfprud wie die 
luth. Fürften in ihren. Die. preöbyteriale Organi- 
fation wurde allerdings vielfah erhalten, da und 
dort aueh die ſynodale, die aber dann in Unterorp: 
rung zum Zandesherrn trat, indes beifpieläweife in 
Yülih-Eleve-Mark, eine jolhe Kraft bewährte, daß 
te dort auch auf die lutb. Kirche übertragen wurde. 
Tie febre der Union (J. d.) bradıte die beiden evang. 
firhen äußerlich zuſammen und mußte zu einer 


327 


Ne hung der Berfajjungselemente führen. Auch 
die Erfenntnis, die Gemeinden, die in ihrer Paffivis 
tät erjtarrt waren, wieder zu neuem Leben zu er: 
weden, hatte ein gleiches Ergebnis. So * aſt 
allen deutſchen Staaten, mit Ausnahme von Mecklen⸗ 
burg, eine presbyterialſynodale Organiſation ein⸗ 
geführt und mit der fonfiftorialen verbunden. (©. 
—— und Synodalverfaſſung.) — 
Vol. Friedberg, Das geltende Verfaſſungsrecht der 
evang. Landeskirchen in Deutichland und Hfterreich 
(2p3. 1888); Nieler, Die rechtliche Stellung der 
evang. Kirche Deutſchlands (ebd. 1893); Kahl, Lehr⸗ 
ſyſtem des Klirchenrechts (1. TL., Freib. i. Br. 1894); 
Köhler, Lehrbuch des —** evang. Kirchenrechts 
(Berl. 1895); Friedberg, Lehrbuch des kath. und 
evang. Kirchenrechts (5. Aufl, J . 19083). 
Evangeliihe Oftafrifan ine Miffions: 
peienkhett, I. Miſſionsgeſellſchaft für Deutſch⸗ 
tafrita. 


Evangeliſche — ellſchaft für 
Rheinland und Weſtfalen, ſ. Bd. 17. 
Evangeliſcher Afrikaverein, ſ. Bo. 17. 
—— Ratſchläge, ſ. Consilia evan- 
gelica. 
Evangeliſcher Bund zur Wahrung der 
deutſchproteſtantiſchen Intereſſen, eine 
Verbindung, die alle Proteftanten Deutſchlands 
zur Abwehr der nad —— des Kulturkampfes 
ewachſenen Anmaßungen Roms vereinigen und die 
menden Gegenfäge innerhalb der evang. Kirche 
überwinden will, geitiftet zu Erfurt 5. Dit. 1886, 
trat 15. Jan. 1887 mit einem von —— 250 
angejebenen Namen unterzeichneten Aufruf an bie 
Sftentlichleit. Die Bundesverfammlung in Eifenad 
(1889) wies bereit3 30 Haupt: und 430 Zweig: und 
Ortsvereine mit über 60000 Mitgliedern auf. Im 
. 1906 zäblte er in 1506 Zweigvereinen 238945 
Mitglieder, dazu in 454 «angeichlofjenen Ver: 
einen» noch 89377 Mitglieder. Seitdem bat ſich der 
Bund über ganz Deutichland verbreitet und auch im 
Norden und Diten Fuß gefaßt, nahdem er zuerft 
überwiegend in Weſt⸗, Süd: und Mittelveutichland 
Anklang gefunden hatte. Die Bundesbuchbandlung 
in Leipzig verbreitet zablreiche Zlugierilten und 
größere Arbeiten. Der Sitz des E. 2. ift in Halle 
a.©. Organ ift die — — für die 
Mitglieder des E. B.» famt Litteraturblatt und 
Unterbaltungäbeilage. Der röm. Flugfchriftenlittes 
ratur wird eine deutſch⸗evangeliſche — e⸗ 
ſtellt. In Schwäbiſch-Hall, — in Freiburg i. Br. 
errichtete der E. B. Dialoniſſenanſtalten, außerdem 
leiſtete er Beihilfe zu zahlreichen Diaſporaanſtalten; 
insbeſondere unterjtügt er die evang. Bewegung in 
Hfterreih. VBereinsverfammlungen mit öffentlichen 
Vorträgen und Beiprehungen der kirhenpolit. und 
focialen Zeitfragen eritreben die Kräftigung des 
evang. Gemeindelebens und die Schärfung des prot, 
Gewiſſens. Von den een des E. B.», 
bg. vom Borjtand des €. B. (Halle und Lpz. 1887 
18), find bis 1906: 244 Hefte, von den kürzer ge: 
altenen «Wartburgbeften» 35 erſchienen. 1908 iſt 
in Cjterreih ein Deutich:evangelifher Bund 
ins Leben getreten. — Vol. Warned, Der €. 2. 
und feine Gegner (Gütersloh 1889); Meyer: Her: 
mann, Der Kampf des E. B. gegen Rom (Barmen 
1890); Witte, Der E. B., fein gewiejenes Recht und 
fein gethanes Wert (ebd. 1896); Nippold, Die An: 
fänge des E. B. und feiner Preptbätigfeit (Berl. 
1897); deri., Die mei erften Jahrzehnte des E. B. 


328 

83 1906); Wächtler, Der E. B. nach 20 Jahren 

ebd. 1906). [rervereine. 
Evangelifcher deuticher Zehrerbund, ſ. Leh⸗ 
Evangelijcher Diafonieverein, ſ. Bo. 17. 
Evangelifcher rg j. Bd. 17. 
Evangelifcher Kirchentag, ſ. Kirchentag. 


4 Evangelifcher Oberfirchenrat, j. Oberlir: 
enrat. 

Evangelifcher Troſtbund, ſ. Chriftlicher Zeit: 
ſchriftenverein (Br. 17). 

Evangeliihed Johannesftift in Plötzenſee 
bei Berlin, f. Bd. 17. 

Evangelifche Union, ſ. Union (irchliche). 

Evaungeliſche VBaterlandsitiftung, |. Schwe: 
diihe Miſſion. [Bp. 17. 

8 :firhlicher Hilfsverein, ſ. 

Evangeliſch-lutheriſche Miſſion zu Leip: 
zig, ſ. Leipziger evangeliſch-lutheriſche Miſſions— 
geſellſchaft. 

Evaugeliſch-ſocialer Kougrefz, 1890 von 
evang. Männern verſchiedener lirchlicher Richtungen 
begründete Bereinigung zur Bekämpfung der Social⸗ 
demofratie auf dem Boden des Ehriftentums. Der 
€. 8. bält feitdem aus ganı Deutſchland befuchte 
Sabreöverfammlungen ab. S. Evangelifcd:focialer 
Kongreß (Bd. 17). — Vgl. Göhre, Die evang.:fociale 
Bewegung, ihre Geſchichte und ihre Ziele (Lpz. 1896). 

Evangeliftarium (lat.), ſ. Leltionarium. 

Evangelijten (d. b. —— einer frohen 
Votſchaftſ in der ältern Kirche die Bezeichnung der 
Apojtelgebilfen, die, von einer Gemeinde zur andern 
reifend, das Evangelium predigten, wie Philippus 
(Apoſtelgeſchichte 21,8) und Timotheus (2 Tim. 4,5). 
Später wurde das Wort auf die Verfaffer der vier 
ſchriftlichen Evangelien eingeſchränkt. In der chriſtl. 
Kunjt wurden die E. jeit dem 5. Jahrh. durch die 
Evangeliftenzeihen (ſ. aud an) „imbos 
Lich dargeftellt: Matthäus als geflügelter Menſch, 
Markus ala Löwe, Lulas als Stier, Johannes 
als Adler; fpäter als vier Menfchengeftalten mit 
dem Kopfe des betreffenden Zeichens. Dann vom 
13. Jahrh. an wurden den Geitalten der E. jene vier 

eihen als Attribute beigefügt. Berübmt find die 

tatuen der E. (von Ghbiberti, Donatello, Giov. da 
Vologna, Baccioda Montelupo) an den Außenjeiten 
von Or San Miele in Florenz und die Frestobilver 
von Domenichino in der Kuppel von Sant’ Andrea 
della Valle zu Rom. — In der griech. Kirche beißen 
die das Evangelium vorlejenden Diatonen E., bei 
ben Irvingianern die Miffionsprediger. — Bol. 
Zödler, Dialonen und E. (Münd. 1893). 

Evangelium (ar. euangelion, «frohe Bot: 
ſchaft»), in der chriſtl. Urzeit die Botſchaft von der An: 
tunft des Meſſias; erſt jpäterhin wurde das Wort 
aud von den Schriften über Jeſu Leben und Lehre 
gebraucht. (S.Evangelien.) In der chriſtl. Dogmatit 
wird das E. als die Botichaft von der göttlichen 
Gnade in Ehriftus dem Gejeke als der fittlichen 
Anforderung Gottes an den Willen des Menſchen 
gegenfberge tellt und beide Stüde unter dem Namen 
«Wort Gottes» zujammengefaßt. Auch wird €. 
der Abjchnitt evang. Geſchichte genannt, den der 
Geiftlihe beim Gottesdienjte an Sonn: und Felt: 
tagen vorliejt oder (in der lath. Kirche) der Dialo— 
nus beim Hochamte fingt. (S. Beritopen.) 

Evangelium, ewiges, f. Ewiges Evangelium. 

Evaniidae, f. Hungerweipen. 

Evans (fpr. eww'ns), Sir George De Lacy, brit. 
General und Barlamenterier, geb. 1787 zu Moig 


Evangelifcher deuticher Lehrerbund — Evans (Mary Anne) 


in Irland, begann 1806 feine militär. Laufbahn um 
Dienfte der Oſtindiſchen Compagnie, wo er die Er: 
oberung von Mauritius und den Krieg gegen die 
Pindehris mitmachte, und trat 1812 als Yeutnant 
in ein Dragonerregiment, mit dem er in Spanien 
unter Lord Wellington focht. Als Offizier im Ge: 
neraljtabe zeichnete er ih 1813—14 in Nordamerila 
aus, nahm dann 1815 an der Schlacht bei Waterloo 
teil und wurde zum Überjtleutnant bejördert. 
1818 außer Altivität gelebt, wendete er ich der 
Volitit zu, trat mit den Radikalen in Berbindung 
und wurde 1831 und 1833 ins Barlament gewählt. 
Er übernahm 1835 mit dem Range eines General: 
leutnants im jpan. Heere den Oberbefehl über die 
gegen Don Carlos in England geworbene Legion, 
legte vor San Sebaitian, vor ages, auf den 
Höhen von Amezagana, wurde bei Driamendi ge: 
ſchlagen und ſchloß den Feldzug im Juni 1837 mit 
Erjtürmung der Stadt Jrun. Nach England zurüd: 
— wurde er abermals von Weſtminſter zum 
bgeordneten gewählt und zum brit. Oberſten er: 
nannt. Er ſtimmte 1846 für die Abſchaffung der 
Kornzölle, wurde bei den allgemeinen MWablen von 
1847 von neuem mit der Vertretung MWejtminiters 
betraut und wirkte feitbem für alle von der liberalen 
Partei vorgebrabten Maßregeln. Im Juni 1854 
um Generalleutnant erboben, befebligte er im 
rientlriege die 2, Divifion und lämpfte an der 
Alma und bei Balallama, mußte aber Anfang 1855 
ſich krankheits halber wieder nab England einſchiffen. 
1865 zog er ſich vom öffentlichen Leben zurüd. €. 
jtarb 9 Yan. 1870 zu London. u 
Evans (fm. emw'ns), Mary Anne, engl. Schrift: 
ftellerin, mit ihrem Verjafjernamen George Eliot, 
eb. 22. Nov. 1819 zu South-Farm bei Eolton in 
arwid ald Tochter eines Zimmermann, erbielt 
die erjte Erziehung in einer Privatſchule in Coventry 
und wohnte dann in Griff, bis ihr Vater 1841 nad 
Coventry zog. Hier lernte fie Griechiſch, Lateinifch, 
Deutſch, Franzoſiſch, Italieniſch und Hebräiſch und 
veröffentlichte 1846 eine UÜberſezung von Strauß’ 
«Leben Jefun. Seit 1849 unternahm fie Reifen auf 
dem Feitlande und lieh fib 1851 auf Veranlaſſung 
Chapman, des Herausgebers der «Westminster 
Review», in London nieder, um ibm bei der Redal: 
tion behilflich zu fein. Eie felbit lieferte mehrfache 
Beiträge, unter anderm eine vorzüglice Arbeit über 
9. Heine, zu gleicher Zeit auch eine Überfekung von 
Feuerbachs «Weſen des Ebriftentums> (Lond. 1854). 
Als Schriftftellerin wurde fie indeſſen zuerft durch 
die urjprünglich in «Blackwood's Magazine» er: 
jchienenen Novellen «Scenes of clerical life» (2Bpe., 
Edinb. 1858) befannt, meijterhafte Charakterbilder 
aus dem Leben der engl. Landgeiftlichteit, befonders 
der Difjenters. Größere Aufmerkjamtleit noch erregte 
der Roman «Adam Bede» (3 Bde., Lond. 1859; 
deutſch in Reclams «lUniverjalbibliotbet»), der fie 
in die erfte Reibe der engl. Romanſchriftſteller erbob. 
Seine Vorzüge find echt epifche Kraft und Fülle, 
ebenfo tiefe als glänzende Ebaralterentwidlung und 
große Kunſt in der Schilderung der mittlern und 
niebern Kreife des engl. Brovinzlebens. In denſel⸗ 
ben reifen bewegte — der Roman «The mill on 
the floss» (3 Bpe., Lond. 1860; deutih in Reclams 
«Univerjalbibliothel»). Weniger bedeutend, aber in 
ibrer Art gleih vorzüglib war die novelliſtiſch— 
pſychol. Etudie «Silas Marner, the weaver of Ra- 
veloe» (Lond. 1861; deutich in Reclam allniverjal: 
bibliotbel»). Hierauf folgte «Romola» (3 Bpe., ebr. 


Evans (Dliver) — Evaur 329 


1863), worin fie ein großartiges Bild der florentin. | auf Rädern montiertes flaches Fahrzeug, das, durch 
Amaifiancezeit der zweiten Halfte des 15. Jahrh. ein von einer Dampfmajchine bewegtes Schaufel: 
ausführte. In dem Roman «Felix Holt, the radi- | rad getrieben, den Schupltillfluß befuhr, um die 
alı (3Bve., Lond. 1866) kehrte fie mit geringem | Dod3 von ‘ Biladelpbia zu reinigen. Der Trans 
Erielg in die Kreiſe des engl. Brovinziallebens | port des Fahrzeugs von der Fabrit nad den Docks 
j Dann veröffentlichte fie mehrere Romane | wurde von der Mafchine desfelben, die alfo bier ala 
end Rovellen in Berjen, zuerſt «The Spanish gipsy» | Lolomotive diente, bewirkt. Im Sept. 1804 legte 
(end. 1868; 5. Aufl. 1875), eine —— e Ge: | E. der Lancaster Turnpike Company einen fiber: 
hihte aus der jüD.-maur. Welt Spaniens. Dann ſchlag der Koſten des Lolomotivbetriebes auf Land: 
figten die fürzern «Agatha» (ebd. 1869), «Arm- | ftraßen vor, wobei er die Leiftung des Dampf: 
gart, a dramatic poem» (ebd. 1871) und «The | wagens —— von zehn fünffpännigen Wagen 
kgend of Jubal» (1876). Die Form diefer Dich: | entgegenftellte. Er brachte mit den bejceideniten 
tungen, in denen alle poet. und ftiliftifchen Vorzüge | Mitteln die von Watt erfundene Dampfmafdine der 
ver Berfaflerin bervortreten, ift meift der reimloje — — auch war er der erſte, der ernſt⸗ 
üinftüßige Jambus. In Proſaform veröffentlichte | lich verſuchte, die geſteigerte Kraft des Dampfes als 
ke dann die Romane «Middlemarch» (4Bde., Lond. Betriebsmittel für den öffentlichen Verkehr gr 
1872) und « Daniel Deronda» (4 Bde., ebd. 1876), | führen. der Müllerei verdankt man ihm eine 
von denen der erftere als ihre bedeutenpfte Leiftung | ganze Reihe von Mafchinen und Mafcinenteilen, 
ınerftannt wird. RX «Daniel Deronda» zeichnet fie | wie das Becherwert (den Elevator), die Transport: 
ene Anzabl jüd. Ebaraltergeftalten mit oft ſchwär⸗ — (den Conveyer), den Neblabtabler den Auf: 
merijcher Bewunderung der großen —— ütter und mehrere andere Apparate, Sein be 
es dentumd. 1879 erſchien eine Sammlung | reit3 1797 in Neuyort erfchienenes Wert «The young 
von Cfjays: «Impressions of Theophrastus Such», | millwright and miller's guide» blieb noch lange 
Am 30. Nov. 1878 ftarb ©. H. Lewes (f. d.), mit | nach feinem Tode muftergültig, erſchien 1853 in 
vem fie viele Jahre im intimften Verhältnis ge: | 14. — biladelphia) und wurde von Benoit 
lebt batte, obne mit —* verheiratet zu fein, da | ins Franzoſiſche überſetzt Par. 1830). 1805 ſchrieb 
L!ewes”’ Gemahlin, obgleih im Serenbaufe, lebte. | er «The young steam-engineer’s guide» (in franz. 
Am 6. Mai 1880 beiratete fie John Walter Erof, | Überjegung von Doolittle, 3. Aufl., Bar. 1838). 
karb aber nad kurzer Krankheit ſchon 22. Des. | Evansicher Lenker, |. Geradfübrung. 
ISO. Auszüge aus ihren Werten erjhienen in: Evanfton (ſpr. ewwenſt'n), Orte in den Ber: 
«Wise, witty and tender ep selected from the —*— Staaten von Amerika; darunter: 1) Stadt 
works of George Eliot» von A. Main (Edinb. 1872 | im County Coot in Illinois, am Michiganſee ſchön 
u. d.). Bon Ausgaben find zu erwähnen: «Novels gelegen Ni den Plan: Ehicago), mit (1900) 19259 
of George Eliot» (6 Bde., Lond. 1867—78), «The | €., ıft Sik der 1855 gegründeten Northwestern 
works of George Eliot» (20 Bde., Edinb. und Pond. | University und Wohnort reicher Chicagoer. — 
1878 — 80), «The complete poetical works of | 2) Hauptort des County Uintah in der Sühmeftede 
George Eliot» Dan 1880), «Complete poems | von Wyoming, in malerijher Gegend, an ber 
—— Eliot», bg. von Browne (Boft. 1889). Union-Pacı c:Babn, hat (1900) 2110 €., Kohlen⸗ 
ch ibrem Tode erjhien die Autobiographie | bergmwerte, Eiſenbahnwerkſtätten; Viehhandel. 
«George Eliot’s life, as related in her letters and Evansville (jpr. ewwenswill), Hauptjtadt des 
seh Arranged and edited by her husband | County Banderburgb im nordameril. Staate Ins 
J. W. Cross» (3 Bde., Lond. 1885). — Vgl. Lord | diana, auf dem rechten Ufer des Obio, 310 
Acton, George Eliot (deutih von Jmelmann, Berl. | unterhalb Louisville, hat (1900) 59007 (gegen 
1886); Ruſſell, George Eliot, her genius and | 1880: 29280) E., bedeutende Aus ubr von Kohle 
writings ( —* M. Blind, . Eliot (2. Aufl., | Holz, Tabat, Getreide und Schweinefleisch, die dur 
Zond. 1883); €. von Wolzogen, George Eliot gr —* auf dem Ohio und durch fleben bier 
1885); Drustowis, Drei engl. Dichterinnen (Berl. | kreuzende Eiſenbahnen vermittelt wird. Die ein 
1885); H. Conrad, George Eliot (ebd. 1887); D. | Kapıtal von 31 Mill. Doll, darftellenden 400 ge: 
Bromning, Life of George Eliot (Lond. 1890); | werbliben Anlagen beſchäftigen 11000 Arbeiter. 
Gaetano Negri, George Eliot (2Bde., Mail.1891); | &vaporieren (lat.), j. Abdampfen. 
Ihomfon, George Eliot (Lond. 1901); 2. Stepbeng, Evaporimeter, Evaporometer, ſ. Ber 
George Eliot (ebd. 1902). dunſtungsmeſſer. 

Evans (ſpr. eww'ns), Dliver, amerit, Mecha⸗ Evareſtus oder Ariſtus, nach Angabe der röm. 
niter, geb. 1755 in Newport in Delaware, geft. Biſchofsliſten der vierte Nachfolger des Apoſtels 
19. April 1819 in Pittsburgh, erfand in Früher Sur etrud. Er foll unter Trajan ums 9. 109 den 
gend eine Spinnmajdine und eine Mübleneinrich: ärtyrertod erlitten haben; Gedächtnistag 26. DE. 
tung und entwarf eine Hochdruckdampfmaſchine Evafion (lat.), das Entweihen, Entwiſchen; 
ohne Rondenfation, die er aud zur Fortbewegung | Ausfludt; evafdrifch, als Aus uct dienend, 
von Wagen vorſchlug. Ferner erfann er eine Ra: | Cvasthal, ſ. Faſſa (Bal di). 
ſchine zur Herftellung der Drabtzähne für Kragen: ‚ Evang (ipr. emob), Hauptitadt des Kantons €. 
beibläge, wie fie in der Woll: und Baummwollipin: | im Arrondijiement Aubufion des franz. Depart. 
nerei gebraucht werben. Um 1780 verband fid €. | Ereuje, 43km nordöſtlich von Aubufion, ander Linie 
wit feinen Brüdern, die Müller waren, und wen: | Montluson : Eygurande: Merlines der Franz. Dr: 
dae feine Erfindungsgabe mit ausgezeihnetem Er⸗ léansbahn, hat (1901) 1835, als Gemeinde 3443 E., 
iolg zur Berbeijerun des Mübhlenbetriebes an. Eine | Gerbereien, Ziegeleien, Färbereien, Nagelſchmieden, 

um 1800 erbaute Dampfmajhine diente zum Be Wachsfabrilen, Handelmit Hanf, Leinwand, Kürſch⸗ 
trieb einer Getreide: ſowie jpäter einer Gipsmuhle. nerwaren, Hol; und Getreide, —F warme Quellen 
Im Auftrage des Sanitätslollegiums in Phila: | (29—56,4° C.), welche Schwefel, Natron, Stidftofl 
delphia baute er 1804 eine Art Dampfbagger, ein | und Eifen entbalten und ſowohl zum Trinken ale 


330 


uud zum Baden benugt werben. In unmittelbarer 
Näbe hat man Ruinen röm. Bäder, waährſcheinlich 
vom Orte Evahonium gefunden. 

Evektion (lat.), die beträchtlichfte der Störungen 
der —— wurde bereits von Ptolemäus 
entdedt. Infolge derjelben find die wahren Längen 
des Mondes zur Zeit des Boll: und Neumondes 
(Epayelen) immer um 1° 20’,5 größer, zur Zeit der 

ondviertel (Duadraturen) um e enfo viel Heiner 
als die mittlern Längen desſelben. Die Periode, 
innerhalb deren fih die E, wiederholt, dauert 
81,8 Tage, alfo etwas länger als ein fonodifcher 
Umlauf. 

&nement (fr;., jpr. emen'mäng), Begeben: 
beit, Ereignis. 

Even money (engl., fpr. ihw'n mönni, «gleiches 
Geld»), die bei der Buchmacherei (f.d.) abgeſchloſſene 
u = mit gleihen Säßen. Gegenfaß Odds (f. d.). 

entail (ir;., * ewangtäj), Fächer; Auf: 
marjc en &ventail (pr. annewangtäj), früher Aus: 
drud für den gewijjermaßen fäherförmig erfolgen: 
den Aufmarfc einer offenen Kolonne zur Linie. 

Eventilieren (lat.), durb Luftzug reinigen; 
davon das Subjtantiv Eventilation, 

Eventration (lat.), ein Brud, in dem ber 
größte Teil der Baucheingemeide vorfällt; bei Ope⸗ 
rationen in der Bauchböhle vorübergehende Lage: 
rung der Gedärme außerhalb der Unterleibshöhle. 

ventuälbelehnung, Beriprehen des Lehns— 
er an eine Perſon, je fie in Zufunft ein Lehn 
ei deſſen ey erbalten folle. Das De 
aus der E. ift auf beiden Seiten vererblid. €. 
unterſcheidet ſich durch ihre eg Natur von 
der nur ein perjönliches Necht auf Belehnung N 
benden und im Rollifionsfalle ——— ⸗ 
wartſchaft oder Exſpeltanz. (S. Belehnung.) 

Eventuälfrage, ſ. Hilfsfrage. 

Eventualität (neulat.), möglicherweiſe ein: 
tretender Fall; eventualiter, nötigenfalls, mög: 
licherweife, vortommenven Falls. 

Eventuälmagime, der frühere ee 
liſche Grundſatz, wonach die Parteien ihre gleich: 
artigen Verteidigungämittel und Rechtsbehelfe, 
wie llagebeftreiten und Cinreden oder Beitreiten 
von Einreden und Repliten, auf einmal vorzu: 
bringen hatten, alfo in eventum, d. b. in dem 
Sinne, daß immer das nädjtfolgende Vorbringen 
in Betracht zu pen. fall das voraufgebende er: 
folglos jein \ te. Der * dieſer Maxime war, 
Verſchleppung des Prozeſſes zu verhüten, Der Ge: 
danke war aus dem kanoniſchen in das vormalige 
gemeine deutſche erg übernommen und 
dur die Reichsge 2 ebung und die Praris zu 
einem das ganze Ber * eherrſchenden Princip 
ausgebildet worden. Mit der Mundlichleit ift, die 
GE. nicht wohl gie: Die Deutfhe Reichscivil— 
prozeßorbnung bat diejelbe aufgegeben. Nach ihr 
können die Parteien Angriffs- und Verteidigungs: 
mittel bis zum Schlufje derjenigen mündlichen Ver: 
bandlung, auf welche das Urteil ergeht, geltend 
maden. Zur Berbinderung der Prozekverfchlep: 
pung bedient die Deutſche Civilprozeßordnung be 
anderer Mittel, jo namentlich der Vorſchriften, da 
das Gericht ein auf Verſchleppung abzielendes nad: 
trägliches Vorbringen einer Partei zurüdmeijen, 
ferner der Partei, die durch ſchuldhaft verzögertes 
Vorbringen die Erledigung des Nechtäftreits bin: 
gicht, auch im Falle ihres Obſiegens die Prozeß— 
ojten ganz oder teilweiſe auferlegen darf. 


Eveltion — Everett (Alexander Hill) 


Eventuell (vom lat. eventus), möglicherweije 
eintretend, ſich ereignend, auf einen etwa eintretens 
den Fall berechnet. 

Evöntus (lat.), Ausgang, Erfolg; E. doc&bit, 
ber Erfolg wird es lehren; E. stultörum magister, 
der Erfolg ift der Lehrer der Thoren, d. b. überzeugt 
die Thoren; E. bonus, ſ. Bonus Eventus. 

Ever (engl., jpr. emmw’r), immer; for ever, auf 

Ever, Fahrzeug, ſ. Ewer. (immer. 

Everaert3 (ipr.-abrt3), f. Jobannes Secundus. 

Everdingen, Allart van, bolländ. Maler und 
Kupferfteher, geb. 1621 zu Altmaar, war Schüler 
der Landſchaftsmaler Savery und Pieter Molyn, 
machte 1640—44 Reifen nad) den Hüften bes Bal: 
tifhen Meers und Norwegen und gewann dadurch 
die Anregung für feine eigentümliche Richtung in 
der Sandı: e An melde auf naturaliftiicher 
Bafıs den Zauber hoher Romantik und eine tiefpoet. 
Stimmung zu erreichen wußte. Zurüdgelehrt, war 
er vn: in Haarlem thätig; 1652 ließ er ſich 
in Amfterbam nieder, wo er Nov. 1675 ftarb. Er 
malte vorzugsweiſe einfame Gebirgsgegenden, ftille 
Maldthäler, verfallene Mühlen, Einjievlertlaufen 
u. dgl. anf derartige Land haften befigt bie 
Dresdener Galerie, andere in Amſterdam, Berlin, 
Münden, Paris und Petersburg. Als Rabierer 
lieferte er über 150 Blätter mannigfaden Stoffs, 
morunter ‚Bergee enden und Seeanſichten von fri⸗ 
cher, großer Auffaſſung vorherrſchen. Am belann» 
teiten jind die 57 Jlluftrationen zu einer Ausgabe 
des alten «Reinede Fuchs» (in Gottſcheds fiber: 
jebung, 2. Aufl. 1752). Hier zeigt fih E.3 Bega: 

ung aud auf dem Gebiete des Humoriſtiſchen. — 
Bol. Drugulin, Allart van E. Catalogue raisonnd 
de toutes les estampes qui forment son @uvre 
grave (2p3. 1873); Granberg, Allart van E. (Stodb. 
1902). lſanlar und Himalaja. 
Evereft, Nount: (fpr. maunt &wmw-), ſ. Gauris 

Evereft (ſpr. eww·), Sir George, engl. Inge 
nieur, geb. 4. Juli 1790 zu Gmwerndale bei Brednod 
in Wales, wurde 1818 Aififtent bei der trigonomes 
triſchen Vermefjung Indiens unter Oberſt Lambton. 
Nach dejien Tode leitete €. die Vermeffung 1823— 
43 und vollendete dabei 1841 die ind. Meridian: 

rabmefjung. E. ftarb 1. Dez. 1866 in London, 
hm zu Ehren benannte fein Nachfolger Waugh den 

aurifanlar (f. d.) Mount:Evere , 

Everett (ipr. Sf) Alerander Hill, nordamerit. 
Diplomat und Schriftiteller, geb. 19. März 1792 
in Bofton im Staate Maſſachuſetts, ftudierte die 
Rechte und bilvete fih praltiih auf dem Bureau 
des jpätern Präfidenten John Quincy Adams aus, 
den er 1809 als Gejandtihaftsjelretär nad Beters- 
burg — Er lehrte 1812 zurüd, ging 1815 
in derfelben Cigenihaft nad dem Haag, wo er 
1818—25 ala — der Vereinigten 
Staaten thätig war. 1825—29 war er Geſandter 
in Spanien. In der anonymen Schrift «Europe, 
or a general survey of the present situation of the 
principal powers with conjectures on their future 

rospects» (Boft. 1822; deutſch von Jalob, 2 Bde., 

amb. 1823) jtellt er den Zuftand ber europ. 
Hauptmädte als einen Kampf der Fürſten mit den 
Völtern dar, worin die von lektern vertretene 
polit. Freiheit fiegen werde. Als Seitenftüäd jchrieb 
er jodann die nicht minder interefjante Schrift 
«America, or a general survey of the political 
situation of the several powers of the western 
continent» (Philad. 1827; deutſch, 2 Boe., Hamb. 


Everett (Edward) — Evesham 


1828). Zwiichen beiden Werten erjhien von ihm 
ıNew ideas on population, with remarks on the 
theories of thus and Godwin» (2ond. 1828; 
2 Aufl., Boft. 1826). Nach feiner Rüdtehr 1829 
* er die «North American Review», welche 
a bis 1836 redigierte. Nahdem er während der 
weg Amtsperiode Jachſons zur demokratiſchen 

ttei übergetreten, wurde er wieder zu einzel 
en diplomat. Miffionen verwendet, fo 1841 zu 
aner vertraulichen Sendung nad Cuba. Poll 
ihidte ihn 1845 als Kommifjar nad China, wo 
nr 29. Mai 1847 ftarb. 

Everett(ipr.eww-), Edward, nordameril. Staat 
san, Bruder des vorigen, geb. 11. April 1794 zu 
dereiter in Ma as, bier ee. er: 
sieltin jeinem 20. Fahre eine Bredigerftelle in ofton 
und begab fich, um die griech. Sprade zu ftubieren, 
1815 nad Göttingen, 1817 nad Paridunddannnad 

nd. Nachdemn er noch Stalien, Griehenland und 
vie Zürtei bejucht hatte, lehrte er 1820 nach Amerila 
wrüd und wurbe Profefjor der griech. Sprache in 
Cambridge. Zugleich übernahm er die Redaktion 
ver «North American Review», Er wurde 1824 zum 
Mitglied des Kongreſſes, 1836 zum Gouverneur 
son Mafjachufettö gewählt und belleivete leßteres 
Amt bis 1840. Unter Harrifons Präfidentidaft 
wurde er 1841 zum Geſandten in England ernannt, 
»o er bis zum Herbit 1845 blieb. Dann trat er 
As Bräfivent an die Spitze des Harvard College in 
Sambridge und folgte nad Webſters Tode ov 
182) dieſem als Staatäjetretär für die legten 
vier Monate der Amtsperiode Fillmores. In die 
jee Stellung ordnete er die mit Spanien wegen 
Euba entitandenen Differenzen, lebnte aber ven 
Borſchlag Englands und Frankreichs ab, mo: 
nah dieje Mächte und die Vereinigten Staaten 
Spanien den Bejig von Cuba — ſollten. 
Noch bevor er jeine Stelle im März 1863 nieder: 
legte, wurde €. von feinem Staat zum Senator 
gran. verzichtete aber frankheitähalber ſchon im 
11854. Im J. 1860 lie er ſich als Vicepräfident: 
ſchafte landidat aufitellen, lam aber nicht durch und 
lebte fortan den ifienihaften. Er ftarb 15. Jan. 
1865 in Bofton. Bon ihm erſchienen «Orations and 
speeches» (4 Bde., Bot. 1869). — Bol. Bugbee, 
A Memorial of Edward E. (Bojt. 1865). 
Everghem (Evergem), Hauptort des Kantons 
E. im Arrondifjement Gent der belg. Provinz Oft: 
Handern, am Kanal von Gent nad Terneuzen und 
an den Linien Gent: Eecloo-Brügge der Belg. Pri⸗ 
vatbabnıen und Gent:Somergem der Belg. Bicinals 
babnıen, bat (1900) 7675 E. Baummwoll: und Leinen: 
induftrie. Die Herrſchaft E. gebörte erft den Übten 
von St. Bavo, jpäter den Biſchöfen von Gent, 
Everglades (fpr. ewwerglehds), fait unpaffier: 
barer Sumpf im Südende der norbamerit. Halbinfel 
gloriva (j. die Nebentarte zur Karte: Vereinigte 

Staaten von Amerila. II. HÖjtlidher Teil), 

an das Süpdende des Sees Dleechobee anftoßend, 

2357,44 km lang und 96,54 km breit, mit einem 

Waſſerſtande von O,3 bi 1 m, der in der Regenzeit 

—— Juni und Oltober fh vergrößert. — Vgl. 

illougbbv, Across the E. (Philad. 1898). 
Evernia Ach., Bandjlecte, Flehtengattung, 
deren wenige Arten auf Bäumen, alten Deunen, 

Schindeldãchern u. dal. wachſen. E3 find anjehnliche 

Fechten mit bandartig⸗ flachem Thallus von grau⸗ 
grüner Farbe, auf der Unterſeite gemöhnlich anders 
geiärbt. Die jelten entwidelten Apothecien (f. Flech⸗ 


331 


ten) haben eine ſchuſſelformige Geftalt und rotbraune 
—— Die beiden bekannteſten Arten find E. fur- 
uracea Fr.und E. prunastri Ach. (f. un Flech⸗ 
ten II, ig. 1). Die erſtere, deren Thallus auf der 
Unterfeite — * ausſieht, kommt hauptſächlich 
auf Nadelhölzern vor, die letztere mit unterſeits 
weißem Thallus meift auf Obſt⸗, befonvers Pflau⸗ 
menbäumen, die durch fie leicht Dürr werben. 
Evers, Franz, Dichter, |. Bd. 17 
—— Gemeinde im Kreis Meſchede des 
preuß. Reg.⸗ a —— in wildromantiſcher 
Gegend, an der Linie Caſſe —— der Preuß. 
Staatsbabnen, bat (1900) 1436 E., darunter 
86 Evangeliihe, Bolt, Telegrapb, Burgruine 
12. Jahrh.); Eifengieberei, a Holzſchlei⸗ 
erei und in der Nähe Bleierzgruben und Schiefer⸗ 
ruche. — Vol. Engel, Die weſtfäl. Gemeinde €. 
(Stuttg. 1908). 
Everfchop, unrichtige Schreibung für Hevers 
dep, f. Eiderſtedt. 5 
verfion (lat.), Umfturz; everftn, umftürzend, 
Eversm., bei naturmillenfhaftlihen Namen 
Abkürzung für Eduard Friedrich Everdmann (f. d.). 
Everdmann, Eduard Friedr.,Naturforfcher und 
Reijender, geb. 28. Jan. 1794 zu Hagen in Weitfalen, 
dierte feit 1812 ın Marburg, Berlin, Halle und 
orpat. Als he trat €. 1818 in den Dienjt der 
Gemwehrfabrit I" latouft im Ural und beteiligte ſich 
1820 an einer Miffion unter der Leitung des Staats⸗ 
rats Negri nach der Bucharei, die er in feiner «Reife 
von Orenburg nad Buchara» (Berl. 1823) beſchrieb. 
Unter dem Grafen Friedrih von Berg nahm E. 
1825 an der friegserpebition längs dem Kaſpi⸗ 
ſchen Meere teil und wurde 1828 orb. Profeſſor ber 
Bro ie und Botanik in Rafan. Nun unternahm 
. fat alljährlih wiſſenſchaftliche Reifen in die 
benachbarten Gouvernements, 1829 nad Aftrahan 
und an das Kaſpiſche Meer (beichrieben im «Sour: 
nal für die neueiten Land- und Seereifen», bg. von 
iedenberg, 23. Jabrg., Berl. 1831), 1830 nad dem 
aufafus und 1834 nah Saratow. €. zeichnete 
fih bejonders ala fuftematifcher Entomolog aus. 
(Er ftarb 14. (26.) April 1860 zu Rafan. 
Evertebräten, ſ. Wirbelloje Tiere. 
Every-man (ipr. ewweriĩ männ, «jevermann»), 
Titel einer engl. Moralität (f. Moralitäten) aus dem 
16. Jahrh.; in Anlehnung an nn Spiele und 
auf Grund einer buddhiſti arabel, die durch 
den Roman von Barlaam (. Barlaam und Sofas 
phat) befannt geworden mar, ftellt fie dar, wie ber 
enſch (Every-man) im Augenblide des Todes von 
allen $reunden (Freundſchaft, Verwandtſchaft, Geld 
und Gut) feige verlafien, nur von feinen guten 
Werten vor den Richterftubl Gottes begleitet wird. 
Das engl. Drama ift fein Original, fondern die Über: 
egung eines nieberländ. Stüdes «Elkerlijk», das 
etrus Dieſthemius (van —* zu Ende des 
15. Jahrh. verfaßte; das niederländ. Werk wurde 
durch Ischyrius (f. d.) als «Homulus» und durch 
Macropedius (f. d.) als «Hekastus» lateiniſch, 1540 
biernad von dem Kölner Buchdrucker Jaspar von 
Gennep frei nieberbeutfch bearbeitet und bat fo 
mittelbar großen Einfluß auf das deutſche Drama 
de3 16. Jahrh. gewonnen. — Vgl. Goedele, E.,Homus 
[us und Helaftus (Hannov, 1865); Yogeman, Elker- 
lijk, a 15'® century Dutch morality (Gent 1891). 
Evesham (ipr. ihwſchämm oder ihwjämm), 
Municipalborougb in der engl. Grafihaft Worceiter, 
an dem zum Severn gebenden Upper:Avon, iſt Eiſen⸗ 


332 


babntnotenpuntt, hat (1901) 7101 E. Ruinen einer 
Abtei; Gartenbau, Fabrilation von Strümpfen und 
Bändern. Bei dem nahe gelegenen Battlemell 
befiegte 4. Aug. 1265 Prinz Eduard, der jpätere 
Eduard I., Simon von Montfort und richtete den 
BER Ihron jeines Baters Heinrich III. wieder 
auf. Die Legende läßt an dieier Stelle eine Quelle 
bervorbringen, zu der, als einem Heilwajler, lei: 
dende zus jabrbundertelang wallfabhrteten. 

Eveg (lat.), aufwärts gerundet. 

Evhe, j. Ewe. 

Evian:led:Baind (jpr.ewiäng lä bäng), Haupt: 
er des Kantons Evian im Arrondifjement Thonon: 
e3:Bains des franz. Depart. Haute-Savoie, 9 km 


öftlih von Thonon (f. d.), in 378 m Höhe, am fühl. | 


Ufer des Genfer Sees und an der Linie Bellegarbe: 
E.⸗Le Bouveret der franz. Mittelmeerbabn, bat 
(1901) 2078, alö Gemeinde 3105 E., Poſt, Tele: 
graph, ein Collöge, ein Hofpital; Gerbereien, Brauer 
reien und Müblen. Den See entlang zieben fi die 
neuen Bäder und Auranftalten mit ihren Quais 
und Anlagen, dem Theater und dem Kaſino. Die 
neun altalijchen Heilquellen (12° C.) werden gegen 
Krankheiten der Harn: und Geichlehtäorgane und 
des Darmlanals jowie gegen Gicht empfohlen. Die 
Lage iſt reigend, das Klima mild, aber jehr ver 
änderlich. Prachtvolle Ausfiht auf den See und 
den Montblanc bietet das 6 km entfernte hobe Pla: 
teau von Larringes (746m). — Vgl. Beſſon, Evian- 
les-Bains (Par. 1885). 

Eviotio (lat.), Entwährung (f. d.). 

Evidement (fr3., ipr. emidmäang), das Aus: 
haben oder Austragen kariöjer Knochen vermitteljt 
charfer Löffel. 

Evibdent (lat.), offenbar, augenſcheinlich. 

Evidenz (lat.), die unmittelbare, anſchauliche 
Gewißheit 3. B. der mathem. Erkenntnis; aber auch 
die durch Beweis gewonnene, die, obwohl nicht von 
gleih unmittelbarem Charalter, doch einen nicht 
minder unmiderfteblihen Zwang der liberzeugung 
mit fich führt. 

Evidenzbehörden, in Oſterreich-Ungarn die 
mit der Kontrolle der nicht aktiven Militärperfonen 
beauftragten Bebörben. 

Evidenzburean, diejenige Abteilung des dfterr.: 
ungar. Oeneraljtabes (dem Großen Generalftab des 
deutfchen Heeres entjprechend), welche ſich mit der 
Sammlung, Zufammenftellung und Verarbeitung 
der Nachrichten über die fremden Heere befchäftigt. 
Die auf das Ausland bezüglichen militärgeogr. 
Nachrichten gebören nicht zum Bereiche der dienit: 
liben Thätigkeit diefes Bureaus. 

Eviftion (lat.), ſ. Entwäbrung. 

Evil eye (engl., fpr. ihwil ei), j. Böjer Blid. 

Evilmerodädh, bibliihe Form des aſſyr. 
Namens Amil:Marduf (bei Beroſus: Amilmaru: 
dotos, d. b. der Mann [des Gottes] Merodab), 
neubabylon. König, Nachfolger Nebukadnezars I., 
561—560 v. Ebr., wurde von feinem Schwager 
Neriglifiar, aſſyr. Nirgalibarufur (d. b. Nirgal 
Kgirme den König), der ibm auf dem Throne 

abyloniens folgte (559— 556), ermordet. Bis 
jest find feine von ibm felbjt berrübrenden Terte 

elannt geworden, fondern nur einige Kontralt: 
tafeln, die aus den beiden Jahren feiner Regierung 
datiert find. Die Bibel berichtet, daß er bald 
nad feinem Regierungsantritt den Sejahin, frübern 
| von Juda, aus feiner 37jährigen Kerker— 
baft befreit babe. Die Kontrakte aus feiner Ne 





Ever — Evofation 


gierung find herausgegeben von Evetts, «In- 

scriptions of the reigns of Evil-Merodach, Neri- 

glissar and Laborosoarchod» (2p;. 1892). 
Eving, Yandgemeinde im Landkreis Dortmund 


des preub. Neg.:Bez. Arnsberg, beitebt aus den 


Drtöbezirten Niedereving und Übereving, 
und bat (1900) 9592 E., darunter 4363 Ratboliten 
und 26 Yeraeliten, (1905) 11296 E., Wajlerleitung 
(von Unna aus); Eifenwerle, Jiegeleien und Stein- 
foblenbergbau (Feche Minijter Stein). 

Evinzieren (lat.), entwäbren, ſ. Entwäbrung. 

Evisdcerieren (lat.), die Eingeweide beraus: 
nehmen; Episceration, Ausweidung; aud eine 
geburtsbülfliche Operation, ſ. Embryotomie. 

Evitieren (lat.), vermeiden; Evitation, Ber: 
meidung; epitäbel, vermeidbar. 

Evius, ſ. Evoe. 

Eviva, |. Evwviva. 

E. v. M., binter wifjenfhaftliben Namen von 
Tieren Abkürzung für Eduard von Martens (f. d.). 

Evooäti far «Aufgerufene»), die ausgedienten 
röm. Soldaten, welde ſich zur Übernahme einer 
neuen Dienftzeit verpflichteten. Sie wurden im 
Felde nur zum Waffendienft verwendet und waren 
von jedem Arbeitsdienſte befreit. (S. auch Veteranen.) 

Evooatio (lat.)‚,das Herausrufen; E.sacrörum, 
bei den Römern Aufforderung an die Schupaötter 
einer belagerten Stadt, dieje zu verlafien (}. De 
votion). — E. im Recht (franz. &vocation, ſpr. ewo- 
faßiöng), ſ. Cvotation. 

Evocieren (lat.), auf:, beraud:, vorrufen, vor: 
laden (f. Evotation); Evofatorium, VBorladungs: 
ichreiben. 

Evoẽ (lat.; grch. euoi) und Evan (grd. euän), 
Jubelruf beim Feſt des Dionyjos; Evan (und Evius, 
griech. Eulos) tft auch Beiname diejes Gottes. 

Gvofation (Evocatio), im Staatd: und Pro— 
jebrecht des Fränkiſchen Reichs und des Deutichen 
Reichs des Mittelalterö (vor 1495) das Recht des 
Königs mit Umgebung des nftanzenzuges (alfo 
der landeöberrlihen Gerichte) nah Belieben jede 
noch nicht rechtöträftig erledigte Streitſache vor jein 
Gericht zu zieben, jpäter die Citation eines Bellagten 
vorein auswärtige Gericht. Ebenso hieß nach dem 
fanonijhen Recht des Mittelalterd das Recht des 
Papſtes, als ordentlicher Richter aller Katboliten 
Streitſachen derfelben, die im ordentlihen Wege in 
erſter Inſtanz vor bifchöfl., in zweiter vor erzbifchöfl. 
Geriht abzuurteilen waren, aus jeglichem Grunde 
ihon in erjter oder in zweiter Inſtanz vor fein 
xorum (nad Rom) zu zieben (evocieren). Die 
Erſchwerung der Rechtspflege, die ſolche E. mit 
fih bradten, veranlafte die Einrichtung, daß 
die nah Rom gezogenen Streitſachen nicht dort, 
fondern durch einbeimifche, vom Papſt delegierte 
Richter (judices in partibus) entſchieden wurden. 
Das Konzil von Trient, weldhes das päpftl. Evo: 
kationsrecht befeitigte, bebielt leßtere Anftitution für 
die dem Papſt zukommende Entſcheidung in dritter 
Inftanz (mit Ausnahme der causae majores) bei, 
indem biefelbe durch jog. judices synodales, d. b. 
durch Richter, welche von der Provinzialfonode dem 
Papſte vorgeihlagen werden, um dann von ibm 
die Jurisdiltionsgewalt delegiert zu erbalten, im 
Lande der Streitfache gefällt werben follte. Seit 
Wegfall der Spnodaleinrihtung werden dieje Bor: 
ihläge vom Bifchof unter Beirat feines Kapitels 

emacht (daber jekt judices prosynodales), in 
Deutt land und Öjterreich delegiert der Papſt jeine 


Evofatorıum — Evonymus 


333 


mitinitanzielle Gerichtsbarkeit aufje 10 Jahre den mertung findet; Fig. 12a ftellt eine Kettenlinie (f.d.) 


dihöfen. Dieſelbe bat jevod heute, mo der geift: mit zugehöriger 
Eiwil- und Strafgeritsbarkeit durch das | 


olvente dar. 
Evolution (lat.), Entwidlung, Entfaltung; Bes 


deutſche Gerichts verfaſſungsgeſetz für ganz Deutſch⸗ megung, befonders die Bewegungen (f.d.) geſchloſſe⸗ 


and Wirkung für das ftaatlie Leben abgeſprochen ner Truppentörper;in der Phyſio 


#, nur mehr Bedeutung als Disciplinargerichts: 
barleit (j. Gerichtsbarteit, geiftliche). 
iangte 1873— 86, Heſſen 1875—89, 
Gele vom 30. Jan. 1862, 8. 1% und Sadjen 
Geſeß vom 23. Aug. 1876, $. 16) heute noch, daß 
vie Kirchliche Disciplinargerihtsbarkeit nur durch 
dreutiche Kirchliche Behörden gehandhabt werde. Der 
Bapit muß bier alfo jeine Gemalt delegieren. Im 
rang. Prozeß bedeutet &vocation die Befugnis des 
derichts zweiter Inſtanz, welches ein Urteil erfter 
Inſtanz aufbebt, Die Cache an ſich zu zieben, d. b. 
weiter zu verbandeln und in der Sache Teibft ander: 
weite Entjcbeibung zu treffen. — Über €. als reli: 
aöfen Alt bei den Römern f. Devotion. 

Evofatorium (lat.), j. Evocieren. 

Evolena oder Epolene (pr. lähn), Pfarrdorf 
im Bezirk Ering des ſchweiz. Kantons Wallıs, 17 km 
ſüdſüdöſtlich von Sitten, in 1378 m Höhe, in der 
obern Stufe des Eringer Thals (Val d'Herens), 
techts der Borgne in breitem, grünem Thalboden 
ibön gelegen, bat (1888) als Gemeinde 1121 tatb. €. 
und Alpenmwirtihaft. Die großartige Gebirgänatur 
und das gejunde Klima haben E, in neuerer Zeit 
m einer beliebten Sommerfriſche gemacht. Rechts 
wird das Thal von der fette des Safleneire 
(3259 m), lintö von dem ausſichtsreichen Pic 
v’Arzinol (3001 m) überragt; im SO. erbeben ſich 
die majeſtätiſchen Firnpyramiden der Dent Blanche 
(4364 m) und der Dent d’Herens (4175 m); im ©. 
teigen die Felsnadeln der Dents de Veiſivi (3189 
und 3425 m) und die eifige Dent Berroc (3655 m) 
auf und im S®W. bildet, an die Gruppe des Mont: 
Eollon (f. Collon [Mont:], 3644 m) ſich anlebnend, 
ber vergletiherte, jharf ausgezadte Felsgrat der 
Hiquilies Houges (3650 m) den Abſchluß des Thals. 
Enlic in das Bald’Anniviers (f. d.) führt derraube 
Eol de Torrent (2924 m), füdlich in das ital. Bal 
Belline der vergleticherte Gol de Eollon (3130 m), 

b EW. in das Zermatt oder Nicolaithal der 
großartige Gletiherpaß Col d'Herens (3480 m). 

Evolute (lat.), der geometr. Ort der Krümmungs: 
mittelpuntte einer ebenen Kurve (f. Krümmung). 
Wenn man einen auf der E. liegenden Faden an 
einem Endpunkte befe igt und p abmwidelt, vaß der 
Faden immer gejpannt bleibt, jo bejchreibt der an- 
dere Enppunlt die urjprüngliche Kurve, die deshalb 
auch Evolvente genannt wird. Die Tangente der 
E. iſt Normale der Evolvente. Der Bogen der €. 
it gleich der Differenz der Hrümmungsradien der 
Eovoivente, die den Endpunkten jenes Bogens ent: 
ferechen. Zu einer Evolvente gehört nur eine ein: 
jige E., mäbrend einer E. unendlich viele (einander 
parallele) Evolventen entſprechen. Die Theorie der 
€. verdantt man Huygend. Sind x, y die laufen: 
den Koordinaten der Evolvente, a der Winkel, den 
die Tangente derfelben mit der x-Achfe bildet, fo 
find die Koordinaten £, n der E.: 


dy dx 
ER TNFIT TE 


In Fig. 1 der Tafel: Kurven I ift eine Ellipfe 
mit ihrer €., und ‘ig. 11 der Tafel: Kurven II 
jeigt eine Kreißevolvente, die bei der Evolventen: 
verzabnung der Zahnräder (j. d.) praftiihe Ver: 


reußen vers , theorien, Theorien, die zur Erllärung aller 
ürttemberg | gänge in der Natur zuerjt nach den mechaniſch und 


ogie f.Entwidlung. 
Evolntionstheorien oder Entwicklungs— 


or: 


nad beitimmten Gejegen wirkenden Urſachen in der 
Natur jelbft forfhen, an deren Hand diefe Vorgänge 
erllären, fomit den Hypotheſen einer außerhalb der 
Natur ſtehenden ſchaffenden Kraft, die die Vorgänge 
auf dualiftiihem Wege erllären möchten, diametral 
entgegenftehen. In neuerer Zeit verjteht man unter 
Entwidlungstbeorie meift die per je 
(f. Darwinigmus), nady der fich die höhern Drganiss 
men aus den niedern entwidelt haben. Die Mehr: 
me der Naturforſcher nimmt hierbei an, daß der 
nftoß zur Weiterentwidlung und Umgeftaltun 
von den wechjelnden Einflüffen der Außenwelt au 
die Tiere und Pflanzen ausgeht. Dieje werden 
— teils paſſiv verändert, teils zu anderer 
ebensweiſe gezwungen, wobei einzelne Organe 
durch gejteigerten Gebrauch vergrößert, andere durch 
Nichtgebrauc verkleinert werden. Da jeder Orga: 
nismus eine Einheit darftellt, deren Teile vonein: 
ander abbängen, jo werben indirelt durch die Um— 
geitaltung eines Organs auch andere mebr oder 
weniger verändert. Der zmedmäßige Bau der Lebe 
weſen ift die yolge des Kampfes ums Dafein, ber 
nur diejenigen Gejhöpfe am Leben erhält und zur 
ortpflanzun angen läßt, die die beſtorgani— 
terten find Ra ——*8 Einige wenige Natur: 
orſcher find für eine Bone Evolution der 
Organiämen aus innern Triebträften eingetreten. 
K. E. von Baer wollte die Anpafjungen aus einer 
innern « Zielftrebigfeit» erflären, während Nägeli 
glaubte, daß eine Tendenz zur «Xervolltommnung» 
den Lebeweſen zuertannt werden müſſe. Coßmann 
redet jogar von einem teleologifhen Kauſalgeſetz. 
Solhe Anfhauungen werden dadurch miderlegt, 
daß die Organismen auf äußere Reize vielfach jebr 
unzwedmäßig reagieren; außerdem fübren dieſe 
Anſchauungen die Vorgänge nicht auf em. ober 
pbeii. Grundurſachen zurüd und find daher nur 
micdreibungen. 
Evolvente, ſ. Evolute und Kreisevolvente, 
Evolventenräder, ſ. Zahnräder. 
Evolvieren (lat.), entwickeln, entfalten. 
Evomieren (lat.), ausſpeien, erbrechen. 
Evonymit, foviel wit Dulcit (f. d.). 
Evonfmus L. over Euonymus, Spindel: 
oder Spillbaum, Pflanzengattung aus der Fa: 
milie der Celaftraceen (f. d.). Sie umfaßt gegen 
40 Arten, die größtenteil& in der nördl. gemäßigten 
Zone vorlommen. Es find Sträucher oder Bäume 
mit einfachen Blättern und Heinen grünlichen Blü: 
ten, die Frucht ift eine vier: bis fünffächerige Kapſel. 
Die drei europ. Arten der Öattung find E. europaea 
L., der gemeine Spillbaum, bie verbreitetite, 
E.latifolia Scop.,dieBreitipille, inÖfterreihund 
Schlefien, und E.verrucosa L.,dieWarzenfpille, 
in Dftpreußen einbeimifh. Die erjtgenannte Art 
ift ein bis 6 m hoher Strauch, der im Herbit, wenn 
er mit den lebhaft roten, vierkantigen Früchten, 
fog. Bfaffenhütchen (weil fie einer Biſchofsmütze 
ähnlich jehen) bevedt, und fpäter, wenn das Laub 
dunfelpurpurrot gefärbt ift, ein prächtiges Anſehen 
bat, weshalb er oft als Varkgehölz angepflanit 


334 


wird, Alle Teile, befonders feine von einem orange: 
gelben Samenmantel überzogenen Samen wirten 
abführend und erbrechenerregend; aus ben Früch— 
ten bereitete man früber eine Salbe gegen Unge— 
iefer. Sein feinfaferiges, gelbliches Holz wird — 
hir feine Schnißarbeiten wie au zur Heritellung 
von Zahnſtochern benußt. Auch zwei feiner Spiel: 
arten verdienen im Park mit verwendet zu mer: 
den, die eine (var. leucocarpa) mit weißen, die 
andere (var. coccinea) mit ſcharlachroten Früchten. 
Die Breitfpille bat weit größere, zugeſpitzte, 
länzend dunfelgrüne Blätter und größere rote, 
fnftantige Früchte, Sie ift die fhönfte Art der 
attung und wird ald Bäumchen gern einzeln in 
den Gartenrafen gepflanzt. Die Warzenfpille 
ift ein ſeht maleriiher Straub von 70 cm Höhe, 
mit warzigen Zweigen und —— —— grüner 
Belaubung. Am Herbſt färben ſich die Blätter der 
weigipigen ſchön karminrot in mannigfadhen 
uancen. Man pflanzt diefen Straub einzeln in 
den Gartenrafen oder ftellt ibn an den Rand der 
Parkgehölze. Bei allen diefen Arten muß man das 
Auftretender Spindelbaummotte(Tinea evonymella 
Scop.) zu verbindern ſuchen, deren Raupen die Blät: 
ter abmweiden und den Strauch mit ibren häßlichen, 
durch Kot verunreinigten Gefpinften verunzieren. 
Von den exotiſchen Spillbaumarten verdienen 
—— zwei japan. Arten als Ziergewächſe Be— 
achtung, E. japonica Thunb. und radicans Sieb. 
Die eritere ijt ein eleganter Strauch mit gegenftän: 
digen Aſten und immergrünen, glänzenden, ovalen, 
ea ten Blättern. Man bat von ihr auch einige 
Ir dne Kulturformen mit weißgerandeten oder 
bgefledten oder aud mit größern Blättern. Die: 
er immergrüne Straub mit feinen Spielarten 
eignet ſich vortrefflich zur Kultur in fühlen und 
unse Mohnräumen. In Süddeutichland ift er 
völlig winterhart und wird viel in Gärten ange: 
flanzt. Die zweite japan. Art, der wurzelnde Spill: 
aum, hat dünne, gebogene, ſtark verzweigte Kite, 
welche am Boden leiht Wurzeln bilden und ibn mit 
ibrer zierlihen immergrünen Belaubung deden. 
Ebenfo können auch ihre mit filberweiß und rofen: 
rot gerandeten Blättern ausgeftatteten Spielarten 
verwendet werben. Damit dieſer Laubteppich recht 
dicht und eben werde, haft man die ftärlern Zweige 
am Boden feſt. Diejer Straud bedarf im Winter 
nur einer leibten Bededung mit Strob. Eine nord: 
ameril. Art, E.atropurpureus Jacq., liefert in ihrer 
Wurzelrinde eine gegen Leberkrankheiten benukte 
Drogue; aus andern Teilen diejer Pflanze werden 
noch verſchiedene andere Präparate * die 
ſamtlich Evonymin, ein Glyloſid, das in größern 
Gaben ald Herzgift wirkt, enthalten und in Ame 
rita gegen Waſſerſucht, Berftopfungen, Leberftörun: 
en u. |. m. angewandt werben. 
Evdra. 1) Diftrikt in der portug. Provinz Alem⸗ 
tejo (j.Rarte: Bortugal, Bd. 17),hat7088 qkm und 
(1900) 127232 €., alto 18 auf 1 qkm. — 2) Haupt: 
Bat der Provinz Alemtejo und des Diftrilt3 E., nad 
iſſabon und Coimbra «die dritte Stadt Bortugala», 
116 km von Liſſabon, auf einem flahen Hügel in 
278m Höbe, an der Linie Caſa Branca»Ejtremoz 
der Portug. Süboftbahn, in einer von dem zum Sa: 
dio gebenden Zarrama durditrömten Ebene, ift 
Eip eines Erzbiſchofs (die Kirchenprovinz E. umfaßt 
die Erpbidcele E. fowie die Suffraganbistümer 
Beja und Faro) und hat (1900) 16152 E., Fabri- 
kation von Tuch, Baummwollwaren, Hüten, Leder 


Evora — Evreur 


und Handel mit guten Rotweinen und jäbrlib um 
Johanni eine ftart bejuchte Meſſe. E. ift von alten 
verfallenen Mauern und neuern, jedoch unvollende: 
ten Feſtungswerken umgeben und von einem, aui 
dem bödften Punkte fih erbebenden alten gm 
verteidigt. E. war wiederholt fönigl. Refidenz. Bon 
den 5 Pfarrkirchen zeichnet ſich die erzbifchöfl. Kathe⸗ 
drale durch Größe und pradtvolle Ausftattung aus. 
Ein 4 km langer, von Sertoriuö erbauter röm. 
Aquädult (Agua da prata) verforgt die Stadt noch 
jest mit Trintwafjer. Auch find noch die fiberreite 
eines Dianentempels vorhanden (jet Schlachthaus 
und Fleifhballe). Die 1550 vom Kardinal⸗ we 
ten Heinrich geftiftete Univerfität, die im 18. Jahrb. 
— mit dem Jeſuitenorden aufgehoben wurde, 
ildet jetzt ein Kollegium, neben dem noch ein tbeol. 
Seminar beſteht. Die Bibliothet enthält 25000 
Druckwerle und 2000 Manuffripte und ein Gemälde 
mufeum. Bon den 13 Möndsllöftern find die mei- 
en verfallen, einige dienen andern Zmweden; ferner 
ejteben noch 8 Nonnentlöjter, ein Muſeum röm. 
Altertümer, ein großes Hoſpital ſowie ein Stift für 
ablige Fräulein. Vor der Stadt liegt die Kartauſt 
Scala Eoeli mit präctiger Kirche. 
€. ift der uralte Waffenpla Ebura, der als 
röm. Municipium wegen der von Cäjar verliebenen 
za den Namen Liberalitas Julia fübrte. 
päter erfcheint e8 al3 got. Bistum unter dem 
Namen Ebora (Elbora). Vom weitgot. Könige Si: 
ebet 617 befeftigt, wurde die Stadt 712 von den 
auren erobert und Nabura genannt, dieſen aber 
von dem 1162 geftifteten chriſtl. Ritterorden 1166 
entriſſen, der z ſeit 1166 nach dieſer Feſtung, ſeit 
1211 nach Aviz benannte. Im 16. F rh. mar es 
ein — der Silva. 1638 gab E. das Signal 
zu dem Unabhängigleitskampf gegen Spanien. Am 
26. Mai 1834 mußte bier der Ufurpator Dom 
Miguel (f. d.) vor feinem Bruder Dom Pedro 
fapitulieren. 
Evdra D’Alcobarga, Stadt in der portug. 
Provinz Ejtremadura, ſ. Alcobasa. 
Evorfiön, |. une 
Evofium, alter Name von —— (.d.). 
Evremond, Saint:, ſ. Saint:Coremond. 
Evreug(ipr.ewröb). 1) Arrondiffement im franz. 
Depart. Eure, hat 2153 qkm, (1901) 109638 E. 
224 Gemeinden und zerfällt in die 11 Kantone 
Breteuil, Conches, Damville, Cpreur:Rord, 
Core Sud, Nonancourt, Pacp-fur-Eure, Rugles, 
St.⸗André⸗de⸗l'Eure, Verneuil und Vernon. — 
2) Hauptſtadt des Depart. Eure, des Arrondiſſe⸗ 
ments E., liegt 108 km nordweſtlich von Paris, 
in einem anmutigen fruchtbaren Thale am linlen 
Eurezufluß Ston, an den Linien Mantes-Eberbourg, 
Verneuil:E. (54 km), St. Georges: E. (43 km), 
E.:Rouen (69 km) und E.:-L[o8:Montfort (43 km) 
der Franz. Weſtbahn, und ift Sig des Präfelten, 
eines — * eines ne ba erfter Inſtanz, 
eines Handels⸗ und eines Friedensgerichts jomie 
de3 Kommandos der 3. Ravalleriebrigade. €. ift 
— — altertumlich gebaut, bat (191) 
13 380, ald Öemeinde 18292 €E., in Garnijon das 
6. Dragoner: und einen Teil des 74. Infanterieregt: 
ments, eine großartige Kathedrale mit zwei Zürmen 
(deren einer 71 m bod ift) und 23 Kapellen, eine 
re —— , er erg Ubrturm 
(44 m), bifhöfl. Pal 15. Jahrh.), ein Eyceum, 
2 eh ter: und 1 ae eine öffentliche 
Bibliotbel (20000 Bve.), einen botan. Garten, cın 


Evron — Emald (Georg Heinr. Auguft) 


Kulm, ein Theater, gwei Hojpitäler, ein Departe: 
amtigefingnis, ein rrenbaus und eine Filiale 
ve Bant von Frankreich; Fabritation von Lein- 
und, Müsen und Zwillich, ferner Eifengiekereien, 
drauereien und Gerbereien ſowie Handel mit Ta 
il, Betreive, Wein, Fellen und Kurzwaren. — Bon 
den berühmten Luſtſchloß Navarra (1 km im 
EB), 1330 von Johanna von Navarra errichtet, 
#mur nod ein jpäter (1749) erbauter Pavillon 
ihrig, wie auch von den Mauern und Türmen nur 
neh 1 zu ig ift. Bei dem Dorfe Vieil: 
foreur finden ſich Nefte eines röm. Theaters, 
Balajtes und Aquäbults, die der Stadt Mediola: 
mm Aulercorum (Civitas Ebroicorum) im Lande 
ver Aulerci Eburovices —— werden. In 
ver Merowinger- und Karolingerzeit war E. der 
Rittelpunlt des Pagus Ebroicensis (oder Ebroi- 
dans), des jpätern Ländchens Evrecin. Richard J. 
von ber Normandie verlieh E. als Grafichaft fei- 
sem Sobne Robert. Anfang des 12. Jahrh. wurde 
viefelbe an das Haus Montfort vererbt, von dem 
he Bbilipp IL. Auguft erfaufte. Bhilipp IV. gab fie 
ds Apanage an feinen Bruder Ludwig, zu defien 
ften fie 1316 zur Bairie erhoben wurde. Der 
Graf Philipp von €. erbeiratete mit Johanna, der 
änzigen Toter Ludwigs X., das Königreich Na: 
varra. Karl III. von Navarra vertaufchte 1404 die 
Srafichaft E. nebft andern auge gegen dad 
neugebildete Herzogtum Nemours an König Rarl VI. 
von Frantreih. Karl VII gab fie 1426 an — 
Stuart, Grafen von Darnley, nad deſſen Tode 
(1429) fie von der Krone eingezogen wurde. Das 
Schloß Navarra wies Napoleon I. zuerft Ferdi: 
nanb VII. von Spanien, dann der Kaiſerin So: 
jepbine an. — Bol. Ze Braſſeur, Histoire civile et 
ecel&siastique du comt& d’E. (1722); Mafion de 
St. Amand, Essais historiques sur l’ancien comté, 
les comtes et la ville d’E. (1813 u. 1815). 
Evron ſſpr. emröng, mittellat. Aurio), Haupt: 
t des Kantons €, im Arrondifjement Laval des 
Depart. Mayenne, 28 km nordöftlib von 
, an einem Zuflufje der zur Mayenne gehen: 
den Jouanne und an der Linie Paris-Breſt der 
Franz. Weftbahn, bat (1901) 2701, als Ge 
meinde 4089 E., prächtige alte Abteilirche (12. und 
14. Yabrb.) nebft großer Kapelle (12. Jahrh.) mit 
toftbaren Wandgemälden; Fabrikation von Lein: 
wand und Tafelzeug; Handel mit Mollwaren, 
Zwirn, Kalt, Getreide und Wein. 
Evulgieren (lat.), etwas unter die Leute brin: 
gen, unbe: davon das Hauptwort Evuls: 
Evviva (ital.), lebe bod! [gation. 
Evzonen, die Säger des griech. Heeres (f. Grie⸗ 


chiſches Heermeien I). i 
Exw., alte Ablürzung i Euer in Titeln (Ew. 
Gnaden, Ew. Majeftät u. |. w.). 


Ewafinfeln, }. Rei:Inieln. 

Ewald, Heilige, zwei angelſachſ. —— zur 
Unterſcheidung nad) der Farbe ihres Haares «der 
Sähwarie und «der Weiße» zubenannt, famen um 
6% * Weſtfalen, um den Sachſen das Ehriften: 
tum zu prebigen, erlitten aber fofort den Märtyrer: 
td. Ihre Leichen ließ rag von Heriftal in der 
Et. Runibertälirdhe zu Köln beifegen. Sie werben 
in Weitfalen als Landespatrone verehrt; ihr Ge 
ift — DE. — Bol, Mertens, Die 


Maler, geb. 17. März 1836 zu 
%rlin, trat 1855 in dad Atelier des Profeſſors 


335 


Steffed ein und ſetzte 1856—63 feine künſtleriſchen 
Studien in Paris, wo er Die fieben Todfünden 
malte, dann 1863 —64 in Stalien fort. Seit 1865 
wieder in Berlin, befchäftigte er ſich vorzugsweiſe 
mit deforativen Malereien und mit den v chiede⸗ 
nen Arten kunſtgewerblicher Kunſtübung; hierher 
ehdrige größere Arbeiten find: Wandgemälde im 
Bibliothelzimmer des Berliner Ratbaujes (1869), 
Dedengemälde (Nibelungencyllus) in der National: 
galerie zu Berlin, Ausf müdung ber Burg Cochem 
an der Mofel, Mofaiten an ber Façade des neuen 
Kunſtgewerbemuſeums und zahlreicher Brivatbauten 
in Berlin. An legterer Anftalt war €. jeit 1869 ala 
Lehrer, feit 1874 ala Direktor der damit verbuns 
denen Unterriht3anftalt tbätig und leitete zugleich 
feit 1880 die königl. arg ge in Berlin, 
wo er 30. Dez. 1904 ftarb. ab beraus: «Farbige 
Dekorationen alter und neuer Zeit [{päter: vom 15. 
— 19. Jabrh.]» (20 Lief., Berl. 1882— 96). 
Ewald, * Heinr. Auguft, Orientaliſt und 
Bibelforſcher, geb. 16. Nov. 1803 zu Göttingen, 
dierte dafelbh wurde 1823 Lehrer am Gymna⸗ 
tum zu Wolfenbüttel, 1824 Repetent der tbeol. 
Fakultät, 1827 außerord. und 1831 ord. —* 
der orient. Sprachen zu Göttingen. Reiſen zur Be: 
nußung der orient. Handſchriftenſchätze führten ihn 
1826, 1829 und 1836 nach Berlin, Baris und Sta: 
lien. Als einer der wire Göttinger Profeſſoren, 
melde gegen die Aufhebung des hannov. Staats: 
rundgefeßes proteitierten, 1837 feines Amtes ent: 
etzt, folgte er 1838 einem Rufe ald ord. Profeſſor 
an die pbilof. Fakultät nad) Tübingen, aus welcher 
er 1841 in die tbeologifche übertrat. Die Berührun: 
gen, in die er daſelbſt mit Katholiten, Neupietiften 
und Hegelianern (Baur, Vifher u. a.) fam, ver: 
anlaßten ibn zu wiederholten Streitichriften, deren 
legte «fiber meinen Weggang von der Univerfität 
Tübingen, mit andern Zeitbetrabtungen» (Stuttg. 
1848) war. 1848 in feine frübere Stellung na 
Göttingen zurüdgelebrt, beteiligte er ſich jeit 1862 
an den firhlihen Kämpfen Hannovers und war 
als Mitglied der Vorſynode 1863 Mitbegründer 
des bannov. Kirchengeſetzes, eine Zeit lang aud 
für den Deutihen PVroteftantenverein tbätig und 
in deffen engerm Ausfhuß. Nah dem Deutſchen 
Kriege von 1866 wurde er wegen feiner Weige: 
rung, dem Könige von Preußen den Huldigungs— 
eid zu leiften, 1867 in den Ruheſtand verjegt und 
ihm im Dit. 1868 wegen Slußerungen, die er in 
jeiner Schrift «Das Lob des Königs und des Volks⸗ 
(5. Aufl., Stuttg. 1869) getban hatte, die venia 
legendi entzogen. Als dreimal —— Vertreter 
der Stadt Hannover im Norddeutſchen und im 
Deutſchen Reichstage ſtand E. auf ſeiten der welf. 
——— Gr ftarb 4. Mai 1875 zu Göttingen. 
‚3 Arbeiten über hebr. Sprade, *9 ſe des 
Alten Teſtaments und Geſchichte des israel. Volls 
haben epochemachend gewirkt. Die wichtigſten ſind: 
are e&rammatil der bebr. Sprachen ( 8 1827), 
als «Ausfuhrliches Lehrbuch der hebr. Sprache» 
wiederholt neu bearbeitet (8. Aufl., Gött.1870), und 
«Hebr. Sprachlehre für Anfänger» (4. Aufl., ebd. 
1874); ferner das sonte Lied und der Prediger Sa: 
(omo8» (ebd. 1826), «Die Dichter des Alten Bundes» 
(4 Bbe., ebd. 1837—54; neue Aufl. 1865—67) und 
«Die Propheten des Alten Bundes» (2 Bde., Stuttg. 
1840; 2.Aufl., 3 Bde. Gött. 1867 u. 1868); endlich 
die «Geſchichte des Volls Jarael» (7 Bde., Gött. 
1843—59; 3. Aufl. 1864—68), zu der die «Alter: 


336 


tüimer des Volls Israel⸗ (3, Aufl., ebd. 1866) einen 
Anbang bilden. Hieran reiben fich viele Werte zur 
Kritil und Eregefe des Neuen Teſtaments: der«Com- 
mentarius in Apocalypsin» (pz. 1828), « Die drei 
erften Evangelien» (Gött. 1850; vollftändiger in 
2. Auflage: «Die drei erften Evangelien und die 
Apoftelgeihichter, 2 Bpe., ebd. 1871— 72), « Die 
Sendihreiben des Apofteld Paulus» (ebd. 1857), 
«Die —— Schriften» (2 Bde., ebd. 1861 
—62), «Sieben Sendihreiben des Neuen Bundes» 
(ebd. 1870) und «Das Sendſchreiben an die Hebräer 
und Jalobos Rundfchreiben» (ebd. 1870). Die — 
Ergebniſſe ſeiner exegetiſchen Forſchungen und ſeine 
anze Auffaſſung der bibliſchen Religion hat E. 
—8 niedergelegt in der Schrift «Die Lehre 
der Bibel von Gott oder ** des Alten und 
Neuen Bundes» (4 Bde., ——— Auch 
über Entſtehung, Inhalt und Wert der Sibyllinen 
(1858) wie über das vierte Bud Cära (1860) bat 
er befondere Abhandlungen gejchrieben. Außerdem 
at E. den übrigen orient. Sprachen eingehende 
tudien gewidmet. Hierher gebören feine «Gram- 
matica critica linguae arabicae» (2 Bde., Lpz. 
1831 — 33), «De metris carminum arabicorum » 
(Braunſchw. 1825), «Über einige ältere Sansttit: 
metra» (Gött. 1827), jowie «Abhandlungen zur 
orient. und biblifchen Litteratur» (Bo. 1, ebd. 1832). 
den «Spra —** aftlichen Abhandlungen⸗ 
ebd. 1861 fg.), wozu «Liber die —— olge 
der ſemit. Sprachen» (ebd. 1871) fommt, ſuchte er 
einen neuen Weg für den Nachweis der Bermandt: 
fchaft aller großen Sprachſtämme der Erde zu bab: 
nen. Andere Beiträge zur orient. und bibliiden Lit: 
teratur legte er in der «Zeitfchrift für Kunde des 
Morgenlandes» (zu der er den Plan entworfen), 
den «Abhandlungen der königl. Geſellſchaft ver 
Wiſſenſchaften zu Göttingen» (feit 1838), ven «Böt: 
tinger Gelehrten Anzeigen» (feit 1823) ſowie in 
einen «Jahrbüchern der bibliihen Wiljenihaft», 

d. 1—12 (Gött. 1849—65) nieder. 

Etvald, Herman Frederil, Entel des folgenden, 
dän. Novellift, geb. 13. Dez. 1821 in Kopenhagen, 
war erft Landwirt und de und widmete jich 
eit 1860 ganz der Novelliftit. Bon feinen Romanen 

nd berworzubeben: «VBaldemar Krones Ungdoms⸗ 

iftorier (5. Aufl. 1885; deutſch von Reinhardt, 
2 Bode., Brem. 1876), «Familien Norbby» (3. Aufl. 
1883; deutſch von Brunelewli, 3 Bde., ebd. 1871), 
«Jobannes Fall» (3. Aufl. 1880), «ran; Bödmann 
va Dronning Alfıfa» (1889), «Clara Bille» (1892). 
Hiſtor. Stoffe behandelt E. in «Spenflerne paa ron: 
bora» (5. Aufl. 1891; deutſch von Reinbarbt, 2. Ausg., 
4 Bde,, Brem. 1874), «Niels Braben (2. —5 — 1889), 
«Anna Hardenberg» (3. Aufl. 18981), «Niels Ebbejön» 
(1887), «Grifferfelo» (1888; deutih, Berl. 1895), 
«Caroline Mathilde » (1890), «Leonora friftina» 
(1895), «Kriltian den Anden» (1898), «Daniel 
Rankom» (1900). Kleinere Erzählungen finden ſich 
aud in der «Danſt Follebibliotbel». 

Ewald, Xob. von, dän. General, geb. 20, März 
1744 zu Eajjel, von bürgerlicher Ablunft, ging, 
nadıdem er al& dän. Offizier im Siebenjäbrigen 
Kriege mitgelämpft hatte, 1776 als Beieblsba er 
einer — a bei dem den Engländern 
üiberlatenen bel. Truppenlorps nad Norbamerita, 
wo er bi& zum Ende des Krieges blieb und ſich viel 
fach auszeihnete. 1783 zurüdgelebrt, legte er feine 
Eriabrungen in der Schrift «fiber den Heinen Krieg» 
(Marb, 1785) nieder, die Friedrichs I. Beifall 


— — — — —— — — — — — —— — —— —— — ——— —— — 


Ewald (Herman Frederik) — Ewald (Joh. Joachim) 


erntete. Nachdem er 1788 ala Chef eines Jäger⸗ 
torps in dän. Dienſt getreten und in ben Adelſtand 
erboben war, erbielt er 1801 in Hamburg das 
Militärtommando. 1806 binderte er ald General 
der Avantgarde des zur Behauptung der Neutras 
lität der dän. Grenze in Holftein zufammengezoge- 
nen Armeetorps das Eindringen der Preußen und 
—— m folgenden en fhüste er wäbrenp 
der Unternehmungen der Engländer gegen open: 
hagen die Inſel Seeland und ward dann ;um 
ouverneur von Kiel ernannt. Als Kommandant 
bes dan. Korps, welches die Franzofen gegen Schill 
unterftüßte, zeichnete er fich 1809 beim Sturm von 
Stralfund aus, wurde infolgedeilen Generalleut: 
nant, dann Kommandierender in Holftein und er: 
—* 1812 die Führung einer Diviſion von 10000 
Mann, die fih mit dem 11. franz. Armeetorps 
vereinigen ſollte. Eine Krankheit zwang ihn, 1813 
fein Kommando niebderzulegen; eg nadber ftarb 
er 25. Juli bei Kiel. — Bal. feine Biographie von 
feinem Sohn Karl von E. Kopenh. 1838). 
Ewald, Johs., dän. Dichter, geb. 18. Nov. 1748 
in Rowenhagen, entwid in feinem 15. Jabre nad 
agbeburg, wo er in ein Infanterieregiment ein: 
trat. Später ging er au ben Öfterreichern über, wurde 
Tambour, dann Unteroffizier und nabm 1759—60 
an mebrern Schlachten teil. Durc feine Familie 
losgelauft, kehrte er nach Kopenhagen jurüd, wo er 
1762 das theol. Examen Bean: Unglüdlice Liebe 
riß ihn jedoch aus dieſer Bahn. Er gab fi mit Eifer 
dem Studium der ältern und neuern Dichter bin, 
unter denen ne Klopftod und Moliere ent: 
ſcheidenden Einfluß auf feine äftbetifche Richtung ge 
wannen. Ein Anhänger des Bernſtorffſchen Minike 
riums, wurde E. von dem Gulpbergichen (1770) 
zurüdgeiest; auch die Unterftügung, die ihm bie 
Regierung in feinen legten Jabren gewährte, mar 
nur gering. Gezwungen, mit Gelegenbeitsgedichten 
feinen Unterbalt zu —— geriet er in ein unordent⸗ 
lies Leben. Nach längern Leiden ftarb er 17. März 
1781 zu Ropenbagen. Durd eine Allegorie «Der 
Tempel des Glüds» (1764), befonders aber durch 
die «Trauerlantate bei dem Tode Friedrichs V.» 
—9* machte ſich €. litterariſch belannt. Zumal im 
yriſchen Drama leiftete er Bedeutendes. In «Adam 
und Eva» (1765; umgearbeiter 1769) wird allerdings 
bie aa der gewaltigen ‘dee nod nicht ge: 
recht. Bei der in Erota —— Tragödie 
«Rolf Krage» (1770) ift der Einfluß Shaleipeares 
unverlennbar. Ihm folgten E.s dramat. Meifter: 
werte«Balders Tod» (1773) und «Die ziiher» (1778), 
in denen das zum dän. Nationallied__ gewordene 
«König Ehriftian ftand am hoben Majt» fi befindet. 
Aub als komifher Dichter erwarb fib €. einen 
Namen; doch ift es nicht ſowohl der leichte, treffende 
Wis als das objektiv Lächerliche in Situationen und 
Charakteren, welches feine fatir. Dramen, z. B. «Die 
brutalen Klatjher» (1771) und «SHarlelin Batriot» 
(1772), auszeichnet. €. ift der Begründer der dän. 
nationalen Lyrik; er beherrſchte Sprache, Form unt 
Gefübldausdrud als unübertroffener Meiſter. Ein: 
kritiſche Ausgabe feiner poet. Werte beforgte Pie 
benberg (8 Bde., Kopenh. 1850—55). — €.8 Leben 
beichrieben Molbech (Ropenb. 1831), MR. Hammeric 
(3. Aufl., ebd. 1882) und Sage (ebd. 1888). 
Ewald, Job. JZoabim, Dichter, geb. 3, Sept. 
1727 zu Spandau, ftudierte in Halle und Frank— 
ti a.D., wurde Auditeur beim Regiment dee 
Prinzen Heinrib in Potsdam und erwarb fich die 


Ewald (Joh. Ludw.) — Ewige Richtung 


andihaft E. von Stleifts, 1757 machte er eine 
nah England, murde dann Erzieher des Erb: 
mmen von Hefien-Darkıftabt. 1759 ging er nad 
Nalen, trat zum Katbolicismus über und foll ſich 
162 nah Tunis oder Algier eingeſchifft haben. 
Seitdem war er verſchollen. E. war dichteriſch 
zeig jelbitändig; ſeine «Sinngedichte» (Potsd. 
15, Neubrud von Ellinger, Berl. 1890; 2, ver: 
wehrte Aufl., «Lieder und Sinngedichter, Dresd. 
1157) zeigen ibn abhängig, namentlid von E. von 
Aeiſt, aber auch von Gleim u. a. 

Ewald, Job. Ludw., Scriftfteller und Geift: 
über, geb. 16. Sept. 1747 zu Dreieihenbain bei 
Ofienbad, ftudierte in Marburg, warb Pfarrer zu 
ifenbab und befleidete dann nadeinander ver: 
khiedene geiftliche Simter. Er ftarb 19. März 1822 
als großberzogl. Minifterialrat zu Karlsruhe. Bon 
jeinen Beröffentlichungen find das Drama« Mehala» 
Rannh. 1808) und die Monatsſchrift «llrania» 
(Hannov. 1794—96) nennenswert. Das «Bundes» 
lied» (Sn allen guten Stunden») von Goethe, zu 
dejien ndidaftätreife E. in den Jahren vor 
jenes liberjiedelung nah Weimar gehörte, ift 1775 
m E.3 Geburtstag nie 

Ewartſche Treibfette, j. Kette. 

Eme, Gobe, Epbe, Landihaft im NW. von 
Afrita an der Stlaventüjte zwischen dem Volta und 
Rono (f. Karte: Kamerun u.j.w.), im. begrenzt 
don dem ofjogebirge, im S. von ber Bat von 
Benin. In ibr liegen die engl. Befikungen an der 
Cuitta: Lagune (Goldfüfte), die deutſchen im Togo: 
land, die franzöfiichen bei Groß: Popo (Dabome). 
Im meitern Sinne werden auch Dahome und Abeo: 
futa bis zum Dgun (Lagos) zu den Ewe:Staaten 
gerechnet; viele größere und Heinere Stämme, dar: 
unter die Anto, Aveno, Agbojome, Wenji, Togo 
u. a. jprechen die Eweſprache, und darin beiteht nad 
unjerer jeßigen Kenntnis das eigentliche Stammes: 
et des Emevolts. (S. Sklavenküfte und Togo: 
fand.) — Bal. Henrici, Yehrbud der Ephe-Sprace 
(Emwe), Anto:, Anecho⸗ und Dahome:- Mundart (Berl. 
1891); Kloje, Togo (ebd. 1899). 

wer, Ever, lleine verjbließbare, jweimajtige, 
mit Gaffeljegeln verjebene Küjtenfabrzeuge, deren 
Heimat die deutſche Nordjeelüfte, namentlich die 
Elbmündung ift. Sie haben einen flachen Boden, 
um mäbrend der Ebbe ungefährdet auf vem Grunde 
sen zu lönnen. Blanteneje und Finlenwärder bei 
Hamburg baben eine ganze Flotte von Fiſcherewern, 
bie ftärter gebaut find als die E. für Handelszwecke. 

Davon zu unterjcheiden find die Ewerführe: 
reien, die im Hamburger Hafen den Transport 
der Waren vom Lande zu den Seeſchiffen und um: 
aetebrt vermitteln, und zwar teild mit offenen Fahr: 
jeugen (Schuten), deren Führer Ewerführer heißen, 
teil8 mit verſchließbaren Kaſtenſchuten, deren führer 
a eg genannt werden, 

erbed, Franz, Baumeifter, geb. 15. April 

1839 zu Brale bei Lemgo, befuchte das Polytechni- 
fum in Hannover und die Berliner Baualademie, 
Bis 1870 war E. ald Hodhbautenarditelt an meh: 
tern Eifenbabnen thätig, befonders in Hannover 
und in Holland, und erhielt dann einen Ruf ala 
Brofefior an die Techniſche Hochſchule in Aachen. 
Hier entftanden eine Anzahl Privatbauten, das Che 
miihe Laboratorium und die Architektur zum Krie: 
gerdenkmal auf dem kath. Kirchhofe. Auch erbielt er 
anläßlich verſchiedener Konkurrenzen Preife, jo für 
das Brojeft der Nachener Stabdterweiterung und des 

Brothaus’ Fonperfations-kezilon. 14. Huf. RX. . 


337 


Rathaufes in Wiesbaden, für ein Atrium vor dem 
Aachener Münfter. Sein Entwurf zur Reftauratien 
des Rathauſes in Aachen wurde von der Stadt 
erworben. €. ftarb 16. Juni 1889 in Nahen, Er 
veröffentlichte «Die Renaiffance in Belgien und 
Holland» (mit Neumeifter u. a., Wpz. 1884—89; 
neue Ausg. 1889—92). 

Eiwerführereien, f Ewer. 

Eweft, Fluß in Livland, f. Enfl. 

Ewig beißt, im Gegenfaß zum Zeitlihen, was 
der Bedingung der Zeit und Beränderlichkeit nicht 
unterliegt, das ſchlechthin Unwandelbare. So wurde 
der Begriff der Ewigleit von Blato gefaßt und von 
der a platoniſch beeinflußten Philoſophie 

ehalten; mit beſonderm Nachdrud vertraten ihn 
uguftin und Spinoza, deſſen ganze Philoſophie 
darin aufgeht, das Zeitliche im Lichte des Ewigen 
(sub specie aeternitatis), nämlich der ewigen, mit 
unabänderliher Notwendigteit aus dem Weſen der 
einen Subjtanz fließenden Geſetzlichleit der Dinge 
— betrachten. Dieſe Anſicht findet ſich z. B. bei 
chleiermacher in den «Reden über die Religion». 
Sonft nennt man ewig das in der Zeit Dauernde. 

Ewige Lampe, die Lampe, die in kath. Ye 
vor dem Altar, in welchem die konſekrierte Hoftie 
aufbewahrt Fi tetö brennend erhalten wird. 

twiger {Friede (lat. pax aeterna), im Böller: 
recht der Friedensſchluß v d.) auf immermwährende 
Dauer (& perp6tuite), im Gegenfaße zu den früher 
üblich geweſenen Friedens: oder Waffenſtillſtands⸗ 
verträgen auf eine —— Reihe von Jahren. 
= der Völkerrechtsphilofopbie wird unter E. F. ein 
ujtand des Völlerrechts veritanden, in welchem 
der Krieg durch eine dauernde Organifation ausge: 
ſchloſſen wäre. Der Gedante leidet aber an einem 
boppelten innern Widerſpruche, da eine wirkjame 
Drganifation diefer Art mit der völlerrechtlichen 
Unabhängigkeit und Selbitändigkeit der Staaten 
unvereinbar wäre und slicmeht, wie ſchon Lei: 
fings Scharfjinn (Pitteraturbriefe 5) berausfand, 
unter dem Namen der Erefution den Krieg zurüd: 
führen würde. Seit dem Heinrich IV. von Frankreich 
untergeihobenen Plane find mande Projekte diefer 
Art aufgetaucht, von denen namentlih das von 
Roufjeau neu bearbeitete des Abbe de Saint: Pierre 
und Kants «Philoſ. Entwurf zum E. %.» (1795) 
roßen ie erlangten. rl einem etwas anbern 
ege glaubt die heutige Gejellichaft der Friedens⸗ 
freunde (f. d.) fich ihrem Ideale näbern zu können. 
Die wirkliche, ebenfo ftreng völlerrechtliche wie wirt: 
jame Organiſation zur möglichiten Erhaltung bes 
Meltfriedens ijt das En Europätiche Konzert ri d.), 
die Gemeinidhaft der Großmächte. Thatjählich hat 
in den J. 1815—90 das mittlere und weitl. Europa 
nicht fo viel Kriegämonate erlebt, als in dem gleis 
hen Zeitraume des 18. Jahrh. volle Kriegsjahre. — 
Vol. Freiherr von Stengel, Der €. F. (3. Aufl, 
Münd. 

Ewige Richtung (d. k Austrag, Friebe) 
wurde der von der ſchweiz. Eidgenoſſenſchaft mit 
dem Erzherzog Sigmund von Tirol als Vertreter 
Öfterreihs im April 1474 zu Konſtanz geichlojjene 
und unter Ludwigs XI. von Frankreich Vermitte— 
lung im Juni zu Senlis vervolljtändigte Vertrag 
oder Definitivfriede genannt, nad welchem bie 
eritere bebielt, was fie bis dahin von den vorder⸗ 
öfterr. Landen erobert hatte, dagegen fich zur Hilfe: 
leiftung verpflichtete. Diejer Vertrag madte dem 
200jährigen Kampfe zwifchen der Schweiz und Öfter 

22 


338 


reih ein une Ende und kehrte feine Spike 
gear Karl den Kübnen (f. d.) von Burgund. — Vgl. 

outey, Charles le Töm6raire et la ligue de Con- 
stance (Bar. 1902). 

Ewiger Jude, eine fagenhafte Perſon, bie 
ur Strafe für ein Vergeben aeg Ehriftus nicht 
Neben darf. Die Sage vom E. J. beruht wahr: 
cheinlich auf der Legende vom Apoftel Johannes, 
dem man nad * 21, 20⸗28 ewiges Leben 
nachſagte, in Verbindung mit der Legende vom 
Kriegsknecht Malchus, der ald Thürhüter des 
Kaiphas den Heiland ſchiug und nach einer ital. 
Tradition des 15. Jahrh. ewig unter der Erde 
um die Säule laufen muß, an die Chriſtus ge 
bunden war; ihm wurde zur Strafe, was Johan⸗ 
ned auözeichnete. Das ältefte Zeugnis der Sage 
giebt der engl. Ehronift von Wendomwer (geft. 1237), 
der meldet, daß ein armenifcher Erzbifchof, der 1228 
in England war, den Thürbüter des Pontius Pila— 
tus, havpiuh, noch ſelbſt kenne; er heiße jetzt 
getauft Joſeph, Iebe als beiliger Mann in Arme: 
nien und boffe auf Vergebung für den Schlag, den 
er dem Herrn verjeßte, da er ed ——— gethan. 
Bei Philipp Moustes, Erzbiſchof von Tournay, der 
um 1243 feine flandr. Reimchronil fchrieb, hatte ver 
€. %. gebeten, mit Chrifti Kreuzigung RB warten, 
damit er zufeben könne. Endlich erzählt der ital. 
Aitrolog Guido Bonatti (geft. etwa 1300), Joban: 
nes Buttadeus, der den Heiland auf feinem 
Gange zur freuzigung geitoßen und zu dem biefer 
darauf gefagt babe: «Du ſollſt auf mi warten, bis 
ich wiederfommen, fei 1267 in Forli gefehen worden. 
Noch heute ift der €. J. als 
tare: ftoßen, Dio: Gott) in Stalien belannt, und 
ald Boudedeo aud in die Bretagne gebrungen; 
die Siebenbürger Sachſen nennen ihn Bedeus. 
Andere Namen find Juan Esperaren:Dios 
(«Hoffe auf Bott») in Spanien und Jfaac Laque: 
dem in Belgien. 

Die jpäter geläufige Geftalt erhielt Die Sage vom 
€. J. aber er 1602 durch die Kurtze Beichreibung 
und Erzählung von einem Juden mit Namen Ahas⸗ 
verus» (Leyden, Ehrift. Creüßer; die Vorrede fälſch⸗ 
id 1564 datiert), nad) der der Biſchof von Schled 
wig, Paul von Eigen, 1542 in Hamburg den €. J. 
in der Kirche gefeben baben will; bier heißt er 
Ahasverüs, war Schuhmacher in Jerufalem und 
muß, dba er Ehriftus auf dem Wege nad Golgatha 
turge Raſt vor feinem Hause verfagte, ewig unitet 
wandern, ein ſymboliſches Abbild feines unrubigen 
beimatlofen Volls. In den fpätern zahlreichen Aus: 
gaben dieſes Voltsbuches (erneuert von Simrod in 
den «Deutfchen Vollsbüchern», Nr. 29) finden ſich 
immer neue Zeugnijie über dad Auftauchen des 
E. J., namentli im nörbl. Deutihland; es ent- 
fpinnen fich leidenſchaftliche gelehrte Dispute über 
die Wirklichkeit oder Unmöglicleit feiner Eriftenz, 
woran der Bolläglaube in Deutſchland, Frankreich, 
Belgien, Dänemarl, Schweden bis heute feftbält. 

Das eigenartige Problem, diejen rubelojen Men: 
ſchen, der die Welt feit bald awei Jahrtaufenden kennt 
und nur nad dem Tode ſich fehnt, darzuftellen, hat 
re moderne Dichter gereizt. In Deutichland 
bebandelt ihn namentlich ®oetbe in feinem mun: 
dervollen epifhen Fragment «Der E. .» (1774), 
dann Klingemann in dem Trauerjpiel «Ahasver» 
(Braunſchw. 1827), Julius Mofen in dem epifchen 
Gedicht «Ahasver» (Dresd. 1838), Zeplig in dem 
epii.ben Fragment «Die Wanderungen des Abas: 


uttadio (ital. but- 


Ewiger Jude — Ewiges Evangelium 


verus» («Gedichte», 5. Aufl., Stuttg. 1855), ©. 
Heller in «Nbasverus, ein Heldengedict» (2. Aufl., 
Lpz. 1868), R. Hamerling in dem Epos «Abas: 
verus in Rom» (Hamb. 1866; 23. Aufl. 1892), 
Carmen Sylva in —— (2p3. 1882), May 
Haushofer in der dramat. Dichtung «Der E.\.» 
(ebd. 1886); in Heinern Gedichten Chr. F. D. Shu: 
bart («Ahasver»), A. W. von Schlegel (« Die Bar: 
nung»), N. Lenau, E. von Schent, ©. Pfizer, 
Smet3 u. ſ. m. Satiriſch benußten ibn W. 5. Heller: 
«Briefe des E. 3.» (Offenb. 1791) und Hauff in den 
«Memoiren des Satans». Bon außerdeutſchen Di: 
tungen ift Eug. Sue Roman «Le Juif errant» —6* 
am bekannteſten. — Vgl. Gräfie, Der Tannbäuſer 
und E. J. (2. Aufl, Dresd. 1861); Helbig, Die Sage 
vom E.J. (Berl. 1874); G. Paris, Le Juif errant 
(Bar. 1850); Neubaur, Die Sage vom €. J. Epʒ 
1084): Caſſel, Abasverus, Die Sage vom €. J. 
(Berl. 1885); Violet in «Nord und Süd», Br. 37. 
Ewiger Landfriede, ein auf dem Reichstage 
u Morms 7. Aug. 1495 zu ftande gelommenes 
eichsgeſetz, wodurch das bisher zwar ſchon durch 
viele Landfrieden (ſ. d.) beſchränkte, aber immer noch 
eſeklich anerkannte Recht der Fehde auf ewig abge 
und die Fehde bei Strafe der Acht und 2000 
art Goldes verboten wurde. Wer einen Rechts— 
anſpruch zu haben vermeinte, jollte denſelben nur im 
Wege Rechtens verfolgen. Eine fernere Beftimmung 
ded Wormier Reichstags, daß der Reichstag jährlib 
in Frankfurt zufammentretem folle, um mit dem 
Reihstammergericht u. a. die Durchführung des 
Landfriedens zu beraten, ift nie ausgeführt worden. 
... Edift, der von den Ständen der Bro: 
vinz Holland im = 1667 unter dem Einfluß de 
Mitts gefaßte Beſchluß, die Statthalterwürde für 
diefe Provinz abzuſchaffen und bei den übrigen Bro: 
vinzen auf ihre Zrennung von der Stelle eines Ge 
neralfapitäns der Union anzutragen, was bei der 
feg. Harmonie 1670 von den übrigen Provinzen 
enehmigt wurde. Infolge der Vollsbewegung im 
Sommer von 1672 (f. Niederlande) wurde 4 Aut 
das Edikt wieder aufgeboben. — €. E, von Marke 
en Famene, ſ. Genter Bacifilation. 
wiges Evangelium (lat. Evangelium aeter- 
num), feıt Mitte des 12. Jabrb. auf Grund von Offen: 
barung Job. 14,6 Bereihnung für die Verlundi⸗ 
ng eines ewigen Beitalters des Geiftes, der voll: 
ommenen Erfenntni3 und Anbetung Gottes und 
der vollen geiftigen Freiheit, das nach dem Ablauje 
der beiden Zeitalter des Vaters und bes ee 
demnädjt anbrechen follte. Diefe Weisjagung fand 
man enthalten in ben Schriften des Abu: Jeadim 
der zuerſt als Mönch und Abt des Eiltercienier: 
tloſters zu Goraca in Galabrien, feit 1183 ald Abt 
von Floris (Fiore) in Galabrien und Stifter einer 
eigenen Kongregation mit firengen von Papft € 
leitin LIL bejtätigten Regeln (Ordo florensis) lebte 
und 1201 oder 1202 ftarb. Er fchrieb ſich die Gabe 
zu, die biblifhen Weisfagungen richtig zu veriteben 
und zu deuten, und jeine opel ie Ideen 
anden namentlich in den Kreifen der ſpiritualiſti⸗ 
chen Franzistaner großen Anklang. Unter den ihm 
zugefhriebenen Schriften find währſcheinlich nur 
drei («Praefatio in Psalterium decem chorda- 
rum», «Concordantia utriusque testamenti» und 
vor allem feine «Expositio in Apocalypsin») edt. 
Der Ordensbruder Gherardino von Borgo: San 
Donnino verfaßte um 1254 eine im ſcharf antirdmt 
ſchen, ja antilirchlichen Geifte gehaltene Einleitung 


Ewiged Leben 


ade Shriften Joachims u.d. T. eIntroductorius 
ir ———— aeternum». Dieſe wurde von einer 
Kpitl. Rommiifion in Anagni unterfucht und von 
Kapit ander IV. verdammt, Gherardino ſelbſt 
‚ lebens änglicher Kerkerhaft verurteilt (1255). 
«von Joachim geitiftete Kongregation (Orden 
von Slore, Winriacenier, Slorenier, Flo: 
tenjer genannt) beftand nod längere Beit, um⸗ 
hahte chiedene Klöfter, verweltlichte aber ſpä⸗ 
tt und wurde 1505 dem Ciſtercienſerorden einver⸗ 
kibt. Das gleiche Scidfal hatten die ebenfalls von 
adim geitifteten Floriacenjerinnen. — Bol. 
Zöllinger in Raumers «Hijtor. Taſchenbuch⸗ (1871); 
*enan in ber «Revue des Deux Mondes» (1866); 
— Schneider, Joachim von Floris und die Apo⸗ 
Ipptiter des Mittelalters (Dillingen 1873); Pres 
et, Das Evangelium aeternum und Joachim von 
lorie (Münd. 1874); Reuter, Geſchichte der reli⸗ 
eiöjen Auſtlärung im Mittelalter, Bd. 2 (Berl. 
1577), welder namentlid gegen Preger die Echt: 
beit der drei Schriften Joachims verteidigt; Denifle, 
Das E lium aeternum und die Kommiljion 
von Anagni (im «Archiv für Litteratur: und Kirchen: 
geicbichtedes Mittelalters», Bd.1,Heft1, Berl.1885). 
Ewiges Leben, in der religiöfen Sprache die 
yerjönliche Lebensvollendung des Menſchen, ver: 
möge deren er in ber *f8 mit Gott voll⸗ 
endete Seligfeit — Gewöhnlich pflegt man den 
Begriff des E. 2. gleihbeveutend zu nehmen mit 
Ungterblichleit. So heißt es jhon im Alten Tefta: 
ment, Gott habe ven Menſchen nad dem Sünden: 
fall aus dem Paradiefe vertrieben, damit er nicht 
ewig lebe (1 Moj. 3, 22), und auch fonft wird der 
bebr. Ausdrud für Ewigleit — im Sinne einer 
endloſen oder doch unberechenbar langen Zeitdauer 
gebraucht. Da für den religiöſen Menſchen aber das 
wabre Leben nur im Gegenſatze zu dieſem ſinnlichen 
Erdendaſein in der Gemeinſchaft mit Gott, im 
Segenſatze zur Sünde und ihrer Unſeligkeit in der 
vollendeten Heiligkeit und Seligteit der Frommen 
beitebt, jo hat das Neue Teftament eben dieſe Merl: 
male in feinem Begriff des €, 2, zufammengefaßt. 
Mäbrend die urjprünglice Borftellung dasjelbe in 
ein zeitliches Jenſeits verlegt und feinen Eintritt erft 
mit ber Totenauferitehung, dem Weltgeriht und 
dem vollendeten Gottesreihe auf Erden erwartet, 
findet ſich in jüngern Schriften des Reuen Teſtaments 
die Anſchauung, ne die Stätte des E. 2. vielmehr 
em räumlides eitö, die «obere» oder «über: 
iinnlide» Welt jei, in — die —— jetzt 
ihon ihre wahre Heimat erbliden, obwohl fie erſt 
nach dem Tode zu jenem obern Reiche Gottes wi 
lid eingeben werben. In diefem Sinne reden na⸗ 
mentlih die Johanneiſchen Schriften vom E. L. als 
einem ſchon gegenwärtigen Beige der Gläubigen 
und Inüpfen basjelbe unmittelbar an die Ertenntnis 
des allein wahren Gottes und des ewigen Sohnes, 
feines Gejandten. Diefer Zutunftöglaube ift ſeitdem 
im der chriſtl. Kirche allgemein, egen haben 
Schleiermader, Biedermann u. a. das E. 2, ala das 
Einswerben mit dem Emigen mitten in der Zeit: 
lichleit, oder ald ein Leben im Ewigen aufgefa t. 
Ewige Stadt, Ehrenname der Stadt Rom. 
Ewige Teufe (im Bergbau), ſ. Teufe. 
Ewiggeld, ein Münchener Lokalinſtitut, eine an 
die Stelle der hypothelariſchen Belaftung tretende 
Realbelaftung mit einer Geldrente, ahnlich dem 
Rentenfauf (1.2.). — Bl. Roth, Bapriihes Civil 
Ewigfeit, j. Ewig. ltecht $8.176— 179. 


— Eraltation 
Ewitfchta, Fluß, |. Ewſt. 
Emfäf, |. Batuf. j 
Ewft (Eweſt) oder Ewikſchta, rechter Neben: 

uß der Düna, bildet den norböftl. Abfluß dei 
ſees (84,1 qkm), an der Grenze ber ruſſ. Gou: 
vernements Livland und Witebat ieht zuerſt nad 

Norden, darauf ſüdweſtlich dur Livland, zulepi 

13 km durch Witeb3t und mündet an der Grenze bei: 

der Gouvernement3. Seine Länge beträgt 102 km. 
Ex (lat.), aus, wird in Deutihland vielfach in 

der Bedeutung «zu Ende», «vorbei», entiprechent 
dem franz. ci-devant, vor Beseidnung von Amtern, 

Titeln Hürden u. ſ. m. gebraudt, z. B. Ertönig, 

Errifiater, € taiferu.|.w. 

uß, f. Ere. 
Ex abrüpto (lat.), plöglid, unverjebend._ 
Ezacerbation (lat.), die —— Stei 
en (ſ. 


339 


gerung ber Krantheitseriheinun antheit). 

Ex advörso (lat.), von der Gegenjeite. 

Eraggerieren (lat.), übertreiben, Eragge: 
tation, lbertrei ‚ eine rbetorifhe Figur 
Häufung des Ausdrucks, um den Gegenftand rei 
ers ericheinen zu laflen. ! 

gagitieren (lat.), aufregen, reizen, neden: 
Eragitation, Aufregung, Rederei. 

Erätt (lat.) beißt ein Begriff, deſſen Inhalt ung 
genau bewußt it der unferer Auffafjung eine klare, 
unverrüdbare Grenze jest; jo namentlich die Be 
griffe der Mathematik und die auf diefen beruhen: 
den der matbem. a fit; daber exalte Wijfen: 
Ihaften eben dieje Wiſſenſchaften, jofern fie er 
nur mit eralten Begriffen zu tbun haben. DR 

Eralgin, Methylacetanilid, ein Acetanilid, 
in weldbem ein Wuferktoffatom durch die Methyl: 
gruppe CH, erſett ilt. Es bildet weiße Krvftalle, 
die bei 99,5° — — die geſchmolzene Maſſe fiebei 
bei 245°. Das E. beſiht antiſeptiſche und tem: 
peraturerniebrigende Eigenihaften und wirft in ber: 
vorragender Weiſe auf die Senfibilität, weshalb es 


—— (in Einzelgaben von 0,125 g) als 
ſchmerzſtillendes Mittel gegen Migräne, ag au 
und Gelentrheumatismus verwendet wird. Neben: 


wirfungen des Mittel3 find Schwindel, Raujchge: 
fühl, Augenflimmern, Ohrenſauſen, Brechreiz u. ſ. w. 
Eraltados (ipan.), feit der Revolution von 
1820 Bezeihnung der ertrem liberalen Bartei in 
Spanien, im Gegenfage zu den Moderados, Ge 
mäßigten, und den zwiſ beiden ftehenden Bro: 
are iften; 1822 hatten fie in den Cortes das 
bergewicht, doch dauerte die Herrichaft ihres Ter⸗ 
rorismus nur furze Zeit. Nach der Eroberung von 
Cadiz durch die rn re (3.D8t.1823) 
batte ihre Macht ein — 
tation (lat.), die Steigerung der Gefühle: 
und Willenstbätigleit zur ode des Affelts und 
der Leidenſchaft. Entſteht die E. wie gewöhnlid 
im Anſchluß an entſprechende äußere Einflüſſe 
oder motivierbare Gedanken, fo kann fie mit einer 
Steigerung der intelleftuellen Zeiftungen wie der 
planvollen Willensenergie einhergehen; in höberm 
Grabe leidet die Befonnenbeit, und das Handeln 
wird dem entjprechend ziel: und zwedlos. Letzteres 
ndet fih gan her bei jenen Eraltations⸗ 
ormen, die als Teileriheinungen von Geijtes- 
ankheit auftreten. Die €. entitebt bier entweder 
felbftändig (primär), d. h. ohne nachweisbare innere 
und äußere Vorgänge, dur organiſche Hirm- 
erregung, 3. B. bei der manialalifchen €. (f. Manie), 
oder im —8 an Wahnideen und Sinnes— 
22* 


340 

täufhungen ertegenden Inhalts, 5.3. bei der eral- 

tierten Verrüdtbeit mit Größenwabn (f. d.). 
Exaltiert (lat.), begeiftert, überipannt. 
Erämen (lat., NehrzablEramina), |. Prüfung. 
Ezaminatorium (lat.), auf Univerfitäten ein 

Rolleg zum Zwed einer Repetition über gehörte 


Vorlefungen und einer Vorbereitung auf das 
Eramen, gewöhnlih von jüngern Docenten (Repe 
tenten) gehalten. 

Ezaminieren (lat.), prüfen, ausfragen; Era: 
mination, Brüfung, Berhör; Eraminätor, ber 
Brüfende; Graminand, der Prüfling. 

Szaminiertrupp, frübere Bezeihnung des: 
kun Unteroffizierpoftend, der nad der neuen 
deutichen Felddienſtordnung nunmehr Durdlap: 
poften (f. d.) genannt wird. 

Eranimieren (lat.), entjeelen, entmutigen; 
Eranimation, Entjeelung, tiefe Obnmadt. 

Ex animo (lat.), von Herzen, mit Borjab. 

Exauthem (grch.), Hautblüte, Hautfrantheit, 
ſ. Ausſchlag; erantbematifch,, mit Hautausſchlag 
verbunden; exanthematiſcher u ut ſ. Fled⸗ 
typbus; Eranthematoldgie, Lehre von ben 
Hautkrankheiten; Erantbejis, Ausbrud eines 
Hautausfhlags.— E. nannte man früher aud einige 
durch Pilze bervorgerufene Pflanzentrankbeiten 
wegen der bei der Sporenbildung ber betrefienden 
Pilze auf der Oberfläche in Form von Bufteln auf: 
tretenden Sporenhäufden. 

Erägquation (lat.), Ausgleihung. 

Ex aequo et bono (lat.), der Billigleit dee 

Erärd) (grch., d. i. Vorſteher), byzant. Bezeich⸗ 
— für den Statthalter einer Brovinz (f. Exarchath. 
— Liber E. im kirchlichen Sinne f. Archimandrit. 

Exarchãt (grch), das Gebieteines Erarden (f.d.), 
eine Brovinz im Byzantiniſchen Reid. on 
veritebt man darunter das E. von — ————— 
Hiſtoriſche Karten von Italien 1, beim Ar: 
titel Jtalten), das anfangs nad der Vernichtung des 
Ditgotenreihs durch Juftinians Feldherren Belifar 
und Narjes (655) das ganze Jtalien umfaßte, bald 
aber durch die Eroberungen der Langobarben (feit 
568) ſehr verkleinert und in mebrere Zeile zerrifjen 
wurde. Bei Alboins Tode (573) beftand e8 aus dem 
Küftenftri von Rimini bis Ancona, aus der jpä- 
tern Romagna mit Ravenna, mo der Exarch feinen 
Sitz hatte, aus Rom und feiner Umgebung, aus dem 
Gebiet von Genua und aus Unteritalien. Der erfte 
Erarch war Narſes (j. d): fein Nachfolger Flavius 
Longinus (567 —584) lonnte ſich der eindringen: 
den Langobarden nicht erwehren und ihre weitern 
Eroberungen nicht hindern. 592 ftellte der Exarch 
Romanod durh die Groberung von Sutrium, 
Horta, Ameria, Perufia und andern Städten die 
Verbindung zwiſchen dem röm. und ravennatifchen 
Gebiet wieder ber, doch blieb der Befik dieſes Land⸗ 
ftrich& immer ftreitig. Um 610 fuchte ſich der Exarch 
Gleutberios felbftändig zu machen und ließ fi pe 
Kaiſer des Occidents ausrufen, wurde aber bald 
darauf ermordet. Der Langobardenlönig Rothari 
(636—652) eroberte Genua mit Ligurien; als ge 
fäbrliciter Feind der byzant. Herrſchaft zeigte * 
König Liutprand (712—744), der die legten griech. 
Beſitzungen in Stalien feinem Reiche einzuverleiben 
ſuchte. Unterftüst wurde er darin dur den ber 

innenden Bilderjtreit (f. Bilderdienft), in dem bie 
taliener auf der Seite des Papftes und der Bil: 
derverebrer ſtanden. In Rom wurde der buzant. 
Dur verjagt, und Gregor I. riß die weltliche 


Exaltiert — Ex cathedra 


Herrihaft der Stadt an ſich. Ravenna fiel 728 
bei Gelegenheit eines Aufitandes in Liutprands 
Hände, doch gelang ed dem Erarchen Eutychios im 
folgenden Jahre noch einmal, mit Hilfe edind, 
das ſchon ſeit 697 einen eigenen Dur gewäblt bare 
und nur noch nominell unter byzant. Hobeit ftanp, 
die Langobarden zu Belegen und ihnen Ravenna 
wieder zu entreiken. Erſt König Aiftulf (749754) 
verbrängte die Byzantiner gänzlih aus Mittelita- 
lien. Schon 750 bejaß er den größten Teil des E., 
und 751 bemädtigte er fih aud Ravennas und 
vertrieb den Erarhen Eutychios. Die Erardhen 
mußten fortan ihren Sig in Neapel oder Syrafus 
nebmen, bis die Sarazenen fie aus Sicilien und 
endlih die Normannen im 11. Jahrh. den an die 
Stelle der Exarchen getretenen Ratapan auch aus 
Unteritalien endgültig verbrängten. Den lesten 
Reſt byzant. Hoheit über Rom hatte ſchon Pippin 
der Kleine vernichtet, der 754 und 756, von Barit 
Stephan IL gerufen, in Jtalien erſchien und Aiftulf 
zwang, feine Eroberungen herauszugeben, die durch 
die fog. Pippinifhe Schenkung in den Befis 
des Bapftes gelangten und den Grund zum Kirchen⸗ 
ftaat legten. (©. Bentapolis, — Bol. Cohn, Die 
Stellung. der byzant. Statthalter in Ober: und 
Mittelitalien (Berl. 1888); Grudenzi, Sui rapporti 
tra l’Italia e l’imperio del Oriente (Bologna 
1888); Hartmann, Unterfuhungen zur Geſchichte 
der byzant. Verwaltung in Stalien (Lpz. 1889); 
Diehl, Etudes sur l’administration byzantine dans 
l’exarchat de Ravenne (Par. 1889). 
Erartitulation (lat.), die Ablöfung eines 
Bliedes in einem Gelente durch Erö g und 
Durchtrennung der Gelentbänder, unterfcheidet ſich 
von der Amputation (f. d.) im wefentlichen dadurch, 


ders daß bei ihr der Knochen nicht durchſägt wird. Die 


Amputation geftattet, das Glied in jeder beliebigen 
Höbe feiner Kontinuität abzufegen und dadurch dem 
eriten Grundfage der Ehirurgie, immer foviel als 
möglich von dem kranken Gliede zu erhalten, gerecht 
ju werden, während die €. nur an den Gelenten 
möglich ift. Ob im gegebenen Falle der Amputation 
oder der E. der — zu geben ift, hängt von der 
die Entfernung des Gliedes erbeiihenden Urſache 
und den übrigen individuellen Berbältnifien ab. 

Erafperieren (lat.), ein fibel chlimmern; 
Exaſperation, Erbitterung, Verſchlimmerung; 
Exasperatlo poenae, Strafverihärfung. 

Ex asse (lat.), völlig, ganz. Die Kupfermünze 
des As (ſ. d.) nabmen die Römer ald Zeichen der 
Einheit, mit den Heinern Münzen wurden bie Brüche 
bezeichnet. Daber heres ex asse der Univerjalerbe. 

Exaudi (lat., «böre»), der ſechſte Sonntag nah 
Dftern, genannt nad feinem mit Pſalm 27,7 bes 
ginnenden Introitus (f. d.). 

Erauguration (lat.), bei den alten Römern 
der Alt, durch den ein Tempel oder ein anderer ge 
weihter Gegenftand feines heiligen Charalters ent» 
Hleidet, dem profanen Gebrauche wieder anbeim- 


gegeben wurbe. 
Srauftorieren (lat.), aus dem Militärbienfte 
entlajjen, des Eides (auctoramentum) entbinden. 
Ex bene placito (lat.), nach Gutbefinden. 
Exo., auf Kupferftihen — für excudit 
(f. Excud.); auch Abkürzung für Exce * d.). 
Exoaloeäti, joviel wieDiscalceati, ſ. Barfüßer. 
Ex oapite (lat.), aus dem flopfe, aus dem Ge: 
dädtnifje; aus einem Rechtsgrunde. 
Ex cathödra, ſ. Cathedra. 


Ercavateur — Excenter 


Ercavateur (fr3., fpr.-töbr), ſ. Grabemaſchinen. 
Ecedeut (lat.), a der einen Erceh (j. d.) 
teneht. (j. Alimente, 
enmtennertzag, in Verfiherungsmwefen, 
Ereedieren (lat.), über die Grenze des Erlaub: 

ten binausgeben, einen Erceß (f. d.) begeben. 
encoe (fr;., ſpr. elkellangh), Vorzüglich: 


tät, Egcellenz (j. d.); par excellence, vorzugsmeije, 
un wahriten Sinne, recht eigentlid. 


Excellent, j. Ercellieren. 
‚Egeellenz (lat. excellentia, « Vortreflichkeit»), 
ein Titel, welchen zuerjt die langobard., dann die 
fränt, eg und deutſchen Kaiſer bis zum 14. Jahrh. 
ibrten. Darauf wurde er im 15. Jahrh. von 
den ital. Furſten angenommen, die ihn jedoch, feit- 
dem 1593 der franz. Gefandte in Rom, Herzog von 
Neverd, fich desjelben ‚bediente, was andere Ge: 
ſandte eriten Denget nachahmten, gegen Alle ver: 
taufchten. ie riten erhielten im Wejtfäli- 
ihen Frieden, die übrigen Fürjten erſt jpäter das 
Recht, Gejandte mit dem Titel E. zu ernennen, 
worauf dann die Reichsgrafen, welche diefen Titel 
eine Zeit lang ebenfalld geführt hatten, ftatt de3- 
jelben das Prädikat Erlaucht oder Hochgräfliche 
Gnaden annabmen. Seit 1654 fingen die Franzo⸗ 
fen an, ibren bödjiten Eivil- oder Militärbeamten 
den Titel €. (Excellence) beizulegen, und dieſem 
Beispiele eiferte man aud bald in Deutichland nad, 
wo im 18. Jahrh. jogar alademiſche Docenten und 
Brofejjoren (Sculercellenz) jene er prye- in 
Anſpruch nahmen. So iſt der Titel E. fait durch⸗ 
sängig, mit Ausnahme Frankreichs, wo er den Ducs 
—— und Italiens (Eccellenza), wo ihn jeder 
plige führt, in einen Amts- oder Dienfttitel um: 
ewandelt worden, der aber in Deutichland in ber 
el nicht mit dem Amte aufhört, und in neuerer 
Zeit nur von Miniftern, Wirklihen Geheimräten, 
Überpräfidenten, von den eriten Hof: und Militär: 
würden (vom Generalleutnant und Viceadmiral 
aufwärts), Botichaftern und Gouverneuren der 
Kolonien (von lestern nur während ihrer Amtäzeit) 
efübrt wird. In Frankreich lehnten ihn 1830 die 
inifter förmlich ab; doc fam er jpäter wieder in 
Gebraudb. In Amerika führt der Präfident der Ver: 
einigten Staaten ſowie der Gouverneur von Mafja- 
chuſetts ebenfalls den Titel E. (Excöllöncy), jedoch 
nicht offiziell durch die Konftitution der Vereinigten 
Staaten. In Preußen baben aud die Erzbifchöfe 
vom Staat den Titel €. 
Excellieren (lat.), ſich auszeichnen, vortrefflich 
fein; ercellent, ausgezeichnet, vorzüglich. 
Egzcelfior, Name des größten, 1893 zu Jagers: 
fontein im Dranje-Freiftaat gefundenen Diamanten 
von 971°], Karat. . 
Ercelfiormühle, eine zum Berfleinern von 
tterftofien, Erzen, Salz u. a, dienende, unvoll: 
men abſcherend wirlende Scheibenmüble. Sie 
führt in Frankreich den Namen Triturateur Anduze, 
in England bat man fie Devil-Disintegrator ge 
nannt; ihrem Mejen nad war fie jchon zur Zeit der 
Feldzuge Napoleons I. als Feldmühle befannt. Die 
aegenmwärtige €. bejtebt aus zwei Hartgußringen A 
und B (if. 4 .1), von denen der eine am Maſchinen⸗ 
Arm be ei igt ift, während der andere um die 
bie ziemlich rafch freift. Die beiden einander zu: 
etehrten Grundflächen der Ringe find nicht eben 
——— als ſehr flache Hohllegel geſtaltet. Auf 
tiefen Flächen erheben ſich kurze, im Querſchnitt 
treiedige Leiften, welche, wie Fig. 1 erfennen läßt, 


341 


am Außenrande der Ringe le, am \nnenrande 
weniger tief ineinander greifen. Man kann die 
Ringe A und B einander mehr oder weniger nähern, 
um bierburch bie Feinheit der Bermablung zu regeln. 
Das Mahlgut gelangt durch eine Röhre, welche im 





Fig. 1. 


Innern des feiten Ringes mündet, zu ber ben frei: 
jenden Ring tragenden Scheibe und wird burd 
diefe in der Richtung des in Fig. 1 eingetragenen 
Pfeils genen die Mablflädhen getrieben, welche es 
auf dem Wege zum äußern Rande der Mahlflächen 
allmählich zerkleinern. Fig. 2 giebt eine Draufficht 
des or B. 
Egeelfität (lat.), Höhe, Erbabenbeit. , 
Excenter, Ercentril ober ercentrifhe 
Scheibe, ein Mafcbinenteil, welcher dazu dient, 
von einer rotierenden Welle 
tleinere hin und ber gebende i 
Bewegungen abzuleiten. Das 
E. iſt ald der in Form einer 
Scheibe ermeiterte gaplen 
einer Kurbel aufzufaſſen, 
deſſen Durchmeſſer größer als 
der der Welle iſt und der, auf 
die Welle aufgeht, an jeber 
Stelle innerhalb ihrer Länge 
befeitigt werden fann. Die 
Melle braudt nicht gefröpft 
oder durch ercentrijche Aus: 
drehungen geſchwächt zu wer: 
den, wie e3 zur —— 
der gleichen geradlinigen 
Bewegung ohne die An— 
ordnung eines E. notwendig 
ſein würde. Die Ercenter: 
icheibe wird fait burchndingig 
aus Gußeifen bergeitellt. Um 
die Bewegung berfelben auf 
den gewünjcten gerade ge 
führten Punkt zu übertragen, 
wird fie von einem zweiteiligen 
Bügel, dem Ercenter: 
bügel, umfaßt, mit dem 
die Ercenteritange in 
Verbindung ſteht, bie 
an ihrem andern Ende 
mittels eines Gelents 
drehbar mit dem zu 
bewegenden Mai 
nenteil verbunden ift. 
n beiftebender Ab: 
ildung des E. mit 
Bügel und Stange für 
eine ftehbende Dampf: zur 
maſchine bezeichnet W N 
die rotierende Welle, 
A die mitteld Keils mit berjelben verbundene 
Ercenterfheibe, E_ den zweiteiligen mit einem 
Schmiergefäß verſehenen Bügel, 8 die Ercenter 


fig. 2. 











— — — ——— 


342 


ftange. Die hauptfächlichfte Anwendung findet das 
€. bei Dampfmaſchinen sur Bewegung der Steues 
rungsfchieber, wobei die Schieberitange durch ein 
bejondere3 Führun sftüd oder bei Heinen Maſchi⸗ 
nen nur durch die Stopfbüchſe des Schiebertaftens 
Gene geführt wird, und für den Betrieb der 

en, bei welchem das Ende der Excenter⸗ 


ae 1* und drehbar mit dem Pumpenlolben 
(Blunger) verbunden — 
Excentricität, in der Mathematik bei 


einem Kegelichnitt der : Abftand eines Brennpunttes 
vom Mittelpumtt (lineare E.); im Gegenjas zur 
linearen €. bezeichnet num eriſche €. jenen Ab: 
Ben dividiert durch die halbe Hauptachſe. — In 
er Bi yhologie ift E. Bezeihnung der Ge: 
a ober Handlungen , die auf den Mangel 
eines einbeitlihen, das Denten und Handeln ftetig 
beherrſchenden und nach vernunftgemäßen —* 
regulierenden geiſtigen Kerns der eit 
hinweiſen und dabei ven Eindrud des 
und 2* —— genen 
—— wie Excenter (ſ. d.). 

—— — —— heißen in der Geometrie 
ſolche in einer Ebene liegende Kreiſe ober ſolche 
Kugeln, die feinen gemeinſchaftlichen Mittelpunft 
baben. Ein —— Windkel iſt ein von 
zwei Sehnen eines Kreiſes, die ſich nicht im Mittel: 
punlte eg gebildeter Winkel. — E. in der 
un ogie, nn Ercentricität 

che "Seianfie, eiferne Hohlkugeln 
— er werpunltslage, durch die man 
in der legten Periode der glatten Geſchütze eine 
regelmäßige —e und erhohte Treff: 
—— erreichte. 
eeneilder Br Räder, ſ. Unrunde Räder. 


—— 


Geeentei 
zu. 


er en f. — 
Scheibe, Excenter. 
oeptio, Erception at.), Ausnahme, Eins 
— in — —— Bedeutung die 
Einrede (ſ. d.). Wenn Kläger und Bellagter im 
alten Rom vor dem Prätor verhandelt hatten, unter: 
ſchrieb der Prätor in einer Formel den Streitfall 
durch eine an den Richter erteilte Anmeifung. Auf 
—— e erg e übertragen etwa fo: «Wenn eö 
eyer dem €. —— e (aus dem 
an et en Drder ausgeftellten eigenen Wechſel vom 
ib De 1892 per 15. Dez. 1892) zweitaufend 
rt ſchuldet, verurteilen Sie ibn zur Zahlung von 
—— Mart ſamt 6 Broz. Zinfen ſeit 15. Dez. 
1892 n es nicht Mar tft, weiſen Sie die Klage 
ab.» Die —— der Schuld gr —— e 
fih unmittelbar aus dem Wedhjelr eben, der 
Richter fämtlih zu unterfuhen = fe zuftellen, 
aljo zunächſt, daß der Wechſel echt m abin ge 
hörte aber auch die Erörterung joldyer vom Bellag: 
ten vor dem Richter geltend gemachten Einreden, 
aus denen fi ergab, daß geſetzlich eine — 
ſchuld nicht ae: oder erlojchen fei, — 
ver Bellagte handlungsunfähig war, als er d 
Wechſel ausftellte, oder da der Me —J Ki 
(ih in der Summe, gefäl — ei, oder daß ihn der Be⸗ 
flagte dem Kläger gez e. Man faßte dieſe 
Verteidigung unter dem —* zuſammen, der 
Bellagte ſchulde nicht von Rechts wegen (ipso jure). 
* ing aber der Prätor weiter, er geftattete 
einer Amtögewalt dem Bellagten Einreden, 
— denen im Gefek damals noch nichts ftand. 
Das war eins der Mittel, durch melde der Prä: 
tor der Billigleit (f. d.) die Schranten des Rechts 


Ercentricität — Exceptio 


öffnete, ähnlich wie in England und Norbamerifa 
wi den equity und common law unterfchieden wird. 
ollte fi der —— auf ſolche durch Billigkeit 
geftüpte Einreden —— ſo mußte er ſie gegen 
den Anſpruch ſtren eht3 vor dem Prätor gel⸗ 
tend machen. Diejer machte dann einen entſpre⸗ 
enden Vorbehalt in der Formel, fo z. B. die be» 
rübmte E. doli (Einrede der Arglift). elbe war 
ald Ausnahme von der Anweiſung zur rteis 
lung gefaßt: si in ea re nihil dolo malo A. A. fac- 
tum sit neque fiat (e3 ſei denn, daß Kläger fi 
einer Arglift ſchuldig gemacht bat oder argliitig 
ordert). Nun mwürbe ſich der Bellagte * dem 
ichter haben berufen dürfen, der Wechſel ſei über 
eine Spielſchuld — — Bellagter babe 
feine Baluta erhalten u. dg ab eine Reibe 
von Geſchäften, bei —— * y/ er Einrüdung 
ber E. doli in die Formel nicht bene, weil die: 
jelbe von vornherein einen e. erbielt, welcher 
jene E. mit umfaßte: Der Richter jollte zu dem ver: 
urteilen, was der Bellagte nah Treu und Glauben, 
ex bona En, — en muͤſſe. Das war der Fall bei 
den ſog. dei⸗Kontralten, z. B. dem Depo⸗ 
fitum (}. —— (1.d.), dem Kauf (f.d.), ver 
Miete (1.d.). Heute verjtebt es fih von felbft bei Ber- 
trägen und Rechtsgeſchäften aller Art und in allen 
Be en, daß nur zu dem zu verurteilen ift, mas 
eflagte nah Treu und Glauben fchulvet. 
— haben wir keine — mehr, der 
Richter urteilt nicht nach der Anweiſung eines 
Oberbeamten, ſondern nah dem Geſetz oder einer 
onit gültigen echtsnorm. Gleichwohl zerlegen die 
riften auch noch beute die Rechtsverhältniſſe in 
nſpruch (actio) und Gegenanſpruch (exceptio) 


—* reden weiter noch von replica, welche dem 
läger gegen die E. des gten, und von 
plica, welche dem Beklagten gegen bie replica 


ee; Klägers ufteht. Das find Hilfsmittel der 
Ka — —— n, wie ſich ſolcher auch andere 
enſchaften bedienen. Und dieſe, die lorrelte Er- 
— rhoringung und Aburteilung eines 
vorliegenden Rechtsfalles erleihternden Hi —— 
ſind auch ar obne nr Bedeutung. 
wenn ber Grund ber ——— des —— 
Anſpruchs in einer dem Bellagten zuſtehenden E. 
liegt, fo kann der Anſpruch gültig werden, wenn 
die E. 3.2. durch — — des Anfprucs, 
Verzicht auf die E. hinwegfällt. In ähnlicher Weije 
tann eine Replit oder eine Duplit —— 
* E. wird mittels Einrede im Sinn des 
rozeſſes geltend gemacht, aber nicht jeder 
rede liegt eine E. im Sinne der Römer zu Gehe. 


Außer der E., replica und duplica doli, melde 
in gahlreichen, Froneen erden Wediielvrogefien 
auf lordnu 


heute Auer — 8* man 
einer E. non adimpleti contractus. 
gegenfeitigen Verträgen, wie Kauf, Beenden 
u w. fann der Beklagte, wenn er nicht nad) dem 
Geſetze oder der —— vorzuleiſten hat, 
ordern, daß der ur feine Verbinplichleit er: 
ülle, wenn er die 
ied madt der Be 


Jung des ——— fordert 

} vo die Waren fordert —— den Preis — it 

en. Bar bie le — und 
Er 3. B. die gelieferte 

der auf ben ang a belangte Bellgte vor de por der 

Zahlung befiere mit der E. non rite 

adimpleti contractus. t der E. divisionis be: 


‚yon 


Erceptionell — Ere 


7* tder Korrealſchuldner (f. Einer für Alle), 
Ho. mer Don mebrern Bürgen, welcher auf die 
une Shuld belangt wird, daß Kläger die übrigen 
anzieht. — Wal. Koſchembahr⸗ Lystomiti, Die 
Ikeorie der Erceptionen (Bd. 1, Berl. 1898). — 
Eplurium, die Einrede, daf während der Empfäng: 
nit mehrere Männer der Mutter eines unehe⸗ 
2 Kindes beigemohnt haben (f. Baternitäts: 


e). 

"reeptisnen (fr3.), eine Ausnahme enthaltend, 
ausnahmsweise ftattfindend. 

Exceptis exoipiendis (lat.), mit Ausnahme 
des Ausjunebmenpden. 

Egrerpieren (lat.), einen Auszug aus einem 
Aufias, einem Buch mahen; Ercerpt, Auszug. 
‚Egeth (lat.), liberjhreitung des Maßes, Aus: 
ömerfung, insbeſondere Übertretung von Polizei: 
geiegen, bie die Aufrebterhaltung der öffentlichen 
Ironung, Rube und Sittlichkeit bezweden; beim 
Rilitär die von den Soldaten in Trunfenbeit oder 
aus Mutwillen verübten Vergehen, melde nicht 
unmittelbar den ey er unterliegen. Dan 
ipricht auch von E. des Angeitifteten hinſichtlich der 
Mittel oder der Art des Verbrechens, ebenfo von 
€. bei der Notwehr (j. d.), 3. B. in Beftürzung, 
Aurcht oder reden, für welche Überfhreitung 
der —— der Verteidigung $. 53 des Reichs⸗ 
frafgejegbuches von Strafe abfieht. — Sphäri— 
ſcher €. beißt in ber ſphäriſchen Zrigono: 
metrie diejenige Größe, um melde die Wintel 
eines Dreieds zu groß gemeſſen werden, fo daß aljo 
ibre Summe nicht genau 180°, jondern einen etwas 
gen Wert bat. Der E. wird erft bei folden 
Dreieden bemerkbar, deren Seitenlänge mindeſtens 
10 km beträgt. Kleinere Dreiede können ohne Febler 
ala ebene betradhtef werden. — Bol. Baeyer, Das 
Mefien auf der ſphäroidiſchen Erdoberfläche (Berl. 
1862); von Bauernfeind, Elemente der Vermeſſungs⸗ 
funde (7. Aufl., 2 Bde., Stuttg. 1890). 

„ Exeeifiv (ftz.), dad Maß uberſchreitend; rd 
jived oder ertremesRlima, ſ. Rontinentaltllima. 
(enal., for. tſchehndſch), Austaufc, 


Umtauſch; Weniel: se. 
pr. -ticheder, d. i. Schad: 


Erdequer (eng “is 
brett), des Schaplammergericht3 (Court of 
Exchequer) in England, wahrſcheinlich wegen des 
nad Art eines Schachbretts gemürfelten Fußbodens 
oder Teppichs, der eine Auszeichnung des Saals für 
das hödyjte Gericht der Baird war. Das Schatzlam⸗ 
mergericht ijt die oberjte Behörde für alle die Staats⸗ 
einfünfte betrefienden Angelegenheiten, und als 
Schasmeifter und Siegelbewabrer desfelben führt 
der engl. ——— den Titel Chancellor of 
the Exchequer. (S. auch Engliſche Verfaſſung.) 
Exchequer Bills (engl., ſpr. -tiheder) oder 
Schätkammerſcheine, Schuldverſchreibungen, 
die das engl. Finanzminiſterium auf Grund eines 
Barlamentsbeihlufies ausgab, um ſich auf lurze 
Ariften und ohne Bermebrung der fundierten Staats⸗ 
chuld Geld zu verſchaffen. Als unmittelbare Bor: 
läujer der E. B. find die unter Wilhelm III. aus: 
aeaebenen Exchequer tallies und Orders of pay- 
ment anzujeben, die 1696 ein Disagio von 40 bis 
60 Proz. aufmiejen. Spätere Ausgaben waren be: 
liebter, und die Ausgabe von E. B. erreichte ſehr 
bobe Dimenfionen, jedoch war es häufig nötig, die 
von E. B. durd Fundierung, d. h. dur 
Ausgabe von entſprechenden Beträgen der fundiers 
ten Staatsſchuld, zu bewertitelligen. 


343 


Aus Anlaß des Krimkrieges waren 1854 aud) ſog. 
ErbequerBond3 geihaffen worden, die ſich von 
den Billd dadurch unterfchieden, daß fie eine Ber: 
fallszeit von mebrern (3—5) Jahren hatten. 

Seit 1877 endli werden auch jog. Treafury 
Bills ausgegeben, welde unverzinslic find, eine 
Laufzeit von 3 oder 6 Monaten haben und wie 
Mecfel distontiert werden. Seit 1892 erfolgten 
regelmäßige Tilgungen, und die 31. März 1896 
nod) ausftehenden €. B. im Betrage von 3131100 
Bid. St. wurden ebenfo wie die Exchequer Bonds im 
Betrage von 325000 Pfd. St. während des Finanz: 
jahres 1896/97 getilgt. Demnach beftand die game 
\hmebenbe Schuld 31. März 1900 aus Treafury Bills 
im Betrage von 16 133000 Pfd. St., und es find jebt 
weder E. B. noch Erdhequer Bonds im Umlauf. 

Exchequer Bonds, |. Exchequer Billa. 
Excipiens, foviel wie Constituens (ſ. ): , 
Sreiflon (lat.), Ausihneidung, z. B. der Klitoris 
(f. Beihneibung); Exciſũr, Ausſchnitt. 

Egeitieren (at), anregen, antreiben; ercis 
täbel, erregbar; Ercitabilität, Erregbarleit; 
Exeitantla, 2 reizende, belebende Heil⸗ 
mittel, wie Rampfer, Noichus, Aihet, Alkohol, Kaffee, 
Thee; Ercität, der Gemeinſchuldner im Konkurs; 
Ercitation, Erregung, Aufmunterung; ercitas 
tiv, erregend, annehmend, antreibend; Ercita: 
torium, obrigfeitlihes Anmahnungsfcreiben. 

Exolusiva (lat., zu ge sententia), im all: 
—— Einſpruchsrecht bei Beſetzung geiſtl. Umter. 

eſonders bat ſich bei der Papſtwahl herfömmlich 
feit dem 16. Jabrh. die Befugnis herausgebildet, 
daß die größern kath. Staaten (Öfterreih, Franlk⸗ 
reih, Spanien, früher Neapel) bei jeder Wahl je 
einen Rarbinal für polo wahlunf ig erflären 
dürfen. Diefe Ausſchließung von der Wäbhlbarleit 
wird E. genannt. Rechtsſätze über die E. find nicht 
— (S. Papſtwahl.) — Val. (Greppi), Über 
die Rechte der Regierungen beim Konklave (Münd 
1873), und Wahrmund, Das Ausſchließungsrecht. 
Jus exclusivae (Wien 1888). 

Exooecarla L., Blindbaum, Pflanzengat: 
tung aus der Familie der Euphorbiaceen (f. d.) mit 

egen 30 Arten im tropischen — Afrila und 

uftralien. Es find Bäume oder ſtrauchartige Ge: 
wächſe mit unanſehnlichen Blüten. Die füdafiat. 
Strandpflanzge E. Agallocha L. hielt man früher 
irrtümlich für die Stammpflanze des ald Räucher⸗ 
wert dienenden Aloe: oder Adlerbolzes (f. Agalloche⸗ 
bolz). Der jebr giftige Milchſaft diefer Pflanze ruft, 
ing Auge gebradt, ſtarke, zuweilen mit Erblindung 
endende Entzündungen bervor. 

Ex oommissiöne (lat.), infolge Auftrags. 

Ex oono6össis (lat.), nad dem Jugeftandenen. 

Exoreta [(lat.), ſ. Erfremente. 

Exoretlo (lat.), Ausleerung (f. d.). 

Exoud,, Abltürzung für Excüdit (lat., «hat es 
—— es wurde auf alten Kupferſtichen dem 

amen des Druders beigeſetzt; sculps. et excud. 
(o. i. sculpsit et excudit, «hat es gejtohen und ge: 
drudt»), wenn der Stecher zugleich Druder oder 
Berleger deö Blattes war. (S. auch Pinzit) 

Exousez! (je, Ir. -füjeb), entſchuldigen Sie! 

Exoy., engl. Ablürzung für Excellency (Er: 
allen ».) j 


). ſſcheids. 

deoröto (lat.), auf Grund gerichtlichen Be: 
Erbiftätor, |. Ex. 

&ge (Er) $ in den engl. Grafihaften So: 

merjet und Devon, entiprinat auf dem Ermoor: 


344 


böben, nur 7 km füblih vom Briftoltanal, fließt 
uerft nah SD., dann nad S. berührt Dulverton, 

iverton, Ereter, beginnt bei Topſham fein 13 km 
langes Hlftuar und mündet nad einem Laufe von 
88 km bei Ermoutb in den Kanal. 

Exöat (lat.), «er mag binausgehen!» bifhöfl. 
Erlaubnis für einen Geijtlihen, in einem andern 
Sprengel eine — anzunehmen. (S. auch Di: 

Exedentia (lat.), Amittel. [mifjorialien.) 

Exedra (grch.), in den grieb. Gymnaſien eine 
balbrunde, mit Sitzen verfehene Niſche der Säulen: 
balle; im röm. Wobnbaus das Gefellihaftäzimmer, 
deſſen beide Enden in einen Halbkreis mit einer an 
der Wand umberlaufenden Bank zum Sigen aus: 
liefen; im mittelalterlihen Kirchenbau foviel wie 
Apfis (f. d.) oder überhaupt Anbau. In neuerer 
geil nennt man €. einen nad außen go öffnenden 

!iihenbau an einem Gebäude, 3. B. im Garten 
ded Vatilans oder am neuen er Dresden. 

Exegeie — Erllärung oder Ausdeutung; 
—— zeichnung für die Auslegung der 
Heiligen Schrift. Gelehrte Schriftausleger heißen 
—— Iſt die E. zugleich Wort: und Sad: 
erflärung und erflärt fie eine Schrift nad ihrem 
Zufammenbange — fo heißt fie fommen: 
tar; die Erörterung einzelner Wörter und Sätze 
nennt man Scholien. Die wiſſenſchaftliche Dar: 
ftellung der Regeln und Hilfömittel der Auslegung 
beißt Hermeneutif (f. d.). Zur Zeit Jefu, als die 
Anjhauungen des Judentums vielfah über den 
urfprünglihen Gebantengehalt des Alten Teita: 
ments hinausgewachſen waren, übten die Rabbiner 
Alerandriad und Baläftinas die je: Allegoriſche 
Auslegung (f. d.), und auf gleiche Weiſe ſuchten die 
älteften Ebrijten die Mefftanität Jeſu, Baulus und 
feine Schule das Recht der geſehesfreien Heiden: 
miffion aus dem Alten Selament zu ermeijen. 
Drigenes brachte zuerft durch Scharfe Unterſcheidung 
des buchſtäblichen, moralijhen (oder tropiſchen) 
und myſtiſchen (oder pneumatiſchen) Sinnes die 
—— ig Ir einer, wenn auch noch 

ejhräntten Geltung. Noch jtrengere wiſſenſchaft⸗ 
lihe Grundfäge befolgte die ſyriſche hiftor.serege: 
tiihe Schule, deren nambafteiter Vertreter Theo: 
borus von Mopfueftia war. Seit der Ausbildung 
der firhlichen Ortbodorie ſank die Schriftauslegung 
zu bloß traditioneller Fortpflanzung der in bejon: 
dern Sammlungen (asp re Erllärungen 
ber Väter (Catenae, ſ. d.) herab. Sole Rompilatio: 
nen blieben bis in das 12. Jahrh. die einzigen 
eregetiihen Arbeiten. Dabin gebören aud die 
Eammlungen des Iſidor, Beda, Altuin, Rhabanus 
Maurus, Haimo, Walafrid Strabo u. |. w. Tuch—⸗ 
tigereö wurde nur von jüd. Gelehrten, wie von 
Ealomo Jarchi, Aben-Edra und David Kimchi für 
die E. des Alten Teſtaments geleiftet. Erit feit dem 
13. Jahrb. findet man bei einzelnen Theologen, wie 
namentlich bei Nitolaus (if. 3) von Lyra, das Stres 
ben nad ee rag her €. wieder. Doch 
blieb die Schriftauslegung in der kath. Kirche an 
das firhlihe Dogma gebunden. Vielfach ſchied 
man in dem Schriftworte einen vierfahen Sinn: 
I) den Wortfinn, der die Thatfache feftftellt, 2) den 
allegoriſchen Einn, welcher den Glauben beitimmen, 
3) den tropologiichen oder moralifhen Sinn, der 
auf das fittliche Leben, 4) den anagogiihen Sinn, 
der auf die Erhebung des Gemüt mwirten foll. 

Durch das Wiederaufleben der Wifienichaften und 
die Humaniften des 15. Jahrh. wurde wieder eine 


Exeat — Exegi monumentum aere perennius 


beflere €. angebahnt, namentlid durch Paurentiue 
Valla, Erasmus, Jakob Faber Stapulenfis u. a. 
Qutber ftellte die Forderung auf, fi ftreng an den 
Wortfinn zu halten, und drang desbalb auf ein 
ründlihes Studium der alten Spraben. Dod 
Bat auch er von der allegoriichen E. ſich nicht frei 
gehalten, und feine zahlreihen Schriftlommentare 
dienen viel mehr praftiich:erbaulihen als wiſſen— 
—— Zwecken. Auch ſtand die Gebunden— 
eit des dogmatiſchen Denlens an die Autorität 
der Schrift als des goöttlichen Wortes einem un: 
befangenen geſchichtlichen Scriftverftändnifie im 
Wege. Trogdem bezeichnen die Auslegungen eines 
Sutber, Melandtbon, Calvin und Beza den An- 
ang einer neuen Periode in der Geſchichte der E. 
atthias Flacius jtellte in feiner «Clavis Scrip- 
turae Sacrae» (1567) zuerft die neuen bermeneu: 
tiihen Grundfäge zufammen; Glaffius und Bur: 
torf madıten fib um Erforſchung der biblifchen 
Sprache verdient. Allerdings führte juerft die über: 
—— Orthodoxie, welche auch die Schrift: 
orſchung namentlich in den ſog. Beweisſtellen für 
dogmati * Sätze an eine exegetiſche Tradition 
band (orthodoxe E.), danach der nur auf Erbau: 
lichkeit der Auslegung jebende Pietismus einen 
neuen Stillftand im Ausbaue der €, herbei; deſto 
größer waren aber die Fortſchritte, melde fie ſeit 
der Mitte des 18. Jahrh. machte, befonbers nad: 
dem die Theologen oh. Aug. Erneiti und Job. 
Salomo Semler tühtige Grundfäge über Herme: 
neutif aufgeftellt batten. 
Aus einer Verbindung der neuern philol. Grund: 
fäße mit den Ergebniſſen der bijtor. Bibelkritif 
ing die neuere, grammatifch:hiftorifche E. bervor. 
* den lexilographiſchen und grammatiſchen 
Arbeiten von Geſenius, Ewald, König, de Lagarde 
Siegfried, Neſtle u. a. für das Alte, von Winer, 
Buttmann, K. H. A. Lipſius, Wahl, Bretichneider, 
Wilibald Grimm, Blah, Schmiedel für das Neue 
Teſtament, find namentlic ablreihe Kommentare 
zu nennen, welche die bibliſchen Schriften nad den 
Grundbfäßen der neuern €. bebandeln: für das Alte 
Zeftament von Gejenius, Ewald, De Wette, Anobel, 
Hisig, Olshauſen, Camphauſen, Dillmann, Merr, 
Smend, Dubm, Budde, Nomwad u.a.; für das Neuc 
Zeftament von Frisihe, Lüde, Baulus, De Wette, 
Meyer, Lünemann, Rüdert, Bleel, Holgmann, 
Weiß, Holiten, Lipfius, Schmiebel, von Soden, 
Schmidt, Zittel u. a. Auch die neuere Entwidlung 
der bijtor. Kritit dur 3. Chr. Baur und die fog. 
rruge Schule bat für die €. der neuteftament: 
lihen Schriften reiche Früchte getragen. Gegen: 
fage zu dieſer grammatiſch-hiſtoriſchen €. kam na: 
mentlich feit der Realtionszeit 1850 die fog. theo— 
logifhe €. wieder auf, eine Miſchung Ar Ani 
und erbaulicher Schriftauslegung. Vertreter dieier 
Richtung find: Herm. Dlsbaufen, Hengitenberg, 
Harleß, Delinih, Keil, Kurz, Hävernik, von Hot: 
mann (in angen), Baumgarten, Lutbardt, 
Strad, Zoedler, Drelli u.a. — Vgl. Reuß, Ge: 
ſchichte der heiligen Schriften Neuen Teſtaments 
dene Bud; 6. Aufl., Braunſchw. 1887); Dieftel, 
eihichte des Alten Teſtaments in der hrıftl. Kirche 
(Sena 1868); Immer, Hermeneutif des Neuen 
eftaments (Wittenb. 1873). 
Exegẽten, ſ. Eregeie. 
Exögi monuméntum aere perennlus, 
«ein Denkmal, dauernder ald Erz, babe id er 
richtet», Eitat aus Horaz’ «Den» (III, 30, ı). 


Erefrieren — Erefutivftrafe 


!ptler en (lat.), verwünfhen, verfluchen; 
trelration, Verwünidung, Flud; ereträbel, 
i ‚ abicheulic. 
tieren (lat.), ausführen, vollitreden, be 
vonder ein Urteil vollitreden, einen Verbrecher hin: 
näten (vgl. Erekution). 
ou (lat.), imallgemeinen die Erzwingung 
ener geichuldeten pofitiven oder negativen Leiſtung 
« awfrehtlih georbnnetem Wege. Der Weg ift verſchie⸗ 
ven für privat» und öffentlidh:rechtliche Leiſtungen. 
vezuglich erjterer fpricht man beute in Deutſchland 
von Jmangsvollitredung (f.d.), in Oſterreich dagegen 
neb von. (Eretutiongorbnung vom 27. Mai 1896). 
Bezüglich lesterer ift zu untericeiden zwiſchen €. 
im Strafpro elle (3.B. Volljtredung der Todes: 
frafe), E, im Bermaltungsmege, d. b. zur Er: 
—— von Anordnungen der Verwaltungsbe—⸗ 
eden, Verwaltungsgerichte, und E. im ſtaats— 
und völterrechtlichen Sinne. Wegen der beiden 
eritern E. ſ. Strafvollzug, Hinrihtung und Verwal: 
tungszwang. Die legtere beitebt darin, daß bei einem 
Staatenbund oder Bundesitaat die beteiligten Staa: 
ten von ber Gelamtbeit zur Erfüllung ibrer Bundes: 
richten zwangsweiſe (Cinrüden von Militär, Se 
aueftration der Regierung) angehalten werden. Der 
Deutſche Bund jab in der Bundesalte vom 8. Juni 
1315 und in der Wiener Schlußalte vom 15. Mai 
1320 (Art. 31 fg.) eine Bundeserefution vor, 
welche indes an ich jchwerfällig und, wie die Ereig⸗ 
niffe bis zum J. 1866 gelehrt haben, hinſichtlich 
ibrer Wirkſamkeit zweitelbafter Natur war. Ebenjo 
fennt die Verfaſſung des Deutiben Reichs vom 
16. April 1871 (Art. 19) eine Bundeseretution. 
Diefer Artikel beitimmt, dab, wenn Bundesglieder 
ibre Bundespflichten nicht erfüllen, alfo 3.B. Reichs: 
geſetze oder Beieble und Entſcheidungen der Reichs⸗ 
organe nicht beadten, fie rn im Wege der €. 
angebalten werden lönnen, melde vom Bundesrate 
zu beichließen und vom Kaifer (duch Anwendung 
militär. Macht) zu vollftreden ift. Das biftor. Vor: 
bild hierzu bildet die durch die Reihserelution3: 


ordnung von 1555 geordnete E. reihägerichtlicher | 


Urteile gegen Kreisftände durch die Reichskreiſe. 

—— —— ne 
Erefutiondiyftem, im enjaß zudem Aban: 
donfvitem (f. Abandon), welches durch Abandon 
des Ehinsvermögens oder der Ladung, die Ver: 
bin der Erefution ——— er⸗ 
mõglicht, das Princip mancher Seerechte, nach wel⸗ 
Dem den Glaubigern des Reeders und der Ladungs⸗ 
inte reſſenten auf Grund eines zu ihren Gunſien 
allten Urteils geſtattet wird, eine normale Exe⸗ 
ion in das Vermögen der Schuldner zu voll: 
sieben, wenn auch regelmäßig nur in einen beſchränk⸗ 
ten Zeil des Bermögens (Schiffävermögen, f. d.) 
eder zwar in das ganze Vermögen, aber nur bis 
Im einer von vornherein feitgejegten Grenze. Die 
stere Art der Beichräntung ih dem engl., die erftere 
dem deutjchen, ſchwed. und norweg. Seerecht eigen. 
Egefutive, 1) ald Vollziehung, alle Thätig: 
keit des Staated umfajjend, welche nicht Geſetzge⸗ 
bung oder Rechtſprechung tt, aljo eine Staats: 
tion, eine Thätigleitäform des Staates, Ihr 
t ift umfafjender, als ihr Name jagt. Die €. 
ut nicht bloß ein unjelbjtändiges Pur üben von 
Geiegen und Urteilen, jondern auch ein freies, ſelb⸗ 
Händiges, nad Zmedmäßigteit rn Han: 
deln innerbalb der Schranten von Geſeß und Ur: 


teil, baber der andere und beſſere Name Verwaltung; 


345 


2) ala Eretutingemalt, vollziehende Ges 
malt, die Gefamtheit ver Staatäorgane, welche voll⸗ 
ziehend thätig find, im Gegenjaß zur legislativen 
und richterlihen Genaltna derjeitdem 18. Jahrh., 
namentlich unter vem Einfluß von Montesquieu ver: 
breiteten Theorie von der Teilung der Gemwalten 
im Staate, die dabin gebt, daß fich die Staatsge— 
walt praltiſch in drei Zeile zerlegen laſſe und u 
es für den Schuß der Unterthanen vor Mißbrau: 
der Staatögemwalt gut fei, wenn dieje drei Zeile in 
der Hand nicht eines, fondern verjchiedener von: 
einander unabhängiger Organe in oberiter Initanz 
liege. Dieje Theorie bat lange Zeit die wie aft: 
lie Auffaffung des Staates beherrſcht, iſt in viele 
Verfaffungen, namentlich aud in die der norbameril. 
Union, jowie in die belgifche übergegangen und bat 
nod jest eine weite Verbreitung in den polit. An- 
ſchauungen der Menge. In der Wiſſenſchaft iſt fie 
überwunden; es giebt drei verjchiedene Thätig: 
teitsformen des Staates, aber nur eine einheitliche, 
nicht drei Staatögemwalten, und die Zerlegung dieſer 
einen Staatögemwalt in drei voneinander getrennte 
Teile ijt praftiih unausführbar. Montesquieu 
jelbft ihon maht Ausnahmen von feiner Regel. 
Dazu lommt, daß es nad dem Weſen der verjcie: 
denen Staatöfunftionen unmöglich ift, die drei 
Thätigkeitäformen des Staates in die Hand dreier 
voneinander unabhängiger Organe zulegen. Nach⸗ 
dem das Auflegen von Steuern ein Alt der Geſetz⸗ 
gebung, dieſe aber nad) jener Lehre der Voltaver: 
tretung zufteben joll, andererjeit3 aber die Führung 
der E. der Berwaltung, obme Geld nicht möglich 
ift, liegt in Wabhrbeit bei der ſog. Teilung der Ge: 
walten immer eine Barlamentäberrihaft vor. Die 
deutſchen Staaten beruben auf monardiichem Prin⸗ 
cip, aber die Lehre und der gute Zwed der Teilung 
der Gewalten bat bier dabin geführt, daß der Mon⸗ 
arch in der —— an die Mitwirkung einer 
von ihm abhängigen Voltövertretung, in der Recht⸗ 
ſprechung an die Stellvertretung durb von ibm 
unabhängige Richter, in ver E. an die Mitwirkung 
ihm frei gegenüberjtehender Minifter gebunden it. 
Egefutivgemwalt, ſ. Eretutive. 
ekutivprozefz, eine Art des frühern Sum: 
mariſchen Prozeſſes (f. d.), deren Cigentümlichteit 
darin beitand, daß der Kläger die Anſpruch begrün: 
denden Thatfachen fofort dur Urkunden liquid zu 
ftellen u während im übrigen ald Beweismittel 
nur Urkunden und Eideszuſchiebung zuläffig waren. 
Aus dem €, ift der —— — d.) der Deuts 
fhen und das Verfahren in Wechielftreitigleiten der 
dfterr. Civilprozeßordnung hervorgegangen. 
&gefutivftrafe, Inge —— im Gegen⸗ 
Inbe zu der orbentlihen, faft ausſchließlich von 
tihtern verhängten Strafe, durch melde eine 
begangene That gelühnt wird, diejenige Strafe, 
durch welde eine zulünftige Handlung oder Unter: 
lafjung erzwungen werben will. Sie wirb mehr, 
als von Richtern, von Verwaltungsbebörden ver: 
hängt. Ihre Hauptanwenbung — ſie zur Er⸗ 
—— des polizeilichen Gehorſams und des Ge⸗ 
orſams gegen finanzielle Vorſchriften (z. B. zur 
Erzwingung der Vorſchriften über Behandlung der 
Tabalspflanzen und Art der Berpadung derſelben 
im fteuerlichen Intereſſe), außerdem zur Erzwingung 
des dienitlichen Geborjams, der Aufſichtsbefehle 
über die dem Staat unterftebenden Selbſtverwal⸗ 
tungälörper (Gemeinden, Genoſſenſchaften, Kaſſen), 
der Berleibungsbedingungen bei öffentliben Unter⸗ 


346 


nebmen (Eifenbabnen u. f. m.), dann im Gebiete des 
Eivil:, Strafprozeiles und der freiwilligen Gerichts: 
barkeit. Reichögejeglich find E. 5. B. angedrobt in 
einigen Fällen der Zwangsvollitredung nah Bor: 
fhrift der Eivilprogekorbnung ($$. 888, 901), in 
der Civil: und in der Strafprozeßordnung ($$. 390, 
69) zur Ergwingung des Zeugnijjes, übrigens unter 

ewiſſen Beichränfungen, und in vielen Fällen des 

andelögefeßbubs. Manchmal nennt die Geſetz⸗ 
gebung die E. Ordnungsſtrafe (f. d.), jo z. B. im 
Staatädienftrebt. Von der Disciplinaritrafe ift 
dieſe dienſtrechtliche E. dadurch unterſchieden, daß 
ſie nicht, wie dieſe, beſſern will. 

&zefätor (lat.), der zur Zwangsvollſtreckung be: 

ellte eng Für die Zwangsvoll⸗ 
edung in bürgerliben Rechtsſtreitigleiten find 
te bie Gerichtävollzieber (j. d.) beftellt; zur Ber 
waltungserelution find nah den Landbesgejeh- 
gebungen vom Staat, von der Gemeinde oder andern 
Öffentlichen Korporationen befondere Bollitredungs: 
beamte bejtellt, doch werben auch die Gerichtävoll: 
jieber mit der Berwaltungseretution beauftragt. 

Erelmand (Ercelmans, jpr. -mäng), Remy 
Joſeph Iſidore, Graf, franz. Marſchall, geb.13.Nov. 
1775 zu Barsle-Duc, trat 1791 in ein Freiwilligen⸗ 
bataillon ein, zeichnete ſich als Adjutant Murats 
beſonders 1805 bei Wertingen aus, ging mit die: 
ſem 1808 nah Spanien und wurde bier gefangen 
genommen und nad England transportiert. 1811 
gelang es ihm nad Neapel zu Murat zu entlom:- 
men, ber ihn zum Großitallmeifter ernannte. Cr 
trat wieder in die franz. Armee zurüd, zeichnete ſich 
als —— in den folgenden Feldzügen 
aus, vornehmlid an der Mostwa und bei Wawre 
ſowie 2. Juli 1815 bei Verſailles. Nach der zwei: 
ten Reitauration projtribiert, lebte er im Auslande; 
1830 wurde er wieder in feine Würde eingefegt, 
1831 berief ibn Ludwig Pbilipp in die Bairstam: 
mer; 1849 wurde E. zum Großlanzler der Ehren: 
legion und 11. März 1851 zum Marihall von 

anfreih ernannt. Er itarb 22. Juni 1852 zu 

aris infolge eines Sturzes mit dem Pferde. 1898 
murde ihm in Bar:le-Duc ein Bronzeſtandbild er: 
richtet. — Val. Greneit, Le comte E. (Par. 1898); 
Andre, Le maréchal E. (Bar:leeDuc 1898). 

Exempel (lat. exemplum), Beifpiel, Mufter, 
arithmet. Aufgabe, warnendes Beijpiel (ein €, 
ftatuieren); exempli causa oder gratia — 
e. c. oder e. g.), beiſpielshalber, zum Beiſpiel; 
exempla docent oder illustrant, Beifpiele belehren, 
erläutern; exempla (nomina) sunt odiösa, Bei⸗ 
ne (Namen) find verbaft oder gebäflig, d. b. 

nführung von Beifpielen (oder Nennung von 

men) madt, wenn ein Tadel ausgeſprochen 
wird, verhaßt, wird vorſichts halber unterlafjen. 

Eremplär (lat.), Mujter, Borbild, einzelner Ab: 
drud (von Büchern, Rupferftichen u. del.); erem: 

lãriſch, mufterbaft; auch zum abfchredenden Bei- 
piele dienend (4. B. exemplariſche Strafe); Erem: 
plarität, Muiterbaftigtleit. 

Exemplifizierea (lat.), durch Beifpiele er 
weijen, erläutern; auf etwas als Beifpiel hinwei⸗ 
fen; Eremplifilation, Erläuterung, Beweis 
durch Beifpiele; exemplificatio documenti, beglau: 
bigte Abſchrift einer Urkunde, 

Exemplum, j. Erempel. 

Eremt, ſ. Eremtion. 

Eremtion (lat.), Ausnabme, Befreiung von 
einer ſonſi allgemeinen Laſt oder Verbindlichleit, 


Erefutor — Erequien 


daher Erimierte oder Eremte, d. i. foldhe, wel: 
hen dieje Ausnahme zu gute lommt. Im Kirchen: 
recht bezeichnet E. 1) die Befreiung eines kirch— 
lihen Organs von der Unterordnung unter den 
unmittelbaren regelmäßigen Kirchenobern. bes 
dem gab es fehr viele Klöjter, Kapitel, Würden, ja 
anze Orden, auch Univerfitäten, die der ordent⸗ 
ichen bifchöfl. Gerihtäbarleit entzogen und durch 
rivileg unmittelbar dem Bapit unterworfen waren. 
eſe E., mit ber Ermeiterung der päpitl. Macht 
zufammenbängend, erlitten große Einfhräntungen 
dur das Tridentiniſche Konzil. Später erloſchen 
viele E, durch Säkulariſation. Eremte Bistümer 
find beute nob Breslau, Ermland, Osnabrüch, 
Hildesheim, Strabburg, Mes, die fünf Bistümer 
der Schweiz. Eremte Klöfter find in Deutſchland 
nicht mehr vorhanden, in der Schweiz St. Naw 
rice im Wallis; dagegen ift in Preußen, wie auch 
in Öfterreih, die Armee gegenüber den Biihöfen 
eremt. Die meiblihen Orden unterjteben regel: 
mäßig ganz, die männlichen bezüglich der von ihnen 
mn Seelforge und Sakramentöverwaltung den 
iihöfen. Die Vorfteber der E. find regelmäßig 
Titularbijchöfe in partibus infidelium, 3. B. der 
preuß. Feldpropſt. Auch in der evang. Kirche 
kommen E. vor. So unterftebt das prot. Delanat 
Münden unmittelbar dem Oberkonſiſtorium. (©. 
In partibus.) 2) vie Befreiung des Kirchengliedes 
vom Pfarrzwang, d. b. Freiheit von Unterorb: 
nung unter den Pfarrer des Wohnortes, jo das 
man fich eined andern Pfarrers bedienen darf. — 
Über erimierten Gerichtsſtand ſ. Gerichts— 
ſtand und Erterritorialität. 

Eren, Drei, Burgruinen bei Egisheim (f. d.). 

Exenteratio bulbi (lat.), die Ausweidung des 
Augapfels, beftebt darin, daß die Hornhaut mit 
der Schere umfcnitten und im — — 
mit Regenbogenhaut, Ciliarkörper, Linſe, Glas: 
lorper und Netze und Aderhaut unter Verwendung 
eines lörffelförmigen Inftrumentes herausgenommen 
wird; es bleibt dann noch die Lederhaut oder Sclera 
zurüd, welche entweder durch Nabt einfach geiotoften 
wird oder dur ——————— Glas⸗, Elfenbein⸗ 
oder Edelmetallkugel zur Erhaltung der Form des 
Augapfels geitügt wird. Letztere uche ſind be⸗ 
züglich des dauernden Erfolges noch ſehr umſtritten. 

— (lat.), die Eingeweide heraus⸗ 
nehmen, ausweiden; Exenteration oder Exen— 
terismus, das Herausnehmen der Eingeweide, 
ſ. Embryotomie. 

Exequãtur (lat., «er volljiehe!»), 1) die dem 
Roniul (f. d.) der fremden Macht erteilte Erlaubnis 
zur Ausübung feiner Funktionen; 2) die Erteilung 
des Placet (f. d.). , , 

Exeque, ein Getreivemaß in den portug. Be: 
fisungen in Niederguinea, geteilt in 4 Cazungueles 
und an Inhalt ungefähr der Fanga von Lijjabon 
(55,68 ]) ers , 

Erequiälmeffe, ſ. Erequien. 

Grequien (lat. exsequiae), bei den Römern die 
feierliche Leichenbegleitung und überhaupt die Be 
itattungsceremonien (j. — Toten); in 
der tath. Kirche werden damit Seelenmefien für 
den Berftorbenen, in der Regel in der PVfarrtirche, 
zu der er gehörte, verbunden (Erequialmefien); 
weitere Seelenmefien werden an andern Tagen, 
namentlihb am Jahresgedächtnistage ded Todes 
(Anniverfarium) gehalten. — Val. Probit, Ere 
quien (Tüb. 1856). 


Erequieren — Ererzierreglement 


Epegnieren (lat.), vollziehen, vollftreden, durch 
Erution ({.d.) Schulden eintreiben, auspfänden. 
Exeroitia. spiritualla (lat., «geiftlihe Ubun— 
ga»), in der kath. Kirche bejonders von Ignatius 
on Loyola nah ſchon vorhandenen Muſiern ein: 
gührte und burch die Sejuiten viel verbreitete, 
wmier Zeitung eines Geiftlichen angeitellte Übungen 
mder Srömmigteit, wie Betrachtungen, geiſtliche 
geltionen, Gebete, die, in vier unbeftimmte Zeit: 
abinitte (Wochen) geteilt, in vorgejhriebener Ord- 
zung miteinanber wedjeln verbunden mit einem 
rg en und entbaltiamen Leben. Für Prie⸗ 

er vor pfang der Weihen vorgeichrieben, für 
Laien vor dem Genuß des Abendmahls empfohlen, 
merden fie von Geijtlihen und Laien auch ohne 
ſelchen Anlaß je nah Bedürfnis übernommen. — 
Bal. Diertins, Historia exercitiorum spiritualium 
(fteib. i. Br. 1896). 

—— at.), Übung, insbeſondere die mili⸗ 
tär. Schulung (j. Ererzieren); im Unterricht die ſchrift⸗ 
liche häusliche Überjegung in eine fremde Sprade. 

Egergue (fr;., jpr. -erg, «Abfchnitte), in der Nu: 
mis it der Heine unter dem Gepräge einer Münze 
befindliche und von ihm durch eine Linie abgefonderte 
Kaum, in dem gewöhnlich die Sabraabl oder das 
Müngzftättenzeiben ift; auf neuern Münzen jelten. 

&zgerzieren (Tat.), üben, einüben, beſonders 
im Bezug auf die Truppenausbildung gebraudt. 
Unter E. im weitern Sinne veritehbt man die 
Schulung und Vorbereitung der Führer und Mann: 
ibaften für den Krieg. Alle Übungen müfjen daher 
auf ben Krieg berechnet jein. Die wichtigiten An: 
forberungen, die der frieg Bea find: ftrengjte 
Disciplin und Ordnung bei hödfter Anſpannung 
aller fFräfte. Diefe Eigenjhaften der Truppe jo 
anzuerzieben, daß fie ibr zur andern Natur werden, 
ift ein Hauptzwed aller Ü * auf dem Ererzier: 
plaß mie im Gelände. Die Bedingungen des Ge: 
techtsfeldes auf dem Übungsplak im vollen Um: 
fange zum Ausdrud zu bringen, ift freilich nicht 

id: neben den Berluften feblen auch die 
fonftigen Eindrüde, die im Ernfte nachteilig ein: 
wirten. Eine wejentlibe Aufgabe der Friedens: 
ausbildung ift e8 daher, den moralifhen Wert der 
Truppe zu begründen und zu fteigern und alle auf 
diefes Ziel wie auf die Erhaltung der Manns: 
zucht binwirlenden Mittel in Bewegung zu jegen. 
Diefe Aufgabe wird zu einem nicht geringen Teil 
agelöjt durch Erhaltung der Strafiheit in Darftellung 
der einzelnen formen bei allen Übungen. 

Unter €. im engern Sinne oder Schulerer: 
31eren verftebt man die Einübung der Truppen in 
der eg | der Waffen und in den tattijchen 
Formen und Bewegungen, melde im —— 
teglement (j. d.) genau vorgeſchrieben find, nebſt An: 
aabe ber dazugehörigen Kommandos; das ul: 
egerzieren findet meift auf bejonder® dazu be 
kimmten Ererzierpläßen mit ebenem und 
teftem Boden ftatt. Die Ausbildung (Schule) des 
einzelnen Mannes nennt man Detailererzie: 
ten; die Ausbildung des Zuges, der Compagnie 

u. ſ. m. in ben gültigen taftiihen Formen Zug: 

ihule, Eompagnieidule u. ſ. m. 

Bericieden von dem reinen Schulererzieren des 
erjierplages ift das €. im Gelände, d. h. ein 
der taftifchen Formen und Bewegungen auf 
beliebigem Boden mit Zugrundelegung eines Ge: 
ishtägebanten®; e3 bleibt dabei jedoch immer die 
finibung der Sormen ald Hauptzwed, während die 


347 


BERNER AEHNEEN (f. Felddienft) und größern 
ruppenübungen mebr die angewandte Taktik zum 
—— haben und bei den Mankvern d.) 
die Übung der Führer in der Handhabung der Trup⸗ 
pen unter Berüdfichtigung des Geländes und ber 
gegebenen Kriegslage in den Vordergrund tritt. 
erzierfnochen, eine knöcherne Verhärtung 
im Deltamustel und im zweilöpfigen Beugemus⸗ 
tel des Oberarm, melde —58 — einer chroniſchen, 
mit Ablagerung von Kalkſalzen ehenden 
Entzündung des Muslelgewebes bei ſolchen Ber: 
fonen entjtebt, die überhaupt eine Dispofition zur 
Knochenneubildung beſitzen. Veranlaffung zu einer 
derartigen hronifchen, Verknöcherung herbeiführen: 
den Mustelentzündung geben entweder anhaltende 
Überanftrengungen oder fortgejegte mechan. Ans 
riffe (Stoß, Drud, Anſchlagen des Gewehrs beim 
Green u. dgl.) auf den betreffenden Mustel, 
Ühnliche Verknocherungen finden fi als jog. Reit: 
knochen bei manden Reitern in den großen au 
—— an der Innenſeite der Oberſchenlel. 
ie Behandlung beitebt bei erbeblihen Funktions: 
ftörungen in der operativen Entfernung der ver: 
Inöcherten Mustelpartie. 
®rerziermeifter, in der deutſchen Marine die 
Geſchühführer, die einen Ausbildungslurſus im 
Schießen und a 2 auge auf dem Artillerie: 
— durchgemacht haben, woduürch fie zur Aus⸗ 
ildung von Mannſchaften geeignet ſind. Sie tragen 
unter dem Gejhüsführerabzeihen einen roten Wins 
fel auf dem Arm und erbalten eine befondere Zulage. 
Epgerzierpläte, |. Ererzieren. 
Grersierte lement, die bindende * 
taalle militär. Ererzierübungen. Das E. regelt alle 
men, Bewegungen und Kommandos von ber 
usbildung des einzelnen Mannes bis zum Erer: 
zieren ber größten Truppenverbände einer Waffe 
(Brigaden, Kavalleriedivifionen) und ift für bie 
notwendige Gleihmäßigleit in der Ausbildung der 
Truppen unbedingt erforderlich. Die neuern €. zer: 
fallen meift in zwei weſentlich verfchiedene Zeile, 
von denen der erfte bindende Vorfchriften für die 
& rmen, ber zweite allgemeine Gefichtöpunfte und 
ingerzeige für die Gefechtsthätigkeit enthält. 
Das deutſche €. für die Infanterie vom 
1. Sept. 1888 war der Niederichlag der Erfahrungen 
des Krieges von 1870/71, und war um jo mebr ein 
dringendes Bedürfnis geworben, als das alte E. 
vom 25. Febr. 1847 ſchon während des Krieges nicht 
mehr als Norm diente, da es der Wirkung der 
neuen Feuerwaffen nicht Rechnung trug, und aud 
bie inzwifchen erfolgten zahlreichen Abänderungen, 
in&bejondere der Neuabdruck vom 1. März 1876, 
den Anforderungen des modernen Gefechts nichtmehr 
entſprach. Das neue deutjche E., das zum erjtenmal 
zum Ausdrud brachte, «daß die Schüßenlinie die 
Hauptlampfform der Infanterie ifte, wurde typiſch 
für die Reglements der andern Staaten. Das Reg 
ment gilt jeit dem 21. Nov. 1889 auch für Pioniere, 
ebenjo der die Verlehrätruppen. Ein neuer Ents 
wurf erjchien 2. Nov. 1905. — Die deutſche Kaval⸗ 
lerie erhielt 1876 ein E., das aud das Ererzie 
ren in der Divifion umfaßte, den Begriff der An 
verfion» durch den Grundfaß aufhob, daß aFront⸗ 
feite diejenige Seite einer Truppe ift, auf ber fich 
der Führer befindet», und die top « Dreitreffen: 
taktil» einführte. Das an die Stelle dieſes Regle: 
mentö 1886 getretene umgearbeitete wurbe unter 
dem 16. Sept. 1895 erneuert, wobei ſich das Streben 


348 


nad Vereinfahung der Formen und Einſchränkung 
der Dreitreffentattil, die zu einem Schema zu wer: 
den drohte, geltend madte, und 1907 abgeändert. 
Die fremden Kavallerien folgten Schritt > Schritt 
dem deutihen Vorgehen. — Die Einführung des 
FeldartilleriematerialdC 73hatte1876 ein neues 
6. fürdiefeWaffeerforderlihgemadt. Diefemfolgten 
neue E. von 1889, 1892 und nad Einführung der 
Schnellfeuerlanonen das vom 10. Aug. 1899. Das 
legte trifft auch Beftimmungen über die neu einge: 
führten Haubikbatterien und ändert die Gliederung 
der Batterie im Gefecht; ein neues erfchien im März 
1907. Für die Fußartillerie wurde 1876 ein dem 
E. für die Infanterie äbnliches E. eingeführt, das 
1889 und 1891 entiprehend dem E. für die In— 
fanterie vom 1. Sept. 1888 erneuert worden iſt. 
Zur Ausbildung am Gejhüß folgten ſich mehrere 
E. Das jept gm tige von 1901, vorläuflg nur Ent: 
wurf, behandelt auch den Dienft der neu eingeführ- 
ten ſchweren Artillerie des Feldheers. An die Stelle 
des E. für den Train vom 15. März 1894 trat das 
E. vom 8. Dez. 1904. Das E. und die Schiehvor: 
fhrift für Mafhinengewebrabteilungen er: 
fbienen 14. Mai 1902, die neuen 1. Sept. 1904, 
das E. für Luftſchiffertruppen 8. Dft. 1903, — 
In Sfterreih:Ungarn erſchien 1889 eine fog. 
3. Auflage de3 E. für die yußtruppen vom J. 1874, 
die eine neue, auf die Neubewaffnung mit dem 
Heintalibrigen Repetiergewehr bafierende Vorſchrift 
daritellt, aber durch das noch weiter modernifierte, 
im Herbjt 1901 im Entwurf erſchienene neue E. 
erjest wird. Das €. für die Kavallerie ftammt aus 
dem J. 1899; es enthält auch Beitimmungen für 
die Gefechtöthätigleit. 1899 erbielt auch die Ar: 
tillerie ein neues E,, dem 1900 ein Anbang beigefügt 
wurde; neue Entwürfe von €, für die Artillerie und 
den Train erſchienen 1907. — In Rußland wurde 
das 1899 zum Erjaß des E. von 1881 für die Infan: 
terie eingeführte E., das dem Bajonettangriff noch zu 
roße Bedeutung beimaß, dur das E. von 1901 er: 
est. Das €. für die Kavallerie von 1896 ſteht auf 
moderner Örundlage und umfaßt auch die nationale 
Fechtweiſe der Koſalen (Lawa). Für die Feldartille— 
rie erſchien 1900 ein durch einen Abfchnitt für das 
Gefehtverollftändigter Entwurf, 1899 eine Inſtruk⸗ 
tion für die reitenden Batterien bei den Kavallerie: 
divifionen. — Großbritannien führte 1896 für 
bie drei Waffen neue E. ein, doch bewährte ſich das 
«Drillbook » He die Infanterie im Striege in Süb- 
afrika nicht, jeine Beitimmungen für den Angriff 
wurben von der Truppe jofort über den Haufen ge 
mworfen. Neue E. für die Infanterie und Feldartil- 
lerie erſchienen 1902, für die Kavallerie Sept. 1904. 
— In Frankreich jtammen die neueften E. für die 
Infanterie und für Luftſchiffer vom 3. Dez. 1904, für 
die Kavallerie vom 12. Mai 1899 und 1. Sept. 1904, 
für die Feldartillerie von 1895,1898 und 1903, für die 
Gebirgsartillerie vom 26. Aug. 1905. — In Ita: 
lien find die E. für Infanterie von 1892 und 3. April 
1903, für Kavallerie von 1896, für Feldartillerievon 
1897, für die Fußartillerie von 1899. — In Däne: 
mark erſchien 1905 ein €. für die Infanterie, in 
Schweden 1908 ein €. für die Feldartillerie. — In 
den Bereinigten Staaten von Amerila iſt 
1902 verſuchsweiſe ein neues E. für die Infanterie 
eingeführt worden. (S. Fechtart.) 
zefion (lat.), die oberflädhliche Zerftörung von 
Organen, beionders von Knochen, durch geihmwürige 
Ex est (lat.), eö iſt aus. Prozeſſe. 


Exeſion — Exhaurieren 


Eriter, Municipal:, County: und Parlaments⸗ 
borougb fowie Bifhofsfig (feit der angeljächf. Zeit) 
in der engl. Grafſchaft Devon, an dem en 
Ere, 15 km oberhalb jeiner Mündung in den Kanal, 
in fruchtbarer Gegend gelegen und früber itart 
beieitigt, bat (1901) 47185 €., im ältern Teile 
enge Straßen, aber in den Vorjtädten Nortbernbay, 
Southernhay, Benniplvania u. ſ. w. ſchöne Bauten, 
wie den biſchöfl. Palaſt, das Denkmal Lord Iddes⸗ 
leighs, das Schullehrerſeminar und die Guildhall, 
ſowie jhöne Pläge. Das bemerlenswerteſte Gebäude 
tft die ſchon 1050 gegründete, mit Ausnahme des 
roman. Querſchiffs und der Türme jedoch erft 1280 — 
1370 im normann.:got. Stil erbaute Kathedrale, 
124 m lang, 23 m breit, mit zwei 50 m hoben Tür: 
men, mebrern Kapellen, ſchönen Fenſtern, einer mert: 
würdigen Ubr (14. Jahrh.), einem pradtvollen 
bifhöfl. Thron von 1470, einer der berübmtejten 
Drgeln Englands, wertvoller Bibliotbel (im fpätgot. 
Chapterhouſe), vielen ausgezeichneten Dentmälern 
von Biichöfen und einer Minſtrels-Galery im nordl. 
Schiff mit mufizierenden Engeln in Niſchen. Außer: 
dem befikt E. zablreiche andere Kirchen und Kapellen, 
einen Gerichtshof neben dem Cingange der Burg: 
ruine Rougemont, Markthallen, Ibeater, Zuct: 
und Beljerungsbaus, eine Irren:, Taubſtummen 
und Blindenanftalt. Dem Unterriht dienen: ein 
biihöfl. Seminar, Lateinſchule, Handwerkeranitalt, 
Bolytehniiche Gefellibaft und eine Geſellſchaft zur 
sörderung der Künfte, mit Bibliothek und Mufeum. 
Em 18. Jabrbundert war E. Hauptfiß der Woll: 
manufaltur, jest ijt neben Yabrifation von Hand: 
ſchuhen, landwirtſchaftlichen Maſchinen und Spitzen 
(Honiton lace) der Handel wichtig, beſonders in der 
Einfuhr. Schiffe von 150 Regiitertons gelangen bis 
zur Stadt. Dem Verkehr dienen Trambabnen nad 
den Vorftädten und drei Eifenbabnlinien. — E., 
das Isca Dumnoniorum der Römer, das Caer-Ist 
der Briten, das Eranceajter der Angeljachien, heißt 
mittellateinifh Exonia. Wilhelm der Eroberer er: 
jtürmte €. 1085 und baute die Feſte Rougemont; 
ipäter hatte die Stadt viele Belagerungen zu er: 
wagen. — Bol. Freeman, Architectural history 
of E. Cathedral (neue Ausg., Yond. 1889); deri., 
Ereter (in den «Historical Towns», 1887). 

Eröter, Ort im County Rodingbam des nort: 
amerit. Staates New:Hampjbire, am Ereterfluß, bat 
(1890) 4284 €., die 1781 gegründete Phillips Aca- 
demy und das Robinson Female Seminary. Der 
Ort wurde 1638 gegründet und ‚hatte wäbrend der 
Indianerkriege (1690 — 1710) viel zu leiden. 

Exketer Hall (ipr. babl), große Halle mit Reftau: 
ration im Strand zu London, Verfammlungsplas 
der evang. Partei der Anglilaniſchen Kirche (f. d.), 
der Heildarmee und prot. Diſſenters. 

Exöunt (lat.), fie geben, treten ab (in Schau: 
fpielen zur Bezeihnung des Weggangs von Perſo— 
nen von der Bühne); exeunt omnes, alle ab! 

Exfestuocatio, j. Effestucatio. 

Ex flammis orlor (lat.), «aus den Flammen 
gebe ic bervor», Wahliprud des fürftl. boben- 
lobifhen Phönixordens (f. d.). 

——— (lat.), ſich abblättern, abſchiefern; 
Exfoliation, Abblätterung, Abſchilferung der 
Knochen; erfoliativ, ſich abblätternd, ſich ab- 
ſchilfernd. von das Hauptwort Erbalation. 

Erhalieren (lat.), ausbauden, ausduften; da: 

Erhaurieren (lat.), aus:, eribhöpfen; Erbau: 
ftion, Erihöpfung, Ermübung. 


Erhaujtor 


&rhanftox (Lat.) oder Saugventilator, Be 
Kibnung für eine BWorrichtung, melde dazu beitimmt 
# Oje und Dämpfe aus gemijien Teilen von Ap- 
nraten durch anjaugende Wirkung zu entfernen 
ad fie in andere Teile der Apparate überzuführen, 
m in eritern einer ſchädlichen Anfammlung und 
rannung derjelben vorzubeugen. Sie —— vor⸗ 
mosweile Anwendung in der Gasfabrilation und 
in ver Teerſchwelerei der Paraffinfabriten, um bie 
inden Retorten gebildeten Dämpfe und Gaſe mög: 
übt raſch aus den beißen Retorten zu entfernen, 
mel ſonſt Zerjeßungen eintreten würden, dur 
melde die Leuchttraft des Gafes und der Wert des 
Teers veringert werben würde. Um dies zu erreichen, 
haltet man einen E. ein, der die Dämpfe und Gaje 
indem Maße, wie fie gebildet werden, aus den Ne: 
terten ey und jie ben weitern Reinigungsappa⸗ 
raten und Ga&bebältern oder den Kondenjatoren 
wfübrt. Man unterſcheidet im mejentlichen vier 
Spiteme von E., nämlih Glodenerbauftoren, 
bei denen die Bewegung des Gafes dur in Wafjer 
auf und ab bemwegte chlindriſche Behälter bewirkt 
wird, die bei jeder Aufwärtäbewegung das Gas 
durch Bentile anfaugen und bei jever Abwärtäbe: 
mwegung es durd andere Ventile unter Drud vor: 
wärts treiben; 2 findet faum mehr Ber: 
wendung. Ferner Gentrifugalerbauftoren, 
bei denen die Gaje und Dämpfe durd die mittels 
eines jchnell rotierenden Flügelrades zur Wirkung 
gebrachte Gentrifugaltraft angeiogen und vorwärts 
getrieben werben. Eine weitere Art von E. find nad 
Art der Kapjelräder (f. d.) gebaut. Von den E. 
dieſer Art hat das Rootiche Gebläje günftige Re 
fultate ergeben, mobei auch bei hober Umdrehungs⸗ 
zabl noch ein volllommen ruhiger Gang fonitatiert 
wurde. Endlich find zu erwähnen die Jnjeltions: 
erbauijtoren, bei denen ein aus einer bejonders 

ormten Düje ausftrömender Dampfitrahl die 

erwegung der Gaje vermittelt; diefe Form bat 
ven Borteil, daß jie feiner ulgmabalı bedarf; 
um die Konjtruftion derjelben haben ſich Gebrüder 
Körting in Hannover große Verdienſte erworben. 

Etheredieren (lat.), enterben; Exheredatio, 

Erberevdation, Enterbung (ſ. d.). 

bibieren (lat.), übergeben, einreichen, ein: 
Sändigen, vorzeigen (ſ. ———— reflexiv: ſich 
als etwas zeigen, bewähren; Exhibent, der Ein: 
reicher einer Eingabe; Erhibitum, jhriftliche Ein: 
aabe bei einer Behörde. 

Erzbibition (lat.), in der Rechtsſprache die 
Herausgabe, Vorweiſung oder Vorlegung einer 
Sade, aud wohl einer Berfon (3. B. eines Kindes). 
Der Anſpruch auf E. dient zur Geltendmachun 
eines Rechts an der zu erhibierenden Sache, 3. ® 
auf Einſicht von Urkunden oder auf Enke 
eines Kindes, und fegt vor allem den Nachweis 
eines rechtlichen Interejjes des Erbibenten voraus, 
Beitebt legteres, jo unterliegt der Inhaber des Ob: 

jelts der — TINEBEE LE: und fann auf deren 

—— ellagt werden. Häufig dient die Er: 

bibitionsflage nur zur Vorbereitung eines weiter 

ebenden Anjpruch3 auf die Sache jelbit, 3. B. der 

igentumsflage bei den mit fremden Objekten ver: 
dindenen Saden. Cipilprozeſſe dient die €. 
ven Gegenftänden und Urfunden zum Zwede ver 
®meisaufnabme., (S. Augenſchein und Edition.) 

Exhibition, im Englüden (fpr. he jo: 
eiel wie Ausstellung beſonders Weltausitellung 
kanj.Exposition),im ranzöiichen (ipr.eribiiöng) 


349 


die Austellung als einzelner Beitrag zur Exposi- 
tion und dann namentlich Tierſchau. 

Exhortieren (lat.), ermabnen, ermuntern; Er: 
bortation, Ermabnung, Ermunterung; Erbor: 
tatorium, Ermahnungsihreiben; Erborte, Er: 
mabnung3: oder Erbauungärede. 

—— (neulat.), wieder ausgraben, z. B. 
eine Leiche; der Vergeſſenheit entreißen; Erbuma: 
tion, Leichenausgrabung. [gemäß. 

Ex thösi (lat.:occh.), der Vorausjegung 
Erigieren (lat.), fordern, eine Schuld eintrei- 
ben; Erigent, se per Beitreiber; Erigenz, 
Erfordernis, Bedarf, inäbejondere — Auf⸗ 
wand, welchen ein beſtimmter * der Staats⸗ 
verwaltung erheiſcht; erigibel, eins, beitreibbar. 

Seignität (lat.), Rleinbeit, Geringfügigteit. 

u (lat. exsilium), Verbannung. 8 Alter: 
tum bezeichnete damit bald den freiwilligen Aus: 
tritt, durch welchen ein Bürger vem Bollsunmillen 
zu entgehen fuchte (fo zur Zeit der röm. Republif 
Coriolan, Berres, Cicero), bald den Zwang zur 
Auswanderung mitteld Vollsbeſchluſſes, entweder 
als Sicherungsmittel gegen das der freiheit ge: 
Lets ——— —— Männer (wie in 

tben wider Tbemiftofles, Ariftides, ſ. Oftracis: 
mus), oder zur Strafe auf erhobene peinlihe Ans 
klage (mie gegen T. Annius Milo wegen Tötung des 
Clodius). Die Strafe des €. fiel anfangs mit der 
Achtung (aquae et ignis interdictio) und dem bür: 
gerliben Tode (capitis deminutio maxima) zuſam⸗ 
men, jpäter aber konnte die Verweifung auch nur 
auf kürzere Zeit erjtredt werden, wo dann der Ber: 
wieſene (exsul) zwar das Altivburgerrecht und feine 
Würden, nit aber die fonftigen Perjönlichleits- 
rechte verlor. Aut Kaiferzeit, wo das E. im Sinne 
der zwangsweiſen Entfernung aus dem Staate ab: 
fam, verjtand man darunter das Gebot, ſich zur 
Strafe an einem beitimmten Orte innerhalb des 
Reichs aufzuhalten. E3 ward bier zwiſchen Depor: 
tation und Relegation unterjhieden. Bei jener 
fiel die Wahl J— efürchtete Aufenthaltsorte, und 
der Verurteilte büßte, wenn die Verbannung auf 
Lebengzeit lautete, das Bürgerreht und wohl gar 
das Vermögen ein. (S. Deportation.) Ahnliche Wir: 
fungen wie das alte Straferil und die aquae et 
ignis interdictio hatte in der deutſchen Vorzeit die 
Friedloſigkeit (f. d.). Über das beutige Recht }. Aus: 
— über dad Babyloniſche Eril |. d., 

Exilles (ipr. erihl), Fort, ſ. Suja (in Italien). 

Erimierte, Erimierte Klöfter, |. Cremtion. 

Erimierter Gerichtsftand, j. Gerichtsſtand. 

Eximproviso (lat.), ——— 

Exin, Herzberg, Stadt im Kreis Schubin des 
* .Reg.Bez. Bromberg, 18km im W. von Schu: 

in und 18 km im SW. von Nafel, in 107 m Höbe 
auf einem kahlen Hügel, der böcfte —— der 
Provinz Poſen, an der Nebenlinie Gneſen-Nakel 
der Preuß. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts 
(Landgericht Brombergh und Steueramtes, bat 
3086 E., darunter 632 Evangeliſche und 236 


— Erine 


Sraeliten, (1905) 3370 E., Poſtamt zweiter Klaſſe, 

elegrapb, 2 Tatb., 1 evang. Kirche, Kapelle, Syna- 
ger, lath. Schullehrerjeminar; ferner 3 Ziegeleien, 

öpferei, Bierbrauerei, Molterei, Vieh: und Ge: 
treivebandel. E. ift befuchter Wallfahrtsort. 

Erinanition (lat.), in der Lehre von Ehriftus 
die Entäußerung desjelben von jeinen göttlichen 
Eigenſchaften (j. Renotiker). 

Seine, Zellhautſchicht, j. Pollen. 


350 


€ — —— ein Satz, der eine Exiſtenz oder 
ein Daſein (ſ. d.) behauptet. 

Exiſtenz (lat.), Daſein (ſ. d.). 

Exiftenzminimum, rang = Eintommen, 
welches nad der lanvesüblihen Anſchauung für 
eine felbftändig wirtſchaftende Perjon zu ihrem 
eigenen Unterhalt und zur Ernährung einer Familie 
unbedingt notwendig und unentbehrlid erſcheint. 
Die abjolute Höhe dieſes Minimaleinlommens wird 
natürlich auf verſchiedenen Kulturſtufen und in ver: 
ſchiedenen Ländern eine ftart wechjelnde fein. In 
edem gegebenen alle aber wird jeine Bedeutun 
he dadurd geltend machen, daß die Arbeiterbevöl- 
terung, fallö der übliche Lohn das E. nicht erreicht, 
verfümmert und burd vermehrte Kinderſterblichleit, 
Auswanderung u.f.m. allmählich an Zahl abnimmt, 
bis das verminderte Arbeitöangebot eine Erhöhung 
des Lohnes bedingt. Nach dem Ricarbojchen «eher: 
nen Zobngejeß» würde der Lohn fih aud niemals 
längere Zeit über dem €. behaupten fönnen, weil 
er durch die Vermehrung der Bevölkerung wieder 
berabgebrüdt werben müßte. Indes zeigt fich er⸗ 
—— Ir eine ſehr mannigfaltige Ab» 
tufung der Lohnſätze, und zwar jo, dab die Mehr: 
zabl der Arbeiter zu einer gegebenen Zeit und an 
einem bejtimmten Orte in der Regel nicht der uns 
teriten, fondern den mittlern Stufen angebört. 

Eine praltifche Bedeutung hat das E. in der neuern 
Zeit in der Steuerlehre gewonnen. Während früber 
die Anficht vorberrichte, daß jeder jelbftändig ermer: 
bende Bürger grundfäglich zu einer wenn auch ſehr 
niedrigen direlten Bejteuerung herangezogen wer: 
den müjle, wird gegenwärtig ziemlich allgemein zu: 
aeftanden, daß das E. fteuenfrei bleiben foll. Als 
allgemeiner fteuerpolit. Grundſatz kann aber die 
Steuerfreiheit des E, nicht betrachtet werden. Denn 
einmal iſt es praftifch in den meiften Fällen unmög: 
lich, dieſes Minimum feitzuftellen, das ja nad Ort 
und Zeit, nad den Preisverbältniflen, der Stärte 
der Familie u. f. m. außerordentlih ſchwankend ift, 
jo daß eine feite Grenze kaum anzugeben ift. Dann 
aber, jelbjt abgeſehen von diefer praftiichen Schwie: 
rigleit, liegt der ganzen fyorderung aud ein falſcher 
Gedanle zu Grunde; denn die Leiſtungen des 
Staates, wofür die Steuer bezahlt wird, gebören 
jelbjt zu den allernotwendigſten Lebensbedürfniſſen: 
der Schuß des Lebens und der Geſundheit, die 
Rechtspflege, ber militär. Schuß u. f.w. Kann fo: 
mit die Steuerfreibeit des E. nicht ald allgemein 
gültiges Steuerprincip betrachtet werben, fo ſprechen 
bob viele Zmedmäßigleitägründe dafür, bei ber 
Beiteuerung, namentlich der direlten, jebr kleine 
Gintommen fteuerfrei zu lafjen. — Zuerſt formu—⸗ 
liert wurde die Lehre vom E, dur Jeremias Bent: 
bam, deſſen Schüler Stuart Mill fie annahm; feits 
dem ift fie in die Litteratur und Gefeßgebung ein: 

edrungen. Letztere hat die Steuerfreiheit der Heinen 

Eintommen bald mebr, bald minder anertannt und 
läßt fie vorwiegend bei den direkten Staatsſteuern 
gelten. Die brit. Beiteuerung läßt das Einkommen 
unter 160 Bid. St. fteuerfrei. Bei der Eintommen: 
und Klaſſenſteuer in Deutichland beträgt die Grenze 
des freien E. 300 M. in Schwarzburg » Sonder: 
baufen und Lippe: Detmold, 400 M. in Sadien, 
500 M, in Heflen und Baden, 600 M. in An: 
balt, Bremen und Lübed, 900 M. in Hamburg und 
Preußen. Das preuß. Eintommenfteuergeieß vom 
24. Juni 1891 bat eine Erweiterung des fteuerfreien 
E. injofern gebracht, als für jedes Familienmitglied 


Erijtentialjag — Exkremente 


unter 14 Jabren der Betrag von 50M. vom fteuer- 
pflichtigen Einlommen des Hausbaltsvorftandes, ſo⸗ 
fern ed 3000 M. nicht überfteigt, in Abzug gebracht 
wird mit der Maßgabe, daß bei Vorhandenſein von 
drei oder mehr Familiengliedern diefer Art eine Er: 
mäßigung um eine Stufe itattfindet. (S. Einlommen- 
teuer.) — Bol. 9. Schmidt, Die Steuerfreibeit des 

T u: 1877); Cohn, Spitem der Nationalölono: 
mie, Bb. 2 Finanzwifienicaft (Stuttg. 1889); 
Artikel: Eriftenzminimum im «Handwörterbuc ber 
Staatswifjenihaften», Bd.3 (2. Aufl., Jena 1900). 

Eriftieren (lat.), beiteben, vorbanden fein, leben. 

Exit (lat.), gebt ab; Plural: Exeunt (f. d.). 

Exitus (lat.), Ausgang, Ende. 

Ex jure (lat.), von Rechts wegen. 

Erfaifer, ſ. Ex. 

Erfavieren (lat.), aushöhlen, auögraben; Er» 
tavation, Ausböblung, Höhle; Erlavation der 
DepnezBen, !. Glaulom; Erlavätor, Aus: 
höhler, Mafchine zu Erdarbeiten, ſ. Grabemajdine. 

Exklamieren (lat.), auörufen, freien; davon 
das Subftantiv Erlflamation. 

Erfläve, ſ. Entlaven. 3 

. Erfiudieren (lat.), ausjhließen, abjondern. 

Exkluſion (lat.), Ausſchließung; in ſtudentiſcher 
Sprache die entehrende Ausſchließung aus einer 
Verbindung (wegen Ehrenwortbruches, ſtriminal⸗ 
verbrechen, Feigheit u. a.). In der Regel wird 
binzugejeßt c. i. (cum infamia). Der € ierte ift 

eitiebens fatisfaltionsunfäbhig, und jeine Geſell— 
haft wird au im bürgerliben Leben von den 
Standesgenojien gemieden. Die Dffizierlorps er: 
fennen die von angefebenen Berbindungen ver: 
bängte E. an, indem fie Erkludierte niemals zu 
—— wäblen. j 

uſiv (lat.), ausfhließend; exkluſive Ge» 
ſellſchaft, eine joldhe, welche alle nicht Ebenbür- 
tigen ausschließt; exklluſive, ausgeſchloſſen, mir 
Ausihlus von...; Ertlufivität, Ausiclieb- 
lichleit, vornehme Abgeſchloſſenheit. 

Exkolieren (lat.), anbauen, ausbilden, vervoll⸗ 
fommnen; durdjeiben. 

Ertommunifation (lat.), Kirchenbann; er: 
ftommunizieren, in ben Bann thun, aus ber 
a ausſchließen (ſ. Kirchenbann). 

Erfönig, ſ. Ex. 

Exkoriation (lat.), — jeder ober⸗ 

iche Subſtanzverluſt der Haut, durch welchen die 
etztere ihres jhüßenden hornartig feiten Epider 
misuberzugs beraubt und ſomit das blutgefäß⸗ 
und nervenreiche Gewebe der Lederhaut bloßgelegt 
wird. Die E. entſteht entweder durch mechan. 
Schädlichkeiten, wie durch Quetſchung oder anbal⸗ 
tendes Kragen und Reiben der Haut oder durch eins 
mwirlende dem. und phyſik. Reize (Berbrennung, 
Blafenpflajter) oder im Verlaufe verihiedener Haut» 
krantheiten, welche mit Blajenbildung und Ab» 
bebung der Epidermis einhergehen (wie bas Eljem, 
die —— der Pemphigus u. a.). Hinſicht⸗ 
lich der Behandlung genügt metjt das Bebeden ber 
abgejhürften Hautjtelle mit einer milden Salbe 
oder einem Streupulver (Wismut, Zinkoryd), um 
den Zutritt ber —5* mit ihren Schäplichleiten zu 
verhüten, worauf bald jhneller, bald langjamer 
der Subitanzverluft durch die nachwachſenden Epi⸗ 
dermiszellen ausgefüllt wird. 

Erfremente, Ausmwurfftoffe (lat. excre- 
ments, excreta), diejenigen Stoffe, die der lebende 
Körper als unbrauchbare durch jeine Ausſcheidungs⸗ 


Erfrescenzen 


mane abjondert (Erfretion, Ausscheidung). Sie be: 

bauptjächlich aus den durch den Umſetzungs⸗ 
meh im Drganis mus verbrauchten und einer rüd: 
hitenden Umwandlung (Metamorphofe) unterwor: 
imen Beitandteilen der Gewebe und des Blutes; 
tubin gehören Harn und Schweiß, fowie das gas» 
firmige ement ber Lunge, die Roblenjäure. 
Außerdem bejteben diefe Ausiheidungen aus ges 
zifen, beſonders mit den Nahrungsmitteln in den 
Kirper gelangten, aber für dieſe Zwece nicht ver: 
nendeten Aufnahmeſtoffen, 3. B. den Darmertre: 
menten, die man auch im engern Sinne €. oder 
Kst (faeces) nennt und deren Menge und Be: 
Ihaffenbeit in bobem Grade von der Art der Er: 
näbrung abhängt. 

Die Darmertremente beiteben im allge: 
meinen aus den unverbaulichen Bejtanbteilen der 
Rabrungsmittel, bejonderö der pflanzlichen Spei- 
ien, aus derbjaferigem Pflanzenzellgewebe, Cellu: 
Isje, Stärtepartifelben und unverbautem Fleisch, 
Best, manchen aud Eimeiß, en ſehnigen und 

igen Teilen, aus Darmepithelien und Darms 
ſdleim, Gallenbeitandteilen, denen fie ihre Färbung 
verbanten, Salzen, bejonders ——— Am⸗ 
moniatmagnefia u. dal.; ein erheblicher Teil der 
normalen Falalſubſtanz beftebt endlich aus Spalt» 
pilzen (Hefepilzen, Bakterien, Bacillen). Die chem. 
Zufammenjegung der menſchlichen €. ift natürlich 
je nad) der genofjenen Nahrung außerordentlich ver: 
dieden; nad einer Analyje von Berzelius fanden 
Ab im Menſchenlot 75,3 Teile Waſſer und 24,7 Teile 
feite Beitandteile; die legtern —— aus 0,3 Tei⸗ 
len gallenjauren Salzen, 14,0 Zeilen Schleim und 
Gallenbarzen, 0,9 Teilen Albumin, 5,7 Zeilen Er 
traftivjtofien, 7,0 Zeilen natürlichen Speijereiten 
und 1,2 Teilen Saljen. Der Waflergebalt des nor: 
malen Kotes beträgt durbicnittlih 75 Proz., doc 
fann der legtere durch Zurüdbaltung im Darm viel 
an Waſſer verlieren oder bei raſcher Entleerung 
noch meit mwafjerreicher fein. Die Menge ber ent: 
leerten €. beträgt im Durchſchnitt 170g in 24 Stun: 
ben (davon etwa 30 feite Stoffe), doch werben bei 
reichlicher Nahrungsaufnahme nicht felten noch viel 
mebr, bis 500 g und darüber entleert. Mebr oder 
minder tft der Kot immer in fauliger Zerjegung bes 
eriffen, weshalb die Kr ng äulnisprodufte 
erganijcher Körper teils jeine Beſtandteile bilden 
(Butterjäure, Ejfigiäure), teils fi gasförmig aus: 
ſcheiden (Koblenjäure, Waſſerſtoff, Stidjtoff, Kohlen⸗ 
und Schwefelwaſſerſtoff). Der ſpecifiſche Geruch 
wird den €. durch die Fäulnisprodukte Statol und 
eye verliehen. rantheiten erfährt der Kot 
infichtlich feiner Färbung und Zufammenjegung 
vielfache Veränderungen, die dem Arzte wichtige 
——— Anhaltepunkte geben tönnen. So find 
bei ven latarrbaliihen Erkrantungen der Darm: 
ihleimbaut fomwie bei der Cholera den Darmentlee: 
rungen fo maſſenhaft abgeftoßene Epithelzellen bei: 
gemischt, Daß der wäſſerige Stuhl dadurch ein reis: 
waflerähnlihes Ausſehen erhält; außerdem find bei 
der Cholera darin die jog. Rommabacillen enthalten. 
Bei der Rubr find in den Stühlen reichlicher Schleim, 
Blut und Eiter enthalten; bei der Gelbſucht bat der 
Kot infolge der Berbinderung des Gallenabflujjes in 
ten Darm gewöhnlich eine weißgraue, thonartige 
yarbe, riecht faulig und ift ungemein feitreich; beim 
Fokus find dieStublentleerungendünnflüffig, blaß⸗ 
braum bi® gelblich gefärbt und oft von erbjenbrüb: 
ähnlicher Beihaflenbeit; die bellgelben, mitunter 





— Erfujjion 351 


grünlihen €, der Säuglinge enthalten viel Fett, 
unverdauten geronnenen Räjeftoff und unveränderte 
Galle. Nah Kalomelgebraud nimmt der Kot eine 

rüne, nah Eijenpräparaten eine jhmärzliche Fär: 

ung an, lestere auc nad dem reihlihen Genuß 
von Heidelbeeren ; Rhabarber und Safran färben ibn 
lichtgelb, blutrot oder rotbraun; bei den Grasfreſſern 
rübrt die grüne Farbe von Chlorophyll ber. 

Die rechtzeitige und vollftändige Entleerung der 
Exkretionsſtoffe ift eine weſentliche Bedingung der 
Geſundheit und ihre Zurüdhaltung bisweilen eine 
Quelle von Krankheiten. Die Anbäufung, leichte 
Zerſetzung und Berjchleppung der Ausmurfitoffe bil« 
det eine Hauptquelle der anjtedenden Krankheiten, 
weshalb die — Beſeitigung der tieri: 
ihen und menſchlichen Abfälle eine der wichtigiten 
ragen der Hygieine und Sanitätspolizei geworden 
In (S. Städtereinigung.) Über Verwertung der €. 
in der Landwirtſchaft ſ. nätedünger und Poudrette. 

I. van Ledden⸗Hulſeboſch, Makro: und mifro: 
ſtopiſche Diagnoftik der menſchlichen €. er 1899); 
Ofele, Zur ſyſtematiſchen Kotanalyſe (ebd. 1900); 
Schmidt und Straöburger, Die Fäces des Men: 
ſchen im normalen und krankhaften Zuftande (Berl. 


1901 fg.). 
—————— (lat.), ſ. —— 

6 — ſoviel wie Grfremente (j.d.). (S. auch 
etrete. 


Egfretin, ein kryſtalliniſcher hem. Körper, der 
aus menſchlichen Erfrementen ifoliert wurde. Das 
E. kryſtalliſiert in gelben, bei 96° jchmelzenden Na- 
deln und hat die Formel C,.H,s0. 

Erfretion (lat.), die Ausiheidung, |. Aus 
leerung und Erfremente. 

Erfulpieren (lat.), entihuldigen, rechtfertigen; 
ertulpäbel, entſchuldbar; Erlulpation, Ent: 
ns, a re 

Erfürs (lat.), die — von der Haupt⸗ 
ſache; im engern Sinne bezeichnet man damit die 
einer größern Schrift mehr als Anhang beigegebene 
ausfübrlibe Erörterung eines Gegenjtandes, ber 
mit dem Ganzen in Verbindung ſteht. 

Erfurfion (lat.), Streifzug, Ausflug. . 

— (lat.), entſchuldigen; Extuſation, 
die Ablehnung eines angebotenen Amtes, 3.B. einer 
Vormund hatt (f. Able ung). j 
Erkuffion (lat.), die Ausllagung, inſonder— 
beit die VBorausflagung. Der Bürge (f. Bür ſchaft) 
lann nach einer Verordnung des Kaiſers Juſtinian, 
weicher die neuern Geſeßgebungen ge olgt find 
(Preuß. Allg. Landr. I, 14, $. 283; eivil Art. 
Ze: Sädf. Bürgerl. Gejesb.$. 1461; Schwei⸗ 
kr ligationenreht Art. 493; Württemberg. 

ndr. II,5, 8. 1; Deutſches Bürgerl. Geſetzb. 8.771), 
fordern, daß der Gläubiger zunächſt feine Befriebi: 
gung aus dem Vermögen des Hauptſchuldners Bun 
ae. N und Zwangsvollſtreckung; nad Oſterr. 
Bürgerl. Geſetzb. $. 1355 kann der Gläubiger den 
Bürgen * belangen, wenn der Hauptſchuldner 
auf Mahnung des Gläubigers nicht erfüllt bat. 
Das Deutfhe Handelsgeſeßbuch verfagt die Ein: 
tebe, wenn bie Anrafhatt auf jeiten des Bürgen im 
Handelsgeſchäft F Eie wird ſonſt allgemein aus: 
geſchloſſen durch Verzicht des Bürgen; ald Verzicht 

ilt die Verbürgung als Selbitibuldner. Nach röm, 
echt und nach dem Code civil Art. 2170, 2171 bat 
die Einredeaud der dritte Befikereinesfürdie Schuld 
verpfändeten Grundftüds. Er ann die E. des perſön⸗ 
lihen Schuldners fordern. Das haben beinahe ſämt⸗ 


352 


lihe übrigen neuern Gefeßgebungen bejeitigt. Be: 
züglid des Pfandes an einer beweglichen Sache ift 
die E. des röm. Rechts dadurch befeitigt, daß heute 
mar Pfand nur noch ala ein im Bejike des Gläu: 
igers befindliches Fauftpfand anerlannt ift. 
Exlex(lat.),jemand, der infolge ſtaatlicher Anord⸗ 
nung außerhalb des Geſetzes (vogelfrei) iſt (ſ. Acht). 
Exlibris (lat., «aus den Büchern»), auch 
Bibliothelzeihen, Buheignerzeihen, Bit: 
herzeihen, bie in Bücher eingellebten Beſitz 
zeichen, benannt nad den Anfangsworten der darauf 
üblichen Inſchrift. An Stelle der im Mittelalter ge: 
bräuchlichen handſchriftlichen Eintragungen, welche 
das Eigentum an Büchern ihren Beſitzern ſichern 
ſollten, traten ſeit dem Ende des 15. Jahrb. in Holz. 
ſchnitt, Metalljtich oder «Schnitt oder mit Typen ge: 
drudte Blättchen, die, meift auf die Innenſeiten der 
Bucher⸗ und Handicriftendedel eingellebt, denſelben 
* edingleihmäßiger und gefälliger Form erfüllten. 
anz vereinzelt finden ſich ſchon in früherer Zeit 
handſchriftliche Einträge. Außer dem zuweilen nur 
dur Anfangsbuchſtaben angedeuteten oder font 
veritedten Namen des Belikers enthalten fie meijt 
einen ihrer Beftimmung entiprehenden Sinnſpruch 
und häufig aud einen mebr oder weniger reichen 
bildneriſchen Shmud (Mappen, Symbole u. dal.). 
Angeiebene Kunſtler übernabmen oft die Heritel: 
fung der Platten oder Stempel; fo z. B. Albr. Dürer, 
Luk. Cranach, Joſt Amman, Chodowiecki und neuer: 
dings Ludw. Richter, Klinger, Greiner, Sattler u. a. 
Manche der E. haben daher rt ungleid 
wichtiger aber find fie für die Geſchichte einzelner 
Bücher und ganzer Bibliothelen. Gegenwärtig wer: 
den fie mit befonderm Eifer — und littera⸗ 
riſch behandelt; in England, Deutſchland und Frank⸗ 
reich beſtehen ſogar ſeit 1891 befondere Geiellfhaten 
zu ibrer eingehenden Erforfhung mit regelmäßigen 
dersfentlihunge, Wertvolle Sammlungen älterer 
E. beſitzen die Bibliotbet des Börſenvereins Deut: 
her Buchhändler in Leipzig und die Stabtbibliotbef 
in Frankfurt aM. — Vgl. Warnede, Die deutichen 
—— von ihrem Urſprunge bis zur Gegen: 
wart (Berl. 1890); derſ., E. des 15. und 16. Jabrb. 
(Stuttg.1894); Bouchot, Lesexlibrisetlesmarques 
de possession du livre (Bar. 1890); Egerton:Gajtle, 
English book-plates (Lond. 1893); Hildebrandt, 
Heraldiihe Bücerzeihen (3 Sammlungen, Berl. 
1893, 1894, 1898); Seyler, Jlluftriertes Handbuch 
der Exlibris: Runde (ebd. 1895); von Heinemann, 
Die Exlibris-:Sammlung der Bibliotbet zu Wolfen: 
büttel (ebd. 1895); Geriter, Die ſchweiz. Bibliothek: 
rg (Rappelen 1898); Graf zu Leiningen:Weiter: 
urg, Deutſche und öſterr. Bibliotbeizeihen, E. 
(Stuttg. 1901); Zur Weiten, Erlibris (Bielef. 1901); 
Wenig, Erlibris (Berl. 1902); Bertarelli und David: 
Henm, Gli exlibris italiani (Mail. 1902); Exlibris: 
— u.ſ.w. (Berlin, ſeit 1891); Schweizeriſche 
Blätter für Exlibris: Sammler (Zür. 1901 5 
Ex mandäto (lat.), dem Befehl zufolge. 
Ermatrikulieren (lat.), aus der Matrilel (ſ. d.) 
itreiben;davondasHauptwort@rmatrifulation. 
Exmiſſion (lat.), im allgemeinen die’ zwangs— 
weije erfolgende Entfernung einer Berjon aus einem 
von ihr innegebabten Grundftüd, fo namentlich 
die Entfernung eines Pächter! oder Mieters auf 
Klage (Ermiffionsklage) des Verpäcters oder 
Vermieters. Es kann dieje Klage auf den Pacht: 
oder Mietvertrag (3. B. wegen Ablaufs der Kon: 
traktszeit oder Aufhebung des Kontrafts), aber auch 


Exlex — Ermouth 


als Beſitzllage (megen Störung im Befik oder Be 
fibentziehung) oder als dingliche Alage (3. B. aus 
Eigentum, Nießbraud) begründet werden. Es iit 
dann Sache des Bellagten, jeine Einwendungen aus 
Vertrag oder Gejeß einredeweiſe geltend zu machen. 
Die Ermiffionällage des Verpäcters oder Bermie: 
ters gebört zur Yujtändigleit des Amtägericts 
Gerichtsverfaſſungsgeſetz 3 23, Nr. 2). Tas auf 
äumung erfennende Urteil ift auf Antrag für vor: 
läufig vollitredbar zu erflären (Civilprozekorbn. 
. 709, Nr. 1). Bolljogen wird die €. fo, daß der 
ericht3vollzieber den Beklagten aus dem Befis fent 
und den Kläger in den Befik einweiſt ($. 885). 
Ermittieren (lat.), ſ. Ermilfion. 
Ermoor:Foreft (pr. exmuhr forreſt) oder Er: 
moor, Hochebene im ſüdweſtl. England, im ®, von 
Somerſetſhire und im ND. von Devonfbire (ij. 
Karte: England und Wales), bevedt 65 qkm, 
mit den angrenzenden Heiden über 260 qkm. Die 
höchſten Gipfel der wilden, doch niedrigen Hügel: 
reiben find Dunterry Beacon (518 m), Span Head 
Di m) und Baracombe (479 m). €. fällt nad N. 
in mit zerrifjenen Abbängen und Felswänden ab 
und ſenkt ſich —— nach S. Berübmt find der 
Ermoor: Pony (ſ. d.) und die Schafe von €. 
Ermoor: Pony, ein im — (j.d.) in 
England auf meift pürftigen Weiden halbwild auf: 
aezogenes Pony von durchſchnittlich 1,30 m Gröbe. 
Es iſt für feine Größe febr leiftungsfäbig. 
Ex more (lat.), nad Gebraud oder Sitte. 
Ermouth (jpr. ermötb), Stadt in der engl. Graf: 
haft Devon, 16 km im SED. von Ereter, am 
anal und am ee der Eremündung, gegen 
Dftwinde geihügt gelegen, bat (1901) 10487 €, 
Spisenfabrilation, Fiicherbafen und viel befucte 
Seebäder. Etwa 6 km öftliher an der Dttermün: 
dung das Seebad Budleigb Salterton. 
month (fpr. ermötb), Edward Vellew, Bis 
count, brit. Admiral, geb. 19. April 1757 zu Dover, 
trat 1770 in den brit. Seedienit und nabm an dem 
Kriege gegen die aufftändiihen ameril. Kolonien 
teil. 1777 bei der Kapitulation von Saratoga ge 
angen, jedoch auf Ehrenwortentlaifen,wurbeer 1750 
im Kriege gegen Frankreich verwendet. Im franz. 
Revolutionstriege nahm er 1793 das erite franz. 
Kriegsſchiff; 1795 zeritreute er ein gerne 
an der Küſte von Penmarch und blodierte 1799 
Rodrefort. 1802 wurde er ald Tory ins Parlament 
gewã It. Beim Wiederbeginn des Kampfes gegen 
Frankreich blodierte er die feindliche Seemacht zu 
* und empfing 1804 mit dem Range eines 
onteradmirals der Weißen Flagge das Kommando 
der Station in Oſtindien, wo er die dän. Beſitzun—⸗ 
gen eroberte. 1810 zum Biceadmiral ernannt, ſchloß 
er mit feiner Flotte die Schelde, und 1814 wurde er 
u. d. T. Ford E. of Canonteign zum Peer erhoben 
und zum Aomiral ernannt. Als Commandeur der 
* Seemacht im Mittelmeer wirlte er nah Na 
poleons Nüdtebr von Elba für MWiedereinjehung 
der Bourbons in Neapel. Von den Barbaresten- 
ftaaten erlangte er 1816 die Freilafjung der Chriſten⸗ 
ſtlaven, Frieden mit Sardinien und Neapel, Aner: 
tennung der Joniſchen Inſeln und das Verſprechen, 
fih des Korfarenbandwerfe zu enthalten, wofür er 
zum Viscount erhoben wurde und den Danl des 
Parlaments erbielt. Die ihm 1817 verliebene ein: 
träglide Stelle des Hafentommandanten von Ply: 
moutb legte er 1820 nieder und lebte dann au 
feinem Laͤndſihe Teignmouth bei Ereter, wo er 


Erner — Exocoetus volitans 


2. jan. 1833 jtarb. — Vol. Dsler, Life of Admiral 
Viscount E. (Sond. 1840). 

Exner, Adolf, Juriſt, geb. 5. Febr. 1841 in 
drag, ftudierte in Wien, Heidelberg und Berlin, 
hibilitierte ich 1866 in Wien, wurde 1868 ord. 
Irojefior des röm. Rechts in Züri, 1872 in Wien. 
Kuh war E. lebenslängliches Mitglied des diterr. 
derrenbaufes und Mitglied des Reichsgerichts. €. 
karb 9. Sept. 1894 zu Kufitein. Er veröffentlichte: 
«Die Lehre vom Rechtserwerb durch Tradition» 
(Bien 1867), «Die Pränotation in Öfterreich» 
(ebd. 1868), «Das Publizitätsprincip. Studien 

um öfterr. Hypotbelenrecdht» (ebd. 1870), «Kritik des 

fandrechtsbegriffes nad röm. Recht» (Lpz. 1873), 
«Das diterr. Hypotbelenrecht» (Abteil. 1, ebd. 1876; 
Abteil. 2, 1881), «Grundriß zu VBorlefungen über 
Seſchichte und Inftitutionen des röm. Rechts» (Wien 
1882; 3. Ausg. 1891), «Der Begriff der höbern Ge: 
walt (vis major) im röm. und heutigen Bertehrs: 
recht» (eb. 1883), «Erinnerung an Brinz» (ebd. 
1888), «fiber polit. Bildung» (Neltoratärede, ebd. 


1891; 3. Aufl., &pz. 1892). — Bol. Mitteis, Erinne⸗ 
un an Adolf €, (Wien 1894); Benndorf, Adolf 
. "orte 


u a Gedächtnis (ebd. 1896). 
Ezruer, % . Julius, dän. Maler, geb. 30. Nov. 
1825 zu Kopenhagen, befuchte die dortige Alademie, 
war Schüler von Lund und Ederäberg und machte 
längere Neiien. Er widmete jich befonders der Schil⸗ 
derung des Bauernlebens auf Seeland und Kunert: 
Hervorzubeben find: Seeleute auf Beſuch (ſ. Tatel: 
Standinaviſche Kunſt I, Fie.9), Schmaus bei 
einem Bauer auf Amager (1854), Gruß der Groß: 
mutter, Schwarzpeterfpiel (1863), fämtlih in der 
töniagl. Galerie zu Kopenhagen; jerner: Bauern: 
bodzeit (1875), Krankenbeſuch (1877). E. wurde 
1864 Mitglied der Kunftalademie, 1876 Profeſſor. 
er, Karl, Matbematiter und Phyſiler, geb. 
3. März 1842 zu Prag, ftudierte 1861 —70 in 
Wien und Arie. wirkte ald Gumnafiallebrer zu 
Troppau, von 1874 an in gleicher Stellung in Wien, 
ward 1885 Präfident der Chemiſch-phyſilaliſchen 
Geietlichaft in Wien und ift feit 1892 Docent an der 
dortigen Univerſität. Er ſchrieb unter anderm: 
eliber die Frauenhoferſchen Ringe» (Wien 1877), 
«liber eine Rafdine zur Auflöfung böberer Glei- 
bungen» (ebd. 1881), «Über das Funleln der 
Sterne» (ebd. 1881), Vorlefungen über die «Wellen: 
tbeorie des Lichts» (bearbeitet nah E. Berbet, 
2 Bve., Braunſchw. 1881 —86), «fiber ar 
eriheinungen» (ebd. 1885), «Borlefungen er 
Elettricität» (Wien 1888), «liber die polarifierende 
Wirkung der Lihtbeugung» (Braunihiw. 1890— 92). 
Extuer, Siegmund, bafiolog, geb. 5. April 
1846 ın Wien, dierte in Wien und Heidelberg, 
wurde 1875 ——— der Phyſiologie in Wien. 
dat zahlreiche Abhandlungen auf, dem Gebiete der 
Rervenphyſiologie und der phyſiol. Optik veröffent: 
lit, außerdem: «Leitfaden bei der mikroſtopiſchen 
Unterfuchung tieriſcher Gewebe» (2. Aufl. Lpz. 1878), 
«Bhyjiologie der Großbirnrinde» (in Hermanns 
«Dandbuc der Phyſio — ebd. 1879), «Unter⸗ 
ſuchungen über die Lolalifation der Funttionen in 
ver Großbirnrinde des Menjden» ner 1881), 
«Die Bhyfiologie des Fliegens und Schwebens in 
den bildenden Künjten» (ebd. 1882), «Die Innerva⸗ 
tion des Kehlkopfes⸗ (ebd. 1884), «Die Phyſiologie 
der facettierten Augen von Krebjen und Inſelten⸗ 
(ebd, 1891), «Entwurf zu einer phyſiol. ärung 
der piochiichen Ericeinungen» (XI. 1, ebd. 1894). 
Brodhaus’ Honperiations-Leziton.. 14. Aufl. R.M VI. 


353 


Mit Gad gab E. 1887—93 das «Gentrajblatt für 
Phyſiologie⸗ beraus. 

Erner, Wild. Franz, Technolog, geb. 9. April 
1840 in Bänferndorf in Niederöfterreich, befuchte das 
————— Inſtitut in Wien und wurde dann 

ebrer an der Realſchule in Elbogen (Böhmen); 
1865—68 wirfte er an der Oberrealichule in Krems, 
1869 organifierte er den neu errichteten Lehrſtuhl 
F Ingenieurweſen und mechan. Technologie an der 
. f. Forſtalademie Mariabrunn und wurde 1875 
als Profeſſor an die foritwirtichaftliche —— 
dert, £, Hochſchule für Bodenkultur in Wien berufen. 
Bejonders verdient machte er ſich um den gewerb: 
lihen Unterricht als ftaatlicher Inſpeltor der Fach⸗ 
ſchulen (jeit 1874) ſowie ald Vicepräfident des Nieder: 
dfterreihiichen Gewerbevereind. Mit Banbans und 
Matſcheko gründete er 1879 das k. k. Technologiſche 
Gemwerbemufeum in Wien, defjen Direktor er ift. 
1882, 1885 und 1891 wurde er in das öfterr. Ab: 

eorbnnetenbaus gemäblt, wo er der deutjch:liberalen 
Bartei angebört, die Reform des Batent:, Mujter: 
und Markenſchußweſens anregte, die Gründung von 
Arbeiterfammern beantragte und befonders in 
Schul:, Verkehrs⸗ und Gewerbeangelegenbeiten eine 
Rolle fpielt. 1890 regte E. die Errichtung eines Mus 
eums der Geſchichte der öjterr. Arbeit an. Sein 
itterar. Hauptwerk ift: «Werkzeuge und Maſchinen 
zur Holzbearbeitung» (3 Bde., Weim. 1878— 83) 
deſſen dritter Band gemeinschaftlich mit Karl Biel 
verfaßt ift. Andere Werte von ihm find: «Das Holz 
als Rohſtoff für das Kuntgewerbe» (Weim. 1869), 
«Die Tapeten: und Buntpapierindujtrie» (ebd. 1869), 
«Die Kunfttiichlerei» (ebd. 1870), «Der Ausiteller 
und die Ausſte .. (2. Ausg., ebd. 1873), «Stu: 
dien über das Rotbuchenholz⸗ Öfhien 1875), «Holz: 
handel und Holzinduftrie der Ditjeeländer», gemein: 
jam mit G. Marchet (Weim. 1876), « Das Biegen 
des Holzes» (3. Aufl., von Qauboed, ebd. 1893), «Die 
mecan. Hilfsmittel des Steinbildhauers» (Wien 
1877), «Das moderne Transportweſen im Dienite 
der Sand: und Forjtwirtichaft» (Weim. 1877). Unter 
feinerRedaltionentitanden: «Beiträge zur Geſchichte 
der Gewerbe und Erfindungen Öjterreich&» (2 Bde., 
Mien 1873), «Die Hausinduftrie Öjterreich3» (ebd. 
1890), die « Mitteilungen des Technologiihen Ge: 
werbemujeums» (ebd. 1880 I 

Ex nexu (lat.), außer ——— Zu⸗ 
ſammenhang; davon: Exnexuation, Aufhebung 
des Nexus ih d.), Trennung, Abtrennung. 

Exoasous Fuckel, Biljgattung aus der Ya: 
milie der Ascompceten (ſ. d.), Schmarogerpilze auf 
Blättern und Früchten. Das Mycelium entwidelt 
fih im Gewebe des befallenen Organs und Die 
Sporenſchläuche werden an der Oberfläche gebildet, 
mwodurd die betreffenden Pflanzenteile mit einem 
ige Pilze überzogen werden. Die Sporen werben 

ei der Reife aus den Schläuchen herausgeſchleu— 
dert. Am belannteſten ift die auf den Früchten der 
Bflaumenbäume häufige E. pruni Fuckel (f. Tafel: 
Pflanzentrantbeiten, Fig. 9), deren Mocelium 
in den 2* vegetiert und Aufſchwellen bewirkt. 
Es entſtehen dadurch die als Narren, Taſchen, 
Hungerzwetſchen befannten Gebilde; dieſe find 
bei der Sporenbildung überall mit weißem Flaum 
bededt, ver aus den Schläuchen beitebt. j 

Exöche oder Eröhas (ard.), eine äußerlich 
bervortretende Aftergeſchwulſt, weiche Afterbeule. 

Exoooetus volitans L, der Schwalbenfild, 
f. Fliegende Fiſche und Tafel: Fi che V, fig. 12. 
23 


354 


Exodium (grd.), eigentlih Ausgang, Schluß 
einer Rede, eines Schaufpiels, nannte man nament: 
(ih in Rom ein Stüd, das als Nachſpiel eines 
größern zum Sclufje einer Aufführung gegeben 
wurde. Nachdem man angefangen batte, funft: 
mäßige Schaufpiele aufzufübren, ſchloß man zuerft 
die bramat. Satura (f. d.) als E. daran, dieſe mußte 
aber bald den Atellanen (ſ. d.) Pla machen. 

Exddus (grch.), Auszug (nämlich aus Agypten), 
der alexandriniſche (jüd.:belleniftifhe) Name des 
2. Buchs Moie (f. Pentateuch). 

Ex officio (lat.), aus Pflicht, von Amts wegen. 

Exogämie (arh.), Heiraten außerhalb des Stam: 
mes oder der Stammesgruppe, eine bei vielen Völ—⸗ 
terichaften auf das jtrengite eingebaltene Ehevor— 

chrift. Die Ebe ift ausichließlich zwiſchen ſolchen 

erjonen erlaubt, die verjchiedenen Stämmen oder 
innerbalb des gleihen Stammes doch gejonderten 
Abteilungen desjelben, einer andern Sippe, Elan: 
ſchaft oder Totemſchaft en) angebören. Bei 
den Dualla in Afrika 5. B. jomwie bei den Khond in 
Indien und bei den Samojeden muß die Gattin aus 
einem andern Stamme erwäblt werben; bei einem 
Zeil der Völker an der — —— Amerikas, 
bei vielen Indianerſtämmen der Vereinigten Staa— 
ten, bei den Guayana-Indianern und bei den Ein— 
geborenen Auſtraliens muß ſie einem andern Totem 
angehören als der Gatte; bei den Tſcherkeſſen darf 
ſie nicht aus der gleichen Bruderſchaft ſtammen und 
auf Neubritannien, Neumedlenburg und Dule of 

orf, wo fich die Bevöllerung in zwei Hauptgruppen 
heidet, dürfen die Ehegatten nicht aus der gleichen 
Gruppe fein. Diefe Ehevorſchriften werden mit 
äußeriter Genauigleit eingehalten und ein etwaiges 
Zuwiderhandeln wird ala Blutfchande beftraft, bei 
den Khond z. B. mit dem Tode. Als die höchſte Aus: 
bildung der E. muß die bei den Ebinejen zu Nedht 
beitebende Vorſchrift betrachtet werden, daß jich fo: 
gar foldhe Perionen nicht heiraten dürfen, die den 
gleihen Familiennamen führen, ſelbſt wenn aud 
nicht die geringite Spur einer Verwandtſchaft zwi: 
chen ibnen beitebt. (S. auch Endogamie.) 

Erogene Sproffung, in der Botanik jede Ber: 
jweigung, die aus oberflächlich gelegenen Zellen ber: 
vorgegangen ift. Erogen entjteben z. B. alle Blät: 
ter und alle normalen blattjtändigen Seitenzweige. 

Erömis, j. Chiton. (S. Endogen.) 

Exomologösis (grch.), Beichte (f. d.). 

Ezomphälus (ar&.), Nabelvorfall, Nabelbrud 
(f. Nabel). 

Ezonerieren (lat.), entlaften, GEntlajtungs: 
beweis (Eronerationäbemweis) erbringen. 

Exophthaͤlmus (grch.) oder Glotzauge, das 
Hervortreten des Augapfels durch die Lidſpalte nach 
vorn, in der Weiſe, daß die Lider nur noch mit Mühe 
oder gar nicht mebr geſchloſſen werden können; dabei 
jeigt der Augapfel einen jtarten Glan; und eine 
eigentümliche Starre und ift häufig bei längerm Be: 
jteben des Leidens wenig oder gar nicht beweglich; 
bisweilen fommt e3 durch den dauernden Mangel 
des Lidſchutzes zu Verſchwärungen der Hornbaut. 
Die höchſten Grade des Übels entjteben dur akute 
oder hronifche Ent ündungen, Eiteranfammlungen, 
Geſchwülſte oder übermäßige Yyettentwidlung inner: 
balb der Augenböble, wodurd der Augapfel meca: 
niſch nah vorn gedrängt wird; in andern Fällen 
bildet der E. ein wichtiges Sumptom der Bajedom: 
ſchen Krantbeit (f.d.). Der jog. pulfierende €. ift 


Exodium — Exostemma 


chlagader bervorgerufen und ijt die Folge eines 
ropfes. giſch. 
Exoplasma (grch.), ß Arbeitsteilung zoolo⸗ 
Eroräbel (lat.), ſich erbitten laſſend, zu erbitten. 
Erorbitänt Dar ,‚ übermäßig, übertrieben; 
Erorbitänz, Überjcreitung des Mafes, liber: 
mäßigfeit. 
Exorcismus (gr&.), die Beſchworung unter 
Anrufung Gottes; in der hriftl. Kirche die Aus: 
treibung des Teufeld oder der böjen Geiiter aus 
einem von ihnen bejefjenen Menihen, unter An— 
rufung des Namens Gottes oder Chriſti. (S. au 
Beiejlene.) Dergleihen Dämonenbeihwörungen 
waren im Zeitalter Jeſu bei Juden und Heiden jebr 
üblich, und wie von Jeſus jelbit in den Evangelien 
ſolche Beſchwörungen berichtet werden, jo war es in 
der riftl. Kirche von Anfang an Sitte, dur Anru: 
fung des Namens Chriſti die böfen Geifter aus den 
Kranten auszutreiben. Die Erorciften oder Teu: 
felöbanner bildeten daber eine eigene Klaſſe von 
Kirchenbeamten (f. Exorcista), Bis in die neueite 
get find ſolche Teufelsbeſchwörungen nicht bloß an 
Berjonen, jondern auch an verzauberten Dingen ge: 
übt worden. — Eine bejondere Bedeutung bat der 
GE. noch bei der zus erbalten, Nad der altlirch⸗ 
liben Pebre waren alle Heiden in des Teufels Ge: 
walt, mußten aljo bei der Taufe erorcifiert werden. 
Seit dem 4. Jahrh. kam der E. auch bei der Kinder: 
ur in Gebraub. Mit dem E. in Verbindung ftebt 
die jog. Abrenunziation,d.b. das auf die Frage 
des Geijtliben von dem Täufling oder in feinem 
Namen von den Paten geleitete Gelöbnis, dem 
Teufel und allen feinen Werten zu entjagen. Bon 
der röm. Kirche übernahm Lutber (in feinem Kleinen 
Katechismus) den E. famt Abrenunziation, wogegen 
ihn die Reformierten abſchafften. Die Bejeitigung 
des E. —* daher den ſtrengen Lutheranern als 
Kryptocalvinismus und erregte z. B. in Sachſen die 
ab ai Stürme. Doc batten ibn aud ftreng lutb. 
Theologen für entbehrlich ertlärt, und im 18. Jabrb. 
lam er faſt überall außer Gebraudb. Dagegen baben 
ihn nah dem Vorgange der Aitlutberaner neuer: 
dings viele orthodore Paſtoren cum des Gewiſſens 
willen» wieder einzuführen verjucht, und lutb. Kir: 
&henregierungen bejtanden wenigjtens auf der Abre: 
nungziation, die, wenn fie auch eine minder anftößige 
Deutung zuläßt, doch die dogmatiſche Grundan: 
ſchauung des E. aufrecht erbält. — Vgl. Mar, The 
history of exorcism (Nochdale 1897). 
Exoroista (lat., «Beibmwörer»), Grorciit, Be: 
eihnung der kath. Geiſtlichen des dritten niedern 
MWeibegrades (f. Ordines), der feine beitimmte 
Thatigleit mebr bat (j. Erorcismus). — Bgl. Wie: 
land, Die genetiſche Entwidiung der fog. Ordines 
minores in den drei erften Jahrh. (Freib.i. Br. 1897). 

Exordium (lat.), Eingang einer Rede, Ein: 


leitung. 
Exorläre —— nostris ex ossibus 
ultor (lat.), «ein Näcer wird aus unferm Staub 
eriteben», Citat aus Birgils «flneide» (4, #5), das 
der Große Kurfürst gebrauct baben joll, als er 1679 
von allen feinen Verbündeten, namentlib von dem 
Kaifer Leopold J. verlaffen, den ungünftigen Frie 
den von Saint Germain-en-Laye (j. d.) zu Ichlieben 
gejiwungen war. 
Exosmöſe, ſ. Diffufion und Osmoſe. 
Exostömma (Exostema) Pers., Pflanzengat⸗ 
tung aus der Familie der Nubiaceen (f.d.) mit gegen 


durch kranlhafte Erweiterung der großen Gehirn: | 20 vorzugsweiſe weitind. Arten. Es find Bäume 


Exoſtoſe — Erpedieren 


ver Sträucher mit immergrünen Blättern und 
kißen, einzeln ſtehenden oder zu endftändigen Trug: 
tolden vereinigten Blüten. Die Rinde einiger Arten 
am früber als falfche oder unechte Ehinarinde in den 
dandel, ie entbält jedoch weder Ehinin noch Ein: 
denin, ſondern einen andern fiebervertreibenden 
Stoff, der zugleich brechenerregend und purgierend 
wirkt. Am berübmteiten als Fiebermittel waren eine 
Jeit lang die Rinde von E. caribaeum Jacq. (unter 
ven Namen Jeſuitenrinde, jamaikäaniſche 
Fieberrinde, Cortex caribaeus, China caribaea) 
und von E. floribundum Roem. (alö China Piton, 
China St. Laciae, China montana); aud E. peru- 
vianum H.et B. fand ebemals al3 Cortex Chinae 
peruvianus Verwendung. 

Egojftöfe oder Djteom (grch.), Anohenaus: 
wuchs oder Knochengeſchwulſt, eine vorwie— 
zend aus Knochengewebe beſtehende, rundliche oder 
böderige, geſchwulſtförmige Neubildung, welche 
einem Bun feſt auffigt und am bäufigiten an 
den großen Röbrentnoden der Crtremitäten, am 
Unterfiefer, Schädeldach, jowie im Großen Beden 
gefunden wird. Derartige Geſchwülſte entjteben 
entweder durch eine ſchleichende Entzündung der 
Anochenbaut infolge eines Schlag oder anhalten: 
den Drudes, wie bei dem jog. Ererzierfnoden 
1. d.), oder durd eine eigentümliche, noch wenig 
erfannte frankbafte Dispofition zur Knochenneu: 
dildung; bisweilen wird ihre Bildung durch kon: 
titutionelle Syphilis begünftigt. Im allgemeis 
nen wachſen fie nur ſehr langjam und verurjadhen 
keine Beſchwerden, außer wenn fie dur ihre 
Größe oder ibren Sik in der Nähe der Gelente 
Beeinträchtigung der Bewegungen, Gelentiteifigkeit 
und Cirkulationsſtörungen —— oder bei 
Frauen durch ihren Sik im Großen Becken erheb⸗ 
tihere Geburtäbindernijje te ges E. der 
®irbeljäule over der Schädelkapſel, welche auf das 
Rüdenmart oder die Hirnoberfläche vrüden, fönnen 
Lähmungen und andere ſchwere Nerventrantbeiten 
zur Folge haben. Abhilfe ift in ſolchen Fällen nur 
dur Operation zu erwarten, die in der Entfernung 
der Inöchernen Geſchwulſt durch Abfägen oder Ab: 
meißeln bejtebt und nicht immer gefabrlos iſt. Eine 
beiondere Form der E. it die &.der Zahnwurzel, 
auch Ercementofis genannt, eine abnorm ftarle 


—— des Gement3 der —— hre Be⸗ 
—— eſteht in Jodpinſelung, Stidelung des 
Jabnfleiihes, Extrallion des Zahns. 


Exoftra, eine Theatermaſchine bei den alten 
Griechen, entweder dem Ellyllema (j. d.) ahnlich zum 
Heraus ſchieben einzelner Dinge auf die Bühne oder 
ein vorgeſchobener Ballon des den Hintergrund der 
Bühne bildenden Balajtes. 

oterifch, j. Eſoteriſch. 

Egothermiiche Reaftionen, ſ. Thermochemie. 

Ezötifch (arcb.), ausländiſch, fremd; erotische 
Gemädjfe, im allgemeinen die außerhalb Europas 
vorfommenden Pflanzen, im engern Sinne aber be: 
ſonders die der warmen Region der tropiſchen und 
äquatorialen Zone. [und Übereinfommen. 

Ex paoto et oonvento (lat.), nad Vertrag 

Erpaudieren (lat.), ausbreiten, ausdehnen. 

fibei (lat.), ausdehnbar; Erpanjibili: 

tät, Ausdebnbarleit (j. Ausdehnung). 
anfion (lat.), Ausdehnung; in der Phujit 
das Beitreben der Gaſe, einen met großen 
um einzunehmen. Den Drud der Gaſe auf die 
kläheneinbeit der Gefäßwand nennt man die Er: 


355 


panſivkraft oder die Tenfion. (©. ir rg 
Dampf, Dampfmaſchine und Erpanfionsmafcine.) 
— Bei Schußwaffen wird E. mit Beziebung auf 
Geſchoſſe Erpanſionsgeſchoſſe) gebraudt, die 
im bintern Zeile eine Aushöhlung befißen, in welche 
die Bulvergaje eindringen und dur Ausdehnun 
der Geſchoßwände ein Eintreten der Oberfläche derſel⸗ 
ben in die Züge bewirken. Die bis zu jener Erfindung 
notwendig gemwejene Rraftäußerung des Schüßen, 
um das von oben geladene Geſchoß in die Züge zu 
treiben (f. Dorngemwebr), fiel damit meg. Infolge 
der bequemen Ladeweiſe und der Leichtigkeit der 
Umänderung glatter Gewehre in gezogene, konnte 
die gejamte Infanterie eines Heers in kurzer ae 
mit gezogenen Gewehren ausgerüftet werden. Die 
Verwertung der E. zum Zmwed der Geſchoßführung 
it ein Verdienſt des franz. Hauptmanns Minie 
$ Minisgewehr). Sein Spitzgeſchoß bat im hintern 
eil eine Höhlung, in der ſich ein ſchmiedeeiſernes 
Hütchen (Treibipiegel, culot) befindet. Neßler (Frank⸗ 
reich), Podewils (Bayern), Blönnies (Heilen) erreich: 
ten denjelben Zwed obne Hütchen (ſ. Geſchoß, Fig. 11 
—13). — Auch bei Gejhüsen bat man die €. zu 
verwerten nefucht. Bei diejen find am Boden des 
Langgeſchoſſes Vorrichtungen angebradıt, die beim 
Schuß durd den Drud der Bulvergafe einen größern 
als den anfänglichen Durchmeſſer annehmen, dadurch 
in die Züge des Rohrs bineinragen und fo eine Jüb: 
rung des Gejchofies (ſ. d.) bewirken. .. Vorrich⸗ 
tungen ſind meiſt napfartige Kupferſcheiben, deren 
Rand in die Züge gepreßt wird (gas-check), feltener 
Ninge, die ſich auf einen fe 4 am Geihoßboden 
auftreiben und dadurd ausdehnen. Nur erjtere Art 
wird noch bei neuern Feuerwaffen und aud faft nur 
nod in England bei VBorderladern angewendet. 
Erpanfiondgeichoffe, ſ. Erpanfion. 
Erpanfionämafchine, im weitern Sinne jede 
Maſchine, bei der das Princip der Erpanfion (f. d.) 
ur Wirkung gelangt, im engern Sinne nament: 
8 eine Dampfmaſchine (ſ. d.), die mit Erpanfion 
arbeitet. 
Erpanfionsdichieber, j. Dampfmafcine, 
Erpanfionsfteuerung, mit Erpanfionsicies 
ber verjebene Steuerungen der Dampfmaſchinen 
Erpanfiv (lat.), ſich ausdehnend. U. d.). 
Erpanfivfraft, j. Erpanfion. 
Ex parte (lat.), zum Zeil; von feiten. 
Expatriieren (neulat.), aus dem Vaterland ver: 
weiſen; ſich erpatriieren, das Vaterland ver: 
laſſen; davon das Hauptwort Erpatriation. 
Expeotativa (lat), f. Anwartſchaft. 
otorantia (lat.), Auswurf befördernde 
Mittel. Zum Zeil reizen fie zu Husten und Räufpern, 
auch wohl zum MWürgen und Erbreden; zum Teil 
fördern fie die Schleimabjonderung auf den Schleim: 
bäuten der Luft: und Schlingmwege; zum Teil endlich 
lindern fie den Reizungszuſtand der legtern ſowie den 
beftigen Huftentigel und dadurch bedingten Krampf 
in den bi Hg zu den men gehören: 
Apomorpbin, Pilofarpin, Brechweinſtein, Gold: 
ihmefel, Jpecacuanba, Senega, Quillaia, Meer: 
wiebel, Arnika, balſamiſche Mittel, Fenchel, Anis, 
Ealmiat, ägendes und kohlenſaures Aumonium, 
Emulfionen, Schleime, Sirupe und andere Eüßig- 
keiten, warme Milch, heiße Getränte, Einatmung 
feuchter Dämpfe, koblenfaure Wäſſer, Nartotita; 
über ibre Anwendung j. Huſten. , 
Erpedieren (lat.), abfertigen, ausfertigen, bes 
fördern; expediätur, ed werde auggefertigt; ale 
25* 


356 


Subftantiv foviel wie Ausfertigungsorder; Ex— 
pedlens, Auskunfts-, — usflucht; Er: 
pediént (Erpeditor), Ausfertiger, Ausſchrei— 
ber; Expedition, Abfertigung und Ort derſelben; 
friegerifche oder wiflenichaftliche Unternehmung. 

Erpeditiondgebühr, j. Cijenbabntarife. 

Expektanzen, j. Eripeltanzen. 

Erpeftieren, ſ. Eripeltieren. 

Erpeftorieren (lat.), etwas ausbujten; un 
erpeltorieren, jeinem Herzen (durch Ausſprechen) 
Luft mahen; Erpeltoration, Herjenderguß; im 
mediz. Sinne, f. Auswurf und Expectorantia. 

Erpellieren (lat.), aus:, vertreiben, verjagen; 
Expellentla, abtreibende Mittel. 

ensae (lat.), Auslagen, Gerichtstojten, An: 
waltskoſten; daher Erpens in Öfterreih gebräud: 
liher Ausdruck; Erpenfarium, Koftenverzeihnis. 

Erpenfilation (lat.), Austellung einer Quits 
tung im Contobuche. Kalle to, koftipielig. 

xpenfion (lat.), Auszahlung, Ausgabe; er: 

Experientia (lat.), Erperienz, Erfahrung; 
E. est optima rerum magistra, Erfahrung tjt die 
befte Lehrmeiſterin; E. docet, Erfahrung lebrt. 

Experiment (lat.) oder Verſuch, die Erpro: 
bung einer vorläufig angenommenen Theorie (Hy: 
potbeje) an den Thatſachen. Eine Wiſſenſchaft, die 
wejentlich auf der Anwendung des E. berubt, heißt 
erperimentelle Wiſſenſchaft. Namentlich ver: 
fteht man unter E. dasjenige Berfabren, bei dem 
der Naturforfcher jelbitthätig in den gewöhnlichen 
Gang der Erjcheinungen eingreift und nad feiner 
Abfict die zufammenmwirfenden Umftände beliebig 
abänbert. aa das E, ward der Naturforfcher 
Herr der zu unterfuchenden Erſcheinungen; denn 
dur Bj vermag er die häufig durch mannig: 
faltige zufällige Nebenumjtände verbüllten wejent: 
lihen Beziehungen und Bedingungen in denfelben 
deutlich bervortreten zu lajjen. Die Einführung des 
€. untericheidet die jeßige Naturforfhung weſent⸗ 
(id) von der des Altertums und Wittelalters. Dur 
diejelbe ift die [helle Entwidlung der Phyſik, Chemie 
und Phofiologie im 18. und 19. Jahrh. möglich ge: 
worden. — Cine foldhe Behandlung der Phyſik und 
Chemie, welche die verjhiedenen Wirkungen der 
Naturträfte dur Anjtellung von swedmäßig ge: 
mäblten €. dem Zuhörer unmittelbar vorführt und 
die Nichtigleit der aufgeitellten Geſetze daran nad: 
weiſt, beißt Erperimentalpbyjit (f. Phyſih und 
Erperimentaldemie (f. Chemie); in gleihem 
Sinne ſpricht man aud von einer Erperimental: 
phyſiologie(ſ.Phyſiologiej und Erperimental: 
geologie 9 Gefteinsbildung). Man unterſcheidet 
von den eigentlichen der Forihung dienenden E. die 
Schul: oder Kollegien:Erperimente, die nur 
eine Nachahmung oder Modifikation jener Drininal: 
Erperimente zu Lehrzwecken der ertlärenden Natur: 
wiſſenſchaft find. — Überär ztliche E.ſ. Arzt (Bd.17). 

Erperimentäl oder —— auf Ex⸗ 
periment gegründet; daher Experimentalchemie, 
Geologie,-Phyſit,-Phyſiologie; experi— 
mentieren, Erperimente anſtellen. 

Erperimentalpädagogif, ſ. Bo. 17. 

Experimöntum (lat.), Verſuch, ſ. Erperiment. 
— E. crucis, eine Probe durch eine Art Gottes: 
urteil am Kreuz; daher foviel wie entſcheidender 
Verſuch. E. in corpöre vili, ein an einem wertlojen 
Körper angejtellter Berfuch, 3. B. eine an einem zum 
Tode Verurteilten verſuchte gefährliche Operation. 

Erperten (lat.), Sahverjtändige (ſ. d.). 


Erpeditionsgebühr — Erplofion 


Erpertife (fr3.), Unterfubung durch Sachver— 

ftändige (ſ. d.), Bericht derjelben. 

erto credite (lat.), «glaubt es dem, der es 
jelbjt erfahren hat», oft citierte Worte aus Virgils 
«Slneide» (11,283). An den malkaroniſchen Gedich— 
ten des Antonius de Arena (geft. 1544) findet ſich 
das Citat erweitert zu Experto crede Roberto 
(aud) ftatt Roberto öfter Ruperto citiert). 

Erpiation (lat), Sübnung, Büßung, Ber: 
föhnung; erpiatörifch, als Sühne, Buße geltend, 
verjöhnend; erpiäbel, verſöhnlich, jühnbar. 

epilieren (lat.), plündern, berauben; Erpi: 
lation, Plünderung, namentlih Entwendung von 
Grbicaftsftüden; Erpilätor, Erbfcaftsvieb. 

Explanieren (lat.), auslegen, erllären, erläu: 
tern; Erplanation, Auslegung, Grllärung; er: 
planativ, erläuternd. 

Erpleten, ſ. Tetratorallier. 

Explioit (lat., abgefürjt aus Volumen ex- 

licitum est, «die Schriftrole it abgemwidelt»), das 
uch ift zu Ende, am Schluß alter Drude und 
Sanbferften, wie Incipit (fängt an) am Anfang 
> en; explicite, entwidelt, ausprüdlic. 
plieit (lat.), |. Jmplicit. 

Erplifation (lat.), Entwidlung, Erllärung; er: 
plifativ, erflärend, 

Erplizieren (lat.),‚entwideln, auseinanderjeßen, 
deutlich maden, erllären. 

Explodieren (lat.), unter Knall zerfpringen, in 
die Luft fliegen (f. Erplofion); heftig ausbrechen. 

Erploitieren (fr;., ipr. -plödat-), ins Wert jegen, 
ausrichten; ausbeuten, für ſich nußbar maden; 
Erploitation, Ausbeutung, Nugbarmahung; 
erploitäbel, nußbar. 

Erploration (lat.), Ausforſchung; in der Me 
dizin die kunftgemäße Unterjubung, welche der 
Arzt mit dem Kranlen zur gründlichen Beurteilung 
eines vorliegenden Strantbeitsfalles vornimmt, im 
Gegenfaß zu den weit weniger Sicherheit gewäb: 
renden eigenen Angaben bes Kranken, der Anam- 
ale (1.d.). Der wichtigſte Teil der E. ift die jog.pby: 
fitalifhe E. Sie geſchieht durch unmittelbare An- 
wendung bes Gefübls, Geſichts, Gebörs, Geruchs 
und ſelbſt Geſchmacks oder foldyer Inſtrumente, die 
das Gefühl, Geſicht und Gebör unterjtügen, 3. 9. 
der Sonde, der Spiegel, des Stethoſtops und Pleſſi— 
meterd, der Bandmahe, Zirkel, em. Neagentien, 
des Mitroflops u. dgl. In der Hegel unterjuct 
der Arzt bei der E. eines Kranken die verfchiedenen 
Spjteme und Organe des Körpers in einer beftimm:- 
ten NReibenfolge, indem er ſich zunächſt von dem 
Ausjeben, der Haltung und dem ganzen Emäb: 
rungszuftand des Kranken, von der Farbe, dem fett: 
reichtum und der ſonſtigen Beichaffenbeit jeiner Haut 
überzeugt und feine Hörpertemperatur prüft. Dann 
erſt unterjucht er die einzelnen Körperteile, und zwar 
gewöhnlich zuerft denjenigen, der entweder allein 
erkrankt ift oder deilen Erkrankung zunädjit in das 
Auge fällt: Kopf mit feinen Höblen, Hals, Bruft, 
Bauch oder Ertremitäten, woran fib dann die 
povit,, chem. oder mikroſtopiſche Unterfuchung der 
bjonderungen und Ertrete anſchließt. (©. Aus 
fultation, Diagnoje, Perluſſion.) 

Erplorieren (lat.), austundicaften, erforicen, 
unterjuchen, ſ. Erploration; Erplorateur (frz, 
fpr. -töbr), Ausforjcber, Kundicafter, Späber. 

Erplöringinfeln, ſ. Fidſchi⸗Inſeln. 

Exploſion (lat.), die unter Knall und beftigen 
mechan. Wirkungen eintretende plößliche Volumen 


Exploſionsgeſchoſſe — Exploſivſtofft 


ogtoherung eines Körpers. So bezeichnet man mit 
die raſche, zur Zerftörung führende Dampfent: 
idlungin Dampjteileln(j. Dampftejjelerplofionen). 
Smwöhnlich aber nennt man E. diejenige dur che: 
niſche Umjesun 8 bervorgerufene Gasentwid: 
(una, die durch eine Zemperaturerböbung, durch Er: 
gütterung, zuweilen Durch geringfügige, kaum nad): 
meisbare Urtachen eingeleitet wird, wie dies bei den 
Srplofivftoffen (f. d.) der Fall ift. Auch gewiſſe 
Basgemenge können erplodieren; man bezeichnet 
ielbe Gasgemenge mit Rnallgas (f. d.); in den 
Baslraftmajchinen (f. d.) findet die E. folder Ge 
menge prattifche Verwendung. Über die E. in Berg: 
werten ſ. Sclagende Wetter; über die Staub: 
erplofionen |. Mühlſtaub. Je rafcher die Ber: 
brennung eines Grplojivftoffs ftattfindet, deſto auf: 
fallender find bie Wirkungen der E. Berbältnis: 
mäßig langſam erfolgt die Umſetzung bei Schieß: 
pulver, rajcher bei Schießbaumwolle, noch rafcher bei 
Knallfilber und Dynamit. Scießpulver brennt im 
freien Raum auf einem Brett ziemlich langjam ab, 
ebenio Sciekbaummolle, während Dynamit, frei 
auf einer Metallplatte liegend, zur €. — 
durch die Platte ein Loch ſchlägt oder dieſelbe ganz 
zertrümmert. Es erklärt ſich dies aus der hoben 
Geihmindigleit, welche die Teile des Dynamits 
elöglih nad allen Seiten (auch nad unten) aus: 
einandertreibt, jo daß ſich diefelben wie Geſchoſſe 
verhalten, die gegen die Platte fliegen. Vgl. Berthe⸗ 
lot, Sur la force de la poudre et des matières ex- 
plosives (3. Aufl.,2Bde., Bar. 1883). — Die Verfiche: 
rung gegen den durd €. entftebenden Schaden über: 
nehmen in Verbindung mit der Berficherung gegen 
eueriähaben die Fjeuerverfiherungsgejellihaften. 
Die iherung genen die Gefahren der Seeichiff: 
fabrt dedt aud die Gefahr der E, (Deutſches Han: 
delsgeſeßbuch $. 820). 

ERS aekhofle, aub Grplofivge: 
ihojje, Sprengaeihofje, alle für euer: 
waffen benusten Geſchoſſe, die am Ziel oder in defjen 
Nähe durch eine in ihrem Innern befindliche Spreng: 
ladung zum Springen gebracht werben (f. Geichoß); 
im engern Sinne nennt man E. ſolche aus Hands 
feuermwaffen verfeuerte Geſchoſſe. Sie find nur 
zur Jagd auf Raubtiere gebräuchlich, wäbrend durch 
die Beitimmungen ber internationalen Beteröburger 
Konvention (1868) zur Kriegführung nur E. von 
über 400 E Gewicht zuläffia find. (6. 2.). 

E:;plofiondmotor, joviel wie Gaskraftmaſchine 

Erplofiondradius, j. Trichtermine. 

Erplofionswellen, die bei plößlibem und 
beftinem Durchbrechen der Luft, wie z. B. bei 
eleltriſchen unten, bei Schüfien, beim Knallen 
der Zündbütchen u. dgl., auftretenden und fort: 

breitenden Schwingungsbemwegungen. Die von 
pler, Antolit, Mad ftudierten E. bringen auf 
berußten Platten eigentümlice Zeichnungen ber: 
vor und lajjen ſich auc auf optiſchem Wege mit dem 
Schlierenapparat (j. Schlierenmethode) beobachten. 
Rach Mad ift die Fortpflanzungsgeihmwindigteit 
der E. größer als die normale Schällgeſchwindig— 
teit, jolange die Verdichtung der Welle jebr bedeü— 
tend ift. Die großartigfte bisber beobachtete Er 
plofionswelle war die 1883 durch den Ausbruch des 
fralatau (j. d.) verurſachte, die mehrmals um die Erde 
berumlief und an mebrern aufeinander folgenden 
lagen von den jelbitregiitrierenden Barographen 
ter meteorolog. Stationen aufgezeichnet wurde. 
Exploſiv (lat.), leicht erplodierend. 


357 


loſivſtoffe (Sprengjitoffe), dem. Körper over 
Gemiſche leßterer, die fich durch gewifie Mittel zur 
lojion (ſ. d.) bez. Detonation bringen lafjen. 

n den meijten €, lit Sauerftofi, an Stiditoff 
oder Ehlor gebunden, in großer Menge und außer: 
dem Robin vorhanden, der bei der erplofiven 
Zerjekung ſich des Sauerftoff® bemädtigt und da⸗ 
mit Koblenftoffverbindungen liefert. Manche €. find 
vollftändig jauerftofffrei, jo 3. B. Stiditoffwailer: 
kef äure, $od: und Chlorftiditoff, die fi bei den 
eiſeſten Erihütterungen in ihre gasförmigen Ele: 
mente jerfeßen: 2NCh, =N, + 8Cl,, over bei dieſem 
momentanen Zerfalle wenigſtens ein Gas entwideln, 
wie die metallifchen €, (f. unten 6). Viele E. finden 
technische Berwendung zum Schleudern von Geſchoſ⸗ 
fen oder zum Sprengen und werben dann Treib: 
mittel oder Sprengftoffe genannt. 

a nah der Entzündungstemperatur und der 
Heftigleit, mit der die Gasentwidlung auftritt, 
fann man bie €. in drei Hauptgruppen teilen. 
L Impulſive E. die bei hoher Entzündungs: 
temperatur relativ langjam verbrennen; fie dienen 
vorwiegend als treibende Mittel für Geſchoſſe in 
Feuerwaffen, daneben aud zu Sprengzweden, na: 
mentlih in Hohlgeſchoſſen und Minen. II. Bri: 
fante €., die bei hoher Entzündungstemperatur 
außerordentlich heftig verbrennen; fiedienenlediglich 
als Sprengmittel, da fie ald Treibmittel in Feuer: 
waffen zu ſehr zerjtörend auf dieje wirken würden. 
IH. $ulminante E. bei welchen die Gasentwid: 
lung bei niederer Entzündungstemperatur, aber mit 
der größten Heftigfeit und Geſchwindigkeit vor ſich 
geht; fie dienen als Zündmittel für andere E. (S. De: 
tonator.) Die impuljiven E. werden gewöhnlich 
durch Feuer, die brijanten E. durch hohen Drud, die 
fulminanten €, durch eine geringere mechan. Ein- 
wirlung zur Thätigleit gebradt. Die brifanten €. 
brennen bei der Berührung mit der gewöhnlichen 
Flamme meijt nur lebhaft ab, ohne eine plößliche 

asentwidlung zu zeigen, find daher die weniger ge: 
fährlichen, während die fulminanten E. ſehr leicht zur 
erplofiven Zerjegung (Detonation) — werden, 
und ihre Verwendung in größern Mengen baber zu 
vermeiden ift. Bei den impulfiven E. läßt fich die 
Verbrennungsgeſchwindigleit bis zu einem gewiſſen 
Grade durch bie äußere Form beherrſchen, was bei 
den brifanten bis jeßt nur felten gelungen it. 

Nah der Zuſammenſetzung der E, unterjcheidet 
man mechaniſche Gemenge undſchemiſche 
Berbindungen. Beiden erſtern ift ver Saueritoff: 
träger ein jalpeterfaureö oder ein hlorfaures Salz; 
die Beimengungen find leicht verbrennliche Stoffe, 
wie Holzlohle, Schwefel, Zuder u. ſ. w. Die chem. 
Verbindungen find tnalljaure Salze oder Nitrate 
von or — Subſtanzen, wie von Baumwolle, 
Stärlemehl, Glycerin u. & w., melde 
durch Behandlung mit konzentrierter Salpeterfäure 
(unter Anwendung von Schwefelſäure) Stiditofi 
und eine reihe Menge —— aufnehmen. Die 
Nitrate lönnen durch mechan. Beimengungen tech⸗ 
niſch beſſer verwertbar gemacht werden. Bon ande: 
rer Seite iſt eine Unterſcheidung der E. in «birelt 
mwirtende», deren Entzündungstemperatur mit ber 
Erplofionstemperatur zuſammenliegt, und in «indis 
reft wirtende E.», bei denen die Erplofionätemperas 
tur böber liegt, in Vorſchlag gebracht. 

Die E. ten fih folgendermaßen gruppieren: 

ec alpeterfqurem Kalium als Sauer: 
ftoffträger, Holztoble als Brennitoff und Schweiel 


358 


als Zuſatz — ——— Verbrennungsprozeſſes 
und Erhöhung der Aufbewahrungsfäbigteit. Hier: 
ber gebört das gewöhnliche oder ſchwarze Schieß: 
pulver (f. d.) und das Braune Bulver (f. d.) 
und in den Verhältniszahlen abweichende Bulver: 
arten von Neumeyer, Champy, Bennet u. a. 

Erfakmittel des Kalifalpeters find: 

a. Salpeterfaures Natrium; fo im Pyro— 
none von Reynaud, ferner im Brise-rocs von Ro: 
baubi, im Pyrolithe humanitaire von Terre und 
Mercader, im Steinbred von Weplar, ſowie in den 
re von Davey, Drland, Caton, Schwarz, 

äfler und Budenberg. 

b. Salpeterjaurer Barpt; bierber gebört 
das Barptpulver und das Sartfragin. 

ec. Salpeterjaures Ammoniaf beim grob: 
törnigen Pulver c/86. 

2) E. mit hlorfaurem Kalium ald Sauer: 
io Euer: wie das muriatiibe Schiefpulver von 

ertbollet (f. Bertbollet3 Schießpulver), ferner das 
Bulver von Kellow und ia ai Hafenegger, Bubdro: 
lith von Dller; zu den hlorjaures Kalium enthalten: 
den E. gehören ferner die weißen Pulver (f. Augen: 
pres Scießpulver, Schulkes Pulver, Udattus: 
pulver) ſowie das von Krafft, Callou, Spence, Ehr— 
barbt en Horslen. 

Erfagm ttel des chlorſauren Kaliums ijt über: 
chlorſaures Kalium: Niſſers Pulver und Ammonit. 
Lepteres ift ein neuerer Sprengftoff, ein Gemiſch von 
Ammoniumnitrat und Mononitronaphtbalin, aljo 
dem Bellit (f. d.) ſehr ähnlich, mit welchem es auch 
die meiften Eigenſchaften teilt. In Belgien wird es 
von Favier fabriziert (Faviers Sprengmittel). 

3) E. mit Surrogaten für die Koble. Die 
Roble ist in den E. durch die verichiedeniten Stoffe 
erſetzt worden, jo durd ertrabierte Gerberlobe, 
Sägemehl, Kleie, Stärke, Zuder, Blutlaugenfalz, 
Seignettefalz, weinjaures Kalium, bumusjaures 
Ammonium, Katechu, Gerbfäure u. a. Manche der 
vorbergenannten €, entbalten jolbe Surrogate. 

4) E. mit Surrogaten für den Schwefel: 
Halorylin (f. d.), Collodin (f. d.), Vioorit von 
Bjorimann, Kantbatpulver. 

5)E.mitorganifhenfitroverbindungen, 

a. E, mit Nitroglycerin. Zu nalen zur aröß: 
ten Wictigleit gelangten Sprengitoffen gehören 
außer dem Nitrogliygcerin (f. d.) die fämtlichen Dy: 
namite (ſ. d.) und viele rauchſchwache Bulveriorten 
(f. Schiebpulver, rauchſchwaches) und zwar dieſe 
ſtets in Verbindung mit 

b. €. mit Nitrocellulofe, Scießbaummolle 
(.b), nitrifiziertes Holz von Schulße, Dualin (f. d.), 

bel& oder Brugeres Pulver, rauchſchwaches Schieß⸗ 
wollpulvce (Cotton gunpowder). 

c. Die Sprengeliden E., 1870 von Dr. 
Sprengel erfunden, befteben aus zwei an fich nicht 
— Komponenten, die erſt lurz vor ihrem 

ebrauch zufammengebract werden und dann eine 
Miihung von großer Erplofionswirtung abgeben. 
Der eine diefer Komponenten iſt meiit Salpeter: 
fäure, jeltener ein anderer unorganiſcher Saueritofi: 
lieferer, wäbrend der andere ein organiſcher, meiſt 
ein Nitrat der aromatischen Reihe, wie Nitrobenzol, 
Binitrobenzol, Trinitropbenol, Nitronapbtbalin, je: 
doch auch Schwefeltoblenitoff, oder endlich Pilrin: 
ker fein fann. (S. Panklaſtit, Hellboffit, Emmen: 

t, Radarod, Nomit.) 

d. €. mit Nitrorobrjuder, Nitroftärte, 

Nitromannit u. a. Dieje Verbindungen find 


Erponent — Erponentialfunftion 


namentlid benust, um durch ibre eigene Erplofion 
bie anderer E. einzuleiten, indem man fie zur Fül— 
lung von Zündbütchen u. dal. verwendet bat. Hier: 
ber gebört auch Udatiuspulver (ij. d.). 

e. E. mit Bilrinfäure; fie führen auch die 
Bezeichnung Pilratpulver (f. d.) und fpielen eine 
wichtige Rolle ald Sprengladungen der Briſanz-, 
Minen: und jonjtiger Granaten. 

f. E. mit falpeterfaurem oder hromiau: 
rem Diazobenzol (Hnallanilin). 

6) Metalliſche E.: Knallgold, Anallquedjilber 
und Snalljilber, welche auch den Namen Knall— 
präparate (j. d.) führen. 

7) Slüffige Luft (j.d.). j 

Der Wert der €. ift ein jebr —— einmal zur 
Erzeugung der treibenden Kraft in Feuerwaffen für 
militär,, vo und jonftige Zwede, jodann ala 
Sprengitoffe zu militär. Zweden, im Bergweſen, 
im Straßen: und Eifenbabnbau, endlih als Zund— 
mittel für Feuerwaffen und Sprengladungen. (ber 
die Gejeggebung gegen den gemeingefäbrliceen Ge 
braud von €, j. Sprengjtoftgeieb. 

Litteratur. Rusty, Theorie der Schiekpräpa: 
rate und die innere Balliftit (Wien 1870); Kerl und 
Stobmann (Muspratt), Encyllopäd. Handbuch der 
techniichen Ebemie (4. Aufl,, 8 Bde., Braunſchw. 
1888 fg., Artilel «Schieß: und Sprengmittel»); 
Bertbelot, Sur la force des matieres explosives 
(Bar. 1883); derf., Les compositions incendiaires 
dans l’antiquite et au moyen äge (ebd. 1891, in 
der «Revue des Deux Mondes»); Ydon Gody, Traite 
thöorique et pratique des matiöres explosives 
(Namur 1896); Luiz Mardel, Polvoras Explosi- 
vos Modernos e suas applicagdes (Liffabon 1893 
— 96); Willougbby Wale, Lectures on Explosi- 
ves (Neuyork 1897); Gißler, Handbook of modern 
explosives (Lond. 1890); A. Ledieu und Sarrau, 
Introduction à la th6orie des explosifs (Par. 1893); 
Eunbill, A dictionary of explosives (Lond. 1895); 
PBödmann, Die erplofiven Stoffe, ihre Geicichte, 
Fabritation u. j.w. (Wien 1895); Maudry, Erplofive 

räparate (ebd. 1895); Salvati, Vocabulaire des 
poudres et explosifs (Bar. 1895); Nomodi, Ge: 
ſchichte der E. Tu. II (Berl. 1895 — 96); Das Tona: 
mit und feine fulturbijtor. und technische Bedeutung 
(Wien 1896); Sanford, Explosifsnitres(Bar. 1898); 
Guttmann, Scieß: und Sprengmittel Braunſchw. 
1900); deri., Die Induſtrie der E. (ebd. 1901); Pictet, 
Zur mechan. Theorieder E.(Meim.1902); Bichel, Un: 
terfuhungsmetboden für Sprengitoffe (Berl. 1902). 

Erponent (lat.), in ver Natbematit dieerböbt ge: 
fchriebene Zabl einer Potenz (j.d. und Wurzel). Bei 
einem geometr. Verbältnijje nennt man bäufig den 
Quotienten beider Glieder desſelben (meiit des jmei- 
ten durch das erſte) den E.; demnad bat das Verbält: 
nis 3:12 den E. 4. Ebenfo iſt der E. einer geometr, 
Progreſſion (f. d.) oder Neibe der Quotient eines 
Gliedes durch das vorbergebende, & B. bei der Pro: 
grejfion 1,3, 9, 27,81 iſt 3der E. Cine Erpo: 
nentialgröße ift eine Potenz, deren €. eine ver: 
änderlihe Größe it, 3. B. a‘. Cine Gleichung, 
worin Erponentialarößen vortommen, beißteineGr: 
ponentialgleibbung, eine frumme Linie, die eine 
jolbe Gleichung bat, eine Erp onentiallturve, 
3. 2. vie logarithmiſche Spirale. 

Erponentiälfunftion, eine Botenz, die als 
— — ihres Exponenten aufgefaßt werden 
ann (y=a*) Der Diſſerentialquotient jeder 


E. ift ein Vielfaches der E. felbit. Sucht man 


Erponentialgröße 


ve funktion, Die ihrem Differentialquotienten un: 
sittelbar leich iſt (die einfachſte tranſcendente 
Jnltion), jo wird man zu einer E. mit beſtimmter 
daſis geführt, Die fich vermöge jener Grundeigen: 
ihaft in eine für jeden beliebigen Wert der Urvaria⸗ 
kilntonvergierende unenblice Reihe entwideln läßt: 
e&=1+x Hatte 
Sekt man bier x =1, fo erhält man die Baſis e, 
teren Zablenmwert e = 2,7182818 ++» ift. Die Umkeh⸗ 
rung (inverje Funttion) der E. ift der Logarithmus 
(x = ®log y); nimmt man e zur Bafis des Loga- 
rirhmenjvitems, fo gelangt man zu den natürlichen 
Cogaritbmen. Eine E. mit imaginären Erponenten 
führt durch Zerfällung in ihren reellen und ihren 
imaginären Zeil zur Koſinus- und zur Sinus: 
funktion: ei=cosx+tisinx — oivreſche 
Formel). Es laſſen ſich fo die Reiben für cos x 
und sin x aus der oben angegebenen Neibe ableiten. 
Aus der Moivreihen Formel folgt, da die E. eine 
imaginäre Periode behßt: ex+iri-ex, Die E. 
ih ſelbſt eine eindeutige Funktion, ihre Umkehrung 
aber ift unendlich vieldeutig, der Logarithmus jeder 
Zabi bat neben feinem einfahen Wert unendlich 
viele, die fih um ganzzablige Vielfache von 2ri 
unterjcpeiden. [Erponent, 
Erponentialgröfe, Erponentialfurve, ſ. 
Exponieren (lat.), ausjeßen ( 3. B. einer Gefahr), 
auseinanderießen, auslegen (erflären);erponibe 
erflärbar, erflärlid. 
Erpört, j. Ausfuhr und Handelsgeographie. 
Erportbonififation, Ausfubrvergütung, 
Drambad im mweitern Sinne, im Gegenſatz zu 
eigentliben Ausfubrprämien (f. d.) Bezeihnung 
derjenigen Ausfubrbegünjtigungen, die lediglich in 
der Hüderftattung der gewiſſe Ausfuhrwaren im 
Inlande belajtenden VBerbraudsfteuer: oder Zoll: 
beträge beiteben. E. finden zunächſt ftatt bei der 
Ausfubr von Fabritaten, welche einer inländijchen 
Berbraucsiteuer unterliegen, 5. B. von Brannt: 
wein, Zuder u. ſ. w., jodann bei der Wiederausfuhr 
der mit einem Einfuhrzoll belafteten Rohwaren, 
j. B. Getreide, ober bei der Ausfuhr von ſolchen 
Fabrilaten, deren Robitoff oder Halbfabrifat bei der 
Einfubr einem Finanz: oder Schußzoll unterworfen 
it, 3.8. bei Baummoll:, Woll:, Eifenfabritaten, 
Mebl u. j. w. (Rüdzölle). Bei der Verbrauch: 
feuer und dem Finanzzoll ift die Nüdvergütun 
ein Gebot der Billigkeit, weil die Steuer: oder Zoll: 
belaftung den bier nicht eintretenden inländijchen 
Verbrauch treffen joll; bei dem Schußzoll foll durch 
die eis aiirn Bier Zolls die Ausfuhrinduſtrie 
boben werden. Durch die Einrichtung von Frei— 
fen oder vonzollzund jteuerfreien Niederlagen(].d.) 
lann die eigentlihe E. überflüffi er werden, 
indem 3. B. die zur Wieberaushubr eftimmte Ware 
— nicht in den freien Verlehr tritt, oder gewiſſe 
arbeitungen der unter Zollverſchluß lagernven 
Baren in den Niederlagen jelbjt vorgenommen mer: 
den, oder indem die Stoffe unter jteuer: oder zollamt: 
liber Kontrolle außerhalb der Niederlagen verar: 
beitet und dann wieder dorthin zurüdgebracht wer: 
den. Sehr häufig artet die E. in eine Ausfuhrprämie 
aus, indem entmeber der ſog. Identitätsnachweis 
#1. ©.) abſichtlich nicht gefordert wird, oder aus tech— 
niſchen Gründen nicht gefordert werden kann, oder 
weil die Rüdvergütung der Steuer und des Zolls 
R hoch bemefjen ift, 3. B. wenn beim Zuder das 


’ 


uebringen (rendement) aus den befteuerten Rüben 


— Erportvereine 359 


oder dem Robzuder nad einem zu niedrigen Satze 
angenommen wird — eine Gefahr, welche fich mit 
dem Fortjchreiten der Technik natürlich immer mehr 
vergrößert. Die E. wird entweder in Barzahlun 
gewährt, oder nach franz. Mufter in der Form, dad 
dem Fabritanten, welcher die entfprechenden Halb: 
oder Sanzfabrilate ausführt, ein Exportſchein 
oder eine Zollquittung (Einluhefhein; 
Acquit-&-caution, f. d.) ausgeftellt wird, melde 
ur zollfreien Einfuhr einer beitimmten Menge des 
Rohſtoffs oder Halbjabritats ermächtigt. Bei diejer 
Art der E, fällt der Identitätsnachweis weg und 
find die Scheine übertragbar, jo daß fie in den Han: 
del klommen und zumeilen fogar Gegenftand der Bör: 
ſenſpelulation werben, 3. B. in der Eifenbrande. 
Durch Reichögefek vom 14. April 1894 iſt dieſe 
orm (Einfuhrſcheine) für den Erport von Getreide, 
üblenfabrituten und Malz eingeführt. Die E. er: 
peigt in Deutfchland bei der Ausfuhr von Tabat, 
abaksfabrilaten, Rübenzuder, Branntwein und 
Getreide u. ſ. w. auf Rechnung des Reichs, bei Bier 
auf Rehnung der norddeutihen Braujteuergemein: 
joa t oder —— Staaten, welche die Steuer 
ierfür für eigene — erheben. — Bgl. Ar: 
titel Ausfuhrprämien und Ausfuhrvergütungen im 
«Handwörterbucd der Staatswiſſenſchaftens, Bd. 2 
2: Aufl.,Zena 1899); Schönberg, Handbud derpolit. 
fonomie, 2. Bd., 2. Halbband, ©. 332 (4. Aufl., 
Tüb, 1898); außerdem die Litteratur bei Ausfuhr: 
prämien, (Waren ausführt. 
Egporteur (ftz., jpr. -töhr), derjenige, der 
Erportfommiffionär, der Kommilfionär (f. 
Kommiffion), welcher Waren zum Erport nad über: 
eeifchen Häfen in Konfignation (f. d.) übernimmt. 
erjelbe bat neben den Pflichten eines Spediteur 
f. d.) nur die Verbindlichkeit, die ihm übertragenen 
ufträge an die überfeeifhen Kommiffionäre mit 
der ng eines ordentlichen Kaufmanns auszu: 
fahren, einem Auftraggeber die erforderlichen 
achrichten zu erteilen, ihm über vie Geſchäfte 
a zu geben und ihm das zu ei rt was 
er ſelbſt aus den Gejchäften zu fordern hatte. 
bat nicht die Pflihten eined Verlaufskommiſſio⸗ 
närs, wenn er diefelben nicht übernommen hat (Ent: 
fcheidungen des Reichsoberhandelsgerichts, Bd. 8, 
&. 121, Stuttg. 1873). 
Exportfommiffionshänfer, größere private 
Unternehmungen, welche für bejtimmte Induſtrie— 
zweige den Warenabjaß dadurch vermitteln, daß fie 
ausländische Aufträge —— den Fabrikanten 
übergeben, den Vertrieb der Waren bis in die fern: 
jten Gegenden mit Hilfe eigener Reifenden bewirken 
und die —— entweder ri oder kurz nad 
der Ablieferung der Waren bezablen. Sie erleichtern 
dadurd bedeutend das Gefchäft namentlich kleinerer 
und neu begründeter Fabriken. Die €. haben in 


| England, Frankreich, Nordamerika und der Schweiz 


weite Are een und große praftijche Bedeutun 
erlanat; Deutjhland verfügt nur über einzelne E. 
bauptjächlich in den Rheinlanden und in Weitfalen. 
— Bol. Huber, Die Ausftellungen und unjere Er: 
portinduftrie (Stuttg. 1886). 
Erportmufterlager, ſ. Handelömufeen. 
Ezporticheine, j. Erportbonifilation 
Erporttarife, j. Eijenbabntarife. 
——— Vereine von Produzenten und 
Kaufleuten, welche neuerdings im Zuſammenhang 
mit andern Beſtrebungen zur Hebung des Ausfuhr: 
bandelö zu gleihem Zwecke entitanden und noch im 


36U 


Entjteben begriffen find. Sie juchen ihr Ziel durch 
Anlegung von Erportmujterlagern im Inlande, Aus: 
—— inländiſcher Erzeugniſſe im Auslande oder 
Inlegung von permanenten Warendepots dortſelbſt, 
Anjtellung von Agenten an auswärtigen Pläßen, 
Einribtung von Informationsbureaus, KRolleltiv: 
reifen der Mitglieder — zu erreichen. Sie ſuchen 
und finden auch in der Regel die Unterſtütung der 
Behörden und namentlich der konſulariſchen er: 
tretungen im Auslande. (S. Handelämufeen.) 

Exposse (fr;.), Darlegung, Auseinanderjeßung. 

Erpofition (lat.), Ausjepung, Ausitellung (}. 
aud Exhibition); Auseinanderjegung, genauere Er: 
Härung der Begriffe in den einzelnen Zeilen einer 
Nede oder Abhandlung, im Gegenjas zu Dispo: 
Se der richtigen Anordnung diejer Zeile. — 

m Drama nennt man E. die in den eriten 
Scenen oder im erften Aft zu gebende Darjtellung 
der Situation, von der die Handlung ihren Aus: 
gang nimmt; ihre Aufgabe ift es, den Zuichauer 
mit dem Gegenitand der Handlung, mit deren 
mwejentlihen Trägern und Verhältniſſen befannt zu 
machen. Die Kunſt bejtebt darin, diefe Grundlage 
des Folgenden möglihit durdfichtig inden Anfängen 
der Handlung jelbit ſich entfalten zu laffen. Die E. 
im — Drama ſoll mit wenigen Zügen den 
Geiſt der geibichtlihen Epoche und des Voltslebens 
daritellen. Mujtergültig iſt mit Bezug bierauf die 
E. in «Egmont» und «Wilhelm Tel».  [pbiiches. 

Erxpofitiondmeffer, j. Pbotometer, pbotogra: 

Erpofitür (lat.), auswärtige Kommanbite, al: 
torei. In der katb. Kirche eine Tochterlirche mit 
allen Rechten einer Kirchengemeinde, ohne die Mittel, 
. Seelforger (Erpojttus) die volle Congrua 
(}. d.) liefern zu lönnen. — In Bosnien ijt €, eine 
Abteilung ber mit der polit. und Jujtizverwaltun 
eriter Snhanı betrauten Bezirtsämter, welche mei 
wegen der großen Entfernung vom Hauptorte des 
Bezirks errichtet wurde und von einem vom Bezirls— 
amte abbängigen polit. Beamten jelbjtändig geleitet 

Erpofitus, ſ. Erpoſitur. [wird, 

Ex post over Ex post facto (lat.), binterber, 
nad ——— That. 

Expoſtulieren (lat.), fordern, ſich Aber jemand 
beſchweren, ihn zur Rede ſtellen, mit ihm ſtreiten; 
Erpoftulation, Beſchwerdeführung, Streit. 

Erpofuremeter (engl., ſpr. erpöbidhermibter), 
j. Bbotometer, photographiſches. 

£pref (lat.; frz. expres, jpr. -präb), ausprüd: 
li, eigens, zu befonderm Zwed; par exprös, lat. 
per expressum (abgefürjt p. expr.), durch einen 
eigenen Boten. In manchen Gegenden, bejonders in 
Oſterreich, bezeichnet man die Dienjtmanninftitute 
(j. d.) ald Erpreßinftitute. 

Erprehgut (frj. colis express; engl. express 
goods, parcels), auch Cilgut, Güter (j.d.), die be: 
ſonders fchnell, mit Berfonenzügen befördert werden, 
fojern fie fich zur Beförderung im Badwagen eignen. 

In Deutſchland beitebt diefe Cinrihtung, die 
jhon 1875 von mebrern jüddeutihen Eifenbahns 
verwaltungen eingeführt wurde, um den Berluiten 
zu begegnen, die ihnen aus der billigen Batetbeför: 
derung der Boit erwuchſen, unter andern bei den 
bad., bayr., eljaß:lotbr., württemb. und pfälz. Eifen: 
babnen. Die Beförderungsbedingungen find ver: 
bieden; im allgemeinen find fie den Bedingungen 
ür die Beförderung des Neifegepäds nachgebildet, 
wie denn au die Fracht gewöhnlich nah Maß: 
gabe des für Reijegepäd gültigen Tarifs berechnet 


Expose — Erpromiffion 


wird. Auf den übrigen deutichen Cifenbabnen be 
ftebt eine Beförderung von E., wie 5. B. auf den 
preuß. Staatäbabnen, injofern, als Güter aller Art, 
die jich zur Beförderung im Padwagen eignen, obne 
Löjung von Fahrkarten zur tarifmäßigen Gepäd: 
fracht mit einem Mindeitgewibt von 20 kg und 
dem Mindeitfag von 1 Di. auf Gepädicein beför: 
dert werden, ber entiweder in den Händen des Ver: 
jenders bleibt oder mit Aorejje des Empfänger: 
der Sendung beigegeben wird. Außerdem werden 
auf den deutjchen und auch auf den diterr. Gijen- 
babnen Eilgüter auf Verlangen der Berjender und 
mit Zuftimmung der betreffenden Babnvermal: 
tungen gegen eine Erböhung der Eilgutiäge (in 
Deutihland auf das Doppelte, in Oſterreich um 
50 Proz.) in Schnelljügen befördert. Die 1. Jan. 
1893 in Kraft getretene Vertebrsordnung für die 
Eifenbahnen Deutſchlands (f. Gifenbabnvertebrs: 
ordnung) entbält einen ame Abſchnitt (V) 
über die Beförderung von E. Danach können die 
Gijenbabnen in den Tarifen bejtimmen, daß der 
Transport von Gütern, die fi zur Beförderung 
im Badwagen eignen, auch wenn fie nicht als 
Neifegepäd zur Aufgabe gelangen, auf Geräd: 
ſchein oder auf beſondern Beförderungsſchein 
uläſſig iſt. Bei Abfertigung des E. auf Gepäd— 
bein iſt folder in der Negel dem Abſender au: 
zubändigen, in welchem Falle die Auslieferung des 
Gutes am Bejtimmungsorte gegen Rüdgabe des 
Gepädicheins erfolgt. Auf Verlangen des Abſenders 
fann jedoch der Gepädidein au der Sendung bei: 
egeben werden, wenn diefe mit der Adreſſe des 
mpfängers verjeben iſt. Bei Abfertigung des €. 
mit Bejörderungsihein muß diejer ftetS die Sen: 
dung begleiten und das Gut mit der vollen Adrefie 
des Empfängers verfeben jein. Auf die Beförbe: 
rung von E. ee die Belangen über Beforde⸗ 
rung von Reijegepäd (Abſchnitt IV) finngemäß An: 
wendung, foweit nicht dur die Tarife die An: 
wendung der Bejtimmungen über Beiörberung von 
Gütern Abſchnitt VILI) vorgejeben iſt. 
In Dfterreih, den Niederlanden, Bel: 
ien, der Schweiz, Frankreich, Italien 
? Sicilianiſche Eifenbabnen ) befördern die Eiſen— 
bahnen meijt ebenfalld E. In England, wo die 
Poſt Palete nur in bejhränttem Umfange beför: 
dert, haben die Eiſenbahngeſellſchaften die Palet: 
beförderung in großem Umjange übernommen; der 
Erpreßgutbeförderung entipricht bier der Parcel: 
Berlebr. Auf allen größern Stationen befindet ſich 
ein fog. Parcel-office. — Bgl. Ulrih, Erprebgutbe: 
—— in der «Encpllopädie des geſamten Eiſen⸗ 
abnmejend», bg. von Röll, Bo. 3 (Wien 1892). 
Erpreifion (lat.), Ausprud; erpreiito, auss, 
nachdrücklich. Morten. 
Expressis verbis (lat.), mit ausdrüdlichen 
Erpreffivorgel, j. Grenie, ©. J. 
Szprchaüge, f. Luruszüge. RR 
Erprimieren (lat.), ausprüden, beicreiben. 
Ex profösso (lat.), sugejtandenermaßen; vor: 
ſäßlich; dem Beruf gemäß. 
Erpromiffion (lat), in der beutigen Rechts— 
wiflenihaft eine Novation (j. d.) oder Schuld— 
erneuerung, melde ſich vollzieht, wenn unter Auf: 
bebung des bejtehenden Schuldverhältniſſes, obne 
Anweiſung des alten Schuldners, ein Dritter dem 
Gläubiger das, was der alte Schuldner zu letiten 
batte, oder ftatt desſelben etwas anderes zu leiſten 
verfpricht, was der Gläubiger ebenjo wie ven neuen 


Erpropriieren — Eritirpation 


Shuloner annehmen will. Diefe Begriffgbeftim: 
mung entipricht dem röm. Recht, nach weldyem bie 
terion des Schuldners für das Schuldverhältnis 
io wefentlih war, daß ein neuer Schuldner nur 
turh Begründung eines neuen Schulpverhältnifies 
an Stelle eines frübern Schuldners eintreten konnte. 
Damit ftiimmen überein Code civil Art. 1271, 
1974 ja. und Schweizer Obligationenredht Art. 142, 
189, Die übrigen Gejeßgebungen, aud das Deutfche 
Bürgerl. Gefegb. $. 414, laſſen den Eintritt eines 
nzuen Schuldners unter Befreiung des alten in das 
Shulpverhältnig zu. (S. Schulduübernahme.) 
Erpropriieren (lat.), auf gejeglihem Wege 
wangsweiſe des Eigentums entjeßen; Erpro: 
rriation, Enteignung (f. d.). 
Ex proprlis over ex proprio (lat.), aus eigenen 
Ritteln; ex proprio Marte, aus eigener Kraft. 
Erpulfion (lat.), Aus, Vertreibung (f. Abmeie: 
rung); erpuljiv, austreibend, abführenn,; Ex- 
pulsiva, abführende Mittel. 
Erpungieren (lat.), ausſtreichen, tilgen; da: 
von das Subftantiv Erpunltion. 
Erpurgieren dat), reinigen, fäubern (3. B. 
von sehlern, den Leib durh Abführmittel); Er: 
purgation, Abführung, Rechtfertigung. 
Erauifit (lat.), ausgeſucht, auserlejen. 
Errotulation (neulat.), die Eröffnung zurüd: 
gelommener, bebufs des Rechtsſpruchs verſchickt 
geweſener Alten durch den Richter. 
Ex sohedüla (lat.), vom Zettel (lejen). 
Erfeftion (lat.), Aus:, Verjchneidung. 
Erſequien, ſ. Erequien. 
Erſezieren (lat.), aus-, verſchneiden. 
Exsiocantia (lat.) oder austrocknende 
Mittel, in der Medizin diejenigen Mittel, - welche 
den Flächen und Geweben des lebenden Körpers 
die Feuchtigkeit en‘: ben. Sie dienen verſchiedenen 
wihtigen Heiljmeu.n Beſonders wendet man jie 
an, um Krankheitsorrdukte zum Verfchorfen oder 
Lerihrumpfen zu bringen, was oft der natürlichite 
Beg zur Heilung Mi erner um Blutflüffe und an: 
dere Ausflüfje zu ftillen; um die Vernarbung oder 
Shälung zu onen u. f. wm. Hauptmittel der 
Irodentur find: Verſagung des Getränk (f. Durft- 
tur), Aufenthalt in trodner Luft (3. B. in Agypten, 
im irifch-röm. Bad), Umbüllen des Körpers oder 
des franten Gliedes mit ausgetrodneten, pulverigen 
oder fajerigen Stoffen, & . mit Watte, Wolle, 
Kräuterpulvern, Aſche, Sand, Kleie, Mehl, abge: 
tniftertem Salz u. ſ. w., oder Bejtreuen der näflen: 
den Stellen mit Einftreupulver aus Bärlappfamen, 
Stärtemebl, Gummi, Kohle, Kalt u. f. w. Zum 
Tail dienen auch chemiſch⸗koagulierende (gerinnen: 
mahende) Mittel als E., 3. B. Zink, Blei, Eichen: 
ande, Alaun, Tannin u. a. (S. Adstringentia.) 
Erfiecätor (lat.), ein im chem. Laboratorium 
verwendeter Apparat, der dazu dient, hygroſtopiſche 
Stoffe zu entwäfjern oder, wenn biejelben ſchon 
waflerfrei find, vor erneuter Aufnahme von Waſſer 
bewahren. Man benust E. namentlich in der 
quantitativen Analyie, um ſolche Stoffe, die man 
dur Trodnen oder Ölühen wa u gemacht hat, 
die zu dem Augenblid, wo man fie auf die Wage 
ringen lann, vor Anziehung von Feuchtigkeit zu 
Wüen. Man bat dem E, jehr verſchiedene Geftalt 
— Gewöhnlich beſteht er aus einem Glas: 
ß, das mit einem luftdicht aufgeſchliffenen Glas: 
dedel ——— werben lann und eine waſſerent⸗ 
nebende Subſtanz, meift Schweielfäure oder ge: 


361 


ſchmolzenes Chlorcalcium, enthält, über die man 
ben zu trodnenden flörper bringt. Mande E. be: 
figen noch ein durch einen Habn verfchließbares An: 
jarobr, durdy welches ein Auspumpen der Luft 
und infolgedejien ein fchnelleres Austrodnen er: 
möglidt wird. 

xficcatorium (lat.), Trodenfchranl, Troden: 
fammer u. dal. 

Exsilium, |. Exil. —— 

Ex speoiäli gratia (lat.), aus beſonderer 

Ex speciäli mandäto (lat.), auf befondern 

efehl. [etwas bat, Anmärter. 
fpeftänut (lat.), einer, der Anwartſchaft aui 

Eripeftänzen (lat. gratiae exspectativae), im 
fanonishen Recht die Anwartichaften auf noch nicht 
erledigte Kirchenämter. In der alten Kirche galt ala 
erfte Si für die Verleihung eines Kirchen: 
amtes die Erledigung desfelben, während des Mit: 
telalters aber kam die Gewohnheit auf, Kirchenämter 
bereit3 vor dem Ableben ihres Inhabers an andere 
Bewerber zu vergeben. Daneben beanspruchten die 
Landesberren (uriprünglich nur die deutichen Kaiſer) 
das Recht der erjten Bitte (jusprimariarum pre- 
cum), fraft defien ihnen die einmalige Beſeßung 
einer Stelle in jedem Kapitel oder Kloſter zuſtand, 
und forderten die Bäpfte für ihre Empfeblungsbriefe 
(mandata de providendo) angeneiene Beruͤcſichti— 
gung. Das führte zu mancherlei Mißſtänden, zu: 
mal während des groben Schismas jede Partei dur 
BVerleibung von E. Anhänger zu gewinnen fuchte, 
fo. daß oft mehrere Bewerber auf dasfelbe Amt 
Anſpruch erhoben. Schon 1179 verbot deshalb 
Alerander II. die Verleihung oder das Versprechen 
eines noch nicht erledigten Amtes, Bonifacius VIIL 
unterjagte gegar das unbejtimmte Verſprechen, je 
mand ein Kirchenamt geben zu wollen, N ſich 
dazu Gelegenheit biete; das Tridentiner Konzil ver: 
bot alle E., e3 fei denn in Ausnahmefällen durd 
den Bapft. Dies ift geltendes Recht. — liber die 
Bedeutung der E. im Lehnsweſen f. Anwart: 
ſchaft. E. auf Staatsämter find allgemein für 
unzuläſſig erflärt. 

fpeftativ (lat.), in Ausficht ftehend, zur An— 
wartſchaft berechtigend; erjpeltative Methode, 
in der Medizin die abwartende Heilmethode, im 
Gegenfak zur Abortivlur (f.d.). Erjpeltative, 
foviel wie Exſpeltanz, Anwarticaft. 

Eripeftieren (lat.), etwas erwarten, bofien, 
Anmwartihaft auf etwas haben. 

Eripirieren jan, ausatmen, aushauchen, jter: 
ben, zu Ende geben, ablaufen (Frift); Gr pira: 
tion, —— (. Atmung), Tod; Verfallzeit. 

Exſtinktion (lat.), Auslöſchung, Vernichtung; 
erftinttiv, pa tie GErjtinftivverjäb: 
rung, Verjährung, infolge deren eine Forderung 
oder Klage erliſcht. 

Erftirpation (lat., d. i. Ausrottung), jede 
&irurg. Operation, bei der ein Zeil des Körpers 
aus feinem organischen Zufammenbange getrennt 
und fo vollftändig aus dem Körper entfernt wird. 
Die E. erfordert nicht ausschliehlich den Gebraud 
des Meſſers, fondern kann auch durd Abſchnürung, 
Abdrehen oder Abreißen mittels Zangen, oder 
durch Uß- und Brennmittel bewerkſielligt werden. 
Der zu eritirpierende Teil iſt entweder ein frant: 
baftes Gebilde (3. B. eine Balggeſchwulſt, ein Po: 
(op) oder ein ganzes Organ (j. B. eine mit Krebs 
behaftete weibliche Bruſtdruſe, ein cyſtiſch degene: 
rierter Eierſtoch, ein entarteter Augapfel). an 


362 Eritirpator 


{chreitet dazu natürlich nur, wenn das Übel ehr 
gefahrdrohend und ſonſt nicht zu bejeitigen ift. 

Eritirpätor (lat.), . Grubber. 

Epftirpieren (lat.), etwas mit der Wurzel weg: 
nehmen, entwurzeln, ausrotten. _ j 

— Exfudation (lat.), ſ. Ausſchwißung 
und Entzundung. 

Exſultation (lat.), ſ. Exſultieren. 

Exsultet, eine angeblich von Auguſtinus ver: 
faßte lat. Hymne, weldye anfängt: E. jam angelica 
turba 568 jauchze nun der Engel Chor»), wird in 
ver kath. Kirche am Karjamstag bei der Weihe der 
Difterferje von dem Diakon gelungen. 

Egfultieren (lat.), frobloden, jauchzen, jubeln; 
davon das Subitantiv Erjultation. 

Extafe, fälſchlich für Gkitafe (ſ. d.). 

Ertemporäle (lat.), ein ſchriftlicher Aufſatz, den 
die Schüler ohne Vorbereitung und Hilfsmittel, oft 
in —— Sprache, ausarbeiten müſſen. 

xtemporieren, einen mündlichen Vortrag auf 
der Stelle(lat.extempöre),obneorbereitungbalten. 

Eztendieren (lat.), ausdehnen, ausbreiten, 
erweitern; ertenjibel, ausdehnbar; Ertenfibis 
lität, Ausdehnbarteit (f. Romprefjibilität). 

Extenfion (lat.), Ausdehnung, Stredung. In 
der Chirurgie find E., der Zug, und Kontra: 
ertenfion, der Gegenzug, die entweder mittels 
der Hände des Arztes und feiner Gebilfen oder 
mit Zubilfenahme von Schlingen und Maichinen 
auf einen Körperteil in zwei einander entgegen: 
gejesten Richtungen ausgeübten Manipulationen, 
meijt damit die aus ihrer normalen Lage nebrad: 
ten Teile wieder in ibre richtige Yage zurüdveriept 
werden. Zua und Gegenzug werden namentlich 
bei der Finrichtung von Anochenbrücen und bei 
der Cinrentung von Perrentungen angewendet; 
ihre Anwendung erheiſcht immer große Vorficht 
und Sadlenntnis, da mit gewaltfamen und un: 
vorfichtigen Ertenfionsverfuchen leicht großer Scha— 
den angerichtet werden fann. Grtenfionss oder 

ugverbändenenntmanallediejeninen Verbände 
(1. d.), durch welche man mittels Gewichten einen 

Örperteil in einer beitimmten Richtung dauernd 
anzuziehen und anzuipannen jucht (fog. perma: 
nente E.). Man bedient fich ihrer mit aroßem Vor: 
teil bei der Behandlung von Knochenbrüchen und 
von entzündlichen Knochen: und Gelenttrantbeiten. 
Ertenſionsſchienen find fagerungsapparate,die 
6. auf ein jehlerbaft jtehendes oder entzündetes 

elent einen bejtimmten Zug ausüben follen. 

Ertenfität (lat.), Ausdehnung, Umfang. 

Ertenfiv (lat.), ſich ausdehnend, auf (räumliche) 
Ausdebnmunghe en uw enfaß:intenjiv), ſ. Große. 

Extenſive rtſchaft, im Gegenſaß zur In— 
tenſiven Wirtſchaft (ſ. d.) diejenige Art des land: 
mwirtichaftlichen Betriebes, bei welcher die Menge 
des aufgewandten Kapitals und der aufgemandten 
Arbeit im Verhältnis zur bewirtichafteten Fläche 
vergleichsweiſe gering iſt. Es kann ſelbſtverſtänd— 
lich auch ein Heines Areal gg und ein großes 
intenfiv bewirtichaftet werden. Bei der E. W. wird 
der Robertrag verhältnismäßig niedrig jein, gleich— 
wohl ader unter gemifjen Umjtänden ein befriedigen: 
der Heinertrag erzielt werden können, weil auch die 
a verbältnismäßig gering find. | 
In neu bejiedelten Ländern mit einem Überflujje 
an jungfräulibem Boden, aber mit dünner Pe: 
völterung, ift die E. W. die volfswirtichaftlich allein | 
angemeflene und thatjächlib vorberrihende. Die | 


— Ertern 


natürliche Kraft des Bodens, defien Vertebrämert 
bort gering iſt, muß das meijte tbun, wäbrend man 
an den teueriten Broduktionsfaktoren, Kapital und 
Arbeit, tbunlichit jpart. In den dicht bevölferten 
alten Kulturländern dagegen und namentlich in der 
Näbe großer Städte wird ſich die rationelle An- 
wendung eines verhältnismäßig großen Betriebs: 
fapitald in der Negel als das lobnendite Ber: 
fabren ermeifen. Gewiſſe Betriebsiyiteme (f. d.) 
find an ſich ertenfiver ald andere, jedoch find auch 
bei einem und demjelben Syſtem mebr oder weniger 
ertenjive Formen möglib. Auch lann der einzelne 
Landwirt durch Kapitalmangel genötigt fein, unter 
Umftänden, die an fib einen intenjiwen Betrieb 
zwedmäßig ericheinen ließen, bei der E. W. jteben 
zu bleiben. Dur die Konkurrenz neuer frucıtbarer 
Brodultionsgebiete fann in einzelnen alten ftultur: 
ländern wegen der boben Produltionstoften zeit: 
meile eine Ruckkehr zur E. W. erzwungen werden. 

Extenſören (lat.) oder Stredmusteln, alle 
diejenigen Musteln, welche ein vorber aebeugtes 
Glied wieder jtreden, d. b. in den Zuſtand ber 
größten Längenausdebnung bringen, und jo als 
Antagoniften der Flexoren (j. d.) oder Beugemus: 
teln dienen. Die 4 liegen zumeift an der Rüden: 
fläche der betreffenden Extremität; eine Ausnabme 
biervon maden nur die E. des Unterichentel® und 
des Fußes, welche an der Vorderfläche des Über: 
und Unterichentels gelegen jind. 

Extenſum (lat.), ausführliche, umftändliche Dar: 
ftellung; namentlid in der Verbindung in extenso 
(d.b.ausfübrlidy) etwas erzählen u. ſ. w. gebräudlic. 

xtenuieren (lat.), verdünnen, entkräften, 
ſchwaͤchen, verlleinern, beſchönigen, verringern ; da: 
von das Subjtantiv Ertenuation; Extenuantla, 
Verdünnungsmittel. 

Exterieur (fri., ſpr. -rlöhr), das Außere, dad 
Ausjeben, Außentefte Außenwerk; die Lehre vonder 
Beurteilung der Haustiere, bejonders des Pferdes. 
Die Lehre vom E. nimmt in den Studienplänen 
ber tierärztlihen und landwirtſchaftlichen Hod: 
ichulen den Rang einer Hilfswiſſenſchaft ein. Sie iſt 
bejtrebt, aus den Hlörperformen, aus ber — 
Erſcheinung eines Pferdes feine Vorzuge und Män— 
gel, feinen Wert und feine Leiftungsfäbigteit im al: 

emeinen und feine Dienfttauglicteit für beſondere 
Svede darzutbun. Die Hauptichwierigfeit in der 
Beurteilung des E. beſteht darin, die weſentlichen 
Punkte Ba —— des Pferdelorpers, 
welche der Engländer Points nennt, zujammen: 
zufaſſen und in ihrer Bedeutung für die Peiftungs: 
täbigteit de3 Tiere aus den Wroportionen und 
äußern Formen der einzelnen Teile feines Körpers 

leichſam herauszuleſen und in ihrer Gejamtbeit 
Par einen bejtimmten Zwed richtig zu würdigen. 

Erterminieren (lat.), über die Grenze treiben, 
des Landes verweilen; ausrotten, jerftören; davon 
das Hauptwort Ertermination. 

Extern (lat.), außerlich, außen befindlic; aus: 
wärtig, fremd; GErterne (Erträne, Ertra: 
nder, aub Hofpiten) beißen in Sculanitalten, 
welche mit einem Alummnat (f. d.) verbunden find, 
die Schüler, die nicht in der Anftalt wohnen; Er: 
ternät, Bildungsanitalt, deren Zöglinge Erterne 
ind; Erterne Bolarprojeftion, f. Kasenpro: 
jettion; Erternift, ein an einem Jußern Schaden 
Leidender; auch ein Kranter, welcher nicht im Hoſpi— 
tal wohnt, aber von dort aus behandelt wird. — 
Grternierung, |. Ausweifung. 


Erternfteine — Ertincteur 363 


Egternfteine, CEogefterftein, eine Gruppe 
von 13 Sanpdfteinfelien am Norbojtabhbang bes 
Zeutoburger Waldes, 1 km weitli von dem Städt: 
den Horn, deren fünf größte, 30—40 m hoch, wie 
Hieienzäbne fteil aus der partähnlihen Umgebung 
aftreben. Zwei find durh Treppen eriteigbar 
und gemäbren eine reizende Fernjicht. In dem 
weſtlichſten Felſen ift eine 11 m lange, 35 m 
breite, 3m hohe Grotte eingehauen; diejelbe wurde 
nah einer darin befindlichen lat. Inſchrift 1115 
vom Biſchof Heinrih von Paderborn als Heilige: 
Grabeätapelle eingerichtet. Außen neben dem Ein: 
gang befindet ſich ein 5 m hobes, 3,5 m breites 
m die Felswand eingehauenes Reliefbild der Kreuz: 
abnabme Ebhrifti (ebenfalld etwa 1115). Die mitt: 
Iere Abteilung zeigt lebensgroß den toten Chriftus, 
ter von Joſeph von Arimatbia und Nilodemus 
vom Kreuz genommen wird, linf& Maria, rechts 
vn Gvangelijten — darüber Gott Vater, 
unten das erite Menjchenpaar bilfeflebend. Das 
Bild iſt mar ſchon ſtark vermittert, auch mehrfach be: 
isädigt, läßt aber dieurfprüngliche Kunſtvollendun 
neh volllommen erfennen ; es iſt ausgezeichnet Nie 
den ergreifenden Ernſt und die wahrbaft künſtleriſche 
Oruppierung. Am nächſten Felfen führt eine Stein: 
treppe binauf, wo in einer Höhe von 22 m eine 
jmeite ausgehauene vieredige Kapelle, 5 m lang, 
3—4 m breit, mit Altarniihe, anjcheinend von 
awas fpäterer Entjtebung, ih befindet. Die E. wer: 
den zuerft in einer Urkunde des Biſchofs Heinrich 
von Paderborn von 1093 erwähnt, nach welcher der 
kapis Agifterjtein von der Mitwe eines Edlen, Ida, 
an das vom Bifchof Meinmwerl gegründete Klojter 
*bdingbof zu Paderborn verlauft wurde. Seitdem 
begannen bie Benedittinermöndye diefen in waldiger 
Einfamleit belegenen Ort zum Zielpuntt für Wall: 
fahrten einzurichten. — Vgl. Clojtermeier, Der Egge: 
kerftein (Lemgo 1824; 2. Aufl., von Helwing, 1818); 
Siejerd, Die E. (Paderb. 1851); H. Thorbede, Die 
6. in Natur, Kunst, Geſchichte, Sage und Litteratur 
(Detmold 1882); Dewitz, Die E. im Teutoburger 
Ralde (mit 15 Taf., Bresl. 1886). 

Exteruverkehr, ſ. Vorortvertehr. 

Etterritoriãi (lat.), außerhalb eines Terri— 
toriums, eines Staatsgebietes (extra territorium) 
deſindlich; den dort aeltenden Gejegen nicht unter: 
morten. 

Ezterritorinlität (lat.), Bezeihnung für die 
Ausnahmen von dem ftaatsrechtlihen Grundſatz, 
daß jeder, der das Gebiet eines Staates betritt, für 
die Dauer feines Aufenthalts in demielben der terri: 
tetialen Staatägemwalt als zeitweiliger Untertban 
unterworfen ift. Die betreffenden Perſonen werden 
tehtlid teilweiſe ald außerhalb des Staatögebietes 
seAndlich betrachtet. Die E. hat den größten Um: 
ang bei nicht infognito reifenden Souveränen und 
%i Befandten (hauptiächlic Privileg der Unverleb: 
lichleit, Freiheiten in Bezug auf Zölle und Steuern 
und Eremtion von inländifher Gerichtäbarteit), 
geringern bei Landtruppen und Kriegsichiffen (im 
meden), Halbdiplomaten (Rommifjären bei Kon: 
ateſſen u. ſ. w.), Grenzbeamten, Aurieren, Kons 
ln. Die E der Grenzbeamten beſteht darin, 
dab fie, wenn ſie nach dienſtlicher Verabredung 
ir über die Grenze fommen, freies Ge 
kte, d.b. Sicherheit vor Verhaftung und Veſchlag⸗ 
nahme ihrer Reiſeeffelten und Papiere haben. Die 
%iagung der Kriegsiciffe hat E., jolange fie fich 
au den Schiffen befindet; darüber binaus nur, 


wenn fie mit Erlaubnis des Aufenthaltsftaates zu 
dienftliher Obliegenheit das Schiff verläßt. Zmeir 
felbaft ijt die €, der Präfidenten von Hepubliten, 
doch wird fie wohl immer anerfannt werden. Die E. 
berubt zunächſt auf dem ungeichriebenen Hecht völter: 
recbtlicher Tradition, Nur die Exemtion von der in— 
ländiichen Gerichtsbarkeit ijt regelmäßig auch ſtaats⸗ 
gejeplich geordnet. Hierher gebören für das Deutiche 
Neich die 88. 18—21 des Deutſchen Gerichtöver: 
fafjungsgejeßes. Im Zufammenbalt beider Quellen 
ergiebt jich innerhalb des Deutihen Reichs in Bes 
zug auf Gerichtsbarleit eine E, in doppelter Geitalt: 
1) als Befreiung von aller deutſcher Gerihtsbar: 
feit; 2) alö Befreiung von der Gerichtsbarkeit eines 
Bundesftaates. 1) Befreiung von aller deutjcher 
Gerichtsbarkeit tritt ein: a. bei Häuptern fremder 
Staaten, wenn fie das Inland nicht gegen den 
Willen des Kaifers betreten; b. bei ausländiichen 
Truppen und Kriegsſchiffen (nicht Handelsſchiffen), 
denen der Aufenthalt gejtattet ift; c. bei Chefs 
und Mitgliedern der bei dem Neiche beglaubig: 
ten Mifjionen, einfchließlih der Yyamilienglieder, 
des Gejchäftsperfonald und foldher Bebdieniteten, 
die nicht Deutjche find. 2) Befreiung von der Ge 
richtöbarkeit eines Bundesitaates tritt ein: a. bei 
Chefs u. f. w. der bei demſelben beglaubigten Mif: 
jionen; b. bei den nichtpreuß. Bevollmächtigten 
um Bundesrate famt ihren Familienmitgliedern, 
ihrem Gejchäftsperfonal und ihren Bedienſteten. 
Sie find der preuß. Gerichtäbarkeit nicht unter: 
worfen (Reichsverfaſſung Art. 10). Unter Gerichts: 
barkeit ift ſowohl civile wie kriminelle zu veriteben; 
dafür hat der Abjendejtaat die völferrechtliche Pflicht 
jtrafrechtlicher ge In eriterer Beziehung 
machen nur Prozeſſe über Jmmobilien Be dem. 
Sefandtihaftshotel und über Mobilien, die nicht 
u Haushalt und Amt gehören (3. B. ein Rennitall) 

usnahmen. Die ftrafrechtlihe Unverfolgbarteit 
der Erterritorialen ift nicht auszudehnen auf die in 
der geſandtſchaftlichen Wohnung von einem Nicht: 
erterritorialen begangenen Handlungen. Die E. der 
Wohnung geht nur jo weit, ald notwendig ift, um 
die perjönliche Unverleglichkeit des Gejandten und 
feiner Begleitung zu gemäbrleijten. 

Konfuln haben nad allgemeinem Völkerrecht nur 
ür ihr Archiv (Alten) das Privileg der Unverleglich: 
eit. Sie find aljo der inländischen Gerichtsbarkeit 

unterworfen, fofern nicht in Staatöverträgen andere 
Vereinbarungen getroffen find, a diejen (Kon: 
fular:)Verträgen iſt oft auch perfönlihe Immunität 
von Berbaftung und Sefangenhaltung, ausgenom: 
men im Falle von Verbrechen, zugefichert. Damıt iſt 
aber Eremtion von inländiicher Gerichtsbarkeit nicht 
gegeben, ftrafgerichtliche wen wird aljo da: 
dur nicht ausgeſchloſſen, wenn fie auch nicht zu Un: 
terſuchungs⸗ oder Strafbaft führen darf. Deutiche, 
welche das Recht der E. beſitzen (ſowie die im Aus: 
lande angejftellten Beamten des Reichs oder eines 
Bundesitaates), behalten in Anjebung des Gerichtä: 
ftandes den Wohnſitz, welchen fie in dem Heimat: 
jtaate hatten. Auf Wahlkonſuln findet diefe Beſtim— 
mung feine Anwendung (Strafprozekorbn. $. 11; 
Civilprozeßordn. $. 15). — Val. Hevling, De l’ex- 
territorialit& (Berl. 1889); Artikel —— 
tät im «Oſterr. Staatswörterbuch», Bd. 1 (Wien 
1895); Beling, Strafretlihe Bedeutung der E. 
(Bresl. 1896); Hubler, Die ei ge des vol⸗ 
ferrechtlichen Verkehrs und die E. (Berl. 1900). 

&gtinctenr (frz., pr. -töbr), |. Feuerſpritze. 


364 


Ertorguieren (lat.), aus:, erprejien, erzwingen; 
davon das Hauptwort Ertorjion, 

Grtra (lat.), außer, oberhalb, außer dem Ge: 
wöbnlichen, außerordentlich (in Zufammenjekungen, 
J.B. Ertraausgaben, Nebenausgaben; Ertra: 
blatt, außerordentlihe Ausgabe einer Zeitung; 
Ertrapoit, j.d.; Ertrajtrom, j. d.). 

Extra (Liber Extra), ein Teil des Corpus juris 
canonici (j. Corpus juris). Der Monch Gratianus 
(f.d.) batte in feinem Decretum das geltende tirchen: 
recht bis etwa 1139 zufammengejtellt. Epäter fühlte 
Papſt Gregor IX. das Bepürfnis, alle diejenigen 
Rechtsſätze, welche außerbalb des Delrets (daber der 
Name E.) vorhanden feien, in ähnlicher Weije zu: 
jammenzuftellen. Dies geſchah * Raymund de 
Pennaforte, und der Papſt erteilte dieſer Sammlung 
den Charatter eines einheitlichen und abſchließenden 
Geſeßbuches. Dasjelbe ift eingeteilt in fünf Bücher: 
judex, judicium, clerus, connubia, crimen. Benutzt 
find zablreiche ältere Sammlungen, insbefondere 
die fog. Quinque compilationes antiquae (bg; zuleßt 
von Friedberg, 1882). Vollendet war das Buch E. 
1234, in welchem Jahre dasjelbe mit der Bulle Rex 
Pacificus dur Berjendung an die Univerfitäten 
Paris und Bologna publiziert wurde. Citiert wird 
das Geſetzbuch mit X., 3.B.c.1.X. 1, 6. — Val. 
Schulte, Die Geſchichte der Quellen und Pitteratur 
des fanonifhen Rechts, Bd. 2 (Etuttg. 1877). 

Extracteur (fr3., jpr. -töhr, «Auszieber»), eine 
in verſchiedenen Jnduftrien zur Anwendung fom: 
mende Vorrichtung zum Auszieben raten Na 
einzelner Stoffe aus einem Gemenge. II. d.). 

Extracotum, |. Crtralt; E. fuidum, Fluidertraft 

Extra oulpam (lat.), außer Schuld. 

Extradieren (lat.), herausgeben, ausliefern; 
Ertradition, Auslieferung, Ausbändigung. 

Extrados (I fpr. -dob; von extra, außer: 
balb, und dos, Nüden), die äußere fonvere Linie 
eines Mauerbogens (Oberbogen) oder die Mantel: 
fläche eines Gemwölbes, die in der Hegel übermauert 
oder mit Erde aufgefüllt wird und daber nicht ſicht— 
bar bleibt. Solche Gewölbe, wie 3. B. frei jtebende 
Kuppeln, bei denen die Außenfläche frei bleibt und 
wie die Innere Gewölbefläche (intrados) glatt be: 
arbeitet ift, nennt man ertrabdojfiert. 

Extradynamit, ein Sprengftoff, der zu den 
Dynamiten (f. d.), fpeciell zu den Abeliten (f. d.) 
gevört: 1879 von Nobel erfunden. Er beitebt aus 

titroglycerin, irgend einer Nitrocellulofe, falpeter: 
faurem Ammonium und Koble; ftatt legterer fann 
auch Zuder, Kampier u. ſ. w. verwandt werden, 

Extra eoclesiam nulla salus (lat.), außer 
der Kirche (ijt) fein Heil; Grundſaßz der (alleinjelig: 
macenden) röm.:lath. Kirche. 

Extrahieren (lat.), ausziehen, 3. B. die lös— 
lihen Teile aus vegetabilifhen Stoffen, eine Red: 
nung aus dem Geſchäſtsbuch; ferner die Verfügung 
einer Behörde auswirken. Ertrabent ift der An: 
tragiteller, welcher dieſen Erfolg bat. 

Extraits (fr;., jpr. -täb), Ertratte oder 
Eſſenzen, in der Parfümerie altoboliihe Löfun: 
- von Riechitofjen, die durch Behandeln der durch 

njleurage (j. d.) riehend gemachten Fette mit Alto: 
bol gewonnen werden. Im mweitern Sinne find €, 
alloboliiche Löjungen von Mifhungen verſchiedener 
woblriecbender Stoffe, die namentlid als Tafchen: 
tuchparfüme Verwendung finden. 

eher Da (egtrajudiziär, neulat.), 
außergerichtlic. 


Ertorquieren — Ertraft 


Ertraftorps (jpr. -Iobr), im öjterr. Heere bie 
1859 verſchiedene jür bejondere, namentlich tech— 
niſche Dienjtverrihtungen beitimmte Truppenteile, 
nämlib das Ingenieur-⸗, Sappeur: und Mineur: 
forps (jpäter jur Genietruppe vereinigt), das Bio: 
niertorps (mit den Bontonieren) und das Flottillen: 
torpe. Bevor die Yägertruppe als jelbjtändige 
Maffengattung organijiert wurde, zäblten aud die 
Yäger: und Freilorps, zuweilen auch die Artillerie: 
truppenteile, zu den E. Die lurzen Feuergewebre, 
mit weldyen die E.ausgerüjtet waren, bießen Ertra: 
ld) nad kb Diele Bezeihnung bat ji für Die 
turzen Werndlgewebre der techniſchen Truppen (Bio: 
niertruppe fomwie Eiſenbahn- und Telegrapbenregi: 
ment) bis 1897 erbalten. 

Erträft (Extractum,lat.), Auszug (aus Büchern 
u.ſ. w.); imengern Sinne ein pbarmaceut. Präparat, 
das man erhält, indem man Pflanzenſubſtanzen mit 
einem Löfungsmittel, gewöhnlich mit Waſſer oder 
mit Meingeijt auszieht (ertrabiert) und die erhaltene 
Flüffigkeit bis zu einer gewiſſen Konfiftenz (Er: 
tralttonjijtenz) abdampft, oder indem man den 
geprehten Saft einer Pflan — durch Ab⸗ 
dampfen konzentriert (eindidt). Die E. enthalten 
daher immer nur diejenigen Beſtandteile der orga— 
niſchen Subſtanz, die in dem eigenen Safte ber 
legtern oder in dem verwendeten Auflöfungsmittel 
löslih und während des Abdampfens nidt ver: 
flüchtigt worden ir Da aber viele der auszu— 
ziebenden Stoffe flüchtiger Natur find, jo ift es ein 
großer Unterjhied, ob das E. bei bober oder bei 
niedriger Temperatur bereitet worden ült. 

Je nahdem man ald Löjungsmittel Wafler oder 
Meingeift verwendet bat, unterjcheidet man wäjie: 
tige oder weingeiitige E. In einigen Fällen 
wendet man auch Üıber zum Auszichen an. Die 
aus fleiihigen Frücten (Tamarinden) oder Beeren 
(Wacolvderbeeren) oder —5* Wurzeln (Möbren) 
bereiteten E. führen die Bezeihnung Fruchtmart 
oder Mus (Pulpa, auch Succus, engl. Rob). Bezüg: 
lich der Konſiſtenz unterjcheidet man dünne E. von 
der Dichtigleit des Honigs, dide, die, erlaltet, 
fih nit ausgießen lajjen, und trodne, die ſich 
jerreiben lafjen. Eine bejondere Form der €. find 
die Fluidertrafte (ſ. d). Das Ausziehen der 
Pflanzenteile geſchieht häufig, jo auch bei den Fluid⸗ 
ertralten, nad der Verdrängungsmethode (ſ. De 
placieren). Die Temperatur beim Eindampfen der 
Extraktauszüge fol nah dem Arzneibuch für das 
Deutſche Reich 85°, bei ätheriihen Auszügen 35° 
nicht überjhreiten. PVieljah nimmt man aud das 
Eindampien im Bacuum (d. b. im luftverbünnten 
Raume bei niedrigerer Temperatur) vor. Ein un: 
bedingter Vorzug lann vorläufig einem diejer Ber: 
—— vor dem andern nicht zuerlannt werden. E. 
ind unſichere Heilmittel von wechſelnder Zuſam— 
menſeßung. 

Konzentrierte Nahrungs und Genußmittel wer: 
den gleihfalld E. genannt, jo Fleiibertraft und 
Malzertratt, ebenjo die eingedidten Pflangenaus: 
jüge, wie Blaubol ertraft u. j. w. 

Das Deutfche Arzneibud entbält folgende E.: 


Extractum Absintbii .... Wermutertrakt 
Extractum Aloßs ....+.. Aloe ertrat: 
Extractum Belladonnae .. Belladonnaertrakt 
Extractum Calami.....- Kalmusertraht 


Extraotum Cardui benedieti arbobenedifienegtrati 

Extractum Cnscarillas ... Stastfarille t 

Extractum Chinae aquosum Wäjleriged Chingertratt 

Extraotum Chinas spirituu- Weingeiſtiges Gbinargtratt 
sum 


Estractum Colocyntbidis . 
Eıtractum Cubebarum... 
Extractum Ferri pomati.. 
Extraetum Filicis 
Extractum Gentianae.... 
Estractum Ilyoscyami ... 
Extraetum Opii ...... 

Ertractum Kbei 
Ertractum Khei composi- 

sum 

Ertractum 
Ertrsctum 
Ertractum 
Ertractum 


u... * 


me, 0060. 


Secalis cornuti 
Strychni..... 
Taraxaci .... 
Trifolii übrini. 


Ertraftion — Ertraftrom 


Roloquintenertratt 
Kubebenertraft 
Apielfaures Eifenegtralt 
| rien 

ianertraft 
Bilientrautertrati 


. Dpiumegtraft 


Rhabarberertralt 

— Rhabar: 
beregtraft 
Muttertornertralt 
Bredhnußertraft 
Lömwenzahnertralt 
Bitterfleeegtratt. 


Außerdem vier Fluidertrafte: 


Eıtractum Condurango flui- 
dum 

kıtractum Frangulae flui- 
dum 

Kxtractum Hydrastis fui- 
dum 

Kıtractum Secalis cornuti 
duidum 


Eondurango-Fluidegtraft 
Faulbaum⸗Fluidertralt 


OHyijd xaſtis·.Fluidertratt 


Mutterkorn⸗Fluidertratt. 


In fruhern Zeiten waren viel zahlreichere E. offi⸗ 
inell. So ſind außer den ebengenannten noch in 
der etſten Ausgabe der Pharmacopoea Germanica 


(1872) entbalten: 
Ertractum Aconiti 
Extraotum Aloe» Acido sul- 
farioo correctum 
Eıtractum Aurantii...- - 
ExıtractumUannabis Indicae 
Exrtractum Oarnis Liebig 
Extractum Centaurii ... . 
£Exıtractum Chamomillae.. 
Ertractum Chelidonii... - 
Eıtraetum Cinae....... 
Exrtractum Colocynthidis 
coompositum 
Exıtraostum Colombo. .... 
Extraetum Conii.....+ + 
Eıtractum Digitalis..... . . 
£ıtractum Dulcamarae .. 
Extractum Fabae Culabari- 
cae 
Ertractum Urauminis .. 
Eıtractum Gratiolae . 
Eıtractum Helenii 
Extractum Lactucae rirusae 


Eijenhutertraft 

Mit Schwefelläure verjegter 
Wloergtralt 

Bomeranzenichalenegtraft 

er Daufertraft 

Hiebigiches Fleiſchexttalt 

Taujendgüldentrautertraft 

Ramillenertraft 

Schöllfrautertraft 

iii var 
ujammengeiegtes Koloquin⸗ 
tenertraft 

Golomborztraft 

Scierlingsertraft 
ingerhutertraft 
itterfüßertraft 

Kalabarbohnenertraft 


» + Quedenegtrafi 
. Wottesgnadenfrautegtraft 


Alantwurzelertraft 
Öiftlattichertraft 


Extractum Ligni Cam- Campeche holzertrakt 
pechiani 

Extractum Malti.....».- Malzertratt 

Ertractum Malti ferratum ifijenhaltiges Malzertraft 

Extractum Mezerei ..... Seideibaftertralt 

Estractum Millefolii .... Scalgarbenertraft 

Extractum Myrrliae....... Wyrrbenertraft 

Extractum Pulsatillae ... Süchenichellenegtrai 

Bxtractum Quassiae .... Duailfiargtralt 

Estractum Eatanhbae .... KRatanharztraft 

Extractum Sabinae ..... Sadebaumiegtraft 

Extractum Scillae...... Meerzwiebelertraft 

Extractum Senegae ..... Senrgaegtraft 

Kıtraoetam Stramonil.... Stecdapfellrautertraft 

Ertractum Strychni aquo- Wälleriges Rrlbenengener- 
“um traft 

Ertractum Valerianse ... VBaldrianegtrati ’ 


Außerdem ift Extractum Pini foliorum Fichten: 
sabelertraft (j. d.), Extractum animale amarum 
eingedidte Dchiengalle (f. Galle), Extractum Liqui- 
ritiae Qalrige (ſ. d.), Extractum haemostaticum 
Nutterlornertralt (f. Ergotin), Extractum Plumbi 
Bleieſſig (f.d.), Extractum thebaicum Opiumertraft 
N.2.). — liber E. in der Parfümerie ſ. Ertraits. 

Extraktion (lat.), Ausjiebung; aud Herkunft. 
In der Geburtäbilfe das Herausziehen der Frucht 
vermitteljt der Hände oder der Zange. 

Ertraftiondmehl, ſ. Baumwollſamenkuchen. 

Hrn ag f. Silber (Gewinnung). 

Eztraftivitofi, 


365 


des E. als einen färbenden, gerbenden, tragenden, 
narkotifchen, harzigen, gummigen, bittern, füßen €. 
ee An der neuern Zeit ijt man ver: 
anlaft worden, den Begriff €. fallen zu lajien, da 
die unter diefem Namen zufammengefakten Hör: 
per feinen übereinftinmenden Eharalter er ker An 
der Agrikulturchemie bezeichnet man noch mit €. 
bei der Analyje ver Futterſtoffe alle die jtidjtoff: 
De organiichen Verbindungen, die fih in den 
eiden Gruppen der Fettkörper und der Holzfajer 
oder Robfajer nicht unterbringen laſſen. 

Grtrafttonfiftenz, ſ. Ertralt. 

®rträftor (lat.), P Auszieber. 

Ertramundän (lat.), außermeltlic. 

Extra muros (lat.), außerhalb der Mauern, 
d. b. der Stadt. 

Egträne, Ertrander, ſ. Ertern und Alumnat. 

Ertraordinär (lat.), außergewöhnlich. 

Eztraordinarium (lat.), derjenige Teil des 
Etats (f. d.), welcher außerordentlihe Einnahmen 
und Ausgaben Green und keinen Beitanbdteil des 
regelmäßigen Etats bildet (ſ. Ordinarium). 

Ertraordinariug (lat.), außerordentlid; Pro: 
fejjor ertraordinariug, außerordentlicher Pro: 
fefior an der Univerfität. 

Ezxtraordinarftenern, |. Steuerbemwilligung. 

Extra ordinem (lat.), außer der Ordnung. 

——— (neulat.), nicht zur Parochie 
gehörig. 

Extrapoft, neben ber regelmäßigen Perſonen⸗ 
poft befondere Beförderungen von Perfonen auf 
deren Verlangen, wozu die Fang "erg Pferde 
68 unter zwei) mit oder ohne Wagen zu ſtellen 

aben. Im Deutſchen Reich werden die Koſten 
dafür nah Entfernungen von 15 km berechnet, auch 
wenn die Fahrt kürzer ift, und betragen, neben 
25 Bf. Beitellgebübr, für jedes Pferd 20, für den 
Magen 10, für Boftillonstrintgelo 10 Bf. auf 1 km, 
bei Benukung einer E. zur Rüdtahrt die Hälfte diejer 
Sähze. Die mit der Junabme der Eifen:, Dampf: 
und elettrifchen Bahnen immer mehr verſchwinden⸗ 
den Berjonenpoften haben die E. in Deutichland be: 
reitö zu einer großen Seltenheit gemadt. — In 
Öfterreih: Ungarn gilt ald Grundlage der Be: 
rechnung das Myriameter (= 10 km); dafür beträgt 
das Rittaeld für jedes Pferd 17,—3 Kronen, das 
Wagengeld (Kaleſchengeld) für einen ——— 
Wagen die Hälfte, für einen halbgeſchloſſenen den 
vierten Teil dieſes Betrags, das Poſtillonstrink⸗ 
> 68 Heller für das Pferd. — Y der Schweiz 
eträgt die Gebühr 50 Gent. für Pferd und Kilo: 
meter, bei Bergfabrten mit 50 Gent. Zuſchlag für 
jedes Kilometer Steigung, im Minimum 3°, Fr. 
Kar das Pferd; für ven Wagen 20—30 Eent. auf das 
Kilometer; dazu eine Abfertigungsgebübr für jede 
E.von 2, Frs. — In Rußland ſtehen Poſtpferde 
zum Reifen im ganzen Reich zur Verfügung zu einer 
Gebühr von 3 Kopeten für Pferd und Werft bei 
Staatd:, und 4 Kopelen bei Brivatpojtbaltereien. 

Ertraftrom bat Faraday den von ihm entded: 
ten Induktionsſtrom genannt, der durch die indur 
zierende Wirkung der verſchiedenen Teile desielben 
Stromleiterd aufeinander entſteht (ſ. Indultion, 
elettrifche). Beſonders ſtark tritt der E. in einem zu 


rüber Bezeichnung einer ver: | einer Spule ss (f. Fig. 1) aufacwundenen Strom: 


meintlih eigentümlien, in den Bilanzen vortom: | leiter auf, in dem durd ein Bligrad (ſ. d.) u ber 
uenden Subſtanz, die den wejentlichiten Bejtandteil | Strom eined Clementes k abweciclnd gejchlojien 
im allen Bflangenertratten ausmachen jollte. Spä: | und unterbrochen wird. Der Schließungsertrafttom 
tar wurde man veranlaßt, mebrere Mopifitationen | ift dem Hauptſtrom entgegengeſetzt und bemirlt, daß 


366 


derjelbe langfamer zu feiner vollen Stärte gelangt, 
als dies fonjt der Fall wäre. Der Öffnungsertra: 
ftrom ift dem Hauptitrom gleichgerichtet, bat aber 
eine größere eleltromotoriiche Kraft ala diejer und 
iebt infolgedeflen beim Öffnen des Stroms einen 
räftigen, die Zuftitrede überjpringenden unten, 
welcher durch den Hauptitrom nıdt in gleicher 
Stärle erzeugt werben könnte. (S. Galvaniicer 
Bunte.) Beide E. verzögern die Geſchwindigkeit der 
Underung des 
Hauptitroms. 
Der Offnungs⸗ 
ertrajtrom fann 
leicht beobachtet 
werben, wenn 
mandafürforgt, 
daß die Spule 
durd die Hand: 
baben und den 
menſchlichen 
Körper geſchloſ⸗ 
ſen iſt, —— die 
Unterbrechung 
des Haupt⸗ 





Fig. 1. 
oms ftattfindet; man empfindet dann eine Er: 


bütterung. Es liegt in der Natur der Sade, 
daß fih der Scließungdertraftrom nicht bejei: 
tigen läßt. Der Öffnungsertrajtrom läßt ſich aber 
unterdbrüden oder wenigitens ſehr ſchwächen, in- 
dem man die Unterbrebung nicht in der Luft, 
erg in einer ſehr ſchlecht leitenden Flüffig: 
eit (Alkohol) oder, nad einem neuern Borfchlag 
von Farlan Moore, in einem guten Vakuum vor: 
nimmt. Würde der Hauptitrom ganz ohne €. ein: 
und austreten, fo märe deflen Verlauf bei ber 
Unterbrebung durd die Ordinaten der Aurve a 
(Fig. 2) dargeftellt; dann wären die in einer andern 


Fig. 2. 


Spule induzierten Ströme zwar abwechſelnd ent: 
6 engeſezt, aber ſonſt durchaus gleich. Wird der 

ffnungsertraſtrom unterdrückt, jo verläuft der 
Hauptitrom nach der Kurve b, der durch denfelben 
in einer jweiten Spule induzierte Strom aber nad 
der Kurve c, zwar auch entgegengejeßt mit gleichen 
Eleltricitätömengen, doch wäre der Offnungsitrom 
auf eine fürzere Zeit — — hätte 
größere eleltromotoriſche Kraft und würde leichter 
als der Schließungsſtrom einen größern Widerſtand, 
3.2. eine Quftftrede, durchbrechen. Dieſe Umjtände 
werben bei Heritellung des — tors (f. In⸗ 
duktionsmaſchinen) berüdſichtigt. lität (f. d.). 

Ertraterritorialität, joviel wie Erterritoria- 

Ertrauterin (ertrauterinäl, vomlat. extra, 
pi und uterus, Gebärmutter), abnorm 
außerbalb der Gebärmutter befindlich, ſich ausbil: 
dend; 3.B.ertrauterinale ee (. Bauch⸗ 
ſchwangerſchaft). 


Extraterritorialität — Extreme 


Extravagäntes (lat.), Bezeibnung zunähit 
für die von Gratianus (f.d.) nicht aufgenommenen 
oder fpäter erlafienen päpitl. Defretalen (ſ. d., quia 
extra decretum vagabantur), nachdem der lirchen 
rechtliche Stoff (f. Corpus juris) von ibm zu einer 
Sammlung vereint worden war, Später ift der 
Name typiſch geworden für diejenigen Detretalen, 
die nach dem liber VI. erlafjen und ın die Clemen- 
tinae nicht aufgenommen worden waren. Diejelben 
find von Ebappuis 1500 zu zwei Sammlungen 
zufammengeitellt, haben jedoch nicht die Autori: 
tät von Geſetzen. Vielmehr ift, fall die Geltung 
von E. — fommt, zu unterſuchen, ob ſie in 
dem betreffenden Lande publiziert oder durd Ge: 
mobnbeit geltend gemacht worden find. Die be 
fanntefte der E. ift die Bulle Unam Sanctam (f.d.). 

Extravagieren (lat.), ab:, ausſchweifen; jic 
albern benebmen; ertravagant, ausſchweifend, 
ungereimt; Ertravagänz, Ausfhmweifung, Un: 
gereimtbeit, Tborbeit. 

Egtravafät (lat.), vornehmlich das durch Ertra: 
vafation (f. d.) aus dem Gefährobr auägetretene 
und im Koͤrper liegen gebliebene Blut. 

Extravafation (lat.), vornebmlich das Aus: 
treten (Ertravafieren) von Blut aus den verleb: 
ten Gefähwandungen (Blutaustretung, Blutertra- 
vafat, Hämorrbagie). Das Ergebnis der E., das 
Grtravajat, untericheibet fib vom Erfudat (f. Aus: 
ſchwitßzung) dadurch, daf bei lekterm die Wandungen 
unverlegt bleiben und nur einen Zeil der Blutflüflie: 
feit —— hindurchfiltrieren, namentlich keine 
Blutkörperchen hindurchlaſſen, wogegen das Crtras 
vaſat vollftändiges, blutkorperhaltiges Blut enthält. 
Das Extravaſat tritt entweder nach außen (als 
eigentlihe Blutung), oder ins Innere der Gemebe 
(als Blutunterlaufung, Sugillatio), oder unter die 
Haut (f. Betechien), oder in feinere Kanäle und Höhl- 
chen der Organe (ald Blutinfarft),oder in die großern 
Höhlen (als innerer Bluterguß). Es gebt jpäter ver: 
ſchiedene Veränderungen ein: durch Gerinnen, Felt: 
werben, teilweife Wieberauffaugung, durch Jer— 
fließen zu Eiter oder Jauce, feltener durch Verlal⸗ 
tung. Bisweilen, wie z. B. nicht jelten im Gebirn, 
wandelt ſich das Grtravajat in eine fon. Coſte 

ſ. Balggeſchwulſt) um, indem fi durd gerinnbare 
usſchwißungen der Umgebung ein derber geicloiie: 

ner Sad bildet, welcher die EB ten Reſte des 

ergoſſenen Blutes umſchließt. (S. Blutung) 

— —— (lat.), Auswärtswendung; die 
Ausiheidung von Säuren und Salzen. 

Ertrazäge, |. Eijenbabnzüge. R 

Ertrem (lat.), äußerft, übertrieben; als Eub: 
ftantiv das Außerſte, ver Endpunlt; ertreme Rich⸗ 
tung, diejenige Richtung, melde gewiſſe Grund: 
fäße auf die Spike treibt; in diefem Sinne ſpricht 
man namentlih von ertremen Parteien; er 
tremes (oder erceffives) Klima, f. Rontinens 
taltlima. Ertremität, die Endipige, das Ende; 
auch äußerfte Verlegenbeit und Not; in der Ana: 
tomie verftebt man unter Ertremitäten die obern 
und untern Gliedmaßen, Arme und Beine; in ex- 
trömis (zu ergänzen momentis), in den lesten 
Zügen, 3. B. ein Zeftament in extremis. 

Epireme, einander —— Dinge; in 
der Meteorologie die böchſten und liefſten 
Werte, die irgend ein meteorolog. Element, wie 
Temperatur, Luftdruch, Quftfeuchtigleit u. |. m. 
annebmen kann. Man pflegt die abjoluten und 
mittlern E. anzugeben. So berechnet man .B. 


Ertremität — Eybel 


ms den tiefften Xemperaturen, welche an jämt: 
ten Tagen eined Monat (gewöhnlich durch 
Ninimumtbermometer [f, d.]) gefunden worden 
wıren, das mittlere Minimum des betreffenden 
Ronate. Eine ebenjolhe Behandlung der Mari: 
maltemperaturen giebt die mittlern Marima. Das 
bihfte Marimum und dad tieffte Minimum ergeben 
die abjoluten E. und ihre Differenz; die abſolute 
Shwanfung. Die mittlern und — €. be 
timmen in ber Hauptſache das Klima eines Ortes. 
Ertremität, |. Ertrem und Glied. 
remthermometer, Bezeibnung für das 
Rarımumtbermometer (j.d.), das Minimumtbermo: 
meter (1. d.) und den Tbermometrograpb (f. d.). 

Egtuberieren (lat.), aufſchwellen, auflaufen; 
Ertuberänz, Geihmulit, Auswuchs. 

Ertumeßcieren (lat.), * anſchwellen; Er: 
tumescenz, Anſchwellung, Auftreibung, befon: 
ders von Knochen. 

Egnberieren (lat.), in üppiger Fülle vorban: 
den En üppig wachen, jhmellen; eruberänt, 
riblibh, Appig; Fruberanz, liberfülle, ibermak, 

Erulänt dat, Verbannter. [Schwulſt. 

Exulceration (lat.) Verſchwärung, das Ab: 
kerben und ber molekulare Zerfall der Gewebe, 
mobei die — zu einer mißfarbigen und übel: 
nebenden Maſſe (og. Jauche) verflüffigt werden 
und ein mebr oder minder aroßer Subjtanzverluft, 
en Geſchwur (f. d.), entiteht. Die Urſache der Ver: 
'hwärung liegt entweder in äußern Schädlichleiten 
und mechan. Inſulten, welde tötend auf die Ge: 
mebe einmwirten (Drud, Stoß, Quetſchung, Hibe, 
Kälte u. dgl.), oder in örtlihen Ernährungs: 
rungen (Berjtopfung der Blutgefäße, rantbaften 
Geſchwulſten), oder in einer allgemeinen Blutent: 
miſchung (bei Skrofulofe, Tuberkuloje, Syphilis 
und äbnlihen Dyskraſien). Die Heilung der E. er: 
telgt dadurch, daß fich die Geihmwürsfläche allmäh: 
ih von dem abgeftorbenen Gemebe reinigt und in 
Stanulationen & d.) umwandelt, was am ſchnell⸗ 
fen durch rubige Lagerung, feuchte Wärme und 
häufige Reinigung mit ſchwach desinfizierenden 
Müffgkeiten erzielt wird; die Verſchwärung aus 
innern Urfachen erfordert neben diefer örtlichen Be: 
dendlung auch noch die Befeitigung der zu Grunde 
liegenden Blutentmifhung. Erulcerieren, ſchwä⸗— 
ten machen, verſchwären. [leben. 

Exulieren (lat.), im Eril, in der Verbannung 

Ezultation, Exzultet, Ezuiltieren, joviel wie 
Eriultation u. j. w. 

Eruma:nfeln, eine zum Arcipelder Bahama— 
Inſeln (in Weftindien) gehört e Gruppe Heiner Ro: 
talleneilande (f. die Karten: Antillen, Bd. 1, und 
Cuba u.f.w., Bd. 17), öftlib durd den Gruma: 
ſund von ven Inſeln Eleutbera und Cat-Island, 
meitlib dur die Tongue of Dcean von Andro: 
land getrennt, erftredt jih von NW. nah SO. 
über 200 km weit in einer [hmalen Linie, welche über: 
wiegend aus einer Klippenreibe (Exuma-Cays) 
teftebt und nur im Südende in zwei anfehnliche 
‚nieln (Groß:Eruma und Alein-Eruma) aus: 
läuft, Die E. baben eine Fläche von 253 qkm, die 
Klippen umfaſſen 124 qkm. Die Bewohner, etwa 
30, betreiben Aderbau, namentlih aber Salz: 
eminnung. Näbrlich werben mehr alö 42000 hl 

Salz ausgeführt. 

Erundieren (lat.), über die Ufer treten, aus: 
teten (von Flüſſen); Erundation, Überjhmem: 
zung. 


367 


Ex ungüe leönem (lat.), an der Klaue (er- 
fennt man) den Löwen. 

Ex usu (lat.), nach der Sitte, dem Gebraud, 

Erutorium (lat.), jede künjtlich erregte Eite— 
rung, welche eine Ableitung (f. d.) von einer in der 
Tiefe des Körpers gelegenen Entzündung nad ber 
Oberfläche desfelben bemirten joll. rüber war 
dieje Heilmetbode allgemein im Gebrauch; am häu— 
figiten bediente man ſich zu einer derartigen Ablei: 
u. des Fontanells (f. d.). 

zuvien (lat.), abgeitreifte Hülle . B. ein Tier: 
balg), ausgezogene Kleider; Beutejtüde, namentlich 
die dem Feinde abgenommene Rüftung. 

Ex voto (lat., d. i. einem Gelübde aufolge), eine 
auf altröm. Weihinſchriften übliche Formel; daber 
wurden Ex-voto:Steine, «Statuen und Glied: 
maßen, namentlich leßtere, aus Edelmetall, Mar: 
mor, Elfenbein, Wachs u. dgl. gefertigt, zum Dant 
für erfolgte Genefung in Tempel und Heiligtümer 
geitiftet. (S. auch Votum.) 

Eyach. Rechter Zufluß des Nedars in Mürt: 
temberg, ent —— bei Pfäffingen am Nordrande 
der Hohenzollernalb, bildet eins der ſchönſten Alb— 
thäler, das Eyach- oder Lautlingerthal, und 
mündet 54 km lang unterhalb Horb. — 2) €., linler 
Nebenfluß der Enz, entipringt aus dem Milden 
See im Schwarzwald, ſüdweſtlich von Wildbad, und 
mündet bei Hüfen eg Neuenburg. 

Eyb, Ludwig von, Geſchichtſchreiber, geb. 1417, 
eft. 1502, Freund des Markgrafen Albrecht Adhils 
eö von Brandenburg. Seine « Dentwürbigfeiten 

brandenb.:bobenzoll. Fürjten» gehören zu den 
beiten Quellen der fränf. Geihichte, fie find glei: 
fam Memoiren des Geſchlechtes. Herausgegeben 
wurden fie von Höfler in der «Quellenfammlung für 
fränt. Geihichte», Bd. 1 erg 1849). Sein 
«Kaiſerl. Buch des Markgrafen Albrecht» ift eine 
Altenjammlungfürdie‘.1440—86. Den erften Teil 
gab Höfler in der «Quellenfammlung», Bd.2 (Bay: 
reutb 1850), den zweiten Minutoli (Berl. 1850) 

Eybar, ſpan. Stadt, f. Eibar. [beraus, 

Eybie), Albrecht von, Schriftiteller, Bruder von 
Ludwig von Eyb, Mur 24. Aug. 1420 auf Schloß 
Sommersporf bei Ansbach, jtudierte 1444—59 in 
talien, wurde jpäter Archidialonus zu Würzburg, 
Domberr zu Banıberg und Eichftädt, wo er 24. Juli 
1475 jtarb. Er fchrieb eine treffliche, von Einflülien 
des Lateins auch in Üiberfeßungen freie Profa. Sein 
trefilihes Chebüdlein (Nürnb. 1472) bejaht die 
Saat, «Db einem Manne ſey zu nemen ein eelich 

eyb oder nit», gründlich mit Lehre und novellis 
ſtiſchem Beifpiel. Si «Spiegel der Sitten» (Augsb. 
1511) teilt €. volljtändig germanifierte Bearbei: 
tungen der Menächmen und Bacchides des Blau: 
tus und der Philogenia des Italieners Ugolino 
Diienl mit,che1D —— onennamen (Heinz, 

-uß, Mek) einführen Cine Anleitung zur lat. Sti— 
liſtik gab er in der «Margarita poetica» (verfaßt in 
Stalien, gebrudt 1472). Auch lieferte er lat. und 
deutiche Rechtsgutachten. E.s «Deutſche Schriften» 
ab M. Herrmann heraus (2 Bde., Berl. 1890). — 
gl. M. Herrmann, U. von E. und die Frübzeit des 
deutichen Humanismus (Berl. 1893). 

Eybel, Adolf, Maler, geb. 24. Febr. 1808 in 
Berlin, bildete fi auf der dortigen Alademie und 
ging 1834 nad) Paris, wo er bejonderd im Atelier 
von Delaroche arbeitete und bie 1839 blieb. Seit: 
dem war er, dur die 1836 von Paris — 
Ahrenleſerin in Ruf gekommen, ununterbrochen in 


368 


einer Heimat thätig. An Monumentalarbeiten 
chuf er ein Freslogemälde in der Kirche zu Sacrow 
ei Potsdam, ferner die Reformatorenfiguren in 
der Schloßtapelle zu Berlin in Stereochromie, zwei 
PEaNDE für das pe des Fürften But 
us auf Rügen (Darite *— aus der Geſchichte 
der Inſel) und insbeſondere Die Schlacht von Fehr⸗ 
bellin (1846; lonigl. Schloß zu Berlin). Im Genre 
wählte er gern Fiſcher und Marfticenen, oder Sce 
nen aus Walter Scott. Daneben war €. ala ge: 
fbäkter Borträtmaler thätig. Seit 1849 leitete er 
die Tierklafje der Berliner Alademie und wurde 1851 
Profeſſor. Er ftarb 12. Dit. 1882 in Berlin. 

Eybler, Joſeph von, ag Te geb. 
8. Febr. 1764 in Schwechat bei Wien, kam im 
zehnten Jahre in das Mufilfeminar zu Wien und 
war gleichzeitig Schüler von Albrechtsberger. 1792 
wurde er Ehorbireltor an der Karmeliterkirche, 
1793 aud an dem Schottenitift, 1801 kaiſerl. Mufit: 
lebrer, 1804 Hofvicefapellmeifter und nah Sa— 
lieris Ableben (1825) erfter Hoflapellmeiiter bis 
1833. €., der 1835 geabelt wurde, ftarb 24. Juli 
1846. Obgleich er, befonders in frübern Jahren, 
fih in jeder Gattung der Kompoſition verfuchte, 
mar doch bie Kirchenmuſil fein eigentlibes Fach. 
Seine Fruchtbarkeit bezeugen: 28 meift folenne 
Mefien, 7 Te deum laudamus, 34 Grabuales, 
26 Dffertorien, 1 Requiem, 3 Dratorien (darunter 
«Die legten Dinge»). 

Eyd, Hubert, Jan und Margarete van, drei 
Geſchwiſter, Maler und Begründer der altflandr, 
Schule, deren Lebensumſtände gleichwohl in Duntel 
ra find. Als ihren Bater nimmt man mit 

—— ann e van E. an, der, ebenfalls 
Künſtler, urlundlih noch 1391 genannt wird. Ihr 
Name ſchreibt ſich von ihrem Geburtsjtädtchen Maas: 
eych im Bistum Lüttich ber. 

Der ältere der Brüder, Hubert, ift ungefähr 
1366, der jüngere, Jan, um 1386 geboren; über 
das Geburtsjahr der Schweiter Margarete find 
nur Vermutungen — Sicher iſt, daß Jan, 
der bedeutendere der Künjtler, von feinem Bruder 
unterrichtet wurde, und daß fie jämtlich Brügge ald 
ftändigen Wohnort wählten, weshalb fie manchmal 
aub von Brügge genannt werden. Nad 1420 
begaben ſich die beiden Brüder zur Ausführung 
eines großen Altarwerks (f. unten) nach Gent, wo 
Hubert 18. Sept. 1426 ftarb und in der St. Bavo: 
fire beftattet wurde. Yan vollendete das Wert 
1432, kehrte nach Brügge zurüd und jtarb u 
9. Juli 1440. Beide waren wegen ibrer Kunjt 
von den Fürften des Landes, den Herzögen von 
Burgund und dem Bifhofe von Lüttib, body: 
er Jan wurde unter anderm von Philipp dem 

uten zum Hofmaler und Hammerdiener mit einem 
Jahresgebalt von 100 Pid. ernannt und machte 
1428 eine Reife zu Jobann I., König von Portugal, 
um deſſen Tochter Iſabella zu malen. 

Die beiden Künjtler führten die Malerei ihrer 
Zeit durd verbefjerte Technik, namentlich der Öl: 
malerei, durch tieferes Eingeben auf die Erſchei— 
nungen der Wirklichleit und deren meijterhafte 
Wiedergabe einer auf Jabrbunderte fortwirtenden 
Höhe der Vollendung zu. Man ſieht auf ibren 
Bildern Zimmer mit Kaminen und reihbaltigem 
Daudrat, Städte mit Mauertürmen, Kirchen und 
belebten Gaſſen, blumenreiche Wiefen, Bäume mit 
entwideltem Baumſchlage, blaue Berge und reinen 
Dimmel mit zarten, weißen Wöltchen, Die Figuren 


Eybler — Eyd 


felbft beginnen fie anatomisch genau wiederzugeben, 
menigitend an Händen, Füßen und Antlig. Bor 
trefflih ift die Behandlung der Stoffe, jeien es 
Gewänder von geftidter Yeinwand oder von perlens 
bejektem Sammet, reichvergoldete Rüftungen, me 
tallene Gefäße oder andere Gerätihaften. Der 
großartige Schwung des frübern Faltenwurfs 
macht einem mehr realiftiih milltürlihen, ſchar— 
fen und edigen Blag. Die würdevolle Haltung der 
ältern Malerei, die Einfachheit und Milde ıbrer 
Figuren, die Sanftbeit und Gottjeligteit im Aug: 
drud der Gefichtözüge wandelt ſich bei ihnen zu 
mebr menſchlicher Jrömmigleit. Das Cigenartige 
der —— tritt ſtärkler hervor, das Gattungs⸗ 
artige beginnt zu ſchwinden. Al dies war nur durch 
die aufs höchſte vervolllommnete Technik und eine 
regen Sera welche fait jeder Einwir⸗ 
lung der Zeit Troß bot. Auch die beiten Benetianer 
baben jelten eine jo leuchtende, durchſichtige Fär⸗ 
bung wie die van E. und ihre Schule. 

Die Hauptarbeit (1420—32) der Brüder iit 
das von Jodocus Vyts in der Kirche St. Bavı 
7 Gent geftiftete große Altarwert (ſ. beigefügt: 

afel: Genter Altar), welches auf 12, = 
Teil auf beiden Seiten bemalten Tafeln das My— 
jterium des riftl. Glaubens und ald Mittelpuntt 
besjelben die Anbetung des Lammes darftellt. Bon 
dem Merk ftebt nur das Mittelbild (4 Tafeln) noch 
am alten Blake; ſechs Tafeln von den Flügeln be: 
finden fich gegenwärtig im Berliner Muſeum, die 

iguren Adanı und Eva im Brüffeler Mujeum. 
ine vorzüglice, von Michael Eocrie für König 
Philipp II. von Spanien gefertigte Kopie — eben: 
n_ zerjtreut, zum Zeil gleibfalls im Mufeum zu 
Berlin, zum Zeil in der Binalotbef zu Münden. 
Bon fonjtigen hervorragenden Bildern Jans jind 
zu nennen: Die Weihe Thomas Beckets zum Grz 
bifhof von Canterbury (1421), die Bildniffe No: 
ban Arnolfinis und feiner Frau (1434; London, 
Nationalgalerie), Bruftbild des Kanonikus Jan de 
Leeum (1436; Wien, Hofmujeum), Die beil. Bar: 
bara (1437; Antwerpen, Nujeum), Großes Bruftbild 
Ehrifti (1438; Berlin, Mufeum), Madonna (1439; 
Antwerpen, Mufeum). Ferner ohne Angabe des 
Jahres: Anbetung der Könige (in Brüfiel), Ma- 
donna von Lucca (Frankfurt; Städelfhes Jnititut), 
Madonna des Kanzlers Rollin (im Louvre), Der 
Mann mit den Nellen (in Berlin), Madonna mit 
dem fnienden Abt und der beil. Barbara (ebd.), Ma: 
bonna mit Rind in einer flirche tbronend (Flügel: 
altärden ; in Dresden). — Der Grundrichtung der 
eit, welcher die Gebrüder van E. mit ſolchem 
olge den erjten Ausprud verſchafft, fielen bald 
alle deutihen Schulen zu, zunädjt die Kölner, 
bald aud die oberdeutihben. Als ibre unmittel: 
baren Nachfolger find zu nennen: Petrus Eriftus, 
Gerard van der Dleire, Hugo varı der Goes, Rogier 
van der Wenden der Ülltere, Juſtus van Gent, 
Antonello da Meffina, der die Ölmalerei zuerſt na 
Ktalien gebrabt haben foll. Unter den jpätern 
abjolgern nehmen Hans Memling und Dirt 
Bouts den erjten Rang ein. weıtern Sinne 
fönnen aub Dürer und Holbein ebenjo wie Era: 
nah und Lukas von Leiden ald abbängig von den 
roßen Anregungen dieſer Ge altflandriſchen 
Shule betrachtet werden. — Vgl. Waagen, liber 
Hubert und Johann van €, (Bresl. 1822); Hotbo, 
Die Malerfhule Huberts van GE. (2 Bde., Verl. 
1855—58); Crowe und Gavalcafelle, Geſchichte der 





Prophet (Berlin). 2, — on (Brüssel). Prophet iBerlin' 
Verkündigun > Mär: wei Siby] d Brüssel, Brüssel und Berlin). 
Stifter (Berlin}, » Sara (Berlin u Juhannes der Evangrlist Stifterin «Berlin 


Johannes der Täufer 


3erlin). 
(Berlin). (Berlin) 


Brockhaus‘ Konversations- Lezikon, 16, Aut Phototypie RB, Kühlen, Mala! 


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— — — 


Eyder — Eylau 


altniederländ. Malerei (deutih von A. Springer, 
293. 1875); Yalaing, Jean van E. (Lille 1887); Kam⸗ 
merer, Hubert und Jan van E. (Bielef. 1898); R. 
Voll, Die Werke des Jan van €. (Straßb. 1900). 

Eyder, Fluß, ſ. Eider. : 

Eyd. et Sou., binter den lat. Namen nieberer 
Meerestiere Abkürzung für Fortund Eydour 
(ipr. eduh er machte 1829—32 die —— 
der franz. Fregatte La Favorite mit) und Souleyet 
(1. Som), zwei franz. Forſcher, die gemeinfam zoolog. 
Arbeiten veröffentlichten. 

Eydtfuhnen, —— im Kreis Stallu—⸗ 
pönen des preuß. Neg.:Bez. Gumbinnen, 11 km 
ditlih von Stallupönen, weſtlich von der rufj. Stadt 
Wirballen, an ber Lepone, welche bier die poln.: 
ruf. Grenze bildet, an der Linie Berlin: Königs: 
berg: €, (742 km) der Preuß. Staatöbabnen und 
G.:Bilna (191 km) der Beteröburg : Warfchauer 
Eiienbahn, Sitz eines Hauptzollamtes, Nebenzoll: 
amtes eriter Klaſſe und Grenztommiffariats, bat 
(1900) 3707 E., darunter 88 Katholiken und 247 Is⸗ 
taeliten, (1905) 5034 E., Boftamt erjter Klafie, Tele: 
graph, Spnagoge; a ne 
edeutenden Speditionshandel mit Rußland, ferner 
Eigenbandel mit Getreide, Holz, Geflügel, Wildbret 
und Krebien ſowie ein großes Wechiel: und Inkaſſo— 
geihäft. Als Endſtation der Oſtbahn (f. d.) fam €. 
in wenigen Jahren zu Bedeutung. 

Eye, Aug. von, Kunſt- und Kulturhiſtoriker, 
geb. 24. Mai 1825 zu Fürſtenau (Hannover), ftu- 
dierte in Göttingen und Berlin erjt Rechtswijjen: 
ſchaft, dann Philoſophie und Gefhichte. 1853 wurde 


er ald Vorſtand der Kunft- und Altertumsjamm: 
lungen an das neu begründete Germanifche Mujeum | 


nad Nürnberg berufen. Er lentte die noch aus den 
Anſchauungen und Beitrebungen der Nomantif ber: 
vorgegangene Anftalt in praftijche Bahnen ein und 
gab jo für die Neubelebung des deutſchen Kunit: 
bandwerfs mit die erite Anregung. 1874 unter: 
nabm er eine Reiſe nab Brafilien und machte 
ipäter noch mehrere überjeeifche Neifen zu kultur: 
geſchichtlichen Studien. Er ſtarb 13. Jan. 1896 
in Norbbaufen. E. veröffentlihte: «Kunft und 
Leben der Vorzeit» (3 Bde, Nürnb. 1854 fg.; 
3. Aufl. 1868, mit vielen Rupfern), «Galerie der 
Meifterwerte altdeutſcher Holzichneidelunft» (ebv. 
1857—61), wie das vorige Werk in Gemeinihaft 
mit J. Falle herausgegeben, «Deutihland vor 
dreihundert Jahren in Leben und Kunft aus feinen 
eigenen Bildern dargeitellt» (Lpz. 1857), «Leben 
und Wirken Albrecht Dürers» (Nörbl. 1860; neue 
Ausg. 1869), «Eine Menſchenſeele, Spiegelbild aus 
dem 18. Yabrb.» (ebd. 1863, den Dichter Chr. Günther 
betreffend), « Weſen und Wert des Dafeins» (Berl. 
1870; 2. Aufl. 1886), «Atlas der Kulturgefchichte » 
(4. 1875), «Das Reich des Schönen» (Berl. 1878), 
«Die neue Weltanihauung» (2p3.1891), « Albrecht 
Dürers Leben und künftleriiche Thätigkeit in ihrer 
Bedeutung» (Wandsbed 1892), 

Eyemouth (ſpr. eimöth), Stadt in der ſchott. 
Grafibaft Berwid, linls an der Mündung der Eye 
in die Nordſee, bat (1901) 2377 E., neuen Hafen 
und iſt Mittelpunkt bedeutender Heringsfifcherei. 

afjalla («nielberg») oder Öfter:Fökull, 
Bultan (1831 m) auf Jeland, hart an der Süptüfte, 
im RO. der Beitmannaeyjar (MWeftmännerinfeln). 

Eyjafjardar Kaupfiadr, Stadt, ſ. Akreyri. 

Enjafjord, richtiger Jige rd(u)r, Fjord an 
der Nordküfte Islands (|. Nebenkarte zur Karte: 

Srodhaus' Konverfations-Legifon. IK Aufl R. A. VI. 





369 


Dänemart und Schweden), bringt zivis 
ſchen 18 und 19° weſtl. L. von Greenwich fübjüd: 
djtlih 64 km weit bis über den Ort Atreyri (f. d.) 
hinaus ins Sand ein. 

Eyfe von Repkow, ſ. Eite. 

Eylau, Preußiſch-Eylau. 1) Kreis im 
preuß. — — bat 1231, qkm und 
(1905) 49465 E., 3 Städte, 120 Landgemeinden 
und 127 Gut3bgzirte. — 2) Kreisftadt im Kreis 
Preußiih:Eylau, 38km ſüdlich von Königsberg, 
am Basmar, in 88m Höhe, an der Linie Königsberg: 
Proſtklen der Dftpreuß. Süpbahn, Sik des Land⸗ 
ratsamtes und eines Amtsgerichts (Landgericht 
Bartenftein), hat (1905) 3258 E., darunter 46 Ka: 
tholifen und 19 Jraeliten, Bojtamt zweiter Klaſſe, 
Zelegrapb, Spar: und Vorſchußverein, Rektorats— 
ihule, Schullebrerjeminar, Siechenhaus; Eiſen— 
gehen! und Majchinenfabrit, Tuchfabrik und 
Möbeltifchlereien. — €. iſt sn merkwürdig 
durh die Schlacht bei E. vom 8, Febr. 1807, 
Die ruf). Armee unter Bennigjen batte am 7. auf 
den Höhen nördlich von E. Stellung genommen. 
Am Nahmittage des 7. drängte Napoleon die ruſſ. 
Vortruppen nad der Stadt. Davout hatte glei 
jeitig die Königsberger Straße erreicht, während 

tey bei Orſchen ftand. Das preuß. Korps unter 
Leſtoeq war noch 15 km von 6, entfernt. Soult 
bildete den linten Flügel des franz. Heers vor E., 
das während der Nacht ruffifcherfeit3 geräumt 
wurde, rechts daneben ftand Augereau, neben diefem 
die Divifion Saint:Hilaire, hinter beiden die Ne: 
jervefavallerie unter Murat; — der Kirchhofs⸗ 

öbe hielten die Garden unter Beſſieres als Reſerve. 
Das franz. Heer zählte 80000 Mann. Dir Ruſſen, 
58000 Dann ftart, lehnten ihren ag Flügel 
unter Tutſchkow an Schmovitten; ihre Mitte unter 
Saden jtand beiderjeit? der Domnauer Straße; 
ibr linfer Flügel unter Oſtermann-Tolſtoy reichte 
bis an die Kreegeberge; zablreiche Reſerven unter 
Doctorow und Fürſt Galizin ftanden hinter der 
Mitte. Die dur die Witterungsverbältnifie ver 
jpätete Ankunft Davouts, das Ausbleiben Neys 
und das Gintrefien des preuß. Korps Leſtocq lieben 
eö zu feiner taltiſchen Entſcheidung fommen. Der 
franz. Angriff der Kolonnen von Soult, Saint: 
Hilatre, Augereau wurde dur das Feuer der ruſſ. 
Artillerie abgejchlagen, worauf ruff. Infanterie und 
die Rejervelavallerie unter Galizin in der Richtung 
auf E, verfolgten, aber dur die franz. Reſerve— 
favallerie unter Murat aufgehalten wurden. Um 
Mittag erihien Davout in der linken Flanke ver 
Ruſſen und nahm, von Saint: Hilaire unteritügt, 
Serpallen; beide drangen gegen die Kreegeberge 
vor, die nah tapferm Widerſtande erobert und 
mit 30 Geſchützen beſetzt wurden. Der ruf). linte 
Flügel war — Davout umfaßte denſelben, 
eroberte Auflappen und das Dorf Kutſchitten, wos 
dur er die Verbindung der Ruſſen mit Königs: 
berg gefäbrvete. Gegen 3 Uhr erichien Leſtocq mit 
dem preuß. Korps und rettete die Ruſſen. Ney hatte 
ihn auf dem Marſche jo lebhaft angegriffen, daß 
nur 5500 Mann das Schlachtfeld erreichen lonnten; 
der Reit wurde nach Kreuzburg abgedrängt und von 
Ney verfolgt, der erſt jpät abends vergeblich bei 
Schmobditten den Kampf aufnahm. Leſtocq nahm 
Kutſchitten wieder, worauf der linke rufi. Flügel 
Auklappen befekte; die Kreegeberge konnten jedoch 
nicht genommen werden. Die Duntelbeit machte 
—— der blutigen, aber unentſchieden geblie— 


24 


370 


benen Schladt ein Ende. Der Verluft betrug auf 
jeder Eeite gegen 18000 Mann. Ein 20.Nov. 1856 
—A enkmal, ein got. Turmbau auf einer 
Anböhe bei der Stadt, erinnert an die Schlacht. 
— Bol. von der Goltz, Von Jena bis Preußifch: 
Eylau (Berl. 1907). — 3) Stadt im preuß. Reg. 
Bez. Marienwerder, f. Deutich: Eylau. 
ylert, Rulemann riedr., evang. Kanzel: 
rebner, geb. 5. April 1770 zu Hamm in Weit: 
alen, ftubierte in Halle, wurde 1794 Prediger in 
einer Vaterjtabt, 1806 auf Steind Empfeblun 
of: und are nediger u Potsdam, 181 
evang. Biihof, Mitglied des Staatsrats und des 
Bin! ertuns der geiftlihen und Unterridtsange: 
legenbeiten. 1844 trat er von feinen ÜUmtern zurüd 
und ftarb 3. Febr. 1852. Als Hofprediger wurde 
€, ver Bertraute und Ratgeber des Königs, fo in 
dem Agendenftreit (j.d.), auf den fich feine Schrift 
«liber den Wert und die Wirkung der für die evang. 
Kirche in den königlich preuß. Staaten beftimmten 
Liturgie und Agende» (Potsd. 1830) bezieht, ſowie 
bei der Einführung der Union. Ein Dentmal diejer 
vertrauten Stellung find die «Charalterzüge und 
gro Fragmente aus dem Leben des Königs von 
reußen, Friedrich Wilhelm III.» (3 Bde. Magdeb. 
1843 — 46; mohlfeile Ausg. 1847). Bon E.s Pre 
—* erſchienen: «Betrachtungen über die troft: 
vollen Wahrheiten des Chriftentums bei der legten 
Irennung von ben Unjerigen» (Magdeb. 1803; 
5. Aufl. 1848), «Homilien über die Barabeln Jeſu⸗ 
(Halle 1806; 2. Aufl. 1819), «Predigten über Be: 
dürfnifje unfers Herzens und Berbältnife Le: 
ben?» (ebd. 1813). Mit Dräfele gab er das «Neueſte 
Magazin von Feſt⸗ Gelegenheitd: und andern Pre: 
digten» (4 Bde., Magdeb. 1816—20) heraus, 
Eymericnd, Nitolaus, ſpan. Ketzerrichter, geb. 
1320 in Gerona in Catalonten, trat 1334 in den 
Dominilanerorden, warb von Innocenz VI. 1356 
zum Generalinquifitor und Keßerrichter ernannt 
und verfubhr als folder mit graufamer Strenge 
43 Jahre lang gegen Mauren und Juden, bis er 
14. jan. 1399 in feiner Baterjtadt ſtarb. Bon feinen 
Schriften ijt die befanntefte das «Directorium in- 
quisitorum» (Barcelona 1503; mit den Zufäken 
von Pina 1578 und 1587; mit Kommentar der fpan. 
Ranonijten, Vened.1595; im Auszug von Morellet, 
Bar. 1874), worin er die gran ition rechtfertigt und 
Anmeifungen zu ihrem Betriebe giebt. 
Eymoutierd (ipr. —— Hauptſtadt des 
Kantons E. im Arrondiſſement Limoges des franz. 
Depart. Haute-Vienne, 40 km oſtſudöſtlich von Lı- 
moge3, auf einem Hügel, welcher das tiefe, malerische 
Thal der Bienne beherrſcht, an der Linie Limoges: 
Clermont⸗Ferrand der Orléeansbahn, hat (1901) 
2261, ald Gemeinde 4213 E., eine ſchöne Kirche aus 
dem 11. und 15. Jahrh., eine Brüde über die Bienne, 
ein Kommunal:&ollöge; Fabrikation von Hüten, 
Es wert, Leder, Spinnerei, Färberei und Handel mit 
ellen, Wachs, Lumpen, Getreide, Holz und Wein, 
Eynard (jpr. enahr), Jean Gabriel, Genfer 
Bantlier, befonders als eifriger line belannt, 
geb. 28. Sept. 1775 zu Lyon, floh zur Zeit der Re: 
volution mit feiner Familie nad der Schweiz und 
ließ fib in Rolle nieder. Später gründete er mit 
feinem Bruder unter der Yyirma «Gebrüder Eynard 
& Schmidt» in Genua ein Handelshaus und über: 
nabm 1801 zu Livorno für den damaligen König von 
Etrurien (Erbprinzen von Parma) eine Anleihe, die 
für ihn jehr günftig wirkte. 1810 wandte er fich mit 


Eylert — Eyre 


einem großen Vermögen nad) der Schweiz zurüd und 
lebte fortan in Genf und Beaulieu bei Rolle. Nach 
dem Sturze Napoleons I. wurde €. in den Geſeß— 
—— Körper Genfs gewählt. Als Sekretär der 
enfer Geſandten d'Yoernois und Pictet de Roche: 
mont nahm er an dem Wiener Kongreß teil. 1816 
ordnete er die Finanzen des Großherzogs Leopold in 
Toscana, und 1818 befand er fih aufdem Kongrek zu 
Aachen abermals unter dem diplomat. Korps. In: 
folge feiner Belanntibaft mit dem Grafen Kapo— 
bijtria® ward E. zu Anfang der zwanziger Jabre 
anz in das Intereſſe der griech. She gezogen, 
Nellte fi darauf an die Spiße aller Griechenvereine 
in Europa, war für die Sache der Griechen in 
Paris und London thätig und unterftügte fie mit 
700 000 Frs. aus eigenen Mitteln. In Genf liek 
er großartige Bauten ausführen, unter andern das 
practvolle Muſeum für die Societe des Beaux-Arts. 
Er jtarb 5. Febr. 1863 auf feinem Schloſſe & Genf 
und joll 60 Mill. Frs. binterlafjen haben. €. zeich⸗ 
nete fih dur eine außerordentliche Freigebigleit 
und Opfermilligfeit aus. Er ſchrieb: «Lettres et 
documents ofticiels relatifs aux divers &vänements 
de Grece» (Par. 1831). — Vgl. Rotbpleg, Der 
Genfer Jean Gabriel E. als Bhilbellene (Zür. 1900). 
Eynatten, Aug. Friedr., Freiherr, öjterr. Ge 
neral, geb. 1798 aus altem rhein, Adelsgeſchlecht, 
lieg im öfterr, Militärdienjt bis zum Feldmarjchall- 
eutnant, war Gouverneur von Berona, beging 
jedoch wäbrend des Italienischen Krieges von 1859 
als Generaldirektor der Militärverwaltung im Ar: 
meeoberfommando große Unterſchleiſe. Nachdem 
feine Schuld Hargelegt worden war, entzog er ſich 
7. März 1860 durch Selbitmord der Beitrafung. — 
Bol. Der Neue Pitaval, Bd. 35 (Lpʒ. 1872). j 
Eynern, Ernſt von, Bolitiler, geb. 2. April 
1838 zu Barmen, trat nach mehrjährigem Aufentbalt 
in der Schweiz, Frankreich und England ala Teil: 
er in das faufmännifche Geſchäft feines Vaters, 
riedrich von €. (geit. 1884), der 20 Jahre lang 
altliberales Mitglied des preuß. Abgeordnetenhaufes 
war. Er wurde bald zum Stadtverorbneten und zum 
Vertreter feiner Vaterſtadt im Provinziallandtage 
der Rheinprovinz, 1879 von Lennep⸗Solingen in das 
preuß. Abgeordnetenhaus gewählt, wo er der natio- 
nalliberalen Bartei beitrat und namentlich in Eiſen⸗ 
bahn: und allgemeinen Berwaltungsfragen thätig 
war, fo für die Berftaatlihung der Eifenbabnen und 
1899 als Verteidiger der Nanalvorlage. Während 
de3 Rulturlampfes trat er mit großer Schärfe dem 
Centrum entgegen. Er jtarb2. Nov. 1906 in Barmen. 
E. ſchrieb: «Wider die Socialdemofratie und Ber: 
wandtes» (2pz. 1874), «Die Neulonjervativen im 
Weiten» (Elberf. 1876), «Zur Reform der virelten 
Steuern in Preußen. Gegen die Selbitvellaration» 
(Barm. 1889), «Kritifche Betrachtungen zur Reform 
der Kommunaljteuern» (Elberf. 1892), « Zwanzig 
Jahre Ranaltämpfe» (Berl. 1901). 
ze (pr. äbr), Edward John, Erforiher Auftra- 
liens, geb.5. —* 1815 in Yorlſhire (England), wan⸗ 
berte 1833 nad Auftralien aus, wo er anfänglich in 
Neufüdwales, bald aber in Sübdauftralien jeinen 
Aufenthalt nahm. 1839 erforſchte er in leßterm 
Lande das Flindersgebirge und die zwiſchen dieſem 
und dem untern Murray gelegenen Gegenden. Dann 
bereifte er die Berglandichaften im Nordweſten 
des Spencergolf3 und entbedte 1840 den großen, 
Bee nah ihm benannten Eyreſee (ſ. d.); fein 
erſuch, vom Eyrejee weiter ind Innere des Erb: 


Eyrejee 


teild vorzubringen, mißlang. Im folgenden Fahre 
jog er vom Spencergolf an der Südfüfte entlang 
bis zum King:George-Sund. 1846 wurde er zum 
Gowwerneur von Neujeeland, 1852 von St. Vincent 
ernannt. 1862— 66 war er Gouverneur von Ja: 
maila, wurde aber infolge der ungeſetzlichen Hin: 
rihtung des aufrübreriihen Mulatten Gordon ab: 
berufen. Er ſtarb 30. Nov. 1901 in Taviftod. €, 
veröffentlichte: «Journal of expeditions of disco- 
very into Central Australia» (2 Bbe., Lond. 1845). 

reſee (ipr. äbr-), großer Salzjee im Innern 
Cüdauftraliens (f. Karte: Auftralien) A zwifchen 
27° 50’ und 29° 20’ füpl. Br. und 186° 40’ und 
37 40 oſtl. L. gelegen, ift etwa 9500 qkm groß. Er 
wurde 15, Aug. 1840 von Eyre (j. d.) entdedt, von 
Babbage 1858, von Stuart 1859, von Warburton 
1866 und von Lewis 1875 unterjudht. Der War: 
burten im N., der Nealed und Douglas im W., der 
Nargaret im ©. und der größte von ihnen, ber 
&oeper, im D. jenden ihm ihre jpärlihen Wäſſer 
u; meift ilt der See jo troden, daß das Salz auf 
dem Boden trpftallifiert. Doc giebt es am Süb- 
und Weſtufer füße Quellen, welche hier Viehzucht er- 
mögliben. Das Südende des Sees liegt 11,8 m, die 
etwas jüdlicher gelegene Viebjtation Stuarts Greet 
‘sm unter dem Meeresſpiegel, jo daß dieſe Sente 
die tieffte Stelle des Auftrallontinents ift. 

Eyre & Spottiswoode (ſpr. ahr änd ſpottis⸗ 
vudd), engl. Hofbuchbruderei mit andern techniſchen 
und Handeldjweigen in London, wurde 1735 von 
Charles Eyre aus Landforb —A Wilts) 
gegründet, der 1770 William Strahan als Teil: 
daber annahm. Ihm folgte 1830 fein Großneffe 
Andrew Spottismoode. 1901 waren Beliker: 
aan Urentel Eyres, George Edward Briscoe 
Epre, und zwei Entel Spottismoodes, die Brüder 
Billtam Hugb Spottiswoode und Cyril 
Andrew Spottiswoode. Bon ihrer Gründung 
an beigt die Firma das Fönigl. Privilegium, die 
autorifterte Überjegung der Bibel, dad «Common 
Prayer-Book», die Terte der Geſetze und alle Doku: 
mente der Regierung zu bruden und zu verlegen. 
In neuerer Zeit bat die Firma eine große Auss 
dehnung gewonnen. Sie widmet ſich beſonders dem 
Orud der Regierungspublifationen und den Ber: 
öffentlihungen des Stationery Office. 1892 erwarb 
hie die Barlamentspruderei («The House of Com- 
nons Printing Office») von Henry Hanſard &Sohn. 
Tas Hauptgeihäft befindet ſich in der Eity, einige 
Imeige in den Vororten (Hadney). Vorhanden find 
ie ce der grapbiichen Künfte, 3. B. Photo: 

tapbie, photogr. Vervielfältigung, namentlid das 
oodburpverfabren (f. Woodburgtypie), erworben 
durh Antauf der Woodbury Permanent: Photo: 
aapbie: Printing: Company; ferner Buchbinderei 
MNabielger der ss Hayda ir Agenturen für 
ortefeuillemaren, 


Fran y 
eib⸗, Zeichenmaterialien, 
Malerf ‚ matbem. und Beicheninjtrumente. 
Vertretungen der gırma find in Auftralien, Neu: 
ſeeland Neuyork, Edinburgh und Glasgow. 
Exria (ipr. ahrie), Halbinſel der Süpküfte Auſtra⸗ 
lient (j. Karte: Auſtralien), wird im N. von ber 
Gebirgätette Gamler-Range, im D. vom Spencer 
aolf, im W. von der großen Auftraliihen Bucht bes 
pet und läuft nah ©. in das Kap Cataftrophe 
vis aus, €. ift nur ſehr fpärlic und zwar meiſt 
von Biebzüchtern bewohnt. 

Eyries Stacheltattus, Echinopsis Eyriesii, 
\.Echinopsis und Tafel: Ralteen, Fig. 7. 


— Eyth 371 


Eyſchen, Paul, luxemb. Staatäminifter, geb. 
9. Sept. 1841 zu Luxemburg, ftudierte in — 
land und Frankreich die Rechte und ließ ſich in ſei⸗ 
ner Vaterjtabt als Advolat nieder. Er wurde 1866 
vom Kanton Wilg in die Abgeordnetenkammer ge 
wählt und 1876 zum Generaldirektor der Juftiz und 
öffentlichen Bauten eher) ernannt. Sei: 
ner Initiative verdankt die Juſtizpflege zahlreiche 
glüdlihe Neuerungen, fo eine durchgreifende Unde⸗ 
rung des Strafgejeßbuches nad belg. Mujter (1879), 
Neuorganifation der gefamten Gerichtäorbnung 
(1880) u. ſ. w. Auf dem Gebiet der öffentlichen 

auten machte er fih namentlih nah Scleifung 
der Bundesfeftung Luremburg um die Nusbar: 
madung der frei geworbenen Domäne und den hy⸗ 
gieiniſch wie architeltoniſch muſterhaften Ausbau 
der Stadt verdient. Am 22. Sept. 1888 wurde E. 
zum Staatsminiſter ernannt und behielt auch in 
dieſer Stellung die Juſtiz in ſeinen — en. 
Dazu kamen Aderbau, Handel und Induſtrie, Kul⸗ 
tus und auswärtige Angelegenheiten. Namentlich 
auf —— ichem Gebiete entwidelte E. nun 
eine rege Thätigkeit und förderte beſonders den 
Aderbauunterricht. Von 1874 bis 1889 war E. 
zugleich luxemb. Geſchäftstrager am Berliner Hofe. 
Er jhrieb «Das Staatöreht des Großberzogtums 
Luxemburg⸗ (Freib. i. Br. 1889). 

telwein, ob. Albert, Ingenieur, geb. 31. Dez. 
1764 zu Frankfurt a. M., trat F ala 15jähriger 
Knabe in die preuß. Artillerie, wurde dann Deich: 
inſpeltor des Oderbruchs und nad vierjäbriger 
Thätigkeit in diefem Amte 1794 zum Geb. Oberbaus 
rat ernannt. Am 13, April 1799 wurde unter feiner 
Direktion die Baualademie in Berlin eröffnet. €. 
rüdte 1809 zum Direltor der Oberbaubireftion und 
1816 — Oberlandesbaudireltor auf, nahm 1830 
ſeine Entlaſſung und ſtarb 18. Aug. 1848 zu Berlin. 
E. hatte während einer mehr als 50jährigen ae 
zeit die Regulierungen der Over, Warthe, Weichſel 
und des Niemen, die Hafenbauten von Memel, 
Pillau und Swinemünde, ſowie die Örenzregulierung 
der Rheinprovinz und die Beitimmung eines befini: 
tiven Maßes und * für Preußen großenteils 
u leiten und zu beauffichtigen und war auch lebhaft 
ri tftellerifch thätig. Außer Abhandlungen für 
die Berliner Alademie der Wifjenfchaften, zu deren 
Mitgliedern er zählte, find von jeinen Veröffents 
lihungen zu nennen: ——— Anweiſung zur 
Bauart der Faſchinenwerle und der dazu gehörigen 
Anlagen an Flüſſen und Strömen» (Berl. 1800; 
2. Aufl. 1817), «Bergleihung der in den preuß. 
Staaten ein eführten Maße und Gewichte» (ebd, 
1798; 2. Aufl. 1810; «Nachtrag», ebd. 1817), « tal: 
tifche re ur Wafferbaufunft» (mit Dav, 
Gilly, 4 Hefte, ebd. 1802—8; 2. u. 3. Aufl. 1820 
— 36), «Handbuch der Mechanil fefter Körper und 
der Hybraulit» (ebd. 1801; 3. Aufl., Lpz. 1842), 
«Handbuh der Statik feiter Körper» (3 Bde., 
Berl. 1808; 2. Aufl. 1832), «Handbuch der Peripet: 
tive» (2 Bde., ebd. 1810), «Grundlebren der böbern 
Analyfıs» (2 Bde., ebd. 1825), «Handbuch der Hy: 
drojtatil» (ebd. 1826), «Auflöjung der höhern nume⸗ 
riſchen Gleihungen» (ebd. 1837) u. f.w. 

th, Mar von, Ingenieur und Schriftfteller, 
geb. 6. Mai 1836 in Kirchheim unter Ted ald Sobn 
des als Theolog und Dichter belannten Eduard E. 
und der gleichfalls fchriftitelleriih begabten Julie 
E., geborene Kapoll, bejuchte das Polytechnilum zu 
Stuttgart, trat dann als praftijher Ingenieur in 

24* 


372 


die Maſchinenfabrik von Kubn in Berg: Stuttgart 
ein, ging 1861 nad England und wurde dort mit 
Sohn Fowler befannt, der in demſelben Jahre in 
%eeds feine Dampfpflugfabrit gründete. 1862 ver: 
trat €. diefe Firma * der Londoner Weltausſtel⸗ 
lung. Hierauf brachte er 4 Jahre ald Oberingenieur 
Halım Paſchas in Ägypten zu, wäbrend welcher Zeit 
ibn namentlih die Dampfkultur und das Bewäſſe⸗ 
rungsweſen deö Landes beichäftigten. 1866 trat E. 
wieder in das Fowlerſche Geichäft ein. Nachdem 
ein Belgier De Mesnil die Idee gefaht hatte, bie 
in diefem Etablifjement für den Betrieb der Dampf: 
pflüge konftruierte Alappentrommel für die Seil: 
hiffahrt anzumenden, erbielt E. ven Auftrag, bie: 
e3 Brojelt nad) feiner techniſchen Seite bin zu ent 
wideln. Die Folge war für ihn ein zweijäbriger 
Aufenthalt in den Vereinigten Staaten, welder 
aud der Einführung der Dampftultur in Amerika 
—— war. In ähnlicher Weiſe war E. dann in 
eutſchland, Oſterreich, Belgien, Rußland, Rumä— 
nien, Italien ſowie in Algier und der Türlei thätig; 
auch beſuchte er Weſtindien mehrmals ſowie Beru 
und Kalifornien auf längere Zeit. 1882 verließ E. 
das Fowlerſche Geſchäft und zog nad Bonn, dann 
nad Berlin, 1896 nah Ulm. 1884 gründete er 
die deutſche Landwirtſchaftsgeſellſchaft (f. d.). €. 
ſchrieb: «Das Agrikulturmaſchinenweſen in au 
ten» (Stuttg. 1867), das in feiner Art klaſſiſche 
«MWanderbuc eines Ingenieurs⸗ (2. Aufl., 6 Bde., 
Heidelb. 1886), «On towing» und «Steel or iron for 
boilers» (beides in der «Institution of mechanical 
Engineers», London), «On irrigation in Egypt» jo: 
wie zablreihe Aufjäge über landwirtſchaftlich⸗tech⸗ 
niſche Fragen; ferner: «Bollmar», bijtor.:romans 
tiiches Gedicht (3. Ausg., Heidelb. 1876), «Der Wald: 
teufel» (Heilbr. 1878), «Mönch und Sandstnecht» 
(2. Aufl., Heidelb. 1886), «Hinter Pflug und Schraub: 
ftod», Erzäblungen (2 Bde. Stuttg. 1899) u. a. 
Ezdorf, Chriſtian, Sandichaftsmaler, geb. 
28. Febr. 1801 zu Böhned im Herzogtum Meinins 
gen. erbielt feine künftlerifhe Ausbildung auf der 
labemie zu Münden, wußte vortrefflich die 
nordiſche Natur aufzutaflen, die er 1821 in Stan: 
dinavien auffuchte und vorzugsweiſe für düftere 
Stimmungsbilder benuste. Auch Island bereifte 
er 1827, und feit 1831 England. Dort malte er die 
vorzüglichiten feiner Bilder, 8 1835 den Eiſen⸗ 
bammer in Schweden (Neue Pinakotbet in Mün: 
hen), das Feljenufer der Inſel Magerd in Nor: 
wegen (1836; jtäbtiiches Mufeum in Leipzig), Nor: 
wegiſche Yandichaft ( — in Stuttgart). Er ſtarb 
18. De. 1851 zu München. 
Ezechlel (bebr. Jechezkel, bei Luther Hejetiel), 
Prophet, der Sobn des Priefterd Buſi, gebörte 
N den mit dem König Jojachin 597 v. Er. nad 
abylonien graz Yuddern. 6 Yabre vor der 
Zerftörung Jeruſalems, im Juni 592 v. Chr, 
wurde er in Babplonien zum Propheten berufen. 
Er ift die einflußreichte Figur des Exils. fein 
anderer bat jo mwie er dazu beigetragen, den De: 
portierten die prophetiiche Auffaſſung vom Berufe 
und dem Schidjale Israels vertraut zu machen. 
In Antnüpfung an das Deuteronomium und die 
Reform des Joſia verwandelte er die Forderungen 
der Bropbetie in ein ftatutariiches Gejek und zeich⸗ 
nete feinem Bolte den Blan vor, fich dur Unter: 
werfung unter diejes im Befike der einft wieder 
ugewinnenden Gnade Nabmwes zu erbalten. So 
ildete er eine ber Brüden von der Propbetie zum 


Ezdorf — Ezekiel 


geſetzlichen naderiliihen Judentum. Er hat da⸗ 
durch die Umbildung der lebensfäbigen Elemente 
des alten Volt3 Israel zur religiöjen Gemeinde der 
— ermöglicht. E. hat ſeine Weisſagungen 
elbſt zu einem Buche zuſammengeſtellt, das in 
vieler Hinſicht den Schluͤſſel zum Verſtändnis des 
Alten Teftaments giebt. Dasjelbe iſt erft nach 
572. Ehr. abgeſchloſſen worden und zerfällt in drei 
Zeile. Der erite (Rap. 1—24) enthält die vor 586 
v. F eſprochenen Weisſagungen; er fündigt dem 
Rei Tuba wegen fortdauernder Untreue wider 
Gott völligen Untergang an; der — Zeil (Kap. 
25—32) drobt den benadybarten Böltern mit gott⸗ 
licher Strafe, und der dritte (ap. 33—48) entbält 
—— vom meſſianiſchen Reich, d.b. von der 
Miederberitellung Jöraels und Bori hriften über die 
Neuordnung des wiederbergeftellten. Die Wieder: 
beritellung erfolgt als ein Geſchenl der Gnade, obne 
daß Israel dur Buße fie ſich verdient. Dieſelbe 
ift eine innere Notwendigteit für Gott, deſſen Name 
dur die Zeritörung —— bei den Heiden 
Schaden gelitten hat. Damit Israel im Stande der 
Gnade bebarren kann, erbält es ein neues Herz. 
Alle Verbältniffe werden im Israel der meſſiani— 
ſchen Zeit von dem Gefihtäpuntte aus neu geftaltet, 
daß eine Verlegung der Heilinleit des wieder in 
— wohnenden Jahwe nicht eintreten lann. 
ie Stadt wird vom übrigen Land getrennt ae 
— rings umgiebt fie \ —* und Leviten⸗ 
and. Die Stadt wird vom Tempel abgerüdt. 
Im Tempel findet ftrenge Sonderung zwiſchen 
riejtern und Laien jtatt. Die ganze Natur des 
ndes ändert fich zu dieſem Zweck. So ift €. der 
Urbeber der Vorftellungen vom Neuen Ferufalem. 
An der Spike Jsraels ftebt, mit der Sorge für Auf: 
rechterbaltung des Kultes betraut, ein Vorjteber 
ürft). In dem von Gott geofienbarten Kulte aber 
at Israel ein Mittel, alle etwa doch vorfallenden 
rübungen der Heiligleit des Tempel und ab: 
wes jofort wieder zu befeitigen. Er ift daber die 
Lebensaufgabe der Gemeinde. Gerade durch dieie 
Gedanten bat €. die fpätere Entwidlung beeinflukt. 
Da die von €. erhobenen Forderungen teils binter 
den fpäter vom Geſetze formulierten zurüdbleiben 
(3.8. bei den geiten und Feſtopfern), teils dieſelben 
überbieten (3. B. bei den Vorſchriften über Prieſter⸗ 
ebe und den Vorſchriften für den Berlehr der Laien 
im Tempel), jo ift ver Zugebörigteit feines Buches 
um fanon im jpätern Judentum vielfach mibder: 
prochen worden. Hiermit mag es zufjammenbängen, 
daß dasjelbe in ſehr ſchlechter Tertüberlieferung auf 
uns gelommen iſt. — Val. R. Smend, Der Propbet 
€, erflärt (2. Aufl., Lpz. 1880); C. Cornill, Das 
Buch des Propheten €. (eo. 1886); D. H. Müller, 
Gzebiel-Studien (Berl. 1895); Drelli, Das Bud €, 
8 Aufl,, Münd. 1896); Bertholet, Dad Buch 

eſekiel (Freib. i. Br. 1897), 

Ezekiel (ipr. ifibtiel), Mofes Xat,, norbamerit. 
Bilbhauer, geb. 28. Dft. 1844 zu Richmond in Bir: 
—* bildete ſich nach Beendigung des Bürger: 

ieges, in dem er auf Seite der Konföderierten mit⸗ 
fämpfte, zum Bildbauer aus und ging 1869 nad 
Berlin, 1874 nach Rom, wo er fib dauernd nieder: 
ließ. Seine bedeutendſten Werke find: Büften von 
Wafbington, Lifzt, Reliefs von Goetbe und Schiller 
(1870), Farragut (1872) u. a., ein Basrelief Ban 
und Amor, die Gruppe der ae für 
Philadelphia, Kain, Eva, Israel, ein Märtorer 
und der Entwurf zu einem Reiterdenkmal bes Ge 


Ezelin — Faaker See 


nerald ee, die Gruppe Natur und Kunſt in Frank⸗ 
furt a. M. (1887). 

Ezelin, |. Ezzelino ILL (TV.)._ 

EziönG®eber, auch Ezeongeber oder Ezeon⸗ 
gäber, zu den Zeiten ber israel. Könige eine * 
habt am oſtl. Buſen des Roten Meers neben Eloth 
oder Elath (f. Elana), von der aus Salomo mit 
Unterftügung des pböniz. Königs Hiram Handels: 
verbindungen nach Ophir (f. d.) unterbielt, 1 Kön. 
4,2. l. aud 1 Kön. 22, 40; 2 Ehron. 8, ı7. 
Die u. ift nicht mehr nachzuweiſen; vielleicht bat 
fh in El-Ghadhjan (Thal und Quelle) —— 
von El-Atabab an der Weſtſeite des Wadi el-Araba 
eine Spur des alten Namens erbalten., 

Ejzelino III. (IV.) da Nomano (Ezelin), 
geb. 26. April 1194 zu Dnara aus dem Geichlecht 
ver da Romano (ſ. vd Herr von Baſſano, Vicenza, 
Verona, Padua, Trevijo, Trient, war neben jeinem 
Schwager Enzio (ſ. d.) der treuejte Vorfämpfer Kai— 
jer Friedtichs II. und Führer der Ghibellinen nah 
defien Tod in Oberitalien. Kampf mit den 
vom Lombarbenbund begünftigten Sampieri ge 
warn er die Marl Verona (1231) und unterftellte 
ſich der Lehnshoheit Friedrichs LI., der ihm 1236 
aud die Stattbalterjchaft in Padua übertrug. Durch 
jeine glüdlihen Kämpfe bereitete E. den Sieg Fried: 
tichs bei Eortenuova (1237) vor. Diefer gab ihm 
dafür 1238 jeine natürlihe Tochter Selvangia zur 
rau, An der Seite Enzios belämpfte er 1239 —44 
die queliich:päpftl. Städte, belagerte 1247 Parma, 
den Mittelpunkt des Widerftandes, erlitt aber hier: 
bei 18. Febr. 1248 in der Lageritadt Vittoria eine 
em tieverlage. Dennoch dehnte er im felben 

abre jeine Herrſchaft über Feltre, Belluno und 
Ehte aus und ging darauf eine zweite Ehe mit Bea- 
trice von Bontraverjio da Caſtronovo ein. Hatte 
con biäber E. unmenſchliche Härte walten lajjen 
und in Badua und Verona die edelften Gejchlechter 
ausgerottet, um die innern Gegner niederzubalten 
und ſeine Rachbarn von einem Angriffeabzujchreden, 





373 


o fteigerte fich feine Furchtbarkeit durch Friedrichs 
od, der ihn des fihern Nüdhalts beraubte. Als 
Konrad IV. in Italien erfchien, unterjtüßte er dieſen 
bei feinen Unternehmungen; Manfred jedoch ſcheute 
den verhaßten Tyrannen und ernannte 1259 den 
Markgrafen Ballavicino zu feinem Feldhauptmann 
in der Lombardei. Als E 1256 Padua angriff, zog 
ein Kreuzbeer unter Erzbifchof Philipp Fontana von 
Ravenna gegen ihn; es eroberte Badua, ward abrr 
bei Torricella 1. Sept. 1258 gänzlich geſchlagen. €, 
machte fih nun, von der matländ. Adelöpartei 
egen das Volk zu Hilfe gerufen, troß der Gegner: 
Pat des Pallavicino (j.d.) daran, gegen dieje Burg 
des lombard.:quelfiihen Städtebundes vorzugehen, 
fiel aber auf der Brüde von Eajjano 16. Sept. 1259 
verwundet in die Hände der Feinde, Am 27. Sept. 
erlag er feiner Berwundung. Nach feinem Tode * 
ten Verona, Baſſano, Vicenza ihre ſtädtiſche reis 
beit wieder ber. — Vgl. Verci, Storia degli Ezzelini 
(Bafjano 1779; 3 Bde., Vened. 1844); E. Berino, 


E. da Romano (Beneb. 1864); €. Cantü, E. IV da 


Romano (Mail. 1879); Gittermann, Ezzelin von 
Romano, Bd. 1 (Stuttg. 1890); Brentari, E. da 
Romano nella poesia e nella mente del 2 
(Badua und Verona 1889); Mitis, Storia d’E.IV 
da Romano (Maddaloni 1896). Dramatifch bear: 
beitet wurde E.s Geſchichte von Eichendorff (1828), 
in einem Romanzencyllus von Pfizer. 

Ezzo, ein Bamberger Scholaſtikus, faßte in 
einem Liede («von dem anegenge») in edler, 
bilderreicher Sprache die Hauptthatſachen der chriftl. 
Heildgefhichte wirkungsvoll und mit großem Er: 
folge zufammen. Das viel verbreitete Lied iſt ber 
ausgegeben in Müllenhoff3 und Scherers « Dent: 
mälern» (3. Aufl., Berl. 1892), Nr. 31. Nach alter 
runs bat derjelbe E. auf dem Kreuzzuge 
des Biſchofs Gunther von —— (Bambero) 
1064 auch eine verlorene «Cantilena de miraculis 
Christi» gedichtet. — Vgl. Kelle, Die Quelle von 
E.s Gejang von den Wundern Ehriiti (Wien 1893). 


F. 


Wr der ſechſte Buchſtabe unſers Alphabets, ent: 
yricht dem ſemit. Vav (Nagel, d)=u,v,f. Die 
ältejte femit. Form 3 Y, die jüngere hebräifce J. 
Daraus haben die Griechen zwei Buchſtaben ge 
madt: dad F (Digamma, J d.) für ven Konſonan⸗ 
in v und das Y für den Bolal Npfilon, das als 
Neubildung den 23. Plas im Alphabet erhielt. Nach 
ee des —— behielten die Griechen den 
vuchſtaben nur als Zahlzeichen —— d.) für 
6, in der Geftalt von F oder [ oder s. — Aud alle 
taliihen Stämme haben beide Formen (mit leichten 
ungen) übernommen und ftet3 gebraucht. 
S. Shrift, vgl. U und B.) Als Laut gebört | zu 
den labialen Konſonanten. (S. Laut.) 

— ren naeeihen ftebt F und fin röm, 
gay Handicriften u, ſ. w. für filius, fecit 
u.\.m.; auf der Stirn entflohener und wieder ein: 
jefangener Sklaven bezeichnete es fugitivus (Flücht: 

‚in jpätern Büchern ftand es für Folio. _ Als 
jeihen ftand F bei den Römern für 40, F für 
40000. Im Handel heißt fjoviel wie fein, ff foviel 
wie jebr fein. Auf der Stelliceibe engl. Ubren 


ftebt f für faster (gefchmwinder) im Geaenjab zu 
s (slowly, langjam). In der Phyſit bezeichnet F 
die Thermometerjtala nah Fahrenheit. der 
Chemie ift F (dod aud FI) das Zeichen für Fluor; 
auf Rezepten ftebt f. für fiat, d. b. man bereite, 
J. B. f. er für fiat pulvis, d. b. man bereite es 
ala Pulver. Als engl. Abbreviatur ftebt F. für 
Fellow (Mitglied). Auf deutihen Reihsmünzen 
bezeichnet F den Müngort Stuttgart, auf ältern 
preußiſchen Magdeburg, auf ältern djterreichifchen 
Hall in Tirol, 54 altern franzöſiſchen Angers. 

In der Muſitkt ift F (ital, und frz. fa; engl. F) 
die Bezeihnung für die vierte Stufe der C-dur- 
Tonleiter. (S. Ton.) Auch bebeutet bier f forte 
(tar), ff fortissimo (jebr ftarf). 

Faaborg (ipr. fob-), Hafenjtabt en der Süptüfte 
der dän. Inſel Funen im Amte Svendborg, an einer 
Bucht des Kleinen Belt, an der Linie F.⸗Ringe 
(29,3 km) der Südfünenjhen Eifenbabn, hat (1901) 
4218 E.; Dampferverbindung mit Kiel und Kopen⸗ 
bagen und lebhaften Handel mit Getreide. 

Saater @ee, j. Villach. 


374 


Faaſſen, Bieter Jacobus, oder, wie er ſich ſelbſt 
nennt, Rofier $.,niederländ.Schaufpielerund Schau: 
pieldichter, geb. 9. Sept. 1833 im Haag, betrat ſchon 

b mit großem Erfolge die Bühne, erft im Amiter: 
damer Baudeville Zrancaije (1850—54) und jodann 
am dortigen Theater der Gebrüder van Lier (1854 
—61), wo er feinen Rubm begründete. 1861—75 
fpielte er im Haag und feitdem in Rotterdam. Auch 
ala Buhnendichter hat F. großes Verdienſt. Seine 
Stüde zeichnen ſich aus durch treffende Charakter⸗ 
ſchilderung. Wiederholt find aufgeführt: «De Mili- 
taire Willemsorde» (Rotterd. 1873), «De oude 
Kassier» (ebd. 1875), «Manus de Snorder» (ebd. 


1878), «Zwarte Griet» (ebd. 1882). Seine «Anne | So 


Mie» (Antw. 1878; Rotterd. 1879) erhielt im inter: 
nationalen Wettlampf den erften Preis und wurde 
zu London gefpielt (1881). 3.8 fämtlihe Werte 
(2 Be.) —— 1884 zu Sneel. 

Fab. oder Fabr., bei naturwiſſenſchaftlichen 
Namen Abkürzung für Otho Fabricius, geb. 


1744 in eg geit. 1822 als Biihof im 


Kopenhagen. war mebrere Jahre Geiſtlicher in 
Grönland und madte ſich ala Zoolog einen Namen 
durch jeine «Fauna Groenlandica» (Kopenh. 1780). 

Faba (lat.), die Bohne. 

Fabel (lat. fabula), im weitern Sinne ber 
Stoff, Gegenftand, Inhalt, die Handlung einer 
epiihen und namentlih einer dramat. Dichtung. 
Die F. eines Dramas kann eine frei erfundene, je 
lann der geſchichtlichen Überlieferung, ja aud 
äblungen, Novellen und Romanen entnommen 
lin wie das am ſchlagendſten Shatefpeares Bei: 
viel beweift; in der genialen Gigenart der dich: 
teriihen Durbildung und Behandlung liegt dann, 
bei entlehnter Erfindung, das Recht Poldıer Did: 
tung, für ein jelbjtändiges Werk zu gelten. 

Im engern und ——— Sinne iſt die F. 
eine beſondere Dichtart, eine — die der 
unbeſeelten Natur, vor allem der ierwelt, Bewußt⸗ 
je, Vernunft, Sprade verleibt und fo das Men: 
chenähnliche der Tiercharaltere zum Schein und 
Spiegel des wirklich Menſchlichen erhebt. Die Ent: 
ftebung ber F. gebört den frübejten Zeiten an; 
fie blüht um jo üppiger, je regiamer und finnen: 
trifcher noch die — ung der Eigenheiten und 
Heimlichleiten des Tierlebens iſt. Darf man auch 
nicht mit Jal. Grimm von einer indogerman. Tier: 
fage ſprechen, von der die meiften Tierfabeln und 
Zierepen nur Bruchftüde feien, jo ift doch gewiß, 
daß viele unferer jhönften Tierfabeln mittelbar 
durch mündliche oder litterar. Überlieferung aus 
Indien zu uns gelommenfind und daß aud Ügyp⸗ 
ten und Syrien fi einer reihen Fabelblüte erfreu: 
ten. Ihre fünftleriihe Form bat die F. in 
Griechenland gefunden, durch Heſiod (800 v. Ebr.), 
Arhilohus von Paros (650 v. Ehr.), Simonives 
und Stefihoros, befonders aber in jenen F., deren 
Sammlung in das 6. Jahrh. v. Ebr. fällt und die 
den Namen des Uſop (f. d.) tragen. Ein buntes, ſinni⸗ 
ges, ergößliches Allerlei feinfter Naturbeobachtung, 
noch durdaus naiv, ſchlicht erzäblend, zwar be 
lehrend, aber nicht lehrhaft. Selbſt bei Babrius 
(1.d.) bewahrt die griebiiche F. noch dieſen vorwal⸗ 
tenden Zug naiver Schlichtheit. Doc lag es in der 
Natur der Sade, daß, da die F. das Tierleben nur 
ald den unverbüllten —— des Menſchenlebens 
faßte, ſich allmählich das abſichtlich Lehrhafte mebr 
und mehr vorbrängte. Griech. Redner, ſelbſt De: 
moſthenes, bedienten ſich ihrer gern; auch Ariftos 


Faaſſen — Fabel 


teles zählt in der Rhetorik (2, 20) die F. zu den 
allen Gattungen der Beredſamleit gemeinſamen 
Beweismitteln, 

Das abſichtlich Lehrhafte wurde bei den Römern 
das ausfchließlih Beitimmende und Maßgebende. 
Nicht bloß die röm. Redner, fondern aud die röm. 
Dichter tennen die F. nur ald Lehrgedicht. Phädrus 
(ſ. d.) benugte die griechiſche F., verflachte fie aber zu 
—— Alltagsmoral. In einer in Proſa aufgeloſten 

marbeitung aus unbelannter Zeit, die unter dem 
Namen eines fonft unbetannten Romulus ging, be: 
—— Phäbdrus dad ganze Mittelalter, ja die ge 
amte neue Zeit bis zum Ausgang des 18. Jabrb. 

ehr * der Stricker, der beite mittelbod- 
deutſche Dichter von F. (bispel), jo jebr Hugo 
von Zrimberg und Ulr. Boner ſowie Qutber, Hans 
Sachs, Brant, Burkard Waldis, Erasmus Alberus, 
Fiſchart bemüht find, den fühlen Ton ihres Borbildes 
zu erwärmen, jo ſehr im Zeitalter der Reformation 
die Tierfabel und das Tierepos zu fatir. Zeiticil: 
derungen verwendet und auögeltattet wurden: die 
naive Unbefangenbeit war verloren; die Tiere waren 
nichts als verlleidete Menſchen, der Gehalt war eine 
nüchterne moralifierende Nuganmwenbung. Die nur 
auf die äußere Form und auf trodne Veritändia- 
feit gerichtete Poetil der erſten Schleſiſchen Schule 
und die ihr verwandte äftbetijche Theorie Boileaus 
waren nicht geeignet, eine würdigere Auffaflung an- 
zubabnen; jelbit Safontaine (f. d.), der einen un: 
befangenen vollätümlihen Zug batte und jeine 
Mufter in Nabelais und Marot ſuchte, lonnte, ob: 
gleich ibn frifche naive Laune und ſchallhafter Wis 
zu einem der vortrefflichſten Fabeldichter machen, 
die verlorene Einfalt und Sinnenfülle nicht wieder: 
berftellen; noch ferner blieb diefem Ideal La Motte, 
an den fih in Deutichland der Fabeldichter Stoppe 
und ber Theoretiler Triller anſchloſſen. Le Boſſu 
und Gottiched lehren, dab man die 5. jo lebrreid 
als möglich maden müfje und daß man keine er 
finnen dürfe, in der nicht eine wichtige Wabrbeit 
liege. mit dem Sturze Gottſcheds und bes 
—— Klaſſicismus kam in die F. wieder friſcheres 
eben. Bodmer und Breitinger ftellten fie beſon⸗ 
ders hoch, da fie das Berjtändige mit dem Wunber: 
baren verbinde. Hagedorn, Lichtwer, Pfeffel, Gleim, 
vor allen Gellert bildeten das Vollstümliche La: 
fontaines weiter aus und gaben ber 5. wieber an: 
iebende Friſche und nedenden Mutwillen; es war 
oral, aber gemütvolle Moral in leichter an 
ſprechender Erzählung. Leſſing lehnte fich in jeinen 
«Fabeln⸗ an Uſop an, aber er hatte nur Auge für 
das Pebrbafte und Epigrammatiſche. Treffend ſagt 
Jak. Grimm von Lejjings F., dad naive Element 
gebe ihnen ab bis auf die leijefte —— Zwar 
ehaupten ſeine Tiere den natürlichen Charalter, 
aber was ſie thun, intereſſiert nicht mehr an ſich, 
ondern nur durch die erwartete Spannung auf die 
toral; Kürze iſt ihm die Seele der F.; man kann 
aber umgelehrt bebaupten, daß die Kürze der Top 
ver F. iſt und ige finnlihen Gebalt vernichtet. 
Sebr verdienftvoll dagegen waren Leſſings tbeore: 
tiſche «Abhandlungen über die F.». 3. für Kinder di: 
teten mit Glüd Froͤhlich und Hey, erfolgreich unter: 
ügt durch die trefflihen Zeichnungen Spedters. In 
ußland find die 5. von Krylom durch beitere Laune 
und treffende Sentenzen zum Bolts: und Schulbud 
eworben. fiber das einjeitig Didaltiſche und Mora 
ifierende ift ——— unſere erböbtere Ein 
fiht in das Weſen und die Grundforberung echter 


Tabelepopde — Faber du Faur 


boeſie weit hin ausgeſchritten. Gigenartige und finn- 
tie 5. dichtete in neuefter Zeit Marie von Ebner: 
Eihenbad (ſ. d.). — Bol. Jat. Grimm, Reinhart 
b8 (Berl. 1834); Wendigen, Das Weſen und die 
beorie der F. (ep3- 1893). j f 
‚Vabelepopde, lomiſches Heldengedicht, worin 
die Tiere die Stelle der Menſchen und dieſe die 
Stelle höherer Weſen einnehmen, wie bie dem Homer 
beigelegte « Batrahomyomahie», Rollenhagens 
reihmäusler» u.a. (S. Tierfage.) 

Faber (lat.), bei ven Römern jeder Handwerker, 
welcher in harten Materialien arbeitet, Werkmann, 
Schmied u. |. w. j 

Faber, bei naturwiflenf&aftlihen Namen Be: 
eihnung für Srederit Faber, geb. 1795 zu 
Evente auf Fũunen, geit. 1828 ald Regimentsaubdi- 
teur zu Horſens in Jütland, bereifte 1819—21 8: 
land und ſchrieb: «Prodromus, der island. Orni⸗ 
tbologie» (Ropenb. 1822), «Drnithologifte Notitier 
fom Biprag til Danmarks Fauna» (Narhus 1824), 
«iiber das Leben der hochnord. Vögel Islands» 
2 Boe., Lpz. 1825— 26), «Naturgefchichte der Fiſche 

Slands> (Stantf. 1829). ER 

Faber, Eouard, württemb. Juftizminifter, geb. 
30. 1822 in Altenstadt in Württemberg, jtu: 
dierte feit 1840 in Tübingen erjt Theologie, dann 
die Rechte, trat 1846 in den württemb. Staats: 
dienst und wurde erſt Juftisminifterialfetretär, dann 
Nichter in verſchiedenen Stellungen. 1857 wurde 

. vortragender Nat im Juftigminifterium, 1865 
taatarat und ordentliches Mitglied des Geheimen 
Rats, im Dez. 1878 Departementächef der Juſtiz, jeit 
1883 ala Staatöminijter. F. war beſonders * 
bei der Reform der württemb. Gerichtsverfaſſung, 
die erin den «Erörterungen über den Gerichtöver: 
fafjungsentwurf des württemb. Juftizminifteriums» 
(Stuttg. 1862) vertrat, bei der Einführung des 
deutichen Handelsgefegbucs in Württemberg und 
bei den frübern Beitrebungen zur Schaffung einer 
gemeinfamen deutſchen Eivilprozeporbnung. Seit 
1678 wirfte er für die Ausführung ber neuen Reichs⸗ 
jujtiggefege und die ſich hieran jchließenden Reformen 
in der Juftizverwaltung, forgte auch für bie Ver: 
bejlerung des württemb. Gefängniswejens. Im Dft. 
1896 trat er in den Ruheſtand. B: tarb 18. Jan. 
1907 in Stuttgart. Mit A. Schloßberger gab er 
beraus «Die Vorarbeiten zum württemb. Landrechte 
oom 1. Juni 1610» (Stuttg. 1859). 
er, Ernſt, Einolog, ſ. Bd. 17. 
‚ Sotthilf Theodor von, Schriftiteller, geb. 
15. Febr. 1766 zu Riga, jtudierte in Halle und 
Jena Rechtswiſſenſchaft, begab ſich 1789 nach Paris, 
nabm in der Armee Lafayettes am Kriege gegen 
Djterreich teil und geriet 1793 in öfter. Gefangen: 
ft, aus der er ſich 1795 durch die Flucht rettete, 
. wurde dann unter dem Direktorium bei ver Gen: 
trafverwaltung des Rheindepartements in Aachen 
angeftellt, jpäter Profeſſor der franz. Sprache und 
—— has) che in Köln, = Teen 
bachter im ndepartement» mit Profeflor 
Reinhard berausgab. Ende 1805 wandte ſich F. 
nah PBeteröburg, wurde 1816 der ruſſ. Gefandt: 
ſchaft am Bundestag in Frankfurt a. M. beigeorb: 
net und 1818 zum Wirfl. Staatsrat erhoben. Er ftarb 
28. Nov. 1847 in Paris, %. jhrieb anonym «No- 
tices sur l’intörieur de la France» (Petersb. 1807; 
wieder abgebrudt u.d. T. «Offrandes A Bonaparte», 
Lond. 1807), «Observations sur l'armée frangaise 
1792— 1807» (Petersb. 1808; deutſch Konigsb. 


375 


1808), «Bagatelles. Promenades d’un déscuvrèé 
dans la ville de St. Pötersbourg» (2 Bode., Petersb. 
1811; deutich,2 Bde. Lpz. 1814), «Beiträge zur Cha⸗ 
rafteriftif der franz. Staatöverfaffung und Staats 
verwaltung» (Königsb. 1815) und «Le comte J. 
Capodistrias» (Bar, 1842). 

Baber, Jakob, eigentlib Jacques le Fevre 
d'Eſtaplhes (Stapulensis), geb. um 1455 zu Ctaples 
am Pas⸗de⸗Calais, ward 1523 ——— des Bi⸗ 
ſchofs von Meaur, erhielt aber wegen ſeiner freiſinni— 
gen Denkungsart feine Entlaſſung und wandte ſich 
u Margarete von Navarra, mo er 1536 oder 1537 
Hard, war einer ber hervorragendſten Huma— 
niſten feiner Zeit, fommentierte klaſſiſche Schrift: 
iteller, jeit 1507 aber vorzugsweiſe die Bibel, die 
er (aus der Bulgata mit Zuziehung des griech. 
Grundtertes) ins Franzöfifhe überfegte. — Val. 
Graf, Essai sur la vie et les &crits de J. Lefövre 
d’Estaples (Strafb. 1842); derf., Jalob F. («Zeit: 
Schrift für biftor. Theologie», 1852); Neufch, Inder 
der verbotenen Bücher, I (Bonn 1883). 

aber, ob. Nit. Böhl von, f. Arrom. 

aber, Xobn, engl. Kupferitecher, geb. 1684 in 
Holland, fam als Kind mit feinem Bater, der eben« 
falls Rupferitecher war, nach England und ftarb 
2, Mai 1756 in Bloomsbury. Er ftadh über 160 
Blätter, meift Borträte, in Schabkunjtmanier. Be: 
fannt von ibın ift namentlich ti e der Beauties 
of Hampton-Court, 13 Bildniſſe Ichöner Frauen 
des engl. Hof8 in Großfolioblättern. 

aber, Lothar, Freiberr von, Induſtrieller, ſ. 
aber, A. W. 

93* Tanaquil, Humaniſt, ſ. Lefebre. 

aber, U. W., Bleiſtiftfabrik in Stein bei 
Nürnberg, wurde 1761 von Kafpar F. geit. 1784, 
begründet. Bon Vater auf non fi vererbend, 
ging fie über auf Anton Wilhelm F, get. 1819, 
nad) dem die Firma benannt iſt, 1810 auf Georg 
Leonhard F., geit. 1839, dann auf Lothar F., 
geb. 12. Juni 1817, der das he aus immer 
noch Heinen Verhältniſſen zu Weltbedeutung erhob 
und jelbit die engl. Bleiſtiftinduſtrie überflügelte. 
Gr wurde 1863 in den Adels, 1881 in den erblichen 
rg erhoben und war erblicher Reichsrat. 
Nach feinem Tode (26. Auli 1896 in Stein) wurde 
Befikerin die Witwe Dttilie, Freifrau von F. (geit. 
27. San. 1908); Teilbaber jeit 1900 Alerander, 
Srafvon Faber:Eaitell. Über die Arten der her: 
geftellten Blei: und Farbenftifte ſ. Bleiftift. Ferner 
werden gefertigt: Schieferftifte, natürliche und fünit: 
liche —— Lineale, Winkelmaße, Reiß— 
ſchienen, Maßſtäbe, Tinten aller Art, Farben für 
Aquarell: und Ölmalerei, feine Batentitifte von 
Gold, Silber, Email, Scilofrot, Elfenbein u. f. w. 
und alles, was ſich fonjt noch auf Material zum 
Schreiben, Zeichnen, Malen für Schule, Bureau, 
Ingenieure, Arhitelten und Maler bezieht. Das 
Haus bat Jweigniederlafiungen in Berlin, Baris, 
London und Neuyork; Fabrifen, neben der zu Stein, 
in Gerold3grün (Oberfranten; für die Schiefer: und 
Holzinduftrie), Neuyork, Noify:le:Sec bei Paris (für 
Zinten und Farben); Agenturen in Wien und Ham— 
burg; Dampf: und Wajlermotoren von zufammen 
— — 1100 beſchäftigte Perſonen, für 
die Sparkaſſen, Schulen, Arbeiterwohnungen, Stif— 
tungen zu Erziehungs⸗ und Bildungszwecken u. ſ. w. 
eingerichtet ſind. 

aber du Faur (fpr. dit fohr), Otto von, Maler, 
geb. 3. Juni 1828 in Ludwigsburg, Sohn des ala 


376 


Shladtenmaler betannten mwürttemb. Generals 
Milbelm von F. (geit: 1857), widmete gs ebenfalls 
gleichzeitig dem Militärdienjt und der Kunſt. Seine 
—— en Studien begann F. 1851 in Munchen 
bei Aler. von Koßebue und in Baris bei Yvon. Den 
Militärdienſt verlieh er 1867, nachdem er noch den 
Feldzug von 1866 mitgemacht hatte, und bildete 
ich ee unter PBiloty in Münden aus, wo er 
10. Aug. 1901 ftarb. F. bat hauptſächlich Darftel: 
lungen aus dem Kriege und der te gemalt, 
unter denen bervorzubeben find: Nüdtehr Napo— 
leons I. aus Rußland (1869), libergabe der franz. 
Kavalleriepferde nach ver Schlacht von Sedan (1872), 
Flucht Friedrichs V. von der Pfalz aus Prag nad 
der Schlaht am Weißen Berge (1873; angelauft 
vom Barmener Kunftverein), Attade der Ebajleurs 
d’Afrique bei Floing (1877), Lagernde Araber, Ber: 
tauf Joſephs nach Unypten, Neiterbildnis des deut: 
chen Kronprinzen (1878). Das Muſeum in Stutts 
gart beſiht von ihm die beiden kolofjalen Schlachten: 
bilder: Das württemb. Grenadierregiment Königin 
Dlga im Gefeht am Part von Eoeuilly, 30. Nov. 
1870, und Angriff der Württemberger auf Cham: 
pigny, 2. Dez. 1870. Für Hamburg malte er 1882 ein 
Panorama der Schlacht bei Wörth. Seine lehten Ge- 
mälde, wie Reiterraft und Fantaſia (Münch. 1889), 
Nubende Araber und Araber am Waller (Berl. 
1891), Zug durd) die Wuſte (Münch. 1892), zeigen 
breitejte Binfelführung und farbige Wirkung. 
aberfche Buchdruderei (A. & R. Faber), 
in Magdeburg, ging bervor aus der ſeit 1646 be— 
itebenden Buchdruckerei von Müller, in die 1730 
Gabriel Gottbilf Faber als Teilbaber ein: 
trat, der der Schwiegerjohn und Erbe des Beſiters 
wurde. Bon den mit übernommenen Müllerjchen 
Verlagswerlen haben ſich bis auf heute das « Magde⸗ 
burger Gejangbud» und die «Magdeburgifche Zei: 
tung» (f.d.) erhalten. Das Geſchäft hat ſich ftetig ver: 
größert und pflegt vorzugsweije Verlags: und Acci⸗ 
denzdrud, 1874 wurde in England eine Rotations— 
maſchine für die Zeitung angetauft; diefe Maſchine 
war die erjte, weldye in Deutjchland zum Drud von 
Zeitungen Verwendung fand. Beliger find Aler: 
ander Faber und Nobert Faber sen. und * 
1901) Dr. jur. Robert Faber. Das Geſchäft hat 
2 Dampfmaſchinen (45 Pferdeſtärken), 3 Rota— 
tions⸗, 1Zweifarbenmaſchine, 11 Preſſen, 5 Ste 
reotypapparate, chemigraphiſche Anſtalt mit elel—⸗ 
triſchem Betrieb und beſchäftigt 225 Perſonen. 

Fablan Sooiety (cngl., ſpr. fehbien ßoßeilti, 
engl. al! zur Verbreitung von Anjichten, die 
den jocialdemokratiihen äbnlid find, * Publi⸗ 
tationen («Fabian Essays», «Fabian Tracts» und 
«Fabian News») find ziemlich weit verbreitet und 
nicht ohne Einfluß, Die F. 8. beabfidhtigt feinen 
Umjturz der bejtebenden Staatsformen, ihre Haupt: 
idee ift die Monopolijierung von Aderbau, Handel 
und Induſtrie durch den Staat. 

Fabier (gens Fabia), eins der ältejten und 
vornebmiten röm, Batriciergefchlechter, das jeinen 
Uriprung bis rl Hercules und eine Tochter des 
Guander zurüdführte und jchon bei der Gründung 
Noms eine bedeutſame Rolle fpielte. Von ihm führt 
die eine der beiden uralten focialen Genoſſenſchaften 
ver Luperci, die der Fabiäni, ihren Namen. 

Schon in den früheſten Zeiten der Nepublit wa: 
ren die F. jehr mächtig. Drei Brüder befleideten 
damals fieben Jahre hintereinander abwechſelnd 
die eine Stelle im Konſulat: Quintus Fabius Vi: 


Faberſche Buchdruderei — Fabier 


bulanus 485 und 482 v. Ehr., Käſo Fabius Bibw 
lanus 484, 481 und 479 v. Chr., Marcus Fabius 
Vibulanus 483 und 480 v.Chr. Dann aber erfolgte 
eine Reaktion gegen den übermächtigen Einfluß der 
Familie. Die 5. verliefen Nom insgefamt, es ift 
ungewiß ob freiwillig, aus Unmut über bie ein: 
getretene Veränderung, oder gezwungen; doch tit 
das erftere wahrjcheinlicher. 306 fampffäbige Fa 
milienmitgliever zäblend, erbauten fie mit ibren 
4— 5000 Klienten an der Gremera ein Raitell. 
Sie lebten von Raubzügen, die fie ungeſcheut in 
Vejenter Gebiet unternabmen. Da legten die Etrus 
fer ihnen einen Hinterhalt und machten fie bis auf 
den lebten Mann nieder. Nur ein unmünbdiger 
Knabe, Duintus Fabius Vibulanus, der an 
dem Kampfe nicht teilnahm, ſoll übriggeblieben 
fein. Von ihm joll das fpätere Geſchlecht der F. 
abjtammen. 467 und 465 war er Konſul, 451 De 
cemvir und ging nad) dem Sturze des Decemvirats 
449 freiwillig in die Berbannung. 

Seine Söhne waren nad der fiberlieferung 
Marcus Fabius Vibulanus, Konjul 442 
v. Ehr., Tribun mit konſulariſcher Gewalt 433 
v. Ehr., Duintus Fabius Vibulanus, Konjul 
423 und 412, Tribun mit fonfularijher Gewalt 416 
und 414 v. Chr., und Numerius Fabius Vibu— 
lanus, Konjul 421, Tribun mit fonfulariiher Ge 
walt 415 und 407. Des erftgenannten Marcus 
Söhne, Quintus Fabius Ambuftus, Konjul 
412 v. Ehr., Numerius Fabius Ambuftus, 
Tribun mit fonfulariiher Gewalt 406, und Käſo 
Fabius Ambuſtus, Konfulartribun 404, 401 
und 395 v. Chr., jollen nad) den meijten röm. 
Hiftorifern 391 v. Ehr. nah Cluſium ald Geſandte 
zu den die Stadt belagernven Selten geſchidt wor: 
den fein und, von dieſen abgemwiefen, im Heere der 
Etrusker gegen fie gelämpft haben. Als hierauf die 
Kelten ibre —— verlangten, % dieiem 
Verlangen nicht entſprochen, die beiden F. vielmehr 
ür 390 zu Konfulartribunen gewählt worden jein, 

[8 ſolche gebörten fie zu den ſechs Anfübrern, 
unter denen die Nömer in demjelben yabre die 
ſchwere Niederlage an der Allia erlitten, Nah Ber: 
treibung der Gallier foll Duintus ald der Haupt: 
ihuldige an jener Niederlage angellagt und nur 
durch feinen Tod der Verurteilung entgangen fein. 

Der Sohn von Numerius Yabius Ambujtus, 
Marcus Fabius Ambujtus, befiegte als 
Konful 360 v. Chr. die Hernifer, 356 trug er, 
* zweitenmal Konſul, über die Faliscer und 

arquinier einen Sieg davon, 354 zum dritten: 
mal Konjul, warf er die Tiburtiner nieder; 351 
wurde er Diltator. 

Weit berühmter als die genannten iſt Auintus 
Fabius Rullianus, der ſich und feiner Familie 
den Beinamen Marimus erwarb, ver Sobn des 
eritgenannten Marcus Fabius Ambuſtus. Er foll 
jeinen erjten Sieg im zweiten Sammitiihen Kriege 
al& Magister equitum des Diltators L. Bapirius 
Eurjor 325 v. Chr. erfohten haben. Da aber ver 
(eßtere ihm verboten batte, ſich in einen Kampf ein: 
zulafien, fo follte Fabius wegen libertretung dieſes 
Verbotes hingerichtet werden und entging nur 
dur die vereinten-Bitten des ganzen Volks vem 
Tode. 322 fämpite er ald Konſul gegen die Samni⸗ 
ten und Apuler jiegreich, 315 erlitt er als Diktator 
bei Zautulä (unfern Tarracina) große Verluſte, er- 
rang jedoch jchließli den Sieg. Zum zweitenmal 
Konful 310, drang er als der erite röm, Feld: 


Fabier 


tzert durch Das ciminiſche Waldgebirge (jet Gebirge 
on Biterbo) in Das nöordlich von dieſem gelegene 
Kinrien vor und erfocht alsdann am VBadimoni: 
Ihn See einen entjcheidenden Sieg über die drei 
Sauptftaaten der Etruster, Aretium, Cortona und 
Veruſia. Zum drittenmal Konjul, fiegte er 308 
zuerit über Samniten, Marfer und Päligner und 
tradte dann ven Umbrern (bei Mevania) eine 
fhnere Niederlage bei, die die Unterwerfung der 
feytern gu Folge batte. Als die Samniten fi 
298 v. . zum dritten flriege gegen die Römer 
erboben hatten, kämpfte er 297, zum viertenmal 
Konjul, mit Erfolg gegen fie und erfocht dann 295 
in jeinem fünften Konjulat zufammen mit Decius 
Nus, der fchon 308 und 297 fein Kollege geweſen 
par, bei Eentinum einen großen und entjcheiden: 
ten Sieg über die Gallier und Samniten, deren 
gelohert Egnatius damals fiel. 292 half er jeinem 
Sobne Quintus Fabius Marimus Gurges eine 
Niederlage, die diejer von den Samniten erlitten 
hatte, durch einen Sieg ausgleichen, jo daß endlich 
mei Jahre aan die Samniten in den Frieden 
und die Abbängigfeit von Nom milligten. Neben 
feinen kriegeriſchen Leiſtungen bewäbrte ſich Fabius 
namentlich im Cenſoramt 304 v. Chr., worin er 
ebenfalls Decius Mus zum Kollegen hatte, auch 
als einſichtiger und beſonnener Staatsmann, indem 
er die von Appius Claudius Cäcus getroffenen 
Maßregeln, nad welchen die Freigelaſſenen in alle 
Tribus aufgenommen werden jollten, dahin bes 
ſchränkte, daß nur die vier ftädtiichen Tribus ihnen 
zugänglich wurden. Für diefe That, durch welche 
er Die Komitien der Herrihaft des Pöbels entriß, 
erbielten er und feine Nachlommen den ebrenden 
Beinamen «Marimus» (d. b. der Große, der Ehr— 
mürdige). Fabius ftarb im Alter von 100 J. 

Noch bekannter alö der Sieger von Sentinum 
ift fein Entel Duintus Fabius Marimus 
Berrucojus, berübmt unter dem Beinamen 
Eunctator (d. b. Zauderer), den er von feiner 
bevächtigen Kriegfübrung gegen Hannibal erhielt. 
Er batte jhen vor Beginn des zweiten Puniſchen 
Krieges das Konſulat zweimal, 233 (mo er über 
die Ligurer fiegte) und 228 belleivet, 230 vie 
Eenjur. Seinen bödjten Ruhm erwarb er fi, als 
er nad der Niederlage der Römer am Trafimenis 
ichen See 217 zum Diktator (nach Livius, weil ihn 
nicht der Konful ernannte, fondern das Bolt ihn 
mwäblte, zum Brodiftator) ernannt wurde. Auf den 
HSöben pen lei einer Wetterwolte, mit der 
ibn Hannibal jelbjt verglichen haben joll, aber jede 
Schlacht vermeidend, nötigte er durch feine ſtets 
drohende Nähe den Feind, dem ed an Lebens: 
mitteln gebrach, zu immerwährenden Hin⸗ und 
Widermärjhen und ermüdete und ſchwächte ihn 
jo, während Rom wieder Kräfte ſammelte. Doch 
gelang es Hannibal, ihn bei Cafilinum (dem beu: 
tigen en täufchen und ſich den Rüdweg durch 
die Gebirge Samniums nad Apulien zu eröffnen, 
Das Boll teilte Die Ungeduld des Marcus Minucius 
Rufus, der ded Fabius Reiteroberiter war, ſah wie 
diejer in dem Fugen Baudern des Fabius Mangel 
an Mut (daber ver Spottname «Gunctator», d. h. 
der IInentfchlojjene) und ernannte daher wider alles 

Hertommen den Minucius ebenfalld zum Diktator. 
Bald aber ordnete fih Minucius wieder freiwillig 
unter, da er, von Hannibal in einen Hinterhalt ges 


377 


bius die Diktatur niedergelegt batte, den Krieg nad 
jeinem Beifpiele fort. Die Konfuln des J. 216 ver: 
ließen fein Syſtem, aber die Niederlage bei Cannä 
war die Folge davon. 215 und 214 Beate er 
als Konful (zum dritten: und viertenmal) neben 
Semproniud Grachus und Claudius Marcellus 
gegen Hannibal und hatte an den Vorteilen, welche 
die Römer nad der Niederlage bei Cannä allmäh— 
lich wieder errangen, wejentlichen Anteil. In feinem 
fünften Ronfulat 209 wurde Tarent, feit 212 einer 
der widtigften Stühpunkte Hannibals, von ihm 
mwiebererobert. Er jtarb 208. 

Sein Sohn Quintus Fabius Marimus er: 
oberte 213 v. Chr. ald Konful Arpi in Apulien. 
Bald nad ibm muß —* Familie ausgeſtorben ſein. 
Denn man findet den Namen dann durch Adoptip— 
föhne fortgepflanzt. Duintus Jabius Mari: 
mus Amiliganus war ein leibliher Sohn von 
Amilius Baullus, Bruder von Scipio Amilianus, 
und wurde, wie leßterer einem Scipio, einem Ya: 
bius Marimus ald Adoptivſohn abgetreten. Er 

ing 145 v. Chr. ald Konful nah Spanien und 
ämpfte das Jahr darauf mit Erfolg gegen Viria- 
thus. Bon demjelben Fabius murde ein Servilier, 
Quintus Fabius Marimus Servilianus, 
adoptiert. Auch er kämpfte ald Konſul und Pro: 
fonjul 142 und 141 v. Ehr. gegen Viriathus, warb 
aber, nachdem er zuerjt mit wechſelndem Glüd den 
Krieg geführt hatte und dann bedeutend im Vorteil 
geweſen war, von Viriathus befiegt, eingeſchloſſen 
und zu einem demütigenden Frieden gezwungen. 

Quintus Fabius Marimus Allobrogi: 
cu3, ein Sohn des Amilianus, ging als Konful 121 
v. Chr. nad Gallien, wo Gnäus Domitius Abene: 
barbus noch als Prokonſul ftand, und erfoht am 
Einfluß der Jitre in die Rhoͤne einen großen und 
entſcheidenden a über die Arverner, die den 
Allobrogern zu Hilfe gelommen waren. Wegen 
diejes Siegs, der die Unterwerfung der Allobroger 
zur Folge hatte, triumpbierte er das Jahr darauf 
und erbielt feinen Beinamen. Als Genfor (an: 
fcheinend feit 109 v. Ehr.) erbaute er den erjten 
Siegesbogen am ‘Forum, den Fornix Fabianus. 

Ein Zweig des Fabiusihen Geſchlechts führte 
den Namen PBictor von dem Fabius ber, der ſich 
durch die Ausmalung des 302 geweihten Tempels 
der Salus ausgezeichnet hatte. Diefem Zweige ge: 
börte Duintus Fabius Pictor an, der im 
weiten Bunifchen Rrie e zuerft die Gefchichte Roms 
chrieb, der ältejte der jog. Annalijten. Er fämpfte 
im zweiten Bunifhen Kriege mit und wurde nad 
der Schlacht bei Cannä 216 v. Chr. ald Gefandter 
—— Oralel nah Delphi geſchickt. Sein in griech. 

prache ee —— Geſchichtswerk, das von der 
Zeit des Uneas bis zum Hannibaliſchen Kriege herab⸗ 
reichte, iſt von Livius ſowie von Dionyſius von 
Halikarnaß, Polybius u. a. benugt worden. Es gab 
auch eine, ungewiß, ob von ihm felbft oder von einem 
Spätern verfaßte lat. Bearbeitung dieſes Geſchichts⸗ 
wert. Die Fragmente bat zuleßt Peter, «Histori- 
corum romanorum reliquiae» (Bd. 1,2p3. 1870) und 
«Historicorum romanorum fragmenta» (ebd. 1883), 

erausgegeben. Nicht von ihm, jondern von einem 
pätern Servius Fabius Victor wurde ein 
ert über röm, Satralrecht (jus pontificium) vers 
sr Die erhaltenen Fragmente finden ſich eben» 
allö bei Peter und in Hujchles Ausgabe der «Ju- 


(odt, nur Fabius feine Rettung zu danten hatte, | risprudentiae Antejustinianse quae supersunt» 
und die Ale des Jahres führten, nahdem Fa⸗ | (5. Ausg., Lpz. 1886). 


378 


Fabiny, Theophil von, ungar. Staatömann, 
eb. 11. Oft. 1822 zu Veit, ftubierte daſelbſt und am 
KRectätollegium zu Eperied. Er wurde 1850 Nichter 
am Weiter Komitatägeriht, 1851 Bezirlärichter, 
1854 Oberlandesgerichtsrat, 1861 Richter an ber 
tönigl. Tafel (dem damaligen Oberſten Gerichtshof), 
1869 am ei beraeng 1873 war er Vicepräft: 
dent bei ber aeg Ta el, 2. Mai 1880 wurde er 
Senatspräfident bei der königl. Kurie (dem Oberſten 
Gerichtshof) und 15. Mai 1886 zum Juſtizminiſter 
ernannt, welche Stelleer bis 9. April 1889 bekleidete. 
ungar. Reichötag vertrat er den Töröl:Zaniziaer 
ezirt, ſeit 1887 iſt erAbgeordneter der Stadt Oden⸗ 
burg. Als Diftriktualinjpeltor der evang. Montan: 
Superintendenz iſt er jeit 1880 thätig und bat ſich 
in dieſer Eigenihaft auh um Kirche und Schule 
Berdienite erworben. ‚ 
abins, Name einer röm. Familie, ſ. Yabier. 
ableaux (fr;., pr. -blob), ſ. Fabliaux. 

Fable oonvenue (fr;., ſpr. fabl fongm’nüb), 
vereinbarte, zugegebene Fabel, eine Erdichtung, die 
jeder als folde kennt, die man aber doch ala Wahr: 
beit gelten läßt; der Ausdruck ftammt aus Boltaires 
«Jeannot et Colin». 

Fabliaux (frj., jpr. -bliob) oder beſſer Fableaux 
(au& «Fablel», Diminutiv von sfable»), in der ältern 
franz. Litteratur die Erzählungen und Schwänte, 
die einft von Spielleuten beim feitlihen Mable 
und in Geſellſchaften vorgetragen und dann, feit 
Mitte des 12. Jahrh., in paarmweis reimende, meijt 
achtfilbige Verſe gebracht und niedergefchrieben wur: 
den. Der Urfprung diejer Erzäblungen tft im Orient 

u fuchen; feit ven Kreuzzügen find fie durch münd— 
iche liberlieferung über Byzanz und Syrien nad 
Frankreich gekommen. Wenige find neu erfunden 
oder auf ein thatjächliche& Greignis begründet. Die 
Mebrzahl der F. ift von ſcherzhaftem Charakter und 
die Komik beiteht oft in einer bis zum äußerſten 
Eynismus gebenden Unanftändigteit. Doc giebt 
es auch moralijche und jentimentale F. und jolce, 
die fih als religiöje Schwänte bezeichnen laſſen. 
Da fie für Edelleute und Bürger geichrieben wurden, 
find die Helden der F. namentlih Bauern und bei 
alanten Abenteuern vornebmlich die «clercs», Die 
‚rauen werben darin meiſt jebr ungünstig geichilvert. 
Die F. waren bejtimmt, in Männergefellibaft vor: 
getragenzu werben. Dasältefte Fabliau («Richeut») 
it um 1156 entjtanden, zablreihe wurden im 
13. Jabrb. gedichtet, doch find Die Namen der Autoren 
nicht befannt; die zulekt entjtandenen find die F.von 
Jehan de Conde und Watriquet, aus dem Anfang 
des 14. Jahrh. Die F. find unbefangene Schilverun: 
gen einer wirkli vorhandenen bäuerlichen, geift: 
ichen oder bürgerliben Welt und darum von kultur: 
eſchichtlichem Werte. — Mit Unrecht rechnete man 
rüber auch die Dits zu den F. Dies find urfprüng: 
lich nur verfifizierte Liften von Namen oder Ginen: 
ichaften eines Gegenjtandes, werden aber ſpäter zu 
bejtigen Satiren; jo die Dits von Rutebeuf. — Wal. 
Histoire litt6raire de la France, Bd. 22; G. Paris, 
Contes orientaux (Bar. 1877); Montaiglon und 
Naynaud, Recueil general et complet des fabliaux 
des XIII® et XIV*® sitcles (6 Bde., ebd. 1872—90). 

Fabr., bei naturwijienfcaftliben Namen Ab: 
— für Rob. Chriſtian Fabricius (ſ. d.); auch 
für Otbo Fabricius (ſ. Fab.). 

Fabre (jpr. fabbr), Ferd. franz. Schriftfteller, geb. 
1830 in Bedarieur (Herault), ftudterte erft Medizin in 
Montpellier, befuchtedann, um Geiftlicher zu werden, 


Fabiny — Fabre b’Eglantine 


das Priefterfeminar dafelbft, gab aber diefen Ent 
ſchluß auf, ging nad Paris, ftudierte bier wieder Me 
dizin und wurde ſchließlich Schriftiteller. Sein erftes 
Wert, ein Band Gedichte: «Feuilles de lierre» (Bar. 
1853), batte wenig Erfolg. In die Heimat zurüd: 
gelehrt, jchrieb er feinen eriten von der Alademie 
preisgelrönten Roman «Les Courbezon; scönes de 
la vie clöricale» (1862), ein Sittengemälde aus den 
Gevennen; dann folgten «Julien Savignac» (1868), 
«Mademoiselle de Malavieille» (1865). Doc erit 
mit «L’abb& Tigrane, candidat a la papauts» 
(1878), einem Priejterroman, defjen meifterbafte 
Eharalteriftit die ganze Kraft feiner Begabung 
ofienbarte, wurde %. al& Schriftfteller berühmt. Er 
ſchrieb dann noch «T,e marquis de Pierrerue» (1874), 
Roman aue der Parifer Gejfellibaft, «Barnabe» 
(1876), · La petite möre» (4 Bbe., 1878), «Le ro- 
man d’un peintre» (1878), eine Damen halt zuneRabie 
Lebens beſchreibung des Malers Jean Baul Laurens, 
al,’'hospitalidre, drame rustique en cing journ6es» 
(1880), ein Buchdrama, die Bearbeitung feines 
1868 erfchienenen Romans in Amyots Manier, 
«Le chevrier», «Mon oncle Ce&lestin, maurs cleri- 
cales» (1881), «Le roi Ramire» (1884), «Lucifer» 
(1884), worin er mit poet. Kraft den Kampf zwiſchen 
gallitanifhem Freiſinn und jeſuitiſchem Ultramon: 
tanismus fhildert, und die länbliben Erzäblungen 
«Monsieur Jean» (1886) und «Norine» (1889). 
Zuletzt erfchienen die Romane «Un illumine» (1890), 
« Xavidre» (1890), die Geſchichte einer Gevennen: 
bäuerin, «Sylviane» (1891), «Germy» (1891), «Mon 
ami Gaffarot» (1894) und «Taillevant» (1897). 
U.d.T. «Ma vocation» (1889) bat 7. jein Tagebuch 
aus der Zeit jo innern Kämpfe im Briefteriemi- 
nar veröffentlicht. Er war Koniervator der Biblio: 
tböque Mazarine und ftarb 12. Febr.1898 in Paris. 
Fabre (for. fahbr), François Xavier, franz. Ma- 
ler, geb. 1. April 1766 in Montpellier, gebörte ver 
alademiſch⸗klaſſiciſtiſchen Schule Davids an; er gina 
1787 mit dem Preife gelrönt nah Rom, 1793 nad 
Neapel, dann nad Florenz, wo er als Vrofe or an 
der Alademie wirkte. Die ibm 1824 von der Gräfin 
Albany (f. d.) vermadte Kunftiammlung ſchenkte 
er der Stadt Florenz. 1826 lehrte er nah Mont: 
pellier zurüd, wo er eine Kunſtſchule gründete und 
den Grundftod zu einem Mufeum und einer Biblio: 
thel durch feine Sammlungen ftiftete. Er wurde 1828 
Baron und ftarb 16. März 1837. Die Mebrzabl 
feiner Gemälde befinden fib im Mufeum zu Mont: 
pellier, fo: Der Tod Abels (1791); das Louvre be 
fist von ibm: Odyſſeus und Neoptolemos rauben 
dem Philoktet Bogen und Pfeile des Hercules. 
Fabre d’Eglantine (jpr. fabbr denlangtibn), 
Philippe Francois Nazaire, franz. Luſtſpieldichter, 
eb. 28. Dez. 1755 zu Garcajjonne, gewann als 
üngling bei den Blumenfpielen zu Zouloufe den 
reis der wilden Roſe (&glantine) und fügte dieſes 
ort feinem Namen bei. Er ging bierauf zur 
Bühne, leiftete aber nur Mittelmähiges ald Schau⸗ 
fpieler und begab fih um 1785 nad Paris, um 
dort der Litteratur zu leben. Er jchrieb feit 1787 
mebrere Quftipiele, die der re von Diderot 
und Beaumarcais folgten und teild ohme Inter: 
eſſe, teild mit Standal über die Bühne gingen, bis 
ibm 1791 die Komödie «Le Philinte de Moliere» 
(neue Ausg. 1878) außerordentlihen Beifall er 
warb. Ihr folgten «L’intrigue Epistolaire», «Le 
convalescent de qualit6» u. a. Beim Ausbruch 
der Revolution verband er fib mit Desmoulins, 


Fabretti — Fabriano 


Larroig und Danton, und ald legterer nad) den Er⸗ 
—— vom 10. Aug. 1792 das Juſtizminiſterium 
erhielt, wurbe er Generaljelretär. Als Abgeorb- 
neter von Paris kam er in den Konvent, wo er für 
den Tod des Königs ohne Berufung ftimmte; 1793 
wurde erin den Mohlfahrtsaus du gemäblt. Ob: 
ibeon ded Royalismus verbädtigt und unwürdiger 
Gelvipetulation bezichtigt, Hagte er doch Die Wuche⸗ 
rer im Nationaltonvent an und ſchlug das Geſetz 
des Marimums vor. Als er aber dann mit der 
Bartei Dantons gegen die Jalobiner auftrat, be 
wirtten die Anſchuldigungen Heberts auch feine 
Berbaftung. Am 13. Jan. 1794 der Fälſchung von 
Dokumenten, der Beruntreuung öffentlicher Gelder 
und des Cinverftänbnifjes mit Pitt angellagt, mußte 
er mit Danton und andern 5. April 1794 das 
Schafott befteigen. Seine Komödie « Les pr&cep- 
teurs» fam 1799 zur Auffübrung und erntete enthu⸗ 
ſiaſtiſchen Beifall. Später erfchienen feine «CEuvres 
möldes et posthumes» (2 Bde., Bar. 1803), 
Fabretti, Ariodante, ital. Arhäolog und Ge 
ſchichtsforſcher, geb. 1. Dit. 1816 zu Perugia, ſtu⸗ 
dierte neben Philologie und Ardhäologie Natur: 
wiſſenſchaften. 1860 zum Brofeflor der Archäologie 
und 1868 zum Direktor des Antiquitätenmufeums 
u Zurin ernannt, gehörte er ald Abgeordneter dem 
J——— an und wurde 1889 in den Senat be: 
rufen. F. ftarb 16. Sept. 1894 in Turin. Zur Er: 
torihung des alten Etruriend hat er durch zahl« 
reihe Abhandlungen und Beröffentlihung von In⸗ 
ſchriften Erbebliches beigetragen und aud auf dem 
Gebiete der mittelalterlihen Geſchichte Italiens 
earbeitet. Hervorzubeben find unter feinen Wer: 
en: «Bio e dei capitani venturieri dell’ Um- 
bria> (5 Bde., Montepulciano 1842 — 46), «Ana- 
logia delle antiche lingue italiche con la greca, la 
latina e coi dialetti viventi» (Flot. 1866), «Cor- 
pus inscriptionum italicarum antiquioris aevi» 
(Zur. 1867), «Il Museo d’antichitä di Torino» (ebd, 
1867), «Mosaico d’Acqui» (ebd, 1878), «Gli scavi 
di Carrü» (ebd. 1879), «Necropoli della Cascinetta 
nella provincia di Novara» (ebd. 1885), «Cronache 
della citta di Perugia» (2 Bve., ebd. 1887—88). 
Fabretti, Raffaele, ital. Altertumsforfcher, geb. 
1618 zu Urbino, wurde in Rom frübzeitig durch 
die Haffiiben Werte des Altertums dem Studium 
der Kunſt zugeführt. Nah Ausführung einer polit. 
Miſſion nad Spanien ward er zum päpftl. Schab: 
meiiter, bald —— Rechtsanwalt der päpftl. 
Gejandtihaft am Madrider Hofe ernannt. Nach 
Hom zurüdgelebrt, wurde F. Judex Appellationum 
in Capitolio, jpäter Sekretär Aleranders VIEH. Ins 
mocen; XII. ernannte ihn zum Oberaufſeher des 
Archivs in der Engelöburg. F. ftarb. 7. Jan. 1700, 
Er jchrieb die Abhandlungen «De aquis et aquae- 
ductibus veteris Romae» (Rom 1680) und «De 
columna Trajani» (ebd. 1683), unterfuchte mit 
aroßer Gelehrſamleit die Reliefs der Iliſchen Tafel 
(j. d.) fowie die vom Kaiſer Claudius angelegten 
unterirdifchen Kanäle. Die Schäße der Ratatomben 
Roms beleuchtete er in der «Inscriptionum anti- 
quarum, quae in aedibus paternis asservantur, 
eıplicatioe (Rom 1699). 
bei (Faber), Felir, mit deutfhem Namen 
Schmid, Lefemeifter deö Dominilanerllofters in 
Ulm und eifriger Verteidiger des Ablaßweſens, geit. 
1502, ift in meitern Kreiſen befannt geworden durch 
bie Beibreibung feiner Reifen in das Heilige Land. 
Die erfte Reife führte ihn nur nad Jerufalem (1480). 


319 


Auf der zweiten (1483) bejuchte er ald Kaplan des 
Truchſeß Job. von Waldburg in größerer Geſellſchaft 
Jerufalem und den Sinai. liber Kairo und Alerans 
dria kehrten die Pilger nah Venedig zurüd (8. Jan. 
1484). Seine Reiſebeſchreibung erſchien deutich Ulm 
1556, Bautzen 1557 und in Feyrabends «Reyßbuch 
deß h Lands» (Frankf. a. M. 1584), lateinifc in der 
«Bibliothel des Litterarifhen Vereins» (bg. von 
Haßler; 3 Bde., Stuttg. 1843—49). 
abri, Friedrich, evang. Theolog und Rolonials 
politifer, geb. 12. uni 1824 3u Schweinfurt, ſtudierte 
1841 —45 Theologie in Erlangen und Berlin, wurde 
1846 Hilfögeiftliher in Münden, 1848 Stabtvifar 
in Würzburg und 1852 Pfarrer in Bonnland in Un: 
terfranfen. 1857 wurde er Leiter und Anfpeltor der 
Rheinifhen Miffionzgefellfhaft in Barmen, legte 
1884 diejes Amt nieder und zog fi nad Godes⸗ 
berg am Rhein — beſonders als Präſes der 
«Evangeliihen Geſellſchaft für die prot. Deutſchen 
in Amerifa» thätig. 1889 wurde F. zum ord. Hono⸗ 
rarprofeflor in der theol. Fakultät der Univerfität 
Bonn ernannt. Er ftarb 18. Juli 1891 in Würzburg. 
Hupe auf tbeologiihem war %. namentlih auf 
tirdenpolit. und folonialpolit. Gebiete fchriftitelles 
riſch thätig. Erfchrieb: «lÜber Kirchenzucht im Sinne 
und Geiſte des Evangeliums» — 1854),«Briefe 
gegen den Materialiamus» (2. Aufl., ebd. 1864), 
«Die Entftehung des Heidentums und die Aufgabe 
der Heidenmiffion» (Barm. 1859), «Die Wohnungs: 
not der Arbeiter in Fabrilſtädten und deren Ab: 
bilfe» (Elberf. 1862), «Die polit. Lage und die Zu⸗ 
funft der evang. Kirche in Deutichland» (3. Aufl., 
Gotha 1874), «Staat und Slircher (3. Aufl., ebd. 
1872), «Stirhenpolit. Credo» (ebd. 1872), «Bedarf 
Deutihland der Kolonien?» (ebd. 1879; 3. Ausg. 
1884), «Wie weiter? Kirchenpolit. Betrachtungen 
um Ende des Kulturfampis» (ebd. 1887), « Fünf 
Sehr deutfcher Rolonialpolitit» (ebd. 1889), Aus 
einem Nachlaß gab Frommel die Briefe «m Lenze 
der Picbe» (Berl. 1895) heraus, 
Fabriäno, Stabt in der ital, Provinz und im 
Kreis Ancona, in 322 m Höbe, an dem zum Efino 
ebenden Giano und an den Linien Ancona: Foligno, 
‚Bergola (32km) und Bortocivitanova:Macerata- 
. (96 km) des Adriatiſchen Neßes, Sik eines 
iſchofs, bat (1901) als Gemeinde 21096 E., 
Stadthaus mit antiten Inſchriften, Kirchen und 
Privathäufer mit zahlreihen Gemälden aus der 
Schule des nad feiner Vaterftadt Fabriano (f.d.) 
genannten Gentile fowie berühmte Bapiermüblen 
und Bulverfabriten (feit 14. Jabrh.). In der Nähe 
die 405 m lange Tropfiteinböhle Fraſaſſi. 
Fabriäng, Gentileda, ital, Maler, geb. zwischen 
1860 und 1370 zu Yabriano (Mart Ancona), wurde 
der erite Vertreter der mehr realiftiichen Kunſtweiſe 
des 15. Jahrh. in Umbrien. Er malte für Gubbio, 
—— Urbino, Fabriano, ging ſpäter nach Breſcia 
und Venedig, wo er 1411—22 manche Öffentliche und 
Privatgebäude mit feinen Werken ausfhmüdte und 
a} auch im großen Saale des Dogenpalaftes die 
chlacht zwiſchen Venedig und Barbarofja malte, 
ein jegt untergegangened Wert. 1422 war er in 
Sloven,, wo er dic jebt in der Alabemie befindliche 
Inbetung der heiligen drei Könige für Sta. Trinita 
ausführte, dann 1425 in Siena und Drvieto, wo 
im Dom fi das einzige noch von ihm erbaltene 
estobild (Madonna) befindet. Bapft Martin V. 
erief ihn um 1430 nah Rom und ließ ibn bie 
Malereien im Lateran ausführen, die noch Rogieré 


380 


van der Wenden Staunen erregten. Er ftarb da: 
felbft um 1427. Bilder von feiner Hand fieht man 
in Berlin, Piſa, Mailand und Perugia. 

Fabrica (lat.), eigentlich Werkſtatt eines Faber 
(f.d.); F. ecclesiae, ſ. Kirdenfabrif; pro fabrica, 
zu den Unterbaltungstoften; in fabricam scholae, 


zu Schuljweden, 

Fabrice (ipr.-bribf), Georg Friedr. Alfred, Graf 
von, ſächſ. General der Kavallerie und Staatömann, 
wurde zur Zeit der Occupation Frankreichs als 
Sobn des ſächſ. Generalleutnants von %.23. Mai 
1818 zu Quesnoy: fur: Deule unmeit Lille geboren. 
1834 trat er aus dem Kadettenkorps in bie ſächſ. 
Reiterei ein, nabm als Rittmeifter am ſchleswig— 
bolftein, Kriege von 1849 teil, trat 1850 in den 
Generalitab ein und war 1863—64 als Oberſt Gene: 
ralftabächef bei dem Bundes:Erelutionstommando 
in Holftein. 1865 zum Generalmajor und Chef des 
Generalſtabs befördert, leitete F. in dem Kriege 
gegen Preußen 1866 unter dem Oberbefehl des 

ronprinzen Albert von Sadjen die Operationen 
des jächl. Armeelorps in Böhmen mit großem Ges 
—— Nach dem Friedensſchluſſe wurde er im Olto⸗ 

r mit der Leitung bes ſächſ. Kriegäminifteriums bes 
traut und im Dezember zum Generalleutnant beför: 
dert. F. ſchloß mit Preußen die noch jeht beftebende 
Militärkonvention ab und führte die Umgejtaltung 
der fächf. Armee zum 12. Armeelorps des norbdeut: 
[ge Bundesbeerd nad preuß. Muſter raſch durch. 

eim Ausbruch des Deutich: Franzöfiichen Krieges 
zum Generalgouverneur für den Bezirk des 12. Ar: 
meelorp8 ernannt, wurde er gegen Ende 1870 
nach Verfailles berufen, wo er die altung der 
eroberten nörbl. Departements leitete. Während 
des Waffenitilljtandes blieb F. ala Vertreter des 
Reichslanzlers in Frankreich zurüd und vermittelte 
alle auf die Durchführung der Friedenspralimi⸗ 
narien und bie Decupationgarmee bezüglichen Ber: 
bandlungen. Für feine Verbienfte im Kriege erhielt 
er vom Reich eine Dotation. Im Juni 1871 kehrte 
er nad Dresden zurüd und wurde 1873 zum General 
der Kavallerie befördert. Zunächſt wandte er feine 
Ihätigleit neben der innern organifatorijchen Ent: 
widlung bes Heers vorzugsweiſe der Rajernierung 
der vordem größtenteild mangelbaft untergebrachten 
Zruppen zu und ſchuf in den Anlagen der Albert: 
ftabt in Dresden ein mujtergültiges Vorbild. F. 
wurde im Nov. 1876 zum Vorſitzenden des Staatd: 
—— berufen und übernahm 1882 auch noch 
die Geſchäfte des Minifteriums der auswärtigen 
Angelegenbeiten. Bei Belegenbeit feines 50jäbrigen 
Dienftjubiläums wurde 5. 1884 vom König Albert 
in den erblihen Grafenftand erhoben. ftarb 
25. März 1891 in Dresden, wo ihm von den Offi⸗ 
teren des ſächſ. Armeekorps 1893 ein mit feinem 

ronzeftandbild geihmüdtes Maufoleum (von 
ag Lie wurde. — Bol. Dittrich, General 
von F. (Dresv. 1884). 

Fabricius Luscinus, Gajus, einer der Män: 
ner, die den jpätern Römern als Mufter alter Sit: 
teneinfalt und ftrenger Nechtlichleit galten, ent: 
feßte als Konful 282 v. Chr. die Stadt Thurii, 
welche von den Lucanern und Bruttiern belagert 
wurde, fiegte über diefe und die Samniter und bes 
währte bei ver —— reicher Beute ſeine 
Uneigennutzigleit. Aus Dankbarteit errichteten ihm 
die Thurier eine Bildfäule. Nah dem Siege des 
Pyrrhus über die Römer bei Herallea, wo er als | 
Legat kämpfte, wurde er 280 zu dem König nad) | 


Fabrica — Fabricius (Hieronymus) 


Zarent gefandt, um die Auswechſelung ver Ge 
fangenen zu bewirken. Die glänzenden Anerbietuns 
gen, die ihm Pyrrhus machte, wenn er den Frieden 
vermitteln wolle, joll er zurüdgemwieien und durch 
die Furchtloſigleit, die er auch gegenüber den 
Drohungen des Königs zeigte, diefen vermodt ba- 
ben, die Gefangenen ohne Löfegeld zu entlafien. 
Als er zum zweitenmal Konful war (278 v. Ebr.), 
machte ihm nad der liberlieferung der Arzt oder 
ein Bertrauter des Pyrrhus das Anerbieten, vielen 
zu vergiften; F. aber feste den Hlönig von dem An: 
erbieten in Kenntnis, der zum Dant wieder die röm, 
Gefangenen freiließ. Während der Abweſenbeit 
des Porrhus in Sicilien war 5. fiegreih über die 
unterital. Völler und zog im Triumph in Rom ein. 
Er ward 276 Eenfor mit Quintus Umilius Bapus, 
der auch in feinem zweiten Konſulat fein Kollege 
geweien war. Als Beiipiel alter Einfachheit wird 
erzählt, daß er den Publius Cornelius Rufinus, 
weil er 10 Pfd. Silber in Tafelgerät befaß, als 
einen Verſchwender aus dem Senat geitoßen babe. 
Fabrieius, David, Theolog und Aitronom, 
eb. 1564 zu Ejens in Dftfriesland, wurde 1584 
farrer in Reſterhaave und 1608 in Diteel bei 
Aurich, wo er 7. Mai 1617 von einem Bauern, ben 
er von der Kanzel berab des Diebſtahls beſchuldigt 
batte, erſchlagen wurde, Seine meteorolog. und 
aftron. Beobachtungen waren für ihre Zeit ſehr gut, 
und Kepler verwendete fie bei feinen Ulnterfuhungen 
über den Planeten Mars. Am 3. * 1596 ent: 
dedte er den berühmten Stern o Ceti (Mira, ſ. Wal: 
fiich, Sternbild). 1895 wurde ihm und feinem Sobne 
—— F. auf dem Kirchhof von Oſteel ein Dent: 
mal gejest. — Bgl. Sello, Des David F. Karte von 
Ditfriesland und andere Fabriciana des oldenb. 
Archivs (Norden 1896). 
abrieius, Georg, eigentlib Goldſchmid, 
Gelehrter und Dichter, geb. 23. April 1516 zu 
Chemnitz, wo fein Vater Goldſchmied mar. Nad: 
dem %. in Leipzig ftubiert hatte, wurde er Yeb- 
rer an der Thomasſchule dafelbit, dann in feiner 
Vaterftabt, feit 1538 an ber Freiberger Schule. 
1539 ging er als Hauslehrer nad talien, 1543 
nah Straßburg und murbe 1546 Neltor ber 
ee zu Meißen, wo er 17. Juli 1571 
tarb. 1570 wurde er vom Kaiſer Marimilian I. 
um Dichter gelrönt und in den Adelſtand er: 
oben. Er bejorgte gute Ausgaben röm. Dichter, 
wie des Dr (2 Bde,, Baf. 1555, noch jest ge 
ſchätzt), des Virgil u. a. guter Schulbüder, und 
gab feine eigenen lat. Gedichte heraus: «Poematum 
sacrorum libri XV» (ebd. 1560), «ltinerum liber 
unus» (ebd, 1551), eine Beichreibung feiner Reiſe 
nad Rom, fowie deren yortiekung in «Roma» (1551 
u. d.) und «Antiquitatum libri II» (1549 u. 1560). 
Die ſächſ. und deutſche Geſchichte behandelte er 
befonderö in den «Res Misnicae» (Lpz. 1569) und 
«Res Germanise et Saxoniae memorabiles» (ebd. 
1609), bg. von feinem Sohne Jakob F., ebenjo wie 
die von diefem vervolljtändigte «Saxonia illustrata» 
(1607). — Bol. Baumgarten :Grufius, De Georgii 
Fabricii vita et scriptis (Meiß. 1839); Flathe, ©t. 
Afra. Geſchichte der königlich ſächſ. Füritenichule 
zu Meißen (Lips. 1879). j 
Fabricius, Hieronymus, nad feinem Geburts- 
ort im flirchenitaat ab Aquapendente genannt, 
ital. Anatom und Ebirurg, geb. 1537, ftudierte in 
dua unter Fallopia, deſſen Nachfolger er als 
ebrer der Anatomie und Chirurgie 1562 wurde. 


Fabricius (Joh. Albert) — Fabrik 


Auf feine Beranlaffung wurde in Padua ein neues 
anatom. Theater erbaut. Ihm verdankt man zahl 
reihe Entpedungen in der Anatomie, Entwicllungs⸗ 
gihihte und vergleichenden Anatomie ſowie einen 
reihen Schag cdhirurg. Beobahtungen. Er jtarb 
"0. Mai 1619 zu Padua, Die erite Ausgabe feiner 
«Opera chirurgica» erſchien 1617 in Badua (2 Bde.), 
bie beite ber «Opera anatomica et physiologica» 
beiorgten Bohn (Dz. 1687) und Albinus (Leid. 1737). 
Fabricius, Job. Albert, Polyhiſtor, geb. 
11. Nov. 1668 zu Leipzig, ftudierte daſelbſt Phis 
loſophie, Arzneitunde und Theologie und ftarb 
30. April 1736 als Profeſſor am alademifchen Gym: 
naſium und zugleich Reltor des Johanneums zu 
Hamburg. ——— der Gründlichkeit, Vielſeitigleit 
und Gelehrſamleit find feine «Bibliotheca graeca» 
(14 Bde., Hamb. 1705 —28; 4. Aufl., fortgefebt 
von Harles, 12 Boe., ebd. 1790— 1809; Inder, Lpz. 
1838), die «Bibliotheca latina » (Hamb. 1697; neu 
ba. von Ernefti, 3 Bde., Lpz. 1773—74), die (uns 
vollendete) «Bibliotheca latina mediae et infimae 
aetatis» (5 Bde., Hamb. 1734), der Schöttgen einen 
Supplementband (ebd. 1746) binzufügte und die 
von Manfi (6 Bde., Padua 1754) neu bearbeitet 
mwurbe; die «Bibliotheca ecclesiastica» (Hamb, 
1718), endlich die «Bibliographia antiquaria» (ebd. 
1713; 3. Aufl. von Shafshaufen 1760) fowie feine 
Ausgaben des Sertus Empiricus und verfchiedener 
Kirchenväter, fein «Codex pseudepigraphus Vete- 
ris Testamenti» (2 Bde., Hamb, 1713; 2, Aufl. 
1722—41) und zahlreiche theol., lirchen- und lit 
terarbijtor. Schriiten. 
bricius, geb Ebrijtian, Entomolog, geb. 
7. jan. 1743 zu Zondern, jtudierte zu Kopenhagen, 
Leiden, Evinburgb, Freiberg in Sachſen und dann 
u Upjala unter Lınnd, Er hatte fich ganz die Grund: 
äße, die Methode, ja jogar die Ausdrudamweije Lin: 
nes angeeignet. Durch letztern wurde er zuerſt auf 
die Idee geleitet, die Inſelten nah den Organen 
des ndes zu ordnen. Er wurde 1775 Xebrer 
der Naturgeſchichte an der Univerfität zu Kiel, wo 
er 3. März 1808 jtarb. 3. ſchuf ein Syitem, welches 
zwar keineswegs ein natürliches genannt werden 
darf und ſeitdem durch andere und bejjere verdrängt 
worden ilt, indes der Entomologie eine völlig neue 
Babn anwies. Seine widtigiten Schriften find: 
« eg entomologiae» (Flensb. 1775; umge 
arbeitet, 4 Bde., Kopenb. 1792—94; nebit «Supple- 
mentum entomologiae», 1798) und « Philosophia 
entomologica» (Hamb, 1778). 
Fabricius, Job3., Aitronom, Sohn von David 
-, geb. 8. Jan. 1587 zu Reſterhaave bei Aurich, 
dierte von 1605 an in ge anfangs Medi: 
sin, jpäter Aſtronomie. Er ie wahrſcheinlich 
1615. F. wurde berübmt durch ſeine Entdedung der 
Sonnenfleden (Dez. 1610) und der aus ihrem Fort: 
rüden erflärten Rotation der Sonne um eine Achſe. 
Er veröffentlichte diefe Entdedung in der Schrift 
«Narratio de maculis in sole observatis et appa- 
rente earum cum sole conversione» (Witienb. 
1611). — Bol. Bertbold, Der Magifter Johann F. 
und die Sonnenjleden (Ep3. 1894). 
gr Hildäanus, eigentlib Wilhelm 
* ty, Chirurg, geb. 25. Juni 1560 in Hilden bei 
feldorf, ftudierte in Köln, praktizierte in Lau— 
fanne und in Payerne (Kanton Waadt) und wurde 
1614 Stadtarzt in Bern. Er ftarb 14. Febr. 1634. 7. 
bob die deutſche Chirurgie auf eine ſolche Höbe, daß 
jblreihe Schüler nad Bern tamen, um bei ihm 


381 


rivaten Unterricht zu genießen. Beſondern Wert 
egte er auf das anatom. Studium und trat dafür 
in einer eigenen Schrift ein: «Kurze Beichreibung 
der Fürtrefflicheit, Ruß und Notwendigleit der Ana: 
tomey» (Bern 1624). Sein bedeutendites Wert find 
die «OÖbservationum et curationum chirurgicarum 
centuriae» (Lyon 1641; Genf 1669; Straßb. 1713). 
re ihrieb er: «De gangraena et sphacelo» 
Köln 1593), «De combustionibus etc.» (Baf. 1607), 
«Lithotomia vesicae» (ebd. 1626) u. a. 

Fabrik (vom lat. Fabrica, f.d.), eine Anftalt für 
induftriellen Großbetrieb (Fabrilinduftrie), im 
ber eine größere Anzahl von Arbeitern vereinigt 
ift, die mit Hilfe von Mafchinen oder einer die 

orteile der Arbeitsteilung verwertenden Organi⸗ 
fation gewerbliche Erzeugniſſe beritellen. Über die 
bauliche Anlage von 3. ſ. Fabriklanlagen (Bd. 17). 
Bon der Hausinbuftrie (f. d.) unterjcheidet fie ſich in⸗ 
fofern, als deren Arbeiter in ibren eigenen Wobnuns 
— auf Rechnung des Unternehmers beſchaftigt ſind. 

agegen läßt ſich eine ſ mar Örenze zmiden und 

— — em Betrieb (f. Handwerh) nicht zie⸗ 
en, obwohl dieſe Unterſcheidung in rechtlicher Be 
iebung nicht unwichtig * Es giebt beſondere ge 
* Beſtimmungen für Handwerk (3. B. Ber 
äbigungsnahweis, Meifterprüfung) und Fabrik: 
betrieb (3. B. Arbeiterihuß; |. Fabrikgeſetzgebung). 
Der Umflan, daß der Handwerter in der Hegel nur 
auf feite —— und für die Konſumenten, der 
abrikant aber im Großen und auf Vorrat für die 
ünftige Nachfrage arbeitet, kann nicht durchaus ala 
unterjcheidendes Merkmal gelten. Eine Definition 
der F. — in den deutſchen Geſetzen nicht ver: 
Inht, ondern jtreitige Fälle jind der behörd— 
ihen Entſcheidung überlaſſen. Indeſſen finden ger 
* Beſtimmungen der Arbeiterſchußgeſetgebung, 
3. B. der Erlaß einer Arbeitsordnung, nur auf F., 
welche mindejtend 20 Arbeiter —J Anwen⸗ 
dung. Das franzöſiſche Geſeß vom 22. März 
1841 über die flinderarbeit betrachtete jeden Bes 
trieb, bei dem mehr ald 20 Arbeiter zufammen 
in einer Werkſtatt befchäftigt werben, als F., was 
zur Folge hatte, dab namentlih in Paris viele 
rößere MWerkjtätten je nad ber Saijon und dem 
San e der Geſchäfte bald den Beitimmungen die 
ſes Gefeged unterworfen waren, bald nicht. Auch 
die döfterreihifche Gewerbeordnung von 1883, die 
freie Gewerbe, handwerlsmäßige und fonzefftonierte 
auseinander bält, überläßt im Falle eines Yweifels, 
ob ein gewerbliches Unternehmen als ein fabrits 
mäßig betriebenes anzufehen jei, die Entſcheidung 
der polit. Landesbehörde. Doc bat der laiſerl. Er⸗ 
laß vom 18. Juli 1883 beftimmt, 0 als fabrit: 
mäßig betriebene Unternehmungen jolde aufzus 
fajjen find, in denen die Herftellung oder Vers 
arbeitung von gewerblichen Verlaufsgegenſtänden 
in geſchloſſenen Werlſtätten unter Beteiligung einer 
Anzahl von gemwöhnlih mehr ald 20, außerhalb 
ihrer Wohnungen verwendeten gewerblichen Hilfs« 
arbeitern erfolgt. Hierbei bildet die Benußung von 
Maſchinen als Hilfsmittel und die Anwendung 
eines arbeitäteilenden Verfahrens die Regel, und 
es tritt bei ihnen eine Unterſcheidung von band» 
werlömäßig betriebenen Produltionsgewerben aud 
durch die Perfönlichkeit des zwar das Unternehmen 
leitenden, jedoch an der manuellen Arbeitsleiftung 
nicht teilnehmenden Gewerbäunternebmers, dann 
durch höhere Steuerleiftung, Firmaprototollierung 
u. ſ. w. ein. Nach dem Bundesgejeh der Schweiz, 


382 


betreffend die Arbeit in den F., vom 23. März 
1877 iſt «als F. jede induftrielle Anftalt zu betrach⸗ 
ten, in welcher gleichzeitig und — eine 
Mehrzahl von Arbeitern außerhalb ihrer Woh— 
nungen Beſchäftigung findet». In England ent: 
balten die Fabrikgeſeße ganz jpecielle Beftimmune 
gen der Betriebe, auf die fie fich bezieben. i 
Unter der Herrſchaft des Aunftweleng wurden bie 
F., die fich meift mit neu auflommenden Induſtrie⸗ 
mweigen befaßten, von den Regierungen noch durch 
Brivilegien, oft durch Monopolrechte begünitigt, 
da man nad merkantiliftifchen Grundfäßen in der 
Hebung der Großinduitrie das Hauptmittel ſah, 
um die Ausfuhr wertvoller Fabrikate und dadurd 
die Einfuhr von barem Gelde zu fördern. Auch das 
Liſtſche Schuszollivftem bat bauptjächlich die Ent: 
widlung des Fabrikweſens im Auge, indem nad 
Lift die Ausbildung der «Manufalturkraft» für jedes 
Kulturvoll unbedingt hype ift, und durd 
je zugleich das Intereſſe der Landwirtſchaft am 
eſten gefördert wird. Der eigentliche Aufſchwung 
des Fa ee beginnt freilich erjt mit den gro: 
ben mechan. Erfindungen in der zweiten Hälfte des 
18. Jahrh. Die zweckmäßigſte Ausnugung der dem 
Menihen dienftbar gewordenen Naturkräfte konnte 
nur in fonzentrierten, auf große Rapitalien geftüb: 
ten Unternehmungen erfolgen (f. Großbetrieb), und 
diefe waren bald im jtande, auf vielen Gebieten 
nicht nur den felbjtändigen Kleinbetrieb, fondern 
auch gewiſſe Zweige der Hausinduftrie zurüdzu: 
— Der Notſtand gerade der lehtern war in 
der Üibergangsperiode, die etwa bis zur Mitte des 
19. Jahrh. reicht, bejonders empfindlich, jo daß 
fogar mandye Nationalölonomen geneigt waren, 
das Auflommen der mechan. Fabritinduftrie als 
einen zweifelbaften Gewinn zu betrachten. 
Gegenwärtig iſt jedoch die neue Verteilung der 
wirtſchaftlichen Kräfte im wejentlihen vollaogen 
und die Hausinduftrie auf diejenigen Produktions: 
zweige beſchränlt, in denen fie ſich, wenn auch teil: 
weiſe nur mit Muhe, behaupten kann. Das felb: 
jtändige Handwerk konnte gegen den mit meit ge: 
Fingern Broduftionstojten arbeitenden Fabrifbetrieb 
auf ſehr vielen Gebieten nicht erfolgreich konkurrie⸗ 
ren und iſt immer mehr auf diejenigen Zweige 
jurüdgedrängt worden, deren Produlte einer man: 
nigjaltigen, individuell abgeituften Geſchmacks— 
richtung, einem fpecififch perjönlichen oder örtlichen 
Bedürfnis genügen ſollen. Immerhin bat das 
Handmwert aud heute noch felbft in Ländern mit 
bocentwidelter Fabrikinduftrie, — unter Aus: 
nußung der geeigneten techniſchen Hilfskräfte und 
durch nenoffenfantlinen Zuſammenſchluß, ein 
ausgedebntes Arbeitsfeld. Außerdem veranlaft der 
abritbetrieb, wenn er den mittlern Handwerler— 
tand verdrängt, andererjeits das Entiteben neuer 
ittelllaſſen: er befchäftigt eine große Anzabl von 
Beamten, Aufjebern, Technilern, und für den Ab: 
ſaß feiner maſſenhaften Erzeugnifie bedarf er der 
Beibilfe zahlreicher Handelävermittler, 
Sauptſächlich find es aber gewiſſe, die Fabril: 
induftrie begleitende Umftände, wie die wirtichaft: 
ih abhängige Lage der Arbeiter, das ungleich: 
mäßige Verbältnis zwifchen ibnen und den Arbeit: 
ebern, die übertriebene Ausbeutung der Arbeits: 
aft durch gewifienlofe Unternehmer, die oft geift- 
loje, rein mean. Thätigleit, die Vermehrung des 
Arbeiterproletariats und die leicht organifierte und 
neleitete Wucht zu mwirtihaftlihem Kampf und 


HFabrifanlagen — Fabrikatſteuer 


Erjwingung ihrer Forderungen ſich vereinender 
Arbeitermajien, welche ſociale Mißſtände von ein: 
— Bedeutung und Gefahren für den gefell: 
aftlichen rg und die ftaatliche Orbnung 
vorgerufen haben. Je weniger auf dieſem Gebiete 
ii eine Ausgleihung fich widerftreitenber nterei- 
en von der freien Konkurrenz felbit zu — 
um ſo mehr fällt dem Staate die vermittelnde Rolle 
u, durch eine * Fabrilgeſeßgebung (f. d.) die 
ängel —* rilweſens zu befeitigen. 

Über die Statiftil des Fabrikbetriebes in den 
mwictigften Induftrieftaaten |. Gewerbeſtatiſtil und 
Abichnitt Induftrie in den einzelnen ZLänderartiteln. 

Val. Rocher, Nationaldölonomil des Handels 
und Gewerbefleißes (7. Aufl., Stuttg.1899); Artikel 
Fabrik im «Handwörterbud der Staatswifjenicaf: 
ten», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); Tugan:Bara: 
nowſty, Geſchichte der ruffiihen F. (Berl. 1899); 
Rebber, Fabritanlagen (2. Aufl., 2p3.1900); Trillich 
Kaufmänniihe und techniſche Fabrilbetriebs lunde 
(ebd. 1900); €. Schmidt, Die Fabrilorganiſatien 
(3. Aufl., Stuttg. 1901); Ratgeber beim Fabrilbe 
triebe (Bd. 1, Lpz. 1902); Johanning, Die Organi: 
* der Fabrilbetriebe (2. Aufl., Braunſchw. 1902); 

ande, — ———— Fabritbauten (Halle 1902). (©. 
auch Gewerbe und Handwerk.) 

——— en, ſ. Bo. 17. 

abrifät, brifserzeugnis, Kunftprobuft; 
Fabrikation, die Herftellung gewerblicher Er 
zeugnifle im Großen. en. 

de rifationdmüngen, |. Münze und ser 

abrifätfteuer, diejenige Form der Probul: 
tionsbejteuerung (1. Brodultiong teuern), welche die 
Steuer nad dem gie Prodult bemißt. Theore: 
tiſch iſt fie die beite Form der Produltionsbeſteue⸗ 
rung, weil — an ſich geeignet ift, eine gleichmäßige 
Belaftung herbeizuführen und den eigentlichen Be: 
trieb nicht zu beläjtigen; auch ftebt fie dem Zeitpunlt 
des Verbrauchs amnäditen und erleichtert Die Steuer: 
rüdvergütung bei der Ausfuhr. Praltiſch treten 
diefe Vorzüge aber nur jelten in vollem Umfange 
bervor, am erjten noch ba, wo die gabl der Brodu: 
zenten Klein tft und die genaue Feſtſtellung der Menge 
und Güte der Erzeugnijje entweder beim Ausgan 
derjelben aus der Je oder am Ende des Produl: 
tionsprozeiles durch jelbftthätige zuverläffige M 
apparate obne befondere Schwierigfeiten möglich ilt. 
Gerade die legtere Vorausſeßung jeblt in der Regel, 
jo daß man, um Steuerbinterziebungen — 
meiden, eine ſehr ſchatfe Kontrolle des ebra 
an ber Grzeugungsftätte zu Hilfe nehmen muß, die 
unter Umjtänden den ganzen Fabritationsprozek 
vom Cinbringen des Rohmaterials bis — legten 
Sertigitellung der Ware umfafien muß. Der ſchwie⸗ 
rigen Kontrolle wegen bat man fd aud bäufig mit 
der nur mutmaßlichen Ermittelung des Produfts 
begnügt, auf Grund beftimmter Mertmale während 
des Produltionsprozeſſes (mie Leiftungsfä 
ber Deitillierapparate u. ſ. w.), die einen 
auf das fertige — zulaſſen. Dieſer 
iſt aber ſtets unſicher, und die verſchiedene Be 
ſchaffenheit der Erzeugniſſe bleibt dabei unberüd⸗ 
ſichtigt. Eine volllommen gleichmäßige 
rung wird auf dieſe an nicht erzielt, zumal bie 
jenigen Produzenten dabei begünftigt werben, die 
Bu gröbere techniſche Geichidlichleit mebr Bro: 
dulte bei gleichen materiellen ——— zu er⸗ 
ielen vermögen. Die Kontrolle muß auch bei a 

erfahren ſehr ftreng fein. Eine beſondere 


Fabrikgerichte — Fabrikgeſetzgebung 


wutung hat die F. bei der Bierfteuer (f. d.), der 
Branntweinfteuer (f. d.), der Zabakbefteuerung 
(.d.) und bei der Zuderfteuer (f. d.). 
britgerichte, j. Gewerbegerichte. 
ritgefengebung, Arbeiterihußgeieb: 
gebung, ber bear aller ftaatlihen Maps: 
tegeln, welche Die gewerblichen (Gegenjaß land: und 
joritwirtihaftlichen) Arbeiter und zwar namentlich 
diejenigen, welche fich jelbft nicht genügend zu 
\bügen vermögen (finder, jugendliche Arbeiter und 
frauen), gegen perjönlihe und wirtſchaftliche Ge- 
ſahrdung — en ſollen, indem ſie Arbeitszeit, Ar⸗ 
beitsatt und Lohnzahlung regeln, kr 
über bie ———— Streitigleiten zwiſchen Ar: 
beitgeber und Arbeitern treffen und zu verhüten 
ſuchen, daß die Arbeiter Krankheiten, Unfällen oder 
frübzeitiger Invalidität zum Opfer fallen. In erſter 
Yınie handelt es fih darum, die Verwendung von 
Kinderarbeit (f. d.) und Frauenarbeit (ſ. d.) in 
Schranten zu balten, und für die in —— 
arbeitenden Rinder und rauen ſchutzende Vorſchrif⸗ 
ten aufzuftellen. Ebenſo wird der Staat im Intereſſe 
der ſocialen Gerechtigleit, des Friedens zmifchen den 
ejellichaftlihen Klaſſen und der Meniclichteit über: 
aupt zu verhindern haben, daß die Unternehmer 
den Arbeitern, aud den erwachjenen gegenüber, ihre 
mwirtjchaftliche Überlegenheit mißbrauchen oder un: 
umgänglibe Maßregeln — Schutze des Lebens 
oder der Geſundheit derſelben außer acht laſſen. 
Die neuere F. nahm ihren Anfang in demſelben 
Lande, von dem auch die neuere Induſtrie auss 
ging, nämlid in England. Schon im Beginn des 
19. Jahrh. hatte die rüdfichtöloje Verwendung von 
Kindern, namentlich der jog. Pfarrlehrlinge, in den 
Woll: und Baummollfabrifen fo große Übel für Ge: 
jundbeit und Sittlidyfeit im Gefolge, daß durd ein 
Geiles vom 22. Juni 1802 eine Reihe von Anordnun⸗ 
gen zu Gunſten der Lehrlinge in diefen Fabriken ge: 
troffen werden —— unter andern auüch die, da 
ıbre Arbeitszeit nicht mebr ald 12 Stunden innerbal 
des Zeitraums von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends 
betragen dürfe. Als Ausgangspunlt der gegenwär: 
tigen —* en F. jedoch iſt das Geſez vom 29. Aug. 
1833 anzufeben, das ſich auf fämtliche Tertilfabriten 
be3og, die Beihäftigung von Kindern unter 9 ii 
gänzlich verbot, für das Alter von 9 bis 13 Jahren 
nach einer fiber ger = nur 48 Stunden wöcent: 
liche Arbeit * die Nachtarbeit von jungen Leuten 
unter 18 Jahren verbot, die Tagesarbeit derſelben 
auf 12 Stunden beichräntte und zur Herftellung 
der bis dahin fehlenden wirtiamen Kontrolle das 
Imftitut der Fabrilinſpeltoren (f. d.) einführte. 
Turd das ebenfalld noch allein die Tertilinduftrie 
betrefiende Geſeßz vom 6. Juni 1844 wurde das 
Mi der Kinder auf 8 Sabre, die Dauer 


it aber auf 6%, oder 7 Stunden 
—— t und zugleich die ſeitdem in Kraft ge: 
iebene 
zu Gunften der * P 


immung — die Vorſchriften 

onen (unter 18 Jahren) 

aud für alle erwadyjenen weiblihen Perſonen gel: 

ten follen. Die 1846 eingeführte Beſchränkung der 

Zagesarbeit der jungen Perjonen (in der Tertil- 

induftrie) auf 10 Stunden lam daher allen Arbeite: 

rinnen zu gute. Noch einige andere Geſetze beichäf: 
figten fih namentlich mit den Zertilfabriten ; dur 

ein Gejeß von 1864 aber wurden dann bie für dieſe 

tenden Borfchriften aud) auf eine Anzabl anderer 

iten ausgebebnt und durch das Geieh vom 

15. ug. 1867 im wejentlihen die gefamte Fabrik: 


383 
induftrie unter die F. geftellt. Faſt gleichzeitig, 
nämlich 21. Aug. 1867, wurde aud das Wert: 


ftättenregulierungsgefes erlajien, welches die 
Kinder: und Frauenarbeit nit nur in den ſchon 
vorher den Fabriken gleichgeftellten großen Wert: 
ftätten (mit mehr als 50 Arbeitern), jondern aud 
in den kleinern Arbeitslotalen aller Art beſchränlte. 
Nach einigen weitern Einzelgeiegen erfolgte endlich 
eine Ausdehnung des Arbeiterfihuges auf alle 
Fabrilen durch das Fabrik- und Werlſtättengeſeß 
vom 27. Mai 1878, das an die Stelle aller frü— 
bern Gefeße trat. Kinder dürfen biernad) erjt nad 
vollendetem 10. Lebensjahre er werben, und 
zwar bis zu 14 Jahren, wenn fie nur einen um den 
andern Tag arbeiten, 10— 10", Stunden, fonft täg⸗ 
li nur die Hälfte diefer Zeit, jo daß in 2 Wochen 
die gejamte Arbeitszeit fih auf 56%, Stunden bes 
läuft. Ebenfo viele Stunden beträgt die Arbeits: 
zeit der jungen Perſonen (von 14 bis 18 Jahren) 
und ber rauen in der Tertilinduftrie innerhalb 
einer Woche, nämlich 10 Stunden an den gewöhn⸗ 
liben Tagen und 6"), Stunden am Sonnabend. 
In andern — — und in Werkſtätten iſt die 
wöchentliche Arbeitszeit für dieſe legtere Arbeiter: 
Hafje auf 60 (unter Umſtänden 59) Stunden feit: 
ejebt. Das Geſetz beitimmt ferner Anfang und 
de des Arbeitstags, die Dauer der ununter: 
brochenen Beihäftigung, Verteilung der Bauen 
und der Mahlzeiten, bie Feiertage, den Schulbeiud 
der Kinder, die Erbaltung der Keinlichkeit in den 
Fabriträumen, die Gejundheitöpflege und die nöti- 
gen Schugvorrihtungen, alles mit vielen Aus: 
nahme: und Sonderbejtimmungen für einzelne Ge: 
werbezweige. Dem Hauptgeiebe find 1883 und 1889 
Be kurze ufabgeiebe, betreffend Bleiweißfabriten, 
ädereien und Baummollfabriten, gefolgt. Cins 
fchneidender aber waren die Novellen vom 5. Aug. 
1891 und vom 6. ie 1895. Die letztere dehnt 
außer Regelung der Üiberftundenarbeit die F. haupt: 
fächlid auf Dodarbeit, alle Gebäude mit Maſchinen⸗ 
betrieb und Wäjcereien aus, Zugleih werben bie 
Sanität3vorfcriften —— 

Das — und Werkſtättengeſetz von 1901, das 
eine Zuſammenfaſſung aller beſtehenden Schutz⸗ 
beftimmungen enthält, erweitert ven Schuß in den 
gefährlichen Gewerben, ſetzt die Altersgrenze, von 
der an Rinder — werden bürfen, von 11 auf 
12 Jahre hinauf und enthält aud einige Beſtim— 
mungen über die Heimarbeit, auf Grund deren Ars 
beit in ungejunden Räumen unterfagt werben kann. 

Auf den Schuß von Frauen und Kindern in —* 
werten beziehen ſich: das Gejek über Erzbergwerle 
vom 10. Aug. 1872 und das Geſetz über Arbeit in 
Kohlen-, gewiſſen Eifenbergwerten und Schiefer: 
—— vom 16. Sept. 1887. Das Verbot der 

rbeitervereinigungen wurde ſchon 1825 aufge⸗ 
hoben, und das ſog. Truchkſyſtem (f. d.) durch Gelep 
von 1831 verboten. 

In den deutfhen Staaten a F. ein Ers 
ie nis ber neuern Zeit. 2. ebend und bahn⸗ 

— war die preu ßiſche Geſezgebung. Abge⸗ 
ſehen von den im Allg. Landrecht und den Gewerbe⸗ 
ordnungen von 1845 und 1849 enthaltenen Beſtim⸗ 
mungen über die gewerblichen Arbeiter iſt von epoche⸗ 
machender Bedeutung das Regulativ vom 9. März 
1839, das bie Annahme von Kindern unter 9 Jah: 
ren in Fabriken, Berg: und Hüttenmwerlen zu einer 
regelmäßigen Beihäftigung unterfagte, den Höchſt⸗ 
betrag der täglichen Arbeitäzeit jugendlider Ars 


384 


beiter unter 16 Jabren auf 10 Stunden feitiehte 
und die Nadht:, Sonntags: und Feittagsarbeit 
jugendlicher Arbeiter verbot. Einen mweitern Fort: 
ichritt bradhte das Gejeh vom 16. Mai 1853, nad 
welchem die Deibäitigung jugendlicher Arbeiter in 
Fabrifen erſt nah zurü —— 12. Lebensjahre 
geſtattet und für ju — rbeiter unter 14 Jab: 
ren die tägliche Arbeitäzeit auf 6 Stunden, neben 
—— Schulunterricht, beſchränkt wurde. — 
In Bayern enthielt das Gewerbegeſeß von 1868 
gar keine Beitimmungen über die VBerbältniffe der 
gewerblichen Arbeiter zu ihren Arbeitgebern. Al: 
gemeine Vorfchriften aber zum Schuße der Kinder: 
arbeit waren durd die Verordnung vom 15. Yan. 
1840 getroffen worden, wonach die regelmäßine 
Beihäftigung von Kindern in Fabriken oder in 
Berg, Hütten: und Schlagwerken unterjagt war, 
Kinder über 9 Jahre durften nur auf Grund von 
Zeugniſſen über genügende körperlihe Entwidlung 
und Schulbildung zur Arbeit angenommen, Kinder 
über 12 Jahre nıcht über 10 Stunden täalid und 
nicht bei Nacht beichäftigt werden. Cine Verſchär— 
fung erfubren dieje Vorichriften durch die Verord— 
nung vom 16. Juli 1854, die ſanitäts- und fitten: 
olizeilihe Fürforge für jugendliche Arbeiter in 
S abriten betreffend; jeit 1849 waren bereits ver: 
ſchiedene Maßregeln zum Schuße der Arbeiter gegen 
Geſundheitsbeſchädigungen beim Gemerbebetriebe 
angeordnet. — Im Königreib Sachſen begann 
man 1849 mit Verboten des Trudivjtems, und 
das Gemwerbegejes vom 15. Dit. 1861 entbielt eine 
anze Reihe von Beftimmungen für die Arbeit in 
Fabriten. Als Fabriten wurden jedoch nur Unter: 
nebmungen mit mehr als 20 Arbeitern angejeben. 
— In gleihem Sinne faßte die mwürttember: 
iſche Gewerbeordnung vom 12. Febr. 1861 die 
Fabrit gg und regelte die Berbältnifie der Fabrik⸗ 
arbeiter, Yebrlinge und Gebilfen. — In Baden 
wurden durch eine Miniiterialverorbnung vom 
4. März 1840 über den Schulunterricht der in Fabri— 
ten beſchäftigten Kinder einige Beihräntungen ber 
Verwendung von jhulpflichtigen Kindern in Fabri— 
ten eingeführt; das u von 1862 bielt diefe 
Beitimmungen aufrecht und verpflichtete die Fabrik: 
unternebmer, die Betriebsftätten mit allen zur ne 
nung der Arbeiter gegen Gefabren für Leben und Ge 
fundbeit erforderlihen Vorrichtungen zu verfeben, 
Dienjtordnungen aufjujtellen und in den Arbeits: 
räumenan —— In den übrigen deutſchen 
Staaten beſtand vor Einführung ber norbbeutichen 
Gewerbeordnung von 1869 eine eigentliche 3. nicht. 
Eine einbeitlibe Regelung erfolgte zunächit für 
den Norbdeutidyen Bund und dann für das Deut: 
ſche Reid (mit Ausnahme von Eljaß:Lotbringen) 
durch Die ®ewerbeorbnung von 1869 und die Novelle 
vom 17. Juli 1878; ferner durch das . über die 
Anfertigung und Berjendung von Zündbölzern vom 
13. Mat 1884. Durch Reichsgeſeß vom 27. Febr. 
1888 wurde bie deutſche F. 9 auf Elſaß⸗Lothrin⸗ 
gen ausgedehnt. Ein weiterer Ausbau der geſam— 
ten —— —c—— begann mit dem Res 
—— iſer Wilhelms II. Die kaiſerl. Er 
ſſe vom 4. Febr. 1890 waren die bedeutungsvollen 
Vorläufer einer umfaſſenden, berechtigten Anforde 
rungen entſprechenden Reorganifation, die ſich teil- 
weiſe in dem Arbeiterſchußgeſeß vom 1. Juni 1891 
erfüllte. In Verbindung mit den Kranten:, Unfalls, 
„nvalidität3: und Alteröverfiherungsgefegen (f. Ar: 
beiterverfiherung) ftellt dieſe bejonders die $$. 134 


Fabrikgeſetzgebung 


— 189 umfaſſende Novelle zur Gewerbeordnung, bie 
eingehende Beſtimmungen für den Arbeitsvertt 
in jeglicher Form getroffen hat, Deutſchland au 
dem Gebiete der F. an die erſte Stelle. Sie ver— 
bietet mit gewiſſen Ausnahmen die gewerbliche 
Sonntagsarbeit, die Fabrikarbeit von noch nicht 
13jäbrigen Kindern, führt einen eliftündigen Maxi— 
malarbeitstag für rauen unter Ausſchluß der 
Nactarbeit ein, jchreibt den Erlak von Arbeits 
orbnungen in Betrieben, die regelmäßig wenigitens 
20 Arbeiter beihäftigen, vor und giebt weitere ein: 
Bu Vorſchriften zum Schuß ber Arbeiter über 

obnzahlung, Kündigungsfrist, Gemwerbeauffitt 
u. f. w. (Näheres f. unter Dienftmiete, Yabril: 
infpeltor, Sonntagsarbeit, Zrudivftem.) Durd 
taiſerl. Verordnung vom 9. Juli 1900 find jeit 
1. Jan. 1901 die Vorſchriften der Ss 134—139 der 
Gewerbeordnung aud für die größern Betriebe des 
Handwerks (Wertftätten mit Dlotorbetrieb) in Gül: 
tigfeit getreten, und durd die Gewerbeorbnungs®: 
novelle vom 30. Zuni 1900 baben Gebilfen, Yebr- 
linge und Arbeiter in offenen Vertaufsftellen eine 
Minimalrubezeit erlangt. 

Eine eingreifende Neubildung bat die 5. in Dfter: 
reich im Anfchluß an die Reform der rbeord⸗ 
nung von 1859 durch das Gejek vom 8. März 
1885 erfahren. Es ijt hiernach auch für die erwach⸗ 
jenen Arbeiter ein Marimalarbeitätag von 11 Ar: 
beitsitunden (ohne Einrehnung der Baujen) grund: 
fäglich feftgefest, allerdings mit dem Zugeſtändnis, 
daß der Handeläminijter im Einvernehmen mit dem 
Minifter des Innern und nah Anhörung der Han- 
beld: und Gemwerbetammern einzelnen Gewerbe: 
kategorien wegen ihrer nadgemiejenen beſondern 
Bepürfnifie die Verlängerung der täglichen Arbeits: 
zeit um eine Stunde im Verordnungswege gemäb- 
ren fann, was für die Spinnereien und viele 
andere Induſtriezweige bereitö geicheben ift. Kin: 
der unter 12 Jabren dürfen überhaupt nicht (alie 
auch im Kleingewerbe nicht) zu regelmäßigen ge 
werblihen Beihäftigungen verwendet werden, und 
in fabrifmäßig betriebenen Gewerbeunternebmun: 

en können fie erjt nad vollendetem 14. Jabre Be 
häftigung erhalten. Jugendliche Hilfsarbeiter im 

Iter von 14 bis vollen 16 Jahren dürfen nur zu 
leihten, ibrer Geſundheit und Körperentwidlung 
nicht ſchädlichen Arbeiten und nicht zur Nadhtarbeit 
(von 8 Ubr abends bis 5 Uhr morgens) verwendet 


werden. Die letztere Beitimmung gilt allgemein 
auch für rauen, Indes können Iomobt für dieſe 
ala aud für die jugenplichen Hilfsarbeiter durch 


den, jebod jo, daß im ganzen in 24 Stunden bie 
geſetzliche Arbeits dauer nicht überjchritten wird. In 
gewiſſen Induſtriezweigen kann die Verwendung 
von jugendlichen Arbeitern und Frauen ganz unter⸗ 
fagt werden. Wöchnerinnen dürfen erſt 4 Wochen 
nad) der Niederkunft die Arbeit wieder aufnehmen. 
Das Gefek enthält auch nähere Vorſchriften über 
die Verteilung der Arbeitöpaufen und allgemeine 
Beitimmungen für die Fabrik: und Arbeitsordn 
Die Arbeiter müfjen mit Arbeitsbücern, die lau 
männifchen Gebilfen mit bebörblic vifierten Zeug: 
niffen der frübern Dienjtgeber verſehen fein. Ein 
Arbeiter, der obne gejeglih zuläſſigen Grund bie 
Arbeit verläßt, lann mit Geld g bis zu 400 Gul⸗ 
den und mit Arreft bis zu 3 Monaten beitra 
aud zwangsweiſe zurüdgetübrt werben. In betr 
der beim Bergbau bef@ältigten jugendlihen Ar 


vn, Je, dab I Ausnahmen gejtattet wer: 


TFabrifgejeggebung 


kit und Frauen enthält das Gejeß vom 21. Juni 
1 beiondere Beftimmungen. Kinder von 12 bis 
4 Jbren dürfen nur ei Anfuchen der Eltern, 
wer beſonderer Crlaubnis der Bergbebörde, zu 
listen Arbeiten über Tag, Frauen und Mädchen 
jeden Alters überhaupt nur über Tag beſchäftigt 
werden. Die tägliche Schicht darf höchſtens 12, die 
wirtlihe Arbeitszeit höchſtens 10 Stunden betragen. 
Das Geiek vom 16. Jan. 1895 hat die bis her nur ver: 
ervnungsmäßig geordnete gewerblihe Sonntags: 
rube geleßlich geregelt. Die Sonntagsrube joll von 
Sonntag früb 6 br volle 24 Stunden dauern, 
doch find im Geſeß jelbit und in Verordnungen zahl: 
reiche, das Brincip wieder recht illujorifch machende 
Ausnahmen geitattet, ähnlich wie in Deutſchland. 
Das Geſetz vom 23. Febr. 1897 ftrebt Verbeſſe— 
rungen im Lehrlingsweſen an. 

Nov. 1885 in Ungarn in Kraft ge 
tretene neue Gewerbegejes hat mit dem djterreichi- 
jchen leine ndtichaft. Es können ſogar noch 
Kinder von 10 bis 12 Jahren mit Bewilligung der 

Gewerbebehörde in Fabriken verwendet werden. 
Die Arbeitsdauer ſoll im Alter von 12 bis 14 Jah⸗ 
ren bödjtens 10 Stunden täglih betragen. Zur 
Rachtarbeit dürfen Arbeiter unter 16 var nicht 
verwendet werden. Hinfichtlih der Arbeitszeit der 
erwachſenen Frauen und Männer enthält das Gejeb 
feine Beihräntung. Ein Gejes von 1891 regelt die 
Eonntagsrube der gewerblichen Arbeit, ein Gejeb 
von 1893 den Schuß der Arbeiter bei Unfällen, wie 
die Gemwerbeinipeftion. 

In Frankreich wurde zuerjt 1841 zum Schuße 
der in Fabrilen arbeitenden Rinder ein Geſetz er: 
laſſen, mweldes das Minimalalter derjelben auf 
8 Jahre feſtſetzte, für die Altersitufe von 8 bis 12 
Jahren nur eine adtjtündige Tagesarbeit und für 
vas Alter von 12 bis 16 — höchſtens eine 
ſolche von 12 Stunden zwiſchen 5 Uhr morgens 
und 9 Uhr abends zuließ. Das Geſeß wurde ſehr 
ungenügend ausgeführt, da es an jeder wirkjamen 
Kontrolle fehlte. Durd ein Dekret von 1868 wur: 
den Fabritinipeftoren geſchaffen, aber erjt durch das 
Geſeß vom 19. Mai 1874 erfolgte eine ven Bedurf⸗ 
hart m etwas mehr entjprechende Regelung der Ber: 
bältniiie. — — nach dieſem Geſetz das 
Minimalalter der beſchäftigten Kinder 12 Jahre 
ſein, es kann jedoch durch Dekret für beſtimmte 

duſtriezweige auf 10 Jahre herabgeſetzt werden, 
und ſolche Ausnahmen ind in zahlreichen Fällen 
gemadht worden. Die Arbeitsdauer darf aldvann 
6 Stunden täglih nicht überjchreiten. Diefelbe 
Beihräntung gilt bis zum vollendeten 15. Jahre 
für diejenigen, welche fich nicht über einen genügen: 
den eriten Elementarunterricht ausmweifen können. 

Andernfalls iſt nad Vollendung des 12. Yab: 

res eine —— Arbeitsdauer bis zu 12 Stun: 
den zuläffig. Nactarbeit ift bis zum vollendeten 

16. Jabre allgemein und außerdem in Hütteniverten 

und Manufalturen für Mädchen unter 21 Jab: 
ven verboten. In Bergwerten dürfen Kinder unter 
12 Jahren fowie Nädchen und Frauen nicht zu unter: 
irdiſchen Arbeiten verwendet werden. In gewiſſen 
befonders gefäbrlihen Induſtriezweigen ſowie zu 

ewiffen Arbeiten in andern dürfen teils nach dem 

Beies jelbit, teils nad) den auf Grund desſelben in 

der yolgezeit erlafjenen Dekreten junge Leute unter 

16 Jahren überhaupt nicht verwendet werden. Das 

Geſetz enthält weiter noch Beitimmungen über den 

Schulunterrict , die Wertjtättenpolizei, die Fabril: 
Prothaus’ Ronveriationd-Leriton.. 14. Aufl. R. A. VI 


385 


inipettion u. f. w. Das Roalitionsverbot ift in 
—— ſeit 1864 aufgehoben. Auf dem Papier 
eftebt dort nah dem Gele vom 9. Sept. 1848 
au ein Normalarbeitstag (j. d.) für Erwachſene, 
indem — die Dauer der wirklichen Arbeit in 
Hüttenmwerlen und Fabrilen auf höchſtens 12 Stun⸗ 
den feitießt. Bon den neuen Gefeken iſt bemer: 
fenöwert dasjenige vom 27. Dez. 1890, weine die 
Auflöfung des Arbeitöverbältnifies regelt. Bon 
allgemeinerer Bedeutung war das Geſeß vom 2.Rov. 
1892, welches den Geltungsbereich erweitert, indem 
es fih auch auf die gewerblichen Unternehmungen, 
die unter dem Dedmantel der Wohlthätigleit oder 
des gewerblichen Unterrichts Kinder wie Erwach—⸗ 
fene auszubeuten verſuchen, erftredt. Das Auf: 
nabmealter der finder wird, wenn fie im Befik 
der Unterrichtscertifilate find, mit 12, fonft mit 
13 Jahren angeiegt. Die Arbeitszeit ift für Kinder 
10 Stunden täglich, für Berfonen von 16 bis 18 Jah⸗ 
ren 60 Stunden wöchentlich, für Mädchen und 
— von über 18 Sehen 11 Stunden täglid. 

auen ſowie männliche — unter 18 Jahren 
dürfen nicht in der Nacht, Sonn: oder Feiertags 
beiäftigt werben. Das Gejeg vom 12. uni 1893 
—— die der Geſundheit und Sicherheit der 
Arbeiter dienenden Vorſchriften, das vom 12. Jan. 
1895 erflärt die Lohne von Arbeitern und Dienſt⸗ 
boten nur bis zum Betrage von einem Zehntel 
für pfändbar. 

In Belgien find die fabrikgefeglihen Arbeiten 
erſt fürzlih in Angriff genommen. Eine Verord— 
nung vom 28. Mai 1884 bat die Beihäftigung von 
Knaben unter 12, von Mädchen unter 14 Jahren in 
den Gruben verboten. Am 18. Aug. 1886 wurde 
eine Kommiſſion ernannt mit der Aufgabe, die Zus 
—— der gewerblichen Arbeiter zu ſtudieren. In⸗ 
olge der hätt feit —— find 1887 drei Geſehze, 
nämlich über Yobnzablungen, über die Errichtung 
von Gewerbe: und Handelskammern (conseils de 
l’industrie et du travail) und über die Bejchrän: 
tung der Gedierbarleit und Beſchlagnahme von 
Löhnen und Beſoldungen erlafjen worden, Das 
Geiek vom 13. Dez. 1889 regelt die Beihäftigung 
und den Schuß der finder, der hu endlichen Arbeiter 
unter 16 Jahren und der weiblichen Arbeiter unter 
21 Jahren. Das geringfte Alter bei der Beſchäfti— 

ung von Rindern iſt 12 Jahre; die Dauer der 
rbeitzeit beträgt für Kinder, jugendliche Arbeiter 
unter 16 Jahren und weibliche Arbeiter unter 
21 Jahren 12 Stunden einfhließlih 1%, Stunde 
Ruhepauſen. Nachtarbeit von 9 Uhr abends bis 
6 Uhr morgens ift verboten. Seitdem bat die F. 
erhebliche a in verjchiedenen Richtungen 
gemadht. 21. Sept. 1894 wurden bie bygtei: 
niſche Beichafienheit ver Betriebsftätten, am 22. Dit. 
1895 die Arbeitsinfpeltion neu geregelt. Am 17. Juni 
1896 wurden die biöberigen Beitimmungen über 
Lobnzablungen ergänzt und am 15. Juni 1896 ber 
Erlaß ſchriftlicher Arbeitsordnungen obligatoriſch 
— — In Holland iſt 5. Mai 1889 ein Geſetz, 
treffend Maßregeln zur Berbinderung übermäßt: 
und gefährlicher Arbeit von jungen Leuten und 
auen veröffentlicht worden. Zu ihm hat ih am 
20. Juli 1895 ein Gejek gejellt, das aud ben er: 
wadjenen männlihen Arbeitern Schuß verleibt, 
vorläufig in jolhen Fabriten und Werkftätten, in 
denen eine Kraftmaſchine benust wird, oder in denen 
in der Regel mindeſtens 10 Leute arbeiten. — In 
Italien ift wenigſtens die Kinderarbeit durch 


25 


386 


Geſetz vom 11. Febr. 1886 geregelt und durch Geſetz 
vom 17. März 1898 find Beitimmungen zur Unfall: 
verhütung getroffen, ſowie die Unfallverfiherung 
vorgefchrieben. — Bon den ſtandinav. Staaten bat 
Dänemarleine F. bereit3 1873 erhalten und durch 
das Unfallverbütungsgeieß vom 12. April 1889, 
fowie dur ein Sonntagärubegejeß vom 3. April 
1891 ergänzt. Ein Gejek vom 30. März 1901 er: 
goht ferner das gejerlihe Mindejtalter für die 

eſchäftigung von Kindern in Fabriten auf das 
12. Lebensjahr und ſchafft ug Hei andere Ber: 
bejierungen. Schweden bat jeine Gejehe vom 
18. Nov. 1881 und 10, Mai 1889 durch ein Kranken⸗ 
verſicherungsgeſetz vom 10. Dit. 1891 vervollitän: 
digt, außerdem durch den Zufaßartifel vom 13. Dez. 
1895 die Beitimmungen des Schußgefetes von 1889 
mit gewiljen Einſchraͤnlungen auf ftaatliche und Ge: 
meindebetriebe ausgedehnt. Norwegen bat mit 
dem Gefeg vom 27. Juni 1892 den erften Schritt zur 
Regelung der Arbeiterverbältniffe getban, 1894 ein 
Unfallverfiherungsgeieß erlaflen und 1897 die Ar: 
beitözeit in Bädereien geregelt. — In Finland iſt 
ein neues Arbeiterfchußgejeh 1. Jan. 1890 in Kraft 
getreten. — In Rußland ift 1. Juni 1882 ein Gefeb 
erlafien, das die Beihäftigung von Kindern unter 
12 Jahren allgemein, die von jugendlichen Arbeitern 
im Alter von 12 bis 15 Jahren in beftimmten Kate: 
gorien von Yabrifen verbietet und deren Arbeits: 
jeit in den peitgn Betrieben auf 8 Stunden 
täglich befchräntt. Das Gefeß vom 12. uni 1884 
befaßt ſich bauptiählihb mit der Regelung des 
Schulunterrichts Minderjäbriger, die in Fabriken 
arbeiten. Ein drittes Gejek vom 3, Juni 1885 be: 
trifft das Verbot der Nachtarbeit von jugendlichen 
Arbeitern bi 17 Jahren und von frauen. Ein 
Geſetß vom 24. Febr. 1890 ſetzt an die Stelle der 
durch die vorbergebenden Gejehe nur als zeitweiie 
geltend gefchaffenen dauernde Beitimmungen und 
die Novelle vom 8. Juni 1893 hat fie erweitert. Ein 
neues Gejeß vom 14. Juni 1897 über die Dauer und 
Verteilung der Arbeitäzeit in Fabriten und Berg: 
werten jegt Sonntagdrube und Marimalarbeitstag 
von 11?/, Stunden für Männer feft. — In Rumä: 
nien regelt das gemeine Recht, d. b. der bort reci⸗ 
—— Code Napoléon, die Beziehungen zwiſchen 

nternebmer und Arbeitern. — Weiter als irgend ein 
anderer Staat, inäbefondere in der Regelung der Ar: 
beitäzeit, ker Schweiz mit ihrer F. vorgegangen. 
Nachdem bereit? mebrere Kantonalgeſeße in Fehr 
liberalem Sinne erlafien worden maren, kam 
23. März 1877 ein Bundesgeſetz zu ftande, das 
neben vielen andern wichtigen Beitimmungen über 
die Ginrihtung der Fabriten, die Haftpflicht der 
Unternehmer u. f. w. in betreff der Arbeitsdauer 
feftiegt, daß dieſelbe auch für erwachſene Arbeiter, 
abgejeben von befondern Ausnahmefällen, vie 
Dauer von 11 Stunden und an den Vorabenden ber 
Sonn: und Feſttage die von 10 Stunden nicht über: 
fchreiten fol. Nachtarbeit ift nur ausnahmsweiſe zu: 
läſſig, Sonntagsarbeit nur in ſolchen Betrieben, die 
ibrer Natur nad nicht unterbrochen werben können. 

rauen dürfen nachts und Sonntags unter leinen 

mitänden beichäftiat werden, Wöchnerinnen find 
vor und nad ihrer Niederfunft im ganzen wenig: 
ftend acht Wochen von der Arbeit ausgeſchloſſen. 
Kinder dürfen in Fabriken vor dem zjurüdaelegten 
14. Lebensjabreüberhaupt nicht arbeiten und bis zum 
vollendeten 16. Jahre mit Arbeit und Schulunter: 
richt im ganzen nur 11 Stunden täglich beſchäftigt 


Fabrikgold — Fabrikinſpektor 


werden. Neuere Kantonalgeſetze (insbeſondere in 
Glarus vom 8. Mai 1892 und Zürich vom 18. Yuni 
1894, dann Solotburm und ) baben dieien 
bundesgeſetzlichen Arbeiterſchuß noc fortgebilvet. 
den Bereinigten Staatenvon Amerila 
bat die Bundesregierungnod kein einbeitlicbes Geien 
egeben, dagegen findet man im Gegenjak zu den 
üdftaaten in Neuporl, Obio, Maine, New:Hamp- 
fhire, Vermont, Mafjahufett3, NRbode : Jsland, 
Eonnecticut eine recht entwidelte Gejergebung. 
Da die Induſtrie eined Landes, das die unbe 
ſchränkte Ausnutzung der billigen Kinderarbeit und 
bes jtebenden Kapital der Fabriken geftattet, in 
der internationalen Konkurrenz mit den durch eine 
ftrenge Gejeßgebung in diejer Beziehung beſchränk⸗ 
ten Fabrilen eines andern Yandes einen Vorſprung 
befißt, jo iſt es begreiflih, daß der Gedanle einer 
internationalen F. angeregt worden ift. Es ging 
daraus die 1890 In Berlin zufammengetretene Ar- 
beiterjhußtonfereng (j. d.) bervor, deren Ergebnijie 
aber nicht weiter verfolgt wurden. Ein Arbeiter: 
huslongreß, der 1897 vom ſchweizer. Arbeiter: 
tand nad Zürich einberufen wurde, fuchte die inter: 
nationale Beritändigung auf privatem Wege ber: 
beizufübren. infolge diefer Anregung wurde 1900 
in Baris eine internationale Bereinigung für geieh- 
lichen Arbeiterjhuß begründet, und von diefer 1901 
in rg ein internationales Arbeitsamt eingerichtet. 
Bol. Bücher, Zur Geſchichte der internationalen 
. (in den «Deutiben Worten», 1898); Rojenberg, 
Zur Arbeiterſchutzgeſetz | in England CLpj. 
1895); Die F. des Hufen Reichs (2. Aufl., Riga 
1895) ; Frantenftein, Der Arbeiteribus, feine Tbeo- 
rie und Praxis (Lpz. 1896); Ehalley:Bert und Fon: 
taine, Lois sociales (in «Recueil des textes de la 
lögislation sociale de la France», Par. 1896): 
Gaire, La lögislation sur le travail des femmes et 
des enfants (1896); Lohr, Laws of the United 
States (1896); Herkner, Die Arbeiterfrage (2. Aufl., 
Berl. 1897); Schönberg, Handbuch der polit. Okono⸗ 
mie, Bd. 2 (4. Aufl., Züb. 1898); Artikel Arbeiter: 
ſchußgeſetzgebung im «Hanbmörterbuch der Staatd- 
wifjenfchaften», Bd. 1 (2. Aufl., Jena 1898); Herz, 
Der gegenmärtige Stand und die Wirkjamteit der 
Arbeiterſchußgeſetzgebung in Öfterreih (Wien 1898); 
Evert, Der Arbeiterſchuß und jeine Entwidlung 
im 19. Jahrh. (Berl. 1899); derj., Handbuch bes 
—— Arbeiterſchutzes (ebd. 1900); Karpeles, 
ie engl. Fabrilgeſetze (ebd. 1900); von Zanten, Die 
— — gebung in den europ. Staaten 
ab * —— (Jena 1901). 
abrikhygieine, — Hpgieine, 
abrikinduftrie, ſ. Jabrit. 
abrifinfpeftor, Name von Beamten, die aus: 
fchlieglich oder neben den örtliben Polizeibehörden 
mit der Überwadhung der Ausführung der auf die 
Arbeiter bezüglichen Beitimmungen der Fabrilgeſeß⸗ 
aebung (f. d.) betraut find. Solche Beamte wur: 
den zuerſt durch dad engl. Fabritgejek von 1833 eins 
geſeßt, und ibre Stellung iſt jeitvem in England 
immer wichtiger und einflußreicher geworden. — In 
Preußen wurden fie unter vemTitel Gemerberat 
dur das Gejeh vom 16. Mai 1853 ins Leben ge 
rufen. In der Deutſchen Gewerbeordnung 
fand die Fabrikinſpeltion zunädjt durch die Novelle 
vom 17. Juli 1878 und neuerdings in dem Geſen 
vom 1. uni 1891 eine Stelle ($.139b). Tie Aut: 
fiht der F. erſtredt ſich hiernach nicht bloß auf vie 
Berbältniffe ver Fabrilarbeiter (Arbeitsordnungen, 


Fabrikkaſſen 


Irkiterausfchüfie,, Beſchäftigung von Kindern, 
nungen Leuten und Frauen), Au auch auf die 
Ausführung der Beitimmungen über Sonn: und 
deietiags arbeit und Herſtellung der nötigen Ein: 
nötungen im Intereſſe ver Gejunpheit, Sittlichkeit 
und des Lebens aller gewerblichen Arbeiter, mes: 
halb vie F. nunmehr in den einzelnen Bundesitaaten 
meilt andere Namen erbielten (in Bayern feit 1892 
Fabrit: und Gewerbeinfpeftoren). In mehrern Staa: 
ten find neue Dienjtanmweifungen erlafien, jo in 
Preußen 1891 und 1892, in Bayern, Sadfen und 
Dürttemberg 1892. Für die Beitimmungen über 

abritarbeiterinnen find in manden Staaten (in 
Arantreih jeit 1874, in —— ſeit 1893, in 

ayern, Heſſen und Sachſen-Weimar ſeit 1896, in 
Wurttemberg, Baden, Königreich Sachſen und 
Preußen ſeit 1900) weibliche F. oder wenigſtens 
weibliche Aſſiſtenten angeſtellt. Ferner werden 
zum Zwede einheitlicher Geſtaltung der Inſpektion 
nad djterr. Muſter von Zeit zu Zeit —— 
der F. der einzelnen Staaten abgehalten. Wejent: 
lich ergänzt wird der Zweck der F. dann nod dur 
die Thätigleit der jog. Beauftragten (f. 2) der Be: 
rufsgenojlenihaften. Den F. jteben alle ehugnife 
der spolizeibebörbe und namentlich das Recht 
der Revifion zu jeder Zeit zu. Die amtlich zu ihrer 
Kenntnis gelangenden, nicht gejeswidrigen Ge: 
ſcheifts⸗ und Betrieböverbältnifje der Fabrıten find 


fie gebeimzubalten verpflichtet. Die Zahl der im 
Deutſchen Rei 1897 vorhandenen ae lehe 
fichtsbezirte betrug 75 mit 284 Beamten, einichließ: 


lich der Hilfäbeamten, 1899 belief jih das Perſonal 
auf über 300. In Preußen ift bei jeder Regierung 
im der Regel ein Kegierungägemerberat an: 
eftellt; jeder Nenierungsbezirk wiederum zerfällt in 
nripeftionsbezirte, und für jeden dieſer legtern ift 
eın Gemwerbeinjpeltorernannt. Während früher 
die Behörden bei der Bejegung der Stellen ziem: 
lich freie Hand batten, ift nad der preuß. Vorbil: 
Bungs- und Prüfungsordnung vom 7. Sept. 1897 
für den Gemwerbeaufjichtödienft ein dreijäbriges tech— 
nijches und 1", jähriges Studium der Rechts- und 
Staatäwijjenihaften und die Ablegung einer Prüs 
fung erforderlid. — In England waren 1899 in 
der Gemerbeaufficht 132 Berfonen, darunter 7 weib: 
liche, unter einen Hauptinipeltor thätig. — In 
Srantreih wurden die Arbeitsinfpeltoren 
durch Gejeg vom 19. Mai 1874, nah weldyem das 
Sand in 15 Inſpeltionsbezirke geteilt wird, einge: 
führt; durd Detret vom 27. März 1885 wurde ibre 
[ auf 21 erhöht. Das Geſetz vom 2. Nov. 1892 
ſowie die Dekrete vom 13. Dez. 1892 und 18. Dez. 
1893 haben eine wejentlih andere Ordnung einge 
führt. Sekt giebt es 92 Departementsinfpeftoren 
(darunter 16 weibliche) und 11 Dberinfpeltoren (in- 
specteurs divisionnaires) als Auffihtsorgane über 
erftere. — Die ganze Schweiz iſt durch Fabrikgeſet 
vom 23. März 1877 in 3 Inſpektionsbezirle geteilt; 
3 Infpeltoren mit je 2 Afiftenten bilden das Auf: 
fibtsperfonal. Die Initrultion vom 18. Juni 1883 
regelt die Stellung, dieſer Beamten. — In Oſter— 
reich wurde ein F. für Niederöfterreich bereits 1772 
tingeiegt, aber Ende ber — ahre des 
18. Jahrh. wieder aufgehoben. Erſt das eich vom 
17. Juni 1883 ſchuf die gegenwärtige Inſtitution 
der Gewerbeinfpeltoren, deren hätigteit, mie 
ibon ibr Name f agt, ebenfalls nicht bloß Fabrilen, 
ei in der Regel alle ver Gewerbeorpnung 


unterliegenden Unternehmungen des betreffenden 


387 


Bezirks umfaßt, wozu nad bejonderer Beitimmung 
die ftaatlihen Tabakfabriten, Privatpulverwerte 
und mit Arbeitsmaſchinen ausgeftatteten gewerb⸗ 
lihen Lehranſtalten fommen. Nach dem Unjall: 
verjiherungsgeieß vom 28. Dez. 1887 find fie fer: 
ner an der Unfallerhebung beteiligt. Derzeit be: 
ftehen 17 Auffi 
Spiße ein Braga jtebt. Yür die 
Ausführung der öffentlichen Vertebrsanlagen ift ein 
eigener Gewerbeinſpeltor beitellt. In Ungarn find 
8 Gewerbeinſpektoren und 2 Hilfsinipeltoren tbätig, 
in Bombay in Indien ein 5. Auch Rußland, Sta 
lien, Dänemart, Schweden, Norwegen, Belgien, 
Holland und eg bejißen das Inſtitut der 
Arbeitsinipeltoren. — gl. Quard, Zur äußern Ge: 
fhichte der 5. in Deutichland (Frankf. a. DI. 1886); 
deri., Die Gewerbeinſpeltion in Deutichland, Eng: 
land, Frankreich, Öfterreich u. f. m. (Nürnb. 1896); 
Brauns Arbiv für fociale Gejeßaebung (Berlin, 
jeit 1887); Weyer, Die engl. Fabrikinſpeltion (Tüb. 
1888); La Motte, Die deutſche Fabrikinipeltion 
(Sonderburg 1891); Franlenftein, Die deutiche 
BERN und ibre Reform (Münd. 1892); 
ahmann, Der Fabritenrevifor (Dresvd. 1893); 
Plotke, Die Gewerbeinſpektion in Deutſchland (Berl. 
1899); Artitel Gewerbeinipeltion im «Handmwörter: 
buch der Staatswifjenfhaften», Bo. 4 (2. Aufl., Jena 
1900) fowie im «Dfterr. Staatswörterbuch», Bd. 1 
(Wien 1895). — Zeitichrift: Revifionsingenieur 
und Gewerbeanmalt (Berl. 1902 fa.). 
— Betriebs-, Werk-, Haus— 


tsbezirke mit 48 Beamten, an deren 


kaſſen, Bezeihnung für Hilfs: und Unterjtügungss 
taflen verſchiedenſter Art, welche ausschließlich für 
die Arbeiter einer Fabrik oder eines jonftigen Be: 
triebes von dem Unternehmer errichtet und in der 
Kegel auch verwaltet werden. Sie baben ihre 
Hauptbedeutung für die geſetzliche Krantenverfiche: 
rung, für deren Bereich ſie die befondere technische 
Bezeihnung «Betriebs:(Fabrik-)Rrantentafien» er: 
balten haben. Die Fabritkaſſe gebört zu den fog. 
re Kranlenlaſſen und tritt —— 
neben die Ortäfrantentajjen (f.d.). Die wichtigſten 
Vorichriften des Gejekes über die F. ($$. 59— 
68) find folgende: Ein Unternehmer, welcher 50 
oder mehr dem Krankenverſicherungszwange unters 
liegende — beſchäftigt, iſt berechtigt, eine 
air e a errichten, und er fann dazu unter 
eitimmten Borausfegungen durch Anordnung der 
böbern Verwaltungsbehörden verpflichtet werben, 
zumal wenn der Betrieb mit bejonderer Krantheits: 
efahr verbunden ift. Der Beitritt ift für die in dem 
Betriebe beihäftigten Berjonen obligatorisch, fofern 
fie nicht nachweislich Mitglieder einer Die Mindeſt⸗ 
leiftungen gewährenden eingejchriebenen oder lan: 
desrehtlich begründeten Hilfskaſſe find; ſolchen Ber: 
fonen, die den genannten Kaſſen angehören, ift 
am Jahresſchluß der Austritt aus der Fabrillaſſe 
u gejtatten. F allgemeinen finden die auf die 

rtstrankentaſſen bezüglichen Vorſchriften auch auf 
die F. Anwendung; für die letztern gelten aber, teils 
fafultativ, teils obligatorifch, Beitimmungen, welche 
einerjeit3 eine bevorzugte Stellung des Unterneh: 
mers begründen, andererſeits deſſen Verantwort: 
lichleit erböhen und die behördliche Kontrolle vers 
ftärten. So kann durch das von dem Unternehmer 
u errihtende Kafjenjtatut demjelben oder einem 
Vertreter der Borfik im Voritande und in der Ges 
neralverjammlung ein für allemal übertragen wer» 
den; jedenfall erfolgt die Rechnungs- und Kaſſen⸗ 

25 * 


388 


führung immer unter Berantwortlichleit und auf 
Koſten des Betrieböunternehmers dur einen von 
demjelben (aljo nit von den Mitgliedern) zu bes 
ftellenden Rechnungs⸗ und Rafjenfübhrer. Die Fabrik: 
tafle ift unter anderm zu fließen, wenn der Unter: 
nehmer es unterläßt, für urbnungsmäßige Kaſſen⸗ 
und Rebnungsführung zu forgen. 
Ültere F., auch wenn fie neben der Kranten und 
Begräbnisunterftügung Invaliden:, Witwen: oder 
Baifenpenfionen gewährten, gelten feit dem Erlaß 
des Krankenverſicherungsgeſeßes als Betriebs⸗Fa⸗ 
bril:)Rrantentafien ug ri des Geſetzes, welchem 
ſie ihre Statuten anpaſſen mußten; dabei mußten 
die Invaliden⸗, Witwen: und Waijenpenfionen ab: 
ezweigt und entweder einer beſonders zu bildenden 
enfionslaffe übertragen, oder in einem bejondern 

ale abgefondert verwaltet werden (Rrantenver: 
Bean eſes $. 86). 

Eine befondere Art der Betriebötaflen regelt das 
Rrantenverfiberungsaefek unter dem Namen Baus 
trantenlaflen (f. d., Bd. 17). : 

Auf dem Gebiet der Unfallverfiherung bat die 
Berriebstrantentaffe vor andern Krantenlaflen vor: 
aus, daß ihre Vorftände gegen die der Kafle an: 
gehörigen Arbeiter Strafen wegen Berlekung ber 

nfallverhütungsvorfhriften verbängen können, 
Auf dem Gebiet der Invaliditätd: und Altersver: 
fiherung bleiben folde DR welche nah Maßgabe 
ihrer Statuten Invalidenbeneficien gewähren, neben 
ben geſetzlichen Verſicherungsanſtalten beſtehen. 
Grobe Kaſſen dieſer Art können, wenn fie die erfor: 
derlihe Garantie bauernder, unbedingter Leiſtungs⸗ 
* bieten, vom Bundesrat zur ſelbſtändigen 

urchſuhrung der Verſicherung zugelaflen werden 
und treten dann in die Gejamtorganifation derge⸗ 
er daß fie ein Gegenſeitigleitsverhältnis mit 

erfiherungsanftalten eingeben und daß ibre Mit: 
glieder von der Zugebörigteit zur allgemeinen terri⸗ 
torialen Verfiberungsanitalt befreit find (Invali— 
pe eſeß 88. 8—10). Dies bat aber 
jajt ausſchließlich auf die Kaſſen der großen fißla- 
lichen Eijenbahnverwaltungen, außerdem nur nod) 
auf einzelne Knappſchaftslaſſen Anwendung gefun: 
den. Andere F. gelten fortan als jog.«Zufhußlafjen», 
dv. b. ihre Mitglieder müflen zwar, wie andere Ber: 
ſicherte, in die allgemeine territoriale Verſicherungs⸗ 
anjtalt eintreten, die Fabrillaſſe gewährt ihnen aber 
auberdem die ftatutarifchen Bezüge weiter. Jedoch 
können deren Leiftungen und Beiträge berabgeht 
werden (Invalidenverſicherungsgeſeh & 52). Zur 
felbitändigen Durchführung der gefeglichen Berficbe: 
rung find 5. ſchon um deswillen ungeeignet, weil 
dus Recht auf die Kaſſenleiſtungen meiſt an die Fort: 
dauer der Beichäftigung in der Fabrik gefnüpft ift, 
lekiere aber nicht dauernd geſichert ift. 

Neben den eigentlihen Kranfen: und Penfions: 
taflen beiteben in manchen Betrieben noch GErtra 
unterjtübungstafien, welche aus den Strafgelvern 
der Arbeiter, gg der Arbeitgeber, Ber: 
mächtniſſen u. |. m. gebildet find. [nung. 

abrifordnung, N Habril: und Werkſtattord⸗ 

abrifpflanzgen, Induſtriepflanzen (f. d.). 

abrifrat, in firhlicer Hinficht, ſ. Kirchenfabrik. 
fiber die vollöwirtichaftlihe Bedeutung des Wor: 


tes ſ. Arbeiterausſchüſſe, Handels- und Gewerbe: | 


lammern. 

Fabrikſchulen, Schulen, die ſich häufig in Ver—⸗ 
bindung mit Fabriken finden zum Zmwede der leich⸗ 
tern Ausführung der Beitimmungen über die Kinder: 





Fabrikordnung — Fabrik- und Werfitattorbnung 


arbeit (f.d. und Fabrikgefeggebung). Aud in Län⸗ 
dern, in denen der allgemeine Schulzwang nit be 
ftand, machte bie Gejepgebung meijtens die Sulalun 
der Kinder zur Yabrılarbeit von dem meis 
eines gleichzeitigen Schulbefuhs abhängig, und das 
führte naturgemäß häufig zur Gründung eigener F. 
So verlangte in England [bon das ritgeieh 
von 1833, daß jedes Kind aus der geihüsten Alters: 
Hafje jeden Montag dem Fabritberrn eine Beicei- 
nigung darüber einreiche, daß es im der vorberge 
gangenen Woche an 6 Tagen mindeitens 2 Stun- 
den täglib Sculunterriht genofien babe. Die 
Fabrilinſpeltoren (f. d.) hatten das Recht, dem Be 
darf entiprechend neue Schulen zu errichten und die 


rare zu beauftragen, von dem Lohne der 
inber zur Zahlung des Schulgeldes tlich 
je einen Benny zurüchzuhalten. Ähnliche Beſtim— 

in dem engl. Fabrik: 


arg finden fib aud 
und Werkitättengejes von 1878. Nah dem franı. 
abrifgejeg vom 29. Dkt. 1892 dürfen Kinder im 
Iter von 12 %. nur dann beichäftigt werben, wenn 
e dad dur Gejeh vom 28. Mär; 1882 einae: 
übrte Schulabgangsjeugnis (Certificat d’&tudes 
rimaires) befisen. Rinder von 12 bi 15 Jabren dür- 
* nur 6 Stunden täglich beſchäftigt werden, fo: 
ange fe nicht ein Zeugnis darüber beibringen, dat 
K den eriten Elementarunterribt genoſſen baben. 
n Deutihland dürfen nad dem Gejek vom 1. Juni 
1891 ſchulpflichtige Kinder überbaupt nicht zur 
abriltarbeit zugelaflen werden, und durch Urts- 
tut können, Tomeit eine ftaatlibe Einrichtung 
diefer Art nicht bereits beſteht, alle Arbeiter unter 
18 Jahren zum Beſuche der Fortbildungsſchulen 
(f. d.) verpflichtet werden (Gewerbeordnung $. 120). 
Fabrikſparkaſſen, vielfah in arößern Unter: 
nehmungen zur Förderung des Sparfinns der Ar: 
beiter gegründete Einrichtungen. An der Bermal: 
tung folder Kaſſen müſſen die Arbeiter beteiligt 
fein, und die Spareinlagen dürfen nit im Ge 
chäft deö Betriebes verwendet werden. Es find 
eſonders folgende Arten von F. zu unterſchei— 
den: 1) Fabrikjugend-Spatkaſſen, die nur für 
minderjäbrige Arbeiter obligatorifh find. 2) Für 
alle Arbeiter obligatoriihe %.; die Spareinlage er: 
folgt entweder als beitimmte Wochenabgabe, für 
die ein Minimum feitgefept ilt, oder als Quote des 
Verdienſtes der einzelnen Arbeiter. 3) F. mit frei: 
williger Benusung. 4) Einrichtungen zur Erleichte 
rung der Benußung öffentliher Spartaflen überall 
da, wo die Unternehmer aus irgend einem Grunde 
eigene F. nicht gründen können oder wollen; die 
Unternehmer vermitteln die Abführung von Spar: 
beträgen an öffentliche Sparkaſſen und ermumtern 
dazudurd Zuſchuſſe. Manche F. ſind jur beſon dere 
beſtimmt; dahin gehören Mietzins⸗ Steuer:, 
uldzins⸗- und Winterbedürfnisſparkaſſen, Spar: 
laſſen zum Zwed der Ausſteuer oder Ausſtattung, 
für die Militärdienſtjahre, die Heirat, ur Erwerbung 
eines eigenen Haufes u. ſ. m. Zablreiche Beispiele 
von F. find angeführt und ausführlich beihrieben in 
den Beitfchriften «Arbeiterfreund» und «Goncorbia>, 
— Vol. auch Meiningbaus, Die focialen Aufgaben 
der inbujtriellen Arbeitgeber (Tüb. 1889); Hise, 
Pflichten und Aufgaben der Arbeitgeber im ber 
Arbeiterfrane (Köln 1888). 
abriftbhram, ſ. Zebertbran. 
abrif: und Werfftattorbuung, Arbeits: 
ordnung, die jcriftlibe Zufammenfaflung der 
Bedingungen des Arbeitsvertrags in einem einzel» 


Fabrikzeichen — Facçade 


sen gidzern Unternehmen. Dieſelbe wird vom Ar: 
keitgeber innerhalb des von der —— 
ihm gelaſſenen Spielraums nach Gutbünten er: 
lajien, ee nah A örung jog- Arbeiteraus: 
khüie (.d.), alfo unter Mitwirkung der Arbeiter. 
Sie ftelt die allgemeinen Normen für die Disciplin 
und die Drganifation der Arbeit auf und enthält in 
der Regel Beftimmungen über Tageseinteilung und 
Arbeitävdauer, fiber Zeit der Abrechnung und Loh⸗ 
nung, über die Befugnifie des Auffichtöperfonals, 
über Sohnabzüge und Strafen bei Übertretungen der 
.u.B,, über Kündigungöfriften und die Fälle jo: 
ortiger Entlafjung ug auch noch über andere 
untte, Es iſt einleuctenv, daß das Zuſammen⸗ 
wirten einer gro Anzahl von Arbeitern ohne 
eine ſolche Strafe dnung und Disciplin nicht mög- 
lich iſt. Doch kann das Übergewicht des Arbeit: 
gebers leicht zu Mißbräuchen führen, z. B. in über: 
mäßigen Gelditrafen, früher auch in dem Trud- 
jtem (f.d.). Das Richtige ift, wenn der Inhalt der 

. u. W. zum Zeil gejeglich beftimmt ift und die F. u. 

. bei Einführung der Volizeibebörde zum Zwecke 
der Prüfung ihrer Gejegmäßigteit vorzulegen iſt. 
Namentlich drei Buntte jollte die Geſetzgebung all- 
emein anordnen: 1) eine Marimalhöhe der Geld: 
— 2) Verwendung der Strafgelder ausſchließ⸗ 
ich zu Gunſten der Arbeiter, etwa zur Unterſtühung 
der Sirfste en; 3) Verbot von Strafbeitimmungen, 
welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verlegen. 
Nur — Länder haben bis jetzt dieſe Politik 
befolgt: die Schweiz, Oſterreich, Belgien und das 
Deutſche Reid in der Novelle zur Gewerbeorbnung 
vom 1. juni 1891. Über die einzelnen Beitimmun- 
en diejer deutjchen Arbeit3orbnung |. Dienftmiete, 
rı der Schweiz ift die 5. u. W. bereits fett 1877 
durch das Gejes vom 23. März geregelt, welches in 
den Hauptpuntten mit dem deutfchen übereinstimmt. 
In Sfterreich zählt $.88a der Gewerbeordnung vom 
8. März 1885 die einzelnen Punkte auf, die in der 
Arbeitäorbnung enthalten fein müffen, verlangt, 
daß jie in — gleichlautenden Exemplaren der Bes 
orde zur Einſichtnahme vorzulegen und in der Wert: 
ätte anzuſchlagen jei. Die Beſtimmung ift obliga- 
toriſch nur für — und Gewerbeunternehmun⸗ 
en, die mehr als 20 Hilfsarbeiter in gemeinſchaft⸗ 
en Lolalen bejhäftigen. In Belgien find dur 
vom 15. Ju 1896 Betriebe mit wenigſtens 
20 Arbeitern zur Aufftellung von Arbeit3orbnungen 
verpflichtet worden. — Bol. Steinert, Normen zur 
gr Sy Aufftellung von Fabritorbnungen 
(Hamb. 1883; 2. Aufl. 1892); von Rüdiger, Weg: 
weiſer zur Auf —— von Arbeitsordnungen (Berl, 
1892); Hibe, Normal-Arbeitsordnung (Köln 1892); 
Artilel Arbeit3orbnung im «Handwörterbuch der 
abninneitun; d.1 (2. Aufl, Jena 1898); 
Koebne, Die Arbeitsordnung vom Standpunkt der 
leihenden Rehtöwifienihaft (Stuttg. 1901); 

Die Arbeit3orbnnungen im deutfchen Gewerbe: 
eichen, |. Marte. [recht (Berl.1901). 

8, Karl, fiebenbürg. Hiftoriter, geb. 

1826 zu Schäßburg in Siebenbürgen, ftubierte 
1848—49 Theologie und Gedichte an der Univer⸗ 
fität Leipzig; heimgelehrt, ahm er die Redak⸗ 
fon des — —— Boten», verlor aber dieſe 
Stelle, weil er fich mit dem aufleimenden polit. 
Abjolutismus nicht befreunden fonnte. Er wurde 
1850 Brofefjor am ymnaſium zu Scäßburg, 
1855 Hilfäpriefter vafelbit, 1865 ordentlicher Alar 
rer zu Apold. Wegen firhlider und polit. Diffe: 


389 


renzen gab er 1879 feine Stelle auf und lebte feit- 
dem ap in Budapeft; 15 Jahre lang war F. 
Mitglied des ungar. Reichstags, wo er fi ben 
ungarnfreundlihen Jungſachſen anſchloß. Er ftarb 
1882 zu Budapeft. Unter 5.3 * Arbeiten ſind 
die bedeutendſten: die Herausgabe der Krausſchen 
Chronik, des «Lirfundenbuchs>, und die Biographie 
des Sachſengrafen Markus Bempflinger. 
—— (lat.) verfertigen, insbeſondere 
durch mechan. Zaulelt erzeugen. 
abry, Wilhelm, ſ. Fabricius Hildanus. 
abryſches Wetterrad, ſ. Kapſelräder. 
abüla (lat.), Fabel (j.d.), Schauſpiel; F. docet, 
die Fabel lehrt, die Moral von der Geſchichte iſt; 
F. oder Comoedia palliäta, togata u. ſ. w., ſ. Co- 
moedia; fabulieren, fabeln, Erdichteles erzählen; 
Fabuliſt, Fabeldichter; fabulds, (beat, 
Fabvier (I: fawwieh), Charles Nicolas, Baron, 
franz. General, beſonders befannt als Bhilbellene, 
geb. 15. Dez. 1783 zu Pont: Mouflon in Lothrin⸗ 
en, trat 1804 aus der Polytechniſchen Schule ala 
ifiier in die franz. Artillerie, wurde 1807 von 
Napoleon nad der Türkei gefandt, um Konftantis 
nopel gegen die Anjchläge der Engländer zu bes 
feftigen, und begleitete dann den General Garbanne 
nad Perfien. Nach feiner Heimkehr trat F. 1809 
als Kapitän in die Faiferl. Garde und begleitete 
1811 als Adjutant den Herzog von Ra F (Mars 
a) nah Spanien. Während des Feldzugs in 
Sadjen 1813 wurde er Oberjt im Generalitabe und 
nad der Schlacht bei Leipzig Stabschef bei den 
vereinigten Trümmern ver e J Armeekorps. Im 
—— e von 1814 rettete ſein Eingreifen am Abend 
des ——— von Laon, 9. März, den geſchlage⸗ 
nen Heeresteil Marmonts. Während der Hundert 
Tage ftellte ſich $. in Lothringen an die Spipe eines 
Streifforps, weshalb er nach der zweiten Reftauras 
tion außer Thätigleit gefeßt wurde; doch warb er 
1817 wieder ald Stabschef unter Marmont zur 
Unterbrüdung der von den Ultraroyaliften erregten 
Unruben nad) Lyon entjendet. Zur Aufllärung jener 
Vorfälle veröffentlichte er vie Schrift «Lyon en 1817» 
BAR. Par. 1818). 1823 bot er den Griechen feine 
ienjte an, Er erwarb fi durch Disciplinierung 
des griech. Heers große Verdienſte, nabm aber ins 
folge des Mißtrauens und der Eiferfucht der griech. 
— die ihm die UÜbergabe der Alropolis von 
then 1827 zur Laſt legten, im Sommer 1828 feine 
—— und kehrte nach Frankreich zurück. Von 
dort aus begleitete er im November die Ing: Er: 
pebition nah Morea, nahm an der Julirevolution 
von 1830 den thätigften Anteil und wurde zum Chef 
des Generalitabes der Parifer Nationalgarde er: 
nannt, legte jedoch 1831 feine Stelle nieder. Nach 
ber Revolution von 1848 wurde F. ald Gefandter 
nad Konitantinopel gefhidt, 1849 aber in bie 
Legislative gewählt, wo er mit den Konſervativen 
ftimmte, F. trat auch 1849 im Kriege gegen Schles- 
wig⸗Holſtein auf kurze Zeit in dän, Dienfte. Er ftarb 
15. Sept. 1855 zu Paris. F. veröffentlichte unter 
anderm ein «Journal des op6rations du 6° corps 
pendant la campagne de 1814 en France» (Bar, 
1819), — Bol. Debivour, Le général F., sa vie 
politique (Bar. 1904). u 
Facade (kr, ipr. vepb), Dellode, Schau: 
feite, die äußere Anficht eines Gebäudes oder deren 
eometriſch gezeichnete Darftellung. Man unters 
(dee Haupt: oder —— Seitens, Hinter: 


acade u. ſ. w. Weil indes an vielen Gebäuden, bes 


390 


fonder& menn fie in geſchloſſener Reibe an einer 
Straße fteben, nur eine Anſicht architeltoniſch aus: 

ebildet werben kann, nennt man diefe, in welcher 
ſich gemöbnlich der Haupteingang befindet, vorzugs⸗ 
weile %. Die F. ift gleichſam der Ausdrud des gan: 
zen Gebäudes und muß desbalb in ftreng organiſcher 
Verbindung mit dem Gebäude fteben. Von befon: 
derm Einfluß auf die Geftaltung der F. ift daher die 
Anzabl und Höbe der Stodwerle, deren Fußböden 
oder Ballenlagen nah außen durch Gurtgefimje 
Zwiſchengeſimſe) gelennzeichnet werden; ferner die 
innere Einteilung, welche bei größerer Ausdehnung 
ver F. durch Bor: und Rüdlagen (Nifalite) ausge: 
ſprochen wird; bierdburd läßt ſich eine wohlthuende 
Unterbrechung der einförmigen glatten Außenwand 
erreihen. Die Größe, Verteilung und arditel: 
toniſche Ausſtattung der Fenſter bilden meiter ein 
wirlſames NAusdrudsmittel des Stild und Ebaral: 
terö einer F. Hierzu lommen entſprechende Hori: 
jontal- und Bertilalteilungen der äußern Wand— 

äche durch geeignet profilierte Sodel:, Gurt-, 

rüjtungs=, Kämpfer: und Hauptgefimje einerjeits 
und durd Säulen: oder Bilafterftellungen, Lifenen, 
Wandſtreifen, Quaderungen u. f. m. andererjeits. 
Außerdem werden einzelne Teile der Wandflächen 
durch Ornamentfrieje, Bildbauerarbeit, Malerei in 
Soraflto oder Syresto (f. Delorationsmalerei), ein: 
zelne Öffnungen, wie Portale, Ausfichtsfeniter, 
durch reichere Geftaltung, durch Baltone, Erfer, 
Loggien u. f. m. ausgezeichnet. Bei Kirchen ift F. 
merit die Meitfeite, d. b. jene dem Chor entgegen: 
geiegte Seite, die das Haupttbor entbält. 

Face (fra., fpr. fahß), Geficht, Vorderjeite (f. En 
face). In der Befeitigungstunit find F. die beiden 
Linien einer verteidiaungsfäbigen Dedung, die zur 
Beitreihung des Vorgeländes beftimmt find und 
nad der Front zu einen ausfpringenden Mintel bil: 
den ; fo bei leihen, Lünetten, Baftionen, Kavalieren, 
Ravelinen und Tenaillen. Zur Verſtärkung des 
Frontalfeuerd wurden die F. vielfah durch Eoupre: 

acen, Enveloppen u. |. w. Htodmertartig verboppelt 
f. Sranzöfihe Befeſtigungsmanier). 

aeoos (lat.), in ver Pharmacie Niederſchlag, 
Bodenſaßz; in der Phyſiologie und Medizin die Er— 
tremente (f. d.), namentlich der Darmtot. 

Facetien (lat. facetiae), wisige Einfälle, Scherz: 
reden; befonders Heine jcherzbafte Erzählungen in 
lat. — meiſt ſatir. oder erotiſchen Inhalts, die 
gern auf ein Bonmot hinauslaufen. Die Litteratur 
der F. eröffnete die Sammlung des Florentiners 
—— Bracciolini(ſ. d.), deſſen «Liber facetiarum» 
(Rom 1470) in Deutſchland ſchnellſte Nachahmung 
fand, zuerſt durch Auguſtin Fr. (1486; ba. von 
Keller in der «Bibliothet des Litterariſchen Ber: 
eins», Bd. 118, Stuttg. 1874), dann durd den 
Humaniſten Heinrich Bebel (f. d.); ferner ſammelten 
5. Ottmar Nachtigall (Luscinius, «Joci ac sales», 
Augsb. 1524), Sobannes Gaſt («Convivales sermo- 
nes», Baf. 1540), Nitodemus Friſchlin (f. d.), Otto 
Melander («Jocorum atque seriorum libri II», 
Müblbaufen 1600) u.a. Die deutichen F. pflegen 
minder unzüchtig zu fein als die italienischen, und 
eine ſcharfe Tendenz gegen das lieverliche Yeben 
des Klerus zu zeigen. Aus den %. erwuchſen die 
deutichen Schwantfammlungen. 

Facette (frz., ipr. fah-), Bezeichnung für gewiſſe 
Flächen bei geicliffenen Edelſteinen (ſ. Brillant 
und Gvelfteinichleiferei). 

Facettenange (ipr. fab-), |. Gliederfüßer. 


Face — Fächer 


ach, Abteilung (einer Wiſſenſchaft, eines Regals 
u. |. w.). 5. in der Baufunit, ſ. Fachwert. — In 
der Botanik nennt man 7. die Abteilungen der 
Fruchtinoten, die durch Scheidemände voneinander 
getrennt find; hauptſächlich in Kapieln und Beeren, 
aber aud in vielen andern Früchten findet fi eine 
ſolche Einteilung in 5. vor. Jäcderig nennt man 
demnad diejenigen Früchte, bei denen ſolche Abtei- 
lungen ausgebildet find; auch ſpricht man bäufio 
von fäherigem oder geTadsrten Markt und 
meint damit das Mark mander Pflanzen, das 
zum Teil zeritört wird, und zwar in der Weiſe, 


daß nur noch dünne Gemebeplatten in gewiſſen 


Zwifchenräumen zurüdbleiben, die den Hoblraum 
quer oder der Länge nad burdjegen. — Über F. 
in der Weberei. d. 

Fachapparat, joviel wie Ablegeapparat oder 
Legependel (f. Appretur nebit Tafel: Appretur: 
maſchinen I, ig. 2, und Taf. II, Fig. 2 u. 4), auch 
bei andern Textilmaſchinen dem gleichen Zwede 
dienend. 

Fachbaum, der oberite horizontale Ballen eines 
Webhrs (f.d.). Da feine Höbenlage für die Stauböbe 
bejtimmend ift, wird er gewöhnlich unter Zuziehung 
aller Intereſſenten in einem polizeiliben Berfabren 
geſetzt. In Preußen erfolgt die Sekung des Mert: 
pfahls durch Rommiffionen des Kreisausſchuſſes 
auf Koſten des Antragſtellers nach Ladung aller 

ntereſſenten. Entftebt über die Stauböbe Streit, 

ofann der Merkpfahl proviſoriſch geſetzt werden. Die 

iderſprechenden werden auf den Rechtsweg ver: 
wiejen. Eine Veränderung, Wegnabme, Erböbung 
des F. obne Zuftimmung der übrigen Intereſſenten 
ift nicht geftattet. Wer ein ſolches (oder anderes) 

ur Bezeihnung eines Waflerftandes beftimmtes 

ertmal in der Abficht, einem andern Nachteil zu: 
zufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich madt, 
verrüdt oder fälfchlich fest, fol nah $. 274 des 
Deutihen Strafgeferbubs mit Gefängnis oder 
Gelpitrafe bis 3000 M. beftraft werben. 

Baer f. Faſergebilde. 

ächer, die aus Palmblättern, Bapier, Elfen: 

bein, Federn, Taffeten, Schwanenbaut u. dal. ger 
arbeitete handliche Vorrichtung, mittelö welcher man 
fib Küblung zufächelt oder zufächeln läßt. Der Ge 
braud des F. iſt jehr alt, vor allem machte die 
Hiße des Drients ein —— verſchaffendes In⸗ 
ſtrument nötig; heute findet er bei den kultivierteſten 
Nationen als feinfter Toilettengegenftand , beions 
ders der rauen, wie bei den wildeſten Naturvöltern 
als einfahe Handhabe Verwendung. Bei den alten 
Ügyptern waren nicht nur zierlihe %. aus Federn 
oder Balmblättern im Gebraud, fondern auch große 
Geremonienfäder, die die höchſten Staatöbeamten 
als Zeichen ihrer Wurde trugen. Ebenſo galt auch 
in Aſſyrien und Babylonien der erſte Fächerträger 
als der erfte Mann im Reihe. Mit den Pfauen, 
die im 5. Jahrh. v. Chr. in Griebenland 
zu werben anfingen, famen die F. von Pfauenfedern 
auf. Selbft in der hriftl. Liturgie fanden F. Ber: 
mendung, bei der röm. Kirche bis zum 14. Nabrb., 
bei der artecbiihen und armenifchen noch beute; der 
Papſt wirb bei hoben Feierlichleiten von zwei fächer⸗ 
tragenden Diakonen begleitet. In Stalien und Spa» 
nien gebrauchte man die F. viel früber als in Franl- 
reih und Deutichland, wobin fie erft im 16. Jabrb. 
famen. Aud waren die eriten F. nicht sufammen: 
legbar wie bie jekigen, jondern fie hatten an einem 
Stiel ein bewegliches Fähnlein aus Brokatſtoff, 


Fächerflügler 391 


—— dgl. (f. Fig. 1), oder es befand ſich 


m dm obern Ende des Stiels ein Knopf, ein | K 


‚auch wohl ein Spiegel, rings mit Federn 
umfelt F. Sig. 2). Grit im 17. Jabrh. verfertigte 
many. mit mebrern auf einer Ach — 
teten S en von verſchiedenem Material, den 
jaltiäher. Dieſe Form der F. lam nad Europa 
aus Ehina und Indien. Die geſchnitzten Elfenbein: 
platten oder Holzitäbchen bildeten entweder allein 
den 5. oder fie wurden mit Papier oder Seide über: 
ipannt; auf den Stoff wurden dann ornamentale 
wie Agürliche Scenen gemalt. Die franz. Induftrie 
machte daraus im 18. Jahrh. (f. Fig. 3) einen Gegen: 
hand des Luxus und ber feinften Kunſtarbeit in Perl 





Fin. 2. 
mutter, Elfenbein und Schildkrot, wie aud in Gold, 
Silber und anderm Material. Solche F. jind heute 
geiuchte und teuer bezahlte Antiquitäten. Nachdem 
der F. während der Franzöſiſchen Revolution aus 
der Mode gefommen war, wurde er im 19. Jahrh. 
wieder in Aufnahme gebradt und ift ſeitdem ein 
weſentlicher Beftandteil des eleganten Damenpußes 
geblieben. Gegenwärtig bilbet er einen Hauptzweig 
der Fabrifation won Galanteriegegenftänden, be 
ionders zu Baris. Die gemöbnlicjite jegt verwendete 

form in Euro — die Faltfächer (f. Fig. 8,4, 6), 
velde auf Geh en von Holz, Elfenbein, Schild: 
bs oder Horm in Papier, Seide, Straußenfedern 


geitellt werben. Bejonders beliebt find bemalte | 


; erlage dazu bildet eine gegerbte Schwa: 
Eh bervorragenbe deutiche — 






BE Frang, Yalıta er da. ya he — 
Schale (19. Jahrh.). 


Gebiet der Fäcermalerei find Malart, F. A. von 
aulbah, P. Meyerbeim, ©. Bapperis, Ad. von 
Medel, Ferd. Keller, Franz Simm, San Ewald 
u.a. Bon Japan und Ebina fommen zablloje F. 
bei weldyen bemaltes Bapier über einen gefpaltenen 
Bambusjtab ausgefpannt ift. Dort find dieje F. in 
jedermanns Händen. In Indien fertigt man fie von 
alter her in den verfchiedenften Formen, einfach und 
auch kojtbar (f. Tafel: Indiſche Kunſt I, ng 
und zum Zeil in jehr großen Dimenfionen. — Bal. 
©. Blondel, Histoire des &ventails (Bar. 1875); 
Frauberger, Die Geſchichte des F. (2 Hefte, Lip. 
1878—79); Uzanne, L’&ventail (Bar, 1881); Alt 
und neue F. aus der Wettbewerbung und Ausſtel⸗ 


9 
1 
— 


Mm 
nn‘ 


EI EHER 


ET ag 





lung N Rarlärube 1891 (69 Taf. in Folio, mit Tert 
von Marc Rofenberg, Wien 1892). — fiber ar 


im Bogelauge j. Auge. 

Fächerflägler, Strepfipteren (Strepsip- 
tera), Name einer bödjt merkwürdigen Unter 
ordnung der Inſelten, deren Männden mit rubis 
mentären zeugen, Heinem Vor: und Mit: 
tel-, aber je oßem Hinterbruftringe, kurzen 
ftummelförmigen Flügeldeden, großen und breiten, 
der Länge nad jaltbaren Hint m kurzen, meift 
gabelig re Fühlbörnern verjeben find, wäh: 
rend die Mei ungeflügelt find und wurmäbn: 
lich erfcheinen. Aus den Eiern, welche dieſe Weibchen 

roduzieren, fommen Zaren bervor von ähnlicher 
ftalt wie die fog. Silberfifchchen (f. d., Lepisma) 


ler auf diefem | und mit Springvermögen auögeftattet; dicjelben 


392 


find ſehr Hein, fiedeln fi, wie 3. B. die in der 
achſte henden Figur dargeftellte Art (Xenos ves- 
arum Rossi), bei uns in Europa auf allerlei 

ienen: und Wefpenarten (in tropifhen Län: 
dern auh auf Ameijen und Schaben) an, wer: 
den von bdiejen in deren Brutftätte getragen, 
bohren fi bier in eine Larve der betreffenden je 
jettenart ein, häuten fih und werden zu fußlojen, 
walzenförmigen Maden, die fi auf Koften ._ 
Wirtes ernähren und im Wachstum mit demfelben 
leihen Schritt halten, ſo daß beide Larven zu glei 

er Zeit fi verpuppen, wobei der Gaſt ſich mit 
einem Körperhinterende zwiſchen die Bauchringel 
eines Wirtes bindurh nah außen vordrängt. 

ird die Buppe des Wirtes zur Imago, fo wird 
es auch die des Schmarogers, aber die durch Para⸗ 
ſitismus fo hochgradig degenerierten Weibchen blei⸗ 
ben an Ort und Stelle und werden von den im 
Frühling bei Sonnenſchein lebhaft herumſchwär— 
menden Männchen begattet. Aus den Eiern, die 
im weiblichen Körper allenthalben in großer Zahl 
eritreut liegen, entmwideln fih im mütterlichen 
eibe felbft die Larven, die dann durch —— 
Rohren nah außen auf Blüten und von dieſen auf 
die geeigneten Hautflügler und fomit indireft in 





das Neft des Wirtes gelangen, oder aber aud 
um Neft ſelbſt austrieben und io an die Larven 
maden. Eine andere Art, den ſchwarzen F., Sty- 
lops aterrimus, zeigt TR Zuchtwahl U (Ge 
ihlechtliche Zuchtwahl), ig. 7a und b, beim Ar: 
titel Zuchtwahl. Die 5. bilden nur eine Familie, die 
Stylopiden, und man nennt mit ihnen bebaftete 
Infelten ftolopifiert. Die foftematijche Stellun 
der F. ift nod nicht ganz Mar: der Entdeder Roi} 

ellte die Tiere zu den Hautflüglern, Lamard zäblt 
ie zu den liegen, Gerftäder reiht fie den Nepflüg: 
ern an, während Burmeifter, Schaum, Lacordaire 
u.a. in ihnen dur Barafitismus umgebilvete Käfer 
feben, die aus andern Käferformen mit Hypermeta: 
morpbojfe (f. Metamorphofe) hervorgegangen find. 
Manches in der te biefer Snfehten, über 
die hauptjählih MW. Kirby, K. Th. von Siebold, 
Weſtwood u. a. ſchrieben, ift noch lange nidt er: 
tannt und fichergeitellt. 

Fächerform der Obſtbäume, j. Objtbaum: 
formen nebft Tafel, Sig. 8. 

Fächerförmige Echichtenftellung, in ber 
Veologie eine Stellung der Schichten, die durch 
itarle Zufammenpreflung von Scictenfalten in 
folge feitlihen, gebirgsbildenden Drudes, alfo ho: 
rizontalen Schubes, entſteht. Es fallen dann auf 
beiden Seiten einer Centralzone von ältern vertital 
itehenden Schichten die jüngern unter die ältern ein. 
F. ©. findet ſich öfters in den Alpen, z. B. an den 
og. Eentralmafjiven des Montblanc, St. Gotthard, 

Fächergewölbe, Baumert, ſ. Gewölbe. 


Fächerform — Fachſchulen 


Fächerkorallen, wirbelloſe Tiere, ſ. Colente⸗ 

raten (nebſt Taf. I, Fig. 5) und Oltaltinien. 
cherpalme, tropiihe Pflanze, ſ. Corypha; 

aud joviel wie Weinpalme (f. Borassus). 

Fäcderpapagei (Deroptyus accipitrinus L.), 
ein 27 cm langer, etwa 40 cm llafternder Bapageı 
von Guayana, Surinam und Rorbbrafilien. Ober: 
feite grün, an der Unterfeite find die rot 
mit ftablblauem Rande. Die Federn des Hinter: 
kopfes und Nadens find verlängert, duntelblutrot 
mit blauer Spige und bilden eine aufrichtbare 
Krauje. Diejemertwürdige Bapageiform iſt in Tier⸗ 
gärten noch jebr jelten vertreten. 

Fächerſchwänzer, alle lebenden Bögel, weil 
ihre Schwanzfedern im Gegenfaß zu denen des aus: 
gen Archaeopteryx (j. d.) bei verfürzter 

wanzmwirbeljäule fächerförmig angeordnet find. 
ächertauben, ſ. Kronentaube. 
ächerthor, ſ. Schleuſe. 

‚ Fäoheux (fr;., ſpr. fajhöh), ärgerlich, verdrieß⸗ 
lih, beſchwerlich fallend; fahieren, erzürnen; 
ſich fädieren, ärgerlich werden. 

—340 ſ. Fachwerk. 
achingen, Dorf im Unterlahnkreis des preuß. 
Reg.:Bez. Wiesbaden, bei Diez, linls an der Lahn 
und an der Linie Oberlabnftein:Weplar der Preuß. 
Staatöbahnen, bildet mit dem Dorfe Birlenbad 
eine Gemeinde von (1900) 173 meift fath. €. und ift be 
kannt durch das 1745 entdedte Fachin ger Waſſer. 
Diefes entipringt dicht am Ufer der Lahn in meb: 
rern Quellen (jeit 1886 neu gefaßt) und gehört zu den 
tärfiten allaliſch-ſaliniſchen Rineralwäſſern Deutſch⸗ 
ands; es enthält 3,75 Promille doppelttohlenjaures 
Natron, hat eine Temperatur von 10° C., einen ange: 
nehmen erfriſchenden Geihmad und viel Koblenjäure 
(jährliche Verſendung 500 000 Krüge und Flaſchen). 
8 wird gebraucht gegen Schleimanhäufungen in 
den Unterleibsorganen, gegen Blajentrankbeiten, 
Harnfteine, Giht, Magen: und Darmirankbeiten. 
Die Brunnenverwaltung ift föniglih. In der Näbe 
roße De Ks und Cifenjteingruben von 
rupp in Ejjen. Von der Schaumburg ber führt 
die Fachinger Eifenbahnbrüde über die Lahn und 
jenfeit der Fachinger Tunnel (426 m) nah a. — 
Val. Pieifter, Das Mineralmafier von F. (2. Aufl., 
Wiesb. 1894). j 
gg iger ſ. Fachſyſtem. 
achr al:din al:Räzi, Mohammed ibn’ 
Omar, aud Ibn al:Chatib genannt, mohammed. 
Philoſoph und Theolog, geb. 1149 zu Rajj, geit. 
1210 in Herat. Sein größtes und berübmtejtes 
Merk ift der große Koranlommentar «Mafätih al- 
der vieljeitigfte unter ben vorbandenen 
ommentaren, eine wabre Encyllopädie aller auf 
diefem Gebiete bis zum 12. Jahrh. — Vor⸗ 
arbeiten (beſte Ausgabe, 6 Bde., Bulak 1278 der 
Hidſchra; nochmals gedrudt ebd. 1289 der Hidſchra). 
Fachfchulen, im weitern Sinne im Gegenſeb⸗ 
zu den Schulen, welche eine allgemeine Bildung be— 
weden (mie die Boltsihule, höhere Bürgerjhule, 
Realjchule, Oberrealihule, das Realgymnafıum, 
Gymnafium), diejenigen Lebranftalten, veren Haupt: 
zwed die Ausbildung ihrer Schüler für einen be 
ondern Berufäzmweig ift. Sie treten in drei Stus 
en auf, die ſich durch Unterrichtäweife und Unter: 
richtszweck, durch Aufnabmealter und Kurſusdauer 
unterſcheiden. 
Die oberſte Stufe er bilden die Hoch— 
ſchulen und die meijten der ala Alademien bezeich⸗ 


Fachſchulen 


wen Khranftalten (Bergatademie, Forftalademie 


* z8 7 — Sochſchulſtufe haben die Aufgabe, | fhul 


haymeige und Kunſte In fördern und 
mübeliefern, Die ihrem ſachlichen Gebiete dienen; fie 
wollen ihre Schüler zu einer geiftig führenden Stel: 

insbejondere für den Staatsvdienft in ihrem 

—— machen und fordern mit Ausnahme 
ver Runitalademien und der Rönigl. Gemerbeatade: 
mie Cbemnig (melde das Freimi igenzeugnis ver: 
langt) bei der Aufnahme ven Nachmeiz einer hohern 

reinen Bildung, in Deutſchland meiſt das Reife: 
Kugnis eines Gumnafiums, Realgymnafiums oder 
einer Dberrealichule. 

In mannigjachen libergängen erſcheinen die F. 
mittlerer Stufe. Sie haben nur das gemein: 
jam, daß fie für bevorzugte Stellungen des Be: 
rufe, dem fie gewidmet And, vorbereiten, obne ibre 
Zöglinge fo lange der praltiichen Erwerbsthätigkeit 

entziehen, wie e3 die Hochſchulen teils zum 
juete der von ihnen vorausgefesten allgemeinen 

Üdung, teils zum Zmede einer umfafjendern fünft: 
lerijchen und Beine oftlien Fachbildung tbun 
müjjen. In dieje Abteilung der mittlern J. gehören 

iele Handelsjhulen (f. d.), die Landwirtichafts: 
—— (1. d.),Kunſtgewerbeſchulen (f. d.), Schiff: 

abrtäfäulen (f.d.) jowie ferner eine große Zahl ge: 
werbliher oder techniſcher Schulen. Dieje techni- 
ſchen Schulen der Mitteljtufe treten in zwei Haupt: 

ormen auf, die ſich troß mancher Übergänge deut: 

ich ausprägen, in der — der höhern Gewerbe: 
ſchule Gewerbeſchulen) und einer niedern Form, 
zu ber Dee net nd (j. d.) und die — 
gewoerlenſchulen (f. d. gehören und zu der man au 

i en j. d.) rechnen fann. Die Schulen 
böbern Form bilden für leitende Stellungen in 
—— und Geſchäftshäuſern vor (Direktoren, 

ee), die ber niedern für Werkführer, 
Liere u. dgl., an für felbftändige Führung im 
— ie lehtern eig ar liber: 
gärge zu ‚im engern Sinne (f. unten) und 
nnd zum Zeil mit diefen verbunden. 

„ Die unterfte Stufe des Fachſchulweſens bilden 
die Schulen, welche eine nicht für ausermählte Vo: 
jondern für alle jüngern Fachgenoffen be: 

i ‚ die praltiſche Ausbildung der Yebrlinge 
ergänzende, zum Teil erjegende (val. Lehrwerkſtãt⸗ 
ten) Sch ng beabjidhtigen, daher auch keine andere 
allgemeine Bildung vorausfegen als die der Volks: 

ch ule. Hausinduſtrieſchulen oder Handarbeitsſchu⸗ 

(j. d.) für induſtrielle Zwede wenden fi ſogar 
vorwiegend an vollsjhulpflichtige Kinder. Die: 
jenigen znge Schulen diefer Stufe, welche ſich 
nicht auf einen bejtimmten Berufszweig befhrän: 

ſondern eine allgemeine gewerblibe Ausbil: 
bung, vor allem im Zeichnen, bezweden, —39 
Sewerbliche Fortbildunäsſchulen (ſ. d.), 
mandmal, in Baden jogar allgemein, Ge: 
hulen. Die andern ‚d. ber untern Stufe 
werben als 5. im engern Sinne zufammengefaßt. 

So haben 5. B. gewerbliche 5. im Gegenfaß zu den 

Fortbildungsiculen die Ausbildung 

einen beftimmten Berufszweig im Auge; fie wer: 
ben befonbers von Berufsverbänden, Innungen und 
®roßinduftriellen erhalten, während die gewerbliche 
dortbildungsfhule gewöhnlid von Gemeinden und 
einen — wird. Zu den 

im ern Sinne gebören die Aderbauſchulen 
.d.), erfehulen (j._d.), Gartenbaufchulen 

d.), eiereien, die Schulen für Handlungs: 


a8 


F 






393 


lebrlinge (ſ. rg die Handarbeits: 

en und eine pro e Zahl gewerblicher Lebr: 
anftalten, die in folgenden Einzelartiteln behandelt 
find: Blecharbeiterihule. Brauerfhulen, Bud: 
druderjhulen, Droguiftenfahihulen, Eiſenbabn⸗ 
ſchulen, Färberei⸗ und Appreturihulen, Fiiherjhu 
len, Friſeur⸗ und —— Gaſtwirtſchafts⸗ 
ſchulen, Gerberſchulen, wehrinduſtrieſchulen, 
Glasinduſtrieſchulen, Goldſchmiebſchulen, Gürtler:, 
Graveur⸗ und Bronzewarenerzeuger⸗ Fachſchule, 
Heizerſchulen, Holzinduſtrieſchulen, —* chlaglehr⸗ 
anſtalten, Keramiſche Schulen, —— 
Konditorfachſchulen, Konfeitionsfachſchulen, Korb: 
iechiſchulen Kunfticloilerihulen, Runftitidereifad: 


chulen, Kunſttiſchlerſchulen, chmiedeſchulen, 
———— —— omotivfuhrerſchulen, ae 
chulen, Narmorinduftriejhulen, Mafchinenftider: 
Aulen, Mafhinenwärterfhulen, Maſchiniſtenſchu⸗ 


len, Metalinduftriefhulen, Müllerieulen, Mufit: 
inftrumentenbaufchulen, Nähſchulen, Navigations: 
ſchulen, nen botograpbier 
ulen, — ulen, Bolt ulen, Schiff: 
abrtsjhulen, Schleifereifchulen, — 
Schmiedefachſchulen, Schneiderſchulen orn⸗ 
ſteinfegerfachſchulen, Schuhmach achſchulen Sil⸗ 
berfiligranarbeitenfachſchule, Spielwareninduftrie: 
ſchulen, Spinnereiſchulen, Sieinmeßfachſchulen, 
Stid: und Schlingſchulen, Strobflehtichulen, Ubr: 
macerjhulen, Vergolderſchulen, Webſchulen, Wirk 
ſchulen / Zeihenfhulen, Sieglerfhulen, Zuderindws 
ftriefhulen. Für Frauenarbeiten —— an einzel: 
nen der genannten 5. Mäbchenabteilungen fowie 
bejondere Frauenarbeitsſchulen (f. d.). 

In Ojterreich werden alle gewerblichen Schulen, 
die ſich a Abend: und Sonntagsunterridt be: 
ſchränken, ala — Fortbildungsſchulen, alle 
andern gewerblichen Lehranſtalten mittlerer und 
niederer Stufe als F. in 5* Sinne bezeichnet. 
Die oſterreichiſchen F. mittlerer Stufe werden in 

öhere und Wertmei —— eingeteilt und die 
ereinigung folder Lehranſtalten ala Gewerbeſchule 
bezeichnet (ſ. Staatsgewerbeſchulen). 

Wenn man von einigen ältern Fachſchulgrun— 
dungen, die fich er erhalten haben, abjiebt, fo 
dürfte das Königreih Sachſen u Land fein, 
welches nicht bloß am eheiten F. 
aud dieſelben bis in die neuefte Zeit herein in vor: 
züglihitem Maße gefördert hat. An der fräftigen 
Entwidlung jo vieler Induſtrien in Sachen find 
jevenfalld die F. in hervorragender Weiſe mit 
thätig gewejen; auch der Umftand, daß mehrere von 
deutſchen Gefamtlorporationen erhaltene und uns 
terftüßte hf nah Sachſen — worden * (fo 
h . die Ührmader:, Müller:, Drechäler:, erber:, 
lecharbeiter⸗, ie GL de jpridht dafür, dag 


eſeſſen, ſondern 


man allgemein die ſachſ. Verhältniſſe für die Enı: 
wicklung von $ als ſehr günſtig anjah. Ebenſo 
haben aber auch die Regierungen von Württemberg 
und Baden dem Fachſchulweſen forgfame und er: 
% reiche Pflege zugewendet, Zögernd und in ver: 
ältnismäßig geringem Umfange ijt Preußen bierin 
vorgegangen. Seit 1879 ijt nämlich auf Antrag 
des Abgeordnetenhauſes (vom 21. Jan. 1879) eine 
aus 26 jachverjtändigen Mitgliedern beitebende 
jtändige —— eingeſetzt, welche die Aufgabe 
bat, die Verwaltung bet wichtigen —— des ger 
werblichen und le Schulweſens zu unter 
— An ihren Verhandlungen nehmen Kommiſ⸗ 
are des Minifteriums teil; der Handelsminijter 


394 


rt den Borfig oder beftimmt den Vorſitzenden. 

ad dem Voranſchlage für 1901/2 trägt der Staat 
ur Unterftühung folder Anftalten 6874081 M. bei 
—— 886 993 im J. 1891/92) und zwar 6430281 M. 
an dauernden, 443800 M. an einmaligen und 
außerordentlihen Ausgaben. Aud die Gemeinden, 
in denen fidh die Anftalten befinden, oder Vereine, 
die fie errichtet haben, tragen einen großen Teil 
des Unterbalt3. Dazu fommen Zufhüfle für ge: 
werbliche Fortbildungsichulen * Fortbildungs⸗ 
ſchulen in Weſtpreußen und Poſen, Beiträge zur 
Ausbildung von Kunft: und andern Handwerkern 
und ein für den gewerblichen Unterricht zu verwen: 
dender Dispofitionsfonds. Kfterreich, welches mit 
einem Schlage und mit mächtigem Anlauf zur He 
bung feiner Gewerbe und feiner Induſtrien mit 
Fachſchulgründungen Ende der fiebziger Jahre vor: 
ing, fann fich eines reichen Erio ges erfreuen. 
Frankreich, England und die Vereinigten Staaten 
von Amerika haben ihr Fachſchulweſen verſchiedent⸗ 
liben Reorganifationen unterworfen. 

Unfere deutſchen Techniſchen Hochſchulen ent: 
ftammen teils dem 18., teils dem 19. Jahrh. 
S. Tehniihe Hodihule.) Nachdem dieſeiben aus 

einen Anfängen heraus ſich entwidelt batten, 
traten an deren Stelle al3 mittlere technifche oder 
höhere gemwerblihe Schulen bie Gewerbeſchulen 
und Höhern Gewerbeihulen, in Preußen 1830, in 
Bayern 1833, in Sachſen 1836 (jeit Mai 1900 
Königl. Gemwerbeatademie) u. f. wm. Die Wert: 
meiſterſchule zu Ebemnig, die ältejte ihrer Art, 
wurde 1855 gegründet. Als Vorläufer der ſpe— 
ciellen 5. könnte man die Schulen der Brüder des 
emeinjamen Lebens (Ende des 15. Jabrh.) an: 
eben. Als wirkliche %. dürften die fhon 1755 in 
Öfterreich erijtierenden Spinnſchulen für Handipin- 
nerei erwähnt werden, welche infolge der Maſchi— 
nenfpinnerei aber wieder eingingen. Alle übrigen 
5. entitammen erft dem 19. Jabrb.; jo find die älte⸗ 
iten ihrer Art gegrinnet worden: Spigentlöppel- 
ihulen 1814, Webſchulen 1830, Strobflehtihulen 
1836 u. |. w., die meijten fpeciellen F. aber erit in 
ven fiebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrh. 

Den F., befonders der untern Stufen, fällt eine 
bobe joctale Aufgabe zu, deren Erkenntnis fich erſt 
in den legten Jahrzehnten ausgebreitet hat. Den 
untern Schichten des Volls kann eine ihrer fpä: 
tern Zebensaufgabe angemefjene Bildung, ohne fie 
dem Ermwerbsleben auf längere Zeit zu entziehen, 
nur durch F. zugeführt werden. Aud die wirt: 
ſchaftliche Bedeutung des Fachſchulweſens aller 
Stufen ift ug; — nicht —— gewürdigt 
worden. Die überſchäßung der allgemeinen Bil: 
dung, ohne Bezug auf die befondere Lebensſtellung, 
wirkte hemmend ein. 

Litteratur. Dumreicer, Über die ie 
der Unterrihtspolitit im duftrieftaate Oſter⸗ 
reich (Wien 1881); Schmoller, Das untere und 
nrittlere gewerbliche Unterrichtämwejen in Preußen (in 
ven «Jabrbüchern für Gejekgebung», Bd. 5 nt 
Grotbe, Die —— F. in Europa und Amerika 
(in den «Verhandlungen des Bereins zur Beför— 
derung des Gewerbefleißed», Berl. 1882); Lüpders, 
Denkihriften über die Entwidlung der gewerblichen 
5. und ber Fortbildungsſchulen in Preußen wäh— 
rend der J. 1879 bis 1890 (ebv. 1891); ebenio 
mwäbrend der %. 1891 bis 1895 (ebd. 1896); Sta: 
tiftit des Unterrichts⸗ und —— ens im 
Königreih Württemberg auf dad Schuljahr 1890/91 


Fachſyſtem — Fachwerk 


(Stuttg. 1892); Zweiter Bericht über die geſamten 
Unterrichts: und Erziebungsanftalten im Königreich 
Sadjen (Dresd.1890); Artitel Gewerblicher Unter: 
riht im aHandwörterbuch der Staatswiſſenſchaf⸗ 
ten», Bd. 4 (2. Aufl., Jena 1900); Klimburg, Die 
Entwidlung des gewerblichen Unterrihtäwelend in 
Öfterreich (Zub, 1900); Deutſchlands Fachſchul⸗ 
weſen I (Stegliß:Berl. 1902). — Zeitſchrift für 

ewerblidyen Unterricht (Lpz. 1886 fg.); Centtal⸗ 
latt für das gewerbliche Unterrichtäwefen in Oſter⸗ 
reih (Wien 1883 fg.). 

Fachiyftem, im Unterrihtäwefen die Einrid: 
tung, daß die Schüler nach ihren Kenntniſſen in den 
einzelnen —— in beſondere Lektionsklaſſen 
verteilt find, im Gegenſatz zu dem Klafienjvitem, 
nad welhem jeder Schüler für alle Unterrichts 

egenjtände nah den Gejamtfortichritten derielben 
laſſe angebört. Das Fach: oder Lektions ſyſtem, wel: 
des, urjprünglic in den Je ——— gebräud: 
lid, unter dem Namen des Parallelſyſtems ſich 
von den randefhen Stiftungen aus über eine 
Reihe — — Gymnaſien eine lang ausgebrei⸗ 
tet hatte und namentlich auch von den Philanthro⸗ 
pen gepflegt wurde, bietet den Vorteil dar, daß bei 
ihm allein eine genaue Klaſſifikation der üler 
mit Rüdfiht auf ihre Anlagen für befondere Yebr: 
fäher und auf den Grab ihrer Kenntnis in jedem 
einzelnen möglih ift; es bat aber den grofken 
Nachteil, daß bei ihın das Ineinandergreifen aller 
Lehrobjelte und damit der erziehende Cinfluß des 
Unterrichts —— vermindert wird. Aus den 
deutſchen Schulen iſt es längſt vollſtändig wie 
der verſchwunden; aus den preuß. Gymnaſien 
wurde es 1816 durch die allgemeine Unterrichts⸗ 
verfafjung entfernt. 
er Ausdrud F. wird aud für Fachlehrer— 
ſyſtem gebraudt. Unter diefem ift diejenige Ein: 
rihtung zu veriteben, wonach die verjchiedenen 
Unterrihtägegenitände verſchiedenen Lehrern und 
zwar Fachmännern anvertraut find. Ihm ftebt das 
Klaſſenlehrerſyſtem entgegen, wonad auf jeder 
Unterrichtsſtufe oder in jeder Geſamtklaſſe der ganze 
Unterricht, oder doch der größte Teil desſelben, 
einem einzigen Lehrer übertragen ift. Während das 
legtere Syjtem für die niedern Stufen des Unter 
richts ausreicht, ijt das Fachlehrerſyſtem in einem 
gewiſſen Maße für die höhern Stufen unentbebrlid. 
achvereine, j. Gewerkvereine. 
achwerk, eine für ländlibe Wohnbäufer und 
untergeordnete Gebäude verwendete leichtere Baus 
art. Die Fachwerkwände (Fachwände, auch 
Riegelwände genannt) werden aus Holzgerüſten 
gebildet, deren Zwiſchenräume (Fächer genannt) 
mit Mauerwerk oder Holzwerk ausgefüllt werden, 
und bejteben aus der Schwelle, den Säulen (Ed: 
fäulen, Bundfäulen, auf melde innere Sceite: 
wände ftoßen, Zmwifchenjäulen, Thür: und Fenſter⸗ 
fäulen zur Bildung der Öffnungen in der Man), 
Streben, Riegeln und Rahmenholz, auf weldes 
die Baltenlage aufgefämmt wird. Auf die lep- 
tere wird die Saum:, Sattel: oder Bruftichwelle 
elämmt, melde zur Aufnahme der folgenden 
Fachwertwand dient. Die gegenjeitige Verbindung 
der Hölzer geftieht durch Verzapfung oder auch 
Verſatzung bei den Streben. In beiden Fällen 
wird die Befeftigung dur hölzerne Nägel bemirtt. 
Die umijtebende Sig: 1 zeigt das Gerüft zweier ans 
ftoßenden Fachwerlswände mit einer Stodwert& 
baltenlage. Die Ausfüllung der Fächer geſchieht 


Fachwerk 


395 


em durch Aus mauerung mit Biegelfteinen oder | oder mit Cementmörtel gepußt. Innere Fachwände 


vurd Ausftatung mit Staf: oder Fachholzern von | werben beiberjeit# berohrt und gepußt. 


tisgera Stärke und Breite, melde mit Langftroh 
und ehm umwickelt in die feitlihen Falze der Holz: 
Imftrultionsteile eingetrieben werden. Ofter wer: 
ten auh die Fachhölzer noch mittel3 Fachgerten 
oder Ruten ſchlangenformig ausgeflobten und dann 


- 
G 























Fig. 1. 


beiderfeit3 mit Lehm und Stroh verftrihen. (S. R teit und dadurch geringe und 


Flaiberarbeiten.) Damit die Ausmauerung beffern 
Halt belommt und beim Zujammentrodnen des 
Solzes keine durchgehenden Riſſe entitehen, werben 
ar alle Hölzer vreifantige Leijten angenagelt, in 
melche die Ziegelſteine, entiprechend ausgellinft, ein 
—— Neuerdings hält man die Sicherung durch 

ange Nägel, welde 5 bi3 6 cm aus den Verband: 


enügend. Außerlich bleibt 


bölzern herausſtehen, für 
die Holjlonftruftion FX 
ierfachwert deforativ auf (ſ. Fig. 2). Bei ſol— 
em treten die Holzteile vor die Mauerfläche vor 
und werden an ihren Kanten abgefaft und, bamit 
das Holzwerk — wird, gefirnißt oder 
mit Elfarbe angeitrihen. Das Mauerwert wird 
Suterlih nur ausgefugt mit gefärbtem Gementmör: 
tel oder e3 mirb mit gebobelten Brettern verkleidet 


et und —— als 





ie haben 
den Vorteil, einer Unterſtützung nicht zu bedürfen, 
wenn fie ala jog. aufgebängte oder abgeiprengte 
Wände konftruiert werden. Alsdann An in ip 
Holztonftruftion ein Hängewerk (f. d.) anzuorbnen, 
wodurch fie fich frei tragen. Sollen fie fo leicht als 
möglid hergeitellt werben h werben bie Fach⸗ 
wände aus ſchwachen Riegeln bergeitellt und beiber: 
feit3 mit Brettern verſchalt. 

Endlich werben nod bei Eishäufern und Ah 
lihen Gebäuden bei gear: Fabmwände angemwendet, 
welhe durch Riegel miteinander verbunden find 
und deren Zwiſchenräume mit jchlecht wärmeleiten« 
den Subjtanzen, wie Sägeipäne, Lohe, ausgefüllt 


werben. 

n neuerer zeit bat man die Fachwerlbauten 
aud wieder für Villen und — aufgenom⸗ 
men und iſt hierbei den prächtigen Beiſpielen bes 
ſonders aus dem 16. Jahrh. gefolgt, welche die holz: 
reihen Harzitädte, mie — Halberſtadt, 
Braunſchweig, aber auch die en boten. 
Man bat durh Schnitzen der Schwellen, Ballen: 
töpfe, Streben, Säulen und Riegel dem Bau eine 
anmutige Geftalt, oft fogar hohen künſtleriſchen 
Wert verlieben. Alter ift die Verwendung des Fach⸗ 
werlbaues im Stil der Echmweizerbäufer, bei dem 
da3 F. mit einer Brettverſchalung abwechſelt, deren 
einzelne Bretter in oft reicher Weije mit der Laub: 
fäge ausgeſchnitten find. . 

uh in Eifen hat man F. konjtruiert als fog. 
Mände in Eiſenfachwerk. Sie haben den Vorteil 

rößter Raums und Materialerſparnis, große Steis 

gleichmäßige Be: 

lajtung, welche fib auf einzelne Stüßpuntte leicht 
übertragen läßt. Sie können leicht transportiert 
und fehr fchnell errichtet werben und bieten größte 
euerfiherheit und Sicherung gegen Fäulnis und 

nfettenfraß. Sie lönnen ähnlich tonjtruiert wer: 

den wie die F. in Holz, indem die Schwelle und 
die Rahmen aus T= oder I:Eijen, die Säulen 
oder Pfoften aus wı= oder mi: Eijen 
ebildet merven, welche leßtere in Ent: 

ernungen von 1 bis 1,20 m aufge 
ftellt werden. Diefe Konitruftionsterle 
werden unter fih mit Winteleifen be: 
feitigt. Die Verſpannung aus Rund» 
eijen, beſſer jedoch aus Bandeiſen, die 
an den Enden zum Winkel aufgebogen 
teilt die Hauptfächer in Neben: 
ächer, welche eine Höbe von etwa 1 m 
erhalten follen. Dieje F. werden ent⸗ 
weder in ganzer Gebäubehöhe mit durch: 
— Säulen errichtet, wobei zur 
ufnahme der Zwifchendedert L: Eilen 

. angeboljt werden, oder es werden die 
+ Säulen in den einzelnen Stodwerten 
aufeinander gejekt und durch Winfel: 
eifen an der Schwelle und dem Rah— 
men befejtigt. Die Zwijchendedenbal« 
ten ruben alsdann auf dem untern Trägerflantich 
der Rahmen auf und werden durch Winkeleiſen an 
den Etegen der Träger und Rahmen angelajct. 
Man bat aud 5. mit Wellblehausfahung und 
olche mit doppelter Wellblechverlleivung konftruiert, 
estere dann, wenn es jih um ftrablende Wärme 
oder Kälte handelt. Auch mittels Hängewerkes oder 
Aufhängung einer folhen Wand nah dem Princip 
des Gitterträgers kann man ſolche Eiſenfachwerke 


396 


als freitragende Wände konjtruieren, deren Stärte 
alsdann 6 cm nicht überfchreitet. Über F. als Trä: 
gerfonitruftion bei eifernen Brüden ſ. Eifenbrüden. 

V — ‚Der Holzbau (3. Aufl. 2Bde., Lpz. 
1887); ladbach, Der Schweizer Holzitil (2 Serien, 
8. Aufl, ür. 1897); derſ., Die Holzarditeltur der 
Scmei 2. Aufl., ebd. 1885); Schäfer, Die Holz: 
arditeftur Deutjchlands vom 14. bis 18. Jahrh. 
—— 1883 fg.); Lachner, Geſchichte der Holzbau— 

in Deutſchland (2 Tle. Lpz. 1885—87); Neu: 
meilter, Die Holzarditeltur (Stuttg. 1893—95); 
Correll, Deutſche Fachwerlsbauten der Renaiffance 
(Berl. 1900 fg.); Birven, Das F. (Hildburgh. 1903). 

Fachwerfsmethoden, eine Gruppe von Forit: 
einrihtungs: oder Waldertragäregelungsmethoden, 
die zur Sicheritellung der Nahbaltigleit des Hieb— 
—* (. d.) mit Hilfe eines Wirtſchaftsplans be 

immte gleich lang bemefjene Zeiträume, Perioden 

äcder), entweder mit annäbernd gleich großen 
iebmaffen, oder mit ſolchen Siebflächen oder 
mit beiden zugleih ausitatten. Man unter|ceibet 
iernach Matt enfahmert (f. Maflenmetboden), 
lähenfahmerf (f. Flächenmethoden) und om: 
iniertes Syachmert (j. Kombinierte Methoden). 

Fachwiſſenſchaft, eine Wifjenihaft, die zur 
Erreihung eines bejtimmten Berufs notwendig ift 
(Jurispruden;, Medizin u. N m.), im Gent zu 
den allgemeinen Wiſſenſchaften. ſchulen. 

—* zeichenſchulen, gewerbliche, ſ. Zeichen⸗ 

acial (lat.), das Geſicht betreffend, z. B. Far 
eiallinie, Gefichtslinie. 
eiälislähmung, ſ. Gefihtsläbmung. 
aolälis nervus (at), Geſichtsnerv oder 
mimijcher Nerv, der fiebente Hirnnero, welcher 
mit feinen Zweigen ſämtliche mimiſchen Geſichts⸗ 
musteln verjorgt (f. ®ebirn). 

Facies (lat., d. b. Gefiht, Antlik), der petro: 
grapbifhe und paläontologiihe Geſamtcharalter 
einer geolog. Formation. Da die Verhältniſſe, 
unter — aus den Meeren * nämlidhen Zeit 
Sedimente, aljo Formationen ablagern, ſehr ver 
&biedenartiger Natur find, jo konnte ein und bie 
elbe Formation jebr —— F. erhalten. 

der Näbe der Küften lagern fi z. B. Sandſteine 
ab, während weiter von ihnen entfernt Thone ange: 
äuft werden; an manden Stellen bilden fi Kalt: 
einlager aus Muſchel- und Schnedengebäufen, 
während anderswo Korallenriffe emporwachſen. 
Viele Tiere im Meere find aber abhängig von der 
Beicaffenheit des Meeresbodens: verjchiedene, 
gleiinettio gebildete Sedimente werden aljo die 
eſte einer wenigftend zum Teil abweichenden Fauna 
beherbergen. Die Factesverbältniffe der Formation 
erichweren das Studium der legtern bedeutend, doch 
richtet die Geologie jeßt mehr noch wie früber ihr 
Augenmerk — Am belanntejten ift die alpine 
R4 die zufammenfafjende Bezeihnung aller in den 

(pen und in andern, füdlichern Gebieten Europas 
vorlommenden Abweichungen von der in Mittel: 
europa zue —— und deshalb als normal 
geltenden Ausbildungsweiſe der geolog. Forma— 
tionen, Geſicht. 

Facies Hippooratica, ſ. Hippokratiſches 

Facil (vom lat.faelle), leicht (zu tbun), umgäng: 
lich, leutfelig; Facilität, Leichtigkeit, Gefälligkeit, 
Umgänglicteit, Leutſeligkeit. 

— J. Facil. 

acilletlein (vom ital. fazzoletto), Name des 
im 16. Jabrb. von Stalien und Frantreih aus in 


Fachwerksmethoden — Fackeltanz 


Mode gelommenen Taſchentuchs, mit dem beſon⸗ 
ders bei Brautgeichenten ſolcher Luxus getrieben 
wurde, daß man ihn gejeglich zu beſchränken fuchte. 

Faclo ut des (lat.), «ich tbue oder made 
ſetwas), damit bu (dafür etwas) giebft», eine der 
— durch welche nach röm. Rechte ein ſog. 

nnominat-Realvertrag (f. Contractus) zu ftande 
tam. Ob diefe Form, wie die übrigen Üracio ut 
facias, do ut facias, do ut des), in allen Fällen 
oder nur bei dolus des Bellagten Elagbar ſei, war 
bei den Römern beftritten. 

Facit (lat.,d. b. e8 macht), Ergebnis einer Red: 
nung, dann überhaupt foviel ala Nejultat, Erfolg. 

Facit in tio versum (lat.), «die Ent: 
rüftung macht den Dichter» (eigentlich «den Verse), 
d. b. giebt Anlaß als (fatir.) Dichter aufzutreten, 
Eitat aus Juvenals «Satiren» (1, 79). 

Facius, Friedr. Wilh., Stein: und Stempel: 
ſchneider, geb. 1764 zu Greiz, fam 1788 nad Weimar 
und ftarb dort ald Profeſſor und Hofmedailleur 
4. Mai 1843. F. erfand eine dauerhafte Maſſe für 
Stuccaturen und eine Metbode, Medaillenftempel zu 
bärten. Unter feinen Medaillen find Bildniſſe von 
Goethe, Schiller, Mieland —— Karl Auguſt 
u. ſ. w. — Auch ſeine Toter ngelilta, geb. 
14. Dit. 1806 zu Weimar, geft. 17. April 1887 da: 
felbft, war eine ausgezeichnete Stempel: und Stein: 
fchneiderin, Sie fchnitt die Medaille zum Jubiläum 
des Großherzogs Karl Wagen (1825), die unter 
Rauchs Leitung vollendete Medaille auf den Top 
diefes Fürſten und fertigte viele e in Gips. 

5 eldiftel, Pflanzengattung, |. Opuntia. 

adellauf (grieb. Yampadebromia), ein in 
Altgriehenland, bejonders aber zu Atben beliebter, 
zu Ehren der Feuergötter an den PBanatbenäen, 
Hepbäfteen, Prometheen, am Feſte des Ban und 
der Artemis Bendis abgehaltener nächtlicher Wett: 
lauf zu Fuß und fpäter au zu Roß mit brennen 
den Ba eln, wobei e8 darauf anlam, dieſe unaus« 
geldöiht an das Ziel zu bringen. Wer dies zuerft 
erreichte, mar Sieger. 

Fackeln, freibrennende, aus Hola, Holz und 
Werg, das gewöhnlich noch mit Pech überzogen ift, 
ober andern Stoffen beitebende, zu Leuchtzweden 
befonders im Freien dienende Körper. F. waren 
—— im Altertum gebräuchlich, ſowohl bei feit- 
iben Fadelläufen und -Tänzen wie bei Leichen⸗ 
begängnijjen und den Hochzeitsfeierlichleiten ver 
Griehen und Römer, die damit endigten, daß die 
Neuvermäblte in das Haus des Gatten geführt 
wurde, wobei ein Nüngling, der ben —— vor⸗ 
ſtellte, mit der Fadel voranging. Der Genius des 
Todes wird mit geſenkter Fadel dargeſtellt. Auch war 
fie das Attribut mebrerer Göttinnen, wie der Pros 
jerpina, Demeter und Atbene fowie des Hymen, in 
der Jlonograpbie der chriſtl. Heiligen, des Chryſan⸗ 
thus, Dominicus, Theodorus von Tyra, Theodotus, 
der Eutropia u.a. Noch jekt bedient man fich der 
3. bei feitlihen Aufzügen, feterlihen Leihenbegäng: 
niflen ſowie zu Signalen u. |. w. (S. Yadeltanz 
und Yyadelzüge.) 

Sadeltanz, ein jhon im Altertum gebräud: 
licher eig AA: Tanz, bei dem die männ: 
lihen Tänzer Wachsfadeln tragen. kr war er 
bei VBermäblungen fürjtliher und felbjt bürgerlicber 
Perſonen fehr üblib, au fügte man ihn Turnier 
feftlichleiten an. Albrecht Dürer hat einen F. dar 
geitellt. Bei Vermählung eines Gliedes der loniglich 
preuß. Familie wird noch jept regelmäßig ein F. 


Tadeltelegraphen — Faden (Längenmaß) 


sgalten, der den Schluß der Feſtlichleiten des 
———— bildet. Die Ceremonie hierbei iſt 
olgende. achdem ſich der Hof am Throne im 
daldtteiſe aufgeſtellt hat, beginnen bei den Rlän: 
gen einer entiprechenden Muſik und unter Vortritt 
des Dberbofmarfjchalls zwölf Bagen (früher zwoif 
Etaatdminifter) paarmweije, in der Hand Wade: 
krgen tragend, den Umgang im Saal, dem ſich 
das neupermäblte Baar anjhließt. Nachdem ein 
Rundgang vollendet, nähert ſich die Braut dem 
König, ihn zu einem gleichen Umgange auffordernd. 
It diefer beendet, jo geidieht ein Gleiches der 
Reihe nah mit allen vom Throne rechts ſtehenden 
töniglihen und andern Bringen. Hierauf beginnt 
der Hundgang des Bräutigams mit der Königin 
und den auf der linten Seite des Thrones ftehenden 
Brinzeſſinnen in entſprechender Weiſe. Bei allen 
dieſen Umzügen ſchreiten die Bagen voran, die bei 
Beendigung des F. mit den Fadeln dem neuver- 
mäblten Paare in feine Gemäder voranleuchten. 
Dieyerbeer u. a. Komponiften haben bejonvere Ge: 
wegenbeitämufil diejes Namens komponiert. — Bal. 
Raumer, Der 5. bei hoben VBermäblungen im 
föniglih preuß. furbrandenb. Haufe (Berl. 1854). 
— —— ſ. Optiſche Telegraphen. 
ckelzũge, ſchon im Altertum bei gewiſſen 
Ben üblich, fanden in der alten hriftl. Kirche am 
terjonnabend ftatt, als Sinnbild dafür, daß dem 
Ebriiiten die Nacht der Trübjal und des Todes von 
dem Lichte der Hoffnung durdleuchtet ift. Jetzt wer: 
den F. meijt zu Ehren einer Perſon oder zum An- 
denden an ein wichtiges Ereignis veranftaltet. In 
Deutihland find jie rei bei der alademijchen 
Jugend gebräuhlih zu Ehren des Landesherrn, 
eines Univerfitätädocenten, an patriotijchen Feſt— 


tagen u. dal. 
Garen! „‚Ipr. faßöng), Form, Äußeres Anſehen 
vor etwas; Art und Weije; Yebensart, in der Mehr: 


zahl ſoviel wie Umftände, die man madt; sans fa- 
sons (fpr. Bang faböng), ohne Umftände; Fagon de 
parler (ipr. -leb), bloße Rebensart. 
narrak, ſ. Jaconcognac. 
oucoguac ſftʒ./ſpr.faßong· Nachahmungen 
des Cognacs (j. d.), die zu billigem Preiſe unter dem 
Namen des echten Produkts verkauft werden. Die 
Herſtellung diejer Fälſchungen geſchieht meift dur 
een non gemöhnlichem Sprit mit Ejjenzen und 
ungömitteln; in jeltenern Fällen findet aud) eine 
mi g dieſer Nahahmungen mit mehr oder 
meniger großen Mengen der natürliben Produkte 
ftatt. In ebenderjelben Weife werden Fasonarrat 
und Faconrum bergeitellt. — Dal. Sell, Über 
‚Rum und Arrat (Berl. 1891). 
roudraht, |. Draht. 
oudrehbanf (ipr.fahöng-) oder Schablo: 
nendrebbant, eine Drebbant, die zur — 
einer großen Zahl gleicher Stüde dient. Auf F. 
werben namentlich Tiſch⸗ und Stuhlfüße, Schaufel: 
iele, — — Faßſpunde, Knöpfe u. j. w. 
eitellt. 


oneifen (ipr. faböng-), ſ. Walzeifen. 
snerie (fr3., ſpr. fabonn’rib), das Modeln, 
Blümen des Zeugs; faconnieren, muſtern; 
faconniert, gemujtert, geblumt; $aconneur 
(unfranzöfiih, ſor. fabonnöbr), Muſtermacher. 
gonniermafchinen (fpr. faß-), j. Ropier: 
ma 


snierte Stoffe (jpr. fah-), ſ. Bildgewebe. 
onnudeln (pr. jaböng-), ſ. Teigwaren, 


397 


agonrum, ſ. Zaconcognac und Rum. 
aconftähle (ipr. —5 ſ. Drehſtahl. 
arontwweine (pr. a öng) aus Waſſer, reinem 
Spiritus, Zuder, Farb⸗ und Riechſtoffen dargeitellte 
Amitationen füdl. Weine. Am häufigſten End es 
dachahmungen von Malaga⸗, Zered: und Portwein, 
die al3 F. in den Handel fommen. 
acfimile, ſ. Fatjimile. 
et..., Wörter, die man bier vermißt, find 
unter alt... aufzufuchen. 

F'aota, j. Factum. 

Faotitiva (lat., zu ergänzen verba), j. Berbum. 

Factory weight (engl., ipr. fädtöri weht), ſ. 
Faktoreigewicht. 

Faotum (lat., Mehrzahl Facta), das Gethane, 
That, Thatſache (ſ. d.), Begebenheit; ipso facto, 
eigenmächtig (ſ. De facto); Facta communia, Hand— 
lungen, die mit Einwilligung des Klägers und Be: 
Hagten vorgenommen werden; Facta concluden- 
tia, Thatſachen, aus denen ſich etwas ficher ergiebt; 
Facta loquuntur, Thatſachen reden; Facti ignoran- 
tia non nocet, j. Ignorantia juris nocet. 

Facultas (lat.), Fäbi keit, Befähigung; F. 
docendi, Lebrbefäbigung, ————— zum Lehr⸗ 
amt; Examen pro facultäte ne Yeane in 
betreif der Befähigung zum (höhern) Unterricht. 
(S. Fakultät.) j 

Fad, Flüſſigkeitsmaß, ſ. Fuder. bernheit. 

Fadaife frz. ſpr. dähſſ), Abgeſchmadtheit, Al 

Fada⸗n-Gurma, Ort in Gurma (ſ. d.). 

—8 ſ. Fädlein. 

Fadda, der ägypt. Para (f. d.). d.). 

Faddejew⸗-Juſel, eine der Neufibiriichen Inſeln 

Fadéjew, Raftiflam Anpdrejewitich, ruſſ. Gene: 
al und Militärſchriftſteller, geb. 1824, J 1850 
—68 an den Kämpfen im Kaukaſus, dazwiſchen 
1853—56 an der Verteidigung von Sewaſtopol teil. 
1877 beteiligte er jih an der Belagerung Antivaris. 
Er ftarb 12. Yan. 1884 (31. Dez. 1883) in Odeſſa. 
3. ift am meijten befannt durch jein Wert «Die ruf]. 

rieggmaht» (Most. 1868; deutſch Lpz. 1870) 
fowie die fih daran anſchließende «Anficht über die 
orient. Frage» (Petersb. 1870; deutih in F.s 
«Neueften Schriften», Tefhen 1871), worin bie 
nichtung Oſterreichs als gr Fig einer Löjung 
der Drientalifchen Frage im rufj.jlam. Sinne hinge⸗ 
ken wird. In Übereinjtimmung mit dem Feldmar⸗ 
all Barjatinſtij, deſſen Adjutant F. war, jchrieb er 
mebrereö gegen die Reformen des Kriegsminiſters 
Miljutin; ferner jhrieb er «Sechzig Jahre aus den 
Kaukaſuskriegen» (ruffiih, Tiflis 1860), «Briefe 
aus dem Kaufajus» (ruſſiſch, Vetersb. 1865), 
«Meine Anficht über die oriental. frage» (ebd. 1870) 
und bejonders —— über die gegenwärtige Lage 
Nußlands» (anonym), die zuerjt in Peipzig (ru \ ch 
und deutſch 1881), dann in Petersburg (rufjiich) in 
mebrern Auflagen erjchienen. 5.8 gefammelte Werte 
(4 Tle. in 2 Bon., Vetersb. 1890) wurden mit feiner 
Biographie herausgegeben. 

eg ‚1. Neuſibiriſche Inſeln. 

aden (in älterer Form Fadem), urſprünglich 
ſo viel, als ein Mann mit ausgeſtredten Armen 
umfangen kann, ein Längenmaß, das im allgemeinen 
der für andere Zwede üblich geweſenen Klafter (f.d.) 
oder dem im Bergweſen gebräuchlich geweſenen 
Lachter (ſ. d.) entſpricht. Früher war der bei den 
ſeefahrenden Nationen das Maß zur Beſtimmung 
der Tiefe des Fahrwaſſers, des Tiefgangs der Schiffe 
und der Länge des Tauwerks ſowie zur Meſſung 


398 


der Entfernungen auf See und an den Küſten 
(1 Cable). Der engliihe 5. (Fathom), der ver: | 
reitetite von allen und auch als Bergwerlsmaß 


Faden (Gejpinittaden) — Fadengebilde 


—— der F. von Hand unter Anwendung der ein⸗ 
achſten Werkzeuge (Stridnadel, Hälelnadel, Näb: 
nadel) erſolgt, wird bier auf die reiche Fachlitteratur 


geltend, mißt 1,8288 m, der feit 1870 nicht mebr | für weibliche Handarbeiten (5.8. auf das Bud von 


erlaubte niederländifche F. (Vadem, Vaam) von 
6 alten Amſterdamer Fuß ift = 1,0988, der franzb⸗ 
fiihe (die Brajfe) von 5 alten Pariſer Fuß= 1,6242, 
der ſpaniſche bie Braza, der Eſtado oder bie 
Toeja) von 2 fpan. Varas oder 6 Fuß = 1,erıs, 
der portugiefifche (dieBraca) von 2 portug. Varas 
oder 6 Juß=2,3, der däniſche (Favn) von 6 Fuß⸗ 
1,8851 (dem frübern preußiſchen F. gleich), der ſchwe— 
diſche (Fammn) von 6 Fuß = 1,151 m. Der ruſſiſche 
F. (die Saſchen) bat 7 rufl. oder engl. Fuß = 
2,1336 m. Der frühere preußiiche $. von 6 Fuß war 
= 1,s83ı ni. An mehrern deutſchen Orten war vor 
der Einführung des jegigen metrijhen Syſtems der 
$ aud ein — von 6 Fuß Höhe und 
reite; in Dänemark ift er noch jekt ein ſolches und 
(bei 2 Fuß Sceitlänge) = 72 dän, oder frübern 
preuß. Kubilfuß = 2,2359 cbm oder Ster; beim 
«Walpdmah» aber 69, Fuß hoch und breit und (bei 
2 Fuß Sceitlänge) = 84, Kubikfuß = 2,8124 cbm 
oder Ster; aud in Schweden war ber F. bis 1883 
Brennholzmaß, und er hatte jeit 1863 dort 8 Fuß 
Höbe, 6 Fuß Breite und 3 Fuß Sceitlänge, alfo 
144 Rubiljuß = 3,7889 cbm oder Ster Inhalt, wäb: 
rend vorher die Scheitlänge entweder 3 oder 2", Fuß 
war. Als Garnmaß ilt der F. die Länge eines 
Hafpelumfangs (j. Garn), aljo jehr verſchieden; 
eine Anzabl F. bildet ein Gebinpe (f. d.). 
rd (Geipinjtfaden), |. Faſergebilde. 
aden, in der Heraldikein Balten (f. d.), Schräg: 
balten oder Piabl (f. d.) von nur balber Breite, 
Die Stelle des Ballen nimmt der Querfaden, 
die des Schrägbaltens der Schrägfaden, die des 
Brables der Biabliaden oder Stab ein; an 
Stelle des Kreuzes tritt der Kreuzfaden. 
Fadenalgen, Algen, deren Zellen in Fäden ver: 
einigt jind; % nebören verfchiedenen Gruppen, zu: 
meitt aber den Ebloropbyceen (f. d.) an. 
adenantritte, |. Fadenkreuz. 
adenbafterien, |. Bakteriologie. 
adenbällchen, ſ. Fadengebilde. 
adengebilde, die aus biegſamen fadenförmi— 
gen Elementen zujammengefügten Kunſtprodulte. 
er Umfang des mit ne Mort bezeichneten 
Begriffs iſt fo groß, daß es ſchwer iſt, eine 
irgendwie erſchöpfende Überficht zu geben; in den 
jr allerhand Abſichten bergeitellten Verbindungen 
— Fäden ſpiegelt ſich die Beweglichkeit und 
lombinatoriſche Kraft des menjchlihen Geiftes wie 
die Gejhidlichleit der menſchlichen Hand wider. 
Während bei den fadenförmig:biegjamen Körpern, 
die als Rohmaterial vorausgejekt werden, die Länge 
überwiegt, kann bei den F. — das gleiche Ver⸗ 
haltnis vorliegen (Schnüre, Litzen, Seile, 
Taue), als aud ein Jurüdtreten nur einer Dimen- 
fion (Geflebte, Gewebe, Netze, Spißen), ala 
auch eine gleibmäßige Ausdehnung nad allen drei 
Dimenfionen vorliegen (Fadenbälldben, Trod— 
deln, Quajften). Bon den jo zu bildenden drei 
Hauptarten der F. find die nach ziwei Dimenfionen 
er ausgedehnten (flädenartigen) von der größten 
edeutung und Mannigfaltigleit; fie find dem 
Menſchen als unmittelbare und mittelbare Schutz⸗ 
büllen gegen Kälte und Unwetter unentbehrlich ge: 
worden und haben durch ihre fünitlerifhen Formen 
eine große äftbetifche Bedeutung. Inſoweit die Her- 


Thereſe de Dillmont, «Encytlopädie der weiblichen 
Handarbeiten», Domad) 1887) zu verweijen fein. 
Diejenigen en wichtigern F., deren Her: 
ne: auf Maſchinen erfolgt, betradtet man be- 

ufs Einteilung in erfter Linie jo, daß ausſchließ— 
lih der Zmwed des gleihmäßigen Zufammenbalt: 
ber vereinigten rg pin an Elemente ins Auge 
gefaßt wird, daber ein figurenfreies gleihmäßiges 

usjeben der Oberflächen ſich ergiebt. Auch wenn 
man ſich bier nur auf die fog. Zegumente, die 
zur Umbüllung geeigneten 5. beihräntt, ergiebt ſich 
nad ber — rt der Fadenverbindung ſchon 
eine ziemliche Mannigfaltigkeit. 

Die dauernde en vieler Fäden kann er 
olgen a. durh Zufammentleben, b. dvurd Ber: 
hränten, c. durh Berzwirnen, d. burd Ber: 
hlingen, e. durh Bertnoten; dabei können 

zur Vereinigung gelangen: a. ein Fadenbündel 
oder eine Fabenreibe, B. eine Fabenfolge, y. eine 
Fadenreihe nebft einer Fadenfolge, 3. zwei Faden⸗ 
reihen mit einer Fadenſolge, e. eine Fadenteihe mit 
zwei Fadenfolgen. Bon den hiernach mögli 
25 Arten ungemufterter 3. find jedoch zur Zeit nur 
11 von praftifcher Bedeutung. . 
Das Zuſammenkleben, die Verwendung einer 
beim Trodnen erhärtenden Schlichte, liegt vor bei 
dem fog. Baftband (j. d.), das Verzwirnen bei 
dem Näbzmwirn, dem Stridgarn, der Cordo— 
netjeide, ven Shnüren, Bindfäden, Seilen 
und Tauen; als ein Sonderfall des Verzwirnen? 
fann das Umſpinnen oder Blattieren eines Rem: 
fadens mit einem Dedfaden angejehen werben, das 
die Gimpe oder die plattierte Schnur liefert. 
Das wechſelnde Verſchränken einer Fadenreibe 
und einer Fadenfolge (oder einer Folge von Faden⸗ 
lagen) führt zu ven Geweben (Fig. 1), das gejeh- 







2 
— 


Fig. 2. 


DD 


Big. 1. 


mäßig durchgeführte Verſchränken von zwei Faden: 
folgen zu dem flachen (Fig. 2) oder runden (ſchlauch 
artigen) Geflecht; der Zujammenhalt der ver: 
Ihräntten Fäden, ihr Wivderftand gegen das Her 
ausgleiten tft bier die Folge der wellenförmigen Gr- 
italtung, welde anzunehmen die Fäden ſich gegen: 
ti jwingen, und ver hierdurch bervorgerufenen 

iegungselafticität, die an allen Kreuzungsitellen 
eine gewifje Reibung veranlaßt; diefe Reibung wird 
um jo größer, je dichter die Fäden aneinander ge: 
drüdt werden. Wird bei den Geweben die Faden» 
reihe nf einer Eylinderflähe angeorbnet und bie 
Fadenfolge dur einen Faden erjegt, der in ſchrau⸗ 


Fadengebilde 


en Windungen auf derſelben Cylinderfläche 

‚ oder bilden bei den Geflechten die beiden 

olgen ſich kreuzende Schraubenlinien, fo ent: 
et das ſchlauchartige —— oder Hohlge⸗ 
eht. Laßt man die wechjelnde Verſchränkung der 
äden nah andern Gefepen, als in Sig. 1 u. 2 
angennmmen wurde, erfolgen, verwendet man z.B. 
Kperbinbung ftatt Reinwandbindun ‚jo tritt eine 
andere Berteilung der zu den beiden Fadenſyſtemen 
verwendeten Diaterialien auf den beiden Seiten des 


ae 

gewifie Fläche kommenden Berfchräntungen und 
damit die Art des Anfüblens, die Weichbeit, der 
Griff, geändert. 

Läht man bei einer Fadenreibe die Verzwirnung 
in der Weife Durchführen, daß jeder Faden abwech— 
ſelnd mit feinem Nachbar zur Rechten und zur Zins 
ten vereinigt wird, fo entitebt eine Ware (Ketten: 
gaze, Mechlinet, Drebergeflect, Fig. 3), bei 


> 






— 
— 


Be 


Fig. 3. Fig. 4. 


welcher die Unverſchieblichleit der Fäden auch ſchon 
dann gut geſichert iſt, wenn bie Fäden größere 
Zwiſchenrãume (rhombijhe — umſchließen; 
denn bei der ſchraubenlinigen Berührung der Fäden: 
paare an den Vereinigungsitellen tritt die gleitende 
Heibung, die ſich bei einer Berjhiebung eines De 
dens gegen ben andern einftellt, in Form der Um: 
fangereibung auf, die mit ber Länge ber berübrten 
Linien fehr raſch anwachſt. 
Wendet man das Mittel der Verzwirnung in 
ſo lcher Art an, daß eine Fadenfolge mit zwei Faden: 
reiben vereinigt werden, jo entitebt die nad der 
Heinafiat. Stadt Gaza genannte Gaze (Dreber, 
Fig.4), ein durchſichtiges F., das, vorzugämeife in 
Rohſeide bergeitellt, ſowohl 
techniſchen als auch künſtle⸗ 
riſchen Zwecken dient; ſeine 
Herſtellung iſt noch auf dem 
ewöhnlihen Webſtuhl mög: 
ich, wenn nur an Stelle des 
gewöhnlichen Geſchirrs eine 
abgeänderte Fachbildungs⸗ 
vorrihtung eingefügt wird, 
welche die regelmäßige Ver: 
jwirnung der paarweife ans 
geordneten Kettenfäden nad 
dem Eintragen jedes Schuß: 
fadens bewirkt. Der Dre 
bungsfinn der aufeinander 
folgenden Verzwirnungen ift 
bier abwechſelnd rechts und 


\/ 


@ 


Ä\ 


N, 


y 





Sig. 5. 


e3 ein, auch wird die Zabl der auf eine | 


399 


benreibe und zwei fchrägverlaufende Fadenfolgen 
unter Anwendung gleidhjinniger Verzwirnung ver: 
einigt find, dergeftalt, daß bei gleihmäßiger An: 
ipannung der Ware nad den beiden Hauptrichtun⸗ 
en ein Mares durchſichtiges F. mit jechsediger Zel- 
enform zu ftande fommt, einer Form, die ſich als 
febr beitandfäbig ermweiit (f. Bobbinnet). 
Eine bemertenswerte Stellung unter den F. neh— 
men die Wirkwaren (Fig. 6, 7) ein, bei denen auf 


PL 





Fig. 6. Big. 7. 


I 
‚dem Wege des Stridend, Hälelns, Wirtens eine 
| $adenfolge (Sig: 6) oder eine Fadenreihe (Fig. 7' 
durch Scleifenbildung und Verſchlingung der ent: 
ftandenen Maſchen vereinigt wird; diefe Maſchen, 
die fich gegenfeitig ftüßen, vertragen eine erhebliche 
Formänderung und gegenjeitige Verſchiebung, wo» 
mit die Fähigkeit diejer F., ſich bei ihrer Verwen⸗ 
dung als Körperhüllen leiht den verjchiedenen Ges 
ftaltungen des menſchlichen Körpers anzupaſſen, 
—— Das Verſchlingen einer in 
I ge oder einer Folge von —— oder von 
chraubenlinig verlaufenden Fadenwindungen ges 
ſchieht mit den von der Hand geführten Stricknadeln 
oder mittels der Stridmajhine, mit dem flachen 
Kulierſtuhl oder dem Rundkulierſtuhl (daher Strid: 
ware, Kulierware, gi. 6), das Verſchlingen 
einer Fadenreihe auf dem ettenwirkſtuhl (daher Ket⸗ 
tenwirtwaren, Fig. 7). Näheres ſ. Wirkwaren. 

Die zuverläſſigſte Unverſchiebbarkeit der vereinig⸗ 
ten Fäden, wie fie für Fiſchernetze, —— 
u. dgl. erwünjct iſt, erlangt man durch Verknoten 
einer gubenfolge oder einer Folge von Fadenlagen 
(Filetware, Negmwert, Fig. 8) oder einer Faden⸗ 
reibe mit einer Fadenfolge (auf Maſchinen hergeſtell⸗ 
tes Fiſcherneß, Fig. 9); die hierbei angewendeten 





Big. 9. 


fine, Eine gleibjinnige Verzwirnung liegt jedoch | Knoten, die in der Figur offen dargeftellt find, müſ— 
vor bei dem Spisengrund oder Bobbinnet | jen natürlich von ſolcher Art jein, daß fie ih durch 
ig. 5), in welchem mittels bejowderer ganz jelbit- | einen Zug in jeder der beiden Richtungen, die durch 
tiger Maſchinen (Zwirnwebmaſchinen) eine Fas | die vereinigten Fadenlagen gegeben find, fliegen 


400 


Czuſchlieren⸗ in der Sprade der Schiffer); die Tech: 
nit verfügt über eine große Auswahl hierzu geeig: 
neter Anoten. 

Unter Zugrundelegung der bier dargeſtellten 
—— von ungemuſterten F., deren Zahl durch 

ariieren gewiſſer naheliegender Momente leicht 
vergrößert werben könnte, fann man ohne Schwie- 
rigleit zum Berftändnis der gemufterten 5. gelan- 
gen, deren mögliche Zahl ins Unendliche anjteigt, 
wenn man bedenkt, daß nicht nur form und Ans 
orbnnung der Mujter, jondern aud die Auswahl der 

abenverbindung für Grund und Figur freijtebt; 
ebt man nod * von den Muſterungen ab, die 
diglich durch Farbenunterſchiede bedingt find (be 
drudte 4 Ay iſt erfihtlih, daß in jedem flächen: 
artigen F. ——— zu ſtande kommen kon⸗ 
nen, indem man innerhalb der Grenzen vorgeſchrie⸗ 
bener Figuren eine andere Fadenverbindung benukt, 
als außerhalb dieſer Grenzen, im be: Fond. Zur 
Löfung der bier angedeuteten Aufgabe find höchſt 
—— Einrichtungen erfunden worden, wie das 
acquardgetriebe, der Rapportapparat u. dal. 

Die größte Mannigfaltigkeit in der Heritellung 
gemujterter F. ift bei den Spigen (ſ. d.) erreicht 
worden, bei denen dad Streben nad Verzierung bis 
auf die Ausgeftaltung der Ränder ausgedehnt wurde. 
Eine reichhaltige Art von F. entſteht dur das Auf: 
von Figuren auf icon fertige flächenartige 

„durch Cintnüpfen eines fammetartigen Flors, 
durh Aufnäben befonders bergeitellter Stoff: 
ausſchnitte. (S. Stiderei, Teppiche, Applitations: 
arbeit.) Gewilje Arten ſolcher F. lönnen auf be 
fonderd eingerichteten Webmaſchinen gleichzeitig 
mit dem Grundgemebe bergeftellt werben. (S. Bro: 
ſchieren, Teppiche.) — Die Heritellung von F., die 
nad mebr ala * Dimenſionen erheblich ausge: 
dehnt find, iſt Aufgabe ver Bofamenterie ff. d.). 

adenglas, verzierte Glas, ſ. Millefiori. 
adeugras, Pflanze, j. Eſparto. 
enflee, ſ. Rlee. 
enfreuz und Fadeunetz. Um bei der Ver: 
bindung des rohrs mit einem Meßinftrument 
die genaue Viſierung eines Dbjeltö zu ermöglichen, 
find im Brennpunkte des Objeltivs zwei ſich unter 
rehtem Winkel ſchneidende Fäden, ein Faden— 
kreuz, ausgeipannt. Sobald ein Objelt mit dem 
Kreuzungspuntt diefer Fäden zur Dedung gebracht 
wirb, befindet es ſich in einer Richtung, die durch 
biefen Kreuzungspunlt und den optiſchen Mittel: 
unkt des gang Ser gebt. Der Träger des 
denktreuzes ift eine Metallplatte, die Fädenplatte, 
die fo mit dem rohr verbunden ift, daß fie jent: 
recht zu feiner Achſe jtebt und durch Korreltions⸗ 
vorrihtungen genau in den Brennpunkt gebradt 
werden fann. Daß der Kreuzungspunkt der Fäden 
mit der optiſchen Achſe jelbit zufammenfällt, ift 
nicht gerade ftreng — Die Verbindungs⸗ 
linie Peer ihm und der Übjeltiomitte beißt die 
ber inie oder Kollimationslinie. Den 
einen Faden jtellt man re ſenkrecht, fo 
daß der andere horizontal liegt. Beim Bafjagen- 
inftrument * (abgeſehen von den Inſtrumen⸗ 
talfehlern, ſ. d.) der erſtere Faden dann mit dem 
Meridian zuſammen; man begnügt ſich beim 
— — aber nicht mit einem einzigen 
Vertilalfaden, ſondern ſpannt deren eine größere 
ah auf der Fadenplatte auf, ein Fadennetz, 
in Bezug auf welches man die Durchgangszeiten ber 
Sterne, die yadenantritte, beobabtet. Da man 


Fadenglas — Fadenmikrometer 


in der Lage iſt, durch Rechnung die Antritte an die 
Seitenfäden auf den Mittelfaden zu reduzieren, fo 
vervielfältigt man fo die Beobachtung und erböbt 
die Genauigleit. Auch in den Fadenmikrometern 
(f. d.) find häufig komplizierte ‚Jadennepe einge: 
zogen. — Als Material für die yäden benust man 
jeßt gewöhnlich Spinnefäden. Wegen der größern 
altbarleit find aber auch, namentlich bei kleinern 
nitrumenten, dünne Glasplatten mit eingerikten 
trihen in Gebraub. 
— da j. Wirkwaren. 

adenmifrometer oder Shraubenmilro: 
meter, bas in der Witronomie gebräuchlichſte 
Milrometer (f. d.), bei dem die Ausmeffung der im 
Brennpunfte abgebildeten Gegenftände vermittelft 
eine® durch eine Milrometerihraube bemegten 
Spinnefadens erfolgt. Zrinerbalb eines Rahmens 
a8 (j. die nachſtehende Figur) ift ein zweiter Rahmen 
Il durch eine Mitrometerjchraube SS ftetig ver: 
fhiebbar. Der Kopf TT der Schraube, die SStau⸗ 
bentrommel, ift in 100 gleiche Zeile geteilt. Die 
jeweilige Stellung der Trommel wird durch den mit 
dem Rahmen aa fejt verbundenen Inder ii martiert. 
Die Zabl der ganzen Umdrebungen, um die 11 ver: 
ſchoben wird, giebt die mit 11 fejt verbundene Stala 
cc durch ihre Stellung gegen den Nullpunlt o an 
ff find Spiralfedern, die der Herabbeweguna de⸗ 
Rahmens 11 dur die Schraube entaegenmirten 
und denjelben immer ge en die Schraube prefien. 
Auf jedem der beiden J find Spinnefäden in 
der in der Figur angedeuteten Weiſe ausgeipannt: 
die Anordnung und Zahl der Fäden ijt bei den 
einzelnen 5. ſehr verſchieden, nur ift ftet3 Sorae 
bafür zu tragen, daß die Ebenen beider Fabeniyiteme 
einander fo nahe ald möglich liegen. Der ganze 
Apparat tft mit einem parallaktiſch aufgeftellten 
Fernrohr fo verbunden, dab 
die Ebene der Spinnefäden 
in die gemeinfame Brenn- 
ebene von Dbjeltiv und 
Dfular fällt. Außerdem 
fann das F. um die Achſe 
bes Fernrohrs beliebig ge: 
dreht werden, jo daß die Fä⸗ 
den jede beliebige Tage 
gegen den durch die Objel: 
tiomitte gehenden Dellina: 
tionsfreiß annehmen fön- 
nen. Die jeweilige Lage 
derſelben giebt ein mit dem 
Fernrohr feit verbunbener 
geteilter Kreis, der Poſitionskreis, an. Soll mit 
dem 5. die Reltafcenfions: und Deflinationspife: 
renz zweier benachbarter Beitirnegemeflen werben, fo 
— man dasſelbe zunächſt ſo, daß der Faden auf 
11 der Richtung der täglichen Bewegung der Sterne 
— ift, dab aljo ein dem Aquator naher Stern 
eim Durchgang durd das ee genau biefen 
—— entlang laufen muß. Hierauf läßt man das 
ernrobr völlig unverrüdt ftehen und beobachtet 
die Jeitmomente, zu denen beide Gejtirne den Faden 
auf aa pajfieren. Die Differenz beider Zeiten iſ 
der Unterſchied der Rettafcenfionen beider Geftirne. 
Mit Hilfe der Schraube SS ftellt man außerdem 
aber aud den Faden auf Il auf jedes der beiden 
Geftirne ein und lieft beivemal die Stellung der 
Stala cc und der Trommel TT gegen ii und o ab. 
Die Differenz beider Ablefungen ift die geſuchte 
Dellinationsdifferen;, ausgedrüdt in Schrauben: 





Fadenmühle — Faed 


mrbungen. Den WMWinlelmert einer Schrauben: 
umdrebumg beitimmt man durch Ausmejlung der 
Zelinationspifferenzen gut beftimmter Sterne. Bei 
Nahtbeobahhtungen mit dem F. muß man entweder 
tas Gefichtäfeld oder bei duntelm Sebfelde die 


Spinnefäben jelbjt durch 2 auf fie gemorfenes 
ht erleuchten. Iſt das Fernrohr mit einem guten 


Ubrwert verſehen, das es der jcheinbaren täglichen 
— — der Geſutne genau nachführt, und 
handelt es ſich um die Beſtimmung der gegenſeitigen 
Lage zweier Sterne, die gleichzeitig im en 
neieben werben können, wie z. B. Doppeliterne, jo 
fann das 5. mit Erfolg . zur Beitimmung von 
Diftanz und Poſitionswinkel benugt werden. Man 
bat dasjelbe dann zunädjt jo zu dreben, daß der 
Faden auf aa genau in die Verbindungslinie der 
beiden Sterne fällt, und jtellt dann den Faden aufl1 
naceinander auf jeden berjelben ein. Die Differenz 
beider Trommelablefungen ijt die Diſtanz oder der 
Wintelabitand der beiden Sterne. Den Pofitions: 
winlel ergiebt die Ablejung des Poſitionskreiſes, 
nachdem man von diejer die Ablejung abgezogen 
bat, bei der ein im Slquator ftebender Stern den 
Faden auf 11 entlang läuft. Ein mit genauem 
Bofitionstreis verſehenes F. führt auch die Be 
zeihnung Bofitionsmilrometer. 
Fadenmühle, Spinnmübhle, Überfpinn: 
majcine, im Bofamentiergewerbe eine Maſchine, 
welde zum «liberjpinnen», d. h. fhraubenförmigen 
Umminden eines innern Kernfadens (Seele oder 
Futter), mit Lahn dient. Die Maſchine enthält 
meiſt 8—20 Gänge, d. b. die Einrichtung, um fo 
viele Fäden gleichzeitig zu befpinnen. Der zu be: 
midelnde Faden wird durch die Achfe eines Kopfes 
——— um welche die entſprechend ge— 
bremſte Rolle herumbewegt wird, von welcher 
der auf das Futter aufzuwickelnde Faden abzieht. 
Die Spinnmüble wird auch gebraucht, um baum: 
wollene Fäden mit Seide oder Wollgarn zu über: 
fpinnen, zu plattieren, aus welder Art Gejpinft 
aladann Franſen und andere Pojamentierwaren, 
Seidenftramin u. ſ. w. verfertigt werben ; ebenfo zum 
Überjpinnen der Kautfchuffäden mit Baummolle oder 
Seide. Ein verwandtes Erzeugnis ift ferner bie 
feidene Gimpe, welche aus einer von Leinen: oder 
Baummollgarn gedrebten, dann mit gelocdhter und 
beliebig efärbter Tramſeide überfponnenen dünnen 
Schmur beitebt. Die Seide, welche eine volllommene 
Dede bilden muß, nimmt man zur Abkürzung der 
Arbeit vier: oder ahtfadh. Krausgimpe wird dar: 
eftellt, indem man entweder eine baummollene 
Schnur mit einer ähnlichen dünnern weitläufig über: 
fpinnt (überriegelt), dann das Ganze mit Seide 
befleidet ; oder eine mit Seide befponnene Baumwoll⸗ 
ſchnur mit einer dünnern der Art, ebenfalld ſchon 
eideumkleideten, in meiten Windungen beipinnt. 
ud Brillantgarn (f. d.) wird auf der F. bergeftellt. 
Dünne Eifen: und Kupferdrähte werden öfters 
mit Seide oder mit Zahn überfponnen zur Bun 
aung gewifjer Arten von Kantillen; ausgeglübte 
Eijendräbte mit Seide oder Baummolle für Damen: 
büte und andere Bußarbeiten, deögleichen zu Drabt: 
band; Kupferdrähte mit Seide zu galvaniſchen Appa⸗ 
taten u. ſ. w. Auch jog. Kab elſchnur wird der 
#. bergeitellt; die Zeile dazu werben zuvor auf der 
tiermafchine zubereitet. Beim Zufammendrehen 
derjelben auf der F. ummidelt ein Zeil den andern 
(das Futter) in dichten Windungen (Rabelmübhle, 
Rabelmafhine). Als Plattiermaſchinen wer: 
Brodhaus’ Konverfationd-Leziton. 14. Auf. R. A. VL 


401 


ben in der Regel ſolche F. bezeichnet, bei welchen das 
Futter gleichzeitig (geforderten Falls erſt aus meh— 
rern, bis zu 50 Fäden) zufammengedreht und dann 
durch mebrere Fäden plattiert wird. Hierbei kann 
entweder das abziehende Ende der innern Schnur 
edreht werden (jog. franzöſiſche Plattierma: 

p ine) oder die Spule, von welcher das Futter ab: 
gezogen wird (Teller: Blattiermaidine). 

dennet, ß Fadenkreuz. 

adennudeln, |. Teigwaren. 

denpilge (Hyphomycetes), in der Botanil 
früher Bezeihnung für Pilze mit fadenförmigen 
Mocelien, von denen man nur die Conidienbildung 
fannte. Neuerdings find die meijten ald Entwid: 
lungsftadien von Ascomyceten (f. d.) nachgewieſen 
worden. 

Fadenplanimeter, i.Arealbeitimmung (Bd.17). 

Fadenreißer, eine Offnungsmaſchine, melde 
die Abgangsfäden der VBoripinn: und Spinnmafdi: 
nen auflodert, fo daß fie ald Beimengung der Rob: 
baummolle wieder mit verarbeitet werden können. 

Fadenſchnecken (Aeolidiidae), Bäumden: 

bneden, Familie der Hinterfiemer (ſ. d.), mit 
eulen⸗, fpindel: oder walzenförmigen Rüdenttiemen, 
mandmaläftig und an der Spike Sädchen mit Neſſel—⸗ 
fapjeln tragend. Der After liegt auf dem Rüden oder 
an der rechten Seite, von der veräjtelten Yeber treten 
Schläude in die Nüdentiemen. Die ausſchließlich 
das Meer bewohnenden zahlreichen Arten find meijt 
von geringer Größe, 0,4 bi8 7 cm, oft ſehr zierlich 
eig und elegant gefärbt. Die meiften leden auf 
gen kriechend, einzelne (3. B. die außerordentlich 
ſchöne Gattung Glaucus) pelagiih, ſchwimmend. 
(S. Tafel: Weichtiere I, Fig. 1.) 

Fadenfforpione (Thelyphonus), eine Gattung 
der Geißeljforpione (f. d.) mit zwölf, die wärmern 
Länder beider Weltteile bewohnenden Arten. Der bei 
den Skorpionen (ſ. d.) verhältnismäßig fräftig ent: 
widelte hintere Abſchnitt des Hinterleibs (Schwanz) 
iſt bier fadenförmig geworden, beſiht aud feinen 
Endſtachel und keine Giftprüfe mebr, fondern eine 
Stinkorüje, deren Sefret am Ende des Fadens durd 
eine Öffnung nad außen tritt. [mafcine. 

Fadenfpannung, Fadenfprung, ſ. Näb: 

Fadentvächter, Borribtung an Textilmaſchi— 
nen, die bei Fadenriß ein felbittbätiges Stillſehen 
der Maſchine bemirft. 

adenmwürmer (Filariidae), |. Haarwürmer. 

Fadenzähler, Weberglas, Lupe zur Beſich— 
tigung der Webjtoffe und zum Abzäblen der auf 
einen beftimmten Raum lommenden Fäden. 

Be ar MWeintrankbeit, j. Langwerden. 

ädlein, Fädchen, in der Jägerſprache ber 
dünne Eröftreiten, der in der Hirſchfährte zwiichen 
den Schaleneinprüden fteben bleibt. 

Faed (ipr. fehd), John, engl. Maler, geb. 1820 zu 
Burley Mill in Schottland. 1864 lieh er fi in Lon⸗ 
don nieder, wo er 22. Dt. 1902 ftarb. Unter feinen 
Gemälden find bervorzubeben: Shafeipeare und 
feine Zeitgenofien (1850), Samstagsabend des 
Landmanns, Heimkehr des Soldaten, Der Steig: 
bügeltrunt, Des Förfterd Toter, Goldſmith in 
feinem Stubdierzimmer (1877), Der alte Korb- 
flechter, Der Traum des Dichters (1882). 

Faed (ipr. fehd), Thomas, engl. Genremaler, 
Bruder des vorigen, geb. 8. Juni 1826 zu Burley 
Mill in Schottland, bildete ſich auf der Alademie zu 
Edinburgh unter W. Allan und ließ ſich 1852 ın 
London nieder, wo er 22. Aug. 1900 ftarb, Seine 


26 


402 


der romantifchen Richtung angebörenden Gemälde 
zeichnen fih aus dur angenehme Zeihnung der 
Charaktere jowie dur eine —— oft grelle 
ärbung. Sein Bild: Walter Scott im Kreife einer 

eunde zu Abbotsford, verfchaffte ihm 1849 die Auf: 
nahme in die Edinburgher Nlademie; 1864 wurde 
er Mitglied der Londoner Alademie, Zu 3.8 ber: 
vorragenditen Werten gehören ferner: Die Waije 
(1855), Die erjte Lüde in der Familie (1857), Groß: 
mutter, Mutter und Kind in einem Bauernhauſe 
(1859; Runfthalle zu Hamburg), Sonntag in den 
Hinterwäldern (Galerie zu Wolverbampton), Der 
Sottesader, Veilchen und Schlüffelblumen (1874), 
In Kriegszeiten, Savoyarden mit einem ffchen 

1879), Bon der Hand in den Mund (1880), Die 

Förſterstochter (1882), Warum verließ ich die Hei: 
mat (1886), Qucys Fehler (1891). 

Faenza, Hauptitabt des Kreijes F. (74631 E.) 
in derital. Provinz Ravenna, im SW. von Ravenna, 
am Fluß Lamone, an der Via Emilia und an den 
Linien Bologna-Ancona und F. Florenz (102 km) 
bes Adriatiſchen Nebes, regelmäßig gebaut und mit 
Mauernumgeben, Sik eines Bifchof3, bat (1901) als 
Gemeinde 40370 E., in Garnijon 3 Esladrons des 
21. Havallerieregiments; an dem mit Bogengängen 
umgebenen und mit einem Springbrunnen von 1621 
gezierten Hauptplaße, ni den die vier Hauptitraßen 
einmünben, fteben die Ratbedrale San Eoftanzo (nach 
dem erſten Biſchof von F. benannt), eine Yafılita 
(15. Jahrh.) mit dem Grabmal San Savinios von 
Benedetto da Majano (1472), das Rathaus, der ebe: 
malige Palaſt der Manfredi und die jhöne San 
Micele:Kirhe. Dem in F. geborenen Torricelli ift 
eine Marmorftatue errichtet. Die Bibliotbet (26000 
Bände) befist eine Statue Johannes’ des Täufers 
von Donatello, die Binalotbet im Gymnaſium 
wertvolle Gemälde. Ferner beiteben ein Kom: 
munalgymnafium, eine techniſche Schule jowie 
Majolitafabriten (j. Fayence und Tafel: Majolika, 
ig. 1), Seidenſpinnereien und Webereien. — Bei 
& (Faventia) fiegte 82 v. Chr. Sulla über Carbo, 
542 Totila über die Oſtrömer; —— II. eroberte 
F. 1241 nad achtmonatiger Belagerung, und 1367 
warb die ſeit 1313 in der Gewalt der Manfrevi bes 
findliche Stadt von dem päpftl. Heerführer Hawk— 
wood geplündert, wobei 4000 Menſchen umlamen, 
1500 mußte jih nad tapferer Verteidigung der 
17jährige Aftorre Manfredi gegen Ceſare Borgia 
ergeben, der ihn dann in Nom umbringen lieh. 
Den Benetianern, die fi bierauf F.s bemädtigt 
batten, nahm es 1509 Julius II. ab. — Bol. Rigbi, 
Annali della cittä di F. (Faenza 1841); ©. Zuccolo, 
Crouica particulare..di F. 700—1236 (ebd. 1885); 
G. Bertondelli, Historia della cittä di F, (®ened. 
1673); 5. Argnani, Le ceramiche e maioliche 
faentine (Faenza 1890); C. Malagola, Memorie 
storiche sulle maioliche di F. (Bologna). 

Faes (ipr. fahs), Peter van der, niederländ. 


aler, ſ. Zely. 

Fafnir, der Sohn Hreidmars und Bruder des 
Negin, die in der nordiihen Sagengeſchichte eine 
bedeutende Rolle jpielen. Sie find im ni des 
großen Goldhortes, den Odin, Hönir und Loki für 
die Ermordung von 55.8 Bruder Dttr gezahlt bat: 
ten. F., der babgierigite der Familie, erſchlägt fei- 
nen Vater und verjagt Regın fein Erbteil. In 
Dracengeitalt, ven Schredenshelm auf dem Haupte, 
bütet er auf der Gnitaheide das Gold. Von Negin 
angejtachelt, jtellt Sigurd ihm nad dem Leben und 


Yaenza — Fagging System 


durchbohrt ibn, als er zum Wafler friehen will 
und in die von Sigurd gegrabene Grube gefallen 
ift. Sterbend warnt F. den Sigurd, als er deſſen 

amen erfahren hat, vor dem Golde, auf dem der 
Fluch der Götter ruhe. . 

Fagel, nieverländ. Familie, aus der bedeutende 
Staat3männer und Krieger hervorgegangen find. 

Kajpar F., geb. 1629 im Saag, war 1672, zur 
den des Krieges mit Ludwig XIV., Staatsjelretär 
Griffier) bei den Generaljtaaten und N gr ſich 
damals durch Standhaftigkeit aus. Am 20. Aug. 
1672 ward er als Nachfolger de Witts Ratäpen: 
ionär Hollands. Als folder war er treuer Gebilfe 

ilbelm3 IIL Durd jeinen Sr hauptſächlich 
entſchloß ſich Amſterdam und dadurch Holland, dem 
Prinzen die Expedition nach England 1688 zu er 
möglichen. F ſtarb 15. Dez. 1688. 

Franz Nikolaus, Baron F., ein Neffe 
Kaſpars, geb. 1645 zu Nimwegen, trat 1672 in 
Dienſt, zeichnete fi in der Schlacht bei Fleurus 
1690 aus, befehligte bei der Berteidigung von 
Mond 1691 und bewies bei der Belagerung von 
Namur, bei der Cinnabme von Bonn und in Bor: 
tugal 1703, in Flandern 1711 und 1712 fowie in 
den Schlachten von Ramillies und Malplaquet feine 
militär. Tüchtigkeit. Er jtarb 28. Febr. 1718 als 
kaiferl. Feldmarſchallleutnant. 

Heinrich —* geb. 1765, ſchloß als Staats: 
jetretär 1794 den Bund Hollands mit Preußen und 
England, folgte dann der Familie des Grbitatt: 
halters nah England, trat 1809 mit dem Bringen 
von Dranien als Freiwilliger in das Heer des Erz: 
berzons Karl und kehrte 1813 nad Holland zurüd. 
Als Gefandter in London unterzeichnete er den 
Friedensſchluß zwiſchen England und Holland. 
1824 von feinem Geſandtſchaftspoſten zurüdgelebrt, 
wurde er 1829 Staatöminifter obne Bortefeuille. 
Er ſtarb 22. März 1838 im Haag. 

Fagerlin, Ferdinand, ſchwed. Genremaler, geb. 
5. Febr. 1825 zu Stodbolm, trat in die Armee, gab 
jedoch 1854 den Militärdienft auf und bildete ſich 
zum Maler auf der Akademie in Stodholm, dann 
bei K. Sohn in Düffeldorf und fpäter bei Couture 
in Paris. Er lebt in Düffeldorf und wurde 1893 
zum PBrofefior ernannt. In feinen Genrebildern, die 
ſich dur große Lebenswahrheit und trefflidhe Eba- 
ralteriftif auszeichnen, fchildert er vorzugämeife Das 
häusliche Leben der bolländ. Fiſcher. Hervorzubeben 
find: Fifcherfamilie (1861), Rauchende Knaben 
(1862), Eiferfuht (j. Tafel: Standinaviſche 
Kunſt IL, Fig. 4; leßtere beide im Nationalmujeum 

u Stodbolm), Bejuch bei den Großeltern, Das 
amort (1868), Obne Hoffnung, Der abgemieiene 
eier (1876), Zeitvertreib (1882), Der Deferteur 

1883), Ein Rival, Die Werbung (1884), Flitter: 
wochen (1884), Fiſchermädchen Nehe jtridend (1885; 
on. Mufeum zu Leipzig), Trauliches Heim, 
Heimtehr vom Strande (1886; beide in der Na: 
tionalgalerie zu Berlin), Hausandadt (1887), Ein 
Liebeszeichen (1889), Überrafhung bei der Heim: 
tebr (1892), Der zagbafte freier (feit 1896 in der 
ſtädtiſchen Galerie zu Duſſeldorf). 

F Systöm (ipr. fägg-), ein auf vielen 
öffentlihen Schulen in England eingefübrter Ge— 
brauch, nad welchem die Schüler der höchſten Klaſſe 
das Vorrecht haben, von den Schülern der Unter 
Hafien verſchiedene Dienitleiftungen zu verlangen. 
Zu diefem Zwede wird jedem Zönlinge der Unter: 
Hafjen (in diefer Eigenſchaft ala fag bezeichnet) ein 


Faggot — Fahlcrang 


fagmaster zugeteilt. Als Gegenleiftung * der 
fagmaster ſeine fags bei Mißhandlungen von ſeiten 
anderer Älterer Schüler. Das Syftem ſteht in einem 
gewifien Zufammenbang mit dem von Arnold einge: 
führten Monitorial System, —— in jedem Wohn⸗ 
baufe einige Schüler der —— Klaſſe (die jog. mo- 
nitors) die Disciplin aufredt zu erhalten haben. 
Faggot(ipr. jäggöt), in England eine Menge von 
120 Handelöpfund Stahl. F. iit alfo ein Gewicht 
binle), afrit. Ser, f. @r. 17 
n(e), afrik. See, f. Bd. 17. 
in, |. —RX 


gin, ern. 
agioli (ſpr. fadſchohli), Giambattiſta, ital. Dich⸗ 

‚geb. 24. Juni 1660 zu Florenz, begleitete 1690 
den päpftl. Legaten Santa Eroce nad Warſchau, 
tebrte jedoch bald zurüd, lebte in Florenz am Hofe 
der legten Mediceer und ftarb 12. Juli 1742, Seine 
Sprit, zum Teil burlest, erſchien ald « Rime piace- 
voli» (6 Bde., Flor. 1729— 34; der 7. von G. M. 
Brocchi, Lucca 1743). Außerdem ſchrieb er 19 Luft: 
ee 7 Bve., Slor. 1734—36; 

. 1758); feine Proſaſchriften — als 
Supplementband zu den Luſtſpielen (Flor. 1737). 
Eine Auswahl der Gedichte erſchien 1823 (2 Bde., 
Bologna). — Bol. Baccini, G. B. F. (Flor. 1886). 

Fague (jpr. —— mittellat. Fania; vläm.Venn), 
Sandfaa im ſüdl. Teil der belg. Provinzen Henne 
gau und Namur, meift Heideland, begreift die Gebiete 
von Bhilippeville, Marienbourg, Chimay und Eou: 
vin. (S. Karte: Belgien und Quremburg.) 

Fagotaille (fr ipr. -täj), Einfaſſung eines 
Dammes mit NReisbündeln. 

Fagött (ital. Fagotto, «Bündel»; franz. Basson), 
Blasinftrument, urſprünglich als Baß zu der Oboe 
(daber Basse de hautbois genannt), Icht im Or: 
Ze ſowohl als Baßinſtrument wie als füllende 

ittelftimme oder zur Oltavenverboppelung einer 
Melodie und als Soloinftrument gebraudt. Das 
F. giebt der Grundjtimme eine weiche Fülle und ift 
Daber von dem Baſſe unzertrennlid; in den großen 
Geſangs⸗ und Orcheſterwerlen des 18. Jahrh. gebt 

e3 deshalb faſt immer unijono mit dem Grund: 
baſſe. Es bejteht aus einer doppelten (gebrochenen 
oder gelröpften) Röhre von Holz mit acht Ton 
löchern und meiftenteild zehn Klappen und wird 
turd ein doppeltes Rohrblatt angeblajen, das durch 
eine gefrümmte mejfingene Nöhre, das 5 enannt, 
mit dem flörper des Inſtruments in Verbindun 
ſteht. Seiner äußern Klangfarbe nad) jteht das 7. 
mit dem Violoncello in fibereinftimmung, und fein 
Tonumfang erftredt jih vom Kontra:b bis zum zwei⸗ 
aeftribenen c und fogar bis es, doch fehlen das 
tieffte h und cis. Notiert wird für das F. wie für 
das Bioloncello: die —— Töne im Baßſchlüſſel, 
die böbern im Tenorſchlüſſel. Zwei neuere Erfins 
dungen jollen bei ftarlbejegter Blasmuſil den Bäſſen 
angemejjene gleihe Stärle und Kraft geben: das 
Uuartfagott, deſſen Töne um eine Quarte tiefer 
fingen, als fie gejhrieben werden, unddas Kontra: 
fagott, das um eine Dftave tiefer als das ge: 
wöhnli e ſteht. Der Name Phagot — zuerſt 
als der einer Erfindung des Kanonikus Afranio 
zu ara, beſchrieben 1539; doch war dies 
ein jehr kompliziertes Muſilinſtrument mit Blas— 
bälgen, das mit dem heutigen F. wenig zu thun 
hat. Pehteres iſt wielmehr aus den größern Arten 
der Schalmei (f. d.) entjtanden durch Zerlegung der 
wegen ihrer Länge unbebolfenen Röhre in zwei ver: 
kundene Robre. Auch mwurde die die Klappen be: 


403 


decdende Kapſel weggelaſſen, ebenfo wie das bei der 
gleiden Umwandlung der Diskantſchalmei in die 
boe geihab. Die ältere Art hieß Dolcian. (S. auch 
Muſilinſtrumente, Bd. 17, nebjt Taf. I, Fig. 1u. 15.) 
Als Orgelregifter iſt das F. ein janftes Rohr: 
werl von 16=, feltener 8:jußton (d. b. 5 m, feltener 
2,5 m, im Manual, wie im Pedal geführt), an Sn: 
tonation einer jonoren Mannesftimme ähnlich. 
Fagöttgeige, eine Geige, die etwas Heiner war 
als das Violoncell, aber größer als die Bratiche, 
früher (bis zum Anfang des 18. Jahrh.) ald Baß— 
instrument zu hoben Oberftimmen wie Biolinen und 
Querflöten gebraucht. riler, |. Bd. 17. 
Fagnet (for. fageb), Emile, franz. Pitterarbifto: 
agus, ſ. Buche; F.silvatica, Rotbuche (f. Tafel: 
Laubbölzer. WalpbäumelV, Fig. 1, beim Ar: 
tifel Yaubbölzer; Blätter mit Aglia Tau f. Tafel: 
Raupen, Fig. 4). 
F tal, Stadtteil im antifen Rom (f. d.). 
Hi äfa, Fiſchart, ſ. Igelfiſche. 


4 


abhamthee, j. Angrecum. 
ähe (ehe), das Weibchen der vierfüßigen 
Naubtiere, namentlich des Fuchſes und Wolfes. 
ahhad, arab. Name für den afril. Gepard (f.d.). 
a:hien, richtiger Fah-hien («Gejegesglanz» 
oder «Keligionsglanz»), der —* Name eines 
chineſ. Buddhaprieſters Schi, den ſeine Begeiſte—⸗ 
rung für die Heilslehre aus Indien, wie manchen 
ſpätern Landsmann und Glaubensgenoſſen, nach 
Oſtindien trieb. Er durchwanderte von 399 
n. Ehr. ab angeblich 30 Länder und kehrte nach 14 
Jahren, beladen mit heiligen Büchern, die er gründe 
lich verſtehen gelernt, in feine Heimat zurüd. Schi 
B- ift Verfaffer des « Syu-fwosfi» (Beicreibung der 
uddhiſtiſchen Länder). Das Merk iſt zuerft von 
Abel Remufat («Fo& koud ki ou Relation des 
royaumes bouddhiques», Bar. 1836) und fpätervon 
Beal (Pond. 1869) überjeßt worden. Neuerdings 
bat Legge den chinef. Tert nach einer koreanifchen 
Recenſion herausgegeben und ins Engliſche über: 
fest («A record of Buddhistie Kingdoms, being 
an account by the Chinese monk FA-hien of his 
travels in India and Ceylon», Orf. 1886). 
Fahlbänder (aud Fallbänder), gewifle Zo— 
nen, Schichten oder Lagen in der Urgneisformation, 
die feine Erzpartifelden, 3. B. Magneteifen, Eifen- 
fies, Kupferlies, enthalten, durd deren Zerjeßung 
das Geftein ein fables Ausfeben annimmt. 
gab erang, Karl Xob., ſchwed. Landſchafts 
maler, geb. 29. Nov. 1774 in der Provinz Dalarna 
Dalelarlien), bildete fih in der Kunſt unter ver: 
hiedenen Lehrern, indem er die heimische Natur in 
ihrer Geſamtwirkung mit Eifer ftudierte, und wurde 
der Vertreter einer romantijch-idealen Richtung. Er 
wurde 1815 Profeſſor und ftarb 9, Jan. 1861. 
Sein Bruder Chriſtian Erik F., geb. 30. Aug. 
1790, wurde 1829 Brofefior der Theologie zu Upfala 
und 1849 Bifchof zu Weſteraͤs und ift auch als Dich: 
ter belannt. Seine «Noach’s ark» (1825—26) wird 
als eine ebenfo witzige wie tieffinnige Dichtung ges 
Knast und zeigt einen überrajchenden Reichtum an 
ortpielen. Später ließ F. die epiihe Dichtung 
«Ansgarius» (Upfala 1835—46) in 14 Gefängen er: 
ſcheinen. Auch veröffentlichte er mehrere theol. Schrif: 
ten —— Inhalts, z. B. «C. J. L. Almqvist 
säsom författare i allmänhet och säsom teolog i 
synnerhet skärskädad» (2 Tle., Upfala 1845 —46), 
«Evangeliska alliansen» (2 Tle., ebd. 184748) 
und «Rom förr och nıı» (6 Tie,, Wejteräs 1858—61). 


26* 


404 


1839 —42 leitete er mit Anos und E. J. Almaviſt die 
«Ecklesiastik Tidskrift», Eine Sammlung feiner 
Schriften bat er jelbit beforgt (7 Bde. Örebro 1863 
—66). Er ftarb 6. Aug. 1866 zu MWeiteräs. 

Ein dritter Bruder, Arel Magnus F., aeb. 
11, Olt. 1780, geit. 7. DEE. 1854 zu Stodholm ala 
Mitglied der Akademie und Hofbildbauer, bat jich 
durch feine ornamentalen Skulpturen jowie als 
Rovellift einen Namen erworben. 

Fahlerz, Tetraedrit, Shwarzerz oder 
Öraugiltigerz, ein ftablgraues bis eiſenſchwar⸗ 
ke Erz, das in der geneigtflädig : hemiedriſchen 

bteilung des regulären Syſtems, namentlich mit 
—5—*— Tetraeder, auch Trigondodelaeder oder 

hombendodelaeder kryſtalliſiert (ſ. nachſtehende 
Figuren); die Härte ift 3—4, das ſpec. Gewicht 44 - 
54. Die an der Zuſammenſeßzung der F. ſich betei- 


figenden chem. Stoffe find ſehr wechſelnd, doch fin: 
den fich immer 4 Molefüle elettropoiitiver Schwefel: 
metalle (Schwefeltupfer, «Silber, Eiſen, Fink, auch 
:Quedfilber), verbunden mit 1 Molefül elettronega: 
tiven Schwefelmetalld (Schwefelantimon, Schwerel- 
arien), jo daß die allgemeine yormel ARS+Q,S,, 
worin R=Cu,, Ag,, Fe, Zn und Hg,, Q=Sb und 
As ift; die antimonbaltigen 3. find die dunkeln und 
————— (jelbft bis zu 30 Proz. Silber) und 
aft ftet3 quedjilberfrei, die arfenhaltigen zugleich 
die lichtern und filberfreien oder ganz jilberarmen. 
Blei fommt in allen nur ſehr jelten vor, dagegen 
entbalten mande Varietäten etwas Wismut und 
Kobalt. Das F. findet fib auf Erzgängen (Harz, 
Naflau, Freiberg, Saalfeld, Schwaß in Zirol, Un: 
garn), oft mit einem feindrufigen Überzug von 
Kupferkies verjeben, und wird jomobl auf & iiber 
als auf Kupfer verbüttet. 

ablleder, ſ. Oberleder. 

ähimann, Friedr. Rob., Sprachforſcher, geb. 
1. Jan. 1800 auf dem Landgute Hagewied in Eſth⸗ 
land, jtudierte 1818—27 in Dorpat Medizin, be 
ſchäftigte fib aber noch eifriger mit der Sprad: 
und Sagentunde feines Volle. 1842 wurde F. zum 
Leltor der eſthniſchen Sprache in Dorpat ermwählt, 
ftarb aber ſchon 21.(9.) April 1850. Seine Arbeiten 
finden ficb meift in den erjten Bänden der «Verband: 
(ungen der Gelehrten Eſthniſchen —— ſeit 
1840 abgedrudt. Sein Hauptverdienſt liegt in der 
Sammlung des Nationalepos der Eſthen, der «fa: 
leviade» oder «falewipoeg» (Sohn Kalews),dasnad 
5-8 Tode Fr. Kreupmwald berausgab ( Dorpat 1857 
—61). — Bol. Kreutßzwald, Robert F. (ebd. 1852). 

ahlmer, Johanna, ſ. Schloffer, Job. Georg. 

ns, Längenmaß und Gemwidt, |. Fen. 

ä chen, Schmetterlingsfamilie,i.Widdercen. 

ahndung, das Streben, einen Verbrecher, 
namentlih einen entlaufenen, zu entveden und 
wieder einzufangen, Es gebört dies in den Ge: 
ſchäftskreis der polizeilihen Organe. 

Fahne, ein durch Farbe oder Bild gezeichnetes 

Etüd Seuß, das am Schaft einer Stange (Fahnen: 
ftange) beteitigt ift (j. Banner). Als Heerzeichen 


Fahlerz — Fahne (militäriich) 


waren im frühen Altertum Sinnbilder, meift Tier» 
bilder in Gebrauch. Doc führten ſchon die Inder 
neben der mit einem Drachen gezierten Neid: 
ftandarte zablreihe bunte F. und Fähnchen, die 
entweder einzelnen Anführern des Fußvolls an: 
vertraut oder an den Kriegswagen befejtigt waren. 
Die Agypter führten Sinnbilder mit Hieroglypben, 
die Aſſyrer Tauben auf ihren Feldzeichen, die Ber: 
Ki batten einen goldenen Adler auf einer Langen: 
pitze. Bei den Hebräern hatten je drei Stämme bie 
gleiche J. Bei den Griehen und Römern wurde jo: 
dann die F. Feldzeichen jeder taltiſchen Abteilung. 
Erſt durch Marius foll ald gemeinfames — 
(signum) für das röm. Heer der metallene Adler ein⸗ 
geführt worden fein, der dann das eigentliche signum 
legionis blieb. Auch für die Gliederung der Kohor⸗ 
ten wurden verjchiedene Zeichen angenommen, si 
und vexilla: jene ei Standarten mit Mer 
tallbildern, diefe gemeiniglih Meine vieredige F. 
die an einer Querjtange hingen, von weißer, roter 
oder purpurner ig namentlid für die Heiterei 
(ſ. aud Flammula). Häufig wurden die vexilla mit 
den signa verbunden. Nach dem Siege Konſtantins 
d. Gr. über Marentius erbielt die Kriegsfahne (la- 
barum) das Ehrijtugmonogramm (f. 9 auch wohl 
das griech. Kreuz allein. 
Auch die Germanen und Slawen hatten ſchon 
ehr früh ihre Feldzeichen, während fie die eigentliche 
erſt durch die Römer lennen lernten. Die Sachſen 
atten im 6. Jahrh. eine 5. mit einem fliegenden 
dler über einem Drachen und Löwen, die heidn. 
Normannen einen Raben darauf. Bei den Truppen 
fanden die F. neben den Bannern bereits im9. Jabrb. 
als Feldzeihen Verwendung. Jede Compagnie hatte 
ihre 5. und wurde danach ſpäter F. oder Fähnlein 
(1 db.) genannt. Im 12. Jahrh. lamen in Deutid: 
and, wie früber jhon in Italien (ſ. Carroccio), bes 
fondere Fahnenwagen in Gebraud; jo wurde das 
Heerzeihen Dttos IV., ein Adler auf einer Stange, 
auf einem Fahnenwagen mitgeführt. Im ſpätern 
Mittelalter war die Form und der Gebraud der 5. 
dieman Banner (f.d.) oder Paniere nannte, je 
verjchieden. Jedes Land, jeder Fürſt, die einzelnen 
Herren: und Rittergefchledhter, die Städte, die Bund⸗ 
niffe, Gilven u. f. w. hatten ihre F., auf denen die 
Wappen gemalt oder gejtidt waren, und eö war eine 
Auszeichnung, fie zu tragen (f. au Episfahne). Die 
Blutfabhne (f. d.) war rot als Zeihen des Raijer- 
tums und galt als Reichsfahne. Ihre Führung galt 
ſchon früher als ein ausgezeichnetes Ehrenamt für die 
Tapferften aus dem Hoben Adel des Reichs. Kaiſer 
Ludwig der Bayer belebnte 1336 mit ihrer Führung 
den Grafen Ulrih von Württemverg, bei welcher 
Gelegenheit fie zum erftenmal in den Urkunden 
Rei sfturmfahne («des Reiches Sturmfabne») 
— wird (ſ. Deutſche Farben). Sie befand ſich 
im Hauptbeer, während die Reichsrennfahne 
(ſchwarz und weiß geitreift mit zwei gelreujten ro- 
ten Schwertern), mit deren Fuhrung das Kurhaus 
Sadjen in der Würde des Reichserzmarichalls be 
lehnt war, von der Vorhut gr worden zu jein 
ſcheint. Aus diefen romiſchen F. entſtand die Kir: 
chenfahne, wie fie mit ihrem Querjtabe noch jeßt 
bei den Brozejfionen ver kath. und gried. Kirche im 
Gebraud ift. Sie zeigt nur oben jtatt der Lanzen⸗ 
fpige ein Kreuz und auf dem Fahnentuch find reli- 
ide Daritellungen angebracht. — Die erſte F. der 
oslems entitand angeblib dadurch, daß der 
Feldhert des Propheten, Boreida, feinen aufgelöjten 


Fahne (botaniſch) — Fahne (Anton) 


Aurban an einer Stange befeftigte. Die ei 
führten Ähwarze F. ein; eine angebliche F. Moham⸗ 
meds wird unter vem Namen Sandihat:Scerif 
(1.d.)noch heute unter den Reichslleinodien in Stam⸗ 
bul, wohin diejelbe 1595 aus Afien übergeführt 
murde, aufbewahrt. Nur in — Gefahr wird ſie 
vordem Heere entfaltet. Meiſt waren die F. vieredig, 
doch gab es auch zadige, fo die Driflamme (ſ. d.) 
Frantreichs, die in fünf Zipfel ausging. i 
In den neuern Heeren dient die F., bei ber 
Kavallerie Standarte Nr d.) genannt, den jelb: 
ftändigen Truppenteilen als Feldzeichen. Das Fah— 
nentus) der F des beutjchen Heeres ijt quadra— 
tiſch und meilt von weißer Farbe (in Württemberg 
rot, in Bayern und Heilen blau, in Braunjchmweig 
und Reuß orangegelb, in Sahjen:Coburg: Gotha 
und Sadjen: Altenburg dunkelgrün); in der Mitte 
befindet fi das Landes wappen, bei den preußifchen 
und der ſchwarzburgiſchen F. (3. Bataillon des 
965. IJnfanterieregiments) ein ſchwarzer Adler im 
orangegelben Felde, von einem Lorbeerkranz um: 
eben, bei der reußiſchen F. (2. Bataillon des 96. In⸗ 
artterieregiments) ein —— mit der Ilei 
«Mir bauen auf Gott», in den Eden meiſt Lorbeer⸗ 
tränze mit Namenszügen, Kronen u. a. Die preuß. 
Grenabdier: und Linienfahnen jowie die ſchwarzburg. 
5- tragen ein ſtehendes ſchwarzes, die je ein gruͤ⸗ 
nes, die bayr. und die herzogl. ſächſiſche 5. (2. Ba: 
taillon des 95. Infanterieregiment3) ein weißes 
Kreuz. Die neuen königl. ſächſiſchen 3. haben auf der 
Rüdjeite in gelbem (goldenem) Felde fünf ſchwarze 
Ballen mit dem fchräg darüber gelegten Rauten- 
franz. Die hölzerne yabnenftange trägt eine durch⸗ 
brodene Metallipige (in Bayern einen Löwen, in 
Baden ein Dreied), in der ald Auszeichnung für die 
eldzüge von 1813—15 und 1870— 71 das Eiferne 
Kreuz jtebt. Unter Napoleon I. und III. trugen die 
franzöfiihen F. einen vergolveten Adler. Am untern 
Ende befindet fih der Fahnenſchuh (f.d.). An 
der Spibe find bei einzelnen Truppenteilen geftidte 
Fahnenbänder in den Landesfarben er. t, die 
ibnen ald Auszeichnungen bei bejonvern Belegen: 
beiten, 3.3. für einen Feldzug, für eine Schladht 
u. ſ. w. von dem Landesherrn oder ald Gnadenbe: 
weiſe von fremden Fürjten verliehen wurden. Die 
3. galt von jeber bei allen Böltern als ein Heilig: 
tum, und fie, das Symbol der militär, Ehre und 
Treue, jelbjt mit Aufopferung des — Lebens zu 
verteidigen, war ſtets eine ernſte ſoldatiſche Bilict, 
fie zu verlieren, eine Schande für den ganzen Trup- 
venteil (f. Fähnrich). Der Name eines Offizierd oder 
Soldaten, der mit der F. in der Hand gefallen ift, 
wird auf einem an der ‚sabnenitange angebrachten 
filbernen Ring eingegraben. Im Gejecht verlegte 
Fahnenſtangen betommen ebenfalls ſilberne Ringe, 
auf denen der betreffende Thatbejtand verzeichnet 
wird. Zu allen Zeiten wurden fämpfende Truppen 
duch das Vorantragen der F. zu — gerne ren 
ungen begetitert. F als einmal haben 
böbere Führer perſonlich die F. ergriffen, um in Ge: 
fehtöfrifen die Truppen anzufeuern, jo Schwerin 
bei Brag, Augereau bei Arcole, Erzherzog Karl bei 
Aöpern, zent Auguft von Preußen bei Kulm, Ma: 
jor von Kaifenberg Weißenburg u. a. Hobes 
ter und die Spuren beitandener Gefechte gelten 
von jeber al3 beſondere Zierde einer F. Eroberte F. 
und Standarten find die jhönften Siegeötrophäen, 
werden in Zeugbäufern oder Kirchen aufgehängt 
und felbft beim riedensihluß nicht ausgeliefert. 


405 


In älterer Zeit wie jet wurden der F. militärifche 
Ehrenbezeugungen erwiejen, in der deutfchen Armee 
durch Präjentieren der Truppen und Salutieren ber 
Offiziere, und ihr Aufbewahrungsort wird ftetä 
durch eine Schilowache — ojten) bewacht. 
Über Fahnenwachen ſ. Innenwaächen. Früher 
wurden bie F. nur vor dem Landesherrn gefentt, 
jest vor jedem höhern Offizier, der eine Parade ab: 
nimmt ober einen Truppenteil bejichtigt. Die Ber: 
leihung von neuen F. an Truppen ift ftet3 mit 
einer bejondern eier, der Fahnenweihe (f. d.), 
verbunden. Im deutſchen Heere hat jedes Infan: 
terie⸗, Jäger: und Pionierbataillon eine F. Die 

eldartillerie führt jeit 1900 feine F. wo: jedes 

Bartillerieregiment hat eine von dem 1. Bataillon 

u tragende 5. liber Jahnenträger f. Fahnen 
fektion: Fahnenmarſch ſ.d. 

Die zerſtreute Fechtart, die im Laufe eines Ge: 
fechts oft ganze Bataillone in lange Schüßenlinien 
auflöft,erjchwert die ftete Aufmerkfamteit ver Truppe 
auf die 3. und ihren Schug. Manche Armeen neb: 
men deshalb die 5. niht mehr mit ins Feld. m 
deutſchen Heere indes bleibt die F., auf die die Bi 
jiere und Mannſchaften den Eid der Treue geleiftet 
baben (j. Samen), auc im Kriege bei der Truppe 
(j. Fabnenjeltion), ausgenommen bei den Jägern 
und Bionieren. — Vgl. Gejhichte der preußiſchen 
5. und Standarten jeit dem J. 1807, bearbeitet im 

dnigl. Kriegäminijterium (Berl. 1889; Nachträge 
1891 und 1895). 

Der Name F. ift (wieFähnlein, ſ. d.) auch die Be⸗ 
nennung eines Kriegshaufens, der ſich um ſie ſchart. 

Wie die Lanze iſt die F. ein Symbol der Beleh⸗ 
nung (j. Fahnenlehn), die rote Blutfahne das Sym: 
bol de3 Blutbannes; in neuerer Zeit ift die rote J. 
dad Symbol der «roten Republi. Als Symbri 
des Gieges trägt das Lamm Gottes und der auf: 
eritandene Ehrijtus die F. Die alte Wehrverfaflung 
der Landsknechtsheere nüpfte an verſchiedene Ma: 
nipulationen mit der F, bejondere Bedeutungen. 
Eine umgelebrte 5. bedeutete Meuterei; durch 
einen Stob mit der Fabnenftange wurde der Feig: 
ling ehrlos gemadt; follte er rehabilitiert werden, 
ſchwenkte man die F. über ihm. F. von beſtimm⸗ 
ten Farben dienen in allen neuern Heeren als all: 

emein belannte Signale. So bedeutet eine weiße 
* Abſicht zu unterhandeln. Sie wird einem 
tlamentär vorangetragen oder auf den Mällen 
einer Feitung aufgezogen, wenn diefe kapitulieren 
will. Wo fie fihtbar wird, foll das Feuer ſchwei⸗ 
gen (ſ. au Flaggen und Rommandoflaggen). Cine 
gelbe F. (Beitfahne) war das Zeichen, daß eine 
anftedenbde Krankheit in einer Ortſchaft herrſchte, 
eine weiße 3. mit rotem Kreuz ift das Zeichen 
der Genfer Konvention und fhüßt vor Beſchießung 
und Gefangennahme. Durch eine ſchwarze F.wer- 
den Pulvertransporte fenntlich gemacht. 

Fahne, inderBotanit, bei ven Schmetterling: 
blüten das meiſt breit —— ausgebildete und 
nad hinten ftehende Blütenblatt. (S.Leguminojen.) 

Im Buhdrud ift F. ein technischer Ausdrud 
br den Korrekturabjug von einem längern Stüde 

riftfaß, der noch nit «umbroden», d. b. zu 
Kolumnen (Seiten) jormiert wurde. 

In der Jägerjpracde beißt F. der langbehaarte 
Schwanz (Rute) von Jagbhunden und Eichhdrnchen. 

Über die 5. alö Teil der Bogelfeder ſ. Federn. 

Fahne, Anton, Hiftoriler, geb. 28. Febr. 1805 zu 
Münfter in Weitfalen, ftubierte in Bonn und Berlin 


406 


Jurisprudenz und mar 1833—42 Friedensrichter zu 
Bensberg. ftarb 12. Yan. 1883 auf jeiner Billa 
‚sahnenberg bei Düfleldorf. Cine eingehende Be: 
ihäftigung mit den alten kölnifchen Schreinsurkun— 
ten (Hypothelenbüdern) gab den Anlaß zu feiner 
«Gefchichte der kölniſchen, jülihichen und bergifchen 
Befchlechter» (2 Tie., Köln 1848). Dann folgte die 
Geſchichte der weitfäl. Geſchlechter unter befonderer 
Berüdfihtigung ihrer Überjiedelung nad Preußen, 
Kurland und Livland; mit faft 1200 Wappen und 
mebr ala 1300 Familien» (Köln 1858), «Die Herren 
und Freiberren von Hövel» (3 Bde. in 4 Abteil., 
ebd. 1856—60), «Die Dynajten, Freiberren und 
teßigen Grafen von Bodholg» (4 Bde. in 5 Abteil., 
ebd. 1857 —68), «Geidichte der Grafen, jekigen 
Fürften zu Salm:Reifferjcheid» (2 Boe. in 3 Abteil., 
:bd, 1858—66), «Chronilen und Urkundenbücher 
beroorragender Geichlechter, Stifter und Klöjter» 
4 Bde., ebd. 1862—81), «Dentinale und Ahnen: 
tafeln in Rheinland und Weftfalen» (6 Bpe., ebd. 
1376—83),« Das Geſchlecht de Numm oder Nomm» 
(3 Bde., ebd. 1876—81); gr — —— aus 
der kölniſchen und weſtfäl. Geſchichte, über Liv: 
land u. ſ. w. Dahin gehört z. B. «Die Grafſcha 
und freie Reichsſtadt Dortmund» (4 Bde. in 5A 
teil., ebd. 1854—59). 
ne des Propheten, |. Sandihal:Scerif. 
ahnenbänder, ſ. Fahne. 
ahneneid, der Eid, welcher von den Perſonen 
des Soldatenjtandes bei ihrem Dienftantritt gelei- 
ftet wird und das Gelöbnis der Treue gegen den 
militär. —— und der Erfüllung der militär. 
Prien enthält, Der Eid heißt F., weil er von 
den Mannſchaften derjenigen Truppen, melde Fah— 
nen oder Standarten führen, in Gegenwart der 
— und gleichſam denſelben geleiſtet wird. Die 
Mannſchaften der Artillerie leiſten den F. ſym— 
doliſch dem Geſchütz, ſelbſt wenn der betreffende 
Iruppenteil eine Fahne beißt. Bon dem Kaiſer als 
[item ernannte Offiziere (das find nad Reichsver: 
affung Art. 64 die Höchſtlommandierenden der Kon: 
tingente, bie Bifiyere, welche Truppen mehrerer 
Kontingente befebligen, die Feitungstommandan: 
tur), die Elſaß-Lothringer und die Marine leiften 
ibm den F. Sonft wird er dem Landesherrn bes 
Staates geleiftet, in welchem der Schwörende ſtaats⸗ 
angebörig ift, dies auch, wenn er in einem an: 
dern Kontingent dient, immer aber unter Ein: 
ihaltung der Gehorfamsverpflihtung gegen den 
Deutjhen Kaiſer (Reihsverfaffung Art. 64) und 
wegen den Kontingentsherrn. Nur die Offiziere der 
Iruppen, welche durh Militärfonvention in den 
Verband bes preuß. Kontingents aufgenommen 
iind, leiften den F. dem König von Preußen. 
—— t, ſ. Deſertion. 
ahuengaffe, in Zeltlagern diejenige Haupt: 
gafle zwijchen den Beltreiben, in der die Fahnen 
aufgepflanzt werden. Fest ungebräuchlich. 
bnenhafer, Kammhafer, an er Ha— 
fer, Haferart mit zuſammengezogener Riſpe, bie 
fahnenartig nach einer Seite gewendet ift (ſ. Hafer 
und Tafel: Getreidearten, Fig. 19a u. b). 
Fahnenjunfer, früber diejenigen jungen Edel: 
leute im Alter von 14 bis 16 J. ni der militär. 
Yaufbahn widmeten und denen als befondere Aus: 
eihnung das Tragen der Fahne anvertraut wurde. 
In Deutihland ift 5. die dienstliche Bezeichnung für 
unge Männer (bi8 1899 Avantageure genannt), 
vie ald Gemeine in das Heer eintreten, um Offiziere 


Fahne des Propheten — Fahnenſchuh 


- werben. Zum Eintritt als F. ift_ erforderlich das 
biturientenzeugnie eines Oymnafıums, Nealgum: 
nafiumg, einer Oberrealjchule oder Realichule erjter 
Drbnung oder das Bejtehen der Fähnrichsprüfung 
Der 3. erhält nach feinem Eintritt die varfcrifts- 
mäßigen Gebühren de& Gemeinen, als Unteroffi: 
fe die eines Rapitulanten (j.d.). Nach mindeftens 
echsmonatiger Dienftzeit kann der 5. dein Kontin— 
gentäherrn zum Fähnrich (f. d.) vorgeihlagen mer: 
den. Es bedarf hierzu eines vom aa | und den Off 
zieren der Compagnie (Eskadron, Batterie) jomie 
dem Bataillons:(Abteilungs:) und Regimentscom: 
mandeur auögeftellten Dienſtzeugniſſes, das fi 
über körperliche, geiftige und fittlihe Eigenſchaften, 
Führung, Dienfteifer und Dienſtlenntniſſe des F. 
ausfpridt, und des auf Grund besjelben von der 
Dbermilitäreraminationstommiffion ausgeftellten 
Reifezeugnifjes zum Fähnrich. Junge Männer, die 
auf Örund eines Abiturientenzeugnijies mindeiten® 
ein Jahr auf einer deutſchen Univerfität ftudiert 
—— werden nad ſechsmonatiger Dienſtzeit, ohne 
ir ) der Kriegsſchule und ohne ſechs Monate als 
Fähnrich gedient zu haben, zur Offizieräprüfung 

zugelajjen. un 
n manchen Armeen (3. B. in Rußland) werden 

die 5. Junker genannt. 

Bahnenichn (Fahnlehn), im alten Deutſchen 
Reiche die nad 1180 üblich werdende Bezeihnnung 
der weltlichen Fürftentümer. Ihre — wurden 
vom König unter Übergabe einer Fahne als Symbol 
des Heerbanneg, den die Fürften dem König zu lei: 
ten hatten, belehnt. Die Grundlage des weltlichen 

ftentums war urfprünglich ftaatsrechtlich geme: 
en, denn fie bejtand in der Ernennung zum Grafen, 
Markgrafen, Pfalzgrafen, Herzog, d. b. zum böhern 
meltliben Beamten des Reichs, ſeit 1180 war fie 
lehnredhtlih. Den Gegenjab zum F. bildete das 
Scepterlehn (f. Fürſt und ——— Dad Ecep: 
ter ift im Gegenlak zu Ring und Stab das Symbol 
der weltlichen Rechte der geiftlihen Fürſten. 

Fahnenmarfch, Beet upp, in einigen 
Heeren ein befonderer Marſch, der ausgeht ge: 
ſchlagen oder geblajen wird, wenn Fahnen aus 
ihrem Aufbewahrungsorte zu einer Truppenabtei: 
lung gebracht oder von legterer nad jenem zurüd: 
geliefert werden. 

Fahnenfchmied, bei der Reiterei feit Jahrbun: 
derten üblihe Bezeihnung für einen gelernten 
Schmied. Bor der Gründung der Tierarzneifhulen 
und auch noch einige Zeit darauf hatten dieſe #. 
neben dem Beichlag der Pferde auch für die Heilung 
von PWfervefrantbeiten Sorge zu tragen. Diele 
Funktion liegt auch heute noch den im djterr. und 

reuß. Deere vereinzelt vorlommenden fog. Aur: 
Fomienen ob. Die jekigen F. find ihrem militär. 
—5— nach Unteroffiziere (ſ. Esladron), ibrer 
Thätigkeit nah Beſchlagſchmiede. Sie rüden nach 
dem Dienſtalter bis zum Sergeanten LI. Ha auf. 
Als ſolche heißen fie in Bayern seele nen: 
hmiede Die Ausbildung der $ geliebt in 

eutichland in militärisch organilterten Lehr: 
ſchmieden ** wo die Schmiedeeleven ſowohl 
theoretiſch über Bau, Verrichtungen und frank 
beiten des Hufes, wie auch prakltiſch im Anfertigen 
und Aufſchlagen von en unterrichtet werben. 

Fahnenfchuh, der Metallbeihlag am untern 
Ende der Fahnenſtange; zumeilen auch das lederne 
Wiverlager am Steigbügel, in das der Standarten- 
träger zu Pferde die Standarte ftellt. 


Fahnenſektion — Fahrdienſt 


Fahnenſektüon, in der deutſchen Armee früber 
die zabne und Die dieſe ftet3 begleitenden fünf Unter: 
offiziere. y Deutfchland und Ofterreich beftebt eine 
bejondere 5. nicht mehr, der Fabnenträger ift im 
Gefecht einer in Reſerve gehaltenen Compagnie zus 
zuteilen. Wird auch dieje eingefest, fo gebt nad 
dem Ererzierreglement der deutichen Infanterie die 
Fabne mit in_die Feuerlinie und erhält zur Be: 
dedung eine Sektion. Die Fahnen: und Stan: 
dartenträger werden im deutjchen Heer von den 
Commanbeuren der Regimenter und jelbftändigen 
Bataillone aus den Unteroffizieren ernannt. Sie 
tragen ein geftidtes Abzeichen auf dem rechten Ober: 
arm (jwei an den Stangen —— eldzeichen, 
wiſchen deren Tuch ſich eine Krone, zwiſchen deren 
—— ein «W» befindet); ferner bei jedem 
Dienit mit Helm einen Ringtragen (f. d.) mit Kette 
aus Tombak oder Nidel nad der Farbe der Rod: 
ndöpfe, und fofern fie nicht das Offizierfeitengewebr 
fübren, ein bejonderes Seitengewebr, welches länger 
ıft als das der Mannſchaften, in Lederſcheide an 
metallenen Ortbändern. 

Sahnenfpiel, auch Fahnenſchwenken oder 
Sabnenfhmwingen, alte feit dem Ende des 
17. Jahrh. außer Übung gelommene Volksbeluſti— 
aung. Reſte haben ſich nod in der Schweiz erhalten. 
Es beſtand darin, eine mit kurzem ſchweren Hand: 
ariff verjebene Fahne in allerlei kunſtvolle Schwin⸗ 
aungen zu verjegen, fie aufaumwerfen und wieder auf: 
zufangen. — Bol. Werner, Das F. (Defiau 1852). 

ahnenftange, |. Fahne. 
nenträger, |. Fähnrich und Fahnenſektion. 
nentrupp, |. Fahnenmarſch. 
E menunteroffiziere, die beiden Unteroffi: 

siere, die redht3 und linls vom Fahnenträger jteben. 

nentvachen, f. Innenwachen. 

nentwagen, |. Carroccio. 

nenweihe, eine mit einem kirhlichen Alte 
verbundene militär. eier vor der überlieferung 
ver Fahnen an die Truppenteile. Der kirchlichen 
Weihe gebt die feierlihe Nagelung des Fahnen: 
tuches an die Fahnenitange voraus, indem meift 
der oberfte Kriegäherr ven erften Nagel zur Verbin: 
dung des Tuches mit der Stange einfhlägt, dem 
dann die Prinzen und Brinzeffinnen des Herrſcher⸗ 
baujes jowie die hochſten Generale folgen. Der 
tirchlichen Einfegnung folgt die Übergabe der Fahne 
an den in Parade ausgerüdten Truppenteil unter 
Erweifung der üblichen militär. Ehrenbezeigungen. 

nlehn, ſ. Fahnenlehn. 

ulein, ſeit dem Anfang bes 16. Jahrh. Be: 

nung für die Verwaltungseinheit der Truppen, 
onders bei der Infanterie. Zunädjt zäblte ein 

5. 400—600, jelbjt 1000 Mann, fpäter wurde die 
Stärfe verringert, in Franlreih auf 300 Mann, 
bei Frundsberg (1525) auf 380 Mann. Im Schmal: 
kaldiſchen Kriege wuchs die Stärke wiederum. In 
Wirllichleit waren die F. bei den Franzoſen wäh 
rend der Religionstriege 100—200 Mann, bei den 
Niederländern 70—100 Mann ftart, auch bei den 
Spaniern erreichten fie faft niemals die Sollftärte 
von 500 Mann. Die Zahl der F., aus denen ein 
Regiment ſich zufammenfeste, war jehr verſchieden, 
— zählte Frundsbergs Regiment 18 F. eine franz. 
., bie Batfet. Parey im Sa ⸗ 
ieae 10 F. Ein F. beitand aus Pikenieren 
—— aber auch Hellebardiere und Rund: 
tartihiere befanden fich darunter. Im Anfang des 
17. Jahrb. follte ein deutjches F. folgende Stärfe 


ion 12 


407 


haben: 100 Pileniere, 160 Mustetiere, 20 Hellebar: 
diere, 20 Rundtartichiere, aljo 160 Feuergewehre und 
140 blante Waffen. Unter Karl V. zählte ver Rab: 
men für ein deutiches %. 1 Hauptmann, 1 Leut— 
nant, 1 Fähnrich, 1 Feldwebel, 1 Kaplan, 1 Fourier, 
1 Fübrer, 2 Gemeinmwebel, 1 oder 2 Trommler oder 
Pfeifer, 2 Trabanten zum Schuße des Hauptmanng, 
1 Dolmetiher, 2 Jungen für den Hauptmann und 
den Fähnrich, 1 Koh, 1 berittenen Knecht für den 
Hauptmann. Allmäblid ging derName F. in Com: 
pagnie über. 
ähnrich, im Mittelalter der Fahnenträger, 
der ein befonders tapferer und zuverläffiger Mann 
pin und ſchwören mußte, Leib und Leben bei der 
abne zu laſſen, fich erforderlihenfalls darin einzu: 
wideln und jo dem Tode zu weiben. — Später (in 
Preußen bis 1807) war der F. bei der Neiterei Kor: 
nett (f. d.) genannt, der jüngjte Offizier der Com: 
pagnie oder Schwadron; ihm blieb der Name, als 
ftatt der Compagnien und Schwadronen nur die 
Bataillone der Infanterie und die Regimenter der 
Kavallerie Fahnen führten. Darauf ging dann die 
urfprünglie Rangitufe ein. Am Veutihen Heer 
beißen 8 die 208 Grfüllung der erforderlichen 
Bedingungen dazu ernannten Fahnenjunker 
(. d.); fie tragen das filberne Portepee (daher 
früber Bortepeefäbnriche genannt) und ſtehen 
im Range unmittelbar hinter dem Feldwebel (Wacht: 
meifter). Nah fehsmonatiger Dienjtzeit bei der 
Truppe, Beiuch der Kriegsſchule (ſ. d.), beſtandener 
Dffiziersprüfung und Wahl dur das Offizierkorps 
lönnen bie F. zum Offizier befördert werden. Bor 
ihrer Ernennung zum Dffigier befommen fie die Er: 
laubnis, das — ewehr zu tragen, und 
werden dann außerdienſtlich auch wohl Degen— 
fähnriche genannt. — F. zur See ſind in der 
deutſchen Kriegsmarine die nach einjähriger Dienft: 
zeit hierzu beförderten Seeladetten (. d.). Sie 
werden nach Beſtehen der Prüfung zur Marine: 
ſchule (f. d.) kommandiert und maden dort einen 
eg Hi wiſſenſchaftlichen Kurjus durch, der mit 
der Ablegung der Hauptprüfung zum Seeoffizier 
endet. Darauf erhalten die F. zur See an Bord der 
Artillerie: und Torpedojhulichiffe eine ſechsmona— 
tige a rung im praltifchen Dienjt und 
werben, falls fie bierbei gute Fäbigleiten bewiejen 
haben, alsdann zu einem zweijährigen Bordkom— 
mando an Bord der Schiffe des 1. Geſchwaders und 
des Kreuzergeſchwaders eingejchifft. Am Schluß des 
eriten Jahres dieſes Bordkommandos erfolgt bei 
fonjtiger Geeignetbeit die Beförderung zum See: 
offizier (Leutnant zur See). — Sie tragen die Uni: 
form der Seeladetten (f. d.), jedoch filbernes Por: 
tepee, filberne ſchmale Schulterftreifen und eine 
Müse mit Heinem geftidten Abzeichen in Gold mie 
die Seeoffiziere. Ar Dienftarad entipricht dem der 
3. der Armee. 

Über Fahnenträger ſ. Fabnenjeltion. 

— Eiſenbahnkirchen, ſ. Betriebs— 
mittel. 

— —— Bremſen zur Verminderung der 
Geſchwindigkeit eines Fahrzeugs beim Bergabfahren 
oder beim Durchgehen der Pferde. Der früher 
hierzu gebräuchliche Hemmſchuh (ſ. d.) iſt jekt bei 
Kriegsfahrzeugen vielfach durch Backenbremſen (ſ. 
Bremſen) und Nabenbremien (f. b.) erjebt. 

Fahrbühne, bei einem Aufzug die Fläche, 
worauf die Förderlaſt rubt. 

Fahrdienft, j. Eiſenbahnbetrieb. 


408 


ähre, Anlage zur Bermittelung des Verkehrs 
wiſchen zwei Ufern mittels flacher Shiffsfahrzeuge. 
n die die Überführung von Eifenbabnfahrzeugen 
ur Aufgabe haben, beißen auch Trajekte. Die’. 
laflen ſich in frei fahrende, Seil: oder Kettenfähren 
und fliegende 5. einteilen. 

Bei den frei fahrenden F. erfolgt die Bewe— 

ung des Fährbootes durch lange, in ven Grund ge 
ste Stangen, durch Ruder, Segel und in neuerer 
Zeit mitteld Dampfmafdinen ( En laseen, 
wobei das Fährboot de ein Dampfer fein kann 
oder durch Dampfſchiff geichleppt wird. Die größte 
Dampffähre der Welt ijt derzeit wohl biejenige zur 
liberführung von Eifenbabnzügen über die Meer: 
enge von Garquinez zwiſchen San Francisco und 
GSacramento. Das 129,283 m lange, 35,35 m breite 
Fäbrboot Solano trägt vier Gleiſe, die 48 Laftwagen 
ſamt der Zolomotive oder 24 Perfonenwagen auf: 
zunehmen vermögen. Acht Dampfteffel verforgen 
zwei gewaltige Balancierdampfmaſchinen, die Ey: 
linder von 1,52 m Durchmefler und 3,35 m Kolben» 
hub haben, 

Bei ven Seil: oder Kettenfähren wird das 
Schiff durd eine oder zwei Ketten geführt, die auf 
den Grund des Waſſers gelegt und an den Ufern 
in Spannung erbalten werden, während auf dem 
Sail dur u. getriebene Kettenräder zur 

ortbewegung desſelben dienen, wie 3. B. bei der 

. zu Devonport bei Plymouth. Statt der beiden 

— ſStetten verwendet man auch ein einziges 
tarles Drabtfeil, das an der ſtromaufwärts gerich⸗ 
teten Seite des quer gegen den Strom liegenden 
langen Faährſchiffs über zwei Fuührungsrollen gelegt 
und an den Enden gejpannt iſt. Zur Bewegung des 
Schiffs dient ein zweites ſchwacheres Drabtieil, das 
ſich über Seilſcheiben auf dem Schiffe ſchlingt, die, 
dur eine dafelbit befindliche Dampfmaſchine in 
Umdrehung verjekt, eine VBorwärtäbewegung des 
Fahrbootes bewirken. In Rheinhauſen beitand 1867 
— 72 eine für fünf Gleife beftimmte Überfahrta: 
Bar diefer Art. Bei ganz Heinen Anlagen wird 
das Schiff an einem quer über dem Flußgrund bin: 
weg (in feltenen Fällen wohl auch über dem Waſſer) 
gelegtenjog. Schertau oder Scharſeil durch Menſchen⸗ 
fraft fortgezogen (Rollufer), oder man hängt das 
Schiff bei größerer Flußgeſchwindigkeit mittels eines 
eigenen Seild, den Zaum, defien Ende an einer 
Rolle am Scharfeil geleitet wird, an dieſes. Durch 
Sciefjtellen des Schiffs gegen den Waflerlauf wird 
die Vorwärtsbewegung bewirft. 

Vei den fliegenden F. iſt ein Seil, das Giertau, 
firomaufiwärts der Überfabrtsitelle verantert und 
pendelt um feinen Befeftigungspunlt, wenn das am 
andern Ende des Taues befejtigte Boot von einem 
Ufer zum andern binüberfäbrt. Zur Unterftüßung 
des Giertaues dienen, damit es nicht auf der Fluß: 
foble jchleift, befondere Schwimmer oder auch Heine 
Käbne (Bogtnachen, Furtelzillen). Auc bier kann 
die Gewalt des Stroms bei Schiefitellung des Schiffs 
mittel des Steuers odermittels einer am Giertau be⸗ 
fejtigten Kette oder Seil (Brittelfette, Nebenfeil) zur 
Borwärtsbewegungbenußtiwerden. Fliegende %., bei 
denen das Fahrſchiff aus einer auf Booten rubenden 
Plattform bejtebt, beißen fliegende Brüden. 

Die Landevorrihtungen bei den F. befteben 
meiſt aus Landungsbrüden. Bei Trajekten erfolgt 
die Bermittelung zwifchen dem feiten Niveau ber 
Eiſenbahn und dem tiefern des Fährbootes meiſt 
durch geneigte Ebenen. Bei der Eiſenbahnfähre 


Fähre — Fahrende Leute 


zwiſchen Homburg und Rubrort werden Platiformen 
dur bybraulifhen Drud bis zu 5,5 m geboben 
und gejentt. An Seetrajettanftalten mit geri 
Waſſerwechſel ann das Sri mittels Sinlafen 
und Auspumpen von Wajjerballajt reguliert werben 
Über die ſchwebende F. (an einer Brüde hän 
gend) ſ. Brüde, Bd. 17, nebit Taf. I, Sig: 3. 
Zur Zeit fehlt es noch an einer einheitlichen deut: 
fhen Geſeßgebung überdie F. Die Beitimmm: 
en ber deutihen Gewerbeordnung ſollen auf F. 
eine Anwendung leiden. Die F. können Privat: 
fähren, d. b. nur dem Gebraud des Eigentümers 
dienende, und öffentliche fein. Nach deutichem Lan: 
desrecht ift die Anlegung einer difentli 3. au! 
öffentlichen Fluſſen er} — ——— 
ohne —* erleihung nicht erlaubt, die 
nad den ältern Gejeßgebungen (Preuß. Allg. Landt 
II, 15, 8.51; Verordnung vom 4. Juli 1840 für 
den Rhein; franz. Gele vom 6. Yuni VII) nod 
als Ausfluß eines Fährregals des Staates, nad 
den jüngern (Bayern, Baden u. f. w.) als polizei« 
lihe Konzeſſion erfcheint. Im erftern Falle kann 
die Verleihung durch unvordenkliche Verjährung der 
Fährgerechtigleit erfeßt werden. Nach preuß. Ge: 
werbeorbnung vom 17. Yan. 1845, 8. 45, bat die 
Verleihung einen —————— ur Bor 
ausfegung. Privatiäbren darf nah Preuß. Landt 
II, 15, 8.50, am ſchiffbaren (aljo öffentlichen) Flus 
jeder Anwohner halten. In Öfterreih ijt die Be 
willigung der polit. Landesbehörde vorbebalien 
und wird auf 5 Jahre, für längere Zeit vom Mı- 
nifterium erteilt. Das Fährgeld iſt in Fäbrere- 
nungen vorgejchrieben; mande ®emeinden umd 
felbftänbi e Güter haben dur Verträge oder Ber 
aeg Kir ihre An en Freiheit vom Fabr: 
geld erworben. Die Beihädigung von F. wird nad 
dem Deutſchen —— N als ein gemein: 
gefährliches Vergeben beitraft, wenn Gefahr für 
das Leben oder die Gefundheit anderer oder eine 
—— Korperverletzung oder der Tod eines andern 
erbeigeführt ift ($$. 321, 325, 326). . 
ren, im allgemeinen Fortbewegen eine? 
abrzeuge3 (f.d.) durch Zugtiere, die vermittelft einer 
ugvorrihtung, Geſchirt, mit demjelben in Ber: 
bindung gebradt find; im befondern: Gejhidlichteit, 
die angelpannten Zugtiere nad) eigenem Willen zu 
leiten. Das Lenken der Gefpanne, wobei die nötigen 
Hilfen mit der Beitfche gegeben werben, erfolgt ent: 
weder vom Bod oder vom Sattel aus, letztere Art 
ift namentlich bei allem militärischen F. fait aus: 
hlieglih in Gebraub. Das F. vom Sattel bei 
urusfubrwerten (mobei die Fahrer meift in Joden: 
tracht find) wird F. à la Daumont genannt. — 
Vol. B. Schönbed, Fahrhandbuch zum Selbftubium 
(2. Aufl., Lpz. 1895); Eberhardt, Das Wagenpferd 
und die Fabrkunft (2. Aufl., ebd. 1890); R. Schön: 
bed, Reiten und F. (3. Aufl., Berl. 1898); beri., 
Fahr: ABE (ebd. 1893); derſ., Deutihe Fahrkunde 
(ebd. 1900); Schlaberg, gebe snheuidion (2. Aufl, 
Oldenb. 1894); Ahlers, Der Fahrſport (Opy. 1902). 
ahrende Batterie, |. Artillerie. _ 
ahrende Habe, Fahrnis, |. Mobilien, 
rende Leute, wanderndes, berumziebendet 
Volt, Sie ericheinen bereits im frühe en Mittelalter, 
zum Teil hervorgegangen aus den röm. Gaullern 
und Mimen, die ſich über die Zeit ver röm. Herrichaft 
binaus in den german. Ländern erhielten, beſonder⸗ 
aberim ſudl. Frankreich ihr Wejen trieben, Jangen und 
mufizierten, tanzten, euer fraßen, quadfalberten. 


Fahrende Poſtämter — Fahrnisgemeinſchaft 


adgerihtete Tiere vorführten und Marionetten ſpie⸗ 
len eßen. Sie zogen einzeln oder in —— * 
bald vermehrt durch gleichartige einheimiſche Poſſen⸗ 
teihet und Vagabunden. Die einheimiſchen deut: 
den Vollsſänger und Harfenſpieler behaupteten ſich 
lange Zeit neben ihnen in einer höhern, geachtetern 
Stellung, beſonders wenn fie jehhaft waren; doch 
verjhoben fich die Grenzen allmählich, da der Hels 
dengejang unter dem Einfluß der Geiftlihen aus 
den obern Kreiſen ſchwand und num von den F. L. 
aufgenommen wurde. Einen neuen Zuwachs er: 
bielten fie feit dem 10. Jahrh. durch fahrende 
Schüler und lieverlihe Kleriter (Baganten, f. d.), 
und eben dur ihren Cinfluß entjtand jebt eine 
lat. und beutiche Spielmannspoejie von großer 
Munterleit und Friſche (f. Carmina burana), dabei 
reichhaltig und —— Schwänke, Novellen, 
Liebeslieder, Gnomen, Lügen, Vexierſpäße, Schau⸗ 
fpiele, Heldengeſang, ja auch größere epiſche Did: 
tungen und —— umfaſſend: die Dichtungen 
von Oswald, Orendel, Salman und Morolt und 
andere Epen des 12. Jahrh. find Spielmannswerte. 
Die meiiten Spruddicter des 12. und 13. yabrh., 
wie die beiden Spervogel, Freidank, der Dlarner, 
waren F. L., und felbjt Adlige, wie Walther von 
der Bogelmeide und Reinmar von Zweter, gehörten 
ihnen, freilich ihrer oberjten Schicht, an. — 
blieben fie im großen und ganzen in geringer Ach: 
tung. Diefe Geringſchätzung ward aud) von den Ge: 
ſes en ausgeiproden;der«Schwabenfpiegel»enterbte 
den Sobn, der gegen feines Vaters Willen Spiel: 
mann wurde; die Stadtrechte verweigerten ihnen 
den Zutritt; die Kirche behandelte fie wie Abge: 
allene; das lange Haar, der Schmud des freien 

annes, war ihnen gleih den Knechten verſagt, 
und fie batten, war ibnen Unrecht geſchehen, ein 
Recht und eine Forberung höchſtens auf Schein: 
busen. Infolge diejer Härte des Geſetzes fuchten 
fich die aus der Gejellihaft Geftopenen zum Zeil 
unter eigentümlicher, ergölicher form abzuſchließen 
und zu jhüsen. So entjtanden das «Rönigtum ber 
F. 2. im Eljaß», das «Pfeifferrecht zu Rappoltftein» 
u.a. Die F. L. des Mittelalters leben heute noch fort 
in den herumziehenden Komodianten, wg 
und Orgelipielern der Jahrmärkte. — Bol. Vogt, 
Lebenund DichtenderdeutfhenSpielleuteim Mittel: 
alter (Halle 1876); Benele, Bon unebrlihen Leuten 
(2. Aufl., Berl. 1888); Saltarino, Fahrend Bolt 
(2pz. 1895); Schaer, altdeutichen Fechter und 
Epielleute (Straßb. 1901); Hampe, Die F. 2. in 
der beutichen Vergangenheit (Lpz. 1902). 

Fahreude Poftämter, in Oſterreich-Ungarn 
diejenigen Poſtämter, die den Bojtbetrieb auf den 
— * vermitteln. Die Bahnpoſten ſind 
nach dem Anfangs- und Endpunlt der von ihnen 
befahrenen Streden und außerdem mit Nummern 
bezeichnet. In der Schweiz jind auf den Eijenbahn: 
linien und auf ben Dampficiffen je nad Bedürfnis 
Bahnpoft: oder Schiffspoſtbureaus eingerichtet; fie 

eben in der Regel der Kreispoftdireltion, in 
deren Gebiet der Poſtlurs ausmündet. 

Im deutfhen Reichspoſtgebiet führen die zur 
Bahrnebmung des Poitbetriebes auf den Eijen: 
babnzügen beſtehenden Poftanftalten die Benennung 

ftamt; ver Vorſteher eines ſolchen führt die 

% jeihmung oftdireltor. [ganten. 
rende er, . Bachanten und Bas 
renheit, Gabriel Daniel, Berbefierer des 
Ihermometers3 und Barometers, geb. 14. Mai 1686 


409 


zu Danzig, ließ fi, nahdem er Deutihland und 
England bereit hatte, in Holland nieder, wo bie 
berübmteften Männer feines Fachs, unter anderm 
auch 's Gravefande, feine Lehrer und Freunde wur: 
den. Er fam 1714 zuerſt auf die Idee, ftatt des 
Meingeifted das Quedjilber bei Anfertigung der 
Thermometer (f. d.) zu verwenden, wodurch dieſe 
—— bedeutend an Genauigleit gewannen. 
abei nahm er die Kälte im Winter 1709 zu Dan: 
zig ala Wärmeminimum und als den Anfangspuntt 
(Rullpuntt) 2. Skala an, die nad ihm benannt 
it. Ferner fonftruierte F. das erfte brauchbare Ge: 
widhtsaräometer in der heutigen Form und das erjte 
Thbermobarometer und machte 1721 die Entdedung, 
dab Waſſer bedeutend unter feinem Frojtpuntte er: 
faltet werden kann, ohne zu gefrieren. %. ſtarb 
16. Sept. 1736. 
— ſ. Beſpannung. 
ahrgeichwindigfeit der Eijenbahnzüge, ſ. 
Eiſenbahnfahrgeſchwindigleit. 
ahrkarten, ſ. — — 
ahrkunſt, ſ. Fahren; als Beförderungsmittel 
für Bergleute, ſ. Bergbau, Abſchnitt Fahrung, 
nebſt Taf. I, Big: 1, und Taf. IV, Fig. 12. 
ahrläffigkeit. Im Strafrecht ift die Regel, 
dab man nur für den vorſätzlich berbeigeführten 
rechtswidrigen Erfolgbeitraftwird. Ausnahmsweije 
wird auch derjenige neitraft, welcher fahrläjjig han: 
delt, d. b. einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführt, 
den er nicht vorausfah, den er aber bei Anwendung 
der vernünftigerweije von ihm zu fordernden Sorg: 
falt hätte vorausfehen follen und lönnen. Die Aus: 
nahmen find im Deutihen Strafrecht meift ausprüd: 
lich beftimmt. Hierber gebören: fahrläſſige Tötung, 
Körperverlegung, Branpftiftung, Eifenbahntrans: 
portgefäbrdung, Störung von Zelegraphenleitun: 
gen, Beſchädigung von Wafjerleitungen, Deichen 
u.f.m., von Wegen, von Vorrihtungen zur Side: 
rung des Bergwerksbetriebes und der Schiffahrt, 
Strandenlafjen eines Schiffs, Brunnenvergiftung, 
Nahdrud und die ihm verwandten Gebiete. Ge: 
ftraft wird aber die F. nit jchon dann, wenn 
jemand im allgemeinen unvorfichtig handelte, 5. B. 
beim Mafchinenbetriebe die vorgejhriebenen Sie: 
rungsmaßregeln anzubringen unterließ, ſondern 
nur, wenn der Thäter bei Anwendung der gemöhn: 
lihen Sorgfalt und Borficht den eingetretenen Er: 
folg, der zum Thatbejtand des Fahrläſſigleitsver— 
Ar —— (z. B. den Tod des Arbeiters an der 
aſchine) als Folge vorausſehen konnte. Dadurch, 
daß ber Öetötete (Verletzte) ſelbſt oder ein Dritter 
aud noch fahrläffig gehandelt bat, wird die Schuld 
nicht unbedingt ausgeſchloſſen. Wenn derjenige, 
welcher eine Tötung oder Körperverlesung fahrläjlig 
—— bat, zu der Aufmerkſamleit, welche er aus 
den Augen jente, vermöge feines Amtes, Berufes 
oder Gewerbes — verpflichtet war, 6 tritt 
eine erhöhte Strafe ein, und e3 findet die Beitra: 
fung der Körperverletzung ohne Antrag ftatt. (©. 
Körperverlegung.) Hierher gehören auch die fog- 
Kunftfebler der Ärzte; e3 wurde ein Arzt wegen 
fabrläffiger Tötung beitraft, weil er die Anlegung 
des antijeptifchen Verbandes unterlaflen  batte. 
Im Öfterr. Strafgeſetzbuch wird die F. ähnlich be 
bandelt wie im Deuticen. — fiber die civilredht- 
lihen Folgen der Fahrläffigkeit ſ. Culpa. 
ahrnis, foviel wie Mobilien (ſ. d.). 
ahrnisgemeinfchaft, ſ. Ehelihes Güterrecht 
und Mobiliargemeinicaft. 


410 


ahrplan, Fahrplankouferenzen, |. Eifen: 
babnfabrpläne. 
ahrpoftfendungen, im deutſchen Reichspoſt⸗ 
gebiet, in Oſterreich-Ungarn und der Schweiz Be: 
Bene aller Poſtſendungen (auch Briefe) mit 
ertangabe und der Pakete ohne Wertangabe. 

— ng egrergport 

ahrrad, heutige Bezeichnung für die früber 
Velociped genannte Maſchine. Über die geihicht: 
(ihe Entwidlung und die verfhiedenen Benennun: 
gen derielben |. Belociper. 

Das Hochrad (f. Tafel: Fahrrad, 5 . 1) dient 
beute beſonders zum Kunft: und Reigenfabhren ; zum 
Zourenfabren hat das Niederrad (Kover) faft aus: 
ah den Vorzug erhalten, da es leichter zu 
handhaben (befonvers zu bejteigen) und ungefähr: 
licher beim Fahren ift, al& das Hocdrad, Während 
beim Hochrad die Tretkurbeln direlt das Border: 
rad antreiben, liegt beim Rover die Tretlurbelachie 
jwifchen beiden Rädern und ihre Drehbewegung 
wird mittelö einer Treiblette oder durch Raͤder— 
getriebe (f. weiter unten) auf das Hinterrad über: 
tragen, und zwar (wegen der Heinern Räder) mit 
einer liberfegung ins Schnelle. Einen modernen 
Herrenrover ald Tourenmaſchine zeigt Fig. 2; als 
Rennmaſchine ift diefelbe Form beibehalten, nur ift 
die Maſchine leichter gebaut. Beim Damenrover 
(‚Fig. 3) weicht der Rahmen von demjenigen des 
Herrenrovers dabingebend ab, daß das Scheitelrohr 
nicht in horizontaler Richtung zum Satteljtügrohr 
führt, fondern entweder in gerader Linie oder in 
janftem Bogen nad unten gebt, um fidh erft etwas 
über dem Tretfurbellager an das Satteljtügrohr 
anzuſchließen. Ebenjo wird für Militär, Jäger 
u. Y w. das Scheitelrohr nad unten durchgebogen 
ausgeführt, jo daß man, um die Waffe zu gebrau: 
den, das Rad nicht verläßt, fondern in den Rahmen 
bineinfpringt und fo das Nad zwifchen den Beinen 
behält. Ebenfalld für militär, Zwecke bauen bie 
Aoler-Fabrradiverle in Frankfurt a. M. ein F. mit 
dem modernen fog. Humberrabmen, das ebenio 
rafh zufammengellappt als wieder in feinen Ge 
brauchszuſtand gebracht werden kann. Fig. 12 zeigt 
das F. halb nach hinten umgellappt und die Lent: 
ftange beruntergellappt. Am Scheitelrohr und un: 
tern Verbindungsrohre find Scharniere angebracht, 
deren jedes aus zwei Hülfen befteht, die über die 
jufammenftoßenden NRobrenden aufgefchoben und 
mit diejen durch Fötung verbunden find. Zum Zweck 
einer abjolut eh Berbindung der Echarnierteile 
und fihern Verfteifung des Rabmens find im In: 
nern der Rahmenrohre Eciebbülfen angebracht, 
welche mittelö eines —— über die Scharnier⸗ 
teile geichoben und dur Klemmſchrauben befeftigt 
werden. In Frankreich find die Radfahrerbataillone 
ausnahmslos mit dem von Hauptmann Gerard 
tonftruierten zufammenlegbaren F. ausgerüftet. 
Das Scheitel: und das untere Verbindungsrobr find 
bier durch zwei ftarfe Barallelrobre erießt, deren 
jedes aus zwei Zeilen beitebt, die durch —— 
miteinander verbunden ſind und durch übergeſcho— 
bene Ringe ſtarr gegeneinander feſtgeſtellt werden 
tönnen. Das Satteljtügrohr läßt ſich in Scharnieren 
vor und rüdwärtö bewegen und mwirb mit Hilfe 
eined Stutzens feftgrftellt. Einen engl. Rover, der 
ſowohl von Herren ald von Damen gefahren werben 
tann, eigt Fig. 5. Derfelbe zeichnet fich durch 
aroße Stabilität und geringes Gewicht aus. In an: 
derer Weile jucht man das Gemicht purd; Anwendung 


Tahrplan — Fahrrad 


busrohr u. f. m.) zu verringern. Bon den doppel⸗ 
—95 — Zweirädern find die Sociables («Ger 
ellihaftsräder»), die lange = veraltet waren, vor 
einigen Jahren wieder aufgelommen; bei ihnen find 
die Eike der beiden Fahrer nebeneinander (Fia. 6), 
mwäbrend die Fahrer auf dem modernen Tandem 
(Fig. 4) hintereinander fißen und entweder nur ber 
vorn fiende die Lenkung des Fahrzeugs übernimmt, 
in welchem Falle die zweite Lenkſtange feit am Rab: 
men fit, oder aber beide Fahrer lenfen, wobei beite 
Lenkſtangen mittels eines Stabes drebbar unterein: 
ander verbunden find. Bei dem Tandem für Dame 
und Herr zeigt der vordere Teil den Nabmen des 
Damenroverd. Alter ald das Zweiradtandem 
find dag Dreirad: und Vierradtandem, beide 
gegenwärtig jelten. In den lebten rer find 
auc dreis, vier: und mehrfigige Zweiräder 
(Triplet3, Duadruplets u. f. m.) gebaut wor: 
den, die meift zum Schrittmachen bei Wettfabrten 
benußt werden. Um Mu diefem Zwed mit größerer 
Geſchwindigkeit ala bisher, jedoch ohne größern 
Kraftaufwand fahren zu können, ordnet Wbitwortb 
auf einer Verlängerung des Rahmens binter dem 
Hinterrad ein Tretkurbellager an, von welchem der 
binten fitende Fahrer feine Kraft mittels Ketten: 
rad und Kette auf das Hinterrad — Gebt. 
Reichſtein ordnen dagegen den letzten Sitz birelt 
über dem Hinterrade an, wodurch der Sechsſitzer 
nicht viel länger als ein Fünfſitzer iſt. Der bin: 
terjte Fahrer wirft bier direft (ohne Nette) auf 
das Hinterrad. Um aber auch einfigige F. mit 
möglichft bober liberfeßung fabren zu können, bringt 
öhlich in Köln a. A, bei jeinem Hebelrab 
ig. 7) Tretbebel an; die an lektern ſihenden Be 
dale beichreiben keinen Kreis, jondern ein Oval, 
bei welhem ber Tritt ein längerer und daber die 
Kraftentfaltung eine größere ift. Auch im obern toten 
Punkt der Kurbeln entfalten die Hebel ——— 
Hand in Hand mit dem Wunſch, hohe ÜÜberfegun: 
en zu fabren, ging das Bejtreben, die Breite dei 
retfurbellagerä zu verringern, weil dad enge Tret: 
turbellager oder der «enge Tritt» eine größere Kraft⸗ 
entfaltung und eine beilere Ausnukung der ange 
wendeten Kraft geftattet. Man bat daher die Naben: 
länge von Jahr zu Jahr verringert; die Heinfte 
Nabenlänge (38 mm zwiſchen den Flanſchen) erzielte 
1899 Schmidt in Neumarkt bei Nürnberg dadurd, 
daß ein Spannring aus zwei durch Querjtäbe ver: 
bundenen Parallelringen von 5 mm Durchmeſſer 
und O,s mm Wandſtärke zwiſchen die Epeichen ein 
gelegt wird, wodurd diefe an dem Auflager des 
Ringes ihre urfprüngliche Richtung verändern und 
ſenkrecht zur Nabe geben. . 
Um in gebirgigen Gegenden oder bei Gegenwind 
das Fahren zu erleichtern, find ſchon die abenteuer 
lichiten Erfindungen in variablen Üiberfeßungen 8 
macht worden, doch konnte ſich feine behaupten, bis 
vor kurzem die Necarſulmer Fahrradwerke mit dem 
Variandkugellager (Syſtem Küſter) eine einfache 
| Konftruttion lieferten; es bildet die Kombination 
einer zwifchen ven Rugelreiben in dem ſonſt leeren 
Tretlurbelgehauſe angeordneten ——————— 
mit einem im Kettenrad angeordneten Dijferential⸗ 
Planeten:Getriebe. Das Wechſeln der liberfekung 
geſchieht durch Hoc: oder Niederprüden eine: am 
obern Rahmenrohr angeordneten Hebeld. (Die Ab: 
ı bildung des Bariandkugellagers befindet fib auf 
der Beilage, Fig. 10.) 


leichter Materialien (Nluminiumlegierungen, Bam- 


Fahrrad. 





‚ Der Rahmen beiteht aus dem Sattelſtützrohr, 
in welches der Sattel verftellbar eingelegt ijt, dem 

brungsrohr, durch welches die Lenkitange einer: 
eitö und die Gabel des Vorderrades andererjeits 
drebbar durchgeführt find, und den diefe beiden 
Rohre zu einem Trapez vereinigenden Rohren, dem 





Big. 1. 
obern — ———— (Scheitelrohr) und dem 


untern Berbindungsrohr. Die einzelnen Rohre wer: 
den unter Vermittelung von Wintelftüden ee 
dur Hartverlötung, Verjhraubung, durd Keile 
oder durb ein Walzverfabren verbunden und find 


Pr 


Big. 3, 


entweder nad dem Mannesmannſchen Verfahren 

ewalzt oder, wie die Helitalrobre (j. obenjtehende 

Sig. 1), aus einem Stablblechftreifen gemunden, wo: 
die Ränder hart verlötet find. 


NR 


Fig. 4. Fig. 5. 


Die Lenkſtange iſt aus einem Stüd und bat 
verichiedene formen je nach der zu beobachtenden 
Körperbaltung, die auf dem Tourenrad mebr auf: 
recht, beim Rennrad mebr gebüdt if. Die ent: 
ſprechenden Formen der Lenkſtangen zeigen Fig. 2 








Big. 6. 


u.3 für Tourenräbder, Fig. 4u.5 für Rennmafdinen. 
Man bat auch Lentitangen, die aus zwei in weiten 
Grenzen verjtellbaren Hälften beſtehen, und folde, 
die eine geſchloſſene Schleife bilden, von welcher jede 
Stelle als Handgriff dienen kann (Fig. 6, Frankie 
Ronitruftion). Hölzerne Lenkitangen follen die auf 
die Arme wirkenden Stöße mildern. 

Bon großer Bedeutung für die Verminderung der 
Reibungsarbeit find die Kugellager, welche ölbal: 

Brodhaus’ Ronverfationd-L2erikon.. 14. Aufl. R. A. VL 


tend und ftaubficher fonftruiert find. Wie Fig. 7 zeigt, 
die ein Tretturbellager darjtellt, wird die Laufbahn 
für die Kugeln einerfeit3 von einem auf der Achſe 
verftellbaren Konus, andererfeit3 von einer mit dem 
Lagerkörper verbundenen Taffe gebildet. Gegen das 
Auslaufen von Öl und das Eindringen von Staub 





—— die Lager durch Kugelhaltering, Bund am 
onus, Filzring und Staubdeckel geihüst. Der 
Kugelbaltering bält die J— im Lager auch dann 
zufammen, wenn behufs Reinigung die Achſe und 
mit derfelben die Konen entfernt werden. Nach den⸗ 
felben PBrincipien find die Lager des Vorder und 





Big. 8. 


Hinterrades — Auch die Lenkſtange im 
Führungsrohr, ſowie die Pedale ſind auf Kugeln 
gelagert. Das Klemmen der Kugeln wird beim 
Doppelkugellager (Fig. 8) unmöglich gemacht, mel: 
ches außerdem noch geringere Reibung bietet, als 
das einfache. Bei der geringften Unebenbeit in der 





Fig. 9. 


——— des einen Lagers tritt ſofort das zweite 
hätigleit. Ganswind läßt die Kugellager ganz 
fallen; das Rab wird mit jeiner Nabe auf einer 
Hulſe (Fig. 9) befeftigt, die genau centrifch durch⸗ 
bohrt ift und zur Aufnahme eines die Achſe bildens 
den 1 mm ftarfen Drabtes dient, der durch Um— 
biegen feiner Enden verjpannt wird und bei etwaigen 
Brud jofort durch einen neuen erjegt werden lann. 

Das Kettenrad wird, um es zwecks Underung 
der liberjegung mit einem kleinern oder größern ver: 
tauschen zu können, lösbar mit ver Nabe verichraubt. 
Während der Fahrt läßt fich die Überfeßung mittels 
des ſchon im Artikel beichriebenen Variandkugel—⸗ 


13. Gepäckdreirad. 





Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl. R.A. 





16, Motordreirad, | 





Fahrrad 


lagers (dig: 10) verändern. Den ebenfall3 ſchon 
beichriebenen Freilaufmehanismus zeigt Kar 11. 
Eine Rollenfette für Tourenmajdinen tft in 





Big. 10, 


Dig. 12, eine Blodfette, die für Rennmafcinen 
gebräuchlich ift, in Fig. 12a abgebildet. Ein Hegel: 





räberpaar für Übertragung bei kettenlofen Rädern 
a 18. j 
edale, melde bebufd Verminderung der 
Fig. 12. 
Fig. 12a. 


Reibung in Rugellagern geben, haben für Touren: 
majdinen die in Fig 14, für Nennmafcinen die 





fig. 13. 


leichtere in Fig. 15 abgebildete Bauart. Die ge: 16 
‚zeigt ein zugleich als Fußhalter ausaebildetes Pedal. 


Bon den Bremfen wirken die gewöhnlichen De; 
Löffelbremfen virelt auf die Gummireifen. 
Schonung des lektern bat man Bremien fonftruiert, 





die entweder auf die Felge, wie in ig. 17, oder auf 
die Tretkurbelachſe oder auf die Hinterradachſe wir 
ten. Zum Schuke des Bremsgeftänges kann das: 





fig. 16, 
felbe auch in das Innere des Steuerrohres verlegt 
werben (Fig. 18). Bei den genannten Spitemen 
wird die Bremfe dur einen an der Lenkſtange an: 
gebrachten Hebel betbätiat, der fo lange gegen die 





Fig. 16, 

Lentitange angedrüdt werden muß, als die Brems— 
wirkung dauern foll. Diefes ermüdende Halten des 
Bremöhebels fommt bei den folgenden Konftrul: 
tionen in Fortfall. ; 
Die Carloni Brale zn 
Eo.inMailandbaut 
eine Bremfe, die auf 
verſchiedenen Drud 
eingeftellt werben 
fann und in der 
betreffenden Stel: 
(ung mwäbrend der 
Bremsdauer jelbit: 
a verharrt. Die 

remfe wird durch 
Drebung eines an 
der ah pm an: 
gebradten Hand: 
radchens in Tbätig: 
feit gefeßt, welches 
Bis eine biegfame 
Mellenleitung mit 
der Bremie verbun: 
den iſt. Die pneu: 
matifhen Bremjen (Fig. = lönnen an der Borber: 
rad: oder der Hinterradgabel oder am Sattelftügrobr 





befeftigt werden; ibre Bethätigung geſchieht durch 
9 


Fahrrad 


einmaligen Drud auf den an der Lentftange an: | beigeführt, daß fich die Rollen r des Freilaufges 
— Gummiball, wonach die Bremſe von felbft | ſperres ausloſen und ſomit den Kettenkranz p frei⸗ 
o lange in Wirkung bleibt, bis durch einen Druck geben. Tritt alsdann der Fahrer rüdmwärts, fo 
dad am Gummiball angebrachte | gelangt die Bremfe zur Wirkung, und zwar mit einer 
Entlüftungsventil geöffnet wird. | der Größe des Nüdirittes entiprechenden Brems— 
Sehr einfad und jiher im Gebrauch * n 
ift Die Citobremſe (Fig. 20). Sie hat 
den Vorteil, daß bei zu ſtarkem 
Bremödrud der Kurbelitift a den 
Bremshebel b wieder freigiebt, wo⸗ 
durch Stürze infolge zu plöplihen 
Bremſens ausgeſchloſſen find. Eine 
Bremje für ein mit Freilauf mi. 
ftatteted Rad zeigt ig. 21. Auf 
der Tretkurbelachſe fit im Innern 
des Lagers eine Heine Friltionslup⸗ 
pelung. Dur Gegentreten auf die 
Rurbeln wird eine Sülfe mit der Kur: 
belachſe getuppelt und daburd die 
Bremsgabel verſchoben, infolgedei: 
den ſich die Bremsbacken feſt gegen 
vie Felge legen. Fig. 22 zeigt eine 
von den Nedarjulmer Sahrrabier: 
ten gebaute Nabeninnenbremfe in | kraft. Wird num die Sperrklinke hochgezogen, fo 
Verbindung — Unterdem | entiteht eine ftarre Verluppelung jwiſden Ketien⸗ 
Kettenkrang p, der feitlih mit den franz und Nabenkörper, jo dab weiteres Öegentreten 
Bremsrollen a in Berührung fteht, | nun noch direlt zur Hemmung des Nades beiträgt. 
>.) befindet ſich der Freilaufmechanis⸗ 
u Finn I] mus. Beim Gegentreten ftoßen die 
ER [FI Bremstolien a gegen bie mit einem 
1 u. verjebene bewegliche 
innere Bremsſcheibe d und preſſen 
Fig. 18. dieſelbe gegen die fefte äußere Bremös | 
fheibe e. Die Bremsſcheibe d ift an 
ihrer Beripberie mit Vertiefungen verjeben, in welche 
eine Eperrflinte c eingreift, die durch Federdruck 









Mil 





—D— 


N 








Fig. 19. fig. 22. 


nad unten gehalten wird und mittel3 einer Draht: | Man kann mit diefer Ronftrultion bei Steigungen 
verbindung vom Fahrer ausgelöft werden kann. | von 30 bis 40 Proz. auf wenige Meter Entfernung 
=. den Stillftand herbeiführen. 


Fig. @. 
J die Sperrflinte eingeſchaltet, jo wird die innere | Der Sattel ſoll nicht reiben oder drüden, aud 

temäjceibe d an der Rotation —— und iſt nicht heiß werden. Der Chriſtyſattel z. ®. (Fig. 23) 
beim Ruben der Bedale der Freilauf dadurch hers | erfüllt diefe Forderungen dur feine zweckent⸗ 
3 





Fahrrad 


rechende Form und dadurch, daß bie Kiſſen behufs ſchlauches der ganze Reifen momentan untauglich 

üblung auf einer durchlocherten Unterlage ru wird. Diefer Übeljtand führte ag rn 
Der in Fig. 24 er Prag Zwillingsfattel befist | Dauerreifen, bie jedoch —— ſchwerer und 
getrennte, als Luftkiſſen ausgeführte Sitzflächen. weniger elaſtiſch find, ald die Prneumatils, So hat 





Big. 71. 


man 3.9. zwifben Mantel und Luftihlaub un: 
re Stöße hat man federnde Eattel: u Ce bänder elegt; der Geber 
i .28) be wifchen 

er von Dunlop dene und in zahlreichen reiſen von Mamjen (gig. 29) st zwiſch a; 
andern Ronftruftionen (Gontinental, fior, Babl, . 
mer, Macintofb, Michelin, Gormully & Jeffery, — — 
th u. a.) verwendete bez. verbeflerte pneumas i 
tifhe Reifen (Fig. 25) beſteht aus einem innern 


—— 












Big. 38. 


dede und Felge ein Syſtem von Blatt» und Schrau: 
benfebern, die im Falle eines Bruches leicht einzeln 
zu erfegen find. 

Sig. 36. 


Luftſchlauch und einer äußern Umhullung (Laufdede, 
Mantel), ift 1°,—2 Zoll ftart und wird mit feinen 
Bulftlanten auf ftählernen oder hölzernen Felgen 
beietigt und mittels einer Heinen umpe dur 
ein in ben Luftſchlauch führendes Bentil | etwa 
14, Atmofphären im Borderrad und auf etwa 
2 Atmofphären im Hinterrad aufgeblafen. Der 


— 


Big. Me. 


Mantel ift entweder gas oder, um auf naſſen 
Straßen einem Audgleiten vorzubeugen, an ber 
Dberflähe gerieft (Fig. 26). Für Rennmafdinen —— 

find neuerdings 1% lauhpneumatits (ig. 27) Big. m. 

aufgelommen, die ſich durd geringes Gewicht und 

große Clafticität auszeihnen, jedoch jhmwierig zu | Den Motor des auf der Tafel, Fig. 16, abgebilte 
reparieren find. Alle dieſe pneumatifchen Reifen | ten Motorbreirades veranſchaulicht * Wegen 
baben den Nachteil, daß bei Verlegung des Luft-Beſchreibung desſelben vergleiche ven Artikel. 





Fahrrad 


Als neuefte Mode im Fahrradbau ift der Frei: 
laufmechanismus (Free- Wheel) zu verzeichnen. 
Terielbe befteht aus einem Gefperre, welches beim 
Bergabfabren durch Gegendrud auf die Kurbeln 
den Kettenkranz der Hinterradnabe und damit bie 
Kette und das Tretlurbellager außer Betrieb jeht. 
Die Fühe brauchen alfo die rotierende Bewegung 
nicht mitzumachen, fondern können auf den Pedalen 
ruben. Die Borteile find von großem Werte, da der 
Jubrer bei 80—40 Proz. feiner Wegitrede in die 
Sage lommt, wo fein Rad durch Bergabjahrt, Rüden: 
mind oder dgl. fich durch eigene lebendige Kraft vor: 
warts bewegt. Diefem ſtehen jedoch die Nachteile 
egenüber, daß dem Fabrer die Herrſchaft über jein 

d genommen ift, da jedes Begentreten und fomit 
die Seihmwindigfeitäregulierung des Rades zur Un: 
mögligfeit wird. Es mußte aljo eine Vorrichtung 
** werden, welche die Wirkung des Freilaufs 
jeitweije aufzubeben im ftande ift, und umgelebrt 
den Freilauf wieder berftellt. Diefe Aufgabe wurde 
nun in verjchiedener Form gelöft, 3. B. dur Ans 
wendung von Felgen: oder Reifenbremien, teilmeife 
au dur Gegentreten, oder auch durch eine Kom: 
bination des Freilaufs mit einer Hinterradnaben: 
Innenbremfe. (Der Freilaufmehanismus ift auf 
der Beilage ee 

Immer mebr bricht fich die Überzeugung Bahn, 
dab das kettenloje Rad eine git ukunft bat, da 
es in Bezug auf leichten, geräufchlofen Gang und 
Dauerbaftigkeit von feiner Kettenmafchine erreicht 
mird; namentlich in fchwierigem Gelände und bei 
Rädern, die ftarl mitgenommen werden, fommen bie 
Vorteiledes lettenloſen Antriebes zur vollen Geltung. 
Die erſten fette nlo ſen Rover wurden von ber 
Barifer Fabrik «Mcatöne:Mötropole» auf den Markt 
gebracht, nachher aud von amerifanifhen und 
deutihen Firmen gefertigt. Bei dieſen Rädern 
geihiebt die Übertragung von der Kurbelachſe zum 
Dinterrad entweder durch zwei Kegelräderpaare 
(eine Abbildung diefer Anordnung zeigt die Beis 
lage) oder Sei Rollen, Zapfen u. f.w. So ver: 
wenden bie eg rein das «Sager: 
Getrieben, welches neben geringer Abnugung einen 
leihten und ruhigen Lauf hat. Diejes Getriebe ift 
ein Zufammeniirfen von Rolle und Zahn. Die 
Angriffsräder beftehen aus tonifh gefräften Bahn: 
rädern, die in Rollenräder eingreifen. Die dadurch 
erzielte rollende Neibung erfordert weniger Kraft: 
aufwand als der Gingriff ftarrer Zähne Die 
Staffelradwerle benußen dagegen ein Wintelge: 
triebe, bei welchem ftet3 die doppelte Zahl Zähne 
un Eingriff find. Hierdurch foll erftens nahezu die 
doppelte Bruchficherheit erzielt, zweitens foll das 
unvermeidliche rudweije Eingreifen der Zähne auf 
ein Minimum reduziert werben. Luß in Darmftadt 
verwendet Stirnräber (Fig. 11 der Tafel), wobei das 
Zwiſchenrad, welches von dem auf der Tretfurbel: 
abje figenden Zahnrad angetrieben wird, in Trieb: 
Nöde eingreift, die an dem Hinterrad figen und mit 
Gummi überzogen find. 

Aud um die unangenehmen Stöße zu a He 
wurden wiederholt Verfuche gemacht. Man jchaltete 
in den Rahmen Quftpuffer oder Federn ein, wendete 
pneumat. Naben u. ſ. w. an, ohne aber recht damit 
jum Ziele zu gelangen, bis die Triumph Cycle 
Company in Coventry und Nürnberg für 1899 unter 
dem Namen «Natural spring frame» einen Rab: 
men baute, bei welchem die Rohre fo gefrümmt 
And, daß fie felbit Die Federn abgeben. Denfelben 


411 


Zwed wollen die Mars-Fahrradwerke dadurd er: 
reihen, daf fie nur das Sattel —** krümmen, 
wodurch der Rahmen ein beſſeres Ausſehen gewinnt, 
als der vorerwaͤhnte. 

Seit längerer Zeit verſucht man auch, das J. zur 
Erhöhung der Leiſtung und aus hupieintfchen rün: 
den mit Hand: und gehe zugleich auszu⸗ 
tatten. Einigen Erfolg bierin verfprab das von 

t. Liman in Berlin konftruierte, bei welchem durch 
langfames Niederbrüden der Lenlſtange, die bier 
auch um eine horizontale Achſe drehbar ift, mittels 
eined Hebel ein bei dem Steuerrohr gelagertes 
Kettenrad in Umdrehung gelebt wird, das mittelä 
Kette on ein am Tretlurbellager ſihendes Ketten: 
rad wirft. Die Lenkitange ift in der Mitte mit 
dem Antriebshebel gelentig verbunden, der durch 
eine Robrführung geht und an deren Ende burd eine 
Mutter gehalten tft. Die Robrführung bat links 
und rechts Anfäße, auf welchen der nad dein obern 
Aurbellager führende Hebel aufgepaßt ift. Durd 
einen leiten Drud kann der Handantriebsmedha: 
nismus audgefchaltet werben. Ühnliche Konſtruk— 
tionen rühren von Vonhauſen u. a. ber, doch haben 
alle den Libelftand ver — Reibung, fo: 
and der Handbetrieb nicht gebraucht wird, mes: 
halb diefe Art Räder eine weitere Verbreitung bie 
jest nicht haben finden können. 

Das Dreirad (fig. 10) wurde zuerft 1876 kon: 
ftruiert, und zwar in Modellen, die man heute ald 
abnorm bezeichnen würde, Mit den ältern Drei: 
rädern war das Fahren fehr anftrengend und jchmwie: 
rig, und als das moderne Niederrad auflam, wurde 
der Gebrauch des Dreirades immer feltener. Erſt 
al3 in den legten Jahren einige gute Fabrilen Eng: 
lands alle möglichen Berbefjerungen und Neuerun: 
gen verwendeten, erlangte es wieder mehr Beach: 
tung, befonderd als Transportmittel (Gepäddrei: 
rad) für Gefchäftsleute und Landbriefträger. An 
dem Gepädvreirad ift vor oder hinter dem Sike des 
Dabant ein größerer abnehmbarer Kaſten oder Korb 

efeftigt, mit dem mitunter nicht unbedeutende 
Laften befördert werden. Es hat fich gezeigt, dab 
Gepäckfahrräder mit Siß hinten (Fig. 13) fh beſſer 
bewähren, ala ſolche mit Siß vorn. Außer zum 
Gepädtransport werben auch joldhe zum Transport 
von Verunglüdten u. |. w. bergeitellt. In mehrern 
Großſtädten (3. B. Berlin, Johannesburg u. a.) find 
Dreiräder zur Perjonenbe örderung (fig. 15) im 
öffentlichen Verkehr, wie fie von Gebr, Heichftein u.a. 
gebaut werden. Das Geftell derfelben trägt einen mit 
rüdihlagbarer Plane verjebenen Sitz, 1 daß der 
Babrgant vom Gegenwind nicht beläftigt wird. Einer 

ejondern Form des Dreirades bedienen fih Kranle, 
die ihre Fübe nicht gebrauchen können. Eine foldhe 
Mafhine, Snvalidendreirad oder Manuped 
genannt, wird dann mitteld zweier ſenkrecht fiehen: 
den, ruberartig vor: und rückwärts zu fchiebenden 
Hebel durd die Hände fortbemwegt (Fig. 9). Für be: 
jondere Fälle werben diefelben auch jo gebaut, daß 
der Antrieb mittels eines Armes und eines Fußes, 
Ir nah dem Gebrehen des Invaliden geiciebt. 

uch die Feuerwehr bedient fich des F., wodurch die: 
felbe ftet3 mehrere Minuten vor der erſten Spritze 
auf dem Brandplaß anlangt. Ein ſolches von Dreß- 
ler gebautes Fahrzeug (Fig. 14) befist 4 Räder, wo: 
von das vordere Haar lentbar ift, während dic bei: 
den hintern durch zwei parallel laufende Ketten 
angetrieben werben. Diefes Fahrzeug ift zur Mit: 
nabme einer Schlaudrolle mit 60 m Schlaud, eines 


412 


Schlauhrohres, einer Löfhlanne, eines Verband: 
kaſtens, einer Krankentrage, einer Laterne u. |. w. 
eingerichtet. j 
n den legten Jahren hat man für Zwei: und 
Dreiräder au den motorifhen Antrieb ein: 
eführt, wobei man ſich meistens des Benzinmotors, 
eltener des Gleftromotor& bedient. Auch find Ber: 
ſuche mit Drudluft, Kohlenſäure, ja f ogar mit Ace: 
tolengas gemacht worden. Bei dem Motorzweirad 
von der Fahrzeugfabrik Eiſenach dient das Vorder: 
rad ſowohl zum Steuern, ald zum Antrieb. Der 
Motor von %, Pferdeſtärken ift bei der Lenkſtange 
montiert und mittel3 Schnurtrieb mit dem Vorder: 
rad in Verbindung gebradt. Diefer Motor macht 
etwa 1300 Touren in der Minute und wiegt etwa 
10kg. Das 4 kg ſchwere Miichgefäß ift am obern 
Rahmenrohr (Sceitelrobr) befeitigt und faßt 2'/, 1 
Benzin, weldes für eine Strede von 120 km ge: 
—* Mittels eines an der Lenkſtange angebrachten 
Hebels wird der Motor bethätigt, ſowie die Ge— 
ſchwindigkeit reguliert, welche bis zu etwa 45 km 
ro Stunde geſteigert werden kann. Das komplette 
otorzweirad mwiegt etwa 30 kg. Sinnreider in 
ber Anorbnung des Motors und deſſen Zubehör: 
teilen ift das Nedarfulmer Motorzweirad mit Lüthi: 
Motor (Fig.8). Der Motor von 1'/, biß 1'% Nette 
ftärten wiegt etwa 9 kg und ift am Tretkurbellager 
durch 4 Schrauben befejtigt. Der aus Zinkblech ge: 
fertigte Benzinbehälter bez. Garburateur ift in 
Form einer Rahmentaſche gebalten und befteht aus 
3 Abteilungen. Die vordere bildet das 3 1 fallende 
Benzinrefervoir, die mittlere den Raum für bie 
aus 3 Trodenelementen bejtebende Batterie für die 
Zundung, die en entbält eine Ollanne und 
die Induktionsſpule. Der Antrieb erfolgt auch 
bier mitteld Riemenſchnur jedoch auf das Hinter: 
rad, was den Vorteil hat, daß fih das Fahrzeug 
leichter lenfen läßt, als wenn der Antrieb auf das 
Vorderrad erfolgt. Die Geſchwindigkeit fann bis 


u 50 km pro Stunde geiteigert werden, wobei 
teigungen bis zu 8 Proz. überwunden werden. 
Der Verbrau 


an ann für 40—50 km ift bier: 
bei 11. Der Lauf des Motorrades ift ftoßfrei und 
dur die vorteilhafte Placierung des Motors ein 
angenehmer, da weder Benzin: oder Olgeruch, noch 
aufiteigende warme Luft den —5* beläſtigen, wie 
dies bei der oben erwähnten Anordnung der Fahr— 
zeugfabrit Eiſenach der Fall it. Das komplette Rad 
wie! etwa 33—40 kg. 

ie Motorbreiräder (Fig. 16) Schließen fich alle 
mehr oder weniger dem Syſtem Dion & Bouton an. 
Die Hinterachſe wird mittels eines Heinen, hinten 
angebrachten Benzinmotors in Betrieb geſetzt. Ein 
folher Motor (Dion & Bouton) wird in Deutich: 
land von der Firma Eudell in Aachen bergejtellt 
(eine Abbildung desielben zeigt die Beilage); es 
beträgt der ** Durchmeſſer des Aluminium— 
gehäuſes 220 mm, der des Cylinders 115 mm und 
das ganze Gewicht des Motor? 24 kg; die Touren: 
zabl ift 1500— 2000 in der Minute, die Leiftun 
bei 40 km Fahrgeſchwindigleit pro Stunde glei 
1", bis 2 Wierbeftärlen. Die Speifung des Motors 
geichiebt dur eine langſam arbeitende Pumpe, 
welche das Benzin, das 8 in einem Behälter un— 
terhalb des Sattels befindet, tropfenweiſe dem Ver: 
gafer zuführt. Die Entzündung wird durd einen 
elektrischen unten bewirkt, den eine mit einer In— 
duktionarolle in Verbindung ſtehende Trodenbat: 
terie liefert, welche in einem fchmalen Käftchen am 


Fahrrad 


obern Rabmenrohr angebradit ift. An Stelle dieier 

ündung tritt in leßter Zeit die eleltromagnetiſche 

ündung von Boſch in Stuttgart. Um das Yabr: 
jeug in Bewegung zu ſetzen, genügt ed, einigemal 
auf die Pedale zu treten; ijt das Rab in Bewegung, 
fo werden die Pedale wieder außer Eingriff ae: 
bracht und erft dann wieder benußt, wenn eine er: 
höhte Schnelligkeit erzielt werden joll. Die Regu— 
lierung der Geihmwindigfeit ſowie das Außertbättg- 
feitjegen de3 Motors geſchieht von der Lenkſtange 
aus. Die Füllung des Reſervoirs mit 3 1 Benzin 
reicht für eine Fahrt von etwa 80 km. Diele Art 
Motorräder, bei welchen die Betriebskoſten zwiſchen 
1 und 19. Bi. pro 1 km variieren, nehmen gemwöbn: 
lih Steigungen bis zu 10 Proz., bei arößern da: 
egen muß mit den Pedalen nachgeholfen werben. 
Sir Gewicht beträgt etwa 75 kg. Um mebrere Ber: 
onen zu befördern, werben diejelben entweder mit 
einem Anbängewägelchen oder mit einem Borited: 
wägelchen fombiniert. Bei Anwendung des lektern 
wird das Vorderrad des Motorrades abgenommen. 
Durch eine andere Anordnung des Motor und 
feiner Mechanismen fuhen Heinle & Wegelin in 
Augsburg das Gewicht des Motorrades dadurch zu 
verringern, dab fie den Benzinbehälter ſowie den 
Motor an Stelle des obern bez. de3 untern Rabmen: 
rohrs treten laffen, wodurd die Robre an dieſer 
Stelle überflüfftg werden. Diefes Motorrad fann 
fomwobl von einer al3 wie von zwei, und mit Be: 
nußung eines Anhängewagens aud von drei und 
vier Berfonen benugt werden, Mit zwei Perſonen 
beiekt, nimmt es Steigungen bis zu 20 Proz., mit 
vier Perſonen joldhe von 6 Proz. Die Geſchwindig— 
keit ann bis 35 km pro Stunde gejteigert werden. 
Am Borderteile des Benzinbehälters, deijen Füllung 
für etwa 150 km reicht, befindet jih außer dem 
Gasmiſchraum ein zur Schmierung dienenver, *, | 
fafjender Olbehälter, defjen Füllung für eine Fabrt 
von 500 km reicht und zwangsweiſe den Cylindern 
zugeführt wird. Die Cylinder befigen Küblrippen 
an welchen die Luft durch die rafche Fahrt ſtark genug 
vorbeiftreicht, um fie genügend abzufüblen, jo dat 
der beim Motorwagen üblihe Küblwaflerbebälter 
in Fortfall fommt. 

m auch ein gewöhnliche Zwei: oder Dreirar 
durch motorifche Kraft zu bewegen, haben Bleifina 
& Co. in Gögaingen bei Augsburg einen Heinen 
Motor konstruiert, der leicht angebracht und wieder 
abgenommen werden fann. Am oben Rabmen 
befindet fich der etwa 21 haltende Benzinbebälter. 
Die Kraftübertragung geihieht auch bier mittels 
Riemenihnur aufdas Hinterrad. Die Riemenjchnur 
wird mittel3 einer Spannrolle durch Drud auf einen 
nächſt der Lenkſtange angebrachten Hebel nah Be: 
dürfnis geipannt oder gelöft, mwoburd die Motor: 
kraft ganz oder nur teilmeife auf das Rad einwirkt, 
event. ganz ae, wird. 

liber einzelne Fahrradteile (Lenkitangen, Kugel: 
lager, Bedale, Ketten, Bremjen, Sättel, Reifen u. a.) 
f. die illuftrierte Beilage. — Über neuere Konſtruk— 
tionen ſ. Fahrrad, Bd. 17, nebſt illuftrierter Bei- 
lane und Tafel: Fahrrad Lu. II. 

Der Fahrradbau bejchäftigt gegenmärtig eine 
große Anzahl Fabriken, die mit meitgebender Ar: 
beitsteilung und vielen Specialmaſchinen arbeiten. 

Sitteratur. Wolf, F. und Radfabrer (Ppz. 1890); 
Allen, Dingest of cycles or velocipedes patented in 
the United States (Waſh. 1892): Sharp, Bicycles 
and Trieycles (Neuyork 189); Schwaben, Apres: 


Fahrradkarte — Fährte 


bus der gefamten Fahrradinduftrie (Frantf. a. M. 
18%); Baller, Der Fahrrabreparateur (Lpz. 1899); 
Bogel, Das Motorzmweirad (Berl. 1902). Zeitichrif: 
ten: Der Rad: Marft, Fachblatt für Fabrradinduftrie 
und :Handel (Bielefeld); Der deutſche Fahrradhaͤnd⸗ 
ler und :Fabrilant (Dresden); Rad und Motor 
(ebd). — Bol. auch die Pitteratur zu Radfahrſport. 
rradfarte, j. Eijenbabntarife. 
rradſtener, eine Steuer auf Fahrräder 
und Automobile, führte zuerjt Frankreich durch Ge: 
fe& vom 28. April 1893 (ergänzt dur Gejek vom 
14. April 1898) ein. Italien, wo ſchon feit einigen 
Jahren mebrere Gemeinden eine ſolche Steuer er: 
boben hatten, folgte dem franz. Beifpiel durch Ge: 
jeß vom 22. Juli 1897, Bon deutſchen Staaten bat 
Bremen 1899 eine %. einzuführen beſchloſſen, und 
das Großberjogtum Heflen durch > vom 
12. Aug. 1899 und Verordnung vom 10. Dit. 1899 
eine ſolche eingerihtet. Die Steuer ift in diefen 
Ländern Staatsfteuer; ihr Ertrag fällt aber in 
Frankreich zu einem Viertel, in Italien zur Hälfte 
an die Gemeinden. Die Steuer erjtredt fih auch 
auf die Automobile. In Heſſen ift die Steuer als 
Stempelabgabe gemäß dem Geſetze vom 12. Aug. 
1899 für die Löjung der Fahrkarte jährlich zu ent: 
richten mit 5 M. für Fahrräder und mit 5—50M. 
für Automobile je nach deren Größe, Ankaufspreis 
und —— — Die Beſiher von Fahr— 
rädern und Automobilen haben vor deren Inge— 
brauchnabme eine Meldung an das Kreisamt ihres 
Wobnortes zu richten und dort auch die Wieder: 
abibaffung des Fahrzeugs anzumelden. Die von 
ven fireiäämtern heführten Liften bilden die Grund: 
fage der Kontrolle des Steuereingangs. Von der 
Steuerpflicht befreit find unter anderm Berfonen, 
die ſich zum Kurgebrauch oder nicht länger als 
30 Tage im Großherzogtum aufhalten, ferner Mili: 
tärperjonen und Beamte für ihre Dienfträder, mei: 
ter Lobnarbeiter. die das Fahrrad ald Transport: 
mittel zur Arbeitsftelle, und Gewerbetreibende mit 
einem reseinfommen bis zu 1500 M., die das 
Rad bei Ausübung ihred Gewerbes benußen. Die 
sum Berlauf beftimmten Räder der Händler unter: 
liegen der Steuerpflicht jelbitverftändlich nicht. 

a Frankreich ift die Jahresabgabe bei Fahr: 
räbern mit einem Gib 6 Frs für das Fahrrad, bei 
Fahrraädern mit mebrern Siken 6 Frs. für jeden 
Sig, bei den durb Motoren getriebenen Rädern 
12 513. für jeden Eiß. Die Anmeldung erfolgt bei 
der Gemeinbebehörde bis zum 31. Jan. jedes Jahres 
bez. bis zum 30. Tage nach der Anfhaffung. Die 
Dienfträder der Beamten und Militärperfonen und 
die zum Verkauf bejtimmten Näder find frei. Die 
Steuer ergab 1900 faft 5°, Mill. Fr3.; befteuert 
wurden 987 130 Fahrräder und 2897 Motorwagen. 

talien erhebt für jedes einfisige Fahrrad 
10 Its., für jedes mebrfigige Fahrrad 15 Fr3., für 
jedes dur Motor betriebene Rad 20 Frd. Die 
Veiser der Räder müfjen eine Anmeldung beim 
Bürgermeifter fpäteftens innerhalb eines Monats 
nah der Anſchaffung richten. Der Bürgermeifter 
fertigt alljährlich eine Zijte der Befiker an. Die 
tifte wird 8 Tage lang öffentlih angeſchlagen und 
fan durch Einſpruch innerhalb 20 Tagen nad 
Beröffentfihung angefohten werben. Steuerfrei 
bleiben, außer ven zum Verkauf beftimmten Rädern, 
die Dienfträder der Beamten und Militärperfonen 
und die Räder unbemittelter Kranler. 
Fahrradverficherung, ſ. Bv. 17. 


413 


Fahrradvorfchrift, im deutſchen Heere vom 
12. Mai 1899, enthält Beichreibung, Behandlung, 
— — Erja und Kontrolle der Fahrräder, 

usbildung der Radfahrer, Fahrvorſchriften, Ber 
Heidung und Ausrüftung nebit Anhang über Bieje: 
rungäbedingungen, Prüfung und ——— der 
Fahrräder für Truppenteile. 

Fahrrecht, im Mittelalter vie gerichtliche Toten⸗ 
ſchau bei unnatürlihen Todesfällen. 

Fahrrinne, bei ſtehenden oder fließenden ſchiff⸗ 
baren Gemwäjlern, welche nicht überall ausreichende 
Sahrtiefe bieten, Bezeihnung für diejenige Linie, 
auf welcher fid die Schiffe ungebinvert bewegen 
fönnen. Bei breiten Gemäjjern wird die F. durch 
Betonnung (f.d.) kenntlich gemacht. —— — 

Fahrs., hinter naturwiſſenſchaftlichen Namen 
Abkurzung für den ſchwed. Arzt und Naturforſcher 
(namentlich Käferlenner) Dlaf Immanuel Fah— 
räus, geb. 1796, geſt. 1844. 

a einbücher, ſ. Couponbüder (Bd. 17). 
richeinhefte, j. Eifenbahntarife. 
richiene, j. Einihienenbahnen. 


ale ſ. Radius. 
eftuhl, ein an den Füßen mit Rollen verjeber 
ner oder auf einem Radgeftell ruhender bequemer 
Stuhl, der befonders als Transportmittel für Krante 
benugt wird. Auch dient der Name F. ald Bezeich— 
nung für jeden Aufzug (f. d.). [parate, 
3 eftuhlapparate, |. Zeuerwehrrettungsap: 
ährte, in der Jägeriprade der Eindruck meh: 
terer Tritte des edlen Haarwildes, das ie er 
yasb gezählt wird, oder desjenigen, weldes Schar 
en an den Läufen hat. Der einzelne Einbrud, wel⸗ 
er vom Lauf gemadt wird, beißt Tritt. Über 
die gewöhnliche Breite der geſchloſſenen Edel«, 
Reh⸗ und —— — wenn man dieſelben 
zunächſt vor den Ballen mißt, und über die Weite 
des gewöhnlichen Schrittes auf der Ebene, wenn der 
eine Tritt mitgemefjen wird, ſei zur Verdeutlichung. 
die folgende Tabelle angefügt: 





85 253 
— — 
3 
Wildarten, —33 Er 
von denen die Fährten herrühren |? | 77 | 8» 
ze i28| 2 
3 a 7 


A. Edelwild. em 
Kalb im Sommer . . 2.000. 31 
Kalb im Herbit ».- rennen. 34 
Schmaltier im Sommer . .. 2. 43 
Epieh) 1 Im Sommer ... » +... 44 
Gabelhi und Hlttier „222.0. 41 
i von BEER oo 0 eo nn.» 49 
I von Busse BEER 5,2 
i vVenRlO 0 vo. 0 rer 0%. 54 
ish von 1? oo. 44 5,6 
irſch von 9 oo. en en 59 
irſch oni6 » 200000. 62 
B. Rehwild, 
Schmalreh im Sommer...» .. +. 
it Er 
Nebel - » vr een 00. 





C. Schwarzwild. 


| ling im Sommer... . 2... 24 | 23 | 0,26 
ling im Binter... 2.2200. 31 | 28 | 0,29 
aufener Friſchliug im Sommer. .| 3,7 | 3,5 | 0,30 
überlaufener f im ®inter ...| 43 | 39 | 031 
eijährige Sau im Sommer . »..] 47 | 43 | 0,32 
eijährige Sau im Winter ... 5,2 | 4,6 | 0,38 
reijähriger Heiler .. 2200er. 5,5 | 49 | 0,36 

«| Angebendes Shwein... er 0.“ 58| 54 | 0,39 
Hauptihwein „2.222200 ren. 61 | 56 | 0,46 


414 


Bei der Edelwildfährte fann man aus der 
Größe, Form und Richtung der F. oder der Tritte 
die Geichledhter (Hirfh vom Mutterwild) und uns 
gejähr das Alter Jungwild) und die Stärke unter 





Fig. 2. 
Tritt des Edeltieres. 


Fig. 1. 
Zritt bes Edelhirſches. 
* Die F. des Spießhirſches iſt im Herbſt 


on faſt fo ſtark wie die des Alttieres. Im allge 
meinen ift der Tritt des Edelhirſches (Fig. 1) mehr 


ur m 


Fig. 3. Fahrte des Edelhirſches beim vertrauten Biehen. 


abgerundet, als der etwas sugefpipte und länglidhe 
Tritt des Edeltieres (Fig. 2). Beim vertrauten 
Ziehen find die Tritte in der F. des Edelhirſches mit 


Fig. 4. Fährte des Damhirſches. 


der Spige merllih nad auswärts gerichtet (Fig. 3), 
während beim Mutterwild die F. und Tritte fait 
parallel fteben. Die $. des Dammildes (din. 4) 
äbnelt der des Edelwildes, nur erſcheinen die Tritte 


% 
=! SD 

⸗ 
[4 — 6 * 
— —— 


Fig. 5. Fahrte des Rehes in weichem Boden. 


eringer, ſchmäler und ſpitzer. Die für den Edel: 
Birk haratteriftiihen Zeichen findet man meijt 
aud in der F. des Elchhirſches; es iſt aber die 


Fig. 6, Schwarzmwilbfährte beim Schreiten. 


legtere weſentlich ſtärler. Beim Elchtier find die 
Skalen verhältnismäßig länger und fchmäler als 
beim Elchhirſch. In der Neblährte (Fig. 5) find 
beim itarlen Bod die Schalen jtumpjer und ge: 
ſchloſſener, die Ballen breiter und länger urd der 


Fahrten — Fahrzeug 


Schrant (f. d.) weiter als bei der alten Ride. In 
der Schwarzmwildfährte (Fig. 6) ift bei allen 
ſchwachen Sauen die eine Schalenſpihe an den Bor: 
derläufen kürzer als die andere, was auch im Tritt zu 
ſehen ift. Bei den Bachen (weiblichen Sauen) fallt 
diefer Unterſchied nie ganz weg, verſchwindet aber 
vom dreijährigen feiler (f. Sau) ab immer mehr. — 
3. unterſcheidet man als kalte, d. i. alte F., die 
der Hund nicht mehr annimmt, und ald warme, 
d. i. friſche, welde dem Hund gute Witterung 
(Gerud) yet Man fagt wohl auch vom ange: 
——— Wild Fährtemachen, wenn ed Schweiß 
(Blut) fallen läßt. — Bgl. Teuwſen, hai Spuren 
Anleitung zum Spüren und Anipreden für Jäger 
(Neudamm 1901). 

ahrten, |. Bergbau. 

ährtengerccht heißt der Jäger, ber aus ber 
— rte Geſchlecht und Stärke des Wildes richtig 
eurteilen fann. 

Fährtenfandftein, der Buntfandftein (ſ. d.), 
worin fi Ehirotberiumfährten (ſ. d.) finden. 

I rung, |. Bergbau. 

ahrwaſſer, diejenige Waſſerſtraße in der Räbe 

der Hüften, welche die Schiffe wäblen müffen, um 
nicht zu jtranden. Je nad der Waflertieje unter: 
ſcheidet man F. für große oder Heine Schiffe. Ein 
nicht mit Untiefen befegtes 5. wird freies F. ge: 
nannt, Die Kennzeihnung des F. geſchieht durch 
die Betonnung (j. d.) jowie durch Leuchtjeuer (ſ. d.). 
(S. auch Fahrrinne.) Nach dem internationalen See: 
—— für Deutſchland durch die Kaiſerliche 
erordnung vom 7. Jan. 1880, Art. 21, wiederge⸗ 
geben, muß im engen F. jedes Seedampfſchiff, wenn 
es obne Gefahr ausführbar ift, fi an der Seite der 
— oder der Fahrwaſſermitte halten, die an 
einer Steuerbordſeite liegt. Gemeingefährliche Ste: 
rung des 5. in Strömen, Fluſſen oder Kanälen iſt 
ftrafbar Deutſches Strafgeichb. $$. 321, 325, 326). 

Fahrzeug, im weitern Sinne jedes unbelebte 
und felbjtbewegte Transportmittel zu Yand, zu 
Mafler oder dur die Luft, im engern Sinne die 
dur Zugtiere in Bewegung gejekten Vorrichtungen 
ur Beförderung von Perionen oder Laften. & 
ha in dieſem engern Sinne bejteht aus einem Unter: 
geitell, da8 in Berbindung mit der Kraft der Zug: 
tiere zum Fortbewegen dient, und aus einem Über: 
gene zur Aufnahme der zu befördernden Laſt 
Wefentlih für die Leiſtung der F. ift nur der Bau 
des Untergejtelld, während das Obergeſtell jelbft au! 
dem — ſehr verſchieden angeordnet ſein 
kann. Die m... des Untergeitelld berub: 
entweder auf der Anwendung der Schleife oder aui 
der des Rades (j. Zahrzeugipiteme). 

Die F. der Artillerie dienen zur — — 
derjenigen Geihüßrobre, welche nicht in ihren Yafet: 
ten transportiert werben lönnen (Ranonenjattel: 
wagen und Scleppwagen) oder leine fabrbaren 
Lafetten haben (Mörjerfattelmagen), ferner zur Fort: 
ſchaffung der Munition (Munitionswagen), der Bor 
ratsjtüde (VBorratöwagen), der Schmiedeeinrichtung 
(Felbſchmiede), des Batteriebaumateriald (Kaſten⸗ 
wagen, Leiterwagen, Rollmagen) u. ſ. w. Zu dieſen 
von Pferden zu ziebenden vierräderigen F. fint 
eigentlich au die aufgeprogten Geſchütze jelber zu 
rechnen. Es jchließen fi ibnen die zweiräderigen 
durh Menſchen zu bewegenden «Harren» an, die 
— Transport leichter Rohre und Moͤrſer (Tranchee 
arre) ſowie von Munition (Kugelkarre) auf kurze 
Streden nur im Feſtungskriege dienen. 


Fahrzeugſyſteme — Faidit 


Die Gefeggebung befaßt ſich mit F. inſofern, ala 
ſolche 1) für militär. Zwede zwangsweiſe requiriert 
werden, 2) bei Seuchezeiten aus der Annäherung 
von F. an die Landesgrenzen Gefahren entitehen 
lönnen, 3)im Intereſſe des freien Verkehrs. F. welche 
beim Gingang über die Grenze zum onen: und 
BWarentransport dienen und nur aus dieſer Veran⸗ 
lafjung eingeben, find zollfrei ($.5, Nr. 5, des Deut: 
ſchen —— etzes vom 22. Mai 1885). Nach 
dem Deutſchen Patentgeſetz, 8. 5, erſtredt ſich die 
Birtung eines nderpatent3 nicht auf Einrid: 
tungen an F., melde nur vorübergehend in das 
Inland gelangen. 

Fahrzeugſyfſteme. Nach der Art des Unter: 
geitells (Schleife oder Räder) werben die Fahrzeuge 
(.d.) als Schlitten, als zweiräderige oder Karren 

und vierräderige oder Wagen bezeichnet (zmeis 
räderige Luxusfahrzeuge werden indes Wagen ge: 
nannt). Bei den WagenderArtillerie werden nad 
der Art der Verbindung des Vorder: und Hinter: 
wagen3 drei Hauptiyjteme unterjhieden: Unab— 
bänaigteit3:, Balancier: und Lenlſcheitſyſtem; durch 
Bereinigung der beiden lektern entjtebt das Balan— 
cier⸗Lentſcheitſyſtem (f. 7 , 
Faible (fr;., ipr. ji ),Ihmwad ; als Subftantiv: 
Schwäche, ſchwächliche Nabfiht, Boreingenommen: 
eg in der Redensart: EinF. für jemand 
n, b.b. für eine Berfon eingenommen jein, fo daß 
man aud gegenüber deren Fehlern Nahficht übt; 
Faiblage (pr. fäblahſch'), erlaubter Minderwert 
von Münzen an Gewicht und Gehalt (ſ. Remedium); 
Faibleſſe (ipr. fäbleß), Schwäche, Ohnmacht. 
Faida (mittellat.), urſprünglich die Fehde (ſ. d.), 
Dann, ebenſo wie faidus, die Buße oder das Fehde: 
eld, durch deren Zahlung der Angellagte dem Ver: 
esten, welcher unter Berzicht auf die Fehde geklagt 
batte, den Frieden abgewann. j 
Faidherbe (ſpr. fäderb), Louis Leon Ceſar, 
General, geb. 3. Juni 1818 zu Lille, beſuchte 
die Polytechniſche Schule, trat 1840 in die Artillerie: 
und Geniefhule von Meb, diente ala Genieoffizier 
in Algerien 1844—45, als Kapitän auf Guadeloupe 
1348—49 und wiederum in Algier 1849— 52, wo 
er an mehrern Erpeditionen, namentlich 1851 unter 
Saint⸗Arnaud an der gegen Rabylien, teilnahm. %. 
wurde 1852 als Unterbireltor des Genieweſens nad 
dem Senegal gefandt, wo er 1854 zum Bataillons: 
tommandanten “und Gouverneur der Kolonie er: 
nannt wurde. Er unterwarf 1855 mehrere aufftän: 
diſche Stämme und organifierte die Länder der Walo 
ala franz. Provinz. Die völlige Unterwerfung der 
mächtigen maur. Stämme der Trarja (1858) fo: 
wie ein Feldzug gegen den König von Cavor (an. 
1861), der mıt Unterwerfung von deſſen Küftenlän- 
dern und der Belegung des rechten Uferö des Ge: 
negal bis jenfeit Bathel de Medina — lenn⸗ 

ichnete die Amtsperiode F.s in Senegambien. m 
Juni 1861 febrte er — jurüd und ging 
bierauj wiederum nad Algerien, wo er 1863 Bri- 
gadegeneral wurde. Bald darauf wurde F. aufs 
neue an die Spiße der Kolonie Senegambien ge: 
felt und blieb dort bis Juli 1865, wo ihm das 
Rommando über die alger. Subdiviſion Bona über: 
. tragen wurde. Anjang 1870 — er die Diviſion 

inSonftantine und wurde Ende November von Gam⸗ 
betta nah Frankreich berufen und mit dem Kom: 
mando der Norbarmee betraut. 3. traf 5. Dez. in 
Sile ein und war mit dem Kern feiner Armee, gegen 
1000 Marın, auf feinem Vormarſch bereits bis 


415 


gegen 11 km nordöftlih von Amiens gelommen, 
als er 23. und 24, Dez. von Manteuffel durch die 
Schlacht an der Hallue zum Nüdzuge bis nördlich 
binter Arras genötigt wurde, Nad einem zwei: 
tägigen — bei Bapaume (ſ. d.) 2. und 3. Jan. 
1871 wurde F. von Goeben unter großen Ver: 
luften zum NRüdzuge nah Arras und Douai ge: 
jwungen. F. — wieder ſudlich vorzudringen, 
wurde jedoch von Goeben auf St. Quentin zurüd: 

eworfen und bier 19. Jan. enticheidend geſchlagen. 
Im Febr.1871 wurde er in Paris als eifriger Republi⸗ 
kaner und Anhänger Gambettas in die National: 
verfammlung gewählt, legte aber ſchon 19. Febr. fein 
Mandat nieder. Am 27. April 1871 wurde er in 
den Ruheſtand verjest und von der —— nach 
Oberägypten geſchidt, um die dortigen Denkmäler 
und Inſchriften zu unterfuhen. Bei den Erjab: 
wahlen zur Nationalverfammlung Juni 1871 in 
drei Departements erwäblt, nahm er die Wahl in 
Lille an, legte das Mandat jedoch bald nieder. Er 
ftarb 28. Sept. 1889 zu Baris. Dentmäler F.s fin: 
den fi in Bapaume (1891) und Lille (1896). 

F. bat fi auch um die Geographie, Etbnographie 
und Spradfunde hervorragende Verdienſte erwor: 
ben. Außer verſchiedenen Beiträgen zu dem «Bulle- 
tin» der Barifer Geographiſchen Gejellihaft gab er 
jeit 1860 zu St. Louis am Senegal das «Annuaire 
du Senegal» heraus, für das er jchäßbare Beiträge 
zur Kenntnis der dortigen Völker und Sprachen 
veröffentlichte. Ferner erichien von ihm «Chapitres 
de g&ographie sur le nord-ouest de l’Afrique» (St. 
Louis 1864), «Collection complete des inscriptiong 
numidiques» (Bar. 1870), «Essai sur la langue 
Poul» In tr. 1875), «Les dolmens d’Afrique» 
(1873), «Epigraphie phenicienne» (1873), «In- 
structions sur l’anthropologie de l’Algerier (Par. 
1874), «Le Soudan frangais» (1884), «Le Senegal. 
La France dans l’Afrique occidentale» (1889). 
Nah dem Friedensſchluſſe mit Deutichland juchte 
er jeine Kriegführung in der Schrift «Campagne de 
l’armee du Nord en 1870/71» (Bar. 1871; deutſch 
Berl. 1872) zu rechtfertigen. Die unrichtigen An: 
gaben biejer Earift widerlegte General von Goeben 
in der aAllgemeinen Militär:Zeitung» (Darmitadt), 
Seton in «Notes on the operations of the North- 
German troops in Lorraine and Picardy» (Pond, 
1872). — Val. Brunel, Le général F. (Bar, 1890); 
Deshaumes, L'armée du Nord. Campagne du 
göneral F. ſebd. 1895). 

Faid’herbe (ipr. fäderb), Lucas, niederländ, 
Architelt, geb. 1617 zu Meceln, geit. dafelbft 1697, 
urfprünglih Bildhauer, Schüler und Hausgenoſſe 
bes Nubens, erbaute die Michaeliötirche zu Löwen 
(1650—66), die Beauinentirche zu Brüflel (1657 — 
76), Notre:Dame —— zu Mecheln (1673 —78) 
und zahlreiche andere in Grundriß und Durchbil— 
dung gleich bemerlenswerte Kirchen in einem glänzen» 
den, phantafiereihen Baroditil und wurde fomit 
der Lehrer einer weitverzweigten, namentlich aud 
in Sübdeutichland wirlenden Schule. — Val. Our: 
litt, Geſchichte des Baroditil3, des Rokolo und 
des Klaſſicismus, Abteil. 2 (Stuttg. 1888). 

Faidit (jpr. fädib), Gaucelm, provencal, Dichter 
aus Uzerche im Limoufin, führte erft das Leben eines 
Spielmanns, indem er mit feiner Geliebten, Guil- 
lelma, die er fpäter heiratete, umberzog. Später 
wandte er ſich dem Hofdienſte zu, verberrlichte in 
—— Liedern die ſchöne und gefeierte Vizgräfin 

aria von Ventadorn und kam in Gunſt bei König 


416 


Richard I. von — (1189— 99), den er auf 
jeinem Kreuzzuge begleitete und deſſen Tod er in 
einem jchönen, innigen Liebe bellagte. Auch am 
* des Markgrafen Bonifaz von Montferrat fand 
er Aufnahme. dichtete zwiſchen 1190 und 1240, 
Er ift einer der fruchtbarjten Troubadourd, von 
dem ſich über 60 Lieder und Tenzonen erhalten 
haben. — Bol. Rob. Meyer, Das Leben des Tro: 
badors Gaucelm F. (Heidelb. 1876); Diez, Leben 
und Merle der Troubadours (2. Aufl., Lpz. 1882). 
Faido, deutih Pfaid, Fleden und Hauptort 
des Bezirks Livinen (Leventina) im ſchweiz. Kanton 
Zeffin, in 758 m Höhe, links des Ticino an der Gott: 
barditraße und-Bahn. Der Fleden, deflen Häufer 
ein eigentümliches Gemisch ſchweizeriſch-alpiner und 
ital. Bauart darbieten, hat (1888) 991 meift ital. 
und kath. E,, darunter 14 Goangeliſche; Poft, Tele 
graph, eine Kirche, ein Kapuzinerklojter und ein 
ſtattliches, 1772 erbautes Gerichtshaus (Pretorio), 
in welchem vor 1798 die urneriſchen Landvögte der 
Leventina refidierten; Aderbau, Alpenwirtidaft, 
Fremdeninduſtrie und etwas Seidenzucht. Die be: 
mertenämwerteiten Punkte der Umgebung find die 
Schludt von Dazio — die ſich 1 km oberhalb 
5. öffnet, und dem Flecken gerade gegenüber, auf dem 
rechten Ufer des Ticino, der Waflerfall, mit dem 
die Piumogna aus ihrer vom Piz Campo Tencia 
(3075 m) beberrihten Schlucht in das Hauptthal 
Faience, |. Jayence. ar 
Faienoes patriotiques (fr3., jpr. faläͤngß 
-tit), Schüfleln, Teller und Trintgefdirre in franz. 
Fayencemafje aus der Zeit der sranzöfifhen Re: 
volution, mit Darftellungen, Erinnerungen, Em: 
blemen u. f. mw. aus jener Zeit. Diefe F. p. find 
obne Runftwert und nur um bes egenftanes 
willen von den Sammlern geſchäht. — Bal. Ebamp: 
fleury, Histoire desF. p. sous la r&volution (3. Aufl., 
Bar. 1875). (S. Fayence.) 
atjäm, ägypt. Brovinz, |. Fajum. 
ille NR m aj), ein leichter, aus Florett⸗ 
feide bergeitellter Taffet (f. d.). j 
Failly (ſpr. fäjih), Pierre Louis Charles Achille 
de, franz. General, geb. 21. Yan. 1810 zu Rozoy: 
—— (Depart. Aisne), trat 1828 als Unter: 
eutnant in die Armee, wurde 1837 Kapitän, 1843 
Bataillonslommandant, 1848 Oberftleutnant und 
Kommandant der Milttärvorbereitungsjchule zu 
Zoulouje. Dort blieb er bis 1850, war dann als 
Oberſt des 20. Infanterieregiments in Algerien und 
wurde beim Ausbruch des Krimkrieges Brigade: 
— Hier that er ſich in der Schlacht an der 
Ima hervor, leitete 7. Juni 1855 den Sturm auf 
die Weißen Werte von Semwaftopol und zeichnete 
fih 10. Juni beim Angriff auf den Redan fomwie 
16. Aug. in der Schlaht an der Tichernaja aus. 
Gr nahm am Sturme auf den Malakow teil, wurde 
Divifionsgeneral und bejekte mit der 4. Divifion 
des 2. Armeelorps Eupatoria. Nah der Rückehr 
nad Frantreih wurde er Adjutant des Kaiſers. 
Im ital, Feldzuge 1859 entwidelte er in der Schlacht 
von Solferino gegen den überlegenen Feind große 
Ausdauer. Später ftand F. als Präfident an ber 
Spitze des Komitees der Infanterie und beteiligte 
&b an der Armeereorganifation unter Marichall 
iel und der Einführung des Sholepotgewehreh, 
die weſentlich fein Verdienſt ift. Im Olt. 1867 führte 
er bad zum utze des Bone bejtimmte Erpe 
ditionslorps nah Rom und ſchlug die Freiſcharen 
Garibaldis bei Mentana 4.Nov. 1867. Im J. 1870 


Faido — Fairbairn 


erbielt er den Befehl über das 5. Armeelorps, blieb 
während der Schlahten von Spidern und Wörth 
oöllig unthätig bei Bitſch, dedte jedoch mit einer 
Divifion nah der Schlacht bei Wörth den Rüd: 
wo des 1. Korps (Mac: Mabon) und führte fein 
orp& nad Chaͤlons zurüd. Bei dem Vormarſch der 
neugebildeten Armee gegen die Maas unter Mac 
Mahon wurde 5.8 Korps infolge unzureichender 
Siherungsmaßregeln 30. Aug. 1870 im Biwal bei 
Beaumont überfallen und zum Rüdzug gesungen. 
Am Tage der Schlaht von Sedan (1. Sept.) mußte 
5. noch vor Beginn des Kampfes dad Kommando 
de3 5. Korps an Wimpffen abgeben, blieb aber als 
Zuschauer bei der Armee und geriet mit ihr in Kriegs⸗ 
efangenichaft. F. wurde wegen feines Verhaltens 
# tig angegriffen und fuchte ſich in der Schrift 
«Campagne de 1870. &rations et marches du 
5"* corps» (Brüfj. 1871) zu verteidigen. Nach dem 
Frieden wurde F. nicht mehr im aktiven Dienft ver 
wendet. Er ftarb 15. Nov. 1892 in Eompitgne. 
Faildworth (ipr. fehläwörtb), Stadt in ber 
J —8 Lancaſter, Station der Linie Man- 
cheſterOldham⸗Royton der Lancafhire und Port: 
hirebahnen, hat (1901) 14152 E. und bedeutende 


nbuftrie. 
Fain (pr. fäng), Agatbon Jean Frederic, Baron, 
erfter ne Selretär * eons J., geb. 11. Jan. 
1778 zu Paris, wurde ſchon im Alter von 16 J. 
Sekretär des Militärausfhuffes des Nationalton- 
ventd. Nach dem 13. Bendemtaire des J. IV (5. Dit. 
1795) kam er durch Barras und Letourneur in die 
Bureaus de3 Direktoriums. Unter dem Konſulat 
wurde er 1799 Abteilungäcef in der Ardhivverwal- 
tung und bald darauf Staatsfelretär. Als Bor: 
teber der Staatdardive fam er 1806 in das ge 
eime Kabinett des Kaiſers, der ihn fortan ftets in 
einer Nähe und 1809 zum Baron —— 
achdem F. Anfang 1813 Kabinettsſekretär des Kai⸗ 
ers geworden war, verließ er ihn nicht mehr bis zu 
einer Abdankung in Fontainebleau. Mit ver Rud⸗ 
ebr der Bourbons verlor F. die Vorſteherſchaft der 
Archive. Nah Napoleons Rüdtehr von Elba trat 
er wieber in feine frübere Stellung, unterzeichnete 
im Staatörate das Prototoll vom 25. März, das 
die Grundfäge entbielt, die dem Kaiſer in Zukunft 
als Richtſchnur dienen follten, und entwarf aud 
das faiferl, Dekret von demfelben Tage, das alle 
ki win Beichlüffe gegen die Bourbond von neuem 
in Kraft ſetzte. 4 der zweiten Reſtauration ohne 
Anſtellung, veröffentlichte er mehrere Werte, die 
ur Kenntnis der diplomat. Geſchichte der vamaligen 
eit ſehr brauchbare Materialien liefern. Es er 
&bienen: «Le manuscrit de l’an III» (Bar. 1828; 
deutſch Lpz. 1829), das eine Cinleitung zur Ge 
fhichte des Direltoriums fein follte; «Le manuscrit 
de 1812» (2 Bde., Bar. 1827), «Le manuscrit de 
1813» (2 Bde., ebd. 1824— 25), «Le manuscrit de 
1814» g98 1823— 25). Nah der Julirevolution 
wurde F. im Aug. 1830 erfter Kabinettäjefretär des 
Königs Ludwig Philipp, 1832 Generalintenbant ber 
Eivillifte, Staatsrat und Grofoifizier der Ehren» 
legion, 1834 Deputierter. Er ftarb 14. Sept. 1837. 
Faindant (fr;., ſpr. fäneäng), nichtsthuend, 
Mußig * Faulenzer; les rois faineants, die 
legten Fan . Könige aus dem meroming. Haufe. 
Fair (engl., jpr. fähr), angemeflen, ebrenbaft. 
Fairbairn (Ipr. fährbern), Sir William, brit. 
F enieur und Mechaniler, geb. 19. Febr. 1789 in 
elſo (Schottland), arbeitete ala Lehrling in den 


Fairbairnkeſſel — Faiſabad 


Sblengruben von Percy Main, wo er mit George 
wc. d.) betannt wurde. Nachdem er feit 
1810 an verſchiedenen Drten Englands ald Tage: 
lbner feinen Unterbalt erworben, ließ er ſich 1816 
im Nancheſter als Maſchinenbauer nieder. Durd 
keine bedeutenden Berbeflerungen an Spinnmaſchi⸗ 
nen erhielt er die Mittel zur Errichtung einer Fa 
bit und wendete von da an feine raſtloſe Thätigkeit 
aud andern Zweigen der Technik, wie der Konſtruk⸗ 
tion der Waflerräder und der Unterjuhung ber 
igleit chiedener Materialien zu. Um 1830 
n er ſich mit PVerfuhen im Bau eijerner 
Schiffe zu beichäftigen; 1831 gelang es ihm, eins 
der eriten eifernen Schiffe zu ftande zu bringen, 
und 1835 gründete er in Millmall bei London eine 
Shifjbauanftalt, aus der bis 1849 120 eiferne 
ie ſowie zablreihe andere großartige Eifen- 
tonftruttionen bervorgingen. zum großen Zeil ver: 
dankte er dieje praftiichen Erfolge den von ihm ein: 
efübrten Berbefjerungen der Hilfsmaſchinen; auch 
ana er die erite Nietmafchine für Reiflel: 
hlehe ſowie ein nad ibm benanntes Dampfteijel: 
wſtem (ſ. Dampftejlel). Borzüglihe Aufmerkjamteit 
ibentte er der Vervolllommnung des Eifenbabn- 
baues, in&bejondere der Eifenbabnbrüden. Er ſtellte 
jorgfältige Unterfuhungen über die zwedmäßigite 
Querjchnittäform für Röhrenbrüden an und betei- 
figte ſich 1847—49 mit Robert Stephenfon am Bau 
der Britanniabrüde. F. wurde 1869 zum Baronet 
erboben und ftarb 18. Aug. 1874 in Moor:PBart bei 
Farnham (Surrey). Er war Mitbegründer und (feit 
1861) PBräjident der British Association for the 
Advancement of Science. F. ſchrieb: «Application 
of iron to building purposes» (1854), «On cast 
and wrought iron for building purposes» (1864; 
4. Aufl. 1870), «A treatise on iron ship building, 
its bistory and progress» (1865), «Construction of 
boilers and boiler explosions» (1851), «A treatise 
on mills and mill-work» (2 Bde. 1861—68; 3. Aufl. 
1871), «Iron, its history, properties and processes 
of manufacture» (1861; 4. Aufl. 1878), «Useful in- 
formation for engineers» (3 Serien, 1856—66). 
Seine Biographie gab Pole (Lond. 1877; im Aus: 
zuae ebd. 1878) heraus. [teflel. 
airbairnfeffel (ipr. fäbrbörm-), f. Dampf: 
zfag (fpr. fährfex), Thomas, Lord, engl. 
aus alter begüterter familie, geb. 17. Jan. 
1612 zu Denton in Yorljbire, ſtudierte in Cam: 
bridge und machte feine militär. Schule in den Nie: 
derlanden unter Vere durch, dejien Tochter er 1637 
beiratete. 1640 focht er noch unter Karl I. gegen 
die Schotten, ftand aber feit Ausbruch des Bürger: 
i auf der Seite ded Parlaments und murde 
21. Jan. 1645 zum Oberbefehlähaber der zu einem 
Heereälörper vereinten tlamentätruppen er: 
boben. Unter ihm reorganifierte Dliver Erommell 
biefe und gab aud in der Entſcheidungsſchlacht 
bei Rafeby (14. Juni 1645) mit feiner Reiterei den 
Ausichl Nah diefem Hauptſchlage unterwarf 
alles Land weftlih von London, eroberte Bri: 
I und das fefte DOrford. Vom Barlament be: 
auftragt, den gefangenen König von den Schotten 
in ang zu nehmen, geleitete er diefen nad 
Helmby. Unmittelbar darauf brad der Konflikt 
iſchen dem Parlament und dem Heere aus. F 
te Beraebend pa vermitteln, und obgleich er den 
nominellen Oberbefchl bebielt, verlor er doc die 
derribaft über die Truppen, die er auf ihren Be 
aebr im Aug. 1647 nad) London führte, mo jie Stadt 
Drochaus Ronperiationd«Leriton.. 14. Huf. R. A. VI. 


417 


und Barlament in ibre Gewalt braten. Als nad 
der Flucht des Königs der Bürgerkrieg 1648 von 
neuem ausbrach, ſchlug %. die royaliſtiſche Er: 
bebung in Kent nieder. ar gehörte er zu dem 
über Karl I. aburteilenden Gerichtshof, aber er 
blieb den entſcheidenden Sigungen fern. Nach 
ber Hinrichtung des Königs trat F. in die Dienite 
ber Republik, legte jebod das ihm übertragene 
Heerestommandbo im Sept. 1650 nieder, weil er 
den von ihm geforderten Einfall in Schottland nicht 
unternehmen wollte, Er räumte damit Dliver Erom: 
well ven Platz und lebte fortan zurüdgezogen mit 
litterar, Arbeiten befhäftigt. Unter Richard Erom: 
well ftand er im Parlament zur Dppofition, ver: 
band fi mit General Mont und unterftügte deſſen 
Einmarſch, der die Rüdberufung der Stuarts zur 
Folge hatte. Er ſtarb 12.Nov. 1671. Seine«Memo- 
rials» erfchienen London 1699. Seinen Briefwechſel 
—— Johnſon und Bell heraus als «F. Correspon- 

ence» (4Bde., Lond. 18348 -49). — Bol. Markham, 
Life of the great Lord F. (Lond. 1870). 

Sair: Head (pr. fähr a oder Benmore, 
das norböftlichite Kap Irlands (j. Rarte: Irland), 
an der Küfte der Grafichaft Antrim, nur 22 km 
entfernt von der fchott. Halbinfel Eantire, bildet 
eine 120 m bobe Bafaltmaffe aus Säulen von 
mebr ald 60 m Länge. 

Fairinfel (fpr. fähr-), Eiland zwiſchen den Ork⸗ 
ney: und Shetlandinfeln, zu legtern gehirie, ift 
5 km lang und 3 km breit, bat hohe Klippen und 
Borgebirge (Sheep Eraig 147 m) und ( 2 223 Bes 
wobner. Hier ſcheiterte 1588 das Admiralichiff der 
ſpan. Armada. 

Fairm., binter lat. Infeltennamen Abtürzung 
für Leon Fairmaire (ſpr. färmäbr), franz. Ento: 
molog, geb. 29. Juni 1820 in Paris, 

airway, I; iomedes⸗ Inſeln. oft. 

ry (pr. fäbri), Port⸗, auftral. Hafen, ſ. Bel: 

8, Feis, Feys oder Tromelin, eine der 

deutfchen weitl. Rarolinen, 3,5 (mit Riffen 4) qkm 
groß, mit 200 E. 

Faifabad, Faizabad (engl. Syzabad). 1) Di- 
vifion in Dudb (f.d.), unter dem Lieutenant⸗Gouver⸗ 
neur ber inbobrit. Nordweſtprovinzen und von Dudb, 
im S. von Nepal, bat 31537 qkm, (1901) 6907034 
E. und zerfällt in die 6 Diſtrikte: F., Bahraitſch, 
Gonda, Sultanpur, Partabgarh und Rara Banki. 
F. beſteht aus niedrigem, nah N. bin leicht aufſtei⸗ 

endem Flachlande, ift gut bewäljert durch nörd⸗ 
ihe line Nebenflüfle ver Ghagra (darunter bie 
Rapti), frudtbar und gut bebaut. Das Pflanzen: 
und Xierreih ift das Bengalens überhaupt. — 
2) Hauptftadt des Diſtrikts F., unter 26° 47’nörbl. 
Br. und 82° 12’ djtlih L., auf dem linken Ufer der 
Gbagra, 125 km öſtlich von Lakhnau, ift Eifenbabn: 
tnotenpuntt, Siß zweier Miffionen, batte 1891: 
78921 E., darunter 58581 Hindu und 1189 Ehriften, 
1901: 75085 €. gegen 43927 €. im J. 1881, ftarte 
Garnifon und bedeutenden Weizen: und Reishan— 
del. — F. wurde 1782 von Manßur Ali Chan, dem 
eriten Nawwab Wafır von Dudh, gegründet und 
von deſſen Nahfolgern, befonders von Schudicha 
ud-daula vergrößert und mit einer Anzahl von 
Prachtgebäuden verjeben, von denen nur noch Rui: 
nen vorhanden find. 1775 hatte F. über 100000 
E.; damals aber wurde der Sik der Regierung von 
3. nad Lakhnau verlegt und hierdurch ein Verfall 
veranlaßt, von dem fi die Stabt jekt ſchnell wie: 
der erholt. Ganz in der Näbe erjtreden ſich meilen» 

27 


418 


weit die Ruinen des alten Ajöpbiä (des jekigen 
Dudh). — 3) F., Hanptftadt von Badachſchan (ij. d.). 

Faisanoes (Ir;., jpr. fäjängß), Zeiftungen eines 
Pächters an den Gutsherrn außer dem baren Gelbe. 

Faiſchſchnur, ſ. Schweißſchnur. 

Faiseur (frz., ſpr. fäjöhr, «Macher»), einer, der 
etwas ind Werl fekt, ein geplantes Unternehmen 
ausführt (oft in verächtlibdem Sinne); F. d’affaires 
(ipr. daffähr), ſchwindelnder Bermittler von Geld: 
geihäften, Schwinbler. —— 

Vergabe ochene Korb: 

Faift, Immanuel, Komponiſt, geb. 13.Dtt. 1823 
5 Ehlingen (Württemberg), ftudierte in Tübingen 

beologie, folgte aber jpäter jeiner Neigung zur 
Bun in ber er fi ohne eigentlichen Unterricht in 
Berlin im Umgang mit Haupt, Dehn und Thiele 
ausbildete. Nachdem er in verjchiedenen Städten 
als Orgelvirtuos konzertiert hatte, ließ er fich 1846 
in Stuttgart nieder, wo er 1847 den Verein für Maj: 
ſiſche Kirchenmuſik, 1849 den Schwäbifchen Sän: 
gerbund, bei defien Liederfeiten er meift Hauptbiri- 

ent war, und 1857 das Honfervatorium begründen 
Balt. Seit 1859 war er Direktor letzterer Anftalt, 
jeit 1865 auch Organift an der Stiftskirche. F. lei- 
tete die großen Stuttgarter Mufilfefte. Er * 
5. Juni 1894 in Stuttgart. Bon F.s Kompoſitio— 
nen, meiſt ** und Geſangsſtücken, iſt wenig 
gedruckt. Mit L. Stark ſchrieb er eine «Elementar— 
und Eborgejangichule» (2Bde., Stuttg. 1880—83). 

Fait (fr;., ipr. fä), Tbat, Thatjade; F. ac- 
compli (ipr. fätaftongvlib), vollendete Thatſache. 

Beigaben, ſ. Faiſabad. 

aja (Ipan., fpr. -ba), in der jpan. National: 
tracht eine breite rote Wollſchärpe, melde zweifach 
um ben Leib geibhlungen wird; fie wird fomobl vom 
Volt ald auch vom Militär getragen. 

Fajardo (ipr. fah-), Stadt an der Nordoſtſpitze 
der zul Portorico, in reich bemäflerter, hügeli— 

er Gegend, bat etwa 9000 E., Zudergewinnung, 
rennereien und einen bejeitigten Hafen. 

Fäjö, dän. Inſel, nördlich von Laaland (f. arte: 
Dänemark und Sudſchweden), gehört zu Ma: 
ribo: Amt und bildet mit den Heinen Inſeln Stalöd 
und Veird eine Pfarrei, bat 18 qkm und (1890) 
1400 €,, die Aderbau und Fiſcherei treiben. 

ajüm, Jayüm, aub Zatijüm, yayjüm 
(El:), Provinz in Oberägvpten, oberbalb Kairo, 
vafenartig von der Libyſchen Wüfte umſchloſſen und 
nur dur ein jchmales, einen niedrigen Hügelzug 
durcichneidendes Thal mit dem Niltbale verbun: 
ben, bat 1897 mit den Dajen Bebarieb und ara: 
frab 371006 €. auf 1317 qkm Kulturland, d. i. 
282 auf 1 qkm. Dieſe Sente ift etwa 45 km lang, 
50 km breit; der höchſte Buntt liegt in 24 m Höhe, 
während der tiefite bis 42 m unter den Spiegel des 
Meers, 65 m unter den des Nil bei Beni — hinab⸗ 
reicht. F. iſt die fruchtbarſte Provinz des Landes; 
ſie erzeugt Aprikoſen, Feigen, Wein u. |. m. und ver: 
jorgt Kairo mit Aderbauprodulten und Fiichen ; auch 
ift mit Erfolg Baummolle angebaut worden. — 
F. foll urjprünglid ein unfruchtbares Sumpfland 
geweſen jein, welches die Pharaonen der 12. Dy— 
naftie durh Deichbauten und Kanalanlagen all: 
mäblidy entwällerten. Man vervollftändigte angeb: 
ib den 220 km ſüdlich von Beni Suef vom Nil 
nah W. abzweigenden natürlichen Hanal, den Babr 
Juſſuff, der längs der Libyſchen Wüjte bis zu der 
fünjtlich noc vertieften Öffnung führte, jo weit, daß 
fein Waifer in geregelter Weiſe in den öjtlichen | 


Faisances — Fakſimile 


höhern Teil der Dafe einftrömen konnte. Indem 
man nun diejen von dem tiefer abfallenden meitl. 
Gebiete durch mächtige Dämme, von denen noch 
beute Spuren übrig find, abſchied, bildete man einen 
großen See, im Altägyptiſchen M-wöret genannt, 
woraus die Griechen jpäter Möris (f. d.) madten. 
Das Waſſer wurde dann, durch Schleuien reguliert, 
in der Zeit des niedrigen Nils zur Bewäſſerung 
teild des F. felbit, teilö der nahegelegenen en: 
den des Rilthals benust, indem die überflüjjige 
Waflermafje entweder dur den mit Schleufen ab- 
— Kanal oder durch Seitentanäle zurüd: 
trömte, Nach und nah wurde durch Ausdehnung 
der Kulturen der See immer weiter zurüdgedrängt, 
bis er auf die jegige Birket el⸗Kerun bejchräntt 
blieb. Bon diejem See erbielt die Provinz den kopt. 
Namen Phiom,d.i. das Meer, woraus die Araber 
> gemadt haben. Am djtl. Rande des Möris ſees 
ag das berühmte Labyrinth (j.d.) ſowie die Byra- 
mide Amenembets III. und von bier quer über den 
See gelangte man zu der Hauptitadt, früber Kro— 
todilopolis, jpäter Arfinoe (j. d.) genannt, wo 
man in jüngjter Zeit zablreihe wichtige Hand— 
ſchriftenfunde gemadt bat. Südlich davon liegt 
das heutige Medinet el: yajüm, eine anjebnlice 
Stabt mit (1897) 33069 E., amerit, Miſſions— 
baus, einem großen Bazar, einer Moſchee mit an: 
titen Säulen und einiger Wollweberei, vie ala Haus 
gewerbe betrieben wird. Die Eifenbabn von Kairo 
nad Medinet bat zwei Abzweigungen in den Weiten 
und Norden des F. — liber die in den Gräbern von 
El:Fajüm gefundenen Mumienporträte j. Aleran: 
drinische Kunſt nebft Tafel. — Bol. Bromn, The 
Fayum and Lake Moeris (Lond. 1892); Grenfell und 
Hunt, Fayum tows and their papyri (ebd. 1900). 
Fäkal, auf die Ertremente (lat. faeces), be: 
tat den Darmtot, bezüglib; Fälalien oder 
ätaljtoffe, Ertremente (ſ. d.). 
Fäfäldünger, die menſchlichen Ertremente, be: 
—— wenn ſie indernatürlicen flüffigen Form zur 
nwendung gelangen. In der Näbe großer Städte 
wird der F. meiftens zum feldmäßigen Gemüfebau 
benußt; getrodnet beißt er Boubrette ſſ. d). (Sau 
äfälreferboir, j. Sentgrube. (Dünger. 
ätalitoffe, Ertremente (\.d.). 
aH (Bit el:), türk, Stadt, j. Beit. 
akir (vom arab. fagir, «arm»), Name ber 
mobammed. Derwiſche (f. d.), jebr häufig, aber ir: 
tümlich, auch auf die ind. Dichögi (1. d.) angemenvet. 
Fatfimile (in der Mebrzahl Faliimiles, vom 
lat. fac simile, d. i. made äbnlih!), eine ver 
Urichrift oder Originalzeichnung volllommen äbn- 
lihe Nachbildung. So fatfimiliert man: Manur 
ffripte, um denjenigen, melden die eigene An: 
ſchauung abgeht, die genauefte Anficht der Schrift: 
nr aus welchen fib auf das Alter derſelben 
nn ießen läßt, zu verſchaffen; ferner Miniaturen, 
Handzeichnungen, ſowie die Handicriften berühmter 
oder Jonjt ausgezeichneter Männer und Namens: 
unterſchriften auf Wertpapieren und Dolumenten; 
endlich au ganze ältere Werte, deren Reuberftellung 
zu toftipielig fein würde. Man bedient fi bierzu 
des Kupferſuichs, des Steindruds, der Holzſchneide 
funft, in neuejter Zeit befonders der Bhotoarapbie 
und der pbotogr. Prefiendrudverfabren und erreicht 
durch dieje eine täuichende Nachbildung des alten 
Materiald mit allen feinen im Laufe der Zeit ein: 
—— Veranderungen und Defelten. (S. auch 
naſtatiſcher Drucd und Autographen.) 






Faktion — Fakultät 


agierende polit. Partei; Faltionär oder Fal— 
tonift, Angeböriger einer F.; faltiös (fat: 
ttos), in ver Weise einer F. parteifüchtig. 
Faktis, durch Behandlung von trodnenden Ölen 
mit Chlorſchwefel gemonnenes Kautſchulſurrogat. 

Fattiſch (vom lat. factum), tbatjählib, auf 
Ibatjachen ne dadurch erwieſen. 

Saftor (lat. factor, der «Machende⸗, «Bejor: 
— in England ein eigentlicher Kommiffionär 
commission merchant), in Rußland ein Handels: 
vermittler niedern Grades. In Deutſchland bedeutet 
das Wort in der Hausinduftrie foviel wie Zwiſchen⸗ 
meifter ({.d.). F. find auch die Leiter der im Aus: 
lande unterhaltenen großen Ein: und Berlaufsitellen 
(Faltoreien, f. d.), dann die Privatbeamten zur 
Leitung von Fabrılen, Hüttenwerten, Drudereien 
u. j. w., ferner die Disponenten oder Geſchäftsfüh— 
rer, welchen die Vertretung einer Handelsgeſellſchaft 
oder die —— Handlung nach allen Richtun⸗ 
gen an der Stelle des Prinzipals übertragen iſt, jo 


Fattion (lat.), Partei, befonders —— 


daß ihre Rechtsgeſchäfte I gelten, als ob fie von 
dem Brinzipal ſelbſt abgeichlofien wären. 
In der Arithmetif ift der F. eines Produfts 


eine Zahl, die, mit einer andern multipliziert, das 
Produkt giebt und daber in dem Produkt ohne 
Reft aufgebt; fo find 2, 4, 7 und 14 die F. ber 
abi 28; 2, 3,5, 6, 10 und 15 die 5. der Zahl 30. 
an unterjceibet einfache und zufammengejebte 
3-; erftere find Primzahlen (f. d.). Den größten ge: 
meinjchaftlihen %. von zwei Jablen findet man da- 
durd, daß man bie größere Zahl durch die Meinere 
bividiert und dann durd den Reit der Divifion 
wieder den vorigen Divijor dividiert, und dies jo 
lange fortjept, bis eine biefer Divifionen keinen Reit 
mebr giebt. Der legte Divijor ift dann der gefuchte 
größte gemeinjhaftlice 5. beider Zahlen; wenn er 
1 ijt, jo baben die beiden Zahlen außer 1 feinen 
gemeinjcaftlihen F., und man nennt fie prim 
jweinanber ober relativ prim. 

Faktorage (fr;., fpr.-abic'), eine in der Levante 
für Provifion gebräuchliche Bezeihnung; in Eng: 
fand aud für — angewendet. 

Faktoreien, größere Handelsniederlaſſungen, 
die von europ. Kaufleuten in überſeeiſchen, frem— 
den Kulturgebieten angebörigen und noch keine 
genügende Rechtsſicherheit verburgenden Ländern 
errichtet werden. der Regel find damit umfang⸗ 
reihe Niederlagen für die ein: und auszuführen: 
den Waren verbunden, und die jämtlihen Einrich: 
tungen jteben unter der Verwaltung von eigenen, 

mit befondern Vollmachten ausgerüiteten Beamten 
4.Faktor). Ähnliche Handelsetablifjements beſaßen 
bon im 13., 14. und 15. Jahrb. die Hanfeaten in 
den Dit: und Rordfeeländern. een $. wurden | 
beionders von den großen privilegierten Handels: 
compagnien in Aſien, Afrita und Amerika be 
ndet; fie entmwidelten ſich bald zu förmlichen 
olonien. Die erften Keime zu dem Indobritiſchen 
Reiche bildeten die 1612 zu Surate und Baroach 
angelegten F., zu denen bald darauf Modras und 
1640 das Handelsetablifjement an der Hugli in 
Bengalen tam, aus welchem Kaltutta emporgewadh: 
— iſt. In China wurde der Warenaustauſch zwi⸗ 
chen den europ. Hanbelövöltern und den Einge— 
borenen bis 1842 ausſchließlich durch die großartigen 
3. der erftern zu Kanton, in Japan bis 1858 dur 
die niederländifchen 3. (Jeit 1609) zu Nagafati ver: 


419 


delsniederlaffungen fait nur noch in Afrika, wie in 
Senegambien, Guinea, und in den Küſtenländern 
des Indien Oceans. Die brit. Hudjonbaicom: 
pagnie beberrjcht nicht nur den Handel, fondern 
auch die Indianerftämme ihres ausgedehnten Ge 
bietes in Norbamerifa vermittelft Faktoren (Chief 
Factors), die in den einzelnen zerjtreuten Forts 
befebligen. Die Engländer verfteben feit dem Ende 
des 18. Yabrb. unter F. (Factories) große indu: 


ftrielle liſſements, in melden das Princip 
der Teilung der Arbeit zur Anwendung gelangt: 
Fabriken, Hohöfen, Hüttenmwerte u. dgl. 


Faftoreigetwicht (engl. Factory weight), eine 
1787 eingeführte mwichtsart in der brit.:oftind. 
Provinz Bengalen. Für die meisten Waren bedient 
man fi in Bengalen noch dieſes ältern Gewichts 
und des alten Bazargewichts (Old Bengal Bazar 
weight) jtatt des brit.:oftind, Normalgewichts 
(Indian Standard weight) oder neuen bengal. Ba: 
zargewichts (New Bengal Bazar ph pa 54 al: 
toreimaunds (f. Maund) find = 49 bengal. neuen 
Bazarmaunds, 11 Faltoreimaunds = 10 alten Ba- 
zarmaunds, 3 Faltoreimaunds = 2 engl. Hundreb: 
weigbts. (S. Avoirdupois und Troygemwidt.) 

Faktötum (lat. fac totum, d. i. made alles), 
jemand, der im Dienjte eines andern alles bejorgt, 
was ihm en wird, der zu allem zu gebrau⸗ 

een (lat.), ſ. Factum. en ift. 

aftüra (ital. fattura), Cinlauförehnung, 
die Rechnung, welche der Verkäufer dem Käufer oder 
der Eintaufälommiffionär feinem Kommittenten ge: 
wöbnlich bei Lieferung der Waren überjendet. Sie 
pflegt au die Zahlungsbedingungen (per cassa 
2 Proz. Sconto bei ng Car) Dreimonats: 
accept u. dgl.) wiederzugeben. Überjendung der F. 
ift üblich, wenn fon der Preis verabredet und dic 
— —— unter den Parteien beſtimmt 
ind. Weicht die F. von dem, mas unter den Par: 
teien verabredet ıft, ab, fo ift nad feititebenver 
deutſcher Rehtiprehung daraus, daß der Empfän: 
er nicht widerſprochen bat, nicht zu ya er 
— die Abweichung genehmigt. Die F. des Kom: 
miffionärs enthält außer dem reinen Einkaufs— 
betrage fämtlihe Auslagen des Kommiſſiondrs und 
feine (gemöhnlih in Prozenten von dem Betrage 
einſchließlich der Koſten berechnete) Brovifion oder 
Frege en Im Buchhandel führt den Namen F. 
jede Rechnung über Bücher, welche der Verleger dem 
Sortimentsbändler liefert. Eine Ware De 
ren heißt diefelbe berechnen, über dieſelbe 5. erteilen. 
aftürenbuch, j. Einkaufsbuch. 
kulent (lat.), dei, trübe; Falulenz, Boden: 
äfulometer, j. Fekulometer. (eb Hefe. 
afultät (vom lat. facultas), Fäbigteit, Ber: 
mögen etwas zu vollbringen, Vollmacht; dann Be- 
— für die vier (zuweilen auch fünf oder ſechs) 
———— in bie eine Univerjität nad) den Haupt: 
wiſſenſchaften (Theologie, —— Medizin, 
Philojopbie, auh Mathematit und Naturmifjen: 
ihaften und Staatswiſſenſchaften) zerfällt, ſowie die 
Geſamtheit der zu einer ſolchen Abteilung gebören: 
den Profejjoren und Docenten (ſ. Univerfitäten). — 
% der Mathematik ift F. der Ausdrud für ein 
rodult, deſſen Faktoren durd die Glieder der 
natürlichen Zablenreibe, von 1 beginnend, gebildet 
werben. Geichrieben wird ein foldes Produkt durch 
den legten Faltor mit dahintergeſeztem Ausrufungs: 
zeichen. So wird das Prodult 1xX2xX3X4 


mittelt. Gegenwärtig beftehen derartige europ. Hans | durch die Bezeichnung 4! (gefproden: 4 5.) aus 


97* 


420 


gebrüdt. Diefe Produkte fommen namentlich in 
der Kombinationslebre fowie bei der Entwidlung 
tranfcendenter Funktionen in Reiben vor. 

Fakultäten ſtirchenrechtlich), Vollmachten, durch 
die ein kirchlicher Oberer ſeinen Untergebenen be— 
ſtimmte ihm durch fein Amt zuſtehende Rechte über: 
trägt. So verleiht beſonders ver Bapft den Biſchöfen 
auf Anfuchen regelmäßig für Kun sobre in den ſog. 
Quinquennalfabultäten eine Reibe von Dispenfen 
für die ln Ehepraris und giebt außerdem in 
einzelnen Fällen eg Bollmadten. Ebenfo 
fönnen au die Bilhöfe ibre Jurispictionsrechte 
in 5. an ibre Organe delegieren bez. ihnen felbft 
vom Bapft erteilte Ri} fubdelegieren (für einzelne 
Fälle oder ein für allemal). Die F. zur Errichtung 
von Bruderſchaften u.dgl. erteilen die Orbensobern. 
— Bgl. befonder& Mejer, Die Propaganda, Bp. 2 
(Gött. 1853), ©. 205 B: i 

Fakultativ (im egenfahe zu obligatoriſch), 
dem eigenen Ermefjen, Belieben überlajjen, frei: 
geftellt. In Eivilprozefien vor dem Landgericht 
ift Die Vertretung der Barteien durch Rechtsanwälie 
obligatoriſch (Civilprozeßordn. $. 78), in Vrozeſſen 
vor den Amtögerichten fakultativ. In — 

erichtlichen und den ſonſt in $. 140 der t⸗ 
en Straſprozeßordnung genannten Verhandlun⸗ 
gen iſt die Zuziehung eines Verteidigers obliga— 
toriſch, in andern ſtrafgerichtlichen Verhandlun— 
gen fakultativ. Bon einer fakultativen Obli: 
ation (nicht zu verwecjeln mit der alternativen 
r Alternative]) fpribt man, wenn dem Schuloner 
geltattetift, ſtatt des geſchuldeten Gegenftandes einen 
andern zu leiften. Diejer andere ift, wie die Juriften 
\agen, in solutione, aber nit in obligatione. Er 
fommt für ven Gläubiger überhaupt nicht in Be 
trat, außer in der Erfüllung (f. d.), wenn der 
Schuldner mit diefem andern Gegenftand leiftet. 

Fafultativzüge, |. Cifenbabnzüge. 

Fa la, bei den Jtalienern Ausdruck tändelnden 
Yallens, daher Name von Arietten und Volksliedern, 
die mit jolbem Refrain Schließen. Elementi führte 
in feiner «Einleitung zum Klavierfpielen» das Fa la 
in die mufilalifche Litteratur ein. 

Falaiſe (ipr. -lLäbj'). 1) Arronbiffement im 
franz. Depart. Calvados, bat 873,58 qkm, (1901) 
45172 E., 114 Gemeinden und zerfällt in die 
fünf Kantone Bretteville:fur:Laize, Falaiſe-Nord, 
——— Morteaur: Couliboeuf und Thury: 
Harcourt. — 2) Hauptitadt des Arrondijlements 
F. 34 km füpöjtlih von Caen an der ji Dives 
— Ante, in 133 m Höbe, maleriſch auf 
Klippen (Falaiſen) und an der von der Linie Pe 
Mansd:Eaen in Eouliboeuf abzweigenden Bahn nab 
Flers (und Laval) gelegen, Sitz eines Gerichtshofs 
eriter Snjtanı und eines Handelsgerichts, bat (1901) 
6740, ala Gemeinde 7657 E,, in Garnifon einen 
Zeil des 36. Infanterieregiments; 2 Kirchen, ein 
Bronzedentmal Wilhelms des Eroberers, der in 5. 

eboren iſt, und Reſte (Mauern und Türme) eines im 
ittelalter wichtigen Schlofjes der normann. Her: 
zöge; Bibliothet (20000 Bände), Kommunal-Col— 
löge; bedeutende Spinnerei, Woll: und Baummoll: 
weberei, Färberei, Gerberei, Nadel: und Maſchinen— 
fabriten, Im Auguft findet in der Vorſtadt Hui: 
bray ein berübmter ‘Pferde: und Maultiermarft, 
verbunden mit Pferberennen, ftatt. 

Falaifes (ipr. -Läbi’), die fteilen Kreidelüſten 
(bis 100 m hoch) der öjtl. Normandie, an der franz. 
Nordtüfte, beginnen 20 km füdlich von der Sommer: 


Fakultäten — Falat 


mündung und ziehen bis gegen Havre. Der Ramı 
wird auf ähnliche Bildungen (Kliffe, KRliff= 
len auch andernorts angewendet. 

alafa (arab.), eigentlih ein mit Schmüren 
verjebenes Holz, dur das ber Fuß eines Sträf- 
lings in die zur Erteilung der Bajtonnade 
Lage gebracht wird; dann auch die Baftonnabe 

aland, eine im Mittelbohdeutihen (rälant) 
vortommende Bezeichnung für den Teufel, die im 
Neubochdeutfchen als Eigenname (F., Phaland Fo: 
land, Bolland) noch er ebt. Das Wort 
eigentlich einen Riefen und ift mit dem 
fela (in Schreden feßen, verſcheuchen) vermanbt. 
Der arge Fold oder Fuld lebt no jest in ber 
Frankfurter Gegend, und Goetbe läht in ber 
«MWalpurgisnadht» den Mepbiftopbeles ſich «Jun 
ter VBoland» nennen. Auch eine välantinne, b. i. 
Zeufelin, fommt in Dichtungen vor. 

Falarika (lat.), auch Phalarika, Feuer: 
pfeil, ein größeres, pfeilartiges - 
das aus Katapulten oder äbnlichen 
geätnnben! wurde. Die %. lommt By den 

— (218 v. ehr), —— b — 
und Byzantinern vor und war währen 
rg im — * wurde — 
eitens der Verteidiger befeſtigter gegen 
—— Maſchinen und —— der 

elagerer gebraucht. Der zundende Stoff (Berg 
mit Pech, Schwefel oder Harz geträntt) wurde umter: 
* der Spitze des Pfeils angebracht und vor bem 

—— an —— Bolteftemm in Abel 

afcha, ein bamiti 0 
MB den Abeifiniern nabe verwandt. Sie find 
nicht, wie fie behaupten, Nachlommen 
derter Juden, fondern Reſte einer alten, zum 
tum belehrten Landes bevollerung, die 


ſten hatte und noch im Mittelalter tig war, 
aber von den Chriſten allmählich v t wurde; 
in dem Hochgebirge von Simen ibr 


batten 
tes jelbitändiges Gemeinmwejen. est wo 
— in den Ländern (ſ. Karte: Abe ſinien 
u. |. w., Bd. 17) weſtlich vom Talafeb 
in Simen, Wogera, Ballait, ar 


a, Dembea, 

Tanlal, Agaumeder und Duara abgeichloffen in 
eigenen Dörfern, zieben aber auf Arbeit au aus: 
und 


wärtd. Sie gebrauden das Alte 7 
einige andere Bücher in (j. Athiopiſche 
Schrift und Zitteratur); fie befigen 


BEE 


Priefter, Mönche, Nonnen, Propheten 

beobadten Sabbat, Feſte, Opfer * 
eſehe und halten ftrenge Zucht. An it, 

Sreinlichteit und Fleiß fteben fie zum Teil über den 


Ehriften des Landes. Sie treiben 


und Gewerbe, namentlid Schmiebelunft, 

Weberei, und find die gejchidteiten und 

Bauleute. fiber ihre Zahl ſchwanken bie 

gen zwiſchen 80000 und 200000. iſt 
der Agawſprache verwandt; das He ver: 


teben fie nicht. An Sprade und ini 

ejen nächſt verwandt mit ihnen, im 
jtreng jüdiich, daher von Ehriften und Muslim als 
Heiden verjchrien, find die Kamant in der Näbe 
von Gondar, in Wogera, zielen, bis Scheu 
bin veriprengt. — dl 33 rze 
der abeſſin. Juden (Baſ. 1869); Halebvy, Le dialecte 
des Falachas (Par, 1873). 

ge Julian, poln. Maler, geb. 30. Juli 1853 
zu Tuliglowy in Galizien, ftudierte in bei 
dem Kupferſtecher Raab, dann in Rom, und ließ fi 


Falawen 


1889 in Berlin nieder. Bon feinen Gemälden Bi 
jzunennen: Aſchermittwoch, Rückehr Kaiſer Wil: 
delns V. von der Bärenjagd beim Fürſten Radziwill 
in Rieswiez 1888 (im Beſiß des Deutſchen Ratlers), 
Elentierjagd (1890), Speerjäger auf der ei = d, 
Siebeswerbung, Kaiſer Wilhelm IL. auf der P ed 
jagd in der Schorfheibe (1892), Bor der Bärenjagd 
(1892; Berliner Nationalgalerie), Ele in den 
Sümpfen (1900). Bei Gelegenheit der Berliner 
Kunitausftellung 1892 erhielt 5. die Bern goldene 
Medaille. Außerdem fertigte er einen Cyllus von 
28 Aauarellen und Zeihnungen mit Darjtellungen 
der 1886 vom Fürften Anton Radzimwill veranjtalte: 
ten Bärenjagd. Mit A. von Koſſal zufammen malte 
er die Banoramen: Koſciuſztos Sieg bei NRaclamice 
(1894), Rüdzug der Franzoſen über die Berefina 
im Nov. 1812 (1896). 1900 wurde F. ald Direktor 
der Kunſtalademie in Krafau berufen. 
lawen, j. Rumanen. j j 
b, etymologiſch mit fahl identiſch, Bezeich⸗ 
n für alle verjchofjenen oder dieſen ähnliche 
Serben namentlich ein ind Graue fallendes Gelb. 
Falb, Rudolf, befannt durd jeine Erpbeben- 
theorie und Wettervorausfagen, geb. 13. April 1838 
zu Obdach in Steiermart, ftudiertein Graz Theologie, 
wurde zum Priefter geweiht und war in der Seel: 
orge eat, Später war er Lehrer, ftubierte in 
noch Mathematik, Phyſil und Aftronomie und 
in Wien Geologie und trat 1872 zum Proteftantis: 
mus über. Bereitö 1868 batte er die populäre 
aftron. Zeitichrift «Sirius» gegründet; dann ver: 
tlichte er «Grundzüge zu einer Theorie der Erb: 
und Bullanausbrüder (Graz 1870) und «Ge: 
danken und Studien über den Bullanismus» (ebd, 
1875). 1877—80 unternahm er zum Smede vul⸗ 
—- aräol. Studien eine Reife nach Süd: 
unb merila. 1887 fiebelte er nach Leipzig und 
von da fpäter nad) Berlin über. Er ftarb 29. Eept. 
1903 in Schöneberg bei Berlin. Liber feine Erb: 
bebentheorie |. Erdbeben; über 5.8 Kritiſche Tage 
.d. Die wiſſenſchaftlichen Kreife verhalten ſich ab: 
Theorien. Bon feinen Schriften find 
noch zu erwähnen: «Sterne und Menihen» (Wien 
1882), «Bon den Ummälzungen im Weltall» (ebv. 
1881; —9 «Das Land der en in feiner 
Bedeutung für die Urgefhichte der Sprade und 
Schrift» (Dpz. 1883), « re ien 1888), 
«Das Wetter und der Mond» (2, Aufl., ebd. 1892), 
«über Erbbeben» (ebd. 1895), «Kritiiche Tage, Sint: 
Aut und Eiszeit» (ebd. 189%). Außerdem gab F. 
ahrlich einen «falender der kritiihen Tage mit Be: 
auf Witterungserfheinungen, Erbbeben und 
5 tter» (Wien) heraus. — Bol. Tarnuzzer, 
‚und die Erdbeben (Hamb. 1892); Bernter, 5.3 
i l. 1892); Ule, F.s Theorien im 


e 
te ER enichaft (ebv. 1897). [Heivern. 
[, ein kraus gejogener Bejag an Damen: 
e, ſ. Rate nebftZafel: Rapen I, Sig1. 
Fale. b: 


‚ bei naturwiſſenſchaftlichen Namen 
für Hugb Falconer (f. d.). 

ina, j. Ausjab. 
(fpr. -käung), Chriftovam, portug. Did: 
ter ud dem Anfang des 16. Jahrh. * 
ugendgebichte ſtehen im Liederbuch des Garcia 
de Reiende. Sein Hauptwerl, die Eploga « Chris- 
fals madte ihn zum Mitbegründer einer neuen Ge: 
idmadsribtung und fomit zum Vermittler zwiſchen 
ver alten bifpanifterenden Schule des 15. und der 
neuen italianifierenden Renaiſſancedichterſchule des 


— Fald 421 


16. Jahrh. Jenes Idyll behandelt die unglüd« 
lihe Liebe de® armen Edelmann zu der reichen 
Maria Brandäo, aus der Familie des königl. Schatz⸗ 
meifters, die von ihrer Familie im Eiftercienferklojter 
Lorväo verftedt gehalten wurde, während der Dichter 
fünf Jahre lang im Privatgefängnifie —— 
mußte. Die Weichheit und ſehnſuchtsvolle Melan— 
cholie des ng ationaldaralters zeigt ſich in 
feinem andern Gedicht jo unvermittelt und ans 
Iprehend wie bier. Darum ward es denn auch un: 
— beliebt und berühmt. Zuerſt in datenloſen 

usgaben in ———— gedruckt, wurden die 
«Trovas de Crisfal» ſpäter der «Menina e moga» 
des Bernarbim NRibeiro beigegeben (Köln 1559) und 
exſchienen in Einzelausgaben 1619, 1639 und 1721. 
Neue Ausgabe mit Biographie von Th. Braga 
(Oporto 1871), _, 

Faloes (lat.), Siheln, dann fihelförmige Wert: 
euge überhaupt; F. muräles, Stangen mit ſtarken, 
— — eiſernen Enden, bei Be— 
agerungen zum Einreißen der Mauern u. ſ. w. die: 
nend; F. naväles, jharfe, fihelförmige, an langen 
Stangen befeitigte Mefjer, womit man das Segel: 
und Tauwerk der feindlihen Schiffe zerfchnitt. 

Faleidifche Quart (Quarta Falcidia), das: 
jenige Viertel einer Erbſchaft oder eines Erbteils, 
weiten nad der fog. Lex Falcidia, einem röm., 
etwa 40 v. se ergangenen Geſetze, dem Erben, 
auf fein Verlangen, unbefhmwert von Vermädt: 
niſſen verbleiben mußte. Das Senatus consultum 
Pegasianum dehnte das 2. aus auf Fidel: 
fommiffe. (S. Vermächtnis.) Später wurde das 
Gefep noh auf Schenkungen auf den Todesfall 
und andern Empfang von Todes mwegen ausge: 
dehnt. Juſtinian geftattete dem dert den Ab: 
vu ganz zu verbieten. In diefer Geftalt fam der 

zug noch im Gemeinen Nechte und auch im Bayri⸗ 
chen Landr. III, 6, $$.14,15, vor. Dagegen ift er in 
den meijten Bartitularrechten ſowie im Deutfchen 
Bürgerl. Geſetzb. $ 2147 u. 2189 aufgegeben wor 
den. Das Bfterr. Bürgerl. Geſetzb. $. 690 hat noch 
einen gewiflen Erfaß: dem Erben ſoll eine billige 
Vergütung oder angemefjene Belohnung für feine 
Bemühungen gewährt werden. Soviel befannt, 
elangen die leßterwähnten Vorfchriften überaus 
elten zur Anwendung. Nicht im Zufammenbange 

eht mit der %. D. diejenige engen, welche die 

ermädtnisne ad J— dem Grundſatze: Nie⸗ 
mand kann mehr belaſtet werden, als der ihm zu: 
gegangene Vorteil reicht (nemo — magis one- 
rari quam est honoratus), gefallen laſſen müffen. 
Diefer Sap ift faft überall geltendes Recht, jteht 
aber zumeift im Zufammenbange mit der Schulden: 

Faloinellus, Ybisart, j. Wiſſe. [baftung. 

Yaleiü, Zaltihilu). 1) Kreis im Königreich 
Rumänien (Moldau, ſ. Karte: Rumänien u. ſ. w.), 
bat 2120 qkm und (1899) 93317 E. 2.1.44 €. auf 
1 qkm; Hauptftadt tft Hugi. — 2) Ort im Kreis F., 
am Pruth, hat (1894) etwa 2500 E. 

Fald, Nitolaus, Jurift, geb. 25. Nov. 1784 zu 
Emmerlef in Schleswig, ftubierte zuerft zu Kiel 
Theologie und Philologie, widmete fih dann der 
Rechtswiſſenſchaft, trat in Kopenhagen in die 
—— anzlei ein und wurde 1814 zum 
ord. Profeſſor der Rechte in Kiel ernannt. Er ſtarb 
5. Mai 1850. F. war Präfident der ſchlesw.⸗hol⸗ 
Bein Ständeverfammlung und vertrat in gemä- 

igter Weife die Selbitändigleit Schleswig Hol: 
fteind, Unter feinen Schriften find hervorzubeben: 


422 


Das Herzogtum Schleswig in feinem jegigen Ber: 
hältnis zu Dänemark nebft Anhang über das Ber: 
bältnis der Sprachen im Herzogtum Scleöwig» 
(Kiel 1816), «Juriſt. Encyllopädie» (ebd. 1821; 
5. Ausg., Lpz. 1851), «Sammlungen zur näbern 
Kunde des Vaterlandes> (3 Bde., Altona 1819— 
25), «Handbuch des ſchlesw.⸗holſtein. Privatrechts⸗ 
‘Bd. 1—5, Abteil. 1, ebd. 1825—48). Mit andern 
gab er heraus: «Staatd- und Erbrecht des Herzog: 
tums Schleäwig» (Hamb, 1846) und die Zeitichrif: 
ten «Staatsbürgerlibes Magazin» und «Neues 
Staatöbürgerlibes Magazin» (zufammen 20 Bde., 
Schlesw. 1821—31 u. 1833 —41). — Val. 5. Brod: 
haus, Nikolaus F. (Kiel 1884). 
Faldenftein, Eduard Vogel von, preuß. Ge: 
neral, ſ. Bogel von Yaldenftein. 
Faloo (lat.), der Falke (1 E F. gyrfalco, 
ſ. Oierfalte; F.peregrinus, ſ. Wanderfalleund Tafel: 
allen, ia. 1; F. tinnuncülus, ſ. Turmfalte. 
Falcon, Staat im NW. der ſüdamerik. Kepublit 
Benezuela (f. Karte: Columbia u. . w.), im D. ber 
Paguna und des Golfs von Maracaibo, mit der Halb: 
injel Baraguana, bat auf 23222 qkm (1894) 141689 
Der Boden iſt troden und nur mit Kakteen und 
Gupborbeen beftanden. Man treibt Blantagenbau 
(bauptfählih Mais) und Viehzucht. Hauptitadt ift 
Coro (j.d.). — F. früber mit Julia vereinigt, ift feit 
1881 Staat und nah dem Marichall Falcon, dem Be: 
gründer der ——— Federation, benannt. 
Falcon, Inſel, ſ. Tonga-Inſeln. 
Falcon., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen 
Ablürzung für Hugb Falconer (f. d.). 
aleonbridge (ſpr. jabt'nbrivih), Thomas, 
Baftard von, ein illegitimer Neffe des im Koſentriege 
berühmten Warwick, wurde 1471 von Eduard IV. 
belaıaen genommen und enthauptet. Shalefpeare 
läßt im «König Johann» einen Philipp von F. als 
unebeliben Sohn von Rihard — auftreten. 
alcöne, Aniello (Angelo), ital. Schlachten— 
maler, geb. 1600 in Neapel, geſt. daſelbſt 1665, 
bildete fih anfänglich unter Ribera, gründete jedoch 
bald ſelbſt eine eigene Schule, die ſtark befucht wurde. 
Als der Aufftand unter Mafaniello (f.d.) 1647 aus: 
brach, bildete er mit feinen zablreiben Schülern und 
Anbängern unter dem Namen des Todesbundes eine 
den Spaniern verderbliche Bande und flüchtete au 
Unterdrüdung des Aufitandes für einige Zeit na 
reg eine Bilder, die ſehr felten find (zwei 
efigt das Pradomuſeum zu Madrid), ftellen meijt 
Kampfſcenen dar und find mit ſolcher Meifterichaft 
ausgeführt, daß er davon den Namen eines Dratels 
der Schladbten (Oracolo delle battaglie) erbielt. 
Man bat von ihm auch einige gejtodhene Blätter. 
Falconer (fpr. fabE'ner), Hugh, engl. Paläonto: 
log, geb. 29. Febr. 1808 in orres in Schottland, 
jtudierte in Aberdeen und Edinburgb Medizin und 
trat dann als Wundarzt in die Dienfte der Dit: 
indiſchen Compagnie, die ibm 1832 die Aufficht 
über den botan. Garten in Sabaranpur am Fuße 
des Himalaja übertrug. Von bier aus unternahm 
er geolog. Unterfubungen der dem Hauptzuge des 
Himalaja vorliegenden Kette der Simalikberge und 
entdedte dort die erften Refte einer bis dabın un: 
befannten fubtropifhen miocänen ———— 
1837 ging er im Gefolge Sir Alexander Burnes’ 
nad Piſchawar und Kaſchmir, entdedte unter an: 
derm die Asa foetida: Pflanze, lebrte 1838 nad 
Sabaranpur zurüd und nabm 1842 einen mehr: 
jährigen Urlaub. Die J. 1843—47 brachte er, mit 


Taldenftein — Talconetto 


der Ordnung und —— ſeiner Sammlungen 
beſchäftigt, in England zu. Der größte Teil feiner 
botan. Gammlıngen tm nab Kem; die geolog. 
und paläontol. Sammlungen wurden dem Britt: 
ſchen —— überwiejen. Auf Koſten der Oft: 
ken ompagnie begann er 1846 fein Haupt: 
werf, die «Fauna antiqua Sivalensis» (9 TIe., 1846 
—49, unvollendet). 1848 ging %. wieder nad In— 
dien, wurde Direktor des Botaniſchen Gartens und 
Profeſſor der Botanik an dem Mediziniſchen Kolle- 
gium in Kalkutta, nabm 1855 feinen Abſchied aus 
dem Dienjte der Compagnie und durchforſchte feit: 
dem für die Ausführung feines Wertes über die 
Siwaliffauna jämtlihe geolog. Mujeen Europas. 
Mäbrend feiner legten Lebensjahre unterfuchte er 
beſonders die in Höhlen erhaltenen paläontof. Reite. 

. ftarb 31. Jan. 1865 in London. Sein wifjen: 
chaftlicher Nachlaß wurde u. d.T. «Dr. Hugh F.'s 
palsontological memoirs and notes» (2 Bde., Lond 
1868) von Murchiſon berauggeneben. 

Falconer (fpr. fabl’ner), William, engl Die- 
ter, geb. 11. Febt. 1732 zu Edinburgh, lam ale 
Rajütenjunge auf ein Kauffahrteiſchiff. Als zweiter 
Maat an Bord der Britannia litt er auf der Fabrt 
von Alerandria - Venedig beim Kap Eolonna 
Schiffbruch, rettete jih mit zwei Kameraden und 
ihilderte die Gefahren des Seelebens in einem 
Gedichte von drei Gefängen: «The shipwreck » 
(anonym, Zond. 1762; jeit 1764 unter 5.5 Namen, 
1887 bog. von Adams, 1901 von Friedrich). Der 
Dericp von York, dem F. jein Werl gewidmet batte, 
ließ ibn zum Midſhipman und Schiffszablmeifter 
ernennen; aus Dankbarkeit jchrieb er unter dem 
Namen Theopbilus Thorn eine polit. Satire «The 
demagogue» (1765) gegen Ebatbam, Willes und 
Ehurdill. Sein lektes und gediegenftes Merk iſt 
«A new universal dictionary of the marine» (?onv. 
1769; neue Aufl. 1815 und 1830). Nochmals litt 

‚im Britifchen Kanal Schiffbrub; dann fubr er ala 

ablmeifter aufder nah Indien beitimmten Fregatte 

urora 1769; jie verſcholl, nachdem fie die Ray adt 
verlafien batte. %.3 «Poems» wurden mit einer Ein: 
leitung hp: von Mitford (1836) und 1858 mit einem 
Lebensbild des Dichters von Carruthers. 
alconet (jpr. -neb), Etienne Maurice, franz. 
Bildhauer, geb. 1716 zu Vevey am Genfer See, 
ing nad Paris, wo er fih unter Qemoine aus: 
ildete. Erft 23%. alt, wurde er für feine Gruppe: 
Milon den Löwen tötend, in die Pariſer Alademie 
aufgenommen. Es entitanden jodann die Meifter: 
werte: ein Pygmalion und ein drobender Amor, 
die Voltaire bean; ferner der beil. Ambrofius für 
die Invalidenlirche, der fterbende Erlöjer für die 
Rochuskirche. 1766 berief ihn die Kaiferin Katbarina 
nad) Beteröburg, wo er das folofjale Reiterſta ndbild 
Peters d. Gr. (f. Tafel: Ruſſiſche Kunft I, Fie. ı) 
in Erz ausführte. 1778 kehrte er nah Barig zurüd, 
wo er Alademiedireltor wurde und 4. Yan. 1791 
ftarb. In den legten Jahren feines Lebens beichäf: 
tigte er ſich meift mit litterar. Arbeiten; er ſchrieb: 
«Röflexions sur la sculpture» (Bar. 1761), a«Obser- 
vations sur la statue de Marc-Aur@le» (1771), 
«(Euvres de F.» (6 Bde., Laufanne 1781—82) u. a. 

Falconetto, Giovanni Maria, ital. Architekt 
und Maler, geb. 1458 in Verona. In jeiner Jugend 
fcheint er fih Mantegna zum Vorbild genommen zu 
baben. In Verona malte er Freslen in San Nazzaro 
(1493), im Dom (1503) und ın San Pietro Martire 
(um 1515). Sein beſtes arditeftonifhbes Wert if 


Falcuneulus — Falk (Wdalbert) 


der 1524 in edlem Kenaifjancejtil vollendete Palazzo 
Giuſtiniani in Badua. F. ftarb 1534. 
Falounoülus Fieill., Saltenwürger, Gat: 
tung auſtral. Würger mit drei Arten, kräftige, LI— 
16 cm lange Vögel vom Habitus des Eichelbebers, 





mit einer Federhaube aufdem Kopf. Oberſeite dunkel 
olivenfarben, Unterjeite gelb, am Kopf weiße und 
ſchwarze Abzeichen. Die befanntejte Art iſt F. fron- 
tatus Lath. (©. vorjtebende Figur.) 
Faldistolium, j. Faltſtuhl. 
alealili, Hafen auf Upolu (f. d.). 
aleme, linter Nebenfluß des Senegal im nord» 
weitl. Afrika, — in Futa⸗Dſchalon und mun⸗ 
det oberbalb Bakel. 
alerti, eine an der Stelle des heutigen Eivita- 
Eaitellana auf feljiger Höhe gelegene Stadt im ſudl. 
Gtrurien, wurde von den alteinheimiſchen Falis: 
tern bemobnt, die eine der lateinijchen nahe ver: 
wandte Sprade und Schrift hatten, in der einige 
Inſchriften auf uns gelommen find. Die Stadt 
gelangte frühzeitig in den Befiß der Etruäfer, In 
dem Kriege Bejis mit Rom (405— 3%) trat F. auf 
vie Seite Bejis, mußte aber 394, durch Camillus 
bejwungen, Frieden jchließen. Nachdem die Stabt 
ieit 357 v. Chr. nochmals gegen die Römer ge 
tämpft hatte, jab fie fih 343 v. Chr. zum Anſchluß 
an Rom genötigt, worauf jie noch 293 und 241 
v. Chr. kurze erfolgloje Verſuche machte, F— Selb⸗ 
ſtandigleit wiederzugewinnen. Die alte feſte Stadt 
wurde hernach zerjtört und 4 km nörblid von ihr 
in der Ebene eine neue Stadt angelegt und ſpäter 
aud eine Kolonie röm. Bürger begründet, die den 
Namen Junonia Falisca erhielt. F. hatte einen 
berühmten Rult der jalisfiihen Juno; aud waren 
die Linnenfabrikate der Falister und ihre Stiere ge: 
ihäst. — Über das Thor von F., einen alten Ge— 
wölbebau, j. Etrustifche Kunft nebit Tafel, Fig. 2. 
— Bol. Deede, Die Falisler (Straßb. 1888); 
Oronte del rate, Guida della Faleria Etrusca 


m 1898). 
er — ein berübmter altröm. Bein, welcher 
im ifchen Felde (ager Falernus) in Campa- 


ib vom Gebirge Mafficus (jept Monte: 
sion, fabl a Flufie Savo (jest Savone) wuchs. 
Hauptiorten waren bas Vinum Caucinum, Vinum 
Faustianum und ber 5. im engern Sinne Man 
unterihied berben und füßen, gelben und ſchwar⸗ 


423 


in 5. Noch jekt wird eine Sorte campanifchen 
eins Bino Falerno genannt. 

Falguiere (pr. -giäbr), Alerandre, franz. Bild: 
bauer und Maler, geb. 7. Sept. 1831 in Touloufe, 
bildete fih in Paris bei Jouffroy und in Rom, wohin 
er ſich 1860 begab. Zunãchſt widmete er feine fünft: 
leriſche Thätigkeit der Plaſtik; jo ſchuf er 1864 den 
Sieger im Habnentampf, 1868 den driftl. Mär: 
tyrer Tarciſius (beide im Lurembourg : Mujeum zu 
Hari) Für die Neue Oper in Paris fertigte er die 

igur des Dramas, ferner für das Theätre frangais 
die figende Figur Gorneilles (1872), die Statue La: 
martines für Mäcon (1878), die Marmorftatue des 
beil. Bincenz von Paula für die Kirche Ste. Bene: 
viöve (1879); ſodann eins feiner Hauptwerle: eine 
Pfeilabſchießende Diana (1882), die 1887 in Bronze, 
1891 in Marmor ausgeführt wurde; die Marmor: 
ftatue des Generals Larochejacquelin in St. Aubin, 
die Bronzeftatue Gambettas für Cahors (1884), die 
Statue der Mufit (1889), die Frau mit dem Pfau 
—— eine Tänzerin (1897), die Bronzeſtatue des 

tzted Charcot für Paris (1898) und des Kardinals 
Lavigerie für Bayonne und Bisfra (1900). Seit 
1873 pflegte er daneben auch die Malerei; jo ent: 
ftanden Rain feinen erjhlagenen Bruder Abel fort: 
tragend (1876), Enthauptung Johannes' des Täu: 
fers (1877), Sufanne (1879), Sphinx (1883), Opfer 
für Diana (1884), Acis und Galatea (1885), Groß: 
mutter und Rind (1886), Juno (1889). F. war Mit: 
glied der Akademie der jhönen Künfte in Baris, wo 
er 19. April 1900 ftarb. 

Balieri, Marino, Dogevon Venedig, geb. 1278, 
warf Zara, welches fih 1346 gegen Venedig erhoben 
batte und durch Ludwig I. von Ungarn unterftüßt 
wurde, nad ſchwerem Kampfenieder. Darauf wurde 
er 11. Dit. 1354 zum Dogen gewäblt in dem Augen: 


blid, als die flotte Venedigs unter Piſani bei 
VBortolongone eine vernichtende Niederlage durch 
die Genuefen erlitt; doch gelang es F., edig 


durch einen Waffenſtillſtand vom nahen Untergang 
zu retten. Als, wie die ſpätere Überlieferung ans 
giebt, der Senat den Batricier Michele Steno, der 
des Dogen Gattin und dann ibn ſelbſt beleidigt hatte, 
febr mild beftrafte, verband fih Marino F. mit den 
Führern des Volks zur Aufrichtung einer erblichen 
Herrichaft der F. Allein am Borabend des zur Aus: 
brung verabredeten 15. April 1355 wurde der An: 
lag verraten, und F. 17. April 1355 aufder großen 
Treppe des Dogenpalajtes hingerichtet. — Dichte: 
riſch bebandelten F.s Schidfal namentlih Byron in 
einem Drama, E. Th. A. Hoffmann in einer Novelle 
«Doge und — * Franz Kugler, Albert Lind⸗ 
ner und Caſimir Delavigne und W. Walloth in einer 
Tragödie; einer Oper legte es Donizetti zu Grunde. 
— Bal. Ronteix, Marino F. (Par. 1829); Senger, 
Hiftor. : kritiiche Studien (Münd. 1878); Venoſta, 
Marino F., racconto storico del secolo XIV. (Mail. 
1879). [ler (f. d.). 
Se un die Einwohner der etrur. Stadt Ya: 
alf, Adalbert,preuß. Staatömann,geb. 10. Aug. 
1827 in Metichlau im Kreis Striegau, wo fein Vater 
Ludwi ß F. (fpäter Konſiſtorialrat und erſter Paſtor 
der Hoftlirchengemeinde zu Breslau, geſt. 20. Aug. 
1872 alö Pfarrer zu Waldau bei Liegnis) damals 
Bajtor war. F. ftudierte in Breslau, trat 1847 als 
Austultator in den preuß. Staatsdienſt, wurde 1853 
Staatsanwalt zu Lyck, wo er 1858 von den Kreiſen 
2yd, Diesto und Jobannisburg ind Abgeordneten: 
baus gewählt wurde, in dem er ſich den Altliberalen 


424 


anſchloß. Im Frühjahr 1861 wurde F. ald Staats: 
anmwalt an das Kammergericht zu Berlin berufen, 
gleichzeitig als Hilfsarbeiter im AYuftigminifterium 
verwendet und ſchon im Juli 1862 zum Rat bei 
dem Appellationsgerict zu Glogau beförbert. Hier 
beteiligte fi $., wie ſchon vorber in Lyd, an den 
uriprünglid von Gräff, Ko, Rönne, Simon und 
engel, fpäter von Rönne allein herausgegebenen 
und unter dem Namen «Fünfmännerbud» bekann⸗ 
ten «Ergänzungen und Erläuterungen der preuß. 
Rehtsbüher». Bon dem Glogauer Wahllreiſe wurde 
er im Febr. 1867 in den Konftituierenden Nord: 
deutſchen Reichstag gewählt. 1868 zum Geb. Juſtiz⸗ 
rat und vortragenden Rat im Juftizminijterium er- 
nannt, war er zunächſt für die Herftellung der neuen 
Subhaftationsorbnung für das Rechtögebiet der 
Allgemeinen Gerihtsorbnung thätig, die 15. März 
1869 als Geſeß verfündet wurde, und erbielt dar: 
auf das Referat in allgemeinen Verwaltungsſachen. 
Auch war er Mitglied der Kommiffionen, die im 
preuß. Yuftizminifterium mit der Umarbeitung bes 
Entwurfs einer Civilprozeßorpnung ſowie mit 
der Aufftellung eines Entwurfs der Strafprozjeß- 
ordnung für das Deutfche Reich beauftragt waren. 
Im Febr. 1871 wurde F. zum preuß. Bevollmäch⸗ 
tigten beim Bundesrate und zum Geb. Oberjuftiz: 
rat ernannt und auch in die Kommiſſion für die 
Ausarbeitung einer Civilprozekorbnung gewählt. 

Am 22, yon. 1872 wurde F. an Heinr. von 
Mübhlers Stelle zum Kultusminifter ernannt, in wel: 
her Stellung ihn ungewöhnlich ſchwere Aufgaben 
erwarteten. Sein leitender Grundſatz war, der 
Kirche und den Kirchengemeinſchaften ihre volle 
freie Bewegung zu lafjen, aber mo Rechte des Staa- 
tes in Frage fämen, alle unberechtigten Anfprüce 
surüdzumerien. Er vertrat zunächſt im Landtage 
mit Erfolg das no von feinem Vorgänger einge 
brachte Schulauffichtägeieß, das dem Staate die 
Auffiht über alle öffentlihen und Privat: Unter: 
richts⸗ oder Erziebungsanftalten zumies. Er bob 
zn die das Vollsſchulweſen betreffenden Regu: 
ative von 1854 auf und erjehte fie Durch andere 
a arme wobei ihn die Üiberzeugung leitete, 
daß die Regulative das Gegenteil von dem bewirkt 
ätten, was fie beabfichtigten, und einem großen 

eil des Lehrerjtandes Haß und Widermwillen gegen 
das pofitive Ehriftentum *— bätten. Ferner 
jorgte er für eine erhebliche —— der Semi⸗ 
nare, höhere Dotierung der Lehrer und Verbeſſerung 
des Lehrplans der Volksſchulen. Als eine feiner 
Hauptaufgaben betrachtete er den Abſchluß des durch 
die Verfaſſung verheißenen Unterrichtägefeges. Nach 
langen Vorarbeiten hatte er 1877 einen Entwurf 
vollendet, der jedoch wegen der Höhe der erforder: 
lichen Gelomittel auf ven Widerſpruch des Finanz⸗ 
minifterd Camphauſen ftieß und wegen der ſich vor: 
bereitenden Sinderung in den innern Verhältniſſen 
Preußens nicht weiter gefördert werden konnte, 

Während der Arbeiten für das Vellsſchulweſen 
nabm die Siceritellung ver Rehtsipbäredes Staates 
in dem mit der kath. Kirche ausgebrochenen Kultur: 
spe die unausgejepte Thätigleit 5.8 in Anſpruch. 
Dieje Thätigkeit führte zu den eingreifenden kirchen⸗ 
polit. Gejegen (den jog. Maigejegen, f. d.), deren 
Reihe mit dem im Nov. 1872 eingebrachten Enttwurfe 
über die Grenzen des Rechts zum Gebrauche lirch⸗ 
licher Straf: und Zuchtmittel eröffnet wurde, 

Um auch der evang. Kirche gegenüber die Grenze 
der jtaatlihen Machtbefugniſſe dauernd jejtzuftellen 


durch feine 


Falf (Johs. Daniel) 


und zugleich der Kirche ſelbſt eine gan Selbftän: 
digleit zu geben, wirkte F. für ven Erlaß der zunähft 
für die act ältern Provinzen geltenden Kirchenge⸗ 
meinde und Synodalordnung vom 10. Sept. 1873 
und der Generalſynodalordnung vom 2%. Yan. 
1876. Die ortbodor:prot. Partei, ſchon längft durd 
das Schulauffichtägejeß, die Einführung der obliga- 
toriſchen Eivilehe, die Errichtung von Simultan: 
ſchulen und andere Maßregeln erbittert, belämpfte 
nun von dem Boden aus, den ihr die neue Synodal: 
verfaflung gab, das F. ſche Spjtem mit aller Ent: 
ihiedenheit. Infolge des Rüdhalts, den fie beim 
Könige jelbit fand, — es ihr auch, die Stellun 
des Miniſters in Fun rade zu erjchweren, jo dab 
a 1878 feine Entlafjung forderte, die Ben 
mals abgelehnt wurde, Als aber nad dem Tode 
des PVapftes Bius IX. deſſen Nachfolger Leo XII. 
mit der preuß. Regierung Unterbanblungen an: 
Inüpfte, um den Frieden zwiſchen Staat und Kirche 
wiederberjuftellen, und fe ein Frontwechſel des 
Centrums anbabnte infolge der Unterjtügung, die 
eö dem Reichslanzler bei der Zoll: und Steuerreform 
—* erachtete F. ſeine Stellung für zweifellos un 
baltbar. Er erbat im Juni 1879 feinen Abicied, 
den er 14. Juli erhielt. In Anertennung jeiner 
Verdienſte wurde ihm bei diefer Gelegenbeit der erb- 
lie Adel —8 jedoch von F. nur für ſeinen 
im Heere als Offizier dienenden Sohn angenommen. 
Seine öffent [de Thätigleit beſchränlle ſich wäh: 
rend der nächſten Zeit vorzugsweiſe auf den Reichs 
tag, worin er ſeit 1873 den Wabltreis Bunzlau⸗Lüuben 
vertrat, und das preuß. Abgeorbnetenbaug, für das 
er im Oft. 1873 ın ſechs verſchiedenen engen 
ewäblt worden war und ein Mandat des Hreiies 
jien-Duisburg: Mühlheim angenommen batte. Als 
Landtagdabgeorbneter trat F. namentlich berver 
oppofition gegen den von jeinem Rad: 
folger im Rultusminijterum von PButtlamer 18% 
eingebradhten Geſetzentwurf, dur den die Regie 
rung die Befugnis in Anſpruch nahm, gewiſſe 
ftimmungen der Maigejebe außer Kraft zu fepen. 
1882 zum Präfidenten des Oberlandesgerichts in 
Hamm ernannt, gab er jeine parlamentariide Wırl: 
famteit auf. Er har dafelbit 7. Juli 1900. Seine 
«Reden, gehalten in den J. 1872—79» (3 Ze. in 
1 3b.) erihienen 1880 in Berlin. — Bol. Fiber, 
Adalbert F. (Hamm 1900). . 
Falk, Jobs. Daniel, Schrüftjteller und Pbilar- 
tbrop, geb. 28. Dit. 1768 in Danzig, ftudierte in 
Halle und lebte feit 1797 als Privatgelebrter in 
Deimar. Hier machte er ſich 1806 beim Einmarſch 
der Franzojen um Stadt und Land verdient und 
wurde dafür zum Legationsrat ernannt. Roc 
— Verdienſte erwarb er ſich 1813 durch die 
ig Mo «Gejellichaft der Freunde in der Rot» 
und die Gründung einer Rettung: und Erziehungs: 
anſtalt für verlajjene und verwahrlofte Kinder, welche 
legtere, feit 1829 vom Staate übernommen, als 
«Faltibes Inftitut» noch beftebt. 5. ftarb 14. Sehr. 
1826. Seine erften Satiren: «Der Menic» (2p. 
1795), «Der Menſch und die Helden; zwei jatir. Ge 
dichte» (ebd. 1798), « Die beiligen Gräber zu Kom 
und die Gebete» (ebd. 1796 u. 1799), find mebr all: 
gemein gebalten, doch reich an trefiendem Wis; 
aud) die jieben Jahrgänge feines «Taſchenbuchs für 
— des Scherzes und der Satire» (1797 - 1803), 
eine «Groteöten, Satiren und Naivetäten» (Tüb. 
1806— 7) und «Dceaniden» (Amijterd. 1812) ent 
balten vieles Gelungene. Nach 5.8 Tode erichienen: 


Falk (Mar) — Falle 
ur Lebre und Beflerung» (Lpz. | manifhen Mufeum in Nürnberg, 1858 Bibliotbe 


ü Boltsipiegel 
1826), eine Sammlung feiner «Satir. Werte» 
(1 Bve., ebd. 1826) und nad Goethes Tode, wie 
8 bejtimmt hatte, «Goethe aus näberm perjön: 
den —— — (ebd. 1832; 3. Aufl. 
1856; engliſch von ©. Auſtin), neuerdings: «Ges 
heimes Pig: oder Mein Leben vor Gott. 1818 
22» (2 ., Halle a. ©. 1898—1900). — Bal. 
Yobannes F. Crinnerungsblätter aus Briefen und 
bübern,, gejammelt von deſſen Tochter Ro: 
ſalie 5. (Weim. 1868); Heinzelmann, Johannes F. 
und die Geſellſchaft der Freunde in der Not (Erfurt 
1879) ; Armin Stein (H. Nietihmann), Johannes F. 
Kr Wo Polititer und Publizift, geb 
ar, ungar. Politiler iziſt, geb. 
7. Dit. 1828 zu Weit, ftudierte dafelbft und am 
Bolgtehnitum in Wien, wo er 1848 aud in bie 
Alademiſche Legion eintrat. In Wien war %. am 
radikalen «Studentenkurier» und am «reimütigen» 
beihäftigt; ſpäter wurde er Mitarbeiter bei der 
«Diterr. Zeitung», nad) deren Unterdrüdung Haupt: 
mitarbeiter ded «Wanderer», wo er für die Intereſſen 
Ungarns, namentlich für die Miederberftellung der 
ungar. Berfafjung, mit Entſchiedenheit eintrat, was 
ibm eine dbreimonatige Kerkerſtraſe eintrug. 
gleihem Geifte wirkte er 1852—67 ald Hauptmit- 
arbeiter des «Pesti Naplö» und vieler anderer ungar. 
Blätter. Seit 1851 mar er Beamter der Wiener 
Sparlafle. Seitdem 1865 die Ausgleihäverhand- 
lungen mit lingarn wieder in Fluß gelommen 
waren, gewann auch F. an Beachtung in ben 
maßgebenden Rreifen. 1866 und 1867 hielt er ber 
Kaiſerin Eliſabeth täglih Vorträge über ungar. 
Geſchichte und Fitteratur. Ende 1867 zum Chef: 
rebacteur des «Beiter Lloyd» (f.d.) berufen, machte er 
dieſe Zeitung zu einer der bedeutenditen Ungarns. 
1863 wurde 5. zum Mitglied der ungar. Alademie 
der Wiſſenſchaften und 1869 in den ungar. Reichs: 
tag gewählt, dem er jeitbem ununterbrochen ange: 
hört. Als Kolititer chloß F. fih von Anbeginn ber 
— t liberalen Richtung eines Dedt, Eotods, 
ndrafiy u. f. w. an; aud wirkte er mit zur Herbei- 
brung des ftaatärehhtlihen Ausgleihs von 1867. 
der ar. Reichstagsdelegation zur Beratung 
der gemeinjamen —— enheiten ver Oſterreichiſch⸗ 
Ungariſchen Monarchie fungierte F. ſtets als Re 
ferent für die auswärtigen Angelegenheiten. An 
litterar. Arbeiten publizierte F. (in der «Gfterr, 
Revue») die Studien: «Die Krönung ded Königs 
von Ungarn», «Die fürftl. Familie Ejterhäzy», «Der 
ungar. — Ladislaus Szalay» und «Graf 
Stephan Szehenyi und feine Beits legtere auch 
ungariſch, Beit 1868). Im Berein mit elli gab 
er 1859—60 die 12. deutſche Auflage von Ballettis 
«Allgemeiner Beltbunde» heraus. 


taune, j. Falle (Geihüp). 
, er f. Falten. 
„Falkaune, Fallonett (franz. faucon; 


ital. falcone), eine ſchon im Mittelalter gebräuc- 

liche Bezeichnung für gewille Wurfmafdinen, wurde 

im 15. A abrb. auf leichte Feldſchlangen (f. d.) über: 
en; im 16. Jahrh. findet fie fich allgemeiner. 

, Guftav, Dichter, j. Bd. 17. 

, Zal., Ritter von, Kultur und Kunſthiſto⸗ 
riler, geb. 21. Juni 1825 zu Ratzeburg, jtubierte 
in Erlangen und Göttingen, war 1850 Gymnaſial⸗ 
lebrer in Hildeöbeim, dann bis 1853 Erzieher im 
Haufe des Brinzen Wilbelm von Solms-Braunfels 
ju Düflelvorf. 1855 wurbe 3. Konſervator am Ger- 


425 


tar des Fürften Liechtenftein in Wien, 1865 aud 
erfter Kuſtos am f. f. Mufeum für Kunft und In— 
duftrie, 1872 Vicedireltor, 1885 Direktor desfelben. 
1895 trat er in den Ruheſtand und ftarb 9. Juni 
1897 in Lovrana bei Abbazia. Seinen Ruf ala 
ra a begründete F. mit dem Werte «Die 
deutiche Trachten: und Modenmwelt» (2 Bde., Lpz. 
1858). Schon vorber hatte er fih an der Heraus: 
abe von Eyes «Kunſt und Leben der Borzeit» 
3 Bde., Nürnb. 1855—59; 3. Ausg. 1868) und 
«Galerie der Meifterwerte altdeuticher Holzichneide: 
tunſt» (12 Lfgn., ebd. 1857—61), fowie an der 
von feinem Bruder Johannes Falle (f. d.) be 
onnenen «Zeitſchrift für deutſche Kulturgefchichte» 
(eb. 1856 —59) beteiligt. Er ſchrieb ferner: « Zur 
Roftümgeihichte des Mlittelalterö» (Wien 1861), 
«Die ritterlihe Gejellihaft im Zeitalter des 
Frauentultus» (Berl. 1863), «Geſchichte des moder⸗ 
nen Gefhmads» (Lpz. 1866; 2. Aufl. 1880), «Die 
Runftinduftrie der Gegenwart. Studien auf der 
zen Ausftellung im J. 1867» (ebd. 1868), «Die 
unft im Haufe» (6. Aufl., Wien 1897), «Die Kunft: 
induftrie auf der Wiener Weltausftellung» (2 Tle., 
ebd. 1872), «Geſchichte des fürftl. Haufes Liechten- 
ftein» (3 Bde., ebd. 1868—83), das Pradtmert 
«Hellas und Rom» (Stuttg. 1880), «Roftümgeichichte 
der Rulturwölter» (ebd. 1882), «Slfthetit des Kunft: 
gemwerbeö» (ebd. * «Der Garten. Seine Kunſi 
und Kunftgeichichte» (ebd. 1884), «Die k. k. Wiener 
Borzellanfabrit» (Wien 1887), «Das Runftgewerbe» 
(ald Bd. 5 der Groteſchen «Geſchichte der deutichen 
Kunft», Berl. 1889); ferner in den Beröffentlichun: 
gen des Vereins für deutfche Pitteratur: «Aus dem 
weiten Reiche der Kunſto (2. Aufl., Berl. 1889; ins: 
bejondere Studien über orient. Kunft), «Geſchichte 
des chmacks im Mittelalter» (ebd. 1893) und 
«Aus alter und neuer Zeit. Neue Studien zur Aul: 
tur und Kunft» (2. Aufl.,ebd.1895). Seine «Lebens: 
erinnerungen» erſchienen 1897 (Leipzig). 

Falke, Jobs. Friedr. Gottlieb, Gelhictäforfcer, 
Bruder von Yalob von F., geb. 20. April 1823 
u Ragebur dierte feit 1843 in Erlangen Theo: 
ogie und Wbilologie, widmete aber ſchon bier 
Ye Zeit fait ausfchliehlich dem Studium der Ge: 
chichte ſowie der deutichen Sprade und ältern 
deutfchen Pitteratur. Seit Herbit 1848 war 
Hauslehrer in Münden, lebte dann einige Zeit in 
feiner Baterftadt, bis er im Sept. 1855 einen Ruf 
als eriter Selretär an das Germanifhe Mufeum 
in Nürnberg erbielt, bei weldhem er 1859 Konſer⸗ 
vator der Handichriftenfammlung wurde. In Ge: 
—— mit Johs. Müller und feinem Bruder 

tob begann er die Herausgabe einer «Zeitichrift 

r deutſche Kulturgeſchichte⸗ (4 Bde., Nürnb. 1855 
—59), in der er die Gefchichte der deutſchen Volta: 
wirtſchaft alö eines Hauptteil der deutſchen Kul⸗ 
turgefhichte in den Vordergrund zu ftellen fuchte, 
Re elbjt ſchäzbare Abhandlungen über älteres 
deutihes Zollmefen und über deutſchen Handel 
niederlegte. Im Mai 1862 ging F. als Sefretär 
des Hauptftaatsardhivs nad Dresden und wurde 
ipäter zum Archivar ernannt. Er ftarb dajelbft 
2, März 1876. Bon Era Schriften find bejon: 
ders zu nennen: die «Beichichte des deutichen Han- 
delö» (2 Bde., Lpz. 1859—60) und «Die Hanfa als 
deutiche See: und Handelsmacht⸗ (Berl. 1882), ferner 
«Die Geſchichte des Kurfürften Auguft von Sad 
fen in vollswirtſchaftlicher Beziehung⸗ (Lpz. 1868). 


426 Falken — 


Sein Hauptwerk ift die «Geſchichte des deutichen 
Zollmeiens» (Lpz. 1869). Unter feinen Abbandlun: 
gen im «Archiv für ſächſ. Geſchichtes ijt beſonders 
die über die Gejchichte der «Ermerbung der Vogt: 
lande durd Kurfürft Auguft» von —— 
Falken (Falconidae), die größte Familie ber 
Raubvögel (f. d.), weldhe mit Ausnahme der von 
manden Ornitbologen neuerdings als felbitändige 
Vogelorbnungen angejehenen familien der Eulen 
(ſ. d.) und Geier (f. d.) alle übrigen Raubvogel: 
— umfaßt. Der Kopf der F.iſt mit kleinen 
ebern bebvedt, welche hinten im Naden ſich bis: 
mweilen zu einer Haube verlängern. Ihr Schnabel ift 
verhältnismäßig kurz, am Anfang am böchſten, mit 
gleihmäßig gewölbtem Firft, freier Wahsbaut. Die 
Flügel find lang und fpik, die erite Schwungfeder 
iſt am Innenrand meift ausgefchnitten. Die Ständer 
find nicht febr hoch, manchmal befiebert, mit fräfti: 
gen ſtark gebogenen Krallen. Dieje große Familie 
zerfällt in folgende acht Unterfamilien: 1) Echte 
5. (Falconinae), von gebrungener, mohlproportio: 
nierter Geftalt, mit großem Kopf und kurzem Hals; 
der kurze Schnabel tit jebr kräftig mit einem mebr 
oder weniger deutlichen Seitenzahn. An den lan: 
pen, ſpihen Flügeln ift die zweite Schwungfeder die 
ängjte, der Schwanz iſt meijt mittellang, die Stän: 
der jind groß und kräftig, ein Kreis um die Augen 
oft — Die Läufe haben eine eigentüm: 
lihe Befiederung (Hoſen). Nah Geſchlecht und 
Alter zeigen je aber bedeutende Verſchiedenheiten, 
wodurch in ſyſtematiſcher Beziehung lange Zeit 
große Verwirrung im Aufitellen und Klaſſifizieren 
neuer Arten entitand. Die Weibchen der F. find in 
der Regel etwas größer ald die Männchen. Die F. 
find kühne, graufame, ftet# fampfbereite Vögel, die 
ih hauptfählich von lebendiger Beute näbren; fie 
jtoßen diejelbe oder ſchlagen fie, wenn fie fliegt, 
läuft oder fiht. Diefe Art des Bemädhtigens der 
Beute veranlaßte die Einteilung der echten F. in 
«edle» und anicht edler. Zu den Edelfalten ge 
bören der isländ. alle oder große nn (Falco 
candicans Gm.), der edelfte aller Jagdfalten; ver 
Geer: oder Gierfalle (Falco gyrialco L.), der 
Saderfalte (Falco sakker Gm.), der Feldeggfalke 
(Falco Feldeggii Schinz), der Wanverfalte oder 
tleine Blaufuß (Falco peregrinus L.; ſ. Tafel: Fal— 
ten, Sie, 1), der Lerchenſtößer oder Lerchenfalle, 
Baumtalte (Falco subbuteo L.), der Zwergfalte 
oder Merlin (Falco aesalon Gm.). Zu den nidt 
edlen F. werben gezählt: der QTurmfalte (Falco 
tinnunculus L. oder Tinnunculus alaudarius Gray), 
der Rötelfalte (Falco cenchris Naum.), der Rot: 
lat (Falco rufipes Beske), Mebrere Arten der 
F. richten in den — unter den Feldhuh⸗ 
nern, Wacteln, Droſſeln, jungen Hafen ſowie 
auch unter dem Hausgeflügel großen Schaden an; 
andere dagegen, bejonders die nicht edlen, find 
der Agritultur dur Bertilgung von Mäufen, Heu: 
ihreden, Raupen und andern ſchädlichen Inſelten 
nüslih. 2) Adler (f.d.). 3) Bufjarde (ſ. d., 
Buteoninse), mit dem Raubfußbufiarb (Buteo s. 
Archibuteo lagopus Gm.; ſ. Tafel: alten, Fig.2). 
4) Milane (f. d., Milvinae), mit dem gabelſchwän⸗ 
sigen Königämilan (ſ. d., Milvus regalis Brisson, 
Fig.9. 5) Sperber (f. d. Accipitrinae), mit dem 
Sübnerbabicht (ſ. d., Astur palumbarius Gessner, 
dig. 5) und dem Sperber (}. d., Nisus communis 
Owv., Fig. 6). 6) Die Weiben (f. d., Circinae), 
mit der Kornmeibe (f. d., Circus cyaneus, fig. 3). | 


«| bel, febr lange 





Falkenau 


7 Die Polyporoidinen (Polyporoidinae), ein 
aus einer Gattung und zwei Sübafrila und Mada: 
aslar bewohnenden Arten bejtebenve Familie, be 
—— durch einen anſehnlichen, geſtredten Schna 
— und nadtes Geſicht ausge 

zeichnet. 8) Die Geierfallen (f.d., Polyborinae). 
Mebrere Arten der echten F., in&befondere der 
Bande und ber Wanbderfalte, wurden zu der einit 
jo beliebten und hoch gehaltenen Reiberbeize 
(f. Beize) oder Fallnerei benugt. Um bie 5. ju 
diefem Zwed zu gebrauchen, werben fie, wenn nid: 
jung eingefangen und gezäbmt, durch Hunger und 
Entzieben des Schlaf und des Lichts sabm ge 
macht, an das Tragen der Haube, das Sisen aui 
der Fauft, an das «Luder» und an den Lärm ge 
wöhnt und zum Zurüdlebren zum Jäger auf deilen 
Lodung bin abgerichtet. Wenn der Falle völlig «ab 
etragen» und «berichtigt» ift, wie es in der Fallner— 
prache beißt, jo wird er behufs der Jagd mit der 


ı Haube verjeben, «verlappt», auf der Fauſt bes 


Salfners entweder frei oder mitteld eines dünnen 
Xeberriemeng, dem «Gejhube», feitgebalten in dat 
Revier getragen und beim Erbliden eines Jagr- 
objeltö, von Feſſel und Haube befreit, in die Höb: 
geworfen. Nach jebr kurzer Drientierun t ſich 
der Falke auf die Beute, padt fie und A fie dem 
Jäger zutragen, ohne fie vorber zu fröpfen. (Über 
die Abrichtung der F. und ihre —— im 
Mittelalter vgl. Meiſter Eberhard Hicfelts Aucw 
patorium Herodiorum, bg. von Dombrowſti, Alt: 
deutſches Weidwerk, Bd. 1, Wien 1887.) Am ſpan— 
nenditen ift die Jagd auf Reiber, bei der ſich bäung 
jebr wertvolle 5. am Schnabel der geſchidt ſich ver: 
teidigenden Reiber ipießen. Beiden og. Habichte 
lebnen im 14. Jahrh. wurde dem Bajallen bir 
Pflicht auferlegt, ſich jährlich bei jeinem Lehnsherrn 
namentlih mit einem abgerichteten Habicht, wie 
damals häufig der Falle genannt wurde, einzuitellen. 
Unter Koni vo I. feierte die Fallnerei in De 
reich ihre % anzperiode. Die ‚salknereianitalten 
ftanden damals unter dem Befehl eines Oberfallen⸗ 
meiſters, der 50 Edelleute und 50 Fallenmeiſtet 
unter fich batte, über 300 Beizuögel gebot und das 
Net batte, im ganzen Königreich nach Belieben zu 
jagen. Die jährlihen Ausgaben betrugen etwa 
40000 Livres. Auf allen Reijen des Königs wurde 
der kolofjale Apparat mitgenommen. (©. ) 
Falkenau. 1) Bezirlähaupim in Böb- 
men, bat 506,49 qkm und (1890) 71789, (35210 
männl., 36579 weibl.), (1900) 88097 deutſche €. 
in 84 Gemeinden mit 123 Drtibaften und umfaßt 
die Gerichtöbezirte Elbogen und 5. — 2) F. an der 
Eger, cjech. Falknov, Stadt und Eik der Bejirls⸗ 
er F., rechts an der Eger, in melde 
ier lint8 die Zmodau mündet, an den Linien Prag: 
Komotau⸗ Eger und Klingenthal⸗F. (30 km) der 
Buſchtiehrader Eifenbabn, Sik eines Bezirksgerichts 
(299,26 qkm, 46438 €.) und eines Revierbergamtes, 
ift nach dem Brande von 1874 neu gebaut, bat (1900) 
7376 meift deutſche E., eine eiferne Brüde (132 m 
lang) über die Eger, ein 1480 vom ln Nitel, 
lid erbautes gräfl. Noſtitzſches Schloß mit vier 
Türmen, eine Fideilommißberrihaft und im ber 
Umgebung bedeutende Steintoblengruben, Spin 
nereien und Glasbütten. F. litt ſehr durch einen 
aroben Brand 1874. — 8) F. bei Haida, Darf im 
Gerichtsbezitl Haida der öfterr. Bezirtöhauptmann: 
haft Bohmiſch-Leipa in Böhmen, an der Linie⸗ 
odenbach⸗Warnsdorſ (Station %.:Hillemühl) der 


FALKEN. 





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* 









1. Wanderfalke (Falco Persgriaum. Länge 0,47 m. 3. Kornweihe (Circus eyaneus). 
2. Rauhfufsbussard (Buteo lagopus). Länge 0,66 m. Länge 0,46 m. 











Bee 3 Zu 





# a. un re \ * —2 =) \ x h ae 
4. Königsmilan (Milvus regalis), 65. Hühnerhabicht (Astur palumbarius). Länge 0,55 m. 
Länge 0,68 ı. 6. Sperber (Nisus communis). Länge 0,32 m. 





Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 


Falkenbeize — Falkenorden 


Böhm. Nordbahn, bat (1890) 648, als Gemeinde 
1606 deutiche E.; eine Glasraffinerie, Glasmale— 
reien und ein Dampfjägewerf. 1443 wurde bier eine 
Blasbütte, eine der ältejten im Lande, errichtet. Sie 
wurde jpäter aufgeiafien, aber Mitte des 18. Jahrh. 
vom Kreibiker Glasmeijter Joſ. Kittel wieder er: 
rihtet. Mit der neuen Unternehmung entjtand das 
Dorf F., wo namentlib Glasſchleiſer angefievelt 
wurden, deren Leiſtungen den Drt berühmt machten. 
alfenbeize, j. Beize und Falten. 

Ifenberg. 1) Kreis im preuß. Neg.: Bez. 
Oppeln, bat 604 qkm und (1905) 38068 E., 
3 Städte, 77 Landgemeinden und 79 Gutsbezirle. 
— 2) $. in Oberſchleſien, Kreisftadt im Kreis 
}., an der Steinau und der Nebenlinie Deutic: 
deipe-Schiedlow der Preuß. Staatöbahnen, Sitz 
des Yandratäamtes, eines Amtsgerichts (Landge— 
richt Neifje), Katafter: und Steueramtes, bat (1905) 
2158 €., darunter 845 Cvangelifhe und 38 8: 
raeliten, Boftamt zweiter Klaſſe, Telegraph, katb. 
und evang. Kirche, Ko bannitertranten aus, Schloß, 
Vorihußverein; Cigarrenfabrit und Ziegeleien. — 
3) F. in Zotbringen, franz. Faulquemont, 
—— des Kantons F. (11696 E.) im Kreis 
Bolden des Bezirks Lothringen, an ver Deutſchen 
Nied und der Linie Mes: Saarbrüden der Elſaß— 
Yorbr. Eifenbahnen, Si eines Amtsgerichts (Land: 
geriht Saargemünd), hatte 1900: 1070 E., darunter 
42 Cvangelijhe und 75 Israeliten, 1905: 1029 
C. Poſt, Telegraph, Npätgnt. Rathaus; Brauerei, 
Müblen, Gemüfe: und Obſtbau. — 4) Dorf im 
Kreis Oberbarnim des preuß. Reg.: Bez. 
6 km im NW. von Freienwalde, am Oderbruch 
und an der Linie Eberswalde-Freienwalde der 
Preuß. Staatöbahnen, hat (1905) 1116 evang. E., 
Boit, Telegrapb, viele Landhäuſer von Berlinern, 
ein Pädagogium (BVictoriaftift), Badeanftalt; Pa: 
pierfabrit, In der Näbe Braunlohlengruben und 
ein Bart, — 5) Marftfleden im Bezirlsamt Tirfchen: 
reutb des bayr. Neg.::Bez. Oberpfalz, im wildroman: 
tiſchen Thale der Waldnaab, hat (1905) 674 kath. 
€., Bofterpedition, großartige Schloßruinen auf 
einem Felſen, ſchöne Pfarrlirhe, Mineralquelle; 
Yeinenweberei und Garnhandel. — 6) F. (Bezirt 
Halle), Dorf im Kreis Liebenwerba des preuf. 
Reg.: Bez. Merjeburg, an den Linien Halle: Cott: 
bus, Berlin: Röderau, Koblfurt : Wittenberg ver 
Preuß. Staatsbabnen und der Nebenlinie %.:Lüb: 
ben (73km) der Niederlauf. Eiſenbahngeſellſchaft, 
batte 1900: 2280 E., darunter 40 Katholiken, 1905: 
2798 €,, Boft und Telegrapb. 

erg, Seejtabt im ſchwed. Län Halland, 
an der Mündung des Atran in das oo. an ber 


otsdam, 


Linie Halmjtad:Warberg der Schwer. Privatbah— 
nen, bat (1900) 2537 E., Refte einer mittelalterlichen 
Feſtung; bedeutende Lachsfiſcherei und Aderbau. 
enberge, j. Fiſchbach. 
euburg, Stadt im Kreis Dramburg des 
vreuß. Neg.: Bez. Köslin, 15 km öftlih von Dram: 
— an der Drage und der Nebenlinie Ruhnow⸗ 
Reuitettin«Konig der Preuß. Staatsbahnen, Sig 
eines Amtägerichts (Landgericht Stargard), hat 
11900) 4371, (1905) 4702 meift evang. E., Boft, 
tönigl Webeſchule; drei Tuchfabrilen, Dampfläge: 
müblen gr Saltenhöhle, avff 
urger e, sallenböble, Kyff— 
bäuferhöble, richtiger Warbarattaböhle, 
Höble bei dem Dorfe Rottleben, 4 km meitli von 
granlenbaufen in einer Abdachung des Kyffhäuſer— 


427 


gebirges, ift 350 m lang, bis über 30 m breit, 3—7m 
bob, bat mebrere Heine Seen und fhöne Gips: 
bildungen; fie wird eleltriſch beleuchtet. 
alföner, |. Fallenierer. 
—— ſ. Fallenlappe. 
alkenhayn, Julius, Graf von, öfterr. Staats⸗ 
mann, geb. 20. Febr. 1829, diente zuerſt im Kaiſer— 
Hufarenregiment Nr. 1 und nahm an dem Feldzuge 
gegen Piemont, dann gegen die ungar. Inſurreltion 
1849 teil. Als Rittmetjter verließ er den Dienft und 
— ſein Gui. Von der Kurie des Groß— 
rundbefiges wurde F. wiederholt in den oberöſterr. 
andtag gemäblt und war auch eine Zeit lang Landes⸗ 
— und Präſident der Landtagsverſamm—⸗ 
ung. In der konſervativen kath. Partei (Rechts: 
artei) fpielte F. eine leitende Rolle, Nah hartem 
abltampfe wurde er alö Kandidat der Kleritalen 
vom Städtebezirt Wels in das Abgeordnetenhaus 
gemäbhlt und 12. Aug. 1879 zum Aderbauminifter im 
Kabinett Taaffe ernannt; er bebielt fein Amt auch 
unter Windifch:Gräß, trat aber mit diefem 18. Juni 
1895 zurüd. Cine Reihe von abminiftrativen Ber: 
bejjerungen bewiejen feine fachliche Tüchtigfeit. 1876 
veröffentlichte er «Materiale zu Studien über das 
dfterr. Budget», 1879 eine Brojchüre gegen die mo: 
berne Wirtiha tstheorie u. d. T. «1868— 77. Das 
Jahrzehnt des erſten Ausgleichs» (Wien). Er jtarb 
12. Jan. 1899 in Wien, 

Sein älterer Bruder Franz, Graf von F., Majo— 
ratsherr, geb. 17. Nov. 1827, diente anfangs gleich: 
falls in der Armee und machte die Selbaüge 1848—49 
in Ungarn, 1859 in Stalien, 1866 in Böbmen mit. 
Darauf verließ er die Armee mit dem Range eines 
Majord, um feine Güter zu verwalten. Bon der 
Gruppe des niederöfterr. Großgrundbefibes wurde 
er wiederholt in den nieberditerr. Landtag und von 
diejem in das Abgeordnetenhaus des Reichsrats ge: 
wäblt; 1867 wurde er als erbliches Mitglied in das 
Herrenhaus berufen, wo er als führer der konjer: 
vativen Gruppe der Rechten galt und im Der. 
1893 zum Vicepräfidenten gewählt wurde. Er ftarb 
8. Sept. 1898 in Ottenſchlag. 

re eg — Fallenburger Höhle. 

alkenierer (Falkener, Falkenier, franz. 
fauconnier), bei der Fallnerei verwendeter Jäger, 
beſonders der, der die Fallen zur Beize abrichtet. 
se Sr ſ. Beize und Falten. 
altenfappe, Falkenhäube, eine leverne 
Kappe, die den abgerichteten Naubvögeln über den 
Rp) Aion wird, damit fie nicht eber etwas ſehen, 
als bis man fie «wirft» (fliegen läßt). 

Falkenorden oder Falkner, eine 1379 in Weit: 
falen und bejonders im Baderbornichen geftiftete Rit: 
tergefellihaft zur Erhaltung und Befeftigung ritter: 
licher Rechte gegen Fürſten und Städte, die jedoch 
weitaus nicht die Bedeutung der gleichzeitig in Sud⸗ 
und Mitteldeutichland beftebenden ähnlichen Gejell- 
ſchaften ver Schlägler, vom Löwen, vom Sternu. ſ. w. 
erlangte, gegen die Landesfürjten und Städte nicht 
recht auflam und fidh fchon 1382 auflöfte. 

Faltenorden, Orden der Wachſamkeit 
oder vom weißen Fallen, fahien:mweimar. 
Orden, geitiftet 2. Aug. 1732 vom derzog — 
Auguft, 18. Oft. 1815 vom Großherzog Karl Auguſt 
erneuert, ift Berbienftorden für Civil und Militär 
und befteht aus drei Klaſſen. Das Ordenszeichen 
ift ein achtediges, mit einer goldenen Königskrone 
gefröntes, arün emailliertes, goldenes Kreuz mit 
einem weiß emaillierten, goldenen Falten ; zwiſchen 


428 


dem Kreuz ift ein Heiner, vierediger roter Stern 
mit weiß emaillierten Spigen. Das adhtedige Kreuz 
ift auf der Rüdfeite weiß emailliert, der vieredige 
Stern grün; darauf befindet fich ein blau emaillier: 
ter Schild mit der Inſchrift: Vigilando ascendi- 
mus («durch Wachſamleit fteigen wir empor»), der 
ür das Civil mit einem goldenen Lorbeerkranze, 
ür das Militär mit Waffen umgeben ijt. Die 12 
Großkreuze (unter dem Grofberzog ald Groß: 
meifter) tragen den Orden an breitem, hochrotem, 
gewäjlertem Bande über die rechte Schulter und 
dazu einen ähnlichen filbernen Stern auf der linken 
Bruftjeite; die 25 Commandeure tragen ihn an 
etwas jchmälerm Bande um den Hals; die 50 Rit: 
ter in etwas Heinerer Form im Knopfloche. Ordens: 
fanzler ift der jedesmalige Vorfigende im Minifte: 
rium. Im Zufammenbang damit ftehen noch eine 
fupferne Medaille mit der Auffchrift «Treuen Krie: 
ern», und eine goldene, filberne und bronzene 
ivilverdienſtmedaille. (S. Tafel: Die wichtig: 
ten Orden I, Fig. 39.) 
alfenftein. 1) F. in Sachſen, Stadt in der 
Amtshauptmannihaft Auerbach der ſächſ. Kreis: 
hauptmannſchaft Zwidau, an der Gölkich auf einer 
568 m hoben Anhöhe, an der Linie Zwickau⸗-F.⸗ 
Elönig und der Nebenlinie HerlasgrünsKtlingenthal 
der Sächſ. Staatöbahnen, Sig eines Amtsgerichts 
(Landgericht Plauen), hatte 1900: 9536, 1905: 12724 
E., darunter 751 Ratholiten und 30 Israeliten, 
oftamt zweiter Klaſſe, Bismardſtandbild (1900), 
Schloß, ftädtiihe Spartafie, Wafjerleitung, Kranten: 
baus; jtarte Baummwollweberei (Gardinen, Kon: 
greßſtoffe), Schiffhen: und Handmajcinenitiderei, 
chem. Blei: und Appreturanitalten für Gardinen 
und Stidereien, engl. Gardinen: und Spigenfabri: 
ten (Fallenſteiner Gardinenweberei und Bleicherei, 
Altiengejellihaft). Inder Nähe ruinenartige Quarz: 
jelfen. — 2) F. am Taunus, Dorf im Obertaunus: 
treis des preuß. Reg.Bez. Wiesbaden, 1 km nord: 
öftlih von Königjtein, in 400 m Höhe, hatte 1900: 
426 E., darunter 278 ——— und 20 Is⸗ 
raeliten, 1905: 872 E., Heilanſtalt (hygieiniſch⸗ 
diätetifche Behandlung) für Lungentrante, äbn: 
lich denen von Davos und —— eingerichtet, 
und ein Offiziergeneſungsheim. Nahebei auf einem 
——— die Trümmer der Burg F. (499 m) mit 
berrliher Ausfiht, Stammburg des Erzbiſchofs 
Kuno von Trier, an Stelle der alten Grafenburg 
Nüring im 14. Jahrh. erbaut, 1688 zerjtört. Nord⸗ 
(ih von F. der höchſte Teil des Taunus, der Große 
Feldberg (880 m). — 3) F. in Bayern, Markt: 
een im Bezirtdamt Roding des bay. Heg. «Bez. 
berpfals, hat (1905) 678 kath. E,, Poſterpedition, 
Zelegrapb, beſuchte Viehmärtte, eine —— 
dem Furſten Thurn und Taxis gehörige Burgruine, 
nabebei auf einer Höhe die allfabrıstir e St. 
Quirin. — 4) 5. am Harz, Burg im Mansfelder 
Gebirgskreis des preuß. Reg.:Bez. Merjeburg, 5km 
von Ballenftebt, auf einem vo Berge rechts 
über dem bewaldeten Seltethal, ftammt aus dem 
Ende des 11. Jahrh. und ift fpäter öfter erneuert, 
der Turm im 16. Jahrh. erbaut (im Innern alte 
Waffen). Die Burg F. war feit dem 12. Jahrh. 
Siß des im Halberftädtifchen und Anhaltiſchen reich 
begüterten gleichnamigen ee 
das 1137—1237 die Schirmvogtei über das Stift 
Quedlinburg befaß. Der ausgezeichnetfte unter die: 
fen Dynaſten ift der in der Vorrede zum «Sachſen⸗ 
{piegel» gejeierte Graf Hover von F. in der erjten 


Falkenſtein (Ortichaften) — Falkenftein (Julius) 


Hälfte des 18. Jahrh. Burdard IV. von F. deſſen 
jüngerer Bruder Dtto (geft. 1341) dem geiftlicen 
Stande angehörte, vermadte 1332 feine weitläu: 
been Befigungen dem Stifte Halberitadt, welches 
ie 1386 an die Herren von der Aljeburg (if. d.) 
wieberfäuflich überließ, 1449 aber ihnen völlig zu 
Lehn reichte. Seitdem war die Burg F. fortwäbrent 
der Wohnfig einer Linie diefer Familie, bis diese 
1761 fih nad dem nahen Meisdorf wandte. 1840 
wurde von dem flönige von Preußen die anfebnliche 
errihaft zu einer Mindergrafi eft F. erboben. 
er jedesmalige Befiker der Re aft führt den 
Namen Graf von der Aſſeburg-Fallenſtein. — Bol. 
Niemeyer, — (Halberit. 1840). 
Faltenftein, Joh. Baul, Freiherr von, ſächſ. 
Staatdmann, geb. 15. Juni 1801 zu Pegau, ftu: 
dierte feit 1819 die Rechte in Leipzig, babilitierte 
ich dort 1822 ala Privatdocent und wurde 1824 
berhofgerihtsrat dafelbft, 1827 Hof: und Juſtiz⸗ 
rat in der Landesregierung zu Dresven, 1 Geh. 
Regierungsrat im Miniftertum des Innern, 1835 
Kreispireltor in Leipzig mit dem Borfig und der 
Leitung der Provinzialregierung und der ae 
rialbehörde. Im Sept. 1844 zum Staatäminifter 
des Innern ernannt, erwarb er ſich namentlich in 
den Zeuerungsjahren 1846 und 1847 Berbdienite 
um Abhilfe der drüdenden Not. Infolge der Mär; 
bewegungen nahm er 5. März 1848 feine Entlafjung, 
trat jevoh im März 1850 wieder in den Staats: 
bienjt ein und übernahm das Präfipium des Lan: 
destonſiſtoriums, 1853 das Minifterium des Kultus 
und öffentlichen Unterrichts, in bellen Reſſort unter 
—— Leitung eine Reihe der einflußreichſten Ber: 
ungen und Ginrihtungen im Kirchen: und Schul: 
weſen getroffen wurden. Ihm verbantt die Landes: 
univerfität Leipzig die Grundlage ihrer jebigen 
Blüte. 16. Juni 1866 wurde F. an die Spitze der 


zur Fortfuhrung der vorlommenden —— 

gel ü —— Zandestommiffion» geftellt. 

2 der Rücklehr des Königs übernahm er den 
N) 


is im — — 1871 wurde die 
erſte evang.⸗luth. Landesſynode von ihm einberufen, 
nachdem die Einjegung von Kirchenvorſtänden aus 
freier Wahl der Gemeinden 1868 —— en 
und eine bedeutſame Umgeſtaltung des kirchlichen 
Verfaſſungslebens dadurch angebahnt worden war. 
Nachdem F. Ende Sept. 1871 aus dem ſächſ. 
Staatsdienſt ausgejhieden, übernahm er unter 
Beibehaltung des Amtes ald Ordenslanzler 1. Dit. 
1871 die Leitung des Minifteriums des königl. 
Haujes. Er jtarb 14. Jan. 1882 in Dresden. 7. 
veröffentlihte: «Yobann, König von Sadjen» 
(Dresd, 1878). — Bol. Petzholdt Job. Baul Frei: 
berr von F. Sein Leben und Wirlen nad) feinen 
eigenen Aufzeichnungen (Dres. 1882). 
Faltenftein, vu tus, Afritaforjcher, geb. 1. Juli 
1842 zu Berlin, bildete id daſelbſt zum Milttär: 
arzt aus und ftudierte außerdem Zoologie. An 
der Deutihen Loango:Erpedition 1873—76, melde 
die «Afrikaniſche Gefellihaft» entjendet hatte, be 
teiligte er ih und bradte außer wertvollen Samm: 
lungen den erſten lebenden Gorilla zurüd. Er wurde 
dann Dberftabsarzt an der Hauptladettenanitalt 
und lebt jegt als praftifher Arzt in Groß-Licter: 
elde. 1881 begründete er ven Allgemeinen Deutſchen 
&hulverein. (S. Schulverein.) F. veröffentlichte: 
«Die Loango:Küfte in 72 Driginal-Bhotograpbien» 
(Berl. 1876), «Die Loango: dition», Abteil. 2 
(Lpz. 1879), «Afrilas — Vom Ögome bis 


Falfenfteiner Höhle — zalklandfund 429 


ren rer (ebd. 1885), «Ürztlicher Reiſe⸗ 
er und Hausfreund» (10. Aufl., Berl. 1893). 
enfteiner Höhle, Kallſteinhöhle bei dem 
Dorje Grabenjtetten im Oberamt Urach de3 würt⸗ 
temb. Schwarzwaldkreiſes, bildet ein weites Ge: 
wölbe, an manden Stellen 12, an andern nur 
wenig über 1 m hoch, und enthält einen See, aus 
welchem die Elſach entiteht. 
alfenvitriol, foviel wie Adlervitriol. 
entwwürger, ſ. Falcunculus. 
altieren, in der Reitkunſt eine plößlicdhe 
Parade, beftebend in Senten des Pferbelopfes und 
Hinknieen des Pferdes auf einem oder beiden Knien; 
in erſterm Fall ift der andere Vorderfuß nad vorn 


aejtredt. 
sFalkirk (pr. fabltörf), Stadt in der ſchott. Graf: 
ſchaft Stirling, am Forth- und Elydelanal, aus 
dem bier der Unionlanal oftwärts nad Edinburgh 
fübrt, bat (1901) 29271 €., eine alte, 1810 neu ber: 
geitellte Pfarrkirche; große Eifenwerte und Kohlen⸗ 
aruben, Brauerei, Brennerei (Rosebank distillery), 
Serberei, dem. Fabriten und Ziegeleien, Als Hafen 
dient Grangemouth (ſ. d.). An Stelle der drei 
Bichmärtte (trysts), auf denen im Jabre für etwa 
ı Mill. Pfo. St. Vieh zum Verlauf gelangte, find 
in neuefter Zeit möchentlihe Berfteigerungen ges 
treten. Weſtwärts von %. bis Glasgow dehnt ſich 
das reichfte Steinloblenfeld Schottlands aus, Bei 
dem weſtl. Stadtteil Gamelon begann die röm, 
Mauer, Grahams Doyle, die 140 Antoninus Pius 
vom Garton zum Elyde führte. — Bei F. wurden 
22. Juli 1298 30000 Schotten unter Sir William 
Wallace von 87500 Engländern unter Eduard I. 
befiegt. Am 23. Jan. 1746 ſchlug der Prätendent 
Karl Eduard mit 8000 Mann auf dem Fallirk⸗ 
Muir im SW. der Stadt ein 9000 Mann ftarles 
engl. Heer unter Hawley. 
fkirt Burghs (Ipr. — borgs), Gruppe 
ſchött. Städte (Airdrie, Fallirk, Hamilton, Lanark 
und Linlithgow), die ein gemeinſames Barlaments: 
mitglied wählen, mit (1895) 9900 Wählern. 
andinfeln fpr. fahlländ-), ſpan. Las 
Malvinas over Islas Malvinas, brit. Kron- 
tolonie, Arhipel im Atlantiihen Dcean, 450 km 
öftlih von PBatagonien und der Magalbäesitraße 
(1. Karte: La Blata-Staaten u. |. mw.), beftebt 
aus zwei großen, burd den Falklandſund ge 
trennten Injeln, Dft: und Weſtfalkland, und etwa 
200 Heinern mit insgejamt 12532 qkm und (1901) 
2043 €. Ditfaltland, 300 km lang, bis 100 km 
—— nur eine Reihe von Halbinſeln, wird 
im R. von einer Kette paläozoiſcher Schichten (bis 
680 m) durdzogen. Bon Mineralien hat man 
Eiſen, Blei und Steinlohlen gefunden. Im ©. 
breiten ſich janft gewellte, gutbewäflerte Ebenen 
aus; der Strand ih lab, fandig und ſchlammig. 
ya Weſtfalkland, 200 km lang, bis 60 km breit, 
die Erhebungen, ebenfall3 aus paläo —— 
erungen gebildet, von N. geoen ©. Mehrere 
Fre ben 500, der Mount:Adam fogar 700 m 
Höbe. F Archipel umgiebt ein Seegrasmeer, das 
fi in der Breite von 10 bis 15 Längengraden bis 
über40° ſudi. Br. gegen NO. eritredt. Beide Inſeln 
find reich an Baien mit Häfen, bie den Walfiichfab: 
tern im Antarktifhen Meere ald Stationen dienen, 
Das Klima ift jehr gejundes Seeflima. Der Ja: 
nuar bat 9,8, der li 2,5°, das Jahr 6,1 C. Mittel: 
atur; der Regenfall (550 mm im Jahre) ift 
gleihmäßig verteilt. Die Luft ift ſehr bewegt, Weit: 


winde herrſchen vor. Eine Folge davon ift der völlige 
Mangel an Baumwuchs, doc giebt es niederliegen: 
des Myrtengeſträuch und befonders hobe, gerundete 
Raſen von einer dicht verzweigten Dolvdenpflanze, 
Bolax glebaria Commers., deren sr es Gewebe 
leicht Feuer fängt. Sonit ift das Tufjolgtas (Dacty- 
lis caespitosa Forst.) mit feinen übermanndbo 
Halmbitiheln noch bemerlenswert ald Weide. Der 
Weizen kommt felten zur Reife; Gerfte und Safe 
gedeihen, ebenjo alle europ. Gemüfe. Steinkohle 
tritt nicht in abbaumürbiger Menge auf. Die 
Tierwelt ift arm. Es findet fih von einbeimifchen 
Säugetieren ein nur u. vorfommender, aber mit 
einer patagonifhen Art nabe verwandter Fuche 
—— antarcticus Shaw) und eine Maus. 

andvögel find 18 Arten (darunter 7 Raubvögel, 
mebrere Finten, Tyrannen u. ſ. w., aber fein fo: 
libri) vorhanden, von denen 4 den Inſeln eigen: 
tümlich find. Wafjervögel find zahlreich, befonders 
Pinguine, von denen 8 Species bier angetroffen 
werben. Amphibien und Reptilien find nicht vor: 
banden, wohl aber eine Ynjhl zum Teil origineller 
Käfer. Schweine, Pferde, Rinder und Kaninchen 
find verwildert. Seefäugetiere und Fifche find zahl: 
reih an der Hüfte. 

Haupterwerbszmweig iſt die Schafzucht (1899: 
77990 Stüd). Die wichtigſten Gegenftände der 
Ausfuhr bilden Wolle, Leder und Häute, Talg; 
eingeführt werden bejonders Lebensmittel, Klei: 
dungsjtüde und Eifenwaren. Der Gejamtwert der 
Ausfuhr betrug 1900: 111539, der der Einfuhr 
67948 Pd. St. Die Kolonie hat etwa 13000 Pfd. 
Et, Einkünfte und Ausgaben und erfordert feine 
Zuſchüſſe vom Mutterlande. Dane ift Port: 
Stanley an der Norboftlüfte von DOftfallland mit 
789 €. und einem ſchönen, —— Hafen. 

Geſehen wurden die F. zuerſt 14. Aug. 1692 von 
John Davis, entdedt von Rich. Hawkins 2. Febr. 
159. Der Engländer Strong gab as ber 
Gruppe nad) feinem Gönner, Lord Falkland, den 
jesigen Namen. Zahlreiche ae von St. Malo 
hen jährlich bierber, ne nen gas die In: 
eln Malwinen. Als erfte Niederlaſſungen wurden 
von Beangeten unter Bougainville 1763 Port⸗Louis 
auf der Dftlüfte von Dftraltland, 1766 von Eng: 
ländern Bort:Egmont auf einer Infel vor der Nord: 
weftlüfte von ftfallland gegründet. Spanien 
kaufte dann 1767 den Franzoſen Port⸗Louis ab und 
zwang 1770 die Heine engl. Befakung von Port: 
Egmont zur Kapitulation. Aber fhon 1771 er: 
zwang fi England die rechtliche Anerkennung der 
Kolonie. Die Inſeln blieben unbewohnt, wurden 
1820 von Argentinien aus beficdelt, doch, nachdem 
die Anfiedelung infolge eines Streites mit den Ber: 
einigten Staaten von Amerita von diefen zeritört 
war, 1833 wieder von England bejegt, und 1840 
beſchloß die —— die Koloniſation, die guten 
Erfolg hatte. Doch wird das engl. Beſitzrecht von 
der Argentinifschen Republik angefohten. — Bel 
Dom Pernetty, Histoire d’un voyage aux ilen 
Malouines (neue Aufl., 2 Bve., Par. 1770); Du: 
mont d'Urville, Flore des Malouines (ebd. 1825); 
Darwin, On the geology of the Falkland Isles 
(im «Quarterly Journal of the Geological Society», 
IL, 267, Lond. 1846). 

Falllandftrom (ſpr. fabllänv-), ſ. Atlantifcher 
Deean und die Harte: Meeresftrömungen, 
beim Artilel Meer. 

Falllandfund, ſ. Falllandinfeln. 


430 


altuer, |. Fallenorden. 
alfnerei, j. Beize und Falten. 

Falknis (ver), Bergdes Rhätiton in den Allgäuer 
Alpen (j. Dftalpen C, 10), erbebt fi nörblib vom 
Prättigau zu 2566 m Höhe. Mit der gegenüberlie 
genden Galanda bildet er vie Tbalpforte, durch welche 
der Rhein aus Graubünden in die Ebene binaustritt. 
Am Weitfuße liegt der befeitigte Bergpaß St. Luzien⸗ 

. d.). Beize und Fallen). 
fondrie (franz. fauconnerie), Falknerei (f. 
Ikonett, |. Falle (Geſchutz). 
öping (Ipr. rear Stadt im ſchwed. 
Län Staraborg, weitlih vom Wetterfee, an den Li: 
nien Stodbolm-®öteborg der Weſtbahn, reg yon 
(380 km) der Sudbahn und F.⸗Uddagaͤrden, bat 
1000) 8134 E., eine jchöne Kirche und Getreide: 
andel. In der Näbe der fteile Möfjeberg (326 m) 
mit ee — 3 ftammt aus dem 
8. Jahrh. Bei F. ſchlug 24. Febr. 1389 Margarete 
von Dänemark den ſchwed. König Albrecht. 
all, im grammatiſchen Sinne, ſ. Caſus. 
al ober |reier Ball, die Bewegung gegen den 
Erbmittelpunftt bin, die nicht unterftügte ſchwere 
Körper in vertitaler Richtung, d. h. in der Nic: 
tung eine& frei hängenden 2otes, annehmen. Ein 
fallender Körper ift defto ſchwerer mit den Augen 
zu verfolgen, je tiefer derfelbe bereits ge en 
iſt, und in gleichem Maße wird deſſen Stoß auf 
die auffangende Hand empfindlicher. Hieraus er: 
fennt man, daß die Gejchwindigleit des Körpers 
im Berlauf des F. wächſt. Galilei (1602) ver: 
mutete, daß die Gejhmwindigleit der Fallbewegun 
proportional der allzeit wachſe, d. h. da 
die erlangte Endgeſchwindigleit nad 2:, 3:, Afacher 
allzeit auch 2, 3+, Afab, daß ſomit die Fall: 
beme ung eine gleihmäßig beſchleunigte Bewegung 
ſei (f. Bewegung). it g die Endgeſchwindigkeit 
nah der erjten Fall: 
jefunde, t die Fallzeit, 
v die zugehörige End: 
———— ſo läßt 
ſich dieſer Saß einfach 
in der Form v= gt aus⸗ 
drüden. Denkt man 
ſich den Berlauf der Zeit 
durch die gerade Linie 
OA (Fig. 1), das gleichmäßige Wachstum der Ge: 
ſchwindigleit aber durch die bis zur geraden OB 
binanreibenden vertitalen Linien dargeftellt, fo 
fiebt man leicht, daß der in einer Fallzeit t zurüd: 
gelegte Fallraum s ebenfo groß ift, ald wenn der: 
jelbe mit der der halben allzeit entiprecbenden bal: 


ben Endgeſchwindigkeit CD = > — 5 in gleich⸗ 


förmiger Bewegung zurüdgelegt worden wäre; 
denn In von dem Halbierungspunkt der Zeit aleich 
weit abftebenden Zeitpunkten vorber und nachher 
(E und 6) 4 die Gejhmwindigteit (EF und GH) 
am gleich viel Meiner und größer als die halbe End: 
aeibmindigkeit im Halbierungspuntt. Was aljo in 
der erjten Hälfte der Zeit gegen die gleihförmige Be: 


mwegung mit der Geſchwindigleit 5 verjäumt wird, 
wird in der zweiten Hälfte nachgeholt, jo daß 
Mit Rüdfiht auf v=gt ift auch 





s —* wird 
2 ” 


sm * d. b. nach der 2, 3», 4fachen Fallzeit wird 


* 


Falkner — Fall (phyſikaliſch) 


der 4, 9%, 16fache Fallraum zurüdgelegt, oder die 
Fallräume find den Duadraten der Fallzeiten 
proportional. Diejes letztere Geſetz, das eine not: 
wendige Folgerung der Annahme der gleichmäßigen 
—— der — leit iß fand Galilei durch 
den Verſuch beſtätigt. dum Zwede der Prüfung 
wäre ein frei ’r ender Körper wegen der zu raſchen 
Bewegung nicht geeignet gewefen. Galilei ließ daber 
eine Kugel in einer ſchwach gegen den 
—— geneigten Rinne abwärts rollen 
und fonnte annehmen, daß diejelbe wegen 
des geringern gleihmäßigen Antrie 
auf der —— Ebene (. d.) abwärts 
langſamer, aber nach demſelben Geſeß 
ich bewegen würde, wie im freien F 
ie rg wurden, in Ermangelung 
von Uhren, durch aus einem Gefäß in 
dünnem Strahl ausfließendes und nad: 
er gemogenes Wafjer gemeflen. F der 
hat entſprach der doppelten ſſer⸗ 
menge die vierfache durchlaufene Rin— 
—— u. ſ. w. Heutzutage weiſt man 
das > gejeb namentlich durch die Fall: 
majdine (f. d.) nad. 
ab der von Galileis Zeitgenofien 
vertretenen Ariftotelifhen Anficht fuchen 
die ſchweren Körper bei der Fallbewegung ® 
ihren Ort auf. Der Ort der fhmeren | 9 
Örper ift biernach unten, jener der leih: | ! 
ten oben. Das Weſen der Schwere be: 
ftebt aber nad Galilei nicht in der An» | 
mweifung eines bejtimmten Ortes, ſon- 
dern in der ya deln gleihmäßigen 





{ 

h 

j 
Vermehrung der Geihmwindigleit vertikal i 
abmwärtd. Der Gef mwindigfeitszumahs | # 
in jeder Sekunde wird Fallbeihleunis |; 
gung genannt und gr nah ge 
nauern, namentlih mit Hilfe des Pen: 
dels (f. dv.) ausgeführten Berjuchen 
9,5ı m. Derjelbe iit, wie Nemton durch 
Pendel aus verſchiedenem Material nad: 
ee bat, an demielben Orte ver 
Erde für alle Körper oleih groß. Auc ein 
Körper von größerm Gewicht fällt nicht, 
wie die Ariftoteliter meinten, rafcher, fon: 
dern wie Galilei durch Verſuche nachwies, 
in derjelben Weife wie ein leichterer Hör: 
per. Der Luftwiderftand kann allerdings 
den F. einer Feder mehr verzögern als 
jenen eines Bleiftüdes; in einer luftleer gepumpten, 
mit einem Habn verjchloffenen Röhre (Fig. 2) * 
aber beide Körper denſelben Fallraum in der glei⸗ 
chen Zeit zurüd. 

Beſteht das Weſen der Schwere in der unaus— 
geſetzien gleihmäßigen Geſchwindigleits vermebrung 
vertilal abwärts, ſo ce 
müfjen wir erwarten, 


daß die Geſchwindigkeit [ Fr 

v eines vertital aufe\ |/ 
wärts geworfenen Hör ‘. / . RE 
pers ganz gleichmäßig — 


bis 0 abnimmt, wobei Fis 3. 
der Körper, indem alle 
Geihwindigleiten in umgekehrter Drpnung auf 
treten wie beim %., ebenjo hoch und ebenjo lange 
fteigt, als er fallen müßte, um die Gefchiwindig: 
teit v zu erlangen. 
Beim F. auf der jhiefen Ebene CB (Fig. 9 
verhält fih die in ber Rihtung CB wirlendt 


Fall (Längenmah) — Fallen (zum Fangen) 


Schwertraftlomponente (j. Kraft) zur gefamten 
Schwerkraft wie CA: CB. Jit g die Beſchleuni— 


gung des freien F. jo jtellt 8 jene auf der ſchie⸗ 


fen Ebene vor. Die längs CA und CB gleichzeitig 
durchfallenen Räume werden ſich demnach mie 
CB zu CA verhalten. Während ein Körper CA durch⸗ 
tällt, wird —— auf CB die Strede CD zurüd: 
gelegt, wobei AD Fenfrect Rx CB ift. Hieraus 
folgt weiter, daß der vertitale Durchmefjer eines 
vertifalen Kreiſes in derjelben F durchfallen wird, 
wie irgend eine vom Durchmeſſerendpunkt aus ge: 
zogene Sehne. Für den F. auf der ſchiefen Ebene 
lann man aus dem Obigen leicht ableiten, daß die 
Endgeſchwindigleit der CA und CB durchfallenden 
Körper in A und B gleich find, fo daß die im F. 
erlangte Endgeſchwindigkeit nur von der vertitalen 
Fallböbe abhängt. 

Fall (fpr. jahl) oder Rood, ein bis Ende 1825 
geſetzlich geweſenes großes Längenmaß in Schott: 
land von 6 fchott. Ellen oder 18 ſchott. Fuß = 
6" we Yarbs = 5,669 m. 

‚ in der Seemannsſprache diejenigen Taue, 
welche dazu dienen, die Segel in die Höhe zu zieben, 
wenn dieje gelebt werden Sal, Sie werden nad 
den Segeln benannt, zu denen fie gebören, z. B. 
Klüverjall, Bormarsfall, Bramfall u. j. w. 

Fall., bei naturwiljenichaftlihen Namen Abtür: 
Pmo für Karl Fallen, geb. 1764, geft. 1830 ala Pro: 

efior der Mineralogie in Lund, belannt als Entomo: 
log. Nach ibm heißt eine — Fallenia. 

Fallacla (lat.), Täuſchung, Trug; F. optica, 
Augentäuſchung; fallacıda, täufchend, trügeriſch. 
—— oder Waldaxt, auch Maishacke und 
Schrotart genannt, zum Fällen der Bäume, zum 
Abbauen größerer Hjte und Spalten der Holzftüde 
benuste Art. Faſt in jedem Lande, mitunter jogar 
in gewiſſen Diitrikten, find die Formen und Abmej: 
lungen der 5. verfchieden. In nachſtehender Fig. 1 





ift eine ſteiriſche F. abgebildet. Ihre Länge beträgt 
780 mm, die Breite der Schneide ijt 80 mm, die ganze 
Länge des eigentlichen Artlörpers beträgt 225 mm, 
der Rüden h; 55 mm lang und 40 mm breit, das 
Geſamtgewicht beträgt 2,5 kg; ber Zuſchärfungs⸗ 
mintel iſt 12°. In Fig. 2 iſt eine anierilaniſche F. 





öig. 2. / 


dargeitellt. Die Schneide ift zweifeitig zugeichärft, 

ſehr ſchlank und verläuft in jtarfer ln a 

Stiel ift aus zähem —— gebildet und zeichnet 

ſich dur eine eigentümliche Krümmung aus. Die 

Breite der Schneide iſt 115 mm, die Länge des Art: 

törperö 195 mm, ihr Gewicht beträgt 24 kg. Der 

werpunft des ganzen Wertzeuges liegt jo nabe 

ald möglich an jeiner Schneide, und im Verein mit 
der Richtung und Elafticität des Stieles fichert 
dies einen wirtungsvollen Hieb ohne Prellung der 
Hände. Ihr Zufhärfungswintel beträgt 15—30°, 
Die Seitenflächen find bei ihr fonver gefrümmt, fo 


431 


daß jie fih nad jedem Hieb leicht aus dem Holze 
— läßt. 

Fall bach, einer der ſchonſten Waſſerfälle Deutich: 
lands im bad. Schwarzwald, oberhalb der Stadt 
Triberg. Die Gutach (f. d.) bildet hier 7 Kastaden 
von indgejamt 150 m Höbe. 

allbänder, j. Fahlbänder. 

allbeil oder Fallſchwert, f. Buillotine. 

allbefchleunigung, j. Fall. 

allblocdverfchlufß, Fentrechter Keilverſchluß 
für Schnellfeuergeſchütze (ſ. Gruſons Schnellfeuer: 
fanonen, Hotchliß-Schnellfeuerlanonen, Geſchüßtz, 
Verichluß). 

Fallbd oder Fallwind, ein plöglih aus den 

Thalſchluchten einer Küjte hervorſtoßender Win. 

allbrüde (ar. sambyks&; lat. sambuca), eine 
Be agerungemaline der Alten. Die F. war ent: 
weder eine gu lappe am Wanbdelturm (Angriffs: 
turm), oder fie war, zwijchen Maſten bängend, auf 
niedrigem Wagen fabrbar (die eigentliche sambuca). 
Durch die 5. verfuchten die Belagerer die Wälle zu 
aa opt zu den Mauern zu erlangen und 
— den Angriff au ermöglichen. Sie waren meiſt 
o angeordnet, daß fie aulggogen die Sturmtolons 
nen deckten, durch ihre Schwere den Gegner auf der 
gegenüberliegenden Mauer bedrobten und, nieder: 
gelaſſen, dem Sturm den Weg bahnten. F. ift auch 
gleichbedeutend mit Zugbrüde (f. d.). 

allhronometer, |. Chronometer. 

alle, am Fallenſchloß, j. Schloß. 

allen, VBorrihtungen, welche zum Fangen von 
Wild, namentlich Raubzeug, verwendet werden. Die 


eijernen F. werden vom ‘Jäger befonvders Eijen 





Fig. 1. 


ieh Die wichtigſten F. find: 1) dag Berliner 
ifen (j.d.) oder der Shwanenbals. 2) Das 
TZellereijen (ſ. * 

3) Die eiſerne Hoh 


—— 
BES von von dan: NA 
tein (Sig. 1), welche in 4 


—5 


BOB 
N { an 


Aa pi 
mr 
—9 





einen natürlichen oder | 
kunſtlichen Fuchsbau ein: Tin) 
eihoben oder in ein 
a eingefeilt wird, 
nachdem hie übrigen Roh⸗ 
ren feſt verſtopft worden 
find. Das dur den | 
Hunger aus dem Bau ge: | 
triebene Tier gelangt 
durh ein bewegliches 
Thürchen in den Innen: 1 
raum der vorn geichloi: 
enen etwa I m langen || 
alle, welche fo eng ift, Kai mat ae 
daß ſich das Tier nicht fie. 2 
ummenden kann. Da —— 
das zufallende Thürchen nur von außen zu öffnen iſt, 
wird das in die Falle eingejchlüpfte Tier lebendig 
n derſelben fejtgebalten. 4) Die Weberſche 


432 


Naubtierfalle, wofür Fig. 2 die äußere Anficht 
in aufgeftelltem — Fig. 3 diefelbe Anſicht in 
abgejogenem au tande und gi . 4 die innere Ein: 
ribtung barftellt. Diefe Fr ijt im weſentlichen ein 
Schwanenhals mit unterhalb der vieredigen Bügel 





Fig. 3. 
liegender bujeifenförmiger Feder. Nachdem diejelbe 
zum Yang fertig geftellt ift, liegen ſämtliche Eiſen— 
teile in einem flachen Holzkaſten eingebettet, auf dem 


IE ET — —⏑ ⏑ I V 





a. 4. 


nur der Fangbroden zu jeben iſt. Diefe wenig ver 
räteriſche Falle iſt ſehr gebräuchlich zum ange von 
Mardern und Iltiſſen und aud für den Fuchsfang 
verwendbar. 5) Die Klappfalle. Sie fann ein: 
und zweillappig fein; die zweillappige (Fig. 5) iſt 





swedmäßiger. Sie wird namentlih in Zauns 
öffnungen, an Durchgängen bei Fafanengebegen 
und in Gebäuden verwendet und bejtebt aus einem 
Brettlaiten, deſſen Seitenteile beweglich und als 
Baier zu bezeichnen find. Das durch die Klapp- 
alle kriechende Wild tritt die Stellung nieder, mo: 
durd ein Herabfallen der Schieber und ein Schlieken 
des etwa 2 m langen und 40 cm breiten und hoben 


allen (geologiih) — Fallhammer 


Kaſtens — wird. 6) Die Mord: oder 
Rafenfalle. Sie ftellt ſich als eine rechtedige Dede 
aus Holztnüppeln dar, weldye durh Querbalten ver: 
bunden find. Dieje mit Rafenftüden befhwerte Dede 
liegt mit einer Kante auf dem Boden auf und wirb 
ander ent —— eite durch eine ziemlich ein⸗ 
ache Stellung gehoben und gehalten. Die St 
ällt zuſammen, ſobald an dem mit ihr in Verbindung 
tehenden Köder gezogen wird; die Dede ſchlägt dat 
ier tot. — Bl. —* Der Fang des Raub: 
eugs (3. Aufl., Berl. 1897); Gille, Anleituna sum 
bon en des ale (5. Aufl., Liegnis 1899); 
tab, Raubzeugverti guna (Berl. 1898). 

allen (geolog.), |. Bang, Streichen und Fallen. 

ällen (dem.), }. Fällung. 

allender Stollen, ſ. Schleppſchacht und Mine, 

allende Sucht, ſ. Epileniie. 

allenfchlof, ein Thürſchloß, j. Shloh. 

allersleben, Fleden im reis Gifhorn des 
preuß. Reg.:Bez. Lüneburg, 21 km im NO. von 
Braunſchweig, 4 km lint3 von der Aller, an der 
Linie Stendal:Hannover der Preuß. Staatöbabnen, 
Siß eined —— Candgericht Hildesbeim), 
bat (1900) 2001 E. darunter 99 Katholilen, (1905) 
2271 E. evang. Kirche, Poſt, Telegrapb, Schloß, 
Vorſchußverein und Zuderfabrit. F. ift Geburtsort 
des Dichter A. 9. —— . > 1830 wurde 
in gar erfte Artefiihe Brunnen in Deutihland ger 
graben, der ſchwefel⸗ und eifenhaltiges Waſſer liefert. 

alltangichere, ſ. Bergbobrer. 

allgatter, im mittelalterliben Feſtungsweſen 
das aus ftarten, nad unten zugeipisten Balten be: 
ſtehende Thor, weldbes im Thorturme mittels Het: 
ten und Wellen aufgezogen werden konnte. Häufig 
wurde e8 dazu verwendet, um nad Sprengung bes 
eigentlichen Thors dem eingedrungenen Feinde den 
Rüdzug abzufhließen. zn den neuern Befeftigungen 
fommt das F. nicht mebr vor. 

Fallgefete, die für den freien Fall (f. d.) der 
Körper geltenden Geſetze. 

Fatisiter foviel wie Fallgatter (f. d.). 

allgruben oder Wildgruben, Gruben, die 
bazu dienen, ſchwer zu erlegendes oder in Fallen 
zu bringendes größeres Wild, insbeſondere Raub: 
tiere, zu fangen. Die Tiefe der F. richtet ſich nad 
der Größe und Stärle des Wildes. Unten find die 

. meijt etwas erweitert, oben find fie mit Ge 
tänge oder Zweigen verbedt, auf denen der Köder 
befeftigt it. In die Grube tönnen zum Aufipießen 
der Tiere ſpihe Pfäble eingeichlagen werden. F. 
werden noch angelegt für Bären, Wölfe, Hpänen, 
Pantber, Tiger, Löwen, Rbinocerofje, Elefanten. 

Fallgut, Fall- oder Shupflebn, ein Bauern: 
gut, mit welchem der Bauer nur für feine Lebens: 
eit belieben war. Nach feinem Tode fiel ed dem 

utsberrn heim. Solde Güter famen namentlich 
in Württemberg vor. 

Fallhammer oder Se amıer, eine in 
Bau: und Betriebsweiſe eigentümliche Art Hämmer, 
bei der ein qußeiferner Klo (Hammer over Bär) 
mit ftäblerner Bahn zwiſchen Führungen ſenkrecht 
Den wird und [ran zur —— des 

chlags frei herabfällt. Derſelbe wird Fallwerk 
(1. d.) genannt, wenn die Hebung des Bären durch 
die Kraft eines Arbeiters, Dampfbammer (ſ. Kr 
wenn jie burh Dampffraft erfolgt, TZransmiir 
fionäbammer, wenn bie Hebtraft von einer Kraft: 
maſchine geliefert und durch ein Zwiſchengetriebe 
auf den Hammerbär übertragen wird. Iſt dies ein 


Fallibel — Fallmajchine 


Daumenrad, jo heißt der Hammer Daumenham: 
mer (j. d.), iſt es ein Neibungsgetriebe, jo wird er 
rittionsbammer (f. d.) genannt, geſchieht die 
— und Senkung durch ein Kurbelgetriebe, ſo 
nennt man den Hammer Kurbelhammer (. d.). 
el (ital.; franz. faillible), dem m 
unterworfen, jeblbar; Yallibilität, Fehlbarteit. 
Fallieren (fran;. faillir), feine Zahlung einftel: 
len, tt werben. 

Fallieres (ipr. -Tiäbr), Element Armand, achter 
Präfident der Ftanzoſiſ blit, geb. 6. Nov. 
1841 zu Mein (Depart. Lot⸗et⸗Garonne), ftudierte 
die Rechte und war big 1873 Maire ver Stadt Nerac. 
1876 in die Deputiertenfammer gewählt, jchloß er 
ih der republifanifchen Linlen an und gehörte 
1877 zu den 363 Mitgliedern der Linten, die das 
Kabinett Broglie ftürzten. Im Mai 1880 wurde er 
Unterjtaatsjelretär im Minifterium des Innern. 
Als ſolcher war er insbeſondere im Sinne Gam- 
betta& thätig, wofür ihn Freycinet im Jan.1882 ab» 
jeste. Nach deſſen Sturz aber überfam F. im Auguft 
des ſelben Jahres das PBortejeuille des Innern und 
bildete Ende Jan. 1883 jelbjt ein Kabinett, worin 
er die auswärtigen Angelegenheiten übernahm. Das 
Minifterium fiel aber Tao 17, Febr., da der Senat 
das Prätendentengejes ablehnte. In dem darauf 
folgenden Kabinett erhielt F. im Rov. 1883 das 
Minifterium des Unterridts, das er bis zum Sturz 
des Kabinetts, Ende März 1885, verwaltete. Zwei 
Yabre jpäter, Mai 1887, trat er an die Spiße des 
Niniftertums des Innern, das ihm Rouvier über: 
wies, und das er in dem folgenden Kabinett Tirard, 
12. Dei. 1887, gegen das der Juſtiz vertaufcte. 
er April 1888 dimiffionierte er mit Tirard, 
doch als dieſer 21. Febr. 1889 ein neues Kabinett 
bildete, trat F. wieder ein, diesmal als Unterrichts: 
minifter. Im fabinett Freycinet: Conftans ver: 
waltete er 16. März 1890 bis 27. Febr. 1892 das 
Juftizminifterium. Ein von ihm eingebrachtes Ge: 
noſſenſchaftsgeſetz, das ſich hauptſächlich gegen bie 
fibergriffe der Geiftlichleit richtete, fand nicht die 
Billigung der Kammer und gab den Anlaß zum 
Küdtritt des Kabinetts. Am 8, Juni 1890 wurbe 
er vom Depart. Lot-et-Garonne zum Senator, 
3. März 1899 zum PBräfidenten des Senats erwäblt. 
Nah Ablauf von Loubets Amtstermin erhielt er 
bei der Neuwahl bes age gen der Republit 
17. Jan. 1906 eine große Stimmenmehrheit; am 
13. Febr. trat er jein Amt an. 

we ift eine Forderung, deren llungszeit 
(i. d.) gelommen iſt. Eine noch nicht fällige Forde— 
rung lkann nod nicht eingellagt werden, wenn aud 
unter Umftänden eine Feititellungsllage f d.) zu: 
läffig ift. Der Bellagte wird aber verurteilt, wenn 
vie Forderung vordem Urteil, au vor dem Endurteil 
böberer Inſtanz fällig wird. Nu die Civilprozeßord⸗ 
ung —— — * * e vom u Mai Er 
olgende bier intereffierende Baragraphen eingeſcho⸗ 
ben: $. 257. SE Geltendmachung einer nicht 
von einer Gegenleiftung abhängigen Geldforderung 
oder die Geltendmahung des Anſpruchs auf Räu— 
mung eines Grundftüds, eines Wohnraumes oder 
eines andern Raumes an den Eintritt eines Ra: 
Iendertages gelnüpft, jo fann Klage auf künftige 
gehlung oder Räumung erboben werben. $. 258. 

i wiederlehrenden Leiſtungen kann auch wegen 
der erſt nach Erlaffung des Urteils fällig werden: 
den Peiftungen Klage auf künftige Entrichtung er: 
inben werden. $. 259. Klage auf künftige Leiſtung 

Brsthaus’ Konverjationd-Leriton. 14. Aufl R. A. VL 


433 


fann außer den Fällen der 88. 257, 258 erhoben 
werden, wenn den Umjtänden nah die Bejorgnis 
gerechtfertigt ift, daß der Schulpner ſich der recht: 
eitigen Zeiltung entziehen werde. Bor Eintritt der 
Keliget läuft die — —————— (j.d.)in der 
egel nihtab. Bor Eintritt der Fälligkeit der For: 
derung und Gegenforbderung kann wider den Willen 
des Gegners nicht fompenftert werben. Anders im 
Konkurte (f. Aufrehnung). Hat der Schuldner eine 
noch nicht jällige Forderung erfüllt, weil er irrtümlich 
annahm, fie jei fällig, jo kann er das Geleijtete nicht 
zurüdfordern. Die Fälligleit bat Bedeutung bei 
der Ausübung des Zurüdbebaltungsrets (1. d.). 
Realifierung des Pfandes (f. Fauftpfand) und der 
Hypothek jest Fälligkeit der Forderung voraus. 
Niment (ital. fallimento) oder Falliſſement 
(mine franzöfiich, vielmebr franz. faillite), vielfach, 
o befonvders in den Gebieten des rhein. Rechts 
Bezeichnung für Konkurs, und Fallimentsver— 
fabren für das Konkursverfahren (f. d.). 
Fallimentskommiſſär, unter der Herrſchaft 
des franz. Rechts der Richterkommiſſär, der mit der 
Zeitung des Konkursverfahrens beauftragt war. 
Fallingbojtel. 1) Kreis im preuß. Neg.: Bey. 
Limeburg, bat 983 qkm, (1900) 27805, (1905) 
29089 €., 1 Stabt, 90 Landgemeinden und 5 Gute: 
bezirte. — 2) Dorf und Hauptort des Kreifes F., an 
der zur Aller gehenden Böhme und der Nebenlinie 
Hannover:Soltau der Preuß. Staatöbahnen, Sik 
des Landratsamtes, bat (1900) 1072, (1905) 1187 
ewang. E., Ei Zelegrapb, evang. Pfarrkirche, 
Spartafje; PBulverfabrit, Lobgerberei, Färberei, 
Mebl:, Ol: und Sägemüblen. 
alliffement, j. Salliment. 
allit, jemand, der jeine Zahlungen eingeftellt 
bat; Fallitmaffe, joviel wie Konkursmaſſe (ſ. d.). 
alltäfer, Weinftode, j. Eumolpus. 
alliehn, ſ. Fallgut. 
alllinien, in der Mathematik die Linien, an 
denen ein jchwerer Punkt auf einer Fläche berab:- 
gleitet; fie geben ortbogonal zu den Niveaulinien 
der Fläde. Die F. fpielen eine praltiſche Rolle in 
der Geologie (ſ. Streiben und Fallen) und bei der 
Terrainzeichnung (ſ. Abfallslinien). 
Fallmafchine, ein von Atwood 1784 erfunde- 
ner Apparat, der dazu dient, die Fallgeſetze (ſ. 31 
bequem zu erklären, indem an demſelben die Fall— 
beſchleunigung fich ſehr verkleinern und alfo bie 
Seihmwindigteit fich jo berabfesen läßt, daß bie 
Beobabtung leiht wird. Die F. bietet jo, wie die 
ſchiefe Ebene, verkleinerte Beſch eunigungen, jedoch 
mit dem Unterſchiede, daß hier der Fall, wie beim 
freien Fall, lotrecht geſchieht, während er dort auf 
eneigter Ebene erfolgt. Die F. beſteht (ſ. um— 
tebende Fig. 1) im weſentlichen aus einer um eine 
wagerechte Achſe äußerſt leicht prebbaren Rolle, die 
auf einer etwa 2 m hoben lotredhten Säule ange 
bradt ift. In der Rinne jener Rolle liegt ein nach 
beiden Seiten age er langer Seidenfaden, 
an deſſen Enden je ein Gewicht m und n geknüpft 
ift. Diefe Gewichte find glei groß (P) und halten 
ſich daher Gleihgewiht. Bringt man nun auf das 
Gewicht n ein Heines fibergewicht von der Größer, 
das wenigſtens die Reibung der Rolle zu über: 
winden vermag, jo wird es fich lotreht längs 
des jeitlihen lotrechten Maßſtabes herabbewegen, 
Allein feine Beihleunigung J viel Heiner als 
jene des freien Falls, denn es bat nicht nur feine 
eigene Mafle, jondern auch jene der Gewichte m 


28 


434 


und n, ferner des Rädchens und der Schnur in 
Bewegung zu feßen und bat aud die Reibung 
des Hands zu überwinden. Die Belchleuni: 
gung iſt ohne Rüdjicht auf die Mafje und Reibung 


r . . 
bes Rädchens 3Prr 6— wenn g die Beichleuni- 


gung des freien Falles bedeutet. Diejer Wert er: 
giebt fih durh Anmendung bed Satzes: Kraft 
leih Maſſe mal Beicleunigung (ſ. Bewegung) oder 
Beichleunigung oleih Kraft durch Mafle, jo daß 
man für die geſuchte Beſchleunigung p 


ar -), dar die 
g 
2P+r 








belommt: =r: ( 


bewegende Kraft und 


wegende Maſſe ift. 

Man kann nun mit der F. bequem 
—— ob die Bewegung an der— 
elben wirklich gleihförmig beſchleunigt 

i. Hat man das Übergewichthen r 
o angepaßt, daß jein Fallweg in ber 
eriten Sekunde einen Stalenteil des 

ee an ber %. beträgt, jo find 
die Fallitreden nad 2, 8, 4, 5 Sefun: 
den = 2%, 3°, 4%, B’=4, 9, 16, 
25 Stalenteile an jenem — 
Hieraus berechnet man leicht, daß der 
1., 2., 3., 4. und 5. Selunde die Fall: 
wege 1,8, 5, 7 und 9 entiprechen, was 
mit dem Fallgeſetze übereinstimmt. 
Um Berjuhe über die Endgeſchwin— 
digkeit anftellen zu können, muß das 
Übergewichthen nad 1, 2, 3, 4 Se 
funden automatifch abbebbar fein, da- 
mit dann die im Gleichgewicht fteben: 
den Gewichte m und n nur vermöge 
ihrer Trägbeit mit der erworbenen End— 

geſchwindigkeit ſich wei: 
ter bewegen. Zu dieſem 
Behufe muß das Liber: 


gewichtchen r (f. Fig. 2) 
> eine länglide * er: 





die zu be: 


halten, jo daß es auf 

s einem am Maßitab ver 
N verſchiebbaren Ning 
iegen bleibt. Stebt z. B. 
jener Ring bei 16, ſo 
wird bier das UÜbergewicht am Ende 
ver 4. Selunde abgehoben. Da ver 
Weg in der 1. Selunde = 1 Stalenteil, 
jo beträgt die Beihleunigung 2 Sta- 
lenteile, was für 4 Selunden bie 
———— von 2X4= = 

alenteile giebt. Zur Beſtim⸗ CE 
mung der Sekunden und noch klei⸗ — 
nerer Zeitteilchen dient das am 
Ständer der F. angebrachte Pendel, 
deſſen Auslöjung dem Gewichten n die Unter: 
lage 8 (ig. 1) entzieht, wobei leßtere aus der wage: 
rechten In die herabhängende Lage gerät. Infolge: 
pefjen beginnen an der F. die aber angeführten 
Bewegungen, nebſt ven Pendelſchlägen, welche durch 
eine Ölode und einen Gabelhbammer h hörbar ge: 
macht werben. Anders eingerichtete F. ftellen das 
Fallgeſeß graphiih dar, nad Poncelet und Morin 
auf einem rotierendem Eylinder, nach Laborde, Lip: 
Ei 29 und andern auf berabfallenden Schreib: 


Fig. 2. 
































* 


— 


Fallmerayer 


Fallmerayer, Jal. Phil, Geſchichtsforſcher 
Schriftſteller und Reiſender, geb. 10. Dez. 1790 zu 
Tſchötſch bei Briren, befuchte die Domſchule zu 
Briren, verließ aber im Herbit 1809 beimlic vie 
Anitalt und ging nah Salzburg, wo er ſich der 
Theologie, daneben aber aud den femit. Sprachen 
und der Geſchichte widmete. In Lands hut ſtudierte 
er anfangs Jurisprudenz, wandte Air: aber bald 
ganz der Geihichte, der Haffifchen Pbilologie und 
Sprachkunde zu. Nachdem er die Freiheüskriege 
mitgemacht hatte, erhielt er 1818 eine 
Lebreritelle erft am Gymnafium zu 
Augsbur ‚ 1821 am Progomnafium 
zu Yandsbut, 1826 eine Profeffur am 
neuerrichteten Lyceum daſelbſt. 1831 
folate F. der Einladung des rufl. Gene 
rals Grafen Oftermann-Tolftoy zu einer 
Reiſe in den Orient. 1836 bereiite er 
das jüdl, Franfreih, ging dann na 
Florenz, Nom und Piſa und bradte 
vier Jahre größtenteils bei dem Grafen 
DftermannsZolitoy in Genf zu. 1840 
unternabm er eine zweite Reife in den 
Drient. Schilderungen aus diefen zwei⸗ 
jährigen Wanderungen erfcienen zu: 
erit in der «Allgemeinen Zeitung» unt 
dann mit einer berühmten Vorrede in 
den Haififhen « Fragmenten aus dem 
Drient» (2 Bde., Stutta. 1845; 2. ver: 
mebrte Aufl. in einem Bande mit Ein: 
leitung von G. M. Thomas, ebd. 1877). 
Bon einer dritten Reife, die er 147 
über Ronftantinopel nah Baläftina, 
Sprien und Kleinafien unternahm, rief 
ibn 1848 die Verleihung einer Broschur 
der Geſchichte an der Univerfität Mün- 
hen in die Heimat zurüd. Bon Mun 
en in die Deutiche Nationalveriamm: 
lung nad Frankfurt gewäblt, nabın F. 
feinen Plaß im linfen Centrum und 
folate fpäter dem Reſte der Verjamm: 
lung nad Stuttgart, was ihm den Ber: 
luft feiner Profeſſur zuzog. Den Pin 
ter 1849 auf 1850 verlebte F., ftedbrieh 
lich verfolgt, in Appenzell und St. Gal: 
len, bis der Amneftieerlaß ibm im 
April 1850 die Ruckehr nad Deutſch 
land geitattete. Er bielt fich ſeitdem 
meift in Münden auf, wo er in ber 
Naht vom 35./26. April 1861 ftarb. 

Bon 5.8 Arbeiten find be 
ſonders hervorzuheben: die 
von der Ropenhagener Geſell⸗ 
ſchaft der Wiſſenſchaften ge 
frönte «Geſchichte des Kaiſer 
N ———— 
1831), « i agmente, 
Ebronilen u.ſ. w. zur Geſchichte 
des Kaiſertums Trapezunt» (ebd. 184344) und 
die «Geſchichte der Halbinjel Morea im Mittelalter» 
(2 Bde., Stuttg. 1830—36). Seine darin und jpäter 
in den Unterjuhungen über «Das albanei. Eile 
ment in Griebenland» (3 Abteil., Münd. 1857 
— 60) niedergelegte Anſicht über die je gäny 
liche Ausrottung des autochtbonen Hellenentums 
im Mittelalter und die großenteild flaw. Ab: 
itammung der Neugriehen bat zu vielen litterar. 
Streitigkeiten geführt und zablreihe Ge enſchrij⸗ 
ten hervorgeruſen. F.s « Dentichriften» über Gol⸗ 


en 


Fallopia — Fall-River 


gatba und das Heilige Grab (1852) und über 
das Tote Meer (1853) wurden aus den «Abhand⸗ 
tungen» der Münchener Alademie bejonders ab: 
— Die nach F.s Tode von Thomas beſorgte 

usgabe feiner «Geſammelten Werte» (3 Bde., 
xz. 1861) enthält außer den «Neuen Fragmenten 
aus dem Drient» auch kulturbiftor. Auffäge ſowie 
fitterar. Kritiken, 

Fallopia over Falloppia, Gabriel, Anatom, 

b. 1523 in Modena, ftudierte in Padua unter 

alius und wurde in jeiner Vaterſtadt Kanoni⸗ 
tus. Er machte Reijen nach Frankreich und Griechen» 
land und betleidete nadheinander die Profeſſur der 
Anatomie Rn Ferrara, Piſa und Papua, wo er 
aud die Aufficht über den botan. Garten hatte. 
. itarb 9. Ott. 1562. Die Anatomie bereicherte 
er mit ——— und wichtigen Entdeckungen, und 
einige Teile des menſchlichen Korpers, wie der Fal⸗ 
loviſche Gang (canalis Fallopii), die Eileiter 
orer Fallopiſchen Muttertrompeten (tubae 
Fallopii) u. a., wurden nad ibm benannt. Seine 
«Üpera genuina omnia» erjcienen zu Venedig 
(3 Bpe., 1606) und zu Frankfurt (1600), 

Falloug (for. -lub), Alfred Frederic Pierre, 
Eomte de, franz. Schriftfteller und Bolititer, geb. 
7. Mai 1811 zu Angers aus einer Familie, die 
unter der Reftauration geadelt, 1830 für königs⸗ 
treue Gefinnung in den Örafenitand erhoben wurde, 
machte fich zuerit durch — erte konſervativ⸗ultra⸗ 
montaner Richtung bekannt, nämlich «Louis XVI» 
(Bar. 1840; 6. Aufl. 1860) und die «Histoire de 
Pie V» (2 Bbe., ebd. 1844; 3. Aufl. 1859). _1846 
wurde er vom Depart. Maine⸗et⸗Loire in die Depu: 
tiertenlammer gewählt, wo er ſich zur Oppofi: 
tion der Rechten bielt und die Freiheit des Unter: 
richts eifrig verteidigte. Nach der Februarrevolu⸗ 
tion von 1848 gebörte F. zu den erften, die im 
Interefle der Kirche die aus dem Aufftande ber: 
vorgegangene Staatögemalt anertannten. Nach der 
Wabl Ludwig Napoleons zum Präfidenten wurde 
er ind Minifterium des öffentliben Unterrichts be: 
rufen, in welcher Stellung er feine zehnmonatige 
Amtsfuhrung mit der Ausarbeitung eines organi: 
ſchen Geſetzentwurfs über das Schulmefen bezeidh: 
nete, der zwar unter feinem Nacfolger zur 
Durbfübrung gelangte, aber den Namen feines 
Urbebers bebielt und dem tath. Klerus einen über: 
wiegenden Einfluß auf die Schule ficherte. Beim 
Herannaben des Staatäftreihs trennte ſich jedoch 
F. von der Bolitit Ludwig Napoleons gänzlich und 
zog fi nad) dem 2. Der. 1851 auf feine Güter in 
Anjou zurüd, wo er fib fortan mit Landwirtſchaft 
beiäftigte. Am 26. März 1857 wurde er in die 
Franzöfiihe Akademie aufgenommen. 1871 lehnte 
er zwar ab, in die Nationalverfammlung zu treten, 
beteiligte fich aber eifrig an den Verſuchen, eine Ber: 
jöb zwiſchen dem Grafen von Chambord und 
den ans zu ftande zu bringen. Dies führte zu 
völigem Bruch zwiſchen ihm und jeiner Partei, be: 
fonders nachdem er ſich jür das Septennat und die 

erung der Gemwalten Mac: Nahons erklärt 

batte (Cent. 1873). Seitdem bielt fib F. von der 
Bolitit gänzlich fern. Er ftarb 6. Jan. 1886 zu 

Angers. Bon feinen Schriften find zu erwäbnen: 
«Le parti catholique, ce qu’il a &t&, ce qu’il est 
deyenu» (Bar. 1856), «Souvenirs de charite» (ebd. 
157 u. d8.), «Madame Swetchine, sa vie et ses 
"ırres» (2 Boe., ebd. 1860 u. d.; deutſch Regensb. 


Ixg0), «La question italienne» (1860), «Dix ans | Neuvorf, Newport und 


435 


d’agriculture» (1863), «La convention du 15 sep- 
tembre» (1864), «Itineraire de Turin à Rome» 
(1864), «Questions monarchiques, lettres à M. Lau- 
rentie» (1873), «Augustin Cochin» (1874 u.d.); fer 
ner veröffentlichte er eine Sammlung von «Lettres 
de M"* Swetchine» (2 Bde., 1862; 5. Aufl., 3 Bde., 
1881) und « Nouvelles lettres de M”* Swetchine» 
(1875). Seine Dentwürbdigleiten erſchienen u. d. T. 
«Mö&moires d’un royaliste» (2 Bbe., Bar. 1887). — 
Val. Du Sauſſois, Le comte de F. (Bar. 1886); 
Veuillot, LecomtedeF.etsesmömoires (ebd. 1888). 
re f. Fall. 
allrecht (lat. Jus recadentiae oder revolutio- 
nis), der früber befonders inSchwaben und Franten, 
außerdem aber auch inndrblichern Gegenden geltende 
Rechtsſatz, wonad der Nachlaß eines ohne lekt: 
willige Verfügung und ohne Abtömmlinge Ber: 
—— in der Weiſe zu teilen iſt, daß die von der 
aterſeite auf ihn gelommenen Vermoͤgensbeſtand⸗ 
teile den Verwandten von dieſer Seite, die von 
der Mutterſeite auf ihn gekommenen Vermogens⸗ 
beſtandteile den Verwandien von der letztern Seite 
zufallen (paterna paternis, materna maternis). Der 
Rechtsſaß bezieht fich in der Regel nur auf vererbte 
Grundjtüde (Erbgüter, Stammgüter); zumeilen 
wird auch erfordert, daß Vorfahren (Aicendenten) 
nicht berufen find. Der Sap wird bier ausgedrüdt: 
«Erbgut gebt wieder den ‚ den es gelommen.» 
Im weitern Sinne macht noch der Code eivil (Art, 
733, 753, 755) von dem Satze Gebrauch. Dana 
wird, fofern —— des Erblaſſers nicht vor⸗ 
handen ſind und alſo Vorfahren oder Seitenver⸗ 
wandte zur geſetzlichen Erbfolge gelangen, der Nach⸗ 
laß in zwei gleiche Zeile geteilt; der eine fällt an die 
väterliche Seite, der andere an die mütterliche Seite. 
Fallreep, —— eine aus Tauwerl Neep) 
hergeſtellte Leiter, welche man an der Schiffsſeite 
binabfallen ließ, um aus einem Boote an Bord 
Hettern zu können. Sept ift das Wort jedoch auf 
die Öffnung in der Verſchanzung übertragen, durch 
die man die Fallreepstreppe Eeraulagtene, das Ded 
eines Schiffs betritt und welche ſich gemöbnlich in der 
Mitte des Schiffs befindet. F. geben iſt eine Ehren: 
begeigung auf Kriegsſchiffen, welche darin beitebt, 
daß Matrofen als Fallreepsgaften am F. an: 
treten und der Bootsmann oder Bootdmanndmaat 
h2 Beil! (mit der Trillerpfeife). Alle Difiziere und 
im Offiziersrang ftebenden onen, auch Ronjuln, 
erhalten 2 Fallreepsgajten, wenn fie Stabsoffizierd: 
Hr, baben 4, und die Admirale 6. Wenn Fürſt— 
lichleiten an Bord fommen, fteben 4 Seetabdetten F., 
wenn der Raijer an Bord kommt, 4 Unterleutnant? 
ur See. Der wahbabende Dffizier, und bei höherm 
eſuch auc der erſte Offizier und Kommandant, 
empjangen am %. Der urfprünglibe Sinn ber 
Fallreepsgajten ift der, bei ſchlechtem Wetter die aus 
demanlegenden Boote Ausiteigenden zu unterjtügen. 
Fall:River (Ipr. fahl rimm’r), Stadt im County 
Briſtol des nordamerit. Staates Mafjahufetts, an 
einem Arme der Narraganfettbai, auf dem öftl. 
Ufer des Taunton: River, hat (1900) 104863 €. 
(gegen 1880: 48961), einen fihern, den größten 
Seeſchiffen zugänglichen Hafen. F. befikt die ent⸗ 
wideltite Baummollmaren:, namentlich Drucklattun⸗ 
inbuftrie in den Bereinigten Staaten (42 große 
Etabliſſements mit 1897: 2, Mill. Spindeln). 
Eiſenbahnen geben nad Newport, New: Bedford 
Taunton und Propvidence, Dampfer täglib na 
Vrovidence. 3. bat gute’ 
28” 


436 
Schulen, darunter die Durjee Higb:School, und eine 
öffentlihe Bibliothel. Urfprünglid ein Teil von 
Freetown, wurbe 5. 1808 als bejonderer Ort infor: 
poriert und erbielt 1854 als Stadt ibren Freibrief. 
wi e, be * Feldmaß, ſ. Faltſch. 
allſcheibe, 
allihirm, eine Vorrichtung, die dazu dient, 
vom Luftballon auf die Erbe Vinabyulafen. & 

at die nn. eines ——* der gegen das 
Umklappen ſichert iſt. Da ſeine Flache ſehr groß 
ir und ber tand ber Yuft mindeftens mit dem 

uadrat der Geſchwindigleit wächſt, jo wird bie 
- Abmwärtsbewegung bald eine gleihjörmigejein. Ein 
Körper von 100 kg würde mittel 5. von 20 qm 
Dane etwa mit 6,3 m Geſchwindigl t finfen; dies 

eine Geihmwindigfeit, die ein Körper erreicht, wenn 
er obne Luftwi tand aus einer Höhe von nur 
2m frei berabgefallen wäre. fiberhaupt ift dieſe 
zum Vergleich —— allhöhe dem Ge 
wicht des Körpers birelt, der Fläche des F. um: 
elehrt proportional. Der erfte Gedante eines F. 
man gleich vielen andern flugtechniſchen Ideen 
von Leonardo da Binci 1514; ausgeführt wurde 
er zuerſt von Lenormand 1788; erprobt erjt 1797 
von Jacques Garnerin i in Barig, der fi aus einer 
Höhe von 1000 m mit einem 5. von 7,s m Durch⸗ 
meſſer fallen ließ. Mit einem F., der zur Ber: 
meibung bes jtarlen Pendelns die Geftlt eines 
umgefebrten Regelitumpies batte, verunglüdte ver 
Engländer Eoding 1836 durch Sturz in die See; 
ebenjo verunglüdten 1889 Lerour bei Riga und van 
Taſſel auf Honolulu und 1892 die Luftſchifferin Frau 
Großmann in Weißenſee bei Berlin. — F. wird 
auch eine Anordnung von Schirmteilen genannt, 
die einen Luftballon ringförmig am Aquator um: 
geben und ven Zmwed haben, ven Fall des Ballons 
zu mildern, Er wird jept nur noch jebr jelten an- 
gewendet, da im allgemeinen aus den oben berübr: 
ten Gründen des Luftwiderſtandes jeder unverjebrte 
Ballon jhon von jelber bald eine ziemlih mäßige 
rößte Fallgeſchwindiglkeit erreicht. Auch die oben 
eſchriebenen ſelbſtandigen, zum Abjpringen ein ri 

—5* F. dienen heute faſt ausſchließlich zur 
friedigung der Schauluſt. — Über F. in der Bis 
logie ſ. Flughaut; F. bei Ralteten ſ. d. 

alli irmbombe, |. Gejcoh. 

allſchwert, f. Guillotine, 

allfucht, i. Ber fie. 

allthor, eine Art Las Burgtbor, |. Burg 
und Tafel: Burgen! 

Falltiere, ſolche Tiere (befonvers Käfer), welche 
die Gemohnbeit haben, * bei Herannahen einer 
an. von ibrem jeweiligen Aufentbaltsorte, na- 
mentlih von Buſchen und Kräutern, auf den Boden 
allen zu laſſen, wo fie ſich, ſei es dur ihre ſchüßende 

ürbung oder durch Flucht den feindlichen Bliden 
eicht entziehen können, 

Füllung, Nieverfhlagung ober Präcipi— 
tation, in der Chemie und in der Technik ders 
jenige Vorgang, dur den in einer Flüffigkeit 
ein unlösliher, darin zu Boden finfenver jeiter 
Körver —— Präcipitat) abgeſchie— 
den wird. In den meiſten Fällen wird vie $, ver: 
anlaft dur Sufah eined andern Stoff3, den man 
alsdann das Fällungsmittel nennt und ber 
eine Fluſſigleit, ein Gas oder ein feiter Körper jein 
kann; jo wird durch Zujag von Schwefelfäure aus 
einer Chlorbaryumlöfung, ſchwefelſaurer Baryt ge 
fällt, in Kalkwaſſer geleitete Koblenjäure bewirkt 


Fallſche — 


Fallwerk 
die F. von —— Kalt, ein Stüd 
— erlöfung einen —— * 
metalliſchem Silber. einigen K t 
Zufuhr von Wärme, um .. Niederihlag ent 
fteben zu la aan: jo trübt jih Kallwaſſer beim Ro: 
hen, da Kallhydrat in heißem Wafler u 
in altem * ift; eine Loſung von Mon 
Bl I giebt beim Kochen einen Ri Henker 
ricalciumſaccharat. Ferner werden bei 
pern Niederſchläge durch Zuſatz von Waſſer 
gr: IY giebt eine wäfjerig jalzjaure 
ntimondlorür beim Verdunnen mit Waller e 
weißen Nieverfhlag von Antimonoxychlorur. a 
Niederichläge, meift neugebildete Verbi aus 
— — ni Flüfligleit und des ung®: 
mittels, find mebr oder weniger ch Gel No an 
arbe und du — fien od 
itallinif ar ); einige von i 
orhandenjein beitimmter Stoffe zu 
es berubt die Wirkung der meijten Sm. — 
tien (f. d.) auf (en Bra, Dur von —— Pa. 


wieder auf a man einen fib 

lungsmittela oder eine beftimmte 33 

Den eleltrolytiſchen Proze 

Kupfer, Silber, Nidel ifen ir w., —— 


gufeht. Hierdurch gewähren fie die Mo 


niebergeihlagen werben, nennt man 

fiber das ällungsverfabren in ber hen 

tion ſ. Melajjenentzuderung. Die Bereitung vieler 

Mineralfarben (3. . Berliner Blau, —— 

fommt auf eine . binaus. — Die 7 

et 8 von der Fluſſigleit — —* 

— d.) oder durch Delantieren ( 
Fallwerf, ein Fallbammer (f. d.), — 

gewicht durch Menſchenkraft x en wird. 

den hauptſächlich zum Stangen, Preſſen ober —* 

angewendet und dann meiſt in der durch 

und 2 in Seiten: und Vorderanſicht d elien 





Form 26 k ift der Klotz oder Samen, der 
in den Leitihienen a geführt wird Mittels tes 
über die Rolle r laufenden Seils d wird der Hams 
* ehoben und ſodann zu der gewuͤnſch⸗ 
tärfe des Schlags aus —— Höbe fallen 
gan en. Der Hammer k tigt an an jeinem untern 
den Stempel s,. Die demjelben entfpredyende 


Fallwild — 


—* s ruht, von vier Schrauben b gehalten, auf 
dem Amboß A, der auf einem Fundament auffist, 
das ftark genug jein muß, um die durch die Schläge 
bervorgerufene —— in ſich aufzunehmen. 
Ein am Ende des Seils angebrachter Steigbügel ges 
kattet dem neben dem F, ſihenden Arbeiter, ven 
Hammer mit dem 534 heben. 

Fallwild, das Wild, das durch Krankheiten, 
Hunger, Kälte u. f. w. zu Grunde gegangen ift. 
Dasselbe unterliegt dem Jagdrecht desjenigen, We 
deilen Jagdgebiet eö gefunden wird. Wilddiebſtah 
(6. d.) liegt nur dann nidt vor, wenn 3. B. durch 
Verweſung eine den Begriff eines jagbbaren Tieres 
aufhebende Zerftörung eingetreten war, als es von 
dem, welcher auf ** ebiet zu jagen nicht be⸗ 
rechtigt war, occupiert wurde. 

allwiud, ſ. Fallbd. 
Ozeit, |. Fall. 
allzünder, aub Aufihlagzünder ober 
9 eimouth Nor, fällmöch), Barlamentsb 
mout . fällmötb), ment3boroug 
und ala an der Sübfüfte der eng 
eng a rn weitlihb am Cingange des 
tief ins Land eindringenden Falmouthhafens (Fal- 
mouth Harbour), in deſſen Hintergrunde bei Truro 
das Flußchen Fal mündet, bat (1901) 11773 €, 
einen geſchützten Hafen, deſſen Eingang die Feftung 
ennis:Gajtle ſchutzt, und ift Standort mebrerer 
riegsſchiffe jowie beliebter Badeort. Im 18. Jahrh. 
Ausgangspuntt der Schiffahrt nad Amerika und 
den Mittelmeerländern, ilt die Stadt ald Handels: 
ylag jeßt unbedeutend. Kupfer, Zinn, Wollmaren 


und Fiſche (Pilchards) werben ausgeführt. Wichtig | Ta 


ift die Ausrüftung und Verproviantierung fremder 
Schiffe, die bier anlaufen. Die eigene flotte zäblt 
(1899) 125 Fahrzeuge. F. ift Sig eines deutichen 
Vicelonfuld. — Penvennis » Caftle und das Fort 
Mames find von Heinrich VIIL angelegt. 
Falmouth (ipr. —— Stadt an der Nord⸗ 
tuſte der brit. Inſel Jamaila, bat (1891) 2517 E., 
einen Hafen mit Depots und Marinebofpital. 
Falret (ipr. -räb), Jean Bierre, en Irren⸗ 
arzt, geb. 1794 zu Marcillac im Depart. Lot, tu: 


dierte in Paris und gründete 1822 mit Boifin eine | 2 


——————— zu Vanves bei Paris, welche 
ſowohl ihrer baulichen Einrichtung als auch der 
Kranlenbehandlung wegen großen Ruf erlangte. 
F. ftarb 28. Dit. 1870 zu Marcillac, fchrieb: 
«De l’hypocondrie et du suicide» (Par. 1822; 
deutſch Lpz. 1822), «Inductions tirdes de l’ouver- 
ture des corps des aliönes» (Bar. 1826). 

Falsa oausa (lat.), irrtümliher Beweggrund. 
Bei Rechtsgeſchäften unter Lebenden iſt der irr: 
tumliche Bemwegarund, welcher den Urheber des 
Rechtsgeſchäfts oder, bei einem Bertrage, beide 
— zum Abſchluß beſtimmt hat, nach allen 

ten in der Regel ohne jede rechtliche Bedeu: 
* Ber Roggen kauft, weil er irrtümlich glaubt, 
in Ausland, England und Amerika ftänden die Saas 
ten ſchlecht und die Preiſe würden fteigen, thut dies 
auf jeine Gefahr. Die Sache liegt ander, wenn 
fi der Irrtum (f. d.) auf wejentlihe Momente des 
Geihäfts eritredt; anders, wenn beide Teile aus: 
drüdlic oder ftillfchweigend das Gejhäft von einem 
Umftand abhängig gemacht haben, ‚ melden 
fie feine genaue Kenntnis haben, zumal einem zu: 
fünftigen. Das war anzunehmen bei vielen Ge 
ihäften über Spiritus, melde vor dem 1. Dit. 
187 in Sraft getretenen Branntweinfteuergejege 


Falſcheid 437 


in dem Glauben —— ——— der damaligen 
Branntweinſteuer abgeſchloſſen waren. L. Bolʒe, 
—— des Reichsgerichts in Civilſachen, VII, 566.) 
nders auch, wenn der Irrtum einer Partei von der 
andern betrügerifch hervorgerufen oder benußt ift 
(f. Betrug); ferner nad pofitivem Recht bei der Ge⸗ 
mwäbrleiftung (f. d.) für Mängel; bei ver Rüdforbe- 
rung einer Leiſtung, welche der Kläger in dem Blau: 
ben gemadt hat, er ſchulde diefelbe — condictio in- 
debiti(j. Bereicherung und Bereiherungsflage). An: 
ders ferner bei einem Bergleih, infofern Parteien 
das Nichtvorbandenfein eines Umftandes voraus- 
eſezt haben, welcher den Streit oder die Ungemwiß: 
bei ausgeſchloſſen haben würde (Deutiches Bürgerl. 
ejehb. 8. 779). dlich ift dem irrtümlihen Be: 
weggrund die Wirkung der Nichtigkeit oder Anfecht⸗ 
barteit bei legtwilligen Verfügungen dann einar: 
räumt, wenn anzunehmen ift, der Erblafler würde, 
wenn er feinen Irrtum gelannt hätte, die Verfügung 
nicht getroffen haben (Bfterr. Bürgerl. Gelehb. 
8. 572; Deutiches Bürgerl. Geſetzb. $. 2078). 
Falsa demonstratio non nooet (lat.), 
Rechtsregel: eine falſche Bezeihnung (3. B. des 
Namens einer Perſon, der Hausnummer oder ber 
Lage eines Grund ds) ift nicht nachteilig, d. b. 


dann nicht, wenn der wirkliche Wille des ren: 
den bei dem rechtlichen Alte ertennbar ift. 
Falsarlus (lat.), Falfär, Fäljcher von Urkun 
den; Falfation, Falſchung. 
fche Atazie, ſ. Robinia. [falfhe. 
alſche Anl 


Huldigung, ſ. Anihuldigung, 
aliche Bai (engl. Falſe Bay), pe 
elberges an der Süpjpige Afrikas gelegene halb: 
freisförmige Bucht (f. den Karton zur Karte: Kap: 
ftadt und Umgebung), zwilhen Kap der Guten 
Hoffnung im W. und Kap Hanglip im D., mit fteiler, 
81 km langer Hüfte, Sie befist einen vorzüglichen 
Hafen in dem mit Kapſtadt durch Bahn verbundenen 
Simonstomn (f. d.), der einzigen Sciffsftation 
ber brit. Marine in Süpafrifa, und beveutenden 
Fiſchfang (au —3 — Kalt Bay Station 
und Somerjet Weit find befuchte Seebäder. Die 
Romantllippen in der Simondbai tragen einen 
euchtturm. 
alſche Bränne, ſ. Rebltopf (Rebllopflatarrh). 
e Bunt f. Mole (mediz.). 
alicheid. Die Arten des F. find nad dem Deut: 
ſchen Strafgeſetzbuch se 154— 163): 1) Meineid 
(«mein», mittelhochdeutſch ſoviel wie falſch), d. i. 
wiſſentliches Falſchſchwübren, und zwar entweder 
eined Barteieneides oder eined Zeugen: oder Gut: 
achtereides. Dan erſten Falle muß der Eid —5* 
ben, zurüdgeichoben over auferlegt fein (f. Eid); ein 
von den Parteien vergleichsweiſe vereinbarter (fog. 
Kompromißeid) gehört nicht hierher. Im zweiten 
—* lann auch das abſichtliche Verſchweigen einer 
atſache ſelbſt dann, wenn der Zeuge den Umſtand 
t unerheblich hielt, wenigſtens in dem Falle ſtraf⸗ 
ar ſein, wenn er danach beſonders befragt wurde. 
Im übrigen kommt es darauf, ob die Zeugen⸗ 
ausſage in ae nfen oder unmefentlihen Bunt: 
ten von der Wahrbeit abweicht, niht an. In 
beiden Fällen ift die Strafe Zuchthaus bis zu 
10 Jahren, Berluft der — ichen Ehrenrechte 
und dauernde Unfäbigteit, als Zeuge oder Sad: 
verftändiger eiblih vernommen zu werden. Zucht: 
baus nicht unter 3 Jahren tritt ein, wenn das ug: 
nis oder Gutachten in einer Straffahe zum s 
teile einedö Angeſchuldigten abgegeben und diejer 


438 


u. Tode, zu Zuchthaus oder zu einer andern mebr 
als 5 Jahre betragenven Freibeitäftrafe verurteilt 

iſt. Dagegen tritt Strafermäßigung ein, wenn die 
Angabe der Wahrheit Strafverfolgung wegen Ber: 
brechens oder Vergehens nad ſich eh konnte, 
Es wenn geihworen ift zu Gunſten von naben 

Ungebörigen ohne vorherige —— des Rechts 
der Zeugnisverweigerung und endlich im Falle recht⸗ 
eitigen Widerrufs. Der Ableiſtung eines Eides 
hebt gleich die Berufung auf einen frübern und der 
generelle Sadverjtändigeneid, ſowie die Beteue— 
von formel, die peieslih einigen Religionsgeſell⸗ 

aften geftattet i iſt. 2) Die wiſſentlich falſche Ver: 
Sau an Cidesitatt vor der zuftändigen Bebörbe. 
Strafe: Gefängnis von 1 Monat bis zu 3 Jahren 
und die oben erwähnten Nebenftrafen. Hierber ge 
bört z. B. die falſche eidesftattliche VBerfiherung vor 
der preuß. Steuer-Nellamationstommiffion und die 
ur Glaubhaftmachung eines Arreftgefuhes im 

ivilprozeß abgegebene. 3) Die verfuchte Verlei: 

tung zum Dleineid ae: uchthaus bis zu 5 Jah⸗ 
ren) und zur wiſſentlichen Angabe einer falſchen 
Berfiherung an Eivdesftatt (Strafe: Gefängnis bis 
zu einem Jabre); zu unterſcheiden von der, gleich 

dem Meineide zu beitrafenden, Anitiftung, bei wel: 
ee die Ableiftung des Meineids vorausgefept iſt. 
4) Die | eines andern zur Ableiftung eines 
falſchen Eides (Strafe bis zu 2 N ren mit fakul: 
tativem Ehrverluſt, ober bis onaten, wenn 
ur Ableiftung einer falſchen Verfiherung an ‚Eides: 
han verleitet wurde). Dies ift der bem diterr. Rechte 
unbefannte Fall, wo der Berleitete in der Meinung, 
die Wahrheit zu jagen, in Wirklichkeit die Unwabhr: 
beit beihwört, während der Perleiter weiß, daß 
falſch geihworen wird. 5) Der fabrläffige $. (Strafe: 
Gefängnis bis zu 1 Jahre; Straflofigteit bei recht⸗ 
geiti g- Widerruf). (S. Eidesbruch. 9* Iſt in einem 
Civil⸗ oder Strafprozeß ein F. geleiſtet ee fo 
lann das den Grund für eine Wiederaufnahme f. d.) 
des Verfahrens darbieten. 

licher Baf, ſ. Falso bordone. 

alſcher Demetrius, ſ. Demetrius (Groß: 
füriten von Rußland). 

ade —— EEE 

N, transverjale Sdie: 

ferung, eine —* east erzeugte Art der 
Schieferung, die darin beitebt, daß die Scyieferigteit 







des Geſteins, und zwar namentlich der Thonſchiefer, 
nit der Schichtung parallel läuft, fondern legtere 
quer durchſchneidet. In vorftebender Abbildung ift 
die F. ©. bei a, die normale Schieferung bei b er: 
— Sie ii oft jo volllommen ausgebildet, daß 
fie bie *8 Dar mas und hear ine 
gänzlich verwiſcht. — Regelmaßigleit 
und — An fie ich oft durch ganze Berg: 

Die durch bejonders regelmäßige 
he ‚Sehnen benden dünnen Platten liefern die Dach⸗ 
ee d.), wäbrend durch zwei fich kreuzende 

re vſteme Örifelicten 
ſches Johannisbrot, |. Cercis. 


* er erzeugt werden. 
„ge ſches Stimmbaud, bäutiges Gebilde, |. 
ltopf nebit Tafel, Fig. 5,7. 


Falſcher Baß — Yäljhung 


ren Denn Beim Abſchließen von 
Verträgen und im Civilprozeß iſt die Bartei der 
andern Partei gegenüber zu einem anjtändigen, 
der Wahrheit entiprehenden Berbalten in ibren 
Behauptungen verbunden. Ein davon abweichen: 
des Verhalten kann verantwortlib madhen. Wer 
fih dem gegenüber, wel — den Beſiß einer ihm ae 
börigen Sache verloren fäliblih für den Ye 
jiger der Sache ausgiebt, aan dem getäujchten 
Eigentümer nad Dfterr. Vürgerl. Geſetzb. 8. 377 auf 
das Intereſſe. Diejed kann darin beitehen, daß der 
Bellagte au den Werterfa verurteilt wird, ala ob 
er bejäße. feinem IR; ontrabenten voripiexelt, 
er könne ſich dur Verträge verpflihten, obwohl 
das nicht, oder bezüglich des beabjichtigten Vertrags 
nicht der all ift, kann, wenn er für ein &ulden 
beiden Bien. 9 ift, auf Scabdeneriag belangı 
werben (Öjterr. Bürgerl. Geieub. $. 866). Wo es 
—ER poſitiven Beſtimmungen fehlt, wie im 
tſchen Burgerl. Geſezbuch, tommen die allge 
meinen Beitimmungen über Arglift (f. d.) und 
(f. d.) zur Anwendung. 
Fr alihe Waflerfucht, f. Sadwaflerfuct. 
alf erei, ſ. Münzfälibung. 
alichuchflügler(Pseudoneuroptera), eine aus 
den Unterorbnungen der Amphibiotica und Cor- 
rodentia gebildete Gruppe ber —— (1. 2.). 
landen, f. —— 
lſchung (lat. Falsum), die zu betrügeriichen 
Zwecken vorgenommene achbildung oder Ber: 
änderung eines Gegenitandes. Die hauptſachlichſten 
Fälle ftrafbarer F. find die Nünzfälihung (i. d.), 
die Urtundenfälihung (f. d.) und die Wehielfäl- 
hung f.d.). Die civilrehtlihen Folgen einer 
. ftellen ſich dabin, daß nur derjenige aus einer 
rtunde haftet, weicher eine verpflichtende Urtunde 
auögeftellt (unterzeichnet) ba’, und nur diejenige 
Verfügung gilt, melde in eines echten Urkunde vor: 
genommen it. — Ein weites und von jeher, auch beut: 
Butoge nod, ſtart benugtes Feld für F. bietet die 
itteratur,. Im griedh. Altertum wurbe auf Die 
fem Gebiete die Luft am Fälſchen hauptſachlich 
bervorgerufen durch den Wetteifer der ägypt. und 
der pergameniſchen Könige, ihre —— zen 
möglichit viel —— zu bereichern. D 
Beſtreben verbanten ;. —— Briefe = 
rübmter Männer ibren Ur —* Nicht immer 
war Gewinnſucht dad Motiv; auch bie 
Religion jpielt eine Rolle, 3. v. bei den 
og. Sibylliniſchen Drateln und ſchon 


et n früberer Zeit bei den «Schriften» des 


.T Mofterienfängerd Orpheus und äbı: 


a lihen Werten, in Rom bei den «beiligen 


Büchern» des Königs Numa Bompilius, 
fpäter in der Korreipondenz zwiſchen dem Pbilo- 
ſophen Seneca und dem Apojtel Paulus. Das groß- 
artigfte Beifpiel einer aus pfeudoreligiöfen, in 
Wahrheit ſeht materiellen Motiven hervotgegange 
nen F. iſt die (von feinem Kritiler mebr anerlannte 
Urkunde, durch welce Kaifer Konjtantin dem päpitl. 
Stuble die Provincia Romana famt den Inſeln Cor: 
fica und Sardinien geſchenkt haben joll. (S. Douatie 
Constantini,) Es ift nicht immer leicht zu entf beiden, 
ob die wirtliche Abſicht zu täufchen odernur eine bloße 
—8 rhetoriſche Übung vorliegt, z. B. in dem 

ampblet des Salluft a Cicero und der Ant: 
wort Ciceros auf Dasfe e, in der Anllageichriit 
gegen Milo, dem Seitenitüd zu Eiceros berühmter 
erteidigungsrede, in den dem Horaz ſchon früb- 


Falſchwerbung — Falſet 


zeitig zugeſchriebenen Elegien, in den ſog. Anakreon⸗ 
tea, d. h. Tandeleien in Anakreons Manier, in eins 
jelnen der jog. Heroidenbriefe des Ovidius. Kaum 
ju bezweifeln ift die Abficht des Fälfchens in dem 
Lehrgedicht des Pjeudo-Photylides, in den Elegien 
und —— des ſog. Cornelius Gallus, in 
den «Supplementen» bed Petronius aus einem 
Belgraber Coder, in dem «Guriofum» des P. Victor 
Feſtus Rufus) und in zahlreichen Eitaten des My⸗ 
tbograpben Fulgentius Planciades. 

In dieſer Beziebung haben aud die fog. Huma⸗ 
aiften manches auf dem Gewiſſen. Sigonius hat die 
verloren gegangene Schrift Ciceros «De consola- 
one» mwiederbergejtellt, d. b. in prächtigem Latein 
und echt ciceronianifchem Geifte verfaßt. Wollte er 
jeine Zeitgenofjen und die Nachwelt betrügen oder 
ift nicht vielmehr bei ihm wie bei mandem dieſer 
begeifterten Wiederherſteller des Altertums bloße 
naive Nahahmungsluft anzunehmen? Ein anderer 
Humanift wagte jih an die (teilmeife) Keftitution 
bes altröm. Reichsanzeigers» («Acta diurna po- 
puli Romani»); ein dritter «fand», d. b. erfand zahl: 
reiche neue Fragmente eines längft verlorenen Dich: 
ters (bed Ennius); ein vierter, Pirro Ligorrio, hat 
unter jeinen nicht weniger ald 40 Bänden Manu⸗ 
ſtript ein Inſchriftenmaterial jondergleichen hinter: 
lafien, deſſen Driginalien niemand gejeben bat; 
ebenjowenig bat jemand die alten verjchollenen 
Schriftfteller griech. und lat. Zunge, welche der Viter: 
benfer Giovanni Nanni in jein aufgenommen 
bat, zu Geſicht befommen. Biel feiner, aber um 
nichts glaubwürbiger, bat der elegante Bomponio 
Leto, wo es ihm gerade paßte, falſche Inſchriften 
und Brudjtüde in jein Werk verwoben. Aus dem 
17. Jahrh. find mebr als nur verdächtig verfchiedene 
Beröfjentlihungen des Philologen Kafp. Barth 
(4. B. fein Vestricius Spurinna). Im 18. dh. 
bat der Abbe und Akademiker Fourmont feine In— 
ſchriftenſammlung mafjenbaft gefälicht, und in neue: 
ter Seit bat der —— Franz Lenormant durch 
Inf riftenfälihung feinem Andenken ein Brand: 
mal aufgebrüdt. 

Eine der großartigften F. im 19. Jahrh. war die 
Bagenjelds aus Bremen, der das Wert des alt: 
pböniz. Hiftoriferd Sanduniatbon (f. d.) in griech. 
Üiberjegung berausgab. Einer der größten Be: 
rufsfälicher der neueften Zeit war der Grieche Si- 
monides. Gleichzeitig mit ihm wirkte auf diefem 
Gebiete fein Landsmann Minas Minoides. Aber 
das 19. Jahrh. erlebte auch noch andere litterarifche 
5. als ſolche, die auf dem altllaffifchen Boden fpie- 

n; jo, um nur einiges zu nennen, die angeblichen 
Briefe der Königin Marie Antoinette, die Schiller: 
briefe (ein aus Gewinnjudt unternommenes Fabri: 
tat des Graveurs Gerftenberg), fo der großartige Be: 
— (mit angeblichen maſſenhaften Autographen von 

ilei und deſſen Opfer der franz. Mathe⸗ 
matiter und Alademiler M. Chasles geworden ift. 

Auch auf dem Gebiete der Run ft find ſchon früh: 
jeitig F. zu verzeichnen. So ließ Michelangelo einen 
von ibm felber verfertigten marmornen Eros ala 
antifen Urſprungs «ausgraben». Zu erwähnen find 
ferner die gefäljchten Sammlungen des Mufeums 
Ehiellini in Livorno, die Ebermayerfche Gemmen: 
jammlung in Nürnberg (melde nur Sabritate Dorſch 

enthält ; auptjälfcher in diefem Genre waren Pic: 
ler und Natter) und die Daftyliothel des Fürften 
Stanislaus Poniatowſty. In Rheinzabern beitand 
tineföormliche Antiquitätenfabrit; ähnliche Anftalten 


439 
eriftieren ferner in ÜAgypten, in Teheran (Specia⸗ 


htät find € —— in Smyrna, Athen, 
—* Paris, Neapel und auf Cypern. Eine der 
en 


F., was Ma ——— des Materials 
etri — 19. Jahrh. (zu Anfang der ſiebziger 

abre) in den «Moabitiihen Altertümern» l. b, 
jest im Berliner Mujeum) erlebt. 

Am bedeutenditen war, und ift heute noch, der 
Betrieb der F. beiden Münzen (f. Numismatit), 
mo neuern Fäljchern bie —— in der Galvano⸗ 
plaſtik mä tigen Vorſchub leiiten. (S. auch Anti⸗ 
quitätenhandel.) — Bol. Eudel, Le truquage (Bar. 
1884; deutih von B. Bucher u. d. T. Die Sülicher. 
fünfte, 2pz. 1886); Furtwängler, Neuere F. von 
Antiten (Lpz. 1899); Thudihum, Kirchliche F. 
(6 Bde., Berl. 1898—1900). 

Über F. von Nabrungsmitteln ſ. Berfäl- 


fhungen. 

Falſchwerbung, das in $. 141 des Deutichen 
—— bedrohte Vergehen deſſen, der 
einen Deutſchen zum Militärdienſt einer ausländi⸗ 
ſchen Macht anwirbt oder den Werbern der letztern 
zuführt; nach Oſterr. Strafgeſeßb. 8. 92 das Ver: 

ehen deſſen, der ohne beſondere illigung der 

tegierung für andere als kaiſerlich öfterr. Kriegs: 
dienfte wirbt. Strafe nad deutſchem og e⸗ 
fängnis von 3 Monaten bis zu 3 Jahren. Verſuch 
—— nach öſterr. Recht wird nach den hierüber 

eſtehenden beſondern Vorſchriften beſtraft. Wäb: 
rend eines Krieges begangen wird die F. als Kriegs: 
verrat (f. d.) beitraft. 

Be e Bay (ipr. fahli’ beb), ſ. Falſche Bat. 

fen, Enevold de, norweg. Staatsmann und 
Dramatiker, geb. 17. Dit. 1755 in Kopenhagen, 
wurde 1789 Oberrichter im Amt Norbland, 1791 
Mitglied des dän. höchſten Gerichts, 1807 Mitglied 
der proviforifchen Regierungstommiffion. Bon ven 
Unglüdsfällen, die jein Vaterland betrafen, tief 
eriknttert, nahm er ſich 16. Nov. 1808 das Leben. 
Als Dramatiler zeichnete ſich F. aus durch die Luft 
fpiele «Dragedutten» (1797), «De fnurrige Fottere⸗ 
und «funftbommeren». 1808 gab er die Zeitun 
«Bupftiften» heraus, Cine Sammlung feiner Schrif⸗ 
ten erſchien 1821 in zwei Bänden. 
alfen, Kriftian Magnus, Po. Juriſt und 
olititer, Sohn des vorigen, geb. 14. Sept. 1782 zu 

&lo bei Kriftiania, trat in Staatsdienfte und war 
1808 Sorenftriver (Bezirkörichter). Nach dem Frieden 

u Kiel 1814 trat F. als einer der eifrigiten norweg. 

Batrioien roor, wollte nichts von einer Vereint: 
gung mit Schweden wiljen und arbeitete zuſammen 
mit dem Privatjefretär des Statthalters, des fpätern 
Königs Chriſtian VII. von Dänemark, einen Ver 
fafjungsentwurf aus, der der normweg. Ronftitution 
von Eidsvold zu Grunde liegt. (S. Norwegen.) Nach 
der Konvention von Moß — 1814) ſohnte er 
ſich allmäblih mit den neuen Berbältniffen aus, 
wurde 1814 Amtmann in Norbre Bergenhus⸗Amt, 
1825 Stift3gamtmann in Bergen und ftarb 13. Jan. 
1830 in Kriftiania ala —— (PBräfident) des 
«Heielte ret»(Oberappellationdgerichts) Norwegens. 
Von feinen Schriften ift hervorzuheben die «Ge: 
Ihichte Norwegens» (4 Bde. Kriſt. 1823—24). 

Falſet, Hauptort des Diftrikts F. in der ſpan. 
—— Tarragona (Catalonien), 46 km im W. von 

arragona, ſüdlich vom Mont-Sant (1071 m), an 
der Bahn Saragoſſa-Reus, hat (1897) 3595 E. 
Man gewinnt hier aus ezeichnete Haſelnüſſe; in der 
Umgegend ſtaatliche Blei und Manganbergwerke. 


440 


Das Land erzeugt ——— rote Prioratweine, 
die beiten in ganz Catalonien. 
Falfett, auch Kopf: oder Fiftelftimme, die 
jenigen höchſten Regifter der menſchlichen Stimme, 
ei deren Erzeugung nicht vorzugsweiſe die Bruft: 
und Bauchböhle, fondern vielmehr die Höhlungen 
oberhalb des Stimmorgand die Rejonanz bilden. 
Hiernach unterſcheidet man die Stimme in Bruft- 
und Kopfitimme. In der Gejangstunft find fie 
(eich wichtig, und die Ausbildung und 
——— eider Stimmweiſen bildet eine der 
Hauptaufgaben der Geſangſchule bei der Auss 
bildung von Frauenftimmen und von Tenören. 
Über aud den tiefern Männerjtimmen iſt die Be 
berrfhung des F. unentbehrlich, wenn fie Geſangs⸗ 
tünftler fein wollen. In neuerer Zeit ift das F. 
bauptjählid bei dem Frauenſopran ausgebildet, 
weil die Komponiſten hoch aufiteigende Roloraturen 
pr ausſchließlich für dieſe Stimme geſchrieben ha⸗ 
. Hieraus iſt Die Meinung entſtanden, daß das 
* ſich vorzugsweiſe für Sopran eigne und dieſer 
timme belonbers natürlid ſei. Die Mufitgef chichte 
lehrt aber, daß fie zuerſt bei Männerftimmen aus— 
ebildet wurde und dort eine Bedeutung erlangt 
bat, melde die der jegigen Sopranfiftel noch über: 
wiegt. Als im Kunftgejange nur Männer und Ana: 
ben zur Verwendung kamen, was bis zum J. 1600 
ausichließlih und im Kirchengeſange noch mebr als 
bundert Jahre jpäter geſchah, bildete fi im Tenor 
ein hohes Regijter mit Hilfe der Kopfſtimme aus, 
das deshalb aud den Namen Alt (Altus, Alto, 
d. i. hoch) erbielt; bie Singart, im der foldes ge: 
hab, hieß F., und bie Sänger desſelben, alfo die 
t: Zenorijten, wurden Falſettiſten genannt. 
Noch Händel fchrieb die Altpartien feiner Dratorien 
höre für ſolche Falfettiften. Bon diefen rührt daher 
ſowohl die Kunjt wie der Name des Faljettgefangs 
ber. Aus diejem Urjprunge folgt auch, daß die 
Unterſchiede, die man zwifhen F. und männlicher 
Ropfitimme angenommen bat, auf Irrtum beruben. 
Ballett, ital. Form für ale (1. d.). 
‚Salfifizieren (at) verfälfben; Falfifitas- 
tion, bung; Fa fi 


filät, etwas Gefäljchtes; 
Balfifitätor, Falſcher. 

Falso bordöne (ital., «faljher Baf»; frz. faux 
bourdon), bei den ältern Gejangstomponiften ein 
dreiitimmiger Sag über Melodien der Pſalmodie, 
bei dem der Sopran den Cantus firmus hatte und 
der Tenor eine Quarte, der Baß eine Serte tiefer 
ihn begleitete. — Vgl. Guido Adler, Studie zur Ge 
Khichte der Harmonie (Wien 1881). 

Falftaff (ipr. fabljtäff), Sir John, bei Shate: 

eare der, ftete Begleiter des ausjchmeifenden 

ringen Heinrich von Wales, nahmaligen Königs 

einrich V. (get. 1421), ift die originelljte dramat. 
Perjon, die Shatefpeare in «Heinrich IV.» und (an: 
geblih auf Berlangen der Königin Clifabetb) in 
den «Luftigen MWeibern» gezeichnet bat. F. ift ein 
Heros der Zaugenichtfe, dabei unterhaltend, unver: 
wüjtlih an Laune und Wis, er iſt ein ebenjo feiger 
Soldat als lügenbafter —8 im Wohlleben 
ergraut und noch im Alter lüftern und liederlich. 
Unter einem plumpen Uußern verbirgt er den ge 
wanbtejten Schalt, der geſchickt einlentt, ſobald die 
Dreiftigleit feiner Spähe übel empfunden wird, 
umaler das Leben und die Anftandspflicten genau 
ennt. Zuerſt bieß die Figur, welde jpäter h ge: 
nannt wurde, Dldcaftle. Darauf deutet noch jegt 
ein Wortfpiel in «Heinrich IV.», TI.1, I, 2, 44, und 


Ber | ftolf (vgl. «Heinrich VL», TI.1; HI, 2, und 


Falſett — Falsum 


er. ineiner Quartaudgabe des 2. Teils von «Hein« 
ich IV.» Old (d.h. Dlvcaftle) voreiner Rede F. s fteben 
geblieben ift. Sir John Dldcaftle, Lord Cobham, 
war eifriger Anhänger Wiclif$ und wurde als Keßer 


1417 verbrannt. Seine Feinde ftellten ihn als feig 
und —— dar, daher ſtammt die Geſtalt bei 
Shaleſpeare. Später ſah der Dichter fein Unrecht 


ein (vgl. Epilog zu «Heinrid IV.», TI.2) und änderte 
den Namen in 5. in Anlehnung an Sir un Fu: 
‚1),bem 
er aber gleichfalld unrecht getban zu haben jcbeint. 
Oldcaſtle war der Held eines pjeubofbalejpeareichen 
Stüdes. F. bildet auch den Rittelpuntt von 
neuern Opern, 3. B. von Ditter&dorf (1796), Salieri 
1798), Balfe (1838), Nicolai (1849), Adam (1856), 
erdi (1892) u.a. — Bal. Hallimell, On the cha- 
racter of Sir J. F. (Lond. 1841); Morgann, Essay 
on the dramatic character of Sir J. F. (ebd. 1777; 
neue Aufl. 1825), und befonbers Hairbner, The 
historical element in Shakspere’s F. (in der «Fort- 
nightly Review», Mär; 1873). 
alfter, dän. Inſel in der Oſtſee, ſüdlich von See 
land (f. Karte: Dänemartund Süpjhmweden), 
dur den Grönfund von Möen, dur den über: 
brüdten Guldborgſund von Laaland getrennt, bat 
nebſt dem durch Dämme mit ihm verbundenen Eiland 
Haſſeld und fünf Heinen Holmen 474 qkm, it nie 
drig und fteigt nur im NW. im Bavneböj zu 44 m 
auf. F. ift überaus fruchtbar und gut angebaut. 
Die Regenböbe beträgt 587 mm. Die Bevölterung, 
1901) 34422 E. treibt vorzugsmeiie Aderbau und 
iehzucht. Mebrere Ortsnamen find wend. Ur 
fprungs, und bei Bötö haben Holländer koloniftert. 
Hauptitadt ift Nytjöbing (j.d.) am Guldborgſund. 
Stubbetjöbing war die ältefte dän. Flottenftation. 
Eine Eifenbahn durchzieht die Inſel von ber ſchmalen 
SICH (Giedſerodde) nad Norden (Dreboved). 
Sie bildet eine Strede der nur durd die Dampfer: 
ie Warnemünde: Gjedfer unterbrocenen Ber: 
indung Berlins mit Kopenhagen und zweigt bei 
Nyljobing nah Maribo auf Laaland ab. — rüber 
im Beſitze mebrerer Adelsgeſchlechter, war die Inſel 
vom 16. bis 19. Yabrb. königl. Domäne. 

Falfter, Ehriltian, dän. Dichter und Philelog, 
eb. 1. Jan. 1690 zu Branderslev auf Laaland, 
war Lehrer, Konrektor, zuletzt Rektor an der Latein 
ſchule zu Ribe und ftarb als folder 24. Dit. 1752. 
5. mar neben Holberg der bebeutendfte Satiriler 
Eine Zeit, in feiner Übertragung des Juvenal 

eißelt er die damaligen Zuftände, Seine pbilol. 

Mbbandlungen erſchienen u. d. T. «Amoenitates 
philologicae sive discursus varii» (3 Bde. Amiterb. 
1729—32). — Bol. Chr. Thaarup, Ehriftian 5.3 
Satirer med en Afhandling om Digterens Levnet 
og Strifter (Ropenb. 1840). 

Faliterbo, Städtchen im ſchwed. Lin Malmö: 
bus, an der ſüdweſtl. Spige des Landes, bildet jeit 
1754 mit Standr (2,5 km) eine Gemeinde mit 
(1900) 983 €, Beide Drte waren im Mittelalter 
ala Mittelpuntte des Heringsfanges, der no 1522 
an 40000 Berfonen beibäftigte, von großer Bedeu⸗ 
tung und ftanden in lebhaftem Verlehr mit der 
Hanja. Stürme und Flugſand verſchütteten im 
17. Jahrh. den Hafen, und die Fiſcherei zog fib nad 
den nördlichern Küjten. Bemerlenswerte Dentmäler 
früberer Größe find die alten Kirchen. Bor 3. 
ziebt ih nab SW. das gefährliche Falfterbort 
mit Leuchtfeuer. 

Falsum (lat.), etwas Falſches; Faͤlſchung (f. d.). 


Falsus procurator — TFaltenwefpen 


Falsus proourätor (lat.), falſcher Vertreter. 
eweit jemand, der als Vertreter einer andern 
on auftritt, obne dazu berechtigt zu fein, ins: 
befondere ohne eine rechtögültige Vollmacht zu ha⸗ 
ben, ſich dadurch erjaspflichtig made, war in ber 
gemeinrechtlichen Theorie beitritten und ift von den 
neuern — 79 verſchieden geregelt. Wah⸗ 
rend der Code civil feine nähern Vorſchriften giebt, 
macht das Oſterr. Bürgerl. Geſetzbuch ($. 1035 fg.) 
den F. p. für alle Folgen verantwortlich; diefe 
Haftung fällt weg, wenn der Vertreter zur Abmwen- 
dung eines bevorjtebenden Schadens oder zum kla⸗ 
ren überwiegenden Borteil deö andern gebanvelt 
bat. Das Deutſche Bürgerl, Geſetzbuch ($. 179) läßt 
— den, der als Vertreter einen Vertrag ge: 
ſchloſſen bat, dem andern Zeile nad deſſen Wahl 
Uung oder Schadenerjaß haften, wenn der 
eter jeine Vertretungsmacht nicht nachzumeifen 
vermag und ber Bertretene die Genehmigung bed 
Vertrags verweigert. Hat der Bertreter den Mangel 
ber Vertretungsmacht nicht gelannt, fo foll er nur 
für den Erſaß des Schadens haften, ben ber 
andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Ber: 
tretungsmadt vertraut hat, jedoch nicht über den 
Betrag des Intereſſes hinaus, welches er an der 
Wirkſamleit des Vertrags bat. Der Vertreter haftet 
nicht, wenn ber andere Teil den Mangel der Ber: 
tretungsmacht kannte oder fennen mußte. Der Ver: 
treter joll auch dann nicht haften, wenn er in der Ge: 
bäftsfäbigleit beſchränkt war, es jei denn, daß er mit 
uftimmung jeines ‚geeniten Vertreters handelt. 
Bei einjeitigen Rechtsgeſchäften ift Vertretung 
obne Bertretungsmadt unzuläffig, außer unter ge 
wifjen Borausfegungen mit Wiflen der Gegenpartei. 
Dieje Beftimmungen gelten aud für das Handels—⸗ 
recht, die ſachlich damit übereinftimmenden Säge, 
die bierüber das alte Handelsgeſetzbuch entbielt, 
find in das neue von 1897 nicht mit aufgenommen 
mworben. — Ein F. p., der eine MWechjelerflärung 
unterzeichnet, baftet perfönlich ebenfo, wie der an- 
eblihe Machtgeber . baben würde, wenn die 
ollmacht erteilt gewejen wäre; dasjelbe gilt von 
Bormündern und andern Vertretern, die mit fiber: 
eitung ihrer Befugniſſe Wechielerflärungen aus⸗ 
llen vr Large ha 95). — Im Eivilprozeß 
nn jemand ohne Beibringung einer Bollmadıt als 
Vertreter einer Partei zugelajien werden, jedoch 
muß er deren — in einer ihm bejtimmten 
Friſt beibringen; unterläßt er das bis zum End» 
urteil, jo wird er zum Erjaße der dem Gegner in: 
folge der Zulafjung erwadienen Koſten verurteilt 
und bat ibm auch die fonjtigen Schäden zu erjeken 
(Eivilprozgeßordnnung $. 89). 

Faltboote, Fabrzeuge zur jhnellen Heritellung 
von libergängen über Wajlerläufe. Die Boote be: 
heben aus je zwei Kaffen(End-)itüden und einem 
Nittelitüd; ihre Konſtruktion (Holzgeitell mit ins 
nerm und äußerm Leinenbezug) geftattet ein fächer⸗ 
artiges Zufammenfalten. Die — Länge beträgt 
65m, die Höhe O,s m, der Überbau wird durch 
Prettervon 4 m Länge und 1m Breite gebildet. 
Ein Regiment kann mit diejem Material Brüden- 

fege dis zu 20 m Länge bei 1m Breite beritellen, 
wobei die Mittelftüde und je zwei verbundene 
Kaftenftüde vier Unterjtüsungen abgeben; eine 
Hrüde von 3 m Breite fann 8m Länge erhalten. 
fz fann auch aus beiden Booten eine Überſetz 
naibine bergeitellt merben, die Raum und Trag: 


dermögen für e 


441 


Pferde oder für ein triegämäßig beladenes Geihüs 
mit Protze und vier Bedienungsmannfcaften, oder 
für Sättel, Gepäd und Ausrüftung von 45 Kar 
valleriften, oder für 25 Mann Infanterie mit . 
Durch Vereinigung des Materiald mebrerer Regi⸗ 
menter find längere Brüden (pro —— 8 m) her⸗ 
zuſtellen, die das lübergehen aufgeſeſſener Kavallerie 
und das Hinüberziehen von Feldgejhüsen geſtatten. 
Die jedem deutihen Kavallerieregiment b zu⸗ 
eteilten F., die auf einem eigens hierfür gebauten 
Wagen (: —— verladen wurden, wer⸗ 
den jetzt durch Stahlboote erſetzt, deren je zwei (Halb⸗ 
pontons), ineinander geſetzt, auf einem Wagen ver: 
laden werden. — & terreih: Ungarn bat verſuchs⸗ 
weile im Manöver Dlaterial verwendet, das für ein 
Ravallerieregiment vier F. enthält undeinenBrüden- 
fteg von 50 m Länge und 1 m Breite berzuftellen 
eitattete. — Abweichend ift das ruſſ. Segeltudb: 
oot von Tſchernow, das 14 Mann mit völliger 
Augrüftung tragen foll und im Sommer 1892 er: 
probt wurde. Es ift eine weitere Entwidlung ber 
ruſſ. Segeltuchboote, die 1814 beim Übergang über 
den Rhein und 1877 über die Donau verwendet 
wurden; fie unterſcheiden fi) aber von diejen durch 
eringered Gewicht (234 gegen 300 kg). Auch in 
ar eich find Verſuche mit F. gemacht worden. 
ie engl. Kavallerie erprobt jegt zwei Arten von F., 
bie auf zweiräberigen Karren oder —— Pad: 
pferd mitgeführt werden können. Ihre Brauchbarteit 
fann durch den leichtern Transport nur gewinnen 
(f. Lanzenboote). 
—— ſ. Klappbrüde, 
alten, in der Geologie die ſtarlen welligen 
Biegungen, welche die ———— Geſteine durch 
eine nachtraͤgliche ſeitli en ibrer 
Schidten erfahren Der ine einfache Falte be 
fteht aus einer Mulde und einem Sattel, der mit 
der Mulde einen Flügel, den ſog. Mittelfchentel, 
emeinjam bat. Mebrere folder F. fönnen zu einem 
Salteninftem aneinander gereibtjein. (S. Gebirgs⸗ 
ildung, Mulden und Sattel.) 
altengebirge, |. Gebirgsbildung. 
altengecko (Ptychozoon homalocephalum 
Kuhl,, |. Tafel: Ehen IU, ig. 4), Fältler, eine 
va bewobnende, 20 cm lange Art der Gedonen 
. d.), welche durch eine Seitenfalte ausgezeichnet 
find, die den bintern Teil des Kopfes, die Glied: 
maßen und Zeben, den Rumpf und, bogig ausge: 
ſchnitten, den Shwanz umgiebt, Die Farbe ift matt: 
raubraun, oben mit dunflern, im Zidzad verlau: 
Eben Querbinden. 
Faltenhornvogel, ſ. Nashornvögel und Tafel: 
Rududsvögell, Fig. 3. 
Faltenjura, Kettenjura, geolog. Bezeich: 
nungen des Schweizer Jura, ſ. Jura 1. 
Faltenlegmafchine, eine Einrichtung, die bes 
ftimmt ift, das Legen von Falten oder Zollen in 
Stoffen oder Geweben auf mechan. Wege jelbftthätig 
u verrichten. Bejondere Verwendung finden die F. 
bei der Yabrikation gefältelter Hemvdeneinjäge und 
der Heritellung von Nüfchen, Pliſſes u. f. m. 
altenmorchel, ſ. Helvella. 
sera + ſ. Hausſchwamm. 
Faltenſchwein, eine in Japan gezogene Abart 
des Hausſchweins. 
Faltenweſpen oder Weſpen im engern 
Sinne (Vespidae), eine Familie der ſtacheltragen⸗ 
den Hautflügler (f. d.), mittelgroß bis groß, meift 


tmwa 2750 kg bietet, d. b. für drei | ſchwarz und gelb gezeichnet, die Vorderflügel der 


442 


Länge nach faltbar, was beſonders charalteriſtiſch 
ift. Sie näbren ſich von füßen Eäften, Objt, ans 
dern Inſekten, aub wohl vom Fleiſch größerer 
Tiere. Man unterjcheidet 1) die hauptſächlich in 
mwärmern Ländern lebenden Shmarogermweipen 
(f.d., Massarinae); 2) die —— lebenden Mauer: 
weſpen (Eumeninae). Sie legen ihre meijt röbren: 
förmigen Nejter in Lehmmauern, alten Pfoſten 
u. f. w. an, bringen in jeder Zelle ein Ei und 
eine Anzahl dur einen Stich geläbmter Inſekten⸗ 
larven ald Futter für die Larve unter und ver: 
ni gi dann die Zelle; 8) die geiellig lebenden 
apierweipen (Vespinae). Das Neft der lektern 
findet fih in Erbböhlungen, boblen Bäumen oder 
—8 an Baumzweigen, Mauern u. dal. befeftigt. Es 
eitebt aus einer papierartigen Maſſe, die aus zer: 
fautem Holz bereitet wird, und fest fih aus einer 
größern Anzahl von wagerecht gelagerten Waben 
mit nah unten ofjenen regelmäßig: iechslantigen 
Zellen zufammen. Außen ift e8 oft mit einer rund» 
lichen ülle umgeben. Das Neft wird im Frübjabr 
von einem überwinterten Weibchen begonnen, das 
unädjt nur Arbeiterinnen erziebt. Diefe ſetzen den 
au fort, füttern und pflegen die Larven, während 
das alte Weibchen ich nur noch mit Eierlegen beſchäf— 
tigt. Der Bau und die Zabl ver Bewohner wächſt 
auf dieje Weife während des Sommers außerorbent: 
li ſchnell. Erft gegen Ende des Sommers werben 
auch Männchen und Weibchen erzogen. Die Weib: 
chen werben befruchtet und überwintern, um im näch⸗ 
ften Srübjabr ein neues Nejt zu gründen, während 
alle übrigen Tiere mit Beginn des Winters fterben. 
In Deutihland gehören zu den häufigiten Arten 
die beutjhe und die gemeine Weſpe (Vespa 
germanica F. und vulgaris L., f. Tafel: Injet: 
ten II, Fig. 3), die Horniffe (f.d.) und die Feld» 
mweipe (Polistes gallica L.) mit Heinerm Neſte 
obne Hülle. Hierher gehört auch Polybia sedula 
Sauss. (j. Zafel: InfeltenI, Fig.2) aus Brafilien. 
Faltentwurf, |. Gewand. 
altenzahn, foijiler Haififch, |. Ptychodus. 
alter, joviel wie Schmetterling; dann fpeciell 
eine Familie der Tagichmetterlinge. 
altfächer, ſ. Fächer. 
altitſcheni (Falticeni), rumän. 
ältler, ein Reptil, ſ. Faltengecho. 
altmaſchine, eine Maſchine, welche Gewebe 
in Faltungen von beſtimmter Länge übereinander— 
legt; dient meiſt gleichzeitig als Meßmaſchine. 
altſch, Faltoſch, Faliſche, moldauiſches 
Feldmaß = 2880 Quadrat⸗Stingene = 141 a. 
altichi, rumän. Kreis und Ort, f. Falciu. 
tſtuhl, Klappſtuhl (mittellat. faldisto- 
lium, daraus franz. fauteuil), eine Form des Stubles 
oder Seſſels, bei der die Stäbe der Füße und Seiten: 
teile fich freuzen und, in der Kreuzung durch einen 
Querjtab verbunden, um diejen Stab ana fi 
zujammenflappen lafjen. Die einfache Form des F. 
war fhon dem Altertum bekannt und diente bei ven 
Römern als die Form des Kuruliichen Stublä (f. d.). 
Auf den mittelalterliben Darftellungen ift fie über: 
ausbäufig. Der ältejte erbaltene F., der aber nur die 
orm entlebnt bat und übrigens fteif ift, weil aus 
3 — iſt der im Louvre zu Paris befindliche 
og. 


Folticeni. 
Stadt 8 


bron des fränk. Königs Dagobert. Beſonders 
intereſſant durch ſein hohes Alter ſowie durch ſeine 
ſchone — — in Bronze und Elfenbein iſt der 
Thronſeſſel der Äbtiſſinnen im Kloſter Nonnberg in 
Salzburg aus dem 13. Jahrh. Im 14. und 15. Jahrb. 


Faltenwurf — Falz 


erhielt der F. reichere Verzierung in Schnitzerei oder 
Marquetterie, wurde aber ſteifer, minder beweglich 
und meift mit einer niedrigen Rucllehne verjeben. 
Gegenwärtig find F. jelbit in einfachſter Form als 
fog. Faulenzer bergeitellt, ſehr beliebt. 

Satutan, f. Dalelarlien. 

alun, Stadt in der ſchwed. Landſchaft Dalarna 
(Daletarlien, f.d.), Hauptitadt desfopparberas:Yän, 
liegt in einem Thale auf beiden Seiten eines Baches 
an defien Münpung in den Runnjee und an den 
Linien Gefle:Dala, %.:Rättvil: Mora und F.-Kil— 
Göteborg der Schwed. Privatbabnen. F. iit Sis 
des Landeshauptmanns, beftebt aus neun Stadt: 
teilen, ift jeit dem Brande von 1761 regelmäbia an⸗ 
gelcat, aber infolge des Hüttenbetriebes von düfterm 
njeben. Die Stadt hat (1900) 9606 E., zwei fir: 
den, eine böbere Schule, ein Altertumsmuſeum 
mit reihen Sammlungen und ein großes Arbeits: 
baus. F. ijt berühmt durd fein Kupferwerl. Die 
Grube Fa grufpa oder Stora Kopparber: 
get, 1,3 km im SW. der Stadt gelegen, bejtebt aus 
einer offenen Pinge, Stöten genannt, einem Ab: 
grunde, der im 17. Jabrb., namentlich 1687, durch 
den Ginjturz alter Grubenbaue entjtand und durch 
Erdrutſche 1833 und 1876 erweitert wurbe. Die 
Grube iſt 385 m lang, 211 m breit und bat eine 
größte Tiefe von (1895) 354 m. Unten am Boden, 
den ungeheure Schutthaufen bededen, befinden ſic 
die Eingänge zu den tiefern, jetzt im Betriebe jteben: 
den Gruben. Die Maſchinen werden durch Waſſer⸗ 
traft getrieben. Seit 1888 ift das Bergmwert im Bela 
einer Attiengejellihaft. DieAusbeutean Kupfer war 
früber ſehr beveutend; f betrug im 17. Jabrb., me 
das Bergwerk zu F. in feiner Blüte ftand, im Durch 
fchnitt jährlich 1760 t, vom 13. Jahrb. bis jekt im 
ganzen etwa 500000 t. In ben legten Jabren wur: 
den die Kupfererze bauptiäblih zur Gewinnung 
von Bitriol verwendet; außerdem wird nod Gold, 
Silber und Schwefel gewonnen. Mit der Kupfer: 
rube find eine Schrotfabrif ſowie Anftalten zur 
Bereitung von Vitriol, Schwefel und Braunrot ver: 
bunden. Das Wert beijhäftigt 520 Arbeiter, vie . 
meift eigene Wohnpläge befisen. 1716 fand man 
in einer Tiefe von 134 m die in den vitrioliſchen 
Gewäſſern unverfehrt gebliebene Leiche eines 1670 
verjhütteten jungen Bergmann, welchen ein altes 
Mütterhen ala ihren einftigen Bräutigam erkannte 
H. Heine benugte den Stoff zu einer Ballade, E. T. A. 
Hoffmann zu einer Novelle. — Bol. Friedmann, Die 
Bearbeitungen der Gejchichte von dem Bergmann 
von F. (Berl. 1887). , 

Faluner Brillanten, Faluner Diaman— 
ten, Binnbrillanten, ber ftarlalängende, dia: 
mantäbnlihe Zinnſchmuck der Theatergarderobe, be 
ftebend aus einer Legierung von 29 Mer unt 

alunit, j. Cordierit. 19 en Blei 
alu (arab.), eine Heine arab. Münze (f. Tafel: 
Münzen IV, Fig. 11). 

Falva (ungar.), Dorf; häufig in zujammen: 
geiekten ungar. Ortsnamen. 

Falwen, rufj. Vollsſtamm, ſ. Rumanen. 

Falx (lat.), Singular von Falces (f. d.). 

Falz, eine bei Holz» und Blechverbindungen fo 
wie bei Verſchlüſſen vortommende Vertiefung ober 
Falte des einen Teils, in die ein Rand oder Bor: 
iprung des andern Teils eingreift. So tommt ber 
B vor bei der Verbindung von Brettern zu Schu: 
ungen und Fußböden auf Nut (Sal) und Feder 
(Spund); bei der Verbindung ver Ballen mit dem 


Falzeiſen — Familie 


Shwarteneinjchube der Feblboden; bei dem An: 
ihlag der Fenſter⸗, Thür: und Ladenflügel an die 
Sutter derjelben oder an die Gewände u. |. m. Er 
wird meijt mittels eines bejondern Werkzeugs, 
dem Falz- oder Nutbobel (j. Hobel), und auf der 
Falz⸗ oder Hobelbant bergeftellt. Bei Fenftern tommt 
noch der jog. Kittfalz vor, der zur Befeſtigung 
und Dichtung der Glasſcheiben mitteld des Fen— 
her: oder Glaſerkittes dient. Bei den Metallpäcern, 
wie Kupfer⸗, Zink⸗, Bleis und Eijenblehdadhungen, 


443 


Biihofsfis, fpäter ſeit Ausgang des 12. Se. 
n. Chr. unter Guido von Yufignan und deſſen Nach—⸗ 
eig die reichite Stadt der Inſel. Später fam 
ie an die Genuejen (1373) und an die Venetianer 
us9). die ftarke, zum Teil noch beute vorhandene 
efejtigungen anlegten. Doch mußte ſich die Stadt, 
nad zebnmonatiger Belagerung, 1571 den Türten 
ergeben. Seitdem ift je in Verfall geraten. 
amarö (ipr. -mabr), Flecken im franz. Depart. 


Nord, 5 km ſüdlich von Valenciennes, bat (1901) 


942 E, und ijt befannt durch 
feine röm. Altertümer (28000 
Gegenftände). Eine Mauer iſt 
der Reit des alten Fanum 


Fig. ı. Big. 2. Big. 3. Big. «& 


fowie bei der Heritellung von Blechgefäßen, dient 
der 5. häufig an Stelle des Nieten? und Lötens 
zur Bereinigung der Einzelteile (ſ. Falzen). Je nad) 
der bejondern Bildung des F., bie Jeine Haltbarteit 
bedingt, unterjheidet man den einfachen (f. vor- 
ſtebende Fig. 1 u. 3) und doppelten F. (Fig. 2 u. 4), 
den ftebenden (Fig. 1u.2) und liegenden F. (Fig. 
3 u. 4) fowie den F. mit bejonderm Falzſtreifen oder 
Dedialz (Fig. 5). Bei jedem F. hängt die Feitigteit 
der —— von der Preſſung ab, unter der die 
Falznaht geſchloſſen wurde. Eine ſchwache Preſſung 
geſtattet bei gerader Falznaht die gegenieitige er: 
\hiebung der zufammengefügten Zeile und madıt 
den 5 da er zugleich einen waſſerdichten Abſchluß 
e- rt, au einem gejhäßten Berbindungämittel bei 
ach dedungen aus Blech. 
zeifen, |. Hufeifen und Leberfabrifation. 
zen, im allgemeinen das Umbiegen und 
ammenlegen einer Fläche; in der Blechbearbeis 
tung (j. d.) das Verbinden zweier Blechteile durch 
Zujammenbalen der halenförmig umgebogenen, 
eraben oder gerümmten Ränder derjelben. Die 
Berbinbung | bft heißt Falz (f. d.). Über F. in der 
Bud binderei ſ. d. in der Lederfabrilation f.Dollieren. 
en, in der Jägerſpräche, ſ. Balzen. 
Hobel, j. Falz und Hobel. 
alzmafchine, eine mean. Cinrihtung zum 
—— des geraden Randes einer Blechtafel oder 
einer pe, auch zum Brechen (Falzen) von Drud: 
— (f. Blechbearbeitung und Buchbinderei nebſt 
Taj. I, Fi 


a J . 8). 
werihiuf „ſ. Blehbüdfen. 
am, Famthee, f. Angrecum. 

ma (lat., «Gerücht»; grch. Pham& oder Ossa), 
Berjonififation des Geruchts oder der Sage, die ſchon 
von Heftod pen wird. Sie hatte in Athen einen 
Altar. Birgil nennt F. die jungſte Tochter der Erde, 
vie Schmweiter des Enceladus (Enlelados) und Cous 
Koios). Die Erde gebar fie, um ſich wegen Nieder: 
werfung ibrer Söhne, der Titanen und Giganten, 
an den Göttern zu rächen. Dvib bejchreibt ihre 
Bobnung als einen PBalajt mit taufend Öffnungen 
und aus tönendem Erz — 

Famaguſta (geb. Ammachöſtos), Hauptort 
des —— F. auf ber Oſtkuſte Cyperns, hat (1901) 
mit Barofia 3825 E., eine Mojdyee (ehemals Kathe⸗ 
drale), ein Muſeum, Ruinen von Kirchen und Ba: 
lälten und einen Hafen, der, von den Engländern 
verbeflert, der berabgelommenen Stadt neuen Auf: 
ibwung zu geben veripridt. In der Nähe Sala: 
mis (f. d.). — F., als Fama Augusta, vielleicht 

an Stelle einer ältern Stadt Arfinoe, in der röm. 
Railerjeit gegründet, wurde unter den Byzantinern 


Bis. Martis (Marstempels). Bei 
3. hatten die Franzoſen 1793 
ein verfhanztes Lager angelegt, aus dem fie am 
23. Mai von den Öjterreidhern vertrieben wurden. 
Famatina (Sierra F.), Gebirgszug in der 
argentin, Provinz Rioja, ditlih von den Eorville: 
ren (ſ. Karte: 2a PBlata:Staaten u. ſ. w.), im 
Mittel 3000 m hoch, erreicht im Nevado de F. (29° 
der Breite) 6020 m Höhe und ſetzt ſich unter andern 
Namen nah ©. bis nah Mendoza, nah N. bis 
Gatamarca fort. Die Haupttette bilvet Granit, zu 
defien Seite ſich ſiluriſche Schiefer und rhätiiche 
Sanpjteine anlagern. Dazu treten Porphyr und 
Trachyte. Gegen den 30.” wird das Gebirge ſchnell 
niedriger und wendet fih nah SO. Im mittlern 
Teil gewinnt man Silber, Gold, Kupfer und Wis: 
mut, namentlich am teilen Ditabfall. Im S. vom 
Drte F., in 1150 m Höhe, liegt Chilecito (Billa 
Argentina, 1049 m), der Mittelpunkt des Berg: 
baues, mit (1895) 2557 E. einer Bank und Drabt: 
feilbahn (35 km) nad) La Meiicana (4585 m). 
Famenne, aut angebaute Landſchaft in ben 
belg. Provinzen Luremburg und Namur, zwiſchen 
dem Gondroz und den Ardennen, mit dem Hauptort 
Mare, von der Zeile und der Durtbe durchfloſſen 
(. Karte: Belgien und Luxemburg). 
Familia charitätis ed, Familiſten. 
Familiär (lat.), Vertrauter, Hausfreund; auch 
Diener (namentlich der Inquiſition); familiär, 
in der Meife eines zur —— Gebörigen, vertraut; 
Samiliarität, ad iäreö Benehmen; ji fa: 
miliarifieren, fi vertraut machen mit jemand 
oder etwa. Familiäres, in den Klöjtern die in 
einem gewiſſen Verbande mit dem Orden jtehen: 
den Dienerund Handwerter; Familiaresdes Papſtes 
(famiglia .—. oder der Bilchöfe, die zu ihrem 
Hofbalte oder Haushalte gehörenden PVerfonen. 
Familie. Diejed von dem lat. familia herkom⸗ 
mende Fremdwort ift erft feit dem Beginn des 
18. Jahrh. in Deutihland gebräuchlich geworden. 
Vorber gebraudte man dafür das Wort Haus, wie 
denn auch das röm. familia urjprünglid das Haus: 
weien, d. b. den Hausvater mit den feiner Gewalt 
unterworfenen Perſonen, feinen Stlaven und jei: 
nem fonjtigen Eigentum umfaßte. Heute bat F. 
— Debtuiengen, Man ſpricht von F. haben 
im Sinne von Kinder baben, jodann verjteht man 
unter 5. die Gemeinſchaft der Ehegatten und ihrer 
Kinder, in noch weiterm Sinne die Verwandtichaft, 
die Sippe, das Geſchlecht, den Kreis der durch ge 
meinfame Abſtammung Verbundenen, ohne Rüd: 
iht darauf, ob die Wurzel der Verwandtſchaft 
abrhunderte weit zurüdliegt, und ob Die Verwandt⸗ 
haft durh Männer oder frauen vermittelt wird. 
er Sprabgebraub, nah dem man zur F. auch 


444 


Nihtwerwandte, 3. B. das Geſinde rechnet (fo noch 
im Breuß. Landrecht), ſcheint fi nah und nad zu 
verlieren. — Das Deutfhe Bürgerl. Geſetzbuch 
priht von Unterbringung eines Kindes in einer 

. (88. 1666, 1838, ebenjo das Einführungsgeieh 

rt. 34, I und 135) und gebraudt im übrigen das 
Mort nur in Zufammenjeßungen. Das Bjterr. 
Bargerl. Geſetzbuch definiert 5. dahin, daß darunter 
die Stammeltern mit allen ihren Nachlommen ver: 
ftanden werben jollen ($. 40). 

Das Familienreht (Deutfhes Bürgerl. Ge 
ſehbuch 4. Abſchnitt) umfaßt die Vorfchriften über 
die Ehe, die Verwandtſchaft und die Vormundſchaft. 

Das Familienverbältnis wird nicht ausschließlich 
durch Rechtsſätze geregelt. Es ift zugleich ein fitt: 
lies Verhältnis. (S. Ehe und Eltern.) Liebe, Ge: 

orfam, Wohlwollen und Sorge für die Perfon 
ollen das Familienverhältnis durchdringen; dies 
nd innere Beziehungen, welche das Sittengejek 
aufftellt, und welche das Recht nur teilweiſe vorſchrei⸗ 
ben, der Richter nicht erzwingen kann. Es bejteben 
nit einfache Schulpverbältniffe, durch welche bes 
ftimmt begrenzte Rechtsverhältniſſe ſich ergeben, 
vielmehr wird der ganze Menſch davon ergriffen. 
Selbſt die vermögensrechtlichen Verbältnifie, melde 
fih neben den dem Perſonenrechte angebörenden 
ergeben, laſſen ſich nicht in allen Einzelbeiten durch 
eite Säbe regeln. — Der Aniprub aus einem 
amilienrehtlihen Verhältnis unterliegt der Ber: 
äbrung im Gegenſatz zu andern Anfprüden nicht, 
Tot er auf die Heritellung des dem Verhältnis 
entſprechenden Zujtandes für die Zukunft gerichtet 
ift (Deutſches Bürgerl. Geſeßb. $. 194; Oſterr. 

ürgerl. Hg 88. 1458, 1481). 

Zugleich ift aber die F. die wichtigſte Grundlage 
des —— Rechts; auf ihr beruht die ſtaat— 
liche Ordnung. Deshalb findet ſich auch die An— 
ß t vertreten, das Familienrecht geböre dem öffent: 
ihen Rechte an. Daber weiſen mande Rechte der 
Gemeinde, als der weitern F., eine mwejentliche 
Mitwirkung bei der Bormundihaft zu. So bat 
3. B. das Deutihe Bürgerl. Geſetzbuch die Einrich⸗ 
tung des Gemeindewaijenrats (j. Waifenrat), deſſen 
Drganifation aber der Landesgeſeßgebung über: 
lafien ift. Ein eigenartiges Familienrecht batten 
bisher die hochadligen und zum Zeil auch die adli— 
7 F. Die hochadlige F. zeigte insbeſondere die 

eſonderheit, daß fie Autonomie hat und nach der 
Anſicht mander eine jurift. Berfon ift, alfo in ihrem 
Beitand vom Mechfel ibrer Glieder rechtlich unberübrt 
bleibt. Das Bürgerl. Geſetzbuch läßt piejes Familien: 
recht der lanbeäberrlichen — der Häuſer 
Hohenzollern, Hannover, Kurbeſſen und Naſſau, das 
ber reichsſtändiſchen F. und des übrigen vormali— 

en Reichs⸗ und des ihm gleichgeftellten landſäſſigen 

dels beftehen. (Einfübrungsgejeß Art. 57 u. 58. 

Über die Entwicklungsgeſchichte der F. 

erricht infolge der neuern Forſchungen auf dem Ge 
iete der vergleichenden Völtertunde in der Mifjen: 
oft lebbaftejter Streit. Die ſich befämpfenden 
einungen find als Mutterrechtd: und als Vaters 
rechtötheorie zu bezeichnen. Die Vertreter der eritern 
lehren, mit vielerlei Abweichungen im einzelnen, 
im ganzen folgendes: Die jeitgefügte Einzelfamilie 
mit dem Zufammenmwobnen und wirtſchaften von 
Mann und Weib (gleibgültig, ob dabei Polygamie 
oder Bolyandrie berriche), mit der Vorberrichatt des 
Mannes, ſei ein relativ ſpätes Produkt böberer 
Kultur ; vorber babe bei der ganzen ältern Menich: 


Familie 


dei ein anderer, angeblidy bei primitiven Bölter- 
haften, 5.8. in Auftralien, noch heute vorlommen⸗ 
der Zuftand geberriht: der der Promiskuität, d. b. 
es habe ein durch feinerlei ceremonielle Berbindung 
bedingter völlig freier Geſchlechtsverleht zwiſchen 
fämtlichen Mitgliedern eine® Stammes oder doch 
ewijjer Unterabteilungen des Stammes beftanden 
\ Gemeinihaftsehe). Manche eigentümliche Sitten, 
o daß die junge Frau vor der Heirat fib allen 
Stammesgenofjen preisgeben muß, oder daß bei 
ewiſſen Feierlichleiten oder ſchweren Unglüdstagen 
oft nur auf einige Stunden) allgemeiner Geicledtös 
verlebr eintritt, bat man als Überbleibjel von Ges 
meinſchafts⸗ oder Öruppeneben gedeutet. 

Auch aus der Geſchichte des Eigentums fucht 
man Beweife gegen das urfprüngliche Befteben der 
Einzelehe. Wie man in der Urzeit den individuellen 
Beſitz nicht oder höchſtens an Werkzeugen und Waf— 
fen tenne, während das Grundeigentum kolleftiver 
Natur fei, wovon ſich noch beute Nefte erbalten ba= 
ben (f. Haustommunion), fo beitebe auch eine jeruelle 
Gemeinſchaft mit allen. Bon diefem Standpuntte 
aus muß man notwendig aud zu einer gegen früber 
— veränderten Auffaſſung der F. und ber 

erwandtichaft fommen. Unter der Herricaft der 
Promistuität kdann jelbjtverftändlich die Verwandt: 
ſchaft nicht dur die Zeugung, jondern nur durch 
die Geburt, durch das ſinnlich wahrnehmbare Band 
zwiſchen Mutter und Kind vermittelt werden, von 
einem fittlihen oder religiöien Berbältnis des 
Kindes zum Vater fönnte nicht die Rede jein, ein 
ſolches wäre vielmebr nur zwiſchen dem Rinde und 
dem Bruder der Mutter möglib. Das Recht des 
Vaters dagegen babe urfprünglih mit der Ber: 
wandtſchaft gar nichts zu tbun, jondern fei eine 
Herrengemwalt, die weit über die Grenzen der Bluts: 
verwanbtichaft binausgreife. Demgegenüber wird 
von der andern Seite bebauptet, e8 gebe fchlechter: 
dings fein primitives Volt, deſſen Geſchlechtsver— 
bältnifje fich einem Zuſtande von Promiskuität aud 
nur annäberten, und ebenfomenig babe diejer früber 
jemals bei einem Bolte geberriht. Was man dafür 
ins Feld führe, feien nur die allerdings ſehr lojen 
Beziehungen zwiſchen der männlichen und meib- 
lichen unverbeirateten Jugend, die ältern Männer 
aber befänden fich ſtets im dauernden und aus: 
en Beſit beftimmter Frauen. Das unleug: 

ar vortommende engere Verhältnis zwiſchen den 
aus einem Mutterleibe ftammenden onen babe 
einzig und allein die Bedeutung, daß unter dielen 
die Heirat verboten fei, alle andern Lebensverbält: 
nifje würden nur durch die Stellung zum Vater, 
nicht zur Mutter oder ihrem Bruder bejtimmt. 
tiberall auf der ganzen Welt, beute und immer jei 
es die F., beitebend aus Vater, Mutter und Kind, 
die ald Grundlage der focialen an 
fproden werden müjje. Eine endgültige Entibei: 
dung der Frage dürfte faum möglich jein; eingeben: 
dere etbnolog. Forſchungen haben jedoch ergeben, 
daß die Entwidlung ſich durhaus nit überall 
gleichartig volljogen bat. 

Die frühere große Bedeutung der Mutter in der 

. (fie ift das Haupt der Geſchlechts-, der Vater das 

aupt der Hausgenofjenihaft) zeigt übrigens heute 
nod die Auffafiung bei den Serben, Kroaten und 
andern ſlaw. Völlern in Anfebung der F. auf dem 
Sande, welche Inokosna genannt wirb. Vgl. darüber 
Bogidid, De la forme, dite —— la famille 
rurale (Bar. 1884). Diele F. ift eine Genoſſenſchaft. 





Familienanwartihaft — Familienfideitommiß 


der ein männliches und ein weibliches Familien: 
baupt vorjteben. (S. aud Familie, Bo. . 

In der Naturgefhihte nennt man F. jede 
Heinere Abteilung des natürlichen —— in 
welche die in gewiſſen nen baftlihen Merkmalen 
näher miteinander übereinjtimmenden Gattungen 
von Naturlörpern nad) ihrer natürlichen Verwandt: 
ſchaft zufammengeftellt find. Der Eharatter ver F. 
wird dur allgemeine Analogie aller Zeile be 
ftimmt. Die F. —— weiter in Unterfamilien 
und Gattungen; mehrere verwandte F. zuſammen 
bilden Ordnungen und mehrere zufammengebörige 
Ordnungen Klaſſen. Natürliche F. aus der Ord: 
nung der Singvögel find 5. B. die echten Sänger 
(Sylviidae) mit den Gattungen Sylvia, Lusci- 
nia, Regulus u. j. w.; natürlihe Pflanzenfamilien, 
j. Syſtematik. 

Bal. außer der Litteratur zu den Artikeln Ehe und 
Mutterrecht: Qaveleye, De la propriste et de ses 
formes primitives (Bar. 1874; deutſch bearbeitet 
von Bücher u.d. T. Das Ureigentum, Lpz. 1879); 
Giraud:Teulon, Les origines du mariage et de la 
famille (Genf und Bar. 1884); Lippert, Geſchichte 
der F. (Stuttg. 1884); MacLennan, Studies in an- 
cient history (2ond. 1876); deri., The patriarchat 
theory (ebd. 1885); Morgan, Ancient society ſebd. 
1877); Starde, Die primitive F. (Lpz. 1888); Hell: 
wald, Men —— (ebd. 1889); Bolt, Entwid: 
—— te des Familienrechts (Oldenb. 1889); 
derj., Grundriß der etbnolog. Jurisprudenz (2 Bde., 
ebd. 1894— 95) ; Brentano, Die Volkswirtſchaft und 
ihre konkreten Grundbedingungen (Freiburg und 
£pz. 1893); Engelö, Der Uriprung der %., des 
ee sr und des Staates (8. Aufl., Stuttg. 
1900); Diude, Horde und F. (ebd.1895); Groſſe, Die 

ormen der 5. und die Formen der Wirtfchaft Freib. 
L Br. und Lpz. 1896); Schmoller, Die Urgeſchichte 
der 5. (im «Jahrbuch für Gelebgebung, Verwaltung 
und Bollswirtihaft», Bd. 23, I, %pz. 1899); Artitel 
Familie im «Handmwörterbucd der Staatswiſſenſchaf⸗ 
ten», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900). miß. 

—5——— ſ. Familienfideikom— 

amilienbrüder, eine Kongregation des 
Mönchäordens der Franziskaner (f. d.). 

Familiendiebitahl, der gar nicht oder nur auf 
Antrag verfolgbare Diebjtabl, welcher gegen ge: 
wifje, dem Thäter nahejtebende Berjonen begangen 
wird. Straflos ijt der Diebſtahl (und die Unter: 
&lagung), welche von Verwandten aufiteigender 

inie gegen Berwandte abjteigender Linie oder von 
einem Ebegatten gegen den andern begangen wor: 
den iſt. Nur auf Antrag zu verfolgen iſt, wer einen 
Diebjtabl (oder eine Unterfhlagung) gegen Ange: 
börige, Bormünder oder Erzieher begebt (Deutiches 
Strafgeiesb. $. 247). 

Familienfideifommih, jjamilienanwart: 
ſchaft, eine Vermögensmaſſe, die vermöge einer 
Privatanordnung in der Weije für umveräußerlich 
erflärt ift, daß jie für immer bei einer gewiſſen 
Familie verbleiben und in ihr ſich nach einer vom 
Stifter vorgejchriebenen Ordnung weiter vererben 
joll (man 555 daher von einer successio ex 

cto et providentia majorum). Dem Fidei— 

mmißbefiger ijt daber jede Verfügung unter: 
fagt, durch welche das Vermögen aus der Familie 
berausgebracht oder defien Beitand gefäbrdet wird; 
er darf auch eine lestwillige Verfügung darüber 
nicht treffen. Der Zwed dieſer Rechtsbildun 
ift, der Familie eine gemifje wirtihaftliche, gefell: 


445 


—— und polit. Stellung dauernd zu ſichern. 
as F. iſt daher wohl zu unterſcheiden von dem 
Fideilommiß (j. d.) des röm. Rechts. (S. Erbſchafts⸗ 
vermächtnis und Vermächtnis.) Zwar bat man das 
F. aus dem röm. fideicommissum familiae, das 
aber in der vierten Generation erloſch und auch 
nicht gegen Dritte wirkte, geichichtlich berzuleiten 
ejucht, doch hat es ſich thatſächlich aus dem fpan. 
ajorat entwidelt, vielleicht unter Anlehnung an 
das deutfchrechtlihe Inftitut der Stammgüter. 

‚ Die Franzöſiſche Revolution betrachtete die F. als 
eine volföfeindliche Einrichtung und defretierte ihre 
Aufhebung (Code civil Art. 896), daher giebt es 
auch in Eljaß:Lotbringen und der bayr. Pfalz feine 
F. Die 1848 vom Frankfurter Barlament beſchloſſe— 
nen Deutihen Grundrechte (j. d.) hatten diejelbe 
Tendenz, daber erfolgte ein Verbot der F. in Frank— 
furt a. M. und Oldenburg. Für Preußen ift das in 
der Verfaſſungsurkunde ausgefprochene Verbot, F. 
zu errichten, durch Geſetß vom 5. Juni 1852 auf: 
geboben. 

Die Errichtung eines F. ſeßt eine ausprüdliche 
Millenserklärung des Begründers unter Lebenden 
oder von Todes wegen voraus; biejer darf dadurch 
weder feine Gläubiger noch Pflichtteiläberechtigte 
verlegen. Nach dem bayr. und bad. Rechte können 
5 nur für adlige Nachfolger errichtet werden. 

ac einer Mehrzahl von Rechten iſt landesberr: 
lihe Genehmigung erforderlih (in Braunſchweig, 
Baden, Hannover, Heſſen, Sachſen, den thüring. 
Fürjtentümern; in Preußen nur, wenn der Rein: 
ertrag 30000 M. überjteigt), nad andern Rechten 
——— Beſtätigung (in Preußen bei geringerm 
Reinertrag, in Bayern); nach dem öſterr. Geſetz 
vom 13. Juni 1868 iſt die Errichtung nur dur 
Reichsgeſeß zuläſſig, das überdies nicht auf einem 
nitiativantrag beruben darf. Durchweg ijt die 
Gintragung der Eigenjchaft als F. in das Grund: 
buch vorgejchrieben. 

Gegenjtand des F. können nur ſolche Gegen: 
ftände jein, welche einen dauernden Ertrag pewäb- 
ren und jelbjt von Dauer find. Bon den Grund: 
jtüden find nad preuß., bayr. und braunſchw. 
Recht nur landwirtichaftliche geeignet. Selbjtändige 
Rechte und Rechte, welche Renten gewähren, kön: 
nen nad) den meiiten Nechten ala Gegenjtand die: 
nen. Beweglihe Sachen können nur ala Zubehör 
von Grundjtüden Gegenitand eines F. fein. Gelp: 
tapitalien können in Bayern, Sadjen, Baden, 
Heſſen und Braunfhweig nur in Verbindung mit 
Grundftüden Gegenftand eines 5. jein, nad andern 
Rechten auch felbitändig, fofern ſie gebörig fundiert 
ind. Das preuß. Necht erfordert für den Gegen: 
— einen Reinertrag von mindeſtens 7500 M., 
ebenſo das ſächſ. Recht, für Geldfideikommiſſe ein 
Kapital von 30000 M.; für Hannover find 3600 M. 
Reinertrag ausreichend; für —— ſind 
9000 M. Reinertrag erforderlich u. ſ. w. Einige 
Rechte ſehzen feſt, dab ein gewiſſer Höchſtertrag, 
z. B. in Baden von 8000 bis 30000 Gulden Rein— 
ertrag, je nach dem Stande des Stifters, nicht 
uberſchritten werden darf. Für das Gemeine Recht 
ichrieben einige dem jeweiligen Befißer nur Nub: 
eigentum an dem Gegenftande zu, andere erflärten 
ibn für einen befchräntten Cigentümer. Für die letz— 
tere Auffafjung baben fih entſchieden das ſächſ. 
und das bad. Necht, für die eritere das preuß., bayr. 
und heil. Recht, ſowie das Siterr. Bürgerl. Geſetz— 
buch; jedoch bejtimmen die Ausführungsvoricrif: 


446 


Familienherd — Familienpakt 


ten zur Reichsgrundbuchordnung jest fait überall, Entwidlung und vollswirtſchaftlichen Bedeutung 


daß der Fideilommißbeſitzer als Gigentümer einzu: 


u jet. 
Die geltenden Rechte regeln im einzelnen die 
Rechte und Pflichten des Fideilommißbeſiters Io 
wie die Haftung des F. für Schulden, zum Teil fo, 
dak nur die von allen Anmwärtern, d. b. denen, die 
künftig Rechtsnachfolger werden können, gebilligten 
Schulden Familienfideilommißihulden Im (He: 
fen), zum Teil daß nur landesberrlich geneb: 
migte Schulden Familienfideitommißichulden find 
(Braunfhweig, Hannover), zum Zeil dabin, daß 
der Beſiher mit Genehmigung des Gericht? oder 
der Anwartſchaftsbehörde (Sachſen) verfhulden 
kann (Öfterreich), jedoch mit Haftung nur der Ein: 
fünfte und in Ofterreih nur bis zu einem Drittel 
des Merts, teild mit näberer Untericheivung ver: 
fchiedener Arten von Schulden (Preußen, Bayern). 
Das F. erlifcht, wenn kein Anwärter mebr 
vorbanden ift; jedoch ift auch für diefen Fall in 
Baden der — auf weibliche Familienglieder 
eſetzlich geregelt. Ob ein F. durch Familienſchluß 
F d.) aufgehoben werden kann, iſt für das Ge— 
meine Recht ſtreitig. 3 Preußen iſt die Aufhebung 
zugelaſſen. Nach ſic Recht iſt fie erſt in der drit: 
ten Hand und nur mit Genehmigung der Anmärter 
und der Anwartſchaftsbehörde zuläſſig. Bayern 
und Oſterreich fordern die Zuziehung eines Pfle— 
erö für die Nachkommen. Bavern und Anbalt ver: 
ngen gerichtliche, Baden und Braunſchweig lan: 
deöherrliche Genehmigung der Aufhebung. Someit 
ein Zwangsverkauf des F. wegen gewijjer Schulden 
zuläifig ift (Preußen, Heilen, Braunfchweig), erlischt 
das F. mit dem Zwangsverkaufe, nach bad. Rechte 
durd Verkauf außer der — — 
Verſchiedene Staaten inüpfen an das Beſtehen 
von F. wichtige oöffentlich-rechtliche Einrichtun— 
en. So kann in Bayern der König nad der Ber: 
aflung (Tit. VI, $. 3) zu erblichen Reichsräten nur 
eben eine? größern mit Leben: oder fideilom: 
miſſariſchem Verband belegten Grundvermögend 
ernennen. einer Reibe von Staaten bilden die 
Domänen ein Fideilommiß der landesberrlichen Fa: 
milie (Baden, Yippe u. f. - 
Das Vorbandenfein von F. ift wirtſchaftlich und 
olitiſch gerechtfertigt, die F. —— die wirt⸗ 
ih fo wichtige Erhaltung größerer Wald: 
omplere und fie erhalten eine vor revolutionärer 
oder cälariftifcher Entartung bemabrende, fonjerva: 
tiven Tendenzen buldigende Grundari tofratie, Die 
Nachteile (Aufiau ung des kleinen Grundbeſitzes, 
Ausschluß der Pacge orenen) fönnen durch Gejeh 
emildert werben. Das Deutſche Bürgerl. Geſeßzbuch 
bt daber mit Recht die F. nicht befeitigt, anderer: 
eit3 aber aud nicht abändern eingegriften, ſondern 
die Gef —— Landesrecht vorbehalten (Ein: 
fübrungsg eb Art. 59), weil die partikulariftifche 
erjchiedenbeit des beſtehenden Rechts überwiegend 
in der Verſchiedenheit der thatſächlichen Berbältnifje 
ihren Grund bat. Daraufhin ift in Sachſen eine um: 
fafjende und intereffante Neuregelung erfolgt (Geſetz 
über Familienanwartihaften vom 7. Juli 1900). 
(S. aub Familienftiitung und Hausfideitommiß.) 
Dal. Lewis, Das Recht des F. (Berl. 1868); Ar: 
titel Fideilommifle im «Handmwörterbuc der Staats: 
wiſſenſchaften⸗, Bd.3 (2. Aufl., Jena 1900) und im 
«Oſterr. Staatäwörterbuh», Bd. 1 (Wien 1895); 
Hager, Familienfideilommiſſe (Jena 1897); Selen 
Die Familienanwartſchaften in ihrer geihichtlichen 


(Dresd. 1900); Morik, Die Hamilienfideitommifie 
Preußens und ihre Bedeutung für die deutſche Volls⸗ 
wirtſchaft (Berl. 1901). [Ke. 1. 
amilienherd, |. Kocheinrichtungen nebit Taf. I, 
a ee lrecht. 
ilienname, ſ. Perſonenname und Namen: 
milienorden, ſoviel wie Hausorden (f. d.). 
milienorden (Thulah Chaum Kl'ow), 
ſiameſ. Orden, geſtiftet von Kaiſer Chulalonglorn 
16. Nov. 1878. Er bat drei Klaſſen (20, 30 und 
100 Mitglieder), wird nur an Inländer verlieben 
und an blaßrotem Bande getragen. 
amilienpaft, Samilienitatut, Haus: 
geſetz, eine Rechtsſaßung, melde die Mitglieder 
einer Familie über familienrectlihe Angelegen- 
beiten, insbefondere über die Ehe und die 
folge, trefien. Das Motiv zu ibrem Erlaß be 
ſtand hauptjäclich darin, die durch das Gemeine 
Hecht drohende rg des Vermögens ab: 
zuwenden. F. find daher vorzugsweife in ber 
Zeit nad dem Cindringen ded röm. Rechts in 
den adligen Familien üblich geworden und foll- 
ten diefen einen Schuß gegen die Romaniſten ge 
währen, melde alle Nechtäverhältnifie ausſchließ⸗ 
lich nad den Regeln des röm. Rechts beurteilten. 
Man bediente ſich zu dieſem Zwede der Formen 
des röm. Rechts ſelbſt, und zwar entweder der des 
Vertrags oder der des Fideilommiſſes, und ſuchte 
durch falſch angewendete Stellen des Corpus juris 
ihre Gültigfeit zu ftüßen; in MWabrbeit ıjt weder 
ein Vertrag noch eine legtmillige fideilommifia- 
riſche Anordnung im ftande, die folgenden Gene: 
rationen zu binden und aud für dritte Perjonen 
Rechtswirkſamkeit zu baben. Die 5. waren viel: 
mehr Alte einer Familiengeſezgebung oder Autono: 
mie, und fie werden daber mit Recht Hausgeſete 
genannt. Das Recht zur Gejepgebung ftebt nun 
aber den Familien im allgemeinen nicht zu; nur ge: 
wiſſe hervorragende Familien, melde fidh ihre for: 
porative Verfaſſung erhalten haben, und deren Fa: 
miliengüterordnung in engem Zufammenbange mit 
dem Öffentlichen Recht ftand, genofjen das Vorrecht 
der Autonomie (f. d.), nämlih die Familien des 
boben und des reichäritterfchaftlichen Adels. 

Mit dem Untergang des Reichs wurde ihnen von 
den fouverän gewordenen Rheinbundsfürſten dieſes 
Recht vielfach beitritten und die Anwendung der 
Hausgefepe in künftigen Erbfällen unterfagt; die 
Bundesafte, Art. 14, erfannte jedod für die media: 
tifierten reichsſtändiſchen und reichsritterſchaftlichen 
Familien das Recht der Autonomie, jedoch nur für 
ihre Güter und Familienverbältnifie, und die fort: 
dauernde Geltung der beſtehenden Hausgeſetze wie: 
der an und legte den Familien nur die VBerpflich: 
tung auf, hausgefegliche Anordnungen zur Kennt: 
nis des Souveränd zu bringen. — Das Cinfüb- 
rungägefes zum Deutſchen Bürgerl. Geſetzbuch 
ver für die landesherrlihen Familien, die Fa- 
milie Hobenzollern, das — Königsbaus, das 
furbefl. und berzogl. naſſauiſche a auf 
die Hausverfafjungen und auf bie andesgeſetze 
(Art.57); für die mediatiſierten und die ihnen durch 
Bundestagsbeihluf oder Landesgeſetz gleichgeſtell⸗ 
ten Familten, fowie für den Reichsadel und den 
diefem gleichſtehenden landſäſſigen Adel bleibt es 
bei der Ihnen etwa durch Landesgeſeß eingeräumten 
Autonomie, aber nur binfihtlib der Familienver- 
bältnifje und Güter (Art. 58). — Ausſchließlich für 


Familienrat — Familienſtiftung 


die landesberrlihen Familien und die Familie 
Hohenzollern gilt das Vorrecht, dur F. die Be: 
ftellung beionderer Standesbeamten anzuordnen 
(Berjonenitandsgefek vom 6. Febr. 1875, $. 72) und 
über das Alter der Großjährigkeit befonvdere Be: 
immungen zu treffen (Gejeß vom 17. Febr. 1875, 

. 2). — Die der regierenden deutichen 
ritenbäufer gab H. Schulze beraus (3 Bde—., 

na 1862—83). 

Familienrat, das Drgan, dur das die Fa- 
milie an der Führung der Vormundſchaft über einen 
ibrer Angebörigen teilnimmt. In vielen Rechten 
febit ein ſolches Organ, in manchen haben die Ber: 
wandten ſchlechthin gewiſſe Pflichten “a der 
Vormundſchaft (Dfterr. Bürgerl. Geſetzb. $. 189), 
oder fie find vom Vormundſchaftsgericht bei wich: 
tigen re u bören (Deutiches Bürgerl. 
Geiesb. 8. 1847). ee dem Code civil (Art.405 fa.) 
iſt der F. obligatoriih und führt die Obervormund: 
fbaft. Das au in ai irren 8.1858 jo.) 
tennt den F. jedoch nur als fakultative Einrichtung. 
Rach ihm wird ein F. vom Vormundſchaftsgericht ge: 
bildet, wenn Bater oder ehelihe Mutter des Mundels 
es angeorbnet bat oder ein Verwandter oder Ber: 
ſchwagerter des Mündels oder Bormund oder Gegen: 
vormund es beantragen, und das Gericht ed im In— 
terejie ded Mundels für angemeſſen erachtet, es 
müßte denn der Bater oder die eheliche Mutter des 
Münveld e3 unterfagt haben. Der 5. beiteht aus 
dem Vormundſchaftérichter ald Vorſißendem und 
aus minbeftend 2, höchſtens 6 Mitgliedern, die ent: 
weder vom Vater oder der ebelihen Mutter benannt 
find oder, joweit dieſe Art der Berufung nicht vor: 
liegt oder die Benannten ablehnen, vom Bormund: 
—— ausgewählt werden, und zwar in der 

egel nur aus dem reife der mit dem Mündel 
Verwandten oder leg a doc können aus: 
nabmsweiſe au Fremde Mitglieder des F. werden. 
Die Mitglieder werden vom Borfikenden mittels 
Sandſchlags an Eidesftatt verpflichtet. Der F. hat 
die Rechte und Pflichten des Vormundſchaftsge⸗ 
richts. Die Mitglieder find in gleicher Weife ver: 
antwortlih wie der Bormundfhaftsrichter. Die 
Einberufung des F. muß erfolgen, wenn 2 Mitglie: 
der, der Bormund oder Gegenvormund, fie bean: 
tragen oder das Intereſſe des Mundels jie erfor: 
dert. Unentihuldigtes Ausbleiben kann Berurtei- 
lung in die dadurch verurfachten Koften oder in 
eine Ordnungsſtrafe bis zu 100 M. nad) ſich zie: 

— Gegen feinen ®illen kann ein Mitglied von 

dem Amte nur duch das dem VBormundicafts: 
gericht vorgefegte Gericht entlaffen werden. Gegen 
die Entlafjung ift Beſchwerde ans Oberlandesgericht 
juläjfig. Recht. 
ienrecht, ſ. Familie und Bürgerliches 
ütenfchluß, der über die Anderung der 
Berfafjung einer —— oder über deren 
Auflöfung von den ſämtlichen Mitgliedern der be: 
rechtigten Familie peiabte up, im meitern 
Sinne auch ein folder Beſchluß bezüglich eines 
Samilienfideilommifjes, Stammgutes oder Lehens 
(i. d.). Zmwed eines F. ift, die Stiftungen, 
welche an ſich wenig der Veränderung unterliegen 
\olen, umjugeftalten, wenn dies dem veränderten 
Snterefje. der Familie oder den veränderten Zeit: 
verhältnifjen entfpricht, und fie fogar aufjulöjen, 
iofern fie dem beabjichtigten Ziele nicht mebr zu 
dienen vermögen. 


Der Ausdrud F. findet je noch | mitglieder, Ausftattungen für weibliche ! 


447 


buch für Preußen tvom 20. Sept. 1899), Anhalt 
(vom 18. April 1899) und Walded (vom 11. Dez. 
1899), die diefen Gegenſtand jum größten Teil 
wörtlich übereinitimmend gerege — Hervor⸗ 
uheben iſt, daß Underung oder Aufhebung einer 
Familienſtiftung durch F. auch dann zuläſſig iſt, 
wenn das durch die Stiftungsverfaſſung ausdrück⸗ 
lich verboten ift. Der F. bedarf der Aufnahme und 
Genehmigung durch das die Aufſicht über die Stif: 
tung führende Geriht und muß einftimmig gefaßt 
werden. Doch können Yamilienmitglieder, deren 
Leben oder Aufenthalt unbelannt ift, im Aufgebots⸗ 
verfahren ausgejhlojjen werden. — Die Befugnis 
zum Crlaß folder — Beſtimmungen 
wird aus $. 85 des Bürgerl. Geſetzbuchs abgeleitet, 
wo die Regelung der Verfaflung einer Stiftung der 
privaten Anordnung oder der Landesgeſetzgebung 
überwiefen wird, während im übrigen die Stiftun: 
en, auch die Familienftiftungen, allein dem Bürgerl. 
ejeßbuch unterliegen. — Soweit Familienfiveitom: 
mijje, Leben und Stammpgüter in Frage lommen, 
bleibt die Zuftändigteit ver Landesgeſeßgebung völ⸗ 
lig unberührt (Einfübrungsgefep tt. 59). — Bol. 
en ber en br Entwid — Hand⸗ 

des deutſchen Privatrechts, Bd. 2 (3. Aufl., 
rl. 1897); von Miaskowſti, Das Erbrecht und die 
Grundeigentumsverteilung im Deutſchen Reiche, 
Abteil. 2 Epʒ. 1884). 

Familienſtand, Perſonenſtand, die durch 
Zugebörigleit zu einer beſtimmten Familie (nach 
En und gegen die yamilienmitglieder) begrün: 
dete Redhtöftellung. Der F. entiteht durch Geburt, 
wird verändert durh Annahme an flindesitatt, 
Legitimation, Selbitändigteit, Volljährigkeit u.j.w., 
Säliebung und Löjung der Ehe und beendigt 
—— Tod. Erbat pridatrechtliche Bedeutung 
dur feinen Einfluß auf die Handlungsfäbigteit 
N d.), welche nad) dem verjchiedenen F. derſchieden 
it. So ift 3. B. wichtig, ob eine Frauensperſon 
unverbeiratet oder ob fie verheiratet ift und des» 
balb zu Verfügungen der Zuftimmung ihres Ehe— 
mannd bedarf, ob jemand jelbftändig und deshalb, 
wenn er volljährig ift, fich verpflichten kann, oder 
ob er Hauslind und als joldes, wenn er minber: 
jübrig iR, durch den Vater vertreten wird, fo daß ihm 
ein Bormund beftellt zu werben braudt. Der F. 
bat 2) jtrafrehtliche Bedeutung, indem die Ent: 
ziehung der durch den F. gegebenen Familienrechte 
durch Unterbrüdung (VBerbeimlihung) und Ber: 
änderung des F. ftrafbar ift. Unterbrüdt wird er, 
wenn durch rrtumerregung Dritten dauernd bie 
Kenntnis der Zugebörigleit einer Perſon zu einer 
Familie entzogen wird; verändert, wenn bei Dritten 
der Irrtum hervorgerufen wird, eine Berjon gehöre 
einer Familie an, deren Mitglied fie in Wahrheit 
J it (f. Kindesunterſchiebung). 


we 
bu 
Be 


amilienftatut, |. Zamilienpalt. 
amilienftiftung, die Widmung eines be: 
ftimmten Vermögens zum dauernden Vorteil der 
einzelnen nacheinander in bag Leben tretenden Mit: 
lieder einer gewiflen Familie oder einzelner Ange: 
— **— der Familie. Unerheblich iſt, ob vorge— 
chrieben Ei daß die für den Stiftungszmwed be 
timmten Bermögensgegenftände ſelbſt oder deren 
ert dauernd zu erhalten ift. Vorzugsweije werden 
in diefer Geftalt zugewendet beftimmte Hebungen 
für alle oder nur für gewiſſe (z. B. reg porn 
titglieber, 


in den Ausfübrungsgefegen zum Bürger. Gejeb: | Zubußen für ftubierende Söhne (Familienitis 


448 


pendium) u. dgl. Es ijt bisweilen nicht leicht, 
namentlich bei der Fafjung der Urkunden, fejtzu: 
ftellen, ob eine F. oder ein yamilienfipeitommiß 
(ſ. d.) vorliege. Das preuß. wir zum 
Bürgerl. Geſetzbuch vom 20. Sept. 1899 (Art. 1, 
8.1), ebenfo das anhaltiſche vom 18, April 1899 
und das mwaldedidhe vom 11. Dez. 1899 umſchrei⸗ 
ben %. ald «Stiftung, die J— der Stiftungs⸗ 
urkunde ausſchließlich dem Intereſſe einer beſtimm— 
ten Familie oder mehrerer beſtimmter Familien 
dient». fibermiegend wird in der Wiſſenſchaft der 
Unterſchied darin gefucht, 2 5 vorliege, wenn 
die Anordnung einer feiten Rechtsnachfolge nicht 
beabjichtigt fei, und wenn den einzelnen Beteiligten 
ein perjönliher Anſpruch gegen die Stiftung, nicht 
ein unmittelbares dingliches Recht an dem gewid— 
meten Vermögen zuſtehen foll. Der Hauptunter: 
ſchied aber it der, daß die 5. neben der Familie 
—— jurift. Perſönlichleit beſißt, das Fami— 
ienfideitommiß nit. — Eine F. unterliegt, wie 
jede andere —— Vorſchriften des Bürgerl. 
Geſetzbuchs. Doch leitet man aus deſſen 85, der 
fagt, daß die — 5 einer Stiftung, ſoweit ſie 
nicht auf Reichs- oder Landesgeſeß berubt, durch 
das A esgeiocl: bejtimmt wird, die Befugnis 
ab, über die Berfafjung der F. bejondere landes— 
rechtliche Normen zu erlaſſen (}. die oben angeführ: 
ten — 1 Die wichtigſte von dieſen 
ift, daß danach die Aufhebung einer F. durch Fami— 
lienſchluß (f. d.) herbeigeführt werden fann, auch 
wenn e3 bie Etiftungsverfafjung ausdrüdlich ver: 
bietet. — Für h% die die Form von Stammgütern 
oder Familienfideilommiffen angenommen baben, 
gilt — andesrecht (Einfuührungsgeſetß 
rt. 57). — Vol. für das frühere Recht Stobbe, 
Handbuch des deutſchen Privatrechts, Bd. 1 (3, Aufl, 
Berl. 1893); Neubauer, Zufammenftellung des in 
Deutichland geltenden Rechts, betr. Stammgüter 
2. f. w. (ebd.1879); Die Hamilienftiftungen Deutſch⸗ 
lands und Deutih:Bfterreihd (5 Bde., Münd 
1890 —1901). [Stipendium. 
| entries tr ſ. Samilienftiftung und 
amilienwohnhäufer für Arbeiter, j. Ar: 
beiterwohnungen. 
Familienzucht, ſ. Anzucht. 
Familiörement (fr;., jpr. -[iärmäng), vertraus 
li, ungeswungen, frei. 
miliften (lat. Familia charitatis, Liebes— 
brüderſchaft; boll. Huis der Liefde), religiöie 
Selte myſtiſcher Richtung, fam im 16. Jabrb. in 
Holland und England auf. hr Stifter, Heinrich 
Niclaes, geb. um 1501 zu Münjter, ein Schüler 
des David orig (f. d.), wirkte in ven bedeutendſten 
Städten der Niederlande, dann 20 Jabre in Emden, 
vorübergebend aud in England, wo Elijabeth 1580 
feine Schriften verbrennen ließ, und ftarb in den 
tiebziger Jahren des 16. Jahrh. Gegen Glaubens» 
jäge und ——— leichgültig, ſah er 
das Weſen der Religion in der Liebe. Die F. ver: 
ſchwanden um die Mitte des 17. Jahrh. — Bol. 
Rippold in der «Zeitjchrift für die hiltor. Theologie» 
(Gotha 1862). 
amiliftere (fr3., ſpr. -jtäbr), ſ. Phalanſtere. 
amine (jpr. füämmin), Borts, Dofen an dem 
Famine-Reach genannten Teile der Magalbäes: 
trage auf der Brunsmidhalbinjel Batagoniens. Cr 
erhielt feinen Namen («Hungerbafen»), weil in 
einer bier 1584 begründeten Kolonie von 300 fo: 
(oniften 298 den Hungertod ftarben. 


Familienſtipenduum — Fämund 


aminziuſFaminzyn), Andrej —— d, 
ruſſ. Botaniler, geb. 29. (17.) Juni 1835 in Sololnili 
bei Mostau, bejuchte die Univerfität zu Petersburg 
und bielt an derjelben feit 1861 Borlefungen über 
Botanik; 1867 wurde er außerord., 1872 orb. 
Profefjor der Botanik, F. bat zablreihe Schriften 
veröffentlicht, von denen die widtigften find: «Zur 
Entwidlungsgefhichte der Gonidien und Zoofporens 
bildung der 38 (in Verbindung mit Bora» 
ai teröb. 1867), «Beitrag zur Keimblattlebre 
im Bflanzenreihe» (ebd. 1876), «Embroologiiche 
Studien» (ebd. 1879), «Studien über Arvitalle und 
Kryftalliter (ebd. 1884), «Beitrag zur Symbioſe von 
Algen und Tieren» (ebd. 1889), « Überficht über die 
Leiltungen auf dem Gebiete der Botanik in Rußland 
während des J. 1890/91» (deutich Beteräb. 1892/93) 
und während des J. 1892 (ebd. 1894). 

aminzin (Faminzyn), Alerander Sergjeje 
witih, Bruder des vorigen, ruſſ. Mufiter, geb. 
5. Nov. (24. Dt.) 1841 zu Kaluga, ftudierte auf der 
— ——— ——— Naturwiſſenſchaften und 

uſik, leßtere allein jeit 1862 in Leipzig, ſeit 1864 
in Lowenberg. 1865—72 war er Profeffor der 
Mufitgefhichte am —— zu Petersbur 
Seitdem wirkte er als Sekretär der Kaiſerlich rufi. 
Muſilgeſellſchaft, ald Mufikkritiler, Üüberjeßer und 


Schriftjteller. 5. ftarb 6. Juli 1896 in Ligowo bei 
euren veröffentlichte unteranderm: «Aufl. 
inderliederbucdh», «Bajan» (eine Sammlung von 


Volksweiſen verſchiedener Völter), «Die Götter der 
alten Slawen» (ZI. 1, 1884), «Die Volksnarren im 
Rußland» (1889), «Die alte indochineſ. Tonleiter in 
Aſien und Europa» (1889), eine Studie über «Gufili, 
rujj. Nationalinftrument» (1890). Bon Kompo⸗ 
fitionen And zu nennen die Dpern «Sarbanapal» 
1875) und Uriel Acoſta⸗ (1883), eine ruf. Rbapjodie 
ür Violine und Orchefter, zwei Streichquartette. 
Sm ({hmwebd.), gaben (1. d.). 


ämö, dän. Infel in der Smaalandjee, nörbli 


„| von Laaland iſ. Karte: Dänemarklund Sadſchwe— 


den), zu Maribo gehörig, 11 qkm, (1901) 708 €. 
amõe (lat.), ver Ableitung von fama (Gerücht) 
nad eigentlich das, wovon vie —— wird, im 
Guten und im Böſen, daher berübmt, trefflich und 
berüchtigt, verrufen; famösa actio, ebrenrübrige 
Klage; famosum judicium, entebrendes Urteil; 
famosum carmen, Schmäbgedidt. 
— j. Angrecum. 
amũlus (lat., d. i. Diener), früber und zum 
Zeil no jetzt auf deutſchen Univerjitäten Berjonen, 
meist Studierende, die für die einzelnen Brofefjoren 
chiedene Geſchäfte bejorgen, die ih auf das 
Außerliche der verichiedenen Vorlefungen bezieben 
(f. Amanuenfis); dann aud jüngere Mediziner, bie 
ältere Arzte in deren Praris unterftügen ( ihnen 
———— jetzt meiſt Aſſiſtenten genannt. — 
Im frühen Mittelalter waren die Famuli eine be— 
vorzugte Klaſſe der Unfreien, welche dem König oder 
einer reichen Grundherrſchaft perjönlibe Dienſte im 
Haufe leifteten, au als bewaffnetes Gefinde für 
Jagd und Fehde verwendet wurden. Sie wurden auch 
vassi, ministeriales, pueri genannt. Später bießen 
Famuli die Knappen im Gegenfaß zu den Rittern. 
zus Hochgebirgsige im mittlern Norwegen 
(f. Rarte: Schweden und Norwegen), größten: 
teils im Amt Hedemarken, nabe bei Röraas (f. d.), 
in 668 m Höbe, ift (von N. nad ©.) 58 km lang 
und bevedt 202 qkm. Ihm entjtrömt die Trofilelo, 
die jpäter den Namen Klarelf (}. d.) führt. 


Fan — Fanega 


Langenmaß und Gewicht, ſ. Fen. 
(M'Fän), auch Pahuins, Oſſieba, 
Oſcheba, Bolt des weſtl. Aquatorialafrikas, in 
anzöfiich = Kongo, wohnt vom Ogowe nöordlich 
id nad) Batanga und ... den Jvindo auf: 
wärt3 (j. Karte: Aquatorialafrika, beim Artikel 
Afrita). Man bält die 5. bei ihrer auffallenden 
Berihiedenbeit von den umwohnenden Bantunegern 
für eingewandert und für verwandt mit den Niam⸗ 
Niam; fie haben mie dieje eine bellere Hautfarbe, 
weniger gelräujeltes Haar, etwas Vornehmes in Hal: 
tung und Gebärbe, ähnlichen Shmud und ähnliche 
Ballen. Nur ihre Sprache nähert fih mehr der der 
Bantu. Erft zu Anfang des 19. Jahrh. find fie auf 
der Hochfläche des Innern erſchienen und dann all: 
mäblih ın dichter Menge, über 200000 ſtark, zur 
Küjte jogar bis in das Delta des Ogowe, vor: 
erüdt. ch Fourneau (im «Bulletin de la Societ6 
hique», Bar.1891) zerfallen fie in drei Haupt: 
tämme, in die 5. Bethis im W., die 5. Madais 
im D. und die F. Bule im N. — Bol. Largeau, 
Encyclopedie pahouine (Congo Frangais). Ele- 
ments de grammaire et de dictionnaire frangais- 

houin r. 1901). 

Fanäl ital. fanäle), Lärmjtange, eine Stange, 
die jenfrecht aufgejtellt wird und an ihrem obern 
Ende eine mit brennbaren Stofjen angefüllte Tonne 
trägt oder durch Ummideln mit Werg und Ein: 
tauden in flüfiiges Pech und Teer brennbar ge: 
madt if. Durch Anzünden des F. entjteht eine 
ftarle Dampfmolle und eine intenfive Flamme, fo 
daß dasſelbe bei Tage wie bei Nacht zum Signal- 
8 en benugt werben fann. Man ſtellt die 3. auf 
yochgelegene Bunkte und bedient fi) ihrer nament: 
lih ım Gernierungäfriege, um weit ausgedehnte 
Borpoftenftellungen und die in Standquartieren zer⸗ 
ftreut liegenden Truppen raſch alarmieren zu fönnen. 

am, Fanum, Fanon, Name verjchiedener 
oftind. Münzen und Geldrehnungsitufen. Im brit, 
Dftindien iit das F. oder Baundea eine Gold: 
münge zu ’, =. oder 5 Silberrupien, die ins: 
beiondere in der Bräfidentihaft Bombay F. beißt, 
nad der heutigen Prägung ein Stüd von 60 engl. 
ropgrän oder 3,8879 g Gewicht, "*/,, oder 916°, 
Zaujendteilen Feinheit, 55 Troygrän oder 3,5639 g 
eingewicht = 9,9454 deutſchen Mark. In ven franz. 
sungen auf der Hüfte Koromandel, dem Gou— 
vernement Bondichery, ift das Fanon eder F. eine 
Geldrechnungsſtufe von *, Pondichery-Rupie oder 
„. Sternpagede und wird feit 1887 = 23"), franz. 
time® = Inapp 18°, deutihen Piennig ge 
rechnet. — Aud als Gold: und Silbergewicht 
tommt das F. vor, wenigitens in Kotſchin, mo es 
Ya, des —— Sicca = 5,1057 engl. Troygrän 
Benär, ; 


Yanarioten. [oder 0,5156 g ift. 

aridten heißen im allgemeinen die gried. 
Bewohner des Fanar {türf, Fener), eines Stadt: 
teil in der Altſtadt von Konitantinopel im Nors: 
weiten, am Goldenen Horn, der von dem daſelbſt 
früber befindlihen Leuchtturme (phanarion) den Na: 
men erhielt; bier war nad) der türt. Eroberung der 
Dauptfis der Griehen und nah 1601 auch das 
Batriarhat. Im engern Sinne bezeichnet man mit 
5. eine Art von Geburts: und Amtsarijtolratie, 
bie größtenteils von den edeln griech. Familien ihren 
Uriprung ableitet, die fich nad der Eroberung Kon: 
Rantinopel® in Stambul behaupteten. Aus der 
Mitte der F. wurden jeit der zweiten Hälfte des 
17. Jahrh. die Dragomans oder Dolmetſcher der 
Brodbaus’ Konverjationd-Lerikon., 14. Aufl. R.A. VI 


* 


449 


Pforte und bis zum Ausbruce der griech. Revolus 
tion (1821) die Hofpodare der Moldau und Walachei 
Fern Obgleich die F. vieles zur Bildung ihrer 
ation, z. B. durd Errichtung von Schulen u. ſ. w., 
fowie zur Erleichterung des auf den Griechen laſten⸗ 
den Drudes und zur Hebung des Wobhlftandes in 
den Donauprovinzen beigetragen haben, jo galten 
doc Ehrgeiz und Egoismus, ab: und Herribfucht 
ſowie ein Hang zur Intrigue als unerfreuliche Züge 
ihres Charafters; fie waren im allgemeinen jelbjt 
bei ihren Landsleuten wenig beliebt. An der griech. 
Revolution 1821 beteiligten fh viele F. eifrig im 
nationalen Sinne. est haben die F. den polit, 
Shub in Ronftantinopel großenteilä verloren. 
Biele find längft nah Athen übergefiedelt. — Bal. 
allony, Essai sur les Fanariotes (2, ul. 
arjeille 1830) ; (Eugen Rhangabe), Livre d’or de 
la noblesse Phanariote en Gr&ce, en Roumanie, 
en Russie et en Turquie (Athen 1892). 
Fauatiker, ein von Fanatismus (j. d.) erfüllter 
Menſch, Eiferer, Schwärmer; fanätiſch, eifernd, 
verfolgungsfüdtig; fanatifieren, in Fanatismus 


eben. 

Fanatismus (lat.), tadelnde Bezeichnung einer 
Überzeugungsftärfe, die jede abweichende Meinung 

rt unjittlih oder doch menſchenunwürdig hält, 

de Überzeugung, die jich auf eig Fady ar en: 
iten bezieht, kann in 35. ausarten. Man —* 
det beſonders religiöfen, politiſchen, wiſſenſchaft⸗ 
lichen und küunſtleriſchen F. — Bol. Löwenſtimm, 
Der F. als Duelle der Verbrechen Berl. 1899). 
Fauchou(ſpr.fan ——— 
ranzisfa), eben: dann eihnung einer 
_ —— nd eh [ Fancen) 
anoy (engl., ipr. fännpi, Mehrzahl Fancies), 
Phantafie, Laune, Geſchmads⸗ Modeſache; Fancyz 
artilel, Modemwaren; F. fair (I. fähr), Modes 
warenmarft, beſonders ein zu wohlthätigen Zmweden 
veranftalteter Bazar; Fancy-dress, Rastentoftüm; 
Fancy-net, gemujterter Spikengrund. 
Fandango, der ältefte und beliebtefte fpan. Nas 
tionaltanz. Er wird immer nur von einem Paare 
etanzt und mit Quitarrefpiel, fekten mit dem Tam⸗ 
urin, begleitet, während die Tänzer mit Eaftagnet- 
ten, die Zuſchauer durch Händeklatſchen den Talt 
Sechsachtel, jetzt auch Dreiviertel) angeben. Die 
elodie des F. iſt ſehr eigentümlich, monoton, mit 
eppenden Kadenzen. In Andaluſien, der eigent⸗ 
ichen Heimat des F., werden zu dieſer Melodie teils 
von den Zuſchauern, teild von den Tänzern ſtets im: 
provifierte «coplas» ( Couplets) gejungen. Ballett: 
mäßig eingerichtet und mit veränderter Mufit wird 
der F. als Bolero (f. d.) auf den Theatern aufgeführt. 
e (jpr. fehn), wallif.zengl. Adelsfamilie, ſ. 
moreland (Grafenwürbe). 

Fauẽga, Hanega, ein älteres noch vieliad ge 
braudtes jpan. Getreide: und Feldmaß, in Mittels 
amerifa noch gejeblich vorgefchrieben. 1) Setreider 
maß: die fpan.:caftiliihe 5. von 12 Gelemines = 
55,501 1; in den Provinzen ſehr verſchieden und 
zwiſchen 21,40 1 (zu Teruel in Aragenien), dann 
22,42 1 (zu Saragoila in Nragonien) und 74,14 } 
fin Aſturien) ſchwanlend; in ver Hauptjtadt Madrid 
= 55,34 1. In der Republit Merilo war die F. von 
12 Almudes ein geſeßliches Maß und zwar im alls 
gemeinen von 3600 merik. Rubilzoll = 90,8149 1 = 
1,636 275 caftiliibe F. In Ehile iſt die F. der nörbl, 
Provinzen = 90%, 1 = 1,656 caftilifche F.; man legt 
dort gewöhnlich das Gewicht zu Grunde und rechnet 

29 


450 


fie z. B. bei Weizen zu etwa 160 caftil. Pfund. Ein 
Gele von 1848 giebt ihren Inhalt zu 971 an, und 
fo rechnen aud Handelsberichte. In der Argen: 
tiniihen Republik ift die F. des Staates Buenos: 
Aires von 4 Euartillas oder 12 Almudes = 9856 
argentin. Rubilzoll = 187,20 1 = 2”, caſtiliſche F. 
In Uruguay ift die ebenfo —— weſentlichen 
diejelbe = 137,272 1. Die F. von Paraguay enthält 
288 1, die von Bolivia und Beru ift etwa = 751. 
Das entiprechende portug. Maß i —IX (. d.). 
(S. auch Carga.) — 2) Feldmaß im feſtländiſchen 
Spanien, auf der Inſel Cuba und den Canariſchen 
ſeln. Die nbes, fanega de tierra oder 
Fanegada, gleichfalls geteilt in 12 Celemines, ift 
ebenjo verſchieden wie die Getreidefanega. Die ge 
feßliche caſtiliſche F. begriff 576 Quadrat-Ejtada 
ober 9216 Duadrat-Baras = 64,3956 a; fie ſchwankte 
aber im Verlehr, namentlid der Provinzen, ganz 
außerordentlich. Im Gebiete ver Hauptitadt Madrid 
entbielt die F 4%00ccaftil.Duadrat:Baras ⸗34 assi a 
= (0,5517 ca neh: Auf der 8* Cuba war die 
Ba nur etwa 1°, Proz. größer als die caſtiliſche. 
uf den Ganarifchen njeln enthielt die Fanegada 
von 1600 Brazas 7511, caſtil. Duadrat: Varas 
= (0,3150 caftiliiche $. = 52,109 a. (S. Almude.) 
anegäda, jpan. Feldmaß, j. Sanega. 
anfani, Pietro, ital. Philolog und Schrift: 
fteller, geb. 21. April 1815 zu So in Toscana, 
ründete 1847 in Piftoja die philol.=litterar. Zeit: 
&rift «Ricordi filologici», die großen Erfolg —— 
aber 1848 einging, das. als Freiwilliger den Feldzug 
in der Lombardei mitmadte. Bon den Öfterreichern 
aefangen, ward er nah Thereſienſtadt abgeführt. 
Nach jeiner Befreiung erbielt er eine Anftellung im 
Unterrihtöminifterium und wurde 1859 Bibliothe: 
tar der Marucelliana in Florenz. Seit 1875 ließ er 
fib in eine Polemik gegen die Chronik des Dino 
——— (. d.) ein. g Harb 4. März 1879 zu Flo: 
renz. ſchrieb: «Vocabolario della lingua ita- 
liana» (Flox. 1856; 3. Aufl. 1890), «I diporti 
filologiei» (Neap. 1858; 2. Aufl., Flor. 1871), 
«Osservazioni sui primi fascicoli della quinta im- 
pressione del Vocabolario della Crusca» (Modena 
1849), die ihn in einen beftigen Streit mit der 
Accademia della Crusca vermwidelten, aus dem er 
zuletzt aberfiegreich hervorging. rei ge par 
zablreihen Schriften, die fich in feiner «Bibliografia» 
(Mail. 1874) verzeichnet finden, verdienen Erwäh— 
nung: «Lettere precettive di eccellenti scrittori» 
(ebd. 1855; 2. Aufl. 1871), «Vocabolario della pro- 
nuncia toscana» (Flor. 1863), «Studj ed osserva- 
zioni sull’ testo delle opere di Dante» (ebd, 1873), 
«Vocabolario della lingua italiana parlata» (ebv. 
1875). Außerdemleiteteer die Zeitſchriften «Etruria» 
(2 Boe., ebd. 1851—52), «Il Borghini» (ebd. 1863 
—65 u. 1874— 77) und war 1876 Mitbegründer 
der Florentiner «Rivista internazionale», — Val. 
Eerquetti, Pietro F. e le sne opere (‘}lor. 1879). 
Fanfäre (fr;.), ein Meines kriegeriſches, für 
Trompeten und Bauten gejebtes Tonftüd von gläns 
zendem und namentlich lärmendem Eharalter; von 
diefem Worte ftammen die Bezeichnungen Fanfaron 
ſ. d.), Fanfaronnade u. f. w. Eu auch jedes kurze 
agdtonftüd für zwei Hörner. Nicht zu verwechieln 
mit dieſer als Mufiljtüd u er F. ift das 
gleibnamige Kavalleriefignal Marih! Marſch!, 
welches unmittelbar vor dem Einbrucd in den Feind 
gegeben wird ala Zeichen, daß zur —* ang⸗ 
art übergegangen und Hurrah! gerufen werben joll. 


Fanegada — Fangheuſchrecken 


Fanfaron frz. ſpr. fangfaröng), Brabler, Auf 
Ichneider, Renommift; Janfaronnäde, Brablerei, 
Großipreberei; Fanfaronnerie (fpr. fanala 
tonn’rib), aroßiprecheriiches Weſen; fanfaron- 
nieren, prablen, auffchneiden. 

Fanfreluche (fr;., jpr. fangfr&lübib), Flitter- 
kram, Schnurrpfeiferei; auch Name einer böfen Fee. 

Fang, in der Jãgerſprache Vorrichtung zum 


Fangen von Tieren (Saufang, Entenfang). (©. 
auch Fänge.) 

Fanga,vortug. Maß, das yo e des Alqueire 
ſ. d.). Fur Steintohle war das Maß ein weit arö: 

jered, wenigſtens in Liſſabon, die F. entbielt näm⸗ 
ich dort 8 5* Alqueires; man rechnete ſie — 
219, alte engl. Kohlenbuſhels = 769",, 1, alſo bei⸗ 
nabe 14mal der inhalt der Liſſaboner Getreidefanga. 

Fangbäume, |. Forſtinſelten. 

Fangdamm oder Fangedamm, eine bamm- 
artige, waſſerdichte Umſchließung einer am oder im 
Waſſer gelegenen Bauftelle, welche den Zwed bat, den 
Grundbau zu erleichtern. Nad erfolgter Heritellung 
des F. wird die Bauftelle ausgepumpt, worauf die 
Gründung und Ausführung des Mauerwertö im 
Irodnen vorgenommen werden kann. F. finden ins: 
bejondere bei Erbauung von Brüdenpfeilern in nit 
zu tiefen Gewäflern, bei Herftellung von Ufermauern 
undWiderlagern Verwendung. Nah Art des Damm; 
förpers unterjcheidet man F. aus Erde, ſolche mit ein: 
feitiger Begrenzung durch Holzwände, freiftebende 
Spundmwände und Raftenfangbämme aus zwei oder 
mebrern Holzwänden und dazwiſchen gefüllter Erde, 
Thon, Lehm, Dünger oder Beton. Die Krone des F. 
wird 0,,—0,5 m über den höchſten Wafjerftand, wel: 
hen man abhalten will, gelegt. Die Verwendung der 
3. iſt feit der Verbefjerung der — —— 
und der Einführung der Betonfundierung ſehr 
ſchränkt worden. (S. Grundbau.) In Häfen, we 
von einer Seite ber die Flut einbringt, während 
andererjeitö der Ebbeftrom abfließt, bat man, mie 

u Willemdoord und Nieume:Diep, in einer be 
Eden Entfernung vom Ufer, 3.8. 150 m, einen 
Leitdamm (Leidam) bergeitellt und mittels eines ſich 
an diefen unter fpigem Winkel anfchließenden Fila: 
gels oder F. (VBangdam) das Ebbewaſſer der Ser 
gelangen, ierdurh zum Abfluffe zwiſchen diefem 
amme und dem Ufer gezwungen und burd bie 
dabei entjtebende or der Berjandung bes 
Hafens vorgebeugt. Bei Anlage von ren 
an Fluͤſſen endlich pflegt man mitunter ala 5. aud 
denjenigen dammartigen Teil zu bezeichnen, welder 
zwiſchen dem neu bergeftellten = ichgraben und 
dem alten lußbette verbleibt und erſt bei der eigent- 
lihen Eröffnung des Durchſtichs bejeitigt wird. 

Fänge, Bezeihnung für die Füße der Raub» 
vögel und die langen Echzähne der Raubiäugetiere. 

Faugeiſen, |. Saufeder. [Fia. 25, f. 

angfäden, j. Schwimmpolypen nebſt Tafel, 
Fanggebäude, f. Holjtransportweien. j 
Seusbeuireien (Mantidae), eine Familie 
der eigentlihen Gerabflügler (f. d.). An dem lang- 
geftredten Körper der F. ift der Kopf jr beweglich 
und mit langen, borftenförmigen Fuhlern verſe 
der erfte Bruftring in der Regel ſtark in die Yänge 
gesogen. Das vorderfte Beinpaar ift in ein Baar 
räftige Raubarme umgewandelt, mit denen bie 
efräßigen F. ihre Beute erfaflen, bie in andern 
—— bei manchen tropiſchen Arten ſelbſt in 
Heinen Wirbeltieren beſteht. Sie halten ſich meiſt 
im Graſe auf, wo auch die Weibchen ihre Eier 


Yanginftrumente — Fanſaga 451 


in Haufen abfegen und mit einer anfangs flüſſi⸗ 
gen, aber bald erbärtenven Hülle umgeben. Die 
meilten Arten der F. find groß und teilweise ſchön 
ärbt. Sie find zum 2 Teil Bewohner der 
ißen Zone, der Alten und Neuen Belt (aus Bra: 
hlien * B. ſtammt Vates orbus Burm.; ſ. Tafel: 
Inſekten I, Fig. 8), nur wenige Arten finden ſich 
in Südeuropa und nur eine, die Gottesanbeterin 
(1.d. und Taf. IV, Fig. 12), ftellenweife in Suddeutſch⸗ 
anginftrumente, h Bergbobrer. (land, 
ugkloben, j. Forſtinſelten. 
feine, der Strick zum Führen der Jagd: 
bunde; auch die von einem anlegenden Boot der 
Landungsſtelle oder einem größern Schiff, oder um: 
getebrt, zugeworfene Leine. 
gmajchine, |. Wirtmafcine. 
ngo (ital., Schlamm»), Mineraliblamm, der 
aus den euganeijhen Thermen, namentlih von 
Battaglia (f. d.) in Stalien, gewonnen und in trod: 
nem Zuftand verjendet wird. Neuerdings wird er 
aub ın Deutichland vielfah in Form von Um: 
ihlägen und Bädern gegen Rheumatismus, Neu: 
ralgien, alte Exſudate, Gicht u. ſ. w. benutzt, ohne 
anicheinend mebr alä die gewöhnlichen Moorbäder 
u nügen. — Val. Davidf em, Ergebnifje ver Fango⸗ 
ebandlung (Berl. 1898). 
pflanzen, 5 Nübennematode, 
ngrinden, |. Forſtinſelten. 
gichaufel, ſ. Bergbobrer. 
ngichnur, Gordon, eine Schnur, die mit 
bem einen Ende an der Kopfbedeckung (deren Ver: 
lorengeben fie verhindern foll), mit dem andern Ende 
an der Uniform des Soldaten befeftigt oder auch 
nur um feinen Hals —— iſt. Die F. bildet 
ein Ausrüftungsftüd der Kavallerie, in Deutic 
land der Hufaren und Ulanen, und dient zugleich ala 
Zierat, gehört jedoch feit 1897 nicht u zur Feld⸗ 
audrüftung ber Ulanen, ſondern nur zur Barade: 
uniform. Seit 1894 trägt die deutſche Infanterie 
eine Art F. als Schügenabzeicen (f.d.). 
Sangihuf, legter (tötender) Schuß auf ein an» 
geichoflenes oder von den Hunden geitelltes Wild, 
aftoh, I. Bajonettfechten. 
vorrichtung, Sicherheitövorrihtung beim 
Sabrftublbetrieb, f ufzug. 
gwerke, ſ. Geiperre. 
gwot, Hauptort der Inſel Rotumah (ſ. d.). 
ner (Lycodontidae), Wolfszähner, 
Rleinäugler, zn der harmlojen Schlangen 
von meijt rundlihem, jeltener jeitlich zufammenge: 
drüdtem Körper. Der Kopf iſt länglich ovalmit abge: 
rumdeter Schnauze. Die Augen find fehr Hein und 
—— eine ſchlitzförmige, ſenkrecht ſtehende Pupille. 
er vordere Zahn iſt in beiden Kiefern der längſte; 
zähne find nicht vorhanden. Die Familie be: 
aus 11 Gattungen und 35 Arten, welche das tro: 
piihe Afrika, mit Ausnahme von Madagastar und 
ben Mascarenen, jowie die ind.:orient. Region bi 
und mit Neuguinea bewohnen. 

Fanninginfeln, Amerita:Injeln, Ardi- 
pel von Koralleninſeln im Stillen Ocean (j. Karte: 
Dceanien), umfaßt die zwifchen 0° 40’ fühl. und 
5° 49° nördl. Br., 156° 40’ und 163° weitl. 2. von 
Greenwich aelegenen Riffe mit 668 qkm und etwa 
200 E. Die fünf größten find Jarvis (4 aan), a 

ra (1 qkm), Wajbington (16 qkm), Weihnachts: 

injel (f. d.) oder Chriſtmas Island (607 qkm) und die 
Sanninginjel; estere hat 40 qkm, 150 E., Kolos⸗ 
balmen, gute Duellen und gehört den Engländern. 


— Stadt im Kreiſe Dim der ital. Provinz 
Bejaro:Urbino, an der Linie Bologna:Ancona des 
Adriatiſchen Netzes, maleriſch am Adriatifhen Meere 
und an der Mündung eines Arms des Metauro ge: 
legen, Sit eines Biſchofs, gut gebaut, mit Mauern, 
Türmen und Graben umgeben, bat (1901) als 
Gemeinde 24848 E., in arnifon 2 Bataillone 
des 37. Infanterie und 2 Batterien des 14. Feld⸗ 
artillerieregiments; eine Kathedrale (San Fortu: 
nato) mit Bildern von Domenihino und Gar: 
racci, zahlreihe andere Kirchen, wie Sta. Maria 
Nuova mit einer Madonna von Perugino, San 
Pietro mit Fredten und einer Verfündigung von 
Guido Neni, viele Klöfter, eine Fortunaſtatue auf 
einem Brunnen, Überreite eines Triumpbbogens des 
Auguftus, Rationallonvilt, Gymnafium, Gewerbe 
chule, öffentliche Bibliothek und ein prächtiges 
beater. F. ift auc beliebter Seebabeort. Wichtig 
ift die Seideninduftrie und Fiſcherei. — %. (Fanuın 
Fortunae, fpäter Colonia Julia Fanestris) verbantt 
feine Entjtehung einem ortunatempel. In der 1463 
von den Malatefta an den Kirchenſtaat gelommenen 
Stadt wurde auf Koften PBapft Julius’ II. eine 
Druderei errichtet, aus der 1514 der erſte befannte 
Drud in arab. Lettern hervorging. 

Fand, dän. Inſel an der Norbfeefüfte vor ber 
Mündung der Königsau und durd das Graue Tief 
(Graadyb) von der Halbinfel Stallingen getrennt 
(j. Karte: Dänemark und Südſchweden), 
gebört zum Amt Ribe, bat 54 qkm und (1901) 
3177 €. Die Oberfläche befteht aus Dünen, Flug: 
um und Heide; nur in unmittelbarer Nähe der 

obnpläge ift der Boden angebaut. Die Ein: 
mohner treiben nur jpärlich Fijcherei, aber bebeu: 
tende Frachtfahrt (Handeläflotte 1900: 78 —— 
F. zerfällt in zwei Kirchipiele Norbby und Sönderhoe 
mit den gleihnamigen Hauptorten; erſterer befist 
ein Seebad und eine Navigationsichule Auf der 
Meftküfte in der Dünenregion find mehrere größere 
Babdeetablifjements. 

Fanon (frz., jpr. -nöng, vom althochdeutſchen 
fano, sahne), in Frankreich die fleine, nicht als 
Feldzeichen geltende Sahne, die auf den Lagerpläßen 
den Standort ber einzelnen Compagnien marlierte, 

ebt wirb dafür der Ausdruck guidon gebraudt. 

. beißt aud das fonjt Manipel (ſ. d.) genannte 

ewandftüd der kath. Prieſter, auch das Schulter: 
velum, unter dem bei der feierlichen Mefje ver Sub: 
dialon die Patene hält und ein vom Papite bei der 
feierlihen Meſſe getragenes ſeidenes Humerale 
(aub Orale genannt). Ferner bezeichnet F. den 
Banbitreifen (sudarium) an den einwärts — 
Stäben der Äbte und die zu beiden Seiten ber 
Krone der deutihen Kaiſer herabhängenden Bän: 
der. In der Chirurgie ift F. eine Art Schrein 
(Stroblade), deren man fich früher bei Beinbrüchen 
bediente. Falſcher F. (faux fanon) war eine Lein— 
wandkompreſſe, welche zwiſchen Strohlade und Bein 
gelegt wurde. N zer 

bean (fpr.-nöng), franz.:vorderind. Öeldgröße, 
anfaga, Cofimo, ital, Baumeijter der Barod⸗ 
zeit, geb. 1591 zu-Bergamo, geit. 1678, lebte zu: 
nädjt in Rom, jeit 1626 in Neapel und gab dieſer 
Stadt ihr baulihes Gepräge. Er baute bajelbit 
verfchiedene Kirchen, Paläſte und Dentmäler, dar- 
unter die Thereſenkirche mit ftattlicher —— 
| (1625), die Ferdinandskirche (1628), den prachtvollen 
Hauptaltar in der neuen Sefulirhe, die Guglia, 
| d. b. den Dbeliäten mit dem Standbilde des beit. 
29* 


452 


Dominicus, den Medinabrunnen (den er vergrößerte 
und mit reicherm Schmud ausjtattete), die Kirche 
Sta. Maria Maggiore (1657), die Sapienza, ein 
edles Wert mit breiteiliger Halle, von ierliber 
Bauart, den — (jeßt National 
bant) ſowie zahlreiche Privathäuſer. 
nt (ital. fante), junger Burſche, mit dem 
Mebenbegriff des Unreifen und Leichtfertigen. 
Santafia (vom griech. phantäsia, |. — — 
als Fremdwort in die neuern orient. Sprachen auf⸗ 
genommen, bedeutet alles, was auf höhern Lebens⸗ 
genub Bezug hat, wie 3.B. Gefang, Tanz, Tummeln 
des Roſſes u. dgl.; dann eine an Waffen und Ge: 
rät angebrachte Verzierung, Blumenihmud im 
Haar und auf der Speifetafel, kurz jeden über das 
Notdürftige hinausgehenden Lupus. Insbeſondere 
bezeichnet man jedoch mit F. im Orient öffentliche 
Gelaufange, Produktionen von Künftlern, die von 
fit teten mimifchen Tänze und Gefänge der 
Almehs (}. d.), und in Spanien bie Scheinfämpfe, 
die bei verſchiedenen Feten zwifchen Ehriften und 
Mauren aufgeführt wurden. reutb. 
antäfle, Schloß zu Donnvdorf (f. d.) bei Bay: 
— ſ. Rotwelſch. 
ti, Negerſtaat an der afril. Goldkuſte ſudlich 
von Aſchanti (f. Nebenlarte zur Karte: Guinea). 
Die Bewohner find mit den Aſchanti gleiher Ab: 
Rammung und ſprechen diefelbe Sprache (das Odſchi 
ober Kuh beide Staaten führten zu Beginn des 
19. Jahrh. blutige Kriege miteinander, infolge deren 
die Macht 5.8 gebrochen wurde. Seit 1864 ift das 
Land völlig unter brit. Oberboheit. (S. Golptüfte.) 
Fauti, Manfredo, ital. General, geb. 26. Febr. 
1808 zu Garpi bei Modena, beſuchte die Radetten: 
ſchule zu Modena, wurde In enieurleutnant und 
nahm im Febr. 1831 an der Erhebung gegen den 
Deriog Fran von Modena und die Oſterreicher 
teil. entlam nad Frankreich, trat dann 1835 in 
pen. Dienfte über, — ſich durch Tapferkeit 
m Kampf mit den Karliſten aus und rüdte zum 
Dberft im Madrider Generalftab auf. 1848 nad 
Italien zurüdgelebrt, trat er ald Generalmajor in 
den Dienft der Brovifprifcen Regierung von Mai: 
fand und ſchutzte Karl Albert perfönlich gr en die 
Vollawut nad dem Abſchluß des Maffenftillitands, 
Er kämpfte 1849 im Dienjte Piemontö gegen die 
Öfterreicher, führte im Krimtriege eine Brigade und 
im Kriege von 1859 eine Divifion mit Auszeihnung 
und übernahm dann von den Proviſoriſchen Regie: 
rungen von Toscana, Parma, Modena und der 
Romagna die Führung ihrer vereinigten Truppen. 
1860 in das erite ital. Kabinett unter Gavour 
als Kriegsminiſter eingetreten, ſchuf er neue Trup⸗ 
nlörper, verftärfte die Feitungen Pavia und 
igjigbettone, erneuerte die Heereseinrichtung und 
vernichtete in den Marten und Umbrien die päpftl. 
Truppen unter Lamoriciere, bewirkte auch als Fuührer 
von Victor Emanueld Generalftab in Unteritalien 
Molas und Gaetas Einnahme. F. mar 1849 Mit: 
glied des zweiten piemont. Parlaments und wurde 
1860 zum Senator ernannt. Als Ricafoli 1861 fein 
Minijterium bildete, übernahm F. den Oberbefehl 
des 5. Militärdepartementd. Er jtarb 5. April 1865 
u Florenz, mo ihm 1872 ein Bronzeftanbbild (von 
di) errichtet wurbe. — Vgl. Relazione sulla cam- 
pagna Ji guerra nell' Umbria e nelle Marche Sett. 
1860 (Zur. 1860); Garandini, Vita di Manfredo F. 
(Berona 1872 u. 1884); Galori, Manfredo F. nella 
storia del risorgimento italiano (Modena 1901). 


Fant — Farad 


Fanum, Münze, |. Fanam. 

Fanum (lat.), heiliger, der Gottheit geweihter 
Platz, beſonders als Tempelplatz, daher auch Tempel. 

Fanum Fortũ ‚I. Fano. 

Fanum Sanoti Viti, }. Fiume. 

Fao, befeitigter Hafenplag im türk. Sandſchat 
und Wilajet Basra, rechtd an der Mündung des 
Hauptarmes des Schatt el:Arab, Kusbah gegen: 
über, ijt der Sik der türf. Behörde für die Eupbrat- 
ſchiffahrt und eines brit. Konjularagenten, Duarans 
täneitation. Hier endet das perj. Goljlabel, bie 
inboeurop. Telegrapbenlinie und beginnt die Land⸗ 
linie nach Konſtantinopel. I. dj. 

Faprefto, Beiname des ital. Malers Giordano 

Faquin (fr;., ſpr. fäläng, vom ital. facchino, 
Badträger, Dienftmann), Holzfigur, nad welder 
man beim Panzenrennen mit der Lanze jtieß und die, 
ungeihidt getroffen, dem Stoßenden einen Schlag 
zurüdgab (j. auch Karufjell); dann: Schlingel, Wit, 
Yump; Faquinerie (pr. -kin’rib), Schelmen;, 

Far (lat.), Dintel, Schurlenſtreich. 

Färäbi, Abü Naßr Mohammed ibn Moham— 
med ibn Tardyän al:, mohammed. Philoſoph, wurde 
gegen Ende des 9, Jahrh. in Farab (Budara) nes 

oren. Sehr früb wandte er jih nad der Nefidenz 
Bagdad, wo er Gartenhüter wurde, dabei aber mit 
robem Fleiß das Studium des Artjtoteles betrich, 
o daß fich viele Schüler um ibn ſcharten. Später 
ging er nah Haleb, wo er an dem Sultan Seif al: 
daula einen Beſchüßer fand, den er aub nah Da: 
mastus begleitete. Dort ftarb er 950. Die Zahl 
eg nur zum Teil im arab. Tert (zum Teil aud in 
ebr. Üiberjegungen) auf uns gelommenen Schriften 
iſt febr aroß. Beſonders berühmt machte er fih durch 
feine Bearbeitung des Arijtoteles, vorzugsweiſe de⸗ 
«Drganon». Seine Autorität berubte vorzugsme.je 
in der Entwidlung der Logil. Aber aud jeine me: ı- 
pbofiichen Lehren werden vielfah erwähnt, ſowie er 
auch in der Lehre vom Intellelt für die jpätere arab. 
Philoſophie babnbredend war. Auch beſaß F. cın 
bedeutendes muſilaliſches Talent. Aus einem ſeiner 
muſikaliſchen Werke, von welchen Koſegarten fin ter 
Vorrede zu feiner Ausgabe der «Aghäni») eine Ana» 
lyſe lieferte, find von J. P. Yand in den Alten 
des 8. Drientaliftenlongrejjes (Veid. 1885) Auszüge 
im Original nebjt einer orientterenden Abbanblung 
erſchienen. Einige der pbilof. Abbandlungen des 
5. find in lat, Überjegung von Camerarius («Al- 
pharabii vetustissimi Aristotelis interpretis opera 
omnia, quae latina lingua —— reperiri po- 
tuerunt», Par. 1638) ——— en. Im arab. 
Driginal haben Schmölders (in «Documenta philo- 
sophiae Arabum», Bonn 1836) und Dieterici (2eid. 
1890) Abhandlungen des 5. ebiert; Dieterici bat fie 
auch ins Deutſche überjekt (ebd. 1892) und F.8 
Abhandlung «Der Mufterftaat» beraus * en 
(ebd. 1895) und überjekt (ebd. 1900). — 8 S. 
Munt in «Melanges de philosophie juive et arabe⸗ 
(Bar. 1859); Steinſchneider in ben «M&moires (le 
l’Acadömie des sciences deSt. Pötersbourg»(1850). 

Farad (benannt nah Michael Yarabay), vie 
eleftromagnetifce praltiihe Rapacitätseinbeit (f. 
Eleltriſche Kapacität) im Eentimeter: Gramm: €» 
tunden (C-G-S):Spftem (f. Maß und Gemwi.ht 
im abjoluten Sinne, und Eleltriſche Einheiten); 
fie itellt die Kapacität eines Leiterd vor, der mit 
der Ginbeit der Glektricitätämenge (f. d.), d. i 
1 Coulomb, zum Potentialmerte (f. Eleltriſches Po⸗ 
tential) der Einheit der Eleltromotoriſchen Kraft 


Faraday — Farbe 


6.2), d. i. 1 Bolt, geladen wird. Das F. beträgt 
rur das Zaufenbmillionftel 1000000000 = 10? 


der tbeoretifchen Einheit des C-G-S:Spftems und 
wird daher ausgedrüdt durch 10-9 em. g. sec. Diele 
bedeutende Verkleinerung der tbeoretiichen Kapaci⸗ 
tät3einbeit ift dadurch notwendig, daß letztere für 
die PBraris * ihrer unbequemen Größe nicht 

Bt, indem 3. B. die Kapacität eines transatlanti: 
hen Kabels nur etwa den anderthalbbillionften 

eil diefer Einheit beträgt. Ja jelbft das F. ift 
nod zu roß, fo daß man gewöhnlich das Milro: 
farad, d. i. ben millionften Teil des F. ala Kapa- 
eitätäeinheit anwendet. Das Mitrofarad, für wel: 
ches die übliche en mi ift, beträgt numerifch 
alfo 10-15 cm.g.sec. Wie groß auch noch das Mikro⸗ 
farad ift, geht daraus hervor, daß die Kapacität 
eines Kilometers des überfeeiihen Kabels nicht 
mebr als etwa 0,2 rn ausmadt. Die Ha: 
pacität der gewöhnlichen Leidener Flaſchen mißt nur 
nad Zebhntaujendfteln des Mikroſarad, und felbft 
die mächtigen Kondenfatoren mit einer Belegung 
nad Tauſenden von Quadratmetern, wie fie 3. B. 
beim Betrieb der enal.:amerif. Kabel in Gebrauch 
find, befigen bloß einige hundert — ———— Zur 
leichten Meſſung von Kapacitäten in Mitrofarad 
dienen aus Stanniol und Glimmer —— latt: 
fondenfatoren, deren Kapacität möglichit genau auf 
1 miodereinfache Bruchteile desſelben abgeglichen iſt. 

Faraday (ipr. färrede), Michael, engl. Chemiter 
und Phyſiler, der =. eined armen uf mieds, 
geb. 22. Sept. 1791 zu Newington Butt bei London 
in der Grafihaft Surrey, fam 1804 nad London 
in die Lehre zu dem Buchhändler und Buchbinder 
George Riebau, bei dem er neun Jahre arbeitete. 
In feinen Mußeftunden fertigte er eine Eleltrifier: 
mafdbine und andere Apparate an und erbielt 1813 
durch Dany den Poſten eines Nifiitenten an dem 
pbpiit. Yaboratorium der Royal Institution. Zu 
Ende desſelben Jahres begleitete er Davy auf einer 
Reife nad dem Kontinent und kehrte 1815 zu feinen 
Arbeiten im Yaboratorium zurüd, 1827 wurde er 
Brofejjor der Chemie an der Royal Institution in 
London und wirkte 1829—42 aud als Leltor an 
der Militäralademie in Woolwich. 1835 verlieh ihm 
das Minijterium eine Benfion von 300 Pfd. St. 
F. ftarb 25. Aug. 1867 in Hampton:Court. 

Bon Bereutung für die Wiſſenſchaft wurden feine 
Berjuche über Legierungen des Stahls (1820 und 
mit Stodart 1822); die Berflüffigung mehrerer Gas: 
arten, wie Roblenjäure, Eblor u. ſ. w. (1823 und 
1845); feine Darftellung verfchiedener mit Üthylen 
iſomerer Roblenwafjerftoffe (1825 und 1826); die 
Darftellung eines optiihen Glafes aus Kieſelerde, 
Borarjäure und Bleioryd (1825—29); feine Stu: 
bien über Thaumatropie (1831) und ſchwingende 
Blatten (1831). Das größte Auffehen erregten in: 
defien feine Entvedungen der e gg er 
Rotationen (1821) und der Boltas oder — 
——— (1832); 1838 — 34 folgten feine eleltro⸗ 

Unterſuchungen, 1835 entdedte er den as 
itrom, 1845 —48 machte er feine berühmten Berjuche 
über den Diamagnetismus und 1845 entbedte er, 
daf jede Durchfichtige diamagnetiſche Materie mittels 

Gleltricität oder Magnetismus das durchgehende 
Sicht freisförmig polarifiere. F. gab eine Reihe lauch 
in voggendorffs « Annalen» übergegangener) Ab: 
kandlungen («Ex erimental researches in electri- 
city», 3 Bve-, zulest Lond. 1882; deutſch von Ka: 


453 


licher, 3 Bde., Berl. 1889—91 ; auch von von Öttin- 
en in Ditwalds «Klaffitern der eralten Wiſſen 
haften») über alle elettriijhen Phänomene und 
deren Zufammenbang heraus. Ferner erſchienen 
von ibm: «Lectures on light and ventilation» 
(2ond, 1843), «Lectures on the nonmetallic ele- 
ments» (ebd. 1853) und «Lectures on various 
forces of matter» (4. Aufl., ebv. 1874). Seinen 
Briefwechſel mit Schönbein ß Letters») gaben 
Kablbaum und Darbijhire (Bafel und Lond. 1899) 
beraus. — Bol. Dumas, Eloge —* de 
Michel F. (Bar. 1868); Bence Jones, The life 
and letters of F. (2 Bbe., Fond. 1869; 2. Aufl. 1870); 
Tyndall, F. as a discoverer (ebd. 1870; beutich von 
Helmboli „Braunſchw. 1870); Gladſtone, Michael 
F.(deutih Glogau 1882); Thompfon, Michael F., hie 
life and work (Lond. 1898; deutſch Halle 1898) ; derf.., 
Fund die engl. Schule der Elektriker (Halle 1901). 

Yaradayın, Produkt der trodnen Deftillation 
des Kautſchuks, in der Hauptſache identiſch mit 
Iſopren (ſ. d.). 

Faradays Gefen, ſ. Elektrolyſe. 
aradifation, ſ. Elektrotherapie. 
araͤfrah («Sprubelquellen»), die kleinſte dei 

pr ägypt. Dafen der —— MWüfte (ſ. Karte: 
Ügppten), 8—10 Tagereifen weitlih von Siut 
im Nilthale, liegt in 76 m Höhe in einem nur nad 
©. * eten, ſonſt rings von Nummulitentalt: 
Steilrändern abgeſchloſſenen Thale mit talligem 
Thonboden, der jtredenmeife mit Quarzfand bededt 
ift. Die wafferreichfte der zahlreichen, die Vegetation 
bervorrufenden Sprubdelquellen, ſüdlich vom Drte 
F., hat eine Temperatur von +26°; nad Rohlfe 
zählt die Dafe 320, 1897 nad) Beadnell 542 E. Eine 
Regierungsbehörde, die hier, wie in andern Dafen, 
die patriarhalifche Herrſchaft der begütertften Fami⸗ 
lienhäupter beauflichtigte, ift nicht vorhanden. Die 
Religionsihule (Zawije) des Senuſſiordens A 
Snuffi) ift bier allmächtig und hat einen großen Zeil 
des Örundeigentums an fi gebradt. 

——— indobrit. Stadt, ſ. —— 
arallones de los Frayles( F -alljobnes), 

Gruppe Keiner Infeln, parallel der Küfte von Kalı: 
fornien, etwa 50 km im W. vom Eingang zur Bai 
von San Francisco. Auf ihnen nijten viele See: 
vögel, deren Eier nah San Francisco gebracht 
werben; die nörbl. Inſel trägt einen Leuchtturm. 

Barandodle, ein provencal. Rundtanz von mun: 
terer Bewegung, gemöhnlid im Sechsadteltaft. 

arafinna, Kanalvon, f. Quarnero. 
araſſel, —* Faraſſila, arab. Han: 
delsgewicht, ſ. Fraſil. 

Farbe, in der Phyſil Bezeichnung für irgent 
eine beſtimmte Lichtart, die man durch bie ent. 
ſprechende Schwingungszahl ber Sltberteildhen, oder 
durch ihre Wellenlänge im freien Ather bez. in Luft, 
oder endlich dur ihre Fortpflanzungsgejhmwindig: 
teit in einem bejtimmten Stoff, d. b. durch deſſen 
betreffenden Brechungsexponenten, dharalterifieren 
fann. (5. Farbenlehre.) Außerdem verjteht man 
darunter auch die Beichaffenheit eines Körpers, in: 
folge deren er von dem auf ihn fallenden farblofen 
Sonnen: oder Tageslicht nur Schwingungen von ge 
wiſſen Wellenlängen durchläßt, die übrigen Strab- 
len aber abjorbiert. Infolgedeſſen erjheint der Hör: 
per im auffallenden oder durchgelaflenen Lichte mit 
einer Farbe, die Abforptionsfarbe heißt. Eub: 
ftanzen, die dieſe Eigenſchaft in hervorſtechendem 
Grade befigen, heißen Farbftoffe (f. d.). 


454 


rbeeroton, ſ. Crozophora. 
arbe des Himmels. Betrachtet man eine 
üffigkeitsjchicht, in der feine Körperchen ſchweben 
eine ſolche erhält man z. B., wenn eine Auflöfung 
von Maftir mit Waſſer verbünnt wird), fo erſcheint 
diefe Snake Ibön blau, wenn man fie gegen 
eine dunlle Wand ftellt und Sonnenlidt von vorn 
auffallen läßt. Betrachtet man aber die Sonne 
—* dieſe Fluſſigleitsſchicht, fo erſcheint dieſe rot. 
Ahnliches Verhalten zeigt auch Rauch von Cigarren, 
Papier, überhaupt jedes durch äußerſt * Örper: 
den getrübte, fonft durchſichtige Mittel. Dies muß 
alfo auch bei der Luft der Fall fein. In gewiſſer 
Entfernung von der Sonne muß die bejtändig feine 
Körperhen als Staub und Waſſerkügelchen ent: 
baltende Luft blau erfcheinen. Die Intenfität und 
Schönheit diefer blauen zer. bängt von der 
Trübung ſelbſt ab. Abfolut reine Luft müßte ſchwarz 
ericheinen. Werden aber die ſchwebenden Körper: 
ben zu und zu groß, dann gebt das Blau 
immer mebr in Weiß oder Grau über, wie dies bei 
Bildung der Sommermwollen wahrzunehmen ift. 
Die Teile der Luft in der Nähe der Sonne müſſen 
eine gelbe bis rote Färbung haben. Dies ſehen wir 
dei ftarlen Trübungen, namentlih durch Raud, 
beſonders aber, wenn die Sonne am Horizont ftebt 
und Schichten getrübter Luft durchſtrahlt. Hierauf 
berubt die Morgen: und Abendröte, Einen be 
fondern Glanz foll diefe Färbung bei Vorhandenſein 
von Wafjerdampf im Zuftand des libergangs aus 
dem gasförmigen in den flüffigen Zuftand haben, 
während beim Untergang der Sonne ala rötliche 
Scheibe dies mehr von Staub berzurübren fcheint. 
— Bol. Zettwuch, Ricerche sul bleu del cielo 
(Spoleto 1901). 
rbefuöterich, ſ. Polygonum. 
ärbelad, f. Lac-dye. [maren. 
arben, |. Farbe, Fäxberei, Farbjtoffe, Farb: 
arben (in der Heralbit) oder heraldiſche 
Zintturen, Als folde fommen in Betracht die 
. rot, blau, ſchwarz und grün, felten purpur und 
raun, endlich gelb und weiß. Lebtere beide werden 
in der Heraldik — durch Gold und Silber 
—5* und im Gegenſatz zu den vorgenannten F. 
etalle genannt. Zu dieſen ift aud das mit der 
purpurnen und braunen Farbe in die fpätere He 
raldit eingeführte Eijen zu reinen, Abftufungen 
der genannten F. in bellern oder in dunllern Tönen 
oder weitere Miſchfarben kennt die Heraldik nicht. 
Es ift ein heraldiſcher Grundſatz, nur Farbe auf 
Metall und Metall auf Farbe zu ſetzen oder mit 
beiden zu wechſeln. Bei nicht farbiger Darftellung 
ber Wappen wurde in ältern Mappenbüchern die 
arbe dur ihren Anfangsbuditaben, die grüne 
arbe aud vielfah dur ein laubartiges Zeichen 
angedeutet. In der eriten Hälfte des 17. Jahrh. 
tam die noch heute allgemein übliche Schraffierung 
ur Farbenbezeihnung in Aufnabme. Nah diefem 
Spitem wird Rot mit fenfrechten, Blau mit wage 
rechten, Schwarz mit ſenkrecht und wagerecht gelreuz⸗ 
ten, Grün mit jhrägrechten (\), Purpur mit ſchräg⸗ 
linten (/) Strichen oder Linien bezeihnet. Schwarz 
wird aud dur Ausfüllung der ganzen Fläche mit 
ihwarzer Farbe bezeichnet. Punkte bedeuten Gold 
(Gelb), eine leer gelafjene Fläche Silber. (S. Tafel: 
Heraldifhe Typen I, Fig. 1—7.) 
Färben oder Berfärben, in der Jägerſprache 
ber Wechſel ber verichiedenfarbigen 
Sommerhaare des Wildes, 


inter: und 


Färbecroton — TFarbenblindheit 


arbenbindemittel, |. Bindemittel. 

benblindheit, Ahromatopfie, Dys— 
hromafie, Dyshromatopfie, Ebromato» 
pieubopfie, das Unvermögen, Farben wahrzu⸗ 
nehmen oder richtig zu unterſcheiden. Die typiſche 
iſt ſtets angeboren, betrifft dann immer beide 
lugen und iſt entweder total, wenn der Betreffende 
die verjchiedenen Farbentöne nicht unterjcheidet, jeine 
anze Umgebung nur in Schattierungen derſelben 
Far e (grau in grau) fieht, oder partiell, wenn 
das Auge nur für eine oder mehrere Farben blind 
ift, die übrigen dagegen richtig wahrnimmt. Am 
äufigiten fommt vor die Rotgrünblinpbeit 
Anerptbropfie nad, Goethe): Not und Grün 
werden unter ſich und mit grauen, gelben, braunen 
Tönen verwechſelt. Das Farbenipektrum beftebt 
nur aus einem gelben ie dem roten Ende bin) 
und einem blauen (nad dem violetten Ende bin) 
Zeile, die in der Gegend des Grüns zujammen: 
foben. Der Rotgrünblinde teilt, wenn von reinem 
iß und Schwarz abgeſehen wird, alle farbigen 

Dbjelte in drei Reiben ein: 1) die Neibe der gel 
arben: Rot, Rotgelb, Gelbrot, Gelb, Gelb R 
rüngelb und Grün, ferner Blaugrün, wojelbit das 
Grün das Blau, und Burpur, in dem das Rot das 
Blau überwiegt, endlich Grau, das noch einen Stich 
ins Rote, Gelbe oder Grüne bat; 2) die Reibe der 
blauen Farben: Blau, Violett, Blaugrün und Pur⸗ 
rt, wo Blau —— Grau, wenn es wirllich 
Blaugrau ift; 3) die Reihe der grauen Farben: 
Grau, Blaugrau und Burpur, die das betreffende 
Auge mit der gleihen Intenſität wie die fie foniti- 
tuierenden Grundfarben treffen. Dan zerlegt die 
Rotgrünblindheit nah Helmholtz und Young in 
zwei formen: 1) die Grünblindbeit (Rots 
grünblindheit mit unverlürztem Speltrum Achlo⸗ 
topfie]), bei weldyer der rote Teil des Speltrums 
arblos hell oder gelb erſcheint, zwiichen Gelb und 
lau meiſtens ein neutraler grauer Streifen liegt, 
Hellgrün mit dunkelm Not verwechfelt wird; 2) vie 
Rotblinpbeit (Rotgrünblinpheit mit verkürztem 
Speltrum [ —— bei weldyer der 
rote Teil des Speltrums duntel erſcheint, helles Rot 
mit dunfelm Grün verwechſelt wird. Selten ift die 
Violettblinpheit (Blaublindheit [Eyano: 
ienjiel, Blaugelbblindbeit tyano⸗ 
blepjie nach Goetbe]): Gelb und Blau werben 
nit erfannt, das Speltrum bejtebt nur aus Grün 
und Rot, der violette (blaue) Teil erſcheint duntel, 
Alle farbigen Stoffe erfcheinen grün, rot oder 2. 
Gelb wird für Grau, Grün und Rot, Blau für Grau 
ober Grün, Violett und Burpur für Rot gebalten. 
Die Erſcheinungen der F, lajlen ſich aus den bis 
jet geltenden Farbentheorien (j. Farbenſinn und 
Farbenlehre) nicht ohne Zwang erklären. Während 
nah der Anfiht von Young:Helmbolg bei par 
tieller F. eine oder pe ferarten in der Bedeu 
fehlen, bei der totalen %. überhaupt nur eine Fafer- 
art vorhanden ift, erflären Hering und Preyer bie 
pen: F. aus dem Fehlen der rotgrünen oder 
laugelben Sebfubitanz(Doppeljapfen),die totale F. 
aus dem Fehlen jeder farbenempfindenden Subftanz. 
F J. 1777 zuerſt von Huddart erwähnt, wurde 
bie Bar von dem ſelbſt rotblinden engl. Ebemiter 
John Dalton 1794 beihrieben und ſeitdem von Brer 
vojt mit dem Namen Daltonismus belegt. Nach⸗ 
dem 1837 Seebed methodische — Far · 
benblinder vorgenommen hatte, gaben zuerſt Helm« 
bols und Marmell Erklärungen der F. Die Unter* 


Farbendruck 


uchungen wurden in der neueſten Zeit von vielen 
Seiten fortgejekt, namentlich ſeitdem der Schwede 
Holmgren die öfjentlihe Aufmerkjamteit auf die Ge: 
täbrlichleit der F. wegen der beim Eijenbahn: und 
Marinedienfte gebräuchlichen farbigen Signale ge: 
richtet hatte, und fie ergaben, daß auf 1000 Männer 
etwa 30 Farbenblinde, auf 1000 Frauen nur 3 Far: 
benblinde fommen. Man erklärte dies dadurd, daß 
vom Beginn des Menſchengeſchlechts an die Be: 
ihäftigung mit farbigen Objelten hauptſächlich den 
Frauen aunel, und einige Forſcher (Gladſtone u. a.) 
zogen hieraus und aus der Armut der Homeriſchen 
Sprache ſowie der meiften beutigen Naturvölter 
an Farbenbezeihnungen den von anderer Seite 
vielfah angefochtenen Schluß auf eine Weiter: 
entwidlung des Farbenſinns von Generation zu 
Generation. Man glaubte daher nicht nur dur 
Erziehung des Farbenfinns der F. fpäterer Genera: 
tionen vorbeugen, jondern jogar die bejtebende F. 
beilen zu können, In lesterer Beziehung bat fich 
nun ergeben, daß Farbenblinde beim Sehen dur 
Sudhfingläfer allerdings Farben, die ihnen ſonſt 
völlig gleich erſchienen, zu unterjcheiden vermögen, 
ohne indefjen den richtigen Fyarbenton zu empfinden. 
Die F., wenigftens die Rotgrünblindheit, ıft erb: 
lich, häufig in der Art, daß fie von dem Großvater 
auf den Sohn der farbenfräftigen Tochter übergebt. 
Die erworbene F. gebört in das Gebiet der Netzhaut⸗ 
und Sebnervenpatbologie. Man bedient fi zur 
Brüfung des Farbenfinns entweder verjchieden: 
farbiger Wollproben (j. Wollprobe Holmgrens), 
oder verſchiedenfarbiger Täfelben, oder ver fog. 
Bſeudoiſochromatiſchen Tafeln (ſ. d.), zur aenauern 
Brüfung au des Farbentreijeld, des Speitroitops 
oder des Roſeſchen PBolariilops. — Bal. Magnus, 
Die F., ibr Wejen und ihre Bedeutung (Bresl. 1878); 
Kaliicher, Die F. (Berl. 1879); Holmgren, Die 3. 
in ibren Beziebungen zu den &ifenbahnen und der 
ine (deutſch Lpz. 1878); Stilling, Das Seben 
der Farbenblinden (Caſſ. 1880); derſ., Pſeudoiſo— 
bromatiihe Tafeln (ebd. 1883); Oblemann, Die 
. und ibre Diagnoie (Braunſchw. 1897); Daae, 
. und deren Erfennung (deutich von Sänger, 
3. Aufl., Berl. 1899); Nagel, Die Diagnofe der 
xraltiſch wichtigen angeborenen Störungen des 
Farbenſinns (Wiesb. 1899). 
ck oder Buntdruck, im Gegenſatz 
u dem einfachen Schwarzdrud, die Kunſt, Schrift, 
jerungen oder Bilder mitteld der Drudprejie ın 
iedenen Farben darzuftellen. Der F. findet 
Anwendung ſowohl im Bud: und Steinvrud, als 
aud im Licht⸗ und Kupferbrud; für die Praris 
tommt .. ber farbige Kupferdrud (f. d.) feiner 
boben often wegen wenig in Betracht. Bereits die 
eriten Ausüber der Kunſt Gutenbergs drudten Ini— 
tialen, Anfangs: und Schlußfäge, Merttage in den 
Ralenbern und ähnliches mit roter Farbe. Das be: 
rübmte Bialterium von Schäffer und Fuſt von 1457 
ingt nitialen in roter und blauer Farbe, 
die Shlußichrift ſogar in drei Farben, in game 
fer Weife gedrudt. Die mangelhaften meban. Bor: 
rihtungen damaliger Zeit liegen jedoch feine große 
g des 5. zu, und man überließ es no 
der Kunſt des Malers, bie Jnitialen nad: 
mit ber Hand auszjumalen. Schon zeitig 
famen Holzichneider und Kupferſtechet auf den Ge: 
danlen, dur Platten mit ausgeſparten Lichtern 
oder burch verfchiedene Tonplatten, für newöbnlich 
nur Nuancierungen einer und derjelben Farbe, eine 


& 


455 


lebendigere Wirkung in ihren Bildern bervorzu: 
bringen, mitunter indem fie ſowohl Holz» ala 
Aupferplatten zufammen verwendeten. Es war dies 
ber fog. Elairobjcurdrud (ſ. Elairobfcur), der na: 
mentlic im 16. Jahrh. in Deutihland und Stalien 
eübt wurde. Spieltarten in drei Farben wurden 
Ken A Anfang des 16. Jahrh. gedrudt (f. Tafel: 
Spiellarten, Bd. 17), und von 1520 befigt man 
einen in acht Farben gedrudten Holzichnitt. Wah— 
rend des Darniederliegend der Drudkunft im 17. 
und 18. Jahrh. geriet auch der F. in Verfall und 
nahm erft zu Ende des erften Viertels des 19. Jahrh. 
wieder einen Aufſchwung, und zwar von England 
aus, William Eongreve ‘. d.) * 1824 den nad 
ihm genannten Congrevedruck Eine Metall: 
platte wird in verfchiedene Teile, je nach der Farbe, 
die verwendet werben foll, ausgelägt, die Teile wer: 
den eingefärbt, wieder zu einem Ganzen ineinander 
lc und dann gleichzeitig abgedrudt. Das Ber: 
— ren iſt heute faſt außer Gebrauch, häufiger findet 
der Jrisdrude(ſ. d) Anwendung. Bet leßterm 
werden die verſchiedenen Farben in Längenſtreifen 
an dem Farbetiihe der Handprefje vorjichtig ver: 
rieben, auf der Schnellprefe wird der Farbelaſten 
in entjprecbende Felder geteilt, fo daß jede Farbe 
für ſich bleibt; nur wo fie aneinander grenzen, ver: 
ſchmelzen fie wie in dem Regenbogen. Bei Auto: 
typie dDrudt man häufig unter das Bild eine zu dem 
Sujet pafjende Tonfarbe, in deren Platte die Lichter 
—— ausgeſpart wurden. Die letztern er: 
ſcheinen dadurch noch heller und die Tiefen mehr 
get fo ei bie Blaftil des Bildes mit geringen 
Mitteln erböbt wird. In neuefter Zeit verwendet 
man zu diejem Zwede auch ſog. Dupler-Autotypie. 
Der eigentlihe Bilderbrud wurde um 1820 
von William Savage in London ausgeführt, der aber 
von G. Barter 1827 bedeutend übertroffen wurde. 
Barter gravierte die Umriſſe eines Bildes in Kupfer, 
nabm jo viele Abdrüde davon, als er Farbenplatten 
—— und ſchnitt alle diejenigen Teile des 
ildes, welche eine und dieſelbe Farbe haben ſollten, 
in eine Holzplatte. Dieſe Platien wurden nun der 
Reihe nah aufeinander gedrudt, wobei das richtige 
Treffen der Umrifje große Schwierigleiten bot, weil 
das Drudpapier früber ftetö feucht verbrudt wurde 
und ſich ee eiht verzog. Der typo— 
rapbifche %. befaßte ſich meift, durch die Zwei— 
— dann auch durch Vielfarbemaſchinen 
(für drei bis fünf Farben) unterſtüht, mit den ſog. 
Accidenzarbeiten und in aeringerm Maße auch mit 
dem Landkartendruck mitteld Hochäkungsplatten. 
In neuerer Zeit bat jevod der typographiſche F. 
mittel des Farbenholzſchnittes, in welchem befon: 
ders Anöfler in Wien und Bong in Berlin Boll: 
endetes leiften, oder dur in Zink geäßte autoty: 
piſche Farbenplatten eine hohe Stufe der Volllom— 
menbeit erlangt und eine derartige Berbreitun 
gefunden, daß man typo ee F. jest in fat 
allen bejiern Zeitjchriften —* er Erfinder des 
Steindrucks, Senefelver (f. d.), bat ſchon alle Arten 
bes litbogr. Buntdruckes praftiih ausgeführt; der: 
jelbe wird gewöhnlich ald Chromodrucbezeich— 
net und Aquarellfarbenvprud — wenn 
es ſich um graphiſche Reprodultion als Nachahmun 
von Aquarellzeichnungen handelt. (S. Lithographie. 
Der eigentliche vielfarbige Bilderdruck iſt auch heute 
noch im großen und ganzen wegen der relativ billi: 
en Heritellung der 'Blatten, zu denen in neuerer 
Bit vielfah Aluminium Verwendung findet, eine 


456 


Domäne der Lithographie, doch macht ihr die quan: 
titativ leiftungsfäbigere Buchdrudſchnellpreſſe mit 
ber fortfchreitenden Bervolllommnung des Drei: 
farbendrudes, um den fich der 1901 verftorbene 
Dr. €. Bogel große Berdienite erworben bat, immer 
mehr Gebiet treitig. Der Dreifarbendrud bafiert 
auf der Theorie, daß ſich alle Farbentompofitionen 
in die drei Grundfarben gelb, rot und blau zer: 
legen und durd den libereinanderbrud dieſer drei 
Nuancen mitteld entiprechender Platten fi alle 
Barbentöne wiedergeben laffen. Die Hauptichwie: 
rigteit liegt in der Herftellung der Platten, deren 
jede die verfchiedenen Tonwerte der betreffenden 
arbe in richtiger Verteilung enthalten muß. Um 
dies zu erreichen, wird bei der photogr. Aufnahme 
für die gelbe Platte, welche alfo nur alles im Dri— 
ginal enthaltene Gelb josujagen herausziehen joll, 
eine Glasſcheibe zwiſchen Objektiv und Original 
geſchaltet, welche komplementär zum Gelb, alio 
violett gefärbt ift und demzufolge nur gelbe Strab: 
len hindurchläßt; für die rote Aufnahme wird eine 
g und für die blaue eine orange gefärbte 
eibe benußt. Die gewonnenen Negative werden 
auf Kupfer kopiert und hochgeätzt. Der Dreifarben- 
drud erfordert neben einem gejhidten Druder genau 
abgeitimmte Farben und vorzüglide Maſchinen; 
er giebt jedoch bei richtiger Anwendung alle Einzel: 
—— des Originals ſo getreu wieder, wie dies bei 
einem andern Verfahren — iſt. Auch im 
Stein- und Lichtdruck wird der Dreifarbendruck, 
wenn auch bei weitem nicht jo häufig ala im Buch: 
drud, angewendet. (S. auch Lichtdruck und Natur: 
farbenprud.) — Bol. Ihm, Die bunten Farben in 
der Buchdruckerei (2. Aufl., Wien 1874); Waldom, 
Anleitung zum 3. auf der Buchdrudprefie und Ma: 
{cine (£p3. 1883); Hoffmann, Spftematiiche Farben: 
lehre (Zwidau 1892); Krüger, Die Technik der bun: 
ten Hccidenz (2. Aufl., Berl. 1900); Müller und 
Detlef, Buntfarbenbuchprud (Lpz. 1900). 
Farben dünner Blättchen, j. Newtons Far: 


benglas. 
rbenempfindungen, ſ. Farbenſinn. 
— j. Ehromogene. 

rbengebung, Färbung, Kolorit (ital. 
eolorito), die Behandlung der Farbe dur den 
Maler. Sie ift es, die feinen Werten individuelle 
Lebendigkeit und Wahrhaftigleit verleiht. Hat die 
Skulptur es hauptſächlich mit der Körpergeitalt zu 
tbun, bie fie in leibbaftiger Rundung beraus- 
arbeitet, jo ift es Aufgabe der Malerei, ven Schein 
der Rundung der Geitalten und der perſpeltiviſchen 
Fernſicht er der Fläche herporzubringen, Beides 
geſchieht weſentlich durch die Farbe. Die primis 
tive Kunſt ſetzt meiſt mit kräftigen, ungebrochenen 
Farben ein und beſchränlt ſich auf die Ausfüllung 
der durch Umriſſe gegebenen Zeichnung. So in den 
ägyhptiſchen, frühgriechiſchen, mittelalterlichen und 
andern Malerſchulen. In zweiter Stufe entwidelt 
fi die Kunſtfertigleit dabin, daß die einzelnen Far: 
ben in ihrer Wirlung aufs höchſte gefteigert werben 
und body dur einen das Bildwerk verbindenden 
Gejamtton mit den übrigen Farben barmonieren. 
zu ne in diefem Sinne find die Brüder van 
End, Dürer, die früben Jtaliener. Die dritte Stufe 
eigt das Borwalten ded Gejamttones; die Einzel: 
arbe bat nur innerbalb der Wirkung desjelben 
einen bejtimmten, maleriſch erjtrebten Zwed. Die 
vorwiegend goldigbraune Stimmung, welde na- 
mentlich bei den Benetianern und Correggio, fpäter 


Farben dünner Blättchen — Farbenharmonie 


bei den Niederländern zu Haufe war, kennzeichnet 
dieſe en! ber F. Die Hellmalerei (j. d.) er: 
ftrebt an Stelle des in der Wirklichkeit nur felten 
anzutreffenden, meijt nur dem geſchloſſenen Raume 
eigenen goldigen Kolorit3 ein dem thatſächlichen 
Einfluß des Sonnenlichts entſprechendes weißbläu: 
liches zu fegen. Das Wort Kolorift wurde in ber 
Zeit der vorwiegend zeichneriihen Kunſtrichtung 
ber erjten Hälfte des 19. Jahrh. in Deutſchland in 
tadelndem Sinne gebraudt und durch K. von 
Piloty und ſeine wieder zu Ehren — 
las, Newtons, ſ. Newtons englas 
arbenharmonie, Bezeichnung für die dem 
Auge angenehme Zuſammenſtellung von 
Man hat verſucht, eine Harmonielehre der Farben 
analog jener der Töne au uftellen (Newton 1666, 
Radide 1839, Unger 1852, Drobiſch 1852 u. a.), und 
fogar durd —— eine Art Farbenmuſil ber: 
vorzubringen (Eaftel 1725—35 und Ruete in jünge: 
rer Zeit). Allein bei aller phyſil. Analogie zwiſchen 
Shall und Licht beruhen ihre beiderjeitigen Wabr: 
nebmungen und Gefühläwirtungen vod auf jo ver: 
ſchiedenen Grundlagen, daß von einer Anwendung 
der Grundfäge der Zonharmonie wi die F. abge: 
N en werden mußte. Ebenjo wenig haltbar erwies 
für die F. die Lehre Fields («Chromatics», 1845), 
nad der den einzelnen Farben bei ihrer Kompo— 
fition eine —— nad beſtimmten Verhält⸗ 
niſſen (achromatiſchen Aquivalenten») derart erteilt 
werben follen, daß fie, zujammengemtjcht, neutrales 
Grau geben. Eine alte Regel, die aud Goethe aner⸗ 
kannte, ift, vaß Romplementärfarben (j.d.) eine wobl: 
gefällige ujammenftellung geben. Später zeigte 
bevreul (1839), daß die angenehme Wirkung der 
Komplementärfarben von ihrem «gleichzeitigen Kon: 
traft» (j. Rontraftfarben) herrühre («De la loi du 
contraste simultan& des couleurs», Etraßb. 1839; 
deutſch: «Die %.», Stuttg. 1840; 3. Aufl. 1902. 
Man unterjcheidet bei ben Serbenjulommenftellun 
gen nad Brüde (1866) die Heinen und großen Jnter: 
valle. Die Farben mit Heinem Intervall liegen im 
Speltrum (f. d.) nabe aneinander und lafjen ji als 
einund — mit etwas verſchiedener Wellen⸗ 
länge auffaſſen, fo 3. B. Grün und Gelblichgrun, 
Duntelblau und Eyanblau. Sielommen in der Natur 
äufig vor, ftellen ſanfte und kaum merkliche Jar 
enübergänge vor und wirken meijt angen 
Farben mit großem Jntervall nennt man jolbe, 
die durch einen größern Abftand in der Farbenſtala 
oder im Epeltrum voneinander getrennt find, jo 
.B. Rot und Gelb, Rot und Grün oder Blau. 
Kon den Farben mit großen Intervallen wirten im 
allgemeinen die Komplementärfarben ald Berbin: 
dung angenehm; es gefallen jedoch aud andere 
Sardenlombinationen ut. Später ift von A. Leb: 
mann (1884) und J. Cohn (1894) die harmoniſche 
Wirkung von Farbenzujammenftellungen erper 
mentell unterſucht worden. Dabei ergaben ſich in 
der Hauptjache zwei Regeln: 1) Eine Kombination 
von zwei Farben ift um jo wohlgefälliger, je mebr 
die Komponenten voneinander verſchieden find, 
2) tombiniert man eine Farbe mit einer farblojen 
Helligkeit (weiß, grau, ſchwarz) oder zwei Farben 
von verſchiedener Helligfeit, jo wird immer der 
5* Helligleitsunterſchied vorgezogen. Die 
oblgefälligleit der Zuſammenſtellung von Kon: 
traſt⸗ oder Romplementärfarben ſcheint danach, weil 
ſolche Farben immer ein Maximum der Verſchieden ⸗ 
beit voneinander zeigen, nur ein Specialfall dieſet 


Farbenholzſchnitt — Farbenlehre 


allgemeinen Regeln zu ſein. Zu beachten iſt aber, 
daß die obigen Regeln nur für die rein ſinnliche 
Bohlgefälligteit einfacher farbiger Flächen gelten. 
Sie würden aljo in der Praris des Kunſtgewerbes 

da Anwendung finden, wo, wie bei Teppich: 
muftern, geometriſchen a Fer in Glas: over 
Mofailgemälven u. ſ. w., jolde einfahen Farben: 
flähen nebeneinander treten. Überall da hingegen, 
wo bie farbigen Flächen nit ala ſolche wirken 
follen, fondern wo die Farbe dazu dient, Gegen: 
fände, die durch Form oder Bedeutung gefallen, 
in ihrer Ajtbetifchen Wirkung zu beben, rolgt die F. 
tompliziertern, bisher noch unbelannten Geſetzen. 
Daber mipfallen ung, jobald die Farbenzufammen: 
ftellung über jene einfachiten Fälle hinausgeht, ſtark 
Iomtraftierende Kombinationen und gelten ſogar für 
Zeichen eines roben Geihmad3. 

Die Rebeneinanderjtellung von ſehr verſchiedenen 
Farben, iell der Kontraftfarben (ſ. d.), wirkt 
wabrſcheinlich einerfeit? darum angenehm, weil 
das Auge ſchnell für Farben ermüdet, und die Er: 
mübung für eine bejtimmte Farbe die Netzhaut zu: 
gleih weniger empfänglich für ſehr ähnliche, da: 

egen beträchtlich empjänglicher für eine von ber 
Ermüdungsfarbe ſehr verſchiedene Farbe madt; 
andererjeitd wird beim Kontraſt, mern eine Farbe 
auf die Netzhaut direlt wirft, ohnedies auf der 
Racbaritelle die Ergänzungs: oder Komplementär: 
farbe erregt, woraus it, dab jih benachbarte 
Er änzungsfarben gegenfeitig ſtärlen. 

itteratur. Brüde, Die Phyſiologie der Farben 

für die wie der Kunftgewerbe (2. Aufl Lpz. 
1 ; Berold, Die Farbenlehre im Hinblid auf 
Kunſt und Kunftgewerbe (Braunſchw. 1874); Ewald, 
Die bewegung (Berl. 1876); Farbenkreis in 
15 een und 20 Anmwenbungstafeln. Na 
Brofefjor Brüdes Phyfiologie der Farben wuter 
deſſen Anleitung zujammengeitellt (Wien 1877); 
Rood, Die moderne Farbenlehre (Lpz. 1880); 
Guihard, Die Harmonie der Farben (mit 765 Far: 
bentafeln, 3 Boe.; deutſche Ausgabe mit Tert von 
G. Franltf.a. M. 1882; kleine Ausg. 116 Taf., 
ebd. 1892); Woumermang, Farbenlehre (2. Aufl., 
Bien 1891); Kirihmann, Die — Bedeutun 
des Helligleits· und Farbenlontraſies (in ven «Philoſ. 
Studien⸗, VII, 1892); J. Cohn, —— 
der Farben, Helligkeiten und ibrer 
(in ven «Bhilof. Studien», X, 1894). 

Farbeuholzfchnitt, ein mit farbigen Platten 
im Drudverfabren bergeftellter Holzichnitt (}. Holz: 
f&neidelunit). (farben. 
teaft, ſ. Farbenharmonie, Rontraft: 
freifel, |. Newtons — 
benlehre, Chromatik, derjenige Zeil 
der Optil (j. d; ber ſich mit den Geſetzen der Far: 
ben ewton 3 nachgewieſen, daß das 

icht aus einer ſehr 3 Anzabl verſchie— 

er Lichter von ungleichen Brechungsexpo⸗ 
(S. Diiperfion.) Zerlegt man 
weißes Licht durch Brechung, z. B. mitteld eines 
— in feine Beſtandteile, fo erhält man die 
arben (f. Speltrum); vereinigt man bieje 

wieder, jo er man wieder weißes Licht. Jede 
Pihtart bebält bei allen Brechungen und Neflerionen 


ombinationen 






ibre fiche Farbe bei. Bei der Phosphores⸗ 
ten; (f. d.) und ssluorescenz (j. d.) tritt jedoch 
fine verwanblung ein. 


Die ber Korper, die Pigmentjarben 
bi. —— entſtehen dadurch, daß die Körper 


457 


von dem hindurchgehenden weißen Licht einige Be: 
ftandteile aufnehmen (abforbieren, daber blorp- 
tion der Lichtſtrahlen), andere hindurdlafien, 
welch legtere deren farbe beſtimmen. Zinnober z. B. 
läßt vorzu Auer rotes Licht durch. Fällt weißes 
Licht auf Sinnober, jo werben alle Strahlen von 
der Oberfläche teilmweife zurüdgeworfen; ein Teil 
des weißen Lichts dringt ein, von demjelben kom: 
men aber vorwiegend rote Strahlen aus dem Innern 
—— Entfprecend ift die Entjtehung der Fär— 
ung farbiger Gläſer zu denken. Die Farben der 
Pigmente und farbigen Gläſer find felten rein, fo 
daß man beiihnen meiſt nur von einer dominierenden 
Farbe ſprechen ann. Ein Körper tan, Phosphores: 
cenz und Fluorescenz abgerechnet, nur jenes Licht 
wiedergeben, das auf denjelben fällt. Ein Stüd 
Binnober, durd das Speltrum (f. d.) geführt, zeigt 
überall nur die Farbe des auffallenden Lichts, iſt 
aber am belliten im Rot, am buntelften im Grün. 
Bei Betrahtung mit einer Weingeiſt-⸗Kochſalzflamme 
find alle Körper, weil fie nur gelbes Licht erbalten, 
elb und unterfcheiden fih nur dur die Helligkeit. 
Nur die Körper mit Oberflädhenfarben (f. d.) re: 
flettieren ſchon von dem auffallenden weißen Licht 
vorwiegend gewiſſe farbige Beitandteile. 

Menn weiße Sibikännelwiteinanberinterferleren, 
fo löjhen ſich bierbei gewiſſe farbige Beftandteile 
des weißen Lichts aus und der Heft ericheint gefärbt. 
So entijteben die Interferenzfarben, 

Von größter Wichtigkeit für die Farbenlehre find 
die Miihungsgefebe der Farben. Dieje find 
teilweise verjchieden für die homogenen Farben des 
Speltrums und für farbige — die wegen 
ihrer oben hervorgehobenen Unreinbeit notwendi 
andere Mijchfarben ergeben müjjen wie die Spel 
tralfarben. Nur für die letztern laffen ſich ftrenge 
Miſchungsgeſetze aufitellen, als deren wichtigſtes 
das folgende gilt: Die Miſchfarbe zweier Farben 
entfpricht der zwiſchen ibnen liegenden Speltralfurb: 
und ift um — geſättigter, je näber ſich bie Farben 
liegen, je ähnlicher % find; biejelbe ift um je 
weißlicher, je verjchiedener die Farben find, bie 
man bei der Miſchung der fog. Komplementärjar: 
ben (f. d.) reines Weiß erhält. Not und Blaugrün, 
Gelb und Blau, welche je zueinander fomplementär 
IR ergeben Aa — Weiß. Dagegen ent: 
tebt bei der Miſchung von fomplementären Big: 
mentfarben niemals Weiß, fondern aus Blau und 
Gelb z. B. Grün, aus Rot und Blaugrün ein Burpur: 
ton, Zum Teil ift mit diefer Unreinbeit der Pig: 
mentfarben auch die Thatſache zu erflären, daß 
man in der Malerei und Technik mit drei Pig: 
menten oder Örundfarben, Rot, Gelb und Blau, 
auslommen kann, indem ſich alle andern ar 
ben durch Mifhung diefer Grundſarben beritellen 
lafien, was die Veranlajjung zu den verfchiedenen 
Theorien über die Jarbenempfindungen 
(f. Farbenfinn) gab. Um die DVlifchfarben zu 
dunfeln, dienen ſchwarze, um fie aufzjubellen, 
weiße Pigmente. Jede durch Miſchung von Pig: 
menten erhaltene Farbe kaun durch kleinere oder 

rößere Beimifhung einer andern (man fagt dann, 
te ziehe oder babe einen Stich in dieje oder jene 
arbe), durch verſchiedenen Glanz, verichiedene 
ebbaftigteit, Reinheit, Sättigung u. f. w. unend— 
lid viel Schattierungen und Nuancen geben. Man 
bezeichnet die bauptläclicften Farbenabitufungen 
entweder mit gewiſſen bergebradten Namen oder 
nad gewiſſen Öegenftänden, die diefe Nuancen am 


+55 


ſchärfſten zeigen, oder envlich durch Beifähe, mie: 
bell, dunkel, hoch, tief, warm, kalt, brennend, grell, 
fantt, lebhaft, matt, —— ſchmutzig, rein u. ſ. w. 
ah den Eigenſchaften der Farbenempfindung 
untericheidet man Farbenton (oder Tinte, Qualität), 
»Sättigung und »Helligkeit. Unter Farbenton 
verfteht man das, mas in der Empfindung bieje 
beftimmte Farbe im Unterfchiede von andern von 
ihr verfchievdenen ausmacht, 3. B. Not, im Unter: 
ſchiede von Gelb oder Grün, objektiv wird derſelbe 
durch die Lage der Farbe im Spektrum beitimmt; 
unter Sättigung verfteht man die Deutlichleit und 
Stärfe, mit der der Farbenton ausgeprägt iſt; fie iſt 
um fo größer, je weniger ſich die che dem Weiß, 
Grau oder Schwarz annäbert. Pit Helligteit 
der Farbe bezeichnet man ihre Lichtjtärle oder 
Intenfität. Für naturwifienichaftliche Zwede, bejon: 
ders für die Farbe alö mineralog. Kennzeichen, bat 
man, um einige Übereinftimmung in Benennung 
der Karben zu erlangen, beſondere Sarbentafeln 
oder Farbenſtalen. Bon lehtern dürfte die 
Wernerſche auch jest noch am befannteiten fein. 
In jüngerer get giebt es au zu pädagogiichen 
Sweden, zur Ausbildung des Farbenſinns, Farben: 
tafeln, z. B. von Batel u. a.; ferner zur Prüfung des 
Farbenjinng, } B. von Holmgren und Radde, ebenjo 
zu kunftgewerblichen Zweden, J. B. von Bolboevener 
in —— — ittigebendau.a.m. (S. Far⸗ 
benfinn.) Bei der praltiſchen Verwendung der Far—⸗ 
ben in Kunst und Kunſtgewerbe iſt vorzugsweiſe der 
äfthetifche Eindruck einzelner Farben und farben: 
fombinationen = berüdjichtigen. Die Woblgefällig- 
teit der Einzelfarben unterliegt natürlib indivi— 
duellen Schwankungen, doch hat eine ſyſtematiſche 
Prüfung zablreiher Perfonen die durchgängige Ab: 
neigunggegen Gelbund Hofaergeben. In geeigneter 
Zujammenitellung mit andern Farben können je: 
—* alle Nuancen eine wohlthuende Wirkung aus: 
üben. (S. Farbengebung und Farbenbarmonie.) 
Bol. Helmbols, Handbuh der phyſiol. Optit 
® Aufl., Lpz. 1888— 96); Lommel, Das Wejen des 
ichts (ebd. 1874); Pisto, Licht und Farbe (2. Aufl., 
Münd.1876); Le Eonte, Die Lehre vom Sehen (Lpz. 
1883); Hering, Lehre vom Lichtjinn (2. Aufl., Wien 
1878); Mautbner, Farbenlebre (2. Aufl., Wiesb, 
1894); Berger, Katechismus der F. (Lpz. 1898); 
Hurſt, Colour. A handbook of the theory of co- 
lour (Lond. 1900). 
Farbenlichtdrud, pbotomehban. Drudverfab: 
ren, ſ. Lichtorud und Photographie. 
arbenmühlen, j. Farbenreibmaſchinen. 
arbenphotographie, Bezeichnung für Ehro: 
mopbotograpbie (j. d.), Naturfarbenprud (j.d.) und 
Photochromie (f. d.). Auch die Dreifarbenpboto: 
grapbie Jollys und ber —— — 
von Ducos du Hauron und Selle gehören hierher. 
(S. Bbotoprapbie, Abſchnitt: Die photomechaniſchen 
Vervielfältigungsverfahren.) 
Farbenreibmaſchinen oder Farbenmüh— 
len, mechan. Einrichtungen zum Feinreiben von 
Mineralfarben und zum Miſchen der Farben— 
pulver mit Gummiwaſſer oder einem trocknenden 
Öfe, welche bei der Aufarbeitung großer Material: 
mengen die früber allein übliche Handarbeit mit 
Reiber und Neibftein zu erſetzen beftimmt find. 
Diejenige Art F., deren Wirkungsweije die meiſte 
Ahnlichleit mit der Handarbeit zeigt, bat einen 
großen runden Reibftein mit ebener Arbeitsfläche, 
auf weldem ein kleinerer unter Drud dur einen 


Farbenlihtdrud — YFarbeufinn 


Mechanismus im Kreife berumgeführt und dabei 
beftändig um feine eigene Achje gebrebt wird. 
Eine jehr gebräuchliche Farbenreibmajcine zeig! 
diena ———— Die wirkenden Teile der⸗ 
ſelben find ber rotierende Regel a und der ihn umge: 
bende Steinmantel a,. Die Farbe wird in dem Füll: 
trichter t aufgegeben, aus welchem fie in den Rüttel- 





{hub s und über dieſen in ven die Steine —— 
und über dieſelben hinausragenden gußeiſernen 
Mantelm gelangt. Die verriebene Maſſe fällt in die 
unterhalb der Steine liegende —— e Rinne, die 
mit einer Ausflußöffnung e verjeben i Der Ans 
trieb erfolgt mittels der Handkurbel k und die Bes 
ng wird dann durch die koniſchen Zahnräder z 
auf die vertifale Welle übertragen. Das an dem 
untern Ende der lehtern befeitigte Schwungrad r 
ift von einem Mantel k, umgeben, deijen Dede zu 
gleich als Fundamentplatte der Maſchine dient. 
Eine andere Art der F. > diejenige, bei welder 
ftatt der Steine cylindriihe Walzen angewendet 
find, bie, zu zweien oder dreien feit aneinander ge 
drüdt, 8 mit ungleicher Geſchwindigleit drehen. 
Dieſes Syſtem findet hauptſächlich zum 
der Bud: und Steinprudfarben Anwen 
arbenringe, j. Newtond Yarbengla® umb 
Nobilis Farbenringe. benſcheibe. 
arbenſcheibe, Newtons, ſ. Newtons Far: 
benjcheu, eine ſelten vorlommende abs 
norme Empfindlichleit gegen gewiſſe Farben, deren 
nun Hr Augen Schmerzen verurſacht und uns 
erträglich iſt. 
Sarbenfehen, Chromopfie, Ehromatop: 
ie, Chroopſie oder Chrupſie, fubjeltive 
arbenerjbeinungen, das Auftreten von Far— 
en, meijtens Not, Grün, Violett, im Geſichtsfelde, 
denen leine objeltiven Farben in der A ent⸗ 
ſprechen, die vielmehr durch einen Reizungszuſtand 
in Retzhaut und Sehnerv hervorgerufen und daber 
auch von erblindeten Augen in oft belaſtigender Weiſe 
wahrgenommen werden. Verſchieden hiervon iſt das 
Regenbogenſehen beim grünen Star (ſ. Star). — 
Bol. Ebbingbaus, Theorie des F. (Hamb. 1893). 
Farbenfinn, das Vermögen, die Farben rich 
tig zu erfennen. Während die Nebhaut farbloſe 
Lichteinprüde in ihrer ** Ausdehnung em⸗ 
pfindet, bat nur eine beſchränkte, den gelben 


Farbenſtalen — Farbenwechſel 


dled umſchließende Region volltlommenen F., und 
auch hier iſt Dem Erkennen der Farben nit nur 
eine gewiſſe Lichtjtärte und Sättigung zen 
aud eine gewiſſe Größe des farbigen Fe des er: 
forderlih. Die Lehre von den Barbinemplin 
dungen ift nod nicht abgeſchloſſen. Die ältern 
Theorien vermengten vielfah die phyſil. Ent: 
ftebungsbebingungen ber ben mit den pby: 
Kologiih nf ol. Bedingungen der Farbenem: 
pfindung, fo die berühmte Goetheſche Farbenlehre; 
aber fhon der an Goethe anknüpfende Schopen: 
bauer gebt von der findung der Farbe und 
ibren pbofiol. Bedingungen aus. Unter den 
jest noch geltenden Theorien nimmt die Young: 
Helm olbihe (zuerft aufgeftellt von Chr. Ernit 
Wünſch in Leipzig 1792) drei Grundfarben an: 
Rot, Grün, Violett, und demgemäß in der Neb: 
re drei Arten von Faſern, rot⸗, grün: und vio: 
ettempfindende, die fämtlich durch jede Lichtart er: 
regt werben. Aubert und Mac laſſen Violett, in 
welchem man deutlib Rot und Blau ertennen joll, 
als einfache Farbe nicht gelten und nehmen die vier 
Brinzipalfarben Leonardo da Vincis an: Rot, Gelb, 
Grün, Blau. Diefe Theorie wird hauptſächlich von 
Hering vertreten, der dieje Grundfarben in zwei 
Paare von Gegenfarben gruppiert und dem ent: 
Iprechend derNießbaut außereiner —— eine 
rotgrüne und eine blaugelbe Sehſubſtanz zuſchreibt. 
Keuerdings haben namentlich Kries, König und 
Dieterici, Mauthner und Ebbinghaus a rund 
anatom. und phyſiol. Sorkhungen über Bau und 
Thätigfeit der Netzhaut die ältern Theorien des 
3. zu motifiieren gefudh. Ebbinghaus (1893) 
nimmt ebenfall3 drei Sehfubftanzen an, eine Weiß: 
ſubſtanz, deren Zeriegung ung nur farblofe Hellig: 
feit vermittelt, während das Sehrot und Geb: 
grün je nad ihren a Br gar die Empfin: 
dungen blau und gelb, bez. rot und grün erzeugen. 
Allen diefen Theorien des. haftet ver Mangel an, 
daß fie eine Heine Zahl von ndempfindungen 
annehmen, aus deren une die übrigen Far: 
benempfindungen entjteben jollen, während in der 
Empfindung aud Ex ber ſog. ge are 
einfah eriheint. Diefer Thatjahe fuht Wundt 
gerecht zu werden, indem er in ber Netzhaut 
jmei verjdiedene GErregungsvorgänge annimmt, 
einen chromatiſchen und achromatiſchen; fie werben 
erzeugt durch die Zerfehung einer einzigen Sehſub⸗ 
Bas von höchſt komplizierter chem. —X 
t, deren einzelnen Zerſetzungsſtufen die verſchie— 
denen Stufen inder Nuancierung der Farbenempfin: 
dungen entiprechen, wie ie die reinen Farben des 
Sonnenſpeltrums zeigen. Abgejehen von der eigent: 
lichen reg a (f. d.), ſchwankt der F. in 
weiten Örenzen. Zur quantitativen Beftimmung des 
5 Pens! man Tafeln, die die vier Grund "bes 
t, Gelb, Grün, Blau, mit verfchiedenen Mengen 
u a gemiie entpalten, 1. bie Xefeinnen le 
Bull (Ehromatoptometrifhe Tabelle, Krift. 1882), 
ferner die «internationale Farbentafel» von. Radde 
(Hamburg), die von Holmgren u. a. — Val. Allen, 
Der F. Sein Urfprung und feine Entwidlung 
— — ig A 
iihe Erziebun . (2. Aufl., i 
A en, ſ. Farbenlehre. 
fteindrud, Chromodrud,Chromo: 
litbograpbie, ein erfahren, ſ. Farbendruch, 
botographie und Tafel: Lithographie. 
Farbentafeln, ſ. Farbenlehre. 


459 


en Gruppe der Haustauben (f. d.). 
arbenton, Tinte, die der Beleuchtung in der 
Natur entiprechende Abitufung der Farben im Bilde, 
3. B. die rötliden $- der ———— 
Farbenwechſel, eine bei Tieren ſehr allgemein 
vortommende Erjcheinung, welche darin beitebt, daß 
gewifle Tierarten, und zwar diejelben Individuen, 
zu verfchiedenen Zeiten verfchiedene Färbung zeigen. 
Der F. bat jehr verjchievene Urfachen und berubt auf 
ſehr —— Vorgängen. Zunächſt ſind es 
äußere, chem. und phyſil. Einfluſſe, die auf die Farbe 
einwirfen können: icht, Wärme, * des 
umgebenden Mediums, der Luft oder des Waſſers 
und der Rahrung. Bei manchen Tieren erhöhen ſich 
die Farben unter Einfluß des direlten Sonnenlichts 
bei andern (namentlich bei Vogeln) blaſſen fie hierbei 
ab, verſchießen. Füttert man Gimpelanbaltend bloß 
mit Hanffamen, jo neigt ihr Gefieder zum Schwarz: 
werben (Melanismus), durch den Genuß von Safran 
werden Ganarienvögel orange, und Indianer fo: 
wobl wie Malaten veriteben die Runit, die Farbe des 
Gefieders der Papageien, fei ed durch das Futter 
oder durch äußerliche Behandlung der Haut, zu ver: 
ändern. Häufig find Farbenveränderungen mitdem 
verjhiedenen Alter verbunden: Jugendkleider find 
oft (3.8. Schwarze junge Füchſe, junge geitreifte 
Löwen, Schweine, gefledte junge Hambirie, Hüb: 
ner, Enten u. ſ. m.) ganz anders gefärbt als die der 
erwachienen Tiere. Die Prachtfarben der männ- 
lichen Vögel entwideln ſich erjt mit der eintretenden 
—— ichen Reife, bei vielen Säugetieren, auch 
eim Menſchen, verlieren die Haare mit zunehmen⸗ 
dem Alter, gelegentlich auch durch Kranlkheiten, ihr 
Pigment, werden weiß. Ob ein plögliches Ergrauen 
— Schred wirklich vorkommt, ſcheint indeſſen 
weifelhaft. Ein Verfärben (auch ne Haar: oder 
Federwechſel) nach der Jahreszeit iſt häufig: nor- 
difche und alpine Tiere werden im Winter neh 
wäbrend fieim Sommerfarbig find, bei vielen Vögeln 
erhalten die Männchen während der Fortpflanzungs: 
zeit befondere Färbungen, ſog. Hochzeitskleider, 
welche auf Mauferung beruben können, aber nicht 
immer beruhen müſſen. So färben fich beim männ- 
lichen Hänflingdie Bruſtfedern rot obne Neubildung, 
das Gefieder der Pelikane, Möven u. ſ. w. über: 
iebt fih mit einem rofigen Haud, der jpäter ohne 
ederverluft verſchwindet. 
Andere F. werden aber durch Nervenreize tem⸗ 
porär erzeugt, dürften aber wohl alle feine aktiven 
Außerungen der Nerventhätigleit, jondern bloße Re; 
flererfheinungen fein. So vollziebt fih das Er: 
röten und Erblaſſen gewifjer Hautpartien beim 
Menihen, vielen Säugetieren und Bögeln unter 
Erweiterung oder Berengung der Hautlapillaren 
zufolge der Erregung des ſympathiſchen Nervus, aber 
unabbängia vom Willen. Viele Kopffüher, Fiiche 
Schollen, Butten, auch Forellen), Froͤſche, Chamä- 
eond und andere Eidechien ändern ihre Färbun 
nah Gemütsjtimmung, Beleuhtungsgrad oder auc 
— der Umgebung. In letzterm Falle iſt die 
ermittelung des Geſichtsorgans nicht zu leugnen: 
geblendete Schollen reagieren nach den Unterſuchun⸗ 
gen Pouchets nicht mehr durch F. auf die Faxben 
der Umgebung. Aber damit iſt noch nicht geſagt, 
daß deshalb der Vorgang milllürlih iſt; das 
Auge empfängt allerdings den Farbeneindrud der 
Umgebung, teilt ihn dem Gehirn mit, und diejes 
reagiert, aber unbewußt, durch den ſympathiſchen, 
teilweife auch durch den berumfchweifenden Nerv. 


460 


Menn Pouchet gewiſſe Üfte der Hautnerven durd: 
ſchnitt, hörte die Veränderung der Farbe in den 
von ihnen verforgten Hautpartien Bei den 
nambaft gemachten Tieren berubt die Berfärbung 
nicht — Vorgängen in den Hautkapillaren, fon: 
dern auf der Bewegung gewiſſer Zellen der Haut, 
fog. Chbromatophoren (grch., —— 
oder Farbſtoffzellen). Dieſe Zellen liegen oft in 
mehrern Schichten übereinander in der Haut, haben 
einen farbigen Inhalt und find ſtark kontraltil, doc 
treten nicht, wie man früber meinte, feine Mustel: 
bündelchen an fie heran und requlieren das Spiel 
ihrer Ei fondern fie empfangen unmittel: 
kar feinjte Nervenfäjerhen. In der Ruhe find fie 
sufammengezjogen und die Farbe ihres Inhalts 
ommt nicht zur Geltung; tritt indejien bie ent: 
ſprechende Erreaung durch den Hautnerven auf, fo 
erweitern fie fich beträctlib und übermalen ge: 
mwifjermaßen mit ihrem bunleln Inhalte den bel: 
lern Untergrund. Durch das Wechſelſpiel dieſer 
tontraftilen Chromatophoren treten dann einzelne 
Farbentöne hervor, während andere abblaffen, und 
bei bejonders empfindlichen Tieren ftellen ſich diefe 
erg mit großer Schnelligkeit ein. — Bol. 
Nabl, fiber Bau und Entwidlung der Ehromato: 
pboren bei Gepbalopoden (Wien 1900). 
arbenzerjtreuung, j. Difperfion. 
arbeprlanzen, die Bilanzen, aus denen in 
ber Induſtrie verwertbare Farben gewonnen werben. 
rüber war die Zahl derjelben eine viel größere als 
jest, und bie Kultur einiger davon, die befonders 
wichtig für die Färberei waren, hatte in mandyen 
Ländern große Bedeutung für die Landwirtſchaft 
gewonnen. Seitdem jedoch die Teerfarbitoffe aus: 
gedehnte Verwendung gefunden haben, iſt die Kultur 
der F. ſehr zurüdgegangen. Diejenigen F. die auch 
jekt noch für die Färberei wichtig find, gebören faft 
ſämtlich den außereurop. lorengebieten an. 

Die Farbitofie finden ſich in den verfjchiedenften 
Teilen der F. Im Holz find fie enthalten bei den 
ton, Barbydlgcen (1. d.). 

on einigen Pflanzen werben bloß die unterirbi: 
fchen Teile zum Färben benußt; zu dieſen gebören 
vor allem die Färberröte oder Krapp, Rubia 
tinctorum L. (j. Tafel: Rubiinen, Fig. 4). Der 
fog.levantinifbeftrapp,aubfizarioderAli- 
jari genannt, wird vorzugsweiſe in der Levante, 
aber auch in der Provence kultiviert, er ftammt von 
Rubia peregrina L. Außer diefen beiden Arten 
RL noch einige andere derielben Gattung, wie 
. B. die oftind. Rubia cordifolia L. und Olden- 
andia umbellata L. (Chay), Wurzeln, die zum 
Rotfärben dienen, doc find diefe im europ. Handel 
taum von Bedeutung. Von einer andern Pflanze 
aus der familie der Rubiaceen wird ebenfalls die 
Wurzel zum Rot: und Orangefärben benust, näm⸗ 
lih von der ojtind. Morinda citrifolia L.; aller 
dings ift auch diefe Farbeware für die europ. In— 
duftrie belanglog, fie verdient immerhin Erwähnung, 
weil fie in Indien eine ausgedehnte Verwendung 
zum Färben von Zeugen findet. Von der in Dit: 
indien, Geylon, Java und neuerdings aud in Weit: 
indien fultivierten Curcuma longa L. lommt die 
Top Eurcumemurzel (1. —— die einen 
ge ben Farbſtoff entbält und hauptſächlich zum Fär⸗ 
en von Zuderwerf, Liqueuren u. ſ. w. benußt wird, 
Geringe Bedeutung hat nur noch die fog. Al: 
fannamwurzel (ſ. d.), von Alkanna tinctoria 
Tausch (j. Tafel: Tubifloren, Fig. 6), aus Un: 


tarbenzerftreuung — Farbepflanzen 


garn und Frankreich. Die Blätter der füdamerit. 
Bignonia Chica Humb. (Arrabidaea chica P. D.C.) 
liefern dad Ehicarot, die jungen Triebe der norb- 
amerif. Amorpha fruticosa L. den ſog. Baftarb: 
Indigo, die aber nur lolale Verwendung finden. 

Unter den Pflanzen, von denen die Blüten oder 
einzelne Blütenteile zum Färben gebraucht werden 
find bauptiächlich zu nennen der Saflor, Cartha- 
mus tinctorius L. (f. Tafel: Aggregaten |, 
dig. 2) und die Safranpflanze, Crocus sati- 
vus L. Y Tafel: a Fig. 3). 

Bon beroorragender Bedeutung für die Induftrie 
* diejenigen Pflanzen, welche Indigo (f. d.) 
iefern; eö gebört bierber vor allem die Indigo: 
pflanze, Indigofera tinctoria L. (f. Tafel: 2e: 

uminofen I, Fig. 2), die befonders in Indien, 

va, Amerifa angebaut wird. Ferner find nod 
einige Pflanzen aus andern Familten zu erwäbnen, 
die aleihfalld Indigo oder indigoäbnlide Farbe: 
jtoffe liefern, fo der vom Himalaja durch Eüdchina 
bis zu den Liu⸗kiu⸗Inſeln kultivierte Strobilanthes 
flaccidifolius Nees und das im norböftl. Aiien 
wachſende Polygonum tinctorium L. Wichtig war 
rüber der Waid (f. Isatis und Tafel: Rhöadinen, 
ig. 2), der vor der Einführung des Andigos nad 
ropa zum Blaufärben benußt wurde. 

Bon den zum Gelbfärben Berwendung findenden 
Pflanzen find außer den oben bereit genannten 
vorzüglich noch Quercus tinctoria Willd. (j. Eiche) 
und Reseda luteola L. (f. Zertfigur 4 beim Artifel 
Bi loren) anzufübhren; die erjtere Pflanze, ein 
in Norbamerifa wachjender Baum, liefert die fog. 
Quercitronrinde und die leßtere, aub Wau, 
Gelb: oder Gilbkraut genannt, wurde in vielen 
Gegenden Deutichlands, Englands und Frankreich 
fultiviert, doch bat feit Einführung der Uuercitron: 
rinde und des Gelbbolzes die Verwendung desſelben 
bedeutend abgenommen (f. Reseda). Das lektere 
gilt auch nod für einige andere zum Gelbfärben 

enutzte Pflanzen, fo für den jog. Färberginiter 
( Genista) und die Färberfarte (j. Serratula); 
eide find über einen großen Teil von Europa 
verbreitet. Die fog. Gelbbeeren dagegen, die 
Früchte mehrerer Rbamnusarten, bauptijähli von 
Rhamnus infectoria L., finden noch ziemlich aus- 
gedehnte Verwendung in ber Färberei; die bi: 
neſiſchen Gelbſchöten, die chte von Gar- 
denia florida L., die in ihrem Heimatlande ſchon 
ſehr lange zum erg benußt werben, find für ben 
europ. Handel bis jegt noch belanglos. Der mit 
dem Namen Drlean Y d.) bezeichnete Farbitoff 
ftammtvon den im tropijchen Amerika einheimijchen, 
aber in den gejamten Tropen kultivierten Bixa 
orellana L., er wird bier und da zum Yyärben von 
Speijen verivendet. Der Sarbftof Henna ftammt 
von Lawsonia inermis L. (j. Lawsonia). DieDr: 
jeilie (ſ. d.) fowie der Lackmus (f. d.) und der 
og. Berfio ftammen von verjchiedenen Flechten: 
arten, vorzugsmweije aus den Gattungen Roccella 
dj d. und Tafel: Flechten IL, Fig. 9), Variolaria 
(1. d.) und Lecanora (ij. d.). 

Außer den bisher genannten Pflanzen find noch 
einige zu erwähnen, die wegen ihres Gehalts an Ra: 
techin oder an Öerbitoffen zum Gerben und Schwarz: 
färben angewendet werben. Es gehören bierber die 
Katechu, Gambir und Kino liefernden Pilan- 
jen, wie Acacia Catechu W. (f. Tafel: Legumi: 
noſen III, Fig. 1), Pterocarpus marsupium Rorxb., 
die beibe in Dilindien heimiſch find, Uncaria Gam- 


Färber — Färberei 


bir Roxb. vom Malaiiſchen Archipel, ſowie mehrere 
Eucalyptusarten, von denen das ſog. auſtraliſche 
Kino ſtammt. (Näheres ſ. Katechu, Gambir und 
Kino.) Ferner find zu erwähnen die auftral. Gerb: 
rinnen mehrerer Atazien (wattle), die Früchte einiger 
Arten von Terminalia (f. d.), bauptfählih von 
Terminalia chebula Roxb., die unter dem Namen 
Myrobalanen (f. d.) in den Handel kommen, jo: 
wie bie chte von Caesalpinia coriaria Willd., 
die ſog. Dividivi (f.d.) und die ald Bablab oder 
Bablad (f.d.) bezeichneten Hüljen mehrerer Acacia⸗ 
arten; alle dieſe —6 ſind reich an Gerbſtoffen. 

Gleichfalls ihres Reichtums an Gerbftoffen wegen 

langen dieRinden mebrerer@ichenarten, die Frucht⸗ 

er (Wallonen oder levantiniſche Anoppern) von 
QuercusVallonea Kotschy undbmacrolepisKotschy, 
fowie die Galläpfel verſchiedener Eichen: und Rhus⸗ 
arten in den Handel. Endlich mag nod der Su: 
mac mit hier angeführt werden, der beim Gerben 
und Echmarzfärben des Leders ausgedehnte Ver: 
menbung findet; er wird gewonnen von den Blät- 
tern und Zweigen zweier in den Mediterranländern 
machjenden Arten von Rhus (f. d.), Rhus cotinus L. 
und Rhus coriaria L. 

#ärber, die Handwerter, die die Färberei (f. d.) 
ausüben. hr Wappen zeigt Tafel: Zunft: 
mwappenl, Fig. 9. 

arberden, j. Erbfarben. 

ärberbiftel, j. Carthamus und Serratula. 

ärberei, das techniſch — Verfahren, 
durch welches Stoffe mit einer ihnen urſprünglich 
fremdartigen Färbung verjeben werden, wobei aber 
zur Nuftragung der Farben feinerlei mechan. Hilfs: 
mittel verwandt werden. Durd letztern Umſtand 
unterjcheibet ſich die 5. von dem Anftreichen, von ber 
Malerei, von dem Buntdrud. Nur in einem Zweige 
Des Farbendruds (f.d.), bei einer beftimmten Art des 

eugdruds (f. d.), bedient man ſich der gleichen 

Methoden der Bildung der Farben wie in der F. 
und deshalb ijt der Beugbrud zur F. im weitern 
Sinne zu redinen; man bezeichnet denfelben aud 
als Örtliche oder topiſche F. 

Rah Witt find die hem. Färbungen als Loſungs⸗ 
eribeinungen 68 at die Faſer bie größere 
Löjungsaffinität, jo wird fie alöbald fämtlichen 
Farbſtoff an ſich gerifien haben; ift dagegen das 
Yöjungsvermögen des erö bedeutender, fo muß 
diejed durh Zufag gewiſſer Subftanzen (Aus: 
jalzen) vermindert oder die Löfungsfähigleit der 

In der F. lommen hauptſächlich 5 iedene 
Methoden in Anwendung. Bei der einen rn die 
fertig gebildete Farbe unmittelbar von dem zu färs 
benden Stoffe aufgenommen, bei der andern ent: 
jtebt die —* in und auf dem Stoff durch 
chem. Realtionen. Die erſte lommt faſt ausſchließ⸗ 
lich bei der Woll⸗ und Seidenfärberei zur Anwen: 
— Die gereinigten Woll⸗ und Seivenfaern haben 
die igenfhaft eine g Reihe von verfchiedenen 

en ihren öfungemitteln zu entziehen und fie 

feft auf, fich niederzuſchlagen, da durd 
ſchen mit Waſſer von den Safern nicht wieder 
entfernt werden können. In den meiften Fällen be 
rubt das Färben auf der Erzeugung unlöslicher 
Verbindungen der Farbitoffe innerhalb der Pflan- 
fafer, in manchen Fällen kann aud die Über: 
Bi iehung von entjdeidendem Einfluß auf 
das Färben fein. Bei der Wollfafer foll es ein 
eigentümlicher Körper von ſaurer und bafijcher 


461 


Eigenſchaft (die Zanuginfäure) fein, die mit bafifchen 
wie mit jauren Farbſtoffen unlösliche Nieverichläge 
liefert, mit Gerbfäure und Chromſäure ſich ver: 
bindet und Aluminiumfulfat unter Aufnahme von 
Ihonerde und Freiwerden der Schweteljäure zer: 
ſetzt. Da die Pflanzenfafer feinen farbitoffbinden: 
den Beitandteil enthält, wird fie meift nicht dauernd 
5* Sie fann aber durch Chlorkalk und andere 
rydationsmittel oberflählid in Orgcelluloje um: 
ewandelt werden, die vermöge ihrer jauren Eigen: 
Ihaften bafifhe Farbitoffe feitzubalten vermag. 
Farbſtoffe, die fih unmittelbar mit der Fafer ver: 
einigen, beißen jubjtantive Farben. Erft in 
neuerer Zeit hat man eine Reihe jubjtantiver Baum: 
wollfarbitoffe (z. B. Benzivinfarbftoffe) aufgefunden. 
In manden Fällen wird die Farbe erft in der zu 
färbenden * durch chem. Zerſetzung gebildet. 
Einer der einfachſten hierher gehörenden iſt 
die Küpenfärberei mit Indigo (ſ. d.). Ähnlich iſt das 
Nantingfärben ( eg und die Krappfärberei 
aufBaummolle(f. Krapp). Bei milroſtopiſcher Unter: 
ſuchung folder gefärbten Faſern und namentlich 
von Baummollfajern fieht man den innern Hoblraum 
mit Stüden von gefärbten Niederſchlag erfüllt. 
Solde Subftanzen, die, wenn auch gefärbt, 
erſt durch ein Befeitinungsmittel (Mordant 
oder Beize, f. d.) Farbſtoffe geben, beiten ad: 
jeftive Farben. die Beizen gehören ebenjo gut 
zur —— wie der Farbſtoff gebende Körper, und bie 
Entjtehung der Farbe berubt auf der Bildung einer 
chem. Verbindung zwischen Beitandteilen der Beize 
und dem Farbfto. Je nad der diejen Verbindun: 
en eigentümlichen Färbung fann ein und berfelbe 
—* mit verſchiedenen Beizen ganz verſchiedene 
arben . (polpgenetifche Farbitoffe). Träntt 
man z. B. einen Streifen Zeug an der einen Stelle, 
wie oben, mit eſſigſaurer Thonerde, an einer zweiten 
Stelle mit ejfigiaurem Eifenoryd, an einer dritten 
Stelle mit einer Mifhung von eſſigſaurer Thonerde 
und Eifenoryd, und führt ihn in eine Aligarinlöfung 
ein, jo erſcheint die erſte Stelle jhön rofa, die zweite 
ſchwarz, die dritte lila gefärbt, weil die Verbin: 
dung der Thonerde mit dem Alizarin rofa, die 
des Gijenoryds ſchwarz und die Mifchungen bei- 
der lila gefärbt find. Farbſtoffe, die mit verſchie— 
denen Beizen ftet3 diefelbe Färbung liefern, nennt 
man monogenetijc. In manden Fällen behan: 
belt man die Pflanzenfajer gleichzeitig neben ben 
Beizen noch mit Eiweiß, um jie für Farbftoffe auf: 
nabmefäbiger zu machen. (S. Animalifieren). Ge 
wiſſe jubjtantive Farben wirken durch ihre Sabig: 
feit, andere Farbſtoffe niederzuichlagen, ebenfalls 
wie Beizen (jetundäres Färben). Die jo be 
feftigten Farbjtoffe fönnen dann jogar noch einmal 
Harbftoffe aufnehmen (Auffegen, Remontage). 
Die wichtigiten in der F. gebrauchten Farbitoffe 
oder Zeugfarben find außer den unter Farbe 
pflanzen und Farbhölzer genannten die folgenden: 
1) Zum Blaufärben: Berliner Blau (f. d.), 
blaue Teerfarbitoffe, wie Metbylenblau (f. Lauths 
Violett), Mlizarinblau (f. d.), Altaliblau (f. d.), 
Induline (ſ. d.). 2) Zum Braunfärben: Bis: 
mardbraun (ſ. d.), Georgine (f. d.), Phenicienne 
.d.), Wiener Braun (f.d.); auch erzeugt man braune 
ärbungen dur Zufammenfeßung entweder meb: 
rerer Farbſtoffe oder mehrerer Beizen mit einem 
Harbftoff ſowie endlich durch fuccejjives Ausfärben 
in verjchiedenen Farbebrühen; eine gebräuchliche 
braune Farbe ift auch Bifter (f. d.). 3) Zum Gelb» 


462 


ärben: Ehromgelb (f. Bleihromat), d 

afer dadurch erzeugt wird, daß die Stoffe rit in 
ein Bad von Bleizuder und nah dem Auswringen 
in ein foldes von rotem hromfaurem Kalium (f. 
Kaliumchromate) gebracht werden; Roſtgelb, Eijen: 
chamois oder Nanlıng ( d.); Flavin (f. d.); Anilin: 
und Teerfarben: Phosphin (j. d.), Chryſoidin (f. d.) 
Flavaurin (f. d.), Bitrinfäure (1. d.), Napbtholgelb 
G. Martiusgelb), Ebryfoin (f. TZropäoline), Eitronin 
(}. d.), Echtgelb (f. Sy Ehryjamin (f. d.). 4) Zum 

rünfärben biente früber ein aweimaliges Aus: 
färben in blauen und gelben Löjungen; jo wurde 

.B. Wolle in der Regel blau gefärbt, dann in der 
iedehige mit Alaun und Weinjtein gebeizt und 
endli in einem Maus oder Gelbholzbade ausge: 
I Grün auf Seide erzeugte man ebenfalls durch 
ishen von Blau (Säcfifeblau) und Gelb (ge: 
möhnlih Wau) oder auch dur Färben mit einer aus 
Ehina fommenden, aus Rhamnusbeeren bereiteten 
Drogue, dem Lo:fao. Gegenwärtig färbt man das 
Tuch, wie das zu Billarbüberzügen und Spieltijchen 
dienende, zwar immer noch mit Sähfifhblau und 
Gelbholz, Dagegen finden une Grünfärben der Seide 
ft allgemein die vom Anilin abgeleiteten grünen 
arben Anwendung (f. Brillantgrün, Görulein, Licht: 
grün, Maladitgrün, Met olgrün, Nitrofefarbftff, 
forcingrün). 5) Jum otfärben: Cocenille, 
Alizarin Bun Cofin, Ponceau, Scharlach, 
Kongo, Safranin (ſ. die Einzelartitel). Ein ſchönes 
Rofa erzeugt Pyronin (f. d.). 6) Zum Schwarz: 
ärben benugt man, da es eine eigentliche ſchwarze 
Farbe nicht giebt, intenfiv dunkle Yarben: oder 
arbenmijhungen. Die meiften jog. ſchwarzen 
ul erweijen fich bei genauer Betrachtung als 
blaujhwarz und braunſchwarz. Je mehr es dem 
Färber gelingt, diefe eigentlichen Farbentöne durch 
geihidte Behandlung zum Verſchwinden zu bringen, 
um jo geihäßter it die Ware. Cinzelne En 
ierin große Fertigleit erlangt, fo die Geraer F. a 
ollftoffe, die Krefelder für Seidenwaren. Die 
Grundlage des Schwarz auf Wolle und Baummolle 
—— eine Verbindung von Blaubolzertralt mit 
jenoryd, Kupferoxyd oder am d; auf Seide 
Gerbjäure und ——— eide Methoden wer: 
den auch miteinander fombiniert. So wird na: 
mentlih Baummolle mit Gerbfäure enthaltendem 
Material —— Sumach u. dgl.) galliert, 
dann in Eiſenoxydſalzen grau gefärbt und endlich 
im Blauholzbade ſchwarz gemacht. Tuche wer— 
ven häufig tief indigoblau gefärbt und dann mit 
einer der obigen Beizen und Blaubolzertraft über: 
ärbt. Beim Zeugdrud wird fat ausſchließlich Ani: 
inſchwarz verwandt. Cine mit etwas Schwefel: 
fupfer oder einer Spur von Banadinjäure verjekte 
und mit dem nötigen Verdidungsmittel verjebene 
— 5*—— chlorſaurem Anilin wird auf das Zeug 
edrudt, worauf ſich beim Dämpfen ein intenſives 
warz entwickelt. Je nach den verſchiedenen 
ärbearten unterſcheidet man PVienne, ae 
enfer Schwarz, Tours-, Seerojen: und Ebrom: 
oder Neufhmwarz. — Die Seide nimmt bei geeig: 
neter Behandlung mebr als das Doppelte ihres 
Gewichts von den färbenden Subſtanzen auf und 
wird daber beim Färben bebeutend beichwert. 

Das Färben enthält folgende Einzeloperationen: 
das Beizen (mern nötig); das eigentliche Färben, 
»%. b. das Eintauchen des Stoffes in die In dem 
Bärbegefäb (Küpe, Wanne) entbaltene Farbe: 

übe (Flotte); das Auswringen (bei Garnen Che: 


Färbereiche — Färberei- und Appreturfchulen 
as He | villieren genannt), um die überjhüffige Farbe 


brübe vom Stoffe zu entiernen; das Spülen; bas 
nodhmalige Auswringen; das Trodnen; eventuell 
das Avivieren (f. d.). Die einzelnen Operationen find 
für loſe Fafern anders als für Garne und für dieſe 
anders als für Gewebe und werben entweder durch 
bloße Handarbeit oder mit Hilfe mechan. Einrid- 
tungen ausgeführt. Bon lestern find namentlich die 
Klotzmaſchinen oder Elapot3 zu erwähnen, die 
zum Färben baummollener Gewebe dienen. Sie be: 
iteben aus einfachen Käſten aus Holz oder Eiien, in 
denen ſich ſowohl am obern Rande, als nahe am Boden 
eine Reihe von Leitrollen befinden, über welche ber 
Stoff derartig läuft, daß er ſich im Zichzad durch die 
Sslotte auf und ab bemegt; am Ende des Behälters 
wird er durch zwei Quetichwalzen von der über: 
ihüffigen Farbenbrübe befreit. Oft find drei Clapots 
bintereinander angeorbet, jo daß ber Stoffim erften 
gebeizt, im zweiten gefärbt, im dritten geſpult wird. 

Unter Echtheit einer Färbung verfteht man ibre 
Miderjtandsfähigteit gegen die Wirkung des Waſſers 
der Eeifen, Alltalien und Säuren, des Lichtes, der 
Wärme und der Neibung. 

Die Kunſt der F. ift bereits bei den älteften Böllern 
ausgebildet; die Pbönizier verftanden einen uner: 
reichten Burpur berzujtellen. Bon dielen lernten die 
Romer und fpäter die Bozantiner. Zur Römerzeit 
järbte man mit Färbeginſter, Krapp, Rotbolz, Al: 
tanna, Maid, Galläpfeln, Katechu, Nußrinde, Um 
1300 lernte man in Stalien die Orjeille verwenden. 
Im 16. Jahrh. famen von Indien der Indigo, 
von Amerila das Blaubolz, die Cochenille u. a. x 
Guropa benukt man jeit der eriten Hälfte des 
18. Jahrh. den Indigo, feit der zweiten Hälfte den 
Krapp, die Bilrinfäure feit Beginn des 19. Yabrb. 
Seit 1856 kennt man die Anilinfarbjtoffe, feit 1868 
das fünftliche Alizarin, feit 1876 die Azofarbitofie. 

Litteratur. Ganswindt, Handbub der #. 
(MWeim. 1889); derf., Einführung in die moderne J. 
(Ypz. 1902); Herzfeld, Das Färben und Bleichen 
(2. Aufl., Berl, 1901 fg.); Sanfone, Zeugbrud, 
Bleicherei, F., Druderei und Appretur baum: 
wollener Gewebe (ebd. 1890); Hummel, Die F. und 
Pleicherei der Geipinitfafern (deutſch von Knecht, 
2. Aufl., ebd. 1891); Sorblet, Die F. der Baummolle 
(Stutta. 1891); Delmart, Die Etüd: und Kamm: 
aarnfärberei (Reichen. i. B. 1892 fg.); Loewenthal, 
Handbud der F. der Spinnfajern (2. Aufl., Berl. 
1899— 1901); Zipfer, Apparate und Maſchinen 
der Wäſcherei, Bleicherei, F., Garn: und Zeug: 
druderei (Wien 1894); Reimann, 5. der Baummolle 
und der andern vegetabilijchen Faſerſtoffe (3. Aufl., 
Berl. 1897); Thomas, Guide pratique de teinture 
moderne (Bar. 1900); Gnebm, Taſchenbuch für 
die F. und Syarbenfabrilation (Berl. 1902); ch, 
Lerilon der Farbentechnik, F. u. ſ. w. (Wien 1902 jg.). 
— Leipziger Färberzeitung (1852 fg.); Reimanns 
ee (Berl. 1870 fa.); Mujterzeitung für 
F. (Berl. und pr. 185080; fortgefeht u. d. T. 
‘särberei-Mufter: Zeitung, ebd. feit 1881); Deutjche 
‚särberzeitung (Müblbaufen i. Th., Dresd. und 
Münd. 1865 fg.); Lehnes Färberzeitung (Berl. 
1890 fa.); Zeitichrift für Farben» und Zertildhemie 
(Braunicm. 1902 fa.); Tertil: und Färbereizeitung 
(ebd. 1903 fa.). 

ie, ſ. Eiche. 

ärberei: und Appreturſchulen, meiſt an 
Lehrinſtitute für allgemein induftiielle oder beſen⸗ 
ders für tertilinduftrielle Ziwede angejchlofien, ver 


Färberflechte — Farbige 


vanten ihre Entſtehung namentlich dem Umſtande, 
daß mit ber fortſchreitenden Entwidlung der Farb— 
kofjberjtellung in der Neuzeit chem. Kenntniſſe in 
der Ausübung des Färbergewerbes immer mebr 
zur Rotwenbigteit wurden. Faſt alle Färberſchulen 
baben auch die Appretur in ibren debrplan auf: 
genommen; während jedoch praftiiche libungen in 
ber Färberei in den mit den Schulen verbundenen 
chem Laboratorien an allen Schulen vorgenommen 
werben, find praktiſche Übungen in der Appretur 
wegen ibrer Koſtſpieligleit in verhältnismäßig ge: 
ringerm Maßjtabe durchgeführt worden. Diellnter: 
ribt&bauer beträgt 1, 1"/,, 2, aub 3 Sabre; 
einige Färbereifchulen verlangen ala Borbildun 8 
nur die Vollsſchulbildung, andere eine mittlere, der 
Berebtigung zum einjährig : freimilligen Militär: 
dienjt entiprecbende mwiljenicbaftliche Befähigung; 
bei manchen ijt eine mindeiteng zweijäbrige praf: 
tiſche Thätigkeit im Färbereigewerbe Aufnahme— 
bedingung. Einige Schulen bilden nur Vorarbeiter 
oder jyärbermeifter aus, andere dagegen auch Fär— 
berei iter und Färbereidirigenten. Die ältefte 
dieſer Schulen ift die zu Mülbaufen i. E. die andern 
find Mitte oder Ende der fiebziger oder Anfang der 
achtziger Jabre des 19. Jahrh. errichtet. Die haupt: 
fäblichften Schulen find: die königl. Färberet: und 
Appreturſchule zu Krefeld, die königl. Färberſchule 
zu Chemniß, Ecole municipale de chimie indus- 
trielle in Mülbaufen i. E,, die Färberſchule zu 
Müblbeim a. Rh., die Färberſchule zu Reutlingen; 
in Öfterreih: bie Färberſchule (niedere Abteilung) 
und bie Särbereifehule (böbere Abteilung) an ber 
t. t. Staatägewerbefchule zu Reihenberg in Böh- 
men, die Niedere Fachſchule für Färberei, die Höbere 
Fachſchule für Färberei und das Seminar für Tint: 
torialdemie an der II. Seltion des Technologiſchen 
Gewerbemufeums zu Mien. 

ärberjlechte, Pflanze, ſ. Roccella. 

re Ba Pflanzenart, f. Genista. 
rberfamille, Bilanze, ſ. Anthemis, 
ärbermaulibeerbaum, ſ. Maclura. 
ärbermorinde, Pflanze, ſ. Morinda. 
wärberrinde, j. Quercitron. 

Färberröte (Rubiatinctorum L.), die wichtigſte, 
aber durch künftlibe Farbftoffe ſchon ſtark zurüd: 
gedrängte Farbepflanze Europas aus der Familie 
ber Hubiaceen (j.d.). Aus dem kriechenden, langen, 
beilblutroten Wurzelitode (Rrapp, ſ. d.) erbeben ſich 
vierfantige, auf den finoten mit abwärts gebogenen 
Stacheln bejeste, äftige Stengel, welde 1—2 m 
boch werben; die Blätter, in vier: bis ſechszäh— 
ligen Wirteln, ſind elliptiſch — am 
Wande und am Rückennerven ſtachelig-ſcharf, Die 
Blüten find Mein und von arünlichgelber Farbe, 
die Frücte find zuerft rötlib, dann ſchwarz. 
S Tafel: Rubiinen, gig. 4.) Die urjprüngliche 
Heimat der Pflanze find die Mittelmeerländer. Zum 
erfolgreiben Bau der F. iſt ein Boden mit jebr 
tiefer, leichter, burchläfliger, humus⸗ und beſonders 
taltbaltiger Aderkrume und Feuchtigleit haltendem 

grundendötig. Der Wurzelftod tanın im dritten 
Jahre geerntet werden. 
ärbericharte, Bilanzenart, ſ. Serratula. 
ärberivaid, Planzenart, ſ. Isatis. 
rberwau, Bilanzenart, ſ. Reseda. 
rbhölzer, meiſt außereurop. Holzarten, bie 
techniſch perwenbbare Farbſtoffe enthalten. Die F. 
in zarbholzmůuhlen (j. d.) zerkleinert und 
befeuchtet und bleiben mehrere Wochen in bunten 






463 


luftigen Räumen liegen, wodurd der Farbitoff fid 
entweder erjt entmwidelt (fermentierte 5 oder dod 
ein lebbafteres Ausfehen erbält. Außer den Höl 
ern ſelbſt kommen auch die Farbholzertrakte (f. d.) 
in den Handel, Die wichtigiten F. find folgende: 
Das Fernambukholz oder Rotbolz (f. d.) ift 
das Holz einiger fübamerif. und weſtind. Arten von 
Caesalpinia, das befte ep von Caesalpinia 
echinata Lamk. (S. Tafel: Leguminofen II, 
Sie, 5.) Das fog. Sappanbolz, ebenfalls ein 

otholz, ftammt von dem oſtind. Baume Cae- 
salpinia Sappan L., dasjelbe wird aud bäufig als 
oftind. Fernambulholz bezeichnet. Das Blaubol; 
oder Gampedebolz (log wood) fommt von Hae- 
matoxylon campechianum L. (f. Tafel: Legu: 
minojenIl, Fig. 2). Die beite Sorte Campede: 
bolz joll diejenige von ber Zenit Yucatans jein, 
die unter dem Namen fpan. Blaubolz in den Handel 
fommt. Das Gelbholz (f. d.) ftammt von Maclura 
aurantiaca Nutt. (Chlorophora tinctoria Gaud.), 
einem aufden mweitind. Inſeln einheimifchen Baume; 
ed findet in ber Färberei eine ausgedehnte Berwen: 
dung. Ein anderes Holz, das ebenfalld zum Gelb: 
färben dient, das Fifetbolz (f. d.), ftammt von 
dem in Südeuropa häufig vortommenden Berüden: 
baum, Rhus cotinus L. Das rote Sandel: 
bolz (f.d.), von dem oftind. Baume Pterocarpus 
santalinus L. fil., ebenjo das gelbe Wurzelbolz des 
Sauerborns, Berberis vulgaris L., das rote Cam- 
wood (f. d.), Barwood u. a. werben heutzutage nur 
noc wenig benußt. 

Farbholzertrafte, die aus den Farbhölzern 
(f. d.) und der Quercitronrinde bargejtellten Er: 
tratte. Zu ibrer Gewinnung werben die gerafpel: 
ten und mitunter, aber nicht vorteilhafterweife, 
——— Hölzer entweder nach dem urſprüng— 
ihen franz. Verfahren in offenen, oder nach dem 
amerif, Syitem in gefchlofienen Ertracteuren unter 
— von geſpannten Dämpfen oder Hochdrud 
ausgelaugt und die Farbbrüben verdunſtet. Das 
Grtraft wird noch warm in Kiſten von 25 bis 90 kg 

nbalt gefüllt, wo e3 erftarrt, oder man dampft die 

rübe nur bis zur Sirupdide ein und bringt das 
Ertraft flüffig (mit einer Dichte von 20 bis 25° 
Baume) in den Handel. Nicht felten werben zu den 
Grtralten, um fie zu verbilligen, Zufäße (Melaffe, 
Dertrin, Slauberjalz u. ſ. w.) gegeben, weshalb für 
ihren Wert nur der Gebalt an wirklichen Farb: 
jtoff, den man am beiten durch Ausfärben ermittelt, 
maßgebend ift. Während die Fabrilation der F., 
unter denen Blaubolzertraft die Hauptmenge (vier 
Fünftel) ausmadt, urfprünglic in Dane! bei: 
miſch war und fpäter in großem Maßſtabe in Ame: 
rifa und England ausgeübt wurde, bat ſich Deutſch⸗ 
land erjt Ausgang der fiebziger Jahre in größerm 
Maßſtabe beteiligt und fabriziert heute 3. in etwa 
23 Fabriten. Die Einfuhr von F. ing Deutfhe Reich 
betrug troßdem 1900 noch über 3,25 Mill. kg im 
Merte von 2,47 Mill. M., die Ausfuhr 1,1 Mill. kg. 

Farbholzmühle, eine Fräsmajhine zum Ber: 

panen von Farbhölzern, in welcher das zu zer: 
einernde, gut unterjtügte Holzftüd einer Fraͤſe dars 
Deal wird, die aus jägenartig gezahnten Stabl- 
lättern oder einer, kräftige Schneipmefjer tragen: 
den, raſch rotierenden Scheibe befteht. Auch ein 
Mablgang zur weitern Zerkleinerung des zeripan- 
ten Farbbolzes wird F. genannt. 

Farbige, in Amerika im allgemeinen im Gegen: 

fage zu dem Europäer und Kreolen (f. d.) die ein- 


464 


geborenen — die eingeführten Neger und 
die durch Vermifchung diefer untereinander oder 
mit den Weißen entjtandenen Mifchlinge; im be: 
jondern jedoch werben bloß diefe Miſchlinge im 
Begenfaß zu den Weißen, Negern und Indianern 
reinen Blutes F. genannt. Zu den am häufigsten 
vorlommenden Miſchungen gehören: die Mulat: 
ten oder Bardo, die Mifchlinge von Weißen und 
Negern, wobei die Mutter meijt eine Schwarze und 
nur in ſehr jeltenen Fällen eine Weiße ift. Mit 
dem Namen Meftizen, welches Wort eigentlich 
bloß Miſchlinge bedeutet, bezeichnet der Sprachge— 
braub nur die Miſchlinge von Meißen und In: 
dianern; in Brafilien nennt man diefe Mame: 
(uco. Die Kinder von Negern und Indianern 
. ambo, auch Ebino (d.i. Chineſen), in Bra⸗ 
lien Cariboco, Cafuſo, Caburet, Tapan— 
huna, Xibaro. Aus der wiederholten Vermiſchung 
der Mulatten oder Meſtizen mit Europäern entſtehen 
dieTerceronen (Kinder Weißer mit Mulattinnen), 
Quarteronen (Kinder Weiher mit Terceronen), 
Quinteronen (Rinder Weiher mit Quarteronen) 
u. ſ. w. MWäbrend nur der Mulatte dur das wol: 
(ige Hauptbaar feine Negerablunft deutlich zeigt, 
näbert fich der Tercerone in feiner Phyſiognomie 
ihon dem Guropäer; jein Haar ift nicht mebr 
mollig, doch die Hautfarbe no etwa8 braun. Die 
Uuarteronen find von den Weißen faum mehr zu 
unterfcheiden. Die Tuinteronen werden überall ſchon 
ven Kreolen gleichgeachtet. Außer diejen werden 
noch viele andere durch bejondere Namen unter: 
ihieden. So heißen z. B. Cholo die Kinder der 
Zambo, Cabern oder Zamboneger die Kinder 
von Negern mit Mulattinnen, Zambaigo oder 
Zamboclaro die von Zambo mit Indianerinnen, 
ambo Preto die eines Negers mit einer Zambo, 
eitisoclaro (oft jebr jhön) die von Indianern 
und Meitizen, Gambujo die von Zambaigo mit 
Mulattinnen, Coyoten die von Quarteronen mit 
Meitizen u. j.w. Die Kinder mulattiſcher Eltern 
beißen Casco. Aufdie fernern Abjtufungen, welche 
durch Vermiſchung von Mejtizen mit Meißen ent: 
jtehen, werden bäufig aud die Namen Terceronen, 
Quarteronen u. |. w. angewendet. Meift haben die 
jarbigen Raijen in Amerika nur die Fehler, jelten eine 
vorteilbaite Seite des Charalters IK farbigen El: 
tern geerbt. Die Anzahl aller Neger und Regermiſch⸗ 
linge in Amerita beträgt jest über 12 Mill. Davon 
mohnen in den Vereinigten Staaten 6 580 000, 
Merilo 60 000, Gentralamerita 50.000, Wejtindien 
3 700.000, Brafilien 2 Mill. Verhältnismäßig am 
zahlreichſten find fie in Weſtindien, wo fie 83 Broz. 
der ganzen Bevölterung ausmachen. Hier haben 
fie auch zwei jelbjtändige Staaten gegründet: Santo 
Domingo und Haiti. [srapbie. 
arbige Photographie, ſ. Farbenpboto- 
arblade oder Lad farben, unlösliche Berbin: 
dungen von organiſchen Farbſtoffen mit Metallory- 
ben, die man erhält, wenn man die wäſſerigen Ertralte 
von Farbſtoffen mit Thonerde, Eiſenoxyd-, Zinn: 
oryd:, Chromoxvdſalzen, die meiſt in Bar Form 
verwendet werden, verjegt. Sie dienen als Malerfar: 
ben, außerdem find aber viele Operationen der Zeug: 
färberei auf die Bildung von F. aurüdzufübren. — 
Dal. Jenniſon, Die Heritellung von F. aus fünftlichen 
Yarbitoffen (deutich von Nübencamp (Dresd. 1901). 
arbmalsz, j. Malz. 
Barbigreiser, f. Telegrapben. 
arbftift, farbiger Zeichenftift, |. Bleiftift. 


Farbige Photographie — Farbſtoffe 


Farbſtoffe, Pigmente, diejenigen farbigen 
Subſtanzen, die geeignet ſind, andern Bes 
durch Überzug oder Beimiſchung Farbe zu 
d. lommen teils fertig gebildet in den Pflan- 
en (ſ. ——— vor, teils enthalten die 
9 gewiſſe Stoffe, Chromogene — d.), die 
durch chem. Ummandlung F. liefern, teils werben 
diefelben fünftlih aus den verſchiedenſten — 
hen und anorganiſchen Stoffen erzeugt. Die J. 

nden in der Färberei, Malerei, im Hunjtorud und 
zur Verzierung aller möglichen ftände Ber: 
wendung. Außer den tednifh nusbaren find ein 
elne andere F. von großer phyſiol. lee 

er Blutfarbitoff ermöglicht allein den M 
und Tieren die Atmung, indem er der Träger 
des Sauerftoffs if. Nachdem er dieſem Zwed ge: 
— bat —58 er als — —— 
der Harnfarbſtoff in engſter Beziehun fe 
dem Körper entleert. gl rote Haufe ift be: 
dingt dur das Durchſchimmern des in ben 
Seten der Haut enthaltenen roten Blutes 
elbe Farbe, weldhe die Haut bei 
a annimmt, ift durd eine Auffpei 
Gallenfarbftoffen hervorgerufen. Die ſchwarze 
der Neger wird dur einen ſchw 
Melanin (f. d.), der in den Hautzellen 
verurjadt. Auf einer noch völlig rätjelba 
hung des grünen Farbftofjs der lebenden m 
jelle, des Chlorophylls (j. d.), berubt die Bildung 
der organifhen Subftan; der Pflanzen aus ben 
unorganifhen Beftandteilen (Kohlenſäure und 
Waſſer) der Luft. j 

Bei den — unterſcheidet man je nach 
* Herlunft und Bereitung Mineralfarben 
(ſ. d.), und zwar natürlich vorfommende oder Erb- 
Farmer (f.d.) und fünftliche, ferner Metallfarben 
Bronze: und Brofatfarben) und Organiſche 
Farbſtoffe (f.d.), dieteild Kunftprodufte find, teile 
von Farbepflanzen (f. d.) oder Tieren wit 
Cochenille (ſ. d.) Kermes (ſ. d.) und Lac-d .d.). 

e nad ihrer Verwendung fann man bie 5. in drei 







ruppen bringen: Zeugfarben (ij. > 

Malerfarben (f.d.) eb mei 5 } 
Sehr viele 5. find in hohem Grabe gi 

— alle Bräparate, die einen der ee 
toffe entbalten: Antimon, Arjen um (außer 

Schweripat), Blei, Chrom (au L 

Kadmium, Kupfer, Quedfilber (außer 3 

int, Zinn, Gummigutt, Pilrinfäure. Die Ber: 


wendung aller diejer F. bei ber Zu von 
Nahrungs: und Genußmitteln ſowie zur Be 
von Gebrauchsgegenſtänden ijt dur 9 


vom 5. Juli 1887 verboten. Zur von 
Spielwaren ift dagegen die Verwendung von Zinl: 
weiß und Ehromgelb in Fimis oder Ölfarbe ge 
ftattet. Arjenhaltige F. dürfen weder im Tapeten: 
drud nod bei der Anfertigung von Belleivungs: 
ofen benußt werben. (S. Yarbiwaren.) 
itteratur. Berſch, Yabrılation der Ani: 
linfarbftoffe (Wien 1878); derj., Fabrilation der 
Erdfarben (2.Aufl., ebd. 1893); ., Habrilation 
der Mineral: und Sadfarben (2. Aufl., ebd. 1898); 
Gentele, Lebrbud der Fyarbenfabrilation (2. 
Braunſchw. 1880); Häußermann ren 
farbftoffe (Stutt 1681); Miet ie Erb, Mi- 
neral» und Zadfarben (Weim. 1881); derj. Hand: 
buch der Farbenfabrifation (Wien 1897); Rerteh,, 
Die Anilinfarbftoffe (Braunfchw. 1888); Rupe, 
Chemie der natürliben F. (ebd. 1900); Farben» 


Harbitofflörper — Faria 


zeitung (Dresd. 1896 fa.). — S. auch die Litteratur 
zu den Artileln Organſſche Farbſtoffe und Färberei. 
arbitofftörper, j. Zelle. 
bitoffzellen, j. Farbenwechſel. 
ärbung, in der Malerei, ſ. Farbengebung. 
biwaren, alle Artitel, welche zum Für: 
ben, Malen, Anjtreichen u. j. w. gebraucht werden. 
(S. Farbjtoffe.) Je nab der Verwendung unter: 
iheidetman Drudfarben, Schmelz:, Maler:, Wajierz, 
Paſtell⸗, Buhdrud:, Steinvrud:, Öl, Wachs, 
Anjtreihfarben. — Die Farbwareninduſtrie ijt in 
Deutihland beſonders ſtark entmidelt und über: 
trifft namentlih in den Teerfarbftoffen, Alizarin, 
Ultramarin, in Blaufarben die der meiiten andern 
Länder. Ausgeführt wurden 1900: Alizarin für 
10,1 Mill. M., Anilin und andere Teerfarbitoffe 
für 78,47 Mill. M., anderweite Farbe: und Gerbe: 
materialien für 38,8 Mill, M., mäbrend für 
4,2 Mil. M. Blaubolz und für 3,95 Mill. M. In: 
digo eingeführt wurden. Die Hauptfige der Farb: 
wareninbuftrie find jür Erdfarben Thüringen und 
Brovinz Heſſen; für Blaufarben Schneeberg im 
Konigteich Sachſen; für Farbholzertralt die See: 
ftäbte; für Ultramarin Nürnberg, Hannover, Rhein: 
land; für Anilinfarben die Umgebung von Frant: 
furt a. M., die Rheinprovinz, Hannover; für Bud: 
und Steindrudfarben Leipzig, Berlin, Stuttgart 
unb Dresden, während die Heritellung der Anſtreich— 
farben, der Drudfarben für Gewebe, der Schwärzen, 
ſchließlich der Malerfarben weniger konzentriert iſt. 
(S. aub Farbwareninduſtrie, Bd. 17.) 
twerfe vormals Meiſter, Yucius und 
Brüning, j. Bo. 17. 

Farga (jpan.), j. Entremes. 

Farce (frz., ſpr. fark), in der Kochkunſt ein Ge: 
miſch von gebadtem te, Fiſch u.j. mw. mit Sped, 
Marl, Fett, Eiern, geriebenem Weißbrot, Kräutern, 
Sarbdellen, Trüffeln u. j. w., das zur Fuüllung von 
Geflügel, Fleiſchſtücken, Fiſchen, Gemüſen u. ſ. m. 
benußt wird; farcieren, vollitopfen, füllen. — 
fiber 5. in der Litteratur ſ. Poſſe. 

ceur (fr3., ipr. -Böhr), Bojienreißer. 
el oder Fardehl (ital. fardello; engl. far- 
del; franz. fardeau; deutſch Bündel) begriff ehemals 
in Sübbeutichland (Nürnberg, Ulm u. ſ. w.) eine An: 
zabl von 45 Bardet, Barchet oder Stüd Tuch zu 24, 
auch 22 Ellen. Auf der Inſel Ceylon bedeutet F. ein 
Bündel (oder einen Ballen) Zimmet (j. d.) im Ge: 
wichte von 100 engl. Handelspfund = 45,359 kg (in 
Deutihland = 45 kg gerechnet). In England üt F. 
— auch ſoviel wie Farthingdeal (j. Farthing). 
ing, brit. Scheidemünze, f. Farthing. 
am (pr. jährämm), Stadt in der engl. 
Stafibaft Hampibire, 26 km ım SSO. von Winde: 
iter, in ber Nordweſtecke der Bai von Bortsmoutb (i. 
die Karte: Bortämoutb und Southampton), 
an der Eiſenbahn Windefter:Chicheiter, bat (1901) 
8246 €. ; Yabrilation von Seilwert, Säden, Töpfer: 
waren, Handel mit Korm und Roblen. 

Farel, Wilb., Reformator der franz. Schweiz, 
eb. 1489 zu Gap in der Daupbine, wurde durch 
saber Stapulenjis und Biſchof Briconnet von 
‘ für evang. Anjhauungen gewonnen, mußte 

b Franlreich verlaſſen und wandte ſich nad 
Bajel. Hier bielt er 15. Febr. 1524 eine ſiegreiche Dis: 
vutation über 13 reformatoriſche Thefen, wurde aber 
aus der Stadt gemiejen und ging nad Straßburg, 
barauf nah Mömpelgard, wo er mit Erfolg predigte; 
1536 warb er Prediger in ber den Bernern unter: 

Brodbaus' Konverfationssterilon. 14. Aufl. RU, VI 


465 


worfenen franz.Herrihaft Aigle und unternahm von 
bier au& nad der Berner Disputation Ban. 1528) 
erfolgreihe Cvangelifationsreifen durch die franz. 
Schweiz; 1530 erreichte er in Neuenburg die Durdy: 
führung der Reformation. Später kam er nad 
Genf und wirkte durch Teilnahme an dem Religions: 
gelpräch vom 29. Jan. 1534 dazu mit, daß durch 
Spilt vom 27. Aug. 1535 in Genf die Reformation 
eingeführt murbe. Aug. 1536 veranlaßte er 
den durchreiſenden Calvin in Genf zu bleiben, be: 
teiligte fich mit diefem Olt. 1536 an der Disputa: 
tion zu Zaufanne, wodurd die Waadtländer für die 
Reformation gewonnen wurden, wurde aber mit 
ihm 1538 aus Genf verwiejen. Er wandte fi nad 

euenburg, lebrte 1541 nad) Genf zurüd, machte 
noch mehrere Miffionsreifen und jtarb 13. Sept. 
1565 in Neuenburg. Seine Schriften find meift 
Gelegenbeitsichriften, am bedeutenditen dag «Som- 
maire» a) und «Du vrai usage de la croix» 
(1540). — Vgl. Kirchhofer, Das Leben Wilhelm F.s 
2 Bde., Zür. 1831—33); Schmidt, Etudes sur F. 
Straßb. 1836); derf., Wilhelm 5. und Peter Viret 
(Elberf. 1860); Goguel, Histoire de Guillaume F. 
— und Neuenburg 1873); F. Bevan, 
William F, (4. we Lond. 1893). 

Farensbach, Jürgen von, livländ. Feldherr, 
wurde vom livländ. Orbensitaat als Geſandter 
an den rull. Zaren Iwan den Schredlichen ge: 
jeidt, um einen Frieden abzufhließen. Vom Zar 

ewogen, in jeine Dienfte zu treten, gab 5. in der 
Schlacht an der Ola 1. Aug. 1572 gegen die Ta: 
taren den Ausichlag. Später trat er In däniſche, 
dann in polnische Dienjte. Dort erhob ihn Sigis: 
mund IIL., dem er zum Thron von Polen verbolien 
hatte, 1586 zum Senator der Krone Polens. In 
dem poln.⸗ſchwed. Erbfolgelrieg landete F. ın 
Echweben, wurbe aber geſchlagen. Dann leitete er 
mit Glüd die Verteidigung D Beim Sturme 
a die Burg Fellin fiel 3. 17. Mai 1602. — Vgl. 
Schiemann, Charalterlöpfe und Sittenbilder aus 
der baltiſchen Geſchichte (2. Ausg., Hamb. 1885). 

Farewell(engl.,ipr.fährmell), lebewohl, adieu; 
der Abſchied. 

ee (engl., jpr. fährwell), dän. Far: 
vel, niederländ. Staatenbhoel (zu * der hol⸗ 
länd. Generalſtaaten benannt), Süd pie Grön: 
lands unter 59° 49’ 12” nördl. Br., 43° 53° 55” 
mweitlid von Greenwich y. der Eggersinſel. — 
3. iſt au der Name des Norblaps der Süpdinjel 
von Neufeeland, am weitl. Eingang zur Coolſtraße. 

Fargo, Hauptitabt des County Caß im nord» 
amerif, Staate Norbdalota, an dem von bier ab 
ihifjbaren Ned:River, Moorhead in Minnejota 
gegenüber, Knotenpunkt mehrerer Bahnen, darunter 
der Hauptlinie der Nortbern: Pacific, die größte 
Stadt des Staates, hat (1900) mit Moorhead 9589 
E., lath. Biſchof; Handel namentlich mit Weizen, der 
nad dem Oſten geht, Aderbaugeräten und Hol;. 

Fargot (ipr. god), Teenaet, Frangotte, 
im franz. Depart. Nord, beſonders in Lille, dann 
auch in Belgien, ein Frachibalien Manufaktur⸗ 
waren im Gewichte von 150 bis 160 alten Livres 
oder Pfund, was in Lille = 64,7—69 kg, in 
Bel ien = 70, —75'; kg it. j 

aria, Manuel Severim de, portug. Hiftoriler 
und Altertumsforjcher, geb. 1583 oder 1585 zu Liſſa⸗ 
bon, war Doltor der Theologie, Kantor und Ka= 
nonifus zu Evora, wo er 25. Sept. 1655 jtarb. Er 
bejaß eine reihe Bibliotbet voll koſtbarer Hands 


30 


466 


fhriften und hat über die Geſchichte, die Litteratur j 


und die berühmten Männer Vortugals mande 
brauchbare Werte geſchrieben. Die wichtigften find 
die «Discursos varios» (Cvora 1624; Lifjab. 1791), 
unterdenen fihdieBiograpbienvon João de Barros, 
Diego do Couto und Camdes befinden. Die letztere, 
der ein authentiſches Bildnis des Dichterö beigegeben 
ward, iſt die Grundlage aller übrigen Lebensbeſchrei⸗ 
bungen de3 Camdes geworden. Bon Bedeutung 
find auch feine «Noticias de Portugal» (Lifjab. 1655, 
1740 u., in 2 Bbn., 1791). 
aria e Soufa (jpr.ijoißa), Manoel de, portug. 
Geihichtichreiber und Dichter, geb. 18. —* 1590 
in einem Landhauſe bei Bombeiro (Provinz Minbo), 
befuchte die höhere Schule von Braga, lebte zuerft 
in Oporto bis 1618, bann in feinem Öeburtäorte bei 
feinen Eltern bis 1619, in Madrid bis 1628 und 
in Lifjabon bis 1631, mit litterar. Arbeiten be 
Keäftiat. 1632 begleitete er ven Marquis von Eaftel: 
odrigo nah Rom, wo er die Aufmerklfamteit des 
Papſtes Urban VII erregte. 1634 kehrte er nad 
Madrid zurüd, mo er 3. Juni 1649 ftarb. 

Unter jeinen zahlreichen, meiſt ſpaniſch gejchriebe: 
nen Werten zeichnen fih aus: «Discursos morales 
y politicos» (2 Bde., Madr. 1623—26), «Epitome 
de las historias portuguezas» (2 Tle.,ebd. 1628 u.ö.; 
am beiten mit Fortſeßzung u. d. T. «Historia del 
reino de Portugal», Brüfj. 1730); ferner «Asia 
portugueza» (3 Bde., Lifjab. 1666 — 75; engliſch 
von %. Stevens, Lond. 1694—95), «Europa por- 
tugueza» (3 Bde., Liſſab. 1678—80), « Africa por- 
tugueza» (ebd. 16831), «Lusiadas comentadas» 
(2 Bde., Madr. 1639) und « Rimas varias de Luiz 
de Camöes comentadas» (Bd. 1 u. 2, Liffab. 1685 
—89). Das leptere Werk ift nicht vollftändig heraus: 

egeben, die fehlenden drei Teile find vielleicht noch 
Bandfchriftlich vorhanden, Bon feinen Gedichten, 
die er u. d. T. «Fuente de Aganipe, rimas varias» 
in fieben Teilen fammelte, erſchienen nur vier 
(Madr. 1624—27); außerdem «Fabula de Narciso 
€ Echo» (Liſſab. 1623 u. 1737), «Divinas y huma- 
nas flores» (Madr. 1624 fg.), «Noches claras» 
(ebd. 1624 u. Liſſab. 1674). Durch dieſe letztern 
Gedichte, die überaus gelünftelt find, ſowie durch 
die beigegebenen theoretiihen Abhandlungen über 
Poeſie, voll paradorer unkritiſcher Anfichten, wirkte 
er ungünftig auf die Entwidlung der portug. Poefie 
ein. Die moderne Camöes-Kritik wirft F. vor, 
dab er feinem pol zu Liebe wiſſentlich alle mög: 
lihen portug. Dichter ihres Eigentums beraubt 
und fie des Diebftabls bezichtigt und fib aud nicht 
geſcheut hat, Camdes:Dolumente zu fälſchen. 

Faribault (ipr. —— Hauptſtadt des 
County Rice im nordamerilk. Staate Minneſota, 
in fruchtbarer Gegend, mit (1900) 7868 E. iſt Sik 
böberer Lebranitalten, des Blinden: und Taub— 
ftummeninftitut3 des Staates und eines Kloſters. 

Faridpur (engl. Furreedpore). 1) Diftrift der 
Divifion Dhaka der indobrit. Lieutenant: Gouver: 
neurſchaft Bengalen, zwiſchen dem Hauptarm des 
Ganges im D. und dem lub Madbumati im W,, 
bat 5871 qkm und (1891) 1797320 E. darunter 
1096030 Mobammevdaner, 697669 Hindu, 3539 
Chriſten u. j. w. F. beitebt fait ganz aus jumpfigem 
Alluvialland und jtebt in der Regenzeit größtenteils 
unter Wafjer; im N. und NW. iſt der Boden böber 
und frudtbar. Der böbere Boden erzeugt Zuderrobr, 
Baummolle, Indigo und Ölpflanzen, der niedrig 
gelegene vor allem Neid. Mittelpuntt des aus: 


Faria e Soufa — TFarinati 


gebreiteten Handels ift Gralanda. — 2) Hauptftabt 
des Diftrifts F., unter 23° 36’ nördbl. Br. und 
89° 53° öftl. 2., auf dem rechten Ufer des Ganges, 
ein unbedeutender Ort mit (1891) 10774 €. (5711 
Hindu, 5008 Mohammedaner). 


arilhões, Inſeln, ſ. Peniche. 

in, he (vom lat. farina, ſ. d.), 
verihiedene Arten des Verbrauchs- oder Konjum: 
zuders, welche die Form eines feinern oder gröbern 
Mebles haben. Es giebt weißen, bellgelben (blon: 
den) und dunfelbraunen F. Bei der großen Ber: 
—— des F. wechſelt ſeine Zuſammenſetzung, 

einheit und Sauberleit ſehr, doch enthält F. fa 

immer mehr Unreinigkeiten als Brotzuder, Würfel⸗ 
und Stüchzucder, und zwar um fo mehr, je dunkler 
er ift; dastelbe ilt von feinem Gehalt an Feuchtig: 
feit. (S. — erbraudszuder.) 

Farina (lat.), Mebl. F. Amygdalarum, Man: 
dellleie; F. Lini, Leinmehl; F. lactea, leguminosa 
und nutriens pro infantibus, Kindermeh 

Farina, Job. Maria, angeblih Erfinder ver 
Eau de Cologne (ſ. d.). 

Farina, Salvatore, ital. Romanicriftiteller, 
geb. 10. Jan. 1846 zu Sorfo bei Saflari, jtudierte 
ın Zurin und Pavia die Nechte, widmete ſich jedoch 
nad Vollendung feiner Studien der litterar. Lauf⸗ 
bahn; er lebt in Mailand. Unter feinen zahlreichen 
Erzählungen find zu nennen: «Due amori» (1869), 
«Il romanzo di un vedovo» (1872), «Fiamma vaga- 
bonda» (1872; neue Ausg. u.d.T. «Frutti proibiti», 
1878), «Fiante di picche» (1874), «Capelli biondi» 
(1876),«Dalla spuma delmare» (1876), «Un tiranno 
ai bagni di mare» (1877), «Il tesoro di Donnina» 
(1877), «Racconti e scene» (1878), «Oro nascosto: 
scene della vita borghese» (1878), «Mio figlio» 
(ein Cytlus von Novellen: «Prima che nascesse», 
1879; «Le tre nutrici», 1879; «Mio figlio studia», 
1879; «Mio figlio s’innamora», 1880; deutſch 
u. d. T. «Mein Sohn», 2 Bde., Berl. 1884), «Ill 
marito di Laurina» (1881), «L’intermezzo e la 
pagina nera» (1881), «Amore ha cent’ occhi» 
(1883), «L’ultima battaglia di Prete Agostino» 
(1885), «Pe’ belli occhi della gloria» (1888), 
«Don Chisciottino» («Der Meine Don Quirote», 
1889), «Piü forte dell’ amore?» (1890), «Vivere 
per amare» (1890), «Per la vita e per la morte» 
(1891), «Che dirä il mondo% (1894), «Il numero 
13» (1896), Madonnina bianca» (1897), «Fino 
alla morte» (1902), «Le tre commedie della 
vita» (1903). Die meiften find in mebrere europ. 
Sprachen überjegt (deutſch in Auswahl von Bor: 
ers, «Novellen», 3 Bde,, Lpz. 1876 — 77; mebrere 
auch von andern für Neclams «llniverjalbibliotbebs 
und Engelborns «Romanbibliotbet»). F. redigiert 
aud den litterar. Teil der «Gazzetta musicale« 
und giebt die «Rivista minima» und eine Biblio 
—* — Romane in ital. Üüberſezungen 

eraus. 

Farinãti, Paolo, ital. Maler, geb. 1525 in 
Verona, geit. daſelbſt 1606, war ein älterer Zeit: 

enofje Baolo Veronefes, an den er fi fpäter an: 
— Seine Kompoſitionen ſind ſchwungvoll, faſt 
türmiſch bewegt und zeugen von äußerſt lebbatter 
bantafie; jo jeine Freslen in San Nazzaro und 
San Giovanni in Fonte zu Verona. Bon feinen 
Elbildern ift das Hauptwerk: Die wunderbare Spei: 
ung, in San Giorgio Maggiore zu Verona (1608). 
m Hofmujeum & ien find von ibm: Maria mit 
dem Leihnam Ehrifti, Ein heidn. Opfer; in der 


Farinelli — Farm 


Dresdener Galerie: Darſtellung Chriſti im Tempel. 
Man bat auch Radierungen von ibm. 
Farinelli, Carlo, eigentlib Brosdi, ital. 
Sängerlaftrat, geb. 24. San. 1705 in Neapel. Er 
ing 1734 nad) London, erregte bier großen Enthu⸗ 
asmus und fammelte beträchtliche Reichtümer. 
Kurze Zeit bielt er fi dann in Paris auf und ging 
1737 nad Madrid, wo er 10 Ja indurch jeden 
Abend vor Philipp V. fang. Als hierdurch deſſen 
tiefe Melancholie fich endlich befierte, wurde er des 
Königs Liebling und fpäter erfter Minifter. Durch 
Huges Benehmen mußte er fih auch unter Phi: 
lipps V. Nachfolgern zu halten, bis er 1761 nad 
talien zurüdtebrte. ftarb 15. Sept. 1782 auf 
einem Landhauſe bei Bologna. 
äring, Föring, isländ. Handelsgewicht = 
10 alten dän. oder normweg. Pfund = 4,sıı kg. 
Faringbon (jpr. färringd’n), Stadt in der engl. 
Grafibaft Berls, 3 km füdlih von der Themſe, 
an einer Zmeiglinie (5,1 km) der Great⸗Weſtern⸗ 
Bahn, bat (1901) 5326 E.; Hopfenbau und große 
Schweineſchlächtereien (40—50000 jährlid). Be: 
rübmt find die Schinken von %. In der Näbe 
White-Horſe-Hill, ein Hügel (270 m), an deſſen 
Abhang eine 113 m lange Pferdegeitalt ſchon in 
angelſachſ. Zeit eingefchnitten ift; auf dem Gipfel 
Uffin ton Eajtle, eine Schanze dän, Urfprungs. 
ba, Balmenmebl, f. Copernica. 
arini, Quigi Carlo, ital. Staatdmann und 
&bichtichreiber, geb. 22. Dit. 1812 zu Ruffi bei 
Ravenna, ftudierte in Bologna Medizin, nahm 
an der Erbebung der Romagna (1831) teil und 
war dann als Arzt tbätig, mußte jedoch, der päpftl. 
Polizei verdächtig geworden, 1843 auswandern. Er 
ging nad Frankreich, lehrte aber 1846 nad Pius’ IX. 
tonbejteigung zurüd und trat 1847 in defjen libe⸗ 
tale Regierung als Generalfelretär im Miniſterium 
des Innern ein, um bierauf die Leitung des Sani- 
tätömejend in Rom zu übernehmen. Nach Berkün: 
dung der Republif ging er nad Piemont. Im De. 
1851 in die Kammer gewählt, übernahm er im erften 
Kabinett Azeglio den Unterricht; 1859 ging er als 
königl. Kommifjar nah Modena, wurde dort zum 
Diktator gewählt und vermittelte zuerft in Modena, 
dann aud in Parma, Bologna und Florenz die Er: 
Härung für Victor Emanuel, Nachdem er 1860 von 
Eapour mit dem Minifterium des Innern betraut 
worden war, ging er als königl. Statthalter in das 
neu angegliederte Sübitalien, um 8. Dez. 1862 nad 
Rattazzis Sturz die Neubildung des Kabinetts zu 
übernehmen defien Borfig er jedoch kranlkheits— 
balber im März 1863 an Mingbetti abtrat, Er 
je 1. Aug. 1866 auf feinem Landſitz bei Genua. 


n Ravenna wurde jein Denkmal 1878 enthüllt. 

3 Schriftfteller bat F. in feiner von Gladſtone 
ind Engliſche überjegten «Storia dello stato ro- 
mano 1814—50» (4 Bbe., Zur. 1850—53; 3. Aufl., 
Zlor. 1853) und feiner Fortfeßung von Bottas 
«Geihichte Italiens von 1814 bis 1850» (Flor. 
1850; 2. Aufl.,4 Bde.) —— ame: außerdem 
begründete er 1850 das jatır. Blatt «La Frusta» 
und trat für Cavours Politik in der von ihm ins 
eben gerufenen Zeitung «Il Piemonte» und im 
«Risorgimento» ein. — Bgl. Finali, Ricordi della 
vita di F. (in der «Nuova Antologia», 1878). 

Eein Sohn Domenico F., geb. 2. Juli 
1834 zu Montefcudo, trat 1850 in die Militär: 
alademie zu Turin, nahm als Hauptmann an den 
Feldjügen von 1859 und 1860 mit Auszeichnung 


467 


teil und wurde 1861 dem Generalftab zugeteilt, in 
dem er den Krieg von 1866 mitmachte. Den Borfig 
in der Kammer, der er ald Mitglied des linten Een: 
trums ſeit 1864 angehörte, übernahm er 1878, legte 
ibn aber erft 1880 und endgültig 1884 nieder, um 
fih ind Privatleben zurüdzuzieben. Allein 1886 
wurbe er in den Senat berufen, deſſen Vorfig er feit 
1887 fübrte; er ftarb 18. Jan. 1900 in Rom. 

arindfe, |. Stärlemehl. 

arinzuder, |. Farin. 

arley (ſpr. -I2), James Lewis, engl. Journas 
lift und Schriftiteller, geb. 9. Sept. 1828 in Dublin, 
ftudierte an dem dortigen Trinity College, wurbe 
nad dem Krimkriege range ne bei der neu 
begründeten Dttomanifhen Bank in Beirut und 
war von 1860 an General:Rehnungsführer der 
türf. Staatsbank in Konftantinopel. Zugleich war 
er journaliftifch thätig und fuchte beſonders durch 
fahmäßige Arbeiten in der engl. Preſſe die finan⸗ 
* und kommerzielle Lage der Tuͤrkei in ein 
lares Licht zu ftellen. 1870 wurde er türf. Konſul 
in Briſtol. tb 12, Nov. 1885 in Ton: 
don. Bon F. erfhien außer feinen journaliftiichen 
Arbeiten: «Two years’ travel in Syria» (Fond. 
1858), «The massacres in Syria» (1861), «The 
ressources of Turkey» (1862), «Banking in Tur- 
key» (1863), «Turkey, its rise, p and present 
condition» (1866; deutih von A. Kolb ala «Der 
finanzielle und polit. Verfall der Türkei», Berl, 
1875), «Modern Turkey» (1872), «Turks and 
Christians, a solution of the Eastern —— 
(1876), «Egypt, Cyprus and Asiatic key» 
(1878) und «New Bulgaria» (1880). 

Farm (angeljähi.feorm; franz. ferme; im mittels 
alterlihen Latein firma, urjprünglich Feftmabl, dann 
Lebenämittel, dann bie ftatt der Lebensmittel in Geld 
entrichtete Baht, dann auch das Pachtgut jelbit), 
im heutigen engl. Spradgebraud jedes von einem 
Landwirt bewirtichaftete Out, gleichviel ob dasjelbe 
ei Gigentum oder ob es gepadtet if. Farmer 

eißt jeder Landwirt; Farming heißt die Bewirts 
Ihaftung eines Gutes. Ein Großgrunbbefiger bes 
wirtichaftet meift nur eine F. felbit, die fog. Home 
Farm. Bewirtſchaftet wurden 1895 in Großbritans 
nien mit Ausſchluß von Irland von Pächtern 
27937470 Acres, von Eigentümern 4640043 Acres. 

In Irland ift die Statiftif über das Verhältnis 
der von Eigentümern bemirtichafteten Güter zu den 
verpadhteten jehr mangelhaft. 1897 zählte man 
533 043 Landiwirte, von denen 601283 weniger als 
1 Acre, 56672 bis 5 und 140312 bis 15, alſo 
257 107 weniger ald 15 Acres bemirtfchafteten. 

Das Berbältnis der Pächter (temants) zu den 
Berpäcdhtern (landlords) ift verſchieden je nach ven 
Zandesteilen. In Schottland kommen vielfa 
Pachtverträge auf eine Reihe von Fahren vor, do 
find in England und Irland die jog. yearly tenan- 
cies die Negel. Bei legtern gebt die Pacht von 
Jahr zu Jahr weiter, wenn nicht 12 Monate vor« 

er gelündigt wird (vor 1883 war die Kündigungs⸗ 

ift nur 6 Monate). Da infolge diejes unfichern 

efißftandes die Verwendung von Kapitalien zur 
Aufbefjerung des Gutes für die Pächter ftet3 ge 
fäbrlihb war, hat die Gejeßgebung eingegrifien 
und bie Agricultural Holding Act von 1883 dem 
engl. Statutarrecht einverleibt. Dieſes Geſeß ficbert 
dem Pächter im —* des Aufhörens der Pacht 
vor Ausnutßzung feiner mit Kapitalaufwand vers 
anftalteten Beilerungen unter gewiſſen Voraus—⸗ 


30 * 


468 


egungen Entihäpigung zu und mildert die Be 
immungen über das geſetzliche Pfandrecht des 
erpäcters. Für Schottland wurde 1883 ein ähn: 
lies Geſeß erlaflen; über das Gejes vom 25. Juni 
1886 ſ. Erofters. 

Wenn auch diefe Gejepe beweijen, daß in Eng: 
fand und Schottland das Verhältnis zwiſchen Ber: 
pädtern und Pächtern reformbebürftig war, fo ift 
dasjelbe doch im allgemeinen ein günftiged. Die 
Grundbefiger haben in diejen Ländern in der Regel 
ihren Hauptwohnfig in der Mitte ihrer Güter und 
nehmen perfönliches Interefle an ihren Bächtern, die 
vielfah durch Generationen denselben Hof bewoh— 
nen; fo ift es z. B. Gewohnheit, jedes Jahr je nad 
dem Ertrag der Rente einen Heinern oder größern 
Abzug von der Pacht allen Pächtern zu bemilligen. 
Ganz anders liegen die Berhältnifie in Jrland, wo 
die ix“ Grundbefiger nicht felbjt ihren Wohnfig 

aben (f. Abfentismus) und namentlich früher ibren 
ächtern gegenüber äußerfte Strenge auszuüben 
gewohnt waren. Auch bier hat die Geſetzgebun 
mehrfach eingegriften , namentlih durch die Lan 
Law (Ireland) Act von 1881, welche den iriſchen 
Pächtern die fog. «brei > (fixity of tenure, free 
sale, fair rent, d. i. feiten Befis, freied Verkaufs⸗ 
recht, angemefjene Pacht) zuzuſichern beabfichtigte. 
Demnad bat der Pächter bei Kündigung Anſpruch 
auf Entſchädigung, er darf fein Pachtrecht (tenant 
right) ohne Einwilligung des Verpächters einem 
Dritten verlaufen und kann Herabjegung der Pacht 
durch ein gerichtliches —— ren, wenn 
er nachweiſen kann, daß dieſelbe nicht dem wirt: 
lichen Werte entſpricht. Die gerichtliche — *—— 
lung der Pachtſumme iſt auf 15 Jahre hinaus bin: 
dend. er haben verſchiedene Geſetze in neueſter 
Seit dahin geftrebt, den iriſchen Pachtern den An: 
tauf ihrer Bachtgiiter zu erleichtern; jo nament: 
lid die Purchase of Land (Ireland) Act von 1891 
und die iriſche Landbill von 1896, die auch ſonſt 
den Bächtern Erleichterungen gebracht hat. 
n England hat man in den letzten Jahren ver: 
t — den wenigftbegüterten Klaſſen Gelegen⸗ 
eit zu geben, ſich mit Landwirtſchaft zu befaſſen. 

s geſchah dies namentlich durch die Allotment 
Acts von 1884 und 1890, welche die County Coun- 
cils (f. d.) ermächtigen (event. durch Erpropriation), 
Ländereien zu erwerben, um diejelben in Parzellen 
von höchſtens 1 Acre zu verpadten. Es foll da 
durch Tagelöbnern und ähnlich geftellten Berjonen 
die Möglichleit geboten werben, gegen Entrichtung 
einer Heinen Baht ein Grundftüd für den eigenen 
Bedarf zubaben. Die 1892 erlafjene Small Holding 
Act bat dagegen den Zwed, einen jelbftändigen 
Bauernitand zu ſchaffen, indem fie Die County Coun- 
cils ermächtigt, aud für die Zwede diejes Geſetzes 
(jedoch nicht zwangsweiſe) Brundeigentum zu er 
werben und in Barzellen von 1 bis 50 Acres unter 
ſehr jbonenven Zablungsbebingungen zu verlaufen. 

Bol. t, Relations between landlord and 
tenant in England and Scotland (Lond. 1876); 
Brodrid, English land and English landlo 
(ebd. 1880); Pollod, The land laws (ebv. 1883; 
2. Aufl. 1887; deutſch von Schufter, Berl. 1889); 
Rogers, History of agriculture and prices in Eng- 
land (6 Boe., Orf. 1866—88) ; Reienftein und Naſſe, 
Agrarifhe Zujtände in Frankreich und England 
Epz. 1884); Protbero, Pioneers and progress of 
English farming (Lond. 1888); Herkner, Die iriſche 
Wgrarfrage (in den «Jahrbüdern für Nationaldlono» 


Farmerbund — Farne (botaniſch) 


mie und Statiftil», Bo. 21, Jena 1890, ©. 449 fg.); 
Diron, Law of the farm (Lond. 1892). 
armerbund (Farmers' Alliance), ſ. National 
ara, |. Farne. [Farmers’ Alliance. 
aruborough (fpr. -börd), Stabt in der engl. 
Grafſchaft Hampibire, an der Grenze gegen Surrev, 
dient ald Babhnjtation für Alveribot (j. d.), bat 
(1901) 11499 €. und ausgedehnte Erpbeerpflan: 
nungen für den Londoner Markt. 5. ift — 
tig Wohnſiß der Exkaiſerin Eugenie; im Mauſoleum 
ruben feit 1888 Napoleon III. und fein Sohn. 
Farubühl, Bad in der Gemeinde Wertbenftein, 
Bezirk Entlebucd des ſchweiz. Kantons Quzern, 14km 
weitfüdmweitlich von Luzern, in 750 m Höhe, an der 
Bramegaitraße, die das untere Thal der Kleinen 
Emme mit dem Entlebub verbindet, beitebt aus 
einem großen, 1862 im Oberländer Stil erbauten 
Kurhaus mit Trinkballe, Badehaus u. ß w. und 
befigt eine feit 300 Jahren befannte eijenbaltige 
Natronquelle, die namentlich bei Schwächezuſtänden, 
Anämie und Ehlorofe angewendet wird. Die an: 
mutige, geihüste Lage im Voralpenthale bat F. auch 
zu einem beliebten Zuftlurorte gemadt. Nahebei 
der Luftkurort Schwarzenberg. 
arne (Harn, Farren over Farnkräuter), 
Filicineen (Filicineae, Filices), eine Abteilung 
aus der Gruppe der Gefäßkryptogamen (f. d.); fie 
unterjcheiden fich von den beiden andern Abtei: 
lungen der Gefäßlryptogamen, den en 
und 2ycopodiaceen, hauptſächlich durch die Art 
ihrer Blattbildung und die Stellung der Sporan: 
gien. Während bei jenen die Blätter nur Hein und 
unanfehnlid ausgebildet find, der Stamm dagegen 
reich gegliedert ift und eine oft bedeutende Längen: 
ausdehnung zeigt, finden fich bei den 5. meift mäch⸗ 
tig auögebildete Blätter, wogegen der Stamm ge 
wöbnlid nur geringes Langenwachstum befigt. Die 
Sporangien ftehen bei den F. jtetö auf den Blättern 
und es jind bei Bildung von Sporangienftänden 
niemals Teile des Stammes beteiligt, während dies 
ftetö bei den Sporangienftänden der Equifetaceen 
und in den meijten Fällen bei den Pycopodiaceen 
ftattfindet. Man teilt die F. nad der form der Spo⸗ 
ren in foldhe, die einerlei Sporen bejigen, bomo: 
rd d., und in foldhe, die zweierlei Sporen, fog. 
afro: und Mikrofporen befiken, beterojpore s 
Die homoſporen Formen zerfallen wiederum in ſolche, 
bei denen die Sporangien ftetö aus einer Epidermis: 
elle bervorgeben und im fertigen Zuftande mit einem 
og. Ring verjeben find, mittels dejien fie fich öffnen, 
und ferner in foldye, bei denen die Sporangien aus 
einer Gruppe von Epidermiszellen entite und 
feinen Ring befigen. Die eritern bejeihnet man 
wohl auch als leptofporangiate und die lestern ala 
eufporangiate 3. — Die leptojporangiaten 
bomojporen F. werben eingeteiltin: 1) Hy meno: 
pbyllaceen(i.d.) oderHautfarne, lauter äußerft 
zarte ht deren Blätter gewöhnlich nur aus einer ein: 


igen Zellſchicht beftehen. Die Sporangien (f. Tafel: 

efähfrpptogamen, fig. 2a) derielben baben 
einen ſchief oder quer verlaufendenvolljtändigen Ring 
und fpringen mit einem Längsriß auf; ſie fteben 
an der Epike ber über den Blattrand etwas hinaus: 
ragenden Nerven. 2) Evatbeaceen (f. d.), ſamtlich 
Baumfarne, mit großen und weit auägebreiteten 
Blättern. Die Sporangien (Fig. 4c) haben eben: 
falld einen volljtändigen und fdiefen, aber ercen- 
triijhen Ring und fpringen mit einem quer ver: 
laufenden Rib auf. 3) Bolypodiaceen (f.d.) oder 


Farne (botanifch) 


Züpfelfarne. Die Sporangien (Fig. 1b) haben 
einen unvollftändigen, längs verlaufenden Ring und 
—— quer auf. 4) Gleiheniaceen (f.d.). Die 
porangien ftehen wie bei den drei zulest angeführ⸗ 
ten Familien auf der Unterfeite gemöhnlicher Blät- 
ter, fie find mit einem vollftändigen quer verlaufen: 
den Ring verſehen und öffnen ſich miteinem Längäriß. 
5)D8munbdaceen (f.d.) oder Rifpenfarne. Bei 
diefer Familie find die fporangientragenden Blatt: 
partien anders —— als die übrigen (Fig. 5); 
die Sporangien jelbft haben an Stelle des Ringes 
nur eine Gruppe bejonders —— Zellen auf der 
einen Seite und ſpringen auf der gegenüberliegen⸗ 
den Seite mit einem Längsriß ei 6) Schizãa⸗ 
ceen (j.d.). Auch bei den hierher gehörenden 75. ſitzen 
die Sporangien in den meiften Fällen an beſonders 
auägebildeten Blättern; die Sporangien tragen eine 
tapuzenförmige Gruppe von eigentümlichen Zellen 
auf ihrem Scheitel und reißen mit einem Längs 
riß auf. — Bei den eujporangiaten homo— 
fporen F.fehlt jede Ringbildung; fie zerfallen wie: 
der in die $amilien der Opbi ee (Fig. 8) 
und der Marattiaceen (Fig. 8). Bei eritern jind die 
Eporangienindas Blattgewebeetwas eingeſenlt und 


—— an beſonders ausgebildeten Teilen der Blätter; 


i den letztern dagegen liegen die Sporangien ober: 
er auf der Unterſeite normal ausgebildeter 

lattfiedern. — Die hbeterofporen F. auch bäufig 
ala Rhizokarpeen oder Wurzelfarne (Mailer 
farne) bezeichnet, bilden ihre Sporangien in bejon- 
ders metamorpbofierten Blättern, die wie Früchte 
ausjeben und wohl aud Sporenfrüchte genannt wer: 
den. Sie werben ebenfalls in zwei samilien geteilt, 
in dieder Salpiniaceen und der Narfiliaceen, 
Die erftern find auf dem Waſſer ſchwimmende F. 
und die Sporenbäufchen oder Sori enthalten ent: 
weder nur Makroſporangien oder nur Mikroſporan⸗ 
gien (Fig. 9 a, b); die legtern dagegen, welche auf 
= Erde hinkriehen und nur Teilen f wimmen, 
enthalten in ihren Sporenfrüdhten Sori, die zugleich 
Makro: und Mitrofporangien befiken. 

Man kennt ug re 3000 Farnarten, von denen 
jedod die aroße Mehrzahl, etwa 2500, den Tropen 
ausihließlih angebören; fie wachſen fait alle nur 
in enden, wo andauernd feuchte Fu ak 
deshalb finden fie ih aud zur ächlich auf Injeln 
und in Küftenländern oder im Schatten der feuchten 
Urmälder; in Deutihland fommen wie in allen 
Binnenländern der gemäßigten Zone verhältnis: 
mäßig menige F. vor, und dieſe gehören faft aus: 
fhließlih den Polypodiaceen an; aus den übri- 
gen Familien finden fih nur no einige Ophio— 
gloſſeen aus den Gattungen Ophioglossum (f. d.) 
und Botrychium (f. d.), ferner zwei Marfiliaceen 
aus ben 
und von den beiden Familien der Salviniaceen und 
Dömundaceen je eine Art. Alle in Deutſchland eins 
beimiichen F. find — kleine und nie 
drige Pflanzen, nur von wenigen Arten werden die 
Wedel etwa mannshoch, und nur die des ziemlich 
verbreiteten Adlerfarns (f. d.) erreihen im güns 
—* alle eine Höhe von 3m. Viel größer werden 
jablreiche tropiſche F., hauptiählich die aus der Fa: 
milie ver Cyatheaceen, von denen viele 10 m und dar: 
über hoch werben; bei biejen ift der Stamm meift 
ſchlank, etma 20—50 cm im Durchmefler, feltener 
murzelitodförmig ausgebildet. Viele werben ihres 

äbtigen Ausſehens halber in den Gemähshäufern 
iviert, hauptſächlich Arten der Gattungen Cya- 


attungen Marsilia (f. d.) und Pilularia, | dem 


469 


thea (f.d.), Alsophila (f.d.) und Cibotium (f. Agnus 
Scythicus). Ebenfo erreichen die Wedelder Marattia: 
ceen eine bedeutende Ausdehnung; ibr Stamm ift 
jedoch nicht ſchlank, fondern tnollenförmig und hat 
ei einigen Arten einen Umfang von 1 bi$ 2m, die 
Wedel werden bi 5 m lang, b bei Angiopteris 
evecta Hoffm.(f. Angiopteris). Dagegen beſtehen die 
Hymenopbyllaceen, die größtenteild ebenfalls den 
Tropen angebören, aus lauter ſehr zarten, fait moos⸗ 
ähnlichen Pflänzchen. Aus der Familie der Schizäa- 
ceen find einige windende F. befannt, Arten der Bat: 
tung Lygodium (f. d.); diefelben haben jedoch nicht 
etwa einen windenden Stamm, fondern die 6—10 m 
lang werdenden Blattftiele,an denen fiederförmig ans 
eorbniete Blättchen fißen, winden in ganz derſelben 
eife wie die Stämme fchlingender Bbanerogamen. 
Die 5. baben ebenſo wie die übrigen Gruppen 
der Gejäßlroptogamen und die Mooſe zmeierlei 
Generationen, eine ungeſchlechtliche, ſporenbildende, 
und eine geichlehtlice, Antheridien und Archego⸗ 
nien bildende. Das, was man für gemöhnlidy als 
Farnkraut bezeichnet, alfo die blattbildende Ge 
neration, ift bie —— Die Sporen wer: 
den bei allen F. in befondern Behältern, jog. Spo⸗ 
rangien, gebildet, die in den meiften Fällen nicht 
einzeln, fondern in dichten Gruppen fteben. Diele 
Gruppen beißen Sporenhäufhen oder Sori (beis 
ftebende Fig. 1 zeigt den vergrößerten Durchſchnitt 
eines an der Uns F — 
terſeite des Farn⸗ REN Sn ET 
blattes b ſißen ae 
den Sorus); die: 9 KR TRER NER: 
jelben liegen ftet3 ZA 
auf der Unter: * 
ſeite der Wedel @ 
und find bei vies , 
len 5. mit einer Hülle bevedt, dem fog. Schleier 
(Indusium), einer Bildung der Epidermis, melde 
emöhnlih nur aus einer einzigen Schicht von 
Bellen beftebt (Fig. 1i). Die Form und Stellung 
der Sporangien, der Sori und des etwa vorhan⸗ 
denen Schleiers jeioen viele Verſchiedenheiten, auf 
denen hauptſächlich die ſyſtematiſche Gruppierung 
in den einzelnen Familien und Gattungen beruht. 
Die Sporangien (Fig. 2) find meift fugelige oder 
birnförmige oder aud noch anders geitaltete Be: 
bälter, in denen bie Sporen erzeugt werben; bei den 
meiften Familien befigen fie einen fog. Ring (annu- 
lus, $ig.2r), der aus mehrern in einer Reihe liegen: 
den Zellen befteht, die größer und didwandiger 
find als die übrigen Zellen des Sporangiums; diejer 
Ring fpielt eine wichtige Rolle beim Auffpringen 
der Sporangien, indem die Zellen, aus denen er 
zufammengejeßt iſt, ſich bei Zrodenbeit, und nad: 
die Sporen zur Reife gelangt find, ftärter 
zufammenziehen als die übrigen und fo ein Ber: 
reißen der Sporangienwand an den zarten Stellen 
—— Die Sporangien entwickeln ſich bei 
ämtlichen F. aus der Epidermis. Es bildet ſich 
allmählich aus einer papillöfen Ausſtülpung einer 
Epidermigzelle ein mebrzelliger Körper, in deſſen 
Innerm ſich mehrere, bei den homojporen Formen 
gewöhnlih 12—16 jog. Sporenmutterzellen 
entwideln, aus denen durch Teilung je vier Sporen 
bervorgeben. Bei den beterojporen Formen find die 
Sporangien in eigentümliche Kapſeln — 
die bei einigen au& metamorphoſierten Blattzipfeln 
beftehen. Die Sporenentwidlung in den Milro⸗ und 
Makrofporangien ift in den erjten Stadien dieſelbe 





Fig. L. 


470 


und ftimmt auch mit der der übrigen 5. überein; in 
den Mikrofporangien bilden ſich aus je einer der 
16 Sporenmutterzellen 4 Sporen, in den Makro—⸗ 
fporangien dagegen, ey 1 dieſelben Teilungen 
ftattfinden, wird eine Spore bebeutenb größer als 
bie übrigen, die fpäter nur mehr rubimentär vorban- 
den find; es find demnach 
in jedem Nifrofporangium 
zablreihe Mitrofporen, in 
jedem Mafroiporangium 
aber nur eine Mafrojpore 
vorhanden. 

Aus den ungeſchlechtlich 
erzeugten Sporen ent: 
widelt fi bei der Kei⸗ 
mung ebenfo wie bei den 
übrigen Gefäßlryptoga- 
men die Geſchlechtsor—⸗ 
gane tragende Generation, 
das fog. PBrotballium, 
an dem eine Sceibung 
von Blatt und Stamm 
nicht ftattfindet. Diejes 
Prothallium ähnelt ganz 
dem Thallus mander laubartigen Lebermoofe, es 
ift ein Hächenförmig ausgebreiteter Zelltörper, deſſen 
vegetativer Teil aus ziemlich aleihartigen, mit Chlo⸗ 
rophyll gefüllten Zellen beftebt. An der Unterjeite 
desjelben ſtehen ſchlauchartige ungeglieberte Wurzel: 
rear mittels deren das Prothalltum im Boden feſt⸗ 
ist (Fig. j Die Entwidlung der Prothallien ift 





bei ben meijten F. eine ziemlich einfache; aus der un: 
geſchlechtlich erzeugten Spore tritt bei der Keimung 
ein Keimſchlauch hervor, der ſich durch Querwände 
in mehrere Bellen gliedert; an ber Spitze dieſer Zell: 
reihe treten ſodann Längsteilungen auf, wodurd 
ein Wachstum in die Breite entftebt (ig. 4). Durch) 
meiteres Fortſchreiten dieſes Breitenwachstums er: 
bält ſchließlich das Prothallium eine nieren⸗ oder 
herzförmige Geſtalt, wobei immer der Vegetations⸗ 
punft in ber dabei entſtehenden Einbuchtung liegt 
(Fig.3v). Hinter diefer Einbuchtung bildet ſich ein 
Gemwebepoliter; das Prothallium wird hier mehr: 
ſchichtig, und auf diefem Polſter, und — ſtets auf 
_ der Unterſeite, ent: 
N, wideln ſich die 
739 weiblibenOrgane, 
nn i / die Archego— 
en IE nien; bie männs 
lichen Organe, die 

Sn Antberidien, 
find gewöhnlich 
— — gi 
e bed Pro— 
— ver⸗ 
ſtreut; die Antheri⸗ 
bien ſtehen eben: 
falls in den aller: 
meijten Fällen nur 
auf der Unterieite. 
Bei den Dpbio: 
lofjeen find die 
rotballien nicht 
flähenförmig, jondern tnollenartig ausgebildet und 
wachſen unterirdiſch, enthalten deshalb auch kein 
Chlorophyll. Sie beitehen aus einem parenchyma⸗ 
ti * Gemwebelörper, in den die Antheridien je 
wohl als auch die Archegonien eingefentt find; bei 
den übrigen bomofporen Familien, mit Ausnahme 






Farne (botanijch) 


der Marattiaceen, bei denen die Geſchlechtsorgane 
ebenfalld in das Gewebe des Prothalliums einge 
jentt find, ſihen diejelben jtet3 auf dem Protballium 
und e3 ijt nur die unterjte Bartie von den Zellen 
des legtern umſchloſſen. 

Bei den beterofporen Formen ift die Entwidlung 
ber Prothallien eine wejentlih andere: es lommt 
bier nicht zur Entwidlung eines lebermoosahnlichen 
Thallus, fondern es werben verhältnismäßig wenige 
Zellen gebildet. Aus der Matrofpore entitebt das 
weibliche Brotballium, das meift nicht viel größer 
wird al3 die Spore ſelbſt 
und aud von diefer mäb: 
rend feiner ganzen Vege- 
tationgjeit beinahe um: 
ſchloſſen bleibt; gewöhnlich 
wird auch nur ein einziges 
Arhegonium gebildet, das 
in den Gemwebelörper des 
Vrothalliums eingefentt it. 
Die aus den Mikrofporen 
entjtebenden männlichen 
Prothallien beftehen eigent: Fig. «. 
lich nur aus einer einzigen 
Zelle; die Mitrofpore wachſt zu einem Schlaud aus 
und in diefem Schlauc treten zwei Wände auf, io 
daß nunmehr drei Zellen io ade find; davon 
ift die unterfte ald rudimentäres Protballium auf: 
ufe en, die beiden andern dagegen bilden das 

ntberidium; in jeder derfelben entjteben bei den 
Marfiliaceen 16, bei den Salviniaceen dagegen 
bloß 4 Spermatozoiden. Der Bau der Arche— 
— der heteroſporen Formen ſtimmt mit dem 

ei den übrigen Familien der F. im weſentlichen 
überein. e 

Man unterfcheidet an den Archeg onien (Fig.5) ' 
gewöhnlich zwei Teile, den Bauchteil und den Hals» 
teil; im erjtern liegt die weibliche Befruchtungszelle, 
bie Eizelle (Fig. de); der Halsteil beſteht aus vier 
peripberiih liegenden Zellreiben, welche die fc 
Halstanalzelle (ig.5h) umſchließen. Bei der Reiſe 
der Arhegonien weichen jene vier Zellreiben an der 
Spige auseinander und die Wände der Halskanal—⸗ 
elle werden verfchleimt, worauf die dadurch ge 

ildete Gallerte ſamt dem Protoplasma der Kanal» 
zelle berausgetrieben wird (ie. 6). In diefem nun⸗ 
mebr vor der Öffnung des Arhegoniums liegenden 
Schleim fammeln fih die Spermatozoiden, einige 

davon dringen bis zur Gi: — 
zelle vor und vermiſchen ſich 
—— — die ng 
tung volljogen wırd. 

Die Antberidien be: 
En bei den homofporen 

ſtets aus mebr Bellen ald 
bei den Salviniaceen und 
Marfiliaceen. Es find in - 
den meiften Fällen kugelige 
Behälter, in deren Innerm 
die Spermatozoiden in grö⸗ 
Berer Anzahl entjteben 
(Pia. 7); die Entleerung 
der legtern bei der Reife erfolgt dadurch, daf die 
MWandzellen an der Spige auseinander weichen und 
die Spermatozoiden beraustreten lafjen (Fig. 8). 
Die Spermatozoiden find bei allen F. ſchrauben⸗ 
linig gemundene Bladmalörper, die mit jog. Cilien 
oder Wimpern bejegt find; fle zeigen eine lebbafte 
Bewegung, natürlih nur dann, wenn Wajjer in 








Farne (botanijch) 


tropfbar-flüffiger Form vorhanden ift; die Befruch⸗ 
tung der F. findet deshalb nur bei Sugegenfein von 
Waſſer ftatt. (S. Befruchtung.) Aus der befruchteten 
Eizelle entwidelt ſich die fporenbildende Generation, 
Zunädft treten mebrere Teilungen in der Eizelle 
auf; es — 
99— ein mehrzelliger 
N a? —— 
—A — gebildet, an 
dem vorerſt 
noch keine wei⸗ 
tere Differen⸗ 
zierung in 
Stamm, Blatt, 
Wurzel erkenn⸗ 





bar iſt; dieſer 
* I — 
— 4 \ wird a ms 
a — bryo bezeich⸗ 
/ net; feine Ents 


mwidlung von 
, der Eizelle an 
bi? zum Auftreten der erften Sprofjiungen iſt bei 
allen Gefäßtryptogamen im weſentlichen diejelbe. 
S. Gefäßtryptogamen.) Nah dem Auftreten der 
eriten Blätter und Wurzeln, die verhältnismäßig 
Hein bleiben (Fig. 9) und gewöhnlich bald verlüm⸗ 
mern, entwideln fih allmäblih die eigentlihen 





fporenbildennden Pflanzen mit ihren normalen Blät- 
tern, Wurzeln u. j. m. Übrigens iſt eine Befruchtung 
nicht immer unbedingt nötig, damit aus dem Pro: 
tballium die jporenbildende Generation hervor: 
wachſe; es ift an einigen d 
bauptjählid aus der Familie 
der Polypodiaceen, eine 
Sprojjung an beitimmten 
Stellen des Protballiums be 
obachtet worden, die ebenfalls 
ur Bildung eines normalen 
Barnteaus bren lann; man 
at dies, weil feine geſchlecht⸗ 
liche Fortpflanzung dabei aufs 
tritt,apogameSprofjung 
oder Apogamie genannt. 
Der Habitus der aus dem 
Brotballium hervorgehenden 
ungeſchlechtlichen flanzen 
eigt eine außerordentliche 
annigfaltigkeit, und zwar 
weniger in ber Ausbildung des Stammes als in der 
der Blattorgane; während mande F. ein fait moos⸗ 
ähnliches Aussehen haben, wie z. B. die zu den hetero: 
Iporen Formen gehörende Azolla (j. d.) und ber 
eil der Hymenopbyllaceen, baben andere 





471 


podiaceen, Eyatheaceen und Marattiaceen. ee 
allen Blattorganen zeigt ſich eine eigentümliche Ein⸗ 
tollung der Spike, die den jängiten und noch wach⸗ 
ſenden Teil des Blattes darſtellt; dieſe Einrollung 
eht erſt dann verloren, wenn das Blatt ſeine volle 
twidlung erreicht bat. Eine ganz ähnliche Ein» 
rollung der Begetationsipige, oder wie man dies 
auch nennt, ein dorjiventraled Wadhstum, 
weil dabei eine Bauch⸗ und eine Rüdenfeite unter: 
ſchieden werben kann, befigen auch mande Stamm: 
organe, fo hauptfächlich die Arten der Salviniaceen. 
etreffs des anatomischen Baues zeigen die 
F. manderlei Eigentümlichleiten. Vor allem ift der 
au der Gefäßbündel bei den meiften ein weſentlich 
anderer als bei den übrigen Gefäßpflanzen. Die 
Gefäßbündel find ſowohl in dem Stamme wie auch 
in den Blättern, allerdings nicht ausnahmslos, 
fonzentrifch gebaut, d. h. es findet ſich eine lonzens 
trifche Anordnung der einzelnen Elemente des Ge: 
fäßbündel3 in der Meife vor, daß der fog. Sieb» 
teil immer den Gefäßteil rings umgiebt (f. Ges 
fäßbündel); dabei braucht jedoch der Querfchnitt des 
ganzen Bündel nicht gerade ad irn eines Kreiſes 
u baben, fondern kann auch elliptiih oder ſichel⸗ 
* oder noch anders geſtaltet ſein (Fig. 10). Ri 
den Wurzeln dagegen iſt die Anordnung der Ges 
fäßbündelelemente nicht weſentlich verichteden von 
der bei den übrigen Gefäß: ’ 
pflanzen. (S. Wurzel.) Der 
Verlauf der Gefäßbündel im 
Stamme geftaltet ſich meiſt 
in der Weiſe, dab die ein: 
zelnen Bündelzu einerRöhre ASS 
mit nekartig burhbrode I En 
ner Wand vereinigt find 
(Fig.11). Die Durchbrechun⸗ * 
gen finden ſich immer, wo Fig. 10, 
ein Blatt angefügt ift, und 
die in das Blatt tretenden Bündel werden von dem 
die Durhbrehung (Blattlüde, Fig. 111) umges 
benden Teil ver Gefäßbündelröhre abgezweigt. Sebr 
mannigjaltig ift der Verlauf der Gefäßbündel in 
der Blattipreite; das ganze Spyitem der Bündel 
ftellt die Nervatur der Blätter dar. Da diefe Nervas 
tur für die ſyſtematiſche Unterſche: dung 
hauptſächlich ee F. von großer 
Wichtigkeit if, fo hat man eine grö- 
Bere Anzahl Typen aufgeftellt, unter 
die mandie Abdrüdevon jFarnblättern, 
die und aus ber Vorzeit und zwar 
bauptjählih aus der Steinkohle er: 
balten find, begreift. So bezeichnet 
man 3. B. die Nervatur, bei der von 
einem Mittelnerven fiederfürmig Sei: 
tennerven und von diefen wiederum 
fieberförmig Seitennerven zweiter Orb: 
nung abgeben, welher Vorgang ſich 
nochmals wiederholen fann, als Ner- 
vatio Pecopteridis, und faßt bie 
meiiten folder Blattabdrüde von %., 
welche dieſen Bau zeigen, unterder Bat: 
tung Pecopteris zuſammen. Eine andere Art der 
Nervatur wird alö Nervatio Taeniopteridis bezeich: 
net; bier geben von einem Mittelnerven in einem 
rechten Wintel Seitennerven ab, die fi ein⸗ oder 
mehrmal gabelig teilen, aber jo, daß fämtliche 
Verzweigungen der Seitennerven untereinander 








öbte 
Arten große, vielfach zerteilte und gefiederte Wedel, | annähernd parallel bis zum Rande des Blattes ver: 
jo bauptjäclich Arten aus den Familien der Poly: | laufen. Bon einer Nervatio Cyclopteridis ſpricht 


412 


man, wenn fein Mittelnerv vorhanden ift, ſondern 
alle Nerven vom Grunde des Blattes aus ftrablig 
nad dem Rande verlaufen und fich dabei wiederbolt 
gabelig teilen. Zwiſchen diefen Typen ber Ner: 
vatur, deren e3 noch mebrere giebt, finden fi na: 
türlich verfchiedene Übergangsformen, die zum 
Teil auch wieder bejondere Bezeichnungen erhalten 
baben. An den Blattabprüden foſſiler F. find nur 
jelten Sporangien, Sori u. f. w. erhalten, fo daß 
man nicht mit Sicherheit auf die Familie fchließen 
lann, der fie zugurechnen find, man bat eben 
deshalb die verjhiedenen Formen der Nerva: 
tur gewählt, um eine Überfiht über die ſehr zahl: 
reihen Abprüde zu ermöglihen. Die wichtigſten 
Gattungen find Neuropteris, Sphenopteris, Hy- 
menophyllites, Pecopteris, Taeniopteris. Auch 
Stämme von fofjilen Farnkräutern find in ziem: 
liber Anzahl erhalten, da fie aber in den meiften 
ällen nicht im Zufammenbang mit Blättern ge: 
nden wurden, jo fann man audy bei dieſen die 
ugebörigteit zu einer beftimmten Familie nicht 
icher entſcheiden. (S. Psaronius.) Von ben bete- 
rojporen Formen find ebenfalls foffile Überreite er: 
halten, und bei diefen fann man leichter beftimmen, 
mwobin fie gehören; fo find z. B. in der Braunkohle 
Blätter einer Salviniaart erhalten, auch kennt 
man foffile Sporenfrüchte einer Marsilia aus dem 
Tertiär. Die reihhaltigfte Farnflora ſcheint nad 
der Anzahl der erhaltenen Reite in der Steintoblen: 
zeit vorhanden geweſen zu fein. (Näheres über das 
erfte Auftreten der Farne f. Gefäßkryptogamen.) 

Litteratur. W, J. Hoofer, Genera filicam 
(Lond. 1842); derf., Species filicum (5 Bde., ebd. 
1846—64); Hofmeijter, Über die Entwidlung und 
den Bau der Vegetationdorgane der F. (in den «Ib: 
Zum en der Lönigl. Sächſiſchen Geſellſchaft der 

iſſenſchaften⸗, 1857); Diettenius, Filices horti 
botanici —— (2p3. 1856); derſ., liber die 
Hymenophyllaceen (in den «Abhandlungen der 
tönigl. Säch —* Geſellſchaft der Wiſſenſchaftens, 
1864); Sadebe reg ige wehrte 
«Handbuch der Botanik», Bd. 1, Bresl. 1881); Sa- 
porta und Marion, Die Kryptogamen (Lpz. 1888); 
Ehrift, Die Farnträuter der Erde (Jena 1897). 

Farne (pr. fabrn), Gruppe von 17 Inſelchen 
an der Ditküfte der yon Grafſchaft Nortbumber: 
land, etwa 3 km vom Lande (f. Karte: England 
und Wales). Auf Houfe Island jtebt der Turm 
einer dem Andenlen des beil. Cuthbert errichteten 
Priorei. Die Durhfabrt ift höchſt gefährlih. Zwei 
Inſeln tragen Leuchttürme. 

Farnefe, ital, Fürſtengeſchlecht. Die Stamm— 
burg des in das 13. Jahrh. zurüdreihenden Ge 
ſchlechts ift Farneto bei Orvieto. Nach Bejeitigung 
der Eſte — d.) und Erlöfchen der Rovere (ſ. d.) nah⸗ 
men die F. die erjte Stelle unter den Lehnsträgern 
der Kirche ein; fie erlofhen im Mannsitamm 1731. 

Giulia F. die Shöne Gemahlin des Giulio oder 
Francesco Orfini, verichaffte durch ihre Beziehungen 

u Papſt Alerander VL (j.d.) ihrem Bruder Aleſ⸗ 
{andre 3., dem fpätern Bapit Baul IL. (f.d.), die 

ufnahme unter die Karbinäle; diefer begründete 
die Größe des Haufes F. — Sein natürlicher Sobn 
Bier Luigi F., geb. 19. Nov. 1503 zu Nom, wurde 
juerit von ihm mit den Herrihaften Eaftro, Ron: 
ciglione und Nepi ausgejtattet und zum Herzog 
erboben, dann 1545 zum Herr von Novara und 
Herzog von Barma, welches Julius IL. für die Kirche 
erobert hatte, und von Piacenza ernannt. Als Haupt 


Farne (Infelgruppe) — Farneſe 


der eg Karls V. in Italien, wurde er auf Ver: 
anlafjung —— Gonzagas, des kaiſerl. Statt: 
halters in Mailand, 10. Sept. 1547 ermordet nah 
der verunglüdten Verſchwoͤrung des Fiesco (j. d.), 
die er begünftigt hatte, worauf Ferrante Gonzaga 
Piacenza befebte. — Val. Affö, Vita di Pier Luigi 
F. (Mail. 1821); Gofellini, Congiura di Piacenza 
contro Pier Luigi F. (Flox. 1864); Scarabelli, Del- 
l’ultimo Duca Pier Luigi F. (Bologna 1868). — Die 
Herausgabe von Parma an Pauls IIL Entel Dt: 
tavio 5. (geb. 1520, geit. 1586), den Sohn des 
vorigen, verweigerte Camillo Orfini, der päpitl. Be 
fehlshaber desfelben, eigenmädtig; dod gelang es 
Ottavio bald, fi in * Parmas zu ſehen, und 
Karl V. ſah ſich im April 1552 auch zur Rüdgabe 
von Piacenza gemmungen. Vermäblt (1538) mit 
Karls V. natürliher Tochter Margarete (f. d.) von 
Parma, regierte er das Land trefflic. 
Aleifandro F. Sohn und Nachfolger des Dita: 
vio F., geb. 1547 zu Rom, focht unter jeinem Obeim 
Don Yuan d’Aujftria bei Yepanto, folgte fpäter jeiner 
Mutter nah den aufſtändiſchen Niederlanden, mo 
er den Sieg von Gemblours über die Geufen erfocht, 
fih vor Maaftricht (1579) und bei Dudenarbe (1582), 
Gent, Brügge, Ppern, Brüfjel, Antwerpen (1585), 
Grave, Be Neuß (1586) und Sluys (1587), 
die er zur Ergebung zwang, auszeichnete; nach dem 
Scheitern der Armada, deren Unternebmung er mit: 
machte, trat er an die Spitze eines Hilfsheers für 
die franz. Katholilen und zwang 1590 König Hein: 
rich IV. zur Aufbebung der Belagerung von Paris, 
Be aber weder in Frankreich nod von Spanien 
er die zum Erfolg nötige Unterftügung; er ftarb 
3. Dez. 1592 in Arras an einer vor Rouen erbal: 
tenen Berwunbung. Durch die Huge Benusgung des 
religiöjen Gegenjaßes zwiſchen den jüdl. und nordl. 
Provinzen hat er erjtere für Spanien gerettet. Ihm 
wie feinem Sohne Ranuccio wurden 1620 —24 in 
BPiacenza Reiterftatuen (von Franc Mocki) errichtet. 
Vol. Fea, Alessandro F., duca di Parma, nar- 
razione storica emilitare (Tur. 1886) ; Terrier San: 
tans, Campagnes d’Alexandre F. (Par. 1888). 
Ranuccio L, geb. 1569, get. 1622, der älteite 
Sohn und Nachfolger des vorigen, von Natur finfter 
und babgierig, benußteeine angebliche Berihwörung 
des Adels dazu, deſſen Macht durch zahlreiche Hin: 
rihtungen und Gütereinziebungen — brechen. 
Odoardo F. Sohn und Nachfolger des vorigen, 
ge. 28. April 1612, geit. 12. Sept. 1646, nicht ohne 
eiſt und Kübnbeit, aber obne polit. Einſicht, dabei 
ohmütig und von kindiſchem Ehrgeiz, verwidelte 
ich durch einen Rangftreit mit den Barberini (f. d.) 
in den berüchtigten Krieg um Caſtro, der zum ſchließ⸗ 
lichen Berlufte diejer Herrichaft führte. — Bon jeinen 
Nahfolgern, Ranuccio U., Francesco F. (geft. 
27. 5ebr.1727)und N 
geriet der letztere mit der Kurie in Zwieipalt durch 
Beiteuerung feines Klerus und die angebabnte Los— 
löfung von ihrer Lehnsherrlichleit. Bei demielben 
untertüpte ihn Herzog Eugen von Savopen (1706), 
und Joſeph I. erhielt durd ihn die Möglicteit, die 
Lehnsherrlichleit des Reichs über Barma und 
Piacenza neu aufzuricten. Da er kinderlos jtarb, 
fielen Barma und Piacenza an den Infanten Don 
Carlos (III) von Spanien, ben Sohn Philipps V. 
und der Glifabetb ;. 
Der Bau des geivaltigen Palazzo F. eines der 
ſchönſten Roms, am gleibnamigen Plage, wurde in 
den eriten Jahren Leos X. begonnen von dem jün« 


Farneſina — Farnkrautwurzel 


en Sarı Gallo (Antonio Bicconi), fortgejegt von 
ihelangelo (von ibm das herrliche reihe Haupt: 
ad: das große Fenſter über dem Bingen ‚der 
of) und vollendet 1580 von Giacomo della Worta 

- (oggia an der Hinterjeite des Hofs). Die Galerie 
ihmüden umfangreiche und wertvolle mytbolog. 
eötogemälde von Annibale Carracci. Dem Ba: 

zo F., welcher den Hauptaufentbalt Franz IIL 
nach ſeiner Vertreibung aus Neapel bildete, gegen: 
über liegt rechts am Tiber die ep (i. 3 Die 

man hie Gärten auf den Palatin umfafjen den 

il des Hügels, auf welchem die romulifche Stadt 
und die Paläſte des Tiberius, Caligula und der 
Flavier ftanden. Napoleon IH., in deſſen Befiß fie 
übergingen, unternabm in ihnen bedeutende, jeit 
1870 von der ital. Regierung weiter geführte Aus: 
—— — Bol. Leſſing und Mau, Wand: und 

edenfbhmud eines röm. Haufes (Berl. 1892). 

PFarnefina, Name einer Billa im Stadtteil 
Traätevere zu Rom, die 1508—11 im Renaijjances 
ftil von Baldaſſare Peruzzi für den päpitl. Bankier 
Agoitino Ebigi (f. d.) erbaut wurde. Kardinal 
Alejjandro Farneſe, ein Bruder des Ottavio Far: 
neje, laufte jie 1580; fie blieb dann bis zum 
Ausjterben der familie (1731) deren Eigentum. 
Dann kam die Villa an die Könige von Neapel 
und 1861 ald Erbpadtgut an den Herzog von 
Ripalda (geft. 1883). Berühmt ift fie vor allem durch 
die berrlihen Freslen Naffaeld. So ift die Dede 
der Eingangshalle (19,5 m lang, 7,15 m breit) mit 12 
Daritellungen aus der Geſchichte der Pſyche (f. Apu—⸗ 
lejus) geihmüdt, die 1518—20 Entwürfen 
Rarfaels von mebrern feiner Schüler, GiulioRomano 
und Francesco Benni, ausgeführt wurden. Der an 
die Cingangäballe anjtopende Saal enthält den 
Triumph der Galatea, von Raffaels eigener Hand 
(1514). Es ftellt die Meeresgöttin dar, wie fie in 
ibrem Muſchelwagen, begleitet von Nymphen und 
Tritonen, über die Fluten fährt. Daneben malte 
Sebajtiano del Piombo: Polyphem und Galatea, 
ferner Bald. Beruzzi mehrere Dedenbilder und Seb. 
del Piombo in den Lünetten Daritellungen aus den 
ge ra des Dvid. Das obere Stodiwert 
der 5. enthält jhöne Arcitelturmalereien von Bald, 
Berussi, im Schlafzimmer das 1512 vollendete Mei: 
fterwert Sodomas: Hochzeit Aleranders d. Gr. und 
der Horane, und an der Ausgangswand das eben: 
falls von Sodoma berrübrende Bild: Die Familie 
des Darius vor Alerander. — Bol. A. Weeſe, Bald. 
Peruzzis Anteil an dem maleriſchen Schmud der 
Billa F. (Dʒ. 1894). 

Farnefiicher Herafles (oder Hercules), die 
tolojjale Marmorjtatue (5,3 m hoch) des Heralles, 
eine von dem athenienſ. Bildhauer Glyton gefertigte 
Rahbildung eine Bronzewerles des Lyſippus, 
wurbe 1540 in den Thermen des Caracalla zu Rom 
gefunden. Sie war früher im Befiß der Familie Fars 
neje zu Rom (daber der Name) und befindet ſich jetzt 
im Museo Nazionale zu Neapel. Die Statue ftellt 
den mit riefigen Formen und einer aufs höchſte ges 
feigerten Mustulatur ausgeitatteten Heros dar, wie 
er nach der Erbeutung der Hejperidenäpfel, die er in 
der Hand hält, exſchöpft und auf feine Keule geftübt, 
ausrubt (f. vie Tertfigur beim Artikel Heratles). 

Farnefifcher Stier (ital. Toro Farnese), eine 
früber im Befig der Familie Farneje (daber der 
Name), jegt im Museo Nazionale zu Neapel befind: 

lie folofjale Marmorgruppe, ein Werk der Künit: 
ler Apollonius und Tauriscus aus Tralles. Die 


413 


Gruppe ftellt einen wilden Stier dar, an beilen 
Hörner Amphion und Zethos die Dirle, die ibre 
Mutter Antiope —— hatte, zu binden im Be: 
griff find. Der pathetifhe Charakter des Werles 
wie die Kompofition entjpricht der —— 
im 2. Jahrh. v. Chr. Die Gruppe war urſprünglich 
wahrſcheinlich als Schmuck einer Gartenanlage ſo 
aufgeſtellt, daß man ſie von allen Seiten betrachten 
konnte. Sie wurde 1546 oder 1547 in den Thermen 
des Garacalla zu Rom in einem jehr verftümmelten 
uftande aufgefunden, jo dab die Geitalten des 
tierö, der Dirte, der Antiope und der Zwilling: 
brüber ſowie des unten fißenden Hirten und des 
Hundes neben ibm bedeutend ergänzt wurden. 
(S. Tafel: Griechiſche Kunſt II, Fig. 8.) 
arnertraft, |. Farnkrautwurzel. 
arnhaar, bisweilen Bezeihnung für den 
Stamm von Cibotium Barometz J. Sm., |. Agnus 
Sceythicus. 
arnham (pr. fahrnämm), Stadt in ber engl. 
Grafſchaft Surrey, in den Rorth⸗Downs, am linken 
Ufer des zur Themſe ae enden Wey und an ber 
Eiſenbahn Windejter-Guildford gelegen, hat (1901) 
6124 E., ein Schloß des —5 von Wincheſter, 
im 12. Jahrh. vom Biſchof von Blois erbaut, 1662 
—84 erneuert, mit Turm aus dem 13. Jahrh., und 
ift Mittelpunft einer bedeutenden Hopfenbaugegend. 
In der Näbe Alderſhot (ſ. d.) und die alte Waverley: 
abtei (1128), nad der W. Scott feinen Geſchichts⸗ 
roman «Waverley» benannt hat. 
Faruham (pr. fahrnämm), Elizabeth Woodfon, 
gms Burbaus, amerit. Vhilanthropin und 
riftftellerin, geb. 17. Nov. 1815 zu Renfjelaer- 
ville im Staate Neuyort, war 1844—48 Oberin 
ber Abteilung für weibliche Gefangene im Staats⸗ 
gefängnis zu Sing-Sing, melde Stelle fie angenoms 
men batte, «um zu beweijen, dab es möglich ei, 
eine derartige Anjtalt durch bloßes Wohlwollen zu 
leiten», Bon 1849 bis 1856 lebte fie in Kalifornien, 
lehrte dann nad) Neuyork zurüd und widmete ihre 
Liebesthätigkeit eingewanderten Frauen. Sie ftarb 
15. Dez. 1864 in Neuyork. Sie ſchrieb: «Life in 
prairie land» (Neuyort 1846), «California indoors 
and out» (1856), «My early days» (1859) und 
«Woman and her era» (2 Bbe., 1864). 
Far niente (ital.), Nihtstbun, Müßiggang. 
J———— Farne. 
arukrautwurzel, Farnwurzel, Wurm— 
farn oder ——6 der als Band⸗ 
wurmmittel dienende fleiſchige Wurzelſtock von As- 
Term Filix mas Sw. (ſ. Aspidium), al3 Rhizoma 
ilieis offizinell. Diefer Wurzelftod, auf dem Bruce 
von grünlicher Farbe, mit ringförmig geitellten, gro: 
pen Gefäßbündeln, liegt horizontal im Boden und 
iſt mit den dicht übereinander liegenden Blattitiel: 
reiten der abgefallenen Wedel bevedt. Die Blatt: 
—— find außen mit roftfarbenen Schuppen be 
leidet, innen fleifhig und auch von grünlicher 
Narbe. Die im Ditober gefammelten Wurzeln wer: 
den von den Wurzelfaferreften befreit, der Länge 
nad balbiert und getrodnet (halb mundiert), oder 
Blattitielrefte und Wurzeljtod werden ganz geſchält 
und getrodnet (ganz mundiert). Die Vorräte an 
5. in den Apotheken find jedes Jabr zu erneuern. 
Wirkjame Beitandteile der F. find Filirfäure, äthe: 
riſches Sl und Gerbftoff. Das Mittel wird entweder 
in Bulverform, oder ald Latwerge oder Ablochung, 
meift aber in Form des ätheriſchen Extralts (Farner⸗ 
trafts,Wurmfarnertrafts, Extractum Filicis 


414 


des Arzneibuches für das Deutſche Rei) ange 
mandt, entweder löffelmeife, oder in Kapſeln oder 
Pillen; zu Mirturen wird ed mit arab. Gummi 
emulgiert. Das Ertralt iſt friich bereitet am mirt« 
famjten; mit der Zeit geht die darin enthaltene Filix⸗ 
jäure (j. d.) aus dem amorpben in ben kryſtalliſierten 
Susan über, wodurd die Wirkung ſchwächer wird. 
aruworth (ipr. —— Stadt in der 
l. Grafſchaft Lancaſter, an der Eifenbahn Mans» 
cheſter⸗Bolton⸗Preſton, bat(1901)25927 E. ;wichtige 
Baummollindujtrie, Eiſenwerkle und Papierfabrita- 
arntourzel, |. Sarntrautwurzel, [tion. 
aro, Halardipiel, ſ. Pharao. 
aro, Name eines befonders in Brüffel und Um⸗ 
gegend gebrauten Biers (f. Bier und Bierbrauerei, 
chnitt Bierforten und Analvfen). 
aro (ital.), Leuchtturm, ſ. Pharus. 
aro, Punta del (das Promontorium Pelo- 
rum der Alten), die nordöſtlichſte Spike ber Inſel 
Eicilien, am nördlichften —— der Straße von 
Meffina (ſ. d.), die auch F. di Meſſina genannt 
wird. Das Kap trägt einen Leuchtturm (Faro) 
mit Schöner Ausjicht; nabebei das Fiſcherdorf F. 
Ward (Fjuro), linter Nebenflub bes Binue, in 
Adamaua in Norbmweitafrifa, entipringt im Gebirge 
nördlih von Ngaundere, nahe den Quellen des 
Hauptſtroms, nimmt lint3 den anjehnlihen Maodeo 
auf, der in den Genderobergen (2000 m) entjpringt, 
und mündet oberhalb der Stadt Jola bei Taepe. 
Faro (ipr.-ru), Hauptitadt des portug. Diſtrikts 
5, der frübern rovinz Algarve fi d., 4850 qkm, 
1900: 254 851 E.), Bifchofafis, liegt an der Sübfüfte 
im NW, der Südſpiße (Gabo de Sta. Maria) des 
Königreichs, im Hintergrunde einer von Sandinfeln 
umgebenen Bai, und hat(1900) 11835 €. Die Stadt, 
Endſtation der Süd: und Süboftbahn (von Lijjabon), 
bat einen jhönen Pla (Braga da Rainba), Kathe⸗ 
drale, ehemalige Klöfter, theol. Seminar und Milis 
tärjchule. Am öſtl., höchſten Teile ftebt das alte, von 
maur. Befejtigungen umgebene Schloß. Der Hafen, 
am Ausgang des Heinen Rio Balformos, ift ge: 
räumig, aber aud bei Flut nur 5m tief und der 
Verſandung ausgefebt; doc wird lebhafter Handel, 
namentlid Ausfuhr von Südfrücten, betrieben. 
Färöer (d. h. Schafinfeln), zu Dänemark gehö— 
rige Injelgruppe im Atlantiihen Dcean, zwiſchen 
61’ 26’ und 62° 24’ nördl. Br., 445 km füdöftlich 
von Island, 305 km .norbmweitlih von den Shet: 
landsinjeln, von denen fie eine 1000—1100 m 
tiefe Rinne trennt, beſtehen aus 24 Felseilanden 
17 bewohnt) und umfajjen (1333, nad neuern 
eflungen) 1325 qkm mit (1901) 15230 €. (©. 
Nebenkärtchen zur Karte: Dänemark und Süd» 
fhmweden.) Die größten Inſeln find Strömd (398 
qkm), Diterö (284 qkm), Sandd, Suderdund Vaagbð. 
Die F. find hoch und fteil mit zerriſſenen Küften, 
beben fi oft in Terraſſen (Hamre) und erreichen 
in Slattaretindur auf Diterd eine Höbe von 882 m. 
Sie befteben aus etwas Miocän und vultanifchen 
Gefteinen (Dolerit, Anamefit) in faft horizontalen 
Deden, welche oft mit Tuff wechſellagern; auf 
Suderd findet man Koblen. Daß die Gruppe 
früber ein Ganzes gebildet bat, iſt fiber; das 
Meer, ftrömendes Wafler, Froft und Eis baben 
bie Zerteilung durch Fiordftraßen bewirkt. Seit der 
Eiszeit (eigene Dede) bat die eruptive Thätigleit 
aufgebört. Das Klima ift durch die Seeluft fehr 
geridet, aber fo feucht, dab man auf einen bellen 
a drei Nebeltage rechnen fann. Der Winter ift 


Farnworth — 


Farquhar 


infolge der Lage im Golſſtrom ſo milde, daß Pierde 
und Schafe ftet3 im Freien gehen und die Fjorde 
niemals zufrieren; in Thorshavn ift die mittlere 
Temperatur des Winters 3,ı° C., ded Sommers 10,5; 
die —— Regenmenge beläuft fih auf 1600 mm, 
thtbare Stürme find bäufig._ Die Thalaründe 
ind mit [himmerndem Grün von Wiefen und Moos⸗ 
ezügen erfüllt, die Felfen darüber reih an arttis 
fhen Pflanzen. In diefen Breiten feblt faft ganz 
der Baumwuchs, und die Getreidetultur (nur in der 
Nähe der Hauptorte) ftebt an «ir Grenze. Das 
Vieh ift nur Hein; die Pferde febr ſtark und fiber. 
Eine Merkwurdigleit bildet der jog. Bogelberg oder 
die Kluft bei Weſtmanshavn, 25 Bogelllippen in 
einem graufigen, von ar ala 300 m hoben Felſen 
umſchloſſenen Hafen. Große Mengen von Seevögeln 
umſchwärmen die Klippen, aber die verſchiedenen 
Arten haben befondere Wohnſitze. Es brütet bier 
die Felſentaube (Columba livia L.), und der Koll 
rabe fowie der Zaunkonig (Troglodytes borealis 
Nils.) bilden lofale Rafjen. 
Die Einwohner find von ftartem Schlage, bieder 
und dienjtfertig und in ihrer Lebensweiſe böchit ein» 
ah und nüdhtern. Sie jprecben einen Dialelt des 
ltnordiſchen, aber Kirhen:, Schul:, Gerichts⸗ und 
Scriftiprade ift das Däniſche. Die Hauptnab- 
rungszweige bilven Bieb:, befonderd Schafzucht, 
Fiſch⸗ Vogel: und Wal: (d. i. Grinde:) Fang. Das 
chachſpiel ift bei Männern und Weibern ein Lieb⸗ 
lingövergnügen. Die Inſeln haben (feit 1854) ihr 
eigenes Lagting von 18 gewählten Mitgliedern, an 
deſſen Spiße der Amtmann und der Bropit jteben. 
n weltlicher und kirchlichet Hinficht find fie dem 
tiftsamtmann und dem Bifchof von Seeland uns 
tergeordnet, haben jedoch in Thorshavn einen Amts 
mann, einen andfoged, der zugleich Polizeimeiſter, 
Notar und Steuereinnehmer ift, einen Sorenſtriver 
(aeihmorenen Schreiber) und ſechs Syſſelmanner. 
Die einzige Stadt iſt Thors havn auf Strömd mit 
(1901) 1656 E., gutem Hafen (Wert der Ausfuhr 
1899: 1616408 Kronen) und Realſchule. — Die F. 
urjprünglich Färeyjar genannt, wurden im 9. Jahrh. 
von den Normwegern folonifiert und 1380 mit Dänes 
marf vereinigt. — Bol. Niels Ente, erernes 
—— (Ropenb. 1858— 75); Rafn, Fœrevin⸗ 
gafa a (ebd. 1833); Helland in der «Beogr. Selſtabs 
idsjfrift» (1880); Baumgartner, Ysland und 
die F. (Freib. i. Br. 1889; 3. Aufl. 1902); Anderfen, 
arserne 1600—1709 (Kopenb. 1895); Ruſſel⸗ 
eaffrefon, The Faröe Islands (Lond. 1898); Loms 
olt in «Nord og Syd» (1898); Renne, Faerserne (Ro: 
penb. 1900); Botany of the Faröes (ebd. 1901 fg.). 
Eine neue Specialfarte (1:20000) ift feit 1895 
in Arbeit. Über die Sprade vol. Hanmersbaimb, 
eröjt Anthologi med litterar.:biftorifl og grammas 
tiſt ——— amt Gloſſar (1886); Holm, Skild⸗ 
ringer fra F. (Ropenb. 1887). 
Farouche (fr;., pr. -rujch), wild, ſcheu, roh. 
Farquhar (ipr. fabriw’r), George, engl. Bühnen» 
dichter, geb. 1678 zu London in Irland, ſtu⸗ 
dierte zu Dublin und ging zur Bühne ald Schau⸗ 
er dann als Dramatiter. Bon feinen acht Luſt⸗ 
pielen find u ee «The constant couple» 
(1700; von 5.2. Schröder ald «Der Ring» für die 
deutſche Bühne bearbeitet), «Sir Harry Wildair» 
(1701; deutich von Schröder ald «Die unglüdliche 
Ehe durch Delitatefje», Berl. 1790), «The incon- 
stant» (1703), der « Wild goose chase», von Beau⸗ 
mont und Fletcher nadhgebildet, und «The recruiting 


Farr — Farruchabad 


officerꝰ (1706); das beſte ſein legted: «The beaux 
stratagem», das wenige Tage vor feinem Tode 
(1707) mit großem Beifall zur Aufführung kam. 
Echte Romit, glüdliche Erfindung und leichter Dialog 
find die Lichtfeiten, Mängel in der Charalterijtit 
und Verftöße gegen die gute Sitte die Schatten: 
feiten jeiner Stüde. Bon jeinen Werten erſchien die 
10. Ausgabe (2 Bde., Lond. 1772; neuefte Ausgabe 
mit Zebensbild von A. C. Ewald, ebd. 1892). 
Seine Luftipiele allein wurden von Leigh Hunt und 
Moron zugleich mit denen von Wycherley, Vans 
brugb und Gongreve (Lond. 1849) herausgegeben. 
—— tſche PER ENTER EEE anken⸗ 
g überſetzt in der «Bibliothek engl. Luſtſpiel⸗ 
dichter», Bd. 2Epʒ. 1839). 

Farr oder Jarren, in Suddeutſchland Bezeich⸗ 

nung des mannbaren Stiers (ſ. Rindviehzucht). 
aginös (vom lat. farrago, Miſchmaſch), 

aus verſchiedenen Stoffen zufammengefekt, einen 

Miſchmaſch bildend. j 

Farragut (ipr. eig ziel David Gladgom, 
Admiral der Vereinigten Staaten, geb. 5. Juli 1801 
in Campbells Station bei Knorville (Tenneflee), 
ftammte aus einer angejebenen Familie jpan. Ab: 
funft. 1810 trat er ald Seefabett in die Marine 
der Bereinigten Staaten. 1815 wurde er auf die 

gatte Macedonian fommanbdiert, um mit einem 
eſchwader von 15 Schiffen nad) Algier zu geben. 
Er blieb bis Ende 1818 in Tunis, nahm 1823 an 
einer Kreuztour zur Ausrottung von Piraten an der 
Mosquitoküfte teil und wurde 1825 zum wirllichen 
Leutnant bejörbert. Seit 1834 machte er ald Be: 
febläbaber verſchiedener Schiffe größere Reifen. Bei 
Ausbruch des Krieges zwiſchen den Bereinigten 
Staaten und Merito erhielt er den Befehl über die 
Korvette Saratoga, wurde aber nur zu Blodaben 
verwandt. 1848 wurde er zum zweiten Kommans 
danten der Kriegämwerft Norfolt ernannt. 1854 ent: 
kannte ihn das Marinedepartement nad) der Inſel 
re an der laliforn. Hüfte, um dort eine Kriegs» 
werft einzurichten. 1858 erhielt er den Befehl über 
die Schraubentorvette Brooklyn, mit der er bis 
Herbit 1860 im Meerbufen von Merito freuzte. 
Nah Ausbruch des Bürgerfrieges, als es ſich 
um die Öffnung des von den Konjöderierten ges 
perrten Mij iifippi und um die Eroberung von 
euorleans handelte, ernannte man ihn zum Be: 
febläbaber der für dieſe Erpedition beitimmten 
Flotte. Dieje beftand nur aus Holzſchiffen, und 
zwar aus 6 jchweren Kometten, 16 Ranonenbooten, 
21 Mörſerſchonern und 5 leihtern Schiffen mit 200 
Geibüsen. F. brad in der Naht vom 24. April 
1862 zwifchen ben den Miſſiſſippi —— 
Forts Jackſon und St. Philipp mit der konföderier⸗ 
ten Flottille durch und nahm 26. April Neuorleans 
ein; wenige Tage darauf kapitulierten die Forts 
Jadſon und St. ——28 und der untere Miſſiſſippi 
| damit wieder in die Hände des Nordens. Als 
—— für dieſe glänzenden Siege wurde F. 
ver Konteradmiralsrang und der Dank des Kon— 
refjed zuerlannt. Im Verein mit den Generalen 
Bants und Grant nabm er 1863 Bidäburg und 
Bort:Hudfon und bradte damit auch den obern 
Riffiffippi in die Gewalt der Union zurüd. 

Seine glänzendſte That aber volliührte 3.5. Aug. 
1864, indem er mit 7 hölzernen Rorvetten,8Ranonen: 
booten, 6 Raddampfern und 4 gepanzerten Moni: 
toräden Eingang in die Mobilebaierzwang, der von 
3 Forts, Barritaden, Torpedos und 4 gepanzerten 


475 


Kanonenbooten, darunter das mächtige Widderſchiff 
Zennefiee, verteidigt mar. Durch ie Sieg ver: 
loren die Konföderierten den legten Punkt an ber 
Küfte, Dez. 1864 wurde F. VBiceadmiral und 
zwei Jahre fpäter Apmiral der Uniongmarine, 
den J. 1867 und 1868 beſuchte F. mit einem 
Geſchwader die größern Häfen Europas und wurde 
überall mit Entbufiasmus empfangen. Bald nad 
feiner Rüdtebhr ftarb er 14. Aug. 1870 in Ports-— 
mouth (New: Hampfhire). In Neuyort und Waſh⸗ 
ington find ihm Bronzeftatuen errichtet worden. 
— Sein Sohn Loyall F. verfaßte eine Biographie 
u. d. T. Life and letters of Admiral David Glas- 
gow F. (Neuyort 1879); vgl. außerdem Mahan, Ad- 
miral F. (2ond. 1893). [Farruchabad. 
arrakhabad, brit.ind. Diſtrikt und Stadt, ſ. 
arre (ſpr. farr), Jean Joſeph, franz. General 
und Kriegsminiſter, geb. 5. Mai 1816 zu Valence 
Depart. Dröme), trat, auf der Polytechniſchen 
chule für den Geniedienft vorgebilvet, ala Difizier 
in die franz. Armee ein. Er zeichnete ſich bei den 
Erpeditionen gegen die Kabylen aus und wurde 
1859 Kommandant der Genietruppen des Dccu: 
pationstorps in Rom. Bei Ausbruch des Krieges 
1870 war er Direktor der yortifilationen zu Arras. 
Nah dem Sturz des Kaiſerreichs betraute ihn die 
Regierung der nationalen Berteibigung unter Er: 
nennung zum Brigadegeneral mit dem Auftrag, in 
den nördl. Departements die Streitkräfte zu orga— 
nifieren, über die General Bourbali den Oberbefebl 
übernahm; F. wurde deſſen Stabschef. Als Bour: 
bali 19. Nov. nad dem ſüdl. Frankreich berufen 
wurde, erbielt F. ven Oberbefehl über die aus drei 
—— Diviſionen beſtehende Nordarmee. Er 
ezog vor Amiens eine für ſein Heer zu ausgedehnte 
Verteidigungsftellung, aus der ihn General Man: 
teuffel 27. Nov. 1870 vertrieb, Die franz. Norde 
armee ing bis Arras zurüd und trat 3. Dez. unter 
den Beteh des Generals Faipherbe, bei dem %. bis 
zum Sclufie des Krieges als Stabschef verblieb. 
1875 wurde F. zum Divifionsgeneral ernannt und 
23. Sept. 1880 mit der Leitung des Kriegsminiſte⸗ 
riums betraut. In diefer Stellung entfernte er alle 
als Legitimiften oder Bonapartijten befannten Offis 
ziere aus den einflußreihen Stellungen, hatte je 
doch fein Glüd in der Auswahl des Erſatzes und 
erwies fich bei ver Vorbereitung des Feldzugs genen 
Zunis fo unfähig, daß er 14. Nov. 1881 in den Ruhe— 
ftand verſetzt wurde. Seit diejer Zeit bielt er jich 
von polit. Thätigfeit fern. Er ſtarb 24. März 1887 
arren, Bilanze, j. Farne. [zu Paris, 
arren, Stier, ſ. Farr. 
arrera, |. errera. 
arruchabad (Farralhabad). 1) Diftrift ver 
Divifion Agra der brit.:ind. Lieutenant:Gouverneur: 
haft der Norbmweitprovingen, hat 4455 qkm und 
1891) 858687 €., darunter 756194 Hindu, 99476 
Mohammebdaner, 828 Ehriften u. ſ. w. Der Boden ift 
bügelig, fandig und unfruchtbar. Indigo, Zuder: 
rohr und Kartoffeln bilden die Haupterzeugniffe. — 
2) Hauptſtadt des Diſtrikts F., offiziell 3. cum 
Fatihgarh, unter 27° 24’ nörbl. Br. und 79° 37 
öftl. 2., hat 1891: 78032 E. (gegen 1881: 62437), 
darunter 56041 Hindu, 20869 Mobammedaner, 
1901: 67338 E. F. durd feine Rage rechts vom 
Ganges, der bis 320 km aufwärt3 und biö zum 
Dean abwärts jhiffbar ift, bejonders begünitigt, ift 
ein gefunder Ort mit reinlichen, breiten und hate 
tigen Straßen, großen Bläken und vorzüglicer 


476 


Bentilation. Die Umgebung ift frudtbar und gut 
angebaut. Der Handel bat dur die Eifenbabn: 
verbindung (Grand Trunt Road) mit allen Haupt: 
ſtädten Norbindiens einen neuen Aufſchwung ge 
nommen. Vorſtadt ift Fatihgarh. 

ars, perf. Provinz, ſ. Farſiſtan. 

arfan, |. Farſaninſeln. 

arjang N a 
fatb),das frühere‘ — gatſch(ſ.d.), 
Name des bis 1874 geſetzlich geweſenen Meilen: 
maßes in der Türfei und des jeht noch in Perſien 
gejeslihen, die Wegitunde voritellenden —— 
en, nach den früher üblich geweſenen Meilenſteinen 
o benannten Maßes. Während das eigentliche 
türfifche F. eine Länge von 5001 m war, iſt das 
perſiſ het. amtlich eine Strede von 6000 Zer:i:resmi 
(alten Volksellen) zu 1,035 m = 6210 m, bezeichnet 
aber in Wirklichkeit Entfernungen von ſehr verjchie: 
denen Größen und wird (als jog. «leihtes 5.») = 
5065 m, in manden Gegenden jedoch zu 12000 
Schritten = ungejähr 6110 m gerechnet. Durch: 
chnittlich kann man es = 6020 m annehmen. 

m Altertum war das arabiihe und perfiiche 

5. = 3 arab. Meilen oder 18000 Dub = 5760 m, 
das armenifche, ſyriſche und ägyptiiche = 3 armeni- 
hen Meilen oder 3600 Schritt = 6480 m. Das 
ur * F. der Perſer, Chaldäer, Phönizier 
u. f w. begriff 250 Schebel oder 10000 ägyptiſche 
fönigl. Ellen = 5250 m. 

Farfaninfeln (aub Farifaninfeln), Gruppe 
fleiner Eilande im ſüdl. Teile des Roten Meers, 
49 km vor der Küfte Arabiens, entbält zwei größere 
Inseln mit Perlen: und Rorallenfiicherei. Auf Kumb 
deutiches Kohlendepot. (S. Karte: Abeſſinien, 
Erptbräa u. f. w., Bd. 17.) 

arſchut, Stadt in Oberägppten, IK Bo. 17. 
ärſe, weibliches Rind, |. Rindviehzucht. 
rſel (Farfil), Handelägewidt, — Fraſil. 
arſeng, perſ. Megmaß, ſ. Farſang. 
arderinten, Vollsſtamm, ſ. Rumänen. 

Farfil, Handelsgewicht, ſ. Fraſil. 

Farſiſtan (Fars), perſ. Provinz, grenzt im D. 
an Kerman und Lariſtan, im N. an Iralb-Adſchmi, 
im W. an Chuſiſtan, im S. an den Perſiſchen Meer: 
bufen (f. Karte: Weſtaſien II, beim Artifel Ajien). 
Das Land fteigt terraijenförmig vom Meere zur 
Hochebene — Die reichbewäſſerlen Thäler gehören 
zu den fruchtbarſten Gegenden der Erde, wie das 
von perſ. und arab. Dichtern als irdiſches Pa— 
radies ge * Schabbevan. Nur der heiße 
Küſtenſtrich, Deſchtiſtan oder Germaſir genannt, 
zeigt außer einigen Palmen keinen Pflanzenwuchs. 
Hinter demſelben erhebt ſich das Land zum Tengſir 

«Land der Bälle»), dann zum Serhad (« Kaltes 
and») und zulekt zur Hochebene. Unter den Flüf- 
fen find ver Sefid-rud, der Mand und der in den 
Salzjee Niris mündende Bendemir die bedeutend: 
ſten. Das Klima ift, die Küfte ausgenommen ge: 
mäßigt und gefund, der Sommer jebr heiß, der Wins 
ter jebr falt, aber Frühling und Herbft köftlih. Man 
baut Reis, Obit, Datteln, Bein, Oliven, Baum: 
wolle, bo& eihäskten Tabak, ze Cochenille, 
Seide und Rojenöl. Die Stadtbewohner find iran. 
Stammes, die ländliben Hirtenftämme, furd, Fu: 
ren, zerfallen in die 10—12000 Seelen zäblenden 
Mamazeni, zwiſchen Schiras und der Küfte, und 
die mebr als 30000 Seelen zählenden Kugbelu, 
nördlich von erftern. Hauptjtadt iſt Schiras, Haupt: 
handelsſtadt Bujcebr (f. d.), von wo der wichtige, 


Fars — Faſanen 


aber beſchwerliche Handelsweg über Schiras nad 
spahan führt. — F. iſt das alte Perſis (ſ. Ber 
ten, Geſchichte), das Stammland der Verſer, von 
deren Städten Perfepolis (ſ. d.) und Paſargadä ſich 
großartige Ruinen finden. , 

Farfund, Stadt im normeg. Amte Lifter und 
Mandal, —— von Kap Lindesnes, auf der Dit: 
feite der Halbinjel Lifterland, Sik eines deutichen 
Konfularagenten, bat (1900) 1747 E. und bedeuten: 
den Fiſchfang (Matrelen). 

arthing (angeliädi. feorthung, vom angel 
ſächſ. feower, vier), in veralteter /yorm aub Far— 
ding, eine kleine brit. Brongemünze, der vierte Teil 
deö Kenn. Bis 1860 wurde das F. aus Kupfer 
geprägt. Als Bruchteil (.50) des goldenen Pfundes 
Sterling (des Sovereign) iſt der 5. = etwa 24, Bi. 
deutſche —— Auch das kleine Geld 
aus unedelm Metall überhaupt führt in England 
den Sammelnamen F. Ferner nennt man in Groß⸗ 
britannien und Irland fardingdeal, farthingdeal 
(d. i. yartbingteil, Viertel), fardel oder farundel 
das Viertel des Acre Landes; gebräuclicher dafür 
—— Acre). — — 

sa engl., ſpr. jättin, d. b. ars 
thingatlas), engl. en für jhmales Seiden- 
band, Eeitenborte. Fatruchabad. 

arukhabad, brit.ind. Diſtrilt und Stadt, ſ. 

arvel, dan. Name des FarewellKap(. d.). 

. A. 8. (auch F. 8. A.), in England Abtũurzung 
für Fellow of the Art Society (Society of Arts), 
d. b. Mitglied der Gefellihaft der Künftee 

Fas (lat., von fari, jagen), was den eng 
Ausiprüchen gemäß ift; daher dad moraliſch Rechte, 
Erlaubte, im Gegenjas zu Jus, dem menſchlichen 
Geſetz. Per fas et nefas, durch Recht und linredht, 
durch erlaubte und unerlaubte Mittel, auf jede Weiſe. 

ds, Stadt in Marolto Eat 

aſan, Bogelgattung, — Faſanen. 

aſana, Dorf in der öjterr. Bezirlshauptmann⸗ 
[galt und dem Gerichtsbezirk Pola in Iſtrien, zwi⸗ 

en dem Feſtlande und den Brioniſchen Inſeln 
{ d.), an der nah ibm benannten Meeresitraße 

analedi F. hat (1890) 717 ital. E., eine Reede, 
Schiffsverlehr und Fiſcherei. 

Faſänchen, Name mehrerer Bradtfinten (f. d.). 
Die bekannteſte Art ift ver Wellenaſtrild oder das 
Helenafafänden (Habropyga undulata Pal.), 
ein etwa 12 cm langes munteres, zierlihes Bögel- 
hen, auf der Öberjeite hellbraun mit ſchwarzen Quer» 
linien, die Seiten des Kopfes und die Keble find 
weißlich, Unterfeite bellbräunlihrofa, an Bruſt und 
Bauch zu ſcharlachrot ſich hebend. Dur die Augen 

eht ein roter ſog. Zügelftreif. In ganz Mittelafrila 
Däufig, auf Madagastar, Mauritius und St. Helena 
eingetübrt und vermilvert. 

afanen (Phasianinae), Name einer jebr ſchö— 
nen, aus 6 Gattungen und gegen 30 Arten 
ftebenven,, in Afien einheimiſchen (f. Harte: Tier- 
geograpbiel) Unterfamilie ver Faſanvögel (f. d.), 
die ih dur den Mangel von Kämmen und den 
langen, teilförmigen rer N von den eigent- 
lihen Hübnern unterfcheidet. Der Körper ift ges 

redt er: der Kopf meijt mit Kragen oder 
derbu chen geziert, die Männchen ſtets weit grö⸗ 
er und prachtvoller gefärbt als die Weibchen. 
Die meiften F. ertragen die Gefangenſchaft aut, 
nemöbnen ſich leicht an eine einfache, von ibrer na» 
türlihen Nahrung verſchiedene Koſt und ſchreiten 
jelbjt unter wenig günjtigen Verhältniſſen zur Forts 


FASANEN. 


N 


\' 
\ 
\ 


— — 


sarı (Phasianus Reevesi Gray 


) 2. Bunt 
nenne Swinhoei Gould. 4. Edelfasan (Euyj 


uplı mus I 
Amherstiar ;. Ohrfasan 


r 
10AG0,) 


Brockhaus Korwerwaftens Lerikon N Aufl 





— 


F.A. Brockhaus beogr- arast Anstalt, Leiprig 


„ge! 


.». “-. 


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Faſaneninſel — Faſanvögel 


pflanzung. Sie find dadurch Gegenſtand einer aus: 
gedehnten Liebhaberei geworden, und zwar fommt 
von den Edelfajanen zumeiſt in Betracht der ge: 
meine Faſan (Phasianus colchicus L.), welcher 
aus Kaulaſien ftanımt, jchon in den frübeiten Zeiten 
belannt war und zu dem ſchmachafteſten Federwild⸗ 
bret gezählt wird. Er ijt ein dummer Vogel, gebört 
aber zur hoben Jagd und wird in Guropa meiſt in 
xafanerien gehalten, d. b. Anlagen zur Hegung 
der F., wozu man teilö des Megfliegens, teils der 
Kaubtiere wegen ein möglichſt vom Walde ent: 
ferntes, Überjhwemmungen nicht ausgeſetztes, mit 
Wieſen abwechſelndes Feldgehölz wählt. In wil—⸗ 
den Faſanerien ſorgt man bloß für den Schutz 
gegen Kaubtiere und für Winterfütterung; größere 
Sorgfalt und Koften erfordern dagegen die zahmen 
Faſanerien, namentlih hinſichtlich der Züchtung 
und yütterung der Jungen. Die meiften Faſa— 
nerien finden fh jest in Böhmen, das aud den 
Parijer Markt mit diefem Wildbret verfieht. Die 
wertoolliten F. find bie, welche im Herbit einge 
fangen, eine Zeit lang in den Kammern gefüttert 
und dann gejedert, d. b. getötet werben, indem 
ihnen mit einer Feder das verlängerte Mark, da 
mo der Schädel mit dem Rüdenmarl verbunden ift, 
durhitochen wird. Weit weniger Wert haben die 
geibofjenen 5. Um den vollen Wobhlgeihmad und 
den bohgeihästen feinen Barfum zu erhalten, muß 
der Faſan je nach der Jahreszeit fürzer oder länger 
aufgehängt bleiben, allerdings nicht, wie Die landes⸗ 
läunge Jägerregel lautet, am Schwanz, e lange 
biö der Vogel von jelbit berunterfällt. liber An: 
lage von Faſanerien vgl. A. N. Schulz, Der Fa: 
lanengarten (Wien 1872). Namentlich in der neuern 
Zeit ih der Faſan an vielen Stellen Deutſchlands 
verwildert. Andere Arten der Evelfafanen find: 
der Königsfajan (Phasianus Reevesi Gray, |. 
Zafel: Faſanen, Fig. 1), von ſchwarz⸗weiß⸗gelber 
—— mit außerordentlich langem Schwanz, aus 
ordchina; der Buntfaſan (Phasianus versicolor 
Viall., |. Tafel: Faſanen, Fig. 2), in der Farben: 
verteilung dem gemeinen Faſan ähnlich, aber Heiner 
und glänzend grün jchillernd, aus Japan; ber Ring: 
faſan — para apache er ee 
ring, aus China; der Goldfaſan (Phasianus pic- 
tus L., Abbildung auf Tafel: Geflügel, Fig.41), 
von roter Örundfärbung, mit mennigrotem, ſchwarz⸗ 
blau gebändertem Kragen und goldgelbem Shop! : 
der Lady-⸗Amherſt- oder Diamantfajan (Pha- 
sianus Amherstiae Leadb., |. Tafel: dafanen, 
Fig. 5), unterjeit3 weiß, oberſeits metallifh grün, 
dalstragen weiß mit ſchwarzen Säumen, an Farben⸗ 
pradbt alle andern in Deutſchland gehaltenen F. 
übertreffend; beide lestgenannten aus China. 

Von den Ohrfaſanen bat der mandſchuriſche 
(Crossoptilon auritus Swinh., |. Tafel: Be anen, 
519.6) mit den Federbüſchen binter den Ohren mei: 
tere Verbreitung gefunden, während die Gattung 
der Jaſanhühner (Euplocomus) der Liebbaberer 
mehrere Arten bietet. Die betanntefteift verSilber: 
'ajan (Euplocomus nycthemerus L., f., Tafel: 
Geflügel, Fig. 40) aus China, der ſich ohne 
beiondere Mühe und Sorgfalt züchten läßt. Der 
dahn ift oben filberweiß, mit feinen ſchwarzen 
Luerlinien, unterjeit3 blaufhwarz. Weniger auf: 
tallend gefärbt iſt ver Strihelfaian(Euplocomus 
lineatus Vig.), bei dem an Stelle des bellen Weiß 
an ;artes Grau getreten ift, wogegen der or: 
mojafaian (Euplocomus Swinhoei Gould, ſ. 


477 


Zafel: Faſanen, Fig. 3) wieder durch glänzend 
blaufhwarze Färbung und den weißen, ee 
braun eingefaßten Rüden, und der Edel: oder 
Borneofafan (Euplocomus nobilis Scl., ſ. Tafel: 
Bat anen, Fig. 4) durd das ebenfalla glänzend 
laufhwarze Gefieder, den kaftanienbraunen Unter: 
rüden und die rotbraune Bruft auffällt. 

Alle genannten F. find er zu jeder Zeit von den 
Tierbändlern (3.8. G. Voß, Köln; Re Alfeld) 
oder von dem Zoologiſchen Garten in Antwerpen 
u bezieben. Die Preiſe betragen für gemeinen, 

ing:, Silber: und Goldfafan 20—40 M. das 
Baar, für Königs:, Amberits, zus Borneo: 
jelam 80—1%0 M., für Obrfafan 250 M. Ihre 

altung ift jehr einfach, da fie faft das ganze Jahr 
Gindurg im eien bleiben können und nur in 
harten Winternächten eines gejcbüsten, aber un: 
gebeizten Raumes bebürfen. Ihr Gehege muß 
natürlich rings geſchloſſen fein, vamit fie nicht fort⸗ 
fliegen, oder man muß fie sul diejelbe Weije, mie 
eö bei den Enten angegeben ijt, amputieren, doch 
werben fie dadurch beim Balzen entjtellt. Als Fut⸗ 
ter reicht man Weizen, Mais, Hirfe und Spisfamen, 
dazu in der Fortpflanzungszeit Hanf und ein Weich: 
Die 3 8 Spratts tentgeflügelfutter oder 
ißbrot mit Ei. Die Eiablage beginnt zeitig im 
jahr; da aber die Faſanhennen in der Regel 
hlechte Brüterinnen find, jo muß man zum Aus: 
rüten der Faſaneneier leichte Haushühner nehmen, 
die jene in etwa 24 Tagen zeitigen. Zur Aufzucht 
der jungen F. find friſche Ameijeneier erforderlich, 
denen man geriebenes Weißbrot, gelochtes Ei und 
ebadten Salat und nah 5 Tagen Hirfe, Spik: 
—* und geringe Gaben phosphorſauren Kalt 
aufept: Die jungen F. muſſen bis zum Federwechſel 
vor Näffe behütet werben. Die Berfärbung beginnt 
meift im zweiten Jahre und im dritten erjt find 
die F. fortpflanzungsfähig. — Bol. Eronau, Die 
I flege und Aufzucht (Straßb. 1884) ; Wittmann, 
er Evelfafan (Wien 1891); Schinte, Die Fafanen: 
ucht (Hamb. 1894); Goeddes Faſanenzucht (3. Aufl., 
erl. 1895); Hlamwenfky, Die zahme Fafanerie (Neu: 
damm 1899); Eronau, Der Jagdfaſan (Berl. 1902). 
äneninfel, |. Bidafioa. 
änente oder Spießente, f. Enten. 
andrie, Fafänhühner, |. Faſanen. 
fäno, Stabt in der ital, Provinz und im 
Kreis Bari, nahe am Adriatiſchen Meere, an der 
Linie Bari: Brindifi des Adriatiſchen Nebes, bat 
(1901) 16 848 €. und blühenden Wein: und Dliven: 
bau. Zwiſchen F. und Monopoli, dicht am Deere, 
die Ruinen der Stadt Egnatia (Önatbia), beute 
Anazzo, Fundort von antifen Bafen und Schmuck⸗ 
egenftänden. Egnatia war ein ſehr belebtes Hafen: 
Räbtehen, weil bier die Via Appia die Hüfte erreichte. 

Fafänfchnerte (Phasianella), Gattung der Krei: 
jelichneden (f. d.) mit etwa 60 lebenden, den wär: 
mern Meeren angehörigen, und 70 fofjilen, ſchon im 
Devon auftretenden, meijt Heinen Arten mit eirun: 
den, bei ven lebenden meiſt jhön gefärbten und glän: 
zenden, glatten Schalen. j j j 

Fafanvögel (Phasianidae), im weitern Sinn 
eine große aus 18 Gattungen und gegen 90 Arten 
beitebende Familie der Hübnerwögel, welche haupt: 
fählich die Alte und nur in ein paar Arten die Neue 
Welt bewohnen. Die F. befiken einen geitredten 
Körper, ziemlich hohe Läufe, welche im männlichen 
Geſchlecht meiit mit —— verſehen ſind, runde, 
nicht ſehr große Flügel, einen ziemlich, bisweilen 


478 


fehr langen Schwanz. Der Schnabel ift kräfti 
mittellang, am Kopfe und am Halfe finden fich jebr 
häufig table, lebhaft gefärbte Hautftellen und Haut: 
appen, namentlih im männlihen Geſchlecht, das 
fih auch meift durch ein weit jchöneres Gefieder 
vom weiblichen unterjcheidet. Die Tiere leben in 
Bolygamie. Man bat die Familie in eine Reibe 
von Unterfamilien geteilt, von melden folgende 
bervorzubeben find: Faſanen (Phasianinae), Hüb: 
ner (Gallinae), Pfauen (Pavoninae), Perlhuhner 
(Numidinae), Trutbübner (Meleagrinae), Glanz⸗ 
fafanen (Lophophorinae) und Hornfafanen (Cera- 
torninae). (S. die betreffenden Artitel.) 
Fasoes, bei den alten Römern Bündel von 
Auten oder Stäben, aus deren Mitte ein Beil her 
vorragte, ſymboliſche Zeichen der höchſten Gewalt 
über Yeib und Leben. Sie wurden von Liltoren 
den Königen, in der Zeit der Republik den Dikta: 
toren, Konjuln und Prätoren, den eritern 24, den 
zweiten 12, den dritten wenigftens in der Provinz 6, 
endlich nad Untergang der Republik auch den Kai⸗ 
fern vorangetragen. Die ganze Einrichtung ſcheint 
aus Etrurien gelominen & u nnerbalb der 
Stadt Rom mußten feit Balerius Publicola, der 
auch zuerſt die F. vor den Verſammlungen des 
Bolls zur Anerkennung von deſſen Obergemalt 
fenten ließ, die Beile herausgenommen werden; nur 
dem Diktator war ihre Beibehaltung *—— 
Faſch, Karl Friedr. Chriſtian ſiler und 
Komponiſt, geb. 18. Nov. 1786 in Zerbft, wo fein 
Bater Hapellmeifter war, war feit 1756 in der 
Kapelle zn II. angejtellt und ftarb 3. Aug. 
1800 in Berlin. In feinen Werten ift tiefe Kennt: 
nis der muſilaliſchen Kunft mit innigem Ausprud 
—— Im vielſtimmigen Chorſatze zeigte er 
große Meiſterſchaft, beſonders in einem 16ftimmi- 
en Kyrie und Gloria, das nebft einigen andern 
ompofitionen von ibm gebrudt ift. Beſonderes 
Verdienſt erwarb er ſich durch die Stiftung und Lei: 
tung der Berliner Singalademie, die als der erfte 
deutjche Verein diejer Art allen ähnlichen Inſtituten 
— Vorbild diente. — Bol. Zelter, Karl Friedrich 
briftian F. (Berl. 1801). [Darfur (f. d.). 
gel er (El-Faſcher), Hauptitadt des Reichs 
ſchinen, mwalzenförmige, 3—4 m lange und 
0,35 m ftarle Straudhbünbdel, die Durch Bänder aus 
Drabt oder Weidenruten (Wieden) feſt zufammen: 
gehalten werden. Sie dienen im Padwerkbau (f. d.) 
zur Belleidung (f. d.) von Böſchungen; * bei 
ber Herſtellung bombenſicherer Dedungen für Unter: 
funftsräume, wo fie, auf eine Baltendede aufgelegt 
und mit Erbe beihüttet, vermöge ihrer Elafticität 
dazu dienen jollen, die durch Bombenſchlag hervor: 
— Erſchütterungen zu vermeiden. Eine dritte 
rt ihrer Berwendung tft die Anlage —— 
dämmen durch Gemäljer oder ſumpfige Stellen des 
Geländes. Man macht fie zu diefem Zwed biswei⸗ 
len nur 1 m lang und 0,25 m jtarf, bindet fie mit 
brei Bändern und beſchwert fie durch eingelegte 
Steine (Waſſer- oder Senkfaſchinen). 
Faſchinendrain, Abzugslanal, ſ. Drainierung 
nebft Tafel, Fig. 4. 
ee Drängen ein etwa 30 cm langes, 5 cm 
breites Meſſer mit Griff, zum Abbauen von Straud: 
werl bei der Anfertigung von Faſchinen (f.d.). Die 
mit gerader Klinge verjebenen Seitengemwebre der 
Yußtruppen wurden früber, weil man fie ähnlich be- 
nugen fann, ebenfalls 5. genannt; die amtliche Ber 
zeihnung in Deutſchland ilt jet Seitengemebr (f.d.). 


Fasces — Fascinieren 


Sie haben zumeilen einen gezähnten Rüden und 
lönnen dann ald Säge gebraucht werden. 
ing, f. Karneval und Faftnadıt. 
afchoda, jeit 1904 Kodof genannt, Nieder: 
laſſung in Igpptiih- Sudan, am Weftufer und auf 
einer Inſel des Bahr el-Abiad, in 9° 53’ 21,2” nörpl. 
Br., 32° 7’ 37,5" öftl. 2, von Öreenwid, in jumpfiger, 
ungejunder Gegend. Urfprünglih eine Straftolo: 
nie für Berbannte, wurde F. allmäblid ein großes 
Hüttendorf mit einem Fort und Regierungsgebäu- 
den. 1864 war die Brovinz F. erobert und 1867 die 
Stadt F. gegründet und zur Hauptitadt des neuen 
Bezirks, Bahrel:Abiad, gemacht worden. Im Mahdi⸗ 
Aufjtande (1884) verließ fajt die ganze Bevöllerung, 
Scillufneger, den Drt. Am 10. u 11898 erreichte 
eine franz. Erpedition unter Marchand F. und heißte 
ier die be lagge. Nah dem Siege über die 
abdiften bei Omderman (2, Sept. 1898) rüdten 
auch die Engländer unter General Kitchener in F. 
ein und nahmen es als ebemals zu ÜUghpten aebö- 
riges Gebiet in Anſpruch. Nah Fehr erregten Ber: 


andlungen, bie faft zu einem Kriege führten, räumte 
antreih im Nov. 1898 den Ort. — Vgl. Eair, F. 
a France et l’Angleterre (Bar. 1899). — Der bis⸗ 


ber F. genannte Diſtrikt von ———— führt 
feit 1904 den Namen Upper Nile Brovince. 

Fasola (lat., «Band»), bei den alten Römern 
der Name für verfchiedene Arten von Gurten und 
Binden, wie je 3. B. Frauen auf dem Leibe oder 
über der Tunila unter dem Bufen trugen. In der 
Architeltur ift F. ein Glied, welches eine ebene 

läche in getrennte Teile jondert, ;. B. beim ioni⸗ 

den und lorinth. Arditrav; in der Anatomie 

eine ſehnig faferige Bindegewebshaut, die ein- 

zelne Organe oder Organteile umgiebt und zur 

geftigung ihrer Lage beiträgt; fasciieren, mit 
inden umwiceln. 

Fasciation (lat.), Ummwidlung mit Binden. In 
der Botanik ift F. oder Berbänderung eine 
eigentümlihe Mißbildung an Stammeorganen, vie 
darin beftebt, daß ſonſt cyhlindriſche Stengel ſich 
breit bandförmig entwideln. Die F., ein rankhafter 
Zuftand, tritt bauptfächlich bei iu reichlichet Nab- 
rungszufuhr ein, entweder infolge jebr günftiger 
Bodenverhältnifie oder infolge des Berluftes größe: 
rer Partien der betreffenden Pflanzen. Fasciierte 
Stengel können faft bei allen Pflanzen ein: 
treten. Einer der befanntejten Fälle findet fich bei 
Celosia cristata L. (f. Celosia), dem Habnenfamm, 
wo dur Kultur die 5. gewiſſermaßen konjtant ge- 
worden, der ganze Blütenftand verbändert iſt und 
dadurch bei der roten Färbung ungefäbr das Aus: 
feben eines Habnentammes bat. ‚ 

Fasoi döi lavoratöri (jpr. faihi), Arbeiter- 
bünde, die fich jeit 1892 über ganz Sicilien verbreite- 
ten; fie richteten fich befonders gegen die Mißbrauche 
derofalverwaltungen und waren 1893 und 1894 die 
Träger der blutigen Unruben auf der Iniel, die zur 
Verbängung des Belagerungszujtandes führten und 
mit der Verurteilung ber rer zu langjährigen 
Yreibeitsitrafen endigten (30. Mai 1894). 

Fascien, lat. Fasciae, Mebrzabl von Fascia 
(f.d. und Aponeurojen). 

ne... (lat. fascicülus), Heines Bündel, etwas 
* ammengebundenes oder Geheftetes, z. B. Alten⸗ 

ascikel; fascikulieren, in F. binden, heften. 

Fascinieren (lat.), bezaubern, verblenden; 
Fascinierung oder Fascination, Bezaube— 
rung, Verblendung (f. Fascinum). 


Fascinum — Faſergebilde 


Fasolnum (mwahriheinlih vom griech. bAska- 
oon, baskänion, Zauber, Zaubermittel), bei den 
röm. Schriftjtellern fehr oft, und zwar im Sinne 
eined Gegenzaubers, eines Schutzes geom Zauberei 
vortommendes Wort. (S. Boſer Blid.) Gewöhnlich 
ift damit ein Amulett in Geftalt eine männlichen 
Bliedeö gemeint. Ein ſolches F. wurde in das den 
Kindern umgehängte Medaillon, die bulla, gelegt; 
aud hing ein F. zur Abwehr des Neides unter dem 
Triumphwagen eines fiegreic in Rom einziehenben 
Feldhertrn. Wenn aber aud die Veftalinnen ein F. 
unter den röm. Heiligtümern bewahrten, jo wird 
dabei aud an die Bedeutung des männlichen Glie⸗ 
des als Symbol der Fruchtbarkeit zu denten fein, 
und vollends gilt dies von der Eitte, daß ein ſol⸗ 
des F. an agen zu Ehren des Gottes Liber 
auf Wagen Beer au wurde. Es wurde jogar 
von einem Gotte Fascinus geipraden, — Bol. 
Jahn, Über den Aberglauben des Böjen Blids bei 
den Alten (2p3. 1855). 

Fasciolaria fimbriata, verfteinerte Muſchel⸗ 
form aus dem Miocän, f. Tafel: Betrefalten der 
Känozoiſchen dei pe Sg beim Ar: 
titel Kanozoiſche Formationsgruppe. 

Fasois (lat.), Bündel, Meh J Fasces (f. d.). 

Seh abgeihrägte Kante, ſ. Faſen. 

fel, Bezeihnung eines beſtimmten Geſchlechts 
oder Alters beim Rinde und Schweine. Faſelſtier 
oder Faſelochs ift ein ein: bis dreijährige männ- 
liches Rind; Faſel- oder Läuferſchwein nennt 
man die zur Maſt beitimmten, eins bis zweijährigen, 
meijten3 tajtrierten Schweine, im erften Sabre 
Kleinfajel, im zweiten Jahre Großfajel. 
fel, Frucht, f. Dolichos und Gartenbobne. 
fen, Abfaſen, im Baufach das Abſchrägen 
oder Verbrechen der ſcharfen Kante, das eine größere 
Haltbarleit oder beſſeres Ausſehen bezmedt; die ent: 
ſtehende Abſchrägung nennt man Faſe. Das Ab: 
fafen kommt bejonders bei frei ftebendem Bauholze 
und Ssachmerlöbauten, bei dem Rahmenholze und 
den Füllungen einfadyerer Thürflügel, an den in: 
nern Kanten der jteinernen Thürgewände und der 
bölzernen Tbürbelleivungen, an verpugten Mauer: 
und Fenſterſchafteden u. j. w. vor, 
er, in ber Botanik Bezeihnung für Zellen, 
die eine jpindelförmige Geftalt beſihen, d. b. lang⸗ 
nd und an beiden Enden ſpitz zulaufen. 
ugleih verbindet man mit dem Begriff F. die 
orausſetzung, daß die Zellen, die mit diefem Nas 
men bezeichnet werden, eine gewifje Zugfeftigteit be: 
fisen, fo daß fie ald Rohſtoffe für die Tertilinduftrie 
oder in anderer Weiſe technijche Verwendung finden 
fönnen. Es gehören demnach nicht bloß Baſtzellen 
(1. Baft) und ähnliche Elemente, die im Gewebever: 
band in der Pflanze vortommen, bierber, wie die 
Baitzellen des Leins, des Hanfs, der Linde u. ſ. w., 
fondern aud ſolche faſerähnlich gebaute Zellen, die 
als Haare auf der Oberfläche von Pflanzenteilen 
fteben, wie die Baummolle. In der botan, Ter: 
minologie hat man für langgeitredte, an beiden 
Enden jpig zulaufende Bellen die zeihnung Pros: 
endym (f. d.) eingeführt, aber nur für ſolche Zellen 
im Innern der Planze. — Über die F. in techni— 
fdem Sinne j. Zaſergebilde. 
erbänder, |. Öelent. 
ebilde, die Vereinigung vieler Faſern zu 
fadenjörmigen, blätterjörmigen und büllenförmi- 
en Gebilden, deren Heritellung ausgedehnte und 
kitungsfäbige Induſtrien, die Spinnerei (f.d.), 


479 


die Bapierfabrikation (j. Bapier) und die Filz: 
fabritation (f. d.) beſchäftigt. Als Balern im 
tehnifhen Sinne find alle natürlichen, leicht bieg: 
famen Gebilde von fadenförmiger Gejtalt anzufeben, 
deren Dide jehr gering ift; ihr Urfprung ift nur aus: 
nahmsweiſe in der unorganifhen Welt (Asbeſi— 
fafern), häufiger in der tieriſchen Welt (Schafmolle 
und andere Tierhaare) und am allerhäufigften in der 
Pflanzenwelt (Baummolle,Lein, Hanf, Jute u. |. m. 
zu ſuchen; von den Fajern der organiſchen Welt i 
die Seide (f.d.) ala ein erhärtetes Sekret ftruftur: 
[08, die Baummollfafer eine Elementarzelle mit 
Bd Hohlraum, die Leinenfafer und ihre Kon- 
rrenten ein leicht fpaltbares Faferbündel, das aus 
vielen neben und nacheinander zufammenbaftenven 
— beſteht, vie Shafmwolle gleich den übri⸗ 
gen Tierhaaren ein Aggregat von längsgeſtreckten 
und lãngsgelagerten Hornzellen und ſchuppenförmi⸗ 
en, dachziegelartig — den Hauptkörper 
edeckenden Plattenzellen. (©. Geſpinſtſaſern) 

Als das — * ohne Zuhilfenahme eines 
flüſſigen Körpers herſtellbare F. iſt der zunächſt nur 
als Halbfabrikat zu betrachtende Flor (Rrempelflor) 
und die Fache zu bezeichnen, flächenartig ausge⸗ 
debnte Fafergemwirre, die fih von den Verbindung: 
formen der natürlichen Faſerſtoffe nur dadurch uns 
ierſcheiden, daß alle buſchelweiſe (geftapelte) Anord⸗ 
nung der Faſern zerftört und durch eine gleichartige 
Verteilung zwifchen zwei äquidiftanten Flächen erjegt 
ift. Bei der Heritellung einer Fade, als Grundlage 
eines Gefilzes, führt die Anwendung einer in er 
gung verfegten Saite, die man mitteld des Fach: 

ogens durch ein Haufwerk trodner Tierhaare bes 
wegt, zu ber erforderlichen Umlagerung der gegebe⸗ 
nen Faſern; bei vem Flor, der nicht auf Tierhaare 
beſchränkt ft, führt nah dem heutigen Stande 
der Spinnereitechnif eine befondere Mafchine, die 
Krempel, mit Hilfe fein — Oberflächen — 
dem gleichen Ziele. Durd bereinanderlegen vieler 
lore entjtebt das in beliebiger Dide erreichbare 
ließ (Watte). Beiteht dasjelbe gleich der Face 
aus Tierhaaren, fo kann durch das Filzen und Wal⸗ 
fen, d.i.ein mechan. Durdarbeiten in feuchtwarmem 
und flahliegendem oder gefaltetem Zuftande, das 
ertige Gefilz hervorgehen, bei deilen Zuſtande— 
mmen bie oben gelennzeichnete Oberflächenbeſchaf⸗ 
fenheit im Verein mit der yormbarfeit eine bedeu⸗ 
tungsvolle Rolle fpielt. Andere Faſern als Tier: 
aare * auf dem angedeuteten Wege nicht zur 
erſtellung eines haltbaren F. * net. 

Der * der Krempel aus * Baum⸗ 
wolle, Werg u. ſ. w. bergeftellte Flor bildet die 
Grundlage der wichtigern fadenförmigen F., die aus 
demfelben auf zweierlei Art hervorgehen können: 
durch einen Zeilprozek oder einen Stredprozeß. 
Der Teilprozeß, für die Streihgarnipinnerei \ 
Spinnerei) haratteriftifch, wird in Folder Art durd: 
geführt, daß man mittels beſonderer, der legten 

empel —— Apparate (Florteiler) den 
Flor in parallellantige Streifen von großer Länge 
zerlegt, die zwifchen transportierenden Würgelmwal: 
jen gerundet und verdichtet werben; es entiteht fo 

il gabs, der bei loderer Beichaffenbeit eine 
weitere Verdünnung und Feſtigkeit durch gleichzei- 
tiges Streden und Verdrehen (Feinipinnen) erfahren 
tann, bei größerer Dichte aber ſchon das fertige 
(verwebbare) F. darftellt. an den meijten Zweigen 
ber Spinnerei erfolgt die Ummandlung des Flors 
in Feingefpinft durch einen wiederholten Stredpror 


480 


jeb, neben welchem behufs Erzielung größtmöglicher 
Bleihmäßigkeit ein wiederholtes Zufammenlegen 
Segment, mebrerer Faſerbänder bewirkt wird; 
das Verfahren jhließt mit dem Feinfpinnen, d. b. 
einem mit dem Stredprozeß gleichzeitig erfolgenden 
Drehungsprozeß ab und liefert ven zur Zwirnerei, 
Weberei, Flechterei, Wirkerei u. |. w. verwenbbaren 
Gejpinftfaden. 

Nur bei ver Seide, ſoweit diefedenabhafpelbaren 
Zeil der Coconbülle der Seidenraupe daritellt, res 
duziert ſich dieBildung eines beliebig langen Fadens 
auf ein abjegendes Zufammenlegen mehrerer ein: 
facher Coconfäden in feuchten Sufande es entitebt 
der glanzvolle Rohſeidenfaden, bei deſſen Heritel: 
(ung der Fall vorliegt, daß in einem Zuge ein na: 
türliches F. zerftört und ein ac erzeugt wird. 
Alle Abfälle, die fi beim Abhafpeln des Seiden- 
fabens ergeben, müfjennad energiichen erg &: 
und Teilprozeflen die Form des Flors und Vließes 
(der — durchlaufen, um in fadenförmige 
Gebilde von beliebiger Länge (Florettjeiden: 
geipinft) umgewandelt zu werben. 

Auf die F. aus Pflanzenfafern befchräntt ift der 
von der uch A ek ee eingeichlagene Weg, 
die Fafernelementarzellen der Baftfaferbündel und 
des Holzlörpers oder deren Bruchſtücke mit jo viel 
Waſſer zu umgeben, daß fie darin frei ſchweben kön: 
nen, die jo erhaltene Flüffigkeit («Ganzzeug») auf ein 
feinmaſchiges Drabtgemwebe (die «Formo) zu ſchöpfen 
und unter jehüttelnder Bewegung der sem, die 
das Waſſer ablaufen läßt, einen Niederſchlag von 

afern entitehen zu laſſen, der nachträglich durch 

nmwendung von Druck und Wärme vollitändig ent: 
wäflert, aljo Iufttroden gemacht wird. Das ſo er: 
— F. (Bapier) iſt wegen der Geſchloſſen— 
eit und leicht erreihbaren Glätte feiner Ober: 
flähen zur Aufnahme farbiger Linien und Schrift 
züge mwobl geeignet. 


— —— ſ. Fibroid. 
aſerkieſel, Mineral, ſ. Sillimanit. 
aferftoff, j. Fibrin. 


aferftoffeglinder, Erſudatmaſſen im Harn 
bei der Brightſchen Krankheit (j. d.). 

aferftoffe, j. Geſpinſtfaſern. 

ee ubftanz, j. Haare. 

afertourzel, eine Wurzel (j.d.), beider nichteine 
fog. Hauptwwurzel oder Pfahlwurzel entwidelt wird, 
jondern nur eine größere Anzabl dünner faferför: 
miger Seitenwurzeln. 5. finden ſich bei den Mono: 
totyledonen 55 äufig; bier gebt die Hauptwurzel 
icon früh zu Grunde und das ganze Wurzelſyſtem 
beitebt dann aus Seiten: oder Nebenwurzeln. Am 
deutlichiten find die F. bei den Gräjern ausgebilbet. 

Faſhion (engl., ſpr. fäſch'n), Mode, Ton der 

vornehmen Welt; fajbionable (jpr. fäſch'nebl), 
modiſchfein, der feinen Welt und Lebensart gemäß. 

asnacht, ſ. Faſtnacht. 

aſohle, j. Gartenbohne. 

afofl (Faſ joal), Landſchaft im öftl. Sudan, 
der ſudlichſte Teil von Dar-Sennar (j. Karte: Abeſ⸗ 
ſinien u. ſ. w, Bd. 17), ein bewaldetes, reich be: 
rwäjlertes Gebirgsland, wird vom Bahr el: Näörat 
durcfloffen. Die Bewohner, die Fundſche (f. d.), 
liefern vorzüglihen Honig, Gummi, Elfenbein, 
Gold, Tamarinden und Sennesblätter. Das Ort: 
hen Famala am rechten Ufer des Blauen Nils war 
ſtets ein wichtiger Militärpoften, 

Faſold, ein Rede aus der deutſchen Heldenfage, 

der mit der Sage von Dietrich von Bern verfloch« 


Faſergeſchwulſt — Faß 


ten iſt. Seine Heimat iſt Köln am Rhein; er hat den 
Beinamen «der Stolze» und führt, mie fein Bru— 
der, den Löwen in feinem Schilde. Er trifft auf 
Dietrich, als diefer F.s Bruder Ede erihlagen und 
dejien Rüftung angelegt bat. Es kommt zwiſchen 
F. und Dietridh zum Kampf, in dem 5. unterliegt 
und gezwungen wird, des Berners Dienjtmann zu 
werben. Bis bierber ift die Sage in Ober- und 
Niederdeutichland ziemlich glei ausgebildet; wäh: 
rend aber von nun ab nad der niederdeutichen (mie 
fie namentlich in der norbijchen Thidrelsſaga erbal- 
ten ift) 5. ein treuer Genofje Dietrich wird, fucht er 
nach der oberdeutichen Sage, wie fie in «Eden Aus 
abrt» erhalten ist, jeinem neuen Herrn und Genoſſen 
inde zu erweden, um feinen Bruder zu rächen, und 
wird deshalb von Dietrich felbit erjchlagen. 
adquelle, €. (ipr. fastell), franz. Verlags: 
buchhandlung, ebemals Eharpentier, G. & €. Fass 
quelle (f. d.), ift ſeit 1896 im alleinigen Befiß von 
E. Fas quelle und trägt feitdem dejjen Namen. 
af, ein aus Dauben und Reifen zufammenges 
festes hölgernes Gefäß, welches oben und unten 
dur einen Boden rer ift. Der Boden paßt 
enau in die Nut oder Zarge ein, welde in die 
auben eingerifjen ift. Bei allen 5. muß die Weite 
nah dem Boden zu Heiner ald in der Mitte fein, 
weil fonft das Antreiben der Reifen bis zum Weit: 
Den derjelben unmöglich wäre. Ebendeshalb pür: 
en auch alle übrigen Gefäße, die der Küfer aus 
Dauben mat, keine cylindriſche 
Geſialt haben; fie müfjen ver +-d— 
jüngt zugeben. Ein %. wölbt ſich 
um jo mebr, je größer fein Faß⸗ 
De oder ber rg feiner 
äußern Weite am Baude und 
über den Anden genommen wor: 
den ift. Außer den runden F. 
ftommen aud ovale F. vor. Zur 
Beitimmung des Inhalts des %. benußt man den 
Vifterftab (j. d.) oder folgende Formel: 
J=!arh(2D* + d?), 
in welcher nach vorſtehender Figur h den Abftand der 
Böden, D’ den Spunddurchmeſſer, d den Bodendurch⸗ 
mefjer und m die Ludolfſche es (f. d.) bedeutet. 


über die Herftellung der F. ſ. Faßfabrilation. 

af, älteres Getreide und or feitäömaß von 
verſchiedener Größe, und älteres Flüfligleitamaß in 
Deutſchland, einigen Schweizer Kantonen, Diter- 
reich, Ungarn und andern Ländern. Im Deutjchen 
Reihe war 5. nad der Maß- und Gewichtsord⸗ 
nung vom 17. Aug. 1868 eine Nebenbezeihnnung 
für das Heltoliter von 100 1, die durch das Geſeß 
vom 11. Juli 1884 wieder abgeicafft wurde. 

1) Getreidemaß. In Hamburg und Altona 
war das F. von 2 Himten oder Himpten jeit Mai 
1844 = dem preuß. Scheffel = 54,615 1, vorber aber 
= 52,74 1 = 0,0597 preuß. Sceffel. In Lübed 
war das F. zmeierlei: im Großvertebr für Weizen, 
Roggen, Gerite und Erbien = 8,735 1, im Groß: 

andel für Hafer und auf dem Markte für alle 
Früchte = 9,8785 1. 

2) Flüffigleitsmaß. In Preußen war beim 
Biermaß das F. von 2 Tonnen = 2300 Quart = 
12800 preuß. Kubitzoll = 229 1. In Seipiig (bis 
Ende Dit. 1858) war beim Meinmuß das F. von 
5 Leipziger Eimern = 379", 1; beim Spiritusmaß 
im Großhandel das F. von 3 Dresdener Cimen — 
202,087 1, meijt dem preuß. Orboft (von 206,105 1) 
aleichgerechnet; beim Biermaß das F. von 2 Vier- 


Faſſa — Faßfabrikation 


rin, 4 Tonnen oder 6 Eimern = 520, 1. In 
Iresten und jeit 1. Nov. 1858 in ganz Sachſen 
war das F. für Mein u. ſ. w. von 6 Dresdener oder 
läd. Eimern oder 432 Kannen = 404,17 |, das 
J. für Bier von 2 Vierteln, 4 Tonnen oder 5°], 
neimern oder 420 Kannen = 392,8 1. In 
Bapern (mit Ausnahme der Rheinp a) batte das 
B- ter 24 Bifiereimer oder 1536 Map = 66048 
apr. Decimaltubitzoll = 1642,08 1. In Hamburg 
begrifi das 5. Thran 7'/, Stechlannen oder 1*), alte 
Ibrantonnen = 1471 und wurde an Gewicht zu 
135 kg gerechnet. In Lübed war das F. für Brannt: 
mein dem Meinorboft gleich, alſo = 218”), 1, das 
5. für Bier von 4 Antern oder 20 Vierteln=149,021. 
In — begriff das F. für Mein 10 Eimer oder 
400 Maß = 565,89 1, das F. für Bier 2 Eimer oder 
5 Mak = 113,181. In Böhmen war bid Ende 
Vai 1856 das 5. von 4 Eimern für alle Flüffig: 
leiten = 172,8 Wiener Maß = 244,481. In Ungarn 
famen drei verſchiedene Weinmaße des Namens F. 
vor: das oberungarifce F. oder Tofajer Weinfaß 
von 2°, ungar. oder Preßburger Eimern oder 176 
Halben (ungar. Icze) = 149,s184 1 (j. Antal), das 
Grlauer F. von 3 ungar. Eimern oder 192 Halben 
= 162,928 l und das Göngzer F. von 2"), ungar. 
Eimern oder 160 Halben = 135,789 1 (in Preu en 
= 128 preuß. Quart gerechnet); der ungar. Eimer 
von 64 Halben war = 54,2976 1; man rechnete in 
Sjterreih auch wohl 100 ungar. Eimer = 94 Wie 
ner Eimer. Im Schweizer Kanton Bern war das 
«gemeine %. von 4 Saum, 16 Brenten (Eimer) 
ever 400 Maß (Pinten) = 668°), 1, das Landfaß 
aber = 1'j, gemeine F., 6 Saum, 24 Brenten oder 
600 Maß, jonad = 1002, 1. In den Niederlanden 
ist 3. (Bat) eine Nebenbenennung für das Flüſſig⸗ 
teitämaß Heltoliter. 
Fafſa, Dal — nd 
die oberite Stufe ded vom Aviſio durcflojjenen 
Tbals in der Bezirläbauptmannihaft Cavaleſe in 
Zirol (j. Karte: Tirol und Vorarlberg), 25km 
lang, 1—2 kın breit, in 12— 1500 m Höbe gelegen, 
umgeben von den ſchroffen Dolomit: und Porphyr⸗ 
gipieln der Marmolada (3494 m), des Langtofl3 
(3179 m) und des Roſengartens (2986 m), bildet 
einen eigenen Gerihtäbezirt (235,38 qkın) mit 7 Ge 
meinden, 12 Ortichaften und (1890) 4247 ladi« 
niiben €. Der Hauptort Vigo di F. (1388 m) an 
der rechten Thaljeite zählt 738 E. Der wichtigſte 
Buntt nädjt Bigo di * iſt Campitello (1453 m), 
10 km oberhalb Vigo, mit 518 E. Der Aviſio ent: 
feringt aus den Gletichern ver Narmolada, fließt im 
allgemeinen nah SW. und mündet in der Nähe von 
Lavis in die Etſch. BeiMoena (1757 E.,1181m) bes 
ginnt die zweite Stufe, das Fleimjer Thal (Val 
di Fiemme), gegen 38km lang. Hauptort ift Cava⸗ 
leſe (j. d.); für Mineralogen und Geologen wichtig 
Predazzo (2912 €., 1017 m). Das safja: und 
Fleimſer Thal ift in geognoft.mineralog. Beziehung 
weltberübmt. Die unterjte Stufe Baldi Gembra 
(Zimmertbal), von Bal Floriana an 34 km lang, 
it eng. Hauptorte find Gembra (1692 €.), Sitß des 
Bezirfägerichtä, und Segonzano (1744 E.). Die Be: 
wohner des Fleimſer und Zimmerthals find jetzt ital. 
Zunge, während früher eine große Zahl deutſch war. 
Falfä, Feſa over Baja, Stadt in der perſ. 
Provinz Farfiftan, im SO. von Schiras, in hobem 
Thale der Rafrehberge, bat ihren alten Glanz gänz- 
lich eingebüßt, ift jedoch durd ihre Golpitidereien 
und Brolate noch jest berühmt. Bis zum 13. Jahrh. 
Brodbaus’ Konveriationdsteriton., 14. Aufl. X. A. VI 


481 


unter der Herrſchaft der Bujiden und der Seldſchulen 
rivalifierte F. mit Schiras. 
aſſade, j. Façade. 
affait, ein laͤuch⸗ oder ſchwärzlichgrüner, in 
meiſt jtarl glänzenden, jbarflantigen Krpitallen vor: 
fommenber, nad jeinem Hauptvorkommen im Faſſa⸗ 
thal genannter Augit (ſ. d.). 
affäner Dolomite, f. Faſſa und Dftalpen 
affathal, ſ. Faſſa. [D, 16. 
afbinder, ſ. Faßfabrilation. 
afibrũcken, Brücken, die aus untereinander ver⸗ 
bundenen, waſſerdicht verſchloſſenen leeren Fäſſern 
beſtehen, welche, im mn ſchwimmend, die Unter: 
lage für einen Balten=, Bretter: oder Boblenbelag 
bilden, wie er bei liberjchreitung von Gewäſſern be: 
nugt wird. %. fpielen insbeſondere als Feldnot— 
brüden im Kriege und als vorläufige Verlehrswege 
wäbrend des Baues an Flüfjen eine wichtige Rolle. 
Fahfabrifation, die jabritmähige Heritellung 
der mit Faß (f. d.) bezeichneten hölzernen Gefäße. 
Die Anfertigung von Fäſſern aller Art war jeit den 
beiten Zeiten der inbuftriellen Entwidlung Gegen: 
tand eines eigenen,vonden$aßbindern(invielen 
Teilen Deutichlands auch Böttcher, Büttner oder 
Küfer genannt; das Gildenwappen zeigt Tafel: 
—J—— appen U, Fig. 8) zunftmäßig betriebenen 
andwerks; noch um 1860 bildete diejelbe in allen 
Kulturländern einen Zweig des Kleingewerbes. In 
Amerita begann man um dieje Zeit die Heritellun 
ber Seller im großen mit Hilfe geeigneter Special: 
maſchinen zu betreiben, und die Wiener Weltausitel: 
lung von 1873, welche die amerifanijche 5. mit ihren 
gewaltigen Hilfsmitteln zum erjtenmal zur allgemei» 
nen Anſchauung brachte, regte aub in Deutjchland 
zu gleihartigen Beitrebungen an. Gegenwärtig hat 
dieje noch junge Induſtrie ſchon eine hervorragende 
wirtihaftlihe Bedeutung erlangt. — Dauben und 
Böden werden meijt aus gutem Eichenbolz, zu 
Fäſſern fürtrodne Materialien (Cementfäſſeru. ſ. m.) 
auch aus geringwertigern Hölzern verfertigt. In 
neuefter Zeit wurde auch verjucht, das Rotbuchen: 
bolz dur Jmprägnieren für Petroleumfäſſer ver: 
wendbar zu mahen. Die Reifen werden entweder 
aus Holz oder Eifen bergeftellt. Die deutſche Me: 
tbode der F. beſteht im mejentlihen aus folgenden 
Arbeitsprozefien. Die geipaltenen und getrodneten 
Daubenjtäbe werden zuerjt auf einer Daubenab» 
fürzjäge zu der für das betreffende Faß erforder: 
lihen Länge pejnsätten. Eine Daubenbobel: 
maſchine bobelt die für die äußere und innere 
Faßfläche bejtimmten Breitfeiten. Die Dauben tom: 
men dann in die Daubenfügemajdine, in der 
vie als Fugenflächen bejtimmten Schmaljfeiten ab: 
negliben werden, was auch auf der einfadhern 
Daubenfügefäge gefheben kann. Die fo vorbe— 
reiteten Dauben werden mittel3 der Au Jiebfo rm 
zufammengejeßt und durh die Faßbiegema— 
ſchine zur genauen Faßform zufammengebogen. 
Hiernach wird das noch bodenloje Faß über einem 
‚euer getrodnet. Leichte Fäljer, die auf der Faß— 
—— oft 5. werden, übergiebt man noch 
einer beſondern Egaliſiermaſchine. Nach dem 
Irodnen und — bei großen Fäſſern zum 
Teil auch vor dem Trocknen, werden mit der Rei— 
fenziehmaſchine die Arbeitsreifen aufgezogen. 
Bei kleinern Fäſſern wird dieſe Operation zuſam— 
men mit dem Egaliſieren auf einer einzigen Ma— 
ſchine ausgeführt. Zur Bildung der Böden werden 
die einzelnen, auf einer Bandſäge vorgeſchnittenen 
31 


482 


Brettitüde aufperBodenausgleihe:und Füge: 
maſchine jauber bearbeitet und dann durch Dübel 
Free ei worauf der Boden noch auf der 

odenabrundemajhine gerundet und am 
Rande abgefalzt wird. Die zur Aufnahme der Böden 
dienenden Furchen (Kröjen, Zargen) auf der Innen: 
feite des Faſſes werden auf der Kröſemaſchine, 
einer Art Drebbant, bergeitellt. Die Faßſpunde wer: 
den auf Facondrebbänfen angefertigt. Bierfäfler wer: 
den auf Faßpihmafchinen gepicht. Die amerif. 
Methoden der %. find von den deutichen abweichend. 
— Pol. Voigt, Fabrikation, Berechnung und Bifieren 
der Fäller (Wien 1893); Schmidt, Der Großböttcer. 
Ein Hand: und Lehrbuch für Faßbinder (2. Aufl., 
Elberf. 1897). 

Fahgeläger, der beider Nachgärung des Weins 
am Boden des Faſſes fich bildende Abſatz, ver 
wefentlih aus Weinſtein und Hefe beftebt. 

afglafur, ſ. Bed. 
affion, aub Fatierung (vom lat. fateor, be: 
fennen), Geftänpnis, Belenntnis; dann Angabe, 
befonders der zu verjteuernden Summe bei der Ein: 
fommenfteuer; dazu das Zeitwort fatieren. 
afnacht, ſ. * 
afſogl, Landſchaft im Sudan, ſ. Fafoll. 
akfhnede, f. Tonnenfchneden (Bd. 15) und 
Tafel: Shusmittelder Tiere, Fig. 15 (Bd. 17). 
Faßſteuer, f. Bierfteuer. 
aftonnen, |. Betonnung. 
affung, bei Sg re die Befefti- 
gun der Edelſteine (ſ. d. in Gold: oder Silberblech. 
ie geſchieht entweder «im Kaſten⸗ —— ſo daß 
vie untere Seite des Steines von einem Blech um— 
eben ift, oder & jour (f. d.), jo daß die Rüdfeite 
rei liegt. Im erjtern Fall wird durch den Glanz des 
Metalls das Feuer des Steines noch erhöht. 

Faffungsfraft, Kapacität, die Fäbigteit, 
eine mitgeteilte Borftellung oder Vorjtellungsreibe 
oeikie aufzunehmen und zu verjteben. 

aftzug, ein Hilfswerkzeug für Böttcher, das 
den Zmwed bat, die Dauben eines Fafies, welche an 
ihren obern Enden bereit3 dur Reifen verbunden 
find, unten aber noch weit auseinander ſtehen, auch 
bier zufammenzuzieben, um die Reifen antreiben 
zu können. 

—8* (pr. -abiche), f. Fuſtage. 

aften, in phyſiologiſchem Sinne die gänz: 
lihe oder teilweiſe Entbaltung vom Genuß der 
Nahrungsmittel, namentlih der fräftigern, blut: 
erzeugenden, z. B. von Fleiſchſpeiſen. fiber die 
— Wirkungen des F. ſ. Hunger. 
as F. als religiöſer Gebrauch war zum Zei: 
chen der Trauer, zur Förderung der Andacht, zur 
Vorbereitung auf wichtige Entſchlüſſe und Thaten, 
urlibung in der Enthaltſamleit, endlich als der Gott: 
eit wohlgefälliges Wert der Selbftverleugung bei 
vielen Völlern des Altertums üblih. Die Juden 
waren durch das Gejeh nur am Berjöhnungsfeite 
Be 5. verpflichtet, fafteten aber auch an ben jäbr: 
ichen Erinnerungstagen nationaler Unglüdzfälle, 
und im pharifäiichen Judentum zur Zeit Jelu galt 
regelmäßiges F. als Wert befonderer Frömmigkeit. 
Später ordnete der Talmud das %. in bejtimmter 
Meife. Jetzt haben die Juden außer dem Verſoh— 
nungstage vier Hauptfajttage. Aus dem Juden— 
tum und aus gleichzeitigen ascetiſchen Richtungen 
des Heidentums ging, troß der freien Stellung, die 
Jeſus in Beziehung auf das F. eingenommen und 
als Grundfag verkündet hatte (Mattb. 9, ı14-ı7; 


Faßgeläger — Faſten 


vgl. 6, 16—18), das regelmäßige F. auch in die chriſtl. 
Kirche über. Sehr gefördert wurde es durch Die Mon: 
taniiten (ſ. d.) und das Klojterleben ſowie durch die 
rl —— Meinung, dab es ein vorzüg: 
iches Mittel fei, bei Gott Vergebung der Sünden 
zu erlangen. Anfangs pflegte man während der 
40ftündigen Zeit ver Örabesrube Jeſu (nab Matth. 
9, 15) und jeden Mittwoch, ald dem Tage des Ber: 
rats, und Freitag, ald dem Tage des Todes Jeſu, 
ufaften. Die griech. Kirche bat diefe beiden Wochen: 
ajttage feitgebalten, in der abendländifchen wurde 
der Mittwoch ſchon im 4. Jahrh. mit dem Sonn: 
abend vertauict. 

Die wöhentlihen Fafttage, an denen jedoch 
nur halbe %. (semijejunium, d. h. bis 3 Uhr nach⸗ 
mittags) beobachtet wurden, hießen Wachtage 
lat. stationes oderdies stationum). Das 40ftündige 

. vor Dftern verlängerte fih bald nad dem von 

ojes, Elias und Jeſus gegebenen Vorbilde in ein 
40tägiges (jejunium quadragesimale, Duadra: 
gelimetiehen, franz. caröme). In der gried. 

irche, die das F. am Sonnabend ald dem urfprüng: 
lihen Schöpfungsfeiertage verwarf, begann das 5. 
am Montage nah Seragefimä, in der römischen am 
Aſchermittwoch (j.d.). An den Sonntagen wird in 
beiden Kirchen nicht gefaitet. Später lam nod das 
5 an den Borabenden der wichtigſten Apoitel: und 
eiligenfefte (Borbereitungsfaften, Vigilienfaften) 
binzu, fowie das F. in der Adventszeit und das 
Quatemberfajten (f.d.). In der gried. Kirche haben 
ch neben einigen andern Faſttagen vier große 
aftzeiten ausgebildet: das Weihnachtsfaſten oder 
poſtel⸗Philippus⸗Faſten, vom 15. Nov. bis 24. Deʒ. 
das —— vor Oſtern; das Apoſtel⸗ 
aften vor dem Peter: Paul: Feit, vom Montage nad 
rinitati3 bis 29. Juni, und das Muttergottes- 
faften vor Mariä Himmelfahrt, vom 1. bis 14. Aua. 

Die röm.:tath. Kirche unterfcheidet das natür- 
lie F. — naturale oder totale), die voll⸗ 
tommene Nüchternheit 3. B. vor Empfang der bei- 
ligen Kommunion, und das kirchliche ö (jjunium 
ecclesiasticum), bei diefem wieder volles 5. (jeju- 
nium plenum), d. b. nur eine Mahlzeit täglih und 
dieje ohne Fleiſchgenuß, und Abſtinenz (jejunium 
semiplenum), Entbaltung von Fleiſchgenuß, mozu 
Fiſche und im Wafler lebende Tiere, wie Fiſchottern, 
nicht gerechnet werden. Zur Abjtinen; find Die 
Kinder vom 7. Sabre an verpflichtet; die flich⸗ 
tung zum kirchlichen F. beginnt mit dem 21. Jahre 
und dauert bis zum 60. Krankheit, Armut und 
ſchwere Arbeit entbinden von der Bfliht. Außerdem 
aber find vielfahe, dur die Biihöfe oder in ein: 
— Fällen duch die Beichtiger zu erteilende Er: 
eihterungen und Dispenje üblih (ſ. Faftenbrief 
und Butterbrief). Während das allgemeine Fajten: 

ebot —— auch den Gehorſam gegen Die 

irche üben joll, wird in befondern Fällen das F. 
nad der Erklärung des Tridentinifchen Konzils ein 
vorzügliches Mittel zum Abtöten des Fleiihes, für 
die Einzelnen zur Buße und jur Gewinnung von 
Abläjfen angeorbnet. — Qutber erflärte das F., Das 
er allem kirchlichen Zwange enthob und durch das 
man nicht etiwas bei Gott verdienen könne, für eine 
«feine äußerliche Zucht». Als ſolche bat es ſich in 
der evang. Kirche allgemeiner bis in die Mitte des 
18. Zabrb., in manden Gegenden und Bevölke— 
rungstreijen noch viel länger — — Bei den 
— — wird das F. als ſehr verdienſtlich 
angeſehen. Der Koran gebietet ed vornebmlich im 


Faftenbregel — Fasti 


Nonat Ramadan und beftimmt, daß Krante oder 
Reilende, die im Ramadan nicht feiern können, zu 
anderer Zeit fajten follen. Außerdem beobadten 
die Mobammedaner aub F. an heiligen Tagen, 
jo am nen Tage des Monats Mubarrem, der mit 
dem Berjöbnungstage der — zuſammentrifft. 


enbre regel. 
» Jaftenmandat oder Falten: 
patent, das Ausicreiben, das der Biſchof vor 
dem Quabragefimalfajten — an die Gläu⸗ 
bigen jeiner Diöcefe zu erlafien pflegt, um mitzu⸗ 
teilen, wie eö mit dem Falten oder den Dispenfen 
davon gebalten werben joll, in der Regel mit einem 
Hirtenbrief (f. d.) allgemeinen Inhalts verbunden 
(Faften:Hirtenbrief). 
enmonat, ſ. Mubarrem. , 
ftenpredigten, in der latb. Kirche die wäh: 
rend der 40tägigen Faften vor Oſtern in außer: 
ordentlihen Gottesdieniten, namentlih in großen 
Städten, meift von angefebenen Repnern gehaltenen 
Bußpredigten. Auch in der evang. Kirche find in 
elben Zeit (Paſſionszeit) befondere Predigten 
über die eg erg Ehrifti üblih. 
Faſtenrath, Johs., deutſch-ſpan. Schriftiteller, 
geb.3. Mai1839 ii emſcheid, widmete ſich 1856—60 
ın Bonn, Heidelberg, Münden, Baris und Berlin 
juriftifchen und daneben litterarhijtor. Studien, gab 
aber bie jurift. Laufbahn auf. Er —— 1862 
Italien, 1864 Spanien, bearbeitete das Luſtſpiel 
«Hezept gegen Schwiegermütter» des fpan. Dichters 
Don Manuel Juan Diana & bie deutſche Bühne 
und bidtete dann in deutſcher Sprade im Geijte 
der jpan. Boefie: «Ein fpan. Romanzenjtrauß» (Lpz. 
1866), «Klänge aus Andalufien» (ebd. 1866), «Die 
Wunder Sevillas» (ebd. 1867), «Hefperifche Blüten» 
(ebd. 1869) und «Immortellen aus Toledo» (ebd, 
1869). 1869 begab er De abermals nad Spanien. 
Die Frucht diefer Reife war «Das Buch meiner 
fpan. Freunde» & Bde., Lpz. 1870), das außer 
Driginalpoefien Übertragungen der beiten Gedichte 
der zeitgenöffiihen Poeten Spaniens enthält. 1870 
veröffentlichte 5. «Den deutjchen Helden von 1870. 
Kriegs: und Siegeslieder» (1. bis 6. Aufl., Leipzig). 
Sein Buch «La Walhalla y las glorias de Alema- 
nia» (Bd. 1—6, 1872—87) führt den Spaniern 
beroorragende Kerfönlichteiten eutihlands von 
Armir bis zur neuejten zeit in Ejjays vor. 1879 
reifte F. zum bdrittenmal nah Spanien und bes 
ichrieb 1882 in dem Buche «Galderon in Spanien» 
(2. Zeil feiner Feſtſchrift «Galveron de la Barca», 
2ps. 1881) die Madrider Galderon : Feitlichleiten. 
Außerdem überfeste er «Bruder Martins Vifion» 
von Nuñez de Arce u.d.T. «Luther im Spiegel 
ipan. Poeſie⸗ (3. Aufl., Lpz. 1881), die «Leyenda de 
Noche-Buena» von Ventura Ruiz Aguilera u.d.T. 
« Stimmen der Weihnacht⸗ (ebd. 1880), —— 
Simenez» von Yuan Valera (ebd. 1882), die beiden 
ramen aIm Schoße des Todes» (ebd. 1882) und 
«Die Frau des Rächers» (Wien 1883) von Jose 
€ rap, gab «Bon Hochzeit zu Hochzeit, Lieder 
aus jonnigen Tagen» (ebd. 1883) heraus, jpäter 
Granadiniſche Elegien» —— 1885), durch das 
furhtbare Erdbeben in Andalufien hervorgerufen, 
und «Fi de l’Allemagne contemporaine» 
(2. Aufl., Bar. —— Den Manen Alfons’ XII. 
widmete er «Die zwolf Alfonſos von Caſtilien⸗ (Lpz. 
1886), ein poet. Bild der ſpan. Geſchichte. Ferner 
veröffentlichte _&. «Catalanifhe Troubaboure der 
Gegenwart» (2p3. 1890), die Übertragung der cata= 


483 


laniſchen Trilogie «Die Pyrenäen» (ebd. 1892) von 
Victor Balaguer und die Studie «Chriſtoph Colum⸗ 
bus» (Dresp. a ber die von F. ins Leben 
gerufenen Blumenfpiele in Deutihland ſ. Jeux 

oraux. 

aftentuch, foviel wie Hungertuch (f. d.). 
asti I —— dies), ſeit den fruheſten 
Zeiten in Rom Name der Tage, an welchen Recht 
geſprochen werden durfte, im Gegenſatz zu den dies 
nefasti, an denen dies unftattbaft war. (©. Dies.) 
Mit der Zeit dehnte man den Ausdruck F. auf die 
Verzeichniſſe aus, die über die —— Ge 
richtstage aufgeftellt wurden. Auf Grund eined von 
dem Adil Gnäus Flavius (304 v. * veranlaßten 
Voltsbeihlufjes wurden dieſe Verzeichniffe, welche 
die Bontificed anfertigten, bis dahin aber niemals 
veröffentlicht hatten, von da ab auf Tafeln 
aufgeihrieben und allgemein belannt gemacht; fie 
vertraten nunmehr die Stelle eines Kalenders (j. d.). 
Sie führten alle Tage des Jahres, durch bie 12 
Monate hindurch, einzeln auf, zeigten die Tage, 
auf welde Kalendae, Nonae und Idus fielen, an 
und machten die Tage, an welchen Gericht gehalten 
wurde, mit einem F. (F. dies) lenntlich, die andern 
mit einem N. (Nefasti dies), die zu Gerichtöfigun: 
ge ſowie zur Wahl der Obrigfeiten, Faſſung von 
eſchluſſen über Gejege u. |. w. geeigneten Tage 
mit einem C. (Comitia), die Tage, auf welche Feite 
fielen, mit NP., endlich die halben Gerichtätage mit 
EN. (Endotereisi oder Intercisi). Außerdem find 
in den erhaltenen Kalendarien die Tage in Ab- 
ſchnitte von je acht geteilt, indem in ununterbrodyes 
ner Reihenfolge ven Tagen je die Buchſtaben A—H 
beigefchrieben find. Es werben dadurch adhttägige 
Wochen ähnlich unjern Wochen bezeichnet. Seit der 
Belanntmahung des Kalenders durch Gnäus la: 
vius wurden aud von Privatperfonen Kalender 
a auf Tafeln und in Büchern veröffentlicht, 
owie mit erflärenden Kommentarien verjehen. 
re ift eine amtliche Redaktion aus dem 
4. Jahrh., geichrieben von F. Dionyfius Philocalus, 
und eine chriſtl. Umarbeitung von Polemius Syl: 
vius aus dem 5. Jahrh. n. Ehr. erhalten. Bon den 
inſchriftlich überlieferten Kalendarien, welche jämt: 
li aus der erjten Raiferzeit herrühren, ift das ein 
dee vollitändig aufgefundene, von jeinem erften 
ejiger Maffei das Calendarium Maffeianum ge 
nannt ‚im Original wieder verloren gegangen und 
nur durch alte Abfchriften und Ausgaben erhalten. 
Unter den Brudjtüden auf Stein gegrabener F., 
deren Zahl durch neue Funde fich immer mehr ver: 
—— bat, find wichtig die 1770 entbedten F. 
raenestini (die Monate Januar bis April und 
den Monat Dezember enthaltend, bg. von Foggini 
u. d. X. «Fastorum anni Romani reliquiae», 
Rom 1779) wegen der auf ihnen angebrachten Be: 
merkungen des gelehrten Grammatiterd Berrius 
Flaccus, der fie für die Stadt Präneſte (Paleſtrina) 
abfaßte, ferner das Calendarium Vaticanum (die 
Monate März, April und Auguit enthaltend), das 
Calendarium Venusinum und Esquilinum (in beis 
den Mai bis uni), Farnesianum (Februar bis 
März). Verſchiedenen Inhalts waren die F. consu- 
lares oder F magistratuum, Verzeichniſſe der jähr: 
lichen höchſten Magiftrate. Bon einem ſolchen, unter 
Auguftus auf Marmortafeln eingegrabenen, bie 
765 nad —— Roms reichenden Verzeichniffe 
wurden 1546 n. Chr. am forum Romanum be 
deutende Fragmente aufgefunden, zu denen im 
31* 


484 


19. Jahrh. noch einige neuentdedte famen. Sie wer 
den auf dem Kapitol im Palazzo dei Confervatori 
als F. Capitolini aufbewabrt und wurden von Bor: 
gheſi («Nuovi frammenti dei fasti consolari capito- 
liniv, 2 Tle. in 1 Bd., Mail, 1818—20) heraus: 
gegeben. An fie ſchließen ſich die F. triumphales 
an, Verzeichnifie der Namen der Triumpbatoren in 
chronol. — nebſt Angabe des beſiegten Volts 
und des ge des Triumphs. Aucd von ihnen 
und andern F., namentlich von Prieſterſchaften (F. 
sacerdotales), haben fich innerbalb und außerhalb 
Roms Fragmente erhalten. — Vgl. de Boor, F. 
censorii (Berl, 1873); Webrmann, F. praetorii 
(ebd. 1875); Hölzl, F. praetorii (%pz. 1876); Klein, 
F. consulares (ebd. 1881); Cichorius, De fastis 
eonsularibus antiquissimis (ebd. 1886); Seed, Die 
Ralendertafel der Pontifices (Berl. 1885); Kauf 
mann, Die Falten der jpätern Kaiſerzeit (im «Phi: 
(oqus», Bo. 34, Gött, 1874); Leviſon, F. praetorii 
(Bre3l.1892); Schön, Das capitoliniiche Verzeichnis 
der rom. Triumpbe (Mien 1893). Eine Ausgabe des 
geiamten auf die F. bezüglichen inſchriftlichen Da: 
teriald findet fih in Band 1 des «Corpus inscrip- 
tionnm Latinarum» (Berl. 1863; 2. Aufl. 1893 fg.). 

Faſtidiös (lat.), Ekel, Wivderwillen erregend 

oder: jolden begend, dußernd. 

Fasti Limburgönses (over Fasti Limpur- 
enses), Chronik von der Stadt und den Herren zu 
imburgan der Lahn, bas Wert des Notars (clericus 

uxoratus bezeichnet er fib audb) Tileman Elben 
von Wolfbagen (Nieverbeiien), geb. 1347, ge 
ftorben wabrſcheinlich 1402. Er machte fich ſeit 1377 
Aufzeichnungen und ging wohl bald darauf an die 
Ausarbeitung, die mit 1398 plötzlich abbricht und 
fpäter von van und Adam Emmel und dann no 
einmal von Xobann Mechtel (bis 1612) weiter ge: 
führt ward. Die F, L. find befonders dur die Auf: 
nabme voltstümlicher Erzäblungen, Schwänte, 
Moveberichte, Sprüche und namentlich der damals 
efungenen Lieder wichtig, ein vortreffliches Seiten: 
tüd zu der oberdeutihen Zimmeriiben Ebronit 
(1. d.). Neuere Ausgabe von A. Wyſs in den «Monu- 
menta Germaniae historica» («Deutfche Ebronilen», 
Bo.4, Abteil. 1, Hannov. 1883). — Val. Wois, Die 
Limburger Ebronif unterfuht (Marb. 1875). 
Faſtnacht, in der Schweiz, in Schwaben, im 
Elſaß und in Thüringen richtiger Faßnacht (Fas— 
nacbt, Faſenacht, vom alten Verbum fasen = 
fajeln), ſchon in der ältern deutichen Sprade Name 
des dem Aſchermittwoch (f. d.) vorangehenden Tags. 
Um jich für die beporjtebenden Entbehrungen der 
Faſtenzeit, wodurch auf vollsetymolog. Mege F. 
entitanden ift, ſchadlos zu balten, beging man jeit 
frübeiter Zeit die F. mit Gelagen (Faſtnachtſchmäu— 
ſen), Voſſen (Faſtnachtſpielen, j. d.), Tänzen, Mas: 
feraden u. ſ. w., woraus ſich allmäblid der Kar: 
neval (ſ. d.) oder Faſching berausbildete. Die 
Eitte aebt in die altgermaniiche beidn. Zeit zu: 
rüd, mo man das Feſt der wieder erwachten Natur 
feierte. Hiermit bängt es zujammen, daß in vielen 
Gegenden die Zeit der F. noch beute als beilig gilt; 
beionvders für den Flachs, das Geflügel und den 
häuslichen Wohlſtand ift fie von Bedeutung. Ge: 
wiſſe Gerichte müflen an diefem Tage gegeſſen 
werden, vor allem Hirje. Gewiſſe Verrichtungen 
müjlen gemieden werden; jo darf man nicht aufs 
Feld neben, nicht ipinnen; die Hausfrau darf nicht 
zum Brunnen geben. Dagegen joll getanzt und 
Bier getrunfen werden. Träume in der F. neben 


Faſtidiöss — Fatalismus 


ebenfo in Erfüllung mie die Träume der Zwölf 
Nächte. — Bol. Wuttle, Der deutiche Vollsaber: 
glaube der Gegenwart (3. Aufl., Berl. 1900). 

Faftnachtipiele, die ältejte Form des deut⸗ 

hen Luftipield. Sie werden häufiger im zweiten 

rittel des 15. Jahrh. und verichwinden im 
17. Jahrh. Der Haffiihe Boden der F. war Nürn: 
berg; einige find fonft in Suddeutſchland, in Tirol 
und der Schweiz zu Haufe, wenige in Niederdeutich- 
land (beionders in Lübed). Die alteſten find zu Faſt⸗ 
nacht nicht öffentlich, wie dies ſpäter der ift, 
jondern in Brivatbäufern von jungen Leuten aus 
dem Bürgerjtand, die von einem Haufe ins andere, 
aus einer Kneipe in die andere zogen, ohne beſon⸗ 
dere fceniihe Vorbereitungen aufgeführt worden. 
Sie ftellen in kurzen Scenen und mit ausgelaflenem 
derben Wi, der die gröbiten Boten und Unfläte— 
reien nicht fcheut, Charaktere und Scenen aus dem 
täglichen Leben, namentlib auch des Bauernſtan⸗ 
des, dar; meift find fie nur undramat. Aufzüge 
tomifcher oder topifcher Figuren, die jede fih mono= 
logiſch ſelbſt fhildern; beliebt war aud die Form 
eines Prozejjes mit Anklage, Gegentlage oder Ver: 
teidigung und endlibem Sciedsiprub; aud der 
Arzt inmitten tranter Bauern, die Bauernhochzeit, 
die komiſche Disputation waren häufige Themata. 
Auf einer jpätern Stufe behandeln die F. Aneldoten, 
Schmwänte und Novellen von beiterm Ebarafter; 
auch politifch:fatiriihe und moraliſche F. tommen 
vor, doch gebübrt ibnen beſſer der Titel «Spiel». 
Von den wenigiten der zahlreichen F. des 15. Jabrb. 
fennt man die Berfafler; von einigen werben Hans 
Nofenblüt und Hans Folz als Dichter genannt, 
denen au noch mande andere gebören werben. 
Im 16. Jahrh. find als Dichter von F. vor allen 
Hans Sad, deſſen F. zu feinen beiten Shöpfungen 
gehtren, t. Rrobtt und Jalob Ayrer zu rübmen. 

ine reibe Sammlung der F. des 15. Jahrh. beforate 
A. von Keller (3 Bde. und 1 Bd. Nachleie, Stutta., 
«Bibliothek des Litterariichen Bereins», 1853—59); 
andere bieten Dsw. Zingerle, «Sterzinger Spiele» 
(Mien 1885), Seelmann, «Dlittelniederdeutihe 5.» 
(in den «Druden des Vereins für niederdeutiche 
Sprabforihung», Bd.1,Norden 1885), diedes Hans 
Sachs giebt E. Götze in den «Neudruden deuticher 
Fitteraturmwerte des 16. u. 17. Jabrb.» (Halle 1880— 
87). — Vol. 2. Lier, Studien zur Geibichte des 
Nürnberger Faſtnachtſpiels (Nürnb. 1889); Michels, 
Studien überdieälteften deutſchen F. (Straßb. 1896) ; 
Kaifer, Die F. von der actio desponsu (Gött. 1899). 

Fastöso oder fastosamente (ital.), mufilalifche 
Vortragäbezeichnung: prädtig, feierlich. 

Fafträda, Tochter des ojtfränt, Grafen Radolf, 
warb 783 die dritte Gemablin Karla d. Gr. Ihre 
Grauſamkeit joll veranlaft haben, daß ih 792 
mebrere Franken mit Karls Sobn Pippin dem 
Hödrigen genen das Leben des Königs verihmworen. 
F. ftarb 10. Aug. 794 in Frankfurt. 

Faesülae, der alte Name für Fieſole (. d.). 

Fat (fr;., ipr. fatt), Ged, Einfaltäpiniel. 

Fata, Mebrzabl von Fatum (f. d.); ald Weſen 
der roman. und telt. Vollsſage, ſ. Feen. 

Fatal (lat.), vom Schidfal beftimmt, verhängnis⸗ 
voll, widerwärtig; Yatalität, Schidung, Mißge— 
ſchick, unangenehmer Zufall, 

Fatalien (lat.), ſ. Notfriſten. 

Fataliémus (lat.), die auf dem Glauben an ein 
Fatum (f. d.) berubende, weder von Furcht noch won 
Hoffnung berübrte Gle’hgültigleit gegen die Zu— 


Fata morgana — Fatra 485 


tuuft, befonders in Beziehung auf das eigene Wohl: 
ergeben. Der F. iſt bauptfäclie be Gebiet des 
lams verbreitet. Fataliſt, ein Anhänger bes F. 
Fata morgäna (ital.), atmofphäriiche Erſchei⸗ 
uungen, die auf Lu tfpiegelung (f. d.) beruhen. (©. 
atehpore, ſ. Fatihpur. lauch Morgana.) 
teſh. 1) Areis im nördl. Teil des ruſſ. Gou— 
vernements Kursl, hoch gelegen, längs der Fluß: 
tbäler bergig, mit Schwarzerbe, bat 2698,7 qkm 
und 127087 E.; Aderbau und Bienenzudt. — 
2) 5., beim Volle Fitifb, Kreisftabt im Kreis F. 
47 km nordweſtlich von Kuräf, in bergiger Gegend 
an der Münduna des F. in den Uſſoſh, hat (1897) 
4959 E., zwei Kirhen, ein Progymnafium für 
Mäpcen; Handel mit Getreide und Hanf. 
Fathipur, verderbt aus Fatihpur (f. d.). 
Fathom (pr. fäth'm), engl. Maß, |. Faden. 
tieren, Fatierung, |. Faſſion. 
atigieren (lat.) oder Fatiguieren (frz.), er 
mũden, erjhöpfen, langmeilen. 

Fätiha(arab.,d.b. die Eröffnende,nämlidy Sure), 
das erfte Kapitel des Korans, das bei den Moham: 
medanern die Stelle des driftl. Vaterunſers eins 
nimmt; jedes Gebet beginnt mit ber F. 

Fatihpur (engl. Fatebpore). 1) Diftrift ver 
Divifion Allababad der brit.sind. Lieutenant:Gou: 
verneurſchaft der Norbmweitprovingen, im Doab des 
Ganges und der Dibamna, bat 4230 qkm und 
(1891) 699157 €. (621923 Hinbu, 77061 Moham— 
medaner). Das Land ift fruchtbar, gut angebaut 
und mit Städten und Dörfern überdedt. — 2) Haupt: 
ftadt des Diſtrilts F., unter 25° 55’ nörbl. Br. und 
80° 52° ditl, L., an der Linie Allahabad:Ränpur, 
eine betriebiame Stadt, hat (1891) 20179 E. (var: 
unter 10995 Hindu, 9170 Mohammedaner). 

Fatifo, eine der frübern ägypt. Militärftationen 
in der Aquatorialprovinz Emin Paſchas, 240 km 
füplich von Ladd, in 3° 2’ nördl. Br., am Fuße des 

onaberg3. 

ätima, die jüngfte (vierte) Tochter des Pro: 
pbeten Mobammed, wurde um 606 in Mella gebo: 
ren. m Alter von 15%. heiratete fie den nachma⸗ 
figen Ehalifen Ali ibn Abi Tälib; fie ift die Mut: 
ter von Hajan und Hufain und als foldhe die Ahn— 
frau der Nahlommen des Propheten. Sie ftarb, 
einige Monate nah dem Tode ihres Vaters, in 
Medina 632. 

Fätimiden, Name einer arab. Dynajtie, welche 
ibren Uriprung auf Fätima (f. d.) zurüdfübrte, Ihre 
ge daft (909—1171)entiprang der ismã ilidiſchen 

ropaganda, melde im 9. Jahrh. ein perj. Aben: 
teurer, Abdallähibn Maimun, und nad deſſen Tode 
fein Sohn Ahmed in verſchiedenen Gebieten des 
re betrieben. Einem idmä’ilidiihen Sendling, 

bü Abvalläb al:Schi’i, gelang es, während der 
Vilgerfabrt nach Mekka einige Berber in das Neß der 
igmä’ilidifchen Propaganda zu ziehen; 893 erſchien 
Abü Abdalläh felbit in Afrika, und feiner geſchickten 
Agitation glüdte e3, in der Bevölterung dem Obeid⸗ 
alläb, einem angeblihen Nadhlommen des Dſcha'far, 
einen großen Anbang jr verjbaffen und ibn als 
Mabdi anertennen zu lafjen. Für Obeid:alläh er: 
Härten fich fo viele Anhänger in Xordafrila, daß Abü 
Abdalläh mächtig genug wurde, das zu Kairuan (in 
der Näbe des on Tunis) herrſchende Geſchlecht 
ber Aghlabiden (1. d.) 910 n. Chr. zu ftürzen und 
den Obeid-alläb al⸗Mahdi auf ihren Thron zu ſetzen. 
Derfelbe gründete dic Stadt Mahdija und machte 
fie zu feiner Refiden;. In raſchem Siegeslauf dehnte 


er feine Eroberung auf weitere Gebiete in Afrita aus 
(f. Rarte: — ————— Reid um das 
1000) und befriegte auch Sicilien. Verſuche, aud 
Agypten unter ſeine Botmäßigfeit zu bringen, ſchei⸗ 
terten an der —— des agypt. Feldherrn Munis. 
a ftarb nad faft —— —5— 934. 
Ihm folgte fein Sohn Abül:Käfim: a 
mit dem Beinamen al: fäim bi:amr Alläh (934— 
946), und diefem wieber fein Sohn Isma'il mit 
dem Beinamen Al: Mankür Billab (946 — 953). 
Defien Sohn und Nachfolger, Abü Tamim Ma'add, 
mit dem Beinamen Al:Mu’izz li⸗din Alldh (953 — 
975), gelang es endlich durch die Energie und 
Zapferleit feines Feldherrn Dſchauhar, in den 
Belis von Agypten (970) zu gelangen, das er zwei 
Jahre fpäter, nachdem er den Chalifentitel ange 
nommen batte, zum Hauptfiß jeiner Herrſchaft 
machte. Er fchlug jeine Refidenz in der neu begrün: 
deten Stadt Al:Kähira (Kairo) auf, wo noch jegt 
die Mojchee Al-Azhar das dauerndfte Monument 
jeiner Regierung tft. Seine Herrſchaft dehnte fich 
nad und nad über Baläftina und unter der Regie: 
rung feines ae bus Mankür Nizär, mit dem 
Beinamen Al:’Aziz (975— 996), au über einen 
roßen Teil von Syrien aus, deflen Befik den F. 
eilich ſeht oft wieder jtreitig gemacht wurde. Dem 
Nizär folgte pi erſt elfjähriger Sohn Al-Hälim 
(bisamr Alläb), der fi bald aus der Vormund— 
ihaft des Weſirs Arghuan jelbjtändig machte und 
feine überfpannte graufame Sinnesrihtung dur 
eine Reihe unfinniger Verordnungen und bie Ans 
derögläubigen bedrüdender Gejeke befundete. 1017 
erllärte er ſich als Infarnation der Gottheit und 
führte fortan tolerantere Regierungdgrundjäße ein; 
1021 verfchwand er, nad einigen wurde er auf An: 
ftiften feiner eigenen Schweiter ermordet. 
Sein Sohn und Nachfolger Abül:Hafan "Ali, 
genannt Al⸗Zaͤhir (1021—86), war ein milder und 
erechter Fürft, der, wie fein Sohn Abü Tamim 
Ma’add, mit dem Beinamen Al: Muftankir (geft. 
1094), nicht die Kraft hatte, die von allen Seiten 
auf das Reich bereinbrechenden Stürme n beſchwd⸗ 
ren. In Syrien, Paläſtina und Afrila war bie 
Herrſchaft des faͤtimidiſchen Ehalifen faum noch 
vorhanden; in Agypten elbft gewannen die Türken 
immer mehr Einfluß, und am Ende der 58jäbrigen 
Regierung des Muſtanßir Billäb, die er ald Kind 
von eben Jahren angetreten hatte, war das Fäti: 
mibijche Reich der Au Hung nabe. Zwar 5* 
es feinem Nachfolger Abül:Käfım Ahmed el-Mufta 
ii Billaäh (1094—1101), fib auf kurze Zeit wie: 
der in den Befig von Serufalem zu —* aber 
er vermochte es doch nicht, dem Andringen der 
Kreuzfahrer zu widerſtehen. Unter feinen ſchwach⸗ 
lichen und unthätigen Nachfolgern, Amir (1101— 
30), Hafis (1130—49), Zafit (1149—54), kr 
(1154—60), Adhid (1160—71), wurde das Reich 
eine Beute ihrer herrſch⸗ und u each 
und verfiel immer mehr. Mit Al⸗NANdhid erlifcht die 
Dynaſtie der F.; ed gelang ihm nicht, feinen Sohn 
Daͤwud auf den Thron zu bringen. Schon vor 
dem Tode des legten F. war die Herrfhaft von 
dem Kurden Saläb al:din (Saladin) ausgeübt, 
der die Dynaftie der Ejjubiden (f. ein) begründete, 
dieden Scheindalifen von Bagdad als Oberhäuptern 
des Islams buldigen lieb. — Val. Wuſtenfeld, Ge 
ſchichte der Fätimiden-Chalifen (Gött. 1881). 
Fätra, zwei Gebirgszüge in ben norbweitl. Kar: 
paten (f. Karte: Ungarn und Galizien). Die 


486 


Kleine %. over das Kleine Krivangebirge, eine 
150—165 km lange fette zwiſchen den Flüuſſen 
Maag und Neutra einer: und Gran und — 
andererſeits, erreicht ſuüdlich vom Waagdurchbru 
im Mindol 1364 m, nördlich davon im Krivän F. 
1666 m Höhe. Die Thäler find raub und wenig be 
wohnbar. Wildromantifch find die Thäler von Szulyd 
und Uratna. Oſtlich davon parallel zieht die Große 
5. oder Ungarijches Erzgebirge, zwiſchen den Turocz⸗ 
und Revucatbälern im Großen Krizſna, an ber 
Grenze der Komitate Turocz, Liptau und Sohl, 
1542 m body. Beide F. find ftark bewaldet. Die 
Große F. ift reich an eveln Metallen. Die Päſſe von 
Hermanek und Sturek find die wichtigften. 
Fat⸗ſchan, Fu⸗-ſchan, Stadt in der chineſ. Pro: 
vinz Kwang⸗tung, im Delta des PBei-tiang, an einem 
ſchifſfbaren den Si:-fiang mit dem Kantonftrom ver: 
bindenden Kanal (f. Karte: Kanton und Ran: 
tonjtrom), bat etwa 400000 €,, Induſtrie und 
Fatsla, |. Aralia, [Hanvel. 
—5* chineſ. Name des Amu (f. d.). 
ttöri, Giovanni, ital. Maler, geb. 28. Sept. 
1825 in Livorno, befuchte die Atademie iu Florenz, 
an der er feit 1877 als Brofefjor thätig ıft. Er hat 
beſonders Schladhtenbilver geichaffen, die ſich dur 
dramat. Lebendigkeit und große Naturwabrbeit aus: 
zeichnen. Eine jeinererften bedeutenden Schöpfungen 
war: Die Schladht bei Magenta (1859; Alademie 
u Florenz); diefem Bilde folgten dann: Schlacht 
ei Madonna della Scoperta (1868; Pinalothek in 
Livorno), Ravalleriegefecht bei Montebello, Das 
49. Regiment bei Cuſtozza (Rom, Galleria Nazio- 
nale), Verwundung des Bringen Amadeo bei Euftozza 
(1870; Brera in Mailand). Bon feinen Genrebil- 
bern find zu nennen: Übrenlejerinnen (1866; Gol⸗ 
dene Medaille), Pferdemarkt in Terracina, Pferde: 
markt auf der Piazza della Trinita in Rom. 
Fattüra eier Yaltura, 
atũa, altital. Göttin, f. Faunus. 
ität (lat.), Albernbeit. 
atum (lat., Mehrzahl Fata), das Schidfal ala 
eine durch menſchliche Handlungen nicht zu beein: 
fluffende Macht, die alle wichtigen Ereigniffe im 
voraus unabänderlid 8 ſo daß weder That⸗ 
Bu noch Läſſigleit auf den Gang der Dinge irgend 
melden Einfluß haben. Der Glaube an ein %. ift 
uralt; felbft die antilen Götter waren dem %. (der 
Moira) gegenüber machtlos. Philoſophiſch formus 
liert bat man den Glauben als Lehre von der Prä⸗ 
deitination, ing praltifche Leben übertrug ihn ber 
atüns, |. Faunus. [Fatalismus (f. d.). 
aublas (ipr. foblab), Held eines frivolen Ro« 
mans von Louvet (f. d.) de Couvray. 
Faubourg (fr;., ſpt. fobuhr), Vorftadt. 
Fauche:Borel (fpr. fohſch borell), Louis, Unter: 
—* der Bourbons während der erſten Franzöfi- 
hen Revolution, geb. 12. April 1768 zu Neuchatel, 
mwurde Buchdrucker. Man bediente fich feiner zu den 
Berbandlungen mit Pichegru, zu welchem Zwed er 
fih in Straßburg als Buchhändler niederließ. Hier 
wurde er zwar auf Befehl des Direktoriums 1795 ver: 
baftet, aber bald wieder freigelafjen. Als Pichegru 
nah England geflohen war, trat F. mit Barras 
wegen der Reftauration der Bourbons in Unter: 
—— wurde aber deshalb aus Frankreich ver⸗ 
bannt. Deſſenungeachtet wagte er nach der Thronbe⸗ 
ſteigung Napoleons J. das Manifeſt Ludwigs XVIII. 
an die franz. Nation zu verbreiten. Von 1806 ab 
bielt er ſich in England und Schweden auf, bis er 


Fat⸗ſchan — Faucher 


1814 mit den Verbundeten in Paris einzog, mo er 
nun von Hardenberg zu geheimen Unterbanblungen 

ebraucht wurde. Nach der Rüdlehr Napoleons er: 
Belt er von Wien aus eine Sendung an Lud— 
wig XVII nad Gent, wurde aber in Brüſſel feft: 
enommen und erit auf Verwenden bes preuß. Ge 
andten in Syreibeit sei. Später ſchidte man ibn 
als preuß. Generaltonful nah Neuchaͤtel. Die Bour: 
bons bemiejen fih gegen F. Ich: undankbar; erji 
Rarl X. gewährte ihm eine Benjion von 5000 rs. 

. ftarb 4. Sept. 1829. Nach feinem Tode wurden 
eine «M&moires» (4 Bde., Bar.1828— 29) von Beau: 
champ veröffentlicht. 

Faucher (ſpr. foiheb), Jul. VBollswirt, Mir: 
begründer der deutſchen Freihandelspartei, geb. 
13. Juni 1820 zu Berlin, ftudierte dafelbft Philo- 
jopbie und Nationalötonomie. feinen erjten 
itterar. Arbeiten vertrat er ald Anbänger Adam 
Smiths mit großer Wärme die Richtung Cobdens 
und ber engl. Freihändler. 1846 übernahm er die 
Redaktion der in Stettin erjheinenden «Börfen: 
nachrichten der Ditfee» und vertrat 1848 in dem zu 
ers a. M. tagenden fog. Zollparlament ver 

ae agree binger Kaufmannſchaft, fiedelte 
aber bald darauf nad Berlin über, wo er unter 
dem Namen «Die Abendpoit» das erfte in Deutic: 
land erfchienene Organ der reinen Freibandelälebre 
begründete. Gleichzeitig bildete F. mit H. Beta, 
E. Wiß, 3. Prince-Smith, E.Nobad u.a. den erften 
— Freihandelsverein, aus welchem ſpäter 
die Berliner vollswirſchaftliche Gejellihaft ber- 
vorging. Nahdem unter dem Minifterium Man: 
teuffel-Weftphalen die «Abenppojt» 1850 unterbrüdt 
worden war, ging F. nad England und trat 1856 
in die Rebaltion des «Morning Star», der eriten 

ihändlerifhen Londoner Zeitung. 1861 kehrte 

. nah Deutihland zurüd und begann eine be 
deutende agitatorifhe Thätigleit für Gewerbefrei- 

eit, Freizügigkeit und internationale Handelsfreis 

eit. Im preuß. Pandtage, in welchen ihn 1861 der 
abltreis Bitterfeld: Delisih wählte, ſchloß er ſich 
der Fortjchrittäpartei an und nahm lebhaften Anteil 
an ihrem Kampfe gegen die Armeereorganijation. 
1863 gründete er in Berlin mit Hilfe der no leben: 
den Mitarbeiter der « Abenbpojt» —— Dtto 
er die «Vierteljabröfhrift für Vollswirt⸗ 
haft, Bolitit und Kulturgeſchichtey. 1866 hatte 7. 
nteil an der Gründung der nationalliberalen 
—— Im Deutſch⸗Franzoſiſchen Kriege begleitete 

. das deutſche Heer als Verichterftatter der Zon- 
boner ge Sahne Bis 1877 redigierte er die oben: 
genannte «Bierteljahräfhrift». Er ftarb 12. Juni 
1878 in Rom. Seine vollswirtſchaftlichen Abband⸗ 
lungen find in der « Vierteljabräjchrift» enthalten. 
Außerdem ſchrieb F.; «Ein Winter in Italien, 
Griehenland und Ronftantinopel» (2 Bve., Magpdeb. 
1876), «Bergleihende Kulturbilder aus den vier 
europ. Millionenftäbten» (Hannov. 1877) und 
«Streifzüge durch die Küften und Inſeln des Archi⸗ 
pels und des Joniſchen Meers» (Berl. 1878). 

Faucher (fpr. foſcheh), Leon, franz. Bublizift und 
Nationalölonom, geb. 8. Sept. 1803 zu Limoges, 
ud. — erhielt auf dem College zu Toulon 
eine erſte Bildung und ging ſpäter nach Paris, 
mo er anfangs philol. und archäol. Studien trieb. 
Später wandte er fi der Journaliftil und Ratio- 
nalötonomie zu, war in der Zeit von 1830 bis 1842 
Dberrebacteur de8 «Temps», des «Courrier de 
Paris» und de? «Cnnstitutionnel» und gab meb- 


Faucigny — Fäule 


tere bebeutenpe ſtaatswirtſchaftliche Schriften ber: 
aus. Reims murde er 1846 in die Kammer 
gemäblt, wo er mit der bynaftiihen DOppofition 
timmte. Ein gemanbter, aber keineswegs glänzen: 
der Redner, trat er als einer der Hauptagitatoren 
für den Freibandel hervor und veröffentlichte in 
der «Revue des Deux Mondes» und im «Siöcle» 
eine Reibe nationalölonomifcher Aufjäge. Nach der 
Revolution von 1848 vom Depart. Marne in die 
Eonitituante wie in die Legislative gewählt, ftimmte 
er mit der Majorität und wurde nad der Wahl 
Ludwig Napoleons zum Präfidenten (10. Dez.) 
Minifter des öffentlihen Bauweſens, 29. Dez. 
Minijter des Innern, legte 14. Mai 1849 fein 
Bortefeuille nieder, das er jedoch 10. April 1851 
wieder übernahm. Am 26. Dtt. 1851 gr! vor dem 
Staatäftreibe, zog er fih vom polit. hauplaß 
surüd, beteiligte jih an der Gründung des Credit 
foncier und arbeitete an einer «Histoire financiere 
de la seconde r&publique», deren Vollendung fein 
14. Dez. 1854 zu Marjeille erfolgter Tod verhinderte. 
Seine ausgezeichneten ölonomifchen Arbeiten er: 
ſchienen fpäter auch zum Teil von Wolowſti geſam⸗ 
melt alö «Melanges d’&conomie politique et de 
finances» (2 Bbe., Par. 1856). Außerdem veröfient: 
lichte er verichiedene Schriften felbjtändig, darun— 
ter«Recherches sur l’or et sur l’argent»(Bar.1843), 
« Etudes sur re erg (2 Dbe., ebd. 1845; 
2. Aufl. 1856) und «Du droit du travail» (ebd. 1848). 

Faucigny (fpr. fokinnjih), Landihaft in Sa: 
vopen füblih vom Ehablais (f. d.), früher eine der 
acht Brovinzen des Herzogtums Savoyen, feit 1860 
das Arrondiffement Bonneville des franz. Depart. 
Haute-Savoie, umfaßt die obern und mittlern Thal: 
ftufen der Arve (ſ. d. und Karte: Die Schweiz). 
Die Bergletten, melde das Land von EM. nah 
NO. durchſetzen, beſtehen vorherrſchend aus Kalt: 
fteinen, Sandſteinen und Sciefern der Jura⸗, der 
Kreide: und der untern Tertiärformation, bi 
an der Grenze gegen Wallis und das Noftatbal, 
erhebt ſich die kryſtalliniſche Montblanegtuppe. Im 
Voralpenlande gedeihen Getreide, Obſt, Wein und 
Edellaſtanien. Die Haupterwerbsquellen bilden 
Ader: und Weinbau, Alpenwirtſchaft ſowie Aus: 
beutung ber Erz:, Marmor: und Schiefergruben und 
das Fuͤhrerweſen (namentlih im Ehamonirthal). 
Hauptorte find Bonneville, Chamonir, Sallandes 
und Cluſes. Der wine Verkehrsweg iſt die 
Straße Genf:Chamonig. Der Name ftammt von 
einem jest verfallenen Schlofje unweit Bonneville. 

Faucille (ipr. foßij), Col de la, Paß (Paßhohe 
1323 m) des franz. Juras, zmwifchen der Döle und 
dem Mont⸗Colomby, verbindet Genf und das Pays 
de Ger mit dem Dappentbal und der franz. Grenz 
feitung Les Rouſſes; in Champagnole erreicht die 
voſtſtraße die Eiſenbahn. 

Faucilles, Monts (fer. mong foßij, «Sichel: 
berge»), waldreihe Hügeljüge im franz. Depart. 
Bosges, verbinden die Vogejen und das Plateau von 
Langres (f. Karte: Elfab-@otbringen u. f. w.). 
Sie haben nur 200—300 m relative Höhe, bilden 
aber die Waſſerſcheide gie Maas und Moſel 
(Rordjee) und Saöne (Mittelmeer). 

Faujas, bei ge in Bezeich⸗ 
nungen Abkürzung für Barthelemy Faujas de 
Saint-Fond (f. d.). 

Faujas de Saint:-Fond (ſpr. foſchah dẽ Bäng 
fong), Bartbelemy, franz. Geolog und Baläontolog, 
geb. 17. Mai 1741 zu Montelimar, machte zu 


487 


geolog. Zmeden, namentlih zum Studium vullas 
nifcher Erjcheinungen und Produfte, Reifen durch 
ganz Europa, mar dann Profefjor am Jardin 
des Plantes in Bari und ftarb 19. Juli 1819 in 
St. Fond (Dauphine). F. verfaßte unter anderm: 
«Recherches sur les volcans &teints du Vivarais 
et du Velay» (1778), «Histoire naturelle du Dau- 
phin6» (1782), «Minöralogie des volcans» (1784), 
«Voyage en Angleterre» (2 Bde., 1797; deutich von 
Miedemann, Gött, 1799) u. f. m. 
aufumba, Stadt, ſ. Fugumba. 
aulaffen, bisweilen Bezeichnung der größern 
Arten unter den Halbaffen (f. d.). 
aulbäche, ſ. Bad. j 
aulbaum, ſ. Rhamnus; zumeilen auch foviel 
wie Traubenlirjde (ſ. Prunus). 
aulbaumrinde, ſ. Rhamnus. 
aulbraud, |. Brand (des Getreided). 
aulbrüchigkeit, Eigenſchaft des filiciumbal: 
tigen Eiſens (ſ. d.). 
ulbrut, Bienentrantheit, |. Biene. , 
aufbrutfliege (Phora incrassata Mg.), eine 
etiva 4 mm lange, —— Art der Budel: 
fliegen (f. d.) mit didichenkligen, borjtigen Beinen. 
Das Weibchen dringt in Bienenftöde ein und bringt 
mit einer Legeröhre gm Eier in faft erwachſenen 
Bienenlarven unter. Wenige Stunden fpäter kriecht 
die Made aus, frißt den Fettlörper der Bienenlarve 
und ift ** einigen Tagen zugleich mit letzterer er⸗ 
wachſen. Sie bohrt Rd nun burd die Haut ihres 
Wirtes und den Dedel, mit dem unterbefien die 
Belle verfchloffen wurde, hindurch und verpuppt fich 
auf dem Boden des Stodes oder außerhalb in der 
Erde. Die F. hat ihren Namen daher, daß man 
früber irrtümlich meinte, das Inſekt rufe dur ihre 
Tbätigkeit die unter dem Namen Faulbrut betannt« 
Krantbeit der Bienen hervor. Diefe wird jedoch durch 
®ehinie, Saulfuct, Faulfein, Anbrus 
nie, Faulfuht, Faulfein, Anbrud, 
PR ehr Bezeihnun für {chleihende Er: 
franfungen des Scha es, welche mit Ernährungs⸗ 
jtörungen beginnend zu bleichſüchtigen und waſſer⸗ 
tüchtigen a en führen und ſchließlich unter 
den Zeichen der Erjhöpfung mit dem Tode endigen. 
Die F. ift eine gefürchtete Herbefrantheit; die Ur: 
ſachen derfelben find außer ungenügenden Futter: 
verhältnifien (nah Mißjahren, Ki nalen Ya —— 
gen) auptfählid Wurminvafionen, von welchen 
die Leberegel:, Magen: und Lungenwurm⸗, fchließ: 
ih die Bandwurmſeuche (ſ. die Einzelartifel) in 
Betracht fommen. Diefe Barafıten entziehen ihren 
Wirte unmittelbar einen Teil der aufgenommenen 
Nahrung, jodann verhüten fie dur Störung der 
Abfonderung der Verdauungsſäfte (Magenfaft, 
Darmfaft, Galle) die Aijimilation der Nahrungs: 
mittel. Die Tiere nehmen daber wohl genügend 
Futter zu fi, find aber nicht im ftande, es auszu⸗ 
nügen und in das Blut und in die Gewebe überzu: 
führen. Die nächſte Folge davon ift eine Berarmung 
des Blutes an roten Blutkörperchen (daher die blaſſe 
Farbe der Haut und Schleimhäute) und eine Ver: 
wäſſerung besfelben, in deren Verlaufe waſſerſüch⸗ 
tige Anſchwellungen an allen tiefer gelegenen Kör: 
erteilen (Hals, Unterbruft, Bauch) ſich ausbilden. 
eim Weiden jentt fi das Waſſer in dem Binde: 
ewebe des Kopfes, jo daß dieſer unförmlich did wird. 
Gemöhnlich lafjen die jo erkrankten Tiere einen mat: 
ten * hören. Die Wolle iſt troden, glanzlos 
und gebt leicht aus. Bei der Bebandlung ber Krank⸗ 


488 


beit müffen vor allen Dingen die Urſachen befeitigt 
werden; bei der Bandwurmſeuche z. B. tft zuerit ein 
Bandmwurmmittel zu verabreihen. In den übrigen 
Fällen, in denen die Urjache nicht entfernt werden 
kann, wie z. B. bei der Leberegelſeuche, hat man das 
Hauptaugenmert auf kräftigende Ernäbrung zu rich: 
ten. Zur Hebung der Verdauung werdenden Schafen 
fog. Yeden vorgeient, die als wirtfame Beitandteile 
Eiſenſalze oder bittere Stoffe (Eiheln, Eichenrinde, 
Wermut, Kalmus) und aromatiihe Pflanzenteile 
(Kümmeljamen, Wacolderbeeren) nebft Haferſchrot 
und Gerftenmalz entbalten. In allen Fällen, in de 
nen die F. ſchon größere Fortichritte gemacht bat, 
it es das Nätlichite, die Tiere ohne Verzug der 
Schlachtbank zu überliefern. Bapier). 
äulen, ein Prozeß der Papierfabrilation (f. 
aulenfee, Dorf und Bad im Bezirk Nieder: 
finmentbal des ſchweiz. Kantos Bern, zur Ge 
meinde Spiez gehörig, liegen 19, km ſüdöſtlich von 
Epiez, in 5850 m Höbe, am Thuner See. Das Bad, 
1 km jüdlih vom Dorfe, in 800 m Höhe, beitebt 
aus einem eleganten, 1875 im ſchweiz. Stil erbauten 
Kurhaus mit mebrern Nebengebäuden und befist 
eine erdige Mineralquelle (+ 11° C.), die, ſchon 
1585 urkundlich erwähnt, mit Erfolg gegen ro: 
niſchen Rheumatismus und Srantbeiten der At: 
mungsorgane angewendet wird. Auch als klima: 
tiiher Kurort und Aufentbalt für Retonvalescenten 
wird F. viel beſucht. — Vol. Das neue Faulenieebad 
(Bern 1875); Gjell: Feld, Die Bäder und klima: 
tiiben Kurorte der Schweiz (3. Aufl., Zür. 1892). 

Faule See oder Faules Meer, Seitenbajlin 
des Aſowſchen Meers (j. Siwaſch). 

—5 Gold, ſ. Porpezit. 

Faulfieber, putride Fieber, Fieberzuſtände, 
bei welchen das Blut infolge der Aufnahme fauliger 
Stoffe zur Zerſetzung geneigt iſt. Der Ausdrud F. 
ift vollftänkig veraltet, er wurde früber für Krank⸗ 
beiten wieTypbus (f.d.), Boämie (j.d.), Septihämie 
(i. 2 u.f.m. angewandt. — F. als ferdefrantbeit 
ſ. Blutfledentrantbeit ver Vferde. 

Faulfiſch, Nitolaus, ein Böhme aus vorneb: 
mem Geſchlecht, der in Oriord ſtudierte und 1407 
oder 1408 ein (echtes oder aefälichtes?) Zeugnis 
der genannten Univerlitat zu Guniten ber Recht— 
—— Wielifs nach Prag brachte, das die 

usbreitung Wiclifitiſcher Lehren in Böhmen be 
rörderte. In neuerer Zeit bat man lange dem Hie— 
conpmug (1. d.) von Prag den Namen 5. beigelegt. 

Faulhorn, Gipfel der Berner Alpen im ſchweiz. 
Kanton Bern, ſüdlich vom Brienzer See, in der vom 
Lbaı der Lutſchinen zum Tbal der Aare ziebenden 
Herglette, beſteht aus ſtark vermitterten (faulen) 
KRalkiteinen der Juraformation, trägt am Fuße aus: 
gedebnte Waldungen, inden obern Stufen prächtige 
Weiden und erbebt ſich zu 2683 m Höbe. Das F. 
wird (meift in 4%, Stunden von Grindelwald aus) 
jebr häufig beftiegen; die Ausſicht umfaßt den franz 
der Berner Alpen mit ibren Bergrieien und blin: 
tenden Eid: und Firnfeldern, die grünen Voralpen 
bis zum Pilatus und Rigi im ND. und bis zum 
Aura im W. an Großartigkeit übertrifft fie weit die 
Maiaueſicht ſteht ihr jedoch an Anmut nach. Das 
Gaſthaus auf dem Gipiel beſteht ſeit 1831. 

Faulmaumn, Karl, Stenograph und Schriftſteller, 
aeb. 24. Juni 1835 in Halle, urſprünglich Bud: 
druder, wirtte jeit 1855 in ber k. k. Staatöbruderei 
in Wien an der Heritellung jtenoar. Topen mit und 
mar jeitbem dafelbit Yebrer der Stenoarapbie und 


Fäulen — Fäulnis und Verweſung 


Lektor der Univerfität. Er ftarb 28. Juni 1894 in 
Wien. $. veröffentlichte Schriften über Stenogranbie, 
beionderd « Gabelsbergers jtenogr. Yebraebäupde » 
(Wien 1860; 35. Aufl. 1899) und «Stenogr. Unter: 
richtöbriefe» (ebd. 1877; Voltsausg. 3. Aufl. 1895), 
und jtellte in «Anleitung zur pbonetiihen Steno: 
grapbie» (6. Aufl., ebd. 1896) ein eigenes Soſtem 
auf. (S.Stenoarapbie). ferner verfaßteer das« Bud 
der Schrift » (Mien 1878; 2. Aufl. 1880), «lluftrierte 
Geihichte der Schrift» (ebd. 1880), «Illuſtrierte 
Kulturgeihichte» (ebd. 1881), «Alluftrierte Geſchichte 
der Buchdruderkunjt» (ebd. 1882), «Handbuch der 
Buchdruderkunit» (ebd. 1884), «Hiftor. Grammatik 
der Stenograpbie» (ebd. 1887), «Erfinvung der Bud: 
druderfunit» (ebd. 1891), «Etymolog. Wörterbud der 
deutihen Sprace» (Halle 1893), «m Reiche des 
Geiſtes. Illuſtrierte Geichichte der Niffenibaften» 
(Wien 1894), «Geibichte und Pitteratur der Eteno: 
rapbie» (ebd. 1895) u. a. a Area erg 
Feines jtenogr. Syſtems zeigen bie Zafeln: Steno⸗ 
grapbie I, 12 und II, 12, 

Fäulni® und Verweſung, die Zeriekungs- 
vorgänge abgejtorbener Organismen, durch melde 
die Beitandteile der lestern in einfacher zufammen: 
geiegte Körper zerfallen, um enplich zu unorgas 
nifhen Verbindungen zu werden. Im gewöhnlichen 
Leben werden die Worte Fäulnis und Verweſung 
meift als gleichbedeutend gebraucht, wiſſenſchaft⸗ 
lid werden die Begriffe aber voneinander ge: 
trennt. Unter Fäulnis oder fauliger Gärung ver: 
ftebt man die Zerlegung ftidjtoffbaltiger, baupt: 
ſächlich eiweißartiger Subftanzen durch Spaltpilze 
unter Abſchluß von Sauerſtoff, bei welcher gaſige 
übelriehende Brodufte gebildet werben; die anal 
Serjekung ftidjtofffreier Körper bezeichnet man ale 

ärung (}. d.). Schtießt man die Batterien völlig 
aus, jo fünnen vie — ———— Stoffe, wie 
Fleiſch u. dal., beliebig lange aufbewabrt werden, 
ohne irgendwie verändert j werden, mäbrend bie 
geringite Ausjaat von yäulnisbatterien genügt, um 
unter rapider Bermebrung dieſer Organismen die 
Fäulnis einzuleiten. Auffallend ift, dab Milch jebr 
wenig zur Fäulnis neigt und jogar andere jehr fäul- 
nisfäbige Stoffe, wie Fleiib, gegen Fäulnis zu 
ſchüten vermag. Die bei der Fäulnid gefundenen 
taten Eablanscn werden — in 
drei Gruppen geteilt: Fettlorper, aromatiſche Ber: 
bindungen der Benzolreibe und anorganiihe Ber: 
bindungen. Bon ettlörpern finden ſich flüchtige 
ette Säuren nad ber — C. H.O., von ver 

meifenjäure bis zur Gapronjäure; ferner Leucin 
und Tyroſin; aromatische Verbindungen find Indol, 
Statol, Bhbenvleifigiäure, Pbenol; zu den anorga: 
niſchen Berbindungen endlich gebören Ammoniat, 
Kohlenſäure, Schwefelwaſſerſtoff, Waſſerſtoff, da: 
neben ſubſtituirte Schwefelwaſſerſtofſe, die Mer: 
faptane, und Spuren fubitituirter Ammoniale, ver 
Amine oder Anımoniakbajen. Bei ver Faulnis treten 
nicht ftetö die gleichen Brodufte auf, jondern Die 
Art des Abbaues der Cimeißmoletüle richtet ſic 
nah ven zufällig vorbandenen Balterien une 
je nachdem für die eine oder die andere Balterien- 
art die Exiſtenzbedingungen günftiger find; vielfach 
bilden ſich aud giftige organiſche Bajen, die Leichen: 
altaloibe (f. d.). Zu Beginn der Faulnis beobachtet 
man meiſt verichievene Mitrotoften ſowie große Ba: 
cillen, jpäter treten zablreiche Hleinere Bacilien auf, 
darunter bejonders der Bacillus fuorescens lique- 
faciens. Nicht jelten tommt die Fäulnis auf eıner 


Fäulniswidrig — Faure 


beitimmten Stufe der Zerfegung 8 Stillſtand; die 
Urjache hierfür muß man in der Bildung von Sub: 
tanzen juchen, die in einer gemifien Konzentration 
Kulnismwibrig, antijeptifch wirken. Sobald zu den 
Jeriegungsprozeijen die Luft freien Zutritt bat, ift 
der Verlauf ein anderer, dann werben die organi— 
ſten Etoffe orydiert und es treten als Endprodukte 
KRoblenjäure, Waſſer, Nitrate und Sulfate auf. Die 
jen Borgang bezeichnet man ald Verweſung. Meift 
geben Fäulnis und Berweſung nebeneinander her, ſo 
ann an der Oberfläce einer Faulflüſſigkeit vollſtän⸗ 
dige Berwefung erfolgen, während in der Tiefe unter 
anacroben Bedingungen Faͤulnisprozeſſe vor ſich 
geben. Reine Fäulnis kommt leicht da vor, wo der 

Feng: be ommen fehlt, vollftändige Verweſung 
dagegen ohne Entwidlung übelriehenver Gaſe ift viel 
feltener, weil hierzu be tändig eine Außerft innige 
—— des Faulnismaterials mit Quft erforder: 
Kid ift. Am günitigiten liegen hierfür die Verhält: 
nifje in leicht durchgängigem, zeitweise durchfeuchte⸗ 
tem Boden, wo eine vo Br ineralifierung 
organiiher Subjtanzen zu Koblenfäure, Sulfaten 
und Nitraten vor ſich geben kann. 

Begünftigt wird die Fäulnis durch mittlere Tem: 
peraturen, die bis zu der der Blutwärme fich ftei: 
gern können; verzögert wird ihr Eintritt dagegen 
durch niedere Temperaturen. Man ſchützt daher 

leiſch u. dgl. vor der Fäulnis durch Aufbewahrung 
m Eisjchrante. Unbedingt erforderlich für ven Ein: 
tritt der Fäulnis ift die Gegenwart von Wafler, da: 
ber die Konfervierung verſchiedener Nahrungsmittel 
durh Austrodnung. Verhindert wird die Fäulnis 
endlich durch alle bakterientötenden Mittel, jo durch 
Siedehitze, Altohol in konzentrierter Form, Garbol: 
fäure, icpljäure, an und äbnlidhe Stoffe. 
— Fäulnis des Holzes, f. Holztonjerwierung. 
Flügge, Mitroorganismen (3. Aufl., 1.Bp., 
aulniswidrig, j. Antiſeptiſch. (Lpz. 1896). 
lquemout (ipr. mind), franz. Name von 
Fallenberg (f. d.) in Yothringen. (ſ. Fäule. 
aulfein, Fra ucht, Krankheit der Schafe, 


Itiere (Tardigrada, Bradypodidae), eine 
amilie von Säugetieren, die, nur im tropi: 
ben Südamerila vorfommend, zur Ordnung der 

—— .d.) gerechnet wird und durch den 
Mangel an Schneidezähnen und große gebogene 
Krallen ſich — Die F. haben einen run: 
den, affenähnlichen Kopf, im — verborgene Ohr⸗ 
muſcheln, ſehr kurzen oder feinen Schwanz, drehbare 
lange Vorderarme und teilen ſich in zwei Gattun: 
‚ die breizebigen F. (Bradypus), mit drei 

en Siceltrallen an jedem Fuße, kleinem 
Schwanzitummel und Heinem erjten Badzabhne, 
unter denen der Mi (Bradypus tridactylus Cuv., 
E Aal Sehnarms Säugetierell, ig. 2, beim 
titel Zahnarme) die befanntejte Art, und die 
sweizebigen %. (Choloepus), mit nur zwei Sichel: 
trallen an den Borderfüßen und Edzähnen in den 
Kiefern, ohne Schwanzitummel, von welchen der 
Unau (Choloepus didactylus Illiger) die einzige 
belannte Art ift. Die F. vermögen Kb nur fletternd 
zu bewegen und find daher wahre Baumtiere, 
die jih vom Laub, namentlih des Trompeten: 
baums (Cecropia), nähren. Die vordern Glied: 
maben der 5. find jo unverhältniämäßig viel länger 
als die bintern, daß fie am Boden nur dann N 
fortbewegen fönnen, wenn jie auf dem ganzen Bor: 
derarıne aufliegen. Die F. find harmloje, jonderbare 
Geihöpfe von 0,50 bis Im Länge und mit grobem, 


489 


trodnem, langem Haar bevedt. In die europäifchen 
pe. Gärten find ſchon eine ganze Anzahl ge: 
angt; eine Art ift auch gezüchtet worden. Man 
fonnte fib auch durch die Gefangenen überzeugen, 
daß die F. höchſt ſtumpfe, langfame Nachttiere 
ſind, die meiſt den ganzen Tag an einem Aſte, den 
Kopf nach unten, hängen, one ſich an bewegen. 
Als Futter gab man Blätter, Salat, Mobrrüben, 
Obſt, gefochten Reis und Eier. Kleinere F. find zu: 
weilen für 150 M. zu kaufen, werden aber jelten 
ern genommen. In den Urzeiten bat es in 
venos: Aires und Patagonien jehr gewaltige 
Ziere gegeben, welche bei der Größe eines. Ele: 
fanten oder Nashorns im Bau einige Ähnlich— 
teit mit den F. zeigten, aber doch eine eigene yamilie 
der Groftiere (Megatheriidae) bilden müfjen. 
Dabin gehört das Niejenfaultier (Mylodon ro- 
bustus Owen, |. Tafel: Zabnarme©Säugetierell, 
ne 4, beim Artikel Zabnarme), das Megatherium 
(j. d.) und das Grypotherium (f. d.), von denen man 
in jenen Gegenden Reſte gefunden bat. Auch Nord: 
amerita bejaß in ber Urzeit 8 von der Größe der 
Ochſen, wiedieaufgefundenen überreſte des Rieſen— 
trallentiers (Me ve, beweijen. 
aun, mytbol. Geftalt, ſ. Faunus. 
auna (neulat.; nad dem Gott Faunus ſ. d.), 
die Gefamtheit aller jowie das Verzeichnis der be: 
fannten, in einem Erbteile oder Lande einbeimi: 
ichen Tiere. (S. Tiergeographie.) — Über F. in der 
Motbologie f. Faunus. 
aunaffe, |. Rollibwanzaffen. 
aunalia, ſ. Faunus. 
aunus, einer der altital. Hauptgötter, wurde 
namentlich als Wald: und Yelogott verehrt. Als 
ein guter gnädiger Gott (der Name F. hängt mit 
faveo, günftig fein, zufammen) jpendet er den Fel⸗ 
dern wie dem Vieh und aud den Menſchen Frucht: 
barfeit. In dieſer Eigenihaft ift er mit Inuus 
und Qupercus (f. Quperlalien) verwandt oder iden: 
tiſch, während er ſich als Waldgott mit Silvanus 
berührt, Das ihm ji Ehren auf dem Lande began: 
gene Felt, Faunalia genannt, fiel auf den 5. Dez., 
an welhem Tage man ihm befonvers Böde opferte 
und alles Vieh frei berumfchweifen ließ. Außer: 
dem erjcheint er noch als weisſagender Gott, dejjen 
Stimme man aus dem Didicht des Waldes zu ver: 
nehmen glaubte. Als folder bat er den Namen 
Fatuus, wie jeine Tochter oder Gemahlin außer 
Fauna aud A beißt, und hatte namentlidy 
im Hain bei Zibur an der Quelle Albunea ein 
Heiligtum. In Rom hatte F. ein foldyes am Aventin 
und jeit 196 v. Chr. einen Tempel auf der Tiber: 
injel. Spätere Deutung machte ibn zu einem alten 
Landestönige von Latium, Sobne des Picus und 
Entel des Saturnus, der feinen Unterthanen Ader: 
bau und Viebzudt gelebrt habe, während die unter 
riech. Einflufje ſtehenden Dichter F. mit dem griech. 
Yan (f.d.) identifizierten und jogar, entſprechend den 
griedh. Satyrn (ſ. d.), von einer Mehrheit von Fau— 
nen fpraden, die fie ſich als mißgeitaltete Wald: 
götter, mit fleinen Hörnern, jpißigen Ohren, Schwän⸗ 
en und Bodfühen voritellten. — F. ift aud eine 
Bereihnung des Orangelltan (f.d.). 

Faunus ater, Turmſchnecke, ſ. Weichtiere 
nebſt Taf. IL, ig. 8. 

Faure (ipr. fobr), Felir, ſechſter Präſident ver 
Franzöſiſchen Republik, geb. 30. Yan. 1841 in Paris, 
widmete ſich der faufmännischen Laufbahn und machte 
feine Lehrzeit in einem Gerbereis und Ledergeihäft 


490 


durch. Er begründete varauf ein Heedereigeihäft in 
Havre, wurde Mitglied und endlich Bräfibent der 
Handeläfammer datelbit und Richter am Handels: 
gericht. Seine polit. Laufbahn begann er 1881, wo 
er in die Deputiertenlammer gewählt wurde und 
ih den Opportuniften anſchloß. In den Rabinetten 
Gambetta (1881/82), Ferry (1883/85) und Tirard 
(1887/88) war er Unterftaatsjelretär der Kolonien. 
Im zweiten Kabinett Dupuy (Mai 1894 bis Jan. 
1895) übernahm er das Marineminifterium. Bei 
der Bräjidentenwabhl, die nad dem Rüdtritt Gafimir: 
Beriers, 17. Jan. in Verfailles ftattfand, erhielt der 
andidat der Rabilalen, Briſſon, 338 Stimmen, 
während auf die beiden Kandidaten der Opportus 
niften, 9. 244, Waldeck-Rouſſeau 184 Stimmen 
fielen. Da MWalded: Roufjeau zu Gunften F.s ver: 
jichtete, wurde diefer im zweiten Wahlgang mit 430 
gegen 361 Stimmen — Wenn auch F. nicht 
wie ſein Vorgänger Caſimir-Perier einen entſchei⸗ 
denden Einfluß auf die Zeitung der Regierung aus— 
zuüben fuchte, fo ftrebte er doch dahin, etwas mehr 
zur Geltung zu gelangen als Grevy und Carnot. 
So übernahm er 3. B. bald nad feinem Amtsantritt 
wieder den Vorſiß im Oberften Kriegsrat und fuchte 
ſich durch häufige Reifen über die Lage und die Be: 
dürfnijje des Landes zu orientieren. Im übrigen 
blieb die franz. Politik unter feiner Regierung in den 
alten Gleisen; einen großen Triumph feierte er durch 
den Bejuc des Kaiſers Nikolaus II. 1896 in Paris, 
den er im folgenden Jahre in Petersburg ermiderte, 
bei welcher Gelegenheit die rujj..franz. Allianz pro: 
Hamiert wurde. Der Reviſion des Dreyfusprozeſſes 
egenüber verbielt er fih ablehnend, doch wurde troß 
eines Widerjtrebens 26. Sept. 1898 vom Minifter: 
rat beſchloſſen, diefelbe einzuleiten. Er ftarb 16, Febr. 
1899 in Paris. $: ſchrieb das von der Alademie 
preiögetrönte Werk: «Le budget de France et des 
rincipaux pays d’Europe depuis 1888.» — ®al. 
Maillard, Le president F. (Bar. 1897); Bluyfen, 
Felix F. intime (ebd. 1898); Saint-Simonin, Les 
propos de Felix F. (ebd. 1901). 
uriel (ſpr. foriell), Claude Charles, franz. 
Bhilolog, Hiftorifer und Kritiker, geb. 21. Dit. 1772 
zu St. Etienne (Loire), wurde 1830 Brofefjor an der 
Facult& des lettres zu Paris und ftarb daſelbſt 
15. Juli 1844. 5.3 Hauptwerk ift die «Histoire de 
la Gaule meridionale sous la domination des con- 
querants germains» (4 Bde., Par. 1836), das 
Fragment einer im Geifte Aug. Thierrys entworfe: 
nen Kultur: und Litteraturgeſchichte Frankreichs. 
Außerdem gab er die provencal. «Histoire de la 
eroisade contre les heretiques albigeois» (Par. 
1837) beraus; nad feinem Tode erſchienen die auf 
Vorlefungen berubenden Merle: «Histoire de la 
poesie provengale» (3Bde., ebd. 1846) und «Dante 
et les origines de la langue et de la litt&rature 
italiennes» (2 Boe., ebd. 1854). Mitglied der Ata: 
demie (feit 1836) und der von Guizot eingefekten 
biftor. Romitees, fchrieb F. au für das «Journal 
des Savants», die «Bibliothöque de l’Ecole des 
chartes» und die von den Benediktinern begonnene 
«Histoire litt6raire de la France». Die Arbeiten 
5.8 zeigen ein glänzendes Darftellungstalent und 
ausgebreitete Kenntniſſe, lafjen aber Kritif und Me 
thode vermifien; doch haben fie das Verdienft, für 
die Aufnahme dermittelalterlichen Studien in jeinem 
Vaterlande erfolgreich newirtt zu haben. 
Fausse (fr, jpr. ob), Feminin zu Faux (f. d.); 
auch fubftantivifh: eine Fauſſe (fausse carte), 


Fauriel — Fauft - 


ebltarte, Feblfarbe, eine Farbe, die nit Trumpf 
it; fausse alarme (jpr. alarm), blinder Lärm; fausse 
ng br (fpr. attäd), Scheinangrifi; fausse couche 
(pr. tufch), Syeblgeburt; fausse fenetre (fpr. Pnäbtr), 
blindes Fenſter; fausse page (jpr. pahſch) Schmus: 
oder Blantjeite (erfte, leere Seite) eines Buches. 
Fausse braie (fr;., jpr. foß brä), Nieder: 
oder Untermwall, eine Anlage der Niederländischen 
Befeftigungsmanier (f. d.), die dem naſſen Graben 
und der Kontereskarpe eine rajantere frontale Be: 
ftreihung verſchaffte und jo den toten Mintel vor 
dem Hauptmwall möglichft bejeitigte. Die F. b. be 
tebt aus einer dem Oberwall parallel laufenden 
ruftwebr, die auf einer breiten Berme am Fuß 
der Eskarpenböſchung des Oberwalld angebradt 
war, mit ihrer Feuerlinie etwas die Glacitcröte 
überböbte und mit ihrem Wallgang nur um geringes 
über dem Wafleripiegel lag, fiber die der nieder: 
ländifchen F. b. verwandte Anordnung des Nieder: 


walls der neuern Feſtungsumſaſſungen ſ. Niedermwall. 
Fauffieren (fr3., ſpr. foß-), verbiegen, frümmen, 
verdreben. 


Fauſt, in Sfterreih Pferdemaß zu 4 Strid = 
10,556 cm. F. (Balma) in Rumänien joviel wie Fuß, 
in Bulareft zu 10 Fingern = 19,8213 cm, in Jafiy 
zu 8 Fingern = 24,7645 cm. 

ft, Buchdruder, ſ. Fuſt. 
auft, Bernhard Chriſtoph, Hygieiniler, geb. 
23. Mai 1755 in Rotenburg in Heilen, ftudierte in 
Göttingen und Rinteln und wurde 1788 Leibarzt 
in Büdeburg. Er ftarb 25. Jan. 1842. %. mar 
einer ber erjten Impfärzte in Deutichland; er jchrieb 
aliber die Kubpoden und deren Impfung» (Büdeb. 
1801), «Öffentlihe Anftalten, die Blattern durch 
Einimpfen der Kubpoden auszurotten» (Hannov, 
1804). Bon feinen zablreihen bugieinifhen Werten 
bat fein «Gefundheitstatehismus zum Gebrauce in 
den Schulen und beim häuslichen Unterriht» (Büdeb. 
1794 u. d.; aud in viele Spraden überjest) die 
meifte Verbreitung gefunden. 
aut, Doktor Sobann, der Sage nad ein berüd- 
tigter Schwarztünitler und oft mit dem Buchdruder 
Ku oder Fuſt (f. d.) verwechfelt, mar eine bijtor. 
erfönlicteit, ein vagierender Humanift, geb. um 
1485 wohl in Simmern bei Kreuznach, nah Me 
landtbon u. a. in Anittlingen (bei Pforzheim); er 
wurde dur die Gunſt Franz von Sidingens Schul: 
meiſter in Kreuznach, erwarb, dort unmöglich ae: 
worden, 1509 das Baccalaureat in Heidelberg und 
son feitvem als Nativitätenfteller unftet und ſchwin⸗ 
delbaft durch Deutſchland, bis er um 1540 in Staufen 
im Breisgau oder im Württembergifhen ftarb. 
Ähnlich wie Tritheim (f. d.), der ihn kannte, aber in 
betrügerifher Abſicht, bat fi diejer Vagant 7. 
ee in den Ruf übernatürliher Kräfte ge: 
racht. Die Sage übertrug auf ihn bald eine Menge 
älterer Zauberjagen; er Polte bei Wittenberg, wo 
er jtudierte, auf 24 Jahre einen Bund mit dem 
le geſchloſſen haben, der ihm den Geift Mepbi: 
ev eles zum Diener gab, und endlich im Dorfe 

imlid bei Wittenberg vom Teufel erbroflelt wor: 
den jein. Er wurde das typiſche marnende Abbild 
der feden Humanijten, die ein «ſäuiſch epiluriſch 
Leben» führten, aud in ihrem Wandel gern das 
antife Heidentum nachahmend, wie ſich denn 7. die 
Helena beihmwört, und die vor allem in der Natur: 
ertenntnis nit die Schranten achten wollten, die 
die Kirche zieht. Der maßloje Forſcher F. den der 
Teufel bolt, ist für die Zeit das Gegenitüd des beichei⸗ 


Fauſta — 


venen Gottesmanns Luther. (Bol. Erich Schmibt, 
‚und Sutber, in den «Sigungsberichten der Ber: 

er Atademie», 1896.) 

Die —* von F. wurde auf Grund der volls⸗ 
tümliben Tradition zu einer Art pſychologiſchen 
Romand ausgeführt und mit billigerabgeichriebener 
Gelebriamteit_aufgepugt von dem unbelannten 
lutber. Verfafier der «Hiftoria von D. F Joh. 
Fauften» (gedruckt zuerſt Frankf. a. M. bei Spieß 
1587; danach hg. von Braune in den «Neudrucken 
deuticher Litteraturmerte des 16. und 17. Zabrb.», 
Rr. 7 u. 8; in pbotolitbogr. Nachbildung 2 von 
Scherer, Berl. 1884; eine wenig abweichende Wolfen: 
büttler Handſchrift publizierte Milhfad, Wolfenb, 
1892; vgl. Wilb. Meyer, Nürnberger Fauſtgeſchich⸗ 
ten, Münd. 1895). Der große Erfolg des Buches 
veranlaßte Georg Rud. Widmann (f. d.) iu einer 
breit moralifierenden Neubearbeitung (Hamb. 1599; 
neu bg. in Scheibles «Klofter», Bd.2, Stuttg. 1846), 
die Joh. Nik. Pfizer (Nürnb. 1674; Neudrud von 
Keller in der «Bibliothel des Litterariichen Vereins 
in Stuttgart», Bob. 146, 1880) auftlärerifch um: 
— aus dieſer Faſſung endlich ging das ver: 

reitete Vollsbuch des «Ebriftlih Meinenden» hervor 
Stanlf. 1712; neu bg. von Szamatolſti nach einem 
Drud von 1725, Stuttg. 1891), das vielleicht Goethe 
u — Vol. Dum 'e, Die deutichen Voltsbücher 
von F. (2p3. 1891); Tille, Die Fauftiplitter in der 
Litteratur des 16. bis 18. Jahrh. nach den älteften 
Quellen —— 1900). 

Schon früb bemächtigte fih die Dichtkunft des 
Stofj3: der geniale Engländer Marlowe (f. d.) dich: 
tete 1589 auf Grund einer engl. liberjegung des 
Spießſchen Faujtbuchs feine «Tragical history of 
Dr. F.» (bg. von Breymann, Heilbronn 1889). Auf 
dieier, welche durch engl. Komödianten nah Deutſch⸗ 
land gebracht wurde, berubt das deutiche Buppen- 
ipiel, das in zahlreichen ſtark auseinandergebenden 
Faflungen bis auf die neueite Zeit eins der belieb: 
teiten Marionettenjtüde —— iſt (ba. von Sim: 
zod, Syranli. 1846; von Scheible in «Rloiter», Bv.5, 
Stuttg. 1847; von Bielſchowſty, Brieg 1882; in 
Engels «Deutichen Buppenlomödien», Bd.1, 9, 10; 
von Kralil und Winter, «Deutſche Yuppenipieles, 
Wien 1885; von Lüble in der «Zeitfchrift für deut: 
ſches Altertum», Bv.31u.a.; vgl. Creizenach, Verſuch 
einer Geſchichte des Vollsſchauſpiels vom Dr. F. Halle 
1878). Auch Vollkslieder wurden auf F. gedichtet, jo 
ſchon 1588 eine engl. Ballade u. ſ. w. Rt Tille, 
Die deutihen Vollslieder vom Dr. F. Halle 1890.) 

Mit Vorliebe bebanvelten die Stürmer und 
Dränger den genußjüchtigen, wiſſensdurſtigen Ti- 
tanen F., vor allen Goethe ‘. d., nebjt ver über 5. 
verzeichneten Litteratur), der von 1775 bis zum 
Zode an jeinem «Fauft» jhuf, dann Lenz, Maler 
Müller in jeinem rohen, aber kräftigen yragment 
«5.3 Leben» (Mannb. 1778), Klinger in dem Ro: 
man «5.3 Leben, Thaten und Höllenfabrt» (Petersb. 
1791). Leſſing zuerft bat mit kongenialem Ber: 
Hänpnis für 5.3 ungeftümen Wifjensprang in fei- 
nen jeltfamen Faujtplänen F. s Seele vor der Hölle 
gerettet und damit Goethe beeinflußt. Von fpätern 

auftdramatifern find zu nennen Graf Soden 

1797), Chamifio (1803), Schint (1804), R. Schöne 
(1809 und 1823), Rlingemann (1815), Julius von 
Voß (1824), Grabbe («Don Juan und ;5.», 1829), 
Braun von Braunthal (1835), Marlom (1839), 
— (1843), 8. Heine (Zanzpoem, 1847), Stolte; 
dazı Lenaus Fauftdihtung 71836). Bilder aus 


Fauſtleier 491 


Goethes F. haben Cornelius, Resih, WB von 
Kaulbach, Kreling, Liezen: Mayer u. a. entworfen. 
Fauſtopern fomponierten Spobr, Gounod, Boito 
und Heinr. Zöllner, eine Fauſtouverture Rich. Wag- 
ner, Nauftjinfonien Berliog und Liſzt, Mufit zu 
Goethes « Fauft» Lindpaintner, Fürſt Radziwill, 
Laſſen, zu ausgewählten Teilen Robert Schumann. 

Bol. Scheibles Klofter, Bd. 2, 3,5 u. 11 (Stuttg. 
1846—49); Erih Schmidt im «Goethe: Jahrbuch», 
Bd. 2—4 (Frankf. 1881—83); Faligan, His- 
toire de la lögende de F. (Bar. 1888); el, Zus 
jammenitellung der —A (2. Aufl. Oldenb. 
1885); Kieſewetter, F. in Geſchichte und Tradition 
(2p3. 1898). 

aufta, Flavia Marimiana, Tochter des röm. 
Kaiſers Marimianus und der Syrierin Eutropia, 
war jeit 307 mit Konftantin d, Gr, vermäblt, dem fie 
die jpätern Kaiſer Konſtantin II. Conſtantius II. und 
Eonitans und mehrere Töchter gebar. (S. Erifpus.) 

ea Spiel, ſ. Bo. 17. 

Fäuſtel, ein beim Bergbau verwendeter Heiner 
Hammer (j. Tertfigur 7 u.8 beim Artikel Bergbau). 

aufthbandichube, ſ. Kampfhandſchuhe. 
auſthuhn, ſ. Steppenhuhn. 

auſtin J., Pruſidentund ipäterflaifer von Haiti, 
ſ. Soulouque. 

Fauftina, Name 1) der 141 n. Chr. geſtorbe⸗ 
nen Gemahlin des röm. Kaiſers Antoninus Pius, 
2) ihrer 175 geitorbenen Tochter, die mit dem Nach⸗ 
—* des Antoninus Pius, mit Marcus Aurelius 

ntoninus vermäblt, wegen ibres fittenlofen Lebens 
berüdhtigt war. Zu ihrem Andenten wurden Stif: 
tungen für arme Mädchen, die puellae alimentaria 
Faustinianae genannt wurden, gemadt. 

Fauſtkampf (ariech. pygmö; lat. pugilatus), eine 
der gymnajtifchen libungen ver Alten. Um die Hand 
trugen die Kämpfer Riemen aus Rindsleder (Cästus, 
ſ. d). Mebrere plaftiihe Darftellungen von Fauſt⸗ 
tämpfern baben fih aus dem Aitertume erhalten. 
Uber den modernen %. |. Boren. 

Fäuftle, Joh. Nepomuf von, bayr. Staats: 
mann, geb. 28. Dez. 1828 in Augsburg, ftudierte 
in Münden Rechtswiſſenſchaft, wurde 1857 Aſſeſſor 
am Kreis⸗ und Stadtgericht Augsburg, 1858 Nat 
am Bezirtögeriht Donauwörth, 1860 Aſſeſſor am 
Appellationsgeriht für Schwaben, im Juli 1862 
bei der Neorganijation der gefamten * Juſtiz⸗ 
verwaltung Vorſtand des Stadtgerichts Munchen, 
1864 Aſſeſſor und Referent im Juſtizminiſterium, 
1868 unter Fortdauer feiner Verwendung im Mini: 
jterium Oberappellationsgerichtärat, 1870 Mini: 
iterialrat und im Aug. 1871 an Stelle von Zus 
Juftizminifter. In diefer Stellung fand F. vie 
reichite Gelegenheit, fein hervorragendes organi: 
ſatoriſches Talent zu verwerten, fo beſonders bei 
der Einführung der norddeutſchen Bundesgeiehe 
als Reichägefege in Bayern, der Vorbereitung und 
Durbführung der neueiten Geſeßgebung, insbe: 
ſondere der neuen Reichsjuſtizgeſehe, bei den Ber: 

andlungen des Bundesrats, bei der Ausgeftal: 
tung der fpeciellen bayr. Yuftizgeießgebung, den 
vielfahen Reformen der innern und Finanzver⸗ 
waltungsgejeße und der praltiihen Durchführung 
derielben, der Reform der Strafanftalten u. f. w. 
1875—81 war F. aub Mitglied der bayr. Abge: 
ordnetentammer als liberaler Vertreter des Bezirks 
Kempten. Er jtarb 17, April 1887 in Münden. 

Fauftleier, foviel wie Drebbobrer (f. Bobrer 
nebit Zertfig. 12). 


492 


Fauftmann, Martin, Foritmann, geb. 19. Febr. 
1822 in Gießen, ftudierte dafelbft feit 1841 Theo: 
logie, dann Forſtwiſſenſchaft. 1857 wurde ihm 
die Verwaltung der Überföriterei Dudenhofen mit 
Wohnung in Babenhaufen übertragen, wo er 
1. Febr. 1876 ftarb. F. mar nder eines 
Spiegelbypjometers zur Meflung der Baumböben. 
Beſonderes Verdienſt erwarb er fich durch Loſung 
von Aufgaben der Waldwertrechnung; fo veröffent⸗ 
lihte er in der «Allgemeinen Forſt- und Jagd: 
zeitung» (Frankf. 1849) «Berehnung des Wertes, 
weldyen Waldboden ſowie noch nicht haubare Holz: 
beitände für die Walpwirtichaft befiken». Die darin 
entwidelten Örundjäpebaben pie Waldwertrechnung 
mit gr der Formeln für Bodenerwartungsmwert 
und Beitandslojtenwert in neue Babnen gelentt, 
fie barmonieren auch mit der von Preßler bald dar: 
auf begründeten ſog. foritlihen Reinertragslehre. 
Aud die Jahrgänge 1853, 1854, 1855, 1865 der: 
elben Zeitung enthalten wichtige, foritmatbem. 

bbandlungen F.s. 

Fauftpfand (im djterr. Recht Handpfand, 
lat. pignus), die Gejtalt des Pfandrechts (f. d.), bei 
der die Pfandſache fih im Beſitze des Gläubigers 
befindet, im Gegenfaß zur H — (f. d.), bei der 
der Öläubiger ven Befik der and ade nicht erhält. 
Während im röm. Recht F. wie Hupotbel ſowohl 
an Grundftüden ald auch an beweglichen Saden 
mögli war, gebt die Tendenz der modernen Rechte 
dahın, ald Immobiliarpfandrecht nur die Hypothek, 
ala Mobiliarpfandredt nur das F. anzuerlennen. 
* letzterer Beziehung iſt für Deutſchland von be: 
onderm Einfluſſe geweſen, daß die Reichslonkurs⸗ 
ordnung vom 10. Febr. 1877 im Konkurſe nur dem 
8: an beweglihen Saden eine Wirkung zuſprach. 

ierdurch wurde die Bartitulargefehgebung veran: 
laßt, die Mobilienbypotbel, wo jie noch beitand, zu 
bejeitigen. Doch gab es im einzelnen noch immer 
mancherlei Berjchiedenheiten ; jo genügte vielfach zur 
Beitellung des F. die Übergabe nicht, ſondern e3 
war, wie noch heute im Code civil (Art. 2074) bei 
Sachen von mehr als 150 Irs. Wert, Aufnahme 
einer öffentlihen Urkunde erforderlich. 

Das heutige deutſche Reichsrecht bezeichnet das F. 
als das Pfandrecht an beweglichen Sachen ſchlechthin 
und vermeidet den Ausdruck F. außer in 8. 804 der 
Givilprozeporbmung. Nach dem Deutichen Bürgerl. 
Geſetzbuch entftebt das Pfandrecht an einer beweg⸗ 
lihen Sache dadurch, daß fie der —— dem 
Gläubiger übergiebt, und beide darüber einig find, 
daß lekterm das Pfandrecht daran zufteben fol 
($. 1205); unter Übergabe ift die förperliche liber: 
* zu verſtehen, doch genügt auch die ſog. tra- 

itio brevi manu, d. b. wenn der Gläubiger ſich 
bereits im Befise der Pfandſache befindet, bedarf es 
zur Pfandbeftellung nur der Einigung. Ferner ge: 
nügt es auch, wenn der Eigentümer, der nur mittels 
barer Befiger ift (und das ift der Fall, wenn ein 
anderer fie auf Grund eines Niekbraubs, eines 
Pacht⸗ oder eines Hinterlegungsvertragd oder dergl. 
in Händen bat), dem Gläubiger, unter gleichzeitiger 
Benachrichtigung des unmittelbaren Befikerd von 
der VBerpfändung, den mittelbaren Beſitz überträgt, 
endlich genügt auch die Einräumung des Mitbefikes, 
menn nur die Sade unter den Mitverichluß des 
Hläubigers kommt oder, im Falle mittelbaren Bes 
figes, der unmittelbare Beſitzer fie dem Gigentümer 
und Pfandgläubiger nur gemeinſchaftlich beraus: 
neben darf 3 1206). Unzuläffig ift dagegen die Be: 


Fauftmann — Fauſtpfand 


ftellung durch constitutum — d.b. in 
der Weiſe, daß die Sache im Beſitze des Verpfänders 
verbleibt und dieſer ſie nunmebr als Stellvertreter 
des Gläubigers befißen will. Genau jo wie an 
beweglihen Sachen wird das Pfandrecht an In: 
baberpapieren beitellt ($. 1293), bei ſolchen Bapieren 
aber, die durch Indoſſament übertragen werben, ift 
außerdem vorhergehende Indoſſierung notwendig 
.1292); auf die zu einem papiere gebörenven 
ind:, Renten: oder Gewinnanteilſcheine erftredt 
ih das Pfandrecht nur, wenn dieje auch mit über: 
geben worden find ($. 1296). Die lörperliche fiber: 
abe kann aud durch Übergabe eines fog. Dispo- 
itionspapiers, wie 3. B. eines Lagerſcheins, fton- 
nofjements, erfeht werben (Handelsgeſetzb. 88. 424, 
, 647). — Auf den gutgläubigen Erwerb des 
Pfandrechts vom Nicdhteigentümer finden die Bor: 
ſchriften über den gutgläubigen Eigentumsermwerb 
(f. Bona fides) entſprechende Anwendung. 
Ein F. kann aud an Rechten bejtellt werben. Ala 
ice fommen vor allem das Pfandrecht an der dem 
fandgeber ala F. gegebenen Sade eines Dritten 
j. Aiterpfand) und das Forderungsrecht (j. d.) in 
etracht. Someit ein Recht nicht übertragbar ift, 
wie nach Bürgerl. Gejesb. $. 1059 der Niekbraud, 
fann aud fein F. an dem Rechte beftellt werden 
($. 1274). Nah dem Bürgerl. Geſetzbuch erfolgt 
die rer, des Pfandrechts an einem Rechte nach 
den für die —— des Rechts geltenden Bor: 
ſchriften. Iſt zur lübertragung des Rechts die Liber: 
gabe der Sache erforderlich, ſo finden die oben F 
nannten 88. 1205, 1206 Anwendung ($.1274). Die 
ag Bi Forderung, zu deren fiber: 
tragung der Abtretungdvertrag gang: ($. 398) ift 
jedoch nur wirlſam, wenn der Gläubiger fie Dem 
Schuldner anzeigt ($. 1280). Die Folge der Ver: 
pfändung ber Forderung ift, daß der Schuldner 
nur an den Pfandgläubiger und den Gläubiger ge 
meinſchaftlich leiften und jeder von diefen verlangen 
tann, daß an fie gemeinſchaftlich geleiftet werde. Zur 
Abtretung einer Hypotbelforberung genügt die form: 
Iofe Abtretungsdvereinbarung nicht; hierzu bedarf es 
der ———— in ſchriftlicher Fotm oder 
der Eintragung in das Grundbuch und ber Ubergabe 
des Hypothekenbriefs (8.1154). Alfo muß auc die 
Verpfändungder Hypothefforderung ſchriſilich (Durch 
Eintragung) und unter Übergabe des Hypotbefen- 
brief geſchehen, andererjeitö bedarf e# feiner Ans 
aeige an den Schuldner. 
ie ihm zum Pfand übergebene Sache bat ver 
Pfandgläubiger orbnungsmäßig — verwahren und 
nad Tilgung der Schuld an den Verpfänder zurück⸗ 
zugeben. Für den infolge feiner Fabrläffigkeit ein» 
getretenen Verluft oder die —— baftet er 
auf Erjag. Er darf bie werpfändete e nicht 
nußen, wenn ibm dies Recht nicht eingeräumt tft. 
Anders bei von Natur frudttragenden Sachen, die 
ibm zum Alleinbefig übergeben find. Hier ift der 
Piandgläubiger im Zweifel zum Fruchtbezug be 
rechtigt. Stebt ihm das Recht, die Nubungen zu 
zieben, zu, fo ift er aber aud, wenn nichts anderes 
vereinbart wird, verpflichtet, für die Gewinnung 
derjeben zu forgen und Rechenſchaft zu legen, fo: 
mie den Weinertrag auf die Schuld und zwar zu: 
nächſt auf Koſten und Zinfenanzurechnen (88.1213 fg 
und 1223). (S. Nugungspfand.) 
Das Pfandrecht erliicht zugleih mit der Forde⸗ 
rung, für die es beftellt ift, ferner wenn der Pfand⸗ 
aläubiger die Sadbe dem Eigentümer zurüdgiebt, 


Fauſtrecht 


wobei ein Vorbehalt der Fortdauer des Pfandrechts 
unwirtſam iſt, endlich durch einſeitige Aufgabe 
ellärung des Pfandglaͤubigers gegenüber dem Ber: 
Mänder (88. 1252 fg.). Unfreimilliger Befisverluft 
berührt das Beftehen des Pfandrechts nicht. , 
Für die Verwertung ded Pfandes kommen brei 
verihiedene Syſteme vor. Entweder ift der Verkauf, 
wenn der Schuldner bei Berfall nicht zahlt, im Wege 
der Zwangsvollſtreckung, aljo Dean nad) vor: 
gängiger Klage und Verurteilung, herbeizuführen 
(jo 3. 2. = Oſterr. Bürgerl. —— $. 461), 
ober er erfolgt auf gerichtliche Verkaufsermächti⸗ 
gung (Code civil 2078), oder es bedarf weder bes 
einen noch de3 andern, es findet aljo reiner Privat: 
verfauf ftatt, jedoch in einem im — des Ver⸗ 
—— eßlich geordneten Verfahren, ohne daß 
dem Gläubiger dabei verboten wäre, den Weg 
der Zwangsvollitredung —— 
Dies iſt auch das Syſtem des Bürgerl. Geſetzb. 
88. 1233 fg. Hiernach muß der Berfaut dem Eigen: 
tümer regelmäßig zunächſt vorber angebroht und 
dabei der Gelpbetrag bezeichnet werben, wegen deſſen 
der Bertauf ftattfinden jol. Dem Eigentümer ift jo 
Gelegenbeit gegeben, —* Einlöfungsreht auszu: 
üben. Der Verkauf jelbft darf in der Regel der An: 
drobung nit vor Ablauf eined Monats folgen 
und bat im Mege öffentlicher Berfteigerung zu er: 
folgen. Bei Bändern mit Markt: oder Börjen: 
preis ift Verlauf aus freier Hand durch einen Kurs: 
malfler ———— $. 34) oder eine zur Öffentlichen 
Berfteigerung gte Berjon zum laufenden Preife 
ftattbaft. Die er ag bat der Regel nad 
an dem zu erfolgen, mo das Pfand aufbewahrt 


wird. Zeit und Ort find öffentlich befannt zu machen, 


Eigentümer und Dritte an dem Pfand Berechtigte 
bejonders zu benadhridtigen. Der Kaufpreis iſt 
bar zu entrihten. Bon dem Verkauf und feinem 
Ergebnis ift der Eigentümer, wenn thunlich, und 
war unverzüglih zu benadrichtigen. Etwaiger 
Überjauß (hyperocha) ift dem Berpfänder heraus: 
use * Teil kann, wenn es nach billigem 
eſſen ſeinen Bang ler entipriht, eine Alb: 
weichung von dieſen Vorjhriften verlangen, nur 
nicht von der über vorgebende Androhung und Frift. 
Außerdem können Abweihungen vereinbart wer: 
den von beftimmten Vorfchriften, insbefondere von 
der über öffentliche Verfteigerung, aber erft nad 
Eintritt der Verkaufsberechtigung, d. b. erſt nad 
gänzlihem oder teilmeilem Fälligwerden der For: 
derung ($$. 1245 u. 1228). Eine vor dem Eintritt 
der Verkaufsberechtigung getroffene Vereinbarung, 
nad mwelder dem Vfandgläubiger, falls er nicht 
oder nicht rechtzeitig befriedigt wird, das Eigentum 
an dem F. zujallen oder —— werden ſoll, iſt 
35 1229 u. 1277). — Aus einem verpfän: 
beten Rechte lann der Biandaläubiger Befriedigung 
nur auf Grund eines vollitredbaren Titels im Wege 
ber Zwangsvollſtredung juchen, ed müßte denn eine 
andere Art der Veräußerung vereinbart werben 
1277). Für die Beirienigung aus verpfändeten 
gen geitattet das Bürgerl. Geſetzbuch dem 

fäubiger ſowohl die außergerichtlibe Ein- 

wie den Weg der Zmangsvo!litredung, der 

nad Öjterr. Bürgerl. Geſetzbuch und Code civil allein 


Im Konkurje verleiht ein Pfandrebt an einem 
zur Kontursmafje gebörigen Gegenftande ein Recht 
auf Abgejonderte Befriedigung (f. d.; Konkursord: 
nung 8.48). Die übrigen Sondervorſchriften des 


493 


—— Relchslonkursrechts über das F. ſind auf: 
gehoben. 

Ko das handelsrechtliche Pfandrecht gelten im 
weſentlichen bie Vorichriften des bürgerlihen Rechte. 
Nur erftredt fich der gute Glaube beim Erwerb vom 
Nichteigentümer auch auf das Verfügungsrecht, nicht 
nur auf das Eigentum des Verpfänders (Handels: 
geießb. $. 366). Weiter beiteht eine Abweichung 
IS die Beurteilung des guten Glaubens gejtob: 
ener oder verlorener {nbaberpapiere (8.367; |. Bona 
fides), endlich beträgt die Androhungsfriſt für den 
Pfandvertauf nur eine Woche ($. 368). 

Die im Vorftehenden entwidelten Rechtsfäge gel: 
ten unmittelbar nur für das durch Rechtsgeſchäft 
beftellte Pfandrecht, finden aber entſprechende An— 
wendung auf gejesliche (Bürgerl. Gejekb. $. 1257) 
und auf im Mege der a ET erwirkte 
Pfandrechte (Eivilprogekorbnung $. 804). 

An einem im St ihr Inder eingetragenen Schiffe 


— Faute 


ift ein Pfandrecht nicht in der Form des F., ſondern 
als eine Art Hypothel durch Eintragung des Pfand: 
rechts ins — zu beſtellen Bar erl. Ge: 
ſetzb. 1259 fg.; Geſetz über die freiwillige Ge: 
richtsbarkeit 88. 100 fg.). 

Fauftrecht (Jus manuarium), ein erft in neuerer 
Zeit aufgelommener Ausprud für einen Zuftand, in 
welchem es an einem öffentlichen Rechtsſchutz gänz⸗ 
lich fehlt und wo deshalb niemand mehr Recht er: 

ält, ala er ſich durch eigene Kraft und Gemalt ver: 
haffen fann. Ein folder Zustand beftand nament: 
ih in Deutichland zur Zei 
' .d.). Das F. war ein Mi 

Fehde). 

auſtriemen hrsg dragonne), ein am Bügel 

der Hiebwaffe befeftigter Riemen, der, um das Hand» 
get des Neiterd gefchlungen und mitteld eines 

chiebers befeftigt, verhindern foll, daß die Waffe im 
Handgemenge dem Reiter entfällt; auch erlaubt fie 
diefem von ſeiner Feuerwaffe Gebrauch zu maden, 
ohne die Hiebwaffe vorher in die Scheibe fteden IM 
müfjen. In vielen Heeren dient der mit Troddeln 
verichiedener Farben verjehene F. zugleich als Ab: 
zeihen gewiſſer Formationseinheiten. In letzterm 
Sinne fommt ber F. unter dem Namen Säbel: 
trodbdel (f.d.)auch beider Infanterie vor. Der F. der 
Dffiziere und einiger Unteroffizierklaffen ift in den 
meijten Heeren von Silber: oder Goldgefleht und 
wird Bortepse (f. d.) genannt. 

—A— Tariſche. 

aufts Höllenzwang, ſchwarzer Rabe, 
roßer und — — eergeiſt, Mira— 
ulkunſt und Wunderbuch u. ſ. w., Titel einer 
Reihe alberner Zauberbücher, die ihre meiſt ſinn— 
loſen Beſchwörungsformeln («Charaktere») dadurch 
empfehlen wollen, daß fie ven Schwarzkunſtler Fauſt 
.d.) alö deren Verfaffer und Benußer auögeben. 

inige deutſche drudt Scheibles «Klofter», Bd. 2 
und 5 (Stuttg. 1846—47), ab. Ein handſchrift— 
lihes Exemplar mit Zubehör, d. b. einem fog. Erd» 
fpiegel und Streifen aus Jungfernpergament (von 
ganz jungen Böden), befindet fi im Welfenmufeum 
zu Hannover. j 

Fanftülus, in der röm. Sage der Hirt, der die 
am Tiber ausgejebten Zmwillingsbrüder Romulus 
und Remus —* (f. Acca Larentia). 

Faute (frz., Ipr: tobt), Fehler, Verjeben; Schuld; 
adjektiviih: aus Mangel; F. d’argent (fpr. dar: 
ſchäng), aus Mangel an Geld; F. de mieux (fpr. 
midb), in Ermangelung eines Befjern. 


eit ded Interregnums 
brauch des Fehderechts 


494 


Fauteuil (ar fpr. fotöj, aus dem mittellat. fal- 
distolium, ſ. Faltſtuhl), Armſeſſel, Lehnſtuhl, meijt 
gepolſtert; er Präfidentenftuphl. 

acht 

im Seefrachtgeſchäft derjenige Teil der bevunges 
nen Fracht, welchen der Verfrachter zu fordern be 
rechtigt ift, wenn der Befrachter, die vertragsmäßige 
Lieferung der Ladung unterlajfend, vom Frachtver⸗ 
trage zurüdtritt. Nach allgemeinen Rehtögrund: 
fägen müßte in folhem alle der Befradhter dem 
Verfrachter die ganze — t zu zahlen 
haben unter Abzug der vom Verfrachter während 
der fraglihen Zeit etwa anderweitig verdienten 
Fracht. Im Snreile des Handel3 aber, um den 
aufmann in feinen Spekulationen nicht zu ER u 
beengen, bat ji der Grundſatz Geltung verf aflı, 
daß der Befrachter, wenn er vor Antritt der Reife 
den Fractvertrag kündigt, nur einen Teil der Fracht 
zu entrichten habe. Diejer Grundfag ift in den 
meiften neuern — freilich mit Abwei⸗ 
chungen über den Zeitpunft, bis zu welchem der Be⸗ 
achter den Rüdtritt erklären — angenommen. 
bweichend insbeſondere das engl. Recht, welches 
ein Rüdtrittörecht des Befrachters gegen Zahlung 
einer geſeßlich feſtgeſeßten Entſchädigung nicht an: 
ertennt, fondern im einzelnen Falle die Höbe der 
Entfhädigung unter Berüdfichtigung der Umſtände 
des Falles feftitellen läßt, wobei principiell der Scha: 
den dem Betrage der Fracht abzüglich der Unkoſten 
der Reife und eines etwaigen andermeitigen Fracht: 
verdienftes gleichgejtellt wird. Nach dem Deutſchen 
Handelsgefehbud kann bei Verfrahtung des gan- 
zen Schiff der Befrachter vor Antritt der Be 
von dem Vertrage zurüdtreten unter der Verpflich— 
tung, die Hälfte der bedungenen Fracht als 5. zu 
zahlen. Die Reife gilt fhon dann als angetreten, 
wenn der Befrachter ven Schiffer abgefertigt bat, 
oder wenn er die Ladung bereit3 ganz oder zum 
Teil geliefert bat und die Wartezeit verjtrichen ift. 
Nachdem die Reife angetreten iſt, kann der Befrach— 
ter nur gegen Berichtigung der vollen Fracht jowie 
der —2 Forderungen des Verfrachters vom 
Vertrage zurüdtreten und Wiederausladung der 
Güter verlangen. Nur dann kann der Befrächter 
ſich jtatt Zahlung der vollen Fracht durch Zahlung 
von zwei Dritteln derjelben als F. befreien, menn das 
Schiff zugleich Ba Nüdladung verfrachtet war und 
der Nüdtritt vor Antritt der Rückreiſe erflärt wird, 
oder wenn das Schiff bebufs Einnahme der Ladung 
nah einem andern Hafen fegeln mußte und der 
Nüdtritt vor Antritt der Reiſe aus diefem Abla- 
dungshafen erllärt wird. Auf die F. wird die Fracht, 
weis der Verfrachter anderweitig verdient, w. 
abgerechnet. Nur bei zufammengejeßten Reifen joll, 
wenn der Rüdtritt vor Antritt des legten Reife: 
abſchnittes erklärt ift, für andermeitigen Frachtver— 
dienjt unter Umftänden eine angemefjene Quote von 
ver vollen Fracht in Abzug gebracht werden. Wenn 
der Frachtvertrag nicht das ganze Schiff, fondern 
einen verbältnismäßigen Teil oder beftimmten Raum 
desjelben oder den Transport von Stüdgütern zum 
Gegenitande hat, jo muß der zurüdtretende Befradh: 
ter regelmäßig die volle Fracht bezahlen. Es kommt 
jedoch von derfelben die Fracht für diejenigen Güter 
in Abzug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht 
gelieferten angenommen bat (Deutiches Handels: 
gie. 88. 580—589). Die Grundgedanten diefer 
ejtimmungen find durch Reichögeje vom 15. Juni 
1895 auch auf den Frachtvertrag der Binnenſchiff⸗ 


fr3. fautede fret, mangels Fracht»), | F. delicti, ya eines 


Fauteuil — Favart (Charles Simon) 


—— übertragen worden ($$. 36 I: Die F. vor 
ntritt der Reife beträgt bier ein Drittel. 

Fautor (lat.), Gönner, — ehr Beförderer; 

erbrechens. 

Fauvel (ſpr. fowell), Sulpice Antoine, er 
Mediziner, geb. 1813 in Paris, ftubierte dajelbft, 
mwurbe 1847 Sanität3beamter in Ronftantinopel, 
1848 Mitglied des türk. Reichsſanitätsrats, Lehrte 
1866 nah Paris zurüd und wurde bier General: 
infpeftor des franz. Sanitätömwejend. Er ftarb als 
Vicepräfident der Alademie der Medizin 5. Nov. 
1884. F. bat ſich bejonderd um die Epidemiologie 
verdient — Seine Arbeiten über die orient. 
Bet, dieCholera und Tuphus waren epochemachend; 
die Quarantänevorſchriften der meisten Staaten find 
nad feinen Vorſchlägen verfaßt. Seine Hauptar: 
beiten find: «Le cholera, etiologie et prophylaxie» 
(Bar. 1868), «Rapports sur l’organisation du ser- 
vice des quarantaines en Turquie» (ebd. 1873) 
und «Röglement général de police sanitaire ma- 
ritime» (ebd. 1876). 

Faux (fr;., ſpr. fob), falſch, unecht, nachgemacht; 
faux bourdon (fpr. burdöng), ſ. Falso bordone; 
faux ménage (fpr. 4 ‚ wilde Ebe; ſaux pas 
(pr. pa), Fehltritt, Verfeben; faux titre (fpr. titr), 

chmutztitel. (S. auch Fausse.) F. incident civil 
ift im franz. Eivilprozeß das Verfahren, in welchem 

egen eine Öffentlibe Urkunde der Beweis der 
Hälihung eführt wird, beginnend mit einer Er: 
lärung auf der Geridhtsfchreiberei (inscription en 
faux); F.criminel, ftrafredhtlihes Verfahren wegen 
Urkundenfälfhung. i f 
avära, Stadt in ber ital. Provinz und im 


-Kreis Girgenti auf Sicilien, 10 km im D. von 


Girgenti und 15 km vom Meere, in 325m Höbe, bat 
(1901) 20398 €., an dem Hauptplage ein Schloß der 
im 14. Jahrh. politifch bedeutenden Familie Ebiara- 
monte; Bergbau auf Schwefel, Nlaunund TZurmalin, 
Marmorbrüde und Handel mit Südfrüchten. 
Faväro, Antonio, ital. Mathematiter, geb. 
21. Mai 1847 zu Padua, ftudierte dajelbjt, im 
Turin und Zürih Mathematik und Mechanik. Er 
wurde 1870 Docent und 1872 Profeſſor der Mathe⸗ 
matik an der Univerfität feiner Vaterſtadt. Unter 
einen jehr zahlreihen Schriften find die bedeutend: 
ten: «La statica grafica nell’insegnamento tec- 
nico superiore» (Bened. 1873), «Lezioni di statica 
grafica» (ebd. 1873; 2. Aufl. 1877), «Inedita Gali- 
leiana» (ebd. 1880), «Galileo Galilei e lo studio di 
Padova» (2 Bar. ‚Nor 1882), «Seritti inediti di 
Galileo Galilei» (Rom 1884), «Miscellanea Gali- 
leiana inedita» (Vened. 1887), «Nuovi studi Gali- 
leiani» (ebd, 1891), «Galileo Galilei e suor Maria 
Celeste» (Flor. 1891), «Vent’anni di studi Gali- 
leiani» (ebd. 1896). Die Herausgabe der National: 
ausgabe der Werte Galileis ift 5. anvertraut, 
avart (ipr. -wabr), Charles Simon, franz. 
Opern: und Zujtipielbichter, geb. 13. Nov. 1710 zu 
Paris, gewann ſehr hung, durch fein Gedicht «La 
France delivr&e par la Pucelle d’Orlö&ans» einen 
Preis bei den Jeux floraux, und ſchrieb jeit 1734 für 
die franz. komiſche Oper (Thöätre de la Foire). 1745 
beiratete er eine Sängerin diejes Theaters, die 
jelbjt einige Stüde, 3. B. «Annette et Lubin», 
verfaßt haben fol. Ste wurde gemöbnlih «La pe- 
tite Chantilly» genannt und bieß eigentlib Marie 
Juftine Benedicte Duronceray,geb. 15. Juni 
1727 zu Avignon. Bon ihr war der erjie Berjud 
ausgegangen, Soubretten und Landmädchen in dem 


Favart (Marie) — Favre (Gabriel Claude Jules) 


vielen Rollen en Koſtum zu fpielen. 
Als die komische Oper 1745—52 ſich auf die Auf 
übrung von Ballettpantomimen eingeihräntt jab, 
ibenabm 5. die Direktion der ——— 
welche der Marſchall von Sachſen auf ſeinen Feld⸗ 
ügen nach Flandern mit fi führte. Später wurde 
die grau Mitglied der Jtalieniichen Oper, während F. 
ſeit 1752 die glänzend erneuerte fomijche Oper der 
Foire Saint - Laurent leitete und in ihr gute Sitte, 
Geibmad und feinen Scherz einführte. Unter feinen 
Stüden, die meijt auf dem Lande fpielen und ver: 
fünftelt naive Bauern und Bäuerinnen vorführen, 
find die ausgezeichnetften «La chercheuse d’esprit» 
(1741), das erjte Stüd, das F. druden ließ, «Le coq 
du village», «La fille mal gard&e» und «Ninetteä la 
cour», wonad Eh. %. Weiße jein «Lottchen am Hofe» 
dichtete. Seine beite Komödie war «L’Anglais à 
Bordeaux». Seine Gattin ftarb 22. April 1772, er 
jelbft 12. Mai 1792, 5.8 und feiner Gattin Werte 
erſchienen gefammelt als «Theätre de monsieur et 
madame F.» (10 Bde. Bar. 1763 — 72). Ferner 
«Theöätre choisi» (3 Boe., Par. 1810), «CEuvres 
choisies» (3 Bde., ebd. 1813). Bon Wichtigkeit find 
feine «Mömoires et correspondance litteraires » 
(3 Boe., Bar. 1808). 

Beider Sohn, Charles Nicolas F., neb. 1749, 
geſt. 1. Febr. 1806, bat ebenfalls einige Stüde ge: 
\chrieben, war jedoch mehr als Sänger auf dem 
ital. Theater denn ald Dichter ausgezeichnet. 

Favart (jpr.-wabr), Marie, eigentlih Bierette 
Sanace PBingaud, franı. Scaufpielerin, geb. 
16. Febr. 1833 zu Beaune, bildete jih auf dem Kon: 
jervatorium zu Baris und debütierte 1848 auf der 
Bübne des Thöätre frangais, dem fie jeitbem (mit 
Ausnahme einiger Monate, während deren fie auf 
ven Varietes fpielte) ununterbrodhen bis 1881 als 
eins der gefeiertiten Mitglieder angehörte. Seit 
1854 ift fie Societaire des Theaters. Durch An: 
mut und Vornebmbeit fich auszeichnend, fpielte fie 
bauptfählich tragiiche Rollen des alten Spiclplans 
neben modernen Partien, wie Dona Sol, Marion 
Delorme u. ſ. w. Sie verbeiratete jih mit dem 
Schauſpieler Louis Arjöne Delaunay (f. d.). 

Faventinus, Divomus, Pſeudonym für Me: 
landtbon (if. d.). 

eriham (ipr. fäww'rſchämm), Stadt in der 
engl. Grafſchaft Kent, an einer Heinen Bucht der 
Rordlüfte, 14 km im WNW. von Canterbury, an 
ben Pinien Sondon:Dover und F. Margate, bat 
(1901) 11 290 €., eine jtattlihe Pfarrkirche mit alten 
Skulpturen, Scifibau, Ziegeleien, Auiternfang 
und dient als Hafen für das Stourthal, Die Haupt: 
einfubr bejtebt aus Baubolz; und Kohlen, vie Aus: 
fubr aus Hopfen und landwirtfhaftlihen Erzeug: 
niffen. Die eigene Flotte zäblt (1899) 226 Yabr: 
zeuge. In der Näbe Wulverfabriten. Von der 
berübmten Abtei mit den Gräbern Stepbans von 
Blois und feiner Gemahlin ift faft nichts erbalten. 

Favöte lingüis (lat.), «bütet die Zungen!» 
entbaltet euch unbeiliger Rede! dann überhaupt: 
ihmeigt! Urjprünglic der Zuruf, welchen die röm. 
Brieiter bei Beginn des Dpfers an die Anmwejenden 
zu richten pflegten. 

Faveur (frz., ipr. wöhr), Gunft, Gewogenbeit. 

Favierd Sprengmittel, j. Erplofivitoite 2, jo: 
wie Sicherbeitsiprengitofie. 

ignana (ipr. -winjahna), die größte der 
Agadiſchen Inſeln (1. d.). 
Fabn, dän. Längenmas, ſ. Faden 


495 


Favonius, bei den alten Römern Name des 
ig eg entiprechend dein Zepbyros (f. d.) 
der Griechen. (S. Föhn.) 
unjt, Begünfti 


Favor (lat.), ; F. defen- 
siönis, im Sriminalprogeß die Begünftigungen, 


welche dem Angeihuldigten zu jeiner Verteidigung 
au tommen, 3. B. daß ihm immer das ẽ 
ort gebührt, daß er feinen Verteidiger frei wählen 
darf u. a.; in favörem, zu Guniten; fav oräbel, 
günftig, geneigt; favoriſieren, begünitigen, 
Favorabiles oausae (lat.), Bntige Rechts⸗ 
fälle, die von der Geſetzgebun — evorzug⸗ 
ten Rechtsverhaliniſe oder Rechtsgeſchäfte, als eine 
zweideutige Erklärung im Zweifel günſtig ausgelegt 
wird. Das waren im röm. Recht die Freilaſſung, 
die Dos (ſ. Dotalſyſtem und Mitgift) au Gunſten 
der Frau, letztwillige Anordnungen, welche eher zu 
Gunſten des Bedachten, vor allem zur Aufredht: 
baltung der eg ausgelegt werden follten. 
reg aus Arelate (Arles), grieh. So: 
phiſt, Schüler von Dio Ehryfjoftomus, ein Freund 
von Plutar und Fronto, verfaßte um 120 n. Chr. 
mebrere philoſ. und biftor. Schriften, inäbefondere 
ein ausführliches Werk u.d.T, « Pantodapö hyl&», 
morin er eine große Menge encytlopäd. Willens 
zufammentrug. Eine Sammlung der Fragmente 
diefer und zweier anderer Schriften des F. findet 
jih im dritten Bande der «F enta historico- 
rum Graecorum», bg. von C. Müller (Par. 1849). 
— Val. Maaß und von — in den «Philol. 
———— Heft 3 u. 4 (Berl. 1880). 
Favorit (ital. favorito; frz. favori), Günftling, 
Liebling; Beet Favoritin, inöbejondere 
ertlärte Geliebte eines Fürſten ( Favoritſultanin). 
a 


avorite, Luftihloß bei Raltatt (f. d.). 
aboriten, Bezirt von Wien (f. d.). 
aboritfultan 


diejenige unter den Kabinen 
( d.), die fich der befondern Bevorzugung, ihres 
ebieters erfreute. Sie erhielt den Titel Haſſeki 
und hatte oft großen Run Sole Bevo u 
at indeilen unter Abd ul-Hamid II. —* Ört. 
enTitel Sultanin führen rechtmäßig nurdiejenigen 
Baum, die felbjt kaiferl. Abkunft find, und Die 
abine, deren Sohn den odman. Thron bejtiegen 
bat. Sie wird dann Walideb Sultan, d.h. Sul⸗ 
tanin: Mutter, genannt (f. Waliveb). 
avdofitiden, f. Tabulaten. 
avras (jpr. -wrab), Thomas, Marquis, Graf 
de Mahy, geb. 26. März 1744 zu Orleans, ging ala 
Zeutnant in der Schweizergarde 1787 nad Hol: 
land, wo er eine Pegion der «Patrioten» lomman⸗ 
dierte. Nah Paris zurüdgelehrt, verwidelte er ſich 
in eine fonterrevolutionäre Verſchwörung, die auf 
die Aufhebung der konftitutionellen Gejeße und die 
Entführung des Königs nad Peronne abzielte. Der 
Anſchlag ward entdedt und F. im Dez. 1789 des Hod 
verrats ——8 erklärt und 19. Febr. 1790 gehängt. 
Bald nach ſeinem Tode erſchien ſein «Testament de 
mort» (Par. 1790) und die «Correspondance du 
Marquis et de la Marquise de F. pendant leur 
detention» (ebd. 1790). — Bol. Stillfried-Ratenic, 
Thomas de Mahy, Marquis de F. (Wien 1851). 
Favre (jpr. jahr), Gabriel Elaude Jules, franz. 
sauer, geb. 21. März 1809 zu Lyon, Sohn eines 
aufmanns, ftubierte in van die Rechte, erwarb 
jih dann als Advokat in Won bald eine angejebene 
Stellung und fam 1835 nach Paris, wo er vor dem 
Pairshofe die wegen des Lyoner Aufſtandes Anges 
Hagten kräftig verteidigte. Beim Ausbrud der 


496 


bruarrevolution ernannte ibn Ledru⸗-Rollin 1848 
zum Generaljetretär des Minifteriums des Innern, 
und die offentliche Meinung bezeichnete ihn, wenn 
aud nit als * en, wenigitens ala Inſpirator 
des berüchtigten ulars, das den auberordent: 
lichen Rommifjarien dittatorijche Gewalt in den 
Provinzen übertrug, und des 16. Bulletin de la 
Republique. Als Vertreter des Departements 
Loire nahm er Anteil an den Arbeiten der Kon: 
ftituierenden Berfammlung und gebörte bier zu den 
Gemäßigten. Eine Zeit lang verjah er auch das 
Amt eines Uinterftantäfefretäss des Außern. Nah 
der Wahl des Präfidenten der Republil trat jedoch 
in der Gejeggebenden Berfammlung feine demo: 
fratifche Oppofition mehr hervor. Nach dem Staats⸗ 
ftreihe Napoleons (2. Dez. 1851), der ihn poli« 
tiſch En legte, widmete er ſich ſechs Jahre lang 
* abvoiaioriſchen Praxis. In Paris 1858 zum 

Deputierten gewählt, war er Hauptmitglied der 
antiimperialiftifchen Gruppe der berühmten «Fünf» 
und nad feiner Wiedererwählung 1863— 68 das 
wirflihe Haupt der demokratiſchen Oppofition und 
mit Thiers der gefürchtetite Gegner Rouberd. Am 
23, April 1868 wurde er an Couſins Stelle in die 
—— Alademie aufgenommen, 

In der Sitzung vom 15. Juli 1870, in der Olli— 
vier meldete das die Regierun ibre Unterband: 
lungen mit —— abbreche, erllärte F. den Krieg 
für ungerechtfertigt und ſtimmte gegen ewilligunß 
des Kriegskredits. In der Sitzung nachts vom 3. 
auf den 4. Sept. beantragte 5 die Abjegung der 
Napoleonifhen Dynaſtie, die Einf feßung einer Re: 
gierung der Nationalverteidigung und die Beftäti- 
gung des Generals Trochu ald Generalgouverneur 
von Paris. Bei der Bildung der Regierun ber 
nationalen Verteidigung übernabm %. das Porte: 
jeuille des Minifterd der auswärtigen Angelegen: 
heiten, Am 6. Sept. richtete er an die diplomat. 

genten ein Rundjchreiben, in dem er Deutſchland 
fürdie Fortfeßung deö Krieges verantwortlich machte, 
und erklärte, daß Frankreich «feinen Zoll von feinem 
Landeögebiet und leinen Stein von feinen Feftungen» 
abtreten werde. Nach diejer Sprache ließ fich fein 
Erſolg erwarten, ale bald darauf, 19. und 
20, Sept., in Haute: aifon und Ferrieres mit 
Biömard eine Jufammentunft batte, um jede Ge: 
bietsabtretung für unannehmbar zu erflären und 
nur eine Enthävigungsfumme anzubieten, Sein 
Proteit vom 9. Jan. 1871 gegen die Beſchießung 
von Paris und fein en n, an der Pontus: 
Konferen — Vertreter anireich⸗ teilzunehmen 
und das Ausland zu einer Intervention für 
reich zu bewegen, hatten teinen Erfolg. Als die 
Wirkungen der Einſchliehung von Paris in empfind⸗ 
lichſter Weiſe hervorzutreten begannen, mußte F., im 
Auftrage der Brovilorifcen Hegierung, von neuem 
Unterbandlungen mit dem deutichen Hauptquartier 
in Berjailles anfnüpfen, wo er 28. Jan. 1871 die 
Bedingungen der Kapitulation und den Abſchluß 
eines Warfenftilftandes unterzeichnete. Dadurch, 
daß er bei ein Verhandlungen ſich der Entwaff: 
nung ber Barijer Nationalgarde widerjegte, machte 
er bie militär. Organifation der Commune möglid. 

Das Gambettafbe Proſkriptionsdekret vom 
81. Jan. wurde von F. für ungültig erflärt. Bei den 
Wablen 8. Febr. wurde F. von acht Departements 
in die Nationalverfammlung abgeordnet. Thiers er: 
nannte ibn, als er Chef der Exekutivgewalt — 
war, zum Miniſier des Auswärtigen: als ſolcher 


anl: 


Favre (Louis) — Favretto 


nahm F. teil an den Friedenspraͤliminarien in Ber: 
jailles (26. Febr.) und unterzeichnete den definitiven 

iedensvertrag in Frankfurt a. M. (10. Mai). Ins 

olge der Debatten, die eine die Miederberitellung 
des Kirchenſtaates be mwedende Petition der Bifchöte 
veranlaßten, gab er jeine Entlajjung (22. Juli) und 
Silit fi herein ſehr wenig an parlamentari: 
ſchen Verhandlungen, wozu aud fompromittierende 
—— — über ſein Familienleben beitrugen. 

Bei den Wablen vom 30. Yan. 1876 wurde er im 
Depart. Rböne zum Mitglieve des Senats ge 
wählt. Er ſtarb 19. Yan. 1880 in Berjailles. Bisei 
Verteidigungsichriiten in Bezug auf feine Amts: 
führung find: «Rome et la Republique frangaise» 
(Bar. 1871) und «Gouvernement de la defense na- 
tionale» (3 Bde., ebd. 1871—75). Außerdem er: 
fchien von ibm «Conferences et discours littöraires» 
(Bar.1873). Seine Witwe gab feine «Discours 
lementaires» (4 Bde., Bar. 1881), Maritain jeine 
«Me&langes politi ues» (ebd. 1882) heraus. 

Favre (ſpr. fahwr), Louis, Ingenieur und Bau: 
— eb. 29. Jan. 1826 zu Chene⸗Bourg 
bei Genf, bilbete fh in Srantreid) als Cifenbahns 
ingenieur aus. Nachdem er ſich bei verfchiedenen 
großen Bauten dur praltifhes Geſchid und Dr: 
— hervorgethan, fiegte er 1872 bei 
der Konkurrenz; um die bauung des Gotthard» 
tunnel® und verpflichtete fich zur edge 
felben in acht Jahren. Er führte das wer 
mit Überwindung zahlreicher Schwierigteiten jeiner 
Vollendung zu, erlag aber noch vor Eintritt des 
Stolendurctchla & 19. Juli 1879 einem Schlag: 
anfall im Tunnel ef. An Göſchenen ift ihm 1889 
ein Denkmal errichtet worden. ° 

Favre (ſpr. fabwr), Peter, oder Lefevre, lat. 
Faber, Witbegründer des Jejuitenordeng, geb. 1506 
zu Villaret in avoyen, Klee feit 1527 zu —— 
und wurde hier — (. d) als Repetitor 

eben. Ihm und Fr. Xaver \ d.) machte diefer zuerfi 

itteilung von feiner Abſicht Tan den zu = 
den, und fie legten —— 15.4 ug. 1534 auf dem 
Montmartre das rdensgelübde ab. 1537 ward F. 
Lehrer der Theologie in Rom, darauf in Parma, 
1540 wobnte er dem Religionsgeforäc zu Worms, 
1541 dem Reichötag in Regensburg bei und wirfte 
[tr Ausbreitung des Ordens in Deutſchland, begab 
ih 1544 nad Spanien und gründete mebrere 
Ordenshäuſer. Zur Teilnahme am Tridentiniichen 
—— zurückberufen, ſtarb er 1. Aug. 1546 auf der 
Reife in Barcelona. — Seine Lebensbeihreibung 
Per: in der «Historia Societatis Jesu» von Nic, 

rlandini, Bd. 1 (Rom 1615; beionderd gedrudt 
Lyon 1617). Vol auch R. Cornely, Leben des jeligen 

. 5. (Freib. i. Br. 1873). 

Favretto, Giacomo, ital, Maler, geb. 12. A 
1849 in Venedig, erbielt feine fünftleriiche Ausbil: 
dung auf der dortigen Alademie unter Molamati 
und 8. Blaad, Er tarb bereit 12. Juni 1887 in 
Venedig. Die Motive zu feinen Bildern, die ſich 
durd große Feinheit des Einzelnen, individuelle 
Ebaralteriftit und lebendiges olorit auszeichnen, 
wählte er mit Vorliebe aus dem venet. Voltsleben 
des 18. und des 19. Jahrh. Zu feinen beiten 
Bildern gebören: Vogelverkäuferin, Markt auf dem 
Campo San Polo in Venedig, Strabe in Venedig, 
Markt auf der Rialtobrüde, Ranalfäbre bei Santa 
Margberita; ferner: Moderne Promenade (tönial. 
Galerie zu Monza), Golvoni ſucht auf dem Mar- 
tusplase Stoff für feine Luſtſpiele (Mündener 


Favus — Fay (Andr.) 


—— 1888), Venet. Bilderhaͤndler 
(1893 für die Münchener Pinalothel angelauft). 
Favus, Wabengrind oder Erbgrind (Tinea 
farosa), eine bartnädige, zumeiſt bei unreinlihen 
Berionen vortommende Krankheit der Haut, ind: 
beiondere der bebaarten Kopfhaut, welche auf dem 
Vorhandenſein parafitärer Pilze beruht. Ob allein 
das 1839 von Schönlein entdedte Achorion Schön- 
. leinii oder auch andere Pilzformen die Krantbeit 
erzeugen können, iſt nod nicht mit abjoluter Sicher: 
beit jeitgeitellt. Sich jelbit überlafjen zerftört der F. 
durd ————— die umliegende Haut, 
beſonders die Haarwurzeln, und erzeugt ſo dauernde 
unbeilbare Kablbeit. Die Kranlheit charalteriſiert 
ſich durch Heine rundlice, badjhüfjeljförmige, mode 
rig riechende gelbe Borlen, die aus Pilzelemen: 
ten beſtehen und bei ihrer Entfernung eine ge: 
ſchwürige, leicht blutende, fpäter in ein dünnes 
Narbengewebe übergehende Hautitelle zurüdlafien. 
Der 5. wird häufiger bei jugendlichen als bei ältern 
ndivibuen angetroffen; das Wohnen in unreinen, 
euchten und jonjt gejundheitäwidrigen Räumen 
fcheint die Entwidlung der Krankheit zu begünitigen. 
F. findet ſich auch bei einzelnen Haustieren, zumal 
hei ven Mäufen, Kaninchen und Haushühnern, und 
tann durch direlte Berührung mit Yavuslranten 
übertragen werden. Heilung iſt nur von einer mög: 
licht frübzeitigen und energiſchen örtlihen Behand— 
bung IM erwarten, wozu ſich ein der Entjernung 
der orten und dergrö ten Neinlichleit insbejondere 
Abreibungen mit Löfungen oder Salben von fog. 
a er Mitteln, wie Quedfilberjublimat, Alto: 
bol, Earbolfäure, Napbtbol, Byrogallusfäure, Teer, 
E chmierjeife u.dgl., am beiten eignen. — Bol. 
bardt, Der Erbgrind (Wien 1901). — 
Fawcett (ipr. fahßẽt), Edgar, amerif, Dichter, 
geb. 26. Mai 1847 zu Neuyork, ſtudierte am Colum- 
bia College dafelbh und widmete fi dann litterar. 
Ihätigleit. Nach mehrfachen Reifen in Europa ließ 
er fich in London nieder, wo er 1. Mai 1904 ftarb, 
Er fchrieb die Novellen «Purple and fine linen » 
(Neuyort 1873), «Ellen Story» (1876), «A hopeless 
case» (1880), «Rutherford» und «The adventures 
of a widow» (1384), «Social silhouettes» (1885), 
«The house at High Bridge» (1886), «Olivia Dela- 
> (1888), «Solarion» (1889), «How a husband 
orgave» (1890), «Women must weep» (1892), «An 
beir to millions» (1893), «Her fair fame» (1894), 
«Life’s fitful fever» (1895), «A romance of Old 
New York» (1896), «Two daughters of one race» 
(1897) u. a.; die Kinderlieder «Short poems for 
sbort people» (1871), ein Schaufpiel «The false 
friend» (1880), die Gedichte «Fantasy and passion» 
(1877), «Song and story» (1884), «The buntling 
ball» (Satire, 1884), «Romance and reverie» 
(1886), «Blooms and brambles» (1889) und die 
Eſſays «Agnosticism and other essays» (1889). 
Famweett (pr. tabbtt), Henry, engl. Polititer 
und Nationalöfonom, geb. 26. Aug. 1833 in Salis- 
bury, ftudierte in Gambridge. Bei einer Jagd verlor 
er 1858 beide Augen, feste aber feine Studien mit 
prößter Energie fort. Neben kleinern Arbeiten er: 
Ibien 1863 fein «Manual of political economy» 
(6. Aufl., 1883), woraufhin er zum Profeſſor der 
Nationalölonomie in Cambridge ernannt wurde, 
1865 trat er ins Barlament, bielt zu den Radikalen 
und erwarb fich durch feine Kenntniffe, fein Urteil 
und feine Beredſamleit eine angejehene Stellung. 
1876 beteiligte er ſich in hervorragender Weije an 
Brodhaus’ Stonverjationdsßerilon. 14. Aufl. R.R. VL 


Bern: 


497 


der Oppofition gegen die Drientpolitit Beaconsfields 
und wurde 1880 unter Gladſtone — —— 
Außer mehrern andern wichtigen en führte 
er bejonders die Paketpoſt ein. Er ſtarb 6. Nov, 1884 
zu Sambridge. Bon feinen Schriften find zu ermäh: 
nen: «Pauperism, its causes and remedies» (Lond. 
1871), «Essays and lectures on social and political 
subjects» (1872), «Speeches on some current poli- 
tical questions» (1873),«Free trade and protection» 
1878; 6. Aufl. 1885 ; deutſch u. d. T. xFreihandel und 
ollihuß», Lpz. 1878), «Indian finance» (1880), 
«State socialism and the nationalisation of the 
land» (1883), «Labour and wages» (1884). — Bgl. 
Leslie Stepben, Life of Henry F. (Lond. 1885). 

3.8 Gattin, Millicent Garrett F., geb. 
11. Juni 1847, ftebt unter den Führerinnen der 
Frauenbewegung in England in erjter Reihe und 
trat mit mebrern Werfen, darunter «Political eco- 
nomy for beginners» (1870; 6. Aufl. 1887; deutſch 
Berl, 1888), «Some eminent women of our time» 
(1889),«Lifeofqueen Victoria» (2, Aufl.1892),«Life 
ofSir William Molesworth» (1901), aud) ſelbſtändig 
als Schriftitellerin mit Erfolg auf. 

Fatvfes (ipr. fahls), Guy, ein Hauptteilnehmer 
an der engl. Bulververihmwörung (f. d.), geb. 1570 
in York, war zum Katholicismus übergetreten, 
diente unter den Spaniern in Flandern und wurde 
nach jeiner Nüdfehr 1605 von den Anftiftern des 
Plans gewonnen. Er wurde bei den in den Kellern 
bes Parlamentshauſes angebäuften Bulverfäflern 
5. Nov. 1605 ergriffen, durch die Folter zum Ge 
ftändnis gebradt und 31. Jan. 1606 als leßter unter 
feinen Genojjen hingerichtet. Noch heute wird in Eng: 
land 5. Nov. der Guy-Fawkes-Day gefeiert, wobei 
eine F. vorjtellende Strobpuppe verbrannt wird, 

Faex (lat.), Bodenſatz, Hefe; beionders gebraͤuch⸗ 
li in ver Mehrzahl Faeces (ſ. d.). 

Faxekaltk, ein Kaltjtein, der faft nur aus fo: 
rallenſchutt — ahlreiche Reſte von Mollusken 
(Belemniten, Nautilus, Gaſteropoden) ſowie von 
Krabben einſchließt und der oberiten Kreideformas 
tion (f. Danien) der dän. Inſeln angehört. i 

* (ipr. fahj), Andr., ungar. Dichter und Schrift⸗ 
ſteller, geb. 30. Mai 1786 zu Kohäny im Zempliner 
Komitat, machte feine pbilof. und jurift. Studien am 
Särospataler reform. Kollegium und begann jeine 
Apvolatenpraris wie feine amtliche Laufbahn als 
Stublrichter in Peſt, mußte jedoch der legtern feiner 
geſchwächten Geſundheit halber bald entjagen,, 
worauf er ſich mit Eifer der litterar. Thätigleit zu⸗ 
wendete. Auf die Gedichtiammlung «Bokröta» 
(d. i. «Strauß», Peſt 1807) folgte 1818 «Friss bo- 
kröta» («Neuer Strauß»), womit er feinen Dichter: 
ruhm begründete. Noch ungeteiltern gr fanden 
die «Mesök» («Fabeln», Wien 1820; 2. Aufl. 1824; 
deutih von Pes, Raab 1825). Sein Trauerfpiel 
«A köt Bäthory» («Die beiden Bäthory», Peſt 1827) 
und mehrere Luftipiele (befonders «Die alten Mun— 
zen oder die Siebenbürger in Ungarn», 1824, und. 
die «Jagd in der Mätra», 1860) gelangten mit Er: 
folg zur Aufführung. Der fociale Roman «A Bel- 
teky-häz» («Das Haus Beltely», 2 Bde., Beft 1832) 
und bie meift in Zeitjchriften erfchienenen Erzäbluns 

en ftellten %. in die Reihe der beiten ungar. Pro: 

aifer. Bis zum Aujtreten Koſſuths (1840) war F. 

im Peſter Komitat, das er 1835 aud auf dem 

Reichstage vertrat, der Wortführer der Oppofition 

und wirkte aud fpäter in verichievenen Stellungen 

eifrig für den getftigen und materiellen Fortſchritt 
32 


498 


der Nation, Unter den zahlreichen Schriften, die er 
in diejer Hinficht veröffentlichte, find hervorzubeben: 
«Nönevelös és nöneveldö intezetek hazankban» 
(«Frauenerziehbung und ihre Inftitute in Ungarn» 
Belt 1840) und «Kelet né pe nyugoton» («Das Boll 
des Oſtens im Weften», ebd. 1841), Nach den Er: 
eigniffen von 1848 und 1849 en F. noch mehrere 
bumoriftifhe Romanzen und Erzählungen, worunter 
«Jävor orvos 68 ** Bakator Ambrus» («Der 
Arzt Javor und fein Diener Ambrofius Balators, 
2 Bde. Peſt 1855). Er ftarb 26. Juli 1864. Die 
Beier Spartaffe ründete mit 20000 1. die «Fäyfche 
tiftung», deren Zinfen jährlich zur Belohnung einer 
ausgezeichneten (nicht belletriftifchen) litterar, Arbeit 
beftimmt De. Eine Geſamtausgabe Ver belle: 
triſtiſchen e erſchien in adht Bänden (Peſt 1843— 
44), jeine «Sämtlichen Novellen» in neuer Ausgabe 
(3 Bde., ebd. 1888). Sein Peben beichrieben Baul 
Erbelyi und Franz Badics (beide Budapeft 1890). 

Fay (ipr. Fä), Charles Alerandre, franz. General, 
geb. 23. Sept. 1827 zu St. Jean Pied de Bort (Des 
part. Bafles: Borendes), wurde in Pondicheéry er: 
e en, mo fein Vater ald Kapitän in Garniſon ftand, 

ehudite dann zwei Jahre die Militärfhule von 
Et. Eyr und trat 1847 ald Leutnant in den franz. 
Generalſtab, in dem er mit Bermefjungsarbeiten in 
den Pyrenäen und fpäter in Algerien — 
wurde. 1854 nahm F. als Adjutant des Genera 
Bosquet am Krimkriege teil; 1864 wurde er Stabs⸗ 
offizier, bereifte 1868—69 im Au trage feiner Re 

—— Deutſchland und machte ſich mit den militär. 

en tnifien des Norbbeutfhen Bundes befannt. 
Am Deutich: Franzöfifchen Kriege nahm er als Oberſt⸗ 
leutnant im Generaljtabe des Marſchalls Bazaine 
teil und geriet durch die Kapitulation von Mep in 
deutſche ſtriegsgefangenſchaft. Nach dem Friedens: 
ſchluſſe wurde F. Oberſt und leitete 1874 die Orga: 
nifation des Großen —— wobei er ſeine 
frühern Studien in Deutſchland geſchict zu ver: 
werten und den franz. Militärverbältniffen anzu: 
paſſen wußte. F. wurde 1879 zum Brigadegeneral 
befördert, zum Sous:Chef des Großen General: 
ftabes ernannt und vielfach mit wichtigen polit. 
und organifatorifchen Aufgaben betraut. 1885 zum 
Divifionsgeneral befördert, erhielt er 1890 das 
Kommando über das 11. Armeelorps in Nantes 
und fchied 1892 aus dem aktiven Dienfte. Auch 
(itterarifh war F. ſehr tbätig und fchrieb unter 
andern: «Souvenirs de la guerre de Crimöe» (Bar. 
1867; 2. Aufl. 1889), «Etude sur la guerre d’Alle- 
magne en 1866» (ebd. 1867) und «Etude sur les 
optrations en Bohäme en 1866», «De la loi mili- 
taire» (1870), «Journal d’un officier de l’arm&e du 
Rhin» (®Bar. 1871; 5. Aufl. 1890; deutſch Pofen 
1871), «Projet d’organisation et de mobilisation 
de l’armee .. & propos d’un ordre inedit 
de mobilisation de l’arme&e prussienne» (1873) und 
«Marches des armées allemandes du 31 juillet 
au 1° septembre 1870» (Par. 1889). ; 

Fay, Rofenb Maler, geb. 10. Aug. 1813 in Köln, 
war 1833—41 Schüler der Düffelborfer Atademie, 
dann von P. Delarode in Paris. Später ließ er 
fih dauernd in Düfjeldorf nieder. F. malte zuerft 
Hiitorienbilver, die feine hervorragende Begabung 
verrieten; jo 1843 al fresco den nicht mebr vor: 
bandenen großen Fries für das Rathaus in Elber⸗ 
feld, — Leben und Sitten der alten Deut⸗ 
ſchen. Von feinen Olgemalden find zu nennen: 
Simion und Delila (1840; Muſeum BWallraf: 


Hay (Charles Alerandre) — Fayence (Thonwaren) 


Richartz in Bun Schlußſcene aus Goethes u 
Romeo und Julia (1846 in Baris gemalt). Später 
malte er ausſchließlich Darftellungen aus dem ital 
Vollsleben mit bejonderer Betonung der landſchaft⸗ 
lichen und arditettonifhen Scenerie. Hervorzu: 
beben find: Badende Römerinnen am Brumnen 
(Bremen, Kunfthalle), Mönd von einem Bettler 
um ein Almojen angeſprochen (1862; Mufeum in 
Hannover), Ehriftnaht (Hamburg, Runjtballe), 
Ernte in der röm. Campagna (Städtifhes Muſeum 
in Stettin). F. ftarb —— 1875 in Duſſeldorf. 
ay (ipr.feb), ag edgmwid, amerik. Schrift: 
Re er, geb. 10. Febr. 1807 in Neuyork, war zuerit 
doolat und dann Redacteur des «New York 
Mirror», alö welder er verſchiedene Gedichte und 
Novellen herausgab. 1837 —53 war er Gejandt: 
ſchaftsſelretär in Berlin, 1853—61 Minifterrefident 
8 ern. Seitdem lebte er teils in Berlin, teils in 
uskau in der Laufik. Er ſtarb 1898. Seine Werte 
find: «Dreams and reveries of a quiet man» (1832), 
«The minute book» (1833), «Norman Leslie» 
(1835; eine Geſchichte aus dem alten Neuyork, auch 
ala Bühnenftüd bearbeitet von großem Erfolg), 
«Sydney Clifton» (1839), «Countess Ida» (1840), 
«Shakespeare in France» (1843), «Views of chris- 
tianity» (1856), «History of Switzerland» (1860), 
«Great outlines of geography» (3. Aufl. 1869), 
«First steps in geography» (1873) u. a. m. 
Fayäl, eine der portug. Azoren (f. die Rebentarte 
zur Karte: Spanien und Bortugal), die weit: 
lichfte Infel der Gentralgruppe, iſt von der gröfern 
Pico im SO. nur durch einen ſchmalen Kanal getrennt 
und bildet mit ihr und der Gruppe von Flores und 
Eorvo den Diftritt Horta, der (1900) auf 786 qkm 
55456 €. zählte. F. 14 km lang, bebedt 179 qkm, 
ift vullaniih, im höchſten Gipfel, der Galdera, 
1021 m hoch; der Bico de gan (566 m) hatte 1672 
einen furchtbaren Ausbruch. Die Infel erzeugt Ge 
treide und Orangen; der Wein ift durch die Reblaus 
vernichtet; Wafler und Wald mangeln; das Regen- 
waſſer wird in Eifternen gefammelt, an der Küjte 
bat man Brunnen ge raben. Die —— be⸗ 
ſchäftigt ſich mit Flechten von Weiden oder Stroh 
und mit Arbeiten aus Aloe und Feigenmark; Bieb- 
zucht, Aderbau und Objtbau find bedeutend. Kar⸗ 
toffeln und Zwiebeln werden ausgeführt. Haupt: 
ort ift Horta mit (1900) 6734 E. und gutem Hafen; 
dafelbft Einmündung des erjten 1900 vollendeten 
deutſch⸗ ameril. Kabels (Bortum:Neuyorf). 
ence, Faience (fr., Ipr. falä ‚ 
Thonwaren (f. d.) mit ftark jaugendem 
Man unterfheidet feine F. oder Steingut und 
meine F. oder Majolita. Den letztern ſchli 
—*— — Töpferwaren eng an. 
brend die feine %. einen barten llingenden, 
rein weißen Scherben mit durchſichtiger Gla —— 
haben die gemeinen F. einen gelb bis roten 
pernden Scherben mit durb Zinnoxyd ge 
Slaſur (f. Majolita). Als Glajuren werden neben 
Blei: namentlih Barytglaiuren verwendet. Die 
Maſſe beiteht aus etwa 50 Proz. Thonſubſtanz, 
45 Proj. Quarz und 5 Proz. Feldipat. Die geringe 
Menge ber Flußmittel bedingt den ſaugenden Scher: 
ben. Schlechtere %. haben no einen Zujak von 
Kreide erhalten. Das Wort ift von der Stabt 
Faenza (f. d.) in Italien abzuleiten, in welcher Stadt 
die Fayencetöpferei namentlih im Mittelalter zu 
gr {üte gelangt war. Die F. ift eins ber älteften 
nftaebilve. Man bat ibren Urſprung aus Indien 


FAYENCE. 








> ” 


| I. Blumenvase von Strafsburg. 2. Persisch-rhodische ag 3. Krug von Kreufsen. 4. Teller von Rondn.: 
5. Krug von Hirschvogel. 6. Wandteller von Delft. 7. Englische Schüssel. 8. Französische Schüssel. : * - 


— — — 


——— RA Brockha us —— Anstalt, Lecutiꝙ 





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22* 


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Fayence (Thonwaren) 


berzuleiten, wen man nicht ſchon äguptiiche und 
afigrifche glafierte Thonarbeiten (mie fie Tafel: 
Agpptifde Kunſt III, Yig. 15, beim Artikel 
igppten, zeigt) dazu rechnen will. Bon Indien, 
wo fib insbeſondere liefen aus alter Zeit ald 
Wandbelleidung erhalten haben, ging die Fayence⸗ 
tunittöpferei zu den Perſern und Arabern und 
fand überall in den von den Arabern gegründeten 
mobammed. Staaten eine reiche Anwendung, und 
Be in der doppelten Weife ald Gefäße wie als 
Yanbbefleidung in farbigen, mit Arabesten über: 
dedten Fliefen. Der Grund ift in der Regel weiß 
—— die Arabeslen ſind in Braun oder in 
ürfid: und Kobaltblau, auch mit Grün und ſchͤnem 
innoberrot. Letzteres zeichnet befonders bie fog. 
„der Inſel Rhodus aus, Teller, Schüfieln (f. 2. - 
ayence, Fig. 2), Sliefen mit fhönen Arabesten, 
deren Yabrifation durch perf. —— auf der 
—* entſtanden ſein ſoll, zur Zeit, als ſie noch im 
eſißz des Johanniterordens war. Eine beſondere 
Eigentumlichleit der arabiſchen und En en F. 
bertebt in ihrem ſtarlen opalifierenden Metallglanze, 
der bald rot, bald gelb, bald tupferfarben ericheint. 
Diefe Dekoration wurde —— im Drient wie 
im arab. Spanien geübt, daher man dieſe Gefähe 
als ſpaniſch⸗ ma-riich bezeichnet. Sie blühte wäh: 
tend des ganzen jpätern Mittelalter und ging, 
—* erldſchend, durch die neuern Jahrhunderte 
als Arbeit der Mauresten fort. Noch jetzt werben 
he, allerdingd nur in einem Drte, in Manifes bei 
Valencia, fabriziert. Mit ag orient, Art 
And noch jest viele Paläſte und Mofcheen des 
Crients, überhaupt in den mobammed. Ländern, 
bededt. Bon Spanien ging die ——— der F. 
über Majorca (daher der Name Majolita) und 
Sicilien nad Italien hinüber. (S. Majolita.) Im 
16. Jahrh. blübten, aber nur für kurze Zeit, befon- 
dere Arten der Fayencetöpferei in Deutjchland wie 
in Frankreich. Deutihland waren e3 buntfar: 
bige Gefäße und Öfen, welche gewöhnlich nad dem 
ar Tag rn er und —** 
ugu irſchvogel (f. d.) benannt werben (ſ. 
Fig 6). In hei waren e3 zweierlei Arten 
von F., welche unter den Runftfreunden zu großem 
Rubm und boben Preifen gelangt find, die Ar 
beiten von Bernard Balifiy (o) und die fog. 
Henri-deux»ayencen (f.d.). Beide blieben Spe- 
cialitäten, an welche ſich ein größerer Erzeugungs⸗ 
betrieb nicht anſchloß, wie diefer durch ein Yahr: 
bundert in Deutfchland bluhte. Doc wurden in 
Kreußen bei Bayreuth (f. Fig. 3 und den Artikel 
Kreußen: Fayencen) braune, buntgefärbte Thon: 
gefäße, ferner am Niederrhein Steinzeug, weißes, 
gas, braunes und blauverziertes Geſchirr, ge: 
t, deſſen Fabrilation im 16. ee. bis zum 
Dreiigjäbrigen Kriege ibre Sige in Siegburg, Raes 
ten, en, Höchſt und Grenzbaufen hatte, an welch 
lestern Orten fie jeßt wieder belebt worden ift. Bon 
meitgreifenden Folgen für die Gefchichte der %. war 
die Beränderung, welche im Anfang des 17. Jahrh. 
von Holland und zwar von der Stadt Delft aus 
a0 (j. Fig. 6 und den Artikel Delfter Fayencen). 
ie weißgrundierten %. wurden nun burd das 
17. Jabrh. und ebenfo im 18. neben dem ſich neu 
emporarbeitenden —— Porzellan das allgemeine 
deſſere ra irt. Fabrilen entitanden 
erall in großer Zahl; in Frankreich erblühten ins⸗ 
iondere Rouen (f. Fig. 4), Nevers, Mouftiers, in 
Deutſchland trat neben Straßburg f. Fig. 1) Nurn⸗ 


499 


berg an die Spige, in Schweden entftanben bie 
beiden noch beute eriftierenden Yabriten von Rör: 
ftrand und Guftafäberg; die ital, Majolitafabriten 
nahmen bie neue Richtung an; in England erhielten 
alle 3. des Gebrauhsgelbirts den Namen Delft. 
Borberrfhend war die Dekoration blau auf wei: 
Dem Grunde; aber au andere Farben wurden 
inzugefügt, zumal in der blumigen Dekoration 
des 18. Jahrh. Mit der wachſenden Berallgemei: 
nerung des europ. Porzelland gegen Ende bes 
19. Sue. erlitt die ig legen wohl einen 
I Stoß, bei der Reform ded modernen Ge 
chmads ift fie aber wieder belebt worben, und 
war, was die fünftlerifhe Seite betrifft, In er 
ohtem Maße. Faft alle Länder beteiligen ih an 
biefer Wiedergeburt der Fayenceinduftrie, und alle 
alten Manieren und Arten werben wieder geübt. 
So wird die Delfter Art in Belgien, Holland, Schwer 
den, Dänemarl außgeführt. England —— die Luxus⸗ 
fayence (f. Fig. 7) und bunten liefen wieder zu 
reicher und ———— Entfaltung gebracht; zu 
nennen find die Fabriten von Minton, Doulton t. 
nachſtehende Tertfigur und den Artikel Doulton: 









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ware), Royal Worcefter Works u.a. Frankreich übt 
alle feine alten Arten (Balifiy, Rouen, Mouftier®), 
daneben die orient. Arabestenmanieren und bat bie 
Fayencemalerei als bilvlihe Dekoration (f. Fig. 8 
und den Artilel Faiences patriotiques) zu einer 
._. Stufe der Vollendung geführt. In Deutſch⸗ 
and liefern die Fabriten von Billeroy u. Boch im 
Mettlah im Rheinland ausgezeihnete eingelegte 
* und eingelegte Steingutarbeit; die Altien⸗ 
& alter für nie und Steingutfabritation 





eſſel) in Poppelsdorf bei Bonn vorzüglice 
enceplattenbilver, fiber bie technifche Heritellung 
32* 


500 


f.TZhonwarenfabrilation.— Bol. Brongniart, Traite 
des arts c&ramiques (3, Aufl., 2 Bde., Bar. 1877, 
mit Rupfern); Marehal, Les faiences anciennes 
et modernes, leurs marques et döcors (2. Aufl., 
2 Boe., ebd. 1874); Ris-Paquot, Histoire generale 
de la faience ancienne francaise et étrangère 
(2 Bde., ebd. 1873—74); Ded, Faience (ebd. 1877); 
Malagola, Memorie storiche sulle maioliche di 
Faenza (Bologna 1880); %. Argnani, Le ceramiche 
e maioliche faentine della loro origine fino al 

rincipio del secolo XVI (Faenza 1889); Teller. 


ee stürfische 5.08 Narbentafeln, Heft 11 der 
«Borbilderbefter, Berl. 1890); Fr. Jännide, Marten 
und 


1878); Smwoboda, Die Farben zur Deloration von 
Steingut, F. und Majolita (Wien 1891); Dammer, 
Handbuch der hem. Technologie, Bd. 1(Stuttg.1895). 

—— (ipr. falängß), Hauptort des Kantons 

m Arrondifjement Draguignan des franz. Depart. 

ar, ampbitbeatraliih an einem Berge gelegen, an 
ber Linie Meyrargues: Nizza der Sudbahn, hat 
(1901) 796, alö Gemeinde 1421 €. und Fabrifation 
von Fayencen (f. den vorhergehenden Xrtitel). 

ud ß Fayencedruck. 
ayencedruck (ſpr. falängß⸗), Fayenceblau, 
Engliſchblau, eine Methode des Zeugdrucees, bei 
der das Jen mit einer Mifhung von Sndigo und 
Eifenvitriol bevrudt, dann zunächſt durch ein Rall: 
bad, darauf durch verbünnte Schwefeljäure genom: 
men und endlich der Luft ausgeſetzt wird. Der auf: 
vn Indigo wird dabei im Kalfbade durch den 
ifenvitriol in Indigweiß verwandelt, das durch 
die Wirkung der Säure auf der Faſer firiert wird, 
während diefe zugleich das entitandene Eijenoryd 
und den Überjhuß des Kalls fortnimmt; durd das 
Lüften wird dann endlid das Indigweiß wieder in 
Indigblau verwandelt. 

Fayencegrün, eine Zeugdrudfarbe, welhe man 
erzielt, wenn man der Mifchung, weldhe zur Erzeu: 

ung des Fayenceblau (f. Fayencedruch) dient, Zinn: 

lorid zujeßt und das Zeug mit einer Beize (4.2. 
Quercitron) ausfärbt. 

Fayetteville (pr. fejettwill), Hauptort des 
County Eumberland im norbamerif. Staate Nord: 
carolina, 86 km ſuüdlich von Raleigh, —— rechten 
Ufer des bis hierher ſchiffbaren e Fear-River, 
dat (1900) 4670 E., bedeutenden Terpentinbanbel, 

aummwollmanufaltur und Baummollölfabrilation. 

Fayäm, ägupt. Provinz, ſ. Fajum. 

Fazenda (portug., pr. faj-; * Hacienda), 
Landgut, befonders in Brajilien; F. real, königl. 
But, Staatsſchatz; Fazendeiro, Befiker einer F. 

—33 andſchaft im Sudan, ſ. Faſokl. 

azy (ipr. -jih), James, ſchweiz. Staatsmann 
und Barteiführer, geb. 12. Mai 1796 zu Genf. 
Er widmete &® zu Paris rechts⸗ und ſtaatswiſſen⸗ 
fbaftliben Studien und war Mitarbeiter verſchie— 
dener liberaler, die Bourbonenregierung betämpfen: 
der Blätter. Als nad) der Thronbejteigung Ludwig 
Philipps die Berfolgungen der demokratiſchen Preſſe 
— kehrte F. 1833 in feine Heimat zurüd 
und jchwang ſich in Genf bald zu einem der ein- 
flußreichiten Fuhrer der Oppofition auf. Durd die 
evolution von 1841 erzwang er den Rüdtritt bes 
Staatsrats und die Annahme einer demokratiichen 
Verfaffung, wurde 1843 in den Großen Rat auf: 
genommen, trat bei der Revolution im Dt, 1846 
(1. Genf) an bie Spige der Proviſoriſchen Regierung 
und bradte nun mit Hilfe feiner Partei (ver Radis 


Monogramme auf — u.ſ. w. (Stuttg. 


Fayence (Ort) — Fea 


lalen) eine liberal-vemotratijche ——— zu ſtande. 
Er erwarb ſich um Beſeitigung der Feſtungswerle, 
die Erweiterung und Verjhönerung der Stadt, die 
ſeitdem einen ungewöhnlichen Aufibwung aud in 
Handel und Indujtrie nahm, große Verdienfte und 
ewann bedeutenden Einfluß auf die eidgenöffiichen 
ngelegenbeiten, erſt ala Abgeordneter (1847) zur 
Zagjasung, dann zur rear gan 
nzwiſchen bildete ſich jebod in Genf jelbjt nad 
und nad eine DOppofition gegen den herrſchenden 
Radikalismus, der denn aud bei den Staatöratä: 
wablen im Herbit 1853 unterlag. Allein ſchon 1855 
elangte 5. mit Hilfe der kath. Partei, die er für 
ich gewonnen hatte, wieder and Ruder und war auf 
einige Zeit populärer als je. Nach und nad} jtei- 
gerte ſich indes der Einfluß der Oppofition (die ſich 
jest den Namen Independenten gab) wieder fo, 
daß F. bei den Staatsratswahlen im Herbit 1862 
unterlag und nie mehr and Ruder gelangte; ein 
Aufitandsverfud) feiner Anbänger im Duartier St. 
Gervais im Aug. 1864 war erfolglos. 7. wurbe 
gefangen, entfioh, tebrte aber wieder nad Genf 
jzurüd und ftarb 5. Nov. 1878. Er war ein fäbiger, 
aber kein haralterfeiter Staatömann; jeine perlön: 
lihe Machtſtellung — ihm böber als das öffent» 
lihe Wobl, Unter feinen —— chen Leiſtun⸗ 
en, die ſich auch auf die iete des Romans und 
ramas erſtreden, find «Essai d'un précis de 
l'histoire de la république de Gendve» (Genf 1838) 
und «De l’intelligence collective des soci6etes » 
(ebd. 1874) bervorzubeben. — Vol Henry Fazy, 
J. F., sa vie et son @uvre (Genf 1887). 

Fb., bei naturwilenf&aftliben Namen Ablür- 
zung für Job. Ehrift. Fabricius (f. d.). 

F. Cuv., binter der lat. Benennung von Tieren 
Abkürzung für Frederic Euvier (f. d.). 

F-dur (ital. fa maggiore; frz. fa majeur; enal. 
unge), die Durtonart, bei der h um einen bal- 
ben Zon erniedrigt wird, aljo ein 9 vorgezeichnet 
ift; parallele Molltonart ift D-moll. (S. Ton.) 

Fo, chem. Zeichen (Abtürzung von Ferrum) für 
Eiſen (f. d.). 

€, Santa, Stabt, f. Santa Fe. 
ea, Carlo, ital. Archäolog, geb. 2. Febr. 1753 
zu Bigna bei Nizza, erlangte zu Rom die Priefter- 
mweibe, mußte jedoch 1798 den Kirchenftaat verlafien 
und nad Florenz flieben. Bei feiner Rucklehr 1799 
wurde er von den Neapolitanern, die vamal® Rom 
bejegt bielten, aus Irrtum als Jakobiner einge- 
fperrt, bald aber wieder in Freibeit gefeßt und bier- 
auf zum Commissario delle antichitä jowie zum 
Vorfteber der Bibliotbel des Fürften Ebigi ernannt. 
5. ſtarb 18. eg 1834 zu Rom. Außer mebrern 
jurift. und polit. Schriften find von F. zu erwäbnen: 
die fiberfegung der Windelmanniden « Geichichte 
der Kunjt» (Nom 1783—84), die Noten ju dem 
Bianconiihen Werle über die alten Cirkus und 
namentlich den des Caracalla (ebd. 1789), die «Mis- 
cellanea filologica, critica e antiquaria» (2 Bope., 
ebd. 1790—1837). 3.8 Hauptverdienit beitebt in 
feiner Leitung der Ausgrabungen in und um Rom, 
die er in feiner treiflihen Monograpbie «L’in- 
tegritä del Panteone rivendicata a M. Agrippa- 
(Hom 1807 ; 2. Aufl. 1820), den «Frammenti di fast; 
consolari» (ebd. 1820), «Iscrizioni di monumenti 
ublici» (ebd. 1813) und «Descrizione di Roma» 
3 Bde.,ebd. 1822) wifjenfchaftlich verwertete. Mebr: 
fahen Tadel dagegen erfuhr feine Ausgabe des 
Horaz (Rom 1811). 


Fear — Fechner (Guft. Theod.) 


ar, Kap, ſ. Cape yearsRiver. 
arnl (ipr. fernli), Carl email, normweg. 
nom, Bruder de3 Malers homas ., geb. 
19, Dez. 1818 in — N in Rrıftiania 
Rathematit und wurde 1844 Aſſiſtent Hanfteend am 
Atronomijchen und Magnetiihen Obfervatorium 
in Rriftiania. 1850—52 hielt er ſich ftudienbalber in 
Bonn und Königsberg auf; 1857 wurde ihm Hans 
ſteens Profefiur und 1861 aud die Direktion des 
Dbfervatoriums in Kriftiania übertragen. In diefer 
Stellung ftarb er 22. Aug. 1890. Bon jeinen aftron. 
Arbeiten find man zu erwähnen die Beftim- 
mung der Koordinaten der Sternwarte in Kriftiania 
(«Beihreibung und Lage der Univerfitäts : Stern: 
warte in Ariftiania», 1849) und pers 
tungen der Sterne zwifchen 64° und 70° 10° 
nördl. Deklination» (1888). Mehr theoretiſcher 
Ratur find feine Arbeiten über die Höhe des Nord: 
lichts (1859) und über die terreftrifche Refraktion 
(1884). Auch nahm F. Anteil an den in Norwegen 
ausgeführten Arbeiten der europ. Gradmeſſung. 
arnley (pr. fern), Thomas, normweg. Land⸗ 
ſchaftsmaler, geb. 27. Dez. 1802 zu Frederilshald, 
widmete ſich anfangs dem andern e und bildete 
fih dann ſeit 1821 auf der Atademie in —— 
und 1823—27 in Stockholm. ea Studienreijen in 
Schweden und Norwegen und I 1829 unter der 
Leitung jeines in Dresden anfälfigen Landsmanns 
Dahl entwidelte er fein Talent, ging 1830 nad 
nden, von dort nad der Schweiz, Italien, 
Frankreich und England und kehrte nad acht Jah: 
ren in die Heimat zurüd. 1841 begab er fi von 
neuem nah Münden und ftarb dajelbft 16. Yan. 
1842. Unter feinen Gemälden, die ſich durch poet. 
Auffafjung, forafältige und elegante Behandlung 
und barmonijche —** auszeichnen, ſind her⸗ 
vorzubeben: Hüge fc 
Weimar), Anſicht von Stodholm (in Betersburg) 
Molovon Girgenti, Labrofoß, Brienzer See(alle drei 
in der Nationalgalerie zu Kriitiania); ferner: Juſte⸗ 
dalgletſcher, Romsdalshorn, Partie aus Vindhellen, 
Sorrento, Caſtellammare, Gravensfjord (1839; Ham⸗ 
burg, Kunſthalle), Norwegiſcher Waſſerfall (1841). 
Heather: Biber (ipr. feth'r rimmw’r), linfer Ne: 
benjluß des Sacramento in Ralifornıen, entitebt 
aus den auf der Sierra Nevada entipringenden 
North: und Middle: Forl, durdftrömt eine reiche 
Goldregion und mündet oberhalb ver Stadt Sacra= 
mento. Bis Marysville, am Einfluß des Yuba, 
iſt er für Dampjboote joinber. Der Mipple-Fort 
fließt durd einen gewaltigen Cafion. 
Febricüla (lat.), rudimentäres Fieber, j. Fieber. 
Febril (lat.), fieberhaft. 
Febrisi(lat.), jieber. F. biliösa, ſ. Gallenfieber; 
F. bullösa, f. Pemphigus; F. flava, ſ. Gelbes Fie 
ber; F. — T Wechfelfieber; F. miliäris, 
ſ. Englifher Schweiß; F. mucösa, ſ. Schleimfieber; 
F. puerperälis, ſ. Rinbbettfieber; F. recürrens, j. 
Rüdfalltypbus, j i , 
nius, yukinus, j. Hontheim, J. N. von. 
ebrüa (in der Einzahl Februum), bei den alten 
Römern Gegenitände, von denen man glaubte, daß 
durch deren Beſitz oder Berührung die Menſchen den 
Göttern gegenüber von Berfündigungen gereinigt 
und etiwa begangene Frevel gefühnt würden. Zu 
den F. gehörten namentlid die Riemen, mit denen 
die Luperci an den Luperlalien (f. d.) die ihnen 
bea den Frauen jchlugen. Auch führte Juno 
als —— den Namen Februäta. 


landibaft (1829; Mufeum in- 


501 


Februar, im Deutihen Hornung, ber zweite 
Monat des gebe bat in einem Gemeinjabre 28, 
im Scaltjahre —— 29 Tage. Bei den Römern 
war er bis zur Einführung des Sulaniaen Ralen« 
der3, der den 1. Yan., an dem fchon feit längerer 
en die Konſuln ihr Amt antraten, aud > 

alenderneujahrätag machte, der legte Monat. Den 
Namen mensis Februarius, d. b. der Sühn: und 
Reinigungsmonat (von februäre, d. h. reinigen), 
erbielt der F. davon, daß in ihm, als dem letzten 
Monat des Jahres, namentlich am Feſte der Luper⸗ 
falien (f. d.), —— und Reinigungen vor: 

enommen wurben. (S. Februa.) Nah Grimms 

Örterbud ift Hornung anzufeben als eine Ab» 
leitung von Horn, einem Namen des Januar, der 
im Voltsmunde als der große Horn von dem Heinen 
Horn, dem F. unterfchieden wurde. Der Zuſammen⸗ 
bang dieſe Monatsnameng Horn mit dem Worte 
Horn (Gehörn) wird angenommen und von dem 
—— Froſte hergeleitet. In den erſten zwei 

ritteln des F. ſteht die Sonne im Zeichen des 
Waſſermanns, im legten Drittel in dem der Fische. 

bruarrebolution, die Revolution in Frank—⸗ 
reib, die, durch die liberale Oppofition gegen das 
Kabinett Ludwig Philipps und durch deren Reform⸗ 
bantette vorbereitet, 24. Yebr. 1848 in Paris aus» 
brach und den Sturz des Julildnigtums berbeis 
führte. (S. Frankreich, Geſchichte.) 

Feo., Ablürzung von Feecit (f. d.). 

Fecamp (fpr. Lang), früher Fescamp, Haupt: 
ort des Kantons F. im Arrondifjement Havre des 
Depart. Seine:nferieure, an der Mündung des 
Küftenfluffes F. in den Ranal (La Mande) und ander 
Linie Beuzeville$.(19km) der Franz. Weftbahn, von 
—— Höhen umgeben und von altertümlichem 

usſehen, Sitß eines Handelsgerichts, einer Handels⸗ 
fammer, je eines dän., engl., portug. und ſchwed. 
Vicekonſuls ſowie eines öjterr. und eines ſpan. 
Ronjularagenten, hat (1901) 14675, alö Gemeinde 
15381 €,, ein ſchönes Stadthaus, eine Kirche 
St. Etienne (16. Jahrh.), byprogr. Schule, Biblio: 
thet, Mufeum und großes Hofpital. Berühmt ift 
die Kirche der Benediltinerabtei (11. bis 16. Jabrh.) 
mit reich ausgeftattetem Innern. Die 12. Jan. 1892 
niedergebrannte große Liqueurfabrik des Klofters 
ift wieder aufgeführt und 30. Juni 1895 eingeweiht 
worden. Der Hafen, jekt verbeflert und eriveitert, 
ift nächſt Boulogne Hauptplag zur Ausrüftung der 

hiffe zum Heringd: und Stockfiſchfang. Beliebt 
find die Seebäder m Die Induftrie erftredt ſich 
auf Leder⸗, Kalilo⸗ Segeltud: und Liqueurfabri- 
kation (Benedictine), Schiffbau und Baummwollfpin: 
nerei. — F. verdantt feinen Urjprung einem 660 ge: 
gründeten Frauenklofter, dad 1006 in eine Bene 
diktinerabtei der Dreieinigleit verwandelt wurde. — 
Vgl. Gourdon de Genouilac, Histoire de l’abbaye 
de F. (Fecamp 1872); Martin, Histoire de F. il- 
lustr&e (ebd. 1894). } 

Fechenheim, Dorf im Landkreis Hanau dee 
preuß. Reg.⸗Bez. Caflel, am Main, bat (1900) 
6409 E., darunter 1829 Katholilen und 53 Israe— 
liten, (1905) 7621 E., Poſt, Telegrapb, evang. und 
kath. Kirche * Lad: und Firnis⸗, Anilin⸗ 
fabrilation, Schmirgelwerl, Litenweberei und Ges 
müfebau. Zur Gemeinde gehört der Bahnhof Main: 
fur der Linien Frankfurt: Ajchaffenburg und Franl: 
furt:Eberbad der Preuß. Staatsbahnen. 

Fechner, Buft. Tbeod., — *— und Bbilofopb, 
geb. 19. April 1801 zu Groß:Särden bei Muskau 


502 


in der Nieberlaufig, ftubierte feit 1817 in Leipzig 
Medizin und Naturwifjenihaften und habilitierte 
ch dann zu Leipzig, wo er 1834 die ordentliche 


Born der Phyſik erhielt. Durch ein Augenleiven | Guf 


veranlaßt, gab 75.1839 fein phyfil. Lehramt auf und 
wandte fih der Naturphilofophie, Anthropologie 
und Aſthetik zu, und dieſer Richtung gehörte en. 
feine jpätere alademifche Lehrthätigleit an. Er fta 
18. Nov. 1887 in Leipzig, wo ihm 1897 im Roſen⸗ 
tbale ein Denkmal (Bronzebüfte) gefest wurde. 
Die frübeften Terran and 5 betreffen vor: 
melih den Galvanismus und find in den Abhand⸗ 
ungen in Poggendorffs «Annalen der Phyſik und 
Chemie», in feinen « Maßbeftimmungen über die 
** Kette» (Lpz. 1831) und in dem von ihm 
earbeiteten dritten Bande feiner Überfegung von 
Biots «Lehrbuch der Erperimentalphyfit» (2. Aufl, 
ebd, 1828) entbalten. Außerdem überjegte er 
Thenards «Lehrbuch der Ebemie» (7 Bde., Lpz. 
1825—83), redigierte bis 1835 das von ihm 1830 
begründete «Pharmaceutifche Centralblatt» (ebd. 
und gab das «epertorium der Erperimenta 
phyſil⸗ (3 Bde., ebd. 1832), das «Hepertorium 
ber neuen Entdedungen in der unorganiſchen 
Chemie» (3 Bde., ebd. 1830— 33), dad «Reper⸗ 
torium der neuen Entdedungen in der organiſchen 
Ebemie» (2 Bde., ebd. 1830 — 83) und die erfte 
Auflage des «Hausleritons» (8 Bde., ebd. 1834 
=. beraus, Auch gab F. unter dem Namen 
Dr. Mijes in der «Stapelia mixta» (Lpz. 1824), 
einer Sammlung bumoriftifher Aufſätze, die jelbjt 
Jean Pauls Aufmerkjanteit auf ſich zog, und in 
andern Werten (aKleine Schriften» von Dr. Miſes, 
ebd. 1875) Beweiſe eines reihen und glüdliden 
Humord. Eine ernitere Richtung, —— mehr 
im —— Spiele einer dichtenden Phantaſie 
als durch wiſſenſchaftliche — verfolgte 
fein «Büchlein vom Leben nach dem Tode» (Lpz. 
1836; 4, Aufl., Hamb. 1900); aud gab er «Ge 
dichte» (Ypz. 1841) und ein «Nätjelbüchlein» (4. Aufl, 
ebd. 1878) — Seine naturphiloſ., anthropol. 
und äſthetiſchen Forſchungen betreffen: allber das 
—* te Gut» (Lpj. 1846), «Nanna, oder über das 
enleben ber ——— (ebd. 1848; 2. Aufl., 
Hamb, 1899), «Zend⸗Aveſta, oder über die Dinge 
deö Himmels und des Jenjeitö» (3 Tle., Lpz. 1851; 
2. Aufl. 1901 fa.), « Profefior Schleiden und ber 
Mond» (ebd. 1856), «Über die Seelenfrage» ſebd. 
1861), «Die brei Motive und Gründe des Giau⸗ 
bens» (ebd. 1863), «Cinige Ideen zur Schönfungd- 
und Entwidlungsgejbichte der Organismen» (ebd. 


1873), «Erinnerungen an die legten Tage der | Angri 


Dplehre» (ebd. 1876), «Borjchule der Aſthetik⸗ 
(2 Bde., ebd. 1876; 2. Aufl., ebd. 1897—98) und 
«Die Tagesanſicht gegenüber der Nachtanficht» 
(ebd. dt Ferner —38 F. «liber die phyſik. 
und philoſ. Atomenlehre» (2. Aufl., ebd. 1864) 
und fein Hauptiwert, «Elemente der Biphopbyfil» 
( ‚ebd. 1860; 2. Aufl. 1889), womit er 
eine neue Wiſſenſchaft begründete — — 
Noch ſchrieb er: «In Sachen der Pſychophyſilo (Lpʒ. 
1877), «Reviſion der Hauptpunkte der Pſycho— 
pbufit» (ebd. 1882), «liber die Frage des Weberſchen 
Beiehes und Periodicitätsgeſetzes im Gebiet des 
Zeitjinnes» (ebd. 1884), «Über die Methode ber rich⸗ 
tigen und faljchen Fälle in Anwendung auf die Maß: 
a unocn der Feinheit oder ertenfiven Empfind⸗ 
lichleit des Raumjinnes» (ebd. 1884), «Über die 
piphiihen Maßprincipien und das Weberſche Ges 


Fechner (Hanns) — Fechtart 


fe» (in Wundts «Philoſ. Studien», Bd. 4, ebp, 
1887). Aus feinem Nachlaß gab Lipps «Kolleltib⸗ 
Baden (Lp3. 1897) heraus. — Bol. Kunke, 

uſt. Theod. 5. (2p3.1892); Laßwitz, Guft. Theod. J. 
.1896) ; Wundt, Guft. Tbeod. 3. (Lpz.1901). 
uer, Hanns, Maler, ſ. Bo. 17. 
fer, die unterirbifchen Stammftüde, welche 
wu dortpflanzung beim Hopfen, Wein, ich, 

rapp u.a. dienen. Beim Hopfen werben bie F. im 
Fruhjahre beim Schnitt ald 10—12 cm lange Stüde, 
welche 3—5 en baben müfjen, gewonnen. 

Selm ‚ Öiterr. Benennung für Ernte, Ernte⸗ 
ertrag; fehlen, joniel wie ernten. 
Fecht, linter Zufluß der JU im Elſaß, entipringt 
in 482 m Höhe am Wiſſortberge in den Bogeien, 
durchſtrömt in norböftl. Richtung das ſchone Pün 
fterthal und mündet nad einem Laufe von 49 km 
öftlih von Gemar. Sie nimmt die Weib aus dem 

eißen See auf. Bon Zürkheim führt der Logel⸗ 
bad nad Eolmar. 

Fechtart, die Weife, wie die Truppen zum Ge 
fecht geordnet werden, wie fie in den Kampf eintreten 
und ihn durdfübren. Außer dem jeweiligen Ge 
fechtö3mwed, dem Gelände und ber verfügbaren Krafi 
(Zabl, ——— wird die F. bedingt durch den 
Kulturzuſtand der Völler, oft auch durch das Ein- 
greifen hervorragender Feldherren. Die F. ent: 
widelte ſich, ſobald die Gefechte nicht mehr aus 
loſe zufammenbängenden Einzellämpfen beftanden; 
mit der jteigenden Kultur wurde fie Gegenjtand des 
Studiums, findet heute ihren Ausprud in den Erer- 
jierreglements (j. 9 und taktiſchen Lehrbuchern und 
iſt ein Zeil der Taltif (f. d.). 

Bei den beiden Hauptkulturvöltern de Alter: 
tum$, den Griechen und Römern, bejtand die Haupt» 
—* aus dem mit der Nahwaffe ausgeruſteten Fuß⸗ 
voll. Der Kampf war demnach hauptſächlich Rabs 
gefecht und wurde in gefchlofjener, tiefer Orbnung 
durchgeführt. So bildete ſich bei ven Griechen vie 
PBbalang (f.d.) aus, in der die einzelnen Unterab⸗ 
teilungen des Fußvolls dicht neben» und bis zu 
16 Gliedern dicht hintereinander ftanden. Diein den 
bintern Glievern aufgeftellten Zeichtbewaffneten er⸗ 
ur ausgeſchwärmt ven Kampf, dann festen ſich 

Schwerbewaffneten, die Hopliten (f.d.), in Bes 
wegung; nad dem Zujammenftoß mit vem Gegner 
löfte ſich das Gefecht in Einzellämpfe auf. Späterbin 


(Stu 


ftrebte man nad) größerer eglichleit und befierer 
—* durch Reiterei. Epaminondas ſchuf die 
ſchiefe Sch 


achtordnung, bei —— lagel, 
der den eigentlichen Stoß ausführen follte, alſo ver 
iöflügel, aus ben bejten Truppen zuſammen⸗ 
gefegt und * aufgeſtellt war. Der andere Flügel 
dagegen, aus Reiterei und leichtem, in wenigen Glie⸗ 
bern formiertem Fußvolt beftebend, batte ſich nur 
beobadıtend zu verhalten und diente gewiſſermaßen 
als Reſerve. Die thebaniſche Taltikl wurde von den 
Macedoniern weiter ausgebildet und hierbei nament⸗ 
lid) der Reiterei, die ſich bereitö in ſchwere und leichte 
ſchied, eine ausgiebigere Rolle zugeteilt. Auch Kriegs: 
maſchinen wurden mehr verwendet. Taltiſche Einbeit 
bildete bei den Römern vie Legion (f. d.), die, ans 
fen 8 der Phalant ähnlich zufammengejeht, jpäter 
n Unterabteilungen zerlegt wurde, die mit Zwiſchen⸗ 
räumen neben= und in mebrern Sxefien bintereins 
ander aufgeftellt wurden (f. NManipularftellung). 
Im Mittelalter überwog mit wenig Ausnab: 
men bie Reiterei, die fi, in Geſchwadern zen 
ander anrennend, zum Einzeltampf auflö Das 


Fechtart 


kooll trat [en nur da ber ſchwer⸗ 

affneten Heiterei gegenüber zur Geltung zu tom- 
men, wo ed von nationalem Geiſte getragen wurde, 
wie bei ven Engländern und Schweizern. Mit der 
wachſenden Macht der Fürften und Städte zerfiel 
dad Lehnsweſen, und damit trat die Reiterei allmäb: 
ih gegen das Fußvolk zurüd,. Um die Wende des 
15. und 16. Nabrb. beginnt überhaupt ein neuer 
Abſchnitt des Kriegsweſens im allgemeinen, der ſich 
tennzeichnet nicht nur durch die Anerlennung bes 
—— als einer der Reiterei ebenbürtigen Waffe, 

ondern auch durch die Entwickllung einer gewiſſer⸗ 
maßen internationalen europ. Infanterie. Das 
Außovolt des Altertums war vorherrſchend national; 
Zattil, Gliederung und Bewaffnung waren bei den 
einzelnen Nationen verſchieden geweſen. Das Mittel: 
alter jhuf dann zwar ein europ. Heerwejen im all 
gemeinen und im Rittertum eine Reiterei von inters 
nationalem Gepräge, aber noch feine europ. ns 
janterie. Um die angegebene Zeit lam das Fuß— 
volt, beſonders durd die Leitungen der Briten, 
Schweizer und Böhmen (Huffiten), zu bobem Ans 
leben. Ganz bejonders traten feit ben Burgunder» 
triegen die Schweizer bervor, deren Ordonnanz 
(triegeriihe Einrichtung, taktiſche EL 
allen Heeren nachgeahmt wurde, wodurd in Wahrs 
beit ein europ. Fußvolk entjtand. Someit es deut: 
ſchen Urfprungs mar, trug es anfangs die Namen 
Heifier, Reisläufer (f. en. dann den 
zu MWeltrubm gelangten Namen Landsknechte 
(f. Landsknecht). Die taktiſche Einheit dieſes haupts 
fählih mit dem Spieß bewaffneten Fußvolts war 
der Haufen (f.d.),dernad dver®eviertordnung, 
d. b. annähernd quadratiic gebildet wurde. 

Das Landsknechtweſen einerjeits, bie zunehmende 
Einführung der Handfeuerwaffen andererfeits find 
das Bezeichnende für die Infanterie des Refor— 
mationszeitalters. Neben dem mit 2* 
und blanler Waffe ausgeſtatteten ſchweren Fußvo 
Pileniere) eribeintmebrund mehr das mit der Feuer⸗ 
waffe —— leichte Fußvolt (Mustetiere, Artes 
bufiere). Aus der von den Schweizern und Lande: 
Inehten angewendeten Geviertorbnung entwidelt 
fh zunädft unter Karl V. die unter dem Namen 
ipanijhrungarijde Drbonnanz belannt ge 
wordene Kampfform der ——— große in 
Quadrat formierte Pilenierbataillone, welche ent: 
weder mit mebrern äußern, aus Musfetieren gebil- 
beten Gliedern umgeben oder denen befondere in 
— Tiefe formierte Mustetierabteilungen, 

hügenflügel genannt, ———— dieſer 
een ſteht die faiferl. Infanterie Tillys und Wallen: 

eins im Dreibigjäbrigen Kriege. 

Ebenfo unbebulflic war die Aufftellungsform der 
Reiterei. Die ſchwere Reiterei ftellte fich acht, die 
leichte fünf Glieder tiefauf. Diefe Reitermafien wur: 
den aber leineswegs zu einem kräftigen Stoß, fon: 
dern zum Feuergefecht gebraucht. Erft wenn durch 
legtereö in den feindlichen Reihen eine Lücke ents 
ftanden war, griffen die Reiter zur blanten Waffe, 

Bas die allgemeine Schlahtorbnung (ordre de 
bataille) der nad fpan.=ungar. Ordonnan ge 
aliederten Heere betrifit, jo war im 16. Jabrh. m 
allgemeinen die Bezeichnung Vorhut und rechter 
Flügel, Bataille und Gentrum, Nachhut und linter 

lügel gleihbebeutend; jeder dieſer Zeile beitand 
aus Infanterie und Savallerie. Die Infanterie 
eines jeden dieſer drei Teile bildete einen Schlacht⸗ 
haufen (Bataillon), aus welcer Dreiteilung ji in 


503 


Spanien allmähli der Name Terzia (Drittel) als 
Bezeihnung für eine Formationseinheit der Im 
fanterie, etwa dem Regiment entiprechend, heraus⸗ 
bildete. Gegen Ende des 16. Jahrh. entwidelte ſich 
in ben niederländ. Kriegen aus ber a er re 
Kampfform die pi lpuntine Bri abe lung, 
eine Zufammenitellung von 4 Bataillonen der ſpan.⸗ 
ungar.Orbonnanz,von denen 1 Bataillondie Avant 
garbe, 2 Bataillone die Bataille und 1 Bataillon 
die Arriöregarde bildeten, 

Als neue Waffengattung tritt jent die Artillerie 
auf, die infolge ibrer großen Schwerfälligteit in» 
deſſen in der Feldſchlacht zunächſt no 
enticheidenden Bedeutung ift. 

Ein beſonderes Berbienit, die F. den veränderten 
Verbältnifien angepaßt zu haben, gebührt Morig 
von Dranien und Guſtav Adolf von Schweden. 
Eriterer gab der nfanterieaufitellung eine gerin: 

ere Tiefe und verlleinerte die unbebilflicen großen 

hlahthaufen, wodurch die Infanterietaltil (im 
biefer Form niederländifhbe Ordnung ge 
nannt) beweglicher wurde; der Grundgedanle diejer 
Ordnung war: die Mustetiere, deren Feuerwirkung 
ald das entiheidende Moment anerlannt wurde, 
in möglicft flacher Aufitellung zu entwideln und 
badurd die Zahl der zu gleichzeitiger Wirkung lom⸗ 
menden Feuergewehre möglicft groß zu geitalten, 
dabei aber in angemefjenen Entfernungen Pilenier⸗ 

aufen in die Schüßenfront einzufügen, welche die 

inie ftügten und binter welde die Schüßen fi 
flüchten fonnten, wenn fie von Reiterei angefallen 
wurden. Als taktische Einbeit bildete fich im nieder: 
länd Heere das Halbregiment zu etwa 500 Mann 
heraus, der Zahl nah halb Piteniere (Spieher), 
balb Mustetiere (Schüsen); aus diefer tattiichen 
Unterſcheidung der abminiftrativen Einheit des 
Negiments entwidelte fich das jegige Bataillon (im 
Gegenjag zu dem alten Bataillon der Geviertorb: 
nung). Die Schlachtordnung Draniens- if die 
Niebderländiſche Brigadeſtellung (ſ. d.). 

Guſtav Adolf formierte die Infanterie zu 6, die 
Reiterei zu 4 bis 3 Gliedern und ſiellte die Pileniere 
und Mustetiere derart zuſammen, daß eine beſſere 

egenfeitige Unterftüßung gemwäbrleiftet war. Die 
chwed. Compagnie beitand aus 2 Truppe Mus: 
fetieren und 1 Trupp Pilenieren. Die Brigaden (ſ. 
Schwediſche Brigabeitellung), in ſich nach Breite und 
Tiefe mehrfach gegliedert, jtanden mit Abitänden 
neben: und in zwei Treffen bintereinander. Eine zahl⸗ 
reiche Artillerie war teild der Infanterie unmittel: 
bar zugeteilt (Regimentsftüde) und begleitete diefe 
in das Gefecht, teild war fie als ſchwere Artillerie 
in Batterien vor der front aufgeftellt, um die großen 
Geviertbaufen der Gegner fhon aus der Ferne zu 
ſchaͤdigen. Aud die 5. der Kavallerie wurde von 
Bujtav Adolf weſentlich umgejtaltet. Während die: 
felbe bisher nur im Trabe angegriffen hatte, mußte 
& ſich jest im Galopp und Carritre auf den Feind 
türzen. Anitatt der bisberigen tiefen Gliederung 
wurde bie Rangierung zu nur drei Gliedern ein» 

eführt, wodurd die Frontbreite erheblich zunabm. 
Smifchen die Kavalleriegeſchwader wurden beim Auf: 
marih zur Schlaht Mustetiertrupps eingeitreut, 
um bei mißglüdter Attade die Reiter 1. Naht. m 


von feiner 


Den Übergang von der F. des 17. Yabrb. zu 
der beö 18. U th. bildet das allmäblihe Ber: 
chwinden des Schügengefechts und ber gleichpeitige 

eginn eines regelrechten Ererziereng, die Abjchais 
fung der Pile und die allgemeine Einführung des 


604 
Bajonettgewehrs, d. b. die Schaffung einer Ein- 
beitsinfanterie. Mit dem Ererzieren bing zuſam⸗ 


men die fait in allen Heeren auflommende jeite 
Bataillongeinteilung der Regimenter, d. b. die enge 
Verbindung taktijcher Formation und abminijtra® 
tiver Organijation. 

Die F. des 18. Jahrh. wird nach ihrer Form 
gineartaltit (f. d.) und nad dem Feldherrn, der 
fie am genialjten anzumenden verjtand, Friedrich 
d. Gr., die Fridericianifhe Taktik genannt. 
Die Infanterie ift in 4, jpäter in 3 Gliedern auf: 

eftellt. Die Grundaufitellung ift die Linie; Ko— 
onnenformationen dienen nur zu Marſch- und Ma— 
növrierzweden. Die Zahl der Formationen iſt gering, 
der Hauptnachdruck liegt im geſchloſſenen Vorgehen 
Taltſchritt) des in Linie formierten Bataillons jo: 
wie im rafchen Laden und Schießen. 

DieRKavalleriebeitandin Preußen aus Küraffie- 
ten, Dragonern und Hufaren. Die erftern waren 
nur zum Stoß in gejchlofiener Dronung bejtimmt, 
die Dragoner waren zu Pferd ausgebildet, mußten 
aber aud zu Fuß a wie die Infanterie 
ererzieren. Den Hujaren lag die Handhabung des 
Sicherheitsdienſtes ob; im geſchloſſenen Ererzieren 
u Fuß wurden fie nicht ausgebildet. Küraffiereund 

ragoner fochten zu Pferd in 3, Hufaren in 2 lie 
dern. Während nad dem öſterr. Reglement von 
1749 und dem franz. von 1755 die Kavallerie zur 
Attade im Trabe vorrüden, auf 30 Schritt vom 
Feind die Pijtole abfeuern, den Degen aufnebmen 
und einbauen joll, war Schießen wäbrend der Attade 
bei der preuß. Reiterei verboten. Die Vorſchriften 
der letztern legten vielmehr auf fchnelles,aber ruhiges 
Aufnehmen der Richtung beim Aufmarſch großen 
Wert; die Estadrons des erften Treffens hatten 
12— 20, diejenigen des zweiten 40—60 Schritt 

wilhenraum, der Treffenabitand betrug 300 

dritt. Den D zieren der preuß. Kavallerie war 
bei «infamer Kaflation» verboten, fih vom Feinde 
attadieren zu lajjen, fie follten vielmehr «allemal 
den Feind attadierenn. 

In diefem energiiben Grundgedanten erzogen 
und von hervorragenden Neitergeneralen (unter 
denen Seydlig und Bieten topiihe Berübmtbeit 
erlangten) in wahrhaft mujtergültiger Weiſe ge 
führt, wurde die preuß. Kavallerie bald jeder andern 
in Ausbildung des einzelnen Mannes, Manövrier: 
fähigfeit und Ungeftüm in der Attade überlegen. 

Die Artillerie, deren Beipannung erjt bei Be 
inn eines Krieges beichafft wurde, war teild der 
Snfanterie (2—3 Geſchutze zu jedem Bataillon) zus 
— teils in Batterien vereint. Die Regiments: 
tüde waren leichter, gingen mit ibren Bataillonen 
vor und feuerten von 400 Schritt ab mit Kartät⸗ 
ſchen; der Reit der Artillerie führte ſchwere Kaliber. 
Taktiſcher Verband war in ae die Artilleries 
brigade zu 10, in Öfterreich die Batterie zu 5 Ges 
hügen. Die Beweglichkeit der Artillerie war noch 
ering; die geichlagene Partei verlor meijt ibre ge 
* Artillerie. Dieſe Übelſtände veranlaßten 

iedrich d. Gr. 1759 zur Aufſtellung von reitens 
der Artillerie. Die franz. Armee bat reitende 
Artillerie feit 1763, die djterreichiiche feit 1776. 

Für den Kampf fuchte man ebene, nicht durch⸗ 
f&hnittenes Gelände auf. Der Aufmarfc zur Schlacht 
dauerte mehrere Stunden. Die Ynfanterie, nur 
ein ſchwaches zweites Trefien ala Rüdhalt Dinter 
fich, ftebt in der Mitte, die Kavallerie auf den Flu— 
aeln. Die Artillerie eröffnete ven Kampf. Erfuhr 


Fechtart 


auch die Wirkung der Artillerie durch die Zerſplitte⸗ 
rung ihrer Kräfte und teilweiſe Verwendung als 
Regimentsartillerie eine Abſchwächung, ſo war doch 
in der Art ihres Auftretens (Vereinigung der Wir: 
fung geoen ein Ziel) der Grundjas der Mafjenmir: 
kung bereit3 angedeutet. Da die Artillerie bei den 
geringen Schußmeiten ihre eigene —— nicht 
überfhießen konnte, fand fie ihre Aufſtellung auf 
den Flügeln. In den erjten Schlefiihen Kriegen 
berrichte der parallele Angriff vor, jpäter wurde im 
Umfajjen eines Flügeld die Entſcheidung zu 
Bei diefem Streben nad Flantenumfaffung bewegte 
man ſich in einzelnen Schlachten (f. Zorndorf) voll 
fommen im Kreiſe umeinander m. Ausgiebige 
Verfolgung nad der Schlacht fand nicht ftatt, war 
auch faum angängig, weil die Hauptwaffe der Ber: 
folgung, die Reiterei, bereit3 bei der Entiheidung 
eingejest war und die Infanterie zunächſt ibre zer: 
breblide Ordnung miederberjtellen mußte. ie 
Schlachtenführung beftand bauptiählib in dem 
Aufbau und Anſetzen der Armee. In legterm 
lag die Entiheidung; mißlang es, jo ging die 
Schlacht verloren. Die Einwirkung der Führung 
während ver Schlacht konnte über den engen Rabmen 
des perjönliben Beiipield nicht weit binausgeben. 
Das zweite Treffen wurde bald in Mitleidenjcaft 
ezogen, das Borfchieben der meift —— Re⸗ 
erve war die hauptſächlichſte Einwirkung während 
des Kampfes. Die Thätigleit der Kavallerie mußte 
im allgemeinen den ftavallerieführern auf den Flü- 
geln überlafien werden. 
Ein großer Umſchwung der F. wurde durch bie 
zu Ende des 18. Jahrb. beginnende Ausnugung 
des Geländes bervorgegerufen. Es verdient als 
charalteriſtiſch Besen zu werben, daß bie 
Lineartaltik nicht etwa deöwegen verſchwand, meil 
man fie für veraltet bielt, ſondern weil die raſch auf: 
ejtellten Boltäbeere der Norbamerifaner und ver 
anz. Republik zunächſt ſich nicht in geregelter 
Schlachtordnung zu Schlagen vermochten. Siebatten 
weder genügend Uffigiere, die die Ausbildung in der 
Lineartattil zu übernehmen verftanden, noch Zeit, 
um ihre Mannſchaften in der peinlihen Weife zu 
ererzieren und zu —— die die Fridericianiſche 
Schule auszeichnete. Außerdem fehlte e8 in vielen 
Fällen an einer Vorbedingung der Pineartattit, 
nämlih an dem ebenen, nicht durchſchnittenen Ge: 
lände. Obwohl die franz. Neglements von 1791 und 
1805 fi in den Yyormationen nur wenig von denen 
der preuß. Reglements von 1743 unterſchieden, brach 
man zunächſt unbeabfichtigt mit der Yineartaftif, in⸗ 
dem die Kolonne (f. Kolonnentaltif) und eine im 
Reglement nicht vorgejebene F. angewandt wurden. 
Nah dem Reglement von 1791 ftand die franz. In— 
fanterie in 3 Öliedern, das Bataillon hatte 8, Ipäter 
6 Eompagnien. Das erjte franz. Infanterietreften 
löfte fih anfangs ganz in ungeordnete Tirailleur: 
Ihwärme ung bu drang fo vorwärts. Bei der un: 
genügenden Vorbereitung des Angriffs, dem fajt 
gänzliben Mangel an Rejerven, waren Ruckſchläge 
unausbleiblib. Franzöfiicerfeit3 verfiel man zu⸗ 
nächſt darauf, entjcheidende Schlachten zu vermeiden, 
den Krieg durch zahlreiche Heine Gefechte zu fübren 
und dabei die ———— an Zahl den Gegnern weit 
überlegene Mannſchaft rucſichtslos —— 
ſchlechtet als um die taltiſche Ausbildung 
der Infanterie ſtand es bei Ausbruch der Revolution 
mit Remontierung und Ausbildung der franz. Ka— 
vallerie. Da fie im Einzellampf gegen preuß. oder 


Fechtart 


oſtert. Reiterei ſtets den kürzern zog, fuchte man 
durh die Maſſe zu wirken und vereinigte bis zu 
H Schwadronen unter dauernder Zuteilung von 
1618 2 Batterien zu Havalleriedivifionen. 

Unter Napoleon bat die franz. Kavallerie eine 
der Fridericianiſchen nicht nadjitebende Rubmes: 
erohe. Obwohl nicht aus durchgebildeten Neitern 
beitebend, gab fie in vielen Schlachten die Ent: 
ſcheidung, weil fie, in Maſſe und am rechten Ort 
eingeieht, fi obne Rünjteleien ungeftüm auf den 
Feind warf. Dbmohl jelbit ein jchlechter Reiter, 
mußte Napoleon jeiner Kavallerie die rüdjichts- 
Iojeite Bravour einzuprägen, und feine Reiter 
enerale, unter denen bejonders Murat, ee 

elmans, Sebajtiani, Latour-Maubourg und Mil 
baud hervortreten, veritanden es, ſelbſt ſchlecht 
Dee pe Zruppen auf elenden Pferden in 
Marie zu bewegen und mit ihrer Wucht den Gegner 
niederjurennen, Einen eigentümlihen Gegenſatz 
bierzu bildete die preuß.:diterr. Kavallerie, die, 
an jich von weit beſſerer Beſchaffenheit und im all: 
gemeinen der Zabl nad weit überlegen, vielfach 
untbätig blieb, höchſtens in vereinzelten fleinen 
Abteilungen auftrat und niemals einen wirklich 
enticbeidenden Erfolg davontrug. 

Die franz. Artillerie ſtand bon bei Beginn der 
Revolution auf einer hoben Stufe wiſſenſchaftlicher 
Ausbildung, blieb aber zunädft an Zahl gegen: 
über dem ſchnellen Anwodien der Maflenaufgebote 
ſchwach. Sie war in Batterien zu 6—R Geſchützen 
formiert und in der Stärtevon 2 bis 3 Batterienan 
die Fnfanteriedivifionen verteilt. Regimentsſtücke 
aab es nicht mehr, da die Fechtweiſe der Infan— 
terie in Zirailleurjhmwärmen die Beigabe von Ge 
ſchütßzen an die einzelnen Bataillone unmöglich 
machte. Erſt ſpäter bildete fih der Grundjak aus, 
daß vie Artillerie den Stoß der andern len 
vorbereiten muſſe Dementſprechend vereinte Na: 
poleon I. die Artillerie in großen Batterien und 
jonderte ſich große Geihüsrejerven (bis zu 100 Ges 
ibüsen) aus, die fi in feiner Meifterband außer: 
ordentlich bewährten, die aber bei ungeichidter Bes 
nusung jeitens feiner ihm nachahmenden Gegner 
bäufig nicht zur Wirkjamteit kamen. 

Seine njanterie formierte Napoleon in Armee 
forps, die aus 2—4 Divifionen beitanden und 
denen je 1 Divifion oder Brigade leichter Kaval— 
lerie zugeteilt war; die Hauptmaſſe der Kavallerie 
formierte er anfangs in N a Divifionen, 
die zulammen zwar den Namen favallerierejerve 
führten, ſtets aber zum ftrategifchen Aufllärungs: 
dienjt vor der jFront der Armee verwendet wurden; 
in den Feldzügen von 1812 bis 1815 wurde auch 
die Kavallerie in mehrere Ravallerielorps, jedes 
aus mehrern Divifionen bejtehend, zuiammenge: 
jogen; ihre Verwendung in dieſer Epoche mar 
übrigens mebr taltiicher als —— Natur. 

Das in der Fridericianiſchen Zeit ſo entſcheidende 
Aniegen der Truppen zum Gefecht verlor einen 
Teil feiner Bedeutung. Der Kampf nahm einen 
langjamern Verlauf. Fehler in der eriten Anlage 
lonpten durch das m... friicher Truppen wieder 
gut gemacht werden. Neben die Kunſt des Anſetzens 

m Gefecht trat ebenbürtig die Leitung im Gefecht. 
Die die ftrategiiche Thätigkeit Napoleons darau 
gerichtet war, in überrafchender Weife Kräfte au 
einem Punkte zu vereinigen, jo erfcheint als Zie 
jeiner lachtenleitung häufig das Durchbrechen 
der feindlichen Mitte als enticheidende Altion. 


505 


Die den Napoleonifchen Feldzügen folgende u... 
Friedenszeit, bis 1859, nur durch vereinzelte, lolali⸗ 
fierte yeldzüge unterbrochen, zeitigte in den meiſten 
Armeen ein pedantifches Weſen. Liber dem reinen 
Ererzieren vergaß man den Felddienſt. 

Die Infanterie iſt teild in 3 Gliedern formiert 
(Rupland, Öjterreich), teild in 2 Gliedern er 
reich, England), in Breußen bald in 3 Gliedern 
(zum Ererzieren und zur Barade), bald in 2 Gliedern 
(zum Gefecht). Seit der Witte des 19. Jahrh. wird 
die Bewa vo. der Infanterie mit —— Ge⸗ 
wehren (Vorderladern) verſchiedener Syſteme durch⸗ 

eführt, —— allein führte feit 1848 den Hinter 
ader (Dreyieihes Zündnadelgewebr) ein; aus der 
Kolonnentaltit der Napoleontihen Zeit entmwidelt 
fih allmählich eine neue, das Schüßengefecht mehr 
und mehr in den Vordergrund rüdende Tattil, 
die, zuerit in Preußen, zur Jerlenumg der großen 
Bataillonstolonnen in bewegliche Compagnielolon⸗ 
nen (f. d.) führt. Auch in diefer Beziehung ift die 
preuß. Taktif für alle andern Heere vorbildlich ge 
weſen; nad den preuß. Erfolgen im Kriege 1866 
wird der Hinterlader und die Compagniekolonnen⸗ 
tattit von der Infanterie aller europ, Heere ange 
nommen. 

Verwendung und Leitung der Kavallerie al? 
Truppe war, troß forgjältiger — von 
Mann und Pferd im einzelnen, ſeit den Napo— 
leoniſchen Kriegen übera rg ihre 
Tätigkeit in den Kriegen um die Mitte des Jahr: 
bunvert3 war niemals entjcheidend, meift überhaupt 
obne Bedeutung. Im Nordameritanifchen Bürger: 
kriege ipielte die wenn auch taltiſch wenig — 
Kavallerie beider Parteien in fteoteaii cher Beziehung 
(j. Raids) eine eigenartige Rolle. Im Kriege 
1866 jtand ir preuß. wie auf dfterr. Seite eine 
ebenjo zahlreiche wie tüchtige Kavallerie zur Ver: 
füqung, und auf beiden Seiten fam bei der allge: 
meinen Formation der Heeresmaſſen der richtige 
Grundgedanke zum Ausdrud: daß die Kavallerie 
in aroßen Maflen zur Thbätigleit gebracht werben 
mühje; Oſterreich formierte demgemäß feine fa: 
vallerie der böbm. Armee, den Snranterietorp nur 
je einige Esladrons zuteilend, in fünf ſtarke Divi— 
— Preußen formierte außer einigen einzelnen 
Diviſionen ſogar ein ganzes Kavalleriekorps von 
über 8000 Pferden — aber die Verwendung dieſer 
ſchönen Reitermafjen ließ febr viel zu wünſchen 
übrig. Strategiih kam die Kavallerie auf keiner 
Seite zur — ** taktiſch verſtand es wenigſtens 
die dfterr. Heeresleitung, durch rückſichtsloſes Ein: 
ſeßen eines Teils ihrer Kavallerie bei Königgräß 
der geſchlagenen Armee einen leidlichen Rüdzug zu 
ermöglichen; preußijcherfeits konnte, * einzelner 
tapferer Thaten, von einer taltiſchen Wirkfamteit 
der Kavallerie nicht die Rede fein. 

Die Artillerie nabm um die Mitte des 19. Jahrh. 
einen bedeutenden Aufibwung durch Einführung 
der gezogenen Geſchütze; in Preußen zunächſt kam 
auch hierbei das Syſtem der Hinterladung zur Gel: 
tung, indefien war beim Ausbruch des Krieges 
1866 die Neubemwaffnung der preuß. Artillerie erjı 
zum Teil durchgeführt, eine grobe Anzahl von Bat: 
terien rüdte noch mit den alten glatten Geſchützen 
ins Feld. Dieſer Umftand, in Verbindung mit un: 
richtigen Grundfäßen in der taftiichen Verwendung, 
ließ die Leiftungen der preuß. Artillerie 1866 ſehr 
in den Hintergrund treten, während die mit ge 
jogenen Vorderladern ausgerüſtete dfterr. Artillerie 


506 


oielfach mit gutem taktiſchem Verftändnis in großen 
Maſſen vereinigt zur — fam und in 
mehrern fällen durch heroiſche Selbitaufopferung 
ihrer aufs äußerfte bevrängten Infanterie das Los: 
löfen aus dem Gefecht ermöglichte. 

Der Deutſch-Franzoͤſiſche Krieg von 1870 und 
1871 war epodhemachend für die F. aller drei Waf- 
fen. Zum erjtenmal ftanden fich zwei mit Hinter: 
labern bewaffnete Infanterien pomäber: das Re: 
jultat der hierbei gemachten überaus blutigen Er: 
fahrungen war das Aufgeben der alten Kolonnen: 
taktit und ihr Erfaß dur die moderne Schüßen: 
taktil. Die deutihe Kavallerie, der Hauptmaſſe 
nad in eine Anzahl jelbjtändiger Divifionen for: 
miert und von ber Heeresleitung mit Gejchid ver: 
wendet, leijtete, wenn aud im einzelnen manche 
Mängel bervortraten (4.3. mangelhafte Ausrüftung 
mit Feuerwaffen), ſehr Beveutendes im ftrategijchen 
Aufllärungs: und Verfchleierungspdienit; die taktis 
ſchen Leiftungen auf vem Schlachtfelde waren, wenn 
aud Beweije glänzender Tapferleit, fo doch durchaus 
nicht bervorragend. Die franz. Kavallerie hatte 
ſtrategiſch —* verſagt, ihre taltiſchen Leiſtungen 
beſtanden in glänzenden, aber gänzlich ergebnis— 
loſen «Todesritten». Die deutſche Artillerie, in 
großen Mafien vereinigt und mit hervorragenden 
Geihid verwendet, wurde ein ausjchlaggebender 

altor der Entſcheidung; fie batte in der franz. 

ttillerie einen bis auf das weniger gute Material 
durchaus — Gegner. 

‚Bei der F. der Gegenwart läßt ſich zunächſt 
die Thätigleit der Heeresleitung dahin chärakteri⸗ 
fieren, daß der Schladhtenverlauf durch die jtrates 
giiche Anlage, durch die von langer Hand vorbereis 
teten Bewegungen beherrſcht wird. Sit aud die 
anfängliche Trennung der Heeresteile und die Selb: 
ftändigleit der Divifiond- und Korpscommandeure 
eine nn und die Ginbeitlichleit der Kampfeshand⸗ 
lung gefährdende, fo ſichert doc die Anlage des 
zu. den Sieg. Der Feind wird oft weniger durch 
den Mißerfolg der Waffen ald durch die allgemeine 
Kriegslage genötigt, ſich für überwunden zu erklären. 

Die F. der Snlanterie, welche jest überall in 
zwei Gliedern rangiert, hat ihren moderniten Aus: 
drudin dem neuen deutichen Ererzierreglement (j. d.) 
von 1888 gefunden, weldes alle frübern künſt— 
lihen Formationen ſowie alle ſchematiſchen Be: 
ftimmungen über Führung des Gefechts bejeitigt 
bat, und dejjen, der Jnitiative der Führer und In: 
telligen; der Sruppen einen weiten Spielraum 
lafiende allgemeine Direltiven auf dem Grund: 
fag beruben: der Schützenſchwarm ift die Haupt 
lampfform der Infanterie, 

Jede Schematiſierung des Angriffsverfahrens iſt 
unterſagt. Wahrend im Begegnun acht ber 
Fuhrer die — Gelegenheit ergreifen ſoll, muß 
der Angriff auf eine vorbereitete Stellung geplant 
ſein und hat nur dann Ausſicht auf Erfolg, wenn 
ihm die Herbeiführung der Feuerüberlegenheit ge⸗ 
lingt. Bei jeder Verteidigung kommt es auf aus 
giebige Verwertung der Feuerwaffen an, zu denen 
neuerdings noch die Maſchinengewehre (f. d.) hinzu⸗ 
getreten ſind. Die Stellung muß in Abſchnitte eins 
geteilt werben, —— iſt für die Beſetun 
Vorbedingung. Die Ausbildung der Infanterie ilt 
nad richtigen Grundjäßen erfolgt, wenn fie das 
fann, was der Krieg erfordert, und wenn fie auf 
bein Gefechtsfelde nichts von dem wieder abzuſtrei— 
fen bat, was fie auf dem Ererzierplage erlernte. 


Fechtart 


Die Kavallerie iſt in allen Heeren neben der 
blanten Waffe (Säbel allein oder Säbel und 
Lanze) mit einem SInfanteriemunition verfeuern: 
den Karabiner bewafinet, der fie zum Führen 
eines Feuergefechts zu Fuß befähigt. (©. Aub- 
geieht der Kavallerie.) Alle großen Heere des 

eſtlandes bilden im Kriege (teilmeiie ſchon im 
Srleven) befondere Rovalleriedivifionen von 4 oder 
6 Negimentern mit einigen reitenden Batterien 
(f. Divifion [2] und Divilionskavallerie). Als 5. 
— Kavalleriemaſſen ſteht zwar (mad dem 

organg der deutſchen Stavallerie) die jog. Drei: 
treffentaktik noch überall in Geltung, doch 
machen fich vielfab Stimmen börbar, weldye deren 
ſchematiſch Eritillofe Anwendung belämpfen. Das 
deutihe Reglement von 1895 bat dem bereits 
Ausdrud gegeben durch die Beitimmung, daß die 
dem erften Treffen folgenden Teile als zweites 
Treffen auf einem Flügel, oder hinter beiden Flü- 
geln geteilt, oder hinter dem einen Flügel als zwei: 
tes, Einter dem andern Flügel oder der Mitte des 
eriten Treffens als drittes, oder endlich hinter einem 
Flügel als zweites und drittes Treffen geitaffelt fol: 
gen. Das zweite Treffen ſoll den Sieg des gerade 
aus auf den Feind attadierenden eriten Treffens 
fiherftellen, indem es nabe berangehalten mit feinen 
Hauptlräften hinter dem bedrobten Flügel folgt, 
einige Estadrons binter die Front des eriten 
Treffens verteilt. Das dritte Treffen, deſſen Plat 
MM nad) den Berbältnifien richtet, bleibt für Wechſel⸗ 
älle in der Hand des Divifionsführers. 

Weſentliche Fortichritte in Bezug auf Bewaffnung 
und Verwendung zeigt die Artillerie, die nun: 
mebr in Batterien von 6 bis 8 Gejchügen vereinigt 
und teild als Divifionsartillerie den Infanterie⸗ 
divifionen zugeteilt ift, teils als Korpsartillerie un- 
mittelbar unter dem fommandierenden General jtebt. 
Die F. der Feldartillerie ift allgemein die durch 
das Grerzierreglement für die deutſche Feldartille⸗ 
rie vom J. 1899 ——— es iſt darin die 
Maſſenwirlkung hauptſächlich betont und die Ber: 
wendung ber Öelartilerie im Abteilung&: oder im 
Regimentöverbande als die Regel bingeitellt. Die 
Geſechtsformation ift allein die Linie, die Entfer- 
nung vom Feinde meift außerhalb des wirkſamen 
—— der Infanterie; doch darf die Artil⸗ 
erie im entjcheidenden Augenblid aud Infanterie: 
feuer nicht ſcheuen. Eine bejondere Bededung wird 
im allgemeinen nicht für erforderlich erachtet. Die 
Feldheere der Großmächte führen außer der neuer: 
dings neben den Schnellfeuerlanonen vielfach auch 
mit leichten Haubiken ausgeſtatteten Feldartillerie 
noch bejondere Batterien ſchweret Kaliber, 
vorwiegend Steilfeuergeichüße (ſ. d.). i aller 
dings geringerer Beweglichkeit als die Feldbatte— 
rien haben diefe ſchweren Batterien eine erböbte 
Wirkung, überhaupt eine ſolche auf weitere Entfer: 
nungen, und find zum Belämpfen mwiberitands 
Iabiaer Ziele geeignet, namentlich foldyer, die fi 
inter Dedungen befinden, 

Seit Einführung des rauchſchwachen Pul— 
vers ift mehr noch als jeither für den Füprer 
Aufklärung vor dem Gefecht wünichenswert, aber 
von der Kavallerie jchwerer zu leiten; anderer: 
feitö ift die Nauchwolle der feuernden Schüßen- 
linien fortgefallen, melde die Bewegung rüd: 
mwärtiger Staffeln verjcleierte. Die Wrtillerie, 
biöber ihre Stellungen jhon auf weite Entfer- 
nungen durch den Pulverdampf verratend, ift jest, 


Fechtboden — Fechtkunft 


aamentlich wenn fie verdedt ſteht, ſchwerer * 
jaſſen. J —— wird ſie in vielen Faͤllen im Ge⸗ 
linde eingeniſtete Schügen laum zu entdeden und 
yu befchießen vermögen. Nah mie vor wird bie 
Kavallerie in den Arifen der Schlacht rückſichtslos 
änuiegen ſein. Um fıch bis dahin intakt zu balten, 
zu fie weiter zurüdbleiben; die Attadenlängen 
werden daher wachſen, das Tempo, in dem die vom 
Feuer beberrichten Räume durchritten werben 
müfen, wird fich fteigern, die Momente, in denen 
einzugreifen ift, ſchwerer zu erfennen fein. — Rauch⸗ 
ſchwaches Bulver wie Vervolllommnung der Feuer: 
waffen begünftigen in erfter Linie den eidiger. 
Dennod wird der Gegner angreifen müjjen, wenn 
er bie Entſcheidung herbeiführen will und die euer: 
überlegenbeit gewonnen zu haben glaubt. Auf die 
operative Thätigleit der Heeresleitung bleibt aljo 
rauchſchwaches Pulver ohne Einfluß. 

DB, von Boguflawiki, Fechtweiſe aller Zeiten 
(Berl. 1880); Jähns, Geſchichte des Kriegsweſens 
ebd. 1880); el, Zruppenführung (ebd. 1890); 

oebells Jahresberichte (ebd., feit 1874). 

Fechtboden, der Saal, in dem die Studenten 
ihre Fehtübungen vornehmen. Hier wird haupt: 
jählih von den Verbindungen unter Leitung ihrer 
Sechtmwarte das menjurmäßige Kontraſchlagen im 
‚sechtzeug geübt, während dieeigentliche Menfur (f.d.) 
im a auf dem Paukboden jtattfindet. 

echten, j. Fechtlunſt. — F. ift auch ein üb: 
deutjcher Ausprud für Aichen (ſ. d.); es wird ferner 
feit dem 17. Sek. in der Bedeutung von betteln, 
namentli der Handwerlsburſchen, gebraucht, 
ter, j. Gladiatoren. — Sterbender $., 
f. Gallierftatuen. 

Fechter (ipr. fältähr oder fäſchtähr), Charles 
Albert, franz. engl. ufpieler, geb. 23. Olt. 
1824 au Belleville bei Paris, verjuchte ſich als 
Bildhauer, bevor er in der Salle Moliere feine 
theatralifhe Laufbahn eröffnete, die ihm nad kur 
sem Bejuc des Eonfervatoire einer reifenben Truppe 
zuführte, an deren Wanderungen in Stalien er teil 
nahm. Gr fpielte 1845—46 auf dem Franzöſiſchen 
Theater in Berlin, trat dann in den Mitglieverver- 
band des Barifer Baudeville und wirkte, nachdem 
er einige Zeit aud in London aufgetreten war, 
1847—53 auf den Bühnen des Ambigu, der Ba: 


rietes, des Hiftorique, der Porte St. Martin, des 
Vaudeville. Später fpielte er au im Odéon, das 
er 1857—58 mit de la Rounat leitete. 1860 —61 
—* er mit glänzendem Erfolg im Londoner 
tinceß⸗Theater ——— Hauptrollen in 
rtiger Weiſe dar. Als Direltor des Lyceum⸗ 
erwarb er ſich dann nicht minder die An⸗ 
als Darjteller moderner engl. Rollen 
und * te ſeinen Ruhm als engl. Darſteller 
durch piele, die er 1870— 78 in Nordamerika 
b. 1872 begründete er in Neuyorf eine für bie 
ufführung franz. Stüde beftimmte Bühne. Zum 
lestenmal Priete F. im Okt. 1878 in Bofton und 
farb 5. Aug. 1879 zu Qualertomwn bei Philadelphia. 
tkunft, im allgemeinen die durch Übung 
und Unterricht erlernte Fähigleit, Hieb- und Stoß: 
waffen im Kampf gegen einen oder mehrere Gegner 
u führen. Die F. erfordert Mut, Geihid, Kraft, 
es Auge, geichmeidige Glieder, Kaltblütigteit; 
ibre Ausübung bat daber die Unerziehung diefer 
igenfchaften zum Zwed umd zur 8 2 
‚im beſon dern it die in ein Syſtem gebrachte 


re vom ten, die ſich je nach der Waffe ver: 


507 


ſchieden geftalte. Man unterfcheidet Stoß« uno 
Hiebfechten. Zu den gewöhnlihen Stoßmwaffen 
gehört das Florett und der Degen (in easy Zeiten 
auch der ſog. Raufdegen) ; befondere Arten find die 
Lanze und das Bajonettgewehr, deren Gebraud 
von den eritgenannten Waffen weſentlich abweict. 
ZudenHiebwafien gebörtdas Rappier, der gerade 
und rummeSäbel. Hiernach unterfcheidetman: Sä: 
bel: over Hiebfehten (j.Hieb), Florett⸗ oder 
eigentlihes Stoßfehbten und außerdem Lanzen: 
fehten(f.d.)und Bajonettfehten(j.d.). Degen 
und gerader Säbel können zum Hieb- wie zum Stoß: 
fechten verwendet werden. Dad Stodfehten 
(bAton:Schlagen) ift IN ganz außer Übung gelom: 
men und wird nurnoch im nördl. Frankreich gepflegt. 
Die F. ala Syſtem unterſcheidet yundeft Uns 
oriff(Hieboder Stoß) und Berteidigung (Pa 
tade); fie regelt die KRörperftellung (Bofttion), die 
Armlage (Auslage) und den Abitand (Menfur) 
der fämpfenden Gegner; fie lehrt die Bewegungen 
(Motionen) der bewaffneten Fauſt zur Ausfüb: 
rung des Angriffs dur Hieb oder Stoß; fie lehrt 
die entweder vom Gegner gegebene oder durch dies: 
jeitige Finte gegebene Blöße zum eigenen —— 
enutzen, ſich ſelbſt aber gegen den feindlichen An» 
griff decken; fie lehrt endlich die verſchiedenen, wäh: 
rend bes tens zur Anwendung fommenden Be: 
mwegungen, die teild eine einfache Anderung der 
Menfur begweden (Avancieren, Retirieren, 
—*—** aſſadieren), teils mit BEER em 
eigenem Angriff verbunden find (Ausfall, Ka: 
minieren, Boltieren, — Der 
Zweck bes Fechtens iſt: den Gegner durch Verwun—⸗ 
dung oder Entwaffnung kampfunfähig zu machen. 
Der Fechtunterricht — mit der Unter⸗ 
weiſung des Einzelnen ohne gner bierauf folgen 
Übungen mit einem foldyen, wobei Art und Reiben- 
folge der anzuwendenden Angriff: und Berteibi- 
gungsmittel zunächſt vom Lehrer angegeben (kom⸗ 
mandiert) oder auch vom Gegner vorber angefagt 
werben; das freie Kontrafechten bildet die End- 
tufe ber Ausbildung. Mehrere aufeinander folgende 
ngriffe und Baraden nennt man einen Gang; 
Hieb: und Stoßfechten zufammen vereint nennt man 
Relontrafehten. Zur Vermeidung von Ber: 
legungen beim Schulfehten dienen: Fechthand— 
ſchuhe, Gefihtämasten, Fechtbrillen, mattierte 
Schürzen, Halstücer u. a. 
Geſchichtliches. Die F. ift uralt; das Alter 
tum pflegte diefelbe in den Fechter- (Gladiatoren-) 
chulen, deren Kunſt nad dem Zerfall des röm. 
Weltreichs ‚verloren ging. Im Mittelalter kann 
von einer eigentlichen 3. nicht die Rede fein, da die 
Abwehr nicht dur die Trußwaffe, fondern durch 
Schild, Helm und Harniſch zu erreihen geſucht und 
das Hauptgewicht auf ungeftüme regellofe Hiebe 
und Stöße gelegt wurde; nirgends ift in den 
Kampfſchilderungen jener Zeit von einer kunſt⸗ 
gemäßen Abwehr, von einer Parade die Rede. Die 
ganze Turnierkunft des Mittelalterd berubte dar 
auf, den feindlichen Lanzenſtoß mit der Bruft oder 
dem Schilde aufgufangen, ohne ſattellos zu wer: 
den. rüber als bei dem turnierenden Adel bildeten 
je in den Städten jhon frühzeitig den Bürger: 
eifen angebörende Fehtverbrüderungen, die 
eine den Innungen verwandte Öliederung erhielten. 
Die ältefte derſelben war die von St. Markus von 
Löwenberg in Frankfurt a. M., die fog. Marks: 
brübder (ſ. d.), die ihre Geheimniſſe Nichtzünftigen 


508 


aegenüber mit derfelben Eiferfucht büteten, wie A 
damals allgemein Künftler und Handwerker in 
ug auf ihren Beruf an den zoo legten. Von den 
Ip ſich bildenden rg ſchaften waren die 
erühmteſte die Freifechter von der Jedervon 
Greifenfels (ſ. d.). (S. aud Federhannſen.) Mit 
der Erfindung des Schießpulvers traten zunächſt 
die Waffen für den Nahkampf mehr in den Hinter: 
— aber gegen Ende des 15. Jahrh. entwickelte 
ch überrafchend fchnell eine theoretiſche Ausbil: 
dung der F., die fi) in ihren Grundzügen bis auf 
die heutige Zeit erhalten bat. Zuerft in Ftalien und 
dann in Deutichland und Frankreich wurde die neue 
Kunft heimisch und bald unbedingtes Erfordernis 
für jeden waffentragenden Mann. Die mit dem 
Schmwinden des QTurnierwejens einreißende Duell: 
manier des Adels, der Soldaten und Studenten 
verichafite der 5. die weitefte Verbreitung; die Uni: 
verfitäten blieben in Deutſchland aud) im 18. und 
19. Jahrh. ihre hauptſächlichſten Pflegeftätten. 
Die jest allgemein auf deutſchen Univerfitäten üb: 
liche Fechtart ift Das Hiebfechten, doch ift das Stoß: 
fehten erft zu Anfang des 19. Jahrh. abgelom- 
men und erhielt ſich namentlich in ‚Jena noch bis in 
die vierziger Jahre. Schon 1550 wird eines Fecht⸗ 
—— in Jena gedacht; bier erlangte ſpäterhin 
Wilhelm Kreußler (geb. 1592) als Begründer der 
deutfchen Stoßfechtlunft große Berühmtheit. Eine 
andere noch heute blühende Fechterfamilie find die 
von vertriebenen Hugenotten abjtammenden Rour. 
Litteratur: J. A. 8. Rour, Anweiſung in der 
deutichen F. auf Stoß und Hieb (Jena 1799; 2, Aufl. 
u. d. T. Die —** F., theoretiſch-praktiſche An: 
weiſung zum Stoßfechten, Lpz. 1817); Joh. Wilh. 
Roux, Anleitung zur F. nach mathem.phyſik. Grund⸗ 
fägen (Jena 1808); Lüpſcher und Gömmel, Theorie 
der F., nad dem «Traite d’escrime» von Chatelain 
(Wien 1819); von Böllnik, Das Hiebfechten gi Fuß 
und zu Pferde (Halberit. 1825); W. Nour, Anwei: 
fung zum Hiebfechten (2. Aufl., Jena 1849); derf., 
Die Kreußlerſche Stoßfehtichule (2. Aufl.,ebd. m: 
derf., Deutſches Baufbud (2. Aufl.,ebd.1858); Not 
jtein, Das Stoß: und Hiebfechten mit Degen und 
Säbel (Berl. 1863); W. Lübed, Lehr: und Hand: 
buch der deutſchen F. (2. Aufl., Frantf. a. O. 1869); 
G. Hergſell, Die F. (Wien 1881 F— Lion, Das Stop: 
Sr (Hof 1882); von Dreſty, Anleitung zum 
echten mit dem Stoßdegen — Offizier⸗Fechtvereine 
und militär. Bildungsanſtalten (Berl. 1891); Mon: 
tag, Neue praltiiche Fechtſchule auf Hieb und Stoß 
(3. Aufl., Lpz. 1884); CäfarNour, Die Hiebfechtkunſt 
(3. Aufl., Jena 1901); Eifelen, Das deutiche Hieb: 
jechten (neu bearbeitetvon Böttcher und Waſſmanns⸗ 
dorff, Lahr 1882);: Die deutiche Stoßfechtichule nad 
——5 — Grundſätzen, bg. vom Verein deutſcher 
Fechtmeiſter (Cpl. 1892); Schmied⸗Kowarzik und Ku: 
fabl, Fechtbüchlein (ebd. can ‚von Arlow und Lito⸗ 
mysth, Spitematiiches Lehrbuch für den Unterricht 
im Säbelfechten (Wien 1894); Rijtow, Die moderne 
3. (Brag 1896); Hergiell, Die F. im 15. und 
16. Jahrh. (ebd. 1896); Ezeipel, Die F. im Duell 
(Graz 1897); Thimm, A complete bibliography of 
feneing and duelling (2ond. 1896); Yarba etti, 
Das Säbelfechten (deutſch von Brojc und Tenner, 
Mien 1898); derſ., Das Stoßfechten (deutſch von 
Dimand und Ernit, ebd. 1900); Deutſche Hiebfecht: 
jhule für Korb: und Glodenrappier, ba. vom Ber: 
ein deutſcher Univerfitätäfechtmeijter (2. Aufl., 
£p3. 1901). 


Pr 
* 


Fechtſchulen — Feder 


Fechtſchulen, Vereinigungen, die durch Samm⸗ 
lung freiwilliger Beiträge —— Einrich⸗ 
tungen zum Wohle der Armen und Waiſen ins 
Leben zu rufen oder zu unterjtüßen beſtrebt find. 
Neben der Deutſchen ee ule (}. d.) 
verjoloen diefen Zwed die Generalfechtſchule 
in Lahr jowie die Verbände in Leipzig und Ehemnis, 
die ſich alle drei 1883 von der Deutſchen Reichsfecht⸗ 
ſchule — haben. 

echtverbrüderungen, ſ. Fechtkunſt. 
echtwart, ſ. Fechtboden. 

Fooit (lat.), abgeturzt Fec., «hat ſes) gemacht⸗ 
Signatur beſonders unter —— 

eckert, Guſtav, Lithograph, geb. 3. März 1820 
zu Cottbus, ward an der Berliner Alademie durd 
Gottfried Schadom fowie bei dem Litbograpben 
Albert Remy gebildet. F. widmete fich meiit der re 
produftiven Thätigteit, obwohl er ih auch in Aqua⸗ 
tell: und Bajtellmalerei jowie Ölporträten verſucht 
bat. Seine beiten Blätter find nad Ed. Meyerbeim, 
Guft.Richter, L. Gallait, Begas, Marterjteig, Mag: 
nus, Knaus u. a. 1895 erhielt er den Brofeftortitel: 
er ſtarb 5. Oft. 1899 in Berlin. 

Feddaͤn, das hauptfächliche ägypt. Feldmaß, ein: 


eteilt in 24 Kirät (Teile) und von zweierlei Größe. 
m gewöhnlihen Gebraude ift der F. 20 große 
Kaſſabeh oder Kafjab (Ruten) zu 6°, Pit Beledi 


oder Landesellen, aljo 133'/, Pit Belevi lang und 
ebenfo breit, enthält demnach 400 große Quadrat: 
fajjabeb = 59,30% a. Der amtlib angewandte 
Steuerfeddän für die Abgabenerbebung begreift 
333", Heine Quadratlafjabe (deren Zängentaflabeb 
6°, Bit Belevi hat) = 44,591 a. Der Steuerfeddan 
entbielt früher 400 Kleine Quadratlaſſabeh, wurde 
aber durch Mehemed Ali verlleinert. 
edderfen, Berend Wilhelm, ſ. Bd. 17. 
bdberwarden, Dorf in Oldenburg, ſ. Bd. 17. 
eder,Oberhautgebildeder Vögel, ſ. Federn. — 
3m Maſchinenbau heißt F. eine in Wellen und 
Ichfen eingeſetzte vorſpringende Leifte aus Schmiede: 
eifen oder Stahl von redtedigem Querfchnitt, 
welche die Drebungsbewegung der Welle auf ent: 
ſprechend genutete Scheiben und Kuppelungen über: 
trägt und eine Verſchiebung derlegtern auf der Melle 
in deren Achſenrichtung zuläßt. — Bei einer Art der 
Holzverbindung (Verbindung mit Nut und F.) 
eine auf der Kante eines Bretis angebracte, in 
die Langsnut auf der Kante eines andern Bretts 
paflende leiltenförmige Hervorragung. 

Herner verſteht man unter F. ein Stüd Metall, das 
vermöge feiner Glajticität fofort in feine urfprüng- 
liche Lage zurüdtebrt, jobald die äußere Kraft, welche 
dasjelbe aus der Gleihgewichtslage gebracht bat, zu 
wirlen aufbört. Nach der Art der Berwendung lann 
man die F. in folgende Gruppen teilen: Drud: und 
Eoansfebıre. welche zur Ausübung eines kon⸗ 
ftanten Druds und Sugs, dienen; Triebfedern 
e jelbjttbätigen Hervorbringung einer Bewegung; 
Reaktionsfedern zur Erzeugung einer teilweifen 
Rüdwärtsbewegung; Tragfedern zum Schug 

egen Stöße und Grihütterungen jowie zur Unter: 
tügung ſchwerer Laften. Cine fernere Art find die 
dynamometriſchen F. zur Beitimmung der 
Größe einer auf fie einwirkenden Kraft aus dem Grad 
ber ;sormveränderung, welde die F. dadurch erleidet; 
endlich auch die Tonfedern zur Hervorrufung eines 
Schalls durch Vibration. Nach der Art der Be— 
anſpruchung des elaſtiſchen Körpers unterſcheidet 
man andererſeits Biegungs- und Torſions— 


Feder 


ſedern; die Verwendung von Biegungsfedern iſt 
die bei weitem allgemeinere. 
‚Drud« und Spannfedern dienen als Erſat 
für Gewichte; erjtere werden ftatt ſolcher beiſpiels⸗ 
weile an Ventilen und Walzen angewendet. Ferner 
benußt man Drudfedern, wenn ed fi darum handelt, 
eine jtete Berübrung zweier Körper zu erreichen ; bier: 
ber gebören die Schleiffedern in Thürſchlöſſern, 
un Seltionshuppelunge u. |. w.; aud die 5. in 
Kerjettö, Strumpfbändern und Bandagen, zur Er: 
kelung einer gefälligen Form und eines gelinden 
ruds. Als Beiſpiele für Spannfedern dienen die 
eg == an Nähmaſchinen und Webftühlen, 
—28— ER - |. Di um von ; — 
dien pan zu geben; ferner der Bohr 
oder —— woher 2 —— der um den 
Bohrer geſchlungenen Saite bewirtt. Die Form der 
PDrud: und Spannfedern tft je nach der Stärle der 
ſelben und dem Raum, welden fie einnehmen dürfen, 
verjchieden: fie find entweder einfache elaſtiſche Stäbe 
oder Bänder oder jhraubenförmig aufgerollt, wie fie 
beijpielämweife in den Frig. 1—4 gezeichnet find. 


BES 


Fig. 1. Fig. 2. ig. 3, Fi. 4. Fig. 5. 


Die Elafticität ald treibende Kraft kommt in den 
Trieb: oder Gangfedern zur Geltung, melde in 
Uhrwerlen aller Art, Spielwerten, Automaten und 
einer befhräntten Anzahl Mafchinen, unter anderm 
auch bei Nähmaſchinen, zur Verwendung gelangen. 
Immer bejweden bie Triebfedern die m hr 
einer gemifien Arbeitömenge, welche zur Berrich: 
tung einer Funktion nad und nach wieder abgegeben 
wird. Die für dieſen Zmed bergeftellten 5. beiteben 
aus gebärtetem und meijt violett angelafienem Stabl 
von möglidft volllommener Earicität (Feder: 
ftabl). Die Form derfelben ift ein langer, dünner 

Streifen, deſſen Breite und Dide von der zu leiften: 
den Arbeit abhängt; die Enden des Streifen find 
mit je einem kleinen Loch oder Halen verjeben zur 
Befehinung der vorerft fpiralfürmig zufammen: 

erollten 75. im Gehäuſe und an der Federwelle. 

im Aufzieben legt fih der Streifen in dichten 
Windungen um die Welle und bewegt fodann in 
folge des Beftrebens, fi wieder aufzumideln, das 
Gebäufe oder die Welle, je nachdem der eine oder 
andere Zeil drebbar oder feft angeorpnet ift. Da: 
mit die jo angefammelte Arbeit nicht jofort wieder 
verloren gebe, ift dem Mechanismus des Uhrwerls 
eine Hemmung eingefügt, welche ein allmäblides 
Ablaufen der 5. bewirkt; die jog. Stellung des Uhr: 
wertö bezwedt die Gleichmäßigleit ver Bewegun 
für die — Dauer derſelben, während die af 
der F. allmählich ſchwacher wird. 

Die Fabrikation der Triebfedern zerfällt in 
das Malzen und Streden, das Schleifen, das Här- 
ten und Anlafien und die Reltifitation. Barren oder 
Etäbe aus : oder Gärbjtahl werden zuerft 
in beiler Rotglut bis auf 1 mm ausgewalzt und 
dann kalt geitredt. Am Schleifen werden jchnell 
rotierende Schmirgeliheiben verwendet, zwiſchen 

melhen der Stablitreifen langſam hindurchgeführt 
wird. Das darauf folgende Härten erfordert große 


509 


Eorgfalt, um eine völlig —— Härte in 
allen Zeilen der gejamten Yänge zu erzielen. Zu 
diefem Zwed werben die Streifen um Zähne ge: 
widelt, welche fammartig aus einer Scheibe hervor: 
ragen. Die Sche mit den aufgemidelten F. 
werden zufammen einer gleihmäßigen Erbigung 
—— und ſodann nu in einem Olbade ab» 
etüblt. Die fomit glasbarten F. werden von den 
heiben abgenommen und angelafjen, was, falls 
nicht mafcinelle VBorrihtungen zur Anwendung 
fommen, in der Weiſe zu geſchehen pflegt, daß man 
die beiberjeitigen Enden einer Anzahl F. in den 
Schraublolben einer Spannworrihtung einjpannt, 
um dem Berzieben vorzubeugen, und die Streifen 
auf die vorber zu ermittelnde Anlaßtemperatur er: 
bigt. Bei Anwendung von Majcinen zum Härten 
und Anlajjen werden die langen Bänder auf Rollen 
ewidelt, durd ein eifernes Rohr des Glübofens 
indurd in den Ölbebälter, aus diefem über einen 
Irodenapparat zu der Anlafvorrihtung geführt. 
Die letztere beftebt in diefem Fall aus einem Dfen, 
der eine Eifenplatte erbigt, auf welde das vom 
Trodenapparat fommende Federband mittels eines 
Gewichts aufgebrüdt wird. Cine fernere Rolle 
nimmt den Streifen auf, nachdem er nod einen 
Scleifapparat von einer je nach der Größe der F. 
größern oder Hleinern Anzahl Schmirgelicheiben 
pajjiert hat. Die Reltifilation erftredt ſich auf die 


Beitimmung und —— von Länge und 
Breite, die Politur und das Ausglüben der Enden, 
um fie weich zu maden. Die fo weit fertigen F. 


müfjen noch die fpiraljörmige Geftalt erhalten, was 
mitteld deö Federwinders, eines kleinen Kurbel: 
mechanismus, leicht bewerfitelligt wird. 
Reaktionsfedern kommen zur Anwendung, 
wenn eö fi um die Hemmung und Umlehrung einer 
Bewegung handelt, wie bei den gemundenen F. in 
— Hahnfedern an Flinten, ſolchen an Dreh⸗ 
orgelb aſebãgen und namentlich den Spixalfedern 
der Unruben in den Uhren. Als Material für Real: 
tionsfedern wird gehärteter und angelafjener Stahl, 
ebämmertes Eifen oder Meifing verwendet. Die 
‚ermen find im ganzen diefelben wie die der Drud: 
edern; in Fig. 5 ift Die Form der Unrubfedern ver: 
anſchaulicht. Eine befondere Art der Spiraljedern 
find die Shraubenfedern, welde ſich dadurch 
auszeichnen, daß fie nicht in einer Ebene liegen, 
fondern dak ihre Windungen eine Segel» oder 
Cylinderflache entlang laufen; fie beiteben entweder 
aus Drabt (3.8. Matragenfedern) oder aus Blech⸗ 
ftreifen und können ſowohl auf Zug und Drud 
als auf Torfion beanſprucht werben. Je nad der 
Beanjpruhung auf Zug oder auf Drud find die 
einzelnen Windungen im unbelajteten Zuſtand 
der %. nahe aneinander oder voneinander entfernt 
angeordnet. Für Torfion find die beiden Enden 
der cylindrifhen Schraubenfeder gerabe — 
und an dem beweglichen und dem feſten Teil des 
Mechanismus befeſtigt. Beiſpiele bierfür bilden 
Doſen und Taſchenubrgehäuſe mit Springdedeln, 
Thürſchließer u. ſ. w. Zur Herſtellung von Schrau⸗ 
benfedern bedient man ſich — tiger Vorrich⸗ 
tungen, welche alle in der Hauptſache aus einem 
um die Achſe drehbaren Cylinder oder Kegel be: 
fteben, um welchen der für die F. beitimmte Drabt 
ewunben wird; bie Heritellung der Sofafedern er: 
Pordert einen Dreblörper in Gejtalt eines Doppel- 
tegelö, der, um die fertige %. abnehmen zu lönnen, 
jweiteilig angeordnet ift. 


510 


Die weitgebendfte Verwendung, welche die Trag⸗ 

federn finden, ift die an fFubrwerten zur 
rung ber Stöhe, welche diejelben während des 
Fahrens auszuhalten haben. Die hierzu dienen: 
ö —— find: 4 er 


Fig. 6 * Ans 
ordnung von zwei 
Blattfedern (2a: 
mellenfedern), 
aus je 4 Stahl: 
blättern beftebend. Die beiden F. find an * 
Enden verbunden, während bie Due .. 

ell und der Achſe des Wagen 
ig. 7 ftellt eine F. dar, bei we 





van einem ——— 
ts) der ihm 
* ommende 
Kt Teil der Da: 
4 genlaft von 
einer andern 
übertragen 
wird. fiber die 
Herftellung der Lamellen läßt ſich kurz angeben, 
daß fie aus halbweichem Stahl von etwa 0,5 Proz. 
——— durch Auswalzen in weißglüben- 
dem Zuſtand gefertigt werden, a6 fernern Walz: 
werten in, gen gebogen, ijenfcheren zus 
—— ärtet und zu — attfedern mittels 
olzen zuſammengeſetzt werden. Als Wagenfedern 
benust man in neuerer Zeit, namentlich an Eiſen⸗ 
bahnfahrzeugen, ftatt der Samellenfedern auch kraf⸗ 
tige Spiralfedern; doch iſt dieſe Anwendung keines⸗ 
wegs allgemein. Die Spiralfeder als Tragfeder 
findet ſich in den Puffern der Eiſ —— — 
und zwar iſt dieſelbe entweder aus jtartem 
draht oder aus gerolltem Flachſtahl gefertigt. Wie 
bereit3 bemerkt, bient bie F. auch 3 im⸗ 
mung der Größe von Kräften, feien iefeiben Körs 
Human, Zug:, Drud- oder drebende Kräfte, 
Beitim von Gewichten dienen die fog. 
ee n (1. d.), bei melden 5. in mancherlei 
ormen, meift aber ald Schraubenfedern mit Bes 
anſpruchung auf Zug, zur Anwendung lommen. 
Für die Ronitruftion der Dynamometer (|. d.) haben 
die F. überhaupt in allen möglichen Seren ber» 
vorragende Bedeutung. Andere Beiipiele hierfür 
De neben ben bereit? erwähnten Federwagen die 
anometer zur Meſſung von Dampfipannungen 
u. ſ. m., bei melden die angemwendete F. eine kreis⸗ 
förmige, mwellenförmig gebogene Sta Licheibe ift. 
Hierher gebört al —* e auch die Verwendung 
der F. in Form einer Sch enfeder in Indilatoren, 
welche den Zwed a Die von dem Kolben einer 
Dampfmaſchine übertragene mean. Arbeit aufzu⸗ 
eihnen. Ein Beifpiel für die Benugung der Tor: 
fonsivem zur Meſſung von Kräften liefert die in 
— ur Beſtimmung elektriſcher und magne⸗ 
räfte dienende Coulombſche Drehwage. 
Beiſpiele für die Anwendung der F. zur Er: 
aung von Schallbemegungen find die Shlag: 
Dan in Wanduhren, welde meift aus einem fpir 
Örmig — Draht beſtehen, deſſen eines, 
inneres Ende mit Schraub en an der Wand d des Uhr: 
mes befeftigt wird. Die Höhe des Tons ergiebt 
ch aus der Länge des Drabts und läßt ſich dem⸗ 
nad ziemlich genau vorausbeftimmen. Ferner find 
die Stimmgabeln fowie die Stimmftäbchen in Spiel: 
doien ala ebern zu nennen. 
über Schreibfedern ſ. d. 





Tederalaun — Federlade 


Federalaun, natürliber Alaun, Haar: 
ſalz, in der Natur vorlommende faferig: Reise 
oder haarförmige Salze von der allgemeinen 
fammenjeßung der Alaune (f. d.), namentlich au 
dem Thonerdejulfat mit Kalı-, Ammoniat:, Magne 
I: und Eifenorydulgebalt; doc fcheinen diefe Sub- 
tanzen vielfach nicht regulär (mie der kunſtliche 
Alaun) zu froftallifieren, fondern einem der boppelt: 
bredenden Syſteme anzugebören, aud einen etwas 
andern Waflergebalt zu befigen. Sie finden fid in 
den Klüften von Laven und fratern, aud in der 
Nachbar —5* von Fumarolen und Solfataren, fer: 
ner im Braunfloblengebirge, in der Alaunerde und 
dem Alaunjciefer, in alten verlafienen Gruben: 
bauten, wegen ibrer leichten Löslichkeit in Wafler 
niemals in großer Menge. — Mit 5. wirb an eini- 
gen Drten au der Amtant (f. Asbeſt) bezeichnet. 

Federal Convention (pr. febp’räll lom: 
wennſch'n), |. Berfafjungstonvent. 

ederbarometer, foviel wie Aneroid (f. d.). 
ederblumen, ſ. Blumen, künftlie. 

Federborſtengras, j. Pennisetum. 

Federbuſch, ein Schmud der Kopfbededung des 
Soldaten jowie militärifb uniformierter Korpora 
tionen, aus Straußen:, Reiber-, Habnen- und an: 
dern Federn beitebend, wurde früher von ganzen 
Zruppenteilen getragen, ift aber jekt für dieſe men- 
gefallen oder dur den Haarbufd (f. d. er und 
ift in den meilten Armeen nur no 
nung für die Generale gebräudlid. 

ederchen, in der Botanil, f. Plumula. 
Federeifen, Wertzeug, ſ. Hobel. 

edererz, Mineral, j. Heteromorpbit. 
ederfliege, |. Schwebfliegen. 

derfluren, |. Federn. [V, Fig. 2. 
edergras, j. Stipa und Tafel: Gramineen 
ederhafen, das Werkzeug zum Zuſammen⸗ 

drüden der Gewehrſchloßfeder. 

Federhammer, ein mean. Hammer, f. Daw 
menbammer und Kurbelhammer. 

Federhannfen, gegen Ende des Mittelalters 
Leute, die im Waffenhandwerk Unterridt erteilten; 
je waren meijt erprobte Krieger und ftellten fürm- 
iche Lehrbriefe aus, 

ederhärte, ein Härtegrad, |. Härten. 
ederharz, joviel wie Kautſchul. 
ederharzbaum, foviel wie Kautſchulbaum, 
ſ. Siphonia und Tafel: Tricoccen, Fig. 4. 
fFederhemmung, ſ. Ubren. 

Federhut, Beitandteil der zur Zeit des Dreibia- 

jährigen Krieges üblichen Tracht, f. Tafel: Koft üme 
Fig. 1. u. 2. 
— ee 
ederici N ihtichi), amilio ital. Luftipiel- 
dichter, ſ. Viafjolo, Giovanni Battifta, 

Federige Hanfenwolte, j. Eirrocumulus; 
federige Schichtwolke, ſ. Cirtoſtratus. 

Federighi, Antonio, einer der bedeutendſten 
Künjtler von Giena im 15. Jahrh. (get. um 
1492), der fi zugleih ald Baumeifter und Bild. 
bauer auszeichnete. Der anmutige Palazzo ve‘ 
Diavoli und die 1460 nad) dem Muſier der florentin. 
Loggia dei Lanzi geihaffene Loggia del Bapa find 
von ibm. Unter feinen Skulpturen find mebrere 
Figuren in der Loggia de’ Nobili die bedeutendſten 

— in der Zoologie, ſ. Gefieder. 

ederkohl, ein Gemuſe, 

——— Elafticität. 

ederlade, Teil des Webitubls, |. Weberei. 


. Brassica. 


Teberlappen — Federwage 


derlappen, ſ. ao eug. 
derleintwand, Bettbardent, ſ. Barchent. 
erlinge, auf Vögeln jhmaropende Pelz. 
freiler (j. d.). 
ermotor, eine felten verwendete Kraft: 
malhine, bei welcher die Glafticität einer aufgezo: 
genen Feder als Betriebötraft benußt wird. 
Febermotten (Pterophoridae)oderGeijthen, 
eine Familie der Kleinſchmetterlinge, ausgezeichnet 
burc jeberartig gefpaltene Flügel und äußerft dünne 
und lange Beine mit vier Sporen. Ihre Raupen 
jegehmfübig, bebaart oder kahl und leben von 
Blüten und Blättern frautartiger Pflanzen, mande 
im Mark bolzartiger Gewächſe. Die Familie wird 
eteilt in die Gattungen Pterophorus (mit nur 
im leßten Drittel geipaltenen Oberflügeln und dreis 
fappigen Unterflügeln) und Alucita, bei welcher 
Dber: und Unterflügel in ſechs gefiederte Strablen 
bis Wurzel geipalten find. (©. Zwolffeder.) 
ern, die den Haaren der Säugetiere und 
den Schuppen der Reptilien —— Ober⸗ 
bautgebilde der Bögel. Sie entſtehen in Einſtulpun⸗ 
gen ber Lederhaut, in welche jih auch die Epidermis 
eins t. Im Grunde des jo zu jtande gelomme: 
nen ens (Balg) wächſt die Lederhaut wieder 
in Geitalt einer gefäßreihen Bapille empor, welche 
den fie überdedenden Epidermißteil ieh: reichlich er: 
näbrt, jo daß derjelbe unter lebhafter Zellenentwid: 
t wuchernd zur Feder auswächſt, welche ge 
alt einem Syitem von auf der Nährpapille be 
findlichen Furden, als deren Ausguß fie erjcheint, 
verdankt. Die Feder wächſt unter gelegentlichen, 
teil® auf Alter, teil3 auf Jahreszeiten beruhenden 
periodijchen Mandlungen (i. ee) von unten 
nad) oben, während ſchließlich die Papille größten: 
teils abftirbt und zur je: Federſeele wird. Cine 
Feder in höchſter Vollendung zeigt einen Stamm: 
teil, der unten ald Spule drebrund, hohl und von 
der Seele nur teilweiſe ausgefüllt iſt, weiter nad) 
oben in einem größern Abſchnitt als auf der Ober: 
fonverer, auf der Unterjeite längsgefurchter 
Schaft die ſymmetriſch oder auch aſymmetriſch 
(große Schwungfedern) entwidelte Fahne trägt. 
ge ng a ger aus einer beveutenden 
An dem datt eitlih mit der Bafıs anſitzen⸗ 
ber lanzettförmiger Üjte, die wieder jederſeits dicht 
aneinander gelagerte Strablen tragen, die ſich 
mit denen ber benachbarten Uſte mittels Wimper: 
ben und Hälchen vergeitalt verbinden, daß die 
Sahne, bei flugfäbigen Vögeln —— eine kon⸗ 
nur mit einer gewiſſen ewalt zu tren: 
nenbe bildet. Bei vielen Bögeln entipringt 
inder e bes Schafts, da, wo diejer in Die Spule 
üb t, eine zweite Feder, der Afterſchaft. 
Buijden diejen hödhft entiwidelten F. die als Kon: 
tur en — er (binguine, 
Strauße gleihmäßig über den Körper 
verteilt fteben, meiſt aber in gewifjen, nach ben 
verjchiebenen Langsreihen (jog. Jeder: 
iluren, mit dazwiſchen befindlichen feverfreien 
oder nur von Dunen beitandenen Federrainen) 
angeordnet find, finden ji noch Beer kleinere 
von verſchiedener Geitalt, Dunen 
Daunen), Federhbaare u. ſ. w. Cine ausge: 
ift ein tote, dem tierifchen — 
enes Gebilde und beſteht aus Luft: 
baltigen ornten Epidermiäzellen. Die ſtets 
auf der Öberf, e lebbaftern . der F. beruben 
entweder auf in ihnen befinblichen Pigmenten, oder 


611 


die metalliſchen auf Interferenzerſcheinungen reflel⸗ 
tierter Lichtſtrahlen. — Bol. Ch. L. Nitzſch, Syſtem 
der Pterylographie (9: von Burmeifter, Halle 1840). 
©. auch Körperbededung der Tiere.) — Über die 

erwenbung ber F. zu Betten ſ. Bettfevern, zum 
Schmud, j. Schmudfedern. — Über F. in der Mecha: 
nik ſ. Feder. — liber Schreibfedern (f. d.). 

In der Jagerſprache beißen F. die Dorn: 
ortjäge der Rüden: und Halswirbel oder auch die 
tippenjtüde (beim Zerlegen) des Wildes, auch wohl 

die langen Rüdenborjten des Schwarzmwildes. — F. 
oder frellen beißt, mit der Kugel nur die ge: 
nannten Dornfortiäße treffen. Hierbei bricht das 
Wild zufammen, wird aber bald wieder hoch. 
dernelfe, ſ. Nelte. 
ederpelzwerf, |. Pelzwerk. 
derplattenpulber, ſ. Bo. 17. 
ederpunftiermanier, |. Lithographie. 
ederraine, |. Federn. 
ederreinigungsmafchine, ſ. Bettfedern: 
Reinigungsmajcine, 
* erſchnecken, ſ. Kammſchnecken. 
ederſee, See im württemb. Donaukreiſe, 
nördlich von Buchau, in 575 m Höhe, am Fuße des 
Buffen, 5 m tief, reih an Seegras, aber arm an 
Fiſchen, iſt jebt bis auf 256 ha troden gelegt. Das 
eberjeeried, ein jumpfiger Moor: und Torf: 
boden, erjtredt ſich bis Waldſee hinauf. 

Federſpiel, in der Jägerſprache Bezeichnung 
für die an eine Schnur gebundenen Flügel einer 
weißen Taube. Damit werden die zur Beije ver: 
wenbeten Raubvögel wieder berbeigelodt. Auch die 
Beige (j. d.) jelbjt wird F. genannt. 

Federfiod, ein Hilfswerkzeug ver Sammetweber, 
um bei vortommendem falſchen Schnitt und dadurch 
bedingtem Zurüdweben die Florfaden jo lange feſt⸗ 
zubalten, bis fie von neuem eingewebt find. 

Federtapeten, WERCHEENP Ne, Deden oder 
Teppiche, in welche bunte Vogelfedern eingewirkt 
find, ein Braud der Indianer Sübamerilas, der auch 
auf die dortige Teppichwirferei — — iſt. 

Federung, die Durchbiegung, welche das Ende 
einer Feder (ſ. d.) durch die auf fie einwirkende Kraft 


ährt. 

Federvieh, ſ. Geflügelzucht. 

—— e, eine Wage, bei welcher das Ge 
wicht eines orpers durch die Formveränderung 
einer elaſtiſchen Feder beſtimmt wird. Da die Ela— 
fticität der Federn feine abſolut gleichmäßige iſt und 
auch Temperaturveränderungen dieſelbe beeinfluſſen, 
wendet man F. entweder nur da an, wo im Ver: 
bältnis zu der Stärke der Feder geringe Laſten ab» 
gemogen werben, oder mo ed me u die Schnel⸗ 
igleit ded Abwägens als auf eine abjolut genaue 
Gewichtsbeſtimmung anlommt, wie dies beim Ber: 
fauf von Heu, Stroh, überhaupt in der Land: und 
Hausmirtihaft, beim Abwägen des Paijagierge: 
päd3 in den Eifenbabn : ütererpeditionen u. f. w. 
der Fall ift. Die einfachfte und leicht transportable 
Form der F. befteht aus einer Schraubenfeder, deren 
eines Ende an einen feften Hafen aufgehängt wird 
und an deren anderes Ende man den zu wägenden 
Körper hängt. Die durd die Belaftung entſtehende 
Ausdehnung der Feder wird durch einen mit dem 
untern Ende verbundenen Zeiger fihtbar gemacht, 
der, auf einer mitdem obern feſten Ende der Feder ver⸗ 
bundenen Skala fpielend, direlt das Gewicht angiebt. 

In England iſt allgemein die Salderſche Wage 
für den Hausbedarf im Gebraud. Bei derjelben 


612 


fließen zwei tellerförmige, durch Flanfchen mittels 

chrauben vereinigte Metallplatten ven ganzen Ne 
chanismus der Wage in ſich, wobei zwei Schrauben: 
federn nächſt dem Blattenrande in Nuten feitgebalten 
werden, während ihre untern freien Enden durch einen 


Unter vereinigt find. Diefer Anter dient zur Auf: | fiemer) und die Wendeltreppen ( d.). 


nahme einer geraden Stalenplatte, an deren tiefitem 
Ende der Halten — Aufbängen einer Wagſchale 
angebracht it. Mit der Achſe des vorhandenen 
ge erö iſt ein Jabngetriebe verbunden, das beim 

F und Niedergang einer Zahnſtange in ent: 
ſprechende Umdrehung verjegt wird. 

Durch J. Sylveſter wurde die vorbeichriebene F. zu 
einer Art Zafelmage umgeftaltet, in welder Form 
— gegenwärtig ſehr verbreitet ift. Die nachſtehenden 

bbildungen zeigen die Anordnung diefer Wage. 
Mit dem Tiſch oder der Tafel e, auf welche der zu 
wägende Gegenſtand gelegt wird, ift eine Stange 
d verbunden, die an einem Rabmen c befeſtigt iſt, 
der nad unten in eine Stange g ausläuft. Der 
Rahmen c ift an zwei Spiralfedern h aufnehängt, 
deren obere Enden an Vorſprungen i des Gebäujes a 
befeitigt find. Zum Zmwed der Vertitalfübrung iſt 





der Rahmen mit vier Lenlern k, |, m, n vereinigt, 
deren jeder mit dem einen Ende drehbar in dem 
Gehauſe gelagert ift. Mit dem andern Ende find 
zwei von ıhnen, nämlich m und n, an der Stange 
g, der dritte k an der Stange d und der viertel an 
dem Rahmen c jelbft befeitigt. Innerhalb des Rab: 
mens iſt eine Zahnſtange — in welche 
ein Zahnrad r eingreift. Mit der Achſe des letztern 
ift ein Zeiger t verbunden, der das Gewicht des 
betrefienden Gegenftandes auf einem Zifferblatt 
anzeigt. Eine Heine Feder u dient dazu, die Zahn: 
ftange q ftets im Eingriff mit dem Zahnrad r zu er 
Federwechſel, |. Mauſer. [balten. 

eberweift, Bezeihnung des Moftes (f. d.) im 
weiten Stadium der Gärung, ferner verjchiedener 
einen Mineralpulver, die den beftreuten Flächen 
einen gemiljen Grad von Schlüpfrigfeit erteilen, 
3. B. Speditein und Tallpulver. In einigen Gegen: 
ben wirb mit 5. aud der Amiant, eine bejondere 
Art Aöbeft (f. d.), bezeichnet. 

ederwild, alles zur Jagd gehörige Geflügel. 

olke, |. Eirrus. 

ederzange, |. Vincette. 

3 zei nung, |. Handzeihnungen. — F.auf 
Etein, ſ. Lithographie. 

Federzirkel, |. Greifzirkel. 








Federwechſel — Fedotow 


Federzũngler (Pteroglossa), feine Gruppe der 
Vorderkiemer (j. d.) mit burger, breiter Zunge, an ber 
jede Zahnreihe aus vielen feinen Seitenzäbnden be- 
itebt, aber der Mittelzäbne ermangelt. Hierber ge 
bören unter anderm die Veilchenſchnede (ſ. Hamm: 


Fedi, Bio, ital. Bildhauer, geb. 1815 in Biterbe, 
wandte jich im 16. Lebens jahr der Hupferftechkunft zu 
und begab ſich deshalb 1838 nah Wien. Durd ein 
Augenleiden gezwungen, eing er zur Bildbauerei 
über, in der er fich auf der Alademie zu Florenz 
und in Rom ausbildete. 1846 nad Florenz zurüd: 

etebrt, erhielt er vom Großberzog Xeopold U. den 
Auftrag, für die Façade der Ufftiien die Stand: 
bilder des Bildhauers Niccold Pijano und bei 
Arztes Andrea Cefalpino, 1849 dann die Gruppe: 
Pia dei Tolommei und Nello della Pietra nad 
Dante («Purgatorio», V, 133) auszufübren. t 
den ruſſ. General Swoff vollendete F. dann 1852 
einen Schußengel als Grabdentmal und 1856 für 
den Marcheſe da Zorrigiani eine Koloſſalgruppe 
mebrerer von deſſen —— Schon in dieſem 
Werke äußert ſich ſeine Neigung zu ſelbſterdachter 





Allegorifierung, die in dem an den Brüſten der Hoff: 
nung faugenden Amor (1861) den Gipfelpunti er: 
reichte. Die befanntejte Schöpfung 5.8 iſt die 1860 
—65 — Marmorgruppe: Raub der Po— 
Iyrena dur rrhos, den Sohn des Achilleus; 
dieſelbe wurde in der Loggia dei Lanzi in Floren 
aufgeftellt. (S. Tafel: Jtalieniſche Kunft V, 
9. 8.) Don ihm jtammt ferner das Bro ⸗ 
ild des Generals Fanti (1872) auf dem Martus- 
plag in Florenz. F. ftarb 1. Juni 1892 in Florenz 
Fedia, Pflanzengattung, ſ. Valerianella. 
Fedkovie ( je -öwitih), Oſſip Horodenkut, 
Heinrufi. (galisiiher) Dichter, geb. 1834 in der Bu: 
fowina, war öjterr. Offizier, 1867— 72 Kreisichul: 
infpettor in feiner Heimat, ſpäter Redacteur der 
Heinrufj. Zeitung «Bukovina» in Ejernomwik, mo er 
11. Jan. 1888 ftarb. Er dichtete anfangs deutich, 
dann in feiner Mutterſprache, und ſchrieb «Gedichte» 
(«Poezii», 3 Bde., Lemb. und Kolomea 1862—67) 
und «Erzählungen» («Povisti», Kiew 1876). 


edor, |. Jeodor. 
edötotw, BaulAndrejewitic, rufj. ®enremaler, 
geb. 1811, geit. 1852 in Petersburg. Er diente 
anfangs im Heer und bejuchte ſchon als ier 
die Kunftalademie in Peteröburg, mo Al. Sauer: 
weid fein Lehrer war. Unter deſſen Leitung wid: 


Fedtſchenko — TFegefeuer 


mete er ſich anfangs der Schlachtenmalerei, ging 
aber bald, vom Fabeldichter Krylow beeinflußt, 
zum Genre über und wurde der erſte rufj. Künitler, 
der es wagte, dem alademifchen Klaſſicismus ent: 
gegenzutreten und Scenen aus dem Boltäleben in 
derber, oft — aber realiſtiſch wahrer 
— zu ſchildern. Seine vom J. 1848 an in Pe: 
teräburg auögeftellten Bilder, insbejondere Der 
erfte Orden, Die wäblerifche Braut, Der Major auf 
Freiersfüßen, Die Witwe u. a., waren von großem 
Ein uß auf die Entwidlung der Hr Malerei. 
dtichenfo, Alerei Pawlowitſch, rufj. Natur: 
forjcher und Reifender, geb. 7. Febr. 1844 in Itkutsk, 
ftudierte in Moskau die Naturmifjenihaften und 
machte 1868— 71 die erjte größere Reiſe nad 
Turkeſtan und nad dem untern Syr:darja; nad): 
dem er den Serafihan bis zu feinen Quellen ver: 
folgt batte, begab er fih nad Samarkand. Eine 
weite größere Forſchungsreiſe machte 3. 1871 im 
Zrübja r nad der Sandwüſte Kiſil-kum und im 
Sommer nad Kokan; er erreichte als erfter Euro⸗ 
der den Weitfuß des Tereldahanpaſſes und ges 
angte jüdlid über das Alaigebirge in das Thal des 
Kifil-fu. Nah Europa zurüdgelehrt, verunglüdte er 
15. Sept. 1873 bei einer Befteigung des Montblanc. 
Das naturbiftor. Material feiner gi wurde von 
mebrern Gelehrten bearbeitet und herausgegeben 
u. d. T. «F.s Reife in Zurfeftan» (ruffifch, 13 Hefte, 
Betersb. 1873— 76). Aus 5.3 Briefen wurden ver: 
öffentlicht: «Aus Kolan. Mitteilungen über die Reife 
p im Chanat Kolan im J. 1871» (ruffiib, Taſch⸗ 
ent 1871; deutic in «Betermanns Mitteilungen», 
1872). — Bol. Frau Fedtſchenko, A. 
Turkeſtan 1868—71(in« Betermanns 
1874; mit Karte). 

Feen, —— weibliche Weſen der roman. 
und felt. Vollsſage, in denen ſich verſchiedene my: 
tbifche Geftalten mischen. Sie find ebenfalls in die 
deutiche Vollsdichtung eingedrungen. Sie erjchei- 
nen in älterer Zeit bald als Feie, bald als Feine. 
Zu den 5. gebören: 1) Die alten drei röm. Schidjald: 

Öttinnen, die tria fata, von denen die %. auch den 

amen baben ge altfranz. feie; jpan. hada; franz. 
fee). Mit diefen mifchten fich die drei matres oder 
matronae, mütterlihe Schußgöttinnen felt, Ur: 
prungs. In den Bejuchen, welche die F. namentlich 
in der Neujabrönaht den Häujern der Menſchen 
abftatten, jowie in ihrer Teilnahme an dem Ge 
ichide der Kinder leben bie Erinnerungen, viefer 
Klafje fort. 2) Weibliche Elementargeijter, die vor: 
züglich gern im Walde, in Hügeln und Felſen und 
an Gewäſſern leben. Sie lieben ven Tan, defien 
Spur die); inge (cercles des f6es), gleich den 
deutjchen Elben: und Herenringen, verraten, und 
werben oft wajchend gejeben, wonach fie ihr Linnen 
an den Steindentmälern trodnen, in denen fie auch 
wobnen ttes oder chambres aux fees), Ver: 
ſchiedene Orte, namentlih alte Schlöfjer, wurden 
ala Feenorte genannt. Als Königin der F. wird 
im 13. Jahrh. die Domina Habundia (Dame 
Abonde) genannt, die ſchon im Namen auf die 
Segensfülle deutet, die fie fpenden kann. End— 
lib 3) ftanden menſchliche Weiber im Rufe, F. zu 
fein; dieſe unterjte Art berübrt ſich mit den Heren. 

Schon frübzeitig bemädhtigte ſich die Poeſie des 
reiben Stoffs, der in den Seenia en liegt. Be: 
teitö in den breton. Lais und den franz. yabliaur 
tritt das hervor. Bedeutender erjcheint dieſes Ele: 
ment in einigen Romanen: dem «Lancelot au lac», 


.& Reifen in 
itteilungen», 


Brodhans’ Konverfationsd-Lerilon.. 14. Aufl. R.M. VI. 


513 


dem «Ysaie le Triste» und der «Melusiner. Die 
ital. Dichter des 15. und 16. Jahrh. benugten vie 
F. reihlih. Auch das eigentliche Feenmärden ift 
in Stalien ausgebildet, durch Straparola und 
Giamb, Bafile, den Berfafjer des «Pentamerone», 
Daraus jhöpften die franz. contes aux fees; außer: 
ordentlich beliebt und verbreitet waren namentlich 
Perraults «Contes de ma möre l’Oye» (1697) und 
Madame Aulnoys «Contes des f6es» (1698). Eine 
Sammlung von Feenmärcen giebt «Le cabinet des 
fées, ou collection des contes des f&es» (41 Bde., 
Amiterd. 1785— 89). Was über jpan.:arab. und 
perj. Urfprung ber F. gejagt wird, tft faljh. Unter 
ital. Einfluß iſt auch das deutſche Feenmarchen ent⸗ 
tanden. — Val. Keightley, Fairy mythology (neue 
usg., Zond. 1851; deutſch von Wolff, 2Bde., Weim. 
1828); Schreiber, Die F. in Europa (freiburg 1842); 
Maury, Les f6es du moyen Age (Par. 1843); Halli 
well, Illustrations of fairy mythology (Lond. 1845); 
Hartland, The science of fairy tales (ebd. 1891). 
—— ———— ſ. Hexenringe. 
eer:Herzog, Karl, ſchweiz. Politiler und Nas 
tionalöfonom, geb. 23. Dt. 1820 zu Rixheim im 
Eljaß, war Induftrieller in Aarau und je 1852 
Mitglied, — auch Präſident des Großen Rats 
daſelbſt. leitete als Generallommiſſar die Or: 
aniſation der Schweizer Abteilung auf der Variſer 
Meltausftellung von 1867 und war feit 1865 Ver: 
treter der Schweiz in den Konferenzen der Staaten 
des lat. Münzbundes, wo er für den Übergang 
zur Golpwährung wirkte. F. ftarb ald Präfident 
der Banf von Yarau 16. Yan. 1880 dajelbft. Er 
ſchrieb: «Die aargauifhe Bank» (Narau 1868) 
«L’unification monetaire internationale» (Genf 
1869), «La France et ses alli6s monetaires en 
presence de l’unification universelle des mon- 
naies» (Par. 1870), «Gold oder Silber?» (Aarau 
1873), «Bericht an den ſchweiz. Handels: und In: 
duftrieverein über den gegenwärtigen Stand ber 
Münzfrage» (Zür. 1878). 

Feerie (fr3., ipr. ferib), eine Gattung des Aus» 
ftattungsftüds, in der übernatürlibe Weſen han 
delnd eingeführt werden und die Bedeutung ber 
Maler, Koftümiers und Mafciniften weit über der 
des Dramatiters fteht. Die F., deren früheite Spu⸗ 
ren bi3 ins 17. Jahrh. reihen, ift mit der früher, 
befonders in Wien beliebten een: oder ee 
verwandt. Das ——— weiblicher Schön: 
FR ftammt von den Parijer Bühnen; neuerdings 
pielt das Ballett in den F. eine große Rolle. 

Fegaro, ber ital. Name des Adlerfiſches \% d.). 

Fegefeuer (Fegfeuer, d. i. Reinigungäfeuer, 
lat, Ignis purgatorius, Purgatorium), in der röm.: 
lath. Lehre das (meift materiell vorgeftellte) Feuer, 
das diejenigen abgeſchiedenen Seelen völlig läutert, 
die für läßliche Sünden oder * ſolche, deren ewige 
Strafe ſchon durch das Bußſakrament erlajjen in 
zeitlihe Sündenftrafen noch abbüfen müfjen. Ab: 
gelegen davon, daß das ganze Altertum dag dene 
als Symbol der Reinigung lennt, Inüpfte die Lehre 
vom %. an 1 Kor. 3, 13-15 an, wo ber Apojtel die 
Werte jedes —— im Jungſten Gericht im Feuer 
geprüft werben läßt, mas Yuguftinus ie deutet, 
daß vielleicht nad dem Tode noch die Seelen einiger 
Gläubigen dur Feuer geläutert, d. i. das Irdiſche 
ihnen ausgebrannt werde. Als Mittel zur Ab» 
büßung der läßlihen Sünden betradtet bereits 
Gregor d. Gr. das F. und lehrt > leih, daß gute 
Werte, Fürbitten und befonders Meßopfer die Dauer 


33 


514 


und die Qual diejer Büßung zu mildern vermögen. 
Völlig ausgebilvet ift die Lehre vom v: durd Tho⸗ 
mas von Aquino, wonach das F. nicht mehr der 
ſittlichen Läuterung, fondern der Xbleiftung der bei 
der Beichte auferlegten, aber unerledigt gebliebenen 
Bußen dient. Dieje Lehre wurde zum wirkſamſten 
Mittel der Beherrſchung der Gemüter, da fich die 
Kirche die Vollmacht zulegte, auch für das Jenſeits 
noch die Nachholung folder Bußen im %. gegen 
andere Leiftungen erlaffen zu können. (S. Ablaf.) 
Denn die Gläubigen erlangen in der priefterlihen 
Abjolution (f.d.) zwar die Befreiung von ewigen, 
aber nicht von zeitlichen Strafen ; leßtere werben teil: 
meije auf Erben, teilmeife im 55. verbüßt. Die Kirche 
bat aber vermöge ihres Verfügungsrecht3 über den 
Schaß der guten Werke und vor allem durch das 
für die Seelen der Verftorbenen dargebrachte Meß— 
opfer (Seelenmeffe) die Mittel, auch den Toten noch 
an dem Verdienſt Ehrifti Anteil zu verſchaffen. Der 
enge Zufammenbang ber Lehre vom %. mit dem 
Mekopfer, dem Ablaß und dem gefamten kirchlichen 
Gnadenmehanismus forderte die Reformation zu 
ihrer entſchiedenen Verwerfung heraus. Dagegen 
wurde die thomiſtiſche Fegefeuertheorie in der 
25, Sikung des Tridentinijchen Konzils lirchlich ges 
billigt. Die griech. Kirche follte auf der Kirchenver: 
ſammlung zu Florenz (1439) zur Annahme eines 
Neinigungszuftandes nad dem Tode vermodt wer: 
den, ba aber in der Confessio orthodoxa jeden 
Mittelzuftand zwischen Himmel und Hölle verworfen. 
— Pol. Schmid, Das F. nach kath. Lehre (Brixen 1904). 
egen, in der Jägerſprache, ſ. Baſt und Geweih. 
egfeuer, ſ. Fegefeuer. 
eh, im Pelzhandel der Name des gemeinen 
Eichhörnchens oder ſeines Fells, im beſondern des 
im hohen Norden (Sibirien) wohnenden grauen 
Eichhörnchens, deſſen Pelzwerk von den Franzoſen 
etit-gris, bei uns auch Grauwerk genannt wird. 
a nicht alle Teile des Körpers Haar von gleicher 
Farbeſchattierung tragen, fo jortiert man ſie jorg: 
art Die ausgeſchnittenen Rüdenteile heißen 
ebrüden, die Baudteile Fehwamme. 
Seht in der Heraldif, ſ. Eijenbütlein. 
ehde. Beiden Germanen der vorfränkiſchen 
2 hatten nur die todeswürdigen Verbrechen, ſog. 
eidingswerle, als Verletzungen eines höhern Frie⸗ 
dens, allgemeine Friedloſigkeit, d. h. Verluſt aller 
Rechte, vollſtändiges Rechtloswerden, Ausſtoßung 
aus der Rechtsgenoſſenſchaft zur Folge. Alle andern 
Poren zogen feine öffentlihe Strafe nad 
ih, ſondern batten nur F. zur Folge, d. h. das 
Recht des Verlesten und feiner Sippe, an bem Ber: 
leger und defjen Sippe im Wege der Selbitbilfe 
Genugtbuung zu ſuchen (Brivatfrieg, Geichlecter: 
trieg). Wörtlich heißt F. (abd. fehida, von fehan, 
haſſen; latinifiert faida) Feindſchaft, d. i. —— 
ſchaft, die durch das Verbrechen zwiſchen den Sippen 
entſteht. F. war zuläſſig um Blut (Mord iſt jedoch 
Neidingswerkh) und Ehre. Jede im Wege der recht— 
mäßigen 5. verübte Gemaltthat war aljo jtraflos. 
Statt der F. fonnte die verlegte Sippe «Sühne»,d. h. 
Zablung einer Buße (Wergeld, compositio), fordern 
oder ſich darauf einlafien (außergerichtlib, Sühne: 
vertrag, oder gerichtlich), mas unter Umſtänden für 
ſchimpflich galt. Die Feindſchaft der Sippen war da⸗ 
mit aufgehoben, Urfehde, d. h. Unfehde, geſchaffen. 
In fränkiſcher Zeit wird infolge Erſtarkung 
der öffentlichen Gerichtsgewalt die F. auf gewiſſe 
Hauptverbrechen (Totſchlag = Blutrache, gröbliche 


Fegen — Fehler (ethiſch und juriſtiſch) 


rg der Ehre eines weiblichen —— 
des, Ehebruch, Unzucht, Frauenraub) und den Ber: 
brecher ſowie deſſen nächſte Angehörigen beichräntt, 
und die Rarolinger fuchten, jedoch erfolglos, dieſelbe 
ganz zu befeitigen. Auch die folgenden kräftigen 
deut ? hen Könige haben vergeblich große Anitren: 
ungen zur Aufbebung der F. gemacht. Sie erbielt 
Ki ala Race für Totihlag. Ja, es entwidelte ſich 
mit dem Berfall der öffentlihen Gerichtägemwalt 
durd die Feudalifierung derjelben infolge der damit 
gegebenen fchlehten öffentlichen Rechtshilfe vom 
11. Jahrh. an fogar neben dem alten ein neues 
Fehderecht, das Fau ſtrecht. Dasielbe ift nur zu: 
läffig in Ermangelung gerichtlicher Hilfe, d. b. bei 
Nechtövermweigerung oder Ohnmacht des Gerichts, 
eine Bedingung, die allerdings oft mißachtet wurde, 
dann aber wegen eines jeden Anſpruchs, nicht bloß 
wegen Totſchlags, und dann gebt ed nur von on 
u Perſon, nit von Sippe zu Sippe, und enblic 
at ed nur, wer Waffenrecht bat, und iſt es bedingt 
durch — e (mindeſtens 3 Zage) Anfage (Ab- 
fage, diffi tio). Kirche und Staat befämpften die 
alte und neue F., die Kirche durch Gottes-, der 
Staat durch Landfrieden. Durch den Gottesfrieden 
(f. d.) —— man bie F. auf beſtimmte Tage zu be 
ſchränken und friedlichen Perſonen Schuß zu ver: 
ſchaffen. Aber diefe von der Kirche ausgebenden 
Einſchränkungen wurden nur mangelbaft beobachtet. 
Wirkſamer waren die Landfrieden (f. d.). u 
befriedete Perfonen und Sachen (Geiftlihe, Bil 
er, Kaufleute, Kirchen, on u. dgl.) war 
jede %. unterfagt. Jede unerlaubte Fehdeübung 
wurde als — geſtraft. t auf dem 
Reihstage zu Worms 1495 konnte Kaiſer Mari: 
milian I. den Emwigen Landfrieden aufrichten und 
das Fehderecht für das ganze Reich befeitigen. 
Thatjählih kamen aber noch im 16. Nabrb, viele 
F. vor. Eine der berüdhtigtiten it die des Herzoa? 
Ulrih von Württemberg gegen die Stadt Reutlingen 
1519 und die Franz von Gidingens mit dem Cry: 
bifhof von Trier. — Vgl. Schröder, Deutjche Rechts: 
geſchichte (3. Aufl., Loz. 1898), ©. 77, 333, 723 fa. 

Fehdebrief over Abi a ebrief, ein Schreiben, 
mit welhem man im Mittelalter jemand die Fehde 
(f. d.) anfündigte. 

Fehdehandſchuh, ver Handſchuh, der nad Rit- 
terbrauch demjenigen zugeworfen wurde, ven man 
zum Zweila — * wollte; die Aufnahme 
des Handihubs galt ala Annahme der Herausforde⸗ 

chderecht, j. Fehde. rung. 
e, |. Fahe. 
er (ungar., ſpr. fehehr), weiß. 
ehergyarmat (ſpr. djär-), Groß⸗Gemeinde 
und Hauptort des Stuhlbezirks 3,181 012 €.) im 
ungar. Komitat Szatmär, zwiſchen Theiß und Sza- 
mos, an der Linie Szatmär-Nemeti⸗F. (40 km) der 
Ungar. Staatöbahnen, bat (1900) 4220 reform. €.; 
Tabalsbau. 

Per ungar. Name von Weißlirchen. 

eher:tö (d. i. Weiber See), der bedeutenpite 
Puſztenſee —— im N. von Szegedin, wegen 
ſeines großen Natrongehalts ſo benannt. 

Ibetrag, * wie Deficit 6 d.). 
ehlboden, Yoviel wie Einihubdede, |. Dede. 
ehler, die Abweichung von dem Normalen 

und Zuläfiigen. Der hierauf bezügliben Beur: 
teilung unterliegen eine einzelne Handlung oder ein 
Mente in feinen geiftigen oder förperlihen Eigen: 
ſchaften, ein Tier, eine Sache. Der F. kann in dem 


Fehler (in der Ajtronomie) — Yehlgeburt 


Mangel einer guten oder in dem Vorbandenfein 
einer ſchlechten Eigenjcaft liegen. Net wird 
für die 5. (Bürgerl. Gefesbuh: Mängel) ver: 
äußerter oder zur Benugung eingeräumter Sachen 
in weitem Umfang — (f. Gewährleiſtung). 
Fehlerhafte Sachen brauchen, wenn eine erſt ber: 
de oder eine der Gattung nach beſtimmte 
Gegenſtand eines Rechtsgeſchäfts iſt, als Er: 
füllung nicht angenommen zu werden. Der F. kann 
die natürliche Nasen der Sache (Mängel 
der Sade; Ser — > 88. 459 ig.) oder 
das Recht des re 2 im Rechte, 
Bürgerl, Geienb. SS. 439 fg.;, 3. B. die Sache ge: 
einem Dritten, fie ift mit einem Pfandrecht 
ftet) betreffen. Andererjeit3 wird im Inter— 
e der Sicherheit des Verlehrs in mweitgehender 
je bei Rechtserwerb troß F. im Rechte doch 
gültiger Rehtserwerb angenommen. So wird 
eine jonft den geſetzlichen Erforderniffen ent: 
de Veräußerung oder Verpfändung einer 
liben Sache der Erwerber oder Gläubiger 
auch dann Eigentümer oder Pfandgläubiger, wenn 
die = nicht dem Beräußerer oder Verpfänder 
gedant, ofern er zu gegebener Zeit des guten Glau⸗ 
war, daß die Sade dem Veräußerer oder Ver: 
pfänder geböre, oder im Handelsrecht, wenn au 
nicht das, jo doc, daß er (3.2. ein Kommiffionär 
ng über die Sade (gleihgültig ob im 
oder im fremden Namen) befugt jei. Außer 
Snbaberpapieren und, was au für den Hans 
delöperfehr neu ift, Geld und öffentlich verfteiger: 
ten Saden wird der gute Glaube des Erwerber 
oder —— nur dann nicht geſchützt, 
wenn die Sachen dem Eigentümer geſtohlen, ver: 
loren oder font abhanden getommen find (Bürgerl. 
Gejesb. -. fg., 1207; Dandelsgeje von 1861 
FE ier tritt alfo wieder die Wirkung eines F. 
Rechte ein. Jedoch hat der redliche Erwerber einen 
Anſpruch auf Erftattung des gezahlten Preifes. Im 
rom. Recht jchließt der F. der Sadıe, 
geitoblen oder dem Eigentümer durd ee 
entjebung entzogen iſt, jelbit die Er: 
(j.,d.) des redlichen erber3 aus, Von 
. eines Rechtsgeſchäfts fpriht man, wenn 
alle Erfordernifje der Gültigkeit vorliegen, 
von dem 5. (Bürgerl. Geſeßbbuch: Fehlerhaftig⸗ 


T 


teit ) des Befikerwerbs (j. Bejigerwerb und 
wenn der Befis dem bisherigen Befiker 
obne n Willen widerrechtlich entzogen ift, von 


dem J. des Erwerbs eines Rechts (Eigentums, ding: 
fihen Nechts), wenn etwas an dem gültigen Erwerbe 
Der 5. bed Beſitzerwerbs bat zur Folge, daß 
der Befik durch die geeigneten Rechtömittel wieder 
werben fann ($8.859— 861). Es giebt heil: 


E 


“ 


dere maden das Ge Sal (1. Ben; an 
tr ımmer nichtig. 
Wnnen gene. ine Mebtiemere vanc Je 


( ung, |. b.) gebeilt werben, andere nicht. 
Shente giebt 8 5. progefjualer Alte, welche durch 
Verzicht auf ibre Geltendmadhung zu beilen find 
andere Im allgemeinen gilt die Regel, va 
fie Erfordernifje rechtlicher Handlung 
melde aus öffentlich-re&tlihen Gründen 
aufgeitel „durch Verzicht auf die Geltend: 

bung t zu beilen find. 
Fehle perfönlider,j.Gleihung,perjönlice. 
Fehlerdreic, jeblerzeigendes Dreied, 
ungsfunjt dasjenige Dreied, wel: 
menn man bei nicht ganz zutreffender 






LEITEN 






in 
&e3 entitebt, 


515 


Drientierung, des Meftifches über drei Bildpunfte 
nah ven zugehörigen Naturpunlten Viſierlinien 
ziebt. Dieſe Vifierlinien ſchneiden fih alsdann 
hit in einem Punkte, dem Stationspuntte, wie 
dies bei rihtiger Orientierung geiheben müßte, 
ſondern fie ſchneiden ſich in drei Buntten, bilden 
aljo ein Dreied, das den Fehler in der Orientieru 
anzeigt. Das Baia en des F. geihieht am zweck 
mäßigften nad) der }og. Lehmannſchen Annäherung: 
methode mit Hilfe proportionaler Perpendilel auf 
die drei Viſierlinien oder durch das Schlagen dreier 
Kreife um Is einen Edpunft des F. und Nur ber 
gegebenen Netzpunlte. (S. Pothenotihe Aufgabe.) 

Fehlergrenze, ver Spielraum, innerhalb deſſen 
ein Maß, ein Gewicht, eine Wage von der 959* 
Vorſchrift, eine Münze von dem geſeßtzlich vorge: 
Ichriebenen Gewicht oder Feingebalt (f. Remedium), 
eine vermeflene Sache von der durh Vermeſſung 
gefundenen Ausdehnung abweichen kann, ohne be: 
anjtandet werden 8 dürfen. Die betreffenden Vor: 
fhriften für das Deutſche Reich find enthalten in 
der Aichordnung vom 27. a ar ( ya er 
blatt von 1885, Beilage zu Nr. 5), in dem Gefek 
betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen 
vom 1. Dez. 1871 und für die einzelnen Länder in 
den im Bulammenbang mit den Grundbuchgeſetzen 
erlaffenen Vorſchriften über die Vermefjung von 
Grundftüden. — Bol. Baumann, F. der aihpfichti 
gen —— (2. — Berl. 1895). 

ehlgeburt, aub Abortus, Mißfall, Uns 

rihtiggeben, — franz. fausse couche, 
die Geburt eines unreifen Kindes in den eriten 28 
Moden (7 Monaten) ver Schwangerſchaft. Diefes 
Kind (unreife Frucht, unreifer Fötus oder Embryo), 
welches entweder don tot zur Welt fommt oder 
doc fehr bald nach der Geburt ftirbt, befikt noch 
nicht die Fähigkeit eines felbitändigen Bebens, Grit 
von der 28. Woche an vermag die menſchliche Frucht 
unter günftigen Umftänden außerhalb des mütter: 
lihen Organismus fortzuleben. Bon diefer Zeit an 
erbält das vorzeitige Ende der Schwangerichaft den 
Namen Frübgeburt (f. d.). Am bäufigiten fommt 
die F. in den erften 3 Monaten vor; fie fann übri- 
ge. felbjt bald nah der Empfängnis erfolgen. 

fonders bäufig abortieren rauen zu der Zeit, 
mo im nihtihwangern Zuftande die Dienjtruation 
eingetreten wäre. Vom vierten Schwangerjchafts: 
monate an werden die F. feltener, und zwar um jo 
mebr, je weiter die Schwangerfchaft in ihrer Dauer 
vorrüdt; nur der fiebente Monat fcheint wieder 
mr jur vorzeitigen nn der Frucht geneigt 
zu fein. Die Urfaen der 5. liegen zunädit ent: 
weder im mütterlichen Körper, oder im Ei (Frudt), 
oder e3 find Äußere Einflüfle. Von den Krankheiten 
der Mutter ſowie von den angeborenen und erwor: 
benen Abnormitäten des Eies und der Cibäute ab: 
geſehen, find e3 vorzüglich folgende Einflülfe, welche 
die F. hervorrufen: be e Erſchutterungen des müt: 
terlihen Körpers (dur Stöße, Sprünge, Fall, Fehl⸗ 
tritt, Tanzen, Fahren, roh ausgeübten Beiichlat, 
Heben und Tragen fchmerer —7 — übermäßigen 
Huſten, een Erbrechen), Mißbrauch erregender 
Speiſen und Getränke, zu lange fortgefehtes Falten, 
Nachtwachen, geijtige Anıtrengung, Deftine Gemüts- 
erſchütterungen, ſtarkes Schnüren, Mißbraud all: 
nemeiner Bäder, ſcharſe Abführmittel, barnver: 
mebrende und fog. fruchtabtreibende Arzneimittel. 
Die abfihtlih und widerrechtlich berbeigeführte F. 
nennt man Abtreibung (f. d.) der Leibesfrucht. 

33 * 


516 Tehlgejchlagene® Berbrechen 


In den erften drei Monaten erfolgt die F. häufig 
obne alle Borboten, indem plöglich ein ftarker, einige 
Tage andauernder Blutabgang eintritt, welcher 
mit der Ausftoßung des Eies aufhört. In den fpd- 
tern Monaten ftellen fe oft gewiſſe Vorboten der 
5. ein: Öftered Fröfteln mit — ender Hitze, 
allgemeine Mattigkeit, Gefühl von Schwere in den 
Gliedern, Schwindel, Anmwandlungen von Dhn- 
macht, Herzllopfen, Schlaftohgteit, trübe Gemüt: 
itimmung, Appetitlofigleit, Dehnen und Ziehen 
in der Lenden= und Leiſtengegend, Spannen und 
Schwere im Kreuze, Abgang von Flüffigkeit oder 
Blut aus den Gejhlehtsteilen. Zeigen ſich dieſe 
Vorboten, oder haben 5 den Zeitpunlt in ihrer 
jegigen Schwangerſchaft, in welchem fie bei frübern 
Schmwangerfhaften eine F. machten, erreicht, fo 
muſſen fie bie — uhe bed Koͤrpers und 
Geiſtes bei horizontaler * im Bette und mäßiger 
Temperatur des Zimmers beobachten und ſich aller 
Fe Speiſen, Getränte und Arzneien ent 

ten. Bei jeder $ unbedingt ein x urufen, 
da die eintretende Blutung lebensgefährlich werden 
fann. Nach erlittener F. bebürfen die Frauen noch 
einer Läng ‚Sorgfamen Pflege und follen, um bleis 
benden Nachteilen vorzubeugen, mindeſtens 8 Tage 
das Bee fiber die —— 3.1. Fruhgeburt. 
— Bol. Rentoul, Abortion. Causes and treatment 
—— iering, über den Abortus (Berl.1899); 
un, Die Therapie bei Abortus (Stuttg. 1901). 
ber die F. der Haustiere ſ. V en. 
lgeſchlagenes Verbrechen, j. Verſuch. 
‚se ‚ Hermann, Ehemiler, geb. 9. Juni 1812 
in Zübed, |tudierte in Heidelberg und trat dann in 
das Liebigſche Laboratorium zu Gießen. 1839 wurde 
er Brofeflor der Chemie am Holgtehnitum in Stutt: 
art, wo er 1. Juli 1885 ftarb. Bon Bedeutung ift 
ein Verfahren zur Beitimmung des Zuckers di. * 
lingſche Löjun Auch leitete er die neue Auflage 
des von Liebig, Poggendorff und Wöhler begrün: 
deten « Handworterbuchs der Chemie» (Braunſchw. 
1871 fg.) und 22 Payens «Pre&cis de chimie in- 
dustrielle» (2, Pen 1852) deutſch heraus, 

Fehlingiche Löfung, zur volumetriſchen Zuder- 
beitimmung (ſ. Sacharimetrie) dienende Flüffig- 
feit, wird bergeftellt, indem man 34,4 g reinen 
Rupfervitriol in 200 ccm beitilliertem Waſſer löft, 
mit einer kalt bereiteten Löfung von 173 g Kalium: 
tartrat in 500—600 ccm Natronlauge (fpec. Gewicht 
1,13) vermifht und das Ganze mit Wajler auf 11 
verdünnt. Beabfichtigt man längere Aufbewahrung 
der Löſung, jo fügt man vor dem Auffüllen mit 
Waſſer 150 g reinftes Glycerin hinzu. 10 cem diefer 
Haren, tiefblauen Loſung werden gerade durch 0,05 g 
Zraubenzuder vollftändig zu Kupferorydul reduziert. 

Fehlſchluß, jeder Berttoß ge en die Regeln des 
Syllogismus (f. d.), in deren Aufzählung die Logis 
ter von Ariftoteles an großen Schar inn —— 
haben. vielleicht häufigſte Fehler iſt die ſog. 
—— terminorum, darin beſtehend, daß der 

llogismus ſtatt der erforderlichen drei Grund: 
beſtandteile (Elemente oder Termini) deren vier 
enthält, indem — Be File infolge einer Doppel» 
finnigfeit ded Auspruds für identiih genommen 
werden, ohne es zu fein. (S. Trugichluß.) 

Fehmarn oder Jemern, eine zum Kreiß Olden⸗ 
burg bes preuß. —— Schleswig gehörige Inſel 
ber Oſtſee, von der Nordoſtſpihe Holſteins durch den 
1500 m breiten Fehmarnſund getrennt (f. Karte: 
Hannoveru.f.w.),bat 185qkm und etwa 10000 E. 


— Fehn⸗ und Moorfoloniern 


B. ift meifteben, wafler- und holzarm, aber mit feinem 
etten Boden ſehr geeignet zum Anbau von Weizen 
und Raps ſowie zur Viehzucht. F. iſt in vier Kirch⸗ 
fpiele geteilt, enthält 3 Amtöbezirte mit einer Stadt 
und 44 Dörfern und trägt vier Leuchttürme. Die 
Bevölkerung ift zumeift dithmarfisher Herkunft. 
4 km von der Stadt Burg auf F. (ſ. d., Bd. 17) 
entfernt ftand die at, lambelt; 7,5 km norb: 
mweitlich liegt der größte Ort Peters doxf (6% E.). 
— F. gebörte urfprünglid & Bagrien (f. d.); 
der Name %. wird aus dem Slawiſchen ve-morje, 
d. b. im Meer, —*7* F. ward 1248 von dem 
dän. König Erich IV. Dlogpenning erobert und fam 
1326 als dän. Lehn wieder in den Befik des boljtein. 
Grafenhaufes. F. wurde 1420 durd König Erich 
von Dänemark und 1644 durch die Schweber ver: 
mwüjtet. Erit feit Anfang des 17. Jahrh. warde F. 
zum Herzogtum Schleswi gerechnet, bis es 1867 
wieder (politifch) mit dem bo ftein. reife Oldenburg 
vereinigt ward. Inder Naht vom 15. bis 16. Mär; 
1864 fegten die Preußen nad %. über, mo bie dan. 
Beſatzung überrumpelt und arfangen wurde. m 
Frieden zu Prag (1866) wurde die Inſel preußiſch. 

ehme, ſ. Femgerichte. 

chn, Senne, Fenn lalthochdeutſch fenni; 
niederländ. veen), Sumpfland, Moorland, Bruch. 

Fehn: und Moorfolonien,. Febntolonien 
werden in Torfmooren zu dem Zwed angelegt, die 
unter dem Moor gelegenen Flächen in Ader:, Wie 
fen: und Weideland zu verwandeln (Febnlultur). 

ur Verfrachtung des abzugrabenden Torfes werben 
hiffbare Kanäle (Fehntanäle) von den nädt- 
gelegenen Waflerftraßen aus ind Moor hinein ber- 
geitellt; an dieje Zlieſt ſich ein Ne von Seiten⸗ 
und Parallelkanälen zur Entwäſſerung und zum 
Transport des 2er an den Hauptlanal. Vorteil 
baft läßt man die Quergräben (Inmwielen) nidt 
in diejen felbft, ſondern in Barallelgräben (Achter: 
mieten oder Nebentanäle) münden, die nur an 
einigen Stellen mit dem Hauptlanal in Berbinbung 
fteben und alſo aud nur var Brüden im Zuge der 
den Haupttanal begleitenden Straßen nötig ma 
Die abgetorften Flächen werden mit Bunferbe (ben 
ald Brenntorf minverwertigen, aber verbältnis- 
mäßig gut zu Anbauzweden —— Schichten 
zunächſt ver Pflanzendecke des Moors), Sand, Hlai, 
Seeſchlich, natürlichem und künſtlichem Dünger 
uberdedt und bebaut, Der Koloniſt (Beentjer in 
Holland, Febntjer oder Fehnker in Deutichland 
genannt) gewinnt in dem ausgehobenen Torf ein 
wertvolles Objekt und gleichzeitig den Grund für 
feinen Aderboven. Bedingung tit aber, dab ber 
Torf guten Abfas findet, und daß Sand, Klai u. ſ. w. 
billig in den Hauptlanal geſchafft werden können; 
gleih wichtig find die planmäßige Geftaltung des 
ganzen Fehns, zwedmäßige Ausmweifung der Kolo- 
nate, Befreiung der Koloniften von allen Zaften, 
bie die erite Anlage des Hauptlanals, der Achter⸗ 
wiele, ver Schleufen, Brüden und Straßen erforder: 
lih macht. Diefe Laften müfjen die Unternehmer 
des Fehns (Genofjenihaften, ſiädtiſche oder provin- 

ialftändische Verbände) tragen; die Berzinfung und 

mortifierung des aufgemenbeten Kapitals erbalten 

fie durch die Kadıt der Kolonate, aud in Form von 
Torf und durd die Schleufengelder. 

Die Anlage eines Fehns wird ſchematiſch durch 
umitebertve Figur veranſchaulicht. Im erjten Jabre 
bebt man in Heinen Profilen im Zuge des Haupt: 
und Nebentanals auf etwa 90—100m Länge ein Neck 


Fehn⸗- und Moorfolonıen 


von Längs- und Quergräben (Raygräben) aus, 
die man, während man gleichpeitig mit dieſem Neb 
um je eine Abteilung vorrüdt, allmählich in den 
—— 4 Jahren auf 1 m Breite und O,ss m 

iefe bringt; die Zmwifchenfelvder werden durch Hei- 
nere Gräben (Grüppen) in jene entwäjlert. 


ſechſten Jahre etwa wird man in der eriten Ab» 
teilung die eigentlibe Kanalaus hebu eginnen 
und fie im elften Jahre beendigt haben. Inzwiſchen 


iind die Inwielen durd die —— in ahnlicher 
Weiſe vorbereitet und ausgehoben, ſo daß im zwolf⸗ 
ten Jahre ungefähr die mit der Abtorfung ans 
fangende Bebauung des erften Rolonat3 beginnen 
fann. Ein ſolches Kolonat (Blaatfe) wird auf je 
einer Seite durd die 6 m breite Inwiele begrenzt 
und erhält etwa 90—100 m Breite; der Teil des 
Kolonat3 zwiſchen Haupt: und Nebentanal wird 
—— Vooraffe genannt. Jenſeit des Neben⸗ 
nals wird die Austorfung des Kolonats erſt in 
Angriff genommen, wenn die der Vooraffe beendet iſt. 
Sn Holland wurden Fehnlolonien zuerſt 
um das % 1600, anfangs von Privaten und 
zu enofjenihaften, teilmeife mit reich: 
icher Staatäunterftüßung, fpäter von der 
Stadt Groningen angelegt. Und zwar waren 
die erjten Fehnkolonien Pelel Aa (1704 in 
Dude und Nieume Pelel Aa — und Zuid⸗· 
broef, dann (1648—83) Vilderwank, Veendam, 
Doogeganb Sapemeer, ferner unweit Belel Ya 
Stadslanal 1764 (f. den Blan: Fehnkolonien 
und ehnlanäle in Dftfriesland und Olden⸗ 
burg, ©. 519). Auf dieje folgten in der Pro: 
vinz Drenthe dad Hoogeveen und Smilve 
(1772) ſowie in —* die von Baron Dedem 
1809 begonnene und ſpäter von der Landſchaft 
übernommene Dedemävaart. Diefe Beene (zu: 
fammen 100000 ha) find faft ganz ausgetorft 
und in Ader:, Wiejen- und Weideland umge: 


wandelt. 
In Deutſchland folgte dem holländ. Bei- 
piele 1630 zuerft der Münfterjche Graf Lands» 
g:Belen mit der Anlage einer Fehntolonie bei der 
Papenborg, aus der fi die Stadt Papenburg (f. d.) 
entmwidelt hat. Weniger glüdlic haben fich die o ſt⸗ 
friejifhen Fehnlolonien entwidelt, während das 
oldenburgiiche Auguftfehn im Lengener Moor 
namentlich durd) die dort 1856 gegründete, mit Torf 
beizende Eijenbüttengeiellihaft gedieh. Immerhin 
ift, wenn man berüdjihtigt, daß es den oſtfrieſ. 
ntolonien für den Tor abfaß an nahe gelegenen 
tädten —— ihre Entwidlung — 
ar an uguftfehn umfaſſen jest ihre Haupt- 
tanäle (j. die Tabelle, ©. 518) 196,9 km gegen 
64,6 im J. 1789, ihre Inwielen 60,5 gegen 17,5 km, 
ibre tultivierten Moorflähen (diefe ohne Auguit: 
febn und die andern oldenb. Fehnkolonien) rund 
10000 ha gegen 1392 im J. 1816; die Einwohner: 
zahl ift von (1816) 5236 auf rund 17000, der Raums 
halt der dort bebeimateten Torf⸗, Küjten« und 
Eeeichifie von etiwa 8000 auf etwa 17500 Regiſter⸗ 
ton3 geitiegen. Die Heinen oldenb. Fehntolonien 
erö-, Eliſabeth⸗, Bargerz, Friedrichs⸗Fehn u.a.) 
iegen meiſt an ſchiffbaren Wajlerläufen, haben 
guien Torjabjag und jind, namentlich in Bezug auf 
be der Kolonate (nicht unter 4 ha), zmedmäßiger 

t, fo daß fie gut vorwärts fommen. 

einem gewiſſen Gegenjaß zu den Fehntolo: 
nien ftehen die Moorlolonien. Denn wenn aud 
von ihnen aus Torfverihiffung ftattgefunden bat 





517 


und noch ſtattfindet, jo ijt bier der Endzwed ver 
KRolonifierung nicht die Kultivierung des Moor: 
untergrundes, fonvern der Mooroberfläde 
felbft © Moorkultur). In den ehemaligen Herzog: 
tümern Bremen und Verden auf dem rechten Uier 
der Wejer, entlang der in dieſe bei Begefad münden: 
den Wümme und ihres rechten Nebenflufjes, der 
Hamme, ebenjo an ber Dfte, ferner in Ditfriedland 
und in den Mooren des jebigen Reg.:Bez. Osna⸗ 
brüd, fowie in Olvenburg, wurden in den J. 1720 
— 1850 und 1786 (oder 1765) bis in die neuefte 
Zeit hinein Moortolonien gegründet, fo daß deren 
über 250 mit etwa 55000 ha Fläche und 60000 €. 
vorhanden find. Auch auf den fisfalifchen Mooren 
(Moorbrüden) Dftpreußenz find feit 1756 Kolo⸗ 
nien gegründet und im ganzen über 1300 ha beſie⸗ 
delt. Viel geihieht neuerdings für die Moore in 
den großen Staatsforften im allgemeinen und im 
bejondern für die in Hinterpommern und Dftpreußen 
(Zeba: und Augftumaler Moor). 


.. 


Die Moorkolonien gediehen am beften, wenn ſie, 
am Rande des Moord im Zufammenbang mit be 
nenn — angelegt, bequemen Torf: 
abjaß fowie die Möglichleit des Bezug von natür: 
lichem Dung batten, oder wenn ſie in der Näbe 

rößerer Städte und an fhiffbaren Waſſerſtraßen 
agen; dies traf zumeift für die Kolonien zwiſchen 
Weſer und Elbe zu, die eine —— Kolonats⸗ 
größe ausgeſetzt erhalten hatten. Auch von den 
münjterihen Kolonien lint3 von der Em3 im Bour: 
tanger Moor, die [eh ohne jede fahrbare Verbin: 
dung waren, gedieben die gut angelegten (Rüten: 
brod, Twiſt u. a.) recht wohl, während die Hümm- 
lingstolonien rechts von der Ems, noch mehr aber 
die —— unter der Mittelloſigleit der Kolo⸗ 
nijten zu leiden hatten. — Seit 1870 bat auf An: 
regung des Miniſterialdireltors Marcard die preuß. 
Regierung viel für die Erjchließung der ojtfriejifchen 
und Emdmoore gethan, ebenſo die oldenb. Regierung 
ür die oldenb. Moore; eine große Reihe von Dloor: 
biffahrtstanälen find gebaut, und jo iſt in dieſer 

ihtung mwenigjtens ein Zuſtand geſchaffen, wie 
ihn die Moore rechtö von der Weſer, die nur ein un: 
ureihendes Kanalnetz aus dem 18. und dem An- 
* des 19. Jahrh. beſitzen, nicht haben. Die preuß. 

egierung laßt im Kehdinger Moor an der Elbe jo: 
wie im Steam und Wiejeder Moor ſudlich vom 
Ems: Fade: anal großartige zufammenbängende 








518 Fehn⸗ und Moorkolonien 
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“ Bezeihnung 3 5 s |r8- 

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I. Nordlich vom Emd-Jade-Ranal. 





A. Dentfdhe Fehntanäte. | 





1 | Berumer» oder Rorberfehnfanal . . . |1794 
Ubelig-Moorborfer Kanal... . . - 1872 
Io. Süblih vom Ems-Jabesftanal. 
GroßesfgchnsHanal . . 2.2.2...» 163 
Speyer Fehnkanal nebſt Bohbarger 
BREMER 66666 1746 
—— BB 25 sus 2. 1780 
llener 1639 
.. 1 SR RE 1660 
Stidelfamper — ea 1660 
— F 1647 
h * WERNAL-. = 1660 
rfingeehnlanal . .. : 2»... 1736 
III. RNordlich von der Leda. 
Norb-Weorgs-FFehnkanal mit Abzweig. |1R25 
Süd-Weorgssfehnfanal mit Abzweig. |1825 
Stilhaufer Fehnlanal ....... 1825 
Auguftefgehnlanal. . ».» 2. 2... 1841 
IV. Süblih von ber Leba, 
DOft:Rhaudersisehnfanal mit Abzweig. 1649 
Weſt⸗Rhauder⸗Fehnkanal mit Abzweig. 1649 
Berbindbungsta sur N 1649 
Holtersfgehntanal mit WVerbindungs- 
tanal nad) dem Kanal 17T ..... 1825 
V. Bapenburger Kanale. 
Vapenburger Stadtkanaaa 1631 
Bapenburger Hauptfanal mit Abzweig. — 
Splittinglanal . - +». 2.2220. — 
Börgerwaldlanal ..... - . 1868 
Buiammen 
B. Deutſche Hochmoor-⸗Schiff⸗ 
fahrtöfanäfe, 


VI Weftlih von der Emp. 


Kanal Haren-Rütenbrod. .. . . . . 
5 | Kanal Meppen«hoogeveen (projeftiert) 
Kanal Picarbie-fkoeverben. . . . . . 
Ems:Bedite-fanal (f.Emb) - .. . . 
Sid Rorbfanal .. 2». 2...2.. 


vo. Bwifden Ems und Beier. 
Ems-Zabe:ftanal (f.d.) . ». -»..» » 
untes&mdsftanal . -....... 
aaterlänbifcher Weſtlanal 


Norbloher Kanal . . 22 22.4 
Sriefogther Kanal -. . - . 22 2.. 


vIH. Zwiſchen Weſer und Eibe.* 
Hadeler Kanal zwiſchen Bederfefa und 
der Elbe bei Diternborf. . . . . . 
Bederlefar@ecfte-ftanal zwiſchen dem 
Kanal 36 und ber Geelte . . . . . 
Heiler Kanal von ber Kolonie Heife bit 
DREEES len 
Die in die Oſte münbenden Kanäle von | 
erg. Fahrendorf, Derel, Fre⸗ 
fenburg, Rieberochtenhauſen, Otten⸗ 





amme-Dfte-Stanal mit Geitenfanälen | 
fterholger Safenlanal zwiſchen der 
—— und dem —* olzet Hafen 
W — zwiſchen Tüſchendorf und 
——555 — 
St. Jurgen⸗Kanal zwiſchen der Hamme 
bei Moorhaufen und ber Wümme . 
Reu:St. Jürgenfanal 55 Neu ⸗ 


“0 
4 


4 


“ 
St. Jürgen und der Hamme ... 
Umbeds Fahrt zwiſchen Schlußborf und 
MHSIRE.. 0 en /a m. 

& | Semtenfahrt zw. Mbolfsdorf und Bremen | 


45 


nm we ww en .. — — — — — — — — — — 
ie “ww -o. ann Erd ———— -— um wo [3 
— — ——— — — —————— ———— ————————— nn — 





ER 
UtendesBollingen-Barfjeler Hanäle. . 


borf-Hdnau, Mebedorf (Mehetanal) . ' 


Kanal Rhede⸗Bell — (rojektiert) = 
1 


1872 


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erftandbiu. 


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Größte Tra 


” fähigkeit der Ehiffe 


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mund»-Ems-ftanal. 


Die Kanäle 3—1 
Verbindung mit 


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ruppe VII fie mit» 
tels eines D 
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et Ranal 30 dient 
—— 
Idet für alle 

Kanäle die B nad 


der Ems; burdy Bortreiben 
von Inwieken von 
17 wirb Gruppe V 
und dadu mit VII 
bunben werben. 


a2 
328 


B. Die Kanäle 24— 28 ver · 


bolländ. Hanalnep. 
Der Kanal 29 wird, wenn 
er bis Stanal 24 verlän- 


Fehrbellin 


NL 


—— 








Fehntkolonien und Fehnkanale in Dftfriesland und Oldenburg. 


Kolonien mit vorbereiteten Rolonaten berjtellen, die 
bannov. Brovinzialverwa bejegt im Groß: 
or, etwa am freuzungspuntt des Süd: 

td» und bed Meppen: Hoogeveen:Kanals, ein 
428 ha großes «Provinzialmoor», und ebenda wird 
das etwa 1800 ha große Schöninghämoor allmäb- 
lich ſyſtematiſch kultiviert. Im Provinzial und im 
Marcarbmoor find die Kolonien — * 
men 59) je 10 ha groß und verzinſen ihr Anlagelapi⸗ 
tal 1—3 Freijahren mit 3—4 Proz. Die vom 
Baftor Eronemeyer zu Bremerhaven gegründete, 
bei Loxſtedt gelegene 77 ha große Kolonie Friedrich⸗ 
Wilhelmsdorf bat bis jest ebenfalls gute Erfolge 


aufzumeifen. Sie wird nad Anleitung der Bremer 
Moorverſuchsſtation, welche jelbit eine 15 ha große 
Verfuhswirtihaft dicht am «Brovinzialmoor» eins 
gerichtet hat, bewirtſchaftet. Bis vor furzem befaßen 
nur Holland und Deutſchland eigentlihe F. u. M.; 
doch geht man feit einigen Jahren auch in Dfter: 
reih, Dänemarl, Schweden, Norwegen ſowie auch 
in Frankreich mit der Gründung von Moorlolonien 
vor. — Bol. die Litteratur unter Moorkultur. 
Sehrbellin, Stadt im Kreis Dithavelland des 
preuß. Reg.:Bez. Potsdam, 13 km im ©. von Neu- 
ruppin, an dem vom Rhin durchflofienen havelländ. 
Zub und an der Baulinenaue: Neuruppiner Eifens 


520 Fehrücken 


bahn (Nebenbahn), bildet mit der Kolonie F. und 
dem Dorfe Feldberg, wo die evang. Pfarrkirche 
fe befindet, eine Kirchengemeinde, iſt Sitz eines 
mtögeriht3 (Landgeriht Neuruppin) und bat 
(1900) 1602 €., darunter 67 Katholiken und 8 Is⸗ 
raeliten, (1905) 1939 E., Poſt, Telegrapb; Torf: 
gräbereien, Fabrifation von Holzpantoffeln. 

F. tft befannt dur den Sieg des Großen Kur: 
fürjten über die Schweden unter MWrangel 28. 
(18.) Juni 1675. Ein 15 000 Mann ftartes ſchwed. 
Heer jtand jeit 1674 in Brandenburg, gegen das 
der Große Kurfürft 5. Juni aus Franken mit 8500 
Mann Fußvolk und6500 Reitern heranzog; 21. Juni 
erreichte er Magdeburg. Die Schweden hatten ſchon 
Havelberg, Rathenow und Brandenbura genommen, 
auch Spandau angegriffen; der Kurfürſt beſchloß 
ie unverzüglich anzugreifen, zog vor Natbenom, er: 
türmte die nur ſchwach bejekte Stadt am 25. und 

ejegte aud Brandenburg. Als dieSchmeben darauf 
binter dem aropen Sud) über 5. nad Havelberg 
zurüdgingen, folgte der Kurfürft, erreichte 26. Juni 
Barnewis, nahm am 27. Nauen und ließ durch den 
mit 120 Reitern auf Nebenmwegen nad F. vorge 
jendeten Oberjtleutnant Hennigs die dortige Brüde 
im Rüden der Schweden zeritören. Den Schlüſſel 
der brandenb. Stellung bildeten die Sandhügel bei 
dem Dorfe Hatenberg, zwiſchen F. und dem 9 km 
entfernten Dorfe Linum (f.d.). Am 28. erreichte die 
brandenb. Vorhut unter dem Prinzen von Hom: 
burg bei Zagesanbruh die Schweden. Wrangel 
ftellte fein 10000 Mann (darunter 4200 Reiter) 
und 38 Gejhüse ſtarkes Heer bei Linum auf, ging 
jedob in die Stellung von Halenberg zurüd und 
wurde von der beim ichtenhügel aufgefabrenen 
brandenb. Artillerie heftig in der rechten Flanke 
beſchoſſen. Ein gegen den Fichtenhügel unternom: 
mener Angriff der Schweden ſcheiterte an dem per: 
jönlihen Eingreifen des Kurfürften, der nun die 
ganze Reiterei von diefem Punkte aus zum Angriff 
vorgeben ließ, worauf Wrangel gegen 10 Ubr vor: 
mittags ben ans antrat, den die Brandenburger 
in der Flanke begleiteten. Die ſchwed. Gejhüke ant⸗ 
worteten, und bierbei zerfchmetterte eine ſchwed. 
Kanonenkugel dem neben feinem Herrn reitenden 
Stallmeijter von Froben (f. d.) das rechte Knie. Die 
Verfolgung der Schweden murde eingeitellt, als dieſe 
F erreicht hatten; 29. Juni wurde F. beſetzt. Die 

randenburger verloren in der Schlaht und bei 
der Verfolgung gegen 500 Mann. 

Bei Linum wurde 1800 auf einer Anböbe von 
dem Domberrn von Rochow auf Relabne ein Dent: 
mal errichtet mit der ge «Hier legten die 
braven Brandenburger den Grund zu Preußens 
Größe»; 1857 errichtete der Kriegerverein des Havel: 
landes auf dem Schlachtfelde ſelbſt ein zweites 
Dentmal; 1879 wurde bei Halenberg ein drittes 
Denkmal (turmartige Säule mit einer Victoria) und 
18. Oft. 1902 auf dem Kanonenberge bei F. ein 
Bronzeftandbild des Großen Kurfürften enthüllt. — 
Dal. Schottmüller, Fehrbellin (Berl. 1875); von 
Wisleben und Haflel, yehrbellin (ebd. 1875); Sello, 
Fehrbellin (in der «Deutſchen Zeitihrift für Ge: 
chichtswiſſenſchaft⸗, Jahrg. 1892, Freib. i. Br.). 


ehrüden, Fehwamme, Fellteile des Eid: 
iertage, . Seittage. _ [börndens, f. Feb. 


eifelgeichtwulft, Tierkrankheit, ſ. Mumps. 
igbohne, ſ. Lupine. 
eige (Ficus) oder Feigenbaum, Pflanzen: 
gattung aus der Familie der Urticaceen (f.d.), deren 


— Feige 


zahlreiche Arten, lauter Holzgewächſe teild mäd- 
tige, mittelgroße oder unanjebnlihe Bäume, teile 
Sträucher und Kletterpflanzen, in der tropiicen 
und in der warmen gemäßigten Zone beider Halb: 
tugeln einbeimifh find. Sie enthalten einen mei: 
ben, an Kautſchuk reihen Milchſaft, haben abwech⸗ 
jelnde, gewöhnlich immergrüne, ganzrandige oder 
bandförmig gelappte Blätter. Die Blüten find jebr 
Hein und ſtehen dicht beifammen in der innern 
Höhlung eigentümlih geformter fleifhiger Blüten: 
ftände, die, meijt mehr oder weniger geftielt, einzeln 
oder paarmweife in den Blattadhjeln, oder aber zu 
mehrern aus den an ältern Zweigen und Stämmen 
befindlichen Blütenpolitern entjteben oder aud an 
bejondern blattlofen Zweigen oder Zug men 
wachſen. Die nur durch eine Heine durch Schuppen 
veriperrte Öffnung am obern Ende mit der Luft in 
Verbindung jtebende Höhlung der kugeligen, bim: 
förmigen oder halb freifelförmigen Blütenjtände (Re- 
ceptacula) ift umgeben von zablloien, ee kleinen 
und einfach gebildeten eingeſchlechtigen Blüten. Die 
wenigen männlichen Blüten jteben in dem boblen 
Blütenträger zu oberft, die weiblihen und Gall: 
blüten nehmen den übrigen Teil des Receptaculums 
ein. Nach dem Berblüben wirb der Blütenträger zur 
fog. Feigenfrudt (ſ. d.). Aus dem Fruchtknoten ent: 
ftebt ein ſehr Eleines, einfamiges Nüßchen. 

Die wichtigfte Art der Gattung ift der gemeine 
fyeigenbaum, Ficus carica L. (}. Tafel: Urti: 
cinen J, Fig. 2). Dieſer im Orient urfprünglid 
einheimiſche Baum findet fi gegenwärtig wild oder 
vermwildert in allen Mittelmeerländern, mo er meift 
ftraucdartig oder als Heiner, rummftämmiger Baum 
inHeden, an Waldrändern und Felſen vorlommt und 
nurfleine,ungenießbare Frücdteträgt. Dagegen wird 
der kultivierte Feigenbaum in Südeuropa und allen 
wärmern Ländern bei gehöriger Pflege zu einem, wenn 
auch nicht hohen, aber wegen jeiner breitäftigen, ma: 
leriih aeformten und ſchön belaubten Krone jtatt: 
lihen Baum. Die Rinde ift weißgrau, die Zweige 
find behaart, die Blätter berzförmig und drei⸗ bie 
fünflappig,iböngrün, aberibarfbaarig. Die Fruchte 
find zulegt birnförmig oder kugelia, jebr verſchieden 
an Öröße, Form und Färbung der Haut wie des 

leiſches, denn es giebt von diejem feit den älteften 

eiten kultivierten Baume zablloje Abarten, Spiel: 
arten und Varietäten. Die gemeine zit im reifen 
Zuftande außen purpurblau und fein bereift, innen 
grünlichweiß. Ferner giebt eö Heine weiße und Feine 
arünlichgelbe 5. mit rotem Fleiſch. Die große, weiße 
Genueſer FF. ift fugelig mit bünnem Stiel, außen 
weiß, innen rot. Dieje und die F. von Savoven 
nelten für die beften. Die F. der Yevante oder die 
Smoyrnaer $. find gleichfalls ſehr geihäst und 
fommen getrodnet in den Handel. — 

Berühmt iſt ſeit alten Zeiten die Kaprifikation 
der 5. Es giebt nämlich eine Heine Gallmeipe, die 
Heigengatlmeine (Blastophaga ssorum 

av.), die die W. des wildwachſenden Baums an: 
ftiht, um ihre Gier bineinzulegen. Infolge davon 
wird bie wilde %. viel größer und faftiger, auch zuder: 
reicher, als es fonft der Fall jein würde. Schon im 
Altertum bing man deshalb angeftochene wilde F. an 
die Zweige der angebauten TFeigenbäume, um deren 
Früchte durch die ausfchlüpfenden Weſpchen eben: 
falls anſtechen zu laſſen, ein Verfahren, das noch 
jegt in vielen Gegenden des Mittelmeergebietes 
angewendet und Kaprifilation genannt wird, meil 
der wilde fFeigenbaum caprificus, d. i. Geißfeige, 


Feigenbaum — Teil 


dieß. Viele Feigenforten werden indes ohne Ka: 
prinlation ebenſo jaftig. i 
ie Rultur des Feigenbaums bildet in den 
wärmern Ländern einen gepr wichtigen Zweig ber 
Dbftbaumzucht, denn die Feigenfrucht ift dort nicht 
allein ein allgemein beliebtes Obſt, ſondern aud 
ein jebr —— Handelsartilel. Der Baum 
macht wenig Anſprüche an den Boden, verlangt 
aber viel Wärme (nnige Lage), Licht und Wafler 
und eine jorgjame — beſonders hinſichtlich des 
Schnittes. En Deutihland wird er meiſt ald Topf: 
ewächs behandelt und muß in einem frojtfreien 
—* oder im Kalthaus übermwintert, oder wenn 
man ihn in ge üster Lage im freien Sande ſtehen 

t, gut in Stroh eingepadt, noch beſſer mit Bretter: 

ften, die eine Yaubumbüllung erhalten, umgeben 
werden. In großen Dbfttreibereien wird er auch 
an Spalieren in Gewächshäuſern oder Mauern 
obne Heizung kultiviert. Die getrodneten %. kommen 
entweder an Schnüre gereibt (Rranzfeigen, Wert 
etwa 50 M. für 100 kg) oder in runde Schadhteln 

Trommel: oder Kalamatafeigen) oder in 

ifthen verpadt (3. B. die Malagafeigen) in 
den Handel und werden ald Defiert und zu arznei« 
lihen Zweden verwendet. Zu legtern nimmt man ge: 
wohnlich die —— en, welche aus geringern, dick⸗ 
ſchaligen Sorten ri Haupthandelsplag für 
3. ift Trieft. Man braudt die getrodneten F. un: 
präpariert oder in Milch gekocht ald erweichendes 
und tüblendes Mittel bei entzündlichen Geſchwulſten 
Zahngeſchwuren u. f. w.), Entzündung der At- 
mungsorgane, namentlid der Kinder u. f. m., ge: 
röftet au als Feigentaffee (f. d.). Der Feigen: 
täjfe aus Spanien und der Feigenkuchen aus 
Griehenland find in Käſe- oder Kuchenform mit 
Kräutern und Gewürzen zufammengepreßte F. 

Zu der nämlichen Gattung gehören einige in ihrer 
Bahstumsweife dem Epheu fih anſchließende Ar: 
ten Chinas, nämlich Ficus pumila L., ein ſtark ver: 
amt Strauch mit immergrünen ovalen oder ellip: 

hen Blättern, der, gegen eine Mauer gepflanzt, 
dieje bald mit einem dichten Netze von Zweigen und 
Laubwerk überziebt, und Ficus villosa BI., von jener 
durch berzförmige, größere und ſchönere Blätter 
unterjhieden. Beide werben in Gewächshäuſern an: 

anzt, um Mauerwände und Felſen zu befleiden. 

wird auch ald Ampelpflanze verwendet. 

on den übrigen Ficusarten jind noch erwahnens⸗ 
wert die Sylomore (f.d.) und ber in Dftindien ein: 
beimifche, in Europa als Zimmerpflanze beliebte 
Gummibaum,Ficuselastica L.(j.Summibaum). 
Aus feinem Milchfafte wird der in Mengen in den 
Handel lommende Aſſamlautſchuk gewonnen, ebenſo 
dienen andere Arten Sudaſiens, Amerikas und Afri⸗ 
las zur Kautſchulgewinnung. Ferner liefert der den 
Indien heilige Gögenbaum oder Pipul, Ficus 
religiosa L., Gummilad oder Schellad (j.d.). Die 
foa.Banianbäume (Banianen), z. B. Ficus ben- 
plenss L. (Borderindien), benjamina L. (Ma: 
ſcher Archipel) und utusa L. (Hinterindien und 
Sudchina) zeichnen ſich dadurch aus, daß aus den 
ten zahlreiche Luftwurzeln entjteben, die in die 
Erde eindringen und nun als jäulenförmige Stügen 
die mãchtig auögebreitete Zaubtrone tragen, fo daß 
allmählich aus einem Eremplare eine ganze Gruppe, 
ein Meiner Wald bervorgebt, der eine gemeinichaft: 
lie Belaubung befißt; fie werben deshalb viel auf 
ofienen Blägen und in Alleen gepflanzt. Sie gehören 
ju den jog. Würg: oder Mörderfeigen, die, in 


521 


Aitwinteln anderer Bäumeleimend, diefepäterdurd 
Umfchnüren zum Abfterben bringen und dann jelb: 
ftändige Bäume bilden. — Vgl. von Solms:Laubadh, 
Die Herkunft, Domeftitation und Verbreitung des 
gewöhnlichen Feigenbaums (Gött. 1882); Ring, The 
species of Ficus of the indo-malayan and chinese 
countries (Raltutta 1888). 
ie ige und Tafel: Urticinen], 
eigenbdiftel, |. Opuntia. (dig. 2. 
eigeneisblume, j. Mesembryanthemum. 
eigenfrucht. Dieje De die Gattung Ficus 
(f. Feige) charalteriſtiſche chtform entjtebt aus 
einem gemeinfamen Blütenboden, der krugfürmig 
nad oben und am Scheitel einwärtö gebogen und 
bier durch Schuppen verſchloſſen ift. (S. die Tert: 
abbildung zum Artifel Urticaceen.) An der innern 
Wand des hohlen Blutenkrugs, der zur fleiſchigen 
N 2 auswädt, ftehen die Blüten, jpäter die 
rühthen (Nübchen). Die F. gehört in die Kate: 
gorie der Scheinfrüchte (f. Frucht). 
gengaiweine, . Feige. 
eigenfaffee, Kaffeezuſaß, der aus getrodneten, 
in Stüde zerjchnittenen und wie die Kaffeebohnen 
braun geröjteten Feigen bergeitellt wird, Man mablt 
oder jtößt die geröfteten Feigen zu Pulver und fegt 
ein wenig dem gemahlenen Kaffee zu. 
igenfaftus I Opuntia. j 
eigenfäfe, Fe — ſ. Feige. 
igenwurz, ſ. Ranunculus. 
eigheit, die Reigung, ſein Handeln durch Furcht 
beſtimmen zu laſſen. Die militäriſche F. it die 
Verlegung einer militär. Dienſtpflicht aus Furcht vor 
erfönlicer Gefahr. Wer während des Gefechts aus 
. die Flucht ergreift und gleichzeitig (einen oder 
mehrere) Kameraden dur Wort oder Zeichen zur 
Flucht verleitet, wird mit dem Tode beftraft. 
— oder Kondylome, gewiſſe krank⸗ 
hafte Wucherungen der obern Hautſchichten und ge: 
wiſſer Schleimhautpartien, welche ſich als begrenzte, 
d flache, bald warzenförmige, bald — 
(hahnenlammförmige) Erhebungen darſtellen, aui 
deren Oberfläche ſich eine Feuchtigleit abſondert. 
Man unterſcheidet zwei ganz verſchiedene, jchari 
voneinander zu jondernde Arten von .: 1) S pipe 
oder gemöhnlihe Kondylome (Condyloma acu- 
minatum), Aluminaten, mwarzenförmige, meijt 
geitielt auffigende Wucherungen ber Haut, melde 
dur den andauernden Reiz ſcharfer blennorrhoi: 
ber Sefrete (bei Weißen Fluß, chroniſcher Rubr, 
ripper u. |. —* der Umgebung der —— 
und weiblichen Genitalien und des Afters entſtehen 
und in der Regel bei fleißiger Reinigung der be— 
treffenden Teile und Anwendung von zuſammen— 
iebenden und audtrodnenden Mitteln (Mlaun, 
annin, Salicylkollodium u. a.) von ſelbſt wieder 
verſchwinden, oder mit der Schere oder mittels des 
Galvanokauter abgetragen werden; 2) Breite 
Kondylome (Condyloma latum), breite, flache, 
meijt rundliche, leicht in VBerfhwärung übergebende 
Erhebungen der Haut und der Mundſchleimhaut (im 
legtern Fall auch Schleimpapeln, Plaques mu- 
queuses, genannt), die ein Symptom der koniti: 
tutionellen Syphilis (f. d.) find, durch Anftedung 
ehr leicht übertragen werden und nur durch energi: 
he Behandlung des Grundleidens entfernt werben 
igwurz, |. Ranunculus. (können. 
eijenoord, Maasinſel, f. Rotterdam, 
eil, verläuflib von Saden, aud unbemweg: ° 
lihen. Schon das gewerbsmäßige Feilbalten von 


522 


Begenftänden, welche einem andern patentiert find, 
oder für welche ein anderer ein Gebrauchdmufter 
bat eintragen laflen, ift ohne defien Genehmigung 
nad dem Deutichen — ——— $. 4 und dem Ge: 
feß vom 1. Juni 1891, $.4, verboten. Die Feilbal: 
tung von Sprengftoffen ohne polizeilibhe Genebmi- 
gung wird nad dem Geje vom 9. Juni 1884, $.9, 
mit gg ey von 3 Monaten bis zu 2 Jahren 
beftraft. Wer bei der Feilbaltung von Giftwaren, 
Arzneien, Schiefpulver oder von Feuerwerken die 
deshalb ergangenen Verordnungen nicht hg 
wird mit eloftrafe bis zu 150 M. oder Haft be: 
Bar (Straf un $. 367, Nr. 5). über öffentliche 
Feilbietung 1. Auftion. 

eilding, engl. Familie, ſ. Desmond. 

eile, ein Werkzeug, das an feiner Oberfläche 
mit zablreihen feinen Zähnen beſetzt ift und dazu 
dient, Metall: und Holzflähen durch Abnehmen 
dünner Späne zu bearbeiten. Die F. werden aus 
dem vorzüglichiten Stahl gefertigt; nur ſehr grobe F. 
befigen einen Eifentern mit aufgeſchweißtem Stabl. 

Die erfte Arbeit bei Anfertigung der F. iſt das 
Schmieden, wodurd fie ihre äußere Form erbalten. 
Alsdann werden fie geicliffen, und hierauf folgt 
die wichtiafte Arbeit, die Bildung der Zähne. Man 
ftellt die Zähne durch Reiben paralleler Einſchnitte 
ber, die dur Meißelhiebe gegen die Oberfläche der 

. gebildet werden. Su infchnitte werben ber 
Sieh, die Arbeit der Heritellung wird das Hauen 
der F. genannt. Cine —— F. befist nur 
eine Reibe ſolcher querdurdlaufenden Hiebe, welde, 
wenn man die 5. quer vor ſich hinlegt, von oben links 
nah unten rechts laufen unter einem Winfel von 
ungefähr 70° gegen die Mittellinie der 5. Derartige 

.„, deren Zähne die ganze Breite der F. einnehmen, 
ind nur zur Bearbeitung ganz mweider Metalle 

rauchbar und werden deshalb auch Zinnfeilen 

enannt. Die meijten F. find — —— d.h. 
ihre Zähne werden burd zwei Reiben ſich kreuzen⸗ 
der Hiebe gebildet, von welchen der zuerſt bergeitellte 
Unterbieb von rechts oben nad links unten unter 
einem Winfel von 52° gegen die Mittellinie ges 
richtet ift, während der Oberhieb oder Kreuzhieb 
von links oben nad unten rechtö läuft und einen 
Winkel von 70° gegen die Mittellinie einſchließt. 
Der Oberhieb bildet die eigentlihen Zähne; dur 
den Unterbieb werben die fonjt breiten Zähne in 
zahlreiche ſchmälere zerlegt. 

Das Hauen der F. —* in lleinern Werkſtätten 
von Hand mit Meike und Hammer, in größern 
bisweilen durch Feilenhaumaſchinen, obgleich 
dieje auch im Großbetriebe no nicht im ſtande ges 
wejen * die Handarbeit völlig zu verdrängen. 
Je nach der beabſichtigten Verwendung der F. ſind 
die Hiebe mehr oder weniger tief und näher oder 
weiter voneinander angebracht. Je großer die Zähne 
find und je größer der Abſtand der Zahnreihen von— 
einander ift, deſto ftärlere Späne wird die F. von 
der zu bearbeitenden Fläche abnehmen, während 
umgeltebrt feine Zähne und enge Zabnreiben vie 
Abnahme feiner Späne bedingen. Die Bearbeitung 
einer Fläche mit der F. pflegt daber in der Weiſe zu 
erfolgen, dab man zuerjt grob gebauene, dann & 
von mittelfeinem Hieb, und endlich, wenn die zu bes 
arbeitende Fläche ſehr genau und fein gehauen fein 
muß, eine %. mit ganz feinem Hiebe anwendet. Nach 
der Größe und dem Abitande der Zähne voneinander 
ar man den F. verſchiedene Namen. Die gröbiten 
eiben Armfeilen und Strobfeilen; die mittel: 


Feilding — Feile 


feinen Bajtard: oder VBorfeilen; die ganz feinen 
An eilen (mit den Abftufungen Halb» 
chlicht, Shliht und Doppelſchlicht). Eine 
harfe Grenze zwiſchen den einzelnen Hiebjorten zu 
ziehen ijt nicht möglich, weil die Art des Hiebes auch 
wieder von der Länge der F. abhängig iſt. 
eine F. von 500 mm Länge (ohne Angel) ſchon 
den Sclichtfeilen gezählt zu werden pflegt, wenn 
60 Oberbiebeinfhnitte auf 25 mm Länge befißt, be: 
darf eine nur 100 mm lange F. faft der doppelten 
Anzahl Einſchnitte, um ald Schlichtfeile, und etwa 
200 Einſchnitte auf der gleihen Länge, um als Fein: 
ſchlichtfeile gelten zu Lönnen. . 

Deutlicher ald dur die Art des Hiebes werben 
die Sorten durd die Verſchiedenheit der Querſchnitts⸗ 
—— gelennzeichnet. F. mit quadratiſchem Quer⸗ 
chnitt, auf allen vier Seiten gehauen, beißen Vier: 
tantfeilen (j. nachſtehende Fig. 1a, b). Zu dieſer 
Sorte gehören die ſchon erwähnten Urmfeilen die 
—— aller JF. 300—600 mm „in der Mitte 

—50 mm im Quadrat haltend, nad beiden Enden 
bin verjüngt und vorn in eine Spike auslaufend; 
auch Baftard: und Schlichtfeilen von diefer F 
und bis zu 75 mm Länge abwärts find in Gebraud. 
F. mit rehtedigem Querſchnitt, auf einer ſchmalen 
und beiden breiten Seiten gebauen, die zweite 
chmale Seite glatt, beißen flabe F., Anjas:, 

and: oder an en (fig. 2a, b), fie 
find so. gebaudt und faft in der ganzen Länge 
gleich breit. Die meiften dieſer F. Ad Baſtard⸗ 
und gg von 75 bi8 400 mm Länge. Eine 
andere Art der flahen 5. find die Spißfeilen, 
von baudiger F und vorn in eine Spitze aus⸗ 
laufend. Sie find_auf allen vier Seiten gehauen. 
Dreiedige oder ——— haben gleid- 
feitig-breiedigen Querſchnitt (Fig. 2c), Hieb auf 
allen drei Flächen und laufen vorn ſpitz zu; fie lom⸗ 
men vorwiegend als Baſtard⸗ und Schlichtfeilen in 
Heinen Größen vor, biöweilen werden jedoch auch 

rößere breiedige —— — i 
5 mit ſchmalen gebrodenen Kanten und einbiebig 
gehauen (Fig. 2d) heißen Sägefeilen und dienen 
zum Schärfen der Sägeblätter. Halbrunde F. 


Die 2e) haben, wie 
ihr Name andeutet, 
einen balbrunden Pan 
Querſchnitt von der b 
orm eines Kreis⸗ 
abjchnitts; beide V 
—— dieſer F. ſind — 
gehauen, vorn endi⸗ a 
gareh eine u 3 v 
ine halbrunde F., * b 
bei denen nur die = 
Node —239 
iſt, heißen Wälzfei⸗ > 
len; fte dienen den ie x 
Ubrmadern und | \® 
Feinmedanilernzur nd 
Abrundung der 
Zähne Heiner Zahn⸗ gig. ı. ig. 2. Fig. 3. 


räder, F. mit den in £ 

gie. 2f und g dargeftellten Duerjbnitten nennt man 
2 DOC INEGEN, Die runden F., Rundfeilen 
(Fig. 3), haben freisförmigen Querſchnitt, in 
der Mitte gebaudt und vorn jpig. Der Hieb iſt, 
wie auf der gelrümmten Fläche der ba 
nur aus einzelnen kurzen Einſchnitten zujammen: 
geſetzt und bei —— nur einhiebig. Große 


Feilenhauer — Feime 


Aundfeilen (Strobfeilen) find jeltener; ganz Heine 
merden Rattenſchwänze genannt. Alle andern 
Sorten der F. dienen Sonderzweden und finden 
nur bejhräntte Verwendung. 3. B. Meſſer— 
teilen, mit mefjerartigem Querſchnitt, dünn und 
teilförmig, zur Erzeugung ſchmaler Einſchnitte; 
Shmeiffeilen mit_trapezförmigem Duerjchnitt, 
zum Schmweifen von Schlüfjellähern; Badenfei- 
‚en mit Längsfurchen und einfahem, querliegen- 
dem Hieb, zum no. der ald Verzierung an 
den Metallbaden der Mefjerichalen dienenden Quer: 
jurhen; Liegefeilen, breite flahe F. ohne Heft, 
auf welchen von Gold: und Silberarbeitern Heine 
Arbeitäftüde mit der Hand bin und ber geführt 
werden. Napdelfeilen und Riffelfeilen find 
eiierne F., die ſich beliebig biegen laſſen müſſen, 
um ſchwer zugänglihe Stellen des Arbeitsftüds 
bearbeiten zu können. , 
An das Hauen der F. reibt ſich als legte Arbeit 
das Härten, welches ganz beſondere a er: 
heiſcht, damit Die F. ſich nicht verziehe oder fpringe. 
Die Angel der F. wird nach dem Härten mit dem 
glühend gemadten Maule einer Schmiedezange 
erfaßt und bis zur blauen Anlauffarbe erwärmt, 
um auf diefe Weiſe ihrer Spröbigfeit beraubt und 
vor dem fpätern Abbrechen gejchüßt zu werben; die 
3. felbft wird nicht angelafjen. Iſt die F. ftumpf ge 
worden, jo wird fie ausgeglübt, abgeſchliffen, ap 
neue aufgehauen und gehärtet, bi fie zu dünn iſt, 
um ein neues Aufhauen zu ertragen. 
drüber wurden die beiten F. in England, na: 
mentlid in Lancaſhire (3. B. Warringten, unfern 
Liverpool) —— die größte Menge engliſcher F. 
lommt aus Sheffield. Die F. aus Remſcheid, Yüden: 
ſcheid, Hagen u. f. w. ftehen den engliſchen 3. ganz 
gleih. — Vol. Wildner, Handbuch der Feilenktunde 
Duſſeld. 1885), und die Zeitichrift « Mefler und 
Feile⸗ (Ludwigshafen 1894 fg.). 
enhauer, Arbeiter, deilen Gewerbe das 
Hauen der Feilen ift (f. Feile). 
ilenhaumaſchinen, ſ. Seile. 
Feilenmuſchel (Lima), eine Muſchelgattun 
mit gleichllappiger, ſchrägeirunder Schale, die meiſt 
Trend ni und gerippt ift und auf den Rippen 
bisweilen noch feine Zähnden trägt, felten aber 
glatt erſcheint; das Schloß iſt zahnlos. Der Fuß 
üt gering entwidelt, die Tiere J——— wie die 
Kammmufcheln (f. d.), mit denen fie auch nahe 
verwandt find, und bejigen gleichfalld am Mantel: 
rande Augen. Man kennt etwa 20 lebende Arten, 
von denen eirıe au in der Rordſee vorkommt, 
und über 200 ausgejtorbene, melde zuerit in ber 
oben Steinloblenjormation auftreten. (S. Tafel: 
Beidtiere II, fig. 6.) ” 
Feiligfch, Mar, Graf von, bayr. Minifter, geb. 
12. Aug. 1834 in Trogen bei Hof, wurde 1862 
Bezirlsamtsaſſeſſor in Neuftadt a. d. Aiſch. 1865 
trat er als Sekretär in das Minifterium bes Innern, 
wurde 1866 Regierungdrat und 1872 Oberregie— 
tungärat, 1873 Direktor der Polizeidireftion Mün: 
hen, 1876 Regierungsdireftor und 1877 Polizei: 
fident, 1879 Präfident der Regierung von Ober: 
ei und mar vom Juni 1881 bis April 1907 
Staatäminifter des Innern. Im Aug. 1904 wurde 
er zum Grafen ernannt. Auf landwirtſchaftlichem 
Gebiete find feiner Anregung die Geſetze über Flur: 
bereinigung, über e 
g, einer Zandestultur:Rentenanitalt 


Errichtung einer ſtaatlich geleiteten 
* über Körung der Zuchtſtiere u. |. w. zu danken. 


523 


Feilfloben, ein —— zum Einſpannen und 
Feſthalten Heiner Arbeitsſtüde, in feiner Wirtungss 
weiſe dem Schraubjtode (f. d.) äbn: 
lich, aber nicht, wie er ur Be 
Ent am Arbeitätij eben, 
ondern mit der Hand zu halten, um 
ein Dreben und Wenden der Arbeits: 
ftüde beim Befeilen, Löten u. ſ. m. zu 
ermöglihen. Schloſſer, Uhrmacher, 
Mechaniker benuhen den F. vielfach 
ſJ. —— Das Zujammen: 
chrauben der Baden, die für gewöhn⸗ 
ich durch eine Feder auseinanderge— 
balten werben, geſchieht durch eine 
Flügelmutter. (5. auch Reiflloben.) 
geimelgi . Schraubjtod. 





eilmafchine, ſ. Shapingmajdine. _ 
Feime, Feim, Feimen, auh Schober, 
Dieme, Diemen, Trifte, die geſchichteten 





Haufen von Getreide, Stroh oder Heu im Freien 
(1. Fig. 1u.2). Weſentlich bei der Errichtung find: 
Glei abge Aufbau, Schuß vor der Witterung 
durd feſte Schichtung und fihere® Dad, Bewah⸗ 
rung vor Mäufen, Inſelten u. ſ. w. durd einen paf: 
enden Unterbau, und joldye Größe, daß die einmal 
angebrochene F. auch rajch hinweggenommen werben 
fann. Am weiteſten ift man im 
imenbau in England, wo ſämt⸗ 
iches Getreide, Stroh und Heu 
in 5. aufbewahrt wird, entweder 
im freien Felde oder in einem an 
die Wirtihaftögebäude angren- 
enden Feimenhof. Die englijchen 
. find zum Schuße gegen von un: 1: 
ten eindringende Näfle oder Tiere — 
auf einem —36 errichtet, welcher aus einem 
franzartigen Mauerwerte (Fig. 3) oder einem eiſer⸗ 





Fig. 4. 
nen, mit Füßen verſehenen Geſtelle beſteht (ig 


4). 
Die holländischen F. beiteben aus einem ſechsedigen 
Stangengerüjt mit auf und ab bemegbarem Bretter: 
dab Feldſcheunen, Fig.5). Der Vorteil folder 
Getreiveaufbewahrung, die dur Lolomobilen einen 


524 


ſchnellen Ausdruſch der F. an Drt und Stelle ge: 
ftattet und die in Deutſchland fi immer mehr ver: 
breitet, bejteht in der weſentlichen Verringerung bes 








landwirtſchaftlichen Baufapitald, wogegen ein Nach⸗ 
teil die Wertverminderung namentlich des Strobes 
als Futter ift. — Bol. Ehubert, Diemenihuppen 
und Feldſcheunen (Lpz. 1900). 
ein, in Beziehung auf die Gold: und Silber⸗ 
miſchungen der techniſche Ausdrud für rein. Da 
Gold und Silber nur mit einem Zufaß unebler 
Metalle verarbeitet werden, jo unterſcheidet man 
bei den aus ihnen bergeftellten Münzen, Barren, 
Geräten und ——— mit Beziehung auf den 
Stoffgehalt den Anteil an Edelmetall und an Zuſatz 
oder Legierung. Der erſtere wird die Feinheit 
oder der Feingehalt genannt und in den meiſten 
Ländern jetzt in Tauſendteilen ausgebrüdt. Ein 
Gold» oder Silberfabrifat ift 3. B. 750 Taufendteile 
«fein», wenn die Gewichtsmenge des in ihm entbal: 
tenen Edelmetalls — 8— oder drei Viertel des 
Ganzen beträgt. Während die Feinheit ſonach ein 
Relatives, ein Bruchverhältnis iſt, bedeutet Fein» 
— die abſolute Menge des in einem einzelnen 
elmetallgegenftande enthaltenen Goldes ober 
Silber; fo iſt 3. B. das Feingewicht des deutſchen 
20: Martftüds 7,185 g. Die Feinheit der Münzen 
wird auch deren Korn genannt; einige wandten 
jedoch früher dieje Bezeichnung für das Feingewicht 
an (was mit der urjprünglicen Abwägung der Mun⸗ 
zen mit Gerftenlörnern zujammenbängt). rüber 
nannte man in Deutichland die Zeinheit beim Golde 
9— wohl hp Wk beim Silber Lötigleit, 
weil man ſich zur Beitimmung derjelben der Teils 
größender Munzgewichtseinheit, ver Mart, bediente, 
welche für Gold in 24 Karat & 12 Gran, für Silber 
in 16 £ot & 18 Gran, für beide Metalle alfo in 
288 Gran geteilt wurde. Feines Gold war daher 
24taratig, feineö Silber 16lötig. Diefe Art der Fein⸗ 
beitöbezeihnung nannte man aud das Probier: 
ewicht (j.d.); wie man heute noch bei Gold: und 
ilberbarren und »@erätichaften ftatt von der Sein: 
beit von der Brobe derjelben fpridt. Dem Fein—⸗ 
gewicht gegenüber fteht dad Raub: oder Brutto: 
ewicht, bei ven Münzen gewöhnlich Schrot genannt 
& Schrot und Korn, Münze). Über die entiprechen: 
den reichsgeſetzlichen Vorſchriften ſ. Goldwaren. 
Fein, Eduard, Juriſt, geb. 22. Sept. 1813 zu 
Braunjchweig, ftudierte die Rechtswiſſenſchaft in 
Heidelberg, wurde 1834 Advolat in feiner Vater: 
ſtadt, 1844 ord. Brofejjor des röm. Rechts in Zürich, 
1845 in Jena, 1852 in Tübingen. Er jtarb 28, Dit. 
1858 in der Nähe von Eisleben. Unter feinen 
Schriften find hervorzuheben: «Das Hecht der Kol: 
lation» (Heibelb. 1842), «Beiträge zur Lehre von 


Fein — Feinprobe 


der Novation und Delegation» (Jena 1850), «Das 
Recht der Kodicille» (in Glücks «Erläuterung ber 
Banvelten», TL. 44 u. 45, Erlangen 1851—53). 
inblau, |. Anilinfarben. 
einbreumen, j. Silber — 
eindliche —— gegen befreun: 
bete Staaten werben ebenfo wie in ben meiften 
modernen Strafgefeßgebungen aud in Abichnitt 4 
des 2. Teils des Deutihen Strafgeſetzbuchs unter 
Strafe geftellt, wobei in der Regel unter befreun: 
beten Staäten alle diejenigen verftanden werden, 
mit denen fich der betrefiende Staat nicht im Kriegs: 
zuftande befindet. Ein Deutſcher, welcher im Inlande 
oder Auslande, oder ein Ausländer, weldyer wäh: 
rend feines Aufenthalts im Inlande gegen einen nicht 
zum ei up Reiche gehörigen Staat, mit welchem 
die Gegenfeitigleit verbürgt iſt, oder deſſen Landes: 
bern eine Handlung vornimmt, welde, wenn er jie 
gegen einen Bundesitaat oder Bundesfürften began- 
en hätte, nach $$. 81 bis 86 (als Hochverrat Iſ. d.], 
erfuch oder Vorbereitung desfelben) zu beitrafen 
ein würde, wird mit Feſtungshaft beitraft ($. 102). 
Außerdem gebört hierher: Beleidigung eines frem: 
den Landesherrn oder Regenten ($. 103), von Ge 
—— oder Gejhäftäträgern ($. 104) und bösliche 
egnabme, Zerjtörung, Beihädigung, Beſchim⸗ 
plung eines Hoheits zeichens oder Zeichen? ber öflent: 
ihen Autorität eines ſolchen Staates (8.109 a). — 
Bol. Elunet, Offenses et actes hostiles commis 
par des particuliers contre un Etat &tranger 
(2. Aufl., Bar. 1887). 

Feindfchaft, aenenfeitiges Üibelmollen zweier 
Perſonen, das auf einem Wiberftreit materieller 
oder ideeller Intereſſen beruht. 5. mit einer Bartei 
ift ein Grund für die Ablehnung (ſ. d.) eines Richters, 

chiedsrichters, Sachverſtändigen oder ein Grund, 
der Ausübung eines andern Anıtes zu widerjprechen 
oder die fibernahme jolhen Amtes abzulehnen, wel 
ches eine Vertrauengftellung voraugjekt, wie die des 
Vormunds. (Öiterr. Bürgerl. Geſeßb. $. 193.) 

Zeineifenfeuer, Felnen, f. Eifenerzeugung 
nebit Taf. I, Fig. 7 u. 8. 

einerde, derjenige Teil des Bodens, der nah 
Abfiebung der gröbern Gemengteile und Geſteins⸗ 
trümmer al3 feines Pulver zurüdbleibt und der 
eigentlihe Träger ber Nährto e der Rulturger 
wächſe iſt. Schrot und Korn. 

eingehalt und Feingewicht, ſ. Fein, Munze, 
eingold, geſchlagenes, J. Blattgold. 
— im Munzweſen, ſ. Fein, Goldlegierun⸗ 
gen, Münze, Schrot und Korn. 

einheitönummern, |. Spinnerei. 

einforn, Feinforneifen, j. Eijen. 

infrate, |. Spinnerei. i 

einmachen, in der Metallurgie, j. Affinierung. 

einmechanit:Berufögenoffenfchaft, i. Be 
rufsgenoſſenſchaft der Feinmecanil, 

Feinprobe, Münzprobe, Brandprobe, 
Rupellieren, ——* Verfahren zur Be— 
timmung des Silbergehalts in Legierungen. Zur 

usführung der Probe wird die Legierung mit 
einer je nach dem Feingehalt wechſelnden Men 
von Blei in einem lleinen, aus ausgelaugter Ho Y 
aſche und — Knochen — did» 
wandigen Näpfchen, Kapelle, im Diuffelofen unter 
Zutritt von Luft jo lange geihmoljen, bis die Orvde 
der unedeln Metalle in der Bleiglätte gelöft und 
von ber pordjen Majje ver Kapelle aufgeiogen find. 
Auf der Kapelle binterbleibt dann ein balbtugel- 


Feinſchlag — Feith 


jörmiges Korn von reinem Silber, aus deſſen Ger 
wit ſich der Feingehalt berechnet. — Da nad dies 
jer Methode nicht hinlänglic genaue Refultate er: 
zielt werden, fo benugt man in den Münzwerkftätten 
die Probe auf naſſem Wege, d. b. man fällt die 
Loſung einer gewogenen Menge der j prüfenden 
Legierung mit einer titrierten Kochſalz⸗ oder Rho⸗ 
danldjung (Methode von Gay:Lufjac oder Volbard). 
chlag, j. Straßenbau. 
pinumafchine, |. Flachsſpinnerei. 
zit, |. Entfufeln und Spiritusfabritation. 
einte (fr. pr. fängt), Lift, Ausflucht, Finte. 
einzeugholländer, f Bapier (tabrilation). 
Feira, Stabt im Difirift Aveiro der portug. Pro: 
vinz Beira, 10 km vom Meere, bat (1900) 2670 E., 
ein Kaftell, die ſchönſte Ruine Portugals, und ein 
Klofter. F., bei den Römern Lancobriga, war feit 
Mitte des 13. Jahrh. eine Grafſchaft der Bereira, 
Feirefiz (franz. vair fils, der bunte Knabe), in 
Wolfram! von Eſchenbach «Parzival» der Sohn 
Gahmurets (j.d.) und der Mohrentönigin Belatane. 
Schwarz und weiß am Körper wie cine Elfter, aber 
ein glänzender edler Held, wird er durch feinen Halb: 
bruder Barzival r das Chriſtentum gewonnen und 
führt die fhöne Prinzejfin Nepanfe de Schoie heim. 
8, Feys, Rarolineniniel, ſ. Fais. 
„eigentlich Scheich Abdulfaſil, mit dem 
oet. Beinamen F. (der Überfluß Habende) oder 
iſullah, in Indien lebender perſ. Dichter, geb. 
1547 £ Aara, m —— im 20. gi an den Hof 
des Mogullatferd Albar, der ihn zum Erzieher 
feine Sohnes Muräd machte (1579), zum Hof: 
poeten ernannte und ihm wichtige Stellungen im 
Staatsdienſt übertrug. Er ftarb 1695. Sein drei 
Jahre jüngerer Bruder Abu ae den, 1551, 
ft. 1602), der Verfaſſer einer Gejhichte Albars 
(CAkbar-nämes und des «A’in-i Akbari» (einer 
Statiftil des Reichs), ftieg bis zum Miniſter. 
Beide Brüder haben großen Anteil an den Thaten 
und en Albars und gelten für die beiten 
perj. Schriftjteller Indiens, wurden aber von den 
Drtbodoren als Atbeiiten, Sonnenanbeter und Ans 
fifter des Abfalls Albars (f. d.) gebrandmartt. 

. übertrug die «Liläwati», eine in Sanskrit ver: 
faßte Schrift über Algebra und Geometrie von 
dem berühmten Bhäslara Atihärja (Mitte des 
12. yabrh); die Überfegung erſchien zu Kallutta 
1828. Andere Werte —* ſind die arabiſch geſchrie⸗ 
benen «Sawäti’u '1-ilham» («Strahlen der Eins 
gebungen»), ein Rorantommentar, die «Mawärid 
ul-kilam» («Pfade zur Träne der Worte»), ein 
lexilographiſches Wert (Ralkutta 1825). Der Dichter: 
rubm 55.3 gründet fi auf feinen etwa 9000 Doppel: 
verje enthaltenden «Diman». Die Abficht, nad dem 
Borbilde des Nifämi einen Eyklus von fünf epiſchen 
Gedichten (Khamse) herauszugeben, fam nicht zur 

führung, nur das erite berjelben («Markas-i 
adwär», «Mittelpuntt der freije») wurde 1587 und 
die aus dem Sanätrit in 4000 perſ. Reimpaare 

este Geſchichte von Nal-Daman 1595 vollen: 

det (lithograpbiert, Kallutta 1831; Lalhnau 1846). 
Der « n» enthält zablreihe Kaſſiden (Lob: 

gedichte) auf Albar, Elegien, das «Zarra u Khur- 
shid» («Das Atom und die Sonne»), worin ber 
perj. Sufismus mit der zoroaftrifchen Lichtlehre und 
vem brahman. Pantheismus vermählt erjceint; 
krner Ghaſelen und Rubä'i oder Bierzeilen (litbo: 
apbiert, Debli 1845). Zahlreiche Gedichte hat 5.8 

der in jeine Geſchichte Albars eingefügt, ja die 


525 


von Albar geprägten Münzen haben Vierzeilen 5.3 
alö Legenden. Überfeßungsproben feiner Gedichte 
enthält Hammers «Geſchichte der fhönen Nevekünfte 
Perſiens⸗ (Mien 1818) und Blochmanns engl. Über: 
jekung von «The A’in-i Akbari» (Kalkuttä 1873). 
Feiſt, in der Jägerſprache bei Elch:, Evel:, Dam, 
Gem3: und Rebwild das Fett, mit Ausnahme jedoch 
des im Innern des Leibes befindlichen, das Talg 
oder Unjhlitt genannt wird. Feiitzeit, die Zeit, 
wo dieſes Wild am fetteften ift, furz vor der Brunft 
(j.d.). Feiſthirſch, der Selhirſch in der Feiftzeit. 
Feiftmantel, Rud., Ritter von, Foritmann, 
eb. 22. Juli 1805 zu Dttafring bei Wien, be 
Jude dad Gymnafium und die Univerfität zu 
ien, 1825—27 die Forſtalademie Mariabrunn, 
war dann praktiich thätig und murde 1838 Berg: 
rat und Profeſſor an der Berg: und oritafademie 
zu Schemnib und 1847 der Hoflammer für Münz- 
und Bergmwejen zugeteilt. 1848 zum Seltiongrat 
und 1851 zum Minifterialrat im dfterr. Finanz: 
minifterium ernannt, wurde er ala folder tech— 
nifher Chef des gefamten Forftwejens in Hiter: 
reih. Er trat 1869 in den Ruheſtand und jtarb 
7. Febr. 1871 in Wien, nachdem er 1865 in den 
Nitterftand erhoben worden war. F. bat das Biterr. 
Forftgejeb vom 3. Dez. 1852 verfaßt. Er ſchrieb: 
«Die Forſtwiſſenſchaft nad ihrem ganzen Umfange 
yſtematiſch dargeitellt» (4 Abteil., Wien 1835—37), 
ein Hauptwerk, dejien naturwifienichaftlicher Teil 
indejien obne Bedeutung ift; «Allgemeine Wald: 
beitanpstafeln» (ebd. 1854; neu bearbeitet von 
A. Rokitanſty, 1876), «Die polit. Öfonomie mit 
Rückſicht auf das foritlihe Bedürfnis» (ebd. 1856). 
Feiftrig. 1) Winpifchfeiitris, ſlowen. 
Bistrica Slovenska, Stadt in der Bezirkshaupt— 
mannſchaft Marburg in Steiermarf, an der Süboft- 
feite des Bachergebirges, an dem zur Drau geben: 
den Feiſtrißzbach, in einer frucht- und weinreichen 
Gegend, an der Linie Wien⸗Trieſt der Oſterr. Süd: 
bahn, Sitz eines Bezirksgerichts (289,72 qkm, 19468 
E.), bat (1900) 1252 €., in Garnijon 2 Esla— 
drons des 4. Dragonerregiments, roman. Pfarrkirche 
(13. Jahrh.), Rathaus, Schloß des Grafen Attems; 
Rupferbanımermwert, Blech- und Drabtfabritation, 
Handel mit Lederwaren, Weinbau («Brandner»), 
Borzellanerdegruben und Brüche von weißem Mar: 
mor. — 2) Deutſchfeiſtritz, Markt im Gerichtö- 
bezirt Frobnleiten der EN EOKDOIER EINE Graz 
in Steiermarf, rechts an der Mur, wo der libelbadı 
einfließt, mit dem gegenüber liegenden Peggau durch 
eine Brüde verbunden, hat (1900) ald Gemeinde 
2676 E.; Feldwirtihaft und Viehzucht, Senjen- 
fabrit, einen Großzeughammer und Bergbau auf 
jilberbaltiges Blei und Zinn, der aus lelt.:german. 
Beit ftammen ſoll. 8) Wocheiner F., jlowen. 
Bistrica Bohinjska, Markt in der Bezirtsbaupt: 
mannſchaft und dem Gerichtsbezirt Radmannsdorf 
in Krain, in der landſchaftlich berrlihen Wocein 
(Bukova Dolina,d. i. Buchenthal), an ver Wocheiner 
Save, in die ſich bier der Feiſtrizbach in Kaskaden 
ftürzt, bat (1900) 586, als Gemeinde 1667 ſlowen. 
E.; 11 Käſereigenoſſenſchaften (jäbrlihe Erzeugung 
bi8 60000 kg). Auf dem nahen Heidenbügel Spuren 
rom. Gebäude. Bei F. beginnt der im Bau begrifiene 
Tunnel (6365 m) der jog. Woceiner Eijenbahn (Linie 
Klagenfurt-Trieft). j J 
eiſts Hühnerangenpflafter,i.Gebeimmittel. 
Seith, Rhijnvis, holländ. Dichter, geb. 7. Febr. 
1753 zu Zwolle in Oberyſſel, ftudierte in Leiden bie 


526 


Rechte und lebte jeit 1776 in feiner Baterjtabt, wurde 
1780 Bürgermeifter und dann Steuerbeamter. Er 
ftarb daſelbſt 8. Febr. 1824. 5. verfuchte ſich faſt 
in allen Formen der Dichtlunſt; in frühern Zeiten 
neigte er ſich ſehr zu einem lächerlich empfindſamen 
Tone, der in ſeinem Roman «Ferdinand und Kon— 
ftantia» (1785) ſowie in feiner «Julia» (Leid. 1783; 
2. Aufl. 1793) vorherrſcht und aud in feinem Lehr: 
gebicht «Het Graf» (Amiterd. 1792; 2. Aufl. 1819; 
deutih von Eichftorf, Zütphen 1821) no durd: 
klingt. Frei davon, aber ohne beſtimmten Plan, iſt 
«De ouderdom» (Amiterd. 1802; 2. Aufl. 1819). 
Unter feinen «Oden en gedichten» (5 Bde., ebd. 1796 
— 1810) find mehrere Hymnen und Oden durd 
Schwung und Gefühl ausgezeichnet. Von jeinen 
Trauerfpielen wurden befonders «Thirza» (Amiterd. 
1784; 4. Aufl. 1822), «Johanna Gray» (ebd. 1791) 
und «Ines de Castro» (ebd. 1793) geihäkt. Seine 
«Brieven aan Sophie over den geest van de Kan- 
tiaansche —— (Amſterd. 1806) ſind ein 
ſchwaches Werk. Unter ſeinen proſaiſchen Werten 
zeichnen ſich die «Brieven over verscheiden onder- 
werpen» (6 Bbde., Amſterd. 1793) durch Poeſie aus. 
Eine Gefamtausgabe feiner Werke in 11 Bänden 
erihien in Rotterdam 1825. 
ejer, ungar.Rame von Stublweißenburg —* 
er, Georg, ungar. Hiftoriter, geb. 23. April 
1766 zu Keſzthely im Jalaer Komitat, war 1802—4 
Brofefer der Dogmatik in Stublweißenburg, 1808 
an der Peſter —— ſpäter Domberr von Groß: 
warbein, Studienoberdireltor des Raaber Schul: 
dijtrift3 und jeit 1824 Univerfitätsbibliothelar in 
Veit. Er ftarb 2. Juli 1851 zu Peſt. Bon feinen 
siftor, Arbeiten ift bejonders jein «Codex diploma- 
ticus Hungarise» (43 Bde. und 2 Bde. Regiſter, 
Dfen 1829—44) zu nennen. 

Bejerväry de Komlös-Kereſztes (fpr. 
tömmlobid terreitele), Geéza, Freiherr von, ungar. 
Staatämann, geb. 15. März 1833 in Joſefſtadt, trat 
1851 aus der Wiener-Neuftädter Militäralademie in 
die Armee. 1872 trat er als Oberſt in die ungar. 
Landwehr über und wurde bald zum Staatsſekre— 
tär im Sanbesverteidigungäminifterium, 1884 * 
Landesverteidigungsminiſter ernannt; im ſelben 
Jahre ſchied er als Feldmarſchallleutnant aus dem 
altiven Militärdienſte aus. Seitdem iſt er zum Feld⸗ 

eugmeiſter befördert und zum Inhaber des 46. In— 
anterieregiment3 ernannt worden. Die Organtjas 
tion der ungar. Landwehr ijt bauptfählic F.s Ber: 
dienst. 1892 führte er das Minijterium am lönigl. 
Hoflager ad interim und 1894 auch proviſoriſch 
das Aderbauminifterium. Die auf die Loderung 
des Verbandes der gemeinjamen djterr..ungar. Ar: 
mee gerichteten Beitrebungen fanden in ihm ihren 
entſchiedenſten Gegner, weshalb er 14. Juni 1903 
fein Amt ala —— — Sminifter nieder: 
legte. Während des ſchweren Konfliktes zwischen Re: 
gierung und Kammermajorität in Ungarn (f. d.) 
wurde F. nach der Entlafjung Tiſzas Juni 1905 mit 
der Bildung eines Kabinett betraut; doch trat Died 
14. Sept. zurüd, weil es feine Einigung mit der Kam: 
mer erzielen fonnte, Da ein anderes Minifterium 
nicht au ftande kam, fo wurde F. 16. Dit. wieder zum 
Minifterpräfidenten ernannt. Er führte die Geſchäfte 
bis zur Bildung des Minifteriums Welerle 9. April 
1906. — Bol. Szalav, Geza Baron F. (Preßb. 1901). 

Fejüm, ägypt. Provinz, ſ. Fajuͤm. 

Fekete (ungar.), ſchwarz, bäufig in Ortsnamen, 
wie Felete-Patak, Schwarzbad. 


Fejer — Felchen 


x Hit oder Fälulometer, Stärte- 
mejjer, ein von Bloch —— ftrument 
jur gen tellung des Wafjergebaltes im Stärtemehl, 
zur Brüfung der Stärke auf ihre Reinbeit. Die Ein: 
richtung desfelben beruht auf der Thatfache, daß das 
Stärfemehl beim Benegen mit Wafjer fein Bolumen 
in einem bejtimmten Verhältnis vergrößert, und bes 
ftebt im mejentlihen aus einem mit einer empi- 
riſchen Skala verjehenen Glasrohre, in welchem die 
Volumenzunahme einer bejtimmten Menge ber zu 
unterfuhenden Stärfe unter der Einwirkung bes 
min genau gemefjen werden kann. 

ad (lat.), joviel wie Fökund (j. d.). ö 

Fol (lat.), vie Galle; F. carpionum, Karpfen: 
galle; F. tauri, Rinbsgalle; F. vitri, Glasgalle. 

— „Stadt ım ſüdöſtl. Teile der ſpan. 

njel Mallorca (Balearen), hat (1897) 11372 E. 

einbau und Brennerei. Der Hafen Buerto:Eolon, 
mit Leuchtfeuer, ift 12 km entfernt. In der Näbe 
Buig de San Salvador, ein Wallfahrtsort und 
ein verfallenes Schloß. — F. ift das alte Canati. 

Felbel, Felpel, Felper oder Belpel, aud 
Pelzjammet, ein fammetartiged Gewebe, dem 
die langen, durch Bürften nad dem Strich nieder: 
gelegten Florfäden ein pelzäbnliches Ausſehen geben; 
dient zum Überlleiden der Cylinderhüte. 

elber Tauern over BelberTZauern, 2540 m 
bober libergang in den Hohen Tauern, j. Tauern. 
Ibiger, Jgnaz von, Päbogon, geb. 6. Jan. 
1724 zu Groß-Glogau, ftudierte in Breslau Theo: 
[ogie, trat 1746 in das Stift der Auguftiner-Ebor: 
berren in Sagan ein, wurde bier 1758 Prälat und 
Abt des Klofterd und reformierte erjt Die Saganer, 
dann alle Schulen feines Sprengeld nad) dem Muſter 
der Nealichule Heders in Berlin. Im Auftrag der 
Regierung verfaßte er das «General: Landiul: 
Reglement für die Romiſch⸗Katholiſchen in Städten 
und Dörfern des fouveränen Herzogtums Schlefien 
und der Grafſchaft Glas» und jorgte eifrig für deſſen 
Durhführung. 1774 wurde er nad Oſterreich be: 
rufen, um auch bier die Neueinrihtung des Volls— 
chulweſens durdzuführen, und wurde 1778 zum 
berbireltor des gejamten Normaljchulmeiens in 
den öjterr. Erblanden ernannt. Unter Yojepb II. 
ſank jein Einfluß raſch, 1782 wurde er auf die Propitei 
Preßburg verwiefen und nun jeine ſtark formaliſtiſche 
und mean. Methode vielfad angegriffen. Er ſtarb 
17. Mai 1788 in Breßburg. — Vgl. Boltmer, 3. 3- 
von %. und feine Schulreform (Habelihiwerdt 18); 
Wiedemann, Die pädagogiſche Bedeutung des Abtes 
Jgnaz von 5. (Blauen 1890). 

Felchen, Folchen, Maräne, Renten (Core- 
onus), eine Gattung der Familie der Lachſe oder 
Salmoniden, melde fih durch das Heine, voll: 
tommen zabnloje Maul und die durchaus einfache 
ren ohne Fleden von den orellen unter: 
cheidet. Der Kopf ijt Hein, der Oberkiefer ragt 
meist über den Unterkiefer ſchnauzenförmig vor, die 
gg fteht genau oberhalb der Bauchfloſſen 
in der Mitte des walzenförmigen Körpers, dabinter 
die allen Salmoniden zulommende Kleine Fettfloſſe 
über der Afterflofje, das befte Unterjheidungsmert- 
mal gegenüber den dur Geftalt, Größe und Fär- 
bung oft jebr ähnliben Weißfiſchen; die Schwanz: 
floſſe ift groß, meift tief ausgeſchnitten. Die Farbe 
ift dunfelgrün oder dunfelblau auf dem Rüden, ſil⸗ 
berweiß auf den Seiten und dem Bauche. Die F— 
find meift Suüßwaſſerfiſche der gemäßigten und fäl- 
tern Zonen, die vorwiegend in den großen Strömen 


Feld — Feldbefeſtigung 


Sibiriens, bei uns aber in den Alpenſeen, gewöhn⸗ 
(ih in großer Tiefe, ſich aufhalten, ausſchließlich 
von Heinen Krebstierchen ſich nähren und meift als 
umniße ſehr gefhäst find. Die (etwa 40) Arten 
nd ſehr ſchwer zu unterſcheiden, und faſt jeder See 
t eine bejondere Varietät. Die befanntejten Ars 
ten der mitteleurop. Gewäfler find: ver Shnäpel 
(Coregonus oxyrhynchus L.), mit weit vorgezoge⸗ 
ner Schnauze, an den jüdöftl. Nord: und weitl. Oſt⸗ 
jeetüjten; die große Maräne (Coregonus maraena 
Bl.) in den pommerjhen Seen, ee dem 
Madüfee; die Bodenrente, Weißfelchen oder 
dera (Coregonus fera _ des Genfer Sees, 
die Gangfiſche oder Blaufelchen (f. d.) und der 
Kilch des Bodenſees, der Albock des Thuner Sees, 
die Palée, Lavaret u, f. w. des Neuenburger 
Sees und Bourgetiees. 

Feld, im Bergbau, ſ. Grubenfeld; in der Land: 
wirtfhaft, ſ. Ader und Betriebsiyftem; F. bei ge 
zogenen Feuerwaffen, f. Felder; in der Heraldik be 
zeichnet F. den Art für eine Wappenfigur. 

18, elettrifches, ſ. Elektriiches Feld. 
eld, magnetijches, derjenige Teil des einen 
Magneten umgebenden Raumes, innerhalb deſſen 
fih die Wirkung desjelben bemerkbar madt. Man 
denkt ſich dasjelbe nah Faraday durchzogen von 
Linien, die für jeden Bunt des 5. die Richtung der 
tejultierenden ——— Kraft angeben und die 
man deshalb Kraftlinien nennt, gleichzeitig aber auch 
durch die größere oder geringere Diehte, mit der fie 
den Raum erfüllen, die Stärke des F. an der be: 
treffenden Stelle ausdrüden. Nah Analogie mit 
elettriihen Borgängen nennt man die das F. er: 
zeugende Urfahe magnetomotorijhe Kraft 
und ſpricht aud von einem ——————— 
obgleich ein Strom in Wirllichkeit nicht vorhanden 
iſt. Die Geſamtzahl der erzeugten Kraftlinien iſt 
der magnetomotoriſchen — proportional, die für 
Elettromagneten ihrerjeitö wiederum proportional 
der Zahl der Windungen, in denen der eleltriſche 
trom ihn umkreiſt, multipliziert mit der Strom: 
ftärte viejes, d. i. der Zahl von Windungd: 
ampere ober Amperewindungen. Die Zahl 
der Kraftlinien ift andererfeit3 aber auch propor⸗ 
tional der magnetifhen Kapacität des ſich 
ihnen darbietenden Weges, oder umgelehrt pro: 
portional dem reciproten Werte dieſes, dem man, 
immer wieder in Analogie zu den ähnlihen Bes 
zeichnungen bei eleftrijhen Strömen, den Namen 
magnetijber Widerftand gegeben hat; und 
diefe Kapacität oder der Widerſtand binwiederum 
ift abhängig von den Dimenfionen und den be 
ondern ——— Eigenſchaften des den Kraft: 
inienftrom führenden Körpers, und zwar von den 
Dimenfionen in derfelben Weife wie die entſprechen⸗ 
den Werte bei elettriihem Strom. Die Analogie 
ift alfo voll u hei die Er in Ri ag 
ebung mithin berechtigt. (S. Feldſtärke. — Val. 
ben, Magnetifche —A — (2 Zle., Wz. 1896 
— 97); Cohn, Das elektromagnetifche F. (ebd. 1900). 
a, linter Nebenfluß der Werra, entipringt 
auf dem ee der Hohen Rhön, flieht 
vorwiegend in nörbl. Richtung und mündet bei 
Dorndorf. Die Eijenbahn benupt jest das Thal 
bis Kaltennordheim. , [D, L 
et Deutſche Eifenbahnen, Überficht 

achiel 


de, die beim Beginn des Deuts 
den Krieges von 1866 in ber — . Armee einge 
rten Ghargenabzeiden für Offiziere und böbere 


527 
Militärbeamte. Sie wurden nad dem Frieden für 
Dffiziere beibehalten und find 1889 aud für fämt: 


lihe Militärbeamte im Frieden eingeführt. Seit: 
dem führen fie die Bezeihnung Adjeljtüde (ſ. d.). 
Feldafing, Luftkurort in Bayern, am Starn⸗ 


berger See, }. Bd. 17. 
Beinaborn, Pflanzenart, ſ. Aborn. 


Idampfer, Pflanzenart, ſ. Rumex und Tafel: 
Bolygoninen, Fig. 3. 
eldapothefer, die zur mobilen Armee einbe 
rufenen Oberapotbefer ver Referve und die mit der 
Befähigung zur Beförderung zum Oberapotheler zur 
Nejerve entlaffenen Unterapotheler. Sie haben bei 
den Sanitätäbetachements, Feld: und Kriegslaza⸗ 
retten fowie bei den Lazarettreſervedepots den Dienſt 
in den Apotheken zu leiten (ſ. Militärapotheler). 
Feldarmee, der zur Ausführung der Opera: 
tionen auf dem Kriegsfchauplage bejtimmte Teil 
ämtlicher Lanpftreitkräfte eines Staates im Gegen: 
aße zur Bejakungsarmee 0) Deiagung). 
Feldartillerie, ſ. Artillerie. Der Gedante, die 
5. aus der Artilleriewaffe ſchon durch die Friedens: 
organifation —— bat ſich mehr und mehr 
Bahn gebrochen. Ein Zuſammenhang der verſchie— 
denen Zweige der Landartillerie findet entweder gar 
nicht mebr oder nur noch durd die höchſten Wafen 
behörden ftatt. Durch die Trennung der F. von den 
übrigen Zweigen wird e3 ermöglicht, ihre Friedens⸗ 
verbänbe —— in die Heeresformation einzu⸗ 
fügen. liber die F. in den einzelnen Armeen ſ. das 
Heerweſen der betreffenden Länder. , 
Feldbach. 1) Bezirkshauptmannſchaft in Steiers 
mark, hat 988 qkm und (1900) 83997 E. in 149 
Gemeinden mit 251 Drtihaften, und umfaßt die 
Gerichtsbezirke Fehring, F. Fürſtenfeld und Kirch⸗ 
bad. 2) Stadt und Siß der Bezirtshauptmannfcaft 
5. fowie eines Bezirkägerichts (362 qkm, 32820 E.), 
an der Raab und der Linie Graz: Fehring:Hartber 
der Hfterr. Staat3bahnen, hat (1900) 1781 meilt 
deutiche E.; Brauerei und Ziegelei. * der Nähe 
die Riegersburg (130 m über der Raab, 512 m 
ü.d. M.), die allen Angriffen ver Türken erfol reich 
wideritand. Ein Bulenneg hrt durch fieben Thore 
in das Schloß. Die Kapelle enthält das Grabge: 
mölbe der gräfl. Somit Sur tall, ein Altargemälde 
von Krafft und eine tojtbare \ affenfammlung. 
Feldbäckereien, jür die Truppen im Felde ein» 
gerichtete Bädereien. Jedes mobile Armeelorps ift 
mit einer Felvbädereilolonne (f. Train) ausgeitattet. 
Die dur dieje errichteten F. folgen den Armeen 
ſprungweiſe. Beim Stillftand der Bewegungen wer: 
den F. meiſt in —— Magazinen errichtet 
und durch Erbauung von Badöfen oder Benukung 
von Privatbädereien —— gemacht. 
—3 ſ. Transportable Eiſenbahnen. 
eldbatterie, im allgemeinen ſoviel wie 
Batterie der Feldartillerie; im deutſchen Heere 
bezeichnet es die fahrende Batterie (im Gegenjag 
jur reitenden, |. eg 
elobefeiti pafjagere Befeftiaung, 
umfaßt alle Ge — Aut dh für ven Gefechts— 
zwed, ſoweit fie mit den Mitteln der Feldarmee 
ausgeführt werden fönnen und nur den von ihr ver: 
wendbaren Kampfmitteln entſprechen jollen. Die 
Arbeiten können ſich aljo von der in Fürzeiter Seift 
von der fämpfenden Truppe bergeitellten Dedung 
der flüchtigen Befeftigung jteigern bis zuden ver» 
ftärften Formen, —* in tagelanger Arbeit eine 
Stellung zur Abwehr ſelbſt des mit der ſchweren Ar⸗ 


528 


tillerie des Feldbeeres ausgeführten Angriffs vor: 
bereiten follen. Wie die durch die modernen Feuer: 
waffen mächtig gefteigerte Widerſtandskraft der F. 
den Angreifer zur Mitführung von Feld-Steilfeuer: 
und ſchweren Geihüken zwingt, wird wiederum bier: 
durd eine jorgfältige Benugung aller Mittel der F. 
notwendig, und in Zukunft ihre Anwendung vor: 
ausfichtlich in erböbtem Maße ftattfinden. 

Die Arbeiten der F. umfajjen die Einrichtung des 
Vorfeldes, Ausſtattung der Stellung jelbit mit 
Dedungen und Hinderniffen und Fürjorge für Be 
wegungserleichterung binter der Front. Die Aus⸗ 
führung erfolgt durch die fechtenden Truppen (Sin: 
fanterie und Artillerie) jelbjt, bei ſchwierigern Ir: 
beiten unter Anleitung der techniichen Truppen. 
Arbeiten, welche größere techniſche Vorbildung er: 
fordern, fallen diejen zu. Jedoch ift diefer Grundjas 
am ftärfften betont in der deutfhen Armee, während 
j. B. in der franzöſiſchen die Infanterie nur die 
allereinfachiten Erdarbeiten jelbftändig berftellt. Die 
Werkzeuge werben als tragbares Schanzzeug oder 
auf Magen mitgeführt. Als Material dient das 
vorgefundene, hauptſächlich Erde, Holz und Eiſen— 
Ichienen; nur ſelten wird man vorbereitetes Material, 
wie Wellblech für Hoblbauten, beihaffen fönnen. 

Die Vorfeldarbeiten bezweden Verbeſſerung des 
Schußfeldes und das Marlieren wichtiger Entier: 
nungen; die Dedungen werben in der Berteidigungs: 
linie, welde dem Gelände mit Ausnutzung aller 
gebotenen Vorteile fih anjchmiegt, in Geftalt von 
Schüsengräbenund Geihüsdedungen (f.d.) 
bergeftellt, jomweit nicht günftig gelegene Gegenitände 
zu benugen find. Hierzu brauchbar find Gruben, 
Gräben, Hohlwege und Dämme, welche leicht jur 
Verteidigung einzurichten find; Heden, wenn dicht 
und hoc, können als Maske benußt werden (f. nad: 
ftebende Fig. 1), Mauern fihern jelbit gegen Gewehr: 





Fig. 1. 


feuer erſt bei 50 cm Stärke und find nur ſelten und 
mit Borficht zu benußen wegen der von den Geſchoſſen 
abgerifjenen Splitter. Holz ift als Bruſtdeckung 
unverwendbar. Bon —— Wichtigleit ſind 
dem Shrapnel⸗ und Steilfeuer gegenüber die Ein: 
dedungen, mittelö deren Heine Hohlräume ge: 
bildet werden. Da gegen Volltreffer fihernde Deden 
mit dem Material der F. nicht gebaut werden können, 
muß man die Sicherung gegen gezieltes Feuer ba: 
durch erreihen, daß man die Eindedungen nur in 
tleinen Abmejjungen und vereinzelt, aber zahlreich 
anlegt und die ganze Linie der fünjtlichen — 
in welche ſie eingebaut werden, durch geſchickte An— 
lage und Maskierung der Beobachtung des Feindes 
entzieht. Die Eindedungen werben teild unter der 
Bruftwehr eingebaut, teild durch Überdedung des 

anzen Einjchnittes gebildet. Zur Beobachtung des 

eindes dienen Beobahtungsitände mit Schrälip 
(Fig. 2a und Fig. 2b [Grundriß zu 2a]). Zur 
Gewinnung von Stüspunlten, als melde man 


teldbefeftigung 


früber Feldſchanzen (f. d.) oder Ortſchaften mü 
Vorliebe benußte (diefe find dem gezielten Steil: 
teuer pe ſtark ausgejegt und haben nur noch Wert 
al3 Maske), bilvet man Gruppen von Schügen 
gräben mit zahlreichen Eindedungen. Nur wenn 
der Angriff mit Steilfeuergeihüs und Brifanz 
granaten ausgeſchloſſen ift, wird man ftarte Ge 





Fig. 2b. 


bäude, Geböfte und Ortſchaften zur —— 
vorbereiten durch Schließen und Verſtärklen der Um— 
aſſung und Einrichten der Mauern für Gewehr— 
euer Mae). Bei der Benukung von Wald— 
den und Wäldern ift dad Gewicht auf Heritellung 
guter Verbindungen im Innern und einer Dedung 
am Rande, am beiten ihm neeclasbem, zu legen. 

Die künftlihen Hindernifje (j. d.), welche na 
mentlih zur Veritärtung von Stüßpunkten An: 
wendung finden, müſſen dem feindlihen Auge ent: 
zogen und im Bereich der kräftigiten Gewehrfeuer: 
wirlung angelegt werden. Die eigene Bewegungs: 
freiheit ift vaber gebührend zu berüdfichtigen. 

Bei Anlage der Dedungen für die Feldartillerie 
ift zuerit Schuß für die Mannſchaft (durch einge 
chnittene Dedungen), dann für die Gejhüse zu 
haften. Im allgemeinen wird die Artillerie ihre 
Stellungen binter der Infanterielinie nehmen. 

An Flußlinien wird die F. zur Heritellung von 
Brüdentöpfen (f. d.) Verwendung finden. 

Für die Ausführungsarbeiten der F. find verſchie⸗ 
dene Vorichriften erjhienen. In Frantreid (1892) 
«Instruction sur les travaux de cam e&l’usage 
des troupes d’infanterie»; in Deutihland (1893, 
Neudrud April 1903) die «Felpbefeftigungsvor: 
fchrift» und (30. Dft. 1894) die «Feldpioniervorſchrift 
für die Infanterie»; in Öfterreih: Ungarn (1894) 
«Tehnifher Unterriht für die Infanterie und 
Jägertruppe»; in Stalien (1895) die «Istruzione 
sui lavori da zappatore per la fanteria». — 
Bol. Brialmont, Über Befeftigungen im Feldkriege 
(deutſch von B. von Prejjentin, Loz. 1870); von 
Brunner, Leitfaden für den Unterricht in der F. 
(7. Aufl, Wien 1898); derj., Beijpiele für die An: 
wendung der flüchtigen Befeſtigung (ebd. 1883); 
Schueler, Die F. in Beifpielen (Berl. 1886); Krebs, 
Kriegsgeſchichtliche Beifpiele der $ (2. Aufl., ebe. 
1892); Grundfäge der Schlachtfeldbefeſtigung und 
des Kampfes um verſchanzte Stellungen (Bern 1896); 
von Löbelld «Jahresberichte» (Berlin, jeit 1874). 


Feldbereinigung — Felddiebſtahl 


Feldbereinigung, in Suddeutſchland Bezeich⸗ 
nung für bie Neuordnung der Feldflur. (S. Gemein: 
beitsteilung und Zufammenlegung der Örundftüde.) 
—*4 1) Der höchſte Gipfel des Schwarz: 
des im dag ce Baden, bei Todtnau, 
an der Wiefe: und Wutachquelle, ift 1493 m hoch 
und demnad der vierthöchſte Berg des Deutjchen 
Reichs. Sein Gipfel hat 2 Stunden im Umfang, 
iſt ohne Holz und wird ald Viehmeide benukt. Bon 
ihm gehen 6 Thäler aus, und an feinem Fuße liegen 
mebrere Seen, 6 der Feldſee (ſ. d.), der Titijee (f. d.) 
und der Schluchfee. Auf feinem mächtigen Budel, 
dem Höchſten, ſteht ein 13 m hoher Ausfichtäturm 
(Friedrich : Luiſen⸗ Turm), von dem aus man einen 

roßen Zeil der Alpen, die Vogeſen, den ganzen 

chwarzwaldzug und die Kegelberge des Hegaus 
überbliden lann, und feit 4. Oft. 1896 ein Bismarck⸗ 
dentmal(Dbelist aus Gmanitfindlingen mit Bronze: 
we Im ©. des F. die ausſichtsreichen Gipiel 
des Großen Spießhorns (1351 m) und des Herjonen: 
born® (1417 m). — Bol. Müller, Moo3flora des 
Feldberggebietes (Karlst. 1900). — 2) Großer und 
Kleiner %., die zwei höchſten Gipfel des nus, 
in der preuß. Provinz Hefjen:Naffau, 880 und 827 m 

ob. Der erjtere ift mit Wald bedeckt; nur oben wächſt 

008 und Heidelraut. Aufder Spike fteht ein neues 
Gaſthaus. Der 12 m breite, 3 m hohe Quarzblod 
unweit desjelben heißt das Brunbildenbett und wird 
ihon in einer Urkunde von 812 erwähnt; über den 
Rordweſtabhang zieht der röm. Pfahlgraben (f. d.). 
Ein Ausfihtsturm ift 1902 errichtet worden. 

Feldberg. 1) — in Mecklenburg-Strelitz, 
auf einer Halbinſel im Hausſee, Siß eines Amts: 
gerichts (Landgericht Neuſtrelitz), bat — 1424, 
(1905) 1377 meijt evang. E., Poſt, Telegraph; Bür: 
—— er: und Goldleiſtenfabrilen, Sägemühlen, 

ollerei. In der Nähe eine — ns 
ftalt zwifchen dem Haus: und Lucinfee und eine 
Rirhenruine. — 2) Dorf bei Fehrbellin (j. d.). 
berger See, |. Feldſee. 
binde (franz. &charpe, woraus das jeht 
deutiche Wort Schärpe entitanden iſt), ein um Schul: 
ter, Arm oder Leib getragener Schmud der kriege: 
riſchen Kleidung, findet ſich mehrfach ſchon im Alter: 
tum und erjcheint im Mittelalter als Beſtandteil des 
ritterlihen Anzug, meift zur bejondern Ehre der er: 
wählten Dame und daher in deren Farben getragen. 
ur Zeit der Reformation beginnen die F. als Cr: 
ennımgözeichen zu dienen. I Schmallaldiſchen 
Kriege trugen die Vroteſtanten gelbe, die Kaiſerlichen 
rote F., im Dreibigjäbrigen Kriege die Kaiſerlichen 
ebenfalls rote, die Schweden grüne F. 3 der folgen: 
den Zeit wird die F. das bejondere Abzeichen der 
„ſpäter das Zeichen dafür, daß en Träger 
ſich augenblidlih in Ausübung des Dienftes befin- 
det. Inn diefem Sinne ift in der Deutſchen Armee eine 
befondere F. (Schärpenband ohne Quajten mit je 
nach der Farbe ver Knöpfe bronzenem oder filbernem 
Schloß) zum Zuhalen 1896 für die Dffigiere der In: 
fanterie (Jäger), Zußartillerie, des Ingenieurkorps, 
der Pioniere, Eijenbabntruppen u. |. w., des win er 
minijteriums, Generalſtabs u. ſ. w. wieder eingeführt 
worden an Stelle der bisherigen Schärpe (f. d.), die 
nur nob zum Paradeanzug getragen wird. Zu den 
d. gehören gewiſſermaßen aud die bier und da 
von verbündeten Heeren ald Ertennungszeicen ge: 
tragenen gemeinfamen Abzeichen (weiße Binde um 
den linten Arm bei den Alliierten 1813, bei den 
Preußen und Sjfterreihern 1864, bei der preuß. 


Brodpaus’ Ronverſations-Lexilon. 14. Aufl. R. U. VI 


529 


Mainarmee und den ftontingenten der norbbeuts 
ſchen Staaten 1866). 

Feldbrüden, Kriegäbrüden (f. d.), aus unvor: 
bereitetem, d. b. an Ort und Stelle aufgetriebenem 
Material. F. zerfallen in Uferbrüden, deren 
Stredbalten von einem zum andern Ufer reichen, 
und in folde mit Mittelunterftübungen, die 
entweder ſtehende (Böde, Piahljohe, Wagen, 
Brettitapel) oder ſchwimmende (Schiffögefäße, 
Holzflöße, Tonnen) find. Je nad Breite und Trag: 
fähigkeit unterfcheivet man Brüdenftege, Lauf: 
brüden und Kolonnenbrüden, (S. Faltboote.) 

Felddiafönie, von 3. H. Wichern (f. d.) im 
Deutſch⸗Däniſchen Kriege 1864 ind Leben gerufene, 
inden Kriegen von 1866 und 1870weiter ausgedehnte 
Einrichtung, dieder Pflege der Berwundeten auf dem 
Schlachtfelde und in den Lazaretten gilt; außerdem 
dienen die Felddialonen als Gehilfen der Feld: 
prediger durch Vermittelung der Korreſpondenz, 
Zujprud und Gebet bei den Kranken. Ihr Ab: 
eichen ift die weiße Binde mit dem roten Kreuz. 

ugelafjen werden nur unbefcholtene, gefunde und 
eltige un e Männer, die einen VBorbereitungs: 
furjus im Krankenhauſe erfolgreih durchgemacht 
haben und das — —— unbedingten ®ehor: 
ſams gegen die militär. Vorgeſetzten leiſten. In— 
folge eines 1886 vom Rauhen Haus (ſ. d.) er: 

angenen Aufruf hat ſich eine Genoſſenſchaft 

reiwilliger Kranfenpfleger im Kriege ge: 
bildet, der jich viele junge Männer, bejonders aus 
alademijchen wel angeichlofien haben. Sie 
find dem Chef der freiwilligen Krankenpflege unter: 
jtellt. — Bol. Kriegsdienſte der —— Liebes⸗ 
thätigleit (Hamb. 1874); I. Wichern, Die frei: 
willige Pflege im Feld verwundeter und erfranfter 
Krieger (ebd. 1887). j 

Felddiebftahl, der Diebitahl an Früchten auf 

dem Felde. Im deutichen Recht ift 5. won jeber von 

emeinem Diebftahl unterſchieden worden. Schondie 

einliche Gerichtsordnung hat einen bejondern Ar: 
titel: «Bon Früchten und —— auf dem Felde, 
wie und wenn damit Diebſtal gebraucht werde», 
Vach $.2 des Einführungägejeges zum Deutſchen 
Strafgefeßbuce ift die Gejehgebung über F. dem 
Landesftrafreht vorbehalten und reich3gejeglich 
nicht geordnet, Demgemäß iſt 3. B. in Preußen 
das Feld⸗ und Forftpolizeigefek vom 1. April 1880 
ergangen. In Bayern find im Bolizeiftrafgefehbud 
vom 26. Dez. 1871 die entiprechenden Strafprohun: 
gen entbalten. Den Früchten auf dem Felde find 
die Früchte aus Gartenanlagen aller Art gleichge: 
ftellt. So lautet der $. 18 des preuß. Geſehes 
(ähnlich das bayrifhe): «Mit Gelpitrafe bis zu 
150 M. oder mit Haft wird beitraft, wer Garten: 
früchte, Feldfrüchte oder andere Bodenerzeugnifie 
aus Gartenanlagen aller Art, Weinbergen, Obſt⸗ 
anlagen, Baumſchulen, Saatläm en, von dern, 
Dielen, Meiden, Plägen, Gewäflern, Wegen oder 
Gräben entwendet.» DBorausgefekt ijt dabei nad 
preuß. Recht, daß der Wert des Entwendeten 10 M. 
nicht überjteigt. Der F. ift vom Mundraub (f. d.) 
zu unterfheiden. Ob gemeiner Diebjtabl oder F. 
vorliegt, das kann im einzelnen Falle zweifelhaft 
werben. Angenommen ift, — gemeiner Diebſtahl, 
der härter beſtraft wird, vorliegt, wenn geerntete 
Feldfrüchte aus Mieten (Schobern) auf dem Felde 
entwendet werden, ſofern ſie in die Mieten zur 
dauernden Aufbewahrung gebracht werden. Da— 
gegen wurden die Strafbeſtimmungen des F. zur 

34 


530 


Anwendung gebradt in Fällen, wo Blumen von 
einerrabjtätte auf einem gartenäbnlic angelegten 
Het und wo Pflanzen in dem Borgarten eines 
tädtifhen Haujed zum Zwecke der Entwendung 
ausgerifien waren. Das Hfterr. —— von 
1862 ſtraft den Diebſtahl an Früchten auf dem 
Felde, wenn der Wert der geſtohlenen Sache mehr 
als 5 Fl. beträgt, als Verbrechen ($. 175, Ila). 
Felddienft, in weiterm Sinne die gejamte 
Thätigkeit ver Truppen im Ariege; in engerm Sinn 
nur Mari, Aufllärung, Siherung und Unterkunft. 
Felddienſtübungen find Übungen im Gelände 
in kleinern Verbänden zur Ausbildung der Trup: 
pen. Übungen in größern Verbänden beißen Trup: 
penübungen oder Mandver. (6. aud Erer: 
zieren.) Yür die Handhabung des F. find die Beitim- 
mungen der Feldpdienftorbnung (j.d.) maß: 
ebend. — Vgl. Zobel, Der F. Ein Unterribtsbud; 
er. Aufl., Lpz. 1893); Walpftätten, Die Taktit, TI.2 
(10. Aufl., Wien 1896); Verdy du Vernois, Studien 
über F. (Berl. 1899); von Pelet Narbonne, Der 
Kavalleriedienſt (5. Aufl., ebd. 1901). 
elddienftorduung. Die deutſche F. vom 
1. Jan. 1900, die an die Stelle der B: vom 20. Juni 
1894 getreten ift, umfaßt alle Beitimmungen für 
die Handbabung des Felddienſtes (f. d.) und 'glie: 
dert fi in eine Einleitung (allgemeine Regeln für 
die Ausbildung und den Gebraud der Truppen) 
und zwei Teile. Von diefen behandelt der erjte den 
Dienit im Felde, befonders die Beftimmungen über 
die Kriegdgliederung, die Befeblöerteilung, das 
Melveweien, die Aufllärung (Avantgarden, Pa: 
trouillen), die Sicherung (Borpoften), Marſch, Un: 
tertunft, Bagagen, Verpflegung, Sanitätsbienft, 
Munitionsergänzung, Eifenbahnen, Zelegrapben 
und die Feldgendarmerie. Der zweite Teil enthält 
die PER für die größern Truppenübun- 
en. Die andern Armeen baben teild gleichfalls 
5 erlaſſen, teil entiprechende Vorſchriften für die 
nzelnen Waffen, teils in Dienftreglements das Ent: 
fprechende niedergelegt. So bat Rußland 1899 
eine «Verordnung über den Fyelpdienjt» erlafien, da: 
neben noch eine Inftruftion zur Ausführung bemeg: 
licher Manöver und eine Vorſchrift für Winterübuns 
gen gegeben. Frankreich bejikt ein Reglement 
über den Dienft im Felde von 1895, mit Underun—⸗ 
en vom 7. Aug. 1905. Für das dfterreihifche 
eer finden fich Die Beitimmungen für den Dienft im 
— im zweiten Teil des Dienſtreglements. Ita— 
ien beſißt von 1899 das Regolamente di servizio 
in gen. Eine F. für die ſchweiz. Armee erſchien 
1. Mai 1904. England bat nod eine einheit: 
liche F. Die betreffenden ———— finden ſich in 
den verſchiedenen Drillbooks. Japan hat 1900 die 
deutſche F. in faſt wortlicher Üüberſeßung eingeführt. 
Dänemark hat ein Felddienſtreglement ſeit 1904, 
Schweden eine neue J eit 1907. 
elddienftuntauglich, |. Dienftunbraudbar. 
eideggfalke, |. Fallen. truppen. 
eldeifenbahnabteilungen, ſ. Eiſenbahn⸗ 
eldeiſenbahnen, ſ. Transportable Eiſen— 


ahnen. 

eldeiſeubahnweſen, der Inbegriff der Ein⸗ 
richtungen, die die Eifenbabnen der Kriegführung 
dienſtbar machen. Der Chef des F. leitet und ordnet 
im Ariege nah den Anmweifungen des General 
infpecteurd des Gtappen: und Eijenbabnmwejens 
oder aud auf unmittelbare ———— oberſten 
Heeresleitung den Eiſenbahndienſt für Kriegszwede. 


Felddienſt — TFelderbede 


An feine Stelle tritt bei der Mobilmahung der Ebef 
der Eijenbabnabteilung (f. d.) des preuß. Großen 
Generalitabes. (S. auch Eifenbabntruppen.) 
‚Belder, Ballen, bei gezogenen Feuerwaſfen 
diejenigen Zeile des er welche zwiſchen je zwei 
Zügen (f, d.) ſtehen bleiben. N 
eider, Gajetan, Freiherr von, öjterr. Politilet, 
geb. 19. Sept. 1814 zu Wien, promovierte 1841 an 
der Miener Univerfität, widmete fi dem Lehramte 
und der Advofatur, war mehrere Jahre Docent für 
diplomat. Staatengefhichte, Völferreht und Stati- 
tif und wurde 1848 Hof: und Gerichtsadvolat. Die 
ewegung dieſes Jahres führte F. ind öffentliche 
Leben ein. In den konitituierenden Gemeinderat 
ewäblt, nahm er an der Feititellung der Grund: 
übe des für die Selbtverwaltung günitigen Sta 
tuts lebhaften Anteil. Bon da ab widmete er ſich 
nur der Eivilpraris und unternahm zu naturwiſſen⸗ 
Ihaftlihen Zweden mehrere Reifen in die Boları 
und Tropenzone. Als aber 1861 in Oſterreich wie 
der das Verfafjungsleben begann, betrat F. die 
polit. Laufbahn. Er wurde in den Landtag und in 
den Gemeinderat gemwäblt und von dieſem 1868 
um Bürgermeijter von Wien berufen, welche Wabl 
* noch dreimal erneuerte. 1869 erfolgte jeine Be: 
rufung in das Herrenhaus als Mitglied auf Lebens: 
zeit, 1878, nachdem er vom Bürgermeijteramt zurüd: 
getreten war, die Erhebung in den Freiberrenitand 
und 1880 die Ernennung zum Landmarſchall von 
Niederditerreih. Anfolge eines Augenübels3 mußte 
er fih 1884 von ben öffentlichen Geſchäften zurüd: 
ieben. Auf tommunalem Gebiete bat ſich 5. um das 
ujtandelommen gemeinnügiger Bauwerle (Stadt: 
erweiterung, Hochquellenleitung,Donauregulierung) 
u. um das Schul:, Sanitäts:, Armen: und Ver: 
ehrsweſen verdient gemacht. (S. Wien.) %. bat 
auch gemeinſchaftlich mit feinem 1871 veritor 
Sohne Rudolf zahlreiche in das Gebiet der Entos 
mologie gehörige Arbeiten veröffentlicht, deren be 
beutendite der lepivopterolog. Teildes Wertes «Reife 
ber diterr. Fregatte Novara um die Erde» (mit 
140 Tafeln, Wien 1864— 75) tft. Ferner fchrieb er: 
«Die Gemeindeverwaltung der Heihebaupt: und 
Nefidenzitadt Wien in den I. 1867— 70» (2, Aufl, 
ebd. 1872), welchem Werte noch zwei weitere Bände 
über die %. 1871—76 (ebd. 1875—78) folgten. F. 
ftarb 30. Nov. 1894 in Wien. 

Felder, Franz Michael, Scriftiteller, geb. 
13. Mai 1839 zu Schoppernau (Borarlberg), bil: 
bete fi durd Selbjtubium und trat ald Schrift: 
jteller zuerft auf mit «Nümmamüllerö und das 
Schwarzokaſperln. Ein Lebensbild aus dem Bre 
genzer Walde» (Yindau 1863; neue Ausg., Dornbirn 
1879); dieſem folgten «Sonderlinge. Bregenzer 
Wälder Lebens: und Ebarafterbilder aus neueiter 

eit» (2 Bde., Lpz. 1867) und «Reich und Arm. 

ine Geſchichte aus dem Bregenzer Walde» (ebp. 
1868; neue Ausg., Dornbirn 1891), treffliche Ro: 
mane, welche die intimfte Kenntnis des Vorarlberger 
Lebens mit gefunden jocialen Tendenzen verbinven. 
Durch feine Arbeiten erregte er den Haß der ultra: 
montanen Geiftlichleit. arb 26. April 1869, 
— Bol. Sander, Das Leben 5.8 (2. Aufl., Innäbr, 
1876); Franz Micdael 3. u. ſ. w. zur Aufllärung 
für vas Voll entnommen aus F. M. 5.6 Leben und 
Schriften. He. von Homobon (Bregenz 1890). 
elderdede, im Gegenjah zur Kaſſettendede 
(f. d.) eine Art von Verzierung de obern Raum: 
abſchluſſes, bei welcher ungleih große, nad mehr 


Felderſyſtem — TFeldgendarmerie 


velorativen Grundfägen gebildete Abteilungen durch 
‚ die Baltenlage gebildet werden. Die F. bildete 
ein bevorzugtes udglied der Renaifjance aller 
Länder, an der durch Stud und Malerei in Holz die 
reiten Wirkungen erzielt wurden. 

Ideriyftem, |. Betriebsſyſtem. 

pda = Gefäß aus Holz, Glas, Thon oder 
Metall zum Mitführen von Getränten auf Reifen 
und Märjchen, meift von platter Form und (zum 
Schuß gegen Beichädigungen — zur längern Er⸗ 
baltung des urſprünglichen Wärmegrades des Ge: 
tränls) mit einem liberzug von Leder oder Filz ver: 
eben nebjt Ofen zum Durchziehen einer Schnur ober 
eines Riemens. %. waren ſchon im Altertum in 
Gebraub, wurden im Mittelalter beſonders von 
Bilgern getragen (Gurde, Pilgerflafche) und 
bilden neuerdings einen Beitanbteil der Ausruſtung 
dei Soldaten, nachdem man erfannt hat, daß das 
Trinlen von Waſſer, Kaffee oder Thee während des 
Mariches zur —— der Marſchfähigleit und 
Bermeidung des Hisichlags beiträgt. F. müſſen 
moglichſt geringes Gewicht mit Widerſtandsfähig⸗ 
teit gegen Stoß und Schlag vereinigen, leicht zu 
reinigen fein, einen einfachen Verſchluß bejiken, 
beibed und kaltes Getränt aufnehmen können und 
den urfprünglichen Wärmegrad desjelben möglichſt 
lange feithalten. Die deutihe Armee hat F. aus 


Aluminium, 

— —— ſ. Feldtauben. 

Idfrevel, die mit geringern Strafen be 
drobten Übertretungen der zum Schuß der Land: 
wirtihaft gegebenen Normen. Zum lleinern Teil 
ind diefe im Deutichen Reichsſtrafgeſeßzbuch ent: 
halten: Zumwiderbandeln gegen die Anorbnungen 
wegen Schließung der Weinberge und wegen ge 
börigen Raupens, unbefugtes Abpflügen von 
Grundftüden, unbefugte Entnahme von Erde, Lehm 
uf. mw. aus fremden Grundftüden, Nichtabhalten 
der Kinder von der Begehung von F.; zum grö: 
bern Teil in den Landesgeſehen, denen fie aus: 
drüdlid vorbehalten find. — gehören die Be⸗ 
fimmungen über Viehweide, —— Nachleſe 
und andere Selopoli —— (©. Feldfrie⸗ 
ed Iodiebttahl. Feldpolizei, Feldpolizei⸗ 
aelehgebung. 

BER TESEREBL ER DaB ErbeTeh Beh Te 
ten, Reiten oder Biehtreiben über Gärten oder Wein: 
berge, oder vor beendeter Ernte über Wiefen oder 
beitellte der, oder über ſolche der, Wiefen, Weiden 
oder Schonungen, welche mit einer Einfriedigung 
verfeben find, oder deren Betreten durch Warnungs⸗ 
sihen unterfagt ift, oder auf einem durch War: 
nungszeihen geichlofjenen Privatwege. Es wird 
nad $. 368, Nr. 9 des Deutichen Stra geienbuc 
mit ftrafe bis zu 60 M. oder mit Haft bis zu 
14 Tagen beftraft. Nach dem Breuß. Feld: und Sort: 
volizetgefege vom 1. April 1880 wird außerdem 
(auf Antrag) beftraft das unbefugte Reiten, Karren: 
abren, Biehtreiben, Holzicleifen, Pflugwenden über 
Grundftüde ſchlechihin, und das Gehen über Acer, 
deren Beitellung vorbereitet oder in Angriff —— 
nommen iſt. Der —— bleibt aber 
traflos, wenn er dürch die ſchlechte Beſchaffenheit 
aned an dem Grundjtüd vorüberführenden und zum 
Gebraud beftimmten Wegs oder durch ein anderes 
auf dem Wege befindliches Hindernis zu der Liber: 
retung genötigt worden iſt ($. 10; Strafe bis zu 
10 M. over Haft bis zu 3 Tagen). Gleicher Strafe 
verfällt auf Antrag nad $.9 derjenige, weldyer, a 


631 


geſehen von den Fällen des eigentlichen Hausfrie: 
densbruchs (f. d.), ſich eines F dadurch ſchuldig 
macht, daß er von einem Grunpftüd, auf dem er 
ohne Befugnis fih befindet, auf die Aufforderung 
des Berechtigten jich nicht entfernt. 
Fel te, alle auf dem Felde gebauten 
—— 3. B. Getreide, Futterkräuter u. }. w., im 
ke zu den —— — über Dieb: 
ftabl an F. ſ. Felddiebſtahl. 
ldfuff, Ma, ſ. Fuß. 
Idgärtuerei, . Spatenkultur. 
eldgemeinfi ‚ im ftrengen Sinne das 
yſtem des Gemeinbejiges an Grund und Boden, 
wie e3 fi) bei den german, Stämmen in der erften 
Periode nah ihrer feiten Anſiedelung vorfindet. 
(S. Dorfiyftem.) Beripiele einer ähnlichen Agrar: 
verfaffung finden fih in den meijten Ländern der 
Alten und Neuen Welt, in Europa, Indien und 
China, bei den amerit. Indianern. Man hält die 
$ daher nicht für eine Cigentümlichleit einzelner 
ölter, fondern für das Kennzeichen einer gewiſſen 
Kulturjtufe, welhe von den meiften Böltern im 
Übergang vom Nomadentum zum Aderbau einmal 
durchlaufen worden ilt. (S. auch Gehöfericaiten.) 
Über die noch heute in Rußland und bei einzelnen 
ſlaw. Bölterftämmen beftehende %. |. Mir und Haus: 
tommunion. — Vgl. Roſcher, Nationaldtonomil des 
Aderbaues (12. Aufl., Stuttg. 1888); E. de Laveleye, 
Das Ureinentum (deutſch von Bücher, Lpz. 1879); 
Artitel Feldgemeinſchaft im «Handmwörterbucd der 
Staatöwiflenichaften», Bd. 8 (2. Aufl., Jena 1900); 
Zihuprow, Die F. (Straßb. 1902). 
Feldgendarmerie, die zur Ausübung ver 
lopolizei im Kriege beftimmte Truppe. — In 
rankreich ſchuf zuerft Napoleon L eine F. in 
eutigem Sinne, melde eine Glitetruppe war und 
deren Aufgabe zunächſt darin beftand, im Gefecht 
den — zu folgen und Ausreißer wieder in die 
vordere Linie zu führen. Der Erſaß dieſer Truppe 
erfolgte durch Unteroffigiere, welche mindeſtens zehn 
eye vorwurfsfrei — hatten. In Öfterreid: 
ngarn werben im Kriege berittene und unberittene 
erg aufgeitellt, welche zu 
WERE Feldpolizeidienften, Aififten: 
zen, Kurier-⸗ Örbonnanz: und befondern Sicherheits: 
dienjten Verwendung finden. Im deutſchen 
Heer wird für jedes mobile Armeelorps und für 
jede Etappeninfpeltion ein unter einem Rittmeijter 
der Landgendarmerie ftebendes Feldgendarmerie⸗ 
detadhement in der Stärle von 51 und 21 Feld: 
gendarmen gebildet; diefe Mannſchaften beiteben zu 
einem Drittel aus wirklichen Gendarmen (f. d.) der 
Landgendarmerie (Obergendarmen), zu einem Drit: 
tel aus Unteroffizieren und > einem Drittel aus 
Gefreiten, welche von den Kavallerieregimentern 
abgegeben werben. Alle Feldgendarmen find be: 
ritten, tragen bie Uniform der Yandgendarmen und 
als Dienftabzeichen einen breiten metallenen Hals: 
fragen mit heraldiſchem Adler. Die F. bat bei der 
Feldarmee und auf den Etappenitraßen die Heeres: 
polizei audzuüben und zwar hauptſächlich dort, wo 
einzelne Mannſchaften den Augen ihrer direkten 
BVorgefekten ent ger find; eine felbjtändige Ein: 
wirkung auf ** oſſene Truppenteile hat die F. 
nicht. ——— dieſer Grenzen hat die F. z. B. 
Plundern und unberechtigtes Requirieren zu verhin⸗ 
dern, für das Offenhalten der Straßen zu ſorgen, 
alle im Gefolge ver Armee befindlichen Eivilperjonen 
zu überwaden, Telegraphen und Eijenbahnen vor 
34* 


632 


Zerftörung zu fhüßen, fanitätöpolizeilichen Anord⸗ 
nungen Geltung zu verfcaflen, Spionage zu vers 
bindern, Verwundete auf den Schlachtfeldern zu be 
fhügen u. dgl. Die F. bat weitgehende Mad: 
befugniffe: ihre Mannſchaften ſtehen zu allen Militär: 
perfjonen mit Ausnahme der Offiziere in dem Ber: 
bältnis der Wachen, d. b. der VBorgefegten in Aus: 
übung ibres Dienftes, , 

Feldgerät, das tragbare Schanzzeug fowie die 
Nusftattung der Truppenfabhrzeuge. 

Be rei? — ilitarſtrafverfahren. 

eldgeſchrei, Erkennungszeichen im Vorpoſten⸗ 
dienſt, ſ. Loſung. 

Feldgeſchühe, Feldtanonen, die Aus— 
rüftung der Feldartillerie. Bei ausreichender Wir⸗ 
tung gegen —— Ziele müſſen fie einen hohen 
Grad von Beweglichkeit beſitzen, der die Feldartille⸗ 
rie befähigt, im Verein mit den andern Waſſen zu 
kimpfen. (S. aud Artillerie.) Die heutigen 5. find 
in allen Artillerien gezogene Hinterlader, in den 
meiften ald Schnellfeuergeihüge konftruiert. 

Die Syſteme der verſchiedenen Armeen wieſen 
bis zur Einführung der Schnellfeuerjeldgeihüpe 
große Ahnlichkeit auf; Deutichland ging damit 1897 
voran (f. Geihüs nebit Tafeln). 

Das Robrmaterial ift mit Ausnahme von Öfter: 
reich, das ſich mit der billigern Hartbronge bebolfen 
bat, durchweg Stahl. Anfangsgeihmindigteiten 
jwijchen 430 und 500 m find fämtlihen Syitemen 
eigen; Deutihland, Öfterreih und Rußland haben 
an ihren 5: Keilverſchluſſe, Frankteich den Schrau: 

u 


benverſchluß, den neuerding® auch Rußland ein: 
führt (f. Verf ei Die F. waren zuerft für 
Scmwarzpulver fonjtruiert; fämtliche größere Staa: 


ten find indes jebt zum rauchlofen Pulver über: 
egangen. Die Gelhokaudräftung beftebt aus 
brapnel3 und ®ranaten; feltener beſtehen das 
neben noch Rartätichen. 

Die Fortfchritte der Technil, das Bedurfnis nah 
größerer und jchnellerer Feuerwirkung ſowie na 
erhöhter Beweglichleit waren von großem Bun 
bei der Ronftrultion und Einführung neuer F. Das 
— Selbaeibäb 9%6 befigt einen Schnellfeuer- 
verfchluß; der Hüdlauf ift dur Anbringung eines 
umtlappbaren ftarren Sporns unter dem Lafetten: 
Ihwanz verringert bez. beinahe aufgehoben. Die 
auch außer ber Feuergeſchwindigleit erreichten grör 
bern Leitungen beruhen vorwiegend auf verbeijerter 
Konftruftion des "gran und der Munition. 
Das Gefamtgewicht iſt geringer geworben. Einzel: 
beiten über dieſes Geſchüß f. unter Geihüg. Ruß—⸗ 
land und Öfterreich verſuchen vorübergebend durch 
tinderung ihrer bisherigen }5. (8,7 cm) den neuen 
Anforderungen gerecht zu werben. Die Lajette hat 
dabei einen Sporn erbalten, die Richtvorrichtungen 
find verbefiert. Eigentliche Schnellfeuereinrichtung 
befigen dieje F. nicht, die Munition ift unverändert 

eblieben. Beide Staaten dürften aber bald dem 

eifpiel Deutichlands und Franlreichs folgen und 
Schnellfeuerfeldgefhüße einführen. Thatſächlich find 
Re in dahin zielenden Verſuchen beprifien, ebenjo 
wie faft alle andern Staaten. 

Zu den F. find in weiterm Sinne auch die Feld: 
mörfer und Feldhaubitzen zu rechnen. Rußland bes 
fist einen 15 cm: Feldmörſer, Frankreich eine lurze 
12 cm: Felblanone, England eine 12,7 cm:, Deutſch⸗ 
land eine 10,5 cm:Haubige zur Belämpfung von 
— —— Dedungen und dieſen ſelbſt. (©. auch 

». 


Feldgerät — Teldheufchreden 


Feldgeftänge, in horizontaler, anfteinenber oder 

eneigter Richtung parallel untereinander binlaus 
ende Stangen, die in gewiſſen Abitänden durch 
vertifale, an einer Achſe ſchwingende Balten (Hunt: 
ſchwingen) gelentartig verbunden find und bazu 
dienen, die Bewegung eine® Motors, meijt eines 
Waſſerrades, auf große Entiernungen mittels Kur: 
bel. und Pleuelſtange zu übertragen, indem bie 
lehtere in die erfte Schwinge eingreift und derſelben 
beim Umgang des Waflerrades eine bin und ber 
ſchiebende Bewegung erteilt. (S. Tafel: Berg: 
bau IIl, Fig. 3.) 

ee er, |. Generalgemwaltiger. 
Feldgottesdienſt, der von einem Militärgeiſt 
lichen vor den Truppen abgebaltene Gottesdienit im 
Freien, im Kriege vor und nah Schlachttagen üblich. 

se ne f. Koppelwirticaft. 

eldgrifle (Grylius campestris L.), eine %0 
bis 25 mm lange, glänzend ſchwarze Grille (f. d.), 
bie auf bürren Feldern und Wieſen in felbitgegra: 
benen Löchern lebt. Im heißen Sonnenicein zirpen 
die Männden, am Eingange ihres Loches jugend, 
laut und unermüdlid. 
Idhaubite, ſ. Feldgeſchüze und Gefhüs. 
Idhauptmann, zur Zeit der Lands te Be: 
feblähaber von Regimentern, größern Kriegsbaufen 
und ganzen —— Frundsberg war F., auch 
Wallenſiein und Tilly werden von —— ungen 
vielfach als Feldhauptleute bezeichnet. — Über die 
deldbauptleute im mittelalterliben Rom f. Capitani. 

Feldherr, der Oberbefehlshaber eines kriegfüb- 

renden Heers odereiner größern Heeresabteilung, der 
auf einem bejondern ſtriegsſchauplatz felbftändige 
Aufgaben zufallen. Das Symbol des berren: 
tums ift der yeldherrenftab (f. Kommanboftab). 
——— (poln. polny hetman), im ebe: 
ma —— poln. Heere urfprüngli der Feldhert, der 
die Landesgrenzen gegen die Einfälle der Tataren 
u verteidigen batte, Npäter der dem Großbetman 
eigegebene Unterfelpberr. (S. Hetman.) 
eldheuſchrecken oder Schnarrheuſchreden 
(Acrididae), eine Familie der Geradflügler (f. d.) in 
engerm Sinne, haben jeitlih zujammengedrüdten 
Körper, ziemlich kurze, höchſtens 24glieprige Fyübler, 
mit diden Schenteln verfebene Hinterbeine (Spring: 
beine)unddreigliedrige Fübe. Die Flügeldeden (Bor: 
derflügel) find, wo fie vorbanden find, lang und 
ſchmal, ericheinen aber ebenfo wie die Sinti 
öfters verfümmert. Am erſten Hinterleibsring findet 
fich jeverfeits ein Gebörorgan in gorm einer mit einer 
—— Haut überfpannten Grube. Die Männden 
ringen durd Streiden einer fein gezahnten Leiſte 
ihrer Hinterjchentel gegen eine vorjpringende Ader 
der —— zirpende Töne hervor. Die F. leben 
auf Feldern und Wieſen und nähren ſich ausſchließ—⸗ 
lich von Vi rund en. Sie find im Epätjommer 
und Herbjt volljtändig entwidelt. Die Eier, in Hau: 
fen abgelegt, überwintern und liefern im jabr 
die ungeflügelten Larven, die ſich im Laufe der war: 
men Jahreszeit zum volllommenen Inſelt entwideln. 
Mande Arten treten unter Umftänden in — 
Scharen auf und richten dann furchtbare 1 
rungen auf den Feldern an, fo namentlich die Wan: 
derbeufchrede (f. d.). Es giebt, beſonders unter 
den tropischen F., febr Kan gezeichnete Arten (3.2. 
Rhomalea miles, ſ. Tafel: Jnjelten I, ia. 6), bei 
denen, wie auch bei der einbeimifchen befannten 
Oedipoda nıiniata Pall., auf ven Hinterflügeln Rot 
vorberridt. 


Feldhuhn — Feldlazarett 


—X ſ. Rebhuhn. 

Dhühner (Perdicinae), eine Unterfamilie 
der Rauchfußhühner (j. d.), welche ſich durch den 
an der Spike halenförmig übergebogenen Schna: 
bel, die ipaltenförmigen Naſenlocher mit unbe: 
hederten Deden, den kleinen Warzenfled über den 
Augen, die burzen abgerundeten Flügel mit harten 
Schwingfedern und durch die unbefieverten Yäufe 
und Zeben unterjcheidet. Man teilt heute die Öruppe 
in einige 20 Gattungen mit über 100 Arten, welche 
über ganz Europa, ganz ne mit Madagastar, 
Alien und über die auftral. Negion bis Neuteeland 
verbreitet find. Zu ihnen gebören unter andern die 
echten F., wie das Reb-, Hot: und Steinbubn, die 
Wachtel und die Franlolinhühner (f. diefe Artikel). 

Feldhüter, Flurſchützen, von Gemeinden oder 
Grundbejigern angeitellte Perſonen, welche die Feld: 
mart zu beauflictigen und für Wahrung der feld: 
volizeiliben Vorſchriften (j. Feldpolizeigeſezgebung) 
Sorge zu tragen haben. In Preußen und Heilen 
bedarf ihre Ernennung der staatlichen Genehmigung. 
An Stelle ver F.lönnen die Gemeinden auh Ehren: 
jeldbüter ermwäblen; 5. wie Ebrenfelohüter find 
jur Führung von Dienftabzeichen verpflichtet. 

Feldjäger, früber die zum Kriegsdienſt heran 
gezogenen und in Gompagnien eingeteilten gelern: 
ten Jager, fpäter in Breußen it Stier d. Gr. 
als Kuriere amischen den einzelnen Armeen, jeßt ala 
diplomat, Kuriere im Frieden zwiichen den Gejandt: 
haften im Auslande und dem Monarchen fomie 
den Minifterien benust. Die F. bilden das Wei: 
tende Felpjägerlorps, das fih aus jungen 
Leuten ergänzt, die im höhern Forſtfach angeftellt 
zu werben wünfchen und bereits den Dienitarad 
eines Leutnants der Referve bekleiden. Unter einem 
General der Infanterie ald Chef wird das Korps 
befebligt von dem Inſpelteur der äger und Schügen 
(Generalmajor) und zäblt (1905) 3 Oberjäger (Über: 
leutnants) und 67 Seldjäger (3 Oberleutnants und 
64 Leutnants), von denen nur ein Teil im Dienfte 
des Korps, der Reſt im Foritfach verwendet wird. 
Rad der Anftellung als Oberföriter jcheiden fie aus 
dem Korps aus. — Das ruf. Neitende Feldjäger— 
torps beftebt bei gleihem Dienit aus Offizieren aller 
Grabe vom Oberſten abwärts, bat jedoch feine Be: 
— zum Forſtfach. — Die öſterr. Armee bat 
32 5eldjägerbataillone, die zufammen mit 
den Hegimentern Tiroler Raijerjäger (j. d.) eine Art 
ite-Infanterie darftellen. — In manchen Staaten 
bedeutet F. joviel wie Gendarm. 

Feldfanonen, vienitlihe Bezeichnung der Flach⸗ 
babngeihüße (ſ. d. und Geſchutz) der deutichen Feld— 
artillerie. 

Dkaplan, lath. Geiftlicher, |. Feldprediger. 
tirch. 1) Bezirföhauptmannfchaft in Bor: 
arlberg (j. Karte: Tirol und Vorarlberg), bat 
456 qkm und (1900) 56636 €. in 33 Gemeinden mit 
Ortihajten und umfaßt die Gerichtöbezirte Dorn: 
bim und 5. — 2) Stadt und Sik der Bezirtshaupt: 
mannichaft, eines Generalvilars, des Biſchofs von 
rigen, eines Kreisgerihts, einer Finanzbezirts: 
direltion, eines Hauptiteuers und Hauptzollamtes, 
einer Handeldfammer und eines Bezirksgerichts 
‚sı qkm, 28364 G.), an der Ill, in 457 m Höbe, 
in maleriicher Lage, in der Mitte weier Felſenengen, 
deren Paſſe eine natürliche Fejtung bilden, und an 
den Linien Innsbrud⸗F. (157 km), 5.:Buchs (18km) 
und %.:Bregenz (36 km) der Biterr. Staats: 
babnen, bat (1900) 4616 mcift kath. E., got. Piarr: 


533 
firhe (1487) mit ſchönem Prebigtitubl (15. Jahrh.) 
und Altarbild (angeblib von Holbein), Kapu— 


zinerlirhe mit ſchönem Altarbild der Florentiner 
Schule, Rathaus mit fhönem Saal, neues Kur: 
haus, va Spital und Pfründhaus, botan.Garten 
mit alpiner Anlage; ein f. t. Real: und Obergym: 
nafium, große Erziehungsanftalt der Jeſuiten (Stella 
matutina), Voltsſchule, Privatmärchen: und Yadı: 
Barmen fowie Baummwollipinnereien, Mühlen, 
ewerfe u. ſ.w. Über der Stadt auf einer Anböbe 
am Fuße des Steinwaldes die Ruine der im9. Jahrh. 
erbauten Schattenb ne Sitz der Örafen von 
Montfort. GrafRudolf VII. von Montfort verkaufte 
die Herrichaft F. 1375 an Öfterreih. Etwa 1,5 km 
weitlih von %., am linten Ufer der Ill, liegt der 
Margaretenta f (557 m) mit Barlanlagen und 
Ihöner Ausficht Aber das ganze Rheinthal vom Falt: 
nis bis zum Bodenfee. Der Margaretentapf wurde 
1799 von 5000 Bfterreihern gegen 18000 Frangofen 
unter Maſſena fiegreich verteidigt. — Bol. %. und 
feine Umgebung (Feldkirch 1896). 
Feldfirhen, Marlt in der dfterr. Bezirls⸗ 
—— Klagenfurt in Kärnten, an dem 
n den Oſſiacher See fließenden Tiebelbace, in 
549 m Höhe, an der Linie St. Michael : Billa 
der Öfterr. Staat3bahnen, Sitz eines Bezirkägerichtö 
(693 qkm, 20284 deutſche E.), hat (1900) ala Ge: 
meinde 2079 E. und Flachsbau. y der — 
zahlreiche Stahlhämmer, Senſen-, Pfannen⸗, Nägel: 
und Drahtfabriken, Pulvermühlen, Sägen und Fär: 
bereien ſowie das große Bledh:, — und 
Walzwerl der Alpinen Montangeſell oh zu Bud: 
ſcheiden mit 130 Arbeitern und Torfbetrieb. 7 km 
nördlich der Alpenturort Bad Sankt Leonhard 
(1109 m) mit einer Quelle von 8° C. 
eldkoft, |. Verpflegung der Truppen. 
eldfreuz, joviel wie Betfäule (ſ. d.). 
eldfriegdgericht, |. Kriegsgericht. 
eldfröte, j. Kröten und Tafel: Fröſche und 
Kröten II, Fig. 3. 
Feldküchen, bei — Verbleiben an einem 
Drt von den A dlazaretten u. a. errichtete 
Küchen, die für die Mannſchaften beim Mangel 
der ———— die Speiſen zubereiten. 
eldkulte, ſ. Aderkulte. 
eldfümmel, Bflanzenart, re Carum 
und Tafel: Umbellifloren I, Fig. 2. 
Yeldlazarett, eine ſchnell bemeglihe Feld⸗ 
rag ge (h d.) der — Armee, 
dazu beſtimmt, den Verwundeten ſofort nach der 
Schlacht ſichere Pflege zu gewähren. Das F. wird 
in den erſten Mobilmachungstagen formiert, folgt 
ſeiner Truppe dicht auf dem —*— und wird bei 
einem Gefecht ſo nahe an das chtfeld (außer 
Schußweite) herangezogen, daß es in geeigneten 
feiten Räumen oder unter Benugung von Kranlen: 
pe Baraden u. f. w. errichtet werben kann. 
8 übernimmt die Schwerverwundeten vom Haupt: 
verbandplag (ſ. d. und Sanitätsdetahement) und 
fendet fie rüdwärtß in die Er Kriegslazarette 
(f. d.) und Etappenlazarette (j. d.). Die Ausrüftung 
der F. mit Lagerungsgegenitänden, Berbanpmitteln, 
hirurg. Injtrumenten, Arzneien iſt für 200 Ber: 
wundete —— Den Sanitätswagen eines 
. zeigt Tafel: Sanitätsweſen, Fig. 11. Jedes 
rmeetorp& madt 12 5. mobil. Das F. verfügt 
unter dem Befehl des älteiten ——— 
(meiſt ein Oberſtabsarzt als Chefarzt) über 5 Urzte, 
1 Felvapotheler, 21 Sanitätsunteroffiziere und 


634 


militär. Kranlenwärter. Andere Staaten haben 
ähnlihe Einrichtungen. (S. Ambulanz, Feldſpital.) 
Feldlazarettdireftor, ein Obermilitärarzt bei 
jedem mobilen deutſchen Armeelorps, welder ber 
Gtappeninfpettion (ſ. Etappenlinien) oder dem 
Etappenarzt unterjtellt ift und durch perjönliche 
Einwirkung für das ungeftörte Ineinandergreifen 
ber innerhalb des Etappendienftes ſich begegnenden 
und in ihrer Wirkjamleit aufeinander angewiejenen 
elofanitätöformationen (f. d.) verantwortlich zu 
orgen bat. Zu feinen Dbliegenheiten gehört die 
inrihtung von ftehenven Kriegs: und Etappen: 
lazaretten, bie Regelung der Krantenverteilung im 
Bereich der Etappeninfpeltion, die Sorge für recht: 
zeitige Ablöfung der Feldlazarette, die Merwachung 
bes Dienftes bei den Leichtlranlenſammelſtellen und 
die Revifion der Lazarettrefervedepots (j. d.). 
Feldlerche, |. Lerche ſowie Singvögelnebit Tafel: 
Mitteleuropäifche ——— V, Fig. 8. 
eldlgeſchũtz, eine vierläufige Gewehrmitrail: 
leuje, vom — J—— Ingenieur Feldl erfunden 
und von den Bayern 1870/71 mitgeführt, konnte 
400 Schuß in einer Minute abgeben, war aber nicht 
einfach genug, um völlig friegäbrauchbar zu fein. 
eldmagnete, bei einer Duuamenieiöine die 
zur Erzeugung des magnetifhen Feldes (j. Feld, 
magnetijches) derfelben dienenden Eleltromagnete. 
Geipmen, Wilhelm, — — f. Bd. 17. 
Idmann, Leop., Zuftipieldichter, geb. 22. März 
1801 zu Münden, von israel. Ablunft, war kurze 
Zeit bei einem Handwerler in der Lehre, ging dann 
wieder zur Schule und fchrieb ſchon im 5%. 1817 ein 
Schauſpiel «Der falihe Eid»; darauf wurde er 
Kaufmann, widmete ſich aber fpäter ausſchließlich 
litterar. Arbeiten. Nach fünfjährigen Reifen war F. 
1850 — 54 Dramaturg beim Theater an der Wien. 
Er ftarb 26. März 1882 zu Wien. Seine zahlreichen 
oe («Der Sohn auf Reifen», «Das Porträt 
der Geliebten», «Der höfliche Mann», «Der Red: 
nungsrat und feine Töchter» u. a.) zeichnen ſich durch 
frifche Heiterkeit, unbedenlliche Situationstomil, 
gewandte Benugung von Zeitideen und Zeitereig: 
nifien aus, wenn Im fih aud in der Charalteriftit 
zuweilen der Karifatur nähern. Drud ließ F. 
—— Driginalluftipiele» (6 Vde., Wien 1845 
—52; Neue Folge, 2 Bde., Berl. 1855—57) ericheinen. 
Feldmark, die Fläche jämtlicher, einer Gemeinde 
oder einem Landgut gehörigen Adergrundftüde, 
beren Grenze burh Bäume, Gräben, Marljteine 
bezeichnet wird. 
amtlich 


Feldmarſchall, im Deutihen Reid 
Generalfeldmarfhall, zur Zeit die höchſte 
militär. Würde in den meiften Armeen. Das Ab: 

en der Würde eines F. ift derFeldmarſchall— 
ha oder der Interimsfeldmarſchallſtab (f. Kom: 
manboftab.) Im deutſchen Heere trägt der F. auf 
den Adielftüden (Epauletten) der Generalduniform 
zwei gekreuzte Kommanbojtäbe. Im Mittelalter 
wurbe der unter dem Befehl des Generals oder Feld⸗ 
oberften den Aufmarſch und die Verpflegung der 
ganzen Armee leitende Befehlshaber der Reiterei 
eines Heers F. genannt. Die Würde eined Mar: 
ſchalls (f. Hr) von Frankreich, feit dem Sturze des 
zweiten Kaiſerreichs nicht mehr verlieben, entipradh 
der eines Generals der Infanterie oder Kavallerie 
in Deutichland. Letzteres gilt auch von der Würde 
des Marſchalls in der Türkei. — Das deutſche Heer 
bat (1906) fieben Generalfeldmarfhälle: Prinz Al 

t von Preußen (Regent von Braunſchweig), 


Feldlazarettdirektor — Treldmeßfunft 


Kaifer Wilhelm II., Prinz Leopold von Bayern, 
von Hahnke, Graf Haefeler, Freihert von Loẽ und 
Kaiſer Franz Joſeph von Dfterreih. Außerdem 
wurbe einigen Generaloberften (f. d.) Feldmar— 
—— verliehen. Das dfterr.:ungar. Heer 
atte feit 1895 überhaupt feinen 5. (abgekürzt FM.) 
mehr, bis im J. 1900 der Deutfche Raifer Wilhe m IL 
dazu ernannt wurbe. 
marfchalllentnant (abgelürzt FML.), in 

Öfterreih-Lingarn der dritthöchſte Generalär 
entfpricht dem deutfchen Generalleutnant. Dies 
baben das Präpditat Ercellenz. 

Feldmahe, Flächenmaße, nach welchen die Größe 
der zu land⸗ oder forftwirtihaftlihen Zweden ver: 
wendeten Bodenflähen beitimmt wird. W d 
nod bis in das 19. Jahrh. hinein fait jede Landſchaft 
und jeder Gau Deutichlands wie der übrigen europ. 
Länder fein eigenes Feldmaß befaß, bat fi in 
neuerer Zeit die Zahl der F. vermindert, zunächſi 
durch Aufitellung von Landesmaßen für die ein: 
einen Staaten, dann infolge der Annabme des 
rang. ut, Maßſyſtems in fait ganz Europa. 
Ein Teil der 5. bezeichnete urfprünglib das Stüd 
Land, das in einem Tage von einem Joh Ochſen 
umgepflügt werben fann. So ſchon das Jugerum 
(j. d.) der alten Römer. Die Einbeit des fran: 
zöfifchen und des nunmebrigen (feit 1872) hen, 
1876 aud in Oſterreich Ungarn und 1877 in ber 
Schweiz eingeführten metriſchen —— iſt dag 
Ar (f. d.); meiſt wird jedoch die Große der Boden: 
flähe in Heltar (zu 100 a) audgedrüdt. In den 
meiſten deutfchen Jandern galten früher der Ader 
ſ. d) und der Morgen (f. d.) ald Einheit des Maßes 

dei: gi — — — 

eutſchland auch die Hufe (f. d.) zu einem g 

ldmaß geworben. Ha en nad Schef: 
eln Landes oder Ausjaat famen ebenfalls in 
Deutichland vor (3. B. in Sachſen zu 1 Morgen oder 
Ya = Oſterreich war das geſetzliche Feldmaß 
das Joch (ſ. d.). In der Schweiz diente feit 1858 
ala a —— Feldmaß die Juchart (ſ. d.). Das 
alte Adermaß in Frankreich war der Arpent (ſ. d.). 
In Großbritannien und den brit. Kolonien ſowie 
in den Bereinigten Staaten von Amerita ijt das 
Adermaß das Acre (ſ. d.). Im Ruſſiſchen Reiche gilt 
die Dejlätin F d.). In Finland war bis 1892 noch 
das ältere ſchwed. Feldmaß, die Tonne Landes 
(Tunnland) von 49,3658 a, nejeblich. In Rumänien 
ift die Einführung des metriſchen Syſtems noch nicht 
vollitändig erfolgt, 10 daß noch die frühern 5. gelten, 
nämlich in ver Walachei der Pogone von 49,3056 a 
und in der Moldau die Faltic (}. d.). Die 
des jekigen griech. Feldmaßes lit dad Stremma von 
10 8. Neue 5 tönnen ſich nur vergleichsweiſe lang: 
fam und allmäbhli —— und einbürgern, da 
nicht nur die Gewohnbeit, jondern durd Jahre wei: 
ter gehende Nupungsverträge, die Einträge in den 
Grundbüdern und die Feitießung der Bodenab- 
gaben einem rafhen Übergang zu neuen Größen 

dmans, ſ. Wühlmaus, [entgegeniteben 
Idmeifter, ſ. Abbeder. j 
Idmeffer, ſ. Landmeſſer und — 
Idmehkunft, Geodäſie, Meblunft, Ber: 
mejfung, Landesvermeſſung, das g 
Gebiet der Ausmefjung und zeihnenden (grapbt: 
ſchen) Darftellung von Teilen der Erboberfläde 
oder aud von dieſer ſelbſt in ihrer pn 
um daraus deren Gejtalt, Größe und äu Be 
ſchaffenheit fiher ertennen zu lönnen. Gemöbnlid 


Feldmeßkunſt 


teilt man die F. ein in eine höhere und in eine nie 
dere und rechnet zur höbern 5: oder Geopäfie alle 
diejenigen nn. welche ſich auf die Ermitte 
(ung der Größe und Gejtalt der ganıen Erde oder 
doch jo großer Näume auf der Erdoberfläche be: 
ieben, da nur unter fteter Berüdfichtigung der 
"bärsibifchen Geftalt des Erptörpers gelöft wer: 
den lönnen. Der niedern F. verbleiben dann alle 
diejenigen zn, bei deren ang von der 
ſpharoidiſchen Geitalt der Erve im allgemeinen ab: 
aejeben werden kann. Cine bejondere Schwierigteit 
entftebt für die —2 Darſtellung der Erbober: 
aus der lugelähnlichen (ſphärdidiſchen) Ge: 
alt der Erde, da ſich die Oberfläche einer Kugel 
nicht in eine Ebene abmwideln läßt. Siebt man 
aber ab von der plaftiihen Nachbildung des gan: 
sen Erblörpers (Globus), welche immer nur in ſehr 
einem Maßitabe ausführbar und aud nur für 
jeher wenige Zwede praltiih verwendbar ift $ 
müfjen Mittel gefucht werden, um die Grooberflä e 
in ft geringer Verzerrung ihrer wahren Ber: 
bältnifje auf der Ebene abzubilden. Zur Erreihung 
dieſes Zweds lommen die verjhiedenften Arten 
der Projeltion (f. d.) zur Anwendung, die jedoch 
jämtlih die graphiihen Mißverhältniſſe niemals 
ganı befeitigen lönnen, folange es ſich um bie 
bbildung größerer Gebiete handelt. Bei enger 
begrenzten Flächen fann man jedoch auch hierbei 
die Erdoberfläche ala borizontale Fläbe annehmen, 
und daher werden fait alle fartogr. Darftellungen 
der niedern %. in orthographiſcher (rechtwinkliger) 
Horizontalprojettion ausgeführt. 
Die Beinen im Felde zu löfenden Aufgaben 
ver 5. lafien ſich einteilen in das Beitimmen von 
ten, das Mefien von Längen (Abjteden von 
Linien) und dad Meſſen von Winteln (Horizon: 
tale und Bertitalmintel), Bei Ausführung diejer 
Arbeiten wird jtet3 aus dem Großen ins Kleine 
angen, p daß die Operationen der niedern 
B. Het on nihluß und feiten Rahmen finden 
den von der hohern Geodäjie mit allen Mitteln 
der — * und Technik ausgeführten grund: 
legenden ungen. Die Aufgaben der höhern 
daſie find daber unter Benußung der beiten 
Mebinitrumente: 1) die Ermittelung der Größe und 
wabren Geitalt der Erde (ſ. Gradmeſſung), 2 die 
Aus ng einer gründlichen Triangulation (f. d.) 
als Vorarbeit für die daran anzuſchließende Detail: 
des betreffenden Landes. Dieſe lehtere 
bildet dann die u. der niedern F., die ; 
nad den befondern Sweden, denen fie dienen joll, 
| er Weiſe zur Durchführung gelangt (mis 
(itär. YAufnabmen, Katajtervermeljungen zu ſtaats— 
öfonomijhen und — weden, techniſche Ver: 
meſſungen für bauliche Arbeiten u. a.). Die Aus: 
ieſer VBermeflungen erfolgt entweder ala 
ufnabme, die das betrefiende Gelände 
unmittelbar in einem äbnlichen Bilde wiedergiebt 
— Aufnahme) oder als geometr. Vermeſſung, 
der die Großenverhältniſſe der betreffenden 
Landftreden in Zablen ausgedrüdt erhalten werden, 
aus en m en en erit —— 
Konſtrul geſtellt wir ataſtervermeſſung). 
Den Ausgangspunlt jür alle dieſe Kehren bilden 
fletö die durch die höbere F. bereits gegebenen Feſt⸗ 
von denen aus weitere Bunttbejtimmungen 
durd oder Horizontal: und Vertital:Wintel: 


en vorgenommen werden. Zur Beitimmung 
he, 2. er Dimenfionen von Flächenräumen 


535 


fann man bierbei je nad den Umftänden in vers 
—— eiſe verfahren, und man unt cheidet 
olgende Vermeſſungsmethoden: 1) Die Polar— 
oder Gentralmetbode, mobei die Bruchpunlte 
des Umfangs einer Fläche von einem gegebenen 
Buntte innerhalb oder außerhalb diefer Fläche aus 
in der Weije feitgelegt werben, daß man die Horizont: 
winkel mißt, die die Verbindungslinien des Stand: 
punttes mit den einzelnen Bruchpuntten bilden und 
auf den betreffenden Wintelichenteln die gleichfalls 
durch Mefiung ermittelten Horizontalentfernungen 
zwiſchen Standpunkt und Brucdpunft aufträgt. 
2) Die Koordinatenmethode. Eine innerhalb 
oder außerhalb der zu vermefjenden Flächen be 
jtimmte gerade Linie dient als Abſciſſenachſe, auf die 
von den Bruchpunlten des — Senkrechte ge⸗ 
fällt werden. Die Abſtände dieſer Senlrechten von: 
einanderund die Länge derjelben beitimmen dann die 
Lage dieſer geluchten Punkte. 3) Die Abſchneide— 
methode. Von den beiden Endpunkten einer genau 
rar ie geraden Linie aus werden die Horizontal: 
winfel nad den neu zu —— unlten ge⸗ 
meſſen, fo daß nach jedem Punkte zwei Viſierlinien 
gezogen werden, deren Schnittpunkt dieſen geſuch⸗ 
ten Bunte felbit ergiebt (geometr. Triangulieren 
oder Neplegung). 4) Die Umfang: oder Peri— 
metermetbode. Die Umfangslinie felbjt und die 
Mintel, unter denen ihre einzelnen Teile in den 
Bruchpunkten zufammentreffen, werden gemejjen. 
5) Die Diagonal: oder Dreiedsmethode. 
Eine beliebig begrenzte Fläche wird durch Diago— 
nalen in Dreiede zerlegt, deren Größe man aus 
den drei Seiten oder aus Seiten und Winteln er: 
mittelt. — Alle diefe verfchiedenen Mefjungsmetho: 
den find zunächſt nur Hortzontalmefjungen, d. b. fie 
dienen dazu, bie Grundrißverhältnifje in der Hori: 
jontalprojeltion zur Darftellung zu bringen. Sollen 
in einer Karte auch die Höbenverbältnifle, d. b. die 
dur abjolute Höhe und Böihungsgrad bedingten 
Bodenformen zum Ausdrud gelangen, jo müjlen 
auch nod Vertikal- oder Höbenmejjungen (ſ. d.) 
ausgeführt werden. Die genauejten Höhenbejtim: 
mungen liefert dad geometr, Nivellieren (ſ. d.), 
doch genügt für jehr viele Zwede volllommen das 
trigonometrijche oder auch das barometriihe Hö: 
benmejien (j. Barometrijhe Höbenmeilung). Alle 
Höbenmefjungen müfjen auf einen gas 
Horizont bezogen werben, und zwar wird meijt das 
Meeresniveau als Ausgangspunlt genommen, in 
Preußen feit 1879 der Normalnullpuntt (j. d.). 
liber die ul he Darftellung der gewon— 
nenen — Terrainzeichnung, Aufnahme. 
Bal. Bohn, Die Landmeſſung (Berl. 1886); 
Loewe, Anfangsgründederniedern Geodäſie (Lieben: 
werba 1892); Jordan, Handbuch ber Vermeſſungs⸗ 
lunde (3 Bde., a 1. Bv., 4. Aufl. 1895; 2. Sb. 
5. Aufl. 1897; 3. Bb., 4. Aufl. 1896); Bauern: 
feind, Elemente der Vermeſſungslunde (7. Aufl., 
ebd. 1890); Kahle, Landesaufnahme und General: 
tabslarten (Berl. 1893); Wüft, Leichtfaßlihe An: 
eitung zum Feldmeſſen und Nivellieren (5. Aufl. 
von Nachtweh, ebd. 1901); Läska, Lehrbuch der 
Vermeflungstunde u 1894); Baur, Lehrbuch 
der niedern Geodäſie (5. Aufl., Berl. 1895); Hart: 
ner, Handbuch der niedern Geodäjie (8. Aufl. von 
Waſtler, Wien 1897); Pietſch, Katechismus der F. 
(7. Aufl., Mz. 1903); Vogler, Geodätifhe Übungen 
(2. Aufl., Berl. 1899— 1900); —— Kompen⸗ 
dium der Geodäſie (Wien 1900); Miller, Die Ber: 


636 


meflungäfunde (2. Aufl., Hann. 1903); Abenprotb, 
Der Landmeſſer im Städtebau (Berl. 1901); Tapla, 
——— ber niedern Geodaſie (TI.1, Wien 1901); 
Baule, Lehrbuch der Vermeſſungskunde (2. Aufl., 
fFelbminze, |. Calamintha. [2p3. 1901). 
Feldmochinger Pferd, ein nad jeiner Hei: 
mat, dem Dorſe Feldmoching bei Münden, be: 
nannter Pferdeſchlag, der daburd eine gewifie Be: 
deutung er 8 hat, daß die ihm zugehdrigen Tiere 
mit einem im Starnberger See gefundenen foffilen 
Bferde im Stelettbau genau übereinftimmen. Das 
F. P. ift wahrſcheinlich ein primitives Pferd, direl: 
ter Nachkomme eines urfprünglicen Pferdetypus. 
Iomörfer, j. Selbgeihühe und Gchhüß. 
ldmunitionsp ſJ. ERSTE: 
eldoberft, im 16. und Anfang des 17. Jahrh. 
Dienfttitel der Führer größerer Heere, gleihbedeu: 
tend mit dem fpäter üblichen Titel Generaloberſt 


Ido den, |. ——— (1. d.). 
eldpolizei, 1) die Aufitellung a. von Polizei: 
vorſchriften mit Strafandrobung zum Schuß der 


deldgrundftüde, Pflanzungen und Bodenfrüchte 
gegen Beihädigungen durch Perſonen oder unbe: 
auffichtigte Tiere ſowie gegen Entwendung von Pro: 
dukten, b. von Feld⸗ oder Flurhutern (f. Feldfrevel); 
2) die Handhabung aller nicht unmittelbar in das 
Gebiet der Truppendisciplin oder der Taktik ge: 
börenden Maßregeln, welche im ing A Auf: 
rechthaltung der Ordnung auf dem Kriegsſchau⸗ 
plag, namentlih im Rüden der Armee und auf 
den rüdwärtigen Verbindungslinien, getroffen wer: 
den. In frühern Zeiten wurde die F. gehandhabt 
von dem Feldgewaltigen oder Generalprofoß mit 
ben ihm ——— rofoſſen, Trabanten, Stock⸗ 
meiſtern und Steckenknechten; gegenwärtig liegt bie 
3. in den Händen der Feldgendarmerie (ſ. d.). 
Feldpolizeigefchgebung, derjenige Zweig der 
Agrargeſeßgebung, welcher fi A Bee (1.d.) 
im erftgenannten Sinne bezicht. Urſprünglich alleis 
nige und ſelbſtändige Aufgabe der Yandbau treis 
benden Gemeinden, wurde die F. feit dem 17. Jahrh. 
mebr Gegenftand ver landesberrlichen Geſezgebung. 
Eine für ganz Preußen einbeitlihe F. wurde nad 
dem Vorbild des franz. Code rural von 1791 ge: 
Ihaffen durch das Feld: und Foritpolizeinefek vom 
1. April 1880, welches durch zablreihe Bolizeiver: 
orbnungen örtlicher Natur ergänzt wird. Die fibris 
en Staaten Deutichlands haben die feldpolizei: 
ihen Borjchriften entweder in einem elpitraf- 
eſeß vereinigt (Sachſen, Heflen) oder fie in dus 
Bofeiftrafge eßbuch aufgenommen (Bayern, Würt: 
temberg, Baden, Elſaß⸗Lothringen). In den diterr. 
Kronländern iſt fie durch Landesgeſetze geregelt. 
eldpoft, die Einrihtung, durch melde die 
PVojtverbindung einer Armee im Felde einerjeits 
mit der Heimat, andererſeits nad und von den ein- 
zelnen Truppentörpern bergeitellt und bis zum Ein- 
tritt des Friedens unterbalten wird. Bereits im 
Altertum und im Mittelalter finden fi Anfänge 
einer ſolchen Nadrichtenbeförderung im Kriege. 


Eine eigentlihe F. aber entwidelte ſich erſt im 


18. Jahrh. in Preußen unter dem Einfluß der 
jablreihen Kriege, namentlich des —— 
Se er 1778 bei Ausbruch des Bayrifchen 

folgetriegeö wurde eine umfafjende Inſtruktion aus⸗ 
— Zur Zeit der Napoleoniſchen Kriege bes 
anden fid bei den Armeen ebenfalls Feldpoſtämter 
(bei der preuß. Armee 1813/14 3. B. 3 Feldpoſtämter 
mit 27 Setretären, 4 Briefträgern und 79 Boftillo: 


Feldminze — Feldpoſt 


nen); doch dauerte die Beförderung von Nachrichten 
ſehr lange, beifpielsweife Paris Berlin 12 Tage. 
Die mächtige Entfaltung neuer Bertebrsmittel, 
der Eiſenbahnen und Telegrapben, hat im Feldpoſt⸗ 
mejen bedeutende Ummälzungen und Leiſtungen 
bervorgerujen. Während des Krieges von 1866 
wurden täglich etwa 30000 Briefe nad und von der 
Armee durd die preußifche F. befördert. Die in die: 
jem Kriege gefammelten Erfabrungen wurden bei 
der durch die Dienftorbnung für die Feldpoftan: 
talten 1867 eingeführten neuen Organifation ent: 
prechend verwertet. Außer den Feldpojtämtern 
jedes Armeelorps und den Feldpoiterpeditionen für 
jede Divifion wurden bejondere Etappen:Boit: 
direltionen errichtet, bie unter der General: 
Etappeninſpeltion der betreffenden Armee ftanden 
und namentlich die Aufgabe hatten, die —— 
bindungen für die vorrüdenden Armeen durch Er: 
rihtung von Feldpoftitationen berzuftellen und nad 
dem wechjelnden Bedürfniſſe zu unterbalten. 
Der Deutſch⸗ Franzoſiſche Krieg von 1870 und 1871 
ab Gelegenheit, die neuen, von dem damaligen 
eneralpoftmeijter St an ausgearbeiteten Feld: 
pofteinrihtungen — zu erproben. Die Stärle 
der mobilen norddeutſchen F. belief ſich in dieſem 
Kriege auf 77 Feldpoſtanſtalten mit 292 Beamten, 
202 Unterbeamten, 294 Bojtillonen, 869 Pferden 
und 188 Fahrzeugen. Zur richtigen Leitung der 
Feldpoſtſendungen waren die umfaflenditen Bor 
tebrungen getroffen. Bei den ſechs Sammeljtellen 
an der franz. Grenze ftrömten die Poſtſachen aus 
der Heimat vor ihrer Weiterjendung an die Truppen: 
teile zufammen; bier waren die gebeimgebaltenen 
Bewegungsüberfihten der großen Truppentörper 
befannt und die Sendungen fonnten von der Sam: 
meljtelle aus ibrem Pe Leitwege zugeteilt wer 
den; Feldpoſtrelais, Feldpoſtſtationen, Paderei— 
depots führten dann bis in das Centrum der einzelnen 
Truppenteile, und der deutſche Soldat erhielt täglich 
feine Korreipondenz. Für das Hauptquartier des 
Königs von Preußen hatte Stepban eine beſondere 
Kurierpoft bis zur deutichen Grenze eingerichtet und 
verftand ed, unter Benußung der Eijenbabn bis 
Bont:a:Moujjon erg den Weg nad Berlin 
(1200 km) bis auf 24 Stunden abzjulürzen. Die 
Dperationen des deutſchen Heeres erjtredten ſich 
über ein Gebiet von 170000 qkm; von den 411 
hen wurden über 90 Mill. Briefe, 
Eh ill. Zeitungen und 2 Mill. Batete befördert. 
reißig Jahre nah der Mobilmahung von 
1870, am 9. Juli 1900, wurde die F. für die deut: 
ſchen Streitkräfte in Dftafien in Thätigkeit geſetzt 
und von dem damaligen Leiter des Voſtweſens. 
Generalleutnant von Podbielſti, eifrig gefordert. 
Das Feldpoſtperſonal beſtand aus 1 Armee-⸗Poſt⸗ 
direltor (Schellhorn), 1 Armee-Poſtinſpeltor, W 
on pie 15 Feldpoſtſchaffnern und 10 
Idpoftillonen. Zur Ausrüjtung des m. 
gr die fog. Tropenuniform aus beilbraunem 
rillih mit Kortbelm. Die F. beförderte Briefe bis 
50 g und Feldpoſtlarten portofrei, Zeitungen gegen 
eine Umfchlaggebühr, ferner Palete bie 2 ie 
Poſtanweiſungen bis 800 M. (auf blauen Formu⸗ 
laren) und Briefe mit Wertangabe. Als Sammel: 
telle für die Feldpoftiendungen galt das Marine: 
Boftbureau in Berlin. (©. ar aaa Im 
inblid auf die langwierige Seebelörderung war 
die Poſt zu einer jehr ſorgſamen und toftipielinen 
VBerpadungder Felppoftiendungen gezwungen. 


Feldprediger — Feldſchanzen 


amtlicher Zählung hat das Marine⸗ Poſtbureau vom 
1. Aug. 1900 bis 31. Aug. 1901 5230000 Brief: 
ſendungen in beiden Richtungen befördert. Abge: 
ſendet an Kriegsſchiffe, Transportdampfer und Feld: 
poitanftalten u. f. m. wurden in etwa 1800 Poften 
indgefamt 2630000 Brieffendungen; davon ent: 
fallen auf die Marine etwa 1730000 Brieffenbun: 
en, der Reft auf die F. Bon China aus bat das 
arine: Boftbureau 2570000 Briefpoftfendungen 
empfangen und an die Empfänger in der Heimat 
weiter geleitet. Als die Auflöfung des oftafiat. Er: 
itionslorps im Juni 1901 erfolgte, wurde die 

. nicht aufgelöft, jondern nur verringert; Ende 

ug. 1901 erfolgte die Aufhebung, und mit dem 

1. t. hörten die für die Truppen in Dftafien bis: 

ber gewährten PBortofreiheiten und Portoermäßi: 
gu auf. Letztere blieben bloß nod in Kraft für 
den — — mit den Truppen der oſtaſiat. Be⸗ 
ſatzungsbrigade. 

Die geſamte obere Leitung der F. gebört zu den 
Beiugnifien des — age in Berlin. Die 
Anordnungen eritreden ih auf das Perſonal, die 
Betriebömittel, die Leitung der Sendungen und den 
Gang der Feldtransporte. Naturgemäß tft die Boft: 
verwaltung in erfter Linie darauf bedacht, für jeden 
Kriegsfall eine a eur meer ger und kriegs⸗ 
tüchtiger Feldpoſtbeamten bereit zu haben; das nö: 
tige Berjonal wird aud) in Friedens zeiten fortlaufend 
ergänzt. Die beftebende Dienitorbnung für die 
F. vom 12. Juni 1889 gehört zu den Beitimmungen 
über die Mobilmabung und wird darum gebeim 

ehalten. Für die Manöver befteht keine ———— 

.jedoch werben die bier in Betracht fommenden 

bältnifje durch eine befondege Mandverpoft: 
ordnung geregelt. 

Feldprediger, bei den Karholiten Feldka— 
plane, die beim Heere Im Seelforge im Felde ange: 
ftellten zerm: in Öjterreich beißen fieapojto: 
life Feldvikare. Früher hatte jedes Regi— 
ment feinen F.; jest find in den meiften Heeren 
nur Brigade: oder Divifionsprebiger angeitellt. 
Sie ſtehen nad ihren Konfeffionen unter einem 
Selopropft ((.d). 

2 ‚, die beiden (evang. und lath.) 
oberiten geijtlihen Vorgejekten aller Militärgeiſt⸗ 
lichen IL d.) in Preußen, 

Weldraben, die Arten der Gattung Corvus, 
aljo der Kollrabe (f. d.) und die verfhiedenen Ar: 
ten der Krahen (f. d.). 

ldraute, |. Fumaria. 

ritterfporn, j. Delphinium. 

Idrofe, }. Roſe. 

1d , |. Ulme. 

Ipfalat, Lämmerſalat, Rapunzel, Ra: 
pünzden, Shafmäulden, Fettmännden, 
mebrere Arten der Pilanzengattung Valerianella 
1.d.), die zur Bereitung eines wohlſchmedenden Sa: 

5 benust und beſonders im 5* Frühjahr zu 
Markt gebracht werden. Die Blätter des F. bilden 
eine Heine Rojette. Am häufigſten findet man Vale- 
rianellaolitoria L. und dentata Poll. Inden Gärten 
wird eine aus Holland eingeführte Form mit brei: 
tern, runblidern, fubjtanzreihern Blättern kulti- 
viert (f. Tafel: Gemüjell, Fig. 8), in neuerer Zeit 
aud das ital. Rapunzchen (Valerianella coronata 
D.C.) und eine Form deöfelben, der man den Namen 
derfalatblätterigen beigelegt bat. Man fät die 
Samen Mitte September aus undlann die Pflanzen 
noch in demſelben Herbit nad der Entwidlung des 


537 


vierten Blattpaares ftechen, bei offenem Boden auch 
mitten im Winter. Die Dltoberjaat giebt einen an: 
genehmen Frühlingsfalat. Der F. gedeiht am beften 
in einem thonigen, mäßig feuchten Boden. 

Feldfanitätsformationen, in ſich abgeſchloſ⸗ 
ene, eigener Führung unterjtellte, feſt * 

ereinigungen von Sanitätsperſonal und Material 
[er die Krantenpflege im Kriege. Sie werben erſt 

ei der Mobilmabung nad —— gebildet und 
den mobilen Truppenkoͤrpern beigegeben. Zu den F. 
gehören in der deutſchen Armee: das Sanitäts: 
detachement, Felblazarett, Etappenlazarett, jtehende 
Kriegslazarett, Lazarettrefervedepot, immobile 
Güterdepot, Krantentransportlommiffion, Sani: 
tätäzüge, —— ©. dieſe einzelnen Ar⸗ 
tifel ſowie Reſervelazarett.) Bei den andern europ. 
—— und in den Vereinigten Staaten von Amerila 
eſtehen ähnliche Einrichtüngen, die in neuerer Zeit 
(außer in Rußland) den deutſchen nachgebildet find, 
eldfanitätötwefen, ſ. Sanitätämejen. 
Idöberg, Stadt in der diterr. Bezirlshaupt⸗ 
mannſchaft Miſtelbach in Nieveröfterreih, am Rande 
des Hügellandes gegen die Thaya: und Marchniede: 
rung, nabe der mähr. Grenze, an der Linie Qunden: 
burg: Zellernvorf der Kaiſer⸗ ——— 
Sißtz eines ee ögerichtö (408 qkm, 23900 €.), hat 
(1900) 3086 €., ſchoͤne Kirche, Kloſter der Barmberzi: 
en Brüder mit Spital, Schloß der Fürften von 
iechtenftein, 1640 und 1718 umgebaut, mit 244 Ge: 
mädern, Schloßkirche und Reitſchule ſowie eine 
Ader:, Objt: und Beinbaufchule. Der Theimmwald 
bei %. (Tiergarten, 2300 ha) ift 1660 von dem 
riten Karl Euſeb von Liechtenftein auf einer Hoch⸗ 
äche von Weider und Aderland angelegt. — Die 
Geſchichte von %. läßt fih urlundlich bis in das 
12, Jahrh. —53 — wo es mit dem Schloſſe 
Eigentum des Domſtifts zu Paſſau war. Ihre Ent: 
wicklung dankt die Stadt dem fürſtl. Hauſe Liechten⸗ 
ſtein, von dem fie als Sommerſitz begünſtigt wurde. 

Bee ſchweiz. Ort, & Selsberg. 

eldfchaden, der widerrechtliche Eingriff in das 
Eigentum an einem landwirtſchaftlich benußten 
Grunpftüd und defjen Erzeugnifien, ſoweit fie noch 
nicht geerntet find (Seldirevel) ferner die Schä: 
digung des Feldes und feiner 
Vieh, Wild (Wildſchaden) 
Krieg u. |. w. —* erträ e treffen gewöhnlidy Be: 
jtimmung, ob ber F. vom Pächter oder Verpächter 
m tragen ift. Zur Erjagleiftung für 5. haben die 
andwirtſchaftlichen Verfiherungen eine immer mei: 
tere Anwendung gewonnen, 

Feldſchanzen, mit Mitteln der Feldbefeſtigung 
künjtlich bergeitellte fefte Buntte bez. Stüßpuntte in 
befejtigten Stellungen; früher die hauptſächlichſten 
Glieder einer ſolchen. Man unterſchied geſchloſ— 
fene F. (Redouten) und offene, in ber rüd: 
wärtigen Seite (Keble) nicht ge loflene $.; balb« 

eihlojjene F. hatten einen Kehlſchluß aus einer 
— Bruſtwehr oder Paliſſadierung. Beide 
legtern waren je nad) der Grundrißanordnung Fle— 
fben, Halbredouten oder Lünetten. Stern: 
und baftionierte F. gehören ältern Zeiten an. — Der 
Aufriß zeigte noch ın den ſechziger Jahren des 19. 
Jahrh. 2,50 m Yeuerlinienböhe, dahinter angejhüt: 
tet Bankett und Gejhüsbänte, außen einen Hin: 
derniögraben von 3 m Tiefe. Man Ai dann zu 
niebrigerm Profil über mit innerm Einſchnitt und 
äußerm Materialgraben, nur für Infanterie, In Zu: 
kunft werben F. nur noch felten angewendet werben 


eugniſſe durch 
aturereigniſſe, 


538 


wegen bed erforderlichen großen Arbeits aufwandes 
und wegen ihrer Zieljäbigteit für die feindliche Ar 
tillerie. Die deutiche Borichrift empfieblt fie nur für 
ifolierte Befeftigungen und umſchließt einen Heinen 

um für 1—2 Compagnien mit einem Schüßen: 
graben von 0,6 biß 1 m Feuerlinienhöhe; in Frank⸗ 
reich find «ouvrages de compagnie» mit balb offener 
Keble, 1,30 m euerlinienhöbe, innerm und äußerm 


Graben vorgejehen; in Italien balbgefchlofiene | ſpr 


Lünetten mit innerm und äußerm Graben, Front 
1,30, Kehle 0,10 m Feuerlinie; in Öfterreich: Ungarn, 
mo man noch eine häufigere Anwendung ins Auge 
* ebenſo mit 1,45 bis 1,80 bez. O,95 bis 1,45 m 
euerlinienböbe, Unter allen Umftänden müjjen 
zahlreiche Hoblbauten in den F. bergeftellt werden, 
um die Befakung einigermaßen gegen das im Heinen 
Raum jehr witlom Geſchützfeuer zu fihern. 
Feldſcher, Feldſcherer, früber in der deut: 
ten Armee Bezeichnung für die unterfte Stufe des 
ilitärarztes in feiner weg untergeorbneten 
Stellung und Ausbildung (f. Bader). Später trat 
an feine Stelle der Compagniechirurgus. — In der 
ruf). Armee giebt ed noch beute ähnliche Stellungen, 
unſern Santtätäunteroffizieren entiprechend. 
eld —— ſ. Feime. 
Feldſchlaugen, Geſchutze, die früher bei der 
Arlillerie vorlamen und zu der allgemeinen Gattung 
der Schlangen gebörten, Die Schla 
tommt in Deutſchland feit 1440 vor) hatten unter 
den ältern Gejchüßarten die geringften Kaliber, aber 
die verhältnismäßig größten Längen (20—40 Kugel: 
durchmeſſer), durch welche man die Sicherheit des 
Schuſſes zu erhöhen trachtete. Die geringern Ra: 
liber der Schlangen wurden im Felde mitgeführt 
und ald F. bezeichnet. Die leichtern F. bießen Fal⸗ 
ten und Falkonetts. Die F. gingen fpäter in der 
Feldtanone auf. (S. auch Geſchütz.) 
eldſchmiede, ſ. Schmiedefeuer. 
ldſchũtzen, zu —* des 16. Jahrh., als 
die Artillerie noch feine Waffe, ſondern eine Zunft 
war, Bezeihnung für die Artilleriften, vie die deid 
ftüde bebienten, im Gegenfag zu den Bücjfen: 
meiftern und Feuerwerlern, von denen erftere die 
Mauerbrecer, letztere die Böller unter ſich batten. 
Weldfee oder Feldberger See, See im bad. 
Kreis Sreiburg, am öftl. Fuße des Feldbergs, 
1113 m ü.d. M., 4 ha groß und 34 m tief; in ihm 
werben qute Lachöforellen gefangen. Er ftebt durch 
die Gutach mit dem Zitifee (f. d.) in Verbindung. 
Feldfervituten, Servituten oder Dienftbartei: 
ten (f. d.), die auf Feldgrundftüden liegen. Die 
Unterfcheidung von F. und Gebäudefervituten (ser- 
vitutes praediorum rusticorum und urbanorum) 


fnüpft an den Zwed — Zmed, 


en (der Name 


Wohnzwech) der Dienjtbarleiten an, iſt indeſſen 
ſchon im röm, Necht nicht von rechtlicher Bedeutung, 
im franz. Recht ebenfo wenig, und im Bürgerl. Ge 
fepbuch für das Deutiche Reich übergangen. 


Feldfpat, ein Mineral, das die weſentlichſten Wach 


Gemengteile der kryſtalliniſchen Felsarten bildet, 
indem es nicht nur in faft jämtlichen reichlich vor: 
fommt, —* auch die —— eines Geſteins 
zu einer beſtimmten Gruppe in erſter Linie auf Grund 
der Natur des darin vorwaltenden F. erfolgt. Alle 

‚enthalten Kiefelfäure und Thonerde, die einzelnen 

lieder der Familie daneben noch entweder Kali 
oder andererjeits Kalloder Natron. Eifen und Mag: 
neiia jind ihnen ganz fremd Die %. kryſtalliſieren 
entweder im monollinen Syſtem und werben dann 


Feldſcher — Feldtauben 


Orthotlas (f. d.) genannt, oder im trillinen 
Epitem, wozu der Mikroklin (f.d.) fowie der Bla: 
ER eerrere 

Feldſperling, j. Sperling und Tafel: Mittel: 
europäifhe Singpögel I, Fig. 9, beim Ar 
titel Sinavögel. 

Feldfpital, Feldfanitätsformation der dfterr.: 
ungar. Armee, dem deutſchen Feldlazarett (ſ. d.) ent: 


elditandgericht, ſ. Standrecht. 
eldſtärke oder Intenſität des 
bei einer Dynamomaſchine oder einem gneten 
überhaupt die Kraft, mit welcher das Feld (ſ Feld, 
ma netiiche®) an der betreffenden Stelle auf einen 
Vol von der Stärke Eins wirkt. Andererjeitö wird 
diefelbe aber auch gemefjen durch die Kraftlinien: 
dichte an der betreffenden Stelle, d. i. die Zahl der 
Kraftlinien, die an derjelben auf dienormal zu ihnen 
— Fläheneinbeit treffen, als welche man den 
uadratcentimeter angenommen bat. Bei Dynamo: 
majcinen pflegt man unter %. allgemein die mitt: 
lere 5. zu veritehen, d. i. die Geſamtzahl der über: 
baupt in 2 e fommenden Kraftlinien, dividiert 
durch die Größe der Austrittäfläde. 

Feldftecher oder Krimfteher, urfprünglic 
ahromatifhe bolländ. Ta —— die mit 
mehrern auf einer kleinen Drehſcheibe befindlichen, 
verſchieden ftarten Hohllinſen fo verſehen find, daß 
fie fi revolverartig nacheinander vor die Dular- 
Öffnung bringen lafien, wodurd die Vergrößerung 
verändert wird. Bis 1829 galten die befonders von 
den böbern Offizieren gefuchten engliſchen F. ala die 
beften. Um dieſe Zeit wurden fie durch die 5. von 
8 oßl in Wien verdrängt, welde die engliſchen an 

elligteit und Schärfe weit übertrafen. Der Ploßlſche 
3. hatte ein Objeltiv von 2", cm Öffnung, ein f 
und zwei drehbare Dkulare, wodurd ſich nacheinan⸗ 
der eine 4=, 8: oder 12fache Vergrößerung beritellen 
ließ. Er geitattete bei der dritten Page feines Augen: 
glaſes einige Doppelfterne getrennt wahrzunehmen ; 
der Jupiter famt [einen Monden erſchien durch vie: 
ſen F. lichtträftig und deutlich. Neuerdings be— 
zeichnet man mit F. jedes Doppelfernrohr für den 
Handgebrauch. In der Konſtruktion dieſer F. ſind 
in den letzten Jahren bedeutende Fortſchritte ge— 
macht und dabei die holländ. Ferntohre durch ter: 
reſtriſche und aſtronomiſche in Verbindung mit Re 
flexionsprismen und weitem Oktularzwiſchenraum 
verdrängt worden, wodurch neben großer Helle und 
breitem Sebfeld eine früher unbelannte Plaſtik er: 
reiht wird. (S. Fernrohr.) 

— u, ſ. Drainierung nebſt Taf., 

ini 


echend. 
— ſ. Spißzmaus. 
eldes, 


eldſteine, |. Bruchſteine. 

Intauben oder Feldfluchter, eine Grup 

von Haustauben (f. d.), die von der Felſentau 
(f. Tauben) abftammen, pr Kopf ift Hein, glatı 
oder behaubt; der Schnabel lang geitredt, dünn, die 
shaut weiß, nicht beſonders aufgetrieben; die 
Augen groß, meift grellfarbig, der Augenrand alatt, 
fleiſchfarben; die Füße find nadt, unbehebert: röße 
834—36 cm; Gefiederfärbung ——— Bei den 
F. läßt ſich die Nußzucht noch mit der Liebhaberei aut 
verbinden. Am wertvollſten find fie durch das Fel⸗ 

dern, fo daß alſo ihre Erbaltung billig und ihr Ertr 
als Shla tgeflügel einträglich fein fan. — Bal. 
Prüß, Arten der Haustaube (3. Aufl., Lpz. 1878); 
derf., Illuſtriertes Muftertauben: Bud (Hamb.1886): 
Dürigen, Katehismus ber Geflügelzudt (Lpz. 1890). 


Feldtelegraphen 


Seldtelegraphen, vie Telegrapben (f. d.) im 
Dienfte ver Militärbehörden im Kriege. Den eigent- 
lihen Feldtelegrapbentruppen fällt bier: 
bei beſonders die Berbindung des Hauptquar: 
tiers mit den operierenden Armeelorpd und Divi⸗ 
fionen zu, während das den Etappenbebörben bei- 

Zelegrapbenperfonal die rüdwärtigen 
bindungen und Anihlüfle an die beſtehenden 
Linien berzuftellen und in Betrieb zu erhalten bat. 
Die Feldtelegrapbie foll bei den in vorderer Linie 
operierenden Korps ibre Linien m bis an die 
dem Feinde zunächſt ftebenden Abteilungen vor: 
ſchieben, um wichtige, bei den Bortruppen eingehende 
Rabrichten fchnell an das Hauptquartier zu beför: 
dern. Bei Einſchließung und Berteidigung feiter 
Bläge läßt ſich dies unſchwer erreichen und gain 
bei der gewaltigen — der großen Waffen⸗ 
aße der Neuzeit dem Oberlommando der Ein: 
liebungstruppen vorzugsmeife Vorteil, da ed nur 
mit diefem Mittel möglich ift, rechtzeitig an den be: 
drobten Stellen die zur Abwehr großer Ausfälle 
erforderliben Truppen zu verfammeln. Im Be: 
wegungskriege foll die Feldtelegraphie mit ihrem 
Material den Truppen obne Schwierigteit folgen 
und die höhern Kommanbobebörben andauernd in 
Berbindung erhalten. Deshalb wird eine möglicite 
Grleihterung des Materiald und der damit belajteten 
Jahrzeuge fowie ein fchneller Bau und Rüdbau der 
itungen angeftrebt. Die blanten Drabtleitungen 
erfordern immer Stangenmaterial und diejes einen 

ben Berladungsraum, verlangfamen —38* 

rbeit. Deshalb gebt man dazu über, die Feld⸗ 
telegrapbentruppen mit leiten Kabeln (f. d.) aus: 
jurüften, die. nur auf dem Erbboden abgerollt und 
dur an den Fahrzeugen angebrachte Vorrichtungen 
elbjtthätig wieder aufgenommen werden. Nur zur 

lLung permanenter 2eitungen muß von 
den betreffenden (Armee:Telegrapben:) Abteilungen 
der dritten Zone noch Stangenmaterial mitgeführt 
werden. Um aud die Truppen in der Front und 
die Bortruppen telegrapbiich zu verbinden, wird in 
dieſer (der vierten) Zone 2 leichteres Material 
pay nämlih dünner blanter Draht, wel⸗ 
* bei Anwendung von Telephon, Summer und 
ifrophon gg + auch ohne io: 
lation vollftändig genügt. Außer Eleltriſchen Tele: 
erapben benugt man auch Optiſche Telegrapben 
(ſ. d.); 3. B. baben ſich Spiegelinftrumente, bei 
denen man das reflektierte Sonnenlicht oder künft- 
lich erzeugte Lichtftrahlen zum Geben von Signalen 
benugt, ferner Flaggen, deren Bewegungen auf be 
beutende Entfernungen durch das Fernglas erkannt 
werden können, dort praltiſch bewährt, wo die Luft 
troden und durchfihtig war. Die Ruſſen verwende: 
ten ſolche Signalapparate (f. Heliograpb) in Een- 
tralafien und Chiwa, die Briten in Afgbaniftan, 
Zululand, Tranebaal und am Kap, die Franzoſen 
in Algerien und Tunefien, die Öfterreicher in 
nien. Auch optiihe Signale anderer Art (farbige 
oder Scheiben verſchiedener Form, in 
aud Metallbuchftaben auf dunkler Unter: 
ſich bei Marer Luft mittel3 guter m 
weite Entfernungen für Zmede der Feld⸗ 
telegraphie verwerten. an 5* Zeit ſind zur 
deldielegraphie die Ballonte le (f. d.) 
und die Telegrapbie Arne raht getreten. 

Die Kar apbie bat ihre Leiftungstäbigteit 
in dem ch⸗Franzoſiſchen Kriege von 1870 und 
1871 erwiejen. Sieben Feldtelegrapbenab- 


639 


teilungen hatten ven telegr. Verkehr zwifchen ven 
im Felde operierenden Heeresabteilungen zu ermög- 
lihen und zu unterhalten. Fünf Etappenabtei: 
lungen batten die für vorübergebenden Dienit 
gebauten Feldtelegraphenlinien nach Bedarf durch 
bauerndere zu erjegen und mit dem bleibenden Netze 
ber Friedensleitungen in Verbindung zu erhalten. 
Den Feld: wie auch den Etappenabtetlungen waren 
ionterbetahements von ungefähr 80 Mann unter 
brung eines Dffiziers beigegeben. Drei mit der 
berleitung der gejamten Feldtelegraphie in dem 
bejegten feindlichen Lande aute Kriegstele⸗ 
nn batten zugleich die von den 
ruppen zerjtörten Zelegrapbenlinien möglichft 
fchnell wieder betriebsfähig zu machen. An der 
Spiße der ganzen 5. ftand der damalige Vertreter 
des Generaltelegraphenvdireltord, Oberſt Meydam. 
Als Elektricitätöquellen kamen aufdeuticher Seitedie 
Batterien von Marie Davy, auf franzöfifcher die von 
Leclande zur Berwendung. Die Anforderungen an 
die F. haben fich ſeit 1870 weſentlich gefteigert, je 
daß die biaherige Friedensvorbereitung nicht mebr 
enügte. An Stelle der bei ver — —— aus 
elegraphenbeamten und Pionieren gebildeten 
Kriegsformationen treten mobiliſierte Abteilungen 
der Telegraphentruppen (ſ. d.), die für den 
Dienft des F. vollftändig ausgebildet und auch bei 
ben Friedensuabungen beteiligt werden. Bis zum 
Jahre 1876 war die Leitung der F. einem ald Chef 
der Militärtelegrapbie zur Generaltelegrapbenbirel: 
tion fommanbdierten Stabsoffizier unterftellt, der 
die zweithochſte Stelle in der Neichstelegraphen: 
verwaltung einnahm. 1877 wurde die Militärtele: 
arapbie von der Reichstelegraphie vollftändig ab: 
geneigt und einer befondern «Inſpeltion der 
ilitärtelegrapbie» übertragen. Gelegentlid der 
Schaffung der «Anfpeltion der Verlehrstruppen⸗ 
und der Zelegrapbentruppen wurde die Inſpektion 
der Militärtelegrapbie unter Umwandlung in eine 
—— der Telegrapbentruppen» jener der Ber: 
tebrätruppen unterftellt (1899). 
Deutihland ift auf dem Gebiete der Feldtele⸗ 
ga auch in neuerer Zeit bahnbrechend gemeien. 
äbrend alle Felvtelegramme bisher nad gewöhn⸗ 
lihen Säsen Die werden mußten und felbft 
für Offiziere zu koftipielig waren, wurden für das 
oftafiat. Erpeditionstorpa (1900—1) zum erften: 
mal Telegramme in verabredeter Sprade, ſog. 
Sammeltelegramme, eingeführt. Jever Soldat 
erbielt einen gebrudten «Schlüfjfel für Feldtele⸗ 
tamme», in welchem 100 ben re ded 
rieges angepaßte Nachrichten (auch ſolche geſchäft⸗ 
lichen Inhalts) zuſammengeſtellt waren. Zum Zwecke 
der Nachrichtenſendung war jedem Soldaten oder 
Militärbeamten vor der Ausreiſe eine Nummer ge: 
geben worden, wobei er die Perſon nambaft zu 
machen hatte, die er zur Empfangnabme aller von 
ibm abzufendenden Drahtnachrichten beftimmte. 
Bei Aufgabe von Feldtelegrammen war dann nur 
die Nummer de3 Soldaten und die aus dem Schlüffel 
br Idtelegramme gewählte Rummer anzugeben. 
o bedeutete 1: Bolllommen gefund. Gruß. 2: Ge: 
cht mitgemacht. Volllommen gefund. Gruß u. ſ. w. 
ur Übertragung der Telegramme in den urjprüng: 
ichen Tert und zur Übermittelung an den aus der 
Nummer erfihtlihen Empfänger erbielt vie Militär: 
verwaltung in Berlinein befonderes Ehiffrierbureau. 
Das rg See der Sammeltelegramme bat bie 
Koſten für Drahtnachrichten auf den zehnten Zeil 


540 Feldtreiben 


verringert. Nachrichten über Verwundungen wur: 
den auf Erfordern unentgeltlich nad) der Heimat 


—— — Vol. —* Geſchichte der Kriegs: 


telegrapbie in Preußen (Berl. 1875); Buchholtz, 
Die Kriegätelegrapbie (ebd. 1877); U. * Ne: 
. von 


nefle, Der Militärtelegrapbiit (ebv. 100; 
Fiiher: Treuenfeld, Kriegätelegraphie (ebd. 1879); 
derj., Die Kriegätelegraphie in den neuern Feld: 
zügen Englands (ebd. 1884); derf., Die Fortent: 
widlung der deutichen Feldtelegrapbie (ebd. 1892). 
Feldtreiben, in der Jägerſprache die Hafenjagd 
im Felde; unterſchieden als J———— 
Bohmiſches Treiben, Keſſeltreiben (ſ. dieſe 
eldulme, ſ. Ulme. [Artitel). 
elbvifar, |. Feldprediger. 
ſldviscacha (pr. -wistätfcha), ſ. Chinchilla. 
Feldwachen, die kleinſten gejchloffenen Ab: 
teilungen der Vorpoſten, die ſich ihrerjeit3 durch 
vorgejhobene Doppelpoiten (bei der Kavallerie 
Vedetten) und el fibern. 
Zur unmittelbaren Sicherung des ruhenden Teils 
der Feldwache wird ein Schnarrpoſten oder aud 
ein ‘ een aufgeftellt. Infanteriefeldwachen 
ben die Stärle eines halben oder ganzen Zug; 
alleriefeldwachen die Stärle eines Zugs. 
Feldwachtmeifter, der frühere Titel des Ma- 
jorö der Neiterei, der dann aud auf die gleiche 
Eharge bei der Infanterie übertragen und jpäter 
in Oberſtwachtmeiſter abgeändert murde, welche 
Bezeihnung noch in einzelnen Armeen bei der An: 
rede des Majors üblich iſt. 
Feldwebel, früber Feldwaibel, bei der Kaval- 
lerie und Feldartillerie Wacht meiſter, ift der erfte 
Unteroffizier einer Compagnie, Esladron oder Bat: 
terie, Bei den Landsknechien des 16. Jahrh. findet 
in diefer Name zuerjt, vom altveutfchen «weibeln», 
haften, thätig fein. Der F. hatte damals für die 
taktiihe Ordnung und Ausbildung der Mannſchaft 
in ber Fahne (Compagnie) zu forgen und war mit 
bejonderer Autorität bekleidet; jet bat er den innern 
Dienft nad den Befehlen des Hauptmann zu fom- 
manbieren, diejem alle Meldungen, Geſuche u. |. w. 
der Unteroffiziere und Mannſchaften, ſoweit fie nicht 
unmittelbar dem Hauptmann zugeben, zu übermit: 
teln, die Ordnung zu überwaden, die Compagnie 
— Dienſte oder Appell antreten zu laſſen, zum 
rerzieren abzuteilen, die Löhnung auszuzablen, 
den größten Zeil der fchriftlihen Arbeiten zu fer: 
tigen und-die Dienftbücher zu —— — Der F. 
trãgt das Offi — —— ortepee. Durch 
eine zweite (male) refje am Unterarm unter: 
ſcheidet fich feine Uniform von der des Bicefeld: 
webels (j. d.) oder Vicewachtmeiſters. 
Feldwebellentnant, ein in der deutſchen Ar: 
mee 1877 eingeführter Dienftgrad, der nur bei dem 
Beſatzungsheer vorlommt. Zu F. können genen 
erfahrene inaktive Unteroffiziere, die nicht mebr 
dienſtpflichtig find, unter J—— Bedingungen 
ernannt werden. Sie erhalten lein Offizierspatent, 
tragen, wenn ſie zum Dienſte einberufen werden, die 
Feldwebelabzeichen mit den Achſelſtücken eines Offi⸗ 
ziers, das Seitengewehr am Bandelier und thun bei 
den Truppenteilen des a er Offiziers⸗ 
dienſte. Auch die aus civilverſorgungsberechtigten 
Unteroffizieren hervorgegangenen Hausverwalter 
der Kadeltenanſtalten werden meiſt zu F. ernannt. 
eldwefpe, j. Faltenweſpen. 
eldzeichen, beim Militär im allgemeinen 
äußere Zeichen, durch die ih Truppen eines Staates 


— Feldzug 


von fremden unterfheiden, insbeſondere die dab 
nen (j. d.), Standarten, Schärpen, Feldbinden, 
Degenquaiten (Bortepees), Nationales oder Kolar: 
den ander Kopfbededung. ur Kenntlichmachung der 
Verbündeten verfhiedener Staaten werden vielfach 
Armbinden als F. gebraudt (j. Feldbinde). 
Feldzeugmeifter, zur Zeit der Landsknechts- 
eere der oberite Berebläbaber der Artillerie. 
ächſt dem Feldhauptmann und dem Feldmarſchall 
war er der höchſte Offizier des Heerd. Unter dem 
«Zeug» verftand man nämlich beim Heere, ebe ein 
förmliches Artillerieforps organijiert wurde, das 
Geſchüt mit feinem —— Material, das von 
Buchſenmachern (Ronkab ern) und deren Hand: 
langern nad einem —— Vertrag mit dem 
Kriegäherrn bedient wurde. Dieſes Zeug oder Ge 
zeug ſtand unter einem Generalfeldgeugmei: 
ter. Bei den Franzoſen hieß er Grand maitre 
d’artillerie, welcher Titel ſchon vor Einführung der 
—— alſo auf die frühern Kriegsmaſchinen 
ezüglich, unter Philipp VI. (1828—50) vortommt. 
— In Preußen wurde 1898 an Stelle des Waffen: 
departement3 des Kriegsminiſteriums eine Feld: 
nemeibunt geihaffen, an deren Spitze ein 5. 
itebt. Er befleivet ven Rang eines Divifionscom: 
mandeurs und bat für Beibafung, Anfertigung und 
Verwaltung der Streitmittel und des Feldgeräts 
fowie für das hierbei verwendete Perjonal zu for: 
— —6 für die Feldzeugmeiſterei vom 
22. März 1906.) In Bayern ijt die Inſpektion der 
techniſchen Inſtitute 1906 durd eine Feldzeug- 
meijterei erjeßt worden. Sachſen bat eine Zeug: 
meifterei mit einem Generalmajor (Dberzeug: 
meijter) an der Spige. Ein Generalfeldyeugmeifter 
ift gegenwärtig nicht vorhanden; der Rang eines 
ſolchen iſt gleih dem des Generalfeldmarſchalls. 
Er trägt als Abzeichen auf den Achſelſtücken (Epau: 
letten) der Generalduniform zwei gekreuzte Kano⸗ 
nenrobre. Die Würde des Generalfeldgeugmeiiters 
ift zumeilen an königl. Brinzen ne worden. 
— In Öfterreid: ago ift der Dienftgrad 
eines F. (abgekürzt FZM.) der zweithöchſte Ge 
neraldrang, die Stildenufe zwiſchen Feldmar⸗ 
ſchallleutnant und Feldmarſchall (f. d.) für die aus 
der — und Artillerie hervorgegangenen 
Generale, entſprechend dem deutſchen General der 
Infanterie und dem der Artillerie, während die aus 
der Kavallerie hervorgegangenen Generale den Titel 
General der Kavallerie erhalten. Die F. bab 
dementfprebend das Prädikat Ercellenz. 
eldzeugmeifterei, |. Feldzeugmeiſter. 
eldzirfel, Dreblatte, eine bejondere Art 
der Meßlatte, beitebt aus einer leichten, meijt 3 m 
langen Holzlatte, die in der Mitte mit einem Griff, 
an jedem Ende mit einer jentrecht zur Latte fteben: 
den, etwa 30 cm langen eijernen Spiße verjeben ift. 
Beim Gebraud wird der F. längs einer ausge 
ipannten Schnur um die eine feiner Spiken, die in 
den Boden geſtoßen ift, umgeſchlagen wie ein ge 
wöhnlicher Zirlel auf dem ier. Die —— 
geht mit dem F. raſch von ſtatten und liefert ebenſo 
genaue Reſultate wie die Kettenmeſſung. 
Feldzug, Campagne, im mweitern Sinne die 
gejamte Thätigleit der Truppen im Kriege; im 
engern Sinne ein größerer ſelbſtändiger Abſchnitt 
eines Gefamtlrieges. Bei Kriegen von längerer 
Dauer jpridt man von den Feldzügen der einzelnen 
Jahre (im Siebenjäbrigen Kriege der X. 1756, 1747 
u. ſ. w.), weil die ——— Kriegshandlungen 


Felegyhaza — Felix (Päpfte, 


meift durch die Winterzeit unterbrochen wurden, 
beſonders dur Beziehen ber Winterquartiere 
feitend der beiderjeitigen Heere. In den neuern 
Kriegen werden die Operationen auch während des 
Winters fortgejegt. Beifpiele ſolcher Winterfeld: 
süge: 1814 in Frankreich, 1848/49 in Ungarn, 
1870771 in Frankreich, 1877 im Baltan. 

elegyhäza, Bin RAN Bilseaydle (pr. 
jeblepjbabia), Stadt mit georbnetem Magiſtrat 
im fomitat Beit: Bilis-Solt: Kleintumanien —* 
mals Vorort des 1876 — freien Diftri ts 
Kleinlumanien, an den Linien Budapeſt-Szege⸗ 
din, 5.:His-Kun:Majja (26 km), 5.:Szolnot (66 km) 
und F.⸗Cſongräd (25 km) der Ungar. Staats: 
babnen, hat (1900) 33081 meift fath. magyar. E., 
ſchoͤne neue Kirche, fath. Kommunal: Untergymnas 
fium, Staats-Lehrerſeminar; Getreide-, Dbjt-, 
Zabal» und Weinbau, Viehzucht und große Vieh: 
märfte. Die von den Türten gänzlich zerſtörte Stadt 
wurde erft im 18. Jahrh. wieder befiedelt. 

Felgen, die Holzitüde, aus denen der Kranz 
eined Wagenrades beiteht. Sie erhalten ihre frumme 
Geſtalt entweder dur Buslagen, Behauen mit dem 
delgenbeil (f. d.) oder durch Biegen. 

Igen, im Aderbau foviel wie das Brachjeld 
umpflügen oder die Stoppeln umbrechen. 
eigenbeil, ein Beil für Wagner, dient zum 
Bebauen der Felgen (f. d.); es bejigt eine doppelt 
jugeihärfte, 150—170 mm lange Schneide und 
einen 370 mm langen Stiel. 

Felgpflug, Bezeichnung des Jäte- oder Had: 
pflugs, in einzelnen Gegenden auc des Eritirpa: 
tord . Grubber). 

Fölibre (pr. felibbr; provengal. Felibrige, das: 
jelbe wie das ſpan. Feligres, Bfarrkind, Einwohner 
eined lirchipield, aus dem lat. filius ecclesiae), 
der Name, den ſich die neuprovengal. Dichter und 
deren Genoſſenſchaften 1854 auf Antrag Frederic 
Mijtrals (f. d.) beilegten. Die erjten, die unter 
diefem Namen den erjten «Armana prouvengau» 
(1855) berausgaben, waren: Th. Aubanel,%.Brunet, 
A. Mathieu, 3. Noumanille, A. Tavan, P. Giera 
und 5. Miitral. 1876 wurde eine Academia feli: 
brenca für die Provence, für Languedoc und Cata⸗ 
lonien gegründet, bei deren jährli im Mai ab» 

baltenen —————— lumen und ſonſtige 

reife in Silber und Gold erteilt werben. Die 
terejien der Bewegung vertreten befonders die 
«Revue du Lyonnais» (feit 1881) und die mehr ge: 
lehrte «Revue des langues romanes» (Montpell. 
1870fg.). Miftral veröffentlichte ein großes Wörter: 
buh: «Tresor dou Felibrige» (2 Bde., Niren: 
Provence 1879—86), Koſchwitß eine «Grammaire 
historique de la langue des Felibres» (Greifswald 
1894). — Bol. Saint:Rene Taillandier, La re- 
naissance de la po6sie provengale (in den «Etudes 
litt&raires» , Bar. 1881); Böhmer, Die provencal. 
Boefie der Gegenwart (Halle 1870); Koſchwitz, Über 
die provengal. Feliber (Berl. 1894); Jourdanne, 
Histoire du Felibrige (Apignon 1897). 
lieia, Rame des 294. Planetoiden. 
licitas, allegorijhe Göttin der Glüdjeligteit, 
wurde in Rom jeit Zucullus und Sulla in mebrern 
—— verehrt. Ihr Bild erſcheint häufig auf 
den Münzen der Kaiſer, zum Teil mit ſpecieller Be: 
ziehung auf das Glüd des Herrihers (Felicitas 
Augusti) oder ber Zeit (Felicitas saeculi). Ihre 
Attribute find Heroldsitab und Füllhorn oder Öl: 
zweig. — F. ift auch der Name des 109. Blanetoiden. 


541 


Felicitas, Name zweier Märtyrerinnen ber 
eriten — Die eine von ihnen tft hiſto— 


riſch; fie war eine Sklavin und wurde unter Sep: 
timius Severus mit ihrer Herrin Berpetua in 
erpetuae et 


Karthago bingeridhtet. Die «Acta 
Felicitatis» End eine der berübhmteften altchriftl. 
Schriften, unbezweifelt echt und neuerdings Genen: 
urn interefjanter Unterfuchungen geworden. Bal. 

endbel: Harria und Gifford, The acts of tlıe 
martyrdom of Perpetua and F. (Lond. 1890); 
Armitage Robinfon, The passion of Perpetua 
(Cambr. 1891). — Die zweite F. ift fagenhalt, fie 
ſoll mit fieben Söhnen bereits im 2. Jahrh. bins 
gerichtet fein, ijt aber dad Erzeugnis jpäterer Le: 
——— die Alten eine Erdichtung etwa des 
6. Jahrh. — Vol. Führer, Ein Beitrag zur Loſung 
ber Felicitasfrage (Tpz. 1890); derf., Zur Felicitas: 
frage (ebd. 1894). s 

Felicitas Julla, röm. NRamevon Piffabon(f.d.). 

Felicitieren (frz.), beglüdwünfden; pour feli- 
eiter (fpr. pur felißiteh), auf Vijitenfarten (gewöhn⸗ 
ae efürzt p. f.), um Glüd zu wünfchen. 


„ſ. Rapen. 

elinus, Aretius, ſ. Bucer, Martin. 

elipe, San, Städte, |. San Felipe. 

elis (lat.), die Rage; F. concölor, f. Buma; F. 
leo, der Löwe (f. d. nebft Tafel: Afrikaniſcher 
Löme); F.leopardus, f. Leopard; F.pardälis, ſ. Oze⸗ 
lot; F. tigris, der Tiger ie nebit Tafel: Rd» 
nigätiger). an Feliu de Guirols, 

Belt de Guixols, San, fpan. Hafenftabt, f. 

elix (lat.), glüdlih; felix Austria, glüdliches 

Sfterreih, namentlih in dem Hexameter: Bella 
gerant alii! tu, felix Austria, nube (f. d.). 
Bee Santt, Borftabt von Cadoeira. 

elig, Antonius Claudius, röm. Brokurator 
über Paläftina, Freigelafiener des Kaiſers Claw 
dius, wurde 52 n. Ehr. von diefem eingejekt, hatte 
aber faſt ununterbroden Aufftände zu betämpfen, 
befonders den eines ägypt. Juden, der mit einer 

roßen Schar von Anhängern aus der Wüſte vor 
Seren gezogen war. Den jüd. Hobenprieiter 

onathan ließ er ermorden. Bon ibm wurde aud 
der Apojtel Paulus zwei Jahre in —— — zu 
Cãſarea gehalten. Als die Streitigleiten zwiſchen 
den jüd. und tr Bewohnern Cäſareas um das 
Bürgerrecht daſelbſt in Straßentampf ausgebrochen 
und 5. gegen die Juden militäriih eingeichritten 
war, wurde er durch die Juden Cäſareas bei Nero 
verklagt, zwar auf die Fürſprache feines Bruders 
Pallas, eines Bünftlings des Kaiſers, freigefpro: 
chen, jedoch 60 (oder 61) abberufen. 

elig, der Heilige, mit feiner Schweiter Re: 
gula Märtyrer und Schußheilige der Stadt Zürich 
und ihrer beiden Munſter. Die ältern Berichte er: 
zäblen nur, daß fie am Ausfluß der Limmat aus 
dem Züricher See unter Decius den Tod erlitten und 
Engel ihre Leihen bis auf den Münjterplag trugen. 
Nach der jpätern Sage gebörten fie zur Thebäiſchen 
Legion (f. d.) und wurde ihnen als dritter Heiliger 
ein Erjuperantius (Unterbefeblöhaber jener Legion) 
beigegeben; doc iſt der Gedächtnistag der er 
der 22. Sept., der des F. ber 11. Sept. — Bal. 
Lütolf, Glaubensboten der Schweiz (Luz. 1871). 

lig, Name von fünf Päpften: 

.L, röm. Bifhof 269—274, beteiligte ſich am 
Streite gegen Paulus (f. d.) von Samojata. Daf 
er (unter Kaifer Aurelianus) Märtyrer geworden 
fei, ift unbeglaubigte Tradition. 


542 


. U. wurde nad) der Verbannung des Liberius 
( .) 355 zum röm. Bifchof — Nach deſſen 

üdberufung wurde F. vom Volle vertrieben (358), 
behauptete ſich aber in der von ihm erbauten Baſi— 
lita an der aureliſchen Straße und jtarb erjt 22. Nov. 
865. Er wurde 1582 von Gregor XII. beilig ge 
ſprochen. Tag: 29. Juli. j 

5. II. (483—492), ein Römer, that auf einer 
Spmode zu Rom 484 den Batriarhen von Kon: 
——— Acacius in den Bann, weil dieſer dem 

aiſer Zeno geraten hatte, zur Gewinnung der 
Monopbofiten das Henotilon (f. d.) zu erlaflen. 
Acacius antwortete mit dem Bannfluh gegen F., 
und jo entitand das erjte Schisma zwiſchen Morgen: 
und Abendland, das bis 519 dauerte. 

5. IV. (526—580), aus Benevent gebürtig, wurde 
dur den ojtgot., arianishen König Theodorich 
d. Gr. auf den päpftl. Stuhl erhoben, der . für 
bie Folgezeit dem Klerus und Volt das alte Wahl: 
recht zujicherte und den Fürften nur das Bejtäti: 
gungsrecht vorbebielt. 

8. V., früher Herzog Amadeus VIL. (f. d.) 
von Savoyen, übergab 1433 jeinem Sohn Lu: 
dovico die Regierung feines Landes und zog ſich 
mit einigen Genofien nah Ripaille am Genfer See 

urüd, wo fie nad) den Sagungen des ritterlihen 
emitenordens des heil. Mauritius lebten. Als 
das Bafeler Konzil Eugen IV. abgejept hatte, wußte 
er feine eigene Wahl zu veranlajjen, die 5. Nov, 
1439 erfolgte und 5. Yan. 1440 angenommen 
ward, worauf er fi F. nannte. Als es Nitolaus V. 
gelang, mit den meilten weltlichen Mächten ſich 
zu vergleichen, mußte 5. 1449 abdanlen. Er erhielt 
den Titel eines Kardinals von San Sabina, die 
Würde eines päpitl. Generalvilars für Savoyen, 
Bajel u. ſ. w., zog ſich in die Einſiedelei nad Ri: 
paille zurüd und jtarb 7. Jan. 1451 zu Genf. 
Felix, Biſchof von Urgellis, geft. 818, |. Adop⸗ 
tianismus, 

‚Selig von Valois (Felir Balefius), ein 
Einfiedler in einem Walde der Didcefe Meaur, be: 
gründete mit Johann von Matha 1198 den Trini: 
tarierorben (ij. d.). Gebädtnistag: 20. Nov. 

Belig, Eugen, Maler, ge: 27. April 1836 in 
Wien, bildete ſich auf der Akademie daſelbſt unter 
Walpmüller und ging dann nah Paris. Später 
unternabm er Reiſen burh Europa und ließ fich 
1868 dauernd in Wien nieder; er ftarb daſ. 21. Aug. 
1906. Auf der Wiener Weltausitellung 1873 trat 
er mit zwei Gemälden: Träumende Bachantin und 
Der erite Freund (beide vom J. 1869), hervor, von 
denen das legtere für die kaiferl. Galerie erworben 
wurde, 1876 mit Pan und Bachantinnen, 1882 
mit einer Leda. In lester Zeit hatte er ſich der 
Borträtmalerei gewidmet. 

Feligdorf, Dorf in der öfterr. Bezirklshaupt⸗ 
mannſchaft und dem Bezirtögeriht MWiener-Neu: 
ftabt in Niederdjterreih (f. Karte: Wien und 
umgebung), an der Linie MWien:Trieft der Oſterr. 
Süpbahn und Wien: Wiener: Neuftabt:Afjpang der 
Wien : Aipang » Eifenbabn, bat (1900) 2568 €E.; 
wei Baummollfpinnereien, Baummollweberei mit 

pretur und Bleicherei und eine Bulverfabril, die 
größte des Landes. 6 km entfernt Blumau mit 
einer ärariihen Fabrik für rauchſchwaches Pulver. 
F. wurde erſt 1823 gegründet. 

elix⸗Rachel, er . Schaufpielerin, ſ. Rachel. 
elta (Bolt), Groß:Gemeinde im Stublbezirt 
Tatra des ungar. Nomitats Zips, links von der zum 


Felix (Biſchof) — FFelleifen 


Popräd gehenden F., an den Linien Kafcbau:Ruttla, 
F.Podolien (31 km) und F.Szepes-Bela-Barlan— 
ghiget (23 km) der Kafhau:Dderberger und an der 
atra⸗ Lomnitzer Eijenbahn (Station Bopraäd-F.), 
bat (1900) 1120 meijt deutiche evang. E. Leinenwebe⸗ 
rei, Branntweinbrennerei, Bapiermüble und Land⸗ 
wirtſchaft und wird als Eimatifher Kurort und 
Sommerfrijche befucht. Im Felkathale, in 1641 m 
öbe, der grüne, von dem Felkabach durchſtrömte 
eltafee (Felter See, 1, ha aroß, bis 50 m 
tief). Oberbalb desfelben an der Granatenwand 
gelangt man zum Felker Lanajee (1931 m), 
unterbalb des Polniſchen Kamms (2196 m). 
Fell, |. Häute, Lederfabritation und Pelzwert 
—— die Einzelartilel Bärenfelle, Kalbfelle art 
elle u. ſ. w.; in ver Spinnerei foviel wie Blie$ (j.d.). 
Fellah oder Felläch («Bauer», vom arab. 
falaha, pflügen), die aderbautreibende Bevölle: 
rung in Ügupten, macht etwa brei Viertel der Ge: 
app aus. Der F. ift der direlte Na: 
omme bed alten Ägypters, von dem er fich neben 
unmejentlihen tinderungen im leiblihen Typus 
bloß durch Sprade und Religion unterſcheidet. Er 
nämlich feit der Eroberung Ügyptens durd die 
raber nach und nad feine Sprade (das Koptiiche) 
ganz aufgegeben und famt ber Religion (dem Jslam) 
die Sprade feines Herrn, das Arabifche, angenom: 
men, das er zu einem eigenen Dialelt (dem ägppt. 
Dialekt des Bulgärarabifchen) entwidelte. Der Hör: 
perbau des F. ijt —** derb, muskulds. Der Schä⸗ 
del iſt ſchmal, oval, das Geſicht breit und rund; 
die Körpergröße liegt zwiſchen 1,60 und 1,g m. Die 
Ertremitäten find kräftig, namentlich die Füße, indes 
obne jo —— Waden wie bei Europäern. 
Die Hautfarbe iſt hellrötlich:gelbbraun wie friſch ge: 
— Sohlleder oder Milchlaffee bis dunlelbraun. 
ie Frauen zeichnen ſich meiſt durch ſchlanken 
Wuchs und ſtattliche — überhaupt durch 
einen edlern Typus aus. Die Tracht iſt: im Som: 
mer ein blaues oder weihed Hemd aus Kattun, 
um bie Mitte mit einem Gürtel jufammengebun: 
den, eine kurze Hofe und eine weiße oder dunlle 
ilzlappe als Kopfbededung; im Winter wirb ein 
tantel oder eine Dede aus grober Wolle darüber 
angelegt. Die Weiber tragen ein etwas längeres 
Baummollbemd und meijtens einen ſchwarzen diden 
—— der nur die Augen freiläßt, während 
in vielen Gegenden die Frauen unverſchleiert geben. 
Als Shmud find Armbänder, Obrringe, feltener 
Nafenringe und Fußbänder aus Glas, Silber over 
Kupfer beliebt. Stets findet man aud blaue Tätto⸗ 
wierungen aufdem flinn, den Armen und der Bruit. 
Die F. wohnen in großen Dörfern in niedern, mit 
flaben Terraſſen bededten Hütten aus Luftziegeln. 
* Fellata, Voll in —— j. Fulbe. 
ellbach, Markt im Oberamt Cannſtatt des 
württemb. Neckarkreiſes, 5 km oͤſtlich von Cannſtatt, 
am Fuße des Kapellberges und an den Linien Stutt: 
art-Nördlingen und Stuttgart: Badnang: Erails: 
ai der Württemb. Staatäbabnen, bat (1905) 
4999 E., darunter 79 Katholilen, gr tapb, 
Dienftbotenaiyl; Thonmwarenfabrit, Ader-und Bein: 
bau und Weinhandel. 
elleifen (frz. valise), eine Art Neifefad zum 
Aufbewahren von Kleidern, Wäſche u. ſ. m. auf 
ver Reife; bei der alten Fahrpoſt der Behälter 
m Briefe und Balete (Bojtfelleijen). Das 
erübmtejte F. diefer Art ift La valise (oder la 
malle) des Iudes, d. h. die zwiſchen London und 


Fellenberg — Fellow 


Bombay : Kalkutta auszuwechſelnde ind. Briefpoit. 
(S. Überlandpoft. j“ 

Fellenberg, Phil. Emanuel von, ein um Schule, 
Landwirtſchaft und Gemeinwohl vielfach verdienter 
Mann, geb. 27. Juni 1771 zu Bern, ftudierte jeit 
1789 in Tübingen die Rechte, ging 1795 nad) Paris 
und übernahm bei der 1798 in Bern ausgebrochenen 
Kevolution das Amt eines DQuartierfommandanten 
der obern Diftrikte des Kantons. 1799 taufte er das 
Gut von Hofwyl in der Näbe Bernd und veranlaßte 
Beitalozzi, feine Schule von Burgdorf nah dem 
Schlojie Buchjee, ganz in der Nähe von Hofwyl, zu 
verlegen. Allein ihre durchaus verfchiedenen Eharal: 
tere ließen es zu feiner Einigung kommen, jo daß 
Fehalogi ſich nad NYverdon im Kanton Waadt be: 
gab. F. jete Dagegen mit Eifer feine Beftrebungen 
jort, durch neue Einrihtungen den Ertrag feiner 
Bejipung zu heben und ſowohl durch fein Beifpiel wie 
durd die Herausgabe landwirtſchaftlicher Schriften 
gemeinnüßig zu wirken. Auch gründete er ein In⸗ 

itut für verlaffene Kinder, an welhem Joh. Jalob 
Bebrli (ſ. d.) 20 Nabre wirkte, ein Lehrerſeminar, 
eine landwirtſchaftliche Lehranſtalt, wozu die Berner 
Regierung das Schloß Buchfee einräumte, eine Er: 
ebungsanftalt für Kinder höherer Stände (1808), 
eine Nealihule (1830) und eine Kleinkinderſchule. 
1820 wurde er in den Großen Nat feines Kantons, 
1833 zum Landammann von Bern gewählt, welches 
Amt er jedoch 1834 niederlegte. Er ftarb 21. Nov. 
1844. Die Anftalten zu Hofwyl wurden eine Zeit 
lang von einem feiner Söhne, Wilhelm von F. 
(geit. 1880), fortgeführt, dann gänzlidy aufgegeben. 
— Bol. Hamm, 55.8 Leben und Wirten (Bern 1845); 
Schöni, Der Stifter von Hofwyl. Leben und Wir: 
len 5.3 (Schaffh. 1874); Wiget, Das pädagog. 
Leben in Hofwyl (im «Jahrbuch des Vereins für 
wi tlihe Pädagogik, Bd. 11, 12 u. 14). 

(ipr. felltäng), Hauptort des Kantons 
im Arrondijjement Aubuſſon des franz. Depart. 
teufe, auf einem 582 m hohen Berge rechtö von der 
Ereufe, an der Linie Bufleau d'Ahun⸗F. (36 km) der 
tanz. Orleansbahn, bat (1901) 2690, ald Gemeinde 
3206 E,, Teppichfabrifation und Bapiermüblen. 
ammer, Dorf im Kreis Waldenburg des 
vreuß. Reg.:Bez. Breslau, an den Linien Breslau: 
Halbitadt und Görlig: Hirfchberg :Niederfalzbrunn 
der Preuß. ——— hatte 1900: 4890 E., 
darunter 1987 Katholiken, 1905: 6340 E., Poſt 
und Telegrapb. 

Fellin. 1) Kreis im nördl, Teil des ruſſ. Gou: 
dernements Livland, eine fruchtbare, maldreiche 
Niederung, die fih nad ©. zu hebt, mit vielen Seen, 
darunter dem Een im D. hat 4569,5 qkm, 
7688 E. Gzß ausſchließlich Eit en), Getreibe:, 

achsbau, Viehzucht, Branntweinbrennerei und 

ierbrauerei. — 2) Kreisftadt im Kreis F., in 
120m Seehöhe, am Fuße des Schloßberges (mit 
Auine eines alten Ordensſchloſſes), am Felliner 
See und an der Zufuhrbahn Moifeküll: Reval 
(Hafen), hat (1897) 7659 E., meift Deutfche und 

ben, zwei evang. (eine —— eine eſthniſche), 

eine ruſſ. Kirche, ein Fräuleinſtift (gegründet 
1797 von Paul L), eine Litterariſche Geſellſchaft 
mit Provinzialmuſeum und großen ferdemarlt am 
15.8.) Febr. — Bal. Holjt, Die Entwidlung der 
Stadt F. und ihrer Berfafjung _ 1864). 

Be Stadt in der engl. Grafihaft Durham, 
im SD. von Newcaitle, an der Nordofteifenbahn, 
unfern des großartigen Viadults über den Tyne, 


53 
0 


543 


bat (1901) 22467 E., Glasinduftrie, em. Fabri⸗ 
ten, befonders für Farben. & 
ellitin, ſ. Geheimmittel. 
elimafı ine, Belztrempel, in der Streich⸗ 
garnſpinnerei eine Bezeichnung für die zweite Krem⸗ 
pel, welche die Wolle in Form einer breiten pelz: 
artigen Fläche empfängt. ü 
‚ Fellner, Ferdinand, Maler, geb. 12. Mai 1799 
in Frankfurt a. M., at ın Heidelberg und. 
Göttingen dic Rechtswiſſenſchaft, ward 1825 Advo⸗ 
fat in jeiner Vaterſtadt, ging aber dann zur Kunft 
über und bildete fih 1825—31 auf der Alademie 
in Münden. Später ließ er in Stuttgart nie: 
der, wo er 4. Sept. 1859 ftarb. F. war einer der 
eriten, welche auf die archäologiſche und Koftüm: 
richtigleit in feinen Darftellungen wieder den ge: 
börigen Wert legten, und blieb dadurd nicht 
obne Einfluß auf die Mündener Schule. Für den 
Nömerfaal in Frankfurt a. M. malte er die Kaiſer 
Konrad IL. und Friedrich den Schönen; ferner 
ihuf er Madonnenbilder; aud war er ald Illu⸗ 
itrator thätig (12 Federzeichnungen zu den «Gier 
ben Schwaben»). 
Fellner, Ferdinand, Baumeifter, geb. 19. April 
1847 zu Wien, bildete ſich bei feinem Vater, dem 
Arcitelten Ferdinand F. (1815—71), aus und bes 
gann 1871 eine felbftändige Bautbätigleit; 1873 
vereinigte er fi mit Hermann Helmer, worauf 
beide ſich vorzugsweiſe ald Theaterbaumeifter ber: 
vortbaten. Nach ihren Plänen entftanden die ter 
N Temesvär (1872), Wien (Stadttheater 1872, 
oltstbeater 1889), Budapeft (Voltötbeater 1874, 
Luftipieltheater 1896), —* Stadttheater 
1876), Brunn (1881), Reichenberg (1881), Szegedin, 
Preßburg und Karlsbad (1882), Ddeſſa und 
(1883), Prag (Deutſches Theater 1886), Zürich 
Stadttheater 1890), Berlin (Theater Unter den 
inden 1892), Wiesbaden (1894; f. Tafel: Thea: 
ter IL, Fig. % Graz (Stadttheater 1899), Hambur 
(Deutihes Schaufpielhaus 1900), Fürth (1902 
u.a. Außerdem bauten %. und Helmer die Stern: 
warte in Wien, die Sprubdeltolonnade ſowie das 
Raiferbad (1895) in Karlsbad, die Schlöffer Hapfelb, 
Mauerbah, Tülbing, Nagy Kärolyi, das Valais 
Sanctoronfli in Wien, das des Grafen Kärolyi in 
Budapeſt und andere Bauten, zumeift in den jpd- 
tern Renaiſſanceformen der Wiener Schule, in 
neuerer Zeit aber vielfach in bald Eräftigem, bald 
zierlihem Barod. F. zum Baurat ernannt, gilt 
zur Zeit für einen der erſten Theaterbaumeifter. 
Fellow (engl., fpr. jellob), Gejelle, Genoſſe, 
Mitglied, ein Ausprud, der hauptſächlich für die 
hödjitberechtigten Mitglieder gelehrter Körperſchaf⸗ 
ten in England angewandt wirb, bie Fellows ber 
—— in Oxford und Cambridge, welche unter 
der Oberleitung des Head (Master, Warden, Presi- 
dent u. . w.) die Angelegenheiten des Eollege ver: 
walten und einen Zeil der aus dem Stiftungäver: 
mögen bemjelben zufallenden Einkünfte beziehen 
(regelmäßig 2— 300 Pfd. St. für den einzelnen 
F.). Die Zahl der Fellows in einem Gollege beträgt 
in der Regel 10— 20, felten mehr. Nach dem frübern 
Syſtem wurbendie Fellowships meiftend auf Lebens: 
eit verlieben, erlojhen aber, wenn der F. ſich ver: 
—— Jetzt werben die Fellows in der Regel auf 
eine beftimmte Reihe von Jahren ernannt, kön: 
nen aber nah Ablauf der Zeit im Amte bleiben, 
wenn fie als Tutors oder Lecturers im College 
tbätig find. Auch giebt e8 eine Anzabl von Bro» 


544 


feffuren an den Univerfitäten, mit welchen eine 
Fellowsliip in einem Gollege vertnüpft ift. Der 
Name des Eollege wird dann in der Regel in den 
Titel des betreffenden Profefjors eingefügt (fo iſt 
en Mertou Professor of English Language der 
itel de& Profeſſors der Geſchichte, der zugleich ex 
officio F. vom Merton College in Orford ijt). Die 
Fellows eines Eollege wählen meijteng bei einer ein: 
.tretenden Balanz; den lead. Bei der Univerfität 
von London wird der Titel F. den Mitgliedern des 
Rollegiums gegeben, welches unter der Bezeichnung 
«Senate» die Grelutivbehörde der Univerfität ift. 

Die Fellows des College of Physicians (f, College) 
ſind konjultierende Arzte, weldye die höchſte Stufe 
Ihres Berufs erreicht nn und fih gemifjen Be: 
Ihräntungen in Ausübung desfelben unterwerfen 
müjjen; fie dürfen 4. B. ihr Honorar nicht ein: 
Magen und fein Honorar annehmen, das nicht 
einen gewijjen Minimalſatz erreicht. 

Der Titel F., der von wiſſenſchaftlichen Vereinen 
den Mitgliedern erteilt wird, wird häufig als ein 
wertvolles Prädikat angeſehen; namentlich gilt dies 
von der Royal Society (j. Alademien), der erjten 
wiſſenſchaftlichen Geſellſchaft in England, deren 
ers zur Führung der Initialen F. R. S. 
binter dem Namen berechtigt. Da es aber Gefell- 
alten giebt, die den Titel jedem beliebigen Sub: 
tribenten gewähren, kann man aus der Führung 
besjelben nicht ohne weiteres fließen, daß der 
Inhaber von der betreffenden Wiſſenſchaft mehr 
als den Namen kennt. 

Üver die als Fellows bezeichneten Mitglieder 
des Kollegiums, welches Oberaufſichtsbehörde der 
Schule von Eton iſt, ſ. Eton. 

eſlowo (pr. fellohs), Sir Charles, engl. Alter: 
tumsforſcher, geb. 1799 in Nottingham, durch⸗ 
wanderte ſeit 1832 Italien, Griechenland und die 
Levante und entdedte die Ruinen von Tanthus, 
der alten Hauptſtadt Lyciens. 1839 bereiſte F. mit 
Georg Scharf Lycien noch einmal und —28 die 
Ruinen von 13 andern Städten mit zahlreichen an⸗ 
tifen Reſten. Seine archäologiſchen und natur: 
wiſſenſchaftlichen Sammlungen aus Lycien jchentte 
er dem Britiihen Mufeum. Die engl. Regierung 
verlieh ihm 1845 die Ritterwürbe. Er ftarb 8. Nov. 
1860 in Nottingham. Die Nefultate feiner Ent: 
dedungen veröffentlichte F. in: «A journal written 
during an excursion in Asia Minor» (1839), «An 
account of discoveries in Lycia» (1841; deutſch 
von J. T. Zenter, Lpz. 1853), «The Xanthian Mar- 
bles, their acquisition and transmission to Eng- 
land» (1843), «The inscribed monuments at Xan- 
thus» (1843), «Travels and researches in Asia 
Minor» (1852), «Lycia, Caria and Lydia, illustrated 
by G. Scharf» (1847), «An account of the Ionic 
trophy monument excavated at Xanthus» (1848), 
«Coins of ancient Lycia before the reign of Alex- 
ander, with an essay on the relative dates of the 
Lyciau monuments in the British Museum» (1855). 

Fellowship (engl., ſpr. fellohſchipp, «Genoſſen⸗ 
ſchafto), Stelle eines Fellow (ſ. d.). 

Fells, die meiſt von Schafen beweideten Hoc: 
ebenen Nordenglands. 

ellihes Eyftem, ſ. Bergbahnen. 

elönie, Lehnsfehler, ein Wort felt. Ur: 
ſprungs (ein iriſches Wort feall bedeutet betrügen, 
täufchen und hängt wobl mit dem lat. fallere zu: 
fammen), das die Verlegung der Lebnstreue nn 
von feiten des Lehnsherrn gegen den Bafallen ala 


Fellows — Felsberg 


von dieſem gegen jenen bezeichnet. F. des Lehns- 
berrn gegen ven Belehnten oder Bajallen wird be 
gangen durch alle Handlungen gegen Leben, Ehre, 

ejundheit und Bermögen bdesjelben; von dem 
Vafallen gegen den —— durch Verweigerung 
des Lehnseides oder der Lehnsdienſte, Ableugnung 
des Lehnsverbandes, Verlaſſung des Lehnsherrn in 
Gefahren, Bündnis mit deſſen Feinden, Verrat, An: 
Hage, Offenbarung der —— desſelben und 
Nacftellungen nad feinem eben; ferner durch grobe 
Beleidigung der —— und Familie des Lehnsberrn, 
auch unkeuſchen ——— deſſen Frau, Tochter 
oder Schweſter. An dem Lehnsherrn wird die F. mit 
Verluft der Lehnäherrlichkeit, bei dem Vaſallen mit 
dem des Lehns —5 Die F. wirkt regelmäßig 
nur gegen den Vaſallen und feine Deſcendenz, nicht 
gegen die Agnaten. Der Vaſall verliert fein Recht 
aud wegen Quafifelonie. Darunter verjtebt man 
den Verwandtenmord, Verrat an Mitvafallen und 
alle ehrlos machenden Verbrechen. vildiich wird das 
Wort F. wohl auch von Verlehungen ähnlicher Ver: 
haͤltniſſe gebraucht, die ohne eine perjönliche Ber: 
trauenswürbdigfeit nicht beftehen können. Über die 
Abſchwächung der Lebnstreue y Preuß. Alla. 
Sandr. I, 18, 88. 143 — 165; Bayr. Lebnsevitt 
von 1808, $$. 80, 188; Bad. Edikt vom 12. Aug. 
1807, $. 24. 

Im engl. Rechte beißt Felony ein Verbrechen, 
das früher Konfiskation des ganzen Vermögens 
nad) ſich 30g und bis 1836 den Angellagten der Be: 
fugnis beraubte, fi eines Rechtsbeiſtandes (coun- 
sel) zu bedienen. Da Einziehung des Vermögens 
bei allen Kapitalverbrechen eintrat, jo verftebt man 
weiter unter Felony jedes mit ſchweren Strafen, 
wie Tod, Transportation, bedrohte Verbrechen, das 
Hi alö Treason, Berrat, erfcheint, wie 3. B. Münz: 
fälihung, Tötung, Branpdftiftung. Den Felonies 
werden bie Misdemeanors als leichtere, nur mit 
Geld: oder Befängnisftrafen beprobte Bergeben ent: 
gegengejest. Als Felony gilt auch noch nad beu: 
tigem Recht in England der Selbjtmord (felo-de-se). 

egen der Härte des Geſeßes nimmt die Coroner’s 
Jury allgemein Irrſinn des Thäters an. 

eipel, Felper, j. Felbel. 

els, maroft. Geldgröße, ſ. Udia. 

eldarten, ſ. Geſteine. 

elsberg, Gipfel des Odenwaldes, öftlih vom 
Melibocus (}. d.), in der heſſ. Provinz Startenburg, 
bat 517 m Höbe und befteht aus Spyenit. Merl: 
würdig ift die ungeheure Menge riefiger Blöde, die 
am Abhange loje und bloß lagern, das jog. Felſen⸗ 
meer (300 m lang, 120 m breit). — Bal. Slorihüs, 
Der z.und feineröm.Steinbrüde(Zwingeberg1893). 

— ** Stadt im Kreis Melfungen des 
preuß. Reg.Vez. Eaflel, gegenüber von Genjungen, 
lints von der Eder, in 199 m Höbe, am Fuße eines 
Bafalttegeld, Sik eines Amtsgerichts (Zandgerict 
Caſſel), hat (1905) 941 E., darunter 10 Ratholiten 
und 117 Israeliten, Poſt, Telegrapb und zwei 
Kirhen. Über der Stadt befinden ſich die wohl: 
erhaltenen Ruinen der Burg F. 

Feldberg oder —J——— roman. Vavugn, 
Gemeinde im Kreis Trins, Bezirt Imboden bes 
ſchweiz. Kantons Graubünden, 4 km weitlid von 
Chur am Süpdfuhe des Calanda (2808 m), linke 
vom Rbein, beitebt aus den Dörjern Alt: Fels: 
bera, dicht am Bergfuße, und Neu: yeläbera, in 
der Rheinebene gelegen, und bat (1900) 639 €, 
darunter 78 Katholilen; Alpenmwirtihaft, Aderbau 


Felſenbein — Felfenfittich 


ſowie etwas Weinbau. 1834, 1842, 1843, 1850 und 
1867 fanden bei F. mächtige Felsſtürze ftatt, und 
wegen dieſer beitänbig drohenden Gefahr wurde 
1844 das Dorf Neu⸗Felsberg gegründet. 

Felfenbein (Pars er ossis temporum), der 
innerfteund feſteſte Teil des Schläfenbeins, worin das 
Gehörorgan verborgen liegt, ſ. Gehör nebſt Tafel: 
DasGebörorgandes Menſchen, Fig.1,ı2,und 

elfenbirne, j. Amelanchier. Schläfe. 
Ifengebirge ober — Me es 
meinfamer Name der Hochgebirgsmaſſen im an 
Rordamerila, zwijchen dem 35. bis 64. Breiten- und 
dem 104. bis 130. —— erfüllt Teile der 
Unionsftaaten Arizona, eumerito, Eolorabo, Utah, 
Wooming und Montana und von Britiih:Eolum: 
bia (j. Phyfitaliihe Karte von Amerika. 
I. Rordamerila, beim Artitel Amerika, ſowie 
Bereinigte Staaten von Amerika. I. Weit: 
liber Zeil). Das F bildet als Quellgebiet der 
ne Stromſyſteme Rio Grande, Colorado und Ar: 
lanſas die Grenze der Gentralebene im D. gegen die 
duch die Sierra Nevada vom Stillen Ocean ge 
trennten Hochflächen und Stufenländer im W. Das 
Gebirge fteigt aus den Ebenen verhältnismäßig fteil 
auf und fällt zu dem großen Beden des W. janfter 
ab; es beftebt aus Waralleltetten, die gr ere 
und Heinere Flächen und Hoctbäler =. ießen; 
Seitenzüge geben nad verjchiedenen Richtungen 
aus; die Höhen erreichen 4700 m. Es ift ein nord: 
mdlib verlaufender —— archaiſcher Geſteine, 
dem ſeitlich ſedimentäre ichten anlagern; die 
er erfolgte bauptjählih zur Tertiärzeit. 
Das F. birgt ungeheure Schäge an Gold, Silber, 
Kupfer, Blei, Eifen, Koblen und andern Mineralien. 
Charalterbäume find die gelbe Kiefer a pon- 
derosa Dougl.) und der Bergmabagoni (Cercocar- 
pus) mit ſeht ſchwerem Holz, dazu noch andere Nadel: 
böljer, Bappeln und der jilberglänzende Buffalo: 
Beeritrauch (Shepherdia argentea Pursh.). Die 
Baumgrenze erhebt ſich in Colorado bis über 4000 m, 
dann folgt ein Gürtel von Krummbolzfträuchern, 
dann eine reiche Alpenflora. 

Das Gebirgsfuften wird durch die Durchbruchs⸗ 
!bäler des Nord: Blatteflufjes (43° der Breite) und 
des Mifjouri (47°) in drei Teile geteilt. Der jüdl. 
Abſchnitt beginnt im N.der Sente de3 Sierra Madre: 
plateaus an der meril. Grenze und zieht 900 km in 
rördl. Richtung; von 35° ab umſchließen die beiden 
Hauptletten der Sangre de Ehrifto-Range und 
der San Juan: Mountains das San Luisthal des 
obern Rio Grande del Norte. An fie jchließen fi 
die Bart: und Eolorado:Range und die Blad: 
Mountains an, während nah W. zu Querzüge 
die Berbindung mit dem Wahjatchgebirge und an- 
dern fetten beritellen und nörblich des Arkanſas— 
thals elliptiihe Hochebenen, die Region der Parts, 
entiteben lafien. Der Sodel des Gebirges liegt in 
15—1600 m Höbe; die höchſten Gipfel jind Blanca 
Beat (4409 m), Pile's Peal (4312), Long Beat 
(4350) und Mount:Harvard (4381 m). Die Päſſe 
liegen meift nicht unter 3000 m Höbe; der wichtigite 
it ber Evanspaß (2514 m), den die Union:Bacifc: 

benußt. — Der zweite Abſchnitt des F. ift 
— km lang en rad * ee —— 

angeordneten Zügen mit der Hauptrichtun 
nad FE. Mittelpunkt des Syſtems ift bier die 
Bind-River-Gruppemit dem Fremont Peal(4200 m). 
Hier entipringen der Wind: River (zum Rifjouri), 
der Snate-River (zum Eolumbia) und der Green: 

Brodbaus’ Konverjationsd-Lerikon.. 14. Huf. R.U, VL 


545 


River yum — . SW. davon liegt der 
Nellowitone: Nationalpark (f. d.) mit feinen vullar 
nifhen Bildungen. Zahlreiche Flüffe durchbrechen 
die Ketten, die fich jenfeit des Miſſouriquerthals 
im dritten Zeile des 5. wieder zu Parallelen und 
allmählich niedriger werdenden Zügen zufammen- 
—— Die Laͤngsthäler find die des Columbia 
und feiner Nebenflüfle. Auf brit. Gebiet finden ſich 
Gipfel bis zu 4300 m (Mount:Columbia, Mount: 
Bryce, Mount:Alberta, Mount-Forbes); die bisher 
als höchſte Gipfel geltenden Mount:Hooler und 
Mount:Bromwn find nah neuern Forſchungen unter: 
—— Erhebungen von höchſtens 2750 m Höhe. 
ie langen fetten, bie ſich von bier bi8 zum Jukon 
ig baben Mitte gebirgscharalter und bilden 
eine Wafjerjheide mehr. 
elfengräber, in Keen eingebauene Grab» 
ftätten. Die F. von Benibaflan zeigt Tafel: Agyp⸗ 
tifhe Kunſt I, Fig. 4, beim Artifel Ugypten. 
Felfenhahn oder Klippenhubn (Rupicola 
crocea Vieill.), Name eines 30 cm langen, im 
männlichen Gefhleht prachtvoll orangerot gefärbs 
ten, zur Gruppe der Fruchtvögel (ſ. d.) gehörigen 
Vogels mit braunſchwarz geränderten Flügeln und 
Schwanz und roter Haube, der in den Gebirgen 
Guayanas und Nordbrafiliens heimisch ift, einen 
bis ee die Schnabelipike nd ausdehnenden Feder: 
famm bejigt und durch die jeltijamen Tänze befannt 
ift, welhe die Männchen zur Paarungszeit auf 
führen. Die Weibchen und die jungen Männden 
find einfach braun. Cine verwandte Art (Rupicola 
peruviana Latham) bewohnt Peru und Bolivia, 
eine andere (Rupicola sanguinolenta Gmelin) Ecuas 
dor. Die Bälge dienen als Federſchmuck. 
elfenbhimbeere, j. Rubus. 
lu rn, j. Ränguru. 
Ifenfrähe, ſoviel wie Alpenkrähe (f. d.). 
elfenmeere a eu Blod: 
anbäufungen, die durch Vermwitterung ber Öranite 
—53 Syenite, auch des Sandſteins entſtehen. Ig 
eſteine find von einem Netze von Abſonderungsklüf⸗ 
ten durchzogen, welchen die von oben eindringende 
Berwitterung folgt. Die Rifje werben dadurch weiter 
und weiter, gleichzeitig runden fidh die Eden und 
Kanten der jo entitehenden Blöde ab, die Wafler 
fpülen die lodern, fandigsthonigen — — 
dukte weg, bis endlich die Kldtze ihren Halt verlieren, 
umftürzen und ein oft gewaltiges Haufwerk von 
chaotiſch aufeinander getürmten, wollfadäbnlihen 
Blöden bilden. So find ade Ber des Brodend 
im Harz, der Luiſenburg im Fichte gebirae, des Oden⸗ 
waldes, der 5 des Böhmer Waldes, Schwarz: 
waldes, Riefengebirges u. f. w. entjtanden. 
elfenmifpel, |. Amelanchier. 
el feffer, |. Sedum. 
elfenfchlangen (Bungarus), Gattung aus ber 
—— der Bruntottern (ſ. d.), mit langem Körper, 
em Schwanze, breitem, dreiedigem Kopf; be 
wohnen Ditindien bis Sudchina, werden bis 2 m 
lang und find außerordentli piitie. 
Belfenjome be, j. Schwalbe. 

Ifenfegler (Cypselus melba Illig., |. Zafel: 
Langhänder, ig. 6), Alpenjegler, ein bie 
Länder um das Mittelmeer bis in die Schweiz hinein 
bewohnender Segler (f.d.) von 22,5 cm Länge, wo⸗ 
von 8,5 cm auf den Schwanz entfallen. Oben rußs 
farben, unten graulich weiß. 

Felfenfittich (Conurus patagonus Pieill.), ein 
großer Keilſchwanzſittich, der in den Höhlen jteiler 
85 


546 


Felswände Patagoniend und Argentiniens niftet 
und kr oft nad Europa gebradt und mit 75 M. 
das Paar bezahlt wird. Der kräftige Vogel kann 
Sommer und Winter im Freien gebalten werden, 
Felfenftraudh, f. Azalea und Tafel: Kalt: 

bauspflanzen, De 4. 

elfentaube, j. Tauben. 

elfentempel, } Höblentempel. 

elfenwüjften, ſ. Wüite. 

Ming, Jalob, Kupferftecher, geb. 22. Juli 
1802 zu Darmſtadt, ward erjt von feinem Water, 
dem Hoftupferiteber Job. Konr. F. (geit. 1819), in 
ber Kupferſtechkunſt unterrichtet und lernte dann in 
Mailand bei Longhi. Später wandte er ſich nad 
gloren, wo er eins feiner vortrefjlichjten Blätter: 

briftus am Ölberge, nad Carlo Dolci, vollendete; 
biefer Stich trug ihm 1828 den großen Preis ber 
Mailänder Akademie ein. Hierauf jtudierte er in 
Rom und andern Drten und fehrte erft nad) zehn: 
jähriger Abwejenbeit nah Darmſtadt zurüd, wo er 
9. Juni 1883 ſtarb. Zu feinen vorzuglichſten Stichen 
ebören ferner: Mater dolorosa nad 2. da Vinci 
1827), Madonna del Trono nad Andrea del 
Sarto (1830), Bermäblung der heil. Katharina 
nad Eorreggio (1831), Der Biolinfvieler nah Raf— 
* (1833), Heilige Familie nach Overbeck (1838), 
eremias auf den Trümmern von Jeruſalem nad) 
endemann (1838), Genoveva nab Steinbrüd 
(1839), Poeſie nad Köhler (1840), Poeſie und Liebe 
nad Kaulbach (1844), Salvator Mundi nad 2. da 
Vinci (1844), Yautenjpielerin nad Dräger (1844), 
Heilige Katbarina nah Müde (1845), Hagar und Js⸗ 
maelnad Köbler(1848), Ausfeßung des Moſes nad 
Köhler (1849), Loreley nah Sohn (1854), Gefangen: 
nebmung Ebrifti (1862) und Heilige Cäcilia nad 
Hofmann (1868). Durh Gründung des Rheini— 
ſchen Kunſtvereins 1836 machte ſich 5. verdient. 
Sein Bruder Johann Heinrid F., pi 
18. Sept. 1800 in Darmftadt, geft. daſelbſt 30. März 
1875, ward ebenfallö von jeinem Bater im Stedyen 
unterrichtet und ſuchte fich in Baris zugleich auch mit 
den technischen Verbefferungen des Kupferbrudes be 
kannt zu machen. Nac feiner Rücklehr übernahm er 
1819 die Rupferbruderei jeines Vaters, die er zu einer 
der eriten in Deutfchland erhob. Auch die Verviel- 
ältigung von Kupferplatten auf galvaniſchem Wege 
etrieb er. Er gilt ala Erfinder des allgemeinen 
Turnerzeichens — Friſch, frei, fröhlich, fromm). 
Felſit, die Grundmaſſe des —— 7 (ſ. d.) 
und des Quarzporphyrs (f. d.); fie erweiſt ſich dem 
bloßen Augegegenüber als volllommen homogen und 
fplitterigebornfteinähnlid, dabei fo hart, dab fie am 
Stahl ſtarke Funken fprübt, bald etwas matter und 
von unebenem Brud), dabei etwas minder homogen. 
fiber die mitroflopifche Zufammenfeßung und Strut: 
tur dieſer felfitiihen Grundmajle ſ. Quarzporphyr. 
Rötlicbe, bräunliche und grünliche Farbentöne find 
die bäufigiten. Der F. ſchmilzt troß feines Kiejel: 
fäureseihtumsd und jeines Gebalt3 an mitrojto: 
piſchem Quarz vor dem Lötrobr wie der Feldipat 
allein; wegen diefer Schmelzbarleit haben franz. Mi: 
neralogen füribhn den Namen Eurit aufgeitellt. Die 
Ifitmafje wird aud für ſich allein, ohne ausge: 
chiedene Kryitalle, ald Geftein gefunden (Felfit: 
els genannt), das meijt in ag geolog. Beziehung 
zu bem —— ſteht, z. B. das Salband mäch⸗ 
tiger Gänge desſelben, oder die peripheriſchen Teile 
feiner röbern Eruptionsmaſſivs bildend. 
Felſitfels, ſ. Felſit. 


Felſenſtrauch — Feltre 


elfitkugeln, ſphäroidiſche Maſſen von Felſit⸗ 
ſubſtanz, die mitunter über 1 m im Durchmeſſer er 
reihen und namentlich in der balbglafigen Maſſe 
der Pechſteine, 3. B. Sachſens, eingebettet vorlom— 
men, bisweilen im Innern fternförmig zerboriten; 
die größern derfelben gelten wohl mit Recht als 
von der eruptiven Pechſteinmaſſe eingebüllte und 
bearbeitete Brucdftüde von Porphyr, die kleinern 
Kügelben fcheinen aber auch wohl als uriprüng: 
libe Zufammenballungen von felfitiiher Entgla— 
fung3materie aufgefaßt werden zu dürfen, alä 
Analoga der Sphärolitbe, mit denen fie vielfach 
in ibrer Struftur übereinfommen. 

Se ran ſJ. Bechftein. 

elfitporphyr, ein —— vielfach angewandtes 
Synonym für Quarzporphyr (ſ. d.); neuerdings 
pflegt man, nad dem Vorſchlage von Ticbermat, 
den Namen F. auf — Geſteine zu beichrän: 
fen, die zwar, was ſowohl die dem. Zufammen: 
feßung und die mikroſtopiſche Struktur der Grund: 
maſſe als auch die geolog. Zufammengebörigteit 
betrifft, durchaus mit den Quarzporpboren über: 
einftimmen, aber unter den Ausiceidungen feinen 
Quarz mit freiem Auge erfennen lafjen; bei ibnen 
ift der Duarz in den meiiten Fällen in der Grund: 
maſſe verborgen; fie fönnen vemzufolge füglich weder 
als Quarzporphyre bezeichnet, noch von dieſen ge: 
trennt werden. Zu ſolchen Vorkommniſſen aebört 
unter anderm ber jchöne, zu manden Shmudjaden 
verfchliffene Porphyr von Elfvalen in Schweden, 
mit feiner parallel lichter geftreiften, rötlich» oder 
duntellajtanienbraunen, ſehr barten und kiejelfäure: 
reiben Grundmaſſe, in der bloß Krvftalle von Ortbo: 
klas und Plagioklas liegen, der Borpbor von Raibl 
in Kärnten, vom fidelbabn bei Jlmenau, von Alten: 
diez in Naſſau. 

Felfö... (ungar., jpr.-jhö), foviel wie Ober:..., 

vaı in ungar. Ortänamen. 

elföbänya (ipr. -jböbahnja), Stabt mit ae 
ordnetem Magiftrat im ungar. Komitat Szatmär, 
öftlih von ———— (1. d.), hat (1900) 4584 
meift magyar. €. (2484 Romiſch-, 1247 Griechiſch⸗ 
Katholiſche, 687 Reformierte und 142 Ysraeliten), 
Pfarrkirchen der einzelnen Konfeffionen; Schmel;: 
dfen, Eifenbämmer, Töpferei und einen guten Sauer: 
brunnen. Der Bergbau (Gold, Silber, Kupfer: und 
Kane ist im Abnehmen begriffen. 

elöftürze, \ Bergitürze. 

Itre, deutih Felters, Hauptitabt des Di: 
trifts 5. (43033 E.) in der ital. Provinz Belluno 
Venetien), 15km von der Grenze Tirols, in 311m 
Höbe, unweit des Piave und an der Linie Tre: 
vifo: Belluno des Adriatifben Nekes, Sik eines 
Generalvilard und eines Katbebrallapitels, bat 
(1901) ald Gemeinde 14494 E. eine ſchoͤne Kathe— 
drale, Stadthalle, ein biihöfl. Seminar und Gymna⸗ 
fium, Spital, Waifenhaus, Leihbaus (15. Jabrb.), 
das ältejte in Europa, ferner Seidenjpinnereien, 
MWachsbleihen und Handel mit Seide, Wein und 
Ol. F. ift Geburtsort des berühmten Pädagogen 
Vittorino da F. [act 1447) und des Buchbruders 
Pamfilo Eaftalvi (f. d.), dem 1868 ein Dentmaol 
errichtet wurde. Das ebemalige Bistum ift mit dem 
von Belluno vereinigt. — Nah Ezzelinos Tod an 
die da Camino, dann an die della Scala und die 
Garrara gelommen, ergab fih F. 1404 Benedig. 
Nach Einverleibung 3.8 In das Napoleonifche König: 
reich Italien (1805) erbielt ver Marſchall Elarte (j.d.) 
den Titel Herzog von F. 


Felucke — Femelſchlagbetrieb 


Felucke (ital.), kleine —— e nach Art 
der Galeeren, die vorzugsweiſe — eidiebun der 
Küften im Mittelmeere gebräuchlich waren. Sie führ: 
ten Ruder und Segel zugleih und waren mit eini- 

en leichten Kanonen und Drehbafjen armiert. Die 
jegigen 5. find Küftenfahrzeuge des Mittelmeers 
mit zwei etwas nad vorn —— Pfahlmaſten 
mit Lateinſegeln, mit oder ohne Klüwerbaum. 

Felup oder Fulup, Negerjtamm in den waldi⸗ 

en Diftrilten an der — Weſtlüſte zwiſchen den 
Ken en Gambia und Caſamance, ift jpradlid von 
den Joloff wie au von den Mandingovöllern ges 
ſchieden, aber mit dem Volle der Serer verwandt. 

Felviucz (jpr.-minz), deutſch Obermwinz, Stabt 
und Hauptort eines —— (17782 E.) im 
Komitat Torda⸗Aranyos in Siebenbürgen, rechts 
an der Maros, an der Linie Budapejt:Kronitadt: 
Predeal der Ungar. Staatsbahnen, hat (1900) 1840 
meijt reform. magyar. E. Der ihön gebaute Ort 
wurde 19. Nov. 1848 von den aufſtändiſchen Rus 
mänen gänzlich verwüftet und in Brand geftedt. F. 
war ehemals Hauptort des Szellerſtuhles Aranyos. 

me, joviel wie Fomgerichte (ſ. d.). 
emel, männlihe Pflanze des Hanf (f. d.). 

emelbetrieb, oder auch Plenterbetrieb, 
Benel: oder Plenterwirtichaft, eine beitimmte 
oritlihe Betriebsart. Die jährlihen Fällungen er: 
itreden ſich über eine ganze Betriebsllaſſe (j.d.) oder 
über größere Teile derjelben derartig, dab man bie 
ältern, ſtärkern fowie die —— Stämme ver: 
einzelt, borjt oder jtreifenweije heraushaut (aus: 
— ‚ausfemelt), die jüngern Hölzer verſchont. 
ehtere bilden mit dem Nachwuchs auf den Stand: 
räumen der gefällten Bäume jebr ine 
Beitände. ine vollitändige Räumung der Alt: 
bölzer erfolgt nie. Im Laubholzwald gebt der F. 
von jelbjt in einen unregelmäßigen Mittelmald: 
betrieb (f. d.) über, weil an der Berjüngung die Aus: 
ihläge der im Boden zurüdbleibenden Stöde der 
geiä ten Bäume mehr oder weniger teilnehmen. 
an unterſcheidet —5—— elten und geregel— 
ten F. Erſterer iſt die älteſte Art der Waldbenußung 
und gebört ber unterſten Kulturſtufe an. Man nutzte 
aus den unerſchöpflich ſcheinenden Vorräten der 
Urwälder das, was man gerade brauchte, ohne 
Rüdjiht auf irgend welche Ordnung des Hiebes. 

Die Wiederverjüngung des Waldes, Ausfüllun 

der entitandenen Lüden, überließ man anfängli 
ganz der Natur. Die neuere Zeit hat, zunächit mehr 
als ein theoretijdhes Ideal, den jog. geregelten F. 
eing . Die Ordnung der Mirtihalt wird durch 
eine eilung bedingt, d. h. eö werden dem 
fter für beftimmte mehr oder weniger eng 
begrenzte Zeitabfchnitte beftimmte Waldfläden zur 
demelung zugemwieien. Letztere beiteht in der Ent- 
a. der haubaren, gewöhnlich älteiten Bäume; 
ei findet eine Bflege der jüngern Stammgruppen 
der Horite mit Hilfe von Durdforjtungen, Läute⸗ 
rungen und Unterbau ſtatt, entitandene Yüden wer: 
den ausgepflanzt oder Pa ſoweit nicht von Natur 


genügende Bejamung erfolgt. Die Beihädigungen 
des bleibenden Beitandes bei der Fällung ein: 
jelner Bäume, die Transport: und mandyerlei an: 


dere Schwierigleiten werden den F. nie jene Aus: 
dehnung gewinnen lalien, die von einzelnen Forſt⸗ 
wirten heutzutage gewunſcht wird. Diefe Betriebs⸗ 
art wird in der Hauptſache aul die Hochgebirgs⸗ 
lagen beſchränkt bleiben, wo der Wald Schuß gegen 
Laminen, Abrutſchungen u. j. w. gewähren foll, da 


547 


den eritrebten Schuß ein Wald am beiten gewäbrt, 
in dem die verfchiedenen Altersftufen der Bäume 
nicht räumlich getrennt, jondern wie im F. unter: 
einander gemengt find. — Über planmäßige Ein- 
richtung des 5. vgl. Der Blänterwald und deſſen 
Bebandlung (Mien 1878). 

Femelichlagbetrieb, Plenterfhlagbetrieb, 
Borverjüngung, eine Unterart des ſchlagweiſen 
Hochwaldbetriebes (f. d.) der Foritwirtichaft, beidem 
mehrere Jabresschläge zu einem Verjungungsſchlage 
——— werden; der darauf ſtockende alte 

eſtand wird zuerſt gelichtet, dann allmählich voll⸗ 
ſtändig abgetrieben, unter Umſtänden mit Aus— 
nahme einiger beſonders dazu geeignet erſcheinen— 
der Bäume, ſog. Überhälter ri d.) oder Waldrechter, 
die einzeln oder horſtweiſe für einen zweiten Umtrieb 
übergebalten werben. Die Der Banung erfolgt nad 
der Lichtung durch natürlihe Befamung oder dur 
fünftliche Unterfaat oder Unterpflanzung, alfo vor 
dem volljtändigen Abtrieb des Altholzes, dem die 
Aufgabe zufällt, ven jungen Beitand eine Zeit lang 

egennadteiligellimatifge@inwirkun eidg 

reßler führte deshalb den ſehr bezgeihnenden Aus 
drud Borverjüngung in die Litteratur ein, im Gegen: 
ſaß zu der beim Kahlſchlagbetrieb (j.d.) —— 
Nachverjungung. Unter den deutſchen Waldbäumen 
eignen ſich vorzugsweiſe Buche und Tanne für den 
F. da ſie in erſten Jugend eine Beſchattung 
durch die gelichteten Althölzer ſehr gut vertragen, 
unter gewiſſen — * fogar wohl bean— 
ſpruchen. Werden ſehr viele Jahresſchläge aufam: 
mer und wird baburd) der Verjüngungszeit: 
raum ſehr lang, fo nähert ſich der F. in feiner Form 
fehr dem geregelten Femelbetrieb k d.). Den Aus: 
na bat zuerjt C. Heyer angewendet, während 
G. L. Hartig diefen Betrieb Samenfchlagbetrieb, 
andere ältere Schriftiteller Dunkelſchlagwirt— 
ſchaft u. ſ. w. nennen. Die erjte ſchwache Lichtung 
erfolgt durch den ſog. Vorbereitungsſchlag (. da, 
dieſem folgt der Beſamungs⸗ oder Duntelichlag (j.d.), 
dann der 325 (f. d.), und endlich werden die 
legten alten Bäume allmählich geräumt oder durch 
einen Räumungsfchlag (f. d.) entfernt. Das Ber: 
fahren muß jedoch nad den Örtlihen Verhältniſſen 
ein ſehr verfchiedenes jein. 

Der Vorteil des F. beiteht in der Gewinnung 
eines nicht unerheblichen Lichtungszuwachſes an dem 
allmäblich abzutreibenden Altholz, in der Sicherheit 
der Serjüngung der Holzarten, die in der eriten 
Augend einen Schuß durd die alten Bäume lieben 
(Bude, Tanne), und in der leihtern Möglichkeit, 

emiſchte Beitände zu erziehen. Nachteile find die 
ſchwerung und Berteuerung der Fällung ſowie 
der Aufbereitung des Holzes, namentlich aber des 
Transportes, daher oft Berminderung des Nup- 
bolzes, die Beihädigung des Nachwuchſes durch die 
—— Erntearbeiten, die Abhängigleit vom 
intritt eined Samenjabres (f. d.), * Ausblei⸗ 
ben den Wirtſchaftsbetrieb ganz erheblich erſchwert. 
Die natürlihe Beſamung vermag wohl einen jo 
flanzenreichen jungen Beitand zu ſchaffen, daß der: 
elbe die durch die weitern Erntearbeiten eintreten- 
den Beihädigungen auf gutem Standort leicht über: 
windet, nicht fo die durch Saat, noch weniger die 
durch Pilanzung —— Vorverjungung. Der 
$. wird in Suddeutſchland bei weitem mehr ange— 
wendet als im Norden; genen Ende des 18. Yabrb. 
und nad Anfang des 19. Jahrh. war er nod viel 

verbreiteter als jebt. 

95* 


548 


elwirtichaft, — —— 
emern, Inſel, ſ. Fehmarn. 
emgerichte, Fehme, Vehme (abgeleitet vom 
althochdeutſchen veme, Strafe), aud heilige Fem 
oder Feyme, Freigerichte, weitfälifche oder 
heimliche Gerichte genannt, die vollätümlichen, 
nicht auf den Adel und nicht auf eine Beamten: 
hierarchie gegründeten fönigl. Gerichte des deutichen 
Mittelalters in Weftfalen, die Bedeutung und Zu: 
ftändigleit für ganz Deutſchland dadurch erlangten, 
daß fiein den Zeiten des Fauftrechts (f. Fehde) im letz⸗ 
ten Viertel des 14. und im 15. Jahrh., wo die orbent: 
lichen Gerichte vielfach verjagten, den Verbrecher zu 
richten und das Urteil zu volljtreden wußten. Man 
bat im Mittelalter ihren Urjprung auf Karl d. Gr. 
zurüdgeführt, der fie begründet haben ſoll, um den 
Nüdfall der gewaltfam zum Ehriftentum belehrten 
Sadjen zu überwadyen. Das gehört natürlich in das 
Neich der Fabel; aber mit Karl d. Gr. fan man fie 
infofern in Verbindung bringen, als fie auf der faro: 
ling. Geridhtöverfafjung beruben. Die F. a die 
alten fränf, Grafengerichte. In Weftfalen erbielt fich 
das Bewußtſein eines allgemeinen freien Standes, 
welcher dieſer Gerichtäverfaflung zu Grunde lag, 
und damit un das allen Freien gemeiniame Ge 
richt früberer Zeit. Dies vermittelte wieder, daß 
der Zufammenbang des Grafengerichts mit dem 
Königtum fich hier —9 erhielt, als in allen andern 
Territorien das Recht zur Verleihung des Blut: 
bannes, d. b. der Ausübung der hoben Gerichts: 
barkeit (die and Blut geht), von dem König an die 
Landesberren überging. Die weſtfäl. Grafen er: 
ielten immer noch den Blutbann unmittelbar vom 
Önig, und ihre Gerichte erfchienen der Quelle der 
Gerichtsgewalt nad) fo ala königliche, als Reichs-, 
nicht als landesberrlihe Gerichte. Dieje Eigen: 
ſchaft als königl. Gerichte ift ed nun, welche au dem 
beiondern Charakteriſtikum der weſtfäl. Gerichte 
und F. führte, Die Gerichte, deren Richtergewalt 
auf fönigl. Verleihung zurüdführte, unterſchieden 
fih von jeber durch gewiſſe Förmlichkeiten von 
andern. Da fih die Verleibung des Blutbannes 
unmittelbar durch den König allmäblich nur bei 
den F. erbielt, nahmen dieſe Förmlicdhleiten den 
Charakter des Gebeimnisvollen und Bejondern an. 
Nicht jeder kannte fie mehr, und jo fam es, daß nur 
die in das Schöffentolleg, in den Bund (veme) Auf: 
enommenen darum wußten. Die Schöffen hießen 
Wiſſende. sFreigerichte hießen die F., weil die 
Grafengerichte in Weitfalen nicht wie die oftfäli- 
ſchen Gerichte nur über Adlige wurden, fondern auch 
Gerichte über freie Bauern, die fich bier befonders 
zablreih erhalten batten, blieben. Die Stellung 
von fönigl. Gerichten verblieb den F., auch nad: 
dem ſeit Wenzel (1382) der Grzbiichor von Köln ala 
Stattbalter der heimlichen Gerichte den frei: 
arafen im Namen des Königs den Blutbann verleiben 
durfte; ein Oberauffichtörecht über die F. hatte er 
ion früber erlangt. Er war ald Herzog von Weit: 
falen oberjter Stublberr. Stublberr war jeder 
Inhaber einer dreigrafihaft; ein ſolcher Bezirk um: 
faßte eine Anzahl von jFreiftüblen. Der Stublberr 
batte die Freigrafen auf Lebenszeit zu ernennen. 
Sreiftublbieß der Ort, wo das Gericht gebegt wurde, 
gewöhnlich ein Hügel oder eine im Freien gelegene 
Stätte. Einer der berübmtejten Freiſtühle war der 
von Dortmund. Der Freigraf führte ven Vorfiß, die 
Freiſchöffen fanden und vollftredten das Urteil, 
ftellten au die Ladungen zu und hatten die Pflicht, 


Femelwirtſchaft — Femgerichte 


Verbrechen zu rügen, d. h. dem Femgericht anzu⸗ 
jeigen. ie mußten frei, ehelich geborene Chriſten und 
unbefcholten fein und durch einen Eid geloben, «dte 
wu e Fem balten & belfen und zu verbeblen vor 
ibund Kind, vor Vater und Mutter, vor Schweiter 
und Bruder, vor Feuer und Wind, vor allem, was 
die Sonne beſcheint und er benest, vor allem, 
was zwiſchen Himmel und Erde ift». Urſprünglich 
ollten Wifjende nur auf der Roten Erde, d. 1. in 
ftfalen, aufgenommen werben. Allmäblih breitete 
je der Kreis der Freifchöffen über ganz Deutſch⸗ 
and aus. Dies kam daber, weil die F. fich des: 
wegen, weil ihr Blutbann auf den König zurüdging, 
leihe Gerihtsbarteit wie die Gerichte am ur 
of, das königl. Kammergericht anmaßten, d. b. bei 
verweigerter Rechtshilfe Zuftändigfeit für das ganze 
—— Anallen enden waren fo jeitdem 14.Jabrb. 
Freiihöffen in außerordentlid großer dat vorhan⸗ 
den. den Städten und in den Raãten 
aßen Wiſſende, ja zu felbft lieken fi in den 
reiihöffenbund aufnehmen. Die Freiſchoffen be: 
aßen nicht nur großen Einfluß, fondern fie batten 
aud eine befjere Stellung im Verfahren ver F., 
wenn fie angellagt waren. Zufammen mit ibrer 
Zuftändigleit auf das ganze Neich es nit 
wenig zu ihrem Anſehen und ihrer Macht bei, 
daß allerorten Wiflende bereit waren, Verbrecher 
dem Arme der F. zu überliefern und das Urteil an 
den Schuldigen zu vollftreden. In den traurigen 
erg des Fauſtrechts bildeten daber die F. einen 
ort zur Unterbrüdung der Rechtsunſicherheit. 
Selbft uote Fürften fürdhteten ihre Macht und 
beugten fich ihrem Sprude. Einrichtung und Ber: 
fahren bei den F. war in den Grundzügen das ber 
altveutfhen Gerichte. Die Frei Bye waren ba: 
er urfprünglich ſowohl offene, echte, die bei «rechter 
geszeit und fcheinender Sonne» gebalten wurden, 
zu welchen alle Dingpflichtigen Zutritt hatten, wie 
ebotene, heimliche, bei melden nur Wiſſende er: 
—— durften und in welchen über die von aus: 
wärt3 fommenden Saden, die jog. Femwrogen 
(Femrügen), verbandelt wurde. Seit dem 
14. Jahrh. wurden offene nicht mebr — das 
—** ſchlechthin zu einem unter Ausſchluß der 
ffentlichkeit ſtattfindenden Stillgericht (beimliche 
Acht). Das Verfahren beruhte * Grundſatzen 
des Anklageprozeſſes. Ein Freiſchöffe mußte die An: 
Hage erheben. Nichtwiffende wurden binnen ſechs 
Wochen und drei Tagen, Wiſſende binnen einer drei: 
[nten Frift vorgeladen. Die Ladung beforgte ein 
iffender, der fie unter fombolifhen Zeichen an 
der Thür des Vorgeladenen befejtigte (event. an 
einem Kreuzwege, am Stabttbore). Der Angellagte 
konnte fih dur Eid reinigen, der Ankläger a 
biefem einen Eid mit Eideshelfern entgegen: 
Beben, Leiftete hierauf der —— den Eid mit 
echs Eides —— jo lonnte der Ankläger denſelben 
durch einen Eid mit 14 Eideshelfern entträften. 
t auf den Eid des Angellagten mit 20 Eides— 
belfern mußte notwendig die Freiſprechung erfolgen. 
Der liberwiejene jowie der der Ladung nicht fol 
gende Angellagte wurden verfemt, d. b. die Ober: 
acht ausgeſprochen. Die Vollitredung erfolgte durch 
den Strang. Alle Freifhöffen waren verpflichtet, 
den mit der Bolljtredung betrauten Genoſſen bei: 
ufteben. —* Zeichen, daß an dem Getöteten ein 
rteil der Feme volljogen worden jei, wurde ein 
Dold mit den Buchſtaben S. S. G. G. (d. b. Etrid, 
Stein, Gras, Grein, die geheime Lofung der Freis 


Femina — TFenelon 


ihöffen) neben feinen Leihnam geleat. Das ordent- 
ibe Berfabren fand nur auf «toter Erde» 8 in 
We — ſtatt. Dagegen konnte auch außerhalb 
Weſtfalens bei Ergreifung eines Verbrechers auf 
bandbafter That ein Notgeriht am Ort der That ge 
balten werben, zu welchem nur drei Freifchöffen, aljo 
kein Freigraf, zugezogen werden mußten. Nach Fal—⸗ 
lung des Urteils wurde es alsbald vollzogen. Dies 
ſes jummarifche Verfahren führte jedoch alsbald zu 
argen Ausjchreitungen. E3 wurde häufig zur Be 
friedigung perſönlicher Rache mißbraucht, und fo 
wurden die %., bie einft fo heilſam der allgemeinen 
gt A entgegengemwirlt hatten, zum Gegen: 
ftande allgemeinen Schredend. Damit begann ihr 
Niedergang, um fo mehr, als fie ihre Gewalt au 
in der Richtung mißbraudten, = jie Saden 
von auswärts annahmen, wo Rechts it gar nicht 
verweigert war. Man reagierte gegen diefelben. 
Fürften und Reichsſtädte gründeten Vereine, in 
—— te ſich verſprachen, einem jeden bei ſich 
Neht (Gericht) zu geben; mißbräuchliche Ladung 
vor die F. wurde in einzelnen Territorien unter 
Strafe opel. Diefe Reaktion, ganz beſonders 
aber die Verfündigung des Emigen Landfriedens, 
die Einfeßung des Reichslammergerichts (1495) 
und die Verbefierungen im lanvesherrliben Ge 
richtsweſen macten den F. ein Ende. Gie ver 
loren die Grundlage ihrer Ausnabmeftellung und 


wurben felbjt feit dem 16. Jahrh. zu Tandesherrs | fi 


lien Gerichten berabgedrüdt, als melde fie in 
Weitfalen bis ins 19. Jahrh. (auf Polizeiübertres 
tungen beſchränkt) ein jchattenhaftes Dafein fort 
führten. — Bol. Wigand, Das Femgericht Welt: 
falens (2. auf, Halle 1893); Lindner, Die Veme 
(Münft. und Baderb. 1888); Thudichum, Femgericht 
und Inquifition (Gießen1889) ;gegen legtere Schrift: 
Lindner, Der angebliche Urfprung der Bemegerichte 
aus der nquifition (Paderb. 1890); Schröber, 
Deutſche Rechtsgeſchichte (3. Aufl., Lpz. 1898). 

Femina (lat.), Weib, Frau; feminin, weib- 
ib; Femininum (genus), weibliches Geihledt (f. 
Genus); feminini genöris, weiblihen Geſchlechts. 

Femme (fr;., jpr. famm, vom lat. femina), Frau, 
Weib; F. de chambre (fpr. jhangbr), Kammerfrau; 
F. du monde (fpr. dü mongd), Weltvame; F. de 
charge (fpr. ſcharſch), Beichließerin, Aufjeberin der 
Wäſche, des Silberzeugs, Wirtfchafterin; F. entre- 
tenue, ſ. Entretenieren. [betreffend, 

oräl (vom lat. femur), den Überjchentel 
emur (lat.), Oberſchenlel, ſ. Bein. 

Fen, San oder Jahn, Teil, Linie, Meines 
Längenmaß in China und Annam, *,00 des Ellen: 
und ech (des chineſ. Tibi und des annami: 
tiichen Thuok). In China wechſelt das F. zwiſchen 
etwa 3 und 4, in Annam zwiſchen 4 und 6°, mm. 
5. beißt aud ein lleines Gewicht (f. Candarin). 

Fendel, —— ſ. Foeniculum und Tafel: 
Umbellifloren lJ, fin. 3 


—324 ſ. Saſſafras. 

elhonig, ein mit etwas Fenchelol gemiſch⸗ 
ter gereinigter Honig. Er findet Anwendung bei 

et der Atmun —** 
löl. das ätberiihe Öl des Fenchels (Foeni- 
eulum, ſ. d.), eine farblofe, jtart aromatifch riechende, 
erit füß, dann bitterlih fampferartig ſchmeckende 
Flüffigleit vom jpec. Gewicht O,96s—0,975. Es wird 
durh Dampfbeitillation der zerquetichten Früchte 
onnen und beftebt aus ®Binen, Dipenten, 
bellanpren, Anetbol und Fenchon, einem mit 


549 


Kampfer ifomeren Keton von der Zufammenjegun 
C,.H,s0 und dem Siebepunfte 193°; doch enthal⸗ 
ten nicht alle Öle alle diefe Beſtandteile N - leid. 
An der Luft färbt es ſich gelb bis braun. Es findet 
Verwendung in der Liqueurfabrilation, zur Berei- 
tung bes ren ii (f. d.) und in der Medizin, 
mo e3 als Oleum Foeniculi ag Te ift und ** 
weiſe als blähungtreibendes Mittel und ala Ge 
ſchmackskorrigens dient. Das Kilogramm kojtet 
(1901) 8 M. 

Fenchelwaſſer, eine anfangs trübe, ſpäter Har 
werdende Flüffigkeit, die aus einer Miſchung von 
gequetſchtem eachel und Waſſer abdeſtilliert wird, 
als Aqua Foeniculi offizinell iſt und häufig zu 
Augenwaſſer benutzt wird. 

end, Fender Thal, ſ. Oßthal. 

Diiteikt, Region an der Dfttüfte Englands, 
den Dee rings umfchließend (f. Karte: Eng: 
land und Wales), ift 118 km lang, 58 km breit 
und bebedt 3380 qkm. Gräben und zabllofe Kanäle 
durchziehen das Land, überall ſchüßen Dämme vor 
Uberſchwemmungen. Bäume find felten, nur Weiden 
begleiten die Ufer. Wo Lehmboden fi findet, ift 

chtbarer Boden und ſtarle Befiedelung, der junge 

orfboden wird erft der Kultur gewonnen. Auſtern⸗ 
und Mufcelrefte bei Beterborougb (45 km von der 
Küfte) beweiſen den Rüdzug des Meers, defien 
alte Uferlinien an der Dufe vielfach durch Feuer: 
teinwaffen und Werkzeuge präbiftor. Menſchen ge: 
mengt mit Berfteinerungen kenntlich find. — Val. 
Miller und Stertchley, The Fenland past and pre- 
sent (Wisbech 1878). 

Fendous (Fennecus), Fenet, Fuchs, ſ. Fennel. 

genden (ipr. fen’löng), —— de Salignac 
de Ya Motbe, franz. Schriftiteller und Kanzelredner, 
geb. 6. Aug. 1651 auf dem Schloſſe 5. Nachdem 
er durch feinen Obeim, den Marquis von F., zu 
Cahors die erfte Erziehung erhalten, trat er ın 
das Seminar St. Sulpice zu Paris ein, wurde 
1675 zum Priefter geweiht und erbielt drei Jahre 
—— vom N von Paris, Harlay, die Auf: 
fiht über die zur kath. Kirche übergegangenen Pro: 
teftantinnen. Seine Erfolge bewirkten, daß er zum 
Vorfteber einer Miffion zur Belehrung der Hugenot: 
ten in der Provinz Saintonge berufen wurde (1686); 
feine früber viellad pe ilde den Huges 
notten gegenüber wird neuerdings in Abrede ge 
—— (Bal. Douen, L'intolérance de F., neue 

usg., 1875.) Nach Veröffentlichung feiner 
für die Zeit bedeutenden — chrift «Del’&du- 
cation des filles» (ebd. 1687; deutſch von Arnſtädt, 
Lpz. 1879; von E. von Sallwürk in «%. und die 
Litteratur der weiblihen Bildung in Frankreich», 
Langenſalza 1886) vertraute ihm Ludwig XIV. 1689 
die Erziehung feiner Entel, der Herzöge von Bour: 
gogne, Anjou und Berry, an; für die Untermweifung 
des erjtern verfaßte 5. eine Neibe nach Form, Ins 
balt und Tendenz wertvoller Werte («Fables», «Dia- 
logues des morts», «Aventures de Töl&maque»). 
8, wurde 1693 Mitglied der Alademie und 1695 

zbifhof von Cambrai. Ein Streit über den Duies 
tismus mit Boſſuet . d. hatte zur Folge, daß er 
1697 von Ludwig XIV. in feinen Sprengel verwiejen 
wurde, und endbigte bamit, daß feine in der «Expli- 
cation des maximes des Saints» (1697) entbaltenen 
Lehren durch ein Breve Innocenz XIL vom 12. März 
1699 verdammt wurden, worauf er fih ohne Vor: 
bebalt unterwarf. Um dieſe Zeit kritifierte er Lud⸗ 
wigd XIV. Regierungsſyſtem fehr freimütig in 


550 Tenerife 


einem Schreiben, das erft in neuerer Zeit («Lettre 
de F. à Louis XIV», Par. 1825) im Drud erſchien. 
Seitdem lebte 5. in feinem Sprengel, mit philof. 
Studien beihäftigt, und ftarb 7. San. 1715. In 
Perigueur wurde ıhm ein Bronzeftandbild errichtet. 
An feinen philoſophiſchen, tbeologiihen und in 
den Unterhaltung mit Belehrung verbindenden er: 
zieheriſchen Werten ertennt man einen feingebilve: 
ten und durd eine lebendige und anmutige Phan— 
tafie befeelten Geift; in kirchlicher Hinfiht war er 
ein Gegner der Janſeniſten (f. d.) und beriet Ele: 
mens XI. bei der Bublitation der Bulle Unigenitus 
(j. d.). Sein Stil tft fließend und harmonisch. Sein 
vorzüglichftes Werl, «Les aventures de Tölema- 
que», worin er als Erzieber des Prinzen Mufter 
der Meisheit und einer fürſtl. Erziehung aufftellte, 
wurde ohne fein Wifien (Bar. 1699) veröffentlicht 
und fogleich verboten, da es für eine Satire auf 
den König, feine Regierung und feine Umgebung 
ausgegeben wurde, während die perjönliche Satire 
5. aänzlich fern lag. Erft nad 5.8 Tode konnte der 
«Tel&maque» (2 Bde., Bar. 1717) wieder gedrudt 
werben; er wurde ſeitdem bis in die neuefte Zeit in 
—— Auflagen (von Adry, 2 Bde. ebd. 1811; 
von Billemain, 2 Bode., ebd. 1824; von Janin, ebd. 
1842; von Leftore, 2 Hde., ebd. 1853; mit deuticher 
Crllärung von Vockeradt, 2 Bde. Berl. 1879) ver: 
breitet und in faft alle lebenden Sprachen überjekt. 
Eine Ausgabe der «(Euvres de F.» beforgten Goſſe— 
lin und Garon (22 Bde., Verfailled 1820—24), die 
nad Tertlritif und Material vollftändiafte ift die in 
10 Bänden 1852 fg. in Paris exſchienene. «(Euvres 
choisies de F.» — mit biogr.litterar. Notiz 
von Billemain (6 Bde., Bar. 1829). Aus den 
Driginalbandichriften gab die «Correspondance de 
F.» (11 Boe., Par. 1827—29) Caron heraus, Eine 
deutiche Überſetzung erſchien 1781 —82 (5 Bde., 
Leipzig). 5.8 Werte eg anti wurden vor: 
züglih durch Claudius den Deutihen zugänglich 
gemacht (2 Bde., Hamb. 1800—9; neue Aufl., 
3 Bde., ebd. 1823; 3. Aufl., Lpz. 1878) und von 
Silbert (4 Bde., Regensb. 1837—39) überjegt. — 
Ral.Ramfav, Histoire delavieetdesouvragesdeF. 
(2 Bode., Lond. 1723 u. d.); Bauffet, Histoire de F. 
(3 Bde., Bar. 1808; neue Ausg., 4 Bde., 1856; 
deutſch von Feder, 3 Bde. Würzb. 1811—12); Ta: 
baraud, Suppl&ment aux histoires de Bossuet et 
de F. (Bat. 1822); Wunderlib, $., Erzbiſchof von 
Cambrai (Hamb. 1873); Hunnius, Das Leben 5.8 
(Gotba 1873); Lear, F., Archbishop of Cambrai 
(neue Aufl., Lond. 1884); Broglie, F.& Cambrai 
d’aprös sa correspondance (Bar. 1884); Mabren: 
bols, F., Erzbiichof von Cambrai (2p3. 1896); San: 
ders, F. His friends and his ennemies (Lond. 1901); 
&t. Eyres, The life of Frangois de F. (ebd. 1901). 
Fenerife, Hafenplas auf Madagastar (f. d.). 
Fenestella Goldf., eine ſehr verbreitete pa: 
läozoiſche — von Moostierchen oder Bryozoen 
in teilmeife mehr als handgroßen, blattförmigen 
und vielfach ausgelappten Kolonienetzen auftretend. 
(S. Tafel: Petrefakten der Paläozoiſchen 
Formationsgruppe IV, beim Artifel Paläo: 
zoiſche beein ag 
enttrange, Stadt in Lothringen, ſ. Finſtingen. 
eng: fchui (dinef., «Windwajjer», d. b. etwas 
Unfaßbares), eine Art chineſ. Geomantie, die aus 
der Zujammenlage von Fluſſen, Bäumen, Hügeln 
u. ſ. w. die Zukunft vorausbeftimmt. 
Feug⸗tien, Name der chineſ. Provinz Scheng: 


— Fenis 
st std Ye Feuer. 


nier (engl. Fenians), rteiname eines 
repolutionären trifchen Bundes, der die gemaltfame 
Trennung Irlands von England erftrebt. Sein 
Auegangepunn iſt die Jung: Irland⸗Partei (f. Jun⸗ 
ges Europa), die in Auflehnung gegen O'Connells 
vermittelnde Haltung entſtanden war. Der Fenier⸗ 
bund, deſſen Name auf den altiriſchen Kriegernamen 
ber Fiann zurüdgefübrt wird, wurde von ausge 
wanderten Iren zuerft in Nordamerifa begründet 
und war dort wie in Irland weit verbreitet. Die 
Hauptftifter waren in Amerila John D’Mabonep 
und in Irland James Stephend. Im Winter 1861 
—62 gegründet, wuchs die Brüderſchaft jun: 
Herbit 1863 tagte ſchon ein Kongreß in Ebicage, 
und im November erjchien die Zeitung «The Irish 
People» ald Organ der F. in Irland. Aber im 
Sept. 1865 fchritt die engl. Regierung gegen die F. 
ein, ließ das Geſchäftslokal des alrish People» be: 
feßen, beſchlagnahmte die Papiere und verbaftete 
die führer, Um diefen Iwan Schlag zu vermin- 
den, wurde um jo energilcher in Amerita agitiert, es 
bildete fich in Neuyork 1865 eine förmliche Regierung 
der zu gründenden iriſchen Republif, aber wieder 
wurde jeder Losbruch in Irland 1866 durch das 
rechtzeitige Einfchreiten gegen die Agitatoren ver: 
bindert; ein gleichzeitiges bemwaffnetes Unternebmen 
egen Canada endete nad einem eriten Anlauf mit 
Niederlage und Entwaffnung. Dasjelbe Schidjal 
wurde im März 1867 binnen wenigen Tagen einer 
eniſchen Erbebung in Irland jelbft zu teil, an der 
ih etwa 2—3000 Infurgenten beteiligten. Die 
ittel ded Bundes ftanden nicht entfernt im Ber: 
—— zu den von ihm erſtrebten Zielen, daher 
cheiterten alle Angriffsverſuche. Jedoch blieb er 
als Organiſation beſtehen, arbeitete in geheimer 
Verſchwörung weiter und verpflanzte den Schau— 
latz ſeiner 8 Hätigteit nah England jelbft. In 
andeiter und London wurden Verſuche unters 
nommen, gefangene Iren zu befreien und das Ger 
fängnis durch Sprengungen zu zerftören. Mit der 
rabitalern Wendung der Politil der Home-Rule— 
Liga unter Barnell und der Gründung der Yand« 
liga dur Davitt erhielt auch der Fenierbund neues 
Leben; 1880 wurde er für England und Irland neu 
organifiert und voneiner Gentraljtelle,dem «Dberiten 
Rat» (Supreme Couneil) in London geleitet. Zu 
verftärlter revolutionärer Propaganda rief der 
Dberfte Rat eine neue Rey. in den «lInbe 
ep (1. d., Invincibles) ing Yeben, die ſich im 
ov. 1881 in Dublin tonftituierte, und deren Zwed 
geradezu polit. Mord fein follte. Durch ihre Mit- 
lieder geſchah 6. Mai 1882 im Pbönirpart zu 
Dublin die Ermordung des erjten Selvetärd für 
een Freberid Cavendiſh, und des Unterſtaats⸗ 
efretärd Burke. Durch Verrat eines Genofien 
fonnten die Hauptmitglieder verbaftet und beftraft 
werben, die Mordgeſellſchaft aber arbeitete unter 
D’Donovan Rofja von Amerita aus meiter und 
ging 1883—85 mit Dynamitiprengungen gegen bie 
öffentlichen Gebäude in London und andern engl. 
Städten vor. Seitdem bat die Wachſamkeit der 
engl. und amerit. Behörden die Tbätigfeit der F. 
immer mebr labm gelegt; obendrein ift 25. Juni 1886 
wiſchen England und den Vereinigten Staaten ein 
uslieferungsvertrag abgefchlofjen worden. — Bal. 
Rutherford, Secret history of the Fenian con- 


fing. | spiracy (2 Bbde., Lond. 1877). 


[von Fenis. 
Fenid, Rudolf von, — ſJ. Seren 


Fenn — Fenſter 


enn (Fenne), ſ. Fehn. 
ef, Fenek, V.nfuds oder Zerda 
(Canis s. Fennecus s. Megalotis Zerda Zimmerin., 
1. Zafel: Wilde Hunde und Hpänen |, Fig. 1, 
beim Artilel Hunde), Heiner Fuchs von beller Kar 
bellenfarbe, der die Sabara und überhaupt die 
Wuſtengegenden Afrikas nordlich vom Aquator be: 
wohnt, Er zeichnet Id bejonders durch die ungemein 
großen, löffelförmigen, jtart bebaarten, aufrecht ge: 
tragenen Obren aus. Der Pelz tit jeivenartig weich, 
der Schwanz ſehr buſchig, die Fußballen behaart. 
Der F. lebt ganz nad der Weiſe der Füchſe, gräbt 
fih Baue, vorzugsweiſe unter Alfabüjchen, und be: 
ibleiht näch tlicherweiſe Vögel und kleinere Säuge: 
tiere. Er ſchmiegt jih gern nah Hundeart dem 
Menihen an, muß aber warm gebalten werben. 
NRach Bistra werden faft jtets lebende F. zum Verkaufe 
gebracht und gelangen von bier in europ. Tiergärten, 
die das Stüd mit etwa 100 M. bezablen. Sie müſſen 
außer mit robem und gelochtem Fleiſch, Sperlingen, 
Tauben auch mit Früchten gefüttert werden. 
Feuner von fFeuneberg, Daniel, Fübrer des 
pfälz. Aufitandes von 1849, geb. 1820 zu Trient 
ın Tirol, 4 des diterr. Feldmarſchallleutnants 
Freiherrn Franz Philipp F. (geb. 1762, geſt. 
19. Olt. 1824), trat 1837 als Kadett in die Armee, 
nahm aber jhon 1843 jeine Entlajjung. Nach 
Veröffentlihung der Schrift «Diterreih und feine 
Armee» (1847), in der er die öfterr. Armeeorgani: 
lation angriff, verließ F. Ofterreich, febrte aber 1848 
nad Wien zurüd und war während ber Oltoberereig: 
nifie Chef der Feldadjutantur bei den Aufftändifchen. 
Bei der Erhebung des Volls in der Pfalz 1849 
begab er ſich dahin und wurde zum Überbefehlö: 
baber und Chef des Generalitabs des pfälz. Volls⸗ 
beerö ernannt. Der unglüdliche Verſuch einer Über: 
rumpelung der Feſtung Landau war Anlaß, daß 
er noh am Tage des Ereigniſſes jeine Entlafjung 
erbielt,. Die Niederwerfung des Aufftandes in der 
ea und in Baden bradte ihn in die Schweiz. 
Er wurde jedoch von Zürich ausgewieſen und wandte 
ih nah Amerila, wo er feit 1851 in Neuyorl eine 
deutſche Wochenſchrift «Atlantis» herausgab. Seine 
Erlebnifje in der Revolutiongzeit jchilderte er in den 
Büchern «Geſchichte der Wiener Dltobertage» (TI. 1, 
*3* 1849) und «Zur Geſchichte der rheinpfälz. Re: 
volution und bes bad. Aufitandes» (2, Aufl., Zür. 
1850). 1858 wurde er geijtestrant, kehrte nad 
Europa zurüd und ftarb 15. Febr. 1863 zu Bregenz. 
Feunner von Fenueberg, Job. Heint. Chri⸗ 
top Matthäus, Badearzt und balneographiicher 
Säriftiteller, geb. 25. Dez. 1774 zu Kirchhain in 
Kurbeiien, bejuchte die Univerfität zu Marburg, 
babilitierte ſich daſelbſt als Docent und wurde jpä: 
ter Arzt in Schwalbad, ſodann Phyſikus zu Na: 
Hätten. Seinem Wirken verdantt Schwalbad zum 
— Zeil die gegenwärtige Blüte und Berühmt— 
beit. 5. jtarb 16. Dez. 1849. Seine badeärztlichen 
Sähriften bebandeln namentlih Schwalbah und 
jeine Heilquellen. Wie früher das «Journal über die 
Bäder und Gefundbrunnen Deutichlands» (2 Heite, 
Marb. 1800— 2), gab er jpäter das «Tajchenbud 
für Gejundbrunnen und Bäder⸗ (3 Bde, Darmit. 
1816—18) und im Berein mit Döring u.a. die «Jahr: 
her der Heilquellen ep (2 Bbe,, 
Biesb. 1821 — 22) heraus. Bon poet. Arbeiten 
veröffentlichte 5. unter anderm «Das Gebet des 
derm in vier Gejängen» (Wiesb. 1816) und 
«Winterblumen» (ebv. 1819). 


551 


ichhirſe, ſ. Hirſe. 

N ——— Partei in Finland (ſ. d. Ge 
ichte). 
Fenny-Stratford (ſpr.ſträttf'rd), Stadt in der 

engl. Grafihaft Budingbam, am Grand » June: 

tion Kanal, ift Gitenbabutnakersuntt, bat (1901) 

4799 E, und Spißentlöppelei, aieaeldi, trob: 

flechterei jomwie Fabrikation von Eiſenwerkzeugen. 

enoarivo, — auf Madagaskar (f. d.). 
rir, Senriswolf, in der nordifhen My: 
thologie ein Dämon des Meerd. Nach dem Ber 
richte der Edda ijt er ein Sind Lokis (j. d.) und der 

Riefin Ungrboda («Kummerbringerin»), ein Bruder 

der Hel und der Midgardsſſhlange. In feiner Jus 

end wirb er von den Bötlern mit der ungerrei 
aren gef! Öleipnir gebunden; Tyr gl d.) volls 
bringt dieſe Arbeit, verliert aber dabei feine Hand. 

Im tiefiten Dunkel liegt F. gefeflelt bis zum Götter: 

eihid (j. d.). Zu diefem entledigt er ſich ee 
geie und zieht mit den böfen Mächten zum legten 
ampfe; er kämpft mit Odin, verſchlingt dieſen, 
wird aber von Odins Sohne Vidar getötet. 
enristwolf, ſ. Fenrir. 
uſter, Offnungen in den Umfaſſungsmauern 
oder dem Dache der Gebäude, welche dazu dienen, 
den innern Räumen Licht und Luft zuzuführen, das 
bei aber den nötigen Schuß Sa a gegen bie 

Temperaturunterfhiede und das Regen: und Schnee- 

waſſer nicht eindringen laflen, au welchem Zwecke 

je zeitweilig geöffnet und geſchloſſen werden konnen. 
an unte Bidet bei den 5. 1) die Konſtruktion 
der en, Lichtöffnung im Mauerwerk, und 

2) die Konftruftion des ! es luſſes dieſer Öffnung, 

der aus dem Holzwerk, den Beſchlägen und der Ber: 

glaſung beiteht. , \ 

Im erftern Falle ift zunächſt die äußere ee 
des F. zu berüdjichtigen, welche fich nach dem Stile 
richtet, in weldem das Gebäude errichtet werben 
fol. Die äußere . der F. ift im allgemeinen 
bie eines jtehenden Rechtedes, mit einem näberung3» 
weifen Verhältnis der Breite zur Höhe von 1:2 
* eſtellt. Hierbei iſt aber zu beachten, daß die in 
olchem Verhältnis hergeſtellten Fenſteröffnungen 
eine ſehr ſchlanke Geſtalt erhalten, weshalb es vor⸗ 
teilhaft ift, die Höhe des F. um ein Siebentel bis 
ein Neuntel der — geringer zu machen. 
Der obere Abſchluß des F. klann aber auch durch einen 
Halbtreis:, Spitz⸗ Korb oder Segmentbogen ges 
bildet werden. Wird das F. in Werkjtein ausgeführt, 
jo erhalten feine Begrenzungen —— amen, 
und zwar bezeichnet man den untern horizontalen Ab: 
chluß ald Sohlbank, Fenſterbank, die ſeitlichen 
enkrechten Einfaſſungen als Fenſtergewände, 

enſterſtöcke, den obern Abſchluß, welcher gerad⸗ 
linig oder bogenförmig fein fann, als Fenſter— 

Pass ALS ſolcher ift er durch einen jog. Entlaſtungs⸗ 

ogen von dem auf ihm rubenden uerwerk zu 
entlaften. Konſtruktiv hängt die Höhe eines F. von 
der Stodwerlshöhe ab, indem die Höhenlage der 

Soplbantoberlante, die pe. Brüftungsböbe, 

0,75 bis 0,90 m über der Baltenoberlante beträgt. 

Da die Stodwerlähöhe von Oberkante zu Oberlante 

der Balten im Rohbau gerechnet werben muß, fo 

ift ferner in Rechnung zu jegen 0,24 bis 0,26 m Bals 
tenhöbe für normale Zimmertiefen, O,se m Stärte 
des Bogens, welcher die eigentlihe Fenſterniſche 
oberhalb überwölbt und als balkentragende Scheide: 
mauer 1'/, Stein ftart gemacht werden muß, dann 
die Pfeilerhöhe dieſes Bogens, welche der Fenfter- 


552 


nifchenbreite entiprechend groß wird, endlich 12 cm 
als Anſchlag für die Rouleaur, Eifen u. j. w., damit 
bei borizontalem Sturz der —— geöffnet 
werben kann, jo daß unter Berüdjichtigung aller 
diejer erforderlichen Höhen etwa O,so m für die obere 
Konitruftion, 0,75 bi8 O,som für die Brüftungshöbe 
von der Stodwerlähöbe in Abzug gebradt werben 
muß. Wird das F. in Ziegelitein gebildet, jo tritt die 
Sohlbant häufig ald Rollſchicht auf, der Sturz ift 
ets ein an foll er wagerecht jein, jo ift ein 
&eidrechter Bogen anzuordnen, der ſeinerſeits wieder 
durch einen Entlaftungsbogen gefichert werden muß. 
Bei den hölzernen Fenftergerüften der Fachwände 
wird bie ger ung durch bie beiberjeitigen 
Feniterfäulen, die Sohlbank dur den Brujtriegel, 
der Sturz durch den Sturzriegel * n⸗ 
nern tritt das Mauerwerk vor der Lichtoffnung 
eitlih zurüd um 10—12 cm, wodurd der ſog. An: 
chlag gebildet wird, welcher zur Befejtigung ber 
fterrahmen dient. Bei ftärlern Mauern wird die 
rüftungsmauer in der —— zum bequemen 
Offnen des F. und Hinausſehen ſchwächer gebildet, 
und damit die äußern Witterungseinflüſſe fi inner: 
lich nicht geltend machen können, mit einer ifolie 
renden Luftichicht konftruiert, welche 4—8 cm breit 
ift und durch eine innere /, Stein jtarle Mauer be: 
grenzt wird. Sie wird dur das Fenſterbrett 
abgededt. Behufs Ablaufs des Regenwaſſers ift 
die Oberfläche ver Soblbant abzuſchrägen und unter: 
balb mit einer Unterjchneidung oder Waflernaje zu 
verjeben, die verhindert, daß dad Regenwaſſer an 
den äußern Wänden des Gebäudes berabfließt. 
Die Stellung der F. nebeneinander ift abhängig 
von der Breite der Fenfterpfeiler, der Schäfte oder 
Mauerpfeiler zwifchen den F., und diefe wiederum 
von der gewählten Achsweite (ſ. Adie). 
Das Holzwerkbeiteht aus dem Fenſterfutter 
oder den Blindrahmen und den Fenjterflügeln, 
Ir welchen vorzugsweiſe harzreiche Holzarten, wie 
iefernholz, au Eichenholz, feltener Lärchenholz 
verwendet wird. Die "malen in erfter Beziehung 
ut fließen und leicht zu öffnen fein. Ein zwei— 
Angelines 5. erhält eine lichte Breite von O,s bis 
1,50 m, ein dreiflügeliges 1,50 bis 2,50 m. An ven 
Fenſteranſchlag aus Sandftein oder Siegelftein wird 
Beat der äußere oder Futterrahmen mitteld 
anteifen oder Steinfhrauben mit Schraubenmut: 
tern befeftigt. Er erhält eine Breite von 7 bis 10 cm 
und eine Stärle von 3 biß 6 cm. In dem Futter: 
rahmen befeftigt, befindet fich ein horizontaler Duer: 
ftab, das jog. &osbol ‚ welches die Höhe des F. 
in einen boben untern dir die Unterflügel) und in 
einen niedrigen obern Teil (für die Oberflügel) teilt. 
Werden beide Teile noch durch einen zn. Höhen: 
ab (Pfoſten) getrennt, jo erhält man ein feſt— 
tebendes Fenſterkreuz, wie dies bei ältern 
ohnhaus enſtern und jett noch bei ſehr breiten F. 
üblich iſt. Der Pfoſten kann aber auch «aufgehend» 
fonjtruiert werben und tritt als erg in Geftalt 
einer am Flügel befeitigten Schlagleifte auf; ſchmale 
5. erhalten aufgebenden, breite dagegen feſt— 
ehenden Mittelpfoſten. Die untern Teile des F. 
lonnen durch Sproſſen ie Verwendung Heinerer 
Glastafelnin2oder3 gleich hohe Teile geteilt werden, 
während bei bejiern ——— die untern Fen⸗ 
ügel nur eine Glasſcheibe (alſo ohne Sproſſen⸗ 
teilung) erbalten. Die Fenfterflügel werden aus 4 
bis 6°, cm ftarten Bohlen gefertigt, deren Teile 
dur Sälizapfen miteinander verbunden find. 


Fenſter 


Jeder Fenſterflügel erhält an engen untern Rab: 
menteil einen jog. Waflerfchentel, welcher mit dem 
eritern aus einem Stüd Holz gefertigt wird. Die 
Glasſcheibe wird in einem Schliß des untern Rab: 
menteild gelegt, da der Kitt zum Fenſterverſtrich 
leiht ausfault. Der obere niedrigere Teil des F. 
erhält gewöhnlich einen feftitehenden Mittelpfoiten, 
weil diefer dem Losholz den nötigen Halt verleibt. 

Für das deutihe Klima find aber außer ven 
eigentlihen $. nob Doppel: oder Winterfen- 

er erforderlich, die entweder von außen oder von 
innen vor bie fejten F. eingejeht werben. y erſtern 

alle werden ſie als Flügel- oder als Schiebe— 

enſter konſtruiert, im leßtern Falle als Kaſten— 

enſter. Sind keine Doppelfenſter vorhanden, ſo iſt 
das durch den —— der innern und au 
Temperatur erzeugte Schwitzwaſſer abzuleiten. Das 
fann geſchehen durch eine im oder J dem Fenſter⸗ 
brett angebrachte Sammelrinne, mit einem zwei: 
feitigen Gefälle nad) der Mitte, von welder aus das 
Schwitzwaſſer durch eine Heine Zinfröhre nad einem 
er aren Zinkblechtaſten unter dem eniter: 

rett oder direlt nach der mit Waſſerſchräge gebilde⸗ 
ten Oberfläche ver Sohlbank abgeleitet wird. 

Für Schulen, Krantenhäufer u. ſ. w. werden häu⸗ 
sa der obere Fenſterflügel ald Klappfeniter zu 

eſſerer Luftzuführung konftruiert. Die Klappfenfter 
läßt man beſſer berunterflappen als aufwärts, da 
im letztern Falle leiht Zugluft entiteht. Dreb- 
fenfter werden häufig in Ställen, Aborten ange 
wendet und erhalten in ihrer Mitte zwei Zapfen, 
durch welche fie ſich um ihre horizontale Achſe drehen 
laſſen. Schiebefenftereignen when. für Wohn⸗ 
gebäude, werden höchſtens bei Erlerbauten, Veran— 
den u. dgl. angewendet. Ihre Flügel werben in der 
Regel nad oben, in feltenen Fällen nur zur Seite 

eihoben, während fie durch Gegengemwicte oder 

edern in ihrer neuen Sage erhalten werben. 

Das Beſchläge der F. Wii in $enfterbaten 
oder Banteifen, welche zur Befeftigung des Futter 
rahmens am Anschlag dienen; in 68 Schein— 
winkeln zur Verſtärkung der Edverbindungen der 
Flügel; in Wintel- over Fifhbändern zur Be: 
wegung der Flügel und in denjenigen Vorrichtun⸗ 
gen, welche zum Angriff und Verſchluß der Flügel 

ejonders dienen. Dies find bei feſtſtehendem Mittel: 
be die ganzen und bei einzelnen F. die halben 
orreiber, Einreiber oder Qappenreiber 
und der Ruder: oder Dreberverjhluß; bei auf: 
gehendem Mittelpfoften der Eifpagnolette- und 
der Basquillverfhluß, au asculeſchloß 
enannt. Die beiden letziern find, da fie den Ber: 
chluß der Flügel gleichzeitig und an drei Punkten be: 
mwirten, ferner dad Sichwerfen der Fenfterflügel ver: 
Den, die ziwedmäßigften und gebräudplicjiten 
eihläge. Auch hat man VBorrihtungen zum Felt: 
tellen der Flügel und Fenſterläden, Bet läge für 
ntilationgfenfter u. ſ. w. (S. aud Schlofler: und 
Schmiedearbeiten.) Die Verglaſung der 3. it 
—* alt. Schon die alten Romer fertigten die Fenſter⸗ 
cheiben aus Spiegelſtein, was der Beſchreibung 
nach anſcheinend nichts anderes iſt als blättriges 
Frauen: oder Marienglas. Außerdem hat man aber 
im 2. Jabrb. n. Ehr. mit Marmor oder dünn ge 
hliffenem Adat, aub aus Horn die Fenjter ver- 
chloſſen. Daß man bei den Ausgrabungen in Pom⸗ 
peii ruchftüde von Ölastafeln aufgefunden, ift noch 
ein Beweis, daß man ſchon in jo Fübe Zeit allge: 
mein Glasfenfter gelannt habe. Die erften ſichern 


Fenſterachſe — Fenſterladen 


—— von Glasfenſtern finden ſich im 6. Jahrh. 
bei Gregor von Tours, welcher Kirchenfenſter von ge 
färbtem Glafe erwähnt. In Deutichland hatte be: 
reits im 10. Jahrh. das Kloſter Tegernſee F. mit 
bunten Glasſcheiben. An vielen Kirchen aus dem 
Mittelalter find die F. mit hexrlichen Glasmalereien 
eziert, jo 3.B. am Dom zu Mailand, Dom zu Köln, 
tünfter zu Straßburg, Dom zu Amiens u. f. w. 
(S.Tafel: Glasmalerei Lu. II.) Die Wohnhaus: 
fenfter befeßte man ſchon im Mittelalter mit Glas 
und zwar mit den zwilchen Blei gefaßten runden 
Butzen ſcheiben, melde vem Raum ein malerijches 
rünliches Licht geben, ſich aber nicht zum Hinaus⸗ 
eben eignen. Daher waren nebenbei noch Schiebe 
—— mit Tafelſcheiben angebracht (ſo in der van 
ube u errang men nod in Bauernhäufern 
der Alpentbäler). Mit dem Fortichritt in der Tech: 
nit der Glasbereitung begann man die Scheiben 
immer größer zu maden. Doc noch in der zweiten 
Hälfte des 16. —* waren Glasſcheiben (meiſt 
venet. Herkunft) eine Sache des Luxus. Neuerdings 
iſt man dahin ere, das ganze F. aus 
einer, oft um feine Achſe drehbaren Scheibe zu 
machen. So gut jo ausgejtattete F. auch find, um 
den Blick ins Freie zu gewähren, fo wenig befriedigen 
fie fünftlerifch, weil fie nicht raumabfchließend wirten, 
dem Zimmer nicht die zur Gemütlichkeit erforder: 
lihe Sonderung von der Außenwelt geben. Daber 
mwurben mit dem Wacfen der Scheiben mehr und 
mehr die Gardinen eingeführt, welde das an Raum: 
abſchluß erjegen jollen, was die Butzenſcheiben früher 
boten. a in neuerer Zeit hat man fich diefer primi⸗ 
tivften — wieder zugewendet, da man einſah, 
daß fie kunſtleriſch höher ſteht ala die Spiegelſcheibe. 
Ebenjo giebt man den Kirchen und Sälen jekt, wenn 
möglich, wieder ihre Scheiben in gebrochenen Far: 
ben, nachdem die Farblofigleit und MWafjerklarbeit 
lange Zeit allein für ſchön gegolten bat. 
teäußere Geftaltungder Fenfterumrabmung 
ift für den Charakter der Façade eines Gebäudes 
von hoher Bedeutung und tft in den verjchiedenen 
Bauftilen eine wechielnde. Während in der Antite 
. mit fhrägftehenden Gewänden einfach profilierter 
mrahmung beliebt waren, begannen ſchon die 
Nömer ihnen Friefe und Verbahungen zu geben. 
Diefe Motive nahm die Renaiffance auf, um fie in 
reichfter Weife fortzubilden. Das Mittelalter gab 
den Gemwänden eine breite, oft kräftig profilierte 
aje und jchloß fie meift im Bogen ab. Beide Sy: 
eme finden in zahlloſen Abwechjelungen aud) heute 
nod Verwendung. Eine befondere Konſtruktion ver: 
langen die Dachfenſter. Sie befinden fich auf der 
Dachfläce felbft, während der gleihe Zmed unter 
Umftänden aub durd an den Giebeln oder in der 
Berjentungsmauer angebrachte Öffnungen erreicht 
werden fann. Man unterſcheidet im allgemeinen 
ftebende und liegende Dachfenfter. Die ftebenden 
Dachfenſter haben vertikale Fenſterfläche, dergleichen 
feitliche Begrenzungen (Baden) und jtehen entweder 
unmittelbar auf der Umfaffungsmauer über dem 
Hauptfims, in welchem Falle fie fteinerne Gewände 
und Badenmauern erhalten fönnen, oder fie befin- 
den ſich mitten in der Dachfläche und find dann von 
Holz, Eifen oder Zint mit Schalung und Dachung 
überdedt. Man giebt ihnen eine dem Stil des Ge: 
bäubes ſich anpafjende Form und eine nad den 
Stodwerksfenftern ſich rihtende oder fommetrifche 
Einteilung oder Stellung. In — auf ihre Form 
unterſcheidet man bie ijeßt nicht mehr üblichen) 


553 


Schwalbenfhwänze, Froihmäuler oder leder: 
mäufe; die runden oder ovalen Ochſenaugen (eeils- 
de-beuf), Dacherker, Dachnaſen u. j. w. Die lie: 
genden Dachfeniter baben eine mitder Dachneigung 
aujammenfallende oder wenig abweichende yenfter: 
fläche, find gewöhnlich aus eifernem Rahmen oder 
Zint mit nd sin Rande und dergleihen Siügel 

ebilvet, welcher nah außen aufwärts gellappt 
(Rlappfenfter) und durch Stelbügel feitgeftellt 
werden kann. Sie werben mit jtarlem Glaſe 
(Hagelglas) verglaft und ftören, da fie von ber 
Straße aus nicht oder nur ———— das Aus⸗ 
ſehen des Gebäudes nicht. Zur Beleuchtung kleiner 
untergeorbneter Dachräume begnügt man ſich mit 
gläfernen Dachziegeln oder in die Schiefer geded: 
ten Glasſcheiben. 

Bol. Fink, Der Bautifhler (3. Aufl., Lpz. 1877); 
Graef, Moderne Bautifchlerei (10. Aufl., Weim. 
1886); Gremer und Wolffenftein, Der innere Aus: 
bau (Berl. 1886 fa.); Baukunde des Architekten, 
Bp.1, Tl. 2 (2. Aufl., ebd. 1891); Schwatlo, %. und 
Oberlichter von Holz und Gijen (2. Aufl., Fulda 1894). 

enfterachie, ’ Achſe. 

euſterbeſcheukung, |. a 

enfterfled? (Thyris fenestrella Scop., ſ. Tafel: 
Schmetterlingel, Fig. 17), ein 15—18 mm klaf⸗ 
ternder Schmetterling, ſchwarzbraun mit goldenen 
Pünktchen, jeder ginge! mit 2—3 weißen, glaſig 
durchſcheinenden edchen. Die Raupe lebt im Juli 
in zuſammengerollten Blattſpitzen der Waldrebe. 

Fenſtergeld, Fenſterbeſchenkung und Fen— 
fterbier, Bezeichnungen der Sitte, nach der beim 
Bau eines neuen Wohnhauſes Verwandte, Nad: 
barn und gute Freunde Fenſter mit Gemälden, 
Mappen und Namen ftifteten, ferner Geld dazu 
ibentten und Schmaufereien und Trinlgelage ver: 
anftalteten. Dieje Sitte artete fo aus, daß Polizei: 
verordnungen erlaſſen wurden, um ſowohl ven Kreis 
der Beifteuernden einzufchränten, wie das F. ſelbſt 
auf einen Marimalbetrag zu fegen, fo in Lüneburg 
1577 und 1583 auf 8 Schillinge, in Braunſchwei 
1579 auf 6 Mariengrojdhen, in Bremen 1593 au 
10 Grote u. f. w. Namen und Mappen in den ge: 
ſchenlten Fenſtern anzubringen blieb geitattet; die 
R — aber wurden meiſt verboten. — Vol. 
5 Meyer, Die ſchweiz. Sitte der Fenfter- und 
Wappenſchenkung (Frauenf. 1884), 

—— ſ. Glas. 
enfterfitt, J. Glaſerkitt. 
enfterladen, Vorrichtungen an Fenſtern und 
Glasthüren, welche dazu dienen, die babinter lie: 
enden Räume vor direlten Sonnenjtrablen, Hiße, 
Sugluft, welbe am Futterrahmen eindringt, und 
vor Diebeseinbrud zu ſchützen. Man unterſcheidet 
innere und äußere F. Die innern %. bilden zuoleih 
eine Bekleidung der Fenfterleibungen und beiteben 
für jede Fenfterhälfte aus zwei Teilen, weldye, wie 
eine Thür mit geftemmtem Futter gelertigt, durch 
Scharnierbänder verbunden find. Werden fie zu: 
ammengellappt, jo legen fie fi in das Futter der 
eibungsbelleidung der Fenſter hinein, während ihr 
Verſchluß dur eine Vorlegeftange, Eipagnolette: 
ftange oder durch Basquillverfchluß bewirkt wird. 
Die äußern F. kommen nur noch bei ländlichen 
Mobngebäuden und in Heinern Orten vor und werben 
meijt mit beweglichen Saloufiebrettchen bergeitellt, 
welche ſich an ihren Enden um eiferne Zapfen dreben, 
die ihrerfeits fich in einer an ven Rahmen des Ladens 
feſtgeſchraubten Schiene bewegen und durch dieje an 


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jedem Flügel befindliche ſenkrechte Stellitange ge: 
öffnet und geſchloſſen werden können. In neuerer 
Zeit find diefe F. durch die Rollladen oder Rolls 
jaloujien (f. Jaloufie) verdrängt worden. 
niterpflanzen, f Bd. 17. 
enfterrecht oder Lichtrecht, 1) der Inbegriff 
der gefeßlichen Vorſchriften nachbarrechtlicher Natur, 
die das Anlegen von Fenitern, Öffnungen, Altanen, 
Erkern u. ſ. w. nah dem Nabbargrundjtüde zu ver: 
bieten oder nur unter Beobahtung gewiſſer Be: 
Ihränfungen in Bezug auf den Abjitand vom Bo: 
den, die Bergitterung u, Er geitatten. Schon in 
den ältern Rechtsquellen, Sachſenſpiegel, Lübifchem 
Recht u. ſ. w., famen dergleihen Vorſchriften vor, 
ebenſo noch jest im Code civil 675 fa. Das Deutiche 
Bürgerl. Gelepbuch bat keine bejondern Vorſchriften 
über das F., es gelten vielmehr die allgemeinen Be: 
jtimmungen über den Inhalt des Eigentums (f. Nach: 
barrecht) und über Grundpdienftbarleiten (f.d.). 2) Ein 
bloßes Recht aufungebindertes Einjtrömenvontidt, 
oder au auf Ausjicht, das durch längeres Beſtehen 
der Fenſter, Erfigung oder erworbene Recht, 
Fenſter zu haben, die nah dem Nachbargrundſtüd 
binausgeben und nicht verbaut werden dürfen. 
Feniterrofe, Roienfeniter, im Gegenjaß zum 
Radfeniter (j. d.) die Nusfüllung eines Fenſters mit 
rundem Maßwerk, das aus Blättern, Päſſen (f. Drei: 
paß), Fiſchblaſen u. dgl. beſteht (f. beiftebende Figur). 
Eie findet fi über dem Bortal der Kirchen, nament: 
_ 2 lich der franz. Kathe⸗ 
dralen, z. B. zu 
Amiens, Chartres 
ZEN und Reims (ſ. Ta: 
IN fel: Franzöſiſche 
—MNMKunſt I, Fis. 1, 
2 u. 4), ſeltener in 
'! Deutihland, 3.2. 
.// an der Meitjeite 
des Münfters zu 
Straßburg, welche 
13 m im Durd: 
/ ’ meſſer (ſ. Tafel: 
Deutſche Kunſt 
III, Fig. 2), und an der Sankt Lorenzkirche zu Nürn: 
berg, die 9 m im Durchmeſſer hat. 
Fenfterftener. Thür: und Fenſterſteuer ift eine 
Form der Gebäude: oder Häuferfteuer (f. Gebäudes 
teuer), bei weldyer jich die Höbe der Abgabe nad 
dem äußern Merkmal der Zahl der Feniter oder 
überhaupt der Öffnungen des Hauſes bemißt. Eine 
F. wurbe 1695 in England anjtatt der Herdfteuer 
eingeführt, und es galt als ein bejonderer Vorzug 
derjelben, daß man bei ihrer Veranlagung das 
Innere der Räume nicht zu betreten brauchte. Gleich 
wobl bat jie fich bis zu ihrer 1851 nach mebrfachen 
rw en erfolgten Aufbebung nie einer be 
fondern Beliebtheit erfreut. Sie war übrigens nicht 
ſowohl eine Ertragsjteuer (ſ. d.) als eine von den 
Hausbewohnern erbobene Aufwandjteuer (ſ. Ber: 
braucsiteuern), da fie nur dann, wenn das Haus 
an aa Barteien vermietet war, von dem Cigen: 
tümer jelbft zu entrichten war. In Frankreich bejtebt 
ſeit dem J. VII der Republit(24.N0v.1798) eine Thür: 
und Fenſterſteuer, deren Ertrag ſich auf 60 Mill. Frs. 
jtellt. Sie richtet ſich nach einem Tarif, in dem außer 
der Zahl der Öffnungen aud die Bevölterung des 
Drtes (mit einer Unterfheidung von 6 Klaſſen) maß: 
ebend ift. Das zu beiteuernde Haus muß bewohnbar 
ein; jtebt eö leer, weil man es nicht vermieten konnte, 





Fenſterpflanzen — Feo 


ſo iſt es ſteuerfrei; wollte man es nicht vermieten, ſo 
iſt es ſteuerpflichtig. Auch wird das Haus nur dann 
zur Stadt gerechnet, wenn es innerhalb der Octroi⸗ 
grenze liegt. ——— find die Thüren und Fenſter 
der landwirtſchaftlich benußten Räume, der Keller, 
der Dächer und der im öffentlihen Dienft ver: 
wendeten Gebäude. Die %. wird vom Eigentümer 
(oder Hauptmieter) erboben, der fie von den Mietern 
nad ihrem Anteil an den Öffnungen wieder ein: 
ziehen darf. Daß die F. mit die Schuld trage, daß 
in Frankreich Häufer mit ein big drei Öffnungen noch 
verhältnismäßig zahlreich jeien, und daß man über: 
baupt ſparſam mit ver Anlagevon Fenſtern verfabre, 
läßt fi zwar nicht erweifen, aber es ift ſicher, daß 
fie eine irrationelle, ungleihmäßige Steuer ift, die 
weder den Gebäubdeertrag nod den Mohnungsauf: 
wand annähernd richtia trifft. 

enfterursen, |. Bo. 17. 

enton (jpr. fennt’n), Stadt in der engl. Graf: 
ſchaft Stafford, 1,5 km im DSD. von Stole⸗upon⸗ 
Trent, bat (1901) 22742 E.; Maſchinenbau (Eifen- 
babnmaterial), Borzellan: und Fayencefabriten. 

Fentfch (fra. Fentoy, fpr. fangtdd), Dorf und 
Hauptort des Kantons F. (113 qkm, 16050 €.) im 
Kreis Diedenbofen: Weit des Bezirls Lothringen, 
2 km von der franz. Grenze, 16 km ſüdweſtlich von 
Diedenbofen, an der Linie Diedenhofen-F. (16 km) 
der Elſaß⸗Lothr. Eifenbabnen, Sig eines Nebenzoll: 
amtes eriter Klafje, hat (1900) 1949 E., darunter 
119 Evangeliſche, Poſt und Telegraph. 

Fenyes (ipr. fehnjeſch), Alerius, ungar. Sta: 
tiftiter und Geograpb, geb. 1807 in Gjotaly im Bis 
barer Komitat, wurde 1828 Advolat, widmete ſich 
aber vorzüglich litterar. Arbeiten. Seit 1836 lebte 
er in Peſt und entfaltete ala Schrijtiteller und Beam: 
ter landwirtichaftlicher und induftrieller Vereine eine 
raftloje Wirljamteit. Sein erjtes großes Wert: «lln- 
garns und feiner Nebenländer gegenwärtiger Zu: 
jtand in geogr. und ftatijt. Beziehung» (6 Bde., Peſt 
1836—40) erbielt einen Preis der Alademie, die 
ihn 1837 auch zu ihrem Mitgliede wählte. Großen 
Beifall fand auch jeine «Statiftit Ungarns» (3 Boe., 
Veit 1842— 43), melde gleichzeitig in deutſcher 
Sprade erſchien (2 Bpe., ebd. 1843—44), und jein 
«Allgemeiner Hand: und Schulatlad» (ebd. 1845). 
Die «Beihreibung Ungarns» (2 Bde. ebd. 1847) 
ift ein Auszug aus jeinen größern Werfen, den 
Horn («Ungarn im Bormärz», Lpz. 1851) deutich be 
arbeitet bat. 1848 wurde F. Ebef der ſtatiſt. Sektion 
im Miniitertum des Innern und 1849 Bräfident des 
Peſter Militärgerichts; ſpäter lebte er teils in Peſt, 
teild in Gödölld. Er ftarb 23. Juli 1876. 

Fenz (vom engl. fence), Cinfriedigung, nament: 
(ih in Nordamerika; fenzen, mit einer 5. umgeben. 

Feo, Francesco, ital. Komponiit, geb. um 1699 
in Neapel, jtudierte dafelbjt unter Domenico Gizzi 
Geſang und Kompofition und ging darauf nad 
Rom, um Unterricht im Kontrapuntt zu nehmen. 
Hier ſchrieb er die Opern «Ipermnestra», «Arianna», 
«Andromacca» und «Arsace, F. kehrte 1740 nad 
Neapel zurüd und übernahm die Leitung der dorti— 

en berühmten, von Gizzi gegrünbeen Geſang⸗ 
chule. Er ſtarb daſelbſt 1752. Bon feinen Kompo— 
ſitionen kennt man außer den ermäbnten Opern ver: 
ſchiedene Pſalmen und Meſſen, darunter eine von 
10 Stimmen, ferner ein Oratorium «La distruzione 
dell’esercito de’ Cananei», Litaneien und ein Re: 
uiem, die zu dem Beiten gebören, was die neapolit. 
chule um 1730—50 in diejer Gattung geichaffenhat. 


Feodor — Ferdinand I. 


Feodor (Fedor, fpr. fiödor, ruſſ. Form für 
Theodor), Name dreier ruſſ. Zaren: 

Feodor I. Sohn Iwans des Schredlichen (f. d.), 
eb. 11. Mai 1557, regierte vom 18. März 1584 
is 7. Jan. 1598. wach von Geiſt und Körper 

und fajt nur mit gottesdienftlihen Übungen be 
ihäftigt, überließ er die Herricaft feinem Schwa- 
ger Boris Godunom (f. d.). Mit F. on Rurils 
Stamm ey dem rufi. Throne und ihm folgte Boris 
Godunomw felbit, nachdem er F.s Bruder Demetrius 
batte umbringen lajien. 

FeodorlI., der Sohn Boris Godunows, geb. 
1589, folgte feinem Vater 13. April 1605 in der 
Negierung, wurde aber jhon 10. Juni desfelben 
Jahres ermordet, nachdem die Armee unter ibrem 
‚sübrer Beter Bapmanom 10. Mai von ibm abge: 
fallen war; jtatt feiner wurde der erite falſche De: 
metrius zum Zaren erhoben. 

Feodor IIL., der ältejte Sohn des Zaren Alerej, 
eb. 8. Juni 1656, berrichte vom 28. Jan. 1676 
is zum 27. April 1682 und befriegte mit ab: 

mecjelndem Glüd die Bolen und Türken. Er be 
jeitigte die Rangjtreitigleiten des Adels (ſ. Meit: 
niticheftwo) dadurd, daß er die Geſchlechtsregiſter 
(razrjadnyja knigi) verbrennen ließ. Unter ibm 
murde * 1680 die erſte ruſſ. Gelehrtenſchule im 
Kloſter Saikonoſpaßt zu Moskau gegründet. Er 
ſtarb kinderlos; ihm folgte fein Stieföruder Beter I. 

Feodoſia (Feodoſija). 1) Kreis im öſtl. Teil 
ter zum ruf. Gouvernement Taurien gebörigen 
Halbinfel Krim, mit vielen Salzjeen und der Land: 
unge von Arabat, bat 7001,8 qkm, 158119 E. (dar: 
unter die Hälfte Tataren); Aderbau, Viehzucht, 
Salz: und Naphtbagewinnung in den Steppen des 
Nordens, Dbjt:, Wein: und Tabalsbau im gebir: 
gioen Eüden. — 2) F. oder Kaffa, tatar. Hefe, 

reisftadt im Kreis F., an der Südoſtküſte der 
Krim und am Buſen von F. des Schwarzen Meers 
jomwie an der Zweigbahn Dſchankoj-F. der Linie 
Sojowaja: Semwaftopol, mit geräumigem, nur nad 
D. nicht geſchüßtem Hafen, einem viel beſuchten 
Seebad und Dampfſchiffahrtsverbindung mit Jalta 
und Kertih. F. it ſchön gebaut und hat (1897) 
27238 E. alte Bauten aus der Zeit der Genuejen, 
Denkmal Raifer Aleranders III, neun driftl. Kir: 
hen, eine talmudijche und eine faraimiihe Sy: 
nagoge, vier Moicheen, ein Knaben:, ein Mädchen: 

ymnaſium, ein Lehrerſeminar und andere Schulen; 
Altertumsmufeum, Sammlung von Gemälden des 
Viarinemalers Ajwaſ soft, der in . geboren wurde 
und ftarb, Städtiſche Bank; Ader: und Gartenbau, 
Fiſch⸗ und — Ausfuhr, namentlich von 
Getreide, (1898) 13,8 Mill. Rubel; Einfuhr unbe: 
deutend. Im Hafen von %. liefen ein (1899) 113 
Schiffe mit 144921 — * — es liefen aus 116 
Schiffe mit 148162 Regijtertons. 

F. iſt die ruſſ. Form des altgriech. ug ojia 
oder Theudoſia, im Altertum einer berühmten 
Handelsjtadt und milefiihen Kolonie, die an ver 
Etelle des heutigen F. lag und Griechenland be: 
ſonders mit Getreide verfab. Sie wurde im 2. Jahrh. 
n. Chr. zerjtört und an ihre Stelle trat das ältere 
Gapba, ın dejjen Nähe erit 1266 das neuere Capba 
over Caffa der Genuejen errichtet wurde. Lehteres 
—8 ſich bald z einem bedeutenden Handelsplatz 
bis 150000 €.), wurde ftarf befeitigt und 1318 
der Siß eines röm.slath. Biſchofs. 1475 ward es 
von den Türlen erobert. Unter der nadfolgenden 
Zatarenberrijbaft war e3 ein belannter Sklaven: 


(römiſch⸗ deutſcher Kaiſer) 555 


markt, wo mitunter gegen 30000 Sklaven ausge— 
boten wurden. 1771 ward es von den Ruſſen er: 
obert und blieb feit 1774 in deren Befis. 1798 
— 1828 war F. Freihafen, tonnte aber gegen Odeſſa 
und Semwaftopol nicht auflommen. ſeitdem 
leßteres in einen bloßen Kriegshafen verwandelt 
iſt, fteigt der Schiffäverfehr in E 
Feodum, ein mittellat. Wort, aus welchem fpäter 
Feudum, das Zehn (f. Lehnsweſen), gebildet wurde. 
Die Abſtammung des Wortes ftebt nicht bejtimmt 
feit. Nach einigen ift es althochdeutſchen Urſprungs: 
Fe-od; die Sılbe od (öt) würde wie in Allod (f. d.) 
das Eigentum, den Befis, bezeichnen, während die 
erste Silbe nad} einigen von fides, die Treue, oder 
von foedus, der Bund, nad andern von foeden, d.b. 
ernähren, oder von Feo, d. b. der Lohn, abzuleiten 
wäre. Nach nod andern ijt das Wort vom gotischen 
faihu (Vermögen, Habe), althochdeutſch fihu, feo 
(Bieb, Gut) abzuleiten. Daraus — die juriſt. Bedeu⸗ 
tung Lehn hervorgegangen. Der Gegenſatßz iſt Allod. 
Fer., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab» 
fürzung für Andre Etienne Feruſſac (f. d.). 
era, Fiſch, ſ. Felchen. 
Ferae (lat.), wilde Tiere, Raubtiere. 
Feradſché, Kleidungsftüd der türk. Frauen, 
wird außerbalb der Wohnung getragen und beitebt 
aus einem den ganzen Körper von den Schultern 
bis auf die Knöcel einbüllenden Überwurf aus 
Seide oder feinem Wollſtoff, in Agypten und Syrien 
auch aus Baummolle mit einem breiten ragen, an 
den fich oberbalb der den Hals und Kopf bevedende 
Schleier (Jaſchmak) anſchließt. Neuerdings wird 
ſtatt Den: vielfach der Tſcharſchaf (ſ. d.) getragen. 
Feralien, verlegteund Haupttag der dies paren- 
tales (f, Barentalien), an weldhen im alten Rom vom 
13. bis 21. Febr., dem legten Monat des vorcäja: 
riſchen Sata die gemeinjame Totenfeier begangen 
wurde. An den F.wurden den Toten aufibre Gräber 
Speifen und jonjtige Gaben gebradt; nur den unter: 
irdiichen Göttern durfte an den F. geopfert werben. 
— Gewicht, ſ. Fraſil. 
eraxolin, Fer Bravais (fr;., ſpr. fähr bra⸗ 
wäb), j. Geheimmittel. 
* (arab.), Umbüllungstud ber Orientalen. 
erdinand I., römiſch-deutſcher Kaiſer 
(1556—64), geb. 10. März 1503 zu Alcala:de:He: 
nares in Spanien, war der Sohn König Philipps 1. 
von Spanien und der Bruder Karls V. In feinem 
Geburtsland erzogen, ſchien er ji ganz zum Spa: 
nier berausbilden zu tollen, als ihn der Wille Karls 
21. April 1521 in den Bejis der babsburg. Haus: 
macht in Deutſchland ſetzte, wozu noch durch F. s Che 
mit Anna von Ungarn (Mai 1521) die Ausſicht auf 
dies Land und die böhm. Krone fam. Am 7. Febr. 
1522 übertrug der Kaiſer ihm die gefamten ober: und 
niederöfterr. Yänder und das Herzogtum Württem: 
berg, das 1519 dem Herzog Ulrich entrifjen und von 
Habsburg erworben war. Ebenſo ehrgeizig und ein 
ebenio eifriger Gegner ber Neformation wie fein 
Bruder, den er eine Zeit lang als Statthalter im 
Neich vertrat, ſehte er nad) dem Untergang jeines 
Schwagers Lubwig von Ungarn bei Mobäcs (Aug. 
1526) feine Wabl zum König von Böhmen (22. Dft. 
1526) und von Ungarn (16. Dez. 1526) durch; bier 
bebauptete ſich freilich der von der nationalen Partei 
erhobene Gegenlönig Johann Zäpolya, und Sultan 
Suleiman U., der dieſen begünftigte, trug feine 
Maffen 1529 bis vor Wien, 1532 und 1541 bid an 
die Örenze der deutich:öfterr. Lande. Nach Zäpolyas 


556 


Tode (1540) war defien Witwe Iſabella beftrebt, 
ihrem Sobne das väterliche Erbe zu retten. Im Reid) 
verlor F. das Herzogtum Württemberg, als Land: 
traf Philipp von Heſſen 1534 den verjagten Herzog 
Irıh mit Gewalt zurüdführte. Im Jan. 1531 
wurde F. in Aachen zum röm. König gewäblt, aber 
ſchon feine Stellung als öfterr. Herriher brachte 
ihn eg und mehr in einen ber zu dem 
taiſerl. Bruder, bis nach dem Schmallaldiſchen Krieg, 
an dem er eifrig teilnahm, die Abſicht Karla V., 
die weitere Na Apr im Reich dem eigenen Sobne 
Philipp zu verichaffen, eine tiefgehende Entfremdung 
zwiſchen der fpan. und der diterr. Linie des Haufes 
Habsburg bervorrief. F. der fhon früher mehr ald 
einmal zwijchen dem Kaifer und den Proteitanten 
vermittelt hatte, trug wejentlich zu dem Zuſtande⸗ 
tommen de3 Paſſauer Vertrags von 1552 und des 
Religionsfriedens von 1555 bei. Biegfamer als der 
Bruder, der ihm 1556 auch formell die Regierung 
in Deutſchland überließ, als deſſen Nachfolger im 
Kaifertum er aber erft im März 1558 zu Frankfurt 
gehrönt wurde, fand er fi troß eines Glaubens: 
eiferd, der ihn in feinen Erblanden zur baldigen 
Unterbrüdung des Proteftantismus peie, in die 
Unmöglichleit, die neue Lehre in Deutichland wieder 
auszurotten, und hielt bis zu feinem Ende, obwohl 
unter Begünftiaung der vordringenden kath. Reftau: 
ration, am Weligionsfrieden feit. Seiner kaiferl. 
Würde wurde die päpftl. Anerlennung ger IV. 
verjagt und erft von Pius IV. erteilt. Auf dem 
Tridentinifhen Konzil forderte er, fonft im * 
Einverſtändnis mit Bhilipp II. von Spanien, Auf: 
bebung des Cölibatzwanges und Freigabe des Laien: 
telche3 für Deutichland und erlangte — die 
päpftl. Zuſage künftiger Bewilligung dieſer Kon: 
zeſſionen für Öfterreic und Bayern. E3 war ent: 
{heidend für die Zufunft des deutſchen Ratholicis 
mus, daß e3 F. gelang, jeinen Sobn Marimilian 
durh Drohungen und Yodungen vom Anſchluß an 
die neue Lehre —— darauf hin ſetzte er 
die Wahl desſelben zu * Nachfolger im Reich 
Nov. 1562 durch. Den Jeſuiten hatte F. ſchon 1551 
ein Kolleg in Wien eröffnet. Er jtarb 25. Juli 1564 
in Wien. Ceine Gemahlin, die ibm 15 Kinder 
fhentte, war ihm 1547 im Tode vorangegangen. — 
Val. von Bucholtz, Geſchichte der Degerung F.s J. 
(9 Bde. Wien 1831—88); Roſenthal, Die Bebörben: 
organijation Kaiſer F.s 1. (ebd. 1887); Huber, Die 
Verhandlungen 5.3 I. mit Yfabella von Sieben: 
bürgen 1551—55 (ebd. 1891). 
rdinandb IL, romiſch-deutſcher Kaiſer 
(1619 — 37), Sohn von Kaifer Marimilians U. 
üngerm Bruder Karl, der Steiermarf, Kärnten und 
rain erhalten hatte, geb. 9. Juli 1578 zu Graz. 
Seine Mutter, Marie von Bayern (vgl. Belican, 
Leben der Erzberjogin Maria von Steiermarf, 
Wien 1903), und Feine jejuitifhen Erzieher zu 
Ingolitadt erfüllten ihn mit dem glübenditen Haſſe 
egen den Proteftantismus. In feinen Erbländern 
führte er die ſchärfſte kath. Reaktion gegen den 
eingedrungenen Sa gern ein und ebenfo in 
Böhmen, als er noch bei Mattbias’ Lebzeiten feine 
Ernennung zum König von Böhmen (1617) und 
Ungarn (1618) durdhgefegt hatte. Hier aber fam 
es zu der Erhebung der prot. Stände, die den 1619 
auch zum röm. König gewählten F. für abgeſetzt 
erllärten und an feiner Statt den Kurfürſten ‚ie 
rich V. von der Pfalz zum König von Böhmen 
erhoben. F., von Spanien, der deutfchen kath. Liga 


Ferdinand II. (römifch-deuticher Kaifer) 


unter Marimilian von Bayern und vom prot. urs 
fürften von Sachſen unterftüßt, befiegte in der 
Schlacht am Weißen Berge bei Prag 1620 die 
Böhmen unter Friedrich vollftändig. Hier wie in 
Ofterreih wurden die Aufſtändiſchen auf das här—⸗ 
teſte beitraft, der Proteftantismus binnen wenigen 
Jahren — —— Aus eigener Macht⸗ 
volltommenbeit übertrug F. die ebensalls bejekte 
Oberpfalz und die ———— auf Marimilian 
von Bayern und wußte die anfangs widerjtrebenden 
Kurfürften von Sachſen und Brandenburg zur Nach⸗ 
—— zu bringen, Der Krieg (f. Dreißigjähriger 
rieg) verpflanzte ſich durch Tillys Züge mweiter 
nad Norden in den niederſächſ. Kreis, wo nun in 
Ebriftian IV. von Dänemark ein Bundesgenoſſe der 
hin eritand. Auf die wachſende Macht der 
ababurgereiferfüchtig, mifchten fich jest auch Frank⸗ 
reih, England und die Niederlande in den Kampf. 
Vor diejer Koalition ſchien F. erliegen zu müſſen, 
als ihm in Mallenftein ein Retter erichien, der 
1625 die Vollmacht zur Aufitellung eines eigenen 
— Heers neben dem der Liga erhielt und mit 
dieſem die Gegner mehrfach glänzend ſchlug. Als 
er aber an der Oſtſee erſchien und durch die Erobe 
rung der Küſtenplätze eine kaiferl, Meeresberrihaft 
begründen wollte, jcheiterte fein Plan an dem Mider: 
—— von Stralſund (1628). Das weitere Streben 
allenſteins, die kaiſerl. Autorität im Reich wieder⸗ 
herzuſtellen, brach ſich an dem Widerſtand der alten 
Genoſſen des Kaiſers, der Fürſten der kath. Liga. 
Mohl waren fie mit dem Erlaß des Reititutions: 
edifts von 1629 einverjtanden, welches die Nüd: 
abe aller von den Proteitanten jeit 1555 gemachten 
erbungen aus kirchlichem Gut forderte, aber 
eiferfüchtig auf die wachſende Macht Wallenfteing, 
den der Kaiſer bereit3 mit den Ländern der ab: 
efesten Herzöge von Medlenburg belehnt hatte, 
orderten und erreichten fie auf dem Regensburger 
Kurfürjtentag 1630 die Entlaſſung Walleniteins. 
Und das —28 gerade, als Guſtav Adolf von 
Schweden in Deutſchland erſchien, der 1631 Nord: 
deutichland jäuberte, 1632 Süpddeutichland unter: 
warf und jelbjt ven Raifer in feinen Erblanden be: 
drohte. 5. hatte gegen den fiegreihen Schweden: 
fönig Wallenftein wieder zu Hilfe rufen müflen, 
aber nun erwuchs ihm eine neue Gefahr in diejem 
elbft. Durh Wallenfteins Ermordung in Eger 
Febr. 1634) wurde F. von ihm befreit. Nah 
dem Siege der Raiferlihen bei Nördlingen (1634) 
fhloß Sadfen den Frieden von Prag (1635) mit 
dem Raifer, Aber nur mühſam konnten ſich bie 
Habsburger und ihre Genofien gegenüber den 
Schweden und den in den Kampf eintretenden 
granojen behaupten. Nachdem %. noch bie 
Mahl feines Sohnes Ferdinand zum röm, König 
durchgeſetzt hatte, jtarb er 15. je 1637 nad 
langen Leiden an der MWafferfubt. Im perjön: 
lihen Verkehr mar dieſer fanatijche, aber geiftig 
höchſt unbedeutende Fürft behäbig und freundlich: 
ein zärtlicher Gatte und Vater, gutmütig gegen feine 
Umgebung bis zur ſchlaffen Nachgiebigteit, die ihm 
oft genug durch Unorbnungen und Unterjchleife ge: 
lohnt wurde; nad außen freigebig, lebte er für 16 
ver ftet3 in den Geſchäften thätig, obne ſich 
doch zu ihrer Beherrſchung erheben zu lönnen. Auch 
En Politik ift weniger durch ihn als feine Räte, 
eſonders Eggenberg, Trauttmansborff u. a., ge 
macht worden. Die «Rorreipondenz Raijer F.s II. 
und feiner erlaudten Familie mit M. Becanus und 


Ferdinand II. (römifchdeutfcher Kaifer) — Ferdinand II. (König von Aragonien) 557 


W. Lamormaini, taiferl. Beichtoätern», gab Dudil 
beraus im «Archiv für öfterr. Geſchichte⸗ (Bd. 54, 
€. 219-350, Wien 1876). — Val. Khevenhüller, 
Annales Ferdinandei (12 Bde., Lpz. 1721— 26); 
Hurter, Geſchichte Kaiſer 3.3 IL und feiner Eltern 
(11 Bde., Schaffh. 1850—64). j 
Ferdinand III., römiſch-deutſcher Kaijer 
(1637—57), der Sohn und Nachfolger des vorigen, 
geb. 13. Juli 1608 zu Graz, ward von den Jeſuiten 
erzogen, 1626 zum ungar., 1627 zum böhm. Köni 
etrönt, 1636 zum röm, König erwäbhlt, führte na 
allenjteins Tode, zu deſſen Afrigften Gegnern er 
gehört hatte, den nominellen Oberbefebl über das 
in Wirklichkeit von Gallas befebligte Heer, welches 
28. Juli 1634 Regensburg eroberte und 6. Sept. 
darauf den rettenden Sieg über die Schweden bei 
Nördlingen erfoht. Nah dem Tode des Vaters in 
Sfterreih und dem Reich Herricher geworden und 
eifrig für den Frieden wirfend, trat er ſelbſt noch 
sweimal, 1645 bei Janlau und 1647 vor Eger, den 
Schweden entgegen. Obgleich e3 ihm gelang, Würt: 
temberg, Zweibrüden und Hanau zur Annahme des 
Prager Friedens zu bewegen, hielt doch der Einfluß 
Spaniens auf 5. und fein unerſchütterliches Wider⸗ 
itreben gegen die Freigebung der Religion in Öfter: 
reich wie gegen die Begnadigung der vertriebenen 
Rebellen das Kriegsfeuer lebendig, bis er fich end» 
ih 24. Ott. 1648 zur Unterzeihnung des Met: 
fäliihen Friedens beſtimmen ließ. $ blieb auch 
dann in den ſchroffſten Bahnen kath. Politik. 1653 
—* er die Königswahl feines älteſten Sohnes 
erdinand Maria durch, der aber ſchon 1654 jtarb, 
und präfidierte als legter Kaifer perfönlih einem 
Reichstag 1653—54. Nachdem er noch ein Bünd- 
nis mit den Bolen gegen Karl X. Gustav von Schme: 
den geſchloſſen, jtarb er 2. April 1657. Perſonlich 
alih 5. dem Vater, übertraf ihn jedoch an Kennt: 
nijjen, Thatlraft und Umſicht in der Verwaltung. 
— Bol. M. Koh, Geſchichte des Deutichen Reichs 
unter F. IIL (2 Bde., Wien 1865—66). 
Ferdinand Friedrich, Herzog von Anhalt: 
Cothen, geb. 25. Juni 1769 als ar de3 lee 
Friedrich Erdmann von Anhalt⸗Pleß (}. Anhalt), trat 
1786 in preuß. Kriegsdienſt und zeichnete ſich 1792 
— 94 in den Feldzügen am Rhein aus. Er übernahm 
1798 die Güter feines Vaters, lebte zu Pleß in Ober: 
ſchleſien und trat 1806 wieder in den aktiven Mili- 
tärdienft. Nach der Schlacht bei Jena fchlug ſich E 
d. bei Zehbenid mit feinem Regiment — durch, 
murde jedoch gegen die dfterr. Grenze gedrängt und 
auf böhm. Gebiet von den Öfterreihern entwaffnet. 
Gr nahm bierauf den Abjchied, bereifte Holland und 
Frankreich und lebte dann zu Pleß. 1818 trat F. 5. 
an die Spitze des fchlef. Landfturms und — * 
bei deſſen Organiſierung eine hervorragende Thätig⸗ 
teit, vermäblte ſich dann 1816 mit Gräfin Julie von 
Brandenburg, der Tochter König Frievrih Wil: 
—* U. und deſſen Gemahlin linker Hand, Gräfin 
önboff, und trat 1818 den ea 3 des Herzogtums 
Anhalt⸗ Cothen an, nachdem fein Vetter Herzog Lud: 
wig geftorben war. 1821 bradte F. 5. die über 
die Örenzzölle und Verbrauchsſteuern mit Preußen 
‚entitandenen Streitigfeiten (ſ. Zollverein) vor bie 
Bundesverfammlung, ſchloß jedoch 1828, da Preu⸗ 
ben nicht nachgab, mit diefem und Anhalt: Dejjau 
einen Vergleich ab. F. F. der ftark unter vem Einfluß 
des dfterr. Generaltonjuls in Leipzig, Adam Dlüller 
ſſ. d), itand, trat 1825 mit feiner Gemahlin in Paris 
jur fath. Kirche über und zog zahlreiche Jefuiten ins 


Sand, darunter auch den fpätern Jeſuitengeneral 
ge den er zu feinem Beichtvater machte. Er ftarb 
23. Aug. 1830 zu Göthen. 

Ferbinand J. der Gerechte, König von Ara: 
gonien,geb.1380. Als Entel des erg Peter IV., 
von deſſen mit König Johann I. von Caſtilien ver⸗ 
mäblter Toter Eleonore, wurde %. von den aragon, 
Ständen, melde nad dem Ausiterben der Grafen 
von Barcelona 1409 allein das Reich regiert hatten, 
1412 zum König erwäblt, hatte aber in feinen An: 
fängen mit feinem Mitbewerber um die Krone, dem 
Grafen yarıne (Jakob) von Urgel, Sproß einer 
üngern Linie, zu fämpfen und jtarb ſchon 1416. 

hm folgte fein Sohn Alfons V. 

Ferdinand IL., der Katholifche, König von 
Aragonien (1479—1516), geb. 10. März 1452, 
Sohn Johanns II. von Aragonien, ift durch feine 
deſpotiſche Regierung und.argliftige Bolitit belannt. 
No bei Lebzeiten jeined Vaters bereitete ſich die 
nadmalige Bereinigung der beiden ig Ba Ga: 
ftilien und Aragonien vor. Nah dem Tode Hein: 
richs IV. von Eaitilien (1474) bemädtigte je dejien 
Schweſter Iſabella (f. d.), welche inzwiſchen mit 
dem aragon. Prinzen Ferdinand ſich vermählt hatte, 
des caftıl. Throns. Als bierauf 3 durh den 
Tod feines Vaters 1479 * von Aragonien ge⸗ 
worden, vereinigten ſich die beiden chriſtl. König: 
reiche Aragonien und Eaitilien in 5.8 und Iſabellas 
Händen, welche wegen diejer Vereinigung, nit aus 
lirchlichen Gründen, reges catholici, d. h. Gejamt: 
fönige, genannt wurben. Doc blieb Jfabella, jo: 
lange fie lebte, Königin von Caſtilien und F. dort 
ohne polit. Einfluß. F. s gan e Regierung war eine 
Reihe glüdliher Kriege. 2 er ſiegreich gegen 
Alfons V. von Portugal gefochten hatte, unterwarf 
er IM 1492 in einem zehnjäbrigen Kampfe Granada, 
daslegte Rei der Mauren in Spanien. (S. das Bild 
von Vradilla: Übergabe Granadas an Ferdinand 
und Sjabella, auf Zafel: Spanifhe Kunſt III, 
Sie. 6.) 1508 beitieg er ald Ferdinand ILL den 

-hron von Neapel, nachdem fein Feldherr Gonjalvo 
di Cordova das Königreich erobert hatte, 1512 
unterwarf er fih auch Navarra bis an die Pyrenäen. 
Den höchſten Glanz gewann feine Regierung durch 
die von ihm blrbere Entdedung Ameritas, 
(S. Eolumbu3.) F. und Iſabella gründeten ein 
ganz neues Regierun — Sie brachen die Macht 
des Feudalismus, rten Inquiſitionstribunale 
in Gajtilien (1480) und in Aragonien (1484) ein, 
welche —— nur zu religiöfen, ſondern auch 

u polit. Zwecken, zunächſt zur Vertreibung der 
Fuden (1492) und Verfolgung der Mauren (1501) 
benußt wurden. In dem Beltreben, eine unum: 
ſchränlte Königsmacht zu begründen, unterftüpte fie 
der Kardinal Zimenes (f. d.). Nach dem Tode aller 
en Kinder, mit Ausnahme der jüngjten Tochter 

obanna, welche 1495 Philipp, Sohn Kaiſer Maris 
milians 1., heiratete, verlor 5. 1504 aud feine 
Gemahlin, fo daß nunmehr die Regierung Gaftis 
liens an feine Tochter oder vielmehr an deren 
Gemahl Philipp überging. Als Philipp 1506 ftarb, 
Johanna aber wahnjinnig ward, fam die ihrem 
5— Sohne Karl gebührende —*5335— Caſti⸗ 

iens an F., der als Herricher von Caſtilien F. V. 

eißt. Er ſtarb 28. Jan. 1516 zu Madrigalejo. 

hm folgte als der erite König des geſamten Spa= 
niens Karl I. (als deuticher Kaiſer Karl V.). — Val. 
Prescott, Gefhichte F.s und Iſabellas von Spanien 
(deutich, 2 Bde., Lpz. 1842). 


558 


Ferdinand Marin, Kurfürft von Bayern 
(1651 — 79), geb. 1636 ald Sohn Marimilians 1. 
aus deſſen zweiter Che mit Maria Anna, Kaijer 
Ferdinands IL Tochter, ward von den Sejuiten in 
Ubgeicloffenbeit und Unfelbjtändigfeit erzogen. Er 
vermählte ſich 1650 mit Henriette Adelheid, ver Toch⸗ 
ter Victor Amadeus’ von Savoyen, und folgte ein 
Jahr darauf ſeinem Vaterin der Regierung. ir ka 
von jeiner Mutter, dann beſonders von jeiner bigot: 
ten Gemablin beeinflußt, wirkte er befonders für die 
Befeftigung des Katholicismus im Kurfürjtentum, 
war aber auch bemüht, die Wunden, die der Dreihig: 
jährige Krieg dem Lande geichlagen hatte, zu heilen. 
In dem ſchroffen Auftreten gegen die Stände und 
in der Neigung zu alangvollem Hofweſen wetteiferte 
F. M. mit den meijten jeiner Standeägenofjen. Er 
iſt der Erbauer der Schlöffer Berg und Nymphen— 
burg. In dem Kriege gegen Frankreich feit 1673 
war er der Führer des Fürſtenbundes, der eine 
neutrale Stellung zu behaupten ftrebte. 5. ftarb 
26. Mai 1679 zu Schleißheim. 

Ferdinand Albrecht IL., Herzog zu Braun: 
fbmweig:Bevern (1. März bis 13. Sept. 1735), 
Etifter der 1884 auägeftorbenen Linie des Haufe 
Braunfhmweig:Wolfenbüttel, geb. 19. Mai 1680 als 
Sohn des Herzogs Ferdinand Albrecht I., des Be: 
gründers der Linie Braunſchweig-Bevern. F. X. 
that jich als dfterr. General in den Türkenkriegen 
unter Prinz Eugen hervor, wurde 1717 General 
feldzeugmeiiter und Gouverneur von Komorn und 
tämpfte 1734 im Polnischen ee A am 
Rhein ebenfalld unter dem Brinzen Eugen. Am 
1. März 1735 wurde er Nachfolger jeines Vetters und 
Schmwiegervaterd Ludwig Rudolf in der Regierung 
von Braunschweig: Wolfenbüttel, jtarb aber ſchon 
13, Sept. 1735 zu Salzdahlum. Bon den Kindern, 
die ihm jeine Gemahlin Antoinette Amalia gebar, 
aht Söhnen und ſechs Töchtern, wurden die be: 
Tanntejten fein Nachfolger Karl, ferner Anton Ulrich 
(j.d.), der preuß. Feldherr Ferdinand (ſ. d.) und der 
in der Schlacht bei Hochlirch gebliebene Friedrich 
Franz. Die älteſte Tochter Eliſabeth Chriſtine (f. d.) 
heiratete Friedrich d. Gr., die weite, Luiſe Amalie 
. d.), den Prinzen Auguſt Wilhelm von Preußen. 

Ferdinand, Herzog von Braunſchweig, 
preuß. Generalfeldmarſchall, geb. 12. Yan. 1721 zu 
Braunſchweig als vierter Sohn des Herzogs Fer: 
»inand Albrecht II. (f. d.), trat 1740 als Oberit in 
preuß. Dienite und machte den eriten Schleſiſchen 
Krieg im Gefolge Friedrichs d. Gr. mit. Im zweiten 
Schleſiſchen Kriege führte er eine Brigade und zeich: 
nete jich bei Hohenfriedberg und Gaslau aus, wo er 

egen einen feiner Brüder, der in dfterr. Dienſten 
tand, kämpfte und verwundet wurde. MWäbrend des 
e endenFriedens entwidelten fich feinekriegerifchen 
alente durch eigene Studien und die Lehren des Kö— 
nigs, der recht eigentlich jein Lehrer in der Kriegs: 
tunjt wurde, F. wurde 1750 Generalleutnant, 1755 
Gouverneur von Magdeburg und Chef eines Sn: 
tanterieregiments. Im Siebenjährigen Kriege trug 
er 1757 bei Prag nachſt Schwerin zumeift zur Ent: 
iheidung der Schlacht bei. Bei Roßbach fomman: 
bierte er den rechten Flüge. Schon vor dieſer 
Schlacht hatte ihn Georg IL. von England zum Ober: 
befehlshaber der alliierten Armee erbeten. Der 
König — ſeine Einwilligung, und mehr als fünf 
Jahre behauptete der Herzog das ihm anvertraute 
weitl. Kriegstheater in Niederfachien, Heilen und 
Weitfalen mit einem kleinen Heere gegen die Reichs: 


Ferdinand Maria (Kurfirft von Bayern) — Ferdinand (Fürft von Bulgarien) 


armee und die zahlreichen franz. Streitkräfte. Am 
23. Nov. 1757 übernahm er in Stabe den Befebl 
über das nad der Konvention von Kloſter Zeven 
moraliſch niedergedrüdte Heer, drängte die franz. 
Armee bis zum April 1758 über den Rhein zurüd 
und flug fie 23. Juni bei Krefeld. Die Verbält: 
niffe nötigten den Herzog zwar wieder über den 
Rhein zurüdzugeben und jeine Winterquartiere an 
ber Lippe zu nehmen, doch ſchon im April des fol- 
zo Jahres ging er wieder zur Dffenfive über. 
nfangs vom Glüd nicht begünftiat, erlitt er 
13. April bei Bergen in der Näbe von Hanau dur 
Broglie eine Schlappe, mußte aber dann dur den 
glänzenden Sieg bei Minden, 1. Nug. desfelben Jab: 
res, der Sache des Königs wieder eine glüdliche Wen» 
bung zu geben. Die faſt doppelte Überlegenbeit eis 
nes Gegners drängte ihn für die nächiten zwei Jabre 
immer mebr in die Defenfive, dennoch gelang es 
ibm durch geihidte Beweaungen, jeinen Gegner in 
Schad zu halten. Troß jeines Sieges bei Velling: 
baufen 15. und 16. Juli 1761 wurde er durd 
die feindliche Übermadt zurüdgebrängt und mußte 
dem Feinde Heflen preisgeben. Die Winterrube 
benuste F. zur Vermehrung feines Heers, fo daß er 
im legten Feldzugsſjahr 1762 nad den Siegen von 
Wilhelmstbal (24. Juni) und Putterberg (23. Juli) 
das verlorene Helen wieder in Befik nehmen konnte. 
Nah dem Hubertusburger Frieden wurde er zum 
Feldmarſchall ernannt und febrte in feine Stellung 
ald Gouverneur von Magdeburg zurüd, konnte ſich 
aber nicht mebr in ein untergeorbnetes Verbältnis 
finden. Zwiſchen ibm und dem Könige entitand 
1766 eine Spannung, in deren Folge er den Ab: 
ſchied nabm und fih nach Braunſchweig zurüchzog. 
Hier oder auf feinem Luſtſchloſſe Vecheide lebte er 
jeitdem als eifriger Freimaurer und Beſchützer 
wiſſenſchaftlichen und fünftlerifchen Strebens, be 
fonders der Malerei. Die Neigung zum Ausländis 
ſchen, namentlid zur franz. Hoffitte, teilte er mit 
vielen Fürjten feiner Zeit. Er ftarb 3, Juli 179. 
Seinen Namen führt jetzt das 8. weitfäl. Infanterie: 
regiment Nr. 57. — Vgl. Mauvillon, Geſchichte F.s 
von Braunſchweig (2 Bde., Lpz. 1794); Schaper, 
Vie militaire du maröchal prince F. (anonym, 
2 Bde., Magdeb. 1796—98); von dem Kneſebed, 
3, Herzog mu Braunſchweig und Lüneburg, wäh: 
rend des Siebenjäbrigen Krieges (2 Bpe., Sion 
1857 — 58); von Meitpbalen, Gedichte der u 
züge des Herzogs F. von Braunfchmweig: Lünebur 
(6 Bbe., Berl. 1859— 73), fowie dad Tagebu 
—— Adjutanten von Reden (bg. von von ber 
ten, oe der alliierten Armeen 1757—62», 
3 Bde., Hamb. 1804—5). 
Ferdinand, Marimilian Karl Leopold Maria, 
Prinz von Sachſen⸗Coburg, Fürft von Bulgarien, 
eb. 26. Febr. 1861 in Wien als jüngfter Sohn des 
rinzen Auguft von Sadjen-Eoburg (geft.1881) und 
ber Srin ihn Glementine, der Tochter des Königs 
Ludwig Bhilipp von Frankreich, gehört dem kath. 
Zweige Kobäry der gothaiſchen Linie an. (©. er: 
dinand, Herzog von ag Er unter: 
nabm 1878 mit feinem Bruder Auguft eine Reiie 
nad) Brafilien, deren botan. Ergebnifle in vem Werte 
altinera principum 8. Coburgi», bg. von Fernſee 
und Bed (2 Bde., Wien 1883—88), verwertet find, 
wohnte 1883 der Krönung des Kaiſers Aleranderlil. 
in Moslau als Vertreter feines Haufes bei und war 
in der ungar. Landwehrreiterei Premierleutnant, 
als ihn nad dem Sturze des Fuͤrſten Alerander 


Ferdinand I. (König v. Eaftilien) — Ferdinand (Erzbifchof und Kurfürft v. Köln) 


die große Rationalverfammlung zu Tirnova a 
1887 zum SFürften wählte. Er begab fih nad Bul- 
garien, leijtete 14. Aug. in Tirnova den Eid auf 
die Berfaflung und trat, obwohl er weder von der 
Pforte no von den Großmächten anertannt wurde, 
die Regierung an, deren thatſächliche Leitung aber 
der Minifterpräfident Stambulow batte. F. ver: 
mäbltefich 20.April1893 mit Marie Louiſe von Bour⸗ 
bon (geb. 17. Jan. 1870, geſt. 31. Jan. 1899), der 
ältejten Tochter des Herzogs Robert von Parma, 
die ihm zwei Söhne: Boris, geb. 30. Jan. 1894, 
und Kyrill, geb. 17. Nov. 1895, und zwei Töchter: 
Eudorie:Augufta, geb. 17. Jan, 1898, und Na: 
deſchda, geb. 30. Jan. 1899, gebar. Er fam jeinem 
iel, ih Rußland geneigt zu machen, durch den 
üdtritt Stambulows (Mai 1894) und den Tod 
des Kaiſers Alerander III. immer näher, und ala 
er 14, Febr. 1896 den Übertritt feines älteften Sob: 
nes Boris, Prinzen von Tirnova, zur griech. Kirche 
veranlaßte, erfolgte 14. März durch zwei Fermane 
de3 Sultans jeine Ernennung zum Fürften von 
Bulgarien und zum Stattbalter von Dftrumelien, 
der die Anerkennung der übrigen Staaten alsbald 
folgte. (S. Bulgarien, Geihicte.) 
erdinand I. oder der Große ward durd 
den Tod feines Vaters Sando III., Königs von 
Navarra, 1035 erjter König von Eaftilien, entriß 
— Schwager Bermudo 1037 das Konigreich 
eon und geriet mit ſeinem Bruder Garcia IV. von 
Navarra in Streit, welcher letzterm das Leben 
tojtete. F. eroberte einen Teil von Bortugal, war 
im Kampfe gegen die Mauren glüdlih und nahm 
zulegt 1056 ſogar den Titel eines Kaiſers an, mo: 
burd er feine Dberherribaft über ganz Spanien 
andbeuten wollte. Ihm verdantt Caſtilien eine geord⸗ 
nete Verfaflung. Er ftarb 1065. 
erdinand II., König von Gaftilien, der 
Sohn und Nadfolger Alfons’ VIII. in den König: 
reihen Leon, Niturien und Galicien feit 1157, 
tämpfte glüdlih gegen die Mauren und Portu— 
giefen. Seine Regierung mar jevod ein Gewirr 
von Widerſprüchen, da er ftetö nach augenblidlihen 
Eingebungen der Laune handelte. gu feiner Zeit 
entjtand der Orden von Nlcantara, Er ftarb 1188, 
erbinand MW. oder der Heilige, geb. 1199, 
feit 1217 Rönig von ———— wo er ſeiner Mut⸗ 
ter, und ſeit 1230 von Leon, wo er feinem Vater 
Alfons IX. folgte. Unter feiner Regierung wurden 
1230 Eaftilien und Leon ein einiges, unteilbares 
Königreih. Er eroberte im Kriege gegen die Maus 
ren Cordoba 1236, Murcia 1361, Noen 1246, endlich 
Sevilla 1248 und machte fich felbit den Moham— 
mebanern in Afrifa furdtbar. Um die Wifjen- 
ſchaften erwarb er ſich Berdienfte durch die Stiftung 
der Univerfität zu Salamanca (1239). Er ftarb 1252 
und wurbe 1671vom Bapft Clemens X. unter die Hei- 
figen verjegt. Er war in erster Ehe mit einer Tochter 
des deutſchen Königs Vhilipp von Schwaben ver: 
mäblt; ein Sohn derjelben ift der 1257 in Deutſch⸗ 
land erwählte Alfons X. N d.). 5.8 Leben be 
ſchrieb fein Minifter, Erzbiihof Rodrigo Zimenes 
von Toledo, in «Cronica Hispaniae», lib. IX. — 
Bol. Schirrmader, Geſchichte von Spanien, Bd. 4 
(Gotha 1881). 

Ferdinand IV., Sandos IV. Sohn, geb. 1285, 
König von Eaftilien und Leon jeit 1295, aber erit 
1305 durd ein Schiebögericht gegen die Anjprüce 
feiner Bettern bejtätigt, hatte heftige Kriege erit 
mit Portugal, dann mit Aragon zu befteben, in 


559 


denen er fi jedoch glüdlich behauptete. Gegen die 
Mauren tämpfte er erfolgreih. Er ftarb 1312, und 
zwar, wie die Sage erzäblt, am legten Tage einer 
30tägigen Frift, binnen welcher ihn diebeiden Brüder 
Grafen —— vor den Richterſtuhl Gottes gefor: 
dert hatten, als er fie unter Anſchuldigung eines 
Meucdelmordes ungebört von den Stabtmauern zu 
Martos hinabjtürzen ließ. — Vgl. Memorias del 
rey F. IV de Castilla, bg. von Benavides (2 Boe., 
Madr. 1860). 
Ferdinand V. von Eaftilien, ſ. Ferdinand IL, 
der Katholiſche, König von Aragonien. 
Ferdinand, Maria, Herzog von Genua, geb. 
15. Nov. 1822, zweiter Sohn des Königs Karl 
Albert von Sardinien, nabm an dem Kriege von 
1848 und 1849 teil, zuerit als Artillerieoberft, 
dann ald General der A. Divifion, und wurde 
von dem aufftändifchen Sicilien um Annabme ver 
Königsktrone gebeten. F. ftarb 10. Febr. 1855 zu 
Turin. Er fchrieb «Memorie della campagna del 
1848». Am 22. April 1850 vermäblte er ſich mit 
ad ler Glifabethb, Tochter des Königs Johann 
von Sadien. Aus diefer Ehe gingen zwei Kinder 
bevor: Margarete, geb. 20. Nov, 1851, ver: 
mäblt 22. April 1868 mit Humbert (f. d.), fpäterm 
König von Jtalien, feit 29. Juli 1900 Witwe, und 
Thomas, Herzog von Genua (geb. 6. Febr. 1854), 
Admiral und Senator (feit 1875), ift ſeit 1883 mit 
Maria Iſabella, Tochter des Prinzen Adalbert von 
Bayern, verbeiratet, die ihm drei Söhne (Ferdi— 
nand 21. April 1884, Philibert 10. März 1895 und 
Adalbert 19. März 1898) und eine ** gebar. 
erdinand, Heint. Friedr., Landgraf von 
Heſſen-Homburg, geb. 26. April 1783, jüngjter 
Sohn des 1820 verjtorbenen Landgrafen Friedrich 
Ludwig, diente viele Jahre in der öfterr. Armee 
und war General ber ftavallerie, ald ibn der Tod 
feines Bruders, des Landgrafen Guſtav (8. Sept. 
1848), zur Regierung der Landgrafſchaft berief. 
Er gab dem Verlangen nach einer Berfaflung nad, 
berief April 1849 den Landtag und veröffentlichte 
im San. 1850 eine mit diefem vereinbarte Ber: 
fafjung, die jedoch nicht zur Einführung gelangte, 
da mit dem Siege der Reitaurationspolitit auch der 
Landgraf in die alten Wege zurüdlentte. Er war 
unter den eriten Fürften, die Sept. 1850 den reſtau⸗ 
rierten Bundestag bejhidten. Bei feinem Tode, 
24. März 1866, fiel das Land, da er keine Nach—⸗ 
tommen batte, an Hejlen:Darmftabt, mußte aber 
noc im felben sr an Preußen abgetreten werden. 
erdinand, Erzbiſchof und Kurfürft von Köln, 
Sohn Herzog Wilhelms V. von Bayern, geb. 7.Dtt. 
1577, ftubierte mit feinen Brüdern jeit 1589 in 
golſtadt, ward mit päpftl, —— 1595 
vabjutor jeines Dheims, des Kurfürſt⸗Erzbiſchofs 
Ernſt von Köln, 1612 fein — olger und noch 
in demſelben Jahre Biſchof von — Münſter 
und Hildesheim und 1618 von Paderborn. Der 
Gedanke einer kath. Liga, wie jein Bruder Mari: 
milian I. von Bayern jte ſchuf, fand in F. den eif⸗ 
rigſten Vertreter; doch konnte er die oberbeutichen 
Stände nicht zu feiner Aufnahme in den Bund be 
wegen. Nach Ausbruch des Dreikigjährigen Krieges 
trat F. in die kath. Liga ein; fein Yand hatte durch 
die Brandfhagungen holländ. Truppen, fpäter 
durb ſchwed. Belagungen viel zu leiden. Auch 
5.8 Beitritt zum Prager Frieden 1635 half feinem 
peyingten —5 wenig. Erſt der Friede von 1648 
rachte die Erloͤſung. Er ſtarb 13. Sept.1650in Arns⸗ 


560 Ferdinand I. (König von Neapel) — Ferdinand (von Ejte, Erzherzog v. ſterreich) 


berg. F. bethätigte feinen Eifer für die Relatholi: 
fierung auch durch Kirchenbau (3. B. auf dem 
Kreuzberge bei Bonn, 1627) und Begünftigung der 
Orden, befonders der Jeſuiten, deren Belehrungs⸗ 
eifer er polizeilich unterjtüßte. 

Ferdinand I., eriter König von Neapel, geb. 
1423, natürliber Sohn Alfons’ V. (ſ. d.) von 
Aragonien, welcher ihm Unteritalien 1458 hinter: 
ließ, während Alfons’ V. Bruder Johann Sicilien, 
Aragon und Navarra erbte. Troß der Ränte, zuerit 
der Rurie, dann Ludwigs XI. von Frankreich, und 
troß der Neigung der Barone zur Erhebung os 
banns von Anjou und troß der anfänglichen ſchwe⸗ 
ren erg von Sarno (1460) wußte er, vers 
bündet mit Standerbeg (ſ. d.), fih in ben Befig 
des Landes zu ſehen, um nun jeine Macht rüd: 
fihtölos auszunügen zur Brebung der Anſprüche 
des Papſtes und des Adel3 und zur Befriedigung 
einer tüdischen Rachſucht. Während er durch eine 

mbildung des ſchon unter Alfons V. bedenk⸗ 
lien —— zur reinen Ausbeutung das 
Verderben von Handel und Gewerbe anbabnte, 
aber Kunft und u are eifrig förderte, gelan 
es ibm infolge der ——— der übrigen ital. 
Staaten nicht, Italiens Küfte vor den Türken voll: 
ftändig zu ſchützen, welche 1480 Dtranto wegnabmen, 
jedoch 1481 wieder räumen mußten. Er ftarb25. Jan. 
1494. Sein — war Alfons II. — Vol Co- 
dice Aragonese, bg. von Trinchera (3 Bde., Neap. 
1866— 74); Regis Ferdinandi I. institutionum 
liber, bg. von Volpi (ebd. 1861); Porzio, La con- 

iura de’ baroni del regno di Napoli (Rom 1565; 
Site 1818); D. Giampietro, Un registro aragonese 
nella biblioteca di Parigi (Neap. 1885). 

Ferbinand IL., König von Neapel, Entel 
dinands I. von Neapel, geb. 26. Juli 1469, über: 
nabm nad der Abdankung feines Vaters Alfons IL 

.d.) die Regierung 23, Jan. 1495, mußte aber vor 

önig Karl VII. von Frankreich nah Sicilien 
fliehen. Begünftigt von dem Bunde Kaiſer Maris 
milians, Ferdinands V. von Eaftilien, Lodovico 
Moros, Venedigs und Aleranders VL., gewann er 
Neapelim Juli 1496. Er jtarb linderlos 7.DEt.1496; 
fein Nachfolger war Friedrid von Altamura.— Bal. 
9. 5. Delaborde, L’exp6dition de Charles VIII en 
Italie (Bar. 1888). 

Ferdinand MW., König von Neapel, f. Fer 
dinand II, König von Aragonien. 

Ferdinand IV., König von Neapel, ſ. Fer: 
dinand I., König beider Sicilien, 

Ferdinand I., Karl Leopold Franz Marcellin, 
Kaiſer von Oſterreich, mit dem Beinamen der 
Gütige, älteiter Sohn Raifer Franz’ L aus deſſen 
meiter Che mit Maria Zberefia, Prinzeffin beider 

icilien, wurde 19. April 1793 in Wien geboren. 
Gine 1815 unternommene Reife durch mehrere diterr. 
Provinzen nah Ftalien, der Schweiz und einem 
Zeil von Frankreich wirkte ftärtend auf feine 
Ihmädlihe Geſundheit. Mit Vorliebe befhäftigte 
er fih mit technolog. und botan. Studien. Seine 
28. Sept. 1830 zu Preßburg vollzogene Krönung 
zum Könige von Ungarn, unter dem Namen Ferdi— 
nand V., gemäbrte nur nominellen Anteil an 
der Reichsregierung. Am 12, Febr. 1831 vermäblte 
er ſich mit der Prinzeffin Maria Anna Sarolına 
Pia, der dritten Tochter des Königs Victor Ema— 
nuel I. von Sardinien; doch iſt feine Ehe kinderlos 
geblieben. Er folgte 2. März 1885 feinem Bater 
auf dem Raifertbrone, überließ die Regierung feinem 


Oheim Erzberzog Ludwig, Staatstanzler Metternich 
und Kolowrat und bielt an dem abfolutiftiichen 
Spitem feines Vaters nad deſſen legtem Willen feit 
bis 13. Mär; 1848, an welbem Tage Metternich 
fiel. (S. Oſterreichiſch-Ungariſche Monardie.) In: 
—*— der Maiunruhen zu Wien flüchtete er mit 
einem Hofe nah Innsbruck und fehrte Mitte Aug. 
1848 nad der Hauptitadt zurüd. Während des 
Miener Aufitandes Anfang Dftober verließ er fein 
Schloß zu Schönbrunn abermald und wandte fib 
nah Olmüß, mo er 2. Dez. 1848 zu Gunjten feines 
Neffen Franz Joſeph die Regierung niederlegte. Seit: 
dem nahm er feinen bleibenden Aufenthalt zu Prag, 
wo er auf der Hrabihiner Burg 29. Juni 1875 
ftarb, Seine Witwe ftarb 2, Mai 1884. 

Ferdinand, Erzberzog von Oſterreich, geb. 
14. Juni 1529 zu Linz als zweiter Sohn König 
Ferdinands I., nahm 1547 mit jeinem Bater an dem 
Schmalkaldiſchen Kriege teil und verwaltete jeit 1548 
die Stattbalterihaft von Böhmen. Hier lernte er 
1556 die Augsburger Patricierstochter Philippine 
Welſer (f. d.) fennen, die ibn fo fejlelte, daß er ſich 
1557 zur geheimen Ebe mit ihr entihloß. Bald 
erfubr auc fein Vater davon, der 1559 beiden ver: 
zieh und ihren Kindern, die nicht thronfähig waren, 
eine Verforgung veriprab, aber fie zur Gebeim: 
baltung der Ehe verpflichtete. Erft 1576 löfte der 
Papſt den Erzherzog vom Eide, den er darüber 
ausgeſtellt hatte, Beim Tode des Vaters 1564 Re: 
gent Tirols und der diterr. Borlande geworden, 
tn er die Verbindung len lanbesfürit: 
liben Machtſtrebens mit Relatbolifierungseifer auf 
diefe von zablreihen Proteftanten bemobnten Län: 
der und ſeßte gegen dieſe wie auch gegen lath. ftän- 
diihe Selbjtändigleitägelüfte feinen Willen durd. 
Der Hatboliciämus Tirols ift auf ibn weſentlich 
urüdzufübren. 1580 ftarb feine Gemablin in 
Innsbrud, in defien Nähe F. das Schloß Ambras 
(1. d.) dur jeine Kunſt⸗ und Bücerfammlungen 
bleibend berühmt gemadt hat; F. ſchloß 1582 eine 
zweite Ehe mit Anna Katharina von Mantua, die 
ihm aber nur Töchter fchentte, jo daß bei feinem 
Tode (24. Yan. 1595) feine Befigungen als Ge: 
jamterbe an die habsburg. Seitenverwandten fielen. 
— Bol. Hirn, Erzberjog F. I. von Tirol (2 Bpe., 
Innsbr. 1885—87), 

Ferdinand, Karl Jof., von Efte, Erzberjoa 
von Oſterreich, diterr. Feldmarſchall, geb. 25. April 
1781 zu Mailand, der zweite Sohn des Etzherzogs 
Karl Anton Joſ. Ferdinand (geb. 1754, geit. 1806), 
der durch die VBermäblung mit Beatrir von Eſte die 
Erbfolge in Eſte erbielt und deſſen älteiter Sobn 
Franz IV. (geit. 1846) Herzog von Modena war. 
Im Kriege 1805 erbiet den Dberbefebl des 
3. Armeelorp3 von 80000 Mann, dad Bayern be» 
feßte und jih in Schwaben aufftellte. Nachdem Mad, 
der das Ganze leitete, in feiner Stellung an ber 
Iller jih batte umgeben laffen, wurde F. an ber 
Spige des linten Flügels 9. DR. von dem Marſchall 
Ney bei Günzburg geſchlagen. F. beſchloß, das 
Scidjal des in Ulm eingeſchloſſenen Heers voraus» 
febend, fih mit 12 Schwadronen durchzuſchlagen, 
fübrte feine Schar durch das feindliche Heer nad 
Öttingen und zog die Trümmer des Hobenzollern- 
ſchen Korps an fib. Bei Gunzenbaufen an der Alt- 
mübl entging er laum ber ——— durch 
den ihn verfolgenden Murat, dem bie Infanterie 
5.8 in die Hände fiel; doch fam er nad 8 
mit noc 1500 Reitern nah Eger. Hierauf erbielt 


Ferdinand I. (König von Portugal) — Ferdinand I. (König beider Sicilien) 


er ben Oberbefehl über die kaiferl. Truppen in Böh: 
men, organijierte den Landſturm und machte den 
Bayern in mehrern glüdlichen Gefechten jeden Fuß⸗ 
breit Landes ftreitig. Mit etwa 18000 Mann dedte 
er den rechten Flügel der verbündeten Armee, bis 
dieſe bei — itz geſchlagen wurde. F. wurde 1899 
Oberbefehlshaber des 36000 Mann ſtarlen 7. Ar: 
meelorpg, mit dem er 15. April ins Herzogtum 
Warſchau einrüdte, deſſen Hauptftadt ng ihm 
22. April ergab, Während nun F. gegen Kaliſch 
7 und Thorn angriff, umging Poniatowſti die 
erreiher und brad in das Ser. Galizien ein, 
fo daß F. Warſchau aufgeben mußte. Zwar eroberte 
er Galizien wieder, doch wurde er jebr bald dar: 
auf von Boniatomjli abermals vertrieben. F. zog 
fih nun nach Ungarn zurüd. Im Feldzuge von 
1815 übernahm er den Oberbefehl über die öſterr. 
Rejerve am Rhein. 1816 wurde er Kommanbdieren: 
der in Ungarn, 1830 Generalgouverneur von Ga: 
lizien, legte dieſe Stelle jedoch nad den Unruhen 
von 1846 nieder, lebte dann meift in Stalien und ftarb 
5. Vov. 1850 auf Schloß Ebenzweier bei Gmunden. 
Ferdinand J., König von Bortugal (1367 
—88), geb. 31. Dit. 1345 ald Sohn Pebros L, 
geriet in Streit mit König Heinrid dem Unechten 
von Gaftilien über die Krone und hatte außer: 
dem mit innern Unruhen zu kämpfen, welde zum 
Teil durch feine Bermählung mit Eleonore Tellez 
de Menefes veranlaft wurden, die er ihrem rechten 
Gatten Johann Lorenz da Eunba vorentbielt. Mit 
. ging 1383 das altburgund. Fürftenhaus zu 
ide, welches * Zeit des erſten Kreuzzugs durch 
Heinrich von Burgund begründet war. Eleonore 
verſuchte zwar gegen die Erbfolgeorbnung die Krone 
für ihre Zochter Beatrir, Gemahlin Johanns I. 
von Gaftilien, zu behaupten, erlag aber dem natür: 
lien Bruder des Verftorbenen, Jobann, der 1385 
bei Aljubarota auch die Eaftilier befiegte und fo das 
neuburgund. Königshaus in Portugal begründete. 
FerdinandIL., Auguft Franz Anton, Königvon 
Portugal, älteiter Sohn des Der: & Ferdinand 
(f. d.) Georg Auguft von Sachſen-Coburg, geb. 
29. Dit. 1816 in Wien, vermäblte ji 1. Jan. 1836 
na Profuration und 9. April in Perſon mit 
der Königin Maria II. da Gloria von Portugal. 
Er erbielt als Gemabhl der .. Titel Herzog 
von Braganca und nad der Geburt feines eriten 
Sohnes, des Infanten Dom Pedro von Alcantara 
(geb: 16. Sept. 1837), der nteflune gemäß den 
Önigätitel. Nah dem Tode jeiner Gemahlin 
(15. Nov. 1858) führte er die Regentſchaft für den 
noch unmündigen Kronprinzen biö zum 16. Sept. 
1855. Seine deutihe Abkunft verfchaffte ihm in 
Portugal mehr Ungunft als Gunjt, aber durd fein 
Muges und verjafjungsgemäßes Berhalten erwarb 
er ſich allmählich große Popularität. Den ihm 1869 
angetragenen Thron von Spanien lebnte er ab. 
Er vermäblte fih zum zweitenmal 10. Juni 1869 
mit Elife Henäler, die - Gräfin von Evla erhoben 
murbe. Er ftarb 15. Dez. 1885 in Lifjabon. Die 
Kinder jeiner erjten Ehe nd: König Pedro V., geit 
11. Nov. 1861; König Ludwig I., geit. 19, Dit 
1889; Brinzeffin Maria Anna, geb. 21. Juni 1848, 
eit.5. Febr. 1884, vermäblt 11. Mai 1859 mit dem 
se Georg von Sadjen; Prinzejfin Antonia, 
geb. 17. Febr. 1845, vermäblt 12. Sept. 1861 mit 
dem Erbprinzen, jegigen Fürſten Leopold von Hohen: 
zollern; Prinz Augujt, Herzog von Eoimbra, geb. 
4. Nov. 1847, geit. 26. Sept. 1889. 
Brodbans’ Konveriationd-Lerifon.. 14. Aufl, R. A. VL 


561 


Ferbinand der Heilige, yrjant von Bor: 
tugal, geb. 1402 ala Sohn des Königs Johann 
des Unechten, wurde von feinem Bruder, dem Kö: 
nig Eduard I. (1433—38), in Gemeinjchaft mit dem 
jüngern Bruder Heinrich ausgefhidt, um Tanger 
den Nohammedanern zu entreißen; aber von dieſen 
gefangen genommen, blieb er, da die Cortes nicht 
in feine Auslieferung gegen Abtretung Ceutas 
willigten, ſechs Jahre in harter Gefangenichaft bis 
zu feinem Tode 1443. Seinem Schidjal entnahm 
Ealderon den Stoff = dem Trauerſpiel «Der jtand- 
bafte Prinz». — Bol. Schäfer, Geſchichte von Bor: 
tugal, Bd. 3, ©. 331— 363 (Hamburg). 

dinand, Victor Albert Mainrad, Prinz von 
Numänien, geb. 24. Aug. 1865 zu Sigmaringen 
als zweiter Sohn des Fürſten Leopold von Hohen: 
zollern, des ältern Bruders des finderlojen Königs 
KarlI. von Rumänien, wurde, nachdem fein Vater 
und fein älterer Bruder auf die rumän. Krone 
verzichtet hatten, 14. Nov. 1886 durch Aufnabıne 
in die rumän. Armee alö event. Erbe des rumän. 
Thrones defigniert. Am 14. -. 1889 wurde 
er zum Senator ernannt und 18. Mär; 1889 im 
Einverſtändnis mit der Landesvertretung mit dem 
Zitel «Bring von Rumänien» als event. Erbe des 
rumän. Königsthrons anerlannt. 1898 wurbe er 
zum General der rumän. Armee befördert. Am 
10. Yan. 1893 vermäblte er ſich mit Maria, der 
ältejten Tochter des Herzogs Alfred von Sadjen: 
Soburg: Gotha. Aus diefer Ehe gingen hervor: 
Brinz Karl, geb. 15. Dit. 1893, die Prinzeſſinnen 
Elifabeth, geb. 11. Dit. 1894, Maria, geb. 8. Jan. 
1900, und Prinz Nikolaus, geb. 18. Aug. 19083. 

Ferdinand, Georg Auguit, Herzog von Sad: 
jen:Coburg, Sohn bes Herzogs Franz von 
Sadjen » Coburg: Saalfeld und der Prinzeſſin 
Auguste von Reuß:Ebersporf, geb. 28. März 1785, 
trat in dfterr. Militärdienite und vermäblte fi 
2. yan. 1816 mit der Prinzeffin Marie Antonie 
Gabriele, Tochter des reihen Fürjten Franz Joſeph 
von Kohäry, trat 1818 zur fatb, fire über und 
wurbe 1827 * Staatsbürger. Er ſtarb in Wien 
27. Aug. 1851. Bon feinen drei Söhnen: Ferdinand, 
Auguft und Leopold, traten die beiden legten gleich: 
allg in diterr. Militärdienfte, während der erite als 

erbinand IL (j. d.) König von Portugal wurde, 

er jüngfte Sohn des Prinzen Auguft, Ferdinand 
(l. 4 i£ Furſt von Bulgarien. 

Ferdinand J., König beider Sicilien, als 
König von Neapel Ferdinand IV., geb. 12. Yan, 
1751, erhielt das mit Spanien auf Örund der Ber: 
träge unvereinbare Unteritalien und Sicilien, als 
In Bater Karl ILL. (j. d.) 1759 den ſpan. Thron bes 

ieg. Tanucci leitete für den gleihgültigen Fürſten 
an ber Spige der Regentſchaft und jeit 1767 als 
erſter Minifter die Geſchäfte zwar trefflich, wurde 
aber von F.s bereichfüchliger draw Karoline Marie 
1777 verdrängt und durd) Ya Sambuca, 1784 durch 
Acton (f. d.) erfeßt. Neapel, das ſich nun dem ipan. 
Einfluß entzog, um ſich England und Öfterreih ans 
zuſchließen, beteiligte ſich jeit 1798 an den Koali⸗ 
tionsfriegen gegen Frankreich, nad einem vorüber: 
ebenden Frieden 1796 ſah ſich F. nach der Nieder: 
age Mads genen Championnet zur Flucht nad 
Palermo (24. Dez. 1798) genötigt, während in 
Neapel nad Niederwerfung der Lazzaroni die Bar« 
thenopäiſche Republik (j. d.) errichtet wurde (23. Yan. 
1799). Der Abzug der franz. Truppen ermöglichte 
jedoch jhon im Juni 1799 dem Kardinal Ruffo (f. d.) 


36 


562 


und feinen Banden die Rüderoberung von Neapel, 
wo unter Neljons Augen überaus blutige Race an 
den Republitanern genommen wurde. ;y. febrte im 
Jan. 1800 ſelbſt nah Neapel zurüd, wurde aber 
1801 von den in Deutichland fiegreihen Franzojen 
eswungen, den «stato dei presidj», Piombino und 
Borto: ngone abzutreten und ſich der Kontinen: 
taljperre anzufhließen. Bei Ausbruch des Krieges 
von 1805 nahm jebod F. engl. und nf: Truppen 
auf und rüftete de zur fräftigen Beteiligung am 
Kampfe gegen Napoleon. Dieſer aber bejegte nad) 
dem überrajhend ſchnell errungenen Sieg bei Auſter⸗ 
fig 5.3 vollftändiges Gebiet, welches Joſeph Bona- 
parte und fpäter Murat befam, und zwang ibn fomwie 
dann auch Karoline Marie zur Flucht nad Sicilien. 
Ser behaupteten fie fich unter dem Schuß der engl. 
otte. Als Karoline Marie, müde der Bevor: 
mundung durch England und des von diefem der 
Berfafjung gewährten Schußeß, ſich mit Napoleon in 
— erhandlungen einließ, ſorgte der Admiral 
.orb Bentind 1811 Par ihre Entfernung aus Gici- 
lien, worauf er auch F. im Jan. 1812 zwang, feinen 
England mehr ergebenen und einer verfaflungs: 
mäßigen Regierung geneigtern Sobn Franz (1.) zum 
Statthalter zu ernennen. Nach Bentinds Abga 
(Jan. 1818) übernahm F. die Regierung wieder jelbit 
und erhielt nach Napoleons Niederlage aud Neapel 
von den Mächten wieder zurüd. Murats verfpäteter 
Verſuch, fi in den Befik von Unteritalien zu ſetzen, 
mißlang, und duch ®Delret vom 8. Dez. 1816 
vereinigte F. feine Staaten zu einem Königreich 
beider Sicilien. Als, angeregt durch Spaniens Bei 
fpiel, 1. Juli 1820 eine Revolution ausbrach, über: 
trug F. die Statthalterjhaft wieder an Franz, ber 
die geforderte Verfafjung alsbald gemäbrte, melde 
dann 55. beihmor, um unmittelbar darauf, unteritüßt 
von diterr. Truppen, auf Grund der mit Öfterreich, 
Rußland und Preußen zu Laibad getroffenen Ber: 
einbarung, feine unbeichräntte Gewalt wiederber: 
allen. Aud) die von Öfterreich verlangte mebr- 
ährige Bejehung des Landes ge 5. 1822 zu 
erona zu. Er id 3. Yan. 1825 zu Neapel. Sein 
Nachfolger war Franz I. ⸗ V — Memorie 
storiche diF.I (Neap. 1897): Eolletta, Storia del 
reame di Napoli dal 1734 sino al 1825 (2 Bde., 
1834); Bo330, Nuovi documenti di F. (IV) Borbone 
(im «Archivio storico italiano», ae 
Ferdinand II., König beider Sicilien, Entel 
deö vorigen, geb. 12. Jan. 1810, führte, 8. Nov. 
1830 zur Re —* ekommen, im Gegenſatz zu 
ſeinem Vater Fran & d.) anfangs Berbeflerungen 
ein, jäuberte dad Beamtentum und erhob Heer: und 
inanzwejen aus ihrem Häglichen Auftand, wandte 
ich aber bald wieder dem herlömmlichen Abfjolutis: 
mus und der überlommenen Anlehnung an Oſter⸗ 
reich au. Nach dem Tode feiner erften Gattin, Marie 
Ehrijtine von Savoyen (1836), beiratete er 1837 
Maria Thereſia Iſabelle, Tochter des Erzberjogs 
Karl von Oſterreich, mas zu einem Gegenſatz llden 
ibm und feinem Sobn Franz (II.) führte. Harte 
Steuermaßregeln, Rüdberufung der Jejuiten, Auf: 
bebung der ficil. Verfaflung, verbunden mit äußern 
Unfällen, führten zu den Erhebungen von Syrafus 
(1837), Aaquila (1841) und Coſenza (1844) und zu 
dem Verſuch der Brüder Bandiera (Juli 1844), 
welche zablreihe Hinrichtungen und Einterterungen 
im Gefolge hatten und F. mit wachſendem Mißtrauen 
und zunehmender Rachſucht und Härte erfüllten. 
Ein neuer Ausbrub des öffentliben Unwillens er: 


Ferdinand II. (König beider Sicilien) — Ferdinand VI. (König von Spanien) 


folgte in Sicilien nah Pius’ IX. Erhebung und 
en liberalen Erllärungen. Balermo gab 12. an. 
1848 der ganzen Inſel und Unteritalien das Zeichen 
zum Aufitand, und F. ſah ſich zur Entlafiung feiner 
verhaßten Minifter, zur Gewährung einer Verfaſſung 
(10. Febr.) und fogar zur Entjendung von Truppen 
gegen die Öfterreicher gezwungen. Während jedoch 
die von Mißtrauen ten Abgeordneten Schwie: 
rigfeiten machten, bereitete F. den Staatäjtreich 
vor, den er, gejtüßt auf die Schweizertruppen und 
Lazzaronihaufen, 15. Mai 1848 ausführte; nur 
General Pepe trat auf die Seite des Volls über. 
Nah Karl Alberts Niederlage bei Euftozza lonnte 
aud Sicilien, das die Errichtung eines felbjtändigen 
Königreich3 unter Ferdinand von Savoyen geplant 
atte, niedergeworfen werden, doch erſt nach N, een 
ämpfen, — Tg Lg ng ag ame 
Meifinas Sept. 1848, die F. den Namen Bomben: 
tönig (R& Bomba) eintrug. Im aanzen Königreich 
erreichten nun das polit. Verdachtigungs⸗ und Ber: 
pie Sbirrentum , Einterferungen und 
erbannungen ihre —— weder W. F. 
Gladſtones —— ffentlichungen («Two 
letters to the Earl of Aberdeen», 1. Ausg. 1851; 
die 2. Ausg. 1852 und die folgenden enthalten eine 
Prüfung der «Dffiziellen Erwiverung der neapolit. 
Regierung»), nad melden 1850 zwiſchen 15000 
und 20000 polit. Berbächtige in den Gefängnifien 
lagen, noch dievon Cavour auf dem Barifer Kongrek 
veranlaßten Borftellungen Englands und Franl: 
reichs brachten F. von feinem Berfahren ab; die 
Ablehnung der legtern als eines Eingriffes in die 
tönigl. Hobeitärechte führte zur Abberufung des engl. 
und des franz. Gefandten von Neapel. Nad dem 
Morbverfuh des Soldaten Milano (8. Dez. 1856) 
—8 F. Sicherheit in gänzlich zurüdgezogenem 
eben zu Caſerta, wo er an den or der Ber: 
wundung im Obericentel, die ihm Milano beige 
bradt hatte, 22. Mai 1859 a * folgte ſein 
einziger Sohn Franz IL — Bol. Nic. Nisco, Ferdi- 
nando II e il suo regno (Neap. 1884). 
Ferdinand J. bis V, von Spanien, identisch 
mit F. L bis V. von Eaftilien (f. ©. 559). 
inaud VI., König von Spanien, geb. 
23. Sept. 1712, der dritte Sohn König Philipps V. 
aus deſſen erfter Ehe mit Maria Ludovica Gabriele 
von Savoyen, folgte 9. Aug. 1746 feinem Bater 
auf dem Throne, überließ die eg? faft voll: 
ftändig feinen Miniftern und ftarb 10. Aug. 1759 
in einem Kloſter zu Villaviciofa, ohne Kinder zu 
binterlaflen. Ibm folgte fein Halbbruder Karl IL. 
Ferdinand VIL., König von Spanien, geb. 
14. Dt. 1784, Sobn König Karls IV. und ber 
Prinzeſſin Marie Luiſe von Parma, erhielt durd 
ben roch von Alcudia (j. Godoy) eine ungenügende 
Erziehung und wurde 1801 mit Antoinette Thereſe, 
der Tochter des nahmaligen Königs beider Sicilien, 
Yerbinands I., vermäblt, die jedoch ſchon 21. Mat 
1806 ftarb. Vornehmlich in der Abit, ihren Haß 
egen den Herzog von Alcudia zu befriedigen, 
arten ſich mehrere Große, an deren Spitze der 
Herzog von Infantado ftand, um F., der in einem 
Schreiben vom 11. Dft. 1807 an Napoleon I. den 
Wunſch zu ertennen gab, ſich mit der älteiten Toter 
Lucian Bonapartes zu vermäblen. Die Folge war, 
daß der Prinz 28. Dkt.im Escorialverbaftet und durch 
eine königl. Kundgebung für einen Verräter erllärt 
wurde. Doch die Erbitterung des Volls gegen 
Alcudia führte 18. März 1808 die Revolution von 


Ferdinand (Infant von Spanien) — Ferdinand II. (Großherzog von Toscana) 


Aranjuez herbei, wonach der König der Krone ent: 
fagte, die nun auf F. überging. Diefer begab ſich 
nah Bayonne zu oleon, der ihn jedoch zur 
Thronentlagung (10. Mai) zwang. Indes hatte F. 
ie der von ihm in Madrid errichteten oberften 
gierungsjunta uneingeſchränlte Vollmacht und 

das Recht erteilt, die Cortes zu berufen und frie 
mit Frankreich zu führen. (S. Spanien, Gejhichte. 
Er erhielt von Frankreich ald Apanage eine 1 sen 
Rente von 600000 Fre. und das Schloß Balencay 
um Aufenthalt angewiefen, wo man ibn aufs 
Iren fte bewachte. gegen Ende 1813 bot Napo⸗ 
eon 5 die Wiedereinjegung an, und auf Grund des 
von den Cortes nicht beitätigten Bertragd vom 
11. Dez., durch den F. Spaniens Intereſſe von der 
Sache Europas trennte, tebrte 5. im —— nach 
Spanien zurüd, Allein noch vor feiner Ankunft in 
Madrid verweigerte 5. den Eid auf die Ronjtitution 
ber Cortes von 1812, ftieß dieſe um, e 
monardijche Gemalt zu er beſchränle, und ließ die 
Mitglieder der Regentichaft, mehrere Deputierte ber 
Eorted und die Minifter verhajten. Am 14. Mai 
1814 bielt F. feinen Einzug in Madrid, alle Libe⸗ 
ralen wurden verfolgt, und Hinrichtungen, Gefäng- 
niöftrafen, Verbannungen und Bermögenstonfis: 
tationen fanden in allen Teilen des Reichs ftatt. 
Die Monchsorden, die Inquifition —— der Folter 
wurden wiederhergeſtellt und jede lußerung geiſtiger 
Freiheit mit Härte unterbrüdt. 

Endlich kam eö im a. 1820 zum Yufftande, 
fo Be F. ich gendtigt ſah, 9. März die Konftitution 
der Eorteö von 1812 zu beihmören; doch durd die 
bewaffnete Intervention Frankreichs wurde 1823 
die abfolute Gewalt in Spanien mwiederbergeitellt. 
F. hatte fi 1816 mit der zweiten Tochter des Kd⸗ 
nigs Johann VI. von Bortugal, Maria Yabella 
Sranzista, wieder vermählt, die aber ſchon 26. Dez. 
1818 ftarb. Zum drittenmal vermäblte er fi im 
Aug. 1819 Bel ner Deingeifin Solep 
des Prinzen Marimilian von fen, und nad 
deren Tode (17. Mai 1829) noch in demſelben Jahre 
um viertenmal mit Maria Ehriftina (f. d.), einer 

ochter ranz' I., des Königs beider Sicilien, di 


e, einer Tochter 


bie 
ihm 10. Oft. 1830 die nahmalige Königin HabellaIL rich IV 


und 1832 die Infantin Luiſe Fernanda, fpätere 
Gemahlin des Herzogs von Montpenfier, gebar. 
Durh den Einfluß Maria Ehriftinas wurde 4 
bewogen, die von den Cortes 1822 beantragte Auf⸗ 
hebung des Saliſchen Geſees 29. März 1830 durch 
eine jog. Pragmatiſche Sanktion, welche die alte 
caſtil. fognatische Erbfolge wiederheritellte, zu ver: 
wirklichen. Dieſer Schritt führte ſchon bei Yebzeiten 
des Königs zur Koalition der Anhänger feines 
Bruders Don Carlos und brachte nad) feinem Tode 
ben Bürgerkrieg zum Ausbruch. Bald von der 
liberalen, bald von der realtionären Bartei bebrobt, 
von Intriguen am Hofe beherrſcht, übertrug der im 
Oft. 1832 ſchwer erkrankte König feiner Gemablin 
die Leitung der Staatsgeſchäfte bis zu jeiner Ge 
nefung. Der für die larliſtiſche Partei wirtende Mi: 
niſter Galomarde, der den faſt bemußtlojen König 
ein Dekret, das die Pragmatiſche Santtion von 1830 
aufbob, hatte unterzeichnen lafien, mußte flüchten. F. 
ärte 31. Dez. das Dekret für erſchlichen und über: 
nabm 4. Jan. 1833 wieder die Regierung; doch ftarb 
er ſchon 29. Sept. 1833, yom folgte feine minder: 
jährige Tochter Iſabella IL (f. d.). — Bol. Baum: 
arten, bichte Spaniens vom Ausbruch der 
anzöfifhen Revolution (3 Bde., Lpz. 1865— 71). 


563 


Ferdinand, Infant von Spanien, der 3 
Kardinalinfant, kaiſerl. General im Dreißig— 
— en Kriege, geb. 17. Mai 1609 als dritter Sohn 
0 ilipp3 III. von Spanien, wurde ſchon 1619 Erz: 
biſchof von Toledo, dann Kardinal und von feinem 
Bruder Philipp IV. zum Nachfolger der Erzberzogin 
Iſabella in der Regierung der Niederlande aus: 
erie Bon Mailand aus an der Spige eines 
ftarten Armeelorps nah Deutihland vorrüdend, 
trug er wejentlid zu dem großen Siege bei Nörb- 
lingen über die Schweden und rd von Wei: 
mar bei (6. Sept. 1634) und zog 4. Nov. in Brüfjel 
ein. Um den vereinten Angriffen der Franzoſen und 
Niederländer zu begegnen, er er, unterjtüßt von 
Biccolomini und Johann von Wertb, 1636 die Offen: 
five, eroberte die Ricardie, nahm alles Land zwiſchen 
Somme und Dife und eine Reihe feiter Pläge; aber 
ge und Defertion in jeiner Armee zwang 

‚zum Nüdzuge. 1638 erfocht er einen Sieg über 
den Grafen Wilhelm von Nafjau bei Kalloo und 
entjegte Geldern, das verfuchte er Aug. 1640 mit 
bem Herzog von Lothringen vergebens den Entſaß 
von Arras. F. ftarb 9. Nov. 1641 in Brüfiel, 

Ferdi I., de’ Medici, Großberzo von 
Toscana, geb. 1549, Sohn Eofimos L. de’ Medici, 
nahm, von Hius V. ſchon mit 14 Jahren zum far: 
dinaldiaton erhoben, unter Gregor XIIL und Sir: 
tus V. zu Rom eine einflußreiche Stellung ein. Nach 
dem Tode feines Bruders Franz L (f. d.) übernahm 
er die Regierung von Toscana und beiratete nad 
Niederlegung der Kardinaldmürde Ehrijtine von 
Lothringen, eine Entelin Katharinas de’ Medici, 
25. Aprıl 1589, welche ihm fieben Kinder fchentte. 
Die bedeutenden, von Franz I. angefammelten 
Mittel verwandte er zur Hebung des Yandes und 
Verſchonerung feiner Städte Florenz, Pifa, Livorno. 
Mit fefter Hand ſchuf er Drbnung; 1591 ließ er den 
von Spanien gegen ihn unterftüten Briganten: 
führer Alfonfo — bängen und machte auf 
dem Meere feine Flagge geachtet durch die Angriffe 
der Ritter von San Stefano auf Famagufta in Ey: 
nen und Bona in Algier (1608). Gegenüber 
dem fpan. Übergewicht in Italien unterftübte 5. Hein» 

. von Frankrei gegen die ſpaniſch geſinnte 

Liga (1. d.). Ihren Bund befeftigte Heinrihs IV. 
Heirat mit Maria de’ Medici, der Tochter Franz'L 
Seine ftaatsmännifce Atuodeit verf&affte F. den 
(allerdings vorübergehenden) Befis von If, Bo: 
megues und Saluzjo, den bauernden von 
aliano und von Stena als fpan. Lehn. Er 
7, Febr. 1609, Sein Nachfolger war Eofimo II. 

Ferdinand IL, de’ Medici, Großherzog von 
Toscana, geb. 14. Yuli 1610, folgte feinem Bater 
Eofimo II., zuerft (1621—28) unter der ſchwachen 
Vormundihaft feiner Mutter und Großmutter, 
Unter 5.3 Regierung wurde Toscana dur den 
Mantuanifhen Erfolgelrieg verwüftet. Den gejun: 
fenen Handel und Wohlſtand vermochte er erft all- 
mäblich wieder zu heben, namentlich in den Friedens: 
jahren ſeit 1649, nachdem er ſchon in dem Kriege 
um Caſtro (1641— 44), verbündet mit Modena 
und Venedig, kräftig für Parma batte eintreten 
lönnen. Sein eigenes Land rundete er ab durch den 
Kauf von Pontremoli, In dem Streit zwiſchen 
Ludwig XIV. und der Kurie (1664) übernabm er 
die Vermittlerrolle und unterftügte 1668 die Unter: 
nebmung Benedigs gegen Gandia, Er ftarb 24. Mai 
1670. Sein Nachfolger wurde fein älterer Sobn 
Eofimo II. 


36 * 


564 


Ferdinand IIL., Joſeph Johann Baptiit, Groß: 
berjog von Toscana und Erzherzog von Oſterreich, 
6. Mai 1769 in Florenz, zweiter Sohn Kaiſer 

eopolds II., folgte diefem 2. Juli 1790 ald Groß: 
berzog von Toscana. Als Freund des Friedens 
beobachtete eritrenge Neutralität in dem Striege gegen 
die Franzöſiſche Nepublit und war der erfte Souve: 
rän, der diefelbe anertannte und mit ihrin diplomat. 
Verbindung trat. Er wurde jedoch durch Rußland 
und England gezwungen, 1793 der Roalition gegen 
Frankreich beizutreten, ſchloß aber ſchon 9. — 
1795 Frieden und rettete durch den * von 1797 
unter ſehr mißlichen Umftänden die Neutralität 
jeined Yanded. Doch mußte er fih, als die Bläne 
Frankreichs in Bezug auf Italien immer Hlarer 
kevoruaten, wieder dem Wiener Hofe nähern, was 

ankreich —— ab, ihm im März 1799 
den Krieg zu erklären. füge infolgedefien nad 
Wien. Frieden zu Lundville 1801 mußte er 
auf Toscana Verzicht leiften. Als Entihädigung 
erhielt er durch den Vertrag zu Paris (26. Dez. 
1802) das neu geihalene Kurfürftentum Salzburg. 
Allein ſchon im — ieden 1805 mußte 
er feinen Kurſtaat an Öfterreich und Bayern abtreten 
und erhielt dafür Würzburg, auf das die Kurwürde 
übertragen und das infolge feines Beitrittö zum 
Rheinbunde zum Großherzogtum erhoben murbe. 
Der erite Pariſer Frieden — ibm 1814 das Groß: 
—— Toscana zurũck, dem der Kongreß zu 

ien noch den Stato degli Preſidii und bie Lan—⸗ 
bed: und Lehnshoheit über das Fürftentum Piom⸗ 
bino binzufügte. No einmal mußte F. feine Refi- 

verlafjen, ald Murat 1815 Jtalien unabhängig 
maden wollte und pegen Djterreih zu Felde zog 
bob ſchon 20. April 1815 konnte er nad Florenz 
urüdtehren. Er war in erfter Ehe v It mit 
uife, der Tochter des Königs beider Sicilien, Fer⸗ 
dinands I., die 1802 zu Wien ftarb. 1821 vermäblte 
er fi mit der Prinzeifin Marie, der Tochter des 
Prinzen Marimilian von Sadjen. F. —— 18. Juni 
1824; ihm folgte fein en. Sohn Leopold I. — 
lol. Erzherzog %. IL, Großherzog von Toscana, 
ald Kurfürft von Salzburg (Saljb. 1878). 
Ferdinand IV., Geoblruss von Toscana, 
eb. 10. Juni 1885, Sohn Leopolds II. und der 
rinzeffin Marie Antonie, Tochter Franz' J. Königs 
beider Sicilien, nahm nad der Erg 
feines Vaters 21. Juli 1859 den großberzogl. Zitel 
an und proteftierte 26. März 1860 gegen die Ein- 
verleibung Toscanas in Sardinien. F. vermäblte 
ch 24. Nov. 1856 mit Anna, Tochter des Königs 
obann von Sadjen, und nad deren 10. Febr. 1859 
erfolgtem Tode 11. Jan. 1868 mit Alice, Tochter 
des Herzogs Karl III. von Parma ; aus diefer zweiten 
Ehe entitammen 4 Söhne und 5 Töchter, derenältefte, 
Luise, fib 21.Nov. 1891 mit dem Prinzen Friedrich 
Auguft von Sachſen vermäblte, von dem fie 11. Febr. 
1903 gejchieden wurde. F. lebt teild = einer Billa 
bei Lindau am Bodenſee, teils in Salzburg. 

Ferdinand Wilhelm, Prinz von Württem: 
berg:Neuftadt, geb. 12. Sept. 1659, trat jung in 
dän. Kriegsdienſt, kämpfte 1681 —87 im faiterl. 
Dienfte genen bie Tarien und 
1690 in Irland die König Wilhelm IIL zu Hilfe 
geſendeten dän. Truppen, führte diefe 1692 nad 
Holland gegen die Franzofen und age jih an 
deren Spige in den Schlachten bei Steenterten 
(3. Aug. 1692) und bei Neerwinden (29. Juli 1698) 
aus, worauf er zum General der Infanterie und 


anzojen, befebligte 


Terdinand III. (Großherzog von Toscana) — Fere 


Oberſt der Leibbrigade ernannt wurde. 1694 ver 
teidigte er Nieuport gegen die Franzoſen, kämpfte 
1695 mit Auszeihnung vor Namur, deſſen Fall 
großenteild ihm zu verdanlen war, und wurde nad 
dem Ryswijler Friedensſchluſſe Gouverneur des bol: 
länd. Flanderns. F. W. trat 1698 in poln. Dienft, 
wo er unter Auguft II. ald Generalfeldmarſchall 
den Dberbefehl über das ſächſ.⸗ poln. Heer in der 
Ukraine übernahm und durch eine Reihe glüdlicher 
Dperationen den Türken einen Teil von Bodolien 
entriß. 1700 führte 3. W. in Holftein den Dberbefehl 
gegen die Schweden, kehrte dann nah Holland 
jurüd und ftarb dafelbft 7. Juni 1701 zu Sluys. 
Ferdbinanden, eine 1831 mitten im Sicili— 
Kost Meere durch unterfeeiihe Cruption aufge: 
hüttete, doch bald wieder verſchwundene Inſel, 
war etwa 60 km von Sciacca gelegen. Der deutiche 
Geolog Friedr. Hoffmann näberte ſich 24. Juli der 
Eruptionöftelle bis auf 1 km Entfernung und lieferte 
dann in der Schrift oe . Beobadtungen» 
(Berl. 1839) eine Bus: eibreibung der Vor⸗ 
änge. Durch eine Reihe aufeinander folgender 
usbrüche wurde an einer vorber 200 m tiefen 
Stelle eine Inſel von vulkaniſchem Schutt aufge 
worfen, die fich gegen 60 m über den Meeresfpiegel 
erbob, jedoch ſchon im Dezember infolge der Bran⸗ 
dung völlig wieder verſchwunden war. 
Berpinansstene dort bei Naubers (f. d.). 
erdinanddorben, - dar des beiligen 
Ferdinand und des Verdienſtes, ficil. Dr: 
den, von König Ferdinand IV. 1. April 1800 in 
drei Klaſſen (Großlreuze, Komture und Ritter) ge: 
ftiftet, 1861 aufgehoben. Das Ordenszeichen iſt 
ein aus abwechſelnd ug goldenen Strahlenbün: 
deln und ſechs filbernen Lilten gebilveter gefrönter 
Stern, auf dem ſich innerbalb eines kreisrunden 
blauen Randes, der in goldenen Buchſtaben die 
Worte: Fidei et merito («Der Treue und dem Ver: 
bienjt») trägt, auf goldenem Grunde das Bildnis 
des heil. Ferdinand befindet, der das Schwert in 
der Rechten, einen Lorbeerkranz in der Linten bält. 
Der Orden wird an rot eingefabtem blauem Bande 
von den Großkreuzen von der rechten Schulter zur 
finten Seite (nebit Brujtitern), von den Comman⸗ 
beuren um ben Hals und von den Rittern im Knopf: 
loche getragen. — 2) Militärorden bes heiligen 
Ferdinand, jpan. Orden, von den Eortes für aus: 
ezeichnete und heroiſche Thaten 31. Aug. 1811 ge 
—38 von Ferdinand VII. 19. Jan. 1815 erneuert, 
mit neuen Statuten verſehen 18. Mai 1862, Er hat 
fünf Klaſſen. Ordenszeichen ift ein goldenes, weiß 
emaillierted, achtipigiges Kreuz mit goldenen Rus 
eln; im Mitteljchild der heil. Ferdinand in blauem 
hei mit der Devife: Al merito militar («Dem 
Militärverbienft»), auf dem Revers die goldenen 
efrönten Welttugeln. Bei der zweiten und vierten 
afje, verlieben für heroiſche Thaten, liegt das 
Kreuz auf einem Lorbeerkranz und hängt an einem 
ſolchen. Das Ordensband ift rot mit gelben Streifen. 
(S. Tafel: Die wichtigsten Orden II, Fig. 19.) 
Fere, La (ipr. fähr). 1) Hanptort des Kantons 
5: im Arrondifjement Laon des — Depart. 
ine, Feftung weiter Klaſſe, am Zufammenfluß ver 
Serre und der Dife, an der Linie Tergnier-Laon der 
Franz. Norbbahn, Sig des Kommandos der 2. Feld⸗ 
artillesiebrigade, bat (1901) 3083, als Gemeinde 
4982 E., in Garnijon das 17. Feldartillerieregis 
ment, ein bedeutendes Arienal, eine Artillerieſchule 
(feit 1719), zwei Krantenbäufer; Pulver: und Ger 


Ferentarii — Ferghana 


treidemüblen, Seifenfabrifation, Drillich⸗ und Lein⸗ 
wandhandel. — F. wurde 1589 von Ligijten über: 
rumpelt und 1595 von Heinrich IV. durch Kapitula⸗ 
tion gewonnen. Am 1. März 1814 fiel eö ohne 
Widerftand der preuß. Brigade Thiimen des Bülow: 
jden Korps zu, leiftete aber 1815 tapfern Widerſtand. 
m 27. Nov. 1870 kapitulierte 3. nad) zweitägiger 
—— Nach dem Friedensſchluſſe iſt es durch 
mehrere Forts an der Somme verſtärkt worden. — 
2) La F. Champenoiſe (fpr. ſchangp'ndahſ'), 
befeſtigter Hauptort des gleichnamigen Kantons im 
Arrondiſſement Epernay des franz. Depart. Marne, 
am Pleurs, an den Linien Romilly: Epernay und 
Sezanne⸗ Vitry le Francois der Franz. Oſtbahn, bat 
(1901) 2211 €, und ift befannt durch das Gefecht 
25. März 1814, in weldhem die in drei Kolonnen auf 
Paris vorrüdenden verbündeten Heere die Korps 
der Marſchälle Marmont und Mortier zurüdiwarfen. 
Auf jeiten der Verbündeten (14000) fochten nur 
Kavallerie und Artillerie gegen überlegene Streit: 
träfte aller Waflen (29000 Dann). F. erbielt nad) 
1874 drei detachierte Forts, Vendeuil und Liez weit: 
lih, Mayot und 1 Batterie djtlich der Diie, 6 km 
vorgejchoben, in der Richtung auf Laon 2 Batterien, 
erentari (lat.), Wurfihüßen, unter den röm, 
Kaiſern eine Art leichter Truppen. Gewöhnlich 
wurden fie auf den Flügeln in Schlahtorbnung ger 
ftellt und mußten mit ihren Wurfgeſchoſſen das 
Gefecht eröffnen; bisweilen jtanden fie aber aud, 
wie die Rorarii, zwiihen den Reihen der Schwer: 
bewaffneten, um den Feind zu beunrubigen. 
Ferentino, Stadt im Kreis Froſinone der ital. 
Provinz Rom, im WSW. von Alatri,in 393m Höbe, 
an der Linie Rom-Neapel (Babnbof 3 km ent: 
fernt) des Mittelmeernebes, Siß eines Biſchofs, bat 
(1901) ald Gemeinde 12398 E. Gymnafium; Wein: 
und Dlivenbau. Dabei die Ruinen des alten Feren- 
tinum,einerStadt der Herniler. Diealte,ausgroßen 
Steinpolygonen erbaute Stadtmauer ift ziemlich gut 
erhalten, auch ein Thor ift noch vorhanden. 
erentinum, j. Ferentino und erento. 
Ferento, heutiger Name der Stelle des alten 
Ferentinum in Etrurien, belannt als Geburtsort 
des Kaiſers Otho. Die Stadt lag nordöſtlich vom 
beutigen Biterbo und wurde im 12. Jahrh. n. Ehr. 
jeritört; es find noch zahlreiche Trümmerrejte(Stabt- 
mauern, Theater, Bäder) vorhanden. 
us (von feretrum, d. i. Bahre), ein Bei- 
name Jupiters, unter dem ihm ein uralter, angeb: 
ih von Romulus geftifteter Tempel auf dem röm. 
Burgbügel geweiht war. In diefem wurden bie 
spolia opima, d. h. die von dem röm. Feldherrn 
dem Führer der Feinde im Kampfe abgenommene 
per aufgehängt. Während der Republik 
geihah dies zweimal, durch A. Cornelius ofus 
437 0. Ebr. und M. Claudius Marcellus 222 v. Chr. 
Fergband, Fergand, zum ———— 
ment Zurlejtan gehöriges Gebiet (oblastj) in 
Ruſſiſch⸗ Centralaſien (j. d. nebit Karte), grenzt 
in feinem nörbl. Teil an die rufj. Gebiete Samar: 
kand, Syr:darja und Semirjetihenst, im füdlichen 
an Buchara, Afghaniſtan und Dftturteitan und hat 
150062 qkm mit (1897) 1560411 E., d. i. 10,3 
auf 1 qkm. Der Hauptſache nad) beſteht es aus 
dem Thal des obern Syr-darja, das fih von 
Weiten ber, am Eingang nur 7, jpäter nicht über 
100 km breit, zwiſchen dem Wlaigebirge im ©. 
jowie dem Tſchotkal- und dem Yerghanagebirge 
im RN. in einer Länge von über 200 km nad 18, 


565 


hineinſchiebt und durch die Hochgebirge abgeſchnit⸗ 
ten wird, die F. oſtwärts vom Tarimbeden trennen. 
Es liegt durchſchnittlich in 300—500 m Höhe und 
iſt von großartigen Feljenmauern — deren 

ättel und Päſſe ſich gegen 3000 m über die Thal: 


ſohle erheben. Querdurch geben viele niedrige 
Höhenzüge und teilen das Thal in eine Menge 
Abteilungen. Südlich vom Alaigebirge, zwiſchen 


biefem und dem Trandalaigebirge, ziebt ſich das 
Thal des weſtſüdweſtlich zunm Amu=darja gebenvden 
Kifilsfu mit einem Gefälle von 700 m bei einer 
Länge von 138 km; e3 it ſehr wajjer: und gras⸗ 
reich, aber jpärlich bewöltert. Während des Som: 
mers wird ed von nomadijierenden Kirgijen bejucht 
(10000 Kibitlen). Südlich vom Transalai folgt der 
Pamir (f. d.), der, ſoweit er zu Rußland kam, x us 
eteilt wurde. Bon der geſamten Bodenfläche ir 
nd nur 12500 qkm im Thal des Syr:darja ange: 
baut, das übrige „ Steppe oder Bergland, meiſt öde 
und baumlos, jelbft nicht zur Viehzucht überall ver: 
wenbbar, Das Klima ſchwankt von tropifcher Hitze 
in den Thälern bis zu arktifcher Kälte auf den Höben. 
Gemeinjam allen Lagen find der Mangel an Nieder: 
ſchlägen und die Oſtwinde. Die mittlere Jahres: 
temperatur im Thale beträgt 16,5, im März durch⸗ 
fchnittlih 25, vom Mai bis September 43—45, im 
Winter zumeilen bis — 20°C. Mit Wald find nur 
4000 qkm auf den Vorböben der Gebirge bejekt. 
Den Hauptitamm der Bevölterung bilden Sar: 
ten, dann Tadſchik und Karalirgijen (letztere meiit 
in den Bergen), alles Belenner des Yslams; die 
ruſſ. Einwanderung konzentriert fih um Margelan. 
Das Kulturland beiteht aus Lößboden und ijt fehr 
chtbar, foweit es bewäfjert wird, was ſchon im 
ltertum durch Anlage befonderer Bewäſſerungs— 
tanäle (Arylen) geſchah. Angebaut werden Weizen, 
Reis, Gerjte, Kuluruz, Hirſe ee lacı 1895 
1,47 ini Bi, Ernte 25,77 Mill. Bud), Obft, Wein, 
Gemüfe (Melonen, Kürbifje, Zwiebeln, Span. Pfef⸗ 
fer; auf einem Gejamtareal von 810000 Deſſätinen). 
Mit Baummolle werden bebaut 109000 Dejjätinen 
und geerntet 5,5 Mill. Bud, darunter von amerik. 
Pflanzen 4,7 Mill. Bud. Berühmt war F. von alters 
ber durch jeine Seidenzudht ; die rufj. Regierung ſucht 
ie wieder zu heben durch Errichtung von Verſuchs⸗ 
tionen und Schulen. 1895 wurden 9910 Pud 
objeide erzeugt. An Mineralien find 4% Lager 
von Blei, Steintohlen, Graphit und Naphtha ge: 
funden worden, doch wird bisher nur das lektere 
ewonnen. Die ſchon im Mittelalter —— 
—** F.s ſteht noch in Blüte; es gab (1895) 
73 größere Betriebe mit 8,5 Mill. Rubel Produk⸗ 
tion; am wichtigften davon find die Baummollreinis 
ungsanftalten. Ausgeführt werden nad Rußland: 
aummwolle, Seide, Gewebe, elle, Teppiche, Wolle, 
Reis; nah Kaſchgar: Manufatturen, Eifen, Zuder, 
baummollene und jeidene Gewebe; nach Budara: 
feivene Gewebe, Mefier, Sättel. Die Einfuhr be 
ſteht aus ri rer KRolonial:, Salanteriewaren, 
Thee u.a. Die Geſamtſumme der Ausfuhr und Ein: 
fuhr (1895) betrug31,, Mill. Rubel. F. zerfällt in ſechs 
Kreiſe: Rolan, Andidihan, Margelan, Namangan, 
Dih und Bamir; die Hauptftadt it Neu: Margelan. 
Seit 1899 et: Eifenbahnverbindung von Samar: 
land aus über Tſchernajewo, Chodſchent; auf F. jelbit 
fommen 248 km Eifenbabn mit den Hauptitationen 
Kokan, Margelan, Andidſchan. Namangan, —*8* 
Gultſcha, Utſch-kurgan ſind durch fahrbare Straßen 
mit den Bahnſtationen verbunden. 


566 Fergus Falls 


F. ift der nördl. Teil des Landes, das im Alter: 
tume Soghd, bei den Griechen Sogdiana ge 
nannt wurde. Im 7. und 8. Jahrh. n. Chr. am es 
—— mit den Chineſen in Berührung; während 
des Ehalifats Welids L (705— 715) drangen die 
Araber in 5. ein und verbreiteten dort den Sları 
De zweiten Hälfte des 10. Jahrh. war 5. ein 

il des Samanibenreih3, ums J. 1002 gehörte 
die Landſchaft dem Ilel Chan. Bon 1055 bis ins 
12. Yabrb. war F. ber ditlihite Teil von Mawarãn⸗ 
nahr; Anfang des 13. kam ed an ven Chowaresm⸗ 

ab. Dann wurde es von den Eroberungszügen der 

ongolen unter Dſchingis-Chan und unter Zimur 
betroffen. In fpätern —— ſpielt das 
Land eine hervorragende Rolle, zuletzt unter dem 
Namen Ehanat Kolan (f. d.). Diefes hörte auf, als 
1876 die Rufjen die Stabt Kokan und damit den 
Hauptteil des Chanats eroberten und unter dem 
Namen F. mit dem Generalgouvernement Turleſtan 
vereinigten. 1891 bejegten die Ruſſen aud das 
füdlih von F. liegende Bamirgebiet (bis zum Hin- 
dukuſch), weil dieſes ein Beitandteil des frübern 
Ehanat3 Kolan geweſen jei. Es kam deswegen 
zu diplomat. YAuseinanderfegungen mit England, 
weldhe das Ergebnis hatten, daß 1895 Wlan 
in den Beſitz bes weſtl. Teild des Bamir 
gelangte. — Bol. A. von Middendorff, Einblide 
ın das Ferghanathal (in den «M&moires de l’Aca- 
demie imp£riale des sciences de St. P&tersbourg», 
1881, Bo. 29). 

Fergus Falld (jpr. forgeß fahls), Hauptftabt 
des County Otter⸗-Tail im nordamerik. Staate 
Minnefjota am Red-River, Knotenpunlt dreier 
Bahnen, von denen eine bier Werkitätten unterhält, 
pi (1900) 6072 E., zwei böbere Schulen; Mehl, 

ier: und Wollwarenfabrifation. , 
ergufon Ne foͤrgeß'n), Adam, engl. Hifto: 
rifer und Philoſoph, geb. 20. Juni 1723 zu Logie⸗ 
raith in der ſchott. ler} rtb, ſtudierte Theo: 
logie, wurde Profeſſor der ir dann der Moral: 
iloſophie in Evinburgb, 309 ich 1785 ins Privat: 
en zurüd und ftarb 22. Febr. 1816 zu St. Ans 
drews. F.s wichtigſte Schrift ift: «Institutes of 
moral philosophy» (Edinburgh; deutich von Garne, 

;. 1772). er ſchrieb er: «Essay on the history 

civil society» (Ebinb. 1767 u. d.; deutſch von 
Junger, Lpz. 1768), «History of the progress and 
termination of the Roman republic» (BBte. Lond. 
1783 u. ö.; deutſch von Bod, * 1784—86 u. b.). 
— Bol. Small, Memoirs of A. F. (1864). 
Sergufon (pr. förgeß'n), James, Mechaniker 
und Aitronom, geb. 25. April 1710 zu Keith in der 
ſchott. Srafihart Banff, hütete in feiner Jugend 
Schafe und fand erſt, ald er durch PBorträtieren 
einen Unterhalt erwerben konnte, Muße zu wiſſen⸗ 
haftlihen Studien. Er jtarb 16. Nov. 1776 zu 
Edinburgh. Sein Hauptwerk ift die «Astronomy 
explained upon Sir Isaac Newton’'s principles» 
(Zond. 1756 u. d.; neue Aufl., 2 Bde, 1841). 
Geine «Select mechanical exercises» (?ond. 1773) 
enthalten eine Selbftbiograpbie. 

Ferguffon (dee: — James, engl. Ar⸗ 
chilelt und Kunſiſchriftſteller, geb. 22. Jan. 1808 in 
Ayr in Schottland, ging 1829 nah Indien und 
wurde Teilhaber eines Handelshauſes, löjteaber nach 
einigen Jabren jeine — re zu demfelben, um 
fih dem Studium der Arditeltur zu widmen. Zu 
diefem Zmede bereifte er zunächit den Drient. Als 
erfte Frucht diefer Studienreifen erichienen nad 


— Ferguſſon 


feiner Rüdtehr nach England 1845 «Illustrations 
of the rock-cut temples of India». Sein «Essay 
on a new system of fortification» (1849) madıte 
ibn als fharfblidenden Ingenieur befannt. Bon 
fünftleriihem Geſchmack und Phantaſie zeugt das 
Wert: «The palaces of Nineveh and Persepolis 
restored» (1851). Darauf unternahm er den Bau 
des Niniveb:ECourt im Kryftallpalaft in Sydenbam, 
Ferner erſchien ein illuftrierted «Handbook of archi- 
tecture» (2 Bbde., 1855; 3. Aufl. 1875), jodann «The 
mausoleum at Halicarnassus restored» (Lond. 
1862), «History of architecture in all countries» 
3 Bde., ebd. 1865— 70; 2. Aufl. 1878— 76). Auf: 
eben erregte das glänzend ausgeftattete Wert «I'ree 
and serpent worship, or illustrations of mythology 
and art in India» (don, 1868; 2. Aufl. 1873), dem 
nod mehrere andere Werte folgten, darunter «Das 
Erechtheion und der Tempel der Athene Polias in 
Athen», bg. von Schliemann (Lpz. 1880). Er ftarb 
9. Yan. 1886 in London. , 
erguffon (ſpr. forgeß'n), Sir James, engl. 
Staatämann, geb. 1832 in Edinburgb, murde ın 
Rugby und Orford herangebildet, 1851 Offigier und 
Aue am Krimkrieg teil, nad deſſen Beendigung 
er jeinen Abſchied nahm, um fich dem polit. Yeben 
zu wibmen. wurbe ins Ber gewäblt, mo 
er jich den Konſervativen anſchloß, war 1866 — 67 
Unterftaatsjetretär für Indien, 1867—68 Unter: 
ftaatäjelretär im Minifterium des Innern. 1868— 
73 war er Gouverneur von Sübdauftralien, 1873 
—75 von Neujeeland, 1880—85 von Bombay, 
1885 lehrte er nad England jurüd, wurde von 
Manceiter ind Unterhaus gewählt und von Lord 
Salisbury im Aug. 1886 zum Unterftaatsjelretär 
im Auswärtigen Amt, im Sept. 1891 zum Generals 
pojtmeifter ernannt. Mit dem ganzen Minijterium 
trat er im Aug. 1892 zurüd; er vertritt jegt nod 
Mancheſter im Unterbhauje. 
a (pr. forgeß'n), Rob., ſchott. Dich⸗ 
ter, geb. 5. Sept. 1750 zu Edinburgh, bildete ſich 
auf der Univerjität zu St. Andrews. Ein aus: 
ſchweifendes Leben verhinderte feine Entwidlung; 
er ftarb 16. Dit. 1774 im Irrenhauſe. Seine engl. 
Gedichte * unbedeutend; dagegen weht durch alle 
ſeine in ſchott. Vollsmundart geſchriebenen Lieder 
ein innig⸗poet. Geiſt. F.s geſamte Dichtungen er 
chienen als «Poetical works» (Edinb. 1773; mit 
iograpbie von T. Rudiman, 1779; in 2 Bon, 
Perth 1785). Spätere Ausgaben der Werte be 
orgten: Dav. Sving (Glasg. 1800), U. Vetertin 
Lond. 1807), R. Chambers (1840) und 4. 3. 
rofart (1851). 5. gilt ald Vorläufer von Rob. 
Burns. — Vol. Fiedler, Geſchichte der vollätüms 
lihen ſchott. Rederdichtung (2 Bpe., Zerbft 1846); 
Grofart, Robert F. (Lond. 1898). E 
Ferguffon (ipr. förgeh'n), Sir William, engl. 
Ehirurg, geb. 20. März 1808 in Breitonpans in 
Schottland, ftudierte in Edinburgh Medizin und 
wurde dann 1826 Gehilfe am dirurg. Gollege zu 
Edinburgh. Nachdem er 1839 Chirurg an der Royal 
Infirmary dajelbit geworden, fam er 1840 als Bro: 
feflor an das King's College zu London und wurde 
1870 ——— des Royal College of Sur- 
eons erwählt, war auch Leibchirurg der Königin. 
ſtarb 10. Febr. 1877 zu London. Seine wichtig⸗ 
ſten Arbeiten betreffen die Aneurysmen, die Re 
fettionen und die Steinoperationen, auch bat er 
zablreihe chirurg. Inftrumente erfunden. Sein 
Hauptwerf ift dad «System of practical surgery » 


Ferguut — Ferienkolonien 


(5. Aufl, Lond. 1870); feine «Lectures on the pro- 


gress of anatomy and surgery during the present 
century» exſchienen 1867. — Sein Leben bejchrieb 
9. Smith (Zond. 1877). 


zer an, Pjeudonym, j. Droogenbroed. 
„ſ. en. 

Feriäna, Dorf im ſudl. Tunis, am Wadi Bu⸗ 
Haja, zählt 600 E. In der Nähe Medinet el⸗Kedima, 
die «alte Stadt», das find die ausgedehnten Ruinen 
der röm. Kolonie Thelepte oder die von Thala. 

erid:ebdin Uttär, —* Dichter, ttaͤr. 

erid Paſcha, turk. Staatsmann, ſ. Bd. 17. 

erien (Feriae), bei den alten Römern die Tage, 
an denen eine Geſchäfte vorgenommen, —— 
gottesdienſtliche Handlungen verrichtet, Opfer dar⸗ 
ebracht, auch wohl Feſtmahle gehalien wurden. 

ie zetflelen in ſoiche die nur Einzelne oder Fa: 

milien betrafen (feriae privätae), wie Geburtätage 
u. ſ. w., und in folde, die vom Staat angeordnet 
wurden (feriae publicae); die leßtern wiederum in 
—— bewegliche und außerordentliche, von Kon⸗ 
uln oder Senat beſonders feſtgeſetzte, wie die Bitt⸗ 
und Dantfejte. Später ging das Wort in den röm. 
Kirchentalender über, in welhem man ven Montag 
feria secunda, den u feria tertia u, f. w. 
nannte, teilö um die heidn. Namen zu verbrängen 
teild auch um die Ehriften daran zu erinnern, da 
ein jeder Tag zum Gottesdienst beftimmt fei. — 
Feriae stultörum, ſ. fornar; Feriae Latinae, ſ. 
Latinae Feriae; Feriae rogatiönum, j. Bettage; 
Feria bona quinta, j. Grundonnerstag. 

Bei Lehranftalten bezeichnet man, wie aud 
ſchon im Altertum, mit 5. oder Balanzen den 
Zeitraum, wo feine Unterrihtöftunden (Borlefun: 
gen u. ſ. m.) ftattfinden (j. Schulferien), bei Ge: 
rihtsbehörden den Zeitraum, während deſſen, 
abgejehen von beftimmten Ausnahmen (f. Ferien: 
\ en und Gerichtäferien), weder Termine abge: 

alten, noch Entiheidungen erlaſſen werben. 
erienaustaufch, j. Bo. 17. 
erienfammern, bei den Landgerichten Kam: 
mern zur Erledigung der Ferienſachen (f. d.). 

Ferienfolonien, zmedmäßiger aub Anſtal⸗ 
ten zur Sommerpflege genannt, Einrichtungen, 
die dazu bejtimmt jind, die Gejundheit kränllicher 
und ſchwächlicher Stabtlinder durch — Land⸗ 
und Seeaufenthalt während der Sommermonate, 
und zwar in der Hauptſache während der Ferienzeit, 
zu kräftigen. Die F., welche re nur für 
arme Kinder als mohlthätiges Geſchenk beftimmt 
waren, werden jeit 1896 auch für Kinder bemittelter 
Eltern eingerichtet, und zwar einerfeit3 von gemein: 
nügigen Bereinen gegen Rüderftattung der Selbfts 
often, andererjeitö von Lehrern als Srivaınter 
nehmung. Auch mebrt ſich die Zahl der Arbeitgeber, 
welche auf eigene Rechnung Kinder ihrer Angeftell: 
ten und Arbeiter in geeignete Sommerpflegen und 
Milchſtationen jhiden. Als Begründer der 5. erſt⸗ 
gedachter Art wird der Pfarrer Bion in Zürich an: 
geieben, der, nad) einer 1871 erfolgten Anregung, 
1876 zum erſtenmal 68 arme jhwächliche Kinder aus 

ürich in die Appenzeller Ken entjandte. Indeſſen 
eierte ſchon 1899 der erfte Wiener erientolonie: 
verein jein 25jähriges iläun, und der wohl: 
thätige Schulverein zu Hamburg jandte auch ſchon 
1876, alfo im gleichen Jahre wie Pfarrer Bion, 
T arme finder zur Erholung aufs Land, während 
1878 Sanitätsrat Barrentrapp in Frankfurt a. M. 
bie Entjenbung von 97 Schullinvern ing Wert jegen 


567 


tonnte. Dem Borgange von Hamburg und Franl: 
furt find nach und u eine große Anzahl deuticher 
Städte gefolgt. Im Auslande haben dieſe Beitre: 
bungen außer in der Schweiz und in Oſterreich— 
Ungarn nod in Frankreich, Italien, Belgien, Eng: 
land, in den Niederlanden, in Dänemart, Rußland, 
Spanien, Japan, Nordamerika u. ſ. w. feiten Fuß 
gejaßt. 1881 hielten die deutichen Komitees für F. 
die —* 1885 (in Bremen) eine zweite und 1887 (in 
Frankfurt a. M.) eine dritte Konferenz ab. Während 
die Bremer Konferenz zur Errichtung einer « Central⸗ 
jtelle ver Vereinigungen für Sommerpflege» führte, 
welche Erhebungen anitellt und Jahresberichte ver: 
öffentlicht, wurden auf der! Frankfurter Konferenz 
wichtige gemeinfame Grundhäße für die Förderung 
ber F. vereinbart. BE 

Ein internationaler Kongreß für F. fand unter 
Leitung des Pfarrerd Bion 1888 in Zürich ftatt. 

Man unterſcheidet drei Hauptformen der Som: 
merpflege: 1) diejenige in den Kinderbeiljtätten 
(1. d.) der deutſchen Sol: und Seebäbder; 2) die Som: 
merpflege in ven eigentlihen * und 8) diejenige 
in jog. Mildftationen, Halb: over Stadt: 
tolonien, auch Milchpflege genannt. 

Bei den F. beſteht ein erheblicher Unterfchied zwi: 
ſchen der Bilege in geſchloſſenen Kolonien und der 
Familienpflege. Bei der erjtern werden Gruppen 
von 20 bis 30 Kindern unter der Leitung eines 
Lehrers oder einer Lehrerin in einem geeigneten 
Lotale, womöglich in eigenen Vereinspflegebäufern 
untergebracht, gemeinſchaftlich beföftigt und beſchäf— 
tigt. Außerhalb der Ferienzeit werden dieſe Heime 
haufig für fränlliche Kinder und Rekonvalescenten 

enutzt. Die Familienpflege beſteht darin, daß die 
Kinder einzeln oder zu zweien in Familien auf dem 
Lande untergebracht und bier unter der Kontrolle 
der Bereindorgane verpflegt werden. Wenngleich die 
Familienpflege manche Vorzüge gegenüber der ge 
ſchloſſenen Pflege bietet, jo treten doch diejer Ber: 
pflegungsmetbode durch jtetige Abnahme des An: 
ebot3 geeigneter Familien und durch die Umſtänd⸗ 
ichleit der Kontrolle große Schwierigleiten entgegen. 
Bei beiden Arten der Pflege ſpielt neben der reich: 
lien und zwedmäßigen Belöjtigung die ausgiebige 
Bewegung im Freien die Hauptrolle zur Erreihung 
des angeitrebten Zwecks. Bei den Stadt: oder Halb: 
folonien übernadten die Kinder bei ihren Eltern 
und werden nur tagsüber in Sommerpflege ge 
nommen. Die betreffenden Rinder verfammeln Ih 
täglich in einer Milchwirtſchaft oder an einem an 
dern Orte, wo fie Milh und Frübftüd heec 
und unternehmen dann unter Leitung eines Lehrers 
oder einer Lehrerin gemeinſame —S e und 
Spiele. Die bisherigen geſundheitlichen Erfolge der 

. find recht zufriedenſtellend, wie insbeſondere 

r. med. Schmid⸗Monnard in Halle an der Hand 
von über 2000 Unterfuhungen erwiejen bat; auch 
in erzieberifcher Hinficht ift bei richtiger Zeitung der 
Erfolg der F. ein befrievigender. Um den Übergang 
in die ärmern Verbältnifje am Ende der Sommer: 
pflege weniger ſchroff zu geitalten und zu verbüten, 
daß der erreichte Erfolg wieder verloren gebe, hat 
man jtellenweife der Sommerpflege eine Art von 
Winterpflege, beitebend in täglicher Verabrei- 
dung von | His und Weißbrot oder zeitweiler 
Speijung in der Vollsküche, ae lajien. 
Diefe Winterpfleglinge werden durch Beſuche im 
elterliben Haufe kontrolliert, Im Winter 1898/99 
eritredte fih bei 21 Vereinen die Winterpflege auf 


668 


6114 Kinder beieinem Koftenaufmande von 22049M. 
Kontrollbeſuche wurden etwa 2000 auägefübrt. 
Eine — — mit der Ausſendung einer aus 
25 Pfieglingen beftehenden «Kleinkinderfolo: 
nie» wurde 1898 vom Dresdener ——— en 
Verein eingeführt. Die Kinder befanden ſich im Alter 
von 6—9 N und bedurften daher wegen der ver: 
mebrten Hilfe und Auffiht zweier Fübrerinnen. 
Die Zahl der Vereine, Komitees u. f. w., die fi 
der Sache der F. in Deutichland widmen, beträgt 
(1899) etwa 200. Won biejen hatten 171 aus 111 
Drten der Centralftelle Angaben über die für 
5. aufgewendeten Mittel gemacht; dieſe betrugen 
932833 M. 1898 belief fih die Gejamtausgabe 
I 5. auf 1086236 M. Von diefem Betrage ent: 
elen auf Mitgliederbeiträge 237 086 M., außer: 
ordentlihe Schenkungen 176769, Haußtolletten 
144 383, Veranftaltungen 48651, Legatenzinjen 
33045, Staatsmittel 15411, Gemeindemittel88486, 
Kapitalzinjen 58176 M. u. ſ. w. Es wurden im gan: 
zen einfchließlich der von den Kinderbeilitätten auf 
eigene Rechnung verpflegten Kinder verjorgt: 1885: 
13907, 1890: 25827, 1896: 31159, 1898: 30414, 
1899: 32124 Rinder; im ganzen Zeitraum 1885 bis 
1899 zufammen 382805. In geihlofjenen F. waren 
1885: 4400, 1890: 7271, 1896: 9923, 1898: 12841, 
1899: 13951 (davon 5761 in Vereinspflegebäujern) 
untergebradt. In Familien wurden 1885: 1833, 
1890: 2893, 1896: 3025, 1898: 2564, 1899: 2652 
verpflegt; in Stadtlolonien 1885: 2500, 1890: 7603, 
1896: 7054, 1898: 9765, 1899: 9853 Kinder; in 
Eolbädern 1885: 4574, 1890: 6241, 1896: 8436, 
1898: 3466, 1899: 3692; in Seebädern 1885: 600, 
1890: 1819, 1896: 2721, 1898: 1778, 1899: 1976 
Kinder. Es verdient Erwähnung, daß einzelne 
Etädte in ihren Haushaltplan Summen einitellen, 
—— alſo dieſe Einrichtung zu einer öffentlichen 
ngelegenbeit ſtempeln. — Vgl. Beröffentlihungen 
der «Gentralitelle der Vereinigungen für Sommer: 
pflege» (Berl. 1885 In: Büfing, Die eriten 20 
Jahre des Sommerpflegemejens in Deutichland 
in der «Hygieiniſchen Rundſchau», ebd. 1897); 
rtitel Ferientolonien im «Handwörterbuch der 
Staatöwifjenihaften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); 
Neumann, Offentlicher Kinderſchuß (in Bd. 7 des 
Weylſchen «Handbuch der Hygieine», ebd. 1895); 
Verbanlungen des internationalen Kongrefies für 
(Hamb. und Lpz. a: Schriften der «Gentral: 
telle für Arbeiterwohlfabrtseinrihtungen», Nr. 4 
(Berl. 1894); Bion, Die F. und verwandte Beitre: 
bungen auf dem Gebiete der Kindergeſundheitspflege 
(Zür.1902); ya er Ferienlolonien (Frankf.a. 
1902). Wochenſchrift Voliswobi⸗ (Dresd. 1876fg.). 
rienkurſe, ſ. Fortbildungskurſe. 
ienfachen, folde Bengebfaden, in mei 
erienfachen, ſolche Prozeßſachen, in en 
aud während der —532 — (1. d.) Termine ab: 
Een und Entſcheidungen erlafien werden. Ge: 
wiſſe Saden find vom Gejek als F. bezeichnet; es 
können aber auch andere Sachen, joweit fie bejon- 
derer Beichleunigung bedürfen, auf Antrag vom 
Gericht und, vorbebaltlid ber Entſcheidung des 
Gerichts, vom m... als %. bezeichnet werben. 
Nah $. 202 des Deutichen ichtsverfaſſungs⸗ 
eiches vom 27. F 1877 find F. 1) alle Straf: 
achen; 2) Arreſtſachen und die eine ——— 
gung betreffenden Sachen; 3) Meß: und rt: 
acyen; 4) Streitigleiten zwijchen dem Vermieter und 
dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder 


Ferienkurſe — Fermanagh 


andern Näumen, oder zwiſchen dem Mieter und dem 
Untermieter ſolcher Räume wegen Überlafiung, Be: 
nubung oder Räumung fowie wegen Zurüdbaltung 
der von dem Mieter oder dem Untermieter in bie 
Mietsräume eingebrachten Sachen ; 5) Streitigteiten 
wiſchen Dienjtberrfhaft und Gefinde, zwiſchen 
rbeitgebern und Arbeitern hinſichtlich des Dienft: 
oder Arbeitöverhältnifies, ſowie die im $. 3, Abi. 1, 
Nr. 1,2 des Geſetzes, betr. die Gewerbegerichte, vom 
29. Juli 1890 bezeichneten Streitigfeiten; 6) Wechſel⸗ 
fadyen; 7) —— ‚ wenn über Fortſeßzung eines 
angefangenen Baues geftritten wird. 
Serienfenate, die bei den deutichen Oberlandes: 
erihten und dem Neichögericht zur Erledigung der 
Elke (f. d.) gebildeten Senate. 

Ferif (arab., «Abteilung»), in der türl, Armee 
fopiel wie Divifion; daber Ferik Bafcha (f. Paſcha) 
gleichbedeutend mit Divifionsgeneral, 

Bee Vorort von Konjtantinopel (f. d.). 

erkel, Bezeihnung desjungenSchweinsbiszum 
Altervon einem Vierteljahre. — Ferteln, F. werfen. 

Ferkelratten (Capromys), Gattung der Trug: 
ratten (ſ. d.) mit ziemlich gleichgroßen Badzäbnen, 
von denen die obern zwei äußere und eine innere 
Schmelzfalte haben, während bei den untern das 
easy rm Verbältnis jtattfindet; an den Füßen 
finden ſich fünf Zehen; das Fell ift weich, die Obren 
und der Schwanz find nadt. Es giebt nur zwei 
Arten auf Cuba von faft gleicher Körperlänge (50 
—60 cm), bei der einen aber iſt der Schwanz nur 
20 (Capromys pilorides Desm.), bei ver andern 
bingegen 46 —56 cm lang (Capromys prehensilis 
Desm.). Die Tiere Hettern viel auf Bäumen. 

Ferlach, Dberferlab, Dorf in ber djterr, 
Bezirtsbauptmannicaft —— in Kärnten, an 
dem zur Drau gehenden Ferlachbache, an der Nord⸗ 
ſeite der Karawanken, in ſchöner Gebirgsgegend, 
Sitz eines Bezirkögerichts (308,79 qkm, 10867 meiſt 
ſlowen. hr? bat (1900) ald Gemeinde 2543 €., ftaat: 
liche Fachſchule für Gewehrfabrilation (jeit 1878), 
Probieranftalt für Gewehre; in der Nähe Eiſen⸗ 
werte mit Nägelfabrilation. Das ſudlich anſtoßende 
Dorf Unterferlad bat (1900) als Gemeinde 1101 
— E. Beide Dörfer nebſt Umgebung haben jeit 
Jahrhunderten berühmte Hausinduftrie (Gewehr: 
abrilation). Sie begann 1558 dur niederlänv. 

ertmeifter, die Kaiſer Ferdinand L. ins Land rief, 
und nahm einen bedeutenden Aufſchwung. Bon 1800 
bis 1815 war der größte Teil der öfterr. Armee mit 
Ferlacher Gewehren verjorgt; gegenwärtig werben 
nur noch Jagdgewehre daſelbſt pergefeilt. 

— Ortſchaft in Salzburg, f. Fuſcherthal. 


erm (fr3.), feſt, ſicher. 
F (fr3., ſpr. -mabich), ſ. Bodenrente. 
F (frz., Ipr. -mäj), Schnalle, Spange; 


fermailliert, mit Spangen verjeben. 

Ferma in posta (ital.), poitlagernd. 

Fermän (perf., «VBefebl»), in der Türkei fpeciell 
jeder im Namen des Sultans vom Großweftr in 
vorgeichriebener Form men Befehl. 

— pr.formanne), Grafſchaft der Pro⸗ 
vinz Ulſter im Norden Irlands (f. Karte: Irland), 
grenzt im N. an Donegal und Tyrone, im OD. an Mo: 
nagban, im ©. an Gavan und Zeitrim, im W. an 
die Donegalbai, hat 1850,84 qkm und (1901) 65243 
E,,d. i. 35 auf 1 qkm (gegen 156500 im 9. 1841 und 
74170 im $. 1891). Etwa 56 Proz. find latholiſch. 
F. lit teild eben, teild mit Bergen, Sngeln und Wal: 
dungen bededt. Im ©. erbeben fi die Berge im 


Fermat — Fermente 


Euilcagb bis 667 m. Die Mitte nimmt der Erne 
(f. d.) mit feinen Seen ein. Der Boden ift ziemlich 
chtbar und im nörbl. Teile befier, in ven Heinen 
tungen des Südens aber mangelbaft bebaut. 
fer, te, Weizen, Flachs und Kartoffeln find 
die Hauptgegenftände des Aderbaues. Kohle, Eifen 
und Marmor find in Heinern Mengen vorhanden. 
>= den Berggegenden wirb viel Vieh gezogen, auch 
r die Ausfuhr. Fleiſch, Milh, Butter und Käje 
—— dem Bedarf; allgemein verbreitet iſt die 
einenweberei. Wohlſtand findet ſich faſt nur bei der 
zen. Bevölkerung, während die fatholiiche in tiefiter 
mut lebt. Rechts vom Erne zieht eine Eifenbahn, 
die eine zweite Linie bei Enniskillen kreuzt. F. ſendet 
u“ Mitglieder in das Parlament; Hauptitadt ift 

nistillen (f. d.). 

Fermat ( x -mab), Pierre de, franz. Mathema⸗ 
titer, geb. im Aug. 1601 zu Beaumont:de:fomagne 
bei Montauban, geriet ſchon in feiner Jugend mit 
feinem Freunde Pascal auf eine finnreihe Betrach⸗ 
tung der Fiaurierten Zahlen (f. d.), auf die er fpäter 
feine Wahrſcheinlichleitsrechnung baute, als deren 
Schöpfer er betrachtet werben kann. Die Barabel 
quabdrierte er auf eine viel einfachere Weiſe als 
Arhimeded. Sein Berfahren, die größten und 
Heinften Orbinaten der frummen Linien (Marima 
und Minima) zu finden, entiprad völlig der Me 
tbode der damals noch unbelannten Differential 
rebnung. Mit Descartes kam er in heftige Strei- 
tigleiten, als er ee Geometrie und Optik und 
dieſer dagegen 5.3 Theorie de maximis und mini- 
mis nicht gelten lafien wollte. Nach neuern For 
ſchungen bat man jeine wichtigften Entvedungen in 
die J. 1686—41 zu jeßen. Er ftarb 12. Jan. 1665 
als Rat des Parlament von Touloufe. Eine 
Sammlung feiner Werte erſchien nad feinem Tode 
(2 Bde., Touloufe 1679); eine neue Ausgabe der: 
jelben beforgen auf Beranftaltung des Unterricht3: 
minifteriums Tannery und Charles Henry (Paris, 
feit 1891). — ®gl. Genty, L’influence de F. sur 
son siecle (Orleans 1784). 

Fermäte (ital. fermata, «GStillftand»), Te: 
nute, Rubepunft ober Ruhezeichen, in ber 
Mufit ein Beihen (=), durd welches angebeutet 
wird, daß die betreffende Note oder Pauſe länger 
auszuhalten iſt, als ed nad) deren wirklihem Werte 
ber Fall fein würde. Über ver Schlußnote ftehend, 
giebt die F. dad Ende des Mufitftüds an. Oft 
wird fie aud) kurz vor den Schluſſen von konzertie⸗ 
renden Sägen oder Abichnitten angebracht, womit 
der Komponift gewöhnlich den Sängern oder Spie: 
lern einen Wink giebt, frei empfundene oder von 
ihm vorgezeichnete Berzierungen und Phantafien 
(Radenzen) forgfältig auszuführen. 

Ferme (fr;., jpr. färm; vom lat. firmus), Bad: 
Ber Pachtvertrag, Pachtgut, Meierei; Fermes du 
roi for. färm dü rdäh, in Frankreich ehedem königl. 
Finanzpachten; Fermes, die VBerwaltungsbehörbe 
derjelben, das tönigl. a 

F . Azymit 


ilen. 

Fermentation (fat), foviel wie Gärung (f. d.); 
ſ. auch Papier (Fabritation). 

Fermente (lat.), organische Subftanzen, die an: 
dere organische Verbindungen chemiſch zu verän: 
dern, namentlid) zu jpalten vermögen, ohne babei 
jelbft wejentlihde Ummandlungen zu erleiden. Es 

enügt daher meijt eine verhältnismäßig geringe 
enge des Ferments zur Zerſetzung ſehr großer 
Mengen der andern Subftanz. Obgleich man einige 


569 


chem. Prozeſſe genau kennt, die in dieſen Ber 
enges den Fermentwirlkungen ganz ähnlich vers 
aufen, wie 3. B. die Umjegung großer Mengen 
von Altobol durch Scwefeljäure in Wafler und 
Uther, find die Vorgänge doch im allgemei— 
nen noch recht dunkel, und zahlreiche aufgeſtellte 
Hypotheſen haben die Frage daum gefördert, fon: 
bern ek wie die Annahme einer Katalpti: 
63 Kraft (f. d.) und Kontaltwirkung der F., um: 
&rieben. Die durd die F. bewirkten Zerjegungen 
werden Bärungserfheinungen, die burd fie 
eu. organiſchen Stoffe gärungsfäbige 

Örper genannt. Die $ find entweder lebende 
Weſen (organisierte %.) oder von Pflanien und 
Tieren produzierte, in Waller lösliche dem. Verbin: 
dungen von nicht genau befannter Ronititution, die 
löslichen %. oder Enzyme oder Zymofen. 

Die organifierten 5 find ausnahmslos ein: 
zellige Organismen: Spaltpilze (Schizomyceten, Bat: 
terien) oder Sproßpilge (Sacharompceten, Hefen). 
Wenn fie zu den gärungsfähigen Stoffen gelangen 
und biefe — Quantitäten von Waſſer und 
andern namentlih unorganifhen Nährſubſtanzen 
(falpeterjaure und —— Salze) enthalten, 
je bewirlen fie die Gärungsvorgänge, indem fie ſich 
ebhaft vermehren. Diefe Übertragung der organi: 
ierten 5. lann durch direfte Zuführung einer einen 

enge von fchon in dem betreffenden Gärungd: 
vorgange befindliher Subjtanz ( fung) oder 
aud dur die Luft geiheben, melde die F felbft 
oder ibre Heime als jtaubförmige Beitandteile ent: 
hält. Subjtanzen, bie, ſich jelbftüberlafjen, in Gärung 
übergeben, verlieren dieſe Fähigleiten durch Tötung 
der in ihnen angefiebelten organijierten F., 3. 2. 
durd längeres Erbigen auf höhere Temperaturen, 
60—100°, fie werben dadurch fterilifiert. Läßt 
man dann die Luft ungehindert hinzutreten, fo ber 
ginnen aldbald die Bärungsvorgänge wieder, un: 
terbleiben aber, wenn die Sterilifierung in luftdicht 
oder nur durch Baummollpfropfen verſchloſſenen 
Gefäßen vorgenommen wird. Durch die lektern 
kann die Luft zwar an fi ungehindert zu dem gä⸗ 
rungsfähigen Körper binzutreten, läßt aber in dem 
— ———— alle Staubteilchen und da— 
mit auch die F. zurüd, die nun nicht mehr zur gä: 
rungsfähigen Subftanz gelangen. Die Art der Ber: 
fegung der legtern hängt von der fpecifiichen Natur 
der F. ab. So jpaltet 3. B. der ſich durch Sprof: 
fung vermehrende Hefepil; (Saccharomyces cere- 
visiae Meyen und Saccharomyces vini Meyen) ge: 
löften Traubenzuder in Atbylaltohol und Koblen: 
fäure; ein in —55 Eiweißſtoffen vorlommender 
Spaltpilz denſelben Zucker in Milchſäure, ein anderer 
wandelt ihn in Schleim um; das Butterfäurefermen: 
fpaltet die Milhjäure in Butterfäure, Roblenfäure 
und Waflerftoff. Die Fäulnisfermente, gewifje Bat: 
terien, zerfeßen namentlich die Eiweißjtoffe in zahl: 
reiche Produlte (f. Fäulnis und Verwejung). Wäh— 
rend alle diefe F. anfcheinend nur Spaltungen, 
zuweilen unter Mitwirtung des Waflers, hervor: 
rufen, bemwirten andere die Übertragung des Luft: 
fauerftoff3 auf den gärungsfäbigen Körper und 
wirken baber ſtark orydierend. Hierber gehören das 
Ejjigferment, Bacterium aceti Zopf, das Wein: 

eiſt zu Ejfigfäure und Waſſer orydiert. Auch die 
ger epidemiſcher, anjtedender, jeptiicher Krank⸗ 
zum gebören zweifellos zu den —— F. 
on ihnen hat man neuerdings den Tuberkelbacillus, 
den ECholerabacillus u. a. genau kennen gelernt. 


570 


Die nibtorganifierten (ungeformten), [d8: 
liben F. find entweder in gewiſſen Pflanzenteilen 
enthalten, wie das Emulfin (f. d.) in dem Samen 
ber Amygdaleen, over fie bilden jich während gewiſſer 
Vegetationsftadien, wie die Diaftafe (f. d.) bei ver 
— Getreideſamen. Andere werden durch 
drüfige Organe des Pflanzen: und Tierlörperd ab: 
geihieden. Nah ihrer Wirkungsart unterjcheidet 
man verſchiedene Hauptgruppen, wie 3. B. diaſta— 
he F., die Stärke in Dertrin und Zuder (Mal: 
toje) verwandeln, wie bie Diaftafe jelbit und das 
Ptyalin des Speichels; invertierende F., die 
Rohrzuder unter Waſſeraufnahme in Traubenzuder 
und ruchtzuder zerfeßen (Invertin im Hefenzellen: 
fafte); alytofidfpaltende F., wie 3. B. das 
Gmuljin; peptonifierende $., die Eiweißftoffe in 
Peptone ummwanveln: das Pepfin des Magenfaftes, 
Irypfin des Bauchſpeichels; fettipaltende F., 
die Fette unter Mitwirkung des Waſſers in Glycerin 
und Fettſäure zerjeßen, wie 3. B. ein Ferment der 
Bantfreasflüffigfeit u. a. m. , 

Die Wirkung der F. hängt meift von befondern 

Umftänvden ab. Zu dieſen gehören außer der An: 
weſenheit von Waſſer (genügende Verdünnung) und 
Nährftofien namentlich beftimmte Temperaturen. 
Sind diefelben zu niedrig, gegen 0°, fo tritt ein 
Ruhezuſtand ein. Die Bierbee ift noch bei 4° wirl: 
jam, dad Mildjäureferment wirkt erſt oberhalb 20°, 
Die günitigfte Temperatur liegt meift bei Blut: 
wärme; Temperaturen von 60° und mebr töten fat 
alle F., nur für die Diaftafe ift diefer Wärmegrad 
der günftiofte; fie verliert ihre Wirkſamkeit auf die 
Dauer erſt bei noch ftärlerm Erhitzen. 
Viele Stofie beeintrachtigen oder verhindern 
die ——— anz. Alle F. werden durch Chlor, 
Brom, Jod, Ömeletfäure, arjenige Säure, Qued⸗ 
jilberdlorid zeritört, die organifierten durch Carbol⸗ 
und Salicyljäure getötet, während die Wirkung der 
nicht organijierten meift durch letztere Stoffe nicht 
beeinträchtigt wird. Die organifierten F. ertragen 
jerner von den durch fie gebildeten Gärungspro: 
duften nur eine beftimmte beſchränkte Menge; wird 
dieſelbe überjchritten, jo hört zuerft die Wirkung auf 
und das Ferment jtirbt dann ab. So kann ;. Bi die 
Hefe nur fortvegetieren, jolange der erg 
nicht über 15—16 Proz. in der gärenden Flüſſig— 
teit beträgt. Sie jtirbt — chon in ſchwach alka⸗ 
liſchen Zöjungen, während die ejungsbalterien 
nur in alkaliſcher Flüſſigkeit vegetieren und auf die 
Dauer wirken tönnen, wogegen wieder das nicht: 
organifierte Pepjin allein bei Gegenwart freier 
Säuren Eiweiß in Peptone verwandelt. 

In neuerer Zeit hat das Studium, ja fogar die 
techniſche Anwendukg der F. durch die Heritellung von 
Reinkulturen (j. Balteriologie, Unterfuhungs: 
methoden) einen bedeutenden Aufſchwung genom— 
men. So werben 5. B. in der Bierbrauerei neuer: 
dings mit großem Erfolge Reinkulturen der Bier: 
beje ald Gärungserzeuger der fterilifierten Maiſche 
zugeſetzt und damit das früher jo häufige Verderben 
eined Subes dur fremde, dem Biere feindliche 
Gärungserreger vermieden. 

Val. Green, Soluble ferments and fermentation 
(2ond. 1899; deutib von Windifh u. d. T. «Die 
Enzyme», Berl. 1901); Oppenbeimer, Die 5. und 
ihre Wirkungen (ent. 1900). 

Fermentintoxikation, eine Vergiftung der 
Körperjäfte (Blut, Lymphe) durch Aufnahme von 
Fermenten (}. d.), welche gewöhnlich unter hohem 


Fermentintoxikation — Fermor 


— verläuft und häufig tödlich endigt. Solche 
. entfteben teils durch die eiftigen Stoffwechſel⸗ 
produfte der Balterien (f. d.), teils ohne Mitwir: 
fung von niedern Organismen durch rein chem. 
Stoffe, 3. B. Bepfin, Bantreatin, Hiftocym, Fibrin 
ferment u. a. 

Fermentöle (Fermentolca), dlähnliche Flüſſig⸗ 
feiten, die fih durb Gärung in manden Pflanzen 
bilden und durch Deftillation gewonnen werben. 
Solche Öle find erhalten worden aus dem blühenden 
Kraut von Anthriscus sylvestris Hoffm., aus den 
Wurzeln von Chelidonium majus L., aus Scier: 
lingäfraut (Conium maculatum L.), aus dem Kraut 
von Erythraea centaurium L., aus dem Heidelraut 
—— vulgaris Salisb.), aus Meiden:, Eichen;, 

einblättern u. a. Sie find bislang fo gut wie 
gar nit unterfuht. Das Bittermandelöl ſowie 
das Senföl aebören ebenfalls bierber, da fie nicht 
in den betreffenden Pflanzen fertig gebildet find, 
fondern ihre Entſtehung einer Fermentwirkung ver: 
danken; doch rechnet man dieje nicht B den F. fon: 
bern zu den eigentlichen ätberifchen Ölen. 

Fermerdleben, Dorf im Kreis MWanzleben des 
preuß. Reg.:Ber. Magdeburg, bat (1900) 4245, 
(1905) 5180 meijt evang. €., 3 Güter und 1 Ziegelei. 

Fermier (fr;., jpr. -mieb), Pächter; F.göneral, 
in Frankreich ehedem der Generalpächter der Steuern. 

ermo, Hauptitabt des Kreiſes F. (123 806 €.) 
der ital. Provinz Ascoli Piceno, unweit der Haupt: 
itraße von Ancona nah Neapel, in 310 m Höbe, 
an einer teilen Feljenböhe, mit herrlicher Ausficht 
auf das Gebirge und das Adriatiſche Meer, Sis 
eines Erzbifchofs jeit 1589 (die Kirchenprovinz F. 
umfaßt die Erzdiöceje 5. und die Diöcefen Mace: 
rata und Tolentino, Montalto, Ripatranjone, San 
Sewverino), bat (1901) ald Gemeinde 20703 E., 
eine Kathedrale (auf dem Unterbau eines berühmten 
Junotempels), Refte alter Mauern, ein zum Teil aus 
dem 14. Yabrb. ftammendes Stabthaus mit Alter: 
tümern auf dem hochgelegenen Hauptplage, eine 
bifhöfl. und acht Viarrlirhen, viele Klöfter, ein Ly⸗ 
ceum, Kommunalaumnafium, Theater unb eine 
öffentliche Bibliothel; wichtigen Getreide: und Woll⸗ 
Tree Als Ausfuhrbafen dient Borto San 
iorgio ſdas alte Castellum Firmanum), 7 km 
entfernt, am Abdriatifchen Meere und an der Linie 
Ancona Foggia,mit(1901)4544 E.,einem ftattlichen 
Kaftell und Hauptzollamt. der Näbe die Ruinen 
des alten Firmum Picenum, jeit 264 v. Chr. röm. Ro: 
lonie, die von Auguftus erneuert wurde. — Während 
ber Langobarden: und Frankenzeit war %. Hauptort 
eines Herzogtums (Ducatus Firmanus), dann einer 
Mark (Marchia Firmana, Marca Guarnerii); nad: 
dem es von Francesco Sforza zum Kirchenftaat 
—— bildete es den Hauptort der gleich⸗ 
namigen Delegation und Sitz einer Univerfität. — 
Bol. B. Cari, Guida storica ed artistica della cittä 
di F. (Fermo 1864); 5 Colvanni, Notizie storiche 
e statistiche di F. (ebd. 1861—66). 
Fermor, Wilhelm, Graf von, rufl. General, 
eb. 28. Sept. 1704 zu Pilom, trat 1720 in die 
rmee ein, zeichnete ſich als Major bei der Be 
lagerung von Danzig und 1736 gegen die Türten 
aus, warb 1746 Generalleutnant und erbielt 1751 
das Generallommando für Petersburg, Finland und 
das Gouvernement Nowgotod. Nach der Schlaht 
von Großjägeräporf — er 1758 an Apraxins 
Stelle den Oberbefehl über das rufi. Heer, belagerte 
Eüftrin, wurde aber ven Friedrich d. Gr. in der 


Fermoſelle — Fernando Po 


Schlacht bei Zorndorf (25. Aug.) bejiegt. Gleich⸗ 
wohl wurde er von der Kaiſerin Elifabeth in den 
—— erhoben; doch überließ er den Ober: 
befehl noch vor der Schladht bei Kunersdorf dem 
General Saltytow. Bon Katharina Il. wurde erzum 
Generalgouverneur von Smolenst ernannt, zog ſich 
aber 1768 auf jein Gut Nitau zurüd, wo er 8. Febr. 
1771 ſtarb. — Val. Gadebuſch, Verſuch einer Le: 
bensbeſchreibung des Grafen von F. (Reval 1773). 

Fermofelle, Stadt der fpan. Provinz Zamora 
(2eon), nahe der portug. Grenze, in der Gabel 
zwifchen Duero und Tormes, hat (1900) 4624 E. 

Fermoy (ipr. förmeub), Stabt in der Grafſchaft 
Cort der iriſchen zn unfter, 32 km im NND. 
von Cork, am rechten Ufer des Bladwater, über 
den eine 1866 erbaute Steinbrüde von 13 Bogen 
führt, hat (1901) 6126 E., ein biſchöfl. Schloß, zwei 
Klöjter, ein College; ierfabrifen, Handel mit 
Bier und landwirtſchaftlichen Erzeugnifien. Links 
am Fluffe große Baraden für Infanterie und Ra: 
vallerie (3000 Mann). [Ditalpen A, 2. 

yermuntgruppe, Zeil der Silvretta:Alpen, I 
ern oder Fernpaß, Paß im nörbl. Tirol, 
Sr die Allgäuer von den Nordtiroler Kallalpen. 
ie Straße, von Reutte im Lechthal bis Telfs im 
mie etwa 60 km lang, jteigt zur Ehrenberger 

laufe hinauf, ſenlt fi in den Keſſel von Heiter: 
wang und zieht von Lermoos an der Loifach in 
Windungen am en und Blinbjee vorbei zur 
Paßhöhe « Auf dem 5.» (1210 m). Hier gabelt ſich 
ber Weg: rechts führt die alte Straße zum Schlofje 
Fernſtein, das früher wie die Ehrenberger Klauſe 
um N. den Paß fperrte, lints die neue Straße am 
ee ee vorbei nad Nafjereit (836 m) und 
Yübmeitlich durch das Gurglertbal nach Imſt im Ober: 
innthal, öftlich über Obfteig nad Telfs und zur Arl⸗ 
berababn. 

ehe „ſ. Rothol;. 

ernan Gaballero (pr. -walljehro), ſpan. 
Schriftſtellerin, ſ. Arrom. 

Fernandez de los Rios, Angel, ſpan. Bolis 
titer und Schriftiteller, geb. 27. Juli 1821 in Ma- 
drid, wo er die Rechte jtudierte und bernad als 
Advolat thätig war. Bon Sugenb an hat er eine 
rap Thätigfeit entwidelt und als Verfechter 
(iberaler Ideen in mehr ald 30 Zeitungen und Zeit: 
jchriften zuerjt gegen Ferdinand VLI., dann gegen 
die ganze Dynajtie der Bourbons gelämpft. Er ift 
— Deputierter, Senator und vier Jahre lang 
Geſandter in Liſſabon geweſen (18668 — 72). Seit 
1876 lebte er Berbannter zuerjt in Portugal, 
und als er auch von bier verwiejen ward, in Franlk⸗ 
reich, wo er 1879 ftarb. Er verfaßte unter anderm 
eine Sammlung von Erzählungen: «Tesoro de cuen- 
tos», «Todo o nada», eine antidynaſtiſche Streit: 
(prä, «El futuro Madrid», eine Geſchichte ber Stadt 
Madrid in Führerform: «Guia de Madrid» (1876), 
«La Espaüs del porvenir», «Mi mision en Por- 
tugal» (1877), «La exposicion de 1878» (Par. 1879). 
; Iurraneg-Gueree y Orbe, ipan. Gelehrter, 
J. BD. 17. 

Fernandez y Gonzälez, Manuel, ipan. Ro: 
manichriftiteller, geb. 1826 zu Sevilla, trat 1850 an 
die Oftentlichleit mit einem Bande «Poesias», dem 
1858 ein zweiter («Poesias varias») nachfolgte. Beide 
enthalten manches Gute in der Art der Sevillaniſchen 
Schule. Hierauf verſuchte ib F. nicht ohne Erfolg 
im Drama; fein «Cid Rodrigo de Vivar» (1858) iſt 
bervorzubeben, auch die «Aventuras imperiales» zu 


571 


nennen. Bald jevod widmete er ſich ausschließlich 
und nad kurzer Zeit handwerksmäßig der Proſa— 
darftellung in Romanen und a ng Die 
feine Dramen, fo bewegen fi auch jeine Romane, 
die er «Novelas histöricas», « Tradiciones popu- 
lares», «Crönicas», «Cuadros del natural», «Me- 
morias» oder «Leyendas nacionales» nennt, faft 
ausfchließlih auf nationalem Boden. Die Grund: 
lage bilden flüchtige Auszüge aus Ehroniten und 
Voltsbüchern, die er mit überreicher, nur auf die 
— — Phantaſie höchſt willkürlich bes 

andelt. Nur wenige ſeiner älteſten Erzeugniſſe wer⸗ 
den F., den man den ſpan. Dumas genannt hat, 
überleben, wie etwa «El cocinero de Su Magestad» 
(1857), «Martin Gil», «Los Monfies de las Alpu- 


jarras». F. war ein bedeutendes Talent, das aber 


dur Mangel an Erziehung und Vieljchreiberei ver» 
loren ging und durch die falſche Geihmadsrihtung 
auf Bublitum und zahlreihe Nachahmer verhäng⸗ 
nisvolleinmwirfte. Er jtarb 16. Jan. 1888 in Madrid. 
Fetnandina, Hauptort de County Nafjau 
im norbamerif. Staate Florida, auf dem weſtl. 
Ufer der Inſel Amelia, bat (1900) 3245 E., einen 
eräumigen und fihern Hafen, ven beiten st der 
beiapeafebai, und bedeutenden Handel, hauptſäch⸗ 
lid Holzausfubr. F. dient wegen jeines im Sommer 
und Winter milden Klimas das ganze Fahr hindurch 
als zen Kurort und ald Seebad. Dampfer 
fahren nah Savannah, Eharlefton und Neuyork. 
Fernandineprozeh, die Firierung von Farben 
aut Zeugen mitteld Kollodiums. 
ernando (jpan.), Ferdinand. 
Fernaudo, San, j. San Fernando. 
ernando » Noronha (jpr. -ronnja) oder 
Zerels de Noronba (fpr. -naung), Inſel im 
tlantifben Ocean, 350 km im OND. vom Eabo 
de San Rogue, in 8° 50’ füdl. Br. und 32° 28° weit. 
L. ift 10 km lang, 2 km breit, beſteht aus Baſalt, 
Phonolith, Tracht, fteigt im Innern zu dem 332 m 
boben pbonolithifhen Pico auf und fällt teil zu der 
buchtenreihen Hüfte ab. In ihrer nordöftl, Verlän⸗ 
gerung liegen lleine Inſelchen, welche, von Korallen: 
bildungen umgeben, fchwer zugänglid find. Das 
Klima ift gefund; der fruchtbare rote Boden ger 
wäbrt drei bis vier Ernten im Jahre. Das Dorf 
Nemedios, an der Norboftfeite, eine brafil. Sträf⸗ 
lingäfolonie, zählt nebjt dem Fort 2000 E., darum: 
ter 1300—1500 Sträflinge und 160 Solvaten. 
Fernando Po, die der Küjte am cl 
liegende der vier Guinea⸗Inſeln in der weſtafril. 
Bai von Biafra (f. Karte: Kamerun u. ſ. w.), in 
ſpan. Beſitz, vullaniſch, ſehr gebirgig, im Krater⸗ 
erg Sta. Iſabel⸗ oder Clarence⸗Pik 28350 m hoch, 
bat 1998 qkm, teils felfigen, teil$ ſehr fruchtbaren 
Boden und großen Reichtum an Quellen, Bächen, 
Waldungen und Heinem Rotwild. Das Klima ift 
ſehr ungeſund, ja nahezu mörderiſch, die Mittels 
temperatur beträgt im Jahre 25,8°; im Fühlften 
Monat (September) 23,8’, im beißeiten (Januar) 
27°C. Man baut Bananen, Mais, eis, Maniof, 
VYams; in den Plantagen Kalao, Vanille, Kaffee, 
Audertohr, Baumwolle und Tabak. Das von 
Suropa eingeführte Hornvieb gedeiht gut. Die Inſel 
zäblt (1900) 20742 E., arößtenteild eingeborene 
Neger, Adiah oder Bubi, ein ebemals feindfeliges, 
jest aber ver ipan. Behörde folgjames, ſchmußiges, 
nadt gehendes Bolt, welches das Innere bis zu 
1000 m Höbe bewohnt, nur 445 Weihe. Der Handel 
(Ausfuhr von Kakao und PBalmöl) hat nody feine 


572 


nennenswerten Erfolge erzielt. — 3. B. wurde 1471 
von dem Portugiejen Fernão do Poo entdedt, 1778 
an Spanien abgetreten, aber 1827 von den Eng: 
ländern bejegt, die auf der Nordkuſte an einer ge: 
räumigen, won ber befeitigten —— Point⸗ 
William gebildeten Bai die Kolonie Clarence— 
town, jest Santa Iſabel, mit (1900) 1421 E., 
—— jedoch 1845 die Inſel wieder zurüdgaben. 
nter den Engländern wurde fie benußt zur Be: 
wadhung der Stlavenküfte und des Nigerbeltas, als 
Handels: und Miffiongitation ſowie ald Ausgangs: 
punkt —— nach dem Innern Ari: 
las. tſchland erwarb 1882 das Recht zur An: 
lage einer Koblenftation an der Bucht Carboneras 
oder Gravinas. — Bol. Baumann, Eine afrit. 
Tropeninfel. 3. P. (Wien 1888). 
Fernan- Nähe (ſpr. nunnjez), Stadt in der ſpan. 
are Eorboba — 25 km ſüdlich von 
tboba, in frudhtbarer Ebene, 5 km von der Eiſen⸗ 
bahn Cordoba⸗Malaga entfernt, hat (1900) 5499 
€. In der Näbe das Schloß der Herzöge von F. 
ernän de Noronha, j. Fernando⸗Noronha. 
ernbahnen, elektriſche, die elektriichen 
Schnellbabnen (f.d.). , — 
erndorf, Dorf im Kreis Siegen des preuß. 
Reg.:Bez. Arnsberg, 2 km öftlih von Creuzthal, 
an ber Nebenlinie Marburg-Ereuztbal der Preuß. 
Staatöbahnen, an dem rechts zur Sieg gel ⸗ 
den Fluſſe F., welcher durch ein breites, an Eijen: 
erzen und Eiſenwerken reiches Thal flieht, hatte 1900: 
Koh E., —— = Katholiken, nn 1529 E., 
oftagentur, prechverbindung; Ziegeleien, Fa⸗ 
en von Dampftejjeln, Eijenwaren und Ang 
erne, in der Malerei, ſ. Hintergrund. 
euer, |. Firm und Gletſchet. 
ruey, jebt Ferney-Voltaire (pr. neh 
wolltähr), Hauptort des Kantons F. im Arron: 
difjement Ger im franz. Depart. Ain, 7 km von 
Genf, bat (1901) 921, ald Gemeinde 1269 meift 
—— E. und iſt berühmt durch Voltaire, den 
hi al von F.», der durch Heranziehung & 
fhidter Arbeiter (bejonders Uhrmacher) den 
vorübergebend hob. Das Schloß, vielfach umgebaut, 
enthält 3 Ye — —— Mi are fahri 
ern das mit waffen (j. d.) geführte 
—— Fernſprecher. — 
ernitz, Dorf in der öſterr. Bezirlshauptmann⸗ 
ſchaft und dem Gerichtsbezirk Graz in Steiermark, 
10 km von Graz, lints von der Mur, mit dem gegen: 
über liegenden Kalsdorf (1502 E.) durch eine Brüde 
verbunden, hat (1890) 598 E. und eine jhöne, 1160 
erbaute got. Kirche (Wallfahrtsort). Oſtlich von F., 
auf dem Fernitzer Feld, wurde 1532 das türf, 
Heer von den Kaiſerlichen geſchlagen. 
rukorn, Anton Dominik, Bildhauer und Er 
gießer, geb. 17. März 1813 zu Erfurt, lam in Stig 
mayers Gieherei in Münden, arbeitete 1836—40 
an der Alademie zu Münden und bei Schwantbaler, 
edelte 1840 nad Wien über und ſchuf 1852 (als 
runnenfigur im Hofe des Palaſtes Montenuovo) 
ein Reiterbild des heil. Georg im Kampfe mit dem 
Drachen, mit dem er feinen Ruf begründete. Dann 
vollendete er 1858 ſechs Kaiſerſtatuen für den Dom 
u Speyer. An die Spige der neu errichteten kaiſerl. 
Grznieherei geitellt, goß er dort feine berühmt 
Werte, wie das koloſſale Reiterjtandbild des Erz: 
berzogs Karl (1860, auf dem Burgplag in Wien) 
und das des Prinzen Eugen (1865, ebd.). Für das 
Scladtjeld non Aspern ſchuf er einen kolofjalen 


Fernaͤn⸗-Nuñez — Fernrohr (Inftrument) 


Löwen in Sanditein und goß die von Gaſſer model 
lierte Statue der Maria Therefta für die Militär 
alademie in Wiener:Neuftadt, rüber ſchon arbei- 
tete 5. am Modell einer Reiterjtatue Jellachichs für 
Agram, jowie er ein gleiches des Dichters Friedr. 
Hebbel modellierte, das in Marmor ausgeführt 
wurde; auch vollendete er (1863) dad Monument 
B: Reſſel, den Erfinder der Schiffsſchraube, in 
ien und follte jeb3 Statuen von Kundtmann für 
die Schwarzenbergbrüde gießen, ald er 1866 in 
Irrſinn verfiel. Er ftarb 16. Nov. 1878 in der Lan⸗ 
desirrenanftalt am Brunnlfeld bei Wien. 

Fernlinfe, joviel wie Teleobjettiv (f. Photo: 
grapbie). a 

Fernmelder, alle diejenigen Apparate, dur 
die ein zu beobadhtender Zuſtand oder Vorgang 
durd irgend ein Mittel auf größere Entfernungen 
fihtbar gemadht wird. Das beite Übertragungs: 
mittel für —* Apparate iſt die Eleftricität. (S. 
Elektriſche Fernmelder.) 

Fernow, Karl Ludw., Kunſtſchriftſteller, geb. 
19. Nov. 1763 zu Blumenbagen in der Ulermark, 
war urfprünglic Schreiber und fpäter Apothefer, 
wurde aber dur die Belanntihaft mit Gartens 
in Zübed der Kunſt zugeführt. "nn Jena lernte er 
Reinhold und Haase fennen, welch lekterer ibn 
mit nad Italien nahm. Mehrere Gönner fehten 
ihn in den Stand, ſich 1794 nad Rom zu begeben. 
Hier, wo er mit Gartens wieder zufammentraf, ftu: 
bierte er die Gefcbichte der Kunſt fowie die Sprache 
und die Litteratur Italiens. Er lehrte 1802 nah 
Deutſchland zurüd und wurde bieraufaußerord. Bro: 
feflor zu Jena, 1804 Bibliotbelar bei der verwitweten 
Herzogin Amalie zu Weimar. Dort ftarb er 4. Dez. 
1808. 3. ichrieb das «Leben des Kunſtlers Carſtens⸗ 
(Lpz. 1806; neu bag. von Niegel, Hannov. 1867), 
«liberden Bildhauer Canova» (Zür. 1806), «Arioftos 
Lebenslauf» (ebd. 1809), die reihbaltigen «Röm, 
Studien» (3 Bde., ebd. 1806—8) u. a. Auch gab 
er heraus: «Raccolta di autori classiei italiani» 
(12 Bde., Jena 1806— 10) ſowie Tafios «Geru- 
salemme liberata» (2 Boe,, ebd. 1809), 

ernpah, |. Fern. , 
ernphotographie, j. Photographie. 
rupunft des Auges), j. Accommodationd 
vermögen, ' 

Fernrohr oder Teleilop, jedes optiſche In— 
itrument, das —— egenitände unter einem 
arößern Sehwintel als mit freiem Auge, aljo ver: 
3 zeigt und zwar jo, als ob ſie näher gerüdt 
wären. Jedes F. beſteht im mejentlihen aus zwei 
Teilen, dem Objektiv, weldes ven Zwed bat, von 
dem fernen Gegenſtand ein Bild zu erzeugen, und 
dem Okular, durd welches dieſes Bild vergrößert 
wird, Nach der Art des Objeltivs unterfcbeidet man 
zwei Klaſſen von F.: ſolche, bei denen das Bild des 
Gegenſtandes durch Brechung (Nefraftion) in Glas: 
linfen entjtebt und die daber Nefraltoren oder 
dioptriſche %. genannt werden, und jolde, bei 
denen es durch Spiegelung (Reflerion) an Hobl- 
fpiegeln erzeugt wird und die daber Reflettoren, 
Spiegeltelejtope oder katoptriſche F. beiken. 

1) Die Refraltoren. Die Geſchichte der eriten 
Erfindung der dioptrifchen F. ift noch immer nicht 
völlig aufgeklärt: gewiß bleibt, daß fie in Holland 
um das Ende des 16. oder zu Anfang des 17. Jabrb. 
gemacht worden ijt. Anſpruch auf —* machen 
Jan Lapprey (Hans Lippersheim auch Lipperſeim 
geſchrieben), Jat. Metius und Zadar. Janſen; nad 


Fernrohr (Imjtrument) 


ben Forſchungen van Swindens ſcheint dem erjtern, 
einem Brillenmader in Middelburg, die Priorität 
u gebübren. Um 1608 famen 5. aus Holland ins 
usland; 1609 erhielt Galilei Nachricht von der 
Erfindung und ve — ſelbſt und zwar mit 
gutem Erjolge die Herſtellung eines F. Jedenfalls 
iſt Galilei der erſte geweſen, welcher zeigte, wie man 
F. verfertigen und fie zu aſtron. Zweden benutzen 
x, fönne Die erſten %., hollän⸗ 
diſche oder Galileiſche 5. ge 
nannt, hatten ein boppelt:fonveres 
Objektiv: und ein tonlaves Olular⸗ 
glas und zeigten die Gegenjtände 
aufredht oder in ihrer natürlichen 
Stellung. Bei dieſem Inſtrument 
(ji N fucht eine fonvere Objel- 
tiv fe 00 von einem entfernten 
Gegenftand AB nahezu in ihrer 
Brennweite (j. d.) ein umgelehrtes 
wirklihes Bild ba zu erzeugen. 
Allein bevor noch diejes Bild zu 
ftande fommt, er die nad) jedem 
einzelnen Buntte desjelben konver: 
1° gierenden Lichtitrablen auf die lon⸗ 
ave Dkularlinje vv_und werben fo 
gebrochen, daß die Strahlen hinter 
der letern divergent austreten. zn 
Big. 1 ift der Gang der Strah 
bargejtellt, melde von dem Buntte A 
ausgeben und, nachdem fie Objeltiv 
und Okular getroffen haben, aus 
legterm bivergierend austreten. Ein 
Auge, welches dieſe austretenden 
Strahlen empfängt, fieht in dem 
Buntte a’ ein virtuelles Bild des 
Bunttes A. In gleicher Weiſe lann 
man für jeven andern Puntt des 
Gegenftandes AB den ihm zuge 
börigen Bildpunkt konftruieren, jo 
daß man von dem Gegenitand AB 
ein vergrößertes, aufrechte Bild 
erblidt. Das Verhältnis der beiden 
Winkel, unter welhen vom Auge 
das Bild a’b’ vermitteljt des 5. und 
der Gegenitand AB birelt gejehen 
werben, heißt die Bergrößerung 
bes F.; man erhält diejelbe, wenn 
man bie Brennweite des Objeltivs 
durd die des Olulars dividiert. Je 
größer aljo die Brennweite des Ob⸗ 
jeltivs und je Heiner die des Olulars 
Ey beito ftärfer vergrößert das F. 
er auf einmal im F. überjebene 
Raum heißt das Geſichtsfeld; 
derjelbe it nur abhängig vom 
Durchmeſſer des Diulard und ver 
Entfernung des Dtulard vom Ob⸗ 
jettiv, nicht aber vom Durchmeſſer 
x des Objeltivs. Die Größe des Ge 
chtsfeldes nimmt ab in dem Ber: 
ältnis, inmweldhemdieBergrößerung 
urchmejler des Objeltivs heißt die 








Fig. 1. 


unimmt. Der 


ee! bes ; von der Größe der Öffnung eines | 
eine 


F. hängt ihtftärte ab. Je gröber die Off— 
nung ijt, um fo mehr Licht wird von dem nämlichen 


GBegenitand ind F. gelangen, um jo heller wird daher | 


aud jein Bild erſcheinen. Andererjeitö wird aber 
die ———— wieder mit der zunehmenden Ber: 
arößerung abnehmen, da bei gleihem DObjeltiv dann 


573 


die nämliche Lichtmenge auf eine immer größer wer: 
dende Bildfläche verteilt wird. Um ftörendes Seiten: 
licht zu vermeiden, find Objektiv und Olular in eine 
innen geſchwärzte Röhre eingefegt. Bei kleinern F. 
macht man biejelbe des bequemern Transportes 
wegen meijt ausziehbar. Die ie; der Galileiſchen 
F. ift gleich der Brennweite des Objeltivs weniger 
ber des Dfulard. Gin erheblicher Nachteil dieſes F. 
ift fein geringes Geſichtsfeld; da dieſes bei Ans 
wendung ftärlerer Bergrößerung \ıA 

noch weiter verkleinert werden . ya 
würde, fo leuchtet ein, daß die IN 
vergrößernde Leiftung des Galis 
leiſchen oder holländiſchen F. nur 
eine mäßige ſein kann. Wegen ſei⸗ 
ner Kürze tft es jedoch jetzt noch ſehr 
beliebt ala Ealatnverine tiv, 
Dpernglaß (ſ. d.) und Feld: 
fteber (f. d.). Troß feiner ſchwa⸗ 
hen Yeiltungen wurden mit dem 
bollänviihen 5. gleich nad feiner 
Erfindung von Galilei, Fabricius, 
Sceiner u. a. doch die großartig: 
ften Entdedungen am Himmel 
gemadt (f. Aftronomie). 

Sept ift das holländische F. aus 
der Aitronomie vollftändig ver 
drängt durch das weit volllomme: 
nere aftronomifche ober Kep— 
lerſche F. Dieſes von Kepler, 
der überhaupt die erſte theoretiſche 
Grilärung des F. gab («Dioptrice», 
Augsb. 1611), erfundene F. be 
ſteht aus einer lonveren Objeltiv: 
linjfeoo (ig. 2) und einer ebenfalld 
fonveren Olularlinſe vv. Bon 
einem entfernten Gegenjtand AB 
erzeugt die Objeltivlinſe oo in 
ihrem Brennpuntte ein umgelebr: 
tes Bild ba; dieſes liegt zugleich 
aber auh im Brennpuntte des 
Dtulard vv und erjcheint dem 
durch dieſes Dkular ſehenden Auge 
bei b’a’ vergrößert und in Bezug 
auf den Gegenſtand AB nt. 
Die Länge des aſtronomiſchen F. 
ift gleich der Summe der Brenn: 
weiten von Objeltiv und Olular; 
feine Vergrößerung wird wie bie 
des hollaͤndiſchen F. berechnet. 
Bor dem bolländiiben F. hat das 
aftronomiiche große Vorzüge, na: 
mentlich den, daß es ein größered 
Gefichtöfeld und eine größere Licht: 
ftärte gewährt. Der Umſtand, daß 
nur bei dem legtern ein wirkliches 
Bild des Objetts im Brennpuntte 
entitebt, läßt es aud allein zu 
aftron. Meſſungen geeignet er: 











fig. 2. 
feinen. Das — zeigt die Gegen⸗ 


ſtände umgelehrt. Für die Beobachtung der Ge— 
ſtirne iſt dies — ültig; um das —— F. 
aber auch zur ——— jelte brauchbat 
zu machen, muß man ein aus mehrern Linſen zu— 
ſammengeſetztes Okular an Stelle der einfachen Olu⸗ 
larlinfe anwenden. Ein ſolches terreſtriſches (d. h. 
ein für die Betrachtung der Gegenſtände auf der 
Erde geeignetes) Diular iſt vom Kapuziner Ant. 
Mar. de Rheita 1665 erfunden worden. Dasielbe 


574 


beſteht aus vier in einer Röhre befindlichen Linien, 
melde bier wie ein ſchwaches —— — 
Mitroftop (f. d.) wirken, das im Keplerſchen F. um: 
gelehrt erfcheinende Bild nochmals umlehren, aljo 
wieder in aufrechter Stellung erſcheinen laſſen. In 





Verbindung mit dem Keplerſchen F. bildet dieſes 
Oktular das allgemein belannte Taſchenauszug⸗ oder 
Reiſefernrohr (Fig. 3). 

Bald nach Erfindung der dioptriſchen F. fand 
man, daß —— Vollkommenheit derſelben 


hauptſächlich hler im Wege ſtanden, die man 
als «ſphäriſche Abweihung» einerſeits und ala 
achromatiſche Abweichung» andererſeits bezeichnet. 


Näheres über dieſe 
eiden Begrifie |. 
Linfentombinatio: 
nen). Diefe Män: 
gel traten um fo ı 
mebr bervor, je ſtär | > 
tere Bergrößerun: 
en man anmwanbte. 
ollten fie möglichft 
unjhädlih gemacht Ba: 
und eine febr ftarle Verarößerung mit bins 
reichender Lichtftärte und Bildſchärfe verbunden 
werden, jo mußten die 5. eine bedeutende Yänge 
erhalten, was diefelben für den Gebraud in 
obem Grabe unbequem machte. Divini und 
mpanti, beide in Rom, Huyghens, der um bie 
Theorie des F. große Verdienſte hat, Auzout u, a. 
fertigten F., die 30 und no mehr Meter Brenn: 
weite hatten und zu ihrer Faſſung Röhren von 
gleiher Länge erbeifht hätten. Die Schwierigleit 
der Heritellung folder Röhren gab Beranlafjung, 
5. obne Röhren oder fog. Zuftferngläfer zu 





Y Be « Y 
verfertigen, die zuerſt 1684 von Hupgbens an: 


gegeben wurben. 
Sohn Dollond war der erſte, welcher thatſächlich 


achtomatiſche Linſen beritellte, die von Farben: 
fäumen freie Bilder lieferten (ſ. Achromatiſchſ. Seit: 
dem find die achromatiſchen F. von Peter Dol- 
lond, Ramsden und namentlih von Fraunbofer 


Fernrohr (Inftrument) 


weſentlich vervolllommnet worden, Die bei großen 
F. neuerbings angejtrebte Befeitigung der felun- 
dären Farbenzerjtreuung (f. Linfentombinationen) 
ift bei dem dreifachen aſtron. Fernrohrobjeltiv von 
Eoote and Sons in Vorl gelungen; dasfelbe ift eine 
Kombination von drei Linien aus gewöhnlichem 
Crownglas, Borofilikatflint und Barptleichtflint. 
Durch diejes Objektiv ijt eine für mande feinere 
Beobachtungen (3. B. von Planeten, Sternipeftren 
u. ſ. w.) wünfchenämwerte größere Schärfe des F. er- 
reicht. Außerdem liefert nun dasjelbe F., das zur 
direften Beobahtung dient, auch photogt. Bilder 
von derjelben Schärfe, während die gewöhnlichen 
achromatiſchen Objektive nur im ftande waren, ent» 
weder nur die auf dad Auge oder nur die auf die 
pbotogr. Blatte wirkfamen Strahlengattungen ge 
nügend gut zufammenzubalten, aber nicht beide 
nk Auch die Dfulare des aſtronomiſchen F. 
baben ſeit Kepler bedeutende Verbeflerungen erfahren. 







Eine einzelne Linſe als 
Olular iftzwargenügend, 
um in ber Mitte des Seh⸗ 
feldes deutliche ſcharfe 
Bilder zu geben, ſchon in 
geringer Entfernung von 
der Mitte aber werden die Bilder undeutlich. Diefem 
Mangel hat man durd Anwendung mehrerer Lin 
fen, gewöhnlich zweier an Stelle einer einzigen ab» 
hellen. Die —— gebrãuchlichen Olulare 
ind das ———— che oder Campaniſche und 
das Ramsdenſche. Beide beſtehen aus zwei plan: 
tonveren Linſen und unterſcheiden ſich nur durch deren 
Anordnung voneinander. 

Karl Bamberg in Friedenau jertigt F. mit ver: 
änderlicher —— Der Typus iſt der des 
Galileiſchen F. Das Princip, das ſchon von Wolff, 
Brewſter, Barlow u. a. ausgeſprochen iſt, beſteht 
darin /daß wiſchen Objeltiv und Olular eine Konlav⸗ 
linſe ein elhaltet ift, deren Abitand vom Objeltiv 
veränderli ift. So giebt ein ;5., das zufammen- 

eiboben 15 cm F iſt, durch verſchieden weiten 
Kahn 4—15fache Vergrößerung. Es iſt eine Ein- 
richtung getroffen, daß das Objelt, wenn der Be 
obadter einmal iharf eingeitellt bat, bei Iinderung 
der Vergrößerung eingejtellt bleibt. 

Eine andere bemerfenswerte Neuerung find die 
von Gar Haß In era, De ür Handgebraud 


'Y Big: 8. Y: 


von Garl Zeiß in Jena. Der Topus ift der des 
aſtronomiſchen F., befist daber aud alle Borzüge 
bezjelben; namentlich) iſt das Gefichtäfeld groß (etwa 
40°) und gleihmäßig bel, das Bild bis zum Rande 
dezjelben ſcharf und frei von Farbenfäumen, Die 
Bildumkehrung wird bier nicht wie beim terreftriichen 
3. durch ein beſonderes Linienſyſtem, fondern durch 
vierfache Spiegelung (nach Porro) des vom Objeltiv 
—— Bildes erzeugt. Als Spiegel fungieren 
totalrefleltierende Prismen aus dem hochſt farbloſen 
und lichtdurchlaſſigen Jenaer Boroſilikatcrownglas. 
Durch dieſe Art der Bildumlklehrung läßt ſich ein 


Fernrohr (Imftrument) 575 


turzer, fompendidier Bau erzielen, der den des Bali: | müßte daber das Dfular ſowie das beobachtende 
leihen F. noch übertrifft. Der ermähnte Vorzug | Auge ſich ebenfalls zwiſchen beiden befinden und es 
tritt befonders bei dem erjten Modell Felditeber | würde dann ein großer Teil des vom Gegenitand 
bervor (f. Fig. 4, in welcher Ob die Dbjeltive, Ok | auf den Spiegel fallenden Lichtes durch den Beobad- 
die Dfulare und P die Prismen bedeuten). Die | ter meagenommen werben. Je nad der Art, mie 
Objeltivachſen fommen bier um etwa das 1°, face | diefe Schwierigkeit überwunden wird, unterfeeidet 
der Augenmweite des Beobachters voneinander ab- | man drei Formen von Refleltoren. Die ältefte Form 
zufteben;; es müjjen fo die von den einzelnen F. ent: | ift das Gregoryſche Spiegeltelejlop (Fig. 6), 
worfenen Bilder größere ftereojtopiiche Verſchieden⸗ 1663 von Gregory vorgeihlagen, aber erſt —* 
heiten aeigen ala beim gewöhnlichen Doppelfern: | ausgeführt. Bei diefem Anjtrument entwirft der 
robr, die Wahrnehmung der Tiejen: 

unterfchiede wird gefteigert, jo daß 
das Bild aud auf größere Entfer: 
nung plaſtiſch ericheint. In noch 
erhöhtem Maße iſt leßterer Vorzug 
unter Verzicht auf größtmögliche 
KRompendiofität bei dem zweiten 
Modell Relieffernrobr (Fig. 5; 
Bezeihnungen, wie bei ig. 1) 
durch ftärleres Auseinanderrüden 
der Objeltivadhjen geltend gemacht 
(Zeleitereojfop von Helmbols). Das Relieffern: | in feiner Mitte durchbohrte Chjeltivfpiegel ss von 
rohr gejtattet außerdem unter Dedung (hinter einem | dem entfernten Gegenitand ein verfebrtes verklei— 
Baum oder über eine Mauer hinweg) zu beobadh: | nertes Bildchen a. Letzteres liegt nabe dem Brenn: 
ten. Bei dem «ßentapriömabinoclen» von | punfte des Lleinen Hoblfpiegelä V, der vom Bild: 
Henſoldt & Söhne in Weßlar wird der Yichtitrabl | ben a ein vergrößertes aufrechtes Bild b erzeugt. 
nur breimal refleftiert, wodurch die Lichtſtärle Diejes Bild wird mit dem Dtular o geſehen, wodurch 
größer ift als beim Porroſchen Prisma. ed vergrößert erſcheint. Die richtige Einitellung 

Die Bolllommenbeit der —— 

tags angefertigten Refraktoren läßt 
taum noch etwas zu wunſchen übrig. 
Welche Fortſchritte man auch in Bezug 
auf die Größe der Objeltive gemacht 
bat, kann man daraus erfennen, daß 
nod 1840 der Rejraktor der Sterne 
warte in Pulkowa von 38cm Öffnung & . m 

ber größte eriftierende war, während a Fig. 7. 
gegenwärtig die Nerles : Sternwarte 
in dem Nefraltor, welcher auf der Chicagoer Melt: | des Spiegelbens V wirb mitteld des Schrauben: 
ausſtellung des J. 1893 ausgeftellt war und deſſen jtabes nm bewirkt. Caſſegrain erjegte bei feinem 
Objektiv mit einer Öffnung von 101*/, cm ausge- | Spiegelfernrobr das vohlſpiegelchen V durd ein 
jahr ist, das größte dioptrijche F. der Melt befist. | tonveres Spiegelden. 

en find in Gentimetern die Öffnungen Weil bei Gregorys F. der mittlere, alfo der beite 














ber ar sten Refraktoren angegeben: Teil des Hohlſpiegels durchbrochen wird, jo ſuchte 

erlfe®Sternwarte ». -» 22... 01 

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2) Die Refleltoren. Auch bier ift der erjte Erfin: | Newton diejen Übelftand zu vermeiden, indem er 
ber nicht mit Sicherheit befannt. Veranlafjung zu | 1668 jein katoptriſches 3. (ig. 7) wie folgt 
ihrer Erfindung gab der Umjtand, daß man lange | lonjtruierte: Am bintern Ende eines vorn offenen 
Zeit die Befeitigung der Farbenzerftreuung bei den | Rohrs befindet fich ein metallener Hoblipiegel ss, 
auf der Bredhung des Lichtes in Glaslinſen beruben: | der von einem entfernten Gegenſtand ein verlehrtes 
ben Nefraftoren für unmöglich bielt, während die | und verfleinertes Bild a erzeugen würbe. Bevor 
von Hohlipiegeln erzeugten Bilder von Farbenzer⸗ | die Strahlen ſich zu dieſem Bild vereinigen, werden 
ftreuung frei find. In die Braris eingeführt wurden | fie von einem gegen die Rohrachſe unter 45° ge: 
bie erjten Neflettoren von Gregory und Newton, | neigten ebenen Spiegel p feitwärts geworfen, wo 
epochemachende Leijtungen erzielten aber erjt vie von | fie jich zu dem Bilde b vereinigen, das mitteld des 
Herſchel bergeftellten Spiegeltelejlope. Als Objektiv | Okulard o vergrößert gefeben wird. 
dient beim Refleltor ein Hoblipiegel von parabo: Die riefigen katoptriſchen 5. von Herſchel (1789) 
(ifher oder ſphäriſcher Gejtalt. Das durch diejen er: und Roſſe (1843) waren front view, d.i. jo gebaut, 
zeugte Bild eines Gegenitandes liegt zwiſchen dem | daß der Beobachter vorn in das Rohr ſah, mithin 
Spiegel und dem Gegenitand; um es direft zu jeben, | dem zu beobachtenden Objekt den Rüden zulebrte, 


576 


Diefe Anwendung hatte den Vorteil, daß ein zwei⸗ 
te3, lihtraubendes Spiegelchen (mie fie die obigen 
Spiegelfernrohre bejaßen) entfiel, mithin das Se 
ftrument lichtkräftiger wurde. Damit der Kopf des 
Beobachterd dem —— nicht zu viel Licht 
entziehe, ift jedes derartige F., z. B. das Herſchel⸗ 
ſche Spiegelfernrohr (Fig. 8), fo eingerichtet, 
daß der Hohlſpiegel etwas gegen die Rohrachſe 
geneigt ſteht, wodurch das wirtlihe Bild a an den 
untern Rand des Rohrs fällt und bier dur das 
Dular o vergrößert wird. Hier fann es —— 
nommen werden, ohne daß der Kopf des Beobach⸗ 
terö den Cihtzufluß nadteilig hemmt. Eine ſolche 
Anordnung ift jevoh nur bei Hoblipiegeln mit 
großen Durchmeſſern vn wi Auf die eben ge 
nannten drei Typen ber fatoptriihen F. (öig, 4, 
5, 6) laſſen ſich auch bie Spiegelfernrobre der Neu: 
zeit zurüdführen. Während die Spiegelfernrobre 
vor den Linfenfernrobren den Vorteil volljtändiger 
Achromaſie voraus haben, ſtehen fie denjelben in Be: 
zug auf die Lichtftärte weit nah. Als Material für 
die Spiegel benugt man der leihtern Bearbeitung 
megen Metall; ver Lichtverluft infolge mangelhafter 
Heilerion an ſolchen Metallipiegeln beträgt etwa 
60 Broz., während beim Durchgang durch Glaslin⸗ 
fen nur etwa 25 Proz. des auf das Objeltiv fallen: 
den Lichtes verloren gehen. Um aljo mit Reflettoren 
gleiche Lichtftärte wie mit Nefraktoren zu erzielen, 
muß man bei den erjtern die Öffnung weit größer 
machen als bei legtern, wodurch fie unhandlich wer: 
den. Dies ift auch der rund, warum Herſchel fein 
Rieſenteleſtop nur vg benugte. Auch erblinden 
die Metallipiegel rajch durch den Einfluß der Atmos 
pbäre und müflen daher öfters aufpolierı werden. 
Dazu fommt no, daß die großen Spiegel infolge 
ihrer enormen Schwere nicht in allen Lagen des F. 
die Bolltommenbeit ihrer Gejtalt bewahren, fondern 
vielfach jich verbiegen und dann entiprechend ver: 
jerrte Bilder geben. Trog aller Borfihtämahreneln, 
die man dagegen anmwenbet (Hebelvorridtungen 
und Quftlifjen), läßt fich diefer Übelftand bei großen 
Spiegelfernrohren nicht ganz vermeiden und beein: 
trächtigt deren Brauchbarteit erbeblih. Mit gutem 
Grfolge haben Steinbeil (1856) und Foucault (1858) 
Dbjeltive aus zwedmähig geformten verjilberten 
Glasſpiegeln bergeftellt. Für leinere Spiegel bat 
fih aud die 1876 von Fritſch und J. Forſter er: 
!tundene und von ihnen als Brachyteleſtop (vgl. 
Klein, Das Brachyteleſtop, Wien 1882, mit einer 
Geſchichte des Spiegeljernrobrs überhaupt) bezeich: 
nete Form der Spiegeltelejtope bewährt. Die Frage, 
ob Spiegel: oder Linſenfernrohre vorzüglicer find, 
läßt ſich nicht allgemein beantworten, eine jede der 
beiden Formen hat ihre Licht: und ihre Schatten: 
jeiten, und eine Art Wettjtreit, bald ſich mebr zu 
Gunften der einen, bald mehr zu der der andern 
neigend, bat von jeber ftattgefunden. Die meitejte 
Verbreitung und ausgedehntefte Anwendung haben 
edenfalls die Refraltoren gefunden, während der 
Gebrauch der Reflettoren im weſentlichen auf Eng: 
land beſchränkt geblieben ift. Nachſtehend find in 
Gentimetern die Öffnungen der größten, auch jest 
nod in Gebrauch befindlichen Reflettoren angegeben: 


Barjonstown (Lord Rofle)........ 183 
Melbourne. . 2:2: 2222 1 
JJ.... ee te 1 


Paris . 
Das Herſchelſche Riejenteleitop und das in Malta auf⸗ 
geitellt geweſene Spiegeltelejtop von Laſell, beide mit 
Spiegeln von 122 cm Öffnung, eriftieren nicht mehr. 


Fernrohr (Injtrument) 


Um die größern F. zu aftron. Zweden bequem 
benugen zu können, bat man ihnen eine Baral: 
laktiſche Aufftellung (f. d.) gegeben, die es 
geitattet, diejelben mit Leichtigkeit nach allen Bunt: 
ten des Himmels zu richten. Yıt das zu beobachtende 
Geitirn einmal im F. eingeitellt, fo kann es dann 
mit Hilfe eines Uhrwerls, welches das F. genau 
der täglihen Bewegung der Geſtirne am Himmel 
jolgen läßt, aud dauernd im Sehfelde des F. ge 
balten werben. — Zum raſchen Auffinden einer be 
jtimmten Stelle des Himmels dient der Sucher (ſ. d.). 

r die Beurteilung der Güte eines F. fommen 
in Betracht jeine Bildihärfe oder trennende Kraft, 
Farbenfreiheit oder Achromaſie und Lichtftärle. Ein 
— . joll die hellſten Firxſterne als möglichſt 
leine, Rrablenfreie Scheibchen, umgeben von meb: 
rern regelmäßigen Beugungdringen, ſchwächere 
Sterne aber als ſcharfe Punkte zeigen; der Mond, 
augen und Saturn müfjen als jharfbegrenzte Schei⸗ 
en ohne farbige Säume erfheinen. Die trennende 
ib wird am beften an Doppeliternen geprüft; je 
rößer die Öffnung des F. ift, um fo engere Doppe 
—* müffen ſich mit ihm trennen laſſen; ein gutes 

. von 4 Barifer Zoll (= 108 mm) Öffnung muß 
3. B. Doppelfterne von 1” Diſtanz als ſolche erten: 
nen lafien. Die Lichtftärte prüft man an ſchwachen 
Sternen oder noch befler an Nebelfleden oder Kometen. 
Das Erkennen von feinen Detaild auf der Mond: 
oder Yupiteroberfläche bietet ebenfalld einen guten 
Prüfftein für die Güteeines F. Terreftrifche F. prüft 
man an irdiſchen Gegenjtänden; die Bilder entfern: 
ter Gebäude z. B. müflen jharfe Konturen, frei von 
farbigen Säumen zeigen und möglichſt viele Details 
erfennen lafien. Alle dieie Prüfungen müflen bei 
rubiger und durchſichtiger Quft vorgenommen wer: 
den, wenn man jich ein ficheres Urteil über die Güte 
eines F. bilden will. Sind die Brennmweiten von 
Dbjeltiv und Dkular nicht befannt, jo beitimmt man 
die Vergrößerung vermitteljt des Dynameters (f.d.). 

Seine vorzüglichſte Berwendung erhält das F. 
in der Aitronomie, Mit feiner Erfindung begann 
für diefe eine neue Epoche. Hier dient eö aber nicht 
nur zum Anjchauen der Geitirne, zum Stubiumibrer 
formen und Oberflächenbeſchaffenheit, jondern auch 
zum Meilen. Der erite Schritt, um das F. biersu 
brauchbar zu machen, geſchah durch Anbringung des 
—— im Brennpunkte des Objeltivs (durch 

ascoigne 1640), wodurch zuerjt die genaue Viſie⸗ 
rung eines Objelts ermöglicht wurde. Bei der einen 
Gruppe aftron. Meßinitrumente, bei der direlt die 
Koordinaten eines Geitirns gemefjen werben, dem 
Baflageninftrument, Meridiantreis,Univerfalinftrus 
ment und Aquatoreal ebenjo wie bei Sertant, Pris⸗ 
menkreis und verjhiedenen phyſik. Jnitrumenten, 
dient das F. nur zum jcharfen Sehen und Bifieren; 
bei der andern Gruppe, ben verſchiedenen Arten von 
Mitrometern (f.d.), durch welche relative Koordinaten 
bejtimmt werden, ijt das F. ein weit weſentlicherer 
Beitandteil, indem durch das F. erit das Bild eı- 
zeugt wird, an dem die Ausmeſſungen vorgenommen 
werden. In der Himmelspbotograpbie (j. d.) 
tritt an Stelle des Dfulars die photogr. 

F. Heiner Dimenfionen dienen bei — An⸗ 
zabl der verſchiedenſten Apparate als Hilfsteile und 
baben dann lediglich den Zwed, ein ſcharfes Seben 
und Viſieren zu ermöglichen. — Geodätiſche In: 
jtrumente mit F. find Heliotrop, Kippregel, Theo: 
dolit. — In der Phyſik dient das FJ. bei ver: 
ſchiedenen optifhen Demonftrationsverfuden, z. B. 


Fernrohr (Sternbild) — Feronia (botanifch) 


denen über Beugung, jowie bejonders zum genauen 
Mefien von Abitänden durch das Kathetometer (ſ. d.) 
und zur jog. Spiegelablefung (ſ. d.) der Galvano- 
meter (j. d.). MNäberes über alle die genannten 
Inſtrumente |. in den Einzelartiteln ſowie im Ar: 
tifel Sternwarte nebſt den beigebejteten Tafeln. 
Deutſche Firmen für die Heritellung von Fernrohr: 
objektiven > ganzen F. find: in Berlin: K. Bam 
‚®. B. oerj, 9. Haede, Ev. —— Th. 
Wegener. In Braunſchwei : Voigtländer Sohn. 
Dresden: ©. Hende. Sn Hamburg: Repſold 
Söhne. In Jena: Carl Zeiß. In Münden: 
J. Merz, Reinfelder & Hertel, J. Rodenitod, &. 4. 
teinheil Söhne, D. Wernhard. In Rathenow: 2. 
Friedrich, Nitihe & Günther, Gebr. Picht & Comp. 
In Werlar: M. Henfolot & Söhne. In Würzburg: 
Hartmann & Comp. Einige die er Firmen ftellen 
die Objektive nicht ſelbſt ber. — Bol. Servus, Die 
Geibichte des F. bis auf die neuefte Zeit (Berl. 
1886); Strebl, Theorie des F. (XI. 1, %pz. 1894). 
enrohr, Sternbild am füdlihen Sternhimmel, 
9 ternlarte des füdlihen Himmels, beim 
ilel Sterntarten. 
rohrauffat, J. Viſiereinrichtung. 
rohrbuſſole, ſ. Kompaß. 
ohrviſier, j. Viſiereinrichtung. 
eben, eleltriſches, ſ. Eleltriſches Sehen. 
tigkeit, |. Altersſichtigkeit. 
guale (auf Schiffen), |. Flaggen. 
fprechanulagen, j. Zelephonanlagen. 
precher, in der deutſchen Amtsjprade 
Bezeichnung der Telephone (f. d.). Als man den als 
Empfänger (zum Hören) benußten Zelephonen eine 
etwas andere Einrihtung gab ald den Telepbon: 
gebern, belegte man die eritern zum Unterſchiede 
von den F. amtlich mit dem Namen Fernbörer. 
Ferniprechgebührenordnung vom 20. Dei. 
1899 beitimmt die Gebühren für Benutzung ber 
öffentlihen Fernſprecher im Gebiete des Deutichen 
Reichs, ausgenommen in Bayern und MWiürttem: 
berg. Die F. untericheidet Baufchgebübren, nad 
der Zahl der — —————— und Grund: und 
Geiprähsgebübren, nad) der Za (der einzelnen Ge: 
ipräde. (S. Telepbonvertebr.) 
prechkabel, foviel wie ZTelepbontabel, 
L Kabel. [anlagen (f. d.). 
erniprechitelle, Spreditelle in Telephon⸗ 
eb, joviel wie Kraftübertragung (f. d.). 
ernverkehr, |. Borortvertehr. 
fier, j. Bifiereinrihtung. 
affen, die in die Ferne wirkenden Waffen. 
Sie berubten im Altertum und Mittelalter auf 
mecan. Treibmitteln, namentlich der Glajticität fefter 
Stoffe (Holz, Stahl, Sehnen u.j.w.) und zerfielen in 
Handfernwaffen (f. d.) und Wurfmaſchinen 
(f. d.), denen fich ergänzend die * elage: 
rungsmaſchinen anreibten. Diefe Wurf» und 
Belagerungsmaſchinen faßt man aud unter vem Ge: 
famtnamen — 1 (. d.) zuſammen. 
Die F. der Neuzeit beruhen ug chem. Treib: 
mitteln, namentlich dem Bulver, und heißen Feuer⸗ 
u) zerfallen in Handfeuerwaffen (f.d.) 


und Gej in e(i. a re 
Fernwirfung, die Wirkung einer von einem 
Körper ebenden Kraft auf ſolche Körper, die 


aus 
den eriten Rörper nicht berühren. Man ftimmt 
neuerdings darin überein, daß eine F. von Körper 
su Körper nur durd Vermittelung eines zwiſchen 
den Körpern liegenden Mediums möglich ſei. 
Brodhaus’ Ronveriationd-Berilon.. 14.Mul R.U VI 


577 


Am *— ausgebildet ift die Theorie über die 

‚der galvaniihen Ströme. Ein gerabliniger 
ehr langer Stromleiter erzeugt ein magnetiſches 

eld (f. Feld, magnetiſches), deſſen Kraftlinien (j. d.) 
Kreije find, deren Ebenen zum Stromleiter jentreht 
und deren Mittelpunfte in demjelben gelegen find 
(j. Eleltromagnetismus). Die magnetiihen Poten: 
tialflächen, die zu erjtern Linien überall ſenkrecht 
tehen, find durch den Stromleiter gelegte Ebenen. 

a beim libergang eines magnetiidhen Teilchens 
zwiſchen zwei gegebenen Potentialflächen die Arbeit 
(Weg mal Kraft) dieſelbe, der Abſtand dieſer Flä⸗ 
chen (der Weg) aber der Entfernung vom Strom: 
leiter proportional ift, fo kann die Kraft des Strom: 
leiterd auf das magnetiſche Teilhen nur dem Ab: 
ftande vom Stromleiter umgelebrt proportional fein. 
Biot und Savart haben dies dur Verſuche gefun: 
ben, indem fie eine fehr Heine Magnetnabel wie 
ein Pendel unter dem Einfluß eines jehr langen 
Stromleiterd jhwingen ließen; daher nennt man 
das Gefeg auch Biot:Savarts Gejeb. Laplace 
folgerte hieraus, daß ein ſehr kurzes Stromelement 
von der Länge 8 und der Stärfe i auf eine magne: 
tiſche Menge m in der Entfernung r die Kraft 


ausübt = sin a, wobei « der Wintel des Etrom: 


elementes mit der Berbindungslinie * m iſt. Die 
Kraft ſteht fentreht zur Ebene, welche durd das 
Stromelement und m gelegt wird. Auf dieſem ein- 
fachen Gejeg beruht die Konjtrultion der Tangen: 
tenbufiole (f. d.). Biegt man den Stromleiter zu 
einem freisförmigen Ring zufammen und hält dabei 
die eg t, daß die magnetifchen Kraftlinien 
die Teile des Stromleiter8 noch immer ringförmig 
umſchließen, fo fieht man, daß der Verlauf derjelben 
jenem ber Kraftlinien einer Magnetiihen Doppel: 
chale (ſ. d.) entipricht, deren Umfang vom Strom 
umflofjen wird. In der That lehren Erperiment und 
Theorie, daß man fich die magnetiſche Fernwirkun 
——— enen Strömen durch jene ſolcher Doppel: 
ſchalen erſeht denken tann. Zwei Ströme aufeinander 
wirken ebenfo wie zwei Doppelſchalen, was ſowohl in 
Bezug auf die mechan. Wirkung (f. Eletrodynamit), 
als aud in Bezug auf die Induktion (f. d.) gilt. 
Mit Rüdfiht darauf definiert man als die eleltro- 
magnetijhe Stromjtärle Eins jene eines Stroms, 
der die Flacheneinheit umfreijend fo wirkt, wie eın 
durch die Schlinge — ————— ſehr kurzer 
Magnet vom Magnetiſchen Moment (f. d.) Eins, 
welche Definition mit der in dem Artikel Strom: 
ftärte gegebenen übereinftimmt. 
— phyſiologiſche F. ſ. Fernwirkung 
Bd. 17). 

Bol. Hoppe, Zur Geſchichte der F. (Hamb. 1901); 
Danilewſty, Die phyſiologiſche F. der Eleltricität 


em 1902). h 
eröoe (ital., fpr. -tiche), mufifalifche Vortrags» 
bezeichnung: wild, ungejtüm. i 
——— (lat.), Wildheit, Robeit, Grauſamkeit. 
erolia guianensis Aubl., ein in Guayana 
vortommender Baum, dejjen ſyſtematiſche Stellung 
nicht genau befannt ijt; einige rechnen ihn zur 
amilie der Rojaceen (}. d.). Das Holz fommt als 
erolienbol;, — bois satine, in den 
andel und wird in der Möbeltifchlerei verwendet, 
Es ift ſehr hart und ſchwer, rotgelb und nimmt beim 
Polieren einen atlasartigen Glanz an. 
Feronia Corr., Pilanzengattung aus der Fa: 
milie der Rutaceen (f. d.) mit nur einer Art, dem 
37 


578 


Elefantenapfelbaum, F. elephantum Corr., 
im tropiſchen Indien und in Java. Es ift ein zu: 
weilen in den Blattacjeln Dornen tragender Baum 
von fehr hartem Holze; die Blättex find unpaarig 
nefiedert, die in Trauben oder Rifpen ſtehenden 
Blüten find weiß. Die Frucht hat apfelartige Ge- 
ftalt und Größe; in der harten Rinde befindet ſich 
ein ſäuerliches, viele Samen enthaltendes eßbares 
Fruchtmus. Blüten und Blätter duften anisartig. 
Aus der Rinde flieht das fog. Feroniagummt, 
das fowohl in Indien vielfad erwendung findet, 


als auch in Europa häufig ftatt des arab. Gummis 
benugt wird. ; en 
Feronla, ſehr artenreiche Gattung (allein in 


Deutichland über 60 ſchwer unterſcheidbare Arten) 
von Laufläfern der nörbl. Erbhälfte, von durch: 
—— b bis 18mm Länge, einfarbig, meiſt bräun: 
ih oder ſchwarz, jeltener —— einige 
metalliſch glänzend. Die Arten leben beſonders im 
Gebirge unter Steinen, moderndem Holz u. ſ. w., 
geben in den Alpen bis zur Schneegrenze, nörblid) 
i8 über den Polarkreis hinaus, 

Feronia, altital. Göttin, die beſonders im Sa: 
binerland zu Trebula Mutuesca, in Etrurien im 
— der meer: Feroniae) am Berge Soracte, in 

tium zu Pränefte, im Bolsterland bei Tarracına 
verehrt wurde, Sie war wohl eine Göttin der im 
Frühling — Vegetation und als ſolche 
mit der altital. Venus, der Flora, auch der Libera 
verwandt. Als einer Göttin der Freigelaſſenen weih⸗ 
ten ihr auch die (weiblichen) Libertinen aus Rom 
Gaben. Virgil nennt einen Sobn der $ zu Präneſte, 
Erulus (oft nad faljher Lesart Herilus ge 
nannt), ber gleich Geryon drei Leiber gehabt haben 
und von Euander erfchlagen worden fein foll. — 
F. beißt auch der 72, Blanetoid. [Firozpur. 

erozepore, brit.:ind. Diſtrilt und Stadt. !. 
erado, älteres Feld- und Getreidemaß in der 
ipan. Provinz Galicien, ald Feldmaß von 625 bis 
300 Quadratvaras (4,367 bis 6,595 a); ald Getreide 
maß wurde der F. in 24 Guartillos geteilt und bil: 
dete den vierten Teil der Fanega (f. d.). 

Ferraillieren (vom frz. ferraille, pr. -räj, «altes 
Gijen»), mit dem Degen raſſeln, ſich herumſtreiten, 
händelſuchtig fein; Ferrailleur(ipr.-rajöhr),Rauf: 

errand, Eduard, |. Schulz, Eduard. [bolv. 

errandina, Stabt im Kreis Matera der ital. 
Provinz Potenza, in 481 m Höhe, unmeit rechts 
vom Bajento und an der Linie Potenza : Tarent 
des Mlittelmeernekes, bat (1901) ald Gemeinde 
7401 €.; Wein: und Ölbau. F. murbe 1494 von 
den Bewohnern des durch Erdbeben zerjtörten Städt: 
chens Uggiano gegründet. 

Ferrara. 1) Provinz im Königreich Stalien 
in der Landſchaft Emilia (f. Karte: Dber- und 
Mittelitalien, beim Artilel Jtalien), grenzt im N. 
an die Provinzen Rovigo und Mantua, von denen 
fie durch den Po getrennt wird, im D. an das Adria⸗ 
tiihe Meer, im ©. an die Provinzen Ravenna und 
Bologna, im W. an Modena, hat 2625 (nad) Strel: 
bitjkij 2627) qkm und (1901) 271 776 E. und zerfällt 
in die 3 Kreiſe Cento, Comacchio und F. (189 695 €.) 
mit zuſammen 16 Gemeinden. Das Land bildet das 
unterſte Mundungsgebiet des Po auf deſſen rechter 
Seite, wird von gr ner feiner ſüdl. Arme und Zu: 
flüffe ſowie von zablreihen Entwäflerungsfanälen 
durdzogen, iſt flah und zum Zeil jumpfig (Balli 
di Comachio) und ungefund, aber außerorbentlich 
fruchtbar. Die Bewohner bauen Getreide, Hanf, 


Feronia (zoologiſch) — Tyerrara (Provinz und Stadt) 


Reis, Wein, treiben Seidens und Viehzucht, auch be» 
I&äftigen fie ſich mit Shen (Uale, Meeräichen), 
der burch die zahlreichen Kanaljchleufen außerordent⸗ 
li begünitigt wird, jomie mit Räuchern und Ein- 
falsen der Bilde und mit Salzgewinnung. 

2) F., lat. Ferraria, dad Forum Alieni der 
Römer, Hauptftabt der Provinz F., 120 km im 
SW, von Venedig, 9 km füplih vom Bo, in 7 m 
Höhe (Schwelle des Rathaufes) und faft 1 m unter 
dem Flußſpiegel, in einer ſum⸗ 

figen und ungefunden, aber 
rußhtbaren Ebene, an den Li⸗ 
nie ———— na (123 
km) und %.-Rimini (124 km) 
\ — des Adriatiſchen Neges und an 
N) ẽ der Anfhluflinie Suyara: F. 
b) (82 km), ift mit alten Befeiti- 
ungen, Stabtmauern und Ba⸗ 
ionen verſehen, Siß eines Mi: 
litärbiftrift3 und bat (1901) als Gemeinde 87 648 
E., in Garnifon das 14. Felbartillerieregiment 
(außer 2 Batterien) nebft einer TZraincompagnie und 
ein Bataillon des 2. — iments. F. bat 
breite, aber ftille, dde Straßen, 30 Kirchen und zahl» 
reiche große und fchöne, aber verödete Paläfte, 

Kirchen. DerDom San Giorgio, ein Prachtbau 
lombard. Stils, befist eine großartige F mit 
drei Rundbogenitellungen übereinander; der untere 
Zeil der Front und die Seitenfagaben find von 1135, 
der Oberbau aus dem 13. Jahrh., die Skulpturen 
aus dem 13. und 14. Jahrh. das Innere, dreiſchiffig 
mit zwei Duerkniteen, ift 1712 modernifiert und 
enthält zahlreiche Wanbmalereien. An der ſudl. 
Ede des Doms ein Glodenturm mit vier gewaltigen 
Stodwerten, unter Herzog Ercole II. (1534—58) 
erbaut. San Francesco, ein Baditeinbau von 
Vietro Benvenuti (1494), mit Ruppeln übermölbt, 
ift vreifchiffig mit Rapellenreiben; im Innern Grab: 
mäler der Familie Eſte. San Benebetto im Eorjo 
di Porta Bo, 1496—1553 von —— und 
Alberto Triſtani erbaut, iſt eine dreiſchiffige Pfeiler⸗ 
tirche mit Kapellenreihen. Die ehemalige Kirche 
San Romano mit zierlicher Backſteinornamentik des 

ieſes und der Fenfterbogen wird durch Anbauten 

aft verbedt. San Baolo enthält Gemälde von Bo- 

noni und Scarfellino; Sta. Maria in Vado, eine 
der älteften Kirchen der Stabt, jeit 1495 von Biagio 
Rofletti und Bart. Triftani umgebaut, dreiſchiffig, 
Mittelfhiff mit flaher Dede auf zehn Säulen, 
Fresten von Bononi. Die Kirhe San Eriftoforo 
Zi dem Campo Santo, einem frühen Kartäuſer⸗ 
tloſter, 1498—15583 erbaut, ift ein ſchoͤner Renaif: 
fancebau. Die Kirhe Corpus Domini enthält die 
Gräber von Lucrezia Borgia, Alfons L u.a. Die 
Kirhe Sta. Maria della Roſa auf der Via degli 
Armari fteht vor der Borta Romana. In der Kirche 
San Giorgio, mit Grabmal des Biſchofs Roverella 
von Ant. Rofellino und ſchönem Turm von Biagio 
Rofietti, eröffnete Papſt Eugen IV. 1438 das Fer 
rara⸗Florenzer Konzil (. d.). j 

Weltlihe Bauten. Den nörblihen, im 
14. Jahrh. von Ercole L erbauten Stabtteil dur: 
ſchneiden zwei Hauptitraßen, ber Corſo Vittorio Cma» 
nuele und der Corſo di Porta Po und di Porta Mare; 
die Kreuzung bezeichnen vier ftattlihe Paläſte darun⸗ 
ter ber Kalanıs rosperi oder de’ Leoni mit ſchoͤnem 
Portal, und der Ion de’ Diamanti, benannt nad 
den das Gebäude betleidenden facettierten Duabern, 
für Sigismondo d' Eſte von Biagio Roſſetti im 





Ferrara (Francesco) 


aiflance errichtet und 1567 vollendet, mit 
der ftäptifchen Gemälvdefammlung in dem Ateneo 
civico, deren Bilder meijt der ferrareſiſchen Schule 
(GBarofalo, Dofio Dojfi) ne und aus ebes 
maligen Kirchen ftammen. Das ehemalige berzogl. 
Schloß (Eaftello) in der Mitte der Stadt, ein altes 
(Ende des 14. Jahrh.), viertürmiges Gebäude von 
maleriihem Uußern, jest Siß mehrerer Bebörven 
und des Telegrapbenamtes, enthält Dedenfresten 
von Doffi. Der Palazzo Schifanoja an der Strada 
della Scandiana, jet Taubftummenanftalt, einft 
Luſtſchloß, 1891 von Alberto d'Eſte begonnen, 1469 
von Borjo vollendet, enthält ſchöne Freslen von 
Eofimo Tura, Lorenzo Coſta u. a., 1840 unter der 
Zünde entdedt. Der Palazzo Communale war 
einft Sig der Eite. Der Palazzo Coſtabili, mit 
fhönem Hofe und zwei Sälen mit Dedenfresten 
von Ercole di Giulio Orandi , wurde für Ludovico 
Moro erbaut. Der Palazzo della Ragione, ein got. 
Badfteinbau (1315—26), 1840 rejtauriert, ift noch 
jest Siß des Gerihts. Das einfahe Haus Arioitos, 
welches der Dichter felbft erbaute und wo er zulegt 
lebte, ift feit 1811 Eigentum der Stadt. Die Cafa 
degli Ariofti, bei der Kirche Sta. Maria di Bocche, 
ift des Dichters Vaterbaus. Das Haus des Did: 
ters Guarini gebört noch deſſen Familie an. m 
St. Annenhoſpital befindet ſich die Zelle, in welcher 
Taſſo 1579—86 auf Befehl Alfonfos Il. gefangen 
— worden ſein ſoll; in derſelben ſind die 
damen Byrons u. a. Dichter angeſchrieben. An 
des Dichters Liebe zu Eleonore von Eſte erinnert 
die vor der Stadt gelegene Villa Belriguardo. Ein 
Standbild Arioſtos erhebt ſich **8* Säule auf 
der Piazza Arioften von Franc. Vidoni, 1833 ers 
richtet; die Säule war im 15. Jahrh. zu einem Dent: 
mal für Grcole I. beftimmt und trug 1810— 15 
ein Standbild Napoleons I. Zwiſchen Schloß und 
Dom das Denkmal des in F. geborenen Girolamo 
Savonarola, von Stefano etti, 1875 errichtet; 
vor dem Schloß ein Dentmal Victor Emanuels IL 
(von Monteverbe). 
$ ift Sig eines Bräfetten, eines Erzbiſchofs, eines 
Tribunals, eines Affifenhofs, eines Handelsgerichts 
und einer Handelälammer und hat eine freie (nicht: 
ftaatliche) Univerität ibera Universitä di F.), ein 
eol. Seminar, ein Öymnafium, mehrere andere 
nterridtsinftitute, eine Accademia Ariostea, vers 
ſchiedene Wohlthätigkeitsanftalten und vier Theater. 
Die Univerfität, 1264 gegründet und 1391 reorganis 
hat gi — ein = — er be .. 
richtung nur d . „znfolgedejjen wurde 
1442 vom Ma — — wiederhergeſtellt und 
fehr berühmt (Savonarola und Arioſt wirkten an 
derjelben). Nach 1593 ging fie — und wurde 
Ende des 18. Jahrh. geſchloſen. Nachdem die 1802 
egründete höhere Hydrauliſche Schule wieder ges 
chloſſen war, wurde die Univerſität 1815 wieder 
eröffnet und mit einer Ingenieurſchule verbunden. 
Sie hatte (1899/1900) 128 Hörer und umfaßt eine 
jurift., mathem.⸗ naturwiſſenſchaftliche und mebiz.: 
chirurg. zent, legtere mit einer Bharmaceutens 
ſchule. Dit ihr verbunden find ein botan. Garten, 
ein phyſil. Kabinett, ein anatom. Theater und eine 
reihe Sammlung von Münzen, gried. und lat. In⸗ 
chriften, einige röm. und althriftl. Sartophage 
owie eine ausgezeichnete Bibliotbef (91 000 Bände, 
1690 Ferrareier und 421 andere Handſchriften, 
darunter 52 Ausgaben des Ariofto , mehrere Autos 
arapbien ber dieſes Dichters [«Orlando 


579 


furioso»],, ſowie Taſſos und Guarinis («Pastor 
fido»], 3191 Autographen, 2350 Kupfer: und Hands 
zeihnungen, alte Drude und Eborbüder mit Minia- 
turen des 13. bis 16. Jahrh.). In einem der Biblio: 
thefiäle ift das Grabdenkmal Arioftos. j 
Geſchichte. Als nambafterer Wohnort wohl erit 
mittelalterliben Urfprunge, kam F., welches die 
BVärfte auf Grund der Schenkungen Pippins und 
Karls d. Gr. beanfprudten, Ende des 10. Jahrb. 
als päpftl. Lehn an die Markgrafen von Tuscıen. 
Nah dem Tode der Großgräfin Mathilde gab fi 
5. eine freiftäptifche Regierung und trat dem Lom⸗ 
bardenbund bei. Aus dem Adelätampf ver kaifer: 
lich gramm Salinguerra und der päpftlic gefinn: 
ten Marcheſelli, an deren Stelle dann die Ejte traten, 
ingen dieje 1208 als Stadtherren or. Die Eſte 
( d.), 1312 vorübergehend vom ft Clemens V. 
und dem mit ihm verbündeten König Robert von 
Neapel verdrängt, erwarben fi im 14. Jahrh. nicht 
nur die erneuerte päpftl. Beftätigung ihrer Herrſchaft 
über $., ſondern aud die taiterfiche ihrer von F. 
aus gemachten Eroberungen in der Nachbarſcha 
und erreichten 1471 — IL die Erhebung F.s 
zum Herzogtum. Wie jhon früher gab ed auch 
in ber Folgezeit namentlich des Salzes wegen viel: 
fache Neibungen mit Venedig. Schon im 13, Yabrb. 
ein Sammelplap provencal. Dichter, wurde der Hof 
der Ejte zu F. im 15. Jahrh. ein Glanzpunkt des 
Nenaifiancelebens, und bier erhielt fich die geiftige 
Blüte no dur das ganze 16. Jahrh. hin, als ſie 
im übrigen Stalien bereits gefnidt war (f. Kriofto, 
Taſſo, Guarini, Calvin, Renata). Nah dem Tode 
—— II. gelang es deſſen illegitimem Better 
Gejare, nur Modena und Keggio ſich zu erhalten, 
das Herzogtum F. wurde von Clemens VIIL 1598 
mit Gewalt zum Kirchenſtaat eingezogen, um ale: 
bald geiftig und mwirtichaftlic völlig aufammenzu: 
finten und jich zu entvöllern. Die Verſuche der Eite, 
während des Krieges zwiſchen den Farneſen und 
Barberini und während des Spaniihen Erbfolge: 
—* mit Hilfe des Kaiſers F. wiederzugewinnen, 
mißlangen. Nachdem es 1797 mit der Cisalpiniſchen 
Republik, ſpäter mit dem Koönigreich Italien ver: 
einigt worden war, fam es 1814 an den Papſt zurüd. 
außer einer Strede im Norden des Po, welche dem 
Wiener zufolge famt dem Beſahungsrecht 
in ben Städten 5. und Gomacdjio («dans les places 
de Ferrare») an Öfterreih fam. 1859 tam das Lan 
an das neue Konigreich Italien. 
Bol. Antonio Frizzi, Memorie per la storia di 


F. (5 Bde., Ferrara 1791; 2. Aufl., ebd. 1847—48): 
G. Manini Ferranti, Compendio della storia sacru 
e politica di F. (6 Bde. ebd. 1808); Luigi Unbi, 


Dizionario storico degli uomini illustri ferruresi 
(ebd. 1804); 3 Gonti, Storia di F. in compendio 
(ebd. 1851); ©. Antonelli, Saggio di bibliogrufia 
storica f ‚ publicato in appendice del 
secondo volume del Frizzi; €. Azzi, Vocabolario 
domestico ferrarese-italiano (errara 1877); Canti 
polari di F., Cento e Ponte lagoscuro (ebd. 1877); 
—S universitä di F. (ebd. 1879); Ferraro 
e Antolini, F. nella storia del risorgimento italiano 
1814—21 (ebd. 1885). Weitere Litteratur f. Eite. 
Ferrära, Francesco, ital. Nationalötonom 
und Bolititer, geb. 7. Dez. 1810 zu Palermo, ward 
18834 Leiter des Statiftifhen Bureaus für Sicilien 
und gründete das «Giornale di Statistica», wurde 
en Beteiligung an den Unruben von 1847 ver 
haft und trat 1848 in bie proviforische Regierung 
37* 


550 


von Balermo ein, nah deren Sturz er fib nad 
Piemont begab. An der Univerfität zu Zurin, 
ipäter zu Pija lehrte er 184964 Staatswiſſen⸗ 
icbaften, wurde dann zum 2eiter des Steuerweſens 
ernannt und trat 1865 in die Hammer ein, in ber 
er auf der Linken jaß. Unter Rattazzi übernahm 
er das Finanzminifterium vom Mai bis Juli 1867. 
1868 wurde F. Direktor der königl. Handelsſchule zu 
Venedig und 1881 Senator. Er jtarb 22. Yan. 1900 
in Venedig. F. ſchrieb: «Importanza dell’economia 
politica» (zur. 1849) und leitete die erften —— Se⸗ 
rien der «Biblioteca dell’ economista» (27 Bbe., ebd. 
1850-68), worin er durch Einleitungen (gefammelt: 
2 Bde., ebd. 1890) in das Verftändnis der national: 
dlonomiſchen Verfaſſer einfü Seine ſtatiſt. Ab⸗ 
handlungen find in einem Bande der «Annali di 
Statistica» ( 1890) zufammengefaßt. 
‚WSerrära:Florenzer Konzil (1438—42), Ron: 
zil, auf dem eine Union zwiſchen der röm. und griech. 
Kirche abgeichlofjen wurde. Obgleich die Abneigung 
zwiſchen dem abenbländ. und morgenländ. Katholi⸗ 
ciamus gro war, bielt doch der griech. Kaiſer —* 
hannes VII. Paläologos, von den Türten hart be⸗ 
brängt, die Hilfe des Abenblanbes um keinen Preis 
r zu teuer erfauft. Bapft u IV. ergriff vie Ge⸗ 
enbeit, um gegenüber den Anfprüchen des Baſe⸗ 
ler Konzils (f. d.) das Anſehen des päpftl. Stubles 
zu heben. Nachdem bie päpftl. Partei des Kon— 
Ur 7. März 1437 Baſel verlafien hatte, verlegte 
gen IV. dasſelbe 30. Dez. 1437 nach —— wo 
e3 8. jan. 1438 eröffnet wurde, Anfang März trafen 
die Griehen ein, mworunter ber Raijer und ber 
Batriarh von —— Am 9. April 1488 
wurde die Verſammlung als Unionsſynode eröffnet. 
Ohne Erfolg zogen ſich die Verhandlungen über das 
«Filioque» (d. 4 ob der Heilige Geiſt, wie die Grie⸗ 
hen lebrten, nur vom Vater ausgehe, oder, wie 
die Römer lebrten, von Bater und Sohn) pin, bis 
der Papſt aus Gelbnot das Konzil im Febr. 1439 
nad Florenz verlegte. Hier gaben die Griechen das 
«Filioque» zu, verwahrten ſich nur dagegen, es ins 
Symbol ————— Nachdem 10. Juni 1489 der 
Patriarch von Konſtantinopel zu Florenz — 
war, hatten die Verhandlungen raſchern Erfolg. 
Der Gebtauch von neiäuertem oder ungefäuertem 
Brot beim Abendmahl wurde für leihanltig er: 
Härt, die röm. Lehre vom Fegefeuer, von den 
lenmeſſen und den guten Werten wurde anerlannt 
und über den Primat des Papſtes eine jo zweideu⸗ 
tige formel aufgeitellt, daß beide Parteien ſich da- 
bei berubigten. So erfolgte 6. Juli 1439 in ber 
Hauptlirhe zu Florenz der feierlihe Abſchluß ber 
Union. Der Theolog Markus Cugenicus, Erz 
biſchof von —R— igerte ber Unionsurlunde 
ſeine Unterſchrift; ſämtliche orient. Patriarchen, 
außer Metrophanes von Konſtantinopel, ſprachen 
1443 auf einer —— zu Jeruſalem den Bann 
über alle unierten riechen aus; nach der an 
Konſtantinopels durch bie Türlen 1453 wurbe ſchon 
aus polit. Gründen ein Gegner ber Union zum 
Patriarhen erhoben und 1472 auf einer Synode 
die Union von Florenz feierlich widerrufen. Nach 
der Abreife der Griehen bielt das Konzil nod 
5 Sikungen (bis 1442), in welden es Unionen mit 
den Armeniern (12, Nov. 1439) und den Jalobiten 
(4. Febr. 1442) jhloß, und wurde 1442 nad Rom 
verlegt. Die beiden lekten Sikungen in Rom 
(30. Sept, 1444 und 7. Aug. 1445) brachten noch 
Unionen mit der ſyriſchen, der chaldaäiſchen (neftos 


Ferrara⸗Florenzer Konzil — Ferrari (Giufeppe) 


rianiſchen) und maronitiſchen (monotbeletifchen) 
Kirche. — mmann, Kritiſche Beiträge jur 
Geſchichte der Florentiner Kirheneinigung (Halle 
1872, und in ben —*8 für deutſche Theo⸗ 
logie», 1877); Hefele, Konziliengeſchichte, Bd. 7, 
A —— Br. en; Drä Y um — 
einigungsverſuch des Jahres 1439 (4Byʒantiniſche 
Beittährefte Bd. 5, 2pz. 1896). 

Ferräri, Benebetto, ital. Mufiter, geb. 1597 in 
Reggio, get. 22. Dit. 1681 zu Modena, eröffnete 
1637 in Venedig die erſte öffentliche Dpernbübne. 

. mar Jmprefario, Komponift und Dichter. Cine 

eihe von Jahren wirkte er am kaiſerl. Hofe zu 
Wien. Am längjten weilte er in Modena. Eins 
feiner Bücher bat Monteverdi, ein anderes Cavalli 
in Mufit gefegt. Auch als Virtuos auf der Laute 
—— tiorba) war F. jo berühmt, daß er den 

inamen della tiorba führte. Die Biblioteca 
Estense in Modena befist viele Rompofitionen von 
ihm banbihriftlid, darunter zwei Dratorien. 

Ferräri, Gaudenzio, ital. Maler, geb. 1471 
zu Balduggia im Mailändijchen, geit. 1546, bat 
wahrſcheinlich feine Lehrjahre in der Schule von 
BVercelli zugebrabt und fih dann an den Werlen 
Leonardos und Luinis weiter gebildet. Den jtrens 

ern ältern Stil verlafjend, zu ——— Lebendig⸗ 
eit neigend und doch phantaſievoll fühn, bat er 
eine bejonders fruchtbare Thätigleit ald Wand⸗ 
maler entfaltet. Seine figurenreichen Kompofitionen, 
in denen er liebt, feine Kunſtfertigleit in perſpelti⸗ 
viſchen Verlürzungen zu zeigen, zeichnen ſich durch 
fräftige Jarbengebung und ein eigentümliches Hell» 
duntel in den Köpfen aus. Bon feinen Werten ent» 
bältdie Brerain Mailand unteranderm: Martyrium 
der beil. Katharina, das ibn auf feinem Höbepuntte 
zeigt; ferner die früher in Sta. Maria della Baffione 
eweſenen Freslen mit Darftellungen aus der Ges 
&hichte der Jungfrau Maria. Sein umfangreichites 
erl find die den Tod Chriſti darftellenden Freslen 
in 40 Kapellen zu Barallo in Piemont. In Bercelli 
entbält das Refeltorium von San Baolo ein Abend: 
mabl, das den Einfluß von Leonardos Darftellung 
ertennen läßt. Sodann find hervorzuheben: eine 
Kreuztragung auf dem Hochaltar zu Cannobbio 
fowie ein präctiges Tafelmerk in San Gaudenzio 
zu Novara (1515), Vermäblung Mariä und Flucht 
nad Agypien im Dom zu Como. — Bol. Colombo, 
Vita ed opere di Gaudenzio F. (Zur. 1881). _ 

Ferräri, Giufeppe, ital. Bhilofoph und Hiſto⸗ 
rifer, geb. 1812 in Mailand, ſtudierte in Pavia, 
wurde Mitarbeiter ei en polit. Zeitſchriften 
und Freund des Philoſophen Romagnofi. Ruf er 
langte er durd eine Ausgabe von Vicos fämtlihen 
Werten (6 Bve., Mail. 1836—37), denen er einen 
Band über Vicos Geiſt beifünte, 1839 ging F. 
nad Frankreich und veröfientlichte «Vico et l’Italie» 
(Bar, 1839). 1840 erhielt er eine Brofeffur der Litter 
ratur an der Univerfität in Rochefort; doch mußte er 
fie focialiftifher Tendenzen halber 1841 wieder auf⸗ 

eben. 1840 fchrieb er «De l’erreur» und «De re- 
igiosis Campanellae opinionibus». wiſchen 
hatte F. einen Ruf an die Univerſität Straßburg 
erhalten. Dort denunzierten ihn die Ultramontanen, 
indem fie eine Stelle des Plato für eine ſolche aus 
3.5 Werten ausgaben, wegen kommuniſtiſcher Leh⸗ 
ren, weshalb er von Billemain abgejegt ward. Zu 
feiner Rechtfertigung gab F. «Id&es sur la politique 
de Platon et d’Aristote» (Bar. 1842) beraus. 
1843 erjchien der bedeutende «Essai sur le principe 


Ferrari (Luigi) — Ferrazzi 


et les limites de la philosophie de l’histoire» 
(ebd. 1843). Nach der Februarrevolution von 1848 
verlieh ibm Garnot fein Amt wieder, doc ging er 
nod 1848 nad Bourges, wo er bald von neuem 
abgejeßt ward. 1859 tehrte F. nad Italien zurüd, 
- Ss ’ edle: —— und en au 
a er: i ament trat. F. 1. Juli 
1876 in Rom. Er ſchließt ſich an — und 
Vico an, leugnet die Exiſtenz einer übernatürlichen 
Glaubenswelt und vertritt einen antimetaphyſiſchen 
Realismus. F. gab nody folgende Werte heraus: 
«Machiavel, juge des r&volutions de notre temps» 
(Bar. 1849), «Les philosophes salari6s» (ebd. 1849), 
«La federazione repubblicana» (Gapolago 1851), 
«La filosofia della rivoluzione» (Mail. 1851; 
2. Aufl, 2 Bde., 1873), «L’Italia dopo il colpo di 
stato» (ebd.1852), «Histoiredesrevolutions d’Italie, 
ou Guelfes et Gibelins» (4 Bde., Bar. 1857—58), 
«L’annexion des Deux-Siciles» (ebd. 1860), «His- 
toire de la raison d’Etat» (ebd. 1860), «La Chine 
et l’Europe, leur histoire et leurs traditions com- 
es» (ebd. 1867), «Corso sugli scrittori politici 
italiani» (Mail. 1862—63 u. d.), «Storia delle 
rivoluzioni d’Italia» (3 Bde., ebd. 1871—73), «Teo- 
ria dei periodi politici» (ebd. 1874). — Bol. Nayjo- 
leni, G.F. (Mail. 1877); Werner, Die ital. Philo⸗ 
jopbie des 19. Jahrh., Bo. 3 (Wien 1885). 
Ferräri, Luigi, ital. Bildhauer, Sohn von Bar: 
tolommeo F. (geit. 1844), geb. 1810 zu Benebig, 
madhte feine Studien unter des Vaters Leitung und 
war an dem Grabdentmal für Canova in Sta. 
Maria dei Frari beihäftigt. Sodann ſchuf er einen 
Laokoon, einen Endymion, ein Standbild des Marco 
Polo, David als Befieger Goliaths. Für die Jo: 
bannitertirche in Venedig arbeitete er ein Marmor: 
denfmal des Erzherzogs Friedrich von Oſterreich; 
ein Standbild des heil. Zuftus in Marmor fertigte 
er für den Altar in der diefem Heiligen geweihten 
Kirche in Trieft. Außerdem bildeten Grabmäler und 
Genreftulpturen die Hauptthätigteit des Künitlers. 
1851 wurde er Profeſſor an der Akademie in Bene 
dig, wo er 12. Mat 1894 ftarb. 
äri, Paolo, ital. Luftipielvichter, geb. 
5. il 1822 zu Modena, ftudierte bajelf die 
Rechte, widmete ſich gi 1847 der dramat. Dichtun 
und warb 1860 Brofeflor der Geſchichte an der wit 
ſenſchaftlich⸗litterar. Alademie zu Mailand. Er 
ftarb 9. März 1889. F. begann ſeine ee a 
Dramatiter mit dem Luſtſpiel «Bartolommeo 0- 
lajo» (1847; jpäter «Il codicillo dello Zio Venanzio» 
betitelt). Seinen Ruf begründete das I 
fchriebene Meifterwert «Goldoni e le sue sedici 
commedie», das die Runde über alle Bühnen 
taliens machte. Großen Beifall erzielte auch das 
piel «La satira e Parini» (1871). Seitvem 
nahm F. den erjten Rang unter den gleichzeitigen 
Dramatifern Italiens ein. Außer den beiden zu: 
legt genannten Stüden find zu nennen: «Il Tartufo 
moderno» (1858; ſpäter «Prosa» betitelt), «La 
donna e lo scettico» (1864), «Dante a Verona», 
«Poltrona storica», «La medicina d’una ragazza 
amımalata» (1862), «Il duello» (1868), «Gli uomini 
seri» (1869), «I,’attrice cameriera» (1871), «Cause 
ed effetti» (1872), «Il suicidior, «Amici e rivali», 
«Le due dame» (deutſch in Reclams «llniverjal: 
bibliotbel»), «Il ridicolo» (1878), «Il perdono» 
(1879), «Per vendetta», «Un giovane ufficiale», 
«L’Antonietta» (1880), «Fulvio Testi» (1889) u. a. 
Die volljtändigfte Geſamtausgabe jeiner «Opere 


581 
drammatiche» erfhien Mail. 1877—80 (14 Bpe.). 
Einige feiner Stüde wurden ind Deutſche überjegt. — 


Vol. Fortis, P. F., studio biografico (Mail. 1839); 
Vittorio Yerrari,P.F., la vita, il teatro (ebd. 1898). 
Ferräris, Carlo Francesco, ital National: 
blonom und Statiftifer, geb. 15. Aug. 1850 zu 
Moncalvo (Aleffandria), war 1874— 76 Mitglied 
des ital. Statiftiihen Bureaus, wurde 1878 außer: 
ord. Profeifor an ber Univerfität Bavia, 1883 Di: 
reftor im Minifterium für Aderbau und 1885 ord. 
Profeſſor der Statiftif in Padua, 1886 wurde er in 
dad Abgeorbnetenhaus gewählt. März 1905 bis 
—* 1906 war er Miniſter der öffentlichen Arbeiten, 
fchrieb unter anderm: «La statistica e la scienza 
dell’amministrazione.nelle facoltä giuridiche» (Ba: 
dua 1878), «Moneta e corso forzoso» (Mail. 1879), 
«Saggidieconomia, statistica escienza dellaammi- 
nistrazione» (Tur. 1880), «La statistica del movi- 
mento dei metalli preziosi» (Rom 18883), «L’assi- 
curazione obbligatoria e la responsabilitä dei pa- 
droni ed imprenditori per gli infortuni sul lavoro» 
(2. Aufl., ebd. 1890), «Die Banlen in eg (im 
«Handmwörterbud der Staatswiſſenſchaften⸗, Bd. 2, 
2. Aufl., Jena 1899), «Principiidiscienza bancaria» 
(Mail. 1892), «La questione sociale e la trasforma- 
zione del sistema tributario in Italia» (Como 1898), 
«Il materialismo storico e lo stato» (2. Aufl., Ba: 
lermo 1897), «Teoria del dicentramento am- 
ministrativo» (2, Aufl., Mail. 1899). 

Ferraris, Galileo, Phyſiler und Elektrotech⸗ 
niter, geb. 81. Olt. 1847 zu Livorno Bercellefe (No: 
Saral, It 1878 Profeffor der technischen Phyſik an 
dem Reale Museo Industriale Italiano zu Mailand, 
ſeit 1880 auch ord. Profeſſor der Bhyfit, richtete 1886 
—87 die eleftrotechnifche ngenieurfchule u Turin 
ein, die erfte Staliens; er war mebrmals bei inter: 
nationalen Elektrotechnifer-Rongreiien der Vertreter 
Italiens ſowie Bräfident der «Italieniſchen elektro: 
techniſchen gi Mailand. Er jtarb 7. Febr. 
1897 zu Turin, wo ibm 1908 ein Denkmal errichtet 
wurde. Seine Arbeiten erjtreden ſich vornehmlich 
auf eleftrifche Kraftübertragung, Transformatoren, 
— *5* : und Mehrphaſenſtromtechnik. Er 
fchrieb: « Wiſſenſchaftliche Grundlagen der Eleltro: 
technik» (deutſch von Finzi, 2pz. 1901). 

Ferraſch (arab.,«Teppichbreiter»), im Drient ein 
Diener, der in den Häuiern der Großen die Teppiche 
und Matten jowie die Sipoliter und Betten in Ord⸗ 
nung au balten bat. Speciell heißen 5.40 ſchwarze 
Eunuchen zu Medina, deren Amt es iſt, die mit koſt⸗ 
baren Teppichen ausgelegte Grablapelle (Türbet) 
Mobammeds zu reinigen und zu bebüten. 

Ferratin, Ferrialbuminfäure, ein aus 
Hübnereiweih und weinfaurem Eifenorybnatrium 
dargeitelltes Präparat, das dem Organısmus zum 

wede der Ernährung und Bejeitigung frantbafter 
Suftände das Eijen in derjelben Form zuführen 
ol, in der es im natürlichen Zujtande bereits vor: 
anden iſt. E3 enthält etwa 6—10 Proz. Eifen 
und wird als jene Subftanz bezeichnet, aus der ſich 
| —— ame 
„Giuſeppe Jacopo, ital. Dante: For: 
ſcher, Bihlancaph und Batriot, geb. 20. März 1813 
zu ialiano bei Baflano, ftudierte im Seminar 
zu Vicenza, erhielt 1835 die Briefterweibe und dann 
eine Vebreritelle am Gymnafium zu Baſſano, aus 
welcher Kabesip ihn 1849 wegen feiner patriotifchen 
Gefinnung entfernte. Na der Einigung iend 
wurde er Brofehlor und Sculinjpeltor zu Baffano, 


682 


in welder Stellung er bis zu feinem Tode, 3. Mai 
1887, verblieb. Er ſchrieb: «Di Bassano e dei Bas- 
sanesi illustri» (Bafjano 1847), «Elogio storico di 
M. Zaccaria Briesto, arcivescovo di Udine» (ebd. 
1852), «Degli instituti di beneficenza della cittä di 
Bassano» (ebd. 1854), «Del debito di fare il proprio 
testamento in perfetta serenitä di mente» (ebb. 1854 
u. d.), «Antologia italiana» (2 Bde. Wien 1858— 
69), «Bibliografia Petrarchesca» (Baflano 1877), 
«Torquato Tasso. Studi biografici-critici-biblio- 
grafici» (ebd. 1880), «Bibliografia Ariostesca» (ebd. 
1881). Sein Hauptwerk ift das von großem Sams 
melfleiße zeugende «Manuale Dantesco» (5 Bpe., 
ebd. 1865—77)..— Bol. Brentori, Della vita e 
degli scritti di G. J. F. (Bafjano 1887). 
‚Seresten, Antonio, portug. Dichter, geb. 1528 
u Liffabon, ftubierte die Rechte in Coimbra, bes 
Nhäftigte fi aber bauptfächlid, mit dem Stubium 
der Dichter des Maffishen Altertums. 1556 warb 
er Obertribunalsrat in Lifjabon, wo er 1569 an der 
Peſt ftarb. Er war nebft Saͤ de Miranda der haupt⸗ 
jählichfte Begründer des jo8- Haffiihen —— 
oder der — der lat. und ital. Dichter in 
der portug. Poeſie, wodurch dieſe eine neue Rich⸗ 
tung erhielt. Seine Tragödie «Ines de Castro» wird 
nod jest von den Bortugiejen als eins ber ſchönſten 
Dentmäler ihrer Litteratur betrachtet. Seine beiden 
Quftipiele «Comedia do Bristo» und «Comedia do 
Cioso», YJugendarbeiten nad den von Sa de Mi- 
randa gegebenen Muftern, werben noch immer ges 
ſchätht; namentlich gilt das zweite («Der Eiferfüd: 
tige») für das ältefte neu⸗ europ. Eharalterluftipiel. 
1825 wurde ed von Musgrave ins Engliſche, 1835 
von $ Denis im «Theätre europsen» ind Fran: 
zoſiſche überfegt. 5.8 Werte erſchienen Lifjabon 1598; 
in 2Bdn. ebd. 1771, 1829 u. 1875. — Val. Eaftilbo, 
Antonio F. poeta quinhentista (3 Bde., Rio de 
aneiro 1875); Theophila Braga, Historia dos 
uinhentistas (Porto 1871). [Dichter, ſ. Ribeiro. 
erreira, Thomaz Antonio Ribeiro, portug. 
erreira de Badcancelloß (ipr. di waslong⸗ 
be uh), Jorge, dramat. Dichter Portugald um 
die Mitte des 16. Jahrh., befleivete verſchiedene ho⸗ 
fiihe Amter und foll 1585 in Lifjabon geftorben 
ein, Seine e erſchienen anonym. Es find drei 
tofatomödien: «Eufrosina» (1527 gefchrieben, ge⸗ 
drudt Evora 1560 u. 1561; Lifjab. 1616 u. 1786; 
ipanifh von Fernando de Ballefteros y Saavedra, 
abr. 1681 u. 1735), «Ulysippo» (Lifjab. 1618 u. 
1787) und «Aulegrafia» (ebd. 1619). Die beiden 
legten find Komddien im Haffiihen Geſchmad. 3. 
ſchtieb ferner einen dem Kronprinzen D. Joäo ges 
widmeten Ritterroman, der an ben Sagentreis von 
König Artus anlnüpft, betitelt zuerft «Triumpho de 
amor» (Coimbra 1554) und fpäter, mit neuer 
—— König Sebaſtian, «Memorial das 
— segunda tavola redonda» (ebd, 1567 u. 
ifjab. 1867). Demjelben find viele Romanzen und 
Bilancetes, aber auch einige Ganzonen und Oben ein: 
efügt. Ungemiß ift es, ob F. identiſch ift mit einem 
orge de Basconcellos, der zu den Poeten des Can⸗ 
cioneito de Rejende gehört. Einige moraliſche Traltate 
von ihm («Obras moraes», 1560) zur Unterweiſung 
des jugendlichen Sebajtian ſcheinen verloren zu ſein. 
Ferrel, William, amerit. Meteorolog, geb. 
29. Yan. 1817 zu Pennſylvanien, war 1882 —86 
Aifiitent beim Signal Service zu Waſhington 
und jtarb 18. Sept. 1891 in Maywood (Kanſas). 
Seine Arbeiten beziehen ſich auf die Einwirkung 


Ferreira — Ferrerius 


der Achſendrehung der Erde, der —— von 
Sonne und Mond, der Wärmeftrablung der Sonne 
u. ſ. w., auf die —— und Zuſtände im 
Meer und dem Luftkreis. Ein vollſtandiges Ber: 
eichnis feiner Schriften befindet fi) im «American 
eteorological Journal» (1891). 
en in Mastlat, = 801. 
errenafe, Stadt im Depart. Lambayeque im 
nödrdl. Peru, am weſtl. Fuße der Küftencorbillere, 
bat (1876) 7043 €, und bedeutenden Reisbau; 
zum Hafenort Eten führt eine Eifenbabn. 

Ferrera (Farrera) oder Eiſenhüttenthal 
die untere Thalitufe des Avers (f. d.) im Bezirk 
Hinterrbein des ſchweiz. Rantond Graubünden, be 
ſteht aus einer Reihe wilder, waldiger Felsſchluch⸗ 
ten und enger Thaltefjel, durch welche der Aver: 
— in zahlloſen Stromſchnellen und Waſſer⸗ 
ällen dem Hinterrhein zueilt. Bon ©. nach N. 
—2 9 km lang, öffnet ſich das Thal 2", km 
oberhalb Andeer gegen das Schams; in den Ge 
meinden Ganicul oder Inner⸗Ferrera (in 1480 m 
Höhe) und Außer⸗Ferrera (in 1321 m Höhe) bat es 
—— 163 evang. romaniſch ſprechende E., deren 

aupterwer le die penwirtichaft ift. Ver: 
laflene Hüttenwerte und Hochbfen mweilen auf den 

bern Bergbau hin, der Silber, Kupfer und nament- 
ib Eifen lieferte. 1873 wurden eine Anzahl alla⸗ 
life Thermen (+ 84° C.) entbedt. j 
erad, Juan de, ſpan. Geſchichtſchreiber, 
geb. 7. Juni 1652 zu Labañeza, vollendete ſeine 
geiſtlichen Studien der Univerfität zu Sala⸗ 
manca. Er wurbe zu hoben Ehren befördert und 
elbft bei der Kongregation der Inquiſition ange 
tellt. Philipp V. ernannte ihn zum königl. Biblio: 
thelar. Gr ftarb 8. Juni 1735. Durch jeine «Historia 
de Espaöa» (16 Bbe., Madr. 1700—27; neue Aufl., 
17 Bpe., 1775— 81; deutſch mit Anmerkungen und 
Wiere bis 1648 von Baumgarten u.a., 13 Vde., 
alle 1754—72), die er bis 1598 herab führte, 
machte er ſich um die Aufbellung der fpan. Geſchichte 
febr verdient. - 

Ferrerind, Bincentius, Dominilaner, geb. 
23. Ian. 1857 in Balencia, war 1874—80 Mönd 
im Klofter zu Valencia, ftubierte darauf zu Barce 
lona und Lerida Theologie, wirkte 18384—91 als 
Lehrer der tbeol. iffeniha en und Prediger in 
Balencia, durchzog dann als Prediger einen großen 
Zeil Frankreichs und murde jpäter Ratgeber des Kö⸗ 
nigs Johann I. von Aragonien, bis Benedilt XI. 
ihn 1395 al® Magister sacri palatii an ben päpitl. 
Hof nad Avignon berief. Die Überzeugung, daß 
wegen des tiefen fittlihen und religiöfen Verfalls 
der Ehrift t das Ende der t nabe bevor 
ftebe, veranlaßte ihn, von 1397 an Buße se 
gend Spanien, Frankreich und Italien, nad uns 
wahrſcheinlichen Angaben aud England, Schott: 
land und Irland zu durchziehen. Gleichgeſinnte 
Laien und ic — ſich ihm an, und ſeine 
Züge geſtalteten ſich bald zu demonſtrativen ‘Bros 
eſſionen einer größern Gemeinſchaft, deren erſtes 
Gebot die härteſte Selbftlafteiung war und die nas 
mentlich in Italien dem Flagellantenweſen (j. Fla⸗ 
gellanten) wieder neuen Aufſchwung gaben. F. ſoll 
8000 Sarazenen und 35000 Juden belehrt und 
über 100000 Ketzer der Kirche wiedergemonnen 

ben. Er jtarb 5. April 1419 Fee in ber 

etagne und wurde von Papſt Galirtus IIL 1455 
beilig sn Sein Gedächtnistag iſt der 
5. April. Nach ihm ift eine im 17. Jahrh. entitan- 


Ferret — Ferro 


dene Dominilanertongregation benannt. — Bol. 
Heller, Vincentius Ferrer nad) feinem Leben und 
Wirken (Berl. 1830); Hobentbal, De V. Ferrerio 
(2p3. 1889); Ranzan, Leben des heil, Bincenz errer 
(deutih von Eoudenbove, Mainz 1869). 
Ferret, Col de (pr. -reb), Pak am Dftfuße der 
Montblancgruppe, 7", km —— vom 
Großen St. Bernhard, in der Waſſerſcheide zwi⸗ 
ſchen Drance und Dora gelegen, verbindet den Bes 
zirt Entremont des ſchweiz. Kantons Wallis mit dem 
Kreis Aoſta der ital. Provinz Zurin. Der Meg 
zweigt bei Drfitres (882 m) von der Straße bed 
Großen St. Bernhard ab und fteigt durch das enge, 
erz⸗ und walbreihe Val F. hinauf über Alpmweiden 
u dem Joch Ryan m), das eine großartige Aus⸗ 
Ft auf die Montblancgruppe bietet. Der Abjti 
durch das ital. Dal F. führt über Entröves Lu 
Gourmayeur (1208 m) im Thale von Aoſta. 
errette 65 rett), Dorf im Elſaß, ſ. Pfirt. 
——— uigi, rom. Dialektdichter, geb. 26. Febr. 
1836 zu Rom, war von Kindheit an mit dem yo 
Belli befreundet, wurde zuerft Architelt, 1871 In⸗ 
jpeftor der Stabtfhulen in Rom. Wegen feiner 
onette in röm. Mundart gilt er als der or⸗ 
ragendſte lebende Dialeltdichter Italiens. Er ſchrieb: 
«La duttrinella» (Flox. 1877), «Centoventi sonetti 
in dialetto romanesco» (ebd. 1878). 
— — Ciro, ital. Maler, geb. 1634 in Rom, 
dafelbit 13. Sept. 1689, war ein Schüler des 
Bletrn da Gortona, defien Hüchtiger Malmeife er 
folgte. Er wurde 1660 von Eofimo III. nad Florenz 
perufen, um die von feinem Lehrer unfertig binter: 
ajlenen Arbeiten im Palazzo Pitti zu vollenden; 
unter Bapft Alerander VIL mar er ein viel beichäf: 
tigter Maler, und man findet in ben Kirchen Roms 
feine Werte häufig. Bon Tafelbildern befinden fi: 
Madonna mit dem Kind und der heil. Martina 
omwie Rube auf der Flucht nach Slgypten in der Alten 
inafotbef zu Munchen, Ehriftus als Gärtner und 
aria Magdalena im Hofmufeum zu Wien, 
rri, Enrico, aeg geb. 
25. Febr. 1856 zu San Benebetto:Po (Mantua), 
ftudierte in Bologna, ae und Bari und elne 
von 1880 an in Turin, Bologna, Siena, Piſa (bis 
1895). Zur Zeit ift er Aovolat in Rom. F. ift feit 
1886 Mitglied der Deputiertentammer, wo er als 
eter der intranfigenten revolutionären Rich» 
tung der ————— artei angebört. Im Winter 
1895/96 bielt er an dem neuen Institut des hautes 
etudes in Brüffel Vorträge Aber Kriminalfociologie. 
Seine Haupticriften find: «Teorica dell’ imputa- 
bilitä e negazione del libero arbitrio» (Bologna 
1881), «I nuovi orizzonti del diritto e della pro- 
cedura penale» (ebd, 1881), jpäter u. d. T. «Socio- 
logie criminelle» (Zur. 1893; engliſch Lond. 1895), 
«La scuola positiva di diritto criminale» (Siena 
1883; deutſch Frankf. a. M. 1908), dazu (mit Lom⸗ 
brofo, Garofalo und Fioretti) «Polemica in difesa» 
(Bologna 1886), «L’omicidio-suicidio» (ebd. 1884), 
«Estudios de antropologia criminal» (Madr. 1892), 
«L’omicidio nell’antropologia criminale» (mit 
Atlas, Tur. 1895), «Socialismo y ciencia positiva» 
(Madr. 1895; deutſch von H. Kurella, Lpz. 18%), 
«Socialismo e criminalitä» {(2. Aufl., Zur. 1896), 
«Difese penali e studi di giurisprudenza» (ebd. 
1898), «Deliquenti nell’arte» (Genua 1901). 
Ferriacetät, ſ. Eifigfaure Salze 5b. 
albuminfäure, ſ. Ferratin. 
lorid, ſoviel wie Eifendlorid (f. d.). 


683 


errichän, |. —— 
errichanfalium, |. Blutlaugenſalz, rotes. 
erribeyän oder Ferricyan, ein in freiem 
Zuſtande nicht befanntes dreiwertiges Radikal von 
der Zufammenjegung Fe(CN),, dejien Waſſerſtoff⸗ 
verbindung, bie Bersievanbarterheft äure, 
Fe (CN), oder H. Fe, (CX- je wie eine 
f —— verhält. Die be lannteſte Fer⸗ 
ridchan⸗ Verbindung iſt das dcyankalium, 
ichantalium oder rote Blutlaugenjalz (f. d.), 

Fe(CN),. Das Eifen, das ſich bier im ds 
(oder dreiwertigen Zubene vorfindet, fann nicht 
dur die gewöhnli Methoden vom Gyan ge 
trennt und nachgewieſen werden, ebenfo wie in den 
Verbindungen des Ferrocyans (f. d.). Das Eijen- 
orgbulfalg diefer eigentümlichen Ferrichanwaſſer⸗ 
ftofffäure ift das Turnbullblau (f. d.). 

errideyanfalium, |. Blutlaugenfalz, rotes. 
rridverbindungen (Ferriverbindun— 
gen), f. Eifenverbindungen. 

Ferrieres (jpr. -Tähr), Ort im Kanton Lagny, 
Arrondifjement Meaur des franz. Depart. Seines 
et⸗Marne, bat (1901) 961 E., eine jhöne Kirche 
(13. Jahrb.), ein Schloß Rothieilds im Stile ital. 
Spätrenaifjance, mit vielen Kunſtwerlen und pracht⸗ 
vollem Part. Hier befand fi 19. Sept. bis 5. Dit. 
1870 das Hauptquartier König Wilhelms. In F. 
anden 19. und 20. Sept. zwiſchen Bismard und 

es Favre die erſten Friedensverhandlungen ftatt. 
errigni (pr. -rinji), Piero Francesco Leo⸗ 
oldo Eoccoluto, betannt unter dem Pſeudonym 
Dorid, ital. Schrijtfteller, geb. 15. Nov. 1836 zu 
ivorno, ftudierte ın * und Siena die Rechte, 
begann ſchon mit 16 Jahren an litterar. Zeitſchriften 
zu arbeiten, nahm 1859 an der Bewegung in Tos⸗ 
cana teil und fämpfte unter Garibaldı in Sicilien. 
Er ftarb im Dez. 1895 in Florenz. F. war der geiſt⸗ 
volljte und be open illetonift Italiens, ſeit 
1868 ber geſchätzteſte Mitarbeiter der «Gazzetta 
del Popolo», der « Nazione», des von ihm mitbe⸗ 
er «Fanfulla» u.a. Ungemeine Verbreitung 
anden feine Flugichriften, von denen diejenige über 
die Mahliteuer in 750000 Eremplaren gebrudt 
wurde. In Buchform find erſchienen: «Viaggio 
attraverso l’esposizione italiana del 1861» (Florx. 
1861), «Cronache dei bagni di mare», «Fra quadri 
e statue» (Mail. 1872), «La festa dei fiori» (lor. 
1874), «Vedi Napoli e poi...» (Neap. 1877; zum 
Teil deutih in der «Kölniihen Zeitung»), «Sü e 
it per Firenze» (Flot. 1877), «Il r& & morto» 
ebd. 1878), «La veritä intorno al progetto di 
legge per la tassa sui teatri» (ebd. 1879), «Pas- 
seggiate» (ebd. 1879), «Climatologia Viennesse» 
(ebd. 1881), «Storia dei burattini» (ebd. 1884). 


ee ein Salz, ſ. Eitronenjäure. 


Ferrihexahydrãt, Ferrihydrate, j. Eiſen⸗ 
oxydhydrate. 
erriniträt, ſ. Eiſennitrate. 
xijd, |. Eiſenoxyd. [parat, 


tön, ein longentriertes Eijenpeptonpräs 

yriu, joviel wie opyrin (}. d.). 

errilalze, j. Eijenorybjalze. 
errifulfät, ſ. Eiſen ul j 
berbindungen, j. Eijenverbindungen. 

erro, fpan. Hierro, die weſtlichſte und unter 
den bemohnten die Heinfte der Canariſchen Inſeln 
.d. und die Nebentarte zur Karte: Spanienund 
ortugal), bat 275 qkm und 6184 E. Sie 
ift ein balbmondförmiges, bis 1415m hohes Gebirge, 


584 


ein Teil eines Krater, der nad der vom Meer er: 
füllten Seite, dem Golfo, fteil abfällt und N auf 
der Außenjeite allmählich abdacht, von vielen Lava⸗ 
ftrömen und Heinen gene Regeln bededt. 
Die Infel ift fruchtbar, trägt Ihönen Kiefern, or 
beer: und Gritawald und liefert die jhönjten cana- 
rifchen Feigen. Aderbau ift infolge der mangelnden 
Bewäſſerung befhräntt. Der Hauptort ift der Flecken 
Valverde auf ber ee — F. wurde zur 
Zeit Ludwigs XI. (1634) als weſtlichſter Punkt 
der Alten Welt zum Ausgangspunlt der Meridian: 
legung beitimmt. (S. Länge, geographiſche.) 

—— ſ. Eſſigſaure Salze. 

erro⸗Aluminium, die Legierungen des Alu⸗ 
miniums mit Eifen. Man gewinnt diefelben bei ver 
elettrolytifhen Darftellung des Aluminiums (f. b.) 
durd Sujab von Eifen. Härte, Feſtigleit und Elaſtici⸗ 
tät des Eifend werben durch Beimiſchung von Alus 
minium beträchtlich gefteigert. Ein F. von 10 Proz. 
Aluminiumgebalt ijt hart wie Glas. Heinen 
Mengen dem Stahl oder Eifen zugefebt (bis zu etwa 
. Broz. Aluminiumgebalt der ganzen Schmelze), 
macht e3 dieſelben weſentlich dünnflüffiger und ver: 
bindert außerdem die Blafenbildung beim Guß. 
Dieſe Wirkung erklärt ih dadurch, u; das Alu: 
mintum Meine Mengen von Eifenorydul, welche die 
Schmelze jhmwerflüffig maden, reduziert, wodurch 
gleichzeitig einerjeit# eine bedeutende Temperatur: 
erböbung bemirft und andererſeits die Bildung von 
Koblenoryd aus dem Eifenorybul und der im Eifen 
vorhandenen Kohle verhindert wird. 
errocarbonät, ſ. Eifencarbonate. 
errocarbonfl, ſ. Eiſenlohlenoxyd. 
errooarriles (ſpan.), Eiſenbahnen (f. d.). 
— rg ſ. Eiſenchlorür. 
errochän, ein in freiem Zuſtande nicht exi— 
tierendes vierwertiges Radilal, Fe(CN),, deſſen 
rbindung mit a llerkofl die vierbafiiche Fer: 
a äure, H,Fe(CN),, iſt. 
Das Ralifalz diefer Säure, K,Fe(CN),, tft das 
eg re oder gelbe Blutlaugenialz (f. d.). 
ieſes Salz läßt de als ein Doppelcyanid von 
Gifencyanür und Evanlalium auffallen, nämlid 
alö Fe(CN), + 4KCN, 

Mäbhrend nun aber die gewöhnlichen a 
chanide (j. d.) von verbünnten Säuren in der Kälte 
ebenſo wie das Eyanlalium unter Freiwerden von 
Blaujäure zerlegt werben, ſcheidet fih aus dem 
Ferrocyanlalium nur die Ferrocyanwaſſerſtoffſäure 
als Niederichlag aus. Das Eifen, das in derjelben 
enthalten iſt, zeigt nicht das Berbalten der gewöhn: 
liben Eifenverbindungen, indem weder durch Schwer 
jelammonium Schwefeleifen, noch durch Kalihydrat 
Eiſenhydroxydul gefällt wird. Auch das Cyan iſt in 
ſeinen Eigenſchaften verändert; denn während ſonſt 
alle Eyanverbindungen eiftig find, find die F. feine 
Gifte. So verhält ſich aljo die Gruppe Fe(CN), 
mie ein felbjtändiges Radikal, wie etwa CN oder 
die Halogenatome, und kann nur durch energiſche 
Eingriffe, wie 3. B. durch Erhitzen mit konzentrier⸗ 
ter Schwefelfäure, zerſtört werden, wobei dann 
Eiſenſulfat, Kaliumſulfat, Ammoniumſulfat und 
Kohlenoxyd entſtehen: 

K,Fe(CN), +6H,S0, +6H,0 =2K,S0, + 
FeS0O, +3(NH,), SO, + 600. 
Mit den Metallfalzen iebt eine Löfung von Ferro: 
cvankalium meist unlöslihe Niederichläge, mit 
Kupferjulfat 3. B. rotbraunes Ferrocyankupfer, 
Cu, Fe(CN), (Rupferbraun), mit Eifenorydialzen 


Ferroacetat — Ferrotypie 


Berliner Blau (ſ. d.). Unlöslihes Berliner Blau 
ift Fe, Fe, (CN),, = Fe, (CN),„, Serriferrocpanip, 
während das losliche Berliner Blau noch Kalium ent: 
u und bei Anweſenheit —— Ferrochan⸗ 
aliums entitebt: KFeFe(CN), = KFe,(CN),. 
rochäneifen, ſoviel wie Berliner Blau (j.d.). 
ocyänfalium, ſ. Blutlaugenjalz, gelbes. 
ofix, Zötpaite zum Hartlöten von Gußeijen 
(D. R. P. Str. 110319), enthält Reduktionsmittel 
(Sauerftoffverbindungen von Metallen), welche die 
Bußjtüde an den Lotflächen entloblen. 
errohämödl, ein Cifenpräparat, das durch 
Ta ung einer mit —— verſetzten Blutlöjung 
durch Sodaldjung dargeſtellt wird. Es iſt ein brau⸗ 
nes, ———— Pulver und wird als Mittel 
gegen Bleichſucht angewendet. 
Berroppbrat, f. Eifenorpbul. 
erro-Kali tartarioum, ß Eiſenweinſtein. 
et Tg f. Oxalſaure Salze. 
erröl, El, Stabt (Ciudad) der fpan. Provinz 
La Coruña in Galicien, auf einer Landzunge am 
nörbl. Ufer der 15 km langen, bis 375 m engen 
gleihnamigen Bucht des Atlantifhen Oceans, 
20 km nordöjtlih von La Eorufia, in fhöner Um: 
ebung verjtedt gelegen, einer der drei Hauptkriegs⸗ 
Däen Spaniens, bat (1897) 24957 E., neuerdings 
verjtärkte Feſtungswerle, einen fibern, durd bie 
Forts Palma und San Felipe ——— Hafen 
deſſen enge ge immer nur ein Kriegsſchi 
und zwar nur bei bejtimmter Windrichtung paſſieren 
fann. F., 1752 noch ein unanfebnlicher Fiſcherort, 
ift jet regelmäßig angelegt, beſitzt eine ſchoͤne Pfarr⸗ 
firhe, ebemaliges Franziskanerkloſter, Marine 
alademie, Schiffahrtsſchule und das größte Arjenal 
Spaniens (8 ha), mit Werften und Dod3, das unter 
u Leitung 3— 4000 Arbeiter beibäftigt. Das 
neben beitebt Segeltuch- und Leberfabrifation, 
Sarbdellenfifcherei und Leinweberei. Eingefübrt 
werben vor allem Koblen, Eijen, Holz, Baummolle, 
Getreide; ausgeführt Grubenholz, Eijen und Fiice. 
Mit Coruña befteht regelmäßige Dampferwerbin- 
dung. F. ift Sik eines deutſchen, uruguayaniſchen 
und venezuelanifhen Konſuls ſowie von Bicelon: 
fuln oder Konfularagenten jajt aller andern Han 
belöftaaten. Gegenüber La Graña, mit Werften 
und Magazinen. 
errolaktät, ein Salz, |. Eiſenlaltat. 
erromalät, ſ. Eifenmalat. 
erromangän, |. Eiſen und Manganeijen. 
erronitrat, ſ. Eijennitrate, 
errooghd, |. Eiſenoxydul. j — 
erropprin, Verbindung von Eiſenchlorid mit 
Antipprin, ein rotes, in Wajler lösliches Pulver, 
das die Wirkung ber Eifenpräparate mit ber bes 
Antipyrins vereinigt. 
errofalze, j. Eijenorydulfalze. 
errofilicium, j. Eijen (Tehnifhes). 
erroftyptin, ein blutitillendes Antifeptifum, 
he — aus Acetanilid (Antiſebrin) und Eiſen⸗ 
almia 
errofulfät, ein Salz, \ Eiſenſulfate. 
errofulfid, ſ. Eiſenſulfide. 
errotijpie (lat.⸗grch.), die Aufnahme eines 
Bildes nach der Natur gi ollodium, weldes auf 
ſchwarze, mit Asphalt überzogene Eiſenbleche ge 
goſſen, halb getrodnet, dann gehbert wird. Die da: 
durch erhaltene lihtempfindlie Schicht wird in ber 
Camera nur jebr kurze Zeit belichtet, dann ent: 
widelt, firiert und nad dem Waſchen jofort abges 


Ferroverbindungen — Ferry 


lieſert. Das dünne Bild iſt eigentlich ein untererpo⸗ 
nierte® Negativ, aber gegen den jchwarzen Unter: 
nd fiebt es pofitiv aus. Schon 1850 fertigte man 
olche Bilder auf ſchwarzem Glafe (Bannotype) in 
Deutihland. Da das Glas zerbrehlic war, nahmen 
die Amerikaner ſchwarz oder braun ladiertes Eijen- 
blech ala Unterlage. So fam das alte Verfahren ala 
—3 nach Deutſchland zurüd und wird hier mit Vor⸗ 
tebesald amerikaniſche Photographie oder 
Sänellpbotograpbie auf Jabrmärkten u. ſ. w. 
ausgeübt. Das in der Aufliht geſehene Bild er- 
fcheint jedoch hierbei nie rein weiß, ſondern höchſtens 
graumweiß. Neuerdings fertigt man auch Bromfilber- 
gelatineplatten auf asphaltiertem Eifen, auf dem 
derjelbe Zwed in zwanzigfach kürzerer Erpofitions: 
it erreicht wird. — Bol. Ferrotypie (12. Aufl., 
üffeld. 1898); Mercator, Die F. (Halle 1902). 
eier ug en, ſ. Eilenverbindungen. 
ereucei (fpr.-uttichi), Andrea, ital. Bildhauer, 
geb. 1465 zu Fieſole, geſt. 30. Juni 1526 in Florenz, 
war außer in leßterer Stadt feit 1490 auch für König 
erbinand I, in Neapel beichäftigt. Er ſchuf Ver: 
chiedenes für die Kirchen Sta. Annunziata und Sta. 
aria del Fiore. 1512—18 war er Überbaumeiiter 
des Florentiner Doms; unter den folofjalen Apoſtel⸗ 
fiquren in den Pfeilerniſchen dafelbit ift der beil. 
Andreas fein Werk (1514) fowie die Büſte des 
Marfilio Ficino (1521). Auch über den Bau der 
Bafılita San Lorenzo führte er feit 1514 die Auf: 
it. Im Dom zu Biftoja ift von feiner Hand das 
ufbeden und der Altar mit Figuren Ebrifti und 
Johannis’ des Täufers, in Volterra zwei marmorne 
el, ferner in Fieſole zwei fchöne Holzcrucifire. 
Ferruginöe (vom lat. ferrügo, Eifentoft), eiſen⸗ 
baltig; be re eifenbaltige Heilmittel. 
Ferrum (lat.), Eifen. Offizinell find: F, car- 
bonicum saccharätum, zuderbaltiges errocarbo: 
nat; F.citrilceum oxydätum, erricitrat; F.lacticum, 
errolaftat; F.oxydätum saccharätum, Eifenzuder; 
‚ pulverätum, gepulvertes Eifen; F.reductum, re 
duziertes Eifen; F. sesquichloratum, Eiſenchlorid; 
F. sulfuricum, bverrofullat; F. sulfuricum crudum, 
Eifenvitriol; F. sulfuricum siccum, getrodnetes 
Ferrofulfat. 
Ferrum oandens, j. Ölübeiien. 
Best Gabriel, ſ. Ferry de Bellemare, 
erriy, Jules, franz. Staatömann, geb.5. April 
1832 in St. Die im Depart. Vosges, ließ fih nad 
Beendigung feiner jurijt. Studien zu Paris 1854 
dajelbit als Advolat nieder, wurde Mitarbeiter an 
der «Gazette des Tribunaux» und verfahte gemein: 
fchaftlih mit Herold, Elamageran und Dreo einen 
«Manuel &lectoral» , von dem bei den allgemeinen 
Wablen 1869 die 8. Auflage erihien, 1863 ver: 
öffentlichte er eine Flugichrift: «La lutte dlectorale» 
(Baris), und betämpfteim «Temps», in deſſen Redat: 
tion er 1865 eintrat, und in den «Comptes fantas- 
tiques d’Haussmann» (ebd. 1868) die Barifer Stadt: 
verwaltung. Bei den Wablen 1869 wurde F. Depu⸗ 
tierter von Paris und nahm in dem Geſetzgebenden 
Körperjeinen Bla = der Linlen. Da er zu den Ba- 
rijer Abgeorbneten gebörte, wurde er 4. Sept. 1870 
itglied der Regierung der Nationalverteidigung, 
5. Sept. deren Gelretär und 6. Sept. mit der Ber: 
mwaltung des Depart. Seine beauftragt. Bei dem 
Aufitande der Commune vom 31. Oft. wurde er 
efangen gejebt, aber durd die Nationalgarde bes 
Freit und 15. Nov. an Stelle von Etienne Arago 
zum Chef der Gentralmairie von Paris ernannt. 


585 


Bei den allgemeinen Wahlen zur Nationalver: 
fammlung, 8. Febr. 1871, erbielt F. ein Mandat 
vom Depart. Voſsges und wurde nad ber Bemäl: 
tigung der Gommune 24. Mai 1871 von Thiers 
zu inepräfeften ernannt, gab aber nad) wenigen 
gen diefen Poften wieder auf. Bon Thiers 
15. Mai 1872 zum Gefandten in Athen ernannt, 
legte er ſchon 1873 nad) defjen Rüdtritt —* Stelle 
nieder. In der Nationalverſammlung hielt er ſich 
nun zur republilaniſchen Zinfen, die ihn zu ihrem 
mäbhlte. In dem 4. Febr. 1879 gebildeten 
inifterium Waddington übernahm %. die Stelle 
des Unterrihtsminifterd und legte zwei 
entwürfe gegen ben übermädhtigen Einfluß der Kon: 
tegationen auf das höhere Unterrichtsweſen vor. 
$. der aud nad dem Rüdtritt Waddingtons in 
dem Minifterium inet (feit 29. Dez. 1879) fein 
Vortefeuille behalten hatte, übernahm 23. Sept. 
1880 felbft die —————— Obgleich 
des von tta vorgeſchlagenen Liſten⸗ 
wahlſyſtems, machte er ihm 2 feine ofition, 
Am 14.Nov. 1881 trat das Minifterium F. zurüd, 
um Gambetta Bla zu machen. Nach deſſen Sturz 
übernahm F. 80. Jan. 1882 unter der Praſidentſchaft 
Freycinets das Unterrichtsminiſterium wieder und, 
nad dem Rüdtritt der drei einander folgenden Mi⸗ 
nifterien Freycinet, Duclerc und Fallidres, 21. Febr. 
1883, als eine Proflamation des Prinzen Yeröme 
Napoleon die Prätendentenfrage hervorgerufen 
atte, neuerdings die Minifterpräfidentihaft. Er 
ieß auf Grund des Geſetzes von 1834 die De: 
frete veröffentlichen, wonach die der Armee ange 
drenden Prinzen ihrer dienftlihen Stellungen ent: 
oben wurden. In F. s zweite Minifterpräfidentfchaft 
el die Ausdehnung der franz. Kolonialpolitit in 
fa und in Dfiaflen. a der in Tongling ge: 
I rte Krieg in Frankreich fehr unbeliebt war, fo 
heute —3 immer neue Kriegskrebite zur Aus: 
rüftung von ärfungömannfhaften den Ram: 
mern vorzulegen. Daber trat Frankreich von Anfang 
an mit ungenügenden Streitträften auf dem Kriegs⸗ 
er auf und erlitt infolgedeſſen mande ſchwere 
erlufte. Die Nahricht, daß das franz. Heer bei 
Langſon überfallen und zum Rüdzug gezwungen 
worden fei, veranlaßte die Kammer, in der man F. 
wegen feiner Deutſchland weniger feindlichen Bolitit 
und feines Zufammengebens mit Bismard in ber 
Kongofrage zürnte, 30. März 1885 & einem Mi: 
trauensvotum, worauf er fein Entlaſſungsgeſuch 
einreichte und der bisherige Kammerpraſident Brif: 
on ein neues Minifterium bildete, Seitdem war 
. da8 Haupt der gemäßigten Republilaner und 
alt Unbefangenen ala Frankreichs h end: 
ter Staatömann. Er erfannte zuerjt die Gefahr, 
die dem Staat in der Perjönlickeit Boulangers 
drobte, gegen den er 1887 einen Redelrieg begann, 
ber ihm ben Haß der damals mit dem General ver: 
bündeten Radikalen zuzog. Sie befämpften beim 
Rüdtritt Grevys von der Präfidentihaft 3.8 Kan: 
didatur mit folder Leidenſchaft und drobten mit 
Aufftand und Bürgerkrieg, wenn er gewählt würde, 
daß fein zahlreiher Anbang nit den Mut fand, 
ihn durchzuſetzen. Er erbielt im erſten ya e 
8. 1 eg nur 212 Stimmen und bat nun jelbit, 
dieſe Sadi Garnot zuzumenden. So arg waren bie 
Heßereien gegen ibn, daß fie einen balbverrüdten 
Menſchen, Namens Aubertin, veranlaften, 10. Dez. 
auf F. zu ſchießen, der jedoch nur leicht verwundet 
wurde, und jo aroß war bie Unbeliebtbeit des «Ton- 


586 


kinois», wie man ihn nannte, dab ihm Carnot tein 
Ministerium anzubieten wagte, und daß er 1889 bei 
den Septembermwablen in feinem alten Wahlkreiſe 
unterlag. Ein andered Mandat anzunehmen mei: 
gerte er x 309 ſich zurüd und beicäftigte fi da: 
mit, feine Bolitit in der Tonglingfrage in dem Buch 
«Le Tonkin et la mere-patrie» (Bar. 1890) darzu⸗ 
legen und zu rechtfertigen. Erſt im San. 1891 wurde 
er in Epinal zum Senator gemäblt und trat damit 
wieder aftiv auf. Am 24. Febr. 1893 wurde er zum 
Präjidenten des Senats gemäblt, ftarb jedoch ſchon 
17. März desſelben Jahres. Er wurde auf Staats: 
toten beerdigt. 1896 wurde ihm in St. Die (von 
A. Mercie), 1899 in Tunis ein Dentmal errichtet. 
Seine «Discours et opinions» gab Robiquet beraus 
(7 Bde. Bar. 1893— 98). — Vgl. Jules F. 1832—93 
(St. Die 1896). 

Ferry de Bellcmare (fpr. bell'mabr), Gabriel, 
betannter unter dem Pſeudonym Gabriel Ferry, 
franz. Schriftiteller, geb. im Nov. 1809 zu Grenoble, 
machte viele Reifen ın Amerita und fam auf einer 

abrt nad Kalifornien bei dem Brande des Schiffs 

mazone um (5. Jan. 1852). Seine Schriften er: 
fhienen zuerft in der «Revue des Deux Mondes» 
und wurden meift ind Deutfche überfest. Zu er 
wähnen find: «Le coureur des bois» beutie, Halle 
1851, und in Reclams «Univerjalbibliotbei»), «La 
chasse aux Cosaques» (deutich, 2 Bde. Braunſchw. 
1853), «Costal l’Indien» (deutſch, 2pz. 1853), 
«Scönes de la vie militaire au Mexique» (deutich, 
2 Bde., Halle 1860), «Les Squatters» (deutich, 
2 Boe., —— 1860). 

Sein Sohn, gleichfalls Gabriel genannt, geb. 
30. Mai 1846 in Paris, jchreibt unter demfelben 
Pſeudonym wie fein Vater. 1868 veröffentlichte er 
einen Einalter «L’&clipse de lune», dem mebrere 
Dperetten folgten. Ein breiattiges Drama erſchien 
1874: «Röginah», Bon feinen Romanen und lit 
terar. Arbeiten find bervorzubeben: «Les der- 
niöres anndes d’Alexandre Dumas, 1864— 70» 
(1883), «Les deux maris de Marthe» (1884), «Cap 
de fer» (1887), «Balzac et ses amies» (1888), «Les 
exploits de C6sar, roman parisien» (1889), «Les 
exploits de Martin Robert» (1890), «Les derniers 
jours du roi-soleil» (1896). 

een (pr. freba), ſ. Tayport. 
erſakh⸗a' chary (turt.), Myriameter, = 
erfäla, ſ. P gr, [10000 m. 
erfe oder Hade (Calx), der jtarte, jtump 
endende Knochenfortſatz, welcher den binterjten Tei 
des yußlnochengerüftes bildet und durch ein ziemlich 
ftraftes Faſergewebe umbüllt wird, deſſen Maſchen 
mit Fett ausgefüllt find. Auf diefe Weit eift um jenen 
Knochen, das Ferſenbein (Calcaneus oder Calca- 
‚ neum, ſ. Tafel: Das Stelett des Menſchen, 
1, 52 und 2,44, beim Xrtifel Stelett, und Tafel: 
Die Nerven bes Menſchen, Fig. 3, 14), gleich: 
fam den fern der F. ein elaftifcbes Golfter erzeugt, 
welches bei Gang und Sprung die Kraft des Stoßes 
zes empfängt und feine Fortpflanzung auf den 
ochen milder. Am bintern obern Ende bes 
Rnohenvorfprungs, dem Ferſenhöcker (Tuber 
calcanei), jest fich die jtarte Ahillesfebne(Tendo 
Achillis) an, welche nach oben in die Wadenmusteln 
übergebt. Die Hornſchicht (Epidermis) der feiten 
Ferjenbaut iſt meiftens — ſtark entwickelt und 
bildet oft dicke, hornige Schwielen, wie ſolche an den 
Stellen der Haut vorlommen, welche einem häufigen 
Drud auögejekt find. 


Terry de Bellemare — Ferſen 


Be mweibliches Rind, 1. —— 

erſe, linter Nebenfluß ver Weichſel, entſpringt 
auf dem Plateau von Karthaus im preuß. Reg.⸗Beʒ. 
Danzig, ſüdlich vom Turmberge, durchzieht einige 
feine Seen, fließt in zablreichen Krümmungen nad 
SD., und mündet bei Mewe. Sie ift 112 km lang, 
von Rifchau an flößbar und empfängt von Norden bie 
Fietze aus dem Marienſee. DasGefälle beträgt 160m. 


g en, — en, ſ. Pergine. 
erſen, ein altes Schroed. -eitbländ. Geſchlecht, 
der Sage nach aus Schottland ſtammend, das ſich 
ſpäter über Nordeuropa verzweigte. In Schweden 
iſt das Geſchlecht 1839 in der männlichen, 1879 auch 
in der weiblichen Linie ausgeſtorben. Der Stamm⸗ 
vater der ſchwediſchen und der jekt noch in Rußland 
blübenden Linie ift Lorenz von F., der 1540 aus 
Hinterpommern nah Eſthland einwanderte, Ein 
Entel im vierten Grade von ihm war ber ſchwed. 
— ——— Fabian von F., Freihert von 

ronendahl auf Schonen. wurde 7. Febrt. 
1626 zu Reval geboren, kämpfte im ſchwed. Heere 
1644 gegen die Dänen und 1646—48 in Deutſch— 
land. Nach dem Weitfälifhen Frieden kehrte F. als 
Oberſt nad Ejtbland zurüd, nahm fpäter an den 
poln. und dän. Kriegen teil und wurde nad dem 
Seetreffen bei Kronenburg (1658) zum General: 
major befördert. 1663 wurde er zum Gouverneur 
von Livland und Riga ernannt, hierauf ald General 
der Infanterie nah Stodbolm berufen und 1674 in 
den Freiherrenſtand erhoben. Als Ebriftian V. von 
Dänemark, verbündet mit dem Großen Kurfürften 
von Brandenburg, Schweden wieder den Krieg 
erflärte, wurde 8 ald Generalfeldmarjhall zum 
Generalgouverneur über die angegriffenen Herzog: 
tümer Schonen, Halland und Blekinge ernannt, 
ſchlug die Angriffe des Feindes auf Malmö zurüd 
und zwang ibn fchließlih, die Belagerung ver 
Feſtung aufzugeben. 1677 wurde er Reichsrat, ftarb 
aber in demjelben Jahre in Malmö. 

Graf Fridric Arel von F., Freiherr zu 
Cronendahl, geb. 5. April 1719 in Stod« 
* war während ver fo —— eine der 

ervorragendſten polit. Perſonlichkleiten Schwedens 
und lange Zeit Führer der Partei der «Hüter. Be 
guet am Reichstage 1755—56 ſpielte er eine große 

olle im Streite gegen die Verſuche zur Erweiterung 
der fönigl. Gewalt. Während der eriten Regierungs⸗ 
jahre Guftavs IIL. gebörte F. der königl. Vartei an; 
als aber Die Souveränitätsbejtrebungen bes Königs 
deutlicher hervortraten, warb er der einflußreice 
Führer der Oppofition und als foldher beim Reichs: 
tage von 1789 verhaftet. Darauf zog er fih vom 
polit. Qeben zurüd und ftarb 24. April 1794. Seine 
Memoiren («Historiska Skrifter», Bd.1—8, Stodh. 
1867— 72) find von geringem Werte. F. mar Feld⸗ 
marichall und Reichsrat. 

Graf Hans Arel von F., des vorigen Sobn, 
geb. 4. Sept. 1755 au Stodholm, ging nad vollendes 
ten Studien nad àug machte als Oberſt des 
Regiments Royal Sukdois den amerik. Freiheits— 
krieg mit und zeichnete ſich bei Ausbruch der Fran⸗ 
zöſiſchen Revolution durch feine Anbanglichleit an 
die konigl. Familie aus. Er leitete deren Flucht nach 
Barennes ein, fubr fie, ald Kutſcher verlleidet, aus 

aris und fuchte während ihres Aufenthalts im 

emple auf jede Weiſe ibre Lage zu erleichtern. Als 
er Srantreich verlaſſen mußte, bielt er fi in Wien, 
Dresden und Berlin auf und kehrte enblih nah 
Schweden zurüd, wo ihn der König nadeinander 


Ferſenbein — Fertit 


zum Kanzler der Univerfität Upſala, Reichsmarſchall 
und zum General ernannte. F. galt —— Ent⸗ 
thronung Guſtav IV. Adolfs als ein eidiger 
der Rechte der Familie des Königs; nach dem 
chnellen Tode des Kronprinzen Karl Auguſt, des 
doptivſohnes Karla XIII, verbreitete a Aa 
Gerücht, daß F., feine Schweiter, die Gräfin Piper, 
und mehrere andere Große an dem plößlichen Tode 
des Prinzen jhuld feien. Als daher 20, N 1810 
die Leiche des 1 in großer Prozeſſion von 
Liljeholmen nach Stodholm gebracht wurde, warf 
das Boll mit Steinen nad $., den General Silf- 
parre unter dem Vorwande, ihn ald Gefangenen 
nah dem Rathauſe abzuführen, zu retten fuchte. 
Doch kaum hatte er die Treppe eritiegen, als ihm 
ein Haufe nacheilte, ihn herabſtürzte und au Tode 
marterte. Die nachher eingeleitete Unterfuhung 
ergab die Unfhuld F.s und feiner Familie, Über 
jeine Beziehungen zum franz. Hofe berichtet das von 
KAlindomftröm veröffentlichte Dlemoirenwert «Le 
Comte de F. et la cour de France» (2 Bbe., Bar. 
1877— 78). — Bol. Flach, Grefre Hans Axel vonF. 
Minnesteckning jemte utdrag ur hans dagbog och 
— (Stodh. 1896). 
Verfenbein, |. Ferſe und Tafel: Das Stelett 
des Menſchen, Fig. 1, 52 und 2,44, beim Artitel 


elett. 
werfenthal, Bal Ferfina, f. Bergine und 
Suganatba 
erftel, Heinrich, Freiherr von, Baumeifter, 
eb. 7. Juli 1828 in Wien, widmete fi an der 
fademie unter van der Nüll, Siccardsburg und 
Rosner der Architektur, trat 1851 in das Atelier 
eines Onkels Stade und beſuchte ſodann Deutſch⸗ 
d, Belgien, Holland und England. Bei der Kon— 
furrenz für die Wiener Votivlirche (1855) ala Sieger 
hervorgegangen, fehrte er von Stalien zurüd, um 
die Aus Mbrung zu leiten (1856— 79; ſ. Tafel: 
Wiener Bauten II, Fig. 3). Auch feine Kon: 
furrenzarbeit für den Bau des Banfgebäudes wurde 
angenommen unb wenige Tage nad der Grund: 
fteinlegung der Votivkirche auch dieſer Bau be: 
gonnen. Die Stabterweiterung gab Anlaß zu der 
in Gemeinschaft mit Eitelberger 1859 aßten 
Brofhüre «Das — ohnhaus und das 
Wiener Zinshaus» (Wien). 1860—64 entſtand eine 
Reihe von Wohnhäufern und Billenbauten in Brünn 
und Wien, darunter auch das Palais des Erzherzogs 
Ludwig Bictor im Renaifjanceftil, die Kirchen ın 
Brünn und Schönau bei Teplig. F. ward 1864 Mit: 
re Kuratoriums des Öfterreihifhen Mufeums 
n 
der Baukunſt am Polytechniſchen Inſtitut in Wien. 
Seitdem entftanden die Bauten des k. k. öfterr. 
Mufeuns, einer Billa des Etzherzogs Karl Ludwig 
in Reidhenau bei Wien, der prächtige Bau ver 
Univerfität in Wien 1871—84, das Winterpalais 
des Erzherzogs Ludwig Victor zu Klesheim bei 
Salzburg 1880—82, der Bartenpalaft des Fürften 
Johann Piechtenftein in der Rofjau in Wien, 1880 
—83 das Palais des Öfterreihifch » Ungarijchen 
Lloyd. F. wurde 1879 vom Kaiſer von Öfterreich 
in den reiberrenftand erhoben und befleidete den 
Rang eines Oberbaurat3. Er ftarb 14. Juli 1883 
in u. Dien, 
F.E. T., Devife des ital. Annunciaten: 
Ritterordens: Fortitudo ejus Rhodum tenuit, d.i. 
fien (Amabeus’ VL, Herjog3 von Savoyen, Ber: 
teidiger8 von Rhodus) Tapferkeit bat Rhodus be- 


und Induftrie und 1866 orb. Profefior | ba 


: 587 


bauptet. Diefelbe Randſchrift (Fert) führen auch 
die ital. 5sLireftüde, 

Werte, La (lat. Firmitas, das deutſche «Burgp), 
Name von 24 Orten in Frankreich; darunter: 1) Ya 
FertéBernard (jpr. nahr), Hauptort des Ran- 
tons La F. im Arrondifjement Mamers des Depart. 
Sarthe, an der Linie Parid-Breft der Weftbabn, hat 
(1901) 4343, als Gemeinde 5080 E., eine ſehr jchöne, 
reich ausgeftattete Kirche Notre-Damerded:Marais, 
ein in ein altes Feſtungsthor eingebautes Stadt— 
—— Leinwandinduſtrie, Sägemüblen, Vieh: und 

treidehandel. — 2) Ra Ferte:Dlack (fpr. -Beb), 
— des Kantons La F. im Arrondiſſemeni 

omfront des Depart. Orne, an der Linie Eou: 
terne⸗Briouze der Weſtbahn, hat (1901) 4215, als 
Gemeinde 6467 E., Gemwerbelammer, Friedensge⸗ 
riht; Fabrikation von Zwillih und Buhsbaum: 
arbeiten, Brennerei, Färberei ſowie anſehnlichen 
Handel. — 3) sa ertd:Milon (fpr.-löng), Flecken 
im Kanton Neui 2 Front, Arrondifjement Ehä- 
teau:Thierry des Depart. Aiöne, am Durcq, an den 
Linien Villers-Cotterets-La F.⸗Milon (14 km) der 
Norbbahn, Meaur: Reims und Chäteau «Thierry: 
La %.:Milon (41 km) der Dftbahn, hat (1901) 
1577, als Gemeinde 1669 E. und Refteeines Schlofjes 
(Wall und Türme), ift Geburtsort von Racine (1639), 
dem eine Statue von David d'Angers errichtet ift. — 
4) La Ferte-ſous-Jouarre (fpr. Bu fchüahr), 
—— des Kantons La F. im Arrondiſſement 
eaur des Depart. Seineset:Marne, an der Müns 
dung des Petit Morin in die Marne, an der Linie 
Meaur: Chäteau: Thierry und an der bier yo 
den Nebenlinie nah Montmirail (45 km) der 

ftbahn, hat (1901) 3782, als Gemeinde 4822 E., 
Steinbrüde und Müblfteinbearbeitung. Hier wurde 
9. Febr. 1814 Macdonald von der ruſſ. Vorhut 

eſchlagen. Gegenüber linl von der Marne 
rer mit 2319 E., Schafzubt und Kaltöfen. 

Fertigung, die —— 
richt (Indeſtitfur) ohne den bei der Auflaſſung üb: 
lichen Verzicht. Mittels di welcher richterliches 
Aufgebot und richterlihe Friedenswirkung folgten, 
wurde im Mittelalter die Leibzucht, die Sakung 

as deutſche Pfandrecht), die Leihe zu Zinsrecht 

egründet. So erfolgte die Belehnung. — In Öfter- 
reich bedeutet F. die Namendunterfchrift. 
ertigwalzwerk, ſ. Münze (Münztechnif). 
gaünuder, ein Geſchoßzunder (f. Zünder), 
der bereitö während des Transports fich fertig zum 
Schießen im Geichoß befindet. 
(lat.), fruchtbar; fertilifieren, frudt- 
r maden; Fertilität, Fruchtbarleit. 


e Übergabe vor Ge 


n ‚Dar er Kredj (Kredſch), Land 
in Innerafrita (j. Karte: Agypten), im ©. von 
Darfur und im N. von den Niam-Niam, eine faft 


unbewobnte Wildnis. Schon feit langer Zeit haben 
die Stlavenbändler (Dſchellabahs) dieſes Gebiet 
üdlih vom Bahr el: Arab heimgeſucht; einige der: 
elben haben fi darin feftgefegt und ausgedehnte 
efeitigte Niederlaffungen, jog. Dem oder Seriba 
(Städte), ald Depots F ihre ſchwarze Ware ge⸗ 
gründet. Allmählich ſchloſſen ſich ihnen die Elfen: 
beinjäger mit ihren bewaffneten Banden an, und 
damit wurben die vereinigten Seribas die Martt: 
pläße de3 Sudan. Schweinfurth, der dad Land 
1870—71 al3 erfter Europäer durchreiſte, bat im 
F. fünf folder Hanvelspläße kennen gelernt, deren 
wichtigſter, Dem Siber, nad der Eroberung durch 
Geift (1878) zur Hauptftabt der ägypt. Provinz 


588 


Bahr el-Ghafal erhoben wurde. In ethnogr. Be 
aiehung bietet 5. ein wunderliches Volkergemiſch: 
neben den Bongo finden fi Golo und Siere, grup⸗ 
venweiſe verteilt find die Kredj, entſchieden die häß 
tichften von allen; außerdem trifft man Togoi, Schir 
und Manga. — F. nennt man im Sudan aud den 
Guineawurm. Sees N d.). 
ertdö-Taba, ungar. Name des Neufiebler 
— — ab? (f.d.). 
Ferüla L., Ruten» oder Stedenfraut, 
Afenengattung aus der Familie der Umbelliferen 
(j. d.) mit gegen 60 Arten in den Mittelmeerlän: 
dern. Es find ftattlihe Stauden, die mit ihren 
—— zuſammengeſetzten oder drei⸗ bis vierfach⸗ 
ſpaltigen Blättern oft mächtige Büfche bilden, über 
tenen ſich 2—3 m hohe Stengel mit großen Dolven 
gelber Blüten erheben. Mehrere Arten werden ein: 
jeln ober gruppenmeife auf den Gartenrajen ge 
pflanzt, mo fie längere Jahre dauern, namentlich 
das in Südeuropa einheimifche F. communis L.; die 
Stengel wurden von den Alten zur Züchtigung der 
Ellaven benugt; in dem Marke diefer Bflanze 
(Narthex) foll Prometheus das Feuer zur Erbe 
gebraht haben. Won mehrern in den Steppen⸗ 
egenden Turkeſtans, Afgbanijtans, Weſttibets und 
Serkens vorlommenden Arten wird das ald Asa 
oetida (f. d.) befannte Gummiharz gewonnen, be: 
ſonders von F. scorodosma Bentl. & Trim. (Sco- 
rodosma foetidum Bunge, ſ. Tafel: Umbelliflo: 
ren I, Fig. 4) und F. narthex Boiss. (Narthex 
Asa foetida Falconer). Bon zwei andern per]. 
Arten, F. galbaniflua Boiss. et Buhse und rubri- 
caulis Boiss., wird ein andere Gummibarz, das 
Galbanum gewonnen. F. sumbul Hook. fil. 
(Zurfeftan) liefert die Sumbulmwurzel N d.), F. per- 
sica W. (Perjien) das in Europa nicht mehr offi: 
jinelle Sagapenum und F. tingitana L. (Mittel: 
meergebiet) dad Faf rl das wahrſcheinlich 
mit dem Ammoniat (f. d.) der Alten identiſch ift. 
Ferülafänre, * H,. 0, , eine einbaſiſche or: 
ganifche Säure, die fertig gebilbet in der Asa foe- 
tida (f. d.) vorfommt und daraus durch Ertration 
mit Alkohol gewonnen werden kann, Sie läßt, fh 
fünftlih darftellen durch Kochen von Banillin 
mit na RER und efjigfaurem Natrium, 


ift in Allohol leiht löslich und fcheidet fih aus 
biefer Löfung in farblojen, langen Nadeln ab. 
f fie unlöslid. Sie ift als der Me 


2 Waſſer i 
tbolätber der Kaffeefäure aufzufaſſen. 
Ferufiae (ipr. -rüjjad), Andre Etienne Jufte 
Pascal Jof. Francois d'Audebard, Baron de, franz. 
Naturforicher, geb. 30. Dez. 1786 zu Ehartron im 
Depart. Zarn:et:Garonne, war Profeſſor der Geo: 
rapbie und Statiftif an der Generaltiabs chule in 
Barıs und ftarb dafelbft 21. Jan. 1836. Als Na: 
turforjher machte er ſich namentlich bekannt durch 
Vollendung der von ſeinem Vater Jean Bap— 
tiſte Louis D’Audebard, Baron de F. (geb. 
1745, get. 1815) begonnenen «Histoire naturelle, 
generale et particulitre des mollusques terrestres 
et fluviatiles» (fortgejegt von Deshayes, 4 Bde., 
Bar. 1821—51). 
allgruppe, ſ. Oſtalpen A, 2. 
ervent (lat.), heiß, glühend, beftig. 
erver, bei den Parſen fröhar, im jüngern 
Aveſta fravashi (weiblich), die Schußgeijter der Ge: 
rechten in der Religion Zoroafterd. Sie forgen für 
den gerigang der guten Schöpfung, die Umdrehung 
der Geſtirne, den Lauf der Gemäller, das Wachs⸗ 


Tertö-Tava — Fes 


tum ber Bäume, die Geburt der Kinder u. f. m., fie 
belfen den Frommen in der Schladht zum Sieg, er: 
retten fie in Nöten und kämpfen ala Heeriharen 
des Ormuzd gegen die böfen Mächte. Ihre Zahl 
ift unendlich, da alle guten Weſen, die leben, ge: 
lebt haben und leben werden, ihre F. haben, wie denn 
auch Ormuzd und die guten Geifter. Der Kultus der 
F. deckt Fri nur teilweife mit dem Manentultus, 
da e3 au F. der Lebenden und ber nod 2. 
borenen giebt. Die F. ift nicht die Seele des Ge— 
ftorbenen, fondern überhaupt eine dem Bemußtfein 
und ber Seele verwandte, aber von ihr verſchiedene 
feelifche Botenz, die, ewig und unvergänglid, vor 
der Geburt wie nah dem Tode des (frommen) 
Menſchen beitebt. Das Wort fravashi (aus fra- 
varti) ift lautlich faft gleich mit fraoreti (aus fravrti), 
das Glaubensbelenntnis bedeutet, 
Ferverdin, ber erſte Monat der mohammed. 
Perſer, beginnt mit dem 20, März. 
es ober Fez, eine bei ben heutigen Türken, 
Grieben, Albanejen und andern Drientalen für 
Männer und Frauen gebräuhlihe Kopfbededung 
aus rotem Wollzeug, eine Art eng anliegender 
ihirmlojer Müße, gewöhnlich mit blauer feidener 
Quaſte (die bei reicherer Kleidung durch eine filberne 
ober goldene erjegt wird), nach der Stabt Fes in 
Marofto benannt, wo diefe ben — 
verfertigt wurden. Der hierzu verwendete Stoff 
wird durch Wirken aus Schafwollgarn, nachfolgen⸗ 
des Walken, Färben, Rauhen und Scheren (melde 
beiden legten Operationen mittel Mafchinen aus: 
geführt werden, die von den für die Tuchfabrila— 
tion üblihen nur bezüglid der Form und der Be: 
wegungsmechanismen abweichen), durch Dämpfen 
und fchließliches Prefien bergeftellt. In der Türkei 
ift der F. ſtatt des Turbans gi 1826 für Staats: 
beamte jowie für die reguläre Armee vorgefhrieben. 
Die beiten F. kommen jest aus Tunis, doch wird 
diefe Ware auch in Deutfhland (Sachſen), in 
Böhmen und Mähren fowie in Frankreich und in 
der Schweiz ald wichtiger Handelsartitel I den 
Erport nad) der Levante fabritmäßig bergeftellt. 
Fes(ital.fa bemolle; franz. fa b&mol;engl. flat), 
in der Muſik das um einen Ton erniedrigte 
f; ed wirb durch f und vorgezeichnetes bezeichnet 
und ift bei Zajtinftrumenten dem Tone e gleid. 
Als Grundton eines Accord8 oder einer Tonart 
trifft man es nie an. 
es, Fez (FA), eine der beiden Haupt und 
Refidenzitädte des Sultanats Marofto, liegt etwa 
200 km im ©. der Straße von Gibraltar, in 350 m 
ie untere Altftabt nur in 250 m) Höbe, in einer von 
oben Bergen umſchloſſenen, 25 km langen Thal⸗ 
ebene, —* — Blumen⸗ und Frucht⸗ 
gärten, am Fuße des Dſchebel⸗Salah, und wird 
von einem waſerreichen, durch mehr als 60 Quellen 
enährten Nebenfluß des 6 km entfernten Sebu oder 
bu, dem Wad F. in zwei Teile geteilt: im W. Fes 
el:Bali, das alte F.; im D. auf einer Terrafie Fes 
el⸗Dſchedid, das neue, im 18. Jahrh. gegründete 
$ ; beide Städte vereinigen fi im Norden an einem 
erge, der die Kasbah trägt, und find von 10— 
13 m hoben Mauern umgeben. Die engen Straßen 
find ohne re die ganze Stabt ift verfallen 
und büjter. F. hat etwa 140000 E., meiſt Mauren, 
Araber und Berber, 10000 Juden, die ein bejons 
deres Viertel, Milha, bewohnen, und Neger; ed hat 
130 Mofcheen, von denen die des Muley⸗Edris mit 
dem Grabmal des Gründers und die Karubin bie 


Feſan — Feſſan 


beiligiten und berühmteiten find. In der letztern be⸗ 
Sen fih eine weithin berühmte Schule mit großer 

Bibliothel, die viele mohammed. Theologen aus 
Marotto und Algier heranbilvet und F. zum geiiti- 
gen Mittelpuntt des Landes madt. Außerdem giebt 

es noch fieben höhere und viele niedere, jtarf bejuchte 
Schulen. Der alte Balaft der Sultane ijt groß, aber 
verfallen. Im übrigen gleicht F. mit jeinen vielen 
—— Karawanſerais, Bazars und G 
im Außern allen mohammed. Städten, und nur 
die Menge von Wirtshäu —— und Kaufläden giebt 
ihr ein europ. Gepräge. m Treffpuntt wichtiger 
Handelsſtraßen gelegen, treibt 5. noch bedeutenden 
Rarawanenbandel mit den regen. und öjtlih ans 
grenzenden Ländern, jelbit bis Timbultu, und ift 
aud der Hauptjik der marokl. Indujtrie, welde 

edoch faft ausſchließlich Handbetrieb hat. Man 
riziert wollene Beduinenmäntel, Gürtel, wollene 
eden, Sättel, jeivene Tücher, treffliches "Leder zu 
Bantoffeln, Küfien, die weltberühmt ji Kane ; ferner rote 
—— Mügen, & einen, Teppiche, Ranonenpulver, 
Geſchmeide und ſchlechte Fayence. — 5 
An an der Stelle einer röm. Nieder: 
die, von Bandalen zerjtört, im 6. Jahrh. 
während der Ausbreitung des Slam u neuer 
Blüte gelangte. Sie wurde die Haupt tabt bes 
Reiches F. und Marollo, zählte 400000 E., 785 
Moſcheen, zabhlreihe Prachtbauten und Bildungs 
anjtalten und galt nächſt Mella für die beiligite 
2. der Mohammedaner. Seit der Mitte des 
abrb. ſank fie indeflen wieder und ift heute nur 
atten röße. — Bol. Moulitras, 
— ſ. Feſſan. [Fez (Bar. 1902). 
Friedr. Emft, Biolinfpieler und Kom: 
port, —*— 15. Febr. 1789 zu Magdeburg, wirkte 
zig, Divenburg und Caſſel ald Violinift im 
Dre er, bis er 1815 als Sonzertmeifter nad 
Rarlörube berufen wurde. Hier ftarb er 24. Mai 
1826. Seine Kompofitionen, bie ji in allen Gat- 
ihre weltliher und geiftlicher Mufit bewegen, 
nen ſich dur Friſche und gewählte Form aus. 
Steben Ach Sinfonien waren die Werte für Kam: 
mermufit (20 Quartette, 5 Quintette, mehrere 
Trios) beſonders verbreitet. 

Sein Sohn Alerander —— geb. 22. Mai 
1820 in Karlsruhe, erhielt feine höhere muſilaliſche 
Ausbildung in Berlin und brachte 1838 die einaltige 
Dver «Mariette» in Karlörube zur — — 
Seit 1889 unternahm er Kunſtreiſen als Klavier: 
jpieler. 1841 ließ er die Oper «Die Franzoſen in 
Spanien» über die Karlsruher Bühne ge geben päter 
lebte erin Braunjchweig, wo er 21. Fe 1849| ſtarb. 

cenninen oder las Berfe, 
na einigen von der im Süben Etruriend gelegenen 
Stabt yedcennium, nad andern von dem in gro: 
tesler Form berumgetragenen Symbol der zeugenden 
Naturtraft (Fascinum, ſ. d.) fo gen enannt, bilden einen 
Zeil der altital. Voltspoefie. ie waren in älteiter 
Zeit im ſaturniſchen Metrum verfaßt und beſtan⸗ 
den in Wechielgejängen, mit denen ſich bei feitlichen 
Gelegenheiten die end vergnügte und nedte. 
Sehr oft artete jedoch die Ausgelafjenheit (die 
licentia Fescennina) in unzüdhtige Wise und ver 
legenden Spott aus. 

F. E. Sch., hinter —— res Abkürzung 

ranz Eilhard Schulze ( 

ea — diloe von Lyon, 
war der Stiefbruder der Mutter Napoleons L, da 
ſein Vater, Schweizer und Kapitän eines Schweizer: 


589 


regiments in Tran. © ienften, 1757 die Witwe Ras 
molini, Lätitiend Mutter, gebeiratet hatte. F. war 
3. Jan. 1763 zu Yjaccio ge en widmete fich dem 
geiſtlichen Stande, verließ ihn aber beim Ausbruch 
ber —— Revolution, wurde 1795 bei der 
Kriegöverwaltung angeitellt und 1796 unter jeinem 
a in Jtalien Kriegstommifjar, ein Amt, das 
Id wieder nieberlegen mußte, da er in den Vers 
dacht geraten war, ed eigennüßig ausgebeutet zu 
baben. Nachdem Bonaparte 1801 das Kontordat 
mit Bapft Pius VIL geſchloſſen, kehrte F. zum 
geiftlihen Stand zurüd und wurde 1802 zum Erz⸗ 
iſchof von Lyon, im folgenden Jahre zum Kardi— 
nal, dann zum Großalmofenier des Kaiſerreichs, 
Grafen und Senator erhoben und 1806 von Dal: 
berg, dem Fürſt⸗Primas des Rheinbundes, zum 
Koadjutor und Nachfolger gewählt. 1804 hatte er, 
am Vorabend der aan. zo oleons I. und Jo⸗ 
fepbineng, heimlich die fire! iche Trauung der u. 
—8 1810 praſidierte er dem in Pa u 
einem Rationaltonzil verjammelten —— die sie 
rifalen Anfichten, die er dabei mit großer R nbeit 
feithielt, brachten ihn in Ungnade bei dem Kaiſer. 
Er verlor feine Reihswürde; au wurde ihm da: 
durch, daß der Bicelönig Eugen die re 
auf das Großberzogtum Frankfurt erbielt, die Aus: 
ſicht auf den Primat genommen. Seitdem lebte F. 
in einer Art Verbannung in jeinem Biſchofsſiße 
Lyon. Bei Annäherung der Ofterreicher 1814 flob 
er von bier mit der Mutter des Kaiſers nah Ron, 
wo er vom Tophe e mit offenen Armen empfangen 
wurde. Die ebr Napoleons brachte ihn zwar 
nad Frankreich zurüd, und während der Hundert 
Tage wurde er ® gair; allein nad der Schladt von 
Waterloo mußte er wieder nad Italien eg 
Der Aufforderung von feiten der Bourbons, Tem 
Mr Rechte niederzulegen, widerſtand er hart 
—— erſt 1825, nachdem ibm ein päpſtl. Breve 
die übung der ee Gerichtöbarteit unters 
agt, verzichtete er auf das Amt, nicht aber auf die 
ürdejelbit. 1837 wurde dann ein Berjuch zu feiner 
Wiedereinfegung gemacht, dieſe aber von der franz. 
Regierung verweigert. Mit feiner Stiefſchweſter 
lebte er bis zu deren Tode in enger Freundſchaft. 
Erftarb13.Mai1839. Seine weltberuhmte Gemalde⸗ 
fammlung wurde nad jeinem Tode in Rom verfteis 
gert. Der Briefwechſel Napoleons mit F. wurde 
von Du Caſſe (2 Bpe,, Par. 1855) berausgegeben. 
— Val. Lyonnet, Le cardinal F. (2 Bde., Lyon 
1841); Ricard, Le cardinal F. Free 1898). 

Fes-dur und Fes-moll, j. Fes. 

Fefelen, Melhior, Maler, * in Regens⸗ 
burg oder Paſſau, geſt. 10. April 1538 in Ingol⸗ 
Bi war ein fleißiger Detaillit im Charalier des 

borfer oder SE der obne geiftig an erſtern 
———— der Munchener Pinalothel be: 

et ſich von ihm eine Belagerung Roms durch 
König Porſenna (1529) und die Belagerun —— 
Alefia durch Julius Cäjar (1533); eine Maria 
dalena im Mujeum des Sitoricen Vereins 
egenäburg, anderes in Nürn 
Mean, ezan — —* n, die Die Fopfichfte Pro: 
vinz der ti Regentihaft Tripolis in Nordafrita 
(fj. Rarte: Sahara), ein großes Daſenland, ijt etwa 
500 km breit und 620 km ri und hat ungejäbr 
400000 qkm mit etwa 43000 . wird im NW. 
von der wajjerlojen, jteinigen Hoch äce Hammada 
elsHomra dur einen Gebirgäbogen getrennt, der 
200 km lang in einer Breite von 50 km nad D. 


590 


sieht. Das Gebirge, das ſudlich von der Dafe 
Dihofra 900 m erreicht, befteht aus Kallſtein, der 
auf Thon rubt und von ſchwarzem Sandſtein über: 
lagert ift, und beißt in feinem weſtl. Teile z.. 
bel es⸗Soda (d. i. Schwarze Berge); hieran ſchließt 
ſich djtlich der Diebel-Schergija an Höhe abnehmend 
und allmählich ſich verflachend. Im ©. lehnt ih an 
das Gebirge eine Salzwuſte, und erſt 130 km jüplih 
vom Bebirge kommt man in die bewohnten Teilevon 
F. Die Bewohnbarkeit und die Kultur des Landes 
eritredt ich lediglich auf die Wadis, die in diejem 
Zeile wejtöftlih verlaufen: der Wadi es: Scäti 
zwiſchen 27 und 28° nörbl. Br., an den fi ſudlich 
eine Dünenzone mit natronhaltigen Seen anſchließt, 
welche zur Natrongewinnung und Zucht eßbarer 
Würmer (Feſſanwurm oder Dut) benugt werben. 
Der jüdli hiervon fih auf 200 km von SW. nad 
NO. binziebende Wadi el-:Scherti ift die fruchtbarſte 
Gegend ber nanıen Gruppe und beißt kurz «das 
Mapi»; die Oberfläche ift falzhaltiges, jandiges 
Alluvium, unter dem das Waſſer in 3”, m Tiefe 
ftebt. Südlich folgt dann die Hammada von Mur: 
ful, im ©. begrenzt von der 100 km langen, 15— 
28 km breiten mwajjerreihen Bodenjente, »eren 
tieffte Stelle ein mächtiger Salzſumpf einnimmt. 
Der blickt bewohnte Buntt iſt Tedſcherri im füd- 
nördlich gerichteten Wadi Etema, und die Südgrenze 
5.8 bildet dad Tümmo oder MWargebirge, die 
& eide zwiſchen Tibbu und Tuareg. 
as Klima ift im Sommer ſehr heiß (bis 45” C.), 
im Winter kalt. Regen fällt wenig; auch Gewitter 
in felten, Sturm dagegen bäufig. Tier und 
flanzenleben iſt jebr fümmerlih und außer auf 
den einjhließenden Gebirgen und in den Wadis 
taum zu finden, Wildwachſende Bilanzen giebt 
es außer einem Tamarixſtrauch und einer ald Ka⸗ 
melfutter dienenden ftadligen Papilionacee nicht; 
in den Dajen, von denen nur die im Norden 
aute Viehweiden haben, kultiviert man mittels 
tünftlier Bewäflerung etwas Gerjte, Weizen und 
Mais und erntet gerade fo viel, ald man zum 
Lebensunterhalt braudt. Hauptnabrungsauelle ift 
die Dattelpalme, von mwelder der Neijende Vogel 
in der Umgegend von Murfjut 37 Varietäten zäblte; 
auch trefflihe Waflermelonen, Granat: und eigen: 
bäume werben vereinzelt gefunden. Bon Haus: 
tieren zieht man vorzugsweiſe Ziegen, auch Kamele, 
Ejel und Pferde und Schafe mit Fettſchwänzen, 
aber mangels guter Weideſtriche nur in beichräntter 
Zahl; man ißt daher neben Hühnern und Tauben 
bie eßbaren Würmer, bie 2 cm groß find und mit 
Dattelteig gemengt verzehrt werden. Größere wilde 
Tiere giebt es nicht, nur Gazelle, Scatal und 
— werben angetroffen. 

Die Bevölterung ijt ſtark mit Negern vermifcht 
und im ſüdweſtl. Zeil der Daje Sebha und dem 
Wadi el⸗Scherli, wo zur Römerzeit Garama bei den 
jept Alt-Germagenannten Ruinenlag, vom Stamme 
der ea DER ift Murful (f.d.). Die nos 
madiſchen Bewohner des Nordens gehören haupt» 
fählic drei arab. Stämmen an: den Riab, Hotmän 
und Megärba. Der einft blübende Handel zwiſchen 
Tunis, Tripolis und Agypten und den Negerlän: 
dern, ber in F. feinen Mittelpuntt batte, ift feit dem 
Aufbören des Stlavenhandels und dem Rüdgang 
der Küftenländer unbedeutend geworben. 

F. ift das Phazania der Alten, das Qand der 
Garamanten, über welche der röm. Protonful 
2. Cornelius Balbus 19 v. Chr. einen Triumph 


Feſſanwurm — 


Feſſelballon 


zu. Zeugnis von der Römerberrfdaft in dieſen 
egenden giebt ein noch gut erhaltenes Dentmal 
in der Nähe von Germa. Auch die im öftl. Teile 
der Natronjeengruppe liegenden Ruinen und eine 
Gruppe von etwa 50 Pyramidengräbern find von 
ch Intereſſe. 567 nahmen die Garamanten das 
rijtentum an. legten Drittel des 7. Jahrh. 
wurde F. eine Beute der Araber, melde ben 
Mohammedanismus einführten. Im Mittelalter 
wurbe %. unter arab. Oberherrſchaft (300908 der 
Aghlabiden, feit 908 der Fatimiden u. a.) von eiger 
nen Fürjten regiert (im 12. Jahrh. Reich der Bend- 
Khattab, weldhes 1190 an die Ejjubiven fommt), die 
fpäter den Paſchas von Tripolis zinsbar waren. 
1811 ward deren Dynaftie vom Bei Mohammed 
el: Mulni ausgerottet, der ji im Namen des 
Paſchas von Tripolis des Landes bemädtigte und 
unter deſſen Oberhobeit die Regierung fübrte. 

Fefſanuwurm oder Dub, ein Tier, das in großen 
Mengen in gewifjen Salzſeen der Sabara (f.b. und 
Feſſan) vorlommt und von der dortigen Bevölterung 
genofien wird. Es find Fliegenlarven und eine Art 
von Kiemenfuß (f. Blattfüßer). 

Sellet, egenftand, mit dem man etwas «faht», 
im Mittelalter jeder Riemen, an dem etwas getragen 
wurde. Schildfefjel ift der Riemen, an dem der 
über die Schulter geworfene Schild, Hornfeffel 
der Riemen, an dem das Hifthborn hing. Im 
14. Jahrh. wird fie, obne dem erwäbnten Zmwede zu 
dienen, ein bei Männern und Frauen beliebter 
Schmud und mit Schellen bebängt. — Jett wird das 
Wort F. meift nur nod für die Ketten gebraucht, die 
gewiſſen Gefangenen angelegt werden. %. bürfen 
Unterfuchungsgefangenen im Gefängnis, im Fall 
der Gefahr auch bei einzelnen Vernehmungen, bei 
beſonders gemwalttbätigem Benehmen zum Schuß 
anderer, zur Berbütung von Selbjtmord und Ent: 
weichung angelegt werben. An der Hauptverband: 
lung (f. d.) ſoll der Angefchuldigte ungefeflelt fein. 
(Deutſche Strafprozeßordn. $. 116; Oſtert. Straf: 
prozehorbn. 88.188, 198, 239.) Bezüglich der Felle: 
lung von Strafgefangenen gelten landesrechtliche 
Vorſchriften, doc ift die Anlegung von Feileln aud) 
bier meiltens nur als Sicherungdmaßregel erlaubt. 
(S. au Rettenitrafe.) 

Feffel, Fellelgelent, Köte oder Kötenge: 
lent, bei Tieren mit Hufen die Gelentverbindung 
zwiſchen dem untern Ende deö Vorder: und Hinter: 
mittelfuhes und dem obern Ende des erften Zeben: 
glieds (Feſſelbeins). 

Feſſelballon (frz. ballon captif), ein Quftballon 
(j. d.), der während der Auffahrt an einem Geile 
feitaebalten wird. Sein vornehmlichſter Zwed iſt, 
einen hoch und frei gelegenen Beobahtungsort und 
war für Menſchen oder Neniftrierapparate zu 
Ihaffen: er dient biermit der Schauluft, der Me 
teorologie oder dem militär. Intereſſe. Paſſende 
Beiipiele der beiden erſten Arten find der von La: 
&hambre 1889 zu Paris und der vom Berein für 
Luftſchiffahrt zu Berlin 1890 aufgeftellte, der nur 
Regiftrierapparate trug; für ſolche wifjenichaftliche 
ſowie für militär. Aufitiege werden jedoch in neuefter 
Zeit ihrer größern Stabilität in friſchem Winde 
wegen ganz überwiegend nur Drachenballons (f. 
weiter unten) verwendet, wäbrend für Bergnügungs: 
zwecke meiſt noch Kugelballons in Gebrauch find, da 
diefelben viel groͤßer gemadt werben lönnen und 
fib dann für die betreffenden Unternehmer geſchäft⸗ 
lich befjer rentieren. Um nit ſchon — einen 


Feſſelbein — Feßler (Ignaz Aurelius) 


ſchwachen Wind ſtark ſeitwärts und abwärts ge 
trieben zu werben, bebürfen fie eines ſehr ſtarlen 
Auftriebes (f. d.), der fie bei einer Freifahrt in 

anz bedeutende Höhen führen würde. Cr belief 
he bei eriterm, der 5000 cbm Waſſerſtoff ent: 

ielt, troß der Aufnahme von 8 bis 12 Paſſagieren 
nod auf 500 bis 800 kg, bei legterm, ber mit nur 
130 cbm Leuchtgas gefüllt war, troß jeiner Kleinbeit 
noch auf 25 kg. Trogdem erwies ſich diejer Auf 
trieb als nicht ausreichend, jo daß eine Vergrößerung 
des Ballons nötig wurde. Damit das Gas nicht 
dur den Winpprud aus dem Appenpir (f. Luft: 
ballon) berausgedrängt werde, muß der F. unten 
verjhlofien fein, muß aber, wenn der Drud eine 
gewille Grenze überjcreitet, dem Gafe durch ein 
yelbitthätiged Ventil den Austritt gejtatten. So 
bejaß jener von Lachambre außer einem obern Ventil 
von 1m Durchmeſſer zwei untere, deren eined von 
80 cın Durchmeſſer das Gas bei 20 mm Waſſer Über: 
drud, deren anderes von 70 mm Durchmeſſer die 
Luft aus dem 300 cbm großen Ballonet (f. d.) 
ſchon bei halb jo großem Drud entließ; dieſes 
wirtte daher ald Gasfparer. 

Das Kabel ift,momöglic unter Einfhaltungeines 
Dynamometers, in der Regel am Trapez bejeitigt, 
das dazu dient, die das Beobachten erſchwerenden 
Drebungen und Schwankungen des Ballons zu 
dämpfen. Man befeitigt am Ring (f. Luftballon) 
eine wagerechte hölzerne Stange, parallel dazu in 
mebrern Metern Abitand eine zweite und verbindet 
die gleihen Enden durd ein Seil, das unterhalb 
der zweiten im flahen Bogen berabhängt. An 
dejien Scheitel greift das Kabel an, am oben Teil 
des Trapezes hängt die Gondel (f. Tafel: Luft: 
jalfiepe I, dig. 5). Bei den großen F. der 

anz. Ausitellungen fowie der Berliner von 1896 
und der Leipziger von 1897 ging das Kabel dur 
den Hoblraum der ringförmigen Gonbel direlt zum 
Trapezring. In Vorausſicht plöglicher Winpftöße 
und ber baburd veranlaßten ftarfen Spannung 

iebt man dem Kabel eine fo große Feltigteit, als 
(ic mjt der nötigen Leichtigleit irgend verträgt. 

usgezeichnet hierin war das des zweiten oben ge 
nannten %., das bei 800 m Länge nur 16 
wiegt und bei feiner Syejtigleit von 500 kg bie 
erjtaunliche Neihlänge von 25000 m hatte, Hiermit 
tam es der Seitigfeit eines Geidenfeiles von 
gleicher Länge und gleihem Gewichte nabe, über: 
traf es aber durch feine Feinbeit und geringe dem 
Windprud gebotene Fläche. No günftiger für llei⸗ 
nere Regiſtrierdrachenballons find Klavierfaiten: 
drähte, wie fie in neuerer Zeit für wiſſenſchaftliche 
Dradenaufftiege (j. Drachen) verwendet werden, nur 
muſſen fie für Ballons entiprechend dider genom: 
men werden. Man erreicht mit denſelben eine Reißs 
fejtigleit von 500 ur Ger einer Drabtftärte von nur 
1,66 mm und einem Gewicht von 18 kg per 1000 laus 
fende Meter. Dabei ift ibre Durchwehung infolge 
des Winddruds naturgemäß eine erheblich geringere 
als die des beiten Kabels von gleicher Leiftungs- 
fähigkeit. Die Winde zum Aufwideln des Kabels 
wird bei großen 5. von einer Dampfmaſchine oder 
einem Glektromotor in Bewegung gejebt (f. Taf. I, 

g. 6). Das aus Seide, Hanf oder viel gemöhn: 
icher aus Stabhlbrabtligen gedrehte Kabel läuft zus 
erſt über eine allfeitig drebbare Rolle, dann über 
die Fuhrungsrolle, die ſich bei jeder Umbrehung ber 

roßen Trommel um die Dide des Kabels verſchiebt, 
eo daß ſich diefes in parallelen Windungen regel« 


591 


mäßig auflegt. Es muß ebenfo wie dad Netz eine 
5—10fadhe Reißſicherheit (bei Mitnahme von Men: 
ben, fonft eine 1, — 2fache) bieten gegen die 
größten Drude, die bei ftärtern Winden auf ben F. 
einwirten; bei ftürmifhem Better ift allerdings der 
gewöhnliche F. Überhaupt nicht brauchbar, da er 
zur Erde niedergebrüdt wird. ep ift deshalb 
neuerdings der Draben-Feijelballon — 
den (ſ. weiter unten). Der größte F. war bisher ber 
von Giffard, Paris 1878; er maß 25000 cbm und 
wog insgeſamt 14000 kg (f. Taf. I, Fig. 4), der 
rößte deutjche derjenige der Berliner Gewerbeaus⸗ 
tellung von 1896 mit nabezu 6000 cbm. 

Eine neuere wichtige Abart des %. ift der vom 
Hauptmann von PBarjeval in —— und vom 
Hauptmann von Siegsfeld in Berlin konftruierte 
Drabenballon (j. Taf. II, Fig. 4), bei welchem 
das aẽroſtatiſche Princip des gemöhnlihen Gasbal: 
long mit dem Brincip des Drachens (j. d.) verbunden 
worden iſt. Diefe Doppelwirkung wird erzielt durch 
Teilung des Ballons in einen Gasballon und einen 
nur mit Luft 52 ballonetartigen Raum von 
veranderlichem Volumen, welcher offen iſt und, vom 
Winde vollgeblaſen, dem Drachenballon ſtets eine 

rallvolle, von «Windtaſchen » oder «Dellen» freie 
orm bewahrt, dur entſprechende Geftalt des 
llons (Draenfläde), durd Anbringung eigen: 
artiger Bentile, durch eine neue Art von Ber 
fung, dur eigentümliche Steuerung mitteld eines 
unter dem eigentliben Ballontörper angebradten, 
leih dem Ballonet offenen Luftjads, feitlicher 
* und eines aus 4—5 «Winbtuten» gebildeten 
wanzes, durch abweichende Art von Reg: und 
Rorbaufhän ung u. ſ. w. Diefer Dradenballon bat 
fi fowobl für militär. als für meteorolog. Zwede 
dem gewöhnlihen Gasballon ald durchaus über: 


legen erwieſen. 
— eſſelgelenk, ſ. Feſſel (bei Tieren). 
eſſeluug Gefangener, ſ. (1. d.). 
ehler, Feſſelfroſch, die Öchurtähelferfröte 
er, Janaz Aurelius, Geiftliher und 
Schriftiteller, geb. 18. Mai 1756 zu Ezurenborf 
bei Odenburg, beſuchte die Schulen zu Krehburg 
und Raab, trat 1773 in den Kapuzinerorden und 
lebte ala Mönd in verſchiedenen Klöftern zu Dfen, 
Großwardein und Schwechat. 1781 in das Kapu—⸗ 
zinertloſter zu Wien verfegt, machte er in einem 
gebeimen Schreiben dem Kaiſer Joſeph Mitteilun: 
gen über die Mißbräuche der Kloiterdisciplin, was 
war eine ftrenge Unterſuchung derjelben, aber für 
5 die erbittertiten Anfeindungen von feiten der 
eiftlichleit zur Folge hatte. Durch kaiferl, Dekret 
aus dem Orden entlajlen, ward er 1784 zum Leltor 
und fpäter zum ord. Brofeflor der orient. Spradyen 
und der SHermeneutit des Alten Tejiammus in 
Lemberg ernannt. Wegen feines als gottlo8 und 
aufrübrerifh angefeindeten Zrauerfpield «Sipney» 
(Breöl. 1784) mußte er fein Amt niederlegen und 
1788 nad Schlefien flüchten. Hier fand er bei dem 
Buchhändler W. ©. Kom zu Breslau Aufnahme 
und wurde Erzieber der Söhne des Erbprinzen von 
Garolatb. F. trat 1791 zur prot. Kirche über. Seit 
1796 lebte er in Berlin, wo er die ſog. Mittwochs⸗ 
und Humanitätsgejellichaft ftiftete und von der bor: 
tigen Loge Noyal:Yort beauftragt wurde, mit Fichte 
die Statuten und das Ritual diefer Loge zu refor« 
mieren. Bald darauf erbielt er eine Anftellung als 
Ronfulent für die katholifchen neu erworbenen poln. 
Provinzen. Aus dem Freimaurerorden trat er 1802 


592 


wieder aus. Infolge der Schlacht bei Jena 1806 
verlor F. fein Amt und lebte in bürftigen Verhält: 
nifien, bis er 1809 als Hofrat und Profeſſor ver 
orient. Sprachen und der Bhilofopbie an die Aleran: 
der: Newitij« Akademie nah Peteröburg berufen 
wurde. Doc aud den Amt verlor er bald, weil 
man in feinen philoſ. Vorträgen atheiſtiſche Ans 
fhauungen finden wollte, Seit 1811 war er Mit: 
voriteber der Erziebungsanftalt des Rollegienrats 
Slobin in Molst im Gouvernement Saratom. 1817 
ihloß er fih in Sarepta der Hermbuter Brüder: 
— an und wurde 1819 Superintendent und 
onfiftorialpräfident der evang. Gemeinden in Sara⸗ 
tow, 1833 Generalſuperintendent und Kirchenrat der 
luth. Gemeinde zu Petersburg, wo er 15. Dez. 1839 
—— F. bat außer einigen ———— Abhand⸗ 
ungen zahlreiche belletriſtiſche, religios-kirchliche 
und Freimaurerſchriften veröffentlicht. Sein bedeu⸗ 
tendſtes Wert ift aber die «Geſchichte der Ungarn und 
ihrer Sandfajjen» (10 Bde. Lpz. 1812— 35; 2. Aufl. 
u. d. T. «Gejhichte von Ungarn», von Klein bear: 
beitet, 5 Be., 1867—83). Seine hiftor. Romane 
«Marc Aurel» % Boe., Bresl. 1790—92), «Ariftides 
und Themiftolles» (2 Bde., Berl. 1792), «Matthias 
Eorvinus» (2 Bde. Bresl. 1793—94) und «Attila» 
(2Bde.,ebd. 1794) find Ben Intereſſant tft feine 
Selbftbiograpbie: «Nüdblide auf meine 7Ojäbrige 
Bilgerfhaft» (Brest. 1826; 2. Aufl., Lpz. 1851). 
Fehler, Joſeph, kath. Theolog, geb. 2. Dez. 
1818 zu Lochau in Vorarlberg, ftudierte in Salz: 
burg, Innsbrud und auf dem Kleritalfeminar zu 
Briren, erbielt 1837 die Priefterweibe, wurde dar: 
auf Präfelt im adligen Konvilt in Innsbruck und, 
nachdem er in Briren und Wien feine Studien fort: 
geſetzt, 1841 ordentlicher Lehrer der Kirchengeſchichte 
und ſeit 1843 auch des Kirchenrechts am Seminar 
in Briren; 1848 war F. Mitglied des Frankfurter 
— 1852 übernahm er die Profeſſur der 
irchengeſchichte an der Univerfität Wien, vie er 
1856 mit der des Kirchenrechts vertaufchte. 1861 
—62 gehörte er in Kom der Kongregation für 
die Angelegenheiten der orient. Kirchen an, 1862 
wurde er zum Weihbiſchof und Generalvitar von 
Vorarlberg, im Sept. 1864 zum Biſchof von 
St. Pölten ernannt, nachdem er 1863—64 ala 
Unterhändler der öfterr. Regierung in Saden des 
Kontordats in Rom geweſen war. Auf dem Vatila— 
niſchen Konzil, zu deſſen Generalfefretärihn Pius IX. 
1869 berufen hatte, war F. ein eifriger Vertreter 
der päpſtl. Unfehlbarkeit. Er ſtarb 25. April 1872 in 
St. Pölten. Sein Hauptwerk find die «Institutiones 
trologiae» (2 Bde., Innsbr. 1850—51; 2. Aufl, 
bn.von ungmann, 1890—96); jonft ſchrieb er: «Ge⸗ 
* der Kirche Ehrifti» (4. Aufl., Wien 1877), 
«Sammlung vermifchter en über Kirchenge⸗ 
dichte und Kirchenrecht» (Freib. i. Br. 1869), «Die 
wahre und die faliche LUinfeblbarleit der Päpite. 
Zur Abmebr gegen Herrn Prof. Dr. Schulter (Wien 
1871), «Das vatikaniſche Goncilium, defjen äußere 
Bedeutung und innerer Verlauf» (ebd. 1871). — 
Bol. Erdinger, Hof. F. (Briren 1874). 
ft (lat. festum, dies festus), ſ. Feſttage. 
eſt, als phyſil. Eigenihaft der Körper, f. Ag: 
gregat ujtand und Feſtigkeit. — F. bedeutet im 
berglauben auch foviel wie unverwundbar; vgl. 
—— — Die feſte Verbindung beweglicher 
achen mit einem Gebäude macht die beweglichen 
bezweckt 


Sachen, wenn die dauernde Verbindun 
eſtandteil 


iſt, zum Zubehör (f. d.) oder auch zum 


Feßler (Joſeph) — Felter Spiritus 


bed Gebäubes. Man hat als feit vielfach bezeich⸗ 
net, was erd⸗, wand:, band:, mauer:, niet oder 
nagelfeit it (3. B. Oſterr. Bürgerl. Gejekb. $. 297). 
Richtiger ezeihnet das Deutſche Bürgerl. Geſetzb. 
F. 93 als Beitandteile einer Sade, an welden ein 
von dem Recht an der Sache im ganzen abgejonder: 
tes Recht nicht ftattfindet, diejenigen, welde von: 
einander nicht getrennt werben können, obne baß der 
eine oder andere Beftandteil jeritört oder in feinem 
Weſen verändert wird —— Beſtandteile), 
im $. 94 als weſentliche Beſtandteile eines Grund: 
ſtüds die mit dem Grund und Boden feſt verbun— 
denen Saden, insbefondere die Gebäude. Als we: 
fentlihe Beſtandteile eines Gebäudes follen die 
demjelben zu defien Heritellung eingefügten Saden 
gelten, oje nicht die * nur zu einem 
vorübergehenden Zwed erfolgt it. Zubehör einer 
Sade ($. 97) find diejenigen beweglichen Saden, 
melde, ohne Beſtandteil der Hauptſache zu fein, 
DE bleibend zu dienen beftimmt und in ein 
dieſer Beſtimmung entiprechendes Verhältnis zur 
Hauptſache gebracht find, es fei denn, daß foldhe 
Sachen nad der Verlehrsſitte nicht als Zubehör ans 
gejeben werben. Das jtimmt im ganzen mit dem 
Gemeinen Recht und mit den neuern Geſetzgebungen 
überein. 

Fefta, Coftantio, ital. Romponift, geb. in Flo: 
renz, trat 1517 als Sänger in die päpftl, Kapelle 
und jtarb 10. April 1545. Er war der erfte bedeu⸗ 
tende Kontrapunttift Staliens und kann ala Bor: 
läufer Paleſtrinas bezeichnet werden. Bon feinen 
Kompofitionen find Motetten, Litaneien, ein Te 
deum und ein Gredo erhalten. 

eſteyklus, ſ. Feittage und Kirchenjahr. 
Feſtdekoration, die bei feſtlichen Gelegen: 
—— übliche rt N der Straßen durch 
piche, Gobelins, gemalte Züher (Velarium), 
Blumengebänge (Gutrlanden, Feſtons) und leichte, 
ſchnell aufgerichtete Bauten. Die F. waren zu allen 
Zeiten Sitte, erhielten ihre moderne Ausbildung je: 
doch in der Kenaifjancezeit. Später baute man aus 
Latten Ehrenpforten, umtleidete fie mit Stoffen 
und bemalte fie. Schon im 14. Jahrh. war Florenz 
in dieſer Beziehung maßgebend, päter ftand Deutſch⸗ 
land Italien nit nad. Di böchite Entfaltung in 
—— Beziehung ** die Bi des 17. Jahrh. 
ſowohl in Belgien, wo Rubens für —— ar⸗ 
beitete, als in Italien, wo die Barockünſtler groß⸗ 
artige Werte ſchufen. Berühmt ift ei ur 
Jeſuit Pozzo als Feitvelorateur. Die Kunſt verfiel 
mit dem Klaſſicismus und wurde in Deutihland 
erit in neuerer Je wieder angeregt, namentlidy 
durch die Maler 9. Matart, X. von Werner u. a. — 
ae Er und Meyer, Die F. in Wort und Bild 
. 1897). 
eſt der Begeguung, f. Lichtmefle. [feit. 
ft der heiligen Dreieinigkeit,}. Trinitatis⸗ 
eſt der heiligen Drei Könige, |. Epiphania. 
efte, veraltete und bichterifche Bezeichnung fü 
tung; in neuerer Zeit für große Forts gebraucht. 
ce in der Bedeutung von Feſttage ſ. d. 
eitenberg, Stabt im Kreis Großmwartenberg 
bes preuß. Reg.:Bez. Breslau, an der Linie Gnefen- 
Ols (Station Großgraben:F.) der Preuß. Staats: 
bahnen, Siß eines Amtsgerichts (Landgericht Ols) 
und Steueramtes, hat (1900) 2315, (1905) 2338 meijt 
evang. E., Poſt, evang. und kath. Kirche; Tuch⸗ 
und Möbelfabrilation. 
Feiter Spiritus, ſ. Hartipiritus. 


Teftes Teuer 


eſtes Feuer, j. Leuchtturm nebit Tafel, Fig. 4. 

efte Stellung, in der Kriegswiſſenſchaft jede 
mit Hilfe der Bereftigungstunft bergerichtete Ge: 
fechtsſtellung (f. Feldbefeſtigung und Stellung). 

eſtigkeit, im allgemeinen der Widerftand, den 
die feiten Körper der Trennung ihrer Teile ent: 
gegenjeken. j j 

Wenn äußere Kräfte auf einen feiten Körper ein- 

wirfen, fo erleidet derfelbe eine —— 
Belaſtet man z. B. einen an einem Ende ſenkrecht 
eingeſpannten Stab, welcher als Cylinder vom 
Durchmeſſer d und der Länge 1 gedadıt ſei, an ſeinem 
andern Ende mit einem Gewicht, jo werben die Stab: 
teilen angeipannt. Die Größe der Anipannung 
wird durch die ald Spannung bezeichnete Kraft 
angegeben, welde in der Querjchnittseinbeit des 
Stabes wirkt. Als Querjchnittseinbeit wird dabei 
in der Regel 1 gem genommen. Wird mit P die auf 
den Stab wirkende äußere Kraft, mit q der Quer: 
ſchnitt des unbelafteten Stabes bezeichnet, fo erhält 
man die innere Spannung o des Materiald durch 
die Gleibung p 


gm, 


q 

wobei man die Annahme macht, daß fich die äußere 
Kraft gleihmäßig über den Stabquerſchnitt verteilt. 
ede derartige Belaftung eines Stabes bat eine 
ergrößerung der Länge | des Stabes um X und 
eine ae de des Durchmeſſers d um 3 
ur Folge. Die auf die Einheit der urfprünglihen 
änge bezogene Ausdehnung in Richtung der Stab: 
achſe, d. i. j = e, die verhältnismäßige (ſpecifiſche) 
Längenänderung, heißt kurzweg Dehnung. Die 
auf die Einheit des urfprünglichen Querſchnitts be- 


jogene Querzufammenziebung, d. i. Fl wird 


zu der Debnung e dur 2 min Beziebung ge: 


bradt (für Metalle ift m = 0,333 zu feßen). Zwiſchen 
der Dehnung e und der Spannung o des Stab: 
materiald beflebt ber Su lemenhang € = ao, worin 
a den Debnungskoäfficienten bedeutet. Der: 
ſelbe erweift fich für eine Anzahl von Stofien (Eijen, 
Stahl u. |. m.) innerhalb gewiſſer Belaftungsgrenzen 
unveränderlid. Die Spannung, bis zu welder din 
viejes a führt den Namen Broportiond: 
grenze. Manche Materialien zeigen bei einer ge: 
—— oberhalb der Proportionsgrenze liegenden 
Belaſtung eine vergleichsweiſe außerordentlich raſche 
und bleibende Zunahme der Dehnung. Die Span: 
nung, bei welcder dieje —— eintritt, wird 
als Stred: oder Fließgrenze bezeichnet. Der 
umgefebrte Wert des Debnungstoefficienten,, d. i. 


2, wird Elafticitätömodul genannt. Die Aus: 


dehnung des Stabes verſchwindet nad Entfernung 
der Belaftung entweder ganz oder teilweife, je nad: 
dem die jog. Elajticitätögrenze eingebalten oder 
uberſchritten wird. (S. Elajticität.) Die Spannung 
des Materials an der Elafticitätögrenge wird Trag: 
modul genannt. Bei verjchiedenen Körpern er: 
folgt, nachdem die Elaſticitätsgrenze überfchritten 
it, fofort ein Bruch (fpröde Körper); andere er: 
tragen die Einwirkung der ziebenden, drüdenden, 
biegenden Kräfte uud noch über die Glajticitäts- 
renze binaus, obne dadurch, wenn fie ſchon Ger 
altsänderungen erleiden, doc in ihrem innern Ge: 
füge geftört zu werben (gejchmeibige, duftile, zäbe 
Brodhaus’ Komverfationd-Leriton. 14. Aufl. R.U. VL 


— Feitigfeit 593 


Körper). Auch dies bat eine Grenze, und endlich 
werden felbft bei den buftiliten Körpern dur bin: 
reichend große Kräfte die Teile voneinander getrennt, 
wonach die gejamte F. des Körpers überwunden it. 
Die zu der Zerjtörung des Zujammenbanges des 
Körpers notwendige Kraft wird dabei ald Bruchbe: 
laftung (oder Traglraft) und die Spannung, bie 
biejer entipricht, ala #., Feftigteitstoefficient, 
Brubmodul oder Bructoefficient bezeichnet. 

Ein Körper lann durd äußere Kräfte gezogen, 
gedrüdt, abgefchert, gelnidt, gebogen und 
gedreht werden; den Widerſtand, den er diejen 
verjhiedenen Beanſpruchungsarten entgegeniekt, 
bezeichnet man als Zugfeitigleit, Drudfeitig: 
teit, Scherfeftigleit, Rnidfeltigleit, Bie: 

— und Drehungs- oder Tor— 
— eit. Endlich ſpricht man noch von zu⸗ 
ammengeſetzter F., wenn ein Körper gleichzeitig 
mehrern Beanſpruchungsarten ausgeſetzt iſt. Zug: 
und Druckfeſtigleit werden, obgleich phyſilaliſch ver⸗ 
— Begriffe, rechneriſch zuſammen behandelt, 
o daß man folgende fünf Arten von F. erhält: 

N ug: und Druckfeſtigkeit. Denkt man ſich 
3. B. einen Eifenftab an einem Ende befeftigt, am 
andern gezogen, fo ift derſelbe auf Bugfeitfgteit 
(auch abjolute F. genannt) in Anſpruch genom: 
men; ftellt man ibn ſenkrecht auf eine horizontale 
Unterlage und belajtet fein oberes Ende, fo wider: 
jtebt er der Zerftörung, wenn feine Höbe Meiner ift 
als das Funffache des Durchmeſſers, dur feine 
Drudfeftigfeit (rüdmwirtende %.). 

Um die Zugfeſtigkeit zu beftimmen, verfertigt 
man aus den zu prüfenden aterialien cylin⸗ 
driſche oder prismatiſche Stüde mit etwas verftärt: 
ten Enden, bringt fie mit den lektern in die Ein: 
fpannvorrihtungen der Feitigleitsprüfungs: 
majchine (j. Materialprüfungsmaſchinen) ein und 
fest fie fo lange einem immer wachſenden Drud 
aus, bis fie zerreißen. Dabei erhält man durch 
eine an der Maſchine befindliche Zeichenvorrich— 
tung ein Diagramm (f. Graphiſche Daritellung), 
bei dem die Fängenänderungen als Abſciſſen, die 
zur Hervorrufung derjelben notwendigen Kräfte als 
Drdinaten erſcheinen und aus dem man zu jeder 
Kraft die‘ zugehörige Längenänderung abnehmen, 
ferner den Elaſticitätsmodul, die Proportions— 
prenge, den Bruchmodul u. ſ. w. ermitteln, über: 
baupt über das ganze Verhalten des Materials 
ziebenden Kräften gegenüber Aufſchluß erbalten 
fann. Derartige, mit den widtigften Materialien 
angeftellte Verſuche haben zur Yujammenitellung 
beitimmter Zablenwerte für obengenannte Größen 

eführt (j. die Tabelle ©. 595). Aus den Unter: 
Fucyungen zeigte es ſich, daß Körper gleicher Natur, 
> ein und dasjelbe Metall, unter verſchiedenen 

mftänden ganz verſchiedene Werte ergaben, was 
offenbar nur daher rühren kann, daß die fcheinbar 
gleihartigen Körper im Innern doch nicht glei: 
artig waren. Wenn man z. B. nad der 7. des 
Kupfers fragt, b fommt es ganz darauf an, in 
welchem phyſil. Zuſtande fi) das Kupfer befindet. 
Die F. wird eine andere fein, wenn das Metall ge 
goſſen ift, eine andere, wenn es zu Drabt gezogen, 
und noch eine andere, menn ed gebämmert iſt; auch 
iit e8 von Einfluß, ob das betreffende Metall 

—2*8 rein ift oder Beimengungen enthält. Ohne 
Zweifel ift in allen dieſen Fällen die Lagerung der 
Heinften Teilhen im Innern eine andere, ein Um⸗ 
ftand, über welchen man von vornherein feine ger 


38 


594 


naue Kenntnis haben tann, weshalb man auch da— 
von abjehen muß, für Körper, die gleihen Namen 
tragen, unter allen Umjtänden od die gleiche F. 
vorausjeken zu dürfen. Man muß namentlich bei 
den Metallen die erwähnten Zuftände unterſcheiden, 
wenn man in der Beurteilung der %. nicht allzu: 
weit feblgreifen will. , 

Mas ferner die Änderungen der F. bei einem 
und demfelben Körper betrifft, wenn bie äußere 
Form desſelben ſich ändert, jo laſſen fi darüber 

chon eher allgemeine Geſetze aufitellen, wenngleich 
diefe auch nur innerhalb gewiſſer Grenzen Gültig: 
teit haben. Da die Zugfeſtigleit nur von der Stärte 
des Zuſammenhangs zwijchen den kleinſten Teilen 
abhängt, fo muß, wenn man nad) der F. eines Kür: 
pers von gewiſſen Dimenfionen fragt, diejelbe um 
\o größer En je mebr folder Teilden aneinander 
baften. Handelt es ſich demnah um die F. zweier 
Stäbe von verihiedener Dide, jo wird der didere 
dem Zerreißen einen größern Widerſtand —— 
ſetzen als der dunnere, und zwar ae. boppelt je 
viel, wenn fein — doppelt ſo groß iſt als 
ver bes lehtern; bie —— von Stäben 
aus Material gleicher Natur verhalten ſich demnach 
wie die Querſchnitte. Neuere genaue Verſuche haben 
aber gezeigt, daß ſich dieſes Geſetz nicht unter allen 
Umftänden bemwahrbeitet. Es ergab fi, daß bei 
dünnen gezogenen Metallvrähten oder Stäben der 
Bruchmodul für Zug größer ijt als bei diden. Dies 
bat feinen Grund in der Art und Weiſe, wie ſolche 
verjchiedenartige Metalljtäbe oder Drähte bergeftellt 
werden. Werden nämlich die Metalle im Drabtzuge 
ausgezogen, fo erleiden die Teile an der Oberfläche 
einen hoben Grad von Jufammendrüdung; dadurd 
werben die äußern Teilchen ber zufammengerüdt 
als die innern und erlangen infolgedeſſen auch eine 
oröbere Kobäfion. Sind die Dräbte fehr dünn, fo 
tritt natürli der innere weniger feite Kern gegen 
die äußere Hülle mebr ren als bei diden Dräbten, 
und jene müflen natürli auch im Berbältnis fefter 
jein. Diejer Umstand ift wohl zu beachten, wenn 
man aus ber durch Berjuche —— F. eines 
dünnen Drahts die F. einer ſtärlern Metallmaſſe 
nach dem oben angegebenen Geſetze berechnen will. 
Ferner haben die Verſuche gezeigt, daß die Zeit, 
innerhalb welcher die ** nahme bis zum 
Zerreißen ſtattfindet, von weſentlichem Einfluß ne 
die Größe der Brucbelaftung wird, fo zwar, da 
letztere größer ift, wenn das Zerreißen us erfolgt, 
als wenn es langjam vor fidh gebt. 

Auch bei den Sdlsern nden ſolche Verſchieden⸗ 
beiten ſtatt. Das Holz, welches unmittelbar am Mart 
des Stammes liegt, iſt das ſchwächſte, und zwar bei 
alten Bäumen weit mehr als bei jungern. Auch der 
Splint, der zunächſt unter der Rinde liegt, iſt we: 
niger jet als der übrige Teil. Das Holz aus der 
Mitte des Stammes ift ftärter als in der a7 der 
Aſttnoten oder an der Wurzel, und das Holz der 
Aſte ift jchmwächer ald das des Stammes. Bei allen 
Bäumen, welde in unjern europ. Klimaten wadjien, 
it das Holz auf der Nordſeite am ſchwächſten, das 
auf der —— am feſteſten. Das Herz des Baums 
liegt nie in feinem Mittelpuntte, ſondern ſtets näher 
an der Nordſeite, auf welcher auch die Jahresringe 
dünner werben; daher nimmt man meiſtens an, daß 
das Holz fefter ift, deſſen Jahresringe dider find. 
Endlich ift alles grüne Holz feiter ald dasjenige, wel: 
bes ſchon einige Zeit ze Pie ift. — Seile oder 
Bänper mie überhaupt alle ähnlichen Gegenitände, 


Feſtigleit 


welche aus organiſchen Faſern durch Spinnen oder 
Flechten hergeſtellt werden, ſind ihrer Zugfeſtigkeit 
nach ebenfalls ſehr veränderlich, und man fann des⸗ 
halb nicht im allgemeinen von der F. der Hanfſeile 
u. dgl. ſprechen. Übt ſchon der Boden, auf welchem 
die betreffenden Pflanzen gewachſen find, und bie 
Art, wie die lg bearbeitet wurden, einen be 
deutenden Einfluß aus, jo tommt bei dem fertigen 
Seile nod der Grad der Drebung und die äußere 
Beichaffenheit hinzu. Eine zu ftarte Drebung jo: 
wie Feuchtigleit beeinträchtigt die F. der Taue. 
Daber finden wir in den betrefienden Feſtigleits— 
beitimmungen Unterjdiede von 450—800 kg pro 
Quadratcentimeter Querſchnitt. 

Die Drudfeftigkeit erjcheint el den erften An: 
blid ala das Gegenteil der Zugieitigleit, da bier jo: 
wohl die äußern Kräfte wie die widerftebenden in- 
nern im entgegengejesten Sinne wirten als bei Ju 
Allein die ——— Größe der Drudfeſtigleit —9 
ſich leineswegs nach der Größe der Zugfeſugleit be: 
meſſen, da eine Trennung nicht durch ein einfaches 
Losreißen zweier benachbarter Teilchen erfolgt, jon: 
dern nur ftattfinden lann, wenn zugleich der Wider: 
and der — gelegenen überwunden iſt. Es ſind 
daber beſondere Verſuche zur Beſtimmung der 
Druckfeſtigkeit notwendig. Bei einigen Körpern bat 
fie ſich mit der Zugfeftigkeit annäbernd gleich groß 
ergeben, bei vielen andern aber zeigt fie B betracht⸗ 
rößer. Unter die leztern gehören die Steine, 
weh bei der Honftruftion von Gebäuden aud: 
ſchlieblich mit ihrer Drudfeitigleit widerfteben. 
Übrigens —— die Verſuche gelehrt, daß die Größe 


der Brucbelaftung für Drud proportional ift der 
Größe des Querſchnitts, und injofern zeigt ſich 
eine UÜbereinſtimmung rud: 


age Aug: und 
feftigfeit. Der Mörtel beſigt eine jehr geringe rüd: 
wirtende F.; fie fteigt hochſtens auf 35—45 kg pro 
QDuadratcentimeter. Er darf baber nicht zum Tragen 
von Laſten benust, jondern nur ald Verbindung 
mittel in Aniprud genommen werden. Mit dein 
Alter vermebrt ſich übrigens feine F. und kann bie 
u 60 kg ſteigen, wie ſich namentlich an der Unter: 
— von Moͤrtelmaſſen aus antilen Baumerten 
gezeigt bat. Erheblich größere Drudfeftigteit befikt 
der Cement, der nicht nur als Mörtel, jondern auch 
ur Bildung ganzer Baukörper und zur Herftellung 
nftliher Steine dient, die, befonders längere Zeit 
nad ihrer Herftellung, mande natürlihe Steine 
anz bedeutend an Drudfejtigteit übertrefien. Cine 
Behr bedeutende Drudfejtigfeit bejist dad Guß— 
eifen; fie übertrifft die Sugieftigtei desſelben Ma: 
teriald beinahe um das Sechsfache. Aus diejem 
runde wird das Gußeifen auch bejonders ale 
Stüge zum Tragen von Laften angemenbdet. 

Auc bei Drudwirkungen unterſcheidet man Ela: 
fticität3modul, Proportionsgrenze und Bruchmodul. 
Un Stelle ver Stredgrenze tritt bier die Quetſch— 
grenze. Übrigens erfolgt die Zerjtörung eines Kör— 
pers durch Zerdrüdung nur bei kurzen und diden 
Stüden, während bei längerer und dünner Form (in 
einzelnen Fällen ſchon, wenn die Länge fünfmal jo 
grob ift als die Dide) die Zerftörung dur Zer: 

idung (f. unter 3) erfolgt. 

In der folgenden Tabelle find für verfchiedene 
Materialien (Metalle, Hölzer, Steine) die durch die 
Verſuche erhaltenen Werte der Clajticitäts: und 
Feſtigleitsloefficienten —— wobei ein 
Stabauerihnitt von 1 qmm zu Grunde gelegt ift 
und die Kräfte in Kilogramm angegeben find: 


Feſtigkeit 





—E 
citätd» u mobu 
mobul FH: 285 
Material für Bug * S 38 für für 
” “ ci = Bug | Drud 
E= 7 Op 9: E, K 
en, 
Fabel zur Erb. 
— 20000 | ıs—ır 22⸗ 23240 22—28 
Das ſelbe ſen * 
zur Sehnenri | 
—B—— _ _ — 11-5 | — 
ußeilen .... » 91500 | 20-24 1235-30] 4 35—30 
ußftabl ..... 2000 |35—50| 9 |s—1o0 9 
idelitahl, mit | 
5 Nidel — “50 | — s | — 
mit | 
25 Bros. Nidel| — 3 — | 1-0 | — 
fe ‚sebärtet| 22000 75, =» soumehr, — 
» ungehärtet| 22000 408 © | 75-50 | _ 
Stablguß. .. . - - 21500 m FEi 3 | 5-0) 9 
u, mehr 
Bußelfen.. 7500 s) — | 12-18 70-80 
bis 
10500 
Rupfer,aebämmert| — — 30 — 
— 54 — — — 31,5 — 
elettrolgtifihes 2 — — 38 — 
ſupferblech, ge⸗ 
* ugeae 11000 | 2—49)| — | 0-3 | — 
* —cX—— 9000 3 _ 20 — 
Geſchubbro 11000 3 — 30 — 
verdichtet 11000 9 — 32 _ 
Deltametall, hart 
gewalst -..... 9917 22 58,8 _ 
1 RA 1500 _ 19 10 
BR ha en. 4000 — — 3,5 _ 
lei, weich gemwalzt | 
ober gegofien. .. 500 — — 1,25 — 
d0lj * 41800 — — 13,4 32 
. ichte) ... 920 — 75 2,45 
Granit, Diorit, 
Epmit.....- — — — — 8—20 
wphut 2.2... — — _ — 10-26 
Bi a.0ie 2. - — — — 1032 
Aaltſtein... — — — — 5146 
Stunftfanbftein....| — _ —- | o1 | 
Biegelmauerwert | — _ - | - 





") 28 und mehr; bärteres Material ohme Stredgrenze. 


N) wenn weich, wie or; wenn bart, KK, ?), *) wie 
Flufftahl. 5) a nimmt mit wachlendem > En s op kann 
durd; wiederholte Auftrengung anf das Bimwei- bis Dreifache 
gefteigert werben. 


2) Scherfeftigkeit. Ein Körper wird auf Scher: 
jeftigteit in Anfprud genommen, wenn zmei ent: 
gegengefehte Schub: oder Scherträfte im ber 

Trennungsebene wirken (entipredend 

| beiftebender Slizze, ð . 1), wie beim 
Zerſchneiden mit der u Hierbei ift 

die Kraft, die zur Trennung der Körper: 

t teilhen erforderlich ift, um jo größer, je 
größer der abzujcherende Querſchnitt und 

Me 1. je größer die Kraft ift, um die Flächen⸗ 

einbeit des Querjchnitt3 (1 qem) abzu⸗ 
icheren, alfo der Bruhmodul fürSchub. Dieier 
ift in der Regel Heiner als der Bruchmodul für Zug. 
Auch iſt die Höhe der Bruchbelaſtung für Scherfeitig: 
keit noch von der Form des abzufcherenden Quer⸗ 
ſchnitts abhängio- 

3) Anidfejtigkeit. Wird ein Stab (eine Säule), 
deſſen Länge vielmal größer als jein Durchmeſſer 
ift, an feinen Enden von zwei Drudträften be: 
anfprucht, die in der Richtung feiner Achie wirken, 

0 wird er, wenn die Kräfte eine gewiſſe Größe über: 
reiten, ausbiegen und zerfniden. Die Kraft, welche 
nicht überjchritten werden darf, wenn nicht eine Zer⸗ 
eintreten joll beißt bie intra für 
gleit. Diefelbe ift proportional dem Elaſti⸗ 
etätdmodul des Stabmateriald und der Länge des 


695 


Stabes, ferner abhängig von der Form bes Stab- 
auerfchnitte8 und von der Art der — tigung der 
Stabenden. In Bezug auf letztere unterſcheidet man, 
ob die Enden feſt in der Richtung der Stabadhfe ein: 


gefpannt oder frei dreh⸗ f } 


ar find, und erbält jo 
die vier, den ſchematiſchen 
iquren entiprechenden 
älle: ein Ende einge: 
annt, das andere frei 
KR ; beide Enden frei 
' ig. 3); ein Ende einge: fig.2. Wig.3. fig. 1. Big.s. 
pannt, das andere Ende 
drebbar, aber in der Richtung der Achſe des ge 
raden Stabes geführt (Fig. 4), und beide Enden ein: 
oelpem (Sig. 5). 
ie Bruchbelaftungen für Anidfeftigteit (nid: 
belahunaen) verhalten ſich für diefe vier Fälle nad 
den Unterfuhungen Eulers wie */,:1:2:4, jo daß 
aljo ein Stab, deſſen beide Enden feft eingeipannt 
nd (ip, 5), erft zerbricht, wenn in der Richtun 
einer Achfe eine Kraft auf ibn einwirlt, die 16ma 
o groß iſt als die, die einen jonft gleichen Stab bei 
der Beanipruhung nach Fig. 2 zum Bruch bringt. 
4) Biegungsfeitigleit, au relative F. ge: 
nannt, ift eine viel zujammengejehtere Erſcheinung 
als die Zug: und Drudfeftigteit. Wenn man einen 
Stab durd; Biegen zu zerbrechen ſucht, fo trümmt 
er fih und wird an der einen Seite fontan, an der 
andern fonver. Denkt man ſich einen ſolchen Stab 
aus Elementarfafern zufammengejest, fo erleiden 
die auf der fonveren Seite liegenden eine Dehnung, 
die an der tontaven liegenden eine Zuſammen— 
drüdung. Dazwifhen wird eine Schicht auf ber 
anzen Yänge des Stabes vorhanden jein, melde 
ihre urfprünglice Länge bebalten bat, wo aljo die 
Fafern weder gedehnt noch gedrüdt find. Dieſe wird 
die neutrale Schicht oder elaſtiſche Fläche ge: 
nannt. Sie enthält ſämtliche werpunfte ber 
Stabquerjchnitte, die in ihrem Bufammenbange die 
elaftifche Linie bilden. Ferner unterjdeidet man 
an einem beftimmten Querjchnitt jentrecht zur elaſti⸗ 
—— Linie die neutrale Achſe als die Schnitt: 
inie des Querſchnitts mit der neutralen Schicht. 
In der neutralen Achje des Querſchnitts ift demnach 
die Zug: und zen Null, auf der fonveren 
Seite derjelben herrſcht zwiſchen den * 
Zug⸗, auf der andern Drudipannung, und zwar find 
viele Spannungen den Abjtänden des Querſchnitts⸗ 
elements von der neutralen Achſe proportional. Der 
Bruch eines ſolchen Körpers beginnt auf der fon: 
veren gefpannten oder auf der fontaven fompri- 
mierten Seite, je nachdem die Zerreißung oder die 
Serbrüdung leichter eintritt, und zwar tritt er an ben 
äußerften, am ftärkiten in Anfprub genommenen 
Fafern zuerft auf. Sobald die äußerte Faſer nad: 
gegeben bat, folgen auch bie innern. 
ie marimale Spannung in einem Querſchnitte 
ift num abhängig von dem Moment der äußern 
Kräfte, die auf den Balten wirken, in Bezug auf 
den betrachteten Querfchnitt, ferner von der Form 
des Querſchnitts ſelbſt und von dem Abſtande der 
äuberften Faferfhicht von der neutralen Achſe. Das 
Moment der äußern Kräfte wiederum hängt ab von 
der Größe der ii den Balten wirkenden Kräfte, 
von der Art derfelben, ob es fonzentrierte, d. h. in 
einem Buntte wirkende Laſten find, oder ob die La⸗ 
ften gleibmäßig über Streden des Ballen verteilt 
find, und von der Art, wie der Balten feſtgehalten 
38* 


596 


ift, d. h. ob er frei auf Stügen aufliegt, oder einjeitig 
oder auf beiden Seiten eingejpannt ift u. ſ. w. 

Am menigiten vermag ein Ballen zu tragen, 
menn er an 9 einen Ende eingeſpannt iſt und 
von der Laſt am andern Ende in Anſpruch genom⸗ 
men wird. Bezeichnen wir feine Tragfähigleit in 
di „u. mit 1, fo fteigt diejelbe zu der vier: 
fahen Größe (4), wenn er an beiden Enden frei 
aufliegt und bie Laft in der Mitte wirkt; die Trag⸗ 
äbigfeit nimmt den Wert 8 an, wenn der Ballen 

a. feitgellemmt (eingemauert) ift. Außer: 
dem ift zu berüdfichtigen, ob die Laft nur an einem 
oder ob fie an mehrern Punkten wirkt, oder ob fie 
über die ganze Länge des Baltens verteilt ift. Im 
(egtern Falle beſißt ein einfeitig feitgetlemmter 
Ballen die Tragfähigkeit 2, ein beiderſeits frei 
aufliegender die Tragfähigkeit 8, ein beiderfeits 
jeftgeflemmter bat dagegen die Tragfäbigteit 12. 
Bei Ballen oder Stangen von quabdratifchem oder 
rechtedigem Querſchnitt iſt die Tragfähigleit pro: 
portional der Breite, dem Quadrat der Höhe und 
umgefebrt proportional der Länge, d. b. ein Bal- 
ten, der doppelt jo breit ift als ein anderer, trägt 
unter ſonſt gleihen Umftänden das Doppelte, bei 
voppelter Höhe dad Vierſache und bei doppelter 
Länge die Hälfte. Unter Höhe wird bier ſtets die 
Dimenfion verjtanden, in deren — die Kraft 
wirkt, alſo bei horizontal liegenden Ballen, welche 
durch einen Zug von oben nad) unten in Anfprud 
genommen werden, die jentrechte Dimenfion. Wirkt 
dagegen der Zug in horizontaler Richtung, h ver: 
ſteht man unter Höhe die horizontale Ausdehnun 

u.j.w. Aus obigem folgt, daß es ſtets vorteil» 
bafter ijt, die Höhe beträdtliher zu maden als 
die Breite, da dieſe von bedeutend größerm Ein: 
flufle auf die Tragfähigkeit ift als legtere. Nimmt 
man z. B. an, man habe zwei Stangen von gleihem 
Querſchnitt, 3. B. 4 gem, der Querſchnitt der einen 
aber jei quadratiſch, folglich jede Seite = 2 cm, 
während ber Querjhnitt der andern rechtedig ei, 
aljo bei 1 cm Breite 4 cm Höhe habe, jo wird die 
Tragfäbigkeit der quadratiſchen Stange zu der ber 
rechtedigen ſich verhalten wie 2X 2°: 1x4” oder 
wie 8:16; dies folgt unmittelbar aus den vorber: 
gegangenen Regeln. In der Praris läßt ſich nun 
aber die Höhe im Verhältnis zur Breite nicht be: 
liebig fteigern. So iſt man beim Anfertigen eines 
Balkens aus einem runden Stamm genötigt, das 
Verhältnis der Höhe zur Breite mit 7:5 anzus 
nehmen, wenn bie größtmögliche Tragfäbigfeit er: 
reiht werben foll. Für den Fall aber, dak man 
—— oder runde Träger anwenden müßte, 
gelten folgende Regeln: 

Die Tragfähigkeit zweier quadratiſcher Balten 
von verſchieden großem Querſchnitt verhält ſich wie 
die Ruben der Seiten; demnad trägt ein quadratis 
ſcher Ballen von 2 cm Seite 8mal mehr, ein folder 
von 3 cm Seite 27mal mehr als ein anderer von 
1 cm Seite, Bei runden Trägern gilt dasjelbe; 
ibre Tragfäbigleit wächſt mit dem Kubus der 
Durchmeſſer. Vergleicht man die F. eines quadra⸗ 
tiſchen und eined runden Trägers miteinander, fo 
leiftet jener etwa 1*,mal foviel als diejer, wenn 
die Seite des Quadratquerſchnitts gleich dem Durch: 
meſſer des kreisſormigen tft. Wenn man es, wie 
bei metalliihen Trägern, in ver Gewalt bat, dem 
Querſchnitt jede beliebige Form zu geben, jo weicht 
man mit Recht meiſtens von den eben beiprodenen 


sinfachen Formen ab. Da namentlich bei der Vie: ' 


Feſtigkeit 


ungsfeſtigleit vor allem die von der neutralen 

he entfernten Teile in Anſpruch genommen wer: 
den, während die der Achſe nähern einen viel ge: 
— Widerſtand leiſten, ſo muß man danäch 
ſtreben, jene in Bi > auf diefe beſonders hervor: 
treten zu lafjen. Dies geſchieht 3. B. bei der An— 
wendung von hohlen (cylindriſchen) und den I-för 
—* Trägern. Es iſt aber keineswegs dahin zu 
verſtehen, daß von zwei gleichdichken chlindriſchen 
en der hohle härter fei als der maffive, da 
in Wirklichkeit meift das Umgefebrte der Fall fein 
wird; es gilt vielmehr nur in Berug auf die an: 
ewenbete Maſſe des Metall. Wenn, wie es bei 

lehröbren der Fall ift, mehrere Höhren von 
verſchiedenem Durchmefjer aus Material von ders 
Em Wandſtärke verfertigt werben, jo wädjt die 

. mit dem Quadrat des Durchmeſſers, alſo nicht 
wie bei maffiven Eylindern mit dem Kubus. Das: 
felbe Brincip, welches ven hoblen Trägern vor den 
mafjiven den Vorzug verleiht, führt, wenn maj: 
five fonftruiert werden müfjen, darauf bin, daß 
man den einfachen quadratijchen oder reftangulären 
Querſchnitt vermeidet und dafür den I-förmigen 
vorzieht. Die — ſolcher Träger muß natür: 
lid eine folde fein, daß die Laft in der Richtung 
des verbindenden (bier ſenkrechten) Mitteljtüds 
wirft. Hierbei ift ebenfalls den äußern Zeilen ein 
größeres Volumen gegeben als den innern. 

5) Drehungs- oder Torfionsfeftigleit ift 
derjenige Miderftand, der einer — der 
Körper (Wellen, Transmiſſionswellen u. ſ. m.) ent: 
—— Hierbei kommt die Widerftandsfäbig: 
eit gegen Schub: oder Scherfräfte in Frage, % 
daß, um das Verhalten der Materialien drebenden 
Kräften gegenüber auszudrücken, auf den Schub: 
elaſticitätsmodul (= *, E bis *, E), Tragmodul 
und Bruchmodul für Schub Rüdfiht genommen 
werden muß. Wirkt eine Kraft an einem Hebel: 
arm (ein Kraftmoment, Drehmoment, Torfiond: 
moment) auf einen —— einerſeits feſt⸗ 
gehaltenen Körper verdrehend ein, jo werden ein⸗ 
mal die Teilchen einer Spannung und die Ober: 
flächenteilchen einer größten Spannung unterliegen, 
dann aud die Stabquerjchnitte — ver⸗ 
dreht werden, fo daß eine urſprunglich auf der Seite 
des geraden Stabes längs gezogene Gerade nad 
der Verbrebung eine Scraubenlinie bildet. Der 
legte Querfchnitt (an dem das Moment wirkt) ift 
jedenfall® um einen gewiſſen Wintel gegen den 
eriten (in dem der Stab gebalten ift) verdreht, den 
Verdrehungswinkel oder Torfionsmintel. 
Die Marimalipannung, welde dabei durch ein ge: 
wifles Torſionsmoment in einem Träger bervor: 
erufen wird, ie nicht abhängig von der Länge, 
ondern nur ab ängi von der Querſchnittsſorm 
und Größe und zwar letzteres derart, daß bei einem 
Träger von —— Querſchnitt (Welle) die 
Spannung umgelehrt proportional iſt der dritten 
Potenz des Querſchnittsdurchmeſſers, bei einem 
Balken von rechtedigem Querſchnitt umgelehrt pro⸗ 
portional dem Prodult aus der größern Seite und 
dem Quadrat der Eleinern Seite. Das zum Fer: 
dreben notwendige Moment (Bruhmoment) ift alio 
bei freisjörmigem Querſchnitt des Stabes der drit⸗ 
ten Potenz des Durchmeflerd und bei rechtedigem 
Querſchnitt dem obgenannten Produkt direlt pro: 
portional. Es wird demnad eine runde Welle von 
2cm Durchmeſſer erft bei dem Achtfachen derjenigen 
Belaftung auf Torfion brechen, bei welcher eine Welle 


Feſtigkeit 


von 1em Tide bricht. Der Verdrehungswinkel 
ben en,ber für lange Wellen (Transmiſſionswellen, 
S —— en u. ſ. w.) ſehr beträchtlich wer⸗ 
den lann, iſt direlt proportional der Wellenlänge 
und dem wirkenden Moment, dagegen umgelehrt 
proportional dem Schubelafticität3modul und ver 
vierten Potenz des ag ji bei freisförmigem 
Querſchnitt, daß von zwei ſonſt gleichen Wellen 
die von doppelter Länge um den doppelten Wintel, 
die von * freisförmigem Durchmeſſer um 
nur */,. des MWintels verbrebt wird. 

Wenn in dem Biöherigen die abfoluten Grenzen 
der F. aufgeftellt wurden, jo erübrigt jebt nod, die 
Grenzen für die Praris zu normieren. Es i 
offenbar, vaß in allen Fällen, wo eine Subſtanz mit 
ihrer F. zu widerſtehen hat, man niemals fi den 
oben angegebenen Grenzen der F., dem Bruchmodul, 
erheblich nähern darf, wenn anders eine genügende 
Sicherheit geboten fein foll. 

Zupdrderft ift man über die innere Beſchaffen— 
beit der Körper von vornberein niemals im Haren, 
und die Verſuche find meiſtens nur mit auserwähl⸗ 
ten Broben angeftellt worden, während im kontreten 
—* die zu benutzende Subſtanz in ihrem Innern 
ebr ihabhaft fein kann. So hat das Holz oft eine 
Menge zerjebter Faſern, deren F. jehr beträchtlich 
geringer ift ala die — Faſern; der Stein iſt 
nicht ſelten zum Zeil verwittert, und die Metalle, 
namentlich die gegoflenen, befisen häufig Fehler; 
ferner muß man darauf rechnen, daß alle Metalle 
den Einflüflen der Zeit ale find und daburd) 
eine allmählich fortſchreitende —— 
Feuchtigleit, Temperaturwechſel und Urydation 
wirten gemeinſchaftlich — die F., wenn auch 
unmerklich, jo doch ohne Unterlaß zu vermindern. 
Zwar lafien ſich manderlei äußere Schußmittel 
gegen dieje zerftörenden Kräfte anwenden, wie z. B. 

ei Holz bie ſog. Jmprägnationen, bei Gifen wafler: 

dichte Anſtriche u. dgl.; alles dies aber verzögert 
nur die Zerftörung und bebt fie niemals ganzie 
auf. er ift 8 berüdfichtigen, daß in allen ven 
len, wo die Laſt nicht rubig wirkt, fondern an⸗ 

Itende Heine Erichütterungen ausübt, der Drud 
ein viel größerer ift als bei völliger Rube, da bier 
außer der eigentlichen Laft die Wirkung des Stoßes 
in Rechnung zu bringen ift, welche die * be⸗ 
deutend mehr in Anſpruch nimmt. Dies gilt z. B. 
von Brüden, Wagenachſen, Gebäuden, in denen 
andauernd mechan. Bewegungen hervorgebracht 
werden. Endlich ſolche chutterungen bei 
gewiſſen Materialien geradezu fähig, das Gefüge 
derfelben zu ändern und daburd bie F. herabzu⸗ 
ftimmen. Die F. des Schweißeiſens 5. B. berubt 

um Teil auf dem rg Gefüge diefer Subftanz. 
urd lange dauernde Heine Erſchütterungen aber 
ändert ſich das Gefüge in ein kryſtalliniſches um, 
welches eine bedeutend geringere 5. bejikt ala jenes. 
Daher brechen Maſchinenteile, welche an fi ſtark 
genug 8* waren, mitunter ſcheinbar ganz 
—* äußere Veranlaſſung, namentlich dann, wenn 
die Maſchine einen ftoßenden Bang hat. Aus allen 
dieſen nden befolgt man in der Praris die Re⸗ 
geh — ———— — nur auf einen gewiſſen 
hrer F. in Anſpruch zu nehmen, welcher um 
ſo geringer ausfallen muß, je mehr Einfluß die eben 
erwähnten Umftände ausüben können. nem 
Falle joll man über das Drittel binausgeben; häufi 
aber muß man im Interefle der Sicherheit — 
weit unterhalb dieſer Grenze bleiben. Die Zahl, 


Kuderadorfer Raltitein 


'® 
j ie 


597 


melde angiebt, bis zu welchem Teile man bie F. be» 
nußt, nennt man die Sicherbeit; man ſpricht von 
drei⸗, vier⸗, ſechsfacher Sicherheit, je nahdem man 
die 5. bis zu einem Drittel, Viertel oder Sechſtel 
beaniprudt. 

Man führt die Berechnung der notwendigen Di: 
menfionen von Mafchinenteilen und Baumerten in 
der Weiſe aus, daß unter allen Umftänden nur eine 

ewifle geringe Beanfpruhung, welche die auläf: 
fie Spannung genannt wird, in den Materias 
ien auftreten kann. In nachſtehender Tabelle gel- 
ten die zuläffigen Spannungen unter I, wenn die 
Belaftung eine rubende, diejenigen unter II, wenn 
die Belaftung eine beliebig oft wechſelnde ift, 
derart, daß die durd fie hervorgerufenen Span: 
nungen abwechſelnd nad einer Richtung bin ftetig 
wachſen und dann wieder auf Null zurüdfinten, die 
zulä ni —— unter III dagegen, wenn 
die Belaftung eine beliebig oft wech ſeln de ift, der: 
art, daß die Spannungen abwechſelnd nad ent: 
gegengelesten Richtungen bin ftetig wachſen 
und dann wieder abnehmen. 

Für zwifhenliegende Arten der Belaftung 
find sn. den Spannungägrenzen ent: 
ſprechende Werte zu nehmen. 

Zuläffige Spannungen in kg/gem, nad) C. Bach. 






















| | |$|z 
Art der Flup- AHH 
Feſtigleit Ar 
und eifen g|3|2 
.».%# 
Belaftung Ivon] bis 2/5 
ı [soo ‚150|300 
Bug. . ı1 [soo 500/200 
111 [300 250| 100 

ı 900 300 
1 |900| 900 |1300|1300 1500| 750 1050| — 750 300 
Biegung‘ II |600| 600 | 800 500) 700| — ‘500 200 
ı11 |300| 300 250) 350| — 950 100 
1 |720| 790 480| 8401500) — | — 
Edhub . | 11 |480| 480 320| 560,200) — | — 
111 [240| 240 160| 380 100| — | — 
ı |s60| 600 480) 840) — soo, — 
Dresung! II [2340| 400 320) 560) — 1200) — 
zıı |120| 200 160| 280) — ido — 


Die nad den Vorſchriften der Berliner Baupolizei 
vom 21. Febr. 1887 und ber Bauabteilung des preuß. 
Miniftertums der öffentlihen Arbeiten vom 16. Mai 
1890 zuläffigen Spannungen für Baumaterialien 
find in der nachſtehenden Tabelle in Kilogramm pro 
Quabratcentimeter aufgeführt. 








Schweiß und Flußellen. . . - 


Gemödibtes Eifenwellbleh . 
Eiiendrabt. 22: 2200. 
Qußelfen - .. 2.200000] 
Eichen» und Buchenholz.. . . - 
Kiefern: und Tannenholg . . - | 

BOB nn an ae we ae — 
Sandſtein je nach ber Härte | _ 
Sanbftein im Mittel — 






s2s218535 


sus] 
es 


u. 0. #f 


afffeinmauerwertinkaitmörtel| — 
— nliches — 

ie —— ements | 
: | 
Beftes Mlintermauerwert . . . | 
Mauerwerk aus poröjen Steinen 
Guter Baugrund (aus feitge- 
lagertem Sand und ies). .| 


— 
[> 
| 
— 
— 
11 





598 


Bol. Clebſch, Theorie der Elafticität feſter Körper 
Lpz. 1863); Grasbof ‚ Theorie der Elajticität und 
i a Aufl., Berl. 1878); Bad, lafticität und F. 
(4. Aufl., ebd. 1902); Glinzer, Grundriß der Feitig- 
teitälehre (2. Aufl, Dresp. 1898); Müller-Breslau, 
Die neuern Methoden der Feſtigleitslehre und der 
Statik der Baufonftruftionen (2. Aufl., Lpz. 1893); 
Clauſſen, Statik und Feſtigleitslehre (Berl. 1893); 
oe Einführung in die gr (Hild: 
burab. 1895); Schmid, Statik und Feſtigkeitslehre 
(3. Aufl, Stuttg. 1902); Rebber, Die Feltigleits: 
lebre und ihre Anwendung auf den Maſchinenbau 
(4. Aufl., Mittweida 1899); Föppl, ergaiBlente 
(Bd.3 der «Vorlefungen über techniihe Mecanil», 
2. Aufl., Lpz. 1900); Lauenftein, Die Feſtigleits— 
—* (7. Auf, Stuttg. 1902); Seipp, Feſtigleits— 
lehre für Per Ah u. ſ. w. (pa. 1899); 
Hecht, Die Feſtigleitslehre (Bo.2 des «Lehrbuchs der 
reinen und angewandten Mecbanik», Dresd. 1900). 

Feftigfeitöprüfungsmafchinen, |. Material: 
prüfungsmafdhinen. 

Festin(ft;.,ipr.iöitäng), Seit, Feſtmahl, Gaſterei. 

Festina lente (lat.), «eile mit Meile», Worte, 

weldhe nah Sueton im «Leben des Auguitus» 
(Kap. 25) diejer Kaifer oft gebrauchte. 

eitiniog, Stadt in der Grafſchaft Merionetb 
des engl. Fürftentums Wales, unweit der Hüfte 
ſchön gelegen, bat (1901) 11435 E., bedeutende 
Scieferbrüde und Hupferbergwerte. Die ſchmal— 
fpurige (60 cm) Feitiniogbahn von Vortmaboc 
nad den Schieferbrüchen (23 km) wurde 1832 ala 
Trambabn eröffnet. 

Festino (ital.), foviel wie Festin, Feſt, Felt: 

mabl; namentlib auch Koſtümball. 

eitivität (lat.), Feſtlichleit. 

Festivo (ital.), in ver Muſik: feierlich. 
eftfreis, ſ. Feſttage und Kirchenjahr. 
eſtland, ſ. Kontinent. 
eitlanddinen, Sandhügel, ſ. Dünen. 
eitmachebojen, im Seeweſen, ſ. Bojen. 
eſtmachen oderbannen, unverwundbargegen 

Kugeln oder Eiſen machen. Nach dem Aberglauben 
kann man ſich feſtmachen durch Zauberzettel, mancher⸗ 
lei Segenäfprüde, oder indem man ſich ein Stückchen 
Nabelſchnur, ein Stück a gr und ein Stüd 
ledermaus in die Kleider näbt, oder ein Hemd ans 
jtebt, deſſen Garn von einem fiebenjährigen Kinde 
geiponnen it, oder indem man eine geweihte Hoftie 
ın einer Wunde verwachſen läßt, oder einem Er 
—— die Kugel auszieht und ſich dieſelbe an— 
pängt u. dal. m. Auch die Wurzel des Allermanns- 
—— (Allium victorialis Z.) gilt als Mittel zum 
F. gegen Hieb und Stich. Als Paſſauer Kunſt war 
jeiben Aberglaube im Dreißigjährigen Kriege ver: 
reitet, angeblich nad dem Scharfrichter von Baflau 
benannt, der um 1611 derartige Yauberzettel den 
Kriegern des damaligen Erzherzogs Matthias ver: 
kaufte, 5. kann man auch einen Dieb, d. b. ihn an die 
Stelle ves Diebſtahls feitbannen. — Vol. G. Frey: 
tag, Bilder aus der deutfchen Bergangenbeit, Bo. 2 
(22, Aufl., Lpz. 1899); Wuttke, Der deutiche Bolla- 
aberglaube der Gegenwart (3. Aufl., Berl. 1900). 
Feitmeter (abgekürzt fm), ein in der Forſtwirt⸗ 
haft gebräuchliches Raummaß, das im Gegenfak 
zu Raummeter (ſ. d.) ein Kubitmeter feiter Holzmaſſe 
(ohne Zwifchenräume der Schichtung) bedeutet und 
namentlich für die Langnusbölzer dient. Der ge: 
ve Hiebsſaß eines Maldes wird jekt meijt, mit 
usnahme des Stodbolzes, durch F. bemeflen. 


Feftigfeitsprüfungsmafchinen — Feſton 


Feftnahme, vorläufige, eine proviforifche, 
dem Zmwede der Strafverfolgung dienende, ohne 
richterlihen Befebl erfolgende Freibeitsentziebung. 
ge vorläufiger $ find bei Gefahr im Berzuge und 

orliegen der Vorausjegungen eines —— 
Haftbefehls (ſ. d.) die Staatsanwaltſchaft ſowie 
Polizei⸗ und Sicherheitsbeamte befugt. Wird eine 
ftrafbare — in einer Gerichtsſißzung ver⸗ 
übt, p it nah Deutſchem Gerihtäverfaffungs 

ejeb $. 185 das Gericht in geeigneten Fällen be 
It, die vorläufige F. des Thäters zu verfügen. 

te vorläufige F. durch Wachen ift in Preußen durch 
die —— vom 27. Juli 1850 geregelt. Sie 
erfolat, wenn eine Perſon bei Ausführung einer 
frafbaren Handlung oder gleich nad derielben be 
troffen oder verfolgt wird und wenn zugleich dieſe 
Perſon der Flucht verdächtig ift oder ihre * 
lichkeit nicht er feitgeftellt werden kann. Übrigens 
ift in Deutichland jedermann zur F. befugt, wenn 
jemand auf friſcher That len oder verfolgt wird, 
alls er ver Flucht verdächtig ift oder feine Perſonlich⸗ 
feit nicht fofort feftgeftellt werden fann. Der Feit- 
enommene ift, mern gegen ihn bie öffentliche Klage 
bon erhoben ift,dem zuftändigen Gericht oder Unter: 
uchungsrichter, ig dem Amtärichter des Bezirks, 
in welchem die F. erfolgt ift, unverzüglich vorzu: 
führen. Letzterer bat ibn jpäteftens am Tage nad 
der Vorführung zu vernehmen und entweder Haft- 
befehl zu erlafjen oder die reilafjung zu verordnen 
($$. 127 fg. der Deutſchen Strafprozekorbnung. 

Die Oſterr. Strafprogekorbnnung gejtattet den 
ganen der Sicherheitäbehörben die Verfolgung und 
vorläufige Verwahrung von yore en zum Be: 
buf der Vorführung vor den Unterſuchungsrichter 
obne ſchriftliche Anordnung des legtern im Fall der 
Ergreifung auf friiher That und bei Gefahr im 
Derzuge in den in $. 175, Nr. 2, 3,4 bezeichneten 
Fällen. Der in Berwabrung Genommene foll von 
der Behörde entweder jogleich freigelaffen oder bin- 
nen 48 Stunden an den Unterfuhungsricter ab: 
geliefert und von diefem binnen 24 Stunden ver 
nommen werben. 

Das Deutſche Bürgerl. Geſetzb. 8. 229 bat bie 
—— aufgenommen: Wer zum Zwede der 
Selbitbilfe .. einen Verpflichteten, der der Flucht 
verdächtig üft, feitnimmt, .. handelt nicht widerrecht: 
lib, wenn obrigteitlihe Hilfe nicht rechtzeiti 
erlangen ift und obne jofortiges Eingreifen 34 
vorliegt, daß die Verwirklichung des ver⸗ 
eitelt oder weſentlich erſchwert werde. 

Feſton (frz., ſpr. vng, «Blumen, Fruchtgehange, 

ruchtſchnury), in der Baulunſt ein natürliches oder 
unſtleriſch nachgebil⸗ 
detes Gewinde aus o< 
belaubten Zweigen, 
Blumen und ch⸗ 
ten pr Bmed der 
Belebung arditelto: 
ine Maflen. Tem: 
ßz Altäre, Triumph⸗ 

ögen bei feſtlichen ’ ‚ 
Gelegenheiten mit Blumengewinden zu zieren, war 
ihon bei den Alten Eitte. Die bildende Kunft 
nabm diefen Brauch durch Nachbildung der F. in 
Farbe und Stein auf, beſonders ald Verzierung 
ion, und lorintb. Frieſe; aud auf antilen Bajen, 
Altären und Terrakotten find F. nicht felten. 

der neuern Kunſt bat ſich befonders die ital. s 
renaiffance und der holländ. Klaſſicismus durch 





Teitonnierapparat — Feſttage 


ebenſo anmutige als großartige Behandlung der 3. 
ausgezeichnet; die F. Im Barod und Rotokoitil find 
— meiſt von feinem Sinn für delorative 
Flächenfüllung. Auch in neuerer Zeit werben die 
, vielfach zur Detoration von Flächen benust. (©. 
umſtehende Figur.) — Val. Gerlach, F. und delora- 
tive Öruppen (3. Aufl., 150 Taf., Wien 1898— 1901). 
Über F. in der Stiderei j. Yanguette. 
onnierapparat, |. Stidmajdine. 
onftich, j. Stidmajchine nebit Taf., Fig. 426. 
ontwolfe (ipr. -öng-), ſ. Bodenmolte. 
eitpunft, Firpunkt, im Vermeſſungsweſen 
jeder Bunkt, der feiner geograpbifchen oder Höhen⸗ 
lage nad genau beftimmt und an Ort und Stelle 
im Gelände in dauerhafter Weije bezeichnet ift. Es 
gehören dahin alle trigonometr. Bunlte, die ent: 
weder an Bauwerlen (Kirchtürmen, Schorniteinen 
u. ſ. w.) beftimmt oder dur eingegrabene Steine 
im Gelände bezeichnet find, ebenjo auch alle F. der 
Nivellements, welche durch eiferne Bolzen u. dgl. 
tenntlib gemadt find, die in vorhandene Baulich— 
feiten oder in eigens für diefen Zwed geſehte Grund: 
pfeiler eingelafien wurden. [tage (f. d.). 
Here ‚ Berechnung der kirchlichen Feſt— 
e —— Riemenſcheibe. 
eſtſetzung, der Ausſpruch einer Bebörbe, ob 
und wie weit eine ziffermäßig berechnete Forderung 
erhoben werden darf. So die F. der von einer Partei 
berechneten Prozeßlkoſten durch ven Richter. 
ftfigende Tiere, j. Seifilität. 
ftitellung, die gewöhnlich ſchriftliche Wieder: 
e einer Barteierllärung, eines Antrags, einer 
Deu enausjage. Man fpricht deshalb auch von F. 
zu Brotololl. Thatſächliche F. ift der in den 
Gründen eines richterlichen Urteils u Aus: 
pruch, weldye für die Entſcheidung erbeblihen That: 
achen von dem Richter ald wabr angenommen wer: 
den, — liber die F. der Konlursforderungen 
ſJ. ve ar 
ftellungsflage. Nah der Deutſchen Civil 
prozeßoron. $. 256 kann auf Feſtſtellung des Be⸗ 
jteben® oder Nichtbeftebens eined Nechtäverbält: 
nifjes, auf Anerlennung einer Urkunde oder auf 
Feititellung der Unechtbeit derjelben Klage erhoben 
werben. Ein Bedürfnis dazu kann namentlich da 
bervortreten, wo der a noch nicht 
gegeben ift (4. B. bei mangelnder Fälligkeit oder bei 
noch ſchwebender Bedingung), oder wo ein Eingriff 
in ein Recht des Klägers dur Behaupten, Sid: 
— — Beſtreiten, Widerſprechen abzuwehren 
iſt. Nach den frühern deutſchen Prozeßrechten wurde 
dieſem Bedürfnis nur ungenügend * ge⸗ 
tragen. Vorausſetzung der F. iſt, daß der Kläger 
ein rechtliches Intereſſe daran hat, daß das ha rn 
verbältnis oder die Echtheit nder Unechtbeit der Ur: 
funde dur 8 Entſcheidung alsbald feſt⸗ 
eſtellt werde. Die * bezweckt nicht vollſtred⸗ 
re Verurteilung des Bellagten zu einer Leiſtung, 
fondern vornehmlich — hen Feſtſtellung des 
ofitiven oder negativen Beitandes eines Rechtsver⸗ 
tniſſes, durch welchen Rechtsſpruch eine fichere 
Grundlage oder Vorbereitung für die weitere Rechts: 
entwidlung erzielt wird. Die jog. negative F. 
erjeht die frübere gemeinrechtliche provocatio ex 
lege diffamari. (©. Diffamation und Jneident.) 
Die F. unterbribt nad dem Deutiben Bürgerl. 


. $. 209 die Verjährung. 
ge, Feſte, Feiertage (religiöfe), Die der 


nnerung an wichtige Greignifie oder Perſonen 


599 


eweibten, durch öffentlihen Gottesdienft und durch 
e von der Alltagsarbeit ausgezeichneten Tage. 
Solche Feite nüpften fih an die Erjcheinungen des 
wechſelnden Naturlebend, an das Griterben der 
Natur im Herbit und ihr Erwachen im ling, 
an Mittfommer: und Winterjonnenwende, |päterhin 
an große Greigniffe im geihichtlihen Leben der 
Völfer. Sie waren teild a —— Volls⸗ und 
nn teils allgemeine Bitt⸗ Buß- und Ver: 
öhnungsfefte. So feierten die Ägypter die Epi- 
phanie des Dfiris, das he de? Harpolra= 
tes, die Parſen das Feſt des Mithras u. ſ. w. Auch 
die Griechen und Römer feierten zahlreiche Götter: 
fefte, daneben verſchiedene Gedächtnistage aus der 
nationalen Gedichte. Die Römer rechneten auch 
die fog. Ferien (f. d.) im weitern Sinne des Wortes 
zu ben Seiten. Die Geſetzgebung der Juden kennt 
als ge e Feſte das Paifab (f. d.) und Yaubhütten: 
feit (ſ. d.), den großen Verſohnungstag (f. d.) und 
das Neujahräfeit (f. d.). Der Sabbat (f. d.) ijt der 
wöchentliche Felt: und Feiertag; als ſolchen beobach⸗ 
ten die Mobammedaner den Sreitag: Deren große 
Feſte find das Bairdm (f.d.)unddasRamadän — d.). 
n der chriſtlichen Kirche entwidelte ſich all: 
mählich eine große Anzablvon ——— 
an die erg in der Lebensgeſchichte Jeſu 
und an folgenreihe Ereignifje in der Geſchichte 
feiner Kirhe. Man unterfheidet wöchentliche F. 
(dies hebdomadarii), zu denen der Sonntag gebört, 
und Pees: (dies anniversarii). Die legtern 
zerfallen in große oder hohe (festa primaria, 
majora, z. B. Ditern, Bfingiten, Weihnachten) und 
tleine (festa minora, secundaria, 5. B. die Apoftel- 
eite); in unbeweglide (festa immobilia), die 
tets auf den einmal feit beitimmten Kalendertag 
allen, z. B. Weihnachten, Neujahr, Yohannis:, 
Micaelisfeft u. a. und in beweglide (festa mo- 
bilia), zu denen das Diterfeft und die dur * 
Lage beitimmten Seite, wie Himmelfahrt, Pfingiten 
u. a. gebören; in ordentliche (festa statuta), 
d. b. die jährlich wiederfehrenden, und in außer: 
ordentliche (festa indicta), z. B. die Kirchweihfeſte, 
die von der Obrigleit eines Landes angeordneten 
Buß: und Bettage, Sieges- und Trauerfefte u. a. 
Werden die Felt: und Feiertage mit Bor: und 
Nahmittagsgottesdienit begangen, fo beißen fie 
ganze F. (festa fori, dies integri), wird aber nur 
vormittags Gottesdienſt gebe ten, fo nennt man 
fie halbe (dies intereisi). Doppelte F. (dupli- 
cia) nennt man diejenigen, die durch Zujammen: 
ung eines Feſtes mit dem vorbergebenden oder 
folgenden Sonntag entitanden jind (3. B. in ben 
verſchiedenen evang. Landeskirchen das Neforma: 
tionsfeft), oder an denen das Andenlen zweier Er: 
eignifje oder Perjonen gefeiert wird (wie in ber 
tath. Kirche Philippus und Jakobus 1. Mai, Beter 
und Paul 29. Juni, Simon und Judas 28. Dit). 
Man unterfheidet aud allgemeine und beſon— 
dere Seite; jene werden von der geſamten —— 
it, dieſe nur von einzelnen Teilen derſelben ges 
eiert. Die kath. Kirche unterjcheidet die nur vom 
erus durch Mefje und Breviergebet gefeierten festa 
chori von den auch von den Gläubigen durd Ent: 
—85* von der Arbeit zu feiernden festa fori. 
ie Feier des Feſtgottesdienſtes wird in der prot. 
Kirche durch die Agenden, in der katholiihen durch 
Dfficium in Mefje und Brevier bejtimmt. 
Die Feſte, die ſich allmählich entwidelten, waren 
zu einem Zeil Chriftusfefte, d.h. fie verberrlich 


600 


ten beftimmte Momente und Heilsthatſachen im 
Leben Jeſu. Abgejeben von der Sonnt de 
und den Fafttagen Mittwoch und Freitag (1.$a ten) 
find Oſtern und Pfingften, die Auferſtehung Ebrifti 
und die Ausgießung des Heiligen Geijtes, im Ans 
ſchluß an die vorhandenen jüd. Feſte bie älteſten. 


Die Geburt Ehrifti wurde feit dem 3. rh. im 
Morgenlande dur das Epipbaniasfeft (1. Epipba- 
nia), im Abendlande durd das Weihnachtsfeſt ge: 


feiert ; dazu fam bald das Himmelfahrtäfeft. So bil: 
deten fich im fejtlihen Halbjahr deö Herrn (semestre 
Domini) des Rirhenjabres (ſ. d.) der Weihnachts- 
Oſter⸗ und —— mit Vorfeier (Vigilie) 
und Vachfeier (Oftave) aus. 6. Jahrh. entitand 
das Feſt der Beichneivung Ebrifti, das Fronleich- 
namsfeſt \ db.) als Folge der päpitlich recipierten 
Transfubitantiationslehre im 13., dad vom Namen 
Jeſu im 15. Jahrh. Andernteils find die Feſte Hei: 
ligenfefte, die teilö in die —— teils in die 
—3 Hälfte des Jahres verlegt wurden. In den 
eriten Jahrhunderten fhon wurde das Andenken 
der Märtyrer, Belenner und Apoſtel durch Opfer 
am — ihres Todes gefeiert. So entſtanden 
die mehr oder weniger lokal beſchränlten Heiligen⸗ 
fefte, die ſich mit der Zeit auf die ganze Kirche aus» 
che Seit dem 5. Sabrh. famen die Marien: 
teite (f. Maria) und Engeljefte binzu, dann bie 
nicht Berfonen, fondern Sachen (3. B. das Kreuz und 
die Dornentrone) betreffenden Seite. Der Rang 
der Fefte beftimmt ſich nad der Wichtigkeit der be 
treffenden Thatfache im Leben Jeſu oder der Bedeu: 
tung bes Heiligen. Die kath. Kirche unterjcheidet 
daber festa duplicia, semiduplicia und simplicia. 
Die Reformation verwarf mit der Heiligenver- 
ehrung auch die Heiligenfeite, a. das Michaelis: 
jeft als Feſt der Engel, einige Gedächtnistage von 

pofteln und folde Marienfefte bei bie eine un 
mittelbare Beziebung auf das Leben Ehrifti uließen. 
Seit dem 18. Jahrh. beſchränkte man bie Zahl der 
Feftenod mehr, jo daß gegenwärtig von den Evan- 
geliſchen meiſt nur noch gefeiert werben: Weihnach⸗ 
ten (2 Tage), Neujahr, Karfreitag, Ditern (2 Tage), 
Himmelfahrt, Pfingften (2 Tage), und dazu die Sans 
deöbußtage (f. Bußtag), Erntedantfeit, Neforma> 
tionsfeft und Totenfet, Bapft Urban VIII. redu⸗ 
zierte 1642 die Zahl der Feite außer Sonntagen 
und Hauptpatronatäfeften auf 33, Benebilt XIV. 
orbnete 1748 eine weitere Rebultion an, die aber 
nicht allgemein, jondern auf befondern Antrag für 
beitimmte Länder ftattfinden jollte. Danach — 
außer den hohen Feſten nur das Feſt der Be nn 
dung und ber Himmelfahrt Chriſti, das Fronleich⸗ 
namsöfeft, die Feſte Der Geburt, eng Te Em: 
pfängnis, Reinigung und Himmelfahrt Mariä, die 
Feſte des Betrug und Paulus, Allerheiligen und der 
bejondern Schußbeiligen eines Landes und Ortes 
geleient, die übrigen Feſte aber auf die nächſten 

onntage wer = werben. Auch fpätere Bäpite re: 
duzierten auf Grund der Verhandlungen mit den 
Staatöregierungen in einzelnen Ländern die Feier⸗ 
tage. Frantreib bob während der Revolution alle 
Seite auf. Erjt nachdem der Nationallonvent 1798 
das Dafein des höcften Wefens und die Uniterbs 
lichleit der Seele defretiert hatte, wurden ganz neue 
an den Deladetagen von der Republik zu feiernde F. 
angeordnet, die jedoch den chriſtlichen wieder mei: 
hen mußten. 1802 wurden in Frankreich bie gebote: 
nen Feiertage auf 4 feftgejeßt (Weihnachten, Him: 
melfahrt Ebrifti, Himmelfahrt Mariä, Allerheiligen). 


Feſttage 


Seit Juſtinianus galten die chriſtl. Feiertage als 

erien, d. b. als ſolche Tage, an denen alle oͤffent⸗ 
ichen und gerichtlichen Arbeiten unterbleiben 
ten. Auch wurden durch die —— ſolche Luſt⸗ 
barleiten verboten, die der Heiligleit der F. Eintrag 
thaten. Die chriſtlichen oe en in den verſchie⸗ 
denen Staaten ein verichiedenes Maß ftaatlichen 
Schutzes, das teild auf dem Herlommen, teils auf 
bejtimmten Abmahungen mit der Kirche berubt. 
Auch üben die Staaten das Recht, bei befondern 
Veranlaſſungen, 3. B. Friedensihlüffen, Geburts 
und Todesjöllen in den Herriherbäufern u. dal., 
Feſte mit Gottesdienſt anzuordnen, wobei die Art von 
deſſen feier der Kirchenbebörde vorbehalten wird. 

r den Privatrechtsverkehr und den Bro: 
zeß gelten als F. in Deutihland nur die Sonntage 
und die allgemeinen Feiertage. Welche als ſolche 
zu gelten haben, beftimmt die Gejeßgebung bes ein: 
—— Landes. An dieſen u... darf eine Zuſtel⸗ 
ung, fofern fie nicht dur Aufgabe zur Poſt be 
wirft wird, nur mit richterliher Erlaubnis, eine 
Zwangsverſteigerung nur mit Erlaubnis des Amts: 
richterd, in deiien Bezirk die Handlung vorgenom⸗ 
men werben foll (Eivilprozeßorbn. 88. 171, 681; 
ee 188 u. 761 in ver Faſſung vom 17. Mai 1898), 

attfinden. Die aenen biefe Vorfchrift vorgenom: 
mene Zuftellung it indefjen gültig, wenn die An: 
nabme nicht verweigert iſt ($. 171 oder $. 188); auf 
ſolche Tage find Termine in Civilprozeßſachen nur 
in Notfällen anzuberaumen ($. 193 oder $. 216). 
Fällt das Ende einer Frift auf einen ſolchen F., jo 
endigt die Friſt mit Ablauf des nächſten Werktags 
($. 200 oder $. 222; Strafprogeßordn. $. 43). $ 
an einem beitimmten Tage oder innerhalb einer 
ift eine Willenserklärung abzugeben oder eine 
eiitung zu bewirken, und fällt der bejtimmte Tag 
ober der lebte Tag der Friſt auf einen Sonntag oder 
einen am Erllärungs: oder Leiftungsorte ftaatlic 
anerfannten allgemeinen Feiertag, fo tritt nad 
Bürgerl. Geſetzb. $. 193 an die Stelle des — 
oder de Feiertags der nächſte Werktag. Dasſelbe 
beftimmte bisber ſchon das Handelsgeſeßb. von 1861 
Art. 329 und 330 für Handelögeihäfte und die 
Wechſelordn. Art. 92 und 93 für den Sablumgötan 
binfichtlic eines Wechſels, Herausgabe des Wechfel: 
duplifats, Erllärung über Wechſelannahme, Broteft: 
erbebungu.f.m. Diefelbe —— findet auf die 
erg Anwendung (Wechſelordn. Art.98). 
ad allen diefen Beftimmungen wird auf die durch 
die Konfeffion der Parteien normierten bejondern 
Feiertage jelbit dann keine Rüdfiht genommen, 
wenn beide Barteien diejer Konfeſſion angehören. 
Ein bober jud. Feiertag ändert an dem einmal ur 
geitellten Erfü ungstage, Zahlung des Wechſels 
uf. w. nichts, auch wenn beibe Barteien Juden 
find. Umgelehrt darf einem Juden gegenüber auch 
an einem Sonntage von einem jüd. Notar kein 
Wechſelproteſt aufgenommen werden. Nach Preuß. 
Allg. Landredt ift, wenn die ſchuldige Handlung 
nab den Religiondgrundfägen des Berpflichteten 
an dem Erfüllungstage nicht vorgenommen werden 
darf, diejer zur Leiſtung an dem darauffolgenden 
e verbunden. 

rt die gemerbepolizeiliche Arbeitörube an 
Sonn und Feittagen fommen nicht bloß allge 
meine F. in Betradt. Welche Tage als F. gelten 
bien, wird bier von den Landesregierungen unter 

erüdfihtigung der Örtlihen und konfeifionellen 


Verhaltniſſe beitimmt (Gewerbeordn. $. 1068). 


Festuca — Feſtungen 
fte ver Ehriften (3 Bde. Lpz. | Zur Zeit der Meinen Armeen und ber bürftigen Ent: 


Dal. Augufti, Die 
1817— 20); Krüll, Ebrijtl. Altertumstunde (2 Bde., 
Regensb. 1856); Strauß, Das evang. Kirchenjahr 
(Berl. 1850); von eg gr eld, Das jeit- 
liche Dabe (2p3. 1863; 2. Aufl. 1898); Albers, Die 
Kriftl. Feite (Gotba 1879); Duchesne, Origines 
du culte chretien (Bar. 1889); Albers, Populäre 

ftpoftille (Met 1891); Wyß, Hilfebud für die 

eſte der hriftl. Kirche (Winterthur 1892), (S. aud 
Kirchenjahr.) 

Fostũoa (lat.), Halm oder Stab, welchen im 
alten Rom der Herr bei der gerichtlichen Freilaſſung 
eines Sllaven dieſem auf den Kopf legte; im deut⸗ 

ben Mittelalter diente die F. ald Symbol ftatt der 
affe bei ver Münbigipredung, bei der Adoption, 
bei der Verbürgung, bei der Auflafjung (f. Effestu- 
catio), bei der Erbeseinjegung durch —— — 
gel Shröber, Deutſche Rechtsgeſchichte (3. Aufl., 
p3. 1898). 

Festüca L., Schwingel, Pflanzengattung 
aus der Familie der Gramineen 1 d.) mit etwa 
100 Arten, welde fait alle nahrhafte Futter 
pflanzen und über die ganze Erde zerjtreut find. 
Sie baben mebr: oder vielblütige, längliche, in 
Nifpen geftellte Ahrchen. Zu diefer Gattung gebört 
der Wieſenſchwingel (F. elatior L.; f. Zafel: 
— l, Fis. 5), eins unſerer nahr⸗ 

afteften und geſchähteſten Futtergräſer. Es hat 
vielblütige, vor dem Aufblüben walige Ührchen, 
die in eine ſchmale, traubige Riſpe geſtellt ſind, und 
rannenloſe Blüten. Belannt iſt ferner ver Schaf: 
Fhwingel (F. ovina L., ſ. Taf. II, fig. 11), wel: 
auf dürren, fonnigen Hügeln und Bergen wädit, 
einzeln ftebende, aus ganz feinen, borjitenförmigen 
Blättern zufammengeiebte, ſehr glatte Raſen bildet 
und für das beite Schaffutter gilt. Seine Halme 
Di ebr zart, höchſtens fußhoch, feine Rifpen fhmal, 
eine Ährchen ſehr Hein, wenigblütig, die Blüten kurz 
begrannt. Auf den fetten Marjchwiefen Norddeutſch⸗ 
lands wächſt ver Rohrſchwingel (F. arundinacea 
Schreb.) häufig, eine etwa 1,; m hoch werdende 
Grasart mit Veverkielvidem, fhilfartigem Halm, 
breiten Blättern und großer, überhängender Rifpe. 
Auch der Riefenihwingel (F. gigantea Vıll.) 
ift ein ertragreiches Futtergras und bejonbers ala 
ldgras wichtig. Der rote und der verſchie— 
deublätterige Schwingel (F. rubra und durius- 
cula L.) find zur —2 loſen Bodens geeignet 
und liefern auch gutes Heu. 

Festum (lat.), Felt; post festum, eigentlich nad 
dem Feſt, db. b. zu fpät; F. azymörum, Feſt der 
ungejäuerten 
norum, ſ. Ejeläfeft; F. circumeisionis, j. er 

und offen, |. Brämiengeihäft. dung. 
E gen, durch Friedensvorbereitung gegen 
die @ehbergreifung —— und durch eine mini⸗ 
male Streiterzahl Beſatzung) gegen jeden Angriff 
der Feldarmee mit Erfolg zu verteidigende Orte. 
I. In — ategiſcher Beziehung als 
Stutzvunkte der Landesverteidigung. Die 
ren Tape Feſtung für die Kriegfübrung ift 
deshalb deſto größer, je wichtiger die mıt dem Orts: 
bejis verbundenen Vorteile für den Verteidiger und 
feine Armee bez. für die des Gegners find. Sie tft 
zu verſchiedenen Zeiten eine wechſelnde geweſen, 
weil dieje Vorteile keine unmittelbaren, jondern in 
—* Werte abhängig find von der Entwidlung des 
egsweſens, der Armeen und ibrer Bepürfnifle fo: 
wie der kulturellen Anlagen des Kriegsihauplages. 


rote, das jüd. Paſſah (f. d.); F. asi-, 


601 


widlung des Straßennebes, d. b. der Bewegungs: 
linien und der Verbindungslinien der Armeen mit 
ihren Hilfsquellen, mußte fib die Kriegführung 
vielfach auf. ftügen, indem dieſe * erſamm⸗ 
lung (den Aufmarſch) ſicherten, die Überſchreitun 
von Defileen (Brüden, Gebirgspäſſe u. f. m.) au 
angeſichts des Feindes ermöglichten (die F. als 
Brüdentöpfe), die der Armee nötigen Bedürf— 
nifje an Lebensmitteln und Kriegämaterial zuver: 
läſſig zur Verfügung bielten 223 wich⸗ 
tige militärtechnifche Anſtalten der Betriebsſtörung 
und Staatdeigentum der Befikergreifung durch den 
Gegner entzogen und ber geihlagenen Armee den 
Ruchug burh Sperrung der wichtigiten Straßen und 
Übergänge erleichterten oder jogar Aufnahme in 
ihren Wällen gewäbrten, 

Mit der Entwidlung des Straßennetzes wurde 
die Bedeutung der Marſchſtraßen aber wächt, an 
Stelle der Landſtraßen traten die Eifenbahnen, 
welche nicht nur einzelne Depotplätze, fondern die 
Hilfsquellen des ganzen Landes mit der Feldarmee 
in direkte Verbindung bringen. Die Bedeutung der 
5. ald Depotpläge ward verringert; es blieb aber 
ihr Wert zum Schuß wichtiger militärtechnifcher 
Anftalten und der Magazine De Kriegämittel, 
welche nur an beitimmten Örtlichleiten berageitellt 
und dort gelagert werden können (Waffen, Munis 
tion u. ſ. 5 In den Vordergrund trat die Siche⸗ 
rung der Eiſenbahnen, deren die Armee beim Vor— 
marſch in Feindes Land als Verbindungslinien be⸗ 
darf, und deren Vorenthaltung dem ins eigene Gebiet 
eindringenden Gegner die größten Schwierigleiten 
verurſacht. Dieſe Sicherung erfolgt am günitigften 
an Defildpunkten, und unter diejen am beiten an 
großen Strömen, wo die Brüden mit Knotenpunkten 
der Eiſenbahnen und mit großen Städten meiſt zu: 
jammenfallen und deren Befeitigung den beiden 
Zwecken der Sperre und des Brüdentopfes gleich: 
jeitig entipricht. Leßterer Jwed läßt, den er 

rmeen der Neuzeit entſprechend, nur mit groben 
Fortsfeſtungen rechnen, wäbrend Heine F. wohl noch 
dazu dienen können, auf Nebenkriegsſheatern die 
Aufitellung neuer Truppenkörper zu fihern. Grup: 
pen von F. (FeitungssDreiede oder «Bier: 
ede) werden namentlich in folder Lage der Armee 
als DOperationsbafis dienen können; fie find aber 
auch als Hauptjtüspunfte der Landesverteidigung 

eihaffen worden und umfallen dann aud Forts: 
eitungen,, wie 3. B. das ital. Feitungsviered Ve: 
rona⸗Legnago⸗Mantua⸗Peschiera, das ruff. Dreied 
Darihau:fwangorod:Breft-Litomst und Paris 
mit feinen drei großen Berfhanzten La: 
ee Letzterer Name, auch der verlagerfeitung, 

rmeefeftung, ward zeitweife irrtümlich allen 
Fortäfeftungen beigelegt, Indem man bie Idee damit 
verband, daß die Fortlinie das vorbereitete Schlacht- 
feld für eine Armee bilden folle. Thatſächlich eriftiert 
in Deutſchland nicht eine Feftung, auf welche ſich 
diefer Name und dieſe Abficht anwenden ließe. Man 
lann aber andere F., 3. B. Langres und die großen 

. der Heinen Staaten, Antwerpen, Klopenbagen, 

mfterdam, Butareft, fo bezeichnen, erfteres, weil es, 
wie mehrere franzöftiche F. tbatiächlich einer Armee 
ald Sammelort und Bafispunft dienen foll, auch 
einer jolden zur Verteidigung bedarf, die andern, 
weil fie beftimmt find, den gefamten Streitträften 
der Staaten ald Reduitpunkt zu dienen und ihrer 
Mitwirkung zur Verteidigung bedürfen. Derartige 


602 Feſtungen 


F. find wohl dazu geeignet, auch zum ſtriegsentſchei⸗ 
dungsfelde zu werben oder jo lange gebalten zu wer: 
den, bi das Eingreifen der Bolitit oder befreundeter 
Mächte eine Underung der Kriegslage berbeiführt. 
Hiermit können die gro: 
a Ben Staaten nicht rechnen, 
! und ed wird deshalb ver 
& Grundſatz feitgebalten, daß 
\ die Feldarmee durch die 
Not wohl gezwungen wer: 
den kann, den Schuß der 
Feſtung aufzufucben, dab 
he aber deren Schickſal nie⸗ 
mals mit dem ibrigen ver: 
einigen und zur Feſtungs⸗ 
verteidigerin werden darf, 
fondern die erfte mögliche 
Gelegenheit benußen muß, 
durch eine offenfiv geführte 
Schlacht ſich wieder von ihr 
zu trennen, Die 5. haben 
ihre Aufgabe ji erfüllen, 
indem fiebie Feldarmee von 
der Sorge um die Sicher: 
jtellung wichtiger jtrategis 
ſcher Punkte befreien und 
ihr volle Bewegungöfrei- 
beit verichaffen; je weiter 
im allgemeinen voneinan: 
der Feſtung und Armee, 
deſto mebr dienen fie ein: 
ander, Während das deut: 
ſche Feſtungsſyſtem dieſen 
Grundſätzen entſpricht, iſt 
das franzoſiſche unter dem 
Geſichtspunkt des direlten 
Zuſammenwirkens von F. 
und Feldarmeen geſchaffen, 
ſteht alſo ganz auf opera⸗ 
tiver Grundlage, und erſt 
neuerdings ſind die großen 
‚in .. ortgürtel mit 
üdfiht auf minimale Be: 
fagungvervolljtändigt,d.b. 
die zu großen Lüden ge: 
ſchloſſen worden, welche die 
Beteiligung Starker mobiler 
Iruppenfräfte bei der Ber: 
teidigung erforderten. 
Irrtumlich hat man aud 
angenommen, dab die 
. Schlagmweite der. durch 
die Erweiterung zu Forts: 
feftungen weſentlich zuge: 
nommen haben müjje, d. b. 
daß die Beſatzung, je größer 
ie ſelbſt und die Feſtung 
ei, deſto weiter ihre Offen: 
ivunternebmungen aus: 
dehnen und demnad große 
Landftreden beberrichen 
lönne. Das frübere franz. 
Syſtem war darauf bafiert, 
daß die ſchachbrettartig gelegenen F. jeden feindlichen 
Vormarſch durch Offenſivſtöße hindern follten. Man 
glaubte die F. dadurch entwertet zu jeben, daß man 
diefe große Schlagmweite vermißte. Der Gedante 
widerſpricht aber der Aufgabe der Feſtungsbeſatzung, 
welche jede Unternehmung vermeiden muß, die nicht 





dem Zwed der eng dienlich oder gar ge: 
fährlic werden kann. Die Belämpfung der feind- 
lien Feldarmee ift nicht ihre Sache, fondern die 
ber eigenen Feldarmee; fie foll jene aber auf ſich 
und den dem Feinde unentbehrlichen Punkt heran: 
ziehen und dann in günjtiger Stellung fie betämpfen, 

II. In taktifch-tecwifcher Beziehung als An: 
lagen ber permanenten Befeftigung (f. Ber 
manente Befeftigung). Zur lung der den F. 
zufallenden politifch-ftrategifchen Aufgaben (f. L) 
müfjen die $ 1) den Ortsbefig bei möglichit ge: 
tinger Beſahung egen alle überrajchenden und mit 
den Mitteln der Nentigen Feldarmee möglichen 
Unternehmungen fihern; 2) dem hierdurch Im Her: 
anziehung teäftigerer Mittel gezwungenen Angreifer 
gegenüber möglidhit günftige Kampfbedi gen 
gewäbren. Der eriten Anforderung entipricht eine 
ufammenbängende, den Ort umſchließende Kampf⸗ 
Heilung (Ummallung) mit jtartem und gut flan- 
tiertem Hindernis. Eine ſolche genügte vor —* 
rung der gezogenen Geſchutze auch der zweiten An- 
—— ‚und die Umwallung wurde mit allen 

itteln für die Abwehr des Förmlichen Angriffes 
ausgeitattet. Man unterjhied damals nad der 
* des Platzes und feiner Beſatung F. erſtet 
Klaſſe (Köln, Mainz), zweiter Klaſſe (Neiffe, Glo⸗ 
gau) und dritter Klaſſe (Saarlouis, Boyen). Man 
erachtet jet dieje einfach umwallten x im all: 
gemeinen einem Förmlichen A oz mebr ge 
wachſen, bezeichnet fie in Deu d als F. mit 
Armierung zweiter Ordnung und ftattet fie nur mit 
den Mitteln gegen die Unternehmungen der Feld: 
armee aus, wobei allerdings r berüdjichtigen ift, 
daß auch dieje jetzt befpannte IngerungBacihüße 
in bejchräntter u. ih führt. Die F. mit 
Armierung erfter Ordnung find im allgemeinen 
— — . d) und werden mit Kri 

eſatzung und Geſchützarmierung für den hartnädig: 
ſten Wiverftand gegen den ——— Angriff (. d.) 
ausgeftattet. Sie bieten injofern günftigere Kampf 
bedingungen, als die Verteidigung nicht auf eine 
dem ;yeinde ein gutes Ziel bietende Walljtellung 
beſchränkt ift, jondern das Gelände in gleicher Weile 
wie jener audnugen kann, und 2 den wei⸗ 
tern Vorteil eines gewiffen Schuges der Stadt 
gegen Beſchießung. Dieſen abſolut zu erreichen, iſt 
nur bei ausländiſchen F. (Antwerpen, Paris) an- 
geitrebt worden und bat nur bei Küjtenfeftungen 
(j. Küftenbefeitigungen) einen hervorragenden 

Die Fortöfeftungen bedürfen natürlich dem ni 
—— Umfang entſprechend auch einer ftärlern 
abung, welder der Fortgürtel ald Hauptvertei- 
—— beſtimmt iſt. Die Stadtumwallung 
(Noyau, Kernumwallung) kann deshalb bei 
ihnen lediglich mit Rückſicht auf gewaltſame An- 
arifie gebaut, viel einfacher geſtaltet und ausgejtattet 
werben als bei den F. ohne Forts. 

Neben den Fortsfeſtungen 6 db.) und F. mit 
einfaher Ummwallung bilden die Sperrforts 
(f. d.) eine befondere Klaſſe befeftigter Puntte, 

Die Ummwallung wurde nody bis zum neunten 
Jahrzehnt des 19. Jahrh. durchweg als Stellung 
gegen den Förmlihen Angriff ausgeftattet; neben 
den alten Stabtummwallungen findet man alfo aud 
bei Fortsfeftungen foldhe nad neuern Grundfähen 
gebaute vor (Straßburg). Die einzelnen Seiten 
(Fronten) des den Umfang bildenden —— 
tönnen nach dem Baſtionierten, Tenaillier— 
ten oder Polygonalen Grundriß (f. dieſe Ar 


Feſtungen 


titel) angeordnet werden. Bei neuern F. (auch in 
Frankreich feit 1870) fommt faft nur der legtere zur 
Anwendung; bloß bei * räben kann der baſtio⸗ 
nierte Vorteile bieten. Die Länge der Fronten be: 
ftimmt fih nad ber der Defenslinien (f. d.), 
welche beim Bolygonalen Grundriß beiderfeits der 
Hauptgrabentaponniere gemejlen werden. Im übris 
gen wird die Front derartig gegliedert, daß (meift in 
den Brucpuntten) überböhende und beberrichende 
Stützpunkte (Kavaliere) gewonnen merden; die 
Stärke der einzelnen Front wird der Wahrſchein— 


lichleit de3 zu erwartenden Angriff auf 
fie, worauf dad Vorfeld von größten 
Einfluß ift, angepaßt. Die Haupt: 
[ronten oder fog. wahrſcheinlichen 
ngrifföfronten erbalten die in Artikel Wall (f. d.) — 
erläuterten gie und Einrichtungen bes 
Malld und eine reihlihe Ausjtattung mit Hohl: 
räumen und Traverſen; die dem Angriff durch 
— — des Vorfeldes u. dgl. entzogenen 
Nebenfronten können mit 6 m Bruftwehrjtärle 
und beideidenerer Ausftattung gebaut werden. 
Durchweg ift aber ein ftarles Fronthindernis erfor: 
derlich und wird bes: 
balb dem Hauptgraben 
meift noch ein flacher 
re binzuges 
fügt, defjen Sohle, mit 
Hindernifien bededt, in 
der Rafante bes Walles 
liegt. Im Graben wird 
neuerdings die Hinderniämauer am Fuß der Es— 
larpe durch ein Hinbernisgitter erfeht und die Kon— 
tereslarpenmauer durch ein ſolches verftärkt, bie 
Flanklierung von der Eskarpe aud in die Konter: 
eslarpe durch Anordnung von Reverdlaponnieren 
verlegt, da die Eslarpenkaponnieren zu leicht zu zer» 
ftören find. Fig. 1—4 zeigen eine Hauptfront der 
Stabtummwallung nad deutihem Syſtem vor Ein: 
führung der Brifanzgranaten, ohne Berüdfihtigung 
der ſeitdem not⸗ — 
wendig gewor · urp 
denen Berän: 
De endet 
ig. 1 bebeutet 
a — b 
Rampe, c ge 
Sohle 


mauerte 
räume; Fig. 2 ift der Querſchnitt AB, Fig. 3: CD, 
dis 5: der Fig. 1; in Fig. 4 kommt aud die 
norbnung eines Niederwalles zur Anfhauung. 
Auch die Feitung mit einfaher Ummallung kann 
durd einzelne vorgeſchobene und mehr oder weniger 
felbftändige Werte (Forts) auf den Fronten verftärft 
IH welche nad Lage der Örtlichleit am meiften ge: 
Ahrdet find; immer behält die Ummallung den Cha⸗ 
ralter der Hauptlampfitellung. Bei den Fortsfeſtun⸗ 
gen verliert fie diefen, und man glaubt deshalb ſich 
neuerdings mit einer viel einfadhern Geftalt der 
Kernummallung begnügen und dort, wo das Wachs⸗ 
tum der Stabt eine Ermeiterung notwendig macht, 
eine ſolche anwenden zu fönnen. Man bildet fie aus 







Wallgang 









“ununnsians 


.... 
... 


— * — ·· — 
— r nn hen nn anne 
ar * 


4 % 
EN er, 


603 


einzelnen felbftändigen Werken und langen Berbin: 
dungslinien; jene follen ald Stüßpunlte dienen und 
die langen Linien kräftig beftreihen, erhalten aljo 
meift ven Charalter Heiner Infanteriefort3 mit Tra⸗ 
vitorlafematten, leßtere werben durch ſchwache Erd: 
mwälle mit vorliegendem permanentem oder wohl 
aud zu improvifierendem Hindernis gebildet. Die 
chwere Artillerie fteht auf bez. hinter den langen 

inien, wenn nicht örtliche Verhältniſſe zur Auf: 
ftellung (und dann aud Panzerung) in den Stük 
punlten zwingen, 


en 
.n...... 


... 
... 
— 
— 
**2 





Neuerdings iſt vielfach die Anſicht hervorgetreten, 
daß eine Fortsfeſtung der Stadtumwallung ganz 
entbehren tönne. Dagegen iſt geltend zu machen, 
daß die Stadt für die Verteidiger der Fortslinie 
die ftrategifche Bafis, das Depot all ihrer Hilfs: 
mittel bildet und deshalb einer Sicherung bedarf; 
ein Durchbruch des Fortgürtelö ift immerhin dent: 
bar und würde eine puren Stadt gefährven, 

biermit leicht das Schidfal der Feltung ent: 


ren 15 jcheiden, zumal leicht Panik entjteht, wenn 


Pig. 3. NE: 


bie Einwohner fih ungeibüst und bie Freie en 
des Fortgürteld ſich im Rüden bedroht fehen. Die 
ummallte Stadt bildet eine ftarte Nejerve des Gür: 
teld und verdoppelt damit dejien Stärle. Nur mo 
thatfähli ein Stabtihug hinter dem Fortgürtel 
im Gelände vorhanden ift, wie bei Kopenhagen in 
einem breiten Inundationsgurtel, kann diejer wohl 
die Ummallung erſetzen. 

Der Entwurf von Feitungs: und andern Militär: 


— — — on. 
— — 






* er 
— 





11 — 
. 
1:1} 


144 
11: 





N a Dr 


bauten und die Leitung der Bauausführung liegt 
im Deutihen Reiche dem Ingenieurkorps (f. d.) ob, 
deſſen Generaldireltion aud die F. unterfteben. In 


Oſierreich und Frankreich unterfteht die Verwaltung 
des artilleriftiihen und Geniemateriald der F. der 
Artilleriedireltion und Geniedireltion. , 

III. ee Entwicklung. Befeſtigungs⸗ 
art und — find vom Kulturzuſtande 
der Volker abhängig und fteigern fi fortwährend 


604 


gegenfeitig. Einen einfchneidenden Wendepunkt 
bildet in diefer Beziebung, wie überhaupt in allen 
triegerifhen Berbältnifjen, die Einführung des 
Schießpulvers als treibende Kraft der Fernwaffen. 
Eolange der Angreifer zur Zerftörung von Befefti- 
gungen auf die unmittelbare Stoßkraft (alle nad 

rt des Sturmbods fonjtruierten Maſchinen) und 
auf die auf der Elafticität berubende Schleuderfraft 
(alle nah Art des Bogens konſtruierten größern 
oder kleinern Mafchinen) bejchräntt war, beitanden 
die Befeftigungen mwejentlih aus Mauerwerk, und 
ihre Stärle wurde fait ausjhließlih in der An: 
orbnung ihres Aufriſſes gt der Grundriß 
rar d gut wie gar feine Rolle. In diefem Sinne 
ind die Städtebefejtigungen des Altertums 
und des Mittelalter3 ausgeführt: bobe ſtarke 
Mauern mit Aufitellung des Verteidigers auf der 
Mauerkrone und in den die Mauer überragenden 
und beberrjhenden Türmen. Mit der Erfindung des 
Schiekpulvers und der Feuerwaffen trat eine mejent: 
lihe Ünderung im Kampfe um Befeitigungen ein. 
Dur die Pulvergeihüse war es dem Angreifer 
möglich, die ungededten Feltungsmauern aus der 
Ferne zu zerjtören, während der Verteidiger weder 
die ſchmale Mauerkrone noch die engen Türme zur 
Geihüsaufitellung benugen konnte. Die Einrid: 
tung der ——— Geſchützverteidigung batte 
daher zunächſt eine Verbreiterung des Aufſtellungs⸗ 
raumes und eine Vergrößerung der Türme zur 
Folge. Man legte nun entweder vor oder hinter 
die Mauer einen Erbmwall mit Bruftwebr und Wall: 
gang, der die gebörige Breite zur Gefhügaufftellung 

ot; im erjten Fall diente die Mauer als Abſchnitt, 
im —— gab ſie dem Walle die Sturmfreiheit. 
Bei Neuanlagen ſtellte man die vorwärts des Walles 
liegende Mauer auf die Sohle eines breiten und 
tiefen Grabens, wodurch ihre untere Hälfte dem 
direkten Schuß des Angreifers entzogen wurde. Die 
Türme wurden geräumiger gebaut; es entitand an 
ibrer Stelle die vorn balbrunde, binten vieredige 
Baftei, die jo weit in den Graben vorfprang, daf; 
fie diejen flankieren konnte. 

Mit dem Ausgange des 15. Jahrh. entwidelte 
Wi in Italien (aus Anlaß der in diefem Lande ge: 
übrten fast unaufbörlichen Kriege) ein Befeftigungs: 
vitem, welches in Fortbildung der bisherigen An: 
orbnungen die Anfänge der baftionierten Be: 
Flhigune darſtellte und als Altitalieniſche 

efeſtigungsmanier (! d.) bezeichnet wird. 
Die Formen diejer Befeitigung verbreiteten fi 
unter dem Einflufje der diterr.:fpan. Herrſchaft durch 
die erfahrenen ital. Kriegsbaumeifter über ganz 
Europa. Aus der altitalienifchen entwidelte fih um 
die Mitte des 16. Jahrh. die Neuitalieniſche 
Befeitigungdmanier (f. d.), die die Fronten ver: 
kürzte und die immer mehr vergrößerten Baftione 
zu den Hauptpofitionen des Verteidigers machte, 

In den Niederlanden entitand während des 
Unabbängigteitsfampfes dieſes Landes gegen die 
Spanier ın der Po Hälfte des 16. Jahrh. die 
durh Maflergräben, Erdwälle obne Mauerbellei: 
dung und zablreiche J—— gelennzeichnete 
Niederländifche Befeitigungsmanier (f. d.) 
und ward in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. durch 
Coehoorns Befeltigungsmanier (j. d.), bie 
großen Mert auf tbätige und —— Vertei⸗ 
digung legte, weiter entwidelt und vervolllommnet. 

Deutichland bildete ſich, wenigſtens in ber 
Praris, feine einheitliche Befeftigungämanier ber: 


Feſtungen 


aus; die deutſchen an rege des 16. und 
17; Sabrb. braten jum Zeil ganz moderne Grund: 
fäge auf der Baſis der polygonalen Grundrißform 
zum Vorſchlag (Deutſche Befeftigungsma: 
nier, ſ. d.); aber die innere Zerrifienbeit Deutich: 
lands ſowie die Sucht, alles Fremde beſſer zu fin: 
den, ließen die Anfichten diefer Männer nicht auf: 
fommen. — Die beiden Landsbergs (Mitte des 
17. und Mitte des 18. Jabrh.) bildeten den Tenail: 
lierten Grundriß (f. d.) aus, und in Preußen 
entwidelte fih, namentlih unter der Einwirkung 
Friedrichs d. Gr., im 18. Jahrh. die fog. Alt: 
preußiſche Befeftigungsmanier (j. d.). 

In Frankreich entftand im Laufe des 17. Jabrb., 
aus der Neuitalienifchen bervorgebend, die yranzd: 
665 Befeftigungsmanier (j. d.), die den Ba: 
tionierten —— (. d) weiter ausarbeitete und, 
von Bauban auf einfache Formen und Principien zu: 
rüdgeführt, von feinen Nachfolgern (Cormontaigne) 
aber immer mebr verfünftelt wurde. Gegen die mweit 
verbreitete franz. Manier erhob fih gegen Ende des 
18. Jahrh. ein lebbafter Widerſpruch, indem Monta: 
lembert ein mitzahlreihen Hohlbauten ausgerüftetes 
Tenaillenſyſtem (f. Montalemberts Befeiti: 

ungsmanier) und Garnot eine auf mehr aktive 
übrung der Berteidigung berechnete Anordnung 
des Aufriffes vorſchlug Ju Carnots Befeſti— 
ungsmanier). In Frankreich ſelbſt, das am 
aſtionierten Grundriß feſthielt und nur unbedeu⸗ 
tende Underungen der franz. Manier zuließ, fanden 
die Vorjhläge Montalembert3 und Garnots keine 
Beachtung, dagegen bildeten fie die Grundlage der 
in Deutſchland nad 1815 ſich enhwideinben Ron 
preußiiben Befejtigungsmanier (if. d.). 

Das Auftreten der gezogenen Geſchüte (Anfang 
ber zweiten Hälfte des 19. Jahrh.) bezeichnet auch für 
die Befeftigung einen epochemachenden Abicnitt. 
Solange die genen ber mit dem beichränften 
Wirkungskreis und der Treffficherbeit der glatten 
Gefhüse und ihrer geringen Befähigung zum in: 
direlten Schuß zu —*— hatte, beſaß das neu: 

reuß. Syſtem große Vorzüge; dem gezogenen Ge: 
büß gegenüber konnten die Anordnungen dieſes 
— nicht mehr als genügend —— 
fähig erachtet werden. Dies führte zu umfaſſenden 
Underungen, die in der zur Zeit maßgebenden 
Preußiſch-deutſchen Befejtigungsmanier 
(j. d.) zum Ausdrud kamen, Aber aud diefe Ma: 
nier, welche bejtrebt war, der großen Schußmeite, 
ne Le Ang Durdiclagstraft und Spreng- 
wirfung der gezogenen Gerhüpe nah Möglichkeit 
Rechnung zu tragen, jab * den allerneueſten 

ortſchritten auf artilleriſtiſchem Gebiet (ſchwere 

— oſſe mit briſanter Sprenglabung) gegen: 
über feit 1886 zu mebrfahen Anderungen ner 
Anordnungen genötigt; man mußte unter ⸗ 
behaltung der Grundformen der Manier zu andern 
Baumitteln und Konjtruftionen greifen, um den 
in Bezug auf die Dedung geiteigerten Anforberun: 
gen gerecht werben zu können. — Über die Eher 
anlagen der einzelnen Länder ſ. Deutiches Feſtungs⸗ 
fuftem, * eſtungsſyſtem, Großbritan⸗ 
niſches Heerweſen II, Italieniſches Fe soſyſtem, 
Maasbefeſtigungen, Niederländiiches Feſtungsſy⸗ 
ſtem, Oſterreichiſch- Ungariſches Feſtungsſyſtem, 
Ruſſiſches Heerweſen I, XU, Schweizeriſches Heer: 
weſen, Spaniſches Heerweſen. 

IV. Ya ſtaatsrechtlicher Beziehung. Die Be: 
fugnis zur Anlage von F. fteht nur dem jouveränen 


Feſtungsartillerie — Feſtungskrieg 


Staatsoberhaupt, im Deutſchen Reiche, ausge— 
nommen Bayern, ausſchließlich dem Kaiſer zu. Er 
ernennt auch die Feſtungskommandanten. 

V. Das Feſtungsperſonal umfaßt alle Kom— 
mando⸗ und Verwaltungsbehörden einer Feſtung 
im Krieg und Frieden. An der Spiße ſteht in einer 

roßen Fortsfeſtung der Gouverneur (f. d.) mit dem 

ouvernementsftab, ihm direkt unterftellt ift der 
Kommandant (j.d.) und Blakmajor (f. d.) jowie die 
Chefs der einzelnen Verwaltungszweige: der In— 
genieur: und Artillerieoffizier vom Pla, melde 
mit Hilfe des ihnen unteritellten Perſonals der 
Fortifitation (f. d.) einerfeit3, des Artillerievepots 
anderjeit3 die Verteidigung des Platzes im Frieden 
vorzubereiten, im Kriege jih an der Leitung der 
Verteidigung im Rahmen ihres Dienftbereichs zu be: 
teiligen — die Intendantur mit den ihr unter: 
jtellten Beamten des Garnifonbaumejens, der Gar: 
nijonverwaltung, des Proviantamtes, welche für 
Unterkunft und alle Bebürfnifje der Garnijon zu 
forgen haben; der Garnifonarzt, welcher die militä: 
— — — und fanitätöpolizeilihen Verhält⸗ 
nifje zu überwahen hat; die Militärjuftizbeamten 
zur Beſetzung der Kriegsgerichte, der Garnifon: 
pfarrer. In Heinern F. tritt der Kommandant an 
Stelle des Gouverneurs; damit entfällt auch der 
Gouvernementäftab und beichränten ſich die Ver: 
waltungsbehörden. — Berichte über das Feſtungs— 
wejen finden ſich in von Löbells «Jahresberichten 
über die Beränderungen und Fortſchritte im Militär: 
weien» (Berl. 1876 fg.). Weitere Litteratur ſ. Ber: 
manente Dejeitigung 

ne artillerie, ſowohl derjenige Zweig der 
Artillerie (}. d.), dem die Handhabung der Belage: 
rungs: wie der Feſtungsgeſchütze obliegt, in Deutich: 
fand jest Sußartillerie genannt, als aud) das be: 
eichnete Öe hüsgmaterial jelbjt, welches urfprüng: 
ich für den Feſtungskrieg beftimmt tft, neuerdings 
aber alö ſchwere Artillerie des Feldheers 
oder unter anderm Namen auch einen Beitanbteil 
der Feldarmee in allen größern Staaten bildet und 
damıt aus der Gefamtbeit der F. ausſcheidet ald 
Zwiſchenglied zwifchen ihr und ————— 

gobau, j. Permanente Befeftigung. 
Sbaugefangenichaft, ſ. Kettenitrafe. 
gebanoffiziere, ſ. Feſtungsbauſchulen. 
ugsbauſchulen, zu Charloitenburg (bis 
1897 zu Berlin) und Ingolſtadt (feit 1898), bilden 
in zweijährigem Kurſus aus PBionierunteroffizieren 
das geſamte technifche Bureau: und Bauperjonal 
der deutſchen Feſtungen aus: Feftungsbauoffi: 
ziere (Feſtungsbauhauptleute, »Dberleutnants 
und :2eutnants), die bei gemeinfamem Dienft immer 
dienftjünger find als ngenieuroffiziere gleichen 
Grades, Feitungsbaufeldmwebel, Feftungs: 
bauoffizieranmärter (vor dem Befuch der 8), 
Der Bejuc der F. verpflichtet zu vierjäbriaem Dienft 
nad Erledigung der Prüfung. Die Wallmeifter 
werden auf der Mallmeifterichule in Straßburg 
i. E. in 10monatlihem Lehrgang ausgebildet und 
können nad 25jäbriger vorwurfäfreier Dienftzeit 
zu Dbermwallmeijtern ernannt werben. 
gedreied, j. Feitungen. 
Sgefchüütge oder Defenſionsgeſchutze, 
hüse, die zur Armierung der Feſtungen die: 
nen; jie umfafjen lange 12cm: und 15cm:fanonen 
als Hauptfernfampfgeihüße (mit großer Shrapnell: 
wirkung), hurze 15cm: und 2icm:Sanonen (Hau: 
biken) für den indirelten Shuf und Mörjer von 


605 


15 cm, 21 cm und größerm Kaliber zur Husnukung 
der Dlinenwirtung. Der Grabenbeitreibung, Wir: 
fung ins nächſte Vorfeld und Unterjtüsung der In— 
—— dienen Mitrailleufen, Schnellfeuer: und 
evolverlanonen. Neben neuen Geihüsen pflent 
man meijt auch veraltetes Material der Feſtungs— 
und Belagerungsartillerie zu verwerten. die ealer 
tierung ber 7. iſt zum Kae Teil mit der der Be: 
lagerungs:, zum geringern mit der der yeldartillerie 
übereinjtimmend; 5. in Kaſematten und in Banzer: 
ftänden bedingen eine bejondere Lajettierung. (S. 
Geihüs, Panzerbrehtürme und Lafette.) 
_ Yeltungshaft (in vielen andern Strafgejeken 
Seltungsitrafe, im Oſterr. Strafgefeßentwurf 
von 1889 Staatsgefängnis), im Deutſchen 
Strafgeſetzbuch Bezeihnung derjenigen Art der 
Freiheitsſtrafen (f. d.), die in Freibeitsentziehung 
mit Beaufjichtigung der eihäftigung und me 
weiſe der Gefangenen beſteht. liber die Art der 
Beauffihtigung jagt das Geſetz nichts, das ift dem 
Reichsſtrafvollzugsgeſetz überlaſſen, und da es an 
einem ſolchen bis jest fehlt (f. Strafvollzug), der par: 
titulären Gejeggebung. Der Mangel des Arbeits: 
zwanges unterjcheidet die 5. von Zuchthausſtrafe 
8 und Gefängnisſtrafe (ſ. d.). Mit der Haftſtrafe 
(1. d.) hat E das gemein, daß fie feine entehrende 
Strafe ijt (bei wahlweifer Androhung von Zuchthaus 
und F. darf auf Zuchthaus nur erfannt werden, wenn 
die jtrafbare Handlung aus einer ehrloſen Geſin— 
nung entjprungen ift), he unterjcheidet ſich aber von 
ver Haftjtrafe dadurch, daß fie die fchwerere, auf 
Berbrehen und Bergeben angedrobte Strafe ift. 
Die F. iſt eine lebenslängliche oder zeitige; Höchſt— 
betrag 15 Jahre, Mindeſtbetrag 1 Tag. Als aus: 
hließliche Strafe lommt die F. nur vor beim Zwei: 
ampf (j. d.) und bei bochverräterifchen Unterneb: 
mungen gegen befreundete Staaten, foweit dieje 
überbaupt jtrafbar jind. Meijt ift fie wahlweiſe 
neben Zudtbaus und Selingeis angebrobt, jo bei 
Hoch- und Landesverrat, Majejtätsbeleidigung, 
Sprengung von — Verſammlungen und 
Nötigung von Abgeordneten zur Stimmabgabe. 
Die 5. wird in Feitungen oder andern dazu bejtimm: 
ten Räumen vollzogen, Andere Räume werden 
regelmäßig nur dann benußt werden, wenn e3 jich 
um ganz kurze Strafen oder etwa um eine gegen 
eine Frauensperſon zu vollitredende 5. handelt. 
Ein von den Örundjägen des Reichsſtrafgeſetz 
buchs wejentlih abweichender Strafvollzug findet 
bei der F. des Signale nahe yes nicht ftatt; nur 
bat die gejeglich zugelafiene Beſchäftigung der Ge: 
angenen zu milıtär. Zwecken und unter militär. 
ufjicht jtattzufinden. 
ftungdinfpeftion, ſ. Ingenieurinipettion. 
eſtungskrieg, Gejamtbezeihnung für alle um 
den Befik von Ar ein geführten Kämpfe und ge: 
trofienen Maßnahmen. In den Beſitz einer Zeitung 
I t jih der Angreifer entweder durch Einſchlie— 
ung, die ſchließlich durch moraliſche Einwirkung, 
namentlich aber durch Aushungern zur Übergabe des 
Plapes führen kann, oder durch wirklichen An: 
ri er zu ſehen. In legterm Falle muß der Angreifer 
I zunädjt zum Herrn des Vorgeländes machen, ji 
dann den Werfen näbern, die Berteidigungs: und 
Hindernismittel der Feitung zerjtören oder ander: 
weitig überwinden und jchließlih in die Umfajjung 
der Feitung mit ftürmender Hand eindringen. Die 
Annäherung des Angreifers fann gededt oder un: 
gededt ausgeführt werden. Die ungededte An: 


606 


Feſtungskrieg 


näherung iſt dem Üüberfall (f. d.) und dem Ge: ! aufgehängt war. Beim‘; ea Angriff wurde in 


waltjamen er 
Förmlichen Angriff (f. d.) eigentümlich. 

Den Verteidigungsmitteln der Feſtung entipre: 
hend verlangt der F. auch vom Angreifer die Aus: 
rüftung mit ftärtern Kampfmitteln und fie bevienen: 
den Truppen (Belagerungstrain, Feltungsartillerie 
und Feitungspioniere). 

Geſchichtliches. Die gefhichtliche Entwidlung 
weiſt drei große —e— auf: 1) die Zeit 
des Altertums und Mittelalters bis zur —— 
der Pulvergeſchütze; 2) die ei der glatten Gejchüße 
bis zur Mitte des 19. Jahrh.; 8) die Zeit der ge 
Pe Gefüge, die Gegenwart. Die für die erften 

are ragen entworfenen Angriffstheorien 
find in zabllofen mehr oder weniger volllommen 
durchgeführten Beifpielen praltiſch erprobt worden; 
die neuere Theorie des %., durch die lekten Kriege 
zwar gefördert, hat noch feinen Abſchluß erreicht. 

Im Altertum kommen bei den Griechen in der 
voralerandrinifchen Zeit beſonders Einſchließung 
und fiberfall zur Anwendung, leßterer meift mit 
bejondern Kriegsliften oder mit Verräterei im In— 
nern ber Feitung verbunden. Mußte man zur förm⸗ 
lihen Belagerung fchreiten, jo ſchloß man den Plas 
mit einer (aus Mauerwerk oder nur Baliffadierung 
oder nur Erdwall und Graben beftehenven) Kontra⸗ 
vallationslinie ein und ficherte fih häufig aud gegen 
von außen kommende Entſaßverſuche Durch eine ähn: 
liche Linie. Die eigentliche Belagerung zerfiel in die 
Herftellung eines Jugen e3 zur Feſtung und in den 
Sturm. Um eine Sturmlüde in der Ringmauer ber: 

uftellen, bediente man fich entweder des Sturm: 

od3 und ähnliher Maſchinen, die gg" are oder 
beweglihen Schugdähern gegen die Mauern in 
Thätigleit gefet wurden, oder man drang mittels 
eines unterirdiichen Ganges bis unter die Mauer 
vor, untergrub diefe in einer gemwiflen Breite und 
ftüßte fie dabei zunächſt durch Hölzer, an die man 
jpäter Feuer legte, jo daß die Mauer, der Unter: 
ftüsung beraubt, einſtürzte. Ein anderes Angriffs: 
mittel, um die Sturmfreiheit der Mauer zu über: 
winden, bildete der Hochbau, der entweder in einem 
Erddamm oder in hölzernen MWandeltürmen on. 
Der Erddamm wurde in einer anfehnlichen Breite 
außerbalb ver Shußmweite der Verteidigungsmaſchi⸗ 
nen angeſchüttet und dann gegen ven Plaß zu all: 
mäblich verlängert und erböbt, bis er ver Mauer an 
Höbegleichlam ;über die Krone dieſes Dammes wurde 
dannder Sturmausgeführt. Die Verteidigung fuchte 
durch Ausfälle und Geſchoſſe —— inen die 
feindlichen Arbeiten zu ftören, die Anndherungs⸗ 
arbeiten durch Erhöhung an der betreffenden Stelle 
unjhäplich zu maden und die hölzernen Dedungen 
durch Feuer zu zerftören; dem unterirdifchen Angriff 
trat der Verteidiger mit Gegenminen entgegen, was 
bisweilen zu erbitterten Kämpfen unter der Erbe 
führte. Die Hilfsmittel des — s wie der Ver: 
teibigung erfuhren unter ven Nachfolgern Aleran: 
ders d. Gr. eine außerordentliche VBervolllommnung; 
in Bezug auf Angriffsmittel und Angriffsverfahren 
or befonder8DdemetriusBoliorletes(«derStädte: 

elagerer») einen hervorragenden Namen erworben. 

Die Römer wien in ihrem Angrifföverfabren 
nicht mwefentlih von dem der Griehen ab. Die 
Kontravallationslinie wurde durch Kaftelle ver: 
ftärkt. Zum gemaltfamen Angriff diente entweder 
die Leitererfteigung oder die Breſchhütte, d. h. ein 


bewegliches Schutzdach, unter dem der Sturmbod | 


(f. d.), die gededte dem 


der oben beichriebenen Art der Damm an die Mauer 
berangeführt. Die MWandeltürme benußte man zu 
> Zeit lediglich ala wandelnde Batterien zum 
Schuß ded3 Dammbaues; zur Sicherung ihrer rüd: 
wärtigen — wurde aus Holz und Strauch⸗ 
werk eine Art gededter Laufgänge hergeſtellt. Zu 
den Mitteln der Verteidigung tritt in ſpäterer Zeit 
der Feuerpfeil aan und das Griechiſche Feuer. 
Im Mittelalter wurden Dedungdmittel und 
Stoßzeug der Alten im allgemeinen beibehalten, 
das Wurfzeug (Antwerk, ſ. d.) berubt auf andern 
Principien; die Belagerungstunft als ſolche machte 
entſchiedene Rüdichritte. 
ie Erfindung des Schießpulvers und 
feine Benusung zu Kriegszweden bradte einen 
ründlihen Umſchwung in den Mitteln des J. 
erbor, der fich zunächft bei dem Alngrifföver: 
—— geltend machte. An die Stelle der hölzernen 
Innäberung3: und Deckungsmittel traten die Lauf: 
räben oder Trancheen. Indem man diefe vervoll: 
ommnete, entftanden nah und nah Parallelen, 
pin ra 4 und Annäberungsmwege. Der 
Angreifer begnügte ſich anfänglich mit einer etwa 
250 m von ber gefung entfernten Parallele, in der 
die Batterien aufgeftellt wurden. Bon da aud 
ingen die Annäberungswege zuerft jchlangen: 
drmig, jpäter zidzadförmig vor und erhielten zum 


Schu gegen usfälle in gewiſſen Abftänden ge 
—* ene Schanzen. Die per Stellung — 
ildete dann ſchon die Glaciskrönung. Die Aus: 


führung der Erdarbeiten zur Heritellung der Lauf: 
räben murde im allgemeinen mit dem Namen 

appe bezeichnet, wobei man die verjchiedenen For: 
men der flüchtigen, völligen und bevedten Sappe 
unterfchied. Der Krtillerieangriff der damaligen 
zei brauchte nur wer Demontier:, Konter: und 

— — eidenin der Blaciströnung). 
Zur möglichſt be chenden on der De: 
montierbatterien baute man oft ſehr hohe Tranchee: 
ſtavaliere. Statt der Untergrabung der Mauer end— 
lih wurde (feit 1500) die Pulvermine angewendet, 
was allmählich zu einer ſyſtematiſchen Entwidlung 
des Minentrieges führte, da aud der Belagerte die 
Vorteile der Minenwirkung ſich nutzbar zu maden 
trachtete. Auf dem geſchilderten Standpuntte blieb 
ber 5. bis gegen Ende des 17. Jahrh., um melde 
Bent der franz. Ingenieurgeneral Vauban (über 
eine Thätigkeit ala Feſtungsbaumeiſter ſ. Baſtio— 
nierter Grundriß), geſtützt auf ſeine umfaſſenden 
Erfahrungen Lier bat 53 Belagerungen geleitet), vem 
Förmlihen Angriff diejenige ſyſtematiſche — 
gab, welche diefer bis 1870 bebalten bat. Durch 

nmwendung zufammenbängender nfanteriepofi- 
tionen (Parallelen) und Einführun de3 die ange: 
riffene Linie der Pänge nach beitreichenden Ri— 
oſchettſchuſſes ſicherte er dem Angriff — 
eit eine unverlennbare Überlegenheit über die 

erteibigung. Gewöhnlich legte Vauban drei durch 
Annäbherungs: und Verbindungswege untereinan: 
der verbundene Parallelen an und errichtete in der 
RN Demontier-, Enfilier:, Riloſchett⸗ 
und —* in der zweiten und dritten 
zus urfbatterien, in der Glaciäfrönung 
onter: und Brejchebatterien. Über dienäbern An: 
orbnungen des Vaubanſchen Angriffs j. Förmlicher 
Angriff. Die Engländer juchten 1812, 1813 und 
1815 mit der ſog. Artilleriebelagerung oder 
Schnellbelagerung ſchneller zum Ziele zu kom: 


Feſtungslazarett — Feſtungsmanöver 


men, indem fie beim Angriff jpan., franz. und holländ. 
Feſtungen, obne wejentlih die Feitungsartillerie 
zu befämpfen, von weitem Breſche ſchoſſen und (oft 
erfolglos) ftürmten. Dem Baubanjhen Angriff 
gegenüber juchte der Verteidiger zunäcft den Bau 
der erjten Parallele und der zugehörigen Batterien 
durch überlegenes Gefchüßfeuer zu hindern; mußten 
feine Gejchüge ſchweigen, jo wurde das Vorjchreiten 
der Zaufgräben durch majlenbaftes Gemwebrfeuer, 
Heine Ausfälle und Minen verhindert, jpäter aber 
die Brejche zäb verteidigt. 

Die Einführung der gezogenen Gejhüße um die 
Mitte des 19. Jahrh. brachte in den bis dahin 
gültigen Grundfäßen des Feitungsbaues eine voll: 
fommene Ummälzung bervor und mußte natur: 
gemäß auch eine volljtändige Umgeſtaltung des 
Angrifjsverfahrens zur Folge haben. Die Grund: 
jäße, welche vemgemäß für den neuern förmlichen 
Feftungsangriff aufgeltellt find, haben eine praf: 
tifche Erprobung noch nicht erfahren, weshalb über 
verſchiedene Punkte die Anfichten noch fehr ausein- 
andergeben. m allgemeinen wird man bei dem 
neuern Förmlichen Angriff verſuchen: den Gegner 
aus dem Gelände vor jeinen Werten auf diele zu: 
rüdzutreiben und das eroberte Gelände durch ver: 
teidigungsfähige Dedungen zu fihern, durch die 
Wirkung ſchwerer Gejhüse die Streitkräfte und 
Streitmittel des Gegners planmäßig niederzu: 
tämpfen, und fchließlich nach Zerjtörung ver Sturm: 
freibeit und der Flankierungsanlagen jtürmend 
in die Werte einzubringen. Der Förmliche Angriff 
aliedert ſich demnach in den Fern: und Nah: 
angriff. Der erjtere foll das Feſtſeßen der In— 
fanterie in dem zur Durchführung des Angriffs un: 
entbebrlichen Gelände unterjtügen und die Kampf: 
mittel des Gegners (Geſchütze und ihre Dedungen, 
Hohlräume, Wälle, Sturmfreibeit der Gräben) ver: 
nichten, um den Nabangriff, d. b. das Durd: 
fchreiten des unmittelbar vor den Werten im wirf: 
jamen Gewebrfeuer liegenden Teils des Angrifis: 
feldes und dann den Sturm zu ermöglichen. Hat 
die Feſtung geringe Ausdehnung und wenig Hohl: 
räume, jo fann bon der Fernangriff ald Bom: 
bardement die Übergabe des Plaßzes nah ſich 
sieben. Gegen kleinere geftungen mit mangelbaften 
Berteidigungsanlagen oder ſchwachen Bejagungen, 
oder gegen einzelne abgejondert gelegene Werte, 
die feine äußern Nejerwen haben, kann der abge: 
türzte Angriff angemenbet werben, indem man 
von vornherein möglichjt nahe an die Werte beran: 
gebt, den Verteidiger durch überwältiaendes Feuer 
aus dem Vorgelände und vom ofienen Wall ver: 
treibt und den Sturm aus größerer Entfernung 
über das freie Feld hinweg unternimmt, ohne vor: 
ber die Sturmfreibeit (Flanktierungsanlagen) ver: 
nichtet zu haben. — Obwohl die von den deutſchen 
Truppen in den neuejten Striegen ausgeführten Be: 
lagerungen der Form nah noch in Baubanicher 
Manier geführt wurden, machten ſich dabei durch 
die Verwendung der gezogenen Geſchütze doch ver: 
jhiedene Momente geltend, die eine neue Geital- 
tung des F. einleiteten. Während Toul, Dieden- 
bofen und Neubreifady Beifpiele eines erfolgreichen 
Bombardements, Mes und Paris die einer zur 
Übergabe führenden Einſchließung bieten, führte 
das Bombardement Straßburgs nicht zum Hirt 
ver gegen dieſes wie gegen Belfort durchgeführte 
Formliche Angriff, im allgemeinen noch auf Bau: 
bans Princiyien bafirt, zeigte bereits weſentliche 


607 


Abweihungen und gab lehrreiche Fingerzeige na— 
mentlich für eine andere Verwendung der Artillerie, 
Litteratur. Bauban, Traite de l’attaque et 
de la defense des places (2 Bde., Haag 1737; Leid. 
1740; deutſch, 2 Bde., Berl. 1744; Überjekung von 
Glair, ebd. 1770); derſ., Trait& de la döfense des 
places (Par. 1769; bg. von Valaze, ebd. 1829); 
de B. (Bousmard), Essai general de fortification, 
d’attaque et de döfense des places (4 Bde, mit 
Atlas, Berl. 1798 —1803 u. d.; deutſch von Kos: 
mann, 2 Bde., Hof 1805); derj., Memorial de 
Cormontaigne pour l’attaque des places etc. 
(Berl. 1803); Carnot, Anweifung zur Verteidigung 
der Feſtungen (nad der 3. Aufl. des Franzöſiſchen 
übertept von Brejiendorf, Stuttg. 1820); Aiter, 
Die Lehre vom F. Niederer Teil (Dresp. 1835); 
von Rüjtow, Die Lehre von neuern —* (2 Bde. Lpz. 
1860); Brialmont, Etudes sur la defense des Etats 
et sur la fortification (3 Bde. und Atlas, Brüfj. 
1864); derf., La defense des Etats et les camps 
retranches (Par. 1876); verf., La defense des 
Etats et la fortification & la fin du 19° siecle 
(ebd. 1895); von Prittwig und Gaffron, Lehrbuch 
der Befeitigungstunft und des F. (Berl. 1865); 
von Bonin, Feitungen und Taklik des %. in ber 
Gegenwart (ebd. 1878); derj., Die Lehre vom F. 
(ebd. 1881); Wolf, Der F. in feinen Grundzügen 
(Köln 1879—80); Jähns, Geſchichte des Kriegs: 
weſens (mit Atlas, Lpz. 1880); (Anonym) Studie 
über den F. (2 Tie., Berl. 1880—81); von Sauer, 
Beiträge zur Taktik des F. (ebd. 1882); derf,, Über 
Angrik und Verteivigung feiter Pläße (2. Aufl., Lpz. 
1898); 9. Müller, Geihichte des F. feit allgemeiner 
Einführung der Feuerwaffen (2. Aufl., Berl. 1892); 
von Leithner, Die beitändige Befeftigung und der 
5. (3 Bde., Wien 1894— 99); Nollinger, Bor: 
träge über F. (ebd. 1895; 3. Aufl. 1899); €. Eng: 
mann, Die Verteidigung neuerer jungen (deutich 
von Gremat, Berl. 1898); von Rehm, Principien 
des Feſtungsangriffs (Wien 1898); Deguije, At- 
taque et defense des — (Brüff. 1898); von 
Brunner, Der F. (8. Aufl., Wien 1899); Sta: 
venhagen, Grundrik des F. (Sondersb. 1901); 
Frobenius, Kriegsgefhichtlihe Beiſpiele des %. 
(Berl. 1899f9.); Krebs, Kriegsgeſchichtliche Beifpiele 
der felobefeitigung und des F. (3. Aufl., ebd. 1901); 
Smetal, Der Angriff im F. (Wien 1902). 
Feftungslazarett. Bei einer Mobilmahung 
oder bei NAusrüjtung einer Feſtung erhalten alle in 
derjelben und in den Forts vorhandenen oder neu 
einzurichtenden Lazarette der Militärverwaltung 
den Namen F. Leiter derjelben ift der Garnijonarzt, 
der für ihre Ausjtattung mit geſchultem Perſonal 
und mit Material zu ſorgen hat. Letzteres wird dem 
nt: entnommen, das den 
ebarf für 200 Krante auf 3 Monate entbält. Das 
. dient grundſätzlich ausſchließlich zur Bilege der 
erwundeten und Kranken aus der Feſtung, nur 
ausnabmsiweife für jolhe vom Kriegsſchauplatz. 
Feſtungsmanöver, Übungen im Angriff und 
Verteidigung der Feitungen, wozu Truppen aller 
Maffen erh werben, um die ragen des 
Feftungskrieges zu Hären und die Führer wie die 
Truppen in ber ineinander greifenden Thätigkeit 
der Feldtruppen mit den tehnifchen und mit der 
ſchweren Artillerie zu unterweijen. Einzelübun: 
en in beichräntten Dienftobliegenbeiten bilden die 
— welche nur von den 
Feitungsgarnifonen abgehalten werden und meijt 


608 


den kriegsmäßigen Feſtungswachdienſt zur Aufgabe 
jaren, die Armierungsübungen ber Fußartil— 
erie, während bei Belagerungsübungen alle 
Waffen beteiligt zu fein pflegen. 

Feftungdrayon (ſpr. -räiöng), Bezeichnung 
für eine bejtimmt begrenzte Zone der Umgebung 
von Feſtungswerlen, in welder dem Grundeigen: 
tum aus militär. Gründen gewiſſe Baubefchrän: 
fungen gele lich ** ſind. Die ri auf 
die möglichſt günftige Wirkung der eigenen euer: 
waffen zwingt den Verteidiger, bei der Armierung 
von — auf einem gewiſſen Abſtande von 
den Werten das Vorgelände freizulegen, d. b. alle 
Gegenftände zu entfernen, die vem Gegner Dedung 
geben könnten, und weiter hinaus zur Beitreihung 
der Hauptanmarfchwege ſich Shut ichtungen freis 
zulegen. Damit im Kriegsfall die Wegräumung 
der durch Bebauung und andere Veränderungen der 
Erdoberfläche entjtandenen Dedungsmittel des Geg⸗ 
ners möglichit raſch und ohne zu große Härten für 
die Bewohner geſchehen tann, erlafjen die Staaten 
Geſetze für den F., welche die Bebauung und Bes 
* der Grundſtücke in Dem regeln, 

ac dem für das pe eih maßgebenden 
Geſet vom 21. Dez. 1871 ift die nächjte Umgebung 
der Feſtung mie der detacierten Forts in drei F. 
geteilt. Der I. F. umfaßt das bis auf 600 m vor 
tem gebedten Wege belegene Gelände, der II. reicht 
bis 375 m von den Örenzen des I., der II. um: 
faßt das Gelände von den Grenzen des II. bis 
1275 m von den äußerſten Berteidigungslinien. 
Detachierte Forts haben feinen IL. Rayon, dagegen 
unterliegt bei ihnen das Gelände von den Grenzen 
des I. F. bis 1650 m den für den II. F. geltenden 
Beihräntungen. Liegen bei einer Feitung mehrere 
ujammenhängende Befeitigungslinten voreinander, 
ho wird das Gelände zwijchen diefen als Zwiſchen⸗ 
rapon —— und unterliegt im allgemeinen den 
Beſchränkungen des I. F. 

In ſämtlichen F. bedürfen alle dauernden Höben: 
veränderungen der Geländeoberflähe ſowie alle 
Neuanlagen und Veränderungen von Wafjerbauten, 
die Anlage großer Parts und Waldungen ſowie 
die Errichtung und Veränderung aller turmartigen 
Bauten der Genehmigung der Kommandantur. 
Innerhalb des II. Rayons find alle Maffivbauten 
und zu gewerblihen Zmeden bejtimmte Ofen von 
arößern Abmefjungen (wie Ziegel: und Kaltöfen) 
unzuläffig, die Anlage anderer Gebäude in Holz 
oder ausgemauertem Fachwerk ſowie von Beerdi— 

ungsplägen bedarf der Genehmigung. r den 

. Rayon find alle Wohngebäude jeder Art aus: 
geſchloſſen, ebenjo andere Baulichkeiten, wenn fie 
nicht aus Holz oder einer leicht zerjtörbaren Eijen: 
tonjtrultion beſtehen, desgleihen die Neuanlage 
lebender Heden. Die Anlage bölzerner Windmüphlen, 
bölzerner und eiferner Einfriedigungen ſowie von 

runnen bedarf der Genehmigung. 

‚ Zur Entſcheidung aller Streitfragen auf dem Ges 
biete der Rayongeſetzbeſtimmungen ift in erfter In⸗ 
ftanz die Feitungstommandantur, in höherer die 
jog. Reichsrayonkommiſſion berufen, d.i. eine 
durch den Kaiſer eingejeste ftändige Militärkom— 
miffion, in welcher alle Bundesftaaten, in deren 
Gebiet Feitungen liegen, vertreten find. Ihrer 
Entſcheidung unterliegen aud die Entwürfe größe: 
rer Unlagen in den %., ala Chauſſeen, Eifenbabnen, 


Feitungsrayon — Feſtungsviereck 


der Straßen zu genebmigen. Das bei Neu und Er- 
mweiterungsbauten von ap Po in den %. binein- 
ejogene Grundeigentum, welches bis dahin noch 
einen geſeßlichen Beichräntungen unterlag, bat 
Anfprud auf ENG für die hierdurch ver: 
anlafte Entwertung. Die Kojten für das Nieder: 
legen der darauf befindlihen Anlagen trägt das 
Reich und zahlt dafür eine befondere Entfhädigung, 
falls nicht die Anlagen ſchon vor Verkündigung des 
Geſetzes ven Beihräntungen unterlegen haben oder 
nad Feſtſtellung der Nayonlinien neu errichtet find. 
In lestern beiden Fällen müſſen die Beliker die 
Roften der Befeitigung tragen. Ähnliche Beichrän- 
tungen bat das Reichsgeſetz vom 19. Juni 1883 im 
Intereſſe des Fahrwaſſers für die Reichskriegshäfen 
aufgeitellt. Die Organe find Marineſtationschef 
und Bundesrat. In andern Staaten berubt die 
Gejengebung für die 5. auf ähnlichen Grundfägen. 
&n Frankreich gebt der1. 5.bi8 250m, der ll. bie 
500 m, ber IIL bis 1000 m. m I. F. darf gar nicht, 
im IL. nur in Holz gebaut werden. m IH. unterliegt 
jede Geländeverwandlung der Benebmigung der Be: 
gehunss afe, |. Seftungebait [börden. 
eitungsfyftem, die Gejamtbeit der zum 
Schug eines Landes gegen Angriffe von außen an: 
elegten Permanenten Befeftiqungen, f. Deutiches 
— Franzöfisches Feſtungsſyſtem, Ita: 
ieniſches Feſtungsſyſtem, Niederländiihes Fe— 
ſtungsſyſtem, Oſterreichiſch-Ungariſches Feſtungs⸗ 
ſyſtem, Ruſſiſches Heerweſen XII. 
Feſtungsthore, die Wege, welche aus dem In⸗ 
nern einer Feſtung dur die Umwallung in das 
Vorgelände führen, werden bei ven alten Stabt- 
ummallungen unterſchieden in Friedensthore, 
Kriegstbore und Nebenkriegstbore oder Ausfall: 
tbore. Friedenstbore dienen dem bürgerlichen 
Vertebr, find daher möglichſt bequem anzulegen. 
Durb den Wall führt ein offener Einfhnitt, jel: 
tener eine überdedte Boterne (f. d.); über den 
Graben eine Brüde over aud ein Erbdamm. Das 
Glacis wird von einem Einſchnitt (Sortie,f.d.) durch⸗ 
brochen. Friedensthore werden im Kriegsfall ge: 
ſchloſſen, die libergänge befeitigt. Kriegstbore 
jollen den militär. Verkehr in gropem Mae ermög- 
lichen; ſichere Lage ift in erjter, Bequemlichkeit in 
zweiter Linie zu berüdfichtigen. Sie durchſchreiten 
die Umwallung als tief gelegene Boternen, münden 
ewöhnlich auf der Grabenfoble oder dicht über dem 
BBafferipienel, überjchreiten den Graben auf einem 
chauſſierten Wege oder auf einer gemauerten Brüde, 
führen mitteld Rampen in einen Waffenplag mit 
Wachraum und durch ein gelämmtes Sortie ins 
Vorgelände. Nebentriegsthore (Ausfall: 
tbore) vermitteln den Heinen militär, Verlehr. 
Uhnlich den Hauptkriegstboren, aber ſchmäler an: 
geordnet, überjchreiten fie einen trodnen Graben 
auf der Sohle, einen naflen Graben mittels Fabr: 
eugen. Die Konteresfarpe wird durch fchnell wer: 
Thllehbare Rampen oder Treppen gangbar gemadht. 
ee 4 j. Steinverbände, 
eitungäviered, Bezeichnung für eine Gruppe 
von vier Feſtungen, die ſich —— ihrer gun⸗ 
ftigen Lage (meiſt an größern Waſſerläufen mit ge: 
ſicherten übergängen über dieſe) gegenſeitig unter⸗ 
ſtühen, fo daß der Angriff gegen die eine Jeſtung 
jtet3 durch die Wirktungsipbäre einer oder mehrerer 
anderer Feſtungen ftörend beeinflußt wird, Eine 


Deiche u. ſ. w. Sie bat bei Feititellung von Bes | verartige Feſtungsgruppe bietet für eime auf bie 


bauungsplänen im Ill. F. die Breite und Richtung 


Verteidigung angemwiejene ſchwächere Armee 


Feſtus — 


richtiger Benugung die Möglichkeit, ſich dem über 
mädtigen Angriff zu entziehen und einen Ent: 
fheidungsfampf unter ungünftigen Umſtänden zu 
vermeiden, obne doch das Feld volllommen zu räu- 
men. — Am befanntejten ijt in der Kriegsgeſchichte 
das lombardo⸗venetianiſche F. Mantua-Beschiera: 
Berona-Legnago, welches feine Berühmtheit zuerſt 
ben glänzenden Operationen Radetztys im Feldzuge 
von 1848 verdanfte. Belannt ift ferner das oit- 
bulgariihe F. Siliftria: Barna-Schumla-Ruftihul 
und das polnijche F. Nowogeorgijewät- Warihau: 
Imangorod: Breit:Titomst. 

Feitus, Vorctus, der von Kaiſer Nero ernannte 
Nachfolger des Felir (1. d.) als Proturator von Pa⸗ 
* von 60 (oder 61) bis 62 n. Chr. Er ſuchte 
mit Strenge und Gerechtigleit die —2* im 
Lande wiederherzuſtellen. Den bei ſeinem Amts⸗ 
antritt als Gefangenen in Cäſarea vorgefundenen 
Apoſtel Paulus ſandte er auf deſſen Appellation an 
das Urteil des Kaiſers (Apoſtelgeſch. 20, 11) nach Rom 
ab. F. ſtarb nad kurzer Verwaltung der Provinz. 

ſtus, rom. Geſchichtſchreiber, j. Rufus Feitus. 
ſtus, Sertus Pompejus, röm. Grammatiler 
aus der Mitte des 2, Jahrh. n. Ehr., fertigte einen 
Auszug aus dem Merle «De verborum significatu» 
des Grammatilers Berrius Flaccus (f. d.). Diejer 
in 20 Büchern alphabetiſch geordnete Auszug, der 
in ſprachlicher wie antiquariiher Hinficht gleich 
wichtig iſt, wurde in der zweiten Hälfte des 8. Jahrh. 
durch Paulus Diakonus abermals verkürzt; doch 
bat ſich die urfprünglihe Schrift des F. von ber 
Mitte des Alpbabets an, nebit andern Hleinern 
Stüden, freilich in trümmerbafter Geitalt, erbalten. 
Das Manuftript, ald «Codex Festi Farnesianus» 
in Neapel aufbewahrt, wurde in Falfimiledrud von 
Thewrewl de Ponor veröffentlicht (42 Taf., Buda- 
pei 1893). Ausgaben von C. O. Müller (Lpz. 1839; 
eudrud mit Anbang, ebd. 1880) und Thewrewl 
de Bonor (Bubdapeit 1889). Einen Teil hat Momm⸗ 
fen in den «Abhandlungen» der Berliner Atademie 
von 1864 veröffentlicht. 
t, Aianafıj Afanafjewitich, eigentlib Schen— 
ſchin, ruf). Dichter, geb. 5. Dez. (23. Nov.) 1820 auf 
dem Erbgutder Familie Nowoſſelli im Gouvernement 
Drel,ſtudierte an der Moskauer Univerfität, trat aber 
dann in den Militärdienft. Er machte den Ruſſiſch⸗ 
Turkiſchen Krieg von 1853 bis 1856 mit, nabm 
bierauf jeinen Äbſchied und zog fih auf jein Gut 
urüd ftarb 4. Dez. (22. Nov.) 1892 in Mostau. 
Seit den vierziger Jahren begann F. Gedichte zu 
veröffentliben, von denen mehrere Sammlungen 
erſchienen (2 Te., Most. 1883); zu den u 
ebören die «Abende und Nächte», die Lieder an 
Bpbelia, Melodien, Schneefelver. Ferner lieferte er 
vorzügliche Überjegungen des Horaz, Juvenal, von 
Goethes «Hermann und Dorothea» und «Fauift», 
von den Liedern des Hafis, von Stüden Shale: 
ſpeares («JuliusCäjar» «Antonius undfleopatra»), 
endlib von Werten Schopenbauers. — Bol. 5.3 
Memoiren (2 Bde. Most. 1890). 
etan, ſchweiz. Dorf, ſ. Fettan. 
öte (irz., ipr. jäbt), ‚seit; Fete-Dieu (fpr. diöb), 
franz. Bezeichnung des Fronleichnamsfeſtes. 
edei (Feteihti), Ort im rumän. Kreis 
x omita, an der Linie Bulareft:5.-Küjtendje und 
raila⸗F. der Numän. Staatsbabnen, bat etwa 
1300 €, Hier beginnt die neue 28 km lange Über: 
brüdung der Donau ; fie beftebt aus der Borceabrüde, 
dem Damm und Biaduft auf der Baltainjel und aus 
Brodbaus’ Stonveriations-Leriton.. 14. Aufl. R. A. VL 


Fetialen 609 


der Donaubrüde ſelbſt, die, 31 m über Hochwaſſer⸗ 

and hoch, auch den größten Dampfern die Durch: 
ahrt ermöglicht. Die Brüde murbe 26. Sept. 1895 
eröffnet. Sie jihert Rumänien die Verbindung mit 
dem ſtets eiöfreien Hafen Küftendje und ermöglicht 
den kürzeiten Schienenmweg zwiſchen dem Nord» und 


— et und dem Drient. 
, Domenico, ital. Maler, geb. 1589 zu 
Rom, sd: 1624 in Benedig, hatte Eigoli zum 
brer brachte den größten Teil feines Lebens 
am bergool. Hofe in ntua zu, wo er nad 
Giulio Romano ftubierte, von dejjen kräftiger und 
dunller Manier er jedoch zum ausgeiprodeniten 
Naturalismus fortging. Er liebt draftiihe Auf: 
fafjung, faßt namentlich die religiöfen Stoffe durch⸗ 
aus genrebaft auf, ift aber oberflählid in der 
Charakteriftil. Die meijten feiner Werte find in 
Dresden, di B. David mit dem Haupte Goliatbs, 
ſowie 8 Gleihnifje Ehrifti; 10 andere im Hof: 
mufeum zu Wien, unter denen bervorzubeben find: 
Flucht nad Agypten, Bermählung der heil. Katha⸗ 
rina, Der tote Leander, Jakobs Traum von der 
Himmelgleiter; Die Melandolie, im Louvre. 
Betiälen — bei den altitaliſchen Völler⸗ 
haften, insbeſondere den Römern, ein Vrieſter⸗ 
ollegium, welches darüber zu wachen hatte, daß 
der Abjhluß von Staatöverträgen und bie Er: 
llärung von Kriegen in einer Form ftattjand, daß 
das göttliche Recht und damit die Götter ſelbſt nicht 
verlegt wurden. Mit dem materiellen Inhalt der 
Verträge oder Erklärungen hatten fie nichts zu 
allen In Rom foll König Numa, nah andern 
achrichten Ancus Marcius das Kollegium ein 
geiest haben. Das Kollegium der F. in Rom beftand 
aus 20 —— Mitgliedern, die aus den 
vornehmſten Geſchlechtern ſich ſelbſt ergänzten. Zu 
Amtshandlungen, womit gewöhnlich zwei oder auch 
vier 5. betraut wurden, mußten fie ein Stüd Rajen 
vom Kapitol (mit der Erde ausgerifjene er, 
verbenae oder ina genannt) ald Zeichen ihrer 
Unverleglicheit mitnehmen. Der Fetiale, der dieſes 
1 ber Verbenarius, machte dann den andern, 
deſſen Kopf und Haare erdamit berübrte, zum pater 
atratus, d. b. zu einem Hausvater, der als folder 
lein Volk vertrat. Bei der Einleitung einer Kriegs⸗ 
ertlärung gingen dann dieje zwei oder nod häufiger 
vier Mitglieder des Kollegiums (oratores, legati) 
ins feindliche Land und ſprachen die ihnen aufs 
getragene Forderung (clarigatio) an den Grenzen 
des Yandes, an den eriten, ber ihnen begegnete, an 
den Thoren und auf dem Forum ber Hauptjtabt 
aus, wobei fie eine Friſt von 33 Tagen 8 
Wurde der Forderung nicht genügt, jo erhoben fie 
feierlichen Proteſt und kehrten dann zurüd. Nach⸗ 
dem ern ber Krieg in der Heimat beichlofjen 
war, begaben ſich die F. wieder nach dem feindlichen 
Gebiet, um den Krieg mit einer vorgeichriebenen 
ormel und einer ſymboliſchen Handlung zu er 
lären. Letztere bejtand darin, dab ein }yetiale 
unter Ausrufung ber Formel: Bellum indico fa- 
cioque, eine blutige, an der Spitze verjengte oder 
mit Eiſen beichlagene Lanze über die Örenze in® 
feindlibe Land warf. j j 
um Abſchluß von Bündnifjen mußten die F. 
außer den ina ein im Tempel ded Jupiter 
Feretrius aufbewahrtes Scepter und einen eben⸗ 
dort ald Symbol des Donnergotted aufbewahrten 
Kiejeljtein (silex) mitnehmen. Waren fie dann 
vom König oder Magijtrat mit ihrem Auftrag be» 


39 


610 


traut und ber eine zum Sprecher ber Geſandtſchaft, 
um pater patratus gemadt, fo er dieſer den 
Sriebende oder Bündnisvertrag (foe an), indem er 
den vorgefchriebenen Eid ablegte und mit dem Stein 
ein Schwein ald Opfertier für Jupiter tötete. Noch 
in der republitaniihen Zeit fand das —*— 
von foedera durch die F. ſtatt. Doch muß die Ver: 
wendung ber F. in ſolchen Fällen immer mehr ab: 
gelommen fein. Wenn der Kaiſer Claudius * 
durch die F. Bundniſſe —— ließ, ſo geſcha 
dies zufolge ſeiner gelehrten Liebhaberei das 
Altertum. Länger erhielt ſich, wie es ſcheint, ein 
Reit von der Anjage des Kriege durd die 5. Die 
Anſage —— päter durch Abgeordnete des Feld⸗ 
berrn. Aber der ſymboliſche Alt des Schleudern 
der Lanze verblieb ven F. Man hatte, ald der Krieg 
in immer fernere Länder — wurde, zur Zeit 
des Krieges mit Pyrrhus ein Stüd Land von einem 
Kriegägefangenen laufen lafien, und nun jchleus 
derten die F. ihren Speer über eine Säule, die ald 
Grenzfäule galt, in dieſes Stüd Land, das fortan 
das Feindesland vorjtellte. Diefer Brauch erbielt 
fi bis in fpäte Zeit. — Bol. Eonradi, De feciali- 
bus et feciali populi Romani jure (Helmjtebt 1784; 
au in Eonradis «Scripta minora», Bo. 1, Halle 
1823); Wetſels, De fetialibus (Groningen 1854). 
fFetieren ( u), jemand feiern, ihm Ehre er: 


weiſen, ihm zu Ehren Feitlichleiten veranitalten. 
Fetiß (fpr. fetiß * ois Joſ., belg. Muſik⸗ 
xz 1784 zu Mons, wo ſein 


—— geb. 25. 0 B 
ater Va war, mwurbe von ng mit fo 
glüdlihem Erfolg unterrichtet, daß er ſchon in ſei⸗ 
nem 10, Sabre eine Organiftenftelle feiner Bater- 
ftadt vertreten fonnte, und fam 1800 in das Pa⸗ 
rifer Konfervatorium. Bon einer längern Reife, 
auf der er fich mit deutfcher und ital. Mufit ver: 
traut gemacht hatte, nad er urüdgelebrt, trieb 
er dort Studien über die eihicte der Muft, 30 
ſich aber 1811 in die zn urüd und wurde 181 
Organiſt und Profefjor der Mufifichule in Douai. 
1818 kam er ald Profeſſor des Ronfervatoriums 
der Mufil nad Paris und gründete 1827 die erſte 
fritifche mufitaliihe Zeitſchrift in Frankreich, die 
«Revue musicale», die bald eine Autorität wurde, 
Bon 1833 bis zum Tode, 26. März 1871, war er 
Rapellmeifter des belg. Königs und Direktor des 
Ronjervatoriumsin Brüffel. F.’erfte größere Schrift: 
afiber die Verdienſte der Niederländer um die Ton: 
tunft» (Amſterd. 1829), erhielt (zugleich mit einer 
äbnlihen Arbeit von Kiefewetter) den von der Nie 
derländifhen Mufitgejellihaft ausgeſetzten Preis. 
Sein Hauptwerk: «Biographie universelle des mu- 
siciens et bibliographie generale de la musique» 
(8 Bde., Brüff. 1838—44; 2. Aufl., Bar. 1860—65 ; 
dazu Supplement, 2 Bde., 1878— 81), wird nod 
a abrzebnte hinaus die Grundlage für die mufi- 
kaliſche Lexilographie bilden. Die Behandlung des: 
jelben Materials ala «Histoire generale de la mu- 
sique» (5 Bde., Brüfl. und Bar. 1869— 76), ift weni: 
er glüdlich geraten und & tnur bis ind 15. Jahrh. 
Weniger Anerfennung als feine geſchichtlichen und 
theoretiihen Werte fanden 3. Kompofitionen für 
Kirche, Kammer und Theater, Do wurden jeine 
Opern «L’amant et le mari» und «La vieille» ſehr 
* im Theater Feydeau aufgeführt. Gemein: 
haft mit Mofcheles gab F. ein großes 


piano» (Par. a beraus, 
t 


Fetiſch, Gegenitand religiöfer Berebrung, ſ. Fer 


Fẽetieren — Fettbildung 


Fetiſchberge, Name des Gebirges, das von 
Süpmweit nach Nordoſt das Togoland (f. d. und 
Agomegebirge) durchzieht. 

Fetiſchismus (von dem portug. feitigo, Zaur 
berei), die aus einemroben Polytheĩsmus entwidelte 
Religion der Naturvöller, bei welcher finnlihe Ge 
— (Fetiſche), denen Zauberkraft zugeſchrie⸗ 

en wird, religidje Verehrung genießen. Das zu: 
jetie gleichzeitige Bufenmenitlen zweier Voritel: 
ungen giebt dem unentwidelten Bewußtſein Ver: 
anlafjung, einen gar nicht vorhandenen lauſalen 
Zufammenbang zwischen diefen zu vermuten, fo daß 
ein —— ſinnlicher, meiſt unſcheinbarer Gegen⸗ 
ſtand (z. B. ein Nagel, ein Stein u. dgl. m.) ala 
wirkende Urſache eines mit ibm gleichzeitig in die 
Erſcheinung tretenden Ereigniffes gilt. Weſentlich 
ift dabei, daß der Fetiſch weder ald Sumbol noch 
als Vermittler einer überfinnlihen Welt angejeben 
wird, ſondern als jelbjt mit Zauberfraft begabt gilt. 
In ſolch engerm Siyne kann man nur bei benjeni- 
nen Negervöltern Afrilas, welche feinen Unſterb⸗ 
ichleitöglauben haben, von wirklibem F. ſprechen, 
während der jonft jo genannte ;y. meift auf Dämonen: 
fultus und Abnenverebrung (}. d. und Animismus) 
beruht. Abbildungen von Fetiſchen zeigen die Ta: 
en: Afrikaniſche Kultur, dq,6 u.7,und I, 
ig.3 u. 10, beim Artikel Afrika. — Val. F. Schulse, 
er 3. (2p3. 1871); Baftian, Der Fetifch an der 
Küfte Guineas (Berl. 1884); derf., liber F. (ebv. 
1894); Wagner, Die heidn. Aulturreligionen und 
der F. (Heidelb. 1899); de Viſſer, De Graecorum diis 
non referentibus speciem humanam (Leid. 1900). 
ar, eine der fchott. Shetlandinfeln (f. d.). 
ett, ſ. Fette. — Sn ber Yägeripracde wird das 
Mort F. nur bei Raubtieren und dem zur niedern 
Jagd gehörigen Wild gebraucht. 

Fett, in der Buchdruderkunft die Bezeichnung 
für Lettern, Linien, Einfaffungen u. f. w., welche 
* durch Breite der Grundſtriche oder der Linien: 

äche hervorheben, wie in dem vorliegenden Wert 
die Stichwörter; findet dies in geringerm Grade 
ftatt, fo nennt man die Lettern u. |. w. halbfett. 

ettammer, Bogelart, ſ. Ortolan. 

ettan oder Fetan, roman. Stan, Pfarrdorf 
im Kreis Untertadna, Bezirk Inn des ſchweiz. Kan: 
tons Graubünden, 1 km nörblid von Tarasp auf 
der linten Seite des Unterengabin, in 1647 m Höbe, 
bat an) 399 ladiniſch ſprechende €., darunter 
33 Katholiken. Die Schöne Lage am Sudfuße des Piz 
Minihun (3071 m) und das milde Klima haben 
dem Dorfe in neueiter Zeit einen ziemlich lebhaften 
Kur: und Fremdenverkehr gebradt. 

Fettbildung. Das im tierijhen und menſch— 
lihen Körper bei —— Nahrungszufuhr abge⸗ 
lagerte Fett wird nicht ausſchlie aus dem mit 
der Nahrung zugeführten und reſorbierten Fett an: 
geſetzt, ſondern es entiteht zum guten Zeil erit in: 
nerhalb des Körpers aus andern chem. VBerbindun: 

en. Das eingehende Stubium der Zufammen: 
egung der Nahrung des Pflanzenfreflers, die Kennt: 
nis von den merkwürdigen Ummandlungen orga: 
niſcher Stoffe in andere außerhalb des Organis— 
mus und das Nachdenlen über die Bedeutung der 
einzelnen Nabrungäbeitandteile führten Liebig ju 
der Überzeugung, dab die Kohlehydrate (Stärte, 


tubienwerl | Dertrin, Zuder) der Nahrung innerhalb des Hör: 
für das Pianoforte: «Methode des möthodes de | pers eine wichtige Quelle der \ 
ſtiſchismus. Grund feines Ausſpruchs galt Jahrzehnte hindurch 
| die Entſtehung von Fett aus Koblebydraten für 


5. liefern, und auf 


Fettblume — Fette 


eine unumſtoßliche Thatſache. Als Beweis hierfür 
wurde insbeſondere die —— angeführt, daß 
bei den Fleiſchfreſſern, melde er dem Fett kei⸗ 
nen ftiditofffreien Rahrungsitoff genießen, die F. 
meift nur unbedeutend ift, dagegen bei gemifchter 
Nahrung mit einem Überfhub an Roblebupraten 
erbeblih zunimmt, daß die Hauptmafle ver Nah— 
rung bei der Mafle der Pflanzenfreſſer aus Roble- 
bypraten beiteht, und daß endlich die Bienen bei 
längerer yütterung mit wachsfreiem Honig oder 
Zuder doch noch Wade, alfo einen fettartigen Rör- 
per produzieren, ohne ſich in ihrem — — 
er oder Gewicht zu ändern. Neuere Verſuche von 
oit und Bettenkofer haben dagegen zu ermeifen ver: 
fucht, daß die hauptſächlichſte Quelle der F. außer 
dem Nabrungsfett die eimeißartigen — —— — 
find, und daß dem unleugbaren Einfluß der Kohle⸗ 
hydrate auf die F. eine weſentlich verſchiedene Deu- 
tung gegeben werden muß; bie legtern ſtellen bier 
u t das eigentliche Material dar, aus welchem 
direlt das im Körper abgelagerte Fett hervorgeht, 
aber fiemüffen, wenigſtens dem Pflangenfrefier, nad) 
wie vor gegeben werden, um fett zu gewinnen. 
Eine fihere Entiheidung der —* e, ob Fett ſich 
direlt aus Eiweiß bilden fann, iſt aber noch nicht ge⸗ 
monnen, da die oit: Bettentoferichen Bemweisgründe 
von andern Autoren, insbejondere von Pflüger, 
angegriffen werben. Nach neueften Berjuchen ſcheint 
es, als ob bie F. aus Eiweiß indirelt durch Vermit⸗ 
telung des Glytogens (ſ. d.), das ſeinerſeits bei Ei⸗ 
weißfutterung entſteht, zu ſtande lomme. — fiber 
die übermäßige F. ſ. Fettfucht; über die F. bei den 
Haustieren f. Mäftung. 
ettblume, ſ. Caltha. 
(Baumefen), ſ. Dachſtuhl. 
und fette Sle, Stoffe des ehr en: 
und Ti 8, die fi eigentümlich Kpfrig 
(fettig) anfühlen und auf Papier oder Geweben 
durchſichtige, beim Liegen an der Luft und beim 
Ermwärmen nidt verfhmwindende Frleden ( eden) 
erzeugen. Sie find nicht flüchtig, leichter al Waſſer 
und in diefem unlöslich, dagegen löslich in Alkohol, 
Ather Schwefeltohlenitoff, nzin u. ſ. w. Man 
unterſcheidet feſte Fette (Talg, Butter u. ſ. w.) 
und Öle (fette Öle Nr Unterſchied von ätberifchen 
und Mineralölen). Nah den Entvedungen Chevreuls 
(1811) beftehen die Fette fait ausichließlih aus 
Gemiſ der Glycerineſter der Fettſäuren Pal⸗ 
mitinjäure, C,. H,, O,, und Stearinfäure, 
C,H, 05, und der ungefättigten Säure Ölfäure, 
» Ha, O,. Dieje Eſter des dreimertigen Altohols 
Glycerin {i. d.), au —— (}. Glyceride) 
genannt, bezeichnet man kurz durch die Endung 
ein» alaBalmitin,C,H,(0C,H,,0),,Stearin, 
C;H,(0C,5H,50),, und Dlein, C,H,(0C,„H,,0),. 
Palmitin und Stearin find bei emwöbnlicher Tem: 
peratur feit, das Dlein flüffig. Die fetten Öle ent: 
balten daher vorzugsweiſe Dlein; je mehr Stearin 
dagegen in einem Fette vorhanden ift, deſto höher liegt 
fein Schmelzpuntt (bis zu 60°). Außer den genann- 
ten drei Säuren lommen in geringern Mengen aud 
die übrigen Fettfäuren (oft 3. B. Butterfäure, Ca⸗ 
pronfäure u. ſ. w.) und die Säuren der Öljäures 
reihe vor. Unter den Ölen unterfcheidet man trod: 
nende und nicht trodnende Öle. Die trod> 
nenden Öle werden an der Luft dur Aufnahme 
von Saueritoff feit. Es berubt dies auf einem Ges 
balt von Glyceriden waflerftoffärmerer Säuren, die 
fib an der Luft opudieren. So enthält 3. B. das 


611 


Leindl die Leinölfäure, C., Hz, Oz. Solche trodnnen» 
den Öle (Nußöl, Leinöl Mobnöl) dienen daher zur 
Herftellung von Firniffen. Die nicht trodnen» 
den Öle, wie Mandelöl, Dlivendl, Rüböl, haben 
die Eigenſchaft, bei Behandlung mit falpetriger 
Säure zu feſten Maflen zu erftarren, indem bierbei 
die Oljäure in die ijomere Elaĩdinſäure (f. d.), und 
Dlein in Elaibin (f. d.) umgewandelt wird. 

Die natürlih vortommenden Fette find 
immer Gemenge der verfhiedenen Glyceride, In 
reinem Zuftande find fie farblos, geruchlos und ge 
Ihmadlos. Der Gerub und Gefhmad man 
roben Fette rührt von fremden Beimengungen ber. 
Das Ranzigwerden der fette —— auf einer teil⸗ 
ee ns ———— bewirkten Serfeßung 
derſelben in Glycerin und Fettſäuren, die aber 
durch Waſchen mit Waffer entfernt werben können. 
Dur Altalien werden die Fette verfeift, indem fie 

leihfalls in Glycerin und die Altalifalze der Fett 
—— (Seifen) zerfallen. So wird z. B. das Pal⸗ 
mitin nad) folgender Gleihung gefpalten: 


a a 


3 O. K. 
Te 

Aufdiefem Prozeß berubt die Fabrikation der Seifen 
und des Glycerind. Es ift umgelehrt gelungen, 
durch Erhigen von Glycerin mit Fettfäuren ſynthe⸗ 
tifche Fette darzuftellen. Beim Erhigen zerfeßen ſich 
die Fette und e3 entjteht dabei aus dem Glycerin 
Arolein (f.d.), das den unangenehmen ſcharfen 
Geruch angebrannten Fettes bedingt. Eine eigens 
tümliche Eigenſchaft der Fette ift ferner die Emul⸗ 
———— enn man Waſſer, das mit wenig 
ohlenſaurem Natron verſetzt ift, mit etwas Fett oder 
Ol fchüttelt, das bereitö etwas freie Säure enthält, 
} vereinigen ſich die beiden Schichten, troß der Uns 
öglichleit des Fettes in malen, zu einer undurd: 
fihtigen,, weißen, ſcheinbar homogenen Flüffigteit, 
und erft durch das Mikroflop kann man ertennen, 
daß die Flüffigkeit mit Heinen Fetttröpfchen erfüllt 
ift. Dieter Umftand ift wichtig F die Reſorption 
der Fette im Darmlanal. Die Milch iſt eine ſolche 
Emulfion. Die Pflanzen enthalten die Fette 
meift in den Samen, felten, wie die Dliven, im 
eiſch der Früchte. Bei den Tieren findet ſich das 
tt bauptfächlich im Zellgewebe, fo unter der Haut, 
in ber Umgebung der Gebärme, zwifchen den Mus: 
teln, in den Knochen, in fein verteiltem Zuftande 
auch in den Drganteilen, 3. B. ber Leber, im Gebirn 
und in den Nerven. Über die Entftehung der Fette 

im ZTierlörper ſ. Fettbildung. 
Zur Gewinnung der Fette werben die organi: 
ſchen (pflanzliche wie tieriſche) Gewebe in der Regel 
wiſchen ermärmten Platten ausgepreßt (f. Olpreſ⸗ 
Ras) oder auch nur ausgeſchmolzen. Eine volltom: 
mene Entziehung ber Fette gelingt durch Ather oder 
Schwefellohlenſtoff, melde die Fette löfen und beim 
Abpdeftillieren unverändert binterlaffen. Auch dieſe 
Methode findet praktiihe Anwendung. Die rohen 
Fette bedürfen oft nod einer Reinigung, die man 
durch Erbigen mit Schwefelfäure erreicht. Die feiten 
Zierfette nennt man auch Talg, Unfclitt. Rinds⸗ 
und Hammelstalg enthalten zum größten Teile 
Stearin; Schweineſchmalz und das diefem ähnliche 
Menſchenfett beſtehen meift aus Palmitin und 
Dlein. Die Butter enthält etwa 5 Proz. Butorin 
Glycerid der Butterfäure). Der Thran von Wal—⸗ 
fhen, Robben u. ſ. w. beſteht hauptſächlich aus 

89* 


612 Fettembolie 


Dlein und enthält noch Säuren, wie —— 

und Gapronjäure und deren Glyceride. Die Pflan⸗ 
zenfette find zumeift Öle, doch kommen auch ſolche 
von butterartiger Konfiftenz vor. Die wictigiten 
& Palmöl, Kotosöl, Kalaobutter, Olivenöl, 

andelöl, Rüböl, Mobnöl, Leinöl, Nußöl u. f. m. 
Zur Ermittelung des Fettgehalts von Pflanzen: 
teilen, Preßluchen u. ſ. w. dienen verjchiedene Ertrat: 
tionsapparate. Zur Feltftellung der Echtheit und 
Reinheit prüft man Geruch, Geihmad und Farbe, 
den trungspunft, das elektrifche Leitungsver⸗ 
mögen und das jpecififche Gewicht. Letzteres be: 
ftimmt manentweber mit dem Pyknometer (von ®intl) 
ober mit ſog. Ölwagen, das find —* empfindliche 
Aräometer (f. d.). Außerdem prüft man die Fette 
nod durch verjchiedene chem. Reaktionen bezüglich 
ihres Verhaltens gegen Salpeter-und Schwefelfäure; 
man ermittelt die Senn, weite angiebt, wieviel 
Prozent od das Feit a forbiert, und die Verfeifungs« 
jahl, welche angiebt, wieviel Milligramm Kalihydrat 
jur eifung von 1 g Fett erforderlich find. 

Die Fette bilden für den Menſchen einen der 
unentbehrlichſten Nabrungsftoffe, indem fie ſowohl 
zum Erſatz und zur Bermebrung der Körperfubftang 
dienen, ald auch dur ihre Orydation im Körper 
Wärme und Kraft erzeugen (f. rung). Außer 
dem dienen fie zahlreichen praltiſchen —— wie 
jur Bereitung von Seifen, Kerzen, O genen, Fir: 
nifien, en; als Heizmaterial, zur — 
als Schmiermittel für Maſchinenteile u. ſ. w. (©. 

äuren und oa reg Age 2 Schäp- 
er, Technologie der 2 und Öle (2. Aufl., Lpz. 
1892); derj., Unterſuchungen der Fette und Öle (ebd. 
1889); Bornemann, Die fetten und flüchtigen Öle 
Dei 1889— 91); Benedikt, Analyſe ver Fette und 
achsarten (4. Aufl., von Ulzer, Berl. 1903); Thal: 
mann, Die Fette und Öle (2. Aufl., Wien 1892); 
Andés, Die vegetabilifhen Fette und Öle (ebd. 
1896); derj., Animaliſche Fette und Öle (ebd. 1897); 
Fajans, Einführung in die Praris der Fettinduftrie 
(ebd. 1897); Zecocq, Les corps gras industriels et 
leur application au graissage (Gent 1901); Lew— 
towitih, Laboratoriumsbuc für die Fett: und Ol- 
induftrie (Braunſchw. 1902). Chemiſche Nevue über 
die » und Harzinduftrie (Berlin, feit 1893). 
ettembölie, die Verjtopfung der Haargefäße, 
bejonders in den Lungen und im Gebirn, mit Fett: 
tropfen, welche nach Knochenbruchen oder ausge: 
dehnten Zerquetichungen des Unterbautfettgewebes 
in den Blutjtrom gelangen. Die F. kann Atemnot 
und felbft ven Tod zur „folge baben. (S. Embolie.) 
en aut ſ. Verfettung. 
ette und SI liefernde Bilanzen, ſ. Öl und 
Fette liefernde Pflanzen. 

Fettfell (Pinguecula), eine partielle Verdidung 
der Augapfelbindehaut in Form von gelblichen 
jtednabeltopf bis linfengroßen Knötchen, die am 
innern oder äußern Hornbautrande im Lidfpalten: 
bezirt, auch wohl auf beiden Seiten oder jommetrifch 
an beiden Augen ſihen. Das F. iſt unſchädlich. 

ettflechte, |. Hautkrankheiten (ver — 
offen, Heine, nicht von fnöchernen Stra 

len geRüste Rückenfloſſen, die bei manchen Fiſchen 
(3. B. den lachsartigen, zahlreichen + u. |. w.) 


ettgänie, j. Pinguine. ſich finden. 
ettgas, |. Olgas. 


ettgerberei, ſ. Lederfabrilation. 
ettgeſchwulſt oder Lipom 


eine häufig 
vortommende kranlhafte Geihmwulit, 


welde vor: 


— Tettleber 


wiegend aus Fettgewebe bee und ganz ber Fett ⸗ 
maſſe entipricht, die bei wohlbeleibten Menſchen 
in großer Verbreitung im Körper, namentlih im 
Unterbautzellgewebe, vorlommt. Die Form diefer 
Geihmülite iit gewöhnlich eine länglihrunde, mehr 
oder weniger gelappte; ihre Größe ſchwankt von 
ber eines Hanflorns bis zum Umfang eines Manns 
fopfes und darüber; ja mwieberbolt find derartige 
Geihmwüljte beobachtet worden, die ein Gewicht von 
15 bis 20 kg und noch mehr befaßen. Am häufig: 
ften fommen Lipome, die vorwiegend eine Krankheit 
des mittlern und böbern Lebensalters find, aber 
auch in jüngern Lebensjahren und felbjt angeboren 
& vorfinden, im Unterhautzellgewebe des Halfes, 
üdens, Nadens, der Schultergegend, der —— 
täten und des Bauchs, ſeltener an —* tellen 
vor; ihr Wachstum iſt meiſt ein fe —— 
In der Regel machen F. gar feine wer⸗ 
den und werben vom Kranken gewöhnlich erit be⸗ 
merkt, wenn fie bis zu einer erbeblihen Größe 
—— find; nur wenn fie ſehr groß wer⸗ 
den, können fie durch ihr Gewicht oder durch ihren 
Drud auf die benachbarten Organe läftig und be 
Ihwerli fallen. Immer aber find fie rtige 
Geſchwülſte, die ſtets ein rein drtliches dar: 
bieten und niemals wiederlehren, wenn fie einmal 
—— mit dem Meſſer entfernt wurden. Die 
ehandlung beſteht in der Ausſchälung der Ge 
ſchwulſt vermittelt des Meſſers. 
ettgetwebe, & Hiltologie. 
lanz, ſ. Glanz. 
aut oder Unterhautzellgewebe (Pan- 
niculus adiposus), eine dehnbare, aus ne 
websfafern und dazwiſchen liegenden en 
tebende Unterlage der Haut (ſ. d.), welche die Ver 
indung der leßtern mit den tiefer gelegenen Gebil⸗ 
den vermittelt und hauptſächlich die Berichiebbarteit 
ber Haut bedingt. Im normalen Zuſtand beſitzt 
bie F. nur eine geringe Dide und iſt arm an fett 
an allen ven Stellen, wo die Haut unmittelbar auf 
Knoden und Anorpeln aufliegt, wie am Schädel, 
auf dem Bruftbein, der ulterhöbe und ben 
Stredjeiten der Gelente, und feblt gänzlich unter 
der Haut der Augenliver, Obrfnorpel und ber 
männlichen Geſchlechtsteile; am biditen und fett» 
reichften pflegt fie an der weiblihen Bruft, in der 
Baucgegend, an den Hüften, Oberſchenleln und 
den Fußſohlen zu fein. Bei allgemeiner Fettleibig- 
feit erreiht auch das Unterhautzellgewebe eine be: 
trächtlihe Dide (nicht jelten von 4 bi 6 cm und 
darüber); namentlich zeichnen ſich weibliche Körper 
bierin aus, und dieſer yettreichtum des Unterbaut: 
— bedingt weſentlich die runde Fülle der 
weiblihen Formen. Der Nusen der 5. für ben 
Körper beitebt pen darin, daß fie als wei⸗ 
es elaitiiches Polſter ver Haut und den unterlie 
—— Organen einen gewiſſen Schuß gegen Drud, 
toß und äbnlihe mechan. Inſulte verleiht, ſowie 
als ſchlechter Wärmeleiter für die Ökonomie des 
Körpers von nicht geringer Bedeutung ift, 
etthenne, Bilanzenart, |. Sedum. 

ett —— ſJ. Hering. 
ett erh . Herzverfettung. 
ettfoblen, j. Steintoble. 
Örper, f. Fettverbindungen. 
aut, j. Pinguicula und Tafel: Injelten» 
"Fettieh Pflanzen, Fig. 4. 









ettleber (Hepar adiposum), ein abnormer 
Zuſtand der Leber, bei welhem aus dem Blut der 


Fettleder — 


Piortader überfchüffiges Fett in das Innere der 
Leberzellen abgelagert wird und die ganze Leber 
eine beträcdtlihe Vergrößerung und Gewichts— 
unabme erfährt. Die 5: fommt ald chroniſches, 
ih ſehr langſam entwidelndes Leiden häufig bei 
allgemeiner Fettſucht (. d.) des Körpers vor, findet 
ſich aber auch bei ſonſt magerm Körper bei Schwind: 
—— ganz beſonders aber bei Säufern, mo fie 
äufig mit interititieller Leberentzündung, der 
eigentlihen Säuferleber, verbunden ift. (S. Leber: 
entzündung.) Nicht zu verwechſeln mit der F. iſt 
bie alute Fettentartung der Leber, welde bei mans 
ben Vergiftungen, bejonder8 der Arjenil- und 
Bbosphorvergiftung, vorlommt und auf einer jet: 
tigen Entartung der 2eberzellen beruht. Bei ge 
ringen Graden der 5. pflegen jubjeltive Be 
fchmwerben zu feblen; bei höbern Graden Hagen die 
Kranten über das Gefühl von Drud und Vollſein 
in der Lebergegend und infolge der verminderten 
Gallenabjonderung über allerband Berbauungs: 
ftörungen (Appetitlofigfeit, Aufjtoßen, Beritopfung 
u. dgl.), verfallen auch wohl in hypochondriſche 
Stimmung. Die F. ift recht wohl einer Rüdbil- 
dung zum normalen Zuftand und damit einer Hei- 
lung zugänglich, doch ift hierzu ein fonfequent und 
lange fortgeleßtes energifches diätetifches Verhalten 
durchaus erforderlih. Kranke mit F. müflen für 
ausreichende förperlihe Bewegung forgen und ſich 
aller 5— füßen und ſtärlemehlreichen Nahrungs: 
mittel, der alloboliihen Getränte jowie des Nach— 
mitta Lu entbalten; auch pflegt der wieder: 
gan rmäßige Gebrauch der Quellen von Karls— 
ad, Marienbad, Kiffingen und Homburg die Be- 
feitigung der F. zu befördern. 

Wettleder, Crownleder, ein Leder, zu deſſen 
Heritellung man die vorbereitete Haut erſt in eine 
Alauntochtalzlöfun bringt und dann mit einem aus 
Mebl, Hirn und Klauenfett beſtehenden Brei bear: 
beitet. (S. Pederfabrifation.) 

eibigfeit, |. Fettfucht, 
ettmännuchen, Dilanze, ſ. Feldſalat. 
etamorphöje, j. Verfettung. 
ettpjlanzen oder Sultulenten, alle durch 
ſtart fleiihige Ausbildung von Blättern oder Sten: 
geln ‚ausgezeichneten Pflanzen. Sie gehören den 
—— der Kakteen, Craſſulaceen, Euphorbiaceen, 
maryllidaceen (Agaven), Asklepiadeen, Portu⸗ 
laccaceen, Aizoaceen, Liliaceen und sa 
an. Das harakteriftiihe Ausſehen fteht jedenfalls 
in Beziehung mit den klimatiſchen Verhältniſſen, 
unter denen he vorfommen. Sie find zum größten 
Zeile Bewohner von Gegenden, in denen lange 
Perioden von Trodenbeit von nur kurze Zeit ans 
dauernden, aberjehr ausgiebigen Regengüffen unter: 
brochen werden. Während diejer Negengeiten find 
die 5. im ftande, in ihren fleiihigen Zeilen große 
Mengen von Wafjer aufzufpeihern, aud find jie 
durch ihre ftarle mit Kallſchuppen bededte Oberhaut 
gegen eine ſchnelle Verdunſtung geibüst. Wegen 
ihrer eigentümlichen oft bizarren Formen baben 
viele F. für die Gärtnerei große Wichtigkeit erlangt. 
(S. aud Kakteen.) Sie werben fomohl zu Delora⸗ 
tionszweden wie auch als Zimmerpflanzen verwen: 
det. — Bol. Rümpler-Schumann, Die Suftulenten, 
3. und Kakteen (Berl. 1892). 
etträude, ſ. Hautkrankheiten (der Haustiere). 
ettreibe, j. Fettverbindungen. 
äuren, eine Öruppe oder homologe Reibe 
fifcher organifcher Säuren von der allgemeinen 


Fettfucht 613 


rmel C,H,.0,. Sie leiten fi von der Ameiſen⸗ 
äure, H-COOH, dadurch ab, daß das am Kohlen: 
off befindliche Dafl toffatom durch Altobolradis 
e vertreten wird. Viele derjelben, namentlich 
die höbern Glieder, find in den fetten F d.) als 
Glycerineſter enthalten. Es gehören hierher außer 
der Ameifenfäure die folgenden Säuren: 


0H,.000H = 0;H,0, Eiflgfäure (Methylcarbonfäure) 


H,O. njäure O, Moriftinfäure 
38 —*— 333 —e 
. Balerianfäure C,;H,40, Margarinfäure 
C;H,30g nläure C,„H,,0, Stearinjäure 
538 ri ng 2338 er äure 

1 ure 
0,H ‘0, elargonfäure —— —— 
—* nfäure 


„43 Os otinfäure 
O,5H4,05 Baurinjäure OyHnlz Weliffinfäure, 


Die vier erften Glieder mit den Butterfäuren find 
leicht bewegliche, ſcharf faure, in Wafler ſehr leicht 
löslihe Flüffigleiten, von da an werden fie öliger 
und im Waller immer ses löslih; von der 
Gaprinjäure an find fie bei gewöhnlicher Temperas 
tur feſt, die Stearinfäure ſchmilzt erft bei 69°, 
Die böcften Glieder find nicht mehr unzerſetzt 
deitillierbar. Bon der Butterfäure (j. d.) an find von 
—* Gliede dieſer homologen Reihe Iſomere mög: 
ich, und zwar um ſo mehr, je höher die Anzahl der 
Kohlenſtoffatome iſt. Die 5 find nad ſehr zahls 
reihen Methoden ſynthetiſch darftellbar; eine fehr 
allgemein anwendbare Methode berub 
m. durch Aceteſſigeſter (f. d.). 
habe (Pyralis s. Aglossa pinguinalis L.) 
oder Fettzünsler, ein 32 mm Hafternder Klein: 
hmetterling mit grauen, feidenartig glänzenden 
lügeln, von denen die vorbern mit zwei dunteln, 
außen bellern Querbinden unbeftimmt gezeichnet 
find. Die glänzend braune R näbrt dh den 
anzen Sommer durch von allerlei tieriihen Sub: 
nzen (Sped, Talg, Butter u. ſ. w.) und ift be 
ur in — * 49 dien (Schaf 
wanz „Fettſteißſchaf, ſ. Schaf. 
— Fler i Far 


€ 
— 5* (Adipositas oder Lipomatosis, auch 
Pimelosis oder Polysarcia), eine allzu reichliche, big 
ur Erzeugung krankhafter Erfheinungen und Be 
chwerden gejteigerte Anfammlung von Fett im gan 
ee. er Sri Fettleibigleit oder 
orpulenz, Obesitas, Lipomatosis universalis) 
oder in einzelnen Organen desſelben (partielle F., 
Lipomatosis — Geringere Grade der allge⸗ 
meinen Fettleibigleit werden als Embonpoint 
bezeichnet. Ein mäßiger Grad von Anfüllung des 
Be er mit Fett ih nichts Krant un fondern 
als Aufſpeicherung eines zur Lebensfriſtung brauch⸗ 
baren Materials und als ein Schuß gegen mancherlei 
mechan. und andere Schäblichteiten zu betrachten, 
Unter normalen Berhältnifjen beträgt das Fett bei 
einem männlihen Erwachſenen von mittlerer Größe 
den 20., bei dem weiblichen Geſchlecht hingegen den 
16. Zeil des gejamten Körpergemwichtd. Bei ber 
5. nimmt das Fett zunächſt an allen jenen Körper: 
tellen zu, wo ſich aud im normalen Zuftand Fett: 
gewebe findet, am ftärkiten unter der Haut, wo es 
eine 5—8 und mehr Gentimeter dide Schicht als 
jog. Fetthaut (f. d.) bildet, insbeſondere in der 
Bauchgegend (joe. Schmerbaud), an den Hüften 
und Oberſchenleln, an ven Fußſohlen und der weib⸗ 
liben Bruſt; aber au im Nes, im Gekroſe, in der 
Umgebung der Nieren, am Herzen, im Herzbeutel 
und im Innern der Leberzellen ſ. Settleber) fomwie 


t auf den 


614 


wifhen den Musteln und Mustelbündeln lagert 
ich bei Korpulenten Fett in übermäßiger Menge 
ab. Dagegen find mande Körperitellen auch bei 
den höchſten Graben von F. von der Fettablage— 
rung fajt gänzlich verjchont, fo die äußern Genita: 
lien, die Augenlider und Ohrmuſcheln. Fettfüchtige 
von ungewöhnlibem Gewicht finden fich zahlreich 
in der Litteratur verzeichnet, jo erwähnt Gräfe 
einen Holländer, der 503 Pfd. wog, und Wadd giebt 
das Gewicht eines von ihm gejehenen Fettfüchtigen 
gar auf 980 Pid. an. Am ve endjten iſt die Ju: 
nahme bes Korpergewichts beifettfüchtigen Kindern. 
So berichtet Barkbaufen von einem 1*/,jäbrigen 
Knaben mit einem Körpergewicht von 53 Pfp., Käft: 
ner von einem 4jäbrigen Mädchen mit 82 Pip., 
Weinberger von einem 5jährigen Knaben mit 189 
Pip., Cidenmape von einem 10jäbrigen Mädchen 
mit 219 Bfd., Regneller jogar von einem 11jährigen 
Mädchen mit 450 Pfd. Körpergewicht. 

Die Urfahen der allgemeinen %. find nicht 
immer binlänglic nachzuweiſen. In vielen Fällen 
beitebt obne —— eine erbliche Anlage zur re 
leibigleit, injofern in gewiſſen Familien alle Mit: 
glieder, unbeeinflußt von ihrer Lebensweife und 
ihrem Beruf, unter allen Umftänden abnorm fett: 
leibig werben, wahrſcheinlich infolge einer eigen: 
tümlıchen erblichen lutbeſchaffenheit, welche eine 
erböbte Fettinfiltration der Gewebe zur Folge —— 
Auch gewiſſe Nationalitäten, wie die Orientalen, 
Ungarn und Walachen, befigen eine ſolche Neigung 

u übermäßiger Korpulenz; Perſonen von ſchlaffer 
onſtitution und phlegmatiſchem Temperament, die 
8 orperlich und geiſtig wenig anſtrengen, zeichnen 
ich beſonders ere Neigung zu Früßgeitiger 
und übermäßiger Settleibigleit aus. Eine der häu- 
figiten Urſachen der F. liegt aber in der übermäßi- 
en Zufuhr von Nahrungsmitteln, insbefondere 
ebr fetter, zuderreiher und jebr ftärtemeblbaltiger 
Nahrungsmittel und alkoholiſcher Getränte, na: 
mentlich wenn fie mit ungenügender körperlicher Be: 
wegung, mit einem rubigen und beihaulichen Leben 
und vielem Schlafen verbunden ift. Das weibliche 
Geſchlecht ſcheint mehr als das männliche zu krant: 
vie Fettanfammlung geneigt zu fein, was zum 
eil in der Vorliebe der Frauen für fette und füße 
Speijen, in ihrer Neigung Rube zu pflegen und in 
dem bäufigern anhaltenden Siken, zum Teil aber 
auch in gemifien jeruellen Borgängen begründet ift; 
fo iſt es betannt, daß bei vielen rauen mit dem Auf: 
bören ver Geſchlechtsfunltionen eine größere Fett: 
entwidlung eintritt, und daß aud jüngere Frauen 
bei vaniederliegender Geſchlechtsthätigleit oft außer: 
ordentlich jchnell fettleibig werden. äbnlicher 
Weiſe begünftigt die Kaſtration de Mannes bei 
diejem die Entwidlung erceffiver Er 
Ber Säuglingen ift die F gewöhnlich die Folge 
von unzwedmäßiger Ernährung, namentlih von 
tiberfütterung mit mebligen Subſtanzen und andern 
ungeeigneten Milhjurrogaten. 
ie Beſchwerden, melde die F. verurjacht, 
können ſehr verfchiedener Art fein. Bei geringern 
Graben von are: dem jog. Embonpoint, 
ijt meift vollftändiges Woblbefinden vorhanden, und 
felbft bei erhebliherm Yeibesumfang empfinden 
mande ettleibige, abgejeben von einer gewiſſen 
Schwerfälligteit und Unbebolfenbeit bei den Bewe— 
gungen, nur wenig fubjeltive Beſchwerden. In den 
öbern Graden here ‚ bejonders wenn die F. fich 


auffallend jchnell entmidelte, jtellt fich eine Reibevon 


Fettſucht 


Störungen und Beſchwerden ein, welche das Leben 


direlt gefährden können. Gewöhnlich Hagen ſehr 


fettjüchtige Perſonen über große Muskelſchwäche, 
über quälende Kreuzichmerzen bei anbaltendem 
Geben, über erg zu übermäßigem Schwigen, 
u Rurzatmigleit, Bellemmung, windel und 
nfällen von beftigem Herzklopfen. Letztere Sym⸗ 
ptome jowie das nicht jeltene Ausfehen des Pulſes 
rühren meift davon ber, daß bei ſolchen Patienten 
das Herz von Fett umwachſen oder ſelbſt mehr oder 
weniger lettin entartet ift (j. Herzverfettung). Auch 
werben die Kranten bäufig von manderlei Ver: 
dauungsbeſchwerden (Appetitlofigkeit, Aufftoßen, 
Verftopfung, Hämorrhoidaltnoten u. dgl.) heim: 
ejucht, die in der "year ang ra des mit 
jan überladenen Nagendarmtanals, in der fettigen 
nfiltration der Leber und dadurch bevingten 
minderung der Gallenabfonderung (f. Fettleber), 
aber aud in Blutſtockungen im Pfort ebiet ihren 
Grumd haben. Daß endlich bei länger bejtebenver 
hochgradiger 3. aud die pfohiihen Funktionen 
mebr oder minder beeinträchtigt werben, indem ſich 
bei den meiſten Kranten eine große Unluft ei: 
ftiger Arbeit, eine auffallende Trägheit im Denken, 
er und Handeln bemerkbar mat, ift bin» 
län —* efannt und wohl hauptſächlich durch bie 
5 lutarmut bebingt, welche fait immer bei 
heben Graden von F. vorhanden ift. Auch begün: 
tigt —— Fettleibigleit die Entwidlung ge 
iwiller anderer Krankheiten, inäbefondere der Gicht, 
der Furunkuloſe und des Diabetes ſowie ber 
atheromatöfen Entartung der Arterien, welche leicht 
zum Gehirnſchlagfluß führt (f. Arterienentzündung). 

Aus dem eben Angeführten erhellt, daß jede 
hocarabige F., namentlich wenn fie auf einer erb⸗ 
ihen Anlage beruht, ala eine ernite Krankheit 
aufzufaflen tft, welche womöglich jhon in ibren 
frübern Stadien energiih befämpft werben muß. 
Freilich ift die Behandlung der F. in der Regel 
mit großen Schwierigkeiten verknupft, da es ge 
wöhn “ den Stranlten an der hierzu durdaus 
erforderlichen Ausdauer und Willensftärke gebricht. 
Mer zur F. neigt, muß jederzeit eine ftreng gere 
gelte Diät einhalten; er lebe nur mäßig * 
nieße möglichſt wenig fette, zuckerhaltige und jtä e 
meblreihe Nahrungsmittel (Mei ſpeiſen, Gebäde, 
Kartoffeln) und vermeide foviel als möglich, die 
altoboliihen Getränke. Am ftrengften in diejer 
Beziehung ift das nad dem Engländer Bantin 
benannte Rurverfabren egen orpulenz, welch 
in einem nabezu austh ießlichen Fleiſchregime 
mit vollſtändigem Vermeiden jeden Fettes beſteht 
(. Bantingkurj. 

So wirkſam auch die Bantingkur auf die Ver— 
minderung einer übermäßigen Fettanhaufung im 
Körper wirkt, jo darf fie dog nie auf zu lange Zeit 
angewendet werden, da I leıht Magen: und Darm» 
fatarrbe, Schwächegefühl und ernitere Ernährungs: 
ftörungen zur Folge haben kann. Aus diefem Grunde 
bat Ebftein eine neue biätetifche Kurmetbode gegen 
die F. angegeben, melde die allmäblihe Abnahme 
der überfhüffigen Fettuorräte des Körpers dadurch 
m erzwingen jucht, daß bie an ſich geringe täg- 
ihe Nabrungszufubr aus einer Mijhung von 
Eiweiß mit relativ reihli Fett und wenig Kohle⸗ 
hydraten beitebt (Ebfteind Entfettungstur). 
Das Fett foll hierbei die günjtige Wirkung baben, 
das Hunger: und Durjtgerühl zu vermindern und 
dadurch die Hauptaufgabe der Kur, die Beihrän- 


Fetttopf — etwa 


weſentlich zu erleihtern. Ebjtein geitattet 
feinen Kranken nur drei Mahlzeiten, worunter 
eine reichliche, und emo als ri Anhalt 
folgenden Speifezette er Sum gen bftüd Thee 
obne Zuder und —* 45 mit reichlich 
Butter; zu Mitta ppe — mit Knochen⸗ 
marf), 120180 g I“ mit fetter Sauce, mäßig 
Gemüfe (am beiten Leguminojen), etwas Salat 
oder friſches Obft, dazu 2—3 Gläfer leichten ne 
meins; des Abends ein Ei oder etwas fetten Bra⸗ 
ten, oder auch ——— oder Wurſt, oder Fiſch, 30 g 
Brot mit viel Butter. Da bie gemäbrte tägliche 
Nahrungsmenge eine ziemlich Inappe iſt, I kann 
die eben beichriebene Kurmethode t wohl eine 
Berminderung des Ric _. zur —— 

—— —— nach i —D———— en bei 
der Behandlung der DaB Hauptgewicht auf eine 
Beihräntung * Flüffigteitszufubr und verbieten 
—* —* Suppen und ya Getränk während der 

leßteres iſt erſt 1—1', Stunden nad 

Da heit eitattet. Örtel verorbnet aber au = 
eher Aufnahme von Eiweiß und geringe 

—— und —— — Der tägliche Diät ee 
nt: Zum Frübftüd eine Taſſe Kaffee oder 

mit — ne und 75 g zent u Mittag 

ejottened oder gebratened D J eiſch, 

— ‚ Wildbret oder nicht zu fettes Ge —* 
Salat ober leichtes Gemuſe u elieben, 25 

Brot oder zeitweile Meblipeifen (höchſtens bis J 

100 g); als Deſſert 100 g friſches Obſt — feine 

Suppen, kein Getränk; nachmittags Kaffee 

Zu des Abends 1—2 weiche Gier, 150 g Fleiſch 

Brot, allenfalld ein sr Salat oder 

81 als Getränt 7,—!, 1 Wein und vielleicht 

Is 1 Wafler dazu. 

"Neben Imedimäßiger Regulierung der Diät müj- 
—* — ſich durchaus hinreichende körper: 
iche Bewegung im Freien machen, die ſihende Le 
bensweiſe moglichſt vermeiden, nicht über 6—7 
Stunden ſchlafen, regelmäßt en und ergiebigen 
Stublgang jorgen und durch häu —— und 

gebörig tiefe — ihren —* moglichſt viel 
ra fe zuführen, deſſen der Körper zur Ber: 
brennung bes überjchü gi m detted unumgänglich 


gi der Rabrungszufubr auf ein möglichft nappes 


ae * häufi erner eine zweckmäßige, 
hrung des ötelapparatö und verjtärl: 
= eu und bamit Fettverbrauchs ee ielende 
paifive Gymnaftif ſowie längere * origeſetzte 
Maſſage zu empfehlen. —— gen jun — 
auen iſt die angemeſſene Regulierung der 
chlechtsfunltionen von groper ihtigleit. Ligent- 
iche .. find bei der ganz unnüß, 
namentlich ift der noch immer —34 beliebte Ge⸗ 
brauch der draſtiſchen Abführmittel (Aloe, Kolo⸗ 
quinten u. a.) ſowie ber Jodpräparate ganz ent: 
ſchieden zu wiberraten, ba durch fie die obnedies 
bei der , vorhandene Blutarmut und mäflerige 
Beicaflenheit des —— gewöhnlich ſehr raſch nur 
noch rg ei wird. Dagegen pflegen öfter wieder: 
bolte und —— ——* ſtets aber unter ärzt⸗ 
licher Kontrolle betriebene Brunnenkturen mit ge 
wiſſen allaliſch⸗ſaliniſchen Mineralmäfjern (Marien 
bad, Tarasp, Karlsbad, Kijfingen) und mit nad: 
folgendem Aufenthalt im Hochgebirge oder an ber 
See einen günftigen Einfluß auszuüben. 
Neuerdings ift zur Belämpfung der F. der inner: 
lihe Gebraud von tieriiher Schilvprüfe oder des 
daraus gewonnenen Thyreoidins vielfah verſucht 


615 


worden. Die entfettende Wirkung der Schilddruſen 
Sllen ei ftebt feft, doch ſcheint in einer Reihe von 

ällen eine gewiſſe Diät = eine erfolgreihe Kur 
nicht nur von Bedeutung, jondern direkt notwendig 
zu fein. Da gelegentli die Wirkung der Schild: 
drüfenpräparate auf den Körper zu ſchweren Ers 
(ik dern Thyreoidismus) Veranlaſſung giebt, 

o iſt der nicht ärztlich verordnete Gebrauch dringend 
zu widerraten. 

Bei jeder Entfettungskur iſt im allgemeinen ein 

ne chneller Fettverluft zu 

t Mattigleit, * “ren Dbnmadtsanfälle, 
Neroofität u. f. w fen werben können. 
Mande Fettleibige aim en ihrer Blutarmut 
neben der Entfettungstur: au blutverbejlernde 
Mittel (Eifen, ae f. mw.) gebrauchen. 

Bol. 3. Vogel, Korpulenz * e Urſachen, Bers 
bütung und Heilung (22. Aufl, erl. 1897); Kiſch, 
Die Fettleibigleit (Stuttg. 1888); derſ., Tiih für 
—* Karlsb. 1892); derſ., Die Kur der fett: 
eibigkeit in Marienbad (3. Aufl. "Marienbad 1895); 
Ebftein, Die Fettleibigteit und i re Behandlung nad 
pbyfiol. Grundfägen (7. Au — 1886); 
Schmweninger und Buzzi, Die F. (RB ien 1894); Brouft 
und Mattbieu, L’'hygiene de l’oböse (Bar. 1897); 
von Noorden, Die 5 (Wien 1900); Kiih, Ent 
— (Berl. 1900); Leber, die F. hang, 

ur ‚\. —— — 
erbiudungen e rper, Fett— 
reihe, aliphatiſche Rei ———— 
die große aſſe organifher Verbindungen 
I vom Methan oder Sumpfgas, CH,, Vurd & 
jebung ber Waſſerſtoffatome ableiten a lien; Fett⸗ 
törper heißen fie, weil die Jette und die aus ihnen 
erhältlichen Verbindungen hierher gebören. Dieje 
zum. — alle Verbindungen mit ſog. offe⸗ 
hlen mn, Den Gegenjas bilden bie 
Meomatiihen. an (1. d.)._Dieje leiten 
fih in gleicher ee e vom Benzol, C,H,, ab, in 
dem die Koblenftofjatome ring örmig angeorbnet 
find. Dieje Einteilung läßt ſich nicht mit volllom⸗ 
mener Strenge durchfuhren, da Übergänge von 
einer Reihe zur andern vorlommen, auch gemijchte 
Verbindungen erijtieren und eine große bl von 
Subjtanzen weder zur einen nod zur andern Klaſſe 
in in Beriehung fteben. — zeigen ſich bei den 
hen weſentliche Verſchiedenheiten. Wäh⸗ 
on die a von Salpeterjäure entweder nur ſchwer 
angegriffen oder orgdiert werden, geben die aromatis 
ſchen Berbindungen Nitroderivate. Die konzentrierte 
Schweieljäure ie auf die einfachern F. meift ohne 
ra während aromatijhe in Sulfojäuren 
übergeführt werden. Die aromatiihen Halogen- 
verbinbungen balten das Halogen feiter, find aljo 
weniger realtionsfäbig, die Hydrorylverivate der 
aromatijchen Reihe (Mhenole) find von ftärfer faurer 
Natur ald die entiprechenden fetten Verbindungen 
(die Alkohole). Diazoverbindungen (f. d.) find bei 
den F. von anderm Ebaralter al3 bei den aromas 


tiihen Verbindun 1 
ttvogel, i Juacaro und Tafel: * hän⸗ 
ettwachs, ſ. Adipocire. ig. 3. 
ettwaren, die aus Nett RER oder aus 


— dargeitellten Handelsartitel, jo Ol, Schmalz, 
utter 
Fettſchabe. 


gem t Sihänkier € Schmetterling, ſ. 


a (arab.), das Gutadten des Mufti (f. d.), 
das einigermaßen ben responsa prudentum der 


u vermeiden, weil dadurch 


616 
röm. Rechtspflege entſpricht. In Anbetracht aber, 
daß der Mufti ala Vertreter des religiöjen Geſetzes, 


Scher'i⸗ſcherif, redet, hat jein Ausſpruch unbedingte 
Gejepeötraft und muß von dem rechtiprechenden 
Kadi (j. d.) berüdfichtigt werden. Daher wird F. in 
den civilifierten Ländern Europas für eine an- 
ipruchsvoll auftretende Behauptung gebraudit. 

Feucheres (jpr. jöihähr), Baronin, Geliebte des 
Prinzen Ludwig Heinrih Joſeph von Eonde (j.d.). 

Feuchteröleben, Ernſt, Freiherr von, Arzt, 
Dichter und Philoſoph, geb. 29. April 1806 in 
Wien, erbielt feine Bildung auf der Thereſianiſchen 
Nitterafademie und widmete ſich jeit 1825 mediz. 
Studien. 1845 wurde er Delan der mediz. Fakultät 
zu Wien, 1847 Vicedireftor der mebdiz.« hirurg. 
Studien. Im Juli 1848 als Unterjtaatöjelretär in 
das Minifterium des Unterrichts berufen, trat F. 
ſchon im Dez. 1848 wieder ins Privatleben zurüd. 
Gr ftarb 3. Sept. 1849. F. war nidt nur ein 
vieljeitig gebildeter und erg Arzt, fon: 
dern auch ein mit lebensfriihem Humor begabter 
Dicter, ein Schriftfteller von durchaus idealer 
Lebens: und Kunſtauffaſſung. Er ſchrieb «Über das 
Hippofratifche erfte Buch von der Diät» (Wien 1835), 
«Die Gewißheit und Würde der Heiltunjt» (ebd. 
1839; neue Ausg. u.d.T. «Arzte und Bublitum», 
1848) und das trefflihe «Lehrbuch der ärztlichen 
Seelentunde» (ebd. 1845). Seine Gabe, den Ernit 
der Wiſſenſchaft in anziebende Form zu fleiden, 
betundete er vor allem in der für weitere Lejerfreife 
beftimmten Schrift «Zur Diätetit der Seele» (Mien 
1838; neu bg. in Reclams «Univerjalbibliothet»). 
Der Sinn für Poeſie fand während feiner Studien: 
jabre im Verkehr mit den bedeutenditen djterr. Did): 
tern jener Zeit Bildung und Anregung. Anfangs 
verfuchte er ſich vorzugsweiſe in der Lyrik. In reis 
ern Fahren trieb es ibn, feine Beobadhtungen und 

nfihten über Leben, Kunft und Natur in poet. 
«Lebensblättern», «Ronfejfionen» und «Refultaten» 
auszuſprechen. Bon feinen « Gebidhten» (Stuttg. 
1836) ift «E8 ift bejtimmt in Gottes Rat» zum Volks⸗ 
lied geworden. F.s «Sämtlihe Werte. Mit Aus: 
ſchluß der rein mebizinifhen» hat Hebbel (7 Bde., 
Wien 1851—53) herausgegeben. 

Feuchtigkeit, im allgemeinen der Zuftand eines 
mit einer tropfbaren Flüffigleit benegten oder ge: 
träntten Stoff3. In der Mont und Deteorologie 
verſteht man darunter die Wajjerdampfverhältnifle 
der Atmojphäre. Man unterjheidet abjolute und 
relative 2 Erſtere wird beftimmt dur die in 
1 cbm der Yuft enthaltene Menge Waſſerdampf (in 
Grammen); legtere ift das Verhältnis der abjoluten 
F. zu der Menge Waſſerdampf, die die Luft bei glei: 
——— und gleicher Temperatur überhaupt (im 

arimum) aufnehmen könnte. (S. Luftfeuchtigkeit.) 

chtigfeitömeffer, j. Hygrometer. 

chtwangen. 1) Bezirksamt im bayr. Reg. 
Bez. Mittelfranken, bat 453,21 qkm, (1900) 25898 
(12344 männl., 13554 weibl.) E. in 51 Gemeinden, 
darunter 3 Städte. — 2) Bezirksſtadt im Bezirke: 
amt F., 28 km im SW. von Ansbach, an der zur 
Wörnig fließenden Sulzach und an der Nebenlinie 
Dombübl:Nördlingen ver Bayr. Staatsbahnen, Sig 
des Bezirlsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht 
Ansbach), Rent: und Foritamtes, bat (1900) 2385 
E., darunter 178 Katholilen und 83 Söraeliten, 
(1905) 2428 E., Pojterpedition, Telegraph, Spar: 
laſſe, drei Kirchen, eine lat. Schule; Leinen, Woll:, 
Damajtfabritation, Sandjteinbrüde. 


Feucheres — Feudalismus 


Feudãl (von Feodum, ſ. d.), auf das Lehnsweſen 
bezüglid; dann in weiterm Sinne: nad Erhaltung 
der Vorrechte des Adels und der —* Stände im 
modernen Staat jtrebend; auch gleihbedeutend mit 
reaktionär. — Feudalberrihaft, die Herrſchaft 
des Lehnsweſens. 

eudalismus, Feudalweſen, Feudal— 
ſyſtem, diejenige Organiſation der Staatsgewalt, 
bei welcher die ſtaatlichen Hoheitsrechte (Gerichts⸗ 
barkeit, Polizei, Militärgewalt, Münz: und Zoll—⸗ 
einheit u. ſ. w.) den Gegenſtand von Lehnen, d. h. 
nicht willkürlich entziehbarer, vererblicher privat⸗ 
rechtlicher Nutzungsrechte der Unterthanen bilden, 
die Staatsgewalt alſo —— und ihre Spitze 
außerordentlich geihwädht ift. Der $ war das in 
Deutihland vom 12. bis 15. Jahrh. berrichende, 
im Verhältnis der Landesherren zum Kaifer nomi: 
nell bis zum Ausgang des Reichs fortbauernde 
Spitem ftaatliher Organifation. Es war bier be: 
ſonders ſtark no dadurch ausgeprägt, daß der 
König (durh Ausfterben, Felonie oder jonjtwie) 
beimgefallene Fürjtenlehn binnen Jahr und Tag 
wieder verleiben mußte, aljo nicht ſelbſt bebalten 
tonnte, Im einzelnen war die feudale Staatsauf: 
—— des —8* Mittelalters dieſe. Kirche und 
eich bilden eine große, die ganze Chriſtenheit 
umſpannende Gemeinſchaft, an deren Spitze auf 
der einen Seite der Papſt, auf der andern Seite 
der Kaiſer ſtand, ohne daß die von dem Papſt an⸗ 
geſtrebte Unterwerfung des Kaiſers unter ſeine Ge 
walt zur allgemeinen Anerkennung gelommen wäre, 
Bapit und Kaifer haben ihre Gewalt von Gott, von 
ihnen herunter wird jede Gewalt als eine von dem 
Höbern an den Niedern verliehene ausgeübt, fie ift 
regelmäßig, wenn ſchon nicht durchgehends, in ben 
Formen der Belehnung übertragen. Das Lehn kann 
nur wegen Felonie d.) abgefproden werden; 
denn den Höhern und Niedern bindet ein Berhältnis 
wechſelſeitiger Treue, melde in einer Stujenfolge 
böbern und niedern Beburtsftandes die ganze Na: 
tion umſchlingt. Auch das Grundeigentum wird 
in Verbindung mit perjönlihen Verpflichtungen 
gegen ven Lehnsherrn (3. B. Ritterdienjten, Hof: 
bieniten und Abgaben) und mit nußbaren Rechten 
und Gemalten, die wir heute als öͤffentlich-recht⸗ 
lih anfeben, vielfadh in den Formen der Belebnun 
übertragen, fo daß es als nußbares Eigentum dureh 
das Obereigentum des Lehnsherrn eingefhräntt iſt. 
2 nad der volllommenen Idee des F. ftebt dem 
dnig das Dbereigentum an allem Lande feines 
Reichs zu (Bodenregal; franz. nulle terre sans seig- 
neur), eine Idee, welche in England von Wilhelm 
dem Eroberer mit äußerjter ——— durchgeführt 
wurde. Der Vaſall hatte wieder ſeine Untervaſallen; 
jener aber ſeine hörigen Bauern, die mit ſchweren 
Fronen dienten. Der F. verlor an Bedeutung, als 
das Schießpulver erfunden war, die Feuerwaffen an⸗ 
gewendet wurden und an die Stelle der Ritter und 
ibres Dienjtes im Mittelalter ver Militärdienft und 
die Heere der neuen Zeit traten. Der F. hatte jeinen 
idealen Gehalt und einen großen Teil feines innern 
Beitandes verloren, nur die den Bauernitand be 
drüdenden Feudallajten waren geblieben. Der Ber: 
ſuch, ſich derjelben gewaltſam zu entledigen, war 
im Bauerntriege (ſ. d.) niedergejchlagen worden; 
erſt die neuere Geſetzgebung bat auch dieſe auf recht: 
lichem Wege bejeitigt. (S. auch Agrargejekgebung, 
Grundeigentum und Lehnsweſen.) Staatsrechtlich 
bildet der F. den direften Gegenfas zur Theorie der 


Feudaliſt — Feuerbach (Marktfleden) 


Vollsſouveränität; denn ausgeſchloſſen iſt bei ihm, 
daß die Gewalt im Auftrag derer geübt wird, welche 
elben unterworfen ſind. 
eudaliſt, Kenner des Feudalrechts (auch Feu⸗ 
diſt genannt); Anhänger des Feudalismus. 
älpartei, die Verfechter des Lehnsſtaates 
(j. eudalismus) und der Bevorrehtung des Adels. 
alftände, Landjtände, welche ſich kraft 
eigenen Rechts vertreten. So in Medlenburg die 
———— und die durch ihre —— 
vertretenen Städte. Auf dieſem Princip beruht es, 
dab in Sachſen, in Württemberg und im Groß: 
erzogtum Hefjen die Standeöberren, denen bie 
itgliedſchaft ın der Erften Kammer zuftebt, ihr 
Stimmrebt durch Stellvertreter ausüben können. 
eudalſyſtem, Feudalweſen, ſ. Feudaliss 
. Erblehne. mus, 
eudenheim, Dorf im bad, Kreis und Amts: 
bezirt Mannheim, mit Dampfitraßenbahn (4,5 km) 
nab Mannbeim, bat (1900) 4489 €., darunter 1533 
Katholiten und 71 Israeliten, (1905) 5007 E., Poſt⸗ 
agentur, Telegrapb, evang. und kath. Kirche, Dar: 
lebnstafjenverein: Cigarrenfabrit und Tabalbau. 
tft, ſoviel wie Feudaliſt (f. d.). 
Feudum (mittellat.), das Zehn, ſ. Feodum; F. 
femininum, Weiberlebn (f. d.). — 
„jede Erſcheinung, bei der gleichzeitig eine 
kräftige Wärme: und Lihtentwidlung auftritt. Das 
5. tft weder ein eigenes Clement, wie die Alten 
meinten, noch entipringt es aus der Verbindung 
der Hörper mit einem —— Stoffe, Phlo⸗ 
giſton genannt, wie die ältere Chemie bis auf La- 
voifier annahm (jf. —e—* Chemie), ſondern 
es tritt meiſt bei ſehr energiſchen chem. Prozeſſen 
(f. Verbrennung) oder Ru auch bei phyſik. Vor: 
ängen 6 B. beim eleltriſchen Glühlicht im Luft: 
eren Raum) als begleitende cheinung auf. 
Feſte und flüſſige Körper, welche die Erſcheinung 
des F. zeigen, nennt man glühend, oder man 
ent: fie find in Glut; feurige Gafe bilden eine 
amme (j.d.). Es giebt er eigentümliche Licht: 
eriheinungen ohne bevdeutendere Wärmeentwid: 
Ems (1. Phosphorescen;). Man benußt das F. ſo⸗ 
wohl ald Lichtquelle, wie ald Wärmequelle. Die 
Materialien zur Erzeugung von F. find die Leudht: 
ftoffe (ſ. d.) und die Heizmaterialien (f. d.). Zur 
ung des F. dienen die Feuerzeuge (1. d und 
Feueranzunder —* — Sat iges F. ift ſoviel 





wie Phoniziſches Feuer (ſ. d); über Bengaliſches 
Feuer ſed. — Über die Verehrung des F. als reli⸗ 
idfen Brauch ſ. Feuerdienſt. ge Verhütung von 
Beuers gefahr verbietet das Deutjche Strafgeſetz⸗ 
ud $. 368 unter 5, 6, 7 bei Gelvitrafe bis 60 M. 
ober Haftitrafe bis 14 Tagen Scheunen, Ställe, 
Böden oder andere zur Aufbewahrung feuerfangen: 
der Sachen dienende Räume mit unverwahrtem F. 
oder Licht zu betreten oder fich denſelben mit unver: 
wahrtem F. oder Licht zu nähern; auch an gefähr- 
lihen Stellen in Wäldern oder Heiden oder in ge 
fährliher Nähe von Gebäuden oder feuerfangenden 
Sachen F. anzuzünden, in gefährlicher Näbe von 
Gebäuden oder feuerfangenden Sachen mit Feuer: 
geweht zu ſchießen oder Feuerwerk abzubrennen, 
ber die Beitrafung der Brandftiftung h d. 
eralarım, der Aufruf der zur Loͤſchung eines 
Schabdenjeuers nad der Entdedung desjelben erfor: 
derlichen Feuerwehrkräfte. Derjelbe erfolgt in Heinen 
Oriſchaften durh den Feuerruf oder durh Ans 
fhlagen einer Feuerglode oder burh Sturm: 


617 


läuten, in Induftriegebieten durch Dampfpfei: 
fen oder Nebelbornrufe, in Gebirgsgegenden 
duch Kanonen» oder Böllerſchüſſe nah be 
jtimmter Vorſchrift. Diefe Hauptalarmzeichen wer: 
den unterftüßt dur Signale mitteld Horns und 
Alarmbupe (Alarmtrommel), welde in den 
Straßen feitens der Tages: und Nachtpolizei oder 
———————— abgegeben werden. In großen 
täbten bedient man ſich des Feuertelegrapben (ſ. d.) 
oder Fernſprechers zur Feuermeldung und Alarmie⸗ 
rung. Die Alarm⸗-(Feuer-) bereitſchaft ift der 
für ein geregeltes Löjchwejen geforderte jchlagfertige 
uſtand ber Feuerwehr, welcher e8 ermöglicht, eine 
eingehende Feuermeldung fofort in Empfang zu 
nebmen und die geforderte Loͤſchhilfe ſchnell auf dem 
Brandplage zu leijten. Den hochſten Grad von Feuer: 
bereitſchaft und Schlagfertigfeit bejigt vermöge ihrer 
Drganijation die Berufäfeuerwehr ( f erive 
und Feuerloſchweſen); heit im ftande, bereits bis 
2 Minuten nah Eingang der yeuermeldung abzu- 
rüden und unter Benugung guter Aene in fürs 
zeiter Zeit auf der Brandftelle zu erjcheinen, dort 
aber mit eingeübten Mannſchaften und guten Ge 
räten nad einem taktiſch und techniſch richtigen Plan 
das Feuer anzugreifen und zu befämpfen. 
eranbeter, j. Feuerdienſt. 
eueranzünder, im allgemeinen leicht brenn⸗ 
bare Stoffe, die zur fchnellen und leichten Ent: 
zündung der Heizftoffe in Öfen und fonjtigen Feue— 
rungsanlagen dienen. Gebräudliche F. find Hobel: 
päne, Bapier, Strob, Kienipäne u. j. w. Hobel 
päne, mit Teer und Pech getränkt, werden oft durch 
lebten und Zufammenrollen zu Heinen Cylindern 
—— verarbeitet. ÄAhnlich ſind die aus mäßig 
langen, in ———— Terpentin u. ſ. w. getauchten 
und zu Bündeln vereinigten Holzſtäbchen; dieſe 
Bündel werben mit einer Schicht trodnen Holzes 
und einer Lage Harz umgeben, um die Ausdunſtung 
der zum Imprägnieren verwendeten Ylüffigleit zu 
hindern. Andere F. bejteben aus pulverförmigen 
vegetabiliihen Subjtanzen, die, unter hohem Drud 
zujammengepreßt, mit Kohlenwaſſerſtoffdämpfen im: 
prägniert und jchließlib, um die VBerflüchtigung der 
Dümpfe zu hindern, mit einer Schicht Harz überzogen 
werden. %., deren Hauptbeftandteil wiederholt ver: 
wendet werden fann, find meift boble oder poröje 
Körper aus feuerbejtändigem Material, die mit leicht 
entzündlichen Stofien (Betroleum) angefüllt werben. 
euerart, die Art und Weiſe des Feuerns —* 
tender Truppen. Das Infanteriefeuer wird ab⸗ 
—— als Salve, d. h. gleichzeitiges Feuern einer 
bteilung auf Kommando, over als Schützenfeuer. 
Durch die Salve wird die Truppe am ſicherſten in 
der Hand behalten; da jedoch im Gefechtslärm die 
Kommandoſtimme ſich nur —— geltend 
macht, bleibt die Anwendung der Salven im deut: 
jhen Heere auf Ausnahmefälle beihräntt, während 
in Ofterreih « Ungarn und rantreidy die Salve 
bäufig angewendet wird. Meiſt wird das euer als 
Schükenfeuer abgegeben, bei dem die Leitung 
nur die Abſtufung der Lebbaftigleit des Feuers bes 
ftimmt (langfames Feuer, lebhaftes Feuer, Schnell» 
feuer), während die Abgabe jedes einzelnen Schufies 
dem einzelnen Schüßen überlafien bleibt. 
— ſ. Feuerverſicherung. 
euerbach, Marttileden im Oberamt Stutt— 
art des württemb. Nedarfreijes, 4km im NW. von 
Stuttgart, an den Linien Stuttgart » Bretten und 
Stuttgart:Calw der Württemb. Staatöbahnen, hat 


618 


(1900) 9052 €., darunter 603 Ratboliten, (1905) 
11523 €., Bot, Telegrapb, Gasanftalt; Fabrikation 
von Ehemilalien (30 Fabriten), Buch⸗ und Stein: 
drudiarben, Dachpappe und Asphaltprodukten (2), 
Preßhefe, Lad, Sprit, Degras, Wagenfett, Fett: 
laugenmehl, Brechweinſtein, Kupferwaren, Müllerei: 
maschinen, Stüblen, Bapier, zwei Brauereien, Stein: 
brüde, Ader: und Weinbau, Baumſchulen. 
Feuerbach, Anjelm von, Hiftorienmaler, Sobn 
des Archäologen Anjelm %., geb. 12. Sept. 1829 in 
Speyer, erbielt feit 1836 feine wiſſenſchaftliche Vor: 
bildung auf dem Lyceum zu Freiburg und begann 
dann 1846 unter F. W. von Ehabow feine Studien 
an der Düfjeldorfer Alademie, die er feit 1848 in 
Münden unter Rabl fortjegte. Nach kurzem Aufent- 
balt in Antwerpen bejudte er 1850 Paris, wo 
Couture groben Einfluß auf ihn hatte, ihn aber auch 
Ingres' Werte lebhaft intereifierten. 1852 trat er 
zuerjt mit dem Gemälde: Hafis in ber Schente hervor, 
u te 1853 Karlsruhe zu feinem Aufenthalt und 
malte dafelbit ven Tod des Nretino (1854), ein 
Wert, das fomohl den Einfluß Couture wie den 
der Venetianer aufmeift, aber auch feine Neigung 
für kalte, trodne und graue Töne verrät. Während 
eined Aufenthalts in Venedig fopierte er 1855 
Tizians Affunta meifterbaft, ferner entitand feine 
Figur der Poeſie (beide Bilder in der Galerie 
u Rarlörube). Seit 1856 lebte 3. längere Zeit in 
Rom, wo er die großen Cinquecentiften mit Be: 
geifterung ftudierte. Sein erſtes Merk in diejer 
neuen Richtung ift das 1858 vollendete Bild: Dante 
mit edeln frauen zu Ravenna luftwandelnd, ein Wert 
fo eigenartig in jeinem Geiſte wie in der Erfchei: 
nung, daß die Karläruber Galeriedireltion, freilich 
ver eblich, genen feine Aufitellung proteftierte. 1860 
entjtand die Madonna mit dem Kinde von mufis 
ierenden Engeln umgeben (Galerie zu Dresden). 
nfang der ſechziger Jahre trat F. zu dem kunſt⸗ 
—— Freiherrn von Schack in Münden in nähere 
! —— als deren Ergebnis eine Reihe wert: 
voller, in deflen Galerie bewahrter Schöpfungen zu 
betrachten find. N erfter Linie find von diejen zu 
nennen: bie ergreifende Bietä (1863), Nymphe von 
mufizierenden Kindern belauiht, Francesca da 
Rimini (1864), Hafis am Brunnen (f. Tafel: 
Deutſche Kunft VIII, Fig. 7), Mutter mit ihren 
Kindern am Brunnen (1866); dann Ariofto mit 
vornehmen Damen im Part zu Ferrara. Das Gaſt⸗ 
mahl des Platon, ein Stoff, der den Künſtler 
lebbaft fejlelte, entwarf er 1867 in feiner erjten Ge: 
ſtalt (neuerdings in die Galerie zu Karlsruhe ge 
langt). Die zweite Darftellung diefes Vorwurfs in 
aropen Verbältniffen erfolgte 1873 (Berliner Na: 
ttonalgalerie). 1869 malte er Orpheus und Eury⸗ 
dite (Privatbefik in Zürich). 1870—71 entjtanden 
unter anderm: Medeas Abichied (Entwurf von 1869 
in der Berliner Nationalgalerie, Ausführung von 
1870 in der Neuen Pinakothek in Münden), Das 
Urteil des Paris (Hamburger Runftballe), Ipbigenia 
(Galerie zu Stuttgart). In diefen Werfen batte 5. 
feinen Höbepuntt erreicht. Die Amazonenſchlacht (der 
Entwurf von 1870—71 in der Berliner National: 
galerie, Ausführung von 1878) zeigt bereits jene 
nefteigerte Formenfprace, die namentlich das große 
Dedenbilo: ——— (Slizze von 1875 in der 
Neuen Pinakothek zu Münden, Ausfübrung von 
1879 in der Akademie zu Wien), beberricht. 1873 
—77 Brofeflor an der Wiener Nlademie, wandte 
jih der Künjtler 1877 nah Venedig, mo er das 


Feuerbach (Anjelm von) — Feuerbach (Ludwig) 


MWandgemälve: Kaiſer Ludwig der Bayer in Nürn- 
berg, für den Nürnberger Juftizpalaft malte und 
1878 noch Das Konzert (Berliner Nationalgalerie) 
ihuf. F. itarb 4. Jan, 1880 in Venedig. Ein Selbit: 
porträt 5.3 it eit 1898 in der Berliner National» 
galerie. — Bol. A. F. Ein Vermächtnis (5. Aufl. Wien 
1902); Allgeyer, . Sein Leben und jeine Kunft 
(Bamb, 1894); von Djtini, Anjelm F. Munch. 1902). 
Feuerbach, Ludwig, Philoſoph, vierter Sobn 
des Kriminaliften Baul Joh. Anjelm von 5., geb. 
28. Juli 1804 zu Landshut, ftudierte jeit 1822 in 
Heidelberg unter Paulus und Daub Theologie. Um 
Hegel zu hören, ging er 1824 nach Berlin, mo er fi 
ganz der Philoſophie zumandte. Er habilitierte ſich 
1828 in Erlangen mit der Schrift «De ratione una, 
universali, infinita» (Erlangen 1828) ald Privat» 
docent, 309 ſich jedoch 1832 vom Katheder zurüch, weil 
die Autorſchaft der anonymen Schrift: «Gedanlen 
über Tod und Unfterblichkeit» (Nürnb. 1830; 3. Aufl., 
Lpz. 1876), in weldyer er —— a ohne —** 
feit von der Hegelſchen Lehre, aber doch ſchon 
—— Denter mit der Belämpfung des Uns 
terblichleitsglaubens auftrat, ihm jeden Fortſchritt 
in der alademifhen Laufbahn verjhloß. Hierauf 
og er ſich zuerft nach Ansbach, 1836 auf das nahe⸗ 
ei gelegene Schloß Brudberg zurüd, bis ihn 1860 
Bermögensverlufte beftimmten, auf den Rechenberg 
bei Nürnberg überzufiedeln. Erftarb 13. Sept. 1872. 
In fine eriten Schriften: «Geſchichte der neuern 
._ opbie von Bacon von V m bis Spinoza» 
(Ansb. 1833) —— der neuern mn ie 
Darftellung, Entwi lung und Kritik der Leibnizſchen 
Vhilofophie» (ebd. 1837), «Pierre Bayle, nad feinen 
für die Geſchichte der Philofophie und Menſchheit 
interefianteiten Momenten» (ebd. 1838), erwies ſich 
. ald Meifter der gejbichtlihen Foribung; die 
este Schrift zeigt bereits je eigenes Denken im 
vollen Gegenſatze zu jeder theol. Tendenz der Philo⸗ 
pbie, und in biefer Richtung gewann F. in dem 
erte «tiber Philoſophie und rien, in Be: 
ziehung auf den ber Kr bilofopbie ge 
madten Borwurf der Undriftlichleit» (Mannb. 
1839) —— volle Selbſtändigleit zunachſt der Hegel⸗ 
ſchen Schule, ſodann aber auch dem Meifter ſelbſt 
egenüber, von dem ihn das Bedürfnis voraus: 
ee Raturertenntnis trennte. Im Mittel: 
puntte feines Interefjes fteht das Problem der Reli⸗ 
gion. F. ift der fonfequente Vertreter einer rein ans 
thropol. Theorie, die, von dem Gedanten ausgehend, 
daß der Menſch in feiner Gottesvorftellung nur 
feinen eigenen idealifierten Gatungsbegi ans 
ſchaut und im Glauben für wirklich hält, eine pſychol. 
Grllärung des religidjen Lebens zu geben verjudt. 
Diefe Gedanten vertreten feine Hauptwerle: «Das 
Weſen des Chriftentums» (Lpz. 1841; 4. Aufl. 1883) 
und «Das Weſen der Religion» (2. Aufl., ebd. 1849); 
fie wurden von ihm im Winter 1848—49 in Heidel- 
berg vor einer Anzahl von Bürgern und Studenten 
vorgetragen und u. d. T. «Borlefungen über das 
Weſen der Religion» (ebd. 1851) aud in die Werte 
aufgenommen; fie fanden endlich —— Be⸗ 
ftätigungen mannigfacher Art in ſeiner «Theogonie 
nad den Quellen des llaſſiſchen, bebr. und chriſtl. 
Altertums» (ebd. 1857; 2. Aufl. 1866). Inzwiſchen 
entfremdete er ſich der metapbyfiihen Spelulation 
immer mebr und führte immer jhärfer die jenjualijti- 
ſchen Anſichten durd, die er bereit3 in jeinen 
«Örundjäßen der Philofopbie der Zutunft» (Zür. 
1843) ausgeſprochen hatte, wonad die Philoſophie 


Feuerbach (Paul Joh. Anjelm, Ritter von) 


nur als die Lehre vom ſinnlich Gegebenen aufgefaßt 
wird. Später wendete er ſich etbiihen und jocialen 
Broblemen zu, wie jeine Schrift «Gottheit, Freiheit 
und Unfterblichteit vom Standpuntte der Anthros 
pologie» (Lpz. 1866; 2. Aufl. 1890) und fein nad: 
gelaſſenes Brucdftüd der «Moralpbilojopbie» be 
weifen, we: x jedoch auch bier zum religiöfen und 
polit. Radilalismus. Seinen «Sämtlihen Werten» 
(10 Bde, Epz. 1845—66; einzelne Bände öfter auf- 
gelegt) ſchließt fih Karl Grüns Wert «Ludwig F., 
in feinem Briefwechfel und Nachlaſſe ſowie in feiner 
pbilof. Charakterentwidlung dargeftellt» (2 Bde., 
ebd. 1874) an. — Bol. Beyer, Leben und Geift Lud⸗ 
wig 5.3 (2. Aufl, Lpz. 1873); EN. Starde, Lud⸗ 
mwig F. (Stuttg. 1885); Engels, —2 F. und 
der Ausgang der klaſſiſchen deutſchen Philoſophie 
2. Aufl. ebd. 1895); Bolin, Ludwig F. ſein Wir: 
en und ſeine Zeitgenoſſen (ebd. 1891); Kronenberg, 
Movderne Philoſophen (Münd. 1898). 

Feuerbach, Paul Joh. Anjelm, Ritter von, 
Kriminalift, geb. 14. Nov. 1775 zu Hainichen bei 
Sena, befuchte das Gymnafium zu Frankfurt und 
widmete jich feit 1792 auf der Univerfität zu Jena 
jurift. und philof. Studien. Er war ein Schüler 
Reinholds, und feine erſten litterar. Verſuche be- 
trafen die kritiſche Philoſophie. 1799 begann er 
alademiſche Borlefungen in Jena und erhielt 1801 
dafelbit eine ord, Profefjur, die er 1802 mit einer 
ſolchen in Kiel vertauſchte. 1804 ging F. an bie 
Univerfität nah Landshut, fiedelte aber, mit der 
Ausarbeitung des Entwurfs zu einem bayr. Kri— 
minalgejeßbuc beauftragt, 1805 nad Münden über, 
wo er 1808 geadelt wurde. Seit 1814 wirkte er erſt 
als zweiter Bräfident des Appellationägerichts ir 
Bamberg, jeit 1817 als erſter Präſident des Appel: 
lationdgerichts für den Rezatkreis zu Ansbach. 1821 
wurde er zum Wirll. Staatsrat beförbert. F. ftarb 
29, Mai 1833 zu Frankfurt a, M. Unter feinen 
pbilof. Schriften ragt namentlich hervor die «Kritil 
des natürlichen Rechts ald Propädeutik zu einer 
Wiſſenſchaft der natürlihen Rebtes (Altona 1796). 
Es folgten « Anti⸗Hobbes, oder über die Grenzen 
der hochſten Gewalt» (Gieh. 1798) und «Philoſ.⸗ 
juriſt. Unterfuchung über das Verbrechen des Hoc: 
verrats» (Erfurt 1798). 

Eine hervorragende Stelle in der Geſchichte der 
Krimin —— nimmt F. als Begründer einer 
neuen Strafrechtätheorie, der ſog. pſychol. Zwangs⸗ 
oder der Abjchredungstbeorie, ein. Nachdem er dieſe 
zuerjt in der Schrift «Mevifion der Grundfäße und 
Grundbegriffe des peinlihen Rechts» (2 Tle., Er: 
furt 1799 und Chemnik 1800), und der von ibm, 
Grolman und von Almendingen herausgegebenen 
«Bibliotbet für die peinlihe Redhtäwirienicaft» 
(Herborn und Gött.1798 fg.) angebahnt batte, führte 
er fie in feinem berühmten «Lehrbuch des gemeinen, 
in Deutichland geltenden peinlichen Rechts» (Gieß. 
1800; 14, Aufl. von Mittermaier, ebd. 1847) ſyſte⸗ 
matiſch durch. Bon feinen Arbeiten im Fach der 
Gejepgebung iſt, außer dem «Strafgeſetzbuch für 
das Königreich Bayern» (Münd. 1813 u. 3 Bde., 
1819— 21), das 1813 zur Einführung in Bayern 
gelangte und aud in einigen andern deutſchen 

taaten angenommen wurde, nod zu erwähnen bie 
Umarbeitung des Code Napoléon zu einem allge: 
meinen bürgerlichen Geiegbuch für —— welche 
er 1807 auf königl. Befehl unternahm, die aber nicht 
in Wirkfamleit trat. 5.83 «Betrahtungen über das 
Geihworenengericht» (Yandsb. 1813), in denen er 


619 


bie franz. Jury verwarf, riefen viele Schriften für 
und wider hervor. F. erklärte ſich unbedingt für 
Offentlichleit und Mündlichkeit der Gerechtigteitd: 
pflege in den Schriften «Betrachtungen über Offent⸗ 
lichfeit und Mundlichkeit der Gerechtigteitspflege» 
(Gieß. 1821) und «Über die Gerichtöverfaffung und 
das gerichtliche Verfahren Frankreichs» (ebd. 1825). 
Als Bere Braftiter jeiot 1% ‚in den «Mert: 
würdigen Kriminalrechtöfällen» (2 Bde., Gieß. 1808 
—11; 3. Aufl., ebd. 1839), momit zuerſt einer tiefern, 
pſychol. Behandlung folder Fälle Bahn gebroden 
wurde. Später folgte die «Aftenmäßige Darftel 
lung mertwürdiger Verbrechen» (2 Bde., Gieß. 1828 
—29; 3. Aufl., Frankf. a. M. 1849). Zur Beit der 
Befreiungstriege bezeugte F. feinen Nationalfinn 
und Gemeingetit durch mehrere Schriften, unter 
anderm durch die «fiber die deutſche Freiheit und 
Vertretung deutſcher Voller durch Yanpftände» 
ragen } 1814). Da er allem, was das öffent: 
iche Leben betraf, feine Aufmerlſamleit widmete, 
überdied auch auf dem en und firdlichen 
Gebiete dem Grundſatz der Freiheit und Gerechtig⸗ 
teit huldigte, jo befand er ſich in einem beftändigen 
Kampfe_gegen die, hierarchiſchen Tendenzen und 
Übergriffe feiner Zeit. In den legten Jahren feines 
Lebens interefjierte ihn —— das ickſal 
Kaſpar Hauſers ‘ d.). Ernahm jich defien in Nürn« 
berg und Ansbach eifrigft an und veröffentlichte die 
Schrift «Kt. Haufer, ein Beifpiel eines Verbrechens 
am Seelenleben» (Ansb. 1832). Eine Sammlung 
einer «flleinen Schriften vermifchten Inhalts» er 
bien in Nürnberg (1833). Bon hohem Intereſſe 
tft die von feinem Sohne Lubwig F. nad) Briefen 
und Tagebüchern bearbeitete Biographie «Anfelm 
von 5.8 Leben und Wirlen» (2 Bde. Lpz. 1852). 

Der ältefte Sohn, Anjelm %., geb. 9. Sept. 
1798, geſt. 8. Sept. 1851 ala Bf or der Philos 
logie zu Freiburg, bat fih als Archäolog beions 
ders durch das Wert «Der en e Apollo» 
(Nürnb. 1833; 2. Aufl., Stuttg. 1855) belannt ge 
madt. Seine «Nachgelaſſenen Schriften» (4 Bde., 
Braunſchw. 1853) enthalten im erften Bande «Leben, 
Briefe und Gedichte» (bg. von Henriette F.), im 
weiten und dritten eine «Geſchichte der griech. 
N laftit» und im vierten Bande « Hunftgefchichtliche 
a re (beides bg. von Hettner). 

arlWilbelm F. der zweite Sohn, geb. 30. Mai 
1800, gejt. 12. März 1834 ald Profeſſor ver Mathe 
matif am Gymnafium zu Erlangen, hat ſich in ber 
Schrift «Eigenſchaften einiger mertwürbiger Buntte 
des gerablinigen Dreieds» (Nürnb. 1822), befon: 
derd aber im «Grundriß zu analytischen Unter: 
fuhungen ber, dreiedigen Pyramide» (ebd. 1827) 
ala Matbematiter bewährt. 

Eduard Auguit F., der dritte Sohn, geb. 
1. San, 1803 geh. 25. April 1843 als ord. Bros 
ejlor der Rechte zu Erlangen, ſchrieb über die «Lex 

lica und ihre verjdiedenen Recenfionen» (Er: 
langen 1831). — Der vierte Sohn war der Philo: 
fopb Ludwig Feuerbad (f. d.). 

Friedrich Heinrich F., der fünfte Sobn, geb. 
29. Sept. 1806, geft. 24. Jan. 1880 in Nürnberg, 
widmete ſich längere Zeit ın Bonn und Paris dem 
Studium der orientaliihen, dann aber dem der 
neuern Spraden. Außer trefflichen metrifchen Übers 
feßungen aus dem Sanskrit, Italieniſchen und 
Spaniſchen in verſchiedenen geiticriften veroffent⸗ 
lichte er ſpäter die populären religionspbilof. 
Schriften «Theanthropos» (anonym, Yür. 1838), 


620 Feuerballen 


«Die Religion der Zukunft» (3 Hefte, * und Nürnb. 
1844 — 45), «Die Kirche der Zukunft» (Bern 1847) 
und «Gedanken und Thatfahen» (Hamb. 1862). 
Seuerballen, euerwertätörper, die vom Ver: 
teidiger einer Feſtung zur Beleuchtung der Feſtungs⸗ 
räben im Moment des Sturms benußt werben. 
er F. bejteht aus einem gepichten Zwillihjad mit 
einer Füllung von Leuchtſaß (Salpeter, ya 
Meblpulver, Antimon) und einem Zünder und hat 
im ganzen ovale Form. Dan legt die 3. in Wall: 
lampen, d. i. aus Eifenfchienen beftehende, durch⸗ 
brodene Körbe, die an der Eskarpenmauer befetigt 
werben. Man bedient fich der F. auch als Stank— 
oder Dampflugeln, um unatembare Luft in vom 
Feinde bejesten Kaponnieren, Minengängenu.f.m. zu 
erzeugen, ſowie ald Mittel, um leicht feuerfangende 
Begenjtände in Brand zu fegen. In frübern Heiten 
warf man fie auch mit der Hand auf die die Brejche 
erftürmenden Truppen, oder aus Mörfern, um das 
nächſte Vorterrain der Feſtung zu erleuchten, ähn: 
lid wie fpäter die Leuchtlugeln {. d.). , 
Fenerbereitichaft, j. yeueralarm. Militärifch 
bezeichnet man mit F. den Zujtand einer Truppe, 
wenn dieje ihre Vorbereitungen für ven Beginn des 
Feuergefehts beendet hat. 
Feuerbeiprechen, eine abergläubiihe Hand: 
lung, die vor der Feuers .. fbüßen und eine aus: 
ebrochene Feuersbrunſt bemältigen fol. Fe er: 
ae finnlofe Zauberformeln, oder beitimmte 
Sprüce, oder CH M+B (die Anfangsbuchftaben 
der heiligen drei önigänamen) u. ſ. m. werben in 
mebrern jog. Zauberbüchern mitgeteilt. Die Alten 
Pe das euer als ein lebendiges, mit der Zunge 
edendesTier an, das durch Stodichläge zurüdgetrie: 
ben und durch getragene Kleidungsftüde nachgiebi 
gemacht werben könne. Das Feuer ift auch dadur 
zu erftiden, daß man breimal um dasſelbe berum: 
gebt oder herumreitet, oder den Feuerſegen auf beide 
eiten eines Tellers jchreibt und dieſen ins Feuer 
wirft. manchen Gegenden wurden foldhe Zeller 
für vorfommende Fälle von der Obrigkeit in Bereit 
ſchaft gehalten. Auch ein mit der Aufihrift Aghela 
verjebenes Brot, das mit einem Spruche ins Feuer 
eworfen wurde, follte —— ne Age — Bol. 
uttle, Der deutihe Volksaberglaube der Gegen: 
wart (3. Aufl., Berl. 1900). 
beitäudig, |. Feuerfeſt. 
—— ſ. Leichenverbrennung. 
euerblume, |. Papaver. 
erbod, ein aus zwei durch eine Kette oder 
eine Querftange verbundenen Füßen oder Böden 
beſtehendes, oft reich verziertes Geſtell aus Bronze 
oder Eijen, das im 16. und 17. Jahrh. zum Auf: 
legen de3 Holzes vor dem Kamin benußt wurde. 
erbohne, |. Türkifhe Bohne. 
euerbohrer, ſ. Feuerzeug. 
euerbrand, Bilanze, |. Ixora. 
euerbrüde, ſ. Feuerungsanlagen. 
Feuerbüchſe oder Feuerkaſten, bei Lolo: 
motiv⸗, Lotomobil⸗ und Schiffsleſſeln derjenige Be 
bälter, welcher den Rojt entbält und der jeitlih und 
oben von Wafjer umgeben ijt. In demjelben geht 
die Verbrennung vor fi; die Feuergaſe fammeln 
ſich darin an und —— en von hier aus durch die 
Heizrohren in die Rauchlammer und in den Schorn⸗ 
ftein. (S. Lokomotive nebſt Taf. I, ain Fig. 1.u.4.) 
euerdarre, |. Samendarre. 
geuerdienft, Feuerverehrung, bie in vielen 
Religionen, fo bei den Indern (Verehrung des Agni), 


— Feuerfeft 


ftattfindende Verehrung des Feuers, häufig Bezeich⸗ 
nung der Religion der Parſen, die man Feuer: 
anbeter nennt. Die Bezeichnung kommt daber, 
daß die von den Parjen dem Feuer erwiefene Ver: 
ehrung den Anderögläubigen befonvers auffiel. In 
der —— iſt Ormuzd die höchſte Gott: 
heit, dem eine Menge von guten Geiſtern zur Seite 
ſteht. Einer iſt das ganz ſchwach (und keineswegs 
Immer) perſonifizierte reine Element des Feuers 
(Atar, im Nominativ Atarsh, neuperſ. Adhar, ätash), 
dem die Zoroaftrier zu allen Zeiten Berebrung er: 
mwiefen haben und heute noch erweijen. Es iſt er 
Härlih, daß in der —— des Lichts das Feuer 
als Bundesgenoſſe des uzd im Kampf gegen 
die Dämonen erſcheint. Es werden mehrere Arten 
von je unterſchieden (dad gewöhnliche Feuer, 
das Blikfeuer, das Feuer im Menſchen u. }. w.), 
andererjeit3 unterfcheidet fih das Hausfeuer von 
Feuern höherer Art, von denen einige in ien 
weithin berühmt waren und in Feuertempeln ver: 
ehrt wurden. Auch das Hausfeuer muß nad be 
ftimmten Vorſchriften unterhalten und rein gebal: 
ten werden. Es dürfen weder Waſſer noch Unrat, 
vor allem keine Leichenteile ins Feuer gebracht wer: 
den, weshalb auch das —— troden und rein 
fein muß; DMenftruierende, die als unrein gelten, 
dürfen dem Feuer nicht nabe fommen, noch hinein⸗ 
[en u. f. m.  Berunreinigtes euer muß vor: 
hriftägemäß wieder gereinigt werden. 
Feuerdisciplin, die gewiſſenhafte Ausführung 
ber im Feuergefecht (f. d.) erfolgenden Hr here 
die genaue Beachtung der Vorſchriften für die Hand⸗ 
babung der Waffe und das Verhalten im Gefecht. 
Die F. muß aud dann ihre Wirkung behalten, wenn 
die Feuerleitung durch die Führer mangelhaft wird. 
euerdorn, j. Crataegus. [j. Aufbänten. 
euer durdhftohen, in der Dampficifiabrt, 
euereimer, Gefäße von 10 bis 15 1 Inhalt, 
welche zum Ausgießen von kleinen Bränden und, 
namentlich in frübern Seiten, wo die Feuerſpritzen 
Saugvorrihtungen nicht bejaßen, zum Zutragen 
von Waſſer für die Sprigen dienten. F. werben aus 
Holz, Eijen oder Zintbleh, Hanfgewebe oder Leder 
ſowie aud aus durch Pech gedichtetem Korbgeflecht 
bergeitellt. Am gebräuchlichſten find gegenmärti 
Hanfeimer; diefelben befiken entweder eine dur: 
vier Rohrſtege verfteifte und aus ſchwerem Gewebe 
bejtehende Form, die unten und oben mit Seil: 
einlagen verfeben, mit Ölfarbe geitriben und ge 
firnißt wird, ober fie find ebenfalld aus ſchwerem 
Gewebe, aber obne Stege und Anftrih ausgeführt 
und zufammenklappbar (Hanftlappeimer). 
(S. aud Feuerlöjcher.) j 
ger ahne, N Luntenſpieß. 
eu ter, |. Feuerlinge und Tafel: Schmet: 
terlinge I, Sig. 1lu.13. j 
Feuerfeft, jeuerbeftändig, feuerſicher, 
nennt man im allgemeinen das der Wirkung bes 
Feuers Widerftebende. Zur feuerfihern Aufbemab: 
rung von Geld, Wertpapieren u. ſ. w. dienen die 
euerfeften Shränte (1.d.). Die Flammen: 
chutzmittel (f. d.) dienen dazu, leihtentzündliche 
leider: und Delorationgftoffe fenerbeitändig zu 
maden. Die Feuerbeftändigleit der Gebäude richtet 
fih nad ven einzelnen hierzu verwendeten Baus 
materialien. Die weitverbreitete Anſicht, ein Bau 
von «Stein und Eifen» fei dur einen Brand nicht 
zu zerftören, trifft keineswegs zu. Die gebrannten 
fünftliben Baufteine widerjtehen zwar dem euer 


Teuerfefte Schränfe 
iegelftein behält ı 


—* gut. Der gebrannte 
eine Tragfähigkeit und fein Gefüge in der ſtärkſten 
Gluhhitze; er iſt das ſicherſte und feuerbeitändigite 
Baumaterial, dad wir befigen. Die ungebrannten 
fünftlihen Baufteine, lufttrodne Lehmſteine u. ſ. w., 
Lehmſtampfwände, der Piſebau und die verſchiede⸗ 
nen Arten von Fachwerkbau können aber auf Feuer: 
ſicherheit feinen Anſpruch machen. Nur mit Ziegeln 
ausgemauertes und mindeſtens 12 cm ſtark ver: 
blendetes Fachwerk gewährt on von außen kom: 
mende Brandgefahr eine an iche Sicherheit wie 
eine maffive Hiegelmauer. Die natürlihen Bau: 
fteine, Sandftein, Granit und Kallſtein widerſtehen 
dem feuer und hoher Gluhhitze nicht. Sandftein- 
mauermerf von weniger al3 45 cm Stärle zer 
brödelt im Feuer in der Regel. Stärkere Steine 
blättern auf der dem Feuer ausgeſetzten Seite um 
10 und mebr Gentimeter Dide ab. Guten Schuß 
gegen die Feuereinwirkung auf Sandfteinmauermert 
ga: eine innere Verblendung dur Baditeine. 
ie grobtörnigen, waſſerhaltigern ſowie die kalt: 
baltigern Sandfteine leiden im Feuer mehr als bie 
feintörnigen, waſſer⸗ und fallärmern. Granit vers 
liert in der Hige jein kryſtalliniſches Gefüge, leiſtet 
egen Drud und Stoß nur nod geringen Wider: 
ſtand und zerfällt zu Sand; die Duarzteile ſchmelzen 
und baden zujammen. Das Verhalten ver verſchie⸗ 
denen Kalkiteinarten (Muſchellalk, Dolomit, 
Grobtalt, Kalltuff, Rallmergel, Marmor, Gips) im 
euer ift gleich I ei allen wird durch die 
ige der Waſſergehalt ſowie die Kohlenſäure oder 
Schwefelſäure auögetrieben und der vorher fefte 
Raltftein in feinem Zuſammenhang gelodert und 
brüdig. Er fällt infolge ver Einwirkung des Löſch⸗ 
waſſers oder des nad dem Brande eindringenden 
Regenwaſſers auseinander. Die Überrefte von Kalt: 
teinmauern nad dem Brande find wertlos. Eiſen 
jeder Art lann nur bei forgfältiger Ummantelung 
mit *5 Materialien als feuerbeftändig gelten. 
S. Eifenkonftruttionen.) Was die verjhiedenen 
olzarten anlangt, fo ift die Entflammbarteit 
im Eichenholz am geringiten, beim Kiefernbolz 
am größten. Unter den Anjtrichen, die zur Vermin⸗ 
derung der Entzündbarleit des Holzes angewendet 
werben, bewährt ſich am beften der Anftrich mit Waf: 
ferglas. Die Imprägnierung mit Eifenvitriol, Chlor⸗ 
calciumlöfung, ferner mit Chlorzint oder Kupfer 
vitriol vermindert die Brennbarleit des Holzes. 
Gut verftrihenes, doppelt eingededtes Ziegel: 
dab, ferner die neuern Falzziegel- ſowie die Ce: 
mentplattendacdhungen bieten dem feuer Widerftand. 
Geringer ift derjelbe jchon bei einfahem Ziegeldach. 
Die mit Strob unterlegten Ziegeldachungen find ge: 
fäbrlih. Gut hergejtellte und unterhaltene Raſen— 
und Holzcementdahungen find feuerjicher, 
Eiſen- oder Kupferblehdahungen fo lange, 
als nicht höhere Hikegrade einwirken, die das Metall 
zum Schmelzen bringen. Schieferdach ſchützt im 
allgemeinen gegen die Weiterverbreitung des Feuers; 
bei mebr ala 500° C. fpringen die Schiefer ab und 
legen die Verſchalung oder das Innere des Daches 
frei. Die Dornſchen Dahungen, aus rt 
mörtel auf Latten bergeftellt und mit Steintoblen: 
teer überitrichen, find gegen Flugfeuer widerſtands⸗ 
fähig. Glas, nur zur Überdachung Heinerer Räume 
geeignet, jpringt je nad der Stärke jchon bei niedern 
und ſchmilzt bei böbern Hißegraden. Steinpapp: 
dahungen halten, jelbit wenn fie gut unterhalten 
und gejanbet find, in größerer Hitze nicht aus. 





621 


Bon ben verfchiedenen neuern Baulonftruftionen 
und Baumaterialien zeichnen fi mehrere durch 
hohe — — gegen Feuer aus. Dies 
gilt namentlih von Wänden und Deden aus Ra- 

ibpuß, von nad dem Monierſyſtem bergeftellten 
rege Wänden, Deden, Umkleidungen eiferner 

äulen und Träger, ferner von den Kleineſchen 
Dedenkonftrultionen, den Gementvielen, Gipsdielen, 
Magnefitplatten, Superator : A3beitplatten ſowie 
von Tylolithplatten und von Korkſteinen. Zum 
Dfenbau dienen als feuerfefte Materialien nament: 
lg Ehamotte (j.d.), Dinasziegel (f. d.) und 
Magnefiaziegel(f. d.). Die Feuerfeſtigleit der 
Thone ift bedingt durch ihre Zufammenfegung, und 
je mehr ſich dieſe der reinen Thonfubftanz, d. b. 
einem reinen Thonerbefilifat nähert, um fo Kae 
chmelzbar find die Thone. Thone von diefer Rein: 

t fommen in ber Natur nur felten vor, fie ent- 

alten meift entweder Reſte von Gefteinen, aus deren 
erwitterung fie hervorgegangen find, fo Feldipate 
und zu den Feldſpaten gehörende jonitige Mine— 
ralien, Sand, Glimmer, oder eingeſchwemmte 
Stoffe, Eifenoryd, Kalt, Magnefia u. a. In der 
Hige wirken dieje baſiſchen Körper auf das vor: 
—— Thonerdeſililat und bilden mit dieſem 
Doppelilitate, die um fo leichter ſchmelzbar find, 
e größere Mengen von fremden Bajen vorhanden 
ind. Die rationelle Analyje giebt einen Auf 
chluß über, die Brauchbarkeit der Thone. Die 
euerfeitigleit hängt — ab von der Art der 
erung. Der Thon leidet weniger bei Gasheizung 
als bei Steintohlenfeuerung, da im letztern Falle die 
in der Flugaſche befindlichen Bafen als Flußmittel 
wirlen. Feuerfefte Thone finden fich bei Paſſau und 
Klingenberg in Bayern, Groß: Almerode in der 
Provinz Hefien, Saarau in Sclefien u. ſ. w. Die 
zum Schmelzen des Platins dienenden Öfen werben 
aus Blöden von gebranntem Kalt geſchnitten. — 
Vol. Keller, Über die Fabrikation und Anwendung 
feuerfeiter Steine (2. Aufl, von —* Aachen 
1890); Biſchof, Die feuerfeſten Thone (2. Aufl., Lpz. 
1895); Richters, Unterſuchungen über die Urſachen 
der Feuerbeſtändigkeit der Thone (Berl. 1897); 
Andes, Feuerfiber:, Geruchlos- und MWaflerbicht: 
machen aller Materialien (Wien 1896). 
euerfefte Schränfe ober diebesfihere 
Schranke, aus Eifen oder Stahl bergeftellte Be: 
bälter zur fihern bg von Geld, Wert: 
apieren, Dokumenten, Geſchäftsbüchern, über: 
ke folher Gegenftände, deren Berluf durd 
euer oder Diebitahl den Befiper ech! & {hä 
digen würde und für die ed eine icherung 
nicht giebt. Die weſentlichen Erforderniſſe eine? 
feuer: und diebesſichern Schranls ſind: ſolide Bau⸗ 
art bei Verwendung beſter Materialien; ſtarke, nicht⸗ 
leitende Füllung der Räume zwiſchen ven Doppel⸗ 
mänden; genaue und feite Zujammenfügung, Ber 
nietung und Verſchraubung der einzelnen Teile, 
bermetiiher Schluß der Tbüren, melde deshalb 
mit zahlreichen Feuerfalzen verjehen werden; Ver: 
wendung guter, widerſtandsfähiger Schlöſſer und 
Vermeidung alles deſſen, wodurch bei ausbrechen⸗ 
dem feuer der Zutritt der Hike in das Innere des 
Schranks ermöglicht wird. 

Die Wandungen jollen etwa 110—120mm Stärte 
baben; bei Schränten, die in ſehr feuergefähr: 
lihen Räumen aufgeftellt werden, madt ſich noch 
die Cinfügung ifolierter, d. b. im Innern des 
Schranks J—— Wandungen notwendig, wie 


622 


N bei dem in Fig. 1 dargeftellten Geldſchrank der 
irma Karl Käjtner in Leipzig vorgejeben ift; aus 
der Fig.2 (Grundriß) find die iſolierten Wandungen 
deutlich erfichtlih. Das geeignetite Material zur 
— des Hohlraums zwiſchen den Wänden ift 

olzaſche, die oft noch einer befondern Zubereitung 
unterworfen wird. Die Sicherheit gegen Einbrud, 
welche ein Geldſchrank bietet, hängt, außer von der 





Big 1. 


en Ausführung desjelben, hauptfählic von der 
tärfe des verwendeten Materials ab. Eijenplatten, 
bie in Verbindung mit guten Schlöfiern genügenden 
Schus gewährten, find nicht mebr feſt genug, jeit: 
dem ſich das Bedürfnis nah Vorkehrungen gegen 
das Einfräfen von Löchern herausſtellte. 

Die VBernolllommnung der Diebeswerkjeuge hat 
immer weitere Fortichritte in der Ronftruftion der 
Geldſchränke zur 

Folge gehabt. 
Mäbhrend die bis: 

er bei den Ein: 

rehern beliebte 
ManierdesEinfrä- 
ſens von Löchern 
von einem leicht 
zur@ntdedung füb: 
renden Geräuſch 
begleitet war, gebt 
durh die in ber 





Big. 2. 


neueiten Zeit aufgelommene Anbohrungsmethode 


der Einbruch in geräuſchloſer Weile vor ſich, wenn 
nicht durd eine Panzerung der Eifenwandungen 
mit Stablplatten demjelben ein wirtjames Hinder: 
nis entgegengefeßt ift. Vorzügliche Aufmerkſamleit 
ift bei der Anfertigung von Geldſchränken auf die 
Anbringung eines guten Verſchluſſes zu richten, der 
ein unbefugtes Öfinen des Schranls mittels gach⸗ 
ſchluſſels u. ſ. m. zur Unmöglichleit macht. Zu den 
verbreitetſten und am meiſten angewendeten Schloß⸗ 
konſtrultionen für Geldſchränke gebören die von 
en und von Ehubb. Die Erfindung des 
Bramahihlofies wurde zu Ende des 18. Jahrh., 
die des Chubbſchloſſes zu Anfang des 19. Jahrh. 
gemacht. Durch die lebhafte Konkurrenz, welche die 
genannten Syiteme einander machten, wurden fort» 


Feuerfink — Feuergefecht 


wãhrende Verbeſſerungen derſelben hervorgerufen, 
aus denen um 1860 eine Kombination beider Sy— 
fteme, das ſog. Bramah-Chubbſchloß, entftand, 
das nod gegenwärtig ald das befte Geldſchrank⸗ 
chloß gilt. Bei den neuerdings angewendeten Zeit: 
hlöfjern ift ed vermöge der Einwirkung eines 
rwerkes nur zu * a möglid, das 
Schloß zu öffnen. (©. Schloß.) Die erften F. ©. im 
heutigen Sinne wurben 1834 von W. Marr in Lon⸗ 
don gebaut. In Deutichland traten zuerft ©. J. 
Arnheim, M. Fabian und C. 2. Düng (alle drei in 
Berlin) in den dreißiger Jahren des 19. Jahrh. mit 
brauchbaren Fabrifaten hervor. Der Name «Arm: 
beim» bat ſich bauptfählich in Berlin ald Bezeich- 
nung für einen feuerfeften Geldſchrank eingebürgert. 
Die erite öfterr. Geldſchrankfabril gründete 1852 
3. Wertheim in Wien. Nach der Londoner Welt: 
ausftellung 1855 verbreitete fich der Geldſchranlbau 
mebr und mehr in Europa und in Amerila. — Bal. 

Hoch, Der we rer (Dresp. 1893). 

a — Euplectes. 
ege, ). 
rg t, das mit Feuerwaffen geführte 
Gefedt. leuder, Wurfipieß, Bogen und Arm: 
bruft waren die Vorläufer der fien, welche 
legtere nachweisbar um die Mitte des 14. Jahrb. 
zuerit auftraten, aber erit etwa 150 Jahre jpäter 
bie Armbruft verbrängten. i 
Neben der am meilten verbreiteten Feuerwaffe, 
der Mustete, blieb aber die blante Waffe, die Pile, 
nod lange Zeit die Hauptwafle. Die Entſcheidung 
der Schlacht lag im Stoß der dichtgeſcharten Pite: 
nierhaufen, auf die fi die wenigen Schügen nad 
Einleitung bes Gefecht? zurüdzogen. Bon der Mitte 
des 16. Jabrb. an trat eine raſchere Entwidlung und 
Vermehrung der Feuerwaffen ein, und jomit eine 
Vergrößerung der Zahl der Schü usletiere 
im ältnis zu den Pilenieren. m Dreikigjähri- 
gen Kriege trat das F. der Mustetiere in den Bor: 
dergrund und wurde beſonders von Guſtav Adolf 
ausgebildet, der eine leichtere Mustete und anitatt 
der tiefen Gewalthaufen eine flache jehöglienrige 
Aufitellung einführte, die fi in bejondern Fällen 
dur Dublieren auf drei Glieder jegen lonnte, von 
denen das erfte zum Feuern nieberfniete, jo daß 
zeitweilig alle Gewehre in feit gebracht wer 
den tonnten. Die PBileniere verſchwanden mit ber 
Erfindung des Steinſchloßgewehrs und des Bajo: 
nettö um ben Anfang des 18. Jahrh. ganz aus den 
Armeen. un entwidelte ſich die eigenartige 
i 


wurm. 


Lineartaktik (f.d.) oder Feuertaltik. Die von 
Leopold von Deſſau geſchulte preuß. Infanterie wurde 
bierfür vorbild —* und das Genie Friedrichs des 
Großen, ber mit ihr feine unſterblichen Siege erfocht, 
verſchaffte der Lineartaltil die Anerlennung und 
Nachahmung von ganz Europa; die ganze militär. 
Entmwidlung des 18. Jahrh. erfolgte in den von der 
Lineartaktit vorgeſchriebenen nen. Aus ben 
gewaltigen Ummälzungen aller Berhältnifje durch 
die ranzöfiihe Revolution entmwidelte fi, zunächſt 
als Notbehelf der ungejhulten franz. Mafjenauf- 
ebote, das Spitem der Kolonnentaftit(f. d.) 
n Verbindung mit Schüsenfhmwärmen. Sehr bald 
aber erwarb ſich dieſe neue Taltik, mit welder 
Napoleon Sieg auf Sieg erfodht und vor der bie 
alte überlebte Lineartaltik — Aner⸗ 
lennung und fand überall Nachahmung. Sie blieb 
zunädit die Grundform des infanterielampfes, 
tonnte aber auf die Dauer den Anforderungen nicht 


Feuergeiſter — 
mebr genügen, melde die durch die fortichreitende | mit dem Ventilgehäuſe des Hahns. 
i 


Technit ſich entwidelnde Feuertraft der 
und Artillerie, in altiver wie in paſſiver Hinſicht, 
an die Kampfform der Infanterie ftellte. Nachdem 
bereits die Cinführung der Periuſſionszundung 
und der verſchiedenen gezogenen Gewehrſyſteme 
den Charakter des Infanteriefeuer® weſentlich ver: 
ändert hatte, brachte der Hinterlader, deſſen eriter 
Vertreter das preuß. Zündnadelgewehr war, um 
die Mitte des 19. Jahrh. eine völlige Ummälzung 
der Örundlagen des F. bervor; die in Preußen zu« 
erit angewendete Gompagnielolonnentattit 
Il; Compagnietolonne) jhuf für die veränderten 
erbältnifie des 5. neue Formen, in denen die 
preuß. und beutfihe Infanterie die zahlreichen 
Schlachten der deutiben Einigungstriege 1866 und 
1870/71 flug. Hinterlader und Compagnielolonne 
fanden bald allgemeine Aufnahme, und wäbrend 
ber Hinterlader Durch die fortichreitende Tattif zum 
Mebrlader vervolltommnet wurde, bildete die Com: 
pagniefolonnentaftit den Übergang zu der neuern 
Schutzentaktil, die zur Zeit die Normalform des 
5. bildet. (S. auch Fechtart.) 
euergeifter,Glementargeifter ({.d.)de3 Feuers. 
Iude, Schmetterling, ſ. Gluden. 
euerhahn, eine in Waſſerleitungen einzufchals 
tende Borrichtung zum Anſchluß eines Spriken: oder 
ubringerſchlauchs an bie 
eitung. ig. 1 zeigt eine 
gebräuchliche Konſtrultion 
des F. für einen Fabrik: 
ober anperbef er F. 
wird mit feiner untern 
lanſche a auf eine ent: 
prechende Flanſche der 
zaſſerleitung geſchraubt 
und ſperrt durch ſein Ven⸗ 
til v das Waſſer ab. An 
das Rohr Bwird der Löſch⸗ 
ſchlauch angeſchraubi. 
Drebt man alsdann mit: 
tele eines auf das Vierlant 
k aufgeitedten Schluſſels 
die mit Gewinde verſehene 
— Ventilſtange 8 und ſomit 
auch das Ventil v in die Höhe, fo tritt das Waſſer 
durch das geöffnete Ventil v in das Rohr B und in 
den Schlaub. Für das Innere von Gebäuden hat 
ber 5. die in Fig. 2 darge: 
ftellte Form. ad Bentil 
fann bier von jedermann 
dur das Handrad H geöff: 
net werden; das Rohr B, 
das zum Anſchrauben des 
dich hlaudes dient, ift mit 
einer Üiberwurfmutter M ver: 
ſchließbar. 
vielen Orten, die eine 
nach neuern —*2— ein⸗ 
gerichtete Waſſerverſorgungs⸗ 
anlage befien, wird der F. 
an das Straßenrobrneg un: 
mittelbar angeſchloſſen und 
führt in diefem alle den allgemeinen Namen Hy: 
brant oder Waſſerpfoſten, und zwar wenn feine 
Auslaßoffnung unter dem Straßenniveau: Unter: 
flurbydrant, über demfelben: Überflurbydrant. Bei 
den nter{lurbudranten verbindet ein winllig 
gebogener 








Fig. 2. 


obrfrümmer das Wafjerleitungsrobr 


Feuerkugeln 623 
n letzterm 
liegt das meiſt mit Lederdichtung verſehene Ab: 


ſperrventil, alfo in unmittelbarer Näbe des in froſt⸗ 
freier Tiefe liegenden Leitungsrohrs. Vom Ventil: 
Be führen zwei Eiſenrohre zu dem der Straßen: 
ur gleihliegenden Hydrantentaiten (Stra: 
Benlappe). Das eine der Rohre dient zur üb: 
rung der Bentilfpindel und 
ift demzufolge mit Stopfbüchie 
verſehen, das andere hingegen 
dient zur Ableitung des Waſ⸗ 
ſers nach oben. Leßteres mün: 
bet aus in einen Stußen mit 
Schlauchgewinde oder Bajos 
nettflauen zur fchnellen Ans 
bringung eines ſog. Stand» 
robres für Schläude. Bei 
Gebraud dieſes Hahnes ift 
der Raftenvedel und die am 
——— Sftußen ſitzende und 
vor — jhüßende 
Verſchlußkapſel zu entfernen 
und das Ventil durch mebr: 
malige Drehung der Ventil: 
Ser mitteld eines Schlüi: 
els, der auf ihren vierfan: 
tigen Kopf aufgejest wird, zu 
öffnen 


nen. 

Der Uberflurhydrant 
( Sig. 2) ift in feinem untern 
Zeile (Bentilgebäufe) dem Un: 
terflurbybrant ziemlich gleich, | 
nur liegt die Lentilfpindel D 
mit im Steigrobr und gebt 
durch die oberhalb der Aus: 
lafmündungen a befindliche 
Stopjbüdhie S. Das Ventil V 
wird geöffnet, indem der Hopf 
E durch einen Halenſchlüſſel 
gedreht wird. Die Entwäſſe⸗ 
rung findet felbjttbätig durch 
die Öffnung G jtatt, die fi 
beim Heben des Bentils ſchließt. 
Die Hydranten werden auch 
— Füllen der Sprengwagen 

enußt. 

Feuerhaken, das Schüreifen der Heijer von 
Ofen, Dampftefleln u. 1 w.; aud ein Werkzeug der 
Feuerwehr (j. Feuermebrfabrgeräte). 

Feuerhemd, in frübern Seetriegen angewandtes 
Kampfmittel, Yeinwandftüde u. ſ. w., die, mit brenn: 
baren Stoffen geträntt, an den feindlichen Schiffen 
befeftigt wurden, um fie in Brand iu jepen. 

euerhöhe, bei Lafetten der Abitand der page 
rechten Seelenachſe vom Erdboden; meijt gleidhbe: 
deutend mit Pagerböbe (f. d.). 

euerfäfer. j. Inſelten (II, D, 2) und Tafel: 
Käfer IL, Fig. 7. 

Feuerkröte, ſ. Unte und Tafel: Froſche und 
Kröten I, Fig. 2, beim Artitel Froſchlurche. 

Fenerfugeln, auch Meteore, jeuermeteore 
oder Bolide genannt, die meift ganz vereinzelt aufs 
tretenden Sternſchnuppen (f.d.) von ganz bejonderer 
Größe und Helligleit. Diefelben erreihen mand: 
mal die fcheinbare Größe des Vollmondes und ver: 
breiten durd das von ihnen ausitrablende Licht 
— Zageshelligteit. Selbſt bei vollem Tages: 

icht find F. plöglic fichtbar geworden. Die Narbe, 
in ber fie erfcheinen, ift außerordentlich verfchieden, 





624 


ebenfo ihre ſcheinbare Geſchwindigleit und die Dauer 
ihrer ganzen Erſcheinung. Die 5. hinterlafjen oft 
einen hellen Schweif, der nicht felten längere * 
(bis zu einer halben Stunde) fortleuchtend geſehen 
wird, nachdem die eigentliche Erſcheinung der Feuer⸗ 
tugel ſchon verſchwunden ift. Viele F. zerfpringen 
am Ende ihrer fheinbaren Bahn unter unten: 
fprüben, oft mit bonnerndem Geräuſch, und fallen 
als Meteorfteine (f. d.) nieder. — Mit dem Namen 
F. bezeichnet man auch die Kugelblitze (ſ. * 

Feuerland, Feuerlandarchipel, jpan. 
Tierra del RS ed are 
üdl. Br. und 65— 75° weſtl. L. im äußerften Süden 

merifas, von dem Feſtlande durch die Magalbäes: 
ftraße getrennt (f. Karte: La:-Plata»-Staaten 
u. j. w.), bejist ein Areal von 73140 qkm und 
beiteht aus der früher König Karla Südland, jest 
Tierra del Suego genannten dftl. Hauptinfel, den 
ſüdlich davor gelagerten Infeln Navarin (2480 qkm), 

ojte mit cd injel Hardy (6660 qkm), Gordon, 

onbonderry, Stewart, welche durch den Beagle: 
Ranalvom F.getrennt find, und den Infeln Dawſon 
1320 qkm), Elarence (2750 qkm), Sta. Ines und 

ejolation, welche die Magalhäesitrage im SW. 
abſchließen. Alle diefe Inſeln bilden zujammen die 
nad SO., D. und ſchließlich nah OND. gerichtete 
— der urſprünglich nordfüdlich ſtreichenden 

ilen. Küſtenletten und beſtehen aus Schiefern und 
Sandſteinen. Ihnen vorgelagert find im S. und 
SD. die Hermite-Infeln mit 220 qkm, Wollafton, 
Lennor, New: Jsland und die Stateninel (f. d.). 
Letztere und bie öjtl. Hälfte (im D. des Meridians 
63° 34°) des eigentlihen F. gehört als Territorium 
5. zur 0 Sein re Republik (zufammen 21499 
km); die Weſthälfte und alle andern Inſeln find 
eit 1881 chileniſch. 

Durch die Hauptinjel Ye 6 drei Gebirgs⸗ 
züge gegen WSW. und W.: die Sierra Balmaceda 
im N. zwiſchen dem Kap Eipiritu Santo und dem 
Broad Read, die Sierra Carmen Sylva zwiſchen 
dem Kap Sebajtian und der Babia Jnutil (Ufeleß: 
er in der Mitte und das vulkaniſche Küftengebirge 
im S. mit dem Monte-Sarmiento (2070 m) und dem 
Monte-Darwin (2100 m); nörblid von der Sudlette 
liegt Tertiär mie in Batagonien. Überhaupt wieder: 
bolen die Hüften die Eigentümlichteiten der Weft: 
und Dftlüfte des Feftlandes. Der Weiten ift ſtark 
eingeihnitten (Uſeleß-Bai, Aomirality Sun), der 
Diten ift flach, fandig, faft hafenlos. Das Innere 
bat ſich nad) Liſtas 1886 angeitellten Unterſuchungen 
ala fruchtbarer heraus ee, ald angenommen 
wurde. Es finden ſich breite Thäler, waflerreiche 
— und Wieſen im N., waldreiche donen im ©., 
owie am Wejtabhang der Sierra Balmaceda, dar 
über ewiger Schnee auf den höhern Bergen. Die 
Wiejen find zur Schafzucht geeignet. 

Das Klima ift ein fübles Seeflima mit geringen 
Ertremen. Die Mitteltemperatur des Januar be: 
trägt in Uſchuia (61° 41’ ſudl. Br.), wo feit 1896 
eine meteorolog. Station beftebt, 11,5°, die des 
Nr — 0,6°, die des Jahres 54°C. Auch der Regen 
iſt ziemlich gleihmäßig über die einzelnen Monate 
verteilt. Stürme find häufig. Die Pflanzenwelt ift 
antarltiſch, d. b. jie entjpricht der in ſübl. höhern 
Breiten allgemeiner verbreiteten von immergrünen 
Gebüjchen, unter denen ſtrauchförmige Buchen nicht 
feblen, aber fein neuer Nadelwald wie im N. unter 
entiprechenden Breiten erjtebt, jondern Doldenge— 
wächſe, einige Heiden (Pernettya) mit Fuchſien, 


Feuerland — Tyeuerleib 


Ranunkeln, Gräfern und Binfen bilden den Teps 
pich. Einige Arten finden fi bier aus dem nördl. 
Europa wieder, die Hauptmaſſe aber ift die des 
—* Weſthanges von Patagonien (f. d.). In der 
ierwelt fehlen Reptilien und Amphibien gänzlich, 
Sand: und Sußwaſſermollusken fowie Infelten fin 
den ſich äußerft felten, doch werben einige merkwür⸗ 
dige Käfer angetroffen. Außer Rolibris und Papa⸗ 
eien jomwie einigen Geiern und Habichten giebt es 
eine Zandvögel. Die einzigen vierfüßigen Tiere 
einen eine Hunbeart und das Guanaco zu so 
agegen giebt es viele Walfiſche, Seehunde, See 
löwen, Scaltiere und Wafjervögel. 
‚ Die Eingeborenen (nicht mehr alö 3000) zerfallen 
in brei der Sprache und Abſtammung nad) verfchies 
dene Stämme. Im öftl. Teil der Hauptinjel wohnen 
bieOna,eingro en lag, 
der in Sprache und Lebensweiſe ben Tehueltſchen 
nörblid von der Magalbäesftraße verwandt ift. Jı 
denWalbviftrikten des ſudl. und weſtl. Teils des Archi⸗ 
pels wohnen an ben Buchten und Fjorden diſcher⸗ 
und Jägerftämme, die im engern Sinne als Feuers 
länder zu bezeichnen find. frühern Reiſeberich⸗ 
ten werben fie Peſcheräh genannt. Diefer Name 
ift nad einem Worte gebildet, das die Schiffahrer 
von den Eingeborenen hörten; ein Stammname ift 
es nicht. Im S. am Beagle-fanal und in der Näbe 
de? Kap Hoorn wohnen die Jahgan, weſtlich von 


ihnen die Alacaluf. Beide Stämme näbren ſich 
von dem Ertrag der Jagd auf Robben und Belztiere 
und auf Wafjervögel. Ihre Behaufungen find aus 


Stangen und Baumzmweigen erbaute Hütten. Es ift 
ein Heiner Menſchenſchlag mit groben Zügen, gel: 
ber Hautfarbe und langem ſtraffen Haar (j. Tafel: 
Amerilanifhe Böllertypen, ðc 21 u. 22, 
beim Artitel Amerilaniſche Raffe). Seit 1863 find 
engliſche prot. Mifjionare unter ihnen thätig. 

Seit 1881 ift die Erforjhung, namentlih von 
argentin. Seite, jtärfer betrieben worden. An der 
Ditfeite der Hoſte-⸗Inſel in Orange-Bai mwurbe 
1882/88 die franz. Bolarftation errichtet. Die Häfen 
und die Injeln der Süpfeite bejuchte 1881 Boſſi, 
1882 unterfuchte Bove den Beagle-Stanal, die Sta⸗ 
ten: und bie Clarence⸗-Inſel. 1834 durchzog er mit 
Noguera die Inſel F. von Uſchuia bis Admirality 
Sund. Das eigentlihe Innere erforſchte 1886 Ra⸗ 
mon Lifta, aud Popper durchquerte dasjelbe von ver 
Magalhäesitrafe aus. 1887 fand J. Scheltze im 
hilen. Teile Reihtum an Edelmetallen. Die neue 
ſten Forihungen find die von Popper, Roufjon und 
Willem (1890— 92) und von Dtto Nordenſtiold, 
a und Dujen (1895— 97). — Bol. Blagmann, 
Gloſſar der feuerländ. Sprache (Lpz. 1882); G. 
Bove, Patagonia, Terra del Fuoco ecc. (Genua 
1883); Lifta, Viaje al Pais de los Onas (Buenos: 
Aires 1887); R. Serrano, Derrotero del Estrecho de 
Magallanes, Tierra del fuego etc. (Santiago 1891); 
Mission scientifique du Cap Horn. Tome VII*®: 
Anthropologie et Ethnographie, par P. Hyades 
et J. Deniner (Par. 1891); Svenska Expeditio- 
nen till Magellansländerna 1895 —97, Bv. I, 1 
(Stodh. 1899); Conway, Aconcagua and Tierra 
del Fuego (Lond. 1902). 

euerlandarchipel, |. Feuerland. 
erlanzen, |. Brandgeſchoſſe und Geihüs. 
erleib (Pyrosoma), Feuerwalze, Name 
einer Gattung der Seeſcheiden (ſ. d. und Tafel: 
Manteltiere, Fig. 1, ſowie Tafel: Leucht ende 
Tiere, Fig. 3, Bd. 17). 


Feuerleitern 


eitern, die zum Beſteigen brennender 
Gebäude dienenden Leiten. Es find 1) Haken— 
ober Hängeleitern, 2) Dacleitern, 3) frei: 
ftebende und Anitellleitern. — Die Ha: 
fenleiter ift ein Steiggerät, mit deren Hilfe 
der Feuerwehrmann (Steiger) an der Außen: 
jeite eines Gebäudes mit einem Schlauche em: 
vorfteigen fann. Sie beitebt aus einem oder 
wei aus leihtem und zähem Holz (meift Eiche) 
ergeftellten, mit Sproſſen verjebenen Bäumen 
(Holmen) von 3%, bis 5 m Länge, an deren 
oberm Ende ein jchmiebeeiferner verzabnter Ha: 
ten (Sägehalen) —— igt iſt. Nach 
der Anzahl ihrer Holme bezeichnet man die 





Leiter als einholmige (j. Fig.3) und 
meibolmige (Fig. 4 u. 5). Mit Has 
tern, die einzeln übereinander 
in die Feniteröffnungen der Stod- 
werke eingebängt werben, läßt fib 4 
vom Erdboden nur bis zum 
. over! eine nei 
eitergang) berftellen; 
zur Sortfepung bes Weges 

vom Fenſter des oberiten 
Stodwerfs über die Kante 

des Hauptfimfes 
dem Dache aber mu 
man fi, und zwar mit 
ßter Vorſicht, des 
ims⸗ oder Steig: 
bodes bedienen; ber: 
——— aus einer 

tplatte mit 

verſtellbarem 
















Zio.d. BVia.·. Fis. 6. 


Fe. 2. 
Brodyaus’ Konverjationd-Lerikon.. 14. Aufl. RU VL 





nad dem Dad anzulegende leichte Leiter. 


x 


der Neuzeit durch die mechan. Schiebeleiter faft gan 





verdrängt worden. 
Dadleitern die: 
nen zum Befteigen 
von Dädern und 
Pe weiholmige 
eichte Leitern von 
etwa 2%, bis 3”, m 
Länge mit auf den 
Holmen befeitigten 
En Sprofien und mit 
— =. beweglichen eifernen 
Halen zum Einſchla⸗ 
gen und feitlichen 
Einhängen. Lenz in Dans 
sig bat 1889 eine fombi: 
nierte Hafen: und Dad 
leiter bergeftellt. 
DieAnjtellleiterin 
ihrer einfachſten Form iſt 
allbetannt; jehr lange 
Anitellleitern (&—10 m) 
ya ſchwer, erhalten be 
ondere Stügen zum Auf: 
rihten und zur Ermög: 
lihung des Freiſtandes. 
Stedleitern find Leis 
tern zum Anlegen, bie 
dur einanderfteden 
von 2 bis 3 Leiterteilen 
von 4 bis 5 m Länge ge 
bildet werben. 
Schiebeleitern ein: 
fachſter Ausführung wer: 
den jomohl ala Anſtell⸗ 
wie als freijtebende Lei⸗ 
tern verwendet. Zur Er⸗ 
reihung von Höhen über 
12 m gebraudt man in 
ber Neuzeit die jog. me: 
chaniſchen Schiebe— 
leitern mit mechan. 
ar um 
eine Achſe drehbar ge im“ 







pe 


— — — 







ee 





De 






— 







— 


- — * 9 
Ermugmamauım — 


——— 
7 
= 


lagert auf einem zwei⸗ 
oder auch vierräderigen 
— — — 

arm gene er 7 a 





625 


befeftigt wird und jo die Stübfläche bietet * em 
in 


626 Feuerleitung — Feuerlöſchbeſen 


Wagen, ver gleichzeitig ald Baſis zum Aufrichten 
und zum Transport dient. Sie ermöglichen in den 
en, wo im Innern von Gebäuden oder in deren 
achbarſchaft ein Aufitieg nicht möglich ift, auch 
Halten: und einfache Anitellleitern nicht ausreichen, 


einen bequemen und fchnellen Aufitieg und be: 
figen außerdem nod den —* ‚dab fie ſich 
auch völlig freiftehend beiteigen —* 


aus 2—4 Teilen von je 8 bis 10 m Länge, welche 
im Aubezuftand flab aufeinander zufammen: 
geihoben find und mittel3 Windevorrichtungen 
aufgerichtet und in die Höhe auseinander geſcho— 
ben werden. Den maningfaltigen Berhält: 
niſſen entfprechend werden die mechan. Schie⸗ 
beleitern verſchieden gebaut. Einige Haupt⸗ 
arten von neuern Schiebeleitern, wiefiegegen: 
mwärtig von C. D. Magirus in Ulm, J. ©. 
Lieb in Biberach ausgeführt werden, find in 
den fig. 1, ehe Hi re So zeigen 
Fig. 1 u. 2 eine Schiebeleiter für Höhen 
von 14 bi8 30 m und zwar ſowohl auf 
dem Wege zur Branbitelle (ig. 1) als 
im aufgerichteten Zuftande (Fig. 2). Hier 

eſchieht das Aufrihten durh Minden. 
si 6 jeiat eine fog. Ballafts over Ba: 

anceleiter(nab Weinhardt) für Höben 
von 12 bis 16 m. Diefelbe ift zweiraderig 
und derartig auf der Radachſe aus: 
balanciert, daß fie zum Aufrichten /M 
feiner beſondern * bedarf. Die /# 
Feſtſtellung dieſer Leiter geſchieht 4 
durch befondere Stüken. 

Bei Turm: oder Dreh⸗Schiebe— 
leitern kann die auf einem turmäbn: 
lihen Gerüft drehbar gelagerte Leiter 
mit erjterm auf dem Wagengeitelleine 
treisförmige drebtranähnliche Be: 
mwegung machen, obne daß, wie bei 
den vorgenannten Leiterſyſtemen, 
der Wagen mitzubreben iſt. Zum 
Betriebe derjelben wird Men— 
fchentraft oder fomprimierte Luft, 
Ktoblenfäures oder Wajlerbrud 
vertvendet. Eine berartige pneu: 
matijche Turmleiter, wie jie von 

ied, Sohn, in Frankfurt a. M. 

n neuelter Zeit ganz in Eijen 
ausgeführt wird, zeigt Fig. 7. 
Der Turm ift zugleich ein Luft: 
windlefjel, in dem die zum Be 
triebe verwendete ftomprimierte 
Luft mit einer Spannung von 
10—11 Atmojphären * e⸗ 
peichert wird. Die Leiter ſelbſt 
eſteht aus 4—5 teleſtopartig 
ineinander geftedten Robren, 
an deren —— die einzel⸗ 
nen Leiterteile befeſtigt ſind; 
mittels Windewerk wird ſie in 
beliebiger Weifenahvom oder — 
ſeitwärts gerichtet und durch 
die vom Turm in das Teleſtop 


(Mait) q 

fter Zeit wie ein hydrauliſcher Tele 

Ku8 nebit Taf. Il, Fig. 1 u.2) boden oben. Eine 
reb: Schiebeleiter mit eifernem Drebgeftell zum 


Betrieb mit Menichentraft zeigen Fig. 8 (Fahrſtel⸗ 


. Die Leiter 
ſelbſt beitebt je nad der verlangten Steighöhe 


—— aller großen Schiebeleitern iſt Die größere 

Sicherheit des Feuerwehrmanns beim Steigen. Man 

begnügt fi, wenn eine an die Spige der vollftändig 

ausgezogenen, unter den Normaljteigwintel (etwa 

80° genen den Horizont) geneigten Leiter ange 
bingte Laſt von ungefähr 250 kg (3 Mann) 
getragen wird. ferner muß jede diefer Lei⸗ 
tern bis zu einem gewiſſen Grade vorwärts 
und feitlich neigbar ſein und außerdem zu der 
Ermöglihung oder Sicherung ihrer ſenkrech⸗ 
ten Aufitellung auf unebenem Boden eine Re⸗ 
aulierung befigen. 

Feuerleitung, im 32 die Ein⸗ 
wirtung der verſchiedenen Vorgeſetzten (Grup⸗ 
penführer, Zugführer, Compagnieführer, Ba: 
taillonscommandeur) auf das Feuer einer 
Schüsenlinie. Die — umfaßt: Beſtimmung des 
zu beſchießenden Zieles, Schaͤtzen der Entfernung 
desſelben (Entfernungsſchaͤtzen, |. d.), Eröffnen 
und Einftellen (Stopfen), Art und Lebhaftigkeit 
des Feuers (Feuerart, |. d.) und Übermwahung 
des Munitionsverbraubs; endlich auch bie 
Sorge für rechtzeitigen Munitionserfag. 

ini nn f, Lilium. 

enerlinge (Polyommatus), Seuerfalter, 
Goldfalter, eine zu der Familie der Bläulinge 
(1. d.) gebörige Gattung der Tagſchmetterlinge mit 

egen 330 Arten und fait kosmopolit. ® tung. 
Särbung auf ver Oberfeite meijt in verſchiedenem 
Umfange und mit verfchiedener Lebhaftigleit des 
Glanzes golvigrot oder bräunlichrot mit gelben 
Aleden, of auch violettbraunem Schiller, Unter 
ſeite meiſt grau mit ſchwarzen, weißgefäumten 
äleden. Die affelfürmigen Raupen leben meift auf 
niedern Pflanzen. Hierher gebören acht deutſche 
Arten, von denen bejonders zu erwähnen find der 
aefledte Keuerfalter (Polyommatus Phlaeas 
1.,1.Zafel: Schmetterlingel, fig. 11), der ge: 
meine Feuerfalter (Polyommatus tenfalte 




























Ochs. , |. Taf. I, ig. 18) und der Dulatenjalter 
(Polyommatus virgaureae L.), auch Dulaten: 
vogel oder Öoldrutenfalter; die erftern beiden 
im männlichen Geſchlecht oben glänzend golvigrot 
mit dunkelm Saum und dunkeln Fleden, tim weib⸗ 
lichen matter bläulihrot mit zablreidhern Sleden ber 
letztere im männlihen Geſchlecht pradtvoll gebig 
rot, im weiblichen den beiden vorigen ähnlich. 
rünen, gelb gezeichneten Raupen leben im Fruh⸗ 
ing auf Ampferarten, ver Goldrute u. f.w. Mande 
einheimische Arten haben zwei 
Generationen. 
Fenerlinie, diejenige Linie 
oder Kante, melde durch den 
Schnitt der Krone und der ins 
nern Boſchung einer zur Ver 
teidigung eingerichteten Del 
tung gebildet wird. Da längs 
* die zum Feuern beſtimm⸗ 
ten Mannſchaften und Geſchu 
Aufſtellung finden, ſo 
Umfang und ihre Lage (ſowohl 
Höbenlage wie Richtung) für 
die Beurteilung der betreffen 


brte Luft auf beliebige Höhe in kürze: | ven Dedung überhaupt maßgebend. (S. aud Linie, 
Knaulıng (j. Auf: | militär,, 3. 


L f. Polyporus. 
uerlöcherpilz, unebterfeuerfhwamm, 

Iöfchbefen oder Patſche, ein flacher, 
fäcerartig gebundener großer Reifigbefen, oder ein 


lung) und Fig. 9 (feitlih aufgerichtet). Ein Haupt: durch Anbinden von Hanftuchlappen oder fonjtigen 


Feuerlöſchbrauſe — 


Stoffen an eine Stange —— beſenartiges 
Gerät, welches mit Waſſer benetzt zum Ablöfchen 
von Funlen Verwendung findet. 
—— He 4 Sicherheitsvorrichtungen 
nebſt Tafel, ig. 1. 
euerlöfchdofe, ein Feuerldſchmittel (f. d.), das 
ich dazu eignet, Brände in geile enen Räumen zu 
elämpfen, und all Wirkung auf der reichlichen 
Entwidlung von Gajen (Stidftoff, ſchwefliger Säure, 
Roblenfäure) beruht. Die jog. Bucher * F. die 
1846 vom Geh. Bergrat Kühn in Meißen — 
und von Bucher in Leipzig zuerſt in den Handel 
gebracht wurde, enthält in einer Pappenhülſe eine 
Miſchung von 66 Proz. Salpeter, 30 Proz. Schwefel 
und 4 Proz. Kohle. Im gefahrdrohenden Augen: 
blide wird die um die Dote gewidelte Zundſchnur 
entzündet und die Dofe in den betrefienden Raum 
eworfen, worauf durch die Verbrennung des 
nbalt3 die das ‚Feuer erftidenden Dämpfe ent: 
widelt werben. Man rechnet etwa 1 kg Maſſe auf 
10 cbm geſchloſſenen Raum. Da bie 8 auch für 
brennende Fette, Spiritus u. f m. anwendbar ijt, fo 
iſt fie für feuergefährlihe Etabliffements (Ölmüblen, 
— Brennereien) an manchen Orten 
polizeilich eingeführt. 
erlöſcheimer, ſoviel wie Feuereimer ß d.). 
euerlöjcher, Spareimer, ein von Zehnder 
in Bafel zuerft hergeftelltes vlechgefaß mit breiter 
———— Ausgußoffnung, um den aus 8— 121 
aſſer beſtehenden Inhalt beim Löihen Meiner 
Brände in ſparſamer und wirkſamer Weiſe in breitem 
Etrable audzumerfen. (S. auch Feuereimer.) 
— flaſche, ſ. Feuerlöſchgranaten. 
euerlöſchgranaten, eine amerik⸗engl. Erfin⸗ 
dung, rundliche mit einem Dal verjehene Glas: 
flaſchen, mit etwa */, bis *, 1 Ylüffigteit, beftebend 
aus einem Gemisch von Waſſer und aufgelöjten Sal: 
zen; fie find bei entſtehenden Heinen Bränden mit der 
Hand auf das brennende Objekt zu werfen und follen 
beim Zerplagen durch den augfließenden Inhalt den 
Brand * Angeſtellte Proben haben ergeben, 
daß die gläſerne Loſchgranate auf einem Bett, einer 
Draperie u. dal.nicht plagt, bei ihrer Zertrümmerung 
aber leicht Verlegungen der Umjtebenden verurſacht 
und mit Rüdficht auf die Heinen ug von Che 
milalien in der Löfung nur geringe Löſchwirkung 
bejist. Der Preis ift dabei im Verhältnis zum 
wirklichen Mert ſehr EM So 5.3. 1) Haymarda 
Driginal: Feuerlöjb:Handgranate;Gefamt: 
ewicht 1120 g, 700 g Flüffigkeit, gelblich wäſſerige 
öfung von 15,7 Proz. Eblorcalcium und 5,5 Proz. 
Ehlormagnefium mit Waſſer. Beim Aufgießen auf 
ammen verbampft das Mafler, Eblorcalcium bleibt 
wejentlichen unverändert zurüd, en 
zerjept fihund giebt DämpfevonSalzjäure. 2) Har: 
dens Jeuerlöihgranate; Geſamtgewicht 900 g, 
555 g Fluſſigkeit, gelblich wäſſerige Lölung von 19,5 
Proz. Kochſalz, 9 Proz. Salmiat in Waller; beim Ges 
brauch bleibt erfteres im wesentlichen ungerjest, letzte⸗ 
res verdampft. 3) Schönbergs Feuertod & euers 
loſchflaſche); Geſamtgewicht 700 g, Inhalts: 
ewicht 440 g, farblofe Löfung von 1,7 Proz. lohlen⸗ 
(turen Natrium (Soda) * roz. Chlornatrium in 
aſſer. Beide Salze bleiben bei Verdampfung uns 
zerſetzt und bilden feine Dämpfeund Gafe. 4) Ympe: 
trial: Feuerlöfhgranaten; Waflermit25 Proz. 
Ehlorcalcium, *, Proz. Salmiat, 5) Labbegras 
naten; 600 g Flüſſigkeit mit 30 g Chlornatrium, 
40 gEhlorammoniumcarbonat, 40 grobe Salzfäure, 


Feuerlöſchweſen 627 
nerlöfchmittel. Unter den naturlichen 
Loſchmitteln nimmt das Waffer infolge feiner wirt: 
—— Löfchkraft die erſte Stelle ein. Außer dem 
afjer wendet man beim Erftiden von Bränden 
ſprit⸗ und teerartiger, —— und fetter Stoffe als 
natürliche Loſchmitiel Sand, Lehm, Erde, Dünger, 
Grünfutter (Klee) u. a. an. Rünftlice Cafhmittel 
> iſchungen von verſchiedenen Stoffen, um die 
erbrennungstemperatur abzukühlen und den bren: 
nenben Körper mit einer Schicht zu überziehen, fo daß 
der zur Verbrennung nötige Sauerftoff von außen 
nicht zutreten kann, ſowie Mifhungen und chem. 
Stoffe, bie bei ihrer er den zur VBerbrennun 
nötigen Sauerjtoff aufbrauchen oder dur Entwid: 
— von Gaſen und Dämpfen flammenerſtickend 
wirken. Hierher find zu rechnen Gemenge von Waj: 
fer mit unverbrennbaren Stoffen, wie Lehm, Kreide, 
Thon, Kochfals u. a., foivie Schwefel, Schtekpulver, 
Alaun, Eijenvitriol, Salmiat, Soda, Waflerglas, 
Borar, phosphorjaure Salze u.a. Ein Gemenge von 
60 Proz. an 80 Broz. Alaun und 10 Proz. 
Soda bat fi ald gutes kunſtliches Loſchmittel 
(Löjhpulver) erwiejen. Bon den chem. Löſch⸗ 
mitteln find zu erwähnen hauptſächlich die Feuer: 
löſchdoſe ſowie in neuerer Zeit die Feuerlöſch⸗ 
tanaten (f. d.). — Bol. Gautſch, Das chem. Feuer: 
oſchweſen in allen feinen Teilen (Münd. 1891); 
Rudolfi, Die Brandlöfhung vom wiſſenſchaftlichen 
Standpunlt aus betrachtet (2ypz. 1901). 

Feuerlöſchpulver, Löſchpulver, f. Feuer 
löfchmittel. 

Feuerlöſchquaſte, einem Anftreicherpinfel ähn⸗ 
lihe Vorrichtung; fie beftebt au8 einem etwa 12 cm 
langen und etwa 8 cm diden Borftenbündel, mel: 
ches an der Stelle, wo die einzelnen Borjtenzöpfe 
im Holje eingepict find, mit einem Metallringe 
umgeben ift. Man verwendet biefelbe bei Zimmers 
bränden, um Beihädigungen durch große Wafler- 
mengen zu vermeiden. 

Feuerlöfchtuch, ein vierediges oder ben Gegen: 
ftänden, die es beveden foll, — geformtes 
Pacdtuch von dickem, nicht zu loſem guten Gewebe. Es 
wird über Gegenjtände gedeckt und naß gehalten, um 
diefelben vor Flugfeuer, Funlen u. f. w. zu ſchützen. 

euerlöfchtwefen, ein Zeil des Feuerſchu 

weſens (f. d.), bie Gejamtbeit derjenigen Einrich⸗ 
tungen, die in georbneter Weife die raſche Loſchung 
und Verhinderung der weitern Ausbreitung von 
Schadenfeuern jowie Rettung von Gut und Leben 
ermöglichen. Yeuerlöfhung und Feuerrettung wird 
ausgeführt durch die Feuerwehr (f. d.) Die 
Feuerlöfhung erfolgt mittels —*6 und an⸗ 
haltender Anwendung der Feuerldſchmittel (f. d.), 
insbeſondere des Waſſers, unter Beſeitigung be: 
drohter feuerfangender Stoffe aus dem Feuerbereiche. 
Die Feuerrettung hat im allgemeinen die Auf: 
gabe, alles von Flammen Bedrohte dur rafche 

öfchung des Feuers vor Vernichtung zu ſchühen 
und ſchnell außer Gefahr zu bringen. Dan unter: 
DUO ERRHR NIE EHI ERESEIREE Eritere 

eſteht in der fchnellen Entreißung wertvollen be: 
weglichen Eigentums aus dem Feuerbereihe. Die 
Entfernung sg 7 oder leicht brennbarer 
Stoffe aus der Nähe des Feuers behufs Verbin: 
derung ber weitern Ausbreitung des Feuers iſt ala 
zur Feuerlöſchung gebörig zu rechnen. Die Sachen: 
rettung erftredt I nur jo weit, ald dadurch die 
Feuerlöfhung nihtbenadteiligt wird. Die Menſchen⸗ 
rettung ift die vornehmſte Aufgabe der jeuerwebr; 


40* 


628 


fie ift eine von der gegebenen Lage und a pri 
Zufälligteiten abhängige Thätigleit; für fie kann 
daher weder ein geregeltes Syitem nod eine be 
ftimmte Vorjhrift gegeben werden. Lebendes und 
toted Material (Geräte, Löjchmittel) müfjen fo 
verwendet werben, daß gie — ———— 
Genüuge geleiſtet wirb: raſches und möglichft fiheres 
Belanntwerben der Brandftelle, ſchnelles Herbei: 
eilen der mit den Geräten ausrüdenden Mann: 
[Baften, gute Gerätichaften, Feuerlöjchmittel, ins⸗ 

ejonbere ausreichende Mengen Wafler, eingeübte 
Mannſchaft, einheitliches Kommando. 

Zu den Einrihtungen und Geräten eines 
geordneten % gehören: die Melde: und Alarmvor: 
richtungen (}. Feuertelegraphen, Feuermelder, Feuers 
alarm), die Einrichtungen zur Waſſerbeſchaffung (f. 

erhahn, ri: Feuerſpritzenſchlauch), die 
euerlöjchmittel (ſ. v.), die Feuerwehrfahrgeräte 

. d.), die Feuerwehrrauhapparate (f. d.), die 

—— sappartate (ſ. d.), jerner bie zur 
Feuerwehrausruſtung 6 d.) gehörenden Geräte, 
owie die ee (1. d.). 

fiber die Bedeutung des F. in den deutſchen 
Städten von mehr ald 50000 E. Ende 1900 giebt 
die fiberficht auf Seite 629 Aufihluß. 

Behufs Förderung und Ausbildung des Feuer: 
wehrweſens im Deutihen Reihe und in Deutſch⸗ 
em wurde auf dem eriten, 8. Sept. 1854 in 
Ulm abgebaltenen Feuerwehrtage als eine Art freier 
Bereinigung der Dzutſche Feuerwehrverband 
—— Derſelde umfaßle 1898 in Deutſchland 

6061 Feuerwehren mit 1451123 altiven Mann: 
ſchaften und in Deutfch:Öfterreich 4496 Feuerwehren 
mit 218500 Mannicaften, die ji auf 36 Landes: 
und Provinzialverbände verteilten. Letztere beſtehen 
wieder aus den Bezirklsverbänden, die den Zwedk 
haben, die Art der —— Hilfeleiſtung der 
einzelnen Nachbarfeuerwehren zu beſtimmen — 

onders auf dem Lande das Intereſſe für Feuer: 
löiheinrihtungen —— Am 2. Dez. 1900 
traten die 8 deutfch-dfterr. Yandesverbände aus und 
die öfterr. Feuerwehren gründeten den ſter— 
reichiſchen Feuerwehr-Reichsverband mit 
16 deutſchen und nichtdeutſchen Landesverbänden. 
Oſterreich zählte 1. Jan. 1901: 9849 unentgeltlich 
Hilfe leiftende Feuerwehren mit 441 925 Mann, mo: 
von 9361 Feuerwehren mit 378638 Mann dem 
Reichsverbande angehören. Deutichland befikt 
(1901) 50 Beruföfeuerwehren. Am 14. uni 1899 
gründeten Offiziere deutſcher Berufs feuerwehren den 
«Verband Deuticher Berufsfeuerwehren»; ald Mit: 
Kies können eintreten alle altiven und ehemaligen 

ziere deutſcher ——— und Feuer⸗ 
loſchinſpeltoren oder in ähnlicher Stellung befind⸗ 

e Beamte in Deutfchland (Mitglieder 1901: 130). 

Die Berliner Feuerwehr iß die größte deutſche 
Berufsfeuerwehr. Sie beftebt 100) aus 5 Com: 
pagnien mit 19 ftändigen Wachen (1 Hauptfeuer: 
mwade, 5 Compagniewachen) mit 21 Dffizieren, 
7 Felowebeln, 81 Überfeuermännern und Über 
maſchiniſten, 738 Feuermännern und Sprigen: 
männern, jujammen 847 Köpfen und 132 Pier: 
den. An Fahrzeugen waren vorhanden 10 Dampf: 
fprigen (davon 3 in Referve), 10 Tender, 18 große 

andiprigen, 16 Perſonenwagen, 19 Schlaud: 
wagen, 15 Wafferwagen, 4 Geräte:, 4 Trandport- 
und 7 medan. Leitern. Das Perjonal der auch 
Polizeismeden dienenden — ———— 
zählt 33 Köpfe (einſchließlich ĩ Telegrapheninge— 


Feuerlöſchweſen 


nieur); vorhanden find 946,5 km Leitungen, 257 
Spredjtellen, 498 ermelder ra lid 146 
um öffentlichen Gebrauch). Der Geſamtwaſſerver⸗ 
raud betrug 1899: 5589757 1 (in 286 Fällen), 
1898: 10454288 1 (323), 1897: 7274217 Dae7): 
bei Bränden außerhalb des Weichbildes 1899: 
12150161. 5283334 (einſchließlich außerhalb) ver 
Gejamtmwafjermenge (5589757 1) wurden aus der 
MWafjerleitung entnommen. 1900 waren 5332 5 
dranten und 816 Brunnen im Betrieb. Die Babı 
der 1899/1900 angemeldeten Brände betrug 10035, 
morunter 104 Groß:, 174 Mittel: und 1456 Rleins 
feuer, 75 Schornfteinfeuer und 8226 ohne Alarmies 
rung der Feuerwehr von Privatperfonen gelöfchte 
Kleinfeuer, die Summe der Alarmierungen 2524. 
Die jährlihen Koften des F. in Berlin betrugen 
1899/1900: 1661611 M. 

Die Wiener one beitebt (1900) aus 
461 Mann —— 7 Dffigieren) mit 112 Ber: 
den. Die Mannſchaft ift kaſerniert und beziebt jtän« 
dig I Gentrals, 1 Hauptfeuerwace, 4 Dampfiprigen: 
ugmwadhen, 9 Filialen und 2 Hausfeuerwadhen. An 

abhrjeugen waren vorhanden: 7 Dampfiprigen, 
5 Tender, 30 Roblenjäurelöfh:, 8 Berjonenmwagen, 
17 Univerjal: Löjchgerätes, 17 Wajler:, 5 Geräte: 
wagen, 7 große Schiebeleitern, 12 Fabrfprigen. Im 
Betrieb befinden ſich 1527 öffentlihe Hydranten, 
1680 Feuerwechfel in öffentlihen und Privatgebäus 
den. Der Telegrapbendienft umfaßt 780 km Leis 
tungen, 45 Telegrapben: und 207 Telepbonftationen, 
445 automatifche Feuermelder. Außer der Berufs: 
feuerwehr beſtehen noch die Freiwillige Net: 
tungsgejellihaft, die unter anderm aud eine 
Dampfiprige befist, und 34 Freiwillige Feuer: 
webren (1028 Mann) mit 42 Fa ern 3 Loſch⸗ 
wagen, 44 Wajlerwagen, 31 Mannidafts: und 
Rültwagen, 19 Schiebeleitern und 2 Dampffpriken, 
1900 betrugen vie Koften für die Berufsfeuerwehr 
1090273 Kronen, für die Freiwillige Feuerwebr 
136 050 Kronen, zulammen 1226323 Rronen, die 
Einwohnerzahl (Ende — 1660 000 €. 

Die Barifer Feuerwehr (Sapeurs-pompiers) 
wird durch ein —— — gebildet und ſteht 
bezüglich ihrer Organiſation unter dem Kriegs— 
minijter, in militär. — ——— dem Gouver⸗ 
neur und in ihrem techniſchen Dienſt unter dem Po: 
lizeipräfelten. Das Regiment wird von einem Oberft 
fommanbdiert, beftehbt aus 2 Bataillonen von je 
6 Compagnien und zählt (Ende 1900) 52 Difiziere, 
476 Unteroffiziere und 1225 Sappeure, zufammen 
1753 Mann. Commandeur und Dffiziere bleiben 
nicht beim Regiment und avancieren in der Infan⸗ 
teriewaffe gerade wie die andern Infanterieoffiziere. 
Die Feuerwehr ift in 12 Kaſernen und 1 Hauptwade 
verquartiert. In jeder Kajerne befinden ſich 3 Offi⸗ 
iere und 140 Mann, in der Hauptwache 20 Mann. 

e ein Teil der lajernierten Mannſchaft ſteht jür 
24 Stunden unter einem Offizier in yeuerbereit 
haft. Die Kaſernen befegen ferner mit Manns» 
haften 25 in Mietöräumen, öffentlihen Gebäuden 
oder Dentmälern untergebradhte Stadtwachen in 
denjenigen Teilen der Stadt, welche noch feine teles 
phoniſchen Feuermelver haben. Die Stadtwachen 
find 1—8 Mann ftart und werben nad) 24 Stunden 
abaelöft. An Fahrzeugen find vorhanden: 25 Dampf: 
iprigen, 21 Dampfiprigentender, 1 Elektromotor: 
automobiliprige, 22 Mannfhaftswagen, 3 Eleltro: 
automobilmannjhaft3wagen, 24 beipannte et: 
tungsleitern. 1 Rettungsleiter auf Gleltroautos 


Feuerlöfchwejen 629 


Das Feuerlöſchweſen der deutschen Städte von mehr ald 50000 €. Ende 1900. 














Name Es 
der Städte | © 
5 n 
Berlin... .(1a5| 2.1851 | 7 | — | — | — | s7|10 |— | 18 — [5333| 153 | 524 |1 661 611] 0,88 
Samburg. . .| zorsoo| ®. 1872 | 58) — | — | sl sıiesis | 63 |4749| 124 | 88 |1964 830 1,79 
Ründen . . .| 499932 K Bla) — | 90] — Ju] 3 |— | — |as04l 34 | 46460 631 0,90 
Seipgig. . . „| assoss | ®. 1865 | 12 | — | ar| — | 280| 70 1m ıs 2 110 | 198 | 446 395] 0,98 
Breslau . . .| 418000| B. 1859 | 208 — -— — 201 2|6|1ı 29 | 2526| 170 131 | 357240] 0,85 
Dresden . . .| 3550| 8. 168 | 11 | — | — | — | ıaıl 2 |— | 13 — las) — | 2| 36864810, 
Bln..... 3867| 8.10) o| | —- I — I ıulıl- | 6 so |3292| 77) 10| 2961841 061 
Frankfurt a. m. 297818 | 8. 1874 | ı8| — | sıl — | ı88| & I— | 5 120001550 | 1700 12 | 330.499] 1,15 
Rürnberg . .| 260700 | SS: 189% 18 [1452| — 1500| 1 — | 29 | sosslera | 769] 96] 27 105800] 040 
dannover ...| ss ih 1a | — | 58] 12 | 100] 1 | 8 | 8 |asoolsss Jusso] 65| 8] 14924010,68 
Ragdeburg . „| aaaso| 8. 17 ls | — | — — | ıs| a | 3 | al Tıocd 5 J1s90l 86! a2] ası14alı,oo 
Yürleldorf ..1 218767 | 8. 1872 | 16 — 0| — | ıl ı— | 40 1632 77| 12) 168 160) 0,76 
Stettin.... aio eso uu — | al — is] aa m 13 |ıs25| 74 | 19 | aursss| 1ı8 
Ghemnig . . .| 206000 SE 1] 551 — | 588] — | sis] 2 | 2W| 1 so |1s01) 83) 60] 1sıa75 or 
Charlottenburg | 189 308 % | —-|- | ss || « 36 |1osıl 78| 13 | 197 r18l 1,0 
Eönigäbergi.ßr.| 185787 | 8. 1855 | | a | — — la Im ı3 | so 79) 49] 109163l 0,91 
Srutigamt ..| zis B. is | 56 | 128 | 462] — | 03 3 |— | 12 1 au 141) 31| 198600] 1,18 
Hltona ... .| 169178 N 1008 sl o|I nji— | ml 67 2 a ı0 | 075) 39) o7| ısızaal 2,1 
Bremen ...| 100800 | 8. 10 lıs| — | — | — | ı5| 88) 4 | 6 Jisasslıso 1460 62) 32] s10478lı9s 
@iberfe® . . .| 156997 1 | 1 6 | 30] — | | — = ss 70311 — Inımol 7) — | soıslo,s 
Tea®...|ıssoool wm. ıse | ss! — | sl — | ur) 2 | ı | 7 |as0oleoa | 92 40 83] sso00lo,ss 
waßburgi.@. | 150268 | F. 186 | — | — | ui — | ui | 1 a |aısel #5/ 31] 70287|0,47 
Dortmund . „| 143000 I 2= „| —- I] —-|ısi-—|- |5 20 | ss6 sr! — | 3000010291 
Barmen ....| me IE | 12 | — | 5065| — sm) j- |» so | m 6| 85] so104lo,ss 
Danzig... 10421) Biel al 2 | s| — !ısıl ala | 7 | 63 —| —| wezıolıor 
Baden... .| 1890| 8. 11 | 1] — | — | — | ml a3|— | 3 — | a35| 46| 37| 84343l0,68 
“Mannheim . .| 132000 5 nl 2 — | om) — | ml al | 7 — | al | 15| sısıHlo,s 
Braunfhweig .| 196652 K we) | — | 328) — Iasl ılılae 9ı |1005| 34 | 1983| 73600l 0,59 
en gi. 118000 | 8. 1295 | #2 | — | o| — ai-|/- |a 20 | 7150| ı0| 7| #74s0loso 
en (Krupp) 9, 1865 | 100 — — — | 100 — | ı 8/4055 | — | — | 8| 161250] — 
Boln ... .| 1170 B ws | — | 0] — 1] 3 |- | 11 | a355l304 | ars) a6| 28| 111 808l 0,96 
Biel nn 1 ml —jam| ı)a | 5 s | 690 30) ı5| 93600lo,ss ' 
Keim... .| 106886 u m — | wol — | rl ı ij I — s688 — | — | arsuolo,as 
Eaffel ... .| 108455 14 1861| | 1 | mojaolıassı ı |— | 16 s | soo 53) 7| sas4305 
. 1891 | 
Karlarube . .| 9876| 8. 107 | — | — | sul — | so] — | ı | sısı | 6) 4ormlo,a 
Duisburg... .| 92731 | @. 1063 | — | 24 | 206| — | 201 — | | 9 | — | 18| — | 6430| 0,06 
Yugäburg . .| 88900 N | 26 — | Mol — | 96| — a — | soo) | — | 47100l 0,8 
Ent :...| in 8 sa | — || sl — | ssel— lımdmnm — | sol — | — | 1080| 0,3 
Meiny . ...| 50 a | — | — | ızl — | ui — I— | 16 62 | 862 23| — | 32000 0,37 
Mälpaufen i. | 82986 g | 7) — | 18) — | ınl a|)- In — 1029| ı6| ı16| 397626| 0,33 
Zübed »...) 9206| 8.8 | 42 5 | — | — | 17) | ı 7 2 1243 39) 7| 89222] 1,08 
Wiesbaden ..| 82000 | %. 1850 | — | 100 | 455| su) #1 — i— |12 2 935| s3| 5] 40uu0l 0,49 
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Bürburg ».| Berl igss — | — || — | sol ı |- I 40 ss 20 — | 16450 0,3 
Blauen i®. .| 3891 N isss - — || | s»u|— |- Ivo — | a1! — | — | 19460) 0,36 
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Bodum | 555 1.10 | — | — | 19l — | 183li— I— | 3 10 | 368 20| 37] 3300005 
— 68000 „1837| —| — sl — 3 — — 6 3213 400) | — 8 600) 0,13 
. nfter 1.8. 63669 | J ıarı | — » | 0) — | | — — | — ass BU — 7.000, 0,11 
m eh 200 Br 144 720 — I — | Wi—i— | 7 ı | 3151 38| 2) 20286) 0,49 
burg . Br. | 33 81 | — — wi | 6 — — | u — ! 579 2838| 32) 18500, 0,30 
Boradem ...| m N al 7 | 0 —| wlıl- |“ — | oo — | — | 1235600 
Du..::. wur ul — | — | nl — | ai— I- I — 47 — — | sonei 0, 
m@ladbad. .| 7 1 10 5 | 10 — 10 A — u | a0 — |! — | soooolo,r 
Smidau 1.6. .| sous U IE] 261 — | sl als — — | D „ 20 20| 16426) 0,20 
18521) _ | | . 
Liegnig . . .| 54900 N —* 20 eo “| ias |— | » | 2500| 6 | a0 16 10 800 0,19 


bezahlte Feuerwehrmänner. 3 Einfchliehl. 3 rer, 4 Einichliehl. 390 Ma eitv. Habrifäfeuerwehr. 3 Einichliehl. 13 Schi mpte 
— ande +4 Dampfiprigen mit Gasiprige —— 7 23336 1 Ehifedempiiprige, s —* ieh 2 Sa amp 


Einſchließl. 27 Sahrer. 2 Beitand: 7 freiwillige Offiziere in Ehrenftellung, 16 von der Stabt geftelte Beamte, 100 Be 
prigen. Einſchließl. 4 Echifispampfiprigen. % @asiprige mit Handfraitiprige fombiniert. 1! Benzinmotoriprige,. 12 Saugbrungen. 


Digitized by Google 


63U 


mobile, 21 zweifpännige Karren, 3 Dienftmagen für 
Offiziere. Betrieb befinden fih 6780 öffentliche 
und 355 private Hydranten. Die ——— 
und ⸗Telephonie umfaßt 455 km Telegraphenhaupt⸗ 
leitung, 237 km Telephonhauptleitung nebit 473 km 
Fmeigleitungen, 486 öjfentlibe Feuermelder und 
334 private, Die Barifer Feuerwehr wurde 1900 
1718 mal alarmiert zu 1507 Bränden (darunter 
131 Groß: und 197 eig und 1495 Schom: 
fteinbränden; außerdem 381 blinde Lärme. Der 
durch 1507 Brände verurfadte Schaden betrug 
1900: 10346199 Frs., die Unterhaltungstojten 
1900: 2620727 Fre. 

Die Londoner Feuerwehr zählte 1901: 1140 

euermwebrmänner (einjchließlih der Offiziere und 

bargierten), 17 Piloten, 136 Kutſcher und 235 
Pferde mit 62 Landdainpfiprigen, 8 Dampffpriken 
auf Booten, 27 große und 6 Heine Handfraft- 

igen, 7 Steam Zug3, 106 Schlaubmagen, 196 

ettungdapparate, 84 beipannte Rettungsleitern, 
204 Feuerleitern, 12 Boote, 12 Schnellruderer, 
9 Leiterwagen, 2 Leitertrollys, 2 Sprigentrollyg, 
melde Geräte auf 62 Land-, 4 Yluß:, 28 Wagens, 
161 Feuerleiter⸗, 45 Schlaubmagen:, 9 Schlaud: 
bafpel:2eitermagenftationen verteilt find. Die Tele: 
graphie umfahte 112 Telephone zwifchen den ein: 
ng Stationen, 62 gr zu 
Stationen mit 592 Melveftellen, 20 Telephone 

im PVoligeibureau, 12 Zelegrapben und 120 Tele: 
pbone an öffentliben und andern Gebäuden, 
8 Alarmapparate mit Gloden, 111 Wachen, 16425 
Hydranten. Die Feuerwehr rüdte 1900: 4654mal 
aus. Zu bedienendes Areal: 118 engl. Quadrat: 
meilen. Unterhaltungstoften 1900: 203000 m St. 

Die Beteröburger Bexufsfeuerwehr beſteht 
aus 20 Brandmeiftern, 10 Maſchiniſten für die Land⸗ 
dampfiprigen, 3 für die Dampfiprigendampfer auf 
der Newa, 981 Feuermehrmännern und 410 Bier: 
den; fie ift eingeteilt in 18 in Depots liegende Loſch⸗ 
fommandosd. Die Stadt zahlt jährlib für Unter: 
baltung 483776 Rubel. 1900 fanden 1039 Brände 
itatt, die einen Schaden von 3658225 Rubel 
verurſachten. 

Die Konſtantinopeler Feuerwehr wurde, nach⸗ 
dem 1870 bei dem großen Brande von Pera 6000 
Häufer zerftört worden waren, unter dem Sultan 
Abd ul⸗Aſis von ibrem jetzigen Dbertommandanten, 
dem ungar. Grafen Szechenyi (früher Präjident der 
und Gründer der Buda⸗ 
peiter Feuerwehr), nad europ. Mufter militärifch 
organijiert und kann jetzt einen Vergleich mit den 

erwebren anberer europ. Großitädte aushalten. 
ad Feuerwebhrregiment unter Kommando von 
—— Paſcha beſteht gegenwärtig aus 6 Ba⸗ 
taillonen mit 2 Oberſten, 1 DOberftleutnant und 
4 Majoren an der Spike und (feit 1889) aus einem 
Marinebataillon mit 1 Biceadmiral, 1 Oberftleuts 
nant und 2 Dlajoren; es ln neben dem oſch⸗ 
— außerdem gemeinſchaftlich mit der Polizei 
den Patrouillendienſt in der Stadt. Neben dieſen 
militärifh organiſierten Korps beſtehen noch die 
alten Korps ber 4000 Löſchmänner, die ſog. Tus 
lumbadſchis, 800 Waflerträger, fowie die Mann: 
ihaft von 2 Signaltürmen, die den Ausbruch eines 
Brandes ausrufen. Am kleinaſiat. Ufer befindet fi 
außerdem eine vollftändige Batterie, die bei Aus: 
bruch eines Brandes 7 Schüfle abgiebt. 
n Nordamerita bilven die Berufs: und die 
freiwilligen Feuerwebren jedes Staates einen Unter 


Feuerlöſchweſen 


verband, die ſämtlichen Unterverbände den «Nas 
tional = Nordamerilaniſchen Feuerwehr⸗ Verband», 
Jeder Unterverband bat feinen «Ausfhuß», aus 
jedem dieſer Ausihüfje wird ein Mitglied in dem 
«National-Ausfhuß» — lt. Behufs Förderung 
des F. werben neben Ausihußfigungen auch Dele- 
iertentage abgehalten. Das Feuerwehrweſen führt 
n Etädten mit eg" — die Bezeichnung 
«Fire Department». Neben den Berufsfeuerwebren 
beiteben auch freimillige erwebren, in Mittel» 
und Heinern Städten meijt nur freimillige Feuer- 
wehren. Der Ehef des Geſamtfeuerwe ens und 
Kommandant einer groben Berufsfeuerwehr im 
einer Stadt führt den Titel «Fire Marshal» (Brands 
direltor), der einer freiwilligen Feuerwehr «Cap- 
tain», In größern Städten bejteben die Berufs— 
euerwebren aus bem Fire Marsbal, dem zur 
tändigen Inſpeltion 2 —— oder Aſſiſtenten 
unterſtellt find; dieſen folgen 5—7 Brandmeiſter, 
je 24—80 Kapitäns, Leutnants, Maſchiniſten und 
tſcher, verſchiedene Sekretäre, die gleichzeitig Tele⸗ 
graphiſten ſind, ſowie Oberfeuerwehrmänner, Leiter⸗ 
und Feuerwehrmänner. Die Dienſteinteilung in 
den großen Städten iſt folgende: 20—30 Dampf: 
—* ationen ſind in der Stadt verteilt. Jede 
ampfiprigenftation iſt beſetzt mit je 1 Kapitän, 
Leutnant, Telegrapbiiten, Maſchiniſten und Kut— 
ber, 4—6 Pompiers und 2—4 Pierden ſowie einer 
ampfiprige mit Schlauchwagen. Neben diefen bes 
iteben ebenſo viele Leitercompagnien, zufammen» 
gelent aus je 1 Kapitän, Leutnant, Sekretär und 
utiher, 7— 10 Steigern (Retter), 2 Pferden, 
1 Gerätewagen mit Yeitern, einer mechan. Leiter 
ſowie Seilen, Rettungs- und Selbftrettungsappa- 
raten. Behufs fchneller Unterbrüdung von Brän- 
den befinden fid in allen Straßen fog. Ertincteur: 
ftationen mit je 1 Kapitän, Yeutnant und Tele 
graphiften, 3—4 Bompiers, 2 Bierden und 1 leichten 
abriolett mit Ertincteuren (f. Feuerfprige). Mit die 
Io Ertincteuren werben erfahrungsgemäß von 100 
ränden 50 gelöfcht, ebe fie zum wirklichen Ausbrud 
tommen. Die freiwillige Feuerwehr ift in Nord: 
amerifa jebr jtart vertreten; der Staat Neuyort zählt 
die mwenigjten —— Feuerwehrlorps (Ende 
1891: 385). Die freiwilligen Feuerwehren zerglie⸗ 
bern ſich mie die deutſchen in Sprigen:, Hanbfprigen, 
Schlauch-, ringe ui und Schußabtetlungen; 
die meiften befigen Dampfiprigen, welche in der 
Station gebeizt jtet3 zum Ausrüden bereit ſtehen. 
vielen nordameril. Städten unterhalten die 
erfiberungsgejellibaften die erwebren auf 
ihre eigenen Roiten. Die vereinigten Berfiche: 
Eunasgeieliäaften unterbalten ferner eine größere 
Anzabl, in Compagnien eingeteilte Batrouilles 
mannfchaften, deren Hauptaufgabe es ift, bei Feuers⸗ 
brünjten Waren und Mobilien mit wafjerdichten 
Deden zu belegen und fie vor dem Ruin durd ein» 
dringendes Loſchwaſſer u ihügen. 

Die Feuerwehr von Neuyork ift eine Berufs 
feuerwebr; fie zäblt insgeſamt 1084 Mann, und 
zwar 1 Feuermarſchall, 3 jtellvertretende jog. Cbefs. 
12 Bataillonschefs, 1068 Feuerwehrmänner, mit 
Ausihluß von über 300 nit uniformierten Hilfss 
mannjcaften, ferner 368 Pferde, 90 u 1 a 
3 Feuerboote (Dampfiprigendampfer), 3 Waller 
türme, 37 Halten» und Leiterwagen in 37 Depots. 
Der Telegrapb umfaßt 1950 km Leitung mit 1213 

euermeldern. Nur 16 Selunden Zeit find erforder» 
ich vom erſten Alarmzeichen bis zur Abſahrt der 


Feuerloſer Dampfwagen — tFeuermelder 


bejpannten erften Fabrzeuge. Die jährlichen Koſten 
betragen (1892) 2148000 Doll, Die Neuyorker 
Feuerwehr wurde alarmiert 1887: 2929, 1888: 3422, 
1889: 3089, 1890: 3700mal. Die Gejamtbrand: 
ſchäden betrugen 1889 bei 2836 Bränben 4142777, 
1890 bei 3463 Bränden 466 963 Doll. 
Die Feuerwehr von Chicago zählt (Ende 1900) 
1 Feuermarſchall und Brigadechef, 4 Untermar: 
ſchaͤlle, 1 Feuerinſpeltor, 17 Bataillonscefs, 113 
Rapitäne, 123 Leutnantd, 188 Mafciniften und 
Heizer, 695 Feuerwehrmänner, zufammen 1142 
aktive yeuerwehrmänner, wozu nod 93 Mann in 
drei freiwilligen, in den Außerften Vorſtädten lie 
ende Gompagnien, ſowie 43 Mann der —— 
—* raphenabteilung kommen. Der Löſchapparat 
beſteht aus 102 Dampfſpritzen, 5 Feuerbooten, 
2 Waflertürmen, 4 Handiprigen, 27 em. Sprigen, 
81 Schlauchwagen, 35 Halen: und Leitermagen und 
102 tragbaren Handpumpen; ferner 200 Fuß 
Schlauche, 500 Pferde, 19500 Hydranten und 2700 
reuermeldeftellen. Die Waſſerleitung, welche durch 
ein großartige Tunnel: und Röhren ger mit dem 
Mibiganfee in Berbindung ftebt, kann zur Be 
tämpfung von Bränden ungeheure Wafjermengen 
abgeben. Die Chicagoer Feuerwehr wurde 1899: 
7811:, 1900: 7195 mal alarmiert, Der Verein der 
Feuerverſicherungsgeſellſchaften unterhält auf feine 
Roften Batrouillen in der Stärte von 6 Compagnien, 
itteratur. Weiſer, Die deutſche Feuerwehr 
(Mainz 1855); Ottomar Fiedler, Geſchichte der 
deutichen Feuerlöich: und Rettungsanftalten (Berl, 
1873); Shaw, Fire protection (Yond. 1876); Mar 
ge: Das F. in allen feinen Teilen Ulm 1877); 
. B. T. Young, Fires, fire engines (and fire bri- 
ades (Pond. 1877); Döbring, Handbuch des Feuer: 
dſch- und Rettungsweſens (nebjt Ergänzungs: 
band, Berl. 1881); Weigand, Hanbbud für die 
ächſ. Feuerwehren (Chemn. 1888); Czermad, Zehn 
abre Feuerwehrverbandsweſen in Böhmen ( ep: 
15 1888); Handbud für den preuß. Feuerwehrmann 
(Danzig 1892); die Berichte über die deutfchen Feuer: 
mehrtage (1874 in Eaflel, 1877 in Stuttgart, 1880 
in Dresven, 1883 in Salzburg, 1888 in Hannover, 
1893 in Münden, 1898 in Charlottenburg, Sue 
nationaler Feuerwehrkongreß 1901 in Berlin); F. 
Hönig, Löihen und Retten (Köln 1894); Konr. 
Gautſch, Das chemiſche 5. in allen feinen Teilen 
(Münd. 1891); Faller, Das Yeuerlöih: und Ret: 
tungemejen in Eljaß: Lothringen (Rappoltsweiler 
1863); Srameyer, Organifation der Feuerwehren 
(Berl. 1897); Schiders, Leitfaden für freiwillige 
Feuerwehren (2. Aufl., Brünn 1897); E. Krameyer, 
ie Belämpfung der Schabenfeuer (3. Aufl., Berl. 
1898); Belleivung und Ausrüſtung der preuß. 
Feuerwehren (Lpz. 1901); die Berichte und Regle: 
ments der größern deutihen Feuerwehren; zahl: 
reiche Feuerwebrzeitungen, wie Archiv für Feuer: 
hub, Nettungs: und Feuerloſchweſen (Leipzig, 
eit 1834), Deutfche — — (Stuttgart, 
eit 1860), Zeitung für 5. (Münden, fett 1867), Die 
euerjpriße (Leipzig, feit 1874), Der norddeutſche 
SGeuermehrmann Danzig, jeit 1883), Zeitjchrift für 
die deutſche Feuerwehr (Dlünchen, feit 1871), Oſterr. 
Berband3 : jeuerwebrzeitung (Brünn, feit 1877), 
Schweiz. gr ie ern), Feuer und Waſ⸗ 
fer (Sranffurt a. M.), Fire Record (Neuvort), 
Western Fireman (Chicago), The Vulcan (London), 
Journal des sapeurs-pompiers (Baris). — S. auch 
die Pitteratur zu Feuerſpriͤze. 


631 


enerlofer Dampfiwagen, |. Straßenbahnen 
nein Taf. I, Fig. 3. 
eueriuftmajchine, ſ. Heißluftmaſchine. 
ermal, Gefäßmal, Teleangiektaſie 
— flammeus s. vasculosus), ſ. Angiom und 
uttermal. 

Feuermelder, Apparate zur Meldung von Bräns 
den. Man unterfcheidet den F.für abgeſchloſſene 
Räume (Thermoftop), der bei einer beitimmten 
Temperatur jelbitthätig eine Alarmglode zum Er: 
tönen bringt, und den Straßenfeuermelber. 
Einfahe derartige Einrihtungen der eriten Art 
lafjen ih mit Benutzung eleltriſcher Ströme ſcha 
fen. Solche F. beruhen darauf, daß ein im Norma 
zuftand die eleftrifche Zeitung unterbrochen balten- 
der Metallpfropfen dur die Hitze eines entiteben: 
den Brandes geihmolzen, durch Auslöfung einer 
KRontaltfeder der Strom geſchloſſen und eine Alarm⸗ 
glode zum Ertönen gebracht wird. 

Eine Einrichtung zur Alarmierung bei Feuers⸗ 
efabr, die in jedem mit elettriiher Klingel ver: 
ebenen Raume ohne fahmänniihen Beijtand ber: 

geitellt werben kann, ift folgende. Nabe an der Dede 
der betreffenden Räume werden in pafiender Höhe 
dünne, mit Wachs getränkte Fäden gezogen, die 
eine in den Stromkreis der Haustelegrapbenleitung 
eingeichaltete Kontaltfeder in ſolcher Stellung feſt⸗ 
balten, daß die zur Alarmglode führende Leitung 
unterbrochen ift. Sobald im Augenblid der Gefahr 
einer der Fäden durchgebrannt ijt, wirb die Feder 
aus ihrer Spannung befreit und ftellt die eleltriſche 
Berbindung der getrennten Leitungsteile ber, jo daß 
der Strom von der Batterie zur Alarmglode ger 
langen tann, worauf dieje den Brand meldet. 

in gleichjalls einfacher, durch jeden Telegraphen⸗ 
mechaniker leicht ausführbarer 5. für ausgedehnte 
Gebäude ijt der nacjftebend beſchriebene. Zwei 
dünne Blei: oder Zintoräbte, die von den Polen 
einer fonftanten (3. B. Meidingerihen) Batterie 
ausgehen, werden an allen gefährdeten Holjteilen 
des Gebäudes mittelö Heiner Nägel befeitigt. Die 
zur Signalitelle zurüdgeführte Leitung ift bier mit 
den beiden Enden einer mit ifoliertem Kupferdraht 
ummidelten Spule verbunden, an deren Eifentern 
ein Heiner eiferner Anter mit vorjtehendem Meſſing⸗ 
ftift derart befeftigt ift, daß er im Ruhe vorm etwa 
2 mm von dem Eijentern abjtebt und h an einen 
Feder: oder Schraubentontaft anlehnt. Dieſer Kon: 
takt wird mit dem einen Bol einer im Signalzimmer 
befinvlihen, aus Leclandye: Elementen beſtebenden 
2otalbatterie verbunden, während der andere Pol: 
drabt der Batterie zu ber eleftriihen Glode geht, 
die ibrerfeitö durch einen Drabt mit dem Anter in 
Verbindung gelegt if. Solange nun durch Ber: 
mittelung der Schmeljdrähte der Strom der Meis 
dinger:Batterie um den Eijentern cirkuliert und 
diejen magnetifch macht, wird der Anter vom Eiſen⸗ 
tern angezogen und fomit vom Scließungsfontaft 
der Lolalbatterie entfernt. Sobald jedoch der Strom 
in den —— durch das Schmelzen eines der: 
felben unterbrochen wird, ſchnellt der Anter ent: 
weder durch Federkraft oder durch fein Gewicht 
zurüd, fchließt dadurd den lokalen Strom und ver: 
anlaft das Ertönen der Signalglode, 

Der automatijhe Straßenmelder beitebt 
aus einem Gebäufe, in welchem fi ein Laufwerk 
mit Morſeſchrifträdchen, Kontaltſchlüſſel und Blik: 
fänger, in einigen Syſtemen, wie z. B. den von 
Siemens & Halste in Berlin und Fein in Stutts 


632 


gart, aud ein Galvanojtop befindet. Diejes zeigt 
eleltriſche Ströme in der Leitung an; feine Ma 
nadel ift bei Ruheſtrom aus i — 
abgelentt und kehrt in dieſelbe zurüd, ſobald die 
Leitung an irgend einem Bunte unterbrocen wird. 
Da die in eine Rubeftromleitung eingejchalteten 
Galvanoflope alle diejelben Zeichen martieren, fo 
wird das Depeſchieren —— wei Stationen auf 
der ganzen Linie angeie at. In Arbeitsftromleitun: 

en giebt dad Galvanoſtop durch Ausihlag der 

abel nur die Thätigleit deö eigenen Apparats an, 
welche ent enenaeient von dem vorhergehenden Ber: 
balten der! ben ſenkrecht ftebt, fobald der Kontalt⸗ 
Ihlüffel gebrüdt wird. Das Schrifträpchen wird 
dur das Laufwerk bewegt, deſſen —— bei 
Entdedung eines Feuers mit der Hand durch Nieder: 
ziehen eines Handgriffes oder Dreben einer Kurbel 
erfolgen fann. Das Rädchen hat auf jeinem Um: 
fange DI vorjpringende Zähne, die auf 
einer Kontaftfeder ſchleifen und dadurch den Strom⸗ 
freis jchließen, in welchem = der Eentralftation ein 
ſich jelbit auslöfender Morjeapparat eingeicaltet 
ift, der die on eichen des automatifchen F. wieders 
giebt. Bei Aus hung des Radchens dreht es ſich eins 
oder mehreremal und fignalijiert dasſelbe Zeichen 
wiederholt bei jeder Umpdrebung auf der Eentral: 
jtation. Der fg nr (Zafter) dient dem Tele 
atap Garen dazu, bejtimmte Zeichen oder ausführ: 

he Mitteilungen über die Art des Feuers zu mas 
hen, was jedod Kenntnis der Morſeſchrift voraus: 
fest. Der Bligableiter im Apparat ſchützt denfelben, 
er lommt nur bei Anlagen mit oberirbifcher Leitung 
in Anwendung. 

Die in neuefter Zeit in vielen deutihen Städten 
nad Eyjtem Hoffmann: Döhring eingeführten autos 
matifchen P von Groos & Graf in Berlin unter: 
ſcheiden fi von den ältern Syitemen —*2— 
dadurch, daß die Laufwerke der in eiſerne Schuß: 
gebäufe eingebauten Meldeapparate erjt beim Mels 
den aufgezogen werden. Das Melden erfolgt hier: 
bei ebenfalld durch Umdrehen einer Kurbel oder 
Ziehen am Feuermeldegriff. Durch dieſe Einric: 
tung wird ein zufälliges Ablaufen der Werte, durch 
Erſchütterung u. ſ. w., und dadurch entſtehendes 
ſog. «blindes» — vermieden. Die Melder⸗ 
gehäufe find bei den meiften Modellen dieſes Syſtems 
durh eine gußeiſerne Thür verfchlojjen, die nur 
durch befondere im Beſiß der öffentlichen Beamten, 
Hauseigentümer und jene: juverläffiger Per: 
fonen befindlibe Schlüſſel geöffnet werben kann. 
Diefe Schlüffel find numertert und werden nad 
Offnen des Melders im Schloß durd eine Borrich: 
tung feſtgehalten, bis fie dur die — 5—— 
Feuerwehr mittels beſonderer Loſeſchlüſſel freige⸗ 
geben werden. Die Nummer des im Schloß befind⸗ 
lihen Schlüſſels giebt der Feuerwehr an, falls der 
Meldende nicht une zur Stelle ift, wer gemeldet bat. 
Der Meldende verbleibt, jofern er mit dem Taiter 
nicht Ausführliches an die Eentralftation depeichieren 
fann, entweder am Apparat bis zum Eintreffen der 
Feuerwebr oder er jchreibt Straße und Hausnummer 
der Brandftelle auf eine im Meldergebäufe befind» 
liche Schreibtafel. Die Meldung beitebt in der Ab⸗ 
gr eined gewiſſen Morjezeihens, welches für jede 

tation ein anderes it. Die Meldeapparate bes 
nie meiſt eine Sicherbeitäfchaltung, melde ſchema⸗ 
ti 
Melden von einem der automatiſchen Melder At, 
A’... wird das Laufwerk aufgezogen und biermit 


L verſch 
eThatigleit befindliche 
Dies 


ch in nachſtehender Fig. 1 dargeſtellt iſt. Beim 


Feuermelder 


—— Hebel u von Kontalt x auf Kontakt 
N) Hierburd wird ber betreffende in 
elder an Erde rm 

ejwedt, dab von zwei Stellen gleichzeitig 
abgegebene Meldungen ri He in der Eentrale ein» 
laufen, deren Morjezeihen alſo nicht verftümmelt 
werben, ba ftetö die hinter der in tigleit be⸗ 
finvlihen in der Leitung liegenden tellen 
ausgeſchaltet find. Iſt z. B. Meldeſtelle A! in Bes 





trieb, ſo nimmt der Strom fol⸗ 
enden Weg: Batterie B! der 
ntralftation, MorfeapparatM, 
Galvanoflop G, Telephon⸗Um⸗ 
fhalter U, Taſter T, Bligab» 
leiterleitung, Meldejtelle A!, Bligableiter, Kontakt: 
üd x, Einſchalter e (zum Einſchalten eines trans 
aren Morjeapparats, Telephons oder Galvanoſtops 
bejtimmt), Wechielitromglode i, er t, Rontalts 
eder, Morfezeihen:Rontaktrad, Hebel u, Rontatts 
üdy, Blipableiter, Erde:Erve E der Eentralitation, 
atterie B', Auf dem Morfeapparat M in der en: 
tralftation erfcheinen die der Meldeftelle A! ents 
ſprechenden Morfezeichen unter Ertönen der von Bat: 
terie B*betbätigten Feuerglocke W, meld legtere durch 
Bedalausfcalter Pausgejchaltet werden fann. Na 
einer eingelaufenen —— wird in der Cen⸗ 
trale durch Drüden des Taſters T ber ee 
duftor J in die Leitung eingefchaltet und nad 
Meldeftelle Wechfelftrom gejandt, modurd der Mel: 
dende ein Glodenzeihen («Verftanden») erhält. Der 
Hebel u wird durch Scliehen der Thür des Melde 
apparat3 auf Kontakt x zurüdaefübhrt, fo daß der 
Ic 





Aubeftrom mieder dur jämtliche in der Linie vor: 
bandene Melveitellen A!, A!,... fließt. Während 
eined Brandes bei Revijion der Anlage lann von 
jeder Melveftelle aus mit der Gentrale telephoniſch 
verfebrt werden, wenn vermittelft Schnurund Stöpiel 
in den Einſchalter e des Melders ein Telepbon ein: 
geftedt wird. In der Eentrale ift hierbei das Tele 
pbon vom Umschalter U zu entfernen, wodurd letz⸗ 
tereö in die Linie eingejchaltet wird, 
Fig. 2 ftellt eine neue, der Firma Groos & Graf 
—— Schaltungsweiſe für J. dar, bei welcher 
eitungsſtoͤrungen keinen Einfluß auf das richtige 
Einlaufen einer Meldung haben; ebenfo fönnen von 
jweien der Meldejtellen 3!, S®, 3® gleichzeitig Mel⸗ 
dungen abgegeben werben, die beide richtig in der 
Gentrale anlommen. Beim Melden ſchaltet ſich auch 
bier der Apparat automatifch dur Feder c und 


Feuermeteore — Feuerſpritze 


enter d an Erde. Die erſte Hälfte der Meldung 
trifft dann über Kontaktfeder a auf Morſeapparat 
M*, die zweite Hälfte der Meldung über Kontattfeder 
d auf Worfeapparat M! in der Eentrale ein; dabei 
ertönt die von der Batterie B* bethätigte Feuer: 
glode W, die dur den —— alter P auss 
geibaltet werden kann. In der Ruhelage cirkuliert 
von den hintereinander geſchalteten Batterien B* 
und B* ein Strom durch die S et: Beim 
Melden jedoch wird durch die Einjchaltung der Erde 
E der Stromtreis in zwei Teile geteilt, deren jeder 
Teil eine Batterie befigt. Es muß alſo bei jever 
Leitungsftörung ſowie auch beim Melden von zwei 
Stellen gleichzeitig wenigſtens die Hälfte der Feuer: 
meldung (aljo etwa von 6 Zeichen wenigſtens 3 Zei: 
den) richtig in der Gentrale einlaufen, fo daß die 
groͤßtmögliche Sicherheit erreicht iſt. 
euermeteore, |. erfugeln. 
euermilchling, Vils, |. Lactarius. 
euern, Brennen, eine befonderd an Renn: 
pferden vorgenommene Operation zur Heilung von 
oder zur Vorbeugung gegen Knochen: und Sebnen: 
leiden. Beim F. wird mit befonders glübend ge: 
machten Brenneifen die Haut über den erkrankten 
Teilen ftrich: oder punttförmig angejen t. — F. 
heißt auch ein Verfahren bei der Weinbereitung 
(j. d.). — Militäriſch Ausdruck für Schießen (f. d.). 
euerneilfe, |. Lychnis. 
euerortözeiger, Ortſchauer, Drientie: 
tungsapparate, Vorrichtungen, die auf einem 
erböbten Buntte (meiſt Kirchturm) des Ortes aufge 
ftellt, namentlich während ber gm ermöglichen, 
mit Hilfe von topogr. Tafeln die Lage eines aus: 
wärtigen Brandes (Xandfeuer) feitzuftellen. Hierber 
gebören das vielfach en botojtop (1799 
erfunden von Pausner in Jena), das nad Art der 
Camera lucida (1842 zuerst von Steinbeil in Mün: 
hen) ausgeführte Pyroſtop, die Apparate von 
Meber in Gotha, Lieb in Biberach u. a. Bei Bränden 
im Ort wird in vielen Stäbten der feuerort vom 
Kirhtürmer (Feuerwächter) durch Ausbängen einer 
roten Fahne bei Tage, einer Laterne bei Nat in 
der Richtung der Branpitelle angezeigt. 
enerpfeil, ſ. Falarila und Brandgeſchoſſe. 
euerpifett,biejenigemilitär. Abteilung, welche 
bei ausbrecender Feuersbrunſt (namentlid; bei Ges 
—— fislaliiher Gebäude) ſofort nah dem 
tandplage zu eilen, denjelben abzujperren und die 
geretteten Gegenijtände zu überwachen hat. 
uerplatte, j. Dien. 
euerpolizei, die von der Baupolizei und ber 
Feuerwehr gemeinſchaftlich ausgeübte Thätigkeit, 
mweldyer al& einem .._ des Feuerſchutzweſens die 
Aufgabe zufällt, Schadenfeuer möglichft mu verbüten 
und zu beichränten. Die feuerpolizeilihen Bors 
ſchriften erjtreden fih daher im allgemeinen 1) auf 
den Umgang mit euer und Licht, Reinigung der 
Schornſieine u. f. w. ſowie den Vertebr und bie 
Unterbringung von jeuergefährlihen Gegenftänden. 
Zu legtern jind aud) die Stoffe zu rechnen, melde 
bei ihrer Lagerung in großen Mengen, bei dichter 
Berpadung oder bober Belaftung dur ſchwere 
Gegenjtände zur Selbitentzündung geneigt find, wie 
. B. ungenügend getrodnetes Heu, Strob, Säge 
Ipäne, ünger, Hanf, Flachs, geölte oder fettige 
ppen von Wolle oder Baummolle u. a.; 2) auf 
euerjihere Bauart, Dabung, Schornſtein⸗ und 
erungsanlagen, jeuergefäbrliche Betriebe (4. B. 
ulvermüblen, Tbeater u. ſ. w.) in Gebäuden. 


633 


nerprobe, ſ. Gottesurteil. 

euerpumpe, Feuerquirl, |. Feuerzeug. 

euerräder, j. euerwertäjtüde. 

euerröhren, vie Heizröhren der Heizröhren⸗ 
leſſel. (S. Dampiteflel.) 

euerfäge, j. Feuerzeug. 

euerfalamander, ſ. Landſalamander und 
Tafel: Urodelen, Fig. 5. 

Feuerſäule und Woltenfänle, nad der Sage 
ber \jöraeliten das Zeichen der Gegenwart Gottes, - 
weil Jahwe in der Gemitterwolle und im Feuer ers 

heinend gedacht wird (j. Eberub und Serapb). So 
äßt ſich Jahwe in einer Wolle und unter Donner 
und Bliß auf den Sinai nieder, ald er Moſes fein 
Geſet offenbart. Als Feuerfäule und Woltenfäule 
ziebt er mit den Kindern Israel dur die Wuſte 
(2 Moj. 13, 21— 23). Als er in den Tempel Salomos 
einziebt, füllt eine Wollte das ganze Haus (1 Kön. 
8, 10 f9.). Das Buch der Weisheit fieht in ber 
Feuerfäule und Wollenfäule die Weisheit Gottes 
(10, ı7) und Philo den göttlichen Logos. (S. auch 
Heiliges Feuer.) 

Feuerichiffe, Schiffe, die in der Nähe von Un» 
tiefen verantert werden, um die Seefahrer zu warnen, 
Man legt fie an ſolche Buntte, welche die Erbauung 
eines Leuchtturms nicht geſtatten. Da die F.aufihrem 
Platze ſchwerem Sturm und Seegang Troß bieten 
müſſen, werden jie befonders ſtark gebaut und haben 
ſtarles Ankergeſchirr. Ihre Anler find meiſt Pilz 
anter, die, wie ein Pilz geformt, ſich tief in den 
Grund graben. F. haben zur Unterſcheidung von 
einander ein big brei Maſten, an deren Spige fie 
während des Tages große weit fihtbare Körbe und 
nachts Lichter führen, die durch ihre Zahl und Farbe 
dem Seemann angeben, welches Feuerſchiff er vor 
fih hat. Die zu rot angeftrichen, weil diefe 
Narbe auf dem Wafler am weiteſten fichtbar iſt, und 
tragen ihren Namen in großen Buchftaben auf den 
Seiten. Auf den meiften F. befinden ſich Rettungs: 
boote. (S. Seezeihen und Betonnung.) 

euerfchröter, i. Hirichläfer. 
erſchutzweſen, die Gejamtheit derjenigen 
Einrihtungen, welche bezweden, Schabenfeuer zu 
verbüten, zu löjchen und zu befchränten, ſowie Leben 
und materielled Gut aus Feuersgefahr zu retten. 
Es gebören alfo zum Feuerfhuß die Feuerbütung 
ober Feuerpolizei (f. d.), die eu 
und die Feuerrettung (f. Feuerloſchweſen). 
euerfchwamm, ſ. Polyporus. 
euerfchtwindung, |. Tbon. 
euerjegen, |. —— 


euerſehen, ſ. Bergbau. [mittel, 
euerfiher, ſ. Feuerfeit und Flammenſchutz⸗ 
euerfocietät, ſ. Feuerverſicherung. 


euerſpeieunde Berge, ſ. Vullane. 

Feuerſpritze, leicht transportable Maſchine, 
deren Aufgabe darin beſteht, Waſſer auf brennende 
Gegenftände zu werfen oder darüber u ergiehen. 
Sie bildet das wichtigſte Gerät zur Bekämpfung 
von Bränden (Scadenteuern). Nach der Art der 
Kraft, welde zum Betriebe der Sprigen verwendet 
wird, unterjcheidet man: Handkraft-, Dampfs, 
Gas-, elettrifhe und Betroleummotor: 
jprigen. Die Verwendung von Tieren zum 
Sprigenbetrieb ift verjucht, jedoch nicht — 
worden. Die weſentliche Einrichtung größerer 
Handkraftiprigen erbellt aus der Tafel: Seuer 
fprigen I, fig.1u.2;a, a, find die beiden Cylinder 
des Sprißenwerles. In ibnen können ſich die beiden 


634 


Kolben b, b, auf und nieder —— Dabei iſt die 
Berührung zwiſchen der innern Cylinderfläche und 
dem Umfange des Kolbens eine ſo innige, daß der 
Raum unterhalb des letztern gegen den Raum ober⸗ 
halb luftdicht abgeſchloſſen wird. Die Kolben ſtehen 
durch die Kolbenſtangen in Verbindung mit dem 
um d N gie Sprigenhebel c,dc,, an deſſen 
Enden die für das Angreifen der pumpenden Manns 
{haft beftimmten Drudftangen c, c, fich befinden. 
- Bei Abmwärtäbewegung von c, wird fi der fol: 
ben b, beben; infolgedefjen entjteht unter demiel: 
ben eine Luftverbünnung, das Saugventile, öffnet 
ih, und Waſſer tritt aus dem Kajten r durch den 
Seiber h nad dem Saugraum g und von bier aus 
unter den Kolben. Nachdem ber Kolben b, in feiner 
bödjten Stellung angelommen ift, beginnt er ſich 
abwärts zu bewegen, das Saugventile, hat ſich ge: 
chloſſen, das Drudventil f, geöffnet, um die beim 

—— des Kolbens aus dem Cylinder ge 
drängte Flüſſigkeit nach dem Druckraume o und 
von hier aus durch die bei ———— Drud⸗ 
chläuche nach der Brandſtelle gelangen zu laſſen. 

derſelben Weiſe wirken bei der Bewegung des 
olbens b, die Ventile e und f,. Soll das Waller 
nicht dem faften r, fondern durch die bei i an— 
uſchließenden Saugihläube entnommen werden 
m ijt der bei n mit der Hand zu erfaſſende Hebel 
nl oben nad lints zu bewegen. Hierburd wird 
das Ventil k nad rechtö bewegt, der Saugraum 
g nah r bin abgeſchloſſen und mit i in Verbin 
dung gebracht. Über o ift der zum Teil mit Luft ge 
füllte dwinbfefjel p angeorbnet zu dem Zwede, 
eine gleihförmige Warlerlieferung, alio einen mög: 
lichft unveränderlichen Strabl zu erzielen. Sprißen 
obne Drudwindtejjel geben einen jtopenden Strahl, 
verurſachen fortwährende —— der Druck⸗ 
fhläuce und damit ihre ſchnelle Abnutzung. Ebenſo 
vermeidet man das nachteilige Zuden der Saug⸗ 
ſchläuche durd Anbringung eines Saugwindleſſels, 
d. b. eines zum Teil mit Luft gefüllten und mit dem 
Saugraum g in Verbindung ftehenden Gefähes. 

Mir Rückſicht auf die Art des Transports werden 
die Handkraftſpritzen eingeteiltin TZragsund Fahr: 
fprigen. Sit bei ven lestern die Verbindung des 
Sprißwerkes mit dem Fahrzeuge eine fette, fo ſpricht 
man von Wagen: oder Harreniprißen, je 
nachdem die Anzahl der Räder, welde das Fahr: 

eug befist, vier oder drei, zwei oder eins beträgt. 

Iſt die Verbindung eine lösbare zu dem Zmwede, 
beim Gebraucd der Sprike eine Trennung der eigent: 
lihen Maſchine vom Transportmittel zu ermög: 
lichen, fo jpricht man von Abproßſprißen. Das 
Spritzwerk pflegt hierbei auf einem Schlitten bes 
feſtigt zu werden, der jeinerjeit3 auf dem meift zwei⸗ 
räderigen Fahrzeug rubt. Bor Beginn des Betriebes 
ift Abprogen, d. b. Herunternabme des Schlittens 
von dem Karren, nötig. Die abgeprokte Sprike läßt 
fih dann (insbefondere zum eaug von Waſſer) 
an Orte bringen, welde für gleich leiftungsfäbige 
Wageniprigen nicht mehr zugänglich find. Taf. I, 
Fia. 3, ftellt eine Wagenſpritze dar. 

Die durd die Natur beichräntte Arbeitäleiftung 
des Menſchen fomwie der Ilmftand, daß nur eine 
begrenzte Anzabl Menſchen zugleich an einer Sprike 
arbeiten fönnen und daß die menschliche Arbeitätraft 
—— bei Berufsfeuerwehren) teuer iſt, veran⸗ 

ßten den Bau der Dampffeuerſpritzen. Eine 
folde beftebt aus dem Dampfleſſel, ver Dampf: 
pumpe und dem Fahrzeuge. Damit fie möglicit 


Feuerſpritze 


ſchnell —— — iſt, foll die Seit vom Entzüns 
den des Feuers im Dampferzeuger bis zum Augens 
blid, in welchem der zum Betriebe nötige Dampf 
entnommen mwerben fann, gering fein. Es ift ge 
lungen, diefen Zeitraum auf 8—10 Minuten, bei 
Anwendung von VBorwärmeinrihtungen auf 3—4 
Minuten zu reduzieren, * die Betriebsſicherheit 
zu beeinträchtigen. Ebenſo iſt den seen 
der Mandvrierfäbigleit des ganzen Fahrzeugs ent- 
fprohen worden, wie die in Taf. I, Fig. 4, dar: 
geftellte Dampfiprige (E. Bachs jäd, Batent vom 
27. Zuli 1876) ertennen läßt. Die bei der Berliner 
—— angeſtellten Verſuche, die ſofortige In⸗ 

etriebſezung der Dampfſpritzen durch flüffige Kob- 
lenſäure zu ermöglichen, welche zum Betriebe der 
Dampfpumpe jo lange Verwendung findet, bis die 
erforderlibe Dampfipannung erreicht ift (Wittes 
deutſches Neihöpatent Nr. 21931, 1882), haben zu 
feinem befriedigenden Refultat geführt. 

Eine F. die durd das in fomprimierten Flüſſig⸗ 
keiten enthaltene Arbeitövermögen in Betrieb ge 
fest wird, beißt Ertincteur oder Gasſprißze. 
Seine Erfinder, F. Ebarlier und Ingenieur A. 
Vignon in Paris (1864), füllten ein geſchloſſenes 
Geläp mit Wafler, in welchem boppeltloblens 
faures Natrium aufgelöft war. Bei Hinzufünung 
von MWeinfteinfäure entwidelt ſich Kohlenſäure, 
melde, am Entweichen gehindert, die Fluſſig⸗ 
feit unter einen Drud ſeht, der binreicht, fie in 
träftigem Strable hoch zu ſchleudern. Dieſe Ein- 
richtung erwies ſich befonders infofern mangelbaft, 
als es ſchwer möglich war, den Drud im Gefähe 
auf Xabre hinaus zu erhalten. Die Preſſung nahm 
allmäblib ab, wodurd der Apparat unbraudbar 
wurde. Dem begegneten (1873) Did & Comp. in 
Glasgow erde daß fie die Entwidlung der Kob: 
lenjäure erſt bewerfitelligten, wenn der Ertincteur 

ebraudt werben follte. Sie benußten bierbei nicht 
einjtein, jondern Schmwefelfäure, die fie in einer 
gem Flaſche in das mit doppelttoblenfaurem 
atrium geſchwängerte Wafler bängten. Ein von 
außen kommender, durch Stopfbüchſe abgedichteter 
Bolzen legte ſich gegen die Flaſche. Im Falle des 
Gebrauchs ſchlägt man mit einem Hammer auf den 
Bolzen, die Flaſche zerbricht und die Kohlenſäureent⸗ 
mwidlung beginnt mit großer Heftigleit. Ein neues 
Princip führteRaydt in Hannover deutſches Reichs⸗ 
patent Nr. 15039, 1880) ein, indem er tropfbarflüfs 
fige Roblenfäure (bei 0° 36 Atmofpbären d) in 
das zu verfprikende Waſſer leitet. Die nad dieſem 
m. gebauten %. (Koblenfäureiprigen. 
asſpritzen, Taf. III, Fig. 1) wurden zuerft 
a von Dittmann in Bremen eingeführt (1901 
efanden fi 86 Stüd in 20 Städten im Betriebe). 
Hierdurch fallen alle Unannehmlichkeiten, die durch 
Verwendung von Ehemilalien, beſonders Säuren 
entiteben, fort. Den Ertincteuren, welche durch Tra⸗ 
en oder Fahren transportiert werden, baftet die 
nvolltommenbeit an, daß der Betrieb unterbrocden 
werden muß, mern das Waſſer im Gefäße verſprigt iſt. 

Die Kombination einer Dampffprige mit einem 
großen Ertincteur wurde von Bach & Witte 1881 
einmal ausgeführt. Seit 1900 find bei der Leipziger 
Feuerwehr vier von Bandau fonjtruierte Gas: 
dampjiprigen, Kombinationen von Koblenjäurer 

asiprike mit Heiner Dampfiprike, eingeführt. Dier 
elben führen einen Wailervorrat von etwa 360 1 
mit ſich und geitatten den Betrieb mit Gas⸗, Dampf: 
oder Hydrantendruck ohne Auswechſelung des Loſch⸗ 


FEUERSPRITZEN. 1. 








FEUERSPRITZEN. 1. 


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2. Petroleummotorspritze. 








Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl. 





FEUERSPRITZEN. Il 


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FLAT al 





2, Gasdampfspritze. 





Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl, R.A. 


FEUERSPRITZEN. IV. 





2. Automobildampfspritze. 


Brockhaus’ Konversations-l,exikon. 14. Aufl. R.A. 


Feuerſpritze 


geräts und unter Benutzung ein- und derſelben, 
nur einmal zu legenden Schlauchleitung, ferner die 
Anwendung der Dampipumpe als Luſtpumpe zur 
Speifung von Rauchhauben unter gleichzeitiger 
Waſſerabgabe von demielben Kabrzeug, Anwär— 
mung von Waſſer und Auftauen von etwa einge: 
frorenen Teilen mittelä Dampf oder heißem Waſſer. 
Der Wafjerbebälter dieſer Gasdampfiprige wirkt 
beim Vetrieb mit Gas: und mit Hudrantendrud als 
Drudwindtefiel, bei ſolchem mit Dampforud als 
rg ee Fig. 2 der Taf. III zeigt eine joldhe 
ald Univerjallöjchtrain ausgebildete Bandauſche 
Gasdampfiprige. Neben dem vertitalgn Siederobr: 
feel mit vertifaler Dampfpumpe ijt der MWajler: 
bebälter ſymmetriſch angeordnet. Letzterer jtebt durch 
ein ſeſtes Rohr mit dem Saugraum der Dampj- 
pumpe, andererſeits dur ein bejondereö Zulei— 
tungsrobr mit Kohlenſäureflaſchen in Verbindung, 
zum Anſchluß von Hydrantenſchläuchen jind Ben: 
tile am Wafferbebälter vorhanden. Das Fahrzeug 
mit auf Blattfedern rubendem Eijenrabmen trägt 
außerdem ſechs Sitzplätze und Heizeritand, ein Ge: 
rüjt mit Schlaucmellen, Steig: und Nettungsgerät, 
Rauchapparate, Abräumzeug, Brennmaterial, Die 
Wagenräder find bebufs Erzielung leiter Fahr— 
barteit mit Kuppellagerachſen verjeben. 

Die Verwendung fomprimierter Quft zum 
—— von Waſſer iſt ſchon im vorigen 

ahrhundert verſucht worden. In neuerer Zeit hat 
unter andern Engel-Groß dieſe Idee wieder aufge: 
nommen bei ſeinen großen Gasſpritzen, welche etwa 
1500 1 Waſſer und 500 1 auf 20 Atmoſphären kom— 
primierte Luft enthalten, 

Da in neuerer Zeit ge Städte mit eleltri: 
ihem Licht, eleltriſcher Starkitromanlage verjehen 
jind, fo lag e& nabe, einen Eleltromotor zum 
Berricbe einer 5. nußbar zu machen. Kummer 
& Co. in Dreäden und die Lauſiher Maſchinenfabrik 
in Baugen haben eine elektriſche 5. (Taf. II, 
Fig. 1) bergeftellt, bei welcher der die Antriebe: 

aft lieiernde Gleftromotor mit einem zweicylin: 
rigen Sprigmwert durch ein Zabnradvorgelege ver: 
bunden ijt. Um ein Zeerlaufen des Motors obne 
Erböbung der Umdrebungszabl zu ermöglichen, tit 
ein Nebenſchlußmotor mit geeigneter Wirkung an: 
gewendet. Das Pumpwerk bingegen beſitzt ein Re: 
gulierventil, welches je nach der Stromſtärle und der 
u fördernden Wafjermenge eingeitellt werden kann, 
— daß man bei konſtanter Geſchwindigkeit der Dy: 
namomaſchine im Drudſchlauch jeden beliebigen 
Atmoipbärendruderzielentann. Unter dem Kutſcher⸗ 
fig find die ar Bedienung des Eleftromotors er: 
torderliben Schalte: und Regulierungseinrichtungen 
angebracht, welche es ermöglicen, die F. mit einer 
Spannung von 65 bis 120 Volt zu betreiben, jo da 
diejelbe an jede eleftrifche Starkitromanlage, die in 
den Straßen u. j. m. äbnlich wie die Hydranten der 
Wafjerleitung mit Anſchlußſtellen zu verjeben wäre, 
angeichlofjen werden kann. Unten feitwärts am 
Kuticherbod find die Anſchlußllemmen, an welden 
die zweckentſprechend eingerichteten, im Wagen mit 

eführten Verbindungstabel befeitigt werden. Ge 
amtgewicht der lompletten Spriße beträgt 1300 kg, 
Kraftbevarf 5500 Voltampere, minutlibe Wafler: 
lieferung 5001, Strablwurfmweite 40 m. 

Fig. der Taf. IV zeigt eine 1901 von J. Chr. 
Braun in Nürnber aute Elettromobil— 
fprige. Der eiſerne Wagenrabmen rubt auf Blatt: 
federn. Mitteld Handrad am Führerſitze iſt die Yent: 


Es ift die 


635 


vorrichtung des durch lenfbaren Wagenvordergeitelld 
* handhaben. Auf dem Wagen ſitzt auswechſel⸗ 
ar der Accumulator. Der Accumulatorkaſten dient 
leichzeitig ald Eis für Mannſchaften, jowie zur 
Mitnahme von Leitern, Schlauch: und Kabelrollen 
und anderer Geräte und Werkzeuge. Dabinter ſitzt 
die doppeltwirtende Pumpe vor 500 1 minutlicher 
Majierlieferung. Der Antrieb erfolgt direft vom 
Motor durch Stirnrad, das Aus: und Einrüden 
der Bumpe durch Verihieben einer Klaue. Dur 
dasjelbe Stirnrad erfolgt aud das Einſchalten einer 
Kuppelung bebuf3 Übertragung auf die Wagen: 
räder. Fa — 15—20 km pro Stunde. 
nordnung getroiien, daß mittels ein 
fachen Handgriffs die Umſchaltung von der Batterie 
auch auf direkte Zuleitung mittels Kabel von einer 
vorbandenen Startitromanlage erjolgen kann. 

Ebenſo jchnell wie bei der elektriihen F. lann 
die Inbetriebjegung auch durch die in Taf. Il, Fig. 2, 
dargeitellte Betroleummotorfpriße, wie fie 
von der Daimler: Motorengejellihaft in Cannſtatt 
ausgeführt wird, erfolgen. Der Motor iſt eine 
Zwillings:Gastraftmajbine (jog. Daimler⸗Motor), 
welche ſich das zum Betriebe erforderliche Gas aus 
Petroleum oder Benzin automatiſch erzeugt. Das 
Bumpmwert befiht nah Bauart der normalen Hand» 
trajtipripenzmeivertilal ftebendeEylinder mit Bentil: 
conusgebäuje und Drudregulierventil. Die Kolben: 
ſtangen der Sprikefind —— an zwei um 180° 
verſete Kurbeln, deren Wellenende ein Zahnrad 
trägt; letzteres erbält feine Bewegung vom Zahn⸗ 
getriebe eines durch Friktionsicheibe mit dem Motor 
verbundenen Vorgeleges. Mitteld Handbebel kann 
das Vorgelege fofort ein: und ausgerüdt und damit 
während des Ganges vom Motor die Sprike jofort 
in oder außer Betrieb gejekt werden. Sein Kühl 
wajler erbält der Motor dur ein Nobr aus dem 
Drudraum der Sprige, nad jeiner Benukung fließt 
dasjelbe in den Saugraum der Sprike zurück. 
Das Geſamtgewicht beträgt 1400 kg, die Leiſtung 
6 Vierdejtärten, minutlihe Wafjerlieferung 270 
—300 1, Strablwurfweite 32 m Die Inbetrieb: 
jeßung erfordert ®, bis 19, Minuten. 

Eine Automobildampijeuerfpriße der 
Waggonfabrik (vormals W. C. F. Buſch) Aktien 
geſellſchaft in Bautzen, wie ſolche auf der inter: 
nationalen Ausſtellung für Feuerſchutz und Feuer— 
rettungsweſen in Berlin 1901 ausgeſtellt war, zeigt 
Taf. IV, vie 2. Diefelbe befikt neben dem Dampf: 
pumpwerk (Spriße) eine aa 10pferdige Zwil⸗ 
lingsdampfmajcine zur jelbittbätigen Fortbewe— 
gung des Babseugs Beide Maſchinen find ftebend 
und entnebmen ibren Betriebödampf aus einem ges 
meinscaftliben Dampfleſſel. Das zweicylindrige 
doppeltwirtende Pumpwerl liefert 1000 1 pro Mis 
nute. Zur Umfteuerung der Fahrrichtung iſt die 
betannte Stepbenfoniche Eoulifje angewendet. Die 
Regulierung der Fahrrichtung und «Geihmwindig: 
feit erfolgt vorn durch einen vom Fahrſitz aus bes 
dienbaren Steuerbebel. Die Are ertragung von 
der Betriebsmaicine die Hinterräder erfolgt 
mitteld Gelenttetten und Zabnrädern. Von lektern 
befigen die an den Hinterrädern befindlichen Innen: 
verzabnung, außen find diejelben als Bandbremss 
ſcheibe ausgebildet. Zur Lenkung des Magens ift 
die Vorderachſe nah dem Syſtem der Schwenlkachſe 
ausgebildet. Die Lenkung erfolgt durd ein Hand: 
rad vom Fahrerjik aus. Das Fahrzeug bat vorn 
5 Sikpläße und einen Heizerftand binter dem Kefiel, 


636 


Die fon gg gg ya teit beträgt 20 km 
pro Stunde, die Tourenzahl der Betriebödampfs 
maſchine 350. Mit 10 km Fahrgeſchwindigkeit 
fönnen Steigungen von 5 Proz. genommen werden. 
Automobildampffprigen wurden zuerft in Amerika 
eingeführt. Durd Einführung der Spiritusheizun 
bejeitigte Branddirektor Reichel in Hannover (1903) 
die Rau WANN wäbrend der Fahrt. 

Vol. Bach, Die Konftruktion der F. (Stuttg. 
1883); Fried, Katechismus für die Sprikenmann: 
haft der Feuerwehr (Munch. 1893); Magirus, 

as Feuerloͤſchweſen (Ulm 1877); Hönig, Loſchen 
und Ketten (Köln 1894); Fried, Katechismus des 
Feuerloſch⸗ und Feu eſens (Lpz. 1899). 

euerſpritzenſchlauch, ein biegſames Rohr, 
welches zur Leitung des Waſſers nach der Spritze 
ju und von ihr weg nach der Brandſtelle dient. Je 
nachdem die Schläudye einer innern Preſſung oder 
einem äußern Überdrud zu — im ſtande ſind, 
unterſcheidet man Drud: und Saugſchläuche. 
Nach dem Material unterſcheidet man Hanf-, 
lachs- Baumwollen-,Leder-und Gummi: 
chläuche. Die erſten drei Sorten werden ohne 
aht gewebt; und zwar ſind rohe Hanfſchläuche am 
gebräuchlichſten Gummierte Schläuche find von 
leichem Gewebe wie die rohen Hanfſchläuche und 
inwendig mit ſchwarzem oder rotem Paragummi 
dünn ausgelleidet; dieſelben vereinen die bequeme 
Handlichleit des roben Hanfihlaudes mit der ab» 
foluten Dichtigleit des Lederſchlauches. Häufig im: 
prägniert man das Hanfgewebe nod mit Gerbiäure 
oder Katechu, um ed gegen Fäulnis widerſtands— 
fäbiger zu machen. Lederſchläuche werben aus 
utem Rinds(tern)leder von möglichft gleihmäßiger 
eihaffenheit und gleiher Stärke _bergeftellt und 
jwar mit ſchwach gepichtem ftartem Hantbraht (Spi: 
nal) genäht oder, was gebräudlider und vorteil: 
bafter ift, mit Hupferftiften genietet. Lederſchläuche 
werden bei den Feuerwehren mebr und mehr durch 
die gummierten Schläuche verdrängt. Gummi: 
ſchlaäuche aus vullanifiertem Kautihul mit ein 
oder mehrern Hanfeinlagen find ala Drudihläuce 
nicht zu empfehlen, fie finden nur als Saugſchläuche 
Verwendung und erhalten zu diefem Zwed in der 
Mandung eine Spirale von galvanifiertem Eifen- 
drabt, Kupfer oder Meffingbrabt. Zur Schonung 
gegen außen erhalten die Gummiſpiralſchläuche 
noch eine Umlage von Segeltuhüberzügen. Als 
Schlaudverbindungen bat man Shlaud: 
verjhraubungen (Holländer) mit einem den 
Landesvorſchriften entiprehenden Normalgeminde 
und die ſog. Bajonettluppelungen, bei wel: 
chen beide Zeile volltommen gleich find und das bes 
liebige Vertauſchen der zu verbindenden Schlaud: 
enden zulafien, was bei den Verſchraubungen, 
melde je aus einer jog. Baterjhraube und aus 
einer Mutter befteben, nicht der Dar ift. Die Ba: 
jonettfuppelungen find eine Erfindung der Neuzeit 
und in verjchiedenen Modifilationen ausgeführt, 
unter denen das Syſtem Storz und Gretber:Witte, 
Zerlinden, Hönig am meiften benußt werden. 
Munpdjtüd wird das metallene Schlußftüd einer 
Drudiblaudleitung genannt, welches den Zmed 
bat, die ihm zuftrömende En ie in Form eines 
Strahls von gereifier Beſchaffenheit austreten zu 
lafjen. Es giebt Munpdftüde zur Herftellung eines 
a geſchloſſenen Strabls und folde, melde das 
Waſſer über eine gegebene Fläche möglichit verteilen. 
Leptere führen den Namen Braufemundftüde. 


Feuerſpritzenſchlauch — Feuerſtehler 


Das koniſche Nobrftüd, welches das Schlauchende 
mit dem Mundftüd verbindet und die allmäbliche 
Uberfuhrung desSchlauchquerſchnitts auf den Mund» 
ſtücquerſchnitt bezweckt, nennt man Strablrobr. 
Zum Verbinden ſchadhafter Schlauchſtellen benutzt 
man die Schlauchbinde, einen mit vier Shnüren 
— ea east en _ 
an Stelle der Bänder wendet man auch Blebbü 
und Ercenterverjdhlüffe an. Der Shlaubmintel 
oder Sattel, ein aus Holz oder Metall beftebendes 
Wintelftüd mit Riemen zum deitihmallen ber 
Schläuche, findet Anwendung als Unterlage des 
Schlauches hei lÜbergängen an Mauerwerteden, 
— ern engen = ers haar Schlauch⸗ 
einen, Rettungsſeilen, beim Aufziehen und Ablaſſen 
von Schläuchen, Geräten u.a. Die Schlauch— 
zange, eine aus Eifen bejitebende * ange mit 
Zwinge oder Schraube, ſowie vie Schlauchkllemme 
dienen zum Abſperren von mit Waſſer gefüllten lan⸗ 
gen Schlaudleitungen, wenn aus legtern ein defekt 
— ausgewechſelt werden ſoll. Die 
chlauchleine iſt eine 15—18m lange, einerſeits 
mit ſog. Karabiner, andererſeits mit Ring oder 
Seilöfe verſehene Hanfleine, welche jeder Rohrführer 
der Feuerwehr mit ſich zu führen hat zum Aufziehen 
und Herablaſſen von Schläuchen u. m.; fie muß 
eine Tragfähigkeit von mindeſtens 250 kg befiken, 
damit fie der Rohrführer im äußerſten Notjalle 
zu feiner eigenen Yebengrettung verwenden kann. 
Shlaubbrüden verwendet man zum Schuße 
beim liberfahren der Schlaudleitungen. Diejelben 
befteben entweder aus ſchmalen Brettern oder find 
aus quer und der Länge nad) zujammengenäbten 
defelt gewordenen Hanfſchlauchſtücken bergeitellt. 
Der Brüdenkörper muß bierbei unten offen fein 
und den unter ibm liegenden Schlau umſchließen, 
fo daß der Schlauch ohne Schaden mit fortrüdt, wenn 
die Brüde verſchoben wird. Zur oberirdiſchen Füh⸗ 
rung von Schläuchen über Übergängen benußt man 
fog. Shlaudftügen oder-Ständer, bie, ſtativ— 
artig mit 3 Beinen verjeben, je 2 an jedem liber- 
ge aufgeftellt werden. Shlaudbaipeln zum 
ufrollen,, zur Aufbewahrung und zum Transport 
von Drudihläuchen werden trag: oder fabrbar aus 
Holzund Eijen bergeftellt.— Val. Bandau, Schlauch⸗ 
fuppelungen mit gleihen Hälften Lpz. 1894). 
Feuerſtahl, als euerzeug (}. d.). — In 
Heraldik bezeichnet F. eine dem zum Funlkenſchla⸗ 
aen gebrauchten 
Werkzeug ähnliche, 5) / 
— — zwei 
necken bildende 
fog. gemeine Figur; 
fie ig bejonders an 
DOrbenstetten häufig (f. vorſtehende Fiaur). 
Fenerftätte, die Stelle in einem Gebäude, wo 
u wiederlebrenden Zeiten zur Erwärmung des 
Raums oder zu wirtſchaftlichen Zweden Feuer nes 
madt und unterhalten wird; aud ein Gebäude mit 
5. in jenem Sinne. Zur Erridhtung einer neuen F. 
oder Verlegung einer 5. an einen andern Ort ift nad 
8,368, Nr. 3, des Deutſchen Strafgeſetzbuches Eins 
bofung polizeiliher Genehmigung bei Gelvitrafe bis 
KOM. oder Haft bis 14 Tagen erforderlih. Gleiche 
Strafe trifft ven, welcher es unterläßt, dafür zu 
forgen, daß die F. in feinem Haufe in baulichem und 
brandjiherm Yujtande erhalten werden. 
Feuerftehler, Goldſchmied, f. Golpläter 
und Tafel: Käfer I, ie. 21. 


Feuerſtein — TFeuertelegraphen 


Feuerftein, Flint, eine nichtkritallifierte, 
aber Eryitallinifche Varietät des Quarzes, mie 
biejer weſentlich nur aus Kiefelfäure beftebend, von 
dem jpec. Gewicht 2,59 biß 2,01. Der F. bat feine ur: 
ſprüngliche Lagerftätte in Form von Knollen und 

latten in der weißen Kreide, 3. B. im nördl. Frank⸗ 
reib, an der Südküfte Englands, der Norbojtküfte 
Rlands, auf den dän. Inſeln, auf Rügen. Die 
„berfläche feiner grauen, gelblichen oder ——* 
lichen Maſſe, die ſehr leicht zu äußerſt ſcharflantigen 
Stüden zerſprengbar iſt, wird gewöhnlich von einem 
weißen, an ber Yunge klebenden Kiejelmehl über: 
zogen. Im Feuer brennt ſich auc der dunkle F. 
weiß, da die Färbung von einer koblenitoffbal: 
tigen Subſtanz berrübrt. In den F. der Kreide be: 
obachtet man bäufig milroftopijhe Organismen, 
namentlich Kiejelpanzer von Diatomeen und Fora: 
miniferen, wie denn der F. überhaupt auc als Ber: 
jteinerungsmaterial, 3. B. von Seeihwämmen, ala 

Sfüllungsmafle von Muſchelſchalen, dient. Man 
findet Ne übrigens ſehr häufig aus der viel 
leiter zeritörbaren Kreide ausgeipült als Ge 
ichiebe oder Knollen in den weit verbreiteten dilu: 
vialen Ablagerungen der norddeutſchen Niederung. 
Die Scherben des barten F. wurden früber ge 
wöhnlih ala Flintenfteine benutzt (die Hertel: 
lung berjelben erfolgte namentlib in der Ebam: 
pagne und Picardie, wo ein gefchidter Arbeiter in 
einem Tage 500 vieredige Steine zurichten konnte) 
und ſtehen noch immer zum ge im Ge 
braud. Schon in den Grabbügeln der Steinzeit 
findet man Pfeilipigen, Ovfermejier, Streitärte aus 
3 (©. die Tafeln: Urgeſchichte I, Sig. u. 2, 
und II, Fig. 2—6.) Auch werben Mörjer, Reibſchalen, 
Reibfteine, Glättfteine aus ihm gelötfien, und er 
wird überbaupt jo auf ähnliche Weife wie der Achat 
benust. Sodann liefert der F., der geplübt und 
gemablen Jon chemifch reine Kiefelfäure darftellt, ein 
wichtiges Material bei ver Heritellung des engl. Flint: 
alajes, des Frittenporzellans und des Waſſerglaſes. 

euerfteinpapier, ein auf einer Seite mit 
einer feit haftenden dünnen Lage gepulverten Feuer: 
eins bevedtes Papier, das zum Schleifen von 
den benukt wird, 
nerfteinfchlof, |. Handfeuerwaffen. 
euertaftif, ſ. Cineartattit. 
ertanfe, bildliche Bezeihnung für die erfte 
Teilnahme am Gefecht auf dem Schlachtielve. 

Feuertelegraphen, elettriſche, Tele 
arapbenanlagen, welche lediglich Feuerwehrzwecken 
dienen; fie bezweden die ſchnelle Beförderung von 
Feuermeldungen und Alarmierung der Feuerwehr 
und finden bauptfählih in Städten mit ftän- 
digen Feuerwacen Dee Die Urt ver 
Ausführung der elettriihen F. 2 abbängig von 
der Größe ber Stadt und der Organifjation der 
Feuerwehr. In Heinen Städten genügen einzelne 
direkte Verbindungen zwifchen der Feuerwehr, der 
Bolizei und dem Türmer, während bei größern An: 
lagen eleftriiche Verbindungen zwiſchen den einzel: 
nen Besirten der Stadt und der Feuerwehr berzu: 
ftellen find. In der einfachiten Ausfü * ge 
ſchieht dies durch Tafter und eleltriihe Weder 
mit vorfallender Scheibe, welche den Bezirk des 
Branded genau anzeigen und dur Signale be 

mte Meldungen ermöglichen. Durch gleichzeitige 
nwendung des Telepbons kann nad erfolgtem 
Anruf dur —— eine genaue Angabe über 
Ort und Größe des Brandes ‚rfolgen. In Städten 


637 


mit —— ee einer Feuerwache 
bat man neben diejen tungen in der Stadt 
bäufig noch mebrere größere Läutewerte aufgeftellt, 
melde behufs Alarmierung der freiwilligen Loſch⸗ 
mannſchaften von der Gentralitation aus gleich 
zeitig in Thätigleit geſezt werden. Das Princip 
eines guten F. für Großftädte mit Kir via 
beftebt in der Aufftellung einer —— Anzahl 
auf das aa an gleihmäßig verteilter und leicht 
zugänglicher Apparate, von denen aus jedermann 
ohne Kenntnis des Telegrapbierens in wirklich zus 
verläffiger Weiſe den Ausbruch eines Brandes nad 
der nächſten Feuerwache, Polizei: oder Gentral: 
ftation melden fann, von welder dann das Ber: 
jtandenfignal dem Meldenden zurüdgegeben und 
die Alarmierung der Feuerwehr veranlakt werden 
muß (f. Feuermelder). 

Dieele — Jan Ah bad Maigink m 
werden nad zwei Syſtemen ausgeführt: entweder 
verbindet man die Meldeftationen (Feuermelver) 
mit der Hauptſprechſtation durch |hleifenförmi 
oder dur ftrablenförmig gelegte Leitung. 
beiden ger fönnen fämtliche Meldungen direkt 
mit der Gentraljtation in Verbindung fteben und 
diefe dur bejondere Leitungen (f. nachſtehende 
Fig. 1u.2) nad den übrigen Haupt(bezirtö)itationen 


Fig. 1. Fe. 2. 


verbunden fein oder die Schleifen» und us 
leitungen ( t 3 u.4) lonzentrieren ſich auf die 
nächfte Haupt(bezirks)ftation, bie ihrerfeitö mit der 
Gentraljtation durch befondere Leitungen für bie 
Morfefhreibapparate verbunden tft. — Die elek 
triſche Feuertelegrapbie ift jchon feit langer Zeit in 





Fig. 3. Fig. 4. 


den meiften mit georbnetem 2 —* verſehenen 
größern Städten Europas und Amerikas eingeführt 
und bat ſich vorzüglich bemäbrt; denn es ſtehen er» 
mare emäß die großen Brände unter den ge 
amten Schadenfeuern in direltem Verhältnis zu 
der Zeit des frübern oder fpätern Eingreifens der 
serien Nach einer —— von R. von Fiſcher⸗ 
reuenfeld haben Städte mit volllommenem 
ertele ir wlan ihre Großfeuer im Durch⸗ 
chnitt auf 4 Proz. vermindert, während Städte mit 
weniger vollftändigen, unvolllommenen %. durd» 


638 


ſchnittlich 17 Proz, Städte ohne F. durchſchnittlich 
29 Broz. der geſamten Brände aufweiſen. 
enerthür, die Thür, welche bei Keſſelfeuerun⸗ 
gen den Berbrennungsraum abſchließt. 
Feuertod, eine ſchon früb bei den alten Römern 
wie bei den Germanen für Brandftiftung und Ver: 
rat angewendete Strafe. Derjelben Strafe wert er: 
&ienen Diebftahl an Gott geweibten Gegenjtänden, 
erwanbtenmord, Zauberei, einige Fälle ver Dia: 
jeſtätsbeleidigung gegen röm. Kaiſer, die freilich 
den F. auch bei Ehriitenverfolgungen vollitreden 
ließen. Ihre Heren zu verbrennen hatte Karl d. Gr. 
—* den heidn. Sachſen verboten. Der Kirche er⸗ 
chien aber dieſer Tod die angemeſſenſte Strafe für 
die Keher. (S. Auto de Fe.) Hunderttauſende von 
Menſchen endeten wegen ihres Abfalles vom ortbo: 
doren kath. Glauben, wegen Zauberei oder als 
Heren auf dem Sceiterbaufen, in Spanien und 
Bortugal, in Frankreich, in Deutfchland, in Oſter⸗ 
reib, in England, überall, wo die röm.slath. 
Kirche berrfchte, der ſich Staaten und ſelbſt Füriten, 
wie ber Kaijer Friedrich IL, unterwarfen, um bie Ur 
teile der Inquifitionsgerichte volljtreden zu lafjen. 
Männer wie Savonarola (f. d.) und Huf wurden 
von ber Kirche verurteilt und verbrannt. Luther hatte 
zur Duldung gen Andersgläubige gemahnt, aber 
Galvin ließ Servet wegen abweichender Lehrmei—⸗ 
nungen verbrennen und fand bie Zuftimmung Me 
abe. Ya feit der Reformation wurde in Zu: 
fammenbang mit religiöjen Auffafiungen die Ber: 
brennung von Heren und Zauberern in prot. wie 
in kath. Ländern in gleihem MWetteifer jo lebbaft 


betrieben, daß man am Ende des 16. Jahrh. feine 
Eng ausſprach, wo die Heren alle ber: 
tämen. Die Carolina drobte den F. Für Zauberer 


(Art. 109), Müngzfälfcher (111), für widernatürliche 
Unzudt (116), Brandſtiftung (125) und Diebjtabl 
der Monjtranz (172) an. Im 16. und 17. Jahrh. 
een die Herenprozefje und der F. in voller Blüte. 

iedrich Wilhelm I. von Preußen ſetzte nod 1725 
auf Sobomiterei die Strafe lebendiger Berbrennung, 
nod) 1728 wurde eine Here in Szegedin lebendig ver: 
brannt. In Würzburg, wo wie im gefamten 
— ——— 1627, 1628 und 1629 Hunderte von 
Zauberern und Heren dem Scheiterhaufen übergeben 
worden waren, wurde noch 1749 und zu Glarus noch 
1783 eine Here gerichtet. Im Preuß. Landrecht 
(2. Teil, 20. Tıtel) von 1794 findet ſich fogar noch 
die Strafe des F. angedroht. Das Leipziger Schöffen: 
gericht bat noch 1821 ein Urteil auf 3. efällt; doch 
iſt nicht bezeugt, daß es auch vollitredt jei. Aber 
die Aufllärung des 18. Jahrb. hatte den Abſcheu 

egen dieſe Strafe wie gegen die Stempelung der 
eberei zum Verbrechen und gegen den Glauben an 
Heren und Zauberer dem Vollsgemut fo tief ein 
—* daß ihr die gerichtliche Praxis und die Ges 
esgebungen folgen mußten. In kultivierten Län: 
dern giebt es dieje Strafe nicht mebr. 
uertod, Art der yeuerlöichgranaten (f. d.). 
ztoune, |. Feuertöpfe; auch ſoviel wie 
Leuchtboje, ſ. Betonnung. 

Feuertöpfe, jeuertonnen, aub Sturm: 
töpfe, Sprengtonnen, Sprenglufen, Ton: 
nen oder Gefäße verſchiedenen Materiald, welche, 
mit Brennftoffen und Zundungen gefüllt, im Alter: 
tum und Mittelalter bei agerungen viel ge 
braucht wurden. (S. auch Wurffeuer. 

Fenertroß, eine Art jet erer Ummantelung 
für Eiſenlonſtrultionen (ſ. d.). 


Feuerthür — TFeuerungsanlagen 


uerturm, j. Leuchtturm. : 

euerungsanlagen, techniſche Einrihtungen, 
in denen durh Verbrennung von Heizmaterialien 
ſ. d.) Wärme entwidelt und auf andere Körper nuß: 
ar übertragen wird. Durch dieje libertragung lann 
bezweckt werben: 1) die Erhöhung der eratur 
eines Körpers (Heizungsanlagen); 2) die Abände: 
rung ber pbufil. Eigenſchaften eines Körpers (Glüb- 
und Schweißöfen, Berbampfapparate, Schmelzöfen 
u. dgl); 3) die Sonderung von Körpern (Troden- 
einrichtungen, Eindampfapparate u. f. w.); 4) die 
chem. Umſetzung von Körpern (Hodhöfen, Gementier- 

dfen, Röjtöfen u. f. mw.). , 

Die Verbrennung des Brennſtoffs in den F. be 
ftebt in der chem: pie Br in demjelben ent: 
baltenen Koblenftofjs und Waſſerſtoffs mit Sauer: 
jtoff, der in Form von atmoſphäriſcher Luft dem 
glübenden Brennftoff augeleitet wird. Je nad der 
zugeführten Sauerjtoffmenge ift die Berbrenn 
eine unvolljtändige oder volljtändige und dan. 
auch der Wärmegewinn verjchieden groß. Die ent: 
widelte Wärme bleibt zum Teil an den Brennftoff 
—— und erhält denſelben auf der für die dem. 

mfeßung erforderlichen Temperatur, zum Zeil gebt 
* an die ſich bildenden brennbaren Gaſe und gas: 
drmigen Verbrennungsprodulte (Koblenorydgas, 
Roblenwafieritoffe, Roblenfäure, Waſſerdampf) und 
den mit der Luft eingetretenen Stidjtoff über. 

In den F. erfolgt entweder vornehmlich die Ber 
wendung der an ben Brennitoff gebundenen Wärme 
(Glutöfen) oder diejenige der : oder Flammen⸗ 
wärme (Flammöfen). Je nachdem ſich die Ber: 
brennung in einer offenen Grube (Herd) oder in 
einem jbadtförmigen Naume volljiebt, werben 
Herdfeuer (3.8. Schmiedefeuer) und Shadt: 
en (3.B. Hodhöfen) unterſchieden. Brennitoff und 

ärmgut treten hierbei in der Regel in unmittel: 
bare gegenjeitige Berührung und Einwirkung, jo daß 
durch geeignete Leitung der Verbrennung entweder 
nur, oder doch vorherrſchend, phyſil. oder pbufil.:hem. 
Umänderungen des Wärmgutes hervorgehen. Bei: 
ſpiele hierfür bietet unter anderm der zum Umſchmel⸗ 
zen des Roheiſens dienende Kupolofen der Eijen- 
giebereien oder der für die Eifendarftellung hoch 
ie we Hochofen. In den Sylammöfen werden 
Brennitoff und Wärmgut zur Verhinderung gegen: 
feitiger@inmwirkung getrennt und die Berbrennung des 
eritern in einen Raum (Berbrennungslammer, 
raum) verlegt, der von dem zur Aufnahme des Wärm⸗ 
.. beitimmten Raume (Heizraum, Herdraum, Ar: 

itsraum) jo getrennt ift, daß nur die glübenden 
Heizgaſe in diejen überzutreten vermögen. Nad ibm 
werden derartige %. auch Herböfen genannt. 

Die Geftaltung des Schachtes und Herdes iſt 
durch den bejondern Arbeitöiwed des Diens bedingt. 
Der Herd, d. i. die untere Begrenzungswanb oder 
die Sohle des Herbraums, iſt zur Stüßung und 
Aufnahme des Arbeitägutes beftimmt. [8 ift er 
ebenflädig (Glüh: und Schweihöfen), teild mulden- 
förmig vertieft geitaltet (Schmelzöfen). Meift ift 
er unbemweglich angeorbnet, zumeilen wird ihm zum 
Zwed der Miichung des Arbeitögutes oder beitimm: 
ter mechan. Einwirkung auf dasjelbe Be ng er: 
teilt (rotierende Buddelöfen, Sodadfen, Tr enöfen). 

Sowohl im Schadtofen ald Herbofen fann bie 
Einwirkung des Brennitoff und der Heizgaſe auf 
das Arbeitämaterial durch Einfluß des legtern im 
Gefäße verhindert werben, welche teilweiſe over all⸗ 
feitig geihlofien find und der im Ofen herrſchenden 


Feuerungsanlagen 


Temperatur zu widerſtehen vermögen. Man pflegt 
derartige F. Gefähöfen zu nennen und unter: 
ſcheidet Gefäß-Glutöfen und Gefäß-Flammöfen, je 
nadıdem die Erbikung der Gefäße (Pfannen, ar an 
Muffeln, Kefiel) entweder dur Einbettung derjelben 
in den alübenden Brennitoff oder auf dem Herd eines 
Herbofens erfolgt. Beiipiele: die Tiegelihmelzöfen 
der Metallgießereien und Gußftahlfabriten, die 
Mufjelöfen der Thonmwarenfabriten, die Abdampf: 
piannen ber Salzfiedereien, die Dampfteflelanlagen, 
die Luft: und unse. 

Der Berbrennungd: und der Arbeitdraum 
der F. jind nah außen durch Wandungen um: 
chloſſen, welche nicht allein das Entweichen der ge 

ildeten gasförmigen Stoffe verhindern, den Abfluß 
der Wärme möglihft einichränfen und vermöge 
ibrer Geitaltung die Einwirkung des Brennftohß 
auf das Wärmgut regeln, jondern auch Zerftörun: 
en infolge der erzeugten Temperatur auf längere 
get zu widerſtehen vermögen. Nur da, wo die Ein: 
übrung des Brennitofid und der Berbrennungs: 
luft, das Eintragen und Entfernen bed Arbeits: 
autes jowie die tung der unter die Wirkungs⸗ 
temperatur abgeluhlten erbrennungsprodulte er: 
jelaen foll, find diejelben mit dur Thüren oder 
Sieber verichließbaren Öffnungen verjeben. Bei 
den Schachtofen dient in der Regel die obere Schadt: 
diinung fomobl dem Eintragen des Brennitoffs und 
Wörmgutes (der Beſchidung) ald dem Entweichen 
der gasförmigen Berbrennungspropulte, während 
am untern Schadtende das Austragen des Märm: 
utes nad deſſen Umwandlung erfolgt. Bei den 
Gerpöfen durchftrömt der in der Verbrennung: 
fammer entwidelte ylammenjtrom den Herbraum in 
borizontaler oder vertitaler Richtung. Zur moͤglichſt 
vollhtändi en Ausnutzung der Wärme der Abgaſe 
werden dieſe, bevor fie ind Freie gelangen, wenn mög: 
lich noch durd andere geeignete u ern bebufs 
Märmeabgabe bindurbgefübrt, 3. B. bei Dampf: 
keſſeln durch Borwärmer (f. d.) oder durch Lufterhitzer, 
in denen die Berbrennungsluft angewärmt wird, be: 
vor fie in den Feuerraum tritt. enn die Abgaſe 
um Teil noch brennbar find, wie die Gichtgaje der 
Ho en, fo leitet man fie nad befondern F., die 
er inderbikung oder Dampferzeugung dienen 
Önnen. Entgegen der frübern Anjchauung werben 
enwärtig mit Erfolg nah dem Vorgange von 
Siemens weite, geräumige Herbräume angemen: 
det, in denen bie freie Entwidlung und volljtändige 
Ausbrennung der Flamme erfolgen kann, infolge 
dejlen im erjten Stadium der Verbrennung bie 
Wärme bauptfählihb durh Strahlung auf das 
Arbeitägut übertragen wird. 

Die zur Berwendung feiter Brennftoffe beftimmte 
Berbrennungstammer tft in der Regel nach der einen 
Seite, meiit nad abwärts, durd einen Roſt ges 
ehe; berjelbe ſtüht den Brennftoff, gewährt der 

den Zutritt zu demſelben und ermöglicht die 
Entjernung der bei defjen Verbrennung zurüdbleis 
benden unverbrennbaren Mineralteile (Aſche und 
Schlacke). Nur bei manchen Schadtöfen, wie 3.8. 
den Hod und Rupolöfen, jeblt der Roft; bier dient 
ein ſich nad) unten verengenber, legelförmiger Einbau 
—* ft) aur Stü ung von Brennitoff und Arbeitsgut. 

& richtige Wahl der Beſchickungshöhe und der 
chem. Zufammenjeßung des Brennſtoffs angepaßte 
vemeſſung der zutretenden Luftmenge wird eine mehr 
oder weniger volllommene Verbrennung und eine 
mebr oder weniger hohe Temperatur der Verbren⸗ 


639 


nungsprobufte erzielt. Die gebildete Flamme wirkt 
daber entweder reduzierend (menn Kohlenoxydgas 
entbaltend), neutral (bei volllommener Verbrennung 
obne Sauerftoffüberihuß) oder orodierend (bei 
Sauerjtoffüberihuß). Bei dem Puddeln des Eiſens 
(f. Eifenerzeugung II, A) wird beifpielämweije im 
erſten Zeil der Arbeit die Verbrennung des Kohlen⸗ 

off durch eine orpdierend wirkende Flamme ge: 
drdert, am Schluß ber Arbeit dagegen die Oryda: 
tion der gebildeten Schmiedeeifenluppe durch An— 
wendung einer neutralen oder rebuzierend wirlen⸗ 
den Flamme verhindert. 

Die une res ober der Zug ber F. wirb 
teils mittel3 erwärmter uftfäulen(Schornftein),teil® 
mittels maſchineller Einrichtungen (Erbauftoren und 
Gebläſe) hervorgebracht. Durch entſprechende Be: 
meſſung der Luftzufubr und Luftpreſſung gelingt es, 
verſchieden große Brennftoffmengen in ber Zeitein: 
beit zur Verbrennung zu bringen und damit die frei 
werdende Märmemenge jowie die Temperatur ber 
Verbrennungspropufte zu regeln. 

Bei manden Gefäß⸗Flammöfen, : B. bei Dampf: 
teflelfeuerungen, unterfbeidet man Borfeuerung, 
Unterfeuerung und Innenfeuerung. Unter 
Vorfeuerung verjtebt man eine Feuerungsanlage, 
bei der die ——— in einem beſondern Ber: 
brennungsgemwölbe ſtattfindet und nur die Verbren: 
nungsgaje an die Gefäßheizfläche geleitet werden. 
Bon Unterfeuerung ſpricht man, wenn der Roft dicht 
unter dem Gefäßmantel liegt, de das Flamme und 
———— an die Keſſelwand anſchlagen. 

nnenfeuerung iſt vorhanden, wenn der Roſt in das 
efäß (die Flammrohre) eingebaut iſt. 
er Rost beftebt aus einer —— Anzahl ein⸗ 
— Stäbe, der Roſtſtäbe, welche zwiſchen ſich der 
uft den Zutritt zu dem glühenden Brennmaterial 
geftatten. Die Zuführung des Brennmateriald auf 
den Roſt erfolgt entweder von Hand oder durd ber 
fondere meban. Einrichtungen. Der Verbrennungs⸗ 
raum über dem Roft ift ringsum abzujchließen bis 
Ey den anal, in dem die federn rg ab: 
zieben. Den bintern Abfhluß der Roftfläce bildet 
die Feuerbrüde, welde eine innige Mifhung der 
brennbaren Gafe mit der Berbrennungsluft bezwedt. 
Die Art, insbefondere auch die Stüdgröße des Brenn: 
materials bedingt die ſpecielle Geſtaltung des Roftes 





und die Abmeffung der Roftipalten. Die leptern 
werben burc die Neben: oder Übereinanderlagerung 
der Roftftäbe gebildet und machen in ihrer Gejamt: 


tdi sfläce des R 9. 
8 eckig on eye Aue —— 
dem Brennmaterial in der Zeiteinheit zuitrömenbe 


640 


Luftmenge. Der Roft ift ein Blanroft, oder ein 
Schrägroft, oder ein Treppenroſt, je nachdem 
die Roſtſtäbe in einer horizontalen oder geneigten 
Ebene nebeneinander liegen ober jtufenförmig über: 
einander angeorbnet find. Verſchmelzungen beider 
Anordnungen derart, dab die Stufen des Treppen: 
roftes aus ſchmalen Blanrojten gebildet werben, 
eißen Eta — — —— zeigen bie auf Ta: 
1: Dampflejjell— —— Feuerungen. 
in Treppenroſt iſt durch ig. 1 (©. 639) und 
Fig 1a, ein Gtagenrojt dur Fig. 2 dargeitellt. 
ie Wege, melde man einjchlagen kann, um auf 
dem Roft eine dkonomiſche und babei_ zugleich 
rauchfreie Berbrennung zu erzielen, find ver: 
ſchieden, entſpre⸗ 
= chend den Urſachen 
des Raucens. Will 
man, bei abge 
branntemFeuer,auf 
einen gewöhnlichen 
Planroſt neues (tal: 





fig. ta. tes) Brennmaterial 
bringen, fo muß 
die Feuerthür geöffnet werden. Bei jever Öffnung 


derjelben tritt aber, befonders wenn nicht gleich: 
zeitig der Rauchſchieber zur Verminderung bes 
Buge® beruntergelafien wird, eine große Menge 
alter Luft in den Feuerraum ein und zieht die Tem: 

peratur desjelben jo weit berab, daß die brennbaren 
Gaſe ihre Entzündungstemperatur nicht mehr bebal: 
ten und nur unvolljtändig verbrannt werben, daher 
Ruß entwideln. Wird ferner beim Neubeichiden des 
—— eine — Menge friſchen Brennmate: 
8 auf die glühende, abgebrannte Schicht auf: 








frin. 2. 


gebracht, fo wird das neue Material erhikt, e8 ent: 
wideln ſich aus demſelben zunächjt Kohlenwaſſerſtoffe, 
und ba die aufgebrachte Koble die Wärmeausftrab: 
lung der darunter liegenden Schicht verhindert, fo 
wird der Berbrennungsraum wiederum jo abgetüblt, 
daß die entwidelten Gaje nicht oder nur unvoll: 
ftändig verbrennen können. Aus den beiden vor: 
—5 Gründen wird beim Planroft na dem 
eſchicken ſtets eine Periode des Rauchens eintreten. 
Dieſe läßt ich nun zwar durch rationelles Beſchicken 
von jeiten des Heizers ſehr ermäßigen, namentlich 
durh möglichit häufiges Aufmwerfen von Heinen 
Quantitäten Kohle von entſprechender Korngröße, 
wobei die Thür nur kurze Zeit offen gebalten (daber 
der Zug gemindert) und die Bededung des Roſtes 
mit friiher Koble nie über die ganze Fläche * 
erjtreden wird; ganz rauchfrei wird man aber do 


Teuerungsanlagen 


bei Blanroitfeuerung nicht verbrennen förımen. Der 
gewöhnliche Treppenroit (Fig. 1u. 1a) begünftigt eine 
rauchfreie Berbrennung ſchon mehr dadurch, daß die 
Zuführung des Brennmaterials durch den Einfüll 
trichter faſt kontinuierlich ftattfindet, wobei ſchäd⸗ 
libe kalte Luft weder beim Vorftoßen des Brenn» 
materiald nod beim Schüren und Scladen ein: 
tritt. Beim Langenſchen Etagenroft (Fin. 2) wird 
das Rauchen dadurch au verbindern gelucht, 2 
das friſch auf die Schürplatte jeder Etage auf 
gebrachte Brennmaterial nicht auf, jondern unter 
die glübende Koblenihicht aebrabt wird, fo daß 
die entitebenden Kohlenwaſſerſtoffe ihren Weg erit 
durd die glübenden Schichten nehmen müflen und 
dabei verbrannt werden. Ein anderes Mittel e 
Erzielung einer rauchlojen Verbrennung kommt bei 
der Ten: Brink: Feuerung in Anwendung. Dies 
jelbe tritt in vielen verfchiedenen Formen auf, 
die alle das gemeinfam baben, daß das Brenn: 
material auf dem Rojte vorwärts wandert in einer 
Richtung, die derjenigen der Berbrennungsgaie 
über dem Roſt entgegengeſeßt ift. Eine reine Ten: 
Brink Feuerung tit in Fig. 3 dargeftellt. Das 








— — 4 


Fia. ®. 


Brennmaterial wird durch die mit einer Klappe 
verichließbare Öffnung oben auf den ſtark ge 
neigten Roſt gebradıt, der in einem quer zum 
Hauptleſſel angeordneten Cylinderkeſſel gr aut 
it. Durch die Wirkung der Schwerkraft rüdt das 

rennmaterial beim Abbrennen von jelbit nach 
unten, jo daß fih bald am Ende des Roſtes ein 
Aſchenlegel anjammelt, der die untere Öffnung 
dauernd verſchloſſen hält. Die friih aufgebrachte 
Koble wird ftetö auf der obern Stelle des Roſtes 
liegen. Bon den untern, in vollem Glüben befind: 
lihen Kohlen aber müjjen die heihen Verbrennungs: 
gafe über dieſe frifchen Kohlen hinwegſtreichen, jo daß 
die aus dieſen deitillierenden Kohlenwaſſerſtoffe 
unter Zutritt von Luft aus einem in feiner Weite 
regulierbaren —— über ber Kohlen⸗ 
einfüllöffnung vollftändig verbrennen. Dieie Me: 
tbode der Rauchverbrennung bat nicht nur bei diefen 
reinen Ten⸗Brink⸗Keſſeln Anwendung, ſondern auch 
im allgemeinen für alle = ür Loko motiv⸗ 
euerungen und Feuerungen bei Waſſerröhrenleſſeln 

erbreitung gefunden. 

Eine ſehr große Zahl weiterer rauchverbütender 
Feuerungen berubt darauf, ohne Öffnung der euer: 
tbür, auf gewöhnlichen Planroften oder beſonders 


Feuerverehrung — TFeuerverficherung 


ausgebildeten Rojten pi ri fontinuierlih das 
Brennmaterial in jtet3 gleihmäßiger Weije über 
den 653 Roſt zu verteilen, ſo daß nie eine größere 
den Prozeß jtörende Abkühlung eintreten kann. Die 
einen | erfolgt dann in der 5* vom 
Heizer unabhängig, automatiſch durch Antrieb von 
der Trandmiifion aus, jo daß dem Heizer nur bie 
—— der Kohletrichter ſowie die Überwachung 
ber Feuerung und das Abjchladen verbleibt. Beiden 
automatiihen Beijhidungseinribtungen 
kann die Zuführung der Kohle wiederum entweder 
von unten durch den Roſt zur Brennftoffjchicht oder 
von oben ber auf die sr Koblen erfolgen. 
eres ift der Fall bei der Helir-Jeuerun 
(j. Ste. 4 u. 5; ig. 4 iſt ein Schnitt nah O 
in ig. 5, und Fig. 5 ein Schnitt nah MN 
in Fig. 4)._Die Koble wird in die Yülltrichter 
a gegeben. Bon dort gelangt fie, von den Quer: 
fchneden A erfaßt und von den langiam rotieren: 
den Längsichneden b vorwärts bewegt, in den 
für die Längsihneden ausgeiparten Hoblräumen c 
in ber ganzen Längsrichtung auf den Roſt, auf dem 
fie fich jeitlich verteilt. Drei jolher Längsichneden 
liegen in der gezeichneten Rojtanlage nebeneinander. 
Die Koble muß dabei gleihmäßig feinlörnig fein, 


641 


ewerbliche Zmede (Karlär. 1889) ; deri., Taſchenbuch 
fir Feuerungstechniter (4. Aufl., Stuttg. 1901); 
ew, Feuerung mit flüffigen Brennmaterialien (ebd. 
18%); Haafe, Die 3. Epz. 1893); Häufjermann, 
—— F. (Stuttg. 1894—97); Haier, Dampf: 
eflelfeuerungen zur Erzielung einer möglichit rauch⸗ 
freien Verbrennung (Berl. 1899); Herre, Moderne 
Dampfkefjelfeuerungen (Stuttg. 1901); Barr, Cate- 
chism on combustion of coal and prevention of 
smoke (2ond. 11). — 
erverehrung, ſoviel wie Feuerdienſt (ſ. d.). 
ervergoldung, ſ. Vergolden. 
Fenerverfiherung, Brandverſicherung, 
deuerajjeluranz, Brandaſſekuranz, iſt ber 
mittels eines beſondern Vertrags in ber hierfür ge⸗ 
ſetzlich als unerläßlich vorgeſchriebenen ſchriftlichen 
Form des Verſicherungsſcheins, der Police (ſ. d.), 
ewährte Schuß gegen den Schaden, den unbeiweg: 
iches —— Immobiliar, Gebäude, daher m: 
mobiliarbrandverjiherung) oder bewegliches Eigen: 
tum (Mobiliar; —— — ohne 
«Schuld» (dolus) des Beſihers durch Brand, nie 
19 Erplofion oder deren Folgen, wie —— | 


eim Brande, jonftiges men ommen oder Wert: 
loswerden dabei, erleiden 


ann. Der dieje Berpflic- 





weil fi fonft leicht der Apparat verftopit. Die 
Schneden werden durch Transmiffionsriemen an: 
etrieben. Ein Beifpiel für die zweite Art ver mechan. 
Beihidungen ijt die Borrihtung von Wbittater. 
Bon den Fülltrihtern gelangen die Koblen zwiſchen 
zwei Zuführungs: und Brechwalzen, die in der Mi: 
nute etwa eine halbe Umdrehung machen und die zer: 
Hleinerten —— zwei Schaufelrädern zuführen, die 
die Koblen beftändig über die ganze Fläche des Roſtes 
werfen. Ahnlich find die automatiſchen Beibidungs: 
einrichtungen von —— Hodglinſon und Leach. 
Von flüjfigen Brennſtoffen finden Teer und 
Teeröl, Erböl und Erdölrüditände (Majut) Be: 
nußung. Um die Entzündbarteit zu erböben und die 
Verbrennung zu beichleunigen, werben jie mit Die 
von Gebläfen (Forſunka) zerjtäubt, welche gleich: 
zeitig die zur Verbrennung erforderliche LT liefern. 
Über Gagfeuerungen ſ. d.; über Staub: 
euerung.d. — Näheres über 5. mit flüffigen 
rennftoffen, fowie über die Betriebstontrolle der 
F. undderen Apparate. Feuerungsanlagen (Bd. 17). 
Litteratur. Ramdohr, Feuerungsfunde oder 
Theorie und Praris des Verbrennungsprozeſſes und 
der F. (Halle 1887); Siemens, Über die Vorteile der 
Anwendung hoch erbigter Luft Kr die Verbrennung 
(2.Aufl., Berl. 1887); Fiſcher, F. für häusliche und 


Brodhaus’ Konverfations-Lerikon. 14. Aufl R. A. VI. 


tung zum Erſatze des Schadens eingebende Zeil der 
Vertragſchließenden (Berficerer, Aſſelurant) iſt eine 
Vereinigung Mehrerer zum Zwede des Betriebes von 
Verſicherungen, nämlich entweder eine Gegen⸗ 
ſeitigkeit beruhende private —— (j. Gegen: 
jeitigteitBgeiel ichaften) oder eine Altiengeſellſchaft 
(f. Altie und Attiengefellichaft), oder aber eine öffent: 
lihe Inſtitution des Staates, der Provinz, der 
Gemeinde oder einer andern öffentlich-rechtlichen 
Korporation unter der Verwaltung öffentlicher Bes 
Be. (Feuerfocietäten, Landesbrandlafjen). Die 
bernahme von Verficherungen durd eine einzelne 
Berfon, wie fie bei der Seeverfiherung (f. d.) vor: 
fommt, findet ſich in der F. nicht. j 
Der Berfiherungsvertrag wird aufeinen gewiſſen 
Beitraum oder * unbeſtimmte Dauer unter Ver: 
einbarung einer Kündigungsfrift abgeſchloſſen. Die 
Leiftungen der Verficherten (Berfiberungsbeiträge, 
Prämien) follen im ganzen dem wirklichen Bedarfe 
an Mitteln zur Dedung der Schadenanſpruche und 
Beitreitung der Verwaltungstoften entſprechen; ſie 
müfjen im einzelnen dem Umfange (der Berfiche: 
rungsfumme) des zu ſchützenden Gegenjtandes, dem 
Rifito, und der mit deſſen Schuge verbundenen 
rößern oder geringern Gefahr, die man gleich: 
Als Riſiko nennt, angepaßt jein und werben In ber 
41 


642 


Regel in Promille (%0) der_Berfiherungsfumme 
a ein Jahr ausgedprüdt. (S. Prämie.) Riſiko 
(f. d.) im allgemeinen ift jeder verfiherbare Gegen: 
tand an —— ohne Rüdficht auf die Nachbar⸗ 
haft; fobald diefe aber in Betracht kommt, tritt 
noch eine weitere Bedeutung des Wortes auf, der Be: 
er ein Rifito, d. i. die Geſamtheit von Gebäuden 
nebit Inhalt, deren Bauart und Lage zueinander 
die Zeritörung dur ein Feuer unter ungünftigen 
Umjtänden als mwahrjceinlid annehmen laflen. 
Als eine Gruppe bezeichnet man einen Rompler 
von Rifiten, welche durch einen innerhalb desſelben 
ausbrechenden Brand in Mitleivenihaft gezogen 
werben können. Das Feſthalten an den über die 
Trennung ber Riſiken durh Brandmauern, unbe: 
baute Zwijchenräume u. ſ. w. aufgejtellten Grund: 
fägen iſt die Borausfegung für richtige Begrenzung 
ber Marima, d. b. der Summen, bis zu denen im 
äußerjten alle ein Berficherer für eigene Rechnung 
zeichnet. Darüber hinaus tritt die Heranziehung 
von Rüd: oder auch von Mitverficherern ein. 

Der Wert der F. für ven Volkswohlſtand befteht 
abgejeben von ihrem fittlihen Moment und den au 
der Hand liegenden Vorteilen, welche ihre Benugun 
unmittelbar bietet, in der Vermebrung der Brodul: 
tion, der Förderung ded PBerfonal: und Realkredits 
und in der Hebung der Induſtrie. Die F. ift dem⸗ 
nad nächſt der Lebensverſicherung als die wichtigfte 
und verbreitetfte Verfiherungsart zu bezeichnen. 

Die Geſchichte der 3. zeigt in England ihr 
erites Auftreten bereit im 17. Jahrh. Zunächft ent: 
ftanden öffentliche Brandhilfslaſſen für Immobilien, 
dann für Mobilien, fpäter erft Privatanftalten. Die 
erſte ſolche Anſtalt war die in London 1710 gegrün- 
bete Sun: Fire-Dffice; der Londoner Phönir bes 
febt jeit 1782, North: Britifb and Mercantile zu 

ondon:Evinburgb feit 1809, Liverpool: London: 
Globe feit 1836. Außerdem find nennenäwert: 
Gommercial-Union in London, Imperial in London 
(1803), Zancafbire in Mandheiter (1852), London 
and Lancajbire in Liverpool (1862), Mancheſter in 
Manchefter (1824), National: Afjurance: Company 
of Sreland (1828), Northern in London (1836 in 


berbeen gegründet), Queen in Liverpool (1856), 
Royal in Liverpool (1845), Scotiſh⸗Imperial in 
Glasgow und Standard in London (1871). In 

mobiliar: 


—  Derdg se ſchon 1745 eine 
aſſe hatte, beſtehen Feuerverſicherungs⸗Aktiengeſell⸗ 
ſchaften ſeit 1319. In dieſem Jahre wurde die Com⸗ 
pagnie d'Aſſurances Gendrales gegründet, eine bes 
deutende Geſellſchaft, ver Vorläufer zahlreicher an: 
derer guter und geadhteter Anftalten, wie Phenir, 
Nationale, Union, Soleil, France, Urbaine, Bro: 
vidence, Nord, Aigle, Baternelle, Abeille u. ſ. w. 
Belgien befist ſeit 1821 und feit 1830 die Com: 
ge nie ded Propridtaires Reunis und Compagnie 

elge d'Aſſurances Generales, beide in Brüjiel, 
Lion Belge in Lüttich u. ſ. w. Die ältefte der abl: 
reihen Anſtalten des Zweiges in Holland ift die 
von 1771 zu Amfterdam. Rußland hat größere Ges 
fellihaften in Beteröburg (Salamander, Nadeſhda, 
Erite und Zmeite Ruſſiſche Compagnie u. f. w.), 
Moskau (Mostowiihe Compagnie, Jakor), War: 
bau, Kiew, Riga u.f.m.; Rumänien in Bulareft 
(Dacia⸗-Romania, Nationala). In Oſterreich— 
Ungarn beftehen 8 öffentliche Feuerverfiherungss 
anftalten (in den deutſchen Landesteilen; die älteſte 
feit 1811), 12 —— und mittlere private gegenſei⸗ 
tige und 10 Altiengeſellſchaften (darunter die größte 


Teuerverficherung 


öiterr. Geſellſchaft, die Afficurazioni Generali in 
Trieſt, jeit 1831). Inder Schweiz befteht neben ven 
beiden Altiengejellichaften — zu St. Gallen 
(1861) und der Basler Verſicherungsgeſellſchaft 
gegen Feuer in Baſel (1863) ſowie den mit Monopol 
ausgejtatteten 17 öffentlihen Rantonalbrandtajien, 
deren erfte (für —— 1805 errichtet wurde, jeit 
1826 in Bern die Schweizeriſche Mobiliarverfiches 
———— auf Gegenfeitigfeit, die nur in 
ber Schweiz arbeitet, hier aber ein ſehr bedeutendes 
Geſchäft hat, und ſeit 1874 die Emmenthaler Mobis 
liarverfiberungd:Gefellihaft in Biglen. Däne: 
marl, Schweden, —— und Finland 
befigen öffentlihe und auch zahlreiche private, mehr 
oder weniger bedeutende Inftitute; Spanien, Ita: 
lien und Griehenland haben das Feuerverjiches 
rungsweſen bisher weniger entwidelt. In den Ber: 
einigten Staaten von Amerika ijt die ältefte 
Gejellihaft die Aniderboder-Gompany in Neuyort 
von 1787. Außerdem befteben dort Home, Eonti: 
nental, Manhattan, Phenir, Germania Niagara 
und zahlreiche andere in Neuyork und fn andern 
Staaten der Union, 

In Deutfhland geben die Anfänge einer 
Unterftügung bei Brandihäden weiter zurüd als 
anderswo. Bereit die mittelalterlihen Gilden ſuch⸗ 
ten nad Kräften ihren durch Brand geſchädigten 
Genoſſen aufzubelfen. Kleine Gegenfeitigfeitsanital- 
ten finden fich feit dem 15. und beſonders dem 
17. Jahrh. vielfab in Norddeutſchland, namentlich 
auf dem Lande, Eine größere Landesbrandtafie bes 
ftand bereit3 im 17. Jahrh. in Schleswig-Holitein, 
in Hamburg wurden 1676 mehrere Heinere, gilden⸗ 
artige Brandlaflen zu einer großen vereinigt. An 
Stelle diefer aus Selbitbilfe und genofjenjchaft: 
lihem Princip bervorgegangenen Anftalten über: 
nahm dann die Staatägemalt die Neugründung und 
Meiterfübrung. So zunädft in Preußen für Dorf: 
freife in Brandenburg 1701 und 1705, für Berlin 
1706, in den Lu rer Jahren für andere Teile der 
Monardie, in Kurfahien 1729 und fodann in an: 
dern deutſchen Landesteilen. 

Die Entſtehung der deutſchen bffentlichen 
Landesbrandkaſſen, in Preußen meiſt Feuer: 
focietäten genannt, ift geſchichtlich k r einfach 
nadzumeifen. Die Fürften pflegten, um Berarmung 
zu verhüten, ihren Unterthanen, wenn deren Häujer 
abgebrann! waren, Baubolz und wohl aud Gel zu 
ſchenlen. Dies fiel jedoch den Staatstafjen nah und 
nad beſchwerlich und reichte auch nicht aus, wes⸗ 
balb Brandkaſſen errichtet wurden, von denen aber, 
{emeit nicht Beitrittöjwang eingeführt wurde, die 

enölkerung erſt allmählich umfaſſenden Gebraud 
machte. Der erſte Zwed der F. war alſo die Lei 
ftung einer Beibilfe zur Befriedigung des Woh— 
nungsbedürfnifies der Menichen; fpäter erft 
wurde daran gedacht, daß aud der Inhalt der 
Wohnungen, die Mobilien, des Schußes bedarf. 

DieMobiliarverfiherung, weldeallervings 
einige öffentlihe Brandkafjen mit in den Kreis ibrer 
Wirkſamkleit gegooen, dann aber wieder aufgegeben 
batten, fand in Deutichland zugleich mit der privas 
ten ſpelulativen Verfiherung am Ende des 18. Jahrh. 
mweitern Eingang. Der eigentliche Aufſchwung der 
zn 3. feste an mit dem Abſchluß der großen 

iege am Anfang des 19. Jabrb. Bedeutungsvoll 
für die moderne Entwidlung der Privatfeuerverfiches 
rung war bie Thätigleit des Kaufmanns E. W. Ar: 
noldi (f. d.), der 1821 in Gotha die Feuerverſiche⸗ 


Teuerverjicherung 


rungsbant für Deutſchland ins Leben rief. Kurz 
vorher waren 1819 in Leipzig, 1812 ſchon in Berlin 
die beſtehenden älteiten Altiengefellihaften entitan- 
ben, die jedoch erſt nach Jahren wirkliche Bedeutun 
erlangten. Seit jener Zeit erftanden nad und na 
die andern der heutigen großen deutichen Privat: 
geſellſchaften. Hier find hervorzuheben die 1825 2 
gründete Aachener und Munchener Feuerverfiches 
rungsgefellicaft (f. d.), die ihren Schwerpunkt im 
landwirt —— Geſchäft hat, ſowie die 1844 von 
Friedr. Knoblauch errichtete Magdeburger Feuer: 
verfiherungsgeiellichaft, welche ihren Sauptihup 
der Induſtrie zumendet. 

Diefen Aktiengejellibaften verdanft man aud 
die erjte Einführung der Nüdverfiherung (j. d.). 
Die größten unbe ältiieeosteliäniten 
(in Köln, Aachen, Magdeburg, Frantfurt a. M.,Stet: 
tin, Hamburg, Gladbadı u.j. mw.) haben eigene Rück⸗ 
verfiberungsfilialen; andere nehmen Rüdvedung 
bei befreundeten Anftalten des eigenen Zweiges oder 
bei befondern Rüdverfiherungsbanten, unter wel: 
hen in den lebten Jabren die Müncener Rüdver: 
fiherungsgefellibaft fi zur größten in Deutichland 
aufgeihwungen bat. Auch die öffentlichen Feuer: 
— beſihen ſeit 1876 eine eigene 
Nüdverfiherungsabteilung. 

Die dffentliden A Feuerver: 
fiberungsanftalten (f. Überjiht I, ©. 644 u. 645), 
Brandlafjen, Landesbranplafien, Feuer: 
focietäten, find teilmeife mit Monopol ausge: 
ftattet (d. b. der Gebäudebefiger muß bei der betref: 
enden Kaſſe verfihern, wie in Bayern, andernfalls 
muß er unverfichert bleiben), oder auch mit Bei: 
tritis zwang, wenn nämlich überhaupt alle Gebäude 
deö zu ihrem Betriebe gehörigen Bezirkes (Land, 
——— Stadt) geſetzlich bei der dafür errichteten 

afje verficbert werden müſſen, wie in Anhalt, Ba: 
den, ver ri Hamburg, Heilen, Lippe, Olvden: 
burg, Sachſen, Sahjen: Weimar, Sadjen: Alten: 
burg, Walded und Württemberg. In Preußen gilt ver 
Verfiherungdzwang bei den Öffentlihen Anjtalten 
nur für einzelne Städte (Berlin, Breslau, Stettin) 
und Landesteile (Oſtfriesland, Provinz Hejlen: 
Nafjau, Regierungsbezirf Sigmaringen). Soweit 
die öffentlichen Feuerverfiherun Banftalten Mono: 
pol oder Fr rt befigen, rim fie feit 1868 
meift aud die Mobiliarverfiherung aufgenommen 
bez. wieder aufgenommen, 

Bei der Brivatjeuerverfiherung haben die 
Altiengefellihaften an Geſchäftsumfang die gegen: 
feitigen Anftalten bedeutend überflügelt. Nurmenige 
private gegenfeitige deutiche Feuerverſicherungsge⸗ 
ſellſchaften haben es zu größerer Ausdehnung ges 
bracht, jo bejonders die Gothaer Feuerverſicherungs⸗ 
bant. Einen Mittelweg zwiichen Altien- und Gegen: 
jeitigfeitöprincip hat man in ven Verbänden gefun: 
den. Die in Verbänden Berficherten geniehen die 
Borteile der Mitglieder gegenjeitiger Geſellſchaften, 
Anteil an Verwaltung und Gewinn, bleiben aber 
von der Nabihußpflicht frei. Derartige Verbände 
beiteben beia Magdeburg» bezüglich der Rübenzuder: 
fabrifanten, Müblenintereffenten und Landwirte. 

„Die Überficht II (S.646 u. 647) giebt ein Bild über 
die Thatigleit verdeutichen Feuerverfiberung8: 
altiengejellfhaften, liberficht III (S.646) der 
privaten zesenieitt en Feuerverſiche— 
rungsgejellihaften in Deutihland für 1900. 

Die Gejamtjumme des Geihäfts der deutichen 
Feuerverfiherungsanitalten 1900 betrug in Marf: 


643 








rämiens 
nnahmen 


Geſellſchaften 


I. Offentliche Anſtalten .. 
11T. Brivare gegrufeltige @e. 
felichetten IT 

















49 877 694 762 
16 967 287 495 


65 191 046 
167 281 106 


Außer den einheimifhen Anjtalten arbeiten in 
Deutichland auch gleichzeitig zahlreiche Vertretungen 
großer ausländifcher, namentlich engl. — 
ten, und die immer mehr wachſende Konkurrenz Hilft 
fowohl die Benugung der Verfiherung an und für 
ſich verallgemeinern als die Prämien auf das dent: 
bar niedrigfte Maß herabprüden. Die Thätigkeit der 
— erungsgeſellſchaften trägt auch, nament⸗ 
lich Zr t jie Barmittel aus ihren Fonds bierzu be 
willigen, mit dazu bei, das euerlöich: und Rettungs: 
weſen bis zu der heutigen Vervolllommnung zu ent: 
mwideln (f. Feuerloͤſchweſen), ſowie bie uerfiderbeit 
in baulicher und fpecialtechnifcher Hinficht bedeutend 
zu erhöhen, auch den Brandbettel zu verringern. 

Das Feuerverſicherungsrecht ift für die 
öffentlichen Anftalten in ven einzelnen deutſchen 
Staaten durch befondere Geſetze bez. landesberrlich 
betätigte Reglements, für die privaten Geſellſchaf⸗ 
ten in Breußen durch Gefeß vom 8. Mai 1837, in 
den * deutſchen Staaten ebenfalls durch bes 

ondere Geſetze, geregelt. Danach darf kein Gegen⸗ 
and gegen —— ahr höher verſichert werden als 
is zum gemeinen Wert zur Zeit der Verſicherungs⸗ 
nabme; aud ist Doppelverfihherung, d. h. die Verſiche⸗ 
rungeines PER no 
jeitio über den Wert, verboten. Die einheitliche Rege⸗ 
ung nicht nur des Feuerverficherungss, fondern des 
gejamten Verſicherungsrechts für das Deutſche Neich 
iſt erfolgt durch das 1. Jan. 1902 in Kraft getretene 

eichsgeſeß überdiepriv ten Berficherungsunterneb: 
mungen vom 12. Mai 1901 (f. Berfiherungswefen). 

Die Örundlage der aus einem Feuerverficherungs: 
vertrage ſich ergebenden Rechte und Pflichten 
find die aus dem — ——— der Police, 
erfichtlihen «Allgemeinen Berfiherungsbedingun: 

en» und bie etwaigen «Befondern» Bedingungen. 

titere regeln das Verhalten des Berficherten bei 
Stellung des Antrages (Dellaration des zu ver: 
ichernden Gegenftandes), während der Dauer der 

erfiherung und im Brandfalle, die verſchieden⸗ 
artige Behandlung des Schadens bei Gebäuden 
und Mobilien, das Be wi beim Schabenerfaß, 
bei Nichtigteitäfällen tattungsanfprüden und 
Streitigleiten, bezeihnen auch die von der Vers 
iherung uüb rhaupt ausgeſchloſſenen oder nur unter 

orbebalt in Dedung zu nehmenden Gegenftände. 
Die «Bejondern» Bedingungen aber verpflichten ven 
Verficherten je nach der Natur des Riſikos (Land⸗ 
wirtichaft, Warenlager, Gewerbebetrieb u. f. ee = 
bejondern Vorfihtsmaßre ein, die der Brandgefabr 
vorbeugen oder ihre Wahrfceinlichteit herabmin⸗ 
dern ſollen, oder fie bezweden bie Beſchränkung des 
Schadens auf einen möglichſt geringen Zeil der 
verjicherten Gegenftände, jowie die Vereinfahung 
und Erleihterung der Schadenermittelung (Liquis 
dation) im Brandfalle Die Entihäpdigung für 
Brandverluft muß verweigert werden, wenn ſich im 
Brandfalle ergiebt, daß die Verficherung wegen un: 
richtiger oder abſichtlich falſcher Deklaration beim 
Untrage auf falihen Vorausſetzungen berubt, der 
Verſicherte jelbft etwa der Branpitiftung verdächtig 


41* 








644 Feuerverſicherung 
I. Die öffentlichen Feuerverfiherungsanftalten 
& Einnahmen 
& 
E Berfierungs- Antett 
z Name * ſummen Er⸗ * Rid- * 
be 1900 obene verſicherer nen 
2 der Feuerverfiherungsanftalt ns Beiträge | am den 
H Schäben 
M. m. m. m. 
A. Brenfen. 
1 hädenfonds. . - 20.2.0... ../ Berlin... . 161 269 980 333 952 — 290 
2 Pia side en SDrreone ... . | Rönigäberg ie. 468187626 | 1385998 176 985 49 585 
3 e Städtefeuerforietät.. -. . . - - Au Königsberg tB. 54 742140 113 256 21.058 1079 
4 ocietät ber Frege Yin Dion zn “00 + | KRönigäberg i. 301 845 500 852 505 — 48 446 
ocietät ber Stadt — m road 748 356 EB — 10 163 
6 ocietät ber Provinz we en ap Danzig - 141434 950 690 733 — 43 463 
7 och ber w * en Landſchaft ne —— 124 175900 481971 — 5075 
8 | Feuerfocietät der Stadt &ib Ne ae Ebing .. - 8 838 880 5181 300 9239 
9 ocietät ber Stadt Thorn . . » 2: 2.00. ion... . 21733 999 11 566 896 54511 
10 | Bofeniche —————— ....... .. .Boſen. -»| 1127430975 | 2659990 | 773997 | 149424 
11 Pommerſche Feuerlocietät -. . » 2...» .. +. . | Stettin F 712998100 | 2515569 — 8537 
13 etät ber Stabt Stettin...» ».» » . + „| Stettin . 89339 719 59533 87 30 370 
13 ocietät der Stadt Etralfund. . » - 2...» . Stralfund 23 011643 18 287 — 2539 
14 ocietät ber Stadt Berlin . .. 2...» . + Berlin. 4017244100 | 2023673 — 
15 Stäbtefeuerfocietät ber Provinz Brandenburg Berlin 590 257 540 600582 | 105536 46 215 
16 —— ocietät ber urmark und der Niederlauflp . Berlin 542974075 | 1366525 — 15582 
17 | Banbdfeuerjocietät der Neumarl . » - 2.0 ne erlin 319603 100 615469 30 433 20 465 
18 3 € BrovingialsQandfenerfocietät.. . . - » » » Breslau 1909758600 | 3013956 | 356046 205 841 
19 Schl "der Eiabı Breklau oreee Breslau - - -» 497 139100 343847 19 762 73 3917 
2 echt der Stadt Bredlau. - .. 2.2...» Breslau - - +» 454 892 500 192 846 32 329 133 229 
2 — ber Brovinz Sachſen. Merfeburg -. „| Mos 184 200 1298016 590 525 115 629 
22 | Landfeuerjocietät bes preußiſchen a Sachſen Merieburg . . | 1069092090 | 1493861 | 7141008 | 183918 
2 — e Landfeuerfocietͤtttt . | Altenbaufen*.| 1846158800 | 1682047 _ 193 876 
2 er e ritterfchaftliche Feuerjocietät . . » » Zen: don 10758049 14036 5230 174 
25 nie e Landeäbrandlafie .... - . ne 1512048650 | 2569877 | 110483 80 756 
26 er Peineiniig e adelige Brandgilde . . - . » Biel ou... 86933800 | 478142 — 1503 
2 —* e vereinigte gr ————— annovber . „| 1844510405 | 2983498 _ 234 645 
2s e für die Stäbte von Dftfriesland . . . . Hurih... - 78 644 620 53962 _ 1955 
29 Se e für das platte Land wo — ...Aurich · 13280740 | 255045 1815 
20 be Brovin —— — ———— Münfter L @.| 1997275460 | 3214071 T14 568 173 935 
8 geil ranbver re — Eaflel . . » „| 1131645700 | 1902512 — 117556 
» afauifche —— Herungsanftalt 0 0... . | Wiesbaden. „| 1071007080 voTr283 | 3385937 | 107455 
33 | Rheiniihe Provi yilgee eierät —urernıe.+ re = 3120132678 | 4312243 247503 
3 | Hobengo fe Be 1777” Te 14 629 290 77781 43 785 


B. Übriges Deutſchland. 


35 | Brand erungd-Anftalt des Nönigreichs Bahern . 

36 | Brandverfiherungs-Anftalt des Hönigreihs Gadien . 

37 | Branbverfiherungs-Anftalt des Stönigr. — 
38 | Groß 234 Fels Generalbrandtafle . - = 
39 Großherzoglich Heide Brandverfiherungsanftalt r 
a40 Wedienburgiihe Domanial:Brandverfiherungsanftalt 
4 en ritterjchaftl. ae — 

42 Brandverſlcherungsauſtalt der Stadt 7 

43 | Brandverficherungsanftalt ber Stadt Wiämar. . . - 
“4 ge ogl. Braunihweigiihe Brandborrfiherungsanftalt 
“5 berzogl. 6-Weimar. Brandverfiherungsanftalt . 

46 | Grohheraogl. —335*3*888 Bandesbrandtalle . 

47 | HergoglL S.-Mltenburgi * Brandverfiherungsanfialt . 

4 u“ 

= 


rzogl. Sachſen · Go che Brandverfiherungsanftalt 
* ul ae —8 Landesbrandkaſſe 
Byyrmonter — — — 
—9 ie 2 peide Branbverfiherungsanftalt . . . 
59 | Branbpe ngsanftalt der Stadt Lübed.. . . . 
5| —— —— der Borftäbte von Lübed. 
54 | Suntuzger — ı 1 EEE 





Rotod ... 
Wismar... 
—— 
Beimar .. . 
Oldenburg . . 
Altenburg . 
Golha. . - 


Summe B 


Eumme A unb B zufanmen 


1 Die Garantiemittel der Ö 


* Bei Erzlebe 
geführten reinen Drrmlgrnöpehen und in der Nachſchußpflicht ber 


tlihen 





5837911760 
5606 649 210 
2833 420 094 
2015502136 
1549 263 000 
168 756 850 
291439 165 
74 276 335 


409 544 250 
75662010 
150 966 100 
77350110 
35005510 
1985 535 152 


23 225 239 167 
49 877694 769 





115311 
211753 
45399 
14877 
2457847 


26 523 234 
65 191 046 


55,3 = 
PLILIC IE RIEF T IHEEUR 
E338:8 3 225 








— 290 677 
1324 299 


5 343 838 


2346 574 
4738 189 





Iten in b 
ermäerien für ben Bat Dep Bedarf, 7 


in Deutfchland im Jahre 1900. 


Feuerverſicherung 








1900 


m — — — — — En — — — — — — — — — — —— — 


11 360 


110 855 
8634 








2 134 536 


— — — — — — — — — — — — —— ——— — — 


337 132 
1624401 
135401 
901041 
10222 
147079 
493 406 
14 720 
67227 
3694 266 
2526 202 
99384 
20 826 
2026699 
753 741 
1385119 
671468 
3585 714 
437611 
395 113 
2.005 307 
2401269 
1892 987 
19440 
2813010 
496 940 
3231 360 


121660 
46 001 184 


6713461 
1959 323 
3643 095 
2439419 
1207 348 

577364 


31455425 
77456 609 
















Scha- 
Schaden» | den 
der · erhe« 
gütungen | bungs«» 
toften 
M. M. 
| 
4270| — 
968 305 | 20132 
68 210 2009 
B46 841 
832027 1565 
445133 7386 
601 — 
1343 47 
2595012 | 22869 
1963037 | 17808 
13421 716 
11542 62 
896 473 9377 
303147 5888 
1146143 7118 
430 867 5113 
2166946 | 35663 
281663 1156 
86 194 1293 
590 528 6388 
741008 | 10262 
1758897 | 16466 
5230 43 
2294689 | 18840 
432 605 — 
2770797 | 23778 
22776 717 
200 761 2813 
3486834 | 24579 
2319721 8189 
646 008 6303 
3352797 | 38978 
68 240 344 


32185516 





5301055 | 1730 
4453 087 — 
2913192 | 12951 
2113313 | 15281 
872344 — 
500 980 — 
mu — 
19301 — 
3142| — 
604265 | 10168 
323 931 — 
833775 2126 
279 6668 — 
273932 | 346 
198104 | 1782 
1460| — 
231277 388 
38925 — 
1740 — 
1580888 | 28960 
21592875 | 716872 
53 778391 | 372 639 











Ausgaben 1900 
’ Für Ber» 
m Für das | andere |waltungd«- 
rungb- euer⸗ Kr koften Summe 
prämien loſchweſen liche und 
Bwede | Sonftiges 
M. M. M. M. M. 
— — — 47148 479 868 
216 69 17474 | 29526 | 242018 | 1487149 
31 476 1159 973 30 595 134422 
— 11 261 5797 83 015 946 B44 
— — — 823 823 
— 5463 883 64 804 904 742 
— 2 239 _ 52 300 507 058 
— — — 6995 17596 
10 902 2442 | 20000 8253 42987 
619841 83 622 — 388 532 | 3709876 
— 23 258 | 171810 249675 | 2271591 
7915 15 000 — 17634 44 686 
5409 — — 788 17801 
— 967 172 — 124 834 | 1998456 
209 219 12 701 — 128 764 664 719 
— 18 058 1959 181 508 | 1354781 
45 452 7725 — 64 992 554149 
460 842 25 831 52% 500858 | 3195430 
45 853 5156 4305 | 105404 443537 
80 768 50 068 — 68 624 286 947 
827 485 29 247 5805| 263271) 1722724 
1135517 19 291 | 16622) 287649 | 2210349 
— 61 919 3430| 2566% | 2097402 
14 017 — — 1295 20590 
127 450 33838 | 200483 | 2693536 | 2858396 
— 1756 94 51 117 486 442 
— 97 904 25| 465279 | 3357783 
— 1029 — 6539 30421 
— 4908 — 25 513 233 995 
420 708 19 329 552 172 | 4503622 
— 111 956 — 183559 | 2623425 
417969 24 792 5985 | 194620 | 1295627 
— 51 926 | 161 306 | 1083 307 | 4688313 
— 2217 400 130 71831 


1295 241 
5 972 758 








661 752 
370 682 
132 252 

11 851 


2 034 274 
3743615 





J 
— 
- 
oo 


A 


224141 
u» 
85 


56 672 
350 677 











28 403 650 
73 668 032 


3347 716 
9439 952 








Mebr- 
einnahme 
(— Mehr 
ausgabe) 
im Jahre 
1900 


3 061 775 
3198 577 





— 3714| 1 
1404597 | 2 

21229 | 3 
571508 | 4 
am134| 5 
1038 309 | 6 
176489 | 7 
241446 | 8 
1574117 | 9 
8133 503 
129 107 
923 397 
66 642 
904 812 
1 313 283 
607 308 
620 097 
6 614 785 
1940 253 
3 720 845 
3995 234 
5 283 216 
5116497 


1609 181 
75478 
5915 117 
335 379 
468 316 
2 172 058 
1360 389 
3 245 780 
6 835 800 
1231 133 

















65 771 441 
| 128 179 987 


646 Feuerverſicherung 
oO. Die privaten Feuerverſicherungs⸗Aktiengeſellſchaften 


Einnahmen 1900 











5 ® 

} — Brämien | Binfen, 
Feuerverſicherungsgeſellſchaften * — —— 
* (nad) dem Miter georbnet) Babe 200 überträge) referve | Gebühren | unb Summe 
aus 1899 |aud 1899| der Ber- | Son⸗ 
fiherten | ftiges 
Mm. M. m. M. Mm. M. 

1) Derliniſche. ..Derlin. » »| 2679390958) 1698817] 165700) 3949256! 157459! 5971 232 

2 Beipgiger . 2 220m nn nen» Beippig » » » | 3098904388] 3086154] 108080) 5527 951 463 188 9185373 

3| Baterländif zen e nn.» Elberfeld . »| 4786076085] 2419831] 247577| 7923876 397 183| 10 918 467 

4 Hahener und Mündener . . . Wachen . . .| 9861880042] 7544767] 761788) 17967 085/11 195 7163| 27 469 408 

b — Ohpotheten· u. Eeeibani Maunchen . .| 3857248538) 3912143] 1120 366 11 724 061 43 16 998 713 

6 Colonia . . 2222000 - |RöIn .- . . . | 4900990561| 2908163] 182000) 6668 951| 538 678| 10297 792 

7 Deutf —— er] n.e» a 3609 184 6492| 2253423) 284635| 6595649) 304441) 9438 138 

8 Mag —— . 110402000000 7919688| 2612120] 27 148 594| 518701) 38 799 103 

9 Ei Gerungsgefetid. * .2988 8710654 3101602 293000| 6688 038| 367 702 10 350 242 
10 Ehlefihe - - 222... nd » „| 2798388406) 2915975] 281100/ 4501012] 256093] 7254 180 
1X une neen en x + „| 2626139534) 2247235] 336362 68829 732| 109252) 11 522 581 
13 ambutg Bienet ee ee mburg . . | 2835801651) 3130000) 759437| 10009 7183| 422 732| 14 315 952 
13 vide ——— n a.M. | 2814296564| 1644995] 137753) 3458 742) 6747| 5308467 
14 —— . Qbenburg.. 173331795) 847644 72695) 1029615 140 864 2090 818 
I De Berlin... . 832562440| 690000 88000 1714019} 7T2850| 2544 959 
16) Slab a EEE U DT IM -Wlabbad . | 3336284 370) 1079699] 329168! 5456613] 97462 6962872 
17 Breußtiöe .00%s .IBerlin. . . .| 1195115452) 806589 70753!) 2047106| 59338| 2983 786 
18 ftbeut| „ "Berfiherungsbent . -Iäfien . - . „| 2152676906] 97859] 176240) 3758 831) 111283) 5024 948 
19 Rorbdeutihe . - » 2 2200. A 8 - -] 1999150045) 18921984/] 304051) 7189 822| 147713] 8963 570 
20 —— 44 mburg . . | 1750000000| 1700688 574 500| 6989 332] 211 727] 9476447 
21 Union -...... .. . . Berlin. . . „| 1914881108] 692000 86249 2450325) 82427) 3311001 
22 — a de a CR Br rg -| 564998789] 620000) 18519%0| 222067561 70209) 3095974 
2 chen⸗ F EEE hen .. 945 774283) 512966] 248839 22155061 57520| 3034831 
24 rg Een-Koupagnie von 1877 Burg .. 3500000001 3600001 160656| 1515102) 238083 2059 561 
2 Sr ee ee e 1045 117485| 453297 54827| 1381 8692| 110027! 2000013 
er en = Moll... ee -1& Le. 1367439637) 1091591] 245276) 22230911 233675) 3793633 
a1 Ullatia . -. - 2 2 2 0 2 0 rn +16 — E. 268 399 940| 269454 69 824 597 5807| 66855 1003 90 
28 Eibpeuifde Beuerverfiherungsbant . + Münden. . 1068 894 3220 6830169| 262182) 4519559 59521) 5671431 
29| Badiſche Feuerverfiherungsbant . . |Rarlörube i. ®.| 184567707 46416 199 385 2911| 35893 469 514 





umme |76967 28749556 383 844110210 442|167 281 1066 441 549,240 316 MI 


+ Ein icher Zeil dieſer a eg läuft im Auslande, ba verſchledene ber au nd Berfäe Gejelihhaften 
auch 1b lande arbeiten. —— * gr Gefellißaften .. — —— m nde 
anderer aufgeführten ——— in Kahn Di de rfierten Summen find ebender Aufftellung 

pelt enthalten. Die Aus —— —— Izi da bie Sefeliaften —— bes Ra erfiherungsgeichäft 
geionberte aben nicht ze ud = Dates b eier Zabelle beziehen fih auf das geſamte Feuerverfiche- 


III. Die privaten gegenfeitigen ke in Deutſchland im Jahre 1900. 


Berfiherungs:| Erhobene Geihäfts| Weines 


ngB+- e 
Sitz oder Name der Gefellihaft * funmen unfoften |Bermögen 
(legtere nad) dem Alter geordnet) Ende 1900 | für 1900 für 1900 | Ende 1900 












Laufende Nr. 









ı u... 4 .. 200 924 416 323 
DIGSEE - oo 0 0 0 0 na er ee ne 4691674 | 2740968 2232 971 42678 
3. 2* ee er . 2484 516 1767347 
4 Ae⸗ —— — 4 100 000 
5 | Rorben, Dftfriesland . . » 22... en 314 293 
ERofod... 222. ee“ ‚ 309 540 
1|Etuttgartt . 2... — Rear 12370570 
U Itona.. » .. Pu — — .. 711603 
| @üfrem . ....». Pr re 108 701 
10 | Marienwerber - ». 220 nenne. 248 691520 
Ka BEE en Er ES en nee 859 231 
18 | Brandenburg a. d. - » » 0000. . 226 530 
13 | Marne 1. Holftetn 237 552 
14 nnover, Ronkorbia . - » 220200. 1370 000 
15 83wickau, — herungd-Berein. . 648 831 
16 Olde egen Me 5% = 
17 | Dresbe rtſcha g enoſernſcheit 1368 200 
18 | Berlin, — —— —— — N 221545 
19 | Berlin, taatseifenbahnbeamten 7175233 
umme | 11160206504 | 14334915 | 8899664 | 2058046 | 4302631 | 2259269 





t Außer dieſen eu in Deutfdland noch etwa 300 örtlich beichränkte, bisweilen nur einzelne Ge— 
meinden a An Ai gi —— A re deren Ergebn Affe von Jahr zu Jahr Tag + Schwankungen 
aufmweiien, fo baf bergleia en Betrine niat“ nicht felten eingehen, Dr vere auch neue entſtehen. Die pe nung 
ummen er Bereine * en —— etwa a Abzug der etwaigen Prämt erven für 
te folgenden Jahre, der Prämien tte unb ber Dividenden an bie * 3 Branbihäden und Rüdverfice- 
rungepramien. «Die Sarantiemittel ber privaten ge ** ee re befteben in ben bier 
aufgeführten reinen Bermögenspoften und in ber Nachſchußpflicht erſicherten für ben Fall des Bebarfs. 

















Feuerverſicherung 647 
in Deutſchland im Jahre 1900. 
Ausgaben 1900 | Garantiemittel Ende 1900 
da —— itnentepuei 
Schaden ·⸗ t das enlapita 
ver» Rüd. Feier Ber- —— Altionär- — ſtapital · 
gütungen loſchwe · waltungs · (— Meder Zioldende | und | 
und | derfihe- | jemund | koften, |Brämien- Summe ausgabe) für 1900 davon | Ähnliche 
Koften | rungs- | andere | Brovifio- | überträge im Jahre r ge ei Rejerven |3 
ezahlt | yeämien a nen unb 1900 zeichnet * F F 
A er e | Steuern gezahlt | Schuld) 
ferbiert) Bimede 3 
M. M. M. M. M. 
14662925| 1562795| 6456 678 186 1418 675] 1 
1128895| 3199 248| 19219 657 085 4382 154| 2 
2639831] 3826535) 27489 | 1069 101 6357 633] 3 
6458994 8012810] 549548 | 2 724 891 6 908 248| 4 
6075018) 6792971] 63425 | 1143 256 9445| 5 
1869499] 3172853) 19975 888 337 8 914 99%0| 6 
2019131) 2995826| 3642 | 1042515 2702 370| 7 
14323036 11 055 628| 109 155 | 4 862 156 3849 424| 8 
2486406| 2131040] 2590| 1568 789 2 037 600| 9 
15346011 2390 746) 9286 574 863 1490 000110 
3048379| 3787182] 3670) 1764042 3 000 000/11 
4877909] 2 966 707 5860 | 2 624 750 1176 383/12 
1108445] 1304472) 4562 106 600 2 594 286/13 
396606| 291 162] 2933 308 444 1272 986/14 
4980501 988 946 630 283 477 653 433] 15 
1981858) 2922 339| 10760 188 472 600 000'16 
109 893 165 491 59 434 619 53000017 
1168043) 1847526) 2298 745 692 696 659/18 
2655279) 4260419 6298 | 1289 068 53 361/19 
2834 021) 4078752) 13368 | 1068511 1076 920/20 
1755433] 1176 099 1946 500 650 600 000121 
920695) 1272693) 3714 319 145 384 00023 
1233143] 898536) 1806 382 319 600 000|— 13493123 
905 273 799 258 — 232 609 320 000|— 147 32524 
407857) 7625201 2118 231 457 1462 500 285 880.25 
12388601 603% — 615 042 1478 267/26 
323182) 1093501) — 168 996 59 043/27 
2605865) 1465610] 1675 | 1049 634 —1 145 41228 
84 297 196 319 — 322 235 87 114 689 965 220 451 — 4000 000 1000 000 — 404 046 29 


67 754 7234| 75 637 936| 873 017 | 29 024 931| 57 655 097/230 945 705| 9 371 236] 


rungsgeichäft der Geſellſchaften, alfo einſchließli 

mit tr das Einbrudsbiebftahläverfiherun er 
verfiherungsgeihäft. eögleihen 1} 
Lebens», Unfall, Transport», Ein 
und Transportverfiherungsgeicäft. 
bruche diebſtahls und Glasverfiherungsgeichäft. 


oder ſchuldig befunden wird oder die von ihm ein: 
—— Verpflichtungen zu möglichſtem Schutze 
vor Schadenfeuer verſäümt bat. Als recht und 
billig gilt allgemein ver Gebrauch, beſonders ge 
fährdete Gegenftände, 3. B. Warenlager, Feime 
= freiem Felde u. f. w., nur dann in Dedung zu 
nehmen, wenn der Beſitzer auch fein befjered Eigen: 
tum, namentlid Vieh und Mobiliar, bei derjelben 
Anftalt verfihert hat. Diefe weniger gefährdeten 
Gegenftände werden naturgemäß auch mit niebri- 
gern Beiträgen belegt als jene mehr bebrobten. 
Zur Bemeſſung der entſprechenden Verſicherungs⸗ 
beiträge, Brämten, giebt der Tarif einen Anhalt; 
in außergewöhnlichen Fällen ift bejondere Vereins 
barung geboten. Die Jahresprämienfäße ſchwanken 
von *, oder bis zu etwa 10 Promille und mehr. 
Bei Würdigung der zu übernehmenden Gefahr 
bat der Berficherer die Bauart, Bedahung, Be 
nußgung ber Verſicherungsgegenſtände und die Nach: 
barjchaft zu berüdjichtigen. Ye nad der Klaſſe, in 
welche der Gegenitand diefer Gefahrenfumme nad 
gehört, bei der Verficherer für denjelben den 
eitragsfas ſowie auch ſein Marimum für eigene 
Rehnung. Die für übernommene Gefahr zu zabs 
lende Prämie zerfällt techniſch in die reine Riſilo⸗ 
prämie (zur Schädendedung erforderliche Prämie), 
den Zufhlag für die VBerwaltungstojten und bin 
Unternehmergeminn (bei Erwerbsanftalten). 


des auslänbifihen unb bes — ge äfts. 


le 
sbiebftahls» und Glas ge 
* — — —— 






8 925 500| 185 676 794 |44 890 373, 49 821 481] 


% Haftet auch 
en für bas Transport» unb Unfall» 
eichäft. 4 Desgleihen für bas 
Desgleigen für das Lebens», Unfall 

Desgleichen für das Ein- 


2 Desglei 
häft. 


Bei allen Anftalten, die Gebäude verfichern, 
kann fi der Hypothelgläubiger durd einen 
befondern —— 66 ſeine Rechte an dem 
abgebrannten Gebäude ſchützen laſſen. Wenn auf 
verjicherte Gebäude Hypotbefihulden oder andere 
Realverpflihtungen eingetragen und bei der An: 
ftalt angemelvet find, jo wird die Entihädigung 
nur bebuf3 der Wiederberitellung und nachdem letz⸗ 
tere gejichert worden, bezahlt, die fämtlihen Hypo» 
tbel: oder Realgläubiger müßten denn in die unbe: 
dingte Auszahlung willigen oder jelbjt zur Em: 

fangnabme beredtigt fein. Gebt aber der Ent: 
chädigungsanſpruch des Berficherten durch feine 
Schuld verloren, jo verwendet die Geſellſchaft die 
Entihädigung, Bun nötig, zur Befriedigung der 
erwähnten Gläubiger gegen Abtretung ihrer Rechte, 

Die Gejeggebung hatte bisher nicht überall in 
Deutichland (ir die Sicherftellung der Hypothel⸗ 

läubiger im Falle eines Brandes gei orgt. Mit dem 

nfrajttreten des Bürgerl. Geſetzbuchs am 1. Jan. 
1900 ift die nun durch die Beitimmungen der 
S 1127—1130 in gleihmäßiger Weife geicheben. 

ie lauten: 8.1127. Sind Gegenftände, die der Hy: 
pothel unterliegen, für den Eigentümer oder den 
I — des Grundftüds unter Verjiherung 
gebracht, je eritredt fih die Hypotbel auf die For: 
derung gegen den Berjicherer. Die Haftung der 
Forderung gegen den BVerficherer erliſcht, wenn ber 


648 


verficherte Gegenftand wiederhergeſtellt oder Erſatz 

r ibn befchafft ift. 8.1128. Iſt ein Gebäude ver: 
ichert, jo kann der Berficherer die Verſicherungs— 
umme mit Wirkung gegen den Hupotbetengläubiger 
an den Verficherten erh zahlen, wenn er oder ber 
Verficherte den Eintritt des Schadens dem Hypo: 
tbetengläubiger angegeiät bat und feit dem Em— 
pfange der Anzeige ein Monat verftrichen ift. Der 

ppotbelengläubiger Tann bis zum Ablauf, der 

ift dem Verficherer gegenüber der Jablung wider: 
preben. Die Anzeige darf unterbleiben, wenn fie 
unthunlich ift; in dieſem Falle wird der Monat von 
dem Zeitpunfte an berechnet, in welchem die Ber: 
fiberungsfumme fällig wird. Im übrigen finden 
die für eine verpfändete Forderung geltenden Vor: 
fhriften Anwendung; der Verfiherer kann ſich je 
bob nicht darauf berufen, daß er eine aus dem 
Grundbuce erſichtliche Hypothek nicht gelannt habe. 
5: 1129. Iſt ein anderer Gegenjtand als ein Ge 
äube verfichert, jo beftimmt —9 die Haftung der For⸗ 
derung gegen den Verſicherer nach den Vorſchriften 
des 8. 1123, Abſ. 2, Sat 1 und des 8. 1124, Abſ. 1,3. 
1130. St der Verficherer nad den Baer 
ejtimmungen nur verpflichtet, die Verjiherungss 
umme zur Wiederberitellung des verficherten Gegen: 
tandes zu zablen, fo ift eine diefen Beitimmungen 
entiprechende Zahlung an den Berficherten bem 
Hppotbetengläubiger gegenüber wirkſam. 

Bejondere, weitergehende Beftimmungen über die 
Sicherung des Hypotbefgläubigers find in den lan: 
deöberrlich genehmigten mine pen egpeene 
der — Feuerverſicherungsanſtalten getrof: 
fen. Die privaten Verſicherungsgeſellſchaften wie 
aud die öffentlichen, ſoweit dies nicht jhon durch 
deren Reglementäbeftimmungen geſchieht, überneb: 
men mitteld des obenerwäbnten Sicherungsicheing 
noch die Verpflihtung, unveränderte Fortießung 
ber Verfiherung zu bewirken, und falls der Ver: 
fiherte die Prämie nicht zahlt, den Hypothelen— 
gläubiger davon zu benadridhtigen und ibm eine 
gewiſſe Frift zu gewähren, damit er durch Zablung 
der Prämie die Fortdauer des Vertrags fichern 
kann; ferner im alle, daß die Gefellichaft die 
Verficherung gar nicht oder nicht zu den alten Be: 
dingungen ———— oder ſie vermindern oder auf: 
beben will, dem Hppotbefengläubiger zeitig vorber 
davon Anzeige zu machen und nad einem Schaden, 
der die Hälfte der Verfiherungsfumme überjteigt, 
ftatt wie in allen andern Fällen die Verſicherung 
aufzubeben, auf Verlangen noch eine gewiſſe Zeit 
nad dem Brande für den Reſt zu Gunften des 
Hypotbetgläubigers Verfiherung zu gewähren. 

In einzelnen Fällen muß vermittelft der fog. 
Selbſtverſicherung (ſ. d) der Verſicherte (wegen 
ſeines Intereſſes an der Erhaltung des beſonders 
geſährdeten oder ſchwer erſeßzbaren Verſicherungs— 
gegenſtandes) je nach dem Wortlaut des Werfiche: 
rungsſcheins, der Wolice, in einem vorber ver: 
einbarten bejtimmten Verhältnis den Schaden im 
Brandfalle tragen belfen; dies ift z. B. der Fall bei 
Modellen, Reihenſcheunen, Strobdiemen und Ge 
bäuden unter weichem, d. b. Stroh: oder Schindel- 
dad u. f. w. (obligatorische Selbjtverfiherung). Zu: 
fällige Selbftverfiherung liegt vor, wenn fich bei der 
Regulierung eines Schadens ergiebt, daß der Wert 
oder die Menge deö am Tage des Brandes Vorban: 
benen diedarauf genommene Berfiherung überfteigt. 
F ſolchen Fällen hat der Verſicherte Teilſchäden im 

erbältnis des ungededten Werts zum Geſamtwerte 


Feuerverſicherung 


der verſicherten Gegenſtãnde mitzutragen, während 
er bei Vollſchäden das die Berfiherungsfumme über: 
fteigende Mebr auf fich nimmt. th Zablung 
einer höhern Prämie für den fog. «premier risque» 
fann ſich der Berficherte den Erjas des em 
Partialjhadens, obne daran durch zufällige Selbit: 
verſicherung mitbeteiligt zu fein, in voller Höhe bis 
zu der durch die Verfiherungsiumme gezogenen 
Grenze fihern; diejes Verfahren ift in England 
aufgelommen und von den Franzofen angenommen, 
in Deutichland jedoch wenig ge — Bei den 
gewerblichen Verſicherungen find hauptſächlich Be: 
triebslraft, Beleuchtung, Heizung und Trodnung 
die zu prüfenden Gefahrenmomente. Der Landwirt: 
—— haben die Verſicherer zwei bedeutende Zuge⸗ 
tändnifje gemacht, erſtens; das Recht der Freizügig⸗ 
feit der verficherten Gegenitände innerhalb des gan- 
Verfiherungsgeböfts, zweitens: die gegen eg 
usgleihung der Werte für die Erntefrüchte. Na ch⸗ 
verjiherungen, Ortöveränderungen oder Wechiel 
des Eigentümers der Berfiherungsgegenjtände in 
andern als Erbichaftsfällen und ſonſtige Berände: 
rungen des Vertragsverhältniſſes werden entweder 
durd einen Anbang zur Police oder (wenn die Gefahr 
fih nicht erhöht) durch einen Veränderungsicein, 
aud Genehmigungsvermerk genannt, beicheinigt. 

Für die ganze fahtehnifhe Behandlung 
des Feuerverficherungsgeihäfts haben langjährige 

taris und Erfahrung bei allen Geſellſcha im 

runde übereinftimmende Gebräude und formen 
ausgebildet und feftgeftellt. Achtzehn deutiche Privat⸗ 
feuerverſicherungsgeſellſchaften Aachener und Mün- 
chener, Berlini J reußiſche, Magdeburg, Colonia, 
Schlefiihe, Elberfeld, Thuringia, Eiien, Gladbach, 
Leipzig, Stettin, Gotha, Deutiher Bhönir, Provi⸗ 
dentia, Transatlantische, Rhein und Mofelund Bap- 
riihe Hppotbeten: und Wechſelbanh) bilden einen 
unterm 25. Dez. 1873 ftaatlih genehmigten und mit 
jurift. Berfönlichkeit verfebenen befondern Verband 
Kar gleihartige Bebandlung des Geſchäfts ſowie 
au gemeinfamer —————— Abwehr unlautern 

onturrenztreibens. Auch die deutſchen öffentlichen 

euerverfiherungsanftalten haben ſich —F einem 

erbande zuſammengeſchloſſen, welcher ſeit 22. Mai 
1872 jurift. Perſönlichkeit befikt und die rennen, 
der Intereſſen des öffentlichen Feuerver yon ®: 
wejens bezwedt fowie die gegenjeitige Nü ide: 
rung dieſer Anitalten in jeiner Rüdverficherungs: 
abteilung bewirkt. 

In den deutſchen Staaten unterliegen zur Ver: 
meidung von liberverficherung die Dale 
rungsverträge nach ihrem Abicluffe einer Prüfung 
durd die Ortspolizeibebörde, In Frankreich kann der 
Mieter die Gefahr verfichern, von dem Hausbeſitzer 
für einen durch Schuld des erftern auf dem Grund: 
jtüd entitandenen Brand in Anfpruc genommen zu 
werden; ebenfo fann der Beſitzer ſich gegen die aus 
Feuerſchäden bergeleiteten Anlrüde | ner Mieter 
durch —— ſchüßen. Jeder lann dort auch 
für einen durch Schuld feines barn bei ihm 
entitandenen Brand geſeßzlich Regreß am Nachbar 
nehmen; auch biergegen kann leßterer ſich verfichern. 
Außerdeutſche Gejellihaften haben auch die fog. Chd- 
mageverfiberung (j. d.) als Ergänzung zur eigent⸗ 
liben F. In Deutichland ift fie jedoch verboten. 

Der Betrieb des privaten Feuerverfi 8: 
geſchäfts, der landesgeiehlich der ſtaatlichen 
nehmigung bedarf, wird zunächſt durch die Agenten 
im Verkehr mit dem Bublitum vermittelt. Diele 


Feuervogel — Feuerwaffen 


plan einem Generalagenten zu unterfteben, ber 
t einen größern Bezirk (Provinz) die Vertrags: 
urfunden u. ſ. w. ausfertigt und mit ber Haupt: 
verwaltung der von ihm vertretenen Gejellichaft in 
Abrehnung ftebt. Der fachmänniſche Leiter, Dis 
reftor der Anitalt, ift dem Auffichtsrat verantwort⸗ 
li, deflen Mitglieder aus der Gejamtbeit der Ber: 
fiherten (bei gegenfeitigen Anftalten) oder der Al⸗ 
tionäre (bei Attiengefellihaften) in der Generalver: 

mmlung gewäblt und bejtellt werden. Die Ge: 
bäftsführung ift durch eine Satzung (Verfaſſung) 
geregelt, deren Form und Inhalt der Genebmigung 
ber Raatlihen uffichtäbebörde bedarf. 

Die Litteratur über das Feuerverfiherungs: 
weſen ift, abgeieben von den dem großen Bublifum 
meiſt nicht zugänglichen Fachblattern und den Flug: 
fchriften der einzelnen Anftalten zu Privatzweden, 
ziemlich arm, und die F. in den größern Werten nicht 
getrennt von den andern Verſicherungszweigen be 
arbeitet. Das verbreitetite Fachblatt iſt die wöchent: 
lich in Berlin erſcheinende «Zeitichrift für Berfiche: 
rungäwefen» von %. Neumann; zahlreiche andere 
da zeitichriften erfcheinen in Berlin, einig, Straf: 

urg i. E, Wien u. |. m. — Val. von Hüljen und 
H. Brämer, Die öfjentlihen Feuerverfiherungs: 
anftalten in Deutichland und ibre rechtliche Stellun 
gegenüber den Brivat-seuerverfiherungsgefelli dar 
ten (in der «Zeitjchrift des königlich preuß. Statiftt: 
ſchen Bureaus», 1874, Ergänzungsbeft IV); Ar 
titel —— Reberung im «Handwörterbuch der 
—5 aften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); 
A. Wagner, Der Staat und das Verſicherungsweſen 
(Heft 1, Züb. 1881); derf., Artikel Verſicherungs⸗ 
wejen in Schönbergs «Handbuch ber polit. Okono⸗ 
mie», Bd. 2 (4. Aufl., ebd. 1896 fa.); W. Schäfer, Die 
Verftaatlihung des Berfiherungswejens (Hannov. 
1884); 3. Hopt, Aufgaben der Geſetzgebung im Ge 
biete der F. (Berl. 1880); Schramm » Macdonald, 
Das Feuerverfiherungsmeien (Dresd. 1883); Kum⸗ 
mer, Die hung der europ. Staaten betr. 
die Staatsauf icht über die privaten Verfiherungs: 
anftalten (Bern 1883); Kaßner, Rechts⸗ und Verwal: 
tungsgrumdfäße in — — — 
beiten (Berl. 1885); Raſch, Zur Frage des Verſiche⸗ 
rungswertes in der 5. (Jena 1892); 9. und K. Brä- 
mer, Das Berfiherungsmejen (Lpz. 1894); Brange, 
Die Theorie des Berfiherungswertes in der F. (TI. 1 
—2, Jena 1895 — 1902); Silberberg, Handbuch 
jr die Leitung und Praris der deutſchen und ber in 
eutſchland arbeitenden nichtveutichen Feuermer- 
cherungsgeſellſchaften (Altona 1895); Braune, Die 
tjiherung gewerblicher Anlagen gegen Feuers: 
efahr (Müniter i. W. 1896); Rüdiger, Die Recht⸗ 
Een des deutſchen Reichögerichts in Verfiche- 
rungsſachen (Lpz. und Wien 1899); Ublemann, Die 
preuß. Feuerverſicherungsgeſetze nebſt 9 ergange⸗ 
nen Verordnungen und Rechtsjprüden (Königsberg 
i. Pr. 1899); Braune, Die Rüdverfiherungsabtei- 
lung des Verbandes öffentlicher Feuerverſicherungs⸗ 
anitalten in Deutſchland (Merjeburg 1900); Hager, 
Die öffentlich-rechtliche Regelung des Privatverſiche⸗ 
Smejens in Deutichland (Berl. 1900); Braune, 
NR mumoßergebmifle der deutſchen Feuerverſiche— 
rung&-Altiengejellihaften i. J. 1899 (Merjeburg 
1901). vögel, ie. 4. 
nerbogel, j. Euplectes und Tafel: Weber: 
i erwarten, diejenigen Fernwafſen, bei denen 
bie das Geſchoß bewegende Triebkraft durch die bei 
Verbrennung von Pulver oder andern Spreng- 


649 


ftoffen fi entwidelnden Gafe erzeugt wird. Sie 
allen in große F. oder Gejchüse (1. d.), welche 
zu ihrer Bedienung der vereinten Anftrengung 
mebrerer Menſchen, zu ihrer Fortſchaffung gleich: 
fall bedeutender, meilt tieriſcher oder mechan. 
Kräfte bevürfen, und in kleine F., kleines Ges 
wehr oder Handfeuerwafien (f. d.), melde von 
einem einzelnen ſchen gehandhabt und an- 
dauernd transportiert werben können. Die Ger 
fhüße bilden _die Bewaffnung der Artillerie, die 
Handfeuerwaften die Hauptwaffe der Infanterie und 
eine Nebenwaffe der andern Truppengattungen. 
Die eriten F. —— bald nach dem Belannt: 
werben des Schi — in Europa, alſo zu Ende 
bes 13. Jahrh. in Gebrauch gelommen zu fein, was 
übrigens bei der Unſicherheit und Unklarheit der 
Quellen ſchwer zu beftimmen ift. Ob, wie einzelne 
Schriftſteller angeben, in der Schlacht bei Erecy 
1846 die F. zum eritenmal —— als Feld⸗ 
geſchütz — nwendung gekommen, iſt zweifelhaft; 
edenfalls aber fand ihre Anwendung ſchon im 
ufe des 14. th. eine immer weitere Ber: 
breitung und verbrängte allmäblic bie alten auf 
mechan. Kraft cn Schießmaſchinen voll: 
ftändig. Die Unbehilflickeit der erften F. wies 
ihnen naturgemäß ihren Platz zunächſt beim Ans 
iff und der Verteidigung feiter Pläge zu, aber 
Id führte ihre allmählich ſich fteigernde Wirkfams 
feit und Bedeutung zu einer neuen Richtung in ber 
pin, are Be zu einer Umgeltaltung bes 
ganzen Feltungstrieged. Noch tiefgehender und von 
größerer Bedeutung aber ald im Feſtungskriege 
ve Ar Be Einwirkung, der F. im Feldkriege. 
or Einführung der F. fpielte in allen Gefechten 
der perfönlibe Kampf, Mann gegen Mann, die 
Hauptrolle, weshalb man den Körper durch Ruſtun⸗ 
en und fonjtige Schußmwaffen gegen bie feindlichen 
affen zu hüßen ſuchte. Die immer allgemeinere 
Einführung der F. ließ die Rüftungen, da fie gegen 
die ** der neuen Waffen doch nicht jchüßten, 
mebr und mehr verjhminden und gab dem Fern⸗ 
gefecht eine bis dahin ungeahnte Bedeutung. Zus 
nädjit und zwar bis in das 17. Jahrh. hinein wurde 
dieſes faft ausſchließlich von der Infanterie geführt, 
da bis dahin die Unbebilflichkeit der Gefchüge deren 
Verwendung im Feldkriege ſehr befchräntte, aber 
die allmähliche —— und namentlich Erleichs 
terung der Feldgeſchutze gab alsbald auch der Artil⸗ 
lerie eine neue fich immer fteigernde Bedeutung. Die 
allmäbliche Entwidlung der 5. und des Feuergefechts 
machten ſich auch in einer völligen Wandlung der tal: 
tiihen Formen geltend (j. Fechtart). Zunaͤchſt ver: 
wanden bie tiefen gevierten Haufen, in denen die 
fanterie zum Zeil noch in der eriten Hälfte des 
11. Jahr. fochten, vollftändig ; der Wunſch, mög: 
lichjt viel 5. der Infanterie auf einmal wirken zu 
lafjen, führte zu breitern, weniger tiefen Aufftelluns 
gen. Die namentlih von Guſtav Adolf angenom⸗ 
menen flachern Formationen der Infanterie, die von 
Friedrich d. Gr. ausgebildete, auf die höchite damals 
denkbare Feuerwirkung berechnete Lineartattit (f.d.), 
die in der Zeit der franz. Nevolutionstriege aufge 
fommene zerſtreute Fechtart der Infanterie ſowie die 
Vereinigung zahlreicher Geſchutze zu artilleriftiicher 
Maſſenwirkung find Hauptmomente in der Entwid: 
lung der Taktik (f. d.), welche mit der Entwidlung 
der F. in enger Verbindung fteben. Die neuejte 
zeit zeigt eine in rajhem Tempo —— 
twmidlung der F. Das mehrfach verbeſſerte glatte 


650 


Gewehr wurde durch das gezogene Gewehr ver: 
drängt, welches demnächſt durch Annahme der 
Hinterlabung, des Heinen Kalibers und der Magazin: 
ladung in feiner Leiftungsfäbigkeit mehr und mebr 
geiteigert wurde. get n von zahlreichen —— 
Ar ni der Artillerietechnik ift namentlich 
durd die Annahme der —— die Leiſtungs⸗ 
fähigleit der Artillerie in hohem Grade geſteigert 
worden. Der Gebrauch tiefer —— im wirt: 
famen Feuerbereich ift is zur Unmöglichleit gewor⸗ 
den; man ift in weit böberm Maße al früber auf 
die geöffnete Ordnung hingewieſen, und das Feuer: 
gefecht (ſ. d.) ift mehr als je ver enticheidende Faltor. 

Feuerwalze, j. Seeiheiden und die Tafeln: 
Manteltiere, Fig. 1 (Bd. 11), und Leuchtende 
Tiere, Fig. 3 (Bp. 17). 

Feuerwanze (Pyrrhocoris), eine Gattung ber 
Landwanzen mit ziemlich flahem, geitredtem Kör⸗ 
per, mit lebhafter, meift rot und ſchwarzer oder gelb 
und ſchwarzer Färbung. Bon den beiden deutſchen 
Arten ift Die gemeinfte die befonders am Fuß alter 
Lindenbäume gejellfhaftlich lebende gemeine 0 
(Pyrrhocoris apterus L.), vollstümlih aud Sol: 
dat oder Dragoner genannt, 9—10 mm lang, 
| warz mit rotgerandbetem Bruftftüd und Hinter: 
eib, Flügeldeden zinnoberrot, jeve mit einem ſchwar⸗ 

ermweber, ſ. Euplectes. [zen led. 
euerwehr, die vereinigten Menfcoenträfte, 
welche berufen find, unter Benugung von ſog. totem 
Material (Geräte und Sofchmittel) in georbneter 
Weile Schabenfeuer fchnell zu löfchen, die meitere 
Ausbreitung, beöfelben zu verhindern ſowie Gut 
und Leben bei Feuersgefahr zu retten und zu bergen 
(f. ——— 
ie Organijation des Dienſtes der F. er 
folgt entweder auf dem Grunbjake ber vollen ober 
teilmeifen Berufsmäßigleit, der Freiwilligleit oder 
der Pflicht. Dementiprehend unterjcheidet man Be: 
zufös, bezahlte, freiwillige und Pflichtfeuermehren. 
Die Berufsfeuerwehr befist eine ri laſer⸗ 
nierte Mannſchaft, welche jeden Augenblich bereit iſt, 
nad einem Brandplatze abzurüden. Unter bezahl⸗ 
ter %. verſteht man eine ſolche, deren Mitglieder 
für ihre auf dem Brandplage geleifteten Dienfte 
zwar bezahlt werden, entweder nach der Zeit oder 
u eine feitgefegte Summe, die ſich jedoch in 
der Regel auf das Alarmzeichen wenigſtens zum 
Zeil erit fammeln müflen. Der Dienft bei der F. 
ift aber nicht ihr ausschließlicher Beruf. Der Natur 
der Sache nad kann eine pe d. der Berufs: 
Keinen — nahe gebracht werden. Die 
—————— r bildet ſich aus den dienft- 
äbigen Angehörigen eines Gemeinweſens durch bes 
oͤrdlichen, auf Grund des Reichsſtrafgeſetzbuches, 
B368, Ziffer 8, geübten Zwang, oder unter Umſtän— 
den, 3. B. bei Fabriken oder dergleichen, auch durch 
privaten Zwang. In neuerer Zeit hat man begon: 
nen, die Vorzüge der Berufsfeuerwehr binfichtlich 
bes raſchen Erſcheinens auf dem Brandplatze durd 
Errichtung von ftändigen Wachen, namentlich bei 
Nacht, au den übrigen F. wenigitens teilmeife zu 
verleiben. Nach — der angegebenen Grund⸗ 
fäße eine F. zu organijieren ift, bängt von den bejon: 
bern Berbältnijien ab. Neuerdings ift der Organi: 
fation der F. auf dem platten Lande in Deutichland 
überall dur die Verwaltungsbehörden die ange: 
ftrengtejte Aufmerkſamkeit zugewendet worden. 

Die Ausbildung der Feuerwehrmann: 

ſchaften bat ſich bei den Berufsfeuerwehren auf 


Feuerwalze — TFeuerwehrausrüftung 


alle Geräte und Einrichtungen zu erftreden, bei freis 
willigen und Pflichtfeuerwebren bat es ſich hingegen 
swedmäßiger erwiejen, für jede der vorgenannten 
Gerätegruppen eine befondere Bedienungsmanns 
{haft zu bilden. Ein größeres Korps wird hiernach 
eingeteilt in 1) eine — für Waſſerverſorgung 
oder Hydranten, 2) eine Abteilung für Sprigen, 
3) eine Rettungs: und Steigerabteilung, 4) Bioniere 
(Einreißer), denen häufig eine Orbnungsabteilung 
(freiwillige Schußmannſchaft) zwed3 Abſperrung 
des Branbplabe® und ſiberwachung geretteter 
—22 beigegeben iſt. Bei geringerer Ans 
zahl von Mannidaften teilt man das Korps nur 
in a. Sprigen: und Hydrantenmannſchaften und 
b. Steiger: und Rettungsmannſchaften. Bei ſehr 
Heinen 55. bilden alle Mannſchaften nur eine Abteis 
lung mit verſchiedenen Rotten, die fih nad Bedarf 
bei den verſchiedenen Arbeiten gegenfeitig zu unter: 
—* haben. Zur Ermoglichung ſchneller Hilfe 
eiftung bei Unglüdsfällen wird in der Regel ein 
Zeil der Mannjhaften im Sanitätsdienft aus— 
gebildet. liber die Organifation der F. in verſchie⸗ 
denen großen Städten ſ. Feuerlöſchweſen. — Val. 
Schumann, Taktik der Berufsfeuerwehr (Berl. 1868); 
aber, Die freiwilligen 5. (3. Aufl., Lpz. 1874); 
iebler, Geſchichte der deutſchen Feuerloͤſch- uns 
ttungsanjtalten (Berl. 1873); Hönig, Loſchen und 
Retten (2. Aufl., Köln 1894); Krameyer, Die Orga: 
nifation der F. (Berl. 1897); Schiders, Leitfaden 
für freiwillige 5. (2. Aufl., Brünn 1897). 
Fenertwehrausräftung. Die 5. fol jo be 
ſchaffen fein, daß ber erwebrmann ohne Ber: 
sögenung bie auf der Branditelle nötigen Hands 
arbeiten und Berrihtungen ausführen fan. Zur 
perjönliben Ausrüftung bes Feuerwehrmanns 
(Steiger) gebören Helm, Gurt mit Karabiner 
und Notnagel, Beil, Laterne und Signals 
pfeife oder Hupe; bei ben Senänenithalitn 
der Sprißen —— Feuerwehren meiſt nur 
lestere und Leibgurt, Mübe oder Helm. Der Helm 
gewährt Schuß 9— en herabfallende Gegenſtände 
und wird aus e Leder und Filz her⸗ 
neftent, in neuejter Zeit hat man aud) das belannt- 
ch ſehr leichte Aluminium verſuchsweiſe bierzu 
verwendet. erbelme find die gebräudlichiten. 
um Schuß bes Feuerwehrmanns gegen Wafler: 
trablen und glübende Aſche werden an den Helmen 
og. Nadenleder angebradt. Steigergurte 
dienen zum feiten Anjchluß des Rod3 und zur An 
bringung des Beilgebänges, Karabinerhalens und 
Notnageld; fie werden aus Geber, Moll: oder Hani- 
er von 8 bis 12 cm Breite und mit Riemen und 
chnallen verjeben angefertigt und müfjen zur 
Sicherheit des Mannes, der ſich mittelö des an i 
befeitigten Karabiners beim Steigen an Leiterſproſ⸗ 
fen anbängt, höchſt —— ausgeführt fein und w 
der Karabiner eine Zragfäbigteit von mindeſtens 
250 kg befißen. Der Notnagel ift ein Hafen, der 
in einem am Geeigeram angenäbten Täſchchen auf: 
bewahrt und im Notfall vom Feuerwehrmann an 
fiender Stelle eingeihlagen wird, um ſich an feiner 
eine, die neben Rettungszweden auch zum Schlauch» 
ablaſſen u. a. dient, aus einem enjter nad unten 
mangels einer andern Rüdzugslinie berabzulafien. 
Die keine, jog. Steigerleine, mußausbeitem Hanf 
bergejtellt, je nach den örtlihen Verhältniſſen 18— 
22 m lang jein und eine ————— mindeſtens 
250 kg ohne Nachteil aushalten. Das Beil (Spitz⸗ 
hacke, Fläche mit Hammer) benußt der Feuerwehr⸗ 


Feuerwehrfahrgeräte — 


mann zum Aufbrehen von Dielen, Durchſchlagen 
von Mauerwerk u. ſ. w., e8 wird in einem Gebänge 
Taſche) am Steigergurt getragen. Die Laterne 
(Steigerlaterne) ift für den Steiger ein unentbehr⸗ 
liches chtungsmittel; dieſelbe wird verſchieden⸗ 
artig ausgeführt; Ha —— ſicheres helles 
Licht, einfache dauerhafte Anordnung bei mäßigem 
Umfang und geringem Gewicht. Die Uniform er— 
ſtredt ſich bei freiwilligen Seuerwehren meijt nur 
auf einen Rod (Joppe, Nittel), bei ee 
wehren außerdem aud auf eine Uniformbofe; fie ſoll 
dem Klima angepaßt fein und den Mann vor Er: 
Ieitung FoRben. Es eignet fich hierzu beſonders ein 
olljtoff; Drill findet ebenfalld Verwendung. 
tfahrgeräte, alle außer den euer: 
fprigen (f. d.) und fahrbaren Yeitern (f. Feuerleitern) 
zum Transport von Mannſchaften und Gerätichaf: 
ten dienenden Fahrzeuge der Feuerwehr. Mann: 
ſchaftswagen erfordern Pferdebeſpannung und 
dienen zur Beförderung der Loͤſchmannſchaften, jo: 
weit diefe nicht ſchon auf andern Fahrzeugen des 
Loſchzugs transportiert werden. Gerätewagen 
dienen zur Aufbewahrung und Transportierung der 
Steig⸗ und Nettungsgeräte (f. Feuerleitern ſowie 
hg nee ange und ber ſonſt auf dem 
randplage erforderlihen Werkzeuge zum Abräus 
men und Einreißen (Üirte, Peuerhe en, Ausräum: 
aten, Einreißhalen mit Seil oder Kette, Loſchbeſen, 
Mulden, aufeln, Sägen u. ei der Zubehör: 
ftüde für Schläuche (. Feuerfprigenihlaud), der Be: 
leuchtungsmittel ſowie Gegenftände für erite Hilfe: 
leiftungen bei Unglüdsfällen (Medilamente, Ber: 
bandsmittel, einfache Tragbahre) u. ſ. w. Häufig 
werden Mannſchafts- und Gerätewagen vereinigt 
und bilden, fofern noch eine Handfraftiprige ein- 
—— ober ſahrbar angekuppelt iſt, einen ſog. 
niverſallöſchtrain. Ferner giebt es auch noch 
Schlauchwagen, Waſſerwagen, ausgerüſtet 
mit den zur Waſſerverſorgung nötigen Gegen: 
—** —— —— u. a. — Bol. Magirus, 
as Feuerlöfchweien in allen feinen Teilen (Ulm 
1877); Hönig, Loſchen und Retten (Köln 1894). 
uertwehrrauchapparate, Borrihtungen, 
die dem Feuerwehrmann den Aufenthalt in mit ſchäd⸗ 
lichen Gafen und eg erfüllten Räumen er: 
möglichen jollen. Nach Art ihrer Verwendung kön: 
nen fie in drei Hauptgruppen eingeteilt werben: 
1) en — —— rg 
von au mgeführt wird; aucapparate, bei 
denen Luft I einem bejondern Gefäß, welches der 
Mann vorn, feitli oder auf dem Rüden trägt, mit: 
efabrt wird; 3) Raucapparate, welche Stoffe ent: 
Balten, duch welche die eingeatmete, auch ver: 
borbene Luft gereinigt wird. 
Bur erjtern Gruppe gebören unter anderm der 
Een eApparat; er beitebt aus einer Leder⸗ 
lufe mit Kapuze und Fenfterben vor den Augen, 
melde über den Oberkörper einſchließlich Kopf ges 
zogen wirb und mittel Feuerfprige oder Luftpumpe 
{ ajeralg) mit Luft von außen gejpeift wird. Ferner 
tudefhe Rauchhelm und die Stolzſche 
Rauchmaske, beide aus der Neuzeit. Erſterer 
beitebt in einem Helm, der mit einem Ausſchnitt 
vor den Augen verfjeben ift und durch drei Kanäle, 
wovon zwei unter Mund und Nafe, einer über 
ber Stirn ausmünden, feine Luft ‚puofübrt erhält. 
Die Kanäle jelbit find durch drei eine Gummi: 
ſchläuche mitteld Teilſchraube mit dem Haupt-Luft: 
zufübrungsihlaud; verbunden. Bei der Stolzſchen 


651 


Rauhmaste find nur zwei Luftzuführungstanäle, 
unter der Naſe ausmündend, in ähnlicher Weiſe mit 
dem Luftichlauche verbunden, und die Nugenöffnuns 
gen find mit feiner Meffinggaze verfeben. Bei bei- 
den wird bie vom Feuerwehrmann ausgeatmete ver: 
dorbene Luft durch den beim Bumpen innerhalb der 
Haube erzeugten Luftdrud durch die ——— 
gen ausgetrieben und der Eintritt ſchädlicher Gaſe 
verhindert. — Bon der zweiten Gruppe find unter an⸗ 
derm zu nennen der er aa Batent Fleuß und 
der Touriftenapparat nad dem Syſtem Rouquayrol⸗ 
Denaprouze von 2, Bremen & Eo. in Kiel. Der 

leußapparat bezwedt, ausgeatmete Luft für die 

inatmung dadurd wieder brauchbar zu maden, 
daß diefelbe durch chem. Stoffe von Kohlenſäure be 
freit und mit zugeführtem friihem Saueritofi gemengt 
wird. Der Apparat beſteht aus einem Torniſter, in 
dem fi mit Werg und Soda nes Rautichuffilter 
und fomprimierter Sauerftof efinden. Die aus: 
geatmete Luft tritt durch ein in der Gefihtämaste 
vorhandenes Ventil in die Kautſchukfilter, giebt ihre 
Koblenjäure an die Soda ab und gelangt aladann 
in ein auf der Bruft zu tragendes Luftlijien, welches 
mit Hilfe eines vom Mann zu regulierenden Ben: 
tils Sauerftoff zugeführt erhält. Die wieder für 
Ginatmung brauchbare Luft gebt dann aus dem 
Luftkiſſen nah der Kautſchukgeſichtsmasle, welche 
Naſe und Mund des Mannes luftdicht verſchließt. 
Der Rouquayrol:Denayrouze-Apparat er: 
fordert das Abichliehen der Nafe durch einen Nafen- 
Hemmer und ermöglicht den Aufenthalt von 20 bis 
25 Minuten in hleihter Luft und Erleuchtung 
des Arbeitäplaßes; er beftebt aus drei Stahlblech⸗ 
cylindern, die, auf dem Rüden getragen, dur 
kleine Öffnungen untereinander verbunden find und 
mit Luft von etwa 25 Atmofphären Überbrud ge: 
füllt werden. Ein Quftverteilungsregulator bringt 
die einzuatmende Luft auf den gewöhnlichen Drud, 
leßtere atmet der Mann durch einen Schlauch ein, 
Da Ende er mittel3 Gummimundftüd im Munde 
bält. Durch Öffnen und Schließen eines Schraub: 
ventils findet Drudregulierung jtatt. Ein aus zwei 
Gummiplättchen bejtebendes und vor dem Munde 
des Mannes auf dem re ange: 
brachtes Ventil ermöglicht das Ausitoßen der aus: 
geatmeten Luft. Eine gleichzeitig mit dem Apparat 
verbundene Sicherheitölampe erhält ihre Luft eben 
fall durch einen Schlauch vom Luftverteilungs: 
regulator. Die Luftipannung wird durch ein Heines 
Manometer angezeigt, das wie eine Taſchenuhr vom 
Mann an pafiender Stelle in der Kleidung unters 
gebracht werden kann. — Unter den Apparaten der 
dritten Gruppe verdient der Loebſche Apparat 
Beachtung. Derjelbe beſteht aus einem blechernen, 
mit einem gefeuchteten Schwamm und Schichten von 
Watte, Glycerinwatte und Kohle gefüllten Atmungs: 
gebäuje, durch welches die einzuatmende Luft bin- 
durchdringen muß und in weldem fie gereinigt 
und abgetüblt wird, bevor fie in die Lungen ein: 
tritt. Beim Gebrauch bängt der Feuerwehrmann 
den —— mittels Halsriemen vor den Mund 
und bält ein Gummimundſtück desſelben zwiſchen 
Lippen und Zähnen feſt. Das Amen durch die 
ie wird durch einen Naſenklemmer verhindert, 
während zum Schuß für die Augen eine mittels 
Band feit um den Kopf gebundene Schußbrille dient, 
welche Gummimülfte aum hermetiſchen Abſchluß der 
Augen und Heine Wiſcher zum ag m der Gläjer 
bejigt. Zur VBerftändigung des im Rauche befind- 


Feuerwehrrauchapparate 


652 


lihen Mannes nah außen bin und zur Abgabe 
von Signalen wird dem Manne ein jog. Signal: 
ballon mitgegeben, d. i. ein Gummibeutel mit auf: 
ejepter Pfeife, Die einen — beim Drucken des 
Beutels abgiebt. Der Apparat geitattet nah den prak⸗ 
tiſchen Erfahrungen in mit jtarlem Rauch — 
Räumen einen Aufenthalt von 10 bis 12 Minuten. 
euerwehrrettungsapparate. Die F. müſſen 
fo beſchaffen fein, daß fie ohne —— er 
ebraucht werden können und ſelbſt von ſehr hoben 
ebäubdeteilen eine Rettung ermöglichen; Einfad: 
beit derjelben ijt daher Hauptbedingung. ee 
gehören die Leiter (j. Feuerleitern) und die Leine, 
welde beim Herablafien am Karabinerbalen 
(j. Feuerwehrausrüftung) gebremit wird. Andere 
tunitvolle Konftruftionen, wie 3. B. Fahrſtuhl— 
apparate, mit Xhüren und Fallbrüden vers 
ſehene —— Rettungstürme, Scheren— 
türme, durch welche man verſuchte, die Leiter zu 
erſetzen, haben ſich bisher nicht bewährt. Seil: und 
Gurtleitern geitatten keinen Angriff zu maden, 
= find nur ala Rettungsgeräte für ſehr gefährliche 
obnräume zu verwenden und erfordern für ihren 
Gebraud Kraft und turnerifche Gewandtbeit. Höchſt 
wichtig und vieljeitigverwendbar ift ver Rettungs⸗ 
ſchlauch, ein etwa 15—20 m langer und etwa 
80 cm weiter Schlau aus Segeltuh, welcher in 
einer Yenfteröffnung befeitigt und außerhalb des 
Gebäudes nad dem Erdboden berabgeleitet wird. 
Die zu rettenden Menſchen, felbit ganz bilflofe, 
werden in die obere Öfinung bes Schlauchs einge 
jtedt und gleiten in dem Rettungsſchlauch ſchnell 
und gefahrlos nad unten. Die das untere Schlaud: 
ende haltende Feuerwehrmannſchaft läßt bei An: 
kunft des Geretteten den Schlau nah und bilft 
demjelben beim Ausjteigen aus der im Schlauche 
befindlihen fdligartigen Öffnung. Bei Rettun 
einzelner Berjonen lommt auch der Rettungsſa 
oder ee in Anwendung, der an einem 
Seil (Fahrjeil) mit Rolle befeitigt auf und ab 
ejogen wird. Derjelbe dient —— für Men: 
chen⸗ wie für Sadenrettung. Das Rettungss 
oder Rutſchtuch findet Anwendung bei Maſſen— 
rettungen und ift ein 27,—3 m breites, 16—20 m 
langes offenes Segeltub, welches am Fenfter von 
baten Gebäuden bejeitigt, von den Nettungsmann: 
haften auf der Straße gehalten und jtraff u 
jogen und von ben Bedrobten als Rutſchbahn bes 
nußt wird. Das Sprungtud, ein etwa 16 qm 
großes quadratiiches, mit Öurten verjebenes Segel: 
tuch, dient als legtes Hilfömittel in allen den Fällen, 
wo ein —— zu den bedrohten Menſchen 
auf andere Weiſe nicht mehr möglich iſt. Beim Ge: 
brauch wird dasjelbe an allen vier Seiten von 24 bis 
30 Dann —— und unter dem Fenſter auf⸗ 
—— aus welchem die zu rettende Perſon in das 
prungtuch herabſpringt. Verſuche, mittels Ge— 
jangen (nad Art der bei Rettung von Schiff: 
ng verwendeten Naletenapparate) Leinen 
oder Stridleitern zu den Gefährdeten emporzu— 
ſchleudern, haben bei den deutſchen Feuerwehren 
feine Beachtung erjielt. Selbitrettungsappa= 
rate nennt man Apparate, die zur Rettung ber 
eigenen Perſon Verwendung finden; fie jind in den 
verſchiedenſten Konſtruktionen ausgeführt und be: 
fteben faſt alle in einem langen Seil mit Gurt zum 
Einjhnallen der zu rettenden Perjon und einer 
Bremsvorribtung, die langſames Herablafien am 
Seil ermöglidt. 


TFeuerwehrrettungsapparate 


— Feuerwerkslaboratorium 


——— deutſcher, ſ. Feuer⸗ 
löſchweſen. En 

Feuerweihe, eine Geremoniein der fatb. Kirche, 
früber am Abend des Gründonnerätags, jebt am 
Morgen des Karſamstags. Es wird vor ber Kirch: 
thür aus einem Steine feuer gefhlagen, damit Holz 
angezündet und das Feuer unter Gebeten und Se: 

enswünjchen geweiht. Zugleih wird in dieſem 
— das im Vorjahre übriggebliebene geweihte Ol 
verbrannt, daran ein Licht und dann erſt mit dieſem 
die Kerzen in der Kirche angezündet. 

Feuerwerk, das Hervorbringen von Licht: und 
Rnalleffetten in größerm Maßitabe und in wirtungs- 
voller Zufammenftellung mittels leiht brennbarer 
und erplofiver Gemenge. fiber die beim F. ange 
wandten Säge, Feuerwerlslörper, Feuerwerksſtücke 
f. die Einzelartitel. 

Feuerwerker, gewöhnlich Berjonen, die die Ans 
fertigung und das Abbrennen von Luſtfeuerwerken 
(f. Quftfeuerwerterei) als Gewerbe betreiben. In der 
ältern Artillerie waren die F. zur Bedienung ber 
Wurfgeihüge (Böller, Mörjer) beftimmt und bil 
deten mit den Büchfenmeiftern die erfte Rangklaſſe 
der Artilleriften. Außerdem lag ihnen die Beforgung 
der Kriegsfeuerwerkerei (f.d.) ob. Im 18. Nabrb. 
wurden die F. den Artillerietorps als Unteroffiziere 
einverleibt. Seitdem iſt F. die Bezeichnung eines 

öbern Unteroffizierdgrades der Artillerie, oder die 

. find Mitglieder eines mit der Anfertigung und 

ufbewahrung der Munition und der Revifion des 
gejamten Artilleriemateriald betrauten Artillerie 
jweige3, und bilden bad Feuerwerkerkorps 
oder :Berjonal. Man unterſcheidet Oberfeuer— 
werker und %., eritere haben Feldwebel⸗-, letztere 
Sergeantenrang. Das Feuerwerlerperſonal jtand 
in Preußen Früher unter einem bejondern Artillerie 
offizier ala Feuerwerlömeijter. Dann wurde 
es den Artillerieregimentern und 1901 ber Feldzeug⸗ 
meifterei (ſ. Feldzeugmeifter) unterftellt. Seit 1868 
werben im deutſchen Heere geeignete Oberfeuerwerter 
nad Ablegung einer befondern Prüfung zu Feuer: 
wertsleutnants, Oberleutnants und Haupt⸗ 
leuten beförbert. Bei der Marine gebören die F. zu 
den Dedoffizieren (f.d.). ZurAusbildung der F. dient 
die Dberfeuermwerlerihule (f. d.) in Berlin. 

Feuerwerkerei, auch Feuerwerbskunſt oder 

vrotechnit genannt, die Anfertigung und der 

ebraub von jFeuerwert (j. d.). Sie zerfällt in 
Rriegsfeuermwerlerei (ſ. d.) und Quftfeuer: 
werterei (j. d.). Die F. iſt jehr alt. Schon 1379 
wurde in Vicenza zum Friedensfeſt ein Feuerwerl ab» 
gebrannt, und 1519 ließ Jakob Fugger in Augsburg 
zur Feier der Erhebung Karls V. zum röm. König 
ein ſolches veranjtalten. Die meiften und ſchönſten 
Erfindungen im Fade der Luſtfeuerwerlerei ver: 
dankt man zwei Jtalienern, Ruggieri (Vater und 
Sohn), die in Rom, Paris u. f. m. ſich durch biftoriich 
berühmt gewordene Leiſtungen er — 
Bol. Eſchenbacher, Die F. (3. Aufl., Wien 1897); 
Bujard, Leitfaden der Pyrotehnit (Stuttg. 1898). 
enerwerföförper, aus den Zuſammenſtel⸗ 
lungen der einfachen Säße (f. d.) entitebende Feuer: 
werksgegenſtãnde; aus den F. jelber werben mie: 
derum die Feuerwerksſtücke (f. d.) zufammengeitellt. 
Man teilt die F. ein in Flammen⸗, Funlen:, Dreb:, 
Wurf: und Steigfeuer oder NRateten. (S. die einzel- 
nen Artitel.) 
euerwerkskunſt, ſ. Feuerwerlerei. 
euerwerkslaboratorium, ſ. Laboratorium. 


Feuerwerksſätze — Teuerzeug 


enerwerktöfähe, |. Süße. 
euerwerföftüde, aus den Zufammenftellun: 
en der einfachen euermwerlälörper entitebende 
erwerlsgegenſtände; man teilt fie im allgemeinen 
in feitftebende und bewegliche. Zu den feit- 
tebenden Stüden gehören die Kombinationen von 
randern in den verſchiedenſten rg als 
Gänſefuß, Fächer, Sonne, Glorie, Moſaik und Kas— 
fade, fomwie die Delorationen. Leßtere beitehen 
aus jarbigem Feuer, welches entweder die ganzen 
Maſſen oder nur die arditeltonifchen Linien oder 
Konturen de3 darzuftellenden Bildes hervortreten 
läßt. Dft ift auch das Farbenfeuer fo eingerichtet, 
daß es in gemwifjen Zeiträumen wechjelt, was durch 
verſchiedene Säße in den Lichterhülfen bewirkt wird, 
Die Detorationen werden mit einer über jeden ein: 
zelnen Brennpunkt binlaufenden Zünbfhnur in 
einem Augenblide angezündet. Die beweglichen 
Stüde dreben fich entweder in horizontaler oder in 
vertifaler Richtung; die Bewegung erfolgt entweder 
auf einer Achje oder auf einem Zapfen. Hierher ge 
bören die Feuerräder, die Windmühle, die 
Gaprice, die Spirale u. ſ. w. Die Bapirrröhren 
find bier auf Unterlagen ar we aufgenagelt, daß 
die Gewalt des Gajes bei der Ausftrömung die Un: 
terlage zugleih umtreibt und jo das euer einen 
Kreis bildet. Man bedient ſich außer dem Brillant 
- auch bier des Farbenfeuers; da dasſelbe jedoch 
ngjam abbrennt, muß man den Trieb durd eine 
Röhre mit weißem Feuer bemirken. 
—— fen, j. Manteltiere und Seeſcheiden. 
euerzeichen, jur Sicherung der Schiffahrt auf 
dem Meere wie auf Flüflen angewendete Lichtfignale. 
Am belannteften jind die Leuchttürme (f. d.). Wer 
vorjählich ein zur Sicherung der Schiffahrt beftimm: 
tes F. zeritört, wegſchafft oder unbrauchbar macht 
oder ein ſolches J aus löſcht oder ſeiner Dienſt⸗ 
rfliht zuwider nicht aufſtellt oder ein falſches Zei⸗ 
den, welches geeignet iſt, die Schiffahrt unſicher zu 
machen aufſtellt, insbeſondere zur Nachtzeit auf der 
Strandhohe Feuer anzündet, welches die Schiffahrt 
zu gefährben geeignet ift, wird nach dem Deuticen 
Strafgejesb. $. 322 mit Zuchthaus bis zu 10 Jah⸗ 
ven beitraft; wenn dadurch die Strandung eines 
Schiffes verurſacht ift, tritt Zuchthausſtrafe nicht 
unter 5 Jahren, und wenn ber Tod eines Menſchen 
—— t iſt, Zuchthausſtrafe nicht unter 10Jahren 
oder lebenslangliche Zuchthausſtrafe ein. Das mit 
lebenslänglihem Zuchthaus bedrohte Verbrechen i 
mit dem Zode zu beitrafen, wenn es in einem Teile 
des Reichsgebietes begangen wird, welchen der Kai⸗ 
fer in Kriegszuſtand erllärt hat, oder wenn es wäh⸗ 
rend eines gegen bad Deutiche Reich ausgebrochenen 
Krieges auf dem Kriegsſchauplaß begangen wird 

. 4 ded ie Fear — zum Strafgejekbud). 

ird eine ber oben bezeichneten Handlungen fahrläj: 
fig begangen, fo ift auf Gefängnisitrafe zu ertennen, 
menn ein Schaden entjtanden ift ($. 326). 

Feuerzeug, Vorrichtung zur Erzeugung von 
Wärme, um damit brennbare Körper zu entzünden. 
Man unterjcheidet je nach der Art der zur Anwen: 
dung fommenden phyſil. Mittel mechaniſche, ches 
miſche und eleltriihe 3. Bei den erftern erzeugt 
man die Wärme durch Reibung, Stoß, Schlag, 
Drud oder Bug. 

Wohl das ältefte mechaniſche F. ift das Reib— 
bolzfeuerzeug, das bei den religiöien Handlun— 
gen des indogerman. Urvolt3 ald «Doppelbolz» eine 
große Rolle jpielte und deſſen fih einige uncivili- 


653 


fierte Boltöftämme ſowie bei den Indiern die Brah⸗ 
manen noch heute bebienen. Ein am untern Ende 
zugeipister Holzitab(Feuerbohrer, Feuerquirl) 
wird jentrecht auf ein anderes Holzftüd in eine leichte 
Anbohrung desjelben geftedt und ſchnell zwiſchen 
den Handflächen oder mitteld einer mehrmals um: 
gelhlun enen Schnur quirlartig hin und ber gedreht, 
i3 die ſich abreibenden Holsipänden, beigejtreute 
Baummollfafern oder Martitüdchen Feuer fangen. 
Ein anderes Reibholzfeuerzeug ift die in Indoneſien 
ebräuchliche zu rjäge, bei welder ein zuge: 
bärftes Stud Bambusrohr wie eine Säge auf 
einem andern Bambusrobritüd bewegt wird, bis 
die Wandung des legtern durchbrochen it und eine 
darunter liegende Kugel aus den vom Innern des 
Rohres losgefhabten Teilen zu glimmen beginnt. 
Bei den Römern war eö zur det des Tacitus 
üblih, die Spike eines Schwe —— in 
vermodertes Holz zu fteden und dieſes durch Reis 
bung an Steinplatten zu entzünden. Im 14. Jabrb. 
fannte man ſchon den Gebrauh des Stahls 
(Feuerftahl), Feuerfteind und Zunders oder 
Schwamms, dem fi der Schwefelfaden und das 
ga beigejellte. Dieje 5. waren bis 1820 
wohl ausſch — in Anwendung und leiſten noch 
jest im Freien vortreffliche Dienſte. Dieſelben find 
in verſchiedenen Formen aufgetreten, die das viel 
Mübe und Geſchickichkeit erfordernde Feuerſchlagen 
erleichtern ſollten, ſo das von Glaeſer erfundene 
F., aus einem geriffelten Stahlrädchen beſtehend, 
das durch einige Räderüberſeßungen und eine keine 
Kurbel in ſchnelle Rotation verjegt wird und gegen 
das durch eine Feder ein Stüd feinlörnigen Sand» 
—* gebrüdt wird; der Apparat iſt bequem in der 
aſche zu tragen. Hieran ſchließen fi die Zünd- 
blättchen, Zündpillen u. ſ. w, die durch einen mits 
telä einer Syeder audgeübten Schlag, ähnlich wie bei 
Schußwaffen, erplodieren und den Zundſchwamm 
oder Schwefelfaden entzünden. , 
Hierher gehören ferner aud alle Arten der heuti⸗ 
gen Sundhölshen (j. d.), die fih zwar aus den 
unten erwähnten dem. Präparaten entmwidelten, aber 
durch Reibung des leicht entzündlichen Phosphors, 
der bei ven gewöhnlichen Zundholzchen in der Zund⸗ 
maſſe, bei ven ſchwediſchen an der Streihfläde (in 
der befannten roten, amorphen Movifitation) wor: 
banven it entzündet werben. In neuerer geit find 
wiederholt abjolut phosphorfreie Zundhoͤlzer auf 
getaucht, die jedoch ven phosphorhaltigen feine 
ernftlihe Konkurrenz maden konnten. Das Kom: 
prejfionss oder pneumatijche F. befteht aus 
einem hohlen Glas: oder Metallcylinder, in der 
durch das Hineinftoßen des Kolbens die Luft fr 
ſchnell verdichtet wird, daß ein an der untern Seite 
des Rolbens befindliches Stüd Schwamm fi ent: 
zündet, da bei der raſchen Verdichtung ein Teil 
der aufgewendeten Arbeit in Wärme umgewandelt 
wird. Birma und Indonefien ift das pneumati⸗ 
joe F. auh Feuerpumpegenannt, ſehr verbreitet. 
er Eylinder beſteht dort aus Holz oder Büffelborn. 
Unter den chemiſchen %. hat namentlich die 
1823 von Döbereinererfundene Zündmaſchine 
Aufnahme gefunden, die heute noch vielfah im Ge 
braud ift. Diefe Maſchine beruht auf der von 
Döbereiner jelbft entdedten Gioenj&aft fein ver: 
teilten, poröjen Blatins, des fog. Platinſchwamms, 
große Basmengen zu abforbieren und zu verdichten, 
und beitebt aus einem zum Zeil mit, verbünnter 
Schmefeliäure gefüllten Gefäß, in das ein von einer 


654 


Glasglode umichlofjenes Stüd Zint —— 
Innerhalb ver Glasglode, die unten offen iſt, alſo 
gleihfalld verbünnte Schwefeljäure enthält, ent: 
mwidelt ſich durd Zerjekung des Zints Waflerftoff, 
der burch einen Habn am obern, gejchlofjenen Ende 
der Glode abgeblajen werden kann. Se mehr Waj: 
ferjtoffgas ſich in der Olode bildet, deito mehr wird 
die Flüffigkeit aus derjelben verdrängt, jo daß, da all: 
mählich Zint außer Berührung mit der Säure tritt, 
die Gasentwidlung aufhört und erjt wieder beginnt, 
wenn man einen Teil des Gafes verbraucht hat. Das 
Gas wird aus dem erwähnten Hahn, deſſen Öffnung 
eine feine Spike bildet, auf Platinſchwamm geleitet, 
wo es fich durch die plöglihe Verdichtung entzündet. 
Durch Feuchtwerden ſowie aud dur den Aufent: 
balt in Ammonialvämpfen, ſchwefliger Säure, wie 
dies in Wohnräumen und in ber Wr von Stal: 
lungen der Fall ift, wird der Platinſchwamm für 
dieſen Zwech unbrauchbar und muß, um die oben: 
genannte Eigenjchaft wiederzuerhalten, mäßig ſtark 
geglüht werden. 

Eine wichtige Epode in der Geſchichte der he: 
miſchen F. bildet dad Tauch- oder TZunlzünd: 
hölzchen, das bereit3 1812 —— aber erſt 
um das J. 1820 Ben befannt wurde. Man 
nennt jo Schmwefelbölzer, deren ——— Ende 
mit einer Zundmaſſe aus 1 Teil Schwefel und 
3 Zeilen hlorjaurem Kalium mit einer Beimengung 
von Zinnober oder Indigo als Farbſtoff umgeben 
war, die, beim Benehen mit fongentrierter Schwefel: 

äure verpuffend, die —5*55 der Schwefel⸗ 
chicht und dem Holz mitteilte. Man bediente ſich 
ierbei kleiner Gläſer, die mit Schwefelſäure impräg— 
nierten Asbeſt enthielten. In England waren ſie 
unter dem Namen Prometheans gebräuchlich, und 
war in Form von Papierröllden, die eine geringe 
enge &lorfauren Kaliums und Schwefel und 
ein mit konzentrierter Schwefeljäure gefülltes, ge 
ſchloſſenes Glasröhrchen enthielten; zerbrüdte man 
diejes, jo fand eben bejchriebener Vorgang ftatt. 
Nachdem jeit 1820 der Phosphor verſuchsweiſe, 
namentlich in Bezug auf feine Selbitentzündlichteit, 
in feinverteiltem Zuftand zur Erzeugung von euer 
angewendet worden war, famen unter dem Namen 
Congreveſche Streich: oder Zündhölzer 1833 
die pi brauchbaren phosphorhaltigen F. auf. Ur: 
fprünglich enthielten fie über dem Schwefel noch einen 
aus Kaliumchlorat und Schwefelantimon beſtehenden 
tiberzug, der jest ftatt Schwefelantimon Phosphor 
enthält. Auch wird das Kaliumdlorat dur andere 
—— Verbindungen (Salpeter, Braun— 
tein, Mennige und Bleijuperoryd) erſetzt. (©. 
Bünpbölzcen.) 

Die Wirkungen der Elektricität find ſchon früb 
für die Herftellung von F. verwendet worden, und 
zwar in Verbindung mit Waferftoffentwidlungs: 
apparaten, ähnlich der Döbereinerjhen Maſchine, 
mit Leuchtgasbrennern und Petroleumlampen, un: 
ter Benutzung des eleltriihen Funlens oder in den 
Stromlreis einer galvaniſchen Batterie eingeſchal— 
teter glübender Platinſpiralen. Bis jekt haben indes 
alle derartigen Apparate wenig praltiſche Bedeu: 
.. erlangt. ! 

eit längerer Zeit find Benzinlämpdhen von 
verjchiedener Form in Verbindung mit einer Zünd: 
porrichtun ala Zafchen: und Tifchfeuerzeuge vielfach 
in Gebrauch gelommen, Als Zünder dienen bei den: 
jelben die jog. Zundblättchen (f. d.), die, bandförmig 
aufgerollt, fi in einer an dem Lämpchen befeſtigten 


Feuerzüge — Feuillet 


Blechkapſel befinden und deren je eins bei einmaliger 
Umdrehung des ſeitlichen Heinen Handgriffs erplo: 
diert, wodurch bie Lampe entzündet wird; oder es 
dient als Zünder ein eleltrijher Strom, der in einem 
der Yampe beigefügten galvaniſchen Element erzeugt 
oder von einer etwa vorhandenen Haustelegrapben- 
leitung abgezweigt wird und, indem er eine in näch⸗ 
iter Näbe des Lampendochts in den Stromkreis eins 
——— Platindrahtſpirale — en macht, das 
enzin entzündet. — Bol. Ziſtl, Über Zündung. 

Hiftor. Darftellung, kritiſche Beiprebung und Ein⸗ 
teilung der 5. (Programm; Straubing 1897). 

Feuerzũge, bei jeuerungsanlagen, namentlich 
Dampftefjeleinmauerungen, die Wege, welde vie 
beißen Berbrennungsgaje zurüdlegen müflen, wäh⸗ 
rend fie ihre Wärme an das zu ermwärmende Gefäß 
(Muffel, Keſſel u. dgl.) abgeben. — Über F. ald Art 
der Eijenbabnzüge ſ. d. 

‚ Fenillantö (fr;., fpr. föläng; lat. Fulienses) 
ein Zweig der Eijtercienfer, benannt nad) der Abtel 
Feuillans bei Touloufe, begründet um 1580 von 
dem Abt Jan de la Barriere (geſt. 1600). Sirtus V. 
beftätigte die Genofjenihaft 1589; Clemens VIIL 
trennte fie 1595 von ben Gijtercienfern und mil: 
derte ihre Regel. Urban VIIL teilte fie 1630 in 
zwei Kongregationen, jede mit einem befondern 
General, die franz. Congrögation de Notre Dame 
de Feuillans und die italienifhe: I Riformati di 
San Bernardo (verbefjerte ———— Eine 
mit den en pri ee tegation (Feuils 
lantinnen, Fulienferinnen) hat nur geringe 
Verbreitung gefunden und ging wie die männlichen 
Kongregationen in der Revolution unter. — F. 
nannte man 1755 die Partei des Kultusminifters 
—— de la feuille) Boyer, die auf der Ver: 
ammlung der Geiſtlichleit bei dem Streite über 
die Bulle Unigenitus die mildere Richtung vertrat. 
— Das ehemalige Klofter der F. zu Paris diente 
während der Revolution 1790 ald Verſammlungs⸗ 
ort eines polit. Klubs (anfangs « Gejellihaft von 
1789», fpäter «lub der %.» genannt), welcher die 
Herftellung einer Verfaſſung nad engl. Muſter er 
jtrebte; auf Drängen der Jakobiner wurbe ihnen 
das Lokal 27. Dez. 1791 verboten, worauf der 
Klub feine Sisungen noch einige Zeit im Palais 
Nichelieu fortiekte, ohne jedoch groben Einfluß auf 
den Gang der Revolution ausüben zu fönnen. 

Feuille (fr;., ipr. [öl Blatt; feuille-morte (fpr. 
mort),bellbraun;F.a s Huf ſigleitsmaß, j. Seuillette; 
feuilles anglaises, f. Gummiwarenfabritation. 

Feuillet (ſpr. fojeh), Octave, franz. Romans 

ſchriftſteller und Dramatiker, geb. 11. Aug. 1821 
zu St. Lö (Mande), erhielt ſeine Schulbildung 
ın Bari und trat bier 1845 im «National» mit 
dem Roman «Le grand vieillard» hervor, dem 1846 
«Le fruit döfendu» in der «Revue nouvelle», «Le 
conte de Polichinelle» und einige bramatifierte Sce⸗ 
nen im «Diable à Paris» folgten. Anfänglich ſchrieb 
3. unter dem Pſeudonym Defird Hazard. Bon 
1848 an veröffentlichte er in der «Revue des Deux 
Mondes» eine Anzabl von Proverbes und Komö— 
dien, Novellen und Romanen, wie: «Le pour et 
le contre» (1848), «La partie de dames» (1850), 
«La clef d’or», «L’ermitage» (1851), «La fee» 
(1854) und «Bellah» (1850), «La petite comtesse» 
(1856), «Le roman d’un jeune homme pauvre» 
(1858; deutic u. d. T. «Ein verarmter Evelmann», 
Votsd. 1859). Der legte Roman machte zuerft 5.3 
Namen berühmt. Später folgten: «L’histoire de Sy- 


Teuillet de Conches — Feurs 


bille» (1862), «Monsieur de Camors» (1867), «Julia 
de Tr&ecaur» (1872), «Un mariage dans le monde» 
(1875), «Les amours de Philippe» (1877), «Le 
journal d’une femme» (1878; deutſch in Engel: 
orns «Romanbibliothel»), «Histoire d’une Pa- 
risienne» (1881) und «La morte» (1886; deutſch 
in Engelhorns «Romanbibliothel»). Teilmeife find 
diefe Romane für die Bühne bearbeitet worden, 
wie «Julia de Treceur» als «Le Sphinx» (1874); 
daneben verfaßte F. auch eine Anzahl von Drigis 
nalftüden, wie dad Scaufpiel «Dalila» (1856) 
das wirkungsvolle, gegen die Bee 3moral 
des zweiten Kaiſerreichs gerichtete Quftipiel «Mont- 
joye» (1863), den Einalter «L’acrobate» (1873) 
u.a. F. erwarb fi durd die bisweilen aufdring⸗ 
liche, fittliche Tendenz, adlige Gefinnung und Fein: 
it des Tones feiner frühern Romane den Beifall 
ſonders der gebildeten vornehmen rauen; fpäter, 
unter bem Sinfuß von Dumas dem Jüngern, wen: 
dete er fi in Roman und Drama aud an gewag⸗ 
tere fittlihe Probleme, denen feine mebr für feine 
eihnung und zarte Schattierung des Dargeftellten 
eanlagte Natur nicht gewachſen gr Gerade jeine 
fleinerndramatifhen Schöpfungen (gefammelt inden 
«Scönes et proverbes» und «Scenes et com&dies», 
5 Bpe., Bar.1853 fa. ; ferner«Ledivorcede Juliette», 
«Charybde et Scylla», cur& de Bourron», ebv, 
1889) find Mufterftüde ihrer Gattung, mit liebens⸗ 
würbiger Grazie und Sauberleit ausgeführte Seelen: 
emälde und Zuſtandsbilder nad) einer idealifierten 
elt von vornehmer Lebens: und Dentart. F. feit 
1862 Mitglied der Akademie, ftarb 29. Dez. 1890 in 
Paris, Sein «Thöätre complet» (5 Bde) erſchien 
1892—93 ; mehrere feiner Dramen enthält Reclams 
«lUlniverfalbibliotbet» in deuticher Überjegung. 
Fenillet be Couchces (jpr. fdjeh de longſch), 
Felix Sebaftien, franz. Schriftiteller, geb. 4. Fr 
1798 zu Baris, war unter dem zweiten Raiferreich a 
Hofceremonienmeifter und «ntroducteur» ber Ges 
andtſchaften thätig, on im Febr. 1874 feinen 
bichied und ftarb 6. Febr. 1887 in Paris. Unter 
feinen Werten find zu erwähnen: «Leopold Robert, 
sa vie, ses auvres et sa correspondance» (Par, 
1849), «Causeries d’un curieux, variötes d’histoire 
et d’art tirdes d’un cabinet d’autographes et de 
dessins» (4 Bde., 1861—67), «Lettres inédites de 
Montaigne et de quelques autres personnages» 
(1863), «Correspondance de M=* Elisabeth de 
France» (1867); die in dem Werte «Louis XVI, 
Marie Antoinette et M=* Elisabeth, lettres et docu- 
ments inedits» (6 Bde. 1864—73) veröffentlichten 
Briefe, namentlih die Marie Antoinettes, find, 
wie Sybel ——— hat, größtenteils unecht. 
Die «Souvenirs de jeunesse d’un curieux septuagé- 
naire» (1877, anonym und nicht im Handel) enthal⸗ 
ten feine Selbjtbiograpbie. Ferner ſchrieb F. die 
«Histoire de l’&cole anglaise de peinture» (1883). 
‚ Senilletieren (frz., fpr. föj't-), durdblättern; 
ſich feuilletieren, ſich abblättern. 
euilleton (fra., ſpr. ——æzW «Blättchen»), im 
meiteften Sinne der Abſchnitt einer Tageszeitung, 
welcher durch den Strid von dem polit. Hauptteil 
etrennt, daher auch Rez-de-chaussee (frz., «Erbge: 
H oß») genannt wird und nichtpolit. Stoffe der ver: 
ſchiedenſten Art in einer befondern Daritellungs: 
weiſe behandelt, die das wejentliche innere Kenn: 
eihen de3 F. ausmachen. Gegenüber der erften 
bficht der Zeitung, zu berichten, will der Schreiber 
de3 F. feine Leſer dadurch anziehen, daß er ibnen 


655 


die Dinge, die er bebanbelt, in durchaus fubjeltiver 
Weife, wie fie in feiner Perjönlicteit ſich wider: 
piegeln, vorführt. In diefem Sinne ift das F. in 
antreih entitanden, mo = lien Louis 
jeoffroy (f.d.) zur Zeit des he aiſerreichs durch 
feine Berichte über das Theater Auſſehen erregte. 
Einige Jahrzehnte nach ihm hat er (. d.), 
eitvem er 1836 für dad «Journal des Debats» 
chrieb, das dramaturgiſche 5. zur Vollendung, fi 
elbft zum Typus des «Lundiiten» (weil die dramat. 
eferate in Frankreich am Montag [Iundi] erſchei⸗ 
nn erhoben. Ihm ift auf dem Gebiete der zeitge 
nöffifhen Kulturgeſchichte Neftor Roqueplan (f. d.) 
ur Seite getreten; eine große Reihe hervorragender 
euilletonijten (Alfpronie Karr, Sainte:Beuve, 
ancisque Sarcey, Ulbach, About, —— 
autier u. a.) ſind dieſen beiden Meiſtern gefolgt; 
andere haben ſich ver Muſik (He «Marbdiften», wei 
fie ihre Berichte am Dienstag [mardi] brachten) 
und den Fachwiſ alien zugewendet. Hervor⸗ 
ragende Romanſchriftſteller endlich, wie Eugen Sue 
und Alerander Dumas, haben den Raum unter dem 
Strid in den vierziger Jahren für ihre Senſations⸗ 
romane in Befiß genommen und diefem Zeil der 
Beitungen (wie «Presse», «Constitutionnel», «Jour- 
nal des D&bats») zu überwiegender Bedeutung, den 
Blättern felbft zu einem außerordentlihen Abſatz 
verholfen. Bon Frankreich hat fi das F. nad) den 
andern europ. Qändern verbreitet. In Deutichland, 
two unter Lewalds Leitung zuerft der «Nürnberger 
Korrefpondent» ein regelmäßiges F. einrichtete, 
baben die ſog. Jungdeutihen nad franz. Mujtern 
das moderne F. geihaffen; mit der —— Be⸗ 
deutung der Zeitungen und Zeitſchriften iſt es auf 
allen Stoffgebieten zur Ausbildung gekommen und 
mit befonderm Sri in Berlin und Wien gepflegt 
worden. Das kulturbiftoriihe F., das alle menſch⸗ 
liben Zuftände von einft und jest in feinen Kreis 
—* at in Adolf Glaßbrenner, Hans Wachen⸗ 
hu en, Julius —— E. Wellmer, $ Spiel: 
agen, Schmidt⸗Cabanis, Daniel Spiger, L. Pietſch 
u.a., das litterarifh-tritifche F., welches ſich teild 
die Kritik eines beftimmten Wertes, teils die Schil- 
derung einer 4657 litterar. Kategorie zur Aufgabe 
tellt, in 2, Rellitab, Rud. von Gottſchall, Karl 
enzel, Paul Lindau, Fr. Mauthner, D. Brahm 
und in zablreihen Wiener Schriftftellern (mie Spei⸗ 
del, Thaler, Wittmann), das philoſophiſche F. in 
Hieron. Lorm, Karl du Prel, Ferd. Kürnberger, das 
mufilalifhe F. enbli in Ferd. Hiller, Gumpredt, 
Hanzlid, Ambros, H. Ehrlich u. a., glänzende Ber: 
treter gefunden. — Bol. E. Editein, Beiträge zur 
Geſchichte des F. (2 Bbe., Lpz. 1876). 
enillette (pr. föjett) oder Feuille, ein ang 
maliges franz. Flüffigleitgmaß, die Hälfte des Muid, 
geſeßlich = 18 Veltes (Viertel) oder 144 Pintes, 
daher = 184,11 1 oder 6760,8 alte Barifer Rubitzoll, 
Das Maß war im Großhandel etwas reichlicher, 
und zwar die F. = 136,9736 1, wie fie noch heute im 
Entrepot von Paris gerechnet wird. In Borbeaur, 
mo nod die alten örtlihen Weinmaße im Gebraud) 
find, bat die %., der Inhalt der halben Barrique 
(f. d.) oder der halben Borbelaife, nur 15 Veltes, 
und man rechnet dafelbit die Velte gemeinhin zu 
7,81 (ftatt genau R 7 7,0964 1 = 383,0108 Barifer 
Kubitzoll), in fo zu 1141. 
euriger Schwaben, ſ. Schlagende Wetter. 
ð er. föhr), Hauptort des Kantons F. 
im Arrondiſſement Montbrijon des franz. Depart. 


656 


Loire, oberhalb der Mündung der Dife in die Loire, 
an der Linie Roanne:St. Etienne der Mittelmeer: 
bahn, bat (1901) 3201, ald Gemeinde 3766 E. eine 
fhöne got. Kirche, Bronzeftanpbild des Hauptmann? 
Combes, der vor Eonftantine fiel; Fabrilation von 
Drainröhren, Getreidehandel. In der Nähe eine 
Scmefelquelle (17° C.). 
eval (ſpr. fewall), Paul, franz. Romanſchrift⸗ 
fteller, geb. 27. Sept. 1817 zu Rennes, ftudierte die 
Rechte in feiner Vaterftadt, widmete fih aber dann 
anz der Litteratur. Cine in der «Revue de Paris» 
1841) veröffentlichte originelle a reg «Le club 
des Phoques», und ber Roman «Les chevaliers du 
firmament» öffneten ihm die Spalten vielgelefener 
Tagesblätter. Der Beifall des «Loup blanc» im 
Yeuilleton de «Courrier frangais» (1843) bewog 
einen Spekulanten, ihm die Abfaſſung der«Mystöres 
de Londres» (11 Boe., Bar. 1844) zu übertragen, 
unter ber Bedingung, daß er fie mit dem engl. Namen 
rancis Trollope unterzeichne. Diejer aus dem 
tegreif gefchriebene Roman, mit ebenjo viel Kraft 
uld Feuer hingeworfen und voll ſchauerlicher Be: 
—— fand großen Beifall, wurde in mehrere 
prachen überſetzt und 1848 als Drama im Theätre 
historique geſpielt. Beſonderes Glüd machten fer: 
ner: «Le fils du diable» (1847 als Feuilleton in 
der «Epoque» und ald Drama 120mal binterein: 
ander im Ambigu-Comique gefpielt), «Le bossu» 
(der 1858 als Feuilleton im «Siecle» erfhien und 
ald Drama 250mal hintereinander in der Porte 
St. Martin zur Aufführung fam), «Le capitaine 
Fantöme», Roman und Drama (1862), die Ro: 
mane: «Madame Gil Blas», «Les habits noirs» 
u. f.w. Zu 5.3 Romandihtungen der neuern Zeit 
gebören: «Le dernier vivant» (2 Bde., Bar. 1873), 
«La fontaine aux perles> (1874), «Le chevalier 
de Köramour» (1874) u. a. Seit 1876 hatte %. ſich 
in einen gläubigen Ratholiten umgewandelt und 
—* religiöfen rg sn in feinen lebten 

omanen niedergelegt: «Chäteau pauvre» (1877), 
uLes &tapes d’une conversion» (1877), «Les mer- 
veilles du mont St. Michel» (1879). Ein großer 
Zeil von F.s Romanen ift auch in deuticher fiber: 
feßung erſchienen. F.s Werte find mit einer außer: 
ordentlichen Leichtigkeit der Darftellungsgabe aus 
einer überreichen bantafıe geihöpfte Erzeugniſſe 
des Augenblids, denen es bei aller — nicht 
an Leben und Seele fehlt. Er ftarb 8. März 1887 
in Barid. — Bol. Buet, Paul F., souvenirs d’un 
ami (Par. 1888). 

Fer, dfterr. Provinzialismus für Kretin; be 
fonders gebraudt in der Verbindung Bergfer für 
diejenigen, die das touriftifche Bergfteigen fport: 
mäßig übertreiben. j 

ydeau(ſpr. fedoh), Erneft, franz. Schriftfteller, 

eb. 16. März 1821 in Paris, trat zuerft 1844 mit 
ner Sammlung von Gedichten («Les Nationales») 
auf, machte fidh aber erft 1858 allgemein befannt 
dur den frivolen Roman «Fanny», der einen 
febr glänzenden Erfolg batte. Hierauf folgten die 
Romane «Daniel» (2 Bde., 1859), «Catherine 
d’Overmeire» (2 Bbe., 1860), «Sylvie» (1861), «Le 
mari de la danseuse», « Monsieur de Saint-Ber- 
trand» und «Un debut & l’Opera» (1863), lekterer 
mit einer Vorrede, worin fich der Verfaſſer lebhaft 
egen den Vorwurf naturalijtiiher und unmora= 
5* Tendenzen verteidigte. Von ſeinen ſpätern 
Romanen machte nur «La comtesse de Chalis ou 
les meurs du jour» (1868) noch einiges Aufjeben, 


Feval — TFeyerabend 


weil fih darin Anfpielungen auf vornehme Ber: 
fonen fanden, und meil F. fi den Anſchein gab, 
als Moralift zur raffinierten Darſtellung fittlicher 
Berirrungen verpflichtet zu fein. Als Dramatiter 
verfuchte er fih in den Zujtipielen «Monsieur de 
Saint-Bertrand» (1865) und «Un coup de bourse» 
(1268) ohne Erfolg. In dem Werte «Du luxe des 
emmes, des mœurs, de la littörature et de la 
vertu» (1866) behandelte er ven Aufwand als Beförs 
derung der Eivilifation. Auch hat man von ihm eine 
«Histoire des usages fundbres et des sépultures 
des peuples anciens» (unvollendet, Lief. 1— 22, 
zu; 1857 —61, mit Rupfertafeln), «Alger» (eine 
tubie, 1862), «L’Allemagne en 1871» (1872), 
«Th£eophile Gautier, souvenirs intimes» (1874). F. 
begründete 1869 die «Revue internationale des arts 
et de la curiosit&», Er ftarb 29. Oft. 1873 in Paris, 
Feyenoord oder Fijenoord, Maasinſel bei 
—— > (for. fel äng), Auguſti 
yen-Berrin (pr. feläng perräng), Auguftin, 
Fans. Maler, geb. 1829 zu Be fur Serlle in 
otbringen, bildete fih in Paris bei Eogniet und 
Hoon aus. Seine Bilder find bemerlenswert durch 
originelle Wabl der Stoffe, jo jenes, welches Die Un: 
züchtigen nad Dantes Hölle vorftellt, Der Charons⸗ 
nahen, Derröm. — = töbilder waren: Auf: 
findung der ?eiche Karla des Kübnennad der Schlacht 
bei Nancy (1865; Mufeum in Nancy), Tod des Or: 
pheus (1878). Zumeift beſchäftigte ſich der Künitler 
mit Borträten, wie das von Alphonfe Daudet, des 
Präfidenten Mercier (1879), und mit ſorgfältig durch⸗ 
eführten Genrebilvern, zu denen ihn das Landleben 
omwie die Meeresküften anregten jo Die Schnitterin 
(1867), Überfahrt nach der Inſel Batz, Untergang des 
Evening Star (1869), Rüdtehr vom Marft (1873), 
Heimtehrende Aufternfiiherinnen in Eancale (1874; 
im Qurembourgmufeum). Belannt wurde um feines 
nhalts willen: Die trauernde Lothringerin auf dem 
chlachtfeld (1872). F. war auch fehr geſchickt ala 
Rabdierer. Er ftarb 14. Dit. 1888 in Paris. 
Feyerabend, Siegmund, der bebeutendfte Ver 
lagsbuchhändler zu Frankfurt a. M. im 16. Jahrh., 
warb 1528 zu Heidelberg ald Sohn de Malers 
Agidius F. geboren. Als Maler und befonders als 
Holzſchneider ſich ausbildend, lebte er längere Zeit 
in a nd Venedig. 1559 ließ er ſich zu 
Frankfurt a, M. nieder und trat in demſelben Jabre 
in Gejhäftöverbindung mit den beiden Buchdruckern 
David, Dujel und Sob. Raſch. Mit ihnen gab er 
eine Bilderbibel heraus, wozu Birgil Soli Zeich⸗ 
nungen geliefert hatte, die teilmeife von F. felbit in 
Holz geichnitten wurden. Später verband ſich F. 
mit den Drudern Georg Rab und Weigand Han, 
dann mit deſſen Erben, nebenbei aud mit Simon 
Hüter (Huter) u.a. Dieſen Vereinigungen verdankt 
man eine große Anzahl der ſchönſten Holzſchnitt⸗ 
werfe, vorzugsweiſe von Joſt Amman. 1576 ging 
er eine gleihe Verbindung ein mit feinem Better 
AL, n 5. Diejer war ald Buchdruder 1573 von 
chwäbiſch⸗Hall nad Frankfurt gezogen und hatte 
1574 von Siegmund F. einen Teil von deſſen Ber- 
lag käuflid erworben, 309 aber durch ſchlechte Ge— 
ſchäftsführung fih und einem, Vetter bedeutende 
Dermögensihädigung zu. Siegmund F. ftarb 
22. April 1590. Er hatte gr Verdienfte um 
ii Buchbanvdel, 3. B. aub um das Zur 
tanbelommen der eriten Buchbruderorbnung von 
1573. Sein Berlegerzeichen ift die Fama (mit Po: 
faune). Das Geihäft wurde fpäter durch F.s Sobn 


Feyjoo — Fibern 


Rarl Siegmund (geb. 1574) fortgeſett und fam 
nad feinem Tode (1609) in frembe Gände. — Bol, 
Ballmann, Siegmund F., jein Leben und feine ges 
fhäftlichen Verbindungen (Franlf. a. M. 1881) 

eyjoo (ipr. jeihöo), Padre Frey Benito de 3. 
» Montenegro, ſpan. Kritiler, geb. 8. Dit. 1676 bei 
Orenfe, ſtudierte Theologie, Naturwiſſenſchaften und 
Heiltunde, trat 1717 in das Benebiktinerklojter zu 
Dviedo, wo er 26. Sept. 1764 ftarb. F., obwohl ein 
Roms läubiger Katholik, ertannte den wiſſenſchaft⸗ 
ichen Wert der Arbeiten eines Galilei, Baco, New: 
ton, Leibniz, Bascal und Gafiendi an und protlas 
mierte ihn ın Spanien. Seine Abhandlungen ver: 
öffentlichte er u. d. T. «Teatro critico universal» 
Madr. 1726—60; in 16 Bon. 17846; franzoſiſch 
von dD’Hermilly, Dd.1—4, Par. 1742) und «Cartas 
eruditas y curiosas» (5 Bbe., 1760). Eine Geſamt⸗ 
ausgabe ward 1778—80 zu Madrid von Campo: 
manes herausgegeben (33 Bde.) ; eine treffliche Aus: 
wabl («Discursos, cartas, poesias») veranftäitete 
in der «Biblioteca de autores espaholes» eh. 56) 
Vicente de la Fuente (Madr. 1863). — Vol. Pardo 
Bazan, Estudio critico sobre el P. Feijoo (Gorufa 

eyme, seilige, ſ. Femgerichte. [1887). 

eys, Feis, Karolineninfel, ſ. Fai 

ez, Stabt in Marofto, |. Fes. 

an, Landſchaft in Tripolis, ſ. Feſſan. 
btürzung für fortissimo (f. Forte). 
Fiaker (franz. fiacre), joviel wie Mietlutſche, bes 

nannt nach dem heil. Fiacrius, ber, wie die Legende 


erzählt, ein Sohn Eugens IV., Königs von Schott: | © 


(and, war, aber aus Frommigleit und Liebe zum Ein» 
fieblerleben feinen Thronrechten entjagte und nad 
Franlreich gine- Hier jentte ihm der Bifhof von 
eaur ein feines Stüd Land im Waldevon Fordille 
in der Brie, wo er feine ſtlauſe baute und bei feinen 
Lebzeiten viele Wunder verrichtete, die fih nad 
jeinem Tode (um 600) zu — in der ihm in der 
Kirche Ste. Catherine du Val⸗des⸗Ecoliers geweih⸗ 
ten Kapelle fortſetzten, wo man eine anſehnliche Re⸗ 
liquie dieſes Heiligen, den ſich die Gärtner zum 
——— ertoren, bewahrie Das Bildnis des 
beil. Fiacrius diente ald Schild an einem Barifer 
Wirtshauſe in der Straße St. Fiacre, wo die erjten 
Mietlutſchen, als fie unter Ludwig XIV. 1662 auf» 
tamen, ihren Stand hatten. Seitdem blieb der Name 
F. Bezeichnung für die gegenwärtig in den meijten 
größern Städten vorhandenen Mietfuhrwerte, die 
man auch, nad einem in Rußland gebräudlichen 
leiten F ert, Droſchken nennt. 
täle, im got. Bauftil die fchlanten, in eine 
Spige auslaufenden und mit einer Belrönung en: 
digenden Türmen, melde fi entweder zu beiden 
Seiten der —— enſter⸗ oder Thurver⸗ 
dadungen ( ————— oder als Betrönung 
von Strebepfeilern, * Freipfeilern u. ſ. w. 
auftreten. Ihre Grundform tft meiſt vier: oder acht⸗ 
edig. Der untere, jelten mit einem bejondern Sodel 
oder Fuß, auf aber mit Maßwerlsfullungen ver: 
jehene und durch Giebel abgeſchloſſene prismatiſche 
Teil heißt Leib (Schaft), der obere, pyramidale Teil 
beißt Riejen (Haupt), ift an den Kanten mit Blät- 
tern (Rnaggen, Krabben oder Boſſen) bejekt und 
durch eine Kreuzblume betrönt. (S. Tafel: Deutiche 
Kunſt II, Fig. 13.) In der Spätgotif — die 
An der jrübern jenkrechten eine vielfach . 
mmte Geſtalt an. Die F. find urfprünglich zur Bes 
laftung der dem Gewölbſchub ausgejehten Mauers 
förper erfunden. In der Frührenailjance finden 
Brodbaus’ Stonverfationd-Lerifon.. 14. Aufl. R. A. VL 


657 


fih dann die F. meift zu der Form von Randelabern 
und Obelisten umgeſtaltet. 

Fiammingo, Siamingo (ital.,«‘jlamländer»), 
in der ital. Kunſtgeſchichte Bezeihnung für mehrere 
nieberländ. oder norbfranz. Künftler, wie: Gornelis 
Cort, Denijd Calvaert, Giovanni da Bologna, 
—5 Duquesnoy, Michiel Cocxie, Joh. von 

alkar, Verſchaffelt (ſ. die betreffenden Artikel). 

Fiauarautſoa, Stadt auf der Inſel Madagas. 
far 1 d.). ; [maill und enier. 

ann, altiriiche Kriegerkaſte, ſ. Find MacEus 
ianöna, Marftfleden im Gerichtöbezirt Albona 
der öfterr. Bezirlshauptmannſchaft Pilino: Mitter: 
burg in Sitrien, an einer tief ind Land reichenden 
fiordartigen Bucht des Duarnero, bat ar als 
Gemeinde 5434 ferbolroat. und ital, E. F. jteht an 
der Stelle des röm. Flanona, von welchem ber 
Golf von Duarnero den Namen Sinus flanaticus 
hatte. Nörblid Monte:-Sifjol (831m) als letztes 
Glied der Gebirgägruppe des Monte-Maggiore. 
iasto (ital, fiasco, d. b. Flaſche, in der Mehr: 
zahl fiaschi), ein früher im Großherzogtum Toscanu 
und im Herzogtum Modena üblihes Fluſſigkeits⸗ 
maß. In Toscana war es zweierlei: 1) für Wein 
und Spirituofen = 2,3798 1, 2) für Öl = 2,0898 1. In 
Modena, wo der F. ald Weinmaß diente, war er 
= 2,0828 1. — In der Theaterjprade bezeichnet 
der aus dem Stalienifhen aud ins Franzöſiſche, 
Deutihe und Engliſche übergegangene Ausdrud, 
im Gegenjaß zu Furore (ſ. d.), das Durchfallen eines 
tüdes, Schaufpielers oder Sängers. weiterer 
Bedeutung wird F. machen von jedem mißglüdten 
Unternehmen gebraucht (wohl von der Zerbrechlich⸗ 
feit des Glaſes übertragen). 

Fiat (lat.),e8 werde les geſchehe! Fiatjustitia et 
— mundus, Gerechtigleit muß fein und gebe bie 

elt darüber zu Grunde, nad) ven«L,oci communes» 
(Bajel 1563) des Seh. Manlius der Wahlſpruch 
Raifer fyerbinandsL.; fiat lege artis oder fiat secun- 
dum artem, tunftgemäß zu bereiten (auf Rezepten); 
fiat applicatio, man made die Anwendung; fiat 
insinuatlo, eö gefchebe (erfolge) die Einhändigung. 

ibel, Leſebuch |. Ab:c-Bücher. 

ibel, Nadel, Spange, ſ. Fibula. 
ibern (lat.) over Faſern, die fadenförmigen, 
" erigen Beftandteile der Gewebe der Tiere und 
anzen. 3 den Pflanzen find es die aus Bün- 
deln langgeitredter Zellen beſtehenden ſog. Gefäß: 
bündel, welde fi bei den verſchiedenen Pflanzen: 
gattungen * nach Bau und Richtung in charal⸗ 
teriftifher Weife unterfheiden. In der Tieranato- 
mie bezeichnet man mit F. nur die feinjten Gewebs⸗ 
elemente der Muskeln (Mustelfibrillen) und ver 
Nerven —— ern). Beide beſtehen aus einem 
Schlauch (einer Scheide), welcher die jenen Geweben 
eigentümliche Subſtanz umſchließt. Die Mustel: 
—* enthält die wieder aus mehrerlei zum Teil ge: 
ormten Stoffen beitebenve Mustelfubitan;. welche 
ih zuſammenzuziehen jähig it und fo die Verfür: 
Bons des ganzen ötel3 bewirtt. (S. Nusteln.) 
ie Nervenfafer enthält eine —— aus meh⸗ 
rern Beſtandteilen gemiſchte Subſtanz, welche die 
Verbindung des Gehirns und Rucenmarls mit den 
Drganen des Körpers beritellt. (S. Nerven.) Dieje 
. find ſehr ſchmal (0,009 bis O,s mm), aber unvers 
ältnismäßig lang. Die Mustelfajern können fih 
durh den ganzen Muslkel erftreden, die Nerven: 
fafern faſt ununterbrochen vom Gehirn oder Rüden» 

marf bis zu dem betreffenden Organ verlaufen. 


42 


658 


Fiber zibethlous, |. Bijamratte. 

Fibich, Zdenlo, czech. Komponift, geb. 21. Dez. 
1850 zu Sebotic (Scheborſchitz) bei Kuttenberg, 
wurde in 209, Wien, Leipzig, Paris und Mann: 
beim (bei Bincenz Lachner) muſilaliſch gebildet, war 
1874 in Rußland, 1875—78 zweiter Kapellmeifter 
am Prager Yandestheater und hatte 1878—80 die 
Leitung des Chors in der ruſſ. Kirche dafelbft. 1899 
wurde er zum Opernbramaturgen des böhm. Natio: 
naltbeater8 in Prag ernannt. Er ftarb daſelbſt 
15. O8. 1900. Unter den jüngern czech. Komponiſten 
gut fih F. bemerklich gemacht durch finfoniiche 

ichtungen («Dtbello», vs 6; «Lenz», Op. 18), Sin: 
fonien, Quartette und Trios jowie durch Lieder, 
Chöre, Klavierjtüde («Stimmungen, Cindrüde, Er: 
innerungen»), mebrere Opern («Blani», «Braut 
von Meifinar, «Heby», «Sarla») und durch Melo- 
dramen, namentlih die Trilogie «Hippodamia», 
— 33 Richter, Zdenko F. (Prag 1899). 

Fibiger, Job. Henrit Tauber, dän. Dichter, geb. 
27. Yan. 1821 zu Nokjöbing auf Falfter, ftudierte 
1837—45 Theologie und in jeit 1881 Pfarrer in 
Onslev und Estildftrug (Falſter). Bon feinen bibli- 
ſchen Leſedramen «Jephtas Datter» (1849), «Jere— 
mija» (1850) und «Johannes den Döber» (1857) 
iſt — das letztgenannte beachtenswert. Auch 
das Trauerſpiel «Kors og kjeerliabed» (1858) zeigt 
Talent. In neuerer Zeit fämpft er unter dem Pſeu— 
donym Diodoros, unter dem er z. B. den Ge: 
dichteyllus «Graabröderen» (1882) veröffentlichte, 
gegen die realiftiicdhe Strömung der Voeſie. 

Fibonacei (jpr. -nattidhi), Leonardo, aud Leo: 
nardo Piſano genannt, ital. Mathematiker, lebte 
1180—1250 vorzugämeije in Piſa. J jeinem Wert 
aLiber Abaci» (1202), das die Arithmetik und 
Algebra der Araber darjtellt, führte er die arab, 
Ziffern in Europa ein. Ferner fchrieb er «Liber 

uadratorum» (über unbejtimmte Gleihungen und 
Sablentheorie), «Practica geometriae» (arithmet. 
und geometr. Nufgaben enthaltend), «Flos» (öfung 
tubijcher und anderer jpecieller Gleihungen). 3.8 
Schriften wurden von Buoncampaani (Nom 1857 
—62) berausgegeben. [der Musteln (f. d.). 

Fibrillen (lat.), jebr feine Fafern, namentlich die 

Fibrin, tieriſcher Sajertoft, le 
ftoff, ein Eiweißlorper, welcher fib im Blut (j. d.) 
bei der ®erinnung bildet. Man —— das F. 
durch heftiges Schlagen oder Quirlen von friſchem 
Blut, wobei es ſich in Faſern ausſcheidet, die man 
durch Kneten in fließendem Waſſer von ven Blut: 
förperden befreit. Es bildet eine zähe, weiße, 
faſerige Maſſe, die beim Trocknen hart und ſpröde 
wird. In verbünnten Altalien iſt es, nament— 
lich beim Erwärmen, unter — von Alklali— 
Albuminat, löslich, beim vorſichtigen Neutraliſieren 
mit Säuren wird es aus dieſer Loͤſung gefällt; ein 
liberihuß von Säuren löft e3 wieder und verwan: 
belt ed in Syntonin. Im Magen wird es jebr leicht 
verbaut. Starter Alkohol und Erhiken verändern 
die Eigenihaften des 5. Aus dem Plasma der 
Musteln ſcheidet fih eine ähnliche Subftanz, das 
Mustelfibrin oder Myoſin (j.d.), aus. F. ift 
bäufig das Ausgangsmaterial für die Darftellung 
des Peptons (f. d.). — Als Pilanzenfibrin, 
Glutenfibrin over®h ee 
man bie —— ich ftanz des Klebers (ſ. d.). 

Fibrinogen oder fibrinogene Subſtanz, 
ein im flüſſigen Blut —— Eiweißkörper 
aus der Gruppe der Globulineſ. d.), welcher bei der 


Fiber zibethicus — Fibrovajalftränge 


Gerinnung des Blutes durd feine Einwirkung auf 
einen in im Blut enthaltenen Eiweihlörver, 
die fibrinoplaftifhe Subjtanz (aub Se: 
rumglobulin, Baraglobulin genannt), Ver: 
anlaſſung zur Bildung des Fibrins, d. b. der Blut: 
gerinnung, giebt. (S. Blut.) 
ibrinoplajtifche Subftanz, ſ. Fibrinogen. 
ibroid, Fibrom, Desmoid oder Faſerge— 
ſchwulſt, eine tranthafte Geſchwulſt, welche vor 
wiegend aus Fibröjem Gewebe (f. d.) beitebt und an 
den verſchiedenſten Stellen des Körpers vorlommen 
fann. Am bäufigiten findet man Faſergeſchwülſte 
auf der äußern Haut, im Unterbautzellgewebe, an 
der nun und in gemifien Körperböblen 
(Naſen⸗, Rachen⸗, Kebltopf: und Gebärmutterböble), 
auf deren Schleimhaut h mit einem bald fürzern, 
bald längern Stiele auffigen und vielfach als Bo: 
lypen bezeichnet werben. Sie haben eine bald 
weichere, bald härtere Konſiſtenz, eine meiit rund: 
lihe Gejtalt und wechſelnde Größe, vom Umfang 
eines Stednadelfopfes bis zu dem eines Manns: 
lopfes. Bisweilen beftehen die Fibrome nicht aus 
einem Faſergewebe, fondern es beteiligen ſich aud 
nob andere Gewebe an ihrem Aufbau; in einem 
er Falle ſpricht man wohl aud von einem Fi: 
rohondröm (Faſerknorpelgeſchwulſt), Fibro: 
lipöm (Fajerfettgeibmwulft), Fibrompom (Hafer: 
muslelgeſchwulſt), $ibromyröm (Falerjchleimae: 
ihmwulit) oder einem Fibrofartöm (Faſerfleiſch— 
peihmulft). Das Wachstum der F. ift meift ein febr 
angjames; über ihre Urſachen iſt noch wenig be: 
fannt. Eelten angeboren, entwideln fie ſich meiit 
im mittlern Zebensalter. Sie gebören im allgemei: 
nen zu den autartigen Geſchwülſten, doch können 
fie auch Anlaß zu langwierigen Blutungen, beftigen 
Nervenſchmerzen und andern Beſchwerden geben. 
In diefem Falle find fie durch Ausichneiden, Ab— 
binden oder Galvanotauitit möglichſt zu entfernen. 
Fibroin, der Hauptbeitandteil (66 Proz.) und 
eigentliche Faſerſtoff der Seide (ſ. d.), Man ge: 
mwinnt ibn, indem man Robjeide dur Auszieben 
mit verbünnter Natronlauge vom Seidenleim be: 
freit, fie dann auswäſcht und trodnet. Es löft ſich 
wie Gellulofe in Kupferoxydammoniakflüſſigleit, 
enthält aber Stidjtofl. Seine Zujammenfeßung 
entjpricht der Jormel C,H, N50,;- 
ibroldum, j. Bd. 17. 
ibrolith, Mineral, j. Sillimanit. 
ibröm, j. Fibroid und Gebärmutterkrankheiten. 
ibröſes Gewebe (Tela fibrosa), ſehnenähn— 
liches Gewebe des tieriſchen und menſchlichen Hör: 
pers, welches aus dicht ineinander gefilzten, durch 
eine fpärliche Kittſubſtanz miteinander verbundenen 
Bindegewebäfajern beitebt und den aus ihm gebil: 
beten Organen einen hoben Grad von Härte und 
Feitigleit verleiht. Das F. ©. kommt im Körper 
teild in Form von feiten, runden oder platten 
Strängen (alä Sehnen und Bänder), teils in Form 
von Häuten oder Röhren von verihiedener Aus: 
dehnung und Dide vor, welche andern weichern 
Geweben zur Hülle und Begrenzung dienen. So be: 
jteben die Knochen: und Anorpelbaut, die Mustel: 
und Sehnenſcheiden, die harte Hirnhaut, die Faſer— 
baut des Auges und vieler Eingeweide, zum Teil auch 
die äußere Haut und die jeröfen Häute, die Gefäß: 
wände und Nervenfheiden aus 3. G. (S. Gewebe.) 
Gefhmwülite, die vorwiegend aus F. ©. beiteben, 
nennt man Faſergeſchwülſte oder Fibroide (ſ. d.). 
Fibrovafälitränge, ſ. Gefäßbündel. 


Fibula — Fichte (botaniſch) 


Fibüla (Fibel), im Altertum eine Nadel, die zwei 
Seiten oder Enden eines Gewandes, auf ver Schulter 
oder auf der Bruft, zufammenbielt. Sie war jtet3 

mit einer Dede oder 

einem Bügel ver: 
jeben, in deſſen untes 
res Ende fi die Na⸗ 
del (ald Sicherheits: 
nadel) wie in eine 
offene Nöbreeinlegte. 












Bügel und Dede gaben Gelegenheit zu reicher Ber: 
zierung in Relief, in Filigran, mit Email, Steinen 
u. ſ.w. Das Material war Bronze, Silber, Gold und 

R Gifen. Sie war im Gebraud 
ſowohl bei den barbariichen 
Vollerſchaften, ald auch bei den 
Griechen (1. Fa. 1; von Gold 






mit Filigran), Römern, Gers 
manen (}. dig. 2) und Byzanz 
tinern, und Er bei legtern bei: 
den Bölterichaften oft jebr groß. Bejonders wichtig 
find die Fibeln für die Zeitbeitimmung urgeſchicht⸗ 
licher unse (S. Tafel: Urgeibidhtelll, Sig. 6 
u. 7; IV, Sig. 5eu.d, 16c u. d, 17a, b, c.) — Vgl. 
ildebrand in «Antiquarift Zidflriftr, 1872—80; 
ischler in «Beiträge für Anthropologie und Urge— 
jhichte Bayerns», 1881; Almgren, Studien über 
nordeurop. Fibelformen (Stodh. 1897), 
Fibüla, das Mapvenbein, f. Bein und Tafel: 
Das Stelettdes Menſchen, Fig. 1,49; 2, 40. 
Fiby, Heinrih, Mufiter, geb. 15. Mai 1834 in 
Wien, jtudierte on dem dortigen Ronfervatorium, 
war 1853—57 Solofpieler, Orcheſterdirigent und 
Lehrer an der Philharmoniſchen Geſellſchaft in Lai: 
bad) und wurde 1857 ſtädtiſcher Mufikvirektor in 
Znaim, Als Komponift ift 5. bauptfäclic befannt 
dur (zum Teil preisgetrönte) Männerdöre. 
Fioaria, |. Ranunculus. — 
Ficellieren (frz., ſpr. NR), mit Bindfaden um: 
Fiohe (frj., Ibr. rich), Abſted-, Martierpfabl, 
Spielmarte, Zablpfennig (verdeutſcht: Fiſch); F.de 
consolation (jpr. tongjolakiöng), Entihädigung. 
ichel (fpr. füchell), Eugene, franz. Maler, geb. 
30. up 1826 in Paris, war Schüler von Delaroce. 
Er ftarb 11. Febr. 1895 in Paris. Bon ms minia: 
turartigen, jorgfältig ausgeführten Genrebilvern 
find zu nennen: Die Kunſtfreunde (1861), Der Wein: 
trinter, Ankunft im Gaſthof (1863; im Lurembourg), 
Die Münztenner, Die Schachſpieler, Die Thöne Krä: 
merin, Die lebte Errungenschaft des Meijterd, Im 
Wirtshaus von Ramponneau (1877; im * 
bourg), Der Neffe des Pfarrers (1879), Der lepte 
Wurf (1882), Kriegsrat (1890), Farniente (1891), 
Bredouille (1892). 


659 


ichetto (ipr.-etto), Lomifche Figur, ſ. Brighella. 
ichieren (frz., ſpr. filh-), einrammen, eins 
bobren, feitmaden; Fichet (jpr. fiſcheh), Marke, 
Steder (im Brettipiel). 
Fichte, Name derjenigen Nadelhölzer 6 d.), 
die ber Gattung Picea Lk. angehören. E3 find im 
ganzen 12 Arten befannt. Die Blüten find ein: 
\ bäufig, die männlihen Kätzchen fteben an den vor: 
| jäbrigen Zweigen in den Blattahjen und baben 

zablreihe mit Längsſpalt fih öffnende Antheren, 
die mweibliben ftehen am Ende der 
Zmeige, die Zapfen hängen nad ab: 
wärts und fallen nad der Reife ab, 
wobei die Schuppen fich nicht von der 
Achſe ablöfen. Der jtets geflügelte Sa: 
men fällt, reif geworden, aus dem fich 
öffnenden Zapfen heraus. Linned zäblt 
die F. zur großen Gattung Pinus; fpätere Botas 
niler gebrauden für die F. aud den Gattungs— 
namen Abies. 

Die gemeine F. (Picea vulgaris Lk., Pinus ex- 
celsa DC., Pinus Abies L., Pinus Picea du Ron) iit 
die einzige europ. Art der Gattung Picea. Den Na: 
men F. gebraucht man in Norbdeutichland, in Süd: 
deutichland heißt der Baum Rottanne oder kurz 
Tanne; den Ausprud F. tennt man dort nicht oder 
man bezeichnet jogar die gemeine Kiefer (ſ. d.) damit. 
Auch die Namen Schwarz: und Pechtanne lom- 
men bier und davor. Beinormalem Wachstum wird 
die F. ein Baum erjter Größe mit ſchnurgeradem, 
30—50 m hohem, nad) oben stark abfälligem Stamm, 
poramidal:feneliörmiger Krone und ſehr flacher Be: 
mwurzelung. Winde anfänglich glatt, hell rotbraun, 
fpäter rot: oder graubraun bis grau, bünnihuppig 
abblätternd. Die in Quirle gejtellten lite ſtehen in 
der Mitte ver Krone fait rechtwinklig, Die untern ab: 
mwärts geneigt. Die Nadeln, 12—17 mm lang und 
1 mm breit, am Grunde kurz tielartig verjchmälert, 
ftumpf:vierlantig und fpik, glänzend grün, auf 
einem kleinen, erbabenen Seite ftebend, in dichte 
Spiralen geitellt, an den Zweigen nach allen Ric: 
tungen oder nad oben gerichtet abitebend, am 
Mipfel feit angedrüdt, bleiben bis zum fiebenten 
Jahre lebendig. Die jungen Triebe entwideln ſich 
meiit Anfang bis Mitte Mai. Zu derjelben Zeit 
blübt aud die F., doch jelbit in freier Stellung jel: 
ten vor dem 50. Jahre, im Schlufle erft mit dem 
60. bis 80. Jahre. Früheres Blüben ift eine krant- 
bafte, dur ungünitige Standorts: oder Witterungs: 
verhältniffe bedingte Erſcheinung. Die männliden 
Blüten find lanageitielt, 20—27 mm lang, vor dem 
Verſtäuben kugelig oder eiförmig, ganz hochrot, nadı 
dem Berjtäuben dur den vorgequollenen Kollen 
gelb, in reihen Samenjahren (j. d.) oft über die 

anze Krone verbreitet, einzeln zwiichen den Nadeln 
Rebend. Die weibliben Blüten figen aufrecht an 
den Spitzen der vorjährigen Triebe im obern Teile 
der Krone, jind 30—40 mm lang, walzig, farminrot. 
MWäbrend der Ausbildung des weiblihen Blüten: 
ftandes zum Zapfen wendet fich derſelbe nad unten, 
fo daß der junge Zapfen ſchon zu der Zeit, wo er 
nob grün ausfiebt, bängend geworden ift. Der 
* Beten iſt 10—16 cm lang, 20—25 mm ftarl, 
walzig:fpindelförmig, braun. Das Ausfliegen des 
Samens erfolgt allmählich vom Herbit bis gegen 
Ausgang des Winters. Der entleerte Zapfen fällt 
im Laufe des nächſten Jahres ab. Man rechnet in 
Mittel: und Norddeutſchland alle 6—8 Jabre auf ein 
reihlihes Samenjabr, in Sübdeutichland häufiger. 


42* 


660 


Der Samen bält ſich 8- 5 Yahrekeimfähig. Im 
rübjabr gefät, läuft der Samen nah 4—5 Wo: 
en auf und entwidelt eine Keimpflanze mit 7—9 

quirljtändigen, linealen, feingeiägten, bellgrünen 

Samenlappen. Im erſten Jahre bildet ſich eine ziem: 

lid) lange, tiefgehende Hauptwurzel mit vielen Ne: 

benmwurzeln. itere bleibt fpäter zurüd, leßtere 

werben vorherrichend und verlaufen horizontal. Da: 
ber die für die 5. charalteriſtiſche tellerförmige Be: 
wurzelung, die ihr geitattet, auf jehr flahgründigem 

Boden zu gedeihen, aber auch den Übelitand hat, 

daß fie vom Sturme leicht — wird. 

Die Abbildung auf TajelNadelhölzer: Wald: 
bäume VL, fig. 1, zeigt die gemeine F. als 
Baum, außerdem ı Zweig mit männlidyen Blüten: 
täschen, » männliches Käschen, s Zriebipige mit 
weiblichen Blütenzapfen, 4 —— Staub⸗ 
gefäß, 5 reifen Zapfen, 6 Zapfenſchuppe von außen 
mit derjebr feinen Dedihuppeam Grunde, 7 Zap en: 
ſchuppe von innen mit aufliegendem Samenpaar, 
s Samen mit und ohne Flügel und Flügel allein, 
» Spige einer Nadel und Querſchnitt derjelben, 
ı0 Keimpflanze mit no auffigender Samenſchale, 
ıı Galle der ichtenrindenlaus, Chermes abietis 
L. (1,5 und ıı find verlleinert,) 

Die F. ift im größten Teile Europas heimiſch, 
mit Ausnabme der ſüdl. und nörblichiten Gebiete; 
fie erjtredt fidh von den Byrenäen bis Dftfibirien 
und von den norbital. Alpen bis Lappland. Sie 
ft ein gejelliger, waldbildender Baum. Obwohl 
ie auch in den Ebenen Polens, Litauens, Dit: 
preußens u. f. mw. teild rein, teils gemijcht mit 
andern Holzarten umfangreihe Wälder bildet, 
—— ihr doch das Gebirgsllima beſonders zuzu⸗ 
agen. Als urſprunglicher Baum lommt ſie in einem 
ser Zeile Norddeutſchlands und im norbiweitl. 
Deutſchland nicht vor, ebenjo nicht in den Nieder: 
landen, man findet fie bier nur durd die Kultur 
eingeführt. a bededt fie die höbern Teile 
vieler Gebirge (3. B. Harz, Thüringer Wald, Erz 
und Riejengebirge, Böhmer Wald) faſt ganz. In den 
Hocdgebirgen bildet fie in Gejellibaft der Krumm: 
—— allerdings nur als niedriger, kruppelhafter 

aum, die Baumgrenze. Je weiter nad Süden, 

deſto mehr wird die F. zum Gebirgsbaum. Im 

nördl. Norwegen unter 67° gebt fie 3. B. nicht viel 

über 200 m; im Harz (Broden unter 51° 48°) liegt 
die Fichtengrenze bei 1000 m, im Riejengebirge 
50° 45’) bei 1200, im Böhmer und Bayriſchen 

ald (49°) bei 14—1500, in den Wallifer Alpen 
bei 2100, in den Pyrenäen bei 13—1600 m. In 
den rauben Hochlagen bleibt der Stamm kurz, tief 
beajtet, daher ſehr abholzig; nicht felten ſchlagen 
bier die auf dem Boden liegenden Aſte Wurzeln, 
richten ihre Enden empor und wachſen —— 
weiter. Sturm, Schnee und Eisanhang brechen die 

Wipfel; aber ſich emporrichtende Seitenäſte bilden 

neue Wipfel, jo daß ſich mitunter die ſonderbarſten 

Baumformen zeigen. 

Ahr nugbarites Alter erreicht die F. im 80. bis 
100. Jabre; fie wird in Kulturwäldern überhaupt 
wohl jelten über 150 Jahre alt, wäbrend in den Ur: 
wäldern 400: und 500jäbrige F. feine Seltenbeit 
find. Sie liefert ein vorzüglihes Baus und Nup: 
holz, an Brenngüte ftebt fie der Buche weientlich 
nah. Während die jungen Beitände große Maſſen 
wertvoller Stangen geben, die durchforſtungsweiſe 

enußt werben, geben die Altbölzer das beite Bau: 
ol;, das beite Material zu Schnitt: und Spalt: 


Fichte (botaniſch) 


waren (Bretter, Ratten, Gefäße, Schachteln, Spiels 
waren, Zündhöljchen ni w.). Sehr lange und 
ftarfe F. werden zu Maitbäumen benugt und 
teuer bezablt. Die aitlos erwachſenen alten F. 
der Urwaldungen in den Gebirgen liefern die Ne 
ſonanzhölzer für die Inſtrumentenmacher (beveu- 
tender Handelsartitel z.B. im Böhmer Wald). In 
ausgedehnteiter Weife(in Deutichland jährlich einige 
en eitmeter) wird Fichtenholz zur Her: 
tellung von Holzitoff und Celluloſe für die ier: 
fabrilation benugt; namentlich wird auch aus Fich⸗ 
tenholz Holzwolle (j. d.) gefertigt. Die Fichtenrinde 
benugt man als Surrogat für Eichenrinde beim 
Gerben. Aus Fichtenharz (f. d. und Harznugung) 
— man das gemeine gelbe Pech. Aus der 
Rinde alter F. ig nicht jelten golpgelbes Harz 
bervor, dad, an der Yuft erhärtet, dunlel wird; die 
reinen, blaßgelben Stüde tommen unter dem Na» 
men gemeiner Weibraud in den Handel und werben 
u Salben und Pflajtern benust. Die Nadeln ber 
E verwendet man mit zur Bereitung von «Wald: 
wolle» und zu ftärtenden Bädern. Lebteres ae 
ſchieht namentlich mit den jungen Maitrieben. Mit 
dem Blütenjtaube verfälibt man nicht felten den 
Bärlappjamen (Semen Lycopodii) der Apotbeter. 
Die ganz junge, nod ziemlich weihe Maſſe des 
— Splintringes wird in Schweden und Lapp⸗ 
and friſch geaeiien, und in Zeiten der Not wirb 
die innere Rinde, mit Getreidemehl vermifcht, zu 
Brot verbaden. Aus dem dur Abſchaben der Cams 
biumſchicht je im Mai und Juni gefällter F. ge 
mwonnenen Robjaft bereitet man das Vanillin. 

Die vielfeitige Nupbarleit des Holzes der 5. hat 
diefem Baum im 19. Jahrh. die bejondere Aufmerk⸗ 
—— der Forſtwirte zugewendet. Ausgedehnte, 
rüber mit der wenig nugbaren Buche beftodte Fla— 
an ie in neuerer Zeit mit F. bepflanzt worden. 
Durd Saat, namentlich durch Pflanzung, verjüngt 
man die F. meiſt ohne große Schwierigteit, wes⸗ 
balb man obne Bedenten Kablbiebe führen kann, 
wie Harz, Erzgebirge, Thüringer Wald u. j. w. be 
weiſen. In Süpdeutichland, zum Teil aud in Oſter⸗ 
reih wendet man bäufig Femelſchlagbetrieb (f. d.) 
an. Die F. iit während ihres Yebens vielen Ge 
fahren ausgeſetzt, dur Sturm, Schnee, Froſt und 
Hiße ſowie dur Inſelten und andere Tiere. Bor: 
tentäfer(Tomicus —* hus L.[j. —— Schähd⸗ 
liche Forſtinſelten J, Fin. 9, beim Artikel Forſt⸗ 
infelten] und Berwanbte) und der Nonnenſchmetter⸗ 
lin Krg monacha L., ſ. Taf. I, fig. 1) haben 
oft on Millionen von Stämmen getötet, der große 
braune Rüfjeltäfer (Hylobius abietis 2% Taf. L, 
Br . 4) vernichtet alljährlih Taufende von jungen 

J—— (S. Forftinfelten.) Das Rotwild ſchält 
gern die Stämme jüngerer F. ———— und 
wird dadurch ſehr ſchädlich. Eine naht — 
tiſcher Pilze verurſacht Krankheiten der n, der 
Rinde und des Holzes, jo Agaricus melleus Vahl. 
(j. Erbfrebs), Trametes radiciperda R. Hart. und 
pini Fr.,Hysterium macrosporum R. Hart. (f. Fich⸗ 
tenrienfchorf), Chrysomyxa abietis Ung. (ſ. - 
somyxa) u. |. m. ; 

Die Y' it jebr formenreih. Nad den Sapfen 
unterſcheidet man die erythrocarpa mit roten, Hein: 
ihuppigen von der chlorocarpa mit grünen, groß: 
ſchuppigen Zapfen, obgleich rote und grüne Zapfen 
auf einem Baum gefunden werden. Als eigent: 
lihe Varietäten find unter andern zu betrachten: 
Schlangenfichte (Picea virgata Jaques) mit me 


Fichte (Imman. Herm. von) — Fichte (Joh. Gottlieb) 


nig oder gar nicht verzweigten Quirläften, Hänger | 
fire (Picea pendula Carr.) mit lang berabbängen» 
den Aſten 2. und 3. Ordnung (bierber gehört aud) die 
ſchwed. Picea viminalis Alstr.), Schwarzfichte 
mit dunkeln Nadeln, etwas dunklerm und feiterm 
Holze, ftraffen Uſten, die erſt 8—14 Tage jpäter 
ihre MWinterfnofpen öffnet, daber weniger von 
Spätfröften leidet als die jog. Weißfichte mit 
leichterer Benadelung, jchlaffern Aſten und wei— 
cherm, weißerm Holze. An den Alpen wird die 
aud im Böhmer Wald vorlommende fog. Haſel— 
Kar auch Weißfichte genannt, fie zeigt wellens 
Örmigen Verlauf der Jahresringe und ift daber 
auf Radial: und Sebnenjhnitt geflammt. Andere 
Barietäten find die Rarpatenficte (carpathica 
Loudon), ſibixiſche F. (obovata Ledeb., altaica 
Teplouchow). Diefe und andere Varietäten werben 
in Gärten nicht jelten als befondere Arten ange: 
flanzt. Bon frembländifchen Arten der Gattung 
icea find hauptfächlich zu nennen: f ** F. 
(Picea nigra Lk., Mariana Mill.), ein ſchͤner Baum 
mit fegelförmiger Krone, dunfelgrünen dicht fteben: 
den Nadeln und Heinen Zapfen, beimifch in Nordame⸗ 
rila, ſudlich bis Norbcarolina; rote F. (Picea rubra 
Lk., americana Gaertn.), unferer F. ſehr —* 
unterſcheidet ſich von ihr durch die an der Oberſeite 
mebr oder weniger blaugrünen Nadeln, erreicht auch 
nie die Höhe der gemeinen F. heimisch wohl nur im 
engl. Nordamerifa; weiße De (Picea alba Mich., 
laxa Ehrh.) mit graugrünen, biöweilen blaugrünen, 
nicht ſehr dicht Kaeten Nadeln, beimifch in den 
Vereinigten Staaten und im engl. Nordamerila. 
Namentlich nigra und alba findet man 2 in Gär⸗ 
ten angepflanzt, ebenfo die aus Kleinaſien ftam: 
mende morgenländijche F. (Picea orientalis L.), 
vie ſich durch jehr dicht geitellte furze dunkle Be 
nabelung auszeichnet; jeltener findet man die im 
norbdeutichen Klima durch harte Winter leidende 
Smiths Fichte (Picea Smithiana Wall.), die in 
ihrer Heimat, dem Himalajagebirge, zu einem fchd- 
nen, jhlanten Baum mit etwas überhängenden ljten 
erwächſt. — Vol. Schröter, liber die Vielgeftaltig- 
feit der F. (Zür. 1898). 
te, Imman. Herm. von, Bhilofopb, Sohn von 
Job. Gottlieb F. geb. 18. Juli 1796 zu Jena, ftudierte 
in Berlin {a ologie, widmete Fe jedoch, angeregt 
durch die jpätere Philofophie feines Vaters, auch 
pbilof. Studien, die er fortſetzte, als er erft in Saar: 
brüden, dann ala Gymnaftalprofefjor in Düffeldorf 
im Schulfadhe thätig war. 1835 wurde er auferorb., 
1839 ord. Profeſſor der Philofophie in Bonn, 1842 
in Tübingen; 1863 zog er fich ins Privatleben nad 
Stuttgart zurüd, wo er 8. Aug. 1879 ſtarb. F 
—* den idealiſtiſchen Monismus mit dem realiſti⸗ 
hen Individualismus (Hegel und Herbart) zu einem 
«etbiichen Theiamus» zu verfchmelzen, indem er die 
endliche Welt für ein Syftem von beharrlichen, ins 
nerlich aufeinander bezogenen «Realen» (Monaden, 
Urpofitionen) erflärt, dieje ordnenden Beziehungen 
aber aus einem «zwedjeßenden Princip», ald «abſo⸗ 
lute Berjönlichfeit» gedacht, abzuleiten fucht, jo daß 
bie einzelnen Seelen, wie fie theoretiſch die Kraft 
ihres Bewußtfeind nur aus dem göttlichen Urbe: 
mwußtiein zieben, fo auch in ibrem praftifchen Ver: 
alten den Grund der fie verfnüpfenden Liebe nur 
in der —— Liebe haben. F.s Lehre bildet den 
Verſuch, die Leibnizſche Metaphyſil mit der ethiſchen 
Zeleologie der nachlantiſchen Philoſophie zu vers 
einigen. Abgeſehen von Gelegenheitsſchriften und 


66] 


zahlreichen Abhandlungen in der von ihm feit 1837 
erauögegebenen «geitjhrift für Philoſophie und 
pefulative Theologie» (Bonn und Tüb. 1837—46, 
ortgeſetzt ald «Zeitſchrift für Pbilofopbie und 
pbilof. Kritils in Verbindung mit Ulrici und Wirth, 
Halle 1847 fg.), find feine bilof. Schriften: «Säße 
zur Vorſchule der Theologie» (Stuttg. 1826), «Bei: 
träge zur Charafteriftit der neuern Nhilofophie 
(Sulzb. 1829; 2. Aufl., ebd. 1841), «Grundzüge zum 
Syſtem der Vhilofopbie», Abteil. 1: «Das Erlennen 
als Selbiterfennen» (Heidelb. 1833), «Religion und 
Philoſophie in ihrem ge, le Verhältnis» (ebd. 
1834), «Die Idee der PBerjönlichleit und der indis 
vibuellen Fortvauer» (Elberf. 1834; 2. Aufl., Lpz. 
1856), «fiber die —— eines ſpekulativen 
Zheismus» (Elberf. 1835), «Grundzüge zum Syſtem 
der ——— Abteil. 2: aOntologie⸗ (Heidelb. 
1836) und Abteil. 3: «Die ee Theologie» 
(ebd. 1846), «Spftem der Ethil» (2 Bde. in 3 Tin., 
2p3.1850—53), «Anthropologien (ebd. 1856; 3. Aufl. 
1876), Bien wre (2 Zie., ebd. 1864 u. 1873), 
«Die Seelenfortdauer und die MWeltjtellung des 
Menihen» (ebd. 1867), «Vermifchte Schriften — 
Philoſophie, Theologie und Ethile (2 Bde., ebd. 
1869), «Die theiſtiſche Weltanſicht und ihre Berech⸗ 
tigung» (ebd. 1873), aFragen und Bedenlen über die 
nachſte Fortbildung deuticher Spekulation» (ebd. 
1876), «Der neuere Spiritualismus, fein Wert und 
feine Täufhungen» (ebd. 1878), «Spiritualiftifche 
Memorabilien» (in den «Pſychol. Studien», eb. 
eg * Walie Philoſoph, geb. 19. Mai 
e, Job. Gottlie ilofopb, geb. 19. Mai 
1762 zu Rammenau bei Bifhofwerha in ber Ober: 
laufig, beſuchte Schulpforta und ftudierte zu Jena 
und Leipzig Theologie. Er war 1788—%0 Haus: 
lehrer in —* ‚wo er Peſtalozzis Freund war, 
fam dann nad Leipzig und 1792 na Königsberg, 
wo er Kant —— nahe trat und ihm einen «Ver⸗ 
ſuch einer Kritik aller Offenbarung» unterbreitete, 
der (Königsb. 1792) anonym erſchien und für eine 
Schrift Kants gi wurbe. Died zog die Auf- 
merkſamkeit auf ihn und verſchaffte ihm 1798 eine 
Profeſſur ver Philoſophie in Jena. Seine außer 
orbentlich anregende Wirkſamleit unterbrach der jog. 
«Atheismusftreitv, Wegen eines Aufiages «Liber 
den Grund unjerd Glaubens an eine göttliche Welt: 
regierung» von dem kurfürftlich ſächſ. Ronfiftorium 
atbeiftifher Lehren beihulbigt, wurde er in eine 
Unterfuhung vermwidelt, die bei der aufgeflärten 
meimar. Regierung kleine nadteiligen Folgen 
Be ihn gehabt haben würde, wenn er nicht mit 
ieberlegung feiner Stelle gedroht hätte, worauf 
er 1799 — tlaſſung erhielt. 


verteidigte ſich 

in der « Verantwortungsſchrift gegen die Anklage 
bes Atheismus» (Jena und Lpz. 1799), lebte eine 
geit lang in Berlin und wurde 1805 Profeſſor in 
angen, mit der Erlaubnis, den Winter in Berlin 
—— Wahrend des Franzoſiſch⸗Preußiſchen 
* ging er nach Königsberg, wo er kurze Zeit 
Borlefungen hielt; nad dem Frieden aber kehrte er 
nab Berlin zurüd und wurde 1809 bei der neu 
errichteten Univerfität als Profefjor angeftellt. In 
dem von Franzoſen bejegten Berlin trat F. 1808 
als furchtlofer Batriot auf und bielt feine «Reden 
an die deutfche Nation» (Berl. 1808; Tüb. 1859; 
Cp3. 1871; aud in Reclams «Univerjalbibliothelr,, 
die in ihrer feurigen, aus inniger —— her⸗ 
————— edſamkeit ein Denkmal der edel: 
ften Gefinnung find. Ebenſo bielt er 1813 Vor: 


662 


lefungen über ven Beariff des wabrhaften Krieges, 
die erſt nach feinem Tode erſchienen (Tüb. 1815). 
In bingebender Thätigleit fr die große Bewe— 
gung der Freibeitslriege erlag er dem Hoſpital— 
neber 27. Jan. 1814. : 

In 5.8 wiſſenſchaftlichen Leiſtungen find zwei 
Berioden zu unterjcheiden, von denen die erjte noch 
in das 18. Jahrh. fällt. Die wichtigsten der ibr 
angebörigen Schriften find: «fiber den Begriff der 
Milfenfbaftslebre» (Meim. 1794; 2. Aufl. 1798), 
—— der geſamten Wiffenihaftslebrer (Jena 
1794; 2. Aufl. 1802), «Grundriß des Cigentüm: 
lichen der Willenichaftslchre» (ebd. 1795; 2. Aufl. 
1802), «Borlefungen über bie Beitimmung des 
Gelebrten» (ebd. 1794; neu ba. in Reclams «Uni: 
verfalbibliotbel»), «Grundlage des Naturrehts» 
(2 Bde., ebd. 1796— 97), «Einleitung in die Willen: 
\haftölebrer, «Spftem der Sittenlebre» (ebd. 1798). 

er philoſ. Standpunft 5.8 ift bier dur die Auf: 
gabe bejtimmt, die tbeoretifche und praktiſche Philo: 
ſophie Kants einbeitlich zu begründen. So wird das 
reine (nicht individuelle) Sch zum verbindenden Prin⸗ 
cip beider Richtungen, und in der Daritellung der 
urfprüngliden und notwendigen Thathandlungen 
des Ichs re die «Wiſſenſchaftslehre». Das 
Sittengeje hat bei F. die Form: «Handle nad deiner 
Beitimmung!», d. h. dem reinen Ich gemäß, vr 
Wefen freie, unenblihe Thätigleit ift. Die Be: 
dingungen der Individualität find die Rechte. Der 
Staat iſt die Den ———— zuſichernde Ber: 
nunft. Dies wird in dem «Geſchloſſenen Handels: 
itaat» (Tüb. 1800; neu bg. in Reclams «llniverfal: 
bibliotbef») faſt utopifch durchgeführt. 

In der jpätern Auffafjung tft bei F. an die Stelle 
des Ich, des Syſtems von notwendigen Vernunft: 
bandlungen, das «abjolute Sein» der Gottbeit ge: 
treten, deſſen ewiges Leben fih in dem fittlichen 
Handeln freier Subjelte offenbart, während früber 
die moraliibe MWeltorbnung die Stelle Gottes in 
dem Spitem vertrat. F.s Lehre bat aljo religions: 
pbiloj. Charakter angenommen. Inſofern ift jedoch 
aud bier die Anjicht vom Brimat der praftifchen 
über die tbeoretifche Vernunft Klon, als das 
Wiſſen oder Schauen dieſes göttlihen Seins und 
Vebens nur die unentbehrlihe Grundlage bilden 
ſoll, auf der ſich das fittlich:religidfe Leben der 
Individuen zu entwideln vermag. An populärer 
Faſſung erſchien die jpätere Theorie angedeutet 

ereitö in der « Beitimmung des Menfhen» (Berl. 
1800; neu bg. in Reclams «Univerfalbibliotbet»), 
vollendet und Mar in der «Anweiſung zum feligen 
Leben, -oder Religionslehre» (ebd. 1806; 2, Aufl. 
1828); in jtrengerer Form entbalten fie die im 
Minter 1810 — 11 — Vorleſungen über 
«Die Thalſachen des Bewußtieins» (Stuttg. und 
Züb. 1817), wie auch frübere und fpätere Vorträge 
desjelben Inhalts in den «Nachaelafjenen Werten» 
(ba. von N. 9. Fichte, 3 Bde., Bonn 1834— 35), 
morin zugleich eine «jpefulative Logils und eine um: 
gearbeitete Rechts- und Sittenlebre enthalten ift, 
ſowie auch die Heine Schrift «Die Wiſſenſchafts— 
lehre in ibrem allgemeinen Umrifje» (Berl. 1810). 
Bemerkenswert find auch noch die aus feinem Nadı: 
laſſe herausgegebenen, 1813 aebaltenen Vorträge 
über «Die Staatälebre, oder über das Verhältnis 
des Urſtaats zum Vernunftreiche» (ebd, 1820). 
Die Wirkung der F.ſchen Vhilofonbie ift eine fehr 


ausgedebnte gewefen. Nicht nur wurde die ganze 


Entwidlung der Scellingiben Naturpbilofonhte 


Fichtelberg — Fichtelgebirge 


und der Hegelſchen Fpentitätälebre von den Grund» 
jagen der erjten Periode getragen, — ondern auch die 
ichtung der Herbartſchen Spelulation weſentlich 
von ihnen beſtimmt. Erſt in weit ſpäterer Zeit be: 
— bie Anſichten der zweiten Periode ftarten 
influß auszuüben auf eine Reihe von jüngern 
Spftemen der Ethil und te J. 
2 ichte, Weihe, Chalybäus, Wirth, Ulrici, Carriere, 
. Pb. Fiſcher, Leop. Schmid, Notbe u. a.). «F.$ 
ſämtliche Werte» (8 Bde. Berl. 1845—46) wurden 
von feinem Sobne J. H. Fichte, «Lichtitrahlen aus 
feinen Werten und Briefen» (pr. 1863) von jei: 
nem Enlkel Eduard von Fichte berauögegeben. — 
Bol. beſonders 3.8 Leben und litterar. Briefmechiel 
us von J. H. Fichte, 2 Bde., Sulzb. 1830—31; 
2. Aufl., Wpz. 1862); Buſſe, 3. und feine Beziebung 
zur Gegenwart deö deutſchen Volls (2 Boe,, Halle 
1848— 49); Löwe, Die Philofophie 3.8 (Stuttg. 
1862); Noad, I. ©. 5. nach feinem Leben, er 
und Wirken (Lpz. 1862); Zimmer, J. ©. F ir 
rar hei (Berl. 1878); Schneider, I. ®. 5. 
als Eocialpolititer (Halle 1894); N. Fiiher, 3.8 
Leben, Werte und Lebre (3. Aufl., Heidelb. 1900); 
9. Lindau, F. und der neuere Socialismus (Berl. 
1900); Weber, 5.3 Socialismus und fein Verbält: 
nis zur Marrichen Doltrin (Tüb. 1900). ; 

Fichtelberg, vorderer F., zum Unterſchied 
von dem etwas niebrigern bintern F., der hochſte 
Punkt des Königreihs Sachſen und nad dem Keil⸗ 
berg (if. * der höchſte des Erzgebirges, bei Ober: 
wieſenthal in der Fe ma Erin 
1213 m hoch, beſteht aus Glimmerjbiefer. Das 
vom Erzgebirgsverein 1899 errichtete Berghaus tft 
au im Winter geöfinet. F. ift aud ber vollätüm- 
lihe Name für das Fichtelgebirge (ſ. d.). 

Fichtelberger Gläfer, dieim 16. und 17. Yabrb. 
im Fichtelgebirge angefertigten Humpen, Trinl⸗ 
gläjerundflaicen; 
auf ihnen finden 

fih in bunten 

Emailfarben Map: 
pen, zumal das 
deutfbe Reiche: 
wappen,Raifer und 
Kurfürften,Apoftel, 
— bür⸗ 
gerliche Figuren, 
Handwerksembleme 
und ſonſt Verſchie⸗ 
denes dargeſtellt. 
Häufig iſt aufihnen 
der Ochſenlopf, als 
der Hauptberg des 
Sichtelgebirges, mit 
den vier ale, 
welche an ibm ent: 
fpringen, rob und 
unbebolfenabgebil: 
det. Die bejlern 
und ältern Genen: 
ftände, namentlich 
die Humpen mit 5 
den Kurfürjten und dem Reichswappen, find ſehr 
geſucht (f. beiftebende Figur). 

Fichtelgebirge (lat. Mons pinifer), eins ver bes 
deutendern Sebirge Deutihlands im bayr. Reg.:Ber. 
Oberfranten (f. Karte: Bayern I), das Centrum 
der deutjchen Mittelgebirge, von dem aus Franlen⸗ 
und Thüringer Wald nach RW., Böhmer Wald nab 





Ä @lt IR e 


Fichtelgebirgsbahn — Fichtenglude 


SD., Eliter: und Erzgebirge nach NO. und Fränkiſcher 
Jura nah SW. wire Es ift zugleich eine Haupt: 
waſſerſcheide; bier finden fich die Anfänge von vier 
Tbaljentungen, die ihre Wafjer nad) vier Himmels: 
egenden den drei größten Strömen Deutſchlands: 
Nhein, Donau und Elbe, zuführen. Drei diejer 
Fluſſe entjpringen auf dem Bergjtod des Schnee 
berged: die Eger, der Weiße Main, der durch den 
Rhein, wie bie (ger durch die Elbe der Norbjee 
—— aſſer zuführt, und die zur Donau eilende 
Naab, welche ſonach dem Schwarzen Meere tributär 
ift; der vierte Fluß, die Thüringer Saale, entjpringt 
nur 7 km meiter nördlich. Im NW. von dem 
—— im NO. von der Hochfläche des 
Vogtlandes begrenzt, nah SW. ſteil zum Hügel: 
(ande Oberfrantens abfallend und im SD. durch die 
Naab:Wondrebebene vom Böhmer Wald getrennt, 
ftellt fih das Gebirge als plateauartige Majjen: 
erbebung dar, die etiva 990 qkm bebedt und weit 
mebr das Anfehen eines Berges als eines Gebirges 
at, weshalb ed von den Anwohnern aud nur 
Fichtelberg genannt wird, defjen lafien ſich 
drei Teile unteriheiden, eine Gentralgruppe und 
— äußere Bergfetten. Die erſtere, der innere 
ern, aus Granit, Gneis und Glimmerſchiefer be: 
febenb, erreicht ihre größte Höhe im granitiichen 
neeberge (1051 m) und in dem füplichern 
Ochſenkopf (1023 m). Zu diefer Gruppe gehören 
erner: der Nußhardt (972 m), ne (970 m), 

latte (820 m), Zotentopf, Hobe Mätze (831 m) 
und die Köflein (942 m). Sie fällt in teilen Ab: 
lägen gegen W. und ©. zur Bayreuther Bergfläce, 
weniger Beil nah D. gegen Weißenſtadt und Wun- 
Br ab. An fie ſchließt fh im N. die Walpjteiner 

erglette mit dem Großen Walpjtein (878 m), dem 
Eppregtitein (817 m), Kornberg (830 m), Selber: 
forjte und Hengjtberg (668 m); auf der Sübjeite 
die Weißenjteiner Höhenreihe mit dem Steinwald 
(940 m), Plößberg (618 a dem Reichs⸗ und dem 
Koblwald an, die im ©. raſch zur Oberpfalz abfällt; 
beide enden an der böhm. Grenze. SH dieſen 
Ketten breitet ſich eine wellenformige Fläche, bie 
innere Bergebene (etwa 550 m) des 75. aus. Zwi— 
ſchen dem Schneeberg und dem Dchjentopf ift die 
tiefe Schlucht der Seelobe, welche den Fichtelſee 
enthält, ein 779 m bod — To or, aus 
welchem Main und Fichtelnaab Waſſer empfangen. 
Aus den flachen Hochebenen im ©. und SM. er: 
beben fi viele einzeln ftehende Bafaltlegel. Die 
Gipfel bilden dagegen runde Kuppen, teil mit 
mächtigen Felstrümmern überjhüttet, teils ftart 
mit Fichten und anderm Nadelholz bewalvet, oft 
aber aud bis auf ihre Spigen angebaut. 

Das ganze Gebirgsland ift jtart bewohnt (etwa 
50 €, auf 1 qkm). In dem böbern Teile, mit 
raubem Gebirgäflima, viel Nebel, Schnee und Reif, 
gedeihen nur ſpärlich Hafer, Kartoffeln, Flachs 
und Futterfräuter; dagegen giebt eö Holz im liber: 
Muß, ebenjo Heidel-, Preißel- und Wacholder— 
oeeren, melde in großer Menge ausgeführt wer: 
den, jowie Eijen, Bitriol, Schwefel, Kupfer, Blei 
und viele Arten von Marmor, in einigen Gewäjjern 
Verlmufheln, namentlih im Weißen Main und 
einigen Seitenbäcen der Saale, Der früber jebr 
lebhafte Betrieb der Gifenerzgruben und Hütten: 
mwerfe, —— der mit Holzlohle arbeitenden 
Hodhödfen iſt jebr zurüdgegangen, dagegen beſchäf— 
tigen Spinnerei und Weberei, Anopfe, Glas: und 
Borzellanfabrifation (beſonders in Selb) jomwie 


663 


Steinjchleiferei eine große Anzahl Menſchen. Sebr 
entwidelt tft die Baummollinduftrie zumal am 
Rande des Gebirges (Hof, Bayreutb). Berühmt 
find die Granite, die vortrefflihe Politur geftatten 
und zu Prahtbauten weithin verfendet werden. 
Holz: und Bretterhandel ift lebhaft, auc die Holz» 
—— gewinnt an Bedeutung. — An großen 
Straßen führen unter andern über das F. die von 
Hof über Wunſiedel nah Amberg und die von Eger 
über Weißenſtadt nah Bayreuth. Es wird von 
bayr. Staatsbahnlinien umſchloſſen, deren Haupt: 
Inotenpuntte Hof, Bayreuth, Weiden und Eger find; 
mitten bindurd ae die Linien Hof-Wiejau von 
N. nah S. und Bayreuth-Gger von W. nad D., die 
fih in Markt-Redwitz freuen; ferner führen von 
vier Seiten Nebenbabnen an die Gentralgruppe 
beran (NeuforgFichtelbera, Kirchenlamitz⸗Weißen⸗ 
jtabt, Neuenmarkt-Biſchofsgrun, Bayreuth: War: 
menjteinad). Intereſſante Bunte find Alexanders⸗ 
bad (f. d.) bei Wunſiedel, Berned N db.) und das 
Sandjteinlabyrinth der —— (. d.). Für die 
Hebung des Touriſtenverlehrs im F. iſt der Fich⸗ 
————————— (Sig in Wunſiedel) thätig. — 
Bol. Münnich, Das 5. (Dresp. 1859); Zapf, Der 
Sagentreis des F. (Münchberg 1874); derj., Fichtel⸗ 
ebirgsalbum. Natur:, Kultur: und Geſchichtsbilder 
Hof 1892); Gümbel, Geognoſt. Beichreibung des F. 
(mit Atlas, Gotha 1879); Eifenbah, Der Führer 
im 5. (6. Aufl, Fig 1890); Schmidt, Fuhrer 
durch das F. (2. Aufl., ebd. 1899); Nuchter, Das 
B in feiner Bedeutung für den mitteleurop. Ver: 
ehr (Lpz. — Griebens —— Das F. 
12. Aufl., Berl. 1900); Mayenberg und Müller, 
leiner Wegmweijer ee das 5 und den Franken⸗ 
wald (4. — Hof 1901); Pfeiffer, Speciallarte des 
3. 1:50000 (6. Aufl. Wunſiedel 1891); Specialtarte 
des F. ausgeführt vom Topographiſchen Bureau des 
töniglich bayr. Generalftabs 1: 50000 (ebv. 1898); 
Specialtarte des FF. 1:50000 (ebd. 1899). 
Fichtelgebirgäbahn, bayr. Staatseifenbahn 
von Nürnberg nah Oberlogau, mit Zmeigbahnen 
202 km lang (1877—79 eröffnet). 
ichtelfee, ſ. Fichtelgebirge. 
ichtenbaſtkäfer (Hylastes cunicularis Knoch), 
ein den Aa ſchädlicher häufiger Bajtläfer (f. d. 
und Foritinjeten), von ſchwarzer, feltener bräun: 
licher Färbung, mit dicht punktiertem, fait fo breitem 
als langem Halsſchild, —4,5 mm lang. 
chtenborfenfäfer, ſ. Forſtinſelten nebit 
Taf. I, Fig. 9. 
ichtenenle, Förleule oder Kieferneule 
(Trachea piniperda Panz.; |. Tafel: Schädliche 
Forftinfelten UL, Fig. 3, beim BERN DaB 
ten), ein zu den Eulen (ſ. d.) geböriger Schnictter: 
ling (30—35 mm) mit gelbrot und grauen Ober: 
flüneln. Die grüne, mit drei weißen oder gelben 
zuapen und einem orange Seitenjtreifen ge: 
zierte Raupe (Fichten: oder Kiefernraupe) it 
ein gefürdteter Nadelholzverwüſter. Sie bohrt ſich 
ganz in die Maitriebe der Kiefern und ‚sichten ein 
und frißt fpäter die alten Nadeln vollitänvig ab. 
Zur Vertilgung der unter Moos überwinternden 
duntelbraunen Puppen batman mit Eriolg Schweine 
in die befallenen Forſten eingetrieben. 
Fichtengimpel, joviel wie Halengimpel (ſ. d. 
und Gimpel). 
ee: der Kiefernipinner (f. d. nebſt 
Tafel: Schädliche Joritinjelten U, Fig. 2a—e, 
beim Artilel Foritinielten). 


664 


Fichtenharz, Sammelname für Harze ver: 
fhiedener Navdelhölzer. Die weitfranz. Seeſtrands⸗ 
tiefer, Pinus pinaster Sol., liefert, wenn das 
aus ihrem Stamm auäfließende balſamiſche Harz 
durch Verdunſten des ätheriſchen Ols eintrodnet, 
eine gelbliche, in der Hand knetbare, nah Ter 
pentin riehende Maſſe, das Galipot des Hans 
dels (Resina pini Galipot, Thus), Wird der aus 
der Seeſtrandskiefer ausfließende Terpentin friſch 
der Deitillation unterworfen, jo bleibt ein Rüd» 
ftand von %., welches jpröber als Galipot ift, 

elb bis bräunlic ausfieht, undurdfichtig infolge 
Fines Gehalts an Waſſer und ätherifchem OL ift und 
unter dem Namen Trek apa rar gelodhter 
Terpentin, Weißpech, raffiniertes Harz 
(Resina pini raffinata) Handeläproduft ift. Das 

leihe Prodult liefern in andern Gegenben (Hin: 
and, Oſterreich) die Fichte, Picea vulgaris Link, 
und wohl aud noch andere Nadelböl er, deren Harz 
man vom größten Teil bes ätberifchen Ols und 
des Waſſers befreit und durch Stroh durchſeiht. 
Entfernt man durd) längeres Erhitzen alles Wafler 
und Zerpentinöl aus dem Burgunderbarz, jo ver: 
bleibt als Rüditand Kolophonium (f. d.), Gei: 
— furzweg Harz im Handel genannt, 
und heutzutage beinabe ausschließlich bei der Ter: 
pentinölgewinnung in Norbamerifa aus Pinus 
australis Mich. und Pinus taeda L., zwei Fichten: 
arten der Küſtenlandſchaften Carolina, gewonnen. 
Die F. enthalten verſchiedene organifhe Säuren, 
von denen die Bimarfäure, C,H, 0, (Schmelzpuntt 
211° im Galipot und Borbeaur:Ktolophonium), 
und die Abietinfäure, C,,H,,0, (Schmelzpunft 
154° in amerit. ee] genauer identifi- 


iert find. Die F., beſonders das Kolophonium, 
Finden Verwendung zur Firnis⸗, Seifen:, Siegel: 
ad:, Harzöl-, Bed: und agenfhmierfabritation; 


die altaliiche Lölunga, durch Alaun ee ift der 
Harzleim der Vapierfabrilanten; auf der Erzeu: 
gung von Reibung beruht die Verwendung für die 
iemen der Treibmafchinen und für die Haare der 
Geigenbogen; medizinifh dient F. als Zuſatz zu 
Pflaſtern. Wichtiger Handelsplag für 3. ift Ham- 
burg, welches 1900: 396469 Doppelcentner Kolo⸗ 
pbonium im Werte von 3918440 M. von Nord: 
amerifa und 37932 Doppelcentner Galipot und 
Burgunderbars im Werte von 594990 M. von 
antreich inführte, Die Verpadung geſchieht in 
jiern zu 150—800 kg Inhalt. 
ichteninfel, Inſel im SD. von Neucaledo: 
nien, |. Pins (Ile des); Antille, |. Pinos (Isla de). 
ichtenfrenzfchnabel, — euzſchnabel und 
Tafel: Mitteleuropäifhe Singvögel I, 
Fig. 4, beim Artilel Singvögel. 
Sichtennabeläther, ein früber dur Deitilla- 
tion von Fichtennadeln mit Weingeift, jebt durch 
Miſchung von Fichtennadelöl (f. d.) mit Spiritus 
— * tes Produkt, Meiſt werben noch eine Ans 
zabl anderer ätherifcher Öle zur Berbeflerung des Ge: 
ruchs hinzugefügt. Eine geeignete Vorſchrift dazu 
it folgende: 80,0 g Fichtennadelöl, 10,0 g Wacholder: 
beeröl, 5,0 & franz. Nosmarinöl, 3,0 g Zavendelöl 
und 2,0 g Eitronenöl werden in 900,0 g Weingeift 
von 90 Proz. gelöft und die Miſchung Ältriert. 
ichtennadelbäder, j. Bad. 
ichtennadelegtraft, Latſchenkieferner— 
tratt (Extractum pini foliorum), der durch Aus: 
toben der Fichtennadeln und Eindichten des Aus: 
zugs gewonnene Ertralt. Hierbei wird die Dar: 


Fichtenharz — Fichtner (Karl Albrecht) 


ftellung des F. mit der des Fichtennadelöls (f. d.) 
verbunden. dient als Zujag zu Bädern. 
Fichtennadelöl, Kiefernadelöl, Wald» 
wolLlöl (Oleum pini foliorum), ein durch Dampj: 
deitillation von Fichtennadeln erhaltenes ätheri- 
ihes Ol, das dem Zerpentinöl nahe verwandt, 
wenn nicht damit identisch ift. Dem F. wird Heils 
kraft zugefchrieben; es ift jedoch nicht offizinell. 
ichtennabelroft, |. Chrysomyxa. 
ichtennabelröte, ſ. Fichtenrigenihorf. 
ichtenraupe, f. Fichteneu 
ichtenrinde, nad der Eichenlobe das Haupt: 
gerbematerial, bejonder in ben Gebirgägegen: 
den von Deutihland und Öfterreih. Sie wird zum 
Gerben mit Spiegelrinde oder Anoppern u. ſ. w. ver: 
miſcht. Zu ihrer Gewinnung werden in den sichten: 
bohmwaldungen die Mittel: und Heinen Baubölzer 
ofort nad) dem Fällen geimält Gute F. ift u der 
—* gelblich bis bräunlich und glatt, auf der 
ußenſeite rotbraun und mit dunner, feinſchuppiger 
Borle verſehen. Der ae ſchwanlt je nad 
Alter, Lage und Standort zwiſchen 2,5—14 Proz. 
Am gerbitoffreichiten (&—10 Proz.) find die Rinden 
von 30: bis 6Ojährigen Bäumen. i Zeile 
Fichtenlobe erjegen einen Teil Eichenlobe. 
an gungen ai ein parafitiicher Pilz (Hys- 
terium macrosporum R. Hart.), der die jog. Sich: 
tennadelröte over Fichtenſchütte erzeugt. Die 
Nadeln der vorjährigen Triebe werden krank, bräun- 
fih und fallen ab. Namentlich in neuerer Zeit bat 
8 dieſe —— in Deutſchland ſehr verbreitet. 
m empfindlichſten ſcheinen die Fichten im Alter von 
10 bis etwa 40 X. befallen gu werden. Eine ahnliche 
Krankheit, die Schütte (ſ. d.), verurfacht der Kiefern 
rihenſchorf (Ü.d.). |, [somyxa. 
ichtenrojt, joviel wie Fichtennadelroit, |. Chry- 
tenfchütte, ſ. Fichtenrigenihorf. 
ichtenfhwärmer, Tannenpfeil, Kiefern— 
oder DEE EBENE —— inastri L.), 
ein ziemlich großer aſchgrauer bendfhmetterling 
mit drei ſchwarzen Linien auf den Vorderflügeln, 
deſſen grün- und gelbaeitreifte, mit einer roten 
Rüdenbinde veriebene, faft fingerlang werdende 
Raupe die Nadelbolsbäume verwütitet und zumeilen, 
wie 1837 und 1838 in ber Annaburger Heide, ziem: 
lichen Schaden anrichtet. Die Raupe verpuppt * 
in der Erde und die Puppe überwintert. er 
Schmetterling, der pfeilihnell fliegt, riet im Mai 
und Juni aus. Obgleich weit größer als die Raupe 
der Fichteneule, richtet fie doch weniger Schaden an, 
ba ſie nur jelten maſſenhaft vorlommt und jtart 
von —— heimgeſucht wird. 
Fichtenfpargel, ſ. Monotropa und Tafel: Bi— 
cornen, Fig. 4. 
Fichtenfpinner, j. Prozeifionsipinner. Als 5. 


wird oft auch der Kiefernipinner (ſ. d.) bezeichnet. 
ichtner, Karl Albreht, Schaufpieler, geb. 
7. Juni 1805 zu Coburg, wurbe 1820 Mitglied 


der Kohlerſchen Geſellſchaft, mit der er in Offen: 
bad, Pforzheim, Hagenau, Straßburg und Baden: 
Baden fpielte, und kam 1822 an das Theater an 
der Wien. Bald ging er indes zum Burgtbeater 
über, auf dem er 5. Aug. 1824 ala Peter in Iff⸗ 
lands «Herbfttag» zum erftenmal auftrat und dem 
er bis 31. Yan. 1865 angehörte. %. jtarb 19. Aug. 
1873 zu Gajtein. Bejonders in der Darftellung von 
Liebhabern und jugendliben Helden bat, er Vor: 
zügliches geleiftet. In der ung wer fand jein Talent 
allerdings Schranken. Im Yuftfpiel war er von 


Fichtner (Bauline) — Fider (Mdolf) 


unerfhöpflihem Humor und beitridender Lieben: 
würbigleit. An den —— der Bauernfeldſchen 
Luſtſpiele bat F. weſentlichen Anteil gehabt. 

ichtner, Pauline, ſ. Erdmannsdörfer, Mar. 

chu frz., ſpr. fiſchuh), dreiedig gelegtes Hals⸗ 
oder Bruſttuch der Frauen, das * Ende des 
18. Jahrh. auflam. In neuerer det find die $. 
in Spißen oder Stiderei bergeftellte Toilettengegen: 
ſtände der rauen. 

Fleinusd, Marfikius, ital, Arzt und Philoſoph, 
geb. 19. Dt. 1433 zu Florenz. Der ältere Eofimo 
de Medici, deſſen Leibarzt F.“ Vater war, ae für 
feine Ausbildung, ——— ibn, den Plato und 
die Neuplatoniler PBlotin, Jamblihus und Proflus 
ins Lateiniſche zu überfegen, und ftellte ihn bei der 
um 1440 zu Flor en Platoniſchen Alade⸗ 
mie als Lehret — atoniſchen Philoſophie an. F. 

rb 1. Dt. 1499. Er war —— Anbänger der 

latoniſchen Philofophie, die er ald Vorbereitungs⸗ 
und Be — des chriſtl. Glaubens be⸗ 
trachtete. Doch unterſchied er nicht genau Plato 
und die ſpätere neuplatoniſche Schule, wie dies aus 
feiner «Platonica theologia, de animorum immor- 
talitate» (Floxr. 1482) hervorgeht, worin er bie Un- 
erblichkeit der Seele gegen die Ariftoteliler feiner 
eit verteidigte. Auch beidäftigte er ſich mit aldimift. 
tudien. Eine Ausgabe feiner Werte, außer den 
Überfegungen, erſchien in 2 Bänden zu Bafel 1576, 
die befte in Paris (2 Bde.) 1641. 
A, Adolf, Phyfiolog, geb. 3. Sept. 1829 zu 
Caſſel, jtudierte in Marburg und Berlin Medizin 
und babilitierte ſich 1852 zu Züri, wo er 1856 
eine außerord. und fpäter die ord. Profeſſur der 
Phyſiologie an der Univerfität erhielt. 1868—99 
wirtte er in gleiher a I Würzburg. 
* ſtarb 21. Aug. 1901 in Blankenberghe. Er 
chrieb: «Die mediz. Phyfil» (Braunſchw. 1857; 
8. Aufl. 1885), «Kompendium der Phyſiologie des 
Menſchen mit Einfluß der Entwidlungsgefhichte» 
(Wien 1860; 4. Aufl. 1891), «Lehrbuch der Anas 
tomie und Nhyfiologie der Sinnesorgane» (Lahr 
1864), «Die Naturträfte in ihrer Wechielbeziebung» 
Wurzb. ———— Arbeit und Wärmeentwids 
lung bei der Dusteltbätigfeit» (Bd. 51 der «inter: 
nationalen wiſſenſchaftlichen Bibliothet», Lpz. 1882), 
2*8* und Wirkung. Ein erkenntnistheoretiſcher 
Berjuc» (2. Ausg., Caſſel 1882), «Das Größengebiet 
der vier Rechnungsarten⸗ (Lpz. 1880), «Philof. Ber: 
fuh über die Wahricheinlichkeiten» * 1883), 
Myothermiſche Fragen und Verjuche» (ebd. 1885). 
Hür Hermanns «Handbud der Phyfiologie» bearbei⸗ 
tete er die fpecielle Bemegungälebre, die Dioptril des 
Auges und die Lehre von der Lichtempfindung (Lpz. 
1879). Zahlreihe Abhandlungen und Aufiäge bat 
F. in Fachzeitſchriften veröffentlicht. Sie find teil- 
meije pam erſchienen ald «Arbeiten aus dem 
vhyſiol. Paboratorium der Würzburger Hochſchule⸗ 
(4 Hefte, Würzb. 1872— 78), teilweife u. d. T. «Myo: 
tbermiiche Unterjuhungen» (Miesb, 1889). — Val. 
end, Zum Andenten an 9. F. (Bonn 1902); 
von Frey, Adolf F. (Gedächnisrede, Würzb. 1902). 
id, Aug., Sprachforicher auf dem Gebiete der 
indogerman. Sprachen, geb. 5. Mai 1833 zu Peters: 
bagen bei Minden (Weitfalen), ftudierte 1852—57 
in Göttingen Philologie und war 1858— 76 Lehrer 
am Gymnaſium dajelbjt. Seit 1858 wandte er ſich 
unter Benjeys Leitung dem Studium des Sanätrit 
und der vergleichenden Sprachwiſſenſchaft zu und 
wurde 1876 außerord. Profefior für Sprachver⸗ 


665 


gleihung an der Göttinger, 1888 ord. Profeſſor 
an der Breslauer Univerfität, trat 1891 in den 
Ruheſtand und lebt jeit 1892 in Meran. Sein 
Hauptwerk ift das «Vergleichende Wörterbuch der 
—— Sprahen» (4. Aufl., mit Bezzenberger 
und Stofes, Bo. 1 u.2, Gött. 1891 u. 1894). Fer: 
ner ſchrieb er: «Die ehemalige Spraceinheit der 
Andogermanen Europas» (Gött. 1873) und «Die 
gieh. Perfonennamen» (ebd. 1874; 2. Aufl., mit 

echtel, ebd. 1894) fowie zahlreiche Auffäge in Zeit: 

hriften. Weniger Anertennung fanden feine Be 

ebungen, zu beweilen, dab Homers Jlias und 

dyſſee urfprünglich äoliihe Sprachform gehabt hät: 
ten und aus Diefer in die auf und gelommene ioniſche 
übertragen feien. Sie wiederherzujtellen unternimmt 
er in ben en «Die homeriſche Odyijee» (Bött. 
1883) und «Die homeriſche Ilias⸗ (ebd. 1886), denen 
«Hefiods Gedichte» (ebd. 1887) folgten. 

Fi, Heinrih, Rechtsgelehrter, geb. 12. Zuli 
1822 zu Gafjel, ward 1851 außerord. Profeſſor der 
Rechtswiſſenſchaft in Züri, wo er 1864 zum ord. 
Profeſſor ernannt wurde. 1879 war er Mitglied 
des RKaffationsgerihts. Im Auftrage des eibge 
nöffifchen Juſtizdepartements wirkte er feit 1862 an 
der ——— über ſchweiz. Handels⸗ und Wed: 
elreht, Eiſenbahntransport⸗, Aſſekuranz- und 

bligationenredt eifrig mit. Er larb 22. Sept. 1845 
in Hottingen bei Zürich. Bon feinen Schriften 
feien genannt: «Kritische Überficht der ſchweiz. Han: 
dels⸗ und Wechſelgeſeßzgebung» (Erlangen 1862), 
«fiber börfenmäßige Yieferungsverträge» (Zür. 
1872), «fiber internationales Wechſelrecht in Ber 
ziehbung auf Frijtbeftimmungen» (Elberf. 1872), 
« Die ſchweiz. Nechtseinheitäbeftrebungen auf dem 
Gebiete des Eifenbahnrehts» (Erlangen 1874); 
viele Abhandlungen in Siebenhaard «Arhiv für 
deutiches Wechſelrecht», Hildebrands (jekt Conrads) 
a«Jahrbüchern für Nationaldtonomie», Goldſchmids 
«Zeitjhrift für das gejamte Handelöreht». Mit 

rofeſſor Schneider gab er einen Kommentar zum 
chweiz. Obligationenrecht (große Ausgabe, 2 Bde., 

ür. 1892—93; 2. Aufl., 1896—97) heraus, 
icker, Adolf, Statiftiter, geb. 14. Juni 1816 
zu DImüß, betrieb zu Wien hiſtor. unt pbilol, Stu: 
dien und wirkte dann 1839—43 als Lehrer der Ge 
—— und der klaſſiſchen Philologie an dem Lai— 
acher Lyceum, dann an ber Univerfität zu Olmutz 
und 1850—53 am Gymnaſium zu Czernowitz. 1853 
trat er ald Minifterialjetretär in die Direltion für 
abminiftrative — ein, in welcher Stellung 
er ſich um die Ausbildung der dfterr. amtlichen 
Statiftit wefentliche Berdienite erwarb. 1864 wurde 
er ald Nachfolger Ezörnigd zum Direltor der 
abminiftrativen Statiftit mit dem Range eines Res 
gierungsrat3 ernannt. In dieſer —A— ver⸗ 
trat F. auf den internationalen Statiſtiſchen Kon— 
grejien zu Berlin (1863), im Haag (1869) und Per 
tersburg (1872) die öfterr. Regierung. Sein Haupt: 
augenmert richtete er auf die Organifation der 
Unterrichtäftatiftit und der Arbeiten für die Cenſus— 
eſetzgebung. Als Referent für Gymnaſien und 
Realthulen 1870 in das Unterrihtsminifterium 
berufen, war er beſonders darauf bedacht, das 
Mittelſchulweſen in Öfterreich zu heben ; 1873 wurde 
er mit dem Titel eines Seltionschefs zum Präfi: 
denten der Statiftifchen Eentrallommiffion ernannt. 
Gr ftarb 12, März 1880 in Wien. Bon 5.8 willen 
fchaftliben Arbeiten find bervoraubeben: «Dar: 
ftellung der Landwirtſchaft und Montan:$nduftrie 


666 Ficker (Jul.) 
ver Bulowina⸗ — 1854), «Bevöllerung der 
Oſterreichiſchen Monarbier (Gotha 1860), «Voller⸗ 
jftämme der Oſterreichiſch-Ungariſchen Monarchie» 
(Wien 1869). ferner veröffentlichte er «Jahres: 
berichte des Unterribtäminifteriums für 1870— 72», 
— Bol. Schwab, Adolf F. (Wien 1880). 
icker, Jul. Rechtögelebrter, geb. 30. April 1826 

u Baberborn, ftudierte zu Bonn, Münjter und Ber: 
in Rechtswiſſenſchaft und Gejchichte, habilitierte 42 
1851 in Bonn, wurde 1852 ord. Profeſſor der Ge⸗ 
ibichte zu Innsbrud, trat 1863 dafelbit in die 
jurift. Fakultät ein und las über deutiche Reiche: 
und Rechtsgeſchichte, bis er ſich 1879 in den Ruhe: 
itand verjegen ließ. Er jtarb 10. Juli 1902 in ns: 
brud. F. veröffentlichte: «Reinald von Daſſel » 
(Köln 1850), «Munſteriſche Chroniken des Mittel: 
alter8» (Münft. 1851), « Engelbert der Heilige » 
(Köln 1858), «liber einen Spiegel deuticher Leute» 
(Wien 1857), «liber die Entjtehungszeit des Sadı: 
jenfpiegeld» (Innöbr. 1859), «Bom Reichöfürften: 
itande» (ebd. 1861), «Das deutſche Kaiſerreich in 
feinen univerfalen und nationalen Beziehungen» 
(ebd. 1861), «Vom Heerichilde» (ebd. 1862), «Deut: 
ſches Königtum und RKaifertum» (gegen H. von 
Spbel, ebd. 1862), «Über das Eigentum des Reichs 
am Reihölirhengute» (Wien 1873), «Über die Ent: 
ftebungszeit des Schmwabenfpiegelö» (ebd. 1874), 
«Beiträge zur Urkundenlehre» (2 Bde., Innöbr. 
1877 — 78), «Unterfuhungen zur Rechtsgeſchichte⸗ 
Bd. 1—5, ebd. 1891—1%02). Seine umfafjendite 

rbeit find die aForſchungen zur Reichs⸗ und Rechts: 
eſchichte Jtaliens» (4 Bde., ebd. 1868—74). Von 
3. F. Böhmer mit der Verwertung von deſſen wiſſen⸗ 
ſchaftlichem Nachlaſſe beauftragt, veröffentlichte er 
daraus insbeiondere die «Acta imperii selecta» 
Innsbr. 1870) und leitete die Fortjegung und Neu: 
bearbeitung von Böhmers «Regesta imperii»; die 
von ihm jelbjt bearbeitete Abteilung 1198 — 1272 
wurde 1879—1901 veröffentlicht. 

Fickler, Joj., einer der Führer der bad. Demo: 
fratie, geb. 3. März 1808 zu Konſtanz, war daſelbſt 
Raufmann, gründete 1830 ein liberales Wochenblatt 
und redigierte ſeit 1836 die «Seeblätter», die zuerft 
das Organ ber liberalen Dppofition, fpäter das ber 
Demokratie waren. In der Nevolution von 1848 
wirkte er für Erribtung einer Republit und bean: 
tragte zur Zeit des VBorparlaments ein bad. Plebiscit 
über Beibehaltung der Monarchie oder Einführung 
der Republit, Da er im Verdacht ftand, mit den 
Zugügen deutfcher Arbeiter aus Frankreich und mit 
der franz. Regierung in Verbindung zu fteben, 
wurde er von Matby in Karlärube 8. April ver: 
baftet. Im Mai 1849 freigeiproden, wurde er 
13. Mai von der Offenburger Bollsverfammlung in 
den Landesausſchuß und 1. Juni in die bad. provi⸗ 
jorische Regierung gewählt. Als eraber den Verſuch 
machte, auch Württemberg in die Revolution zu 
jieben, wurde er 3. Juni in Stuttgart verbaftet 
und auf die Feſtung Hobenasperg gebradıt. Gegen 
eine Kaution entlafjen, ing er zuerjt in die Schweiz, 
dann nad England und zulest nach Nordamerila. 
an dem großen Kampfe der Vereinigten Staaten 
tand er auf jeiten der Gegner der Sklaverei. Nach 
der Niederlage der Konföderierten kehrte er nad 
— zurück und ſtarb bier 26. Nov. 1865. 

icoidẽen, Pflanzenfamilie, ſ. Nizoaceen. 
icorönifche Eiite (f. Tajel: Etrustifde 


— Fidalgo 


Kircherſchen Muſeum im Collegio Romano zu Kom 
geſchenkt wurde, mo fie ſich noch heute befindet. Die 
eingravierten Ornamente und bildlihen Daritel: 
lungen auf der Außenfläche des aus Erz gebildeten 
cplindrifchen Gefäßes (0,50 m body, O, a2 m Durde 
mejjer) zeichnen ſich durch Feinheit und geijtvolle 
Kompofition aus. Kr dem Dedel find Jagbdicenen, 
auf dem Gefäße ſelbſt Epifoden aus dem —* 
nautenzug dargeſtellt. Der aus drei Figuren be 
ſtehende Griff des Dedels (Dionyjos zwiſchen zwei 
Satyrn), ebenfo wie die Füße der Ciſte find von 
gänzlich verfchiedener, derber Arbeit; eriterer durch 
eine darauf eingegrabene altlat. Inſchrift aus dem 
3. Jahrh. v. Ebr. merkwürdig, welche ald Berfertiger 
(vielleiht nur des Griffs) einen Novius Plautius 
zu Rom nennt. — Die beiten Reprodultionen diejer 
Gifte bei Bröndfted, Den Ficoronijte Eifta (Kopenh. 
1847); Braun, Die — — iſta (2pz. 1850); 
vol. D. Zahn, Die Ficoroniſche Ciſta (ebd. 1852). 
Ficquelmont (ipr. fidälmöng), Karl Lupm., 
Graf von, djterr. General und Staatämann, geb. 
23. März 1777 auf Schloß Dieuze bei Nancy, 
aus einem alten lothr. Adelsgeſchlecht, trat in die 
djterr. Armee und wurde 1809 Oberſt und General: 
jtabSchef der Armee des Erzherzogs Ferdinand von 
Eite, befehligte 1811 und 1812 drei Reiterregimen: 
ter gegen die Franzoſen in Spanien, wurde 1814 
Generalmajor, bradıte 1815 die Kapitulation von 
Lyon zu jtande und wurde dann zu verſchiede⸗ 
nen diplomat, Sendungen verwendet. Seit 1829 
Botſchafter in Peteräburg, war er der bedeutfamite 
Vermittler des Einfluſſes der Metternichſchen Poli—⸗ 
tit auf den Zaren Nilolaus. 1830 zum Feldmar⸗ 
fhallleutnant, 1831 zum Inhaber eines Dragoner 
regiments, 1840 zum Staatd: und. Konferenzminiiter 
ernannt und 1843 zum General der Kavallerie vor 
erüdt, übernahm er 20. März 1848 das Porter 
file des Auswärtigen in dem erften verantwort» 
ihen Minijterium (Kolowrat), mußte aber, alö An: 
bänger der Metternichſchen Bartei und Nuffenfreund 
verdächtigt, dur Voltsdemonftrationen geswungen, 
4, Mai zurüdtreten. Bon da an lebte F. in Wien 
und Venedig, wo er 7. April 1857 ſtarb. Er ſchrieb: 
——— über die Zeit vom 20. März bis zum 
4, Mai 1848» (2, Aufl., Lpz. 1850), «Deutichland, 
Dfterreich und Preußen» (Wien 1851), «Lord Palmer⸗ 
fton, England und der Kontinent» (2 Bde.,ebd. 1852), 
«Rußlands Politik und die Donaufürftentümer» (ebv. 
1854), «Jum künftigen fyrieden» (ebd. 1856) u. a. 
Fiota possessio (lat.), —— Beſitz. Mit 
der Vindilation (f. d.) und der Erbſchaftsklage (f. d.) 
kann der, welcher bie dem Kläger gehörige Sache oder 
zur Erbichaft des Klägers gehörige Sachen zur Zeit 
der Klagerhebung bejist, auf Herausgabe belangt 
werben. Das Recht hat diefe Haftung auf zwei an: 
dere Fälle ausgedehnt. Ein Nichtbefiger ſoll viefem 
Kläger haften, als ob er befäße; jein Befis wird aljo 
fingtert 1) wenn der Bellagte, wobl wifjend, daß er 
nicht bejige, dem Kläger vorgefpiegelt bat, er beſitze, 
und fich fo auf die * eingelaſſen bat (qui liti se 
obtulit, f. Falſches Vorgeben); 2) wenn der Be: 
Hagte im Bewußtjein, daß er fremdes Eigentum 
oder fremde Erbſchaftsſachen beſitze, ſich des Be 
fißeö entäußert, um fich fo der Klage zu entziehen 
(qui dolo desiit possidere), 
Fietoor, Jan, holländ. Maler, ſ. Bictors. 
Fious, |. Feigeund Tafel: Urticinen I, Fig-2; 


Kunit, Fig. 8), eine 1744 bei Paleſtrina gefundene | F. sycomorus, |. Sylomore. 


Eifte (ſ. d.), die von dem Antiquar Ficoroni dem | 


idalgo (portua.), Titel, ſ. Hivalgo. 


Fidanza — Fideris 


Fidauza, — ital. Landſchaftsmaler, 
geb. 1747 in Mailand, geſt. daſelbſt 1819, war mit 
feinen Brüdern Gregorio und Giufeppe in 
demjelben Fache tbätig, alle drei Schüler des La— 
croir. Während Gregorio mehr Nahahmer (ge: 
legentlich auch Fäljcher) älterer Klaffiter der Land: 
fchaft, befonders des Claude Lorrain, war, trat 
Francesco mit jelbjtändigen Leiftungen bervor, un: 
ter denen feine Darjtellungen der berühmtejten ital, 
Häfen (in der Brera zu Mailand) bervorragen. 
iddichotw,, Stadt im Kreis Greifenhagen des 
preuß. Reg.:Bez. Stettin, rechtö von der Ober, auf 
nei Bergen, an der Linie Stettin-Cüftrin (Station 
ilhelmsfelde:%.) ver Preuß. Staatöbahnen, Sitz 
eines Amtsgerichts (Landgericht Stettin), hat (1405) 
2725 E. darunter 22 Ratholiten und 12 Jsraeliten, 
Poſt, Telegrapb, Vorſchußverein, ftäptiihe Spar: 
fafle; Zuderfabrit, Tabaf: und Rübenbau, Schiff: 
fahrt und Fiſcherei. — Bor 1159 eine wend. Burg, 
wurde F. 1302 vom Marfgrafen von — 
erobert; 1347 erhielt es vom Herzog Barnim IV. 
Stadtredt. [borg. 
Fide et charitäte, ſchwed. Selte, |. Sweden: 
Fidöi et merito (lat.), Wahlſpruch des ficil. 
Ferdinandsordens (f. d.). 
ideftommiß (lat. tidöicommissum), im röm. 
Recht eine legtwillige Anordnung, durch welche der 
Erblafier (fideicommittens) dem Erben oder Be 
fchwerten (fiduciarius) aufgiebt, das Ererbte ganz 
oder einen gewiſſen Bruchteil davon oder nur eine 
einzelne Sache oder Summe einem andern (Fidei- 
fommifjär) herauszugeben. Das F. konnte form: 
[08 errichtet werden. Es hatte ven Zweck, Anord⸗ 
nungen wirfjam zu machen, die nad der Strenge 
des Rechts nicht rechtöbeftändig getroffen werben 
fonnten. Es follte z. B. erreicht werden, entgegen 
der Vorſchrift, nad welder der Erbe dauernder 
Rechtsnachfolger wurde, ven Nachlaß nad Erfül: 
lung einer Bedingung oder nad Ablauf einer ges 
wiſſen Frift einem andern zuzuwenden, oder jemand 
etwas zuzuwenden, ber aus irgend einem runde 
nit fähig war, bedacht zu werden. Man überließ 
es der Treue (fides) des Erben, dem Willen des Ver: 
orbenen dennoch zu genügen. Später wurde ver: 
ngt, das F. mütje ım Teſtament oder Kodicill 
errichtet werden. Juſtinian verfhmolz das F. mit 
dem Legat (f. Vermä a) Man unterfchied Unis 
verjalfideifommiß (h Erbſchaftsvermächtnis) und 
Singularfideitommih. Das legtere betraf nur ein: 
eine Sachen. Val. Brudner, Zur Geſchichte des 
. (Münd. 1893); Mielle, Univerfalfideitommiß 
und Nacherbſchaft (Lpz. 1901). — Anderer Art ift 
das Familienfideitommiß (f. d.) des neuern Rechts. 
(S. auch Hausfideifommiß.) 
Fideilommiffärifche Subftitution, ſ. Erb: 
fhaftsvermädtnis. ſſchriftliche Gutſagung. 
Fidejussio (lat.), Burgſchaft; Fidejuſſiv, 
Fidejussor (lat.), Bate (j. d.), Bürge (j. Bürg: 
ichaft). F. indemnitätis, Shadlosbürge, iſt der, 
welcher für den Ausfall gebürgt bat, welchen Kläger 
bei dem Hauptjchuldner erleiden fönnte. Demjelben 
ift nicht allein die Einrede der Vorausflage, auch 
wenn die Bürgichaft Handelsgeſchäft war, nicht ab: 
zufprecen (ſ. Extuſſion), jondern der Schulpnerfann, 
auch wenn der Hauptichuldner in Konkurs fällt, for: 
dern, daß der Gläubiger zunächſt aus der Konkurs: 
maſſe jeine Befriedigung fuche Reichsoberhandels⸗ 
gerichtsentiheidungen, Bd. 13, ©. 175). — Fide— 
Juſſöriſch, auf Bürgichaft berubenr. 


667 


I Fidel (vom lat. fidalis, treu), burſchikoſer Auss 
drud für munter, luftig; davon Fidelität (f. d.). 

Fidöles (lat.), die Gläubigen; Gegenſatz: In- 
fideles, die Ungläubigen; in der ältern driftl. 
Kirche befonders die, weldhe als Katehumenen die 
Taufe erlangt hatten. 

Fidẽlis, eigentlich Marcus Roy, Heiliger, geb. 
1577 zu Sigmaringen, trat 1611 in den Orden der 
Kapuziner, Fe den Namen %. und mar dann 
Prediger in Rheinfelden, Guardian zu Freiburg in 
der Schweiz, 1621 zu Feldkirch. Als Vorſtand der 
für Rhätien errichteten Miffion wirkte er für Wieder: 
einführung des Katholicismus an Stelle des Cal: 
vinismus und wurde in den Kämpfen gegen Öjfter: 
reich 24. April 1622 zwifhen Seewis und in 
von Bauern ai rn Benedikt XIV. ſprach ihn 
1746 heilig. — Bol. E. Schnell, Dr. Marcus Roy 
(Freib. i. Br. 1877); Ferd. della Scala, Der heilige 
F. von Sigmaringen (Mainz 1895). 

Fidelissimus (lat.), Allergetreuefter (Titel des 
Königs von Vortugal), j. Allergetreuejte Majeftät. 

Fidelitas (lat.), Treue; burſchikos auch foviel 
wie Beast (1. d.); F. feudälis, Lehnstreue. 

Fidelität (lat. fidelitas, eigentlih Treue, dann 
auch Luſtigkeit, ſ. Fidel), der zweite Teil eines Kom: 
merſes, der dem offiziellen Teile folgt, Der Präfi: 
dierende beitimmt den Anfang der F. dur den 
Auf: ‚om eller Rommers ex, Initium fidelitatis». 
Gemöhn I treten hiermit auch die offiziellen Prä- 
fiven ab, und ein durch Zuruf erwäblter alter 
Herr, ein Ehrenmitglied oder Gaſt übernimmt das 
Präfidium. 

Fideliter et coonstanter (lat.), Devije des 
Erneftinifhen Hausordens (f. d.). 

Fidemieren, Fidemierung, ſ. Vidimierung 
und KDepLaub gung. 

Fidenä, im Altertum eine etwa 8 km nördlich 
von Rom über dem Tibertbale gelegene Stabt, die 
von Sabinern gegründet fein joll, dann aber von 
den Etrustern bejegt wurde. Schon in der Königs: 

eit und den erften Jahren der Republit wurde viel: 
ab um die Stadt gelämpft. In rubigern Befis 
‚3 gelangte Rom wabrfcheinlic 474 v. Ehr. durch 
den auf 400 Monate mit den Etrusfern abge 
ſchloſſenen Waffenftillftand. Nachdem dieſer 445 
v. Chr. abgelaufen war, fam es wieder zum Kriege 
mit den Fidenaten, indem lektere von Nom ab» 
| —— N an Veji und den König Tolumnius an: 
| &lofjen und die röm. Gefandten ermordeten. F. 
| wurde 426 genommen und zerjtört. Seitdem wohn: 
ten nur wenige Anfiebler in dem Heinen Orte füd: 
lich von der alten, als Brüdenfopf verwendeten 
Isften Burg. Doch bat ibn Sulla wieder zum 
Municipium erhoben. Unter Tiberius ſtürzte in F. 
ein großes improvifiertes hölzernes Theater ein, 
das 50000 Zuschauer unter fi begrub. Jetzt liegt 
an der Stelle ver Burg von F. Eajtel ®iubbileo, 
identia,altröm.Stabt,\.Borgo San Donnino, 
idenza (Fidanza), Johann von, ſ. Bonas 
ventura, 

Fideris, Dorf und Bad im Bezirk Ober-Land— 
quart, Kreis Jenaz, des fchweiz. Kantons Graus 
bünden. Das Dorf liegt 17 km nordöftlih von 
Ebur, in 903 m Höbe, auf einer waldigen Anböhe 
an der linten Thalfeite des Prättigau, an ber 
Nebenbabn Fanpquart: Davos und bat (1900) 363 
deutihe evang. E. Das Bad liegt 1,5 km ſüdlich 
von demjelben, in 1091 m Höbe, von Wieien und 
Sannenwäldern umgeben, in der Schludt des 





668 


Fiderisbachs, beſteht aus zwei ältern Kurgebäu: 
den und einem Neubau (1874) und befigt drei 
eifenbaltige Natronfäuerlinge. — Schon 1464 ur: 
fundlih erwähnt, war das Bad F. vom 16. bis 
18. Jahrh. ein bejuchter Kurort. Infolge einer Ber 
ftörung durd Bergwafler von 1804 bis 1806 ge: 
1clofen, geriet eö etwas in Bergefjenheit, bis 1863 
das Bad in den Belis einer Afttengefellihaft über: 
ing, welche die jekige Straße beritellte, die Wild: 
äche eindämmte und Neubauten und Kureinrich— 
tungen anlegte. — Vgl. GſellFels, Die Bäder und 
Himatijchen Kurorteder Schweiz (4. Aufl., Jür.1898). 
Fides (lat.), Treue, Glaube; bona fides, guter 
Glaube, und mala fides, ſchlechter Glaube, |. Bona 
fides. PBerjonifiziert ward F. von den Römern als 
Göttin verebrt. Die Treue des röm. Volt (Fides 
publica oderpopuli Romani)hatteein Feitam1.Dtt. 
und einen fehr alten Tempel auf dem Kapitol, wo 
auch vorzugsmweije Urkunden völlkerrechtlichen In: 
lts, Verträge mit fremden Völkern u. vol. auf: 
wahrt wurden. Die Priefter, die dort opferten, 
umwanden die Hand mit weißen Binden, zum Zeichen 
der Heiligleit des Handſchlags. Die Göttin wird auf 
den Münzen der einge! ald würdige rau mit 
Übren und einem Fruchtkorb (oder auch mit Fullhorn 
und Schale) dargeftellt, oder an Stelle ihrer Figur 
tritt das Symbol der Göttin, zwei verjchlungene 
Hände. — F. beißt auch der 37. Planetoid. 
Fides punioa, joviel wie Graeca fides (f. d.). 
Fides salvifioa (lat.), der ſeligmachende 
®laube, j. Buße. 
Fidibus, mehrmals ern Knie, Bapier: 
keelen zum AnzündenvonZabalspfeifen u.f.m. Das 
ort ſoll Fid[elibus fratr]ibus («den getreuen Brũ⸗ 
— bedeuten, wie ein zu einer geheimen Tabaks— 
geſellſchaft Einladender auf einen Zettel ſchrieb, der 
nachher zum Pfeifenanzünden gebraucht wurde. Nach 
Grimms MWörterbud kommt es von fil de bois 
idius, |. Dius Fidius. [(Holzfpan). 
idji⸗Archipel, Ay nen 
idonla — — L., |. Riefernfpanner. 
idſchi⸗Ausſchlag, joviel wie Framböfie (f.d.). 
idſchi-Inſeln oder Fidji-Inſeln (engl. 
J i), richtiger Viti⸗oder Witi⸗-Archipel, engl. 
olonie, die umfangreichſte, fruchtbarſte und wert: 
vollſte Inſelflur Polyneſiens, liegt zwiſchen 15° 47’ 
und 21° 4° ſudl. Br., 176° 51° weitl. 2, bis 175° 38’ 
öftl. 2. von Greenwidh. Die 5: bejtehen aus etwa 
250 Inſeln, von denen 80 bewohnt find, und bebeden 
mit der Inſel Rotumah (f. d.) 20837 qkm. Die 
Mehrzahl ver Heinern find Korallenbildungen, die 
aud) als Klippen und Riffe die größern umgeben 
und die Schiffahrt erfchweren; die größern find vul: 
laniſchen Urjprungs, do hat man auch Sand: und 
Kalkiteine mit Verſteinerungen gefunden, die den 
Archipel ald Neite früberer 5* Feſtlands⸗ 
bildungen erſcheinen laſſen. Die größte Inſel iſt 
Viti Levu (f. d.), dann folgt nach NO. Banua Levu 
. d.), jene bevedt 11760, viele 6492 qkm. Die 
bönite ift Kandavu (560 qkm). Ebenſo groß iſt 
aviuni; die andern find Eleiner, meift nur wenige 
Quabdratfilometer groß. Sie bilden die Nafama: 
ruppe im W. die Biti:i:loma oder Central: Fipici- 
njeln in der Mitte und die Laugruppe im roh Zur 
lektern gehören die Ringgold: und die Erploring: 
injeln. Biti Levu erreicht 1290 m, Vanua Levu 
1260 m Höhe. (S.Nebentarte zur Starte:Dceanien.) 
Klima, Pflanzen: und Tierwelt. Bei reich— 
liber Bewällerung und dem echt tropifchen Klima 


Fides — Fidſchi-Inſeln 


iſt eine üppige Pflanzenwelt auf dem fruchtbaren 

oben angefiedelt, die über 1300 wilde Arten von 
Blütenpflanzen und Farnen zählt, darunter fait die 
Hälfte an eigentümlichen, jonft nirgends meiter zu 
eigen ormen. Bis zu den höchſten Ber len 

eigt eine ſchöne Palme (Kentia) mit 80 Fuß bobem 
Stamm auf, ein Navelbol; (Dammara vitiensis 
Seemann) gehört mit einem Podocarpus und Dacry- 
dium zu den bemerfenäwerteiten Waldbäumen. 
Kulturprodufte find hauptfählih Yams, Bananen, 
die in den bergigen Diitrikten oft in meilenlangen 
Alleen angepflanzt find, Kofosnüffe, Brotfrucht⸗ 
bäume, Zarofnollen von Colocasia, Zuderrobr, 
Baummolle, Mais, Tabak, Arrow:Root und etwas 
Kaffee. — Schweine, Hunde, Hühner und anderes 
Geflügel werden viel gezogen, Schweine find aud 
verwildert und eingeichleppte Ratten haben ſich uns 
ebeuer vermehrt. Die Vogelfauna iſt nicht arm; 
te enthält außer fosmopolitifch verbreiteten Raub: 
und — gt eine Reihe eigentümliher ſowie 
auftral. Arten: Sylvien, Fliegenthnäpper, Würger, 
Webervögel, Honigjauger (Meliphagidae), Blumen: 
pider (Zosterops), Eisvögel, Papageien, Tauben 
und fogar Großfußhuhner find vertreten, E3 finden 
fi einige Eidechſen und Schlangen, unter den letz⸗ 
tern —* eine eigentümliche Gattung. 

Bevölterung. Am J. 1901 wurden auf ben 5. 
und Rotumab 116684 E. gezählt, darunter 91019 
Gingeborene, 2447 Europäer, 17105 Inder, 1950 
Bolynefier, 2192 Rotumaber, 1504 Mijchlinge u. a, 
Die Eingeborenen (f. Tafel: Auftralifhe Pölter: 
toven, Sin 1, beim Artikel Auftralier) nebmen in 
antbropol. und fpradlicher Hinficht eine vermittelnde 
Stellung zwischen der ditl. und weitl. Samilie der ma: 
laiifich:pelgnefiihen Völker ein. Sie jind ein Mittel: 
ſchlag, größer und duntelfarbiger als die benadhbar: 
ten Inſulaner und von kriegeriihem Anjeben. Ihr 
wolliges Haar lafjen fie fih frübzeitig befenförmi 
ausbreiten. Wie an Tapferleit fehlt es ihnen au 
nicht an Scharffinn und ——— Fruher 
Gotzendiener und Menſchenfreſſer ärgſter Art und 
durch innere Raubzüge verwildert, find fie durch die 
Thätigteit ver Wesleyaniſchen —— jeßt fämt: 
lih dem Ehrijtentum gewonnen. Man zäblte (1899) 
94032 Wesleyaner und 9195 Ratholiten. Es befteben 
eine große Anzahlvon Kirchen, Kapellen, Shulen mit 
28697 Kindern und Miffionhäufern. Cine tech⸗ 
niſche Schule erhält ftaatlihe Unterftüsung. An der 
Spitze der Verwaltung jtebt ein brit. Gouverneur, 
ihm zur Seite ein gejeßgebenver Rat von 12 Mitglie⸗ 
dern; die Verwaltung im einzelnen in den 17 Diſtril⸗ 
ten führen 11 einbeimifche Oberhäuptlinge(Rolo Tui) 
und 6 europ. Beamte. Hauptitadt, früber Levuka, ift 
jest Suva auf Viti Levu mit vorzüglihem Hafen 
und 1073 europ. €. Die Einkünfte der Kolonie 
betrugen (1899) 98621, die Ausgaben 95568 Bir. 
St., doch wechſeln die Verhältniſſe feit 1875 ſehr 
bäufig. Die Schuld erreichte eine Höhe von 205076 
Bid. St., darunter 95476 Pd. St. Vorfhüfie vom 
Mutterlande. 

Handel und Berkehr. Im DVergleih zum Plan: 
tagenbau, der aber trok der Einwanderung unter 
dem Mangel an Arbeitsträften (Indier und Boly: 
nefier) leidet, ift die Viebzucht bisher (1899: 2083 
Pierde, 16940 Rinder, 995 Schafe, 9146 Angora- 
siegen) unbedeutend. a. liefert vor allem die 
Gegenftände zur Ausfuhr. Dieje betrug 1890: 
364533, 1899: 481856 Bid. St., und zwar Kopra 
(7617 t im Merte von 77330 Pfd. ©t.), Zuder 


Fiducia — Fieber 


(28403 t im Werte von 340603 Pfd. St.), Obſt, 
namentlich friihe Bananen und Ananas (30607 
Bid. St.), Erbnüfle u. a.; über die Hälfte des Wer: 
tes gebt nad Neufeeland. Die Kopraprodultion 
iſt 1900 nod bedeutend geftiegen (Ausfuhr 1900: 
15605 t). Die Einfuhr, zu zwei Dritteln aus Neus 
jübwaled, wird 1890 a 206 757, 1899 auf 
263044 Biv. St. bewertet. Wichtig find Belleis 
dungsgegenftände, Eijen und Eifenwaren, Brot: 
itofje und Biskuits, Kohlen, Fleischwaren, Reis, 
DI, Kurzwaren, Baubolz und neuerdings lebendes 


Bieb (1899 für 8292, 1900: 33 .St.). — 
Auch die Heck er ausſchließlich unter brit. 
Flagge, hat € ehr gehoben. 1899 verehrten in 
den Häfen Suva und Levula 130 Schiffe mit 


128 699 —A darunter 96 Dampfer mit 
115237 Regiſtertons. Regelmäßige Verbindung 
beſteht mit Neuſeeland, Tonga, Samoa und Neus 
ſudwales. 

Geſchichte. Der Archipel wurde 6. Febr. 1643 
von Tasman entdedt, 1773 teilmeife von Coot 
wieder aufgefunden, 1789 und 1792 von Bligh 
durdjegelt. Umfaſſendere Kenntnis verdankt man 
aber erit Dumont d’Ürville (1827) und der nord» 
amerif. Erpedition unter Wilkes (1840). Köni 
Thalombau bot 1858, um einer Züchtigung du 
die Vereinigten Staaten von Amerika zu entgehen, 
feine Herrſchaft der Krone England an. Allein die 
brit. Regierung lehnte 1861 dies Anerbieten ab, 
weil fie Ronflitte mit den übrigen Seemächten be 
fürdtete. Am 5. Juni 1871 ward Thalombau zum 
König der F. ausgerufen; aber bald jtellte ſich die 
Notwendigkeit heraus, die auf den Inſeln lebenden 
brit. Untertbanen zu fügen und den in ben bortigen 
Gewäſſern ftattfindenden Menſchenhandel zu unter: 
brüden, und jo wurden 30. t. 1874 die F. Ion 
eine engl. Kronkolonie erllärt. Dadurch, daß bie 
Kolon ierung allen vor 1876 gemachten Land⸗ 
täufen die Anerlennung verſagte, wurde eine Ans 
zabl deuticher me bäpdigt. Nach langen 
Fehdbinung von 11000 Ip. Gt.grjahlt.- Bat. Mer 

ädigung von 1 d. St. gezahlt. — e 
nide, Die Inſeln des Stillen — (2 Bde., Lpz. 
1875— 76); Cumming, At home in Fiji (2 ®be,, 
Evinb. 1882); Horn, A year in Fiji (ebd. 1881); 
Earey, The kings of the s (Melbourne 1891); 
Thomfon, iji for Tourists (Lond. 1897). 

Fiduola (lat., verdeutſcht: Fidũz), Vertrauen; 
Fiduciar (Fiduciarius), f. Fiduziar. 

Heit, der zuftimmende Gegengruß beim Trin⸗ 
ten auf Schmollis (f. d.). 

Fidus Achates, treuer Genojle, ſ. Achates, 
iduz, Verdeutſchung bes lat. Fiducia (. d.)., 
idnziär (lat.), Erbe, dem ein Fideilommiß 

Y d.) auferlegt ift; heute der Erbe, dem ein Erb: 
chaftsvermächtnis (f. d.) auferlegt ift, aud wenn 
er eö erjt nach jeinem Tode * 

Fieb., hinter naturwiſſenſ 
Abkürzung für Franz ZTaver Fieber, einen 
diterr. Botaniker und Entomologen, geb. 1. März 
1807 in rag, geit. 1872 in Chrudim. 

eber (Febris), eine franthafte Störung des 
Allgemeinzuftandes, bei welcher unter verjchiedenen 
allgemeinen Erſcheinungen die Eigenwärme bes 
Körpers 5* iſt als beim Geſunden, bei welchem 
fie 37,5° C. zu feiner Tageszeit uüberſchreitet. Nur 
die lung der Eigenwärme ift charalteriſtiſch für 
das Borhandenfein des %.; wo fie dauernd fehlt, darf 
F. nicht angenommen werden, aud wenn gewiſſe 


tatten bat. 
aftlihen Namen 


669 


andere Erſcheinungen, die erfahrungsgemäß ger 
möhnlich die fieberbaften Affeltionen begleiten, wie 
roſt, Durit, Mattigkeit, Pulsbeſchleunigung u. dal., 
ei dem Kranken wahrgenommen werden. Zu dies 
fen allgemeinen, die Temperaturfteigerung —* 
tenden Erſcheinungen gebört eine of beträchtliche 
Beichleunigung der Herzbewegungen und dadurch 
bedingte Vermehrung der Bulsihläge (um 10 bis 
40, ja ſelbſt bis 70 Schläge in der Minute): aud 
pflegt jehr bald eine erhebliche Steigerung der Atem: 
bewegungen einzutreten, durch welche bei Erwach— 
jenen die Zahl der Atemzüge in der Minute von 18 
auf 20 bis 40, bei Kindern von 28 bis 35 auf 60 
und mehr fteigen fann, ohne daß eine krankhafte 
Affeltion der Bruftorgane vorhanden zu jein braudt. 
Weiterhin fommt es zu mannigfachen nerpöjen 
fcheinungen: bei geringerm 5. lagen die Kranken nur 
über ein — Gefühl allgemeinen Unbeba» 
gen, über Unluft zu geiftiger Beihäftigung, Schwere 
und Eingenommenjein des Kopfes, Ropfichmerzen, 
über das Gefühl von Shwäde und Hinfälligkeit, fie 
—— unruhig und werden vielfach durch ängſt⸗ 
iche Träume geſtört; bei ſtärlerm F. treten ſehr oft 
Unruhe und Aufregung, Schlafloſigleit, lautes 
Sprechen und u. anhaltende Delirien mit 
deenflucht (jog. Fieberphantafien oder Fie: 
erbelirien), oft au Neigung zu Ohnmacht und 
Schwindel oder anhaltende Bewußtloſigkeit und 
Schlafſucht hinzu. Zu diefen nervöjen Störungen 
—— ſich mancherlei er an von jeiten des 
erdauungsapparats: Appetitlofigkeit, pappiger 
Geihmad, Verdauungsſchwäche, Stublverjtopfung 
und ebbafter Durſt; bei länger beitebendem F. wird 
die Ernährung in erbeblihem Maße beeinträdtigt, 
und e3 jchwindet nicht nur das Fett, fondern es 
werden auch die eiweißhaltigen Körperbeitanbteile 
verbraudt. Sehr häufig Tr gan das 5. mit einem 
ausgeiprodenen Froftgefühl, das ſich ſelbſt bis zum 
Schüttelfroit fteigern kann; während eines ſolchen 
ieberfroſtes jchaudert der Krante, wird von 
äbhnen, Zäbnellappern und Zittern befallen und 
atmet oberflächlich und rafcher, feine Haut ift kühl 
und bleib und bietet das charalteriſtiſche Ausſehen 
der Gänſehaut dar. Ein folder Fieberfroft dauert 
in der Regel nur kurze Zeit, eine Viertel: bis halbe 
Stunde und darüber, fann aber auch tagelang an- 
halten; gewöhnlich folgt hierauf ein lebhaſtes Hitze⸗ 
gefühl (Fieberhitze), wobei das Geſicht ftark ger 
rötet erſcheint, die Haut fih warm, felbft brennend 
beib anfüblt und ſich oft reichlicher Schweiß einftellt, 
er geiteigerten Schweißabjonderung entiprechend 
pflegt der Harn fpärlicher, fongentrierter und dunkler 
zu fein. Die Dauer des F. ift von den beſon— 
dern Krankheitsverhältniſſen abhängig, von einigen 
Stunden bis zu Wochen und Monaten ſchwankend. 
Da die geiteigerte Temperatur das einzige ſichere 
eihen ift, aus welchem das Vorbandenjein von 
. mit größter Beitimmtbeit bervorgebt, fo ift die 
nwendbung des Thermometers zur Meſſung der 
Körperwärme ER EMAMELeN) für die Erken— 
nung und Behandlung der fieberhaften Krankheiten 
von der größten — Die Wichtigleit der 
Thermometrie für die ärztliche Diagnojftik ift erſt 
verhältnismäßig fpät erlannt worden; denn wenn 
auch ſchon im 18. Jahrh. vereinzelte Ärzte (Boer: 
baave, van Swieten, de Haen) dem Verbalten der 
Eigenwärme im kranken Körper Beachtung geichentt 
batten, jo wurde doch erit jeit den fünfziger Jabren 
des 19. Jahrh. dur die grundlegenden Beobach⸗ 


670 


tungen und Arbeiten von Traube, Bärenfprung, 
Wunderlih und ihren Schülern die Thermometrie 
zu einer wertvollen wiflenihaftlihen Methode er: 
te Zur Mefjung der Blut: oder Eigenwärme 
edient man ſich ſehr genau gearbeiteter Queckſilber⸗ 
thermometer (f. Fieberthermometer), die man in die 
vorber von Schweiß gereinigte Achſelhöhle einlegt, 
worauf man dieſe durd feites Anlegen des Arms 
fließt. Zuverläffiger iit das Einlegen des Thermo: 
meters in den Maſidarm oder in die Scheibe, aud 
unter die Zunge kann das Thermometer gelegt wer: 
den. Das Thermometer foll wenigstens 10—15 Mi: 
nuten liegen bleiben und erft dann entfernt werben, 
wenn innerhalb 5 Minuten feine merkliche Steigung 
des Quedfilbers — erfolgt; man kann die Dauer 
der Meſſung dadurch etwas abkürzen, daß man vor 
dem Ginlegen die Quedfilberfugel vorfihtig über 
einem Lichte anwärmt. Abgelejen wird natürlich 
der Temperaturftand, jolange das Thermometer noch 
in der geſchloſſenen Achſelhöhle u. f. w. liegt; nur die 
fog. Marimalthermometer dürfen vor dem Ablefen 
entfernt werden. Zu erneutem Gebraud muß bei 
den Marimaltbermometern das Quedjilber durd 
Schleudern in die Kugel aurüdgebradht werben. Wie 
oft täglich derartige Temperaturmefiungen an dem 
Kranten vorzunehmen find, hängt von der Natur der 
betreffenden fieberhaften Krantheit ab; gewöhnlich 
find zwei tägliche Meſſungen binreihend, von denen 
die eine des Morgens zwiſchen 7 und 9 Uhr (zur Zeit 
der mutmahlich niedrigiten Temperatur), die andere 
inden Nachmittagsſtunden zwiſchen 4und6 Uhr (Zeit 
der mutmaßlich höchſten Temperatur) vorzunehmen 
iſt. Bei ſchweren Krankheiten kann es von großem 
orteil jein, die Eigenmwärme alle 2—4 Stunden 
durch' thermometriſche Meflung zu beitimmen. Bei 
länger anhaltenden Krankheiten pflegt man, um 
ein genaues Bild von dem Gange des F. zu erhal: 
ten, die fämtlichen Temperaturbeobadtungen auf 
einem Syſtem ſenkrecht fich ſchneidender Koordinaten 
mit Bunkten zu bezeichnen, die letern dur Striche 
u verbinden und 5 eine grapbiiche Darjtellung des 
Bieberverlauf, die jog. Temperatur: ober sie: 
erfurpe, zu geben, durch welche der Arzt oft ſchon 
auf den eriten Anblid bin über Art und Berlauf 
des F. und über die Notwendigkeit gewifler thera⸗ 
peutiicher Maßregeln je unterrichten fann. 

Nach der Höhe der beobachteten Temperatur un: 
tericbeidet man verjchiedene Grade des 5. Alle 
Temperaturen über 37,5° C. find als fieberbaft zu 
bezeihnen; Temperaturen zwiſchen 37,6 und 38° 
bezeihnet man häufig noch als jubfebril, obwohl 
itrenggenommen jede Temperaturjteigerung über 
37,8°, aleichviel in welcher Höhe, diefelbe Benennung 
sfieberbaft» verdient. Steigt die Temperatur über 
42° C. hinaus, fo ift dies ein Zeichen des heran: 
nahenden Todes (fog. prämortale Temperatur: 
—— Bisweilen tritt auch nach dem Tode 
(3. B. bei Hirnhautentzundung, Wundſtarrkrampf) 
noch eine erhebliche Steigerung der Temperatur ein 
poſtmortale Temperalurſteigerung). Die höchſte, 
überhaupt bei einem Lebenden kurz vor ſeinem Tode 
beobachtete Temperatur betrug 44,7°C. Die niedrig⸗ 
ften Temperaturgrade dagegen, welche bei Kranken 
gefunden wurden, betrugen 25° C.; man bezeichnet 
ein jo auffallendes, mit manderlei gefabrdrobenven 
Symptomen verbundenes Sinken der Eigenwärme 
als Kollaps (f. d.). 

Hinfihtlih des zeitliben Ablaufs des 
3. oder des Ganges der Eigenwärme mwäbrend 


Fieber 


der ganzen fieberbaften Krankheit unterſcheidet man 
häufig drei verfchiedene, mebr oder minder deutlich 
voneinander gelonderte Stadien: das Anfang: 
ſtadium, weldes fich entweder allmählich, unter 
itufentveifem Aniteigen der Temperatur entmwidelt 
oder ganz plöglich mit einem beftigen Froſt und 
— folgender rapider Temperaturſteigerung be: 
ginnt, das Stadium der Fieberhöbe (Alme 
oder Faftigium), der volliten Entwidlung des F., 
welches meift eine längere Dauer, von einigen Ta: 
gen bis 3 Wochen und darüber beſitzt und ſich da: 
durch auszeichnet, daß die Temperatur, abgejeben 
von kleinern Schwankungen, ſich während der gan: 
zen Zeit auf annähernd gleiher Höhe erhält, und 
endlid das Stadium der Abnahme oder Ent: 
fieberung (Defervescenz), während deſſen die 
erhöhte Temperatur dauernd wieder zur Norm zu: 
rüdtebrt. Diefe Entfieberung erfolgt entweder plöp: 
lih, in rafhem Zuge in Form einer jog. Krifis, 
wobei binnen wenigen Stunden die gefteigerte Tem: 
peratur und Pulsfrequenz zur Norm abfallen, der 
Kranke ſich ploßlich erleichtert fühlt, alle nervöjen 
Symptome verihwinden und ein rubiger, erquiden: 
der Schlaf ſich einitellt, oder nah und nad, in 
langfamerm Zuge in Form einer jog. Lyſis oder 
Löfung, bei welder die Temperatur Tutenmeife im 
Laufe einiger Tage, höchſtens einer Woche, bis zur 
Norm berabfintt. An das Stadium der Entfieberung 
reiht ſich Schliehlich das Stadium der Relonvalescen; 
oder Geneſung an, welche je nach der Schwere und 
Antenfität der vorausgegangenen Krankheit und je 
nad der Konititution des Kranken eine verfchieden 
lange Dauer in Anſpruch nimmt. 

Außer den eben beiprodhenen Stadien unter: 
ſcheidet man noch meiterbin gewiſſe topiiche Ver: 
laufäformen des F. ſog. Fiebertypen, durch welche 
die Art und Weiſe des Fieberverlaufs an mehrern 
aufeinander folgenden Tagen veranſchaulicht wird. 
Man unterſcheidet in dieſer Beziehung folgende 
vier Fiebertypen: 1) Das anhaltende oder ton: 
tinuterliche F. (Febris continua), welches tag: 
über nur ſehr geringe Schwantungen darbietet, fo 
dab der höchſte und tiefite Stand der Temperatur 
an einem Tage nidyt mebr ala höchſtens O,5° C. 
differiert; betragen die täglichen Temperaturfchman: 
tungen etwas mehr, etwa 0,5 bis 1°, jo pflegt man 
von einem fublontinuierliden F. zu ſprechen. 
2) Das nahlaffende oder remittierende 7. 
(Febris remittens), da& dadurch daralterifiert iſt, 
daß die täglichen Temperaturihwantungen mebr 
al einen Grad oder jelbit mehrere Grade betragen, 
und daß die höchſte Temperatur — in die 
— — die niedrigſte (die ſog. Remiſſion) in 
die frühen Morgenſtunden fällt. Dieſer Fiebertypus 
fommt ſehr häufig vor und iſt günſtiger als der 
vorige. 3) Das ausſetzende oder intermittie— 
rende F. (Febris intermittens), dejjen belanntejter 
Repräfentant das MWechjelfieber (f. d.) ift; es bejikt 
die Cigentümlichkeit, vaß bei ihm jFieberanfälle don 
PVarorysmen) mit völlig fieberfreien Intervallen 
(Apyrerie)in einer meift genau eingebaltenen Reiben: 
jolge abwechfeln. Bei einem ſolchen fieberanfall, der 
oft mit einem beftigen Schüttelfroft beginnt, fteigt 
die Temperatur gewöhnlich ſehr raſch innen 1—2 
Stunden, auf eine Höhe von 40 bis 41” C., erbält ſich 
auf dieſer Höbe einige Stunden und fällt dann mäb» 
rend eines Zeitraums von 8 bis 10 Stunden ftufens 
weiſe zut Normaltemperatur berab. Derartige Fieber⸗ 
anfälle können ſich entweder täglich einſtellen, jo daß 


Fieber 


vie ieberlofe Zeit kaum einen halben Tag dauert (jog. 
Quotidianfieber), oder alle 2 Tage, mit einem 
anzen fieberfreien Tag dazwiſchen (jog. Tertian: 
Neben), oder alle 3 Tage, mit zwei fieberlofen 
agen dazwiſchen (fog. Quartanfieber) u. j. w. 
Im allgemeinen ift die Gefahr eines folden inter 
mittierenden F. geringer als die eines nadlafjen- 
den oder gar a ee Fieberverlaufs, da der 
Körper fih während ver fieberlofen Zeit einiger: 
maßen erholen fann. 4) Das wiederkehrende 
oder relurrierende %. (Febris recurrens), eine 
jeltener vorlommende Fieberform, die ſich — 
auszeichnet, daß auf einen länger ſdurchſchnittli 
5—7 Tage) dauernden Fieberanfall eine ebenfo 
lange dauernde fieberfreie Zeit folgt, worauf plöß: 
lich und unerwartet jtatt der gebofiten Genejung 
ein erneuter Fieberparorysmus folgt. Am aus: 
geiprohenften findet ſich dieſer Fiebertypus beim 
109. Nüdfalltyphus (f. d.). Eine rudimentäre Fieber: 
form jtellt das fog. ephbemere F. (Febricula) 
dar, welches ſich durd feine außerordentlich Furze 
Dauer auszeichnet und troß feiner oft beträchtlichen 
Höbe (bis 40,5° C. und darüber) meift fhon nad 
wenigen Stunden, fpäteftens nad) einem Tage ohne 
weitere Zeichen einer Allgemeinjtörung und obne 
weitere Folgen wieder verſchwindet. Ein ſolches 
erbemeres F. entiteht gemöbnlich bei empfindlichen 
Berfonen (Kindern, — Retonvalescenten) auf 
gen geringfügige Veranlafjungen bin, welche bei 
äjtigern Individuen eine Störung der Konſtitu⸗ 
tion nicht hervorbringen. 
Abgejehen von den oben angeführten Fiebertupen 
t man von alters ber noch drei verſchiedene Fie⸗ 
erarten aufgeftellt, die durch das Üiberwiegen — 
wiſſer anderer Symptome einen eigenartigen Cha⸗ 
ralter darbieten: 1) Das entzundliche F. oder 
Reizfieber (Febris erethica), welches bei ausge 
dehnten ſchweren Entzündungen (wie der Lungen: 
und Rippenfellentzündung) und bei I kräftigen 
Perſonen vorlommt und fih dur hohe Bluttem: 
peratur, durch anbaltenden oder ſchwach nachlaſſen⸗ 
den Fiebertypus, harten, vollen Puls, lebhaft ge: 
rötetes Geficht, heftigen Durft, ftarljedimentierenden 
Harn, Unrube und Delirien des Kranten zu erfennen 
iebt. Die Ausſicht auf Genefung ift im allgemeinen 
eim entzündlichen F. günftig, vorausgeſetzt, daß 
ver Kranke hinreichend kräftıg ift. 2) Das ner: 
ndfe F. (Febris nervosa oder adynamica), welches 
fih vorwiegend bei zarten oder durch vorausgegans 
gene Bean geſchwächten oder durch das Alter 
erichöpften Berjonen vorfindet; es zeichnet ſich * 
roße Hinfälligleit und Schwäche, außerordentli 
ae fleinen Puls, [Hofes eingefallenes 
Geſicht, Delirien und Sclaflofigteit fowie durch 
ftarle Schweihe aus; troß der hoben Temperatur 
des Rumpfes füblen fi die Ertremitäten kühl an, 


und häufig befteht große Neigung zum Aufliegen 
(1. d.). N ee e ift bei diejer Fieberart in 
der Mehrzahl der Fälle ungünitig, weil der Kranke 


zumeijt außerordentlich erjhöpft und fein Organis⸗ 
mus nicht im ftande tt, die durch das 5. gejekten 
Störungen zu überwinden. 3) Das Zebrfieber 
oder hettiſche F. (Febris hectica), dag fich bei den 
verſchiedenſten Auszebrungskrantheiten, namentlich 
bei der chroniſchen Lungenſchwindſucht ſowie bei 
innern und äußern Eiterungen und Berjhmwärungen 
zeigt; e3 giebt ji gewöhnlich dadurch zu erfennen, 
das der Kranle trog guten Appetit3 und reichlicher 
Nahrungszufuhr auffallend abmagert und ficbtlich 


67] 


abzehrt. Gewöhnlich bietet das Stehen einen Star! 
und unregelmäßig nachlaſſenden iebertypus (hob: 
Abend: und niedrige Morgentemperaturen) dar; dei 
Kranke fröftelt, hat gerötete und heiße Wangen, 
beiße Hände, matte Augen, wird in der Nadı 
von starten und quälenden Schweißen mit dem nad: 
olgenden an roßer Ermattung befallen; auch 

ellen ſich nicht ſelten reichliche erihöpfende Dur: 
älle ein. Die Vorberfage ift meiſt ungünftig, weil 
das Zebrfieber meijt jehr lange andauert und daher 
auch mit einer beträchtlichen Konſumtion des Hör: 
pers verbunden ift. 

Die frage nad den eigentlihen Urſachen und 
der Entjtebung des F. bat von jeher das lebhafte 
Intereſſe der Srzte und Pathologen erregt, wurde 
aber erjt in den erſten Decennien des 19. Jahrh. 
dadurch weſentlich gefördert, daß die Anſicht der 
ältern Schulen, wonadh das F. eine eigenartige 
und jfelbitändige, nicht von anatom. Berände: 
rungen abhängige Störung der Lebenskräfte fei, 
durch Brouſſais, Schönlein u. a. wirkſam befämpft 
und der wichtige Nachweis geführt wurde, daß ſich 
bei fait jedem F. eine Örtliche Organerfrankung, ein 
Krankheitsherd auffinden läßt, von dem aus jo: 
dann dur Vermittelung des Blutes der Gejamt: 
organismus in der dem F. eigentümlichen Weiſe 
beeinflußt und verändert wird, Weitere Unter: 
fuhungen haben gelehrt, daß durch den Übertritt von 
fiebererregenden jog. pyrogenen Stoffen, vor allem 
dur die Bakterien und ihre chem. Stoffwechſel⸗ 
produfte eine eigentümliche Veränderung des Blutes 
bedingt wird, melde ihrerfeit3 wiederum eigen: 
artige Wirkungen auf das Nerveniyitem, insbe: 
fondere auf die Gefäßnerven und denjenigen Teil 
des Nervencentralapparats, mwelder der normalen 
MWärmeregulierung des tieriſchen Körpers voritebt, 
ausübt und dadurd (nad den Anſchauungen der 
meiften Autoren) eine ganz beträdtlihe Steige: 
rung der Wärmeprobuftion zur Folge bat. Die 
Ginzelbeiten diefes Vorgangs find noch nicht ge: 
nauer befannt; nur jo viel ſteht feit, daß durch 
das Fieberblut die Nerven der Gefäßwandungen 
und das im verlängerten Markt gelegene wärme: 
requlierende Nervencentrum übermäßig erregt und 
infolgedeſſen eine alle Gewebe bes Kür: 
pers mehr oder minder betreffende Steigerung des 
allgemeinen Stoffwechſels hervorgerufen wird. Da 
nun aber mit der vermehrten Wärm Dt 
wie im normalen Zuitande, eine vermehrte Wärme: 
abgabe Hand in Hand gebt, jo muß eine mehr oder 
weniger beträchtliche Überheizung des Blutes und 
fämtliher Organe und damit der ausgeſprochene 
Symptomenlompler des F. die unausbleibliche 
Folge fein, die fo lange andauert, als die pyrogenen 
(Nebererregenden) Stoffe im Blute cirkulieren. 

Hinfichtlich der Bedeutung des F. und feiner 
Folgen für den Gejamtorganismus ijt zu betonen, 
daß jedes F. an fich gewiſſe, nicht zu unterjhäßende 
Gefahren für den Körper mit ſich bringt, die um 
fo größer und ernftlicher find, je länger anhaltend 
und je fontinuierlicher fein Verlauf ift und je böbere 
Temperaturen dabei erreiht werden. Zunädjt er: 
Bi t dur die mit jedem anhaltenden F. verbundene 

elöleun ung bes Stoffwechſels und den erhöhten 
Eiweißumſaß eine beträdhtlihe Konfumtion und 
Entträftung des Körpers, weldye meiſt um fo ſchwie⸗ 
riger zu bekämpfen ift, als durch die gleichzeitia 
vorhandene Verdauungsſchwäche und Appetitlofin: 
keit die Nahrungsaufnahme häufig ſehr beichräntt 


672 


wird; weiterhin entitehen aber auch ſchwere Ernäb: 
rungsitörungen und patbol. Beränvderungen (jog. 
parenhymatöje Entartungen) der verſchiedenſten 
lebenswichtigen Organe, des Gehirns, der Leber 
und Nieren, des Herzfleiiches u. a., durch welche die 
befallenen Organe für ihre Verrichtungen mehr 
oder minder unfähig und wodurd unter Umjtänden 
—— Lähmung des Herzens oder des Gentralner: 
venſyſtems und damit plößlicher Tod herbeigeführt 
werden, Wegen viejer nachteiligen Wirkung auf 
die innern Organe find länger anhaltende F. immer 
als eine ernjte Gefahr für das Leben zu betrachten. 
Andererjeits ift aber nad modernen Anjhauungen 
das F. ald ein Heilungsvorgang zu betrachten, 
welcher dazu dient, die in den Körper eingebrungenen 
Schaͤdlichleiten infolge des gefteigerten Stoffwechſels 
raſcher auszuſcheiden. In dieſem Sinne wird das F. 
als «falutäre Realtion⸗ des Organismus ge en die 
eingedrungenen, fiebererregenden Schädlichkeiten 
angejeben, und namentlich find es die meiſt im F. an 
geh geiteigerten weißen Blutkörperchen, denen eine 
fämpfung der «jiebernoren» zugejchrieben wird. 
Die Behandlung der ieberfranten muß fi 
nad dem bejondern Kalle richten und gebt in der 
Regel mit der Behandlung der eigentlihen Krant: 
beit Hand in Hand, Entiprechend der vorhin be: 
zeichneten modernen Auffafjung von der Heilkraft 
des F. juht man nicht wie Früßer unter allen Um: 
ſtanden das F. durch fünftlihe Mittel zu befämpfen, 
jondern beftrebt ſich im allgemeinen, lediglich die 
Urfahen der fieberhaften Krankheit zu beleitigen, 
und greift gegen bas F. ſelbſt nur da ein, wo feitens 
übermäßiger oder langdauernder Temperaturfteige: 
rung dem Organismus Gefahr droht oder wo der 
Kranle unter Fieberwirtungen (namentlih über: 
mäßigem Higegefühl, nervöfen Störungen u. ſ. m.) 
bejonder leidet. Das Wechſelfieber wird durch 
Chinin ſicher geheilt, aber auch in andern Krank— 
eiten fann durch Chinin, Antipyrin, Antifebrin, 
alichlſaure und ähnliche Fiebermittel (j. Bl 
deren die Chemie neuerdings in übergroßer Zahl 
geſchaffen hat, die Temperatur vorübergehend er: 
niebrigt und damit gewiſſen, durch die Überheizung 
des Blutes berbeigeführten Gejahren wirljam ent: 
gegengetreten werben. Das fchnellite, wirkfamite 
und bei keehnubioer Anwendung in der Regel un: 
nadg e Mittel zur *66 der abnorm 
oben Temperatur iſt das kalte Bad, welches ſchon 
Ende des 18. Jahrh. von dem Engländer James 
Eurrie vielfad angewendet, aber erit jeit den neuer: 
lihen Empfehlungen von Brand, Bartels, Lieber: 
meijter, von Ziemſſen, Jürgenfen u. a. allgemein 
eingeführt worden ift und die Sterblichleitäziffer 
des Typhus und verfchiedener anderer ſchwerer 
en bedeutend berabgejest hat. Die 
nmwendung der falten Bäder richtet fih nach dem 
einzelnen Fall und muß ärztlich vorgeichrieben und 
tontrolliert werden, damit dem Kranten nicht Scha⸗ 
den zugefügt wird. Bei Kranlen, welche kalte Bäder 
nicht vertragen, wendet man an deren Stelle mit 
großem Vorteil kalte Einwidlungen an; ein großes 
Leintuch, doppelt oder vierfach gelegt, wird mit 
lauem oder kaltem Wafler durdträntt, gut aus: 
gerungen, auf einer wollenen Dede ausgebreitet 
und jodann der volljtändig entlleidete Kranke zu 
in das naſſe Tuch und dann in die wollene e 
eingeihlagen. Nah kurzer Zeit wird der ſtranke 
berausgenommen und wieder frifch eingemwidelt und 


dieganze Procedurjenad) der Höbe des vorhandenen 


Fieber 


nlih wie die falten Einwidlungen wirken talte 

bwaſchungen. 

Da das 3 bei Verletzten und Üperierten vor 
allem durh Störungen der Wundheilung bevinut 
iſt, fo ift bei 5. die Wunde einer genauen Unter: 
fuhung zu unterwerfen. Durch Bejeitigung 3. B. 
einer vorhandenen Eiterverbaltung wird oft das 
d. jofort befeitigt. \ , 

Hinfichtlich des allgemeinen diätetiſchen Ber» 
haltens ijt zu betonen, daß jeder Fieberkranke 
möglichft frübzeitig in vflege genommen werden 
und während der ganzen Dauer des F. das Bett 

üten muß. Starte Sinneseindrüde (Geräuſch, 

iht), pſychiſche Erregungen u. f. w. ſind von 
dem Kranken möglichft fern zu halten; jun Saget 
muß bequem und nicht zu warm, das Strantenzimmer 
(f. d.) jederzeit gut dentiliert und nicht über 16 bis 
17° C. temperiert fein. Mit bejondern Schwierig: 
feiten bat häufig die Ernährung des Fieber 
franten zu kämpfen, weil wegen der meiſt das 
nieberliegenden Verdauung und ter ungenügens 
den Abjonderung der VBerdauungsjäfte Eiweiß ſub⸗ 
tanzen und Fette in erheblihern Mengen von dem 
Fieberkranken nicht verarbeitet und verbaut mers 
den fönnen. Man befchränte fi deshalb auf das 
Darreihen von Mild und Schleimjuppen aus büns 
nem Gerſtenſchleim, Hafergrüge, Gried und ahn⸗ 
lichen leicht verdaulichen, —— ſog. Kohlen⸗ 
hydrate enthaltenden Nahrungsmitteln, melde — 
ee Cinmwirlung der ee afte einfad dur 
den Milhfäuregärungsprozek Ichließlich gelöft und 
in die Säftemajje aufgenommen werden können, 
vernadläffige aber auch nicht kräftigere NA rReie 
(Behajft, eiidbriben mit Ei, geihabtes Fleiſch, 
eichte Mebliveiien). Als Getränt dienen am beiten 
einfaches kaltes Wafler, Brot: oder Reitmafjer oder 
fäuerlihe Limonaden. Befondere Sorgfalt ift auf 
regelmäßige Stublentleerung zu verwenden, Bes 
wußtlofen Fieberiranlen find öfters einige Löfiel 
falten Waſſers in den Mund — ine wich⸗ 
tige Rolle in der Fieberbehandlung ſpielen endlich 
die Reizmittel (ſtarle Fleiſchbrühe, Wein, Cognac, 
ſchwarzer Thee), durch welche in Augenblicken der Ge⸗ 
fahr der Erjhöpfung oder Herzlähmung wirlſam bes 
geanet wird. Über die Verhütung des jog. Auf: oder 

urchliegens ſ. — — Bol. Wunderlich, Die 
Eigenwärme in Krankheiten (Lpz. 1868; 2. Aufl. 
1870); Liebermeifter, Über Wärmeregulierung und 
F. und: Über die Behandlung des F. (In Vollmanns 
«Sammlung kliniſcher Vorträge, Nr. 19 u.31, ebd. 
1871— 72); derf., Handbuch der Bathologie und The⸗ 
rapie bes F. (ebd. 1875); Senator, Unterfuhungen 
über den Ag pie Prozeß und jeine Behandlung 
(Berl. 1873); Cohnheim, Borlefungen über allges 
meine Bathologie (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1882); von 
Redlingbaufen, Handbuch der allgemeinen Patbo» 
lonie des Kreislaufs und der Ernährung («Deutiche 
Chirurgie», Lig.2 u. 3, Stuttg. 1883); Herz, Unter 
fuhungen über Wärme und F. (Wien 1893); Rabe, 
Die modernen Fiebertheorien (Berl. 1893); Ugbetti, 
Das F. (deutſch von Teufcer, Jena 18%); Lowit, 
Die Lehre vom F. (Heft 1 der ——— über 
allgemeine Pathologie», ebd. 1897); Witte, Das 
F. und die fieberbaften Krankheiten (Berl. 1898). 

Auch bei den Haustieren iſt das F. feine jelb- 
ftändige Krankheit, fondern nur — —— 
einer ſolchen. F. wird ausſchließlich bei jenen Kra 
beiten beobachtet, die durch Infeltionserreger (Bal⸗ 


Ir drei: bis fiebenmal nadheinander vorgenomnten. 
u 


Fieber (gelbes) — Fiedler (Heinrich) 


terien) erzeugt werden. Die Erſcheinungen des F. 
find Aufhören der Freßluſt, yeiträubtes, glanzlojes 
Haar, Mattigleit, wechſelnde Temperatur auf ber 
allgemeinen Rörperbede, jchnelleres Atmen. Häufig 
ift das Durftgefühl erhöht. Bei näherer Unter: 
fuhung findet man bejchleunigten Herzihlag und 
vermebrte Bulfe, hauptſächlich aber eine u enen 
Erhöhung der innern Körpertemperatur (Meſſen 
mittel3 eines in den Maſtdarm eingeführten Ther⸗ 
mometerd); diejelbe überfteigt die normale Grenze 
beim Pferde von 38,5° C., beim Rinde und Hunde 
von 39,5° C., beim Schweine von 40° C. Bei der 
Behandlung genoß in früherer Zeit der — 
eines großen Rufes. Jetzt wird derſelbe nur no 
angewendet, wenn es ſich darum handelt, im erſten 
Stadium der fieberhaften Entzündung eines Dr: 
gang, 3.3. der Zunge, dasjelbe von dem über: 
mäßig dabinflutenden Blute zu entlaften. Das $. 
ſelbſt betämpft man nicht mebr durch Aderlaß, weil 
man eingejeben bat, daß durch denfelben der mit 
dem FF. ſiets einhergebende Kräfteverbrauc in * 
Grade geſteigert wird. Die meiſten fieberhaften 
Erkrankungen haben einen regelmäßigen oder, wie 
man ihn auch nennt, typiſchen Verlauf, der durch 
die Anwendung von Fiebermitteln nur wenig im 
allgemeinen gejtört wird. Cine große Rolle ſpielt 
bei der heutigen Fieberbehandlung die Erhaltung 
des Kräftezuſtandes durch Anregung und Unter 
altung des Appetit, Diefes erreiht man dur 
ütterung von Kleie, Heu, Grünfutter und Verab⸗ 
reihung von jog. Mitteljalzen. Stets ijt für gute 
Luft zu forgen. Srreicht das F. eine fehr bedenkliche 
* ſo * man es durch kalte Umſchläge, Be: 
gießungen, Klyſtiere herabzudrücken. Innerlich giebt 
man als vorzügliches Fiebermittel, das zugleich den 
Zwed eines Kräfteſparmittels erfüllt, Wein oder 
llohol, und erſt wenn dieſe Verordnungen im Stich 
laſſen, pflegt man zu den wirklichen Fiebermedila— 
menten (Antipyrin, Antifebrin, Bhenacetin) zu grei: 








ieber, gelbes, f. Gelbes Fieber. fen. 
eber, Franz Xaver, ſ. Fieb. 

eberbruun, djterr. Dorf, ſ. Bd. 17, 
eberheilbaum, ſ. Eucalyptus. [thes. 


eberfice, Fieberkleeextrakt, ſ. Menyan- 
teberfrant, das Tauſendgüldenkraut (ſ. d. und 
Zajel: Contorten, Fig. 4). 
ieberfuchen (Placenta febrilis), die ſtark ver: 
größerte, oft brettartig harte und durch ausgetrete⸗ 
nen Blutfarbftofj ſchwarz pigmentierte Milz, wie 
fie durch langwierige Wechſel- und Sumpifieber 
entjtebt (f. Milztran beiten). 
eberfurve, ſ. Fieber. 
ebermittel —— diejenigen Heil: 
mittel, welche die krankhaft erhöhte Körpertempera: 
tur (f. Fieber) herabzuſezen vermögen. Sie wirken 
entweder dadurch, daß jie dem Körper direlt Wärme 
entzieben, wie die kühlen Bäder, die falten Ab» 
reibungen, Waſchungen und Ginpadungen, oder 
daburd, daß fie das Märmecentrum des Gehirns 
beeinfluffen und dadurch die Wärmebildung bes 
fchränfen. Hierber gehören die meijten mebitamen: 
—— F. wie das Chinin, die Digitalis, das Anti— 
febrin, das Antipyrin, das Phenacetin, das Sali— 
yrin u. a. Da die medikamentöſen F. unter Um— 
tänden unangenehme, ſelbſt nachteilige Nebenwir: 
tungen entfalten können e bedarf ihre Anwendung 
durchaus der ärztlichen fi erwachung. — Bal. Bun: 
zel, Die künftliben F. (Stuttg. 1898); Vatintty, 
Die Antippreje im Kindesalter (Berl. 1901). 
Brodbaus’ Konveriations-Leriton.,. 14. Aufl. R. A. VI. 


673 


ieberrinde, ſ. Chinarinde und Exostemma. 
ieberthermometer, die zur Beitimmung ber 
Temperatur des menschlichen Körpers befonders ein: 
gerichteten Thermometer. Sie umfafjen —— 
einen lleinen Teil der Celſiusſtala, in deren Mitte 
ſich die gewöhnlich durch einen roten Strich bezeich⸗ 
nete normale Bluttemperatur des Menſchen (37°) 
befindet. Die Grade des F. find in Zehntel einge: 
teilt, fo daß eine genaue Yblefun ermöglicht wird. 
Das Thermometer legt man meijt unter die Junge 
oder in die Achjelböble. In der Regel find die g 
Marimumtbhermometer. 
iebertropfen, |. Chinoibin. 
iecht, Abtei, j. Viecht. 
iedel over VBiole (gewöhnlich vom lat. fidicula 
abgeleitet; ſchon althochdeutſch fidula; ital. viola; 
frz. vielle), Streihinftrument, aus dem die kunft: 
vollere Violine (f. Geige) hervorging, bezeichnet jetzt 
eringmwertigere Biolinen; ebenjo Meier Violin: 
—* geringern Grades und Standes. 
Fiedelbogen, der Bogen bei Streichinſtrumen⸗ 
ten; auch das zur Umdrehung der Bobrrolle dienende 
Gerät (f. Bohrer). —— Blattes. 
iederblättchen, die einzelnen Blättchen des 
iederförmig, ſ. Blatt nebſt Tafel, Fig. 21a. 
ederpalmen, j. Palmen. 
tedler, Bernhard, Maler, geb. 23. Nov. 1816 
in Berlin,warSchülerdes Marinemalers W. Kraufe, 
ing mit — des Königs Friedrich Wil: 
elmIV. 1843 nach Italien und erbielt bier 1849 Auf⸗ 
träge vom Raifer Franz Joſeph (Anſicht von Trieſt) 
wie von deſſen Bruder Brgberaog Karl Ludwig, dem 
Minifter Kolowrat (Diocletianpalaft von Spalato) 
und dem Statthalter Graf Wimpffen. Der König 
—— ihn auch 1853 nad) Konſtantinopel; von bier 
egab er fich nad Kleinafien, Syrien, PBaläftina 
und Ügypten bis zum erjten Niltataralt. 1855 bes 
gleitete 14 den Herzog von Brabant (jekigen Köni 
der Belgier) in den Orient, befuchte dabei au 
Griehenland und Süditalien. 1864—82 bereite er 
wieberbolt Agypten und ließ fih dann in ... 
der, wo er 29. März 1904 ftarb. Bon feinen Land» 
ſchaftsbildern befindet ſich in der Berliner National: 
galerie eine Anfiht von Pola in Jitrien (1846), 
im Hofmufeum zu Wien die große Anjicht von Kairo 
rent im Wallraf:Mufeum zu Köln die Granit: 
rüche der alten Äghpter bei Alfuan (1873); ferner 
find zu nennen: Sonnentempel von Baalbel (1872), 
Serufalem vom Ölberge geſehen (1879). 
Fiedler, Heinrib, Schulmann und Mineralog, 
eb. 10, Febr. 1833 zu Neiſſe, — Naturwiſſen⸗ 
[haften und Matbhematit zu Breslau, wurde 1854 
ebrer am Realgymnafium zum heiligen Geift, 1876 
Direltor der neuen ——— (jeigen Oberreal⸗ 
und Baugewerkſchule) daſelbſt. Daneben war er ſeit 
1855 Kuſtos am Mineralogiſchen Muſeum der Bres⸗ 
lauer Univerfität. Als Gründer des Schleſiſchen Cen⸗ 
tralgemwerbevereind nahm er ven regiten Anteilander 
Draanifation der gewerblichen Fortbildungsihulen 
Schleſiens. 1878 war er Mitglied der in Berlin ab: 
gebaltenen, über die Einrichtung der Gewerbejchulen 
in Preußen beratenden Schullonferenz, ebenjo ber 
vom preuß. Minifterium einberufenen Berjamm: 
lungen für die Organifation der technifhen Mittel: 
fhulen und Baugewerkſchulen. 1890 wurde er vom 
Raifer zum —*1* der großen Schulkonferenz, im 
Yan. 1891 zum Mitglied des Siebener-Ausſchuſſes 
jur Reform des höhern Schulweſens beitimmt, mo er 
ejonders die Förderung der lateinlofen Schulen vers 


43 


674 


trat. Im a 1891 wurde er zum aufßerorbent: 
lihen Mitglied der ftändigen Kommiffion für das 
technische Unterrichtsweſen ernannt. F. ſtarb 22. Jar. 
1899 in Breslau. Bon feinen Schriften find zu er: 
mähnen: «Die fojfilen Früchte der Steintoblen: 
formation» (Bresl. und Bonn 1857), «Die Minera: 
lien Schlefiend» (Bresl. 1863) fomie Aufſähe über 
die technischen und realiftiihen Schulfragen. 

Fiedler, Dttomar, Yurift, geb. 12. Juli 1831 in 
Dresden, aeit. 17, April 1886 als Stadtrat in 
Zwidau i. ©., befannt durch feine mujtergültigen 
und preigefrönten Schriften: «Die deutiche Frei: 
willige Feuerwehr» (Chemn. 1870); «Geſchichte der 
deutſchen Feuerloſch· und Nettungsanitalten» (Berl. 
1873); «Grundzüge der Organifation der Feuerlöjch: 
und Rettungsanftalten» (Z3wickau 1877) u. a. 

Field (ſpr. fiblv), Cyrus Weit, der Urheber der 
— telegr. Verbindung zwiſchen Europa und Ame⸗ 
rifa, geb. 30. Nov. 1819 zu Stodbrivge in Mafja: 

uſetts, fam in feinem 15. Jahre als Yehrling nad 

euporf, wurde ſpäter der Leiter eines größern Han: 
delshauſes daſelbſt, 309 ſich aber 1853 vom Geſchäft 
jurüd. Seitdem widmete er feine ganze Thatlraft 
der von F.N. Gisborne angeregten Legung eines 
unterjeeiihen Kabels zwiſchen den beiden Kontinen⸗ 
ten (f. aud) Telegrapbenleitung). Die Legung eines 
Kabels auf amerit. Seite durch den St. Lorenzbuſen 
wurde im Aug. 1855 dur einen Sturm vereitelt, 
im Juli 1856 glüdte fie; nun gründete F. noch im 
jelben Sabre in London die Atlantiſche Telegraphen: 
compagnie und unternahm mit Eb. T. Brigbt (ſ. d.) 
1857 und 1858, von der engl. und amerik. Regierung 
unterftüßt, zweimal vergebend die Legung eines 
Kabels; erit 1858 gelang fie, indeſſen vermochte man 
auf diefem Kabel nur vom 16. Aug. bis zum 1.Sept. 
zu telegrapbieren. Es dauerte 7 Jahre, bis 7. 
an die Legung eined neuen Kabels gehen konnte; 
allein auch diejes riß 2. Aug. 1865 während der Le: 
gung, nachdem es bereits 1900 km weit erfolgreich 
nelegt war. Erſt im Juli 1866 — das Unter⸗ 
nehmen vollſtändig, und einen Monat ſpäter fiſchte 
der Great-Eaſtern, der als Transportſchiff diente, 
das verlorene Kabel von 1865 wieder auf und er— 
gänzte ed. Nach 1876 beteiligte F. ſich an der Errich— 
tung der Neuyorker Hochbahnen, der Kabelverbin— 
dung zwiſchen San Francisco und den Sandwich— 
infeln und andern Unternebmungen. P tarb 12, Juli 
1892 zu Ardsley (Neuyort). — Bal. Judſon (as 
bella Field), Cyrus West F. (Neuyort 1896). 

Field (ipr. fihld), David Dudley, norbamerif. 
Juriſt, geb. 13. Febr. 1805 zu Haddam im Staate 
Connecticut, ließ fih 1828 in Neuyork nieder, wo 
er zu den bedeutendſten und gefuchteften Advolaten 
aebörte und 10. April 1894 jtarb. Sein Hauptver: 
dienſt ift die Ausarbeitung von Codices für das 
Eivil: und Strafrecht, die in Neuyork zum Zeil, in 
Kalifornien und Dakota gänzlich ald Normen ange: 
nommen wurden und das Prozeßverfahren verein: 
fahten. ferner baben auf dem Gebiete des Völler: 
recht? feine «Draft outlinesof an internationalcode» 
(2. Aufl., Neuyort 1876) die Geſellſchaft für Reform 
und Kodifizierung des Vollerrechts mit herbeigeführt, 
Gine Sammlung feiner kleinern Schriften gab er 
1884 heraus: «Speeches, arguments and miscella- 
neous papers» (2 Bde., Neuyorf). 

Field (ipr. fiblo), John, engl. Pianiſt, geb. 
26. Juli 1782 in Dublin, erbielt von feinem Groß: 
vater Unterricht im Klavierjpiel und erlangte feine 
höhere muſilaliſche Ausbildung unter Elementi in 


Fiedler (Ottomar) — Fielding 


London. Diefer führte ihn felbit in die Öffent: 
lichleit ein und trat mit ihm zugleib um 1798 in 
Paris auf. Als 1802 Elementi feine große Reiie 
durch Frankreich, Deutſchland und Rußland antrat, 
wurde F. Begleiter feines Meifters und blieb in Ruf: 
land bis 1832, in welchem Jahre er auf einer großen 
Kunftreife England, Frankreich und Ftalien durchzog; 
von Neapel 1835 nad Rußland —S— itarb 
er 11. Yan. 1837 in Moskau. Obgleih 5. außer: 
ordentliche Birtuofität befaß, ging er doch weniger 
darauf aus, a a au au zeigen, ala vielmebr 
den melodiihen Gehalt der Tonjtüde durch empfin- 
dungsvollen Vortrag auszuprägen, wobei ihm fein 
ſchöner Anſchlag febr zu ftatten fam. Seine nit 
zablreihen Tonwerle, darunter al die umfang: 
reichiten fieben Konzerte, ein Quintett und drei So: 
naten, zeichnen fih weniger durch barmonifce 
Tiefe als durch edeln Geſang aus. Durch feine fog. 
(18) Notturnos begründete er eine neue Gattung 
der Salonmufil, die in den «Liedern obne Worte» 
von Mendelsſohn und in Ehopins Notturnos be 
deutende Erweiterung erfahren bat. 

Fieldia, j. Teatbol;. 

Fielding (ipr. Kolb), Antbony Vandylke Eoplen, 
engl. Nquarellmaler, geb. 1787 zu London, war Ehür 
ler feines Vaters, des Porträtmalers Theodore F. 
und ftiliftifch noch vielfach im Geifte feiner Zeit be 
fangen ; er malte meiftenteils gut —— im Ton 
— Landſchaften, welche in England noch heute 

oc geſchätzt werden. Die Geſellſchaft der Londoner 
Aquarellmaler wählte ibn 1831 zu ihrem Präſi— 
denten, welche Stelle er bis zu feinem 3. März 1855 
in Brighton erfolgten Tode bekleidete. 

Fielding (ſpr. fiblo-), Henry, engl. Dichter, 
aeb. 22, April 1707 zu Sharpham: Bart in Eomceriet, 
ftammte aus der Familie der Grafen von Denbigb. 
Seine Bildung erhielt er in der Schule zu Eton 
und auf der Univerfität Zeiden, lehrte aber vor 
beendigten Rechtsſtudien nad London zurüd und 
fhrieb nun für die Bühne. Der feinen beiden er: 
ften Stüden «Love in several masks» und «The 
Temple beau» zu teil gewordene Beifall blieb ihm 
nicht treu, und von den fämtlichen, 1727—36 zur 
Aufführung gelommenen 23 Luftipielen und Poſſen 
find außer der tragifchen Burleste «Tom Thumb» 
höchſtens no «The mock doctor» und « The in- 
triguing chamber-maid» befannt. Auch feine polit. 
Streitihriften und —— wurden wenig be⸗ 
achtet. Erſt mit dem Roman «Joseph Andrews» 
(2Bde. Lond. 1742; deutich von Dertel, Meif. 1802; 
von — Braunſchw. 1848) betrat er die 
Bahn litterar. Rhms. Durch «Tom Jones» (Lond. 
1749; deutſch von Bode, 6 Bde., Lpz. 1786 - 88; 
von Ludemann, 4 Bde. ebd. 1826; von Diezmann, 
6 Bde., Braunſchw. 1848; von Randolf für Reclams 
«Univerfalbibliotbet») erhob er den Roman zu 
Haffiiher Höhe. Schwächer iſt «Amelia» (4 Bde., 
Lond. 1752). F. war Schaufpieldireftor, Landwirt, 
Sachwalter und Journalift geweſen; ſchließlich Frie⸗ 
densrichter, und als ſolcher ſchrieb er Romane, die 
durch reiche Erfindung, Kraft und Wahrheit in der 
Charalterzeichnung und eine ſeltene Kenntnis des 
menschlichen Herzens und der Zeitverhältniffe fefieln. 
dur Herjtellung feiner Gejundheit ging er nab 

ortugal; unterwegs fchrieb er eine unvollendete 
«Voyage to Lisbon» (Fond. 1755; neue Ausgabe 
von A. Dobfon, ebd. 1892). Er ftarb 8. Dit. 1754 
zu Liffabon. Seine nefamten Schriften erſchienen 
in Sondon 1762 (4 Bde.), 1784 (10 Bde.), 1808 


Fiepen — Fiesco 
(14 Bde.), 1851 (2 Bde.); in der Edinburgher «xNo- 


velist’s Library» (1821 u. d.) mit biogr.:tritifcher 


Einleitung von W. Scott, von Th. Roscoe (1840 | 


u. d.), von Bromne (2 Bode,, 1871), von Goſſe (2 Bpe., 
1898). — Vgl. Lawrence, Life and times of F. 
(Lond. 1855); Thaderay, The English humourists 
(ebd. 1858 u. d.); A. Dobfon, in den «English men 
of letters» (ebd. 1895); Lindner, Henry 3.8 dramat. 
Werte (Dresd. 1895). 

Fiepen, der Angftruf der jungen Rehe und der 
vom Bod in der Brunftzeit gebesten Schmalrebe. 
(S. Blatten.) 

Fiöra.(ital.), — Sofrmark: ieränt, Kauf 
mann, der die Meile beziebt; Händler. 

Fierabras (vd. i. fier A bras), ein heidn. * 
der Held eines deutſchen Vollsromans. Dieſer 
beruht unmittelbar auf einer franz. Proſafaſſung, 
der aber in Frankreich ſchon eine altfranz. und 
eine provencal, Dichtung vorangeht (provengas 
lifih «Der Noman von %.», m von mm, 
Belter, Berl. 1829; franzöfifch bg. von Kroeber und 
Servois in «Anciens poetes», $. 4, Var. 1860). 
Der Kern des deutfchen Vollsbuchs (be: von von 
ber Hagen und Büſching im «Buch der Liebe», Berl. 
1809; erneuert in Simrods «Boltsbüdhern», Nr. 30, 
Frankf. 1849) ift der fiegreihe Kampf Oliviers mit 
dem edlen Rieſen %.; als Dlivier diefen eben ge 
fangen nehmen will, widerfährt ihm das Gleiche 
durch eine heidn. Ubermacht; Karl läßt ihn durch 
feine Baladine befreien, deren einer, Guy von Bur- 
gm; F. Schweiter Floripes —— Der Stoff 

ſt in Calderons «Brüdevon Mantible» dramatiſiert. 

Fiöramente (ital.), in der Muſik ſoviel wie 

»Fierant, j. Fiera. [beftig, wild. 

Fiörasfer, Fiſchgattung, ſ. Sanbaale, 

Fieren, das Herablaffen einer Laſt, 5. B. einer 
Stenge, einer Rabe, eines Segel, aus der Talelung 
mittelSeines Taues oder einer TZalje; gleichbedeutend 
iſt abfieren, auffieren, wegfieren. 

iefch, Dorf im Kanton Wallis, ſ. Viech. 

ieſcher Gletſcher, ß Vieſcher Gletſcher. 

ieschi (fpr.fiesti), Joſephe Marie, bekannt durch 
den 28. Juli 1835 unternommenen Mordverſuch auf 
Ludwig Philipp. Geboren 1790 zu Murato auf Cor: 
ſica, madte F. den Feldzug 1812 nah Rußland 
mit, nahm dann an der Erpedition zum Zmede der 
Wiedererbebung Murats auf den Thron von Neapel 
teil, wurde aa zum Tode verurteilt, aber 
als franz. Unterthan begnabigt. 1816 wegen Ur 
fundenfälihung zu —— Gefängnis verur⸗ 
teilt, begab er id bei Ausbruch der Yulirevolution 
1830 nad Paris, wo er bei der Polizei eine An: 
ftellung erbielt, aber wegen Beruntreuungen ent: 
laſſen wurde und in der äußerften Not den Blan 
abte, den König zu töten. Von einem Haufe des 

oulevard du Temple ſchoß er aus einer Art Mi: 
trailleufe, bergeftellt aus 24 verbundenen Gewehr⸗ 
läufen, J den zur Revue vorbeireitenden König, 
der aber jelbft nur leicht an der Stirn verlegt wurde, 
mäbrend 18 Perſonen feines Gefolges, darunter 
Marſchall Mortier, jofort tot blieben und 22 ſchwer 
verwundet wurden; er wurde fofort ergriffen und 
mit zwei feiner — — Morey und Pe: 
pin, 16, Febr. 1836 guillotiniert. — Bol. Le procds 
de F. (3 Bde., Par. 1836); Du Camp, Les an- 
c£tres de la Commune. L’attentat F. (ebd. 1877); 
Der Neue Bitaval, Bd. 15 (Lpz. 1850). 

Fiesco (jpr.fies-,eigentlih de’ Fieschi), Grafen 
von Lavagna (ſ. d.). Ihr Geſchlecht ift vielleicht ger: 


675 


man. einge und läßt ſich zuerft 994 nachweiſen. 
gi" ihren Zehen im Gebiet von Parma, Piacenza, 
unierwarben fie Naja, Carrara, Bonbera, Vercelli, 
Güter in Umbrien und im Neapolitanijcben und be: 
faßen zahlreiche Herrſchaften in Ligurien. Der Kirche 
aben fie 30 Karbinäle und 2 Bäpite, Innocenz IV. 
1243—54) und Hadrian V. (1276), der fih außer 
der hg der legten Hobenftaufen nichts an: 
gelegener fein ließ als die Vermehrung des Reich: 
tums und der Macht en Familie, Sie dienten 
unter andern ala Feldherren und Admirale Genua 
fowie Mailand, $ orenz und der Kirche; einer (Bar: 
— wurde berühmt als Begleiter des Colum: 
bus, Ihr Geſchlecht, das ſich mit europ. Dynaſtien 
— erloſch im 19. Jahrhundert. 
enua befämpften die F. 1110—32; beſiegt traten 
ie 1198 in den Stadtadel ein unter Annabme des 
uürgerrechts, nachdem fie ſchon 1150 dort einen 
Palaſt zu bauen begonnen hatten. Als entfchiedenfte 
ital, Guelfen jtanden fie neben den Grimaldi und 
Fregofi an der Spige der Feinde der Doria und Spi⸗ 
nola in Öenua und bildeten in ihrem Ringen um die 
Herrſchaft über die Stadt für Frankreich das Wert: 
zeug zu deren Unterwerfung, wie es die Doria für 
die Raifer und Spanien waren. — Das belanntefte 
Glied der Familie ift: 
Giovannikuigide' Fieshi, GrafvonLa— 
vagna, 1523—47, Eiferſuchtig auf Andrea Doria 
(f.d.), fuchte er mit Franz I. zuerjt durch Gefare Fre 
goe Berbindungen anzufnüpfen und trat dann wirk⸗ 
ich in Beziehung mit Im durch den Geſandten Buil- 
laume du Belay; ebenjo wurde Pietro Luigi Farnefe 
und der Bapft Baul III. ins Verſtändnis gezogen. 
Neben Giovanni Luigi F. ftand an der Spike der 
Verſchwörung Vincenzo Ealcagno, aan Sacco 
und m. Verrina. Die erfte Warnung er: 
—* Andrea Doria von ſeiten des kaiſerl. Ge— 
andten, welchen der Gobernador von Mailand auf 
die Rüftungen des Pier Luigi Farneſe (f. d.) auf: 
merffam machte. In der Nacht des 2, Yan. 1547 
begannen die Verſchworenen die mwohlvorbereitete 
Unternehmung; aber ein a machte ihr ein 
plögliches Ende: Giovanni Luigi, welcher Verrina 
auf das —— im Hafen folgen wollte, 
ürzte von der Planfe und verſank mit feiner 
chweren Rüftung. Seine Partei, die jein Ber: 
chwinden ſich in der en zunächſt nicht er: 
lären konnte, jegte unter yührung von Geronimo 
5. und Berrina ihr Wert fort; Gianettino Doria 
wurde erjhlagen, fein Dbeim Andrea Doria war 
bereit3 nad Seftri geflohen. Allein die einbeit: 
lihe Leitung — und als Giovanni nu 
Verſchwinden befannt wurde, zogen fi die Ans 
bänger von Geronimo zurüd, nur wenige hielten 
bei ihm aus. Ihnen ficherte der Senat freien Ab: 
zug zu, während mit Berrina ein anderer Teil fi 
zur See auf die Flucht begeben hatte, Endlich wurde 
auch 5.3 Leihnam im Hafen aufgefunden, und als 
fo die legten Befürchtungen verfiogen waren, be 
gannen die Be eier gegen die Fieschi und 
ihre Anhänger; ihre Familie irrte feither arm und 
vaterland3los in Jtalten, Eorfica und der Provence 
umber; der jüngite Bruder Giovanni Luigi F.s 
entfam nad Frankreich und gründete hier die Linie 
Fiesque; der Verfolgung entging auch Cleonore 
Eybd, Giovanni Luigi 5.8 Gemahlin. Die Fa: 
milie_der F. ift erlofhen. — Die Verſchwörun 
des F. ift in Dichter: und Geſchichtswerlen vi 
fach, zum Zeil aber mangelhaft behandelt worden. 
43* 


676 


u nennen find von erftern außer Schillers Trauer: 
piel die Tragödie «Fiesque» von J. 3. A. Ancelot, 
welche der wirllichen Geſchichte widerfpricht, und 
der Roman des Giov. Gampiglio «Il conte di 
Lavagna» (Mail. 1822); von Geſchichtswerken find 
erwäbnenäwert: A. Mascardi, «La congiura di 
F.» (Antw. 1629), wovon Kardinal Retz einen 
ſchwachen Abllatich geliefert; Spinola, «Documenti 
ispano-genovesi dell’archivio de Simancas» (in 
den «Atti della Societä Ligure di storia patria», 
Br. 8); Neumont, «Eleonora Eybd und ihre An: 
ebhörigen» (in den «Beiträgen zur ital. Gejchichter, 

d.4, Berl. 1855); Brea, «Sulla congiura del conte 
G.L. Fieschi» (Genua 1864); Canale, «Storia della 
repubblica di Genova 15283—50, ossia le congiure 
dei Fieschi e Cibo» (ebd. 1874); Garozzo, «Nuovi 
documenti sulla congiura del Conte G. L. F.» 
Tage 1886); der trefflihe Auffag_ von Belarano 
m «Archivio storico italiano», Ser. III, Bo. 4, 
©. 216; Staffetti, «La congiura del F. e la corte 
di Toscana: documenti inediti» (Genua 1891). 

Fieſer, Emil, liberaler Bolitifer, geb. 8. April 
1835, ftudierte in Heidelberg und Freiburg die 
Rechte, wurde 1864 Amtäörichter in Offenburg, 1868 
Staatdanmwalt in Villingen, 1870 in gleicher Eigen: 
ſchaft nad Konſtanz verjekt, 1879 Landgerichts: 
rat in Karlsruhe, 1882 erſter Staatdanmwalt, 1890 
Landgerihtödireltor dajelbit, 1899 Landgerichts: 
präfident in Freiburg i. Br. 1873—1901 war F. 
Abgeordneter im bad. Landtag, wo er bald zu den 
Führern der Nationalliberalen gehörte. Insbeſon— 
dere auf dem Gebiete der Kirchenpolitit befämpite 
& der ſelbſt Alttatholit war, in der vorveriten 

eihe die Aniprüche des Klerilalismus. Dem Reiche: 
tage gebörte 5. 1887—90 für Karlsruhe⸗Bruchſal an. 
Er ftarb 28. Yan. 1904 in Freiburg i. Br. 

Fieſole, Stadt in der ital. Provinz Florenz, 
mit Florenz (7 km) durch eine villenbefekte Straße 
und eleltriſche Bahn verbunden, in 295 ın Höhe auf 
einem Hügel, deſſen Gipfel an Stelle der alten 
Burg ein BERNIE RDERANE mit berrliher Ausficht 
trägt (f. Nebenlarte zum Blan: Florenz), ift Net: 
denz des Jejuitengenerald und Siß eines Biſchofs 
und bat (1901) als Gemeinde 17176 E. eine Ha: 
thedrale ———— jest renoviert, eine brei: 
ſchiffige Baſilila mit ſchönen Fresken und Reliefs, 
einen biſchöfl. Palaſt, Jeſuitenlkolleg und zwei alte 
Kirchen, Sta. Maria Primerana (10. Jahrh.) und 
Sant’ Aleffandro mit 15 antilen Säulen, Refte 
etrusl. Mauern, röm. Bäder und eines Theaters 
19 Sigreiben); Steinbrüche und bedeutende Stroh: 

echterei; 1 km entfernt Badia bi F. ein 1028 ge 
gründeteö, von Brunelleschi neu erbautes Klojter 
mit fchöner Loggia. E3 war zeitweife Aufenthalt 
Picos von Mirandolaund ift jegt adlige Erziehungs: 
anjtalt. — Faesulae war einer der bebeutendern 
Orte Etruriend undeine der 12 Bundesftätten. Die 
Nömer erlitten bier 225 v. Chr. durd die Gallier 
eine Niederlage. Sulla folonifierte F. mit feinen 
Veteranen. Später wurde ed Hauptwaflenplak Ca: 
tilinas, Stiliho ſchlug bier 405 n. Chr. 200 000 
Bandalen, Alanen, Sueven und Burgundionen 
unter Nadagais. Die Stadt wurde 539 von Belijar 
belagert und 1010 von den Florentinern einge: 
nommen und zeritört. 

Fiefole, Fra Giovanni Beato Angelico da, mit 
feinem weltliben Namen Guido da Pietro, oft 
nur Fra Angelico genannt, ital. Maler, geb. 
1387 zu Vicchio im Gebiete von Mugello, trat 1407 


Tiefer — Fieſole (Mino da) 


mit feinem, als Miniaturmaler wirkenden Bruder 
8 Fieſole bei Florenz in den Dominikanerorden. 
Die kirchlichen Streitigkeiten, namentlich der Zwie— 
—F bei der Papſtwahl, jtörten auch den Frieden 
eines Kloſters, infolgedeſſen ſich F. — einer läns 
ern Wanderung genötigt fab. In Eortona, wor 
elbjt in San Domenico jeine Thronende Madonna 
mit vier Heiligen und Engeln nod erhalten ift, 
Siena und andern Orten mweilend, lernte er bes 
onders den reihen Zauber der Sienefer Schule 
ennen, die feinem verwandten, tiefpoet. Gemüt 
eine beitimmte Richtung gab. Als dann die Brü- 
derichaft in dem von den Mediceern errichteten 
Klofter San Marco in Dr feit 1442 eine blei« 
bende Stätte gefunden, ſchuf 5. bier die herrlichſten 
jener von lauterfter Andacht und Herzensinnigfeit 
ejeelten Werte. Hervorzuheben find von diefen im 
Kreuzgange: Chriſtus am Kreuz, Der beil. Petrus 
Martor, Ehriftus mit den Wundmalen, Ebriftus 
als Pilger; im Kapitelfaal eine große Kreuzi 7 
mit 20 Heiligen, in denen die Tamenlihe Tai : 
nahme an dem Opfertobe des Heilands den ergrei: 
fenditen Ausdrud gefunden bat, ferner im eriten 
Stod die Berlündigung. 1447 ging er nah Or: 
vieto, mo er in der Capella Nuova des Doms die 
Altarwölbung ausmalte: Ehriftus in der Glorie 
als Weltrichter, zu beiden Seiten Propheten und 
Heilige. Papſt Martin V. berief ihn nad Rom, wo 
er in der Nitolaustapelle des Vatikans arokartige 
Fresken aus dem Leben der Heiligen Laurentius 
und Stephanus entwarf. An Tafelbildern befigt 
unter anderm bie Ulfalen nal rie in Florenz eine herr: 
liche Madonna zwiſchen Heiligen und 12 mufizieren- 
den Engeln (ſ. Tafel: Jtalienifhe Kunſt VI, 
gie: 2), die Alademie dafelbit eine Kreuzabnabme 
hriſti und zwei von den ſechs feinen Darjtellungen 
aus dem Martyrium des beil. Cosmas und Da: 
mianus (1438; drei bavon in Rinde): ferner das 
Louvre in Paris eine Krönung Mariä, eins der 
Hauptwerte des Künftlers, die Yondoner National: 
galerie eine Anbetung der lönige. Er ftarb 1455 
in Rom, Die kath. Kirche bat F. zum Range eines 
Seligen (Beato)erhoben. F. iſt ver Maler des reinen 
Katholicismus im Sinne mittelalterliber Schwär: 
merei. — Bol. E. Föriter, Leben und Werke des Fra 
Giov. da F. (Regensb. 1859); Ley, Fiesole (Lond. 
1886) ; Beiſſel, Fra Giov. da F. (Freib. i. Br. 1895); 
Douglas, Fra Angelico (Lond. 1900); Rothes, Die 
Daritellungen des Fra Giov. Angelico aus dem 
Leben Ehrijti und Mariä (Straßb. 1902). 
Fiefole, Dino da, eigentlib Mino di Gio: 
vanni, florentin. Bildhauer, geb. 1431, war ein 
Schüler des Defiderio da Settignano. Er zeichnete 
fi durch große Gejhidlichleit und monumentalen 
Sinn fowie durd lebhafte Phantafie aus, obne 
bob an forgfältiger Naturbeobadtung und Durd: 
führung feiner Werte feinen großen Zeitgenojien 
Defiverio, Roffellino und BVerrochio gleichzukom— 
men. Längere Zeit fcheint er in Nom thätig ge 
weſen zu fein und eine förmliche Werlſtatt gehalten 
zu haben, fo daß der Charalter der röm. Stulpturen 
am Ende des 15. Jahrh. wefentlih durd ihn bes 
ftimmt wurde, Seine bedeutenditen Werte find die 
Grabdenkmäler in der Badia zu Florenz, im Dom 
von Fieſole, das Grabmal Pauls IL. in den Grotten 
des Vatikans, das des Kardinals Fortiguerra in 
Sta. Gecilia zu Rom. Meiſt ſchuf er Madonnen- 
relief3 und Vorträtbüften (ſ. Tafel: Jtalieniihe 
Kunft IV, Fig. 2). Er ftarb 11. Juli 1484 in Flo— 


Fieſole (Silvio Cofini da) — Figig 


ren. — gl. Semper und Barth, Hervorragende 
Bildhauer: tg ge emp 
Fiefole, Silvio Eofini da, ital, Bildbauer, ge 
1502, geſt. 1547, war in Florenz, Piſa, Genua, 
endlih auch in Mailand thätig. Er war ein Schüler 
Andrea Ferruccid und bat ſich befonvers in der 
dekorativen Plaſtil ausgezeichnet. So arbeitete er 
Einzelbeiten an den Grabventmälern der Medici 
von — die Grabdenkmäler der Miner⸗ 
betti in Sta. Maria Novella zu era das des 
Raffaelle Maffei in San Lino zu Bolterra. 
ife (ſpr. feıf), Grafſchaft in Schottland (f. Karte: 
Schottland), an der Nordjeeküte, die Halbinfel 
zwiſchen dem Forth⸗ und Taybuſen umfafjend, im W. 
von b, Kinroß und Cladmannan begrenzt, bat 
1329 qkm und (1901) 218843 E., d. i. I66 auf lgkm. 
. gehört größtenteild dem fchott. Niederlande an. 
ur der nordweſtl. Teil ift Hügelland, worin die 
Lomonds (Eajt und Weit Lomond) 527 m erreichen. 
ier & ber Boden meijt moorig und unergiebig. 
er SO. iſt lach und fruchtbar. Hauptflüffe ſind der 
Even und Zeven mit Ore. Im ganzen find 60 Proz. 
fo forgfältig bebaut wie kaum ſonſt in Schottland. 
Es wird Weizen und Gerjte, hauptſächlich aber 
Hafer, auch Rüben, Kartoffeln und Bohnen ge 
baut. Natürliche Waldungen find jebr felten, bäufig 
dagegen Pflanzungen von Eſchen, Ulmen, Eichen, 
Tannen umd Kaſtanien. Wichtig find ee a 
und Seefiſcherei. Namentlich J bie Fifeſhire⸗Raſſe 
des Rindviehs berühmt. Bergbau wird auf Stein: 
toblen und Eiſen betrieben, früber auch auf Blei. 
Man bricht Kalt: und Quaderjteine und bei dem 
Küftendorf Kingsbarns grauen Marmor. In den 
Hügeln zwiſchen Eden und Tay findet man Karneole 
und Achate, bei Elie eine Art feiner Granaten (Elie: 
rubinen). HN der Induſtrie haben bejonders die ver: 


ſchiedenen Zweige der Linnenmanufaltur große Bes 
deutung. Außerdem fertigt man ch Tuch, 
Seife und Lichte. In mehrern Häfen iſt Schiff: 
bau. Eine Babnlinie umzieht die Kuſte, zwei andere 
burdqueren das Binnenland. Die Grafichaft fen: 
det Eis Abgeordnete in das Parlament. Hauptitabt 
N upar (j.d.) am Eden; größer find Kirkcaldy und 
unfermline. Die bedeutenditen Häfen find Burnt⸗ 
island, Dyſart und St. Andrews. — Vol. Millar, 
F., pictorial and historical (2 Bde., Fond. 1895); 
Maday, History of F. and Kinross (Evinb. 1896), 
Fife (nr: feih airswürde in der jchott. Familie 
Duff. Wilhelm Duff wurde 1759 zum Grafen F. 
in iriſcher Pairswürde erhoben; der jesi e Trã⸗ 
ger Alerander Wilbelm Georg Duff, geb. 
10, Rov. 1849, war 1874—79 Mitglied des Unter: 
hauſes, wo er ſich den Liberalen anjchloß, folgte 
1879 feinem Vater als jechiter Graf von F. wurde 
1885 zum Grafen von 5. in der Pairie des Ver: 
einigten Konigreichs, und als er ſich 1889 mit der 
älteiten Tochter des damaligen Prinzen von Wales, 
jetzigen Königs Eduard VIL., Luiſe, verheiratete, 
zum 2 von y. ernannt. Er war Mitbegrun— 
der und Vicepräfident der Engliſch⸗Südafrilaniſchen 
Geſellſchaft (f. d.), legte aber 1898 diefe Stellung 
ife (pr. jeif), Ort in Rhodeſia (.d.). lnieder. 
gäro, ein bramat. Ebaralter, der durch 
Beaumarbais in dem «Barbier de Söville» (1775) 
und «Mariage de F.» (1784) zuerjt auf die Bühne 
fam. Diefe Komödien, in denen der ſtets beitere 
und alles überlijtende 5., erjt Barbier und dann 
Rammerdiener, die Hauptrolle fpielt, wurden in 
Paris mit Enthufiasmus aufgenommen und fan: 


677 


ben auch in Deutfchland großen Beifall. Zu Opern: 
fompofitionen vermwerteten jie era («Le nozze 
di F.», «Figaros Hochzeit»), Baifiello («Il barbiere 
di Sevilla»), Roſſini (gleichfalls «Il barbiere di 
Sevilla») u.a. Seit diefer Zeit gilt 9, für den Typus 
der Verichlagenbeit, Intrigue und Gewandtbeit. 
igaro, Pſeudonym, |. Larra. 
0, Le, verbreitetite und beliebtefte franz. 
eitung, wurde 1854 in Baris von de Billemejjant 
.b.) gegründet, erichien anfangs einmal, dann 
zweimal wöchentlich, un 1865 täglih und wurde 
durch die Reichhaltigleit ihrer Mitteilungen, die 
eihidte Redaktion und die Richtung auf das Bir 
ante und Senfationelle das gefuchteite Boulevard: 
blatt. In polit. Beziehung war fie ſtets lonſerva⸗ 
tiv und jeit 1871 antirepublikaniſch; jeit dem Dre 
fusprozeß, für defjen Nevifion fie eintrat, war fie 
dagegen liberal, antillerifal und republilaniſch, 
lenkte aber neuerdings wieder in ihre frübere Nic: 
tung ein, Mittwohs und Sonnabends erſcheint 
eine Beilage, von denen die lehtere ausſchließlich 
ber Litteratur gewidmet ift. Nah dem Tode des 
Gründers (1879) übernahmen Magnard (Haupt: 
rebacteur), de Rodays und Perivier gemeinfam die 
Leitung. Schon vorber war die Zeitung in ein Als 
tienunternebmen (mit 19000 Altien) verwandelt 
worden. Nah Magnards Tode (1894) wurde 
de Rodays Hauptredacteur, nad deſſen und des 
polit. Redacteurs Cornely Ausfheiden (Mai 1901) 
Perivier. Neben dem F. erfcheint ſeit einigen Jah⸗ 
ren die illuftrierte Perg «F. illuströ», mit 
een Bildern, von der auch engl. und portug. 

usgaben veranjtaltet werden; außerdem jährli 
eine Weihnachtsnummer. Ebenjo die muſtlaliſche 
Monatsichrift «F. musical», mit Mufitnoten. 

Figene (ipr. fiſchäch). 1) Arrondiffement im 
franz. Depart. Lot, hat 1762 qkm, (1901) 73491 
E., 115 Gemeinden und zerfällt in die 8 Kan— 
tone Bretenour, Eajarc, Figeac-Eft, Figeac-Dueft, 
Lacapelle: Marival, Latronquidre, Livernon und 
Et. Cere. — 2) Hauptftadt des Arrondiſſements F., 
im * des zum Lot gehenden Geld und an den Li⸗ 
nien Perigueur:F.:Touloufe und Capdenac-Armant 
der Franz. Orleansbahn, in wald: und weinreicher 
Gegend, bat (1901) 4324, ald Gemeinde 5861 E,, 
einen Gerichtshof erfter Anftanz, Kommunal:Col: 
löge, Gelingen, zwei Kirchen (12. bis 14. Jahrh.), 
einen Obelisfen zur Erinnerung an den in 5. ges 
borenen Ügyptologen Champollion ; Seiden: und 
Leinwandinduftrie, Brauerei und Sägemüblen, Ge 
treides und Viehhandel. Viele Häufer zeigen nod 
die Bauart des 13. Jahrh. — Die Stadt wurde 
von den Hugenotten 1576 erobert und blieb bis 
1622 einer ihrer Waffenpläpe. 

Bieieren (lat.), Fluſſiges verdiden. 

igig, Daje in der maroff. Sabara, 50 km 

von der alger. Grenze, am Sübdfuße des Atlas, 
wo der Wadi Susfana aus dem Gebirge tritt (f. die 
Karten: Algerien und QTunejien und Ma: 
rofto),ift 14 qkm groß, gut bewäjlert, fruchtbar und 
9 200000 Palmen, auch Anbau von Getreide und 

alfa. Die 15000 E. wohnen in 10 Dörfern, die 
eine gemeinfame 16 km lange und 2 m hobe Mauer 
umgiebt; der Hauptort ift Senaga mit 4000 €, 
3. gebört nominell zu Marokto; jedes Dorf bildet 
aber eine Nee Republik für fi; viermal im 
Jahre halten die Dörfer auf neutralem Gebiete 
DEREN Rat, in der übrigen Zeit liegen fie meiſt 
m Streit miteinander. Die Bewohner fabrizieren 


678 


Mollzeuge und Waffen und verhandeln fie gegen 
Sick, iegen, Wolle und Häute an die Nomaden 
der Umgegend. [Töpferkunit. 

Figlina (lat.), thönerne Gefäße; Werke ver 

Figline Baldarno (ipr.filjihne), Ort in der ital, 
Provinz und im Kreis Florenz, am linten Ufer des 
Urno, an der Linie Florenz: Are330:Rom des Adria: 
tischen Netzes, bat (1901) als Gemeinde 11376 E., 
Seidenzudt, Strobflechterei, Ol: und Weinbau, In 
der Nähe im Arnothal finden [id viele Berfteine: 
rungen fowie röm. und etrust, Altertümer. 

Figueira (fpr. -geira) oder F. da Foz do 
Mondigo, Stadt im Diſtrikt Coimbra der portug. 
Provinz Beira, rechts an der Mündung (Foz) des 
Mondego, an den Linien Liſſabon⸗F. und F. Spani— 
ſche Grenze, hat (1900) 7890 E., einen bei Ebbezeit 
3,5 m tiefen, aber durch eine Barre geiperrten Salem, 
viel beſuchte Seebäder; Ausfuhr von Salz, Ol, Wein 
und Früchten. Der Wein geht großenteild nad 
Brafilien. Die Koblenbergmwerle im N. von F. find 
größtenteild üuberſchwemmi. 

Figueras (pr. gehras), Diſtriktshauptſtadt 
und Feſtung der jpan. Brovinz Gerona (Catalonien), 
20 km von der ee Grenze, liegt an der großen 
Heerſtraße nach Frankreich und an der Bahn Bar: 
celona : Franzoſiſche Grenze, im Mittelpuntt des 
Ampurdan, einer weiten, mit Öl: und Obſt— 
bäumen bededten Thalebene, bat (1897) 11637 E., 
düjtere Gaſſen, ſchöne Kirche, Spital, Inftituto und 
Seifenfabrikation. — Die auf einem Hügel (146 m) 

elegene Gitadelle Eaitillo de San Fernando, 
auptichlüffel auf der Pyrendenfeite, gilt für 
die ftärlite Feſtung Spaniens, ift in der Mitte des 
18, Jahrh. unter Serdinand VI. ganz in Quabdern 
erbaut. Sie wurde 27. Nov. 1794 von den Fran: 
jofen eingenommen, die dann bier 14. Juli 1795 
eine Niederlage dur die Spanier erlitten. Nach— 
dem fie im Juni 1808 abermald von den Fran— 
zofen erobert worden, überrumpelten fie 21. April 
1811 die Spanier. Die Franzosen ſchloſſen nun die 
Feltung ein, ſchlugen 3. Mai das Entſatzheer Cam: 
ze zurüd und nahmen fie 19. Aug. unter 
acdonald dur Kapitulation, mußten fie aber 
Seit yenbjahr 1823 

elagert, fapitus 


18. Aug. 1813 wieder räumen. 
von den Franzoſen unter Moncey b 
lierte 5. 26. Sept. an Dumas, 
Figuerad y Moräcas (fpr. -gehras), Don 
Eſtanislao, fpan. Staatämann, geb. 13. Nov. 1819 
zu Barcelona, trat 1837 in die —— 
ein und ſchloß ſich 1840 den Nepublilanern an, 
Gr belämpfte die Koalition gegen den Regenten 
Gipartero (j. 2 und zog fi, als die Moderados 
jur Gewalt gelangten, in die Provinz; Tarragona 
— „unterhielt aber feine Beziehungen mit den 
epublifanern. Nach dem Scheitern der Revolution 
ließ F. je 1849 als Anwalt in Tarragona nieder. 
1851 al& Vertreter von Barcelona in die Cortes 
geihidt, ſtimmte er 30. Nov. 1854 gegen die Mon: 
arhie und befämpite ae 1862 wrab mit 
einem Parteigenojjen Rivero die Liberale Union. 
ad dem Scheitern der Junirevolution 1866 bes 
teiligte er fih an der Berihmörung gegen Narvaez 
und wurde 12. Mai 1867 mit Rivero gefangen ges 
fest. Nah dem Siege der Revolution von 1868 
war er neben Piy Vlargall und Cajtelar Haupt: 
führer der republitanifhen Minderheit und belämpfte 
als folder die monarchiſche —— von 1869. 
Nah der Abdanfung des Königs Amadeus wurde 


3. 12. Febr. 1873 zum Minifterpräfidenten der Res : 


Figlina — Figur 


publit gewählt, — aber ſchon 8. Juni die Gewalt 
in bie Bände der Cortes nieder und jtellte den An- 
trag auf Proflamierung der Föderativrepublit, der 
mit 210 gegen 2 Stimmen angenommen wurde. 
Nah Wiederherftellung der Monarchie unter Als 
m XU. 309 fi 5. vom öffentlichen Leben zurüd. 
tarb 11. Nov. 1882 in Madrid. 
igueröda (ſpr. -ger-), Francisco de, fpan. 
Dichter, geb. um 1540 zu Alcala de Henares, be⸗ 
juchte die Univerfität feiner Vaterftabt, trat früb 
in das fpan. Heer in Stalien, wo er fi feiner 
Neigung zur Dichtlunft bingab. Sein litterar. 
Ruhm und die zus feiner Sitten beftimmten 
Don Carlos de Aragon, eriten Herzog von Terra: 
nova, ihn als Gefellihaftstavalier 1579 nad Flan— 
bern mitzunehmen. Nah, mie es jheint, nur kurs 
em Aufenthalt dafelbft begab er fi in feine Vater⸗ 
adt zurüd, wo er um 1620 jtarb, Aus über: 
großer en ließ er kurz vor feinem Tode 
alle feine Gedichte verbrennen; doch hatten ſich Ab: 
hriften davon in Freundeshänden erhalten, die 
ribaldos de Toledo (unvollitändig) berausgab 
(«Obras de F.», Liſſab. 1625; wieder abgedrudt in 
der «Coleccion de poetas espaholes» von Ramon 
— Bd. 20, Madr. 1785). Sie beſtehen aus 
onetten, Canzonen, Elegien und der berühmt ge— 
mworbenen, Bu ute u. Verſe entbaltenden 
Ekloge «Tirsi», 5.3 poet. Name, unter welchem 
er in Cervantes’ «Galatea» gefeiert wird. * folgt 
der ital. Richtung Boscans und Garcilaſos; er 
dichtete in ſehr reinen, wenig tiefen Verſen gleich 
gewandt in ital, und ſpan. Sprache. Einige aus: 
— Stüde von F. ſtehen in der «Biblioteca 
e autores espaholes» (Bd. 42). 

Fignier (pr. -gieh), Louis, franz. Schriftiteller, 
geb. 15. Febr. 1819 in Montpellier, ftudierte Mer 
dizin, wurde 1846 Profefior der Naturwiſſenſchaften 
in feiner Vaterjtabt, 1850 in Zouloufe, 1853 in 
Paris, wo er 8. Nov. 1894 ftarb. Unter feinen 
Schriften find bervorzubeben: «Exposition et his- 
toire des principales d&couvertes scientifiques 
modernes» (6. Aufl., 4 Bve., 1862), «Histoire du 
merveilleux dans les temps modernes» (4 Bde., 
1859—62), «Les merveilles de la science» (4 Bde., 
1866—69 und 2 Suppl., 1889 — 90), «Vies des 
savants illustres depuis l’antiquit& jusqu’au 
19° siöcle» (2. Aufl, 5 Bde., 1875), «Le tableau de 
la nature» (10 Bde. 1862—73), «Le lendemain de 
la mort» (10. Aufl. 1894; deutich Lpz. 1876), «Les 
bonheurs d’outre-tombe» (1892) u. a. In feinen 
Dramen, gejammelt al® «La science au theätre» 
(2 Bde., 1889), machte er den Verſuch, wiſſenſchaft⸗ 
liche Kenntniſſe durch das Theater zu verbreiten. 

guiers ®oldfalz (ipr.-giebs), |. Goldchloride. 
igulina —— wie Figlina (ſ. d.). 

Figulines rustiques ſfrʒ., ſpr. figulihn rüftit), 
eine beſondere Art von Fayencegefäßen, |. Paliſſy, 
Bernard. igulus. 

igulus, Nigidius, röm. Gelehrter, ſ. Nigidius 
Figur (lat. figüra), äußerer Umriß, Geſtalt. 
In der Mufil nennt man F. jede aus der Zer— 
liederung der melodifhen Hauptnoten entitebende 
Öruppe aufeinander folgender Noten von geringerm 
Merte, oder aud) die Vereinigung mehrerer Neben: 
und Wechielnoten mit einer harmonijhen Haupt: 
note auf einer und derjelben harmonijchen Grund: 
lage. = nachdem das rhythmiſche oder das melo: 
difce lement dabei das beitimmende ift, ſpricht 
man von rhythmiſchen oder melodiſchen F. Durch 


Figura Baffometi — Figurierte Zahlen 


die Anmenbung der F. wird es dem Tonſeher mög- 
ih, der Melodie mehr Zuſammenhang und Aus: 
bildung, mehr Mannigfaltigleit, Schmud, Bewe⸗ 
gung und Nachdruchk zu verleihen, ohne doch deshalb 
den Örundcharalter zu verwijchen und die notwen: 
dige Einheit des Ganzen zu verlegen. — F. in ber 
Heraldif, f. d. und Gemeine Yauren; in ber 
Rhetorik, j. Redefigur. — In der Tanzkunſt ver 
ftebt man unter F. den nach gewiſſen Linien bejchrie: 
benen Weg, den ber Tänzer zu nehmen bat. — In 
der Weberei ift F. foviel wie Mufter oder Deifin. 
Figüra Baffomött, |. Baphomet. 
Figurälmufit, Figuralgefang (musica 
Sguralis,cantusSgurali),uh enjuralmufil, 
enfuralgefang (musica mensurabilis oder 
mensurata, cantus mensurabilis), nannte man 
in der ältern Zeit (bis zum 16. Jahrh) die kunſt⸗ 
vollen mehrſtimmigen Kompofitionen, deren Töne 
je nad den vorgeichriebenen Takt: und Tempus: 
eihen bejtimmt gemefjene Zeitbauer haben und 
in gewiljen verjchiedenen Wertverhältnifjien zu ein- 
ander fteben, zum Unterfchieb von der Choral: 
muſit und dem Choralgefang (musica plana 
oder choralis, cantus planus oder choralis), deren 
Noten alle die gleiche rhythmiſche Form haben, 
aber metriſch frei zu behandeln find, ähnlich wie 
im neuern Recitativ. Zwar bat ſchon der Ambros 
ſianiſche Gefang ſowie fein mutmaßliches Vorbild, 
der griech. oder der hebr. Geſang, aus abwedhjeln: 
den Längen und Kürzen beftanden; doch waren 
diefe Längen und Kürzen des Tons nur durch die 
proſodiſche Länge und Kürze des Tertes beftimmt, 
ie weder jelbjtändig mufitalifch, noch auch in ähn: 
liher Weiſe nach beitimmten Zeitwerten gemejjen 
mie die Noten der Menjural: und unferer ——— 
Muſik. Figural- oder WMenſuralgeſang entſtand 
erſt, als die Töne der Melodie hinſichtlich ihrer 
Zeitwerte von der Profodie fih unabhängig zu 
maden anfıngen, fo daß auf eine metrifch lange 
Silbe eine furze Note und umgekehrt auf eine kurze 
Silbe aud eine lange Note zu ftehen tommen konnte; 
ferner ald man anfıng mehrſtimmig zu feßen, d. b. 
mit zweien oder mebrern Stimmen von felbftändt- 
em Zongang und Rhythmus gegeneinander zu 
ontrapunftieren, woraus dann eineb eftimmte Men: 
fur der Töne von ſelbſt mit Notwendigleit fich er: 
geben mußte, da jonft Konfufion und Disharmonie 
nit ausbleiben konnten. Als man begann, die 
Zöne beitimmt zu meſſen und die verſchiedenen 
eitwerte durch die Form der Noten zu veranichaus 
ichen, entitanden alabald entſprechende Mopifita- 
tionen der Notengeftalt. — Von diejen Gejtalten 
figurae) ber —— und von den aus 
niſchung derſelben entſtehenden Zeitfiguren 
reibt ſich der Ausdruch F. an Hiervon zu unter: 
iden ift der figurierte Gejang oder figu— 
rierte Stil; dieſer ift nur ein Gejang, bei dem 
die melodiſchen Hauptnoten in Heinere Zeile (Figu: 
ren, Diminutionen) zerlegt find, wodurd der Ges 
fang bewegt und gefärbt wird (j. Figurierter Cho— 
ral), was beim eigentliben Figuralgeſang nicht 
immer notwendigermweife der Fall zu jein braudt. 
Obgleich unjere heutige Mufit ebenfalls Yigural: 
oder Menjuralmufit iſt, fo ze t man doch diefe 
Ausdrüde befonders auf die Muſik des 15. und 16. 
pahrh. anzumenden, weil damals die kunſtliche Be: 
ndlung der Menfur in voller Blüte ſtand. 
Nr (lat.), foviel wie Statijten, auf der 
Bühne diejenigen Perjonen, die als ftumme Figuren 


679 


auftreten; im Ballett (Figurantinnen) die Chor: 
tänzerinnen im Gegenjaß zu den Solotänzerinnen, 
iguration (lat.), Bildung, Geftaltung, Be 
lebung und Ausihmüdung einer Rede, eines Mufit: 
ftüds dur Figuren 6 Figur). 
igurativ (lat.), bildlich, vorbildlich. 
igurenmalerei, ſ. Bo. 17. 
igurenfpiel, j. Elfern. 
Figurenfteine (Lapides figurati alter Autoren) 
* en im Bolt noch heute die Petrefalten oder 
eriteinerungen (j. d. und Paläontologie). 
Figurieren (lat.), bilden, geftalten, etwas bild» 
lid darftellen, mit Figuren jhmüden; dann: eine 
Rolle fpielen, Figur machen; Lüdenbüßer fein. 
—— Choral, eine hauptſächlich im 
Orgelſpiel, aber auch im mehrſtimmigen —* 
ebräudlihe Weiſe, wobei die in langen Noten 
eierlih ertönende Choralmelodie von den übrigen 
Stimmen mit lebbaftern Tonfiguren umſpielt wird. 
Bei dem echten F. E. müflen diefe Figuren aus 
den Motiven des Chorals gebildet jein; der F. C. 
wird daher zum fugierten Kontrapunlkt gerechnet. 
(©. —— und Choralbearbeitung.) 
Figurierter Geſang, Figurierter Stil, 
ſ. — 
gurierte Stoffe, ſoviel wie Bildgewebe (ſ. d.). 
igurierte Zahlen, die Glieder arithmet. 
Reihen höherer Ordnungen, deren erſtes Glied die 
Einheit iſt; ſie haben ihren Namen von der geo— 
metr. Entſtehungsart ver einfachſten von ihnen. Gebt 
man von der Reihe der natürlihen Zahlen aus: 1, 
2,3, 4, 5u.j. w., jo erhält man durch juccejjive 
Addition der 1,2,3 u. ſ. w. erften Glieder die Reibe 
1,8,6, 10, 15, 21, 28, 86,45... 
Diefe Zahlen find die einfachſten * Z.; fie beißen 
Zriangular: oder TZrigonalzablen, d. i. 
Dreiedszablen, weil man fie durch gleichweit von- 
einander entfernte Punkte, die ein gleichjeitiges 
Dreied bilden, darftellen ann. Durch fee ive 
Mopition der Glieder der obigen Reibe erbält man 
ferner folgende: 
1,4, 10,20, 35, 56, 84... 
Diefe Zablen beißen Pyramidalzahlen. Durd 
diefelbe Methode fuccefjiver Addition erhält man 
weiter die Zablenreihen: 
1,5,15,35, 70, 126,210... 
1, 6, 21, 56, 126, 252, 462 ... 
u. ſ. w. Man nennt fie auch die zweiten, dritten 
u. ſ. w. Pyramidalzahlen. Geht man, ftatt von 
der Reihe der natürlihen Zahlen, von denjenigen 
arithmet. Reiben der erjten Ordnung aus, deren 
Differenzen 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. find, alle: 1,83, 6,7, 
9, 11.. 1,4,7,10,13,16...— 1,5,9, 18, 
17,21... — 1,6, 11, 16,21,%6... u. f. w., und 
addiert in denſelben ſucceſfiv die a 2,8,4... 
Glieder, jo erhält man folgende Reihen: 
1,4, 9,16, 25,36... 
1,5, 12, 22,35, 51... 
1, 6, 15, 28, 45, 66... 
1, 7,18, 34,55, 81... 
Die darin enthaltenen Zahlen nennt man PBoly- 
onalzablen (j. d.), und zwar bie der erjten 
freibe Quadratzablen, die der zweiten Pen» 
tagonal: oder Fünfedszablen, bie ber 
dritten — oder Sechsedszahlen 
u. ſ. wm. Aus jeder dieſer Reihen lann man, 
wie aus den Triangularzahlen, Pyramidalzahlen 
ableiten. Die Erfindung der F. 3. wird der Pytha⸗ 


680 


goreifhen Schule R eſchrieben; die älteſten unter 
den vorhandenen Banane über diejelben find 
von Nikomachus von Geraja und von Diophantus 
verfaßt. Allgemeine Formeln der 0% 3. wurden im 
17. Jahrh. von Fermat und Pascal aufgeitellt. 
cher (fr3.), Figürhen, Nebenfigur, 3. B. 
in Landfhaftsgemälden; Modebild; verkleinertes 
Koſtümmodell. 
igurismus, in der Theologie die Anſicht, wo: 
nad die Begebenheiten des Alten Tejtaments bie 
deö Neuen vorbildlich daritellen. (S. auch Typus.) 
igürlich, foviel wie bilvlich. 
ijenoord (fpr. feien-), Naasinfel, ſ. Rotterdam. 
iji⸗Archipel, |. Fidſchi⸗-Inſeln. 
ikh (arab.), die Wiſſenſchaft des mohammed. 
Religionsgeſetzes (Schari'a), ſowohl hinſichtlich 
der rituellen Pflichten, als auch hinſichtlich jämt: 
licher Kapitel des eigentlichen Rechts. Die Quellen 
des F. ſind, außer dem Koran und der Tradition, 
der Consensus der geſamten mohammed. Kirche 
Idſchma', ſ. d.) und die Folgerung mittels Ana- 
logie (Kijas) in Fällen, für welche in den ge— 
ſchriebenen Quellen keine poſitive Entſcheidung zu 
finden war. Die Gültigkeit der letztern Geſetzquelle 
wird von ber bereits verichollenen Schule der 34: 
biriten geleugnet. Die Methode des Gebrauchs 
der erwähnten Quellen wird in der im Islam viel 
entwidelten Wiflenichaft der ſog. Ußül al: Filth ges 
lehrt, welche eine reiche Litteratur entfaltet bat; am 
zugänglichſten iſt das Taudhih von Sßadr als 
Schari'a (geſt. 1346) mit dem Kommentar des Tafta⸗ 
fäni (1389), bg. in Kaſan 1883. Die pofitiven De: 
tails des Geſeßes find in den vier orthodoxen Schul: 
rihtungen in einer überaus reihen Litteratur von 
ſyſtematiſchen Werten bearbeitet worden, von wel: 
hen außer zablreichen orient. Ausgaben eine große 
Anzabl al mit Unterjtügung europ. Negierungen 
im Intereſſe der Rechtspflege unter ihren mobam: 
med. Untertbanen herausgegeben, zum Teil aud 
überjeßt wurde. Die angejebenften find die fog. 
Hiddja (2 Bde., Kalkutta 1234 der Hidſchra u. d.; 
engliih von Eh. Hamilton, 4 Bde., Lond. 1791), 
das Kompendium des Kubüri (Hanefitiih), aus 
welhem das Cherebt von Georg Helmädörfer 
(ran a. M. 1822) veröffentlicht wurde (voll: 
tändige Ausgabe Kaſan 1880), Sidi Chalil, Pré- 
cis de jurisprudence musulmane suivant le rite 
malökite (ins Franzöfifche überfest von Perron, 
Var. 1848—55; das Driginal in 5. Aufl. 1883), 
Abu Schudſcha', Precis de jurisprudence musul- 
mane selon le rite chäfe'ite (arabifd und fran— 
zart von Reijjer, Leid. 1859), all Al- 
anbih (Jus Shafiitarum), bg. von Juynboll (ebv. 
1879), l⸗Nawawĩ, Minhädsch at-thälibin (fchä= 
fütiſch; arabiſch und franzöfiih von 2. MW. C. van 
den Berg, 3 Bde., Batavia 1882—84). — Bol. Mac: 
nagbten, Principles and precedents of Moohum- 
mudan Law (Lond. 1825); Pharaon und Dulau, 
Droit musulman (Bar. 1840); Baillie, A digest of 
the Mohummudan Law (Lond. 1869; 2. Aufl. 1875); 
Tornauw, Das Moſlemiſche Recht (ps. 1855); von 
den Berg, De contractu «do ut des» jure Moham- 
medano (Leid. 1868); derf., Beginselen van het 
Mohamed. recht (3. Aufl., Batavia 1883); Jens, 
Essai d’un trait& möthodique du droit musulman 
(Algier 1889). Das in den franz.:ind. Kolonien 
ültige mohammed. Recht geben: Sick, Trait& des 
ois mahome6tans dans les Indes Francaises (Par. 
1841); Zanglard, Lecons de droit musulman 


Figurine — Filtion 


Pondichery 1887). — In der Türkei ift das anı 
geiebenfte Rechtswert dad Multekä von Ibrahim 
Halebi, welches im Orient öfter gebrudt wurde 
(Ronftantinopel 1251 der Hidfchra) und von mel: 
hem in Mouradgeas «Tableau de l’empire otto- 
man» ein Auszug gegeben ift. Das unter den 
Schiiten geltende Recht bat dargeftellt Query, 
Droit musulman (2 Bbe., Bar. 1872). Das mo: 
bammed. Staatärecht ift bearbeitet in Mämerdis 
Constitutiones politicae, bg. von Enger (Bonn 
1853).— Bol. Kremer, Kulturgeſchichte des Orients 
unter den Ehalifen, Bd. 1 (Wien 1875). Vom 
Standpunkte vergleihender Rechtswiſſenſchaft ift 
das mobammed. Geſetz in felbjtändigen Werten 
und zablreihen Auffägen Koblerö (in der «Zeit: 
ſchrift für vergleibende Redtswifienfbaft») be 
—— worden: Die Commenda im islamitiſchen 

echte, Moderne Rechtsfragen bei islamitiſchen 
Juriſten (Würzb. 1885) u. a. m. 

Fiktül (lat. ficttlis), thönern, irden. Fictilla, 
Werte der Töpferkunit. 

Fiktion (lat), Erdichtung, etwas Erbichtetes; 
Bezeihnung für Rechtsnormen, vermöge deren 
ein faltifches Verhältnis durch Gleichfekung mit 
einem andern rechtlich normierten zum Rechtsver— 
bältnis erboben und in feiner rechtlichen Wirkung 
dem Vorbilde gleichgeftellt und ald gleich bezeichnet 
wird, Je ftrenger ein Rechtsſyſtem durch fonfequente 
Entwidlung weniger einfacher Grundſätze in fid 
fortgebilvet ift, deito dfter wird es nötig, einzelnen 
Härten und Mängeln dadurd abzubelfen, daß man, 
falls ſich feine Abänderung der Nechtöbejtimmung 
im MWege einer von innen heraus . taltenden 
—— erlangen läßt, das einzelne Faktum, 
welches die Anwendung des unbequemen Satzes 
herausfordert, entweder verneint oder umgeſtaltet. 
So verfuhr namentlich das ſpätere röm. Recht, ins 
dem es das alte jus eirile mit Hilfe —— um⸗ 
ing oder weniger drückend machte. Ein Beiſpiel 
iefert die Umſtoßung eines den Noterben ohne ge— 
rechten Grund ausſchließenden Teſtaments durch 
die Vorausſetzung, der Teſtator fei eigen und 
deshalb ohnehin nicht fähig geweſen, einen legten 
Willen zu errihten, Man kann geſetzliche und dog⸗ 
matifhe F. unterfheiden. Cine geſetzliche F. i 
. B. die, daß das Stiftungsvermögen eine Perſon 
welche Eigentum, Forderungen oder andere 

ermoögensrechte erwerben und durch ihre Verwal⸗ 
ter verpflichtet werden kann. Eine dogmatiſche 
F. iſt die, daß der Staat, die Kirche, jede Korporation 
eine Einzelperfon fei, meil jene Vermögensrechte 
baben und verpflichtet werden können mwie eine 
Einzelperfon. Die 12 ift immer nur ein Bild, unter 
welchem das kurz bezeichnet wird, was jonjt um: 
ftändlicher vargeftellt werden müßte. — Noch reicher 
a en liſche Recht. So 
wurde bier bis 1832 5.8. das Schaßlammergericht, 
Court of Exchequer, in gewöhnlichen Schuldſachen 
nur dadurd zuftändig, daß der Kläger angab, er 
felbit fei vem Könige fbuldig und vermöge wegen bes 
rechtswidrigen Benebmens des Bellagten weniger, 
die Schuld zu bezahlen (quo minus sufficiens 
existit). Ebenfo mahte man die Queen’s Bench 
ür alle Eivilllagen kompetent durch die F., daß ber 
eflagte ſich in dem Gefängniſſe derjelben wegen 
eines Delikts befinde, um darauf geftügt auch Cibil⸗ 
Hagen gegen ihn anzujtrengen (and also — ac 
etiam), — * Demelius, Die Rechtsfiktion in 
ihrer geſchichtlichen und dogmatiſchen Bedeutung 


Filadelfia — Filehne 


im. 1858); Bülow, Civilprozeſſualiſche F. und 

abrheiten (Tüb. 1879). 

Filadelfia, Stadt ım Kreis Nicaftro der ital. 
Provinz Gatanzaro in Calabrien, 7 km vom Golf 
von Sant’ Eufemia, in 550m Höhe, auf einem Hügel, 
bat — als Gemeinde 6514 E. Es wurde von 
den Bewohnern des 1783 durch Erdbeben zerftörten 
Eaftel Menarbo erbaut. 

ilagramm (lat.grcb.), ververbt aus Filigran 
(f. Siligranarbeit), das Nergeichen im Papier, 
aud die Zeichenlettern dazu. (©. Filigranpapier.) 

Filament (lat.), Fadenwerk, Öefaer: in der 
Anatomie m. erven: oder Sehnenjafern; in 
der Botanik ſoviel wie Staubfabden (ſ. Staubgefäße). 

ilanda (ital.), Seidenfpinnerei. 

Hangieri (pr. andſchehri), Carlo, Fürjt von 
Satriano und Herzog von Taormina, ital. General, 
Sohn des folgenden, geb. 10. Mai 1784 zu La 
Cava bei Salerno, trat als Leutnant in die franz. 
Armee und focht mit Auszeichnung 1805 bei Aufter: 
[ik und 1806 bei der Belagerung von Gadta, 1811 
tebrte er nach Neapel zjurüd, wurde von Murat 
zum Oberſt beförbert und nahm 1815 als deſſen 
Generaladjutant teil an feiner Erhebung. Noch 
von Murat zum Generalleutnant ernannt, blieb 
er unter Ferdinand I. Generalinfpeftor der Infan— 
terie. Nachdem er bei vem Ausbruch der Revolution 
1821 den Feldzug in den Abruzzen unter Garra: 
fcoja mitgemacht batte, wurde er 1822 der Aus: 
übung feines Dienftes entboben. Erſt 1831 wieder 
angeftellt, wurde ervon Ferdinand IL. mit dem Ober: 
befehl gegen das aufitändiihe Sicilien 29. Aug. 
1848 betraut. Er eroberte Mefjina, das er 7. bis 
9. Sept. beſchießen ließ, fiegte bei Taormina, 
Catania und Syrafus und rüdte 1849 vor Balermo, 
den ©iß der revolutionären Regierung, an dejien 
Erjtürmung ihn nur die von England und Frank— 
reich erzjivungene Annabme der Kapitulation ver: 
binderte. Zum General und Statthalter von Sicilien 
ernannt (9. Olt.), ließ er Milde walten, wurde aber 
dadurd bei Ferdinand II. mißliebig und mußte 
1854 zurüdtreten. Von Franz II. mit dem Vorſit 
des Kabinetts und dem Minijterium des Krieges 
9. Juni 1859 betraut, legte er jenen ſchon im 
Nov. 1859, diefes 7. Febr. 1860 nieder. Er jtarb 
14. Olt. 1867 in Portici. — Vogl. Reumont, Garlo F., 
Fürſt von Satriano (im «Hiſtor. Tafchenbud», 

3.1871); F. R. T. Silangieri, Il generale Carlo F. 
(Mail, 1902). — Mit Baetano %. (geit. 29. Nov. 
— dem Gründer eines der Stadt Neapel ge: 
fhentten Mufeums, ift der Zweig der F., Fürſten 
von Satriano, erlofchen. 

Fllangieri (pr. — Gaetano, ital, 
Juriſt, geb. 18. Aug. 1752 zu Neapel, gehörte einer 
altadligen Familie normann. Urfprungs an, trat 
nad) beendeten Studien ald Sachwalter auf. Bered⸗ 
famteit und Willen verſchafften ihm großen Beifall, 
und jeine Verteidigung der zeit⸗ und vernunjtge: 
mäßen Reformen, die der zen Tanucci durch⸗ 
feste, defien Gunft. Das Ideal einer freifinnigen 
Gejebgebung fuchte er in «La scienza della legis- 
lazione» (7 Bbe., Neap. 1780— 85 u. d,; Ma 
von Link, 8 Bde., Ansb. 1784— 93; — 
mit Kommentar von Benj. Conſtant, 6 Bde. Bar. 
1822) aufzuftellen, bei dem er häufig Montesquieu 
vor —*— atte. Das Werk machte auferorbent: 
liches Aufſehen und ſtellte F. den erſten Staats: 
rechtslehrern zur Seite. Ferdinand IV. ernannte 
ihn 1787 zum Finanzrat; doch ſtarb F. ſchon 21. Juli 


681 


1788 und hinterließ ſein Werk unvollendet. In der 
Kirche Santa Maria di Piedigrotta in Neapel wurde 
ihm von feinem Sohne ein Dentmal gejeht. — Val. 
D. Tommafi, Elogio storico del cavaliere G. F. 
(Meap. 1788; deutih von F. Münter, Ansb. 1790); 
G. Biandetti, Elogio di G. F. (Vened. 1819). 
Filarẽte, Antonio, auch Averulino genannt, 
ital. Baumeifter und Bildhauer, geb. um 1410 in 
Florenz, geft. 1470 zu Nom, als Theoretiter ein her: 
vorragender Meifter der frübern ital. Renaiſſance. 
Auch Schöpfungen des Künftlers find noch vorhan⸗ 
den, jo ein Teil des fpäter von Bramante vollende 
ten großen Spitals in Mailand, das er, von Frans 
cesco Sforza berufen, 1457 begann. Auch am Bau 
des Doms von Bergamo war er beihäftigt und 
fertigte 1439— 47 die Thüren der ehemaligen Be: 
teröbafilifa in Nom in Aronzeouß. Das Werl 5.3 
über die Baukunft (erſtmals bg. von Öttingen, 
Wien 1890), das 1464 entjtand, umfaßt 25 Bücher. 
— Vol. W. von Öttingen, Über das Leben und 
die Werte des Ant. Averulino (in den «Beiträgen 
zur Runftgeichichter, Neue Folge, VI, Lpz. 1888). 
Filaria, Filariidae, j. Saarwürmer und 
Hämatozoen. 
ilati, Stadt in Albanien, ſ. — 
ilãtomaſchine, in der Seidenfabrikation eine 
Vorrichtung zum Aufdrehen eines Brobefadens, das 
den Zwed bat, für ein Geidengejpinft die Anzahl 
von Drehungen zu finden, die auf eine beftimmte 
Länge den einzelnen Rohſeidenfäden und beim nad: 
berigen Zwirnen dem Ganzen gegeben worben find, 
sun (lat.), Seidenzwirnmüble oder 
aud Spinnmühle, Mafchine, auf der das Zwir: 
nen oder Zuſammendrehen mehrerer Coconfäden zu 
einem Fadenbündel (Robfeidenfaden) erfolgt. 
Filder, der in Württemberg, ſüdlich von Stutts 
art und nad Dften bis nach Plochingen reichende 
—— Zeil der mit Lias überlagerten Keuper⸗ 
ebene (j. Karte: Baden u. f. w). Die F. liegt 
300—430 m hoch und umfaßt 165 qkm. Von 
ähnlicher Beſchaffenheit find die Hocebenen von 
Rofenfeld, die an der Lein im Welzheimer Walde 
und die im D. der Jagſt bei Ellwangen. Hier wird 
das fog. Filderfraut (Ropitoht), das ſich durch 
feine jpißige Form, feine Ergiebigkeit und feinen vor: 
trefilihen Geichmad auszeichnet, viel gebaut. 
Fiwerbaßn, eine 1884 eröffnete, 2 km lange 
Zahnradbahn von Stuttgart nach Degerloch (470 m) 
und von dort Dampfitraßenbahn nad Hohenheim 
(8 km, 1888 eröffnet), Neubaufen (14 km, 1897 
eröffnet) und Vaihingen (2,3 km, 1897 eröffnet), 
württemb, Privatbahn. (S. Deutſche Eijenbahnen, 
ilderfraut, ſ. Silver. [Überfiht D, III.) 
ildes (ſpr. feilds), Lule, engl. Genremaler, 
geb. 1844, bildete fih auf der Londoner Alademie 
und lieferte zunächſt Jlluftrationen zu Journalen. 
Von feinen Gemälden find bervorzubeben: Die 
Armen Londons bitten bei der Polizei um Nacht⸗ 
quartier (1874), Der Witwer (1876), Die Spiellame: 
raben (1877), Stalienifches Blumenmädden (Ham: 
burg, Kunjtballe), Die Nüdtehr des Fer 
(1879), Die Dorfbochzeit (1883). Seit 1884 malte 
er vorzugsmeile Volksſcenen aus Venedig; jo: Ne 
netianifhes Strafenleben (1885). Seit 1879 ift F. 
Mitglied der Akademie zu London. 
g ldichan, |. Findſchan. 
ilehne. i) Kreis im preuß. Reg.⸗Bez. Bromberg, 
at 761,56 qkin und (1905) 32486 E., 1 Stadt, 44 
ndgemeinden und 21 Gutsbezirle. — 2) F., poln, 


682 


Wielen, Sreisjtadt im Kreis F. linls der ——— 
—— an der Linie Berlin: Schneiden [und der 
Nebenlinie Kreuz-Rogaſen⸗Inowrazlaw der Preuß. 
Staatsbahnen, Sik eines Amtsgerichts (Landgericht 
Schneidemübhl), hat (1900) 4307 E., darunter 1353 
Katholilen und 497 Israeliten, (1905) 4406 E., 
Poſtamt zweiter Klaſſe mit Zmeigjtelle, evang. und 
fath. Pfarrklirche, Synagoge, Hofpital; Dampf: 
bäderei, Sägemübhle. Südlich) davon das feit 1852 
beſtehende Pädagogium Oſtrau (Dftromo) und 
nöordlich das Gut F. mit Schloß und Bart. 

Filelfo (lat. Kbilelybuß), —— ital. 
Humaniſt, geb. 25. Juli 1398 zu Tolentino, ſtudierte 
in Padua, lehrte, von da wegen feines zügellojen 
Lebens au&gewiefen, feit 1417 in Venedig, erhielt 
das dortige Bürgerreht und wurde 1420 als Ge: 
sanbiichartäfelreiär nah Konſtantinopel geichidt. 
Hier gewann er unter Zeitung des Joh. Chryſoloras 
eine genaue Kenntnis des Griechiſchen, 1427 wurde 
er Profeffor der Beredſamleit und Moral in Bo: 
(ogna, 1429 der ſchönen Wiſſenſchaften in Florenz. 
1434 mußte er wegen feiner Streitfucht meicen, 
war 4 Jahre in Siena und von 1439 an in Mais 
land thätig. Später führte er ein rubelojes Man: 
derleben, wurde ſchließlich Profeſſor des Griehiichen 
in Florenz und ftarb daſelbſt 14 Tage nach feiner 
Ankunft, 31. Juli 1481. Er überjegte Stüde aus 
Lyſias, Plutarch, Zenopbon u. a. fowie die Rhetorik 
des Nriftoteled. Als Dichter war F. beſonders 
fruchtbar. Seine Verſe find fließend, doch meijt 

eihmadlos. In Satire und Polemik kennt er fein 
aß in der Verleumdung und gehäſſigen Angriffen 
gegen Widerſacher. Sein weitihmweifiges Helden: 
gedicht, die «Sforziader, ift ein höfiſches Machwerk 
zum Preiſe feines Gönners Franz Sforza. Die in 
ital. Sprache gegebenen Auslegungen Petrarcas 
find oberflählih. Viele feiner Werke blieben unge: 
drudt. Bon feinen Briefen ift die Ausgabe Venedig 
1502 die befte. Nachträge lieferten neuerdings Rlette 
(«Die griech. Briefe des Franciscus Pbilelpbus», 
Greifäw. 1890) und Legrand («Cent dix lettres 
—— de Filelfe», Bar. 1892). — Vgl. Rosmini, 

ita di F. F. (3 Bde. Mail. 1808). 

Filet (fr3., fpr. -Ieb), ein zu allerlei Bußarbeiten 
verwendetes neßartiges Gelnüpf von Zwirn, wolle: 
nem Garn oder Seide, das ſich von den beim Meben, 
Striden und Häleln erzeugten Fadenverſchlingungen 
durd) die an den Kreuzungspunkten der Fäden ges 
bildeten Knoten unterjcheidet, welche die gegenfeitige 
Verſchiebung der gekreuzten Fäden verhindern. Man 
bedient fich zur Anfertigung desjelben eines runden, 
glatten Holzjtabes, durch defjen Umfang die Größe 
der Maſchen bejtimmt wird, und der jog. Filetnadel, 
eines dünnen Metalljtäbchens, das an beiden Enden 
geipalten ift und den Fadenvorrat fträbnartig auf: 
gewidelt enthält. — In der Kochkuünſt bedeutet F. 
den Pendenbraten von allem Schlachtvieh und Wild: 
bret, aud das abgelöfte Brujtfleiih vom Geflügel, 
ſowie die aus Haut und Gräten gelöjten Fleiſch— 
teile vom Rüden der Fiſche. — In der Reitkunit 
it F. foviel wie Heine Trenje, — In der Bud: 
binderei heißen Fileten oder Stempel die 
Meiiinggrapuren, deren man ſich zum Vergolden 
der Buchdeden bedient. 

— — ſ. Fadengebilde nebſt Tertfig. 8. 

ilhol (ſpr. fijol), Antoine Michel, franz. 
Kupferſtecher, geb. 1759 zu Paris, geſt. 1812, be: 
ſuchte die Schule des F. D. Nee. war ein jehr 
fruchtbarer Künftler und hat eine Anzahl wiſſenſchaft⸗ 


Filelfo — Filiationsprobe 


licher Werke mit Illuſtrationen verſehen; das Her 
vorragendſte iſt fein Anteil an dem «Cours de pein- 
ture, ou galerie du Mus6e Napol&on» (10 Bde., Par. 
gilt, iriſche Dichter, f. Barden. —— 
(lat.), Tochter; F. familias, ſ. Hauskind. 
Filiale (mittellat., d. h. im Kindesverhältnis 
ſtehend), Inſtitute, die von andern gegründet ſind 
und in einem Abhängigleitsverhältnis zu ihnen 
fteben. (S. Filiallirche.) Filiälgefhäft oder > 
eine zweite Niederlafjung, in welcher dasſelbe kauf: 
männiſche Geſchäft betrieben wirb wie in der Haupt⸗ 
niederlaffung. Die F. dient oft bloß dem Verkauf 
der Maren, während der Einlauf im Hauptae- 
fchäft beforgt wird. Sie lann an demjelben Orte 
(in einer andern Stadtnegend) oder an einem an— 
dern Orte, ſelbſt überjeetfch, betrieben werden. Nur 
it es immer derjelbe Kaufmann, für deflen Red: 
nung in der F. fontrahiert wird; gewöhnlich fon: 
trabiert die F. auh im Namen des Inhabers des 
Hauptgeihäfts durch  Handlungsbevollmädtigte 
oder Prokuriſten. (S. Handelsniederlaffung.) 
Filialgemeinde oder Todhtergemeinde, 
die zu einer Filiallirche (f. d.) gehörende Gemeinde. 
Filtäfficche oder Tochterkirche, eine Kirche, 
an der der Gottesdienft vom Pfarrer der Haupt: 
oder Mutterfirhe oder unter deſſen Aufficht von 
einem Hilfsgeiftlihen verfeben wird; davon ver: 
ſchieden find vereinigte (kombinierte) Muttertircen, 
d. b. jelbjtändige Kirchen, deren Pfarrämter einem 
und demfelben Pfarrer übertragen find. 
Filiation (at, die rehtmäßige Abftammung; 
fodann diejenige firhliche Handlung, dur melde 
jwifchen zwei Kirchen ein Abbängigteitsverbältnis 
derartig bewirkt wird, daß die eine ald Mutter: 
(mater),die andere als Tochiertirche min zu betrach⸗ 
ten iſt. Dieſe Abhängigleit kann hervorgerufen wer: 
den dadurch, daß eine Parochie geteilt wird, der 
neuen varochiallirche aber nicht alle Pfarrrechte ein⸗ 
geräumt werben, oder daß eine ſelbſtändige Parochie 
mit einer andern vereint, ihr aber die frübere Selb: 
ar + ve in gewiſſen Beziebungen entzogen wird. 
Filiationdflage, die Klage, dur welche je 
mand einen richterlihen Ausſpruch über fein Kindes: 
verhältnis begehrt. Sie iit negative F., wenn der 
Ausfprud dahin begehrt wird, daß jemand das ebe: 
liche Kind des Bellagten nicht fei (ſ. Illegitimitäts— 
Mage). Nah dem Bürgerl. Geſetzb. $. 1593 iſt eine 
negative F. bezüglich eines Kindes, das während der 
Ehe oder innerhalb 302 Tagen nad der Auflöfung 
der Ehe geboren ift, aljo nah Rechtsvermutung als 
Kind des Ehemannes gilt, nur möglid, wenn der 
Ehemann gejtorben ijt, obne das Recht der AN 
tung der Ebelichkeit, das ihm, folange er lebt, allein 
—* verloren zu haben. Anderes kann für Fami— 
ienfideilommijje und Lehen gelten nk 
geſeß Art.59). Die F. kann z. B. veranlaßt jein, wenn 
jemand Intereſſe daran bat, ala Kind eines Dritten 
anerfannt zu werden, welder mit der Mutter die 
Ehe gebroben und demnädjt nad Auflöjung ber 
eriten Ehe die Mutter gebeiratet bat. Mit der 
pojitiven F. wird die Anerkennung begebrt, dab 
jemand das eheliche Kind des Bellagten ſei. Auch 
dieſe Klage fann von Dritten erhoben werden. 
iliationdprobe, die auf Urkunden und glaub: 
würdige Beweismittel geftügte Nachweiſung fo vie: 
ler Abnen, als im einzelnen Falle erforderlich find. 
Die Angabe und glaubwürbige Nadhmeifung, von 
welchen Eltern jede der auf der Abnentafel genann: 
ten Berjonen abjtammt, und daß die Eltern ſtandes⸗ 


Filibe — Filinto Elyfio 


emäß vermäblt waren, beißt der Filiationstert. 
ird dargetban, daß jede in der Abnentafel auf: 
geführte Familie von altemritterbürtigem oder ſtifts⸗ 
räbigem Adel fei und das auf der Abnentafel * 
ebene Wappen führe, fo iſt die Adelsprobe be 
** Die F. und die Apelsprobe jufammen werden 
Ibnenprobe (f. Ahnen) genannt. — Bol. Stobbe, 
Handbuch des deutſchen Privatrechts, Bo. 1 (3. Aufl., 
ilibe, Stadt, ſ. Philippopel. WBerl. 1893). 
ilibedzik (fpr. -vichit), Dorf im türk. Wilajet 
Salonili, jteht auf den Trümmern der Stadt Bhi- 


lippi il; d.). 

5 ibuftern, in der parlamentariſchen Sprade 
Nordamerikas die Berbinderung einer Maßregel in 
einer gejeßgebenden Körpericaft dur Verſchlep— 
pung der Geihäfte. (S. auch Objftruttioniften.) 

icäja, Vincenzio da, ital, Dichter, ge i 
80. Dez. 1642 gm, begründete feinen m 
durch die 1684 in Florenz gebrudten Kanzonen au 
die Belagerung von Wien. Ebriitine 
von Schweden ernannte ihn zum Mit: 
liede der von ihr in Rom errichteten 
fademie, 1696 der Großberjog von 
Zoscana zum Senator und Sefretär 
der Regierung von Volterra und 
1700 der zu Site, Mit der Zufam- 
menftellung einer Gejamtausgabe 
feiner Werte beihäftigt, ftarb er 
24. Sept. 1707 zu Florenz, worauf 
fein Sohn Scipio da F. diefelben 
u.d.T. «Poesie toscane» (lor. 1707) 
berausgab. Eine gute Ausgabe der 
Gedichte und Briefe mit 7.8 Lebensbe⸗ 
ſchreibung hat Amico bejorgt («Poesie 
e lettere di V. da F.», }lor. 1864). 

Filioes, Filicindae (fFilici: 
neen), Pflanzenabteilung, |. Farne. 

Filicudi, Silieuri, eine der Li: 
variſchen Inſeln (f. d.). 

Filieren (ital. flar il tuono), 
in der Mufil: den Ton andauernd 
gleihmäßig ausftrömen laffen, obne 
merlliben Wechſel in Stärte oder 
Schwäche. Man gebraucht dafür im 
Geſang aud die deutſche Wendung 
«den Ton fpinnen», — In der Seiden: 
fabrilation ift 5. foviel wie Zwirnen. 

—2— (neulat.), fadenförmig. 

iligranarbeit (vom lat. filum, 
aben, und um, Korn), die aus 
einen, meift in Form von Ornamen: 
ten, Arabesten, Zaubwertl u. f. w. 
—*2— und zuſammengeldteten 
old: oder Silberdrähten gefertigten 
Schmudjahen. Der dazu angemen: 
dete Drabt wird meift mit feinen Schraubengemin: 
den verjeben und dann gemalt, jo daß er als ein 
dünner ſchmaler Streifen mit zart ausgezadten 
Rändern ericheint. Die Hauptihönbeit berartiger 
Arbeiten —* darin, daß feine Goldlörnden auf 
den Faden aufgejeht oder außerdem noch zur Her: 
ftellung eines matt glänzenden Grundes verwendet 
werden. Die Funde von antiten F. in Italien, bes 
fonder& in Etrurien (f. Fig. 1), in Griechenland, 
Kleinafien und an andern Orten beweiien, wie 
bobaeihäkt —* Schmudgegenſtände im Altertum 
maren, und melde Volllommenbeit in der Anfer: 


ig 1. 


tigung derfelben die Goldſchmiede damals erreicht | migen Mujtern 
ng erlangte die $. im | 


batten. Die höchſte Ausbi 





Etrustiices Obrgebänge von 
Gold mit Filigran. 


683 
Drient (Türkei, Ughpten, Raufafusgegenden) fowie 


——— in Indien und China, wo noch jet F. in 
erſtaunlicher Feinheit und Sauberfeit ausgeführt 
wird, Im 


Mittelalter, zur a des byzant. und 
roman. Stils jowie von den Arabern, wurde die F. 
wieder lebhaft betrieben; doch wurde das meiſt zu. 
lirchlichen Gefäßen, öfters aber fogar zu Buchein— 
bänden (f. Tafel: Budheinbände, ig. 1) ver— 
wendete Filigran aus derbern, mehr banbartigen. 
one bergejtellt, welche mit der untern Kante in 
bön gebogenen Ürabesten auf die Flache aufgelötet 
und auf der obern mit Rörnern befeßt waren. Dieje 
Art F. bat fih ähnlich in Norwegen (f. Fig. 2) er: 
balten. In der Beriode der Renaifance madte man. 
nur geringen ei davon, mehr im 17. und 
18. Jahrh. Heutzutage hat ſich die F. an vielen Orten 
erbalten zur Her: 

richtung nationas 
len Schmudes 





PT 


—— —— 





.3. Spani iaranbroſch 
re — 


Die bedeutendſte Stätte iſt Italien, beſonders Genua 
und Rom, Norwegen, Holland, Portugal, Spanien 
(. Fig. N). befonders au Ungarn, das im 16. und 
17. Jahrh. zu jeinem reihen Koſtümſchmud und zum 
Schmud feiner Waffen vom Filigran in Verbindung 
mit Gmail eine böcft eigentümlihe Anwendung 
machte. Zum Vollsſchmuck wird das Filigran ferner 
bergeftellt auf den dän. und frief. Inſeln fowie in 
den ſchweiz. und diterr. Alpenländern. 
Are f. Millefiori. 

iligränpapier, ein feines Qurusbriefpapier 
mit zarten, dur Prägedrud bergeitellten nekiör: 
a [cimento (f. d.). 
ilinto Elyfio, Pieudonym von F. M. do Nase 


684 


Filiolität (Filiolitas, mittellat., ET 
Ehrentitel, den Päpfte und Konzilien einzelnen fat 
Fürften beilegten. 
Filioque (lat.), f. Heiliger Geift, 

ilipendeltwurz, |. Spiraea. 

ilipepi, Alejlandro, ital. Maler, ſ. Botticelli, 

iliponen, rujj. Selte, |. Philipponen. 

ilippi, Filippo de, ital. Neifender und Natur: 
forſcher, geb. 20. April 1814 in Mailand, ftudierte 
zu Bavia Medizin und wurde dann Profefjor der 
Zoologie dafelbit, 1848 in gleicher Eigenſchaft in 
Zurin. Nachdem er 1862 Perjien bereijt hatte, über: 
nahm er 1865 die wiflenjchaftliche Zeitung der Welt: 
umfegelung der Magenta und ftarb 9. Febr. 1867 in 
Honglong. Er ſchrieb: «Delle funzioni riprodut- 
tive negli animali» (Mail. 1850; 2. Aufl. 1856), 
«Il regno animale» (ebd. 1852), «Note di un viag- 
gio in Persia» (ebd. 1865). 

ilippo Lippi, ra, ital. Maler, f. Lippi. 

ilippsdorf, ſ. Philipsdorf. 

ilipshof, böhm. Ort, ſ. Caslau. 

ilipftad, Stadt im djtl. Teile des ſchwed. Län 
Mermland, in reizender Lage am Norbende des 
Sees Daglöfen und an Zmweigbahnen zu den Bahn» 
finien on der Cine Mo Göteborg: Kil-Falın 


fowie an der Linie F.⸗Nordmark-Uddeholm, ift 
us reiher Minenbdiftrifte und bat (1900) 
3533 E., eine Bergſchule und Eifengruben. 

Filit, ſ. Schiekpulver. 

Filius (lat.), Sohn; F. Sancti Petri, Sobn 
des heil. Vetrus, Ehrentitel, der vom Papſte an 

ürften für befondere Dienfte verliehen wird. — F. 
amillas, ſ. Hausfind. 

Filix (lat.), das Farnkraut, |. Farne. 

Filigfäure, eine organiſche Säure von der Zu: 
ammenjegung C,H, Os, der Dibutyrylefter des 

bloroglucing (f. d.), C,H,O,(C, H, O),, der fi 
aus dem ätheriſchen Ertrafte der offizinellen Farn— 
trautwurzel (von Aspidium Filix mas Sw.) troftal: 
liniſch abjceidet. &ie foll wie die Wurzel band: 
murmabtreibend wirken. 

Fille (fr;., fpr. fij), Tochter, Mädchen, Nonne; 
Filles de la charité ſſpr.ſcha⸗) oder de la misericorde 
(ipr. -Lörd), Barmberzige Schweitern (f. d.); Filles 
de sagesse (ſpr. ſcheß), |. Weisheitätöchter; F. de 
France (jpr. frangß), Tochter eines Königs von 
; —— F. d’honneur (ſpr. donnöhr), Ehren: 

äulein, ſeit Katharina von Medici Titel der Edel: 
räulein der Königin (vorber F. de la reine[ipr. 
räbhn]), auch Brautjungfer; F. de boutique (ſpr. 
butif), Ladenmädchen; F. de joie (pr. ſchöä), 
Freudenmadchen. 

Filler, ungar. Bezeichnung für Heller (f. d.). 

iMingmafchine, bei der Verarbeitung ver 
lorettjeide eine Maſchine, auf mwelder das Material 
n ein Bließ verwandelt und jodann in gleiche Län- 
en zerjchnitten wird, um die Arbeiten des Dref: 
Herens (Kämmens) und Spinnens zu ermöglichen. 

Fillmore (ſpr. -mor), Millard, der 13, Präfi: 
dent der Vereinigten Staaten von Amerila, geb, 
T. ve 1800 in Summer:Hill (Staat Neuyorf) als 
Sohn eines Heinen Farmers, wuchs in ärmlidhen 
Verhältniffen auf und war von 1823 an zuerft in 
Aurora, dann in Buffalo als Advolat thätig. 1828 
zum Mitglied der Staatslegislatur gewählt, trat 
er 1833 in den Vereinigten Staaten:Rongreß, dem 
er ald Whig bis 1843 — Bei der Wabi 
von 1848 wurde er zum Vicepräſidenten, Taylor 
zum Präfidenten gewählt. Der plögliche Tod des 


Filiolität — Fils 


legtern berief ihn 9. Juli 1850 auf den Präfiden: 
tenjtubl, in einer Zeit, in der über die Zulaffung 
ber Sklaverei in den im meril. Krieg erworbenen 
Gebieten ſchon ein ng Kampf 2* Norden 
und Süden auszubrechen drohte. Taylor hatte dem 
von feinem Partei Men . Clay vorgeichlage: 
nen und von Mebiter efürworteten Kompromiß, 
dad im mejentlihen die Aufnahme Kaliforniens 
in die Union als nicht fHlavenbaltender Staat 
beftimmte, dagegen den Süpjtaaten die ftrengjten 
Mapregeln zur Verfolgung flüchtiger Ellaven ge 
ftattete, feine Zuftimmung verweigert. Unter F. lam 
ed 18. Sept. 1850 zu ftande. Nah Ablauf feines 
Amtes machte er dann 1853 eine Reife nah Europa 
und trat 1856 als Präfidentihaftslandidat der na⸗ 
tioiftifchen (amerit.) Partei auf, bradte es jedoch 
nur zu den acht Stimmen des Staates Maryland. 
‚ftarb 8. März 1874 in Buffalo. — Vgl. J. Cham⸗ 
erlain, Biography of Millard F. (Buffalo 1856). 

Film (engl., foviel wie Haut), Bezeichnung für 
dünne pbotogr. Schichten. So ſpricht man von Kol: 
lodiumfilms, Gelatinefilms, Celluloidfilms u. ſ. w. 
Mit dem Prodult fam auch der Ausprud nah 
Deutichland, wird aber bier hauptfählih nur für 
Bromfilbertrodenplatten gebraudt, bei denen F. 
ftatt Glas die Unterlage für die empfindliche Edidt 
bilden. Dieſe F. zeichnen ſich vor den Glasplatten 
durch ihr geringes Gewicht (etwa *,, der Gläfer) 
und ihre Biegfamtleit aus, Lehtere Eigenfhaft macht 
fie geeignet zur Verwendung im Eplindrograpben 
ſ. Photographie), E3 giebt dazu befondere Film: 
aſſetten. 

ilon (ſpr. -Töng), Auguſte, franz. Hiſtoriler, 
* 7. Juni 1800 zu Paris, wirkle als Lehrer ver 
eihichte an verſchiedenen Gymnafien zu Paris, 
an der Normalſchule und an der Fakultät zu Douai, 
und ward ſchließlich nipeltor der Akademie in 
Paris, wo er 1. Dez. 1875 jtarb. Er verfaßte: 
«Histoire comparée de France et d’Angleterre» 
(1832),«Histoiredel’EuropeauXVlI*siöcle» (2 Bope., 
1838), «De la diplomatie frangaise sous Louis XV» 
(1843), «Du pouvoir spirituel dans ses rapports 
avec l’Etat» (1844), «Histoire de l’Italie meridio- 
nale jusqu’&la conquöte romaine» (1849),«Histoire 
du senat romain» (1850), «Histoire de la J&mo- 
cratie athönienne» (1854) und «L’alliance anglaise 
au XVIII® siöcle» (1860). 

Sein Sohn Pierre Marie HusnEinD- geb. 
28. Nov. 1841 zu Paris, ftudierte auf der Normal: 
ſchule, war Lehrer der Rhetorit am Gymnafium zu 
Grenoble und dann Hofmeifter des kaijerl, Prinzen 
(Sohnes von Napoleon IIL.), dem er nad England 
folgte. Seine «Histoire de la littörature anglaise 
depuis ses origines jusqu’& nos jours» (1883) wurde 
1834 von der Alademie frangaije preiögelrönt. 7. 
ſchrieb auch Novellen und Romane («Violette Me&- 
rian», 1891; deutich in Engelhorns «Romanbiblio- 
thel», Stuttg. 1892). , , j 
Fitofelte (fr3.), joviel wie Florettjeide (f. Seide). 

ou (frz., ſpr. lub), Spigbube, Schelm; Fi- 
louterie (fpr. -lut’rib), Gauneret, Spikbubenjtreid. 

Fils (ir, ipr. fibs), Sobn; F.de France, foviel 
wie Enfants de France (f. d.); F. aine de l’Eglise 
(ipr. äneh de leglibi'), |. Eritgeborener Sobn der 

18, maroft. Gelvgröße, ſ. Udia. Kirche. 
ils, rechter Nebenfluß des Nedars, entipringt 
im württemb. Donaukreis, in der Rauhen Alb, 
weſtlich von Wieſenſteig, in 662 m Höbe, fließt an⸗ 
fangs nad ND., wendet fich bei Altenſtadt, wo er 


Fils de la Vierge — fFiltrieren 


den Eybach aufnimmt, in breitem Thale nah NW., 
dann fat nah W., bei Göppingen vorbei dur ein 
obſt⸗ und weinreiches Thal, und — in 246 m 
Höhe, 62 km lang, bei Blodinge 
Fils de la — (fr3., F fill de la wierſch), 
Marienfäden, f ‚ ltweiberfommer, 
re Filtriere 
— iltertorb, ſ. Wafferver: 
rung nebjt Taf. I, Fig. 6 (Herausnebmbarer 
ilterlorb). 
Fiherpreffer foviel wie — “ (. d.). 
ilterpreffe, ein Filter, bei welchem die Tren: 
nung eines Gemenges fejter und flüfliger Stoffe 
dadurdh erfolgt, daß das Gemisch in einen von 
Pen ie umſchloſſenen Raum durch 
ydroſtatiſchen oder ———— Drud, alſo z. B. 
mittels einer Drudpumpe, eingepreßt wird. 4* e 
ihrer allgemeinen Verwendbarteit bildet die F. ein 
wichtiges Hiliämittel vieler —— bei viele: 
weiſe findet fie ausgedehnte Benußung in Zuder: 
abrifen zur Saftgeminnung aus dem Scheide: 
chlamm, in Stärke⸗ Farben, Thonwaren: und äbn: 
ichen Fabriten zur bibeidung der den pulveri en 
Seitlörpern — Fluſſigleit, in Stearin⸗ 





E— 





— zur Trennung des Stearins vom Dlein 
omwie bei der Gewinnung zablreiber em. Pro: 
dulte, Man unterjheidet Rammerprefjen und 
Rahmenpreffen, je nachdem die einzelnen Filter: 
räume, wie in ig. 1, durch zwei an den Stirm- 
feiten laftenförmig au: etiefte umd gegeneinander 
gepreßte Platten a, b gebildet find oder, wie Fig. 2 
jeigt, dur einen Rahmen c umgrenzt werben, 
gegen deſſen beide Stirnränder ſich ebene A hluß: 
latten d, e legen. Die Innenſeiten der en 
ind in fentrechter Richtun — und mit Sieb⸗ 
platten belegt, die der % tertucheinlage —— 
— angedeutet) zur Stüße J enen. 
Durch Bohrungen h der Wandung tritt das zu fil⸗ 
trierende Gemiſch in den Filterraum ein, rend 
die durd die Filtertücher — Fluſſigleit — 
ſchen den Rippen der Platten berabri brielelt und 
durch die Bohrungen i des untern Plattenrandes 
entweiht. Die zurüdgebaltenen Feſtlorper q da- 
gegen lagern fih im ‚inner bes Filterraums ab 
und bilden am Schluß der Arbeit eine —— 
ir gr Dale von — den ſog. Preß⸗ 
uchen. D Drudfteigerung in der Beeile ebt 
mit ber Anfülung des Filterraumes durd feite 
Subſtanz Hand_in Hand, da durd letztere der 
Durgtritt der Flüffigleit durch die Filterflähen 


685 


Dede und mehr erichwert wird, fo daß ſich bei der 

Bildung fehr fe —F Kuchen die Vreſſung ſchließlich 
auf 6 bis 10 Atmofpbären erbebt. Das Material 
I die Platten und Rahmen ijt meift Gußeifen, 
eltener Hola, zumeilen auch Bronze oder Blei. ji 
der 5. werben Filterförper der beichriebenen Art 
in größerer Anzahl (bi zu 50 Etüd) zufammen: 
geſetzt, um dadurch eine möglichft große Filterfläche, 
—* e die Leiſtungsfähigleit des Filters bedingt, 
in kleinem Raum aufzuſpeichern. Sämtliche Filter: 
fammern beſitzen dann einen gemeinſamen Ein— 
trittslanal, werden alſo auch gleichzeitig geſpeiſt 
und gefüllt. Fig. 8 zeiat eine nicht vollftändig ge: 
ſchloſſene Rabmenprefje. Die elf Filtertörper (Plat⸗ 
ten und Rabmen) ruben mit Nafen a auf den bei: 
den horizontalen Tragftangen b und c, welde an 
dem Kopfitüd d der Vreſſe und an den Säulen 
e f bejeitigt find. Der lintsfeitige Teil diefer Stan- 
en trägt Schraubengemwinde, und zwei mit den 
andrädern gh ausgerüftete Schraubenmuttern 
dienen zum Schließen der Prefie, indem fie die 
Schlußplatte i geam die an d (ebnenden Filter: 
körper prefien. t der Eintritt für das zu ſchei— 
dende Gemiſch, die Häbne | bilden den Austritt für 
das Filtrat. 


Iſt die Gewinnung des letztern das 





Big. 3. 
Endziel der Filtration, wie 3. B. in den Zuder: 
fabriten, fo enthält die Preſſe noh Einrichtungen, 
um die in " rt zurüdbleibenden Preßluchen durd 
Bajler oder See, das Rohr m würde 
in dieſem Fall den Eintritt für die Auslaugfluſſig⸗ 

HE — [keit bilden. 


terfte —J erſtein. 
etrichter, f. Filtrieren. 


trät, die beim Sit eren (ſ. d.) durch das 
u ann Flauſſigleit. 
eren (lat.), ein im chem. Laboratorium, in 
der —* und im häuslichen Leben angewendetes 
Verfahren, um Flüffigleiten von meift fett en Stofjen 
u trennen, oder auch chem. Veränderungen mit den 
S inffigteiten vorzunehmen. Zwed des F. ift bäufig 
nur eine Klärung von Flüffigfeiten, der abfiltrierte 
Stoff ift dann wertlos; in andern Fällen joll ver 
er trierte Stoff gefammelt werden, und das Filtrat 
ift wertlos; oder aber ed tommt * die Sammlung 
des abfiltrierten Stoffs Per wie auf die des 
Filtrats an f beide find wertvoll. Hiernach müflen 
die —— „dienenden Voxrichtungen gewählt werden. 
em. Laboratorium bedient man ſich mei— 
— der aus ———— Er .) gefertigten Fil⸗ 
ter. Man ftellt den Filter indem man kreis⸗ 


686 


Filtrierpapier — Filz (Faſergebilde) 


förmige Scheiben fehneidet und dieſe nach zwei ſich nung abfließt; durch wiederboltes Aufgieben von 


rehtwinllig freuzenden Durchmeſſern faltet, mo: | Waller wird der Niederfchlag gewaſ 


durch beim Aufklappen ein Trichter gast wird. 
Als Träger des Filters dient ein G 


ven ber mit der Spike abwärts gerichtete Papier: | 


tegel jo geitedt wird, daß ſich das Papier überall 
‚gleibmäßig an die Trihtermandun anjchmient; 
vie Größe des Trichters ift jo zu mäblen, dab ber 
Rand desfelben wenigſtens um einige Millimeter 
über den Nand des Filters bervorragt. Der Trid): 
ter wird entweder unmittelbar auf ein flajchen: 
förmiges Gefäß geſeht oder von einem Geſtell ge 
tragen, um das Filtrat in einem Becherglaſe, an 
been Innenwandung ſich die Sp des Trichters 
t 


anlegt, zu fammeln. Um die Filtrationsgeſchwin— 


digleit zu bejchleunigen, wendet man Apparate an, 


'bei denen die Mundun 
Auftleer gemadten Bebälter endet; es rubt dann 
das ganze Gewicht der lee auf dem Spie- 
‚gel der im Filter befindlichen Fluſſigleit und preßt 
dieje durch die Poren des Papiers. Ein folder von 
Bunfen tonjtruierter Apparat beſteht aus einem 
ftarfwandigen Glaskolben, der mittels eines zwei: 
‘mal durchbohrten —— verſchloſſen iſt. 
In die eine Durchbobrung iſt ein rechtwinklig 
— Glasrohr eingefügt, das mittels eines 
ummiſchlauches mit einer Wafferluftpumpe oder 
einer fonftigen Saugvorridtung in Verbindun 
ftebt; Die zweite Durhbobrung nimmt das Ablauf: 
robr des Trichters auf. Da bei dem ſtarken Drude 
feicht die weiche, frei in dem Trichterbals ſchwebende 
Spike des Filters durchbrochen wird, jo giebt man 
diefer einen Schuß in Form eines ganz Heinen, aus 
fein durchlöchertem dünnem Platin angefertigten 
Konus, oder man verwendet gebärtetes Filtrier: 
papier. Zur Vergrößerung der filtrierenden Flache 
dienen Filterſcheiben, runde, durchlöcherte Bor: 
ellanſcheiben, die man in die Trichter legt und mit 
Elteierpapier belegt. Diefe Scheiben hat man au 
‚mit dem Trichter zu Filtertrichtern (Nuticen) 
und Filtertiegeln verbunden. Leßtere dienen, mit 
einer Asbeſtſchicht beichidt, in der analytiichen Che⸗ 
mie zum F. Zrodnen und MWägen eines Nieder: 
9 — Flaſſigkeiten, die das Papier heftig angrei: 
en, wie ſtarke Säuren, Alkalien u. dal., filtriert man 
durch Schichten von Asbeſt, Glaswolle, Slaspulver. 
In der Technit, mo es fih darum handelt, große 
Mengen von Flüffigfeiten zu Mären, benukt man 
Spisbeutel von einen, gi ober der Beichaffen: 
beit der Flüffigteit angepaktem Material, die frei 
ſchwebend an vieredigen Holzböden aufgehängt 
werben, oder gewirkte Schläuche, bie, unten ge: 
ſchloſſen, am obern Ende an Robrituken befeitigt 
sind, welch leßtere in den Boden eines kaftenförmi: 
gen Bebälterd eingeihraubt find. Die zu filtrie: 
rende Flüffigleit wird aus einem böber jtehenden 
Rejervoir in den Behälter geleitet, flieht durch bie 
Schläude, das Filtrat fammelt ib in einem unter 
den Schläuchen befindlihen Reſervoir. Jum Sam: 
meln von Niederſchlägen und zum Auswaſchen der: 
yon bedient man fi im Grofßbetriebe der Seib: 
ottiche. Es find Behälter, von Holz oder Metall 
angefertigt, die dicht über ihrem eigentliben Boden 
«inen zweiten burdlöcerten oder geichligten Boden 
haben, der mit Zeug überjpannt ift. Die Zlüfjig: 
feit, in welcher der Niederihlag verteilt ift, wird 
in den Bottich gebracht, der Niederichlag bleibt, von 
dem Filter getragen, zurüd, während das Filtrat 
durch eine zwiſchen beiden Böden angebrachte Öff: 


des Trichter in einen | 





— 


\ * Das Ver⸗ 
fahren lürzt man ab, indem man die Abflußoffnung 


astrichter, in | mit einem luftleer gemachten ar can verbindet. 


‚ Sn neuerer Zeit wird im Großbetriebe, nament: 
ih zur Anfammlung ſehr feiner oder gelatindjer 
Niederjchläge, die Filterprefie (j.d.) benußt. um: 
fangreichſtem Maße wird die ee ur Klärung 
des Flußwaſſers — der Waſſerverſorgung der 
großen Städte ausgeführt. (S. Waſſerreinigung 
und Waflerverjorgung nebft Taf. II, Fig. 3.) 
Zumweilen werden aud Flüffigleiten filtriert, um 
gelöjte Stoffe aus ihnen zu entfernen. Als Filter 
dient meift poröje Tierlohle, Knochenkohle, die durch 
Dberflähenanziebung gewiffegelöfte Stoffe, nament: 
lich Farbſtoffe, auf fi hieberfhlägt, — vol Krüger, 
Die Bl für Haus und Gewerbe (Wien 1886). 
#iltrierpapier, ein aus Hadern bargeitelltes 
—— Papier, das ſehr pords, aber durchaus 
nicht locherig jein darf und einen verhältnismäßig 
boben Grad von Feſtigleit befigen muß. Die nö: 
tige Poroſität wird demfelben meift dadurch erteilt, 
daß man die friſch bergeitellten, noch nafjen Bapier: 
bogen bei jtarler Winterkälte & ieren und imo: 
mach gefroren trodnen läßt. Als das beite, vor: 
uglich für die quantitative Analyſe geeignete F. 
hat lange Zeit das fog. ſchwediſche, mit dem 
afferzeiben Munftell verjebene gegolten, doch 
wird dies neuerdings an Güte durd ein von Schlei⸗ 
her & Schüll in Düren gefertigte übertroffen, das 
mit deftilliertem Waſſer bergeitellt wird. Lebtere 
Firma bringt gegenwärtig mit Flußſäure und 
Salzfäure gereinigte Filter in den Handel, vie 
beim Verbrennen faum noch Spuren von Aſche 
binterlajjen, und bir aud ein gebärtetes F., das 
der Cinmirkung Starter Säuren und Paugen wider: 
ftebt und beim Filtrieren unter vermindertem Drud 
obne 'Blatinlonus verwendet werden lann. 
Filtrierftein oder Filterftein, ein pordfer 
Sandftein, der zu Platten geichnitten als Einlage 
für MWaflerfilter (ſ. Wafferreinigung und Wajjer: 
verforgung) dient. 
Filtriertuch, Filtertub, Filtrierbeutel, 
ein dider, lofer Wollftoff, der entweder durch Me: 
berei aus gebrehtem Garn oder auch durd Filzen 
pergefe wird, In allen Teilen muß der Stoff 
inreichend Loje jein, um Slüffigleiten ſchnell durch⸗ 
ulaſſen, und hinreichend feinporig, um auch jebr 
eine feite Körper — Wolle iſt nach 
ihrer natürlichen Beſchaffenheit hierzu os ge⸗ 
eignet. Vor dem Filtrierpapier bat das F. den Bor: 
zug, daß es wideritandsfäbiger ift, das Filtrieren 
unter Drud geftattet und jederzeit gereinigt und 
wieder gebrauhsfäbig gemadt werben fann. 
Filure (fr;., fpr. -lübr), Gefpinit. j 
Filz, ein aus wirr durcheinander liegenden tieri- 
{hen Haaren, *2 ha er Hafen» und 
Raninhenbaaren, beitebendes Gebilde, bei welchem 
obne Weben, dur die Arbeit des Fadens, Filzens 
und Wallens, ein feſter Zuſammenhang der einzel: 
nen Faſern erreicht F und das, außer zu Hüten 
(f. Stlzfabrilation), uptfäclic zur Belleidung 
der Dampfcylinder, bei verjhiedenen mufilalifchen 
nitrumenten zur Dämpfung bes Tons, jowie zu 
chuhen verwendet wird, ; 
In der Bapierfabrilation IR: ein grobee, 
lofe gewebtes, ſchwach gewalttes Wollzeug, welches 
als Zwifhenlage der Bapierblätter beim Abnehmen 
derjelben von der Form benußt wird. 


Filz (Moor) — Filzfabrikation 


iz, in Sübdeutihland, befonders Bayern, jo: 
viel wie Moor (f. d.). 

ilzdeckel, Unterjag für Gläfer, |. Filztuch. 

ilzeiche, |. Eiche. 

ilzen, verfilzen, ſ. Silsfabrikation und Tuch: 
fabritation. 

Filzfabrifation. Die Heritellung des Filzes 
berubt auf der Eigenſchaft der Haare, fih unter 
Drud und fhiebender Bewegung zu einem zähen, 
elaſtiſchen, ſchmiegſamen Gebilde zu vereinigen (ver: 
filzen). Das tieriſche Haar zeigt nämlich unter dem 
Mitroflop entweder eine mit feinen, boritenartigen 
Spitzen ſchräg beſetzte Oberfläche, wie z.B. die Haare 
des Bibers, oder die Oberfläche ift mit Heinen, dad: 
iegelartig einander übergreifenden Schuppen be: 
est, welche die Bewegung in der einen Nichtung 
geitatten, in der andern aber verhindern oder doch 
erſchweren. Durch das Bearbeiten der zu einem 
Haufwerk vereinigten Haare bewegt fich jedes Haar 
vermöge feiner Widerhafen nur mit dem Wurzel: 
ende voran zwiſchen den übrigen Haaren hindurch. 
Schon durd ein unbedeutende Drüden wird der 
Verfilzungsprozeß eingeleitet, und indem bei ber 
mweitern Verarbeitung jedes Haar mit dem Wurzel: 
ende voran in die Mitte der Silgmafie bineindringt, 
wird der Filz immer dichter. Das Berfiljen wird 
durch Anfeucten und Erwärmen der Haarmafje be: 
günftigt; befchleunigt wird es auch durch Anwen: 
dung von verbünnter Schwefelfäure und Seifen: 
wafler. Alle derartigen Präparierungsmethoden 
haben namentlib den Zwed, das natürliche Fett 
und bie Unreinigfeiten zu entfernen, bamit bie 
Spißen, refp. Schuppen bloßgelegt und jo das An: 
baten oder Anbaften der Haare erleichtert wird; 
mande Arten von Haaren werden noch befonders 
auf dem Fell mit einer Löfung von Duedfilber in 
Salpeterjäure mit Zuſatz von Duedfilberjublimat 
und weißem Arjenik gebeizt. 

Der fertige Zum wird, bamit er nicht Durch 
nachträgliche — die erhallene Form wieder 
verliert und zugleich damit er eine größere Steif— 
beit erlangt, mit einer Füllmafje imprägniert; 

über benugte man als ſolche Leim, jeßt nur noch in 

piritus aufgelöften Schellad. Zu diefem Zwecke 
taudt man das fertig geformte Stüd zuerft in die 
Scelladlöjung und dann in reines Waſſer; durch 
Verbdunftung des Allohols in dem Filze ie ſchei⸗ 
det ſich der Schellach in Geſtalt eines feinen, an 
den Haaren haftenden Pulvers aus. Obwohl alle 
tieriſchen Haare ſich verfilzen laſſen, beſihen doch 
nicht alle die Verfilzungsfähigleit in gleichem Maße; 
je feiner und —. das Haar ift, defto dichtern 
und fejtern Filz liefert e8. 

Fur die Hutfabrifation, in welcher ver Filz 
die hauptfählichite Verwendung findet, lommen nur 
teinere Sorten in Betracht. Man unterfcheidet zwei 
Hauptarten: 555 Haare (Pelzhaare) und gefräu: 
felte Haare (Wolle). Dementſprechend unterſcheidet 
man bei den Filzhüuten Haarbüte und Wollbüte, 
deren Fabrikationsmethoden im allgemeinen ein: 
ander ähnlich find. Das gewöhnliche Material für 
Filzhüte bilden die Haare des Bibers, des Dtters, 
ver Hafen, Kaninchen, Seehunde, Affen, fowie die 
verichiedenen Wollen. Tiere aus kalten Zonen, be: 
fonders ſolche, welche im Winter erlegt find, neben 
bejiere Pelzhaare als joldhe aus wärmern Gegen: 
den; außerdem liefern die einzelnen Teile der Belze 
verfchiedenmwertige Haare, am meijten find die Velz: 
baare vom Rüden gefhäßt. 


687 


Die er ragen war früher ausſchließ⸗ 
lih Handarbeit; erit in neuerer Zeit werben 
die einzelnen Operationen durd eine Reihe von 
Specialmaſchinen ausgeführt. Bei der Fabrikation 
durh Handarbeit wird die Wolle faft ebenfo wie 
das Haar bearbeitet. Das Material (Wolle, Haar 
oder ein Gemifch von beiden) wirb zunächſt aufge: 
lodert und von Staub und den gröbjten Stiel: 
baaren befreit, wobei zugleich die Haare unregels 
mäßig durdeinander geworfen (gefadht) werden, 
Nach der fo erfolgten Jurihtung werden aus dem 
für einen Hut betinmnten Material zwei loje dreis 
edige Lagen mit gebauchten Seiten gebildet und 
durch vorſichtiges Drüden mit der Hand fo weit 
pufommengefgt, daß fie ſich, ohne zu zerreißen, auf: 
beben lajjen. Nach weiterer Berfiliung werden zwei 
Seiten mit der Hand zu einem ſog. Stumpen ver 
bunden, einer großen fegelförnigen Mutze. Die 
Stumpen werden nun mit der Hand gewalft, wos 
bei jie häufig in die Wallbeize getaucht werden, bis 
fie auf etwa ein Drittel ihrer urjprünglichen Größe 
zufammengefhrumpft find. Zur Beleitigung der 
vorftehenden Stichelhaare wird der Stumpen zuerft 
mit einer fteifen Bürfte und beißer Lauge, dann 
mit Bimsſtein bearbeitet; ſchließlich wird er noch 
mit einem ſtumpfen Meſſer, das ſich in die vor— 
ftebenden Haare einhalt und fie herausreißt, rafiert. 
Der fertig gefilzte Stumpen wird, um in die Huts 
form gebradıt zu werden, über einen Blod gezogen, 
wobei man feine Spiße durch Streden, Drüden und 
Bürften verbreitert; hierauf wird der Nand über 
dem Blod abgebunden und auf ähnliche Weife ges 
ftredt. Der gewallte und geformte Hut wird gefärbt, 
geglänzt, mit Schellad oder Leim gejteift und zuge: 
richtet, wodurd er feine vollendete Form erbält. 
Schließlich wird der Rand abgefchnitten, eingefaßt 
und der Hut innen gefüttert. 

Bei der Filzbutfabrikation mittels Maſchinen 
müſſen Pelzhaare und Wolle gefondert verarbeitet 
werden, da den verfchiedenen Eigenſchaften des 
Materials entſprechend verſchiedene Arbeitsmaſchi⸗ 
nen zur Wirkung gelangen. Haarhüte werden in 
Deutichland mei aus ga en: und Kaninchen⸗ La⸗ 
pin) ellen bergejtellt, weldye getrodnet in den Hans 
del fommen. Die Felle werden mit einer Wifhun 
von Salpeterfäure und Duedfilber —* — — 
folgt das Reinigen der Vließe mittels der Fellbürft: 
maldin, deren Bürftenmwalze fich fchnell dreht. Die 
nädjtfolgende Arbeit ift das Abfchneiden oder Abs 
fcheren der Haare durd eine mechan. Vorrichtung. 
Indes läßt es ſich hierbei nicht vermeiden, daß viele 
Hy Haare und andere Verunreinigungen barin 

leiben. Um dieſe zu entfernen jowie aud um bie 
einzelnen Haare regelmäßig untereinander zu wer: 
jen, fommen die abgejhnittenen Belzhaare zunächſt 
in eine geeignete Maſchine, die Haarblaje: und 
Miſchmaſchine. Sie beſteht aus einer Anzabl 
Kammern, vor deren Eingängen je eine ſehr jchnell 
rotierende Bürftenmwalze liegt, von welcher die zus 
geführten Haare ausgelämmt und zugleich fortiert 
werben. Die groben Haare u. f. mw. fallen auf ein 
unter die Büritenmwalze geitelltes ſchräges Schüttel« 
fieb, die den Abgang weiter ausſcheidet, während 
die feinern Haare durd den entjtandenen Luftitrom 
in den obern Teil der Kammer geblajen werden, um 
nab und nad auf einem endlofen Transportband 
an die Bürftenwalze der nächſten Kammer geführt 
au werden. In den einzelnen Kammern werden die 


: Haare gereinigt und gemiſcht und lommen aus ber 


688 


legten Kammer regelmäßig durcheinander geworfen 
in Form eines tofen zufammenbängenden Bandes 
beraus. Zum Bernengen der einzelnen Haarforten 
miteinander dienen noch verſchiedene Miſchmaſchi— 
nen, die jedoch keine Unreinigleiten mehr auszu— 
ſcheiden ie Die erhaltene lodere und wollartige 
Haarmalje fommt alddann in Partien abgemogen, 
welde zur Heritellung je eines Hutes genügen, in 
den Stumpenformer, eine Blas: und Schleuder: 
maſchine, die die Haare ebenfo wie die Blas: und 
Miſchmaſchine auf einem enblofen Tranaportband 
einer rotierenden Bürftenwalze aufübrt, die fie durch 
einen Kaſten mit vertilalem Auslaßſpalt auf die 
Hutitumpenform wirft. Die Form beftebt aus einer 
großen, jiebartig durdlöcerten Glode aus Draht: 
ewebe, an deren Außenfläche die anfliegenden 
aare durch Abfaugen der Luft aus der Form an— 
ezogen werben. Die Form dreht fi um ihre ver: 
titale Achſe — nterfaß, der dad Saugge: 
bläje entbält. Damit die Haarſchicht auf der Form 
fih aleihmäßig bildet, reguliert ein Arbeiter die 
uführung an dem vertilalen Auslaßſpalt mittels 
eines Schiebers. Nachdem das für einen Hut bes 
ftimmte Material auf die Form geblafen it, wird 
die gebildete lodere Filzſchicht auf derfelben mit 
einem feuchten Tuch Ambaltt, mit der Form abge: 
nommen und in beißes, re ge affer ge: 
taucht. Der BVerfilgungsprozek wird hierdurch jo 
weit eingeleitet, daß der zarte Filzſtumpen, ohne zu 
—— abgehoben und weiter verarbeitet werden 
ann. Die Stumpen werden alsdann mit der Hand, 
in der Regel zu einem balben Dutzend zuſammen, 
in einem Stüd groben Zeugs fo lange gerollt, bis 
fie die erforderliche Feftigkeit erhalten baben, um in 
den Filzmaſchinen bearbeitet werden zu können. 
Bon den Filzmaſchinen giebt eö zwei verſchie— 
dene Klaſſen, Walzenmafhinen und Mall: oder 
Filzmühlen. Bei den Walzenmaſchinen wird 
die Verfilzung durch Rollen der in ein Tuch ein: 
geihlagenen Hutftumpen zwischen vielfeitigen Wal: 
en bewirkt. In zablreihen Fabriken wird der Ver: 
lzungsprozeß derart durchgeführt, daf der Drud 
der Walzen mit der zunehmenden Dictigleit des 
Filzes vermehrt und der Hutitumpen nad und nad 
eingefilst wird. In den Walk: oder Filzmühlen 
beftebt der wirtjame Teil aus einem Fallhammer, 
welcher an einem Brett und zwifchen zwei Klemm: 
walzen nach jedem Fall gehoben wird. Das Wall: 
bett ift unten durdlödert, um Dampf einlaffen zu 
lönnen, und veritellbar, um nad und nad die 
Stumpen ftärter gegen den Pendelhammer drücken 
zu lönnen, 
Nah dem Wallen werden die Stumpen in den 
gelten lätter gebradt und etwas auägezogen. 
iefe Maſchine befteht aus zwei Paar Walzen, 
von denen die obern etwas jchneller als die 
untern laufen, fo daß eine gelinde Stredung der 
Stumpen erfolgt. Bei allen dieſen eig 8: 
arbeiten werben die Stumpen mit beikem afler 
eucht gebalten. Da das gute Ausſehen eines Filz: 
uts weſentlich von der gleihmäßigen Struktur 
einer Oberfläbe abhängt, müflen alle vorſtehenden 
gröbern und fteifern Haare entfernt werden, und 
zwar geſchieht dies auf mechan. Wege mittels einer 
Schermaſchine. Der Hutitumpen wird auf eine 
Kegelform aufgehoben und langfam unter einem 
eraden Schermefjer durchgeführt, welches eine 
chnelle freisförmig ſchiebende 
m die geſcherte 


Filzfaden — Filzkrankheit 


zu ebnen und zu glätten, tommen Schleifmaſchinen 
zur Anwendung, die mit Sand» und Schmirgel: 
papier arbeiten. In vielen Fällen wirb der Hut: 
ftumpen, nachdem die groben Haare auf die befchrie: 
bene Meife entfernt find, nochmals etwas einge: 
waltt, um den Filz möglichft dicht zu machen. die 
weitere Bearbeitung des Hutftumpens beſteht in 
dem Steifen, Bloden und Färben durd rd 
und Blockmaſchinen und dann durch Abreib: 
maſchinen. Das Einſetzen des Futters erfolgt 
auf gewöhnlihen Nahmaſchinen, das Annäben des 
Bejasbandes auf Nähmaſchinen, deren Stofjprüder 
eigentümlich geformt und der geſchwungenen Form 
bes Hutes angepaßt find. In Deutſchland werden 
Maſchinen zur Hutfabrifation von Klein & Comp. 
in Liegnis, in Amerika von Dfterfeld & Eidemeyer 
in Nonters (im Staate Neuporf) gebaut. 

In Deutihland ift die Einfuhr von Filzwaren 
nicht von Bedeutung, auch der frühere ftarte Bezug 
von Filzbüten aus — iſt viel geringer ge: 
morden, dagegen iſt die Ausfuhr von Filzwaren 
bedeutend gejtiegen. Die Einfuhr von Filz und 

ilzwaren aus Rindviehhaaren und Wolle (ein: 

chließlich Dach⸗, Asphaltfilz u. a.) betrug 1900: 
2324 dz (Mert 344000 M.), die Ausfuhr 20 198 dz 
(7,566 Mill, M.), vie Einfubr von Herrenbüten aus 
Haar: und Wollfilz 1299 dz 5* Mill. M.), die 
Ausfuhr 2405 dz (2,965 Mill. M.). Ferner wurden 
65532 garnierte (1,966 Mill. M.) und 167739 Stüd 
ungarnierte (671 000 M.) Damenhüte aus Filz 
oder Zeugitoffen eingeführt und 111201 (1,554 Mill. 
M.) bez. 191655 Stüd (383000 M.) ausgeführt. 

ilzfaden, ſ. Fafergebilve. 
ilzgarn, gefilztes Garn, ein zu den Kunſt⸗ 
oder Ziergarnen ( ———— geböriges Garn. Als 
Rohmaterial ift nur filsfähiger Faſerſtoff, weſent⸗ 
lich alfo Streihmwolle anwendbar. Die Herftellung 
peibieht nah dem gewöhnlichen Spinnverfabren 
i8 zum Vorgam. Der Vorgarnfaden aber wird 
nicht auf dem üblihen Wege durch Streden und 
Dreben in fertiges Garn verwandelt, fondern durch 
Verfilzung der Haare des Vorgarnbündels. Der 
ilzprozeß ift derjelbe wie bei gefilzten Stofſen. 
iſt weicher und glätter als gedrehtes Garn und 
efigt einen matten Glanz. Verwendung findet es 
vereinzelt ald weiches Schußgarn fomwie zu Poſa— 
mentierartifeln u. a. 
ilzhut, |. ———— 
ilztorfett ‚ aus erhärtendem, mit 1 Teil 
Schellad und 1", Teil Spiritus getränktem Fils 
dargeitellte Stükapparate für Bertrümmungen der 
MWirbeljäule. 

Filzkrankheit, eine Krankheitserſcheinung an 
Pflanzen, die darin beiteht, dak durch abnorm 
reihlibe Haarbildung filzartige Fleden auf ven 
Blättern entſtehen. Man —— früber die Ur 
ſachen der F. in parafitifh lebenden Pilzen fuchen 
zu müffen, die unter dem Gattungsnamen Eri- 
neum zujammengefaßt wurden, weshalb man 
die Filzbildung ſelbſt bisweilen ald Erineum be: 
zeichnete. Genauere Unterfuhungen baben jevod 
gezeigt, daß jene abnormen Haarbildungen durd: 
aus nichts mit parafitifhen Pilzen zu tbun baben, 
fondern daß gewiſſe Milben die Krantbeit bervor: 
rufen. Es find demnad die filzartigen Flecke eine 
Art von Gallen, indem durd den Einfluß der Milben, 
die der Gattung Phytoptus (f. d.) angehören, mans 


; ewegung ausführt. | berlei abnorme Haarbildungen bewirkt werden. — 
lzfläche noch mebr zu ſchlichten, 


Die F. tritt bauptfählih an Laubbäumen und 


Filzlaus — Finanzen 


Sträuchern auf, fo an der Eiche, Buche, dem Ahorn, 
vielen — am Weinſtock, Haſelnußſtrauch 
u. v. a. lber die Lebensweiſe der Milben iſt noch 
wenig bekannt; man nimmt an, daß fie in den 
Knoſpen überwintern und von da im Frühjahr ſich 
über die jungen Blätter verbreiten. Die Folge der 
5. ift eine Zerftörung des Ehloropbyll3 und dem» 
gemäß aud eine Schädigung der Ernährung. 
Filzlaus (Phthirius pubis Z.), eine 1—1,s mm 
lange, kurz und breit gebaute Laus, mit vieredigem 
Hinterleib und kräftigen Klammerhalen an ven 
Beinen; PBarafit auf den ſtark behaarten Stellen des 
Ben Körpers mit Ausnahme der Kopfhaare. 
Die Befeitigung wird mit Sublimatabwafhungen, 
Napbtholjalben und ähnlihen Mitteln erreicht. 
mals, |. Grünmalj. ‚ 
mafchine, eine in der Filz⸗ und in der Tuch⸗ 
fabrifation gebraudte Maſchine, auf welcher eine 
vorbereitete Sache oder ein Haarvließ die Beſchaffen⸗ 


beit des Filzes erhält. (S. Filzfabritation.) 
ilzmühle oder Waltmüble, eine Art Filz 
maſchine. (S. Filzfabrikation und Tuchfabrilation.) 


fpier, |. Spiraea, , 
tuch, im gewöhnlihen Sinne ein Wollftoff, 
ber burch Filzen der auf den Vorſpinnmaſchinen er: 
eugten Deden oder gen bergeitellt wird und zu 
Eu deden, Pantoffeln, Bierunterjegern u. a. dient. 
— Aud ein aus fräftiger Streihwolle hergeſtelltes 
dides Gewebe, das durch Walten ftark verfilzt iſt; 
es wird als Eylinderüberzug in der Papierfabri- 
tation [mürmer). 
ilzwurm, joviel wie Seeraupe (j. Borſten⸗ 
bria (lat.), Faſer, Sranfe; in der Anatomie 
iben Simbrien bie gezadten Franſen am äußern 
de des Eileiters. 

Simmel, Name der tauben (männlihen) Hanf: 
und Hopfenpflanzen. Nach irrtümlichen Volls⸗ 
—— ſind dies die weiblichen Pflanzen; 
daher erklärt ſich die Ableitung des Wortes aus lat. 
femella (cannabis femella, der weiblihe Hanf). — 
a Bergbau ift $. ein ſtarler Eifenteil, der zmwis 
en die Klüfte des Gefteins getrieben wird; auch 
der Hammer zum Einſchlagen von Pfählen in 
Weinbergen. de sieele.) 
Fin (fr3., fpr. fäng), Ende, Biel. ©. aud Fin 
Final (lat.), am Ende befindlih, den Schluß 
bildend; einen Endzmwed betreffend oder bezeichnen, 
Finäle (ital.), in der Muſik jeder legte Sak 
orößern Injtrumentaljtüds (einer Sinfonie, 
Sonate, eined Konzerts u. ſ. w.), in bejonderer 
Beziehung aber das Schlußſtück eines Opern: 
alts. Das Dpernfinale befteht in der Regel aus 
mebrern vieljtimmigen Säben von verſchiedenem 
Charakter, bei denen die Handlung fortrüdt, zu 
irgend einer Kataftrophe drängt, wobei abge: 
— breit ausgeführte Arien nicht am Orte 
d. In früherer Beit hatte die Opera seria feine 
. in diefem Sinne; Nicola —— (um 1750) 
machte juerft in ver Opera buffa den Verſuch, den 
Scenen durch verjchiedenartig abbrechende und ein: 
tretende Stimmen eine größere Lebendigleit zu ver: 
leiben. Doch erit N. Piccinni bat in jeiner «Cec- 
china» (1760) die vieljtimmigen und wecjelreichen 
a Muſilſtucke als Attihlüfje eingeführt, die 

eitdem beibehalten und weiter ausgebildet find. 
inäle Marina, Stabt im Kreis Albenga der 
ital, Provinz; Genua, an der Riviera di Bonente 
und an der Binie Savona:-Bentimiglia des Mittel 
meernekes, bat (1901) 2879 E., eine Kathedrale 
Brochhaus' Konverfationd-Leriton.. 14, Aufl. RM. VL 


689 


von Bernini, einen Hafen; Fabrikation von Seiler: 
waren, Seife und Spieltarten. Es ift der Haupt: 
teil der Stadt Finale, zu der noch die Orte Fir 
nale Pia (im D.), als Gemeinde mit 1810 €, 
und Finale Borgo (im NW.), ald Gemeinde mit 
3386 E., altem Kajtell und Gymnafium gehören. 
Nabebei Höhlen mit prähiftor. Reiten. — Finale 
Borgo war Hauptort der Markgrafſchaft der Car: 
tetto, fam 1712 an Genua, 1745 an Sarbinien. 

Finäle nel’ Emilia, Stadt im Kreis Miranı 
dola der ital. Provinz Modena, am Banaro und 
an der Schmaljpurbahn Cavezzo⸗F. (20 km), hat 
(1901) als Gemeinde 12798 E., Gymnajium; 
Seidenindujtrie und Viehhandel. 

Finäli, Öaspare,ital. Staatsmann, geb.20. Mai 
1829 zu Gejena, ſtudierte 1846—50 in Rom un 
Bologna Rechtswiſſenſchaft, mußte wegen Beteili- 
gung an einer Verſchwoͤrung gegen die päpftl. Ne: 
gierung nah Piemont fliehen, mo er im Finanz⸗ 
minijterium angejtellt wurde; nad Einverleibung 
der Romagna wurde er in die Kammer gemwäblt und 
1872 zum Senator ernannt. Er war 1867—68 
Generaldirektor der Steuern und Domänen, 1868 
—69 unter Cambray: Digny Generaljetretär im 

nanzminifterium, 1869—73 Rat am Rechnungs: 

of und leitete 1873—76 unter Minghetti das Minis 
terium bes Aderbaues. Vom März 1889 bis yebr. 
1891 war er im Kabinett Erifpi Miniſter der öffent: 
lihen Arbeiten, 1898 wurde er zum Präfidenten 
des Dberrehnungsbofs ernannt, Jan. bis Febr. 
1901 war er unter Saracco ——— 
F. bat zahlreiche Arbeiten über vollswirtſchaftliche 
und finanzielle ragen veröffentlicht. In der «Nuova 
Antologia» erjhienene Artitel fammelte er u. d. T. 
«La vita politica di contemporanei illustri» (Zur, 
1895). Außerdem fchrieb er «Le Marche, ricor- 
danze» (Ancona 1897). [Finanzbeamter. 
inancier (fra, pr. finangkieb), Geldmann, 
auzbdelift, j. Steuemwergeben (Bp. 17). 
—— Finanzweſen, Finanzwiſſen— 
(Haft. er Urfprung des Wortes F. tft nicht 
ejtimmt nachgewieſen, er —— indes im lat. 
finis, welches im mittelalterlichen Latein oft einen 
Bablungstermin bedeutete, zu liegen. Im 14. Jahrh. 
veritand man unter financia eine Zahlungs: 
leitung, fpäter tauchte eine ſchlimme Nebenbedeus 
tung, nämlih Plusmacherei, Wucher u. ſ. w. auf, 
bis man (in Frankreich ſchon en dem 16. Jahrh.) 
unter finance die Staatseinnahmen oder aud) das 
Staatövermögen zu verſtehen anfing. Gegenwärtig 
verjteht man unter %. im mweitern Sinne die in 
Geld ausgedrüdte — und materielle 
Lage eines Haushaltes überhaupt, im engern und 
in der Regel allein maßgebendem Sinne die Ber: 
bältnifje, die fih auf die Einkünfte und Ausgaben 
eines öffentlihen Körpers und deren Verwaltung 
beziehen. In diefem Sinne wird das Wort bei 
allen polit. Gemeinwejen, Gemeinden, Provinzen 
u. j. w., inöbefondere beim Staat gebraudt. 
inanzwejen (Finanzverwaltung) ift der 
Inbegriff aller derjenigen Gefhäfte, Anordnungen 
und Einrichtungen, welche die öffentlichen Einnah⸗ 
men und Ausgaben betreffen und fachgemäße Bes 
8 und Verwendung der Öffentlichen Gelder 
omie Herftellung des Gleichgewichts zwiſchen Ein⸗ 
nahmen und Ausgaben bejmweden. 
er Staat bedarf zur Erfüllung feiner — 5 
—— Dienſtleiſtungen und wirtſchaftlicher 
ittel, jener, weil es nötig iſt, daß beſtimmte Per⸗ 
44 


690 
ſonen gewiſſe Handlungen und Verrichtungen für die 
Staatszwecke übernehmen, dieſer, um folge ienſt⸗ 


leiſtungen und Sachgüter, die nicht unentgeltlich 
verlangt werden können, zu vergüten. Beide zuſam⸗ 
men bilden ven Staatäbedarf. Die wirtichaftlichen 
Mittel, anfangs in Naturalien gegeben, werben 
beute in den Kulturftaaten, in denen die Naturals 
wirtfchaft längft der Geldwirtſchaft gewichen ift, in 
Geld bezogen oder doch nad Geldwert berechnet. 
Der Umfang diefer Mittel —— ſich in dem 
Maße, in dem ſich die Kulturaufgaben des Staa- 
tes erweitern. Der Staat verſchafft fich die erforder: 
lihen Mittel teild dadurch, daß er privatwirtichaft: 
lib aus eigenem Befik und aus eigenen Betrieben, 

B. Eifenbahnen, —— omänen, Ein: 

ommen ziebt, hauptſächlich aber dadurch, daß er 
vermöge Jeiner Zwangsgewalt, die in diefem Falle 
aus feiner Finanz obeit abgeleitet wird, die 
Mittel der Bürger, ſoweit ed für feine Zmede 
nötig ift, in Anſpruch nimmt. Betreibt ver 
Staat irgendwelche wirtjchaftliche Unternehmungen 
nicht zur Erzielung von Mitteln für feine eigent: 
lichen rein wirtſchaftlichen Zmede, jondern in focial: 
polit. Abfiht, um fibelftände der beſtehenden Er» 
werbsordnung auszugleichen, eine beſſere Berteis 
lung des Produktionsertrags —— u. ſ. w. 
fo gebt er über das Gebiet der eigentlichen Finanz⸗ 
wirt get inaus und betritt ven Boden des gemein: 
wirtjchaftlichen Syſtems, das in feiner folgerichtig 
durchgedachten Ausbildung ald Kommunismus 
(f.d.) erfcbeint. Als Subjelt von Vermögendrechten 
und Verbinplichleiten und Inhaber der Finanzwirt⸗ 
ſchaft heißt der Staat Fiskus (f. d.). 

Der Finanzverwaltung (f. Finanzmini— 
fterium), die fih zu einem der wichtigſten Zweige 
der Staatöverwaltung entwidelt bat, erwachſen fol- 
gende Aufgaben: Sie muß — nachdem die Leiter 
der einzelnen Verwaltungszmweige ihren Bedarf an 
Mitteln berechnet haben — ein «Budget» (f. d.) 
ober einen Voranſchlag der in der Budgetperiode zu 
erwartenden Ausgaben und Einnahmen aufitellen 
und begründen; fie muß weiter den Eingang der Ein⸗ 
nahmen und deren Verwendung überwachen, das 
Staats ſchuldenweſen verwalten und ſchließlich über 
Einnabmen und Ausgaben abrechnen. Hierbei muß 
fie eine rationelle und den obwaltenden Berbältnifien 
angepaßte Finanzpolitik verfolgen, unter wel 
chem Namen die praltifchen Beftrebungen nad) der 
mit den Interefjen der allgemeinen Wohlfahrt am 
beften in Einklang ftebenden Einrichtung der F. 
ujammengefaßt werden. Cine gute Finanzpolitik 
m ftet3 den Weg wählen, welcher der Staatstlafje 
fihere, ausreichende Einkünfte auf die am wenigften 
drüdende Weiſe liefert, den natürlihen Zug des 
Verlkehrs möglichft wenig ftört, die perfönliche Frei⸗ 

eit möglichit wenig empfindlich berührt, am wenig» 
en zu Gejeßesübertretungen und Steuerhinter⸗ 
ziehungen anregt. 

Die Finanzpolitik ftüst ſich bierbei auf die Lehren 
der Finanzwiſſenſchaft. Diefe, aub Staats— 
wirtſchaftslehre genannte und beſonders in 
Deutichland entwidelte Wiſſenſchaft ift die Lehre 
von der Wirtſchaft oder dem Haushalt des Staates, 
Sie ift ein Zweig der polit. Ökonomie und hat eine 
theoretifche und eine praltifche Aufgabe. Die erjtere 
ift gerichtet auf die Darftellung der Wechſelwirkung 

wiſchen der Staatswirtſchaft und der Volkswirt: 
—*8 im ganzen, insbeſondere auf die Unterſuchung 
der Folgen der finanziellen Eingriffe des Staates, 


Finanzen 


der Abwalzungsverhältniſſe u. ſ. w. Die praktiſche 
Aufgabe geht dahin, an ber Hand der Finanzge⸗ 
an und ber ———— allgemeine Grund⸗ 
atze für die zwedmaäßigſte Geſtaltung der Finanz⸗ 
politit feſtzuſtellen. Der wichtigſte Teil der Finanz⸗ 
—— iſt die Lehre von den Staatseinnabhmen, 
die einige fogar als alleinige Aufgabe der Finanz⸗ 
—— ezeichnen. 

ie Staatsausgaben behandelt die Finanz⸗ 
wiſſenſchaft nur in der Art, daß ſie auf das richtige 
Verhältnis derſelben untereinander und auf die 
Grenzen der finanziellen Leiſtungsfähigkeit hin⸗ 
weiſt. Da die Ausgaben des Staates dur jeine 
Berwaltungsaufgaben beftimmt werden, fo hat über 
deren Notwendigleit und Zwedmäßigteit nicht die 
Finanzwiſſenſchaft, jondern die Berwaltungslehre 
zu entiheiden. Die Staat3ausgaben find entweder 
ordentliche, zur Befriedigung regelmäßig wieder⸗ 
tebrender Bedürfnifle beitimmte, oder außerordent- 
liche zur Befriedigung von Bebürfnifien, die uns 
regelmäßig oder auch nur einmal auftreten. 

uch die Staatseinnahmen ſcheiden ſich in 
ordentliche (regelmäßig wiederlehrende) und außer: 
ordentliche (nur einmal fließende). Die außerorbent: 
lihen Einnahmen d B. Kriegdentibädigungen, 
Subfidien, Prifen, Geſchenke ni tw.) fönnen zwar 
im einzelnen falle recht erheblich fein, treten aber 
binter den ordentlihen Einnahmen an Bedeutung 
weit zurüd. Die legtern fließen heute überwiegend 
aus dem Inlande; das Ausland bringt die Ein- 
nahmen im mwefentliben nur dann auf, wenn Eins 
—— auf dasſelbe abgemwälzt werben können. 

ie Hauptzweige der ordentlichen (regelmäßigen) 

Staat3einnahmen find folgende: A. Erwerbsein⸗ 
fünfte, melde aus dem eigenen Erwerbäbetriebe der 
Regierung berrübren, und — a. mit Zulaſſung 
der freien Konkurrenz der Staatdangebörigen (Dos 
mänen im allgemeinen, Staatsforiten, Staatsberg: 
werfe und Hüttenwerle, Staatäfabrifen), und b. mit 
Beſchränkung oder Ausschluß der freien Konkurrenz 
der Staatdangebörigen (Staatömonopole, Finanz: 
regalien, teils ſolche, bei denen der ausſchließli 
Staatöbetrieb zugleich den allgemeinen Intereſſen 
am meijten entipricht, wie bei dem Münz» und Poſt⸗ 
regal, teil ſolche von rein fiskaliſchem Eharalter, 
wie Salzamonopol, Tabatmonopol u. j.w.). B. Aufs 


lagen oder Zwangseinkunfte, welche aus den von 
der Regierung befoblenen und im Notfall —— 
weiſe erhobenen Einkünften beſtehen. Dieſelben jer⸗ 


fallen a. in Gebübren (f. d.) befondere Dienſt⸗ 
au bes Staates durch Rechtspflege, Polizei 
und allgemeine Staatsverwaltung; b. in Steuern 
(. d.) als allgemeine Abgaben für die allen zulom⸗ 
menden Dienitleiftungen des Staates. 

Ein weiteres wichtiges Gebiet der Finanzwiſſen⸗ 
* iſt die Lehre von der Ordnung des Staats⸗ 

ausbalt3(f.d.), an welche ſich anſchließt Die Lehre 
vom öffentlihen Kredit oder vom Staatsſchul⸗ 
denmwefen, wobei die Anleibemetboden, die fyragen 
über Verzinfung und Tilgung der Staatsſchuld, 
über ſchwebende und fundierte Schuld von großer 
Tragweite find. (S. Staatsſchulden.) 

Über Entwidlung und Stand der F. der 
wichtigern Staaten giebt die Tabelle der Bei 
lage Aufihluß. Die Angaben bezieben ſich, joweit 
nicht3 anderes bemerft tjt, auf die Brutto: Gtats, 
Der Begriff der orbentlihen Ausgaben wird ver 
ſchieden aufgefaßt; der Tabelle liegt die in den 
Etats angemwendete Auslegung zu Grunde, Unter 


Die Finanzen der wichtigern Länder 


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Die Finanzen der wichtigern Länder 


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Finanzgeſellſchaften — Finanzperiode 


Schulden ſind alle — einſchließlich Papier⸗ 

eld eingerechnet. den Schulden gegenüber⸗ 
—J Altiva ——— fonnten wegen 
— BEE Sen De: etrefienden Zahlen 
nicht befonderd aufgeführt werben. 

Bei der Umrehnung auf Mark find folgende 
Süße zu — gelegt: 1 öfterr. Gulden = 1,70, 
1 djterr. Krone = 0,5, 1 Rubel 1871 = 2,ss, 
1880 = 2,13, 180 = 2,8, 1900 = 2,16, 1 ſchwed. 
—— 1,125,1 bän. Rilsdaler=2 275, Inormweg. 

ecieötbaler = 4,56, 1 ſtandinav. Krone = 1,185, 

Nr 6t.=20,,1 holländ. Gulden=1,s9, 1 ſpan. 
a = 2,187, 1 portug. Milrei3 = 4,586, 1 türl, 
Biafter=0,1s, 1 türl. en ‚1 jerb. Steuer: 
piajter = 0,38, 1 Doll. =4, 0,1 en (Japan) 1880 
= 4,50, 1890 = 3,10, 1900 = 2,09, — Peſeta, 
Lira, Drachme, Lei, Dinar) = 0,81 

„eitteratur, Fan, rundjäße der Finanz⸗ 

Wr (5.4 2 Bde., Lpz. 1864—65; 
1. be: von ar. ge Br. 1, ebd. 1871): 
— dei telle trat —— Wagner —— 
fbaft (Bd. 1,8. Aufl., ebd. 1883; Bd. 2, 2. 
1890; Bd. 3, ebd, 1889; Er änzu a os: 
Br. 4, ebd. 1899—1901); von u. ehrbuch der 
Sinanzwifienfbaft (5. Aufl., 2 Bode. in 4 Abteil., 
ebd. 1885—86); Cort van ber Sinben Leerboek der 
financien Haag 1887); Umpfenbad, Lehrbuch der 
— enſchaft (2. Aufl., —* — G. Cohn, 
inanzwiſſenſchaft (ebd. 1889); ode, Die Grund: 
züge der Finanzwiſſenſchaft. "Zur Ein brung in 
da3 Studium ber Finanzwiſſenſchaft (Lpz. 1894); 
Shäffle, Die Steuern (2 Bve., ebd. 1895, 1897); 
Coſſa, Scienza delle finanze (7. "Aufl. ‚Mail. 1896; 
deutich, 8. Aufl., Lpz. 1891); Schön "a8 Hanbbud | 
der polit. Ökonomie, Bd. 3 (4. Aufl, Tüb. 1898); 
von Hedel, Das Budget (Os. 1898); Serop:Beaulieu, 
Traits de la science des finances (6. Aufl., Par. 
1899); Artikel Finanzen im «Handwörterbucd der 
—— Bd.8 (2. Aufl., Jena 1900); 


Kaizl, Finanzwiſſen haft (2 Tle. Wien 1900—1); 

Conrad, inanzwiljen 5 % auf, we 1903); 

Cheberg, —— Lpz. 1906); 
be. ie 7 


—— — je 1884 f N) 
oicher, Sole der — enſchaft (5. Au 
—— ren von m a! 3 3 on: — 
orght, Finanzwiſſenſcha 
anzgeſellſchaften, ktiengefellfaften, die 
Geſchäfte nah Art des Cr&dit mobilier (ſ. d.) be 
treiben (f. Banlen). 

Finganzgeſetze, Geſetze, welche weſentlich die 
Finanzen des Staates, ins beſondere die Einführung 
oder Abänderung von Steuern betreffen. 
engern Sinne vet man unter Yyinanzgefeß das⸗ 
jemige Geſetz, welches das Budget (f. d.) oder ben 

taat3hausbaltsetat und die auf defien Ausfüh: 
rung bezüglihen Beitimmungen enthält und das 
Finanzwejen des Staates für die Dauer der Budget: 

eriode in feinen Einzelbeiten regelt. Die Entwer: 
ng_der 5. liegt der Regierung und namentlich 
dem Finanzmini ter (f. —— rin ob; faft 
ne gendö werben fie von den Bol fövertretunge 
ege ihrer Initiative veranlaßt. Daß fie a 
J * titutionellen Staaten der Genehmigung der 
Bolkövertretung bedürfen, erklärt fih daraus, daß 
fie, namentlid) das Budget, die Intereſſen der Unter: 
tbanen in verſchiedenſter Richtun aufs tiefte bes 
rübren. In der Regel maſſen fie ei ar ln 
wo e — als die Vertretung des zahlen⸗ 
olt3 angeſehen wird, zuerſt vorgelegt werden. 


691 


Hinſichtlich aller F. in — hinſichtlich des Bud⸗ 
wenigſtens in Preußen, Württemberg und 

eflen gilt jogar, daß die e Kammer Abände: 
— nicht beſchließen, ſondern es nur 
im —— annehmen —* —— darf. 


—— die $ — di d.) betreffend. 
inanzieren, bie Gelbmittel (zu einem Unter⸗ 
nehmen) beſchaffen. 

Finanzmin Reriam, die leitende Behörde der 
Resten Finanzverwaltung. Es repräfentiert die 

Einheit der Sinanziirtichaft die in den neuern 
Staaten allmählich zur Durchführung elangt, ift, 
während unter den ältern landſtändiſchen Ber: 
fafjungen zwei oder mehrere Kaſſen und Etats, 
wie die “. Kammerkaſſe und die landftändifche 
—— e, nebeneinander beſtanden, oder auch 
die — ne ee Ten en und eg e eine ſelb⸗ 
ftändige Wi Das F. im neuern 
Sinne entftand in a: een —— als Organ 
des konigl. Dienſtes im 17. Jahrh., aber erſt im 
19. Sabrb. 5 bat es auf dem europ, Kontinent feine 
Bedeutung als wichtiges Glied des konftitutionellen 
Staatsorganismus erlangt. Der verantwortliche 
Leiter des slelben, der Finanzminiſter, haftet in erfter 
Linie dafür, daß der ganze Staatshaushalt nad) dem 
mit der Vollövertretung vereinbarten Budget ge 
führt werde. Er ift mit verantwortlich für die Gtatde 
überjchreitungen ſeitens anderer Minifter und muß 
auch ftet3 bei der Bemeffung der den einzelnen Ver: 
waltungszweigen zuzuweiſenden Mittel, namentlich 
außererbentticher, zu Rate gezogen werden. Dems 

emäß bat er einen entſcheidenden Einfluß auf die 
Seftftelkung der Einzeletatö der einzelnen Verwal⸗ 
nungbameige: dies giebt ihm meift einehervorragende 
ellung im gefamten Staatöminifterium, die auch 
darin zum Ausdrud gelangt, daß er den Staatd- 
rag rg bei der oltövertretung einzubringen 
at. Er bat für vie dauernde Erhaltung des Gleich: 
gewichts zwijchen den Einnahmen und Ausgaben 
des Staates zu forgen und wird zu biefem Zwed 
teils die lektern be 9 ränlen, teils die erſtern — 
Eroffnung neuer Ifäquellen nötigenfall3 dur 
Anleihen vermehren müflen. "hen grö größten Teil der 
Staatseinnahmen, namentlih die Steuern, zieht 
das F. unmittelbar durch feine eigenen Organe ein. 
Doch ift in größern Staaten die Verwaltung ge: 
wiffer Cinnahmequellen, wie der Domänen, ber 
Staatöbergwerle und der ftaatlihen Verkehrsan⸗ 
alten, andern Minifterien übertragen. Einen bes 
omders wichtigen Zweig des F. bildet die Berzins 
und Tilgung der — G. d.). 
as Deutſche Reich hat eine eigene Sinanzbobeit 
> aud eine eigene Finanzverwaltung. 
— eine der Gentralbehörben des Reichs 
er ae abamt (f. d.). Das Nähere über die 
deutichen Bundesftaaten und andere Staaten findet 
fih unter den Einzelartifeln. 

Sinanzperiode, der Zeitraum, für ben der Wirt- 
fhaftsplan bei dem Staat und den übrigen Korpora⸗ 
tionen des öffentlichen Rechts feftgeftellt wird. Das 
Deutiche Rei und Preußen, eb * Oſterreich haben 
einjährige, Bayern, Sachſen, Baden zweijährige, 
Mürttemberg und 1d Seffen dreijährige F. Gelegent- 
lich deö 1881 dem Reichstag — * egten Geſe —5 — 
wurfs, welcher zweijährige F. fur das — vorſchlug, 
aber vom Reichstag abgelehnt wurde, war die öffent: 
lihe Erörterung über die Zeitdauer der ftaatlihen 
F. ſehr lebbaft und erregt; doch wurden bie wirt» 


44* 


692 


—— Geſichtspunlte dabei völlig überſehen im 
ergleich zu den politiſchen, indem man in der Ver⸗ 
längerung der F, eine Verkürzung der Vollsrechte 
erblidte. Unzweifelhaft geftattet die bei der ein 
jährigen F. ftattfindende jährliche Budgetberatun— 
eine viel einjchneidendere parlamentarifhe Kriti 
der gefamten Staat3verwaltung, ald die nur in län- 
gern Zeiträumen wiebertehrende ; andererjeitö wird 
man den Zeit⸗, Kraft: und Geldaufwand nicht ver: 
kennen bürfen, welcher die Folge der einjährigen F. 
ift. Bei Heinern Etat —— Kreiſe) werden 
im allgemeinen kurze, be tm längere F. ſich wirt⸗ 
ſchaftlich am meiſten empieh en; die Franzoſen ba: 
gegen, vor allen Leon Say, rechnen bie Einräbri feit 
der F. zu den Brincipien des Budgetrechts. — Bal. 
Seibler rg und Budgetrecht (Wien 1885); von 
Hedel, Das ubpet (&p3. 1898). 

——*— £, |. Öange, 
‚ Sinanzrecht, der Inbegriff der (bauptfädhlich 
in Geſetzen enthaltenen) Rechtsſähe, nah denen 
das Finanzweſen (f. Finanzen) des Staates und 
anderer weltlicher juriit. Berjonen des öffentlichen 
Rechts zu verwalten it. Das F. ſetzt alſo der auf 
der Finanzhobeit beruhenden Zwangsgewalt ihre 
Grenzen. Es bildet einen Zweig des Staatsrechts 
und fann als ſolcher wieder in einen verfaſſungs⸗ 
rechtlihen und einen verwaltungsredtlihen Teil 
zerlegt werden. Der erjte umfaßt die verfaſſungs⸗ 
mäßigen Beitimmungen über die Art, wie die finan- 
ziellen Gejege, im bejondern das Finanzgeſetz (. d.) 
im engern Sinne oder das Budget (f. d.) zu ftande 
fommen müflen, um rechtsgültig zu fein. Es han⸗ 
belt fih alfo bier namentlih um das Budgetrecht 
der Vollsvertretung, dem die Berantwortlichleit der 
Minifter bei Berlegungen des Etatsgeſetzes gegen: 
überftebt. Das Yinanzverwaltungsrecht anderer: 
feitö regelt nicht nur den Organismus der Finanz: 
bebörden, fondern es jtellt auch Hare, geſeßlich 
begründete Beziebungen zwiſchen dem Staat als 
Träger der Finanzgewalt und dem einzelnen Bür- 
ger ber, wodurch Willtürlichleiten unmöglih ge: 
macht werden follen. Es kommt bejonders dar: 
auf an, dem Bürger, fofern er ald Steuerzahler 
der Zwangsgewalt des Staates gegenüberitebt, 
einen geficberten gefeglihen Boden und zugleich 
angemejjene Garantien mitteld eines Beſchwerde⸗ 
oder Klagrechts zu gewähren. Xritt der Staat 
ihm nur in eek ge Form, ebenio 
wie eine privatwirtichaftliche Einzelperfönlichteit, 
gegenüber, jo foll nad der modernen Auffafiung 
nit mehr ein befonderes F., fondern einfach das 
allgemeine bürgerlihe Neht und das gewöhnliche 
Gerichtöverfabren zur Geltung gelangen. In der 
That find au in den modernen Staaten die frübern 
privilegis fisci bis auf wenige Reſte verſchwunden. 

uzreform, |. Bo. 17. 
nanzbermögen, |. Staatövermögen. 
tung, |. Finanzen, 
inanzwache, j. Grenzwache. 
inanzwechſel, ſ. Kellerwechſel. 

ſJ Finanzen. 

inanzwirtichaft, ſ. Wirtſchaft. 
inauzwifſenſchaft, ſ. Finanzen. 
inanzzoll, im u zum Schußjoll (ſ. d. 
jeder Eingangs: oder Ausgangszoll, der ledigli 
wegen des finanziellen Erträanifies, nicht aber zur 
Abwehr der Konkurrenz ausländiicher Erzeugnifie 
oder im fonftigen nterefje eines inländiihen Bro: 
dultionszweigs erhoben wird, In den europ. Kultur: 







Finanzpolitif — Find 


ftaaten fommen gegenwärtig nur ing ölle 
als F. in Betracht. Dieje find als 5. — i 
per e entweder a che — I 
en, die im nde überhaupt nicht erzeugt werben, 
wie 5. B. Kaffee in Europa, oder ſolche, die im 
lande mit einer dem Zoll genau gleichen innern 
brauchsſteuer (Accife) belaftet find. Wird dieſe 
letztere Forderung nicht ftreng erfüllt, fondern der 
* etwas höher angeſetzt als bie innere Steuer, 
0 erlangt der F. bis zu gewiſſem Grabe die Wirkung 
eined Schußzolles. ein 5. auf eine Ware, die 
in bem beenden Lande nicht bergeftellt wird, kann 
eine gewiſſe jhükende Wirkung zu Gunſten der Er: 
N g von Saar haben. Ein Kaffeezoll 
.B. kann der Cichorienfabrilation 
San; reine F. find deshalb felten, ebenjo, wie es 
nur wenige Schußzölle giebt, die nicht zugleich ala 
hf wirken. Ausgangszölle als F. fommen nament: 
ich bei ſolchen Sobrsabufien vor, melde dem Lande 
ein natürliches Monopol oder weni 
bevorzugte Stellung - fo 5.3. bei dem peruan. 
Guano und bis vor furgem bei dem meril. Si 
fiber die tung bes 
des Deutſchen Reichs giebt folgende Zufammen: 
ftellung des Ertrags Eingangszölle (1900) 
einiger wichtiger Artilel Auskunft: 


F. in den 







Darengattungen 


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esse en. nah 
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u. 2. 2.2.00 


U Du Zu Zur TE ur SE er Zu To BE Te  ; 


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etroleum (Beucht- und Schmierdf)| 70913 


Finchley (ſpr. fintſchle), Vorort von London, 
In ven Knete gan, ur Br 

a er ge 1 €, em 
— College und ein kranlenbaus 

Find, Friedr. Aug. von, preuß. General, geb. 
25. Nov. 1718 zu Strelig, trat in diterr. Kriegs: 
dienfte, nahm 1737 am Zürtentriege teil und ging 
1738 in ruff., 1742 al Major in preuß. Dienfte. 
Er wurde nad der Schladt von Kolin 1757 Oberft, 
nob in demjelben Jahre almajor, Anfang 
1759 Generalleutnant. Im Feldzuge von 1759 
wurde F. dem Prinzen Heinrich, des Königs Bruder, 
zugeteilt, vem bie eibigung von Sadjen über: 
tragen war. Nachdem Dresden verloren gegangen, 
Daun aber bis in bie Gegend von Pirna —— 
gewichen war, erhielt F. vom König, der zur Wieder⸗ 
eroberung von Dresden heranrudte, den Befebl, 
dem Feinde bei Maren die Rüdzugslinie nach 
Böhmen abzufchneiden. Bergebens ftellte F. per: 
fönlich dem Monarchen die Schwäche feines Korps, 
das nur 12000 Mann zählte, und die Gefahr jeiner 
Lage vor. Friedrich erteilte ihm den bejtimmten 
Beiehl, nad Maren zu marj . 3. geborhte 
und murbe, 20. Nov. von einer weit überlegenen 
Macht von allen Seiten zugleich angegriffen, nad 








— nl 


Findenftein — Findelhäufer 


mannbafter Gegenwehr gezwungen, ſich am folgen⸗ 
den Tage mit dem Reite feines Korps zu Abe ug 
5. wurde glei den übrigen gefangenen Generalen 
auf Ehrenwort entlaſſen und nach dem Frieden vom 
Kriegsgericht unter Zietend Vorſitz zu zweijähriger 
Feſtungsſtrafe und Ausftopung aus dem Heere ver: 
urteilt. Friedrich V. von Dänemark berief 3. 1764 
nad; verbüßter Feſtungsſtrafe ald General der In⸗ 
fanterie in feine Dienfte. Er ftarb als eriter Depu: 
tierter im General⸗Kriegsdireltorium zu Kopenhagen 
22. Febr. 1766. F. ſchrieb «Gedanken über militär, 
Gegenftände» (Berl. 1788). — Bol. Denkwurdigleiten 
der militär. Gefellihaft, Bd. 2 (Berl. 1802—5); 
Bericht über die kriegsgerichtliche Unterſuchung (in 
der « Zeitſchrift für Kunft, Wiſſenſchaft und Ges 
ſchichte des Krieged», Bd. 81, ebd. 1851). 
A Tr reußen, j.Bd.17. 
indenftein, Karl Wilb., Graf Find von, 
preuß. Staatömann, geb. 11. Febr. 1714 ala Sohn 
des Feldmarſchalls F., des Gouverneurs des Kron: 
prinzen Friedrich, wurde deſſen Geſpiele und Jugend: 
freund. Friebrih Wilhelm I. ernannte ihn bereits 
mit 21 Jahren zum Legationsrat und jandte ihn in 
außerorbentliher Miffion an den Stodholmer Hof. 
Nach der Thronbefteigung Friedrichs IL. aus Schwe⸗ 
den zurüdberufen, wurde 5. mit verſchiedenen wich: 
tigen diplomat. Sendungen betraut. Zunädjt ana 
er als Geh. Legationsrat und bevollmädhtigter 
nifter nach Kopenhagen, dann führte er 1743 bie 
Unterbandlungen mit König Georg II. von England, 
— im folgenden Jahre des Königs Schweſter 
lrile nach Stodholm zur Vermählung mit dem 
ſchwed. Thronfolger Adolf Friedrich und blieb als 
preuß. Vertreter bis 1746 in Schweden. Im Anfang 
des nächſten Jahres wurde ihm der damals jchwie: 
rigite Geſandtſchaftspoſten, der in Betersburg, an⸗ 
vertraut und er gleichzeitig im Alter von 33 J. 
um Staatöminifter und im Juni 1749 zum preuß. 
abinettäminijter ernannt, eine Stelle, die er bis 
zu feinem Tod rg und in der er einen maß: 
ebenden Einfluß auf die preuß. Politik ausgeübt 
Bat. Bei Friedrichs Entſchluß, 1756 feinen Gegnern 
uporzulommen, zeigten von deſſen Beratern nur 
interfelbt und hi durch entſchloſſene zuftimmende 
Haltung rechtes Verftändnis I die Gefährlichkeit 
der Lage und für bie fühne Entſcheidung des Königs. 
Beide Männer wurden dadurch für die folgende 
eit die nächſten Bertrauten Friedrichs. Dem Gra- 
en F. übertrug auch der König durch die berühmte 
nitruftion vom San. 1757 die Sorge für den 
von Gefahren bedrohten Staat und jür die lönigl. 
Familie. Die ftarke perjönlihe Einwirkung F.3 
* den König, feine außerordentliche Arbeitskra 
auf diplomat. (Sebiete und in der Verwaltung, die 
wẽhrend des — faſt allein in ſeinen Händen 
lag, müſſen ibn al3 einen der Retter Preußens in 
enen Rriegsjabren binjtellen. Auch bei dem Bayri⸗ 
ben Erbfolgeitreit und bei der Begründung des 
ritenbundes (j. d.) war F. der vertrautejte polit. 
tgeber des Königs, und auch noch unter den bei 
den Nachfolgern Friedrichs d. Gr. verwaltete er fein 
Amt bis zu feinem Tode 3. Jan. 1800. 
Findelhäufer, Anitalten, in denen Findel—⸗ 
finder (f. d.) J offentliche Koſten Aufnahme, Ber: 
pflegung und Erziehung erhalten; in neuerer Zeit 
erhielten auch diejenigen Anſtalten dieſen Namen, 
in welche die Eltern ſelbſt ihre Kinder bringen, wenn 
ie nicht im ſtande find, fie zu verpflegen. Schon 


bzeitig nahm fich die chriſtl. Kirche der Findel⸗ 


693 


finder an, um das Leben neugeborener Rinder gegen 
gefährliche Ausfehung und Kindesmord zu jhügen, 
und bereitö im 6. Sabıh. foll zu Trier eine Art von 
—* aus beſtanden haben. Mit Beſtimmtheit 
äßt ſich jedoch erſt das Vorhandenſein eines Findel⸗ 
wir 787 zu Mailand nachweiſen. Später traten 

.aud anderwärt3 auf, jo 1070 zu Montpellier, 
1200 zu Eimbed, 1317 zu Florenz, 1831 zu Nürn: 
berg, 1362 * Paris, 1687 zu London. Nachdem ſich 
Diele Anftalten weit verbreitet hatten, verſchwanden 
fie nad) und nad) in den meiſten german. Ländern 
wieder, und zwar namentlih in den proteftanti« 
hen. Nur in den roman. Ländern und in Rußs 
and beftanden ſie in beträchtliher Zahl fort. 

Die eigentliche Heimat der F. iſt Stalien, wo 
urfprünglich die Aufnahme der Findellinder mittels 
ber ſog. Dreblade (ruota) erfolgte, die eö den 
Angehörigen geftattete, ihre Kinder in geheimer, 
aber völlig ficherer Weije dem Findelhauſe zu über 
geben. Diefe Drehlade ift ein drehbarer Hol;s 
cplinder, deſſen eine Hälfte mit einer Ausböhlung 
verjeben ift. Will rap dem Findelhauſe ein Kind 
übergeben, fo gie t er mit einer an ber zus 
angebrachten Glocke ein Zeichen, worauf die mit ber 
Hohlung verjehene Hälfte des Cylinders nad außen 
gedreht und, nachdem das Kind hineingelegt, wieder 
nad innen zurüdgebreht wird. Das Syſtem der 
— beſteht zwar noch in manchen Gemeinden 
Italiens fort, iſt aber, wie auch in andern Ländern, 
wo es früher beſtand, mehr und mehr abgelommen. 
Die Aufnahme erfolgt ftatt deſſen in einem Bureau, 
in welchem die Gründe, weshalb das Kind dem 

indel Sule übergeben wird, zu Protokoll zu geben 
ind. Diejed fog. romanifhe Syſtem ift auch 
in Frankreich — wo ein Dekret vom 
19. Yan. 1871 die obligatoriſche ———— 
Findelhauſes in jedem Kreiſe anordnete. zn fter: 
reich find, wie in Frankreich, die Dreblaven * 
prob, Es befteben im weſentlichen nur noch die 
eiden großen F. in Wien und Prag, die, von Kaiſer 
zoienb 1. begründet, mit den Gebäranftalten vers 
unden find. Unebeliche Kinder, die in der Gebär: 
anjtalt geboren find, werden in der Regel am 
10. Lebenstage mit ihren Müttern in die Findel⸗ 
anftalt verfegt, in welcher legtere Ammenbienite 
verrichten. Die Kinder, melde fich bier gut ent» 
widelt haben, fommen nad einer gewiſſen Zeit in 
Außenpflege zu Pflegeeltern, welche gegen Zahlung 
und unter Beauffichtigung durch die Organe der 
Anitalt 6 bez. 10 Fahre die Pflege der Kinder über: 
nehmen. Nach Ablauf diefer Zeit jcheiden die Kinder 
aus dem Verbande der Anftalt, und die Fürſorge 
für fie fällt aldvann der Mutter oder der Heimats⸗ 
emeinde zu. Diefes Berfahren pflegt man das 
Seit binifhe Syſtem zu nennen. Ühnlich 
ind die unter Katharina IL. von Rußland refors 
mierten %. in Petersburg und Moslau eingerichtet. 
Die Findlinge fteben bier bis zum 21. Lebens: 
jahre unter der Obhut der Anitalt; bis zum Alter 
von 15 werben Berpflegungstoften bezahlt. 
Die Anaben werben meijtend für den Landbau 
oder ein Gewerbe, die Mädchen zu —— er⸗ 
ogen; im falle ihrer Verheiratung belommen 
estere eine Ausſtattung. Ganz verſchieden von 
dem roman. Spitem des Findbelmeiens, welches durch 
Abſchaffung der Dreblade und Durhführung der 
Aukenpflege eine bedeutiame Reform erfahren bat, 


ift dad germaniſche Syſtem (Deutiches Reich, 
—— Belgien, Niederlande, Fe J 84 


694 


navien und Nordamerika), welches die Fürforge für 
die betreffenden Kinder der kommunalen Armen: 

flege zuweift. Aus dem Deutſchen Reiche find die 
5 vollftändig verſchwunden. 

Die Anficten der Sachverſtändigen über den 
Wert oder Unmert der F. find geteilt. Für die Be 
bauptung, daß fie die Unfittlichleit, d. b. den außer: 
ebelihen gejhlechtlihen Umgang fördern, ift von 
den Gegnern der F. ein cu| Hahlen gegründeter 
Beweis noch nicht erbracht. Viel ſchwerere Schäden 
ftellen fi da heraus, wo junge Mütter gegmungen 
Ind, ihr Kind, weil fie es ſelbſt nicht behalten 

nen, gewifjenlofen Haltefrauen (ſ. Engelmacerei) 
zu übergeben. Indeſſen find andere gewichtigere Ein» 
wände gegen das Findelhausweſen erhoben, die eine 
—— Reform des Findelweſens in Deutſchland 

islang verhindert haben. Als einer der erheblichſten 
Be ins Gewicht, daß eine zweckentſprechende jtaat- 
ice Findelpflege den Staat mit en Ausgaben 
und einer ausgedehnten Berwaltung belaften würde. 

Litteratur. Hügel, Die h3 und das Windel: 
weien Europas (Wien 1863); Conrad, Die Findel⸗ 
anitalten, ihre geihichtliche Entwidlung und Um: 

eitaltung in der Gegenwart, in den «Jabhrbüchern 
fr Nationaldölonomie und Statiftil» (Jahrg. 1869, 

d. 12, ©. 241 fg.); Leon Lallemand, Histoire 
des enfants abandonnös et délaissés (Par. 1885); 
Naudnig, Die — (Wien 1886); Friedin⸗ 
ger Dentichrift über die Wiener Gebär: und Findel⸗ 
anftalt (ebd. 1887); Artikel Findelhäufer im «Hand: 
wörterbuch der Staatswiſſenſchaften⸗ Bd.3(2.Aufl., 
Jena 1900); Artikel Findelweien in Billarets «Hand: 
wörterbuch der gefamten Medizin» ee: 1888; 
2. Aufl. 1897 fg.); Rabts, Artikel Findelweſen in 
Dammers «Handwörterbuch der öffentlichen und pri: 
vaten Gejundheitäpflege» (ebd. 1890). 

indelfinder oder Findlinge, Rinder, welche 
verlafien oder ausgeſetzt und von andern gefunden 
worden find, ohne daß die Eltern bez. die Mutter 
u ermitteln find. Wer ein neugeborenes Kind findet, 
iſt nah $.24 des Perſonenſtandsgeſetzes vom 6. er 
1875 verpflichtet, hiervon jpätejtens am nächſtfolgen⸗ 
den Tage Anzeige bei der Ortspolizei zu machen. 
Dieſe bat die pr Ermittelungen vorzu: 
nehmen und dem Standesbeamten des Bezirks von 
dem Ergebnis behufs —— in das Geburts⸗ 
regiſter Anzeige zu machen. Die Eintragung muß 
eit, Ort und Umſtände des Auffindens, Beſchaffen— 
eit und Kennzeichen der beim Kind vorgefundenen 
leider, törperliche Merlmale desselben, fein vermut: 
liches Alter, Geſchlecht, Behörde, Anitalt oder Berfon, 
bei welcher das Kind untergebracht worden, und die 
ibm beigelegten Namen entbalten. Zu bejondern 
Dee iebt der Name eines ſolchen Kindes An- 
aß. In Preußen wurde früber angenommen, es 
ftehe nur dem Landesberrn die Befugnis zu, ibm 
einen Namen zu verleiben ; neuerdings foll die Be: 
fugnis dur den allgemeinen Erlaß vom 12. Juli 
1867 den ———— übertragen fein, jedoch 
Er der Erlaß nur von Namensänderungen, Die 
ächſ. proviforifche Gerichtsordnung vom 9, Jan. 
1865 bejtimmt im $. 26, daß die Bevormundung 
eines Findellindes demjenigen Gericht zuftebe, in 
deſſen Bezirk es gefunden jei. Eine ähnliche Vor: 
ſchrift entbält die Preuß. Vormundſchaftsordnung 
von 1875 im $.7 für Minderjährige, deren Eltern 
unbelannt find. Die BOT welche der $. 16 
daſelbſt Standesbeamten behufs Einleitung einer 
Vormundſchaft auferlegt, wird aud auf die F. zu 


Sindellinder — Finden (rechtlich) 


bezieben fein. Das Deutihe Bürgerl. Geſetzbuch 
beftimmt über F. nichts. (©. — 
inden, im rechtlichen Sinne, das zufällige Ans 
treffen und pflibtmäßige Anfihnebmen eines ver- 
lorenen fremden Gegenitandes. Während die Römer 
über den Fund, abgeſehen vom Scaß (f. d.), über 
baupt feine Rehtsjäge aufaeftellt haben, haben die 
neuern Gefeßgebungen die Rechte und Vilicten des 
Finders namentlich in dem Sinne geregelt, daß fie 
ihm eine Ermittelungs⸗ und Aufbewahrungspflicht 
auferlegen, ihm aber aud einen Finderlohn und 
unter Umftänden das Eigentum an der en 
Sade zufprehen. Das Deutihe Bürgerl. Geſetz⸗ 
buch trifft eingehende Beitimmungen über den Fund 
(88. 965 fg.), die es unter die Vorſchriften über den 
igentumserwerb an beweglihen Saden einreibt. 
Hervorzubeben ift folgendes: Gegenftand des Fun: 
des find nur verlorene Sachen, d. b. ſolche, die noch 
einen Eigentümer haben, während berrenlofe Sachen 
der Aneignung unterliegen. Der Finder einer Sache 
ift zur unverzüglihen Anzeige des Fundes an ben 
mpfangsberedhtigten oder, falls er diejen oder ſei⸗ 
nen Aufenthalt nicht fennt und die Sache minde⸗ 
ſtens 3 M. wert ift, an die Boligeibebörde re 
Verbeimlihung wäre Funddiebſtahl % d.). i 
aber ift er zur Verwahrung der Fundſache oder bes 
Erlöfes aus ihrer etwa ern Ber: 
fteigerung verpflichtet, kann fs er diefer Pflicht 
dur Ablieferung an die Bolizeibehörde, die übrir 
2. von diejer verlangt werden kann, entlebi 
er Finder hat nur VBorfak und grobe Fahrläſſig⸗ 
teit zu vertreten; er wird durch Herausgabe ber 
Sade an den Verlierer au den jonft Empfangs: 
berechtigten gegenüber befreit. Yür Aufwenbun 
auf die Sade, die er den Umſtänden nad für ie 
derlich halten darf, tann er vom Empfangsberechtig⸗ 
ten Erjaß verlangen ($. 970). Der Finderlobn 
—— bei einem Wert bis 300 M. 5 Proz., von 
dem Mehrwert 1 Proz., bei Zieren 1 Proz., bei nur 
idealem Wert ift der Finderlohn ae igem Er⸗ 
mejlen zu beftimmen. Der —— ausgeſchloſ⸗ 
ſen, wenn der Finder die Anzeigepflicht verletzt oder 
den Jund auf Nachfrage verheimlicht ($. 971). Mit 
dem Ablauf eines Jahres nad) der Anzeige des Fun⸗ 
des erwirbt der me das Eigentum an der 
es fei denn, daß vorber ein Empfan &berechtigter 
dem finder befannt geworden ift oder jein Hecht bei 
der Bolizeibehörde angemeldet hat. Mit dem Erwerbe 
des Eigentums erlöjchen die jonjtigen Rechte an der 
Sade. Jedoch kann die Herausgabe noch immer 
nah den * über bie ——— 
Bereicherung ($. 977) gefordert werden; dieſer 
ſpruch erliiht nah 3 Jahren feit dem — 
übergang. it die Sache nicht mehr als 3 M. wert, 
o beginnt die einjährige Frift mit dem Funde. Der 
inder erwirbt das Eigentum nicht, wenn er ben 
nd auf Nachfrage verbeimliht. Die Anmeldung 
eines Rechts bei der Polizeibehörde ftebt dem Er» 
werb des Eigentums nicht entgegen. Sind vor Abs 
lauf der einjährigen Frift Empfangsberechtigte dem 
inder belannt geworden oder haben fie bei einer 
ade, die mehr ald 3 M. wert ıft, ibre Nechte bei 
der Bolizeibehörde rechtzeitig angemeldet, fo lann 
der Finder fie zur Erklärung über feine Erſatz⸗ und 
Finderlohnanfprühe auffordern, Erllären fie ſich 
nicht rechtzeitig zu ihrer Befriebigung bereit, jo er- 
wirbt a das — und erlöſchen die 
fonftigen Rechte an der Sache. Dur die Abliefe- 
rung der Sache oder deö Berfteigerungserlöjes an 


Finden (William) — Fineffe 


die Polizeibehörde werden die Rechte des Finders 
nicht berührt. Die PVolizeibehörde darf die Sache 
oder den Erlös nur mit Zuftimmung des Finders 
einem Empfangsberechtigten berauögeben. Ver: 
jichtet der Finder ber Roligeibehörbe gegenüber 
auf das Recht zum Erwerb des Eigentums an der 
Sadıe, jo gebt fein Recht auf die Gemeinde des 
Fundortes über. Hat der Finder nad) der Abliefe: 
rung der Sade oder des Erlöſes an die Polizei: 
bebörbe durch Zeitablauf das Eigentum erworben, 
fo gebt es auf die Gemeinde des Fundortes über, 
wenn nicht der Finder vor dem Ablauf einer ihm 
von der Bolizeibehörde bejtimmten Frift die Heraus⸗ 
gebe verlangt. — Anderes gilt für den Fund in den 
eihäftsräumen oder den Beförberungsmitteln 
einer öfientlihen Behörde oder einer dem dffent- 
lichen Verlehr dienenden Verkehrsanſtalt. Der Fin⸗ 
der hat die Sache hier unverzüglich an dieſe oder 
an einen ihrer Angeftellten abzuliefern und die Be 
börde oder Verkehrsanſtalt kann fie dann öffentlich 
verfteigern laſſen, und zwar unter Umftänden durch 
einen ihrer Beamten. Der Erlös tritt an die Stelle 
der Sade. Die Verfteigerung ift erft zuläffig, nach: 
dem die fangsberechtigten in einer öffentlichen 
Belanntmadhung des Fundes zur Anmeldung ihrer 
Rechte unter Beitimmung einer gen aufgefordert 
worden find und die get verftrichen ift; fie ift un⸗ 
zuläffig, wenn eine Anmeldung rechtzeitig erfolgt 
ft. Die Belanntmachung ift nicht erforderlich, wenn 
der Berderb der Sache zu bejorgen oder die Aufbes 
wahrung mit unverhältnismäßigen Koſten verbun⸗ 
den iſt. Der Verfteigerunggerlög fällt nah 3 Jahren, 
ke nad dem Fundort, an den Reichs- oder Staats» 
sſstus, an die Gemeinde oder den privaten Unter: 
nehmer der Verkehrsanftalt. Iſt die Berfteigerung 
ohne die öffentliche Belanntmahung erfolgt, fo be; 
ginnt die dreijährige Frift erft, nachdem die Em: 
pfangsberedhtigten in einer öffentlichen Bekannt: 
madhung des Fundes zur Anmeldung ihrer Rechte 
aufgefordert worden find. Das Gleiche gilt, wenn 
pi undenes Geld abgeliefert worden ift. Ein Finders 
n if ausgeſchloſſen. — Nach dem Hfterr. Bürgerl. 
Geſetzbuch ($8. 388 fg.) hat der Finder, wenn bie 
Sade mehr als einen Gulden wert ift, den Fund 
ſelbſt belannt zu machen, wenn fie mehr ala 12 Gul⸗ 
ben wert ift, der Obrigfeit anzuzeigen, der dann die 
Sorge für die Fundſache und die Ermittelung des 
Verlierers obliegt. Der Finderlohn beträgt —8 
von dem 1000 Gulden überfteigenden Werte 5 Proz. 
Meldet fi der Verlierer binnen Jahresfrift nicht, 
jo erhält der Finder den Befik der Sache zurüd und 
erwirbt nach Ablauf der Berjährungszeit das Eigen: 
tum. — Der Code civil (Art. 717) verweiſt auf ein 
über die Behandlung verlorener Sachen zu erlajjen- 
bes bejonderes Gejeß. Dies ift aber nicht erlaſſen 
worden, die Praris ſchutzt jedoch den Finder, wenn 
ie innerhalb dreier Jahre der Verlierernicht heraus: 
ellt, wie einen titulierten Befiger nach Art. 2279. 
Die Vorſchriften der Reihsitrandungsorbnung 
vom 17. Mai 1874 über Seeauswurf und ine 
triftige Sachen find durd das Bürgerl. Geſetzbuch 
nicht berührt worden. (S. Geitrandete Sachen.) 
Finden, William, geb. 1737 zu London, geft. 
daſelbſt 20. Sept. 1852, und fein Bruder Edward 
Francis F., geb. 1792, geft. 9. Juli 1857, Kupfer: 
und Stablitecher, lieferten gemeinſchaftlich zahlreiche 
Stiche zu den Werken von Byron, Turner, Wiljon, 
Moore, zu den «Pictures ofthe National Gallery», 
Erfterer ftah aub das Bildnis Georgs IV. nad 


695 


Lawrence und nad Bildern von Eallcott, Thomfon, 
Wilkie; legterer nad Collins, Gainsborougb, News 
inderlohn, j. Finden. [ton und ®eftall, 
indermente, eine Anzahl von Hunden, die 
gm Auffuhen und auch Sprengen eines Rudels 
auen verwendet werben. 
inderrecht, Recht des erſten Finders, 
ſ. Bergwerkseigentum. 

Fin de siöole (frz., ſpr. fäng de Biäll, «Jahr: 
bundertöende»), ein feit etwa 1889 in Paris auf: 
—— Ausdruck für das Allermodernſte in 

Tracht und Sitten, Sprache, Kunſt u. |. w., gewöhn⸗ 
lid mit dem Nebenbegrifi des Übertriebenen und 
Auffälligen oder des Blaflerten und Berlomme 
nen, wie es der fiberkultug und Decadence (ſ. d. 
am Ausgange des 19. Jahrh. entſprach, aber au 
noch beiteht. 

Findhorn (jpr. find’rn), reißender Fluß Schott: 
lands, entfpringt in der Grafſchaft Inverneß, in den 
Monaphliadh: Mountains, in einer Höhe von 853 m 
fließt nah NO., in dem Thale Strath-Dearn, dur 

verneß,Nairn und Elgin und münbet nach 100 km 

aufs unterhalb Forres in ven Moray⸗Firth. Seine 
Ufer bieten die mannigfaltigiten Naturfchönbeiten. 
Er iſt reih an Lachs und Forellen. An der Mündung 
das une orf F. mit (1891) 562 €, er 
ifly, Vorſtadt von Konjtantinopel, ſ. Fün⸗ 
indlay (pr. -[E), Hauptitadt des County Hans 
cod im norbamerif. Staate Obio, jüplih von Tor 
ledo, Eifenbahntnotenpuntt, hatte 1880: 4633, 1900: 
17613€. Diejen Aufſchwung verdankt F. dem 
natürlihen Gas, das bier zuerjt in Obio 1884 er: 
bobrt wurde, täglich etwa 17 Dill. hl liefert und 
eine bedeutende Eifeninduftrie und Glashütten ent: 
fteben ließ. Auch wird Petroleum gewonnen. 
BR: j. Findellinder; über die Find— 
lingsblöde oder }5. genannten geolog. Vorkomm⸗ 
nl f. Erratifche Blöde und Diluvium. 
ind MacEumaill (dv. b. Sohn des Eumall), 
lebte ber iriſchen Sage nad) im 3. Jahrh. n. Chr. und 
war Furſt der Fiann, eines privilegierten Krieger: 
forps, das unter dem bejondern Befehl des Ober: 
fönigs von Den ftand; das einzelne Mitglied 
berjelben hieß Fennid oder Fenier. F. und fein 
Vater bilden den Mittelpunkt eines ausgedehnten 
—— Dieſer — ſpäter nach Schott⸗ 
land und lokaliſierte ſich daſelbſt; ſtatt F. findet ſich 
hier —* Namensform Fin gal (galiſch Fionn⸗ 
ghal). Namentlich iſt Fingal der Titelheld eines der 
«Poems of Ossian» von Macpherſon, wo er als 
König der Ealedonier an der ſchott. Rordweſtluſte auf: 
tritt. (S. Oſſian.) Nach ihm find Orte, auch Ruinen 
und Höhlen benannt worden. (S. Fingalshöhle.) 
‚Yindon, Fiſcherdorf in der ſchott. Grafſchaft 
Kincardine, 9 km ſudlich von Aberdeen, mit 156 E., 
gab einer Art geräucderter Schellfiihe, «Findon 
Haddocks» oder «Finnan Haddocks», den Namen. 

Findfchan oder Fildſchan (perf.), Heine Bor: 
zellantafje zu Thee oder Kaffee. 

Fine (ital.), Ende, S * meiſt die Schluß⸗ 
unterſchrift eines Mufilftüdes ;bäufig in Verbindun 
mit Da capo (j.d.): Da capo al fine, noch einma 
bis zum Schluß. 

Fines herbes (fr;., ſpr. finjärb, d. b. feine Kräus 
ter), ein Gemijch von feingebadten Champignons, 
Trüffeln, Schalotten und Peterfilie, wozu man bis» 
mweilen nod Ejtragon, Pimpinelle u. ſ. w. nimmt. 

Fineffe (fr3.), Feinheit, Schlaubeit, feine Wens 
dung in der Rede, Kunſtgriff. 


696 Finfiſch — 


Finfifch, der Finnwal (f. d. und Tafel: Wal: 
tiere, ig. 3). 
aber L Find MacEumaill. 

ingalshöhle, eine der jhönften und merl- 
mürdigiten Grotten Europas, an der Sudweſtſeite 
der jchott. Inſel Staffa (f. d.), benannt nad Fingal 
(f. Find MacEumaill). Sehr regelmäßige und per: 
ſpeltiviſch geordnete Bafaltfäulen tragen das Ge: 
mölbe, deſſen Inneres einem riefigen Münfter gleicht, 
während der Boden vom braufenden Meere bebedt 
wird, das am Eingange 5,5, am Ende etwa 2,5 m 
tief ift. Die Länge der Höhle beträgt 69,2 m; die 
Breite ift an dem durch 6—12 m hohe Säulen, 
melde einen 20 m hoben ig tragen, gebildeten 
Eingange 13 m, am innern Ende 7 m, die Höhe in 
der Mitte 20m, die der Seitenwände Ilm. Die ein- 
dringende Flut verurjacht ein donnerartiges Getöje. 
(©. Zafel: Höhlen IL, Fig. 4.) 

Finger (lat. digitus), die das vordere Dritteil 
der menſchlichen Hand (f. d.) bildenden fünf kleinern 
Gliedmaßen. Jeder F. beitebt aus drei Finger: 
Inodhen oder Bhalangen, mit Ausnahme des 
Daumens, welder deren nur zwei hat. Die F. find 
mit den Pittelhandtnohen durch ein ziemlich freies 
Gelenk verbunden; unter fi bilden die Phalangen 
aber nur ein jog. Scharniergelent (das bloß im 
Winkel vor: und rüdwärts auf: und zugebt). Längs 
der Phalangen verlaufen die Sehnen der Beug: und 
Stredmusteln der F. Darüber breitet fich eine ge: 
meinjame ſehnige Hülle, ein Fettpolſter und die 
äußere Haut, welche hier, bejonders an der Finger: 
fpige, die reihenweiſe auf den feinen Hautleifthen 
jtebenden fog. Tajtwärzchen trägt, die eigentümlich 
gebauten Enden ber Gefühlänerven, die das Gefühl 
vermitteln. Die große Beweglichkeit der F. geftattet 
einen ausgedehnten Gebraud —* Taſtorgane. 
Ferner find die verſchiedenen Kunſtfertigkeiten, wo: 
durch ſich der Menſch vom Tier unterſcheidet, vor: 
— durch ſeine Fingerbeweglichkeit bedingt. 

us dieſem Grunde find aber auch die F. vielen 
Beihäpdigungen, 3. B. Stihen und Wunden, Eiter⸗ 
bildungen (Panaritium) und der Einbohrung von 
Barafiten (Kräsmilbe, Nagelpilz) ſehr ausgeſeßzt. 
(S. Fingerentzündung.) 

Die F. werden im deutſchen Mittelalter und bis 
in die neuefte Zeit, namentlih von den Nieder: 
—— (Scleöwig:Holftein), bei rechtlichen Hand: 
ungen ſymboliſch gebraucht. Bei Verfprehungen 
und bei Auflaflung von Grundeigentum wurde der 
zweite und dritte 3 der rechten Hand gekrümmt, 
der Daumen eingelniffen; beim Eide wurden zwei 
F., fpäter drei F., jebt alle F. der gehobenen Hand 
ausgeitredt. Daber auch «im Heiligen Reich ein 
gemeiner gebraud ift, folhen falſchſchwörern die 
aween F., damit fie geihworen baben, abzubauen» 
(Carolina Art. 107). (S. auch Schwurhand.) 

Finger, Jalob, heſſ. Staatömann, geb. 13. Jan. 
1825 in Monsheim ald Sobn mennonitifcher El: 
tern, jtudierte 1841—46 in Gießen, Heidelberg und 
Berlin die Rechte, Geſchichte und Philoſophie, war 
dann an verjchiedenen Gerichten tbätig und wurde 
1855 Rechtsanwalt am Bezirlägericht zu Alzey und 
dem rheinheſſ. Kaſſationshofe zu —— 1872 
wurde F. als Miniſterialrat in das Miniſterium 
der Juſtiz berufen und 1874 zum ſtellvertretenden 
Mitgliede Heſſens im Bundesrate ernannt. Bei 
der 1878 erfolgenden Neuorganiſation der oberſten 
Staatöbehörde fiel ihm ein Hauptanteil an der 
Einführung der neuen Reichsjuſtizgeſetze in Heſſen 


Fingerhut 


zu. Nach dem Rüdtritt Starcks 1884 wurde F. 
zum Präſidenten des Miniſteriums des Innern 
und der Juſtiz ernannt und mit der Führung der 
Geſchäfte des Staatsminifteriums beauftragt, bis 
er Ende i desjelben Jahres definitiv zum 
Staatöminifter, ald welcher er zugleich Miniſter 
des großberzogl. Hauſes und bes Uußern war, und 
zum Minifter des Innern und der Juſtiz befördert 
wurde. Seines boben Alter8 wegen trat er Juli 
1898 von feinen Amtern zurüd. F. war aud 1862 
—65 Mitglied der Zweiten Kammer, und zwar An: 
pänger der Fortjchrittspartei; 1899 wurde er zum 
ebenslänglihen Mitglied der Erſten Kammer er: 
nannt. Er ftarb 1. Febr. 1904 in Darmitabdt. 
et . Kusfus. 

ng ündbung, Fingerwurm, Um: 
lauf, böfer finger (Panaritium), eine mit 
Eiterung und großer Schmerzhaftigfeit verbundene 
Entzündung der yinger, — vorzugsweiſe deren 
Nagelglieder betrifft, ſich aber auch über ven zn 
Singer bis in den Hanbteller hinein eritreden, ja 
bei ungünftigem Verlauf den ganzen Arm in Mit: 
leidenſchaft ziehen tann. Die eigentliche Urſache der 
5. liegt in dem Gindringen von Eiterkollen in 
Heine — und Hautwunden am Finger und der 
hierdurch bedingten Wundinfeltion. 

Die oberflächliche F. (Panaritium cutaneum 
und subeutaneum) bat ihren Siß in der Haut und 
in dem fettreichen Unterbautzellgewebe und ent: 
midelt ſich am bäufigiten am vorderſten Finger: 
alieve, wobei dieſes mehr oder minder anſchwillt 
und ſich rötet, bis ſich auf ber geröteten, entzünd: 
lich erweichten Haut eine weiche weiße Stelle bildet, 
weldye envlih aufbriht und dem angelammelten 
Eiter einen Ausweg nad außen * worauf 
gewöhnlich bald Heilung erfolgt. Die tiefere F. 
(Panaritium tendinosum und periostei) nimmt ibren 
Ausgangspunkt von den Sehnenfheiden oder von 
der Knochenhaut des betreffenden Fingergliedes, ift 
in der Regel von viel beftigern Schmerzen begleitet 
und kann ſehr leicht noch beventlichere Erſcheinungen 
ur Folge baben, indem die Entzündung entweder 
ängs der Sehnenſcheiden ſich weiter verbreiten, oder 
das Abjterben des betreffenden Fingerknochens ber: 
beiführen, oder eine ausgedehnte Lymphgefäßent⸗ 
zündung der Hand und des ganzen Arms nad fi 
zieben kann. Bei gleichzeitiger Entzündung der Seb: 
nenſcheiden (Panaritium tendinosum) geſchieht es 

ewohnlich, daß die entzündete Sehne abjtirbt und 
chließlich als mehr oder minder langer, wurmähn: 
liher Geweböfepen (Fingermurm)nad außen ent: 
leertwird, —— dauernde Steifigleit des erkranlten 
Fingers zurüdbleibt. In einer weitern Kategorie 
von Faällen beginnt die F. als Entzündung eines 
Fingergelents. Wenn im Berlauf einer tiefern F. 
infolgemangelbaften Abflufjes des Eiters brandiges 
Abfterben des betreffenden —— erfolgt 
iſt, fo bleibt eine dauernde Verkürzung und Ber: 
früppelung bes erlranften Fingers zurüd, ja bei 
Vernadläjfigung und fehlerhafter Bebandlung lann 
der ganze Finger, jelbit die Hand brandig zerftört 
werden. Jede F. tft ald eine ernſte Kranlheit zu 
betrachten, wes halb man bei jeder, auch anſcheinend 
—— fi {on im Beginn 


an einen Arzt zu wenden. — Bol. Hüter, liber das 
PBanaritium (& 1870). 
Fingerhut (Digitalis Z.), Pflanzengattung aus 


der Familie der Scrophulariaceen (f. d.) mit gegen 
20 Arten in Europa und dem gemäßigten Afıen. 


Fingerframpf — Fingierter Wechjel 


€3 find zweijährige oder ausdauernde Kräuter, 
feltener Halbfträucher, meift mit ſchönen, zu einſeits⸗ 
wendigen Trauben georbneten Blüten. An Deutich: 
land einheimiſch ift der rote %. (Digitalispurpurea 
L.,1.Zafel: Giftpflanzen 1, Fig. 3)und verblaß: 
—— . (Digitalis grandiflora Lam., ambi 

Lurr.). Erjterer ift gemein auf Waldſchlägen und 
Waldlihtungen, im Gebirge häufig eckig, z. B 
im Oberharz und Thüringer Wald. Die an dem 
1— 1,30 m hoben Stengel in der Achſel von Deck⸗ 
blättern ftehenden Blüten find hängend, außen pur: 
purrofa, an der Baſis weiß und bilden eine bis 
80 cm —* Traube. den Blumengärten wird 
unter dem Namen var. gloxiniaeflora eine Form mit 
noch längern Blütentrauben und größern, weiter ges 
öffneten, innen ftet3 punttierten und gefledten Blu: 
men kultiviert. Man bat eine rofens oder purpur⸗ 
rote Varietät mit brauner oder purpurner Bunt: 
tierung, eine weiße mit purpurlarminroten Flecken, 
eine ganz weiße u. ſ. w. Der blaßgelbe F. hat weich: 
baarige, gewimperte Blätter und trüb jhmefsigelbe 
undeutlih dunlel geaderte Blüten und findet fi 
feltener al& der rote in Beramwäldern, Steinbrücen 
u. ſ. w. Er wird aud als Zierpflanze im Garten 

ezogen, ebenjo wie Digitalis ferruginea L., im 

rient heimifh, mit meift rifpenartig georaneten 
Trauben, gräulich roftfarbigen Blumen. Alle Arten 
enthalten ein ſtarles Gift, das Digitalin (j.d.), 
das den Bagus (den herumſchweifenden Nero) 
ſowohl in jenem Gentrum, wie in jeinen End: 
organen im Herzen reizt, Die Herzmustulatur erregt 
und Berengerung ber Heinen Arterien bewirkt. Die 
Folge davon ift eine Steigerung des Blutbruds 
und ein Sinken der Puläftequenz: der Puls ver- 
langjamt fi, wird jedoch kräftiger. Größere Gaben 
führen zur Lähmung des Herzend. Außerdem ber 
wirft das Digitalin eine Vermehrung der Harns 
abjonderung und Depreffion auf die Nerven der 
Geihlehtsorgane. Man wendet die ald Folia Digi- 
ed a A a aa ig 
roten F. jelten in Bulver:, häufiger in Billenform, 
meijt aber im Aufguß bei entzündlichen Herzleiden, 
Herzerweiterung und Sclagadergeihmüliten an, 
ebenjo bei Entzündungen ber Brujtorgane und ber 
Hirnbäute, bei Blutungen, Waſſerſucht, Tuberkulofe 
u. ſ. w. und bereitet aus ihnen auch die dunkelgrün: 
braune, offizinelle Singerbuttinttur (Tinctura 
Digitalis), die die gleiche Anwendung findet wie die 
Blätter (größte Einzelgabe 1,5 g). 

ngerframpf, |. —— 
ingerkraut, P —*—— Potentilla. 
gerlinge, die Zapfen des Ruders (f. d.). 

| ngerpils (Holzpilz), ſ. Xylaria und Tafel: 
Bilze IV, Fig. 2. 

Fingerſatz, Applilatur, die geregelte Ver: 
teilung der beim Spielen eines Inſtrumentes bes 
teiligten Finger auf die Noten. Die Beherrihung 
des F. ift bei Blas- und Streidinftrumenten nötig, 
bejonders wichtig aber bei den Taſteninſtrumenten. 
Der F. nimmt daber bei Klavier und Orgel einen 
erheblichen Zeil des Unterrichts in Aniprud. Die 
fünf Finger werben dur die Zahlen 1 bis 5 be- 
—— Die Engländer zählen die zu von 1 

s 4 und geben den Daumen durch ein + an; 
früber wurde der Daumen meiſt dur O, feltener 
durch + bezeichnet. Diefe befondere Bezeihnung 
des Daumens bängt damit zufammen, daß nod 
Seüber (biß in die erite Hälfte des 18. Sabrh.) der 

aumen überhaupt beim Spiel nicht benußt wurde, 


697 


erfchnede, ſ. Flügelſchneden. 
ingerſprache, die Darſtellung der Buchſtaben 
des Alphabets durch Bewegungen der Finger oder 
der Hand. Die alten Römer bedienten ſich der 
Finger namentlih, um Zahlengrößen auszudrücken. 
Später wurde die F. in Klöftern jehr beliebt und 
weiter ausgebildet. Bon Bedeutung wurde fie, als 
I Abbe de l'Epée in jeiner Methode des Taub— 
mmenunterricht3 (f. d.) verwendete. Reuerbings 
wird fie weniger angewendet, da die Lautſprache 
mebr gepflegt wird, die F. aber deren Anwendung 
nur hindert. Das befanntefte ———— ver⸗ 
offentlichte zuerſt der Spanier Bonet 1620, der es 
einer Schrift Johann Baptiſta Portas, «De furtivis 
litterarum notis» (Die Geheimſprache, Neap. 1602), 
entnabhm. emniten (f. d.). 
erfteine, volkstümliche Benennung der Be: 
ngertier oder Aye:Aye (Chiromys mada- 
ascariensis Desm., f. Tafel: Halbaffen II, 
Si. 2), eins der merkwürdigſten und intereſſan⸗ 
teiten Säugetiere aus der Ordnung der Halbaffen 
(f. d.), wurde zuerit von Sonnerat aus Mada— 
gaskar, mo ed ausschließlich vorlommt, nach Europa 
gebracht. Es iſt ein 45—50 cm langes Tier mit 
ebenfo langem buſchigem Schwanz, breitem Kopf, 
Heinen Nachtaugen mit runder Yupille und röt: 
liher Iris, jehr großen, nadten un und röts 
lihgrauem, feinwolligem Pelz. Die bintern Ertre: 
mitäten find länger als die vordern, mit Händen, 
deren freibemwegliher Daumen einen Plattnagel 
trägt. Die Vorderbeine dagegen enden in jene 
—— überaus lang⸗ und dunnfingerigen 
foten, denen das Tier ſeinen Namen verdankt. 
Die Weibchen tragen zwei Zitzen am Bauche, feine 
an der Bruft. Das Gebiß des F. ift beim erwach⸗ 
jenen Tiere infolge einer Sonderanpafiung hödit 
eigentümlich entwidelt, injofern die zwei großen, 
vorjtebenden Schneidezähne des Ober: und Unter: 
tieferd und der Mangel von Edzähnen das Ge: 
biß eines Nagetiere vortäufhen. Es bat dies 
lange die ſyſtematiſche Stellung des Geſchöpfes 
verduntelt, bis man das Mildhgebiß der jungen 
Tiere mit jeinen vier Schneide: und zwei Edzähnen 
tennen lernte und damit den Halbaftendharalter er: 
lannte. Das F. ift ein überaus lihticheues, lang⸗ 
ſames Geihöpf, das nah neuern Beobachtungen 
fih vom Marte des Bambus und Zuderrobrs, aber 
aud von Inſeltenlarven ernährt, die ed durch Ab: 
nagen der Baumrinden bloßlegt und mit dem dün: 
nen Mittelfinger bervorbolt. Es führt eine voll: 
tommen nächtliche Lebensweiſe. — Bol. Diven, On 
the Aye-Aye (in den «Transactions of the Zoolo- 
gical Society of London», Bd. 2); Peters, liber 
die Säugetiergattung Chiromys (Berl. 1866). 
eat ſ. Singerentzündung. 
ngieren (lat.), erdichten, ausfinnen, vorgeben; 
davon Filtion (f. d.). 
ingierte Münzen, I Rechnungsgeld. 
ingierte Rechnunglital. conto finto),j.Eonto, 
ingierter Wechfel, bisweilen Bezeichnung 
eines auf eine fingierte Perſon gezogenen oder eines 
mit mehrern Unterſchriften nichtexiſtierender Pers 
ſonen verſehenen Wechſels, der betrügeriſch jo aus⸗ 
* iſt, um dem Giranten den Schein von außer 
hin haftenden Hintermännern zu geben und das Dis⸗ 
lontieren zu erleichtern. nalen: Ruckwechſel 
wurde früher der Wechſel genannt, welchen der Res 
greßnehmer auf den Regrebpflichtigen nad} dem Kurſe 
Jog (Art. 53 der Deutſchen Wechſelordnung) und 


698 


an feinen Commis oder eine andere untergejchobene 
Perſon girierte, ohne von diefer Zahlung erbalten 
zu haben; oder ein Rüdwechjel, welchen der Be 
zogene gar nicht einzulöfen braudte, dem viel 
mebr der Negreßnehmer die —— in Rech⸗ 
nung geſtellt hatte. Man glaubte, daß durch dieſe 
Manöver betrugeriſche Kursgewinne erzielt würden, 
weshalb fingierte Rüdwechjel in manden Wechſel⸗ 
ordnungen verboten waren. (Val. Treitichte, Ency⸗ 
topädie der Wechjelrechte, Bd. 2, Lpz. 1831, ©. 426.) 
Da nad der —— echſelordnung Art. 50, 51, 
nah Schweizer Obligationenredht Art. 768, 769 die 
Regreßſumme aud ohne Rüdwechjel nad) dem Kurſe 
zu zahlen ift, fo hat für Deutjchland und bie Schweiz 
ein Fang Nüdwechjel feine Bedeutung. 

Inge, Name eines Kaffernftammes in Kaplan 
oder vielmehr der Überreite mehrerer Stämme, melde 
gegenwärtig, gegen 152000 Köpfe ftarf, nordöſtlich 
vom Keifluſſe wohnen (ſ. Karte: Kapkolonien). 
Sie haben zum guten Zeil europ. Kultur und das 
Ehriftentum angenommen. Urjprünglih am Zus 

ela in Natal anfäffig, wurden fie von dem Zulu— 
Fürften Tſchala nad Südweſten vertrieben, gerieten 
im Lande der Galela am Keifluffe in deren Stla- 
verei und riefen darauf die Rapregierung um Hilfe 
an. Dieje befreite fie 1834 und gab ihnen das 
Land Peddie am Großen Fiſchfluß. Als die Galefa 
1858 wegen fortwährender Räubereien aus ibrem 
Territorium verjagt waren, überließ man dieſes den 
5. zur Unfiedelung; es wurde 1875 ald Translei⸗ 
diftrift (j. d.) der Kaptolonie förmlich einverleikt. 
niermafchine, joviel wie Arrondiermafdine. 
inigüerra, Maſo, —— Tommaſo 
di F. ital. Bildhauer und Goldarbeiter, dem einige 
die Erfindung der ee aufschreiben, lebte 
um die Mitte des 15. Jahr . zu Florenz und war 
ein Schüler Lorenzo Gbibertis, unter dem er bei 
Verfertigung der zweiten bronzenen Thür des Bapti: 
ſteriums bejhäftigt gewejen zu fein ſcheint. F. war 
—— ausgezeichnet im Niellieren. Eine ihm 
ugeſchriebene, für den Altar der ——— 
Ian Vaterjtadt gearbeitete Metallplatte, fog. Pax 
von 1452, auf welcher die Krönung der Jungfrau 
Maria nielliert ift (im Muſeum zu Florenz), galt 
lange als diejenige, von der die Kupferftechtunft 
ausging. Bon ihm jollen aud 99 Blatt Zeichnungen, 
die heilige und profane Geſchichte jeit der Schöpfung 
bis zur Gründung von Florenz illuftrierend, jein; 
jeit 1889 im Britiſchen Muſeum, bg. in Fakſimile als 
«A florentine picture chronicle», mit F von 
Sidney Colvin (Lond. 1899). (S. Tafel: Gold» 
ſchmiedekunſt II, Fig. 4.) 

Finis (lat.), Ende; F. corönat opus, das Ende 
frönt das Werl, d. b. Ende gut, alles gut. 

Finiſh (engl., pr. iſch Vollendung; in der 
Zurfiprade der Schluß des Rennens, wobei ſich die 
Tüchtigkeit des Pferdes und die Gejchidlichleit des 
Reiters am glänzenditen zeigen kann. 

Finis Poloniae! (lat., «Das Ende Bo: 
lens !») joll nad der «Süpdpreußifchen Zeitung» vom 
25. Dft. 1794 Koſciuſzlo ausgerufen haben, als er 
nah der Schlacht bei Maciejowice 10. Dt. 1794 
fchwer verwundet in feindliche Gefangenihaft ge 
raten war. In einem Briefe an den franz. Hiſto— 
rifer Segur vom 12. Nov. 1808 leugnete Kofciufzto 
entichieden, ven Ausruf getban zu haben. 

iniffage (frz., ſpr. -abich’, d. b. Vollendung), die 
feste Bearbeitung, in3bejondere einer zufammens 
geiesten Ubr. 


Fingo — Finistere 


Finissimo(ital., Superlativ zu fino), hochſtfein. 
Finistere (pr. -täbr, lat. Finis terrae, «Landes« 
ende»), Departement im äußerten Weiten Frant» 
reichs (f. Karte: Frankreich), ein Teil der ehemali⸗ 
gen Niederbretagne (ſ. Bretagne), hat 6721 (nad 
erehnung des Kriegsminiſteriums 7070) qkm, 
(1901) 773014 €, und zerfällt in die 5 Arronditjer 
ments Breft, Chäteaulin, Morlair, Duimper, Duim- 
perle mit 43 Kantonen und 296 Gemeinden. Haupt: 
ftabt und Sig des Biſchofs ift Quimper. Außerdem 
unterſcheidet man nod die Landſchaften Trequier, 
Leon und Gornouailled. Zwei niedrige bis gegen 
400 m aufjteigende, aber malerische Bergsüge aus 
Granit, die Montagnes d’Arree und die Diontagnes 
noires, durchziehen das Land von D. gegen W.; ver 
Boden befteht aus Granit, Gneis, Glimmerſchiefer 
und Urt —* Breſt und Ebäteaulin haben 
Tertiärfhichten, Roscanvel Kalt und Duimper ſtoh⸗ 
len. Die600 km langen Küften find hoch und fteil,von 
gewaltigen Felſenmaſſen und zablreihen Inſelchen, 
wie 5. B. Duefjant und Sein, umgeben und vielfach 
eingebuchtet, fo daß fie eine Menge von Borgebirgen 
(Bointe de St. Mathieu), von Häfen, Baien und 
Needen (wie die von Breft, Douarnenez, Audierne, 
Anſe de Benodet, Foreft u. a.) bilden. Unter den 
ablreihen Küftenflüflen find Aune, Elorn, Odet am 
ebeutendjten. Auch Teiche und Seen find zahlreich. 
Das Klima ift unter dem Einfluß des Dceans jebr 
mild, feucht und ſtürmiſch; die mittlere FJahrestems 
peratur von Breſt (11,7°) übertrifft die aller Orte 
des Landes auf gleihem Breitengrabe. Selten fällt 
das Thermometer unter —6°, jelten fteigt es über 
23°C. Allein wegen der geringen Sommertem: 
peratur wächſt fein Wein, und felbft an den Süd» 
ehängen kommt der Mais nicht immer zur Reife. 
Sn Ouimperund Morlair fallen 800, an der Bai von 
ouarnenez 1000 mm Regen im Jahre. Der mit 
dem Seetang gebüngte Boden liefert Getreide über 
Bedarf, vor allem viel Weizen (1897: 1196940 hl), 
dann Roggen (687346 hl), Hafer (1083924 hl) und 
Gerite (337320 hl) ſowie Buchweizen (8362730 hl), 
Kartoffeln, Flachs, Hanf und Hüljenfrüdhte, in man- 
hen Gegenden viel Gemüfe, Üpfel und Birnen, 
welche überall zur Bereitung des Ciders (1897: 
69872500 kg Üpfel) verwendet werden. Ausgedehnt 
find die Viehweiden; weite Streden bringen nur 
Heidelraut und Ginfter hervor, infolge des Holz- 
mangel3 das gewöhnlihe Feuerungsmittel. Ber 
deutend find Ninders, Pferde: und Schweinezudt 
1897: 428023, 110897 und 110921 Stüd). Das 
ieh ift Hein, die Pferde fehr ftarl, die Schafe 
(70915 Stüd) grobwollid.. Man gewinnt Butter 
und züchtet Bienen (63775 Bienenftöde). Die ſilber⸗ 
baltigen Bleigruben von Huelgoat und Boullaouen 
werden nicht mehr auögebeutet. Sonft finden ſich 
Eifen, Zint, Wismut, teinfohlen, Vorzellanerde, 
Granit, Porphyr, Serpentin und Schiefer. Za 
reich find die Mineralquellen. Es beitebt Fabrita- 
tion von Leinwand, Segeltuh, Tauen, Papier, 
Topfwaren, Wachslerzen, em. Brodulten, Woll⸗ 
zeugen, Leder und Seife. Wichtig ift die Fiſcherei 
auf Sardellen, Hummern, Auftern und Languften, 
der Handel wird durch die guten Häfen, gute Land⸗ 
er (1899: 419 km Nationaljtraßen) und ven 
anteö-Breft:Ranal gefördert. Das Land iftreich an 
Dentmälern aus der telt. Zeit; vor allem finden ſich 
(jüdöftlich von Breit) viele Refte von Druidenfteinen, 
Die vorherrſchende Umgangsſprache ift die breto⸗ 
niſche. — Bol. Freminville, Antiquitös du F. (Bar. 


. Finisterre — 


1835); 4. nn Geographie duF. (Breit 1878); | 


Arbouin:Dumazet, Voyage en France. 4. Serie: 
Les 1les de l’Atlantique. II. D’Hoedic & Ouessant. 
6. Serie: Iles de la Manche et Bretagne péninsu- 
laire (Bar. 1895 und 1896). 
Finisterre (Cabo de 5 d. b. Landesende), 
Borgebirge an der Nordweſt pipe der ſpan. Provinz 
orufa, an der Ria de Eorcubion, bei den Alten 
Promontorium Nerium. Hier fiegten die Eng- 
länder 3. Mai 1747 über bie Rası. Flotte und 
22. Juli 1805 über die franz.:fpan. Flotte. 
iöterregebirge, irge in Kaiſer⸗Wil⸗ 
eſms⸗Land (f. d. meet Karte), am Sübrande der 
ftrolabebai, im Gladftones oder Kantberge bis 
3475 m ”. Im W. und ©. trennt es der Kabenau⸗ 
aetfe: und Bismardgebirge. Das F. 
wurde zuerſt von Hugo Zöller % d.) errorfcht. 
Finito (ital.), Rechnungsabſchluß. 
‚Fink, Vogel, |. Finle; Canariſcher F., ſ. Cana 
rienvogel. j , 
Fink, Auguft, Maler, geb. 30. April 1846 in 
Münden, widmete ri — dem Kaufmanns⸗ 
ſtande und verlebte ſieben Jahre in Amerila, ging 
aber 1870 zur Malerei über. Den erſten Unterricht 
in der Kunſt erhielt er in Münden bei Ed. Schleich 
und bei Lier; ſeit 1872 ſchloß er fi an Joſ. ⸗ 
lein an und iſt ſeit 1878 in Münden ſelbſtändig 
tbätig. 1888 erhielt er den Titel —*8* Er 
2 ich beſonders durch Gebirgslandſchaften mit 
ildſtafſage einen Namen gemacht; ſeine Werke 
wurden meiſt nach England und Amerila verkauft. 
Hervorzuheben find: Winterlandſchaft mit Jägern 
1879), Herbſtmorgen (1881), Herbſtabend, Winter: 
landſchaft mit äfenden Reben, Aufgehender Mond 
im Winter (1882), Herbitmorgen im Gebirge mit 
ohmwild (1883), Wintermorgen, Herbit an ber 
ar bei ggried mit röhrendem Hirſch (1886), 
Wintermorgen im Gebirge (1888; Neue Binalotbet 
in Münden), Herbitnebel(1889), Borfrübling (1891). 
Auf der Kunftausftellung in München 1892 jah man 
von ihm: Winternadt, pielbahnbalze, Mond am 
Morgen; 1893: Mondaufgang im Winter, 1898: 
Wintermorgen im Walde. Die Gemälde: Spät: 
be und Abend an der Iſar gelangten 1900 eben: 
all3 in die Mündener Pinatothet. 
Friedr. Aug. von, preuß. General, f. Find. 
nfe illa), eine zur Abteilung der Kegel: 
chnäbler oder Sperlingänögel (Passeres) gehörige 
Bogelgattung, die ald Typus einer eigenen, frei⸗ 
li jehr verſchieden begrenzten Familie betrachtet 
wird, melde ſich durch den kegelförmigen gemölbten 
Schnabel ohne halige Spike, runde Najenlöcher, 
neun Schwingen an dem Hanbdteil des Flügel3 und 
Wandelfuße mit kurzem, der Mitteljehe gleihlangem 
Lauf unterjcheidet. Die Familie der F. zählt mehr ala 
70 Gattungen und über 500, in zahlreiche Gattungen 
und Gruppen verteilte Arten und wird mit Aus: 
nahme ber ganzen auftral. Region auf der ganzen 
Erde bis in die fälteften und wärmiten Gegenden 
gefunden. Die eigentlichen d: oder Edelfinken, 
welche die m. Fringilla bilden, haben einen ge: 
radfirſtigen, vorn faum zufammengedrüdten Schnas 
bel ihmale, fpisige Flügel, an denen die zweite 
Schwingfeder bie längite ift, und einen ftumpf aus» 
eichnittenen Schwanz. Sie bauen kunftreiche Neiter, 
le F. find wertvoll ald Stubenvögel, weil fie an: 
genehm —A oder um ihrer ſchönen Färbung 
willen. t wenige find als Käfiguögel verbreitet, 
die meiften werben einzeln ald Sänger im befondern 


Finkenſchaft 699 


inkenkäfig gehalten, wenige, insbeſondere fremd» 
ändiſche, pärchenweiſe au —* 

Zu ihnen gehört der Bude, Edel: oder Blut⸗ 
finte (Fringilla coelebs L.; ſ. Tafel: Mittels 
europäifhe Singvögel I, Fig. 4, beim Artikel 
Singvögel; Ei dealelben f. Zafel: Eier mittel: 
europäifcher Singpägel, A .24, Bd. 17), wels 
her ganz pa und einenTei A iend bewohnt und 
wegen feines angenehmen Gejangs (Fintenihlag) 
ein geſchätzter Stubenvogel ift. Der Buchfinke zeigt 
viel Unverträglichleit, was die Vogelfteller zu dem 
IE TIRERRUNER benußen, indem fie ein jahmes 

ännden, an deſſen Flügel ein mit Bogelleim bes 
ftrichenes Stäbchen gebunden it im Walde binjegen, 
auf welches, ſobald es —— ockton erſchallen läßt, 
alsbald eins der freien Männchen herabſtürzt, um es 
8 vn, infolgedeſſen es an dem Stäbchen feſtklebt. 

er Schneefinte (Fringilla nivalis Briss.), auf 
den Alpen, Pyrenäen und Karpaten, ferner in Si⸗ 
birien und ganz Mittelafien beimifch, bat nur einen 
unvolllommenen Gejang. Der Bergfinte (Frin- 
gilla montifringilla L.), der im Dftober und Nos 
vember aus dem Norden ber in Scharen durch 
Deutſchland zieht, hat nur einen jehr mangelhaften 
Gejang, wird aber, troß feines bijfigen Eharalters, 
doch des jchönen Ausſehens wegen zumeilen in 
Bauern gehalten. Ferner gehören zu den %. die 
Stieglige, Hänflinge, Zeifige, Citronenfinten, Grun⸗ 
finten, Sperlinge, Kernbeißer, Gimpel, Leinfinten, 
Kreuzichnäbel (}. die betreffenden Artikel) u. a. a" 
neuerer Zeit werden aus allen übrigen Weltteilen 
eine Menge fintenartiger Vögel, die ſich meift durch 
ihr ſchönes Gefieder auszeichnen und die man unter 
dem Namen der Prachtfinken (f. d.) zufammenfafjen 
ann, in den Handel gebradıt. 

Finten oe) oder Wilde, an einigen Unis 
verfitäten — der keiner Verbindung an⸗ 
gehdrenden Studenten, die ſich aber zur Ber: 
tretung ihrer Interefjen an manchen Orten zu einem 
orößern Berbande (Bintenihaft) julammens 
geſchloſſen haben. [Tafel: Falten, Fig. 6). 

infenhabicht, ver gemeine Sperber (f. d. und 

infenfäfig, j. Bogelbauer. , 

infenuet (altboll. vink-net), ein Nek, das 
rings um die Borbwände eines Kriegsſchiffe und 
über das Oberded ausgeſpannt wurde, um bie feind« 
lichen Enterer (f. Entern) abzuwehren. Die 5. waren 
vom 16. bis zum 19. Jahr. in Gebraud. 

Finkennehtzkaften, diean Bord der Kriegsſchiffe 
längs der Rebling (f. d.) von vorn nach hinten laus 
fenden Käften, melde während des Tags zur Auf⸗ 
nabme der zu Frege Ai od, Hänger 
matten der atzung bejtimmt find. frübern 

eiten, als die Geſchutze geringere Durchſchlagskraft 

tten, dienten fie für die Mannſchaften auf dem 
Dberded als Bruftwehr und als Berpadungsort der 
Finlennetze (ſ. d.). Seht — ſie —— gegen 
‚iintentuge n Schuß. Durch das Hineinpaden der 
ängematten in die F. wird in den untern Räus 
men des Schiffs, wo die Mannſchaften ſchlafen, wäh: 
rend des Tags Play gewonnen und jene werben das 
durch gelüftet, da fie nur bei ſchlechtem Wetter waſſer⸗ 
dichte Überzüge (Finkennetzkleider) erhalten. 
infenritter, ein lujtiges proſaiſches Volkes 
buch, «Die Hiftory und Legend von dem trefjlichen 
und weit erfarnen Ritter, Herm Policarpen von 
Kirrlariſſa, genant der Finden Ritter» (zuerit Straß: . 
burg um 1560), ſchildert die abenteuerlichen Fahrten 
intenfchaft, |. Finten. [des Helden. 


700 


intenftechen, |. inte. ' 
infenwärder, Fintenwerder. 1) Juſel in 
der Elbe, unterhalb Altonas, gehört zum Heinern Teil 
ur preuß. Brovin; Hannover, zum größern zur land: 
errihaft der Marſchlande Hamburgs (j. Karte: 
Hamburg Gere eg era 
u Hamburg gehörig, 3 km im W. von Hamburg, 
* (1900) 3434, (1905) 3935 E., Poſtagentur, Tele⸗ 
graph, Fiſchereiſchule; Schiffbau, Fiſcherei. 

Finland (Finnland), finn. Suomi oder Suo- 
menmasa, Groffüritentum, feit 1809 mit Ruß» 

4 land vereinigt (ſ. die Karten: 
Schweden und Norwegen 
und Europäijhes Ruß: 
land), liegt zwiſchen 59° 48’ 
und 70° 6,’ nörbl. Br. und 
ar 20° 29 (oder die Alandsinjeln 

= einbegriffen 19° 30’) und 32°47’ 
ditl.2.von Greenwich. Ed grenzt 
#1 im ©. an den Finniſchen Meer: 
bufen,imS&®. an die Dftfee, im 
W. an den Bottnifchen Meer: 
=) bufen und an Schweden, im N. 
an Norwegen, im D. und SD. 
an Rußland. Die Entfernung 
zwiſchen der ſüdlichſten Land⸗ 
[pie v... und dem nörblidften Punkte in 

appland bei dem Tana:elv beträgt etwa 1200 km. 
Die größte Breite des Feitlandes von D. nah W. 
ift 620 km. F. bevedt 373604 qkm, davon fommen 
41660 qkm auf Seen, 11591 qkm auf Inſeln. Der 
längfte Sommertag an ber Süptäfte des Landes 
ift 18°, Stunden); am nördl. Strande des Enarejees 
dauert er 2 Monate. 

DOberflächengejtaltung. F. bildet den libergang 
vom flandinav. Berglande zu der ofteurop. Ebene. 
Die allgemeine Konfiguration erinnert an erfteres, 
die Höhenverhältnifie nähern e3 dagegen ber lebtern. 
Es iſt eine hügelreihe, von dünner Erdſchicht be 
tleidete Granitplatte, deren Vertiefungen von Seen 
eingenommen find und deren Höhen niedrige, ab: 
—— Hügel und ausgedehnte Landrücken bilden. 
Diefe find zum größten Zeil fiberbleibfel aus der 
Eiszeit, Die Endmoränen des Inlandeiſes aufjeinem 
Nüdzuge. Eigentliche Berge fommen nur im nördl. 
Zeile vor, In dem Keil zwiſchen Schweden und 
Norwegen, der pe zur Skandinaviſchen 
Halbinjel zu zählen iſt, befinden fich mehrere Felſen— 
pebirge von über 1000 m Höbe; bier liegt auch der 
ochſte Gipfel in F. der Haldiſchok oder Haltiotunturi 
(1258 4 Im übrigen F. ſind die Gebirge niedriger. 
Der Pallastunturi erreicht 858 m, der Nuorunen 
fünlid vom Polarfreiie 532 m. Der Höhenzug 
Maanjeltä, der die Wafjericheide bildet zwiſchen dem 
Eismeer und Weißen Meer und dem Bufen der Dit: 
fee, zeigt nur in feinem nörd!. Teile Gebirgscharak⸗ 
ter. Unter 64° nörbl. Br. biegt er nah SD. um 
und nimmt den Namen Suomenfelfä an, ein teils 
breiter, teil® engerer Gürtel, jtellenweije mit 
fejtem Gejtein zu Tage tretend, aber dfter aus fan: 
digen Heiden, Sümpten und hochliegenden Mooren 
beitehbend. Das an Binnenfeen reihe Land ſudlich 
von Suomenjelfä ift gegen SO. und ©. von einem 
ihmalen Landrüden Salpausjellä (Riegelrüden) 
umſchloſſen. Die Mittelböbe des innern Landes be: 
trägt nur etwa 100 m. Die höchſten Hügel erheben 
fi 100 bis 150 m über den Boden. 

Gewäfler. Mebr ald 11 Proz. der Gefamtflähe 
fommen auf Binnenfeen, deren Menge 5. den Na: 





Finkenſtechen — Finland (Oberflächengeftaltung. Gewäjjer. Klima) 


men «das Land der taufend Seen» verlieben bat. 
Dazu kommen no die Meerbujen der Hüfte und die 
Waſſerſtraßen zwiſchen den unzählbaren Inſeln und 
Schären, welche die Seefahrt bier für jeden Fremden 
ſehr gefäbrlib machen. Dies gilt vor allem von den 
—— der Sudweſtküſte bis zu den Alandsinſeln, 
welche ein 200 km langes und über 100 km breites 
labyrintbartiges Binnenmeer bilden. Bedeutend 
find auch die Schären an der ſchmalſten Stelle des 
Bottniihen Meerbuſens bei ven Quarlen. Zu den 
wichtigſten Binnenjeen und Fluſſen gebören: der 
Enarejee in Lappland mit dem Abfluß Baatsjofi zum 
Nördlichen Eismeer; die in den Bottnifhen Meer: 
buſen I —— Torneä:elf mit dem linken 
Nebenfluß Muonio an der jhmwed. Grenze, der Kemi, 
der Uleä (Dulu) aus dem Uleäjee und der Kumo— 
trom oder Kolemäenjoki, der Ausfluß des Weit: 
waſtländiſchen Syſtems, deſſen Gentralfee der 
Näſi iſt. In den Finniſchen Meerbuſen ergießt ſich 
der Kymmeneſtrom, von der langen, 78 m über 
der Meeresflädhe liegenden und beinahe 90 m tiefen 
PBüäijänne, in welchen mehr als 600 größere und 
Heinere Seen abfließen. Das größte von F.8 zuſam⸗ 
menbängenden a ift jevob das Sa⸗ 
wolar⸗Kareliſche, deſſen Seen ein infelreihes Meer 
bilden; die Hohendifferenz zwiſchen der Waſſerfläche 
bei Willmanjtrand und der bei dem 300 km nör: 
licher befindlichen Jiſalmi ift nur einige Meter, io 
daß mit Hilfe von zwei Scleufen ein Fahrwaſſer 
wiſchen beiden bergejtellt wurde. Mittelpuntt diejes 
aſſerſyſtems ijt ver Saimafee (76 m Seeböbe); die 
arößten find alla: (1000 qkm), Hauli⸗, Dri⸗ und 
Bielisfee. Im SD. bat dad Saimamaffer den Land: 
rüden Salpausjellä durchbrochen und ſtürzt bier 
durch die Xmatra-Stromfchnellen und den Muoren: 
ftrom in den Ladogaſee. Bon der norböjtl. Ede 
des Finniſchen Meerbufens bei Wiborg kommt man 
durd den 56km langen Saimafanal mit 28 Schleu: 
— hinauf in den Saimaſee, der hierdurch Kommuni⸗ 
ation mit Dampfern zum Meere belommen bat. 
Mit Ausnahme der größern find die Seenſyſteme 
und Ströme im allgemeinen durch Wafjerfälle und 
un wenig für Schiffahrt geeignet; groß it 
ihre Bedeutung für die Holzflößerei. Eine Fläche, 
ungefähr doppelt jo groß wie die der Seen, wird 
von Sümpfen und Moorgebieten eingenommen. 
die Austrodnungund Urbarmahung betreibt man 
ejonders in Öfterbotten mit Erfolg. Ungebeure 
Gebiete find noch völlig unberührt. 

Klima, Ungefähr ein Viertel von F. liegt nörd⸗ 
lih vom Polarkreis; nah Süden zu reicht es nicht 
über den 60. Breitengrad hinaus, F. ift folglich das 
nörblichfte aller Kulturländer der Erde. Das Klima 
ift doch viel milder, ald man nad der Lage fließen 
follte, und febr geſund. Die ſüdlichſten Gegenden 
berübrt die Iſotherme + 5°, um den Enarefee herum 
liegt die kälteſte, von —2°C. Die folgende Tabelle 
zeigt die mittlern QTemperaturen des Jahres, des 
mwärmften und des fältejten Monats: 











16,8 


MODE 2 eo 000 0 + 2,24 17,6 r 
Wirk. 22000. 3,46 17,5 — 95 
Rajana .» 2er 0% 1,90 17,7 —12,5 
Tone — 0,99 17,0 —12,3 


Zumweilen werden im Sommer + 30° beobachtet. 
Eine Kälte von — 30° C. ift in den mittlern und 
nörbl. Teilen nit ungemöbnlib. In Uleäborg, 


Finland (Mineralreih. Flora u. Fauna. Bevölkerung. Land» u. Forftwirtichaft) 


Kuopio und Torneä fintt da® Thermometer aus: 
nahmsweiſe bis — 40° C. und in Lappland bis 
— 48°C. Die Niederſchläge find reihlih, obwohl 
in verjhiedenen Jahren fehr ihmantend. Die herr 
fhenden Winde find Süd» und Sübmeftwinde, die 
von der Ditfee herfommen. 

Mineralreich, Der harte, finn. Granit ift ein zu 
Gebäuden und Dentmälern anwendbares Material 
und bildet, auch fi Pflafterfteinen behauen, einen 
Gegenjtand der Ausfuhr. Eine beſonders ſchöne 
Steinart ift der —— oder ſchwarzgraue Syenit⸗ 

ranit am nörbl. Rande des Ladogaſees. In der: 
elben Gegend (Ruskiala) wird auch blaugrauer 
Marmor gebrohen. Bon Metallen tommt Eiſen oft 
vor, aber die Gruben find meijt als nicht lohnend 
aufgegeben. Dagegen wird jährlich eine bedeutende 
Menge (etwa 50000 t) Eifenerz aus Seen und Moo: 
ren gewonnen. Die beite Kupfer» und er 
ift Pitläranta am eg m Im Jvalofluß, der ſich 
in den Enareſee ergießt, betreibt man Goldwäſcherei. 
Als beſuchte Badeorte ſind beſonders zu nennen: 
Hangd an der Süpfpige, Mariehamn auf Aland, 
Nädendal mit berühmten Schlammbädern, Lowiſa, 
Nyſlott, Heinola und Willmanftranv. j 

Flora und Fauna. Pflanzen: und Zierleben ift 
im allgemeinen dasjelbe wie im nörbl. Zeile der 
Standinavifchen Halbinjel. Man zählt hier 921 Ars 
ten Dilotyledonen, 354 Monototyledonen,5 Gymno⸗ 
Ipermen und 54 Filices oder Farnlräuter. Die wid: 
tigften Holzarten find Fichte, Tanne, Birke und Erle. 
Dh lommen aud Eipe, acholder, Bopelbeerbaum, 
Balmmeide vor, und im füdlichern Teile Eiche, Lin« 
denbaum, Ahorn, Ulme, Eiche und Elfebeerbaum. 
Upfel, Birnen, Kirfhen, Pflaumen und mehrere 
Sträucher find eingeführt, gedeihen aber im Norden 
nidt. Die Wälder find reih an Wild (ohne Hirfche 
und Rebe), beſonders aud an Waldvögeln, die nad) 
Rußland und Schweden — werden. 

Bevöllerung. Nach der Volls zählung vom 31. Dez. 
1890 hatte F. 2380 140 (1171541 männl., 1208699 
weibl.) E., d.i.7,2auf 1 qkm; 1892 wurden 2481253, 
1894: 2483249 E. gezäblt; 1899 wurde die Zahl 
auf über 26738200 geſchäßt. Sie betrug 1880: 
2060782, 1870: 1768769, 1860: 1746725, 1850: 
1636915, 1840: 1445626. F. ift in folgende 8 Län 
oder Gouvernements eingeteilt: 


3402 
8663 


41711 


. 166641 

Ganz Winland |373604| 41660] 37 1991612673200] 8,1 
Bon den Städten haben nad Zählung von 1900 
vier über 20000 E., Helfingford (93217), Abo 


(43910), Wiborg (36808) und TZammerfors (38 720 
E.). Bier Städte hatten zwiſchen 10— 20000 E., 
8 zwiſchen 5— 10000 €., 6 zwifchen 3—5000 €E.; 
die übrigen 20 zwiſchen 800—3000 €. Bon der Be 
völferung waren 12 Proz. in den Städten wohnhaft. 

Der größte Teil (98 Proz.) oder 2585602 Pers 
— (1898) befennen ſich zur evang.-luth. Kirche. 

ie Zahl der Griechiſch-Katholiſchen ift 48171; 
dazu fommen 547 Katholilen, 2790 Reformierte und 





701 


prot. Diffidenten. Auf Reifepaß befinden fi in F. 
360 Söraeliten. 

An ſprachlicher Hinficht ift die Bevölkerung nicht 
ebenso gome en wie in religiöfer. Die große Mafle 
ſpricht finniſch. (S. Finnen und Finniihe Spra 
und itteratur.) Aufland,aufeinem Teil der Inſeln 
bei Abo, und auf den Küftenftreden des Nyland⸗ und 
Wajaläns un. Schweden, deren Sprache früher 
allein die der or Bildung und Verwaltung war 
und noch jegt bei den höhern Klaſſen vorherrichend 
ift. Gegenwärtig beginnt das Finnische allmählich 
das u a verdrängen. Ruffifh wird außer 
von dem rujj. Militär noch von eingemwanderten 


Kaufleuten und in einigen Gemeinden des Läns Wis 
borg geiproden. Die im nördl. Teile wohnenden 
Lappen zählen ungefähr 1000 Individuen; ebenfos 
viel betragen die wandernden Zigeuner. Für 1890 
werden ald Mutter: oder Umgangsiprade folgende 
Zahlen angegeben: 






— TEN 2048545 
hweiih..... 322604 
Die RER 6795 
Deuih - » +. 1674 
Un Spraden 1522 


Der Gebürtigleit nah waren 1890: 2366411 
oder mehr als 99 Proz. im Lande geboren, 8725 
in Rußland, 3762 in Schweden, 472 in Deutſch⸗ 
land, 190 in Norwegen, 96 in Dänemark und 50 
in Großbritannien. 1898 betrug die Zahl der Ges 
burten 89106 oder 8,41 Proz. (darunter 5989 oder 
6,78 Proz. unebeliche) und der Todesfälle 45751 
oder 1,75 Proz. Auf 100 E. kamen 1881—90 jähr: 
(ih 3,5 Geburten und 2,11 Todesfälle. 1898 wur⸗ 
den 20611 Ehen oder 79 auf 10000 €, geiölolen. 
Die Auswanderung, in frübern Zeiten nah Ruß: 
land und zur nörbl. Eiömeerfüfte gerichtet, gebt 
jest in verſtärltem Maße nah Nordamerifa. Die 
Zahl der inländer in Amerita beträgt etwa 75000, 
und die jährliche Auswanderung ift von (1890) 6000 
auf (1899) 12000 geitiegen. 

Land» und Forftwirtichaft. Ungefähr 2,05 Bros. 
der gefamten Landfläche ift Aderland, 5—6 Proz. 
Wieſen, 64 Proz Waldungen, der Reft find Binnen» 
jeen, Sümpfe, Moorgebiete und kahle e. Die 
(ibrlihe Getreideprodultion beträgt 4,5 Mill, hl 

oggen, 6 Mill. hl Hafer, 6 Mill. hl Startoffeln; 
außerdem Weizen, Erbien, Bohnen und Rüben. Die 
geerntete Roggenmenge genügt nit dem Bedarf 
der Bevölkerung; 1897 —99 wurden 165 Mill, kg 
Ro gen und Roggenmehl jährli vorwiegend aus 
uk and eingeführt. Ausg am wird Hafer nad 
England (1897—99 jährl. 23 Mill. kg) und zur Aus» 
pa etwas Roggen nah Schweden und Rußland. 

on großer Bedeutung ift die Biebzucht. 1899 waren 
im Lande 308486 erde, 1457423 Stüd Rind» 
vieh, 1031185 Schafe, 214206 Schweine, 119917 
Renntiere (im nörbl. Zeile), 9083 Ziegen. Die Aus: 
fuhr von Butter betrug: 1892: 8098000, 1893: 
9641000,1894:13 335000, 1896:13010000,1899: 
10088000 kg 

Bon den Waldungen, etwa 31,6 Mill. ha, dar 
unter jevob viele Moore und Moräfte, gebören 
13180000 ha dem Staate, und zwar liegen 
9466941 ha im Forſtdiſtrilte Kemi, dem fich die 
Diſtrikte Io und Uleäträst mit 1878522 und 
1233371 ha fomwie KHuopiolän und Wafalän an: 


702 


* en. Ihr Wert wird zu etwa 100 Mill. finn. 

art (= 0,51 2 berechnet. Die aus dem Staatd- 
foritbetriebe erzielte Gefamteinnahme betrug (1899) 
2917071 M., die VBerwaltungsloften 691221 M. 
Es beitanden 525 Sägemüblen, darunter 291 durch 
Dampf getrieben, mit 20100 Arbeitern. E3 wurden 
21,5 Mill. Holzblöde gejhnitten und 2,3 Mill. cbm 

lanten, Bretter und andere Schnittbölzer geliefert. 

er Reihtum an Wild geitattet eine bedeutende 
Ausfuhr; 1899 wurden 717898 kg Vögel und Wild 
nah Schweden und Rußland erportiert. 

Induſtrie und Gewerbe. F.s Induſtrie jtebt noch 
in ihren Anfängen, machte aber in den lekten Decen: 
nien bedeutende Fortfchritte. Eifenindujftrie wird 
jest von 13 Hodhöfen, 10 Walzwerken, 37 Gießereien 
und 48 mechan. MWerkitätten und andern Eijen- 
werten betrieben. Der Wert der Erzeugnifje betrug 
34,7 Mill, finn.M. Wichtiger ift die —— 
1899 wurden in 525 Sägewerken 2, Mill. ebm ge: 
Kate Waren verfertigt, mit einem Werte von 65 Mill. 

. Die Bapierinduitrie befbäftigt in 21 Holzſchleif⸗ 
mübhlen, 8 Celluloje: und 14 Papierfabriten 5463 
Arbeiter, die Produltion betrug 45 Mill. kg Holz: 

appe, 13,3 Celluloje und 28,8 Mill. kg Papier. 
ußerdem bejteben: 4 Baummollfpinnereien und 
sMebereien, 21 Woll: und Tuch-, 4 Trilotfabrilen, 
1 Zeinenmweberei, 528 Lederfabrilen, 2 Zuckerſiede⸗ 
teien, 87 Bier: und Porterbrauereien mit 1509 Ar: 
beitern und einer Produktion von 30 Mill. 1 Bier 
und Porter; 63 Branntwein: und Spritfabrifen, 35 
Zabatfabriten u.a.m. F.s ſämtliche Fabrilen und 
tleinere Induftrien beihäftigten (1898) 73857 Ar: 
beiter und ihre en hatte einen Wert von 
239 Mil. finn. M. Außer ver Waflertraft wurden 
817 Dampfmafhinen mit 24642 Pferdeftärten an: 
gewendet. 
andel und Geldwefen. F. bat jeinen eigenen 
olltarif und eigene Zollgrenze. Die Intereſſen des 
nn. Handeld nimmt eine bejondere Abteilung des 
a . Senatö wahr. Im Ausland wirkten bie 


— .Konſuln; in London und Neuyorl find ihnen 
des Berg mit dem 
1870—99 in 


Jahre 


ondere finn. Dolmetſcher beigegeben. Der Wert 
uslande betrug 
illionen finn. Mark: 


| Einfuhr | Ausfuhr 
44,2 





1880 123,1 
1890 2A 
1895 142,3 
1896 158,9 
1898 180,0 
1899 184,3 


Die Einfuhr beftand (1899) hauptfählic aus Ge: 
treide (59,1 Mill. finn. M.), Kaffee, Zuder, Tabat 
und andern Kolonialwaren (23,5 Mill. M.), Gewebe 
(14,2 Mil. M.), Gefpinitftoffe, Garn (18,8 Mill. M.), 
Eiſen, Metallen (22,8 Mil. M.), Maſchinen, Ölen, 
Meinen und Spirituojen, Häuten jowie Salz. Die 
Ausfuhr bildeten zum größten Teil Hölzer, wie 
Planten und Bretter (im Werte von 101 Mill. M.), 
ferner Butter und Viebzuchtprodulte (25,5 Mill. M.), 
Papier und Papiermafje (17,7 Mil. M.), Gewebe 
und Garn, Eijen und Stahl, Hafer, Vieh, Filche, 
Glaswaren, Leder u. ſ. w. Die Ein: und Ausfuhr 
verteilten ſich 1899 auf folgende Länder (Werte in 
Millionen finn, Mark): 


Finland (Induftrie u. Gewerbe. Handel. Verkehrsweſen. Verfafjung u. j. w.) 






| Eins | Aus» 
Länder | fube fuhr 








T 








Nußland . . . . 862 13,9 
Schweben . ..| 135 75 
Dänemarf .. . | 11,5 7,9 
Deutihland.. . . | 81,4 6,9 
Großbritannien . | 41,3 | 1,2 

—A iſt die Markta (dem franz. Frank 
gleich), ſie iſt in 100 Penni geteilt. Doch iſt nach 


dem Geſeß vom 9. Aug. 1877 Goldwährung ein⸗ 
geführt, weshalb die Silbermünze ald Scheidemünge 
dient. Seit dem J. 1865 find in Heljingfors 715500 
20:Marlitüde und 940000 10: Martftüde von Gold 
geprägt, außerdem noch 2276000 2:Martftüde und 
7689300 1:Markftüde von Silber und Münzen 
niedrigen MWerted. Daneben waren Ende 1900: 71 
Mill. M. finländ, Bantzettel, obgleich nicht obligas 
torifch, mit vollem Kurs im Verkehr. 

Die Staat3bant ift «Finland Bank» in Helſing⸗ 
or3 unter Auffiht und Garantie der Ständevers 
ammlung. Außerdem befinden fih im Lande zehn 

rivatbanten jowie gr Krepitvereine und Leib: 

tajien. Das Maf: und Gewichtsſyſtem, früber das 
alte ſchwediſche, ift jeit 1886 das metrifche. 

Berkehrsweſen. Die Handeläflotte betrug 1899 
2281 Schiffe von 818346 t. Davon waren 261 
Dampfboote von 47008 t und 2020 Segelihifie von 
271778 t. Schiffe von weniger ald 19 t find bier 
ausgeſchloſſen. 1899 liefen in finn. Häfen 5098 be 
ladene Schiffe von 1020670 t .ein und 7210 Schiffe 
mit Ladung von 1824470 t aus. Den Fiſchfang 
an den Kuſten betreiben 9—10000 Boote. Über die 
en ten een 3.8 f. die Bei⸗ 

age: Die Schiffahrtsſtraßen im Europäifhen Ruß: 
land, beim Artitel Rußland. 

Die Eifenbabnen hatten 1901 eine Länge von 
2491 Werft. (S. Ruffiiche Eifenbahnen, Überjicht L.) 

Im %.1898 gab es 820 Boftanftalten mit 877 Be 
amten. Verſendet wurden 14726373 Briefe und 
Balete, außerdem 13 872750 Zeitungen. Der Wert 
verfiherter Sendungen betrug 173,7 Mill. M. Fern: 
iprechleitungen befinden ſich in allen Städten; der 
Zelegraph mit 68 Stationen ſteht unter rujj. Ber: 
mwaltung, daneben giebt es einen u der 
Staats — mit 204 Stationen. Von Nyſtad 
führt ein Kabel nad Skandinavien. 

Berfaflung und Berwaltung. F. bildet einen Teil 
des Ruſſiſchen Reichs, genießt aber im Innern Selb⸗ 
jtändigteit; doch wurde dieſe burch das kaiſerl. Mani: 
feit vom 15. Febr. 1899, wonad alle finländ. An—⸗ 
gelegenbeiten, die zugleich allgemeine Reichsange⸗ 
legenbeiten find, dem rufl. Neichsrat überwieten 
werden, ſehr eingefchräntt (f. unten Geſchichte). Die 
Derfaffung, welche Alerander I. 1809 in Borgä und 
die nachfolgenden ruf). Kaifer beitätigten, ift die alte 
ſchwed. Staatäverfafjung. Die Grundgejepe find die 
Regeringsformen von 1772 und die Förenings- och 
Säkerhetsakten von 1789. Seitdem find die Land: 
tagsordnungenvon 1869, 1878 und 1906 ſowie 1901 
Beitimmungen über die Wehrpflicht (ſ. unten Heer: 
wejen) binzugelommen. Die Verwaltung, dieMilitär: 
bobeit u. ſ. w. ſowie auch der größte Teil der ölono« 
mijchen Gejeßgebung fteben dem Haijer-Großfürften 
zu. Die Landesregierung iſt dem kaiferl. Senat für F. 
in Helfingfors anvertraut. Bon den 19 Senatoren 
aebören 10 zu dem Juftigdepartement, dem höchſten 
Gerichtshof des Landes, und 9 zum Öfonomie 
departement. Letzteres, das eigentliche Organ der 


Finland (Heerweien. Finanzen. Unterrichtäwejen) 


Verwaltung, ift in 9 Erpeditionen geteilt, die Juſtiz⸗, 
Eivil ug © Kammer:, Militärs, Kirchens, Land: 
wirtfha 8:, Kommunilations⸗, Handels⸗ und In⸗ 
duſtrieerpedition. Der Vorſitzende iſt der General: 
—— gewöhnlich ein höherer ruf. Offizier. 
ie Angelegenbeiten, welche der Kaiſer jelbit ent: 
—— werden ihm von einem Miniſter⸗Staats⸗ 
efretär für F. in Peteröburg vorgetragen. Die 
civile und friminale ſowie bejondere Teile der dlo⸗ 
nomijhen Geſetzgebung wird von dem Monarchen 
und der Ständeverfammlung gemeinfam ausgeübt. 
Der Landtag befteht nad dem neuen Gejeh vom 
Mai 1906 aus 200 Mitgliedern, die nach dem Pro: 
portionaliyftem, dem allgemeinen geheimen und 
gleihen, für beide Geſchlechter geltenden Stimm: 
reht auf 3 Jahre gewählt werden; er tritt jähr: 
lid zufammen. Damit ift der bisherige Stände: 
landtag, der 1882 — 1900 jebe3 dritte und ſeitdem 
ei vierte Fahr zufammentrat und aus Adel, 
eiftlicheit, Bürgern und Bauern beitand, durch 
einen auf dem Einlammerſtyſtem beruhenden er: 
fegt. An der Epike der 8 Län ſtehen Gouver: 
neure. Die Län werden in 51 Härad (Amtsbe⸗ 
zirke) geteilt, die unter einem Kronofogde (Steuer: 
einnehmer) ftehen; bie Amtsbezirle zerfallen in etwa 
500 Gemeinden, welche allein over 2 und 3 zuſam⸗ 
men einen Diftrilt für den Länsman (Drtöpolizei- 
beamten) bilden: Die Rechtspflege wird von den 
Hofgerihten in Abo, Waja und Wiborg gehand⸗ 
habt; ihnen find 62 Amtägerihtöbezirte mit 234 Ge: 
richtsbezirlen F dem Lande und 35 Stadtgerichte 
untergeordnet. F. bat 3 Zucht: und Arbeitähäufer 
ie männlihe und 1 für weibliche Verbrecher, 8 
ns» und 8 Amtsbezirksgefängniſſe und 3 Belle: 
rungsanftalten. 
Heerweſen. (4 beſaß verfafjungsmäßig feine be 
ondere auf allgemeiner Wehrpfliht gegründete 
rmee. Nah dem Wehrpflichtgejek von 1878 un: 
terlagen fämtliche are Finländer der Los⸗ 
enſtz 


ee. Die aktive eit betrug 3, die der 
erve 2 Jahre; die nicht zum aktiven Dienft ber: 
angezogenen gehörten 5 Jahre der Reſerve an und 
werden während diefer Zeit vreimal zu Übungen 
angeaogen Die Reſerve, die "während breier 
ahre 90 Zage einberufen wurde, bildeten alle nicht 
altiv dienenden, zum Kriegsdienſt tauglichen Män⸗ 
ner jowie die nad beendigter Dienstzeit Entlafienen. 
Nah 5 Jahren bei der Reſerve blieben die Wehr: 
pflichtigen bis zum 40. Jahre bei der Landwehr ein: 
geichrieben, welche nur bei feindlichem Einfall auf: 
geitellt wurde. Das Dffizierlorps beftand aus einge: 
orenen Finnen. Im Frieden beftand das aktive Heer 
aus einem Leibgarde:-Schüpenbataillon in Helfing- 
or3 (dem Gardeforps einverleibt), 8 Bataillonen 
nn, Schüßen und einem Regiment Dragoner, zu: 
ammen 236 Dffiziere und 6000 Mann. Im Lande 
befand fih außerdem ruff. Militär ald Garnifon in 
Städten und in den —— Sweaborg und 
Wiborg. Durch ein kaiſerl. Manifeſt vom 12. Juli 
1901 wurde jedoch die game Ari finn. 
Armee jo gut wie befeitigt. Ein neues Wehrpflicht: 
ftatut wurde veröffentlicht, das frühere von 1878 
r aufgehoben erklärt und die allmähliche Auf: 
dfung der finn. Schüßenbataillone befoblen. Auf: 
recht erhalten werben nur das finn. Garde: Schüßen: 
bataillon und das finn. Dragonerregiment. Diefe 
fönnen zur Friedens: und Kriegszeit nad dem Er: 
meſſen des Kaiſers innerbalb ver Grenzen Rußlands 
und im Auslande verwendet werden; auch kann ein 


703 


Teil des finn. Rekrutentontingent3 zur Komplettie⸗ 
rung rufj. Truppenteile, die im Finländifchen und 
im Betersburger Militärbezirkihre Quartiere haben, 
benugt werden. Die Beherrſchung der ruſſ. Sprache 
ift umerläßlihe Bedingung der Beförderung zum 
80 und Unteroffizier; auch können Ruſſen zu 
Dffizieren in den finn. Truppenteilen ernannt wer: 
den. Die biöherige finn. Militärverwaltung wird 
aufgehoben und die finn. Truppenteile dem ruf. 
Kriegäminifter unterftellt. Die Dienftzeit beträgt 
18 Jahre, und zwar 3 Jahre aktiv, die übrige Zeit 
in ber Referve. F. unterhält keine Kriegäflotte, 
fondern nur ein Zotjentorps (1899: 42 Funktionäre 
und Offiziere und 757 Lotſen). 

Finanzen. Das Budget für 1899 betrug in 
Einnahmen und Ausgaben je 88508915 finn. M. 
Unter den Einnahmen waren ein Überihuß vom 
Vorjahre von 27572518 finn. M. Netto-Cinnabmen 
waren 579386402 M., darunter 2, Mill.von Gütern, 
gerpen und Fiſchereien des Staates, 74 Mill. von 

ifenbahnen, 3,4 Mill. Grundfteuern, 2,1 Mil. Ber: 
—— 6,7 Mill. Licenzen auf Branntwein und 

alagetränte, 24, Mill. Zollabgaben u. |. w. Unter 
den Ausgaben waren: zur Dispofition des Kaiſers 
und Großfüriten 253400 M., für die Regierung 
1,8 Mill., Juftizpflege 14 Mill., Civilverwaltung 
10,6 Mill., Unterrichtsweſen 8,3 Mill., Kirhe 0,5 
rer 2,1 Mil., Gefängnisweſen 
15 Mill., Aderbau und öffentliche Arbeiten 5,3 Mill, 
Eifenbahnbauten 14, Mill, Zinfen und Tilgung der 
Staatsſchuld 4,3 Mill. u. ſ. w. Der Überſchuß de 
das J. 1900 wurde auf 21,6 Mill, berechnet. 
Armenpflege wird von den Gemeinden gehandhabt, 
aber unter Auffiht eines vom Staate zugejeßten 
Armenpflegedireftord. 1899 wurden 67385 Per: 
fonen unterjtüßt. Die Staatöfhuld belief fih am 
1. San. 1899 auf 115028841 M. und der des 
—— Eigentums des Staates auf etwa 450 Mill. M. 

ußerdem beſitzt ver Staat ein fundiertes Bermögen 
von annähernd 100 Mill, M. 

Unterrichtöwefen. Die allgemeine Bildung ift 
eine verhältnismäßig hohe, 1896 waren von 457678 | 
Kindern zwifhen 7—15 Jahren nur 11776 ohne 
Unterricht und zwar zum großen Zeil geiftiger oder 
törperliher Gebrechen wegen. F. bat eine Univer- 
en in Helfingfors (j. d.). Höhere Unterrichtsan⸗ 
talten find: das —— Kadettenkorps in Fred⸗ 
rilshamn, das Polytechniſche Inſtitut und 2 Fort: 
bildungsanftalten für Mädchen in Helfingfors, ein 
landwirtf&aftlihes Snftitut in Muftiala, welches 
nad) Heljingfors verjegt und * der Univer⸗ 
fität einverleibt werden ſoll, und 23 landwirtſchaft⸗ 
lihe Schulen, ein Forftinftitut in Evois, 8 Handels: 
ihulen, 8 Navigationsſchulen, ein Mufikinftitut in 
Dafnafors, 8 Seminarien für Vollksſchullehrer und 

ehrerinnen u. ſ. w. An höhern Mittelihulen waren 
(1900) 15 vom Staate unterhaltene Haffilce Lyceen 
(mit 8 Klaſſen), 9 Reallyceen und 7 Elementar⸗ 
ſchulen mit 3—5 Klaſſen vorhanden. In 18 von 
den genannten Schulen war das Finnische und in 12 
das Schwedische Unterrichtsſprache; 1 Schule war 
weiſprachig. Hierzu fommen 12 vom Staate unter« 

altene Töchterjhulen, 7 mit finn. und 5 mit ſchwed. 
Unterrichtsſprache. Außerdem giebt es 89 private 
Lebranftalten, größtenteild gemeinjam für Knaben 
und Mädchen (Samskolor). Mit wenigen Auss 
nahmen find fie vom Staate unterftüst. Die Zabl , 
der Schüler in jämtlihen Mittelfihulen war 1899: 
14748, davon 8121 Knaben und 6627 Mädchen. - 


704 


1899 gab es 2029 feſte Vollsſchulen mit 1252 Peb: 
rern, 1619 Lehrerinnen und 105001 Schülern. Außer: 
dem gab ed nod 19 uf). Schulen für Knaben und 
Mädchen mit 872 Schülern. Dieje Schulen werben 
von den Gemeinden unterhalten, erhalten aber Sub: 
vention vom Staate. In Kleinkinder und Wan: 
derſchulen, in welchen nur Leſen, Schreiben und Ne 
ligion gelehrt wird, wurden (1899) 244552 finder 
unterrichtet. Dazu lommen 7 Zaubftummenfdulen, 
2 Blindeninftitute und 2 Stretinenanftalten. 
‚Kirchenwejen. An der Spitze der evang.:luth. 
Kirche ſteht der Erzbischof in Abo, auf dem Landtage 
und in den Kirchenſynoden (alle 10 Fahre) der Bor: 
Dane der Geiſtlichleit. Bifhofsfike find Borgä, 
flott und Uleäborg). Die vier Sprengel find in 
45 Vropfteien und 511 Kirchengemeinden geteilt. 
Die ae Kirche beiteht aus 30 Gemeinden 
und tft feit 1892 einem Biſchof von Wiborg unter: 
georbnet. Die röm.sfath. — — 2 Gemeinden 
in Helfingford und Wiborg, die Methodiſten 4 und 
die Baptiſten 10. Die Koſten des Kirchenweſens 
werben hauptſächlich von den Gemeinden getragen. 
Bereinswefen. Unter den wifjenihaftlihen und 
geleheten Gejellihaften find bervorragend: Finska 
etenskapssocieteten (45 Mitglieder in 3 Seltio: 
nen), welche die «Acta Societatis scientiarum Fen- 
nicae» (27 Bde.), «Beiträge zur Kenntnis von 5.8 
Natur und Volks (60 Hefte) und «liberjichten» ibrer 
Verhandlungen (32 Hefte) herausgiebt; Finnische Pit: 
teratur⸗Geſellſchaft, durch welche ein großer Zeil der 
beiten Erzeugnifje der finn. Litteratur veröffent: 
licht worden tft. Bon ihrer Zeitſchrift «Suomi» find 
58 Bände und von «Suomalaisen Kirjallisuuden 
Seuran Toimituksia» 95 Teile erjhienen. Societas 
— Fauna et Flora fennica, Suomalais- Ugri- 
inen Seura, Suomen Historiallinen Seura, Suo- 
men maanticteellinen Seura, Svenska Literatur 
Sällskapet, Fornminnesföreningen u. a, wiſſen⸗ 
ſchafilihe Gefellfhaften veröffentlichen auch Arbeir 
ten. Das Intereſſe an bildenden Künften wird 
auptfächlid von Finska Konstföreningen in Hel⸗ 
ingfors und ihrer Galerie finn. Maler und Bild: 
auer gefördert. Ein großes Berdienft um die allge: 
meine Boltöbildung bat Kansanvalistus Seura in 
elſingfors, mit Zweiganftalten in ven Landftädten. 
hre in finn. und ——— Sprache erſchienenen 
chriften ſind ſehr verbreitet. Unter den zahlreichen 
dtonomiſ und Fachvereinen find Finska Hus- 
hAllni Uskapet in Abo, 9 lanbwirtichaftliche 
Geiellihaften und Konstflitsföreningen zu nennen. 
eitungen. 1900 wurden 228 Zeitungen und 
eriodiſche Beitihriften herausgegeben, davon 145 
Enniiche 7 ſchwediſche und 6 finniihe und ſchwe— 
diſche. Von polit. Zeitungen kamen 20 (11 finniſche 
und 9 ſchwediſche) täglich und 63 (44 finniſche und 
19 ſchwediſche) ein- bis fünfmal in der Woche ber: 
aus. Bon rin waren 6 (4 finnifche und 
2 jhmebdifche) litterarifhe, 14 (10 finniſche, 4 ſchwe⸗ 
diſche) religiöfe, 6 (2 finnische, 4 ſchwediſche) medizi⸗ 
niſche, 9 (5 finniſche, 2 ſchwediſche, 2 ſchwediſche 
und finniſche) pädagogiſche, 8 (6 finniſche, 2 ſchwe⸗ 
ie iluftrierte, 18landwirtfcaftliche (11 finniiche, 
7 ediſche), 4 (2 finnifche, 2 jhwepiiche) ge 
32 (22 finniſche, 10 ſchwediſche) Voltsblätter u. |. w. 
Hauptzeitungen in finn. Sprade find: «Uusi Suome- 
tar» (altfinn. Bartei), « Päivälehti» (jungfenno- 
maniſch). Die meiftwerbreitete ſchwed. Zeitung ift 
«Hufvudstadsbladet»; das frühere Organ der ſchwed. 
Partei «Nya Pressen» ift eingezogen worden. 


Finland (Kirchenwejen. Vereinsweſen. Zeitungen. Gejchichte) 


Geſchichte. In den erften Jahrhunderten n. Ebr. 
lamen die innen vom Süden ber nad der Sands 
enge zwiſchen dem Ladogaſee und dem Finniſchen 
Meerbufen und breiteten ſich allmäblich dem Ufer ent» 
lang, die frübern (vieleicht gotifhen) Einwohner ver» 
treibend, über ganz F. aus. Die er zerfielen in 
mehrere Stämme: im Weiten ließen fich die eigents 
lien Finnen oder Suomalaifet nieder, in der Mitte 
des Landes die Tamaften, im Oſten die Karelier und 
am nörblichiten die Känen an den beiden Ufern des 
Bottnifhen Meerbufend. Am füpl. Ufer des Fin: 
nischen tbufens faßen die finn. Stämme der 
Eithen, Liven und Kuren. Ein kareliſcher Zweig 
ſcheint ſich ſchon früh am Weißen Meere nievergefest 
und dad Bjarmijche ug welches durd feinen 
Reihtum die flandinav. Wilinge beranlodte, ge 
tiftet zu haben. Die —— Einrichtungen der 

nnen waren noch ſehr primitiv. igidjen 

—— en ſind in den epiſchen Geſängen der 
Kalewala (}. d.) enthalten. Daß die Handelsver⸗ 
bindungen der Finnen in den eriten Jahrhunderten 
meift nach Diten gingen, beweifen die arhäol. Funde; 
bald lernten fie aber am Geſtade der Ditjee Seefahrt 
und Seebandel und wurden auch ihren ſchwed. Nach⸗ 
barn beſchwerlich durch Seeräuberei. 

Schon die ſchwed. Könige Erih Emundsſon (um 
875) und Erich der Siegreiche (um 975) follen Er: 
oberungszüge nad F. unternommen haben. 1157 
eroberte König Erich (f.d.) der Heilige den ſudweſtl. 
Zeil 5.8 und baute das Schloß Abo zum Schutze 
des eroberten Gebietes. Die finn. Kirche blieb ſich 
ſelbſt überlaffen und erft der Biſchof Thomas von 
Abo (1216—45) ſchien einen jelbftändigen geiftlichen 
Staat, nah dem Mufter Livlands, gründen zu 
wollen. Die Tawaſten machten 1237 einen großen 
Aufftand, und der nowgorodiſche Fürſt Alerander 
befiegte 1240 an ber Newa das finn. Kreuzheer. 
Erſt dur den Zug des ſchwed. Reichsverweſers 
Birger Jarl 1249, der Tamaftland eroberte und 
das Schloß Tamaftehus erbaute, wurde die ſchwed. 
Herrſchaft bejeftigt. Der Reichsverweſer Tortel 
Knutsſon eroberte dann einen Teil Rareliend und 
erbaute Wiborg (1293). 

Die Schweden behandelten %. mit Milde und 

übrten dort diefelben freien und voltstümlichen 
titutionen, die in Schweden herrſchten, ein. 1284 
erbielt F. den Titel eines Herzogtums. Bei der 
Königswahl Halon Magnusſons (15. Febr. 1362) 
ab man ben Finnen das Recht, an der Wahl ver 
Rönige teilzunehmen. Ein einbeimifher Adel ent: 
tand, und bie innen ſelbſt befleiveten die kirch⸗ 
ichen Umter. Die Verwaltung des Landes war in 
den Händen der Statthalter von Abo, Tamaftehus 
und Wiborg. Zeitweilig hatte auch ein Herzog oder 
Dberftatthalter die höchſte Gewalt im ganzen Lande. 
Neben diefen war der — Mann in F. im 
Mittelalter ver Biſchof in Abo; er war der Für: 
ſprecher F.s bei dem Könige und im Reichsrate. 
Der beveutendfteunterdiejen Biihöfenwar Magnus 
Dlai Tawaft (1412—50, geft. 1452), zu deſſen Zeit 
die fath. Kirche in F. ihre ganze Macht und Pracht 
entfaltete; das reiche Birgittinerklofter zu Nädendal 
wurde gegründet, neue Kirchen und Kirchſpiele ein: 
erihtet u. j. w. Doch kam in den fpärlic bevöl- 
erten innern Teilen bed Landes das Ehrijtentum 
damals nod nicht zur völligen Herridaft. 

Die dän. Herrſchaft in der Uniongzeit (1897— 
1523) war in F. gr ge verbaßt als in Schweden; 
doch war die Zeit voll Unruhen und Kriege. Als 


Finland (Geſchichte) 


Erich XIU. von Pommern 1439 verjagt wurde, 
braden aud in F. Bauernunruben aus. Der (in 
5. geborene) König von Schweden, Karl Knutsſon 
(1448— 70), wurde zweimalvon ven Unionsfreunden 
abgeſetzt. 1473—97 dauerte dann der Krieg mit 
Iwan II., ver die ganze ruff. Macht in jeiner Hand 
vereinigte. Das Land wurde fürchterlich verheert; 
aus Schweden kamen nur fleinere Hilfsjendungen, 
fo daß F. auf jeine eigenen Kräfte angewieſen war. 
Der Friede zu Nomgorod beließ F. in den alten Gren⸗ 
jen. In den legten Jahren der Uniondzeit wurde 
es durch die dän. Verbeerungszüge zur See ſchwer 
beimgefudht, Abo 1509 erobert und geplünvert. 

Die Reformation wurde in F. unter Guſtav 
Mafas Regierung (1523—60) durch Petrus Särki⸗ 
lat3 und Michael Agricola (geft. 1557 ala Biſchof 
in Abo) eingeführt. Durd) die unermübdliche Thätig⸗ 
feit Guſtav Wajas wurde die Verwaltung des Yan 
de3 verbejlert, die Handeldübermadht des Hanja= 
bundes gebrochen, die noch unbebauten Streden des 
innern Zandes folonifiert. Ein Einfall der Ruſſen 
(1555—57) wurde zurüdgemiejen. 1556 ernannte 
Gujtav feinen jüngern Sobn Johann zum Herzog 
von F.; als diejer 1568 König von Schweben ges 
worden, brachte feine ra — zum Katholicis⸗ 
mus Verwirrung ins Land. Beſonders aber hatte 
F. während des langmierigen ruſſ. Krieges (1572 
—92) zu leiden. Der Krieg wurde nicht ohne Erfolg 
aeführt; Pontus de la Gardie eroberte Kerbolm 
und Ingermanland, und Johann gab, erfreut über 
dieje Stege, 1581 F. den Titel eines ——— 
tums. Der Krieg wurde erſt 1592 durch einen Waf— 
fenſtillſtand, 1595 durch den Frieden zu Täyſinä 

nahe Narva) beendigt. Die Wirren in den leßten 
ahren des 16. Jahrh., ald der kath. Sigismund 
in Polen und fein prot. Obeim —* Karl um die 
ſchwed. Krone lämpften, fanden ihren Widerhall auch 
in F. wo die Partei Sigismunds ihre vornehmſte 
Stüge in dem Generalgouverneur über F. und 
Reihsabmiral Clads Fleming hatte. Ein gegen ihn 
von den finn. Bauern gemadter Aufitand, der Ion. 
Keulentrieg 1596—97, wurde gewaltfam unterbrüdt, 
aber na dem Tode Flemings fiel der Sieg dem 
Herzog (Karl IX., — — 
Unter deſſen Sohn Guſtav Adolf kämpften Shwe 
den und Finnen auf Deutſchlands achtfeldern 
movoll für die evang. Lehre. Noch näher be 
rührte F. der Krieg mit Rußland (1609—17); die 
finn. Truppen unter Jalob de la Garbie und Ewert 
Horn erftürmten Nowgorod und zogen in Moskau 
ein. Am zn zu Stolboma mußte Rußland 
ngermanland und das Gebiet von Kerbolm an 
chweden abtreten. In nationaler Hinfiht war 
die durch den a en Frieden gewonnene Groß: 
machtsſtellung Schwedens für F. nicht vorteilhaft: 
die gebildeten Stände wurden mehr und mehr ſchwe⸗ 
diſch, die finn. Spracde nur ald Volksſprache benust. 
Doch machte F. auch in diefer Zeit Fortſchritte, be: 
fonders als der Graf Ber Brabe zweimal zum Gene 
ralgouverneur in F. (1637—40, 1648—54) ernannt 
wurde. Der materielle Wohlſtand wurde gefördert 
und die geijtige Bildung durch die Gründung der 
Univerfität in Abo merllich erböbt. 

Im Nordischen Kriege (1700—21) wurde Wiborg 
(1710) von den Rufjen erobert, 1713 vie Hauptitadt 
Abo genommen, die wenigen finn. Truppen bei dem 
Dorfe Napue 1714 in blutiger Schlacht vernichtet. 
Sieben Jahre dauerte die harte ruſſ. Herrihaft; erſt 
1721 im Frieden zu Nyſtad wurde der größte Teil 

Brodbaus’ Ktonveriations-Legilon.. 14. Au R. A. VL 


705 


‚3 dem Reiche Schweden zurüderjtattet, während 
iborg den Ruſſen zufiel. 1741 brad ein neuer 
Krieg mit Rußland aus, ver unglücklich für Schwe: 
den verlief; im Frieden zu Abo 1743 fam wieder ein 
Zeil von F. an Rußland. Als Guftav II. (1771 
—92) einen neuen Krieg (1788—90) gegen Ruß: 
land angefangen batte, gab ſich die Mißſtimmung 
egen den König bei der Armee in F. durd den 
09. Anjalabund (f. d.) fund, der aber unterdrückt 
wurde. Ebenſo wurde der Angriff Ruflands ab: 
geichlagen; der Friede in Werelä 1790 beitätigte die 
alten Örenzen. Der vierte Krieg brad 1808 aus 
und endigte mit dem blutigen Sieg der Ruſſen 
unter Kamenſtij bei Drawais. Am 29. März; 1809 
bejtätigte Alerander L von Rußland ald Großſürſt 
von F. in Borgä die Konftitution des Landes, 
worauf der Huldigungseid von den Ständen ab: 
gelegt wurde. Im Frieden zu Frederilshamn, 
17. Sept. 1809, erfannte Schweden die Vereini- 
gung 5.8 mit Rußland an. Für die höchſte Ber: 
waltung wurde mit Mitwirkung der Stände ein 
Regierungsconfeil (nad 1816 iger Senat für 
5 genannt) in Abo geitiftet. Die höchſte admini: 
trative Gewalt wurde dem Generalgouverneurüber: 
tragen; er bat darüber zu wachen, daß überall die 
Geſetze reipeltiert werben. 1811 wurde ber früber er: 
oberteZeil(Gouvernement Wiborg) mit dem übrigen 
. wieder vereinigt. 1819 wurde Heljingfors jtatt 
bo Hauptitadt, und nad) einem Abo verheerenden 
Brande 1827 auch die Univerfität nach Helfingforg 
verlegt, das fomit dergeijtige Mittelpunft 5.3 wurde. 
Unter der Regierung des Kaiſers Nikolaus (1825 
—55) wurden die Stände, deren Einberufung nad 
der alten Konftitution 1789 von dem Willen des 
Herrſchers abhing, nicht zum Landtag berufen. 1850 
wurde ein Verbot erlafjen, in der finn. Sprade an: 
dere als religiöfe und wirtſchaftliche Bücher zu 
druden, aber die Aufrechterhaltung des Verbots er: 
wies fich bald als unmöglid. Während des Krim— 
frieged wurden aud F.s Hüften von den Englän- 
dern verbeert, die ifföwerften in den Städten 
am Bottnifchen — verbrannt, die Feſtung 
Bomarſund auf den Alandsinſeln erobert und 
Sweaborg bombardiert. 
n den vierziger Jahren entſtand durch den Philo⸗ 
{op en und Staatömann J. W. Snellman die finn. 
ationalitätöpartei, die ald Forderung Anwendung 
der finn. Sprade in der Schule und bei der Av: 
miniftration, ftatt der ſchwediſchen, aufitellte. Ob: 
wohl gegen Snellman und «die Fennomanen» balt 
eine ſchwed. Partei «die Spelomanen» ſich bilvete, 
baben doch die erftern mandyen Sieg davongetragen 
und unter anderm die Verordnung zu ftande gebracht, 
daß die Behörden eines Ortes die Sprade der Be 
völferung gebrauchen ſollen. Für die Erweiterung 
der fonjtitutionellen Freiheit baben beide ‘Parteien 
zufammen gearbeitet. Vom Landtage wurde dann 
1867 eine neue Landtagdorbnung angenommen und 
15. April 1869 vom Kaifer beitätigt; diefelbe be: 
jtimmt, daß die Stände wenigiteng jedes fünfte Seh 
um Landtag berufen werben. Seit 1882 traten ſie 
jedoch gewohnheitsmäßig jedes dritte Jahr zuſam⸗ 
men. Unter der Regierung Aleranders II. machte 5. 
ſowohl in materieller als in geiftiger Hinficht beveu: 
tende Fortſchritte. Eifenbahnen wurden gebaut, eine 
Münzreform durchgeführt, der Volldunterricht ver: 
bejiert, böbere finn. Knaben: und Töchterſch e⸗ 
gründet u. ſ. w. 1878 wurde die allgemeine Wehr—⸗ 
pfliht eingeführt. Kaifer Alerander III. ſchien das 


45 


106 


Wert jeined Vaters in 5. fortießen zu wollen; das 
Motionsrecht wurde 1886 den Ständen —— 
Aber bald eröffnete in Rußland vie ſſawophile Preſſe 
einen Kreuzzug gegen die freibeitliche und nationale 
Gntwidlung 5.8. 1889 wurden in Petersburg drei 
Kommiffionen niedergejegt, um das finn. Poſt-, 
Münz: und Zollweien in größere Übereinjtimmung 
mit dem ruffischen zu bringen, und durch ein Manifeit 
(uni 1890) wurde dem ruf). Minifter des Innern 
ein Auffichtsrecht über das finn. Boftwejen zuer: 
fannt. Im felben Jabre wurde das ſchon publizierte 
neue Striminalgejeg bis auf weiteres fujpendiert. 
1891 wurde das für die Angelegenheiten 5.3 in 
Vetersburg befindlihe Komitee — und eine 
neue Preßverordnung, welche dem Generalgouver— 
neur unbeſchränkte Befugnis in Preßangelegenheiten 
verlieh, herausgegeben; im Sept. 1892 ein neues, 
in mehrern Punkten von dem frühern abweichendes 
Reglement für den Senat, ohne Mitwirkung der 
Stände, erlaſſen. Mit dieſen Maßregeln ſchienen 
jedoch die Ruſſifizierungsbeſtrebungen ihren Höhe— 
punkt erreicht zu haben. 1894 kamen die Stände des 
Großfürſtentums wieder zuſammen, worauf ihnen 
das fufpendierte neue Strafgefeß wieder vorgelegt 
wurde, das mit einigen Veränderungen ihre Ge: 
nebmigung erbielt und dann vom Kaiſer janttio: 
niert wurde. Bei feiner Thronbejteigung (1894) 
publizierte Kaiſer Nitolaus ein Manifeit, worin er, 
wie alle jeine Vorgänger jeit ya L, die 
arundgejeßmäßige Kerfaffun 5.8 bejtätigte, und 
23. Juli 1896 erließ er eine Verordnung, modurd 
dem finländ. Senat die ihm unter Nlerander II. 
1892 beſchränkten Rechte in vollem Umfang zurüd: 
egeben wurden. Bald darauf machten ſich jedoch 

eichen eines beginnenden eher bemerlbar, 
und energifcher als je zuvor wurde die Ruffifizierung 
des Landes und die Befeitigung der ie Son: 
derftellung in Angriff genommen. Ein Ulas vom 
8. Febr. 1897 verfügte, daß nur noch die rufj. Na— 
tionalflagge gebraucht werden dürfe, und im Juli 
1898 kündigte ein offener Brief des Zaren die Be: 
rufung eines außerordentlihen Landtages für den 
Jan. 1899 an, der das finländ. Webrpflichtgeiek 
mit den in Rußland geltenden Vorfchriften in Ein: 
Hang bringen jolle. Der Gefegentwurf, der dem von 
dem neuen Generalgouverneur Bobrikow 24. Jan. 
1899 eröffneten Landtage vorgelegt wurde, bedeutete 
für F. eine weſentliche Erböbung feiner Militär: 
laften, Verlängerung der Dientpflicht, Abſchaffung 
des bisherigen jelbjtändigen finländ. Heers und Ein⸗ 
— desſelben in den ruſſ. Armeeverband. 

m den Widerſtand des Landtags zu brechen und 
den Entwurf auch event. gegen deſſen Willen zum 
Geſetz werden zu laſſen, * ein kaiſerl. Mani: 
feft vom 15. Jebr., daß die Angelegenheiten 3.8, 
die zugleich auch —— des ganzen Reichs 
ſeien, der finländ. Legislative, der nur noch eine 
beratende Stimme zugeſtanden wurde, entzogen und 
dem ruſſ. Reichsrat überwieſen werben follten. Die: 
fer Utas, der —— als Aufhebung der bisheri⸗ 
gen finländ. Selbſtändigkeit angeſehen wurde, rief 
im ganzen Lande die größte Beſtürzung hervor. Der 
Senat wurde bejtürmt, feine Veröffentlibung zu 
verweigern, fand aber nicht die Kraft dazu und be 
bloß 18. Febr. mit 10 gegen 10 Stimmen die Bubli: 
ation. Audienzen, die Deputationen des Senats 
und der Stände beim Zaren nachſuchten, um die 
Aufhebung des Ukaſes zu erbitten, wurden ver: 
weigert, eine mit Hunderttaufenden von Unter: 


Finland (Litteratur) 


ſchriften bevedte Mafjenpetition des ganzen Volta 
wurde nicht angenommen. Der Landtag, in dem 
fih die Barteien der jennomanen und Svelomanen 
u gemeinfamem Mideritand zuſammenſchloſſen, er: 
ärte, den Ukas nicht als elek anerfennen zu lön« 
nen, da er in einer der finländ. Grundverfajjung 
nicht entiprechenden —* zu ſtande gekommen ſei. 
Die Militärvorlage lehnte er ab, ſtellte dafür aber 
ein Gegenprojelt auf, in dem die Selbſtändigkeit 
des finländ,. Heerweſens gewahrt war. Der Proteft 
des Landtags fand fein Gehör, vielmehr erfolgte 
jet eine Reihe von Mafregeln, die auf die Bejeiti: 
gung der Sonberitellung F.s abzielten. Bejonders 
geſchah dies, ſeitdem das infubreiche, bisber ſtets 
von einem Finländer befleidete Amt des Minifter: 
ftaatöjelretärs für F. im Sommer 1899 dem rujf. 
Senator von Plebwe übertragen war. So wurde 
durch eine faiferl. Verordnung verfügt, daß der Land⸗ 
tag nicht wie bi&ber aller 3, jondern nur aller 4 Jahre 
berufen werden folle, und am 18. Mai 1900 wurden 
die befondern finländ. Poftwertzeihen abgeſchafft 
und durch ruffische erſeßt. Eine bejonders einſchnei⸗ 
dende Wirkung übte der Erlaß vom 20. Juni 1900, 
wodurch, nadıdem fchon 1899 die Kenntnis des 
Ruſſiſchen für alle böbern Beamten vorgefhrieben 
war, vom 1. Dft. 1900 ab die ruſſ. Sprade für 
das Staatäjelretariat des Großfürjtentums F. die 
finländ. une in Petersburg und die 
Kanzlei des Generalgouverneurs eingeführt wurde. 
Vom 1. Dt. 1903 ab gilt Ruffiih auch als Ge 
fhäftsipracde des Senats, ausgenommen des Juſtiz⸗ 
departements, und vom 1. Dit. 1905 ab haben auch 
die Gouverneure und die übrigen Hauptverwaltun: 
en im Verfebr mit den über ihnen ftebenden Ber 
Pörben die rufj. Sprache zu benugen. Durch weitere 
Verfügungen wurde das Verſammlungsrecht ſtarlk bes 
ſchränkt, wertvolle Dofumente aus der Zeit Alexan— 
der? I. in das ruſſ. Staatsarhiv nach Petersburg 
übergeführt, und durch Dekret vom 12. Juli 1901 
die jelbftändige Stellung der finländ. Armee auf: 
gehoben (j. oben Heermweien). Durch Verordnung vom 
13. Xuni 1902 wurde der ruf). Sprache aud bei 
den Gerichten und Verwaltungsbebörden Gleichbe⸗ 
redhtigung —— und durch Erlaß vom 15. April 
1903 dem Generalgouverneur außerordentliche Boll: 
machten übertragen, wonach er befugt ift, Berjonen, 
die ihm gefährlich erfcheinen, den Hentai in F. zu 
verfagen. Von diejer Befugnis machte der General: 
gouverneur Bobrikow umfaſſenden Gebraud. Eine 
tiefe Mißſtimmung bemädtigte fich des ganzen Lan: 
des. Zahlreiche höbere Beamte legten ihre Stellen 
nieder und viele tüchtige Kräfte wanderten aus. Die 
Grbitterung bierüber führte 16. Juni 1904 zu einem 
Attentat auf Bobrikow, dem dieſer am folgenden 
Tage erlag. — — Obolenſtij. 
Im Okt. 1905 wurde die ruff. Sprache als Geſchafts⸗ 
vrache für den Senat wieder aufgehoben. 
Litteratur. Geographie: —— F. und die 
Finländer (Lpz. 1868); Statistisk Arsbok för F. 
(Helfingf. 1884 fg.); Retzius, F. (Natur, alte Kultur, 
Volisleben; deutih von Appel, Berl. 1885); To: 
pelius, Aus F. (deutich, 2 Bve., Gotha 1888); derſ. 
Eine Reife in F. (deutic, 2. Aufl., Helfingf. 1885); 
Ignatius, Statistisk Handbok för F. (ebd. 1890); 
5. im 19. Jabrb. In Wort und Bild (2. Aufl., ebd. 
1899); Frederitfen, La Finlande. Economie pu- 
blique et privee (Bar. 1902; aud englifh, Zond, 
1902). Karten: Karta öfver Storfurstendömet F. 
(1:400000, 30 Bl., Helfingf. 1863— 72; wird jäbr- 


Finländiſche Eifenbahnen 


{id} erneuert); Atlas de Finlande (ebd. 1899); |. 
aud —— (Rarten). a Ramiay, 
. (deutib, Helfingf. 1896); Baededer, Rußland 
5. Aufl., 2p3. 1901). Gefhichte und Staat: 
recht: dl Chronicon episcoporum Finlan- 
densium (Abo 1784—1800); Fr. Rübs, F. und feine 
Bewohner (Lpz. 1809); Kajaani, Suomen historia 
(Helfingf. 1846); Rein, Föreläsningar öfver F.s 
historia (ebd. 1870— 71); Prjd Kostinen, Finn. Ges 
ſchichte (deutſch, Lpz. 1874); —— on, F.s histo- 
ria (Helfingf. 1887 —89; deutih von F. Arnheim, 
Gotha 1896); Hadman, Die Bronzezeit 3.8 (Helſingf. 
1897); Danieljon, Die Nordiſche ee ind R 
1746—51 (ebd. 1888); derf., 5.8 og mit 
dem Ruffiihen Reiche (ebd. 1891); 2. — 
Das — des Großfürſtentums F. lim 4. Bde. 
vom «Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegen⸗ 
wart», bg. von Marquardfen, Freib. i. Br. 1889); 
iiber, F. and the tsars 1809—99 (2. Aufl., Zond. 
Ben: Der außerordentlidhe finn. Landtag 1899. 
Die Antworten der Stände auf die taiferl. Bor: 
lagen über die Umgeſtaltung des finn. Heerweſens, 
bg. von Arnheim (Lpz. 1900); Bornhat, Rußland 
und F. (ebd. 1900); Geb, Das ſtaatsrechtliche Ver: 
hältnis zwischen F. und Rußland (ebd. 1900); Ny: 
bolm, Die Stellung F.s im ruff. Raijerreih (ebd. 
1901); Finländ. Rundihau. Bierteljabrsjchrift, bg. 
von Braufemwetter (ebd. 1901 fg.). ur Sn 
Kae Eifenbahnen, f. Ruſſiſche Eifen- 


inlay (pr. finnle), George, engl. Bhilbellene und 
Geſchichtſchreiber, geb. 21. Dez. 1799 zu Favers ham 
in Rent, von fchott. Abjtammung, ftudierte in Glas: 
gow, dann in Göttingen die Rechte und begab ſich, 
von philhelleniſcher Begeifterung erfüllt, 1823 nad) 
Kephalonia, wo er jih an Lord Byron anſchloß, 
mit dem er bis zu dejjen Tode durch treue Freund: 
ſchaft verbunden blieb. Nach einem längern Auf: 
enthalt in Jtalien (Winter 1824—25) gi er nach 
Edinburgh, kehrte jedoch bald nach Griechenland 
zurück. Hier nahm er 1827 teil an Lord Cochranes 
erfolglojen Operationen zum Entfaß von Athen. 
Nach der Unabbängigteitserllärung kaufte F. 1829 
ein Yandgut in Attila, deſſen Bewirtihaftung als 
Muſter für die Griechen dienen follte; allein unter 
den obwaltenden ungünjtigen Zeitverbältnifien miß⸗ 
lang diefer Verſuch, und nah dem Berlujte feines 
Vermögens wendete F. - von nun an in Athen 
litterar, Arbeiten zu. ftarb 26. San 1875 in 
Athen. Als erites Refultat feiner Studien ver 
öffentlichte er 1836 «The Hellenic kingdom and 
the Greek nation». Hierauf folgten «Remarks on 
the topography of Oropia and Diacria» (Athen 
1838; Krk ‚don ©. F. W. Hoffmann: «Hiftor.: 
topogr. Abhandlungen über Attifa», Lpz. 1842) und 
der erite Teil feines Hauptwerles «Greece under 
the Romans» (Lond. 1843), der erfte Teil feines 
fiebenbändigen es über griech. Geſchichte, das 
1877 volljtändig u. d. T. «A history of Greece 
from its conquest by the Romans to the present 
time» (Orforb) erfhien. 

Finmarfen, das nörblicite Amt Norwegens 
und der nörblichite Teil Europas überhaupt, das 
norweg. Lappland (j. Karte: Shweden und Nor: 
wegen), umfaßt 47397, nad) —— 41287 
qkm 5. ift ein Plateauland mit Steilabfällen 
gegen das Meer und von fchmalen, durchſchnittlich 


— Finne (Hautausfchlag) 707 


ih Inſeln wie Sord, Seiland und Stjernd vors 
gern, Unter den Buchten find die beveutenditen 
der Alten:, Borjanger:, Laxe⸗, Tanas und Baranger: 
Ho, unter den Flüffen der Alten: und die Tana:elv. 
as Klima ift, wenn aud unter dem mildernden 
.. des bier eiöfreien Dceans, ſehr kalt und 
taub, Dies gilt namentlich auch von dem Norblap 
(f. d) auf der Se Magerd. Die mittlere TZempes 
ratur des kurzen Sommers ift 4°C. Schlimmer ala 
die Winterlälte (Mitteltemperatur 36) find bie 
DWinterftürme. Dem Mangel an Holz helfen im N. 
reiche —— ab. Nur an geſchutzten Stellen ge 
mwinnt man —** erſte, Kartoffeln und 
Sen yore Der Graswuchs ift während des 
kurzen Sommers in den Flußthälern außerordentlich 
üppig. Kübe und Schafe finden auch im Winter 
unter der Schneebede Nahrung. Die Bevölkerung 
beitebt im nordl. Teile des Landes vorzugsmeife aus 
Lappen (ſ. d.) und beträgt (1900) nur 32735 E., 
d. 1. 0,7 auf 1 qkm, darunter etwa 8000 Lappen 
| und 6000 Finnen. Haupterwerbszweig iſt Iit 
| (eng; Der) e(Rabeljau) wurden 1891 etwa 20 Mill., 
eitvem jährlich wechſelnd 13—16 und 8—9 Mill, 
1900 nur 6*/, Milt. Stüd gefangen; ſeit mehrern 
Jahren wird auch Walfiſchjagd getrieben. Das Amt 
ie in fünf Bogteien: Alten, Hammerfeft, Tanen, 
arbd und Varanger, von denen die zwei eritern 
Meft:, die übrigen Dftfinmarten bilden. Es giebt 
drei Raufftäbte: Hammerfeft (ſ. d.), die nördlichite 
Stadt der Erde; VBarbö (f. d.), die dftlichfte Stadt 
Norwegens, und Babjd, der Siß des Amtmanns. — 
Dol. Reuſch, Volt og natur i 3. (Krift. 1895). 
Finne oder Alne, ein fehr gewöhnlicher Haut: 
ausjchlag, der vorzugsmeife im Geficht, nächſtdem 
am Rüden, an der Bruft u. j w. auftritt. Er beruht 
auf einer Entzündung und Berfehmärung der Talg: 
drüfen der Haut, welche eine fette, didflüffige Maſſe 
gen fog. Hauttalg) abfondern. Berftopft fich die 
ſenmündung, jo ftaut der Hauttalg in den Drü- 
fenfädchen an, didt ein und vertrodnet in der Nähe 
der Öffnung, wobei er durd den von außen beige: 
mifchten Staub u. dal. ſich ſchwärzlich färbt. Drüdt 
man eine fo verftopfte Talgdruſe aus, jo dringt dei 
dide Hauttalg wurjtförmig bervor und ähnelt einem 
Wurmchen mit ſchwarzem Kopfe. Daher entitand 
der Name Mitefjer (comedo). Übrigens kommen 
wirklich zumweilen Heine Tierchen in dieſem Hauttalg 
vor, die Haarbalgmilben (f. d., Demodex oder 
Acarus folliculorum Sim. und Tafel: Spinnen: 
tiere und Taufendfüßer U, Fig. 7), melde 
jedoch mit bloßem Auge kaum aufzufinden find und 
auf das Hautorgan keinen weitern ſchaͤdlichen Ein: 
fluß üben. Entweder infolge der Anbäufung des 
Hauttalgs oder aus andern, tiefer liegenden Ur: 
— entzünden ſich —* die Talgdruſen, ſchwel⸗ 
en an und verurſachen kleine, rote Erhebungen 
der Haut, welche man, wenn ſie den erwähnten 
—— * Punkt zeigen, punktierte Nine nennt. 
iefe Entzündung oder Schwellung kann ſich wie 
ber zerteilen oder zur Eiterung fortjchreiten, ober 
enblih obne Bereiterung fih vergrößern. Tritt 
Eiterung ein, fo bilvet ſich eine Heine Puſtel, welche 
bald vertrodnet, abfällt und eine allmäblich ver: 
—— rote Erhebung, ſelten eine Heine 
arbe zurüdläßt. Zieht fih die Entzündung obne 


L | Eiterung in die Länge, fo entiteht eine chroniſche 
nur 3—600 m hoben, aber mit ewigem Schnee und | Schwellung um die Talgdrüſe, ein fog. 


Akne⸗ 


Eis bedeckten Gebirgen durchzogen; in die Küfte des | knoten, welcher ſich auf der Haut durch eine flache 
Eismeers greifen zablreiche Fjorde tief ein, denen | rote Erhebung verrät. Die Krankbeit tritt gewöhn- 


45* 


708 


(ich zuerft während der Pubertätsentwidlung auf 
und verſchwindet nach verjelben meift wieder. Rei: 
ungen der Haut, Unreinlichleit, Diätfebler und 

—— begünjtigen zwar die Entſtehung ber 
F., aber ihre eigentlihe Urſache liegt in einer nicht 
weiter ertlärlichen Dispofition. Der * eller 
Exceſſe auf die Entwicklun ir wird ſicher in 
ganz ungerechtfertigter Weiſe überjhäpt. Alle Rei: 
Kerpen der Haut durch Reiben, faltes Waſchen, 

bigen und ſchroffe Temperaturwechſel find zu 
meiden, die feiten Pfropfe aus den u be: 
butjam und vorfihtig auszudrucken. Berftopfung 
und Diätfehler find ftreng zu meiden. Günjtig wir: 
ten Waſchungen mit wefelmäflern (jog. Kum⸗ 
merfeldſchem Vera er u. &.), Einreibung mit 
weiber Präcipitatjalbe, Schwefelfalbe u. dagl. — liber 
Rupferfinne f. Kupferroſe. — Bol. Jeßner, Die 
Alne und ihre Behandlung (2. Aufl., Würzb. 1902). 

Finne oder Blafenwurm, die Jugendform 
gewiſſer Bandmwurmarten, f. Banbwürmer und Fin: 
nenlranfbeit der Haustiere. 

Finne, Höbenzug in Thüringen, im preuß. 
Reg.:Bez. Merieburg, im SD. von der Ylm, im 
ND. von der untern, im NW. von der obern Un: 
ftrut und im SW. von der Lofje und der Fort: 
jegung des Lofjathals bis Sulza begrenzt (f. Karte: 
KönigreibSadfen, Provinz Anh u.ſ. w. 
beim Artitel Sachſen, Königreich), zieht von SD. 
nab NM. und befteht aus Buntlonofein und 
Mufcheltalt. Durch das Thal des Helderbachs, der 
unterhalb Heldrungen recht3 in die Unftrut mündet, 
wird der Höbenrüden in zwei Züge getrennt, von 
denen der nordöftlibe die Hohe Schrede, der 
jübmwejtlie die Shmüde heißt. Die zur Unftrut 
hei abfallende Shmüdebilvet mitder Hainleite(f.d.) 
ei Sabjenburg einen Suavch die Thüringer 
Bjorte ober Sadieninde. ie Schmüde erhebt 
ich im Kinſelsberg zu 386 m und die Schrede im 
Steiger zu 362 m Höhe, während der füdöſtl. Zug 
der } nod eine Höhe von 333 m erreicht. 

nnen, in ihrer eigenen Sprache Suomalainen 
(Plural Suomalaiset), jind in engerer Bedeutung 
ein Bolt, das feine Sitze bat fait in ganz Finland 
(etwa 2250000), in Rußland im Petersburger 
Gouvernement (Angermanland, darunter die Ayrä— 
möifet, Samalot, Ingern, zufammen etwa 150000), 
im nörbl. Schweden und in einigen Gegenden von 
Wermland (etwa 20000), im nördl. Norwegen 
(etwa 9000) und in Norbamerila (eingemwanbderte, 
etwa 200 000), alfo im ganzen etwa 2 600000. Im 
mweitern Sinne bezeihnet man mit F. oder rich 
tiger finnifh=ugrifhen Stämmen die Völler, 
die auf einem Gebiet wohnen, das ſich vom Ob und 
Ural im D. bis zur Dftfee und Donau im ®. und 
S, erjtredt (f. die Ethnographiſche Kartevon 
Europa, beim Artitel Europa), d. b. im dftl. und 
nörbl. Rußland, in las Gegenden, wo fie 
{bon nah den älteften bijtor. Angaben anfäflig 
waren (Tſchudj, d. i. Tſchuden der ruf). Ebroniiten). 
Die Theorie vom afıat. Urſprung der finn.:ugrijchen 
Bölter läßt fib nicht aufrecht halten. Im Gegen: 
teil bat die ſprachhiſtor. Forſchung ergeben, daß die 
Wiege aud der vorbiftor. Finno-Ugrier diesſeits 
vom Ural geitanden bat, und nachweisbar haben 
die F. (im engern Sinne), Ungarn, Wogulen und 
Oſtjalen ibre Wanderungen von biefer ihrer Ur: 
beimat aus in ihre jekigen Wobnfike angetreten. 

Die einzelnen Zweige des rg en Stam: 
mes find: 1) F. («die baltiſchen %.»), welche zerfallen 


inne (Blafenwurm) — Finnen 


in a. eigentlide %. (f. oben); b. Karelier (finn. 
karjalainen, Plural karjalaiset), in Rußland im 
meitl. Teil der Gouvernement3 Archangelsk und 
Dlonez (etwa 90000) und außerdem noch in ben 
Gouvernements Twer und Nomwgorod (nah dem 
Stolbower Frieden eingewanderte etwa 150000); 
die ſudl. Karelier im Gouvernement Dlonez und im 
Härad Salmi in Finland werden au Dlonezer ge 
nannt (olonezifch livviköt). c. Wepien («die nördl. 
gie, in den Gouvernements Dlonez und Nom: 
gorod, zufammen etwa 20000. d. Woten (wotiſch 
vadjalaiset) im Peteröburger Gouvernement (im 
norbwejtl. Ingermanland), etwa 2000. e. Ejtben 
( d.; eſthniſch eestlased, finn. virolaiset). f. Liven 
(1. d.; liviſch kalamied, d. b. Aalen, ober: rända- 
list, d. b. Küftenbewohner) auf der nördlichiten Yan: 
desipige von Kurland, etwa 3000. 2) Lappen 
(j. d.; lappiich sabme). 3) Mordwinen (I. d.). 
4) Tiheremiffen (f. d.; ticherem. mari, Menſch). 
5) Syrjanen I d.; forjan. komi, d. b. an der 
Kama wohnender) und Wotjalen (f.d.; wotjal. 
udmurt, d. b. aud»:Menib = Wjatka⸗Menſch?) find 
miteinander nabe verwandt und werben mit ge: 
meinfamem NamenauhPermiergenannt. 6) Wo⸗ 
aulen (f. d.; wogul. mafısi) und Oſtjaken (ſ. d.; 
oftjat, chonda-cho, d.h.Konda⸗Menſch, aubas-cho, 
d, * Ob⸗Menſch), werben auch mit dem gemeinſamen 
Namen Db:ugrifhe Völker genannt. 7) Ma: 
gyaren (f. d., Ungarn) in Ungarn. 

Von den —— finn.⸗ ugriſchen Stäm: 
men mögen erwähnt werden die mit den Mord— 
winen und Ticheremifien nabe verwandten Muro: 
mer und Merier. Was die Lappen betrifit, fo ift 
fehr wahrſcheinlich, daß fie antbropologif nicht zu 
den Finno⸗Ugriern gebören, jondern von einem 
Volle ganz anderer Raſſe ftammen, das ſchon früb 
eine finn.zugriibe Sprade angenommen bat. 

Die eigentlihe Erforihung der finn.⸗ugriſchen 
Völker und Sprachen beginnt erft in der Mitte des 

abrbunderts, ald Gaitren (f. d.), Reguly und 

blavift (f. d.) auf ihren Reifen bei diefen Böltern 
das notwendigafte Material gefammelt hatten. Am 
Laufe der legten zwei Jabrzehnte haben mehrere finn. 
und ungar. Forſcher die Materialfammlung fortge: 
fegt,nebendem auch das vergleihendeStudbium Dee 
Spraden bedeutende Fortihritte gemacht hat. Als 
haralterijtiihe Züge der finn.ugrifchen Spraden 
mögen folgende erwähnt werben: es giebt feingram- 
matifches Beichle t; Zolalcafus, die das Eichbefn: 
den irgendwo, die egung irgend wobin und von 
irgendwo bezeichnen, find in einigen dieſer Spra: 
ben fehr reichlich vorhanden, 5. B. im Finniſchen je 
brei Caſus für die allgemeine, äußerlihe und inner: 
liche Lolalität. Den Bofleffiopronomina der indo⸗ 
erman. Spraden entiprehen die Bofleifiwfuffire 
? ‚B.talo-ni,talo-si,talo-nsa, mein, bein, ſein Haus). 

as Verbum bat im allgemeinen zwei eigentliche 
Zempusformen: Präfens, das die dauernde, un: 
vollendete Handlung, und das Präteritum, das die 
vollendete Handlung ausdrüdt. Der Konjunttiv: 
—— ift mit einem Suffir abgeleitet, das urfprüng: 
ich ein Suffir zur Bildung frequentativ«conativer 
Berba geweſen ift. In einigen Spraden (morb- 
winiſch, woguliſch, oſtjaliſch und ungarisch) lommt 
auch eine objeltive Konjugation vor, mo das Objekt 
durch das Perfonalfuffir ausgebrüdt wird (4. B. 
morbwin. sodaj, er fennt, sodasy, er lennt ibn; 
mogul. ponam, id ftelle, ponilem, ich ftelle ihn; 
ungar. värok, ich warte, värlak, ich warte did). In 


Finnenkrankheit 


709 


den meiften finn.:ugriihen Spraden findet fich eine ' Durchfall. Schließlich gingen die Verſuchstiere an 


fpecielle negative Konjugation, in welcher die Nega⸗ 
tion fonjugiert wird, das Verbum aber unverändert 
bleibt (3.8. finn. mene-n, mene-t, ic) gebe, du gebit; 
e-n mene, e-t mene, ich gehe nicht, bu gebit nicht. 

Nach einigen Forſchern find die finn.-ugrijchen 
Sprachen weiter mit den famojedijchen, türf., mon: 
gol. und mandſchu⸗tunguſiſchen Sprachen verwandt 
und bilden mit diefen die jog. ural-altaiſche 
(altaifhe) Spradbfamilie; doc ift man noch über 
dieje Verwandtſchaft zu keiner Einigleit gelommen. 

itteratur: Virchow, Phyſiſche Anthropologie 
der F. (Berl. 1872); Retzius, Finskakranier (Stodh. 
1878); Hälliten, Cränes des peuples finnois (Helfingf. 
1881—85); Aapelin, Antiquites du Nord finno- 
ougrien (ebd. 1877— 84); %. Krobn, Suomen surun 
pakanallinen jumalanpalvelus (Der heidn. Kultus 
des finn. Stammes, ebd. 1894); Wintler, Uralaltai: 
he Völler und Sprachen (Berl. 1884); derf., Das 
ralaltaifche und feine Gruppen (ebd. 1885). Außer: 
dem Sjögrend und Caſtrens Werle. Setälä, Om de 
finsk-ugriska spräken (Upfala 1888); derf., Tem: 
pus: und Modusjtammbildung in den finn.-ugris 
{hen Spraden (Helfingf. 1837); Bubenz, Az ugor 
nyelvek összehasonlitö alaktana (Vergleichende 
Formenlehre der ugriſchen Sprachen, 3 Bbe., Buda⸗ 
pet 1884— 94). Außerdem Journal und M&moires 
de la Societ& Finno-ougrienne in Helfingfors, 
Nyelvtudomänyi Közlem&nyek in’ Budapeſt und 
Ugriſch⸗ finniſche Forihungen, hg. von Setälä und 
Krobn (Helfingf. 1901 fe.). 

Finnenfrankheit, eine Krankheit der Haustiere, 
die dur Blafenwürmer, d. b. die Entwidlungsvor: 
ftufen gewifjer Bandwurmarten, hervorgerufen wird, 
Man verfteht unter F. ſchlechtweg Krantheitäzu: 
ftände, die beim Rind und Schwein dur ganı e⸗ 
ſondere Blaſenwurmer verurſacht werden. Bei den 
Schweinen N diefer der Zellgewebsblaſenſchwanz 
(Schmeinefinne im engern Sinne, Cysticercus 
cellulosae, ſ. Bandwürmer, dig: 3, im Tert), die un: 

eſchlechtliche Vorſtufe des — 
— solium) der Menſchen; beim Rinde dagegen 
die ſog. Rindsfinne (Oysticercus inermis), die 
Vorſtufe des ebenfalls im Menſchen ſchmarotzen⸗ 
den feiſten Bandwurms (Taenia saginata). Die 
F. beim Schweine wurde früber auch Ausſaß 
der Schweine genannt. Die Schweinefinne 
unterjcheidet fi, bei ſchwacher Vergrößerung be: 
trachtet, durch den Bejik eines Halenfranzes von 
der unbewafineten Rindäfinne. Die F. bei Schwei: 
nen und Rindern entwidelt fih, wenn Tiere diejer 
Gattung Gelegenheit gefunden haben, eine ent: 
ſprechende Bandwurmbrut aufzunehmen, die mit 
menſchlichem Kote auf Viehweiden oder in Tränt: 
ftellen gelangt war. Die Ausbildung und Ent: 
widlung von innen in dem Mustelfleiih junger 
Schmeine (f. nachſtehende Figur) und junger Rin- 
der gebt in der Negel nit mit wahrnehmbaren 
Eriheinungen einher. Ja es ift geradezu —— 
lend, daß ed Schweine giebt, die troß maſſen— 
hafter Beherbergung von Finnen ſich noch in 
einem verhältnismäßig guten Ernährungszuſtande 
befinden. Rinder ſcheinen empfindlicher zu ſein, 
wenigſtens find ſchon Kälber nad künſtlicher In— 
feltion mit Bandwurmbrut zu Grunde gegangen. 
Diefe Tiere zeigten mehrere (3—4) Tage nad Auf: 
nahme der Bandmwurmglieder die Erjheinungen 
von hochgradiger Darmreizung, Appetitlofigteit, 
Schmerzen im Binterleib und in den Gliedern, ſowie 


| 
| 
| 


—— — —— ——— — ——— —— —— —— —— —— — ——— — — — — — — — — 


Erjhöpfung ein. Indeſſen handelte es ſich in dieſen 
ällen immer um eine ſo ſtarle Aufnahme von 
urmbrut, wie fie normal wohl nicht vorlommen 
dürfte. BeiderSel: 
tion folder Tiere 
findet man nicht 
allein die Muss 
feln, fondern aud 
die meiften übri— 
gen Organe, na: 
mentlih die Ein- 
gemweide (Lunge, 
Leber, Herz, außer: 
dem auch das Ge: 
birn u. ſ. w.), mit 
innen förmlich 
überfät. Da die 
Sinnen zum Teil 
(namentlich in den 
Eingemweiden)früb: 
zeitig abzuiterben 
und zu vertäfen 
pflegen, jo wurbe 
dieje Krankheit mit 
dem Namen Ge: 
todentuberku— 
oſe belegt; doch 
bat dieſe Krankheit mit der Tuberkuloſe durchaus 
nichtö gemein. Finnige Schweine jollen hin und 
wieder Krantheitseriheinungen (beifere Stimme, 
Ausgehen der Boriten, Jud der in der Haut) 
wahrnehmen lafjen, aber diejelben find jo menig 
fonjtant und bezeichnend, daß fie für die Dia: 
noſtil der 3. ſchlechterdings nicht verwertet werden 
Önnen. Dagegen laſſen ſich bei lebenden ftarf 
nnigen Schweinen die Finnen als waſſerhelle 
läschen unter der Zunge nachmeifen und bei jtarf 
finnigen Kälbern durch die Haut, — an den 
Kaumusleln und am Halſe, als kleine Knötchen 
durchfühlen. Wichtig iſt die Vorbeuge gegen die 
5 Hierzu gehört neben fachverjtändiger Abtrei- 
ung und Vernichtung der menſchlichen Bandmwür: 
mer vor allen Dingen die Negelung der Fleiſch— 
ſchau. In den Ländern, in denen eine geregelte 
leiſchſchau beſteht, werden mit innen bebaitete 
iere nur unter gewijjen Umftänden (geringe Zahl 
von Finnen) und unter der Bedingung, dab das 
Fleifh nur in gelochtem Zuftande genofjen werde, 
zur menſchlichen Nahrung zugelaffen. Kochen tötet 
die Finnen. Als —A— — Nußtzen der Fleiſch 
beſchau ſpringt die Thatſache in die Augen, daß 
der — andwurm in den meiſten Gegenden 
Deutſchlands jetzt zu den Seltenheiten gebört und 
dadurch aud die F. beim einheimishen Schweine 
recht felten geworden ift. Dieje Seltenheit wird 
aber außerdem auch no daburd mit bedingt, daß 
der Genuß * re aus Furt vor 
den Trichinen ſehr nachgelaſſen bat. Für die Rinder: 
—— und den durch ſie erzeugten Bandwurm beim 
enſchen iſt dasſelbe zu erhoffen, F man 1888 
auf dem Berliner Schlahtbofe die Entdedung ge 
madt bat, daß finnige Rinder nicht fo jelten find, 
wie man früher annahm, und daß man dur die 
enauere Unterfuhung der Kaumuskeln bei den 
indern in der Lage ift, felbit fpärliche Finnenein⸗ 
wanderungen feitzuitellen. Denn diefe Musteln ftnd 
Lieblingsfige der Rinderfinne. — Vgl. Leudart, Die 
Barafiten des Menihen (2. Aufl., Lpz. 1879 fa.). 





710 


Die F. wird ſchließlich noch ziemlich häufig be- 
obachtet bei ven Feldhaſen, bei denen fie Ihon 
von den Jägern als QTuberluloje oder gar als 
Syphilis (dieje tommt bei Tieren überhaupt nicht 
vor) fälſchlicherweiſe gedeutet worden iſt. Nach 
Befeitigung der mit den innen bebafteten Ein: 
geweide können ſolche Hafen ohne Anjtand genojjen 
werden, 

Fre Hr ſ. Biehverficherung. 

innfifch, der Finnwal (f.d. und Tafel: Wals 
tiere, Fig. 3). [babnen. 

innife Eifenbahnen, ſ. Ruffifhe Eiiens 

innifche Kriege, die beiden Kriege, welche zwi: 
ſchen Rußland und Schweden 1783—90 und 1808—9 
geführt wurden (j. Finland, Geſchichte). 

Finnifche Litteratur, ſ. Finniihe Sprade 
und Litteratur, 

Finnifcher Meerbufen, rufj. Finskij Zaliv; 
finn. Suomen Lahti; ſchwed. Finska Viken, ein Teil 
der Ditjee, der fich zmifchen 59 und 60° nörbl. Br. 
nah D. abzweigt, 400 km lang, 20—130 km 
breit ift und im N. von Finland, im ©. und D. 
von Eitbland und Angermanland (Gouvernement 
St. Petersburg) begrenzt wird (f. Karte: Meftruß- 
land und Ditjeeprovinzen, beim Artikel Ruß: 
land). Die Tiefe am Süpufer ift größer ald am 
Nordufer; fie erreicht nur an einzelnen Stellen 70 m. 
Ebbe und Flut find nicht bemerkbar; doch fteigt das 
Mafler bei Weit: und Südweſtwind und fällt bei 
Ditwind. Der Salzgebalt ijtgering. Durch die Newa 
wird der F. M. mit dem Ladoga- und Onegaſee 
verbunden, durch die Narowa mit dem Peipusſee; 
erner münden ein die Luga, Borgä, Kymmene u.a. 

er Reichtum an pihden (Stör, Dorib, Salm, 
Lachs, Scholle u. a.) ift groß. Eine Art kleiner He 
ringe, dort Killoftrömlinge genannt, wird beſon— 
derö bei Reval und Baltifhport aefangen. Die 
Schiffahrt wird durch Sandbänke, Felſen, Schären, 
im unge und Herbit durd Stürme und Nebel, 
im Winter dur Eis erſchwert. Dennod ift der 
Verkehr bedeutend, da der F. M. den Seeweg nad 
Petersburg und einen großen Teil Rußlands bilvet. 
Schiffe (darunter zahlreiche ie) aller Länder 
laufen ein und aus, aud die Küſtenſchiffahrt ift ſehr 
entmwidelt. Die a njeln (meift unbemwobnt) 
des F. M. find Kotlin (Netufaari) mit Kronftadt, 
Lavanfaari und Hochland (Suurfaari). Neben Pe: 
teräburg find die hauptſächlichſten Handelshäfen: 
Hapfal, Baltifhport, Reval in Ejtbland, Narwa in 
— Wiborg, Fredrikshamn, Kotka, 

owiſa, Borgä, Helſingfors, Elenäs, Hangd in 
—— Kriegshäfen ſind Kronſtadt, Reval und 
veaborg. 

— Sprache und Litteratur. Die 
finniſche (Suomi-) Sprache iſt das ent— 
wickeltſte Glied des baltiſchen Zweigs der weſtlichen 
finn.ugriſchen Familie (f. Finnen). Sie beſitzt außer 
16 Div ange 10 Vokale, für welche jevod nur 8 
verjchiedene Volalzeichen eriftieren, indem in der 
Schrift die bintern e und i von den vordern e undi 
nicht unterſchieden werden. Nach dem durcareifen: 
den Geſetze ver Vokalharmonie fommen die Botale 
der bintern Reihe (a o u, die bintern e und i) und 
die Vokale der vordern Reihe (& ö y, die vordern e 
und i) in ein und demjelben Worte nie vor, weshalb 
jedes Suffir ſowohl binter: als vordervotalifc ift; 
Fa talo-ssa, im Haus, aber kylä-ssä, im Dorf. 

ine barakteriftifche Eigentümlichleit des Finniſchen 
bildet der Honfonantenablaut, welcher darın beftebt, 


Finnenverficherung — Yinnifche Sprache und Litteratur 


daß die doppelten Verihlußlaute pp, tt, kk mit p, 
t, k und dieſe mit v, d, Konfonantenibwund wech⸗ 
jeln; z. B. Nom. loppu, Ende: Gen. lopun; nuk- 
kuva, fchlafend: nukut, du ſchläfſt; Nom. tapa, 
©itte: Gen.tavan; Nom. sata, bundert: Gen. sadan, 
lukea, leſen: luen, ich leje. Kein echt finn. Wort 
fängt mit zwei oder mebrern Konfonanten an. Der 
Accent liegt auf der erften Silbe des Wortes. Die 
Deklination bietet einen großen Formenreichtum. 
Es giebt 15 verſchiedene Cafus, von denen drei 
(Nominativ, Bartitiv und Accufativ) zur Bezeich- 
nung der Subjelts- und Dbjeltöverhältnifje bie: 
nen, während die übrigen Örtlichkeit, Zeit, Urſache 
u. ſ. m. bezeichnen. Die Rechtihreibung ift eine vor- 
zügliche, indem fajt jeder Laut immer mit feinem 
eigenen Zeichen wiedergegeben wird. Die Länge 
wird ſowohl bei den Botalen als bei den Konionan- 
ten durch Doppelichreibung bezeichnet; y = deutſch 
0. — Die finn. Sprache zerfällt in zwei Dialelt- 
ruppen: in eine westliche und eine djtliche, zwi- 
BER welchen als ungefäbre Grenze eine Linie von 
Fredrilshamn am Finniiben Meerbufen nah No 
arleby am Bottnifchen Meerbufen gedacht werden 
fann. Die Schriftiprache gründet fidh auf dem Weſt⸗ 
nnijchen, bat aber in neuerer Zeit vieles aus dem 
f nnifchen aufgenommen. 

m die wiflenichaftliche Erforfhung der finn. 
Sprache haben jich in neuerer Zeit befonderdSjögren, 
Eaitren, Lonnrot, Ablavift, Krobn, Genetz, Setälä 
in Finland und Thomfen in Dänemark verdient ae 
madt. Lexika von Renwall (finn.=lat.-deutich, 
2 Boe., Abo 1826), Lönnrot (finn.-fhwer., 2 Boe., 
Helfinaf. 1866— 80 und Suppl. 1886) und Ermait 
(finn.=deutfch, 1888). Grammatiten von Euren 
(Abo 1849 u. b.), Jahnsſon (Helfingf. 1871), Genes 
(Laut: und Formenlebre, 1881 u. d.) und Getälä 
(Zaut: und Formenlehre 1898; Syntax, 1884 u. ö); 
Wellewill, Braktiihe Grammatik der finn. Sprache 
(Wien 1890); Eliot, A Finnish Grammar (Orford 
1890); das Hauptwerk ift Setäläd Aännehistoria 
(Hiftor. Lautlehre, 2 Bde., Helfingf. 1891— 92). 

Beſonders intereflant ift die finnische Litte— 
ratur wegen des reiben Scakes einer ſchönen 
Volkspoeſie. Dieuriprünglichen finn. Volkslieder 
oder Runo (in der Mebrzabl Runot) haben ala 
Versmaß nur den vierfühigen Trobäus. Der End: 
reim fommt jelten vor; dagegen ift der Stabreim 
(Allitteration) durbgängig Regel. Dazu kommt 
noch ala poet. Schmud der Gedantenreim (Baralle 
lismus). Dieje Runo werden von eigenen Sängern 
Runolaulajat)nad einer einförmigen Melodie unter 

egleitung der Kantele (f. d.) vorgetragen. Außer 
den epiſchen und lyriſchen Voltsgefängen giebt es 
auch noch eigentümliche Zaubergejänge. Dieje alte 
Voltspoefie, deren Heimat das öſtl. Finland und 
Ruſſiſch-Karelien ift, erlifcht immer mehr. Die epi- 
fhen Gefänge, von welchen ſchon Porthan (geit. 
1804), Schröter und Topelius der Ültere einige ver: 
öffentliht hatten, wurden forafältig von Lönnrot 
gejammelt, der diejelben zu einem Ganzen orbnete 
und (zuerjt 1835, dann faft um dad Doppelte ver: 
mebrt 1849) u.d.T. «Kalevala» als nationales Epos 
des finn. Volls veröffentlichte. (S. Ralemala.) 1840 
aab Lönnrot no heraus: «Kanteletar» (neue Aufl., 
Helfingf. 1864), eine Sammlung von 592 lyriſchen 
Dichtungen und 50 Balladen (deutfh von H. Baul, 
ebd. 1882); die «Suomen kansan sanalaskuja» (ebd. 
1842), ein Schas von 7077 Spridwörtern, und 
«Suomen kansan arvoituksia» (2. Aufl., ebd. 


Finnland — Finowkanal 


1851), eine Sammlung von 2188 Rätſeln, ſowie 
«Loitsurunoja» (1880), Zauberſpruche. Eine wifjen: 
Ichaftlich geordnete Sammlung der abergläubiichen 
Gebräuche gab M. Waronen (Helfingf. 1898) heraus. 
Hierzu fam noch die von Gero Salmelainen beforgte 
Sammlung von Boltsfagen und Märchen («Suo- 
men kansan satuja ja tarinoita», 4 Bde. Heljingf. 
1854—62; eine Auswahl ind Deutjche übertragen: 
«Finn. Märden» von E. Schred, Weim. 1887). 
Eine wiffenihaftlid geordnete Sammlung bejorgt 
die Finniſche Litteraturgejellichaft u. d. T. «Suoma- 
laisia kansansatuja» * 1und 2). 

Die finn. Litteratur beginnt erſt mit der Re— 
formation und iſt vom Biſchof Mich. Agricola ge— 
gründet worden. Er gab heraus ein Gebetbuch 
1544, die überſezung vom Neuen Teftament (1548), 
das Kirchenhandbuch (1549) fowie einen Teil des 
Alten Teftaments (1552). Eine vollftändige finn. 
Bibel erihien 1642 in Stockholm. Alle übrigen 
Drude jener Zeit find faft nur Erbauungsidriften 
für das Volt, Erſt das Erwachen des National: 

efühls, dem am Ende des 18. Jahrhunderts die 
———— Porthans den erſten Anſtoß gaben, 
und das Erſcheinen von «Kalevala» und die publis 
ziſtiſchen und philoſ. Schriften 3. V. Snellmans 
en vollen Bewußtjein brachten, gab der F. ©. u. 

. einen mächtigen Aufſchwung. Die finn. Sprade 
ift jest neben dem Schwediſchen amtlihe Sprace, 
und der Unterricht wird in einer großen Anzahl 
von Gymnafien und zum Teil in der Univerität 
in ihr erteilt. Auch hat fich bereits eine eigene 
moderne fitteratur entwidelt. Anfangs wurden 
in gutem Finnisch Volksjhriften verſchiedener Art, 
wie von Juden, Beder, Lönnrot u, a., veröffent: 
liht, bald aber auch Daritellungen aus dem 
Gebiete der Wiſſenſchaft ſowie Werte der Kunſt— 
poefie. Großen Einfluß übte in dieſer Beziehung 
die Finnische Litteraturgefellibaft (Suomalaisen 
Kirjallisuuden Seura) zu Helſingfors, die nicht 
nur die finn. Sprade, fondern auch die Denk— 
male der finn. Nationalität, der finn. Boejie und 
des finn. Geiftes überhaupt zu bearbeiten unter: 
nabm; feit 1841 erſcheint ibr Jahrbuch «Suomi». 
Aus neuerer Zeit find außer dem Gründer der 
neufinn, Sitteratur Yönnrot bervorzubeben der Ge: 
ſchichtſchreiber Nrjö:Kostinen (Finn. Geichichte, Lpz. 
1874), die Dichter Olſanen (Ablavift), Suonio 
(Krobn), der originelle Aleris Kivi (Novellen und 
Dramen), Erfto (Gedichte und Dramen), Cajander 
(Shatejpeare: liberjeger), Päipärinta (Schilderun: 

en aus dem Boltsleben), J. Abo, der in feinen 
ovellen und Romanen die beiten Vorbilder der 
nn. Runftprofa geliefert bat, M. Canth (realis 
tifche Dramen), ©. Ingman (biftor. Romane), X. 
alkala (Romane), K. Leino (Gedichte). — Bol. 
8* Krohn, Suomalaisen kirjallisuuden vaiheet 
(Die Schidjale der finn. Litteratur, Helfingf. 1897); 
Godenbjelm, Oppikirja suomalaisen kirjallisuu- 
den historiassa (Sinn, Litteraturgeſchichte, 3. Aufl., 
ebd. 1898; engliich von Butler, Lond. 1896) ; Brauſe⸗ 
wetter, Finland im Bild feiner Dichtung (Berl.1899). 
innland, |. Finland. 
inn Magunfen, j. Magnusſon, Finnur. 
nmarfen, |. Finmarken. 
inntwal(Balaenoptera), Finnfiſch oder Fur: 
chenwal, Bezeichnung derjenigen Arten der Wal: 
iche, welche zwar, wie der echte grönländ. Walfiſch, 
arten in dem Obertiefer ftatt Zähne tragen, von 
diejem aber durch tiefe Hautfurdhen an der Unter: 


711 


ſeite des Körpers und durch die Anweſenheit einer 
Rückenfloſſe ſich unterſcheiden. Die F. ſind von län: 
erer gejtredter Geſtalt, raſcher und mutiger als die 
alfiſche, haben weit weniger und ſchlechtern Speck 
als dieſe, auch ſind ihre Barten kleiner, brüchiger 
und daher weniger geſchätzt, ſo daß man ihnen 
ſeltener nachſtellt. Sie nähren ſich vorzugsweiſe 
von Fiſchen, beſonders Heringen. Zu ihnen ges 
hören der nordiſche F., Heringswal oder 
Finnfiſch (Sildehval der Norweger, Balaenop- 
tera boops L., Physalus antiquorum Gray, 
ſ. Tafel: Waltiere, sig. 3) und ver Budelwal 
(Blaabval der Norweger, Balaenoptera Sib- 
baldi), die beide bis 30 m lang werden und überall 
um Norwegen vorlommen. Ihrer Wildheit und ihres 
geringern Ihranz und Fifchbeinerträgnifies wegen 
wurden fie früher nur jelten gejagt; jetzt aber ge: 
lingt eö mittels Geſchühe, die auf 4Om Entfernung 
eine Harpune jchleudern, welche mit einem Spreng⸗ 
peichofie verbunden und an einem armsdiden Tau 
befeitigt ijt. Die Bombe tötet den Wal und die 
Harpune mit dem Tau verhindert fein Unterfinfen. 
Ein 5. von 25 m Länge liefert bis 80 t Thran; 
leiih und Knochen werden zu Guano verarbeitet. 
er Schnabel: oder Zwergwal (Balaenoptera 
rostrata Fabricius), der ebentalls an den normeg. 
Küften häufig ericheint und durch den nat: 
förmig verlängerten Kopf fi auszeichnet, erreicht 
nur eine Qänge von 10 m. Er wird feines wohl: 
ſchmeckenden Fleiſches wegen viel gejagt. Der Ke— 
portal der Grönländer (Balaenoptera longimana 
Rudolphi) wird von den Eskimos gejagt; er unter: 
ſcheidet fih durd lange Bruftflofjen. 
DER UEREESERERN (fpr. finodiaro-), Samillo, 
ital. Politiler, geb. 28. Jan. 1851 in Palermo, jtu: 
dierte die Nechte und wurde Advokat. In das öffent: 
liche Leben trat er mit Erfolg ald Stadtverordneter; 
jeit 1882 ijt er Mitglied des ———— 
wo er ſich der von Criſpi geführten Gruppe der Linken 
anſchloß. 1887 wurde er mit der fommijlarifchen 
Berwaltung der Bürgermeifterftelle von Catania be: 
traut und 1890 in gleicher Eigenichaft während einer 
Kommunaltrife in Rom verwendet. Vom 15. Mai 
1892 bis 28, Nov. 1893 war er PBojtminifter im 
Kabinett Giolitti, 1895—97 Vicepräfident des Ab: 
eorbnetenbaufes. Am 28. Juni 1898 wurde er 
Juſtizminiſter im Kabinett Pellour und legte als 
older dem Parlament einen die Einführung der 
Eiviltrauung bezwedenden Geſehentwurf vor. No 
vor defjen Erledigung aber mußte er mit dem ganzen 
Minifterium 3. Mai end! gegen Im Kabinett 
Fortis belleidete er von März 1905 bis Febr. 1906 
wieder das Juſtizminiſterium. 
Finocchio (ital., pr. -odio), ſ. Foeniculum. 
inochetto (ipr. -Letto), ſ. Briabella. 
inow, linfer Nebenfluß der Over im preu 
Reg.:Bez. Potsdam, entipringt in Barnim in meb: 
rern Bächen, fließt von Biejenthal ab nah N. und 
mündet vermitteljt des Finowlanals (f. d.) bei Liepe 
in die Alte Oder. _ 
Finotwlanal, ein Teil der Waſſerſtraße Span- 
dau:Hohenjaathen, bildet die Verbindung gmwilchen 
dem zur Havel gehörigen Voßlanal (f. die Tabelle 1 
um rtitel Schiffahrtötanäle) und der Alten Oder 
ei Liepe. Vom Voßkanal führt eine 16,50 km lange 
gegrabene Strede bis zum Flüßchen Finow (ſ. d.), 
dann wird dieied auf 23,50 km Länge und endlich 
bi3 zu der zur (Neuen) Over führenden Hobenjaatbe: 
ner Schleufe auf 13,60 km Länge, von denen auf 


712 


die von der Alten Over gebildeten Seen von Liepe 
und Operberg 10,10 km fommen, die Alte Over be: 
nugt. Den VBoflanal verläßt der F. auf 39,2, die 
Hohenſaathener Schleuſe erreibt er auf 2, m 
Meereshöhe. Das Gefälle wird durch 14 Doppel: 
ichleufen vermittelt, die 41,06 m Länge und 9,60 m 
Breite in der Kammer bei 5,34 m Thormweite haben, 
während auf freier Strede der %. 23 m Waſſerſpie⸗ 
el:, 16 m Soblbreite und 1,75 m Tiefe hat. Der 
5. erlaubt ven Verkehr mit Schiffen von 150—170 t, 
und das Gleiche gilt von dem, nur um etwa 8 m 
ſchmälern Werbelliner Kanal, derden F. in 10km 
Länge durch zwei Schleuſen mit dem auf 43,4 m 
Meereöböhe liegenden, 10,1 km langen Werbelliner 
See verbindet. Der F. wurde ſchon 1540 geplant, 
aber erſt 1605— 20 ausgebaut und ſchiffbar gemadht. 
Während bed Dreigigjäbrigen Krieges verfiel die 
Anlage ganz, bis Friedrich II. 1744 — 46 Be er: 
neuerte; die Verdoppelung der Schleufen erfolgte 
1846— 78, Obgleich neuerdings ein Teil des Ver: 
lehrs vom Oder⸗Spree-Kanal (f. d.) — 
wird, paſſierten doch den F. an der Eberswalder 
Schleuſe 1899 noch 2063942 t in Schiffen und 
56444 t Floßholz. Man bat daher in die große 
wajlerwirtjchaftliche preuß. Gefekvorlage von 1901 
einen «Großſchiffahrtsweg Berlin : Stettin», der 
etwa parallel dem F. führen joll, aufgenommen. 
Finsbury (ipr. innsberi), Stadtteilvon London 
(1. d.), nörblih der Eity (j. den Blan: Inner: 
Yondon, beim Artitel London), zäblte 1901 als 
Varliamentary Borougb 14606 Dans mit einer 
Bevöllerung von 165865 E., als Metropolitan 
Borougb 101476 €. 
inich, Dtto, Ornitholog und Reifender, geb. 
8. Aug. 1839 zu Warmbrunn in Sclefien, war 
urfprünglid für den Kaufmannsftand beitimmt, 
wandte jıch aber fpäter naturwiſſenſchaftlichen Stu: 
dien zu, erbielt nach zweijährigen Reifen in Ungarn 
und der Türkei 1860 eine Stellung als Aififtent am 
Königlih Niederländiihen Mufeum für Natur: 
geihichte zu Leiden und wurde 1864 an das Na: 
turhiſtoriſch-Ethnologiſche Muſeum nah Bremen 
berufen, welches er bis 1878 leitete. Auch jebt 
madte F. noch wiſſenſchaftliche —————— 
durch Europa und Nordamerila. Mit der Führung 
der vom Bremer PBolarverein ausgerüjteten wifjen: 
ſchaftlichen Erpedition beauftragt, bereifte er 1876, 
begleitet von Brebm und Graf Walpburg: Zeil, 
einen Teil von Turfejtan, Nordweſtchina, Hoc: 
Altai und drang längs des Ob bis zur Karabai 
vor. Unterjtüßt von der Humboldt Stiftung und 
im Auftrage der fönigl. Akademie der Wiſſenſchaften 
in Berlin ging 3. Anfang 1879 nad der Süpjee, 
befuchte bier vie Sandwidhınfeln, einen Teil Mikro: 
neſiens (Marfball:, Gilbertinfeln, Karolinen), Me: 
laneſiens (Bismard:Ardipel, Neuguinea), Aujtra: 
lien und Neujeeland und lehrte Ende 1882 über Java 
nad der Heimat zurüd, wo er in Delmenborft lebte. 
Er erforſchte 18834 im Auftrage der Neuguinea:Gom: 
pagnie die Nordoftlüfte von Neuguinea, was zur Er: 
werbung derjelben als deutſches Schußgebiet führte. 
Seit 1898 war er wieder in Leiden am Reichsmuſeum 
für Naturgeſchichte tbätig; 1904 fam er als Etbno: 
rapb an das Stäbtiihe Mufeum in Braunſchweig. 
— «Neuguinea und feine Bewohner» 
tem. 1865), «Die Papageien» (2 Bde., Leid. 1867 
—69); mit Hartlaub: «Beitrag zur Fauna Central⸗ 
polynefiens» (Halle 1867), «Die Vögel Dftafrilas» 
(Bd. 4 von von der Dedens «Reijen in Dairila 


Finsbury — Finfteraarhorn 


in den %. 1859 —65», Lpz. 1870), «Reife nad 
Meitfibirien. Wifjenfhaftlihe Ergebnifie. Wir: 
beltiere» (Wien 1879), «Reife nah Weitfibirien» 
(2 Bde., Berl. 1879), «Antbropol. Ergebnifie einer 
Reiſe in der Südfee und dem Malaiiſchen Archipel 
in den %. 1879—82» (in der «Zeitichrift für Ethno⸗ 
logie», ebd. 1883, Supplement), «liber Belleidung, 
Schmud und Tätowierung der Bapuas der Süpoit: 
füfte von Neuguinea» (Wien 1886), «Hausbau, Häu: 
jer und Siedelungen an der Südoſtküſte von Neu: 
guinea» (ebd. 1887), «Abnorme Eberbauer» (ebd. 
1887), «Tätowierung und Ziernarben in Melanefien 
u. f. m.» (in MW, Joeſt, «Tätomwieren», Berl. 1887), 
«Samoafabrten, Reifen in Kaiſer-Wilhelms-Land 
und Englijh:Neuguinea» (Lpz. 1888; hierzu «Ethno- 
log. Atlas, Typen aus der Steinzeit Neuguineas», 
24 Tafeln), «Etbnolog. Erfahrungen und Beleg: 
tüde aus der Sübdfee» Terhte Abteilung: «Bismard: 

rohipel»; zweite Abteilung: «Neuguinea», Wien 
1888; dritte Abteilung: «Mitronefien», ebd. 1893), 
«Spjtematifche Überficht der Ergebnifje feiner Reis 
fen und fchriftitelleriichen Thätigleit. 1859 — 9% 
(Berl. 1899), «Der Dujong» (Hamb. 1901). Für 
die Anthropologie lieferte % wertvolles Material 
in feiner Sammlung von «Gipsmaslken von Bölter: 
typen der Sübdfee und des Malaiiſchen Archipele>, 
164 Nummern, jämtlih nad Lebenden abgegofien 
(die Driginalformen wurden von F. der General: 
verwaltung der königl. Mufeen in Berlin zum Ge 
ſchenk gemadıt). 

Finihhafen, Hafen an der Norboitlüfte von 
KRatjer-Milbelms: Land, nörblih vom Huongoli, 
wurde 1884 von Finſch entdedt. 1885 wurde bier 
eine Station der Reuguinen-Gompagnie angelegt, 
die bis 1891 Gentraljtation der Kolonie und ©ik 
des Yandeshauptmanns war. 

infen, Nils Ryberg, Mediziner, ſ. Bd. 17. 
infensmebdizinifchesti timftitut,i.Bd.17. 
infpäng (ſpr. gene), Gut im ſchwed. Län 

Dftergötland im NW. von Norrlöping, an den 
Linien $.:Norsbolm, F.-Paälsboda (64 km) der 
Schwed. Privatbahnen, bedvedt über 39000 ha, bat 
Gijenbütten, Kanonengießerei, Waldwirtſchaft. 

Fiuſpaäug, Geer af, Staatsmann, ſ. Geer af 
Finſpaͤng. 

Finfteraarhorn, der höchſte Gipfel ver Berner 
Alpen (f. d. und Meftalpen), erbebt ſich 70 km füb: 
öftlih von Bern an der Grenze der ſchweiz. Kantone 
Bern und Wallis, in der SBaffericheive ya 
Aare und Nhöne, zu 4275m Höhe, Von NW geſehen 
ericheint der Berg als jcharflantige, eisgepanzerte 
Pyramide, in Wirklichleit bildet er einen langen, 
adigen Kamm aus Hornblende, der von SD. nach 

WW, verläuft und mit dunfeln, von Schneelehlen 
und Eisbändern durdfurdten Felswänden und 
Firnbängen lints zum Wallifer Vieſcherfirn, rechts 
zum Studer: und Jinfteraarfirn (j. Nargleticher) 
abfällt. Der höchſte Gipfel bildet einen felfigen, meift 
jchneefreien Kamm von etwa 15 m Länge. Nord: 
weſtlich lehnt fi, durd das Agaffizioch (3850 m) 

eichieden, das 3956 m hohe Agaſſizhorn, im SD. 
chließt ſich die vierfeitige Pyramide des Rothorns 
(3549 m) an. Die eriten Verſuche zur Bejteigung 
machten im Juli 1812 die Gebrüder Mayer aus 
Aarau, bei einem zweiten Verſuch 16. Aug. desjelben 
Jahres erreichten ihre Fübrer die Spige. Die zweite 
Beiteigung unternahm 1829 Profeſſor Hugi aus 
Solothurn, der vom Vieſcherfirn aus über den nad 
ibm benannten Hugifattel bis 70 m unter die Spihe 


Finfterbergen — Fiore 


elangte. Seither ift der Berg, deſſen Befteigung 
ebr mühfam und anjtrengend, mehrmals, jogar 
von Damen, erjtiegen worden. Bd. 17. 
Bee Dorf in Sadıfen Gotha, |. 
infterloch, Höhle im mürttemb. Jagittreife, 
Dberamt Gmünd, bei Heubach in ver Alb, hat eine 
Länge von 170 m. 
ermette, |. Mette. j 
infterm 4 in der oſterr. Bezirkshaupt⸗ 
mannſchaft Landed, durch welchen ſich der Inn, 
aus dem Engadin in Tirol eintrelend, in einer tiefen 
Schlucht zwãngt, während hoch über demſelben undder 
alten Straße die neue, 1855 vollendete Straße, ein 
ed der —— führt. Dieſelbe 
überjchreitet auf der Gajetanbrüde den Inn (970m), 
fteigt in Serpentinen, drei Tunnel und zwei gegen 
die Yawinen mit Schußdächern bebedten Streden zu 
der 1137 m hoben alten Fefte Hoh- Finftermüng 
auf, verläßt bier den Inn und erreicht nad) 6 km 
Naupders (1362 m). Die alte Straße folgt dem Inn 
bis zu dem Turme Alt-Finftermünz (977m), 
weider das Innthal fperrt. Auch landſchaftlich bie: 
tet der F. großartige Bilder, einerſeits die tiefe, mit 
Nadelholz dicht bewaldete Schlucht des Inn, ande: 
rerjeitö den Ausblid auf die daen ——— des 
Engadin. Kriegsgeſchichtlich iſt der Paß wichti 
durch die Eroberung der Feſte F. durch Herzog Welt 
von Bayern 1079 und durch die Kämpfe 1799 zwi⸗ 
ſchen ie hg und Öfterreichern. . 
Finfternis, in der Ajtronomie im — en 
Sinne jede Erſcheinung, bei der einem Beobachter 
auf der Erbe der Anblid eines Himmelslorpers ganz 
oder teilweife dur einen andern Himmelsförper 
zeitweilig entzogen wird. Im engern Sinne rednet 
man zu den F. nur die Mondfinſterniſſe (j. d.) 
und bie Sonnenfinjterniffe Y d.), im weitern 
Sinne aud die Bededungen (f. d.) und Durch: 


gän pe (1. d.). A i 
Finfterwalde, Stadt im Kreis Ludau des 
preuß. Neg.:Bez. Frankfurt, rechts an dem zur Klei⸗ 
nen Elfter (Dober) gehenden Schadebah, an der 
Linie Halle-Cottbus der Preuß. Staatsbahnen und 
an der Nebenbahn Zſchiplau-F. (20 km), ift Sitz 
eines Amtsgerichts (Landgericht Cottbus), eines 
Steueramted und einer Re hsbantnebenftelle, bat 
(1905) 11685 €., darunter 305 Katholilen und 
27 Jsraeliten, Poſtamt erjter Klafje, Telegrapb, 
got. Dreifaltigleitäfiche (1581) mit ſchonem Altar 
und ſchöner Kanzel, Schloß, eine Mittel: und höhere 
Mädchenſchule, äptitches Rrantenpauf, Rettungs: 
us für verwahrlofte Kinder, ſtädtiſche Spar: 
ajie, Gasanftalt; Eifengiebereien, Dampfmahl— 
und Schneidemühlen, Fabrilation von Maſchinen, 
Metallihrauben, Gummi, Spielwaren, vor allem 
aber von Gigarren und Tuch (21 Fabrifen mit 
5—600 mechan. Stühlen und 12—1300 Arbei: 
tern). Das bier bergeftellte fait ausſchließlich 
chwarze Tuch wird auf den Meſſen in Leipzig, 
ankfurt a.D. und Braunſchweig abgeſetzt ſowie 
nah Schweden und der Schweiz verjandt. In der 
Umgegend große Braunlohlenlager. — F. lam mit 
der Marlkgrafſchaft Nieverlaufig 1373 an Böhmen, 
1635 an Rurſachſen und 1815 an Preußen. Am 
17. April 1642 wurde die Stadt von den Schweden 
unter Königsmarl völlig niedergebrannt. 
Finftingen, franz. Fenéetrange, Hauptitabt 
dee Kantons F. (190,56 qkın, 9783 E. 21 Gemeinden) 
im reis Saarburg des Bezirls Lothringen, 15 km 


713 


PinieSaarburg-Saargemünbd der Elſaß⸗Lothr. Eiſen⸗ 
bahnen, Sis eines Amtsgerichts (Landgericht Ja: 
bern), kath. Delanats, Konfiitoriums augsburg. 
Belenntnifjes und einer Oberföriterei, bat (1900) 
1057 E., darunter 468 Evangeliſche und 79 8: 
raeliten, (1905) 1116 €., Poſt, Telegraph, Reſte 
ehemaliger Befeitigungen, fpätgotifche tath. Pfarr⸗ 
tirhe, Schloß (17. Xabrb.), jest Gemeindehaus; 
Gerberei, Bierbrauerei, Aderbau, Holzhandel. 
Finte, in der Fechtlunſt Scheinangriff durch einen 
angezogenen, aber nidyt ausgeführten Hieb oder 
Stoß, um den Gegner zu einer vorzeitigen Gegen: 
bewegung (Parade) zu veranlaflen und die dadurch 
verurjachte Blöße zu einem nun wirllidy ausgeführten 
Fintenſtoß oder Fintenbieb zu benußen. Je 
nachdem vor Ausführung des wirklichen Angriffs 
eine oder zwei F. angezogen werben, ſpricht man 
von einfahen, doppelten u.f.w. F. Beichreibt 
die Klinge dabei einen Kreis, jo heißen fie Kreis: 
inten. Gerade %. beim Hiebfecten find_folde, 
ei denen bie F. und der darauf jeigenne Finten⸗ 
—* einander gerade gegenüber, alſo in einer Ebene 
iegen; andere beißen eehinien Eineinnere 
F. iſt — bei der die erſte Bewegung auf der 
innern Seite in Quart, eine äußere diejenige, bei 
der die erſte Bewegung nad der äußern Seite in 
Terz gemacht wird, Streihfinten beitehen nicht 
bloß in dem Zeigen eines Stoßes, jondern man 
faßt dabei zugleich mit der Stärfe der eigenen die 
Schwäche der feindlichen Klinge und ſtreicht an der⸗ 
[chen bin, ald ob man einen wirflichen Stoß beab- 
ıctigt. (S. audy Battuta, Ligade und Winden der 
nte, Sti@gattung, f. Alte. [Klingen.) 
inthen, Dorf in eindefien, ſ. Bd. 17. 
iogo, japan. Hafen, ſ. Hiogo. 
iora, ſchweiz. Dorf, |. Fluelen. 
oravanti, Valentino, ital. Tonſetzer, geb. 
11. Sept. 1764 in Rom, erbielt feine mufilaliiche 
Ausbildung in Neapel. Seit 1787 fomponierte er 49 
meift lomiſche Opern, von denen viele ibrer gefunden 
Laune und anmutigen Heiterkeit wegen aud außer: 
balb Italiens Glüd machten. Zu nennen find davon 
befonders «Le cantatrice villane» und «I virtuosi 
ambulanti». Zu Anfang des 19. Jahrh. hatte F. 
eine Zeit lang In Lifjabon eine Stellung als Inten: 
dant und Kompofiteur der dortigen Stalienifchen 
Oper, 1816 ernannte ihn der Bapıt an Jannaconis 
Stelle zum Kapellmeifter an St. Beter. Nun ſchrieb 
er foit nur noch Kirchenlompoſitionen, von denen 
3. B. ein Miferere für drei Frauenſtimmen, ein 
Stabat mater und ein Dies irae für act reale 
Stimmen zu nennen find. F. ftarb 16. Juni 1837 
in Capua. — Sein Sohn Bincenzo, geb. 5. April 
1799 in Rom, war ebenfalls ein fruchtbarer Kom: 
ponift, befonders komischer Opern, wirkte meift an 
Theatern in Neapel und jtarb dort 28. März 1877, 
iöre, Pasquale, ital, Rechtsgelehrter, geb. 
8, April 1837 zu Terligsi (Provinz Bari), wurde 
1863 aalifor für internationales Recht in Urbino, 
1865 in Piſa, 1876 in Turin, 1881 in Neapel, Er 
ift mit ebenio großem Verdienſt auf den Gebieten 
des internationalen Privat: und Strafrechtö wie 
auf dem des Vollerrechts tbätig. Sein erjtes 63* 
Werk «Nuovo diritto internazionale pubblico» 
(Mail. 1865) wurde 1869 von Pradier⸗Fodere ins 
Franzöfiiche überfegt; eine zweite Ausgabe erſchien 
alö «Trattato di diritto internazionale pubblico» 
in 8 Bon. (Zur. 1879 — 84; ſpaniſch von Garcia 


nördlich von Saarburg, linl3 von der Saar, an der ı Morano 1880; franzöfiib von Antoine 1885); die 


714 


3. Auflage in Turin 1887—91. Ihm ſchließt ſich 
an «Ördinamento giuridico della societä degli 
stati. Il diritto internazionale codificato e la 
gua sanzione giuridica» (Tur. 1890; franzoſiſch von 
N. Chrétien, Par. 1890). Ferner find zu erwähnen 
«Del fallimento secondo il diritto internazionale 
privato» (Pifa 1873) und «Effetti internazionali 
delle sentenze e degli atti» (TI. 1, 1875; TL. 2, 
1877; lesterer als «Trait& de droit pénal inter- 
national et de l’extradition» überfeßt von Eh. An: 
toine, 2Bde., Par. 1880), und endlich «Diritto inter- 
nazionale privato» (lor. 1869; 3. Aufl. in 9 Bon., 
Zur. 1888 fa.; franzöfifch nach der 1. Ausg. von 
Bradier-Fodere, Var. 1875; nach der 3. Aufl. über: 
jest von Ch. Antoine, Bd. 1 u. 2, ebd. 1890—91). 
Außerdem veröffentlihte er «Delle disposizioni 
generali sulla pubblicazione, interpretazione ed 
applicazione delle leggi» (Zur. 1886) und «Dello 
stato e della condizione giuridica delle persone» 
(Bd. 1, Neap. 1893). [Roabem (f. d.). 
iöre della Neve, Pſeudonym von M. G. L. van 
orelli, Giuſeppe, ital. Arhäolog, geb. 8. Juni 
1823 zu Neapel, erbielt 1845 die Nurficht über die 
Ausgrabungen von Pompeji, wurde aber dieſer 
Stellung 1849 aus polit. Rüdfichten entboben. 
1860 wurde ihm die Aufficht über die Altertümer 
in den ſudl. Provinzen Italiens fowie die Pro: 
[eflur für die Archäologie an der Univerfität zu 
eapel übertragen. Im —* 1862 zum Direktor 
des Nationalmufeums zu Neapel ernannt und mit 
der oberjten Leitung der Ausgrabungen in Unter: 
italien betraut, wurde er 1875 Generaldirektor der 
ital. Mufeen und Ausgrabungen und 1881 Gene: 
raldireltor der Altertümer und fchönen Künſte. 
Seit 1865 war er Senator des Königreichs Stalien. 
Er ſtarb 29. Ian, 1896 in Neapel. Außer mebrern 
numismat. Arbeiten veröffentlichte F.: «Notizia 
dei vasi dipinti, rinvenuti a Cuma dal Conte di 
Siracusa» (Neap. 1853), «Inscriptionum oscarum 
apographa», «Pompeianarum antiquitatum histo- 
ria» (2 Bde., ebd. 1853), «Cataloghi del Museo Na- 
zionale di Napoli», «Relazione delle scoperte 
archeologiche fatte in Italia dal 1846 al 1866» 
(Bd. 1, ebd. 1866), «Gli scavi di Pompei dal 1861 
al 1872» (ebd. 1873), «Descrizione di Pompei» 
(ebd. 1875), «Documenti inediti per servire alla 
storia dei musei d’Italia» (4 Bde. Flor. 1878 fg.). 
Ferner redigierte F. die «Annali di numismatica» 
(1846—51), das «Giornale degli scavi di Pompei» 
(1853) fowie die in den «Atti della Accademia dei 
Lincei» feit 1876 erfcheinenden «Notizie degli scavi 
di antichitä». 
orelli, Tiberius, ſ. Scaramuz. 
orentino, —— ital. hbiloſoph, geb. 
1. Mai 1834 zu Sambiaſe bei Nicaſtro in Gala: 
brien, war Lehrer der Philoſophie erft an den 
Gymnaſien zu Spoleto und Maddaloni, dann an 
den Univerfitäten Bologna, Piſa und Neapel, Mit: 
glied des ital. Parlaments und gab in Verbindung 
mit Tallarigo das «Giornale Napoletano di filo- 
sofia e lettere» heraus. Er jtarb 22. Dez. 1884 in 
Reapel. Als Schüler Spaventas gehörte er der 
Hegelihen Richtung an, wandte ſich aber fpäter 
einer naturaliſtiſch realiftifchen Denkweiſe zu. Er 
fhrieb: «La filosofia contemporanea in Italia» 
(Neap. 1876), «Pietro Pomponazzi» (jFlor. 1868), 
«Bernardino Telesio» (2 Bde., ebd. 1872), «Andrea 
Cesalpino» (ebd. 1879), «Il risorgimento filosofico 
del quattrocento» (ebd. 1884), « Lezioni di filoso- 


Fiore della Neve — YFirän 


fia» (für das Obergymnafium, 11. Aufl., ebd. 1891). 
5. begann auch eine Ausgabe der Werte Giordano 

runos (Bd. 1 u. 2, For. 1879 u. 1884) und ver 
öffentlichte die Gedichte Tanſillos and 1882). 

Florenzuöla d'Arda, Hauptitadt des Kreiſes 
3. (68778 €.) in ber ital, Provinz Piacenza, 
27 km im SD. von Piacenza, rechts an der Arda 
und an ber Linie Parma: Piacenza des Adriatiſchen 
und Mittelmeerneges, bat (1901) ald Gemeinde 
7700 €., in Garnifon ein Bataillon Infanterie, eine 
Kollegiatlirhe; Hanf-, Getreide: und Weinbau. — 
F., mittellat. Florentiola, brachten im 15. Jabrb. 
die Pallavicini, 1587 Aleflandro Farnefe an fid. 
In der Nähe die Ruinen von Velleja. 

Fidri da Urbino, Beiname des ital. Malere 

Federigo Baroccio (f. d.). 

ioringraß, |. Agrostis. 

iorint, Matteo, ital. Geograpb, geb. 14. Aug. 
1827 zu Selinano (Provinz Alefjandrıa), ftubierte 
1844 in Turin, wo er ſich 1848 für mathem. Disci- 
plinen habilitierte und zugleih als Wafjerbauins 
genieur thätig war, wurde 1858 Mitglied der Pie 
monteſiſchen Eajtraltommiffion und 1860 ord. Bros 
fejlor der Geodätik in Bologna, in welcher Stellung 
er his zu feinem am 15. Jan. 1901 erfolgten Tode 
verblieb. Sein Hauptgebiet war die Kartograpbie. 
Gr ſchrieb unter anderm: «Le projezioni delle carte 
geografiche» (Bologna 1881), «Gerardo Merca- 
tore e le sue carte geografiche» (ebd, 1889), «Le 
sfere cosmografiche e specialmente le sfere ter- 
restri» (im «Bolletino della Societä Geografica 
Italiana», Rom 1893; deutih von Günther u.d. 2. 
«Erd: und Himmelsgloben, ihre Gefbichte und Hons 
ftruftion», Lpz. 1895), «Sfere terrestri e celesti di 
autore italiano oppure fatte o conservate in Ita- 
lia» (Rom 1899). 

Fiorino (ital., gleichbedeutend mit Gulden), 
Name einer Goldmänze im alten Florenz (f. Gulden 
und Dulaten), einer frübern Gelvgröße und einer 
Silbermünze im Großberzogtum Toscana. Biel 

eringer al die alten Fiorini d’oro (nur etwa *,, 
[ic war die fpätere Rechnungsgröße des Namens 

„von 1, toscan. Lire, 33", Soldi oder 100 Duat: 
trini. Ber Einführung der — — nach ital. Lire 
wurde die toscan. Lira zu 0,84 ital. Lire oder Fran⸗ 
fen tarifiert, was für den F. 1,4 Fr. (ju 05 M)= 
1,134 M. ergiebt. [j. Roloratur. 

en (ital., « Blüten»), in der Muſik, 

irän, Dafe auf der Halbinfel Sinai, im frucht⸗ 
bariten Thal derjelben. Es tritt bier, am Fuße 
des Serbäl, das einzig perennierenbe Wafler, ein 
Heiner Bad, aus dem Felſen, um bald darauf, bei 
der Krümmung El:Heswe, wieder im Boden zu vers 
ſchwinden. Lepſius («Reife von Theben nad der 
Halbinfel des Sinai», Berl. 1846) verlegt bierber 
Rapbirim, wo Moſes Wafler aus dem Felſen 
hlägt, und den Ort, mo er am Berge Gottes 
malef überwindet. Vei F., beionders aber nord» 
weſtlich im Wadi el-mulattab, finden fich die je 
finaitijchen yrihriften aus dem 1. bis 6. Nabrb. 
n. Chr., rob eingerite Figuren von Menjcen, 
Tieren und Buchſtaben an den Felswänden, die 
nah Euting («Sinaitische Anichriften», Berl. 1891) 
von Kameltreibern und bejonder® auch von flaufs 
leuten berrübren, die auf den MWeideplägen des 
Sinai Halt madten, bis fi ihre von den Reife 
ſtrapazen angegriffenen Raramanenltamele wieder 
erholt hatten. Schon im 4. Jahrh. hatte F. Kloſter 
und Kirche mit einem Biſchof von Pharan oder 


Fircks — Firenzuola 


dem Berge Sinai, für den man damals den nahen 
Serbäl Belt Der Abfall der Mönde von F. zur 
monotbeletijchen lebre veranlaßte aldvann die 
Gründung des Sinaillofterd® auf dem Dſchebel 
Müfa durch Auftinian I. 
ircks, Theodor, Baron von, ald Schriftiteller 
befannt unter dem Namen Schedo⸗-Ferroti, geb. 
7. April 1812 zu Kalwen in Hurland, war als In— 
enieuroffizier längere Zeit in Sübrußland und der 
i — Ar 1860 wurde er biplomat. 
a 


—— nds in Brüffel, mußte aber die 
eig feier feiner zu Gunften Polens ver: 
faßten Schri 


«Lettre d’un patriote polonais au 
gouvernement national de la —— (Berl. 1863) 
Se eben. Er lebte fortan in Dresden und ftarb da⸗ 
ſelbſt 25. Oft. 1872. F. war feinerzeit neben Herzen 
der einflußreichfte polit. Schriftiteller Rußlands. 
in Hauptwerk find die «Eitudes sur l’avenir de la 
Russie» (10 Bde., Berl. 185668; einzelne öfter), 
das die Bauernbefreiung, den Abjolutismus, den 
Adel u. f. mw. behandelt. Daran reihen fi: 
«Lettres sur l’instruction populaire en Russie» 
3. 1869) und «Die internationale Arbeiter: 

eme u (Berl. 1872). 
rdäfi, Abu -Kakim Mankütr, der berübmtejte 
epiſche Dichter der Tale eb. 939 in Schadab bei 
Zus in Choraſſan (daber jein Beiname Tüft) auf 
der Befigung Firdus fein betannterer Bei: 
name); nad des perf. Dichter Dſchami Erzählung 
oll er F. (richtiger Firdaußi, nad neuperf. Aus: 
prache Firdoußi, d. 1. auch der Paradieſiſche) des- 
alb benannt worden fein, weil er den Hof bes 
ultans von Ghasni durch feine Gedichte in ein 
Paradies verwandelt habe. Seinen Ruhm ver: 
dankt er dem faft 60000 Doppelverje enthaltenden 
Schähnäme («Königsbudh»), einer en Dar: 
ftellung der perj. Geſchichte von der Erſchaffung 
ber Welt bis zum Untergang ber Safjaniden. Die 
Entjtebung dieſes Heldengebichts erzählt die im 
15. Jahrh. verfaßte profatiche Einleitung zu dem: 
elben, die im ganzen zuverläffige Nachrichten ent: 
L den erſten J des legten Saſſaniden 
Sdegerb III. (632 — 651) wurde ein großes Ge- 
chichtsbuch in der Pehlewiſprache oder Sprache der 
sarther und Safjaniden, das Khudäinäme (« Rd: 
nigsbudy), vollendet, das im Drient weit verbreitet 
war und aud ins Arabifche überfeht wurde. Die 
Sultane von Chorafjan gaben die Anregung zu einer 
metriihen Behandlung desjelben, welche von Daliki 
unter der Dynaftie der Samaniden —— von 
F. aber in großartigem Stil, in dem Versmaß des 
epiſchen Reimpaares (jede der beiden Zeilen iſt ein 
Elffilbler von vier Bacchien, deren vierter um eine 
Silbe verkürzt ift) vollendet ward. Sein Volt der 
Erbe bat dem Schähnäme ein feine ganze Ber 
gangenbeit behandelndes hiftor. Gedicht von gleichem 
dichteriſchem Gehalt zur Seite & ftellen. 5. ſoll 
—* dem —— u dar e. nur — 
n angen und fi eine Satire gerächt 
han ie ihm den Zorn des Sultans und zeitweis 
ige Berbannung zuzog. Doc ftarb er 1020 mit 
ahmud —— hinterließ keine Nachkom⸗ 
men, ein Sohn war ihm in jungen Jahren geſtor⸗ 
en Schickſalsſchlag findet ſich 


ben (die Elegie auf di 
im Schähnäme). 

Die Handſchriften des Schähnäme find zahl 
reich, eö giebt beſonders prachtvoll gejchriebene und 
mit Miniaturen gezierte (einige Nacbıldun en ohne 
Farben in Dubeur’ «La Perse», Bar. 1841); ſie geben 


115 


auf den Tert zurüd, welcher 1425 auf Beranlaffun 
des Baifangar Chän, eines Enlels Timurs, na 
vielfacher Berverbnis durch zahlloſe in ige ber» 
geitellt worden war. Die Hauptauägaben find bie 
von Turner Macan (4 Bde., Kallutta 1829), von 
Jul. Mohl (mit franz. Überjegung, lebtere auch 
befonders veröffentlicht, 7 Bpe, in Fol. Bar. 1838 
— 78) und J. A. Bullers (durch des Herausgebers 
Tod unterbrochen, 2 Bde. und 3 Hefte des 3. Ban⸗ 
des, Leid. 1877— 83). Im Drient giebt es lithogra: 
bierte Ausgaben, oft mit Alluftrationen; unter 
ibnen ift 3.8. die 1851 in Teberan erfchienene, von 
Mohammen Mehdi von Ispahan, nah T. Macans 
Ausgabe litbograpbiert. Eine von Lumsden (Kal 
futta 1811) begonnene Ausgabe wurde nicht fort 
geſetzt. Überfeht find nur einzelne Teile des Schäh- 
näme, wie die Tötung des Suhrab burd feinen 
Vater Ruftem von Atlinfon (mit dem perſ. Tert, 
Kaltutta 1814), von Pig (Barma 1872), von 
Rüdert (in ganz freier Nachbildung «Roftem und 
Subrab», Erlangen 1838). Die von Ehampion bes 
gonnene Überjehung blieb beim erften Bande fteben 
(Zond. 1788; durd fie erbielt Schiller die Anregung 
zu den Rätfeln ver Turandot), auch Atkinfons Über: 
jeßung («The Shah Nameh», ebd. 1833; neu bg. 
1886 u. 1892) giebt nur Auzzü e. gie 
Auszüge finden fich in Görres’ « Heldenbub von 
Fran» (2 Bve., Berl. 1820); Weib von Startenfels 
überjehte die Geſchichte von Säl und Rudabeh (Wien 
1840) und die des Hai Hämwiıs (ebd. 1851). Das Beſte 
in diefer Art ift des Grafen Ad. Friedr. von Schad 
Uberſetzung von 19 zum Teil unmittelbar nn 
der folgenden, zum Teil durch orientierenbe Anal 
jen in Zufammenbang gejegten Abichnitten, mit 
meilterhafter Wiedergabe des Eindruds des Drigir 
nals: «Heldenfagen von 3.» (Berl. 1865; 3. Aufl., 
3 Bbe., Stuttg. 1877), eine Verbindung zweier früber 
ejondert erſchienener Werte, der «Heldenfagen von 
# (Berl. 1851) und der «Epifhen Dichtungen aus 
dem Perfifchen des %.» (2 Bpe., ebv. 1858). Eine 
Überfegung Nüderts wurde von Bayer herausge⸗ 
geben («Firdofis Königsbud», 3 Bde. ebd. 1890— 
35). Schon im 12. Jabrb. wurbe ein Auszug des 
Schähnäme von Kawäm ed-din Abu ’l- Fatab in 
arabijcher, 1510 durch Tätär Alu Efendi eine Bear: 
beitung in türfifcher, 1846 eine Por e in binduftan, 
Sprache durd den Munſchi Molangefertigt. Andere 
Werte findet man in von Hammers « Geichichte der 
ibönen Redelünſte Perſiens» (Wien 1818), S. 56, 
angeführt. Ein anderes epiiches Gedicht des F. if 
das noch nicht veröffentlichte von Auffuf und Sur 
leiba (deutfh von D. von Schlechta⸗Wſſehrd, Mien 
1889), das er in Bagdad zur Zeit feines Erilö ver: 
faßte und en Echtbeit mit Unrecht bezmeifelt 
worden 2 i in neuerer Zeit find durch Herm, 
Erbe bie lyriſchen Gedichte 5.8 belannt ge 
worden (in den «Sitzungsberichten der Tönigl. 
eine Alademier, Münd. 1872 u. 1873). — 
Bol. Nölvele, Das iranijche Nationalepos (Straßb. 
1896). 
Fire Eater (engl., ſpr. feir ibt’r, d. b. Feuer: 
[reilen), ein [eivenfchaftficher übereilt bandelnder 
enſch, in der norbamerif. Barteifprache von den 
fanatifchen Fübrern der Stlavereipolitif gebraucht. 
Firenf, |. rent. 
Firenze, ital. Name von Florenz. 
gem uola, Angelo (Agnolo Giovannini), ital. 
Schriftſteller, geb. 28. Sept. 1493 zu Florenz, ftur 
dierte zu Siena und Berugia, trat in den Orden 


716 


von Ballombrofa und hielt fi mehrere Jahre in 
Rom auf, wo er drei Pfrunden erhielt. Seit etwa 
1530 biß zu feinem Tode (gegen 1545) lebte er in 
Prato. Seine Werte beiteben in burlesten Verſen, 
yei Komödien («I Lucidi» und «La Trinuzia»), 
einer Überfegung von Apulejus' «Goldenem Ejel», 
+ Discorsi degli animali» (in Profa), dem Dialog 
» Delle bellezze delle donne», zehn Novellen und 
einer Schrift gegen Triffinos orthographiſche Neue: 
rungen («Discacciamento delle nuove lettere»). 
Sefamtausgabe feiner Werte von Biandi (Flor. 
1848). — Val. Novelle di A. F. seguite dai discorsi 
delle bellezze delle donne e dai discorsi degli 
unimali (hg. von Guerrini, Flor. 1886). 
Fire-test (engl., fpr. jeir, d. b. Feuerprobe), 
die amtliche Beitimmung der Entzündungstempe- 
ratur des Petroleums (f. gr 
irifchte, — aßim Hindüfchäh, perſ. 
Geſchichtſchreiber Indiens, geb. um 1550 zu Nitra: 
bad, fam 1589 nad Bidſchapur an den Hof des 
Ibrahim Adil Schäb, in deſſen Auftrag er eine Ge: 
dichte der mohammed. Dynaftien Indiens von dem 
uge des Hedihadic gegen Sindh und Multan im 
Jahrh. und von den * erobernden Sul⸗ 
tanen von Ghasni an (Anfang des 11. Jahrh.) bis 
1606 verfaßte. Diefes Mi e, nad 32 vom Verfafler 
Bampaft gemachten Geihichtsbücern bearbeitete 
Wert ift befannt u. d. T. Tärikh-i Firischta 
(«Chronik des F.v), der aller felbjt nannte e3 
Gulschan-i Ibrähimi («Rofenbain Jbrabims»), in 
der zweiten Ausgabe von 1609 Tärikh-i Nauras- 
näme («Ehronil des Naurasbuch3» ; die Stadt Nau⸗ 
ras war 1599 von Adil Schab gegründet). Der 
— * Text wurde in Bombay und Lalhnau 1831 
ithographiert; —— Partien wurden von Alex. 
Dow («History of Hindostan», 3 Bde., Lond. 1768 
— 72), Anderjon («Account of Malabar» in «Asiatic 
Miscellany», 1786) und Jonathan Scott («History 
of Dekkan, translated», 2. Aufl., 2 Bve., Lond. 
1800) befannt gemacht, das ganze Wert uberſeßt von 
Sohn Briggs ÜThe history of the rise of the Mo- 
bammedan power in India till 1612», 4 Bbe., ebd. 
1829). Die Einleitung über die Hindulönige wurde 
überjegt von Dowſon in H. M. Elliots «History of 
India» (8 Bde. Lond.1867— 77). — Vgl. Rieu, Cata- 
logue of the Persian manuscripts in the British 
Museum (Lond. 1879), ©. 225, wo fi auch die fon: 
ftine Litteratur über F. findet. j 
Firtin (jpr. för-). 1) Älteres brit. Biermaß, in 
den Vereinigten Staaten von Amerila noch im 
Gebraud, von zweierlei Art: das F. Ale = 8 alte 
Bier-⸗Gallons = 2256 engl. Kubikzoll = 36,688 1; 
das F. Borter = 9 alte Bier-Gallons = 2538 engl. 
Kubitzoll = 41,58985 1; 1 Porter-Firfin = 1”), Ale: 
Firlin, oder 8 Porter: Firlin = 9 Ale: Frlin; 
2) jegiges, ſeit 1826 geſehliches brit. Maß für alle 
Bierjorten, von 9 Jmperial:Gallons=2495 46 engl, 
Kubitzoll = 40,811 1; 3) ältere brit. Gewichtäjtufe 
ir Butter und Seife: das F. Butter (au in den 
ereinigten Staaten von Amerila) = 56 Handels: 
pfund (Bfund — 254012 kg; das F. 
weiche Seife = 64 Handelspfund = 29,0299 kg. 
Firle, Walther, Genremaler, geb. 22. Aug. 
1859 zu Breslau, bilvete ſich auf der Münchener 
Alademie und im Atelier von Löffs. Durd die 
franz. und bolländ. Schule beeinflußt, malte er unter 
anderm: — in einem bolländ. Waiſen⸗ 
baufe (1885; Berliner Nationalgalerie), Die Sonn: 
tagsichule (1886; Budapeft, Muſeum), Im Trauer: 


Fire-test — Firma 


baufe (1888; Muſeum in Breslau), Näbftunde 
(1888), In der Genejung (1892; Mufeum in Magde⸗ 
burg), Der Glaube (Triptychon, 1898; Mujeum in 
Leipzig), Heilige Nacht (Triptychon, 1897; Bremer 
Runftkalle), BVergieb uns unfre Schuld (Mufeum in 
Köln), Morgenandadıt (feit 1901 im Städelſchen In⸗ 
ftitut zu Frankfurt). Der Künftler lebt in Münden. 

Firlefanz, im Mittelalter Name eines Tanzes; 
dann Bezeihnung für etwas Läppiſches, Geden- 
baftes, Flitterlram, Poſſen, auch für einen läppi- 
ſchen, gedenbaften Menicen. 

Firlot (ipr. för-), älteres ſchott. Maß für jchütt- 
bare feite Körper, ein Viertel des Boll (f.d.). Das 

. war zmweierlei: 1) für Weizen, Roggen, Erbjen, 
Bohnen, Futterlörner und mweihes Sal; (F. von 
Linlithgow, das Normalmaß)—=21*/, ſchoit. Flüffig- 
leits-Pints = 7,925 engl. Imperial: Gallong oder 
0,3906 Imperial⸗Buſhels = 36,00588 1; 2) für Gerfte, 
Malz, Hafer, Kartoffeln und Obſt = 31 ſchott. 
Flüftigleits:Pints = 11,561 engl. IJmperial-Gallone 
oder 1,1151 Imperial:Bufbels = 52,52028 1. 124 $. 
der eriten Art waren = 85 5. der zweiten Art. 

Firm (lat.), feit, fiher, geübt. 

Firma (engl. firm; franz. raison; ital. firma, 
ragione; fpan. firma comercial; bolländ. und 
portug. firma), vom lat. firmare (was im Mittel: 
alter die Beitätigung einer Urkunde mit der Unter 
fchrift oder dem Warenzeichen des Kaufmanns ber 
deutete) fommendes Wort, das den Namen, unter 
welhem der Kaufmann im Handel feine Geſchäfte 
betreibt und feine Unterfchrift abgiebt, bezeichnet, 
Am Deutihen Neihe find die Beitimmungen über 
die faufmännifchen F. in den $$. 17—87 des Han» 
delsgeſeßbuchs enthalten. Diejelben finden feine 
Anwendung auf Handwerker fowie auf Perſonen, 
deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang bes 
Kleingewerbes binausgebt ($. 4). Im übrigen i 
die F. wie das Warenzeihen eine allen handel— 
treibenden Nationen belannte Einrichtung. Beide 
dienen dazu, für die gefhäftlihen Beziehungen nach 
außen das Geihäft unabhängig von dem Wechſel 
der Verfonen zu machen, indem he das durd Soli: 
dität der F. und der Ware erworbene Vertrauen dem 
Geihäft erhalten. Daber werden für gute alte B; 
wie für renommierte Warenzeichen bisweilen bo 
Preije gezahlt. Doc ift nad 8.23 des Deutjchen 
Handelsgeſeßbuchs die Veräußerung einer F., ab: 
geſondert von dem Handelsgeſchäft, ei welches fie 
geführt wird, nicht zuläffig. Der Kaufmann, welcher 
ein unter Lebenden erworbenes Handelägefhäft 
unter der bisherigen F. mit oder ohne Beirügung 
eines das Nacfolgeverbältnis andeutenden Zus 
ſatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des 
Geſchäfts begründeten Berbindlichleiten des frübern 
Inhabers, wenn nicht in handelsüblicher Weife das 

egenteil befannt gemacht wird 6 25). Dasjelbe 

ilt bei Umbildung eines Geſchäfis in eine Beer, 
if binfichtlih des perſönlich —*— Geſell⸗ 
chafters und des Kommanditiſten, ſelbſt dann, wenn 
die Geſellſchaft die frühere F. nicht fortführt (8.28). 

Nah deutihem Recht darf ein Kaufmann, welder 
fein Geſchäft ohne Gejellihafter oder nur mit einem 
itillen Gejellibafter betreibt (Einzellaufmann) 
nur feinen Familiennamen mit minbejtend einem 
ausgeichriebenen Vornamen als F. en Er darf 
der F. feinen Zujaß beifügen, welder ein Gefell: 
ihaftsverhältnis andeutet. Dagegen find andere 
Zufäße geitattet, welche zu näherer Bezeichnung ber 
Werf on oder des Geſchäfts dienen, jedoch nicht ſolche 


Firmament — Firmenid-Richark 


welche über Art oder Umfang des Geſchäfts u. f. w. 
täufchen können (f. auch Unlauterer Wettbewerb). 
Die F. einer Offenen ng La RU 
muß den Namen wenigiten® eines der Geſellſchafter 
mit einem das Vorhandenſein einer Gejellihaft ans 
deutenden Seh enthalten. Die 5. einer Kom: 
manditgejellihaft muß den Namen wenigſtens 
eines perjönlic haftenden Geſellſchafters mit einem 
das Vorbandenfein einer Gejellibaft andeutenden 
gg ger Soc ea ra 
omwie die F. einer Kommanditgeſellſchaft auf Altien 
muß in der Regel von dem Gegenſtande ihrer Unter: 
nehmung entlebnt fein (Sadhfirma). Die eritere 
3. hat außerdem die Bezeichnung Altiengeſellſchaft, 
die legtere die Bezeichnung Kommanditgeſellſchaft 
auf Aktien zu * ($. 20). — Diele Beftim: 
mungen find indejlen dabur für viele Fälle be 
deutungslos, daß derjenige, welcher ein Handel: 
geihäft unter Lebenden oder von Todes wegen er: 
wirbt, dasſelbe unter der biäherigen F. mit oder 
ohne einen das Nachfolgeverhältnis andeutenden 
ah fortführen fann, wenn der bisherige Ge 
häftsinhaber oder deſſen Erben in die Fortführung 
der F. ausprüdlich willigen. So kann die F. eines 
Einzeltaufmanns fortgeführt werben, wenn derjelbe 
durd Aufnahme eines Teilbabers eine Offene Han: 
delögejellibaft oder eine Kommanditgeſellſchaft be: 
gründet. Ebenjo kann eine Geſellſchaftsfirma weiter 
x übrt werden durd einen Einzellaufmann. Das 

eiche gilt, wenn jemand auf Grund eines Nieß⸗ 
braubs, Pachtvertrags oder eines ähnlichen Ber: 
bältnifies das Gefhäft übernimmt, und wenn in 
einer — ——— der Name eines Geſellſchaf⸗ 
ters ſteht, bedarf ed zur Fortführung der F. bei 
feinem Ausſcheiden feiner Einwilligung. Freilich 
tönnen bei folder Zuläffigleit des unveränderten 
Fortführens der biäberigen F. Taufchungen und Jrr⸗ 
tümer über die — des Geihäftsinhabers ent: 
fteben. Daher haben nah der Gewerbeordnung 
8. 15a) alle Gewerbsleute mit offenem Laden ihren 

miliennamen, wenn dieſer nicht aus der F. zu 
erjeben ift, nebjt Vornamen an dem Laden in deut: 
lich lesbarer Schrift anzubringen. Über die F. einer 
Gejellfhaft mit beſchränkter DAIEBRET dv, 
und über die F. einer Erwerbs- und Wirt: 
ſchaftsgenoſſenſchaft ſ. d. 

In Oſterreich gilt das Allgemeine Deutſche Han: 
delsgeſeßbuch von 1861, auch Ungarn fchließt fich 
—— daran an. Die Beſtimmungen für bie 
Schweiz find in dem Obligationenrecht Art. 865 fg. 
enthalten. Danach bat jeder, mwelder ſich durch 
Verträge verpflibten kann, das Recht, fib in 
das Handelsregiſter feines Wohnortes eintragen 
u lafien; und wenn er unter einer F. ein Ge 
Inäft betreibt, fann er die F. in das Handels: 
tegijter des Ortes, wo er feine Hauptnieberlaffung 
bat, eintragen laffen, und nachdem dies gejcheben 
ift, aud am (andern) Drte der Zweignieberlajjung 
eintragen laflen. Wer ein nad faufmännifcher Art 
geführtes Gewerbe betreibt, ift zur Cintragung ver: 
pflichtet. Bezüglich der Wahl ver F. beſteht abwei: 
hend von Deutichland das franz. Syſtem der Wabr: 
beit der F. Danach find zwar die deutichen Beitim: 
mungen über die F. des Einzellaufmanns und der 
Handelögejellichaften entiprehend nachgebildet; es 
ift aber vorgeſchrieben (Art.872), daß, wenn eine Per: 
fon, deren Name in einer Kollektiv: (Offenen Handels: 
geſellſchaft) oder a, aufgenom: 
men ijt, aufhört, Mitglied der Gejellichaft zu fein, 


717 


auch mit Einwilligung dieſer Berjon oder ihrer Erben 
die bisherige Gejellibaftsfirma nicht beibehalten 
werben darf. Der Erwerber oder libernebmer eines 
beſtehenden Geſchäfts hat feine F. fo zu führen wie 
im Falle ver Neubegründung. Er darf nur einen 
dad Nachfolgeverhältnis andeutenden Zufaß bei- 
von (Art. 874). Die vor dem 1. Yan. 1883 be: 
tebenden %. durften, wenn fie dem Gefek nicht 
entipraden, nur bis 31. Dez. 1892 fortbeiteben und 
mußten fi ſchon vorher den Vorſchriften des 
Gejehes fügen, wenn irgend eine Anderung der F. 
vorgenommen wurde (Art. 902). 
ie das Schweizer Gejek fchreibt das Deutſche 
vor, daß jeder Kaufmann verpflichtet ift, feine F. 
bei dem Handelsgeriht zur Eintragung in das 
Handelsregiſter anzumelden ($. 29). Wenn die 5. ges 
ändert wird ober erlifcht oder der Ort der Nieder: 
lafjung verlegt wird, oder wenn die Inhaber der F. 
ſich ändern, jo ift Dies anzumelden. Ebenjo wenn eine 
Handelsgeſellſchaft in Liquidation tritt. Das Geſen 
beitimmt die Folgen, welche fih an die Eintragung 
und an die Unterlafjung derjelben nüpfen ($. 15). 
Das Handelögeriht kann die Beteiligten zur Ber 
folgung diejer Vorſchriften durch Ordnungsſtrafen 
anhalten ($. 14). Kann auf dieſem Wege die Eins 
tragung, daß eine %. erlojchen ijt, nicht berbei- 
efübhrt werden, jo hat das Handelägericht das Erlö: 
Pen von Amts wegen einzutragen (8.31). Handelds 
ana hi fönnen unter ihrer F. Hagen und verr 
lagt werden, au Grundftüde erwerben, fo daß bei 
dem Eintritt oder bei dem Austritt eines Geſell— 
Wahr eine Umſchreibung im Grundbuche nicht er⸗ 
orberlich ift, wenn die Geſellſchaft troß der Unde⸗ 
rung der Perſonen befteben bleibt. 

Jede neue F. muß fib von allen an demfelben 
Drte oder in derfelben Gemeinde beſtehenden und 
in das en eingetragenen F. unter 
iheiden ($. 30). Das Hecht zu firmieren haben 
der Inhaber der F., der von demſelben beitellte 
Prokuriſt ($. 51), der Handlungsbevollmädtigte 
(8.57) — beide mit einem entiprechenden yulap _, 
der Vertreter einer Handelsgeſellſchaft, der Borftand 
einer Genofjenihaft. Wer dur den unbefugten 
Gebraud) einer F. in feinen Rechten verlept ift, kann 
den Unberedtigten auf Unterlafjung ver weitern 

hrung der F. und Schabenerja verklagen ($.37). 

tab dem —— zum Schutze der Warenbe⸗ 
zeichnungen vom 12. Mai 1894 wird der wiſſentliche 
Mißbrauch der F. in Briefen, Ankündigungen u. ſ. w. 
mit einer auf Antrag zu verhängenden Strafe (150 
— 5000 M. oder bi8 6 Monate Gefängnis) beitraft 
und iſt Entſchädigung zu leiften. Nach $. 8 des Ger 
feßes zur Belämpfung des unlautern Wettbewerbs 
vom 27. Mai 1896 ift Shadenerjagpflichtin, wer im 
geſchäftlichen Verkehr eine F. in einer Weiſe benupt, 
welche darauf berechnet und geeignet ift, — 
lungen mit der F. hervorzurufen, deren ſich ein 
anderer befugterweife bedient. Auch kann Unter: 
laflung verlangt werben. 
irmament (as j. Himmel. 
irmelung, |. Firmung. 
irmen, Mebrzabl von Firma (f. d.). 
——————— yo: Mattbias, Dichter 
und Germanift, geb. 5. Juli 1808 in Köln, bereifte 
nad Beendigung feiner Univerfitätsftudien zu Bonn 
und Münden längere Zeit Deutſchland, Jtalien, 
anfreih u. f. w., wurde in Rom, wo er zwei 
abre weilte, mit Thorwaldſen, Horace Vernet, 
oh, Reinhart und Gornelius befannt und lebte 


718 


päter innig verbunden mit Anaftafius Grün in 
ien, wo aud jeine Tragödie «Elotilda Montalvi» 
(Berl. 1840) entitand. Später wobnte F. in Köln 
und Düfjeldorf, jeit 1839 in Berlin, wurde 1860 zum 
Profejlor ernannt und ftarb 10. Mai 1889 in Pots⸗ 
dam. Sin Berlin veröffentlichte er die «Tpayobdra 
"Poupaix&» (2 Tle., Berl. 1840—67), neugried. 
Bollsgelänge in Original und Überfekung. Von 
feinen eigenen Dichtungen in hochdeutſcher, engl., 
neugrieb. und andern Spraden iſt nod feine 
vollftändige ern ggg doc baben ein: 
yon feiner deutfchen Yieder, von Küden u. a. in 
Muſil geſetzt, wegen ihres vollstümlichen Charak— 
ters Beifall gefunden. Sehr verdient machte ſich 
F. durch Begründung des Nationalwerles «Germa— 
niens Bölferftimmen» (3 Bde., Berl. 1843 —66; 
Nachträge 1867), der teihbaltigiten Sammlung für 
deutſche Mundarten in Dichtungen, Sagen u. ſ. w. 
Eine ähnliche Sammlung für die Mundarten der 
franz. Spracde regte F. 1851 bei Napoleon IL. an, 
Als Volititer wirkte er für die Gründung eines 
Nationalvereing zum Schuße des Deutſchtums. 
irmenregiiter, |. Hanbeläregiiter. 
— d. 17. 
irmian, Karl Joſ., Graf von, dfterr. Staats⸗ 
mann und Kunſtfreund, geb.6. Aug. 1716 zu Deutſch⸗ 
metz in Tirol, erhielt feine Bildung zu Erthal, Inns⸗ 
brud, Salzburg und auf der Univerfität zu Leiden 
und begab ſich and nad Frankreich und Italien, 
mo er jeinen Geſchmad für die jhönen Künjte aus: 
bildete. Als Franz I. 1745 den deutichen Kaiſerthron 
bejtiegen hatte, febrte F. nach Deutichland zurüd 
und widmete fih den Staatögeibäften. Maria The: 
refia ernannte ihn 1753 zum Gejandten in Neapel 
und 1759 zum bevollmädhtigten Minijter in der Lom⸗ 
barbei, wo er fih dur Hebung des Aderbaues, 
bed Handels und ber — und durch Förde 
rung der Wiflenihaften, insbejondere dur Errich— 
tung von Bibliotbefen hervortbat. . Ausgezeichnete 
Verdienfte erwarb er fih namentlich um die Stabt 
Mailand. %. ftarb 20, Juli 1782 und binterließ 
eine auserlejene Bibliothet von 40000 Bänden und 
toftbare Kunitfammlungen. — Bol. Biblioteca Fir- 
ıniana (10 Bde., Mail. 1783). 
Leopold Anton, Graf von F., Dbeim des 
vorigen, geb. 27. Mai 1679, ſeit 1727 Erzbiſchof 
von Salzburg, ift berüchtigt durch die Berfolgung der 
Proteftanten in jeinem Erzbistum, die, gegen 30.000 
an Zahl, im Winter 1731 —32 gewaltjam genötigt 
wurden, aus dem Lande zu wandern und zum großen 
Zeil dur Friedrich Wilhelm J. in Dftpreußen an: 
gefiedelt wurden. Nicht Neligionseifer allein, jon- 
dern vorzüglich Geiz war es, der ihn bierzu veran- 
laßte. Nicht zufrieden mit den Abzugsgeldern, welche 
die Auswandernden bezablen mußten, ließ er ihnen, 
wo ed nur thunlich, den Prozeß als Empörer machen, 
ſo daß ſie auch — ihres Vermögens verluſtig wur: 
den. Gr ftarb 22. Ott. 1744. Eine Epifode aus die 
fer Vertreibung der Salzburger regte Goethe zu feis 
nem Epos «Hermann und Dorothea» an. — Val. 
Arnold, Die Vertreibung der Salzburger Brote: 
—— (Lpz. 1900); derſ., Die Ausrottung des 
roteſtantismus unter Erzbiſchof F. (Halle 1900). 
Ein anderes Mitglied dieſer Familie war Karl 
Leopold Mar, Grafvon F. — — zu 
Wien, geb. 1766, geſt. 29. Nov. 1831 zu Wien. 
irmicus Matéernus, Julius, lat. Schrift: 
3 er, ſchtieb um 350 n. Chr. acht Bücher über 
itrologie («Matheseos libri VIlI»), worin er im 


Firmenregiſter — Firmung 


Geifte der Neuplatoniter eine vollitändige Theorie 
des ajtrol. Aberglaubens vortrug. Die Schrift wurde 
außer in den «Astronomici veteres» (2 Tle. Vened. 
1499) von Brudner (Baf. 1533 u. 1551), dann von 
Eittl (TI. 1, Lpz. 1894) und endlich von Kroll und 
Slutſch (ebd. 1897 fg.) berausgegeben. 

Um diejelbe Zeit verfaßte ein gleihnamiger chriſtl. 
Autor eine an die Söhne Konitantins d. Gr, Eon: 
itantius und Conſtans, gerichtete Schrift«Deerrore 

rofanarum religionum», über den Irrwahn des 

eidentums, worin die Kaiſer zur völligen Ausrot: 
tung der legten Spuren des Heidentums aufgefor- 
dert werben. Ausgaben von Flacius (Straßb. 1562), 
Burfian (Lpz. 1856) und am beiten mit Minucius 
Felix zufammen von Halm (im «Corpus scriptorum 
ecclesiasticorum latinorum», Bd. 2, Wien 1867). 

Firmieren, einen Geſchäftsnamen (j. Firma) 
führen und mit diefem Namen unterzeichnen. 

Firmin-Didot (jpr. -mäng), Firmin: Didot 
frere3 und Firmin-Didot & Eie., ſ. Didot. 

Firminh, Hauptitadt des Kantons F. im Ar 
rondifjement St. Etienne des franz. Depart. Loire, 
in 480 m Höbe auf einem Berge, an der Linie 
Et. Etienne-Le Puy und St. Rambert F.St. Juft: 
jur:Loire der Franz. Mittelmeerbabn, bat (1901) 
14924, ald Gemeinde 16903 E.; wichtige Stein: 
toblengruben, Glasbütten, Stablwerte (Achſen, Sen: 
fen, — Eiſenwarenfabrikation, Bandweberei 
und Kohlenhandel. 

irmität (lat.), Feſtigkeit, Stärke; firmiter, we 
irmling, ſ. Firmung. tanpba 
irmnamen, Firmpate, ſ. Firmung und Bate, 
irmum Picenum, röm. Kolonie, |. Fermo. 
irmung, aub $irmelung (lat. ConÄrmatio, 
Sacramentum chrismatis, früber auch Unctio, Si- 
gillum), in der kath. Kirche das zweite der fieben 
Satramente, beitebt in Händeauflegen des Biſchofs, 
der Salbung mit dem — * (j. d.) und Gebet. 
Als Wirkung der F. gilt die geiftlibe Stärkung 
durch den Heiligen Geiſt. Schon im Neuen Teita: 
ment findet fih die Vorftellung, daß durch Hand: 
auflegung von Apojteln und sllteften der Heilige 
Geiſt übergeleitet werde. Uriprünglid war die 
——— mit der Taufe verbunden; ſchon 
im 2. Jahrh. fam die Salbung hinzu. Seit bem 
8. Jabrb. wurde im Abendlande die Handauflegung 
von der Taufe zeitlich getrennt und das befondere 
Saframent der F. eingeführt. Während die Taufe 
von jedem Prieſter volljogen werden kann, tit die 
5. den Biſchöfen als Nachfolgern der Apojtel vor: 
behalten. Nur mit bejonderer Ermädtigung des 
Papſtes und in dringenden Fällen wird fie aud 
von Priejtern geipendet. Die griech. Kirche hat den 
alten Brauch, Taufe und g (Salbung) zu ver 
binden und auch letztere durch den Prieiter ſpenden 
zu lafjen, feitgehalten. Der jatramentale Eharafter 
der F. wirb in der kath. Kirche begründet teils auf 
Bibeljtellen, wie Apojtelgeih. 8, 1.—ı7 und 19, 1—$; 
2 or. 1, 21, 22; 1 ob. 2, 20, 27, teild auf die Tra⸗ 
bition, die Lehre der Kirchenväter und die Beſchlüſſe 
mehrerer Konzilien, namentlib des zu Lyon 1274, 
Die F. wird rapie im 7. Lebendjahre erteilt, 
meijt gelegentlih der Jirmungsreijen der Bis 
KM Die F. darf nicht wiederholt werden, meil 
ie der Seele einen «unauslöſchlichen Ebaratter» 
einprägt. Bei dem Ritus jelbjt wird die Stim (in 
der griech. Kirche au Augen, Naſe, Obren, Füße) 
mit dem Chrisma in Kreuzesform bezeichnet mit den 
(lat.) Worten: «ch bezeichne did mit dem Zeichen 


Firn — Firft 


des Kreuzes und Ban dich mit dem Chrisma des 
Heils im Namen des Vaters, des Sohnes und des 
Heiligen Geiftes». Hierauf erhält der Firmling 
einen leichten Badenjtreich zur Erinnerung an Chriſti 
Leiden und als Hinweis auf die eigenen Widerwär: 
tigteiten um des Glaubens willen. Wie bei ber 
Taufe, muß ein Zeuge, der Firmpate (ſ. Pate), 
—— der mit dem Firmlinge durch die 
. in eine Geiſtliche Verwandtſchaft (ſ. d.) tritt, die 
er ſogar Ehehindernis war; auch erhält der 
irmling einen neuen Namen, den Sirmnamen. 
ie Konfirmation (f. d.) in der prot. Kirche ijt von 
ar verſchieden. — Bol. Heimbucher, Die heilige 
3. (Augsb. 1889). { 
Firm (franz. neve), ver Hochgebirgsſchnee in den 
‚ ber 1 durh die oberflählihe Schmel- 
ung und Einfidern des Schmelzwaſſers in Eislörner 
(Sientörner) verwandelt bat, deren jedes ein uns 
volltommener Eiskryſtall ift. Bei fortdauernd ab» 
wechſelndem Schmelzen und Gefrieren (Regela: 
tion, j. Eis) verwandelt ſich der F. in weißes, bla: 
figes Eis, endlich durch Drud und Infiltration von 
ftet3 aufs neue gefrierendem Wafler in fompaltes 
Gletſchereis. Firnmulden beißen die Hochthäler 
der Schneeregion, in denen dieſe Umwandlung 
vor ſich geht, Firnfelder die mit F. bedeckten 
zus änge; beide find die Nefervoirs, aus denen 
die Gletſcher geſpeiſt werden. So entiteht der Aletich: 
letiber aus der Vereinigung des Großen Aletſch⸗ 
—* des Jungfraufirns und des Ewigſchneefelds. 
irnflecken find Heinere, beſonders in den Kalk— 
alpen vortommende Firnfelder. Der fog. ewige 
Schnee ift in feinen ältern Partien immer F. 
Die Firn- oder Schneegrenze ift die Linie, die 
die untern Ränder der dauernden Firnlager ver: 
bindet, und zwar ift fie eine orographiſche Grenze 
dort, wo dieje ald vereinzelte Firnfleden in Schuß: 
lage ver Bodengeltalt oder ver Bodenart vorlommen, 
und eine ee a wo fie die untern Ränder von 
Firnlagern verbindet, Die ausgedehnt und hoch ge: 
legen genug find, um der orographiſchen üns 
ftigung entraten zu können, In manden Alpen 
egenden heißen auch die mit F. bededten Berggipfel 
Sirne oder ferner, und dieſer e wird auch in 
irol für eigentliche Gletjcher angewendet. (S. Glet⸗ 
her.) — Bgl. Heim, Gletſcherkunde (Stuttg. 1888); 
atzel, Schneedede (ebd. 1889). 
rneifen, j. Leberfabrilation (Fig.4). , 
irnewein, auch firner oder Deus 
Bein, alter, abgelagerter Mein, der etwas dunflere 
Farbe und eigentümlihen Geihmad (die Firnje) 
angenommen bat. Ein folder Wein kann lange 
erhalten werben, wenn er, um jein Alter R be: 
leben, von Zeit zu Zeit mit kohlenſäurehaltigem 
geiftigem Wein nachgefüllt wird, jedoch in der Art, 
daß die Firnſe immer vorherrſchend bleibt. Kräftige 
Beine können hierdurch ein jehr hohes Alter er: 
reihen. Im gemwöhnlihen Sprachgebrauch bezeich: 
net firn oder firnig den ältern, rubig gewordenen 
Bein, dichteriſch alten edeln Wein überhaupt. 

Firnfelder, Firnfleden, Firngrenze, j. irn 
(8b. 6) und Schneegrenge (Bd. 17). 

Firnis, fait gleichbedeutend mit Lad (Lad: 
firnis), im allgemeinen eine Flüffigleit, die nad 
ihrer Ausbreitung indünnen Lagen aufdie Oberfläche 
trodner Körper bald trodnet und einen glänzenden, 
harten und meiſt durchſichtigen Überzug liefert, der 
vom Wafjer nicht aufgelöft wird und der Einwirkung 
der Quft mebr oder weniger widerftebt. Im engern 


7119 


Sinne verjteht man unter F. den durch Kochen von 
trodnenden fetten Ölen (Leinöl, Mobhnöl, Nuböl, 
Hanföl) entweder für fih oder mit Bleioryd, Zink⸗ 
oryd, borfaurem Zintoryd u. dgl. erhaltenen OT: 
firnis. (©. Leinölfirnis.) 

- Zade oder Ladfirnisie find Dagegen Löfungen 
von Harzen und ähnlichen Subjtanzen, die je nach dem 
angewendeten Loſungsmittel zerfallen in 1) fette $., 
wenn zum Auflöjen der Harze Ölfirnis gedient bat, 
2) Terpentindlfirnijfe, die Löjungen der Harze 
in Zerpentinöl oder Petroleumbenzin find, und 
8) Weingeiftfirniffe (Glanzfirnifie), dieaus Auf: 
löjungen der Harze in Altohol beitehen. An die Wein: 
geihfenie ſchließen ſich an die ange der Harzein 

olsgeift, Aceton, Chloroform und Schwefeltohlen: 
ftoff. Zur Daritellung der — wendet man meiſt 
Leindlan, mitunter auch Harzöl, ſeltener und nur für 
einzelne Jwede Mohn: und Nußdl. DasTrodnen gebt 
nicht vor ſich durch Ausdünſtung, jondern dadurch, 
daß der F. Sauerſtoff aufnimmt und ſich in eine feſte 
Subſtanz verwandelt; je ſchneller dieſe Drydation 
vor ſich gebt, deſto vorzüglicher iſt der F. In bes 
treff der Feſtigleit, Dauerhaftigleit, Widerſtands⸗ 
——— gegen Waſſer und Hitze ſtehen die von den 
Japanern gefertigten F. allen andern weit voran. 
Ein ſehr Tonfiftenter, rg trodnender Ölfirnis, 
der mit Ruß oder Kohle im Zuftande ag Ber: 
teilung vermischt wird, ift die Buchorudfarbe { d.). 

iſt auch die Bezeichnung für gewifjeBernfteinitüde 

(j. Bernfteininduftrie). — Bol. Lohmann, Fabri— 
fation der Lade und F. (Berl. 1890); Andres, Die 
Fabrilation der Lade, F., Buchdruderfirnifje und 
des Gienellades (5. Aufl., Wien 1900). 

irnisbaum, ſ. Rhus. 

irniöpapier, mit Leinölfirnis getränttes und 
durch Ausbängen an der Luft aetrodnetes ftarfes 
Papier, das zurAnfertigung von Baufen und nament⸗ 
lich zur Heritellung der Schablonen der Stubenmaler, 
neuerdings auch als Verbandftoff gebraudt wird. 

irnisfnmach, ſ. Rhus. 

ienförner, Firnmulden, ſ. Firn. 

irnfe, j. Firnewein. 

irozpür (engl. Ferozepore). 1) Diftrikt 
der Divifion Lahaur der indbobrit. Lieutenant: 
Gouverneurfbaft Pandſchab, bat 11149 qkm und 
(1891) 886676 E. darunter 404977 Mobammebda: 
ner, 252200 Hindu, 226361 Silh, 1738 Ehriften. 
— 2) Hanptitadt des Diftrikts F. unter 30° 57’ nörbl. 
Br. und 74° 38’ öltl. L., linls am Satladſch, an 
ber Straße von Fatibgarb nach Lalhnau, hat (1891) 
50437 E., gegen 39570 im J. 1881, und ein Fort. 
F. wurde von Firozpur Tughlak, dem Herricher 
von Debli (1351—88), erbaut. 

Firſt oder Forit, die oberjte Begrenzung oder 
Kante eines Daches (f. d.), welche in der Regel eine 
wagerechte Linie fein joll. Sie wird beftimmt durch 
die Dachausmittelung (ſ. d.). Bei ungleiher Ges 
bäudetiefe und gleihem Neigungswintel der Dad: 
flächen fteigt an der breitern Seite der F. böber und 
entjteben jomit fallende F. welche unſchön aus: 

eben und dadurch vermieden werben, daß man eine 

lattform anordnet oder die Dachflächen als wind: 
chiefe, in einer Kurve angelegte Flächen konftruiert. 
Bei Bultvächern und vielen er ee 
ein bejonderer Firftrabmen, Firftfette, Wolf 
angeoronet, welcher zur Anchpung der Sparten 
im F. dient und vorteilbaft für die Aufhebung des 
Horizontalihubes am Fuße des Sparren wirft. 
Bei Ziegelvächern nennt man die oberjte Neibe der 


720 Firftblume 


Dachziegel die Firſtſchicht und übervedt diefelbe 
bei Sattelvächern mit bejondern Hohlziegeln (Firit: 
jiegeln). (S. aud Firſte.) 

irftblume, die auf der Spige (dem Firſt, ſ. d.) 
von Giebeln angebrachten Ornamente oder auch die 
auf dem Firjt von Dächern zu einem fortlaufenden 
Kamm (Firftlamm) vereinigten Verzierungen, die 
beſonders an mittelalterlihen Gebäuden (Kirchen, 
Rathäufern) auftreten. Die F. entipricht dem Alro: 
terion (}. d.) an antiten Bauten. 

Firfte, im Bergbau die Dede der unterirbifchen 
Grubenbauten (vgl. Firft). Über Firftenbau 
und Firftenftöße ſ. Bergbau (Abbaumethoden). 

irftfette, j. Firſt. 

irſtkamm, ſ. Firſtblume. 

linie, ſ. * ac, girft 
r icht, ſ. 5 

kei for, Aörtb), 1. Biorb; J. of Ciyd 
pr. förth), ſ. Fiord; F. o e, 
ſ. ee 3: olgortb, f. Forth; F. J— 8 
euzäbädi, Medichd al:vin Abu:l:Tähir Mo: 
bammed ibn Ya’küb, Leritograpb der klaſſiſchen 
arab. Sprade, geb. 1329 in Karifin bei Schiras, 
bereifte Mejopotamien, Indien und Arabien, wo 
er in Mella und Medina Unterrihtsanitalten 
—— 1388 traf er in Schiras mit Timur zus 
ammen, der ibn jehr auszeichnete. 1392 wurde er 
um Oberkadi in Jemen ernannt, welches Amt er 
is zu jeinem Tode (1417) bekleidete. In einem 
auf der Pilgerbahn bei — erbauten Hauſe 
verfaßte er ſein großes lerifalifhes Wert, den 
«Dcean» (Kämüs), das feinen Namen bmt 
machte. E3 wurde zuerjt in Kaltutta (2 Bde., 1817) 
und jpäter mebreremal in Ägypten herausgegeben; 
beite volalifierte Ausgabe mit Glofjen von Näßr al: 
Hürini (4 Bde. Bulat 1301—2 der Dora), De 
pen feines großen Anſehens wurde das Wert auch 
ind Türkische (« Türkiiher Kamüs», 3 Bde., Kon— 
ftantinopel 1230—40 ber sehr Bulak 1250 der 
Hidſchra) und Perſiſche (Kalkutta 1840) überſetzt. 

Fis (ital. fa diesis; franz. fa diese; engl. f sharp), 
in der Muſik das um einen halben Ton erhöhte f; 
es wird dur f und vorgezeichnetes 5 bezeichnet 
und ijt nur enharmoniſch von ges verſchieden, mit 
dem es bei Tafteninjtrumenten zufammenfällt. 

Fiſch, —25 — — fiber den F. in der altkirch— 
lien Bilderiprache f. Jchtbys. — F. ſoviel wie Zahl⸗ 
pfennig, ſ. Fiche. 

Fiich, füd Be. (Piscis austrinus) , Sternbild 
des fühl. Himmels (f. die Sternlarte des füd- 
liben Himmel3, beim Artikel Sternlarten). Es 
entbält einen Stern 1. Größe, Fomalhaut genannt, 

Fisch., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab: 
u A Gottbelf Fiſcher von Waldheim (f. d.); 

inter lat. Namen von Meichtieren Ablürzung für 
6 her, einen franz. Konchyliologen. 
ifcha, zwei Bäche in Niederdfterreih. Der eine 
entipringt bei Shen, weitlih von Wiener: Neu- 
ftabt, und fließt bei Untereggendorf in die Leitha, 
— Der andere, die fog. alas Dasnis, ent: 
ringt im Steinfelde, nimmt die weit bedeutendere 
iefting auf und mündet nad einem 38 km langen 
ufe bei Fiſchamend in die Donau. 
— j. Adler nebſt Taf. I, Fig. 1. 
amend, Markt und Dorf im Gerichtsbe— 
irt Schwechat der öfterr. Bezirtshbauptmannidaft 
rud, an der Leitha, in Niederdfterreih unterhalb 
Wien, rechts von der Donau, am Einfluß der Fiſcha⸗ 
Dagnig in diejelbe, an der Linie Schwechat⸗Man— 


— Fiſchart 


nersdorf der Oſterr⸗Ungar. Staatäbahn, iſt Winter: 
bafen und Station der Donau » Dampfihiffahrts- 
geiellibaft. Der Markt, rechts von der Fiſcha, bat 
(1900) alö Gemeinde 2911 E.; mehrere Fabrilen, 
Feldwirtſchaft und Viehzucht (Öfterreichiiche Boriten- 
vieh-Maſt- und Zuchtanſtalt) ſowie bedeutenden 
Fruchthandel mit Wien. F. iſt einer der älteſten 
Örte des Landes und ſteht an der Stelle des Kaſtells 
Aequinoctium der Römer. (S. Carnuntum.) 

Fifchangel oder Angelbaten, das beim Fi 
ſchen gebräuchliche Werkzeug, dejien wirlſamer Teil 
ein aus@ifen:oder Stablprabt gebildeter Widerhalen 
ift. (S. Angelfifcherei nebit Tafel, Fig. 5 a—e.) 

Fiſchart, Job., genannt Men hzer, ver «teutiche 
Rabelais», der genialite, ſprachgewaltigſte und 
ſtoffmächtigſte deutiche Satiriter des 16. Jabrb., in 
dem ſich noch einmal der ganze formlos ungebum- 
dene Reichtum der litterar. Epoche offenbart, bevor 
mit Opitz die Herrichaft der Regel beginnt. Geb. 
um 1545 in Straßburg (oder Mainz), erzogen in 
Worms von feinem Verwandten Kaſpar Scheibt 
(ſ. d.), lernte er auf Reiſen in Stalien, den Ni 
landen, in England und Frankreich mit empfäng: 
lichem Geiſt die Welt tennen. 1571 wurde er litterar. 
Beiltand feines Schwagers, des Buchdruckers Bernb. 
Jobin in Straßburg, promovierte 1574 in Bajel 
jum Dr. jur., führte ein amtlojes Litteratenleben 
in Strakbur ‚ wo er die Sade des liberalen Cal⸗ 
vinismus ob. Sturm gegen Lutbertum und Bapit 
tum verfocht, wurde 1581 Advokat am Reichs 
fammergericht zu Spever, übernahm 1583 eine Amt» 
mannſchaft zu Forbab und jtarb um 1590. 

F. war der größte Publizist des Jahrhunderts 
neben Qutber, der erfolgreichite Belämpfer der Ge 
genreformation. Er befigt nicht Luthers Volls⸗ 
tümlichkeit; dafür ift er ihm an Bielfeitigleit in den 
Stoffen, Stimmungen, Gattungen und Formen 
feiner Schriftftellerei weit überlegen. Wir haben 
etwa 50 Werte F.s, 30—40 andere blieben unaus 

eführt oder find verloren. Gern verbirgt er jeinen 
tamen binter Anagrammen und Berbrebungen 
(4. B. Im Fiſchen gilts Mifchen, Huldrich Ellopos⸗ 
Heros, Jeſuwalt Nidhart u.f.w.). Er mutet der 
Sprade in Wortfpielen und ftiliftijchen Kunftitüden 
Unglaublices zu. Seine Stärke ijt die Häufung. 
Durd Erfahrung und Belejenheit verfügt er über 
eine Kenntnis deutjcher Sitten, Boltsicherze, Sprich⸗ 
wörter, Spiele, Lieder u. f. w., die jeine Schriften 
zur wichtigſten kulturbiftor. Schahlammer machen; 
aber neben beißendem Wis, übermütig ausgefhüt- 
tetem Wifjen, grotesfen Phantaſtereien gelingen 
ihm auch innige, feierliche und ſchlichte Töne, und 
eine gejunde Lehrhaftigleit ift ihm eigen. ne 
Neigung zu maßlojer Spradmillfür ift weit größer 
in feiner Brofa als in ven harten, aber gebrunge 
nen Verſen, in denen er gelegentlih au i 
BVersformen, ſogar Herameter nachmacht. Seine 
Erfindungs: und Geftaltungstraft ift gering; er 
benutt unbedentlih fremde Vorbilder, aber durch 
wunderbaren Reichtum an Geift und Stoff über 
trifft er fie weit. Er begann mit antitath. Reims 
pampbleten: «Nahıt:Rab» (1570), gegen den kath. 
Konvertiten Rabe, «Der Barfüher Secten» und 
Kuttenitreit» (Erklärung eines Holzihnitts), «Bon 
©. Dominici und ©. Francisci artlihem Leben» 
(1571), gegen den Franzistanermönd Nafus. ade 
Bampblete und feine zablreihen Heinen lirchli 
polemifhen Satiren überbot %. in dem Gedicht 
«efuiterhütlein» (1580, nad) einem franz. Driginal; 


Fiſchauge — Fiſchbach 


erneut von Pannier in Reclams «Univerjalbiblio: 
thet»), ver grimmigften Zeitdichtung gegen den Orden 
der «Sefumider». Auch jeine 1579 dr ziehe Bear: 
beitung des niederländ. «Bienentorbes» von Phi: 
lipp Mammir richtet fich gegen das Bapittum. In Ge: 
dichten vom Untergang, der «Badenfabrt», der jpan. 
Armada feierte er (1589) Gottes Beiltand für den 
Brotejtantismus. Poſitiv bewährt F. feine Frömmig: 
feit in dem « Gefangbüdlein» (Straßb. 1576; neu 
bo. Berl. 1849), das ſchöne eigene Dihtungen 3.8 
enthält, und in jeinem «Ratehiömus» (Straßb. 1578; 
darın die «Anmahnung zu chriſtl. Kinderzucht »). 
Die weichen Seiten feiner Natur treten hervor in 
feiner freude an der Muſil («Ein Artliches Lob der 
Lauten», 1572), feiner Schätzung des Eheſtands 
(«Bhilojopbiih Ehzuhtbüchlein», 1578, nah Blu: 
tarch) und jeiner Sehnfuht nah dem Landleben 
(«Furtreffliches Lob des Landluftes», 1579, nad 
Horaz). Mit warmem Lolalpatriotismus berichtet 
er in dem «Blüdbafiten Schiff» (Straßb. 1576, nad 
—— «Argo Tigurina»; erneut von Pannier 
in Reclams «Univerjalbibliothet») die Hirfebreifahrt 
Züricher Bürger, die dann aud polit, Bedeutung 
ewonnen bat. Gluühenden Deutichenftolz atmet 
feine «Ernitlihe Ermahnung an die lieben Teut⸗ 
hen» in den «Eilones» (1573), Bildergedichten, 
wie er fie nah Scheidts Mujter und im buch— 
— ge | 5* noch öfter verfertigt 
at. Einen Plan eidts führte F. aus, als 
er das Vollsbuch vom Eulenſpiegel reimte (1571), 
mie er fpäter auch das altdeutiche Gedicht vom 
Stauffenberger erneuerte (1588). Am glüdlichiten 
aber waren jeine humoriftifch-fatir. Dichtungen ohne 
tonfeffionellen Inhalt: «Flöhhaz» (1573; neu b0: 
in den «Neudruden deutfcher Litteraturwerke des 16. 
und 17. Yabrb.», Halle 1878; erneut von Bannier in 
Reclams «Univerfalbibliothet»), die ausgelaffenite 
Geftaltung des komischen Tierepos; «Aller Praktik 
Großmutter» (1572; «Neudrude», Nr. 2, ebd. 1876), 
eine mit Benukung älterer Quellen gegen den 
Kalenderaberglauben gerichtete Satire; das «Po: 
dagrammijch Zrojtbüchlein» (1577; Scheibles «ftlo: 
jter», Bd. 10, Stuttg. 1848), ein Spottlob bes 
«Pfotengrams» nah humaniſtiſchen Vorbildern; 
vor allem die «Affenteurlihe und ungeheurliche 
Geſchichtſchrifto (ſpäter « Geihichtllitterung») vom 
«Gargantoa» (1575 u. d.; «Neubrude», Nr. 65—71, 
Halle 1886—91, und Sceibles «Klofter», Bo. 8, 
Stuttg. 1847), die tolljte, verſchnörleltſte, riefen: 
baftejte Aufichwellung des 1. Buchs von Rabelais’ 
«Gargantua et Pantagruel»; hier, zumal in der 
berühmten «Truntenlitanei», feiert 5.3 üppigjte 
Laune ihre Orgien. Eine Ausgabe feiner Dihtungen 
veranftaltete 9. Kurz (3 Bpe., Lpz. 1866—68) und 
in Kürfchnerd «Deuticher Nationallitteratur» A. 
Hauffen (3 Bve., Stuttg. 1892— 9), eine gute Aus⸗ 
wahl Goebele (Ypz. 1880). Aus der umfänglichen 
Litteratur über F. vgl. Wackernagel, J. F. von Straß: 
burg (2. Ausg., Baſ. 1874); Wendeler, Fiſchart⸗ 
ftudien des Freiberrn von Meuſebach (Halle 1879); 
Er. Schmidt in der «Allgemeinen deutichen Bio: 
rapbie», Bd. 7 (Lpz. 1878); Beſſon, Etude sur F. 
r. 1889); Franßen, Kritiihe Bemerkungen zu 
‚3 Üiberjegung von Rabelais’ Gargantua («Alfa: 
tifche Studien», Heft 3, Straßb. 1892). 
ifchauge, Mineral, j. Adular. 
ee ein, j. Apopbollit. 
iſchbach, Dorf im Kreis Hirſchberg des preuß. 
Reg.:Bez. Liegniß, bat (1900) 898 E., darunter 47 
Brodbaus’ Konverfationd-Lerilon.. 14. Aufl. R. A. VL 


121 


Ratboliten, Poftagentur, Telegraph, Schloß des 
Großherzogs von Hefien mit Altertümern und Bart 
und wird als Sommerfrifche beſucht. Nördlich die 
Falkenberge over Fiſchbacher Berge (667 m), 

roße Granitfeljen, deren nördlicher der Forſtberg 
—5* während der ſüdliche, der Kreuzberg, der ſeit 
1830 ein großes eijernes Kreuz trägt und durch eine 
Treppe bejtiegen werben fann, die 1458 zerftörte 
Burg Faltenftein trug, ſowie die yelfengruppe Ma: 
riannenfels mit weiter Ausfiht, dad Münzen: 
thal und die Ruine Bolzenſchloß. 

Fiſchbach, Friedr., Mufterzeichner, geb. 10. Febr. 
1839 zu Aachen, beſuchte das G ker in Köln 
und die Mujterzeichenichule in Berlin, ging 1862 
nah Wien, leitete vajelbit bis 1865 ein Deloras 
tionsgeſchäft, ** für die Muſterſammlung des 
Oſterreichiſchen Muſeums und wurde 1870 Lehrer 
der Ornamentik an der konigl. Alademie zu Hanau. 
Er gründete Vereine für Runftinduftrie und errich⸗ 
tete ein eigenes Atelier, um Induſtriellen Muſter 
u liefern und die Herausgabe litterarifch:artiftiicher 

tete zu ermöglichen. 1883 wurde er als Direltor 
ber neu zu organifierenden Kunſtgewerbeſchule nad) 
St. Gallen berufen, gab diefe Stellung 1888 wie: 
ber auf und zog ſich nad Wiesbaden zurüd. Seine 
umfafjenden Sammlungen alter Gewebe, Stides 
reien u. |. w. wurden für die St. Gallener Schule 
angelauft. F. bat bewirkt, daß man fich in Deutſch⸗ 
land von den Franzoſen im Mufterfah unabhän: 
gig gemacht hat. Seine wichtigſten, von ihm lithogra⸗ 
phierten und im Selbitverlag erichienenen Werte 
find: «Ornamente der Gewebe» (160 Tafeln Bunt: 
drud, gr. Fol., mit Tert, Hanau 1874—81), ein Wert 
vongrundlegender Bedeutung, «Geſchichte der Tertü» 
funft» (ebd. 1883), «Ornamente der Hausindujtrie 
Ungarnd» (Budapeft 1878), «Süpjlam, Orna⸗ 
mente» (2, Aufl., ebd. 1872), «Album für Stiderei» 

130 Mufter in Gold: und Buntorud, 4. Aufl, 

anau 1872), «Neue Mufter für Stiderei und Häfel: 
arbeiten» (3 Serien, ebd. 1880 — 83), «Stidereis 
mufter» (4 Hefte, Wiesb. 1888), «Häfelvorlagen» 

1889), «Ornamentalbum» (1892), «Weißitidereivor: 
agen» Abd «Buntijtidereivorlagen» (1894). 

Sir bad, Yohann, Maler, geb. 5. April 1797 
in Gravenegg bei Krems, bejuchte jeit 1818 die 
Akademie zu Wien, machte are in Süd: 
Bas und der Schweiz, wurde Direktor der 
gräfl. Paarſchen Kupferſtichſammlung, lebte von 
1840 bis 1851 in Salzburg, bis 1860 in feinem 
Landhauſe zu Aigen, zulegt in Münden, wo er 
19. Juni 1871 ftarb. Bon feinen Gemälden find 
bervorzubeben: Bauernfnabe und Mädchen, fih um 
einen Bogel ftreitend (1830; Hofmufeum in Wien), 
Steierifbe Bauernfamilie (1836; ſtädtiſches Mu: 
feum in Leipzig), Die Witwe (1847; —— 
in Wien), Der hohe Göll bei Salzburg (1847; Salz⸗ 
burger Kunſtverein); außerdem mehrere Alpenland⸗ 
* ten in der Neuen Pinakothek zu Munchen. Als 
N arfer Eharakteriftifer in Zeihnung und Vortrag 

ewies er jih in «Deutjcher Wald und Hain in Bild 
und Wort» (Münd. 1871). — Bol. Mayer-Matfies, 
Joh. F. ein Pebensbild (Münd. 1872). 

Fiſchbach, Karl — geb. 15. März 
1821 zu Hohenheim in Württemberg, beſuchte die 
land: und forſtwirtſchaftliche Alademie Hobenheim 
und die Univerjität Tübingen, mar 1843 —45 als 
a eg thätig, 1846—49 Foritamtsaffiftent in 

railsheim, 1850—53 Stabtföriter in Stuttgart, 
1853—61 königl.Revierförfter in Wildbad, 1861 big 

46 


722 


1866 Eönigl. Sorftmeifter in Rottweil. 1866 wurde 
d. fürſtlich Hohenzollernſcher Oberforftrat in Sig: 
maringen und jtarb daſelbſt 24. Rov. 1901. Er 
ſchrieb: «Lehrbuch der Sorftwiflenjcaft» (4. Aufl., 
Berl. 1886), fein Hauptwerk; «Die Befeitigung der 
Waldftreunugung für Land: und Foritwirte, ins: 
beiondere aud für die Geſetzgeber»(Frankf. a. M. 
1864), « Praltiſche —— Berl. 1880), 
«Ratehismus der Foritbotanit» (5. Aufl., 2p3.1894) 
und zablreihe Abbandlungen in Zeitichriften. 

Id —— Alpen, ſ. Oſtalpen B, 6. 

chbachthalbahn, von rbrücken nad 
—— (26,4 km, 1879 eröffnet), preuß. Staats⸗ 
eifenbabn. 

Siabai (Große und Kleine F.), zwei Buchten 
der Weitküfte von Angola in Afrika, füdlih und 
nörblih vom Rap Negro. 

Fiſchbaud over Einſetzband, eine Art Schar: 
nier, welches zur Bejeftigung von Thüren und fen: 
ftern in gen Angeln dient. 

ih ein, die technifhe Bezeihnung für die 
Walfiſch- und Finnbarten (f. Barten) oder die 
—— hornartigen Platten, welche in zwei 
Abteilungen zu beiden Seiten einen Bejaß der Ober: 
fiefer- und Gaumentnoden der Walfiſche {; d.) und 
Finnwale (f. d.) bilden und ihrer Biegfamleit, weit: 

ebenden Spaltbarteit, Glafticität und Seftigleit 

owie ihres geringen fpecifiihen Gewichts wegen zu 
allerlei Gegenftänden, namentlich) Pi Scirmgeitel: 
len, —— Reitpeitſchen, Korſetts und an: 
dern Toilettenartikeln, zu Galanteriewaren, feinen 
lechtarbeiten, kunſtlichen Blumen u. ſ. w., verar: 
eitet werben. Über die techniſche Behandlung des 

. und feiner Surrogate ſ. Fiſchbeinfabrilation. 

eutihlands Einfuhr an Walfiſch- und Finnbarten 
betrug 1900: 981 Doppelcentner im Werte von 
2,756 Mill. M., die Ausfuhr 22 Doppelcentner 
(39000 M.), an Sifhbein: und Hornftäben 106 Dop: 
pelcentner (343000 M.) be3. 619 Doppelcentner 
(2,598 Mill. M.). Der bedeutendite Fiſchbeinmarkt 
ift San Francisco. Haupteinfubrbäfen find Ham: 
— Bremen. — Indianiſches F. ſ. Horn: 
fiſchbein; weißes F. ſ. Sepia. 

ifchbeinfabrifation, die fabritmäßige Her⸗ 
ftellung des marftfähigen Fiſchbeins (f. d.) aus 
ih: und Finnbarten. Zur %. find nur etwa 

fünf Sechſtel des Robftoffs geeignet. Von den 
in zwei Reiben am Rachen des Fiſches vorban- 
denen Barten find bie mittlern die beiten und auch 
die längiten, zuweilen bis zu 5 m lang, obwohl 
eine er von 4 bis 4,5 m ſchon zu den Selten: 


—— gehört. Die Breite beträgt in der Nähe des 
— 80—35 cm; von bier aus 
au 


en bie Platten in wer Ki a ge Krüm: 
mung in eine Spige aus. Die Dide ift am obern 
Nand 9—10 mm, nimmt aber gegen den untern 
Rand, an meldhem ſich die Barte in eine Reihe lofer 
Haare oder Franjen auflöft, bedeutend ab. Die 
Mafle des Fiſchbeins, im mefentlihen Hornfub: 
ſtanz, beſteht aus einer Schicht parallel nebenein: 
ander liegender dider Faſern, welche ſeitlich durch 
eine ee nur weniger tft Subſtanz aneinan: 
der gebeftet find und ſich ziemlich leicht voneinander 
trennen lafjen. Die Barten werben von anhängen: 
dem Sped gereinigt, jortiert, in Paketen von 10 oder 
12 Stüd nad Europa verſchickt, wo fie in den Fiſch— 
beinreißereien, die fib in den meiiten norbeurop, 
Hafenftädten f owie in größern Fabrilſtädten finden, 
in die handelsüblichen Formen gebracht werden. 


Fiſchbacher Alpen — Fiſchbeinfabrikation 


Die Verarbeitung des Fiſchbeins r vieredigen 
oder flahen Stäben, das jog. Fiſchbeinreißen, 
wird, nachdem das Fiſchbein dur zweiftündiges 
Kochen mit Wafler erweicht worden, auf folgende 
Art bewerkitelligt: Man fpannt die in Stüde von 
etwa 1”/, m Länge zerfägten Barten auf einer Art 
Tiſchlerbank mittels zweier Bretter derart ein, dab 
fie auf der hoben Kante ftehen, und fpaltet nun 
mittels eines eigenen bogenförmigen Meſſers oder 
Hobeld, der nah der Dide der abzureißenden 
Stangen geftellt werden kann, diefe davon ab. Nach 
dem Reißen werben die Stangen getrodnet, mo: 
durd fie ihre natürliche Härte und Steifigleit wie: 
bererlangen, und ſodann auch an den Seitenfläden 
latt gehabt. Die bierbei abfallenden Fiſchbein— 
ine eignen ſich als Erfaß der Roßhaare zum Aus: 
topfen von Matragen und Möbeln. Durch Dampf 
oder im Sandbad erhikt, erlangt das Fiſchbein 
einen ſolchen Grad der Weichheit, daß es ſich wie 
Horn in Formen p läßt und, innerhalb ver 
Form abgefüblt, die jo erhaltene Geftalt unver: 
ändert beibebält; auf diefe Art können aus dem: 
elben manderlei Zurusartitel, ald Tabaläpojen, 
eſſerſchalen, Stodfnöpfe u. ſ. w. bergeftellt wer: 
den. Gemwöhnlih wird das Fiſchbein mit Bims- 
fteinpulver poliert, das mit Waſſer auf einen Fils 
aufgetragen wird, und fchließlich noch mit zerfalle: 
nem Kalt abgerieben. . wie 
Der verhältnismäßig hobe Preis des Fiſchbeins, 
namentlich zu Zeiten, wo die herrihende Mode der 
Damentleider einen reihlihen Verbrauch bedingt, 
at zur Heritellung verjhiedenartiger Erſatzſtoffe 
eranlafjung gegeben, deren einige auch zu Zeiten, 
wo der Preis des echten an nicht jo hoch ift, 
Berwendungfinden, Ein ſolches unechtes oderfünit: 
liches Fifhbein, das unter dem Namen Wallo: 
in in den Handel fommt, wird in folgender Weiſe 
ergeitellt: Gemöhnliches ſpan. Rohr wird auf einer 
ejondern Maſchine von feiner glatten Schale befreit, 
mittels eines Blauholzabſuds und Eifenbeize ſchwarz 
— und nach dem Trocknen mit einer Loͤſung von 
autſchuk, Guttapercha und Schwefel in Stein— 
toblenteeröl getränlt. Hierauf werden die Stäbe 
in einem Dampfapparat unter einem Drud von 
zwei Atmofpbären gedämpft, woburd die das Rohr 
durhdringende Maſſe vo fommen gebärtet (vul⸗ 
fanifiert) wird, und endlich werben fie gewalzt, wo: 
fie dicht und in 18 Grade — werden. 
— Ein anderer Erjaß iſt eine Pflanzenfaſer, Ko: 
ralin genannt. Dieje — ſtammt von einer 
Pflanze, die auf den Hochebenen Mexilos einhei: 
miſch tft, dort Iſtle (ſ. d.) genannt wird und in ihrem 
einen ber be: bundertjäbrigen Aloe (f. Agare) 
leicht, nur daß ihre Blätter länger und ſchlanker 
En. Die Blätter diefer Pflanze werden geſammelt 
und in einer einfachen, roben Weiſe mit Schabbölzern 
von ihren fleiihigen Zeilen befreit, worauf Bündel 
1 er, brabtartiger Faſern übrigbleiben, welche Ihn: 
ichleit mit Borjten haben und 30 cm bis 1 m lang 
find. Nachdem fie getrodnet find, werden fie in 
Ballen verpadt und nad Neuyorl gefandt, welches 
für den in Rede ftebenden Artifel zum Hauptmarlt 
geworden ift. Dort wird zunädit eine Hecelung 
vorgenommen, damit alle unvolllommenen Fajern 
entfernt werben. Die Faſern befigen die volle Bieg⸗ 
ſamleit des Fiſchbeins und übertreffen dasjelbe an 
—— eit. Sie werden zu einem feſten, fort⸗ 
laufenden Seil vereinigt, auf einen Hafpel aufge: 
OD: 


dur: 


| wunden und bilden in diefem Zuſtande das 


Fiſchbeinleder — Fiſche (zoologiſch) 


ralin. Dasſelbe wird weiter in große Stränge pe 
wunden und verjenbungsfäbig verpadt. — Infolge 
ber bedeutenden Fortſchritte der Kautſchulinduſtrie 
wird gegenwärtig ala Griah des Fiſchbeins fait 
allgemein vullanifierter Kautſchul verwendet. 
— Ein neuerer Erſaß für Fiſchbein ift das Fiſch— 
beinleder, ein bornartiges Leder, welches man da: 
durch erbält, daß die gereinigte und getrodnete Haut 
bei 70° mit Wafjerbämpfen ß lange behandelt wird, 
bis eine teilweije Berleimung der Hautfafern erfolgt 
ift. Darauf fättigt man die Haut mit Terpentin und 
überziebt fie mit Yad oder Firnis. 
I re f. Sifhbeinfabritation. 
iichblafe, |. Biiße und Haufenblaje. — In 
ver Baukunſt ift F. oder Schneuß eine be 
ftimmte Form im got. Mafwert (f. d. und Tafel: 
Deutſche Kunft II, Fig. 14), die dadurch entſteht, 
daß über den beiden Hälften des Durchmeflers eines 
Kreiſes nad) je einer Seite ein Halbfreis geſchlagen 
wird. Es entiteben fo zwei Figuren mit rundem 
Kopf und fhwanzartiger Spike, die fich jener der 
F. nähern. Ofter werben mebrere B- zugleih in 
einen Kreis agent —— Vierſchneuß 
u. ſ. w.; ſ. die Textfigur beim Artilel Dreiſchneuß). 
(S. auch Flamboyant.) 
ifchbrutapparate, |. Fiſchzucht. 
ifchchen, Inſekt, ſ. Silberfiſchchen. 
iſchdampfer, ſ. Hochſeefiſcherei. 
iſchdiebſtahl, ſ. Fiſchereiſchuß. 
iſchdrache, ſoviel wie Ichthyosaurus (f. d.). 
Fiſche (lat. Pisces), die niedrigite Klaſſe der 
Wirbeltiere; fie unterſcheiden ſich von den übrigen 
dadurch, daß fie, meift eierlegend, faltes Blut haben, 
während des ganzen Lebens durch Kiemen atmen, 
ein nur aus zwei Abteilungen, Kammer und Borfam: 
mer, beſtehendes Herz und, mit einigen wenigen Aus: 
nahmen, nad hinten geichloffene blindjadähnliche 
Najengrubenbefigen, entweder Floſſen oder gar feine 
äußern Glieder und eine entweder nadte oder be 
ſchuppte Haut haben, Zwar kann kein Fiſch völlig 
ftelettlo8 fein, allein in der Bildung und Härte des 
Knochengerüſtes finden jo viele Abjtufungen ftatt, 
daß die unvolllommenjten F. außer einer weich 
—— Wirbelſaite (Chorda) gar kein Stelett be 
ſihen. Bon der ungegliederten, einem vorn und hin: 
ten etwas zugeipisten Stabe ähnlichen Wirbeljaite 
aus bildet ſich nach und nach die Wirbelfäule mit den 
einzelnen Wirbellörpern und deren Ausftrablungen, 
das anfangs nur Inorplige Kopijtelett nebit dem 
Kiemengerüft und den Flofien. Ye nad der Ber: 
indcherung des Steletts hat man Knochen⸗- und 
Knorpelfifche unterfchieden. Was man — 
lich Gräten nennt, ſind ſowohl die oft zahlreichen 
Rippen der F. als auch eigene Hilfslnochen, welche in 
die Sehnenbänder eingeheftet find, um die Seiten: 
musleln reg (Fleifbgräten). 
Die Flo Bes man in paarige und unpaarige, 
fentrechte. Die paarigen Flofien feblen den Rund: 
mäulern und Röbrenberzen ganz; bei den übrigen 
F. entiprechen fie den Border: und Hintergliedmaßen 
der böbern Wirbeltiere, von welchen fie ſich durch eine 
* Anzahl von Endſtrahlen unterſcheiden. Die 
ruſtfloſſen beſtehen aus einem halbringförmigen 
Schultergürtel, der ſtets mit dem Hinterlopfe ver: 
bunden ijt und nach außen zu beiden Seiten die den 
Vorderfühen der ea => Wirbeltiere entiprechenden 
Bruftflofjen trägt. Die bintern Glieder (Bauch: 
flofjen), melde biöweilen ganz (3.8. beim Aal) 
teblen, beſtehen aus wenigen und einfachen Knochen, 


123 


find nur in den Bauchmusteln aufgehängt und 
ſtehen entweder (bei Keblfloffern, Jugulares) 
vor den Brujtflofien, oder unter in Brufts 
In fer, Pectorales),oder hinter denſelben (Bauch⸗ 
Io ger, Abdominales). Die größte Entwidlung 
der Bruftflofjien trifft man bei den Rochen, wo 
je weit mehr Oberfläche als der Körper felb 
aben. Außer diejen paarigen Floſſen finden fi 
noch unpaarige oder ſenkrechte Floſſen, die aus 
einer den ganzen Körper des Embryo8 umgebenden 
vertitalen Hautfalte hervorgehen und die Rüden, 
Schwanz: und Afterflofje genannt werden. Rüden: 
und Aiterflofie können mebrfah vorhanden, die 
Schwanzflofie bald rundlic oder gerade abgeſchnit⸗ 
ten, bald gabelig ausgejchnitten jein. Die Floſſen 
nd von —— en geſtützt, welche bald ein⸗ 
ach und ſtachlig, bald weich und gegliedert ſind. 
rtebi und nach ihm Cuvier hatten dieſe Beſchaffen⸗ 
heit der Strahlen, namentlich in der Rückenfloſſe, zur 
Grundlage ihrer Einteilung der Knochenfiſche benußt 
und biefe in Weichfloſſer und Srone Teller 
getrennt. Bumeilen lommt aud) eine Fettfloſſe (1. d.) 
vor. Das Ende der Wirbelfäule biegt jich meift inner 
halb der Schwanzfloſſe jhräg aufwärts. Häufig ift 
diefe Floffe in ihrem obern und untern Teile ungleich: 
förmig entwidelt und die obere Hälfte länger; dann 
nennt man fie beterocerf; ſymmetriſch gebildete 
beißen diphycerk, ampbicert oder homocerl. 
Auch die diphycerken Schwanzfloſſer find aber im 
Stelettbau heterocert. Die eigentlihe Mafle der Be: 
wegungsmusleln liegt an den Seiten des Korpers und 
bildet vom Kopfe bis zur Baſis der Schwanzfloſſe eine 
aus tutenförmig ineinander geſchachtelten Streifen 
beftebende Schicht. Fhreeinfeitigen Kontraltionen be 
dingen die Krümmung des Schwanzes und wirken fo 
aufdieSchwanzfloffe, der bei ver Borwärtöbewegung 
diedauptaufgabezufällt. Diepaarigen Floſſen halten 
den Körper im Gleihgemwicht, dienen zur Steueru 
und Rüdwärtöbemegung. — Das Auf: und Abjtei: 
en im Wafler wird durh die Shwimmblaje 
(Siihblafe) unterjtüßt, welche meilt ein abgejons 
dertes Gasgemiſch enthält und dazu dient, das ſpeci⸗ 
fiſche Gewicht des Fiſches zu vermindern, indem fie 
ausgebehnt wird, oder umgelehrt dasjelbe zu ver: 
mehren, indem fie zufammengevrüdt wird. PVartielle 
Kompreffionen verlegen ven Schwerpunft des Sie 
vor: oderrüdwärtd. Indeſſen ift die Shwimmblafe 
nicht unbedingt nötig, da fie vielen %. fehlt, wie den 
Rochen und mehrern raſch ſchwimmenden Knochen⸗ 
—* Sie bildet ſich aus einer Ausſtulpung des 
arms und entipricht —— der Lunge, er⸗ 
hält aber die Atemfunltion nur bei wenigen j; Je 
nachdem der Verbindungsgang mit dem Schlunde 
offen oder verwachſen iſt, unterſcheidet man 7 
ſtomen mit offenem und Phoſollifien mit geſchloſſe⸗ 
nem Luftgange. Werden N die in größerer Tiefe 
leben, gewaltſam orgebradt, fo dehnt ſich ihre 
Schwimmblaje infolge der Drudverminderung 
mädtig aus und treibt den Bauch unförmlich auf. — 
Die Haut der F.ift in jeltenern Fällen ganz nadt, in 
der Regel mit Schuppen befleidet, die in eigenen 
Taſchen der Oberhaut entfteben und fehr verſchiede⸗ 
ner Bildung ſein koͤnnen. Meift find es aus dünnem, 
bornartigem Gewebe gebildete Blättchen, deren bin: 
terer Rand bald ganz, bald mit Zahnſpitzen beiept ift, 
o daß der Körper beim Anfüblen ganz raub erjcheint. 
n andern Fällen find es wahre Ainochenftüde, die 
äufig mit einer Art Schmelz —5*— ſind, in 
noch andern Fällen, wie z. B. bei Rochen, wahre 
46 * 


724 


Bee (S. Tafel: ee 1 ber 
tere II, Fig. 4—11.) Agaſſiz hatte auf Grund 
diefer Verſchiedenheit die F. in vier Ordnungen ein: 
eteilt: Blattenfhupper (Blatoiden), Shmelz: 
(upper (Ganoiden), Rund: oder Kreis: 
hupper (Eylloiden) und Kammſchupper (fte: 
noiden), eine Einteilung, die längſt wieder aufge: 
geben worden üft. ? , 
‚Der Schädel der F. ift urſprünglich eine unge: 
teilte Knorpellapſel, jebt fi aber durd die Ber: 
knocherung aus einer großen Menge von Knoden: 
tüden ilarımen, die untereinander nicht verwach⸗ 
en jind. Das meijt jehr zufammengezogene Schädel: 
gemölbe birgt das relativ jehr Heine, in jehr verſchie⸗ 
dener Weiſe ausgebildete Gehirn, das wie der Schä: 
bel den Canyett en gänzlich fehlt. Die Augen 
find oft, namentlich bei Tiefſeefiſchen, relativ ſehr 
groß und bieten in ihrer Struktur viele und ſehr 
erbebliche Eigentümlichleiten, fönnen in ſehr felte: 
nen Fällen au fehlen. Am meiften fällt die Ab- 
flachung der vordern Begrenzung oder Hornhaut 
und die fugelige Linſe auf; die Lichtbrechung ift der 
legtern allein übertragen. Ein äußeres und mitts 
leres Obr fehlt, und das innere, in dem Schädel 
verborgene, ift einfahen Baues; dennoch hören F., 
mie jeder Angler weiß, ſehr jcharf. So iſt aud das 
Geruchsorgan keineswegs fomplizierter Art; indes 
lehrt die Erfahrung, daß F. gegen Gerüche empfind: 
lich find. Nur der Geſchmad mag ſehr jtumpf jein, 
denn einerfeits ift die She oft ganz knochig, und 
außerdem verjchlingen F. ihre Nabrung in den aller: 
meiften Fällen ungelaut, indem dievielartigen Zähne 
ihnen meift nur ald Werkzeuge des Ergreifeng und 
Feſthaltens und nur felten zum Zermalmen oder 
—* dienen. Bei den Kauenden aber liegt 
der Kauapparat hinter der Zunge. — Ein beſonderes 
Sinneswertzeug, dad aud den Larven der Amıpbi: 
bien zulommt und jedenfalld mit dem Leben im 
Waller zufammenhängt, ohne daß man über feine 
Bedeutung vollitändig ing Mare gelommen wäre, iſt 
das Seitenorgan, ein nervenreiher, mit vielen 
metameren Efinungen nad außen münbender Kanal, 
ber in durchbohrten Schuppen an jeder Seite des Kör: 
pers in einer geraden oder gelrümmten zufammens 
hängenden oder durchbrochenen Linie, der Seiten: 
linie, entlang ziebt und fih am Kopfe meift in drei 
Uſte gabelt, in je einem über und unter dem Auge und 
auf dem Unterkiefer. (S. Tafel: Rörperbebedung 
berTiere ll, yig.1,2,3.) Es mag einer Art fom: 
binierter Geruchs- und Geihmadswahrnebmung 
dienen oder auch den Fiſch durch Angabe des Waſſer⸗ 
bruds über die Tiefe, in der er ſich befindet, orien: 
tieren. Immer aber iſt es mit ſalzigem Schleimerfüllt. 
Ihre Nabrung entnehmen die F. meiſt dem 
Zierreihe; die größern unter ibnen find wahre 
Kannibalen der Gewaͤſſer und felbit für den Men: 
ſchen gefäbrlihe Naubtiere; viele näbren ſich aber 
aud von Pflanzenſtoffen. Letztere —* den läng⸗ 
ſten Darm. — Eine Beſonderheit vieler Knochenfiſche 
find die oft ſehr zahlreichen (1—200), ihrer phyſiol. 
Bedeutung nad no nicht völlig ertannten Blind: 
ſchläuche (Appendices —— welche mit dem 
Gallengange und der auchipeiceldrüfe in den 
Darın einmünden, ftartentwidelt z. B. beim Labs. — 
Die Atmung geibiebt durb Kiemen, auf deren 
mannigfacher Strultur und Anbeftung ein Teil der 
—— Anordnungen der ganzen Klaſſe ba: 
iert worden ift. Dieje eis zu beiden Seiten 
des Kopfes liegenden, bei den Knochenfiſchen vom 


Fiſche (zoologiſch) 


Kiemendedel geſchüßten Organe find nichts anderes 
als — Blättchen, welche parallel neben⸗ 
einander wie die Zähne eines Kamms ſtehen, und 
zwar bei den Knochenſiſchen auf beſondern Knochen⸗ 
bogen, die durch von außen bis in den Schlund 
reichende Kiemenſpalten getrennt find; auf ihnen 
eirtuliert fämtliches, aus dem Herzen durch die Klier 
menarterie auögetriebene Blut in Haargefäßen, bie 
fib dann zu der großen Körperarterie (Aorta) 
fammeln, welche das in Berührung mit dem luft: 
baltigen Waſſer geweſene Blut wieder in den Hör: 
per verteilt. Wenn die Kiemen eintrodnen, bört 
die Eirkulation auf, daber eritiden %. außer dem 
Wafler, wenn nicht durch befondere Vorlehrungen 
für Feuchthaltung jener Organe geſorgt ift, wie 
. B. beim Aal, der daber einige Zeit auf dem 
ande leben kann. Cinige ausländiſche 5. vermö- 
en wirtlih das Waſſer zu verlafien und längere 
Seit außerhalb ibres natürlihen Elements zuzu⸗ 
bringen; fie baben befondere, in ber Näbe der liemen 
gelegene, Waſſer enthaltende Hohlräume, wodurch 
das Vertrodnen der Kiemen verhindert wird. 

Die Geſchlechter find bei den F. faft immer ge- 
trennt, In den allermeiften Fällen werden die Eier 
(Rogen) außerbalb des Mutterlörpers befruchtet; 
die Hoden der F. bildet die jog. Mich. Nur wenige 
Arten gebären lebendige Junge (f. Laichen). Die 
Fruchtbarkeit der F. iſt unglaublih groß; Eupier 
und Blob fpreben von — — von 
Eiern in einem Individuum, Blumenbach und 
Lacepede von Millionen. Die Lebensdauer der F. 
ſcheint groß, viele wachſen noch im geſchlechtsreiſen 
Zuſtande bei günſtiger Ernährung unausgeieht 
weiter, ſo daß es ſchwer fällt, für jie normale Gro 
maße anzugeben ; auffallend ift bei vielen die Lebens⸗ 
zäbigleit. Bezüglih der Mannigfaltigleit der Ge: 
jtaltung übertreffen die F. die andern Wirbeltiere 
ebenjo wie hinjichtlich ihrer freilich ſehr vergäng- 
liben farbenpradt. Bei vielen Arten legen bie 
Männchen während der Laichzeit ein beſonders 
bunt geibmüdtes Hodyzeitstleid an. Gebr viele 
find auch eines Farbenwechſels fähig, der ibnen 
erlaubt, fi der Umgebung jbüsend anzupalien. 
Der bei freiſchwimmenden 4 durch miltoſtopiſche 
Blättchen guaninſauren alles erzeugte Silber⸗ 
glanz der Vauchſeite läßt fie, ſchräg von unten ges 
jeben, treiilih negen den Waſſerſpiegel verſawin⸗ 
den, der infolge der totalen Kejlerion des Lichts 
undurcfichtig wie ein Quedjilberjpiegel ericheint. 

Man teilt.die Klaſſe der F. jeht in folgende Orb» 
nungen: TeleosteioverXnocbenfij&he(i.d.), mit 
Berg Kiemen, Kiemendedel und Inödernem Ste 
ett (f. Tafel: Buntfarbige Fiſche, und Zafel: 
Fiſchel, Fig. 1—10; Taf. I, Fig. 1-14; Taf. Ill, 
sig. 15; Taf. IV, Fig. 1-5; Taf. V, Fig 1—14; 

af, VI, Fig. 2); bierber gebören jalt alle uniere 
Sußwaſſerfiſche (Taf. I, Fig. 1—3, 7—10; Taf. Il, 
sig. 2; Taf. IV, Fig. 4. Tal. V, fig. 14, 10, 13; 
&at. VI, Fe. 2; Schmelzſchupper (f. d.) oder 
Ganoidei, mit oft Inorpligem Stelett und vielen 
Klappen im Nortenitiel (Taf. VI, 70. 1, 2u.3); 
dabin gebören die Störe, die Flöſſel und Knochen⸗ 
bebte; Dipnoi, Doppelatmer oder Lungen: 
tifche (f. d.), den Übergang zu den Ampbibien ver- 
mittelnd, mit Kiemen und Zungen verjeben und nur 
durch drei Gattungen (Lepidosiren, Protopterus, 
Ceratodus) vertreten (Taf. VI, ig. 4); Selachis 
oderXnorpelfifce (j. d.), mit angewachſenen Kie⸗ 
men, obne ftiemendedel und mit Inorpligem Ste 


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AHOSIM NOTAHVALNIS 


* 
22 
422 


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“m — — a 








FISCHE. IL 












I. Gemeiner Hecht (Esox lueius), 2. Karpfen (Cyprinus carpio). 8. Gemeiner Aal (Anguilla vulgaris). 


1,0—2 m. 0,40-41,50 m. 0,795—1,) ım. 






— 
| 4. Gemeine Makrele (Scomber scomber). 5. Harder (Mugil cephalus). 
0300,00 m. 0,30-—11,45 m, 0,20-0,40 m, 





9 
10 
WW nr a Krane 3 
9, Schmerle (Cobitis barbatula). 0,12 m. 
7. Bachforelle (Salmo fario), 8 Flufsbarbe (Barbus fluviatilis). 10, Gemeiner Giründling (Gobio fluviatilis). 
040-0, m. 040-170 ım. (12 m. 








Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 


6, Gemeiner Rabenfisch (Corvina nigra). 











1. Kabeljau (Gadus morrhua). 2. Schellfisch (Gadus aeglefinus). 
020—1,blı m. W300) m. 








14 
101 
7. Vierhörniger Kofferfisch (Ostracion b $ 2 
quadricornis). 0,25 m. 
8. Chirurg (Acanthurus chirurgus). 9. Gemeine Meerbarbe (Mullus barbatus). 0,30 m. 
0,30 m. 10. Gemeine Meergrundel (Gobius niger). 0,15 m. 
— Te“ 

12 


11, Goldmakrele (Coryphaena hippurusı. 0,50—1,20) m. . 





Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 





— — 


8. Echte Dorade (Chrysophrys aurataı. 
0,40 ım. 


4. Gemeiner Sägebarsch (Serranus cabrilla). 
0,30 m, ; n 
h, Seepferdchen (Hippocampus antiquorum). (0,16 m. 
6, Rundrüsselige Seenadel (Syngnathus ncus), 0,60 m. 


12, Scholle (Pleuronectes platessa,. 13. Flunder (Pleuronectes flesus),. 14. Kliesche (Pleuronectes limanda), 
Oo Im, 0,36 m, 0,30 m. 





FISCHE. Il. 





2 r ——— 


ng te —e 











* Ts ii ie 






1. Gemeiner Schwertüsch (Xiphias gladius). 1,506 m. 






— A — 3. Mondfisch (Orthagorisens mola). 1—2,%0 m. 


2. Ukeley (Aspius alburnus). 0,1020 ın 4. Gemeine Muräne (Muraena helenai. 1—1,b0 m. 


5. Gemeiner Thun (Thynnus vulgaris. 1—8'm. 








Brockhaus’ Konversutions - Lexikon. 14. Aufl. 


FISCHE. IV. 


2. Hering (Clupea harengus). 
Ange ca. 0,% m. 


H Braten 
F 


4. Grofsflosser (Polyacanthus 
viridi-auratus). Länge ca. 0,10 m. 


b. Seeskorpione (a Cottus bubalis und d Cottus scorpius). 


Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 








FISCH 















= 3. Sander (Lucioperca sandra), 4 Gemeiner Bars 
Länge meist 0,40 — 0,50 m. Länge mei 







2. Zährte (Abramis vimba), 


1. Brachsen (Abramis brama). 
Länge ca. 0,4) m. 


Länge 0,40 — 0,70 m. 











„CHE 
— 


— — 





- 


9. Seestichling (Gasterosteus spinac] 


10, Gemeiner Stichling (Gaster« 
Länge ca. 0,06 n 






— 


7. Seeschmetterling (Blennius ocellaris),. Länge ca. U,13 ın. 
8. Petermännchen (Trachinus draeo),. Länge ca. 0,40 m. 








12. Schwalbentisch (Exocoetus volitans). Länge 0,40 m. 18. Gurami (Osphromenus ol 





Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 


sh (Perca fiuviatilis). 
 0,20—0,40 ın. 


b. Schütze (Toxotes jaculator). Länge ca. 0,20 m. 
6. Korallenfisch (Chaetodon Meyeri). Länge ca. 0,20 m. 


as). Länge ca. 0,18 m. 
sutens aculeatus). 


} ui 
f F 
LITT VeTL 


EN 


11. Seeteufel (Lophius piscatorius). Länge 0,60 — 1,80 m. 





3. Gemeiner Flösselbecht (Polypterus bichirı. Afrikanischer Schuppenmolch (Protopterus annectens). 
Länge 0,50—1,%0 m. nge 1—2 m. 
(| 
Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14, Aufl. 





FISCHE. VL. 























2. Blauhai (Carcharias glaucus). 2—3 m. 3. Sägefisch (Pristis antiquorum). 5 ın. 


—- — — 2 — — 








4. Hammerhai (Zygaena malleus)., 2—4 m. db. Zitterrochen (Torpedo marmorata), 1,50 m. 





Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 





FISCHE. VII. 


ren Fee 


2. Gemeiner Dornhai (Spinax acanthlas). Etwa 1m. 3, er (Raja batis), 
— 2, m. 


4, Keulenrochen (Raja clavata). 0,40—0,80 m. 


Brockhaus’ Konversations-Lexikon. 14. Aufl. 





Fiſche (aſtronomiſch) — 


lett, die Chimären, Haie und Rochen begreifend 
(Taf. VIL, Fig. 1—5; Taf. VIII, Fig. 1—4); Cyclo- 
stomata oder Nundmäuler |: d.), mit rundem 
Saugmund und angewacjenen Kiemen, die Lampre⸗ 
ten und ‚Önger. enthaltend; endlich die niedrigſten, 
vie Rohrenherzen, Leptocardia (f. Lanzettftiche), | 
tleine Fiſchchen ohne Schädel, Hirn und Herz, mit | 
in der Baucböble gelegenen Kiemen und farblofem 

Blute. Neuerdings bat man die beiden lektern 








Ordnungen, die feine paarigen Flofjen befiken, von | 


ven 5. getrennt und als eigene Klaſſen aufgeitellt. 
Einige F., gran ber Zitterrodyen, Bitterwels 
und Zitteraal, haben das einentümliche Vermögen, 


eleltriſche Schläge zu erteilen. (©. Zitterfiihe.) Die | 


geoar. Verbreitung der F. gebt durch alle Zonen, jo 
weit das Wafler reicht. Dan kann die F. in See: 
fiſche Brackwaſſer-und Süßwaſſerfiſche ein: 
teilen, ohne indes damit einen Ausdruck für ihre 
natürliche Verwandtſchaft zu gewinnen, da ſehr viele 
Familien Vertreter im Meere und in den Flüſſen 
zugleich haben und viele Wanderfiſche zeitweiſe, 
Zwede des Laichens, aus dem en ins 
Baſſer zieben oder umaelehrt. 
cheidet man Küſtenfiſche, pelagiſche und Tief 


eefifche, die wieder durch viele Übergänge verbun: | 


den find. Die meiften Arten Küſtenfiſche beberbergt 


die heiße Zone, in der auch die pelagifchen ihren 
Höbepunft erreichen; die fältern Breiten zeichnen fich | 


durd) Herbenfiiche aus, bei denen eine oft ungebeure 
Individuenzabl zufammenbält. Von Tiefſeefiſchen 
baben wir früher meift nur durch Aufall Kunde er: 
balten (ſ. Herinaslönige und Haifiiche), erſt die neuern 
Forſchungen haben zu interefjanten Entdedungen ge 
tübrt. Die meiſt dunkel gefärbten Tiere von weicher 
Rt ——————— orientieren ſich entweder in ihrer 
finſtern Umgebung durch ———— wie der 
Bathypterois longipes Günther, oder fie erleuchten 
die Nacht durch die Phosphorescenz verichieden ges 
ftalteter Zeuchtorgane, um mit großen Augen die 
Dämmerung zu durchdringen (ſ. Tieffeeleben ['Bd.15] 
und Leuchtende Tiere nebit Tafel, Fig. 8—11 
[Bd. 17)).— Über die Flieaenden Fiſche |. d. 
Die F. find die älteiten Wirbeltiere. Man bat 
Neite derjelben ſchon in den ſiluriſchen Schichten 
gefunden. Bis zum Jura aab es nur Seladier 
und Ganoiden; die Knochenfiſche treten erft in den 
oberiten Juraſchichten auf. Hauptwerk über die 
foſſilen 3: ift pasjenige von Agaſſiz («Recherches 
sur les poissons fossiles», 5 Bde, und Atlas, Neuen: 
burg 1838 — 43), wäbrend die Werte von Euvier 
und Valenciennes («Histoire naturelle des pois- 
sons», 22 Bde., Bar. 1828—49), Job, Müller und 
Günther für die Fiſchlunde oder Jchtbyologie maß: 
gebend find. Val. aub noch: Stebold, Die Sü 
wajierfiiche von Mitteleuropa (Lpz. 1863); Mulder 
Vosgoed, Bibliotheca ichthyologica et piscatoria 
(Haarl, 1874); Möbius und Heinde, Die 5. der 
Ditiee (Berl. 1883); Balactd, Die Verbreitung der 
5. (2. Aufl., Prag 1895); Nitiche, Die Süßmajjer: 
niche Deutichlands (2. Aufl.,Berl.1898); Bade, Die 
mitteleurop, Sußwaſſerfiſche (2 Bde., ebd. 1900— 2). 
In Bezug auf Nüplichleit für den Menichen 
folgen die F. unmittelbarauf die Säugetiere. Denn 
wicht allein erhalten ſich obere Völker oft nur durch 
F. jondern es ijt der Fiſchfang aud für große und 
ebildete Nationen eine Quelle des Reihtums. (©. 


z 


um 
F —* 
m Deere unter: | 





iſcherei, Fiſchhandel und Fiichzucht.) 
Fiſche (lat. Pisces), das 12. der Zeichen des Tier: 
fretieg, von 330 bis 360° Länge reichend und mit 


Fiſcher (Guſtav Adolf) 125 


X —— außerdem auch ein Sternbild des 
nördl. Himmels (ſ. die Sternkarte des nörd— 
lichen Himmels). 1 
ifchegel (Piscicola), Gattung der Rüſſelegel 
($. Blutegel), mit ſechs äußerlich auf Fifchen und be 
jonders auf deren Kiemen jhmarogenden, im Süß- 
waſſer vortommenden, meiſt lebhaft gefärbten Ar: 
ten. Der Körper ijt ſchmal, nicht einrollbar. Wo fie 
in großen Mengen auftreten, fönnen fie die Zucht der 
Fiſche, befonders der Karpfen, ſehr benadteiligen. 
Fifcheln, Landgemeinde im Landkreis 5 
des preuß. Reg.⸗Bez. ng 2", km füplich 
von Krefeld, mit dem es durd Dampfitraßenbahn 
verbunden ijt, hatte 1900: 7534 €., darunter 241 
Evangelifhe und 13 Ssraeliten, 1905: 8214 E., 
Boit, ——— Krantenhaus der Auguſtinerinnen; 
Eijengieherei, Keſſelſchmiede, Seidenweberei (1000 
Hanpjtühle), Sammetweberei, hem. Fabrit, Metall: 
und Galanteriewaren:, Wachspapier⸗, Wachsleinen⸗ 
und Liqueurfabriten, Brauerei und Gemüfebau. 
Fiſcher, Antonius, Erzbifchof von Köln, ſ. Bd. 17. 
Fiſcher, Auguft, Yildbauer geb. 17. Febr. 1805 
zu Berlin, war anfangs Goldichmied, wibmete fich 
aber dann der bildenden Kunit unter G. Schabom 
auf der Berliner Alademie. Nachdem er 1839 
mit der Statue einer röm. MWajjerträgerin fein 
Talent belundet hatte, wurde er 1848 Profeffor an 
ber Alademie und erhielt den Auftrag, die vier 
Kriegergruppen um die Bictoriafäule auf dem Belle: 
Alliance-Plage zu fomponieren; es war ibm nicht 
vergönnt, diejelben in Marmor fertig zu ftellen 
(vollendet von Franz und Walger). Seine eigent- 
lihe Begabung tft in der Kleinlunſt zu fuchen, in 
der er Mevaillen, Brachtgeräte, Vaſen, Ehrenſchilde 
u. ſ. w. ſchuf; jo nad) der Zeichnung von Eornelius 
das Wachsmodell zu dem filbernen Glaubensſchild, 
Batengeichent Friedrich Wilhelms IV. 1844 an den 
Prinzen von Wales (Wiederholung in der National: 
alerie zu Berlin); ferner die Hochzeitsgeſchenle ber 
tadt Berlin und des rhein. Adels u. a. für den 
Kronprinzen. F. ftarb 2. April 1866 zu Berlin. 
Fifcher, Emil, Ehemiter, geb. 9. Dit. 1852 zu 
Euskirchen, ftubierte in Straßburg, habilitierte 
ſich 1878 in Münden, wurde 1879 dort außerord. 
Profeſſor, 1882 Ordinarius in Erlangen, 1885 in 
Würzburg, 1892 Nadfolger A. W. von Hofmanns 
in Berlin. Seine zablreihen Erperimentalunter: 
fuhungen liegen auf dem Gebiete der organiſchen 
Chemie. Beſonders erfolgreich ijt die Entdedun 
des Phenylhydrazins und feiner Einwirkung au 
Ketone und Aldehyde geworden. Ihn jelbit führten 
die ſich anſchließenden Studien zu einer neuen, bes 
deutenden Arbeitäreibe über die Juderarten, die er 
namentlich auch den Traubenzuder, zuerſt ionthetifh 
darftellte. Er veröffentlichte: «Anleitung zur Dar: 
ftellung organiſcher Präparate» (5. Aufl., Würzb. 
1896). 1902 erbielt er ven Nobelpreis für Chemie, 
Fiſcher, Guſtav, Verlagsbuchhändler, |. Bo. 17: 
Fiſcher, * Adolf, Afrilareiſender, geb. 
3. März 1848 zu Barmen, wurde Militärarzt, Schloß 
fih 1876 dem Unternehmen der Gebrüder Denbarbt 
($.d.) an und machte 1877 eine Erturfion in die jüdl. 
Gallaländer und das Land Witu, Gemeinfam mit 
den Denbarbts führte F. 1878 eine Erforſchung des 
Tana aus. Dann lebte er bis Dit. 1882 ald Arzt 
in Sanfıbar. Im Dez. 1882 trat & unterjtüßt von 
der Hamburger Geographiſchen Gejellihaft, feine 
dritte Reife an, eg der er von der Mündung des 
Panaani aus das Yand der Maflai bis zum Nai— 


726 


waſcha durdzog. Im Nov. 1883 nad Deutſchland 
zurüdgelehrt, unternahm er 1885 eine neue Erpe- 
dition, um Cafati, Emin Paſcha und Junker auf: 
gegen. Er gelangte bis zum Bictoria:Njanfa, 
onnte aber die Landſchaften am obern Nil, wo die 
Geſuchten weilten, nicht erreichen, und kehrte über 
Kavirondo, ven Naiwaſcha und Kikuju nad Jahres: 
rift 21. Juni 1886 nad Sanfıbar — (S. Karte: 

auatorialafrita) Am 11. Nov. 1886 erlag 
er in Berlin einem tropiſchen Fieber. 5.3 vorzüg: 
lie Reifeberichte find in den «Mitteilungen der 
Geographiſchen Gejellfhaft in Hamburg» veröffent: 
licht (Jahrg. 1876—77, 1882 — 83, ee); je 
veröffentlichte er: «Mehr Licht im dunkeln Weltteil» 
Gamb. 1885). 

Fiſcher, Hannibal, Staatdmann, geb. 1784 
zu Hildburghaufen, ftudierte zu Göttingen die 
Rechte und wurde 1805 in feiner Baterjtabt Advo⸗ 
tat; 1831 trat er, nachdem er vorher im fürftlich 
Leiningenſchen Dienſt geitanden hatte, in olvenb. 
Dienfte und wurbe Nenierungspräfident in Birken: 
feld, jedoch 1848 außer Altivität gefegt. Er ver 
jabte 1852 die Beſchwerdeſchrift der Sadjen: Go: 
warten Mirihaf an ben Bundestag und ver: 
fteigerte im Auftrag ded Bundestags zu Bremer: 
—— die deutſche Flotte. (S. Deutſches Heerweſen, 

riegsmarine.) 1858 trat er an die Spike des Kabi⸗ 
netts des Fürftentums Lippe und veranlaßte die 
Berfafiungswirren dafelbft. Wegen Majeftätsbelei- 
digung wurde er 3. Juli 1855 verhaftet, gegen 
Rautionsftellung bald wieder freigegeben und jpäter 
von der Fakultät zu Breslau freigeſprochen; doch 
wurde er nod im Juli 1855 aus dem lippeſchen 
Staatsdienſt entlafjen, Er ftarb 8. Aug. 1868 zu 
Rödelheim. F. ſchrieb: «Der deutſche Adel in der 
Borzeit, Gegenwart und Zukunft» (2 Bde., Franlkf. 
1852), «Aburteilung ber Jejuitenfache» (Lpz. 1858), 


«Bolit. Martyrtum» (ebd. 1855). 

#ifcher, Heinr., Zoolog und Mineralog, geb. 
19. Dez. 1817 zu Freiburg i. Br., ftubierte da: 
jelbft die Naturwi enöaften und Medizin und 


—— ſich 1846 für Zoologie, Zootomie und 
ineralogie an der Univerfität zu Freiburg, wo er 
aud 10 Jahre ärztliche Praris ausübte. 1854 wurde 
er außerord. Brofeflor ver Mineralogie und Direktor 
des Mineralogifh:Geologiihen Mufeums in Frei: 
burg, 1859 ord. Profeſſor daſelbſt. F. jtarb in der 
—* vom 1. zum 2. Febr. 1886 zu Freiburg. Seine 
eriten Bublilationen bewegten ſich vorherrſchend auf 
zoolog., fpeciell entomolog. Gebiet, auf welchem die 
Monographie «Orthoptera europaea» — 18 Ta⸗ 
feln, Lpz. 1858) fein Hauptwerk iſt. Anfangs be—⸗ 
zogen ſich feine mineralog. Studien auf Mineral: 
und Geſteinsvorlommniſſe feiner Heimat; fpäter 
ftellte er u. d. T. «Elavis der Silitate» (Lpz. 1864) 
abellen zum Beltimmen ſämtlicher tiefelfaurer 
——— pres Er verfaßte ferner: 
«Ebronol. Überblid über die allmählihe Einführung 
der Mitroflopie in das Studium der Mineralogie, 
Vetrograpbie und Paläontologie» (Freiburg 1868) 
und «fritifche milroflopifch » mineralog. Studien» 
(ebd. 1869, nebſt zwei Fortiegungen 1871 und 1873). 
Im Anfang der hebziger ahre wandte er fich be: 
onders prähiftor. Studien zu; er gründete mit dem 
Anatomen Eder das BräbiltoriidEthnograp iſche 
Mufeum in Freiburg und veröffentlichte das Wert 
«Nepbrit und Jadeit, nach ihren mineralog. Eigen: 
haften fowie nad ihrer urgeſchichtlichen und 
etbnogar. Bedeutung» (2. Aufl., Stutta. 1880), 





Fiſcher (Hannibal) — Fiſcher (Kuno) 


Fifcher, Job. Georg, Dichter, geb. 25. Dt. 1816 
zu Großfüßen in Württemberg, ftudierte in Tü- 
bingen Botanik, Naturwiſſenſchaften, insbejondere 
Drnitbologie und Glfthetit und allgemeine Litte- 
ratur, wirkte dann als Lehrer an der Vorſchule 
des Gyumnafiums und der Realanijtalt zu Stuttgart 
und übernahm zulegt die Leitung dieſer Anſtalt jo: 
wie der faufmännijchen Fortbildungsſchule. 1860 
murde F. Profeſſor an der Stuttgarter Oberreal: 
fhule und trat 1885 in den Ruheſtand. Er ftarb 
4. Mai 1897 in Stuttgart. F. veröffentlichte: «Ge: 
dichte» (Stuttg. 1854; 3. Aufl. 1883), «Neue Ge: 
dichte» (ebd. 1865), ferner: «Den deutſchen ar 
(ebd. 1869), «Aus friiher Luft» (2. Aufl., ebv. 
1873), «Neue Lieder» (ebd. 1875), das Idvll «Der 
ga Rnecht» (ebd. 1881), «Auf dem Heimmen. 

eue Gedichte» (ebd. 1891), «Mit acht Jahren. 
Lieder und Epigramme» (ebd. 1896). Mit Feodor 
Löwe und Karl Schönbarbt gab F. 1870 (Stuttgart) 
zum Beften der Verwundeten die Sammlung patrio: 
tifcher Lieder «Drei Kameraden» heraus, Den beiten 
der Iyrifchen Erzeugnifie des «Schwäb,. Frauenlob» 
tft neben Schönbeit und Korreftbeit der Form, neben 

rme der I rein Meg Tuchtigleit der Ge 
finnung eine originelle Kraft des Ausdrucks und 
ewiſſe urwuchſige Knorrigleit eigen; namentlich ge: 
angen ihm vollstümliche Lieder. Ferner ſchrieb er 
die Dramen: «Saul» (Stutta. 1862), «Friedrich IL. 
von Hobenjtaufen» (ebd. 1868), «Florian Geyer» 
(ebd. 1866), «Hailer Marimilian von Merito» (ebd. 
1868). In der Skizze «Mus dem Leben der Vögel» 
(2pa. 1863) kennzeichnet ek Die baratteriftifchen Er: 
fheinungen der Tierjeele in ihren verſchiedenſten 
Gemütsbewegungen. — | gl 9. Fiſcher, Erinne 
rungen an Joh. Georg I (Züb. 1897). 
ifcher, Kuno, Philoſoph, geb. 23. Juli 1824 
zu Sandemwalde in Schlefien, ſtudierte feit 1844 erft 
in Leipzig Vbilologie, dann Theologie und Philos 
jopbie zu Halle. Nachdem er von 1848 bis 1850 als 
Hauslehrer zu Pforzheim gelebt hatte, habilitierte er 
ſich 1850 an der Ulniverfität zu Heidelberg für Philo⸗ 
iopbie, wo feine Vorlefungen alabald ungewöhn— 
ihen Beifall fanden. Im Juli 1853 entzog ibm 
jevob ein Minifterialreftript, obne dafür Gründe 
anzugeben, die Grlaubnis zum Halten von Bor: 
lefungen. hi lebte hierauf zu Heidelberg in Gemein- 
ſchaft mit Gervinus und Strauß jeinen wiſſenſchaft⸗ 
lihen Arbeiten. Im Herbit 1855 wandte er fih nad 
Berlin, um ſich dafelbft von neuem zu habilitieren, 
doch wurde ihm vom Minifterium Raumer auf Grund 
des bad. Verbots die Erlaubnis dazu verweigert. 

t auf Berwenden der Yalultät wurde ihm durch 
Kabinettsorder des Königs im Sept. 1856 die Ha- 
bilitation geftattet. Kurz vorber war indes F. einem 
Ruf ala Profeſſor nad Jena gefolgt und begann 
bier feine Vorleſungen vor einem —— 
wie er ſich an dieſer Univerfität an Zahl und Be— 

eiſterung ſeit den Zeiten Schillers, Fichtes und 

llings nicht wieder zuſammengefunden hatte. 

Im Winter 1865—66 begleitete er den Erbgroß⸗ 

berzog nad Stalien. 1872 folgte er einem Ruf nach 

Heidelberg; 1906 trat er in den Nubeitand und 
ftarb 5. Juli 1907 in Heidelberg. 

Als Rbilof opb gebört F. der Nichtung Hegels an. 
Seine eriten ſchriftſtelleriſchen Leijtungen waren: 
«Diotima. Die dee des Schönen» (Pforzh. 1849) 
und «Logik und Metaphyſil oder Wiſſenſchaftslehre⸗ 
(Stuttg. 1852; 2. Aufl., Heidelb. 1865). F.s Haupt: 
werl die «Gefchichte der neuern Vbilojophie» 


Fiſcher (Ludwig) — Fiſcher (Theobald) 


(Bp. 1—6, Mannb. und Heidelb. 1852—77; Bp.8, 

ebd. 1893; neue Aufl., 10 Bde., 1897 fg.), die in einer 

Reihe von ig age Descartes und feine 
i 


—— € ee s > feine Schule, ne 
ichte, Schelling, Hegel un openbauer in glän: 
ender Daritellung behandelt. . befonderes 


erihien: «Francis Bacon und feine Nachfol⸗ 
ner» (2pz. 1856 ; 2. Aufl. 1875). Diefen umfafjenden 
Arbeiten ‚jabie fih die Heinen S en an, 
wie «Schiller. Drei Borlefungen» (Frantf, 1868 
—61) und Friedr. Schiller. Alademifche Feft- 
rede» (Ops. 1860); ferner: Kants Leben und bie 
Grundlagen feiner . Drei Borträge (Mannh. 
1860), «Atabemifche Reden: 1. Joh. Gottlieb Fichte, 
2. Die beiden erg u Schulen in Jena» (Stuttg. 
1862), «Leifings Nathan der Weiſe⸗ (ebd. 1864; 
4. Aufl. 1896), «Leifing als Reformator der deut: 
ſchen Litteratur» (2 Tle., ebd. 1881), «Goethes 
gen (ebd. 1878; 4. Aufl. 1902), «Barud Spinozas 
eben und Gharaktern (Heidelb. 1865), «Shalfpeares 
Ebaralterentwidlung Richards III.» (ebd. 1868), 
«tiber die —— und die Entwidlungsformen 
des Mihes» (ebd. 1871; 2. Aufl., Lpz. 1889), «fiber 
die menschliche Sreibeits (Heibelb. 1888), «Goet 
Spbhigenie» (2. Aufl., ebd. 1899), «tiber die Erflä- 
rungsarten des Goetbeiben Fauft» (ebd. 1889), 
«Goethes Taſſo⸗ (ebd. 1890), «Schopenhauer; Leben, 
Eharalter und Lehre⸗ (ebd. 1892), «Shaleipeare und 
die Bacon: Mythen» (ebd. 1895), «Boetbes Sonetten: 
franz» (2 Bde., ebd. 1895— 96), «Boethbe-Schriften» 
F 1—8, ebd. 1895— 1908), «Shalefpeares Ham: 
ur ar 1896), ·Kritiſche Streifzüge wider die Uns 
ti 
und Verſtand im Menſchen⸗ (ebd. 1896), «Der Phi⸗ 
loſoph des Peſſimismus⸗ (ebd. 1897), Großherzo⸗ 
gin Sophie von Sadien» (ebd. 1898). 

Fiſcher, Ludwig, Baſſiſt, geb. 18. Aug. 1745 zu 
Mainz, wo er in ver Kapelle des Kurfürften wirkte, bis 
er 1767 in Mannheim die Bühne betrat. 1778 kam 
er nach Münden, von da 1779 and Wiener Ratio: 
naltbeater, 1783 nad Paris, 1784 nad Stalien 


und nahm endlich 1785 ein Engagementsanerbieten | Spri 


des Fürſten von Thurn und Zarıs an, Die Höbe 
feines Rubms erreichte er in Berlin, wohin er 1788 
an die Ftalienifche Oper gelommen war und wo er 
nun bis zu feiner Benfionierung 1815 wirkte und 
10. Juli 1825 ftarb. — Er war jeit 1779 vermäbhlt 
mit Barbara, geborenen Strafler, geb. 1758 zu 
Mannheim, die dafelbft 1772 debütierte, 1779 nad 
Münden fam und nun ibrem Gatten auf feinen 
Zügen folgte. 1798 wurde fie penfioniert. Bon den 
vier Kindern biefer Ehe find ala tüctige Sänger 
bervorzubeben Joſeph (geb. 1780 in Wien, geit. 
9, Dt. 1862 in Mannheim) und % Bart (geb. 
1782 in Wien, geft. 1854 in Mannheim), die ſich 
nad ibrem Gatten Fifher-Bernier nannte und 
als außergewöhnlich begabte dramat. Sängerin galt. 
#Fifcher, Ludw. von, Politiker, geb. 5. Dt. 1832 
ir Sulzbach (Oberpfalz), ftubierte in Berlin und 
ünden Rechtswiſſenſchafi und arbeitete in Augs⸗ 
burg zuerjt beim Kreis: und Stabtgericht, darauf bei 
der Regierung von Schwaben und Neuburg. 1862 
wurde er zum zweiten, 1866 zum erften Bürgermeifter 
der Stadt Augsburg gemählt, mo er 8. Jan. 1900 
—— Seit 1863 gebörte F. der Zweiten Kammer des 
ayr. Landtags an und machte fi 1867—69 als 
Referent des ng ng für 
die Gejeheövorlagen über Heimatwefen, Verehe⸗ 
lichung, öffentlihe Armen: und Kranlenpflege ver: 


(ebd.1896), «Das Verhältnis zwischen Willen | Schül 


127 


dient. Er war ein hervorragender Redner und trat 
von Anfang an für das geeinigte Deutichland unter 

reußens Führung ein. Dem Reichätage gebörte 
F. 1871—73 ala Vertreter Nugsburgd, 1884—90 
für Geiälingen:Ulm, jeit 1898 für Bayreuth an, 
Als Mitglied der nationalliberalen Fraktion zählte 
er nicht jelten zu der fhußzöllneriihen Minderheit 
feiner Bartei, 

Fifcher, Ludwig Hans, Maler und Radierer, 
geb. 2. März 1848 in Salzburg, lernte feit 1869 
auf der Wiener Alademie unter dem Landſchafts⸗ 
maler von Lichtenfeld die Malerei fomwie bei Jacoby 
und Unger die Radierkunft. Nachdem er dann Italien, 
Nordafrika, Kleinafien, Spanien und Indien u. 
batte, ließ er fich in Wien nieder. Bon feinen Öl: 

emälben —— Heimtehr griech. 

iraten (1874), Hof eines arab. Hauſes (1876), 
Arabiſches Serail in Tunis (1879), In der Stein» 
müfte von Judäa (1880), Palmenwald bei Mems: 
pbie (1882), Anfiht von Jerufalem (1886), Chamſin 

i Theben in Ülgupten (1888). 1889 fchuf er einige 
Gemälde für das Hofmufeum in Wien; es folgten 
dann: Das Goldene Horn (1890), Mondnadt in der 
Müfte (1891), Wald am Himalaja (1892), Waldpartie 
auf Geylon, jomie hiftor. Landſchaften aus Öfterreich- 
Ungarn. Zu erwähnen find noch eine Reibe von 

uarellen aus Indien und Agypten. F. fchrieb: 
«Die Technik der Aquarellmalerei» (Wien 1888; 
7.Aufl.1898),«DieTechnitder Ölmalerei»(ebd.1898). 

fher, Martin, Bildhauer, geb. 1740 zu Be 
bele im Allgäu, fam nah Wien, wo er ala Alta: 
demieprofeflor 27. April 1820 ftarb. Er wurde 
üler Schletterer3 und wandte fih im Anſchluß an 
Raphael Donner im Gegenfag zum Baroditil mehr 
der Antile und dem Naturftubium zu. Doc haben 
feine forgfältig durdhgearbeiteten Werke einen trods 
nen Zug. Seine zablreihen Arbeiten, befonders 
Brunnenfiguren, fhmüden Plätze, Kirchen und Ge 
bäude in Wien, Sein edelftes Der! ift der Mofes auf 
dem Franzislanerbrunnen, ferner die Hygieia in der 
Alfervorjtabt, die heil. Margareta ebendort, der 
ngbrunnen vor dem Sclofje in Schönbrunn, 
endlich feine ausgezeichnete anatom. Altfigur in der 
Atademie. 

Fifcher, Dito, Ehemiter, geb. 28. Nov. 1852 zu 
Euskirchen, ftubierte in Berlin, Bonn und Straß: 
burg Chemie, habilitierte fih 1878 in Münden, 
wurde 1884 nad Erlangen berufen und dort 1885 
der ya eined Vetter Emil Fiſcher ( d.). 
Seine zahlreihen wiſſenſchaftlichen Arbeiten liegen 
zumeift auf dem Gebiete der organischen Farbftoffe 
namentlich der zunäcft gemeinihaftlih mit Emil 
B. bearbeiteten arena nern 1881 
and er im Kairin das erfte fünftliche Fiebermittel. 

ſcher, Theobald, Geograph und Forſchungs⸗ 
reijender, geb. 31. Dez. 1846 zu Kirchfteik bei Zeitz, 
—— Ei Deneerg, Dakt, Bonn und Wien Ge 
dichte, Botanik und Geographie. Er bereifte 1868 
— 76 den größten Zeil von Mittel: und Südeuropa, 
babilitierte ſich 1876 in Bonn für Geographie, wurde 
1879 Profeflor in Kiel und 1888 in Marburg. 1886 
bereifte 5. Zunefien und DOftalgerien, 1888 Welt: 
algerien und Marotto, 1899 und 1901 nochmals 
rolto, Er fhrieb: «Beiträge zur phyfiihen Geo: 
rapbie der Mittelmeerländer, befonders Siciliens» 
pn. 1877), «Studien über das Klima der Mittels 
meerländer» (Ergänzungäbeft Nr. 58 x aBeter: 
manns Mitteilungen», Gotha 1879), «Die Dattels 
valme» (ebd., Nr. 64, 1881), «Norwegen, ein geogr. 


128 


Eharatterbild» (in ver «Sammlung von Vorträgen», 
Heidelb. 1884), «Raccolta dei mappemondi e carte 
nautiche dal XIII al XVI secolo» (10 Kartenwerle 
in 79 Blättern, Vened. 1881), «Beiträge zur Ge: 
—— der Erdkunde und der Kartograp ie in Ita: 
ien im Mittelalter» (ebd. 1886), «Die füdeurop. 
Halbinfeln» (in «Unſer Willen von der Erde», bo. 
von A. Kirchhoff, Bo. 3, rap 1893), «Stalien, eine 
länvertundliche Skizze» (Hamb. 1893), «Wiſſenſchaft⸗ 
lihe Ergebnifle einer Reife im Atlas: Borlande von 
Marotto — ——— Sheft Nr. 133 zu «Peter: 
manns Mitteilungen», Gotha 1900), «Meine dritte 

orſchungsreiſe im Atlas: Vorlande von Marokko 
im %. 1901» (Hamb. 1902), «Reifewege im Atlas: 
Borlande von Marokko 1901» (2 Blätter, 1:300000, 
ebd. 1902). 

Fifcher: Achten, Karoline, Sängerin, geb. 
29. San. 1806 zu Wien, wurde 1827 für die Hofoper 
engagiert. 1830 heiratete fie den Baſſiſten Fried— 
ar Fiſcher (geb. 6. 2 1809 zu Preßburg, 
geit. 10, April 1871 zu Graz), machte dann Sat 
reifen, wurde 1832 Mitglied des Frankfurter Thea: 
ter3, 1836 auf Lebensdauer für das Braunfchweiger 
Hoftheater engagiert und zog fi dann, 1853 pen: 
fioniert, nah Graz zurüd, Sie ftarb 13. Sept. 1896 
zu — bei Graz. Sie beſaß eine ſchöne, 
durch großen Umfang ausgezeichnete Stimme. 

iſcher von Erlach, ſ. S. 732b und 733a. 

ifcher von — — S. 7334. 

iſcherei, der gewerbsmäßige Fiſchſang. Die 
Technik ber 5. iſt in neuerer Zeit bedeutend ver— 
vollkommnet worden, zum Teil dadurch, daß an 
Stelle der ſchweren, aus Hanf und von den Fiſchern 
ſelbſt —— Netze viel leichtere baumwollene 
getreten ſind, die in Fabrilen hergeſtellt werden, 
zum Teil, ſoweit Seefiſcherei in Betracht lommt, 
durch mwejentliche Verbeflerung der Fabrzeuge und 
durch die Benußung von Dampfkraft beim Betriebe. 
Abgejeben von der Angelfijcherei (ſ. d. und Leinen: 
fiſcherei) wird der Fiſchfang mit Neken oder nep: 
artigen — betrieben (f. Nebfiicherei). 

Die Binnenfifherei in den fühen Gewäflern 
ift die leichtefte, mit Angel, Hamen, Stell: und Zug: 
neßen betriebene Art der F.; in höchſter Blüte jtebt 
fie in den Vereinigten Staaten, in China, Schwe: 
den, Norwegen, Rußland u. a.; in Deutichland 
ftebt Oſtpreußen in erjter Linie und für den Weiten 
die Lachsfiſcherei im Rhein, der Weſer und Elbe, 
Der EStörfang in den deutſchen Strömen (f. aud 
Karte: — Wa A I) ieh jurüdgegan: 
gen. Die Elbe war früber das Hauptfanggebiet; 
jest werben die meijten Störe in der See gefangen. 
Die Beitrebungen, der Storfiſcherei durch Lünftliche 

iſchzucht zu belfen, baben bisher aud Mangel an 

rutfifhen feinen Erfolg gehabt. Der Maifiſch, 
Be im Rhein ein wichtiger Wanderfifch, ift zum 
Zeil vielleiht dur die rüdfichtälofen Fänge der 
Holländer dort faft auägeftorben. Verſuche zur 
eg der Maiftfchzucht find im Gange. Der Aal 
wird überall in Deutichland gefangen, neuerdings 
Igor im Donaugebiet, wo er durch Einſetzung ital. 

albrut erjt eingeführt wurde. Der Huchen in dem 
Donaugebiet eigentümlich, auch der Sterlet fommt 
in der untern Donau vor. Die übrigen Flußfiſche, 
die verichiedenen Weißfiſcharten, baben voltäwirt: 
ſchaftlich kaum eine Bedeutung, nur der Hecht und 
der Sander maden bier eine Nusnabme. Sie find 
bie — der Fiſcher. Der Sander kam in 
jüngſter Zeit auch in den Rhein und gedeiht darin 


Fiſcher⸗Achten — Fiſcherei 


vortrefflich. In Landſeen des. nordl. Deutſchlands 
fängt man vornehmlich den Brachſen, in einigen 
norddeutſchen Seen (Madüſee) die Maräne; Renten 
oder Felchen kommen neben dem u. der 
——— im Bodenſee und in den bayr. Seen vor. 

n kleinern Seen und Teichen bildet neben Karau— 
hen, Weißfiſchen, Scleien, Hebten und Sandern 
der Karpfen den Hauptgegenjtand des Fanges und 
ugleich den einer rationellen Teichwirtſchaft (f. d.). 

jchnellfließenden Bächen fängt man Forellen, 
ſchen und feit dem legten Jahrzehnt, namentlich 
in Mittel: und Sübdeutichland, den amerik. Bad 
faibling. Die deutihe Binnenfifcherei beichäftigte 
1895: 14042, die Seefilcherei 12150 Berfonen. 

Die Erträge der Binnenfijherei find in 
den voltreihern Ländern Europas in den legten 
Jahrzehnten allgemein jebr beruntergegangen, eine 
natürliche Folge der bedeutenden Steigerung des 
Konjums und dadurd berbeigefübrter Überfiihung, 
verbunden mit einer Vernichtung der Laichpläge 
und Störung bes Laichgeſchäfts durch Flußregulie⸗ 
rungen, Gijenbabnbauten und Induſtrieanlagen, 
ſowie einer dur Entwaldung bervorgerufenen Ber: 
minderung der Pflangennabrung in den jüßen Ge: 
a he ur Wiederbevölterung der verödeten Ge: 
wäſſer dient namentlich die fünftliche Fiſchzucht (i.d.); 
viel wichtiger aber find jahgemäße Fiſcherei— 
geſetze (ſ. Fiſchereipolizei), die jeht faſt in allen 
europ. Staaten beſtehen und den Schutz der Ge— 
wäſſer gegen eine ſinnloſe Ausbeutung bezwecen. 
Das ſeit 1874 beſtehende — Fſchereigeſeß 
gipfelt weſentlich in einer ſtaatlichen Beauſſich- 
tigung der F. durch Fiſchmeiſter und in der Feſt— 
jtellung von Schonzeiten und hat das Syſtem der 
fog. abjoluten Schonzeit —— wonach der 
Fang ſämtlicher im Frühjahr laichender Fiſche (wie 
des Barſches und der karpfenartigen Fiſche) vom 
10. April bis 14. Juni und der im Winter laichen— 
den lahsartigen vom 15. Dit. bis 14. Dez. verboten 
ift. Süddeutſchland hat Individualſchonzeit, d. b. 
für jede Fiſchart bejondere Schonzeiten. Beide 
Spiteme haben Freunde und Gegner. Doc bedarf 
bie Fiſchereigeſezgebung dringend einer Revifion 
im Anſchluß an die Waſſergeſezgebung. 

Die Intereflen der Binnenfiſcherei, der Fiſchzucht, 
der Teichwirtſchaft und des Angeliportö werden in 
Deutſchland in erjter Linie durd den Deutſchen 
alle are in Berlin und die ihm angeſchloſ⸗ 
enen Pandes: und Brovinzialvereine vertreten. Cr 
arbeitet mit den Beiträgen feiner Mitglieder, einer 
Subvention des Reichs und Unterjtükungen de 
größern Bundesjtaaten und der Stadt Berlin, im 
ganzen mit einem Etat von etwa 100000 M. 

Die Seefifherei, an den Hüften meift mit aro- 
Ben rm Stellnepen, Reufen u. a., auf offener 
See(Hochſeefiſcherei) mit Angeln (f. Leinenfiiche: 
rei), Schleppnegen oder Kurren & Baumſchleppneß 
und Scherbretternetz) und Treibnetzen betrieben, iſt 
zwar weit ſchwieriger als die Binnenfiſcherei, aber 
auch weit lohnender. In den legten Jahrzehnten 
ge fie durch Einführung der Dampftraft bei der 

. einen bedeutenden Auſſchwung genommen. Ihr 
wichtigſter Gegenſtand iſt zunächſt der Kabeljau oder 
—** mit ſeinen Verwandten, dem Schellfiſch, 
Köbler, Vollad, Wittlina, Leng, Seehecht u. a.; der 
Kabeljau wird zu Klippfiſch, Stockfiſch, Laberdan, 
Lebertbran (aus Dorichleber) und Fiſchguano vers 
arbeitet und bildet einen großartigen Handelsartilel. 
Auf der Bank von Neufundland und den angrens 


Fiſcherei 


zenden Gebieten, wo von Anfang i bis Mitte 
September über 20000 Fahrzeuge mit je —8 Mann 
Belakung von den brit. Kolonien, Nordamerila und 
Franlreich aus mit Angeln und Negen fiſchen, be: 
trägt der Wert des — Fangs über 30 MLM. 
An der norweg. Küjte, namentlich bei den Lofoten 
und Finmarfen, wird von — bis April der 
ders auf den Skrei oder großen Bankdorſch betrie⸗ 
en, bauptiählih mit Angeln, wobei mehr ala 
20000 Fahrzeuge mit über 80000 Menſchen aus 
allen Zeilen Norwegens befhäftigt find. Andere 
reiche Kabeljaugründe liegen in ver Nordſee (Dogger: 
bank und Große Filcherbant),. bei Island, wohin 
etwa 300 franz. Fahrzeuge mit 5000 Dann 
geben, und an verihiedenen Punkten des nord: 
acifilchen Deeans Näcit den dorſchartigen Fiſchen 
find die heringsartigen (Hering und Breitling oder 
Sprott im Norden Europas, Pilchard oder Sardine 
und Anchovis oder Sarbdelle im Süden, Menhaden 
oder Bunker an der Nordojtküfte der Vereinigten 
Staaten) die wichtigſten Objelte der Seefiiherei. 
Am großartigften ift der Fang an der Dftküfte Groß: 
britanniend, wo Schotten, länder, Holländer, 
Franzoſen und Deutihe vom Suni bis zum Sep: 
tember auf Deringe die Hochieefiicherei betreiben. 
(S. Hering.) Im Mittelmeer ift der Fang des Pil⸗ 
hard (Sardine) und des Anchovis faum weniger be: 
deutend als der des Herings im Norden. An dritter 
Stelle als Objekt der Seefiſcherei jteben die mit An: 
ein, Stell: oder ar rare gefangenen Wlatt- 
ſcharten, wie Heilbutt, Steinbutt, Glattbutt oder 
leift, Scholle, Flunder, Seezunge, Rotzunge u. a. 
Sonſtige wertvolle Seefiihe find die Thunfifche 
talien) und Mafrelen. Näberes über die deutſche 
ochſeefiſcherei j. Hocieefiicerei; über Walfang 
und Robbenichlag als Teile der Seefiiberei (Groß: 
fiſcherei) ſ. die betreffenden Artite 
Der Gefamtertrag, den die einzelnen Staaten 
jährlich aus der Seehioerei gewinnen, läßt ſich für 
die Vereinigten Staaten auf mehr als 200 Mil. M. 
veranichlagen; für Großbritannien betrug er 1900: 
194 (fait drei Viertel auf England entfallend), für 
Norwegen im Durchſchnitt der legten 30 Jahre 28 
(1900: 38) Mill. M. Einen der erjten Plaͤtze unter 
den Seefijcherei treibenden Ländern nimmt Japan 
ein, das etwa 3 Mill. Menſchen beſchäftigt und 
deſſen Erträge aus der Seefiicherei auf jährlid etwa 


140 Mill. M. angegeben werden. 
In intel pc in der F., deren Ertrag 110 
Mil. erreicht, die Aufter (t. d.) eine wichtige 


Rolle. Der Wert des —— war 1877 mit 184 
Mil, M. am bödjiten, fiel ſodann bis 1887 

nur 8,8 Mill. M., ift aber von da ab bis 1898 au 
16,4 geitiegen und bat diefe Höbe auch im J. 1901 
bebauptet. — Deutſchland hat in der Seefifcherei bis 
1884, d. h. bis zur Ausſendung feines erſten Fiſch⸗ 
damırfers, wenig geleiſtet. 1901 beſtand aber die ge: 
famte Fijchereiflotte jhon aus 541 Fahrzeugen mit 
101844 cbm Raumgebalt und einer Beſatzung von 
8347 Mann, darunter 122 —— mit 52557 cbm 
Raumgebalt und 1330 Mann (Großbritannien da: 
gegen allerdings 1074 Fiihdampfer). Der Geſamt⸗ 
ertrag der beutichen —— wird für 1901 auf 
—— Mill. M. (wabrſcheinlich etwas zu hoch) 

eſchaͤtzt. 

Faſt in allen Staaten erfährt die Seefiſcherei 
bedeutende Förderung aus öffentlichen Mitteln. Um 
wiffenshaftlihe Grundlagen jür den Betrieb und die 
Grweiterung der Seefifchereien zu finden, find in den 


129 


lepten Jahrzehnten in vielen Staaten wiſſenſchaft⸗ 
lie Kommiffionen zur Erforſchung der Meere ein 
geiest worden. Cine der bedeutenpiten ift Die United 
tates Fish Commission in Norbamerifa, die jäbr: 
lih umfangreihe und wertvolle Berichte verffent: 
licht. Neben dieier verdient der Fishery Board for 
Scotland genannt zu werden. Deutiland befikt 
feine Fiſchereibehorde; in die Aufgaben einer ſolchen 
teilen ih der Deutſche Seefiſchereiverein 
geüber Seltion des Deutſchen Fiſchereivereins für 
üften: und Hochſeefiſcherei) mit dem Sik in Berlin, 
Geſchäftsſtelle in Hannover, der feine Etatömittel 
vom Neibsamt des Innern und vom preuß. Land: 
wirtibaftsminifterium erbält, die Kommiſſion zur 
——— Unterſuchung der deutſchen Meere 
in Kiel, größtenteils aus Profſeſſoren der Univerſi⸗ 
tät Kiel beftebend und dem Landwirtſchaftsminiſter 
unterjtehend, und bie föniglice preuß. Biologiſche 
Anftalt auf Helgoland unter dem preuß. Kultusmini⸗ 
terium. Sie giebt mit der Kieler Kommiſſion zus 
ammen «Wifjenihaftlihe Meeresunterjuchungen» 
eraus, deren fünfter Band im J. 1901 im Erſchei⸗ 
nen begriffen ift, und melde die neue Folge der jeit 
1874 er ienenen Yabresberichte der Hlieler Kom: 
miffion bilden. In Norwegen und Schweden waren 
ion jeit Mitte des 19, Jahrh. berübmte Foricher 
Nilsſon, Arel Boed, G. O. Sars, Liungmann u.a.) 
tbätig, in Großbritannien find MeIntoſh, Fulton, 
Gunningbam, Holl u. a., in Frantreih Pouchet, 
Marion, Canu Fabres Domerque u. a., in Deutſch⸗ 
land Benede, Henjen, Heinde u. a. zu nennen, 
Litteratur. Lindeman, Die arktifche F. der deut: 
ſchen Seeſtüdte 1620— 1868 (Gotha 1869); Henien, 
Überdie Befiſchung der deutſchen Küften (Berl.1874); 
Peyrer, Fiſchereibetrieb und Fijchereirecht in Öfter: 
reich (Wien 1874); ee Reiultate der ftatift, Be: 
obachtungen über die F. an den deutichen Küſten 
(in dem «Jahresbericht der Kommiifion zur Unter: 
ſuchung der deutihen Meere in Kiel», Berl. 1878); 
Lindeman, Die Seefiſchereien (Gotba 1880); von 
dem Vorne, Filchereiverbältniffe des Deutichen 
Reichs (Berl. 1882); Heinde, Die nußbaren Tiere 
der nordiſchen Meere und die Bedingungen ibrer 
Exiſtenz (Stuttg. 1882); von dem Borne, Benede 
und Dallmer, Handbuch der Fiſchzucht und F. (Berl. 
1886); Lindeman, Beiträge zur Statijtil der deut: 
ſchen Seefiicberei (ebd. 1888); Bohnhof, Die Dr: 
ganiſation der Seefiſcherei in den Staaten Europas 
und Nordamerilas (ebd. 1889); vondem Borne, Süh- 
waſſerfiſcherei (ebd. 1894); Schwappad, Foritpolitif, 
and: und Fiſchereipolitik (Lpz. 1894); von Gerl, 
Fiſchereiwirt hartälehre (Wien 1898); Landau, Bei: 
träge zur Geſchichte der F.in Deutihland (Eajj.1865); 
Lindeman, Die gegenwärtige Cismeerfifcherei und 
der Walfang (Berl. 1899); derj., Die Fiſcherflotten 
der Welt (im «Jahrbuch des deutihen flotten: 
vereins», 1900); ——— cherei im «Handwor⸗ 
terbuch der Staatswiſſenſchaften», Bd. 3(2. Aufl, 
Jena 1900); Kusnetzow, F. und Tiererbeutung in 
den Gewällern Rußlands (Petersb. 1898); Deut: 
IN Seefiiherei-Almanad (bg. vom Deutichen See: 
chereiverein, Leipzig); Dittmar, Die deutſche Hoch⸗ 
jee:, Seer und Küftennicherei im 19. Jabrb. (Hannon. 
1902). Bon periodijc eriheinenden Schriften 
find als Organe des Deutſchen Fiſchereivereins zu 
nennen die «Zeitihrift für Fiicherei» (Berlin) und 
die «Allgemeine Filchereizeitung» (Münden und 
Berlin), ferner die «Mitteilungen» des. Deutichen 
Seefiihereivereind (Berlin) und «Abhandlungen» 


730 


von demjelben Berein, die «Deutice Fiſchereizei⸗ 
—** = feit 1878), die «ilchereizeitung » 


. von Dröfcher, Neudamm, feit 1898). 
Idereidamprer, | — 
ſchereifrage in le ein ſeit 


em ſchwebender Streit, en Frant: 
Be: und England, jpäter A rin oßbritannien 
und den Vereinigten Staaten über das Fiſchereirecht 
in den Gewäſſern an der Nordoſtküſte von Nord: 
amerifa, Mebrere Einzelfragen find zu unterfcheiden. 
1) Zunädft die Fiſcherei an den Bänten von Neu: 
— Auf dieſen Betrieb machten die Franzoſen 
niprud, weil fie ihn zuerſt (um 1500) in Angriff 
enommen hätten; in dem lltrechter Frieden traten 
fe 1718 ibre Monopolanfprüce an Großbritan⸗ 
nien ab, 2) Zum Zmwed des Einpolelns der Fiſche 
und der Verproviantierung der Fahrzeuge nahmen 
die Engländer 1584 Neufundland in Belis, haben 
aber jeitvem faft ununterbrochen bie af Prneied de 
der Franzoſen anerlannt, einen Teil des Küjten- | p 
ſtrichs zu u dem genannten Zwed zu benußen. Gegen 
dieſes Recht erhebt die — sahen 
von Neufundland bartnädigen Einiprud. 3) Das 
ifchereireht an andern canad. nn be: 
treffend, ficherten fich die Vereinigten Staaten in 
dem Vertrag von 1783 die Befugnis, in der offenen 
See zu fiſchen, an unbewohnten üftenftrichen meb: 
rerer brit. Beſizungen zu landen und ihren Fang 
einzupöleln. Diefes Recht haben he nod jekt, aber 
infolge der Entwidlung der Küftenanfievelungen 
find innerbalb der legten beiden Jahrzehnte Strei- 
tigteiten entitanden. 4) Der Vertrag gewährte den 
Amerilanern aud die «reibeit», in den Gemäjlern 
der brit. Kolonien zu fiiben. Durch einen Sonder: 
vertrag von 1818 wurden fie berechtigt, an gewiſſen 
abgelegenen Streden Küjtenfifcherei zu treiben, und 
verzichteten auf alle andern Teile des Ufers. Diefer 
Vertrag wurde 1871 gegen Zahlung einer Ent- 
ſchädigung erneuert und dauerte bis 1885. 5) In 
der Berehnung der Dreimeilenzone zeigte bie brit, 
(fpäter die canad.) Renierung die Neigung, Baien, 
die weiter als ſechs Meilen find, als g &hloffene 
Gewäiler zu behandeln und beanspruchte das Recht, 
eine Linie von Landſpitze zu ——* zu_jieben 
und die Gerichtsbarkeit über einen ſich drei Meilen 
außerhalb dieſer Linie erftredenden Gürtel aus: 
zuüben. Gegen diejen Anſpruch erhoben die Ver: 
einigten Staaten Widerſpruch. 6) Nah Ablauf 
des genannten Vertrags batten nad Anficht der 
canad. Regierung amerik. Fiſcher nicht mehr das 
Net, in canad. Häfen einzulaufen (außer um 
Holz und Wafjer einzunehmen) und Köder zu lau⸗ 
fen, während bie Amerifaner für ihre Fiſcher alle 
Handelsvorrechte in Anſpruch nabmen, die ſeit 
1783 erwachſen waren. Berbandlungen zwiſchen ber 
brit. Regierung und den Vereinigten Staaten führ: 
ten 1888 zu einem Vertragsentwurf, den der Senat 
der —— Staaten aber nicht genehmigte. 
Die canad. Regierung batte i —* Vorberei⸗ 
tungen zu einem Modus vivendi getroffen, kraft 
deſſen die Fiiher gegen Zahlung F Gebühr in 
die Häfen einlaufen konnten. Eine der norbameri: 
laniſchen F. verwandte frage bildet der Streit über 
un — * im Beringmeer (ſ. d.). — Vol. 
bam, The fishery question (Neuvort 1887); 
5 y Elliott, The United States and the North 
eastern fisheries (Minneapolis 1887). 
el, ſ. Fiſchereiſchußz. 
ſchereiorduungen, |. Sifhereipolige, 


Fiſchereidampfer — Fiſchereipolizei 


ſchereipolizei, der iff der Vorſ 36 
welche die Erhaltung eines nach — — iR 
des im öffentlichen Inte 


ve eordnet in den partilulären Fiſche ae 
F Siidereireht). teild geichiebt en nur A eins 


95 Fluß hoeblel⸗ Ineden a der Berfchiedenbeit der 
—— rhältniſſe. Bei denjenigen ſſen, 
welche du * vere Staaten fieen, eine 
vertragsmä jan egelung der F. ic, wie 
wegen ven "= ia feinen tahbarfinaten 
und ide een und — 


weiz ge nift. Die fiſchereipol 
een * wi ir Ei a auf Se Binnen 
—— welhe® für Deutfäl Hr 
ereigefe eö für Deu 
— aft Aust infor in Beten t kommt, 
mit nur geringen Modifilationen aub auf die 
Kü —— Sinnen, Die H f ir 
——— vorzü rch internation 
unft — win u t biöber in oligelficher 
Binficht — ade gehene elung m ee 3* 
nur vor der zw —— ih 
ntreich, 


En Deutihland, — 
marf Grodbritannien, 
abgeich ofiene fog. 


t Vertrag we —* Mai 
1882 über die ide Regelung der Fif 
in der Rordfee außerhalb der Fü Iengenäfer 
lihe Abmadhungen bejteben zwiſchen England und 
Franlreich und zwiſchen Öfterreich und Stalien. 
B, a ** olizeilihen Vorſchri in 
Klafien. Die erfte enthält Bejhränkungen 
5 usübung Ber diigerelum ng 
gegen die verfchiedenen Formen der Raubfi 
a fie im öffentlichen Interefje erlaſſen find, wäre es 
konjequent, fie nur auf ungeſchloſſene Gemwäfler zu 
bei ichränten dies ift auch ausdrüdlih im preu 


Geſetz anerfannt; Ba en und Baden da: 
gegen haben in —— * u eine Aus 
debnung derfelben auf fier u 


enommen, Die wichtig * vie * 1 
betreffen: 1) Mindeſtmaße. Zur Erhaltung 
—— es erforderlich, zu vet dat 
he zum Verbraud gefangen werden, bevor re 
——— geworden ſind und ihre 
pflanzung thatſächlich bewirkt haben; daher 24 
men Aes — 7 daß 56 unter einer 
ewiſſen Größe, welche für die einzelnen Arten ver 
(dienen feſtgeſeßt ift, nicht efangen werben dür- 
en. Das Fiſchen nad Fiſchlaich ift gänzlich ver- 
boten. 2 Schonzeiten. Auch zu gewiſſen 


ollen 3 he nicht gefangen nz an unter: 
heidet die wöchent!! iche und die jah Schongeit. 
Se erftere —* darin, daß I einen Teil der 
Woche, mindeitend 24 Stunden, der fang in 


öffentlichen Gewaſſern gänzlich gefperrt ift, um den 
Fiſchen einen —* Zug zu ermöglichen. Die 
En — Laich EN enannt, beijhränft - 
in gewiſſen Ya resjeiten, namentlich in 
gm jeidnerieen der Fiſche. Es beiteben brei 
Syſteme derjelben: das der abjoluten, der 
Schonzeit und ein gemiſchtes. dem erften, 


welches beſonders in Preußen und gi wer: 
den die einzelnen Gemäller, je na t⸗ 
zahl der in Auen vorfommenden 98 8 ſt 
oder im Frübjabr laicht, in ſolche mit Herbſt⸗ und 


in ſolche mit bjahrafe onzeit geteilt, und inner 
balb diefer Schonzeit, % meiftens Monate 
umfaßt, darf in den mit ihr belegten flern der 
89 chfang nicht ausgeübt werden. Das relative oder 
dividualſchonſyſtem, weldesinBayern, Württem- 


Fiſchereirecht — Fiſchereiſchut 


berg, Sachſen, Baden, Frankreich, Italien, Oſterreich 
gilt, ſet die Schonzeit für die —— Fi en 
verf —— nad) ihrer wirklichen Laichzeit, N . Ein 
gemiſchtes Syſtem beftebt 3.8. in Elfaß-Lotbhringen, 
wo für die Herbftlaicher das relative, für die Früh: 
jabrslaiher das abfolute Syftem gilt. (S. auch 

iicherei.) 8) Marltverbote, d. b. die Verbote, 
ewiſſe Fiſche und Fischarten zu Markte zu bringen 
—* feilzuhalten, in rohem ober ———— 
tande in Gaſthäuſern 
oder auch nur zu diefem 
Zwed ift, eine eralte Durch = und Kontrolle 


Garfüchen u.f.m. zu verlaufen 
Zwede zu verjenden. Ihr 


der Vorfriften über die Mindeſtmaße und des 
dangverbot3 zu ermöglichen. Sie erſtreden fich daher 
nad allen Fiſchereiordnungen auf die fog. unter 
maßigen Fiſche für das ganze Jahr und finden fich 
in den fyifchereiorbnungen mit Individualſchon— 

ftem für die einzelnen Fiſcharten verſchieden nad 

aßgabe ihrer Schongeit. 4) Schonftätten. Das 
Syſtem der Schonitätten ift befonders in der preuß. 
Siihereigefebgebung ausgebildet. Es können nad 
derjelben du erwaltungsverfügung gewiſſe 
Streden von Gewäſſern zu Schonrevieren erflärt 
werben, was die Sperrung des Fiſchfangs inner: 
balb diefer Gebiete bewirkt. onreviere haben 
ben Zwed, geeignete Pläge zum Laichen der Fiſche 
und Entwidlung der jungen Brut zu gewähren 
(Laihichonreviere) oder den Eingang der Fifche aus 
dem Meere in die Binnengewäfler ohne Störung zu 
ann (Fiihichonreviere). 5) Verbote ges 
wifjer Jangarten, befonderd der Anwendung 
erplodierender, giftiger und fonft jchädlicher Stoffe, 
von Fadeln und menfhlicher Thätigkeit zur Nacht 
zeit, deögleihen gewiſſer Fanggeräte, wie Fiſch— 
gabeln, Schlageifen, Schießwaffen u. |. w. 

Die zweite e von Borfchriften bezwedt Be: 
— iſchſtandes durch Fernhaltung 
aller ſchadlichen Einfluſſe und Beſchränkung anderer 
Intereſſen zu Gunſten desſelben. Dahin Bm: 
die Verbote, zahme Schwimmvdgel, namentlih Haus: 
enten, auf Sf gewäfler zu laflen; die Verpflichtung 
ber Müller und Triebwertäbefiker, fog. Fiſchleiterñ 
Fiſchpaſſe) anzulegen, um.die Hinderniſſe zu befei- 
tigen, welche die Wehre, Stauwerke u. f. m. dem Zug 
der Wanderfiiche und dem Laichaufftieg der Stand» 
fiſche bereiten, desgleihen Schußgitter an Turbinen 
anzubringen, um das Zermalmen von Fiſchen zu 
verhindern; die Verbote, aus landwirtſchafilichen 
und gewerblichen Betrieben Stoffe von ſolcher Be 
—*5— und folder Menge in Fiſchwaſſer einzu⸗ 

ſen, daß dadurd fremde Fiſchereirechte geſchädigt 
werben (f. Flußverunreinigung); die den Fiſcherel⸗ 
bere gegebene ec nis, dem Fiſchbeſiande 
ſchädliche Tiere (Otter, md Neiber, Taucher, 
Kormorane) ohne Anwendung von Shußwaflen zu 
töten und - fangen. 

335 m weitern Sinne fann man endlich die 
Vorſchriften rechnen, welche die Ausübung der Fi- 
ſcherei dur Unberechtigte verhindern und deren 
Entvedung erleichtern wollen; fo die Beitimmung 
daß Fifchereiber ce Ausübung der Fifchere 
eine Fiſcherlarte (beftimmt geformtes Lenitimas 
tionspapier) mit fi führen müflen; das Verbot 
des Tragens von Fiſchereigeraten außerhalb öffent: 
licher e und in der Näbe von Fiſchwaſſern ſei⸗ 
tens nicht zur Fischerei berechtigter Perfonen. Zur 
Handha * der F. find in einzelnen Staaten 

reu den) befondere Beamte beitellt Fiſch⸗ 
meifter, Fifchlieper), welche zur Durchführung ihrer 


u. 
— —— — — — — — — — — — — — — — — — — — — —— — — — — 
— 


731 


Anordnungen dieſelben Zwangsmittel anwenden 
fönnen wie die Ortspolizeibehörden. Im übrigen 
tönnen die Gemeinden, Fiſchereigenoſſenſchafien, 
ichereiberechtigten Aufieber beitellen, welche, wenn 
e —* verpflichtet werden, die Verpflichtungen 
und gniſſe von Lolalpolizeibeamten haben. — 
Bol. Buchenberger, Fiicherei (in Schönbergs «Hand: 
buch der polit. Ölonomie», Bd. 2, 4. Aufl., Tüb. 
1896); von Staudinger, Fiſcherei und F. (in vom 
Stengels «Wörterbudy des ag er Verwaltungs: 
rechtö», Bd.1, Freiburg 1890); Artitel Fiicherei im 
«Handmwödrterbud der Staatswiflenihaften», Bo. 3 
(2. Aufl., Jena 000 
Fifchereirecht. Das Bürgerl. Geſeßbuch (Ein⸗ 
fahrungegeteb rt. 69) läßt die ag ara 
orichriften über Fifcherei unberührt. Berliebene 
— *—— zur Fiſcherei in fremden Gewäſſern 
als wohlerworbene Gerechtſame kommen in großer 
gebt vor; die franz. Gefehgebung bat ſolche Rechte 
efeitigt: Geſeß vom 6. und 30. Juli 1798, 8, Fri⸗ 
maire deö Jahres II, 15. April 1829. In Nafjau 
(Ablösbarleit, Geſeß vom 5. April 1869), Baden 
Geſetz vom 29. März 1852), Oldenburg (Staats+ 
grundgefek von 1852) ift man diefer Tendenz gefolgt. 
Abgeieben von den füberlommenen einzelnen 
Fi —— ig“ etwa folgender Rechts⸗ 
uſtand: reußen iſt den —— emeinden die 
cherei in den Wäſſern des bisher freien oder von 
allen Gemeindemitgliedern geübten Fiſchfanges 
überwiefen, damit die Fiſcherei unter geregelte Auf⸗ 
cht mit Schuß des Fiichbeitandes geftellt werde. 
übrigen ift die gefeglibe AZuftändigfeit der 
iſchereiberechtigung in den einzelnen Landesteilen 
unberübrt geblieben (preuß. Gefeh vom 30, Mai 
1874, * Geltungsgebiet des Preuß. 
Landrechts iſt der Fiſchfang in den öffentlichen 
Strömen Regal (II, 15, 8. 73), in Privatfluſſen Recht 
der Anlieger (I,9,$.186; dazu m die Rheinprovinz 
Gefeh vom 25. Juni ee). Ahnlich ift der Rechts— 
zuftand in Bayern, Sachſen, Württemberg, Baden 
und vielen Heinen Staaten, jedoch mit großer Ber: 
chiedenheit im einzelnen. In Elfaß- Lothringen 
wird in ſchiffbaten Flüfien die Fiſcherei vom Staate 
verpachtet,; bezüglich der übrigen ale find 
die Anlieger zum Fiſchen berechtigt (Gejeh vom 
15. April 1829). nn 
Die Handangelfifcherei F in manchen Gebieten 
be egeben. Auber iſchen find auch Arebfe, Auftern, 
uſcheln und andere Waflertiere, foweit fie nicht 
5 dbar find, Gegenftand des F. Oft wird den 
pereiberedtigten geftattet, Fiſchottern, Fiſch⸗ 
reiher, Fiſchaare Ir erlegen (Sachſen, Württemberg). 
Das Deutihe Strafgefepbud ftellt das F. unter 
einen befondern Strafibuß. (©. Fiichereifhuß.) Die 
Meerfifcherei ift im Zufammenbange mit der Schiff⸗ 
fahrt durch öffentlich- rechtliche Beſtimmungen ge 
regelt. (©. Fiſchereipolizei.) — * Staudinger, 
Die bayr. Landesfifchereiorpnung (2Bdchn., Nünd. 
1885—88) ; er Geſetze betr. Jagd, Vogelſchuß 
und F. (8. Au ., Wien 1898); Kotze, Die Fifchereis 
efeßgebung im vpreuß. Staat (Lpz. 1900); Loßze, 
ie lönigl. ſächſ. Geſeße und Berorbnungen über 
deg und F. (2. Aufl. ebd. 1900); Rampacher, Die 
in Württemberg geltenden gejehlihen Vorſchriften 
über Nagd und F. (Ulm 1900). 
Filchereifchun, im ftrafrechtlihen Sinne die 
jenigen Strafgejeße, welche zum Schutze des Fischerei: 
etriebes gegeben 8 u unterſcheiden ſind die 
Strafgeſehe betreffend den Fiſchdiebſtahl, ven 


732 Fiſchereivereine — Fiſcher 


Selen und bie libertretungen der fiſcherei⸗ 
polizeiliben Vorſchriften. 1) Fiſchdiebſtahl iſt 
der Diebſtahl an —43* in geſchloſſenen Privat: 
ewaſſern, namentlic in Fiſchteichen oder in Reu⸗ 
en. Es wird angenommen, daß dieſe ade ſich 
im Beſitze einer dritten Perſon befinden. Die Stra: 
[en find die des gemeinen Diebitabls, unter Um: 
tänden jedoch nur die des jog. Mundraubes nad) 
8. 370 des Strafgeſeßbuchs, wenn es ſich nämlich 
nur um Entwendung von Fiſchen von unbedeuten: 
bem Werte oder in geringer Menge zum ald: 
baldigen Verbrauch handelt. 2) Fifhereifrevel 
ift die — eſihergreifung von Fiſchen, die 
noch nicht im Beſitze eines andern ſtehen, ſich viel: 
mebr in ihrer natürlihen Freibeit im Wafler be: 
nden, melde zu fangen aber ein anderer aus: 
důeblich berechtigt iſt. Die Strafe des unberech⸗ 
tigten Fiſchens iſt Geldſtrafe bis zu 150 M. 
oder Haft bis zu 6 Wochen (Deutſches Strafgeſetz⸗ 
ch * 370, Nr. 4). Wenn aber zur Nachtzeit, bei 
Fadellicht oder unter Anwendung ſchädlicher (gif: 
tiger Köder oder Betäubungsmittel) oder erplo: 
dierender Stoffe unberechtigt gefifcht wird, fo iſt 
die Strafe Gelpjtrafe bis au 600 M. oder Ge: 
fängnis bis zu 6 Monaten ($. 296 a. a.D.). Auch 
wird mit Haft bis zu 6 Wochen beftraft, wer Kinder 
oder andere unter Fine: Gewalt jtebende Perfonen, 
welche feiner Auffiht untergeben find und zu feiner 
Hausgenoflenihaft gehören, von der Begehung 
afbarer Berlegungen der Gefeke zum Schuße der 
iſcherei abzubalten unterläßt (8.361, Nr.9a.a.D.). 
nolich erjtredt fich der ſtrafgeſehliche F. auch auf 
den internationalen Verlehr: Ausländern ift das 
unbefugte 1* in deutſchen Küſtengewäſſern bei 
Geldſtrafe bis zu 600 M. oder Gefängnis bis zu 
6 Monaten und Einziehung der Fanggeräte unter: 
fagt, und aud auferbalb der Rüftengerwäfler iſt 
(ſoweit die Rordſee in Betracht lommt) die Fiſcherei 
(durch Vorſchrifſten wegen der Bezeichnung der 
Schiffe, des Ausweiſes der Nationalität und des 
Gebrauhs der Nepe) polizeilich geregelt durch die 
internationale Konvention vom 6. Mal 1882, welche 
für Preußen durd das Gefek vom 30, April 1884 
weiter, insbefondere — Feltiekung von Strafen 
(Gelvitrafe bis zu 600 M. oder Gefängnis bis zu 
6 Monaten), ausgeführt if. — Gegenitand des 
gen und des 5. jind neben den Fiſchen aud 
ebje, und nad der Praris des Reichsgerichts auch 
Mufbeln(Auftern) und alle Tiere, welche Gegenſtand 
einer ilchereigerechtigleit find. Was dazu gebört, 
beftimmt fih nach Landesrecht. Dttern gebören in 
Bayern zu den jagdbaren Tieren; nah Art. IV des 
preuß. Geſetzes vom 30. März 1880 ift den Fiſcherei⸗ 
—— geſtattet, Fiſchottern ohne Anwendung 
von Schußwaffen zu töten oder zu fangen und für 
ſich zu bebalten. 3) Die fifhereipolizeiliden 
Vorſchriften find der — vor⸗ 
behalten. Sie beziehen ſich auf die Fiſchereiberech⸗ 
tigung und deren ordnungsmaßige Ausübung, auf 
die auszuftellenden Erlaubnisſcheine, die Schonzeit, 
die Schonreviere, Den art, yanggeräte u. ſ. w. (©. 
Fiſchereipolizei.) In iſt das Fiſchereigeſetz 
vom 30. Mai 1874 mit dem Zuſaßgeſeß vom 30, März 
1880 (Strafen nicht über 150 M.) und mit Verord: 
nungen für die einzelnen Provinzen in Geltung. — 
Val. Staudinger, Der F. (Nördl. 1881). 
if ereisereine. Fiſcherei. 
iſcherinſeln, |. Pong-hu. 
iſcherlaud, ſ. Bodden. 


von Erlach (Joh. Bernh.) 


— erneh, |. Netzfiſcherei und Fadengebilde. 
ifcherring (lat. annulus piscatoris), das feit 
dem 14. Yabrb. gebräuchliche Heinere päpftl. Siegel, 
womit die vom Kardinal: Selretär unterzeichneten 
Breven (f. d.) geficgelt werden (daber sub annulo 
iscatoris; über das größere Siegel |. Bulle). Der 
5 zeigt den Namen bes Papſtes und eine Dar: 
tellung des beil. Petrus, der von einem Kahne 
aus das Filcherneg einziebt. Nach dem Tode eine 
Papites zerihlägt der Camerlengo (f. d.) deſſen F. 
ifcherfchulen, Lebranſtalten zur Ausbildung 
der ) tinallen mit ihrem Gewerbe im Zufammen: 
—— Wiſſensgebieten. Hauptgegenftände 
des Unterrichts bilden in Schulen für en ber die 
— Lund E Maunge OLE Der EEE eeres⸗ 
bewohner, beſonders der Fiſche, ihre Lebensweiſe, 
ihre Nahrung, ihre Wanderungen, Laichzeiten u. a. 
Außerdem werden in Vortraͤgen behandelt das 
Straßenrecht auf See, Rettungsmaßregeln bei Un: 
glüdsjällen, das Verhalten bei drohenden und ein: 
getretenen Seeunfällen, digen mit befon: 
derer Berüdfichtigung des Signal: und Befeuerungs: 
weſens an den Küjten, Gezeiten, Hafenzeit, Strom: 
verjegung u. ſ. w. Enblic find nod Unterweifungen 
im Gebrauch verſchiedener Nehe und Gezeuge zu er: 
wäbnen fowie aud Unterricht im Nepftri en und 
:äliden. Der Unterricht, der meift an den Elementar: 
unterricht anfchließt, findet gewöhnlich nur in ber 
furzen Zeit des —— Froſtes, der die Seefiſcherei 
bindert, ſtatt. Die Anzahl der F. bat in leßter Zeit 
erheblich — 8 giebt ſolche in den Nie 
derlanden (Blaardingen) und in Belgien (Djtenbe); 
in Deutſchland befteben 1901 im Nordfeegebiet 6 
(4. B. in Blanteneje und Fintenwärder), im Dftiee: 
ebiet 10 5. (4. B. in Billau, Neufahrwaſſer, Stral: 
fun) Für Binnenfifcher dagegen, die nicht fo dicht 
eieinander wohnen, daf eine genügende Frequenz 
bei 5. geſichert ift, werben diefe durch Fiſchere lurſe 
exſeht, die von Filchereivereinen (4. B. in Münden, 
Erlangen, Stuttgart, Calbe) abgebalten werden oder 
ala sh an Anjtalten beftehen (3. B. an der Tba: 
tandter Forſtalademie, an der laiſerl. Fiſchzuchlan⸗ 
ftalt in Hüningen, an der Landwirtſchaſtlichen Hoch 
ſchule in Berlin fowie, befonders mit teichwirtichaft« 
lihen Zielen, an der Teihwirticaftlichen Verſuchs⸗ 
anjtalt in Trachenberg). 
3132 Salz, ſ. Kobaltnitrit. 
iſcherſtechen, eine rüber in vielen Gegenden, 
jest nur noch jelten (4. B. noch jäbrlid in Yeipzig) 
vorfommende Yeitlichleit, bei der die Fiſcher, auf 
leichten Kähnen ſtehend, ſich mit langen Stangen 
umzuſtoßen juchen, jo daß der Überwundene ins 
Waſſer fällt. 
ifcheruptionen, Ausbrücde der in vullani⸗ 
ſchen Spalten und Höblen fowie in ſtraterſeen an: 
efjammelten Waſſer- und Schlammmajlen, die 
iſche mitfübren. Solde F. find namentlich in den 
ultandijtrilten Quitos vorgelommen, 

Fiſcher von Exrlach, Job. Bernb., djterr. Baus 
meiſter, geb. 15. März 1656 zu Graz, weilte feit 
1680 in Stalien, wo auf ihn der Kunſtlerlreis um 
Carlo Fontana und die um die Körligin Ebriftine 
von Schweden geſcharten Gelebrten, wie Bel- 
lori u. a., Einfluß ausübten. Der berziäenben 
Willtür gegenüber ging er ſowohl auf vie Dent- 
mäler der Antile als auf die Theoretiler der Re 
naiſſance, wie — Serlio, Palladio, zurüd. 
Obne biermit troden antifijierend zu werden, be 
bielt er vielmehr das Schwungvolle des Baroditils 


Fiſcher von Erlach (Joſeph Emanuel) — Filchgift 


bei, mäßigte und klärte deſſen Üppigleit jedoch auf 
Grundlage ſeiner großen Worbitber. In 3 
roßen in Kupferſtichen, dem «Entwurf einer 
Biter, Arditeltur», das ihn jeit dem J. 1696 bes 
ihäftigte, behandelte er zum eritenmal die Stile 
aller Völfer im Bilde, Nach feiner Rüdlehr weilte 
er zuerit 1686 in —* dann in Wien. An der 
Bei äule am Graben betbätigte er ſich ſchon 1687 
als Bildhauer, bei der Hochzeit Sojenhe I. baute er 
den Triumpbbogen 1699 u. — w. Bon legterm Kai⸗ 
F— hochgeſchatzt, begann F. nun, beſonders ſeit dem 
ode des einflußreichen Lodovico Burnacini, ſich 
der geſamten Bauthatigleit in Oſterreich zu bemäch— 
tigen; ihm verdankt Öfterreich die Fülle einer err⸗ 
* Kirchen⸗ und Palaſtbauten aus jener Zeit. 
Selbitändige hochbedeutende Künftler, wie die Brü- 
der Martinelli, vann Gabrielli, Krijtian, fübrten 
die Entwürfe des großen Meijterd aus. 3. m 
5. April 1723 zu Wien. Zu feinen wichtigften Wer: 
fen. gehören: das faiferl. Luſtſchloß Schönbrunn, 
nicht nach 5.8 dee ausgeführt, wonach es auf dem 
Berge fteben follte und zu den großartigiten Baus 
werten der Welt gezäblt haben würde; die Kirche 
des heil. Karl Borromäus, 1713 begonnen, 1737 
von feinem Sohn vollendet, fein erhabenſtes Wert; 
die Valäfte des Prinzen Eugen, Trautjon, Bat: 
thyänyi, Schwarzenberg, zwei Liechtenſteinſche, 
Schönburg, Schönborn, die böhm. Hoffanzlei, die 
taiſerl. Stallungen, der großartige Umbau der Burg 
unter Karl VL, wovon nur die Winterreitichule, 
Reichskanzlei und die Hofbibliothet nach F.s Tode 
[ertig wurden, find feine Erfindung. Außerbalb 
iens finden ſich Werte feines Entwurfs, zum Teil 
auch von feinem Sohn Joſeph Emanuel ausgeführt, 
in Saljburg (Univerfitätsfirhe 1707, Schloß Kles⸗ 
beim), ın Prag das ſchöne Palais Clam-Gallas, die 
Kirche zu Haindorf in Böhmen, Schloß Frain in 
Mähren, Schwarzau bei Wiener-Neuftabt u. v. a. 
— Bol. Zlg, Die F. v. €. GBd. 1, Wien 1895). 
Silder von Erlach, Jojepb Emanuel, diterr. 
Baumeister, Sobn des vorigen, geb. 1695 zu Wien, 
eit. 29. Juni 1742 dafelbit, made in England bes 
onders Studien inder Phyſik und Mechanikund fehte 
nad) dem Tode feines Vaters deilen Thätigkeit fort. 
Er jtieg nod höherin Ehren und 
in den Freiberrenjtand erhoben und Hoftammerrat, 
erreichte aber die Genialität feines Vaterd nicht. 
Seine eigenen Werte neigen mehr dem franz. Klaf: 
ſicismus zu, der um jene Zeit alles zu beherrſchen 
anfängt, oder find rein dekorativ, jo das Monu— 
ment am Hohen Marlt 1729 —32, der filberne 
Gnabenaltar in riazell 1727. Mit Vorliebe 
betrieb er mechan. Arbeiten; 1721 jtellte er in Caſſel, 
1722 im Garten de3 Fürften Schwarzenberg zu Wien 
eine Dampfmaſchine auf, die Bergwerke zu Kremnig 
verjab er mit Entwäjjerungsmafdinen. 
Fiſcher von Waldheim, Gotthelf, Naturfors 
ſcher, geb. 15. Dit. 1771 zu Waldheim in Sachſen, 
eit. 18. Dit. 1853 als Direktor des Naturbiitoris 
Pen Kabinetts in Moskau, veröffentlichte zahlreiche 
vn und geolog. Schriften, wie «Anatomie der 
ali» (Bd. 1, Franlf. 1804), «Entomographia 
imperii Russici» (5 Bde., Mostau 1820—51), 
«Oryctographie du gouvernement de Moscou» 
(ebd. 1830—37), «Bi wien palaeontologica 
animalium systematica» (2. Aufl., ebd. 1834) [m 
Filchfluk, Großer (engl. Bad:River), Fluß in 
den Nordmweltterritorien von Britiſch-Rordamerika, 
entipringt im NO. des Aylmerjees, der zum Maden: 


ürden, wurbe1735 | 3 


133 


zieſyſtem gehört, flieht na D., durch den Garryſee, 
wendet ſich darauf nah N. und ergießt fi in bie 
Elliotbai des Nördlichen Eismeers. — 5. heißen 
auch zwei Flüffe in Südafrita ( Fiſchfluß, Bo. 17). 

Fiichgift und Fifchvergiftung. Dur den 
Genuß von Legen fowie won gejalzenen und 
geräucherten Fiſchen find schon öfters mehr oder 
minder jchwere, jelbit tödlich verlaufende Bergif: 
tungen verurfacht worden. liber die Natur ‚des 
Fiſchgiftes ift im —— noch nicht viel Zu: 
verläjjines bekannt, Oft handelt es ſich um ein dem 
Wurſtgift (f.d.) nahe ſtehendes Fäulnisgift, welches 
fih bet manchen an und für ih unſchädlichen Fiſch⸗ 
arten infolge einer raſchen Zerſezung und fauligen 
Veränderung des Fleiſches entwidelt. Das Weſen 
diejer Affeltion ift noch nicht ganz aufgeklärt, es 
ſcheint ih dabei um PBtomaine (j. Xeichenallaloide) 
zu handeln. Brieger itellte aus faulenden Dorſchen 
eine ftidjtofjbaltige Baie, das Gadinin C,H,,NO,; 
dejlen genaue chem. Struktur unbelannt ift, dar; auf 
größere Gaben diejes Körpers reagierten Mäuſe mit 
Lahmungserſcheinungen; bierher gebören alle Ver: 
giftungen, die nad dem Genuß von verborbenem 
Schell: und Stodfiih, von mangelbaft geräucher— 
ten —— und Büdlingen, in Eſſig eingelegten 
Schleien und Heringen u, dal. wiederbolt beobachtet 
wurden, In andern Fällen iſt es die Aufnahme gif: 
tiger Stoffe aus dem umgebenden Waſſer, welche 
den Fiſchen jelbit torifche Eigenſchaften verleibt; aus 
diefem Grunde kann der Genuß von Sumpffiichen 
jowie von Fiſchen, welche durch Kodelätörner oder 
durch ungelöfchten Kalk’ betäubt wurden oder welche 
ih von dem Aas milzbrandfranfer Tiere nährten, 
gejundheitsihädlich wirken. Endlich erleiden mande 
an ich ungiftige Fiſche während der Laichzeit gewiſſe 
noch nicht näher bekannte Veränderungen, welche 
Anlaß zu Intorifation geben lönnen; fo bat der Ro: 
gen der Barbe (Barbus fluviatilis) ſchon oft ſchwere 
gaftrische Zuftände hervorgerufen, die mit dem Na: 
men der Barbenkolera bezeichnet werben. 

Die eigentlihen Giftfiſche (Pisces toxico- 
phori), deren Genuß jtets ſchädlich wirft, find 
borzugsmweife tropifche 66 aus der Ordnung 
der Knochenfiſche. Hierber zäblen verſchiedene zur 
amilie der Barſche gebörende Arten der Gat: 
tung Sphyraena, namentlich Sphyraena becuna 
und Sphyraena barracuda, mebrere tropiſche Sar- 
dellen, wie Meletta s. Clupea Thrissa und Meletta 
venenosa, mande Meerbrafien, beſonders Pagrus 
vulgaris, Sparus erythrinus und der geradezu als 
Larterfiich bezeichnete Sparus maena, ſowie ver: 
ſchiedene zu den Mafrelen ‚gehörige Fiſche, wie 
Thynnus pelamys, die Bonite der tropischen Meere, 
und Caranx fallax, mitunter auch Thynnus vul- 
garis, der gewöhnliche Thunfiich des Mlittelmeers. 
Ganz bejonders gefürchtet find verſchiedene Fiſche 
aus der familie der Gymnodonten, welche den 
Gattungen Diodon, Triodon und Tetrodon ange 
bören und die hauptſächlich an der Fiſchvergif⸗ 
tungen im öftl. Aiten (China, Japan, Oſtindiſchem 
Arhipel), in Neucalevonien und am Kap find, 
Endlich gehören bierber Fiſche, die nicht durch den 
Genuß ihres Fleiſches, wohl aber durch mechan. 
Berlegungen gefährlih werden, indem fie vermit- 
telit ihrer an den Kiemendedeln und der vordern 
—**—* befindlichen, mit einer —— in Ver⸗ 
bindung ſtehenden Slachein höchſt ſchmerzhafte und 
ſchwer heilende Verlezungen und Lymphgefäßent⸗ 
zündungen hervorrufen. Es gehören hierher das in 


734 


den europ. Meeren heimiſche Petermännchen, Trachi- 
aus draco ſowie Trachinus vipera, ferner in den 
tropiihen Meeren Pagrus aurantiacus, Ploturus 
lineatus u. a., welche legtere durch ihre Verlegungen 
mitunter felbft tödlichen Starrkrampf verurſachen. 
Die Vergiftungserſcheinungen find jenad 
den Arten, von melden fie lommen, verſchieden; 
man kann im allgemeinen drei Formen unterjchei: 
den. Bei der gaſtriſchen Form (Ichthysmus 
gastricus s. choleriformis), weldye beſonders nad 
dem Genuß von Barbeneiern, tropijhen Meer: 
brafien, Sardellen und Spbyränen eintritt, wird 
vorjugsmeife der Verdauungslanal affiziert; es 
ellen fi, meift 2—8 Stunden nad der ableit, 
eitige Leibfhmerzen, Erbrechen und Durdfall ein, 
wozu fi in fchweren Fällen ähnlich wie bei ver 
Cholera jchmerzbafte MWadenträmpfe, Anurie und 
rajcher Berfall der Kräfte gejellen. Bei der jog. 
eranthbematifhen Form - ae iftung 
(Ichthysmus exanthematicus he bejonders 
von dem Genuſſe tropifcher Kun und Thun⸗ 
fiſche herrührt, jtellen fi bald nah dem Ber: 
ehren des betreffenden Fiſchfleiſches ſcharlachartige 
Sautausfchläge ein, melde mit ver. eitigem 
Schwindel, Kopfſchmerz und —* Shell ung des 
Geſichts, insbefondere an den Augen fidern und 
den Lippen, mitunter auch mit Kg — 
Krampfhuſten und Fieber verlaufen. Am gefährlich: 
ften ift die dritte Form der Fiihvergiftung, die —* 
paralytiſche (Ichth ver paralyticus), welche 
in den Tropen ala uatera bezei net und 
hauptſächlich durd die : en erwähnten Fiſche aus 
der Jamilie der Gymnodonten (Diodon, Triodon, 
Tetrodon) veranlaßt wird. Nach deren Genuß tritt 
fhon na —— Minuten Schwindel, zu 
lofigteit, Verfall der Kräfte und allgemeine Läh⸗ 
.. ein, die häufig ſehr jchnell zum Tode führt. 
der Be Ent ung ber Sifhper ergiftung af 
die ie ig agen be: 
ichen Giftrejte durch Brechmittel oder mittels 
agenausipülung die Hauptfahe; von manden 
Urzten wird Eſſig oder Eitronenfaft ald Gegen: 
mittel gerübmt. Gegen den drohenden Rräfteverfall 
dienen jtimulierende Mittel (Wein, Uther, Cognac, 
ftarler Kaffee) ſowie Senfteige, Frottieren der Haut 
und kalte Doucen auf inertopf und Rüden. — 
Se Autenrietb, Das Gift der Fiſche (Tüb, 1833); 
D’Urras, Essai sur les accidents causes par les 
poissons (Par. 1877); Bottard, Les poissons 
venimeux (ebd, 1889); Aruftamom, fiber die Natur 
des Fiſchgiftes den «Zberapeutiichen Monats: 
beiten», 1892); Stevenfon, Poisoning by sardines; 
a toxic ptomaine (im «British med Journal», 
Dez. 1896) ; Thorner, liber gi giftige e Fiſche undfifcherei: 
dc, wigtge fonftige giftige ertiere (in der «Zeit: 
chrift iſcherei und deren ilfswiſſenſchaftens, 


ntfernung der 4 im 


Charlottenburg 1896); Pellegrin, Les poissons ve- | La 


ie (Bar, 1899), 
per dere Fiſchgrätenſyſtem, die 
jenige Anordnung eines Gebäudes, bei ver ein lang: 
geitredter Mittelbau von nejrem Querbauten 
rechtwinklig in beſtimmten Zwi chenraumen durch: 
zen wird, fo dab der Grundriß (i die Tert: 
aur 3 beim Artitel Ausftellungsgebäude) dem 
Stelett eines Fiſches ähnelt. Diejes Syitem wurde 
mehrfach praltiſch angewendet. 
iſchgrätenverband, bei Mauerverbänden die 
äbrenförmige, ſchräge Verbindung von Steinen, 
3- B. in der röm. und angelſächſ. Bauweiſe. 


Fifchgrätendau — 


Fiſchhandel 
Mara N 1 Alma 
= 


Bi — gewiſſe hier mit zu nen» 

altiere Kl ſchon feit dem Mittelalter, 
namentlich aber feit = 2 
lung der Seefiſcherei, ei —* delsartilel. 
Der zu mit [up fiice at durch die Näbe 
von Fang⸗ und er omie aud daburd, 
daß der Fiſcher a v re ändler ift, wenig be 
merlenswerte Cigentümlichleiten; um einen Ber: 
fand im großartigern Maßſtabe handelt es fic bier 
nur I“ rtfiſchen, wie Forellen, Lachs u. ſ. w., 
oder beim Zander, der in großer in 
lonſerviertem oder gefrorenem Zuftande aus Ruß⸗ 
land in Deutihland eingeführt wird. Forellen, 
Karpfen, Yale u. a. werben vielfach lebend verfandt, 
entweder in großen Fäſſern von 500 1 und mebr 
Inhalt, die mit Wafler vi und je nach Bedarf 

u 


tigen gan Entwid: 


jur es etüblt und d Einpumpen von Pre 
— ſcht werben können, oder zwiſchen feuchtem 
mit Eis gefübltem Moos. ige enswerter ijt ne: 


Großhandel mit Seefifhen, der ſich in 
land —J— 1885 Hand in Hand mit einer Pong 
Vergrößerung der Seefiſcherflotte entwi bat 
> — Die Ark br u Be ord- 
ee gefangenen en 
Damp hiffe erfolgt —e— in —u— 
Bremerhaven, dem bedeutendſten Fiſchmarlte, und 
in Altona-Hamburg. Hier werden die auf Eis 
genden Fiſche bald nach der Ankunft in Käften von 
. 100 Pfd., nad Arten und Größe geordnet, in 
roßen ihauftionsballen ng ar an die 
Gr händler verfteigert und fofort in wis 
ſchen gu als Eilgut zu — mehr verfandt. 
Der Gejamterldös der Fiichverfteigerungen in allen 
in Geejtemünde: Bremerhaven und DZ 
. befindlichen Se beli de ih 1899 
9562 600 a was einer Zufuhr von etwa 
ill, Gentner ftiſchet Fiſche ent! en —* 
De tommen no große Mengen 
gebender Fiſche, die obne Yuttion iret — 
werden. Vom Auslande beteiligt ſich an der Ein⸗ 
ſendung von friſchen ſchen vor allem Däne⸗ 
mark, aber auch die —— ſlandinav. Länder ſo⸗ 
wie Holland und Englan 


Eine wichtige Role namentlich die Altonaer 
—— ſpielen die Store mit 2 geihä * 
aviar. Sie werden zum Teil auch von den 


feefüften, namentlich von der Danziger Bucht, wäh: 
rend der Fangzeit re er hi großen "Fifb: 
auftionsballen der Nordſee Bi namentlib nad 
Altona — a lieferte die Stö a 
in der 61 Ibe, Em — und enden 
indgefamt 1500, mans: 8700 
1650 Stüd. Die Hauptprodulte \« BUNTER 
rei,als an Sollen und Flundern), 
Aal, Hecht, „Beofle, au &, wer: 
den obne Auktion i in großen M engen ins innen: 
land verfandt, außerdem Lachſe, Flundern, Yale 
u.d,, Hr] mariniert oder geräucert. 

für den F. owobl an der Nordſee⸗ 
wie an ber hir e ift vor allem der Hering, 
der zum großen Tei Fri ch, zum andern mit bem 
verwandten Sprott gemeindafti am an ber we 
pi allerlei Konſerven verarbeitet, pe 
raten oder geräucdert ins Binnenland md ver * 
wird. Die gl der Verarbeitung des Herings un 
des Sprotts berubende Ronfervenfabrifation 8 
der Handel mit den Erzeugniſſen derſelben ſteht 


Fiſchhauſen 


an der ganzen Oſtſeeküſte, namentlich in Scles: 
mig-öelfein, Lübed und Bommern in höchſter 
Blüte. Während die feinern PBrodulte diefer Fabri⸗ 
tation überall Eingang finden, werden die großen 
Maſſen namentlih an Brat: und Räucherware in 
vielen Wagenladungen bejonders nad den voll: 
reihen Induftriegegenden Sachſens und Thüringens 
verjandt. end der kalten Jahreszeit werden 
auch große Mengen Heringe aus Schweden und 
Dänemark in den obenerwähnten Yabrilen ver: 
arbeitet. Troß der großen Leiftungsfähigleit der 
deutjchen Konſervenfabrikation jendet auch das Aus: 
land, befonders Holland, noch große Mengen von 
Näucerwaren. Da an manden Orten der deut: 
{hen Hüfte, z. B. in der Elbmündung, nod viele 
Heringe und Sprotten gefangen werden, ohne in 
vollem Maße zu Konferven verwendet zu werben, 
erjcheint die Induſtrie in Deutichland noch weiter 
entwidlungsjäbig. So werden in der Außenelbe 
jährlih große Mengen junger Heringe gefangen 
leinſchließlich Sprotten 1892: 8,73, 1896/97: 5,17, 
1898/99: 2,3 Mill. kg), welche zu etwa 70 Proz. als 
Dünger Verwendung finden. 

Ein von dem ie erwähnten gen) weſentlich ver» 
ſchiedenes Feld bat der Handel mit gejalzenen 
oder gepölelten Heringen. Trotzdem in Deutich: 
fand an ſolcher Ware gewaltige Mengen (etwa 30 
—40 Mill. M.) verzehrt werden, jo war die deutſche 
Fiſcherei doch bis in die neuere Zeit nur mit faum 
1 Proz. an der Produltion dieſer Ware beteiligt. 
Im legten Jahrzehnt beginnt jedoch auch die Teil: 
nahme Deutichlands an der großen Heringsfiſcherei 
außerordentlich zu wachſen. 1900 waren deutſcher⸗ 
feitö etwa 110 Logger und 8 Dampfer am Fang be 
teiligt und fingen etwa 80000 Faß, d. i. 5—7 Bros. 
de3 heimischen Konſums. Aber in der Hauptſache 
wird der Bedarf noch immer vom Auslande gededt, 
und zwar von Holland, Schottland, Norwegen. Die 
Einfuhr von dort an gefalzenen Heringen betrug 
1890: 737137, 1894: 1367751, 1899: 1093066, 
1900: 1133067 Faß im Werte von 37 Mill. M. 
Die wichtigſten Einfuhrhäfen find Hamburg, Stet- 
tin, Königsberg und Danzig. Die Urfadhe für die 
har Beteiligung Deutſchlands an der be; großen 

eringäfifcheret ift darin zu ſuchen, dab dieſe Fi: 
fcherei fih in zu großer Entjernung von ber deut: 
fhen Hüfte, nämlich einesteild vor der ſchottiſch⸗ 
englifhen, andernteil3 vor der norweg. Hüfte ab: 
fpielt, jo daß die früher einzige und feit längerer Zeit 
in Deutſchland beftehende größere Heringsfiſcherei⸗ 
gejellihaft in Emden, woßin jest auch noch eine 
zweite Seefifchereigefellfhaft aus den Niederlanden 
übergefiedelt it, vem Auslande gegenüber lange Zeit 
nicht tonkurrenzfähig war. Doc haben fich die Ber: 
bältnifje gebeflert; aud in Glüdjtadt, Vegeſad und 
Eisfleth N man erfolgreidy mit ber Gründung von 
Heringäfiihereigejellihaften vorgegangen. 

er Anteil der deutſchen Fifcherei am Fang ber 
Sarbelle ift unbedeutend; der ganze Bedarf, der 
fi auf ,—ı1 Mill. M. jährlich beziffert, wird durch 
die —* x. aus Holland gededt, am deſſen Kuſten, 
namentlich im Zuiderfee (abgejeben von den Mittel: 
meerfifchereien), der bedeutendſte Sarbellenfang itatt: 
Den Auch der Bedarf Deutihlands an Stod: 

iſch und Klippfiſch ift nicht gering. 

Der Handel mit Auftern (Einfuhr 1900: 822000 
M.) vollzieht fi) meiſtens dur direlten Verſand 
nad den — ken; nur die ſog. wilden Auſtern, 
die in der offenen Nordſee von deutſchen Fiſchern 


— Fiſchhof 135 


Oeiangen werden und oft fälfchlih unter dem Na: 
men Helgoländer Auftern geben, werben gelegent: 
lid) verfteigert (ſ. Aufter). 

Die Hummern aus Norwegen und Helgoland 
(Einfuhr 1900: 1,7 Mill. M.) werden von dortigen 
Paldern oder Händlern faſt immer an direlte Adreſ⸗ 
en verlauft und fommen nur teilweiſe zur Ber: 
jteigerung. 

, Der 5. ift in Deutſchland geringer entwidelt als 
in vielen andern Ländern, und vor nicht allzu langer 
geit galt (vom Hering abgejeben) jelbit in gut 
ürgerlien Kreiſen (nicht längs der Küſte) Eh s 
peije mehr oder weniger al3 ein Luxuseſſen. Das 
etzte Jahrzehnt des 19. Jahrh. hat indejjen durch 
bie Maffenverjendung in gelühlten Wagen in der 
Berbilligung der Preiſe für Seefiſche einen erfreu: 
lihen Fortihritt geihaffen, jo daß felbjt weit im 
ande frifhe Seefiſche nichts Seltenes mehr find. 
luß: und Teichfiſche haben dagegen ihre Preiſe be: 
auptet, nur die Forelle ift dank ihrer fünftlichen 

Achtung etwas billiger geworden. Die deutſche 

n» und Ausfuhr betrug 1900: 





Fiſche 


Doppel · 
centner 















Eaknelk ge teile: lebende 
Süßmaflerfiihe: tote . . » » 706 
ech 2 ſche: Heringe. . 4310 131 
Ser sandere. » 2... 28275 1926 
Sie y * rin Säffer . > 33 

e, gejalgene! in ern, 
te eräucherte u.f.w.| 46547 cn. 644 
87 35 


—— geſalzene: in fäffern |1 133 0672 36961 

eringe: in nicht hanbelsüb- 
ficher Berpadung. . . . - 
Mit Eifigu. CIaubereitet u.ges 
falgene in @läfernu.Büch 

1 Yußer Heringen. *?Bahl ber Fäaͤſſer. 
Fiſchhauſen. 1) Kreis im preuß. Reg.» Bez. 
Königsberg, hat 1064,61 qkm und (1900) 53063, 
(1905) 52415 E., 2 Städte, 145 Landgemeinden und 
131 Gutsbezirle. — 2) Kreisftabt im Kreis F. 30 km 
weſtlich von KRönigäberg, am Nordende des Friſchen 
Haffs, an der Linie Königsberg-Pillau und der 
Nebenlinie F.⸗ Palmniden (18 km) der Dftpreuß. 
Sudbahn, Sig des Landratsamtes und eines Amts: 
— (Landgericht Königsberg), bat (1900) 
746 E., darunter 12 Katholilen und 37 Israe⸗ 
liten, (1905) 2606 E., Poſtamt zweiter Klaſſe, 
Telegraph, Reih3bank:Warendepot; Bierbrauereien, 
—— und einen kleinen Hafen. 7 km 
üdmeftlih von F. das Dſtſeebad Neubäufer,5km 
weftlic von F. die 1264 erbaute Burg Lochſtedt, 
neben welder die Stabt 1305 angelegt wurde; fie 

war die Refidenz ber ſamländiſchen Biſchofe. 

Fiſchhaut, die Haut gewiſſer Haifiſche (f. d.), 
wird durch Gerben lonſerviert und dient in diefem 
* tande wegen ihrer rauhen Beſchaffenheit zur 
elleidung des Handgriffs von Hiebwaffen u. dal. 
Nah dem Abjchleifen zeigt diefe Haut eine fehr ge 
fällige Beihnung und wird in neuejter Zeit als 
berzug von Galanteriewaren benußt. F. dient Io 
ner wegen ihrer —— und harten Beſchaffenheit 
zum Abſchleifen von Gipsabgüſſen u. dgl. F. nennt 
man auch die fünftlich hergeſtellte rauhe Oberfläche 
von Gemwebrteilen, z. B. an dem Hahn des Schloſſes, 

an dem Schieber des Viſiers u. ſ. m. 
ſchhof, anal! diterr. Arzt und Bublizift, geb. 
8. Dez. 1816 in Altofen, ftudierte feit 1863 Medi— 
zin und trat dann in das Allgemeine Krankenhaus 


136 


ihn in die polit. Bewegung; jeine Rede (13. März) 


vor dem Landhaufe in Wien war der erſte Anſtoß 


zur Revolution, an der er nun bejonders ala Präfi- 


dent des Wiener Sicherheitsausihufles lebhaften | 
apleinsporf | nommen, um «gefehlt» zu werben, wobei Riemen, 
bgeordneten zum Ronjtituierenden | Herz und Verdauungswerkzeuge, aber niht Mil 


Anteil nahm, fo daß ihn der Bezirk 
in Wien ala 
Reichstage wählte. Das liberale Minifterium Dobl« 
boff ernannte ihn zum Minifterialrat, auf welche 
Stellung er jevod nad) Eintritt des Minifterrums 
Schwarzenberg verzichtete. Nah Auflöfung des 
Konftituierenden Reichstags (7. März 1849) wurde 
F. verhaftet und wegen Aufruhrs und Hochverratö 
vor Gerichtgeitellt, aberfreigefprocen. F. wurde nun 
einer ber —— Arzte in Wien, zog ſich aber 
Anfang ber ſiebziger Jahre von der Praxis aurüdund 
ſtarb 23. März 1893 zu Emmersborf bei Klagenfurt. 
Er jchrieb: «Zur Lölung der ungar. Frage» (Wien 
1861; anonym mit Joſ. Unger), worin die Autoren 
ür den Dualismus eintraten. In der Schrift «Ein 

lid auf Öfterreich8 Lage» (Wien 1866) wies er auf 
die Notwendigleit eines engen Zufammengebens 
Oſterreichs mit Deutichland hin. In gs: bedeu⸗ 
tendſten Schrift «Oſterreich und die Bürgſchaften 
feines Beitandes» (Wien 1869; 3. Aufl 1870) 
empfahl er die autonomiſtiſche Konftituierung der 
meitl. Reichshälfte der Sfterreichifch : Ungarijchen 
Monardie. Später jhrieb er noch « Zur Redultion 
ber fontinentalen Heere» (2 Hefte, Wien 1875), 
«Die Sprachenrechte in den Staaten gemifchter Na: 
tionalität» (ebd. 1885) und «Der dfterr. Sprachen⸗ 
jmiit» (ebd. 1888). , 

FH orn, Schloß, ſ. Zell (in Oſterreich). 

ife, ein Nahrungsmittel, das von Fiſchern 
an den Hüften des Marmarameers, befonders an 
den Dardanellen und am Golf von Ismid bereitet 
wird, indem fie Fiſchrogen an der Sonne trodnen 
und in länglihen oder quadratiihen Stüden in 
Dr preſſen oder (bei den meniger feinen 
orten) in Wachs tauchen. Man ift den F. in 
ganz dünne Scheiben gefchnitten ohne weiteres 
oder tränkt ihn mit Effig und Ol. 

Fiſchkonfervieruug, das Haltbarmaden der 
zum Genuß bejtimmten Fiſche, geidieht im allges 
meinen durch diejelben Methoden, mie die Fleiſch⸗ 
tonfervierung (f. d.) überhaupt; man unterjcheidet 
namentlih: Trodnen, Böleln, Räudern, Maris 
nieren und Einlegen in Öl. 

Durh Trodnen werben namentlich Kabeljau, 
Stör und Haufen konjerviert. Die Fiiche werden 
zunächſt ausgenommen, wobei man vom Rabeljau 
die Leber (zu Leberthran), von Stör und Haujen 
den —* (als Kaviar) verwertet, und dann 
an der Luft getrodnet. Der getrodnete Kabeljau 
Dei Stockfiſch, nah vorausgegangenem Eins 
u“ Klippfiich (gepötelt heißt er Laberdan). 

Das Pokeln oder Einſalzen wird vorzugs⸗ 
meife beim Hering angewendet. Das Verfahren 
joll gegen Ende des 14. Jahrh. von dem Holländer 
Beutel; (j. Bötel) erfunden worden jein, wird aber 
{bon um 1300 in hanjeatifhen Urkunden erwähnt. 
Bon den gepötelten Heringen unterfcheidet man 
folgende drei Sorten: Matjesberinge, Boll: 
beringe und Hoblberinge (f. Hering). 

Zur Herjtellung von Dauerware verwendet man 
beim Salzen meiit fog. ftarle Salze, wie das 
St. Moves: und Lifjaboner Salz, melde durch Bei: 
miſchung von dem Kochſalz ähnlichen Verbindungen 


ſtark verunreinigt find, während für den jog. Deli- | 


Fiſchhorn — Fiſchkonſervierung 
ın Wien als Setundärarzt ein. Das J. 1848 riß 


fateßbering meift das feinere und reinere Lüneburger 
Salz; verwendet wird. Zum Zwede des Einſalzens 
werben die Heringe unmittelbar nah dem Fange 
in Salzlate gelegt, ohne jedoch gepreßt zu werden; 
dann werben fie nad und nad wieder herausge⸗ 


und Rogen entfernt werden, Darauf wandert ber 
ish zum Zwecke der Reinigung und des Anjals 
jens abermals in Lale, wird dann wieder heraus: 
enommen und nad dem Abtropfen in befondern 
fäßen mit Salz umgerübrt, um dann lagenmeiie 
mitSchichtenvon Salz in Tonnen verpadt zu werden. 
Nah 24 Stunden wird er wieder herausgenommen 
und nad) Entfernung ber bereitö gebildeten Lale aber⸗ 
mals mit Salz verpadt, wobei der Nüden der Fiſche 
immer nad unten gelegt wird. Im Verlauf einiger 
Tage finlen die Heringe in der gebildeten Dale zu: 
ammen und e3 müfjen neue Lagen zur Füllung der 
nne aufgepadt werden. Dann wird die Tonne 
verſchloſſen und öfters gerollt und umgedrebt, 
damit die Late alle Schioten der Badung durch⸗ 
dringen fann. Nach der Landung der Ware findet 
vor dem Verfand gewöhnlich eine nochmalige Um: 
padung ftatt. Bei der zu derfelben Familie ge: 
—— Sardelle wird vor dem Einſalzen der 
opf entfernt. Auch die Kaviarbereitung beruht auf 
ber Konſervierung mit Salz (f. Kaviar), 

Beim Räuchern unterfcheidet man zwei Arten, 
warme und kalte Räucherei; bei der legtern han: 
delt e3 ſich um die Produltion von geräucertem 
Salzfiſch, da der Fiſch vor dem Näuchern einige Zeit 
in Late gelegen bat, während das Warmräudern 
einen durch Räudern gar gemachten Fiſch hervor: 
bringt, welcher jehr wenig geſalzen ift. Beim Warm: 
räuchern hängt der Fiſch nahe über dem euer im 
beißen Raub, beim Kalträuchern dagegen in jo 

roßem Abitande von dem Feuer, daß er nur falten 
Naud erhält. In Amerika, England, Holland und 
Rußland wird die Kalträucherei gewöhnlich für 
Hering, Lachs, Schellfiſch und Heilbutt angewandt, 
in Deutichland nur für Lachs. Die Warmräucherei 
ift in Deutſchland, Schweden und Dänemark für 
alle übrigen ag die man räudert, im Gebrauch. 

Die deutſche Warmräucherei erfreut ſich ibrer 

roßartigſten Entwidlung an der Ditjeelüfte, be: 
Ponders in Schleswig: Holitein, Lübed, Bommern 
und den benachbarten Küſten. Hinſichtlich der Majie 
des produzierten Materials ftebt bier überall im 
Vordergrund der Hering, nächſt dieſem ift der Sprott 
von Bedeutung, ferner der Aal und die Flunder, 
weniger die Makrele u. a. 

An der Nordfeelüfte wandert eine bebeutende 
Menge des anderweitig nicht verwertbaren Mate: 
rials des Friſchfiſchfangs in die Räuchereien, bes 
fonders Schellfiſch, Knurrhahn, verfdiedene Gadus: 
arten, Verwandte des Kabeljaus, welche als Eee: 
lachs verlauft werden, Haie, melde ald Seeaal 

eben, Rochen u. a. Die bolländ. Kalträucerei 
fabri iert aus dem Hering den aud in Deutichland 
viel fonjumierten Büdling (f. d.). Diejem ähnlich 
ift der engl. Red. In England werden auberbem 
nod zwei nur im Inlande tonfumierte Räucher⸗ 
beringe fabriziert, Bloaters und Kippers, von denen 
namentlich die eritern für den fofortigen Konſum 
beitimmt find und in wechjelnder Zubereitung ge: 
tocht, geröjtet, mariniert genofjen werben. 

Die wichtigste Art des Warmräucherns —3* 
ſich bei uns in folgender Weiſe: der friſche Fiſch 


Fiſchkörner — Fiſchperioden 


wird vorher gereinigt und mit Salz beſtreut oder 
turze Zeit in eine Lake gelegt; dann wird er reihen: 
weiſe auf Stangen «aufgejplietet» und zum Trod: 
nen in die Öfen gehängt, in denen belle euer, 
am beften von Ei ... oder aud von Buchen: 
ober Elſenholz, nicht aber von Tannen oder Fichten, 
unterhalten werben. Nah dem Trodnen beginnt 
das eigentlihe Räuchern, wobei dag belle ‘euer 
mit feuchtem Eichenſpangruß zugededt wird. In 
6—8 Stunden ift der Hering jet geräuchert. 
Soll die Ware nun größere Haltbarteit haben, fo 
läßt man fie nah dem eigentlihen Räudern im 
Dfen bei offenen Klappen noh 2—3 Stunden 
nadtrodnen; auch pflegt man fie jtärter anzufal- 
en. In einem een BR Dfen fann man 70—80 
ai (& 80 Stüd) Heringe fertig machen. 

Das Marinieren der Fiſche bildet vielfach nur 
eine fpecielle u der Zubereitung, nachdem die 
Fiſche durch Salz vorher tonferviert waren. In 
vielen Fällen aber tritt es als bejondere Konjer: 
vierungsmetbode auf, wobei fein Salzen vorauf: 
gegangen ift. Der Cifig, der zwedmäßig vorher 
sulgets wird, fpielt dabei eine Hauptrolle, fei es, 
dab man ihn benußt, um den toben Sic in ihm 

ar zu machen, wie im alle des fog. Delikateß⸗ 
—— oder daß er zur Konſervierung der vorher 
gelochten (Hering, Aal, Lachs, Muſcheln u. ſ. m.) 
oder gebratenen oder geröfteten Fiſche (Hering, Aal, 
Neunauge u. f. w.) verwandt wird. Das Sieden 
mit Ol dient zur Bereitung der franz. Sarbinen 
(Sardines & l’huile). Die Die werben gewaſchen, 
von Kopf und Schwanz befreit, in fiedendes Ol ge 
taucht, in Blechdoſen gelegt und mit heißem Ol bes 
goflen, worauf die Dofen uftdicht verlötet werben. 
um Zwede der Friſcherhaltung von dFiſchfleiſch 
fpielt ebenjo wie bet andern Fleiſchſorten das Eis 
noch immer die Hauptrolle. Alle Hochſeefiſcher, 
welche Friſchfiſchfang betreiben, d. b. ihren Yang 
nicht trodnnen oder falzen, und welche nicht in furzen 
Zwiſchenräumen Häfen anlaufen können, —*— 
große Quantitäten Eis mit ſich, welches zur Ber: 
padung der gejäuberten und ausgenommenen Fiſche 
in befondern « Fifhräumen» verwandt wird. 

In neuerer Zeit hat man auch verſucht, Fiſchfleiſch 
dur Raltlujtbehandlung zu konjervieren, in 
ähnlicher Weife, mie dies mit überſeeiſchem Fleiſch 
geſchieht (j. —— — 

Bol. Dunler, Lehrbuch der Fiſchbereitung (Stett. 
1889); Dudzins, Die Schnelllonſervierung der Fiſch⸗ 
tonferven (Ergänzung zu vorigem, ebd. 1899). 

Fifchförner, die Früchte von Anamirtacocculus 
Wigkt, |. Rodelätörner. 

fchland oder Fiſcherland, der weſtl. Teil 
des Landftreifend zwiſchen dem Bartber Binnen: 
waſſer und der Dftjee, j. Bodden. 

ifchläufe, bisweilen Bezeichnung der parafitis 


ſchen Eopepoden (f. d.). 
i Kein. E Daufentae und Leim. 


iſchlurche, die Kiemenlurde (ſ. d.). 

ſchmehl (dän. fiskemel), in Norwegen Pulver 
aus dem getrodneten Fleiſche des Dorſches, das in 
* Temperatur aufgewärmt und zu einem ſehr 
nahrhaften Brot verbaden wird. — Auch wertvolles 
Düngemittel (Fiſchguano), welches namentlich 
an der norweg. Hüfte aus nicht als Nahrung zu 
vermwertenden gen und aus den bei der Berei: 
tung des Stodfiihes abgeihnittenen Dorjhköpfen 
fomıe aus Abfällen bei der Verarbeitung der Wal: 
fiche (j. Walfang) bergeftellt wird. Die Materialien 


Brodbaus’ Konperiations-Lerilon.,. 14. Aufl. R. U. VI. 


737 


werben juerjt gebämpft, dann auf Darren getrodnet 
und gemablen. Das als feines Mehl in den Handel 
gebrachte Produkt enthält 8—10 Proz. Stidjtoff und 
etwa 12 Proz. Phosphorjäure. 
ifchmolche, ſ. Kiemenlurche. 
i — ſ. Ichthyol. 
iſchotter (Lutra), eine Gattung der marbder: 
artigen Raubtiere mit kurzen, fünfzebigen, mit gro: 
ben Shwimmbäuten verjebenen Füßen, einem gegen 
das Ende flahgedrüdten Schwanze und einem jebr 
breiten, platten, vorn abgerundeten Kopfe. Die 
kurzen runden Obren können durd Klappen ver: 
ſchloſſen werden, die Najenlöder find jpaltförmig 
und ebenjalld verjchließbar. Faft in allen Zonen 
giebt es F., aus denen man zum Teil wegen ab: 
weichender Bildung des Schwanzed und der Füße 
Untergattungen gemacht hat. Bekannt ift der ge: 
meine odereuropäiiche y.(Lutra vulgaris Errl., 
.Zafel: Marder I, Fig. 3), welder in Seen und 
Fluſſen und jelbit an den Meerestüften lebt und auch 
in Deutſchland nicht felten ift. Er nährt fih von 
Fiſchen und Krebien und in Ermangelung derielben 
auch von —— und 
Eiern, geht hauptſächlich nur nachts auf den Fang 
und bewohnt meiſt Baue, deren Einfahrt unter dem 
Waſſerſpiegel ſich befindet. UÜberdies ſchadet er auch 
noch dadurch, | er die Fiihe von den Drten, 
an denen fie gewohnt find, ihren Laich abzuſetzen, 
vollftändig vertreibt. Deshalb wird dem 75. überall 
eifrig nachgeitellt, obgleich er, durch jcharfes Gehör 
und Gerud geleitet, den Jäger auf dem Anſtande 
und die Falle leicht meibet. Jung eingefangen, läßt 
er fih zähmen und zeigt fih dann ziemlich intelli- 
gent. Man zahlt etwa 25 M. für ein junges Tier, 
das man mit Flußfiſchen, rohem Fleiſch und in 
Milch eingeweihtem Weißbrot füttert. Im ge: 
hen —5* braucht der F. 8—10 mittelgroße 
Bi che zu jeiner Sättigung. Der’. iſt ohne den 43cm 
ngen Schwan; 70—80 em groß, oben rötlich: 
braun, unten grauweiß; aud giebt e3 eine weih: 
gefledte Spielart. Die an Seelüſten lebenden find 
dunkler gefärbt. Der F. befist ein langes, glänzen: 
des Oberhaar, unter dem ein dichtes, wolliges, dem 
Waſſer undurchdringliches Vließ liegt. Sein Fell 
it geſchäßzt und aus den Haaren werden Hüte und 
Pinſel verfertigt. Das wohlſchmeckende Fleiſch wird 
als Fajtenipeije verwendet. Noch geichäkter ijt das 
ell des Meerotters (f. d. und Tafel: Marder 1, 
ig. 4). — Bol. Eorneli, Der F. (Berl. 1884). 
chperioden (Fis ——— in Norwegen 
Bezeichnung für die rätſelhafte Grideinung daf 
die jonft regelmäßig in jedem Jahre an den Ktüften 
Standinaviens erjheinenden Züge der Heringe und 
anderer nußbarer Fiſche plöglich fich vermindern oder 
anz ausbleiben, um erft nach längerer Zeit wiederzu⸗ 
ebren. Hiſtor. Forſchungen in den ſtandinav. Reiche: 
arhiven haben ergeben, daß fich dieje Erſcheinung 
in etwa 60jährigen Perioden ziemlich regelmäßig 
wiederholt. So verſchwanden im Skagerral ſeit 1808 
die großen Heringszüge fait gay und febrten erſt 
1877 zurüd, Infolge des Megbleibens der Fiſche 
find oft blühende Fiſcherſtädte von ihrer Höhe & 
junten und Tauſende von Menjchen verarmt. Die 
Urſachen der F. liegen wahrſcheinlich in periodiſchen 
Schwankungen der Meerestemperaturen, welche 
die — und Fortpflanzung der Fiſche beein: 
fluffen. — Vgl. Heinde, Die nusbaren Fiſche der 
—*— Meere und die Bedingungen ihrer Exi— 
ſtenz (Stuttg. 1882). 
47 


738 


een f. Perlen. 
ifchpeft, eine Krankheit der Süßmwafjerfiiche, 
die durch eine auch die Krebspeft erzeugende Bilzart 
(Saprolegnia ferax N. ab E.) hervorgerufen wird 
und bei der der ganze Körper der damit befallenen 
Tiere wie mit einer moosartigen Wucerung über: 
zogen erjcheint. Sie fann ganze Teiche entwöltern. 
ifchräucherei, ſ. Fiihlonjervierung. 
ifchreiber, A, Reiher. 


HE ad, j. Reuſe. 
Fiſchſalz, das beim Sieden verfhiedener Salz: 
(öfungen fib ausſcheidende Salz, das am Boden 
des Verbampfungsgefäßes fib abſcheidet und mit 
Schaufeln aus der Flüffıgleit gefhöpft, gefiicht wird, 
ifchfaurier, j. Ichthyosaurus. 
iſchſchuppen, die Heinen Schilde, womit die 
meisten Fiſche bededt find (j. Schuppen und Tafel: 
KRörperbededung der Tiere II, Fig. 4— 11). 
Sie find häufig gefärbt und von ſchönem Glanz. 
(S. File.) Sie werden technisch ala Erſaß für Perl: 
mutter veriwandt. Zu diefem Behufe werben fie au: 
nädjt 24 Stunden in Salzwaſſer gelegt, gewäſſert, 
dann mit leinenen Lappen abgerieben und ſchwach 
nepreßt, worauf fie eine Stunde in Altohol gelegt 
und nad dem Abpreſſen getrodnet werden. Die 
Schuppen des Uleleys (f. d.) dienen jur Anfertigung 
der Perleneſſenz, Essence d’Orient; fie werden 
zu dem Bebufe mit Ammonialwaſſer maceriert, wo: 
bei ſich Heine irifierende Kryſtalle ablöjen, die in 
der Flüſſigleit verteilt werden. 20000 folcher Fiiche 
geben erjt kKg Silberefjenz. Glasperlen, in denen 
man dieſe Mi durch — verteilt, neh⸗ 
men das Anſehen von echten Perlen an. 

Fiſchſchuppenkraukheit (Ichthyosis), eine an: 
geborene, meiſt das gane Leben bindurd be: 
ſtehende Hautkrankheit, bei welcher die Haut infolge 
einer Maflenzunabme (Hopertropbie) der äußern 
Lage (Bapillarihicht oder Bapillarlörper) der Leder 
baut raub und troden und mit dünnen Schüpp: 
den und Blättchen oder didern Hornplatten oder 
jelbjt hornigen Warzen bejest erfcheint. Man unter: 
cheidet mehrere ze der Ichthyosis, die Ich- 
thyosis simplex, bei welcher die hagrinartig rauhe 
Haut dur ſich kreuzende Linien in linſen- bis 
pienniagroße Schuppen oder Schilder zerteilt iſt 
und fo dem Gefiht und Gefühl annäbernd die Be: 
Ihaffenbeit einer Fiſchhaut darbietet; ferner die 
Ichthyosis serpentina, bei welcher die Haut grau: 
grün, ſchmutzig, wie feit lange ungebadet, und mit 
didern trodnen Schuppen (nad Art einer Schlan: 
genhaut) erſcheint, und die Ichthyosis cornea, bei 
welcher die Oberbaut in hornartige, mebrere Linien 
vide Borken oder Schwielen entartet ift. Der 
höchſte Gran des Ubels wird als Ichthyosis hy- 
strix oder Hyſtricismus bezeichnet, wobei die 
Haut oft des ganzen Körpers mit diden, nageltopf: 
äbnlihen Schwielen und langen bornigen Warzen 
in großer a. beſetzt iſt (ſog. Stachelſchwein— 
menſchen). Die Ichthyosis iſt oft auf einen nur 
kleinen Teil der Haut (Flachhand und Fußſohle) be: 
ſchränkt, bisweilen aber auch über den ganzen för: 
per, mit Ausnahme des Gefichts, verbreitet. 

Die Urfachen ver Krantbeit, welche im allgemei: 
nen zu den feltenern gehört, find völlig unbe: 
tannt; nur jo viel ftebt feit, daß fie fait immer an- 
geboren ijt und auf erblicher libertragung berubt, 
doch kommen die Erſcheinungen der Ichthyosis erjt 
im Verlaufe des zweiten Lebensjahres zur Ent: 
mwidlung, niemals findet man diefelbe ſchon am 


Fiſchperlen — Filchzucht 


Neugeborenen. Entweder befommen alle Rinder 
eines ichthyotiſchen Elternpaares die Krankheit, 
oder nur die männliden oder nur die weiblichen 
Glieder; manchmal überjpringt auch die weibliche 
Anlage eine Generation, um in der nächſten oder 
einer Seitenlinie wieder aufzutauchen. Cine ge: 
wiſſe Berübmtbeit erlangte im 18. Jahrh. eine 
in Irland heimifhe Familie Lambert, beitebend 
aus Bater und zwei Söhnen, welde, mit body: 
gradigem Hyftricismus behaftet, eine Nundreiie 
durd England, Deutichland und Frantreih mad 
ten, ſich als Kruftenmenicen oder Stadel: 
ſchweinmenſchen (porcupine-men) für Gelb 
jeben lichen. (Vgl. Tilefius, Ausführliche Beſchrei— 
bung und Abbilvung der beiden ſog. Stachelſchwein⸗ 
—— Altenb. 1802.) Die Krankheit iſt zwar 
an ſich unheilbar, doch kann durch häufigen Gebrauch 
warmer Bäder, durch zeitweilige Schmierſeiſenum 
ſchläge, Einreibungen von Leberthran, Lanolin und 
andern Fetten oder zeitweilige Umhüllung der Glie— 
der mit Kautſchul recht wohl eine Erweichung und 
Entfernung der verhärteten Epidermiszellen und da: 
mit eine zeitweilige Beſſerung erreicht werden. 
gi chſchwanzbreuuner, |. Gasbeleuchtung. 
iſchſee (ungar. Halastö; auch Morskie-oko, 

dis —— See in der Hohen Tatra, in 1393 m 
Höbe ſchön gelegen, ijt 33 ha groß, bis 49 m tief 
und reich an Forellen. Sein Ausfluß, der Fiſchſee— 
bad, fließt nah NR. in die Bialka, einen Neben: 
I des Dunajec. Südlich liegt nahe der Heine 
hwarzbrauneSeeMeerauge(ungar. Tengerszem; 
aud Czarny-staw, d. i. Schwarzer See; 1584 m), 
binter dem die Meeraugenipiße (2503 m) fteil 
berabfällt. Beide Seen wurden 1902 durch Schieds— 
gericht Galizien eh) zuerkannt. 

ſchthrau, |. Thran. 

iſchtorpedo, ſ. Torpedo. 

ifhvergiftung, Ieißgt. 

Fisch. v. W., nad lat. Namen von Tieren Ab: 

fürzung für Gottbeli Fiiher von Waldheim (f. d.). 
ifchweibchen, ſJ. Melufine. 
iſchzäune, |. Reufe (Fiichereigerät). 

iſchzucht. MWährend die Gewäſſer in weniger 
kultwierten Yändern den Anwohnern ihren Bedarf 
an Fiſchen jederzeit reichlich liefern und unerſchöpf⸗ 
lihe Vorräte zu enthalten fcheinen, ift bei fteigen: 
der Kultur überall mit der Zunahme der Einwohner: 
zabl eine Verminderung des Fiſchreichtums eingetre: 
ten, und es bat ſich berausgejtellt, daß nur eine 
rationelle Bewirtichaftung des Waſſers im ftande 
vt, für die Schäden, die das Kulturleben den öffent: 
lihen Gewäſſern bringt, dadurch weſentlich Erjas 
zu ſchaffen, daß man den von den Verunreinigun: 
nen der Induſtrie und der Häufer unbeeinflubten 
Reit der Gewäſſer durch ſorgſame Bebandlung ihrer 
Bewohner zu reicherer Sebensentjaltung bringt. — 
In dicht bevölterten Ländern, wie in China, iſt 
man ſchon febr früh genötigt geweien, den Fiſch⸗ 
beitand durch zmedmäßige Mittel zu erbalten und 
zu vermehren. Die alten Römer, die gewöhnlich 
als große Fiſchzüchter gepriefen werden, verdienen 
diejen Ruhm nur in ſehr beihränttem Maße, indem 
die von den — Schwelgern der Kaiſerzeit oft 
mit ungeheuern Koſten angelegten Süß: und Meer: 
waſſerteiche nur als Behälter für die mit unfinnigen 
Preiſen bezablten Fiiche dienten und in vollsmirt: 
ihaftlicher Hinficht ohne jeden Wert waren. Weit 
größere Verdienſte haben dh fpäter die hriftl. Klöfter 
dur die Anlage von Zeichen erworben, in denen 


Fiſchzucht 


Karpfen und andere Fiſche in Menge erfolgreich ge 
züchtet wurden. Ihr Verfahren wird noch heute fait 
unverändert angewandt. (S. Teichwirtichaft.) 
Künftlihe Fiſchzucht. Au der feit Jahrhun— 
derten bewährten Teichwirtſchaft ift neuerdings, 
au aan für die Bermebrung der lachsartigen 
ifde (Labs, Huchen, Saibling, Forellen, Aſche, 
amerif. Bahfaibling und Regenbogenforelle, el: 
hen, Renten, Maränen), die * fünftlibe F. bin: 
ugetreten, die an vielen Orten jchon bedeutende 
ejultate erzielt bat. Die fünftlihe F., d. b. die 
fünftlihe Gewinnung, Befruchtung und Erbrütung 
von Fiſcheiern, wurde ſchon in der eriten Hälfte des 
18. Jahrh. von Stephan Ludwig Jacobi in der Calle 
(Lippe-Detmolb) an der Forelle erprobt, hat aber erit 
im 19, Babe. nachdem der Eljäfler Remy das 
Jacobiſche Verfahren felbftändig wieder aufgefun- 
ben, vorzugsmeife infolge der Anregung des franz. 
Embryolögen Eofte und der dann auf feine Veran: 
(afjung von Napoleon IIL. angelegten Brutanftalt 
bei Hüningen (f. d.), ausgedehnte Verbreitung ge: 
— ie 155 Fiſchzuchtanſtalten der Schweiz 
aben im Brutjahre 1898/99: 41983500 Stüd Eier 
ein» und 32905200 Fiſchchen ausgefeßt. Neuer: 
dings findet die fünftliche F. auch zur Vermehrung 
der Seefiſche Anwendung. Norweger und Schotten 
erbrüten viele Millionen Plattfiſch⸗ Schellfifich: und 
Rabeljaueier. Am erfolgreibiten bat aber Nord: 
amerika mit großen Mitteln die künftlihe Vermeb: 
tung von Süß: und Salzwajlerfiiben in den le: 
ten Jahrzehnten ausgebaut. — Die lachsartigen 
Fiſche produzieren größere, aber jehr viel weniger 
yablreiche Gier als die larpfenartigen, die lie 
größtenteils in der kalten Jahreszeit ablegen. Da 
die Befruchtung der Fifcheier oder des Rogens 
durch die Samenflüffigfeit oder Milch der männ- 
lichen Tiere erſt nad) ihrer Ablage ins Waſſer, alfo 
außerhalb des mütterlichen Körpers ftattfindet, jo 
bietet die künftlihe Befruchtung feine Schwierig: 
leiten. Die legereifen Eier, die in der Laichzeit aus 
dem Leibe der Weibchen bei gelindem Drud in einem 
zus bervorquellen, werben in einer trodnen 
Scale aufgefangen und ohne Waſſerzuſatz mit der 
Milch eines reifen Männchens vermischt. Für einen 
Suppenteller voll Eier ift ein Theelöffel voll Milch 
aenügend. Nach geböriger Vermiſchung dur Um— 
rübren mit dem Finger oder mit einer Federfahne 
wird nach 5 Minuten Mafler binzugefegt. Die Eier 
quellen, indem fie durch ihre poröje Haut Waſſer auf: 
jaugen, erheblich auf und werben befruchtet, indem 
dur die Milropyle (ein Heines Loch im Fiſchei) 
Samentierhen (Spermatozoen) in den Raum zwi⸗ 
hen Eihaut und Dotter eintreten, von welchen in: 
defien normal nur eins mit dem Zelllern des Eies 
zur Berjchmelzung fommt, d. b. die Befruchtung voll: 
ieht und das Ei zur weitern Entwidlung befähigt. 
eniger günjtige Reſultate als die befchriebene 
(trodne) liefert Die ältere (feuchte) Befruchtungsweife, 
nach der Eier und Milch gleichzeitig oder nacheinan⸗ 
der in ein Gefäß mit Waller gefchüttet wurden. Die 
befruchteten Eier lönnen ohne weiteres an geeigneten 
Orten in das freie Waſſer gebracht werden; viel vor: 
teilbafter ift es aber, fie vor allen Fährlichkeiten 
geihüst in Brutanftalten auszufbrüten. Es find dazu 
keineswegs große und foftipielige Räume erforder: 
ia: jeder frojtfreie Raum, in den fließendes Waſſer 
geleitetwerben lann, genügt, ein Reller, ein Berichlag 
u. dal.; auf dem Raume eines Quadratmeters kön: 
nen Zebntaufende von Eiern auggebrütet werben. 


139 


Das Eider Winterlaichfifche bedarf zu feiner 
ug Entwidlung der reichlihen Zufuhr 
aren, kalten und Iuftreihen Waſſers; die Nieder: 
[aläge, bie ih aus trübem Wafler auf den Eiern 
ilden, erſchweren die Kontrolle und jhädigen bie 
Eier, wärmeres Waſſer befchleunigt die Entwid: 
lung, welche dabei oft unregelmäßig verläuft, luft⸗ 
armes läßt die Embryonen erftiden. Trübes Wafler 
muß daher filtriert, wärmeres und zu luftarmes 
durch eine längere Leitung in offenen Ninnen, wo: 
möglich mit ſtarlem Gefälle, abgetühlt und mit Luft 
gejättigt werden. Als Filtrierapparate werden zwed: 
mäßig gut gereinigte Petroleum: oder Meintäffer 
benußt, in denen etwa handhoch über dem Boden 
ein both; erner Roft angebradht wird, auf den man 
eine dide Schicht von Holzwolle, Badeſchwammab⸗ 
fällen oder gereinigtem grobem Kies ſchüttet (daher 
Kiesfilter — Dieſe Filtrierſchicht muß 
von dem Waſſer in ab: ober beſſer in aufſteigender 
Richtung paffiert werden, man kann auch zmedmäßig 
wei * Ra * Target —— ir 
inden (f. Tafel: Künſtliche Fifchz ‚dig. 1). 
Brütapparate find in großer an Konten 
worden, fie laſſen fi in zwei Gruppen einteilen, 
einmal in die jtehenden oder ſchwimmenden Bad: 
apparate, welche direft in die —— Gewäſſer ein: 
ejeßt werben, wie z. B. der Dei Brüttiegel 
5: . 5), und zweitens in die Anftalt3apparate, 
N in Bruthäufern untergebracht werden. Am 
vorteilhafteften unter diefen find die fog. unter: 
fpüligen, nah amerif. iter —— in 
denen das Brütwaſſer die auf einem Siebe gelager: 
ten Eier von unten ber durchſtrömen muß und in 
der Nähe des Oberrandes des Apparats abläuft. 
Solche Apparate verſchiedener Form, die im all: 
gemeinen als kalifornifhe Brüttröge bezeich: 
net werben, find von La Balette Saint : George 
(Fig. 2), von von dem Borne (Fig. 3), Schuiter 
ig. 4) u. a. angegeben. Sie fönnen je nad ihrer 
röße 5— 10000 Eier von Forellen aufnehmen. 
In den fog. Selbftauslejern, wie 3. B. dem von 
dem Borneſchen (Fig. 10), wird durch ftärfern Wajler: 
zufluß eine ftarke aufiteigende Strömung erzielt, 
welche Heinere Eier, wie die der Maränenarten, 
ſchwebend erhält und die abgeftorbenen, deren fpe: 
cifiſches Gewicht etwas geringer wird, mit fort: 
wemmt. Cine umedmähigen Verwirklichung des: 
elben Brincips bietet das jetzt allgemein in Gebrauch 
efindliche Sugen oder Weißſche Brutglas (Fig. 6). 
In gen rütanftalten werben meijtens fo 
Bruttiſche — und 9) angewandt, lange, flache 
Käften, durch die Wafjerhindurcbiträmt, und in denen 
die auf Drabthürden in einfacher Schicht gelagerten 
Gier jo aufgeitellt find, daß fie allfeitig vom Waſſer 
umfpült werden. Solange noch feine ideen aus: 
ſchlüpfen, tönnen die Hürden bei reihlihem Wafler: 
ufluß aud mehrfach übereinander geitellt werben. 
Bo man nicht fofort über geeignetes —— 
ehr dürfen die Eier vorläufig in fog. Eid: 
brüt hrän en (Fig. 1) gehalten werden, in 
denen fie fich au entwideln. Sie werben auf vier: 
edigen, mit Leinwand oder Baummollzeug befpann« 
ten Rahmen in einfaher Schicht ausgebreitet, die 
Rahmen werben etwa zu zehn Stüd übereinander 
in einen Holztajten eingeben und darüber eine 
tiefere Schublade geitellt, die mit Eis gefüllt ii 
In einem fühlen, aber frojtfreien Raume aufgeitellt, 
werden die Rahmen und Eier durch das abtröpfelnde 
Schmelzwaſſer genügend feucht erhalten und an- 
47* 


740 Fis-dur — 
ebrütet. Längeres Belafjen in dieſen Eisbrüt: 
Fhränten ift jedod nicht ratfam. Sind die Eier jo 
meit entwidelt, daß man die Augen des Fiſchchens 
als ſchwarze Punkte ſehen kann, jo können fie ohne 
Gefahr weit verjhidt und danach in Apparaten mit 
fließendem Waſſer ausgebrütet werben. 
ie Eier müljen, nachdem fie nach der Befruch—⸗ 
tung in Brütapparate der einen oder andern Art 
gelegt find, täglich revidiert werden, um die toten 
auszulefen, die an ihrer weißen Farbe leicht kennt: 
(ih find und die ſonſt durch Fäulnis und Bilzbil- 
dung den andern gefährlich werden. Das Auslefen 
geſchieht am beften mit Pincetten von Metall oder 
von —— (Fig. 15, 16). Beim Ausſchlüpfen 
aus dem Ei find die ijchchen ganz eg und 
tragen an der Bauchſeite eine große Blafe, den 
Dotterfad, der den Reit des Eidotters enthält und 
allmählidy aufgezebrt wird (Si. 14b). Bei Lachſen 
und Forellen iR er Ic groß und ſchwer, verſchwin⸗ 
det erſt in mehrern Wochen und hält die Fiſchchen 
durch ſeine Schwere am Boden; bei den Maränen 
iſt er von vornherein ſehr viel kleiner, ſo daß ſie 
chon bald nah dem Ausſchlüpfen an die Ober: 
äche lommen. Erft nah Aufzchrung des Dotter: 
ſads brauden die Fiſchchen Nahrung und müſſen 
dann in Gewäſſer gebracht werben, in denen fie 
diefe finden; die Aufzucht in eicloffenen Räumen 
mit natürlibem oder lünftlihem Futter, von der 
man fi ir viel verfprochen hatte, erfordert 
einen fehr geididten, erfahrenen Züchter und iſt 
Anfängern zus nicht zu raten. Es iſt befler, 
die Jungfiiche nicht gleib nah dem Verſchwinden 
der Dotterblafe in die freien Gewäſſer zu lafien, 
iondern fie in Aufzuchtgräben oder «Zeichen einige 
Monate zu halten und ihnen fo die größten Gejab: 
ren, bie ihnen in der früheiten Jugend broben, jern 
zu halten. Lachſe müfjen dann in geeignete Ge: 
wäſſer der Forellenregion geſezt werden, wo fie ein 
Jahr lang verweilen, um dann ins Meer zu war: 
dern, hier nad 2—3 Jahren geſchlechtsreif zu werden 
und dann wieder in die fühen Gemwäfler zurüdzu: 
tehren. Forellen und Maränen können, ebenfo wie 
Saiblinge und verwandte Arten, ſehr vorteilbaft 
in Teihen aufgezogen werben, doch müſſen die 
jelben größere Tiefe haben als die Karpfenteiche und 
von küblem, mögliit ftart fließendem Waſſer ge: 
fpeift werben. Be onders an Meinen Bächen mit ftars 
tem Gefälle find ſolche Forellenteiche durch Stauung 
leicht einzurichten. Von den erwacfenen Tieren 
nimmt man dann in der Laichzeit Mil und Rogen 
jur künitlihen Befruchtung und Erbrütung ab, ver: 
meidet aber thunlichſt junge, namentlich weniger 
als vierjäbrige Weibchen für Zuchtzwede zu verwen: 


den. — Die Entwidlung der Forelle, wie fie oben 
angegeben, iſt in Fig. 14 dargeitellt. Die Ver: 
fendung der Fiſcheier im Stadium des Erfcheinens 


der Augenpuntte geſchieht am beiten in Ir en, nicht 
über 1 cm hoben, mit Gaze oder Flanell beipannten 
Holzrahmen (Fig. 11) unter Eis jo aufeinander ge 
itellt, wie das oben beim Eisbrütichranfe auseinan: 
dergeſetzt iſt (Fig.12). DieRahmen werden mitjchledy: 
ten Wärmeleitern, Moos, Holzwolle u. ſ. m. um: 
aeben und in einer größern Kiſte verpadt (Fig. 13). 
Um die Zabl der zu verjendenden Eier genauer zu be: 
ftimmen, bedient man fich der Eierzäbl: oder Meß— 
apparate (Brandftädterihe Zäblplatte, Scillinger: 
ſcher Bang rn Letzterer ift auch zur ziffern: 
mäßigen Beitimmung der Brut verwenbbar. Große 
Brutmengen werben im Wafler gewogen und die 


Fiſematenten 


Zahl ver Fiſchchen berechnet, nachdem vorher 100 
Stück abgezählt und genau gewogen wurben. 

Auch für die Sommerlaichfiſche kann die fünft- 
liche Befruchtung der Eier angewandt werben, Die 
Gier diefer Fiſche Heben aber im Waſſer an allen 
Gegenitänden, mit denen Ir in Berührung lommen, 
feſt an und würden, einfach ins Waſſer geichüttet, zu 
einem feften Klumpen zufammenbaden, von dem nur 
die an der Oberfläche befindlichen ſich entwideln, bie 
in der Mitte gelegenen erjtiden würden. Die troden 
befruchteten Gier müfjen daber in feinem Strahl auf 
in das Mafler gelegte Wafjerpflangen geichüttet wer: 
den, an deren Blättern fie anfleben. Diefe Pfla 
fönnen dann in ſchwimmende Weibdentörbe gelegt 
werben, in denen die Eier vor Feinden gejhükt find ; 
die in wenigen Tagen ausſchlüpfende Brut gelangt 
allmäblich durch die Riken der Körbe ins freie Waſſet 
Aud der natürlih am Kraute abgelegte Laich fan 
leicht gefammelt und in ſolche Körbe gelegt werben, 
damit er fich vor Feinden geihüßt ungeltört entwidle, 

Der Aal pflanzt jih nur im Meere jort, wo bie 
Männden vorwiegend leben, und wohin die Weib: 
chen zur Yaiche wandern. Die Eiablage findet in 
großen Tiefen jtatt; aus dem Ei entwidelt ſich zu- 
erit eine Yarve (Leptocephalus brevirostris); 
diefemadhteine Berwandlung (Metamorpbofe) durch 
nad welder die junge Aalbrut (montee) ſcharen⸗ 
weile in die Füffe einwandert; als ſolche wird fie 
an vielen Orten mafjenbaft gefangen und in feuch⸗ 
tem Kraut verſchickt. Sie eignet fi vortrefflid zur 
Beſetzung von Teichen, Torfitihen, Mergelgruben 
u. }. w., worin fie in 3—4 Jahren zu marftfäbigen 
Fiſchen heranwächſt. — Beſondere Berdienite um 
die Entwidlung der künftliben F. im Verlauf ber 
legten 30 Jahre baben ſich die Deutſchen Fischerei: 
vereine, an ihrer Spitze der 1870 begründete 
Deutſche Fiicherei: Berein erworben, der die « Zeit- 
fchrift für 5.» (früber «Eirculare des Deutſchen 
Fiichereis Vereins») und die «Allgemeine Fiſcherei 

eitung» berausgiebt. 

Litteratur. Molin, Die rationelle Zudt dei 
Süußwaſſerfiſche (Wien 1864); Beta, Die Bewirt: 
idaftung des Waflers er 1868); Aderbof, Die 
Nusung der Teihe und Gewäſſer durch F. und 
enbau (Quedlinb. 1869); Vogt, Die fünftlice 

. (2. Aufl, Lpz. 1875); Atkins, Cheap fixtures for 
the hatching of salmon (Wajbingt. 1879); Benede, 
Fiſche, Fiſcherei und F. in Oft: und Wejtpreußen 
(Königsb. 1881); derf., Die Teihwirtichaft (3. vr 
Berl. 1894); Borgmann, Fiſcherei im Walde (ebd. 
1892); Jaffé, Forellenzudt Osnabrüd 1894); von 
dem Borne, Künjtlibe 3. (4. Aufl., Berl. 1895); 
deri., Teichwirtſchaft (4. Hufl., ebd. 1894); von bem 
Porne, Benede und Dallmer, Handbud der F. und 
Fiſcherei (ebd. 1886); Bieſenbach, Künftliche F. und 
Leihwirtihait (ps. 1897); Bade, Die Münftlice 8. 
(Magdeb.1897); Meeder, Der Fiihzüchter Puchbeim 
1900); Brefiel, Die F. im Hleinbetrieb (Stuttg.1902). 

Fis-dur (ital. fa diesis maggiore; franz. fa diese 
majeur; engl. f sharp major), die Durtonart, bei 
der f,c,g,d,a,e um einen halben Ton erhöht, 
aljo6# vorgezeichnet find, wie beim parallelen Dis- 
moll. Der unbequemen Vorzeichnung wegen ift fie 
ald Haupttonart jelten. (S. Ton.) 

Fifematenten, ſoviel wie leere laufen, Aus: 
reden, wird angejeben als Verdrehung des lat. visa- 
mentum, das in der Verdeutſchung Yifiment in ber 
beralviihen Sprache des 14. Jabrb. für gebeimnis: 
vollen Zug oder Zierat im Mappen gebräuchlich war, 


KUNSTLICHE FISCHZUCHT. 














6. Zuger 
Brutglas, 






Ta 


b, Kufferscher Bruttiegel. = 


— 






9. Querschnitt zu Fig. 8, 7. Eisbrütschrank. 


ee —— 


x ED Zu —_ 




































- 
- 


In 7, 


10. Selbstausleser nach 
von dem Borne. 











- 





14. Entwicklung der Forelle: a Ei im Durch- 
schnitt, 5 junges Fischehen mit Dottersack, 
e entwickelter Fisch. 


nn — — 


* * — F FM ‘ 2 
13. Durchschnitt zu Fig. 12, — — — — 


12. Für den Transport 
zusammengestellte Rähmchen, 10. 16. Pincetten, 


—— 














Broekhaus' Konversations-Lexikon, 14. Aufl. 


Fiſetholz — Fiskus 


oder wohl richtiger als eine ſpoöttiſche Korruption 
aus dem visum authenticum, dem amtlich feft- 
geitellten Thatbeftand, des alten Prozeßverfahrens. 

Fifetholz, junger Fuſtik oder ungariſches 
Gelbholz (Bois de fustet, Fiset wood), das Kern: 
bolz des oberirdifhen Stammes (nicht das Wurzel: 
bol;, wie irrtümlich angegeben wird) des in Süd— 
europa vielfach wild wachſenden Verüdenbaums, 
Rhus cotinus L. (f. Rhus). Es wird wegen en 
orangegelben Farbſtoffs zum Färben von Wolle 
und Leder jowie aud zum Fournieren verwandt. 
Der im F. enthaltene gardftef] wird Fuſtin ge 
nannt; er kryſtalliſiert in jilberglängenven Nädelchen 
vom Schmelzpunkt 218° und bat die Zuſammen⸗ 
ſehung Oys His Ozs- Als ein Glykoſid wirb das 
— durch verbünnte Schwefeljäure geſpalten in 
eine Zuderart und Fijetin, C,H, 0, +4H,0; 
es tryſtalliſiert in citronengelben Nädelchen, verhält 

ih wie eine ſchwache Säure und ift daher auch 
Sijetinfäure genannt worden. 

ifetin, Fiſetinſäure, j. Fiſetholz. 

ifh (fpr. fiſch), Hamilton, nordamerit, Staats: 
mann, geb. 3. Aug. 1808 in Neuyort, ſchloß fich 
als junger Apvolat den Whigs an, trat 1842 als 
Abgeordneter für er Vateritadtin den Vereinigten: 
Staaten: ongreß, war 1849—51 Gouverneur des 
Staates Neuyort und 1851—57 Bundesjenator. 
‘Bräfident Grant ernannte ihn 1869 zum Staatö- 
—— (Miniſter des ya welche Stel: 
ung F. auch während der zweiten Präſidentſchaft 
Grants bis zum 4. März 1877 bekleidete. In diejer 
Eigenſchaft jchloß er 8. Diai 1871 den Waſhingtoner 
Vertrag mit England (f. Alabamafrage) und Nov. 
1873 den Vertrag mit Spanien, der die Zwiſtig— 
feiten wegen Euba beilegte. Er jtarb 7. Sept. 1893 
in Neuyort. — Bol. 3. Jentins, Lives of the Go- 
vernors of the state of New York (1851). 

Fiſher (ſpr. fiſch'r), John, engliſcher kath. Biſchof, 
geb. 1459 zu Beverley in Yorlſhire, ſtudierte in Cam⸗ 
bridge und ward 1501 Kanzler der Univerjität. 1504 
zum Biſchof von Rocheſter ernannt, verteidigte er 
König Heinrich VILL. gegen Luthers Angriffe («De- 
fensio Regiae assertionis», Köln em) ſchrieb 
gegen Luther und gegen Ölolampadius. Als Hein: 
ri‘ VII. jid) von Rom losfagte, erfannte 5. 1531 
die Suprematie des Königs mit einem Vorbehalt 
an, weigerte ſich aber, die Verſtoßung der Königin 
Katharina und die Erbfolge der Silbe gutzus 

eißen. Deshalb wurde F. von Papſt Paul IL. zum 

ardinal ernannt, Heinrich VIII. aber ließ ihn nad 
langer Gefangenschaft 22. Juni 1535 wegen Hod: 
verrats enthaupten. — Bgl. die Biographien von 
zb. Bayly (Lond. 1655), M. Kerter (Tüb. 1860), 
Baumiftark(reib.i.Br.1879), Bridgett (Lond.1888). 

gi berrom (ipr. fiiherob), Ort in Schottland, 
ſ. une. 

Fiofäl ( at.), früher in den meijten deutſchen 
Staaten, aud in Bayern (Fistalräte bei den Kreis: 
Tepleruhgen) wie noch jegt in Ungarn, ein öffent: 
liher Beamter, welcher die Gerehtfame und das 
Intereſſe des Fistus (ſ. d.) in Obacht zu nehmen 
hatte; dann im Kriminalprozeſſe der öffentliche An- 
Häger, weil nad dem alten Syſtem, wo der Ber: 
breder dur Erlegung von Bußen an den Berlegten 
und von Friedgeldern an den König fich löfen konnte, 
der Vertreter des königl. Schages ſolche Straffälle 
als Gelegenheiten eines öffentliben Einfommens 
wahrzunehmen batte.. Die Reichsfiskale im 
Deutichen Reiche bei vem Reichslammergericht und 


741 


bei dem Reichshofrate hatten die Obliegenheit, als 
Antläger aufzutreten, wenn die Gerechtfame, Geſetze 
und Verfaſſung des Reichs verlegt wurden, 3. 
a Mißbräuche des Münzregals, Störungen des 
ndfriedend u. ſ. w. Auch in einzelnen deut: 
{chen Territorien, 3. B. den beiden Heflen, ein fis⸗ 
falifher Strafprozeß, der fich jedoch gegen: 
über der Herrichaft des reinen Inquiſitionsprozeſſes 
nit behaupten fonnte. (Bol. Ortlofj, Der sta: 
life Strafprozeß, Lpz. 1859.) Eine eigentümliche 
Prozeßart der preuß. Auftizpflege war der fis: 
falifhe Unterfuhungsprozeß, mwelder zwi— 
hen dem Striminal: und Sir die Mitte 
ielt und bei leichtern Vergeben jtattfand. 
‚ Fisfalinen (mittellat.), die Unfreien und Hd: 
rigen auf den Krongütern bei den Ftanlen. 
Fistaliſch, den Fistus (f. d.) betrejiend, ihm 


gebörig. 

Fiotarius (lat.), Schuldner des Fiskus (ſ. d.); 
Pächter von Staatseinkünften. : 

Fiote (jpr. fl), John, ameril. Hiſtoriler und 
Philoſoph, geb. 30. März 1842 zu Hartford (Eon: 
necticut), ſtudierte in Harvard, wojelbjt er 1872—79 
alö Unterbibliothelar angejtellt war, und ſeitdem 
dem Aufjichtörat der Univerfität angehörte. Gr 
ftarb 4. Juli 1901 in Eaft Gloucejter (Maſſachu—⸗ 
etts). F. erlangte früh einen Namen durch jeine 

ortragscpllen, die er in Bofton, aud in London 
und Edinburgh bielt. Bemerlenäwert find unter 
denjelben namentlich: «The destiny of man, viewed 
in the light of his origin» (Boſt. 1884) und «The 
idea of God, as affected J modern knowledge» 
(ebd. 1885). Bon feinen zahlreihen übrigen Schrif: 
ten find die wichtigern: «Myths and myth-makers» 
(Boft. 1872), «Outlines of cosmic philosophy » 
(2 Bpe., ebd. 1875), «The unseen world» (ebd. 1876), 
«Darwinism» (Lond. und Neuyork 1879), «Through 
nature toGod» (Lond. 1899), «A century of science» 
(ebd. 1899) und die hiſtoriſchen, ſämtlich auf ges 
wiſſenhaftem Quellenftudium beruhenden «The cri- 
tical period of American history» (Bojt. 1888), 
«The beginnings of New England» (Lond. 1880), 
«The American revolution» (3 Bde., 1891), «The 
discovery of America» (2 Bve., Yond. 1892), «Old 
Virginia and its neighbours» (2 Bde. Bojt. 1897), 
«The Dutch and Quaker colonies in America» 
(2Bve.,ebd. 1899),«Essays historical and literary» 
(Bp. 1, Neuyort 1902) u. a. 

iöfeperiober, ſ. Fiichperioden. 

iöfernäs, |. Godthaab. 

isfumfos, einer der ſchönſten Waflerfälle 
32 m) Norwegens, gebildet vom Namfenelv im 

mte Nord:Throndbjem. i 

Fistus (lat.), eigentlich Geldorb, urfprünglic 
das Bermögen der röm. Kaijer ald Krongut im 
Gegenſatz ſowohl zum Reichsvermögen (Ararium, 
.d.) wie zum Privatvermoögen der Kaiſer. gr den 

. flojien die Einnahmen aus Ägypten, den kaiſerl. 
Provinzen und vielleiht aus einem Zeil der Senats 

rovinzen; bejtritten wurden aus ihm außer der 
Beonimsielvensaftung die Ausgaben für den Sold 
von Heeren und flotten, für Kriegszwede, die Ge: 
treideverforgung Roms, die italijhen Chauſſeen, die 
Waflerleitungen in Rom u. a. — Im jpätern röm, 
Recht und heute bezeichnet man damit den Staat 
als Bermögensfubjelt, ald Subjekt des Staatäver: 
mögens, ala Subjelt von Vermögensrechten und 
vermögensrechtlihen VBerbindlichleiten und zwar 
richtiger Anihauung nad nicht bloß ſolcher des 


142 


rivat⸗, ſondern auch ded öffentlichen Rechts (Steuer: 
sſtus). Der Staat tritt als F. in großem Umfang 
o zu den Untertbanen in Verkehr, wie dieje unter: 
einander, aljo nad Art der Privatwirtſchaft, he 
Kauf: und Mietverträge. Someit dies der Fall ift, 
ilt darum für ihn auch das allgemeine Privat: und 
rozeßrecht. Er verpflichtet ſich rechtsgeſchäftlich; 
er kann Magen und verllagt werben. Da in der ab: 
—— Wonarchie der Monarch nicht bloß Träger, 
ondern Subjelt des Staatsvermögens war, ſo war 
er ed, der auch aus dem vermögensrechtlichen Ber: 
lehr unmittelbar berechtigt und verpflichtet wurde. 
Es würde aber jeiner Würde Eintrag getban haben, 
wenn der Souverän in die oft verfhlungenen Ver: 
bältnifje des Privatrechts und in *** e mit den 
Unterthanen verwickelt worden wäre. Deshalb be: 
trachtete man das von Staatsbehörden, wenn ſchon 
mit Verantwortlichkeit gegen den Souverän, ver: 
waltete Staatsvermögen als eine felbftändige, von 
jenen Behörden vertretene juriſtiſche onlichleit 
des Privatrechts (f. Juriſtiſche Perſon). Heute wird 
mit dem befondern Namen F. nicht eg eine vom 
Staat ald Staat verjchiedene Perſon, fondern der 
eine und unteilbare Staat als Vermögensfubjelt 
—— Steht der F. an ſich auch unter den Re— 
geln des Privat und Prozeßrechts, fo ift er doch 
vielfach mit Privilegien, ſowohl materiellrechtlicher 
als prozeßrechtlicher Art, ausgeftattet. Dahin ge: 
dren insbeſondere Anfall von Vereindvermögen, 

neignung aufgegebener Grundftüde, Recht des F. 
u Verſteigerungserlds gefundener Sachen, Erb: 
recht desjelben, nentarkrift (Bürgerl. Geſetzbuch 

53* 928, 981, 1936, 2011), Konkursprivi⸗ 

gien (Ronkursoron. SS. 49, 61). Der Begriff des 
5. iſt einheitlich, dody pflegt der Sprachgebrauch 
die verichiedenen Verwaltungszweige (stationes 
fisci) bejondern F. zu ge (Boftfistus, 
Militärfigtus u. f. w.). Die Scheidung bat na 
dem Bürgerl. Geſetzbuch auch nicht Das Mepcntung 
mebr, daß gegen Forderungen ber einen fistalifchen 
Station nicht mit Gegenforderungen gegen eine ans 
dere fompenfiert werden darf. Dem F. des Reichs 
find alle Privilegien zuerlannt, welche nad Landes: 
recht der Landesfiätus bat. Daf der F. fteuerfrei 
ift, ergiebt ſich —** der Staatsſteuern aus der 
—— von F. und Staat; anders bezüglich der 

————— oder der Kreis: und rovinzial⸗ 

—5 Ob hier eine Befreiung ſtattfindet, — 
ih aus den Landesgeſetzen. Die fiskaliſchen Ber: 
mwaltungsbehörden haben den Staat vor den Civil: 
gerihten zu vertreten; Gerichtäftand ift der Drt, 
wo die zur Vertretung des F. berufene Behörve 
ihren Sig bat. DOberjter Vertreter des F. ift der 
—„—— — ſoweit ein anderes Reſſort beteiligt 
iſt, der Miniſter dieſes Reſſorts. Vertreter des 
Reichsfislus iſt der Reichskanzler. 
érkusgebũhren, ſ. Gebühren. 

Fismes (ſpr. fihm), Hauptort des Kantons F. 
im Arrondiſſement Reims des franz. Depart. Marne, 
am nee fie der Sirmelin und Beäle, an der 
Linie Reims: Soiffons der Dftbahn, hat (1901) 
2988, ald Gemeinde 3355 E.; Ziegelei, Brennerei, 
—6* und Seideninduſtrie, ſowie Handel mit 
Hanf, Getreide und Wein. — F. iſt das Fines 
Suessionum der Römer. 

Fis-moll (ital, fa diesis minore; franz. fa diöse 
mineur; engl. f sharp minor), die Molltonart, bei 
ber f, c,g um einen halben Ton erböbt, alfo 3 £ vor: 
gezeichnet find wie beim parallelen A-dur. (S. Ten.) 


Fisfusgebühren — Fiſtel 


Hu f. Bohne und Gartenbohne. 
ſſil (lat.), fpaltbar; Fiffilität, Spaltbarkeit. 
L f. Spaltzüngler. 
Fiffipeden (lat.), Säugetiere mit gejpaltenen 
Klauen, im Gegenfaß zu den Solipeden, Ein: 
Fissirostres, j. Singvögel. [bufern. 
für (lat. fissüra, «Spaltung», «Sprung», 
«Rißo), in der Chirurgie ein unvolljtändiger Knochen: 
bruch, bei dem der verlegte Knochen nicht vollitän- 
dig in feinem Zufammenbange getrennt erſcheint, 
fondern nur einen fpaltförmigen Riß aufweiſt. Die 
Schädelfiſſuren find oft ſchwere Verlegungen, 
da ſich entzündliche Affeltionen des Gehirns und 
feiner Hüllen anſchließen fönnen, die häufig einen 
tödlihen Ausgang nehmen. j 
er bezeichnet man als F. gewiſſe ſchmerz⸗ 
bafte und ſchwer heilende fvaltiörmige Einriſſe 
oder Schrunden auf manden Scleimbäuten, nas 
mentlich der Lippen: und Niterichleimbaut (After: 
ſchrunde, Fissura ani). Man bebandelt fie durch 
Betupfen mit dem Höllenfteinftift und Bededen mit 
milden Berbändsjalben (j. auch Aufipringen der 
Haut). Die Afterfiffur heilt man am ſchnellſten 
dur operative Spa . des Afters. 
Fissurellidae, |. Spaltnapfihneden. 
Fiftel (Fistula), in der Chirurgie Bezeihnung 
eines nicht naturgemäßen Kanals, der auf der Hör: 
peroberfläde ausmundet oder in ein Hoblorgan bes 
Körpers führt. Man ſcheidet die 5. in fijtuldfe Ge: 
fhwüre und Rommunilationsfifteln. Fiſtulöſe 
Gefhmüre find Citerglnge, welche durd Ber: 
ſchwärung entitanden find. Diejelben rübren meift 
von Verſchwärungen der Knochen und Gelente 
(Rnocenfraß) ber, können aber aud durch Ber: 
ſchwärungen anderer Drgane (3.3. des Darms, 
der Harnröhre) entſtehen. Man_ trennt fie in 
unvollfommene over blinde F., melde nur 
eine Öffnung (3. B. auf der äußern Haut) befigen, 
und volllommene %., melde ftetö zwei Off— 
nungen zeigen, nämlid eine auf der äußern Haut 
und eine auf der Schleimbaut eines innern Organs, 
pi denen in verſchieden großer Länge ber 
iftelgang verläuft. Die fiſtuldſen Geſchwure haben 
wie dad Grunbdleiden einen chroniſchen Berlauf 
und fondern entweder nur Eiter oder auch noch den 
zrhalt des in Verſchwärung geratenen Organs 
(4. B. Kot, Urin) ab. Die Heilung eines fiftulöfen 
eſchwurs kann nur durch Bejeitigung der Grund: 
krankheit bewirkt werben; es find bierzu meijt ope: 
rative Eingriffe von bald a erer, bald geringerer 
Bedeutung erforberlih. Oft nenügt, wie 5. B. 
bei Maftvarmfifteln, eine einfahe Spaltung des 
Fiftelganged. Kommunilationsfiſteln find 
vernarbte Öffnungen und Kanäle, melde ein Hobl: 
organ mit der Körperoberflädhe oder einem andern 
Hohlorgan (3. B. die Blafe mit der Scheide) in 
Verbindung ſetzen; fie bleiben nad Berlegungen 
oder brandigen Zeritörungen zurüd und lajien 
den Inbalt des Hoblorgans (4. B. Speichel, Urin, 
Kot) auötreten. Cine Heilung wird in der Regel 
nur durch eine Operation erreicht. Kommunikations: 
fiteln werben nicht felten an Tieren zum Zwede 
eines phyſiol. Experiments oder bei Menſchen bei 
beftimmten Krankheiten angelegt (. B. Gallen: 
fiiteln, Magenfiiteln). Man benennt die F. nad 
dem Organ, zu dem jie führen (3. B. Knochenfiſtel, 
Maſtdarmfiſtel, Blajenfiitel, yahnfite), ober nad 
dem Selret, das fie abjondern (3. B. Speichelfiftel, 
Thränenfiftel, Rotfiftel). 


Filtelftimme — Fitting 


Fiftelftimme oder Fiitel, ſ. Falfett. 
Fistüla (lat.), Rohr, Röhre; in der Chirurgie 
. Stel: F. mammae, f. SBrüfte; F. recti s. ani, 
} aftdarmfiftel; F. recto-vesicalis, ſ. Maftdarm: 
lafenfiftel; F. urinaria, ſ. Urinfiftel. — F. eucha- 
ristica, ein Trintröbrchen, das bis in das 13. Jahrh. 
in der röm. Kirche beim Genuß des Abendmahl: 
wein® gebraucht wurde, um ein Verjchütten des: 
—* zu vermeiden. Es wird jetzt noch bei der 
eierlichen Meſſe des Papſtes gebraucht. 
Fistularia tabaoaria, Fiſch, ſ. Tabalspfeife. 


8 » Familie der Stacelflofier, 
f. Röhrenmäuler. 

Fistulina Bull, Pilzgattung aus der Gruppe 
der Hymenomyceten ſ. —8 Der gemeine Leber-, 
Sleifch: oder Blutfhwamm, auhb JZungenpilz 
genannt, F. hepatica Fr., wächſt an alten Stäm: 
men von Laubbäumen; der Hut ift zungen« oder 
leberartig ausgebildet oder auch von anderer Ge: 
italt, anfangs blutrot und weich fleifhig, fpäter 
dunfler gefärbt und holzig; das Hymenium be 
findet —9— auf der Unterſeite desſelben und bildet 
cylindriſche Röhren, die nicht miteinander verwachſen 
find. Der Hut erreicht eine Breite von */, m und 
ıft mit ber einen Seite angewachſen oder kurz ge: 
itielt. Solange das Fleiſch wei ift, kann diejer 
Pilz gegeſſen werden. ih in Deutichland ziemlich 
bäufig und hauptſächlich an alten Eichenftämmen. 

itch (ſpr. fitich), Sohn, amerif, Erfinder, geb. 
21. Jan. 1743 in Eajt Windfor im Staate Con: 
necticut, lernte als Uhrmacher und faßte 1785 den 
Gedanlen, ein Schiff zu Lonftruieren, das mit Dampf: 
fraft betrieben würde. Vergeblich bewarb er ſich um 
Unterftügung feiner Pläne, bis er 1787 mit einem 
Kapital von 800 Doll. ein Dampfſchiff von 60 kon: 
itruierte. Ein zweites Schiff machte auf vem Dela- 
warefluß zu Philadelphia 1787 vor ven Mitgliedern 
des Konſtitutionskongreſſes eine Brobefahrt. 1791 
erhielt er ein Patent für feine Erfindung, die jedoch 
dur Mangel an finanzieller Unterftügung dem Er: 
finder jo wenig Nuten einbrachte, daß er enttäufcht 
und dem Hungertode nabe in Verzweiflung fich zwi: 
ſchen 25. Juni und 18. Juli 1798 zu Bardstown ver: 
giftete, Die Priorität jeiner Erfindung vor —— 
wurde von einem Ausſchuſſe des Geſetzgebenden 
Körpers von Neuyork feſtgeſtellt. Lebensbeſchrei— 
bungen von F. ee Thompfon Weftcott (Philad. 
1857) und Charles Whittleſey in der «American 
Biography», ba. von Sparks (Second series, VI). 
thburg (ipr. fitihbörg), Stadt im County 
MWorcejter des nordamerit. Staates Maſſachuſetts, 
37 km nördlich von Worcefter am Naſhua-River, 
der gute Waſſerkraft liefert, und an zwei ——— 
elegen, bat (1900) 31531 E., lebhafte Induſtrie: 
——— Keſſel-⸗, Eiſen- und Baumwollwaren⸗ 
fabrilation, Möbeltiſchlerei und Papiermühlen. 
Fitẽro, Stadt im Bezirk Tudela der ſpan. Pro: 
vinz Navarra, 20 km weſtlich von Tudela, am 
Albama, bat (1897) 3327 €. und viel bejuchte 
Solauellen (47—48° C.) mit Badebäufern. 

Fitger, Arthur, Maler und Dichter, geb. 4. Ott. 
1840 zu Delmenborft in Olbenburg, trieb fünit: 
lerifhe Studien 1858—61 in München, Antwerpen 
und Paris und ſchuf während eines zweijährigen 
Aufenthalts in Rom die erſten jelbitändigen Werte, 
Seit 1869 lebt F. in Bremen. Der äußerft tbätige 
Künftler bat bejonderö delorative Monumental: 
malereien für öffentliche und private Gebäude, zu: 
meilt in Bremen, geichaffen; er bevorzugt dabei das 


743 


Märcenbafte und Phantaſtiſche. Zu nennen find: 
die Geſchichte des verlorenen Sohnes und des barm: 
berzigen Samariter3 in der Rembertikirche zu Bre: 
men (1873), die Malereien im Treppenbaufe der 
Hamburger Runjtballe (1885—86), die fieben Werte 
der Barmberzigkeit für das Rutenftift in Bremen 
(1888), 14 Bilder für den Speifefaal des berzogl. 
meiningiihen Schloſſes in Altenjtein (1889), der 
72 m lange Fries auf der Galerie ver Börfe in Bre: 
men (1890— 92), Darftellungen aus dem «Sommer: 
nadbtstraum» ım Rickmersſchen Schloſſe zu Horn 
(1892), Darftellungen deutſcher Vollsmärchen im 
Haus Hachez zu Bremen (1894), Gemälde im Rat: 
baus zu —— 1897), Gemälde im Oldenburger 
Schloſſe (1898), Grablegung Chriſti und Anbetung 
der Könige als Geſchenk für den Bremer Dom, Aus— 
malung des Feſtſaales im Künſtlerhaus zu Bremen 
(1899). Auch auf dem Gebiete der Dichtlunſt hat 
fi 5. befannt gemadt. So verfaßte er das kleine 
epiſche Gedicht «Roland und die Hui (Olvenb. 
1872) und für den Künftlerverein in Bremen «Al: 
brecht Dürer in er te Yobann Kepler», zwei 
Feſtſpiele (Brem. 1872); ferner die Trauerfpiele 
«Adalbert von Bremen» (Dlvenb. 1873; 2. Aufl. 
mit dem Nachfpiel: «Hie Reich! Hie Nom!» 1874), 
«Die Here» (ebd. 1875; 6. Aufl. 1895, benußt 
zum Tert einer Oper von Aug. Enna, 1892), «Bon 
Gottes Gnaben» (ebd. 1883; 3. Aufl. 1895) und 
«Die Rofen von Toburn» (ebd. 1888), fomwie die 
Dihtungen «Fahrendes Volk» (ebd. 1875; 4. Aufl. 
1894), «Winternächtey (Berl. 1881;3.Aufl., Oldenb. 
1887), «Jean Meslier» (Lpz. 1894, aufgeführt 
1901), «Requiem aeternam dona ei» (ebd. 1894). 
ar f. Laubſänger. j 
itrifee, Lagune im centralen Sudan, —2* 
Wadai und dem nördl. Bagirmi, 225 km djtlih vom 
Tſadſee, un dar > von D. ber den Batha, an mel: 
hem unfern des Sees Jawa, die ältefte Stadt des 
Sudan, liegt (1 Karte: Kamerun u. |. w.). Da 
der See oft über feine Ufer tritt, fo ift das um: 
liegende Land fumpfig und höchſt ungejund. Be: 
wohnt wird es von den aus Kanem ſtammenden Bu: 
lala, arab. Herkunft, von den aus Wadai ftammenden 
Kuka, die mit den Bagirmi verwandt find, und von 
den eingeborenen Abu Simmim. Nachtigal ſchätzte 
100 Dörfer zu 150 Häufern, aljo etwa 90 000€. Dazu 
tommen nomadiſche Tıbbu und drei arab. Stämme. 
ittica, Friedrich, Chemiler, j. Bd. 17. 
ittig, Rudolf, Ehemiter, geb. 6. Dez. 1835 zu 
Hamburg, ftudierte in Göttingen unter Möbler 
Chemie, wurde 1858 defjen Aſſiſtent, habilitierte 
fih 1860, wurde 1866 zum außerord. Profeſſor 
befördert, 1870 als Ordinarius nah Tübingen und 
1876 nad) Straßburg berufen. Unter feinen Arbei- 
ten find die über die Synthefe aromatijcher Roblen: 
wajlerjtoffe, die Entvedung des Phenanthrens und 
Fluoranthens im Steintoblenteer und die über die 
ungefättigten Säuren, welde ibn zur Entdedun 
der Lactone führten, beſonders hervorzuheben. F. iſt 
der Bearbeiter und Fortfeker von Wöhlers «Grund- 
riß der organischen Ehemie» (11. Aufl., Lpz. 1887). 
PFitting, Hermann, Juriſt, geb. 27. Aug. 1831 zu 
Mauchenheim in der Aheinpfalz, ftudierte in Würz: 
burg, Heidelberg und Erlangen und habilitierte fich 
1856 in Heidelberg. 1857 wurde er außerord., 1858 
ord. Profeſſor des rom. Rechts in Bajel, 1862in Halle: 
1902 trat er in den Ruheſtand. 1864— 78 war F. an 
der Herausgabe des «Archivs für die cioiliftiiche 
Prariö» beteiligt. Er verfaßte die Lehrbücher: «Der 


744 


Reichscivilprozeh» (11. Aufl., Berl.1903) und «Das 
Reichskonkursrecht und Kontursverfahren» (3. Aufl., 
ebd. 1904). Ferner jchrieb er: «Die Natur der Kor: 
realobligationen» (Erlangen 1859), «Über das. Alter 
der Schriften röm. Juriſten von Habrian bis 
Alerander» (Ba. 1860), «Das castrense pecu- 
lium» (Halle 1871), «fiber die ſog. Turiner Inititu: 
tionenglofje und den jog. Bradplogus» (ebd. 1870), 
«Gloſſe zu den Exceptiones legum romanarum des 
Betrug» (ebd. 1874), «Zur Geſchichte der Rechts: 
wiſſenſchaft am Anfange des Mittelalters» (ebb. 
1875), «Jurift. Schriften des frühern Mittelalters» 
(ebd. 1876), «liber die Heimat und das Alter des 
jog. Bradivlogus» (Berl. 1880), «Die Anfänge 
der Rechtsſchule gi Bologna» (ebd. 1888), «Die 
Grundlagen der Beweislaſto (ebd. 1888), «Die In— 
ftitutionenglofjen de3 Gualcaufus» (ebd. 1891). 

Fitting® (engl.), in der Gasbeleubtung Be: 
jeihnung für diejenigen Teile, welche die Rohrlei— 
tung mit den Lampen oder Brennern verbinden, 
alfo Brennerkniee, Kugelgelente, Häbne u. f. w. 

Fi, ein altnormann. Wort, defien Urfprung 
in dem altjranz. fils, d. i. Sohn, zu juchen iſt. Mie 
das Mac der Schotten, das D’ der Irländer oder 
das Ben der Drientalen, zeigt das F. mit einem 
Eigennamen verbunden einen Abkömmling von 
einem Manne diefes Namens an. So die von edlen 
Normannen ftammenden Familien Fitßalan, Jiß: 
walter, Fitzwilliam, Fitzherbert in England, ib: 
gerald, Figmaurice, Fißgibbon in —— Zuweilen 
deutete das F. auch auf die uneheliche Abkunft, ob: 
nleich diejer Begriff nicht notwendig damit verbun: 
den war; erft in neuerer Zeit wurde es durchgängig 
in diefem Sinne gebraucht, wie bei Fitßzroy, ib: 
james und Fitzclarence. 

a Garnmaß, |. Ge: 
binde und Hafpelung. , 

Fitz., binter der wiſſenſchaftlichen Benennung 
naturgejchichtlicher Gegenjtände Abkürzung für Leo: 
polo Joſeph Fißinger (f. d.). 

Figelarence (pr. -Härrönk), George und Fre: 
derick, Söhne des engl. Königs Wilhelm IV. (f. d.). 

Fitzford, Dorf bei Taviltod in der engl. Graf: 
ſchaft Devon, angeblich der Geburtsort von Sir 
Francis Drake, dem bier ein Standbild (von Böhm) 
errichtet iſt. 

Figgerald (jpr. -Dicherräld), eine in Irland zu 
bober Bedeutung gelangte Familie. Der Stamm: 
vater des Haufes, Otho, der von den lorentiner 
Ghberardini abjtammen foll, wanderte in die 
Normandie ein und von dort 1057 nad England. 
Sein Urentel Maurice F. (get. 1176) leiftete dem 
vertriebenen König von Seinfter in Irland, Dermot 
MacMurrougb, Hilfe (1169) und ließ fih in Wer: 
ford nieder. Sein Sohn Gerald wurde 1205 
sum Baron Dffaly, und ver ſechſte Baron Offaly, 
yohn Fißthomas F., von Eduard II. 1316 zum 

trafen von Rildare (j.d.) erhoben. James F. 
swanzigfter Graf von Kildare, erbielt 1766 den 
Herzogstitel von Leinſter (f. d.), den das 
Geſchlecht noch heute trägt. Einen Namen machte 
fih Lord Edward F., jüngerer Sohn des erften 
Herzogs von Leinfter, geb. 15. Dft. 1763. Er war 
begeiftert für die Franzöſiſche Revolution, und die 
bieler —8 Realtionspolitik der engl. Regierung 
trieb ihn 1796 ins Lager der «Vereinigten Iren», 
die nah einer unabhängigen irifchen Republik 
jtrebten. Die Verſchwörung wurde entdedt und F. 
19. Mai 1798 nad verjweifeltem Kampfe erariffen; 


Fittings — Fitzherbert 


4. Juni ſtarb er an einer dabei erhaltenen Wunde. 
— Vol. Fitzpatrick, Lord Edward F. (1859); Tavlor, 
Life of Lord Edward F. (Yond. 1903); Wrigbt, 
Life of Edward F. (2 Bbe., ebd. 1904). 

Zu einer jüngern Linie der viel verzweigten F. 
gebörten die Grafen von Desmond (f.d.). 

Fitzgerald (ſpr. dſcherreld), Eoward, engl. 
Dichter und Überjeker, geb. 31. März 1809 in Bred— 
field House bei Woodbridge, befuchte 1826— 30 das 
Trinity College zu Cambridge, lebte jeit 1860 in 
Wood in und ftarb 14. Sumi 1883 in Merton 
Rectory (Morfolt). Er überjegte ſechs Dramen 
Calderons, Aeihylos’ «Agamemnon», Sopbolles’ 
«Dedipus Tyrannus» und «Dedipus auf Kolonos», 
hauptſächlich aber die Gedichte («Rubaiyat») des 
perſ. Gelehrten Omar Ebajjam (1859; 5. Aufl. 1879). 
Aldis Wright gab eine Sammlung der Werte (1889) 
und 5.8 Briefe ef: u. 1901) beraus, 

en (ipr. dſcherreld), Percy Hetbrington, 
engl. Novelliſt und Biograpb, geb. 1834 in Fane 
Balley in der iriichen Grafſchaft gl bejuchte 
das latb. Stonyhurst College und jpäter das 
Trinity College in Dublin. An die irifhe Bar 
—5 wirkte er als Advokat, fand jedoch zu— 
glei Vꝛuße zu zahlreichen novelliſtiſchen Arbei— 
ten, die meiſt zuerſt in den von Dickens herausge 
gebenen Zeitſchriften «Household Words» und «All 
the Year round» erſchienen. Seine befannteiten 
Nomane find: «Never forgotten», «Fatal zero», 
«The bridge of sighs», «The sword of Damocles», 
«Bella Donna», «Diana Gay», «The middle-aged 
lover», «Little Dorinda, who won and who lost 
her», « Three weeks at Mopetown» u.j.m.; in ber 
Tendenz ſchließt er fich teild an Didens, teild an die 
neuern Senfationönovellijten an. Außer Romanen 
ſchrieb er zablreiche Biographien, darunter «The life 
of Sterne» (2 Bde., 1864; neue Ausg. 1896), «The 
life of Garrick» (2Bde., neue Aufl. 1899), «Charles 
Townshend» (1866), «Charles Lamb» (1865), «The 
Kembles» (2 Bde., 1871), «Life and adventures 
of Alexander Dumas» (2 Bde., 1872), «Life of 
George IV., including his letters and opinions» 
(2 Bde., 1881), «Life and times of William IV.» 
(2Bde., 1884), «The lives ofthe Sheridans» (2 Boe,, 
1887), «The life of J. Boswell» (2 Bde., 1891), 
«Henry Irving» (1893), «Life of vice-admiral 
Tryon» (1897). Ferner veröffentlichte er «The 
great canal at Suez, its political, engineering 
and financial history» (2 Bbe., 1876), «The world 
behind the scenes» (1881), «A new history of the 
English stage» (2 Boe., 1882), «Kings and queens 
of an hour» (2 Bde., 1883), «The history of Pick- 
wick» (1891), «Memoirs of an author» (2 Bbe,, 
1895), «London City Suburbs» (1893), «Pick- 
wickian manners and costums» (1898), «Pick- 
wickian studies» (1899), «Fifty years of catholic 
life and social progress» (2 Vde., 1901), «Pick- 
wickian dictionary» (1902). 

#Fisherbert, Maria Anne, heimliche Gemahlin 
des Prinzen von Wales, jpätern Georgs IV. von 
England, geb. 26. Juli 1756 als jüngjte oder von 
Malter Smythe on Bombridge in Hampfbire, aus 
fath. Familie, Sie heiratete 1775 Edward Weld und 
nad defien frübem Tod 1778 den reihen Thomas 
F., der 1781 ftarb. Fortan lebte fie zu Richmond, 
wo fie 1785 der Prinz von Wales zuerſt jab und 
fih in die ſchöne junge Witwe verliebte. Nod in 
demſelben Jabre ließ er fich heimlich mit ihr trauen; 
nad) dem königl. Ehegeſeß von 1772 war dieje beim. 


Finger — Fitzroy 


liche Ehe jedoch ungültig. Die Bermählung Georgs 
mit Karoline von Braunschweig 1795 trennte feine 
Berbindung mit Maria nicht. Endlich führten aber 
Georg zahlreiche andere Liebſchaften zur Entfrem⸗ 
u und 1803 erfolgte der Bruch. Sie ftarb 
27. März 1837 zu Brigbton. 

Fieinger, Leopold u 13. April 
1802 zu Wien, widmete ſich jeit 1816 an der Univerſi⸗ 
tät naturwiſſenſchaftlichen Studien und erhielt 1821 
eine Anftellung bei den Landjtänden von Niederöſter⸗ 
reich. 1844—60 war er Kuftosadjunft am Hofnatus 
talienfabinett. 1863 übernahm er die Direktion des 
Zoologifhen Gartens in Münden, 1865 ging erin 
zeue Eigenihaft nah Peſt, legte aber lehtere 

tellung 1866 nieder und lebte bis 1873 in Peſt, 
feitdem in Hietzing bei Wien, woſelbſt er 22. Sept. 
1884 ftarb. Zuerſi ſchrieb er die «Neue Klafjifitation 
der Reptilien nah ihren natürlihen Verwandt— 
ihaften» (Wien 1826); von einer zweiten Arbeit 
«Systema Reptilium» erjhien nur der erſte Teil 
(ebd. 1843). — veröffentlichte er eine «Wiſſen⸗ 
Ihaftlih-populäre Naturgeſchichte der Säugetiere» 
(6 Bbe., neue Ausg., Wien 1863) und einen die vier 
Wirbeltierlafjen umfajjenden«Bilderatlas» (4 Bde., 
ebd. 1864). 

Figjames (ipr. a) ‚ Name des als 
Herzog von Berwick (}. d.) berühmten Baftards 

atob3 II. und feiner Söhne Francois, Charles und 

duard, die, wie der Vater, im franz. Staatödienfte 
emporlamen. François, Herzog von F., geb. 
9. Sam 1709 zu St. Germain⸗en⸗-Laye, betrat die 
geiltlihe Laufbahn, ward 1727 Abt von St. Victor, 
1739 Biſchof von Soifiong und bald darauf Groß: 
almojenier des Königs. Die Eiferfucht der königl. 
Maitrefje Madame de Ehateaurour brady feinen 
Einfluß und führte ihn in feine Diöcefe zurüd, wo 
er als mus Anhänger des Janſenismus lebte. 
Er ftarb 19. Juli 1764 in Soifjons, 
. Charles, Herzog von = geb. 4. Nov. 1712, 
jtieg in der Armee rajh aufwärts, fommandierte 
im Bolnifchen Thronfolgelriege ein Regiment am 
Dberrbein, im Ofterreihifhen Erbfolgetriege eine 
Brigade in den Niederlanden, ward 1748 General: 
leutnant und kämpfte im a ae 
auf den hannov. und rhein. Schlachtfeldern. 
wurde Gouverneur von Limoufin, von Bearn und 
von der Bretagne und brachte es endlich bis zum 
Marihall (1775). Er ftarb 1787. 

Eduard, Grafvon y.,geb.17. Sept. 1715, war 
Dberft im Polniſchen, Brigadier im Öjterreichiichen 
—— wo er ſich bei Dettingen auszeich⸗ 
nete. Als Generalleutnant kämpfte er im Sieben: 
jährigen Kriege und ftarb 5. Mai 1758 in Köln. 

Eduard, Herzog von F. Enteldes Marſchalls 
Grafen Charles, geb. 1776 zu Verſailles, flüchtete 
mit feiner Familie beim Ausbruch der Revolution 
1789 nad Ytalien und trat in die Emigranten: 
armee ein. Unter dem Konſulat heimgekehrt und 
Ende 1813 als Korporal in die Barifer National: 

arde einrangiert, trat er fchon mährend des 

mpfes 30. März 1814 als Anhänger der Bour: 
bons auf; mußte dann aber während der Hundert 
Zage mit Ludwig XVIIL nad Gent fliehen. Da: 
5 trat er als —— der Royaliſten auf die 
außerſte Rechte und blieb bis 1830 einer ber ent⸗ 
een Verteidiger der Reaktion. Unter Ludwig 
Bhilipp blieb er der weißen Fahne treu, per als 
Bair, ſeit 1834 ald Deputierter von Touloufe, Er 
itarb 18. Nov, 1838. 


145 


Figmanrice (ſpr. -mörriß), Henry Ebarles, 
engl. Beer, ſ. Lansdowne. 

Fin atrick (ipr. — William John, iriſcher 
Schriftſteller, geb. 31. Aug. 1830 in Dublin, ſtudierte 
in dem fath. College in Conglowes Wood und an 
ber Univerfität in Dublin und widmete fi dann 
—— Studien, beſonders über die neuere 

eſchichte Itlands. Er wurde 1876 Profeſſor der 
Geſchichte an der Royal Hibernian Academy und 
ftarb 24. Dez. 1895 in Dublin. F. mar Mitglied 
der Königl. Jriſchen Akademie und der Königl. Ge: 
fellibaft in Dublin. Unter feinen Arbeiten verbie: 
nen Erwähnung: «The life, times and contempo- 
raries of Lord Cloncurry» (1855), «Lord Edward 
Fitzgerald» (1859), «Lady Morgan» (1860), «The 
life, times and correspondence of Dr. Doyle, 
Bishop of Kildare» (2 Bde., 1861; neue Aufl. 1880), 
«Memoirs of R. Whately, Archbishop of Dublin» 
(2 Bde.,1864),«Thesham squireand the informers 
of 1798» (1865), «Ireland before the union» (1867), 
alrish wits and worthies» (1873), «Life of Charles 
Lever» (2 Bde., 1879; neue Aufl. 1896), «The life 
of Thomas N. Burke» (2 Bde., 1886), «Daniel 
O’Connell, the liberator. His letters and corre- 
spondence» (2 Bde., 1888) und «Secret service 
under Bitt» (1892). 

igroY (jpr. -reu). 1) Fluß im D. der brit. 
aujtral. Kolonie Queensland, entjteht aus der Ber: 
einigung von Madenzie und Dawſon, melde, 
erfterer von N. und W., lebterer von S. kommend, 
ein ausgedehntes Gebiet dftlich des 147.° entwäflern; 
er wird bei Rodhampton auch für Seedampfer Yabr, 
bar und mündet unterhalb Herbert in der Nähe dee 
Wendekreiſes in die Keppelbai. — 2) Fluß im NW. 
der brit. Kolonie Weftauftralien, entipringt im NO. 
der König⸗Leopold⸗Kette, fließt als fhiffbarer Strom 
dur Alluvialniederungen mit üppigem Graswuchs 
und mündet 3 km breit in ven King-Sund bee 
ndifhen Dceans. In feinem Oberlauf nimmt eı 
int3 den Margaret: River auf. Die Mündung 
wurde bereit3 1838 von Stoles entdedt, der Unter: 
lauf 1867 von MacHae befahren, der ganze Lau‘ 
bis zum Austritt aus dem Gebirge 1879 durd 
Alerander Foreſt unterſucht. — 
itzroy (fpr. -reu), Charles, ſ. Cleveland (Her 
isroY (ſpr. -reu), George, ſ. Northumberland 
iizroy (pr. -reu), Henry, ſ. Grafton. 
inroy (jpr. -reu), Rob., engl. Seemann unt 
Meteorolog, geb. 5. Juli 1805, trat 1819 im die 
Marine, ward 1828 ald Commandeur zur Auf: 
nahme der Küften von Patagonien und Ebile ge: 
fandt und wurde 1831 Chef einer Erpedition, die die 
bydrogr. Unterfuhungen auf die Inſeln des Stillen 
Dceans ausdehnen und Längenmejjungen rings um 
die Erde anitellen follte. Auf diefer Reife, von 
der F. erft 1836 zurüdtehrte, begleitete ibn Charles 
Darwin. Beide Fahrten wurden von F. in dem 
«Narrative of the surveying voyage ofH.M. ships 
Adventure and Beagle» (3 Bde., Lond. 1839; 
2. Aufl. 1848) beſchrieben, dem die zahlreichen 
Arbeiten Darwins und anderer Gelehrter über das 
reichhaltige Material anſchloſſen. Unterdeſſen (1834) 
zum Marinelapitän befördert, ließ ſich F. 1841 im 
tonjervativen Intereſſe zum Barlamentsmitgliev 
für Durbam wählen, ging aber 1843 ald Gouver: 
neur nad Neufeeland, welchen Poſten er bid 1846 
befleidete. Seitdem wandte er ſich hauptſächlich 
dem Studium der Meteorologie zu; er wurde Direl: 
tor des meteorolog. Departements im Handelsamt 


146 


und ftieg 1857 zum Stonterabmiral, 1863 zum Vice: 
admiral auf. In einem Anfall von Schwermut 
entleibte er fib auf feinem Landfige zu Norwood 
in Surrey 30. April 1865. F. veröffentlichte: «Re- 
marks on New- Zealand» (Lond. 1846) und lie 
von 1857 an alljährlich «Meteorological Observa- 
tions» erſcheinen, in welchen er jelbjt ermittelte und 
aus allen Weltteilen ihm zugebende Data über Wit: 
terungsverbältnijie ſammelte. Auch veröffentlichte 
er das «Weatherbook, a manual of practical me- 
teorology» (Lond. 1862). F. war der erjte, der die 
Zelegrapbie zur Bertündigung bevorftebender atmo» 
ſphariſcher Veränderungen zu benußen fuchte. 
Fitzroya, Baum in Ebile, ſ. Alercebolz. 
Se uiew Moris, f. Desmond. 
iswilliam, engl. Familie, die angeblich auf 
einen William F., natürliben Sobn Wilbelms des 
Eroberer3, zurüdgebt, jonjt aud von einem William 
isgodric, einem Vetter König Eduards des Ber 
enners, abgeleitet wird. Der älteite Zmeig der F. 
ftarb unter Heinrih VIU. im Mannsſtamm aus, 
ber Sproß eines jüngern war William F., der 
unter demſelben König eine Rolle fpielte. Er wurde 
1513 zum Sir F. und Viceadmiral erhoben, fand in 
verſchiedenen Staatägeihbäften Verwendung, ſtieg 
1536 zum Lord und Großadmiral und 1537 zum 
Grafen von Southampton auf. Er itarb 1542 
obne Erben. — Bon einem noch jüngern Zweig 
ftammen die heutigen Grafen von F. Sir William 
5. von Milton war Sheriff von Sonden, ftand in 
Kardinal Wolſeys Dienften und ftarb 1534. Sein 
Entel Sir William F., geb. 1526, ftieg feit 1555 
in verjchiedenen iriſchen Amtern bis 1560 zum Über: 
richter, zeichnete fich als ftellvertretender Gouverneur 
aus und war 1572— 75 Lordſtatthalter; 1588 erbielt 
er diefen Poſten wieder und vernichtete die Refte der 
in Irland gelandeten großen — Armada; 1594 
lehrte er nach England zurück und ſtarb erblindet 
1599. Sein Enkel wurde 1620 zum Lord F. und 
deſſen Entel 1716 zum Biscount Milton und Gras 
Age F. in iriſcher Pairie, der dritte Graf William 
5. dann 1746 auch zum Grafen %. in engl. Bairie 
erhoben. Bon feiner Gattin Lady Anne Wentwortb, 
Schweiter des Marquis von Rodingbam, nahm die 
Familie fpäter (1856) den yamilienzunamen Went: 
wortb an. — William F. vierter Graf F. geb. 
30. Mai 1748, folgte 1756 feinem Bater und trat, 
nach feiner Ausbildungin Etonund Gambridge, 1769 
ins Oberbaus. Er belämpfte die amerit. Kriegs: 
politit unter Nortb, bielt treu zu Fox, bis er nad 
der Franzoſiſchen Revolution ſich a she hun. 
mit den fog. «alten Mbigs» zur Negierungspartei 
Pittsübertrat. Als Lordlieutenant von Irland (1794) 
eriet er jedoch wegen feiner Barteinahme für die 
riſchen Katholiken in Meinungsvericiedenbeiten 
mit der Regierung, die jpäter ausgeglichen wurden. 
Unter Grenville trat er 1806 noch einmal vorüber: 
> ind Amt und gebörte unter der folgenden 
orpregierung zur Dppofition. Gr ftarb 8. Febr. 
1833. — Sein Sohn Charles William F., feit 
1856 Wentworth-Fitzwilliam, fünfter Graf F. 
geb.4. Mai 1786, trat zuerſt 1807 als Viscount Mil: 
ton ins Unterhaus, war anfänglich ein Gegner, 
ſpäter ein feſter Anhänger der Parlamentsreform, 
der Katholikenbefreiung und des Freihandels. Als 
Gegner der Getreidezölle veröffentlichte er « First, 
second and third addresses to the landowners of 
England on the corn laws» (Lond. 1839) und be: 
teiligte fh an der Herausgabe der jämtlihen Werte 


Fitzroya — Fiume 


und der Korreſpondenz von Edmund Burle. Er 
ftarb 4. Dit. 1857. — Sein Urentel William 
Charles Wentmwortb, fiebenter Graf F., geb. 
1872 in Canada, ift Träger des Namens, 
mane, jiumare, f. Fiume. 

iüme, Fiumäne, Fiumäre, ital. Bezeic+ 
nungen für Fluß, Strom; Fiumare insbeſondere für 
intermittierende Flüffe gebraudt, d. b. folde, die 
in der trodnen Jahreszeit verſchwinden. 

Fiüme. 1) ModrussFiume, froat. Modrus- 
Rieka, Komitat im Königreich Kroatien-Slamonien 
(f. Rarte: Bosnien u. j. w.), aus der weitern Um: 
— oͤſtlich von der Stadt J gebildet, liegt am 

driatiſchen Meer (Golf von F. und Canale della 
Morlacca), wird von Fitrien, Krain, den Romitaten 
Agram und Lika⸗Krbava umſchloſſen, bat ohne die 
Stadt F. und deren Gebiet 4379 qkm, (1900) 228462 
meift katholiſche kroat. und ferb. €. (73632 Griechiſch⸗ 
Drientalifche) und umfaßt die fönigl. Freiſtadt Buc 
cari und die 8 Stublbezirte Gubar, Delnice, Novi, 
Daulin,Sluin, Susat,Bojnit und Vrbovsko. Haupt: 
ſtadt iftOaulin (f.d.). Dasvom erg? he 
zogene Gebiet ift ſtellenweiſe fruchtbar, im Vinodol⸗ 
tbal und an der Küſte werden Ölbäume, Feigen, 
Pomeranzen und Eitronen gebaut. — 2) %., ebe 
mals Tersattica Vitopolis, fpäter Fanum Sancti 
Viti ad Flumen, deutib Sant Beitamflaum, 
ferbo:troat. Rieka, jelbftändige Hafenftabt ſamt 
Gebiet, einen Teil der Länder der ungar. Krone bil: 
dend, liegt an der Mündung des Flüßchens Fiu— 
mara (Rela) in den Golf von -F., an der Linie 
Budapeit:Dombovär:Fäläny : Agram : Karlftadt: F. 
552 km) der Ungar. Staatsbahnen und St. Peter: 

. (57 km) der Öfterr. Sudbahn und ift Sik einet 
tönigl. Gouverneurs, der zugleich Präfivent der 
Seebebörde ift, deren Wirkungskreis fib auf das 
ganze ungar.:troat. Küftenland erftredt, eines Hafen: 
und Seejanitätsamtes, Gerichtshofs erfter Inſtan; 
(sugleib Handels: und Seegericht), Hauptzollamtes, 
einer Finanzdirektion, Eifenbabnvorftebung, Han: 
deld: und Gewerbelammer, Filiale der Oſterreichiſch⸗ 
Ungarifhen Bant in Wien, eines Plaplommandos 

er und deö Kommandos der 71. 

a DL Infanteriebrigade. Der Gou⸗ 
verneur iſt Mitglied des 
ungar, Oberbaufes; ind Ab- 
georbnetenbaus ſendet F. 
einen Vertreter; auf den 
troat. ſlawon. Landtag iſt es 
berechtigt, 2 Abgeordnete zu 
fenden, von welchem Rechte 
aber nie Gebraud gemacht 
wurde. Die Stadt (f. den 
Plan: Trieft, Fiume und Pola, beim Artitel 
Trieft) bat 21 qkm und 30057 €. (2842 Magyaren, 
1945 Deutihe, 7497 Kroaten; 36104 Ratboliten, 
708 — — 684 Evangelifche und 
1172 Jsraeliten), einſchließlich der Garnifon (2 Ba: 
taillone des 79. ungar.⸗kroat. Infanterieregiments) 
38955 E. Von den Gebäuden find nennendwert 
die alte Kapitel: oder Domlirhe Mariä Himmel: 
er mit einem neuern Frontiſpiz nach Art des röm. 
antheong, die Kirhe St.Veit (San Vito, vormals 
Jeſuitenlirche), eine Nahahmung der Kirhe Maria 
della Salute in Venedig, 1631 erbaut, das neue 
ftäptifche Theater, die ig - Tabakfabrit (früber 
Zuderraffinerie), die beiden Markthallen, die neuen 
Schulen, die Spartafle, das Palais Gorup, die 
Marinealademie fomwie ein rdım. Triumpbbogen, an- 





Fiume 


eblich zu Ehren des Kaiſers Claudius II. Gothicus 
268— 270 n. Chr.) errichtet. An Unterrichtsan⸗ 
ftalten befigt F. eine £. t. Marinealademie (1856), 
eine Nautiſche Schule, ein königl. Obergumnaftum 
mit ital. Unterrichtsſprache, ein froat. Obergym⸗ 
naftum, eine Handeldalademie, zwei ftädtifche höbere 
Vollks⸗ und Mädcen;, zwei Bürger:, zwei Clementar: 
fhulen, darunter eine ungariihe, zwei Mädchen: 
erziehbungsinftitute (darunter eins durch PBenedil: 
tinernonnen geleitet); an Wohlthätigkeitsan— 
—— ein — es Spital mit Irren⸗ und Ge: 
urtsabteilung, eine Bürgerverforgungsanftalt, drei 
ſtinderbewahranſtalten. 

Handel, Durch die planmäßige Anlage ber 
Eifenbahnen in Ungarn grapitieren alle Komitate 
von Odenburg an über das getreidereihe Alföld 
bis nah Slawonien und Bosnien nad F., welches 
durch beſondere Tarifermäßigungen der ungar. 
Staatöbahnen befonders begünitigt ift. Infolge: 
deſſen bat fih der Handel feit 1867 in außer: 
orbentlicher Weife gehoben. %. hat — 
Tranſit⸗ und Exporthandel, namentlich in den ‘Mo: 
naten September bis März, doch ift der Import⸗ 
handel im Aufblüben begriffen. 1891 wurde in F. 
eine Handelsbörje gegründet, die von der Regie: 
rung mit 5000 Fl. unterjtüßt wurde. 

5. befigt drei Häfen: Porto canale Yiumara für 
130 Eleinere, Borto nuovo für 150 * Schiffe 
nach Plänen des franz. Hydrotechnikers vascai 
1872 begonnen, mit einem Wellenbrecher (1000 m 
fang), drei breiten Molen, einem Quai von 3000 m 
bei 36 ha Fläche und vielen Magazinen, und den 
Betroleumbafen. 1891 wurde die elektrifche Beleuch⸗ 
tung bes ganzen Hafengebietes eingeführt. Der Ge: 
ſamtverkehr betrug 1890: 1431 532,1896: 1851113, 
1899: 2229615 t, darunter 814714, 938958 und 
1146937 t * dem Seewege, 616818, 912155 und 
1082678 t aufdem Landwege. Die Einfuhr auf dem 
Seemwege betrug: 267878, 413171 und 431674, 
die Ausfuhr: 546836, 525787 und 715263 t; die 
Einfuhr auf dem Landwege: 480 838, 641021 und 
780064 t, die Ausfuhr 135979, 271134 und 
302 614 t. 

Die Ein: und Ausfuhr pa See wuchs in der 
Zeit von 1871 bis 1899 in folgender Weiſe: 











Ausfuhr 
t | Mil. K 
52100 11,27 
225 800 44,64 
3 586 600 48,02 
1899 411900 87,51 516400 129,03 


An der Ein: und Ausfuhr (in Millionen Kronen) 
waren 1899 hauptſächlich folgende europ. und außer: 
europ, Zänder beteiligt: 





| Ein- | Aus» | Ein | Aus» 






























Länder fuhr | fuhr Pänder fuhr | fubr 
I mm.K 
. ‚| 4,177 Belgien . . . | 0,1331 4,175 
Ofterreih 8,536 Mieberlande . | 1,536] 7,204 
Ungarn . . .| 2,346 Türkei... .| 7,600] 5,608 
Deutſches Reid) 0,221 Britiih-Dft- 
alien . . . 124,053 116,417] inbten.. . . 117,751) 5,595 
zanfreich . . | 1,475 28,017] Japan . . . . | 1,049] 3.472 
panien . . . | 0,138 | 1,828 | Bhilippinen . | 1,835) — 
Großbritannien) 6,897 21,514 | Agupten 0,394| 4,364 
Rußland . . . | 1,314) 0,538 | Ber. Staaten . | 3,070] 5,090 
Rumänien . . | 1,161 0,004 | Brafliten | 1,214] 2,249 





747 
Die wichtigsten Handelsartitel waren 1899: 











. 1100032 |23,218 
f — -» . „| 72207|12,997 uder) . | 55446 112,424 
Tabak (roh) . | 4228110,992] Dauben aus 
er (rob) . . | 13798) 5,243] Gichenholz . | 90648 11,406 
affee . . . .| 1628| 2,306] Bretter aus 
Drangen und hartem Holz | 53788) 7,901 
Gitronen.. . | 15284) 2,138] Robauder . . | 27360) 5,AR1 
Kohle . | 64238] 2,066] Torpeboß . . 2341| 4,826 
Baummolle Gecte . + »| 27952) 4,641 
(ech) » » »| 2048| 1,636| Yuder(raffin.) | 12805 | 4,469 
Meist .... 9156| 1,253] Berbrinden« 
Mallonen . .| 4367| 1,222] ertraft . „| 17221] 3,696 
Zabaffabrifate 102) 1,131 Bretter aus 
Baumdl .. . 1227| 0,966] Fichtenholz 53075) 3,469 
Salpeter. . 4721| 0,944 | Mais .| 24546) 3,228 


Die Induſtrie bat, gleichwie der Handel, infolge 
der befondern Unterftüßung der ungar. Regierung, 
die F. als einzigen größern Seehafen des Landes 
auf jede Weije fördert (1899: 1167 794 Kronen), 
einen großen Aufſchwung genommen.. Sie beſchäf— 
tigte 1894: 5520 Berjonen, 121 Dampfmafcinen 
mit 3689 Pferdeftärten, und lieferte Fabrikate im 
Werte von 22081900 Fl., wozu nod 4381 150 FI. 
ren Zabakfabritate famen. In %. befinden 
ib eine königl. Tabakfabrit mit 2130 Arbeitern 
(Produktion 1899: 8700 kg Schnupf:, 375700 kg 
Rauchtabak, 49 Mill. Cigarren, 244 Mill. Cigar 
retten), Bapierfabrit, Torpedofabrit von Whitehead 
(das ehemalige Stabilimento tecnico),diegroßartige 
Betroleumraffinerie, Reisſchälfabrik, Faßdauben⸗ 
und Fäſſerfabrik, ii Fabrikation von gebogenen 
Möbeln, Chemikalien, Seife, Baiten und kfünftlibem 
Dünger; Gerbereien, Muhlenwerle, Gasanftalt. 
Die Zahl der in den Kranlenkaſſen verfiherten Ar- 
beiter betrug 1899: 10281. 

Die Fiſcherei im Quarnero ift fehr ergiebig, 
befonders die auf Thunfiſch, der bier jährlich zu 
Zaufenden gefangen wird, und auf leine Seetrebje 
(Scampa, Nephrops norvegicus L.), die außer an 
der normweg. Küfte nur bier vorlommen. 

Verkehrsweſen. Im. 1899 lamen an 10829 
Schiffe mit 1577986 t Gütern, darunter 8743 
Dampfer mit 14808901; es gingen ab 10828 Schiffe 
mit 1576828t Gütern, darunter 8745 Dampfer mit 
1479819 t. 

An dem Schiffsverkehr 1899 waren hauptſächlich 
folgende Länder beteiligt: 





Ungelommene 


Wbgegangene 





Den —— vermitteln regelmäßige Fahr⸗ 
ten des Ofterreihijchen Lloyd nad der Levante, 
der Ungariſch-Kroatiſchen Schiffahrtsgeſellſchafi 
(18 Schiffe) nad Iſtrien und Dalmatien, der lönigl. 
Ungarijhen Seeſchiffahrts Klideft Adria (mit 
ftaatliber Subvention) na gland, Schottland, 


148 


Sec. Spanien, Portugal, Nordafrita und 

tafilien, die Schiffabrtunternebmungen her 
und FeVenedig und die engl. Dampfſchiffahrtsgeſell⸗ 
ſchaft «Ancor:Line» mit 18 Fahrten nah Neuyorf. 
Die Handelsflotte F.s umfaßte 1898: 69 Dampfer 
mit 43689 t und 120 Segelichiffe mit 57830. Auf 
den Ausbau des Hafens verwendete der Staat 
1871—98: 74204366 Kronen. 

Mit den Eifenbabnen famen an (fubren ab) 87643 
(162274) Berjonen, 658 (620) t Bepäd, 1404 (879) t 
Gilgut und 780064 (302 614) t Frachtgut. 

nuchang. Die Umgebung von s. ift fteinig, 
jedoch wird vorzügliher Mein gebaut. ber 
Näbe von F., befonders in dem ſchön gelegenen 
Vollsgarten, überwintern Magnolien, Morten, 
Lorbeer, Rosmarin. Etwa 10km weſtlich von F. 
liegen in Jitrien die beiden Orte Volosca und 
Abbazia (f. d.), wegen ihres milden Klimas Kurorte 
für Bruftfrante. Unmeit 5. befindet fi das groß: 
artige, von Raif “he L 1833 erbaute Beitlazarett 
und oberhalb der Stabt die 1453 erbaute und befon- 
ders von den Geeleuten in Ebren gehaltene Kirche 
Madonna di Terjatto, zu welcher 411 Stufen von der 
bergen binauffübren. In der Näbe der Kirche 

tegt das alte Schloß Ter ſatto der Aalen ano: 
pan (Frangipani), jeßt dem Grafen Arthur Nugent 
ebörig, mit röm. Altertümern und berrlicder Aus: 
iR auf den Golf von Quarnero. — Val. Brehmers 
ei —— Abbazia (Fiume 1893); Geuters 


wu von Abbazia, F. u. ſ. m. (3. Aufl., Darmit. 
1903). 
Geſchichte. F. war im Beſitze der Herren von 


Duino, fpäter bis 1365 Pfandſchaft der Frangi: 
pani, dann der Herren von Walſee, bis es 1471 von 
Kaifer Friedrich IIL. getauft und zu Inneröſterreich 
geſchlagen wurde. 1719 erbielt F. von Kaiſer Karl VI. 
das Freihafenpatent. 1779 wurde F. von der Kai⸗ 
ferin Maria Thereſia mit dem Königreih Ungarn 
als «corpus separatum» vereinigt, unter weldem 
eö blieb, bis es 1809 die Franzoſen on. F. 
tam 1814 wieder an Oſterreich, warb aber 1822 
abermals an das Königreich Ungarn zurüdgegeben. 
Nah den Stürmen von 1848 und 1849 flug man 
5. zum Kronlande Kroatien. Seit Aug. 1870 ftebt 
dasfelbe famt Gebiet (19,75 qkm) als autonomer 
Körper direkt unter der ungar. Centralregierung. — 
Bol. Rapporto statisticoeconomico sulcommercio, 
’industria e navigazione in F. (Fiume 1895); Felt, 
Der Handel %.8 im Mittelalter (Budapeft 1895). 
inme di Noto, ficil. Fluß, f. Aifinarus, 
iũme di Policaftro, Fluß, J Buſento. 
iumicello (ſpr. -mitichello), Gemeinde im Ge: 
richtöbezirt Gervignano der diterr. Bezirtsbaupt: 
mannſchaft Gradisca in der Grafihaft Görz und 
Gradisca, an der Mündung des Iſonzo, hat (1900) 
3240 ital. E. und befteht aus 5 Ortichaften. Die 
Landſchaft F. ift ein üppiges Kulturland mit 
Üldern und Nebenbängen und war fchon bei den 
Römern wegen ibrer Fruchtbarkeit berübmt. 
en (jpr. mitſchihno), Fluß, ſ. Rubico. 
umieino (jpr. -mitihibno), Ort in der ital, 
Provinz Rom, im Agro Romano und zur Gemeinde 
Rom gehörig, am nördl. Tibermündungsarn, an 
der Zmeiglinie Ponte Galera:%. (10 km) des 
Mittelmeerneges, von Dftia dur die Iſola Sacra 
getrennt, bat etwa 600 E. und dient neben Civitas 
vechia (j. d.) als Einfuhrplag für die Hauptitabt, 
ju der Meinere Dampfer aus dem durch Molen: 
bauten vor Verſandung leidlih geibüsten Hafen 


Fiume di Noto — fire Idee 


elangen. — F. wurde 1825 auf den Ruinen des 
Bafenplapes Portus Augusti, den Raijer Claudius 
nad Aufgabe von Oſtia angelegt batte, ge rünbet; 
das 1773 hart am Meere erbaute Kaſte —* jest 
1000 Schritte landeinwärts. 

Fivel, ebemaliger Fluß in der niederländ. Bro: 
vinz Groningen, wurde bei Anlage des Damiter- 
diep, Ende des 16. Jahrh., größtenteils in diejen 
Kanal aufgenommen. 

Fivelgau (d.b. Gau der Fivel), einer der ebemalis 
gen frief. Saue im O. der jegigen niederländ. Provinz 

roningen, war zur Zeit der Republik noch eine der 
Unterabteilungen (Swartieren) diejer Provinz. — 
Vol. von Ridhtbofen, Zwei Karten von Friesland im 
9. und 13. Jahrh. (Berl. 1882). [Gebeimmittel. 

Five Minutes t Pain Curer, |. 

Five o’olock tea (engl., jpr. [ein oflöd tib, 
« zünfubr:Thee»), die Nachmittagätbeeftunde (vor 
der Hauptmablzeit am Abend), zugleih Empfangs: 
zeit für Beſuche, eine von England aus, neuerdings 
auch in der Barifer und Berliner vornehmen Welt 
— Bezeichnung. 

ig (vom lat. fixus, feſt, unbeweglich) wurde 
in der ältern dem. Nomentlatur ald Gegenjaß von 
Nüctig gebraucht, 3. B. fired Laugenfalz, foviel wie 
a a a ah Firität joviel wie 

— Fire Luft nannte man wegen 
des größern fpecifiiben Gewichts fonjt die Kohlen⸗ 
fäure. F. in der Bedeutung raſch, gewandt, ift von 

mweijelbafter Abſtammung; einige, wie Grimm, 
eiten es ebenfalld vom lat. fixus ab, andere balten 
die deutihe Abftammung für wahrſcheinlicher. 

ixateur (fr3., jpr. -töhr), ſ. Fixative. 

igation (lat.), eitiegung, insbejondere des 
Einkommens oder einer bejtimmten Woerfional: 
fumme an Stelle jeweilig zu erhebender Beträge, 
mie 3.B. bei der Bierjteuer (f. d.) und Branntweın: 
fteuer (ſ. d.). (S. aub Pauſchſteuern.) 

Figative (vom lat. fixus, feft), Mittel, melde 
Zeihnungen in Blei, Kohle oder Kreide vor dem Ver- 
wifchen fhüßen. gu den ee Mitteln diejer Art ge 
börtreinerfrang. Lad und, fpeciell für Blei: und Krei⸗ 
dezeihnungen, farbloje Hindergalle. Zur Berbrei: 
tung ber 5. über die Zeichnung bedient man fich eines 
Zerjtäubungsapparates(Firateur). Auch übergießt 
man zum irieren die Zeichnungen mitmagerer Mil 
oder ! chwarzem Kaffee oder ſetzt jieder@inwirtungvon 
Waſſerdämpfen aus, die den Leim im Papier er 
weichen und dadurch ein Feſthalten der Farbe be: 

Fixa vinota (lat.), |. Superfiied. lwirken. 

ige Befoldung, |. Fixum. 
ige dee, ein irrtümliher Gebante, der 
immer wieder ohne nahmeisbaren Grund ſich auf: 
drängt und von deſſen Nichtigkeit die damit be 
bee Perſon feſt überzeugt. it Die Entjtehung 
olcher F. J ift eine doppelte, gr Air als diejelben 
1) als Teilerſcheinungen von Geiftesitörung auj: 
treten, 2) durch Gewohnheit bei Kal ejundem 
Gebirn ſich feitjegen. Im eritern Falle (5. J. im 
engern Sinne) wird burd eine ihrem Weſen nad 
meiſt nicht erfennbare Hixnerkranlung von innen 
beraus ein unmiberftebliher Zmang zur Bildung 
gemüjer falfher Urteile geſchaffen, ir daß der 
ranfe von vornherein zu jeder Kritik derjelben 
unfäbig ericheint oder es nad vorübergebendem 
Schwanken und Zweifeln alöbald wird. Der Yn- 
balt der F. ae fih bier gewöhnlich auf die 
Berfon des Inhabers jetbit, insbejondere auf fein 
Verhältnis zur Mitwelt; man fpricht hier gewöhn 


Fixe Luft — Fixſterne 


(ih von afıren Wabnideen», z. B. Wahn, verfolgt, 
geliebt zu werden. Nach jahrelangem Beiteben der: 
artiger 5. J. iſt eine —*6 ausnahmslos 
ausgeſ * es fommt durch — immer 
neuer Wahnideen ſchließlich zu einer vollſtändig 
falſchen Auffaſſung des eigenen Selbſt. (S. Ver: 
rüdtbeit.) Bei intelleltuell wenig beanlagten Ber: 
fonen können aber auch irrtümliche, dur äußere 
ufällige Einwirkungen (Unterricht, Lektüre) ent: 
handene Borftellungen, die lange mit Vorliebe ge: 
begt werden, allmählich auch obne Hinzutreten einer 
bejondern Hirnanomalie ſich feitieben, jo daß ibnen 
gegenüber die Kritit völlig verloren geht, Dieje 
F. N beziehen fich meift auf objektive VBerhältnifje 
(. 2. Dogliteit, ein Berpetuum mobile zu kon: 
—— u. dgl. m.). Es kommt hierbei in der 

el nicht zu einer falſchen Selbſtauffaſſung; der 
F. g die meiſt ganz iſoliert daſteht, geſellen ſich 
andere nicht bei; die geiſtige Leiſtungsfähigleit 
leidet jelbft bei langem Befteben nur injoweit, als 
dur das Auftauchen der Idee oder durch das In— 
terejle des Inhabers an derfelben andere Gedanken 
oder Intereſſen in den Hintergrund gedrängt werben, 

ige Luft, |. Fir. — 

igen, in ber Börſenſprache ſoviel wie à la 
baisse fpetulieren (ſ. Baiſſe). Der Fixer ver 
tauft eine Börjenware, die er zur Zeit des Ber: 
tragsabſchluſſes noch gar nicht befikt und die er bis 
um Liquidationstermin billiger, als er fie verlauft 
bat, *6 gedenft (Verlauf in blanco, à de- 
couvert, auf Zeit, gewöhnlich per Ultimo). Gelingt 
ibm dies nicht, und ift der Breis (Kurs), zu wel 
chem die Zeitgeihäfte am Liquidationstermin ab— 
newidelt werden, böber als der vereinbarte Kauf: 
preis, fo fann er vielleiht unter Bewilligung 
eined Deports (j. db.) fein Engagement auf den 
nächſten Termin verſchieben und die Spekulation 
à la baisse fortſehen. 

Firgeichäft, eine ———— Leiſtung, 
welche genau zu einer feſt beſtimmten (gemau firier: 
ten) Zeit oder innerhalb einer feit beftimmten Friſt 
zu erfüllen ift (ſ. Erfüllungszeit). Das F. tft na— 
mentlih im Börjenverlehr von großer Bedeutung. 
Die Börfenzeitgeihäfte find regelmäßig 3. Der 
Wille, ein F. abzuſchließen, kann im Bertrage felbit 
ausdrüdlich bekundet fein, durch Zuſätze wie «prä: 
ci», afpäteftend» u. ſ. w. oder durch Beifügung 
der Erlöihungstlaufel, oder indem auf die für F. 
bejtebenden Börjenufancen verwiefen wird; er fann 
aber auch obne —— Erwähnung aus den 
Umſtänden des Falles, z. B. aus der Art der zu 
liefernden Ware, abgeleitet werden. Weil beim 
handelsrechtlichen 5. nad der regelmäßigen Abſicht 
ver Teile nad Ablauf des Termins verjpätete Er: 
füllung von vornberein ausgeſchloſſen fein foll, ann 
in dieſem Yall auch der nicht ſaumige Kontrabent 
nad Ablauf der Erfüllungszeit Erfüllung nicht mehr 
ordern, es jei denn, daß er dies unverzüglich nad) 

blauf dem andern Kontrahenten angezeigt hat. 
Er kann aber vom Vertrage zurüdtreten, als jei 
derjelbe nicht geichlofien, oder Schadenerjas wegen 
Nicterfüllu jerbem (Deutihes Handelsgejesb. 
$. 376). Verhalten ſich beide Kontrahenten am Er: 
—— (Stichtage) paffiv, jo wird dies in 
ebr vielen Fällen die Bedeutung haben, dab das 
Geihäft aufgegeben ui — und dies ift in vielen 
Börienufancen ausgeiproben. Jene Folge tritt 
aber dann nit ein, wenn ſich der al jäumig an: 
geſprochene Kontrabent nad dem Sinn des Vertrags 


149 


bei tem Gegentontrahentenam Erfüllungstage hätte 
melden, die jhuldige Leiftung abholen müflen, und 
biejer an diefem Tage in der Lage war, jeincrjeits 
zu erfüllen. Das Schweizer Obligationenrecht ftimmt 
im allgemeinen mit den angezogenen Beitimmungen 
des Deutichen Handelsgeſeßbuchs überein; e8 weicht 
von demjelben darin ab, daß es die Vermutung 
aufitellt, der Käufer ſolle berechtigt fein vom Vers 
trage zurüdzutreten, wenn im faufmännifchen Ber 
febr ein bejtimmter Lieferungstermin verabredet 
ift (Art. 234). Nah bürgerlibem Recht (Bürgerl. 
ejegb. $. 361) hat bei zweifeitigen Verträgen jeder 
Art jede von beiden Barteien, wenn fi aus dem 
Vertrage die Abficht erfennen läßt, daß die Leiftung 
zu einer bejtimmten Zeit, weder früher noch ſpäter, 
oder bis zu einer beitimmten Zeit und nicht jpäter 
erfolgen joll, das Nüdtrittsreht. Der vom Ver: 
trage Zurüdtretende fann das von ihm Geleijtete au: 
rüdfordern, und, wenn erein Verſchulden nachweiſt, 
Schadenerſatz verlangen. Nah dem Reihsbörfen: 
geieh vom 22. Juni 1896, 8.50, ift der Bundesrat 
efugt, den Börjenterminhandel, d. b. eben Börjen: 
firge äft, von Bedingungen abhängig zu machen 
oder in beftimmten Waren oder Wertpapieren zu 
unterfagen. In Anteilen von Bergwerls: und 
nie mungen und in Getreide und Muhlen⸗ 
abritaten ift er gänzlich unterfagt, alfo nur Kaſſa⸗ 
eher, und Zeitgeihäft mit Nacfeift zuläſſig. 
igieren (lat.), —— (j. Fixation); 
[ei ins Auge fajlen; u durchdringend ans 
eben. — Über 5. in der Photograpbie (j. d.). 
— liber das F. von Zeihnungen f. Firative. 
Fixierſalz, das zum Firieren der photogr. Bil: 
der dienende ünterſchwefligſaure Natrium. (S. Pho⸗ 
igität, |. dir. [tograpbie.) 
iglmillner, Placidus, Ajtronom, geb. 28. Mai 
1721 zu Achleuthen bei Kremsmünfter, trat 1737 
in das Klojter Kremsmünſter und erhielt 1762 die 
Direktion der kurz zuvor von feinem Obeim, dem 
Abt F., dafelbft erbauten Sternwarte; er ftarb 
27. Aug. 1791. Unter feinen Arbeiten find ber 
vorzubeben feine für die Bearbeitung der Theorie 
des Merkur wichtigen Beobachtungen dieſes Pla: 
neten, jowie feine Unterfuhung über die Sonnen: 
parallare aus den een, ag 1761 und 
1769, deren Ergebnis dem Endeicoen ertnabe kam. 
olin, j. Geheimmittel. [puntt (f.d.). 
xp ‚im Vermeſſungsweſen foviel wie Felt: 
ftempel, |. Börjenfteuer und Stempel. 
erne (lat. stellae fixae, d. i. ſeſte, unbe: 
wegliche Sterne), im Gegenfak zu den Planeten 
oder Wandeljternen diejenigen Sterne, die ihren 
Drt gegeneinander nicht oder nur ſehr — ver⸗ 
ändern. F. find bei weiten die meiſten ung ſichtbaren 
Sterne. Ihre tägliche jheinbare Bewegung von Diten 
nad Weiten, vermöge deren fie auf: und untergeben 
und über dem Horizont am Himmel teild größere 
oder lleinere Bogen, teild ganze Kreije beſchreiben 
(von denen ber vom 19: Polarſtern beſchriebene jo 
Hein iſt, daß dieſer Stern faſt ganz ſtillzuſtehen 
ſcheint), die Folge der täglichen Bewegung der 
Erde um ihre Achſe. Hätte die Erde nur dieſe, ſo 
würde uns der geſtirnte Himmel, an demſelben Orte 
auf der Erde beobachtet, das ganze Jahr hindurch 
zu gleihen Stunden der Naht einen gleihen Anblid 
ewähren. Infolge der Bewegung der Erde um die 
onne oder des —— ortrückens der Sonne 
unter den Sternen ändert ſich aber der einer be: 
ftimmten Nadtjtunde entſprechende Anblid des 


750 
Himmels mit den Jahreszeiten. Derfelbe Stand 


der Sterne tritt an jedem Tage 4 Minuten früher als 
am vorhergehenden ein und trifft nach einem Jahre 
wieder genau auf diejelbe Nachtſtunde. a Fernrohr 
erſcheinen die F. nicht wie die großen Planeten als 
Heine Scheibchen, ſondern als Lichtknoten, die ſich 
um fo mehr einem Punkte nähern, je volllommener 
das Fernrohr ift. Es rührt dies von den ungeheuern 
Entfernungen ber., ————— Wir 
wiſſen daher auch nichts Sicheres über die wirklichen 
Größen der % baben aber triftigen Grund zu ver: 
muten, baß jie im allgemeinen nicht Heiner als die 
Sonne, ja zum Teil jogar nod weit größer als dieſe 
find. Die Helligteit eines Firfterns geftattet noch 
feinen Schluß auf feine Entfernung, da dieſe gerade 
bei vielen der belliten ſich als bejonders groß bez. 
unbejtimmbar erwiejen bat, wohingegen einige 
ſchwache Sterne uns verhältnismäßig nahe ftehen. 
Schon in den älteften Zeiten bat man die 5. zur 
befiern Unterſcheidung in Sternbilder (f.d.) abgeteilt. 
Außerdem haben die Araber, auch die Griechen und 
Römer, den hellften Sternen noch beſondere Namen 
beigelegt, von denen viele noch jetzt im Gebraud) find. 
ad ihrer Helligkeit teilt man die F. in ver- 
ſchiedene — (j.d.) ein. Zur erſten Größe 
ende 19 Sterne: Sirius, 


rechnet man gewöhnlich pl — — 


Canopus, a Gentauri, 
pella, Brocyon, Beteigeuge, Adernar Aldebaran, 
B Eentauri, a Crucis, tair, Spica, Antares Ne: 
aulus, Fomalhaut und Pollux, die nad) ihrer Größe 
— ſind, ſo daß Sixius der hellſte Stern ik 
em bloßen Yuge eriheinen die 55 $. weih, 
einige wenig rötlich oder gelblih. Entſchieden weiß 
Er Sirius, Spica, Mega; rot: Aldebaran, Arktur, 
ntares, Beteigeuze; gelb: Capella, Brocyon und 
der Volarftern. Auch im Fernrohr find Weiß, Rot 
und Gelb die vorberrfhenden Farben und treten 
—— ſehr ausgeſprochen auf (ſ. Granatſtern); 
lau und Grün finden ſich faſt nur bei Doppelſternen 
(j.d.). Ob Veränderungen in ber Farbe der F. vor: 
fommen, ift nicht ficher, m. der jegt weiße Sirius 
von den Alten zu den roten Sternen gezählt wurde. 
Die Zahl der an der ganzen Himmelskugel für 
ein unbewaffnetes normales Auge erfennbaren F. 
beträgt etwa 6000 und zwar wächſt die Zahl der 
Sterne mit der Abnahme ibrer Helligleit. So giebt 
es von der 1. Größe 19 Sterne, von der 2. Größe 
65, von der 3. Größe 200 u. ſ. w, und man kann 
annehmen, daß jede folgende Größentlafje durch— 
ſchnittlich dreimal foviel Sterne enthält als die 
vorhergehende. Nach ungefäbrer Schäßung beträgt 
die Rab der in den mächtigjten jetzt eriftierenden 
‚ernrohren überhaupt fihtbaren F. etwa 100 Mil: 
lionen. Die Verteilung der F. am Himmel ift eine 
jehr verſchiedene; am dichtejten —— ſie innerhalb 
der Milchſtraße (ſ. d.), deren Glanz nur von der 
ge Menge dicht gedrängter Sternden herrührt. 
le 5. haben eine, . Eigenbemwegung 
N d.), wenn aud meiht der Betrag — * Hein 
it, daß erſt nad einem ſehr langen Zeitraum eine 
meßbare Ortöveränderung zu fonitatieren ift. 
Beränderlide Sterne (j. d.) ändern ihre 
Helligkeit. Zu ihnen gehören au die neuen oder 
temporären Sterne, bie plötzlich zum Vorſchein 
fommen und dann entweder ploötzlich wieder vers 
ſchwinden oder raſch einer —— Helligkeit 
wieder herabſinlen. Liber das Funkeln f.d. 
Hinfihtlich der Natur und Beſchaffenheit der 
5. bat erjt die Speltralanalyfe gewichtige Anhalts: 


Firfternparallaren 


punfte gegeben. So verſchieden aum die Speltren 
der einzelnen F. find, fo lajjen fie doch mebrere ver: 
ſchiedene Grundformen erkennen (j. Sterntopen und 
Speltralanalyfe), die aber weniger auf eine Ber: 
ſchiedenheit der Beftandteile, d. b. der chem. Ele 
mente binmweifen, aus denen fie zufammengejebt 
find, als vielmehr auf eine Verſchiedenheit ibrer 
Temperatur und ihrer durch dieje bedingten Dichte, 
Mir fönnen auf Grund der durd die ſpeltralang⸗ 
lytiſchen Unterjuhungen der F. gewonnenen Re 
fultate annehmen, daß die F. ihrer Natur und 
ihrer Beichaffenbeit nad unferer Sonne nabe fteben 
und wie dieſe alübende, von Atmofpbären um: 
gebene Mafjen find. (S. Firfterntemperatur.) Die 
vorherrſchenden Beftandtetle der F. find Waſſerſtoff, 
Natrium, Magnefium und Eifen; auf einigen ber 
unterjuchten F. müflen aber aub Stoffe vorfommen, 
die wir auf der Erde nicht fennen. Die verfcbiedenen 
Farben der F. deuten wabhrjcheinlich auf verfchiedene 
Auftände ihrer Abtüblung bin. (S. auch Stem: 
baufen, Sterntarten, Sterntataloge.) — Bal. Sechi, 
Die Sterne (Lpz. 1878); Mädler, Der Firfternbim: 
mel (ebd, 1858); Seeliger, Betradhtungen über die 
räumliche Berteilung der F. (Münd. 1898). 

Firfternparallagen. Die Entiernungen ber 
Fixſterne von der Erde find jo ungebeure, daß durch 
die Meflung täglicher Varallaren (j. d.) die Beftim- 
mung ibrer Entfernung nicht ausfübrbar if. Man 
muß feine Zuflucht zur jährlichen Barallare 
nebmen, indem man ben Ort des betreffenden Sterns 
am Himmel von zwei einander entgegengefehten 
Punkten ver Erdbahn aus beftimmt. Dieje Bunlte 
müſſen fo gewählt fein, daß ihre Berbindungslinie 
auf der Richtung nah dem Stern nabe ſenkrecht 
tebt. Die Hälfte des Unterſchieds der an beiden 
Bunttenbejtimmten Richtungen nenntman die jähr⸗ 
liche oder beliocentriihe PBarallare des be 
treffenden Sterns oder auch kurzweg feine Baral: 
lare. Man kann die Firiternparallare auch def: 
nieren als den Mintel, unter dem von dem Stern 
aus der Halbmefjer ver Erdbahn erſcheint. Ähnlich 
wie die Horizontalparallare bei den Planeten giebt 
die Firfternparallare einen bequemen Maßſtab für 
die Entfernung der Firſterne ab. Indeſſen find leh- 
tere auch gegenüber dem über 148 Mill. km betra: 
genden Halbmefjer der Erdbahn jo ungebeure, daß 
ihre Beitimmung ein ganz ungewöbnlid hohes Mat 
von Genauigleit erfordert, welche erreicht wird, wenn 
man den Abitand des fraglichen Sterns von ge 
eignet aewäblten Sternen in feiner Nähe mit Hilfe 
eines Mitrometers (ſ. d.) mißt; bierzu ift namentlich 
das Heliometer (f. d.) jehr brauchbar. Beſſel und 
Struve gelang es zuerjt, auf diefem Wege ſichere 
Werte von F. zu beitimmen. Dur Anwendung der 
Vhotograpbie bat man die ge der befannten F. auf 
80 geiteigert. Dabei bat ſich gezeigt, daß weder das 
Vorbandenfein großer Eigenbewegung noch große 
Helligkeit einen fihern Schluß auf das Vorhanden⸗ 
fein meßbarer %. geftattet. (S. au —— 

In der Tabelle ſind die ſicherſten Werte der bis 
jest gefundenen F. zuſammengeſtellt. Die Größen: 
Hajien beruben bei den hellern Sternen auf genauer 
pbotometrifher Meſſung. Werte Meiner als 1,0 
deuten an, daß der Stern beller ift, ald dem nor: 
malen Betrage der eriten Größenllafje entipridt. 
Die beigefügte Lichtzeit giebt an, wie viel Jahre 
das Licht braudt, um — den gefunder 
nen Barallaren) von dem betreffenden Stern bis 
zu uns zu gelangen. 


Firſterntemperatur — {Fjord 751 





m #Figfterntemperatur. Nach Unterfuhungen von 
rofellor Scheiner beträgt die Temperatur an der 
berfläche der Sterne der Speltralllaſſe IIIa zwi⸗ 

{chen 3000° und 4000°, bei den Sternen der Klaſſe Ia 

reicht fie bis zu 15000°, während fie bei der Sonne 















108 0.07| 47 | der Regel gewundene, tief ins Land eingreifende, 
0,09 | 0,10) 33 | nad oben ſich verzweigende, ſchmale, fteile und tiefe 
0,33 | 0,06 54 | Meeresbucht, die im QDuerjchnitt eine Trogform, 


Groombridge 1830 |11 47 |-1385 
Ursae majoris . |11 48 54,3 
. B. VIL 119 . . 112 4 Hi 


nn 


a Ursae majoris . 12 49 


. 


Andromeda .. 3 ‚21 
r Cansiopejae_. .|0 4 1586 | 33 [0550,16] 20 und ben Sternen gg Klafie Ila Werte befist, bie 
Groombridge 4 . | 012 |4434 | 79 |2,80, 0,9] ı1 | zwiihen demen ber beiden andern —— 
t — Tr ir — 33 iegen. Dieſe — — aus dem Ber: 
a Cassiopejae .. ‚ ‚7905| 04 balten zweier beftimmter, dem Magnefium ange 
..!/0%43 57,3 34 !120:0,18| 18 r Pr gi ” ni @ 
—— 1050 |+601 | 332 002/005] ss | böriger Linien de3 Sternipeltrums bezüglich ihrer 
» Cassiopejae . . | 1 1 [4544 | 5,2 |3,750,08| 40 —— und Breite in ben verſchiedenen Speltral⸗ 
Aändromeäne - [1,8 Kar | 32 [622 car] 3 | ofen aesogen. | 
a 2: ı 230 | 2,1 |0,23| 0,08] 40 igum (lat. fixum salarium, fire Befol: 
a Arietis -]2 , , , , j 1 
B Persei 2... 3 1 |+40,5 3,3;3,5 903 0,00 + dung), feiter Gehalt, im Gegenjak zu Acciden⸗ 
. Bridani el 13 120 el 36 | zien, Stolgebühren, Sporteln, Provifionen, Tan: 
Piazai 111.942. . | 0 4378| 74 1025/0021163 | fiemen u. |. w. 
0% Kridani .... ... [410 |— 78 | 65 [4051019 ı7 | Fizeam (fpr. -joh), Armand Hippolyte Louis, 
Aldebaran 2.15 33 0 aa air) 30 | franz. Phyſiler, geb. 28. Sept. 1819 zu Paris, wo 
Biel» .....1510 | 83 1-01 [002|0,09| 36 |er als Prioatgeleheier lebte. Seit 1860 war er 
B Tauri RE 2% Fr a (018 808 .- Mitglied > en. 1878 wurde er Mitglied 
a Orionis IT a] 80 100019 des Yängenbureaus. Er arbeitete gemeinjam mit 
50 70 |0,5/0,00| — . . 
ae ss \Lus 19 |o07|o06| 5 ing —— —** und führte bie von 
a Argla ..... 622 |-—-52,6 | 0,4 | 0,00) 0,03] 109 rago vorbereiteten Unterſuchungen über die Licht: 
# Aurigae. .... 630 #284 | 56 |0,151012| 97 | gefchmwindigfeit (j. d.) aus. Er ftarb 18. Sept. 1896 
Fr 4.0 Tieß 13 J131lo,0| 8 | 9 : h 
31 Cepber . . ..| 851 |+872 | 54 | 0,06 | 0,08] 109 = Benteuil (Depart. Seine:et:Marne). Zahlreiche 
Castor u... 728 432,1 | 15 |0,2110,20| 16 | Abhandlungen von ihm über optijche und photogr. 
ee ea I Ikea] 45 | Genenftände, über ſtrahlende Wärme, über die elet: 
Lal. 15290 2...) 707 4308| 85 11,961 0,02| 163 | triihe Indultionsmaſchine u. ſ. w. enthalten feit 
—* — 1 2 12 s * - 1843 die —— de physique et de chimiev und 
a EN: —31— die «Comptes rendus». 
2 UM... 0% 5 „6 3,2 74 11,69] 0,12) 27 * 
® Ursae majorie . | 925 |+4522 | 31 |1.11j0,07| 47 al, ſchwediſch für das normeg. Field (f. d.). 
B. B.VIL 83. . . | 937 123 4 0,10 | 0,08 a ärd, foviel wie Fjord (f. d.). 
20 Leonis minoris I 0, , ‚ - 
Regulus ae 10 3 |+12,5 | 1,2 |0,26|0,09] 36 > nr Sa N norwee. * ür 
Groombridge 1618 |10 5 |+50.0 | 6,7 11,43 0,17) ı9 | die ausgedehnten Hocflähen der flandinan. Ger 
. B.VIL9# .. . r 7 63 .. Si u | birge, die, zumeift über der Schneegrenze lienend, 
. B. VII. 95 ..jlo 4,1| 7, 0,; , |; N 1 A NZ 
B Urne majorie . 10.27 [4.559 | 22 10,0810,09| 36 | —* — — — Die wichtigſten F. 
a Ursas majoris . |10 27 623 | ı9 '014/005| es I Im 3 unsfjeld, n ourefje du.a. ä , 
Lalande 21185 . . 10 58 36,7| 68 |4,15l046| 71 Fiord (dän.), in Schottland Firth, in Eng: 
—— 21386 . m o +4,11 85 144010,38| 14 | (and Frith (vom lat. fretum, d. 1. Meerenge), in 
Ei. 1 8 7140| zo |042|019| ı7 | = (eawi . ‚dt. . x — 
Arg. Öltzen ineri 11 15 4665 | 90 [304 820 ı6 | Schleswig Fohrdo, an der ſchwed. und finn. 
B. 5 vu. 110... m a 45,7 | 67 |0,64 0,08 = Küfte Fiärd, auf engl. Seelarten gewöhnlich 
- B.VIL ı11 . „| 48,3 80 | 0,67 | 0,0% 3 ai r i s 
8 Leonie... ... 11a Tıs2 | 21 10821008 109 | sound (Sund) genannt, Bezeihnung für eine in 
65 
2,3 
7,3 
1,8 
4 

















ß Comae Berenices 13 7 |4-28,4 | 4,0 1,05 0,11) 30 im Län sſchnitt ein zwiſchen ſanften Wolbungen 
Areturus . ji 10 197 | 02 238 0,03 168 * ſeichten — ns en ws 
 Centauri ... ... —60,4 | 0,7 | 3,67 | 0,76 relief aufweiſt (na eijt treten die F. 
ee ha are | 38 100810081 & | gefellig auf und bilden fog. Fiordfüften. Am 
n Heroalis . IE 16 39 |-+-39,1 | 3,6 | 0,08 | 0,40 & haufen und ausgeprägteiten Sen fie “ in 
aus . . . . 57 10 [7345 | 3,0 | 0,08 | 0,06 oben Breiten; in Guropa: in Weit: und Nord: 
3 5 WORTEN 
2 Be: a „s 3* urn = ſtandinavien, Schottland, Irland, Island, Bres 
— 1730 [455.3 | 48 |0,16| 0,32 10 tagne; a —— au — Neufund⸗ 
6—2 553 | 4,8 |0,16/0,28) 11 | fand, Neuſchottland, an der Küſte der Vereinigten 
Arg. 6 ha - 
LIE za Iaeulazel a Sinsten ee Dam om Ber Sehe DE Du 
?0 Ophiuchi . . . |18 0 5| 44 I113l022| 15 ncouverinjel; in Südamerita: an der patagon. 
Ayorsae minoris . 18 6 486,6 | 4,5 10,40,12| 37 | Meitküfte im Smitbtanal, in der Magalbäesitrafe, 
2amelı....lsan Lass | 84 [0241088 5 | auf seuerland; in Auftalien: an der‘ ehtäfe von 
15 Orgnt 19 3 us | #6 [0,64|030| ıı F ._ ferner ee und an ber —— 
quilae 920 +1L7 | 55 |0,96| 0,06) 54 | füfte Grönlands, während fonft in der polaren 

D . mw * 
ng Are — J.nur — oder ſchwach ‚ausgeprägt 
Or. 20 18 |+39,7| 23 |o,02|0,10| 33 | gefunden wurden. Doc find die 55. nicht durch die 
61 Cygni. 2 2 438,2 | 50 |5,16/040| 8 | 10° Sabresifotberme gegen den Slquator begrenjt, 
a Cephei 21 8 38) 26 1016| 0,061 54 fi : N r 

Equulei . ... 121 9 |+ 9,6 | 40 1030| 0021 163 | Wie‘ eſchel annahm; dies widerlegt ſchon das Bor: 
GER LITE TB Pot] 33 [10102 18 | ort Dprane Tania von Bor ntche he ja am 

EEE a1 * ‚2 1460| 0, ine]. e ſüdlich von 30 nördl, Dr, bat von 
Lacale san" 2090 ans 72 100810081 40 | Hichthofen ſoiche Bildungen gefunden. Die $. find 
Bradley 3077... |23 a |+564 | 55 [2080,13 35 | auch nicht auf Meeresküjten bejchränft, fie finden 
5 Pegasi . |23 57 8 58 140 0,06 54 ſich auch an den canad. Seen, beſonders am Nord: 


152 


ufer bed Huronjees. Die Tiefe der F. ift in der 
Regel bedeutend; meift findet fih am Ausgang eine 
mebr oder weniger hohe Schwelle. 
Die F. find wohl ehemalige Flußthäler, die durch 
Hebung des Meers oder Senkung des Feſtlandes 
untergetaucht wurden, wie auch ihre Fortſetzung nach 
dem Innern in der Regel Flußthäler find. "Die nad: 
träglihe Eroſion der 5. durch Eis iſt für mande 
Gegenden wahrſcheinlich. Die Veränderung der 
Kültenlinie wird bewiejen dur die Strandlinien, 
die bei 5. häufig ſehr deutlich ausgebildet find. Ver: 
einigen fich zwei F. an ihren obern Enden, fo ent: 
ftehen fog. Fiorditraßen, wie die Magalbäes: 
itraße und Matotihlin Scharr zwiſchen der Nord: 
und Südinſel von Nowaja Semlja; geſchieht die 
Vereinigung zwifchen parallel laufenden F., fo 
ſcheint ſich der F. deltaartig zu teilen. Wird ein F. 
abgedämmt, jo bildet fih ein Fiordfee. — Val. 
Peſchel, Neue Probleme der vergleihenden Erdkunde 
(4. Aufl., Lpz. 1883); Haas, Studien über die Ent: 
ftehung der Zohrden (Kiel 1888); Dinfe, Die Fjord: 
bilvungen (in der « Zeitjchrift der Geſellſchaft für 
Erdkunde» zu Berlin, 1894); O. Nordenſtjold, TZopo: 
arapbiich : geolog. Studien in Fjordgebieten (im 
«Bulletin of the Geological Institution of the Uni- 
versity of Upsala», 1899, VIII; Upfala 1899). 
Fiörgyn, |. Jörd. [licher ift dafür F. 
Fl, dem. Zeihen für Fluor (1. d.); gebräuch⸗ 
Fl., Abkürzung für Gulden (Florin). 
F.l.a., auf —9 Abkürzung für fiat lege 
artis (lat., d. h. —*— zu bereiten!). 
Fla., amtliche Abfürzung für Florida (f. d.). 
Flanken, Fleeten, — an Dämmen 
oder Ufern, die ald Schußmittel der Böſchungs— 
flächen gegen die Angriffe des Waſſers durch Wellen: 
chlag u. ſ. w. dienen. (S. auch Flechtwerl.) 
Flabellum (lat.), Fächer, Wedel; Flabel— 
lation, Lüftung gebrochener Glieder durch Unter: 
ſchieben trodner und kuhler Unterlagen. 
faccedcengz (lat.), Slaccidität, Sclaffbeit. 
Iacens, Verrius, ſ. Verrius Flaccus, 
lachat (jpr. -ihab), Eugene, franz. Ingenieur, 
geb. 16. Aprıl 1802 in Nimes, bildete ſich unter 
Yeitung feines Altern Bruders Stephan, mit dem 
er 1823—30 das Projekt eines Kanals zwiſchen 
Havre und Paris bearbeitete. Hierauf ftudierte er 
in England den Dodbau. Nach feiner Rüdtehr 
nad frankreich wendete er ſich dem Eifenbahnbau 
zu, war bis 1857 DOberingenieur der Dftbahn und 
wurde dann beratender Cbefingenieur der Sud— 
babn. F. gründete 1841 den Berein der Inge— 
nieure, 1844 die Konferenz; der Cijenbabn: und 
1848 die der Eivilingenieure. Er jtarb 16. Juni 
1873 in Arcabon. F. ſchrieb: «Etablissements 
commerciaux, Docks de Londres, Entrepöts de 
Paris» (1836), «Rapport sur le canal du Rhöne au 
Rhin» (1840), «Trait& de la fabrication du fer» (mit 
andern, 3 Bde. und Atlas, Par. 1842—46; deutich 
&pz. 1847— 51), «Memoire sur les travaux de 
l’isthme de Suez» (Par. 1865), «Navigation à va- 
peur transoc6anienne» (2 Bde., ebd. 1866) u. a. 
—82 f. Kegelſpiel. 
lachbahngeſchũtze, Flachfeuergeſchütze, 
Kanonen, Geſchütze, die eine geſtredte Flugbahn 
befigen, die ihrerſeits große Anfangsgeſchwindigleit 
erfordert. Sie ſtehen im Gegenſaßz zu den Steilfeuer⸗ 
eihügen (ſ. d.) mit gefrümmter Flugbahn. Zur 
pelung der großen Anfangsgeihmindigleiten 
baben bie F. lange Rohre von he feitem Auf: 


Fiörgyn — Flächenmaße 


bau; fie verwenden große Ladungen, und zwar, ab: 
weichend von den Steilfeuergejhüßen, in der Regel 
nur einerlei Zabung. Die F. werden gegen meit 
entfernte oder miderftandsfäbige aufrechte Ziele, 
3. B. Banzerungen, freied Mauerwerk u. dal. ver: 
wendet, beſonders aber auch gegen alle fichtbaren 
lebenden Ziele. (S. Geſchutz.) 
lachbogen, ſ. Bogen. [leumlampen. 
lachbrenner, ſ. Basbeleuhtung und Petro: 
lachbrunnen, |. Waflerverforgung. 
lacheelt, Gerät, j. Eelt. 
achdrehen, joviel wie Blandreben (j. d.). 
läche, in der Geometrie jede Raumgröße, die 
nad zwei Seiten ausgedehnt ift oder die Grenze 
eined Körpers bildet. Die F. werden von Linien 
begrenzt, wie 3. B. eine Dreiedsfläde, oder find un: 
begrenzt, wie Baraboloide und Hyperboloide, oder 
eſchloſſen, wie Kugel und Ellipfoid. Man teilt die 
5 in ebene (f. Ebene) und frumme (f. Krumme 
lähen). F. zweiter Ordnung find diejenigen 
frummen F, deren analytiſche Gleihung vom zwei: 
ten Grade ift. Sie werden eingeteilt in 5. mit einem 
Mittelpuntt Kugel, Eli .Zafel: Flächen I, 
ig. 4], einſchaliges und zweiſchaliges Hyperboloid 
Fig. 5 u. 6], Kegel) und in F. obne einen 32* 
(elliptiſches und hyperboliſches Paraboloid (Fig. 7 
u. 8], Cylinder EN 9). (S. die Einzelartifel.) 
Schneidet man F. zweiter Drbnung durd Ebenen, fc 
erhält man u > nitte (ſ. d.), wie Taf. I, Fin. 
1—3 zeigen. Auf Taf. II, Fig. 1 u. 2, finden fi 
Durhdringungen von F. zweiter — ** Durch⸗ 
—— — Bon beſonderer theoretiſchet Bedeutung 
ind nod die Steinerfche (f. Taf. U, Fig. 7) und die 
Kummerſche F. (f. Taf. I, Fig. 8), die 5. vierter 
Drodnung find, die Pſeudo —*— F. (f. Taf. II, 
Fig. 4) und die Schraubenflä (f. Taf. U, Fig. 5 
u. 6), die tranfcendente Öleihungen haben (j. die be: 
treffenden Artilel). Der Kreisring (f. Taf. U, Fig. 3) 
und die erwähnte Pſeudoſphäriſche F. find Rota— 
tionsfläden (f. d.). Über die Schillingſche Minimal: 
äche (ſ. Taf. II, Fig. 9) ſ. Minimalflähen. — Unter 
einer Figur,3.B. eines Dreieds, eines Kreiſes, 
verfteht man auch den Flächeninhalt (}. d.) derielben. 
— lÜiber diafauftifhe und tatalauftiihe F. 
ſJ. etc Flächen und Linien. 
lacheifen, ſ. Bandeilen und Walzeijen. 
läche fonftanter Temperatur, ſ. Inva— 
riable a ein , 
lächenblige, |. Blis. Iſ. Flächenmethoden. 
. en — 
äche „Maß, ſ. Fuß. 

Flächeninhalt, —** Anzahl Quadratein⸗ 
beiten (3. B. Quadratcentimeter, Quadratmeter, 
Uuadratlilometer u. ſ. w.), die in einer Fläche (f. d.) 
enthalten ift. Für jede geometrifch definierbare Figur 
(Dreied, Quadrat, Kreis u. ſ. m.) läßt ſich der F. 
durch eine Formel angeben (j. die betreffenden Ar: 
titel). Zur medhan. Beitimmung des F. einer auf: 
gezeichneten Figur dient das Planimeter (ſ. d.). 

Glächenmahe, die Maße, welche zur Beitim: 
mung der Größe einer Fläche dienen. Es liegt ibnen 
das Quadrat eines Pängenmaßes zu Grunde; mag 
aud ein Flachenmaß urfprüngli ohne Nüdficht auf 
ein ſolches feſtgeſetzt worden fein, wie z.B. auf Grund 
ver Fläche, die an einem Tage mit einem Paar 
Ochſen be flügt werden kann, oder auf Grund einer 

ewiſſen Menge Saatkorn (5. B. das Joch und der 
cheffel Ausfaat), jo bat man ein ſolches Flächen⸗ 
maß doch nachträglich in ein Berhältnis zum Längen 


FLÄCHEN. IL - 





1. Elliptischer Kegelschnitt 2. Parabolischer Kegelschnitt. 3, Hyperbolischer Kegelschnitt. 
mit berührenden Kugeln, 





4. Gedrücktes Ellipsoid. b. Zweischaliges Hyperboloid, 6. Einschaliges Hyperboloid, 





7. Elliptisches Paraboloid. 8, Hyperbolisches Paraboloid. 9, Parabolischer Cylinder. 


Brockhaus’ Konversstionsa- Lexikon. 14. Aufl, 





4. Pseudosphärische Fläche 
(Rotationsfläche 
der Kettenlinienevolvente). 





7. Steinersche Fläche, 


FLÄCHEN. 1. 


5. Tangentenfläche der Schraubenlinie 
(abwickelbare Fläche). 


8. Kummersche Fläche, 


Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 








6. Windschiefe Schraubenfläche. 


9. Schillingsche Minimalfläche. 


TFlächenmefjer — Flachornament 


maße gebracht. Man unterjceidet bei den F. ger 
wöhnlih: 1) geometrifhe F. die Quadrate der 
untern Stufen deö Längenmaßes (3.B. Quadratfuß, 
Uuabdratrute, Quadratmeter), welche zur Beſtim— 
mung der übrigen 3. dienen; 2)geograpbiice F. 
jür die Meflung ganzer Ländergebiete, aus den Qua: 
draten einer böbern Stufe des Längenmaßes (mo 
bei diefem noch befondere Wegmaße im Gebraud 
find, aus deren Quadraten) bejtebend; 3) Feld- 
Lands oder Udermaße (3. B. Quadratmeile, 
Quadrattilometer), ſ. Feldmaße. 
lächenmeſſer, ſ. Planimeter. 
lächenmethoden, in der Forſtwirtſchaft die⸗ 
jenigen Methoden der Waldertragsregelung d.), 
die den jährlichen oder periodiſchen Hiebsſaß (f. d.) 
der Abtriebönugungen lediglih aus der Abtriebs: 
fläche entwideln. Der Maſſen-Hiebsſatz ift aljo 
Folge des vorher beitimmten FlächenOiebsſatzes. 
Die ältefte und einfachſte der F. iſt vie Schlag: 
einteilung, die urkundlich ſchon aus 3464 
befannt, jedenfalls aber noch viel älter iſt. Ende 
des 18. Jahrh. wurde ſie in verſchiedener Weiſe 
ausgebildet, namentlich durch Buchting, Ottelt, Schil: 
cher u. a. Die Schlageinteilung teilt die Fläche des 
Waldes in Jahresihläge und grenzt dieſe Wer 
ab. Der Ertrag jedes Jahresſchlages (f. d.) iſt glei 
dem Hiebsſatze der Abtriebönugung für das betref: 
fende Jahr. Ye nachdem man die wirkliche oder die 
nad der Stanvortägüte reduzierte Fläche der Tei- 
lung unterwirft, unterſcheidet man die einfache geo: 
metrijhe und die proportionale Sclagein: 
teilung. Anwendbar erſcheint diefe Methode für 
Nieder: und Mittelmald, mit gewiſſen Beihräntun: 
gen aud für den Plenterwald, nicht jedoch für den 
ſchlagweiſen Hochwaldbetrieb. gar lebtern i allen: 
talls brauchbar nur die zweite Art der Be nämlich 
das Flächenfachwerl. Diefes verteilt mit Hilfe 
eines Wirtihaftsplanes die Nugung eines Waldes 
für eine ganze lmtriebs- oder Einrichtungszeit 
(j. Einrihtungszeitraum) derartig, daß die —5— 
Perioden (Fächer) mit annähernd gleichen wirklichen, 
jeltener mit nad) der Standortöbonität reduzierten 
Zlächen ausgeftattet werden. Der jährlihe Hiebs- 
fa für die Abtriebenugung wird durch Diviſion 
der periodiſchen Hiebsflähe mit der Anzabl ver 
Periodenjahre gefunden, oderman berechnet ihn, um 
die großen Schwankungen des Maſſen-Hiebsſatzes 
in den Cinzeljahren zu vermeiden, als Quotienten 
aus der Anzahl der Beriodenjahre inden periodischen 
Maſſen-Hiebsſat. Die verjhiedenen Formen des 
Flächenfachwerles lafjen fi in zwei Hauptgruppen 
bringen. Die einfachſte, aber auch unvolltommenjte 
Form ift die, welche von einer rationellen Waldein⸗ 
teilung (j. d.) abfieht und die mehr oder weniger 
dur natürliche Linien abgegrenzten Beitände und 
Beitandögruppen an die einzelnen Zeitperioden ver- 
teilt. Eine normale Verteilung der Altersklaſſen 
(j. d.) erreicht diejes Verfahren nicht. Beſſer ift die 
zweite Form, die großes Gewicht auf eine gute 
Waldeinteilung legt und derartig die Perioden— 
teilung auf den Wald überträgt, daß jede einzelne 
Abteilung (j. d.) einer beftinnmten Zeitperiode zuge: 
wiejen wird, Ein ſolches Verfahren ftellt ven Nor: 
malzujtand des Waldes unbedingt ber, ſoweit diefer 
überbaupt erreichbar iſt, da es fich mit der Bildung 
von Betriebsklafien ganz aut verträgt. Das Flächen: 
fachwert erforbert Keuikenen (f. d.) in Zwiſchenräu⸗ 
men von 20, beſſer von 10 Jahren. Das Verfahren 
hat ſich namentlich Anfang des 19. Jahrh. entwidelt 
Brodhbaus’ Konverjationd-Lerikon.. 14. Mu. R. U. VI 


153 


und fand unter anderm einen Hauptvertreter in 
. Cotta, der großen Wert auf die Waldeinteilung 
egte, ann ih allerdings mehr das Mafjenfad: 
wert (i. —— angewendet wiſſen wollte, 
ch aber von deſſen Unvolllommenheit überzeugte. 
en der Litteratur ſ. Forſteinrichtung. 
lächenfteuer, eine Steuer, bei der die Größe 
der Grundflähe ala Maßſtab für die Bemeſſung 
der Steuer dient. Die Berü hötigung. ür die 
Ertragsfähigteit des Bodens ift dabei nicht gen 
ausgeichlojjen, aber nur in ungenügendem Maße 
möglid. Da die F., die bei der Grundſteuer 
ſ. d.), der MWeinjteuer (f. d.) und der Tabalsbe— 
—— (. d.) vortommen kann, die zeitlichen 
und örtlichen Verſchiedenheiten des Bodenertrags 
nach Menge und ide enheit nicht genügend be- 
rüdjichtigt, fo wirkt je jehr ungleich und bei höhern 
Sägen drüdend. (S.Tabalbeiteuerung.) Die Tabal: 
fläbenfteuer fommt in Deutſchland nur noch als 
Ergänzungsſteuer für Heine Kulturflächen von we: 
niger ala 4 a in Betracht und jtellt jich gegenwärtig 
a 45 Pf. für 1 qm. Als eg orm ber 
Mein: und Grundfteuer hat die F. zur Zeit feine 
Bedeutung mehr. [tion. 
lächeutreues Kartenbild, ſ. Kartenprojet- 
lachfeuergeſchũtze, |. Hlahbahngeihüne. 
lachgräber, diejenigen vorgeſchichtlichen Grä— 
ber, die unter dem Ka Erbboden ohne irgend 
ein jest erfennbares Mertmal liegen. Ein ſchaͤrfer 
Unterſchied wird jedoch wiſſenſchaftlich jeßt nicht 
mebr zwijhen F. und Hügelgräbern gemadt, da 
Erohügel jehr oft im Laufe der Jahrhunderte ab: 
getragen oder verweht fein können, und da man 
außerdem jehr häufig diefelben Kulturüberreite in 
Hügelgräbern und in F. findet, wenn fie derjelben 
Gegend und derjelben Zeit angehören. Die F. ent: 
balten ſowohl Leichenbeſtattung, wie in der Stein: 
eit und meijt in den Jahrhunderten nad den 
ölterwanderungen, als auch Leihenbrand, mie 
meift in der Bronzezeit, in der vorröm. Eifenzeit 
und der röm. Zeit. (S. auch Urgeſchichte.) 


achhuf, ſ. Blatibuf, 
—— ſ. Geſchütz und Verſchluß. 
lachfultur, im Gegenſatz zur Tiefkultur 
eine Bearbeitung des Aders durch Injtrumente bis 
zu einer Tiefe von nur 10 bis 15 cm. 
lachland, joviel wie Ebene (j. d.). 
lachmalerei, |. Slahornament. 
lachmüllerei, |. Nebljabritation. . 
lachornament, bejonders in der dekorativen 
Malerei (Flachmalerei) auf ebenen Flächen an: 
ewandte Ber —— die gewohnlich nur in einer 
—* und ohne Schattierung ausgeführt wird. 
it dem ð ſoll nicht eine plaſtiſche und per— 
peltiviſche Wirkung erzielt, ſondern durch Schön: 
eit der Linien und Harmonie der Zeichnung und 
arbe die Fläche belebt werden. Dadurch wird ber 
nftler zu einer jtilifierenden Umbildung der aus 
der Natur entlehnten Formen und auf eine dem 
Raum angepaßte Rompofition von ineinander ver: 
ſchlungenen Linien, Ranten und Ornamenten bin: 
gewiejen. Sion die alten Drientalen, die das F. 
in gemwebten Stoffen und zur Ausſchmuckung irdener 
ober bronzener Gefäße anwanbten, leijteten in dieſer 
Kunft Vortrefflihes. In Europa wurde das F. unter 
dem Einfluß der Mauren im 16. Jahrh. (nament- 
lic bei Ayungen in Eifen und bei Intarjien), fpäter 
vorzugsmeijeim 18. Jahrh. (4.3. an Boullearbeiten, 
j. d.) und endlich in neuerer Zeit, jeit dem Wieder: 


48 


754 


aufblüben des Kunſtgewerbes, befonders auch bei der 
Verzierung von — lgerecht verwertet. — 
Bol. H. Herdtle, Muftergültige Vorlageblätter zum 
Studium des F. der ital. Renaiffance. 30 Original: 
aufnabmen (Stuttg. 1884—86); derf., Vorlagen für 
das polychrome F. (Wien 1885); derf., 3. Samm: 
lung muftergültiger Vorlagen nah Originalen des 
15. und 16. Jahrh. (ebd. 1892); Luthmer, F. im 
Stile der deutfchen Nenaiffance (Karldr. 1887); 
berj., 5. auf der Grundlage von Naturformen (ebd. 
1895); Ehriftianfen, Neue F. (25 Tafeln, Altona 
1892); Dettel, Fortel, Schauer und Benter, Formen: 
hab der modernen ächenverzierung (Serie 1—4, 
lauen 1893— 95) ; Tuquet, Neue Kompofitionen für 
lähenverzierung (ebd. 1895); Friling, Moderne F., 
entwidelt aus dem Pflanzen⸗ und Tierreich (2 Serien, 
Berl. 1897— 98); Beauclair, Farbige Flähenmufter 
für das moderne Runftgemwerbe (Stuttg. 1900 fg.). 
lachrelief, j. Relief. 
lachrennen (engl. flat races), diejenigen Wett: 
rennen (f. d.), welche auf flacher Bahn (ſ. Rennbahn) 
elaufen werden, Den Gegenjas dazu bilden die 
— * (ſ. d.) Durch die F. wird die Lei: 
——— der Pferde in ig De Schnellig⸗ 
keit bis zum Außerſten getrieben. Daber hält man 
ſie gr zwedentiprechender ald Hinderniörennen. 
lachring, eine Form bes Ringanlers, bei der 
die das Feld erjeugenden Magnete beiderjeits ſeit⸗ 
lich zum Ring angeordnet find, diefer alfo eine Ring: 
[gene ift. Die zuerft von Schudert auägeführte 
afchine beißt Flachring-, Seitenpol: oder 
Schuckert-Maſchine. (S. Dunamomafdinen.) 
Flachs, Bezeihnung für die von den Gefähbün- 
dein der Stengel von Linum usitatissimum L. 
(Flad3, Lein, ſ. Linum und Tafel: Öruinalen, 
Fe. 1) abgeichiedenen Baftfafern. Im Flachsbau 
unterſcheidet man zwei Spielarten: Klanglein und 
Dreſchlein. Der Rlanglein oder Springlein 
(Linum crepitans), meift zur Samengeminnung 
angebaut, ijt niedriger, der Stengel Ajtiger, die 
Samentapjeln fpringen zur Zeit der Reife von jelbit 
auf, Der ——— oder Schließlein (Linum 
vulgare) bat böbern, wenig äjtigen Stengel, Hleinere 
Blätter und Blüten, die Eumenlayiehn bleiben ge: 
ſchloſſen und müflen ausgebrofchen werden. Leßztere 
Art wird wegen ibrer längern Faſern am meiften an: 
aebaut. Je nad der Zeit der Ausfaat unterjcheidet 
ınan Fruhflachs oder Bauen (Ausjfaat Ende 
März bis Anfang Mai) und Spätflachs oder 
Spätlein (Ausjaat im Juni), Eriterer beſitzt einen 
beſſern Baſt und leidet weniger dur den Fraß der 
Eroflöbe, Die Ernte erfolgt 12 — 13 Woden nad 
der Saat. Man wartet dabei die jog. Gelbreife 
ab, d. b. den Zeitpunkt, wo der untere Stengel gelb 
wird und die Blätter anfangen abzufallen; der 
Same iſt dann nod nicht faatreif, kann aber ſchon 
zum Ölpreflen benukt werden. Zur Erzeugung 
einer zarten, langen Faſer fät man dicht (3"/, big 
4%, hlaufi ha), Will man jedoch guten Samen 
erzielen, jo muß dünn gejät werden (bis zur Hälfte 
ber vorigen Menge), und die Stengel müjjen bis 
zur Samenreife fteben bleiben, Die Fafer wird je: 
doc in diefem Falle gröber und kürzer. Die Schä- 
digungen durch Erbflöhe ſucht man durch frübe Aus: 
jaat und Überftreuen der Felder mit Ruß und Aſche zu 
betämpfen. Das Ernten geſchieht durch Auszieben 
der Bflanzen famt der Wurzel (Raufen, Rupfen, 
Ziehen). — fiber die weitere Behandlung des 
35. zum Berfpinnen ſ. Flachsſpinnerei. — Unter ge: 


Flachrelief — Flachsdarre 


wohnlichen Verhältniſſen liefert 1 ha Land 2300 
—2800 kg Flachs ſtroh ——— Stengel ohne 
Samentapjfeln), bei guter Ernte jedoch bis 5000 kg 
und mehr. Die Länge der Stengel beträgt ,—Im, 
es geben 4500—10 000 ed 1kg; 1hl Samen wiegt 
etwa 66 kg. Der Flachsbau erfordert einen kraf⸗ 
De Boden, vor allen Dingen jedoch ein feuchtes 
ima, wie folches einerſeits die Meerestüften, an» 
dererjeitö die nicht zu hoch gelegenen Gebirge der 
—— Zone bieten. Großbritannien (Ir⸗ 
and), die ruſſ. Oftfeeprovinzen (Rigaer Kronen: 
lein), Dänemart, das ſudl. Schweden, die Nieder: 
lande und Belgien find noch beute in der Lage, 
des günitigern Seellimas wegen, infolge befierer 
Bodenverbältnifie, zum Teil auch billigerer Arbeits» 
löbne, dem deutſchen Flachsbau den Abjak zu er: 
chweren, auch bat der deutſche Landwirt ſich erſi 
pät entſchließen können, fein althergebrachtes Tau⸗ 
oſtverfahren zu verlaſſen und die anderwärts ge: 
madten ortfchritte fih anzueignen oder ſich mit 
den Nachbarn genofjenfhaftlih zur Anlegung zwed⸗ 
mäßiger Röftanftalten zu vereinigen oder den ge 
wonnenen Robflabs an eine Flachs bereitungsanſtalt 
zu verlaufen. Infolgedeſſen dedt Deutſchland (vor 
dem Dreikigjäbrigen Kriege das erfte Land des 
Jachsbaues und der Leineninduſtrie) ſeinen eigenen 
Flachsbedarf nurzum Teil. 1900 wurden eingeführt 
7557 dz (Wert 86000 M.) rober, geröjteter 5. und 
425 147 dz (32,677 Mil. M.) gebrochener, geſchwunge; 
ner, gehechelter F, ausgeführt 56 796 dz (653 000N1.) 
bez. 114756 dz (9,14 Mil, M.). Die Gewinnung 
von F. wird für Europa jäbrlih zu 700000 t (dar: 
unter Rußland 500 000, Deutihland 50000, Diter: 
reich⸗ Ungarn 45000 t) geihäst. Rußland hatte 1900 
eine ſchlechte Flachsernte, erzielte nur 489 600 t, 
führte aber doch 246900 t aus, Die Flachsernte 
in den Vereinigten Staaten von Amerila belief ſich 
1900 auf 284130 t, die jedoch vorzugämeiie zur 
Herftellung von Leindl dienen. — Val. Rodolänni, 
Die Kultur und Zubereitung des 7. (4. — 
Wien 1885) ; Langer, Flachs bau und Flachs bereitung 
ebd. 1893); Jabresberichte (I, Trautenau 1893) und 
itteilungen (ebd. 1894 fg.) des Verbandes der diterr. 
Flachs⸗· und — — 
Flachs, indiſcher (Corchorus capsularis 7..), 
f. Corchorus und Tafel: Golumniferen, Fig. 4. 
Über neufeeländiichen 5. ſ. Phormium. 
lachöban, ſ. Flachs. 
lachsbaum, Baumgattung, ſ. Antidesma 
lachsbaumwolle, aub Flachs wolle, ein 
verſuchs weiſe durch Kochen mit Aßnatronlauge, Be: 
handlung mit Schmefelfäure und Zrodnen ber 
Baummolle äbnlib gemadtes und wie dieje mit 
Krempeln bearbeitetes Fafermaterial, das aus den 
ifolierten Glementarzellen des Flachſes beftebt, die 
aber zu ſchlicht und glatt find, um ſich mit Borteil 
verjpinnen zu laffen. Das Verfahren bat man 
Eottonifieren genannt. 
Flachöbereitungdanftalten, She Etabliſſe⸗ 
ments, in denen der Flachs für den Abſaß im Gro⸗ 
en und namentlich für ven Bedarf der Maſchinen⸗ 
pinnereien als fertiger Hanbelsartifel bergeftellt, 
d. b. den die Spinnerei vorbereitenben Operationen 
einfchließlih des Schmwingens (f. Flahsipinnerei) 
unterworfen wird. 
Flahöbrehe, Flachsbrechmaſchine, Ap- 
parate für die Flachsſpinnerei (f. d.). j 
lachichienen, |. Eijenbabnbau nebit Fig. 21. 
lahödarre, i. Flachsſpinnerei. 


Flachsgarn — Flachsſpinnerei 


lahögarn, $ lachsſpinnerei und Leinengarn. 
achslilie, Bflanzenart, ſ. Phormium. 
lachsröſte, J. Flachsſpinnerei. 
lachsſamen, ſoviel wie Leinſamen (ſ. Linum). 
lachsſchwingmaſchine, ſ. Flachsſpinnerei. 
lachsſeide, ſ. Cuscuta. 
lachsſpinnerei, die Herftellung von Garn aus 
ven Baſtfaſern der Flachspflanze ‘ lad). Die 
5. ift eins der älteften Gewerbe, denn ſchon auf alt: 
ägypt. Grabpentmälern find die —* Geräte 
zum Spinnen (Spindel und Roden) abgebildet. 1865 
wurden in Pfahlbauten der Schweiz 40 Epindeln 
neben Brucftüden leinener Gewebe aufgefunden, 
deren Alter auf mindeſtens 3000 Jahre geihäßt 
werden muß. Das Spinnrad wurde 1530 von Jur⸗ 
ens in Wolfenbüttel erfunden; 1787 wurden in 
Yarlingten in England die erften Spinnverſuche auf 
Maſchinen angeftellt. Der eigentliche Begründer der 
mechaniſchen iſt Philippe de Girard, welcher 1810 
in Frankreich das erſte Batent auf Flachsſpinn⸗ 
maſchinen nahm. 1829 wurde die erjte mechaniſche 
3. in Leeds durch Dampfkraft in Betrieb geſeßzt. 
Für 1902 ift die Anzahl der Spindeln in Taufen- 
den für Großbritannien mit 1600, Frankreich 550, 
Ojterreih:lUIngarn 350, Deutichland 360, Belgien 
250, Rußland 240, Italien 80, Schweiz 12, Holland 
10, Schweden 10, ganz Europa 3600, Norbamerifa 
120, Oftindien 160, die ganze Erde 4000 anzu: 
nehmen. Deutſchland liefert vorzugsweiſe die Flachs⸗ 
garnnummern 8 bis 60 und die Werggarnnum: 
wern bis 30. Nach der Produftionderhebung von 
1897 wurden in Deutichland 34000 t Flachẽgarn 
im Werte von 42,5 Mill. M. mechaniſch erzeugt. 
(Die Handfpinnerei bat fo gut wie aufgehört.) Die 
deutſche F. braucht für ihren Bedarf etwa 45000 t 
geibmwungenen Flachs; das Kapital, welches darin 
angelegt tit, beläuft “ auf über 80 Mil. M., 
wovon die Koſten der Flachsſpinnmaſchinen gegen 
36 Mill. M. betragen. Flachsſpinnmaſchinen wur: 
den in Deutichland meiſt von England bezogen, 
neuerdings auc von den einheimiſchen Maſchinen⸗ 
fabrifen. (S. aud Flachs und Peineninduftrie,) 
an Hole ewinnung im Großen dient hauptſäch⸗ 
lich die Ba —— — — 
oder des — Leins (f. Linum und Flachs). Die 
ausgewachſenen wre werden audgerauft 
und meift in ſog. Kapellen (äbnlih den Ges 
treidefeimen) getrodnet. Die getrodneten Pflanzen 
nüfjen zunächſt durch das Riffeln oder Reffeln 
von den Samenlörnern befreit werben, wobei 
ein Arbeiter eine Handvoll Leinftengel bei den 
Wurzelenden ergreift, in den Riſſellamm ſchlägt 
und dur ibn hindurchzieht. Dadurch werden die 
Samentapfeln und Blätter von den Stengeln ab: 
geitreift. Die Stengel enthalten im Iufttrodnen Zur 


ſtand 73—80 Proz. ihres Gewicht? Holz und 20—: 


27 Proz. Baft. Das Holz befteht aus 69 Proz. 
eigentlicher Holzſubſtanz, 12 Proz. im Waſſer lös: 
fi Zeile und 19 Proz. folder Stoffe, melde 
wohl durch altalifche Laugen, aber nicht durch reines 
Waſſer er werben können. Der Bait entbält 
durchſchnittlich 58 Proz. reiner Safer, 25 Bros. im 
Waſſer löslicher Teile und 17 Proz. einer im Waf: 
fer unlöglichen Heberartigen —— welche indes 
durch einen von Bakterien eingeleiteten Gaͤrungs⸗ 
prozeß zerſtort, auch in alkaliſchen Laugen gelöſt und 
dadurch von der Faſer getrennt werden kann. Das 
für dieſe Trennung angewendete Verfahren heißt 
das Röſten, Rotten oder Weichen. 


155 


Man unterfcheidet natürliche und tünftlihe Rd» 
ften. Die natürlichen Röſten zerfallen wier 
derum in die MWafjerröfte (Waſſerrotte), Tauröjte 
(Taurotte) und gemiſchte Röfte oder Rotte; die 
fünjtlihen Röften in die Marmmafferrotte, 
Dampf: und Heikmwaflerrotte, die altaliihe Rotte 
und die Notte mit verdünnter Schwefeljäure. Die 
Waſſerröſte beftebt darin, daß man das geriffelte, 
in Bündeln gebundene Flachsſtroh in Teichen oder 
Gruben unter Wafler erhält, indem man es 
mit Brettern bededt und diefe mit Steinen be 
ſchwert. Durd bie ie eh Märme der 
atmoſphäriſchen Luft und des Waflerd gebt nad 
einiger Zeit die ganze Maſſe in Gärung über. 
Bei der Taurdfte wird nur die natürliche Feuchtig: 
feit der Atmofphäre (Tau und Negen) benugt, um 
die notwendige Gärung einzuleiten und zu unter: 
EEE Zu diefem Zwed breitet man den trodnen 

achs ganz dünn auf einer Wiefe oder einem Anger 
aus und fegt ihn dort unter wiederholtem Ummen: 
den fo lange den Witterungseinflüffen aus, bis der 
Gärungsprozeß die erforderliche Höhe erreicht bat, 
was 2—10 Wochen dauert. Die gemischte Röft« 
ift eine Vereinigung der beiden vorbeichriebenen 
Nöftverfahren, und zwar wendet man zuerit bie 
Maflerrotte und dann, wenn die Gärung bis zu 
einem gewiſſen Bunkt vorgefcritten ift, die Tau⸗ 
rotte an. Bon den künjtlihen Röften verbient die 
Marmmafferrotte die meifte Beachtung, weil 
bei ihr die pre Methode des Flachs— 
röften® im Bel feitgebalten, dabei aber von den 
MWitterungsverbältnifjenvollitändig unabhängig ge 
macht wird. Bei der Dampfrödjte und it. 
wafferröfte fällt der Gärungsprozek vollitändig 
weg; das —— beruht allein auf der loſenden 
Kraft des Waſſerdampfes und des heißen Waflers. 
Bei der altalifhen Röſte bevient man fi ver: 
ſchiedener Altalien, welche die Röftung beichleuni: 
gen, obne den Gärungsprozeß zu verhindern, wäh- 
tend durch die Röjte mit verbünnter Schwefelfäure 
der bei den natürlichen Roſtmethoden durd die ein: 
tretende Fäulnis der Leinſtengel bervorgerufene 

enetrante und widerwärtige Gerud daburd aufge: 
heben werben foll, daß man dem Waſſer */, Bros. 
eined® Gewichts engl. Schwefeljäure zufest. Ein 
neueres fünftlihes Röjtverfabren (Patent Baur) 
beiteht darin, daß ſowohl die Einwirkung der ver: 
dünnten Schmwefelfäure, als deren —2 folgende 
Auswaſchung durch Allalien in evaluierten Keſſeln 
unter erhohter Temperatur vorgenommen wird. 

Die Flachsdarren dienen zum Trodnen bes 
geröfteten Flachſes. Zwar kann dies aud in ber 
Sonne geſchehen, aber bei weitem nicht mit ber 
Sicherheit und Schnelligkeit wie in Darrituben 
oder Darröfen. Erftere find geräumige, mit erhitz⸗ 
ter Quft erwärmte Kammern, lebtere vieredige 
Badöfen, in welchen die Flachsſtengel ſenkrecht * 
geſtellt werden. Die Temperatur darf den Siede⸗ 
punkt des Waſſers nicht erreichen, damit der Flachs 
nicht mürbe und brüchig wird. 

Durd das Röften ift der rer, der Far 
en unter fih und mit dem Holz möglichſt aufge: 

oben, und die vollitändige Trennung dieſer beiden 
Beitandteile erfolgt (na — Trocknen den 
Stengel) auf rein mechan. Wege, entweder durch das 
Botten oder durch das Brechen. Das Botten per 
ſchieht mitteld des Bottbammers oder Bleuels, 
mit welchem der Flachs gleihjam gedroſchen wird; 
in einzelnen Gegenden wendet man dafür das Bor 
48 * 


156 


ten an, das in befondern Stampfmühlen (Bot: 
müblen) vorgenommen wird und, wie das Bot: 
ten, öfter auch nur eine Hil Barbeit des Brechens 
bildet. Der einfachſte zum Brechen verwendete, 
von Hand bewegte Apparat iſt die Handbreche 
oder Brake. Er beſteht aus einem feſten Teil, der 
Lade, welche aus zwei bis drei parallelen Schie— 
nen gebildet iſt, die, an den Enden feſt miteinander 
verbunden, einen ungefähr 25 mm breiten Spalt 
zwiſchen ſich lafien, in melden ein einarmiger, an 
dem einen Ende um einen Bolzen drebbarer Hebel 
paßt. Die Flachsſtengel werden auf die Lade gelegt 
und der bie ar t eines Meſſers oder einer Schiene 
befigende Hebel abwärts bewegt, modurd ein ſchar⸗ 
fes Rniden und Schaben der Stengel bewirkt und 
ein Teil des Holzes ſchon vollſtändig befeitigt wird, 
mwäbrend der in der Flachsfaſer zurüdbleibende Neft 
o ſehr gelodert ift, daß er durch Scütteln bes 

lachſes oder Durchziehen desſelben zwiſchen Lade 
und Hebel leicht nt werben fann. An Stelle 
der Handbrechen werden vielfah Brechmaſchinen 
1. Tafel: Flahsjpinnerei I, Fig. 5) verwendet, 
ei welhen der Flachs durch ein Paar geriffelte 
Walzen gebt. Um die im gebrochenen Flachs noch 
vorhandenen Holzteilden (Cha e) zu entfernen, 
ſchwingt man fie mittels Schmwingbrett3 und 
Schwingmefjerd oder mittels befonvderer Shwing: 
maſchinen. 

Durch den nun folgenden Hechelprozeß wird 
die Zerteilung und Zerlegung der Faſerbüſchel unter 
gleichzeitiger Abjonderung der kürzern Fajern, fo: 
wie ein Ordnen und Geradlegen der übrigen langen 
Fafern bewirkt. Die hierzu dienende Hechel beiteht 
aus einem Syſtem von reihenweiſe in einem Brett 
befeitigterNadeln, jtählerner, ſchlank zugefpigter und 
volierter Kegel. Die erſte Hechel, auf welcher der 
Schwingflachs zunächſt behandelt wird, nennt man 
Abzugshechel (Ruffer), die folgenden Mittelhebeln 
und die legte, für die Heritellung bejonders feinen 

achſes benugte, die Ausmachehechel. Beim Hecheln 
aßt der Arbeiter eine Partie Flachs (eine Riſte), 
hlingt ihn um die Hand, breitet mit der andern 
Hand die freiliegende Partie gleihmäßig aus, ſchlägt 
ihn in die Nadeln der Hechel ein und zieht ihn dur 
dieje hindurch. In der gleichen Weife wird die andere 
Hälfte der Rijte bearbeitet. Um das Dee zu 
erſezen, hat man Hechelmaſchinen (j.Taf. 1, Fig.6) 
gebaut, bei welchen die Nadeln auf Hechelſtäben be: 
tejtigt find, die zu zwei endloſen Ketten (Hedel: 
feldern) vereinigt werden, während die Flachsriſten 


in Kluppen oder Zangen eingeipannt gehalten und | 


derart bewegt werden, daß die eine hervorſtehende 
Hälfte zuerit an den Spitzen und allmählib nad 
ter Mitte zu bearbeitet wird. 

Eine neuere Maſchine zur «Veredelung» (Brechen 
und Siolieren) der Flachsfaſern, welche bei ihrem 
Bekanntwerden außerordentliches aaa erregte, 
ijt die Maſchine von Carbon. Sie arbeitet gut, ift 
aber zu tompliziert, weil jie zu vielerlei machen will, 
nicht nur brechen, ijolieren, erweichen, ſondern auch 
tämmen und wenig Abjall verurſachen. 

Der gebechelte Flachs wird nun denjenigen Ar 
beitsprozeſſen unterworfen, welde zur Bildung 
eines gleihmäßigen Bandes und zu deſſen 
allmäblicher Überſührung durch Vorgeſpinſt zum 
Feingarn notwendig ſind. Die in einer Riſte vor— 
handenen Faſern ſind, wie ſchon die zopfartige, 
an beiden Enden in Spitzen auslaufende Form 
zeigt, höchſt ungleich in ihr verteilt. Teilweife fann | 


Flachsſpinnerei 


dies dadurch ausgeglichen werden, daß man die 
Riſten in geeigneter, die Lücken ergänzender Weiſe 
nebeneinander legt. Die weitere zur Herſtellung ver 
Gleihmäßigteit dienende Arbeit beitebt in einem 
Streden, welches, mit dem Zufammenlegen gemein: 
—— ausgeführt, Anlegen genannt und auf der 
nlegemafhine ausgeführt wird. Die Anlege- 
ine (f. Lu I, En. 3) beſteht einem Zus 
ch zur Aufnahme der aufgelod erade 
geltredten Riften, einem Stredwert mit zwet weit 
auseinanderliegenden Stredwalzenpaaren, zwiſchen 
melden fih zum Zurüdhalten der Faſern bewegliche, 
in Felder abgeteilte Heceljtäbe befinden, und in 
einem Abzugsapparat. Bei der Heritellung gröberer 
Garne fann man, um eine größere Broduftion zu 
erzielen und die Wartung der ſchine zu verein: 
fachen, die Hechelftäbe auf Ketten ohne Ende befejtis 
en (Kettenitreden), weil bei diefen Garnforten das 
ogenförmig ftreihende Ein: und Austreten der 
übne aus dem Bande zuläffig ift. Das von der 
nlegema chine tommende Band wird zum Streden 
und Duplieren auf pie Flachsſtred- und Du: 
liermaſchine oder den Durchzug (f. Taf. I, 
Bi. 1) gegeben, deren Arbeit lediglich eine Vervoll⸗ 
ommnung des Bandes bewirkt. Der wejentliche 
Unterſchied zwiichen der Anlegemaihine und ber 
Stred: und Dupliermaſchine iſt der, daß lestere fein 
Sufahtuß befigt und daß die Hechelzähne feiner 
ind. Sehr oft ſind aud, jtatt zweier, drei Einzieh— 
walzen angebradht, deren eine, in ber Mitte über 
den zwei andern liegend, von dem Flachsband faft 
gana umfdlungen wird (f. Taf. II, Fig. 5). Das 
and bat gewöbnlid zwei, zumeilen aud brei 
Durdzüge zu paljieren. Das letzte Duplieren und 
Streden jowie die Bildung des Vorgarns erfolgt 
auf der Spindelbant, VBorjpinnmaidine 
oder Flyer (j. Taf. II, Fig. 4), deren Stredwert 
wie bei dem Durchzug aus zwei weit auseinander 
liegenden Walzenpaaren und dazwiſchen angebradı: 
ten Hecheln beitebt. . 

Die von der Spindelbant zu verrichtenden Ar- 
beiten zerfallen in das Streden vereingeführten Bän=» 
der, bad Dreben der geitredten Bänder, wodurch die: 
jelben die zum Aufwinden erforderliche Beibaftenbeit 
erhalten, und die gleihmäßige Aufwindung des Vor: 
garns auf Spulen. Die auf Taf. Il, Jig.4 dargeitellte 
Spindelbant ift, wie die meiiten auf der Tafel abge 
bildeten Maſchinen, von der Firma Fairbairn, Nays 
lor, Macpherſon & Co. in Leeds fonitruiert; ähnlich 
die von Combe, Barbour & Combe in Belfaſt ge: 

auten Flyer, während die von Samuel Lawſon & 
Sons in Leeds — gleichartigen Maſchinen eine 
etwas andere Einrichtung des Regulierungsmecha⸗ 
nismus sel: Meift wird die Aufwindebewegung 


maf 


des Flachsſlyers durch Differentialgetriebe und 
Riemenlegel bewirkt, doch findet man aud andere 
Einrihtungen; fo 3. B. oft jtatt der gewöhnlichen 
Riementegel ein Syſtem zweier Regelgerippe, welche, 
mit den —— einander ** einen 
großen Seilwirtel bilden, deſſen Durchmeſſer durch 
gegenieitiges ee verändert. 

as Feinjpinnen erfolgt meijt auf jog. Was 
termaſchinen (ſ. Spinnerei), die in der Regel mit 
einer Vorrichtung audgeftattet find, welche einen ges 
ringen Abſtand der Stredwalzen ermöglidt. Das 
Stredwert der Feinſpinnmaſchinen erbält eine 
verihiedene Anordnung, je nachdem das Vorgarn 
troden oder unter Anwendung von heihem Waller 
(Nabipinnerei) veriponnen wird. Die Troden» 


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(YIOAYORMIIS) auyosamungisufajsjun 7 








11 TORNONNIASSHOVIM 


Flachsſpinnerei 


ſpinnmaſchine enthält eine der durchſchnittlichen 
— des Flachſes im Vorgarn entſprechende 

iſtanz im Streckwerk (Stredweite, engl. reach). 
Da der Vorgarnfaden auf der Vorſpinnmaſchine be: 
reit3 etwas gedreht wurde, ift zwiſchen Einzieh: und 
Stredwalzen eine Unterftüßung des Fadens durch 
ein Hechelſyſtem, wie bei ven Vorbereitungsmaſchi⸗ 
nen, nicht mehr ſtatthaft; es genügt, den Faden über 
eine glatte Rinne oder zwijchen einigen Walzenpaaren 


oder um einzelne Walzen herum und über eine ver⸗ 


jtellbare Platte biß zu den Stredwalzen zu führen. 
Bon Einziehwalzen find entweder, wie bei den Stred: 
maſchinen, brei oder, mas gewöhnlicher ift, nur zwei, 
und zwar eiferne, ſtark geriffelte vorhanden. 
Die am weitejten verbreitete Feinſpinnmaſchine 
‘ die Naßfeinſpinnmaſchine (f. Zaf. I, 
ig. 2), bei welcher der Borgarnjaden, ebe er zu 
ven Einzugmwalzen gelangt, durch heißes Waller ge 
zogen wırd. Das Princip der Naßſpinnmaſchine be 
ht auf einer befondern Eigenichaft ver Flachsfaſer. 
Diejelbe befteht nämlih aus fürzern Glementar: 
ellen, die untereinander durch den beim Rotten ver: 
liebenen Reſt des Hebrigen Bindemittels zufammen: 
ehalten werden, welches durch Chromſäure oder 
alilauge gänzlich gelöft, durch heißes Waſſer aber 
ſo weit erweicht werden lann, daß ein Auseinander⸗ 
sieben der Bellen, gi Abreißen der Fajern, er: 
möglicht wird. Die Vorgarnfären paſſieren daber 
nad dem beißen Wajjer ein Stredwert (f. Taf. II, 
Fig. 2), deſſen Strediweite Heiner ift ala die Länge 
der Zellenbündel (Flachsfaſern), aber größer als die 
Länge der Elementarzellen. Vach dem Trodnen des 
Feingeſpinſtes erhärtet das Bindemittel wieder, jo 
daß nun die neue Anordnung der Elementarzellen 
innerhalb der Faſern befeftigt wird. Naßfeinipinn: 
maſchinen werden ftet3 doppeljeitig, aljo mit zwei 
Reihen Spindeln gebaut. In den Details weichen 
die Maſchinen der einzelnen Konftructeure vielfach 
voneinander ab, und es variiert die Anzahl ihrer 
Spindeln zwischen 120 und 300, die Zahl der Spindel: 
umbdrebungen in einer Minute zwiſchen 2500 und 
5000. Die —— dieſer Maſchinen iſt 
je nach der zu ſpinnenden Garnnummer verſchieden. 
n der Naßſpinnerei für Flachs und Werg hat in 
neuefter Zeit die Ringfpindel der Baummollipinnerei 
Eingang gefunden. Die Nah: und Vollendungs: 
arbeiten find die gleichen wie bei der Wergipinnerei. 
Die Werg: oder Hedefpinnerei umfaßt 
die —— der beim Hecheln des Flachſes 
ausgelämmten kürzern, verworrenen und vielfach 
verſchlungen durcheinander liegenden Faſern; das 
erzeugte Garn wird Wergs oder Hedegarn genannt, 
Die erjte Arbeit, weldyer die in dem vorbejchrie: 
benen Zuſtand befindlihen Fajern unterworfen 
werben, bejtebt in einem Reinigungs: und Auf: 
loderungsprozch und der Bildung von Bändern 
aus den lojen Faſern. Ye nad dem Grade der Ber- 
unreinigung des Materiald kann diefer Prozeß in 
verjhiedener Weife durchgeführt werden. Sit die 
Hede ſehr fnotig und ſtark verunreinigt, jo wird 
zunädjt ein Vorreinigen und Ausſchütteln, ſodann 
ein ein: oder zweimaliges Kardieren oder firem: 
eln vorgenommen, während bei befjerm Material 
Baer ein —— Kardieren genügt. Die zur 
Vorreinigung ſtark verunreinigter Heden dienenden 
Maſchinen ſind entweder Öffner oder Schlag: 
oder Widelmajhbinen von ähnlicher Konftruftion 
wie die bei der Baummollipinnerei angewendeten 
(f. Baummollipinnerei nebjt Tafel, Fig. 4—8); die 


757 


Karden oder Krempeln (f. Tafel: Flachsſpin— 
nerei II, Fig. 6) find ähnlich auägerüftet wie die 
Baummollfrempeln. Durch den Krempelprozek wird 
die Entwirrung, Aufloderung und Serteilung der 
Faſern, die Abjcheidung der Schäben und Schmutz⸗ 
teilhen fowie der ganz kurzen Fafern, melde das 
Garn raub und knotig machen würden, bemirtt; 
außerdem werben durch denfelben die Faſern umge: 
ordnet, fo daß fie in dem gebildeten Band im Quer: 
ſchnitt und nad der Fänge gleihmäßig verteilt find. 
Es tommt bier hauptjählic das Zuſammenwirken 
einer Haupttrommel a (f. Taf. II, Fig. 7) mit einer 
fog. Arbeitämalze b und dem Wender c in Betradt; 
die Trommel a empfängt das —— von 
einem Zufuhrapparat, giebt alle erſchüſſe an den 
Arbeiter b, und von dieſem gelangen fie durch den 
—— umlaufenden Mender c wieder in das Be 
läge der Trommel a zurüd, mo . vorzugsweiſe 
an den noch leeren oder nur ſchwach gefüllten Stel: 
len aufgenommen werben. Die von den Karden ge 
lieferten Bänder werben auf zwei oder drei Stred: 
maſchinen mehrfach dupliert und geftredt und geben 
alddann auf die Vorſpinnmaſchine über. Die Bän- 
der der erjten Krempel werben, falls fie auf einer 
zweiten Krempel weiter verarbeitet werben follen, auf 
einerBanddupliermafhine(Bandmwidelma: 
chine, ſ. Taf. II, Fig. 8) zu einem Vließ vereinigt. 
Die Wergitrede (j. Taf. U, Fig. 3) und die 
Vorſpinnmaſchine find im Princip den ents 
ſprechenden zur Flahsbearbeitung dienenden Ma: 
ſchinen glei und unterſcheiden ſich von jenen nur 
durch eine einfachere Bandzuführung, durch Heinere 
Stredweite und leichtere Bauart. Die Wergiein: 
fpinnmafdinen find gleichfalld entweder Trocken⸗ 
oder Naßſpinnmaſchinen und gleichen in ihrer Kons 
ftruftion den Flachsfeinſpinnmaſchinen, mit dem 
einzigen Unterſchied, daß bei ihnen gleichfalls, der 
eringern Faferlänge entſprechend, eine kürzere 
tredweite angewendet ift, jofern dad Ausziehen 
troden erfolgt. Das Hafpeln der Flachs⸗ und Wer ⸗ 
arne findet auf dem Garn haſpel oder der Deite 
& Taf. U, dio; 1) ftatt. Die Jeinfpinnfpulen wer: 
den direkt über fefte, nebeneinander auf einem Brett 
angeordnete dünne Drabtitifte oder beſſer erit auf 
Meſſinghülſen und mit dieſen dann über bie Stifte 
ejtedt. Die Fäden verbindet man mit dem Haſpel, 
ei deflen Drebung fie fi auf dem Umfang desjel- 
ben aufminden. j 
Zu den weitern Vollendungsarbeiten gehört das 
Trodnen der naß geiponnenen und gebafpelten 
Garne, welches jofort vorgenommen werden muß, 
um diejelben vor dem Verderben zu bewahren. Die 
Trodnung geihieht entweder in Trodenlammern, 
Irodenapparaten oder Trodenmafdinen. In den 
Trodenflammern — ſie mittels erwärmter 
Luft. Vorteilhafter, wei — Raum einneh⸗ 
mend, ſind die Kanal- und Kaſtentrocken— 
apparate, bei denen die Heizvorrichtung aus 
einem aufrecht ſtehenden ſchmiedeeiſernen Cylinder 
von etwa 1,5 m Durchmeſſer und 3m an beitebt, 
der im Innern etwa 500 Röhren enthält; indem 
man entweder ben abgebenden Dampf der Betriebs: 
dampfmajchine oder direkten Keſſeldampf in den 
Cylinder leitet, wird die durch die Rohren jtreihende 
Luft erwärmt. Die Bewegung der erwärmten Quft 
wird durch ein diefelbe anjaugendes Windrad be: 
wirkt. Die — von Mather & 
Platt in Mancheſter arbeitet fontinuierlib, jo daß 
eine Arbeiterin die Garne an dem einen Ende der 


158 


Maſchine in diefe hineinhängt und eine zweite die 
nad 40—50 Minuten am andern Ende getrodnet 
antommenden Garne wieder berausnimmt. Um das 
Garn direft in die zum Verweben erforderliche Form 
zu bringen, wird dasſelbe oft ſchon in den Spinne: 
, teien mittel® jog. Schußſpulmaſchinen (wie 
Taf, 1, Fig. 4 eine ſolche zeigt) geipult. — Val. Pfubl, 
Weitere Fortſchritte in der Flachsgewinnung (Riga 
1895); Kubnert, Der Flachs, feine Kultur und Ver: 
arbeitung (Berl. 1897); Etrich, Die Flachsbereitung 
in ihrer Beziebung zur Hahsbaufrage (Oberaltitadt 
bei Trautenau 1898). Weitere Yitteratur |. Spin: 
nerei. Sr I, Sig. 1. 
ir ig j. Flachsſpinnerel nebit 
ladh8wolle, |. Flachsbaumwolle. 
lacius, Matthias, eigentlib Vlacich, Fübrer 
der ftreng luth. Richtung des Reformationszeit— 
alters, geb. 3. März 1520 zu Albona in Illyrien 
daher der Beiname u ricus), ftudierte in 
Benedig Humaniora, begab ſich 1539 nah Baſel, 
1540 nad) Tübingen, 1541 nad Wittenberg, wo er 
fih unter Luthers Einfluß der evang. Lehre zu: 
wandte. Er wurde 1544 Profeſſor der hebr. Sprache 
u Wittenberg. Als Melanchthon in das Leipziger 
Interim es verließ F. 1549 Wittenberg und 
<röffnete von Magdeburg aus einen beftigen Kampf 
gegen Melanchthon und defien Schule. 1558 ward F. 
als Profeſſor an die Univerfität Jena berufen. Sein 
Einfluß auf den Herzog Johann Friedrich brachte 
die Einigungsverfuche der evang. Furſten zu Frant: 
furt (1558) und zu Naumburg (1561) zum Scheitern. 
Gr veranlaßte das fog. Konfutationsbuch (1558): 
«Solida confutatio et condemnatio praecipuarum 
corruptelarum, sectarum etc.», eine Verdammung 
aller Abweihungen von der lutb. Lehre. Dazu lam 
der Innergüitifhe Streit (j. Synergismus) mit 
Victorin Strigel (f. d.). Nah dem Kolloquium zu 
Meimar 1560, wo F. die Uußerung tbat, die Erb: 
ſunde geböre zur Subftan; deö Menſchen, wurde 
er 1561 feines Amtes entfeßt. Er ging nah Regen: 
burg, 1566 nad Antwerpen, 1567 nah Franl⸗ 
furt a. M. darauf nad Straßburg, 1574 wieder 
nad Frankfurt ins Klofter zu den Weißen rauen, 
mo er 11. März 1575 ftarb. F. war Hauptarbeiter 
anden jog. Magdeburger Eenturien (j.d.)undfchrieb: 
«Catalogus testium veritatis» (Ba}. 1556), «Clavis 
scripturae sacare» (1567), ein bibliihes Wörter: 
buch. — Vgl. Tweſten, Matthias 3. Illyricus (Berl. 
1844); Preger, Matthias F. Illyricus und feine 
Zeit (2 Bde,, Erlangen 1859—61). 
Fladerfeuer, ein Feuerwerlsſatz zum Signali: 
fieren für Schiffe. 5. wird weder vom Winde noch 
vurh Regen ausgelöfht. Man verwendet die F. 
daber bei ſchwerem Sturme. Die Fiſcherfahrzeuge, 
melde feine Schiffslaternen (rot und grün) zu führen 
brauchen, machen jich den in der Näbe vorbeijegeln: 
den größern Schiffen dur ein Blüfe genanntes F. 
bemertlib. Die Blüje beitebt aus einem mit Stiel 
verjebenen und in Terpentin oder Teer getauchten 
Ballen, der mit bellblauer Flamme brennt. 
Flackmaſchine, veraltete Bezeihnung für 
Schlagmaſchine (f. Baummollipinnerei),.  [cden. 
lacon (frz., ipr. -köng), Flaſchchen, Riehfläich: 
fadderminen, Fügaſſen, eingegrabene 
Sprengladungen, deren ——— erfolgen ſoll, 
ſobald der Angreifer ſich über ihnen befindet. Ihre 
Ladung, die 25 kg ſelten überfteigt, wird in einem 
verpichten Holztaiten etwa manndtief in die Erde 
gegraben. Tie Entzündung erfolgt entweder auf 


Flachsſtrecmaſchine — Flagellanten 


eleltriſchem Wege oder durch Schnellzundſchnur, oder 
aber Kain Dan legt F. en reiben: oder 
pruppenmweile an. Die moraliihe Wirkung der F. 
iſt im allgemeinen größer als die mater 

ladenheim, Dorf, ſ. Flarchheim. 

Hadenfrieg, eine unblutige Fehde zwiſchen den 
en von Sadjen. Kurfürjt Johann Friedrich 
yatte 1542 in 5* über das er gemeinſam mit 
SEHR Morig die Schusberrfdaft ausübte, eigen: 
mächtig eine Türkenſteuer ausgeichrieben, 


es zur Fehde zu fommen drohte. Fandaraf Bhilivr 
es 


von Heflen vermittelte jedoch die Beil d 
Streites, fo daß die bereits aufgebotene haft 
zu De und zum Genufje der Dfterfladen (Stuben) 
ader, j. Aderholz. [wieder zu Haufe war. 
laderpapier, |. Majerpapier. 
ladungen, Stadt im Bezirtsamt Mellrichſtadt 
des bayr. Reg.:Bez. Unterfranken, am ö des 
Rhöngebirges, unweit der rechts in d 
Saalegebenden Streu, an der Nebenlinie F 
ſtadt (18 km) der Bayr. Staatöbabnen, bat (1900) 
159 E., darunter 35 — — E. 
Poſtexpedition, Telegraph; lath. Fa ‚Holz: 
warenfabrilation und Flachshandel. 
——— (lat. Flagellantes), Geißler, 
Geißelbrüder, aud Flegler, Gengliss s 
teller (d. b. Bußgeller, von gellen, ſchreien) Zoip: 
tenbrüder(vonihren Gejängen,den Leifen),oder 
auh Weiße (nad ihrer Kleidung) genannt, im 
13. bis 15. Jahrh. —— die in alien, 
Deutihland und Frankreich umberzogen, um durch 
öffentliche Geißelungen Vergebung der Sünden zu 
erwerben. Die Nachahmung von Ehrifti Geißelung 
tam als freimilliges Bußwert und als kirhliche 
Strafe in Anlehnung an 1. Kor. 9, 27 jhon früb 
in den Klöftern vor und wurde in Senne ro 
allgemeiner Unglüdsfälle auch in weitern 
angewandt, um den Zorn Gottes zu befän 
Schon Antonius von Padua ( seh, 1231) jo 
Geißlerfabrten veranlaßt baben. äbrend ber 
Kämpfe der Guelfen und Gbibellinen forderte der 
Dominitanermönh Rainer 1260 die t 
von Perugia zur Geißelung auf. An allen Orten 
fammelten ih Männer und rauen jedes Alters 
und Standes, Vriefter mit Kreuzen und Fahnen 
voran; mit entblößtem Oberlörper zogen fie umber 
und peitichten fih unter Bußgefängen bis aufs 
Blut, In großen Scharen jogen fie 1261 jogar 
über die Alpen nad Oſterreich, bis nad) U und 
Polen. Während des fog. Si Todes (f. d.) 
in Europa zeigten fih in Italien, Srankreih und 
Deutihland, aud in Dänemark und England iwie: 
der F. Nach der Geißelung pflegten fie einen Brief 
Chriſti zu verlefen, den ein Engel vom Himmel ber: 
untergebracht und auf den Altar St. Beters zu Je 
rufalem gelegt baben jollte, Deuti an: 
ben ſolche Stogellantenzüge, jelbjt mit in 
Magdeburg, Würzburg, Straßburg, Speyer u.f.w. 
— Sie machten ſich bald durch Zeritörung aller 
ürgerlichen und lirchlichen Ordnung berart verbaßt, 
daß ſchon 1349 Papſt Clemens VI. diefes en 
verbot. Die feindfelige Haltung der Hlirde 
manche diefer Büßergejellihaften zur Verbindung 
mit den häretiſchen Begharden (f. — und 
ur Oppoſition gegen die Kirche, ſo — die 
nquiſition gegen fie einfchritt, fo beſo An: 
fang des 15. Jahrh. in Thüringen ( b 
Erfurt). Seit ungefähr 1450 verihminben fie Ende 
des 14. Jahrh. bildeten fich in Franlteich Jralien 


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FLAGGEN DER SEESTAATEN. 





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Tlagellaten 


und Spanien den F. ähnliche Büßergeſellſchaften (in 
Itglien von ihrer weißen Kleidung Bianchi oder 
Albati,d.b. Weiße genannt). Namentlich das Auf: 
treten des Bußpredigers Vincentius Ferrerius (ſ. d.) 
cheint dieſer Bewegung Vorſchub geleiſtet zu haben. 
Die legten Spuren in Deutſchland finden ſich in Thü- 
ringen im 15. Jahrh. — Bol. Föritemann, Die riftl. 
ee aften (Halle 1828); Schneegang, Die 
Geißler, namentlich die große GeikelfabrtnahStraß- 
burg 1349 (au8 dem yranzöfiichen von eo 
Lpz. 1840); W. M. Cooper (Pſeudonym für J. ©. 
Bertram), Flagellation and the Flagellants (Lond. 
1870 u. ö.; deutich, 2. Aufl, Dresd. 1908). 
——— ſ. Geißeltierchen. 
lageolett (fr;., ſpr. flaſcholett; ital. flautino, 
auto piccolo), eine bis in die neueſte Zeit ge 
bräuchliche Schnabelflöte (ſ. d.) Heinfter Gattung, 
mit ſechs Tonlödhern und einem Umfange von un: 
efähr zwei Dftaven. Man bat F. von fünf ver: 
(Sieben Größen, aus c,d, es, f und a, um aus 
allen Tönen mit gleicher Seichtigteit blajen zu föns 
nen. Die Hleinfte Art bilden die Vogelpfeifchen. 
dire Intonation ift jehr leicht. Bainbridge ver: 
ejlerte das F. 1802. — Im Spiel der Streid: 
initrumente beißen vie hellen Töne Flageolett— 
töne (franz. sons harmoniques; ital. suoni armo- 
nichi, flautini), die man dadurch erzeugt, daß der 
Finger die Saite, bevor fie angeſtrichen wird, bei 
einem Schwingungsfnoten nicht feit niederdrüdt, 
fondern nur loje berührt. Dadurch entiteben un: 
ewöhnlihe Schwingungen der Saiten, die viel 
Pabere und ganz anders klingende Töne hervor: 
bringen, als ihnen fonjt eigen find. So giebt 3.2. 
die Violine, mo auf der g-Saite das eingejtrichene c 
gearifien wird, das zweigejtrichene g an, auf ber 
telle hingegen, wo auf der d: Saite das eingeſtri⸗ 
chene a liegt, das zweigejtrichene a. — In der 
iſt 5. ein Slötenegifter. 

Finggen, die gewöhnlich vieredigen Fahnen von 
leihtem wollenen Zeuge, dem Flaggentuch, die 
die Schiffe zur Kennzeichnung ihrer Nationalität 
führen müffen. (Hierzu eine Tafel: Flag gen der 
Seejtaaten.) Das Flaggentuch ijt im Gegenſatz 
u dem Tuche der Fahne (ſ. d.) nicht mit dem Flagg⸗ 
Iode vet ‚verbunden, jondern wird mitteld einer 
Slaggleine geht (in die Höhe gezogen) und 
niedergebolt. Die Nationalflagge iſt meiſtens 
um ein Dritteil länger als breit, verſchieden gefärbt, 
mit Wappen oter Sinnbilvern verſehen und weht 
am Hed des Schiffs an einem Flaggitode oder an der 
Gaffel des Beſaus. Das Führen einer andern Flagge 
als der zuftändigen ſteht mit der Fälſchung von 
Bapieren auf gleicher Stufe. Wird ein Handelsſchiff 
mit jaljcher Flagge betroffen, fo verfällt fein Führer 
in ſchwere Strafe (f. unten). Es giebt Kriegs: und 
Handelsflaggen, die jedoch bei vielen Nationen, 
wie z. B. in ‚Belgien, Frankreich, ven Niederlanden, 
Vortugal, Brafilien und Chile, einander gleich find. 

Wenn Schiffe fih in See begeanen, jo zeigen fie 
gewöhnlich ihre Flagge; dies gilt als internationale 
Höflichkeit. Das Streihen oder Nieverholen der 
Flagge ift die größte Ehrenbezeigung, die ein Sci 
demandernerweijen kann. Wenn ein Kauffabrteifchi 
ein Kriegsſchiff durch dreimaliges Auf: und Nieder: 
bolen der Flagge begrüßt, jo erwidert dies den Gruß 
dur einmaliges Dippen, d. b. kurzes Niederbolen. 
Diefer Gruß wird unter Kriegsfci en in der Negel 
nicht gewechſelt. Das Streichen der Flagge eines 
ſtriegsſchiffs im Kampfe bedeutet Seine Übergabe an 


rgel 


— Flaggen 759 


den Feind. Kommen Kriegsſchiffe in einen fremden 
falutberedhtigten Hafen, fo jalutieren fie die fremde 
Kriegsflagge mit 21 Kanonenſchüſſen und heißen 
wäbrend des Saluts (ſ. d.) viele logge im Groktopp. 
ad Art. 55 der deutſchen Reichöverfaflung führt 
die Kriegs: und Handeläflagge die Farben ſchwarz⸗ 
weiß⸗rot von oben nad unten (f. Deutichland und 
Deutihes Reich, — Flaggen nebſt Tafel). 
Nähere Vorſchriften über eritere ergingen durch Ver: 
ordnung vom 4. Juli 1867, über leßtere durch die 
Gefehe vom 25. Oft. 1867 und 28. Juni 1873 und 
über beide in wejentliher Abänderung vom 8. Nov. 
1892. Die Handeldflagge (Nationalflagge, 
Neihsflagge) ift ein längliches Rechted, be 
tehend aus drei gleichen breiten horizontalen Strei⸗ 
en in den deutſchen Farben, die Höhe beträgt zwei 
Drittel der Länge; die Flagge iſt a am 
Hed oder bintern Mait; Ebene bzeichen oder 
Wimpel wie bei der Kriegämarine find verboten. 
Die Flagge ift das Zeichen, = das Schiff unter 
beuticher Staatögemwalt und deutihem Schuße fteht. 
Die Beitimmungen über die Führung der Han 
delsflagge find zufammengefaßt in dem feit 
1. Yan. 1900 in Kraft befindlichen Gefek, betr. das 
Flaggenrecht der — iffe, vom 22. Juni 
1899, abgeändert durch Geſeß vom 29. Mai 1901. 
Die Hauptbeftimmungen des Geſetzes find die fol: 
enden: Die zum Erwerbe durd die Seefahrt be 
— Schiffe or bi mit Einfluß 
der Lotjen:, Hochſeefiſcherei⸗ ergungd: und 
Sölepplahrzeuge haben als Nationalflagge aus: 
chließlich die —* agge zu führen, Einzelſtaat⸗ 
iche 5. dürfen auf See hit geführt werden. Be: 
rechtigt zur Führung der Reichsflagge find bie 
Kauffahrteiſchiffe jedod nur dann, wenn fie im aus: 
ſchließlichen Eigentum von Reihsangebörigen oder 
von juriftifchen Perſonen fteben, welche ihren Sik 
im Inland baben; me jeegebende Luſtjachten, 
Schulihiffe und ſolche See eg welche für 
Rechnung von auswärtigen Staaten oder deren An: 
—— im Inland erbaut ſind. Durch laiſerl. 
Verordnung mit —A des Bundesrates lann 
das Recht, die Reihöflagge zu führen, aud auf 
andere nicht zum Erwerb durch Seefahrt beftimmte 
abrzeuge, 3. B. zu — Reiſen be⸗ 
timmte äihe, ferner auf Binnenihiffe, die aus: 
hlieplih auf ausländiihen Gemäjlern verfehren, 
ausgedehnt werden. So ift dieſes Recht durch katferl. 
Verordnung vom 1. März 1900 erjtredt worden auf 
Binnenfhifte, die ausfchlieflih auf der untern 
Donau oder in Ditafien auf gewiſſen chineſ. Flüffen 
verlehren. Die Reichsflagge darf ein uf erft 
führen, wenn es ins Schiffsregiſter (f. d.) ein 
ey und über die Eintragung eine mit dem 
Frıba t der Eintragung übereinjtimmende Urkunde, 
das Sciffscertifilat (f. Eertifitat) ausgeftellt ift. An 
die Stelle des Schiffscertififats tritt unter Umftän- 
den das — (ſ. d.). Schiffe von nicht 
mebr als 50 cbm Bruttoraumgehalt ſind auch ohne 
Eintragung in dad Schiffsregiſter und Erteil 
des Shit scertifilats befugt, die Reichsflagge zu 
führen. hrt ein Schiff die Reichsflagge, ohne 
—5— berechtigt zu fein, jo wird der Schiffer mit 
elditrafe bis zu 1500 M. oder mit Gefängnis bis 
zu 6 Monaten beftraft. Auch lann auf Singiehung 
des Schiffes erlannt werben, ohne Unterſchied, o 
es dem Berurteilten gehört oder nicht. 
Die befondern Unterſcheidungsflaggen der Reeder 
und Reedereien, die jog. Hausflaggen (f. die 


ung 


760 


beigefügte Tafel: Internationale Signals 
und Needereiflaggen, nebit Tertbeilage), bes 
fteben aus willfürlich gewählten Sinnbilvern, farbi« 
gen Feldern und Buchſtaben. Sie werden gemöhn- 
ih im Großtopp der Handelsſchiffe gebeißt, wenn 
nur zwei Maſten vorbanden find, im Vortopp. 

Die deutiche Krienaflange (j. Deutichland und 
Deutſches Reich, Abichnitt Flaggen nebſt Tafel, Fig.1) 
ift vorbehaltlich der unterm 2. März 1886 erlafjenen 
Vorſchriften für Privatfahrzeuge der deutſchen Für: 
ften, von der faiferl. Marine und von den unmittel: 
baren Reichsbehörden und Anftalten des deutichen 
Heers zu führen, Zum Gebrauche jolder Reichs— 
bebörben, die nicht die Deine Kriegsflagge führen, 
dient die Reihspienjtflagge (ya. 3, 5, 7, 9) 
mit einem in der Mitte des weißen Feldes ange: 
brachten, die dienstliche Beſtimmung und ben er: 
waltungszweig kenntlich machenden Abzeichen. Die 
Seeuferjtaaten führen teilmeife ihre frühere Flagge 
verleinert in der innern Ede des fchwarzen Streit: 
ir der Neichäpdienftflagge, fo Ach die Blagge ber 

amburgiſchen Staats: und Zollfabrzeuge. Außer: 
dem haben ſolche deutſche Schiffe, die ohne im Eigen: 
tum des Reichs zu fteben, im Auftrage der Reichs: 
poftverwaltung die Poſt befördern, jolange fie die 
—* an Bord haben , neben der Nationalflagge die 
Neichspoftflagge im Großtopp zu heißen. Für bie: 
felbe Zeit find diefe Schiffe berechtigt, die Göfch der 
Poſtdampfer (Fig. 6) auf dem Bugſpriet zu führen. 

Jedes Kriegsiciff jeht vor Anter an Sonn: und 
Fetertagen die Gö fc (f. d.) an einem Flagajtod am 
Bunfpriet. Die Standarten, Kommando: und Un: 
terſcheidungszeichen (ſ. Deutfhland und Deutſches 
Reich, Abſchnitt Flaggen) werden bei Tag und bei 
Nacht geſeßt. Jedes in Dienſt befindliche Kriegs: 
ſchiff und defien Boote ſowie die Küftenbefeitigungen, 
wenn fie bemannt find, führen die Kriegsflagge 
wäbrend des Tags. (©. Flaggenparade.) Gejandt- 
ſchaften und Kontulate bes Reichs führen die Reichs: 
dienftflagge für das Auswärtige Amt und bie 
Schußgebiete, ebenfo die Kolonialbehörden auf ihren 
Häufern. Die Lotjen: und Arbeitsfabrzeuge der Ma: 
rine führen die Reichsdienſtflagge der Marinebebör: 
den und «Schiffe, die nicht die Kriegäfiagge fübren, 
die Zollfabrzeuge und Fahrzeuge der übrigen Reiche: 
bebörden führen die Neichäbienjtflagge für die übri: 
gen Berwaltungszweige. Die Göſch hat überall, 
wo eine Reihsdienftflagge geführt wird, die gleiche 
Form wie dieſe lange. Am Großtopp wird die 

eichsdienſtflagge für das Auswärtige Amt u. ſ. w. 
als beſonderes Ehrenzeichen geſeht, wenn ſich die 
Erſten Bürgermeiſter der Hanſeſtädie, deutſche Ge: 
—— oder außerordentliche Bevollmächtigte an 

ord befinden. Die Gouverneure von Oſtafrika 
und Kiautſchou führen als Unterſcheidungszeichen 
auf Schiffen die deutſche Nationalflagge mit dem 
Reichsadler in der Mitte des weißen Feldes und 
zwar im Großtopp. 

Durch Signalflaggen verſtändigen ſich die 
Schiffe untereinander oder mit einer Signalſtation. 
Die Verſtändigung geſchieht mittels der auf der 
beigefügten Tafel: ade onale Signal: 
und en aggen abgebildeten 26 F. 
die mit den Buchitaben des Alphabets bezeichnet 
find. Durch Zuſammenſetzung von 2, 3 oder 4 9. 
zu einem Signal lafjen Ba 375076 verjchiedene 
Signale geben (davon 650 zweiſtellig, 15600 drei: 
ftellig, die übrigen vierftellig), deren Bedeutung aus 
dem auf jedem Schiffe vorbandenen internationalen 


Flaggen 


Signalhuch (ſ. d.) 7 eriehen ijt. Die Ausführung 
eines Flaggenfignals geſchieht derart, daß die 3 in 
der gewünſchten Reihenfolge untereinander befeitigt 
und mittels der Flaggleine an einem Maſt aufgebeipt 
merden, fo daß der Signalempfänger das Signal 
—* fann. Die ‚gan e binter den Buchſtaben— 

aggen, der rotsweihe Signalbuch- und Antwort: 
wimpel, unter der Nationalflange geſetzt, bedeutet, 
daf man mit dem fremden Schiff zu ſprechen wunſcht, 
allein gejest, daß man das Signal veritanden bat. 
Da man aud budjftabieren kann, wobei allerdings 
Knechngeine uchftabenbedeutung durch drei Signal: 
flaggenbuchſtaben gegeben werden muß, fo ift auch 
in nicht als Stihwort im Signalbuc enthaltene 

itteilung möglich. Ebenfo fönnen die Breiten: und 
Längengrade des Beſteds (f. d.) oder die Chrono: 
meterzeit übermittelt werden, 

Ber größern Entfernungen, wo bie Farbe der 
Signalzeihen nit mehr erkennbar ift, bedient 
man jich der jyernfignale, wobei nur die Form 
der Zeichen in Betracht kommt. Dazu werden e, 
Kegel und Eylinder genommen. Da jedoch dur 
dieje drei Formen die Zabl der Kombinationen ſehr 
beihränft wird, jo ift auch die Mitteilungsfäbig: 
leit jehr viel geringer alg bei den farbigen Bei en. 
Die Benupung der — als Fern⸗ Sema: 
pbor:, Wink, Licht: und Tonſignale iſt freigeftellt. 

um Berlehr zwiſchen Schlepper und gefchlepptem 

chiff find Anflaggige Signale eingeführt. Die inter: 
nationalen Signalflaggen werben von allen Schiffen 

eführt, Kriegsſchiffe ſind außerdem nod mit be 
fondern u aggen für den Gebrauch ihres eige⸗ 
nen Signalbuchs ausgerüftet. (S. auch Signal.) 

Die Rotflagge wird geheiht, um andere Schiffe 
zu Hilfe zu rufen. Als internationale Notflagge gilt 
bie Yandesflagge, ihrer Länge nad zufammengebun- 
ben; man nennt dies «die Flagge weht im Schau». 
Die Quarantäneflagge it bei allen Nationen 
gelb; fie muß von jedem Schiffe gebeißt werben, 
das eine anjtedende Krankheit an Bord hat oder 
aus einem verjeuchten Hafen fommt und desbalb 
unter Quarantäne gelegt wird. Will ein Schiff 
einen Lotſen haben, fo wird die Lotſenflagge 
Deornung der deutſchen |. Tafel: Flaggen des 

eutſchen Reichs, Fig. 8) gebeißt. Nach der 

arifer Dellaration von 1856 dedt bie neutrale 
lagge feindliches Guf, mit Ausnahme der Kriens: 
onterbande, d. h. in Kriegszeiten ift feindliche 
Ware vor Wegnahme ſicher, wenn ſie ſich unter 
Klier oder neutraler lange befindet. Die 
ulverflagge (im Inlande ſchwarz, im Aus- 
lande rot) wırd auf Schiffen oder Prahmen (1. d.) 
gejegt, die Pulver geladen haben. (S. auch Fabne.) 

Über Kommandojlaggen j.d.; über Lanzen— 
flaggen |. Lanze. 

Im deutihen Heere werden 5. (Nabmen: 
flaggen) von 1 qm Größe und verichiedener 
‚Farbe (rot für Jufanterie, weiß für Kavallerie, gelb 
ür Artillerie) zum Martieren von Truppen (f. Mar: 
fierter Feind) benugt und von der Kavallerie an 
der Lanze, ſonſt an einer 0,75 m langen langen: 
er e getragen; in neuejter Zeit dienen $. (Win: 

erflaggen) zum Übermitteln von Nachrichten und 
Befehlen (vol. Vorſchriften für den Gebrauch der 
MWinterflaggen vom 27. Jan. 1903). — Bol. Neinede, 
Deutſches Flaggenbuch, Fla genrecht und Flaggen: 
ceremoniell (Hann. 1900); rtifel Flaggenrecht im 
«Handmwörterbud der Staatswillenfha en», Bd. 3 
(2. Aufl, Jena 1900). 












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INTERNATIONALE SIGNAL - UND REEDEREIFLAGGEN. 











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Flaggen 


Internationale Reedereien, 


deren Hausflaggen auf nebenſtehender Tafel abgebildet ſind. 
Megiſtertonnengehalt 1907.) 


1) Hauburg-Umerite-Sinie, unter der firma: Hamburg» 
Ameritaniihe Laletfahrt» Altien=Gejelichait im 3. 1847 ın 
Hamburg gegründet, unterhält 23 Linien mit 167 See— 
dampfern von zuſammen 378979 Negiftertons, einſchließlich 
der am 1. Jan. 1908 im Ban befindlichen Schiffe, im Dienite des 
Weltverkehrs, insbeſondere nad Rordamerita und Wrftindien, 
ferner nah Süd⸗ und Dftafien, ber Weftküfte von Süd- und 
Nordamerita und Afrita. Werichiedene regelmäßige Fahrten 
betreibt fie gemeinfam mit andern Meedbereien. Die Gejell» 
u belisgt außerdem an Dampfern für den Seebäderdienft, 
Flußdampfern, Schleppern,Leichtern,Setreibehebern, Schwimm⸗ 
fränen, Kohlenhebern u. ſ. w. 215 Fahrzeuge don insgeſamt 
47065 Negiſtertons. Die Reederei unternimmt auch Ver— 
ganũgungs· und Erholungsreiſen nach Rorwegen, dem Mittel⸗ 
meer, ben norbeurop. Hauptſtädten, Weſtindien u. ſ. w. 

2) Norddeutſcher Lloyd, 1857 in Bremen gegründet, ver⸗ 
fügt über eine tte von 145 Dampfern von zuſammen 
732922 Negiftertons, bie vorwiegend im Poft-, Paſſagier⸗ 
und fracdhtverfehr nad Norbamerifa, Eüdamerila, Ditafien 
und Auftralien verwendet werden. Von den Eiffen dienen 
52 mit 75676 Negiftertons dem Verkehr in der ind.« dinej. 
Küftenfahrt. Die Geſellſchaft eye außerdem 61 Flußdampfer 
und Barkaſſen ſowie etwa 226 Leichterfahrzeuge, Getreides 
heber u. 5. w. Zur Ausbildung des ſeenanniſchen Nach- 
wuchſes, beſonders der 56 ziere, unterhält der Lloyd 
wei Schulſchiffe (Segelſchiffe), die in Frachtfahrt beſchäftigt 
ind. Der Geſamttonnengehalt der Reederei beträgt 804060 
Regiftertons, 

3) British India Steam Navigation Company, Limited, 
1856 in London gegründet, vermittelt mit insgeſamt 114 
Schiffen von 296 341 Megiftertons den Berkehr mit Oftindien, 
Auftralien und Ditafrita. 

4) Peninsular and Oriental Steam Navizatlon Company 
(P. & O. Line), 1840 in London gegründet, bat 90 Dampfer 
mit 417263 Negiftertons, mit benen fie regelmäßige Verbin— 
dungen zwiichen England und den Mittelmeerbäfen, Kanpten, 
Ditindien, Straits Gettlements, China, Japan und Yuftras 
fien unterhält. 

5) Leyland Line (Frederick Leyiand & Co., Limited), 
feit 1900 Aftiengefellihaft, jezt zum ——— gehörig 
nimmt mit 37 Dampfern von eiwa 133000 Negiſtertons Anteil 
am —— Berkehre von London und Liverpool nach 
Voſton, Neupork, Reuorleans, Weitindien, Mexiko und Gen» 
tralamerifa. Die Linien Liverpool» Liffjabon und ⸗Oporto, 
LiverpoolsMittelmeer und Antwerpen-Bortland (Maine) der 
frühern Loyland Line gehören ber Ellerman Line in Liver: 
pool und werden von diejer betrieben, 

6) Union-Castle Line (The Union-Castle Mail Steam- 
ship Company, Limited), in London bejorgt mit 51 Schiffen 
von insgeſamt 164811 Regiftertons den Hauptverlehr zwiſchen 
England und Hamburg und Südafrika einfhliehlih Mada- 

astar und Mauritius. Die Verwaltung liegt in den Händen 
t fjirma Donald Ourrie & Co. in London. 

7) White Star Line, 1869 in Liverpool gegründet, jeht 
dem Morgan-Truft angefäloflen, befährt mit 31 Schiffen von 
—— 226651 mens bie Streden: Liverpool-Neus 

ort, Liverpool-Sübafrifa und ·Auſtralien, London-Reujers 
and, San Francisco Oſtaſien. 

8) Comparnie des Messagories Maritimes, Eentralvers 
maltung in Baris, beteiligt fich mit 66 Geedampfidjiffen von 
insgefamt 295593 Negiftertons am Weltverkebre, fveciell auf 
dem Mittellandiſchen Meere, nach Süd» und Ditafien, Auftra⸗ 
lien —* Reucaledonien, Oſtafrila mit Madagastar und Süde 
amerifa. 

9) Nippon Yusen Kaisha (Japan Mail Steamship Co., 
Ld.) in ofio, ift 1885 aus ber Bereinigung zweier ältern 
japan. Reedereien hervorgegangen und unterhält mit 95 Schiffen 
von insgejamt 340000 Regiitertond zahlreiche oftafiat. Dampfer- 
Iinien, unter anderm aud einen Poitdampfervertehr mit 
14tägigen Erpeditionen zwiſchen Mibdlesbrougb, Antwerpen, 
London und Singapur, Hongsfong, Kobe und Jotohama. 

10) Narigazione Generale Itallans (Societä riunite 
Florio & Rubattino), ®eneraldireftion in Nom, befigt 102 
Schiffe mit insgefamt 153886 Wegiftertond und unterhäft 
regelmäßige Verbindungen mit zahlreichen Mittelmeer» und 
—— Südamerifa, Neuijort, Maſſaua, Bombay und 

ongsfong. 

11) Ruffifhe Dampfichiffahrts- und Handelögefellichaft 
«Compagnie Russe de Navigation à Vapeur et de Com- 
merce), 1857 in Odeſſa gegründet, vermittelt mit 67 Schiffen 


Brodbaus’ ſtonverſations⸗Lexilkon. 


14. Huf. R. A. VI. 


von inögefamt etwa 80000 Regiftertons ben Verlehr zwiſchen 
den Haupthäfen des Echwarzen Meer, ſowie von Odeſſa 
nad Smprna, dem Beiraieus, Syrien, ignpten, Jtalien, 
Marieillg, Betersburg und nad Ditafien bis Wladiwoſtot. 

12) Ofterreichifher Llond, unter ber firma: Dampf- 

ſchiffa hrte geſellſchaft des Ofterreichifchen Llohd in Trieſt 1336 
egründet, nimmt mit 66 Dampiern von insgejamt 121028 
egiftertond Tebhaften Anteil am Verlehre auf bem Mittels 

ländiihen Meere, ferner nad Güd- und Dftafien. 

13) Compagnie Genörale Transatlantique in Paris, 1861 
aus ber 1855 gegründeten Compagnie tiänerale Maritime 
bervorgegangen, verfügt über 62 Dampier von etwa 120000 
Negiftertons und unterhält regelmäßige Berbindungen im 
Mittelländifhen Meere, jowie von Havre nah Neuyork. von 
St, Razaire, Borbeaug und Marjeille nad) Weitindien, Merito 


und elamerifa. 

14) Deutſche Dampffhiffahrts- Geſellſchaft « Hania » 
in Bremen, 1881 gegründet, betreibt mit 51 Dampfern von 
insgefamt 238727 Megiftertons eine regelmäßige Frachtfahrt 
„es rtugal, Oſtindien, den La-Plata-Staaten und zwi⸗ 
fen Neugort und Sübdafrifa und oder Ditindien. Die 

adungen ber Seedampfer werben im Schlepyverkehr durch 
3 Dampfer und 16 Leichter mit einer Beiamttonnage bon 
— — von Bremen nach Hamburg und vies versa 


15) Det forenede Dampflibs ⸗·Selſtab in Kebenhagen. 
1866 gegründet, unterhält mit 133 Schiffen von etwa 140000 
Regiftertons Linien von Slandinavien bez. Kopenhagen nad 
Neuyort, Philadelphia, Bofton, Neuorleans, dem YarPlatas 
Strom und ber Levante. re Hauptthätigfeit beftcht aber 
in bem Berlebr auf der Dit: und Nordſee. 

16) Hamburg + Sübamerifanifhe Dampfihiffahrts- 
Geſeliſchaft in Hamburg, 1871 gegründet, betreibt mit 96 
Seedampfern von zufammen 172620 Regiſtertons eine regel» 
mäßige Poſt⸗ Paflagier- und Frachtfahrt nach Brafilitu, Arr 

nien u. f. iw., teilweije in Berbindung mit der Hamburg» 
merifas2inie, er unterhält bie Geſellſchaft eine Linie 
an ber zu onifchen Stüfte. 

17) The —8 Steamship Co., Limited (Cunard Line) 
in Liverpool, gegründet 1840, unterhält mit 23 Dampfern von 
insgejamt 245755 Regiftertons zegelmäßige Verbindungen mit 
Neuport, Bolton, Bortugal, den Mittelmeer» und Levantes 
bäfen. Die Geſellſchaft befist bie zurzeit ſchnellſten Pafla- 
gierdampfer, die Zurbinenfhiffe Lufitania und Mauretania 
von je 32000 Negiftertons, 

18) Chargenrs Reunis (Compagnie Frangaise de Navi- 
gation & Vapeur), Hauptverwaltung in Baris, gegründet 
1873, unterbält mit 36 Schiffen von etwa 100000 Regiiter- 
tons regelmähige Be von Düntirhen, Havre, Worbeaur 
und Marjeille na interindien bis Saigon und Hat-pbong, 
nach Weitafrita bis Matadi, nah Kapftadt, Lorenzo Marquez, 
Beira und MWadagaslar, nad) Brajilien, Montevideo und 
Buenos Aires. 

19) Red Star Line in Antwerpen, gegründet 1872, genen- 
mwärtig dem Morgan⸗Truſt angegliedert, betreibt mit 2 Schiffen 
von etwa 12965 Regiſtertons als Mitalicd des Morgans 
—— Linien Antwerpen-⸗Reuyork und Antwerpen⸗Phila— 
delphia. 

20) Deutſche — «Kosmos» 
in mi gegründet 1872, unterhält mit ihren eigenen 
35 Dampfern von 167327 Megiitertons in Verbindung ntit 
der Hamburg-Amerifa-Linie ben Verkehr von Hamburg und 
oder Antwerpen, London über Genua und oder Cadiz durch 
die Magalbäesitraße nah der Weſtküſte von Amerika bis 
Fortlan (Deegon) und Seattle (Pugetiund). 

21) Königlih Ungariſche Gecihiffahrts - Altiengeiell- 
ſchaft « Adria» in Budapeſt, Betriebsdireftion in sinne, 
gegründet 1882, beichäftigt ihre 33 Dampfer mit insgejamt etwa 
43000 t Tragfähigkeit im Bexlehre zwiſchen Fiume und Trieft 
einerjeits und Italien, Malta, freih, Spanien, Bortus 
gal, Belgien, Holland, England, Hamburg, Brafilien und 
ben La-Plata-Staaten andererieits. 

22) Deutfc; + Auſtraliſche Dampfſchiffs ⸗Geſellſchaft in 
Qembarn, negründet 1888, betreibt mit 32 Dampfern von 

41022 Hegijtertons die Fahrt über Stapftadbt und oder Moflel- 
bai und Algoabai nad) Nuftralien. Zwei ber Linien laufen heim; 
fchrend Niederländiſch-Oſtindien (Java u. ſ. w.) und Mar— 
jeille und Amfterdam an. 

23) The British and African Steam Navization Com- 
pany, Limited, 1900 als Uftiengeiellichaft gegründet, bejist 


Flaggen 


87 Dampfer rg —— 91117 rg Die African 
Steamshi im J. 1852 durch Lönigl. Dekret ins Leben 
eruien, ar 25 Dampfer mit 71074 — Beide 
inien unterftehen ber LZiverpooler firma Elder, Dempster 
& Co., bie mit ihnen ſowie mit ihren — 14 Dampfern 


von aufammen 36861 Regiftertond, bie legtern unter bem 
Namen Elder Dempster Shipping "Limi bie u wis 
ſchen Liverpool, Hamburg, Rotterdam und den weſta fen 


betreibt, 

24) Hulland-Amerita-Linie (Noderlandsch-Amerikaan- 
sche Stoomvaart-Maatschappij, Niederländiſch-Amerila - 
niihe Da fieiflahrtö.@efenigaft) in Rotterdam, ge —— 
1872, verkehtt mit 17 Schiffen von etwa 75000 Regiſte 
zwiſchen Rotterdam und Amſterdam bez. Berlsereiueiier 
einerjeits und Neuhork und Newport News andererjeits. 

25) American Line in Neugorf, gegründet 1850, reorgantis 

ert 1893, jet zum Mor netcuf gehörig, hrt mit 15 

chiffen von etwa 82190 saftrtond Er den Southampton 
und Neuporf, —— und Philadelphia. Die Linie ſetzt 
ſich aufammen aus International Mercantile ne 
Co. in Neuyorf und ber International Navigation Co., Ld., 
in London. 

26) Orient Steam Narigation Co., Ld —— in London 
gegründet, befigt 5 Dampfer von 19769 R egiftertons, bie 
regelmäßige Verbindungen von London und Eiymonth über 
Gibraltar, Marieille, Neapel, Bort- Said und Eeylon nad 
Auftralien unterhalten. 

27) Compaäia Transatläntica in Barcelona, gegründet 
1881, unterhält mit 23 Schiffen von indgeiamt 53350 Re- 
giftertons regelmäßige Fahrten über Colombo und Sin = 

ur nach Manila, ferner nach Maroffo und Weitairita 
rnando Bo, nad Weftindien und Centralamerita und kur 
üdamerifa. 

28) The New Zealand Shipping Company, Limited, 
Meuſeeland · Schiffahrts geſellſchaft) in London beichäftigt ibre 
16 Dampfer von 66 935 Regiſtertons mit regelmäßigen Fahrten 
ab London und Pinmouth über Fkapftadt und d Hobart nach 
— und im ausgedehnten Lotalverkehre in den auſtral. 

ewaſſern. 

29) Worrmann-Linie, Kommandit-Gefellfchaft, in Ham» 
burg, ſeit 1854 dem Verkehr mit ber Weftküfte von Afrika 
dienend, befist 41 Seedampfer mit 96381 Regiftertond. Im 
I. 1907 verlaufte bie Meederei 8 Dampfer von zujammen 
30780 Regiltertons an bie Hamburg-Amerifaslinie, die dann 
em Verkehr auf Afrika ausdehnte, 

Deutfche Sevante-Linie in Hamburg, gegründet 1889, 
— ält mit 23 Dampfern von 66233 Re piftertong fowie 
mit nad Bedarf, gedarterten Dampfern eine egelmäßige 
Fradtfahrt vom Heimatshafen über Rotterdam, Antwerpen 
und Neweaftle nad Migier, Malta, Agypten, ri enland, 
re Kleinafien, der Zürtei und ben Häfen bes Schwarzen 


nn Deutſche Oft · Afrita· Linle in Samburg, 0 gegründet 
1890, bem Specialvertchre mit Deutih-Ditafrika Dienend, läßt 
ihre 21 Schiffe don zujammen etiva 75283 Regiitertong und 
mebrere Dampfer der —— Amerika⸗Linie ab Ham⸗ 
burg, Bremerhaven, Amſterdam, Rotterdam und een 
Liſſabon anlaufend, teils über Nrapel-Bort-Said ed it» 
airila jübmwärts bis Durban, teils über Las Palmassftapftadt 
bis zur Delagoabai fahren. Die Schiffe der leßtern Route 
teren über Deutih-Dftafrifa durh den Euesfanal nad 
Hamburg zurüd, während eine Anzahl der auf diefem Wege 
ausreifenden Dampfer über Kapftadt-Las Palmas heimfahren, 
Außerdem pflegt die Deutiche Ditafrika-Linte noch den Verkehr 
jwiihen Bombay und Sauſibar. 

32) Stoomraart Mautschappij «BRotterdamsche Lloyd» 
und Stoomboot Maatschappij Triton (W. Ruijs & Zonen) in 
Notterbam, 1883 gegründet, beſihen 23 Schiffe von inagelamt 
49182 Negiftertons und unterhalten die Linie: Rotterdam 
via Soutbampton« Marjeille » Bort-Said-Eues nach Padang 
und Vatavia. 

33) Stoomvaart ——— « Nederland », gegrũndet 
im J. 1870 in Amſterdam, beiigt 9 Dampfer bon 108398 
Negiltertons und unterhält mit —2* einen 1atãgigen Paſſa⸗ 
giet · und Frachtverlehr zwiſchen Holland und Java. 

34) The Pacific Mail Steamship Co. in Reudort und 
San Francisco, gegründet 1848, beteiligt fih mit 19 Schiffen 
von 55 189 Regiftertond am trandpartfiihen Verkehre ab San 
Francisco über Honolulu nad; Japan, China und den Philip- 
pinen, ſowie zwiſchen San Francisco, Merito, Eentralamerifa 

und Panama, unb bon dort nad Neuhork. Sie bat ſich 
vereinigt mit ber Oceidental and Oriental Steamship Co. 
in Ean fjrancisco und der Toyo Kisen Kabushiki Kaisha 
in Xotio, Lehtztere iſt 1898 gegründet und verfügt über 
4 Ediiffe mit 13603 Negiftertons. 

35) La Veloce (Navigazione Italiana a Vapore), mit 
dem Eite in Genua, unterhält mit 11 Dampfern von ins 

efamt 59 960 Regiftertons regelmäßige Verbindungen mit 
Reuyent, Gentralamerifa, Brajilien und den La⸗Plata⸗ re 


— — — — — — — — — — — — — ——— —— — — —— — — — 


36) Fraissinet & Cie. (Compagnie Marseillaise de Nari- 

—— & Vapeur) in Darjeile nimmt mit 22 Schiffen von 

et 19632 Regiftertong Anteil am Verkehre im Mittel 

Habe en und en — ſowie nad Weftafrifa bis 
eb 0 


e und 2oa 
37) Empreza Nacional de Nar in Liſſabon bedient 
eg —— die weftafrit. 


mit 18 Ecdiffen von etwa 30000 


dien = —— —* — — übmwärts. 
38) Can aPp nt — der 
Canadian Pacife ee Co. ee beteiligt fi ar 


42 Dampfern von 116733 "Regiftertond an ber 

Bancouver und Victoria nad Jokohama, Kobe, Ragaiati. 

Saangrbai und . 
39) Comp ritime da Congo in Antwerpen, 


1895 gegründet, bient a 3 * von —— 14.075 
—— dem Verkehr zwiſchen Belgien und dem Stongo- 
ftaate, Die Reederei wird von ber Firma Elder, Dempster 
& er in ee vermalter. 
40) Ko Westindische Maildienst in Amiterdbam, 
1882 gegründet, treibt mit 8 Dampfern von 9244 Regifter- 
— —— Fahrten nach Weſtindien und — 
41) Vccidental and Oriental Steamship Co. in San 
Francisco, 1875 gegründet, arbeitet mit 3 Dampfern von 
13236 Regiftertons auf dem Stillen Ocean von San ran 
cisco über Honolulu nad Japan und „oem. „se eie bag 1: 
meinfamen Betrieb mit ber — 
und der Toyo Kisen Kaisha. Blonde — 107.5 
als jeibfändine Reederei nicht = aufgeführt 

42) Northern Pacifie Steamship Co., in fr · kong. 
1891 gegründet, unterhält 3 Dampfer mit 9151 —E 
auf ber Linie Tacoma⸗Hong⸗ kong · Jokohama · ſtobe · Schang· 
* ae Megifter 19078 als jelbftändige Reederei nicht 
nicht aufg 

43) Ro ert 9. Sloman jr., gegründet 1793 in Ham- 

WR befördert mit 21 Dampfern von 40272 Regiitertons 
3 tagiere und Fracht von und nad Marjeille, Barcelona, 

— a ſowie den Sin Italiens. 

Didenbur 0 ——6 Dampfihiffs- Reederei, 
* dem Sig in Oldenburg, befördert mit 20 ‚en von 
zuiammen 26302 Regiftertons Güter —— —** —— 
und Oporto, —— —— anger, Lara 
Gajablanca, Ma Saffi, Mogador jomwie in 84* 
via Gibraltar na Zetuen. Eeuta und Melilla. 

45) Synbdilatd-Neederei, ©. m gegründet 1905 
in Hamburg, bat 4 Dampfer von — er Regifter- 
tons, die * freier Frachtfahrt beſchäſtigt find. Die Reederei 
wurbe zu ben Zweck gegründet, den beteiligten Hamburger 
Reedereien in aufgezwungenen Sonlurrenztämpfen billiges 
Schiffsmaterial zur ügung zu ftellen. 

46) Ellerman Lines, Ltd., in Liverpool, fegen ſich zu⸗ 
fammen aus ber City Line, der Hall Line, ber Ellerman 
Line, der Papayanni Line "und der Westoott & — 
Line. Ihre 86 Dampfer von 315000 Regiſtertons werden 
in der Baflagier- und Frachtfahrt zwifchen London, Liverpool 
Kan 000 und dem Mittelmeer, Afrika und Indien be 

gt 


47) Furness Withy & Co., Ltd., in Weſt⸗Hartlepool, be- 
—E 86 Dampfer von 234587 Megiftertond und verfügen 

über weitere 90 Dampfer von 259033 Regiftertong, bie vor« 
wiegend folgenden Firmen gehören: Manchester Liners, 
Hessler Shipping Co., Ltd., Gulf Line, Ltd. Die @ejell« 
[men bie größte Reederei von ausichtiehlidh engl. Fracht · 
dampfern. 

48) The Royal Mail Steam Packet Company, 1839 in 
London gegründet, befigt 46 Dampfer von 200933 Megifter: 
tons, bie mit ** agieren, Voſt und Ladung zwiſchen Eng- 
land, Weſtindien & amerila, Mexiko, Auftralien, China und 
Japan berfehren. 

„Allan‘ Line Steamship Co., Ltd., in Glasgow, zu 


Anfor "des 19. Yahrh. —5* iſt im J. 1807 im eine 
ri ft mit beihränfter umgewandelt worden. 
Die G — eſellſchaft benupgt —— De er von 167982 Regiſter⸗ 
tons in ber 


oft-, Raflagier- und — * —— Lon · 
bon, Liverpool, —** und Le Havre eit# und ben 
Häfen an ber Dftküfte von Nordamerila, am St. Lorenzftrom 
un. ae La-Plata-Strom anbererjeitä. 

Bucknall Steamship Lines, Ltd., (British and Co- 
Wr Line) in London, bejigen 24 Dampfer von insgeiamt 
134 400 Negiftertons, mit benen fie Baflagiere erfter Klaſſe 
und Labung von zondon nad Madeira, Las Palmas, Tene- 
riffa, Kapftadt, Algoabai und Natal befördern. 

51) Koninklijke Paketraart Maatschappij in Amiter» 
dam und Batavia, fährt mit Poft, Bafagırren und Fracht 
mit ihren 58 dampfern von 89922 Regiſtertons — 
ſaämtlichen Inſeln des Oſtindiſchen A —3. und Neuguinen. 

52) Jara-China-Japan Lijn, in Amſterdam, unterhält 
mit 6 Dampfern von zufammen 16416 Regiftertong eine Poſt⸗ 
Baflagier- und Fra gg zwiſchen Batavia und den Häfen 
von China und 


Flaggenatteſt — Flagrant 


Flaggenatteſt, Flaggenzeugnis, ein von 
einem Konſul des Deutſchen — erteiltes Attejt 
über den Erwerb des Rechts für ein Schiff, die Reichs⸗ 
flagge zu führen. Wenn ein außerhalb des Neich8: 
gebietes befindliches fremdes Schiff durch den fiber: 
gang in das ausſchließliche Eigentum einer Perfon, 
Beide das Reichsindigenat zufteht, das Recht, die 
Reichsflagge zu führen, erlangt, jo bedarf es zut Aus: 
übung dieſes Rechts der Eintragung in das Schiffs: 
regifter 4 * und der Erteilung bed Certifilats 
(f.d.) nicht. Vielmehr werden diefe Vorausſetzungen 
erjegt durch das F. desjenigen Konſuls des Deut: 
ſchen Reichs, in deſſen Bezirk das Schiff zur Zeit 
de3 Cigentumüberganges ſich befindet, jedoch nur 
für die Dauer eines Jahres vom Tage der Aus: 
jtellung und über diefe Zeit hinaus nur für die Dauer 
einer durch höhere Gewalt verlängerten Reife. 

Plaggengala oder über die Toppen flag» 
zen, die Ausfhmüdung eines Schiff mit Signal: 
tlaggen und Wimpeln bei einer feſtlichen Gelegen: 
beit. Die Signalflaggen werben hierzu an Leinen 
befeftigt und 5 aufgeheiht, daß fich eine ununter: 
brodene Flaggenreihe von der Nod des Außen: 
Hüverbaums hinauf zum Topp der VBorbramitenge, 
von da zu dem ber Groß: und Kreuzbramftenge und 
von da hinunter über die Bejansgaffel bis an Ded 

ieht. Gleichzeitig werden von der Gaffel oder dem 
Slogofod fowie im Vor: und Kreuztopp die eigene 
Ntationalflagge undim Großtopp die des Landes, das 
die Beranlaflung zur eier gegeben hat, geſetzt, fowie 
die Göfh am Bugfprietefeldhaupt. In See werden 
jtattder 3. nurZoppflaggen geheißt. (S. Baradieren.) 

Flaggennachtſchwalbe een 8. Cos- 
metornis Spekei Sclater, |. . Langhänder, 
Fig. 1), eine das tropiſche Afrikla bewohnende Art 
von Nachtſchwalben (ſ. d.) von 28 bis 30 cm Länge, 
mit verlängerter jechiter und fiebenter Schwung: 
feder, Färbung im allgemeinen ber unjerer ge 
meinen Nachtſchwalbe ähnlich, nur ift auf den Wur- 
zeln der Schwungfedern ein weißer Spiegel. 

laggenparade, das mit Ehrenbezeugungen 
verbundene Heißen der Kriegsſchiffsflagge morgens 
(im Sommer um 8 Uhr, ım Winter um 9 
und Niederholen derjelben abends bei Sonnenunter: 
gang im Hafen. Die F. wird vom wachhabenden 
Offizier lommanbdiert, die Schiſſswache tritt dazu ins 
Gewehr, ed wird der Präfentiermarich geichlagen 
und von jedermann auf Ded die Flagge beim 
Auf: und Niedergehen gegrüßt. Liegen mehrere 
Schiffe im Hafen, fo wird auf Signal des Höchſt⸗ 
lommanbierenden die 5. von allen Scifjen glei: 
zeitig ausgeführt. In &re findet feine F. ftatt, die 
giange wird obne Feierlichleit und nur wenn andere 

&ifte oder Land ın Sicht find gebeißt. 

en 18, ſ. Flaggenatteit. 

laggenzufchlag (franz. surtaxe de pavillon), 
eine Zuſchlagtare, die neben dem tarifmäßigen Zoll 
bei der Einfuhr von Maren auf fremden Schiffen 
erhoben wird. Die großen Begünjtigungen, melde 
England jeiner eigenen Flagge durch die Naviga— 
tionsalte (f. d.) zumanbte, veranlaßten Eolbert, der 
franz. Handelämarine dur ein von den fremden 
Schiffen erbobenes beionderes Tonnengeld eben: 
falls einen Schuß zu gemäbren. Eine ſolche nad 
der Tonnenzahl des Schiffs bemefjene Abgabe ift 
jedoch von dem F. infofern verſchieden, als der letz— 
tere fih für jede Warenart bejonders, nah Map: 
abe des von derjelben zu entrichtenden Be be 
timmt. In diejer Art wurde der F. zuerſt ſyſtema⸗ 


761 


tiſch in den franz. Tarif durd das Geſetz vom 
28. April 1816 eingeführt und dabei aud die Ein: 
fuhr zu Sande derjenigen unter fremder Flagge 
gleichgeftellt. — — Frantreih ſchon vor 
dem relativ freibändlerifchen Umfchmunge von 1860 
dur Handeläverträge mit mebrern Ländern unter 
der Bedingung der Gegenjeitigfeit den Schiffen 
berjelben wenigjtens für die Einfuhr eigener Lan- 
deserzeugnifie die gleiche Behandlung wie den fran: 
zöfifchen zu. Durch das Geſetz von 1866 murbe 
der F. auch für die nicht vertragämäßig berechtig: 
ten Staaten aufgeboben. 1872 ftellte man ibn mie: 
der ber, gab ihn aber ſchon 1873 mit Rüdficht auf 
die daraus entftandenen internationalen Schwie 
rigfeiten wieder auf. England bielt in Indien noch 
bis 1848 einen F. von 100 Proz. aufrecht. Gegen: 
mwärtig beftebt ein folder von 10 Proz. noch in den 
Vereinigten Staaten für die Schiffe aller Länder, 
die nicht vertragsmäßig befreit find. (S. aud Dif: 
ferentialzölle und Surtaxe d’entrepöt.) 

Flaggleutnant, der Adjutant eines Geſchwa⸗ 
derchef3 (ſ. Geſchwader), ein Leutnant zur See 
ober Rapitänleutnant. 

laggoffiziere, j. Admiral. 

laggichiff, Admiralſchiff, das Schiff, auf 
dem die Flagge eines Admirals (f. Deutſchland 
und Deutiches Reich, Flaggen, nebit dazu gehdriger 
Tafel, Fig. 13—15) weht, der die Führung über 
eine Flotte oder ein Gejhmabder hat. Vom F. aus 
leitet der Admiral alle Manöver und Bewegungen 
feiner Flotte oder feines Geſchwaders fomie das 
Gefecht J Seetattif) durch Signale. Auf dem F. be: 
findet fich der Flotten⸗ oder Geſchwaderſtab mit ein» 
geihifft. Bei Nacht ift jedes F. gelennzeichnet durch 
eine Laterne im Topp. 

Flagränt (lat.), brennend; ins Auge fallend, 
offenfundig; daher in flagranti, auf frifcher That; 
franz. delit flagrant (fpr. delih flagräang), das Be: 
treten auf frifcher That. Wenn jemand auf frifcher 
That betroffen oder verfolgt wird, fo hat das 
nad deutihem Strafrecht in mehrfacher Beziehung 
beftimmte Folgen: 1) Wer bei Unternehmung einer 
ftrafbaren Handlung, um ſich der Srgreifung auf 

ifcher That zu entziehen, vorfäglich einen Men: 
hen tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter 10 Jab- 
ren oder mit lebenslänglibem Zuchthaus bejtraft 
(Strafgefeßb. $. 214). Dieje Strafe findet — 
* der großen Gefährlichkeit — bei jeder krimi⸗ 
nell ftrafbaren vorfägliben Handlung, alfo aud 
dann Anwendung, wenn nur eine geringfügige Über: 
tretung Gegenftand des Unternehmens ift. 2) Wer 
bei einem Diebſtahl auf friiher That betroffen, 
gegen eine Perſon Gewalt verübt oder Drohungen 
mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben an: 
wendet, um fich im Beſitz des gejtoblenen Gutes zu 
erhalten, ir gleich einem Räuber zu beitrafen, d. i. 
mit Zuchtbaus (Strafgejesb. $. 252). 3) Haus: 
fuhungen dürfen ausnahmämeife zur Nachtzeit 
vorgenommen werden, wenn eine Verfolgung auf 
friiher That ftattfindet (Strafprogehorbn. $. 104). 
4) Wird jemand auf frifcher That betroffen oder 
verfolgt, fo ift, wenn er der Flucht verdädtig ift 
oder jeine Perfönlichkeit nicht feitgeftellt werden 
tann, — befugt, ihn auch ohne richterlichen 
Befehl vorläufig feſtzunehmen (Strafprozeßordn. 
$.127). In allen dieſen Fällen iſt nicht erforderlich, 
daß der Thäter bei der That ſelbſt betroffen werde. 
Es genügt, wenn bei jofortiger Nacheile die Er» 
greifung ftattfindet. 


162 


Flahault de la Billarderic (ipr. flaoh de la 
bijard’sib), Augufte Charles, Grai, franz. General 
und Diplomat, geb. 21. April 1785 zu Baris, 
wurde Dffisier, Adjulant Muratd und made 
dann alle Feldzüge des erften Kaiferreih mit. 
Nah der Schladht bei Wagram wurde F. Oberft 
und Baron, nah dem Kriege gegen Rußland 
Brigadegeneral, nah der Schladt bei Leipzig 
Divifionsgeneral und Graf. In der Schlaht bei 
Hanau zeichnete er ſich durch verzweifelte Tapferkeit 
aus und warb von Napoleon mit der Rolle eines 
Unterbänvlerd bei den Verbündeten beauftragt. 
Während der Hundert Tage erbielt er eine Gen: 
tung nad Wien, wurde aber in Stuttgart ver: 
haftet. Bald nachher freigelafien und vom Kaiſer 
ig Bair ernannt, kämpfle er als dejjen Adjutant 

ei Waterloo, Unter der Rejtauration lebte er in 
England. Er lehrte 1827 nad) Franlreich zurüd, 
erhielt nach der Julirevolution jeinen Grad wieder 
und einen Siß in der Beamer, wurde 1831 
um bevellmädtigten Minijter in Berlin ernannt, 
egleitete 1832 den Prinzen von Orldans, Ludwig 
Philipps —* Sohn, nah Antwerpen, ward 
1837 Großjtallmeifter diefes Prinzen, ging 1841 
als franz. Gefandter nah Wien und blieb auf 
dieſem Vojten bis zur Februarrevolution 1848, 
Nah Napoleons Staatöftreih vom 2. Dez. 1851 
gehörte er zu der Beratungsfommilfion und wurde 
1853 Ecnator, 1854 Großlanzler der Ehrenlegion. 
5. ftarb 1. Sept. 1870 zu Baris. Cine Frucht feis 
ned Liebeöverhältnifjes mit der Königin Hortenfe 
(Mutter Napoleons IL.), zu deren Grofftallmeifter 
er nach dem Kriege von 1809 ernannt worden war, 
war der Herzog von Morny (f. d.). 

Flahault de Ia Billarderie (jpr. flaoh dẽ la 

tijard’rib), Gräfin, f. Souza:Botelbo, Marquife von. 
laireur (frz. jpr. läröhr), Ausfpürer, Spür: 
nafe, von der Polizei angeftellter Riechinſpeltor für 
vebenämittel auf dem Markte. j. Bd. 17. 
laiichlen, Cäſar, Dichter und Schriftiteller, 
lamand (fpr. -mäang), Albert, j. Flamen. 
lambeau (ft;., pr. Nanabat), eigentlich Fadel, 
dann hober Armleuchter mit mebrern Lichtern. 

Flamberg, de dr ein zweihän: 
diges Schwert mit wellig geflammter Klinge, kommt 
jeit Anfang des 15. “1% vor. Die eigentümliche 
jerm der An chwerte ed dem Gegner, die 

affe fejtzubalten, auch tbat fie den Harnifchen 
großen Schaden. Auch einhändige Echwerter mit 
geflammter Klinge werden übrigens F. genannt, 
welcher Name fpäter, namentlich in der Poeſie, für 
Schwert überhaupt gebraucht wird. 

wienbersugs (ipr. flämmbörd), Fiſcherdorf 
im Eaſt⸗Riding der engl. Grafihaft Hort, ungefähr 
6 km von Briblington, an der Nordjee und am 
Fuße des Raps Flamborougb:Head gelegen, 
deſſen 36 m hoher ſenkrechter Feld mit Leuchtturm 
(24 m) das Nordoſtende der Nork:-Wolphügel bildet. 

Flamboyant (frz., fpr. fangböäjäng), Slam: 
menjtil, die im 15. und 16. Jahrh. bejonders in 
Frantreich und England angewandte Form im jpät: 

ot. Mabwert, fo genannt von der mebr flammen: 
örmigen Fiidhblafen-Ornamentit (j. Fiſchblaſe und 
nadjtehende Figur). Angemwandt findet er ſich 5. B. 


bei der Kathedrale und der Kirhe St. Maclou zu | 


Rouen und der Kathedrale zu Ereter. Berühmt 
wegen jeines reichen Flamboyaniſtils ift der aus 
dem 16. Jahrh. ſtammende Lettner in der Nitolaus: 
tire au Dirmuiben. 


Flahault de fa Billarderie — Flameng 


' Flamen (lat., Mehrzahl Flamines), im alten 
Rom der Eigenprieiter eines einzelnen Gottes, trug 
unter anderm als Abzeichen jeiner Würde eine legel⸗ 
förmige Müse (apex), an deren Spiße eine dünne. 
mit einer Moll: 
binde (infula) um: 
wundene Rute fi 
befand. Es geb 
zwei Klaſſen Fla- 
mines, nämlic 
die brei majores 
aus patriciihem 
und bie zwölf mi- 
nores aus plebeji: 
ſchem Geſchlechte. 
Erſtere waren ber 
F. des Jupiter (F. 
Dialis),ded Mars 
(F. Martialis) und 
des Quirinus (F. 
Quirinalis). Alle I @iF 
drei hatten das 
Recht, der Sella curulis fich zu bedienen. Der F. 
Dialis aber hatte eine Amtswohnung auf dem Bala» 
tin, die ald Aſyl angejeben wurde, einen Liltor und 
einen Sig im Senat. Bei dieſen Vorredten war er 
aber aud zahlreihen Beihränlungen unterworfen. 
So . er feinen Eid ablegen, feine Feſſel ſd. b. 
feinen Ring und feinen Knoten) an ſich haben, 
überhaupt viele Dinge nicht berühren, kein Pferd 
beiteigen, nicht über Nacht die Stadt verlajfen (um 
täglich die vorgeichriebenen Opfer darbringen zu 
können) und mußte, wenn feine Gemahlin ftarb, 
fein Amt niederlegen. Lestere führte den Namen 
Flaminica und war bei der Bejorgung des Opfer: 
dienſtes mitbeteiligt. Von den Flamines minores 
find befannt: der F. de3 Bultan, der Flora, der 
Carmenta, des Bulturnus, des Birbius, der Fur: 
rina u.a. In der Raiferzeit kamen dazu noch Die 
Flamines der vergötterten Kaiſer. 

lamen (jpr. -mäng), eigentlih Flamand, 
Albert, franz. Kupferſtecher, erwarb fih zur Zeit 
Ludwigs XIV. bedeutenden Ruf. Seine mebr ale 
600 Blätter, von 1648 bis 1664 datiert, find radiert 
ober mit der Nadel übergangen. Ferner malte er 
den Einzug der Königin Chriſtine von Schweden in 
Paris, die —— Königs, Stadtanſichten. 
Landſchaften u. ſ. w. Als zur Zeit der Fronde die 
tönigl. Prinzen in Marcouſſy gefangen waren, 
entjtand jein Gedicht «Chäteau de Marcoussy». 
lämen, Slanten, aub Dünnungen oder 
Wammen, in —— die dünnen Lappen 
Wildbret von den Rippen bis an die Heulen. 
lameng (jpr. -mäng), Frangois, franz. Maler, 
Sohn des folgenden, geb. 6. Der. 1856 in Paris, 
Schüler kn Vaters und von Cabanel, Hedouin 
und 3. P. Laurend. Er malte befonderd Scenen 
aus dem Revolutionäzeitalter, fo: Leztes Gaſtmabl 
der Girondiften (Hauptwert, 1879; Mufeum in 
Voulogne-fur:Mer), Camille Desmoulins im Kreiie 
jeiner Familie, Marie Antoinette zur Hinrichtung 
aeführt (1885), Napoleon im Feldzug 1814. Neuer: 
dings ſchuf er auch deforative Arbeiten in der Eor: 
bonne und in der Komiſchen Oper. 
Flameng (ipr. -mang), Leopold post Kupier: 
| jtecher, geb. 22. Nov. 1831 in —* war Schüler 





Calamaitas und ließ fi 1853 zu Baris nieder, wo 
er eine äußert fruchtbare Thätigfeit für die aut- 
gezeichnetſten franz. Kunftjournale, befonders für 


Flameuſen — Flamm 


die «Gazette des beaux-arts» entfaltete. Seine auf 
maleriihe Wirkung abzielende Manier fchlieht fi 
an diejenige der Niederländer des 17. Jahrh. an. 
Weniger glüdlich — Motiven, verſteht 
J. vorzüglich die Werle Rembrandts und jeiner 
Schule nachzubilden. So ſtach er: Die Nachtwache 
(1874) und Die Anatomie nach Rembrandt; Strato⸗ 
nite, Angelifa, Die Quelle nah Ingres; Sappbo 
nach Gleyre; Geburt der Venus nah Eabanel, Die 
Raſt der Reiter nah Meiffonier. 

lameuſen, VBarietät der Gartennelte, ſ. Nelte. 

Flamines (lat.), Mebrzabl von Flamen (f. d.). 

Fläming, Höbenrüden an der Grenze der preu 
Provinzen Brandenburg und Sadjen, etwa zwi— 
ſchen Wittenberg, Zerbit, Belzig, Ludenmwalde und 
Dabme (f. Karte: Provinz Brandenburg 
u. ſ. w., beim Artitel Brandenburg), 4125 qkm 
umfaſſend. Man unterſcheidet einen weſtl. Hohen 
und einen dftl, Niedern F. Erſterer erhebt ſich 
im Hagelberg (Vindmühlenberg) bei Belzi 
zu 201, lesterer im Golmberg ** Barut 
und üterbog zu 178 m Höhe. Der ‘5. bildet die 
Waſſerſcheide zwiſchen Elbe und Havel, hat vor: 
wiegend jandigen Boden und ift vielfach mit Wald 
beitanden. Er hat jeinen Namen von den vläm. 
aa welche Albrecht der Bär bier anfiedelte, 
— Bol. Schöne, Der F. (in den «Beiträgen zur 
Geographie des mittlern Deutichlands», ba. von 
Rakel, Lpz. 1899). 

laminganten, Blaminganten,. Blämifche 
Sprache und Pitteratur. 

Flamingo (Phoenicopterus L.), eine 8 Arten 
enthaltende Gattung großer Shwimmvögel aus der 
Ordnung der Siebichnäbler, welche durd die unge: 
meine Länge der Füße und des Halſes zwar den 
Stelzvögeln ähnelt, aber dur den in der Mitte 
jaſt rechtwinklig abwärts gebogenen, mit Quer: 
lamellen verjebenen, an den Rändern geferbten 
Schnabel, eine volle Shwimmbaut zwijchen den 
Zehen und durch den ganzen übrigen Bau vu den 
entenartigen Vögeln anteibt. Die hierher gebörigen 
und jchwer zu unterfcheidenden Arten find im Alter 
ämtlich rot gefärbt. Bon ihnen fommt in Europa 
nur eine Art vor; der A a 5. (Phoeni- 
copterus roseus Tem., }. Zafel: Shwimmvögel 
IV, Fig. 1), welder jih in Südeuropa, an den 
afrit, Küften, am Kaſpiſchen See und in Ditindien 
findet, 1,30 bis 1,50 m hoch wird, wovon auf jeine 
dünnen roten Fühe allein 80 cm fommen, und rojen: 
rot gefärbt ift, mit farminroten Oberflügeln und 
ſchwatzen vordern —B———— Das Neſt wird 
aus Schlamm, der durch Waſſerpflanzen verdichtet 
wird, in Form eines fegelförmigen Haufens mit 
Hader Mulde errichtet, in welcher der * ſeine 
zwei weißen Eier von freidigem Ausſehen bebrütet, 
Indem er fi mit eingejogenen Beinen auf das 
Neit jebt. Der Vogel näbrt fih von weichen Tieren 
des Waſſers und des Schlamm, die er mit dem 
tellenartig gebrauchten Schnabel aufihöpft, indem 
er den Kopf jo dreht, daß ber Oberſchnabel unten 
liegt. Er hält fih am liebiten an bradiichen Strand: 
ieen und Flußmündungen, oft in Scharen von Tau: 
ienden, auf. Beim Fliegen ordnen ji die Züge in 
Keilform. Die alten Römer rechneten das Fleiſch 
der F., welches von den jungen Vögeln wohl: 
ſchmedend iſt, bei den alten Vögeln aber einen 
widrigen Fiſchgeſchmad bat, zu den höchſten Leder: 
bijien, und bejonder8 wurden die Zungen, deren 
Inneres aus reichlichem, faſt mit ölartiger Fluſſig⸗ 





163 


keit — Zellgewebe beſteht, hoch geiaäst und 
teuer bezahlt. No jebt wird er in Norbägypten 
als pef@äbte Wildbret zu Markte gebradt., Im 
mittlern Rußland und Sicilien und Sardinien 
wird ber F. zuweilen gezähmt gehalten, wo er mit 
dem übrigen Hausgeflügel verträglich Iebt. Aus 
Nordägypten gelangen jährlih große Mengen 5. 
nad Europa und in die dortigen Tiergärten, die 
das Stüd mit 70 — 100 M. bezahlen. Ihre Halt: 
barkeit ift nicht überall die gleiche; am beften leben 
e noch im Kölner Zoologiihen Garten, der einige 
emplare bereit3 Jahre bat. Sie werben dort 
faft das ganze Jahr auf einem Weiher gehalten, 
der von — einen Krebſen wimmelt; außer⸗ 
dem wird Reis und Hanf in das Waſſer geworfen. 
Uberzieht ſich dieſes mit Eis, fo werden bie F. in 
ein Haus gebracht, das eben froftfrei iſt, lommen 
aber, jo oft es die Witterung erlaubt, ind Freie. 
Dem Kömerfutter wird in diefer Zeit Garneelen: 
Idee und Geflügelfutter zugeſetzt und alles mit 
fer bevedt gegeben. eh 
I inus, röm. Patricier, |. Quinctier. 
laminifche Strafe, |. Flaminius. 
laminius, Gajus, röm. Staatömann, aus 
plebejiihem Geſchlecht, bewirkte als Vollstribun 
232 v. Chr., daß das in früherer Zeit eroberte Land 
der jenonifchen Gallier in der Gegend von Ariminum 
(Rimini) an röm. Bürger verteilt wurde, und lieb 
diefe 5— durch die plebejiſchen Komitien 
FA den Wi su sel — BG — van nr 
rung des ufles zog den Ausbruch de 
großen Galliſchen Kri e3 (228229) nad ſich. Ge: 
gen den Willen der Nobilität wurde F., nachdem 
er 227 als Prätor die Provinz Sicilien rühmlich 
vermwaltet hatte, für das J. 223 mit Publius Furius 
zum Konſul erwählt. Als ſolcher ging er im Kriege 
mit den Galliern zweimal über den Bo. Das erite: 
mal mußte er um freien Abzug bitten, das zweite: 
mal befiegte er die infubriihen Gallier an der Ad: 
dua in einer großen Schlacht. Als Genfor entfernte 
er 220 v. Ehr. die Freigelailenen, die nicht lange 
vorher dur die Reform der Genturiat:Romitien 
auf3 neue in die Klaſſen gelommen waren, wieder 
aus diefen. Die Fortführung der Heeritraße von 
Rom nach Ariminum, die früher nur bis Spoletium 
im ſudl. Umbrien geführt war und nun den Namen 
ber Flaminiſchen Straße erhielt, zeugt für feine 
ſtaals männiſche Einficht und a offenbar mit den 
Plänen für erbung großer Gebiete in Ober: 
italien zum Zwed der Verteilung von Ländereien 
zufammen. Die Gunft der Mafje der Burgerſchaft 
gewann er fih vornehmlich dadurd, daß er zuerit 
neben den von alterö ber alljährlich gefeierten Zeit: 
fpielen neue (die fog. plebeitlgien) einführte und im 
Zufammenbang damit auf dem Marsfelde einen 
neuen Eirtus, den Cirkus Flaminius, erbaute, 
und daß er ven Geſetzesvorſchlag unterftüßte, welcher 
den Senatoren das Betreiben von Handelögeihäf: 
ten unterfagte. So erreichte er denn aud, daß erzum 
mweitenmal 217 v. Chr. zum Konſul gewählt wurde. 
5 * ſich aber, ehe ſein Kollege mit der andern 
onfularifhen Armee eintraf, von Hannibal zur 
Schlacht am Trafimenishen See verleiten, in der 
er jelbjt fiel und iin ganzes Heer vernichtet wurde. 
lämifch, |. Vlämiſche Sprache und Litteratur. 
lamländer, j. Vlämen. 
lamländifche Juſeln, ſ. Azoren. . 
lamm, Albert, Landſchaftsmaler, geb. 9. April 
1823 in Köln, bildete fich jeit 1842 bei Andreas 


764 Flammarion 


Achenbach in Düffelvorf und machte fih beſonders 
die Malweife von defjen Bruder. Oswald zu eigen. 
Von feinen meift der ital. Landſchaft entnommenen 
Gemälden find zu nennen: Italieniſche Landſchaft 
(1856; Galerie Ravene zu Berlin), Herannahendes 
Gemitter in der röm. Campagna (1862), Gaftelgan: 
bolfo (1868), Pia Appia (Hamburg, Kunſthälle), 
Golf von Neapel (1872), Gräbertrümmer an der 
Pia Appia bei Rom (1876), Blid auf Eumä (Ber: 
fin, Nationalgalerie), Küfte von Sorrent, Trümmer 
röm. Aauädufte in der Campagna (1886), Römische 
Gampagna bei Ponte Nomentana (1893), Motiv 
bei Molo di Gaeta —* Auch aus der einhei- 
mifchen Natur wählte er Motive, wie in dem Bilde 
Das Siebengebirge (1880). Im J. 1900 erhielt er 
den Titel rofeifor: er lebt in Duſſeldorf. 
Flammarion (ipr.-öng), Camille, franz. Witro: 
nom, geb. 26. Febr. 1842 zu Montigny:le:Roi, 
trat 1858 am Übfervatorium zu Paris als 
Eleve ein, gebörte feit 1862 dem Bureau des 
Longitudes als Hilfsarbeiter an und gab 1865 
die Stellung auf, um als wiſſenſchaftlicher Mit: 
arbeiter in die Redaktion des «Cosmos», des 
«Magasin pittoresque» und des «Sidcle» einzu: 
treten. Durch feine äußerft fruchtbare litterar, 
Thätigkeit trug er viel zur Verbreitung des Sn: 
tereſſes für aftron. Studien, namentlih in Frank—⸗ 
reich bei. Seit 1882 iſt F. Vorfteber einer von 
Privatleuten gegründeten und .. Stern: 
warte in Juviig bei Paris. Von feinen Werfen 
find zu erwähnen: «La pluralit& des mondes habi- 
tös» (Par. 1862; 34. Aufl. 1890), «Les mondes 
en et les mondes reels» (ebv. 1865; 
20. Aufl. 1887), «Les merveilles cölestes» (ebd, 
1866), «Dieu dans la nature» (ebd. 1867; 21. Aufl. 
1888; deutich, Sp. 1870 und Halle 1902), «Contem- 
plations scientifiques» (2 Bde., Par. 1870 u. 1887), 
«Voyages en ballon» (ebd. 1870; 20. Aufl. 1889), 
«Fitudes et lectures sur l’astronomie» (9 Bde,, ebd. 
1867—80), «L’Atmosphöre» (ebd. 1872), «Histoire 
du ciel» (ebd. 1873) , «Lies terres du ciel» (ebd. 1877), 
«Catalogue des &toiles doubles et multiples en 
mouvement» (ebd. 1878), «Astronomie populaire» 
(ebd. 1880), «Le monde avant la creation de 
V’'homme» (nad Zimmermanng deutſchem Werte be: 
arbeitet, ebd. 1886), «Grande carte c&leste» (ebd, 
1886), «Uranie» (ebd, 1889; 2, Aufl. 1891; deutich, 
Pforzb. 1894), «La plandte Mars et ses condi- 
tions d’habitabilit6» (ar. 1892), «La fin du 
monde» (ebd. 1894; deutih, Pforzh. 1895), « Les 
€ruptions volcaniques et les tremblements de 
terre» (Par. 1902). %. ift Herausgeber der aftron. 
Monatsichriften «L’Astronomie» und des «An- 
nuaire astronomique et m&t&orologique», 
—— —— ſ. Ebrard, Auguſt. 
lamme, bie bei der Verbrennung (ſ. d.) von 
Dämpfen und Gafen wahrnehmbare Lichterjcheis 
nung. Der lammenbildung gebt immer die Bil: 
dung von brennbaren br und Dämpfen vor: 
ber. Es ift nicht das Holz an fi, es find Kr 
die Steinkohlen unjerer Feuerungen, es ift nicht 
das Öl unſerer Lampen, nicht das Stearin unjerer 
Herzen, das mit F. verbrennt, fondern es find die 
gafigen und dampfförmigen Zerjeßungsprodufte, 
die ſich bei der erjten Erbikung bilden und beim mei: 
tern Brennen durd die bei der Verbrennung frei 
werdende Wärme fortdauernd erzeugt werben; nur 
dieje Gaſe geben zur .% der 5. Veran: 
laſſung. Die Geftalt der F. ift bedingt von dem 


— Flamme 


Mege, den die entſtehenden Gafe nehmen, fie wird 
die eines aufgerichteten Kegels haben, wenn die Gaſe 
und Dämpfe vermöge ihres fpecifiihen Gewichts 
frei aufjteigen können, wie bei der gewöhnlichen 
Kerze; ſie wird einen ringförmigen Mantel bilven, 
wenn die Dämpfe und Gaje an einer ringförmigen 
läbe entwidelt werden und wenn ein in dem 
Ring vertifal aufjteigender Quftitrom fie in ver: 
tifaler Richtung Fort übrt, wie bei den Lampen 
mit cplindriihem Dochte; fie wird jet borizontal 
verlaufen, wenn die Dämpfe und Gaje durd den 
Zug des Schornfteins in horizontale Kanäle ge 
führt werden, wie bei den Feuerungen der Dampf: 
eiel Pfannen u. f. w. 
eobactet man eine 2* brennende Kerzen⸗ 
amme, ſo findet man, daß ſie aus drei * um: 
üllenden Zonen — Die innerſte Zone iſt 
nicht leuchtend, ſie beſteht aus den bei der Zer⸗ 
feßung des Brennmateriald fi bildenden Gaſen 
und Dämpfen, die vorzugsweiſe aus Koblenmwajler: 
toff bejteben, und F verhältnismäßig niedrige 
emperatur. Der äußerſte Mantel der F. iſt ſchwach 
leuchtend, in ibm vollzieht ſich, durch den Sauer: 
toff der umgebenden Luft, die letzte vollftändige 
erbrennung der Dämpfe zu gafigen Produlten, 
Koblenjäure und Mafferdampf, unter bedeutender 
Märmeentwidlung. Er beitebt demnad in feinen 
äußersten Schidhten aus den glühenden gasförmi- 
gen Produlten ver Verbrennung. Der zur 5. bin: 
jutretende Sauerftoff wird in diefem un Mans 
tel der F. fo weit verbrauct, daß in der mittlern 
Zone nur noch eine unvoll: 
fommene Berbrennung erfolgen 
fann, Dies fann man dadurd 
beweifen, daß man ein Glas: 
röhrchen mit einem Ende in 
den innern Teil einer Kerzen: 
flamme bineinbält. Am andern 
Ende fann man die noch un: 
verbrannten Gaſe entzünden (ij. 
beijtebende digur). Infolge der 
durch lektere bewirkten Geht be: 
trächtlichen Temperaturfteige: 
rung jcheidet fih aus den Koh: 
lenwaijeritoffen Koblenftoff in 
einiter —— aber in 
eſter Form ab. Dieſer wird zum Glühen erbigt, 
ſtrahlt dabei Licht aus und wird dadurch Urſache 
des Leuchtens der F. Allmählich aber miſcht ſich 
auch den in der mittlern Zone befindlichen Gaſen 
und Kohlenpartikelchen beim rl von außen 
—* fo viel Sauerſtoff bei, daß vollitändige Ver: 
rennung berjelben jtattfindet und ſchließlich biz 
in das Gentrum ber K erjolat. Der bellleucdhtende 
Teil endet dann in einer deutlihen Spitze. 

Von dem Verhältnis der im Innern ver F. ye 
bildeten Kohlenwaſſerſtoffgaſe und des in den äur 
Bern Flammenmantel durch Diffufion eintretenden 
Sauerjtoff3 ift die Intenſität der Leuchtkraft der 
5. bevingt. Fehlt es an Sauerftoff oder ift die Ent: 
widlung der Kohlenwaſſerſtoffe im Innern der F. 
fo lebhaft, daß den Koblenftoffteilhen im Flammen: 
mantelnicht aenugSauerftoff zugeführt werden fann, 
um eine volljtändige Verbrennung zu ermögliden, 
fo wird die F. nicht allein wenig Licht geben, ſondern 
e3 werden unverbrannte Kohlenſtoffteilchen aus der 
F. unter Verbreitung von Ruf entweichen. Wird 
aber einer jolhen rußenden F. mehr Sauerftoff 
sugeführt, fo Frennt fie dann unter Verbreitung 





Flammen — Ylammenjhugmittel 


eines weißen ftrablenden Lichtes. Sol eine ru— 
ßende F. bildet das Petroleum beim Entzünden 
ter Lampe, das Ruben verschwindet in dem Augen: 
blid, wo durch das Aufſehen des Cylinders ein 
träjtiger au rings um die F. — * und mehr 
Sauerſtoff an den Flammenmantel gelangt. 

Eine weitere Urſache der Rußbildung wird durch 
jete Ablühlung der F. gegeben. Bringt man in eine 
bellleuchtende F. einen lalten Gegenftand von gutem 
Märmeleitungsvermögen, jo wird dadurch der F. jo 
viel Wärme entzogen, dab der Koblenftoff nur noch 
teilmeife zum ſchwachen Glüben lommt, —— 
unverbrannt aus der F. entweicht. Eine ſolche Ab⸗ 
tüblung der F. erfolgt 3. B. in unſern Feuerungen 
beim Aufihütten von friſchem Brennmaterial. 

Da das Leuchten der F. dur den glühenden 
Kohlenſtoff bedingt ift, jo werden folde brennbare 
Gaſe, die keinen Koblenftoff abſcheiden Lönnen, 
aud feine leuchtende F. geben. Entzündet man 
j. B. Kohlenoxydgas oder Waflerftoff, jo_brennen 
ſie mit faum wahrnehmbarer bläuliher F. Diefe 
nicht leuchtende F. wird aber fofort leuchtend, wenn 
fefte, nicht ſhmelzende Subjtanzen, 3. B. Kalt bei 
Knallgasflamme, in ihr zum Glüben erhigt oder ibr 
toblenftoffreibe Dämpfe zugemiiht werden. So 
liefert Waſſerſtoffgas eine ha von hoher Leuchtkraft, 
wenn es durch ein Gefäß geleitet wird, das Benzol 
enthält. Wenn andererjeits ein mit leuchtender F. 
brennendes Gas, wie 3. B. Leuchtgas, vor feiner 
Gntzündung mit Luft gemiſcht wird, wie dies im 
Bunjenbrenner erfolgt, ſo ift die Leuchtkraft vernich: 
tet, die F. erſcheint ähnlich wie eine Wafjerftoff: 
ilnmme, entwidelt aber eine größere Menge von 
Wärme als ohne die Luftzufubr. Das Nichtleuchten 
der F. ift bier bedingt durch die fofortine Oxydation 
des Koblenftoffs, dem durd bie räumlihe Annäbe 
rung der Sauerftoffmolelüle nicht Zeit gelaffen wird, 
in glübendem Zuftande in der F. zu ſchweben. 
Flammen oder Slammieren, gemwebten 
Sun ein geflammtes Mufter geben, f. binierte 
Stoffe; aud eine Art der Garnfärberei, bei der die 
Garnjtränge mit Knoten verfehen und fo ausgefärbt 
werben, wodurch bie das — des Knotens den⸗ 
den Teile ungefärbt bleiben. 

Flammenblume le L.), Pflanzengattung 
aus der Familie der Bolemoniaceen (f.d.). Es find 

egen 30, in Nordamerila und Dftafien einheimische 
Arten befannt, der, — nad harte und ein⸗ 
jährige Stauden mit regelmäßigen weißen, rojen: 
roten oder purpurnen, oft in Riſpen oder bolven: 
förmigen Trugdolden gefammelten Blumen. Meb: 
rere der hierher gebörigen Arten wurden ſchon jeit 
Mitte des 18. Jahrh. in die europ. Gärten ei 
und find beliebte Ziergewächſe. Durch langiährige 
Kultur haben fie an Schönbeit gewonnen und viele 
Yarbenvarietäten und Blendlinge erzeugt. 

Die bedeutendern unter den ausdauernden F. 
find Phlox maculata L., paniculata L. und acu- 
minata Pursh., welde aber durd die aus ihnen 
entftandenenzablreihen Blendlinge (Phloxhybrida) 
faft aus den Gärten verdrängt worden find. Le: 
tere bilden mit ihren mehr oder —* ahlreichen 
und veräſtelten Stengeln laubreiche hide von ver: 
ſchiedener Höhe (40 cm bis 1 m) mit mehr oder 
weniger großen und dichten Blütenrifpen, melde 
bei manden Sorten {bon Ende yuni, bei andern 
erft im September, bei den meijten im Juli und 
Auguft eribeinen. Die Blumen find bald wohl: 
riehend, bald geruchlos und in die Ihönften Farben 


165 


gekleidet, welche durch Roſa, Lila und Violett die 
ganze Farbenjlala vom reinften Weiß bis zum 
dunlelſten Rot und Burpur durchlaufen; au Fb 
fie häufig durch ein bellered oder dunkleres Auge 
oder einen Stern in der Mitte oder dur Streifen 
verziert. Die wertvolliten Spielarten verdankt man 
franz. Blumenzüdtern. Sie eignen ſich alle zur Be: 
Manzung von Rabatten und Gebüjhrändern und 
ieben büngerreihen feuchten Boden. Andere bilden 
dicht über dem Boden einen Laubteppich, der fich 
bald im bin bald im Sommer mit rojen: oder 
purpurroten, oft gejternten Blumen bebedt, wie 
Phlox verna Sw., subulata L., setacca L. u.a. 
Aus diefen Arten laff en ſich reizende Blumenteppiche 
bilden, weshalb ſie auch mel zur Bepflanzung von 
Teppichbeeten oder zu Einfaljungen benußt werben. 
Die einjährige Phlox Drummondi Hook. ift eine 
teifhaarige Pflanze mit gabelteiligen, 30—50 cm 
oben ag 3 und länglichen oder lanzettförmigen 
lättern, Die Blumen find größer als bei den 
übrigen Arten diefer Gattung und find auf adjel: 
ftändigen Stielen zu Heinen Doldentrauben ge: 
nähert. Ihre Färbung ift weiß, roſa, karmelın, 
urpur oder violett; hierzu fommen noch bald bel: 
ere, bald dunllere Augen, Sterne, Streifen oder 
Marmorfleden. Schr ſchön find vor allen andern 
die Farbenvarietäten der großblumigen Form (var. 
andiflora), Die einjährigen F. werden im März 
in das MWarmbeet, die ausdauernden unmittelbar 
nad der Samenreife gefät, lebtere aber auch durch 
Stodteilung oder Wurzelfhöplinge im Frühjahr 
vermebrt. Zur Verjüngung ber Stöde und zur 
Erzielung eines beſſern Blütenflors jollte man die 
Bilanzen mindeſtens alle prei Jahre zerteilen. 
— — I ogenliht (Bo. 17). 
lammendes Herz, P anzenart, ſ. Dielytra 
und Tafel: Rhöadinen, Fig. 4. 
Ylammenfeuer, eine Öruppe der Feuerwerks- 
förper (j.d.), die mit —— Lichte abbrennen; da⸗ 
bin gehören dad Bengaliſche Feuer (. d.), das 
— lammenfäße hervorgebracht wird, Lichter 
oder Lanzen, welche Lichterſäßze, und Körner 
oder Sterne ſowie Leuchtlugeln, welche Leucht— 
tugelfag enthalten. Die bengaliſchen Flammen dienen 
zur Beleuchtung von lebenden Gruppen, plaſtiſchen 
und architeltoniſchen Gebilden und von landſchaft⸗ 
lihen Bartien; jie bringen die verſchiedenſten ar: 
ng hervor, DieLichter dienen zur Darjtellung 
von Namendzügen, Bildern architeltoniſcher Gegen: 
ftände und andern Delorationen. Die Flamme 
brennt rund und voll, aber rein und rubig ab. 
Sterne und Leuchtlugeln unterfheiden ſich durch 
Größe und aud Do Form. Gemwöhnlid find 
beide tugeliörmig, Leuchtlugeln aud cylindriſch und 
nrößer alö die Sterne. Beide fommen namentlich 
in zuſammengeſehten Feuerwerlälörpern vor. 
Slammenmergel, ein bellgrauer, von dunteln 
Flammen und Streifen durchzogener Mergel, der der 
untern Kreideformation und zwar der Abteilun 
des Gault angebört und namentlich im nordweitl. 
Deutichland verbreitet iſt. 
lammenruß, ſ. Buchdrudfarbe und Ruß. 
fammenfchugmittel, Subitanzen, die das 
Auflodern von Flammen bei der Entzündung von 
verbrennlihen Gegenjtänden, wie Gardinen, Tüll⸗ 
ewebe, leichte Kleiderſtoffe, Theatervelorationen, 
chnure u. dgl., verhindern und damit einem Um: 
fihgreifen des Feuers vorbeugen ſollen. Als 3. 
für alle Arten von Geweben, die nicht gebügelt zu 


766 


werben brauchen, empfieblt fih ein Eintauchen der 
trodnen Stoffe in eine pm Dal Waſſerglas oder 
Ammoniumfulfat; * dem —5* und Trod⸗ 
nen find fie wirkſam geſchützt. Für Kleiderſtoffe, die 
—— werden müſſen, iſt das von Versmann & 
ppenheim eingeführte wolframſaure Natrium in 
20progentiger Loſung, das in England unter dem 
Namen Ladies’ Life-Preserver («Damenlebenerbal: 
ter») befannt ift, zu empfehlen. Nach Batera werben 
4 Teile Borar und 8 Teile Bitterjalz in 20—30 
Zeilen Waſſer gelöft, in diefe Löjung werden die 
trodnen Stoffe eingetaucht, ausgerungen, —— 
net und gebügelt. — Pal. Versmann und Oppen⸗ 
beim, On rendering fabrics noninflammable (Yond. 
1859); dief., Description of the Ladies’ Life-Pre- 
server (ebd.); PBatera, liber F. (Wien 1871); Andes, 
uerficher:, Geruchlo3: und Waſſerdichtmachen aller 
aterialien (ebd. 1896). 
lammenfchiwert, |. lamberg. 
lammenftil, f. Flamboyant. 
lammöri (vom engl. flummery, d. b. Hafer: 
meblbrei), kalte füße Speije, die aus Stärfemehl, 
Gries, Grüße oder Sago bereitet, mit Mil, Rahm 
ober Fruc äften ſowie Gewürz gelobt und dann 
mit Gelatine zum —— gebracht wird. 
lammieren, ſ. Flammen. 
lammkohlen, ſ. Steintoble, 
Flammofen, im —— jede Dfenanlage, 
bei der die zu erbikende Mafje unmittelbar mit der 
lamme des Brennmaterials, nicht aber mit diefem 
elbft in Berührung fommt. Als Beiipiele feien er- 
wähnt der Giehereiflammofen (f. d.) und der Bub: 
delofen (j. Gifenerzeugung nebft Taf. I, 50: 5 u. 6). 
lammofenflußftabl, ſ. Eiſen (Techniſches). 
lammrohr, Flammrohrkeſſel, ſ. Dampf: 


tefiel. 

Hammüla (lat.), die in der Haiferzeit bei eini: 
gen röm. Neiterregimentern übliche sahne, von 
gelber Farbe und in flammenartig gezadte Spitzen 
auslaufend. Auf dem Triumpbbogen des Septi: 
mius Severus ift eine %. abgebildet. 

Flamſteed (ipr. flämmiti % Sohn, engl. Nitro: 
nem, geb. 19. Aug. 1646 zu Derby, widmete fi 
pen früb der Aitronomie, wurde in London mit 

lewton und Halley näher befannt und 1676 eriter 
Aitronom der von ihm errichteten königl. Stern: 
warte zu Greenwich. Er jtarb 31. Dez. 1719. Die 
Ergebniffe feiner vieljährigen Beobachtungen machte 
er u.d.T. «Historia coelestis Britannica» (2 Bde., 
Lond. 1712) befannt, die nad feinem Tode Halle 

in vervolllommneter Geſtalt (3 Bde., ebd. 1725 
berauägab. Hierin ijt auch F.s Katalog von 
3000 Firfternen enthalten, der erite große moderne 
Eternlatalog. Nad feinem Tode erfhien aud fein 
«Atlas coelestis» mit 25 großen Karten (Yon. 
1729), ſpäter mit 28 Karten und noch prächtiger 
ausgejtattet (ebd. 1753). ine fleinere Ausgabe 
desjelben beforgte Fortin (Bar. 1776). — Bol. Baily, 
Account of F. (Lond. 1835; Supplement 1837). 

Flandern (vläm.Vlaenderen), niederländ. Land: 
daft, gebört jebt teils zu Belgien (ſ. Ditflandern und 
Meftflandern), teils zu Holland (der jüdl. Teil der 
Provinz Seeland),teils zu Frankreich (die weitl.Hälfte 
des Depart. Nord ſowie das Depart. Bas:de:Calais). 

Cäfar fand bierald Hauptbewohner die belg. Mo: 
riner an der Weſtküſte, neben denen im Norden und 
Dften die german. Menapier, im Südoften die 
Airebaten, ein Aderbau und Gewerbe treibender 
beig. Stamm, faßen, nad deren Beſiegung das 





Flammenſchwert — Flandern (Landichaft) 


Sand zu der röm. Provinz Belgica secunda ge 
chlagen wurbe. der Folge wurden in diefen 
anden viele ſächſ. Koloniſten angefiedelt, nad 
denen ein faroling. Pagus um Brügge Flanderland 
genannt worden En oll, was Fremde 
deutet habe. Der Name wird 678 zuerft 
Im 9. Jahrh. wurde in diefen Gegenden zur 
teidigung des Landes gegen die Normannen bie 
Bertatefigall F. gegründet. Erſter Markgraf 
war Balduin der iferne (Bras de fer, geft.878), ver: 
mäblt mit Judith, Tochter Kaiſer Karla des Kahlen 
und Witwe des Angelſachſenlonigs Etbelwolf, und 
864 von feinem Schwiegervater mit F. erblich be 
lehnt. Nad einem Kriege mit Kaifer Heinrih IL 
erbielt Balduin IV. oder der Bärtige 1007 von die: 
je mebrere an feine Grafſchaft — * 
änder, beſonders Gent und die ſeeländ. 
eg beiden Scheldearmen; leßtere mußten aber 
ald den Grafen von Holland überlafjen werben, 
die fie nun mit F. gemeinfam als A be 
aßen. Seitdem war ber flandr. Gra der 

arlgrafentitel fam bald ab) ſowohl mann 
des Königs von Frankreih für das fog. Aron- 
flandern, wie des Kaiſers für das fog. Reichs— 
flandern. Balduins Sohn, Balduin V.(1036—67), 
mußte nad neuen Kämpfen mit dem Kaifer fi in 
feinen deutichen Befiktümern zu behaupten und biefe 
noch zu erweitern. Sein Sohn Balduin VI. (1067 
— 71) vereinigte durch feine Heirat mit Reich 
der Erbin vom Hennegau, beide Grafſchaften. ad 
der Schladht bei Caſſel 1071 aber, worin Robert der 
griee, Bruder Balduins VI., über deflen Witwe 
Reichhilde fiegte, erbielt Robert F., während Bal- 
duin, der Sohn Reichhildes und Balduins VI., 
W mit —— begnügen mußte. Auf Robert 
olgte Robert IL., auf diefen 1112 Balduin (ge 
nannt mit dem Beil, wegen feiner SERIE 
die Spree Nab deilen finderlofem 
Tode 1119 folgte ein Sohn der Schweiter RobertöTl., 
der dän. Prinz Karl der Gute, der jedoch ſchon 
1127 ermordet wurde. Auf diejen teigte wieder nad 
einer fürzern Zmwifchenregierung Wilhelm Eliton® 
von der Normandie ein anderer Schweiterfohn Ro- 
bert3 II., Dietrih von Eljaß. Deſſen Sohn und 
Nachfolger Philipp veranlaßte die Bildung einer 
befondern Grafſchaft Artois, indem er bei der Hei: 
rat feiner Vichte Iſabella mit dem Könige von 
Franlreich, Philipp a diejer ala ah den 
fol. Teil feiner Grafſchaft jchenkte. Nah Philipp 
olgte 1191 feine Schmweiter Margarete uns ih 
Gemabl Balduin VIIL, Graf von Hennegau, ⸗ 
lomme Balduins VI. von Flandern und Hennegau, 
wodurch diefe Grafſchaften wieder vereinigt w 

br Sohn Balduin IX., der Stifter des Tat. 

Kaiſerreichs zu Konftantinopel, hinterließ 1206 zwei 
Erbtödter, von denen die eine, Johanna, bis 1244 
regierte und finderlos blieb (ihr Gemahl inand 
von Portugal wurde in der Schlacht bei Bounines 
1214 gefangen genommen), die andere aber, Mar: 
garete, zubenannt die Schwarze, 1279 Hennegau 
an ihren Entel erfter Ehe, Johann II. von Avesnes, 
und F. an einen Sohn zweiter Ehe, Gui de Dam 
pierre (geft. 1305), auch Graf von Namur, vererbte. 
Der Urentel des legtern, Ludwig I. von Nevers, 
war vermäblt mit der Tochter des franz. Könige 
Philipp V., Margareta, Gräfin von Artois, was 
die Wiedervereinigung dieſes Landes mit 5. zur 
Folge hatte, do mußte Ludwig beim Vertrage 
von Paris 1323 dem bolländ. Grafen die mittlern 


Flandern (Graf von) — TFlanell 


jeln von Seeland abtreten. Ludwig geriet in 
eftige Kämpfe mit der Genter — aft unter 
alob von Artevelve (ſ. d.), beteiligte ſich an dem 

iege von — gegen England und fiel 1346 
in der Schlacht bei Crech. Sein Sohn Ludwig II. 
von Male hatte den Aufitand der vläm. Städte 
unter Bhilipp von Artevelde zu unterbrüden. Durch 
Margaretes, der Erbtochter diefes lekten Grafen 
von F., Vermählung mit Philipp dem Kübnen von 
Burgund kam 1 . und Artois an das Haus 
Burgund und von diefem durch die Heirat Marias 
mit Marimilian 1477 an die Habäburger. YBur: 

under und Habsburger erweiterten ihre Befikungen 

in den Niederlanden, jo daß ſchließlich Karl V. alle 
17 nieberländ. Provinzen 1548 zu einem fog. 
burgund. Kreis vereinigen konnte, nachdem ſchon 
1526 im Frieden von Madrid die Oberlehnsherr⸗ 
lichkeit —— über Kronflandern und Artois 
aufgehoben worden war. Im Weſtfäliſchen Frieden 
mußte den Generalſtaaten der nörbdl. Zeil F.s ab: 
getreten werden. Im Pyrendifchen Frieden 1659 
verlor der damalige Befiger von Belgien, der König 
von Spanien, ganz Artois an Frankreich, in den 
ieden von Aachen (1668), Nimmwegen (1678) und 

trecht (1713) noch bedeutende Streden von F. 
Seit 1794 war F. glei den übrigen belg. Pro: 
vinzen der franz. Republik und —— dem Kaiſer⸗ 
ber einverleibt und bildete die Depart. Lys (Bro: 
vinz Weftflandern) und Scelde (Provinz Dft- 
flandern); der Wiener Kongreß aber teilte diefe 
Stüde dem neuen Königreich der Niederlande ji 
mit welchem fie bis zur Konftituierung des König: 
reichs Belgien vereinigt blieben. 

Litteratur. Van Praet, Histoire de la Flandre, 
depuis Gui de Dampierre jusqu’aux ducs de 
Bourgogne (2 Bde., Brüf. 1828); deri., Del’origine 
des communes flamandes (Gent 1829); Le Glay, 
Histoire des comtes de Flandre jusqu’& l’av&ne- 
ment de la maison de Bourgogne (2 Bde., Par. 
1843—44); Kervyn van Lettenbove, Histoire de 
Flandre (5. Aufl., 4 Bde., Brügge 1898); derf., La 
Flandre pendant les trois derniers siöcles (ebd. 
1875); derf., Histoire et chroniques des Flandres 
Q Bde., Bruſſ. 1879—80); Warnlönig, Ylandr. 

taat3= und —— — bis 1305 (3 Bde., 
Tub. 1835—39; franzoſiſch von Gheldolf, 5 Bde., 
Bruſſ. 1835—64); Deprez, La libération de la 
Flandre flamingante par Jacques van Artevelde 
(ebd, 1898); Pirenne, Le soulövement de la Flandre 
maritime de 1823—1328 (ebd. 1900). . 

Flandern, Graf von, nah Verordnung Leo: 
pold3 I. von Belgien vom 16. Dez. 1840 Titel des 
weitgeborenen Sohnes des regierenden Königs. 
Due t führte 8 Prinz Philipp (I. d.). 

- Flandin (fpr. flangbäng), Eugene Napoleon, 

anz. Maler und Archäolog, geb. 15. Aug. 1809 zu 
leapel, wo fein Bater Militärintendant in Dienften 
des Königs Murat war, bildete ſich durch Selbft- 
ftubium und auf Reifen, die er bis nach Algier ſowie 
1839 bis nad) Perfien ausdehnte. 1842 nad Paris 
zurüdgelehrt, murden ſeine Arbeiten auf Bericht einer 
Kommiſſion von der Regierung veröffentlicht. Bald 
darauf jendete ihn die Akademie der Inſchriften 
1843—45 mit dem Ronful Botta nah Ninive, um 
bier die neu entvedten afiyr. Ruinen zu zeichnen 
und die Ausgrabungen in großem Maßjtabe 
fortzufegen. Die Ergebniffe feiner beiden großen 
Reiſen findet man in den zwei Prachtwerken: 
«Voyage en Perse» (2 Bve. Tert und 6 Bde. Atlas, 


767 


eg 1843—54, mit Rupfertafeln) und «Monument 
e Ninive» (Tert von Botta, 5 Bde., cbd. 1846—50, 
in ol, mit 400 Aupfertafeln). Er ſchrieb ferner 
noch: «Etudes sur la sculpture perse» (3 Bde., 
Par. 1842) und «Etudes sur la Perse moderne» 
(1842). Ein meiteres Pradhtwert: «L’Orient» 
(3 Bde., Bar. 1853— 74), umfaßt Afien bis zum 
Perſiſchen Meerbufen und enthält 150 vom Kunſtler 
jeDR lithbograpbierte Blätter. Außerdem veröffent: 
ichte er: «Histoire des Chevaliers de Rhodes » 
(Tours 1864). F. ftarb 1876 in Tours. 

Flandrin (fr. flangbräng), Hippolyte, franz. 
Maler, geb. 23. März 1809 zu Lyon, genoß den erften 
Unterricht in der Kunſtſchule feiner Baterftabt und 
tam 1829 nach Paris, wo er bei Ingres ala Schüler 
eintrat. Er gewann 1832 den erſten groken Preis 
der Malerei und das damit verbundene Staa: 3ftipen: 
dium für den —3 Studienaufenthalt in 
Rom. Infolge ſeiner aus Rom eingeſandten Arbei— 
ten wurde er, nach Paris — bald zu um⸗ 
faſſenden Arbeiten berufen. Im Auftrage des Pa— 
riſer Stadtrats bejorgte er die Ausmalung des 
Chors und Mittelfhiffs von St. Germain:ded: 
Pres (1842) und des großen um das ag m 
von St. Vincent:de:Baul eier reihe Frieſes 
1853), wo er eine Art A — von 150 

iguren darftellte, den der Künitler je bt litbogra: 
phiert hat. Dieje Werte find das Bedeutendſte, 
was die monumentale Malerei jener Zeit in per 
reich hervorgebracht bat. Er delorierte ebenjo die 
Kirchen zu St. Paul in Nimes, Ainay bei Lyon 
und St. Severin in Paris. uberdem bat er vor: 
zügliche Porträte angefertigt; Beifall fanden na- 
mentlich das Mädchen mit der Nelte (1859) und die 
Bildnifje Napoleons III., des Prinzen Napoleon, 
des Barons Rothſchild. F. wurde 1853 Mitglieb 
—— ſtarb auf der Reiſe zu Rom 
21. März 1864. — Vgl. Lettres et pens6es d’Hippo- 
Iyte F. (bg. von Delaborde, Bar. 1865); Jouin, 

ippolyte F., les frises de Saint-Vincent de Paul 
(ebd, 1873); dann die Biographien von Poncet 
(ebd. 1864) und Montrond (Lille 1866). 

Paul F., Bruder des vorigen, Landſchafts— 
maler, geb. 8. Mai 1811 zu ®yon, bildete fi unter 
der Leitung von Ingres. Zu den befanntern Ge: 
mälden %.3 ee: Abſchied eines Verbannten, 
Anſicht der Villa Borgheſe, Alpenanfidt, Sabiner: 
ebirge (1852), Landſchaft in Languedoc (1866), 
ala der Päpfte zu Avignon sro) Fichtenwald 
in Bornic (1875), An den Ufern des Gardon (1877), 
Landſchaft bei Sevres (1882), Thal im Depart. Ain 
(1886), Fichtenwald bei Bouliguen (1890). Er ftarb 
10. März 1902 in Paris, 

—2 nfeln, |. Azoren. 

andrifche Liebe, —— für Flatter⸗ 
haftigleit, Treuloſigleit in der Liebe, entſprechend 
dem alten Sprichwort: «Ich bin von Flandern, 
geb’ eine um die andern.» 

Flanell (frz.), ein in der Kette oft aus fammmolle, 
im Einſchlag ſtets aus Streichwolle beftebendes, 
glattes oder gelöpertes, ſchwach gemalltes, auf der 
rechten Seite einmal geraubtes und wenig oder gar 
nicht geichertes Gewebe. Die F. mit fammmollener 
Kette ſind am meiften geſchätzt, da fie weniger als 
die ganz aus Streichgarn — beim Waſchen 
eingehen. Statt des eigentlichen Kammgarns wird 
zuweilen der Wohlfeilheit wegen zur Kette Baum- 
wolle oder Halblammgarn (welch letzteres hinſicht 
lich ſeiner Beichaffenbeit die Mitte zwiſchen Kamm: 


168 


und Streihgarn hält) verwendet. Mit Rüädficht 
darauf, daß diefer Stoff hauptſächlich zu Unter: 
Kleidern, die unmittelbar auf dem Leibe getragen 
werben, benußt wird, fordert man von gutem %. 
einen Grad der Weichheit, wie er nur durd die An: 
fertigung aus feiner und ſehr gejhmeidiger Wolle 
u erreichen ift. Deshalb und wegen ihrer fhönen 
eiße find die englifhen F. beſonders ggeihäst. 
Vom F. find der Molton (}. d.) und der Boi oder 
Boy nur infofern verſchieden, als fie no ind. 
Smanflin it ein feiner gelöperter englifcher F. 

Flanieren (franz. fläner), müßig in den Straßen 
umherſchlendern; Flaneur (fpr. nöhr), Bflafter: 
treter, (eleganter) Bummler; Flanerie (ſpr. 
flan'rih), das Umherſchlendern. 

Flanke (franz. flanc), bei Tieren (beſonders beim 
Verde) ſoviel wie Weihe, Dünnung; der Richtung 
nad) die rechte oder linke Seite eines Gegenſtandes, 
beſonders einer Truppenabteilung, nicht aber ein 
Zeil der Abteilung felbit (j. dagegen Flügel). So 
fann man jagen: eine Abteilung marſchiert nad 
ihrer rechten F. ab, oder: eine Abteilung wird in 
ihrer linten 3. bedroht. Bi 

In der Befeſtigungskunſt find F. diejenigen 
Linien einerzur Verteidigung eingerichteten Dedung, 
die das unmittelbare Borgelände einer andern Ber: 


teibigungslinie in deren Längenrichtung bejtreichen . 
———— follen. Bei einzelnen jelbitändigen : 


rien, wie Lünetten und Halbredouten, heißen 
diejenigen beiden Linien F., die zur Beitreihung bes 
feitlihen Geländes und zur Flankierung benadbar: 
ter Merle und der dazwiſchen liegenden Zwiſchen— 
räume bejtinnmt find. Bei Feitungsummallungen 
dienen die F. hauptſächlich zur Längenbeſtreichung 
der Gräben; fie fommen bier ald offene Wallflanten 
oder ala — —— zur Ausführung. 
Baftionierten Grundriß (j. d.) können die 
Baſtionsflanken bei Bat norbnung der front 
den Hauptgraben von der Mitte der Kurtine bis 


ur 
Spike des Nebenbaftions flankieren. Ursprünglich 


zur Kurtine ſenkrecht geftellt (ital. Befeſtigungs— 
manier), erbielten fie jpäter (Schule von Mezitres) 
eine zuden Defenslinien ſenkrechte Lage, wodurch eine 
beſſere Flankierung erreicht wurde. Um die 3. vor 


enfilierendem Feuer zu fhüßen, verlegte man wohl. 


(ital. Manier, Vaubans erite Manier, Coehoorns 
Manier) den der Kurtine zunächſt gelegenen Teil der 
5. in das Innere des Baſtions hinein Mana 
gezogene Fh ſo daß es für den Angreifer ſchwierig 
wurde, feine Artillerie in der Verlängerung diejes 
Teiles aufzuſtellen. Der vordere Teil, deſſen Vor: 
fpringen die beſſere Dedung der zurüdgezogenen 
5. zum Zwed batte, hieß Bollwerlsohr oder 
Drillon (f. Tertfigur 1 beim Artitel Franzöfifche 
Bejeftigungsmanier). Dieſe Anordnung der F. ver: 
engte jebod den innern Raum des Baitions, obne 
—— wed ausreichend zu erfüllen; in ſpätern 
Manieren fand fie keine Anwendung mehr. Um den 
R% eine liberlegenbeit über die Konterbatterien des 
Ungreifers zu verichaffen, legte man bisweilen nabe 
vor der zurüdgezogenen %. noch eine niedrigere F. 
an, wodurd fog. S todwerlflanten entitanden, 
die ein zweietagiges Feuer abzugeben vermochten, 
doch auch diefe Anordnung ergab vielerlei Nachteile, 
Gine andere Anordnung, die die Verſtärkung [des 
Flankenfeuers zum Zwed hatte, waren die Neben: 
Hanten (. d.) oder Setondeilanten. Eine zwed: 
mäßigere Veritärtung des Flantenfeuerd ergaben 
die fajemattierten F., die ebenfalls die Aufitellung 


Flanieren — Flaſchenbatterie 


einer größern Geihüßzahl ermöglichten; nad Ein— 
führung des indirekten Schufjes haben indeſſen audh 
diefe Kafematten ihren Wert verloren, da jie durch 
feindliche, in der Verlängerung des Hauptgrabens 
aufgeitellte Batterien ſchon auf große Entfernungen 
zeritört werden können. 

Flantenbatterie, eine meift zur Beſtreichung 
der Ravelins oder detadhierten Bajtiondgräben be— 
ftimmte Batterie (f. d. und —— 

lankenkaſematten, ſ. Baſtionierter Grundriß. 
lankenmarſch, ſ. ariegomarſch. 
lanfenftellung, ſ. ——— 
lantieren, ſ. Flanke und Flanqueure; flan— 


fierendes Feuer, \ Unbejtridener Raum. 
Flantonäde (frz.), in der Fechtkunſt, ſ. Quart⸗ 
revers. 


Flanqueure (frz., ſpr. flangköhre), einzelne 
Reiter, welche vor die Front von haltenden over 
langfam fih bewegenden Kavallerieabteilungen vor: 
gezogen find, um die Annäherung feindlicyer Reiter 
und Batrouilien abzumehren. Ihre Thätigleit beißt 
flantieren und it im deutfchen Reglement befeitigt. 

Wlanfch oder Flanſche, der jheibenjörmige 
Rand an Rohrenden, Eylindern (3. B. Dampf: 
oder Gebläjecylindern) und ähnlichen Zeilen, 
welder die Verbindung mit einem zweiten eben: 

olhen Rohre, einem Dedel u. dgl. ermöglicht. Der 

F. ift zu diefem Zwede mit Schraubenlödhern ver: 
jeben, durd welche die zur Verbindung dienenden 
Schraubenbolzen geitedt werden. Wo ein völlig 
dichter Anſchluß erforderlich ift, pflegt man einen 
Ring aus Dihtungsmaterial (ſ. —— zwiſchen 
die F. zu legen und durch Anziehen der Schrauben 
uſammenzupreſſen. Blindflanſch heißt bei Rohr: 
eitungen ein F., der, für den ſpätern Anſchluß eines 
Zweigrobres bejtimmt oder ald Reinigungsöffnung 
dienend, mit einem Dedel verſchloſſen iſt. 

Flarchheim, früher auch Fladenheim, Dorf 
im Kreis Langenſalza des preuß. Reg.Bez. Erfurt, 
ſüdlich von Müblbaufen in Thüringen, bat (1900) 
624 evang. E. und tft belannt durd) den Sieg der auf⸗ 
—— Sadjen unter Otto von Nordheim und 
Rudolf von Schwaben über Kaiſer Heinrich IV., 
27. yon 1080. — 

3 arben, Kuemn Meerwajler, ſ. Treibeis. 

laſche als Hohlglas, ſ. Glas nebſt Taf. IL, 
Bi .Lu. 4 — Im Majhinenbau iſt 5. eine 
ei Flaſchenzügen (f. d.) vorlommende BVereinis 
ung mehrerer Rollen in einem Ge 
äuje,. weldes entweder fejt ange: 
Kine! wird (feſte F., |. beiftebende 
igur) oder von dem um bie Rollen 
Sekhlungenen Seile getragen wird 
und an einem Halen die Yaft auf: 
nimmt (loſe F.). Die Achfen der Rol⸗ 
len einer F. wurden früber im Ge: 
bäufe meift übereinander angeordnet 
und die Rollen dann verſchieden groß 
gemacht; jest werden die Rollen nebeneinander auf 
derjelben Achſe und in gleicher Größe angebradt, 
wobei die 5. Heiner werben und ein größerer Hub 
33 ſich erreichen läßt. 





laſche, Leidener, ſ. Leidener Flaſche. 

laſchenbatterie, eleltriſche, eine Vereini⸗ 
gung von mehrern Leidener Fiaſchen (f. d.) in 
der Weije, daß alle innern (3. B. pofitiven) Be 
legungen miteinander und ebenfo alle äußern k B. 
negativen) —*6— miteinander verbunden ſind. 
Die Hapacität (ſ. Elektriſche Kapacität) derſelben 


Tlafchenbäume 


entipridht der Summe der einzelnen Flafchentapaci- 
tiiten. und fann leicht *,—1 km erreihen. Wenn 
es daraufantommt, große Eleltricitätämengen (f. d.) 
* Fig 1. auf einmal zu 
entladen, ge 
währen bie F. 
bedeutende 
Vorteile, Bat: 
terien aus 
ons en 
feln (j. Leis 
denerFlaſche), 
auch aus 
Glimmerblät⸗ 
tern, werden 
ebenfalls ver⸗ 
wendet, A? B. 
bei der Rheo⸗ 
tatiſchen Na: 
chine (f. d.). 
Außer dieſer Berbindung wurde auch noch die 
ee äule — welche nach dem 
nder auch Franklinſche Batterie enannt 
wird. Bei derjelben wird nur die erite Flaſche uns 
mittelbar geladen, während die folgenden Flaſchen 
ch durch Influenz laden. Für diefelbe Energie 
at man zur Ladung diefer Batterie nur die Eleltri: 
citätämenge für eine Flaſche zu entwideln, da aber 
das Potential proportional der Flaſchenzahl höher 
i wird an Arbeit nicht? erfpart. Dieje Batterie 


Big. 2. 


ift wegen der großen Berlujte infolge der hoben 
otentiale ſchwer zu laden. Es iſt deshalb nad 
ad zwedmäßig, die Batterie in der Verbindun 
dig. 1 zu laden und zum Zwede der Entladung dur 
einen Umſchalter raſch die Verbindung Fig. 2 ber: 
zuftellen. Man kann fi vorftellen, daß bei der 
ten Verbindung alle Funken der einzelnen Flaſche 
nebeneinander, bei der zweiten alle Funlen binter: 
einander geichaltet find. Deshalb find auch im erjten 
Fall die unten furz und ſehr gefättigt, im zweiten 
‚all jebr lang und weniger gefättigt. (S. Galvanifche 
Batterie und Galvanismus.) 
lafchenbäume, Baumgattung, ſ. Anona. 
ee !. OR EEE 
lafchenbirnen, {, Birne, lement. 
lafchenelement, Grenet3, ſ. Galvaniſches 
taf — f. Glas. 
9 enfindezettel, ſ. Flaſchenpoſt. 
lafchenfüllmafchine, |. Schantgeräte. 
* englas, ſ. Glas. 
laſchenigel, eine gedrehte Bürfte (f. d.). 
laſchenkarten, ſ. Flaſchenpoſt. 
laſchenkorkmaſchine, |. chankgeräte. 
laſchenkürbis, ſ. Kürbis. 
MET eine billige Sorte Siegellad. 











lafchenlampe, ſ. Öllampen. 

aſchenpoſt, Betörderung von Nachrichten, bes 
fonders bei Unglüdsfällen, in einer wafjerdicht ver⸗ 
ſchloſſenen Flaſche, die man dem Meere anvertraut. 
Nah völterrehtlihem Brauch werben derartige F. 
bei der Auffindung an die Ortsobrigleit abgeliefert 
und von diejer dem Konſul der betreffenden Nation 
jur Weiterbeförderung übergeben. Namentlich in 
arttiihen Gegenden ijt die F. mit Erfolg zur fiber: 
bringung von Nadhrichten über Polarerpeditionen 
verwendet worden. — Auch werben 5. zur Mefjung 
rer Geſchwindigleit, Tiefe und der Richtung ber 


Neeresitrömungen verwandt. Die Schiffe werfen | flafhenzug mit nebeneinander lie 


in See von Zeit zu Zeit gut verkorkte Flafchen 
Vrochaus' Konverfationd-Leriton.. 14. Aufl RM. VL 





— Flafchenzug 769 


über Bord, in welde ein Flaſchenfindezettel 
eingeſchloſſen iſt. Diejer enthält die genaue Zeit 
und geogr. Lage des Ortes, an welchem er dem Meere 
übergeben, und die Aufforderung in mehrern Spra⸗ 
hen an den finder, feinerfeitö Zeit und des 
ndort3 darauf zu vermerfen und alddann den 
ettel an das Hydrographiſche Amt feines Landes 
— In fog. Flaſchenkarten werden bie 
Ergebnifje dieſer g eingetragen. Beiſpielsweiſe 
mwurbe eine von der He ri Brigg Marco Bo 
23. Aug. 1873, 8 Uhr vormittags, auf 48° 36’ nörbl, 
Br. und 6° 56’ meftl. 2, über Bord gemorfene 5 
26. Dit. 1873, 4 Uhr nahmittags, bei Dudeſchild 
auf Texel (Holland) 58° 3’ nördl. Br., 4° 11° öftl. 2. 
angejhwemmt; fie hatte demnach 530 Seemeilen, 
aljo täglich 8,3 Seemeilen, zurüdgelegt. Die Ers 
gebnifje der F. werden alljährlich im «Nautical Ma- 
gazine» (London, jeit 1840), den «Annalen der Hydro⸗ 
grapbie» (Berlin, feit 1873) u. ſ. w. veröffentlicht. 

Flafchenreinigungdmafchiue, Kir) eus 
verforfungsmaichine, Flaſchenverſchluß, f. 
Schantgeräte. 

Flafchenzug, ein zur Ausübung von Zugkräf⸗ 
ten, bejonder3 zur Hebung von Laſten dienender 
parat, welcher aus einer feiten und einer lofen Flaſche 
(ſ. d.) oder Rolle (Rollenzug) beſteht, die unter 
einander durch Seile oder Ketten verbunden find. 
Bei der gewöhnlihen Anordnung der F. enthalten 
die Flaſchen eine oder mehrere glei aroße Rollen 
nebeneinander auf einer gemeinſchaftlichen Achſe 
[oje drehbar; bei größern Laſten erhält jede Flafche 

wei übereinander liegende Achſen, deren zugebörige 
Rollen, um ein Zujammentreffen des bie beiden 
lajchen verbindenden Organs zu vermeiden, ver⸗ 
hiedene Größe haben. Man unterjheidet Seil 
und Kettenflaſchen zuge. Beiden erftern tommen 
Hanfjeile oder Drabtfeile für Laften bis zu 30000 kg 
zur Verwendung; lebtere find für Laften bis zu 
130000 kg ausgeführt. Ketten wirken im ‚gansen 
vorteilhafter als Seile, und zwar ift der Wirkungs⸗ 
grad derjelben nicht abhängig von der fettenjtärte, 
während bei Anwendung von Seilen mit Junabme 
der Seilvide der Wirkungsgrad verringert wird, 
wie auch eine Vermehrung der Rollenzabl ungünftis 
gen Einfluß auf denjelben hat. Wenn die Rollen, 
wie died in den nachftebenden Fig. 1 u. 2 ver 
anſchaulicht ift, untereinander 
angeordnet find, nennt man 
die Apparate auch wohl Rols 
lenzüge; doc find diefe in 
der gezeichneten Meife, mit 
Nollen von verſchiedener 
Größe, wegen des unvermeids 
lihen Gleitens auf dem Ums 
fang der Heinften Rollen und :' 
wegen ihrer bedeutenden Baus. 
länge nur von geringem prak⸗ 
tiſchem Wert. 

Bei dem in Fig. 1 gezeich 
neten F. ift das Seil mit der 
feiten Flaſche a verbunden, 
und es enthält in viefem Fall 
die lofe Flaſche b die gleiche , 
Anzahl Rollen. Diefelben Bezeichnungen gelten auch 
für den in Fig. 2 abgebildeten F.; nur hat bier, da 
das Seil an der beweglichen Flaſche befeitigt ift, Die 

legtere eine Rolle weniger. Fig.3 ftellt einen Seil» 
enden, gleich 
aſchen des» 








großen und lojen Rollen dar. Die 
49 


70 


Flafchenzugarmbruft — Flaſſan 


felben erhalten ji eine bis drei, jelten mehr Rollen. | nurbeim Rüdlauf wirkende Laſtdrudbremſe bewirkt. 


©. Flaſche nebit Abbildung.) 


enn das Seil, wie | Durch Anwendung der Schraube ohne Ende uns 


Fig. 3, an der untern lojen Flaſche b befeftigt ift, | eined Schraubenrades mit ftarker Steigung läßt 


die ober aſche a eine Rolle weniger. bei diefem F. ein hoher Wirkungsg 
* Kr. —83* ig. 4 zeigt er Die ——— 


achſtehende 
1861 von ton undenen 
und von Ranſome zuecſt ausge: 
brten ——— enzug 
jog. Differentialflaſchen— 
ine), bei dem ber Vorteil einer 
edeutenden überſetzung erreicht 
wird, ohne daß er den Nachteil 
einer zu großen Reibung befist. 
Diefer Differentialflafhenzug be 
tebt, wie erfichtlich, aus zwei Fla⸗ 
ben. Die eine c iſt beweglich 
und enthält nur eine loſe Ketten⸗ 
rolle, die zur Aufnabme und ri: 
+ tigen rung der Laſtkette mit 
%“ einer ringsberum laufenden Nut 
ii. verjeben ift; die zweite, 


..-. 
| 


eite, Flaſche enthält zwei ver: 
chieden große, aus einem Stüd 
ergeitellte Kettenrollen a und b, 
deren Durchmeſſer etwa im Ver: 
eg von 11:10 ſtehen. Dieje Doppelrolle ſitzt 
ofe auf der Achſe. An ihrem Umfang find die 
Rollen mit Spuren verjehen, melde der Form der 
Rettengliever derart angepaßt find, daß die legtern 
in den Spuren gleihfam gebettet erſcheinen und ein 
leiten derjelben auf dem Rollenumfang unmöglich 
i gemacht iſt. Diefetteift 
endlos und es werden 
die von der Rolle in der 
beweglichen Flaſche ab⸗ 
laufenden Stränge je 
—— ee der 
eiten Flaſche egt, 
% daß eine —* Ket⸗ 
tenſchlinge entſteht, 
von welcher der eine 
oder andere Strang 
—* Hebung oder Sen⸗ 
ng der Laſt gezogen 
werden muß. 
Die Weſtonſchen 
Differentialflaſchen⸗ 
züge werden in ihrer 
Driginalausführung 
zur Hebung von Laſten 
von 250 bis 3000 kg 
benugt. Für die Förde: 
rung von Laſten von 
über 2000 kg werden 
diejelben auch mit 
einem bejondern Zieh: 
rad ausgeitattet, mo: 
durch eine bedeutend größere liberjegung erreicht 
wird. Dies ift aber nur auf Koften großer Effett- 
verlufte möglich. j 
Außer diefem Differentialflafbenzug finden in 
der Technik noch ähnliche Ronitruftionen Verwen— 
dung, bei denen die Laſt infolge der ſchädlichen 
Widerftände der Maſchine in jeder Höhe hängen 
—— ehemmt wird und ſomit ihrem Hinab⸗ 
inten beim Loslaſſen des Zugſeils vorgebeugt wird. 
Bei dem DOESnBENeIGENINE wird die 
Selbſthemmung nicht durch die eigenen Bewegungs⸗ 
widerftände des Triebwertes, jondern durch eine 








Fig. 4. 


en 
der in geſtell 
Schraubenflaſchenzug von. ge * Bei 


5% 
De 2 
| 


Mile Safttrus 
en iſt die » 
bremje in Geftalt eines 
N Ay 


Kuppeljapfend angeord⸗ 
— 45— 
Bi. 










—— 









net, der wãhrend des He 
bens der Laſt ald gewöbn- 
liber Stüßzjapfen, wäb 
rend bes Senlens dagegen 
ald Bremäzapfen wirll 
Das Triebmwert * 
aus einer dop gigen 
Schraube a mit Ziehradeb 
und aus .. u 
rade c mit Kettennuß 
Der Rupneljapfen e bi 
pilsförmi e Öetalt; er 
det die m Verlängerung 
der Schraubenmwelle, melde 
mit ihrem Endzapfen in dem hohlen Stiel be 
— centriert iſt und ſich in der loniſch vertieften 
— enger een = en 
as geſchloſſene Ende des Kuppeljapfenitiels 
auf Bir rudihraube. Da das Moment ber 
Kegelreibung größer ijt als die Wei i 
tände der Heinen Endſtützfläche, kuppelt ſich beim 
aftaufwinden der loje Zapfen durd mit 
der Schraubenwelle, und diefelbe rotiert mit nicht 


ig. 5. 


mebr Reibungswiderftand, ald wenn fie direlt auf 
der Stüsfläde lief. Um für den die 


Bremswirkung der Kegelflachen zur Geltung zu 
—— iſt der cylindrifhe Umfang der 
ſcheibe als Sperrrad f verzabnt und durd den 
griff einer Sperrllinfe an der Rüdwärts 
ebindert. Die Bremswirkung der fe 
Pindert dann den Rüdlauf des ganzen 

Andere Schraubenflafhenzüge zeigen nur neben 
ti Abweihungen von der Bederichen Kon: 


7 


9 


truktion (1880); bei einigen, z. B. dem der Gebruder 
olzani in Berlin, ift auf möglichjte Gleichartigleit 
der en nad —— Gebrauch, ſowie 
auf gute mierung Wert gelegt. 
lafchenzu armbruft, —— 
laſchuer, ſoviel wie Klempner. 
laſergabbro, Geſtein, ſ. Gabbro. 
laſern, Tapeten (ſ. d.). 
laffan (ipr. -äng), Gaetan 


) Gra 
franz. Diplomat und Geidictichreiber, Ns 


geb. 1760 


Flatey — Flaubert 


herr im Depart. Bauclufe, trat 1787 in die 
iegsſchule, wurde jpäter Abteilungächef im Mi: 
nijterium der auswärtigen Angelegenheiten, ging 
aber während der Revolution zur Armee des Prin- 
zen von Gonde nad Koblenz. Nach dem 18. Bru— 
maire (9. Nov. 1799) kehrte er nach Frankreich zus 
rüd und wurde Lehrer an der Kavalleriefchule in 
St. Germain:en:Laye, dann Hiftoriograph des Aus: 
waͤrtigen Amtes und 1814 der franz. Geſandtſchaft 
zum Wiener Kon ” beigegeben. Er jtarb 20. März 
1845 zu Paris, F chrieb im Auftrag Napoleons 1. 
eine «Histoire generale et raisonn6e de la diplo- 
matie frangaise jusqu’au 10 aoüt 1792» (6 Bde., 
1808; 7 Bde., 1811) und die oberflächliche «Histoire 
du congr&s de Vienne» (3 Bbe., 1829; deutfch von 
Hermann, 2 Bode., Lpz. 1830). 

Flatey, Heine Inſel an der Nordweſtküſte Is— 
lands in dem Breidifjord, umgeben von einem Heer 
anderer Inſelchen und mit dem beſten Hafen. Von 
hier, und nicht von der gleichnamigen Inſel der 
Nordkuſte, find die normann. Entdeder Grönlands 
und des nordamerik. Feſtlandes, Erich der Rote und 

ein Sohn Leif, ausgegangen und hat die Beſiede⸗ 
ung Grönlands jtattgefunden. 17. Jahrh. 
taufte der berühmte Biſchof Bronjalfur Sveinsſon 
in 5 das noch einen Heinen Ort mit etwa 150 Be: 
mwohnern trägt, von einem Bauer für König Fried: 
rich III. von Dänemark die große Sammlung von 
Sagas, dad Flateyjahrbuc (Codex flateyensis), 
wie rg eitdem in deutſcher liberfegung beißt. 
Dasjelbe giebt und fihere Nachrichten über jene 
normann. 


nternehmungen. — Vgl. Bigfüffon und 
Unger, 


— en ſamling af norſta Konge⸗ 
Sagaer jamt Annaler (3 Bde., Kriſt. 1868). 
diatde, Theod., Hijtorifer, geb. 1. Juni 1827 
in Zanneberg bei Nofjen, ftudierte in Leipzig, wurde 
1850 Lehrer am Gymnafium zu Blauen, 1866 
Profeſſor an der Fürftenfchule zu Meiken. 1895 
trat er in den Ruheſtand; er ftarb 26. März 1900 
in Loſchwitz. Seine litterar. Thätigkeit war vor: 
ugsweiſe auf die ſächſ. Specialgeſchichte gerichtet. 
ußer verjhiedenen Monographien in von Webers 
«Archiv für ſachſ. Gedichte» erfchienen von ihm 
bie Neubearbeitung und Fortjeßung von E. W. Böt: 
tigers « Geicbichte des Kurftaates und Königreichs 
Sadjen» (3 Bde., Gotha 1867—73, in Heeren und 
Ulerts «Geſchichte der europ. Staaten»); ferner die 
Neubearbeitung von Engelhardts «Baterlandätunde 
des Königreih8 Sadfen» (3. Aufl., Lpz. 1877), 
«St. Ara. Geſchichte der königli fact. Furſten⸗ 
ſchule zu Meiben» (ebd. 1879), «Katechismus der 
allgemeinen Weltgefbichte» (3. Aufl., ebd. 1899), 
«Das Zeitalter der Reftauration und Revolution 
1815—51» (in Ondens «Allgemeiner Gejhichte in 
Einzeldarftellungen», Berl. vl «Die neuefte 
get (in der «Allgemeinen Weltgefhichte» von 
2 Flathe, Hergberg u. f. w., ebd. 1887—92), 
eutiche Reden» (2 Bpe., Lpz. 1898— 94). 
Flatheads (fpr. flätt'hedds), eigentlih Seliſch 
* aliſh), Indianerſtamm, ehemals zwiſchen Bitter: 
oot und dem Felſengebirge, am Flathead⸗River 
und Clarke's Fork verbreitet. Der Name hat mit 
Flachtopf nichts zu thun, da die Sitte des Kopf⸗ Ab⸗ 
plattens ihnen ſtets unbelannt war. Sprachlich 
ag die 5. zum fog. Tſchaili-Seliſchſtamm. 
ie Sprade tft durch eine lateiniſch geſchriebene 
Grammatif des Sefuiten G. Mengarint ſowie ein 
ausführliches Leriton des Kaliſpel⸗ oder Kulleſpelm⸗ 
dialeft3 näher bekannt. Heute leben die wenigen 


771 


Uberreſte (etwa 1000) in einer Reſervation im 
Süden des Flatheadſees (j. Karte: Vereinigte 
Staaten von Amerifa L Weſtlicher Teil), 
Den 5. verwandt find die Dfanagen und Shu— 
ſhwap in Britiſch-Columbia, ſowie die Stämme 
vom Puget-Sund und des füpdöftl. Teild der 
Bancouver:Äniel. 

Flatholin, Inſel im Briftollanal, zur engl. 
Grafihaft Somerjet gehörig, im S. von Cardiff, 
2", km im Umfang, bat Leuchtturm und Batterien. 

latow. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. Marien: 
werber, hat 1527,41 qkm und (1900) 65752, (1905) 
67792 E., 5 Städte, 109 Landgemeinden und 51 
Gutsbezirle. — Vgl. Goerke, Geographie, Statijtit 
und Geſchichte des Kreifes F. (Fiatow 1899). — 
2) $.,poln. Zlotowo, Kreisftabt im Kreis F. 136 km 
im SW. von Marienwerder, zwiſchen drei Seen, in 
117 m Höbe, an der Ölumia und der Linie Schneide: 
mübl-Dirihau der Preuß. Staatöbahnen, Sig des 
Landratsamtes, eined Amtögerihts (Landgericht 
Konis), Steuer: und Katajteramtes, bat (1900) 
4018 €., darunter 1534 Ratboliten und 316 Israe⸗ 
liten, (1905) 4151 E., Boftamt zweiter Klaſſe mit 
Zweigſtelle, Reihsbant: Warendepot, Vorſchußver⸗ 
ein; je eine evang. und kath. Pfarrkirche, tath. 
St. Rodhustapelle, Maſchinenfabrikation, Spiritus: 
raffinerie, Deftillation, Tiſchlerei, Bierbrauerei; 
Aderbau und Torfgräberei. Der Niekbraud der 
preuß. Kronfideitommißberridaften 5. (18947 ha) 
und Krojanke (5472 ha) ſteht dem Prinzen 
Friedrich Leopold von Preußen zu. 
Flat raoes (engl., ſpr. flätt rehßẽs), Flach⸗ 
lattergras, |. Milium. [rennen (}. d.). 
latterhörnchen, |. Eichhörnchen. 
lattermaki, ſ. PVelzflügler und Tafel: In» 
feltenfrejfer, Fig. 5. 

latterminen, Toviet wie Fladderminen (f. d.). 

fatterruß, die im obern Teil der ee ya 
fih abjcheidende voluminöfe, flodige, fohlige Mafle, 
um Unterjhievde von Glanzruß, der fi in der 
Skähe der Feuerung als fompalte, glänzende, vor: 
zugsweiſe aus teerigen Bejtandteilen beſtehende 
Subjtanz ablagert. 

lattertiere, ſ. Fledermäuſe nebjt Tafeln. 

latterulme, j. Ulme. Teile derjelben j. Tafel: 
Laubbölzer. Waldbäume II, Fig. 5—8. 

Flattieren (fr3.) ——— Flatteur (fpr. 
-töbr), Schmeichler; 5 atterie, Schmeichelei. 

iatulenz (lat.), Blahſucht, Blahungsbeſchwer⸗ 
den, ſ. Blähungen; —— ent, blähend, bläh— 

Flatus Fr f. Blähungen. uchtig. 

Flatz, rechter Nebenfluß des obern Inns im Ober⸗ 
engadin. Der F. entſpringt als Berninabach aus 
dem Lago Nero (2222 m), auf der Höhe des Bernina⸗ 
paſſes, fließt nah NW. und mündet, 19 km lang, bei 
Samaden. In feiner obern Thalftufe empfängt er 
recht3 ven Bach des Val da Fain; in der mittlern, 
in welcher er in einer Reihe präctiger Wajjerfälle 
abjtürzt, links den Abfluß des Morteratjchgletichers. 
Durh den Engpaß von Puntota bei Pontrefina 
tritt er in die unterjte Thalftufe, in der er nad 
Aufnahme des Roſegbachs (lint3) den Namen F. 
annimmt, der allmäblih dur die Bezeichnung 
Berninabach verbrängt wird. 

Flau, traftlos, matt, ſchwach, dient in Borſen⸗ 
berichten zur Bezeichnung der Stimmung, bei Waren 
foviel wie wenig verlangt, wenig abgejept. 

Flaubert (jpr. flobähr), Guftave, franz. Romans 
ſchriftſteller, geb. 12. Dez. 1821 in Rouen, bereifte mit 

49* 


772 
—— unde Marime Du Camp 1849—51 den 
ient Ugypten, Nubien, Syrien, die Türkei) und 
prüfte und jammelte lange feine Kraft, ehe er ala 
Schriftſteller hervortrat. Eine erfte größere Arbeit 
«La tentation de Saint-Antoine», ein an Quinets 
(| d.) «Ahasverus» antnüpfender philoſ.⸗archäol. 
iſionsroman, ift erſt jpät erſchienen (1874), als F. 
ſchon lange fein von ihm felbft nicht wieder übertroffe: 
x Meifterivert «Madame Bovary» (2Bpe., 1857; 
‚dition definitive, Bar. 1873; deutſch Dresd. 1892 
und in der Kollektion Hartleben, Wien 1894) ver: 
öjjentlicht hatte, Diefer Roman ift der Ausgangs: 
punkt des modernen franz. Naturalismus, der leiden: 
und genau die phyſiſche Wirklichkeit dar: 
tellt und dem das Unbedeutende und Bedeutende 
gleich wichtig ift. F. iſt nicht der Gedante, fondern die 
Ausführung die Hauptſache; der Dichter hat das 
Hödhite erreicht, wenn es ihm gelungen, ein aus ſchärf⸗ 
fter, anhaltender Beobachtung hervorgehendes, mit 
rüdjichtälofer Genauigteit und kalter Unerbittlichkeit 
ausgefübhrtes Bild wirklicher Vorgänge zu zeichnen. 
Die Nüdfitölofigkeit in Sprache und Schilderung 
zog F. eine Anklage wegen Verlekung der Sitten zu, 
doch wurde er freigeiprochen. 1858 machte F. eine 
Reife nach Tunis, von wo er die Anregung zu einem 
biftor.zardäol. Roman mitbradte, der 1862 u. d. T. 
«Salammbö» (Edition definitive, Bar. 1888; 
deutſch von Habs in Reclams «Univerjalbibliothet») 
erſchien, aber die große Leſewelt wenig befriedigte. 
«Salammbö» jpielt in der Zeit des Soͤldnerkrieges 
und des Kampfes zwiſchen Rom und Karthago. Eine 
Fülle glänzender Schilderungen und Beichreibungen 
von künitleriischer Ausführung und archäol. Treue 
überwudern die Handlung des Romans, die binter 
der Daritellung der Zuftände zurüditebt. «L’educa- 
tion sentimentale, histoire d’un jeune homme» 
(2 Bde., Bar. 1869 u. ö.; deutich Minden 1904) joll 
dieCharakterentwidiung des modernen jungen Man: 
nes daritellen, ift aber matt, weil auch bier der Dich: 
ter den Gegenſtand mit kalter Objektivität behandelt. 
Ein Luſtſpiel in vier Alten, das 1874 erſchien: «Le 
candidat», batte feinen Erfolg. Beſſere Aufnahme 
janden drei Novellen, die F. u. d. T. «Trois contes» 
(1877) berausgab. F. ftarb 7. Mai 1880 auf feiner 
Beſitzung Croiſſet bei Rouen. Sein nachgelaſſener 
Roman «Bouvard et P&cuchet» (1881) betundet 
nur ee e das kraftvolle Talent feiner frühern 
Werte. Eine Gefamtausgabe von 3.8 Werten er 
ihien 1885 (8 Bde., Paris). — Val. F.s Briefe an 
George Sand, bg. von Guy de Maupaſſant (4. Aufl., 
Bar. 1889), und feine Correspondance. 1830 — 80 
(4 Serien, ebd. 1887—93); TE. Bourget, Essais de 
sychologie contemporaine (ebd. 1884); Marime 
u Gamp, Souvenirs litteraires, Bd. 1 (ebd. 1882); 
Gommanville, Souvenirssur GustaveF.(ebd. 1895); 
Tarver, Gustave F. as seen in his works and 
correspondence (Lond. 1895); Sa uet, Flaubert 
(Bar. 1899); Chriſtenſen, Gustave (Ropenb. 1902). 
Flaumfedern oder Flaum, aub Daunen 
oder Dunen F Federn) genannt, die unter den 
Dedfedern verjtedt liegenden zarten Federn der 
Vögel; für den Handel find befonbers wichtig die 
F. der Eiderente (ſ. d.). ; 
Flaus, Bu oder Eoating, ein tuchartiges, 
zuweilen gelöpertes Gewebe, das jih vom gewöhn: 


lihen Zub durch ; 
gröberes Haar unterjdeidet, ſtark gewallt und ges 
raubt, aber wenig geſchert iſt. In der Studenten: 


ſprache ift 5. oder Flauſch joviel wie Rod. 


rößere Dide und längeres, 


Flaumfedern — Flavopurpurin 


Flautando (ital., «flötend»), in der Mufil für 
— (. d.) oder einen ähnlichen Ton gebraucht. 
uto, ſ. Flote; F. dolce (ſpr. Aſche), ſ. 
Schnabelflöte; F. piccölo, ſ. Flageolett. 
Flavaurin, Neugelb, das Ammonialfalz einer 
— ——— C,H,(OH)(NO,),SO,H. 
Es dient zum Gelbjärben von Wolle und Seide. 
—— (fpr. -winnjih), Weiler im Kanton 
Gorze, Landkreis Mep des Bezirks Lothringen, ge 
bört zur Gemeinde Rezonville, Hier fand 16. Aug. 
1870 der erjte Kampf der über die Mojel vorge 
drungenen deutſchen Zweiten Armee mit der nad 
der Schlacht von Eolombey:Nouilly (j. d.) im Ab- 
marjche nah Berbun ——— franz. Rheinarmee 
5* woraus ſich die Schlacht von Vionville— 
ars-la-Tour (ſ. Vionville) entwickelte. 
Flavin, ein in der Gelbfärberei für Wolle an» 
gewenbetes yarbematerial, daS man aus dem Quer: 
citron (f. d.) dadurch darftellt, vaß man den darin 
enthaltenen Farbeſtoff, das Quercitrin, mit ver: 
dünnten Säuren kocht, wobei fi ein citrongelbes 
Pulver, das Duercetin (f. d.), abjcheidet, das unge 
reinigt ald F. im Handel vortommt. Es befikt die 15— 
—* Färbefraft der Rinde. Das Färben mit F. 
eſchieht in folgender Weije: In einer hölzernen 
ufe, in die — Dampfrohr mündet, loſt 
man (auf 5 kg Wolle) 250 g Draljäure, 140 g Zinn: 
alz und 80 g F., erbist zum Kochen, bringt die 
emperatur durh Zufag von kaltem Waſſer auf 
60°C. herab, führt die angefeuchtete Wolle ein, er» 
mwärmt un wieder zum Sieden und färbt auf 
fodhendem Bade aus. 
lavindulin, \ Phenantbren. 
lavius, ein Name, der im Altertum von ver 
ſchiedenen Familien in Rom und fonft in Stalien 
geführt wurde. Am berühmtejten ift 5. Veipahanus, 
der 69 n. Ehr. Kaiſer wurde. (S. Beipafianus.) Aus 
republilaniſcher Zeit find bervorzubeben: Gnäus 
5., Schreiber des Appius Claudius Cäcus und tro 
feines ‚geringen Herfommens 304 v. Chr. Udil, ver⸗ 
öffentlichte ein Verzeichnis der Fasti (f. d.) und der 
u. 7 actiones (oft Jus Flavianum genannt). 
ajus F. Fimbria, einer der eifrigften Teil 
nehmer an den Öreueltbaten des Marius, begleitete 
86 v. Chr. ald Legat den kriegsunerfahrenen Konſul 
Lucius Balerius Flaccus, welcher in den Drient 
ging, um an Sullas Stelle den Oberbefehl im Kriege 
gegen Mithridates zu übernehmen. Auf Antrieb 
des F. empörten fi aber in Byzanz die Truppen 
des Faccus, diefer wurde ermordet und Fimbria 
zum Feldherrn gewählt. Er befiegte den ern 
Mithridates, zwang den König jelbit zur t 
und würde ibn in Pitane, einer Safenhant bei Ber: 
amon, in feine Gewalt pe baben, hätte nicht 
ucullus, der unter Sulla eine flotte befebligte, 
dem Marianer die Mitwirkung verjagt. Sulla trat 
bierauf mit Mithrivates in Unterbandlung, ging 
84 v. Chr. zum perfönlichen Abjhluß des Friedens 
von Europa nad Afien hinüber und zog dann auf 
das Heer des F. zu, auf das er unfern von Ver: 
gamon bei Thyatira traf. Jetzt verließen die Sol 
daten des F. ihren Fuhrer, und diefer ließ fich im 
Pergamon (84 v. Chr.) im Tempel des Uskulap 
duch die Hand eines Sklaven töten. 
lavius Veſpaſiauus, Name röm. Kaijer, 
ſ. Beipafianus und Titus (Flavius Beipafianus). 
Flavopurpurin, ein mit dem Purpurin (f. d.) 
ifomerer Farbſtoff, feiner Zujammenjegung nad 
ein Trioxyanthrachinon. 


Flavus — Flechſig 


Flavus ſd. h. der Blonde), ein cherusk. Furſten⸗ 
ſohn, Bruder des Arminius, war wie dieſer in 
den taiferl. Heeresdienſt getreten, nahm nachher 
aber an der Erhebung gegen Barus nit teil, ſon⸗ 
dern blieb den Römern treu und focht gegen feine 
Landsleute. Zwiſchen ihm und Armintus fand 
16 n. Ehr. kurz vor der Schlacht des Germanicus 
an der Weſer ein hödjft erbittertes Zufammentreffen 

att. Ein a des F. und der Tochter des katti⸗ 
hen Fürjten Katumer, Namens Italicus, wurde 
47 n. Chr. von Rom zu den Cherusfern als König 
berufen; doc fachte dieſe Ernennung den unter den 
tern tobenden innern Hader nurnoch mehr an. 

Pen (jpr. flärmänn), John, engl. Zeichner 
und Bi — geb. 6. Juli 1755 zu York, beſuchte 
vom 15. Sabre an bie lönigl. Alademie, die er aber 
wegen Zurüdjegung bald wieder verließ, und ging 
1787 nad Rom. 1794 nad London — 
wurde er 1800 Mitglied der königl. Alademie und 
1810 Brofefior der — an derſelben. 
Er ſtarb 9. Dez. 1826. Großen Ruf erlangten feine 
Umrißzeihnungen, befonders die berühmten Um: 
riffe zu Homers Odyſſee (Rom 1793) und zur Ilias 
(Lond. 1795); ferner die Zeichnungen zu Dante 
(ebd. 1793; neu 1867), dic Blätter zu Aſchylus 
und zu Hefiod, Seine Arbeiten wurden in Deutſch⸗ 
land, namentlid durch Riepenbaufen (neu heraus: 

eneben Berl. 1865), Schnorr u. a., wie in Frankreich 
——— complötes», Par. 1832) wiederholt. In 
manchen ſeiner Arbeiten zeigt ſich eine üuberraſchende 
Größe der Kompofition und ein reiner, ebler Stil. 
Er war einer der erften, welche die ältere kla fiiße 
Rihtung im Sinne Windelmanns durch Anleb: 
nung an griech. Vorbilder umgeftalteten. Bejonders 
gi ibn das damals erwachende Studium der 

ajenbilver und der pompejaniſchen Wandgemälde 
auf Itrenge Einfachheit, allerdings nicht felten auch 
bis zur lomiſch wirkenden Nüchternbeit zurüdge: 
abet, wie namentlich die erfünftelte Strenge feiner 

ante:tompofitionen beweift. Seine ſechs Bitten 
age Ugolino find aud in Deutihland voltstüm: 
ib geworden. Bon feinen plaftifchen Werten find 
in England beſonders betannt das Basrelief pen 
Andenken des Dichters Eollin in der Kirche zu Ehi- 
cheſter, das Dentmal des Lords Manzfield und das 
der Familie Baring zu Micheldever in Hampibire, 
Neljond Grabmal, die Stanbbilder für Joſhua 
Reynolds und Adam Home in der St. Paulskathe— 
drale zu London, für Bitt in er. Hohn Kemble 
in der MWejtminfterabtei, Biel bewundert wurde 
fein Modell zu dem Schilde des Achilles nach dem 
18.Buce berlin DasDriginal,in Gold getrieben, 
bejaß König Georg V. von Hannover. Ferner find zu 
nennen: Die Veſtalin, William ones die engl. Ge: 
ſchichtsbucher jammelnd, Die Ergebung, Apollo als 
Hirt, Pſyche, Dein Wille geſchehe u. a. Bon feinen 
kunſttheoretiſchen Schriften find zu ermäbnen: «Lec- 
tures on sculpture» (Lond. 1829; neue Ausg. 1866). 

Fl. dan.,, bei botan. Bezeihnungen Abtürzun 
für «Flora danica», ein großes Illuſtrationswert, 
das jeit 1764 bis auf die Neuzeit von verjchiedenen 
Botanitern herausgegeben wurde und mehrere Tau: 
jend Abbildungen aus der Flora Dänemarks und 
ber & drigen Länder enthält. 

gie e, ſchwarzes Stirnband mit einer auf die 
Naſenwurzel hinunterreihenden dreiedigen Spige, 
wird ald Trauerzeichen von Damen getragen. 

Flebile (ital.), mufitaliihe Vortragsbezeich⸗ 
nung: Häglich, weinerlic. 


773 


Flöche (fr;., fpr. RN Feldſchanze, |. Fleſche. 
Fleche, La (ſpr. fläſch. 1) — — 
franz. Depart. Sarthe, bat 1544 qkm, (1901) 
87777 E., 75 Gemeinden und zerfällt in bie 
7 Rantone Brülon, La F., Le Lude, Malicorne, 
Mayet, Vontvallain und Sable. — 2) Hauptftadt 
des Arrondifjements La F., 39 km füdmweitlih von 
Le Mans, in 32 m Höbe, recht3 vom Loir, an den 
Linien Aubigne:Sable, La Suze:La F. (31 km), 
La 3.:Angers (49 km) und 2a %.:Saumur (53 km) 
der Franz. Orldansbahn, ift Sik eines Geri tshofs 
eriter Je und einer 1764 gegründeten Militärs 
f&ule (Prytande militaire) in dem 1607 von Hein: 
rich IV. begonnenen, von Parkanlagen umgebenen 
Sejuitencollöge, mit Bibliothel (20 000 Bände) und 
durchſchnittlich 450 Zöglingen, Dffigierskindern, 
welche vorzugsweiſe für St. Eyr vorbereitet werben. 
La F. bat (1901) 7642, ald Gemeinde 10519 €, 
eine Bronzeftatue Heinrichs IV.; Handſchuhfabrika⸗ 
tion, Brauerei und Handel mit Geflügel (junge 
Hühner). Aus dem Fefuitencolldge gingen Dess 
carted, Prinz Eugen, der Jefuitenfeind Basauier 
und der Aſtronom Picard hervor. Am 8. Der. 
1793 wurden bei La %. die Royaliſten von den 
Republitanern unter Weftermann geiölagen. — 
Val. Montzey, Histoire de La F. et de ses 
seigneurs (3 Bde., La Flöhe 1878—79). 
lechier (jpr. fleſchieh), Esprit, franz. Kanzelred ⸗ 
ner und Schriftſteller, geb. 10. Juni 1632 zu Ber: 
nes (Brafihaft Benaifkn), trat in den Orden der 
hriftl. Lebre, war dann Lehrer der Rhetorik in Nar- 
bonne, ging 1659 nad) Paris, wo er mit den Schön: 
— des Hötel de Rambouillet viel verkehrte. 
eine Leichenreben auf Montaufier und Turenne 
ind Meifterwerle. Er wurde 1673 Mitglied ber 
fademie, erbielt 1687 das Bistum Nimes und 
ftarb 16. Febr. 1710 zu Montpellier. In Nimes 
gründete F. die Alademie. Außer-jeinen «Oraisons 
funebres» (Bar. 1680; neue Aufl., ebd. 1878) fin» 
feine «Histoire de Thöodose le Grand» (ebd. 1679; 
neue Ausg., Tours 1881), «Histoire du cardinal 
Ximends» (2 Bde., Bar. 1693 u. d.; deutſch von Fris, 
ZI. 1, Würzb. 1828) und feine «Panegyriques des 
Saints» (far. 1690; 3 Bbe., 1739) zu erwähnen. 
Seine Dichtungen in franz. und lat. Sprade find 
enthalten in den «(Euvres posthumes» (ebd. 1712). 
Seine «(Euvres complötes» erjchienen zu Nimes 
10 Bde., 1782; neue Ausg. von Migne, 2 Bbe., 
ar. 1856). Wenn 7. in feinen Leihenreden Bofr . 
pa vielleiht an Korrektheit des Stils übertrifft, 
o ftebt er diefem an Fülle der Gedanken fowie an 
binreißender Beredfamteit bei weitem nad. — Val. 
Delacroir, Histoire de F., &v&öque de Nimes 
(2. Aufl., 2 Bve., Par. 1865); A. Fabre, La jeu- 
nesse de F. (2 Bde., ebd. 1882); derf., F. orateur 
(1672—%), &tude critique (2. Aufl., ebd. 1886). 
lechfen, ſ. Sehnen und Musteln. 
lechfig, Baul, Pſychiater und Neurolog, geb. 
29. Juni 1847 zu Zwickau i. ©., ſtudierte jeit 
1865 in Leipzig, wurde daſelbſt 1872 Affiftent an 
ber mediz. Poliklinik und am pathol. Inftitut, 1873 
am phyſiol. Inſtitut, habilitierte fih 1876 und 
wurde 1877 außerord. Brofeflor der Medizin, bes 
_. 1878— 79 Deutihland, Öfterreih, Frankreich 
u. |. m., um das Irrenweſen zu ftubieren, wurde 
1882 Direktor der zu Leipzig neu errichteten Irren⸗ 
Hinik ( jent Pſychiatriſche und Nervenklinit), 1884 
ord. Profeſſor der Pſychiatrie. Er begründete die 
entwidlungsgeichichtliche Methode der Unterſuchung 


774 


Flechtarbeit — Flechten (Gewächſe) 


deö innen Baues von Gehirn und Rüdenmark und , vegetativen Teil, des Thallu3, ſowie auch auf 


— Grund derjelben eine neue Einteilung ber 
ankungen dieſer Organe. Außer zahlreichen 
Mleinern Mitteilungen im «Neurologiihen Central: 
blatt»u.a.a,.D, fchrieb er: «Die Leitungsbabnen im 
Gehirn und Rüdenmark des Menſchen, auf Grund 
entwidlungsgeihichtlicher Unterfuhungen darge: 
tellt» (2pz. 1876), «Blan deö menſchlichen Gehirns» 
(ebd. 1883), «Die Irrenklinik der Univerfität Leip- 
Ks in ben J. 1882—86» (ebd. 1887), «Gehirn und 
eele» (2. Aufl., ebd. 1896), «Die Grenzen geiftiger 
Geſundheit und Krankheit» (ebd. 1896), «Die Lolalis 
fation der geiftigen Vorgänge» (ebd. 1896). 
lechtarbeit, ſ. Flechten. 
lechte, eine nur von Laien gebraudte Be 
zeihnung für alle ſchuppigen oder Kruſten bilden- 
den Hautausihläge. Dabın gebören vor allen die 
Bioriafis oder Shuppenflehte (trodne weiße 
Schuppen auf geröteten Hautftellen), die Kleien— 
flechte oder Bäderträge (Heienförmige Abihup- 
=. auf verdidter, geröteter, judenber Haut) und 
der Yichen oder die Knötchenflechte (Heine, meiit 
in Gruppen ſtehende Knötchen, die ſich abichuppen) ; 
ernerder Brurigo oderdiejudende %. (zeritreute, 
ade, Kent judende Knötchen), das Etzem oder 
die näfjende F. (die entzündete, judende Haut jchei: 
det eine wäflerige Fluſſigleit ab, welche zu ſchuppen⸗ 
rer Kruften eintrodnet), der Herpes oder die 
Bläschenflehte (gruppenweiſe ſtehende, zuSchor: 
* eintrodnende Bläschen), der Lupus oder die 
reffende F. (Hautfnöthen und Entzündungen 
der Haut, welche ineinander übergeben, die Haut 
völlig zerjtören und unaufbaltiam um ſich greifen) 
und die Rupia (Rbypia) oder die Schmußz— 
flechte (große, einzelne, flache Blajen, deren eite: 
riger und blutiger Inhalt zu diden, —* Borlen 
eintrodnet). Manche dieſer Ausſchläge ſind erblich, 
andere entſtehen durch Hautreize, noch andere durch 
Syphilis; von andern wieder ſind die Urſachen un— 
betannt. (S. Hautkrankheiten.) Über F. der Haus⸗ 
tiere ſ. Hautkrankheiten der Haustiere. 

Flechten (Lichenes), eine Öruppe eigentümlicher 
pilzäbnlidher Gewächſe, die jedoch feine Individuen 
daritellen, fondern als Refultat einer teils ſymbio— 
tiſchen, teild parafitiihen Vereinigung von Pilzen 
und Algen zu betrachten find. Die bierbei in Be 
tracht fommenden Bilze gehören zur Abteilung ber 
Schlauchpilze oder Ascomyceten (f. d.); nur wenige 
. Fälle find befannt, in denen Baſidiomyceten (f. d.) 
rarafitiih auf Algen leben und dadurch an ber 
Bildung gewiſſer 5. teilnehmen. Die Algen, auf 
denen Die Witze leben , gebören den Abteilungen der 
Cyanophyceen und Chlorophyceen an. (S. Algen.) 

rüber bielt man die %. für ſelbſtändige frypto- 

amiſche Pflanzen und jtellte fie als beſondere 
Sruppe meijt zwiſchen Bilze und Algen; jest muß 
man die %. den Bilzen zurechnen, da die haralte: 
riftiiche Form ihrer einzelnen Arten in den metiten 
Fällen ausſchließlich durch die betreffenden Pilze 
bedingt wird, nicht aber von den nur als Näbhr: 
pflanzen für jene dienenden Algen. Wie alle echten 
Barajıten, lommen auch die fledhtenbildenden Pilze 
nicht ohne die für fie notwendigen Näbrpflanzen fort, 
die legtern dagegen, alfo bier Arten der genannten 
Algenabteilungen, tönnen fi volljtändig normal 
entwideln, wenn fie von den auf ihnen ſchmarotzen⸗ 
den Pilzen befreit werben. 

Die ſyſtematiſche Gruppierung der F. berubt auf 
ber großen Manntgfaltigleit in der Ausbildung des 





den Verſchiedenheiten in der Form der ruchtlörper, 
der Apotbecien. Man lennt im ganzen etwa 
1500 Arten, die über die ganze Erde verbreitet find, 
auptſächlich in der nörbl. alten Zone zu reichlicher 
idlung gelangen und bier einen großen Zeil 
ber ganzen Vegetation ausmachen; das legtere gilt 
auch für jene Hocgebirgäregionen, die in ihren 
Himatifhen Berhältnifien mit den Polargegenden 
im weſentlichen übereinftimmen. Die Zahl der in 
Europa wachſenden ift etwa 600. rüber teilteman 
Is meift nad der äußern Form ein, indem man 
olgende Gruppen aufftellte: Strauchflechten, 
Thallus ftrauhförmig, meift vielfach verzweigt; 
Laubflechten, Thallus blattartig; Kruften- 
flechten, Thallus nur als truftenförmiger 
ug ausgebildet; Gallertflehten, Thallus im 
dnen Zuftande häutig, im feuchten Zuftande 
zn... aufgequollen.. Der einentümlichen 
ganijation der F. entiprechender ift ed, wenn 
man biefelben nad den Pilzen einteilt, die an ber 
Bildung teilnehmen. Es find dies in den aller 
meiften Fällen Ascomyceten, und zwar aus ben 
beiden Abteilungen der Discompceten und Pyreno⸗ 
moceten (f. Ascompceten); demnach kann man bei 
den F. ſolche unterſcheiden, deren Apothecien becher⸗ 
oder ſcheibenartig entwickelt ſind und dem Thallus 
auffigen, und ſolche, bei denen die Apothecien die 
orm von lapſel⸗ oder flajhenförmigen Höhlungen 
aben und dem Thallus eingefegt find. Die eritern 
zeichnet man alö Lichenes gymnocarpi, bielegtern 
als Lichenes — Hierzu kämen noch als 
eine dritte Abteilung diejenigen F., bei denen nach 
neuern Unterſuchungen die flechtenbildenden Pilze 
nicht zur Gruppe der Ascomyceten, ſondern zu der 
der Baſidiomyceten gebören. 

In der äußern Form des Thallus find, wie 
aus dem bereits Gejagten hervorgeht, zahlreiche 
Verſchiedenheiten vorhanden; nicht jo in ihrer 
innern Organifation: bier finden ſich bei allen 5. 
weſentlich biefelben Verhältniſſe; der Thallus ı 
immer zujammengejest aus vielfach verſchlungenen, 
meift dicht miteinander verflochtenen Pilzhyphen und 

rünen, gewöhnlich kugeligen Zellen, die den als 

äbrpflanzen dienenden Algen angehören. Man 
bezeichnet diefe grünen Zellen ald Gonidien. (©. 
Zafel: Flechten IL, Fig.7.) Da diejelben ſtets von 
den Pilzfäden umgeben werben, fo ſehen die 5. im 
trodnen Buftande, mweil immer Luft en den 
einzelnen Hyphen vorhanden ift, fajt nie grün aus, 
fondern meift weiß, grau oder gelblih; werden fie 
jedoch feucht, fo wird die Luft aus dem Pilzgeflecht 


durch Aufquellen der Hypben ausgetrieben und es 
fhimmert dann meift das der Gonidien durch 
die Bilzfäden hindurch. 


Bei der größern Zahl der F. ift jedoch die Ber 
teilung der Hypben und Gonidien im Thallus nicht 
gleihmäßig, ſondern die legtern treten nur in einer 
gewiſſen Schicht auf, wo fie zwiſchen loder mitein⸗ 
ander verflohtenen Hyphen liegen; dieſe Schicht 
nennt man Gonidienſchicht oder gonimiſche 
Schicht, und den Thallus, der auf dieje Weije ge 
baut ift, bezeichnet man ala geſchichteten oder 
beteromeren Thallus. Sind dagegen die Gonis 
dien gleihmäßig dur den ganzen Thallus verbreis 
tet, jo fpriht man von einem ungeſchichteten 
oder homdomeren Thallus. Einen heteromeren 
Thallus befigen die Strauch⸗, Laub: und Kruften» 
flechten (fo 3. B. Sticta fuliginosa, ſ. Taf. I, Fig. 3), 


FLECHTEN. I 


AN 








1. Collema pulposum Pa 
——“ durch Thallus und Fruchtkörper; 
——— Ss — — 


—W — SENT 
Nie UN > 


R Gi —— 


REINE — = 2 
= — — — en 
— — — — 


— 








2. Usnen barbata (Bartflechte): 
a Längs-, 5 Querschnitt durch den Thallus. 










IR — I > ef AR — si 
ROLE Ki 
nz! 
27 Y 9 





8. Stieta fuliginosa (Grubenflechte): 
Querschnitt durch den Thallus, 









4. Anaptychia ciliaris: 
a Querschnitt durch ein Apotheeium: 
db Teil davon, stärker vergrölsert, 







6. Soredien von Usnea barbata: 
a ruhend, 5 Beginn, e weiterer Fortschritt 
der Keimung. 









a 

J hebe pubescens: 
Stein nat. Gr., 
9— Thalluszweig, 
stark vergröfsert. 











8. Peltigera eanina (Hundsflechte). 





Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 


mn nit - : an nv y 1 * 
Digitized by Ast ogle 


FLECHTEN. 1. 











2. Usnea barbata var. florida (Bartflechte). 


8. Cladonia p ata (Becherflechte‘. | 


Zwei verschiedene Wuchsformen. 





6. Lecanora varia (Kuchenflechte:: 
a auf Holz in nat. Gr., 5 ein Stück 
vergröfsert. 


6. Graphis scripta (Schriftflechte): 
a an Buchenzweig in nat. Gr, 
4. Cladonia rangiferina (Renntiermoos). 5 Teil davon, vergrölsert. 








7. Entstehung von Flechten 
(Algengonidien, von Pilzbyphen umsponnen): 
a Cladonia furcata, d Stereoraulon ramulosum 


| 





8. Parmella IImbricaria] conspersa 9. Roccella tinctoria (Lackmus- oder Orseilleflechte): 
(Srhüsselfechte). a in nat. Gr., 5 Teil davon, vergrölsert. 





Brockhaus! Konversations- Lexikon. 14. Aufl, 


Flechten (Gewächſe) 


einen bomdomeren dagegen die Gallertflechten. 
In dem Malen Falle wird die äußere Form mebr 
durch die Alge ald dur den Pilz bedingt, in- 
dem bier die Hupben des lehtern eigentlib nur in 
den Gemwebelörper der Alge eindringen, wie bei der 
Gattung Ephebe (j. d. und Taf. I, Fig. 7), die 
noch ganz die fadenförmige Geftalt der vom Pilz 
umjponnenen Alge bejist, oder indem fie in einer 
Kolonie von Algen vegetieren, wie bei der Gattung 
Collema, wo ſich in den gallertartigen Maſſen ber 
Roftoc : Kolonien zwifhen den Noftoc» Zellreiben 
zablreibe Bilzfäden vorfinden (f. a I, ie. 1). 
Dieyortpflanzung der‘. kann ihrer eigentüm- 
lichen Zuſammenſeßun —* eine zweifache ſein. 
Einmal lann durch Frultifilation des Hehtenbilben: 
den Pilzes unter geeigneten Bedingungen eine Fort: 
vr. ung erfolgen und zweitens vermag aud die 
als Nährpflanze dienende Alge zur Bermehrung der 
Flechte beizutragen. Die Fructtörper des Pilzes 
unterſcheiden ſich in feinen mejentlichen Punkten von 
denen anderer Pilze, die nicht mit Algen zufammen: 
leben. Es find meift teller-, ſchuſſel⸗ flajchen: oder 
Eugfienige Gebilde, in denen die Entwidlung von 
Sporenihläuden ftattfindet. Die Sporen treten bei 
der Reife aus den Schläuden aus und lönnen nun: 
mehr einen Keimfhlaud treiben; aber die Weiter: 
entwidlung diefes Keimſchlauchs unterbleibt nad 
den biöber ee Verſuchen erg wenn 
nicht die Möglichkeit gegeben wird, daß die feimende 
Spore in Berbindung mit einer = Ernährung 
eeigneten Alge treten kann. Nur bei wenigen F. 
ß bei den Graphibeen (f. d.), bat man gefunden, 
dab fih anfangs feine Gonidien im Thallus vor: 
Fe und daß erſt in einer ſpätern Lebensperiode 
olche von dem Pilze umfponnen werden; erft in 
diejem Stadium fann man von einem Flechten: 
tballus bei ven Graphideen fpreden, anfangs 
find fie ald normale Ascomyceten zu betrachten. 
Die Apothecien ſtehen bei ven aumnocarpen F. 
ftet3 auf der Oberjeite, wenn der Thallus laub- 
oder fruftenartig ift und mit der einen Seite der 
Unterlage anliegt; bei den ftrauchartigen Formen 
finden fte ih an den Rändern oder an den Spitzen 
der Berzweigungen, bei einigen Arten ſtehen fie auf 
beſonders ausgebildeten Zweigen, Bodetien, fo 
bei Cladonia (j. d.), bei andern jtehen fie auf kleinen 
Stielben, wie bei Baeomyces; bei den meiften 
jedoch figen die Apotberien direlt dem Thallus auf 
oder find in denjelben eingejenkt. Diejenige Schicht 
der Apotbecien, in der die Sporen en e fteben, 
und der Rand berjelben find oft lebbaft gefärbt, 
meift braun oder rot, und beben ſich dadurd deut: 
fi von dem meift blaffen Thallus ab, 
Die Bildung der Apothecien ( Taf. I, 
ig. 4) bat man neuerdings vielfah ala Folge 
eines geſchlechtlichen Alts angejeben. Man tennt 
nämlih jchon feit längerer Zeit eigentümliche 
Organe am Thallus der allermeiften F., die man 
ald Spermogonien (j. Taf. I, ig. 15) be 
Bo bat und die mit den bei vielen andern 
Scompceten befannten gleihnamigen Organen 
im wejentliben übereinftimmen. In diefen Sper: 
mogonien, die als fugel- oder flajchenförmige 
oder auch anders geftaltete Heine Behälter dem 
Thallus eingejentt find, werben Spermatien ge 
bildet. Bei einigen Eollema-Arten bat man nun 
beobachtet, daß vor dem Auftreten der Apotbecien 
nicht weit unterhalb der Außenfläche des Thallus 
eigentüimliche, vielleicht ala weibliche Geſchlechts⸗ 


175 


apparate anzufebende Gebilde entfteben, von denen 
nad außen einzelne Hyphen (Trihogune) wachſen; 
an dieje Trihogyne ſollen fih nun die als männs 
liche Befruchtungszellen anzufebenden Spermatien 
anlegen und daburd eine Befruchtung bewirlen, 
als deren Folge die Entwidlung der Apotbecien und 
der in dieſen zur Ausbildung gelangenden Sporen 
I —*2 an —* wäre, Es iſt jedoch frag⸗ 
ich, ob dieſe Auffaſſung richtig iſt, denn in neueſter 

eit iſt es gelungen, die —— der F. zum 

eimen zu bringen, womit die geſchlechtliche Natur 
derfelben jebr ——— geworden iſt. Auch 
ſind 5* Fälle beobachtet worden, In denen 
die Entwidlung der Apotbecien jedenfalls ohne 
einen folhen Vorgang ftattfindet. 

Bei allen F. erfolgt die Apotbecienbildung aus⸗ 
ſchließlich durch die ———— Pilze, die Go⸗ 
nidien beteiligen ſich niemals daran, es ſind alſo 
die Apothecien nur als Fruchtkörper der Pilze zu 
betrachten, Die Algen tragen allerdings, wie ſchon 
erwähnt, ebenfalls zur — re er 5 bei, aber 
in einer ganz andern Weiſe. Die Gonidien befigen 
nämlich die Säbigteit, fih zu teilen; da nun durd 
ig ‚aufeinander folgende Teilungen derfelben, wos 
bei die neugebildeten Zellen von einem dichten Hy- 
pbengeflebt umfponnen werden, häufig die fie ums 
gebende Rindenſchicht zerrifien wird, h treten bie 
einzelnen Gonidien mit ihren Umbüllungen von 
Pilzfäden als ein feines Pulver aus dem Tballus 
bervor. Diejelben können nunmehr zu Gruppen 
vereinigt oder auch einzeln weiter 2 wodurch 
ein neuer Flechtenthallus gebildet wird. Man bes 
zeichnet diefen Vorgang ald Soredienbildung 
und nennt die einzelnen Gonidien mit den fie 
umfpinnenden Bilsbypben Soredien. (S. Taf. I, 

fig. 6.) Bei manden %. tritt diefe Sorebien- 
ildung ungemein häufio 9 o daß der ganze 
Thallus zu einer pulverigen Mafle wird. Man bat 
ber joldhe Anbäufungen von Soredien unter bes 
ondere Gattungen vereinigt, fo unter den Namen 
Variolaria, Lepra, Pulveraria u. a., da fie ein ganz 
andere Ausjeben haben wie die übrigen %. und 
auch feine Apotbecien bilden. Sie lönnen ben ver: 
ihiedenften Flechtenarten angehören, die Bildung 
derjelben wird begünftigt durd einen jchattigen 
Standort. An manden Stellen bilden dieſe Soredien 
umfangreiche gelbe oder graue Überzüge an Fels—⸗ 
wänben oder Baumftämmen. Die Vermehrung der 
F. mit heteromerem Tballus geisieht * 
rößtenteils durch Soredienbildung, ſeltener dur 
ereinigung der aus den Apothecien ſtammenden 
Sporen mit Algen; bei den Gallertflechten dagegen 
olgt die — wohl ausfchtiehfie auf 
die leßtere Weiſe. Die künftlihe Vermehrung der 
%., d. b. die Ausfaat von Sporen auf die dazus 
gebörigen Algen, ift ſchon bei mehrern Flechten⸗ 
arten erperimentell verjucht worden und bat aud 
in der That zur Bildung von normal entwidelten 
F. geführt. Es ift dies gerabe der befte Beweis 
dafür, daß die F. feine ſelbſtändigen Een 
ſondern die Folge eines eigentümlihen Paraſitis⸗ 
mus von Pilzen auf Algen find, Gegenwärtig wird 
dieſe Anficht wohl von allen Botanifern als zweifel- 
103 richtig anerfannt; diefelbe wurde von Schwens 
dener nr Grund genauer anatom. Unterfuhungen 
des Flechtentballus zuerjt aufgeftellt und jpäter von 
Bornet, Stabl u. a. erperimentell ag Die 
neuerdings von dem ital. Botaniker Mattirolo 
näber unterfuchten Flechtengattungen Cora und 


776 


Rhipidonema beweifen, daß nicht bloß Ascomyceten, 
Bien auch Bafidiomyceten ala flechtenbildende 
ilze auftreten können. ö 
ie Algengattungen, biein den F. als Goni- 
dien fich finden, find fehr verfchiedenartige. Bei den 
meiften Zaub- und Strauchflechten gehören fie der 
ner der Palmellaceen an, bei den —— 
allertflechten —* en den Noſtochaceen. Außer: 
dem können nod Algen aus den Familien der Ri: 
vulariaceen, Scytonemaceen, Gonfervaceen, Ehroo: 
lepideen, Sirofiphonaceen, Coleochaeteen u. a. als 
Gonidien auftreten. Da viele der genannten Algen 
eine jehr ausgedehnte Verbreitung haben und Feljen, 
Baumftämme u. dgl. überziehen, fo erklärt ji dar: 
aus au das ungemein häufige Auftreten von F. 
an ſolchen Orten. An nadten Felſen jtellen jie die 
ten Anfänge pflanzlihen Lebens dar. Die Be 
feltigung der F. an dem Subjtrat, auf dem fie 
wachſen, geihiebt meift durd feine, aus wenigen 
Hyphen ————— faſerartige Gebilde, Rhi— 
zinen, die ſich in feine Riſſe der Unterlage ein— 
drängen; ob dieſelben auch zur Aufnahme von 
Nährſtoffen dienen, iſt nicht ſicher entſchieden, kann 
aber als wahrſcheinlich angenommen werden. An 
tablen, freigelegten Felſen treten zunächſt Kruſten⸗ 
ten auf, und wenn dieſe verwittert und zu Hus 
mus zerfallen find, kommen Laub: und Strauc: 
flebten an ihre Stelle, und jo wird allmählich eine 
hr Humusſchicht gebildet, auf der ſchließlich 
oofe und auch böbere 1 gedeihen können. 
Übrigens kommen die F. auf den verſchieden⸗ 
artigften Standorten vor, auf der bloßen Erde, 
auf Felfen, an Baumftämmen, auf alten Schindel: 
däcern, an alten Balten, an Zäunen u. f. w., aber 
ftetö nur auf dem Lande; im Waller wachſende F. 
fennt man nicht, nur einige, welche an Stellen vor: 
tommen, die zumeilen von Waſſer überbedt wer: 
den. An faulenden Subjtanzen finden fid feine F. 
Sämtliche F. enthalten Flechtenſtärke (f. d.). Außer: 
dem enthalten viele F. eigentümlide Stoffe, Flech: 
tenjäuren (f. d.), die mit Altalien lebhaft gefärbte 
Berbindungen geben; fie fönnen deshalb zur Berei- 
tung von Farbſtoffen, wie Orfeille, Lachmus u. a., 
verwendet werben. (S. aud Farbepflanzen.) 
In derfof x len Flora find nur wenige 5. betannt, 
ämtlih im Tertiär; nur in der Brauntoble der 
etterau bat man eine ziemlich gut erhaltene Laub⸗ 
flehte mit Apotbecien gefunden. — Zur Erflärung 
der Tafeln vgl. ferner die Artitel: Gallertflehten, 
Bartflechten, Sticta, Isländiſches Moos, Ephebe, 
Peltigera, Evernia, Cladonia, ®rapbivdeen, Le- 
canora, Parmelia, Roccella. 
Litteratur. Schwendener, Unterfuhungen über 
den Flechtenthallus, und Laub: und Gallertflehten 
eibes in Nägelis «Beiträgen zur wiſſenſchaftlichen 
otanit», Heft 2—4, Lpz. 1860—68); De Bary, 
Morphologie und Phyſiologie der Pilze, F. und 
Myrompceten (ebd. 1866); Bornet, Recherches sur 
les gonidies des lichens (in den «Annales des 
sciences naturelles», Bd. 17, Bar. 1873); Stahl, 
Beiträge zur Entwidlungsgeihichte der F. (2 Hefte, 
Lpz. 1877, 1878); Lindau, Lichenologiihe Unter: 
(üäungen (Dresd. 1895 fg.). Als rein ſyſtematiſche 
erte find anzufübren: Fries, Lichenographia 
europaea reformata (Lund 1831); Körber, Systema 
Lichenum Germaniae (Bresl, 1855); derſ., Parerga 
Lichenologica (Ergänzung zum vorigen Werte, 
5 Lfgn., ebd. 1859 — 65); lander, Synopsis 
methodica Lichenum (Par. 1858—59); Krempel⸗ 





Flechten (Flechtarbeit) — Flechtwerk 


huber, Geſchichte und Litteratur der Lichenologie 
(3 Bde. Münd. 1867—72); Kummer, Fübrer in 
die Flechtenkunde (2. Aufl., Berl. 1883). 
lechten, eine Arbeit, die meift aus freier Hand, 
ewöhnlich mit Burgen, biegjamen, band: oder ruten» 
Iemigen terialien, wie geipaltenes Strob, ge 
paltene oder ganze Weidenruten, Gräfer u. ſ. w., 
ausgeführt wird. Über Strobhut- und Korb» 
fle&terei ser Einzelartitel. Auch Haare (j. Haar: 
arbeiten), Draht, Geipinjte und feine Glasjäden 
finden Verwendung zum F. ande Schnüre 
Gaarſchnure, Beitihenihnüre u. f. w.) werben 
—I* durch F. bergeitellt, doch bedient man 
fi bierbei mit Vorteil der Mlöppelmajdine (f. d.). 
fechtengrind, joviel wie Kopfgrind (f. d.). 
lechtengrün over Thallochlor bat man den 
rünen Farbſtoff der Flechten genannt wegen der 
Bericbiedenbeiten zwiſchen diefem und dem Chlores 
pboll (f. d.) der übrigen Pflanzen. rum 
lechtenmittel, Flechtenpomabe, ſ. Geheim⸗ 
lechteurot, Farbſtoff, ſ. Orcin. 
lechtenfalbe, weiße Duedfilberjalbe (ſ. d.); es 
find aber aud gr mebrere andere Salben unter 
gleihem Namen gebräudlid. (S. Gebeimmittel.) 
Flechtenfäure, veralteter Name für Yumar 
fäure (ſ. d.). Außerdem faßt man aber auch mit 
diefem Sammelnamen die jämtliben in Flechten 
vorlommenden organiihen Säuren, wie Erptbrins 
fäure, han ya Qulpinfäure u. a., zufammen. 
fechtenfpiuner, |. Bärfpinner. 
lechtenftärfe, Moosſtärke over Lichenin, 
ein gummiartiger Körper von derjelben Zufammens 
jebung wie Stärfemehl. Man erhält fie aus Is—⸗ 
ändijchem Moos (j.d.), wenn man dasſelbe mit viel 
rauchender Salzjäure maceriert, dann mit er 
verdünnt und die filtrierte Löfung mit Alkobol j 
Es ifteine durchſcheinende, jpröde Maſſe, die in faltem 
Waſſer quillt, in kochendem fi volljtändig löft. 
lechtentod, |. Gebeimmittel, 
lechtmafchine, ſ. Klöppelmajdine. 
lechttverf, im Erpbau (f. d.) eine Vorrich⸗ 
tung zum Schutze von Erbböfhungen an Deichen, 
Dämmen, Einfhnitten u. ſ. w., bejtebt aus reiben» 
weiſe in den Boden geichlagenen Pilöden, zwi⸗ 
ſchen die Reiſer geflochten werden. In vielen Fällen 
wählt man für ſgae und Reiſer auswuchs fähige 
Holzarten, welche im Boden Wurzel ſchlagen und 
damit den Beſtand der Boſchung ſichern. Sie ver: 
bindern das Abbrödeln des Erdreich, mildern die 
Kraft des berabftrömenden Waſſers, an Ufern 
mäßigen [e die verberbliche Einwirkung des Wellen» 
— ielfach find F. auch in Betten von Wild⸗ 
ächen zur Ausführung gelangt, um das Gerölle 
in den obern Teilen derjelben zurüdzubalten und 
die Wirkung des niederjtürzenden Waſſers abzu—⸗ 
hwäden. So hat man in der etwa 25 m tiefen 
iederurner-Runs durch ſechs bis acht Flechtzaun⸗ 
anlagen, deren jede höhere man je nad erfolgter 
Ausfüllung der untern anlegte, Ausfüllungen von 
10 m Höbe zu ftande gebracht. — Bei Flußbauten 
dienen F. bäufig ald Shlidfänger; es find dies 
Anlagen, welche bie * abe haben, an zu ver: 
landenden Stellen das Mailer zu berubigen und 
zum Fallenlaſſen feiner Sintitoffe zu nötigen. , 
In der Architektur verjteht man unter 5. eine 
orm des Ornaments (f. d.), in der verflodtene 
änder nachgeahmt werden und zwar teil in ge 
raden Linien fich rg gen teild in Kuren. 
In erfter Beziehung baben namentlid die fpan. 


Fleck — Fleckmittel 


Araber ihre Wandflächen mit großem Geſchick in 
F. verziert. — fiber das F. als Dachkonſtruk— 
tion ſ. Dachſtuhl. 
le, Eduard, preuß. Generalauditeur, geb. 
5. Sept. 1804 zu Pfoͤrten in der Niederlaufig * 
dierte Rechtswiſſenſchaften, wurde 1826 Auiu ta⸗ 
tor, dann Gerichtsaſſeſſor und Garniſonsauditeur zu 
u kr 1835 Mitglied des Generalauditoriats 
zu Berlin, 1857 Generalauditeur der preuß. Armee 
und ftarb 8. April 1879. An der Bearbeitung der 
preuß. Militärgefeße war er in hervorragender Weiſe 
beteiligt und 20 en lang Lehrer des Militär: 
rechts an der Kriegsalademie zu Berlin, auch parla: 
mentarifch vielfach thätig. Er ſehte die von Friccius 
begonnene «Preuß. Militärgejeßfammlung» fort 
7 Bbe., Berl. 1836—67; Bd. 6 u. 7 find von F. be: 
orgt) und veröffentlichte: «Die Verordnungen über 
die Ehrengerichte im preuß. Heere» (3. Aufl., ebd. 
en «Grläuterungen zu den Kriegsartileln für das 
preuß. Heer» (2. Aufl. ebd. 1850), «Rommentar über 
das Strafgeſetzbuch für das preuß. Heer» (2 Tle., 
neue Ausg., ebd. 1869— 70), «Preuß. Militärftraf: 
— (ebd. 1873), «Militärftrafgeieh: 
uch für das Deutfche Reich» (2 Tle., TI. 1in 2. Aufl., 
ebd, 1880— 81). 

Fleck, Job. Friedr. Ferd., Schaufpieler, geb. 
10. Juni 1757 in Breslau, bezog 1776 die Univers 
fität Halle, um Theologie zu jtubieren, entſchloß ſich 
aber Schaufpieler zu werden, trat zuerjt 1777 bei 
der Bondiniſchen Gejellihaft in Leipzig auf und 

ing 1779 zu Adermann und Schröder nad Ham: 
urg, wo er feinen Ruf begründete. In Berlin fand 
er 1783 als Gaft ſolchen Beifall, daß er bei der 
Döbbelinihen Gejellibaft blieb und 1786 bei der 
zum Nationaltheater erhobenen Berliner Bühne an⸗ 
geftellt wurde, Seit 1790 Negifjeur, nahm er ſpä— 
ter vielfach teil an der Direltion. F. ſtarb 20. = 
1801 in Berlin. In manden Rollen, 5. B. als 
Lear, mag er an poet. Auffafjung ſelbſt Schröder 
übertroffen haben. Ebenio war erals Shylod,Göß, 
Karl Moor, Otto von Wittelsbach, Tancred, Ejjer, 
Etbelmwolf u. ſ. m. bedeutend. 
led, Konrad, mittelhochdeutſcher Dichter, wohl 
im jchmweiz. Jura zu Haufe, verfaßte um 1220 nad 
einer franz. Dichtung (bg. von du Meril, 1856), ala 
deren Bertafier er Ruprecht von Orbent (bei Biel) 
bezeichnet, eine Bearbeitung der lieblihen Sage 
von Flore und Blandeflor (ſ. d.). F. bat ſich haupt: 
ählih an Hartmann von Aue, aber auch an Gott: 
ied von Straßburg geihult. Rudolf von Ems 
erichtet, dab F. auch einen Artusroman «Clies» 
(mob! nah dem «Cliges» Chrétiens von Troyes) 
egann. Ausgabe des «Flore» von Sommer (Qued—⸗ 
linb. 1846) und von Goltber in Kurſchners «Deutſcher 
Nationallitteratur», 

Flecke, in Heine Stüdchen zerfchnittene und ala 
Speije —— Rindslaldaunen, beſonders in 
Diipreu en (Rönigäberger %.) beliebt. 

Fleckeiſen, Alfred, Philolog, geb. 23. Sept. 
1820 ın Wolfenbüttel, ftudierte In Göttingen und 
trat 1842 eine Lehrſtelle in Idſtein an, Er wirkte feit 
1846 am Gymnafıum in Weilburg an der Lahn, 
feit 1851 an der Blohmannjhen Erziehungsanitalt 
und dem damit vereinigten Vißthumſchen Gym: 


nafıum in Dresden, jeit 1854 am Gymnaſium in | 


genen a. M. Am Herbit 1861 kehrte er als 
onreltor an das Vißthumſche Gymnaſium zurüd, 
trat 1889 in den Ruheſtand und ftarb 8. Aug. 1899 
in Dresden. Seine litterar. Thätigfeit mar, abge: 


777 


feben von der Redaktion der (Jahnſchen) «Yabr: 
bücher für Bhilologie und Pädagogil⸗», deren erite 
Abteilung für klaſſiſche Philologie er jeit 1855 her⸗ 
ausgab, bejonders der Kritil des Plautus und bes 
Terentiug — Beide hat er, wie auch den 
Cornelius Nepos, in der «Bibliotheca Teubneriana» 
herausgegeben. 
ledeu (frj.bourg; engl. borough) hießen früher 
folde Ortſchaften, die urjprünglid Dörfer waren, 
aber einzelne jtädtifche Nechte namentlich in Bezug 
auf den Gewerbebetrieb erbalten hatten. Insbe— 
fondere hießen fie Marttfleden, wenn fie ım Be 
fig des Marktrechts waren. den neuern Ge 
meindegejebgebungen find die F. nad ihrer Größe 
teild unter die Städte, teil8 unter die Landgemein: 
den eingereibt worden (j. Ren An Ungarn 
baben die frübern F. jeit 1891 die Bezeichnung Groß» 
Gemeinden (j. d.) und Klein-Gemeinden erhalten, 
ledenhypothefe, j. Beränderlihe Sterne, 
leckentlee, Bilanze, |. Galega. 
ledenfranfheit (verSeidenraupen), ſ. Gattine. 
leckenmal, joviel wie Leberfled (i. d.). 
ledfieber, Krantbeit, f. Fledtyphus. 

Fleckkugeln, ſ. Flechmittel. 

Fleckmittel, die zur Vertilgung der Flede aus 
Zeugen, bejonders aus Wäſche und Kleivungsftüden 
dienenden Subjtanzen. yettflede entfernt man durch 
Neiben mit Benzin (Brönners — 
wobei nicht zu vergeſſen, daß die ſich entwidelnden 
Dämpfe leicht entzündlich ſind und Kopfweh verur⸗ 
ſachen. Tinten- und Roſtflecke entfernt man aus 
weißen Stoffen durch Eintauchen oder Betupfen der 
betreffenden Stelle mit einer Loͤſung von Oralfäure 
und Sauerkleeſalz. Flecke von Fruchtſäften, 5. B. 
Heivelbeeren und Kirſchen, oder von Notwein bes 
— man durch öfteres Befeuchten der Fleden mit 
chwefliger Säure, friſch bereitetem Chlorwaſſer oder 
mit ſog. Bleichwaſſer (Eau de Javelle, ſ. d.). In 
gefärbten Stoffen, namentlich in ſeidenen, mit den 
äußerjt empfindlichen ——— gefärbten, iſt 
die Vertilgung von leden, ſelbſt den von Fett her» 
rübrenden, mit Schwierigleiten verfnüpft, da bie 
meijten ber früher mit Recht angewendeten F. Ochſen⸗ 

alle, Kolniſches Wafjer, Seife, Borarlöfung) die 
Farbe zerftören oder löjen, alſo jelbit Fslede erzeugen. 

Statt Benzin verwendet man bei Tuch und äbn: 
liben Wollitoffen aud ähnliche flüchtige Kohlen— 
wajjerftoffe (wie Betroleumäther); auf der Anwen: 
dung derartiger Koblenwafjerftoffverbindungen be 
rubt auch großenteils die jog. Shemife äſche 
zur Entfernung der Flecken aus getragenen Klei— 
dern, infofern die meijten Schmupflede aus Fett 
oder Harz bejteben, das mit Staub überzogen ift, 
Entfernt man durh Benzin das Fett, jo verliert 
damit der Staub feinen Halt, und der Fleck ver 
ſchwindet. Durch wirklihe Zerjtörung der Farbe 
entitandene Flede, wie dies bei Einwirkung von 
Salpeterjäure oder durh Aufbewahrung im feuch— 
ten Zujtande (Stodflede) geſchehen lann, laſſen ſich 
nicht oder nur durch Anwendung chem. Mittel bes 
feitigen, deren Mahl dem fachverjtändigen Färber 
überlafjen bleiben muß. Die in früberer Zeit in der 
Send elten fehlenden Fleckkugeln und 
Sledjeifen, Gemijhe von gewöhnlicher Seife mit 
Pfeifentbon oder Wallererve, Soda und Ochſen— 
galle, find faſt volljtändig vom Benzin verdrängt 
worden. — Bol. Grohomwina, Die Fledenreinigung 
(Braunihiw.1899); Niemeyer, Die Flede(Berl.1899); 
Wild, Der Fledenvertilger (2. Aufl.,Regensb. 1900). 


778 


ledfeifen, |. Fledmittel. 

lecktyphus, Fledfieber, eranthbemati: 
ſcher over Betehialtypbus (Typhus exanthe- 
maticus), eine akute, äußerft anftedende ee 
frankbeit, die fich dur hohes Fieber mit ſchweren 
nerovöjen Symptomen und einem eigentümlichen 
maſerähnlichen Hautausihlag zu erlennen giebt, 
vorzugsweiſe in dumpjen, überfüllten Wohnungen, 
in h echt ventilierten Hojpitälern, Gefängniſſen 
und Auswandereribiffen, nad Mihernten und 
Teuerungen epidemiich auftritt (daher auch Hun: 
er:, Lazarett-, Kerler:, Schiffs: over 
riegstypbus —— wird) und ſchon wieder⸗ 
* in einzelnen Gegenden (Irland, Oberſchleſien, 
olen, Oftpreußen, Rußland) die Bevölkerung de: 
cimiert bat. Der Anftedungsitoff des F. tjt in der 
Ausatmungsluft jomie in den Hautſchuppen, viel: 
leiht auch in den jonftigen Exkreten und Selreten 
des Kranken entbalten und kann ſich in ſchlecht 
ventilierten Räumen infolge feiner großen Zäbig: 
feit und Dauerbaftigteit ein halbes Jahr und dar: 
über balten, obne an Wirfjamteit einzubüßen. 
Die Krankheit beginnt in der Hegel nah einem 
turzen, 3—4 Tage währenden Borbotenjtadium, 
in welchem Abgeichlagenbeit, Gliederſchmerzen, Frö— 
teln, Kopfſchmerzen und große Mattigkeit die haupt— 
ächlichſten Eriheinungen bilden, mit einem beftigen 
Schütteliroit, großer Hinfälligleit und jebr bobem 
ieber (40 — 41° C.), mozu ſich jehr bald Delirien, 
liederzittern, Schlaflofigteit, Benommenbeit und 
andere nervöje Störungen geiellen. Am dritten oder 
vierten Tage, jelten etwas jpäter, entjteben am gan⸗ 
zen Körper, häufig mit Ausnahme des Geſichts, zahl: 
reihe rote maſernähnliche Hautfleden Petechien), 
und oft genug nimmt in ſchweren Fällen jogar die 
anze Haut eine dunkle livide Färbung an. Zu diejer 
gen bieten die Kranlen das ſchwerſte Krantbeitsbild. 
lit dunlelroter Gefihtsfärbung, balb —— 
Mund und Auge, trockner brauner Zunge liegen 
fie völlig teilnabmlos da, verbreiten einen eigen: 
tümlib moderigen Geruch und verfinfen unter an: 
baltendem Fieber in eine tiefe Betäubung, aus der 
fie bei günjtigem Verlauf der Krantbeit erſt An: 
fang oder Mitte der dritten Woche unter einer 
plörlihen Krijis erwachen. Häufig ſchließen ſich 
chwere Nachkrankheiten, namentlib Yungen: und 
rujtfellentzündungen an, und immer erfordert die 
Netonvalescenz iniolge ver bohgradigen Schwäche 
und Erſchopfung der Kranten geraume Zeit, Der 
tödliche Ausgang erfolgt meift in den legten Tagen 
der zweiten Woce unter Herzſchwäche, Krämpfen 
oder Lungenodem. Die Seltion ergiebt, im Gegenlak 
u dem Abdominaltyphus, keinerlei charalteriſtiſche 
otale Veränderungen, jondern nur die allen In: 
jettionstrantbeiten gemeinjamen Schwellungen ver 
Milz, Leber und Niere, Die mittlere Sterblicheit 
ſchwankt beim 5. zwiſchen 6—20 Proz., hat aber 
aud in einzelnen ſchweren Gpidemien (Krimtrieg, 
London 1858) jelbit 50—55 Proz. betragen, Doch 
ift neuerdings auch bei dem Fleckfieber dur die 
energiihe Durchführung der Kaltwaſſerbehandlung 

die Diortalitätsziffer bedeutend berabgeiekt. 
Hinſichtlich der Vorbeugung des F. lit es von 
der größten Bereutung, bei berrihenden Mikern: 
ten und Teuerungen für zwechmäßige Ernährung, 
Belleivung und Unterbringung der ärmern Volks— 
Hafen zu ſorgen, ferner die Herbergen, Geläng: 


Bledjeifen — 


Flederhunde 


ſchleppung des Krankheitsgiftes durch das herum⸗ 
wandernde Proletariat möglichit zu und 
bei ausgebrochener Krankheit alle Kran 

als möglich in gut ifolierten Krantenbäufern unter: 
— ———— u her ebandlung 
eſteht ın Jorglamiter diät e, energiſcher 
Belämpfung der übermäßig boben CE 
durd kalte Bäder, Ehinin und andere 

Mittel und Darreihen erregender Mittel ( R 
Sitber, Kampfer) bei drobender Herzii Die 
Rekonvalescenz ift durch eine leichtverb 

nabrbafte Diät und Fernhalten jedweder 

teit angemefjen zu unterftügen. — Val. Moäler, 
Grfabrungen über die Bebandlung des Typhus 
exanthematicus (Berl. 1868); Pajlauer, Über den 
erantbematifchen Typbus in Iinifcher und fanitäts- 

polizeilicher Beziehung (Erlangen 1869); 

Nüdfalltopbus, F. und Cholera (im « 

der jpeciellen Pathologie und Therapie», ba. von 
Ziemſſen, 2. Aufl., 2. Bd., 1. Hälfte, 2p3. 1876); 


angel, Über F. und die zur Verhütung fi Ein: 
ſchleppung und Ausbreitung geeigneten 
polizeiliben Mafregeln (Berl. 1897); chmann, 


Das Fleckfieber Wien 1900). 
leckvieh, ſ. Rindviehzucht. 
leckwaſſer, ſ. Flechmittel. 

Fleotamus genũa (lat.), Ba ung die Knie 
beugen», Ruf, dur den in der fath. e der 
Diakon das Volt zum Gebet auffordert. 

Fleotöre sinequöo supöros, A 
movöbo, «wenn ich den Himmel nicht erweichen 
tann, werde id die Hölle in Bewegung fegen», Eitat 
aus Nirgils Uneide (7, sı2). 

sehen ſ. Fliegende Fiſche. 

lederhunde, fliegende Füchſe, fliegende 
Hunde (Pteropidae s. Frugivora), die te⸗ 
freſſenden — welche nur in den Tropen⸗ 
gegenden der Alten Welt leben und durch Heine 
Schneidezähne, grobe — durchaus ſtumpf⸗ 
böderige, denjenigen der Affen ähnliche ee 
und den Mangel aller Hautausbreitungen an Übren 
und Naſe von den injektenfrefienven flebermäufen 
fih unterſcheiden. Der Kopf ift demjenigen eines 
langihnauzigen Hundes ſeht ahnlich; der Daumen 
lang und großtrallig, meijt trägt aud der Zeige 
finger noch eine Kralle. Die Tiere hängen ſich mit 
dem Kopf nah unten geiellig, oft zu Taufenben zur 
fammen, tagsüber in den Wipfeln großer Bäume 
zum Schlafe auf und näbren ſich nachts von 
ten, mobei jie oft in den Pflanzungen große Ber: 
beerungen anrichten. Indeſſen ge fie auch Bögel 
und ſelbſt Fiſche. In neuerer Zeit hat man fie oft 
lebend nad Europa gebracht, und man findet fait in 
jedem zoolog. Garten Exemplare der einen ober ber 
andern Art, die mit 20—40 M. das Stüd bit 
werden. Ihre Nahrung beitebt dort aus 
Datteln, friibem Obit, Mobrrüben und Brot. In 
ibrer Heimat mäjtet man fie in der Gefangenicaft 
und ißt fie. Der auf den Inſeln des Indiſchen 
Arbipels einheimiihe große Flederbund oder 
Kalong (Pteropus edulis Geof., ſ. Tafel: Fleder⸗ 
mäuſel, Fig. Miſt das größte fliegende Sugetier; 
er erreicht 40 cm Körperlänge und 1,0 m Spann» 
weite der Flügel. In Afrila leben die fog. Naht: 
bunde (Cynonycteris), die ſich beſonders durch 
einen furzen Schwanz; von den ſchwanzloſen pjt- 
indischen F. unteriheiden. Der Haldband- 


niſſe, Arbeitsbäuier und Ausmwandererjciffe jeder: | Nachthund (Cynonycteris collaris I.) pflanzt 
zeit auf dag ftrengite zu fontrollieren, die Ber: | fich in der Geſangenſchaft leicht fort. 


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II ASAYNAHMAHLA 


Ra - En 


Fledermausbrenner — Fledermäuſe 


er ea f. Gasbeleuchtung. 
ledermänfe oder Flattertiere, Name einer 
Ben Ordnung (Handflügler, Chiroptera) der 
äugetiere von über 300 Arten. Diejelben haben 
F verſchiedenartigen Zahnbau, indem einige, die 
ederhunde (f. d.), faſt nur Früchte, die eigentlichen 
. dagegen vorzugämeife Inſelkten frejien, fommen 
indeſſen alle darin überein, daß fich über ihre ſehr 
verlängerten Finger mit Ausnahme des furzen, 
eine große Kralle tragenden Daumens bis zu den 
Hinterfühen und meilt zum Schwarze eine Flug: 
baut erjtredt, welche durch die vier dünnen Finger 
der Hand geipannt werden fann und ein ie es 
Ban ermöglicht, was die Alten veranlaßte, die 
. zu den Vögeln zu zählen. Dagegen können fie 
nur ſehr ungeihidt und langjam kriechen, und des: 
halb ift auch die Luft ihr eigentlihes Element. Der 
Hörfinn ift bei den eigentlichen 
5. von ungewöhnlicher Schärfe 
und der Fuͤhlſinn in ftaunener: 
regendem Maße entwidelt, in- 
dem an Nafe und Obren oft ganz 
eigentümliche bäutige Ausbrei: 
tungen und Vorjprünge ausge: 
bildet find, welche der Siß zahl: 
reicher Hautfinnesorgane, ner: 
vöjer Apparate, find, wie ſolche 
auch auf den Flügeln fich in gro: 
ber Menge asien laſſen. 
Der Körper der eigentlichen F. 
iſt kurz, gedrungen, der Kopf 
rund, mit jehr weiter Munp: 
fpalte, die mit äußerit ſpitzen 
Schneide:, Ed: und Badzähnen 
bewaffnet ift. Die Zitzen ſtehen 
an der Bruft, und die Jungen 
werben in der eriten Zeit von der 
Mutter mit hberumgetragen. Bei 
unjern, einen Winterſchlaf hal⸗ 
tenden Arten find merkwürdige 
Fortpflanzungsverhältnijie be: 
obachtet worden; die Begattung 
erfolgt im Herbit, die Beiruc: 
tung aber erſt im nädhjiten Früh⸗ 
fing, wobei aljo ver Same den 
Winter über lebensträftig bleibt. 





779 


tungen und 65 Arten (bierber der Oftindien und die 
oftind. Infeln bemohnende Kalong, Pteropus edulis 
Geof., \.Zafel: $ledermäujel,ig.4). IL. In- 
sectivora, infeltenfrefjende F. mit 4 Fami— 
lien: 1) Phyllostomatidae, Blattnajen (}. d.), 
31 Gattungen und 60 Arten; 2) Rhinolophidae, 
Hufeijennafen (f.d.), 7 Gattungen und 70 Arten 
(bierher die große Hufeifennafe, Rhinolophus fer- 
rum equinum Keys. et Blas., j. Tafel: leder: 
mäufelI, ig. 1, und die graue Klappnafe, Rhi- 
nopoma microphyllum Geoff., |. Taf. IL, fie. 3); 
3) Vespertilionidae (j. d.), 18 Gattungen, gegen 
200 Arten. Hierher gehören die meiften europätichen 
* die Ohrenfledermaus (ſ. d. Plecotus auritus L., 

Taf. II, Fig.2); ferner die Mopsfledermaus (j. d., 
Synotus barbastellus Schreb., |. Taf. 1, Fig. 1); die 
langflügelige Fledermaus (Miniopteris Schreibersii 


—— ug ; a 
— — 
— — SB 


— 


Im Sommer wird dann das ein⸗ — Be > 


jige, ziemlich große Junge gebo: 
ren, das erſt im nächſten Sabre 
zur Fortpflanzung gelangt. Zum 
Schlafen hängen ſich die 5. meiſt mit den Hinter: 
beinen verfehrt auf, indem fie fich in die Flügel wie 
in einen Mantel büllen, und mande Arten jam: 
meln ſich ungebeuer zahlreich an gemeinſchaftlichen 
Schlafplägen. Sie find ohne Unterſchied nächtliche 
und dur era er, nüslihe Tiere, wel: 
chen von der durch Aberglauben ihnen angedichteten 
Gefährlichkeit nichts beimohnt. Bermöge ihrer Flug: 
traft zeigen die Ehiropteren eine weit größere Ver— 
breitung al3 die übrigen Säugetiere. Vollſtändig 
toömopolitiih find die ehten F. (Vespertilioni- 
dae), welche jelbit auf den entlegenen oceaniſchen 
Inſeln nicht feblen. Dan und Hufeijen: 
nafen bewobnen nur die Alte Welt, die Vampyre nur 
Amerika. (S. Karte: Tiergeograpbie I.) 

Man teilt die Ordnung der F. in zwei Unterorb: 
nungen: I. Frugivora, suhtrsetionde F., mit 
einer einzigen familie, den Flederbunden (f. d., 





Keys. et Blas., |. Taf.l, Yig.2) flaftert 31 cm, bat 
ein auffallend kurzes Geſicht; ihr Pelz ift oben brauns 
rau, unten weißgrau, die Lg ri find bell grau⸗ 


aun; fie lebt in Südeuropa bis an die Alpen und 
in Nordafrika; die gemeine Fledermaus (Vespertilio 
murinus L., ſ. Taf. I, Fig. 3) Haftert 40 cm, tjt oben 
beil rußiarben, unten weißlich, allenthalben gemein 
in Deutſchland; die frübfliegende Fledermaus (Ves- 
perugo noctula Daubenton, |. Taf. II, Fig. 4) klaf⸗ 
tert 36 cm, bat dunkel rotbraunen Pelz, ſchwärzliche 
lügel, ift in Deutichland felten, in Suüdeuropa häu—⸗ 
ger; 4) Noctilionidae (j.d.), 14 Gattungen mit einis 
en 50 Arten, — Bol. Temmind, ——— de 
mmologie (Leid. 1827); Keyſerling und Blaſius, 
Wirbeltiere Europas (Braunſchw. 1840); Bell, Artikel 
Chiroptera in «Todd’s Cyclopsedia of Anatomy and 
Physiology», ®b. 1 (1835); Roc, Das Mejentliche 
der Ebiropteren (Wiesb. 1865); Matſchie, Die F. des 


Pteropidae) oder fliegenden Hunden, 9 Gat: | Berliner Nufeums für Naturkunde (Berl, 1899 fa.). 


780 


ledermausfifch, ſ. Armflofier. 
ledermausguäno, die Ertremente von leder: 
mäufen, von denen fich größere Anbäufungen in 
einigen Felſenhöhlen Sardiniens finden; fie ent: 
balten 8—12 Pro;. Stidftoif, 2—3 Bros. Phosphor: 
fäure und 1,5—2 Proz. Ralı. 
Fledermanspapageien (Loriculus), eine aus 
gegen 20 Arten beitebende Gattung der Papa: 
een mit rg | zartem, nicht mit Feil- 
erben verjehbenem Schnabel, gerade abgeftugtem 
Schwanze von höchſtens halber Flügellänge. Die 
Geſchlechter find meist verſchieden, hauptſächlich 
grün und rot gefärbt. Ihre deutſche Benennung 
rührt von ihrer Gewohnheit ber, an einer Pfote 
aufgehängt mit dem Kopf nad unten, wie die Fle— 
dermäufe, zu ſchlafen. Die F. bewohnen die ganze 
ind. Region von Vorderindien, Ceylon, Sudchina 
bis nad Neuguinea, find aber am zahlreichſten in 
dem Centrum, das die Philippinen, Celebes, Dji⸗ 
lolo und Flores umfaßt. Die in Tiergärten häu- 
figfte Art ift das Blaufopflori, Blauföpfhen 
oder Blaufrönden (Loriculus galgulus L., ſ. Ab: 
bildung auf ©. 1 von Malata, Java, Borneo, 
Sumatra u. ſ. w., lebhaft bellgrün, mit ſcharlach⸗ 
rotem Bürzel, Schwangbedbefieverung und Keblfled 
fowie mit blauer Scheitelmitte und orangeroten 
Schultern. Länge 13 cm. 
leefen, |. Flaalen. 
leet, ein kleiner, ſchiffbarer Graben oder Kanal, 
der, von einem Schiffahrtswege ausgehend, nad 
ebenen Lagerhäuſern, Schiffswerften er führt. 
tan trifft die F. befonders zahlreich in Hamburg und 
im hbolländ. Süden, wo fie Grachten genannt wer: 
den. Diefe Bezeichnung überträgt fih auch auf die 
neben den tünftlihen afjerwegen liegenden Ufer: 
ftraßen, 3. B. die Friedri — in Berlin. Über 
das Binnenfleet ß Binnentief. — über F. als 
Herdraum ſ. Bauernhaus. — über F. als Fiſcherei⸗ 
gerät ſ. Nebfiicherei nebſt Taf. I, Fig. 2 u. 4. 
Fleetwood on Wyre (pr. flibtwubd onn weit), 
Stadt in der engl. Grafſchaft Lancafter, 33 km im 
NW. von Prejton, am Südeingange * More⸗ 
cambebai, auf einem Vorgebirge an der linken Seite 
des Wyreäſtuars, Sitz je eines chilen., dän. und 
ſchwed. vicelonfals ſowie eines deutſchen Konſular— 
agenten, bat (1901) 12093 E., einen guten Hafen, 
Dods, Schiffäwerfte, beſuchte Seebäder, einen auf 
21 km fichtbaren Leuchtturm und mit etwa 150 
eigenen Schiffen Handel nah Amerita. Von F 
geben täglich Poſtdampfer nad Belfaft, im Sommer 
auch nad der Anjel Man. — F. wurde 1836 gegründet. 
Flegel, joviel wie Dreichflegel, ſ. Dreſchen. — 
F. als mittelalterlihe Schlagwaffe, j. Morgenitern. 
Slegel, Robert, Reijender, geb. 13. (1.) Oft. 
1855 zu Wilna, trat 1869 als Lehrling in eine 
Rigaer Buchhandlung, 1872 in die Handelsſchule 
zu Münden, jpäter in eine Hamburger Tabaks— 
roßhandlung ein und nahm 1875 eine Anitel: 
ung in einer Faltorei zu Lagos in Weitafrifa an. 
Drei Jahre verlebte er an der Hüfte von Guinea, 
machte 1879 eine Erpedition nah dem Kamerun: 
gebirge und befuhr im Juli desfelben Jahres auf 
dem engl. Miſſionsdampfer «Henry Venn» den 
Binue, wobei er um 200 km weiter aufwärts als 
Baikie 1854 gelangte und eine gute Aufnahme des 
and a fertig jtellte. Die Ausnußung diejer Waſſer⸗ 
traße für den deutichen Handel war fortan feine 
Lebensarbeit. Mit Unterftügung der Deutſchen Afri- 
laniſchen Geſellſchaft befuchte F. 1880 zunächſt Nupe 


Fledermausfiſch — Fleiſch (Nahrungsmittel) 


und Soloto, um fi von den dortigen Sultanen 
Empfehlungsſchreiben für die Bereifung der Binue: 
länder zu verſchaffen, und traf im April 1881 wieder 
in Rabba ein; von da trat er im November zu 
Land die Reife nad Loto am Binue an und er: 
reichte nad einer vorübergehenden Rückehr zur 
Küſte 31. Juli 1882 Jole, die Hauptſtadt von Ada: 
maua; am 18. Aug. entdedte er bei Ngaundere 
die Quellen deö Binue. Im März 1883 war er 
wieder in Lagos. Eine neue Reife, auf der er 
nah Süvden bis zum Kongo vorzudringen bofite, 
übrte ihn zum zweitenmal auf die ſüdl. Matjer: 
beide des Binue, konnte aber wegen Ausbruchs 
von yeindfeligfeiten nicht tiefer nach dem Innern 
fortgefeßt werden. Mitte 1884 kehrte F. nach Europa 
jurüd, wo er für deutſche Handelsniederlaſſungen 
im Niger-Binue:Gebiet agitierte. In Handelätrei: 
fen fand F. kein Verſtändnis für jeine Bläne, wohl 
aber bei der Afrikaniſchen Geſellſchaft und beim 
Deutihen Rolonialverein. Aus dem Reichsfonds 
für Afrikaforſchung wurden ihm Mittel für ein 
neues Unternehmen gewäbrt, und der Kaiſer beauf: 
rn ibn mit Überbringung von Gejhenten an den 
Sultan von Soloto. Im April 1885 trat F. jeine 
dritte Reife an. Ungäünitiger Waſſerſtand des Binue 
war einem jchnellen Vorbringen binverlid. Auch 
batte die engl. Niger-Compagnie inzwijchen fidh be: 
reits am Niger und Binue feſtgeſetzt, jo daß 7. kei: 
nen entjcheidenden Erfolg erringen fonnte. Auf dem 
Mege nah Jola erhielt er im Juli 1886 die Nüd: 
berufung —* Europa; er ſtarb an der füjte 
11. Sept. in Braß. über die Ergebnijje feiner Rei: 
jen vgl. Mitteilungen der Afrilaniſchen Geſellſchaft 
in Deutſchland, Bd. 4 u. 5 (Berl. 1883 — 89) und 
Vom Niger: Benue, Briefe aus Afrita, ba. von 
Karl Flegel (Lpz. 1890). F. ſchrieb auch: «Loſe 
Blätter aus dem Tagebuch meiner Hauſſa⸗Freunde⸗ 
Beet ſ. Flagellanten. [(Hamb. 1885). 
leglerfrieg, der von — Friedrich dem 
Streitbaren und Wilhelm von Meißen gegen die 
ſog. Flegler 1412 unternommene Feldzug. Der Auf: 
itand derjelben hatte fih im Harz verbreitet und 
bezweckte gleihe Güterverteilung dei Abitellung 
aller Steuern und Fronen. Unter Führung des 
Raubritters Friedrich von Heldrungen durchſtreiften 
die meist mit Drejchflegeln bewaffneten Scharen das 
Sand und fanden bei Graf Günther von Schwarz 
burg und einem Teile des niedern Adels Unter: 
ftüpung. Nachdem der meibniihe Feldbauptmann 
Nitter Hans Dangel die Burg Heldrungen Eng 
nommen batte, ließ er die Flegler zu Tode geißeln; 
Friedrih von Heldrungen verlor fein Lebn und 
wurde ſpäter von einem Köbler erihlagen. 
Flehmen, eine Außerung des Geſchlechtstriebs 
beim Hengit, wenn er eine brünitige Stute mit: 
tert, wobei er in ganz charalteriſtiſcher Weiſe 
fhnuppernd die Ober: und Unterlippe nad) außen 
umſchlägt. Zumweilen lommt das F. au als Kranl: 
beitäjumptom bei Stuten ſowohl wie bei Hengiten 
und Wallahen vor, 3. B. bei Darmleiden, beion- 
derö wenn der Darmkanal dur Anmwejenbeit von 
Eingeweidewürmern gereizt wird. 
Bieimjer Thal, p Faſſa (Val di). j 
leifch. Das als hochwichtiges Nahrungsmittel 
dienende F. befteht aud den großen Mustelmafien 
der Tiere und wird durch verfhiedene Formelemente 
gebildet, unter denen die eigentlichen MNustelfafern 
den überwiegenden Teil ausmachen. Leptere werden 
durh Bindegewebe zu Mustelbünbeln vereinigt. 


Fleiſch (Nahrungsmittel) 


Diefe find durchſetzt von den darin fich veräftelnden 
Blutgefäßen und Nerven fowie von Sehnen und 
ettgemebe. Beim älter werdenden Tiere tritt mehr 
indegewebe auf. Die Menge des im 5. enthaltenen 
Saftes und deren Gehalt an gelöfter Subftanz wird 
dur den Nahrungszuſtand der Tiere beeinflußt. 
Daber ift das F. junger und wohlgenährter Tiere 
aftiger, zarter und jhmadhafter als das alter und 
chlechtgenährter Tiere. Das F. von Rindern, die bei 
Ipenfütterung füßes Heu erhalten, ei außerordent⸗ 
lich wohlſchmedend und nicht zu vergleichen mit dem 
von Tieren, welche mit Olkuchen, Schlempe und Run⸗ 
telrüben gefüttert find. Schweine, welche mit gejuns 
den Kartoffeln, Trebern, Molke und Milhabjällen 
enäbrt werden, geben fehr wohlſchmeckendes und 
aftiges J., wogegen das F. von Schweinen, die 
mit Phlehten Kartoffeln gefüttert find, widerwärtig 
jchmedt, und das von Schweinen, die bei Buchen: und 
Gichelnahrung aufgezogen werden, einen thranigen 
Geihmad annimmt. nad) den Ernährungszuftän: 
den und je nach der Art der Verwendung der Nah: 
rung bei den Tieren unterſcheidet fi das F. noch 
vorzüglich durd feinen Gebalt an Fett. Bei reich: 
licher Emäbrung und körperlicher Ruhe füllen ſich 
die die Mustelbündel umbüllenden Bindegemebs: 
maſſen mit Fett. So jegen Majttiere, denen reich 
lih Nahrung zugeführt wird, und die wenig Be: 
wegun baben, reichlich Fett an, während in Frei— 
bei lebende Tiere, Wilobret, meift fettarmes F. 
aben, da ihre Nabrung meijt nur fpärlich bemejjen 
ift und diefe Tiere zum Beichaffen der Nahrung und 
zum Schuge gegen Feinde viel Kraft aufmenden 
müjjen. Zahme Enten werden, wenn man fie frei 
läßt, mag und nehmen ven Gejhmad von Wild: 
bret an, Rebhühner verlieren ihren Geſchmack, wenn 
fie eingeiperrt und wie Haushühner gefüttert wer: 
den. Alter und Geſchlecht der Schlachttiere erzeugen 
mwejentliche Verſchiedenheiten der Öüte des F. Das F. 
junger Tiere iſt meiſt zart, das der Weibchen wird dem 
der Männchen vorgezogen, vielfach läßt die Kaſtrie— 
rung einen bejjern Fleiſchgeſchmack erzielen. Das 
an friſche F. eben geſchlachteter Tiere j hmedt fade 
üßlich, tft feit und zäh und wird durch die Zuberei- 
tung noch feiter und derber. Beim Hängen wird das 
F. mürber, da aus Inoſit, Glylogen u. j. w. Milch⸗ 
Küre entjtebt, die eine gelinde Maceration bewirkt. 
us diefem Grunde genießen wir das F. der größern 
Tiere nicht unmittelbar nah dem Schladten, ſon⸗ 
dern erft nad) Löjung der Muslelſtarre (Totenftarre), 
wenn die eintretende Milhijäuregärung die Fleiſch⸗ 
jafer mürber, leichter verdaulich und wohlſchmecken⸗ 
der gemacht bat. Die Beitandteile des 3. find Waj: 
jer, ftidjtoffbaltige und ftidjtofffreie organijche 
Subjtanzen und anorganiihe Salze. Das von 
fihtbarem Fett möglichit befreite F. enthält etwa 
76 Proz. Wafjer und 23 Proz. jtidjtofihaltige Sub: 
Bas Zu legtern gehören 3 Proz. in Dale los⸗ 
che Stoffe: Serumalbumin, Musleleiweiß, Kreatin, 
Kreatinin, Sarklin, Tanthin, Inoſinſäure u. ſ. m. 
und 20 Proz. in Waſſer unlöslihe Verbindungen: 
Myoſin, Mustelfaier, Bindegewebe und Blutjarbs 
ſtoff. Die ftidjtoffjreien organiſchen Subftanzen, 
wie Glylogen, — Milchſäure und Glycerin: 
pbosphorjäure find nur in geringer Menge vor: 
banden. Die Aichenbeftandteile, unter denen Kali 
und Phosphorjäure vormalten, find etwa 1 Proz. 
DerNabrungswert des F. ijt durch feinen Ges 
balt an Eiweißſtoffen und Fett bedingt. Um bierfür 
einen Anhalt zu geben, mögen — ahlen 


781 


dienen, die die prozentiſche Zuſammenſetzung ver⸗ 
ſchiedener Sorten von F. geben: 


Waſſer Eimeißftoffe Fett Salze 

Ralb, fett ........ 703 18,» 92 04 
mager ...... 78,8 19,8 0,8 0,8 
Ochs, I — 55 13,1 84,1 0,7 
albfett 60,7 165 20, 0,8 
mager ...... . 76,7 20,8 1,5 1,2 
Hammel, jebr fett.. 20 1a 45 0,7 
„mager... 77,0 19,5 2,7 0,8 
Schein, fett ...... 474 15 8375 08 
mager... 7140 19,9 4 05 


Aus diefen Zahlen ergiebt fi der ſehr verſchie⸗ 
dene Wert der einzelnen Fleiſchſorten. Es beiteben 
auch Unterſchiede im Fett: und Eiweißgehalt der 
verihiedenen Musteln des gleihen Tieres. Größer 
it jedoch die Differenz bei den einzelnen Fleiſch— 
jorten in Bezug — Zartheit der Faſer 
und eingelagerten Bindegewebe. Dieje Differenzen 
find für den Preis einer Fleiſchſorte viel mehr maß: 
— als der Gehalt an Eiweiß und Bee Beim 

bien rangieren die einzelnen Körperjtellen vom 
preiswürbigjten zum mindberwertigen in folgender 
Reihe: Schwanzitüd, Lendenftüd, Borberrippe, 
Hüftenftüd, Hinterſchenlelſtück, Oberweiche, Unter: 
weiche, Wadenftüd, Mittelrippenjtüd, Oberarmitüd, 
Slantenteil, Schulterblatt, Bruſtlern, Wamme, Hals 
und Beine. 

, Als Nahrungsmittel verwendet man das F. meift 
im zubereiteten Zuftande, jeltener roh, und man 
follte ſich des se des rohen F. gänzlich ent: 
halten, da ed oftmals von verjchiedenen Paraſiten, 
wie Tridinen (j.d.), Finnen (f. Finnenkrankheit der 
Haustiere) und Bandwürmern ( d.) durchſeßt ift. 
Wird das F. vor dem Dale aber einer genügend 
itarfen Erbigung (durdy Kochen oder Dampfiterili- 
ation, j. Rohrbedſcher Desinfeltor) unterworfen, 
o werden bie Barafiten getötet und Damit unſchäd⸗ 
ich gemacht. Die Anſicht, daß robes, geichabtes F. 
leichter verdaulich jei als zubereitetes, iſt nicht richtig; 
wenn gelochtes oder gebratenes F. Kranken in —* 
verteillem Zuſtande gegeben wird, ſo daß die 
dauungsſäfte eine gleich große Angriffsfläche haben, 
ſo iſt es ebenſo leicht verdaulich wie rohes. Dafür, 
daß fein geſundheitsſchädliches oder elelerregendes 
hr in den Handel fommt, jorgt die Einrihtung der 
leiſchbeſchau (ſ. d.). 

Die Zubereitung für den alsbaldigen Genuß 
geſchieht entweder durch Kochen, durch Braten oder 
durch Dämpfen. Die Veränderungen, die das F. 
beim Kochen erleidet, find verſchiedene, je nad: 
dem man eö in bereits fievendes Waſſer einträgt, 
oder es in kaltes Waſſer bringt und diejes erft m 
Kochen * erſtern Falle toaguliert jo eich 
von der Oberfläche einwärts das Eiweiß und bildet 
eine Hülle, die die Auslaugung und den Austritt 
der in Waſſer —*598 Teile verhindert. Wird das 
Sieden nur einige Minuten unterhalten, dann ſo 
viel laltes Waſſer zugejchüttet, daß die Temperatur 
bis 75° C. = 60° R. erniedrigt wird, und wird nun 
das Waſſer einige Stunden auf diejer Temperatur 

ebalten, jo erhält man ein zartes und jhmadhaftes 

k zweiten Falle dringt das kalte Wafjer durch 
das ſchſtück und * die in Waſſer loslichen 
Stoffe aus, es erfolgt ſchließlich eine dichte und feſte 
Gerinnung. Das F. iſt zähe und geihmadlos; wäh⸗ 
rend die Fleiſchbrũhe (ſ. d.) gut und wohlſchmeckend 
wird. Durd das Kochen des F. wird das Eiweiß 


782 


unlöslih und verbleibt entweder in dem Gemebe, 
oder es giebt den auf der F glei eiſchbrühe ſhwimmenden 
Schaum; ein Teil des Bindegewebes wird beim 
Lochen in Leim übergefübrt, und ebenſo gebt ein 
Zeil des Fettes in die Brühe; der Fleiſchfarbſtoff 
wird zerftört und die Musle fafer i in Im Zuſam⸗ 
menhange gelockert und Sue leiht faubar. 

Beim Braten des F. wendet man fein Wajler, 
—— Fett an, mit dem man das F. in einer 

fanne erwärmt; die obern Teile des Bratens wer— 
den teils durch Über 15* mit dem heißen Fett, teils 
durch die Hihe des Raums, in dem ſich die Pfanne 
befindet, gar. Bei den Engländern und den Nord: 
amerifanern, bier und da aud in Deutichland, ge: 
ſchieht es in der ſtrahlenden Hitze einer Roblenglut, 
der gegenüber das F. an einem Bratenwender auf 
gehängt t wird; ein bleherner Schirm fonzentriert die 

‚während fi in einem untergejegten Beden 
ber abträufelnde Saft und das Fett fammelt. Unter 
diefen Umjtänden bilvet fich ſchnell eine Krufte um 
das Fleifhitüd, die dur die Braunröftung noch 
dichter und undurcbringliher wird und daber den 
Sait viel volljtändiger zufammenbält. 

Das Dämpfen des F. iftein Mittelweg zwiſchen 
Kochen und Braten, indem dabei das Garmwerden 
durch die Einwirkung des Dampfes erfolgt, der das 
5. re In den Hausbaltungen, wo das Mit: 

gi aus einem Gericht beftebt, tbut man am 

eiten, das F. mit den Gemüſen u. i. w. zufammen 
u tocen, um fo den Gefamtnahrungswert des F. 
F feinem Wohlgeſchmack zu ai ten. Der Ge: 
—— der verſchiedenen Fleiſchſorten beim 

Kochen und Braten des F. iſt folgender: beim Kochen 
verliert Rindfleiſch 15, Hammeifleiſch 16, Welſcher 

ahn 16, Huhn 13,5, Sdinlen 6 Proz.; im Durch: 
chnitt 3 12, Geflügel 14 Proz. Beim Braten ver: 

iert Ainsfleiic, 19,5, Hammelfleiſch 245, Gans 
16,5, Welſcher Hahn 20,5, Lammfleiſch 22,5, Ente 
27,5, Hubn 14 Proz. ; im Durchſchnitt 5.22, das des 
Geflügels 20,5 Proz. Dur Ausprefien des friſchen 
Fleiſches mit der hydrauliſchen Preſſe wird der friſch 
ausgepreßte Fleiſchſaft (Succus carnis recens 
expressus) gewonnen, welder gegen 6 Broz. Eiweiß 
enthält und bei der Ernährung der Kranten mit 
Vorteil — findet. über vie Bearbeitung 
des F. ſ. Fleiſchzerlleinerungsmaſchinen, leiſch⸗ 
waren und Wurſt; über das Zalibarmachen des F. 
für längere Zeit J Fleiſchlonſervierung; über den 
Handel ſ. Fleiſchhandel und Fleiſchtaxe; über die 
—59 ſ. Fleiſchſteuer; über die Verg piitung 
durd F a. aift, — fiber jlüffiges 5. |. Flui 
meat el: eu oſenthalſche Fleiſchſolution. 

— in der Bibelf Era Bezeichnung des 

Menſchen, fofern er feiner Natur nach bejeelter 

‚als folder aber hinfällig und vergäng- 
bwachbeit und Sünde behaftet ift. Dem 
alooftel Paulus ericheint daher das F. als der eigent⸗ 
liche Siß der Sünde, ſofern aus den natürlich-jinn: 
lihen Regungen der irdifchen Natur das Sündigen 
notwendig bervorgebt. 

lei * wildes, ſ. Granulation. 
lei — ner ſ. Fleiſch⸗ 
leinerungsmaſchinen. 


leiſchbeſchau, die Unterſuchung des zum Ge— 
nuſſe für Menſchen beſtimmten Fleiſches auf ſeine 
Tauglichleit für dieſen Zwed. Die F. bezwedt, daß 
Fleiſch, das gelunnbeitsihanlic oder wegen 
anderer erbeblicher Verſchlechterung feiner Qualität 
genußuntauglid it, vom Berlauf als menſch— 


Fleiſch (in der Bibelſprache) — Fleiſchbeſchau 


liches —— — fern Sad vu —— 
wird. Fleiſch, das nur im rohen Zuſtan 
iſt, darf Lig amtlich ne — 
machung unter An —8 der beſondern Deinaften- 
— in den Verle eben werden (bedingt 
liches — ußerdem — > —— 
ver. den Verlehr mit nme —— 
bus ‚war —— aber wegen ru 
el in jeinem Nabrungs- und Genußwert berabge- 

est (mindermwertig) ift. Diejes Fleiſch iſt wie 
das brauchbar gemachte bedingt tauglihe Fleiſch 
unter Angabe der befondern Beichaffenbeit zu rn 
faufen. In größern Gemeinden, na 
allen Schlahtbausgemeinden, find für den Verkauf 
des bedingt tauglichen und des min en 
Fleiſches befondere Berlaufgftätten ee e) 
—* Zur Durchführung der F. find die aur 

Schlachtung beftimmten Tiere vor und —— 
rn durch Sachverſtändige —— 

Da es ſich hierbei um die Ermittelung von Sn 
krankheiten Fa find hierzu in eriter Linie die 
Tierärzte bejtellt. Als Hilfsorgane dienen die nicht⸗ 
tierärztlihen Bejhauer(Laienfleifhbeihauer), 
die, auf Schladhthöfen von Tierärzten ausgebildet 
und geprüft, unter der Aufficht der letern auf dem 
platten Lande die F. ausüben, fofern Tierärzte bier 
nicht verfügbarfind. Weitere Hi fsorgane zur Durch⸗ 
führung der F. find die og. Suna 1 Cämeine 
die die mifroff opi * Unte —— des 
(und Hundes)fleiihes auf Trichinen vornehmen. 
Auf dem flahen Lande kann die —— F. und 
die Trichinenſchau in eine Hand gelegt werden. 
den Städten — die lorrelte Durchführung der 
die —— entlicher, ausiclichlid zu be 
nügender Schlachthöfe zur Boraugjegung. 

ie F. ift eine alte deutſche Einrihtung, die be: 
reits im Mittelalter in vielen Städten für a 
Berbältnifje gut organifiert war. Aus dem M 
alter re fi) die aus 
jüd:, ſüdweſt⸗ und mitteldeutfchen Staat Bel 
die Gegenwart erhalten. Shunmehr wird bie F. 
ganzen Deutſchen Reich einheitlich durch das Ar € tier * 

etreffend die Schlachtvieh— ie 

beihau, vom 3. Juni 1900 geregelt. Das 
Reicsgeeh ſchreibt vor, daß fämtliche Shladttiere 
(Pferde, Ninder, Schafe, Ziegen, Schweine und 
Hunde) vor und nad ver Schlachtung durch Sad 
—— zu unterſuchen ſind. Wildbret und Ge 

ügel unterliegen der enge in nad —— 

—— inſoweit, 
dies anordnet. Derſelbe hat die ende ann 
Unterjuhungszwanges auf Wildſchweine und 
tiere verfügt. Im übrigen unterliegen Wilbbret, 
Geflügel, Fiſche, Kruftenttere u. f. w. der Marlt⸗ und 
—— nad) Maßgabe des Nahrungs⸗ 
mittelgejeged. Ausgenommen von dem Unter: 
fuhungszwange find die von Privaten zum Haus: 
gebrauche geſchlachteten Tiere, wenn fie Beiden i 
einer die Genußtauglichleit des —** 
tigenden Krankheit nicht erlennen laſſen. A 
nommen von der Schlachtviehbeſchau die Schlach⸗ 
tungen — RN RUFEN —— 
wenn —*⁊ im Verzuge liegt. 
bierbei die Anmeldung zur  fohort * Das 
aus dem Auslande einge de Fleiſch unterliegt 
en Ein 7* — * en Unter: 
ubung. Zu ihrer glichu — 
daß das friſche Brei mn tn a 
förpern und im natürlihen Zu —* 


Fleiſchbiskuit — Fleiſchbrühe 


wichtigern Eingeweiden (Zunge, Herz, Nieren, bei 
weiblichen Tieren auch Euter, bei Pferden außerdem 
Kopf und Haut [wegen der Feititellung der Rob: 
trantheit]) eingeführt wird. Zubereitetes Fleiſch 
barf nur ein en rt werben, wenn feine gejunbbeits- 
Ihädlihen Stofje bei der Zubereitung verwendet 
wurden, die Unjchädlichteit des Fleiſches zuverläſſig 
feitgeftellt werden fanıı, und wenn die Stüde min- 
deitend 4 kg ſchwer find, ausgenommen Schinten, 
Spedjeiten und Därme, die zubereitet in jedem be⸗ 
liebigen Gewicht eingeführt werden dürfen. Von der 
Einfuhr find ausgeſchloſſen Büchfenfleifh, Würſte 
und andere Öemenge aus zerfleinertem Fleiſch, weil 
an ſolchem Fleiſch die Unſchädlichleit nicht zuver⸗ 
läi — werden lann. 
Fleiſch, das feinen Anlaß zu einer Beanſtandung 
& t, iſt als unterfucht und tauglich au fennzeichnen 
renn⸗ oder Farbitempel). Ausländiiches Fleiſch 
muß als ſolches noch bejonders gelennzeichnet wer: 
den, weil die Unterfuchung diejes Fleiſches der Unter: 
fuhung des Inlandfleiſches, bei der die Tiere lebend 
und nad) der Schlachtung mit jämtlichen Eingewei⸗ 
ben hebenligi werben, nicht gleichwertig ift. Das in- 
Baht Fleiſch ift mit blauen, das ausländiſche 
leiih mit roten S zu kennzeichnen. 
die Form für den Stempel des inländiſchen taug⸗ 
lihen Fleiſches ift rund, diejenige des Stempels 
für das ausländische jechsedi e Seife, das zum 
menſchlichen Genuß untaugli ift, muß .. 
(vergraben, verbrannt, chemiſch verarbeitet u. dgl.) 
werden. Fleiſch, das bedingt tauglich ift, muß je 
nad) ber Art der vorliegenden Krankheit durch Ko— 
ben, Dämpfen, Böleln, bei finnigem Rindfleiſch 
aud durch dreiwochige Aufbewahrung im Küblbaus 
für den menſchlichen Genuß tauglich gemacht werben 
und fann bierauf unter Angabe feiner Beſchaffen⸗ 
beit vertauft werden. Das bedingt taugliche Fleiſch 
erhält einen vieredigen Stempel, das minderwertige 
einen vieredigen Stempel mit eingeſchloſſenem 
Kreis, Mit Mängeln bebaftetes ausländifches 
Fleiſch lann nad Kennzeihnung zurMWiederausfuhr 
augelalien werben. 
ntauglidhes Fleiih im Sinne des Reichs: 
geſetzes ijt Das gefundheitsjchäpliche und das wegen 
anderer erheblicher Verfchlechterung jeiner Beichaf: 
enheit vom Genuß auszuſchließende Fleiſch. Ge 
und —— ſt das rg. von Tieren, die 
mit Milzbrand, Rob, Tollwut, Blutvergiftung, ge: 
wiſſen Formen der Tuberlkuloſe, mit zahlreichen Tri⸗ 
chinen oder Finnen Minder⸗ und Schweinefinne) 
behaftet find. Beſonders gefährlich iſt das Fleiſch, 
das von Tieren ftammt, die wegen einer ſchweren 
anitedenden Erkrankung (Blutvergiftung) notge: 
hlabtet werden, Der Genuß des ; *2 * 
iere lann Maſſenerkrankungen (Fleiſchvergif⸗ 
tungen) im ae haben. Das tridindfe und 
—5 — ſch, ferner das geſundheitsſchädliche 
eiſch tubertulöfer Tiere fann dur Dampflochung 
unjhädlic und zum menſchlichen Genuß brauchbar 
gemacht werden, ebenfo wie das Fleiſch won Tieren 
mit den geringen Graden des Rotlaufs und der 
—— edingt taugliches Fleiſch Als 
genußuntauglich wegen ſehr erheblicher Abweichung 
von normalem Fleiſch iſt ferner zu bezeichnen das 
er von ungeborenen und neugeborenen Tieren, 


leiſch mit ftarfer Verfärbung (Gelbjucht), mi 
widerlihem Geruch (E ie, ſchiges und nad 
Arzneimitteln ri i 


F äſſeriges 
(mit hocgrabigen Hot 


und blutiges Fleisch, Fleifch chgradigem 


783 


lauf und andern auf den Menſchen nicht übertrag: 
baren, inderen jtarfe jubjtantielle Beränderungen 
bedingenden, franfhaften Eriheinungen. Minder⸗ 
wertig und baber unter Erklärung zu verkaufen iſt 
Sie mit ſchwacher Gelbſucht, ſchwachem Gerud) 
nad) Arzneimitteln, ferner Fleiſch bei den geſund⸗ 
beitöpolizeilich unerheblichen, aber örtlich ſtark aus⸗ 
gebdehnten Formen der Tuberfuloje des Kindes, 
beim Borbandenjein von Blutungen in dem Fleiſche, 
endlich jolches Fleifch, welches während der Aufbe⸗ 
wahrung leuchtend geworben iſt ( durch Anfiedelung 
von —— Pferdefleiſch, das häufig für 
Rindfleiſch ausgegeben wird, muß ebenſo wie Hunde: 
fleiſch durch einen befondern (rehtedigen) Stempel 
getennzeichnet werben, weil dieje Fleiſcharten einen 
geringern Handelöwert bejiken und nicht von jeder: 
mann gelauft werben. 
‚ Das — unter ift 1. April 1903 
in Kraft getreten. Proviforiihe Gültigkeit befist 
nur berzweite Abjab des $.12, der die Bedingungen 
enthält, unter denen ausländiiches Fleiſch eingeführt 
werden darf. Dieje Beitimmungen fünnen vom 
Reichstag abgeändert werden, wenn ſich ein Ber 
durfnis —— herausſtellt. — Val. von Rohrſcheidt, 
Das Fleiſchbeſchaugeſez vom 3. Yan 1900, für ven 
praftiichen Gebrauch erläutert (2. Aufl, Lpz. 1902); 
Johne, Der Laien⸗Fleiſchbeſchauer (3. Aufl, Berl. 
1903); Ditertag, Handbuch der 75. (5. Aufl., Stuttg. 
1904); derf., Leitfaden für Fleifhbeichauer (8. Aufl., 
Berl. 1904); derſ. Wandtafeln zur 5. (6 Taf., ebd. 
1903); Edelmann, Lehrbuch der Zleiſchhygieine 
(Jena 1903); Schroedter, Die Fleiſchbeſchaugeſetz⸗ 
gebung (2. Aufl., Berl. 1904). Zeitſchrift für Fleiſch⸗ 
und Milchhygieine (Berlin, jeit 1890. 
leifchbiöfnit, Fleiſchbrot, |. Fleiſchzwiebad. 
Fleiſchbrũühe, Bouillon, der durch Kochen 
mit Waſſer erhaltene fluſſige Auszug aus tieriſchem 
Fleiſch. Über die Bereitung ver F. haben J.von Liebig 
und M. von Bettentofer Unterfuhungen angeitellt, 
deren Ergebnis in Folgendem beſteht: Das Einbrin: 
gen des Fleiſches in ſiedendes Waſſer ift > die Zube: 
reitung des Fleiſches das beite, aber für die Güte der 
F. das ungünftigjte Verfahren. Wird im Gegenjas 
das Fleifhftüd in kaltes Wafler getban und dieſe⸗ 
ganz allmählich zum Sieden gebracht, jo tritt vom 
eriten Nugenblid an ein Austauſch der in dem Fleiſch⸗ 
üd enthaltenen Sinfigteit und des außerhalb be: 
ndlihen Waflers ein. Die löslihen und ſchmecen⸗ 
den Beitandteile des Fleiſches, etwa 3 Proz. (Streatin, 
Kreatinin, Carnin, Jnofit, ertraltive Subftanzen, 
inofin: und mildfaure Salze, Chlorlalium und phos⸗ 
phorjaure Salze), treten in das Waſſer; das letztere 
gelangt in das Innere des Fleiſchſtuds und laugt 
diejed aus. Das ebenfalls mit austretende Eiweiß 
(2,9 Proz.) gerinnt ſchon vor dem Sieden und wird 
ewbhnlich ald Schaum abgejhöpft. Um in kurzer 
Bit die ſtärlſte und aromatiſchſte F. darzuftellen, iſt 
es am beiten, das feingehadte magere Deich mit 
einem gleihen Gewicht falten Waſſers gleihförmig 
zu — langſam damit bis zum Sieden zu erhi 
und nad minutenlangem Aufwallen aus en. 
BVerjebt man die Flüftgleit mıt etwas Rodjalz und 
den andern Zutbaten, womit man bie F. gewöhn⸗ 
lich würzt, jo erhält man auf * Weiſe die beſte 
die ſich aus einer gegebenen Fleiſchmenge über: 
aupt bereiten läßt. Die mit etwas gebranntem 
uder oder braungebrannten Zwiebeln gefärbte F. 
wird allgemein für weit ftärker gehalten als bie 
ungefärbte, wenn aud beide Sorten eine ganz 


1784 


Fleiſcher (Handwerfer) 


Seit Anfang des 19. Jahrh. wurde das Fleiſcher⸗ 


eiſch mit Waſſer längere Zeit lochen oder die 3. gewerbe allmählich freigegeben. In Preußen bob 
ochend verbampfen, jo nimmt fie nad) einiger Kon» | die Berorbnung vom 24. Dft. 1808 den Zunftzwang 
tration von jelbft eine bräunliche Farbe und einen | und die Verlaufsmonopole der Schlädter in Dit: 
Iinen Bratengeihmad an. Dampft man fie im | und en ſowie Litauen auf und befeitinte 


bei Zufammenfegung haben. Läßt man das 


aflerbade oder womöglich in einer noch —— die Fleiſchtaxen, aber 1849 wurde die Fleiſcherei 


Zemperatur in Valuumpfannen his zur Extraltkon⸗ 
ſiſtenz ein, ſo erhält man das Fleiſchextrakt(ſ. d.), 
das man jetzt oft anwendet, um durch ein Loſen in 
fiedendem 





| 


eine ſtarle und ne $. berzuftellen. Die: | 


es — — läßt fi mit den in England und 
ankreich bereiteten fog. Suppens oder Bouil⸗ 
ontafeln nicht vergleihen, denn diefe find nicht 
aus ib, fondern durch Austodhen von Knochen 
und Kalbsfüßen bereitet und beftehen aus mehr oder 
weniger reinem Leim, ber ſich von dem gewöhnlichen 
Knochenleim faft nur durch feinen hohen Preis unter: 
ſcheidet. Dagegen enthalten die in Rußland dar: 
eitellten echten Bouillontafeln alle wejentlihen Be 
Ranpteile des Fleiſchextralts. 
fiber ven ala le nd ber F. giebt man ſich 
vielfach irrigen Vorſtellungen hin. Sie ift nur info: 
ern ein wirkliches Nahrungsmittel, als fie noch 
puren von den dem Fleiſche feinen Hauptwert ver: 
leihenden Beftandteilen, ven Eiweißſtoffen, enthält. 
Durd ihren Gehalt an den obengenannten Beſtand⸗ 
teilen wirkt fie ähnlich wie guter ſtarker Wein auf die 
Nerven des Berbauungsapparats, die Berbauung?: 
ekret liefernden Drüjen zur Thätigteit anregend. Die 
iſt aber ein nervenanreizendes, —* wertvolles 
enußmittel, kann aber niemals das Fleiſch erſetzen. 
Fleiſcher, inSud- und Weſtdeutſchland Meßzger, 
in Niederſachſen Schlächter oderKnochenhauer, 
ſeltener (noch in Oſterreich) Fleiſchhauer genannt, 
ren Handmwerter, der das jog. Schlachtvieh 
ſchlachtet (f. Schlachten) und das zerlegte oder ver: 
arbeitete Fleiſch verfauft oder in neuerer Zeit auch 
nur das von Großfleiſchern, Importeuren u. ſ. w. 
gekaufte frische Fleiſch verarbeitet und verkauft. 
In den ältejten Zeiten findet man biefe Thätigkeit 
meiſt bevorzugten Perſonen, den Prieitern, über 
tragen. Erit in den fpätern Zeiten des Haffijchen 
Altertums, Hand in Hand mit der Ausdehnung des 
leiſchgenuſſes, ift das Schlachten dem Belieben der 
rivaten überlafjen. In Rom gab e3 in der eriten 
oce der Republik noch feine Metzgerzunft; fpäter 
entmwidelte fih der Stand der Lanii oder Confectu- 
rarii. In der Kaiſerzeit gab eö drei große amtliche 
Sleifcherinnungen: die der Schweine: (Suarii), Ham: 
mel: (Pecuarii) und Ochſenſchlächter (Boarii). Die 
Mitgliedſchaft war lebenslänglih und erblih, und 
der Staat erlaubte feinem den Austritt, ſicherte ſich 
vielmehr gejeglich die erforderliche Anzabl F. Gleiche 
Anordnungen galten nad der Trennung des Römi:- 
fhen Reichs für die Fleiſcherinnung von Byzanz. 
Auf den Fronhöfen des Mittelalters fcheint ed 
Fleifherinnungen nicht gegeben zu haben, fondern 
das Schlachten ſcheint von Knechten beforgt worden 
zu fein. In den Städten beitanden Zünfte, und nie 
mand durfte das Fleiſcherhandwerk ausüben, obne 
einer jolben anzugebören. Zur Erleidhterung des 
Gewerbes bauten viele Städte gemeinfame Schlacht: 
Kinten- Für den Handel mit Fleiſch erließen die 
brigfeiten genaue Vorſchriften. Bor allen Dingen 
gi sieist en (j.d.). Zur Herbeiführunggrößern 
ttbewerbes ließ man außerbalb der Zunft «rei: 
ſchlächters zu, mit den gleihen Anteilsbefugniſſen 
wie bie Innungsſchlächter, und «freie Fleiſchmärkte⸗. 


wieder für zünftig erflärt. Erft auf Grund der Ge- 
mwerbeorbnung von 1869 darf jeder das Fleiſcher⸗ 
aemwerbe frei ausüben. Hauptfählich infolge der 


afjer, vem man etwas Kochſalz zuſetzt, Einrihtung von Schlachthäuſern (f. Schlachthaus) 


in den größern Städten hat fi dort eine Arbeits: 
teilung dahin entwidelt, daß Ladenfleiſcher Fleiſch 
in Daher Stüden von Großfleifhern übernebmen 
und an das Publikum im eigenen Laden oder in 
den ſtädtiſchen Markthallen verlaufen. In vielen 
Städten darf außerhalb des Schlachthauſes fein 
ri, eihladhtet werden (ſ. Schlachtzwang und 
Schlachthaus). Für mindermwertige, aber nicht ge 
undheitsſchadliche Ware beftehen vielfach ſog. rei: 
nte. (S. auch Fleiſch und Fleifhbeihau.) Unter 
den Ladenverfäufern findet nicht felten eine Sonde 
rung nad) den Fleiſchgattungen ftatt, 3. B. Ochſen⸗, 
an vieh-, Schweineſchlächtereien in Oſterreich 
elchereien) u. ſ. w. 
Nach der Bexufszählung von 1895 (1882) waren 
im Deutſchen Reiche 1,74 43 Proz. aller gewerb⸗ 
thätigen Perſonen im Fleiſchergewerbe thätig. Es 
beſtanden 92873 (81 713) Fleiſchereibetriebe, dar: 
unter 74163 (62747) Hauptbetriebe, welche 178010 
147007) männlide und 31003 (6960) weibliche 
erſonen bejbäftigten; 41 688 Betriebe (40,1 Proz.) 
waren Alleinbetriebe, Von den Hauptbetrieben waren 
allerdings 50054 Gehilfenbetriebe, immerhin bleibt 
dem Gewerbe dadurh der Charakter des Kleinbe— 
triebes gewahrt, um jo mebr, als allein 42959 Be: 
triebe nur bis fünf Hilfskräfte beſchäftigten; 6—10 
Gehilfen waren thätig in 3036, 11—2U in 362, 21 
—50 in 60, 51—100 in 6 und 100—200 in nur 3 
Betrieben, Auf je 100 Fleifchermeifter (jelbitändige 
Gewerbetreibende) famen 111 (120) Gebilfen und 
Arbeiter, aber erjt auf 3 Hauptbetriebe 1 Lebrling. 
97,44 (98,53) Proz. aller Betriebe waren im Eigen: 
tum von Einzelperfonen. Am 14. Juni 1895 waren 
4,18 Broz. der im Fleiſchergewerbe Beichäftigten bes 
ihäftigungslos, 2. De. 1895: 6 Proz., darunter 
1,18 und 1,59 Proz. wegen Krankheit. . 
Der Korpsgeiſt ift unter den 5. verhältnismäßig 
jtart ausgebildet. Seit 1875 befteht in Deutichland 
ein Innungsverband, der Deutſche Fleiſcher— 
Berband, ein Bund von faft 1000 Innungen mit 
etwa 35000 Mitgliedern. Seit dem 1. Jan. 1897 
beitebt die Fleiicherei-Berufsgenofjenichaft (f. d.). 
Das Mappen der F. zeigt - unftwap: 
pen I, Fig. 15, beim Artikel Zünfte. BE 
Mährend in Europa überall der Kleinbetrieb im 
leifchergewerbe vorherrſcht, iſt eg Amerila vorbe: 
alten geblieben, ven Großbetrieb einzuführen. Die 
. find in den Vereinigten Staaten vielfad feine 
elbftändigen Handwerker mehr, ſondern nur Detail: 
vertäufer, vieihren Bedarf aug den großen Schlacht: 
Si beziehen. ÜUhnliche Zuftände haben fi in 
ondon, Paris, Bruſſel, zum Teil auch in Berlin 
berausgebildet, was in Dielen Staaten und Städten 
zu einem wirtihaftlichen Niedergang des Gewerbes 
als Handwerk geführt bat. Dadurch nämlich, daß zur 
Niederlaſſung als bloßer Fleiſchverläufer weniger 
Anlagelapital, auch weniger umfaflende Kenntnifie 
erforderlich find, ift die geht der Geihäftögründun: 
gen naturgemäß groß. Andererſeits aber mebrt ſich 


Fleiſcher (Heinr. Lebereht) — Fleiſcher, Karl Fr. 


aud die Zahl der Konkursfälle im Fleiſchergewerbe 
von Jahr zu Jahr und beträgt faft dad Doppelte der 
Konkurshäufigkeit im Reichsdurchſchnitt für alle Ger 
werbe.— Bol. Hilgers, Das Fleiſcher⸗ oder Metzger⸗ 
ewerbe mit allen jeinen Nebenzmweigen (6. Aufl, von 
Sul. Todzi, Weim. 1892); Artitel Sei chergewerbe 
m «Handwörterbuch der Staatswi —— », 
Bd. 3 8: Aufl., —* 1900); Wenger, Chemie und 
Technik im Fleiſchergewerbe (Wien 1898); Rothe, 
Das deutſche Hleifhergewerbe (Jena 1902). — 
Deutiche Fleiſcher⸗geitung (Berl. 1873 fg.); Eentral- 
leijher » Zeitung (ebd. 1888 fg.); Allgemeine Flei⸗ 
erzeitung (ebd. 1883 fg.); Internationale Fleiſcher⸗ 
zeitung (Lpz. 1881 fg.). j j 
Fleiſcher, Heint. Leberecht, Drientalift, 
21. Febt. 1801 zu Schandau an der Elbe, ſtud 
feit 1819 in Leipzig Theologie und orient. Sprachen, 
weilte 1824— 28 ın Paris, um dort de Sacy zu 
bören und in den reichen handſchriftlichen Schäßen 
der königl. Bibliothel zu arbeiten, und trieb unter 
Cauſſin de Perceval vem Jüngern vulgärarab. Stus 
dien. 1831 erbielt er eine Anitellung an der Kreuz: 
ſchule zu Dresven, 1835 die Brofejjur der orient. 
Spraden in Leipzig. Er jtarb daſelbſt 10. Febr. 
1888. F. hat auf dem Gebiete des Arabiſchen ald 
Lebrer und Scriftjteller Epoche gemacht; ibm ver: 
dankt man die Vertiefung der grammatifchen Kennt: 
nis des Arabiſchen, namentlich nad der funtal: 
tiihen Seite, und die auf umfaſſende Kenntnis 
des —— —— gegründete Textbehandlung. 
Viele der bedeutendſten Drientaliften find aus 7.8 
Schule hervorgegangen. An der Begründung der 
«Deutjhen Morgenländiihen —* (1844) 
jomwie ihrer «Beitfehrift> hatte er den hervorragend: 
jten Anteil. Seine ältefte Schrift erfchien 1827 im 
«Journal Asiatique»; darauf folgten: die Nusgabe 
von Abulfcdas «Historia ante-islamica» (mit lat. 
Überjegung, Lpz. 1831), die Herausgabe der Kata: 
loge der orient. Benskirifien auf der königl. Biblio: 
tbet zu Dresden (ebd. 1831) und der arab., per. und 
turl. Handſchriften der Stadtbibliotbel zu Leipzig 
(in dem «Catalogus» von Naumann, Grimma 1840), 
die Uberſezung von Samachſcharis «Goldenen Hals: 
bänbern» (Ypz. 1835), die einen litterar. Streit mit 
Hammer-Burgitall veranlaßte; «De glossis Habich- 
tianis» (2 Heite, ebd. 1836—37), die Ausgabe von 
Beidhaͤwis Kommentar zum Koran (2 Bde., ebd. 
1844—48), ſowie die von «Alis hundert Sprüde, 
arabiſch und perſiſch paraphrafiert von Watwat» 
(ebd. 1837); die gortiehumg der durch Habichts Tod 
unterbrochenen Yusgabe des arab. Originals ber 
«Zaufendundeine Nacht» (Bd. 9—12, Bresl, 1842 
—43), die deutſche Bearbeitung von Mirja Mo: 
bammed Ibrahim «Grammar of the Persian 
language» (Lpz3. 1847; 2. Aufl. ald «Grammatit 
der lebenden perſ. Sprade», ebd. 1875). Wichtig 
find ferner feine «Beiträge zur arab. Sprachkundes, 
Berbeflerungen und Erlurje zu de Sacys «Großer 
Grammatik», welhein den «Abhandlungen der Säch⸗ 
ſiſchen Gejellihaft der Wifjenjhaften» von 1863 bis 
1883 in 11 Heften ericienen, jowie die Textverbeſſe⸗ 
rungen zu arab. Editionen, die lexilaliſchen Beiträge 
zu Dozys «Suppläment aux dictionnaires arabes» 
2 Bove., Leid. 1877— 82), kritifche Beiträge für 
vys a Ge nen (2 Bde., Lpz. 1867 
—68) und desjelben «Neubebr. und chaldäiſches 
DWörterbub über die Talmudim und Midraſchim⸗ 
— Bde., ebd. 1875—89), die von Muhlau und Vold 
eſorgte achte und neunte Auflage von Gefenius’ 


eb. 
—* 


Brodbaus’ tonverſations ·Texiton. 14. Au R. A. VI. 


185 


«Hebr. und halväiibem Handwörterbub» (ebb. 
1878 u. 1883) und viele.andere Werte. Seine Auf: 
läge und Abbandiungen find geſammelt erfchienen in 
den ·Kleineren Schriften» (3 Bde., Lpz. 1885—88). 
leifher, Moritz, Agritulturdemiter, geb. 
2. Jan. 1848 in Eleve, itudierte Naturmifienfcaften, 
namentlich Chemie, in Berlin und Greifswald, war 
Bhhent an der landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation 
ödern, dann an der landwirtſchaftlichen Alademie 
Hobenheim und 1872 —75 eriter Affiitent an der 
landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation Weende: Got⸗ 
tingen; im Sommer 1875 übernahm er die Zeitung 
der landwirtſchaftlichen Verſuchsſtation des land⸗ 
wirtſchaftlichen Centralvereins für Rheinpreußen zu 
Bonn und folgte 1877 einem Rufe als Dirigent der 
preuß. Moor⸗Verſuchsſtation in Bremen, um das 
Verſuchsweſen auf dem Gebiete der Moorkultur zu 
organijieren. 1891 wurde 5. ald Profeflor an bie 
landwirtſchaftliche Hochſchule in Berlin und zugleich 
zum Mitglied der Gentral:Moortommiffion und 
zum Kurator der Moor:Verjudhsitation in Bremen 
berufen; 1898 wurde er zum Geh. Regierungsrat 
und vortragenden Rat im preuß. Landwirtſchafts⸗ 
minifterium ernannt. 1881—91 war er Rebacteur 
von «aBiedermanns Gentralblatt für Agrikultur: 
chemie». Er veröffentlichte unter anderm: «Mit: 
teilungen über die Arbeiten der Moor: Verfuchs: 
—— (in den «Landwirtſchaftlichen Jahrbuchern⸗, 
erl. 1880, 1886, 1891), «Die Thätigleit der Central ⸗ 
Moorltommiſſion⸗ (1882), «Berichte über die Thätig- 
feit der Moor: Berfuchsitation» (in den «Brototollen 
der Sigungen der Gentral-Moorlommiffion», Ber: 
lin, jeit 1877), «Die Torfitreu, ibre Heritellung und 
Verwendung» (Brem. 1890). 
—2 — Star, Muſikforſcher, ſ. Bo. 17. 
leifcher, Karl „Kommiſſionsbuchhand⸗ 
lung, und Friedrich Fleiſcher, Verlagsbuchhand⸗ 
lung, beide in er und im Befik des königl. ſächſ. 
Kommerzienrat3 Otto Naubarbt, geb. 12. Ott. 
1853. Der Urjprung der Geſchäfte geht zurüd bis 
1681, mo Ehrihopb Friedrich F., geb. in Thum, 
geit. 1709, die Hahnſche Buchdruderei in Leipzig 
übernahm und damit eine Buchhandlung verband, 
Den Verlag der legtern verlegte jein Sohn Johann 
Be 5. (geft.1765) 1710 nad Frankfurt a. M. 
ejien Nachfolger war jein Sohn Johann Georg 
.„ deſſen Sohn, Johann Benjamin Georg F. 
geſt. 1803), 1788 eine Sortiments» und Kommiſ⸗ 
ſionsbuchhandlung in Leipzig errichtete und nad 
dem Tode des Vaterd auch den Ber a0 aus Frank⸗ 
furt wieder hierher verlegte. 1819 übernahm das 
Geihäft (Firma nun «sriebr. 5.) der arten bed 
vorigen, Friedrich Georg F. geb. 6. April 1794, 
geit. 22, t. 1863. Er erweiterte den Verlag und 
machte * um den deutſchen mn verdient 
durch erite Anregung zur Herausgabe des «Börjen: 
blatt3 für den deutihen Buchhandel», durh Grün: 
dung der Buchhändler: Beftell: und Buchbänpler: 
Lebranitalt in Leipzig u. a. Sein Sohn Karl 
Friedrich F., geb. 7. Nov. 1827, geit. 3. Mai 
1874, jeit 1853 Teilhaber, übernahm 1856 die Sor- 
timents⸗· und Kommiſſionsbuchhandlung auf eigenen 
Namen, jomie nad des Vaters Tode au den Ber: 
lag, für den aber die er «’sriedr. 5.» beibehalten 
wurde. 1880 wurde D. Naubardt, ein Zögling des 
Hauſes, als Teilhaber aufgenommen, und 1882 
Wolfgang Friedrich F. (geb. 14. Sert. 1857), 
ein Sohn von Karl Friedrih 5. Lebterer über: 
nahm 1894 Berlag und Sortiment allein, vertaufte 


50 


786 


1897 das Sortiment (das noch beſteht unter der 
irma «Friedrich Fleiſchers Sortiment»), und der 
erlag ging 1900 an Naubarbt über. Gepflegt 

wird befonders das Kommiſſionsgeſchäft mit (1903) 

680 Kommittenten. Der Berlag enthielt unter an: 

derm Abljelds «Predigten», Lechlers «Johann von 

Wiclif», Reins « Privatrecht und Givilprocek der 

Römer», Martius’ Werke über Brafilien, Waiß' 

«Anthropologie der Naturvölter» u. a., die aber in 

andere Hände übergegangen find; geblieben ift nur 

Schrebers, «Arztliche Zimmergymnaftit» (28. Aufl. 

leifcherblume, f. Lychnis, [1902). 
leifcherei: Berufsgenofjenfchaft für das 

Gebiet des Deutichen Reichs, beftebt feit 1. Jan. 

1897. Sig ift Zübed. 1899 beitanden 19932 Betriebe 

mit 40482 beihäftigten Perionen, deren anzurech⸗ 

nende Jahresloöhne 36,5 Mill. M. betrugen. Die 

Yabreseinnahmen beliefen ſich 1899 auf 346566, 

die Ausgaben auf 304697, der Refervefonds Ende 

1899 auf 444 227 M. Entſchädigt wurden 1899: 

398 Unfälle (9,83 auf 1000 verficherte Perfonen), 

darunter 6 Unfälle mit töplihem Ausgang, keiner 

mit völliger Erwerbaunfäbigleit. Die Summe der 
a Entſchädigungen, — der Renten 

ür Unfälle aus übern Jahren, betrug 1899: 

215460 M. (©. Berufögenofjenihaft.) 
‚Sleifchenter, ein jehr umfangreiches, aberwenig 

milchergiebiges Cuter bei Küben. Es beſteht weniger 

aus Drüfenjubjtanz als aus Bindegewebe. 
Fleiſchextrakt (Extractum carnis), zur Extrakt⸗ 
tonjijten; im Baluum —— Fleiſd ai 
die durch kalte Ertraltion von zertleinertem Fleiſch 
erhalten und durch Auflochen von löslichem Eiweiß 
und Farbitoff befreit ıft. Das auf Veranlafjung 

Liebigs (j. d.) feit 1865 von der Liebig’s Extract of 

Meat Company in ray Bentos in Uruguay dar: 
eitellte Präparat bildet eine braune, zäbe, fett: und 
eimfreie in Waſſer löslihe Mafje. Die von dem 

Hamburger Kaufmann Giebert in —— ge⸗ 

— Fabrik tft ſeit 1867 in den Beſiß einer engl.: 
elg. Attiengefellihaft übergegangen und verarbeitet 

Jährlich bas Fleiſch von 150000 bi8 200000 Stüd 

Rindern, von denen ein jedes durchſchnittlich kg F. 

liefert. Yus 34 Pd. knochen⸗ und fettfreiem Ochſen⸗ 

fleiſch erhält man 1 Pd. diefes Ertrafts. Es ent: 
bält demnad in 1 Pd. alle in Waſſer löslichen 

Beitandteile von 34 Pfd. reinem Mustelfleiich oder 

von 45 Bid. Fleiſch von der Fleiſchbank. Dieſe lös— 

lien Beitandteile find: Kreatin, Kreatinin, Inoſit, 

Carnin; ferner ertraftive Stoffe, inofin: und mild: 

Uri Salze, Chlortalium und pbospborfaure Salze. 
ußer der genannten Yabrit in Frah⸗Bentos finden 

ſich —— in Montevideo (Bujcen: 

tbal & Comp.), in Gualeguayhu und in Santa 


Glena in Argentinien KKemmerichs Extrakt) u. ſ. w. 


ALS Nebenprodukt wird bierbeigewonnen das Fleiſch⸗ 
mebl (j. d.). Die Hauptmertmale der Reinheit des 
F liegen in der Löslichleit in 80proz. Altobol, dem 
affergebalt und der Abweſenheit von Eiweiß, Leim 
und Fett. Mindeitens 60 Proz. des Ertrafts follen 
fi in Altobol löjen; der Waflergebalt beträgt gegen 
16 Proz., der Stidftofigebalt gegen 8,5—9,5 Proz., 
der Aichengebalt 18—22 Proz. Die Aiche befeh 
wejentlih aus phosphorſaurem Kalium und pbo8: 
pborfaurem Magneſium und Ebloraltalimetallen, 
unter denen dag Chlorlalium vorherrſcht. Das regels 
recht bereitete F. entbält weder Eiweiß, nod Leim, 
noch Fett, es gehört daber zu den Genußmitteln, 
aber nicht zu den Nahrungsmitteln; es gilt bier 


Fleiſcherblume — Fleifchgift 


| — was über den NRahrungswert der Fleiſch⸗ 
brübe (f. d.) gefagt iſt. Zur Shmadttulinitung 
der Loſung des }. ift ein 2 von Kochſalz er 
forderlih. Die Größe diejes Kocjalzzuf er: 
Er fih bei der Analyfe aus der © des 
blorgehaltes, welcher ohne Rodjalzzufag gegen 
10 Proz. beträgt. Mit einer Ablobung von 
penträutern und Knochenſtücken liefert das F. eine 
vortrefflihe Suppe. Die deutſche Ein 
1900: 8381 dz im Werte von 11,091 Mill, M., die 
u 1144 dz Dee M.). 
leifchfarbe, |. Fleiſchton 
leifchfliege (Sarcophaga carnaria L.), eine 
10—14 mm lange, kräftig gebaute, Kawazı und 
rau ſchillernd gezeichnete Fliege aus der Familie der 
Gemeinfliegen, dadurch ausgezeichnet, daß fih aus 
ihren Eiern ſchon im Dlutterleibe Maden entwideln, 
von denen Neaumur im Leibe einer einzigen Fliege 
etwa 20000 antraf. Die Maden näbren fi von 
faulenden tieriichen Stoffen, Dünger u. f. w., find 
aber auch bei Menjchen und Tieren in eiternden Ge 
ſchwüren angetroffen worden, 
#leifchfrefiende Pilanzen, j.Iniettenfrefiende 
Pflanzen nebit Tafel. 
leifchfreffer, ſ. Karnivoren und Raubtiere. 
leifchgenuf. Der F. war bei den „mie 
aud bei andern Völkern, indem alte VBolfäfitte reli: 
giöte Bedeutung gewonnen hatte, geſehlich geregelt. 
ur von reinen (db. h. urſprunglich opferbaren) 
zieren (3 Mof. 11 nad Kategorien beichrieben, 
5 Mof. 14, 1-21 einzeln Be! gemacht) war den 
Israeliten erlaubt, das Fleiſch zu eflen. 
war aud) der Genuß von Blut oder Fleiſch, worin 
noch Blut war, weil man im Blut die ‚den 
Sitz deö Lebens dachte; ferner der Genuß bes Flei- 
ches von —— oder auf dem Felde zerriſſenen 
teren, ſowie das mit Unreinem in Berührung ge 
lommene —— ch, das Fett der Opfertiere und 
nad talmudiſcher Satzung auch der Huftnerv 
vus ischiadicus, 1 Moj. 32, 32), wie denn die s 
biner aud das fpecielle Verbot, das in der Mild 
feiner Mutter gelochte Bödchen r enieben, auf 
jede Bereinigung von Milch und F eh ausdehnten 
S. — m A cn ee en 
auszuſchließen, durfte beibn. Op 
eſſen werden; doch beichräntte der Talmud Diele 
Verbot durd die Erlaubnis, von ſolchem Fleiſche 
zu efjen, ebe das Opfer dargebrabt war. Stren: 
gere Geſehesbeobachter aber, bie in beibn. 
gebung lebten, enthielten ſich des F. lieber gänzlich 
um nicht etwa unwiſſentlich Göhenopferfle oder 
das Fleiſch von nicht orbnungamäßig gefchlachteten 
| Tieren zu genießen, und die Asceſe machte joldhe 
Entbaltjamteit — zu einem Mittel, einen 
—*— Grad von Reinheit und Heiligleit zu er 
angen. Außer den Opfermablzeiten und Gaſt⸗ 
mablen aß ber gemeine Jöraelit, deſſen Hauptloft 
zu allen Zeiten die ——— war, nur wenig 
gebratenes oder gelochtes Fleiih. (S. auch Koſchet 
und ten 
leifchgeichwulft, ſ. Sarkom. 
leiſchgift und Fleiſchvergiftung. Das 
ua der warmblütigen Tiere fann unter gewiſ⸗ 
en Umſtänden ebenſo wie das der Fiſche (. Site. 
gift) und der Mollusten (ſ. Mufchelvergi ) 
eſundheitsſchädliche oder, jelbit giftige en: 
haften annebmen, und wiederholt nah 
— ſolchen Fleiſches ausgebreitete 
und choleraartige Maſſenerkranlungen beobachlet 





Fleiſchglace — Fleiſchhandel 


worden. Die Urſachen derartiger Maſſenepide— 
mien können ſehr verjchieden fein, und bejon- 
ders in früherer Zeit hat man eine Menge höchſt 
verſchiedenartiger Krankheitsprozeſſe unter der Be 
jei .. Fleiihvergiftung zufammengefaßt, die 
um Teil gar nicht zur Kategorie der —— 
* u derjenigen der Infektionskrankheiten ar 
ören. So ftellen viele ältere Beobachtungen, in 
denen nad dem Genuß von robem —— 
Schinken, Wurſt u. dgl. ſchwere Magen⸗ und Darm⸗ 
affektionen, Odem und Steifigkeit der Glieder, Muss 
telihmerzen u. ſ. w. fich einftellten, unzweifelhaft 
Fälle der belannten Trichinentrantheit dar. Neben 
der Trichinofe können durd Genuß des Fleifches 
von Tieren, welhevon der entiprechenden Kran: 


— befallen waren, Tuberkuloſe, Milzbrand, Rob, | B 


ut übertragen werben. Cine weitere Abteilung 
der ei vergiftungen bilden Bergiftungen mit 
dem Fleiſch von Tieren, welche eine gewiſſe Immu⸗ 
nität gegen bejtimmte Gifte befigen, fo daß fie uns 
geltra von denjelben genieben können, deren Mus: 
ein aber danad unter Umftänden giftige Eigen: 
{haften annehmen. Vielfach ift Dies bei diſchen be 
obadtet worden, aber auch bei Warmblütern ift die: 
ſes Borlommnis nicht ganz felten. So befigen Hafen 
und Raninden eine auffallende Immunität gegen 
das Gift der Tolllirſche und können nad dem Genuß 
biejer —— zu Atropinvergiftungen führen; ebenſo 
hat in Auſtralien das Fleiſch von Hammeln, die 
von einer draſtiſchen Cucurbitacee gefreſſen hatten, 
öfter ſchwere Vergiftungserſcheinungen veranlaßt. 
‚Im Gegenſaßz zu den zuletzt angeführten Ber: 
giftungen und den Übertragungen von Tierſeuchen 
auf den Menſchen ftehen Erkrankungen, welche auf 
Stoffwechſelprodulte von Balterien, die in dem 
Fleiſche wuchern len find. So ver 
urſacht der Genuß von Fleiſch, welches von Tieren 
ftammt, die an Eiterungen, feptihämifchen und 
pyamiſchen Prozefien ertrankt waren, Krankheits⸗ 
erjheinungen, welhe je nah dem Krankheit: 
erreger, durch melden die Erkrankung des Tieres 
verurſacht war, verſchieden find, die aber doch be: 
ftimmte Symptome gemeinfam haben. Durd den 
Genuß des rohen Fleiſches folder Tiere lönnen ſpe⸗ 
cifiſche Ptomaine produzierende Batterien in den 
1 gelangen, welche nad einer gewiljen In⸗ 
cubationszeit entzündliche Erſcheinungen der Ber: 
—— ervorrufen, zu unſtillbarem Er: 
brechen beitigem Durdfall, verbunden mit 
Schwächegefühl, —— und Fieber, füh⸗ 
ren. Die Symptome dieſer Erkrankungen erinnern 
in manden Fällen an Typhus, in manden an 
Cholera nostras; felten find Todesfälle zu verzeich⸗ 
nen. Gelegentlich derartiger Epidemien von Fleif 
ven tlung In verſchiedene kurze, meift lebhaft bes 
weglihe Stäbden, welche zur & pe der Koli⸗ 
bacillen gehören, ifoliert worden, welche als Erreger 
der Erkrankungen anzufehen waren. Dieſe Batterien 
tönnen auch bereit3 im Fleiſche Ptomaine produ⸗ 
ziert haben und durch diejelben bereitö wenige Stun- 
den nach dem Genufje von rohem Fleisch beffige Ye 
torilationserfcheinungen hervorrufen, an die ſich 
dann nah etwa 24 Stunden die auf Vermehrung 
ver Bakterien berubende Infeltion anſchließt. Allein 
aud in gelochtem Zuftande vermag ſolches Fleiſch 
Die Intorilationseriheinungen bervorzurufen, da 
vie in ge fommenden Ptomaĩne durch Siede 
bige nit unſchädlich gemadt werden. Die Ber: 
giftungseriheinungen beiteben meift in Lähmung 


187 


der Heinern und zartern Musteln (Auge, Schlund, 
Zunge, Kebltopf). Erweiterung der Bupille, Herab- 
bängen der obern Augenliver, Accommodationd: 
und Motilitätftörungen des Auges, erichwertes 
Sprechen und Schlingen find daher die Haupt: 
ſymptome dieſer Erkrankung. 

Verſchieden von dieſen Fleiſchvergiftungen, welche 
von ſpecifiſchen pathogenen aus dem Fleiſche er 
frantter Tiere ſtammenden Balterien verurſacht 
werben, find biejenigen, bei denen pojtmortale 
Wucerung von Sapropbyten zur Bildung von 
toriihen Subſtanzen im Fleiſche gefunder Tiere ge: 
führt bat. Die Krankheitäjumptome befteben eben: 
falls meift in Mustellähmungen am Auge, Schlund 
und Kebllopf. Neuerdings haben van engbem, 
Brieger und Klempner au in diefen Fällen ein 
Balterium als Urlade der Fleifchvergiftung nad 

ewieien. Die Erkrankung ift häufiger nad dem 
Benuſſe von Wurſt beobachtet worden, man bat fie 
daher ala Rurftvergiftung GGotulismus, ſ. Wurſt⸗ 
gift) bezeichnet, e 
Hinfihtlih der Behandlung der Fleiihver: 
iftung iſt in friſchen Fällen für möglichit frübzeitige 
ntfernung des Magen: und Darminbalte durch 
Brech⸗ und Abführmittel ſowie durch Ausjpülung 
des Magens zu jorgen; daneben find Wein, exci⸗ 
tierende und antifeptiihe Mittel nicht zu ent- 
behren. Daß die Fleiichvergiftungen nur durch 
eine jorgfältige obligatorifhe Fleiſchbeſchau ver: 
_ werden lönnen, braucht nicht erjt beſonderẽ 
etont zu werden. — Bol. SR und Baal, Ein 
Beitrag zur Frage der jog. Fleiih- und Wurſtver⸗ 
iftungen (in den «Arbeiten aus dem kaijerl. Geſund⸗ 
heitäamt», Bd. 6, Berl. 1890); Schröder, Die Fleiſch⸗ 
und Wurftvergiftung in Weibenfeld und Umgegend 
des Kreiſes Weißenfels im J. 1892 (in der «Viertel: 
jahrsſchrift für gerichtliche Medizin und öffentliches 
Sanitätöwelen», 1893); Kaenſche, Zur Kenntnis der 
Krantbeitäerreger bei Fleiſchver —— (in der 
«Zeitichrift für Hygieine und Anfeltionstrankbeiten», 
2p3. 1896); van Ermengbem, Über einen neuen anae 
roben Bacillus und feine Beziehungen zum Botulis- 
mus (in derfelben Zeit hut, 1897); Brieger und 
Kempner, Beitrag zur Lehre von der Fleiſchvergif⸗ 
tung (in der «Deutichen Mediz. Wocenichrifte, 
1897); Lehmann, fiber die Atiologie der Fleiichver: 
aiftung (Straßb. 1900). 
leiichglace, ein Gelee, |. Glace. 
leifchgräten, I Fiſche. 
leiſchguano, künitl. Düngemittel, |. Guano. 
leifhgülle, |. a ram 
— j. Fleiſchzerlleinerungs⸗ 
chinen. 
ieiſchhandel. Die hohe Entwidlung der In— 
duſtrie hat in vielen Ländern und Gegenden ber 
Landwirtſchaft jo viel Boden und Arbeitskräfte ent: 
ogen, daß fie nicht mehr im ftande ift, allein bie 
Bedürfniffe an Fleiſch zu ge Diefe Länder 
und Gegenden —* ebenſo wie alle Großſtädte auf 
viehreihe Nahbargegenden und Länder angewieſen. 
So wird England zum größten Teile mit auswär- 
tigem, ameril, und auftral. Fleiſche verjorgt; Franlk⸗ 
reich bezieht jährlich eine große Menge von Schafen 
aus Auftralien, Algier und neuerdings aus Ruß⸗ 
land. Auch Deutihland vermag den jährlihen Be 
darf an Fleiſch zur Zeit nicht jelbit zu deden, trotz⸗ 
dem fich der Viehbeſtand in den lebten Jahren 
bedeutend geboben bat (f. Deutichland und Deut: 
ſches Reich, Landwirtſchaft). Viebreiche Länder find 
50* 


ma 


188 


Rußland, Öfterreich« Ungarn, Serbien, Italien, 
die Schweiz, Schweden, Dänemark, Amerila und 
Australien. In Deutihland zeichnen fih dur 
rößern Viehreihtum aus Oft: und Weitpreußen, 
Schleswig-Holſtein, Dftfriesland, Medlenburg, 
Bayern, Baden und ag 
Der Fleiſchreichtum einzelner Diſtrikte und Län⸗ 
der fann auf doppelte Weiſe nach weiten Entjer: 
nungen bin nugbar — werben: 1) burd den 
erfand lebenden Viehs; 2) dur Verſchickung 
ausgeſchlachteten friſchen Fleiſches. Beide Ber: 
fahren haben ihre Licht- und Schattenſeiten. Der 
Hauptvorzug der Einfuhr lebenden Schlacht— 
viebs liegt darin, daß der Geſundheitszuſtand 
der Schlachttiere vor und nah dem Schlachten 
durch Sadverftändige — —— und kranke Tiere 
vom Konſum ausgeſchloſſen werden können. An 
ausgeſchlachtetem Fleiſche ift dagegen der gewand⸗ 
teite Sachverſtändige nicht mehr im ftande, in allen 
ällen mit Sicherheit zu erfennen, ob e3 nicht von 
anten Tieren berrührt. Wenn daher am Orte der 
Schlachtung eine mangelbafte oder, wie in Amerita 
und Aujtralien, feine Fleiſchbeſchau (f. d.) ausgeübt 
wird, jo fann nicht verhindert werben, Be aud 
Fleiſch von kranken Tieren, darunter ſelbſt ſolches 
mit gejundbeitsihäplichen Eigenſchaften, eingeführt 
wird. Die Nachteile der Einfuhr lebender Schlacht: 
tiere bejtehen dagegen in ber Gefahr der Seuchen: 
einicleppung und Berfchleppung, ferner in den 
hohen Transportloften. Beide Umftände find von 
rößter Bedeutung; der erftere ift eine große Ge— 
jr ür die Landwirtſchaft, der zweite voltswirt: 
chaftlich jede — weil die Leiſtungsfähig⸗ 
teit eines Volls wejentlid davon abhängig iſt, ob 
es ſich binlänglic mit Fleiſch ernähren kann. In 
England fuht man aus folhem Grunde die Ein: 
jubr von Fleiſch möglichit zu erleichtern und ftellt 
die finanzielle Seite des Fleiſchverlehrs fo En über 
die hygieiniſche, daß bis jet von einer jtrengern 
Überwachung des Fleiſchverlehrs Abitand genoms> 
men wurde. Den Unterſchied zwiſchen dem Trans⸗ 
port lebenver Rinder und demjenigen ausgeſchlach⸗ 
teten Fleiſches (in zu... jeigt Hausburg 
«Dieb: und zu regen erl. 1879) an mehrern 
iipielen. Sp beträgt die Erjparnis beim Verjand 
des ausgeſchlachteten Fleiihes von 30 Ochſen von 
—— bis Hamburg 6712. M., für das Fleiſch 
von 5671 Schafen von Berlin bis Paris 20810 Fre. 
Als ein jehr zwedmäßiges Austunftsmittel, wenig: 
itens für die Fleiſchverſorgung aus den Nachbar: 
ländern, wurde die Errichtung jog. Grenzſchlacht— 
bäujer empfohlen. Hart an der Grenze errichtet, 
jollten fie die lebenden Transporte aufnehmen 
und das unter einheimiſcher Aufficht geichlachtete 
Vieh nad dem Binnenlande verjenden. Derartige 
Schlachthäuſer bejtehen an der deutſchen Ditgrenze 
(Beutben, Myslowißz, Kattowis, Tarnowitz) und an 
der deutien Seegrenze (Bremen, Hamburg, Lübed, 
Kiel, Rojtod, Stettin), ferner * in Belgien, Frank⸗ 
reich, England. Sie erweiſen ſich auch deshalb loh⸗ 
nend, weil in der Regel der Eingangszoll für das 
lebende Schlachttier viel niedriger iſt als für das | 
von ihm gewonnene Fleiſch. Vorbedingung bleibt 
freilih die Möglichkeit eines fehr raihen Trans: 
port3 nad den größern Verbrauchsplätzen zu bil: 
ligſten Preijen. Sm dieſer Richtung verfahren unter 
andern die deutiben Cilenbabnen jehr entgegen: 
tommend, da friiches Fleiſch zu billigen Sägen mit | 
Perſonen-, fogar mit Schnellzügen befördert wird. 





Fleiſchhandel 


Große Schlachtereien verfrachten das Fleiſch in bes 
ſonders eingerichteten Küblwagen, in denen ganze 
— lachtete Rinder, Schafe, Kälber aufgehängt 
fortgeſchafft und ſelbſt in der warmen Jahreszeit 
weithin verſandt werden. Ahnlich geſchieht der 
Transport geſchlachteter Tiere aus Auftralien, Süd» 
amerila und Sudafrika nad Europa, nur mit dem 
Unterjchiede, dab das Fleiſch nicht in gefübltem, 
jondern in gefrorenem Zustande in befondern Dam⸗ 
pfern verjandt wird. 

Außer durh Wärmeentziebung kann der & 
— des Fleiſches durch Raucherung und durch Ein⸗ 
alzen oder Einpöleln vorgebeugt werden (ſ. Fleiſch⸗ 
tonjervierung). Gut geräucherte —— B. 
Schinlen, geräuchertes Rindfleiſch, geräucerte Wurſi 
(Hammel: und Kalbfleiſch eignen ſich dazu weniger), 
vertragen unangeichnitten weite Transporte, und in 
der That gehen z.B. Weitfälifhe und Prager Shin 
ten, Gothaer und Braunichweiger Wurftwaren in 
weite ferne, ebenfo Hamburger und O —* 
Rauchfleiſch, lezteres unter dem Namen Nagelbol;. 

Die ge ausländifchen Fleiſches nach Deutſch⸗ 
land iſt durch das Reichsgeſetz, betreffend die 
— 
1900 geregelt (j. Fleiſchbeſchau). Doch kommen neben 
fanitätspoligeilien Erwägungen für die Schladt: 
vieh⸗ und Fleifheinfubr auch veterinärpolizeiliche 
Geſichtspuntte in Betracht; jo die Berbütung der 
Einſchleppung der Yinberpeft aus Rußland, bes 
Zeragfieberd aus Amerila, der Schweinepeit aus 
Ungarn und der Maul: und ge ee fämt: 
lihen Nachbarländern, weshalb die Bieheinfubr aus 
biefen Ländern nad Deutichland zur Zeit vielfachen 
Beſchränkungen unterworfen iſt. 

Als die Hauptmarkte für den F. find Großbritan⸗ 
nien und die Vereinigten Staaten von Amerita an: 

ufeben, erfteres als Verbrauchs-, legteres als Aus: 

fbelan Großbritannien (England und Schott: 
and) verbraucht jäbrlid etwa 2,05 Mill. t Fleiſch, 
produziert aber nur 850000 t. Die Gejamtmenge 
an Fleiſch auf allen Märkten ver Welt betrug 1898 
etwa 19,328 Mill. t im Werte von 13868 Mill. M.; 
davon entfielen auf die Vereinigten Staaten von 
Amerita 6,699, auf Rußland 2,645, auf Deutichland 
1,752, auf Großbritannien 1,278 Mill. t im Werte 
von 4050, 1912, 1384 und 2225 Mil. M. Aus 
diefen Ziffern ift gleichzeitig die verſchiedene Be: 
wertung bes Seifcpes in den einzelnen Landern zu 
erjeben. So tjt die Menge des in Amerika produ⸗ 
zierten Fleiſches etwa fünfmal, der Wert dagegen 
nur breieinbalbmal fo groß als der der engliſchen 
Produktion. Die Vereinigten Staaten von Amerila 
führten 1897 aus: 489 Mill. Pfd. geräucerten 
Scinten (Mert 38 Mill. Doll.), 137 Mill. Bid. ans 
dern Schinten (13,7), 542 Mill. Pfv. (36), 
69 Mill. gi Schweine » Bücjenpötelfleiih (4), 
2 Mill. Bid. friſches Schweinefletich (221000 Doll), 
235 Mill. Bid. friſches Rindfleiſch (20 Mill. Doll.); 
von dem letztern gingen 234,5 Mill Pfd. (19,026 Mil. 
Doll.) nah Großbritannien, zu defien regelmäßiger 
täglier Verjorgung mit friichem Fleiſch Vorleh⸗ 
tungen getroffen find. 

Die Summen, welde im innern Verkehr in den 
Fleifhläden und auf den Wochenmärkten durch den 
gejamten F., welchem aud ber Viehhandel zuzu— 
rechnen iſt, umgeſetßt werden, find vielleicht 20: bis 


| 80mal fo hoch als die des auswärtigen Handels. 


Welche Höbe fie in Deutihland erreichen, erbeilt 
daraus, daß die deutſche Einfuhr 1900 von friichem 


Fleiſchkäſe — Fleifchkonjervierung 


Fleiſch von Vieh 22912 t (20,018 Mill. M.), die Aus: 
fuhr 1666 t (2,08 Mill. M.), von einfach zuberei- 
tetem Fleiſch von Vieh (Sped, Schinten u. f. w.) 
18 909 t (16,197 Mill. IM.) bez. 2568 t (4,18 Mill, 
M.) endlich von jonftigem Fleiſch, Wurſten, Fleiſch 
in Büuchſen oder ähnlichen Gefäßen 9421 t (9,164 
Mill. M.) bez. 888 t (2,026 Mill. M.) betrug. Außer: 
dem wurden, wenn auch nicht ausſchließlich ala 
Schlachtvieh, fondern teilmeife zu Zuchtzwecken, 
129589 Stüd Rindvieh (Wert 40,51 Mill. M.), 
14 137 Kälber (503 000 M.), 69718 Schweine (69,751 
Mil. M.), ein⸗ 163892 Stüd Schafvieb und Lüm⸗ 
mer (4,958 Mill. M.) ausgeführt. 

Über den Fleiſchverbrauch auf den Kopf der 
Bevölkerung find mancerlei Angaben vorbanden. 
Dieje find indeſſen mit Borficht aufzunehmen, da 
derartige Berechnungen jehr ſchwierig jind und, weil 
um Teil auf einem nicht ficher ermittelten Durch⸗ 
hnittögervicht der geichlachteten Tiere berubenp, 
nur annäbernd richtig jein lönnen. Gefhäst wurde 
der Fleifchverbrauc 1898 pro Kopf für die Vereinig⸗ 
ten Staaten von Amerika aufjäbrlid 147, für Grop: 
britannien auf 117, für Norwegen auf 80, für Frank⸗ 
reih auf 77, Spanien auf 70, Deutichland 64, 
Schweden und die Schweiz 62, Belgien 61, Oſter⸗ 
reih-Ungarn 60, Rußland, Portugal, die Nieder: 
lande und Irland auf 50, für Italien auf 27 Pfd., 
dagegen * London auf 185, Paris 138, Berlin 
122 Pfd. Nah andern Berehnungen (Lichtenfeld) be 
trägt der durdichnittliche Jahreslonſum an Fleiſch 
von Schladttieren (Rind, Kalb, Schaf, Schwein) in 
Deutihland 39,» kg (15,3 kg Rindfleiſch, 2,2 kg 
Kalbfleiſch, 15 kg Schaffleiſch, 20,» kg Schweine 
fleifch). Aus der Statiſtil ergiebt ſich die hohe Be: 
deutung des Schweinefleiihes als Vollsnahrungs⸗ 
mittel. Den größten Fleiſchverbrauch in Deutich: 
land haben Baden und Bayern, den geringiten 
Schleſien und das Königreich Sachſen. Der Ver 
brauch in den Städten beläuft fi auf 60-80 kg, 
auf vem Lande auf 20—85 kg im Jahre. 

Hierzu fommt noch ver Berbraud von Fifcen, 
Wild, Wildgeflügel, Federvieh (Hübner, Kapau: 
nen, Boularden), Gänien (1900 deutſche Einfuhr 
6220055 Stüd im Werte von 175 Mill, M.) u.a, 
Auch die Pferdeihläcterei gewinnt in Deutfchland 
beitändig an Ausdehnung, wie die Zahlen der in 
den Schladhtböfen der größern Städte geſchlachteten 
Tiere darthun. In Berlin z. B. wurden geichlachtet 
1896 : 7588, 1897: 8540 Bierde, in Königsberg 865 
und 926, in Machen 387 und 477; in Magdeburg 
1036 und 1233. 

Bei den Fleifhpreifen muß unterſchieden wer: 
den zwiſchen dem Preis des Schlachtviebs, der durch 
die Handelögebräuce des betrefjenden Marktes feit- 
geſeht wird, und zwifchen dem Detailpreis, welcher 
von dem Konfumenten dem Fleiſcher gezablt wird. 
Dazwiſchen ſchiebt fih noch in größern Städten der 
Großhandelspreis, wie ihn der Kleinhändler für die 
ausgeſchlachteten Tiere zahlt. Für die Statiftik der 
Sleiichpreife ift von hauptjächlicher Beveutung die 
Feſtſtellung des Preisaufſchlags ſeitens der Detail: 

ändler, verfolgt an der Zujammenitellung von 
Groß: und Kleinhandelspreiſen, und die Darlegung 
des Verhältniſſes der Feiſchpreije zu ven Löhnen 
einerjeitö und zu ben we und Warenpreijen 
anbererjeit3. fiber das Verhältnis der Fleiſchpreiſe 
zu. den Fruchtpreiſen j. Getreidepreiſe — Bol. 
BD. Schulge, Deutichlands Vieb: und Fleiihhandel 
(2 Tie., Berl. 1899— 1900); Artitel Fleiihlonium 


189 


und Fleiſchpreiſe im «Handpmwörterbud der Staats: 
wiſſenſchaftens, Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900). 

‚ Bleifchkäfe, Fleiſchluchen oder Fleiſchpain, 
eine Art feiner Sulze von Geflügel, Zunge, Wild, 
Leber u. }. w. 

leiſchknochenmehl, ſ. Fleiſchmehl. 

leiſchkonſervierung, das Haltbarmachen von 
—— Genuß beſtimmtem Fleiſch auf längere Zeit. Es 
erubt auf dem fernhalten oder Unſchädlichmachen 
der Fäulnisorganismen. Die Zahl der dazu vor: 
eihlagenen Methoden ift ſehr bedeutend. Nach 
üdell find von 1793 bid 1875 nicht weniger ala 
337 diesbezügliche Publikationen reſp. Patente zu 
verzeichnen. Lange Zeit erblidte man in einem 
bloben Luftabihluß ein richtiges Ronfervierungs: 
rincip; fo glaubte man durch Einhüllen des Flei⸗ 
(se mit Fett oder Gelatine ed vor Fäulnis zu 
büsen. Diefe Methode bat fih jedoch als unzu: 
reihend erwieſen, da in Gelatine die dem Fleiſch 
ne Fäulnisfermente fih weiter entwideln 
und Fett durch Ranzigwerden das Fleiſch verdirbt 
Als wirkliche Bene der Füulnisorganismen bat 
man hauptſächlich folgende als zur F. geeignet er: 
fannt: Trodenbeit, Hitze, Kälte und antijeptifche 
Subftangen. Nah diejen vier Gruppen laſſen fid 

alle rationellen Methoden zur F. einteilen. 

Das Ausdtrodnen wird von vielen Naturvdl: 
fern, jedenfall3 ſchon feit längerer Zeit, zur F. be 
nußt d Boucanieren) und fommt auch bei ber Fiſch 
konfervierung (f. d.) zur Anwendung. Obgleich ge 
trodnetes Fleiſch als eine der beiten Zteifhtonfer: 
ven zu betrachten ift, da e3 vor allen Dingen alle 
Veftandteile des frifchen Fleiihes behält und aud 
ſich bequem transportieren läßt, jo find doch die Me: 
thoden zur fabritmäßigen Herftellung mit fo großen 
Schwierigkeiten verbunden, daß ed gegenwärtig auf 
dem europ. Markt nicht eriftiert (die Carne-pura- 
Geſellſchaft hat nad) kurzer Zeit ihre Thätigkeit wie: 
ber eingeftellt). In größern Quantitäten kam getrod- 
netes Fleiſch im Krimtriege 1854—55 zum Konſum. 

Die F. durh Erhitzung (f. Apperts Methode) 
dient zur Herftellung von Buchſenfleiſch, das in 
—*— Mengen von Auſtralien und Amerika zu 

illigen Breifen nad Europa kommt, aber aud von 
europ. —— erzeugt wird und als 
Corned beef allgemein belannt iſt. 

Durch Kälte konjervieren nordiſche Voller ihre 
— von einer Jagdzeit zur andern. Die 

altbarleit des unter genugende Kälte geſetzten 
Fleiſches iſt eine unbegrenzte; dies zeigen die in 

rofibirien ne gefrorenen Mammut: 
fabaver, deren Fleiſch troß des bedeutenden Alter® 
noch geniekbar war. Eine allgemeinere Bedeutung 
bat die F. dur Kälte jedoch erft erlangt, ſeitdem 
man durch Einführung der Eismaſchinen in ben 
Stand gejest üft, in allen Klimaten und zu jeder 
abreözeit einen für die Konſervierung erforber: 
ichen fonftanten Kältegrad oder beliebige Mengen 
von Kunſteis zu erzeugen. Dan bat verjudht, das 
billige Rohfleiſch Amerilas in Eisihiffen auf den 
europ. Markt zu bringen. Allein meijt ift ie Tem⸗ 
peratur auf ben Schiijen nicht niebrig genug, um 
die Vegetation von Bakterien volllommen auszu: 
ſchließen; von einer Abtötung derjelben kann jeden: 
falls nicht die Rede fein. Sodann ift dieſes gefro⸗ 
rene Fleiſch nach dem Auftauen viel weniger balt: 
bar ala —— leiſch und geht leicht in Seulmis 
über. Injolgedeſſen bat fi die Einfuhr g 
Fleifches in Deutichland nicht bewährt. 


prenen 


790 


Bon den ee die ei Anwendung anti: 
feptifher Stoffe beruhen, find am bekannteſten 
und verbreitetften das Räudern und das Pokeln 
(Einpdteln, Einjalzen). Beim Räudern wer: 
den dem Fleiſch die im —* enthaltenen antiſep⸗ 
tiſchen Stoffe (Eſſigſaure und Kreoſot) zugeführt; da⸗ 
neben wird eine bie Haltbarkeit erhöhende Austrod⸗ 
nung bewirkt. Am meiften wirtjame Stoffe ent: 
bält der Rauch der Laubbölzer; weniger geeignet ift 
der Rauch von harzigen Hölzern und Kohlen. Die 
Räucerlammern, in welche die Fleifhitüde mitteld 
eiferner Halten an Latten, und zur Vermeidung einer 
rußigen Krufte am beften in Leinwand eingenäbt, 
pebängt werben, find meift unter dem Dache ge: 
egene Räume, in welche die Abzugstanäle der ein- 
zelnen Feuerungen einmünden. Am rationellften 
arbeiten die Kammern, wenn fie Tag und Nacht 
Rauch belommen. Diejer Räucherung in Kammern 
ftebt die fjog. Schnellräuberung oder Räude: 
run auf naljem Wege gegenüber. Diejelbe 
beiteht darin, daß man bie Heichftüde mit Holz: 
eſſig, der dieſelben antifeptifhen Stoffe wie der 
Holzraud, aber in fongentrierterer Form enthält, be: 
—— te dann an einem warmen Orte trodnnen 
äßt, fie wieder beftreicht u. f. N; Statt Holzeffig 
dient zur Schnellräuderung auch eine mit Kochſalz 
verjegte Ablohung von Glanzruß, der fi in 
den Kaminen von Holafeuerungen abjegt. Die 
durch Schnellräucherung entftandenen Räucderwaren 
feben heller aus und bejiken ag Waſſergehalt, 
was vorteilhaft die Händler iſt, die auch oft, um 
den Käufer zu täuſchen, ſolche Ware durch mehrtägiges 
Einhängen in die Rauchkammer nachdunkeln teten. 
Mikroorganismen werben durch Schnellräuderung 
nicht getötet, weswegen ſolche Waren auch weniger 
baltbarfind ald die in Raͤucherlammern bebanbelten. 
— Das Völeln oder Einjalzen beftebt darin, daß 
die einzelnen Fleifhftüde mit Salz äußerlich eins 
—— werden. Es dient hierzu entweder reines 
ochſalz oder ein Gemenge von z. B. 100 Teilen 
Kochſalz, 5 Teilen Salpeter und 10 Teilen Zuder. 
Nach dem Einreiben tritt ein Diffufiondvorgang ein. 
Das Salz bringt teilmeife in das Fleiſch ein, und 
Fleifchfaft tritt aus, der mit dem anhaftenden Sal 
bie ſog. Late (Fleifhgülle) bildet. Der bierbur 
entitebende Verluſt an Nährwert ift nad Unter: 
fuhungen von Rubner und Boit nicht erbeblib. Um 
trogdem dem Austreten des Fleiſchſaftes vorzu: 
beugen und — leich das Verfahren auf die kürzefte 
Zeitbauerzu elchränten, bat man dasfog. Schnell: 
pöleln eingeführt, das darin befteht, daß man das 
eiih in eine Salzlöjung legt, die man auf ver: 
chiedene Weiſe zum 2* Eindringen in das 
Innere des Kr ches zwingt. Am fi en und 
hnellften geichieht died dadurch, daß man das 
leiſch in einen hermetiſch verſchließbaren eifernen 
ebälter legt und denſelben luftleer pumpt, wodurd 
die Luft aus den Hoblräumen des Zellgewebes ent: 
weicht. In dieje Hohlräume tritt die in den Bebälter 
eingeführte Salzlöiung in der fürsejten Zeit ein. 
on andern antijeptiihen Stoffen werben muB. 
namentlih eſſigſaure Salze, ſchwefligſaure Salze 
(dieſe find jedoch nachteilig für die Gejunbbeit), 
vor allen Dingen Borjäure benugt, melde, 1870 
zuerſt von Gahn in Upjala vorgeihlagen, jeitvem 
in den meijten patentierten Konjervejalzen ben wirt: 
famen Grundbeftanbteil bildet. (©. Konj ervierungs: 
mittel.) Salicylſaure konſerviert das Fleiſch nur kurze 
Zeit, weil die ſich bildenden falicylfauren Salze nicht 


Fleiſchkuchen — Fleiſchmehl 


antiſeptiſch wirlen, während die borſauren Salze 
ebenfalls antiſeptiſch find. — erg 
chaft von Gaſen (Kohlenoxyd, —* Säure, 
oblenfäure) findet nur in beſchränktem Maße Ber: 
—— Neuerdings hat man das Fleiſch auch 
mittels Gleftricität zu fonfervieren verſucht, indem 
man es in 5Oprogentige Rodiallöfung Legt und 
durch diefe einen elettriichen Strom jhidt. — Bol. 
Plagge und Trapp, Die Metbovden der F. (Berl. 
ur und die Pitteratur zu Konſervierung. 
fuchen, |. Beate 
leifchleguminofe, |. Zeguminofe. 
—— Vergehen, ſ. Unzucht. 
eiſchmaun, Güſt. Friede. Wilhelm, Schrift 
ſteller auf dem Gebiete der Milchwirtſchaft, geb. 
31. Dez. 1837 in Erlangen, ftudierte in Würzburg, 
Erlangen und Münden Naturwifienihaften, ar 
beitete dann in Liebigs Yaboratorium in Mun 
wurde 1863 Lehrer an der Gewerbeichule und Bor- 
and der landmwirtihaftlihen Verſuchsſtation in 
emmingen, 1867 Reltor der königl. Gewerbe 
ſchule in Lindau am Bodenfee, 1876 Vorftand der 
milchwirtſchaftlichen Verſuchsſtation und der Mol: 
tereifchule für männliches Berjonal in Raden (Med: 
lenburg-Schwerin). 1886 wurde er ald ord. Brofeflor 
= Leitung des ar Inſtituts nad 
dnigsberg, 1896 in gleiher Stellung nah Göt- 
tingen berufen. F. ſchrieb: «Lanbwirtigaftlice Wan- 
dervorträge» (Lindau 1871), «Studien über das 
Moltereimefen in Dänemark, Schweden und Fin— 
land» (mit Peterſen und Boyſen, Danzig 1875), 
«Das Swartzſche Aufrahmungsverjahren» (2. Aufl, 
Brem. 1878), «Das Moltereimeien» (in Dtto:Birn- 
baums «Lehrbuch der Praris der landwirtichaftlichen 
Gewerbe», Bd. 4, Braunſchw. 1879), «Bericht über 
den gegenwärtigen Stand der milchwirtſchaftlichen 
Unternehmungen und Moltereifhulen in Deutid: 
land» (Brem. 1882), «Yabresberichte über die Tbä- 
tigleit der milchwirtſchaftlichen a mund ie in 
Raven fer 1878— 85», «Der Eentri —— in 
der Milhiwirtihaft» (Brem. 1886), «Die Wiriſam 
feit der Verſuchsmollerei zu Klein:Tapiau in Dit 
preußen pro 1877/88» (Danzig 1889), «Unterfuhung 
der Milh von 16 Holländer Küben wäbrend der 
Dauer einer Paltation» (Berl. 1891), «Lehrbuch der 
Milchwirtſchafto (2. Aufl, Brem. 1898). 
Fleifhmann, Michael, Stempelihneider, geb. 
1701 zu Nürnberg, geit. 1768 in Amfterbam, (ernte 
in Nürnberg die Schriftgießerei und arbeitete dann 
in der Scriftgieherei don Alberts & Uitwerf im 
Haag, anfangs ald Schriftgießer, feit 1729 als 
Stempelſchneider. 1732 ſchnitt er Schriften für Rud. 
Wetſtein und errichtete auf deſſen Rat ſelbſt eine 
Schriftgießerei, die er aber ſchon nach einem 
an uß verlaufte. Fortan arbeitete F. für dieſen 
und deſſen Nachfolger Enſchedé (ſ. d.); er lieferte 
70 Sortimente deutſche, lat., kurſive, griech., arab.— 
malaiifde und Schreibfehriiten. 
Fleiſchmehl, Nebenpropult bei der Bereitung 
des Fleiſchertralis (j. d.). Die mit Wafjer ausge: 
zogenen Fleiſchmaſſen werben unter jtarlem Drud 
edämpft und lafien dann nah dem Trodnen 
eiht mahlen. In diejem Zuftande wird das F. nad 
Europa —— und dient als wertvolles Vieh⸗ 


tter. Da aber bei der Bereitung des Extralts dem 
eifche die Nährſalze entzogen * ſo fügt man 
dieſe dem F. in Form von etwas Kochſalz und phos⸗ 


K Das ierte F. 
10.16 Wrog Gibeiftaffe, 9-18 Prog Yelt,cbens 


Fleiſchmilchſaure 


ſoviel Waſſer und 2—5 Proz. Salze. Die Schlacht⸗ 
älle ſamt den Knochen, auf gleiche Weiſe behan⸗ 
delt, liefern ein anderes F. oder Fleiſchlnochen⸗ 
mebl, das ald Düngemittel Verwendung findet. 
Fleifchmildhfäure, ———— eine 
organiſche Säure von der Zuſammenſezung CH, 
CH(OM) - COOH. Sie ift ein regelmäßiger Beſtand⸗ 
teil des Mustelfleifhes, befonders des toten und 
ftarren, und findet fi) kg Sn auch im Fleiſch⸗ 
extralte. am Eigenſchaften find faft genau die der 
ewdhnli Nilhfäure, der die gleiche Formel zus 
ommt. Sie ift jedoch optiſch altiv; fie drebt die 
Bolarifationsebene des Lichts rechtö, während die 
ermöhnliche Milchſäure optiſch inaktiv ift. Auch die 
alze weichen in der Löslichkeit voneinander ab. 
Der rechtsdrehenden F. entipricht eine entgegen: 
geieste linlsdrehende Milchſaure. 
ie ſ. Mole (mebiz.). 
leifchmühle,i.zleifhzerlleinerungsmafdinen. 
en (ipr. -päng), ſ. lie 
leifchpanfreaäfiyitier, ij. Ernährung und 
5: Kar ton d Nah * a 
ep Peptone un tpräparate 
Verdi chhandel und Getreidepreiſe. 
lei eſervepulver, ſ. Roniervierungs: 
leiſchſaft, |. Tr - 
l chau, ſoviel wie —— 
I chneidemafchinen, |. Fleiſchzerlleine⸗ 


inen. 

leiſchſchwamm, |. Fistulina. 
feifchfohle, j. Huf. [jolution. 
lei Slointion, j. Seube-Rofenthalie dieiſch⸗ 
eifchitener oder Shladtiteuer, eine Form 
der Accife (j.d.), die früher jebr verbreitet war, in der 
neuern Zeit jedoch viel an Boden verloren bat, weil 
fie von vielen für eine Benadteiligung der ärmern 
Klafien gebalten wird. Sie erſcheint oder erfchien in 
drei Formen: ald Viehverlaufsſteuer (bis 1877 in 
Württemberg ald Staatöfteuer erhoben), als Thor: 
accije für das Einbringen von Fleiſch und Vieh oder 
als Schlachtfteuer, die von den Fleiſchern entweder 
vor dem Schlachten nad der Stüdzahl mit verjchie: 
denen Steuerfägen und nad böbern oder niedern 
Gewichtsklaſſen (Baden), oder nad dem Schlachten, 
aber vor dem Zerhauen, nad dem Gewichte der: 
jenigen Zeile, die — ausgewogen werden 
(Preußen), zu zahlen iſt. Die Erhebung der F. iſt 
weſentlich erleichtert, wo das Hausſchlachten ver: 
boten ift und Schlachtzwang (f.d.) mit Fleiſchbeſchau 
. d.) durch einen öffentlichen Tierarzt beſteht. In 
reußen wurde die F. ald Staatsfteuer dur das 
ſeß vom 25. Mai 1873 aufgeboben, den Städten 
jedoch geftattet, fie ald Gemeindefteuer beizubebal: 
ten, von welcher Befugnis indes die meiiten keinen 
Gebrauch gemacht haben. Das preuß. Kommunal: 
— vom 14. Juli 1893 läßt die ort: 
erbebung beſtehender %. zu, verbietet aber deren 
Erhöhung ſowie die Neueinführung von F. Im 
Rönigreid Sachſen beftebt fie nob auf Grund der 
Gefege vom 25. Mai 1852 und vom 15. Mai 1867 
jedoch wird fie in der Hegel nur von Gro vieh 
und Schweinen nad Stüdjäsen vor dem Schlad: 
ten erboben. en find die der Fleiſchacciſe 
unterworfenen Schladtoieharten immer mehr be 
Ihränft worden, und gegenwärtig trifft biefelbe 
nur nod das Großvieh. Sn ben beiden letztgenann⸗ 
ten Staaten wird von fteuerpflictigem Vieh, das 
aus andern Zollvereinäftaaten ein efüihrt wird, eine 
fibergangsabgabe erhoben. In Gſterreich⸗ Ungarn, 


[mittel. 


Inur dann zu 


— Fleiſchwaren 791 


in den Niederlanden und in Griehenland befteben 
ebenfalls ftaatlihe 3. In Frankreich wird das Fleiſch 
in den Städten, melde Octroi (f. d.) erbeben, faft 
immer mit zu biefer Gemeindefteuer herangezogen, 
ollfrei % die Einfuhr in Dänemarl, land, 
inland, Norwegen und (von Tieren) in Rußland, 
ber die bei der Einfuhr von Vieh und Fleifh aus 
dem Auslande zu erhebenden Abgaben j. Viebzdlle. 
ee ei wechſelnde 
esung des Fleiſchpreiſes. Sie war, wie die 
deö * vor dem Durchdringen der Ge: 
werbefreiheit febr verbreitet und ijt auch gegen: 
wärtig no bier und da zu finden. In Preußen 
wurden ſchon durd die Gewerbeordnung von 1845 
alle —2 Warentaren, alſo auch die F. prin⸗ 
cipiell abgeſchafft und nur die Brottare (f. d.) unter 
befondern Umftänden an einzelnen Orten unter 
Genehmigung des Minifteriums noch für zuläffig 
erllärt. In der Reichsgewerbeordnung ift auch dieſe 
Ausnahme —* worden. Franlkreich das 
gegen haben die Gemeinden nad) dem Municipal: 
ejeg von 1791 noch immer das Recht, Taren für 
Seile und Brot aufzuftellen, und viele haben noch 
in der neuelten Zeit von demſelben Gebraud ae: 
madt. Die F. widerſpricht den —— Grund⸗ 
ſähen der beſtehenden vollswirtſchaftlichen Ord⸗ 
nung; außerdem lann die Verſorgung großer Städte 
mit Fleiſch durch eine ſolche Beihräntung des Ver: 
lehrs nur beeinträchtigt werben. 
leifchthee, ſ. Beeftea. 
feifchton, Karnation(vomlat. caro, Fleiſch), 
wofür bisweilen irrtümlich Inlarnat (f. d.) gebraucht 
wird, inder Malerei die Färbung des Fleiſches. Der 
F. bietet ein Mittel, um einzelne Malerjhulen zu 
unterjheiden. So fpricht man von dem blühenden 
>. den Venetianern, dem energijchen rotweihen 
ei Rubens, dem bleichen der Altveutichen Schule, 
dem olivengrauen der Byzantiner u. ſ. m. 
leifchverbraud, ſ. Fleiſchhandel. 
leifchverdauende Pflanzen, ſ. Inſellen⸗ 
freſſende Pflanzen nebſt ir 
leifchvergiftung, |. Fleiſchgift. 
leifchwand, ſ. Huf. 
eifchwaren, alle Artitel, welche durch bie 
Bearbeitung des (rohen) Fleiſches bergejtellt werden, 
mobei jedoch Bedingung bleibt, daß diefelben auch 
—— als Nahrungsmittel dienen ſollen. 
earbeitung verfolgt in erſter Linie den Zwed, dem 
leicht verderblihen Fleiſch durch Umwandlung in 
andere Formen längere Haltbarleit zu verffen, 
in zweiter Linie der Fleiſchnahrung größere Ab- 
3* zu bieten. Erreicht wird dies auf mehr 
mechan. Wege durh Umbüllungen, welche den Zus 
tritt der Luft, des Waſſers, allenfalld aud der 
Märme in etwas abhalten, wie in der Fabrikation 
der Wurft (f. d.), oder durch Vermiſchen der gleichfalls 
zerlleinerten Fleiſchſtücke mit andern Nahrungs 
mitteln are oder Baden derjelben, wie bei den 
Sleil pajteten, dem Fleiſchzwiebad \ b.) 
den Bouillontafeln Fleiſchbruhe) bis bera 
zum Hundeluden. Einen andern Ausweg, bei 
dem der Gedanle an einen chem. Pros nabe liegt, 
bietet dad Räucern und Einjalzen für die Her: 
Kein vonSchinten,Raud:und Bölelfleifc 
f. Fleiſchlonſervierungh, die Behandlung mit Effig 
zu Sülzen u.f.w. Zu erwähnen ijt —* das Aus⸗ 
ziehen der nahrhafieſten Beſtandteile des Fleiſches 
als zeigen (f. d.), eine Methode, bie 
emwäbren icefnt, wenn e3 nicht mög: 


192 


lich iſt, Fleiſch in lebenden Tieren oder —— 
oder als Fleiſchwaren aus weiter Ferne zu beziehen. 
(S. Fleiſchhandel.) 
Über die maſchinellen Einrichtungen der Fleiſch⸗ 
warenfabrilation ſ. Fleiſchzerlleinerungsmaſchinen 
ſowie Wurſtſtopfmaſchinen. 
ei 2 ce er maſchinen. 
leiſchwiegemaſchine, ſ.Fleiſchzerlleinerungs⸗ 
a rg de die bei der 
Wurftfabritation ſowie in Gaft: und Hausmirt: 
ſchaften gebraudten Maſchinen und Apparate zur 
raſchen Zertleinerung des Fleiſches. Wo es darauf 
anlommt, wie bei der Wuritfabrilation, große 
Mengen von Fleiſch zu verarbeiten, wendet man F. 
an, bie durch eine Rraftmajchine betrieben werden. 
Ein Beifpiel bierfür ift die in beiftebender Fig. 1 


9 


dargeſtellte große Fleiſchwiegemaſchine. Sie 
ahmt die Bewegung der Handwiegemeſſer nach und 
zwar dadurch, da in der Mitte eines Rahmens, 
in welchem eine Anzabl Wiegemefler eingefekt find, 
zwei von der Transmiſſion bewegte Rurbeljtangen 
angreifen und die von dem Blod unterjtükten 
Meſſer bin und ber wiegen. Das untergelegte Fleiſch 
erbält dadurch ebenſoviel Schnitte, ala Meſſer vor: 
banden find. Nach jeder Schwingung der Meſſer 
wird der Blod durd ein Jabnradgetriebe etwas ge: 
drebt, jo daf der nächſte Schnitt andere Stellen 
der Fleiſchmaſſe trifft. Damit der Blod nad einer 
balben Umdrebung nicht wieder an denfelben Stellen 
von den Meſſern getroffen wird und ſich bie 
Schnitte in der Mitte nicht zu febr häufen, ift er 
zu feiner Schonung —6 geſtellt; außerdem 
werden die Meſſer im Augenblick der rudweiien 
Drebung von dem Blod abgeboben. Bei andern 
derartigen F. für den Großbetrieb geben die Meſſer 
vertital auf und ab (Fleiſchhackmaſchinen). 
Die Rotationsfleiſchſchneidemaſchine (Fig. 2) abmt 
den wirkſamern joa. gezogenen Schnitt nad, mel: 
her beim Zerichneiden de& Fleiſches mit einem 
Handmefler zur Wirlung lommt und bei diejer 
Maſchine dadurch erzielt wird, daß die Kreiämeiler, 
die wie die Läufer eines Kollerganges in Umlauf 
geieht werden, ſich nicht nur auf dem Blod abmäl: 
zen, wie die Miegemejier der ia. 1, jondern nod 
eine eigene Rotation mittel Neibunggrädern erbal: 





Fleiſchwärzchen — FFleifchzerfleinerungsmafchinen 


ten. Der auch bier 
rotiert während des Schneiden® und kann 

und tiefer gejtellt werben. Verſchieden von den 
—— mit Meſſern verſehenen Maſchinen ar: 


entriſch geſtellte a are 


ten die fog. Fleifhmüblen. Bei ibnen wirt 
das Fleiſch geimungen, zwiſchen zwei Walzen, in 





die ineinander greifende Schraubengänge von jtarter 
Steigung uns Kassen Kanten eingefrält find, bin 
dur zu paffieren. Dieſe Maſchinen eignen f® be: 
jonders für die Zerfleinerung von Kochfleiſch, das 
auf den erjterwähnten Wiege: und Hademaiinen 
eine zu große Abnußung des Blodes berbeifübrt. 
ur Heritellung ber mürfelförmigen Fleiſchſtüden 
r die Wurftfabrifation dient bie ürfel: 
chine — 3). Das in den Kaſten 


neidema 
gelegte Fleiſch wird bei der —— der Kurbel 
durch einen ſich vorwärts ſchiebenden Kolben gegen 





ein Syſtem von Meſſern gedrückt, die es in Stäbe 
von quadratiſchem Querſchnitt zerſchneiden. Dieſe 
austretenden Stäbe werden durch zwei rotierende 


Meſſer in Würfel zerſchnitten. Zur Zerkleinerung 
von Fleiſch fee den Küchenbedarf dient eine Fleiſch⸗ 
müble, beſtehend aus einem liegenden Evlinver, in 


welchem eine mit einer Handfurbel gedrebte Trans⸗ 
ortſchnede das durch einen Trichter eingebrachte 
en egen ein Sieb preßt, welches den Cylinder 
abi fieht, por ober binter dem Sieb ſchneidet ein 


Fleiſchzucker 


mitrotierendes Meſſer das Fleiſch Hein; auch können 
bie Gänge der Schnede, indem fie zugeibärft find, 
das Meiter vertreten. Zur Herftellung gleihmäßig 
dider Scheiben von Wurſt, Braten, Schinlen u. j. m. 
gebrauht man in größern Neftaurants vielfach 
Scheibenſchneidemaſchinen, von denen Fig. 4 
und 4a ein — giebt. Das mit — 

ſehene, um b drehbare Meſſer a wird gegen das um 
eine Schnittbreite aus dem Geitell berporragende 





Stud Fleiſch, Wurft u. f. m. bewegt, wodurch eine 
Scheibe abgetrennt wird. Beim urüdzieben des 
Meſſers wird die Schraubenipindel d durch die 
a x e mittelö eines Schaltgetriebes um fo viel 
daß der Anfchlag e, gegen welchen ſich das 
ei aha | ftügt, um eine Schnittbreite gegen das 
und fo das Fleiſchſtuck für einen 
neuen Schnitt felbitt a er [ una 
Internationales nk der Wurſt⸗ 
—— . Aufl., Wien 1008): 
Handbuch ber Fleif erei en zn (Zür, 
1889); Noerjen, Die deutihe Ebarkuterie, Wurſt⸗ 
und — (8. — Lpz. 1890); 
Hilgers, Das Fleiſcher oder Mepgergewerbe (6. Au 
von Toby, D eim. 1 
Ye jr REN mit Mustel- 


zu 

en — ein von Gail Borden in Texas 
—— länger haltbares tee zu 
Bereitung dem Rindfleiſch jogleih nad dem 
laden durd Sieden mit Waſſer alle nährenden 
— andteile entzogen werden. Waſſer, das 
— Loſung hält, wird bis zur Er⸗ 
traftötonfift eba mt er der Reit mit dem 
jeinften zu einem Teige angerübrt, der 
in Form von Zwiebad geſchnitten und ſodann im 
Dfen bei mäßiger Wärme gebaden n. pl 

bat namentlih in Amerifa eine gr 
tung “m Er an gr 32 — — 

au 


beſtandteile. mwäflerigen 
ken a von Brot iden ben 


zugs mit Mebl 
deutſchen F. t 1870 str Jacobſen in Ber 
eiſchbrot oder deut: 


lin unter * ——— 
ger ein baltbares ne mit Liebig: 


akt zur fchnellen — einer 
— — ee In fo. dieſes Brotes 
r Rindfleiſch. ‚land und Rußs 

e 


ug iſt ——— in der Armee und der 


er 


Si 


— Flemalle 7193 


Marine eingeführt. Durh die Einführung des 
Fleisch ft3 jind dieſe verjhiedenen Präparate 
überflüffig und unnüß geworden. Denjelben ift ibr 
Gehalt an Fleifhbeitandteilen nicht anzuſehen und 
auch dur die chem. Analyſe ift fein — Schluß 


auf den It daran zu machen. Dem Lieferanten 
ift damit Thür und Thor a Betrug geöffnet. In 
der Marine und aufallen längern Erpeditionen * 


der gewöhnliche Schiffszwieback feinen Rang be 
baupten; will man ibn verbeilern, fo beftreicht man 
ibn mit Fieiſcherira oder taucht ihn in die aus 
Sleifchertratt bereitete Brübe. 





= — 
leift, juriſtiſch bald der Vorſatz oder die Abſicht 


dolus), wonach «mit Fleiß thun» den Vorwurf ab: 

ichtli er Schädigung le bald die Sorgfalt 

(diligentia) Si: in Rectöangelegenbeiten auf: 

umenben ift, wenn man fich nicht einer Haftung aus 

Kehraf dei (cu en ausjegen will. Bgl. Oſterr. 
Geſeßb. 

Fettefio ord, — im norweg. Amte 
ei und Mandal, am gleichnamigen Ben ſchon 
elegen, ift Siß eines deutichen Konfu aragenten, 
bt ge 1900) 2073 E.; Schiffahrt, Fiſcherei und 
erberei. 

Flettieren (lat.), biegen; davon Flexion (. d. 
Slettierende Spraden, f. —— 28 

Flem., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab: 
fürzung für John: n Fleming, gabe Natur: 
geihichte am King's College in Aberdeen, der ih 
um die Kenntnis der Wirbel: und der Weich eichtiere 
mannigfach verdient gemacht bat, geb. — geſt. 

lem, Dorf, ſ. Flims. ‚Ps: N 

(6mal, Bertholet „auß Slema 
— geb. 1614 zu Firttich, Schüler des 6 douf⸗ 

1, ging 1688 nah R Rom, wo er namentlich in der 

Stotechnit große Gewandtbeit erreichte. Nah 
ängerm Aufentbalt in glorenz beg begab er fih nad 
wo er mehrere Kirchen mit Plafonds und 
Igemälden ihmüdte. 1647 lebrte er in fein 


: | Vaterland zurüd, lebte in Brüflel und Lüttich, ver: 


tauſchte diejen Aufenthalt aber wieder mit Paris 
und erhielt bier 1670 eine Profeſſur an der Alade⸗ 
mie, ftarb 1675 in Luttich. F.s Stil iſt von 
Pouſſin ftart beeinflußt. Sein vorzüglichites Mert 
üt die Ausmalung der Kuppel der Karmeliterkirche 
in Paris, die Himmelfahrt des Propbeten Elias 
darjtellend. Die Dresdener Galerie bejigt von ibm: 
Abſchied des Aneas von Troja, 

Flemalle (ipr.-mäll), zwei Ortidaften in der 
belg. Provinz Lüttich, hart beieinander gelegen: Fle 


794 


malle-Grande, mit bedeutenden Koblengruben 
und (1900) 4919 €.; Flemalle⸗Haute, mit Stein: 
zuben, Eifengiebereien, Weinbergen und 3791 €. 
ide find Stationen der Norbbabn Namur-Lüttich 
und durch Zweigbahn nad Liers mit der Nieder: 
länd. Staatsbahn Luttich⸗Eindhoven verbunden. 
leming, John, Naturforicher, ſ. Flem. 
feming, Paul, Dichter, geb. 5. Dit. 1609 zu 
—— im ſächſ. Erzgebirge, wo ſein Vater 
chullehrer war, beſuchte ſeit etwa 1623 die Tho— 
masſchule in Leipzig und ſtudierte ſeit dem Herbſt 
1628 daſelbſt Medizin und Humaniora. Nachdem 
er im Mai 1633 Magiſter geworden, ſcheuchten ibn 
wenige Monate fpäter die Unruhen des Dreißig— 
jährigen Krieges fort. Bald darauf (Nov. 1633) 
—— es ihm durch Vermittelung ſeines Freundes 
dam Olearius, ſich der vom Herzog Friedrich von 
— — nach Rußland und Perſien aus: 
eſchickten —— anzuſchließen. Er kam bis 
spahan (1687) und kehrte 1639 nach Deutſchland 
zurück, nachdem er ſich in Reval mit Anna Niehus 
verlobt hatte; ihrer ältern ey Elſabe, um 
die er früber geworben, galt das ſchöne Lied «Ein 
getreues Herze willen». Er gedachte fi in Hamburg 
als praktijcher Arzt niederzulaflen, ftarb aber, nad: 
dem er im Jan. 1640 in Leiden promoviert batte, 
bereits 2. April 1640 in Hamburg nad) kurzer ſtrank⸗ 
beit. 1896 wurde in Hartenftein ein Bronzeitand: 
bild 5.8 (von Meißner) enthüllt. 

F. ift die bedeutendfte Erſcheinung unter den 
Lyrilern des 17. Jahrh. Seine Dichtung ift der treue 
Spiegel feines Innern: in ibr offenbart ſich un: 
* ene Freude am Leben neben ſchlichter find: 
fiber Frömmigkeit, männliche Energie und Leiden: 
ſchaft neben Zartbeit und Tiefe des Gemüt. Er 
ift ungelenfer, altmodiger als Opis in der form, 
übertrifft ihn aber in allem andern. Das große 
Ereignis feines Lebens, die perf. Reife, gab aud 
—— Lyrik größern Inhalt: auf fie bezieht ſich fein 

elannteſtes Gedicht «In allen meinen Thaten», 
Seine Gedichte (erſte Ausg. 1642) wurden bg. von 
M. Lappenberg (2 Boe., Stuttg. 1865, in ber 
«Bibliotbel des Litterarifchen Vereins», Nr.82— 83; 
die lateinischen ebd. 1863, Nr. 73); eine Auswahl 
mit biogr, Einleitung von J. Tittmann (Lpz. 1870), 
von Oſterley (Stuttg. 1885) und von Stiebler in 
Reclams «Univerjalbibliotbetr. — Val. Barnbagen 
von Enje in den «Biogr. Dentmalen», Bd.4 (3. Aufl., 
2p3. 1872); Straumer, P. F.s eben und orient. Reiſe 
(ebd, 1892); Wyſocki, De Pauli Flemingi germa- 
nice scriptis et ingenio (Bar. 1892) ; Tropic, 3.8 
Verhältnis zur röm. Dichtung (Graz 1895). 

Flemming, Hans Friedrich, Freiherr von, 
Jagdſchriftſteller, geb. in der zweiten Hälfte des 
17. Jabrb., geit. iR 1726. F. ftudierte in Tübingen 
und Straßburg, bereijte England, Frankreich, Hol: 
land und Deutichland; 1702 wurde er unter Auguſt 
dem Starlen Oberitleutnant, jpäter poln. Kammer: 


berr und kurſächſ. Oberforit: und Wildmeiſter. Er | 


veröffentlichte: «Der volllommene Teutihe Jäger 
und Ssiicher» (2 Boe., Lpz. 1719, mit Kupfern; neue 
Aufl. 1749), eine ſyſtemloſe Kompilation. Von 
biitor. Intereſſe darin iſt die Schilderung der Sag: 
ebräuche, der großen Hof: und Qurusjagden. Ein 
ngenannter fertigte einen Auszug aus diefem 
Werke, der u.d.T. «Kurzer Begriff der eveln Jäge 
rei» (4. Aufl., Norbb. 1745) erichien. 
Flemming, Hans Heino, Graf, brandenb. Ge: 
neralfelomarjcall, geb. 8. Mai 1682, diente auf der 


Fleming — Flemming, Carl 


bolländ. Flotte und beim brandenb. Heere in Bolen, 
trat 1658 in faijerl., 1661 wieder in brandenb., 1678 
in braunfchm.:lüneburg. und 1681 als Feldmar: 
ſchallleutnant in kurfähf. Dienfte. Unter Jobann 
Georg IIL zeichnete er ſich 1683 beim Entjag von 
Wien aus. F. murde 1687 Generalfeldmarſchall, 
tehrte 1690 nach Berlin zurüd und übernahm die 
u Kriegsminifteriums bis 1701. Er ftarb 
28. Febr. 1706 zu Berlin. 

Flemming, Jal. Heinr., Graf von, ru 
Staatöminifter und Feldmarſchall, geb. 3. März 
1667, ging nad vollendeten Studien 1688 mit 
Wilhelm von Dranien nad England, kämpfte bei 

leurus, Heilbronn und in Jtalien im brandenb. 

ontingent gegen die Heere Ludwigs XIV. und trat 
dann in fact. Dienfte ald Generaladjutant des 
Kurfürften Johann Georg. Als Gefandter des Kur: 
fürften Friedrih Au gi in Warſchau vericaffte 
er diefem 1697 durch Beſtechung der Großen die 
poln. Krone. In dem Striege gegen weden 
unterhandelte er den Bund mit Dänemark, focht 
in Litauen, ward bei Cliſſow 1702 geihlagen und 
ſchwer verwundet und ging 1703 als Gefandter 
nad Ro gen. F. wurde 1705 General, 1711 
Fel chall, 1712 dirigierender Kabinettsminiſter 
und P 30. April 1728 u Wien. 
emming, Walther, Anatom, ſ. Bd. 17. 
, Ylemming, Carl, asanftalt in Glogau, 
im Befiß einer Aktiengejellihaft. Sie wurbe 1833 
von Carl F., geb. 10. Nov. 1806 in Eröbern bei 
veipaig, begründet durd Übernahme der Günther: 
ſchen Buchbandlung und Buchdrucderei (errichtet 
17%) in Glogau. Später kamen eine lithogr, An- 
ftalt und andere grappiihe Sweige.b u. F. verlegte 
anfangs Kalender, populäre —* («Bürger: 
nd», «Dorfbuh»), lanbwirtichaftliche Werte, 
päter befonderd Landkarten und Atlanten —— 
ich von F. Hanbtfe), ſeit 1854 auch Jugendſchriften. 
Er war ber erſte, der einige feiner Berlagämerte 
durch Reifende verbreiten ließ, jo namentlich Kirch: 
hof «Landwirtipaftlices Seriton», Sobr:Berg: 
aus’ «Handatlad» (100000 Eremplare) und «Rey: 
manns topograpbiihe Speciallarte von Mittel: 
europa». Das Sortiment wurde 1850 verlauft, 
der landwirtichaftliche Serlag ging 1876 an o 
Voigt in Leipzig über. F. jtarb ĩ. Rov. 1878. 
folger waren ſeine Söhne Carl Martin F. geb. 
18. Aug. 1835, geſt. 23. Febr. 1891, und Georg 
F., geb. 12. Juni 1843, geſt. 9. Febr. 1893. Am 
15. Mai 1888 kam das Geihäft an Carl Dünn> 
haupt, geb. 21. Aug. 1845, und Dr. phil. Her» 
mann Müller, geb. 7. März 1857 in Lip 4 
eit 1892 Mitglied des Deutichen Reichstags 

8: Sagan:Sprottau) und wurde 5. Febr. 1898 
in eine — umgemanbelt. 

Hauptunternebmungen find im Jugendſchriften⸗ 
verlag die von Thella von —— 
benen «Töchter-Album» (ſeit 1855) und ·Herzblatt · 

ens Zeitvertreib» (feit 1856), deren «Bücerjihan 
für Deutichlands Töchter», Carl 3.8 «Baterlän: 
diihe Augendicriiten»; unter den Kartenmwerten: 
Sobr: Berghaus’ «Handatlas über alle Zeile der 
Erde» (8. Aufl.), Richterd «Atlas für höhere Schulen» 
(65. bis 59. Tauſend), «Carl 3.3 Schulwandtarten», 
desſelben «Generallarten», mit dem Blatt «Afritar 
(65. Aufl.), desſelben «Neue Kreislarten», Naberte 
«Rarte der Verbreitung der Deutſchen in Europa» 
u. a.; dazu das Tageblatt «Niederichlei. Anzeiger» 
(feit 1808; 7000 Auflage). 


Flensburg — Fleurance 


Mit dem ze find verbunden: Buchdruderei 
. ae) Steindruderei (24 Prefien), Buchbin⸗ 
32 Maicinen), Stereotypie mit galvano» 
Heil Anftalt, Tartogr. Anftalt und 
ithogr. Runftanftalt mit Dampfmafchine (34 Pferde: 
tärten), — ldine, 200 beihäftigten Per⸗ 
onen und Hauskranlenlaſſe. 
— —— 1) Landkreis im preuß. Reg.⸗Bez. 
Schleswig, hat 1076,56 qkm und (1900) 41951, 
(1905) 45791 €., 1 Stadt (jFleden), 153 Landgemeins 
benund21 Butäbezirte. — ) Stadtfreis (31,5sqkm), 
83 km im NW. von Schleswig, liegt in Hufeifen: 
orm um das Sübende ber 
lenöburger Föhrde (. 
arte: Hannover u. |. w.), 
eined 30 km langen, tief ein- 
ſchneidenden Buſens der riee, 
den ein Kranz bewaldeter Hü 
gegen Winde ſchutzt und d . 
innerfter Teil den vortrefflichen 
= und geräumigen Hafen bildet, 
an der Linie Schleswig : Bam: 
drup und der Nebenlinie Roroichledwi ſche 
Weiche⸗Niebull (45 km) der teuß. Stantöbabnen 


Q 
f 
4 
u 
„= 
= 
S 
= 





fowie an der Kiel⸗Flensburger m. (79 km) | A 


und der Kreiseiſenbahn $.:Kappeln (51 km, beides 
Nebenbahnen) und bat zwei Bahnhöfe. Die Stadt 
ift Siß des Landratsamtes deö Landfreifes, eines 
Landgerichts (Oberlandeögericht Kiel) mit 22 Amts: 
erihten (Apenrade, ee, * — ——— 
wirt Hadersleben, Huſum, Kappeln, Led 
gumofer, | Niebüll, Norburg, Norditrand, od 
worm, Rödbding, Schleswig, onderburg, Tinnum 
auf Sylt, Tönning, Toftlund, Tondern, Wyl auf 
öhr), eines Amtsgerichis, Hauptiteueramtes, einer 
ichsbankſtelle, Handelstammer für die Stadt F., 
Ootfeninfpettion, zweier Stranbämter, eines See⸗ 
und Seemannsamtes, der Kommandos der 18. Di: 
vifion und 85. Anfanteriebrigade fowie eined Be⸗ 
zirlslommandos und hat (1905) 53771 E., dar: 
unter 1292 Ratholifen und 76 Jsraeliten, i in Gar- 
nifon Stab, 1. und 2. Bataillon des A 
regimentö Königin (Schlesw. » Holftein.) 
Poſtamt erjter Klafie, Telegraphenamt eriter Ke Ra Me 
vier evang. Kirchen, eine kath. Kapelle, Bismard: 
brunnen (1903), tönigliyes luth. Gymnaſium und 
—* ymnafium, @ iftet von dem Minoriten: 
e Raamann, bes durch König intinden DL 
beflätie t, ftädtifhe Handelsſchule, Landwirtſcha 
— * ftäptifche Sa —* ädchen lan *— 
gations⸗ und Maſchiniſtenſchule, * Hol⸗ 
ſteiniſche Lehrwerkſiatt und Meifterf für Kunſt⸗ 
tiſchler und Bildſchnitzer —— (1894), 
Kunf y eg eine —— — 
* iechenhaus, tath. Franzislushoſpital, Feuer: 
cherungs⸗, he erungs⸗, ege 
ae Auf dem alten Kirchhofe ftand 
der von den Dänen 1853 nad ver —— — 
Idſtedt errichtete Flensburger Löwe 
dem Kriege von 1864 von den Preußen — — a 
jpäter vor dem Kommanbanturgebäube der Kadetten⸗ 
anftalt in Lichterfelde bei Berlin aufgeftellt wurde. 
Die Induftrie eritredt fi auf Sch face) (mebrere 
‚ darunter die Flensburger lee eſell⸗ 
Wer, © ), —— (namentlich für die Aus Sl), 


i und Maſchinenbau, Fabri⸗ 
tation von Bapie eifing, Yellowmetall, Balmöl, 
Zabaf und Eigarren, Zub und Wollmaren, Watte, 
Seife, Zündwaren, Tapeten, Preßhefe, Cement, Eifig 


dromo: | Ra 


195 


und Thonwaren. Ferner beftehen bedeutende Schiff: 
fahrt, Fiſcherei, Dampfmahl:, Ol⸗, Reid: und Säge: 
mü — owie Handel mit Hol, Getreide, Zuder, 

eis, Thee, Süpfrüchten, Steintoblen, tt: 
vie ji Pferdemärtte. F. ift Siß der 4. Seftion 
der Hamburgifhen Baugemwerts : Berufsgenofien 
ſchaft. Unmittelbar an der Weſtſeite auf einem ber 
höchſten Punkte die Ruine der alten Feſte Duborg 
(Zaubenburg). Nörblid von F. Mürmit mit den 
neuen Kaſernenanlagen für Dir ig zur See und 
—— eines jtändig bier en Schul 


— 7. (Flensaborg, d. h. Burg an ber 

Flendau) erftand jchon im 12. F— und erhielt 
1284 durch Derung ? Waldemar tabtrecht. Im 

Dreißi giährigen Kriege wurde es 1627 von * 


Reigen, 1643 von den Schweden erobert. — 


* rer bdurchg. und —— (Flensb.1901); 
Fuhrer 8 — 1902 
ey li u ttinderbelg. ‚Brovinz Henne: 


Mons, an den Linien Mons-Quievrain und 

—— Ghislain der Belg. Staatsbahn 

t (1900) 4898 €, und das große Koh blenbergmerf 
roduits du F., eins der ergiebigften des —— 
Flers (ſpr. flähr), Hauptort des Kantons 
rrondifjement Domfront des franz. Depart. 
in fhöner Lage, an der Vere (lintöfeitigem, 
der Drne) und an den Linien —— 
Mayenne-Domfront⸗Caen der Franz. We Ang 
bat (1901) 11111, als Gemeinde 13680 E. ſchöne 
neue roman. Kirche, al tes Schloß, Theater, H Handels« 

ericht, — ing der ie bedeutende 

Zwillihfabritation, dem. Induſtrie aller Art, Fär⸗ 
berei Spinnerei und Weberei brfiche Produltion 
des Induſtriebezirks etwa 70 Mil. Frs.). 

Fleſche (franz. flöche, «Pfeil»), die Grundriß⸗ 
form einer offenen oder bat geſchloſſenen Schanze 
(f. een Bit beitebt aus zwei unter ausfprins 
F tel zuſ — ER an den Bruftwe 

acen etcher. 

ae ‚engl. Dichter, ſ. Beaumont und 
letland, in jränt. Jeit das and eines Bauern: 
vn im Gegenjaß zum Salland, dem Herrenland, 
ie orn, zwei Hocgipfel der kg re 

Pen ftalpen A, 4), norböftlid vom Montes 
—— dem Saasthal und dem von 

der Simplonſtraße durchzogenen Thale des Krumms 
bachs. Das Südliche F, oder Laquinhorn, an 
| lante ul epanzerte Pyramide, in ber 

* der * 8 * und des Toce (Po), ereiht 
en En na 200 m — — durch die 

inſenlung Yes 3 m) getrennt, er⸗ 

—— a —— Roßboden⸗, Bodmers 
auingleticher die Kuppe des Nordlichen F. 
een A u 4001 m. 

Fleur (ft). ‚or. flöhr), Blume, Blüte, das Feinfte, 
Beſte; F. de lis (jpr.lib), Bilie, die MWappenblume 
bourbon. Haufes, welche eigentlich eine Hellebarden⸗ 
fpige bedeuten foll; feurdelise, in der Heralvit ein 
mit Lilien beftreutes Feld. 

Fleur., bei naturiwiffenfeaftli en Namen Ab» 
fürzung für den u ed leuriau be 
Bellevue (ipr. wir de beilwüb; geb. 1761, 
geit. 1852 zu 

Fleurauce (ipr. —B. Hauptort des Kan⸗ 
tons F. im Arrondiſſemem Lecioure des ji 
Depart. Gers, lintd am Gerd, an der Linie 
Tarbes der Süpbahn, bat (1901) 32483, ala Ge 
meinde 4102 E., Baummollipinnerei, Sägemüblen, 
Handel mit Handihuben, Getreide und Branntwein. 


uf 


796 


Fleur d’Iva (pr. flöbr), ein Tafelliqueur, ſ. Iva. 

Fleuret (fe, ſpr. flöreb), Slorett (f. d.); auch 
Florettſeide (j. Seide). 

leuretten (fr;., ipr. flör-, «Blümchen»), galante 
meichelei; muſilaliſche Lieblingsgedanten eines 
— 

Fleurier (pr. flörieb), Fleden im Bezirk Tra- 
veräthal des ſchweiz. Kantons Neuenburg, 28 km 
fübmejtlih von Neuenburg, in 748 m Höbe, auf der 
rechten Seite des Traversthals, hat (1900) 3771 
meiſt franz. ——— E. (423 Deutſche), darunter 
532 Katholilen, Poſt, Telegraph, 2 evang., 1 kath. 
Kirche, —— Uhrmacherſchule, Biblio: 
thet; Aderbau, Bi zuct, bedeutende Uhrmacherei, 
Spigenllöppelei und Fabrilation des als «Extrait 
d’Absynthe» befannten Wermutliqueurs. 

Fleuriſt (franz. fleuriste, fpr. flörijt), ſ. Florift. 

Fleuron (frz., jpr. flöröng), Blumenwert, Blu: 
menzierat; Bucdruderftod, Vignette. 

Fleurns (jpr. flörüß; früher auch Fleury ge 
ſchrieben), Ort in der belg. Provinz Hennegau, 
3 km im NR. von der Sambre, an der Straße von 
Eharleroi nah Namur, an den Linien Tamines⸗F.⸗ 
Landen und Nivelles-F. der Staatsbahnen und 
Lowen⸗Charleroi des Grand: GEentralsBelge, bat 
(1900) 5826 €., Woll: und Baumwollweberei jowie 
KRoblenbergwerte. — Bei 3. jhlugen fi 29. Aug. 
1622 Ebrijtian von Braunfhmweig und Ernjt von 
Mansfeld mit ſchweren Verluften durch die Spanier 
unter Cordova zu den Holländern durd. — Am 
1. Juli 1690 wurden bie Spanier, Holländer und die 
deutichen Reichätruppen (37000 Dlann) bei $. von 
45. 000 Je unter dem Marichall von Luxem⸗ 
bourg in ber Front, nad Umgebung ihres linten 
Flügels auch im Rüden angegriffen und —— 
gezwungen, ben die überlegene franz. Reiterei bald 
in Flucht verwandelte, Die Verbündeten verloren 
6000 Tote, 5000 Berwundete, 8000 Gefangene, die 
— 4—6000 Mann. — Am 26. Juni 1794 
tanden bier 73000 Franzoſen unter Jourdan den 
Ofterreihern, die nur 45800 Mann ſtark waren, 
unter dem Pri 
gegenüber. Die Dfterreicher gingen in fünf Kolon: 
nen vor und warfen die Franzoſen troß ihrer großen 
Üiberlegenbeit überall zurüd. Erzberzog Karl er: 
oberte F., dann wurde Heppignies genommen. Um 
2 Ubr traten jedoch die Verbündeten den Rüd: 
zug an, weil die bejtimmte Meldung eintraf, daß 
Charleroi bereits 25. Juni kapituliert babe. Damit 
waren die Niederlande in die Hände der republila- 
nifchen Heere gegeben. — Vach der Schlaht von 
Belle-Alliance 1815 — von den Franzoſen 
in Brand Orhan In der Näbe liegt Lign fa d.). 

Fleury (ſpr. flörib; lat. Floriacum), Benevit: 
tinerabtei im franz. Depart. Zoiret, an der Loire, 
unmeit Sully, wurde um 640 gegründet und ers 
langte, nachdem 653 die Gebeine des beil. Benedikt 
bierber gebracht worden waren, grobe Berühmtheit. 
Großen Ruf batte die vom heil. Odo von Eluny 
gegründete Klofterihule von F. 1562 wurde F. von 
den Hugenotten zerjtört, wobei die reiche Bibliothet 
ju Örunde ging. — Be belg. Ort, ſ. Fleurus. 
Fleury * flörih), Andre Hercule de, Kardinal 
und Premierminifter Ludwigs XV., geb. 1658 zu 
Lodeve in Languedoc, lebte ald Geiftliher am Hofe 
Ludwigs XIV., der ibm 1698 das Bistum Frejus 
erteilte und ihn teſtamentariſch (1715) zum Lehrer 
jeines Entel3, des nahmaligen Königs Ludwig XV. 
beitimmte. Auf diefen übte der feine und kluge 


rinzen Joſias von Sachſen-Coburg 


Fleur d’Iva — Fleury 


Dann einen tiefen Einfluß aus. F. wurde 1726 
Kardinal und in demſelben Jahr dur Ludwig XV. 
an die Spige des Minifteriums geftellt. Seitdem 
leitete der bereit3 78jährige Greis bis zu feinem 
Tode die Angelegenheiten jeines Vaterlandes, an- 
fangs mit großem Glüd. Der Polniſche Thron: 
rolgefrieg brachte Frankreich 1738 Lotbringen ein; 
die Teilnahme am Öfterreihiihen Erbfolgefriege 
(1740—48) überftieg jedoch F.s Kräfte: unter 
Mißerfolgen ftarb F 29. Yan. 1743 an Alters: 
ihwäce, auch politiſch überlebt. N Innern fübrte 
er die Dinge im Stil Ludwigs XIV. weiter, dem 
er feiner Bildung nad zuneigte; das brachte ihn in 
ftete Kämpfe mit vem Parlament; feine Verwaltung 
war abjolutiftifh und ift durch die Durchbildung 
ber Intendantenverwaltung bezeichnet. F. ſchuf der 
Nation durch Sparfamteit und Rube materielles 
Aufblühen; das Recht (f Daguefjeau) wurde weiter 
gebildet. Im übrigen blieben die notwendigen Re: 
formen unausgeführt. — Val. Jobez, La France 
sous Louis XV, Bd. 2 u. 3 (Bar. 1865—66) ; Ber: 
laque, Histoire du cardinal F. (ebd. 1879). 

Fleury (fpr. flörih), Claude, franz. Kirchen: 
biftorifer, geb. 6. Dez. 1640 zu Baris, wurde in 
dem Jefuitentollegium zu Elermont gebildet, dann 
Rechtsgelehrter, entſchied fih aber jpäter für den 
geijtlihen Stand und übernahm 1672 als Unter: 
präceptor die Erziehung der Prinzen von Eonti, die 
mit dem Daupbin unterrichtet wurden. 1680 über: 
trug ibm Ludwig XIV. die Erziehung feines natür: 
lihen Sohns, de3 Grafen von VBermandois, und 
machte ihn 1684 zum Abt des Ciſtercienſerlloſters Loc- 
Dieu, 1689 zum zweiten Hofmeifter feiner Entel, ver 
Prinzen von Bourgogne, Anjou und Berry. Später 
murde er Prior von Argenteuil, Er war 1716—22 
Beichtvater Ludwig XV. und ftarb 14. Juli 1728. 
Unter %.3 Schriften find zu erwähnen: «Histoire 
du droit frangais» (Bar. 1674), «Mosurs des Is- 
raslites» (ebd. 1681), «Maurs des Chrétiens- 
(ebd. 1682; neue Aufl., 3 Bde., ebd. 1802), «Insti- 
tution au droit eccl&siastique» (2 Bde., ebd. 1687) 
und bie durch Einfachheit der Darftellung und 
Sprache ausgezeichnete «Histoire ecelösiastique> 
(20 Bde., ebd. 1691 fg.), die bis 1414 reicht und von 
J. El. Fabre (16 Bde. ebd. 1726 fg.) und dann 
von A. Lacroix bis 1778 fortgejeßt wurde. Eine 
lat. Überjegung des Wertes mit den Fortfegungen 
erihien zu Augsburg (85 Bde., 1768— 93), eine 
deutihe zu Roftod (14 Bde., 1751—76). Der 
«Abröge de l’histoire eccl&siastique de F.» (2 Bpe., 
Bern 1766) wird Friedrich d. Gr. zugeichrieben 
Nah F.s Tode erſchienen die «Discours sur les 
libert&s de l’&rlise gallicane» (Par. 1724 u. d.) 
Die Schriften %.8 find in entſchieden gallikaniſchen 
Geifte gejhrieben; mehrere von ihnen famen auf den 
Inder; die Kirchengeſchichte zwar nicht, jedoch wurde 
ihre ital. Überjehung cömifcherfeits verhindert unt 
für eine Bearbeitung im kurialiftiihen Sinn Sorge 

etragen. — Bl. Hefele, Der Kirchenhiſtoriler J 
in den «Beiträgen zur Rirchengeihichte», 2 Bpe., 
Tüb. 1864). 

Fleury (ipr. flörib), Emile Felir, franz. General 
und Diplomat, geb. 23. Dez. 1815 zu Paris, trat 
1837 in das Korps ver Spabis in Algerien ein, 
wurde ſchon 1844 Kapitän und fehrte Juli 1848 
als Stabsoffizier nad Frantreid zurüd, wo er ſich 
mit Begeifterung der bonapartiftiihen Sache an- 
ſchloß; infolgedeſſen wurbe er noch im Dezember 
zum Ordonnanzoffizier des Präfidenten Ludwig 


Fleury de Chaboulon — Flibuftier 


Napoleon ernannt. Er nabm 1851 an der Erpebis 
tion in Kabylien teil, wurde 1861 zum Adjutanten 
des Kaiſers, 1862 zum Generaldirektor der kaijerl. 
Geftüte ernannt, 1865 Senator und erhielt 1866 
den Titel ald Großftallmeifter. Gegen Ende 1866, 
nad der Einverleibung Benetiens in das König 
reich Stalien, wurde er zum Könige Victor Ema: 
nuel nach Florenz gejhidt; 1869 wurde er an Stelle 
Zalleyrands franz. Botichafter in Beterdburg. Wäh: 
rend des Krieges von 1870 war F. bis zum Sturze 
deö — deſſen Vertreter am ruſſ. Hofe. Seit 
jener Zeit lebte er ohne oͤffentliche Stellung in 
—* Er ftarb 11. Dez. 1884 zu Paris. Die 
«Souvenirs du göneral comte de F.» erfchienen 
1897—98 in 2 Bon. in Paris. 

Fleury de Chaboulon (fm flörih de ſchabu⸗ 
löng), Edouard, Baron, Ha —— Napo⸗ 
leons I. nad) deſſen Rüdlehr von Elba, geb. 1779, 
war re im 16. Jahre Anführer eines Bataillons 
der Nationalgarde. Unter dem Minifter Fermont 
bei der Yinanzverwaltung angeftellt, trug er durch 
feine Redlichkeit weſentlich dazu bei, den öffentlichen 
Schatz gegen Beraubung zu fihern. Als Staats: 
ratSaubditeur arbeitete er in ber Domänenverwal- 
tung und erhielt nachher die ANREDE: Chã⸗ 
teau⸗Salins im Meurthedepartement. i dem 
Vorrüden der Verbündeten in Franlreich 1814 von 
feinem PBoften verdrängt, fam er als Auditeur in 
Napoleons Hauptquartier, der ihm die vage 
von Reims übergab. Nach der Reftauration begab 
er fih nach Italien und im geheimen Auftrage Ma: 
rets zu dem enttbronten Kaiſer nad Elba. Während 
der Hundert Tage wurde F. Napoleons Geheimjelre- 
tär und ſogleich mit einer Sendung nad Bajel be 
auftragt. Nah Napoleons abermaliger Enttbro: 
nung geächtet, ging er nad) London, wo er feine 
«M&moırres pour servir Al’histoire de la vie privee, 
du retuur et du rögne de Napol&on en 1815» (2 Bde., 
Lond. 1819; deutih, 2. Aufl., Lpz. 1820) fchrieb, 
Später kehrte er nad Franireich zurüd. 1884 in 
die Kammer gewählt, ftarb er 28. Sept. 1835. 

Fleury: Huffon (pr. flörih üſſöng), Jules, f. 
&bampfleury. 

—— f. Feuerwehrrauchapparate. 
leuffenmeer, |. Flueſſenmeer. 
leute, f. Flüte, 

evo Laous, röm. Name des Zuiderjees (f. d.), 
welcher im Altertum bedeutend Heiner und nur ein 
Binnenfee war, der durch den Flevus (jegt Blie) mit 
der Nordfee in Verbindung ſtand. 

Flexibel (lat.), biegſam, lentiam, geſchmeidig; in 
der Grammatit heißen Wörter eribel, die fleftiert 
werden (j. Slerion); Fleribilität, Biegſamleit. 

Blegion (lat.), Biegung, Beugung, Abwande—⸗ 
lung, bezeichnet in der Sprachwiſſenſchaſt die Fähig⸗ 
feit einer Sprache, ihre Worte zu dellinieren und zu 
fonjugieren (das u 3.2. iſt ohne F.), auch 
die Geſamtheit ver vorhandenen Deklinations- und 
Konjugationsformen. Bei genauerer Unterſcheidung 
—*— man mit Beugung die Deklination, mit 
Abwandelung die Konjugation. Die F. geſchieht 
durh Anfügung gewiſſer Endungen (Slerions: 
luffire) an den Stamm, z. B. lat. nomen (Name), 
Genitiv nomin-is; Wurzel es (fein), es-t (er ift), 
wo bas -t die dritte Perſon bezeichnet. Über den 
Unterjcied von Flerions: und Ableitungsendungen 
‚Ableitung und Suffir. — Über F. der Gebärmutter 
. Gebärmuttertrantheiten. — lerivifche oder 
leftierende Spraden, f. Sprachwiſſenſchaft. 


197 


‚ Wlegören (lat), Beugemusteln, alle dies 
—* Musteln, welche ein Glied jo bewegen, daß 
bie beiden Knochen der betreffenden Ertremität ſich 
näbern und das Glied eine gefrümmte Form er 
hält, im Gegenſaß zu den Ertenforen (f. d.). 
legür (lat.), in der Geologie Bezeichnung einer 
te (ſ. d.), bei der nur der Mittelfchentel eine 
ufrihtung der Schichten aufweiſt; rechts und 
lint3 von einer %. liegen die Schichten horizontal, 
aber in verfchiedener Höhe. 

Flexüra sigmoidöda (lat.), ſ. Darm, S ro- 
manum und Tafel: Baucheingeweide des 
Menichen I, 14, beim Artikel Bauch. 

Figge., binter lat. Bflanzennamen Abtürzung 
für Job. Flügge, geb. 22. Juli 1775 zu Damburg, 
geit. ebenda ala Arzt 28. Juni 1816. Er ſchrieb: 
«Graminum Monographia» (Harb, 1810). 

Flibuftier, eine Seeräuberverbindung, die in 
der zweiten Hälfte des 17. Jabrh. in den weſtind. 
Gewäſſern baufte und ihren Namen wahrſcheinlich 
von den leiten Schiffen, deren fie fs anfangs be 
diente, den engl. fly-boats, franz. flibots, erbalten 
ra Diefer ibeuterverein entftand Jeupijäd, 
ich durch Franzoſen, die fi 1625 im Kriege mit 
Spanien der Injel St. —— bemädtigten und 
Kaperei trieben. Um 1630 verließen fie aber dieje 
Inſel, ließen fi in dem nordweſtl. Teile der damals 
den Spaniern allein gehörigen Inſel San Domingo 
(jest Haiti) und auf der —— arten Schildkroten⸗ 
inſel nieder und beſchäftigten ſich hier ebenfalls mit 
Seeraub, vorzüglich aber damit, das in zahlreichen 
Herden in San Domingo fih aufhaltende verwil- 
derte Rindvieh zu jagen, das Fleiſch zu trodnen (bou⸗ 
canieren) und mit ihm und den Häuten Handel zu 
treiben. Nach dieſem Gewerbe Boucaniers, 
Buccanier oder Bulanier (engl. buccaneers) 
genannt, hatten fie eine gewiſſe Organifation eins 
geführt, bie worzü lich darin beitand, daß fie ſich gegen 
ihre gemeinſchaftlichen Feinde, die Spanier, gegen: 
jeisig Hilfe und Beiftand leifteten. Zwei Umitände 

eförderten ihre Entwidlung zu einer Seeräuber: 
tepublit: einmal die Vertilgung des wilden Rind: 
viebs auf San Domingo, dann die langbauernden 
Kriege der Spanier mit den Engländern und Fran⸗ 
zofen, wodurd eine Menge Seeräuber entitanden, 
die einen Vereinigungspuntt fuchten. Einen ſolchen 
ewährten die Boucaniers, die fortwährend von 
anlreich, fehr oft aud von England unterjtügt 
wurden. Anfangs nur in —— A er und mit 
elenden Fahrzeugen und ſchlechten Mitteln auge: 
rüftet, wuchien vie F. fchnell dur Zuzug von Aben⸗ 
teurern und die ihnen von England und Frankreich 
erwäbrte Hilfe zu einer den Spaniern furdtbaren 
act empor. 1671 nabmen fie unter Morgan 

die Stadt Banama, 1685 plünderten fie die Städte 
ze So geitalteten fie ſich ſchnell zu einer Art 
eeräuberrepublit, in der fich die Tapferften und 
Geihidtejten zu Anführern emporſchwangen. Gegen 
Ende des 17. Jahrh., da fie, in der Hand Frank—⸗ 
reichs, England ſelbſt gefährlich zu werden anfınaen, 
entzog ibnen legteres jeinen Schuß. Bon biejer 
Bet an ging e3 mit den F. abwärts. Ihre lekte 
edeutende Unternebmung war der Beiftand, den 
fie 1697 von San Domingo aus unter der Anfüh— 
rung des Gouverneurs diejer Inſel, Ducafie, der 
franz. Expedition bei der Eroberung Gartagenas 
de lad Andias leifteten, das fie plünderten. Bon 
da an erlitten fie fortwährend Niederlagen, weil 
alle Seemächte es in ihrem Intereſſe fanden, ihrem 


798 


Treiben ein Ende zu machen. Schon in den erjten 
Jahren des 18. Sahıh, fonnte man die Verbindung 
ber F. als erlofchen betrachten. — Vgl. Erquemelin, 
De Americaensche Zee Roovers (Amſterd. 1678; 
ins Franzöfifhe und Englifche überfest); Burney, 
History of the Buccaneers of America (Lond. 
1816); Archenholz, Hiſtor. Schriften, Bd. 2 (Tüb. 
1803); Les flibustiers au XVII® siöcle (Limoges 
1884). — %. nannte man im 19. Jahrh. auch die 
Abenteurer, die von den Bereinigten Staaten aus 
Erpeditionen augrüfteten, um in den benadhbarten 
—— Staaten Revolutionen hervorzurufen. 
ie betannteften dieſer F. find Miranda, Lopez 
(j. Cuba) und William Walter (f. d.), der ih 1856 
in Realejo jelbft zum Präfidenten wählen ließ. 
Flickel, Paul, Landihaftsmaler, geb. 8. April 
1852 in Berlin, bildete fih auf der Kunſtſchule in 
Meimar, war 1874—76 in Düffelvorf mit eigenen 
Arbeiten befhäftigt, unternahm Studisnreifen durch 
Deutihland, Ofterreih, Italien und fiedelte dann 
nad Berlin über, Die Motive zu feinen Bildern 
wählte er zunächſt aus den Gegenden Italiens; jo 
malte er: Zorbole bei Riva am Gardafee, Billa 
v’Eite in Tivoli, Anficht von Neapel von Capo: 
di-Monte, Landichaft bei Bordigbera, Partie bei 
Albano mit Blid auf Eaftelgandolfo und den Al- 
banerjee (1884). In neuerer Zeit bradte er auch 
mit Vorliebe den deutſchen Buchenwald bei heller 
Sonnenbeleudbtung zur Darftellung, von melden 
Bildern eins: Buchenwald bei Prerow (1886) auf 
der Berliner Runftausftellung die große goldene 
Medaille erzielte (Nationalgalerie zu Berlin), Von 
feinen übrigen Gemälden jind zu nennen: Mald: 
landſchaft vom Vilm bei Rügen (1886), Ilſethal im 
Harz (1888), Landſchaft bei Neubrandenburg (1891), 
Waldeinſamkeit (1892), Buchenwald (1892), Sep: 
tembertag am Kellerſee (1896). 1894 erhielt 5. den 
Titel Brofefjor; er ftarb 18. März 19083 in Nervi, 
Flieder, in der Volksſprache —* Bezeichnung 
t die Sambucus- als Syringa-Arten (ſ. Sam- 
ucus und Syringa). 
Fliederblüten, Fliedermark, Blüten und 
Mark des Flievderbaums, f. Sambucus. 
Fliedner, Frik, evang. Theolog, Sohn des 
folgenden, geb. 10. Juni 1845 zu Kaiſerswerth, ſtu⸗ 
dierte in Halle und Tübingen und wurde 1870 Ges 
fandtfhaftsprediger in Madrid, wo er 25. April 
1901 ftarb. Dort war er für die Evangelifation 
Epaniens durd Gründung evang. Gemeinden und 
Anftalten (drei Waifenhäufer, ein Hofpital, zwei 
Buchhandlungen in Madrid und Barcelona, Gym: 
nafium), durch Vorbildung von fpan. Lehrern und 
Geiftlihen jowie durch Verbreitung pädagog. und 
evang. Schriften eifrig thätig. F. gab die «Revista 
cristiana», den «Amigo de la Infancia» und die 
«Blätter aus Spanien», die über das Evangeli- 
ſationswerk berichten, heraus. Auch veröffentlichte 


er «Blätter und Blüten, Gedichte» (Heidelb. 1886; | 


zweiter Strauß, 1897); «Röm. Miffionspraris auf 
den Karolinen» (3. Aufl., Lpz. 1890), «Die Evan: 
oelifation in den röm. Landen» (Güterölob 1892), 
«Erzählungen aus Spanien» (7 Hefte, Heibelb. 
1895—97), «Das Paradies» (ebd. 1899), «Aus 
meinem Leben. Erinnerungen und Erfahrungen» 
(2 Bope., Berl. 1901—2). 

Sliedner, Theodor, der Erneuerer des Dialo— 
niſſenwerles in der evang. Kirche, geb. 21. Yan. 1800 
su Eppftein in Nafjau, ftudierte in Gießen und Göt: 
tingen Theologie, ward 1822 Pfarrer in Kaiſers⸗ 


Flickel — Fliegen (Inſekten) 


werth am Abein. 1826 begründete er zunädhft den 
Rheiniſch⸗Weſtfäliſchen Gefängnisverein zu Düflel: 
dorf, dann im Sept. 1833 in einem Ga auſe 
ſeines Pfarrgartens ein Aſyl und Magdalenenſtift 
ür entlaſſene weibliche Gefangene, 1835 eine Klein⸗ 

nderſchule in —— eine der erſten in Deutich- 
land, 1836 in indung mit einer foldhen in Hai: 
ſerswerth (j. d.) die erite Bildungsanitalt für Klein⸗ 
finderlehrerinnen, die fpäter zu einem Seminar für 
Lehrerinnen an Elementar: und bö Mädchen: 
ſchulen erweitert worden if. Nachdem er dann 
30. Mai 1836 den Rheinifh-Weitfälifhen Diato- 
nifjenverein begründet hatte, eröffnete er im Dftober 
bie erfte wang. Diakonifjenanftalt du Kaiſerswerth, 
nad) deren Muſter mehr als 80 ſelbſtändige Dialo⸗ 
——— entſtanden. (S. Dialoniſſenan⸗ 
f ten und Diaktoniffinnen.) Auch außerhalb Deutſch⸗ 
ands wurden Anftalten nad Kaiferswerther Bor: 
bild errichtet, von dort durch F. geleitet und unter: 
ftügt. Nachdem er 1849 fein ftädtifches Pfarramt 
niedergelegt hatte, begründete er auf einer Reije 
nah Nordamerika ein Diakonifjenhaus in Pitts: 
burgb und, 1851 und 1856—57 den Orient befuchend, 
die Hofpitäler in Jeruſalem, Konftantinopel und 
Aleranbria fowie die Waifen: und Erziehbungsbäufer 
in Smyrna, Jerufalem und Beirut. F. ſtarb 4. 
1864 in Kaiſerswerth. 

Bis dahin waren bereits mehr als 100 Statio- 
nen in Armen, Kranfen:, Baifen-, Erziehungs: und 
Gefangenenbäufern und Gemeinden von 430 Schwe: 
ftern beießt; außerdem wirkten noch zahlreiche zu 
Kaiſerswerth gebildete Lehrerinnen in allen Län: 
dern Europas; beſonders erwähnenswert find die 

roßen fionate und höhern Töchterſchulen in 
Süden, lorenz;, Beirut und Smyrna, bie — * 

erbergen und Mägdebildungsſchulen zu Berlin, 

üſſeldorf u. ſ. w. Die Zahl der Stationen, dar: 
unter Kairo, Bet und Rom, ift 1901 bereits auf 
250 mit —— 1100 Schweſtern und einer jähr⸗ 
lihen Ausgabe von über 700000 M. geitiegen. 
Unter 5.8 Schriften find das «Buch der Märtyrer 
(4 Boe., Raiferäw. 1853—60) und der von ibm be 

ründete «Chriftl. Boltölalender» hervorzuheben. 

eine Witwe, Karoline, geborene Bertbeau, 
Schülerin der Amalie Sieveling in Hamburg, feit 
1843 feine Gebilfin a in feiner amtlichen Thätig« 
feit, zog fi im Fruhjahr 1883 von der Leitung des 
Werkes zurüd und ftarb 15. April 1892, — Bal. 
®. Fliedner 2 F. Abriß feines Lebens und Wir 
tens (3. Aufl., Kaiſersw. 1892). 

Fliege, ein Sternbild des füpl. Himmels. (S. die 
Sternlarte des ſüdlichen Himmels, beim 
Artikel Sterntarten.) 

Fliegen, im — eine Unterordnung der 
Zweiflügler, auch Kurzhörner (Brachycera) ge 
nannt, im beſondern aber auch die zu dieſer Unter⸗ 
ordnung gehörige Familie der Gemeinfliegen (ſ. d.). 
Die Unterordnung der %. hat nur dreigliedrige, am 
legten Gliede mit einem Endgriffel oder einer Borite 
verjebene Fübler, die faft immer kürzer als der Kopf 
find, —— Unterlippe und feſt miteinander 
verſchmolzene erg Se > Der Körper ift meijt ge: 
drungen gebaut. Die Schwinglolbchen find meijt 
durd einen fchuppenartigen Anhang der Flügel, die 
nur jelten fehlen, bededt. Die widhtigften Familien 
der F. find: Waffenfliegen (ſ. d., mit un 
meinen Waffenfliege, Stratiomys chamaeleon L., 
f. umftebende Abbildung, Fig. 13), Bremien (f.d,, 
mit der Rinderbremfe, Tabanus bovinus L., Fig. 8), 


liegen (Bewegung) 


Raubfliegen (f. d.; bierzu gebören: bie gelbe 
Mordfliege, Laphria flava L., Fig. 4; die Habichts⸗ 
fliege, Dioctria linearis Fab., = 10; die geftielte 
Raubfliege, Asilus stylifer Loew, Ar ’ 15), Tanz: | du 
fliegen (. d.; bierber die gewürfelte Tanzfliege, | d 
—— Fab., ie.2), Summeifliegen 
(2 mit dem großen n 
ollipmeber, Bom- = 
bylius oe L, == 
Fig. 1, Schwebflie: = 
aend.d.;zuibnengebör 
ren: diege —— 
fliege, Volucella plu- - 
mata Meigen, Fig.3; 
die durchſcheinende 
Federfliege, olucella 
pellucens L., ig.5; 4 
der Sonnencweber, AAN 
a hilus pendulus - 
, Sie. 6; die gelbs : 
— 
Volucella inanis : 
Bi; die Birnfchmebe E 
iege, Syrphus py- : 
rastri L., Sig. 11, © 
und Melithre tusdis- ; 


.14), 
Biesflienenti.o (1.d. 


Gemeinfliegen. 
(mit der Taſchenmeſ⸗ 
jerfliege, ur — 
stacea L., 1 der = 
gelbfüßigen idlopfs * 

tliege, Conops flavi- <I> 
pes L., Fig. 12, und FE 
verMittagäfliege,Me- IHN 
—— meridiauaa 

Fig. 16) und FE 0 
Buell lie en(i.d.). J 
(S. aud Tafel: In» 9 
‚er II, ge 

Softemanic 
elle der —— 
ten europäifchen zwei⸗ 
flügeligen Inſelten 
(7 Zle., —— 1818 
u iedemann, 

Aubereuropäiice 
smweiflügelige Inſekten 
(2 Tle., ebd. 1828 
—30); Macquart, 
Histoire naturelledes 

insectes diptöres 
(2 Bbe., t. 1834 
— 35); Waller,Insecta 
Britannica. Diptera 
(3 Bde., Lond. 1851 
—56); Schiner, Fauna 
austriaca. Die F. 
(Mien 1860); Loew, 
Dipterologifche Veiträ e(I—IV) und Neue diptero: 
logiihe Beiträge (I—VII, Berl. 1845—61). 

liegen, die Bewegung eineö —2 durch 
die Luft auf größere Entfernungen bin. Der zum 
5. nötige Fortitoß kann entweder auf den Körper 
von außen einwirken (pajjives 5.) oder aftiv 
von dem Körper ſelbſt entwidelt werden. So fliegt 
ein Geſchoß paffiv dur einen Stoß oder dur 


Pr; 


vinus L.). 
linearis Fab.). 
(Conops flavipes L.) 13. 


1. Großer Wollſchweber (Bombylius major L.). 2. rind Tan 
3. Gefledte Feberfliege (Volucella plumata Keigen). 
5. Durchſcheinende Federfliege (Volucella pellucens L.). 
pendulus L.). T. Taihenmeiflerflie 
9. Gelbbindige Fede 
11. Birnfchwebfliege (Syrphus pyrastri L.). 12. 
Gemeine Waffenfliege (Stratiomys chamaeleon L.). 


u (Myopa testacea L.). 
i 


Schwebfliege (Melithreptus dispar Loew). 
16. Mittagsfliege (Mesembrina meridiana L.). 


199 


die von plöglid fi entwidelnden Gafen erzeugte 
Spanntraft fortgetrieben, ein Ballon, der durch 
bie Leichtigkeit deö in ihm enthaltenen Gaſes oder 
den Auftrieb der Luft, ein Samenkorn, das 
.e- Yafertrone in ber 4 Bild 
dine — wird, ein u 


chwebt und 


un irm, — 


9 


IN! 


I 
| | 





flieg e —* ae Fab,) 
4. Gelbe Mordfliege (Laphria tlava L.) 
6. Sonnenihweber (Helophilus 
8. Rinderbremie (Tabanus bo- 
ege (Volucella inanis L.). 10. 1 ag (Diootria 

elbfühige Didkopffliege 
14, Eine 
15. Geſtielte Raubfliege (Asilus stylifer Loew). 


Bst dem Fallen Widerjtand leitet und den eben: 
all& der Wind weiter treibt. Das aktive F. bedarf 
eigener Organe, die einerjeitö die nötige Arbeit ent: 
—* um durch Schlagen der Luft dieſelbe unter 
ſich zu treiben, und andererſeits fallſchirmähnlich 
eine genügende Oberfläche bieten, um das Fallen zu 
verhindern. (S. Fallſchirm.) Dieje organiſchen Ein: 
ribtungen finden fi unter den Wirbeltieren bei 


800 


den meiften Vögeln, einigen Säugetieren und 
Duden, unter den — bei den meiſten Sn: 
elten. Bei faſt fämtlihen fliegenden Wirbel: 
tieren bilden die vordern Bruſtgliedmaßen die Flug⸗ 
werlzeuge; am einfachiten find dieſe beiden fliegenden 
Eihbörnden und Beuteltieren, wo nur ziwijchen den 
Gliedmaßen und dem Körper eine mehr oder minder 
breit ausgeſpannte Hautfalte als Fallſchirm dient. 
Ausnahmsweiſe ift bei den Heinen ind, Eidechſen, 
—— Drachen (Draco volitans) genannt, eben» 
alls ein Fallſchirm dur — chen den verlängers 
ten und jeitlich bervoritebenden faljhen Rippen an: 
ebrachte Haut bergejtellt. Bei den Fliegenden 
Kir hen (j.d.) find die Bruftflofien zu Sallihirmen 
vergrößert. Bei den Fledermäufen und Bögeln 
find die vordern Gliedmaßen umgewandelt, der 
Scultergürtel ftark befejtigt zur Stutze des Luft: 
ruders, das die Luft [hlägt und das bei den leder: 
mäufen durch eine zwiſchen den außerordentlich ver: 
längerten Fingern ausipannbare Haut, bei den Bö- 
— durch die Federn des Flügels hergeſtellt iſt. 
ei den vorweltlichen Pterodaltulen war, ähnlich 
wie bei den Fledermäujen, eine Flughaut vorhan⸗ 
den, die nur durch den jehr verlängerten lesten 
inger gefpannt wurbe. Bei den Infelten find bie 
lügel entweder aus befondern fhuppenartigen An: 
ängen des Rüdens oder vielleicht aus umgebildeten 
äußern Atmungswertjeugen bervorgegangen und 
urjprünglich ftet3 vier Jage vorhanden, die auf 
dem zweiten und dritten Bruftringe jteben. Bei den 
weiflügeligen —5* (Dipteren) find aber die bin: 
tern Flügel zu jog. Schwinglolbchen (Halteren), bei 
den männlichen Strepjipteren die vordern fiber: 
baupt verlümmert, und bei allen Räfern dienen bie 
vordern Flügel nur ald Deden. — Zum F. jelbit 
dienen dann noch weitere Einrichtungen, die darauf 
binzielen, den Körper ſpecifiſch leichter zu machen. 
Bei den Vögeln entmwideln ſich — die von 
den Atemorganen aus mit Luft gefüllt werden und 
ſich in die Knochen verzweigen, ſo daß dieſe hohl wer— 
den; bei den Inſelten entwickeln ſich die Luftgänge 
(Tracheen) im Innern des Körpers zu großen 
Kanälen und Blafen, die ebenfalls mit Quft voll: 
gepumpt werben. Die Bewegungen felbft, die mit: 
teld der Flügel ausgeführt werben, find ſehr ver: 
ſchiedener Natur, und es wird dabei oft eine ſtau— 
nenswerte Kraft und Ausdauer entwidelt. 

Schon Ariftoteles verfuchte das F. zu erllären, aber 
erſt Borelli («De motu animalium», 2 Bde., Nom 
1680) legte den Grund zur Theorie des F. In neue: 
rer Zeit haben beſonders Prectl (« Unterſuchungen 
über den Flug der Vögel», Wien 1846), der Franzoſe 
Marey («La machine animale. Locomotiou ter- 
restre et a6rienne», Bar. 1874) und der Engländer 
Bettigrew («Die Ortsbewegung der Tiere», Br. 10 
der «internationalen wiſſenſchaftlichen Bibliothel», 
em. 1875) höchſt finnreihe Verſuche angeftellt, 
welche die Mechanik des F. der Inſelten erläutert 
baben. Die Anhänger Borellis leiten den Flug von 
dem feilartigen Mirten der Flügel ber, die als ſchiefe 
Ebenen auf die Luft fchlagen, welche legtere dann 
rüdwirtend den Flieger hebt oder vorwärts treibt. 
Na Pettigrem vermögen die Flügel wäbrend ibrer 
Thätigleit jih auf: und abzuwinden und Linien in 
Form einer Act zu befchreiben, wodurch die rüd: 
wirtenden, treibenden Luftſtröme entiteben. Obmwobl 
der anatom. Bau des fliegenden Tiers vielerlei das 

. begünjtigende Umftände nachweiſt, fo bleibt doc 

t das Studium bes F. die Ergründung der Haupt: 


liegende Blätter — fliegende Fiſche 


eigenichaften der Flugorgane die Hauptf wes · 
halb auch die neuere Forſchung —— — 
Beobachtung des Flugs, der dabei t en ag 
ſowie durch Anfertigung künftlicher Flügel die 
mente für die —S— des 8 zu gewinnen 
jucht. Daß beim Flug die eigentümliche Geftalt des 
Güingenben der Anlauf beim Auffliegen u. dal. m. 
von Einfluß ift, wird auch von den modernen Be 
obachtern und Forfchern zugegeben. Die Geſchwin⸗ 
digleit des Flugs iſt bei der Foubianbe 13 m, bei 
der Wandertaube 20 m, bei der Brieftaube burd: 
hnittlic etwa 17 m, im Marimum 30 m pro Se: 
unde. Die Saatlräbe fliegt 8—12 m, der Apler 
24 m pro Sekunde. Am jchnelliten Der die 
Schwalben, und zwar bie Mauerſchwalbe 36 m, die 
Hausſchwalbe 45—60 m und die —— 
1891 von den Franzoſen als Briefſchwalbe abge: 
richtet, jeboch jpäter wieder aufgegeben wurde, 50— 
90 m in der Selunde, alſo 3*,mal fo ſchnell ala 
ein deutiher Schnellzug. Die Stubenfliege legt bei 
rubigem gu e 1, m pro Sekunde zurüd, liber die 
fünjtliche — des Flugs ſ. ka er — 
Val. noch Straſſer, Über den 9 der Vogel 
1885); Parſeval, die Mechanik des Bogelflugs 
(Wiesb. 1889); Mila, Die lugbewegung der Bi: 
gel (Wien 1895); Winter, Boge (Münd. 
— ra Zur Mechanik des Bogelfluges 
amb. 1896). 
liegende Blätter, foviel wie Flugblätter(f.b.). 
liegende Blätter, im Verlag von Braun 
& Schneider in Münden ericheinendes bumorifti» 
ſches Wochenblatt mit Jluftrationen, 1844 von 
Kafpar Braun (f. d.) und Friedt. Schneider, Be 
figern einer xylographiſchen Anftalt in Münden, 
gegründet. — Redacteur iſt des lehtern 
Sohn Julius Schneider; neben ihm Pur fein 
der, der Maler Herm. Schneider, Kafpar Braun 
jun. und Franz Bonn (von Miris) in ber Redaktion 
thätig. Die über die ganze Welt verbreiteten 5. B., 
deren Hauptftärte die vielfach fünftlerifch wertvollen 
bumoriftifchen Zeihnungen bilden, pflegen jeit 1856 
nur den unpolitiihen, harmlofen Wis und gemüt- 
vollen Humor. Kafpar Braun jelbft lieferte köft 
lihe Jluftrationen für das Blatt, fpäter errang 
namentlich der originelle Wilb. vuſch (f. d.) in 
feine erjten Erfolge. Zu den bumorvolliten 
ftratoren der F. B. gebört aub Adolf Oberländer 
N d.). Dr ind hauptſächlich ala Zeichner thätig: 
udw. Bechſtein, Edmund Harburger, A. Hengeler, 
Emil Reinide, Rend Reinide, Heinr. —— 
Herm. Vogel, Rarl Stauber, Frik Steubu.a. Von 
namhaften Kunſtlern, die früher aud für die 5.8. 
earbeitet haben, wären zu nennen: Morik von 
chwind, Franz Pocci, Karl Spikweg, Herm. Dyd, 
Ferd. Dies, Friedr. Loſſow, Wilh. Diez, Karl Gebrts, 
duard Ille. Aud hervorragende iftfteller, wie 
Felir Dahn, Herm. Lingg, Mart. u.a. lie 
* litterar. Beiträge für die F. B., früber Ernſi 
Gditein u. a. Außerdem aber arbeitet die ganje 
deutiche Nation in zahllojen Einſendungen an bem 
Blatte mit. 
fliegende Brüden, |. Fähre. 
liegende Eifenbahnen, f. Transportable 
liegende Fähren, ſ. Fahre. Eiſenbahnen. 
Fliegende Fiſche, mehrere —— von 
Fiſchen, welche die Gewohnheit haben, bet Verſfol⸗ 
gung durch Raubfiſche aus dem Waſſer zu 
und mittels ihrer übermäßig großen 
die fie wie Fallſchirme gebrauchen, fi längere 


Fliegende Füchſe — Fliehtraft 


in der Luft ſchwebend zu erhalten. Sie können nur 
vorwärts in gerader Richtung, am liebiten gegen 
den Wind, auffliegen, aber A fo heftig empor: 
fchnellen, daß fie aumeilen auf die Verdede mäßig 

er Schiffe niederfallen und einen Kaum von 


ro 
E durdfliegen. Die Flofien werden nicht wie | Fi 


Slügel ** ondern ausgebreitet gehalten, wo⸗ 
i man ein leiſes Schwirren hört. Die F. F. lom⸗ 
men nur in wärmern Meeren vor. Zu ihnen gehö⸗ 
ren die Flughähne (Dactylopterus), wovon eine 
Art im Mittelmeere und bei den Antillen, eine an: 
dere im Indiſchen Dcean ſich findet und die zu den 
Stacelflofjern und zur Familie der Banzerwangen 
— d.) gehören, und die Fleder⸗ oder Schwalben— 
de (Exocoetus, 3.8. Exocoetus volitans L.; 
.Zafel: Fiſche V, ‘ig. 12), die man zu den Schlund: 
iefern ( MH) rechnet und deren zabl: 
reiche Arten beionders im Atlantiichen Dcean, an 
den jübdamerif, Hüften und im Stillen Meere leben. 
Letztere ſollen ſich auch den Wellen entgegenſchnellen, 
um auf Heine Kruften: und Weichtiere Jagd zu 
machen. — Über die Technik ihres Flugs vol. Mö- 
bius, Die Bewegungen der F. F. durch die Luft (Lpz. 
1070: Ablborn, Der Flug der Fiſche (Hamb. 1895). 
iegende Füchſe, j. Flederhunde. 
liegende Gicht, j. Gelentrheumatiämus. 
Fliegende Hite, ſchnell entjtebendes und 
ebenfo ſchnell wieder vergebenbes Gefühl von Hitze, 
das bei nervös erregbaren und vollblütigen Per: 
fonen oft auf die geringfügigfte Veranlajjung bin 
ſich einitellt und wie das Grröten auf einer vor: 
übergebenden, durch momentane Lähmung der Ge 
äßnerven entſtehenden Blutüberfüllung der Hein: 
ten Arterien berubt. 
liegende Hunde, ſ. Flederhunde. j 
liegende Munitionsparks, joviel wie Mu: 
nitionstolonnen (f. d.). 
liegender Brand, Krankheit der Rinder, 
f. —— 
liegender Drache, ſ. Drache, fliegender, und 
Tafel: Ech ſen I, ig. 2. 
liegender Gerichtsſtand, ſ. Ambulanter 
Gerichtsſtand (Bd. 17). 
Fliegender Holländer, eine ſagenhafte Per: 
on, die im Aberglauben der Seeleute eine Rolle 
pielt. Ein gottlojer bolländ. Kapitän, van Stra: 
ten, joll, um jeine Verachtung des riftl. Glaubens 
darzuthun, an einem Karfreitage aus dem Hafen 
in See gegangen und zur Strafe dafür, ähnlich wie 
ber Wilde Jäger im Harz, verurteilt fein, ruhelos 
auf dem Dleere mit jeinem Schiffe umberzufahren. 
Die Gegend beim Kap der Guten Hoffnung wird 
Er beſonders — Er kreuzt dort gegen die 
türme, ohne einen Schritt weiter und zurüd zur 
Heimat kommen zu können. Wenn ein anderes 
Schiff den F. 5: zu Geficht betommt, jo bedeutet 
dies Unglüd. Jlic, Wagner bat die Sage zu einer 
Oper, eg einem Roman benußt. 
Fliegender Holländer, ala Eiienbahnzug, 


Tliegender Schotte. 
liegender Schotte (engl. Flying Scotchman), 
aud Fliegender Holländer (Flying Dutchman) 
genannt, ein bejonders ſchnellfahrender Zug, welcher 
—— London und Edinburgh verkehrt. (S. Eiſen⸗ 
— — 
iegender Sommer, ſ. Altweiberſommer. 
liegendes Blatt, ſ. Flugblätter. 
liegendes Geſchwader, ſ. Kreuzer. 
liegendes Korps, ſ. Mobile Kolonne. 
Brodbaus’ Konveriations-ßerilon.. 14. Aufl. R. A. VI. 


J 


N 


801 


a enfalle der Venus, ſ. Dionaea und 
Zafel: Snjeltenfrejjende Bilanzen, fig. 1. 
Fliegenfänger, Singvögel, joviel wie Fliegen: 
ſchnäpper (f. Muscicapidae), 
————— ſ. Angelfiſcherei nebſt Tafel, 
.18—22. 
Stiegen olz, Quafjiaholz (f. Quassia). 
liegenflappe (Flie 30 der Venus), 
ſ. Dionaea und Tafel: En ettenfreſſende 
Pflanzen, Fig. 1. 
liegentopf, Augentrantbeit, j. Myiocepbalon. 
liegentöpfe, im Buchdruck, |. Blodieren. 
liegenleim, ſ. Bogelleim. 
liegenpapier, zur Bergiftung der Stuben: 
fliegen dienendes Loſchpapier, das gifthaltig und 
giftfrei im Handel vorlommt. Das giftige F. iſt mit 
einer Löfung von arfenfaurem Kalium, das giftfreie 
mit einer Ablochung von Quaffiabolz getrünkt. Erſte⸗ 
res ist bei weitem wirffamer, muß aber vorjich 
gehandhabt werden, da es auch für Menſchen höchſt 
aiftig ift. Zum Gebraud wird das F. auf einem 
Teller ausgebreitet, mit Zudermwafjer benest und 
immer feudt erhalten. 
Fliegenpilz;, Fliegenibwamm, Agaricus 
muscarius L. (Amanita muscaria Pers.), eine weit 
verbreitete und allgemein betannte Art der Gattung 
Agaricus (f. d.), zeichnet ſich durch die prachtvolle 
(darladrate mit weißliden Schuppen bejtreute 
berfläche des flach gemölbten Hutes aus und ift 
befanntlich einer der giftigften und wegen feines 
fhönen ee aefäbrlichften Pilze, die es giebt. 
(S. Tafel: Pilze II. Giftige Pilze, Fig. 2.) 
Anfangs ftedt der Pilz ganz und gar in einer ſchnee⸗ 
weißen, eiförmigen Säle, die, nachdem der Hut 
durch fie hindurchgebrochen iſt, zuſammenſchrum—⸗ 
pfend eine wulſtige Scheide am Grunde des eben⸗ 
falls weißen, diden Stiels bildet, der bis 16 cm hoch 
wird. Auch die an den Stiel angewachſenen Blätter 
der untern Hutfläche find weiß. Der F. wählt bäufi 
in Nadelmäldern. bat einen widerlichen Geru 
und einen brennendicharfen Geihmad. Sein Ge 
nuß kann den Tod nad) beftigen und fchmerzbaften 
Leiden berbeifübren. Dennoch foll diefer Bilz in 
Rußland gegejien werden, nachdem durch Einweichen 
oder Kochen in Wafler und Eifig der giftige, erft in 
neuefter Zeit genauer belannt gewordene Sto 
(Mustarin, f. d.) entfernt worden ift. Benannt iſt 
der Pilz nad feiner Benupung, die Fliegen mit ihm 
zu töten. Zu diefem Zwecke gränebet man ihn in 
Stüde und weicht * in Milch oder Waſſer ein. 
Die daran ledenden liegen jterben binnen kurzem. 
An Ramtjchatla bereitet man aus ibm und aus den 
ttern der Sumpfbeidelbeere und verjchiedener 
Epilobien ein beraufchendes Getränt. 
. ri Singvögel, |. Muscica- 
idae. 
liegenfhwamm, j. Fliegenpilz. 
liegenftein, gediegen Arien (f. d.). 
liegentöter, Pilz, j. Empusa. 
liegenvogel, eine Art der Kolibris (f. d.). 
lieger (engl. Flyer), Rennpferde, die nur über 
kurze Entfernungen I ſchnell zu laufen vermögen. 
— 5. oder Schnellfahrer, im Radwettrennſport 
ein Fabrer, der Heine Entfernungen mit äußerfter 
Schnelligkeit zurüdlegt. 
liegetauben, |. Tümmlertauben. 
lieben oder flüchtig fein jagt man in ber 
da vom Wild, wenn es jchnell läuft. 
iehkraft, i. Schwungfraft. 
51 


802 


liefen, die vier: oder auch mebredigen, jelten 
runden Platten aud Marmor, Schiefer, Gement, 
gebranntem Thon, Glas oder auch Porzellan, welche 
zur Belleivung der Fußböden (j. d.) und Wände 
dienen, insbeſondere aber die mit Glaſur und far: 
biger Verzierung bevedten Platten aus gebranntem 
Thon (f. — zu dem gleichen Zwede. Teils 
— die Platten, mit Ornamenten oder figurlichen 
arftellungen verfeben, Anwendung,teils wurden fie 
in ihren natürlichen Farben zu Mujtern zufammen: 
eftellt. Dieje Delorationsart ift jebr alt, ſie beſtand 
I chon bei den Aſſyriern (f. die Tafeln: Babylo: 
niſch-Aſſyriſche Kunſt, Fia.3u.6 [Bd. 1] und 
Polychrome Ornamente I, Fig. 3 [Bp. 17]). 
In der jpätröm. Kaiſerzeit fam die Sitte auf, Mars 
morplatten für Wände und Fußböden zu verwen- 
den, und erbielt ſich das ganze Mittelalter hindurch. 
Berühmt find die — — im Bap⸗ 
tiſterium von San Giovanni in Florenz, im Dom 
zu Monreale auf Sicilien und beſonders im Dom 
* Siena. Beſonders bedienten ſich ihrer die Ara— 
er in den eroberten Ländern; ſchon im 10. und 





11. Jahrh. dienten die F. (in Spanien 
Azulejos, ſ. d.) zum Schmud ihrer 
Paläfte und Moicheen. In der Alham— 
bra (}. Tafel: Kunſt des Aslam I, 
Fig. 5), ebenfo im Orient, in Nrabien, 
Sndien und Berjien find fie noch in 
arober Anzabl ald Wanpverlleivung er: 
balten, mit unveränderlihen ſchönen 
Farben, vielfab ornamentiert, mit Hell: 
und Dunfelblau, auf weihem Grunde, 
mit metalliib glänsendem Braun, mit 
Grün, jeltener mit Rot. Won den Ara: 
bern übernabmen im 16. Nabrb. die 
Ktaliener und im 17. Jabrb. die Hol: 
änder diefe Dekorationsweiſe, die mit ſolchen F. 
aus Majolika oder aus Delfter Fayencen (f.d.) Wände 
und Fußboden ſowohl in den Wohngemächern mie 
bejonders in den Wirtſchaftsräumen belenten. Segen 
Ende des 18. Jabrb. verſchwand diefe Dekoration, 
um erſt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. wieder 
aufzuleben. England ging voran; eine Reibe von 
Fabrilen (befonders zu Stole upon Trent) ſchufen 
bunte glafterte F., ſowobl mit figürlicher Scenerie 
als auch mit ftilvollen Vflanzenornamenten, für 
Kamine, Fußböden, insbeſondere für die Wände 
der Wirticbaftsräume. Dem Beijpiel ift man in 


= mus am Niederrbein, aus 





| Anjchmwellen g 








liefen — Fligely 


— 2* land (Villeroy & *3 Mettlach, Knoll 

bad u. a.), in grobe iter Weife aber in 
—— (Maw and Co. zu B * in et Ir 
ſ. nachſtehende Figuren) ge an f = 
große wirtichaft —* und ie Ba 


mälde aus den F. aufammen. — Bal. Ame, Lack 
er &maill&s du moyen äge et elarrenaissance 
(Bar. 1859); Meurer, Ital. Majolitafliefen aus dem 
Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. ee 
1880); Brenci und Leffi Maioli vg 

Siena 1500—50 (ebp. 1884 BB): Jacobsthal, * 


Flieſenornamente (ebd. 1886); —— 
derländ. Flieſenornamente (ebd. 1888). — 
Berniteininduftrie, |. d. 

lieh, |. Schwimmſand. 

ließen feiter Bergen. BD. 17. 
liehgrenze, |. Feſtigleit. 
lie ier oder Salavavier ungeleimtes, 
wenig geprebtes Papier (f. d., Beilage), das tolge 
feines lodern Gefüges Flüffigkeiten — au — 

Flieſteden, eter, Blut tzeuge des Pr 

ieſteden im — 


—— 4 
nt —— — 
um. x 


RE na 


See) 


* 


J lam im Dez. 1527 nad Köln, 
ftörte durb Widerſpruch im 
Dom die Mefle und wurde am 
23. Sept. 1529 mit Hlarenbad 
| (1. d.) alö Ketzet verbrannt, 


PN  SFliete, ein früber jehr 
>| fia gebrauchtes —— 
Inſtrument zum 3 des 


Inerla rn jerben und Kin; 
bern. . tft eine Art Lan⸗ 
ette, beim ber der —— 

eil rechtwinlli — 
tlinge — iſt. Der ſchnei 
dende Teil wird auf die zum 
Aderlaß gewählte und durch 

ebrachte Ader (Vene) — ebt und 

vermitteljt A ie Schla —* 
einem „beiondern Holziclägel in in Siele ingeiie 
ben. Da bei ungeicidter —— verhhabe 
außer der Drofjelvene noch die in der Nähe 
| liche Drofjelarterie (Carotis) verlegt und 
folge von Derblutung der Tod —— — 
tann, jo iſt Laien der Gebrauch der J. zu widerraten. 

Fligely, Rap, ſ. Franz-Joſeph-Land. 

Fligely, Auguſt von, öfterr. 
nant, geb. 1811 zu Janow in 


—— 


Flimmerbewegung — Flinck 


— 72 Direltor des Militär re en —5—— 
in Wien und ſtarb 12. April 1879 daſelbſt. Obſchon 
1872 in den Nubeftand getreten, war er noch bis 
1875 Bräfident deröfterr. Gradmeſſungskommiſſion. 
5. bat fi um die Triangulation, Landesaufnahme 
und Kartographie Ofterreih8 große Verdienſte er: 
worben; feiner reformatorijhen Thätigfeit verbanft 
das von ihm geleitete Militärgeograpbifche Inftitut 
feinen Weltruf. Auf F.s Veranlafjung wurde die 
zu bei der Heritellung der neuen Special: 
arten Öfterreichs aur Anwendung gebradt. 
Flimmerbewegung. Schon im frübeiten Be 
ginn mifroftopiiher Beobahtungen hatte man be 
merkt, daß gewiſſe Infuforien, Rävdertiere u. f. m. 
im Waſſer Kine ende Koͤrperchen oder jelbjt Tier: 
hen anzogen und abjtießen, jo daß ſich dieſe wie in 
einem Strudel bewegten. Man ſprach fogar von 
der Zauberfraft der Snftiorien, bis man bei ſchär⸗ 
ferer Beobachtung mit ſtärkern — — er⸗ 
fannte, daß dieſe Erſcheinungen von höchſt feinen 
Härchen oder Wimpern berrübrten, welche fi in 
fhmwingender Bewe uma befanden. Später unter: 
warfen namentlich sim ne und Balentin dieje Ber: 
bältnifje einer genauern Unterfuhung und erlanns 
ten, ——— F oder Wimperbewegung faſt im 
ganzen — mit Ausnahme der Öliederfüßer, 
verbreitet ſei. Seit diejer Zeit wurden die Beobach⸗ 
tungen vielfach erweitert und jeßt ift etwa Folgendes 
eitgeftellt: die Wimpern, welche die 5. erzeugen, 
ind jehr feine, milroſtopiſche, durchſichtige, — 
aarformige und bewegliche Fäden, ſtehen meiſt 
reihenweiſe und bei mehrzelligen Tieren ſtets auf 
beſondern Zellen, ſog. Wimperzellen, die von 
ehr verſchiedener — meiſt mehr oder minder 
eilförmig oder kegelſörmig find und faſt immer 
einen deutlichen Kern baben. Die Zellen können 
vereinzelt jtehen oder eine flähenförmige Ausbreis 
tung diem; oft ſteht auf jeder Zelle nur eine ein 
sige Wimper, die zuweilen jehr groß iſt und dann 
meift Gei el genannt wird; meiſt aber fteben auf 
derjelben Zelle zahlreiche, böchit feine Wimpern. 
Bei mebrzelligen Tieren finden fich die Wimper: 
zellen ſtets auf der Oberflähe von Häuten und dem: 
nad) ein Epitbelium (mern 0) bildend in 
ſehr verſchiedener Ausbreitung. Bald find fie ſowohl 
auf der ganzen äußern Körperfläche verbreitet (Tur: 
bellarien over Strudelmürmer, die Larven der meiſten 
niedern Seetiere), bald nur auf einzelnen Stellen der⸗ 
ſelben (z. B. Rädertiere), und die Infuſorien werden 
nach derStellungderWimpern ſyſtematiſch eingeteilt; 
äufig flimmern alle innern und äußern Hautaus— 
— oder Auslleidungen von Höhlen, bald nur 
ſehr beſchränkte Ge enden, wie z B. beidem Menichen 
beſonders die Role, die Luftröhre mit ihren Ver— 
jweigungen, die Gebärmutterjchleimbaut, die Sa: 
menleiter und die Eileiter; am allgemeinjten erhält 
ih die F. auf den Atemorganen; zuweilen findet 
fie fih in ganz geihlofienen Räumen (Obrfad der 
Schneden). Ste lann vom Willen durchaus unab: 
bängig fein und dann auch nach dem Tode des Tiers 
oder in abgelöften Zellen bis zur Zerfeßung der 
Zellen fortvauern, oder dem Willen unterworfen fein 
und dann weſentlich zur Fortbewegung, zur Atmung 
ober jum Herbeifchaffen der —— dienen. Die 
unwillkürlich bewegten Wimpern ſchlagen ſtets in 
derſelden Richtung und erzeugen ſo einen Strom, der 
kleine Gegenſtände, Schleim u. ſ. w. fortbewegt; die 
willlürlich bewegten ſind häufig in der Richtung 
ibrer Bewegung durchaus unbeſchränkt. Bei vielen 


803 


Tieren find fie die einzigen Bewegungsorgane (ns 
fuforien, Rädertiere, Strudelmürmer, Larven zahl: 
reicher nieberer, nicht zum Stamme der Gliederfüher 
geböriger Waflertiere u. f.w.), bei andern dient der 
von ihnen erzeugte Strom zur Herbei Hafune der 
Nahrung, des Atemmaflerd, zur Wegſchaffung der 
Ausſcheidungen ——— Moostierchen u. ſ. w.). 
Die Wimpern ſelbſt ſtellen Fortſetungen des Bellen: 
inhalts, des Protoplasmas, über die Bellenwand 
hinaus vor, und ihre Bewegung ift diefelbe wie die: 
jenige des Zelleninhalts. Gemifle Einwirkungen 
Wärme, Sauerftoff, elektriſche Reize, verbünnte 

falien u. ſ. w.) bejchleunigen die Bewegung; un: 
atembare Gaje, Säuren, Kälte verlangjamen fie. 

Wie bei den Tieren findet fi auch die F. bei nie: 
dern Bilanzen, bejonderd den Fortpflanzungs: 
zellen (Sporen) der Algen und Pilze, die man dann 

bwärmiporen (Zooſporen) genannt bat. 
Auch hier findet fi bald nur eine, bald zwei Geiß el⸗ 
wimpern, bald ein förmlicher Wimperüberzug, und 
mittelö diejes bewegen ſich diefe Sporen eine Zeit 

indurch im Wafler. — Vgl. Engelmann, fiber die 

. (293. 1868. 

limmerepithel, ſ. Flimmerbewegung. 
limmerglas, ſ. Glas IV. 
limmerlarve, die aus dem Ei eben hervor: 
egangenen einfadhen fugelförmigen oder ovalen, 
Bau etwas abgeplatteten Larven vieler niederer 
Seetiere, jo genannt wegen des Flimmerkleides, mit 
dem fie bevedt find und das ihre Bewegung und 
Atmung, vielleicht auch ihr Taftvermögen vermittelt, 

Flimmerftotöm, eigentümlihe Sebftörung, ſ. 
Hemianopie, 

Flimd, roman, Flem, Dorf und Kurort im 
Kreis Trins, Bezirk Im Boden des ſchweiz. Kan: 
tons Graubünden, 19 km meitlih von Ebur, in 
1102 m Höbe, auf der linten Seite des Vorderrhein⸗ 
tbala am Flembach und am Fuße des Flimier 
Steins (Crap da Flem 2696 m), da wo der Pfad 
über den Segnespaß (2625 m) nah Elm (f.d.) von 
der Straße des Rheinthals abzweigt, hat (1900) 791 
meift roman, E. darunter 69 Katholilen, Poſt, Tele: 

raph, 2 Kirchen und mebrere alte Herrenhäujer der 
Familie Capaul. Die Kuranftalt Waldhaus (1877 
gegrünneh) 1 km ſüdlich vom Dorfe bei dem Weiler 
Malphäufer, auf einer ausfihtsreihen Hügeltuppe 
am Saum des großen Flimſer Waldes gelegen, um- 
Ken ein elegantes Kurhaus, ein Poſthaus an der 

oititraße, mebrere Landhäuſer, eine Milchballe 
und eine ſchwimmende Babeanitalt in dem naben 
Gaumajee (8,3 ha). Das milde Klima und die 
jchöne Lage mit romantifchen Seen, ausgedebnten 
Särhen: und Tannenwäldern, Felspartien und 
ftilen Waldwieſen haben das Waldhaus F. zu 
einem beliebten Luftkurort gemadıt. 

Flinck, Govaert, niederländ. Maler, geb.25. Yan. 
1615 in Cleve, gelt. 2. Febr. 1660 in Amſterdam, 
war bier Schüler Rembrandts und malte Porträte, 
fog. Negentenftüde, dann religiöje Bilder und 
Genrebilder. Seine realiftiibe Auffaſſung und 
lebenswahre Eharalteriftit ſowie feine Wertigkeit 
im Hellduntel reicht häufig an die Hembranbtichen 
Schöpfungen heran. In der Galerie zu Amſterdam 
fiebt man ala hervorragendſte Werte fin Schutters⸗ 
vreugdefeeſt (Amſterdamer Schüßen feiern den Ab: 
fhlup des Meftfälifchen Friedens 1648) und die 
Korporalihaft des Hauptmanns Bas von 1642, 
ſowie im königl. Palais die große Daritellung des 
Gurius Dentatus als Landbauer beim Rubengericht. 

51* 


804 


Bibliſche Sr behandeln Bilder in Amfterdam 
(Siaat jegnet Jakob), Berlin, Dresven (David dem 
Urias den Brief überreichend), Münden und Paris. 
Linder, joviel wie Slitter (j. d.). 
linderhaube oder Flitterhaube, mit Gold— 
blättchen (lindern oder Sittern) bebängte Staat» 
baube der Frauen im Mittelalter. 
linders, Fluß im nördl. Teile der brit.auftral. 
Kolonie Queensland, entipringt etwa unter 21° 
ſüdl. Br., fließt zuerft nah W., dann nad N. und 
mündet in den inneriten Wintel des Garpentaria: 
golfe. Links nimmt er im untern Lauf den Gilliat 
mit Cloncurry, recht den Grateful Ereef auf. 
Flinderd, Mattbew, engl. Reifender, geb. 
16. Mär; 1774 zu Donington (Lincolnshire), bes 
gleitete 1795 den Wundarzt Bat auf feiner Fahrt 
an der Süudoſtküſte Australiens in einem Meinen 
Kabne, nahm 1798 die Inſeln am Dfteingange der 
Baßſtraße auf und machte mit Baß die Fahrt durch 
dieje und rings um Tasmanien. Auf einer neuen 
Entdedungsreife 1801, begleitet von Robert Brown, 
befuhr er die Südküfte Auftraliens bis Kap Leeu: 
win; 1802 erforichte er bie Dftküfte von Port Ste: 
pben3 bis Rap Valmerfton und das große Bar: 
riereriff und entdedte in der Torresſtraße die ein: 
jige ſichere Durchfahrt im N. der Prinz-Wales-In— 
jel;ser nahm auch die Küjften des Carpentariagolfs 
auf. Auf der Nüdlehr nah Europa litt er Schiff: 
bruch, wurde aber gerettet und gelangte nah Maus 
ritius, wo ihn die ——— ſechs Jahre gefangen 
hielten. Er jtarb 19. Juli 1814 in London. F. er: 
fannte zuerſt den Einfluß des Schiffseiſens auf die 
Nihtung der Kompaßrofe und bracdte zur Aus: 
gleihung desjelben den noch jezt Flindersſtange 
genannten fenfrechten Magnet unter dem Kompaäß 
an. Seine Seefarten Aujtraliens find die beiten ar: 
ten jener Zeit. Er hat den Namen «Australia» juerft 
in die Geograpbie eingeführt. F. ichrieb «Voyage 
to Terra Australia» (2 Bde. und Atlas, Lond, 1814). 
finderögebirge (Flinders Range), |. 
Auftralien. (fi. d.). 
Flindersinſel, die größte der Furneaux-⸗Inſeln 
lindersd-Betrie, William Matthew, * etrie. 
linderöftange, & Flinders, Matthew. 
lindt, Baul, auch Flint und Flynt geſchrie— 
ben, Nürnberger Goldihmieb und Kupferſtecher aus 
der 2. Hälfte des 16. Jahrh., foll die gepunzte Ma: 
nier des Kupferſtichs erfunden haben, bei welcher 
bie Linien durch eingeſchlagene Punkte erfeht wer: 
den. Er arbeitete ald Komponiſt, Zeichner und 
Stecher beſonders für die Goldfchmiedekunft; feine 
Blätter enthalten Polale, Becher, Kannen u. dal. 
1592 gab er in Wien eine Folge von 8 Blättern 
mit Bafen heraus, 1593 eine Folge von 36 Blät: 
tern mit Muſtern für Silberarbeiter, 
a Vorort von Düffelvdorf (f. d.). 
linsberg, Dorf und Badeort im Kreis Löwen: 
‘berg des preuß. Reg.Bez. Liegnik, 10 km von der 
böhm. Grenze, langgeitredt im Queisthale, in 526 m 
‚Höbe, am Fuße des Yiergebirges, gebört zur Herr: 
ſchaft Greifenjtein des Grafen von Schaffgotih, hat 
(1900) mit Iſer zufammen 1913 E., darunter 124 Ka⸗ 
tboliten, Voſt, Telegrapb, evang. Kirche, kath. Ra: 
pelle und Stablquellen, die denen von Franzensbad, 
St. Morig und Cudowa an Eifengebalt und denen 
von Pyrmont und Eliter an Koblenjäuregebalt gleich⸗ 
fommen. Der Oberbrunnen, jhon 1572 als Hei: 
liger Brunnen befannt, wird zu Bade und Trink: 
furen verwendet; die 1875 nahe bei ihm aufgededte 


Flinder — Flinſchs Schriftgießerei 


neue Quelle ift ftärker. Am Queisufer liegt die 
altaliihe Eijentrintquelle ver Nieverbrunnen (feit 
1826). Außerdem bat F. noch vier andere Quellen, 
zwei Badehäuſer (Leopolds- und Ludwigsbad), 
Stahl, Moor, Fichtenrinden-, Kiefernadelbäder, 
Kaltwaſſerkur, Kiefernadeldampf⸗Inhalationen, Ans 
ftalten zum Gebrauch von Mafjage:, Elektrici⸗ 
tãts⸗, Milb:, Kepbir: und Moltenturen und ift au 
als klimatiſcher Kurort (1900: 8317 Kur:, 4044 Er: 
—— te) beliebt. — Bol. Adam, F.s Spät: 
ommer und Herbft (1890); derj., Bad F. (Görlig 
1891); Neugebauer, Führer ins Iſergebirge mit 
befonderer Berüdfihtigung der Kurorte F. und 
Schmwarjbad (5. Aufl., ebd. 1896). 

Flinſch, Ferd., ein um den Bapierbandel und 
die Bapierfabritation verdientes Hanplungsbaus, 
wurde 20. April1819 in Leipzig als Bapierbandlung 
gegründet von Ferdinand F. (geb. 17. Aug. 1792 
in Blantenberg a. d. ©., geit. 11. Nov. 1849) und 
deſſen Bruder Heinrich F. (geb. 21. März 1802) 
und bob ſich bald zu dem erjten großen Bapierlager 
Deutichlands. Später trat auch der dritte Bruder 
Karl Auguft 5. (geb. 28. Aug. 1799) ein, und 
1. Nov. 1827 wurde unter Heinr. F. ein zweites großes 
Etabliffement in Offenbach eröffnet, das jpäter nad 

rankfurt a. M. verlegt wurde. Bald wirkte das 
aus auch auf die Bapierfabrifation ein durch Her: 
jtellung eines fejten, weißen Mafchinenpapiers in 
der von ihm erworbenen und nad engl. Muſter ver: 
bejlerten Fabrik von —— in Penig und in der 
1841 errichteten Papierfabrik in Blankenberg. 
Ferdinands Brüder, Söhne und Neffen jekten 
ein Werk mit Erfolg fort. Es kam dazu die Bapier: 
abrit in Cospuden, 1879 die Papierfabrik in 
eejenftein. 1863 wurde ein Zweiggeſchäft in 
Berlin errichtet und 1887 ein foldes in Hamburg, 
das fih nur mit Erport befaßt. 1899 wurden die 
Geſchäfte in Leipzig und Berlin (die Peniger Fa 
brit ging 1872 an eine Altiengeſellſchaft über, vie 
Blankenberger 1894 an Wiede, die Cospudener 
1899 an Heinrich F. jun.) als gr gern 
in eine Gefellihaft mit beichränfter Haftung unter 
Beibehaltung der alten Firma umgewandelt. m 
Auffihtsrat der Gefellfehaft verblieben Heinrib 
J sen. in Leipzjig und Alerander F. sen. in 
erlin. Lektere beiden find auch Inbaber der Wee—⸗ 
fenfteiner Bapierfabril und ebenfo des Hamburger 
Erportgejhbäfts, bei dem der Leiter desielben, Yo: 
bannes $., Teilhaber ift. Das Frankfurter Haus 
ging auf den jüngjten Bruder Ferdinand F.s, Hein: 
rich F. über und ift feit deſſen Tode (20. Jan. 1865) 
im Beſitz feines jüngern Sohnes Wilbelm F.; 
1858-65 war damit Flinſchs Schriftgießerei (f. d.) 
in Frankfurt a. M. verbunden. 1901 wurde eine 
— in Stuttgart errichtet. Bal. Suüs, Das 
andlungsbaus Ferdinand F. (Frankf. a. M. 1869). 

Flinſchs Schriftgieherei in Frankfurt a. M. 
wurde 1828 von Friedrich Dresler und Roſt⸗ 
Fingerlin mit den Reiten der Schleußnerſchen 
Schriitgießerei begründet. 1841 marb Dresler 
alleiniger Befiger (Firma: «Dreslerſche —— 
Er nahm 1840 zuerſt in Deutſchland das Pariſer 
Syſtem zur Berehnung der Schriftgrade an, ſchnitt 
vorzüglice got. Schriften und verbeflerte die Gieb⸗ 
maſchine. Sein Teilhaber feit 1848 und Nachfolger 
feit 1853 war Karl Mever, unterjtüßt von Ser: 
dinand Michael als Gejhäftsführer. 1858 gin 
die Gießerei an das Haus Flinich (f. Fine Ferd. 
über, und ſeit 1865 iſt Beſiher Heinr 6 Rarl 


Flint — Flitter 


erdinand Flinſch, der ältere Schn von Heinr. 
linſch. Die Gieferei umfaßt 85 Gießmaſchinen 
{darunter 15 Komplettmaſchinen), über 100000 
Stahljtempel, über 200 000 —— (darunter 
viele aus Stahl und Neufilber), galvanoplaftiiche 
re = mit 2 Donamomajcinen, eigene Tiſchlerei 
ur Anfertigungder Einrichtung von Buchdrudereien, 
—— aller Holzgeräte, Septäften, Regale, eigenes 
Schmelzwerk zur Läuterung und Legierung der zu 
verarbeitenden Metalle und beſchäftigt 210 Berjos 
nen. Das Haus bat eine Zweigniederlaffung in 
Petersburg und zahlreiche Agenturen. 
Flint, [nie wie Feuerſtein (j. d.). 
lint, Inſel, ſ. — 
liut. 1) F. oder Flintſhire, die kleinſte und 
nordoſtlichſte * t des engl. Fürſtentums 
Wales, aus zwei durch Denbighſhire getrennten Tei⸗ 
len beſtehend (ſ. Karte: England und Wales), 
bat 654,79 qkm und (1901) 81725 E. (gegen 17277 
im %. 1891). %., der am wenigiten gebirgige Teil 
von Wales, zeigt einen anmutigen Wecfel von 
Hügeln und Thälern. Die wichtigften Flüffe find 
der ſchiffbare Dee mit dem Alyn und der Clwyd. 
Den Hauptreictum bilden Mineralien. Das Stein: 
toblenfeld längs des Dee bat O,s bis 4, m Mäd: 
tigleit. Ferner baut man bei Holywell auf Kohlen, 
Kupfer, Bitriol und, befonders bei Llan-y:Bander, 
auf Blei; auch findet fih Galmei und die befte 
Art von Zinkblende. Außerdem treibt man Baum: 
wollipinnerei, Töpferei und Seefalzbereitung. Die 
Hauptitadt ift jept Mold (f. d.). Wichtig find auch 
St. Ajapb und Rhyl (1. d.). F. hat einen Abgeord: 
neten im Barlament. Sein Gra —2 — zählt 56 
Mitglieder. — 2) Stadt in der Grafſchaft F., Bar: 
famentöborougb und früber Hauptitadt, 10km nörd⸗ 
ih von Mold, am Dee, bat (1901) 4624 E., Stadt: 
Gr einen Heinen Hafen und große chem. Fabriken. 
In der Näbe Koblengruben und Bleiſchmelzen. 
Flint, Hauptitabt des County Genefee im nord: 
ameril, Staate Michigan, im NW, von Detroit 
am Flint⸗ River und an zwei Bahnen, bat (1900) 
131083 €,, Wagenbau und Getreidebandel, 
lint, Baul, Goldſchmied, ſ. Flindt, 
linte (franz. fusil, d. i. Wehſtahl; ital, fucile, 
Fre ae anz. Batterieichloß (Stein: 
ſchloß) verjehene Gewehr, wie es in der zweiten 
Hälfte des 17. Jahrh. zuerjt in Frankreich gebraucht 
wurde und rajch weitere Verbreitung fand. Der 
deutihe Name rührt von Flint (niederländ. vlint, 
d. i. Feuerſtein, f. d.) ber. Die dur Reibung des 
Stahls der Batterie des Pfanndedels am Flinten: 
ftein entjtehbenden Funken entzündeten die Ladung. 
ya gewöhnlichen Leben bezeichnet man mit F. die 
andfeuerwafien (f. 2) mit langem Pauf, befonders 
aber das glatte Gewe 
nen (f. Japbgemehre). 
—— as, ein weſentlich aus Kieſelerde, Kali und 
Bleioryd beſtehendes optiſches Glas von ſtarlem Bre⸗ 
chungs⸗ und Lichtzerſtreuungsvermogen. Während 
die erſten beiden Stoffe ſich leicht, wenn ſie durch 
grobe Hibe in Fluß gebracht werben, fo vereinigen 
allen, daß fie eine durchaus gleichförmige Mafje 
bilden, verurjacht das Bleifilifat (Bleiglas) dur 
Vi großes fpecififches Gewiht Schwierigfeiten, wes⸗ 
alb es jebr ſchwer hält, völlig wellenfreie Stüde 
& erhalten. Das $. ift für die praftifhe Optik 


r im Gegenfab zum gejoge 


ochjt wichtig, da nur aus F. und einem gewöhn- 
ichen, nicht bleibaltigen Glaje (mie Crownglass, 
f. d.) zufammengejebte Linſen achromatiſch (j. d.) 


805 


find. Früher konnte man brauchbares F. in größern 
Stüden nur in England verfertigen, bis Fraunbofer 
in Münden no viel größere von ganz bejonderer 
Güte machte. Allein er nahm fein Geheimnis mit 
ins Grab. Später wurde es in fehlerfreien Stüden 
ergeftellt von Dierz in Münden, Daguet in Frei⸗ 
urg in der Schweiz, Guinand in Baris und Ehance 
in Birmingham. (6. auch Glas für wiſſenſchaft⸗ 
liche Zmwede, 1. 
l —* omerat, ſ. Puddingſtone. 
intpapier, ſoviel wie Feuerſteinpapier. 
lintrännan, Teil des Sreſundes, ſ. Drogden. 
lint⸗River (fpr. riww'r; indianiſch Throna⸗ 
—— uß, entſpringt im Staate Georgia etwa 
16 km ſudlich von Atlanta, fließt in gewundenem 
Laufe über Albany, wohin Dampfer gelangen, ver: 
einigt fi mit dem ——— d.), um mit 
diefem den Apaladicola (f. d.) zu bilden. — F. ift 
aud der Name eines Quellfluffes des Saginam im 
Staate Michigan. 
lintſhire (fpr. Se ſ. Flint. 
lintfhirefteine, ſ. Dinasziegel. 
linz, feintörniger Spateifenitein. 
linzer, —— geb.4. April 1832 
u eihenbad im Vogtland, bejuchte ſeit 1849 die 
fademie der bildenden Künſte in Dresden und trat 
1853 in das Atelier Schnorrs von Garoläfeld ein, 
Von 1859 bis 1872 Beichenlehrer in Chemnitz, 
fiedelte er 1873 nad Leipzig über, wo er gegen: 
märtig ſtädtiſcher Zeicheninfpeltor und Oberlebrer 
am NRealaymnafium ift. %. bat eine große Anzahl 
Kinderbücher geichaffen («Heinede Fuchsy, «Lachende 
Kinder», «Jugendbrunnen», «Der Ti wwel⸗ 
peter», «König Nobel» u. a.), in deren Illuſtratio⸗ 
nen er die Tiere perfonifiziert und mit menſchlichen 
————— ten ausſtattet; der zugehörige 
(gereimte) Tert iſt zum Teil von Jul. Lohmeyer. 

euerdings veröffentlichte er «PBflangenblätter im 
Dienfte ver bildenden Kunſte und des Kunſtgewerbes⸗ 
(2p3. 1899). Seine Methodil legte F. nieder in dem 
aLehrbuch des Zeichenunterrichtö an deutſchen Schu⸗ 
len» (6. Aufl., Bielef. 1903). — Val. Frieſe, Fedor 
3. (Hannov. 1890). —— Zuder. 

lip (enal.), Getränk aus Bier, Branntwein 

firt (engl., ſpr. flöret), flirten, liebeln, den 
Hof machen, den angenehmen Schwerenöter ſpielen; 
Slirtation (fpr. flörrtehſch'n), Liebelei u. |. w. 

Flitſch, ital. Plezzo; jlowen. Bovec, Marft in 
der diterr. Bezirkshauptmannſchaft Tolmein, in der 
Grafibaft Görz und Grabisca, im obern Gebiete 
des Iſonzo, in 458 m Höhe, am füdl. Ausgang des 
Predilpaſſes und unmittelbar unter der als Slit: 
ſcher Klauſe (532 m) befannten — durch 
welche die Koritnica zum Iſonzo fließt, Sitz eines 
Bezirksgerichts ne. qkm, 5586 flowen. €.), hat 
A) ala Gemeinde 2073 flomwen. E. Spigenklöppel: 
chule und Haufierbandel. 

Flitter, zur Verzierung dienende glänzende 
Metallftüdhen von verſchiedener Form. Dan uns 
terſcheidet Folierflitter und Drahtflitter. Die Fo— 
u pe find Plättchen von echter oder unech⸗ 
ter Gold: und Silberfolie, oder auch Zinnfolie, die 
mittel3 entſprechender —— en in einer als 
Unterlage dienenden Bleiplatte hergeſtellt werden; 
man erhält fo Plättchen von runder, fternförmiger, 
rofenförmiger, blumenblattähnliher und anderer 
GBeftalt. Die Drabtflitter find flach geichlagene 
Drabtringelhen von echtem oder unechtem Gold: 
und Silbervrabt. Man läßt jie entweder glatt, 


806 


oder ſchlägt fie no mittels eines ftählernen 
Stempels, durch welchen fie eine ſchalenartig ver: 
tiefte Geftalt (Hoblflitter) oder verzierenbe 
Linien, Strihe, Punkte u. |. w. (Rrausflitter) 
erhalten. (S. Leonie Waren.) Die F. werden im 
Handel nach ihrer Größe mit Nummern bezeichnet. 
Die größten, von 8 bis 12 mm Durchmeſſer und mit 
fehr großem Loc, werden Ringel (Goldringel, 
Silberringel) genannt. ‚ j 

Flitterglang, Flitterſchein, zen 

mer, ſchimmernder, een lanz. 
littergold, ſoviel wie Rauſchgold, |. Blech. 
littergras (Zittergras), |. Briza und 

Zafel: Gramineen I, Fig. 2. 
litterhaube, ſ. Flinderhaube. Sand. 
litterſaud, mit Glimmerteilchen vermiſchter 

Flitterwochen, auch Zärtelwochen, Honig— 
wochen, die erite Zeit im Cheftande; nad 3. Grimm 
abzuleiten von den Flittern der Brauthaube (ſ. Flin⸗ 
verhaube), wahrſcheinlicher aber vom mittelhochdeut⸗ 
ſchen gevlitter, d. i. heimliches Lachen. 

F id Finn eer, N Flueſſen⸗Meer. 

FIX., binter lat. Pflanzennamen Abkurzung für 
H. G. Floerke, geb. 24. Dez. 1764 zu Alten⸗Kal⸗ 
den in gig ra gang geit. 6. Nov. 1853 
ala Profefjor der Botanik in Roftod. Er jchrieb 
bejonvers über Flechten. , 

lobertgewehr, Slobertpiftole, Flobert— 
falongewebhr, Floberttejhing, nad Flobert, 
dem Erfinder der Cinheitöpatrone (1845/46), be 
nannte Handfeuerwaften, bei denen die treibende 
Kraft aus einer im Boden der Patrone eingelager: 
ten Zundmaſſe befteht. Der Hahn bildet den Ber: 
ihluß, durch ven Hahnſchlag wird der Batronenrand 
gequeticht und der Zünditoff entzündet. Das Ge: 
ſchoß beſteht aus einem ftarten Schrotforn oder 
einem Heinen Langgeſchoß und vermag nur auf 
nahe Entfernung einen Heinen Vogel u. ſ. w. zu 
töten. Derartige Waffen find für militär. Zwecke 
und für die gap ohne‘ tung, fie dienen haupt: 
ſächlich ala pielgeug für die Jugend und bisweilen 
zu Übung®: und Ausbildungszmweden. 

Floooilegium, j. Flodenleſen. 

Wlocconne (franz. floconne), ſ. Mozambique 
(Doppelitoff) und Tuchfabrilation. 

Löcher, die Schalllüder in der Dede des 
alltaftens der Geigeninftrumente zu beiden Sei: 
ten des Steges. Sie haben die Form zweier einan: 
ber een F. Dieſe Form ift erſt durch die 
Violine aufgelommen. Die ältern Violaarten, z. B. 
Gamben, hatten Schalllöcher in der Form eines C. 
Die Querftrihe der f deuten die Lage des Steges 
— Pr durch Schalllocher in der C- Form nicht 
geſchah. 

locke, ſ. Abzeichen der Haustiere. 

lockenblume, Pflanzengattung, ſ. Centaurea. 

fodenlefen,Karpbologie,Rrolypismus 
(Floccilegium), Symptom eines franthaften Gebirn- 
zuftandes, welder bejonders das ftille, jog. muſſitie⸗ 
rende Delirium (ſ. d.) begleitet und darin beitebt, 
daß die Kranken mit den Händen in die Luft oder 
auf die Bettbede greifen, als wollten fie Floden oder 
Heine leichte Gegenftänbe erfaflen. Das F. kommt 
beſonders bei ſchweren Fieberdelirien im fog. ty: 
phöſen Zuftand vor, indes auch bei Hirmbaut: 
entzündbung u. dgl. m.; es liegen meift Sinnes— 
tauſchungen zu Grunde, infofern die Kranlen wirt: 
lich Flocken u. dgl. vor ſich in der Luft berumflies 
gen zu jeben glauben, 


Flitterglanz — Flöhau 


Bene, j. Seide. 

lodden, Hügel und Dorf in der engl. Graf: 

ſchaft Northumberland, 8 km im SD. von Gold- 

tream, an der Grenze von Schottland. In der 
be wurden 9. Sept. 1513 die Schotten durch die 

Engländer unter Graf Surrey befiegt; Jalob IV. 

fiel, mit ihm 10000 Schotten. 

FHodoard, Geſchichtſchreiber, an. 89 zu Eper⸗ 
nay, wirkte als Kanonikus und Ardivar an ber 
Hauptlirche zu Reims, geit. 966, verfaßte 936—939 
in lat. Herametern eine Geſchichte Ehrijti, der frübe: 
ie Heiligen und ber Päpfte (gebrudt bei Ma- 

illon, «Acta Sanctorum», Bd. 3), ſodann die 
« Annales», eine der e und für bie fran;. 
ital. und deutfche Geſchichte ehr wertvolle Chronik 
der %. 919—966 (in den «Monumenta 
historica», Scriptores, Bd. 3, Hannov. 1839) und 
eine «Historia ecclesiae Remensis», eine gründ: 
liche, viele urfundlihe Mitteilungen enthaltende 
Geſchichte der Reimfer Kirche bis 948 (hg. von Sir: 
mond, Bar. 1611, und in den «Monumenta», Scri 
tores, Bd. 13, Hannov. 1881). — Vgl. (Euvres de 
F., 0: von Le Jeune (3 Bde., Reims 1854—55). 
gel, Karl riebr., Litterarbiftoriler, geb. 
3. Des. 1729 zu Sauer in Schlefien, ftubierte in 
Halle Theologie, wurde 1761 Lehrer am Gymnaftum 
zu Breslau, bald darauf Proreltor und 1773 Rektor 
der Schule zu Yauer, folgte 1774 dem Rufe als 
— or der Philoſophie an die Ritteralademie zu 
iegnitz, welche Stelle er bis zu ſeinem Tode, 7. März 
1788, befleidete. Er veröffentlichte: «Geſchichte der 
komiſchen Pitteratur» (4 Bde., Liegn. 1784—87), 
«Geſchichte des Groteskkomiſchen⸗ (ebd. 1788; neue 
Bearbeitung von Ebeling, Lpz. 1867; 5. Aufl. 1888), 
—88 der Hofnarren» Liegn. 1789) und bie 
ade * — CEpz. 1794). 
oh, ſ. 
löha. 1) Amtshauptmanuſchaft in ber ge. 
Kreishauptmannfhaft Chemnitz (j. Karte: Sach ſen 
[Rönigreih] L Südlicher Teil), hat * qkm 
und (1900) 87943, (1905) 93189 E. in 4 Städten 
und 57 Landgemeinden. — 2) Dorf und Hauptort 
der Amtshauptmannfhaft F., 13 km im NO. von 
Ehemnis, in 276 m Höhe, oberhalb des Einflufjes 
der anſehnlichen, bei Nillasberg in Böhmen ent: 
tingenden %. in die Zihopau, an den Linien 
den⸗Chemnitz, Ehemnig:Annabetg und 7. 
Podau:-Lengefeld (27 km) der Sächſ. Staatsbah⸗ 
nen, Siß der Amtshauptmannſchaft und einer Be 
zirtöfteuereinnabme, hat (1900) 3210 E., darunter 
90 Katboliten, (1905) 3411 E., Poſtamt zweiter 
Klaſſe, Telegrapb, elektriiche Eentrale für Straßen: 
beleudtung; Baumwollſpinnerei, Keſſelſchmiede, 
Holzpappenfabrik, Tiſchlereien, Glaſerei, Seile 
reien, Dampfſchneidemuhle, Holzſchleiferei, vier 
Ziegeleien, Kohlenſchächte, bedeutende Lehmlager, 
zahlreiche Porphyr⸗, Thon: und Glimmerjchiefer:, 
Gneid: und Sanpfteinbrühe und Handelögärtnerei. 
zn SD. auf dem Scellenberg (515 m) Schloß 

RE (. d.). 

Flöhathalbahn, ſächſ. Staatseifenbabn von 
Chemnitz und Flöba über Marienberg nad Reigen: 
—— ak: 69,4 km, 1875 eröffnet) mit Zweig: 

n Bodau:Ölbernbau:Neubaufen (22,1 km); die 
gortiebung nah Komotau in Böhmen bildet einen 

eil der Buſchtiehrader Eiſenbahn (f. d.). 
uses czech, Bläany, Stadt in der öfterr. Ber 

Shauptmannſchaft und dem Gerichtsbezirl Poder⸗ 
ven in Böhmen, bat (1900) 1014 deutſche €. 


Flöhe — Floquet (Charles Thomas) 


föhe (Aphaniptera), eine Inſelten 

mwöhnlih als Unterordnung zu den Zweiflüg 
geftellt, von manden —— aber auch als beſon⸗ 
dere Ordnung ber Inſekten betrachtet, nur eine Fa⸗ 
milie, die ver Pulicidae, umfafjend. Kräpelin be 
wies beſonders aus dem Bau des Stechrüfleld, daß 
fie eine den übrigen Ordnungen gleichwertige bilden 
muſſen, und ſchuf für fie die Ordnung Siphonoptera, 
die Berwand ar zu der fliegen: wie zur 
MWanzenordnung, befonders zur legtern. Der Kor⸗ 
ges v ift Hein und feitlih zufammengevrüdt. 
Fühler find fehr kurz und liegen in Gruben 
binter den Heinen, runden Augen, Die Munbteile 
leihen bis auf die —— nterlippe denen der 
Biveifiügler. Die drei Bruftringe find nicht mitein- 
ander verwachſen und tragen kräftige Beine, wäh: 
rend die Flügel m. und durch plattenartige An» 
pänge der Mittel: und Hinterbrujt vertreten werben. 
Hinterleib ift im Verhältnis zu Kopf und Bruft: 
ftüd ſeht ftark entwidelt. Die ha —* ſich als 
ausgebildete Inſelten vom Blute der Säugetiere 
und Vögel, die Larven find — Wichtige 
Arten der F. ſin Hunde⸗,Sand⸗ und Menſchen⸗ 


loh (Pulex irritans L., ſ. Tafel: Inſetten II, 
i (S. die betreffenden Artilkel.) 


‚ge 


lobiäde (Floia), ſ. Maccaroniſche Boefie. 
frant, Name verſchiedener Pflanzen, ſ. Eri- 
geron, —— und Pulicaria. 

Flohkrebſe, Amphipoden (Amphipoda), 
Orbnnung der Ringellkrebſe (Arthrostraca) mit dun⸗ 
ner, lederartiger Schale, deren Kopf mit dem eriten 
—— verſchmolzen iſt und zwei Baar Fuhler, 
ein Baar zuſammengeſetzter, figender Augen und ein 

aar Rielerfüße nebſt brei Baar Kiefern trägt. Der 

Örper iſt feitlih zufammengebrüdt, von ben vielen 
Beinpaaren tragen fünf die blattartigen Riemen. 
Die F. find im * afjer wie im Meere ver: 
breitet. Zu den Süßmwaflerformen gehört der bes 
kannte, flinte, in unjern Bächen unter Steinen oft 
u Tauſenden lebende gemeine Flohkrebs oder 

achflohlrebs (Gammarus pulex L., ſ. Tafel: 
Kruftentierel,Fig.1)undderblindelohtreb3 
(Gammarus puteanus Koch), welder in Brunnen 
und Höhlen wie in der Tiefe des Genfer Sees vor: 


tommt. Im Meere find die 3. viel geſtaltenreicher 


und durch befondere Anpaffungen oft eigentümlich 
entwidelt, wie aud bier mande Gattungen in & 
ungebeuern Scharen — daß ſie eine reiche 
Nahrungsquelle für zahlloſe Fiſche werden, während 
he andererjeitö die Kadaver großer Meerestiere, 
wie der Wale, in unglaublich kurzer Zeit vertilgen. 
Als Strandformen leben die jpringenden Sand» 
büpfer (Talitrus; Talitrus locusta Latr., ſ. Tafel: 
Kruftentiere I, fig. 16) und Küftenflöbe 
(Orchestia) zwifhen ausgemworjenen Algen; fie er: 
innern an unfere F., während die Anpafjung an 
ein pelagifhes und dabei halb parafitiihes Leben 
die Familie der Hyperiden bervorgebradht hat. 
Es find dies überaus durchſichtige Weſen mit gros 
Den Kopf und enorm entwidelten Augen, mit 
herenartigen Greiffüßen, welche teild an Quallen 
und andern —*— Seetieren angellammert 
leben, teils, wie Phronima, in den von ihnen aus⸗ 
in Feuerwalzen ige aufen, bie 
e, Heinen gläfernen Fäßchen vergleihbar, durch 

die Ruderſchläge ihres Hinterleibes im Waſſer 
iben und in denen fie auch ihre zahlreiche 

pen erging b bergen. An ein Kletterleben auf 
Algen find die phantaftiihen Keblfüßer (Laemo- 


lern — eine vortreffl 


807 


) angepaßt, beren durre —— G en 
ſcahende Apnliteit 
mit ihrer Umgebung darbieten. Zu ihnen gehoͤrt 
die Gattung der erg ren er (Caprella mit Ca- 
rella linearis, ſ. Tafel: Kruftentiere I, Fig. 5). 
* Gegenſaßz hierzu fteben die 2 en Formen der 
attung us, welde auf alten ſchmarotzt 
—— ceti L., die zekis aus). lm bie 
enntnid der F. baben beſonders Kroyer, 
Spence Bate und La Valette verdient gemacht. In 
neuerer Zeit wurde von der Challenger⸗ Erpedition 
eine ganz burchfichtige riefige —— 
mit ungeheuern Augen und von 10cm Länge gefiſcht. 
ohmitte, f. Geheimmittel, 
lohſamenkraut (Wegerich), f. Plantago 
en ( — un * — 
oing (ſpr. 8 im franz. Depart. 
Arbenned, 2 km nördlich von Sedan, 1 km von 
der Maas entfernt, hat a0) 1550, als Gemeinde 
2182 €. und wurde in der Schlacht von Sedan (ſ. d.) 
von Truppen des 5. und 6. deutfchen Armeelorps ge 
nommen. Am Nachmittag fand bierdergroße Durch⸗ 
bruchsverſuch franz. Kavallerie ftatt, defien Miß— 
lingen dad Schidjal der Eingeſchloſſenen befiegelte. 
an Genie! ” — x ni 
oquet pr, -Te ’ omas, anz. 
BVolititer, geb. 5. Dt. 1828 zu St. Jean de Quz 
im Depart. Bafjed: Pyrendes, ftudierte die Rechte, 
wurde 1851 Advolat und gehörte zu den —X 
republitaniſchen Gegnern des zweiten Kaiſerreichs. 
1864 organifierte er mit zwölf andern einen demo⸗ 
kratiihen Wahlausſchuß und ward deswegen in den 
fog. Prozeß der Dreizehn vermwidelt. Noch betannter 
machte ſich 5 namentlich dadurch, baß er 1867 Kaiſer 
Alerander II. von Rußland bei feinem Aufenthalt 
in Baris die Worte «Vive la Pologne, Monsieur!» 
zurief. Im Prozeß des Prinzen Slierre Bonaparte 
wegen ber Ermordung Victor Noird (März 1870) 
laidierte F. für die Familie des Toten mit großem 
Grfolg, Nach dem Sturz des Kaiſerreichs (4. Sept.) 
wurde er Adjunft des Maire von 8, Etienne 
Arago, nahm aber nad dem Aufruhr vom 81. Dit. 
feine Entlafjung. Bom Depart. Seine in die Nas 
tionalverfammlung gewählt, ftimmte er gegen bie 
iedenspräliminarien und verjuchte bei dem Auf: 
nd des 18. März 1871 den Bürgerlrieg zu ver 
indern. Angellagt, Beziehungen zur Commune in 
Paris zu unterhalten, wurde er in Diarrig verhaftet, 
bald aber wieder freigelafien. Nachdem ihn 1872 
und 1874 das 11. Arronbifjement in den Pariſer 
Gemeinderat gewählt hatte, ſandte ihn 1876 das» 
jelbe Arrondiljement in die Deputiertenlammer, 
der er ſeitdem ſtets angehörte. Hier beantragte er 
die Aufhebung des auf 42 Departements laftenden 
Belagerungdzuftandes und eine vollſtändige Am⸗ 
neftie für die Kommuniften. Auch andere rabilale 
——— in der Folgezeit von F. aus. Im 
an.1 wurde er zum Seinepräfelten ernannt, 
te aber im Dftober diefen Poften nieder. 1885 
wurde F. zum Stammerpräfidenten gewählt und 
aud in den zwei folgenden Jahren aufs neue mit 
diefer Würde befleivet. Nach er durch ein ent» 
egentommenbes gegen den ruſſ. Bot: 
Peter fein rafhes Wort von 1867 gem und fi 
damit ald Minifter möglih gemacht hatte, wurde 
er nad) dem Sturze Tirards (3. April 1838) mit der 
Bildung eines Kabinett betraut, das die Revifion 
der Berfaflung in fein Programm aufnabm. Die 
fteigende Popularität Boulangers, den F. 18. Juli 


808 


1888 in einem Duell nicht unerheblich verwundete, 
veranlaßte ihn im Oltober, jeinen Entwurf der Ber: 
iaflungsänderung in der Hammer vorzulegen; da 
dieje aber 18, Febr. 1889 einen Vertagungsantrag 
annahm, mußte F. feine Dimiffion geben. Als im 
Nov. 1889 die neu gewählte Deputiertentammer zu: 
jammentrat, wäblte ei wieder zu ihrem Praͤſi⸗ 
denten und erneuerte dieje Wahl in den folgenden 
Jahren. 1892 murde F. infofern in den Banama: 
landai mit verwickelt, als er zugeben mußte, 1889 
in feiner Eigenſchaft als Minitterpräfident die Ver: 
teilung von Geldern der Banamagefellibaft an die 
Journale «überwacht» zu haben. Anfolgedefien 
unterlag er bei der Neuwahl zur Deputiertentammer 
1893, wurde aber im Jan. 1894 in den Senat ges 
wählt. Er jtarb 18. Jan. 1896 in Paris. Die «Dis- 
cours et opinions de F.» (2 Bde. Par. 1885) gab 
A. Faivre heraus. 
foquet (fpr. -teb), Pierre Amable, franz. Ges 
(ebrter, geb. 9. Juli 1797 zu Rouen, geit. 6. Aug. 
1881 zu Formentin (Depart. Calvados), feit 1839 
forrefpondierendes Mitglied der Baie Alademie 
ver Wiſſenſchaften. Er veröffentlichte: «Histoire du 
parlement de Normandie» (7 Bde., Rouen 1840 
—43; von der Alademie mit dem großen Breife 
«Gobert» ausgezeichnet), «Diaire, ou Journal du 
voyage du chancelier Seguier en Normandie» 
>. 1842; eine Ergänzung bes vorbergenannten 
erfe3), «Etudes sur la vie de Bossuet» (3 Bbe., 
Bar. 1855; von der Alademie gefrönt), wozu «Bos- 
guet, pröcepteur du Dauphin, fils de Louis XIV» 
(ebd. 1864) die Fortſetung bildet. ‚ 
Flor oder Krepp (fra. cröpe), ein fadenfheiniges 
Seidengemwebe, bem durch belonbere Fadenbindung 
oder Appretur (Kreppen, ſ. d.) ein gleihmäßig mat: 
tes —— gegeben ift; auch ein zweifädiger baum: 
wollener feiner Zwirn (Nr. 80— 100), wie er zu 
gewirkten Handſchuhen verwendet wird; mit F. be 
zeihnet man aud die die Oberflähe der fammet: 
artigen Gewebe bildende Haardecke. (S. Sammet.) 
Über F.alsHalbfabrilatder£pinnereif.Fafergebilve. 
Flor, Georg, oldenb. Minifter, geb. 24. April 
1833 in —— ſtudierte 1853—56 in Heidel⸗ 
berg, Berlin und Göttingen die Rechte, trat dann 


in den oldenb. Staatädienft und war bier ala Ni: | 


ter und Staatsanwalt bei verfchiedenen Berichten 
tbätig, zuletzt im Appellationgjenat des ehemaligen 
oldenb. Oberappellationsgerichts. 1878 wurde F. 
zum vortragenden Rat beim Staatsminifterium 
und 1887 zum Dlinifter ber Juſtiz, der Kirchen und 
Schulen und der Militärangelegenbeiten ernannt, 
von welhem Amte er im Sept. 1900 zurüdtrat. 
Flora, in der Botanik der Inbegriff und das 
Verzeichnis der in einem Erbteile, Lande oder Ge: 
biete wild wachſenden Pflanzen. (S. aud Pflanzen: 
geograpbie.) 
lora, altital. Göttin der Blumen und Blüten 
omwie des Frühlings. Sie hatte in Rom feit alter 
eit ein Heiligtum auf dem Quirinal und einen 
eigenen —— Nach Erbauung eines Tempels 
beim Cirlus imus 238 v. Chr. wurden zu Ehren 
der Göttin 28. April zum erjtenmal Spiele (die 
Ludi Florales, Floralia genannt) veranitaltet 
und 1730. Chr. wurde befchloffen, daß fie alljährlich 
ftattfinden follten, was dann an immer mehr Tagen, 
ulegt vom 28. April bis 3. Mai geihab. Die Feit- 
ie beitand namentlich in der Auiführung von 
Mimen (f. d.), die ein ausgelaffenes und unfittliches 


Gepräge trugen, und in Eirkuäfpielen, bei welchen 


Floquet (Pierre Amable) — Florentiner 


ftatt wilder Tiere Ziegen und Hafen gehest wurden. 
— F. heißt auch der 8. Planetoid. 

lora, Kap, fübmeltl. Rap der Nortbbroot: 
Inſel des Franz-Joſeph⸗Landes (f. d.). 

Florac (fpr. -räd). 1) Arrondiffement im franz. 
Tepart. Zozere, hat 1697 qkm, (1901) 30391 €, 
52 Gemeinden und N in in die 7 Kantone Barre, 
%., Le Maffegros, Meyrueis, Le Pont:ve:Montvert, 
& e. Enimie und St. Germainsde:Galberte. — 
2) Hauptjtadt des Arrondifjements F., 40 km ſud⸗ 
öftlih von Mende, in 699 m Höhe, in dem Thale 
des zum Tarn fließenden Tarnon, bat (1901) 1653, 
als Gemeinde 1953 E., eine reform. Konſiſtorial⸗ 
fire, ein altes Templerbaus: Zwiebelzudt, Yeinens 


und Zuchweberei. 

Flora danioa, ſ. Fl. dan. 

Floralfa, $loralien, f. Flora (Göttin). 
Florband, joviel wie Gazeband, ſ. Bandfabri- 

ation. 

Florblumen oder Floriſtenblumen, Bier 
pflanzen, die aus oft geringwertigen Stammfor⸗ 
men durch fortgejeßte fünftliche Kreuzung entjtan: 
den find und Sortimente mit beitändig wachſender 
Spielartenzabl bilden. in: Azaleen, Ramelien, 
Rhobodendron, Rofen, Fuchſien, Belargonien, Ver: 
benen, Chrofantbemum, Nelten, Dablien, Glori⸗ 
nien, Primeln, Aurileln, Levlojen, Penſées, Aſtern, 
Zalſaminen, Be onien, Hyacinthen, Tulpen, Glas 
diolen u. a. m. Die Fortpflanzung kulturwurdiger 
Spielarten geſchieht bei den ausdauernden und hol» 
jigen F. immer auf ungeſchlechtlichem Wege, da 
durd eine Vermehrung aus Samen anftatt der ge: 
wünfchten ſtets neue, meift ſehr minderwertige Spiel: 
arten entiteben würden. Nur bei den einjährigen 
3. iſt man auf geſchlechtliche Vermehrung allein 
angewieſen, wodurd es allerdings felten möglich ift, 
beftimmte Spielarten weiter zu kultivieren. 

Flore, mittelalterlihe Sagengeftalt, ſ. Flore 
und Blandeflor. j 

Floreal («Blütenmonat»), im Kalender (f. d.) 
ber erjten franz. Nepublit der achte Monat, der in 
den Jahren I-VL vom 20. April bis 19, Mai, in 
den Xabren VIH—XIU vom 21. April bis 20. Mai - 
des —— Kalenders dauerte. 

Floröas! (lat.), mögeſt du blüben, möge es dir 
wobl ergeben! Flordat! er (fie, es) blübe, gebeibe! 

pdf Münze, f. Gulden. , 

forence (engl, jpr. florränb; frz., jpr. -rängß), 
cine Art Taffet (. d.). z 

Florence (ipr. florrẽnß), Hauptitadt des County 
Lauderdale im norbameril, Staate Alabama, am 
Tenneſſee, Tuscumbia gegenüber, bat (1900) 6478 
E., drei böbere Unterrihtsanitalten, Eiſen⸗ und 
Koblenwerte. Dampfboote geben bis Saint Youis 
und Cincinnati. | — ———— 

loreuce, Bort:, Ort in Engliſch⸗Oſtafrila, 
loreugebiet, Florenreich, ſ. Pflanzen: 
geographie nebit Karten. 

Florenfae (fpr. -rangfäd), Hauptort des Ran 
tond 5. im Arrondifjement Beziers des franz. 
Depart. Herault, an der Linie Bezierd- Montpellier 
der Südbahn und der Departementalbahn Meze⸗ 
Agde, bat (1901) 3466, ald Gemeinde 3677 E., 
Slhabri ation, Wein: und Branntweinhandel 

Florenfer, foviel wie Floriacenſer, ſ. Emwiges 
Evangelium. j 

(orentina, der 321. Planetoid, 
Iorentiner, Name eines großen Diamanten, 
ſ. Diamant nebit Tafel, Fig. 4. 


Florentiner Flaſche — Florenz 


Florentiuer Flaſche, Borrihtung, die bei 
der Daritellung der ätheriihen Öle benukt wird, 
um bei ver Deftillation die Öle von dem gleich- 
zeitig verbichteten Waſſer zu trennen. Sie beſteht 
aus einer Flafche (ſ. beiſtehende Abbildung), an 
die nahe über dem Boden ein 
feitlibes Rohr angefhmolzen ift; 
dies iſt jenfrecht in die Höhe ge 
führt, bis etwa zur Hälfte der 
Höhe des Halfes, und bier in einer 
Rundung abwärts gebogen. Das 
ſpecifiſch leichtere Ol ——* 
auf dem Waſſer. Füllt die Flaſche 
ſich mit dem Deitillat, jo fließt das 
Wajler vom Boden dur das Sei: 
tenrobr ab, während das Ol in 
der Flaſche verbleibt. Im Groß⸗ 
betriebe erſetzt man die Flaſchen durch gleihgeformte 
Blehlannen und läßt das Waſſer durch ein Syſtem 
von drei oder vier terrajienförmig aufgeftellten F. F. 
geben, um die mechaniſch mitgeriffenen Öltropfen 
au gewinnen. Das aus der legten 5. F. ablaufende 
Woaͤſſer ift dann noch mit Ol gefättigt und wird, um 
(egtere3 zu gewinnen, lobobiert. (©. Kohobation.) 
4 ——— ner ſtonzil, ſ. Ferrara-Florenzer 

onzil. 

Iorentiner Lad, ſ. Karminlad. 

forentiner Quartett, ſ. Beder, Jean. 

forentiner Taube, j. Hubntauben. 

lorentini, ein dem Landstneht ähnliches 
Haſardſpiel mit 52 oder 32 Karten, das bejonders 
in Neapel gefpielt wird. 

Florentind Radewind, |. Brüder deö ge 
meinfamen Lebens. j j 

Florenz. 1) Provinz im Königreih Italien 
4f. Rarte: Ober: und Mittelitalien, beim Ars 
titel Stalien), in der Landſchaft Toscana, grenzt im 
N, an die Provinzen Modena, Bologna und Ras 
venna, im D. an Forli, Peſaro und Arezjo, im ©. 
an Siena und Arezzo, im W. an Piſa und Lucca, 
bat 5867 (nad Strelbitifij 5799) qkm, (1901) 
939054 E. und zerfällt in die 4. Rreife 3. (625289 E.), 
Piftoja, Rocca San Casciano und San Niniato 
mit zufammen 76 Gemeinden. Die Provinz umfaßt 
das mittlere Gebiet ded Arno nebjt den Thälern 
feiner Nebenflüffe (Sieve, zu, DOmbrone, Peſa 
und Elſa) und wird im N. vom Apennin durchzogen, 
der im Corno alle Scale 1939, im Eupolino 1848 m 
Höhe erreicht. Beſonders im ſüdl. Teile wird Ge 
treide, Wein und Ol ſowie Seide gewonnen und 
Schafzucht betrieben. Die Provinz bat mehrere 
Mineralquellen und zablreihe gute Straßen; die 
Eifenbabnen berühren die Hauptitabt F. 

%., ital. Firenze, früber Fiorenza; lat. Flo- 
rentia, d. h. die Blumenjtadt, Hauptftabt der Pro: 









I 





— — vinz F., bis zum Jahre 1859 
L y "7 die des Großderjogtums Tos⸗ 
N al ma, von 1865 bis 1871 die 
«a N N N des Königreichs Stalien, liegt 
if SEA 48° 46' nördl, Br. und 11° 17' 


2 


dftl. 2, von Greenwich, durch⸗ 


2] \ ſchnittlich in 51,8 m Höhe, in 

8 S einem reizenden Thale zu beis 

den Seiten des Arno, der bier, 

wiſchen zwei Wehren (pescaje) 

eingedämmt und von Quais eingefaßt, 120—160 m 


breit ift und die Stabt in zwei Zeile teilt, von 
denen der größere nördlich des Arno von den Aus: 


läufern der Apenninen umgeben ift, deren höchſter 


809 


fihtbarer Gipfel, der Monte-Morello (934 m), im 
N. ſich erhebt. F. iſt neben Mailand und Zurin die 
reinlichſte Großſtadt Italiens und Sitz einer zahl« 
reichen Fremdenlolonie. Bei dem häufigen Tem⸗ 
peraturwechſel ift Brujftlranfen der längere Aufent: 
alt zu mwiderraten; doch find die Geſundheitsver⸗ 
ältnifje im ganzen günftig. Die Mitteltemperatur 
eträgt im Januar 5°, im Juli 25,1°, im 
14,6° C. Eine Hocauellenleitun verforgt die Stadt 
mit Trinlwaſſer. (Hierzu ein Stadtplan nebit 
Straßenverzeihnis und ein Situationsplan.) 

Bevölkerung. F. hat 1901: 205589, 1881: 
169901 E.; 1881 kamen auf die Innenſtadt (Fi- 
renze centrale) 134992, auf das Nordviertel 15658 
und auf das Süpdviertel 18351 E. In Garnifon lies 

en das 67. und je 2 DBataillone des 5. und 68. In⸗ 
anterieregiments, 4 Estadrons des 8, Kavalleries, 
6 Batterien des 19. Feldartilleries und Teile des 
8. Genieregiments, 

Anlage, Straßen, Brüden. Die Stadt, eine 
der (hönkten und interejjanteiten Staliens, mit dem 
Beinamen «la bella» («die Schöne»), und wegen 
ihrer hoben Bedeutung für ital. Sprace, Litteratur 
und vor allem für die bildenden Künſte das «ital. 
Athen» genannt, tft infolge des Abbruchs (feit 1859) 
der jaft 10 km langen Ringmauer (1285—1388 er» 
baut) bedeutend erweitert und verfchönert worden. 
Bon den neun Stabtthoren find zu erwähnen Borta 
alla Eroce (1330 erbaut), en San Gallo sau 


ahre 


Porta Romana (1328 von Jacopo Oxcagna erbaut), 
Porta San Frediano (1324), Borta Sarı Giorgio mit 
interejlanten Freslen und Porta San Miniato, 

Zwei Eitabellen, die Heinere, Belvedere, ſudlich 
am bödjften Buntte, die größere, Forte di San 
Giovanni Battifta oder garten da Baljo, am 
Nordende, dienen jest ald Rafernen. 

Die zum Teil jehr engen und durch die vor 
ipringenden Dächer der Häufer dunteln Straßen, 
eit 1237 mit Ziegeln, ipäter aber mit Stein: 
platten gepflajtert, jind vielfach verbreitert worden. 
Der Stadtteil im Centrum wurde feit 1889 abge: 
broden und neu —— An Stelle der fruhern 
Befehigunaen umſchließt eine breite Ringſtraße die 
nördlich des Arno gelegene Stadt, wo fi auch die 
neuen Stabtteile weftlich bis zu den Gascinen aus⸗ 
dehnen. Die Ihönften Straßen find: die Via dei 
Calzajoli im Mittelpunlte der Stadt zwiſchen dem 
Domplaß und der Bags della Signoria, der Brenn: 
punft des florentin. Lebens; die Via Tornabuoni, 
die Bia Cavour (früher Bia — die breiteſte von 
allen, mit ſchönen Paläſten; die Via Cerretani, Via 
Maggio und die ſich auf beiden Seiten des Fluſſes 
entlang ziehenden Quais, die fog. Lungarni. Die 
Saupitraen find eleftrifch beleuchtet. Auch An: 
lagen für elettriiche Beleuchtung der Häufer wurden 
feit 1898 eingerichtet. j 

Der Verlehr über den Fluß wird durch ſechs 
Brüden vermittelt. Der dreibogige Ponte Vecchio 
aus röm. Zeit, mit den Buben der Goldſchmiede, 
wurde nad) mebrfader Zeritörung 1362 von Taddeo 
Gaddi, der —— Santa Trinita (1252) nach 1567 
dur Bart. Ammanati wieder aufgebaut, ver Bonte 
alla Carraja, 1218—20 erbaut und 1333 durch ÜÜber: 
ſchwemmung zerjtört, wurde 1337 wiederhergeſtellt 
und 1559 J Befehl Coſimos J. durch Ammanati 
erneuert; der Ponte alle Grazie wird auch nach 
dem Podeſta Rubaconte genannt; ferner wurden 
in neuerer Zeit an beiden Enden der Stadt Eiſen⸗ 
drabtbrüden errichtet. 


810 


Pläge und Denkmäler. Bon den bebeuten: 
dern öffentlichen Blägen find zu nennen: die Piazza 
bella — ittelpuntt des ſtädtiſchen Lebens 
und an Kunſtwerken am reichiten, mit dem Palazzo 
Bechio und der Loggia bei Lanzi, war in ihrer ebigen 
Geftalt feit dem 14. Jahrh. Schauplag von Bolts- 
verjammlungen, Feften und Kämpfen; Savonarola 
und die beiden Dominikaner wurden 1498 hier ver: 
brannt. Hier ftand von 1504 bis 1873 das Koloſſal⸗ 
——— Davids von Michelangelo (jetzt im Kuppel⸗ 
aal der Atademie), ferner ſtehen bier: der Hercules, 
ber den Cacus erjchlägt, von Bandinelli; ein großer 
Brunnen mit Neptun und Tritonen von Ammanati 
und Bronzefiguren von Schülern des Giov. da Bo: 
logna (1575); der Marzocco, ein eberner Löwe, 
neuere Nacbildung des Driginald von Donatello 
im Nationalmufeum und das Reiterftandbild Eofi- 
mo3 I. von Giovanni da Bologna (1594). Die 
zum bella Santiffima Annunziata ift auf drei 

iten von Säulengängen umgeben und geihmüdt 
mit zwei baroden Brunnen von Pietro Tacca (1629) 
und dem Reiterftandbilde des Großherzogs Ferdi- 
nand I. von Giovanni da Bologna, 1608 aus tür, 
Beutemetallgegofjen. Auf der Piazza Santa Maria 
Novella, die zwei Marmorobelisten (1608) zieren, 
wurden am Tage vor dem de Johannes des Täus 
fers, des Schußpatrons der Stadt, nach einer Stif- 
tung (1563) Gofimos I., Wagenwettrennen von vier 
Biergeipannen in röm. Roftüm —— die Mae 
Santa Eroce mit dem Dante-Denkmal von Bazzi, 
6 m hohes Marmorſtandbild auf 7 m hohem Godel, 
1865 zum —— Jubiläum der Geburt des 
Dichters enthüllt; die Piazza Santa Trinita mit 
einer Granitjäule aus den Bädern des Garacalla 
zu Rom, 1563 hergebracht, die ein Porphyrſtandbild 
der Gerechtigkeit von Taddi (1581) trägt, der fpäter 
ein Erzmantel umgelegt wurde; an der Stelle des 
alten Marktplages die Piazza Vittorio Emanuele 
mit bem Reiterftanbbild des Königs Victor Ema: 
nuel II. (1890); die Piazza Maffimo d’Azeglio im 
NO. mit fhöner Gartenanlage; endlich die Piazza 
dell’ Indipendenza,in dem neu angelegten nordweſtl. 
Stadtviertel, der größte und —5*— Platz, mit 
den Standbildern von Bettino Ricafoli und Übal⸗ 


bino Beruzzi (1898). Zu nennen find noch die Dent- 
mäler Garibaldis, Manins und Golbonis, jomwie 


die Statuen berühmter jorentiner in den Rifcen 
der Säulenhallen der Uffizien. 

Kirchen. Von den 170 Kirchen und Kapellen fällt 
vor allen der gewaltige Dom Santa Maria del 
Jiore, jo genannt von der Lilie, dem Wappen ber 

tadt, in die Augen, 1294 von Arnolfo di Cambio 
auf der Stelle ver alten Kirche der heil, Reparata 
begonnen; die unvollendete Fagade wurde 1588 
Gefeitigt, die neue nah Plänen de Fabris ift 1887 
vollendet worden. Das Mitteljchiff ift 1357 nad 
Blänen von Talenti begonnen; die Kuppel ift von 
Filippo Brunelleschi 1420—34 erbaut, die Laterne 
1462 nad) deſſen Entwurfe vollendet. Das Lang: 
haus ift dreifchiffig, der adhtedige Kuppelraum von 
drei fapellenreichen Ehören umgeben. Bon den neuen 
Erzthüren der Facade ift bis 1898 das eine, von 
Baflaglia ausgeführte Baar, vollendet. Die Kirche, 
eine der größten Jtaliens, ift 148 m lang, in den 
Kreusflügeln 94 m breit, die Kuppel 91 m, mit 
Laterne 107 m bob. Das Innere ift fabl und 
dunkel. Der freiftebende vieredige Glodenturm 
(i. Tafel: Italieniſche Kunſt I, Fig. 3), viel: 
leicht das fchönfte Bauwerk der Stadt, mit Bild: 


Florenz 


fäulen und Relief gefhmüdt, von Giotto bes 
gonnen, dann von Andrea Piſano weiter geführt 
und von Francesco Talenti 1387 vollendet, ift 
&%Ambod. Dom und Turm find ganı mit verſchie⸗ 
denfarbigem Marmor belleidet. Dem Dom gegen⸗ 
über das langobard. Zeit, wahrſcheinlich dem 
7. Jahrh. angehörige, Ende des 13. Jahrh. außen 
mit ſchwarzem und weißem ‘Marmor bekleidete, 
innen mit bedeutenden Moſailen geihmüdte acht⸗ 
edige Battiſtero (San Giovanni), die Taufkapelle, 
ein adhtediger Bau in to8can.sroman. Stil, mit acht⸗ 
feitiger Kuppel und den drei berühmten Bronze: 
thüren von Andrea le und Lor. Gbiberti (f. die 
Zafel beim Artilel Ghiberti). Die Kirhe Santa 
Maria Novella in toscan.«got. Stil, 1278 begon: 
nen, dad innere 1350 von Talenti vollendet, ift 
bie einige größere Kirche im Innern der Stabt 
mit in alter Zeit (14. und 15. Jahrh.) vollendeter 
Marmorfagade, das ere reih an Fresken der 
beften ältern florentin. Meifter. Außer der Madonna 
Gimabues befinden fi hier Hauptiwerte von Andrea 
Drcagna und Domenico Gbirlandajo. Santo Spi⸗ 
rito, dreifchiffige Baſilika in Form eines lat. Kreuzes 
mit Kuppeln und 38 Kapellen, 1487 nad Brunelle# 
dis Entwürfen von Schülern desſelben ausgeführt, 
mit 1896 neu bergeftelltem Glodenturm, gebört 
wegen ber edlen Verhältniſſe des Innern zu den 
fhönften Baumerken der Stadt. Santa Eroce, das 
Pantheon von F., ein mächtiger Bau von Arnolfo 
di Cambio für die Franziälaner 1294 errichtet, 
1442 vollendet, die Jacade 1857—63 von Niccold 
Matas ausgeführt, entbält die Denkmäler Dantes, 
Mihelangelos, Galileis, Madyiavellis, Alfieris, 
Roffinis u. a, F Zafel: Jtalieniſche Kunſt IV, 
ig. 6, und V, Fig. 7 u. 9), Skulpturen von 
onatello, eine prächtige Narmorlanzel von Bene 
detto da Majano (f. Taf. IV, Fig. 4) u.a. Meb: 
tere ber reichen fjreäfen des 14. Sahrh,, ebemals 
ein Schmud ver Kirche, wurden in neuerer Zeit 
von der Tünche befreit, zwei Kapellen mit Freslen, 
den Hauptwerken Giottos, 1853 von Biandi ent» 
bedt, andere enthalten ſolche von Taddeo und Agnolo 
Gaddi, Giottino u. f. mw. Klofterbofe die ins 
tereſſante Kapelle ver Pazzi von Brunellesdi. Sans 
tiffima Annunziata, 1250 gegründet, fpäter erweitert 
und — bat berühmte Freslen von An⸗ 
drea del Sarto im Vorhof und in den flreuzgängen; 
San Lorenzo wurbe 390 gegründetund 398 durch den 
beil, Ambrofius aeweibt; 1060 wurde an ibrer 
Stelle eine neue erbaut, die 1423 abbrannte; 1425 
wurde von Brunellescht und feinen Nachfolgern der 
jesige Bau im Stil der althriftl. Säulenbafilita 
ausgeführt, reih an Skulpturen und Reliefs von 
Donatello, mit zwei Kapellen, von denen die eine, 
die von Michelangelo erbaute Sacriftia nuova, 
defien berübmte Grabventmäler Giulianos und 
Lorenzos de’ Medici (f. Tafel: Grabmal des Lo: 
renzo de’ Medici, beim Artikel Michelangelo), 
bie andere, ganz aus buntem Marmor bergeitellte, 
die der Brohbenöge aus dem Haufe Mebici ent» 
lt. Dr San Michele, urfprünglih San Michele in 
o, fo genannt nad dem Wiejenplane, auf dem 

in langobard. Zeit ein Kloſter, 1284 aber eine als 
Kornmarkt dienende Halle erbaut wurde; 1336 wurde 
das Untergeſchoß zur Kirche eingerichtet, 1412 der 
ganze Bau vollendet, mit prächtigen got. Fenſtern, 
12 Statuen und Gruppen von Ghiberti, Donatello 
Verrochio u.a. Santa Trinita, 1250 von Niccold 
Bifano erbaut, 1570 dur Buontalenti verändert, 





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sraa "ep oma) "ozui] ra ea 'opuadug — "ga "ey uwg 20 "a muaspmg — sa mA '— 74 'piwog ojep ansorug u 
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ca vuwusydudopL ta pp wa Yoermud zoy mnamuio on m——A vunz — — TED "PP wzarıg 'pwqguamıa “sa w wrzupg 'oreyweg | z0'a ep mA ev 
ga "mneup soyorumaeL za myeud sa "mp ia "0 va wog wIop — | gg eg 'opmjsap up omwppaug "Han — La oLloewgojseLmEV 
a mama — sa’a ‘oo na 'Awanıod "an "wnpojwasssuo) | son To) — |'-y 'uws ua riong Ip Oomeaunıg wa’ ‘ep ıa 'Tumanıon) soa ma 'ylousy 
ra mans — "tg PP vJa "oAonueniog zsu'ra mA waonN | aa muneo — zo "op wa "wog zo Joyuywauyuo;) za nep ma Yoyueıy 
ga "AN — aa "loan — — sa wg — tv ondeoı odsmy — en "wopeAapu — — STa’o wa 'rupuusn | Da "wa wuneny 
sa umean — sa wu — — sa "uwg via "TON | 'r eo 'Mopupevy (vad) owmmfun,g ta’ erg ıp — „a onäog jp opuawusg zaq‘o wuopun - 
za wmuogzmn — 0 on — — Tea "WTA 'jugfoasın z'ııo ma jeuwmery jur ta mp wa * zsıausra wa '- Pi 'v Taopjon wumay 
rg 'v open — ta “md — En'V "Op wzzuig naox zip wmuwg ‘oyeag jus won | Tv wmoma wudy — "ta wezu)g 'anoauı, | Een Ip wa "suorspavy 
a wioRg ip — zy ouwparg ug — va "op via men Iawa wa (rue — | en’ 'oNayyoN [7p vunzuog ı4 mug vja wu.) ro 
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za wa wPpps%L —gyv wog — "Ev "op wa 'TerTsojaunt | ZA ueg werug Yozumaor] a wug 'ozuang ca pP ma opus EUER JOnoLy "uru 
rg WwIohvuig ig age — su a ung — an | ‚sy negjapurg mv pP wa "suome) ad meeg wia 'ouf 
"ed "UonNapugvapng va wor wo warn per vooguy ooruy | va wg ap — | "an votva ca PIPOR— 74 wujsnurgejjop erzujg * 
a wIop wa ws TED WA Te nasrs and "Han IP wurd '— ra’o "euwg jap wıddor | Sa IA wawjoroLg PD paar oujeug) aa vwjsspguug wjujunuuy 
za 'Mp wa 'opms zszog pP wiA 'varpaaog unmtaı muondng | a ia "paedoon | ua Top wa oa sta "lep via “oupmug | ta mug ya Ywauy 
ta’od ala ‘= ron 'uamA — sa "op wereig ‘zog | a 'p ma 'Tuoe "TOD "Opium wIa 'oupojg | "win nv (uepeiio;;) sujaeeg a ‘ep wa wemfuy 
‘ta°o "oddına era '"— "Tv omdeog — ed mp wa 'sıow Ta mAX— av a (opennog sa wma "Vpmai) or ‘g (uuwaoın wg wıA 'oopeduy 
eo mM na zo WwiuaL wu — zn "IA Vegernuon RIV PP ya 'auoer zq mwwyusg- puwupıog sr pp ag 20 u onenpguy 
zo ne⸗p vergg "wong Ta mp wa 'omwoy — "To 'opjas ua 'oowuom OD ws may — ag ug ‘ao "AN opouwusjm‘) V '10p “IA “jjouoauy 
"un weg 'uwg up) ouymg sa ouag Ip — sm mug va »⸗vuon ziıTa apa zo "sv ma Tudlaepeı rau WA 'oHaqıv open Pia vg uga 'n weg '— 
To wılep vzzuig 'ouogrujg rg pa on — — "<u’a TIP varung vxiunon e0 ung wa 'opruuoe] say mA Tulvd aan "ar, ra ung orlorqmy 
To op wa vuoads ra mn ou — A Van via wunnpow KRAA "A wanen z.a ma wunvg sta ud —'- eza'o "ep via “osoıy 
Do amoıy) — — ag many wie ejuog "Jan "weg zuon we oywpurg "an we warmer za Wwuxusg-nuug za up via "Tuodden ya wagmugy 
"ra leyasıy) nung — "ya 'ojousy wa 'ouwziog Pa vtaus ante sv Ip eoeou⸗sn xva vpuc· za wa wzuoug) zn "ap mia "pauun sa a Hayıy 
za mug va '— ziıigv waweton Ta Moe Ta ma 'oupuwen Ta erg oo rs v pp IA 'oponduw;, eu "ep A 'Tumıv 
Hr ung vaaurg 'orpple sv ma '— — zu Tmmeug Boa STAU IA Worum: ca pogpopa ıpentug Yan mie ıp odumen | za ep wma "andy 
"UN "orzujtpadg "Yan “owpadwp 'opdog sau IA ey Ta a nymeptmunoy aa oyanıy ayasıduyg Ev IP 8JA 'Noppeun. a 
=. 'jedey eyasurdg aa ru wa "od ci ’o 'muwg 'ouwmeeg © ajayaıın "gA uisruyppepwauy an wezuog '— ga "op vIA NOTerIW. Hau Nauen op Orapa 
‘cd op wa 'wpudg vr ',OP WeRung "mild "sy ’a "orwzerrg 'opduweygojt ı9'7 Mpnuruny opopla — "Kan "rung S’pv wep waznıg erw ren "auen uja 'onpaady 
Ta V WA oup-noes ya 'wuwid ra p wa or "9 og ne — yyv eng yoausım ra "op wa urxxte ⸗ yama 'llep vıa v uey 
so mp wa "og say "op ma 'nına aa pp vıa 'oupmaza TEv wg mug — <a yeanmplNe sua wa 'enemı sn wAuV 
'cg wg 'Jupopog vera op ma era ra zug wunusx TO’g 'ogeapeg ug — tıv EarE URHRO yoTuujog 
AN m ga "uvg 'onmAlıg TTV PPwA "mousig| CH 'InyamyacH ayamuppam| om "Tanddun sep ausswuy ‘oupzuäung - Jdae - uywquorg ra "cd arauyusgan = Aqui 
ra vIlp wezug mouse va a we — so "TA 'Tujzzupg Ev "UpoHA a0yaepjouis] sy ga Yopi ru wa wwioßeL 
zsarq "pP "Ta "Arag an "UI "word TEA’ vilop ra "VTWRoeE | Yu ROHDE A vou Yzymaneu] 2’pa oma waousp Ip wond ser mA ng — "as 'n apneqar 
env ‘op ea eo ev Tea warenag TOD A 'opaemg | Td ney wwer.g 'wzuspuadipt; za Wezulg 'Wjage],p waod sen ma 'Imeody nuyg — * 
ev a emonng "an 'eTunad Tom ung una | LO 'm ia 'opwooug #p odooe] an weg 'ojwuog| Pc iA (WDR) vun ofanı SZzyuld "NOBJBAIS 








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Teil 


Florenz 


mit Fresten (1485) von Domenico rd 
feit 1888 in Reftauration begriffen. Auf dem linten 
Arnoufer in der Kirche Sta. Maria del Carmine bie 
Kapelle Brancacci mit kunſthiſtoriſch hochwichtigen 
—— ——— 0. Tafel: Italieniſche 

unft VI, Fig. 9. Dicht bei der Stadt im SD. 
die merfwärdige Bafılila San Miniato al Monte, 
1018 begonnen, größtenteild noch im 11., völlig 
aber erft im 12. Jahrh. vollendet, in toscan.sroman. 
Etil, breilniifo, ohne Querhaus, mit infruftierter 

arade,Mojaiten, Krypta und Freslen von Spinello 

retino in der Salriſtei. Bon den zahlreichen * 
1865 großtenteils zu abminiftrativen, — en 
und Kunſtzweden eingerichteten Moͤnchs- und Non: 
nenllöftern aller Orden find die von Santa Maria 
Novella und Santa Eroce hervorzuheben. Das Klo: 
jter San Marco (jebt reftauriert und zum National: 


dentmal erflärt) bewahrt außer den jchönen Freslen 
ge Angelicod das Andenten des heil. Erzbiſchofs 
ntoninus, Savonarolas, dem bier ein Denkmal 


errichtet ift, und ra Bartolommeos; ein Teil der 
Klofterräume ift Sig der Accademia della Crusca. 
Weltlihe Bauten, F. iſt reih an großen 
Paläſten in meift ernftem und em Stil, 
die Façaden einfah und ohne Schmud, Ki g 
aus mächtigen, roh behauenen Blöcken von Fieſo⸗ 
laner Stein oder Pietraſerena beſtehend. Im In— 
nern findet man meiſt einen oder mehrere vier: 
edige, mit Arkaden umgebene Höfe, aus denen 
äufig fteile Treppen zu den Wohnzimmern en. 
ie Sinnen, welche einige dieſer Paläfte (die öffent: 
fihen) frönen, die 1—2 m diden Mauern und die 
je überragenden Türme erinnern an die blutigen 
arteilriege des Mittelalters. Das größte und 
chönſte diefer Baumerle ift das weithin fichtbare 
efidenzihloß al dem linken Ufer des Arno, nad 
feinem erften Bejiger Palazzo Pitti genannt, ein 
Gebäude im — —7* Der Bau (201 m 
lang, im Mittelbau 35 m body) wurde für Luca 
Pitti, etwa im J. 1440 von —*8 Brunelleschi be⸗ 
onnen und kam im 16. Jahrh. an die Medici. Die 
Eeiten ügel wurden 1630—31, die Seitenballe im 
18. Jahrh. vollendet. Seit dem 16. Jahrh. dient der 
ra mit feinen 900 Zimmern und Räumen als 
ig des Landesherrn, jebt des Königs von Stalien, 
wenn er in 55. weilt. oberiten Stod des linken 
Flügels befindet fi die von den Mediceern ans 
gelegte, unter ber 2 Dynaftie beträchtlich ver: 
mebrte Galleria Bitti (500 Gemälde), welche einen 
— en Schatz ber größten Malermwerte der llaſſi⸗ 
hen Zeit ea darunter Raffaeld Madonna 
della Sedia, deſſen Madonna del Granduca, Leo X., 
Viſion Ezechiels, nebſt andern feiner Werte, Bilder 
von Tizian, Berugino, Fra Bartolommeo, Andrea 
del Sarto (j. Tafel: Jtalienijhe Kunſt VII, 
Sie: 4), Guido Reni, Salvator Rofa, Giorgione, 
n3 u.a., namentlih von allen Meiitern der 
toscan. und röm. Schulen. Hinter dem Palajt zieht 
fih die Höhe ku der prächtige Garten Boboli. 
Der Palazzo Bechio, urjprünglih Sitz der Sig: 
noria, dann des Großberzogs Coſimo L. jetzt Stadt: 
baus, 1298 durch Arnolfo di Cambio aufgeführt, mit 
dem Saal der Fünfhundert, einem der größten in 
Europa; der m ein burgartiges Gebäude mit 
mädtigen Zinnen, ſchlanklem Zurm (94 m) und ſchö⸗ 
nem Säulenbof mit berühmter Brunnenfigur des 
Verrocchio. rt bg ehe ignorias 
plaße3 die berühmte, 1376-82 von Simone di ran: 
cesco Talentineu gebaute Loggia dei Lanzi (Lanzi = 


8ll 


Landsknechte, jo nad) Eofimos I. deutſcher Leibwache 
enannt) mit herrlichen Skulpturen, z. B. Donatellos 
** Giov. da Bolognas Raub der Sabinerinnen, 
ellinis Perſeus (ſ. Tafel: Italieniſche Kunſt V, 
ig. 5), Menelaos mit ver Leiche des Patroklos 
antile Gruppe), Pio Fedis Naub der Bolyrena 
f. V, Fig. 8) u.a. An der Ede de3 Palazzo 
echio liegt nad dem Arno zu der Balazjo degli 
Uffizi, 1560—74 von Bafari für den Großherzog 
Coſimo I. erbaut und zu Berwaltungsjweden ein: 
erichtet; er enthält in zwei gleich langen parallelen 
ügeln, melde fih über einer Säulenhalle mit 
Statuen berühmter lorentiner erheben, die Na: 
tionalbibliothet, ſowie die Archive und im obern 
Stod die Galleria degli Uffizi mit einer der reich: 
ften Runftiammlungen der Welt. Bor allem be: 
rühmt ift die Tribuna, die unter anderm bie Mes 
biceifhe Venus (f. Tafel: Venus von Medici, 
beim Artilel Benus), den Apollino, den Schleifer, 
die Ringer und den bedenjhlagenden Zaun, Raf: 
faeld Madonna del Earbellino und andere Bilder 
von ihm, mehrere Gemälbe von Tizian, Correggio, 
Rubens, Michelangelo u. a. enthält. Im Saale 
der Niobe ftebt die 1583 in Rom entdedte berühmte 
Gruppe der Rutter (j. Tafel: Griechiſche Kunſt IL, 
BER 14) mit den übrigen dazugehörigen antiken 
ildwerken. Einzig in ihrer Art iſt die Sammlung 
von über 400 Bildniſſen berühmter Maler, großen: 
teild von den Meijtern felbjt gefertigt. Neue Säle 
für Selbſtbildniſſe der Maler find jeit 1898 im Mit: 
telgeihoß, weitere drei im obern Stod für die mit 
ber Uffiziengalerie vereinigte Gemäldefammlung des 
Hoſpitals von Sta. Maria Nuova jeit 1900 eröffnet. 
Eine dritte Galerie befindet fich in der Accademia 
delle belle Arti, reih an chronologiſch geordneten 
Gemälden der ältern florentin. Meijter. Seit 1873 
befindet fi daſelbſt der früher vor dem Palazzo 
Vecchio befindlihe David von Michelangelo. Bon 
ben übrigen m. verdienen ihrer Größe und zum 
Teil ihrer architeltoniſchen Schönheit wegen hervor: 
gehoben zu werden: Palazzo Strozzi, 1489 nach Plä⸗ 
nen von Benebetto ba er begonnen, 1553 voll: 
endet, die höchite Entwicklungsſtufe des florentin. 
Palaſtſtils bezeichnend; Palazzo Riccarbi, einft die 
Wohnung der berühmten Mediceer der ältern Linie, 
1865—71 Siß des Minifteriums des Innern, mit 


wertvollen Freslen (beſonders von Bendzzo Gozzoli 
in der Kapelle) u. dgl.; der Palaſt des Podeſta, ger 
wöhnlih Bargello genannt, 1255 begonnen, fi 

e: 


1261 er des mit dem hoöchſten Richteramt 
trauten Podeſta, im 14. Jahrh. durch Brand und 
tiberjhwemmung vielfach geſchädigt, vom 16. Jahrh. 
bis 1859 Gerichtshaus und ng er 1859—65 
trefflich reftauriert und R einem Nationalmufeum 
umgewandelt, rei an plaftifhen Arbeiten von Do: 
natello, Michelangelo, Berrochio, Sanfovino (f. Tas 
el: Italieniſche Kunft IV, Fig.5), Giovanni da 
ologna(ZTaf.V, 310,3) u.a. und duͤrch eine ſehr reiche 
Siegel: und eine Majolitenfammlung (Luca della 
Robbia) bemerlenswert; dann der fhöne, nah Raf⸗ 
faels Plan gebaute Balajt Pandolfini; die Baläjte 
Corſini, Uguccioni, Rucellai, Spini, häufig Palazzo 
Ferroni genannt, Si des Circolo Filologico u.a.m. 
Behörden. F. iſt Sig der Präfeltur, eines Polizei⸗ 
räſidiums, eines Erzbiſchofs (die Kirchenprovinz 
umfaßt die Erzdiöcefe F. und die Suffraganbis— 
tümer Borgo San Sepolcro, Eolle, Fiejole, Mo: 
digliana, Wftoja und er nebit San Miniato), 
eines Provinzialſchulkollegiums, Appellationg: und 


812 


Aſſiſenhofs, Eivil: und Korreltionstribunals, Milis 
tärterritorialtribunal3, einer Finanzintendanz, eines 
Kommifjariats für die Bewahrung der Altertümer 
und Kunſtſachen, Provinzialpojt- und Landesteles 
grapbendireltion, der Gentralvireltion des Aorias 
tifhen Eifenbabnneges, eines Eifenbabnbetrieb3: 
und Bezirtdauffihtsamtes, einer Handeld- und 
Gewerbelammer, der Konſulate faſt aller Handels: 
ftaaten (außer Dänemarf, Rumänien, Schweden und 
Serbien) jowie einer Genie: und Artillerie:Territe: 
tialdireftion, de3 Generallommandos des 8. Armee: 
torp&, der Kommandos der 15. Divifion, der Infan⸗ 
—— «Aoita» und «Palermos und der 7. Ka⸗ 
valleriebrigade, des Militärvijtrikts, eines Militärs 
eifenbabnfommandos und :Gentralmagazins, 
Unterrichts und Bildungsmwefen. Die 
Univerfität (pbilof., pbyfil.: naturwiſſenſchaftliche 
und mediz.schirurg. Abteilung und pharmaceutijche 
Schule, Scuola di farmacia) ift 1349 gegründet und 
1850 reorganifiert ala Inſtitut für Böbere Wiſſen⸗ 
ſchaften (Istituto di studi superiori pratici e 
di perfezionamento) mit Kuren für Philoſophie, 
Geſchichte, Archäologie und Litteratur (1899/1900: 
592 Studierende). Die Schule für das Notariats⸗ 
wesen ift mit einem Obergymnaſium verbunden und 
bängt von der Provinz ab, Das erzbiſchöfl. Semi: 
nar bat feinen 3 im ebemaligen Giftercienjer: 
Hoiter jenfeit des Arno, Unter dem Kriegämini« 
fterium jteht das militärgeogr. Inſtitut und eine 
praftiihe Schule für Militärärzte. In neuerer 
Zeit entitand durch Private eine Anftalt zur Auss 
bildung für den biplomat. und fonitigen Staats: 
dienit. Der Staat unterhält außer der Weiblichen 
Hochſchule (117 Hörerinnen), einem Lehrer: und 
einem Lebrerinnenjeminar und einem Mädchen: 
penfionat ein vollitändiges Gumnafium, das nad 
Dante benannte Obergymnaſium und eine Über: 
realſchule. Die Provinz forgt für andere Zweige 
des Mittelfhulunterrichts und die Stadt für den 
Glementarunterridt. Es giebt eine auch für die 
Ausbildung von Baumeijtern berechnete Kunſt⸗ 
ſchule, ſowie ein Konſervatorium der Muſik, die 
1882 von ber deutſchen Kolonie gegründete deutſche 
Schule für Knaben und Mädchen und die von Rai: 
———— Dialoniſſen g ründete Mädchenſchule. 
on gelehrten Geſe J—— und Kunſt— 
vereinen find namentlich zu erwähnen: die Acca- 
demia della Crusca (f. Crusca), die königl. Depus 
tation für die Erforihung der Gefhichte Toscanas, 
das Deutſche kunitbiftor. Inſtitut, 1897 begründet, 
die Accademia dei Georgofili zur Beförderung der 
Landwirtichaft, die Gefellibaft zur Beförderung der 
Schaufpieltunft, die Bhilharmonifche Gefellfihaft 
(Societä filarmonica), die Societä d’Incoraggia- 
mento delle belle Arti, welche jäbrlih Ausjtellun- 
* von Gemälden veranſtaltet, die bereits erwähnte 
fabemie der bildenden Künſte mit dem David von 
Michelangelo, Gipsabgüffen und Gemälden, dar- 
ftellend die Entwidlung der florentin. Malerei vom 
14. bis 16. Jahrh. (darunter viele Meifterwerte). 
Außer den bereitö erwähnten Runjtfammlungen 
bejteben namentlich noch das für etrust, Altertümer 
wichtige Archäologische Mufeum und die Sammlung 
der Wandteppiche (Araszi), beide im Balaft Erocetta, 
die Galleria Buonarroti mit Werten und Entwürfen 
von Michelangelo in deilen Wohnhaus, die Galleria 
Corſini, das 1891 eröffnete Dommufeum in der 
Cpera del Duomo (Dombauballe), welches vorzugs⸗ 
weiſe Runjtwerle aus dem Dom und dem Baptijte: 


Florenz 


rium enthält (Reliefs, Silberaltar, alte und neue 
Zeichnungen des Doms u. ſ. w.). 

Unter den wiſſenſchaftlichensSammlungen 
nimmt das Mufeum der Naturwiſſenſchaften (Museo 
fisico e di Storia Naturale, neben dem Palazzo 
Bitti), vom Großherzog Leopold I. gegründet, den 
eriten Bla ein. Außer den zoolog. (namentlic 
ornitholog.) Sammlungen finden fi daſelbſt bie 
—— und vollſtändigſten Wachspräparate für 

natomie und Zootomie nebſt einer Menge mit 
künſtleriſcher Vollendung in Wachs boſſierter Pflan⸗ 
en; zum Muſeum gehören eine Sternwarte und ein 

otan. Garten. Hier werden unentgeltlihe Vor: 
lefungen über alle Zmeige der Naturwiſſenſchaft 
— Seit 1841 ſieht man hier in der Galilei⸗ 
ribüne die Inſtrumente und andere an den großen 
Naturforjcher erinnernde Gegenftände vereinigt. 
Das von A. de Gubernati3 gegründete Indiſche 
Mufeum fowie die mineralog. und geolog. Samm: 
lung der Univerfität befinden ſich im Istituto di 
studi superiori. Im Erdgeſchoß des Kloiters 
San Marco ift feit 1898 das Mufeum der beim 
Umbau des Gentrumsd der Stadt aufgefundenen 
Skulpturen, fteinernen Wappenſchildet, Wand: 
rer u. f. w. eröffnet. Bon den öffentlichen 
ibliotbelen find befonders zu nennen: die 
1444 von Coſimo L geitiftete und von den Me 
diceern vermehrte Mediceifhe oder Paurentiana 
ee Bände, 2191 Brofhüren, 9676 der koft: 
arften Handfchriften griech. und lat. Klaſſiker und 
eine reihe Sammlung von Druden des 15. Jabrh. 
ald Vermächtnis des Grafen Angelo d’Elct); die 
Biblioteca Nazionale, feit 1860 entitanden aus der 
Bereinigung der früber im Balaft Pitti befindlichen 
roßberzogl. Biblioteca Palatina und der noch 
ebeutendern von Ant. Magliabechi, einem ebe 
maligen Juwelier, gegründeten und feit 1747 zum 
öffentlihen Gebrauche beftimmten Magliabechiana 
(464759 Bände, 544273 Brofhüren, 23718 Mu 
jitalien, 7962 Rupferitiche und Handzeihnungen, 
20 147 Borträte, 1889 Karten, 282234 Briefe, 18322 
Handſchriften und 3575 Inkunabeln); die Marus 
celliana (140000 Bände, 17000 Kupfer, 1500 Hand» 
ſchriften, 620 Intunabeln), 1713 von Marucelli ge 
jtiftet, mit Rupferftihjammlung, täglich geöffnet; 
endlich die Riccarbiana (33309 Bände, 3891 Hand: 
ſchriften, darunter höchſt wertvolle und mit kunſt⸗ 
reihen Miniaturen geihmüdte, 653 Intunabeln). 
Das großartige von Bonaini geordnete Gentral: 
arhiv von Toscana, 1851—58 dur Bereinigung 
der bisherigen Archive, deö diplomatischen, des der 
Republil, des Mediceifchen, des der aufgebobenen 
Klöiter u. ſ. w. geihafen und im erften Geſchoß der 
Uffizien befindlich, enthält in etwa 264000 Bänden 
und etwa 140000 Einzelurfunden reihe Schäße für 
den Geſchichtsforſcher. Die zwölf Theater find 
emwöhnlih im Karneval fämtlid, in den übrigen 
Johres eiten nur teilweife geöffnet und ſehr beiuct. 
as Theater della Pergola, 1652 erbaut, 1857 er: 
neuert, mit Raum für 2000 Berjonen, ift für Oper 
und Ballett, Niccolini, einft Gocomero, für ital. und 
franz. Oper und Schaufpiel das bedeutendfte; fern:r 
Salvini für franz. Luftipiel, das große Teatro Ba: 
liano (ſeit 1900 Teatro Verdi) für 4000 Perjonen, 
Boliteama und die Arena Nazionale. 

Wohlthätigkeitsanſtalten. Eine alte 
—— (von Folco Vortinari, 1285) iſt das große 
ns von Santa Maria Nuova, mit Raum für 
mebrere Zaufend ſtranke fowie einer mediz. und 


Flocenz 


chirurg. Klinii; daneben beſtehen noch mebrere an: 
dere Spitäler, eine Blindenanftalt, ein evang. Kran: 
tenhaus, ein Findelhaus, nad Brunelleschis Ent: 
wurf von feinem Schüler Luna 1421 begonnen, das 
neue Irrenbaus, Arbeitshaus und ein Leihhaus mit 
Sparkaſſe. Weit berühmt ift die Einrichtung der Con- 
fraternita della misericordia, zu welcher der König, 
der Adel und die ganze reihe Bürgerfchaft gehören. 

Im norbweitl. Stadtviertel ijt eine großartige 
Markthalle, am ſüdl. und am öſtl. Ende der Stadt 
find zwei Kleinere errichtet worden. 

Die ehemals blühende — ſtrie der Stadt war 
ſehr geſunken, hat ſich aber neuerdings wieder bes 
trächtlich gehoben. Strohhüte und Seidenwaren 
werden noch immer in Menge verfertigt, während 
die Fabrilation von Wollwaren und Sammet ver: 
ihwindend gering ift. Bemerlenswert jind die Ar: 
beiten in Marmor, Alabajter, florentin. Moſail und 
die Herftellung geihnigter Möbel. n; 

Verkehrsweſen. F. liegt an den Linien Bo: 
loana⸗F.· Chiuſi⸗Rom und F.⸗Faenza (102 km) des 
Adriatiſchen jowie F.- Piſa-Livorno (97 km) des 
Mittelmeernebes und bat zwei Bahnhöfe, Gentral: 
bahnhof Santa Maria Novella im N. und Campo 
di Marte im O. der Stadt, erjterer für alle drei 
Linien, letzterer Haltepunft für die beiden erjten 
Linien und Abgangspuntt für die Lokalbahn nad 
Bontaffieve. Den Werehr innerbalb der Stadt und 
nach den Vororten vermittelt ein Neb elektriicher 
Straßenbahnen (zum Teil im Bau), ferner zahlreiche 
Umnibuslinien vom Domplaß und der Piazza della 
Signoria nad allen Tboren und verjchiedenen an: 
dern Pläßen, ſowie Droſchken. Ferner befteben 18 
Bojtämter und 14 Telegrapbenämter. 

Umgebung. ine der ſchönſten Promenaden 
Italiens bildet die 1868 mit einem Aufwande von 
mebr als 2 Mill. Lire nah dem Plane des In— 
genieurd Poggio erbaute, mit Dampftrambahn be: 
tabrene Hügelſtraße Biale dei Colli, die fi, 5760 m 
lang und 18 m breit, im ©. der Stadt in Wins 
dungen bie Höhe binaufzieht und, mit Anlagen, 
Rojenbeden und Baumreiben bejekt, eine großartige 
Ausſicht auf die Stadt und die dabinter ſich erbebens 
den Höhen bietet. Sie bildet ein großes Rundell, 
Piazzale Galileo, und weiterhin einen terraſſen⸗ 
artig vorgebauten Pla, Piazzale Michelangelo; 
auf legterm ein Bronzeubguß von Micelangelos 
David, deſſen Sodel Abgüſſe der vier Tageszeiten 
von den Mediceergräbern umgeben. Dicht dabei 
das ehemalige Franziskanertlojter San Salvatore 
del Monte mit einer 1504 von Eronaca erbauten 
Kirche, oberhalb derjelben die herrliche Kirche San 
Miniato al Monte. Im W. der Stadt, zwiſchen 
Arno und Mugnone, erjtreden ſich mebrere Kilo: 
meter weit die Cascinen, der «Tiergarten» oder 
«Prater» von F., mit parkartigen Anlagen und dich: 
ten Walbpartien. Jm SW. die Gertofa di Val 
d’Ema (j. Sertoja); 10 km nördlich Fiejole (f.d.) 
mit jeinen Klöftern, öftlich das Klojter San Salvi, 
bereit 1048 erwähnt, mit dem Abendmahl von 
Andrea del Sarto (1526) im Nefeltorium. 


Geſchichte. Das älteite F., Bilanzjtadt und Fluß: | 


bafen von Fäfulä (Fiefole; f. d.), wurde 82 v. Chr. 

durch Sulla zerſtört. Das jegige F. wurde etwas 

meiter itromabmwärts an einer für Ferteibigung des ı 
Arncüberganges wichtigen Stelle etwa 59 v. Ebr. | 
als röm. Kolonie begründet. Im 4. Yabrb. wurde | 
es Hauptitadt der Brovinz Tuscia-Umbria; 401 | 
wurde bier ein Dftgotenbeer unter Radagais durd | 





813 


Stilicho vernichtet. Das Ehriftentum errang erſt im 
5. Jahrh. unbejtrittene Herrſchaft, doch war bier 
{bon vorber ein Biihofafig errichtet. Größere Be: 
deutung gewann %. jeit dem 10. Yabeh. orüber 
gehend durch Kaiſer Heinrich IIL zur Reichsſtadt ges 
macht, wurde es nach deſſen Tode wieder wie zuvor 
——— der tustiihen Marlgrafſchaft und er: 
ri in den Kämpfen der Martgräfin Mathilde und 

tegors VII. kraftvoll Bartei für diefe gegen Heins 
rih IV. Inmitten diefer Wirren gelang es ver 
Stadt jeit Ende des 11. war ihre Selbftregierung 
zu befeſtigen und fich die Herrfchaft über die Doppel: 
grafihaft Florenz: Fielole anzueignen. am .1125 
zeritörte F. das benachbarte Fieſole, deflen Bewoh— 
ner großenteild nah F. überjiedelten. Bejonders 
fteigerte fi die Macht der Stadt durch die 1172 ges 
meinſam mit den Bijanern gegen den Feldherrn flai: 
fer Friedrichs L., Enbiihor Ehriftian von Mainz, 
errungenen Erfolge; in demjelben Jahre erfolate 
eine bedeutende eiterung der Stadt durd Er: 
bauung eines neuen Mauerntreifed. Nach vorüber: 
pe ver Selbitändigleit unter ven 

aifern Friedrich I. und Heinrich VL. erwarb fi F. 
unmittelbar nach des lektern Tode dadurch, daß e3 
an die Spike des gegen das Reich gerichteten tuski— 
ihen Bundes tratund burheritörung der neu errich⸗ 
teten feiten Stadt Semifonte (1202) eine herrſchende 
Stellung in Mittelitalien. Seit 1207 wurde ftatt 
der jährlih gewählten Konſuln, die bis dahin die 
Stadt regiert hatten, ein aus der Fremde berufener 
Podeſta an die Spiße der ——— geſtellt; 
wie früber die erſtern, war er in feiner Amtsfüh— 
rung an die Beichlüfie des Heinen und des Großen 
Rates ſowie der Vollsverfammlung (Parlament) 
gebunden. Parteiungen unter dem Adel, der ven 
beveutenditen Einfluß ausübte, führten feit 1177 
zu blutigen Bürgerfriegen, die ſich 1215 durch die 
Ermordung des Buondelmonte am Ponte Vecchio 
neu entjlammten. In den Kämpfen Kaiſer Fried: 
richs DI. bielt ſich F. meijt auf der Seite von — 
Feinden, geriet aber in den letzten Zeiten feiner Res 
gierung unter die Gewalt feines Sobnes Friedrich 
von Antiochien. Nach Friedrich IL. Tode gab fi 
das Bolt 1250 eine neue, gegen die Gewalt des 
Adels gerichtete Berfaflung unter dem Gapitano del 
Vopolo, dem ein Rat von 12 Anzianen zur Seite 
tand. Durch die Prägung des Goldquldens 1252 
tieg das —— von F. erheblich; die Wollweber 
und Tuchfabrikanten hatten ibre Agenten in Bene: 
dig, Paris, Brügge und London, und ein großer 
Zeil des franz. Geldverlehrs war in den Händen der 
florentin. Wechsler. 

Bei dem fortdauernden Hader des Adels geriet F. 
in Feindfchaft mit den andern toscan. Städten, von 
denen namentlih Siena und Piſa zu den Ghibellinen 
2 die Florentiner erlitten 4. Sept. 1260 eine 

rchtbare Niederlage an der Arbia bei Montaperti, 
weshalb die Guelfen die Stadt verließen. Doc ge: 
langten fie 1267 wieder zur Herrſchaft, ala Karl von 
Anjou dur feine Wahl zum Signore der Republit 
F. am} AD Jahre Anteil an der Regierung befam, die 
eine Bitare zufammen mit den ftädtiichen Behörden 
Ion. Zu lektern gebörten feit etwa 1193 aud die 

oriteber der fieben Zünfte. 1282 bejchlojien vie 
ünfte (fieben obere: Nichter und Notare, Sn 
er, Geldwechsler, Mollmeber, Ärzte und Apotbeter, 
Seidenwirlker, Kürichner, und fünf untere), ſelbſt das 
Regiment in die Hand zu nehmen, ſtellten ihre Priori 
Worſteher) als Signoria an die Spitze der Verwal⸗ 


814 


tung und bielten ven Adel durd jtrenge Geſetze 
(1293) im Zaume. Anfang des 14. Jahrh. began: 
nen neue Kämpfe der Abelsparteien Neri (Schwar- 
zen) und Bianchi (Meißen), und 1301 mußte der 

bibellinifch gejinnte Dante feiner Vaterſtadt den 
Süden fehren und ftarb in Ravenna. Wiele ber 
ärmern Adelsgeſchlechter traten in die obern Zünfte 
ein, und es bildete fich eine neue ea Seen u 
welcher unter anderm die Ncciajuoli, Alberti, Pe— 
ruzzi, Strozzi und Ricci gehörten; das niedere Bolt, 
—— minuto», war von den Amtern ausge: 
ſchloſſen. Im J. 1304 wurde während der Kämpfe 
pen Adel und Volk ein Teil der Stadt durch 

rand zerjtört. 1312 belagerte Kaiſer Heinrich VIL 
5. vergeblih. 1342 bejeitigte Graf Walther VI. 
von Brienne, Herzog von Athen, mit Hilfe der Ar- 
beiterlafjen die Berfaffung mit Gewalt, wurde aber 
1343 vertrieben, worauf ſich eine Oligarchie reicher 
Raufmannäfamılien bildete, die durch die zur Ver: 
waltung der gbibellinifchen Güter eingejegten «Capi- 
tani di Parte Guelfa» die ganze Regierung beein: 
flußten. Nach Befeitigung der dreijährigen, dur 
einen Aufitand des niedern Volls, «Tumulto dei 
Ciompi», ——— Pobelherrſchaft lam 
die ariſtokratiſche Partei wieder ans er, an 
deren Spitze ein halbes Jahrhundert lang die Al- 
bizzi ftanden, denen die Medici (ſ. d.), ein reich ge 
mworbenes Kaufmannsgeſchlecht, folgten. Der eigent- 
lihe Gründer ihrer Herrſchaft war der volkäfreund: 
lihe Giovanni de’ Medici (geft. 1429). Sein Sohn 
Gofimo (Cosmus) der Slltere lehrte 1434 nad ein: 
jähriger Verbannung zurüd und herrſchte ebenſo 
wie fein Sohn Pietro und jein Entel Lorenzo il 
Magnifico nob ohne Titel, durd Reichtum und 
Klugheit mit republikaniſchen Formen. Unter der 
patriarchaliſchen Regierung der gebildeten und kunſt⸗ 
finnigen Männer — Beichlechts wurde F., mo 
1439— 42 aud das op: Ferrara: Florenzer Konzil 
(. d.) tagte, zum Mittelpunlte des geiftigen Lebens 
der Zeit und zur Ausgangsitation des Humanismus 
und der großen Renaifjancebewegung in ber unit. 
I der 1478 angezettelten Verſchwörung der Pazzi 
{j.d.) ergriff die Stadt wiederholt Bartei für die Me: 
dici. Die induftrielle Thätigkeit war damals ſchon 
im Abnehmen; florentin. Banken beftanden aber in 
allen Ländern. 1494 wurde F. von Karl VIIL von 
But auf feinem Zuge nad Neapel bejekt, und 

iero de’ Medici, der ihm feinen Widerſtand zu 
leiften gewagt hatte, vertrieben. Savonarola (f. d.), 
ver Prior von San Marco, gewann den größten 
Einfluß und errichtete ein theotratifhes Regiment, 
das mit jeiner Hinrichtung (1498) zufammenbrad. 
1512 febrten die Medici mit Hilfe des Papftes Ju: 
lius U. zurüd. 1527 wurden fie zum zmweitenmal 
vertrieben, aber von Raifer Karl V. und Papſt Ele 
mens VI. (Giulio Medici) der Stadt nad) längerer 
Belagerung und Eroberung (12. Aug. 1530) mit 
Gewalt wieder aufgedrungen und Alejandro Mes 
dici zum Herzog von F. ausgerufen (1532). Sein 
Nachfolger Eojimo I. fügte Siena dem bisherigen 
florentin. Staate binzu und nahm 1569 den von 
Pius V. ihm verliehenen Titel eines Großherzogs 
von Toscana an. Seitdem teilte die Hauptitabt 
die Geſchicke des Staates, (S. Toscana.) 1799 
von den Franzofen bejekt, 1801 Hauptſtadt des 
Königreihs Etrurien, 1807 mit dem franz. Raifer: 
rei vereint, 1814 wieder Hauptitadt des Groß: 
berzogtums, 1349 auf kurze Zeit Siß einer provi⸗ 
ſoriſchen Regierung, wurde fie 1859 wieder Pro: 


Florenzer Konzil — Flores 


vinzialjtadt, was fie auch blieb, nachdem durch die 
Vollsabſtimmungen (11. und 12. März 1860) Tos- 
cana dem piemont. Staate einverleibt worden war, 
folge ver September-onvention wurde F. 1865 
jtaliend Hauptjtabt und blieb es bis 1871. In 
biefen Jahren geſchah unter der Leitung von Ubal- 
ding Peruzzi viel zur Verfhönerung und VBergrößes 
rung der Stadt. Die endgültige Verlegung der 
—— nach Rom hatte große wirtſchaftliche Nach⸗ 
teile und finanzielle Verlegenheiten zur Folge; erſt 
in neuefter Zeit hat fi die Stadt von der Krifis 
erbolt und weift ein beveutendes Wachstum auf. 
Litteratur. Abgeſehen von den bis in das 
16. Jahrh. hineinreihenden Chroniken und Hifto- 
rien, die mit Dino Compagni und Villani beginnen, 
mit Barhi, Nardi, Jacopo Pitti enden, wie von 
ältern Daritellungen, unter denen Madiavellis 
Florentiniſche Geihichte (deutih von A. von Reu: 
mont, 2 Bde., Lpz. 1846) bervorragt, find von 
neuern Werten hervorzuheben: A. von Reumont, 
Tavole cronologiche e sincrone della storia fioren- 
tina (lor. 1841); VBannucci, I primi tempi della 
libertä florentina (ebd. 1856); Trollope, History 
of the commonwealth of Florence (4 Bde., Lond 
1864—65) ; Scheffer-Boichorft, Florentiner Studien 
(2p3. 1874); Hartwig, Quellen und Forſchungen zur 
älteſten Geſchicht⸗ der Stadt F. (2 Bde., Marb. und 
Halle 1875—81); Capponi, Storia della repubblica 
di Firenze (3. Aufl., 2'Bve., Flor. 1888; deutich von 
Dütjchle, Lpz. 1876) ; Berrens, Histoire de Florence 
jusqu’& la domination des Medicis (6 Bde., Par. 
1877 — 84); derf., Histoire de Florence depuis la 
domination des Medicis (3 Bde., ebd. 1888—90); 
Billari, Le origine del commune di Firenze (Mail. 
1890); derf., I primi due secoli della storia di Fi- 
renze, Bd. 1 (Flor. 1893); Corazzini, Sommario di 
storia fiorentina (ebd. 1891); Bigazzi, Firenze e 
contorni. Manuale bibliografico (ebd. 1892); Da: 
vidfohn, Geſchichte von F. Bd. 1: Ultere Geihichte 
(Berl. 1896); derf., Forſchungen zur Geihichte von 
3. (21. 1—3, ebd. 1896— 1901); Doren, Entwidlung 
und Organifation der Florentiner Zünfte im 13. und 
14. Jahrh. (2pz. 1897); derf., Studien aus der lo: 
rentiner Wirtſchaftsgeſchichte (Bd. 1, Stuttg. 1900); 
Berenjon, Die florent. Maler ver Renaifjance (veutich 
Oppeln 1898); Reymond, La sculpture florentine 
4 Boe., Flor. 1898—1900); W. Bode, Florentiner 
ilobauer der Renaifjance (Lpz. 1902); G. Schnei: 
der, Die finanziellen Beziebungen der Florentiner zur 
ſtirche 1285— 1304 (ebd. 1899); Müns, Florence et 
la Toscane (Bar. 1901); Heyd, F. und die Meviceer 
(Bielef. 1902); Gardner, Story of Florence (Lond. 
1902); Philippi, 3. ald Kunftftätte (2pz. 1903); 
Woerls Reifebanpbücer, F. (2. Aufl., ebd. 1901). 
(S. aud die Litteratur zu Medici und Toscana.) 
lorenzer — ſ. Ferrara⸗Florenzer Konzil. 
ores (lat., Mehrzahl von flos), Blumen, 
Blüten; befonders in der Chemie (mei veraltete) 
Bezeihnung ſehr fein verteilter Stoffe, wie fie 3.8. 
bei der Sublimation entfteben. F. Antimonli ar- 
gentöi, Antimonorvd, ald Mineral Antimonblüte; 
F. Benzoös, Benzoeblumen, Benzoefäure; F. Cinae, 
ſ. Zitwerfamen; F. Martis, fublimiertes Eifendlorid; 
F. Salis Ammoniäci, jublimierter Salmiat; F. Sul- 
füris, Schwefelblumen, jublimierter Schwefel; F. 
Zinci, Bintblumen, dur Verbrennen des Zinks er 
baltenes Zinkoxyd; Flos Ferri, Eifenblüte. 
Im Droguenbandel find F. die getrodneten 
Blüten verſchiedener Pflanzen zum Medizinal: und 


Flores — Flore und Blancheflor 


Gewerbegebraub. Dffizinell find: F. Arnicae, Ars 
nifablüten; F. Chamomillae, Kamillen; F. Cinae, 
itwerfamen; F. Koso, Rofoblüten; F. Lavandülae, 
vendelblüten; F. Malvae, Malvenblüten; F. Ro- 
sae, Nojenblätter; F. Sambüci, Holunderblüten; 
F. Tiliae, Lindenblüten; F. Verbasei, Wollblumen. 
Flores, eine der Azoren (ſ. d. und die Neben: 
karte der Karte: Spanien und Portugal). 
rag oder Flo ris, eine der Kleinen Sunda⸗ 
yr eln, jüblih von Celebes, im W. dur die 
angerai:Straße von Rindja, im D. durd die 
loredö:Straße von Solor und Sabrao getrennt 
\ .Rarte: Malaiifher Ardipel), hat nach amt- 
icher Meſſung (1894) 15174 qkm und etiwa 250000 
bataliſche E. Die Küften gr frudtbar, das noch 
wenig belannte Innere i gebirgig und dicht bes 
mwaldet. Der Oſten ift tertiäres Land und in 
wie die Südfüfte Vulkane, wie Gunung Lobeto 
(2170 m), — Keo (2763 ferner den Gu⸗ 
nung Roda und Gunung Api. Der Weitteil heißt 
bei den Eingeborenen Mangerai, der Ditteil 
Endeh. An der Ditfüfte liegt die europ. Nieder: 
laffung Yarantufa, mit gutem Hafen und bedeuten: 
dem Handel mit Sandelholz, Schildpatt und Vogel: 
neftern. Seit Weggang der Bortugiefen (1859) ge 
bört die Weftbälfte zum niederländ. Gouvernement 
Gelebes, die Ditbälfte zur Reſidentſchaft Timor. 

Flores, Departamento der fübamerif. Republit 
—— A Rarte: La-Plata-Staaten u. ſ. w.), 

t 4519 qkm und (1900) 15585 €. (darunter 1337 
Fremde), d.i. 3 auf 1qkm. Hauptort ift Trinidad, 

#lored, San oje de, Vorort von Buenos: 
Aires (f. d.). 

Flores, Benancio, füdamerit. General, ſchloß 
ſich 1853 als Oberſt dem Militäraufftande gegen 
den Bräfidenten Giro von Uruguay an, wurde 1854 
jelbit Präfident, doc ſchon 1855 durch einen Auf: 
Kun vertrieben. 1858 mußte er nach Buenos:Xires 

iehen und trat ala ——— in die Dienſte 
der Argentiniſchen Republik. Es gelang ihm, ben 
Präfidenten Mitre für die Cinmengung in die in 
nern Angelegenheiten Uruguays zu gewinnen. 
landete, von Mitre heimlich unterjtüßt, im April 
1868 mit nur30 Dlann bei Eolonia del Sacramento, 
rüdte gegen Montevideo vor und erhielt von jeiten 
Brafiliens Hilfe gegen den Praͤſidenten Aguirre. F. 
nahm 2a Florida und Salto, erftürmte Bayfandu 
und rüdte ſchließlich in Montevideo ein, wo er zum 
proviforifchen Bräfidenten ausgerufen wurde. Er 
ſchloß mit Braſilien und Argentinien eine Tripel: 
—— gegen den Diktator Lopez von Paraguay 
und übernahm den re über die Vorhut der Ver: 
bündeten, zeichnete fih in den folgenden Kämpfen 
mehrfach aus, mußte jedoch infolge ſtarker Verlufte 
im Sept. 1866 nah Montevideo zurüdtehren, 
widmete jich hierauf ganz der innern Regierung und 
juchte feine polit. Gegner, die Blancos, zu verföhnen; 
doch gelang ihm dies nicht. Infolge einer Ber: 
ſchwörung wurde er 19. Febr. 1868 zu Montevideo 
ermordet. (S. Uruguay, Geſchichte. 

foredcenz (lat.), Blütenftand, 

ioredcn, ob. Emman., rumän. General und 
Staatsmann, geb. 1819 zu Rimnic, abfolvierte 
das Gymnafium in Bulareft und die Militärichule 
zu St. Cyr. Als Oberft war er 1854 während bes 
Krimkriegeö den rufj. eneralen Luders und Dannen⸗ 
berg attadiert. 1859 wirkte er vergebens für die 
Wiederwahl feines Schwiegervaters, des Füriten 
Bibesco, zum Fyürften der Walachei. Er zäblte zu 


lütezeit. 


815 


den einflußreichften Mitgliedern der Bojarenpartei 
und zu den entfhiebenften Anhängern Rußlands. Er 
avancierte zum General und war öfters ſowohl unter 
dem Fürften Eufa wie unter Karl I. Kriegsminifter, 
zulegt von 1871 bis 1876 im fonfervativen Minifter 
rium Lascar Catargiu. Mit legterm und deſſen 
Kollegen in Anklagezuſtand verjegt, fonnte er am 
Auffiih-Türtifchen Kriege von 1877 bis 1878 keinen 
Anteil nehmen. Die Anklage wurde 2 zurüd: 

ezogen, und F. wurde Mitglied des Senats, Prä⸗ 
Adent desfelben und eins der Häupter ber fonfer: 
vativen Bartei. Am 2. März 1891 nad dem Sturz 
des Minifteriums Manu bildete F. mit Catargiu 
ein neues Kabinett, worin er dad Präſidium ohne 
Portefeuille übernahm. Am 5. März erteilte er 
die Kammer ein Mibtrauendvotum und wurde in: 
folgedefien aufgelöft. Die neuen Wahlen ergaben 
zwar eine Majorität für die Regierung, jedoch be: 
reitö 9. Dez. 1891 ſah ſich F. veranlaßt zurüdzu- 
treten; er ftarb 22. Mai 1893 in Bulareft. 

Floreöfee, Teil des auftral, Mittelmeers (j. 
Karte: Malatifher Ardipel), ggen Faores 
und Sumbawa im ©., Celebes im N., ſteht im D. 
mit der Sundaſee, im W. mit der Javaſee, im S. 
mit dem Indiſchen Dcean durch Meeresſtraßen in 
Verbindung und erreicht 5120 m Tiefe. 

forett (franz. feuret), Stoßrappier, Stoß: 
waffe, beftehend aus einer etwa 90 cm langen vier: 
tantigen Klinge und dem aus Stihblatt, Parier- 
ftange und Griff gebildeten Gefäß. Die Epiße der 
Klinge ift bei den Sehtübungen mit einem Blättchen 
verjehen, welches, mit Leder ummunden, den Knopf 

lorettband, ſ. Banpfabrilation. [bildet. 

lorettjeide, |. Seide; Florettjeidenge: 
ſpinſt, ſ. Faſergebilde. 

Flore und Blaucheflor (ſpr. flohr, blangſch⸗ 
flohr; in deutſchen Dichtungen Blanſcheflurz in 
latiniſierter Form Flos und Blancflos, d. i. 
Blume und Weißblume, Roſe und Lilie), Name 
einer im Mittelalter vielfach bearbeiteten byzant. 
Liebesſage. Zunächſt iſt fie eine Perſonifilation 
der Roſe und der Lilie oder im allegoriſchen Sinne 
der Liebe und der Unſchuld. Dieſe Bedeutung aber 
iſt in den vorhandenen Dichtungen nicht mehr mit 
Bewußtſein feſtgehalten, der Stoff vielmehr ganz 
in der Weiſe romantiſcher Dichtungen — elt. 
M Hauptinhalt iſt die Schilderung der rührenden 

iebe zweier Kinder. Blancheflor wird vom König 
von Spanien, der ſie von ſeinem Sohne Flore 
trennen will, an einen babylon. Admiral verkauft; 
Flore findet fie nah langen Mühen; entdeckt, 
werden fie zum Feuertode verurteilt; lieber wollen 
ie beide jterben, als daß ſich eind durch einen 
underring rette, das rübrt die Heiden, und Flore 
brt die Geliebte heim; fie fterben beide zu ber: 
elben Stunde und ruhen in einem Grabe. An den 
alten Kern der Sage erinnert faſt nur der Zug, 
daß ſich Flos einmal in einem Blumenforbe zu ber 
gefangenen Blancflo8 bringen läßt. Schon in der 
weiten Hälfte des 12. Jahrh. ift die Sage in Süd 
——— belannt. Eine altfranz. Bearbeitung des 
12. Jahrh. nebſt einer jedoeh an veröffentlichte 
Immanuel Belter, «Flore und Blanceflor» (Berl. 
1844), und mit einer zweiten des 13. Nabrb. Ed. du 
Meril (Bar. 1856). Eine niederrhein. Bearbeitung 
entbält der um 1170 nad dem ältern franz. Ges 
dichte verfaßte «Floyris», von dem nur Brucdjitüde 
erhalten find (herausgegeben in der «Zeitfchrift für 
deutſches Altertum», Bd. 21, Berl. 1877); eine hoch⸗ 


816 


deutiche nach derjelben Duelle verfaßte um 1210 
Konrad Fle (be: von Sommer, Queblinb. 1846); 
eine plattveutiche wurde herausgegeben in Bruns’ 
«Gedichten in altplattdeuticher Spracher (Berl. 1798) 
undvon Waegoldt(Niederdeutiche Denkmäler, Bv.3, 
Heft 1, Brem. 1880); eine mittelniederländiiche von 
Diederic von Afjenede gab Hoffmann von Fallers: 
leben in ven «Horae belgicae», Bd. 3 (Lpz. 1836), 
eine altnordiſche Kölbing (Halle 1894) heraus; eine 
neudeutſche lieferte Frau von —— Ludw. 
Tiecks Schweſter (Berl. 1822). Dieſelbe Sage liegt 
dem Roman «Il Filocolo» von Boccaccio (ſ. d.) zu 
Grunde, der dem deutichen Boltöbuche «Florio und 
Bianceflora» 92 1499) zum Vorbild gedient hat. 
Anklänge an die Sage finden ſich faſt bei allen Völ— 
lern. — Sal. Herzog, Die beiden Sagentreife von 
F. u. B. (Wien 1884). 

Flores, Henrique, ſpan. Geſchichts- und Alter: 
tumsforſcher, geb. 14. Febr. 1701 zu Valladolid, 
mar Mitglied des Auguftinerordend und wurde 
Profeſſor der Theologie an der Univerfität von 
Alcala. Er ftarb 20, Aug. 1773 zu Madrid. 
1732—88 gab er einen vollitändigen Kurfus der 
Theologie in 5 Quartbänden heraus; von andern 
Schriften find hervorzuheben: «Clave historial» 
(Madr. 1743; neuefte Aufl. 1817), «Espaha sagrada, 
teatro geogräfico-histörico de la iglesia de Espaha 
etc.» (29 Boe., ebd, 1747— 73), fein Hauptivert, das 
von F. Manuel Risco, Fernandez, Merino,Canalu.a. 
—— wurde und unter Leitung der Hiſtoriſchen 

fademie langſam weiter erſcheint; «Medallas de 
las colonias, municipios y pueblos antiguos de 
España» (2 Bde,, ebd.1757—58; Supplement 1773), 
«Memorias de las reynas catölicas, historia genea- 
lögica de la Casa Real de Castilla y de Leon etc.» 
(ebd. 1761; 3. Aufl., 2 Bde., 1790), «La Cantabria. 
Disertacion sobre el sitio y extension que tuvo 
en tiempo de los Romanos la region de los Can- 
tabros etc.» (ebd. 1768). — Bol. Mendes, Noticias 
sobre la vida y escritos de Henrique F. (Madr. 
1780; 2. Aufl. 1860). 

Florez Eiträda, Don Alvaro, jpan. National: 
dlonom, geb. 1769 in Pola de Somiedo in Ajturien, 
tubierte zu Oviedo und Valladolid die Rechtswiſſen⸗ 
haften. Nachdem er 1808 zum Generalprofurator 
der Provinz Ajturien ernannt worden war, wagte 
er, als einer der erften in Spanien, öffentlich gegen 
Napoleon I. aufzutreten. Schon damals fchrieb er: 
«Introduceion & la historia de la guerra de la in- 
dependencia», «Paralelo del clero protestante y 
del clero catölicor (8 Bde.) und verfaßte die beiden 
Konftitutionsvorfhläge, wozu die Nationalregie: 
rung aufgefordert hatte. Ebenſo jreimütig wie gegen 
Napoleon erklärte er jich gegen König Ferdinand VII. 
in feiner « Representacion & Fernando VII en el 
aho de 1818 haciöndole ver todos sus estravios», 
welches Merk faft in alle europ. Sprachen überfeht 
wurde. Während ver Realtion von 1820 redigierte 
er die zu Cadiz erjcheinende Oppofitionszeitung 
«El Tribuno del pueblos. Nah der Reitauration 
mußte er 1823 auswandern und jchrieb in Frank⸗ 
reih: «Curso de economia politica» (5. Aufl. 
1843; franzöfifh, 3 Bde., Var. 1833). Ein Auszug 
daraus erſchien u. d. T. «Elementos de economia 
politica» (Madr. 1841). %. E. ftarb 1853. 

#Florfliegen, Blattlausfliegen, Golp: 
augen(Chrysopa Leach), eine zu den Grofflüg: 
lern (ſ. d.) gebörige Nepflüglergattung, zartgebaute, 
13—20 mm lange, ihön ——— oder gelbe In: 


Florez — Florianopolis 


fetten mit goldglänzenden Augen und feinen, flors 
artig geaderten Flügeln, den ganzen Sommer im 
Freien, im Winter in Gartenwobhnungen u. ſ. w. Aus 
den Eiern, die an langen Stielen auf Blättern bes 
fejtigt werden, kriechen kräftig gebaute Larven auf, 
die mit ihren jihelförmigen Saugzangen als Blatt: 
lauslöwen den Blattläufen — und ſich 
fpäter zur Verpuppung auf Blättern einſpinnen. 

Floriacenfer oder Orden von Flore, Flo: 
renjer, Florienſer (fälſchlich Fleurienſer), 
Mönchsorden, ſ. Ewiges Evangelium. 

loriau, Sankt, Ort, ſ. Santt Florian. 
loriau (Floria nus), Heiliger und Märtyrer, 
jo um 190 zu Zeifelmauer in Niederöfterreih ge 
oren fein. Er diente in diefer Gegend unter dem 
Statthalter Aquilin im röm. Heere und wurde von 
diefem 230 während einer Ehriftenverfolgung unmeit 
Lord in der Enns ertränlt. In der folgenden Nacht 
erichten F. einer frommen Frau, der er jeinen Leich⸗ 
nam an ber Stelle zu begraben gebot, wo jeht das 
probe Auguftinerhorberrenftift Sant Florian (f.d.) 
bei Linz ſteht. Die Reliquien des Heiligen wurden 
ſpäter wahrſcheinlich er Rom gebradbt und 1183 
von Papſt Lucius III. auf Bitten des poln. Königs 
Kaſimir nah Krakau geſchickt. F. ift der Landes» 
patron von Oberöjterreih und Patron gegen Feuer: 
und Waſſersgefahr. Er wird als Krieger und mit 
einem Gefäß Flammen löfchend abgebildet. Sein 
Gedächtnistag ift der 4. Mai. 

Florian (jpr. -riäng), Jean Pierre Claris von, 
franz. Dichter, geb. 6. März 1755 im Schloß F. 
in ber Näbe von Anduze (Depart. Card), murde 
mit 12 Jahren Page des Herzogs von Penthievre 
in Paris. Derfelbe jandte ibn in die Artillerie 
Ihule zu Bapaume, nahm ihn aber jpäter wieder 
in feinen Dienft. F., der 1788 in die Alademie 
aufgenommen wurde, lebte in —— Verhalt⸗ 
niſſen in Paris und auf den Schlöſſern des Her 
3098 von Penthievre inmitten einer angeregten 
Gejelligkeit; ala die Revolution ausbrach, wurde 
er verbaftet; der 9. Thermidor befreite ibn, er 
itarb aber ſchon 13. Sept. 1794. F. debütierte als 
Scriftfteller mit Theaterftüden, nad der Manier 
der Arlequinaden, nit obne empfindiame Beir 
mifchung, wie«Les deux billets», «Le bon menager, 
«La bonne möre», «Le bon pere», «Les jumeaux 
de Bergame» u..w. Dann verfaßte er fog. «Pas- 
torales» oder Hirtennovellen: «Galatde» (1788), 
«Estelle» (1788), weichlihe Brodulte, von Gehner 
infpiriert, die aber die empfindfame Naturichwär: 
merei des Zeitalterd ausfpradıen. Von geichmads 
loſer Fadheit find aud feine poet. Romane «Numa 
Pompilius» 1000) «Gonzalve de Cordouer- (1791) 
u.a. Auch jeine liberfegung des «Don Quijote» 
ift verfehlt. Auf der Höbe feines Schaffen? zeigt er 
fich in feinen 1792 erfchienenen Fabeln; fte jind eins 
fab, anmutig, von liebenäwürdiger Schalkbaftige 
keit. Bon 75.8 Werten find noch zu nennen: «Jean- 
not et Colin», «Blanche et Vermeille», «Ruth» 
und befonders die «Jeunesse de F., ou m&moires 
d’un jeune Espagnol», worin F. feine eigenen 
Yugendeindrüde und erjten Abenteuer erzählt. Seine 
jämtliben Werte gab Renouard heraus (16 Bpe., 
1320); die «(Euvres inedites» Pirericourt (4 Bde., 
1824). — Val. A. J. N. de Roäny, Vie de F. (Par. 
1797); A. de Montvaillant, F., sa vie, ses auvres, 
sa correspondance (ebd, 1879). E 

Floriauopolis, der beutige Name der brafil. 
Stadt Defterro (f. d.). 


Florianus — Florida (Staat) 


lorianus, Märtyrer, |. Slorian. 

forida oder Anuda, eine ver Heinjten ber 
brit. Salomoninfeln (ſ. Karte: Kaiſer-Wil— 
helms-Land u. ſ. w.), im SD. der Iſabella⸗Inſel, 
ift 440 qkm groß und wichtig wegen ihrer Miſſions⸗ 

ftationen und Hanbelänieberlafjungen. 
Florida (Abkürzung Fla.), der ſudöſtlichſte der 
Vereinigten Staaten von Amerika (j. Karte: Ver: 
einigte Staatenvon Amerila II. Öftliher 
Teil), zwiichen 24° 30’ und 31° nördl. Br. und 79° 
48’ und 87° 38’ weitl. 2. von Greenwich, bejteht zum 
größten Teil aus der Halbinjel F., welche, jüd: 
wärts bis zum Kap Sable oder biö zur Florida— 
ftraße fich erftredend, im D. vom Atlantiſchen Ocean, 
im W. vom Golf von Merilo beipült, 670 km lang 
und 150—200 km breit it. Außerdem gehört zum 
Staat der Küftenftrih von 70 bis 150 km Breite 
weſtwärts an der Norbfeite des Golf. Die Gren: 
zen im N. und W. ftoßen an Georgia und Alabama. 
F. hat 1900: 528542 E. darunter 231209 Far: 
bige und 23832 im Ausland Geborene. F. be 
dedt 151980 qkm, davon entfallen 5827 auf Seen 
und Teiche, 4660 auf Küftengewäjler, 1010 auf 
Flüffe und Bäche. Der fühl. Teil der Halbinfel 
beftebt zum größten Teil aus Sumpf und Marſch⸗ 
land (Everglades [f. d.], Cypress Swamps, Man- 
en Swamps), das in der Regenzeit vom Juni 
i8 Oltober unpaffierbar ift. Nordlich vom 28.° ift 
das Land bis zur Grenze von Georgia flah, nur 
felten etwas mwellig. Im weftl. Zeil iſt der Boden 
unebener, aber aud bier faum 80 m body. Der 
größte der zahlreichen Seen ift der Dfeeshobee. In 
den Atlantifhen Dcean ergießen ſich der Saint 
R n (f. d.) und an der Grenze von Georgia der 
aint Mary’3 Niver (ſ. d.). Der jog. u 
Niver ift eigentlih nur eine langgeftredte Lagune 
an der öftl. Küfte, mit einer Mündung unter 27° 
30’ nörbl, Br. In den Golf fließen der Wethlo: 
cohny, Sumannee (f. d.), Odlodonny, Apaladi: 
cola (j.d.), Chatawhatchee, Escambia: River (j. d.) 
und an der MWeftgrenze der Perdido. Häufig find 
die asinks», Höblungen in den Kallſteinſchichten, 
wo Bäche und Flüſſe bervorquellen oder verſchwin— 
den, um ihren Lauf unterirdijch fortzufeßen. Geo: 
logiſch iſt F. ein ſehr junges Sand, ältere For— 
mationen als Tertiär lommen nicht vor, ja Eocän 
iſt unſicher. Von Korallen erbaut ſind viele Riffe, 
namentlich an der ſudl. und ſüdöſtl. Kuſte. Bon 
der Sudſpitze der Halbinſel, dem Kap F, eritredt 
ſich ſudweſtlich und dann weſtlich, in den Tortugas: 
Keys endigend, die 330 km lange Reihe der für 
die Schiffahrt gefährlichen Floridaklippen oder 
Keys. Das Klıma ift jehr gut. Das Temperatur: 
marimum beträgt 40,5’, das Minimum —12° C., 
der Abftand ift geringer als in den andern dftl. 
Unionsſtaaten. N adionville iſt die mittlere 
Temperatur des Januar 12°, des Auguft 27,5°, 
mittlere Jahrestemperatur 20,5°; in Key Weft be: 
trägt lestere 25°C. Die Sommerhige tft nicht fo 
ertrem, wie in manchen weitl. Staaten, dauert aber 
faſt ununterbroden an; die Nächte * meiſt kuhl. 
Der Sommer iſt die Regenzeit. Der Winter iſt mild; 
Fröſte, die den Drangen Schaden zufügen könn: 
ten, find felten. Im Süden ift der Sommer faſt 
nur durch die kurzen Regenihauer vom Winter ver: 
ſchieden. Infolgedeſſen wird F. von Touriften und 
Kranten, namentlich Lungenkranken, im Winter auf: 
gejuht. Auch Mineralquellen find zablreih. In 
den jumpfigen Niederungen herrſchen jedoch Fieber, 
Brodhaus’ Konverfationsskeriton. 14. Aufl. R. A. VI. 


817 


und das Gelbe pie tritt ab und zu namentlich 
in den Häfen auf. Die Pflanzenwelt ift ara: 
terifiert durch das Auftreten von Tropenpflanzen 
der Antillen im Süden. Die berrlihen Wälder lie: 
gr Bauholz in Menge, namentlih Eichen, Fichten, 
agnolien und Cedern. Wild und Fiſche giebt es 
ziemlich viel, ein kleiner — er Bär und der 
Cuguar find die gefährlichſten Raubtiere. Gift: 
a, darunter die —— ſind nicht 
elten. Der Alligator findet ſich in allen Flüſſen. 

Der wichtigſte Erwerbszweig iſt der Anbau und 
der Handel von Drangen Öähr iche Ernte 338 Mill. 
Stüd), ver aber jeit dem vernichtenden zn von 
1894 nur langſam ſich wieder hebt, ferner von Baum: 
wolle, Zuderrobr und Mais. Daneben werden ge: 
wonnen Reis, füße Kartoffeln, Gemüfe und in eini: 

en Teilen mehr und mebr Tabat; ferner Eitronen, 
hinef. Bfirfihe, Ananas (fortwährend ſich fteigernd, 
bejonders auf den Keys), Guaven, Bananen, Erb: 
beeren, Dattelpalmen und Kokanüſſe (an] ben Revs). 
Der Wert der Fiſcherei ——— 1,1 Mill. Doll., 
barunter für 0,5 Mill. Doll. Shwämme. Seit Ende 
der ahtaiger Fahre bat F. in Gewinnung von Phos⸗ 
pbaten (befonders bei Dcala, Bartow und Beace 
River) alle andern Produftionsländer überflügelt. 
1898 wurden O,s Mill. t im Werte von 1,5 Mill, 
Doll. produziert, wovon mehr als die Hälfte nad 
Europa (fait ein Drittel nah Deutihland) ging. 
1890 wurden 805 Fabrilen mit 13927 Angeftellten 
und einer Broduftion von 18 Mill. Doll, gezäblt; 
ſehr bedeutend find Tabakinduftrie und Holzſäge— 
werte. Das Eifenbabnneg ift im Norden ziemlich, 
im Süben wenig entwidelt, die Länge betrug 1899 
5426 km. Bon den Flüffen find 2931 km ſchiffbar. 
Die Flotte zählt 1899: 566 Segler und 177 Dampfer. 
Der Staat ift in 45 Counties geteilt; Hauptitadt 
ist Tallahaſſee. Größer find Jadjonpille, Key: Weit, 
Tampa und Penſacola. Der Gouverneur bezieht 
3500 Doll. Gehalt und wird wie die 32 Senatoren 
auf vier ya ewählt, während die 68 Repräjen: 
tanten auf zwei Jabre gewählt werden. Die Sitzun⸗ 
gen der Legislatur finden alle zwei Jahre ftatt. Im 

ongreß hat F. zwei Abgeordnete, bei der Präfiden: 
tenwahl vier Stimmen. 

Die Staatsjhuld betrug 1898: 322500 Doll, 
der Wert des bejteuerten —— 93 Mill. Doll, 
1896 bejtanden 2350 Schulen, weldye von 63000 
weißen und 36000 aa 7 Kindern befucht wur: 
den; die Schulauägaben betrugen 660000 Doll, 

Geſchichte. F. von Ponce de Leon 1512 am 
— onntage (Pasqua Florida, daher der Name des 

andes) entdedt, von Hernandez de Soto 1539 er: 
obert, erhielt als erfte Anfiebler Spanier, die 1564 
Saint Auguftine, 1696 Penfacola gründeten. Die 
Koloniſationsverſuche der Franzoſen von Louifiana 
aus jcheiterten. 1762 trat Spanien F. bis an den 
Rilflfpri an England ab, mweldes die Strede 
im Weiten des Apalahicola Meftflorida nannte, 
befam aber 1783 beide F. zurüd. Am 22, Febr. 
1819 verltaufte fie Ferdinand VII. an die Union, 
von welcher das Land 1821 befeht, 30. März 1822 
organifiert und 3. März 1845 ala 14. Staat auf- 
genommen wurde, nicht weil die Bevöllerung bin: 
reihend war, jondern um den neuen nördl. Staaten 
Jowa und Meftconfin ein Gegengewicht zu bieten, 
1835—42 wütete der Krieg mit den Seminolen (f.d.). 
F. ſchloß fih 1861 der Seceffion an und kehrte 
1865 in die Union zurüd, der es —5* wieder 
ſeit dem 4. Juli 1868 angehört. Die Entwicklung 

52 


818 


de3 Staates ift eine langjamere ala fonft in den 
Vereinigten Staaten; in letzter Zeit hat die Be 
wirtſchaftung ziemliche Fortſchritte gemacht. — Val. 
Drate, F. its history, condition and resources 
(Boſton 1878); Barbour, F. for tourists, invalids 
and settlers (neue Aufl., Neuyort 1884); Yanier, F., 
its scenery, climate and history (Philad. 1881); 
Grosby, F. facts (Neuyork 1887); Ruidiaz y Ca: 
ravia, La F., su conquista y colonizacion (2 Bde., 
Madr. 1894). 

Florida, Departamento der füdamerif, Nepublit 
Uruguay (f. Karte: La: PBlata:-Staaten u. f.m.), 
im N. vom Rio Ji begrenzt, wird von der Hügel: 
tette Cuchilla Grande durchzogen, hat 12107 qkm, 
(1900) 43184 €., d. i. 3,6 auf 1 qkm, und Viehzucht. 
Die Hauptftadt F., an der Bahn Montevideo: 
Durazno, hat 5000 €. 

Florida: Blanca, Don Yofefo Moñino, Graf 
von, jpan. Staatsmann, geb. 1729 zu Hellin in 
Murcia, ftudierte zu Salamanca und wurde 1772 
Gejandter bei Elemenö XIV., wo er namentlich 
die Aufhebung des Jefuitenordens betrieb. Hierauf 

um Grafen von F. ernannt, wurde er 1777 erſter 
inifter und erhielt dazu noch das Departement 
der Juſtizſachen. Das gute Einvernehmen zwifchen 
dem jpan. und —— Hofe ſuchte er 1785 Dur 
eine Doppelbeirat zu befeitigen; doch wurde feine 
Abficht, einem fpan. Prinzen die Thronfolge in Bor: 
tugal zu verichaffen, nicht erreicht. Nach Karls IL. 
Tod (1788) verlor er unter Karl IV. fehr an Ein: 
fluß und mußte fi auf das Departement der aud: 
wärtigen Angelegenbeiten bejchränten; als er den 
Verſuch machte, die Macht der Königin Maria Luife 
über ihren Gemabl zu bejeitigen, wurde er 28. Febr. 
1792 geftüngt und einige Zeit in Bamplona in Haft 
gehalten. Bei der Erhebung des ſpan. Volks gegen 
die Franzofen 1808 ward F. Mitglied der Junta 
von Murcia, ftarb aber ſchon 20. Nov. 1808. 
ee Ylorida (Staat). 
loridaftrafe, Meeresitraße in Nordamerita, 
zwischen der Halbinfel Floriva, Cuba und den Ba: 
hama⸗Inſeln (f. Karte: Antillen), zwiichen Key: 
Weſt und Habana etwa 160 km, an der ſchmalſten 
Stelle etwa 80 km breit, verbindet den Golf von 
Mexiko mit dem Atlantifhen Deean. 

FHoridaftrom ‚I. Solfitrom und Karte: Mee— 
resftrömungen, beim Artikel Meer. 

Iorideen, Algengruppe, ſ. Rhodophyceen und 
Zafel: Algen I, Fig. 5—11, und IL, Fig. 17 u. 18, 

loridia, Stadt in der ital. Provinz und im 
Kreis Syrakus auf Sicilien, lint3 am Ciani, einem 
Zufluß des Anapo, in jehr fruchtbarer Ebene, bat 
(1901) als Gemeinde 12067 E., niedrige Häujer, 
eine fhöne Hauptlirhe und Landwirtidaft. 

Floridsdorf. 1) Bezirkshauptmannſchaft in 
Niederöfterreih (f. Karte: Nieder: und Ober: 
dfterreich, beim Artikel Nieveröfterreih), bat 
528,5 qkm und (1900) 71677 veutiche E,, 41 Ges 
meinden und 52 DOrtichaften und beſteht aus den 
Gerichtäbezirten %. und Großenzersdorf. — 2) Orts: 
gemeinde (1. Karte: Wien, Stadtgebiet) und 
Eis der Bezirkshauptmannſchaft fowie eines De: 

irfögerichtö (144,35 qkm, 58057 €.) und Haupt: 
Neueramtes iſt Station der Ferdinand : Nord: 
abn, der fterr. Nordweftbabn fowie der Linien 
Mien : Großenzersdorf und Wien: Stammeräborf 
ber Dampf: TZrammay:: Gejellihaft und hat (1900) 
36 599 €.; LZolomotiv:, Maſchinen⸗, Liqueur: und 
Nofogliofabriten. Das Dorf F. wurde 1866 pro: 


Florida (Departamento) — Florio-Rubattino 


viſoriſch als Brüdentopf befeftigt und von dem 
aus Italien herangezogenen öjterr. Heer unter Erz» 
berzog Albrecht bejekt. Der Brüdenkopf wurde in: 
befjen nicht angegriffen, da Friede geſchloſſen wurde. 
Die Gemeinde F. wurde 1895 dur Bereinigung 
mehrerer Gemeinden gebildet und 1905 mit Wien 
vereinigt. — Val. Smital, Geſchichte der Groß: 
gemeinde F. (Floridsdorf 1903). 
— ſ. Ewiges Evangelium. 
lorieren (lat.), in Flor ſtehen, blühen. 

Florilegium (lat.), joviel wie Anthologie. 

Florimo, Francesco, ital, Mufikichriftiteller, 
geb. 12. Dit. (nach andern 1. Yan.) 1800 in San 
Giorgio Morgeto bei Reggio in Galabrien, ftudierte 
auf dem Real Collegio di musica in Neapel und war 
feit 1826 Bibliotbelar an diefer Anjtalt. Er jtarb 
18, Dez. 1888 in Neapel, F. veröffentlichte: «Cenno 
storico sulla scuola musicale di Napoli» (2 Bbe,, 
1869—71; 2. Aufl. u.d.T. «La scuola musicale di 
Napoli e i suoi conservatorii», 4 Bde., 1830—84), 
«Riccardo Wagner ed i Wagneristi» (1876), «Tras- 
porto delle ceneri di Bellini a Catania» (Bericht 
über bie von F. 1877 geleitete Überführung ber 
Leihe Bellinis von Paris nah Catania), einen 
«Metodo di canto» u.a. Von feinen Kompofitionen 
find Lieder, Inftrumentalwerte und firhenmufita: 
liiche Werke belannt geworben. 

Florin for. -räng), franz. Name des Guldens 
(1. d.). F. (pr. florrin) ift auch eine engl. Silber 
münze (Scheidemünze) im Wert von 2 Shill. oder 
4. Pfd. St., die feit 1849 in einer Feinbeit von 
”, , oder 925 Taufendteilen, *,, engl. Troyunzen 
ober 174°%,, Troygrän = 11,3104 g ſchwer geprägt 
wird und daher einen Feingehalt von 161°/,, Troy: 
prän = 10,1021 g bat. Nad feinem Silberinbalte 
tt der 5. (zum Preiſe von 125 M. für 1 kg ein: 
filber) = 1,3077 M.; als *,. des goldenen Sovereign 
(des Pfundes Sterling)=2,012» M. Auddoppeltes. 
(double florins) zu 4 ©hill. werden feit 1888 my 

Yızıına (Bblorina, bulgar. Lerin), Stadt ım 
türf. Wilajet Monaftir in Macedonien, in der alten 
Landſchaft Lynkyftis, an der von Monaftir nad 
Kaftoria führenden Straße und an der Bahn Sa: 
lonit-Monaftir, ift Sig des griech. Erzbiſchofs von 
Moglenon und hat etwa 5000 mobammed. E., acht 
Moscheen, eine griech. Kirche, Raferne, zwei Knaben: 
und eine Näpchenfchule fowie Ruinen eines Kloſters. 

orio: Rubattino (Navigazione Generale 
Italiana, Societä riunite), italienifhe, vom Staate 
fubventionierte Dampfidifiahrtägeiellihaft. Sie 
bat ihre Generalvireftion in Rom, Zmeigitellen 
in Genua, Palermo, Neapel und Benedig, befik: 
(Ende 1901) 103 Schiffe mit einem Gebalt von 
207006 Regiitertongs, bejorgt den größten Teil des 
Schiffahrtsverkehrs von Stalien und bejäbrt die 
— Linien: 1) Mittelmeerlinie, zwiſchen 
ämtlihen Häfen Italiens und Sardiniens, fer 
ner Marfeille, Tunis, Tripolis und Alerandria; 
2) Zevantelinie, nad Kepballenia, Peiraieus, Salo: 
niti, Ronftantinopel, Barna, Braila, Odeſſa, Tagan⸗ 
rog, Syra, Smyrna, dem ganzen Ardipel u. ſ. w.; 
3) Indiſche und Ebinefifche Linie, nah Port⸗-Said, 
Mafjaua, Aden, Bombay, Geylon, Singapur, 
Hong:tong u. f. w.; 4) Nordamerikaniſche Linie, 
nah Neuyort und Neuorleans; 5) Sübamerila: 
niſche Linie, nad Rio de Janeiro, Santos, Buenos: 
Aires und Montevideo. (S. aud die Tafel: Inter: 
nationale Signal: und Reedereiflaggen, 
beim Artikel Flaggen.) 


Floris — Flößerei 


loris, eine der Kleinen —— Flores. 
loris, Frans, niederländ. Maler (eigentlich 
de Vriendt), geb. 1517 oder 1518 zu Antwerpen, 
lernte die Malerei bei Lombard in Lüttich und be: 
Voir fpäter Italien. Nach Antwerpenzurüdgelehrt, 
gründete er eine Schule, die, zahlreich befucht, feine 
Darftellungsmeije für lange Zeit zur herrſchenden 
machte. %. ftarb 1. Dft. 1570 in Antwerpen. Er ges 
—— zu den niederländ. Künftlern, die das nationale 
lement ihrer —— * Kunſt verließen, um 
dafür eine zierliche Nachahmung der Italiener einzus 
tauſchen. Er behandelte mit Vorliebe mytholog. Ge: 
enjtände, bie aber am meiften manieriert erfcheinen; 
o malte er: Mars und Venus im Neb des Vullan 
(1547), Venus und Amor (Braunfhweig, Mufeum). 
Bon — een ndet ſich das Haupt: 
wert: Sturz der böjen Engel (1554), im Muſeum 
u Antwerpen; in ber Galerie zu Dresden: Ans 
etung der Hirten; im Pradomufeum zu Madrid: 
Die Sintflut. Anſprechender ift er in feinen Bild: 
nifjen. — Sein Bruder Cornelius $., geſt. 1578, 
war Baumeijter und als ſolcher einer der Haupt: 
vertreter des reich fich entwidelnden Renaiſſanceſtils. 
Von ihm ift das ftattliche Rathaus in Antwerpen 
(1561—65; ſ. Tafel: Ratbäuferl, dp: 4) erbaut. 
Er gab aud ein viel benutztes Werk über Säulen: 
ordnungen er (1563). 
loris, Joachim von, ſ. Ewiges Evangelium. 
forift oder Fleuriſt (Mm), Blumentenner, 
Blumenfreund; Blumenbejchreiber, auch Blumen: 
maler; Floriſtik, Blumentunde (f. Botanik); Flo: 
— ſJ. — 
risügae, umenjauger, ältere, ge 
legentlih vortommende Benennung für die zufam- 
mengemürfelten Familien der Kolibris, Nektarinien, 
Hontgfauger u. ſ. w. Jetzt heißt eine aus zwei Arten 
— Gattung der Kolibris nur Florisuga. 
Flörsheim, Marttfleden im preuß. —— 
und Landkreis Wiesbaben, 22 km im SW, von 
ankfurt a.M., rechts vom Main, an der Linie 
ankjurt: Wiesbaden der Preuß. Staatöbahnen, 
at (1900) 3711 €., darunter 304 Katholifen und 
45 Jraeliten, (1905) 4100 E., Poft, Telegrapb; 
Steingutwaren-, Turmuhren⸗, Hefen: und Malz: 
fabriten, Kalkſteinbrüche, Kalt: und Ziegelbrenne: 
—— und —— Weinbau. 2km 
nördlich das Schwefelbad Weilbach (f. d.). 
eg ſ. Faſergebilde. 
lorus, Julius, röm. Geſchichtſchreiber, der 
unter Trajan und Hadrian gelebt zu haben ſcheint. 
Er verfaßte aus frühern Geſchichtswerken einen ge 
drängten Abriß der röm. Geſchichte (daher «Epi- 
tome» betitelt) von der Gründung Roms bis 
Hugujtus, in zwei Büchern. Die Darftellung ift 
Ihmwülftig, Verjtöße gegen die Geographie und 
tonologie fommen häufig vor, auch ift das Wert 
von tendenziöjen Entjtellungen nicht frei. Die kur: 
en Inhaltsangaben der verlorenen Bücher des 
ivius jchrieb man ihm rüße: mit Unrecht zu. Die 
beiten Ausgaben haben D. Jahn ( — a und 
Halm (ebd. 1854) geliefert. — Bol. Spengel, Die 
Gejhichtsbücer des F. (Münd. 1861); Reber, 
Das Geſchichtswerk des F. (Programm, Freiſing 
1865); Heyn, De Floro historico (Bonn 1866). 
Diefer F. it verjchieden von dem Rhetor und 
Dichter Publius Annius F. welchem —2 
ment eines Dialogs und eine Anzahl Verſe zu— 
geſchrieben werben; jenes findet man in den Aus—⸗ 
gaben des F. von Jahn und Halm, die Verfe im 


819 
Anbang zu Rutilius Namatianus, bg. von Luc. 
Müller (Lpz. 1870). 
Flos (lat.), Blüte, Mebrzahl Flores (f. d.). 
Floöfel (lat.), Blümchen, fhöne Redensart, 
leere Bhrafe, mit der man eine Entſchuldigung um: 
Heidet; flosteln (flostulieren), F. maden; 
flosfuld3, reih an F. 
Bene ſ. Bad. 
loßbrüden, Flußübergänge, die durch neben: 
einander geloppelte Baumftämme bergeftellt finv. 
Flöhe, Hahe Fahrzeuge aus Baumftämmen, 
Laden (Bfählen), Holen und Brettern, die zugleich 
das thalwärts zu ſchaffende Frachtgut bilden. Die 
rößten Sahrzeuge folder Art find die Holländer: 
Flöhe auf dem Rhein, fo genannt von ihrem Be: 
——— welche aus den vom obern Rhein, 
dem Nedar, dem Main und der Moſel kommenden 
Heinern F. zufammengefeßt werben, ferner die aus 
dem Pruth und Dnnjepr in das Schwarze Meer ge: 
langenden Ruſſinenflöße mit dem Stapelplas 
Odeſſa, endlich die rg ze Weichſelflöße, die 
nad Danzig geben. Im obern Teile der Flüſſe wer: 
den bie 5 nicht felten mitteld künftlich erzeugter 
Wafjferanfammlungen (in Klaufen), die bei ftatt: 
findender Fahrt entleert werden (Schwellungen), 
befördert. Flußwehre find mit Floßdurchlaſſen 
verfeben, deren Berfhlußvorrihtungen (Schützen, 
Balken, Nadeln) vor der Antunft ie entfernt 
werben, an Waflerfällen oder Stromjchnellen be: 
finden fi eigene Floßlanäle. Eine interejjante 
Anlage diefer Art befteht am Traunfall bei Gmun: 
den. Floßbäfen dienen zur fihern Bergung bei 
Hochwaäſſer und Eisgang und zur bequemen Yan: 
dung. (S. aud Flößerei und Holztransportweien.) 
löfferhecht (Polypterus bichir Geoff., |. Tafel. 
gi che VI, Fig. 3), ein über 1 m lang werbender 
melzſchupper (f. d.) des Nils, mit einer bedeuten: 
den Anzahl (10--18) Heiner Rüdenflofjen und rhom⸗ 
biſchen Schuppen. Er iſt von grüngrauer, nad dem 
Bauche zu heller werbender Farbe. _ : 
Floffen, eine Form des Roheiſens, |. Eifen 
Techniſches) und Eifenerzeugung I, A. 
loffen, die Ertremitäten der Fiſche (ſ. d.). 
(offenfüher (Pteropoda), giägel üßer, 
eine pelagiich lebende Drbnung der Schneden mit 
einem zu zwei Floſſen erweiterten Fuße, mit denen 
fie fih, wie mit Schmetterlingsflügeln, meiſt in 
Schmwärmen ım offenen Meere ſchwimmend bewe: 
en, nachts emporjteigend, bei Sonnenjdein in die 
iefe fi —— Die räuberiſchen F. find ent: 
weder beichalt (j. Tafel: Weichtiere IL, Sig 2), 
mit einem jpiralig gewundenen oder geraden, fegel: 
fürmigen oder dreiſpitzigen, meiſt — Gebäufe 
oder nadt. Bon den nadten ift die befanntejte das 
Walfiſchaas (Clio borealis Brug.), ein zartes, rot 
angehauctes fpindelförmiges Tieren von 1 bis 
3 cm Länge, mit deutlich abgejestem Kopf und einem 
unpaaren Refte der Kriechjohle zwiſchen den Floſſen. 
Es findet fi in ungeheuren Schwärmen im Artti— 
ihen Meere und bildet eine Hauptnahrung de3 Bar: 
tenwals. — liber die 3. ald Meerjäugetiere j. 
a er ſ. Segelfport. [Pinnipedia. 
Ioffentaucher, |. Hinguine. 
lößerei, der Transport des Holzes durch das 
Waſſer (f. Holztransportwejen). Infolge ihrer ver: 
jhiedenen Natur unterliegen bie 5. mit verbun: 
denen Hölzern (Floß fahrt) und die F. mit unver: 
bundenen Hölgern (Trift) verſchiedenen Rechts» 
grundfäßen. Erftere erjcheint, da die aus den Hölgern 
52* 


820 


ebildeten Flöhe Fahrzeuge find, als eine — 
Ir der Binnenſchiffahrt (f. d.), fie findet auf öffent: 
lichen Fluſſen jtatt, und es find daher auf fie alle für 
leßtere geltenden Grundſätze direft anwendbar. (Val. 
Reichsverfaſſung Art.54 und aud in Suddeutſchland 
geltendes Bundesgefek vom 1. 5— 1870, wodurch 
die F. von allen läſtigen Abgaben befreit wurde.) 
Die 5. mit unverbundenen is —* da ſie die 
Stämme, Scheite u. ſ. w. dem ale auf übergiebt, 
um fie weiter unten aufjufangen, ihr naturgemähes 
—— ebiet auf den nichtſchiffbaren, alſo 
den Privatf ale, und ijt im Intereſſe der Schiff: 
fahrt, auf welche die für diefe . erforderlichen Vor: 
tebrungen nachteilig wirken müſſen, deshalb geſeß— 
li ſogar meijtens auf die Privatflüffe befchräntt. 
Dazu beeinträchtigt viefelbe die übrigen Nußungs— 
rechte an Waſſer und Ujer ſehr. Alle den ſchwim— 
menden Hölzern begegnenden Hinderniffe müſſen 
bejeitigt, Seitenarme des Fluſſes, in melde die 
Hölzer bineingeraten könnten, abgejperrt, VBorrid: 
tungen zum Sammeln und Auffangen der Hölzer 
angebracht werden; es muß befonders den Flößerei— 
unternehmern gejtattet fein, die Ufer zu betreten, 
um bängenbleibende Hölzer loszumachen und fie im 
fließenden Waſſer zu balten. Daraus ergiebt jich, 
daß, waährend die Floßfahrt, wie die Schiffahrt, jeder: 
mann am öffentlichen Fluſſe auftebt, diefe F. eines 
bejondern Titel, eines privatrectlichen (Vertrag, 
Erfigung) oder eines öffentlich: rechtlichen (Erllä: 
rung des Gemwäfjers zum Triftgewäſſer durd Ver: 
mwaltungsalte, event. unter Anwendung von Grpro: 
priation, oder gemwohnbeitsrechtlihe Entſtehung 
einer ſolchen Triftiervitut) bedarf, An vielen Orten 
bat ih das Floßregal bes Staates erhalten, 
welches zur Ausübung an Einzelne verlieben wird. 
Der Staat erläßt kraft jeiner Hobeit Floß- und 
Triftordnungen. Leßtere beziehen ſich auch auf 
die an Die Ufereigentümer, Befiker von Triebwerten 
und fonitigen Waffernugungen zu entrichtenden Ent: 
chädigungen für die Schäden, welche der dauernde 
etrieb mit ſich BEN: wie Stilljtand der Triebwerte, 
Beſchädigung der Ufer u. ſ. w. Die Teilnahme der 
Verwaltungsbebörden an der Regulierung diejer 
durd eine gewöhnliche —— zu ver— 
folgenden Anſprüche beſteht gewöhnlich darin, daß 
fie die Höhe des Anſpruchs normieren (bayr. Geſeß 
über Waſſerbenußung vom 28. Mai 1852, Art. 72), 
oder daß der Staat ſelbſt die Befriedigung der Ge: 
Ihädigten übernimmt und zu diefem Zmwed eine Ab- 
gabe von den Flößern erhebt (preuß. Gejek vom 
28. Sebr. 1843, 8.8). Nur auf die Floßfahrt beziebt 
ih das Reihsgelek vom 15. Juni 1895 über die 
privatredtliben Berbältnijje der F. welches, 
weil die F. ein Transport von Gütern iſt, den An: 
balt des Floßfrachtgeſchäftes, und zwar in Anleb: 
nung an die Vorſchriſten des — — 
über das Seefrachtgeſchäft, Berger und Hilfslohn 
und das —— des Floßführers und 
der Floßmannſchaft, leßteres durh Anwendung 
der Reichsgewerbeordnung (Dienſtverhältnis der 
gewerblichen Betriebsbeamten [$. 133a] und Ar: 
beiter), regelt. Dem Frachtführer des Schiffahrts: 
rechtes entſpricht der Frachtflößer, d. i. der Unter: 
nehmer, welcher die Beförderung des Floßes über: 
nimmt, dem Schiffer der Floßführer. An nur 
jlößbaren und auch zur F. no benukten Mailer: 
ſtraßen befist Deutichland 5527,9 km (im Odergebiet 
allein 1014 kın). Das Einführungsgefek zum Deut: 
ben Bürgerl. Geſetzbuch läßt die landesgefeplichen 


Floßgraben — Flötenvogel 


Vorſchriften über die F. weiter beitehen (Art. 65). 
— Vol. Artitel Flößerei im « Handwörterbud der 
Staatswifjenfhaften», Bd. 3 (2. Aufl., Jena 1900); 
die Kommentare zum Geſeß vom 15. Juni 1895 
von Matower (Berl. 1895; 3. Aufl. von Loeme, 
1904), Landgraf (2. Aufl., ebd. 1900), Mittelftein 
(2. Aufl., Lpʒ. 1900). 
Flofgraben, 92 km a Graben, der unter: 
halb Zeih von der Weißen Cliter abzweigt und fich 
ei Lügen in zwei Arme teilt, von denen ber eine 
zur Saale, der andere zur Quppe führt. 
lofregal, j. Flößerei. 
—958 d. 17. 
los und Blaueflos, |. Flore und B t. 
löte (ital. dauto; frz. flüte), ein uxaltes 
inftrument (j. Aulos) von fanftem und angenebmem 
Charalter, eins der wichtigiten Orchefterinjtrumente, 
war früber in zweierlei a. vorhanden: als 
gerade und als Querflöte. tere war früber die 
weitaus gebräudplicere (f. Schnabelflöte und Tafel: 
Mufikinftrumente I, Fig. 8, Bd. 17), ift aber 
jest ganz abgelommen, jo daß man unter F. jebt 
nur die quer an den Mund zu fegende Querflöte 
(1. Taf. I, Fig. 9) veritebt. Diefe, früber Shwei: 
zerpfeife, Zwerchpfeife, deutſche F. genannt, 
wird von Buchsbaum- oder Ebenbolz und Elfen 
bein, zumeilen auch aus Silber, Porzellan oder Glas 
earbeitet und bejtebt aus einer aus vier Stüden zu: 
ammengejesten Röbre (im 17. Jabrh. nur auseinem 
Stüd), jieben Tonlödern und aus einer, vier, acht, 
jelbft vierzehn oder fünfzehn Klappen. Leptere find 
erſt feit vem 17. Jahrh. allmählich angebracht wor: 
den; die F. Friedrichs d. Gr. z. B. hatten nur zwei. 
Sie dienen jur reinern Erzeugung der —— 
Töne, die vordem nur durch Salbpedung der Löcher 
u. ſ. w. zu erlangen waren. Ihr jesiger Umfang gebt 
von dem ——— d bis zu dem viergeſtriche⸗ 
nen a; au benußt man zum ee F. von dem 
Umfange des Eleinen g bis zum fünfgeftrichenen c. 
Außerdem wendet man, um einen durchdringenden 
Ton im Orcheſter zu erzielen, noch folgende 5. an: 
a. die Terzflöte, die eine Terz höher lingt als fie 
aeichrieben wird, zwat den Umfang, jedoch nicht den 
vollen Ton der gewöhnlichen bat; b. das Viccolo 
oder die Ottavflöte, die mit dem Umfang ber F. 
übereinftimmt, aber eine Oltave böber klingt; c. das 
Es: Piccolo, das einen halben Ton böber ftebt ala 
das vorige; d. das F⸗Piccolo, das denjelben Ton: 
umfang wie die beiden vorgenannten bat, aber um 
eine Terz böber als das eritere und um einen Ton 
böber als das leßtere jteht; e. das C- Flöten, 
die Meinfte ylötengattung, jtebt um eine Septime 
böber als die Oftavflöte, Die F. ift das beweglichſte 
unter allen Blasinjtrumenten und war lange 
aud das beliebtefte. Um die Verbefferung der 3. 
a ſich —— Trommlitz und in neueſter 
eit Fa beobald —*— (1. d.) Verdienſte 
erworben, Bei Wünnenbergs Batentflöte bildet das 
Kopfitüd nicht eine gerade Linie mit dem übri 
Teil der F, ſondern ftebt durch feine Dicung in 
rechten Wintel zum — wodurch eine be⸗ 
quemere Haltung der Arme erreicht wird. Eine 
Kleine Art Querflöte ift die Querpfeife (f.d.). Flöten: 
ihulen lieferten Fürftenau, Drouet, Beyer, Hugot, 
Wunderlih u. a. — Bol. Schwebler, Katechismus 
der F. und des Flotenſpiels —— 
Flötenvogel (Gymnorhina Gray), trahenartige 
Vögel aus Auftralien von ſchwarz und weißer 
bung, die ſich durch ihre belle flötenartige Stimme 


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Flötenwerf — Flottille 


bemerkbar maden. Due in den zoolog. Gärten, 
wo fie wie die Naben gehalten werben. hr Preis 
ſchwankt zwiſchen 20 und 30 M. j 

Flötenwerf, eine Heine Orgel (f.d.), die nur 
Labialjtimmen enthält und die vermöge einer durch 
Gewichte bewegten Walze automatisch fpielt. 

Flotow, Friedr., Freiherr von, Operntomponift, 

eb. 27. April 1812 zu Teutendorf, einer Belikung 
feine Eltern in Medlenburg: Schwerin, war ur: 
prünglid zur — Laufbahn beſtimmt, ging 
aber mit 16 Jahren zur Muſik über und machte 
Bm Kompofitionsftudien bei Reicha in Paris, 

ort jchrieb er zuerft einige Opern für Privattheas 
ter, dann für öffentliche Bühnen («Le naufrage de 
la Meduse», aud u. db. T. «Die Dlatrofen»; «L’äme 
en peine», auch u. d. T. «Der Förfter»), die bald 
wieder verſchwanden. 1855 ald Kammerberr und 
Hoftheaterintendant nah Schwerin berufen, gab 
3. diefe Stellung 1863 wieder auf, lebte feit 1868 
als Privatmann auf einem Nittergute bei Wien 
und ftarb 24. Jan. 1883 in Darmitadt. Populari— 
tät gewann %. durch die Opern «Alejjandro Stra: 
della» (1844 in Hamburg) und «Martha, oder der 
Markt zu Richmond» (1847 in Wien), die über 
Deutihland hinausdrangen. Ein ftartes melodi— 
ſches Clement miſcht in ihnen Auberſche Koletterie 
mit deutſcher Sentimentalität. F.s ſpätere Opern 
«Die Gropfürftinv «Rübezabl»,«Andra» und «Albin» 
ze. wenig Er —*3 — Bol. Friedrich von F.s 
eben, Bon feiner Witwe (Lpz. 1892). 

Flott heißt in der Seemannsſprache alles, was 
ſchwimmt; flott machen bedeutet ein auf Grund 
geratened Schiff wieder abſchleppen, fo daß es in 
afreied Mafler» fommt, d. h. flott wird, 

Flottbef, Groß: und Klein: Flottbet, 
Dörfer im Kreis Pinneberg des preuß. Neg.: Bez. 
Schleswig, 7 km weitlih von Altona, dur das 
Villenviertel Neu :Dtbmarjchen voneinander ge 
trennt (f. Karte: Hamburg und Umgebung), 
mit (1900) 2877 und 1350 E., darunter 59 und 
31 Ratholiten ; Gärtnerei und Landwirtſchaft. Klein: 

lottbet liegt an der Linie Altona: Blanteneje der 
reuß. Staatöbahnen, unmeit des rechten Ufers 
der Elbe und bat Pot, Telegraph; Brauerei, groß: 
artige Bartanlagen fowie eine berühmte von James 
Bootb (ſ. d.) begründete Baumſchule. Einer der 
größten Parts Deutſchlands, mit Gewächshäuſern, 
tft der des frühern Hamburger Senators Jeniſch. 
fein: lottbet und das unmittelbar an der Elbe 
gelegene Teufelsbrüde, mit Hoteld und Bade 

7* werden viel beſucht. is 
Iotte (fra.), die Geſamtheit der Schiffe eines 
cheidet last 
ötlotte 


a 
Staates. an unt 
(Kriegömarine, f.d.) und Hande 


—— — Vornehmlich bezeichnet | {ch 
t 


. eine zu einem bejtimmten Zwed verfammelte 
größere Anzahlvon Kriegsſchiffen, eine Vereinigung 
mebrerer Geſchwader ( db.) unter —— 
Oberbefehl (eines Admirals, Bice- oder Konter⸗ 
admirals). In fruhern Zeiten knüpfte fi der Name 
F. an eine beſtimmte Zahl von Schlachtſchiffen und 
zwar nicht unter neun, Eine Abteilung geringerer 
Zahl nannte man Geſchwader (f.d.). Zur bejiern 

brung und Beweglichkeit der F. teilte man bie 
elben in drei Hauptteile: Borhut, Centrum und 
achhut. Ein Admiral befehligte das Ganze und 
beſonders das Gentrum, ein Viceadmiral die Bor: 
but und ein Konterabmiral die Nachhut. Da in 
dejien bei großen F. die Zahl der Schiffe fich bis: 


821 


mweilen auf 120 bis 130 belief, 3. B. in den holländ.⸗ 
engl. Kriegen im 17. Jahrh., fo gliederte man die 
auptabteilungen wieder in Divilionen (ſ. d. und 
Iottille). Eine neuere Schlachtflotte ſetzt ſich 
jufammen aus einem oder mehrern Banzergeihiwa: 
dern, einem oder mehrern Kreuzergeſchwadern, einer 
Torpebobootäflottille ſowie einer Anzahl von La: 
arett:, Werlſtatt⸗ Deftillier: und Handelsſchiffen 
t die Koblens, Munition: und run. 
— 5. in ber Färberei f. d. — F. in der Fiſche— 
rei ſ. Flottbolz. 
lotte, La, Hafenort auf der Inſel RE (f. d.). 
lottenfttammpbipifion, ſ. Matroſendiviſionen. 
lottenſtation, im engern Sinne jeder zur Aus: 
rüftung und Ausbeſſerung von Kriegsſchiffen ein⸗ 
gerichtete, befeftigte Küſtenplaß (Kriegshafen); im 
meitern Sinne verjtebt man unter F. entweder die 
beimifhen Marinebezirke (in Deutihland die Ma: 
rineftationeh, ſ. d.) oder auch überſeeiſche Küſten⸗ 
gebiete und Meeresteile, in denen Kriegsſchiffe 
dauernd ftationiert find. Auf den außereuropätichen 
5: befigen bie größern Rolonialmächte eine Anzahl 
efeitigter Häfen, die man Flottenftügpuntte 
nennt. Deutjchland hat nur einen folden Flotten⸗ 
jtügpunft, Tſing⸗ tau. In der folgenden Tabelle find 
die Ende 1902 beſtehenden außereuropäiichen F., 
er Der der Mittelmeerftation, aufgeführt ; bie 
iffern geben bie Anzahl der Kriegsſchiffe jeder 
tation an, die Ziffern in Klammern die Anzahl 
der Einienbiffe unter ihnen. 











Flotten⸗ 
ſtationen 








Mittelmeer . . 
Oſtameritaniſche 
Weſtamerilaniſche 
Oſtafritaniſche 
Weft- u. ſUdafrit. 
Dftafiatiihe . . 
Auftraliihe . 

* Heimifche Flotte. 


fottenftühpnuft, ſ. Flottenſtation. 
lotteuverein eutſcher Flottenverein 
lotthäfen, ſ. Doc. [(®v. 17). 
lottholz, zur Berfertigung von Schwimmern 
otten) in der Nekfifcherei (f. d.) geeignetes 
eichtes Holz, 3. B. von der Schwarzpappel. 
Flottieren (fr3.), ſchwimmen, ſchweben, hin und 
ber ſchwanken; veralteter Ausprud für das Hin 
und Herſchwanken einer Truppenlinie während einer 
Vorwärtöbewegung; ferner dad Wanten von im 
Feuer ftehenden Truppen bei größern BVerluften; 
in der Balliftit das Abweichen eines Geſchoſſes von 
der regelmäßigen Flugbahn durch Hin und Her 
wanlen. Flottierende Bevölkerung, die 
nicht ſtändige Einwohnerſchaft. 
lottierende Schuld, auch ſchwebende 
Schuld, im Gegenſaß zu der fundierten oder fon: 
folidierten Schuld diejenigen Verbindlichleiten des 
Staates, die er entweder als ſtets fällige oder 
nur auf furze riften übernommen bat. (©. Bon, 
Erhequer Billd und Schaganmweifungen.) 
Flottille (frz.), Heine Flotte, die taltiſche Ber: 
einigung mehrerer, aus Fahrzeugen, Kanonen: oder 
Zorpebobooten zufammengejester Divifionen (f. d.) 
unter einem lottillenchef. Er führt ald Kommando: 
eihen den Flottillenſtander (ſ. Deutſchland unt 
eutiches Reich, os en, nebit Tafel) im Großtopp 
des Flagaihifis (f ”. Man unterjheidet in ber 


II I 1 [Rußland 


5) 
— 
— 
— 
= 





| 


822 


deutichen Kriegsmarine Banzertanonenboot: 
und Torpedobootäflottillen. 

Flottwell, Adalbert ven, preuß. Staatdmann, 
Sohn des folgenden, geb. 3. Febr. 1829 zu Marien: 
werder, widmete fid dem Studium der Rechte und 
übernahm, nachdem er 1861—67 die Stelle eines 
Landrats im Kreiſe Mejerik befleivet hatte, 1868 
als Landesdirektor die Verwaltung des Fürſtentums 
Waldeck, die infolge des Acceffionsvertragd vom 
18. Juli 1867 an Preußen übergegangen war. Au 
den Wunſch des Fürſten Leopold trat er 1. Apri 
1872 in die Regierung von Lippe: Detmold als 
Rabinettäminifter ein, um eine Vermittelung mit 
der liberalen Majorität des Landes, melde die 
MWiederperftellung des bemofratifchen Wahl eſetzes 
vom 16. Yan. 1849 forderte, zu verſuchen. Alle Be- 
mübungen fcheiterten jevoh daran, daß fein be 
— Landtag zu ſtande kam, und ſo legte 

. 1875 fein Amt nieder, um als Regierungspräſi⸗ 
dent von Marienwerber wieder in den preuß. Staats: 
dienst zurückzukehren. 1880 wurde er ald Bezirläprä- 
ſident von Lothringen nah Meß berufen, ſchied aber 
1883 aus dem Staatsdienſte aus und wurde Direl: 
tor der Schlefifhen Bodenkreditbank in Breslau, 
Flottwell, Eduard Heinr. von — Staats⸗ 
mann, geb: 23. Juli 1786 zu ‚gfter urg, trat 
nah vollendetem Studium der Rechte 1805 als 
Austultator beim DOberlandesgericht feiner Vater: 
jtadt in den Staatädienft, wurde 1808 Aſſeſſor in 
Königäberg, 1812 unter Schön Regierungsrat und 
gar bei der Regierung zu Gumbinnen, 1816 

eb. Regierungsrat und Oberpräfidialrat in Dan: 
zig, 1825 Negierungspräfident in Marienmwerder 
und 1830, nad) dem Ausbruch der poln. Revolution, 
—— der Provinz Poſen. Gegenüber dem 
ai yſtem der Nahfiht und Milde gegen die 

olen ging er mit dem General von Grolman (f. d.) 
harf gegen fie vor und beförberte namentlich den 

nlauf poln. Güter und die Anfievelung deutfcher 
Koloniſten. Das Übergewicht des poln. Adel3 wurde 
durch Einführung einer bureaufratifchen Kreisver: 
waltung betämpft. 1841 wurde er Oberpräfident ber 
Provinz Sachſen und 3, Mai 1844 zum Finanz: 
minijter ernannt. Schon 1846 trat er aus dieſer 
Stellung wieder zurüd, um zunädjt das Dberpräfi- 
dium von Weitfalen, jpäter vorübergehend das Ober: 
präfidium der Provinz Preußen und 1850 das von 
Brandenburg zu übernehmen. Als Mitglied der 
Nationalverfammlung in —— nahm er 1848 
feinen Platz auf der äußerten Rechten und vertrat 
viefen Standpunkt aud in der Erften Kammer, in die 
er 1849 gewählt wurde. Im Dit. 1858 übernahm er 
auf den Ruf des Prinz-Regenten dad Minifterium 
des Innern, kehrte aber bald in feine Stellung ala 
Oberpräfident von Brandenburg zurüd, aus der 
er 1862 in den Rubeftand trat. Er ftarb 24. Mai 


1865 zu Berlin. 

lög, 1 f. Bi s 

lögen, Treppenabia, |. Hobeft. 

four, Saint, Stabt, ſ. Saint Flour. 

lourens (fpr. flurängk oder fluräng), Emile, 
franz. Politiker, Brudervon 
1841 in 
jmweiten 
Staatärat, dann Advokat beim Appellbof in Paris, 
1870 ging er zur Republit über und war feit 1879 
als Direktor im Kultusminifterium an allen anti« 


Herifalen Erlaſſen beteiligt. Jm März 1885 wurde 
er Bräfident der Abteilung für Geſetzgebung, Juftiz 


aris, begann feine Laufbahn unter dem 


uftave F.,geb.27. April 


aiferreih, mar 1863—68 Auditeur im 


Flottwell — Flourens 


und auswärtige Angelegenheiten im Staatsrat und 
Präſident des beratenden Ausſchuſſes für die Pro— 
tektorate im Miniſterium des Hußern, Am 13. Dez. 
1886 übernahm er im Kabinett Goblet das Porte: 
feuille des Siußern, was einiges Aufichen erregte, 
ba F. ſich bisher ep nicht bervorgetban 
hatte. zeigte jedoch jo viel Geſchid in der Ber: 
mwaltung feines Reſſorts, daß er ed auch unter Go: 
blet3 Nachfolgern, Rouvier und Tirard, bis April 
1888 behielt. Im Febr. 1888 und wieder im Aun. 
1893 wurde er in die Deputiertenlammer gemäblt, 
wo er fih den gemäßigten Republikanern anſchloß. 
5. ſchrieb «Organisation judiciaire et administra- 
tive de la France et de la Belgique de 1814 & 1875» 
(Bar. 1875; vom Inſtitut preisgetrönt). 
Flouren® (ipr. flurängk oder fluräng), Guftave, 
franz. Communard und Schriftiteller, Sohn von 
Marie Sean Pierre %., geb. 4. Aug. 1838 zu Paris, 
ftudierte Naturwiſſenſchaften und wurde 1863 Stell: 
vertreter feines Vaters für ben Lehrſtuhl der Natur: 
ge am Collöge de France, wo feine freifinnigen 
nfichten ihn mit dem Klerus —— der es 
bald — zu bringen wußte, daß ſeine Vorleſun— 
en verboten wurden. F. ging nach Belgien, ließ 
hie u. d. T. «Histoire de l’'homme» feinen Barijer 
ebrfurjus druden und bielt polit. Vorträge in 
Brüffel und Lüttih. Nachdem er mehrere Jahre in 
Ronftantinopel, Griechenland und Italien zuge 
bradt, zu der Begründung der Zeitung «L’Indepen- 
dance hell&nique» beigetragen und in Kreta 
eine Zeit lang der Sache ber Aufſtändiſchen fo ent- 
Iren angenommen batte, : fie ibn in ihre 
ationalverfammlung und zu ihrem Wortfübrer 
am griech. Hofe ermäblten (vgl. Souvenirs d’un phil- 
hellöne. Gustave F, et l’insurrection crötoise de 
1866 — 68, Var. 18983), kehrte er 1868 nach Paris 
zurüd, mußte aber nad) der Niederwerfung der von 
ıhm — Meuterei zu Belleville 7. Febr. 1870 
ins Ausland flüchten. Nach dem —— Kaiſer⸗ 
reichs zurückgekehrt, traf er ſogleich Anſtalten zu 
aufrühreriſchen Unternebmungen gegen die Provi— 
il Regierung und ftellte jih an die Spike von 
nf Bataillonen der Nationalgarde in Bellenille 
und Menilmontant. Am 7. Dez. wurde F. verbaftet 
und nah dem Gefängnis von Mazas gebradt, 
woraus ihn —— Zirailleure in der Nacht vom 
21. zum 22. Jan. gewaltfam befreiten. Nachdem 
18. März 1871 die Commune proflamiert war, wurde 
Bi im 19. und 20. Arrondifiement zum Mitgliede der: 
elben gewäblt und zum Überiten ernannt. Als jol: 
ber erbielt er2. April ven Befehl, mit einer Kolonne 
an dem Ausfall gegen Berjailles teilzunehmen, und 
ai 8. April den Bahnhof von Rueil bei Mal: 
maiſon, wo er im Handgemenge mit einer Batrouille 
Gendarmen getötet wurde. Außer polit. Flugſchrif⸗ 
ten veröffentlihte er das wiſſenſcha * Werl 
«Science de l’'homme» (Bd. 1, Bruſſ. 1865). 
Flourens (fer, fiurängp oder fluräng), Marie 
Jean Pierre, franz. Arzt und Phyſiolog, geb. 15. April 
1794 zu Maureilhan (Depart. Herault), lam 1814 
nad Paris, wo er in enge Beziehungen zu Ebaptal, 
Georges und Frederic Euvier, Dejtutt de Tracy, 
| Geoffrey Saint:SHilaire u. a. trat. 4 wurde 1828 
Mitglied der Alademie der Wiſſenſchaften, erbielt 
| 1830 den Lebritubl für veraleibende Anatomie 
im königl. Botanifhen Garten, wurde 1832 Titu: 
larprofefjor am Mufeum, 1833 Sekretär der Ala⸗ 
demie der Wiſſenſchaften und 1840 in die Fran: 
zöſiſche Alademie gewählt. Ludwig Philipp erhob 








Flöz — Flüchtigkeit 


ihn 1846 zum Pair von Frankreich. F. ſtarb 6. Dez. 
1867 zu Montgeron bei — 

Bon feinen Schriften find hervorzuheben: «Re- 
cherches exp6rimentales sur les propriétés et les 
fonctions du systöme nerveux dans les animaux 
vertebr6s» (Bar. 1824; 2. Ausg. 1842; deutich von 
Beder, mit Vorrede, Lpz. 1824) «Expe6riences sur 
le syst&me nerveux, faisant suite aux recherches 
experimentales» (Bar. 1825; deutſch von Beder, 
* 1826), «Cours sur la génération, l’ovologie 
et l’embryologie» (Par. 1836), «Recherches sur 
le developpement des os et des dents» (ebd. 1842), 
«Anatomie generale de la peau et des membranes 
muqueuses» (ebd. 1843), «M&moires d’anatomie et 
de physiologie comparees» (ebd. 1844), «Theorie 
experimentale de la formation des os» (ebd. 1847). 
$ wies in dieſem Werke zuerjt das große Geſetz des 

ebens durch Berjuche nah, daß die Materie ſich 
ohne Aufbhören verändert und erneuert, daß aber 
die Kraft ira bleibt. Die Berichte der Alademie 
der Wifjenihaften von 1847 enthalten mehrere 
Dentihriften von F. über die Wirkungen des Ein: 
atmens von Üther, damals no ganz unbelannt. 
Später erſchien noch «Cours de physiologie com- 
aree» (Par. 1855). Neben feinen rein fachwiſſen⸗ 
chaftlichen Arbeiten hat F. feit 1841 auch eine Reibe 
von Werten philof. Inhalts veröffentlicht. Dabin ge: 
bören: «Analyse raisonnee des travaux de George 
Cuvier» (Par. 1841 u. b.), «Buffon, histoire de ses 
travaux et de ses id&es» (ebd, 1844 u. d,), «De l’in- 
stinct et de l’intelligence des animaux» (ebd, 1841 
u. ö.), «Examen de la phrönologie» (ebd. 1842; 
3. Aufl. 1851), «Histoire de la d&couverte de la cir- 
culation du sang» (ebd. 1854; 2. Aufl. 1857), «De 
la longevite ou de la quantit& de vie sur le globe» 
(ebd. 1854; 5. Aufl. 1872; deutſch Lpz. 1855), «De 
la vie et de l’intelligence» (Bar. 1858; 2. Aufl.1859). 
ner ſchrieb er: «Eloges historiques» (3 Bde., 
Bar. 1856—62), «Examen du livre de M. Darwin 
sur l’origine des espöces» (ebd. 1864), «De l’unit6 
de composition et du d&bat entre Cuvier et Geof- 
froy Saint Hilaire» (ebd. 1865). 

Föz (Ylök) oder Lager, eine durch ihre be 
fondern Eigenſchaften auffallende Geſteinsſchicht, 
die parallel zwiſchen andern gewöhnlichen Schich— 
ten liegt. Vorzugsweiſe wendet man dieſen Aus— 
druck dann an, wenn die beſondern Eigenſchaften 
der Geſteinsſchichten praltiſch nutzbar find. So un: 
tericheidet man namentlich Koblenflöze oder Kohlen⸗ 
lager und Erzflöge oder Erzlager (ſ. Erzlageritätten), 
auch mobl altfteinflöge, bg ns e zwi⸗ 
ſchen andern minder wertvollen Geſteinsſchichten, 
wie Sandftein, Thonſchiefer u. j.w. Der Abbau 
auf F, der lözbergbau, fteht im Gegenfaß zu dem 
Gan bergbau. Er iſt im wejentlihen Strebbau und 
Pfeilerabbau mit den lbergängen von einem zum 
andern, außerdem Querbau. (S. Bergbau, Ab: 
chnitt Abbaumetboden.) Liber die Beleihung auf 
F. in rechtlicher Beziebung f. Bergwerkäeigentum. 

er j. Sebimentärformationen. 

—— Sandftein, ſ. Grit. 

F. L. S., in England Abkürzung für Fellow of 
the Linnean Society (d.h. Mitglied der Linneſchen 
Geſellſchaft). 

Inäte (abgekürzt von Fluoſilikate), nr 
löfungen von Metall: und Erbmetalljalzen in Kieſel⸗ 
uorwajlerftofffäure. Sie wurden zuerjt von dem 
anz. Chemiler 2. Keßler ald Härtungs: und Kon⸗ 
ervierungämittel für weihe Baumaterialien em: 


823 


oblen. Die mwichtigften und am bäufigiten zur 
nwendung gelangenden Verbindungen jind das 
Magnefium: var und Aluminiumfluat 
und ein oppelfa z der zulektgenannten, das jog. 
Doppelfluat; zablreihe andere Verbindungen, 
wie das Eiſen-, Rupfer-, Chrom: und Blei: 
luat, dienen für —** Zwecke, insbeſondere zum 
ärben weicher Kallſteine und zur Herſtellung von 
armorimitationen. Das ſog. Putzfluat dient 
um Renovieren alter verwitterter Kaltfteins und 
Marmorarbeiten. Ein anderes Yluatpräparat, 
Sluociment, ift ein von Malern geſchätztes Mit: 
tel zum Beizen von Gementwänden als Borberei: 
tung für Ölfarbenanftrid. Zu erwähnen ift noch 
dad Natriumfluat als ein zZ wirkſames anti: 
feptifches Mittel, ald Erfas für Sublimat. — Bgl. 
Hauenſchild, Die Keßlerſchen F. (2. Aufl., Berl. 1895). 
Inavil, j. Guttapercha. 
fuchen, jemand Böſes wünfhen und Gott als 
Vollitreder dieſes Wunſches anrufen. Cin beding⸗ 
ter Fluch gegen fich felbit ift häufig mit dem Eide 
verbunden. Der Fluch gegen andere als Mittel 
privater Race ift fhon im Alten Tejtament ver: 
boten. Häufig dagegen wird die libertretung des 
Öttlihen Geſetzes mit einem Fluch belegt; bie 
ath. Kirche thut dies noch jet wegen gröberer Ber: 
gehen, bejonders wegen Ketzerei. (S. Anathema.) 
Flucht (lat. fuga). 1) Strafrehtlih: Der Ver: 
—— eine der Vorausſeungen zum Erlaß 
des Haftbefebls (ſ. Unterfuhungsbaft), der, wenn 
keine andern Öründezur Verhaftung vorliegen, durch 
Sicerbeitgleiftung abgewendet werden kann (Deut: 
ſche Strafprozeßorbn. 88. 112, 118). Wenn der zu 
Verhaftende flüchtig ift, ſo kann ein Stedbrieferlafien 
werben ($.131 a. a. O.). Das ſichere Geleit (f.d.) er 
liſcht bei Fluchtverſuch, wenn der Beichuldigte An: 
ftalten zur F. trifft (8.337 a.a.D.). Wenn der Ber: 
urteilte der F. verbächtig ift, fo fann der Staats: 
anmalt jofort Haftbefehl erlaifen, obne, was fonft 
die me zuvor zum Strafantritt zu laden ($. 489 
a. a. O.). Nach preuß. orte abge vom 
15. April 1878, 8.3 (f. Forftpieb tab), und = 
und Forftpolizeigefeß vom 1. April 1880, $. 2, 
bildet e3 einen Strafihärfungsgrund, wenn ber 
Forſtdieb auf Anrufen des Beitohlenen oder der mit 
dem Forftihuß betrauten Perſon, oder wenn der 
Feld: oder Forſtfrevler (f. Feldfrevel und Forftfrevel) 
auf Anrufen des zuftändigen Beamten, des Beichä: 
digten oder des ehe m nicht rar 


bleibt, fondern die F. ergreift. 2) Vollerrechtlich, ſ. 
Kriegägefangene. 8) (Fahnen: 
fludt), ſ. Deſertion. — F. in der Baufunft, f. 


Bauflucht. — F. wird in der Jägerfprade ein 
roßer Sprung des Hochmwildes genannt; man 
Ipricht von hoher F. und weiter 5. und fagt: der 
Hi — eine F. 
lũchter, ſoviel wie Feldflüchter, ſ. Feldtauben. 
lũchtige Befeftigung, ſ. Feldbefeſtigung. 
lũchtige Erdſappe, Flũchtige ſtorbſappe, 


ſ. Sappe. 

Flüchtige Sle, die Atheriſchen Öle (f. d.) im 
Gegenſaßz zu den nicht flüchtigen oder fetten Ölen 
(j. Fette und fette Öle). [liniment. 

tiged Kampferliniment, ſ. Rampfer: 
lüchtigeöd Liniment (flühtige Salbe), 
f. Liniment, 

Flüchtiges Salz, |. Ummoniumcarbonat. 

‚ Flüchtigfeit, die Eigenſchaft mander feiten und 
vieler flüffigen Körper, ſchon bei niederer Temperatur 


824 


die Dampf: oder Gasform annehmen zu lönnen; bier: 
ber gehören 3. B. Moſchus, Kampfer, Waller, Alto: 
bol, Schwefelätber u.v.a. Viele der flüchtigen Kör- 
per verraten fich durch den Geruch. (S. Berbunftung.) 
Inchtlinie, ſ. Baufludt. [ipeltive. 
me ne f. Fluchtpunktſchienen und Ber: 

Fluchtpunktſchienen, Hilfsmittel, die das Her: 
ftellen von peripeltivifhen Zeichnungen erleichtern, 
indem fie das Zeichnen von Linien ermöglichen, 
die nah auferbalb der Zeichenfläbe liegenden 
Fluchtpunkten (1. — — gerichtet ſind, 
ohne daß man, wie gewöhnlich, dieſer Punlte ſelbſt 
bei dem Zeichnen jeder einzelnen Linie bedarf. 

luchtröhre, in der Jägerſprache eine einfache 
Röhre, die von Dächſen und Füchſen, entfernt vom 
Hauptbau, für den Notfall ausgeführt wird. 

luchtitab, ſ. Jalon. 

Iuchtverdacht, 1. erg 
Iuchtverfuch, ſ. Flucht; über Feſſelung von 
Gefangenen bei F. |. Feſſel. 

Flück., bei naturmwijjenfchaftlichen Benennun: 
gen Abkürzung für Friedr. Aug. Flüdiger (1. d.). 

Flüdheringe, Heringe, die in der Baudhlinie 
aufgefchnitten, dann flachgelegt und jo geräuchert 
werben, 

Flüdiger, Friedr. Aug., Pharmalognoſt, geb. 
15. Mai 1828 zu Langenthal in der Schweiz, ftu: 
dierte in Berlin, Bern, Heidelberg und Varis, 
war praltifcher Apotbefer in Burgdorf bei Bern, 
dann Direltor der Staatsapotbele zu Bern und 
Präfident des Schweizeriſchen Apotbelervereing, 
in deſſen Auftrage er jih an der Herausgabe ber 
«Pharmacopoea Helvetica» beteiligte. 1861 babi: 
litierte er fi al& Docent der Bbarmaloanofie an der 
Univerfität Bern, wurde 1870 zum außerord. Pro: 
fefior ernannt, folgte 1873 einem Rufe als ord, Bro: 
fejjor und Direktor des Pharmaceutiſchen Inſtituts 
an der Univerfität Straßburg und wurde 1881 und 
1888 in die Kommiſſion zur Bearbeitung der «Phar- 
macopoea Germanica» berufen. 1892 trat er in 
den Ruheſtand und ftarb 13. Dez. 1894 in Bern. 
F. veröffentlihte: aLehrbuch der Pharmalognoſie 
des Pflanzenreichs» (Berl. 1867; 3. Aufl. 1891), 
«Grundlagen der pharmaceutiihen Warenkunde» 
(ebd. 1873; 2. mit Tichirch bearbeitete Aufl. u. d. T.: 
«Grundlagen der Pbarmalognofie», ebd. 1885), 
mit Hanbury: «Pharmacographia, a history ofthe 
principal drugs of vegetable origin met with in 
Great Britain and British India» (Lond. 1874; 
2. Aufl. 1879), «Pharmaceutifche Ehemie» (2 Bde., 
Berl. 1878; 2. Aufl., ebv. 12). «Die Chinarinden» 
(ebd. 1883), «Grundriß der Vharmalognofie» (ebd, 
1884; 2. Aufl., ebd. 1894), «Reaktionen. Eine Aus: 
wahl in pharmaceutifcher Hinfiht wichtiger Präpa⸗ 
rate der organischen Chemie in ihrem Verhalten zu 
den gebräudlichiten Reagentien» (ebd. 1892). — Bgl. 
Tſchirch, F. A. F. (Verl. 1895). 

Fludd (ipr. — Robert (lat. Robertus de 
Fluctibus), engl. Philoſoph, geb. 1574 zu Milgate 
in Kent, ftubierte in Drlord Medizin und Pbilo: 
fopbie und Inüpfte auf feinen Reifen auf dem Kon: 
tinent mit den Rofenkreuzern und Kabbalijten Ber: 
bindungen an. Er ſtarb als praftifcher Arzt 1637 
in London. F. war Anhänger des Theopbraftus 
Paracelſus, doch hat aud Nitolaus von Cuſa ſtark 
auf ibn eingemirkt. Seine bedeutendften Werte find: 
«Utriusque cosmi, majoris et minoris, metaphy- 
sica, physica atque technica historia» (Oppenbeim 
1617), «Philosophia mosaica» (Gouba 1638). 





Fluchtlinie — Flug 


Inder, ſ. Fluther. 

lũe, Nilol. von der, eigentlich Löwenbrug— 
ge der Landespatron der ſchweiz. Urkantone, als 
injiebler Bruder Klaus, wurde 21. März 1417 
in der Gemeinde Sadfeln des Kantons Unter: 
walden ob dem Wald ion 1467 zog er fi in 
die Felswildnis des Ranfts am Cingange des 
Melchthals zurüd, wo er bis zu feinem Tode 1487 
als Einfiebler lebte. Als nah den Burgunder: 
friegen ein Bürgerfrieg auszubrechen drobte, bradıte 
er auf der erregten Tagſahung zu Stans vom 22. 
Dez. 1481 durch jeinen verjühnenden Rat volle 
Einigung zu ftande (Stanjer Bertommnis). 
Nah feinem Tode (22. März 1487) wurde er 
Mittelpunkt eines ganzen Legendentreifes. Seine 
Gebeine ruhen in der Kirche zu Sachſeln bei Sarnen 
Schweiz). 1671 wurde er von Clemens X. f ig ge 
proden. — Bol. Ming, Der ſelige Eremit Nilo— 
us von F. (3 Bde., Luzern 1861—71); Rochholz, 
Die Schweizerlegende vom Bruder Klaus von %. 
(Aarau 1874); —A Nilolaus von F. und 
der Tag von Stans (Baf. 1882); Segeſſer, Bei: 
—* ur Geſchichte des Stanſer Verkommniſſes 
(2. ul. Bern 1877); von Ab, Des jeligen Ein: 
ſiedlers Rikol. von der F. Leben, Wirken und 
Sterben (Einfiedeln 1887); Herzog, Bruder Klaus 

(Bern 1887). 

Flüela, Paß der Scalettagruppe in den Silvretta: 

alpen (j. Dftalpen A, 2) auf der Waſſerſcheide zwi: 
ſchen dem Landwaſſer (Rhein) und dem Inn. Die F. 
verbindet dad Davos mit dem Unterengadin. Die 
1866 und 1867 erbaute Poſtſtraße, 27 km lang, 
weigt bei Davos: Dörfli (1557 m) ſüdöſtlich ab, 
Heigt im Flüelatbal zu der lahlen Paßhohe (2390 m) 
und jenkt fib vom Hoſpiz in vielen Windungen in 
das Sufascathal bis Süs (1430 m). 

Flüdlen, ital. Fiora, Dorf im ſchweiz. Kan: 
ton Uri, in 437 m Höbe, am obern Ende des Bier: 
waldſtätter Sees, öjtlih von der Mündung ber 
Neuß in denfelben, bat (1900) 969 meift a, E., 

oſt, Telegraph, eine Pfarrkirche, ein altes Schloß⸗ 

en Rudenz, einſt der Familie Attinghauſen gebö: 
rig, ein Warenhaus, einen geräumigen Hafen und 
mehrere Gaſt- und Kurhäuſer ſowie bedeutende 
Militärdepots der eidgendſſiſchen Kricgämaterial: 
verwaltung. Als Vereinigungspunlt der Aren: und 
Gottbarditraße, der Dampferlinie Luzern —— 
und der Gotthardbahn iſt F. einer der wichtigſten 
Verlehrsplätze am Vierwaldſtätter See. 
inefjen-Meer (Fljueſſen- und Fleuſſen— 
Meer), See im SW. der niederländ. Provinz Fries— 
land (j. Karte: Niederlande), erjtredt ſich von 
den Galamabämmen bis nah Heeg (Heeger-Meer), 
ift nicht tief, fehr fiihreih (Yale) und ſoll im 
13. Jahrh. entjtanden fein. [verwandter Bogel. 
lüevogel, ein unjerer Braunelle (f. d.) nabe 
Iug, in der Artillerie der vordere weitere 
Zeil der glatten Kammergefchübe, der dem Geſchoß 
die Richtung verleiht. — 

Flug, in der Heraldit die beiden mit halbkreis⸗ 
Örmig auseinander pesogenen Federn dargeftellten 

ügel_eined Vogels (gewöhnlich des Ablers). 

eide Flügel mit den Sachſen (den innern Seiten) 
einander zugewendet, die Schwungfedern nad außen 
geitellt, nennt man einen ofjenen, bie Flügel ſich 
dedend aufeinander gelegt einen lofjenen 5 
Man nennt aud die Hälften des offenen 5. rechten 
reip. linten F. Alle Arten des F. wurden mit Bor: 
liebe zur Zier des Helms verwendet. 


Flugangel — Flugbahn 


Ingangel, |. Angelfifherei. 

Ingapparate, 65 ugtechnik. 

lugbahun, ver Weg, den ein geworfener Kor⸗ 
per, ein Geſchoß in der Luft beſchreibt. Die erften 
Unterfuhungen über die Form der . ber Gelheie 
rühren von Tartaglia (1546) ber. Galilei leitete 
aus den —— (ſ. Fall) die paraboliſche Ge⸗ 
ftalt ver F. ab, von welcher Geſchoſſe mit geringer 
Geihmwindigleit nur wenig abweichen. , 

ie parabolifche F. ift durch Fig. 1 für einen 
fpeciellen Fall dargeftellt. Der dur die Geſchutz⸗ 
münbdung gelegte a en ift AB, S der Scheitel, 
der höchſie Punkt der Bahn, AS der auffteigenve, 
SB der abjteigende Aft, AB die Schußweite. Die 
Richtung AX heißt Abganger, YBEinfallörihtung, 
XAB der Abgangs-, YBA der Fallwintel. Die 


Geihoßgeihmindigkeit in A wird Anfangsge— 
ſchwindigkeit, in BEndgeſchwindigkeit ge 





Big. 1. 


nannt. Ein Punkt P wird durd die vertitale Or: 
dinate PP' und die horizontale Abfciffe AP" be: 
ftimmt. Hierbei ift PP" die der verflofjenen Flug: 
zeit entjprechende Falltiefe des Geſchoſſes. 

Im Iuftleeren Raum ijt die F. genau paraboliſch; 
dann ift die Endgefchwindigfeit auch gleich der An— 
fangsgeihwindigteit, vie Shußmweitebeim Abgangs⸗ 
winfel 45° am größten und gleich groß für alle Ab- 

angswinlel, die fih zu 90° — Newton er⸗ 
—* (1687), dab wegen des Luftwiderſtandes die 
3. in Wirklichkeit feine Barabel fein kann, und Euler 
verjuchte zuerjt (1745) die wirkliche F. im Luftraum, 
die ballijtifche Linie oder Kurve zu beftimmen. 
Eine ſolche Kurve ift in Fig. 2 dargeftellt, und zwar 
wie in Fig. 1 für eine Anfangsgeſchwindigkeit von 


PErRIN 
ZEIT N 
ERRHRER 


„ 1500 m, 










Big. 2 


450m pro Sekunde und einen Abga 
Die Schußweite und —— 
geſchwindigleit nimmt durch den 
der ‚zallwintel zu. 

Man kann die balliftifche Kurve berechnen, indem 
man ein beſtimmtes Quftwiderftandögejeß zu Örunde 
leat. So war man 3.B. der Meinung, daß bei dop⸗ 
pelter eng Tamm teit ſich der Zuftwiderftand 
vervierfache, weil in derjelben Zeit die doppelte Luft: 
majje mit ber doppelten Geihmwindigteit verdrängt 
werden muß. Allein es hat ſich gezeigt, daß . 
quadratijche Widerftandsgejeg nur bei Heinen Ge: 
fhwindigfeiten der Erfahrung entipricht, während 
bei größern Geſchwindigleiten ein kubiſches oder noch 
tomplizierteres Geſetz —— werden muß. 
Die neuere Hydrodynamitl lehrt, daß eine jo einfache 
Vorftellung über den Widerjtand überhaupt nicht 
zuläijig ift, und die Photograpbien fliegender Ge: 


swinlel von 3°, 
owie die End: 
uftwiderftand ab, 


825 


hoffe, welche Mad gewonnen bat (f. Tafel: Shall, 
ig. 2,und Artilel Schlierenmethode), zeigen deutlich, 
dab der Widerftand des Geſchoſſes ganz ähnlich wie 
jener des Shiff3 (nad Froude) von der Erregung 
einer gewaltigen Schallwelle (Ropfmwelle), von der 
Reibung am Ürojettiltörper und von der Erzeugung 
von Wirbeln hinter dem Projektil herrührt, welche 
drei Widerftandsfaltoren gänzlich verſchiedene Ges 
feße befolgen. 
Degen der Kompliziertheit des Widerſtandsge⸗ 
re etrachten die modernen Balliftiter das jog. 
alliſtiſche Problem, d. h. die Darftellung der F. 
durch genaue mathem. Formeln, als unlösbar und 
baben namentlib auf Grund der Kruppſchen Beob: 
achtungen —— die balliſtiſche Kurve empiriſch 
u beſtimmen. Man denke ſich eine Anzahl mit 
rahtgittern überſpannter Rahmen in — 
Abitänden ==! ejtellt und von einem Geſchoß mit 
acer F. durchbrochen. Jeder Durchbrechung ent: 
pricht eine eleftriihe Stromunterbredung, die an 
einem Ehronograpben, 3. B. dem Leboulenges (ſ. 
Chronoſtop und Chronograph), ein eleftromagneti- 
ſches Zeichen giebt. Man kann hieraus die ug: 
zeiten zwifchen den Rahmen, die mittlern Horizon: 
talgelötindigfeiten zwifchen denfelben und dem: 
nah aud die at gg ringen bei & ebe: 
nen Gejhmwindigfeiten ableiten und in eine Tabelle 
eintragen. Bei denjelben Geſchwindigkeiten find 
dann Ar ein Geſchoß von gleicher Form, aber qmal 
größerm Querſchnitt, rmal größerm Gewicht bei 
8 mal dichterer Luft alle Geſchwindigkeitsverluſte 


in derſelben Zeit a mal größer, fo daß alfo bie 


an dem Specialfall gewonnenen Ergebniffe allge: 
mein verwertet werden fünnen. Der Einfluß der 
Geſchoßform wird dur befondere Verſuche ermit: 
telt. Dem Kapitän F. Goſſot ift e8 gelungen, durch 
die Machſche Kopfmwelle (unter Erfparnis der Draht: 
rahmen) Zeitfignale auszulöfen, wodurd auch Ber: 
fuche bei großem Abgangswintel ermöglicht wur 
den, Mit Hilfe der für jede Geſchwindigleit empi⸗ 
rifh beftimmten Verzögerung kann nun die balli- 
ftifche Kurve fonftruiert werden. 

Der Einfluß des Luftwiderftandes wird durch die 
Anwendung [pißer Langgeſchoſſe bedeutend ver: 
ringert. Um legtern die günftige Lage zu fichern, 
werden fie aus gezogenen Läufen geichoffen, mo: 
durch fie um ihre Längsachſe in Rotation geraten 
und eine freie Achje erhalten. Durd die Wirkung 


Big. 8. 


des Luftwiderſtandes entſteht dann eine feitliche 
Ablenkung, die Derivation, je nah dem Drall 
(j. d.) nad recht3 oder links, die in Fig. 3, der 
Horigontalprojeftion der Bahn Fig. 2, dargeftellt 
it. Um die jedr ſchwierige Theorie der rotierenden 
Geſchoſſe haben ſich der —— ae Otto, der 
Phyſiker Magnus, die Franzoſen Poiſſon und Di: 
dion verdient gemacht. 

Auf Grund der erwähnten Studien ift man im 
Busse, bei gegebenem Abgangswintel undbetannter 

nfanoögehötsinigteit die F. jehr genau voraus: 
zubejtimmen. Zur Ermittelung der Anfangdge: 
Ibwindigfeit wurde früher das von Robins (1742) 


826 


Flugbeutler — Flügel (im allgemeinen) 


erfundene balliftifhe Benpdel verwendet. Wird ' liftiihe Problem (Wien 1900); Groß, Die Berech 
eine Mafje M, die ald Pendel aufgehängt ift, von nung der Schußtafeln (Ep. 1901). 


einer Brojektilmaffe m mit der Geſchwindigkeit v ges 


Flugbeutler (Petaurus), ein aus fieben Arten 


troffen, fo erhält erftere, wenn fie mit m vereinigt | bejtebendes, Auftralien und Neuguinea bewohnen: 


i { BE m 
bleibt, eine Geſchwindigkeit V⸗y m’weldefich 


durch den ig äußert. Aus letzterm, 
dem befannten M und m, fann v berechnet werben. 

Beim praktiſchen Schießen befindet ſich die Feuer: 
waffe gewöhnlich in einer gewiſſen Höhe über dem 
Erdboden, e3 wird daher das Geſchoß meift feinen 
Weg, nahdem es den Mundungshorizont wieder 
erreicht bat, fortjegen und nad entipredhender Zeit 
mit dem Erdboden zufammentreffen. Iſt der Fall: 
wintel ein geringer, fo prallt das Geſchoß vom Erd: 
boden ab und macht einen oder mebrere an 
Rikochett⸗ oder Rollſchuß, f. d.). Bei großem Fall- 
wintel dringt das Geichok 
und bleibt jteden. 

Die Streugefhofje zerteilen fih entweder 
ihon in der Robrmündung (Rartätichen) oder inner: 
halb ver F. Vom Zerteilungspunlt ab ſetzt ſich die 
J des Streugeſchoſſes aus einer entſprechenden 

e von Einzelbahnen zufammen, die mehr und 
mehr auseinander geben und im ganzen einen 
Streuungstfegel (over eine Garbe) bilden. 
reg für die Page des Streuungstegels iſt 
die Richtung, die das Geſchoß im ganzen im Mo: 
ment der Zerteilung hatte. Geſchoſſe mit Zeitzünder 
zerteilen ſich im —— Aſt der 5 Geſchoſſe 
mit Aufſchlagzünder kurz über dem Erdboden in 
auffteigender Richtung oder im Ziele. (S. Geſchoß.) 

on Wichtigleit für die der FF. zu verleihende 
Geſtalt ift das Ziel. Man unterjcheidet in diefer 
Hinfiht aufrecht ſtehende und liegende —F bei 
erſtern kommt wieder in Betracht, ob ſie frei ſtehen 
oder gedeckt find. Aufrecht und zugleich frei ſiehen⸗ 
den Zielen — ſind flache 5 am Plaße, vie 
aus großen Gejhmindigfeiten und geringen Ab: 
gangswinkeln hervorgehen. Eine ſolche F. hat eine 
nur geringe Erhebung über dem Erdboden, ift be: 
itreihend oder rafant; der Schuß heißt ein direlter. 
Gegenüber liegenden Zielen bedarf man großer 
Fallwinkel, aljo auch großer Abgangswintel, und 
geringerer Gejhmwindigleiten; man fpricht dann von 
Steilfeuer. Handelt es fih um ein aufrechtes Ziel 
binter Dedung de muß die %. mäßig getrümmt 
jein, derart, daß ie die Dedung zwar überfchreitet, 
aber doch nicht über das Ziel hinausgeht. Den 
Schuß nennt man dann einen indireften. (S. aud 
Balliftik.) — Vol. Wuich, Lehrbuch der äußern Bal: 
Liftit (Wien 1882); van Dam van Iſſelt, Die Bal: 
liſtik vera enen Feuermwaffen (deutich Berl. 1884); 
Siacci, init und zus (deutich ebd.1882); derf., 
Balistica (Zur. 1888); ieg, beoretifche äußere 
Balliftit (Berl. 1884); Ingalls, Exterior Ballistics 
(Neuyork 1886); Mata, Balistica interior (Madr. 
1890); 9. Jelita Ritter von Kraiüſti, Balliftiton 
(Wien 1892); Indra, Neue balliftifche Theorien, I 
(Bola 1893); Sparre, Sur le mouvement des pro- 
jectiles autour de leur centre de gravits (Bar. 
1893); Sabudſti, Uußere Balliftik (ruſſiſch, Petersb. 
1895); Vallier, Ballistique extérieure (Bar. 1895); 
von Schere, Zur Aufitellung von Schußtafeln für 
Mörfer (Berl. 1896); Brandeis, Der Schuß (Wien 
1896); Cranz, Kompenbium ber theor. äußern Bal: 
liſtit (Lpz. 1897); Textbook of gunnery (Lond. 
1897); Heydenreich, Die ir vom Schuß und die 
Schußtafeln (Berl. 1898); as bal⸗ 


tiefer in den Boden ein 


elingbaus, 





33 ————— 


des Geſchlecht pflanzenfreſſender Beuteltiere von der 
Geſtalt der fliegenden Eichhörnchen und, wie dieſe, 
mit einer ſeitlichen Körperfalte zwiſchen den Grtre: 
mitäten, dur melde ein Fallſchirm zu ſtande 
ommt. Sie ſchwanken in der Größe von 10 bis 
50 cm ohne Schwanz. Die größte Art ift Petaurus 
taguanoides Desm., 50 cm lang, mit ebenfo langem 
Schwanz, oben bräunlich ſchwarz, auf der Flughaut 
beller geiprenfelt, unten weißlich. 

Flugblätter, fliegende Blätter oder Ein: 
blattdprude. 8. erſchienen ſchon bald nah Er 
—— Buchdruckerkunſt (1488; das älteſte erhal⸗ 
tene Blatt von 1493 befindet ſich auf der Univerſi— 
tätsbibliothef zu Leipzig), teil3 um kurzen Bericht 
über ein beſonders per endes Ereignig zu geben, 
teild um fich in rübmender oder fpottenver Weife, 
vielfach in Berfen, über irgend eine Begebenbeit oder 
einzelne Perſon und deren Schidjale zu äußern; 
meiſt find fie mit Slluftrationen in Kupferstich oder 
Holzjchnitt verjeben. Sie können ala Vorläufer 
ber Zeitungen (ſ. d.) gelten, mit welchem Namen 
fie auch ſeit 1504 belegt werben, und bilden eine 
wichtige Geſchichtsquelle, beſonders für das 16, 
und 17. Jahrh. Die gewöhnliche Form diejer Blät: 
ter iſt Kleinoltav, häufiger, zumal der illujtrierten, 
olio, feltener Quart. Was beute noch mit dem 
amen Flugblatt oder Flugſchrift bezeichnet wird, 
entjtebt wejentlich aus polit.* — — (S. Flug: 
ſchriften.) Frübzeitig wurden von ſolchen Druden 
Sammlungen veranjtaltet; bejonders reihbaltige 
finden fi ım Britiſchen Mufeum, in der National: 
bibliothek zu Baris und in der königl. Bibliothek zu 
Berlin. — Val. Scheible, Die fliegenden Blätter des 
16. und 1, ah . (Stuttg. 1850); €. Weller, Die 
eriten deutihen Zeitungen (ebd. 1872; Bd. 3 der 
«Bibliothek des Litterarijchen Vereins», nebjt 3Nach⸗ 
trägen); Opel und Cohn, Der Dreibigjäbrige Krieg, 
eine Sammlung von bijtor. Gedichten und Proſa— 
darjtellungen (Halle 1862); Zmiedined-Süpenborit, 
Zeitungen und ugichriften aus ber eriten Hälfte 
de? 17. Jahrh. (Graz 1873). 

Flugbrand, Staubbrand, f. Brand (des Ge: 
treides) und Tafel: Bflanzentrantbeiten, Fig.l. 
Ingechien, Flugeidechſen, ſ. Bterovattule. 
fügel, zum Fliegen dienendes Glied, f. Fliegen. 

— In der Bau funijt beißt 5. die mit einem Haupt: 
förper unmittelbar verbundenen Teile eined Ge 
bäudes. Auch braudt man den Ausdrud bei langen 
Gebäuden für die beiden Enden der Hauptfronte. 
In dem antiken röm. Wohnbaufe find die F. (alae) 
die bintern Ermeiterungen des Atriums, melde 
vermutlich Pr Privatbeiprehungen des Batrons mit 
einzelnen Klienten oder zur Aufitellung von Haus: 
altären u. f. m. dienten. In der Waſſerbaukunſt 
verftebt man unter 5. oder Flügelmauern Boll 
werle oder Mauern, welche zum Schuße einer Wand, 
3. B. einer Schleufenwand, eines Brüdenpjeilers, 
egen den Seitendrud des Waflers errichtet werben. 
5 ügelgräben nennt man die ſeitwärts der Haupt: 
anäle eines Bewäſſerungsſyſtems abgebenden Grä⸗ 
ben, welde den Hauptlanälen das Wafler zu: 
oder ableiten. — Im Militärweſen bedeutet F. 
entweder bie ganze rechte oder linte Hälfte einer 
Truppenabteilung, oder auch nur die äußerten En- 
den derſelben obne genaue Abgrenzung, jedenfalls 


Flügel (Guftan Lebrecht) — Flügelfruchtbaum 


aber einen Teil der Abteilung felbit (f. dagegen 
lante). Die beiden Leute an den äußeriten Enden 
eines Gliedes heißen rechter und linter Flügels 
mann besfelben. Slügelunteroffiziere fteben 
auf dem rechten und linten %. einer Abteilung 
5* Zuges). — In der Muſit nennt man F. ein 
ianoforte (j. d.) in Geftalt eines Bogelflügels ; 
früber auch das Clavicembalo (! d.). — Im See: 
weſen heißen F. oder Verklider die auf den 
Spigender Schiffsmaftenangebradten Windfabnen, 
nad denen Beim Wind (j. d.) geiteuert wird. — 
der Tehnit ift F. im allgemeinen Bezeihnung 

r drehend oder ſchwingend bewegliche Zeile von 
geringer Maſſe; insbeſondere in der Weberei ein 
die Arbeitbewegung der Kette vermittelnder Teil 
des Webſtuhls, auch Schaft genannt; am Spinn» 
rad und an der Droffelmafchine die an der Spinvel 
befejtigte Gabel. (©. auch Flügelrad.) 

Flügel, Guſtav Lebrecht, Orientaliſt, geb. 18. Febr. 
1802 zu Bautzen, ſtudierte in Leipzig Theologie und 
Philologie und ging im Fruhjahr 1827 nad Wien, 
wo er auf Hammer: Burgjtalld Veranlafjung die 
dem Thaälibi zugefchriebene arab. — («Der 
vertraute Gefährte des Einfamen in ſchlagfertigen 
Gegenreden», Wien 1829) mit deutfcher Überfeßung 
im Auszuge berausgab, Nach einer großen Stu: 
bienreije in ig get jeßte er zu Paris unter de 
Sacys Leitung feine orient. Studien fort. Nach 
feiner Rüdtebr erhielt er 1832 eine Brofefiur an 
der Fürftenfchule zu St. Afra in Meißen, die er 
wegen Krankheit 1850 aufgeben mußte; 1851 
wurde ihm die — —————— der orient. Hand⸗ 
chriften der Wiener Hofbibliothef übertragen, deren 

ejultat der vorzügliche Katalog diefer Sammlung 
(3 Bde., Wien 1865—67) ift. F. ftarb 5. Juli 1870 
zu Dresden. Auf Koſten des Londoner Oriental 
Translation Fund veranftaltete er die Ausgabe 
des großen a ne Worterbuchs des 
Hadſchi-Chalfa mit latein, Ü erjehung (7 Bbe., 
Lond. und 2pz.1835—58). Große Verbreitung hat 
die von ihm bejorgte Stereotypausgabe des Koran 
Lpz. 1833) gefunden, von der 1841 und 1858 neue 

epifionen erſchienen. Ihr folgten die «Concordan- 
tiae Corani arabicaen» ( Bi. 1842) und eine Ausgabe 
ber «Definitiones» des Dſchordſchani (ebd. 1845). 
Bon feinen übrigen Schriften find noch orzu⸗ 
heben: «Gefhichte der Araber» (2 Bdochn., Lyz. 
1840; 2. Aufl., ebd. 1866), «Al-Kindi, genannt der 
Philoſoph der Araber» — 1857), die Ausgabe 
von Ibn Kutlubugäs «Krone der Gebensbeichreis 
bungen» (ebd. 1862), «Mani, feine Lehren und jeine 
= en» (ebd. 1862) und «Die grammatifchen 
Säulen der Araber» (ebd. 1862). Nach jeinem 
Tode veröffentlichten Rödiger und A. Müller eine 
Ausgabe des Kitäb al-Fihrist von Ibn al:NRadim 
(Bp. 1 u. 2, 2pz. 1871—72), von F. bearbeitet. 

Flügel, Joh. Gottfr., Zeritograpb, geb. 22. Nov. 
1788 zu Barby, war Kaufmann, bis er 1810 nad) 
Nordamerika ging, wo er fih auch mit dem Studium 
der engl. Spracde beichäftigte. 1819 wandte er fi 
nad) Leipzig, mo er 1824 Leltor der u Sprade 
an ber Univerfität und 1838 Konſul der Vereinigten 
Er ftarb 24. Juni 
1855. Seinen litterar. Ruf begründete er durch das 
«Bollftändige engl.:deutiche und deutich:engl. Wör: 
terbuch» (2 Bde. Lyz. 1830; 3. Aufl. 1847). Bon 
feinen übrigen Soriin find außer der «BVollftän- 
digen engl. Spradlehre» (2 Bde., Lpz. 1824—26) 
noch zu erwähnen: «Triglotte, oder faufmännifches 


Staaten von Amerita wurde. 


827 


Mörterbucd in drei Sprachen: deutſch, englifh und 
frangöfifch» (3 Bde., ebd. 1836—40; 2. Aufl. 1853), 
«Kleines kaufmanniſches Handwörterbuh in drei 
Spraden» (3 Bde. ebd. 1840), «Braftiiches Hand: 
bud der engl. Handeläforreipondenz» (ebd. 1827; 
9, Aufl. 1873) und «A series of commercial Let- 
ters» (ebd. 1822; 9. Aufl. u. d. T. «Practical mer- 
cantile Correspondence», 1874). 5.8 weit verbrei: 
tete8 «Practical Dietionary of the English and 
German languages» (2 Tle., Hamb. und by. 1847 
—52; 15.Aufl., %p3.1891), das bejonders in feinem 
Rn I. Zeile einen Fortſchritt in der engl. 
Lerifographie bezeichnete, bearbeitete fein Sohn 
Be F. er 18. Dez. 1820 zu Leipzig, geſt. da⸗ 
elbft 6. Febr. 1904; fein Hauptwerk ift das «All 
er engl.⸗deutſche und deutfchsengl. Wörter: 
uch» (3 Bde., Braunſchw. 1891; verbeſſerter Ab: 
drud 1894), eine gänzliche Umarbeitung des «Boll: 
Ränbigen örter ut —* Vaters. 
lũgelachſe, im Maſchinenbau eine gewöhnlich 
gußeiſerne Achſe mit kreuzförmigem Querſchnitt. 
Flugeladjutanten, urſprünglich die Adjutan— 
ten des Feldherrn, die die Befehle an die einzelnen 
rg ber fehtenden Armee zu überbringen batten. 
est werben bie — gerne eines Fürſten, die Ges 
nerale find, Generale à la suite oder Generaladjus 
tanten, die, welche einen niedern Rang bekleiden, 
F. genannt. Über ihre Uniform f. Abzeichen (Bd. 17). 
Glägelaiter, Klappen: oder Wandelaltar, 
au ltarfchrein, die in Form eines flachen 
Schreines oder Schrantes gebildete hohe und breite 
Rüdwand, die etwa feit dem 14. Jahrh. auf dem 
Altar (f. d.) der hriftl. Kirchen angebracht zu wer: 
den pflegte und fich vielfadh auch noch jetzt —— 
Sie beſteht aus einem mit Schnitzwerk oder Malerei 
gezierten Unterſatze (Predella) und der mit Flügel: 
thüren verjhließbaren Hauptbildwand. Wie diefe, 
fo enthalten auch die Thüren an der Senne 
meift reliefartig in Holz geſchnitzte, bemalte Bild: 
werte, feltener — während ſolche regel⸗ 
mäßig auf der Außenſeite der Thüren ſich befinden. 
Manchmal bilden die Thüren auch wieder Schreine, 
deren Flügel ſich noch einmal aufklappen laſſen, fo 
daf der Altar, ſich gleichſam verwandelnd, an den 
A eſten verſchiedene Bilder zeigt. (©. 
Tafel: Altäre IL, Fig, 1u. 2. 0m die Tafel: 
Genter Altar, beim Artikel Eyck.) 
ügelbatterien, Batterien in Flügelredouten 
lügeldeidh, j. Deich. (di. d.). 
gelerbfe, j. Tetragonolobus. , 

fügelfell (Pterygium), Augenfell, eine par: 
tielle Hypertropbie der Augapfelbindehaut in der 
Geftalt eines Windmühlenflügels, deſſen breites 
Ende nad) dem innern oder äußern Augenmwintel 
oder auch nad} oben oder unten gerichtet ift, während 
das ſchmale Ende am Hormbautrande liegt oder 
felbft ein größeres oder Hleineres Stüd der Hornhaut 
überziebt, im leßtern Falle das Sehvermögen er: 
heblich beeinträctigend. Zu_befeitigen ift das F. 
nur durch eine Operation. Das F. kann fi von 
* entwickeln und liegt dann immer im Lidſpalten⸗ 
ezirk. Auch nah Verlegungen, beſonders An— 

atzungen der Bindehaut, wird es beobachtet. 

I gel ht (Samara), in der Botanik eine 
ſolche Schließfrucht, deren chthülle flügelartig 
verbreitert ift, wie dies z. B. bei den Früchten des 
Ahorns (f. Tafel: Laubhölzer I, 1,7), der Ulme, 
der Eiche u. a. der Fall ift. 

Flügelfruchhtbaum, ſ. Pterocarpus. 


828 


— * —— f. Floſſenfüßer. 
lügelgaumenfnoten, |. Ganglien und Tafel: 
Die Nerven des Menden, Fig. 2,8, beim Ar: 
titel Nerven. 
lügelgebläfe, deutſcher Name für Ventilator. 
lügelgläfer, venet. Trintgläjer mit ftengel- 
förmigem Fuß, 
—— an den zwei flüs 
Jelartige Ans 
läge, einander 
egenüber ſte⸗ 
end, ange: 
ihmolzen find. 
Diefe Flügel 
jind willfürliche 
Gebilde, doc 
fommen fie 
aub in Tier: 
form vor. Die 
5. murben in 
venet. Glashüt: 
ten im 16. und 
17. Jahrh. zahl⸗ 
reich fabriziert, 
auch in Deutſch⸗ 
————— land vielfach 
nachgeahmt. (S. Dans Figuren.) 
lũgelgrãben, ſ. Flügel (Baukunſt). 
lügelgranaten, Granaten mit knopfartigen 
Anſätzen (ſ. Geſchoß nebit Tertfig. 21). 
lügelbarfe, j.Harfe. 
lügelhorn, ſ. Bugleborn. [teen, Si il, 
fügelfattus, ſ. Phyllocactus und Tafel: Rat: 
fügelfappen, Flügelmüsen, ungar. Hüte, 
die von einem Teil der preuß. Hufarenregimenter 
der fridericianifchen Zeit getragenen, bis zu %, m 
boben, cylindriſchen, ſchirmloſen Hüte aus fhwar: 
em Filz, mit einem langen, breiten, ven Regiments: 
ori entiprechenden Tuchſtreifen (Banderole), ver 
far gewöhnlich um die Kappe gewidelt war, bet feft: 
ichen Gelegenheiten aber losgebunden flatterte. 

Flügellahm, Geflügelt, Federwilo mit zer: 
ſchoſſenem Flügel. 

lügelmann, |. ara (Militärweien). 

lügelmanuern, |. Pr (Baufunft). 

lügelmutter, f chrauben. 

lügelpumpe, ſ. Pumpe. 

lügelpyramide, eine der Obſtbaumformen 
(j. d. nebſt Tafel, Fig. 12). 

Flügelrad, eine mit Windflügeln bejekte Spin: 
bel, die dazu dient, einem durch Federn oder Ge 
wichte betriebenen Räderwerk (Uhrwerk) dadurch 
einen gleihmäßigen Gang zu erteilen, daß bei ſeiner 
rafhen Umdrehung der an den Windflügeln ent: 
ftebende Luftwiderſtand eine fortwährende Beichleu: 
nigung des Uhrwerks verhindert. Das F. findet 
unter anderm bei Sclagubren, Spieldoſen, Or: 
cheſtrions jomwie bei Bremäbergen Verwendung. 

Flügelredouten, Redouten (f. d.), die beim 
Förmlichen Angriff (j. d.) auf den Flügeln ver Baral: 
elen angelegt wurden. 

Flügelfchneden (Strombus), eine Gattung der 
Kammkliemer mit feſten Schalen, deren äußerer Diün: 
dungsrand flügelartig verbreitert it. Die Rieſen— 
ent! nede (Strombus gigas L.) wird majlen: 

aft aus Weftindien eingeführt und wegen der rojen: 
roten Innenfärbung zu Kameen verarbeitet. Bei 
der verwandten Teufelsklaue oder Finger— 
jhnede (Pteroceras) iſt der Mundjaum in ftarte, 





N 


Flügelfüßer — Flüggen 


dornige, frallenartige Halten aufgelöft, die beim 
Belitansfuß (Aporrhais pes pelecani L.) dur 
eine Kalllamelle verbunden find. F. werben auch 
die Floſſenfüßer (f. d.) genannt. [5i8-3. 
lügeltang, j. Laminaria und Tafel: Algen], 
— 
Flũgelwolf, eine früber in der Streichwoll⸗ 
—— gebräuchlich geweſene Reinigungs: und 
uflockerungsmaſchine. 

—— (Rhacophorus), eine der mertwũr⸗ 
digiten Gattungen der frojchartigen Lurche, mit 
ſehr verlängerten, an den Enden mit Haftſcheiben 
verjehenen Zehen, zwifchen denen fi die Shwimm- 
haut ausfpannt. Wollen die Tiere fpringen, fo 
iehen fie die Gliedmaßen an den Körper an, 
ek die * auseinander, und die breiten 
Flächen der Füße bilden einen Fallſchirm. Die 
jieben Arten, von denen Rhacophorus Reinwardtii 
Boie (f. Tafel: Fröſche und Kröten Il, Fia.6, 
beim Artikel Froſchlurche) die häufigſte ift, bewohnen 


bie orient. Region. j 

függe, yo Botaniter, ſ. Flage. 

függe, arl, Hygieiniler, geb. 9. Dez. 1847 
zu Hannover, ftubierte in Göttingen, Bonn, Yeipzig 
und Münden Medizin und ließ ſich ſodann als 
praltiſcher > in Nenndorf nieder, habilitierte ſich 
aber 1878 in Berlin ala Brivatdocent für Hopgieine, 
wurde 1883 außerord. Profeſſor und Direktor des 
Hygieiniſchen Inſtituts in Göttingen, 1887 ord. Bro: 
ejlor und Direltor des Hygieiniſchen Inſtituts in 

reslau. F. bat fich um die erperimentelle Hogieine 

fowie um die Balteriologie verdient gemadt. Er 
ſchrieb: «Beiträge zur Hugieine» (Lpz. 1878), «Lebr: 
buch der bygieintichen Unterjuhungsmetboden» (ebd. 
1881), «Die Milroorganiämen» (3. Aufl., 2 Zeile, 
ebd. 1896), «Grundriß der Hygieine» (5. Aufl., ebd. 
1902). Auch giebt er mit 4 ſeit 1886 die «Zeit: 
ſchrift für Hygieine⸗ heraus. 

Flügge, Wilhelm von, Politiker, geb. 17. April 
1825 in Groß⸗Helle in Medlenburg, jtubierte 1844 
—48 Jura und Gameralia zu Berlin und Heidelberg 
und war IE 1850 praftifcher Landwirt. Er bemirt: 
—— eine Güter Groß-Helle und Lüderäbof in 

edienburg und Sped in Pommern und war Kreis⸗ 
beputierter im reife Naugard, wo Sped, jein ge 
wöhnlicher Wohnſiß, gelegen ift. Dem Reichstage 

ebörte 3. ald Vertreter des Wahlbezirks Naugard- 
Regenwalde 1874—93 ununterbrochen an, und zwar 
als Mitglied der deutichlonfervativen Fraltion, in 
der er jich jedoch von übertriebenen, einjeitinen 
Strömungen —— agrariſcher als ſocialpolit. 
und lirchlicher Natur fern hielt. So ſprach er 1879 
abweichend von feinen Fraltionsgenoſſen gegen die 
Schutzzollpolitik und die Getreidezölle und erllärte 
ih 1884 auch nur auf Grund des nun einmal be 
tebenden S ee für Erhöhung der lektern. Das 

rbeiter-, Alterd: und nvaliditätsverficherung®: 
gi belämpite er 1889 wegen des komplizierten 
Mechanismus in der Ausführung. Er ftarb 16. Juni 
1898 auf jeinem Gute Sped. 

Flüggen, Gisbert, Genremaler, geb. 9. Febr. 
1811 zu Köln, war ald Knabe gezwungen, in einer 
Fabrik * ſeinen Unterhalt zu ſorgen, und fonnte 
erſt ſpäter der Kunſt widmen. Seit 1833 auf der 

lademie zu Duſſeldorf gebildet, ſiedelte er 1835 nad 
München über, wo er 3. Sept. 1859 ftarb. Er juchte 
bejonders durch techniſch forgfältige Darftellungen 
von Üußerlichleiten, wie Hausrat, Stoffe, feinen 
Gemälden einen befondern Reiz zu verleihen. Unter 


Fluggeſtübbe — Flugtechnik 829 


feinen Werten find mg Tuer Die Verlobung 
(1840), Der unterbrocene Ebelontraft, Der unglüd: 
libe Spieler (1841; Mufeum in Mainz), Die Bro: 
jebenti — 1847), Der Spieler (1848; Muſeum 
in Breslau), Die Erbichleiher (Mufeum in Han: 
nover), Tod des Königs Friedrich Auguft II 
von Sachſen, VBorzimmer eines Fürften (Münden, 
Neue Pinakothek). 

Sein Sohn Joſeph F., aeb. 3. April 1842 zu 
Münden, bildete ſich unter Pilotys Leitung zum 
Maler aus und unternabm dann Studienreijen 
nad Paris, London, Brüfiel und Antwerpen. Seit 
1883 ift er Vorſtand des Koſtümweſens an den 
tönigl. Hoftbeatern. Zu feinen befanntern Gemäl: 
den gebören: Landgräfin Margarete von ihren fin: 
dern Abſchied nebmend, Der Wirtin Töchterlein 
(nad Ubland, 1869), Milton das «Verlorene Bara: 
dies» diktierend, Regina Imhof (ſpätere Gemablin 
Georg gu ers) die Brautgeichente empfangend 
(1876), ah Kaiſer Marimilians (1879; ebedem 
in der Galerie Höh zu Münden), Das lebte 
Kleinod (1882), Tod der beil. Elifabeth (1888). 

Finageftäbbe, j. Hüttenraud. 

Iugbafer, Wilpbafer, ——————— eine 
gefürchtete Unkrautpflanze in naſſen Jahren und 
auf feuchten Ackerländereien, da ihre Mſonderung 
vom Hafer, unter dem fie ſich vorzugsweiſe einfin— 
bet, ſehr ſchwierig iſt (j. Hafer). 

Inghähne, }. liegende Fiſche. 

lughaut, eine bei mebrern Wirbeltieren aus 
jehr verſchiedenen Ordnungen an den Körperfeiten 
zwiſchen Hals und vorderer Ertremität, zwiſchen 
ben Grtremitäten jelbjt und zwiſchen binterer Er: 
tremität und Schwanz auftretende Hautduplifatur, 
die ala ————— dient, Bei Säugetieren findet 
fie fih bei fliegenden Eichhörnchen, Flugbeutlern 
(f. d.) und bei den Belzflüglern (f. d.). (S. auch 

lughöruchen, |. Eihbörnden. (Fliegen. 

Inghühner oder Wuüſtenhühner (Pterocli- 
dae), eine aus 2 Gattungen und 16 Arten be: 
tebende, die Steppen: und MWüftengegenden der 

Iten Welt von Gentralafien und Vorderindien an 
bis zum Geſtade des Atlantifchen Dceans bewob: 
nende Familie der Hühnervögel (j. d.). Die 7 
aben einen kurzen, gebrungenen Leib, einen nicht 
ebr großen Kopf, einen kurzen Schnabel, lange 

ügel und in dem aus 14—18 Steuerfedern be: 
tebenden Schwanz die beiden mitteliten Federn 
verlängert und zugejpist. Die in der Regel be: 
fiederten Yäufe find mie die — furz. Die Tiere 
ind durb Bau der Glievmaßen und jchüßende 

rbung ihrem Aufenthalt vorzüglih angepaßt. 

ie legen wenig Gier in eine —— pn le 
Sandmulde. Hierber gebören die Sandflugbübhner 
(j. d.) und die Steppenbübner (f. d.). 

— ſ. Flederhunde. 

lugkäfig, ſ. Vogelbauer. 

lugkraukheit, |. Rauſchbrand. 

lugmaſchinen, ſ. Flugtechnik. 

lugorgane der Samen, ſ. Ausſaat. 

Ingrädchen, elektriſches, ſ. Elektriſches 
Flugrädchen. 

Flugfaud, feinlörniger, durch Wind leicht be: 
weglicher Sand (f. d.), welchem oft Dünen (j. d.) 
ihre Entjtebung verdanten. 

Flugichriften oder Broſchüren (vom franz. 
brocher, beften, weil dieſe Schriften meift nicht ge: 
bunden, fondern nur gebeftet werden), vorzugsweiſe 
jolhe Schriften, die irgend eine lebhaft beſprochene 


Tagesfrage über polit., kirchliche, —— wiſſen⸗ 
Kr un: Gegenftände u. |. w. kurz bebandeln. Die 
meiiten F. find Streit: und Barteifchriften. In 
Srantreid erlangten fie bejonders feit 1789 eine 
ausgedehnte Bedeutung. Den gibten Umfang aber 
bat diefer Litteraturzweig in Deutfchland erreicht. 
Schon um die Mitte des 16. Jahrh., als die Flut 
der 2 oder Flugblätter (f. d.) in Deutichland am 
öchiten geitiegen war, juchten, allerdings obne 
Stfolg, die Reichspolizeiordnungen von 1548 und 
1577 ihnen entgegenzutreten. Wichtige Geſchichts— 
quellen find die F, die während der Reformation, im 
Dreißigjäbrigen —* zur Zeit der Franzöſiſchen 
Revolution, in den Befreiungskriegen, in der be— 
wegten Zeit der vierziger Jahre J—— 1848 
u. ſ. w. maſſenweiſe erſchienen. an Frankreich waren 
nah der Berufung der Generalftände (1788) alle 
Druckſchriften unter 20 Bogen der Cenſur unter: 
worfen; ebenjo in Deutichland bis 1848 durch den 
Beſchluß des Deutſchen Bundes vom 20. Sept. 1819. 
Eine ſcharfe Kontrolle brachte das preuß. Preßgefek 
vom 12. Mai 1851, nad dem alle ——— 
unter 20 Bogen 24 Stunden vor ihrer Verbreitung 
in einem Exemplar an die Polizeibehoörde eingereicht 
werben mußten. Dieje Beichräntung bat das Reichs— 
—— 7. Mai 1874, das die Preßfreiheit 
auf alle Druckſachen ausdehnte, aufgehoben. 
lugſommer, ſ. Altweiberſommer. 
lugſtaub, ſ. Hüttenraud. 
lugtauben, ſ. Tummlertauben. 
Iugtechnif, ARUUR, — 
amtheit der Verſuche, dem Menſchen das von der 
indrichtung unabhängige Fliegen (ſ. d.) mit Bor: 
rihtungen (Hlugapparate, Flugmaſchinen), 
die ſchwerer als die Luft find, zu ermöglichen, 
im Gegenjage zu dem adrojtatiihen Prinzip des mit 
der Luft fortbewegten, ſpeeifiſch leichtern 
Ballon, Daß das Ziel nicht widerfinnig an ſich ift, 
beweiſt jeder fliegende Vogel, der doch im Grunde ge: 
nommen eine bejeelte Flugmaſchine iſt. Man darf 
war nicht glauben, daß Menjchentraft auch bei der 
Ännreichten Flugvorrichtung ausreihe (Helmbolk 
1873), aber man ift auch nicht mehr geneigt, 
Wi gegenüber der der Vögel jo jehr zu unter 
chãhen, wie es frübere Gelebrte (Borelli, Navier u.a.) 
tbaten, da durch Verjuche feitgeftellt it, daß man 
die Hälfte feines Korpergewichts — durch 
die Füße bewegter Flügel ſchwebend zu erhalten ver: 
mag. Nachdem ferner durch weitere Forſchungen 
gefunden worden tft, daß der ——— gegen 
ſchwach geneigte und ſchwach hohle Flächen bedeu— 
tend größer iſt, als früher Primer Formeln 
ergaben, ja daß bei ſolchen Flächen jchon bei völlig 
flacher Windftellung und ſogar no bei negativen 
Winkeln Auftrieb erlangt wird (Lilientbal), ſcheint 
der Kunftflug nicht mebr gänzlich in den Bereich der 
Unmöglichteit zu gebören. Die bierber nebörigen 
Verſuche aus Deutichland ſtammen von Gebr. Li: 
lientbal in Berlin, Ritter von Loßl in Wien, A. von 
PBarjeval in Münden, Ablborn in Hamburg; von 
bobem Wert unter den ſehr zahlreichen ausländi- 
ihen Arbeiten find neuerdings die tbeoretiichen 
Unterfuhungen und praftijchen Verſuche der Ame— 
rifaner geworden, befonders des Prof. Langley 
«liber die innere Arbeit des Windes»), dann von 
. Ehanute, Herring, Prof. Marvin in Wafbington 
(ausgezeichnete Theorie der Drachen). 1898 - 1900 
machte auch Danilewstv in Charkow erfolgreiche Ber- 
ſuche mit einem von ibm fonjtruierten Flugapparat. 


830 


Die gleiche Anfhauung gewinnt man aus den Beob- 
achtungen des franz. nfiologen Marey über die 
Musteltraft der Vögel. Immerhin bleibt der Bau 
eines leichten Motors von genügender Stärke ver 
Kümierigfte Zeil der ganzen Aufgabe. 

Die bisher vorgeichlagenen Flugapparate ſchei⸗ 
den fich nach ihren PBropellern in vier Klaſſen: 

1) Schraubenflieger (Heliloptören) und 
Segelradflieger, die dur rotierende Luft: 
fhrauben oder Räder ſowohl gehoben als vor: 
wärts bewegt werden follen. Die älteften Verſuche 
diejer Art rühren ber von Bonton d'Amécourt und 
de Yalandelle; das erfte Modell, das fi mitjamt 
feiner Maſchine kurze Zeit zu erheben vermochte, 
war das bes ital. Ingenieurs Forlanini von 1877. 
Es wog 3,5 kg, führte in einer Stabltugel zur Spei- 
fung der Meinen Dampfmaſchine, vie den 2 qm 

un Propeller trieb, ſtark überbiktes Waffer mit, 
Peg 13m bob und flog beim Sinten 20m vor: 
wärts. Diejen für freien Flug berechneten Appa: 
raten jchließt fih die von Popper 1879 in Bor: 
ſchlag gebrachte Gaptifihraube an. Aus der neuern 
ae And zu nennen die Arbeiten und Verſuche von 

tof. Wellner in Brünn, welcher Segelräder mit 
horizontalen Längsachſen und einer eigentümlichen 
Ercenteranorbnung mit fompenfierender Wirkun 
benußt; weiter die Ronftruftionen von Th. Gro 
in Münden, des Grafen Earelli in Turin, P. 9. 
Alerander in Bath u. a. m. 

2) Bei den Drabenfhmebern over Aëro— 
planen (ältere Erperimentevon Springfellow 1868, 
Penaud 1871, Tatın 1879) läßt man durd eine Pro: 
pellerihraube eine verhältnismäßig große, aber 
ſchwach geneigte Fläche vorwärts treiben, die dann 
durd die Drachenwirkung ſchwebend erhalten wird. 
Die beiten Modelle diefer Art von Penaud flogen 
60 m weit in 13 Selunden und ähnlich die Aëro— 
veloce von Kreß in Wien, beide mittels der Kraft ge: 
drebter Gummiſchnüre. Hieran ſchließen ſich die in 
gern Maßſtabe ausgeführten Erperimente des 

merilaners Hiram Marim (f. d.), der einen großen 
Drabenflieger durch Dampfmafinen zuerſt auf 
einem Schienengleis mit wachſender Geſchwindig⸗ 
feit treiben und dann fich in die Luft erheben lieb. 
Zu den Dradenfliegern im weitern Sinne, welde 
alle die tragende Wirkung des entgegenftrömenden 
Mindes auf ebene oder viel beſſer auf gewölbte 
are ausnugen, gehören au die berühmten 

lugapparate von Lilienthal und der Amerikaner 
(j. weiter unten). 

3) Noch näher an die Natur fchließen fich die 
Drnitbopteren over fünftliben Bögelan, bei 
denen diejelben Flächen ſowohl tragen als treiben 
(Benaud, Hureau de Billeneuve, Tatin, Pichancourt 
und bis zu gewiſſem Grade aud Lippert). Spiel: 
zeuge diejer Art find mehrfah in den Handel ge 
tommen. Sie bemweifen, daß die Stabilität des künſt⸗ 
lien Flugapparats wohl erreichbar ift; doc ift es 
auf dieſem Gebiete wegen der großen Konſtruktions⸗ 
ſchwierigkeiten nur wenig zu praltifhen, über Be: 
rehnungen und Theorien hinausgebenden Arbeiten 
—— Allerdings ſtellen die letzten Verſuche 

ilienthals und der Amerikaner eine Verbindung 
der Drachenflieger mit den Ornithopteren dar. 

4) Ein Bindeglied 56* Kunſtflug und Luft: 
ſchiffahrt würde der Ballon mit Übergewicht 
und Segelfläde (Blatte) bilven. Ob nıdt aber 
der Vorteil, der dur die Tragkraft des Ballons 
gewonnen, durch feinen großen Wibderftand wieder 


Flugtechnik 


verloren gebt, ift noch ſehr ftreitig. Auch die Nutz— 
lichkeit der Fortbewegung in auf: und abjteigender 
Bahn, im Welten uge, begegnet Zweifeln. Da: 
gegen gehören die eigentlihen lentbaren Ballona 
(Hänlein, Krebs und Nenard, Wölfert, Schwarz, 
gernelin, Santos Dumont) nit mebr bierber; val. 
uftichiffahrt und Lenkbarkeit der Luftſchiffe. 

Befonderes Intereſſe und berechtigte Würdigung 
baben in den legten Jabren, außer der durch ibre 
impofanten Größenverbältniffe und das fehr gün: 
ftine Verhältnis zwischen Maſchinengewicht und er: 
telter Kraftwirfung hervorragenden Maxim ſchen 

aſchine, vor allem die Flugverſuche von Lilientbal 
(1. d., Bd. 17) in Berlin gefunden. Seine fowie der 
Amerilanerfangley, Ehanute und Herring praf: 
tiſchen Berfuche gingen davon aus, daß man, mit zu: 
nächſt unbeweglichen aroßen, flügelähnlichen Flug: 
flächen bewaffnet, von einer Anböbe gegen den Wind 
berabfpringt und dabei möglichſt weit zu ſchweben 
verfucht. Lilienthal verwandte anfangs febr einfach 
fonftruierte Heine giüget von Holz und Segeltud, 
mittel derer er ſich erft mit der Einwirfung des 
Windes, inäbefondere bei en Auftreten, 
vertraut machte. Er jtellte durch jehr ſcharfſinnige 
Unterfuhungen an Bögeln und Apparaten ſowie 
— Built Par Sag rg ügel: 
frümmung die günftigjte Form darjtelle, mas von 
eminenter Wichtigkeit für alle jpätern Arbeiten 
wurde, und ging bald zu Abflügen von erböbten 
Stellen aus, und zwar mit der Zeit zu Flügen von 
2—300 m Länge über, immer langfam und mit 
Vorſicht vorgebend. Er erreichte dieſe günftigen 
Resultate durch Ausbildung einer perjönliben Ge: 
fchidlichkeit in der Benußung der ſtets in ihrer In: 
tenfität veränverlichen Winditöße; dann aber dur 
Übereinanderftellung von zwei Flügelpaaren, beſſere 
Konftruftion der Rippen und Faächen und zabl: 
reihe, fortwährende Berbejjerungen. Im letzten 
Sabre vor feinem Tode Ber er, um zu freiem und 
bauerndem Fluge u gelangen, feine Nugappaate 
mit kleinen, jedoch fa: kräftigen Erplofiondmotoren 
ber, welche den willfürlihen Niederbrud der Flügel 
und damit, unter Dauernder Mitbenukung des Win: 
des, den «Nuderflug» ermöglichen jollten. Zu be 
merken ift, daß die Kataſtrophe, infolge deren er 
fein Leben einbüßte, ſich nicht etwa bei einem be 
fonders fühnen, neuartigen Verſuche ereignete, jon: 
dern bei einem der gewöhnlichen Schwebeflüge, wie 
er deren zu Taufenden ausgeführt hatte. Die Ur: 
face des Sturzes ift nicht genauer ermittelt; fie 
liegt aber jevenfalld auf demjenigen Gebiete, wel: 
ches den wundeſten Bunlt aller bisherigen Verſuche 
darftellt, nämlich in der ungenügenden Stabilität 
aller äbnlichen Apparate bei plögliben Üinderungen 
in der Richtung oder Stärfe des Windes. 

In Amerika ift in neuefter Zeit diefe Metbode 
durch die oben Genannten erbeblich vervolllommnet 
worden und es find nachweislich Flüge bis über 
1000 m Entfernung gelungen. Abbildungen einiger 
— finden ſich auf ver Tafel: Luftſchiff⸗ 

abrt II. — Val. von Wechmar, Flugtechnik (Bud 
1-3, Wien 1886-88; Buch 1 u. d.T. Orundzüge der 
33 derſ. Zur Flugfrage (Berl. 1891); Lilienthal, Der 

ogelflug als Grundlage der Fliegekunſt (ebd. 1889); 
* Die Flugapparate (ebd. 1894); Miller von 
Hauenfels, Der mübeloje Segelfiug der Vögel und 
die fegelnde Luftihiffabrt (Mien 1890); Steiger, 
Bogelflug und Flugmaſchine (Münd. 1891); Butten: 
ftedt, Das Flugprincip (Rüdersdorf 1892); Platte, 


Flugwerk — Fluor 


— Betrachtungen (Wien 1893); Koch, 
ie Loſung des Flugproblems (Münd. 1896); 
Meike, Das Fluggeieh ald Grundlage zur ee 
des Flugproblems im Sinne des Buttenftentichen 
Brincips (Kiel 1897); Ablborn, Der Schweberlug 
und die Fallbewegung ebner Tafeln in der Luft. 
füber die Stabilität der Flugapparate (Hamb. 1898); 
Manfai, Die Flugmaſchine des dynamischen Flug: 
princips (Wien 1898); Danilewſty, Ein lentbarer 
Flugapparat (Ebartow; Berl. 1900); Weihe, Der 
dynamiſche Flugapparat (ebd. 1901); Lerwal, Flug: 
techniſche Studien (Wien 1902). Taſchenbuch zum 
praftiiben Gebraub für Flugtechniker und Luft 
ichiffer, ba. von Moedebed. 

Flugwerk, ein Apparat, mit dem auf der Bühne 
Berjonen und Gegenftände dur die Luft bewegt 
werben, rapb. 

Sr eitmeffer, ſ. Chronoflop und — 

Inh (Mehrzahl Flühe), in ſchweiz. Mundart 
ein jaher Felsabhang. (S. Nagelfluh.) 

Fluid ſtruktur oder Flultuationsitruf: 
tur, ein Gefüge der Felsarten, welches die Be 
wegungen innerhalb einer Eruptivmafle unmittel- 
bar vor deren Erftarrung zur Anſchauung bringt, 
Fer iſt die F. nur — ausgebildet (Mi⸗ 
trofluidal:, Mikrofluktugtionsſtruktur). 

n den glaſigen Geſteinen iſt es eine viel verbreitete 

cheinung, daß die mikroſtopiſchen nadelförmigen 
Kryſtällchen, welche in dem Glaſe ausgeſchieden 
liegen, ſtellenweiſe zu Strängen, Strömen und 
Schwärmen zuſammengruppiert find, die einen ge: 
wundenen Verlauf haben, fi vor einem größern 
Kryitall aufſtauchen, ihn augenähnlich umfließen, 
um fich dabinter wieder zu vereinigen, oft auch vor 
einem 2 en völlig auseinander getrieben erjcei- 
nen, alled Berbältniffe, welche augenfällig auf die 
Sep wert inmweijen, die in dem erjtarrenden 
Magma —— und noch zu wirken fortfuhren, 
als jene Kryſtallnädelchen bereits verfeſtigt waren. 
Ahnliche Bewegungserſcheinungen, von welchen die 
Bruchflächen der Handſtücke dem bloßen Auge oder 
der Lupe nichts verraten, enthüllen überaus häufig 
auch die Dünnſchliffe der Rhyolithe, Bafalte, Tra: 
chyte, Phonolithe, Melapbyre u. ſ. w. Hier find die 
anderswo im rihtungs ojen Gewirre umberliegen: 
den Heinjten leiitenförmigen Durchſchnitte durch 
Feldſpate, Nepbeline u. f. w., geftredte Säulen 
von Augit, kurz die mit einer Längsachſe verſehenen 
milroſtopiſchen Gebilde ſtreclenweiſe, wie die Baum: 
ftämme in ber Flut einer Holzſchwemme, parallel 
nebeneinander zu Strömen gruppiert, welche ſich pin 
und ber winden und fächer⸗ oder eiöblumenähnlich 
auseinander laufen. Auch durch dunkle Körnden, 
welche ſich reihenförmig zu wellig gefräufelten Strän- 
en zufammenfügen, wird eine ſolche Struktur zum 
[usdrud im Das Erbaltenfein diefer charalte⸗ 
riſtiſchen Urftruftur beweift nicht nur die ehemals 
plajtiihe Beſchaffenheit der betreffenden Gefteine, 
fondern auch, daß diefe erheblichen moletularen Um: 
Pe a ER bis jest noch nicht unterworfen 
geweſen jind. Beijpiele von F. zeigen die Fig. 3 4 
und 6 ber Zafel: Dunnſch ii in mifrofto: 
piſcher Vergrößerung. Ahnliche Flußerſchei⸗ 
nungen größern Maßſtabes bieten auch ſtromartige 
Ergießungen von Eruptivgeſteinen durch die paral⸗ 
lele Richtung langgezogener Blaſenräume bar. 

Fluidextrakt (Extractum fluidum), eine Form 
des Ertraft3, die jih von Nordamerila ber jetzt 
auch in Deutſchland einbürgert. Infolgedeſſen bat 


831 


dag eg. — für das Deutſche Reich eine allge 
meine Bereitungsvorfchrift und vier F. (f. Ertratt) 
aufgenommen. tiber die Daritellung der F. j. De 
placieren. Als Löfungsmittel verwendet man Ge 
miſche von Weingeiit und Wafjer mit und obne 
Glycerin. Die F. entiprehen binfichtlic der Menge 
ihrer wirffamen Beftandteile dem gleihen Gewicht 
der angewandten Pflanzenteile. j 

Fluid meat (engl., ſpr. miht), flüffiges 

leiſch, ein von S. Darby in England aus magerm 

leiſch bergeftelltes Präparat, in dem die Eiweiß: 
e in Peptone umgewandelt fein follen und das 
olchen Patienten, deren Verbauungsvermögen fo 
weit geihmänht ift, daß fie Fleiſch nicht mebr ge 
nießen können, die Fleiſchnahrung erjegen ſoll. 

Fluid ozone (engl., jpr. ojohn), flüjfiges 
Dion, Handelöname für eine ſchwache Löfung von 
übermanganfaurem Kalium, die ald Desinfeltions⸗ 
mittel augepriejen wird, 

Fluidum had etwas —35 — ein flüffiger 
Körper a figfeit); fluid, flüffig; Fluidifi— 
tation, Flüffigmabung; Fluidität, das Flüffig- 
fein, leichter Fluß der Rede. 

Iuttuationdftruftur, |. Sluidalftrultur. 

Iuftnieren (lat.), wogen, wallen, en, 
ſchwappen; unter flultuierenderBevölterung 
verjteht man die nicht feßhafte Bevölkerung; fluk⸗ 
tuierende Schuld, foviel wie lottierende 
Schuld (1. d.); Fluktuation, das Wogen, Wal: 
len u. ſ. w.; in der Mebizin das Schmappen von 
Waſſer oder Eiter in einer Körperhöhle oder einem 
Abfceß; in moralifher Beziehung Unbeftändigteit, 
Wantelmut; fluttud3, wogend, ſchwankend. 

Flumendöſa (der Saeprus der Römer), Fluß 
auf der Inſel Sardinien, entipringt an den Monti 
del Gennargentu und mündet nad 119 km zumeijt 
füddftl. Laufes ins Tyrrheniſche Meer. 

Flumen publioum (lat.), öffentlicher Fluß, 


üfe. 
Iunder,.Schollen und Tafel: Fiſche I, Fig.13. 
Iuntern, Vorort von Zürich (. d.). 
Iuoceiment, |. Fluate. 
Inor, chem. Zeichen F (au) FI), Atomgewicht 
19,1, ein einwertiges, zu den Halogenen (f. d.) 
drendes, aljo dem Chlor, Brom und Sob nahe: 
tehendes Element, findet ſich in der Natur nie frei, 
ondern nur gebunden, und zwar in größerer Menge 
im Flußipat — im Kryolith (Fluoralu⸗ 
minium mit Jluornatrium), in geringen Diengen im 
Topas und in den meijten natürlid vortommenden 
———— Salzen, wie im Apatit und Phos⸗ 
phorit, und in einigen Feldſpat- und Glimmer: 
arten. Es findet ſich ferner ſpurenweiſe im Meer: 
wafjer und vielen Mineralwäflern. Im tierischen 
Organismus fommt e3 an Galcium gebunden in 
den Knochen und im Schmelz der ne vor; es 
H ferner unter den Ajchenbejtandteilen einiger 
flanzen nachgewieſen worden, doch muß fein Vor: 
fommen im J anzenreich ein allgemeineres ſein, als 
man gewöhnlich annimmt, ba ſonſt ſeine regelmäßige 
Anmejenbeit im Tiertörper ern fen 
würde, egen der großen Affinität des F. wor 
allem zum Waſſerſtoff gelang die Darftellung des 
ien Elements lange gei nicht. Erft im 9. 1886 
at ed Moifjan durch Elektrolyſe der waſſerfreien 
lußjäure in am gewonnen. F. ift ein 
chwach gelbgrünes Gas von ſehr — 
an unterchlorige Säure erinnernden Geruch. Durch 
ſtarlen Druck und niedere Temperatur wird es zu 


832 Fluor albus — Fluorwaſſerſtoff 


einer bellgelben Zlüffigteit verdichtet; diefe hat das |; Verbünnungen deutlich wahrnehmbarer Fluorescenz 
pec. Gewicht 1,14 und fiedet bei — 184°. Da F. | auflöft. Es wird im großen dargeftellt zur Bereitung 
n abjolut reinem, trodnem Zuftande das Glas | des Eoſins (f. d.), das ein Tetrabromfluorescein ift. 
nit angreift, kann die Kondenjierung in Glas | Fluorescenz (lat.), in der Optil eine an ver 
gefäßen geſchehen. Es verbindet ſich mit Waſſerſtoff Ihiedenen Stoffen beobachtete eigentümliche Licht: 
im Dunleln; Bor, Silicium, Schwefel, Selen, Jod, | eriheinung, welde darin befteht, daß diefe Stoffe 
Arien», Antimon:, Magnefium: und —— im ſtande ſind, Licht, womit man ſie beleuchtet, 
verbrennen in ihm; mit Lampenruß verbindet es aufzunehmen und, als ganz anders gefärbtes Licht 
ſich unter Erglühen; organiſche Stoffe, wie Terpen: | wieder — — len, jo daß dadurch ein eigentüms 
tinöl, Alkohol, Kork, entflammen ſich damit. Es | licher Farbenſchiller entſteht. Obwohl vorberribend 
jerjebt Waſſer unter Bildung von ozonifiertem | blaues, violettes und überviolettes Licht die F. er: 

auerftoff und Fluorwaſſerſtoff; mit Sauerftoff | regen, fo giebt ed (nach neuern Verſuchen) doc 
verbindet es ſich nit. Mit Wafjerftoff verbunden | Stoffe, mo aud die grünen, gelben und roten 
bildet es Fluorwaſſerſtoff (f. d.). (S. aud Fluor: | Strahlen F. bewirfen. Zuerſt ijt die 5. an Kry— 
ammonium und Siliciumfluorid.) — Vgl. Moiffan, | ftalen von Flußſpat (Fluorcalcium) unterfucht 
Le F. et ses composes (Par. 1900; deutih von | worden, daher ihr Name. Schön und zwar grün 


Bettel, Berl. 1900). uorescieren die gelben Uranjalze und bas mit 
Fluor albus flat.) f. Zeulorrhöe. tanoryd gelb gefärbte Eanarienglas. Mebr ala 
Fluorammon 


um oder Ammoniumfluos (ee toffe fluorescieren Flüffigleiten; fo 3. B. 
rid, NH;F, eine farblofe, aus Blättchen oder Pris- fluorescieren jhwefelfaure Ehininlöfung und Us— 
men beftebende, an feuchter Luft zerfließliche Salz: | culinlöfung (Aufguß von Roblaftanienrinde) him: 
maſſe, die jhon bei gewöhnlicher Temperatur etwas | melblau, Blattgrün blutrot, die gelbe Curcuma— 
flüchtig ift. F. wird erhalten durch Sättigen höchſt tinktur grün. Die Erſcheinung zeigt fih ſchon im 
konzentrierter wäfjeriger Flußſäure mit Ammoniak: | Tageslicht, aber am auffallendften, wenn man 
ps oder Ammoniumcarbonat, Seine Dämpfe | mit einem Brennglas ein konzentriertes Bündel 
eftehen aus einem Gemenge von Ammonialgas | Sonnenftrablen auf den fluorescierenden Körper 
und Fluorwaſſerſtoffgas und wirken durch leßteres | fallen läßt. So 3. B. zeigt ſich ein Strablentegel, der 
jerfegend auf Silifate. Man kann daher das F. | in ſolcher Weiſe durd eine Ehinin» oder Asculin⸗ 
in Glasgefäßen nur dann aufbewahren, wenn ſie et —— wird, blauleuchtend; in einer ätbe: 
im Innern mit einer Schiht von Wachs oder | riihen Blattgrünlöfung erſcheint er rot u. dal. m. 
Paraffin überzogen find. Es wird zur Zerjegung Verſchiedene Lichtquellen wirken verſchieden ftart F. 
von Silitaten und zum Glasäpen verwendet. Ber | erregend, befonders kräftig wirlen das Sonnenlicht, 
— Erwärmen ſeiner konzentrierten wäſſerigen das eleltriſche und das Magneſiumlicht; überhaupt 
öfung verliert es die Hälfte ſeines Ammoniak- | wirken die photochem. Lichtſtrahlen in der Regel auch 
gebalts, und es ſcheidet ſich Fluorwaſſerſtoff⸗ Fluor: | F.erregend. Ein Stüd Papier fiebt ganz gleich aus, 
ammonium, NH,F-HF, in rhombiſchen Prismen ab. | ob man dasſelbe durch ein gelbes Glas beleuchtet und 

Fluoranthen, Idryl, ein Kohlenwaſſerſtoff durch ein blaues Glas betrachtet oder umgelebrt, da 
von der Zufammenjekung H,o, mwelder fid ——* doch nur das wenige Licht ins Auge ge 
in ben über 360° fiedenden Anteilen des Stein: | langt, welches durch beide —— Erjest man 
toblenteer8 und in dem Stubbfett, einer bei | aber das Papier durch Uranglas, beleuchtet es durch 
der Deftillation der Duedfilbererze von Idria ge⸗ | das blaue Glas und betrachtet es — das gelbe, b 
wonnenen Mafje, vorfindet. F. ift kryſtalliſiert leuchtet dasſelbe grüngelb, da nun die blauen Strab: 
und ſchmilzt bei 110°. len in folde umgewandelt werben, welde durch 

inoren, Dh f. Flußſpat. das gelbe Glas in großer Menge hindurch geben. 


Iuoren, Dipbenylenmetban,einim Stein: | Nah Stoles, der 1852 die F. zuerft mit dem Spel⸗ 
toblenteer enthaltener Kohlenwaſſerſtoff von der | troftop unterjucht hat, werden bei der F. nur Strab: 
Dejemmentepuing Cs H;o, der aud beim Durche | len von Eleinerer Wellenlänge in Strahlen von 

iten von Dämpfen des Diphenplmethans (f. d.) | größerer Wellenlänge umgemwanvdelt. Lommel bat 
durch glühende Röhren entfteht. Es | jevodh nachgewieſen, daß bei manchen Stoffen aud 
En op, enthält zwei Benzolterne nach bei: | das Umgelehrte eintritt. Beſonders ſchöne F. jeir 
& HH“ ehender Ronftitutionsformel, milzt | gen viele Stoffe unter der Einwirkung von Katboden: 
bei 113° und fiebet bei 295°. trablen (ſ. d.). Nach neuerer Bezeichnungsweiſe 
Sluorescein, Reforcinphthalein, eine au bildet die %. zufammen mit der Phosphorescen 
den Phthaleinen (f. d.) gehörende organifhe Sub: |(j. d.) unter vem Namen Photoluminescenz einen 
ftanz von der Zuſammenſetzung Cy H;s0s + H,O, | befondern Fall der Luminescenz (f. d.). 
die jich beim Erbigen von Phthalſäureanhydrid mit 


{ ; d Fluoride, die Verbindungen des Fluors mit den 
Rejorcin auf 180° nad folgender Gleichung bildet: 


Metallen; der Name Fluorid wird aber auch beim 





co Siliciumfluorid (f. d.) gebraudt. 
GHTog 0 +2CH(0M), = Inprit, j. Slußipat. 
Bothalfäureanhybrid Relorein | Iuorfal um, 1. Fluorwaſſerſtoff. 


—— J. Siliciumfluorid. 
CH, — Inorfiefelmetalle, die Salze der Silicium⸗ 
GH, \c,H,(0H)— /0+2I1,0. fluorwaſſerſtoffſäure, ſ. Siliciumfluoriv. 
er Te Inorfilieium, |. Siliciumfluorid. 
an z Inorfiliciummetalle, die Salge der Su 
v 


ciumfluorwafjerftofffäure, ſ. Siliciumfluorid. 
Es bildet ein gelbrotes bis dunkelrotes Bulver, dad | Fiuorverbindungen, |. Fluor. 
fib in Altobol mit gelbroter, in Alkali mit roter m 


Fluorwaflerftoff over Flußiäure, HF, m: 
Farbe und prachtvoll grüner, ſchon in den ftärkften | winnt man durch Grwärmen von Flußſpat oder 





Fluofilitate — Flurzwang 


Kryolith mit konzentrierter Schwefelfäure in einem 
Dehillierapparat von Blei oder Platin. Die Bor 
lage, in der man die übergehende Säure, gemöhn: 
ie in Wafler, auffängt, muß gleichfalls von Blei 
oder Platin fein. Man bewahrt den 5. in * chen 
aus Blei oder Guttapercha auf. Er ift farblos, 
flüffig, von ftehendem Gerud und äußerjt ägendem 
mad, rötet Ladmus, zerftört augenblidlic ani« 
malijhe Subftanzen und verurfaht auf der Haut 
gefährliche Geſchwüre. Beim Arbeiten mit konzen⸗ 
trierten Loſungen ift die allergrößte Vorſicht ge: 
boten; fein Dampf, eingeatmet, wirkt als töbliches 
Gift, dem Nicklles in Nancy bei Verſuchen, das Fluor 
daraus abzuſcheiden, erlag. Auch für nievere Dr: 
— iſt F. ein heftiges Gift und daher als 
ittel zur Zerſtörung derſelben, namentlich zur Bes 
freiung der Hefe von organifierten ſchädlichen Bei: 
mengungen, vorgejchlagen worden. Aus demfelben 
Grunde hat man es aud) zur Inhalation bei Zungen: 
ſchwindſucht empfohlen, jedoch jehr bald die Verſuche 
wieder eingeftellt. An feuchter Luft bildet er weiße 
Nebel. Platin, Gold und Blei werden von ihm nicht 
angegriffen, Wachs, Baraffin und Guttapercha gleich: 
5 8 nicht. F. greift Glas an, indem er es in Kieſel⸗ 
uormetalle, Fluorſilicium und Waſſer verwandelt; 
daber feine Anwendung zum Üben des Glafes. Letz⸗ 
tere Verwendbarkeit wurde bereitö 1670 von Swan: 
kard in Nürnberg entdedt. In gleicher Weife verhält 
J ſich gegenüber den kunſtlichen und natürlichen 
ililaten und iſt daher ein ſehr geſchätztes Mittel 
der analytiſchen Chemie, Sililate zu zerſehen. Die 
wajjerfreie Säure er ält man durch Erbiken des 
Salzes KF-HF in einer Blatinretorte. Dasfelbe 
zerfällt in Fluorkalium und %., der in einer jtart 
abgetühlten Blatinvorlage zu einer bei + 19,5" fie: 
benden Fü ſigkeit verdichtet wird; er erftarrt bei 
— 102,5°. Statt des F. verwendet man zum Glas: 
ägen auh Fluorlalium, KF,und Fluorammo: 
nium (f. d.). Eriteres erhält man durd Neutrali: 
fieren von F. mit Kalihydrat. Erwähnenswert ift, 
dab F. leicht ſaure Salze, wie das oben erwähnte 
KF- bildet. 
Imofilifäte, ſ. Fluate. 
lur, Feldflur, urfprünglic Bezeichnung für 
das landwirtſchaftlich benutzte Feld, Ader, Wieſen, 
Weiden im allgemeinen; ſpäter nannte man F. oder 
Feldmark im engern Sinne die einer Gemeinde zu: 
gehörigen Grundftüde, alſo mit dem Sinne der Be 
renzung nad außen. Bei der Felderwirtſchaft heißt 
F die in gleicher Weiſe benupte Fläche; jo giebt es 
3.B. bei der Dreifeldermwirtichaft drei F. 

Flurbereini ung Slurregelung, in Süd: 
deutichland üblige —— ur die Underung 
einer Dorfflur durch Grundftüdszuiammenlegung 
und sFeldwegregelung, f. Zufammenlegung ber 
Grunditüde. 

Flurbuch, das in der Regel bei der Steuer: 
bebörde (Katafteramt) geführte Bud, in welchem 
unter fortlaufenden Nummern die einzelnen Grund: 
ftüde eines örtlihen Bezirks unter Angabe ihrer 
Größe und unter Bezugnahme auf die ihre örtliche 
Lage und — a ag barjtellende Karte aufgeführt 

nd. zu e bildet die unentbebrlihe Grundlage 

r das über die Eigentums: und Hypothelenver⸗ 

ältnifje bei Gericht oder der Gemeindebebörde ge: 
uhrte Grundbuch ( d.). Deden ſich nicht die de 
altung der Örtlichleit, das F. und das Grundbuch, 
o find Berwirrungen der Rechtsverhältniſſe unaus: 
leiblib. Die korrelte Fortführung des nad der 
Brodhaus’ Monverfations-Leriton.. 14. Wu R.U VI. 


833 


drtliben Vermeſſung angelegten F. und des aui 
bas F. Bezug nehmenden Grundbüchs ift deshalb 
von allergrößter Wichtigkeit. Wo die Zurüdführung 
des Grundbuchs auf das Grundlatafter (f. d.) 
durchgeführt ift, darf eine für dad Grundbuch maß: 
ebende Zeilung eines Grundftüd3 in mehrere 
Pelbftändige Grundftüde oder eine Zufammenlegung 
mebrerer nebeneinander gelegenen Grundftüde zu 
einem einheitlihen Grundjtüd nicht ohne vorgängige 
Regelung des F. erfolgen. Zur Vermeidung von Ir 
tum und Berbunlelungen, welche infolge einer ört: 
lihen Beränderung ber Oberfläche eintreten können, 
muß von Zeit zu Zeit eine Revifion des F. durch 
Vergleich desjelben mit der Örtlichkeit ftattfinden. 
—— ſ. 78 — 
rregelung, ſ. Flurbereinigung. 
lurſchäden, ſ. ber und Friedens: 


tungen. 

lürfcheim, Michael, Bodenreformer, geb. 
27. Jan. 1844 zu —— a. M., war zuerſt im 
Bantjad thätig, lebte von 1867 bis 1872 in den 
Vereinigten Staaten von Amerita und gründete 
nad) jeiner Rüdlehr die ſeit 1888 ald Attiengejell: 
haft unter dem Namen « Eiſenwerle Gaggenau, 
Attiengeſellſchaft⸗ bekannte Fabrit in Gaggenau 
in Baden. Seit 1888 Rentier und Verwaltungsrat 
genannter Werte und ſeit 1892 mit dem Wohnfik 
in Gaftagnola bei Lugano, lebt F. faft ausschließlich 
feiner litterar. Thätigteit und der Verbreitung jei: 
ner ‘dee der Bodenverftaatlihung. 1887—89 res 
digierte er in dieſem Sinne die Tata 
« Deutſch Land», melde 1890 in die Wochenſchrift 
“ 


lei 


Frei Land. Organ des ae en Bundes für 
Bodenbefigreform» — welchen Bund F. mit 
Geſinnungsgenoſſen 1888 begründete. F.s Arbei: 


ten find dem Nachweiſe gewidmet, daß das Bing: 
und Grundrenteneintommen der Einzelnen die Ur: 
face der Vermögendanfammlung in wenigen Hän: 
den und der Notlage der groben Maſſe jei, und 
daß dieſer Zuftand mit der Bodenverftaatlihung 
verjhmwinde, welche die Möglichkeit gewähre, die 
Vorteile des Individualismus zu erhalten und bie 
Nachteile des Socialismus zu vermeiden. (S. Land: 
liga, Deutice.) Er ſchrieb: «Auf friedlihem Wege» 
N aden⸗ Baden 1884 u. d.), «Deutichland in 100 
abren» (Bubenbeim 1887; neue Ausgabe, Dresd 
1890), « Sapft und Socialreform» —— 1890), 
«Der einzige Rettungämeg» (Bubenbeim 1887; aus: 
führlichere Bearbeitung, Dresd. 1890), «Rent, In- 
terest and Wages» (Fond. 1891), «Baufteine. Bei: 
träge zur Socialreform» (Dresd. 1895), «Währung 
und Weltkriſes (Mien 1895); außerdem eine An- 
zahl Heinerer Arbeiten. 
Inrfchägen, |. Feldhuter. 
lurzwang, ein ug Ser eine 
(f. d.) und des .altgerman. Dorfſyſtems (f. d.), iſt 
die rechtliche oder faktifche Beichränlung der Grund: 
befiger in der Benußung ihrer meijt «im Gemenge» 
—— Grundſtücke, namentlich der Zwang, die: 
felben nad) dem von der ganzen —— 
angenommenen Wirtſchaftsſyſtem, gewöhnlich der 
Dreifelderwirtſchaft, zu beſtellen, die gemeinſchaſt⸗ 
liche Brachweide zuzulaſſen und die Überfahrt zu ge: 
ftatten. Die Gemengelage (f.d.) ſelbſt, welche dieſes 
—* zu einer Notwendigleit macht, iſt dadurch 
entſtanden, daß urjprünglich jeder Hufenbefiger in 
jedem Gewann einen Streifen erbielt und daß dieje 
Stüde immer weiter — wurden. In der neuern 
Zeit iſt der F. durch einbeitsteilung (ſ. d.) und 
68 


834 


Zufammenlegung (f. d.) der Grundftüde in den 
meiften Gemeinden aufgehoben worden, jedoch noch 
immer nicht vollftändig verſchwunden. Auf ge: 
[htofiene Höfe hat er natürlich nie oder doch nur in 
eichränttem Maße Anwendung gefunden. — Bal. 
——— im ·Handworterbuch der Staats⸗ 
wiſſenſchaften⸗, Bo.3 (2. Aufl., Jena 1900). 
ud, Mehrzahl von Fels, marokl. Geldbe⸗ 
nennung, |. Udia. 

Fluſch, Meine Gelvrehnungsftufe in Basra 
(afiat. Türkei) und in Buſchir (Perſien), des 
Mamüdi oder * 1000 bes perf. Kran (f. d.), jebt 
etwas mehr als ?/,, Pfennig Reichswä 
00 Kreuzer öfterr. Währung. [Bliffingen. 

ih (ipr. floſch⸗), engl. Name der Stadt 

Iu Ing (ipr. öfch-), feit 1898 Stadtteil von 
Groß:Neuyork (f. Neuyork nebft Situationsplan), 
zum Ward Dueens gehörig, ungefähr 13 km nord⸗ 
öftlich von Brooklyn an der Fluſhing⸗Bai, hatte 
1890: 10868 €,, jhöne Straßen und Billen und 
ift Wohnort vieler Neuyorter Kaufleute. 

Fluß, in der Geographie, ſ. Flüfie; F. in der 
Chemie und Metallurgie, } 5 ußmittel; in ber 
Medizin ne (Fluxus) foviel wie Rheumatis⸗ 
mus (f.d.); Weißer F. ſ. Leuforrböe. 

Infaal (Anguilla vulgaris F | 
iſchel 58: 8), zur Familie der Yale (f. d.) ge: 
‚öriger Mei flofjer mit glattem Kopfe und mal» 
igem Leibe, Heinen, weit nad hinten geitellten 
ruftfloffen und Heinen Kiemenöfinungen darüber 
in der Nähe des Nadens, ein nüchtlich munterer 
Fiſch, der bei Tage im Schlamm liegt. Er it ein 
ge äßiger Raubfiſch, defjen welter Rachen mit pe 
en Halenzähnen bewaffnet ift, wird bis 1,50 m lang 
und 5 ku wer, frißt vorzugsmeife Heine Fiſche, 
Froſche, Aler, Inſelten und Gewürm und fängt ſich 
beſonders leicht bei Gewittern an den mit Heinen 
Weißfiſchen befegten Grundangeln. Daß er bei Re⸗ 
genmetter und im Nachttau aufs Land krieche, um 
nad Regenwürmern und Gchneden auszugeben, 
ſcheint eine Fabel zufein. Zum Laichen gebt ver Aal 
in das Meer, und zwar finden die Wanderungen von 
Dftober bid Dezember in fintern Nächten ftatt; er 
wird erft im Meere oehlehtäreif; die weit kleinern 
Männden hat man bis jetzt nur im Meere oder 
in bradifchen Buchten gefunden, fo daß alfo alle in 
Süßmäflern vorlommenden F. Weibchen mit noch 
unreifen Giern find. Solche, die aus irgend einem 
Grunde nicht in dad Meer gelangen können, werben 
unfrudtbar und —— die bedeutendſten Größen. 
Db der F. lebendige junge zur Welt bringt oder 
Gier legt, ift noch nicht fgergeelt doc ſprechen 
neuelte Beobadtungen fürlekteres. Vielleicht geben 
die 8; nad dem Abjage der Brut zu Grunde, wie 
die Lampreten. Die weiblihen Jungen fteigen im 
März und April in F äußerit zahlreichen Schwär⸗ 
men die Fluſſe hinan (franz. montée; ital. montata), 
Der ommt in allen Gewäſſern, ganz vorzüg⸗ 
lich aber in Bradwaflern und Lagunen fort. an 
einigen Orten, wo fie in ungebeurer Menge vor: 
tommen, wie 3. B. in Dänemarl, Schweden, in den 
Lagunen der Pomundung bei Eomacdio (f. d.), 
bilden die 5. friſch, geſalzen, getrodnet, geräuchert 
oder mariniert einen bedeutenden Ausfubrartitel. 
Bon alters ber giebt es bier finnreiche reufenartige 
Vorrichtungen zum Abfangen der meerwärts wan- 
dernden ausgewacjenen F. * Deutſchland wer⸗ 
den ſolche Wanderaale vielfach bei Mühlenwehren 
in durchlöcherten Kiſten, den ſog. Aalkäſten, ge 


Tafel: 


Flus — Flüſſe 


eg Nach der Abtrennung des Kopfes winden 
ich die Stüde noch lange Zeit, da die Reflexthätig— 
leit des Rüdenmarls * lange anhält. — Bal. 
Leonhardt, Der gemeine F. (Stuttg. 1902). 
Infadler, joviel wie Fiſchadler (f. Apler). 
Inhbäder, ſ. Bad. iſche I, Fig. 8). 
lußbarbe, die gemeine Barbe (f. d. und Tafel: 
Iußbarfch, der gemeine Bari (f. d. und Ta: 
fel: Fiſche V, Fig. 4). , 
Flukbau, diejenigen Bauarbeiten an einem 
Fluſſe, welde die Herrihtung einer gleihmäkig 
tiefen und der Schiffahrt auch hinſichtlich des 
Gefälles und der Krümmungen bequemen Fahr— 
rinne anftreben, entweder unter Anwendung von 
Buhnen in oder Parallelwerlen (f. d.), oft unter 
Zuhilfenahme von Eoupierungen (f. d.), Ufer: 
dedungen (f. Uferbau) u. a., oder dur Kanali— 
ierung des Fluſſes, d. b. durch Einbauen von 
ren (f. d.) und Schleufen (f. d.), welde die 
Fahrtiefe durch Aufitau vergrößern und dem Fluſſe 
eine treppenartige berfläche geben. Die einzel: 
nen durh Wehr und Schleufe gebildeten Stufen 
liegen dann bei Flüffen in der Niederung oft viele 
Meilen voneinander entfernt. Regulierung und 
Kanalifierung treten fonad beim Ausbau eines 
Fluffes in Frage, und die Auswahl — beiden 
wird am beſten ſo getroffen, daß kleine Gewäſſer, 
alſo auch die obern Streden großer Ströme, durch 
Kanaliſierung, dagegen größere Fluſſe, beſonders 
im Pe ray durh Regulierung für die Zwede 
der Schiffahrt ausgebaut werden, wobei bann wieder 
die Anwendung von Parallelwerten für die Flüſſe 
eringerer Breite, Dagegen Buhnenbau für die gan; 
reiten piafie und Ströme der Niederung empfohlen 
werden kann. Vielfach werben bie Flubbauten aud 
KRorreltiondbauten genannt, da fie zum Zwede 
der Verbeflerung, Korreltion der Waflerläufe aus: 
gerührt werden. (S. aud Wildbahverbauung.) — 
l. Hagen, Handbud der Wafjerbaukunft, ZI. 2: 
un hbälungen, Strombauten und iffahrts⸗ 
tanäle (3. Aufl., 4 Bde., Berl. 1871—75); Hochen⸗ 
burger, Über Be chiebsbewegung und Eintiefung 
fließender Gemwäfler ( 
luß: und Strombau 


3. 1886); Schrader, Der 
he er 1887); zus -- 
wanziger er die Regulierung von geſchiebe⸗ 
führenden Stüffen (Graz 1898); Wi me Brei 
tierung und Veranſchlagung von *— 
(Lpz. 1899); Kreuter, Garbe und Koch, (im 
«Handbub der Ingenieurmwiffenfhaften», Bo. 3, 
3. Aufl., ebd. 1899). 
Iußbett, Rinne eines Fluſſes, f. Fluſſe 
Infbride, ſ. Neunauge nebft Tertabbilvung. 


Iufdeich, |. Deich. 

Lüffe, Bezeichnung für diejenigen fließenden Ge: 
wäjjer, welche aus der Vereinigung me Bãche 
entſtanden ſind oder den — eines Sees bilden. 
Unter Strom verſteht man einen Fluß von großer 
MWaflerfülle, der fih unmittelbar ind Meer oder 
einen meeräbnlihen Landſee, wie 3. B. die Wolaa 
in den Kaſpiſchen See, ergießt. nachdem ſich 
die F. unmittelbar oder mittelbar in verſchiedenen 
Abſtufungen mit dem Hauptfluffe vereinigen, heißen 
fie Neben», Zus, Bei: oder Seitenflüfie. 
Seinen Namen erbält der Hauptfluß gemöbnlich von 
demjenigen ber bildenden Duellflüfie, deſſen 
Urjprung am entjernteten von der Mündung ded 
Ganzen ift, deflen Lauf alfo der längfte und deſſen 
Waflermenge daher meift auch die größte ift, unt 
der zugleib bei der Einmündung eines andern in 


Flüſſe 


ihn feine Richtung beibehält; entſteht ein Fluß 
durch Vereinigung zweier oder mehrerer gleihgroßer 
Quellflüffe, jo erhält er oft einen neuen Namen, 
wie die vereinigte Werra und Fulda Wefer heißen. 
Sehr häufig haftet auch der Name des Hauptitroms 
im O * an kleinern Nebenflüſſen, während 
die eigentliche Fortſezung wie ein Nebenfluß be: 
handelt wird und einen andern Namen bat. So ift 
die Moldau als Oberlauf der Elbe, die Saöne als 
der der Rhöne zu betrachten. Küſtenflüſſe er- 
gießen ſich nah kurzem Laufe ins Meer. Step: 
penflüffe verlieren fi im Sande, in der Erde 
oder in einem See ohne fihtbaren Abfluß. Fluß: 
bett nennt man die Rinne eines Flufjes, Spiegel 
die Oberfläche desjelben. Die Geſchwindigkeit 
der %. oder ihrer Strömung ift nicht bloß durch die 
Abhängigkeit oder Neigung ihres Bettes, d. b. durch 
das Gefälle, bedingt, jondern ebenfo ehr durd die 
Waſſermenge oder den Drud des Waflers, und 
demgemäß ſehr verſchieden. Hieraus ift es zu er 
Hären, wenn z. B. der Rhein bei einem viel ab: 
bängigern Slufbette langfamer fließt als die Donau. 
Die Gefchwindigleit nimmt zu vom Grunde nad 
oben und von ben Ufern nach der Mitte; am größten 
ift fie in der Mitte, aber etwas unter dem Spies 
gel. Zur Meffung der Geſchwindigkeit dienen 
Strommejjer oder Rheometer. 

‚Die Waffermenge der F. ift außerorbent- 
lich prob; jo ergießt die Wolga in einer Stunde 
30 Mil. cbm Waſſer ins Kaſpiſche Meer. Die 
Waflermenge hängt ab von der Größe des Fluß: 
gebietes, von den Niederſchlags⸗ und Temperatur: 
verhältnifien desfelben, von der geolog. Beſchaffen⸗ 
beit des durchſtrömten Bodens u. ſ. w. Sie ift ſehr 
Ihwantend, nicht nur im Laufe eines 5* on⸗ 
dern auch in größern Zeiträumen. Die jährliche 
Schwankung hängt in gemäßigten Zonen weniger 
von den Niederfchlägen, melde ja gleihmäßig im 
Jahre verteilt find, als von der Schneefhmelze 
ab. In den Subtropen und Tropen richtet fich 
der Waſſerſtand nach der Regenzeit; ebenſo regel: 
mäßig wie dieſe ändert 9* auch jene. * 
ſind die Beiſpiele des Nils und Ganges. Zur 
ſelbſtthätigen Meſſung der Waſſerſtände dienen 
die Begel (ſ. d.). (S. auch Fiume.) 

Die F. führen große Mengen von Mineralien 
teild in jeher, teild in aufgelöfter Form mit nd. 
Die Größe der feiten Stoffe nimmt nad unten ab, 
Die Ben löde werben gewöbnlih nur im 
Oberlauf noch fortbewegt, im Mittellauf ſetzt na 
das Gerdll nieder, im Unterlauf findet fih nur n 
Sand, der gegen die Mündung immer feiner wird. 
Hier bilden fih an Stellen, wo die Geſchwindigkeit 
fih verringert, wo Rüdftau ftattfindet, oder mo 
zwei lonvergierende Strömungen zufammentreffen, 
zJ. B. am o und untern Ende von Inſeln, 
Sandbänte. Das feinere Material wird bis ing 
Meer getragen und bilvet get wenn es nicht 
durd eine Strömung wegae! afjt wird, ein Delta 
( . d.). Bei großen F. z. B. dem Hoang:bo gelangen 

anz feine, ftaubartige Maſſen meit ins Meer 
Binaus und jegen fich erft dort nieder. Die im Fluß 
gelöft enthaltenen Mineralftoffe, beſonders kohlen⸗ 
und jchmefelfaurer Kalt, werden ind Meer geſchafft, 
dort durch gewiſſe Tiere umgewandelt und bilden 
die gewaltigen marinen Ablagerungen, deren Ent: 
ftebung lange Zeit unerklärt war. 
ie Farbe des Flußwaſſers wird bedingt 
durch die darin aufgelöften oder ſuſpendierten Be: 


835 


ftandteile. Sie ift fehr verjhieden, vom Weißen 
(Rio Branco) bis zum Schwarzen (Rio Negro), 
vom Gelben (Hoang:bo) bis — Blauen (Rböne); 
am bäufigiten ift außer dem Glashellen das Grüne 
in den verjchiedenften Abjtufungen. 

Ein plögliher bedeutender Höhenunterfchied in 
dem Gefälle bewirkt einen Wafjerfall (f. d.); 
—— Verengerungen oder Einſchnurungen des 

ettes — Stromſchnellen oder Strom— 
ſchuſſe (Rapiden), bie beſonders häufig bei Strom⸗ 
durchbruchen find. Seltener it die Flußſchwinde 
en: indem ein Fluß eine Strede weit 
unterirdiſch, d.i. in einem Abgrunde oder einem von 
Felsmaſſen überdedten Bette, unfichtbar fortfließt, 
wie z. B. die Rela (f. d.). \ 

Bebält der Lauf eines Fluſſes keine entſchiedene 
Richtung bei, fondern windet fi hin und ber, 
wie es bejonders bei geringem Gefälle geſchieht, fo 
bildet er Krümmungen oder Schlangenwindungen 
(Serpentinen, Mäandrinen). Bei der Regulierung 
der F. jchneidet man die Windbungen durh Dämme 
ab; die abgetrennten Teile werden dann zu fog. 
Altwaffern (am Miffiffippi Bayour genannt). 
Zeilt der Fluß fich in zwei oder mehrere Betten, fo 
entftehben Stroms oder ——— Die ge 
trennten Zeile beißen $lußarme; vereinigen fie 

wieder, fo fchließen fie $lußinfeln (Werder, 
uen, Kämpen) ein. Das durd die Ablagerun: 
gen eines Flufje gebildete eye eur beißt 
elta (f. d.). Nicht felten ift die Slußmündung 
meerbufenartig erweitert und bildet dann ein Uſtua⸗ 
rium (f.d.), früber anegatives Delta» genannt, wenn 
innerhalb verjelben die Gezeiten ſich geltend machen, 
wie z. B. inder Elbe, Wefer, Themfe, im St. Lorenz, 
Gabun u. f. w., oder einen Süßmwafjer: oder Mun⸗ 
dungsgolf. Liegen einem foldhen entweder eine 
Landzunge bg oder größere Sajeln vor, fo 
baß er fat ganz vom Deere geſchieden ift, jo bildet 
er babinter ein Haff (f. d.); liegen aber nur Eilande 
vor, bie ihn vom Deere wenig abjondern, jo heißt 
er Siman. Die fürzefte Linie zwischen der Quelle 
und der Mündung ke ber direfte Abſtand oder 
bie direlte Länge des Fluſſes und die Richtung diefer 
Linie die Haupt: oder Normalrihtung. Dagegen 
nennt man Stromentwidlung bie ganze Yänge 
eines Flußlaufs mit allen jeinen Krümmungen. 
Nach den durch die Höhe und die übrige Beſchaffen⸗ 
beit des Bettes bedingten Eigentümlichleiten ſei⸗ 
ner Entwidlung teilt man den ganzen we eines 
vollftändig entwidelten Stroms in drei Teile over 
Hauptjtufen: den Oberlauf im obern Stufen. 
lande, wo die Erojion allein thätig ift, ven Mittel: 
lauf, bei welchem die Erofion aufbört, Ablagerung 
aber aud nicht ftattfindet, weil die Sintftoffe immer 
noch fortgeihafit werden, und den Unterlauf im 
Zieflande, wo nur Ablagerung ftatthat. Nicht alle 

. zeigen dieſe drei Zeile, Manden, 3. B. den 

iederungsflüffen, feblt ver Oberlauf, andern, wie 
den Wilpbächen, der Mittellauf; Unter: und Mittel: 
lauf mangelt den 9 aus Küftengebirgen ins 
Meer ftürzenden F. (Schweden und Norwegen). Bei 
— wiederholen ſich die drei Teile, wie beim 
Rhein, der Donau und den meiſten afril. Strömen. 

Flußs oder Stromfpftem nennt man einen 
Hauptfluß mit feinen fämtlihen Quellen, Bächen, 

ebene, Zus, Beir und Seitenflüflen; die Zeich⸗ 
nung eines ſolchen bydrogr. Ganzen Na ein 
Flußnes, das natürlich die verſchiedenſten For: 
men haben kann. Am regelmäßigiten ift ed, wenn 


53* 


836 
ein Hauptitrang von beiden Seiten Zuflüſſe in 
leicher Stärle und Zahl erhält (Bo, Amazonen- 


trom); häufig ift die eine Seite ftärker entwidelt 
als die andere (Theiß, Rhoͤne). Sehr häufig findet 
fh das Syſtem, wo ein Hauptitrang durch zwei 
oder mehrere gleichwertige & gebildet wird (Barana: 
Baraguay, Loire: Allier, Dwina, Dnjepr, Seine, 
Indus). Die Länderftreden zufammengenommen, 
welche ihre Gewäfler einem und demfelben Haupt: 
fluß zufenden, bilden das Zube oder Stromge: 
biet, auch das Beden oder Baffin genannt. Die be: 
biete mebrerer F., welche vemfelben Meere zufließen, 
bilden zufjammen ein Meergebiet. Die Grenze zweier 
dlußgebiete heißt Waſſerſcheide, die Grenze 
zweier a ei aber Hauptwafferfbeide, 
F A. Philippſon, Studien über Waſſerſcheiden, 

3. 1886.) Europa bat eine Hauptwaſſerſcheide, 
die vom nördl. Ural quer bis zum ſüdl. Portugal 





Flüſſe 


Kähne und Waren leicht von einem Fluß in den 
andern ſchaffen kann, daher man dieje Stellen, die 
ſich namentlich zur Anlage von Kanälen eignen, aub 
Tragepläße (portages) nennt. Niedere Scheiden 
werden, beſonders in Tropenländern, zur Regen: 
zeit ganz —— daß die Waſſerſcheidung 
zeitweilig gänzlich aufgehoben ift. Es giebt aber 
au konſtante Berwirrungen zweier, Flußgebiete, 
indem innerhalb einer Blattebene zwei 5. nabe bei 
einander fließen und bei Spaltungen derſelben ein 
Arm des einen in das Gebiet des andern ne 
Solde natürliche Flußverbindungen, aub Gabel: 
teilungen, Bifurlationen oder Bifluenzen 
enannt, finden fi in Europa bei dem Arno, wel: 
er burd die Chiana mit dem Tiber, bei der Haaje, 
einem Nebenfluß der Ems, welcher im Danabrüdi: 
(gen burd bie sie mit der Werre und jo mit der 
ejer verbunden ift; zwiſchen Immendingen und 











Diluvialthäler der Rorbbeutihen Tiefebene. 


zieht. In Afien ftehen zwei Hauptwaſſerſcheiden 
aufeinander fentreht. Zwei hat auch Afrila. Am 
vermwideltjten find fie in Amerita. Dieſe Scheiden 
oder Ränder der Flußbeden liegen ſtets relativ 
böber, aber feinesmeg3 immer auf den abfolut höch⸗ 
* Stellen zwiſchen zwei Gebieten. eichen 
ie ganz nahe und parallel den höhern Gebirgs— 
zügen, I anz entfernt von ihnen und in ganz 
anderer iötun ; oft ziehen fie durch Ebenen ala 
niedrige Waflerjheiderüden, faum mertbare Boden: 
anſchwellungen (Thalwaſſerſcheiden). Nicht felten 
liegen die Quellen mehrerer Flußgebiete ve Höhen 
ſeht nabe beifammen, 3. B. auf dem Fichtelgebirge 
die Quellen des Mains, der Naab, der Eger und der 
Saale, von denen der erite Ar Rheins, die andere 
zum Donaus, die beiden legten zum Gibegebiet 
gebören. Mitunter aber entfließen au F. einem 
und demjelben Sumpfe in entgegengefesten Ri: 
tungen, au verſchiedenen Gebieten gebörig. In Ebe: 
nen find die Waſſerſcheiden häufig jo lab, daß man 


Möhringen in Baden verfintt ein Teil des Donau 
waſſers und fließt in 11 km Entfernung dem Rhein: 
gebiet zu; am — 4 aber in Sübamerita, wo 
ein Arm bed Orinoco 9 d.), der Caſiquiare, in den 
Rio Negro, einen Nebenfluß des Amazonenjtroms, 
fließt, und bei den großen Strömen Hinterinbien®. 
eränderungen von een ie nd nidt 
felten. Sie erfolgen meiftend im f. Be 
rühmt find die Stromverlegungen des Hoang-be 
(f. 2 und Amu (f. d.); aud die mweftl. Zipfel 
des Bodenſees bei adolfzell und Ludwigshafen 
d nichts anderes als ehemalige Rheinausflüſſe. 
m haufigſten verſchmelzen zwei urſprunglich ge 
trennte Flußſyſteme durch Erweiterung des Deltas. 
So wurden Euphrat mit Tigris, Aras mit Kur, 
Donau mit Pruth, Rhoͤne mit Durance vereinigt. 
Dft tritt aber auch der —— ein, daß 
ehemalige Nebenfluſſe ſelbſtaͤndig werben; ein Bei: 
ſpiel iſt die Etſch, die ehedem in den Po mundete, 
aber durch Ausdehnung des Podeltas von dieſem 


Flüſſe 


getrennt wurde. Großartige Veränderungen er: | 


litten die F. der Rorddeutſchen Tiefebenefeit ver Dilus 
vialzeit. an ur auf S. 836 zeigt in feiner Bunt: 
tierung den Verlauf der Diluvialthäler, Weichſel, 
Oder und Elbe vereinigten ſich bei der heutigen 
Havelmündung zu einem großen Strom, der dem 
jeßigen Unterelbthal folgend in die Nordfee mün: 
dete. Weder ber gegenwärtige Unterlauf ver Weich: 
fel, noch der der Over eriftierten damals. Gin be: 
rübmtes Beifpiel von Stromveränderung, bie in ges 
ſchichtlicher Zeit vor 9 gin „bietet ver Jſonzo (f. d.). 
Die Urſachen diejer Yaufveränderungen find be: 
onders bie — Zuſammenſetzung der Unter: 
age, veränderte Geſchwindigleit, andere Nieder: 
chlagsmengen u. ſ. w., nicht aber, wie 8. €. von 
aer irrtümlich meinte, die Erbrotation. 

Die Bedeutung Fr berubt einmal auf ihrer 
Feng Say dann auf den Rinnen, in denen fie 
fließen. Sie wirken Hand in Hand mit der Küften: 
nlieverung auf die Aufſchließung ber Länder bin, 
find Böltervermittler und ſchließlich Völfervereiniger, 
aber aud wichtige Grenzmittel, entweder vertrags: 
mäßig anerfannte oder ta —B träge Böller 
ftauend wirkende. Durch —* iſchreichtum und 
die fruchtbaren Anſchwemmungen find fie ihren Ans 
wohnern direft nahrungfpendenv. 

Stromlänge und Stromgebiet der größten F.: 







Stroms 
gebiet 


E 


— 960 
Bolga .....- 450 
Donau .» 2... 335 
Dnjepr . ... 280 
Divina Re i ö B 
zu ee long... . . 4200| 3690 
Rhein mit Maas FR 3008 
ee 2660] 1390 
Loire. 2... ./1002) 11 lohari . . . .. Eye 
D a E °\.) 1237* 1583 
ee 1430] 441 
Niemen. . ...| 907 Alumni ., > 
Düne... ..| 80 Slnum 
Ebro...... Bu | 7 | BE 1 5 ren un 108 
— 6 1 Paper 630] 149 
zZ ji RER * 
| Zr 
5500| 7050 
ee 3700| 3104 
diana . . .» „| 820 6530| 2248 
Guabalquivir . .| 330 km 
Befer mit Werra | Tu) Almen 3400| 1080 
Aflen: 9235| 94 
“. . 00.00 + 1892101 915 I DEU oO 00. —* ‚+ 
— | 50 
Umur „2... 4480 
«tfesfiang , . 570 
Fer Di 

put 2... 

Soang-bo . . . . 4100| MojMurran . . . . 3500| 90 

Über die Schiffahrt auf F f. Flußſchiffahrt. 

Die Erforfhung der F. ijt das Gebiet der Fluß: 
tunde (Rheologie, Botamologie), eines Zweiges 
der ne (1. d.). j , 

‚ Bezüglid der A an F. gilt 
im Deutihen Reich nur Landesrecht (Einführungs⸗ 


geſetz zum Bürgerl. Geſetzbuch Art. 65). Öffentliches 
und Privatrecht hängt bier zu ſehr zufammen, als 


837 


daß das Bürger. Gefegbud allein die privatrecht: 
ade Seite einheitlich hätte regeln können; zudem be: 
ſtehen örtlich und bijtorifch zu verfchiedene Berhält: 
ir in Deutſchland. Die 5 zerfallen rechtlich in 
öffentliche und Privatjlüffe. Offentliche F. 
find die ſchiffbaren und die mit gebundenen Flößen 
fößbaren (nad Preuß. Landr. II, 14, 7 2, nur die 
ihiffbaren), und diefenurfo weit, als fie * oder 
oßbar find. Doch erllärt das bayr. Gejek über die 
nußung des Waſſers vom 28. Mai 1852 auch die 
Nebenarme öffentlicher 3. für öffentliche Gewäſſer, 
joweit nicht entgegenitehende Rechte erworben find. 
Hier und da hat jid die röm. Auffafjung Geltun 
verſchafft, daß als öffentlich auch ſolche nicht ſchiff⸗ 
baren größern F. gelten, welche im Sommer nicht 
verfiegen. Nach Preuß. Landrecht a. a. D. find die 
von Natur jhiffbaren Ströme ein gemeines Eigen: 
tum des Staateö, nad) dem angeführten bayr. Ge: 
fee find die öffentlihen Gewaͤſſer ein zu allge 
meiner Benußung beitimmtes Staat3gut, nad) franz. 
Recht werben fie u als «Dependances du 
domaine public». Das Oſterr. Bürger. Gejebb. 
$. 287 bezeichnet die Ströme oder E als allge: 
meines oder Öffentlihes Gut. Nach öfterr. Geſetz 
vom 30. Mai 1869, $.2, find aud die Seitenarme 
der {if und flößbaren 5. öffentliches Gut; und 
nad $.3 überhaupt alle fließenden und ſtehenden 
Gewäſſer, injomweit fie nicht infolge geſetzlicher Be: 
ftimmungen oder befonderer Privatrechtätitel je: 
manbem zugebören. Nah Gemeinem Recht find 
die Öffentlichen %. res extra commercium (f. Com- 
mercium), an denen ein Privateigentum nicht 
erworben werden kann. Das ſchließt nicht aus, 
daß einzelne Rechte, wie das — (ſ. d.), 
das Recht auf Benußung der Triebkraft zu Muhlen⸗ 
oder Fabrikanlagen oder Benukung des Waſſers 
durh Ableitung aus dem Flufle mittels Kanälen, 
welche im Brivateigentum jtehen, das Recht auf 
Durdleitung von Röhren, durd Konzefjion des 
Staates oder eine dieſelbe erjeßende unvorbentliche 
Verjährung (j. Unvordentlichteit) erworben werben. 
Denn die deutihen Könige nahmen jhon früh ein 
Regal an den öffentlihen F. in Anſpruch, jo in 
einer Constitutio de regalibus vom J. 1158. Das 
Langobardiſche Lehnsrecht erflärt die ſchiffbaren F. 
für Regalien. Darauf war zurückzuführen, wenn 
der Bau von Brüden über öffentliche Ströme, die 
Ginrihtung von Fähren (f.d.) zur Benugung gegen 
Entgelt, die Anlegung von Wehren, Scleujen, 
Mühlen und Fabriten zur Benutzung der Wajjer: 
kraft unter Einſchränkung des Gemeingebrauds, 
von Wafch: und en nur mit ftaatlicher 
Konzeſſion geftattet war. Heute werben derartige 
jtaatlihe Genehmigungen mehr oder in erfter Linie 
aus polizeilihen Gründen gefordert. Nach der 
Deutt en Gewerbeorbn. $. 16 bebürfen Stauan: 
lagen für Waſſertriebwerle überhaupt, auch ſoweit 
fie in Privatgewäflern angelegt werben, der Ge: 
nehmigung der nad) den Landesgeſehen ——— 
Behörde, welche erſt nach dem dort geordneten Ver 
ahren zu erteilen iſt. Dabei ſind außerdem die da⸗ 
t beſtehenden —— en Vorſchriften anzu⸗ 
wenden. Eine ähnliche Beſtimmung bat das öſterr. 
Geſetz vom 30. Mai 1869, 88. 16 und 17, bezüglich 
der Stau: und Triebwerle an öffentlichen und Sribat, 
flüffen. Die Konzeffionen wurden früher gegen Er: 
teilung einer Abgabe auferlegt, das Regal war da: 
durch einnußbares Redt. Rab 8.7 ver DeuticenGe: 
werbeorbnnung find vorbehaltlih der an den Staat 


838 


und die Gemeinde zu entrichtenden Gemerbeiteuern 
alle Abgaben, welche für den Betrieb eines Gewerbes 
entrichtet werben, ſowie die Berechtigung, dergleichen 
Abgaben aufzuerlegen, aufgeboben. Unterjchieven 
von diefem den Gemeingebrauh beſchränkenden 
Regal war jhon früher das Hobeitsrecht, welches 
der Staat im allgemeinen Intereſſe wie im ut 
des Gemeingebrauds bezüglich der öffentlichen F. 
teild durch Erlaß von Gefegen, teild durch Hand: 
babung der Polizei, verbietend und verhindernd, 
teils durch pofitive Fürjorge für die Erhaltung und 
Wiederberitellung der Waflerftraßen im Intereſſe der 
Se ni (1. Flußſchiffahrt) ausübte. In beichräntter 
Weile wird das ſtaatliche Hoheitsrecht auch bei den 
Privatgewäflern ausgeübt, Es eritredt fich hier 
wie bort unter anderm auf bie Verhinderung von 
Verunreinigung der Waflerjtraßen durch Einlaufen: 
laſſen ungereinigter, ſchädliche Stoffe enthaltenver 
Abwäſſer (f. d. und Flußverunreinigung). 

Das Flußbett hat diefelbe rechtliche Natur wie 
der Öffentliche Fluß. Es grenzt ſich gegen das im Pri⸗ 
vateigentum —— Ufer nach dem mittlern Waſſer⸗ 
ie des Fluſſes ab, jo daß eine vorübergehende 
Iberihwenmung das Privateigentum nicht ändert, 
| —— hat den Schiffern den Leinpfad 
für die Fortbewegung —— ohne Entihädigung 
zu geſtatten, ebenſo die Anlegung der Floße und 
Schiffe an den dieſen von der Behörde angewie— 
ſenen Plätzen; er iſt zur Uferbefeſtigung berechtigt 
und verpflichtet. Nach dem öjterr. Geſete vom 
30. Mai 1869, $. 44, ift die Ausführung von 
Maßregeln zum Schuß der Ufer, Grundftüde, Ge: 
bäude, Straßen, Eijenbahnen und fonjtigen Ans 
[open an Strömen, F. und Bäcen gegen die ſchäd⸗ 
lien Einwirkungen des Waſſers oder zur eis 
tigung des bereit eingetretenen Waflerjhadens, 
injofern feine bejondern rechtlihen Verpflichtungen 
anderer beſtehen, zunächſt eine Angelegenheit 
derjenigen, welden die bebrohten und beſchädig⸗ 
ten Liegenschaften gehören. Nach dem preuß. Gefek 
über die Strombauverwaltung vom 20. .. 1883 
ne die Uferbefiger auf Anordnung der Strom: 

auverwaltung gegen Entjhädigung zu den im 
öffentlichen uterefle anzulegenden Stromregulie- 
rungswerlen den erforderlihen Grund und Boden 
abzutreten und find anderweiten Beſchränkungen 
unterworfen; ebenjo nad dem angeführten bay. 
Geſetz. Das Gejek ordnet das dabei einzubaltende 
Verfahren. Über die Rechtsveränderungen, die durch 
Anlandungen u. f. m. entftehen, ſ. Alluvion. 

Die nihtö als mit ihren Flußbetten 
ſtehen, wie die Bäche, wo nichts anderes hergebracht 
ift, im Eigentum der Anlieger. Das tft nicht jo 
u deuten, daß die Wafjerwelle im Privateigentum 
tebt. Aber ver Fluß al ſolcher jtebt, ſoweit andere 
Rechte nicht befonders begründet find, den Anliegern 
zur ausſchließlichen zig Mac Fluß zu. Der 
einzelne kann das Wafjer — erieſelung ableiten, 
wenn er das von dem Boden nicht aufgeſogene 
Waſſer dem Fluſſe wieder zuführt, bevor derſelbe 
das folgende Grundſtück berührt. Er darf darin 
fiſchen, auf demſelben fahren, das Waſſer zu Wirt: 
— benutzen, dem Fluſſe in mäßigem Um: 
ang unſchädliche Abwäſſer zuführen. Doch bat 
überall die Benukung des einzelnen darauf Rüd: 
—* zu nehmen, daß den andern Anliegern dasſelbe 
Nutzungsrecht zuſteht. Für Preußen gilt das Geſetz 
vom 28. Febr. 1843 über die Benugung der Privat: 
flüjje; eins vom 25. Juni 1895 regelt die Fiſcherei 


Flußeiſen — Flußgötter 


der Ufereigentümer in den Privatflüffen der Rhein: 
provinz; für Bayern enthält das Gejeg vom 
28. Mat 1852 in Art. 39—65 Beitimmungen; für 
Dfterreih das Geje vom 30. Mai 1869 in den 
$83.10—14. Diefes und das bayr. Gejeß haben auch 
vorgejeben, daß —— welche ſich zur Be: 
ſchiffung oder Be ja mit gebundenen Flößen 
eignen oder hierzu vom Staate eingerichtet werben, 
für öffentliche F. erflärt werden fönnen, ſowie um: 
efehrt, daß ein öffentlicher Fluß nicht dadurch zum 
—— wird, daß er aufbört ſchiffbat oder 
flößbar zu jein. J 
Eine moderne Regelung der Rechtsverhältniſſe 
der F. wird —— vielfach angeſtrebt. In 
Preußen iſt 1894 ein Waflergejegentwurf mit ein: 
— Begründung veröffentliht worden, bie 
he ijt aber wieder in Stillitand gelommen. 
In Sachſen ift 1905 den Ständen ein Wajler: 
ejegentwurf zugegangen; die Beratung iſt einer 
Kusifäcsbegutaiten der Ständelammer überwiejen 
worden, von der im Nov. 1907 dem Landtage ein 
ausführlicher Bericht überreicht worden ift. Baden 
bat unter dem 26. Juni 1899, Württemberg unter 
dem 1. Dez. 1900, Bayern unter dem 28. Mär; 
1907 ein neues Waſſergeſeß erhalten. Der Gevante 
einer reichs rechtlichen Regelung des Rechts der F. 
bürfte auf jehr große Hindernifie en. — In der 
Schweiz ijt 1906 ein Volls-Initiativbegehren ein» 
ebradht worden, das die Regelung des Rechts der 
ÜBafierträftederÖundesge ebgebung übertragen will. 
Literatur |. unter Waſſerrecht. 
Inheifen, ſ. Eifen (Techniſches). 
Iußgebiet, ſ. Flüfie. i 
Infgötter. Die Griechen der älteften Zeit 
plaubten in den Flüfjen, offenbar einerjeit3 wegen 
Ihrer wilden Kraft und ihres Getöjes, andererjeits 
wegen der Fruchtbarkeit, die fie verbreiten, gewaltige 
Stiere zu erfennen, In diejer Gejtalt erſcheint be 
ſonders Acheloos auch ſpäter nod bei Dichten, 
während die darſtellende Kunſt zur Unterſcheidung 
des ſtiergeſtaltigen Flußgottes von einem wirklichen 
Stier, ſowie Je Andeutung feines geijtigen, über: 
natürlihen Weſens, wohl nad orient. Vorgang, 
dem Tiere ein gehörntes Menſchenantlitz gab, eine 
Auffafjung, die bei den eigentlichen Kultbilvern 
immer berrichend geblieben ift. Bon diejen aber ab- 
gejeben entwidelte ji aus dem Mannitier der völlig 
menſchlich gebildete und nur noch durch die Stier: 
börner charalteriſierte Flußgott, wobei die größern 
und daher älter erjheinenden Flüfje wenigſtens in 
rer Zeit durch Bärtigleit ausgezeichnet wurden. 
dlich verſchwinden gewöhnlich auch noch die Hör: 
ner, und dann wird das Weſen des Gottes nur noch 
durch die Lagerung auf dem Boden, Belränzung mit 
ScilfundBeigabeeinerlirne, eines Füllhorns, eines 
Schilfſtengels und eines Ruders oder Schiffsvorder⸗ 
teils bei ſchiffbaren Fluſſen angedeutet. In diejer Ge: 
ftalt werden fie oft in größern Gruppen, wie z. B. in 
den Eden der Giebel des Zeustempels zu Olympia 
und des Parthenon, verwendet. Später dienen fie 
0, bejonders auf Relief, geradezu nur nod als 
rtsbezeihnung. Daß aber aud die Ausbildung 
bes rein menſchlichen Typus ſchon einer jehr frühen 
Zeit angehört, beweift Homer, der die 5. nur in 
diejer Auffafjung lennt. Bei ıhm galten fie ſämt⸗ 
lich alö Söhne des Dieanos, doch wird als Zanthos’ 
Vater auch Zeus genannt. Wie andere Götter 
baben jie Zempel_und Priefter, aud erhalten fie 
die gewöhnlichen Opfer; eigentümlich iſt nur, dab 


Flußgründling — Flüffige Luft 


ihnen die Jünglinge ihr abgeichnittenes — 
weihen. Degen ihrer tbarleit fpendenden Kraft 
erfcheinen fie vielfah ald Stammwäter vornehmer 
Geſchlechter; in Rüdjicht auf die veränderlihe Ge 
jtalt ihres Elements aber befigen fie die Kraft, alle 
—— Geſtalten — —In den Sagen 
ipielen befonders der Acheloos, Alpbeios, Afopos, 
Stamandros und Zanthos, der Aigyptos oder Nil, 
der Iſtros und Eridanos eine Rolle, während haupt: 
ſächlich die Flüfje Kleinaſiens, Unteritaliend und 
Siciliens, wieihr häufiges Vortommen auf Münzen 
beweift, aud in jpäterer Zeit noch göttlidhe Ver: 
ebrung genofjen. — Zwei der bedeutenditen, 5. dar: 
itellende Bildwerle aus dem Altertum find bie 
tolofjale Marmorgruppe des ruhenden Nils, den 
16 Beine pygmäenartige Knaben umfpielen ald An- 
deutung der 16 Ellen, um die der Fluß anſchwillt; 
jie wurde zur Zeit Leos X. in Rom gefunden und 
befindet ſich jeßt im Batilan (f. Tafel: Griechiſche 
Kunft ll, Fig.10). Ein Gegenitüd zu diefer Gruppe 
bildet die im Louvre zu Paris aufbewahrte Rolofjal: 
ftatue des liegenden Tiber, zur Seite Romulus und 
Remus nebft der Wölfin. Ferner gehört De der 
fog.Marforio, einantitertoloflaler Flußgott (ver: 
ftümmelt) mit einer Muſchel in der Hand, wahr: 
ſcheinlich Rhein oder Donau darftellend, im Mittel: 
alter dem Garcer Mamertinus gegenüber in ber 
Via di Marforio aufgeftellt, wo er zur Anbeftung 
beißender Antworten auf u (f. d.) Fragen 
diente, jet im Capitoliniſchen Mufeum zu Rom be: 
findlih. Als Werte der neuern Blattit find in 
diefer Beziehung unter andern zu nennen der Neu: 
marltbrunnen zu Wien von Donner mit den diterr. 
Nebenflüffen der Donau, ſowie der Auftriabrunnen, 
von Schwanthaler, dafelbft mit der Figur der Auftria 
und den Fluſſen Donau, Bo, Weichſel und Elbe. 
Inhgründling, gemeiner Gründling, 
ital. Bottola (Gobio fluviatilis Ow.; ſ. Tafel: 
gilße I, Fig. 10), ein etwa 12 cm —— 
üßmwaflernih Europas und des weſtl. Aſiens aus 
der Gattung der Gründlinge N d.), von ſchlanker 
Geftalt mit unterjtändigem Maule, zwei langen 
Bartfäden an den Mundwinkeln und hod auf die 
Stirm gerüdten Augen, oben ge rün mit ſchwar⸗ 
zen Fleden, feitlih und am u filberweiß. Er 
ıft in Flüfien, Bächen und felbit ftehenden Ge 
mwäflern gemein und wird feines wohlſchmedenden 
— 28 wegen ſowie als Koderfiſch gefangen. 
amentlich die oberital. Flüffe find reich an F. 
fußbarz, ſ. Animeharz. 
lũſfige durch Drud und Abkühlung ver⸗ 
gte atmoſphaäriſche Luft. Schon er Lavoifier 
eitand die Annahme, daß die atmofphäriiche Luft, 
ebenfo wie die übrigen damals in der Gasform be 
kannten Stoffe, fih müßte — laſſen, wenn 
man gewiſſe Temperatur: und Brudverhältnifie 
berzuitellen vermödte. In der erjten Hälfte des 
19. Jahrh. wurde denn aud unter erg Fuh⸗ 
rung für die Mehrzahl dieſer nunmehr als koercible 
Gaſe (f. Koercibel) bezeichneten Stoffe durch Er⸗ 
—— Drudes und Erniedrigung der Tempe: 
ratur die Verflüffigung erreicht. Ber Sauerftoff, 
Stidſtoff, Wafleritoff und einigen andern Gafen 
aber verfagten die böchften (von Natterer bis zu 
3600 Atmofphären geiteigerten) Drude bei den tief 
ften damals erreihbaren Temperaturen. Die Ers 
Härung hierfür wurde in der Entvedung der «Kriti⸗ 
ſchen Temp 


839 


raturniveau bis zu der offenbar fehr tief liegenden 
kritiſchen Temperatur jener feither noch als «perma: 
nent» geltenden Gaſe zu erniedrigen. Nachdem zu: 
erft Eailletet 1877 zu vorübergehenden Nebelbil: 
dungen von Sauerftoff dadurch gelangt war, daß 
er das in einem Glasgefäß bocdhlomprimierte und 
durch ſchweflige Säure vorgelühlte Gas raſch er- 
pandieren ließ, vermodten 1883 Wroblewſti und 
Olſßzewſti ftationäre Berflüffigung Heiner Sauer: 
ftoffmengen zu — indem fie das komprimierte 
Gas durd Athylen abtühlten, welches mit Hilfe 
von flüffiger Roblenfäure verdichtet war und unter 
mweitgebender Drudverminderung verdampfte. Bei 
analoger Benugung des 4 Sauerſtoffs als 
Kältemittel ſchritten fie ſodann zur Verflüſſigung 
des Stickſtoffs und der atmoſphäriſchen Luft. * 
bei wurde gefunden: 


für Stid: atmoiphär. 
Sauerftoff v But 
8 Temperatur . —119° —146° —140°C, 
kritiſcher Drud (Atm.) 51 35 39 
Siedetemperatur . . —182° —1%4* —191° C, 


(bei atmofphär. Drud) 


Der je 1884 aud von Dewar benuste ftufen: 
weiſe Abftieg über Roblenfäure, Athylen und Sauer: 
ftoff zur atmofphärifhen Luft (in ig. 1 ſchematiſch 
dargeftellt) ift jo umftändlih und koftipielig, daß 





das Erperimentieren mit F. L. ie die Laboratorien 
der genannten Forſcher beichräntt blieb, bis 1895 
Linde ein weſentlich einfachere: Verfahren angab. 
Dasfelbe berubt auf der von Thomſon und Foule 
1862 feitgeftellten Abkühlung, melde infolge der 
Leiftung innerer Arbeit bei dem Auseinanderrüden 
der fih anziebenden kleinſten Teilen ftattfindet, 
wenn atmojpbärifche Luft von höherm zu niedrigerm 
Drude überjtrömt und welche bei 0° C, für jede At: 
—7 äre des ya O,»0° C. beträgt. Da 
diefe Abkühlung aud bei Anwendung fehr großer 
Drudgefälle nit bis zur kritiſchen Temperatur 
berabreichen kann, fo werben die Ejielte andauernd 
aufeinander folgender Ausjtrömungen in einem 
MWärmeaustaufcer accumuliert. Der Berflüffigungs: 
apparat (Fig. 2) jebt fi zufammen: aus dem Kom: 
ve... C, welcher die Luft auf einen hoben Drud p, 
ringt, dem Kübler K, in welchem die Kompreſſions— 
wärme an Wafjer abgegeben wird, und dem Gegen: 
ftromapparat G, in welchem die auf p, lompri« 
mierte Luft das innere Rohr durdläuft, um ale: 
dann dur das regulierbare Bentil r auf ben nie 
drigern Drud p, auszuftrömen, wobei die vorer- 
wähnte Abkühlung eintritt. Mit der fo verminder: 
ten Temperatur tebhrt der Luftjtrom unter dem 
Drude p, durd das äußere Robr des Gegenitrom:- 


eratur» (f. d.) gefunden. Nunmehr wur: | apparats zum Somprefior_zurüd und überträgt 


den die Bemühungen darauf gerichtet, daS Tempe: | hierburd den Abtühlungseffelt auf die dem Ventil 


840 


jortdauernd zufließende hochgeſpannte Luft. Se 
—X aber hierdurch die Temperatur in dem innern 
Rohre ſinkt, mit deſto niedrigerer Temperatur wird 
die aus dem Ventil ausſtrömende Luft dem äußern 
Rohre zugeführt. So findet eine kontinuierliche 
Senkung der beiden Temperaturen vor und nad 
der Ausitrömung fo lange jtatt, biß die der Leiftun 
innerer Arbeit äquivalente Wärmeentziehung dur 
das Freiwerden von latenter Wärme bei der Ver: 
üffigung fompenfiert wird. Die Einführung dieſes 
Apparats in zahlreiche Yaboratorien hat nunme 
das Arbeiten mit F. 2. und mit den dadurch erreich⸗ 
baren tiefen Temperaturen zum Gemeingut gemadht. 
Die Anwendung desjelben auf Maflerttofgas bat 
ed Dewar ermöglicht, auch dieſes Gas zu ver: 
flüffigen. Durch das Lindefhe Verfahren ıft aber 
auch der Technik das Gebiet tiefiter Temperaturen 
jugänglih gemacht fowie die Heritellung beliebiger 





Mengen von F. L. für induftrielle Zwecke ermög: 
lit. An diefe Möglichkeit find, insbejondere für 
den Antrieb von Kraftmaſchinen und für die Kälte: 
erzeugung, Erwartungen gelnüpft worden, melde 
vielfach weit über das naturgeſetzlich Erreichbare 

inausgehen. Der Berwendung der 5.2. für ſolche 

mwede Meht im Wege, daß bei ihrer Herftellung der 

nergieaufmand unverbältnismäbig groß ift (unge: 
fähr 2 Pferdejtärken pro 1 Liter F. 8. in der Stunde), 
welcher zum Heraufbeben der Wärme von dem —* 
Niveau der Verflüſſigungstemperatur erforderlich 
iſt. Eine weitere —** der Anwendungs⸗ 
möglichkeit liegt darin, daß die Luft im flüffigen 
Sultane nur fo lange aufbewahrt werben kann, als 
ibre tritifche Temperatur (—140°) nicht überfchritten 
ift, und daß es unmöglich ift, Gefäße jo zu ifolieren, 
daß ihr Inhalt dauernd auf diejer tiefen Tempera: 
tur erbalten bleiben kann. In boppelmandigen 
Glasgefäßen, bei welchen (nach Demwar) zur Bebin- 
derung der Märmeleitung der Raum — bei⸗ 
ven Wandungen evakuiert und behufs —— der 
Wärmeſtrahlen eine Wandung mit Metallſpiegel 
verſehen iſt, kann die Verdampfung bis zur Dauer 


Flüſſiger Leim — Flüſſiges Leinölliniment 


einiger Wochen verlangſamt werben, in gemöbn: 
lien Gefäßen nur für wenige Tage oder Stunden. 
Von befonderer Bedeutung für bie —— 
Möglichkeit einer —— erwertung der F. 
iſt der Umſtand, daß die beiden Hauptbeſtandteile 
der atmoſphäriſchen Luft (Stickſtoff und Sauerftoff) 
war gemeinjam fich fondenfieren, daß aber bei ber 
üdtebr in den Gaszuftand die Berbampfungs: 
produkte jtet3 fake eier find als die Jlüffig: 
feit, jo daß diejelbe um fo jauerjtoffreicher wird, je 
länger die VBerdampfung dauert. Fig. 3 illuftriert 


FLLeTCLIT Tg 
rTerertt 
BEE 















Big. 3 


den Berlauf dieſer Fraltionierung. Zeigen die 
Größen O und N den Anfangsgebalt von Sauer: 
ftoff und Stidftoff an, fo ſtellen O’ und N’ das je 
weilige Verhältnis in dem unter atmofpbäriichem 
Drude entweihenden Gasgemiſch dar. Die 
ac b läßt erkennen, wie dieſe ampfungspro: 
dulte mit etwa 7 Proz. Sauerftoff beginnend bei 
c die Zufammenfegung der Atmoſphäre erreichen 
und von da an fauerftoffreicher werden. Kurve de 
giebt die jeweilige Zuſammenſetzung ver verbampfen: 
den Flüffigteit an. Hierdurch ift ein Mittel geboten, 
fauerftoftreihe Gasgemiſche für induftrielle Zwede 
berzuftellen, wobei durh MWiedergewinnung ber 
zur VBerflüffigung gebrauchten Kälte in geeigneten 
Gegenftromapparaten der Energieverbraud auf das 
zur Dedung der Hälteverlufte erforberlihe Maß ein: 
efhränft werden kann. Der Arbeitaufwand zur 
Rünblichen Gewinnung eines Kubikmeters Gas mit 
—— Sauerſtoff beträgt ungefähr eine Pferde: 
ftärfe, Durch Miſchung fauerftoffreiher Fluſſigleit 
mit oxydierbaren — von hohem Verbren⸗ 
nungswerte, wie Petroleum, Paraffin u. a., u en 
faugenden Körpern, wie Koblepulper oder Kiejel: 
gur, laſſen fih Sprengitoffe (Oxyliquit⸗ genannt) 
von höchſter Brifanz und Sprengtraft beritellen, 
deren Sauerftoffgehalt jedoch infolge der unver: 
meidlihen Verdam fung ber 5. 2. ein veränder: 
licher ift. Die Veröffentlihungen engl. und amerit. 
Arzte über die Heilwirkungen bei hirurg. Anwen: 
dung der %. 2. haben feine Be ung gefunden. 
— Kl. Hehl, F. 2. (Halle 1901); gu Die Her: 
ftellung und Verwendung von F. 2. (Weim. 1902). 
Siäffiger Leim, eine Leimmaſſe, welche nad 
dem Grlalten flüffig bleibt. Zur Daritellung wird 
1 kg Leim in 11 tohendem Waſſer geihmolzen und 
die lau gewordene Flüffigfeit unter Umrübren all: 
mäblih mit 150—200 g Salpeterfäure verjeßt. 
Flüffiges er, wie die Brandſätze in der 
Kriegöjeuerwerterei zur *— entfernter Ob⸗ 
jelte dienendes —* von lonzentrierter Schwefel⸗ 
* und übermanganfaurem Kalium; auch eine 
jung von Phosphor in Chlorſchwefel oder Schwer 
felloblenftoff. (S. Phöniziſches Feuer.) 
lüffiges Fleiſch, |. Fluid meat. 
füffiges Zeindlliniment, |. Brandfalbe, 


Flüffiges Ozon 


füffige® Ozon, ſ. Fluid ozone. 
lüffigteit over Zluidität, die der Feſtigleit 
entgegengejeßte Eigenſchaft der Körper. Sie unter: 
ſcheidet ih von jener hauptſächlich dadurch, daß in 
einem flüffigen Körper die Teilen durch die Heinfte 
Kraft gegeneinander verſchiebbar find, während feite 
Körper diefer Verſchiebung einen mebbaren Wider: 
jtand entgegenjeken. Auch wird ein flüffiger Körper 
elbit eine 5. (Fluidum) genannt. Man unter: 
ſcheidet tro pfbare F., wie Waſſer, Weingeiſtu. ſ. w., 
und expanſible (ausdehnſame) F., worunter man 
die Safe (1. d.) verſteht, deren Heinfte Teilen ſich 
gegenfeitig garnicht anziehen, fondern ſich im Gegen: 
teil ſcheinbar abftoßen (f. Aggregatzujtand). Über 
die bypotbetifch angenommenen eigentümlichen elet: 
triihen und magnetiſchen F. ſowie die Licht: und 

MWärmeflüffigkeit lien 
Flüffigkeitseinfchlüffe, in Mineralien ein: 
geſchloſſene, meift geringe Mengen von Flüſſigkeiten 
verjchiedener hem. Zufammenjegung. Sie können 
bisweilen mit bloßem Auge wahrgenommen werben, 
wie in vielen en, balcevonen, Ametbyjten, 
in manchen Steinfalzen, Flußipaten, Gipfen; die in 
einem Hoblraum ſitzende Flüſſigleit enthält gewöhn⸗ 
lich ein Gasbläschen, eine.Libelle, und dieje bewegt 


ſich deshalb beim Neigen der Stüde wie diejenige | f 


einer Wafjermage m und ber. In mikroſtopiſcher 
Kleinheit find Pi e F. ganz außerordentlich weit 
verbreitet, namentlib aud in Mineralien, welde 
Gemengteile von Gejteinen bilden. So find die: 
jelben 3. B. unter den in Dünnfcliffen eine zur 
Unterfuhung genügende Bellucivität erlangenden 
Mineralien beobachtet worden in Quarz, Feldſpaten, 
Nepbelin, Leucit, Stapolithb, Augit, Hornblenve, 
Chlorit, Dlivin, Topas, Cordierit, Vejuvian, Sma: 
ragd, Saphir, Apatit, Kryolith, Zinnftein, Zink 
blende u. Im, und zweifellos find fie auch in im: 
pellucid bleibenden Mineralien, 3. B. Erzen, vor: 
banden, wo fie mur nicht als ſolche zur Beobachtun 
gelangen können. Ihre Geftalt ift meiftens rundli 
oder eiförmig, oft veräftelt; die arößern mitrojlopi: 
ſchen F. meſſen felten mehr als 0,06 mm im größten 
Durchmefier; die Heinen erſcheinen jelbft bei tauſend⸗ 
facher Vergrößerung nur als allerfeinfte, laum mebr 
wabrnehmbare Buntte. Bisweilen befigen die grö: 
bern einen Umriß, welcher der Kryſtallform des fie 
beberbergenden Minerals entipriht. Die aud) bier 
vorhandene Libelle bemegt ſich oft unabhängig von 
Lagenveränderungen des Objeltö in der Fluͤſſigleit 
bin und ber, bald nur unſcheinbar zitternd, bald 
langiam von einer Stelle zur andern wadelnv, 
manchmal aber aud in größter Unrube fortwäbrend 
ſehr jchnell umberwirbelnd; zeigt die Libelle nicht 
dieje jelbitändige Bewegung, F lann ſie mitunter 
durch eine Erwärmung des Mineralpräparats zu 
einer Ortöveränderung gebracht werben. Unter allen 
Mineralien ift an 5 am reichiten der Quarz, 
namentlich derjenige der Granite, Gneife, Quarzite 
und Porpbyre; fie find ftellenweife ſo maſſenhaft 
darin vorhanden, daß es förmlich von ihnen wims 
melt, und weh nad einer Berechnung in einem Kubik⸗ 
zoll daran ſehr reichen —— über 1000 Millionen 
berjelben enthalten find. Die milroſtopiſchen F. in 
den verſchiedenen Mineralien find größtenteils ur: 
rünglich bei der Bildung derfelben auf mechan. 
dege eingebüllt worden, und mo fie fich in Gemeng: 
teilen eines Eruptivgefteins finden, da deutet dies 
darauf bin, daß der ehemalige Schmelzfluß des leßz⸗ 
tern von Gaſen und Dämpfen durchtränkt war, 


— Flußkrebs 841 


welche fich bei der Abkühlung zu Flüffigleiten ton: 
denfierten. Doc ift e8 auch nicht ausgeſchloſſen, 
daß bisweilen die Flüſſigleit erſt nachträglich im 
Laufe der Zeit in leere, ſchon vorhandene Hobl: 
räume ber jtarren enge eindrang. 
Die meiften 5. befteben aus Wafler oder aus Waſſer 
mit einem Gehalt von angel ten Salzen (Chlori⸗ 
den, Sulfaten) oder von Koblenfäure. So lennt man 
auch %., welche aus einer gejättinten Löfung von 
Ehlornatrium beiteben, in welcher alddann ein Hei: 
nes Kochſalzwurfelchen ſchwimmt. Die merhwürbig: 
ften 5. find aber die befonders durch —*— und 
Sorby unterſuchten, aus flüſſiger Kohlenſäure be— 
ehenden. Dieſe F. zeichnen ſich unter anderm da: 
durch aus, ve on bei einer Erwärmung des fie 
enthaltenden Minerald auf nur 32° C. infolge der 
überaus starten —— der Kohlenſäure die Li: 
belle zur Abjorption gebracht wird und verſchwindet, 
worauf fie fpäter bei der Abkühlung wieder er: 
—— olche Einſchlüſſe von flüſſiger Kohlenſäure 
ind z. B. in Topaſen und Saphiren gefunden wor: 
den, aber auch in Quarzen von ganz gewöhnlichen 
Graniten und Gneifen, in Augiten, Olivinen und 
——— vieler Bafalte und bafaltifcher Laven. 
Flüffigkeitöfette, eine Anorbnung von ataffg- 
eiten, die zum reife geſchloſſen an einem Gal: 
vanometer das —— eines elektriſchen 
Stroms verrät. Füllt man z. B. in ein Gefäß 
Schwefelfäure und taucht darein ein anderes, das 
unten (um die ſchnelle Vermiſchung der Flüffigkeiten 
y verhüten) mit einer Blafe geſchloſſen und mit 
alilauge gefüllt ift, fo entſte 1% ald man in jedes 
der Gefäße eine Platinplatte taucht und die beiden 
PBlatinplatten dur einen Leitungsdraht in Ber: 
bindung fest, ein galvanifher Strom, der im Leis 
tungsdraht von der Säure zur Ralilauge gerichtet 
> hnlich wie die Kalilauge verhalten Ach aud die 
tronlauge, wäfleriges Ammoniak fowie verſchie⸗ 
vene Salze, wenn fie mit flüffigen ren in Kon: 
taft kommen. Die Stärke aller diefer elektriſchen 
Ströme von F. ift eine äußerft geringe, jo daß fie 
meiftens nur durch einen empfindlichen tipli: 
kator nachgewieſen werden können. 
Flüffigkeitdmafe, in Ländern, wo für ſchutt⸗ 
bare fejte Körper und für Flüffigkeiten verfchiedene 
Mepwerljeuge angewandt werden, eine Unterab: 
teilung der Hohlmaße (f. d.). In den das franz. 
metriſche Syjtem — Ländern, wie Deutſch⸗ 
land, wo die Einheit der Hohlmaße ſowohl für 


ſchuttbare feſte als auch für flüf ren das 


Liter ift, giebt es keine bejondern F. In andern 
Ländern bedient man ſich für die verſchiedenen 


Arten von ylüffigteiten mehr oder weniger abwei: 
ender Maße, bat namentlich befondere Nein: und 
anntweins, Bier⸗, Olmaße u. |. w. Ol wird in 
— Zeit, namentlich im Großhandel, nach 
Gewicht verkauft; in den meiſten aſiat. Staaten, 
wie auch in der europ. Türkei, geſchieht das ſchon 
feit längerer Zeit. 
fine töwage, joviel wie Nräometer (f, d.). 
lũ nie agree ſ. Schmelzen. 
lüffigmachung der Gaſe, |. Koerecibel. 
Inkinfeln, |. Flüfle. 
lufſtrebs (Astacus fluviatilis Rondelet; |. Ta: 
fel: Kruftentiere IL, Fig. 6), gemeiner Krebs, 
der befanntefte Vertreter ver zehnfüßigen Krebſe, der 
in allen füßen Gewäflern Europas mit Ausnahme 
des hoben Nordens vortlommt. Die Geſchlechter 
unterjcheiden fich dur) die beim Männchen längern 


842 


Scherenfüße des erften Baares und durd die Aus: 
bildung der Anhänge des erſten Hinterleibsfegments 
u Begattungdorganen, die beim Weibchen ver: 
ümmern. Die Se wird durch einen roten und 
einen ſchwarzen Farbſtoff erzeugt; durch Zerjtörung 
des lehtern werben die Krebſe beim Kochen rot. 
Als Abarten hat man namentlich den tleinern, 
Ihlantern Steintreb3, der vorzugsmeife Weit: 
und Südeuropa bewohnt, von dem größern, in 
Dit und Mitteleuropa beimifhen Edelkrebs zu 
unterſcheiden. Seiner Lebensweiſe nach ift der F. 
an klare, fließende und kallreiche Gewäſſer von 
nicht zu großer Tiefe und Heine Landſeen gebun: 
den. Hier hauft er in den Uferhöhlen, unter Mur: 
zeln und Steinen und ernährt fich als Allesfrefier 
von allen in feinen Bereich lommenden tierifchen 
und pflanzliden Subſtanzen, wobei er lebende 
Beute jo gut wie verweite Kadaver —— Troß 
— Gefräßigleit iſt ſein Wachstum ſehr lang: 
am und wie bei allen Kruſtentieren an eine perio: 
diſche Häutung gelmüpft. Diejelbe findet nur im 
Sommer ftatt, und zwar im eriten Jahre acht: 
mal, im zweiten fünfmal, im britten zweimal, 
fpäter nur ein» oder noch zweimal, Während des 
Häutens halten fi die Tiere verftedt, um ihren 
weichen Panzer (Butterkreb3) nicht zu gefährden. 
Bei dem —— der Schale, welcher 
durch Ablagerung von Kalkſalzen in dieſelbe er: 
jolat, werden bie ald Krebsaugen betannten Kalt: 
onfremente an den Seitenwänden des Magens mit 
verbraudt. Die Entwidlung der Eier, melde bis 
u 300, an die Shwanzanhänge des Weibchens be 
eftigt, won demſelben bis zum Ausfchlüpfen der 
ngen umbergetragen werben, erfolgt obne auf: 
allende Metamorpboje; die Zeit der Eiablage fällt 
10—40 Tage nad der von Oktober bis Januar 
ftattfindenden Begattung. Im Mai und Juni wer: 
den die Krebschen geboren und verbleiben in der 
eriten Zeit noch bei der Mutter. Zu den Feinden 
bes Krebſes gehören vorzugsweiſe ver Fifchotter und 
der Aal. Aub Schmaroger aus der Gruppe der 
Egel(Branchiobdella) und ver Saugmwürmer (Disto- 
mum ed find häufig bei ihm anzutreffen. 
Über die Krebspeſt |. d. — Der 5. bildet einen 
wichtigen Konſum⸗ und Handelsartitel. Er wird nur 
lebend verjendet und verkauft. Erfteres geſchieht 
ftetö volllommen troden; lebend wird der F. aufbe: 
wahrt längere Zeit in fließendem Wafler, auf kurze 
I ohne Waſſer in einem Gefäß mit Brennefleln. 
n Deutichland fommen die beften Krebfe aus den 
öftl. Strömen (Overkrebfe). Der Haupthandelsplag 
J Berlin. — Bol. Bogt, Die künftliche ginn. 
Nebit einem Anbang über Krebszucht (2. Aufl., Lpz. 
1875); Hurley, Der Krebs (Bd. 48 der «Internatio: 
nalen wiſſenſchaftlichen Bibliothet», ebd. 1881); Drö: 
fcher, Der Krebs und feine Zucht (Neudamm 1899). 
u Herren ſ. Flüſſe und Hydrographie. 

Iufmittel over Fluß, in der Chemie und Me— 
tallurgie diejenigen Stoffe, welche man zu ſchmel⸗ 
enden Maflen zufest, um durch Bildung einer flüf: 
— Schlacke das —— der ſchmelzen⸗ 
den Subſtanz zu erleichtern, oder um den Zutritt 
der Luft durch Bedeckung der glühenden Materie zu 
verbüten, oder um endlich chemiſch auf die Neben: 
bejtandteileeinzumirfen, z. B. Silitate zu verſchlacken. 
Die beiden erjten Zwede erfüllen Kochſalz, Boraz, 
Glas, Flußſpat, die jämtlid bei höhern Hitzegraden 
ſchmelzen und fi über dem ſchmelzenden Material 


Flußkunde — Flußpferd 


B; dienen Pottaſche, Soda, Kalt oder das leicht 
chmelzbare Kaliumnatriumcarbonat; follen zugleich 
rebuzierende Wirkungen ausgeübt werben, jo ver: 
wendet man Gemenge von Kaliumnatriumcarbonat 
mit *— oder von Kaliumcarbonat mit Kohle; 
ur Ber — von * dient ein F. von Bor⸗ 
* oder Kiejeljäure. Als beſondere F. find zu 
erwähnen: 1) ſchwarzer Fluß, ein verpufftes Ge: 
menge von 2 bis 3 Zeilen Weinftein und 1 Teil 
Salpeter; 2) grauer Fluß, ein verpufites Ge 
menge von 3 Teilen Weinftein und 2 Zeilen Sal 
peter; 3) weißer Fluß, ein verpufftes Gemenge 
von 1 Zeil Weinftein und 1 bis 2 Teilen Salpeter. 
Alle drei beftehen der Hauptſache nach aus Kalium: 
carbonat; der omas und graue enthalten außer: 
dem noch wechſelnde Mengen von Roble. Sie wur: 
den namentlich früber als F. bei der gern 
von Metallen verwandt; jetzt bedient man fich dabei 
meift Mifchungen der kohlenſauren Altalien mit oder 
— ————— ——————— ver⸗ 
altete Bezeichnung für Chlorkalium, das früher 
als Nebenprodult der Seifenſiederei durch Ver— 
er der Unterlauge gewonnen wurde. Bau: 
mes Schnellfluß ift ein Gemenge von 3 Zeilen 
Salpeter, 1 Teil Schwefel und 1 Teil feinen se 
fpänen, das beim Anzünven foviel Hige entwidelt, 
daß eine bineingeftedte Silbermünze ſchmilzt. 
Iufmufcheln, |. Malermujceln. 
Iufnapfichnede, ſ. Süßmwaflerjhneden. 
ufnen, |. Fluſſe. 
Inkperimufchel, ſ. Malermuſcheln, Perlen 
fowie Tafel: Weichtiere II, Fig. 7. 

Fluftpferd oder Nilpferb (Hippopotamus), 
eine Gattung von Säugetieren aus ber Ordnung 
der paarzebigen Didhäuter. ſyſtematiſcher Hin⸗ 
ſicht unterſcheidet ſich en attung von den ver: 
wandten durch vier äußerlich — ungeſpaltene und 
breite, platte, —*— ehen und durch das 
Gebiß, welches aus kolbigen, geradeaus ſtehenden 
Schneidezähnen, furchtbaren Hauern im — 
und didern Bachzaͤhnen mit kleeblattförmiger Mahl⸗ 
fläche beſteht. Man kennt eine größere, über den 
ganzen afrik. Kontinent verbreitete Art (Fippo- 
potamus amphibius L., ſ. Tafel: $lußpferd) und 
eine zweite, der andern gegenüber Fa Denen 
ſehr —— Art, die in Liberia zu Haufe iſt (Hip 
potamus liberiensis Leidy). 8 gemeine F. fin 
det fih häufig in allen Flüſſen und Seen bes 
mittlern und fühl. Afritas; in Unterägypten und 
am fühl. Ende Afritas ift es bereits ausgerottet 
oder doc gänzlich verſcheucht. Das 5 at die Ge: 
ftalt eines folofialen Schwein®, nur iſt bei der 
Kopf verhältnismäßig fürger und die Schnauze 
breiter, angeſchwollen und mit diden Borften befest. 
Die Meinen, ſchweinartigen Augen ftehen hoch oben. 
Der ungemein plumpe, 4 m lange, am Widerriſt 
1,5 m bobe, außerordentlich dide Körper wird von 
fäulenartigen, doch jo kurzen Füßen getragen, daß 
der Bauch im Geben fait am Boden binjdleift. 
Die Haut ift er“ braunrötlih, unbebaart, un 
gemein did. Der Raden kann jo weit geöffnet 
werben, daß er einen Menfchen in der Mitte des 
Leibe umfaßt. Die Lage der Augen, Ohren und 
Naſenlocher in derjelben Ebene Bi attet dem Ziere, 
in dem Wafler verborgen zu bleiben und das Ge: 
fiht allein etwas über die Oberfläche zu erheben, 
um zu atmen und feine Feinde zu entdeden. 

In bevölterten Gegenden bringen die F. den 


ablagern. Als ſchlackenbildende, Silitate zerſezende Tag im Wafler zu und lommen nur nachts hervor, 


"pay ‘Hi "UONIXO]-suonesiaauoy snuggooag 


% —— = . - 7; ' in x R — —— 
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4 # J Dre \ r — er SE N I 
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—— ——— ANHIISSNTA 





Flußregulierung — Flußſchiffahrt 


um ibre —— aus Wurzeln und ſaftigen 
Pflanzen beſtehende Nahrung zu * In men⸗ 
ſchenleeren Einöden — — owohl einen Teil 
des Tags als auch der Nacht auf dem Lande. Das 
Schwimmen wird ihnen erleichtert durch eine unter 
der Haut liegende und mehrere Centimeter dicke 
Schicht von halbflüffigem Fett. Diefes gewöhnlich 
ganz harmloje Tier überläßt fid der blindeften Wut, 
wenn es gereizt oder angegriffen wird, und ſucht 
dann ſeinen Feind niederzutreten oder mit den 
—— vorragenden Zähnen zu erfaſſen und zu zer: 
almen aber gehört das Unternehmen, ein 5. 
von einem Boote aus an ugreifen, zu den gefähr: 
lichſten Wagnifjen. Wo euergemehre i in den Häns 
ben ber Bevölkerung N ind, nehmen die F. raſch ab, 
indem fie durch ſehr were Buchſenkugeln getötet 
werben. Schwer iſt e8, den ungebeuern Körper an 
Land zu bringen, umeilen muß er im Waſſer zerftüdt 


werben. Das tale gilt für wohlſchmedend, und 
der Sped ift je 4 bſt in der Kapſtadt ein geſchabier 
Leckerbiſſen. Die Schneidezähne und Hauer werden 


als Elfenbein verarbeitet. Die Haut wird in Strei- 
I zerfchnitten und zu Schilden benußt oder zu 
eitgerten zuſammengedreht. Man hat Reſte meb: 
rerer vorweltlihen Arten in den jüngern Zertiär: 
ſchichten und in auf ige chwemmtem Lande entdedt. 
Das biblifche Tier emotb (j. d.), welches nn 
(Rap. 40, 10—ı9) befchreibt, wird für das Ar hal⸗ 
ten; die "alten gypter nannten das Tier Eh afler: 
ſchwein⸗ Ag und bildeten feine Jagd auf Denk 
mälern le alten Schriftiteller, von Herodot 
an, erwähnen und befchreiben das F.; die Römer ge: 
brauchten es häufig zu den y pielen i im Eirkus, 
R neuerer Zeit hält man F. faſt in allen zoolog. 
ärten, wo ſie ſich auch öfters Tortgepflangt haben. 
Die Tra ezeit währt etwa 250 Tage, die Geburt er- 
folgt auf dem Lande und das 70 cm ae Junge 
folgt der Mutter bald danach in das Wafler. r 
ein einjähriges Exemplar bezahlt man 10000 
Als Nahrung erhält das gefangene FF. Kleie, Gerften: 


fchrot, gelochten Reis, Wurzeln — und Heu. 
—5 Flußb 
lußſäure, |. re 
lußſaäureverfahren, piritusfabrifation. 


Iukichiffahrt. An der allgemeinen Aufgabe 
der Transportmittel, den Verlehr von Gütern und 
Berjonen moglichſt zwedgemäß zu geitalten, hat die 

. von jeher einen bedeutenden Anteil. Auf den 
{üffen als den natürlihen Waſſerſtra fann 
— gabe Lajten mit einem geringen Aufwande 
— und Arbeit bewegen; man ae * 
Serfte des Transportweges 8 ieines —5— 
Landerwerbs, wie bei Kunſtſtraßen oder Ei * 
bahnen; das aufzuivendende — ital iſt na⸗ 
mentlich auf der primitiven Stufe der Flußfahrten 
zu Thal nicht bedeutend. Daher fpielt auch die F. 
in den Seiten der ältern Kultur eine wichtige 
Rolle. Bei ftärlerm Wachstum der Kultur reichte die 
Langjamleit und Einförmigteit des Wa — * 
transports nicht aus; überdies find in 
genden die Gewäfler einen großen Teil des Jahres 
unbenußbar (in Rußland etwa durchſchnittlich 100 
Tage im Jahre). Namentlich aber batte die ſchnelle 
Entwidlung des Eifenbahnbaues die Benukung der 
Waſſerſtraßen, insbejondere in Deutichland, ein- 
geihräntt. Das Beifpiel Nordamerikas und Frani⸗ 
reichs ſowie die ſteten au ehden der Eifenbabn- 
—— haben die vollswirtſchaftliche 
edeutung der Waſſerſtra en feit Mitte der fiebziger 


843 


pabre des 19. Jahrh. wieder in den Borbergrund ge: 

t, und man denkt in Deutichland daran, durch 
den Bau neuer und Umbau älterer Kanäle fowie * 
rationellen Ausbau der Flüffe ein Waſſerſtra 
zu ſchaffen, das den äußerften Weiten Deutf ans 

ten Oſten und die in Nord⸗ und 
Dftfee mündenden Flüffe mit der Donau verbindet 
(j. Mittellandlanal und Schiffahrtslanäle). Schon 
jest aber bewältigt die Schiffahrt gewaltige Mafjen 
"er Werfehr auf den beutichen Mafertraß 
er ebr auf den beu 

(Ströme, Flüſſe, Kanäle) einſchließlich der Slöhe 
betrug nad der Statiftit des Deutichen Reichs 1899: 


mit dem äußerfi 







Waſſerſtraßen 
Offfe⸗ 


. ern. ee 


8 054 550 


ge a faltchtig bes 
4— 11 762 324 
omgebiet 14 936 416 
F * — 78— —2 444 1171964 
e Vobenfeebäfen. . .».. » — 
Bis —2* — —— 258 967 


Bufammen | 43 273 366 | 47584370 
Am ftärkiten ift der Verkehr auf der Elbe und dem 
Rhein entwidelt, über deſſen gewaltige Flotte, der 
nod 33 Rhein-Seebampfer mit 11408 R — 
Nettoraumgehalt und 10560 ——— 
werden müflen (ber Arlberg bes 
Zus und Abga eng 1900 gegen 
12000 N. die Tabelle auf re 844 Auskunft Geht. 
Herporzubeben ift, daß auf dem Rhein die Fahr: 
zeuge —— age nad dem Tonnengebalt 
wie na ferdeſtarlen —— den en 
urüdzu teiben eginnen. Der Anteil der Wafler: 
Keen an der Güterbewegung in Deutichland ift 
auf etwa 25 Proz. deö Gejamtverlehrs zu ver: 


—ã 


anſchlagen. 
ber den —*—* der deutſchen Binnenſchiff⸗ 
fahrtsflotte ( uch J mindeſtens 10 t Laderaum) 
nach der legten Aufnahme re .1897) ſ. Deutſch⸗ 
land und —58* ih, Verklehrsweſen IL 
Die wictigiten Hebel ber ind: genügenber 
und möglichit glei iger aflerftan, an dem 
freilich faft alle — wegen Vermin⸗ 


derung ber Wälder ik der Aderlän: 
bereien in den obern lußfireden, teils auch —— 
zu raſch wirkender Entwäſſerungen, teils endlich 
we. der —— — Verhältniſſe, — el leiden 

Altertum gro ſins zur 
der Sale in e Aufl —— ir ende 
Schiffsgef kra 


äße und bill Die ftaatlihen 
Aufwendungen für bie zwar noch immer 
hinter denen für Eiſen 


oe Ka yon bırad, 
allein eine —— — ſt namentlich 
ſeit dem — Inn Erfolge * Maintanalifation 
unvertennbar. Auch Öfterreich:Uingarn, rar 
Rußland, Nordamerila u. —— ge alljährlich 
große Summen zur Verbeſſ = 
In Bezug auf die re bat ſich re 
* Be eine Wandlung vom einfahen Nahen 
Dampfer, von den bollänv. —— 
* Nie u den neuerdings .. en 
tſchiffen volljogen. Auf den o ———— 
und auf der Weichſel verke jett ſch —* 
zeuge von 200 und 250 t, auf der Ober 
von 375, auf der Spree von 400, auf ber ei - 
von mehr ald 1100 t Tragfäbigteit; die neueften 


Flußſchiffahri 


An Flußfahrzeugen gebörten zur Rheinflotte im Auguſt 1900: 








Segeiſchiffe und Schlepptahne 







von 





Heimat 
der Fahrzeuge 






fähigkeit 










BabER 2 4.0 00 269| 29338 | 9277| 2492134 
17, een 215 17653 11 087 
Eliaß-Lothringen . 37 4131 17 11724 
Een re 156 15520 | 148 102214 
veußen . » -» 2.2.» 327| 50871 | 1048| 816909 
Württemberg . . . . 6 714 4 1935 
ujammen beutiche 1010| 118227 |1523| 1186003 |67 
Belgien . ». 22... 6732| 151697 | 504 153114 |— 
Grohbritannien.. . . . 4 5656 2 10% 1 — 
Niederlande . .. . . 2557| 325307 /1701 6167161 8 
Franzöſiſche und andere 26 5471 5 1150 |— 


























Dampficiffe 


| 




































Raddampfer Schraubendampfer 
darunter | 7 darunter | | F 
Berjonen, |S |£ 58 Berfonen, 5 Eu E 
Güter u.1.m.| $ | SE 8 £ |@üter u.f.m| | 8 & E 
| Dampier E =38 ns Dampfer E 22 ® 
Lade | T |E s& | | Lade | T E F g 
cam» s ERS | ES | Kaum | 5 | RE 


















264 








E 


8550| 3) 23 5450 

2 10) 6564| 38 29 170 6035 

4660 16| 59818 | 185 116| 23965 49574 

1 — 11 — 7— — 770 
801 5003 |147| 80301|264 | 189) 40901 /453| 7194 
1 24 1 140 67| ı1 1066 | 78 8260 
261 4191 34 | 10158) 286| 65 | 18526 |351| 4249 
— — — — — 1 — 1 Bu 























Fahrjeuge überhaupt 4306 | 606358 |3735| 1958078 | 75|107| 9358 1182| 90599 | 617 | 966 | 55493 |883| 122763 
* Berfügbarer Laderaum der zur @üterbeförderung benugten Dampficiffe. 


Rhein : Schlepptähne haben 2000 — 2350 t, ber 
neuejte Dampfer 975 t Ladefähigkeit. Neben den 
großen Schiffen find indes großenteild die Hei 
nern, ber Beionderbeit der zu befahrenden Ge 
wäſſer angepaßten Sahrzeuge in Gebrauch geblie⸗ 
ben; fo die kuriſchen Reiſelähne, die MWittinnen, 
Boydads, die Oderkähne, Finowkähne, Elbzillen, 
Weſerbocke, Emspunten u. ſ. m. 
rt die Güterbeförderun ey Mare en und fa: 

nälen bildete anfänglich, pr, Do Menſchenkraft, der 
Pferdeſchleppzug das wichtigſte Beförderungsmittel. 
Auf größern Strömen und auf Kanälen von nicht 
zu kurzen Haltungen wird jekt die Dampfkraft faft 
allgemein benußt und dadurd bedeutend an Fracht: 
toften geipart. Eine weitere Minderung des Trans: 
portaufwands jowie größere Schnelligkeit wurde auf 
dazu geeigneten Fluſſen zeitweife dur Einführung 
der Ketten: und Drabtfeilihiffahrt erzielt. (S. Ketten: 
ſchleppſchiffahrt.) Neuerdings tft nah den Vorſchlä⸗ 
gen von Buſſer (Eöpenid) und de Bovet (Paris) 
auch die Gleftricität ald Zugkraft für Schiffe benußt 
worden, jedoch nur auf einigen Waſſerſtraßen. yür 
einzelne Heinere Fahrzeuge in Heinern Betrie 
werben auch Benzin und Betrelummoten ange: 
wendet. Motoren, die zum Herausnehmen eingerich: 
tet, aljo nur für kürzere Streden bejtimmt find, fin: 
den ebenfalls Anwendung. Faſt auf allen bedeuten: 
dern Flüſſen und Seen Europas und Amerilas, auch 
auf einigen Strömen Afrikas und Aſiens (Nil, Ti: 

ris) findet ein mebr oder minder regelmäßiger 

ampferverlebr ftatt; am ausgedehnteſten iſt der 
Verkehr in Nordamerita, wo allein im canad, Seen: 
gebiet 470 Paflagier:, 894 Frachtdampfer, teilweiſe 
von 8500 t Ladefähigleit, vertehren, und befien 
St, Clair-Flats:ftanal einen Gütervertebr von ei.va 
20 Mill, t jährlich bat. 

Rechtliches. Die Flüfle gebören zum Gebiet 
desjenigen Staates, burch welchen fie fließen; fie und 
die auf ihnen betriebene F. find alfo deſſen Gejep- 

ebung, Gerichtsbarkeit, Bolizei, überhaupt Staats: 
boheit unterworfen; bei Grenzflüffen iſt meift deren 
Mittellinie, bisweilen nad den getroffenen Berein: 
barungen der Thalweg (j. Stromſtrich) die Grenze. 
Die Staaten find indeſſen beftrebt gewejen, bezüglich 
derjenigen Fluſſe, welche verjchiedene Staaten durch: 
itrömen, gemeinjame Grundjäge im Intereſſe der F. 


zur@rleihterungbesinternationalen Berlebrs 
zu vereinbaren. Solche Konventionen find ſowohl bes 
züglic außereurop. Ströme (Amazonenftrom, St.2o- 
renz, Barana, St. Hr als namentlich bezüglich der 
europäischen abgeihlofjen. Man bat bei den legtern 
folgende Ziele im Auge gehabt: 1) Die Schiffahrt der 
pl auf den bie Gebiete mehrerer Staa: 
ten burchfließenden Strömen mit deren Zuflüflen vom 
Anfangspunlt der Schiffbarleit bis zur Ausmun— 
dung in das Meer für alle freizugeben. Dabei bleibt 
den einzelnen Staaten ſelbſtverſtändlich die Freibeit 
fanitärer Maßnabmen, die Handhabung der Zoll: 
geiebgebung, die Maßnahmen im Falle eines ftrie: 
ed. 2) Die Bejeitigung von die Schiffahrt und den 
— einſchränkenden Privilegien und Begünſti⸗ 
rei einzelner Geſellſchaften oder Perſonen (mit 

usnabme etwa der Fähren und fiberfahrtsanital: 
ten), ſowie Bejeitigung der Stapel:, Niederlags:, 
Umfclags: und Vorkaufsrechte. 3) Schiffahrtsab⸗ 
aben entweder jo weit zu bejeitigen, daß fie nur 

r die Benugung befonderer Anftalten, weldye zur 
Erleichterung des Verkehrs beftimmt find, zu ent: 
richten find, oder dahin einzujchränten, daß fie die 
ur Unterhaltung und gewöhnlichen Herftellung er- 
orderlichen Koſten nicht überfteigen bürfen; oder 
vorzuſchreiben, daß die Sciffabrtsabgaben un: 
abhängig vom Wert und der Beichaftenbeit der 
Waren beftimmt werben follen, jedod nicht über 
den Betrag eines Normaljahres (1815). 4) Dak 
eine und biejelbe Schiffahrt3polizei für die gemein: 
ame Schiffahrtäftrede durd gemeinfames Cinver: 
tänbnis bergeitellt werben Toll; jeder Uferſtaat 
ür die Unterhaltung der Leinpfade und bie not: 
wendige Bertiefung der Strommege (dur Bag: 
erungen und Sprengungen) zu ſorgen bat. Freilich 
nd bieje * nicht jämtlich und nicht ganz in den 
einzelnen Konventionen und Schiffahrtsalten er 
reicht worden. Bon befonderer Bedeutung find die all: 
gemeinen Beitimmungen ber Wiener Kongreß: 
alte von 1815, Art. 108—117; die Donaujdiff: 
————— vom 7. Nov. 1857 mit den ergänzenden 

—— des Berliner Vertrags von 1878 
(. Donau); die Elbfbiffahrtsatte vom 23. Juni 
1821 mit Additionalakten (f. Elbe); der Vertrag 
288 dem Norddeutſchen Bunde und Oſter⸗ 
rei, die Aufbebung des Elbzolles betreffend, vom 





Flußſchildkröten — Flußipat 


22. Juni 1870; die Revidierte Rheinſchiff— 
f zwiſchen Preußen, Bayern, Baden, 
Heſſen, Frankreich und den Niederlanden vom 17. Olt. 
1868; die Weſerſchiffahrtsakte vom 10. Sept. 
1823 mit einer Anzahl von Nadıträgen. 

Nach der een Reichsverfaſſung, Art. 4, un: 
terliegt der Beauflichtigung und der Gejebgebung des 
Reichs die Floßerei (f. d.) und der Schiffahrtsbetrieb 
auf den mehrern Staaten gemeinfamen Wafjer: 
—32 der Zuſtand derſelben ſowie die Fluß⸗ und 

aſſerzolle. Nach Art. 54 dürfen auf allen natür⸗ 
lichen —*—— Abgaben nur für die Benutung 
bejonderer Anitalten, die zur Erleichterung des Ber: 
lehrs beftimmt find, erhoben werden. Dieſe Abgaben 
fowie die Abgaben für die Befahrung ſolcher fünit- 
lichen Wafjerjtraßen, welche Staatseigentum find, 
dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Her: 
jtellung der Anftalten und Anlagen erforderlichen 
Kosten nicht überfteigen. Auf die Flößerei finden 
dieje Beitimmungen injoweit Anwendung, als die: 
jelbe auf fbiffbaren Wafjerftraßen betrieben wird. 

uf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder 
böhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der 
erging oder deren Ladungen zu entrichten 
find, ftebt nur dem Reiche zu. 

Abgaben die fih nur auf die Thatjache der Be- 
ibiffung richten, dürfen auf vem Rhein nad) der revi⸗ 
dierten Rheinfhiffabrtsafte nicht erhoben werden; 
auf der Weſer ijt die Erhebung der Weferzölle durch 
die Verträge vom 26. Yan, 1856 und 14. Dez. 1865 
fufpendiert; die Elbzölle find 1870 gefallen. 

Die auf Verträgen deutiher Staaten beruhenden 
Wefer: und Nedarihiffahrtögerichte find durch das 
deutiche Gerichtöverfafiungsgeieh beieitigt. Dagegen 
bat es die auf internationalen Verträgen beruben: 
den Rheinſchiffahrtsgerichte und Elbzollgerichte bei: 
behalten. Dieje haben ala Strafgerichte Jumibder: 
bandlungen gegen die ſchiffahrts⸗ und ftrompolizei- 
lichen Borfchriften in Strafe zu nehmen, in Eivil: 
ſachen nad ſummariſchem Berfabren Klagen abzu: 
urteilen wegen Zahlung der Lotſen⸗, Kran, Wage:, 
Hafen: und Bollmwerfögebühren, ſowie wegen ihres 
Betrages, wegen der von Privatperfonen vorgenom: 
menen Hemmung des Leinpfades, wegen Beſchädi— 
gungen, welde © biffer und Flößer während ihrer 
Fahrt oder beim Anlanden verurſacht haben, ſowie 
wegen des den GÖrundeigentümern durch die beim 
Heraufziebender Schiffe durch Pferdeanibren Grund: 
ftüden verurfachten Schadens zu entſcheiden. Dazu 
fommen bei den Elbzollgerichten nod Streitigkeiten 
wegen Zablung von Scleujengebühren, die Beitra- 
fung von Exceſſen der Schiffer u. ſ. w, die Entjchei« 
dung von Streitigfeiten zwiſchen Shiffeführern und 
Baffagieren ſowie über die zwifchen dem Schiffs: 
eigentümer und Schiffsführer, den Dienftleuten und 
Zugknechten beſtehenden Dienjt: und Lohnverbält- 
nifle. Das mit dem 1. Jan. 1896 in Kraft getretene 
Reichögejeh über Binnenihiffabrt (ſ. d.) regelt die 
Rechtsverhältniſſe zwiichen den Abjendern und Em: 
pfängern der auf dem Waflerwege verjandten Güter 
und den Schiffern, fowie awiichen den Perſonen der 
— 

Flußſchildkröten, Lippenſchildtröten (Tri- 
onychidae, d. h. Dreillauer), eine Familie der 
Scilokröten, mit meiſt ſehr flachem, nur in ver Mitte 
verfnöchertem und von einem weichen Ringe um: 
gebenem Rüdenjcilve; o die Knochen des Bauch: 
childes bilden niemals ein feites Ganzes. Statt des 
Schildkrotes trägt der Körper eine weiche Haut, die 


845 


an den Kieferrändern fleiſchige Lippen bildet (daher 
der obige, zweite Name); die nur drei Krallen tra: 
enden haben große Shwimmbäute, da die 
iere fat ausjchließlih im Waſſer leben. Am be 
fanntejten ift die Dreitlauenteildtröte (f. d.). 
Iuffchwinde, |. Slüjie. 
Inkfpat oder $luorit, einreguläres Mineral, 
am bäufigiten im Würfel, Oktaeder oder Rhomben: 





bodelaeber, jeltener im Pyramidenwurfel, vielfach 
auc in Kombinationen diefer und anderer Aryftall- 
—— (f. bei⸗ 

ehende Ab⸗ 

—— 

kryſtalliſie⸗ 
rend, mit oft 
ſehr großen 

und regel: \\ 
mäßig aus: s 
gebildeten Individuen, häufig au derbin grofförni: 
gen und ftengeligen Aggregaten ſowie als dichte und 
erdigeMafje. Die Kryſtalle ſpalten ausgezeichnet nad 
dem Dftaeder, haben, als bejonderes Glied der Härte: 
Kar die Härte 4, das fpec. Gewicht 3,15 bis 3,2. Der 
iſt an ſich farblos und waſſerhell, aber in der Regel 
gefärbt, bisweilen weiß und grau, namentlich ſchön 
violblau und fmaragdgrün, prächtig roſenrot, in: 
tenfiv wein: oder honi nelb, dabei mit feuchten 
Glasglanz verjeben; nicht felten * weierlei Far⸗ 
ben vereinigt, indem ein und derſelbe ic außen 
und innen abweichend gefärbt iſt. Alle dieſe ver— 
ſchiedenen Farben rühren von einer nur ſpurenhaf⸗ 
ten Beimengung eines Kohlenwaſſerſtoffes ber, wo: 
mit — t, daß die gefärbten Varietäten 
—* lühen waſſerhell werden und dabei einen 
kleinen Gewichtsverluſt erleiden, den im (Degenjeh 
dazu der farblofe F. in der Hitze nicht erfährt. Die 
engl. Kryitalle von Weardale und Alfton Moor be: 
fipen uorescenz, indem fie im durchfallenden Lichte 
ebhaft grün, im auffallenden pradtvoll blau er: 
cheinen. Bielfah enthalten die Kryſtalle des F. 
mde Einſchlüſſe, no häufiger fisen zahlreiche 

leine Rryftällhen von Quarz, Rupferlies, Eiſen⸗ 
fies, Bleiglanz und andern Dlineralien, bisweilen 
alö truftenartiger Überzug, darauf. Chemiſch ift der 
3. Sluorcalcium, CaF,, beſtehend aus 48,55 Fluor 
und 51,15 Calcium. Sowohl durd Erhitzung als 
dur Veitrablung vermittel des Sonnenlichts er: 
langt der F. die Eigenſchaft, im Dunteln zu phos⸗ 
pborescieren. Bon konzentrierter Schwefelfäure wird 
er unter Entwidlung von Fluorwaſſerſtoff (f. d.) 
vollftändig zerjest, von Salzſäure und Salpeter- 
fäure ſchwer aufgelöft. 

Der F., ein häufig vortommendes Mineral, 4 
det fih auf den Zinnerzlagerftätten von Sadjen, 
Böhmen und Eornwall, au eat du (4.2. 


von Freiberg, Marienberg, Gersdo nnaberg 
im Erzgebirge, Schwarzwald, bei Kon —* in 
Norwegen), auf Bleierzgängen in Derbufbire, ums 


berland, Nortbumberland, Devonſhire in den kry: 
ftallinifhen Schiefern der Schweizer Alpen (4.2. 
am Rhönegletider, St. Gotthard); derber F. bildet 
mächtige jelbftändige Gänge zu Stolberg am Harz 
und Steinbad in Meiningen. Bei dem jog. Stint: 
fluß von Wölfendorf in Bayern, der beim Schla— 
gen und Zerreiben einen auffallenden Gerud nad 
unterchloriger Säure entwidelt und nah Schön: 
beins Anfiht Antozon enthalten follte, wird ber 
Geruch ebenfalld durch eine innig beigemengte Rob: 
lenwajjerftoffverbindung hervorgebracht, die durch 


846 


Ather ertrahiert werden kann; nad D. Lö beſteht 
die riechende Subſtanz aus freiem Fluor. Die jhön 
efärbten, ftart durchſcheinenden, großlörnigen und 
—— ietäten des F. werben in England zu 
allerband Schmud und Geräten (spar ornaments) 
verarbeitet und lieferten vielleicht Ihon den Alten 
das Material für die Vasa murrhina genannten Ge: 
fäße. Als Flußmittel benugt man ihn beim Schmel: 
en von Rupfer:, Silber: und Eifenerzen ſowie in der 
— woher auch der Name F. rührt. End: 
ih dient er zur Darftellung der Flußſäure, zum 


Atzen des Glajes und zur Bereitung gewiſſer Gla- 

furen und Emails, aud des Mil Au 
Ir f. &i enerzeugung (Techniſches). 
Infiyftem lüſſe. 


— 

lußſteiche, ſ. Teichwirtſchaft. 

luffverunreinigung, die Einführung folder 
Stoffe in bie —— welche das Bajer trüb, 
übelriehend, faulig und zum menſchlichen Gebrauch 
ungeeignet machen ſowie die Fiſche töten. Meift wird 
der größte Teil alles Unrat3 (}. Abwäfler) den Flüfjen 
und Bäcen zugeführt, und Induſtrieanlagen wer: 
den au dieſem Zwede abfihtlih an Flüſſen angelegt. 

Die erften Erjcheinungen ftarter 5. fi in den 
fünfziger Jahren des 19. Jahrh. in dem dichtbevoller⸗ 
ten und induſtriereichen England gezeigt. Am fühl: 
barften wurde die Verunreinigung der Theme, die 
allen Unrat Londons innerhalb der Stadt in 
aufnahm, ihn aber —— des Einfluſſes der Ebbe 
und Flut nur allmählich weiter befördern konnte. 
Der durch die faulenden Stoffe im —— 
und in den Schlammbänken erzeugte Geſtank war ſo 
unerträglich, daß wiederholt die Sizungen des Parla⸗ 
ments in dem der — nahe gelegenen Gebäude 
abgebrochen werden mußten. ÜÄhnliche, zum Teil 
jogar ——** Verhältniſſe boten der Irwell, der 
die Abmwäfler von ncheiter aufnahm, der Sri, 
Merſey, Ribble u. a. dar, wie aus dem Bericht der 
River Pollution Commission von 1868 zu erfeben ift. 

Ebenſo —— wurden einige Fahre fpäter 
die Zuftände der Seine bei Paris, als der Haupt: 
ſammellanal von Clichy feinen Inhalt in die Seine 
ergoß. Nach dem Bericht der franz. Regierungd: 
tommijfion vom J. 1874 mwäljte ſich die Seine nad 
Ginmündung des Kanals ald grauſchwarzer, an 
der Oberfläche mit Fettaugen, Haaren, Tierleichen 
bededter Strom dahin; ein grauer, in voller Fer: 
jegung und Gärung Er Schlamm bäufte ih 
am rechten Ufer an. A eben, pflanzliches wie 
tierifches, war bier erlojchen. 

Auch in Deutichland haben ſich Fälle von F. 
bemerlbar gemacht, insbejondere in Sachſen, in 
Weitfalen und der Rheinprovinz. Berüctigt find 
namentlich die Zuftände der Wupper und der Leine. 

bungen über die Urſachen der F. in Sachſen 
baben ergeben, daß weitaus am bäufigiten die Be: 
ihaffenbeit der gewerblihen Schmußmwäfler die Ur: 
ſache der F. ift, nicht aber der aus den ten 
der Menſchen — Zeil bes Unrats, der nur 
in 7 Proz. aller Fälle Veranlafjung zu Klagen gab. 

Nah von Pettenkofer haben die genauejten For: 
ſchungen nirgends Anbaltspunfte daflır ergeben, daß 
durch lüffe, die Fälalten aufgenommen baben, Epi⸗ 
demien oder Krankheiten überhaupt verbreitet wur: 
den. Im Gegenteil bat in neueiter Zeit Hans Buch⸗ 
ner nachgewieſen, daß frankbeiterregende Balterien 
im Flußwaſſer unter dem Einfluß des Tageslichts 
ſehr ſchnell de Grunde geben. Eine Ausnahme ma: 
hen nad Koch die Eholerabacillen, die, wenn fie 


Flußſtahl — Flußverunreinigung 


mit den Fälalien in fließende Gewäſſer gelangen, 
unter Umſtänden fich längere Zeit lebensträftig er 
balten und die Seuche weiter verbreiten können, 
weshalb bei der Eboleraepidemie in Hamburg 1892 
von jeiten des Reichs eine ftrenge ftrompolizeiliche 
fiberwahung der Elbe und ihrer Zuflüfie angeorb- 
net wurde. Haupturſache der F. find Fabrilanlagen, 
die viel organische Stoffe enthaltende Abwäſſer in 
die Flüffe lafien, z. B. Stärke, Zuder-, Leimfabriten, 
Wollwäſchereien, Brennereien, Brauereien u. a. 

Bor allem find giftige Abwäſſer die Urſache der 
F. Man bat für die Pau ern Gifte die Menge 
feitgeitellt, die 1 1 Wafler =. entbalten darf, obne 
den Fiichen gefährlich zu fein. Aber auch an Fan 
barmloje organiſche Stoffe entziehen ben Fiſ 
die Lebensbedingungen, indem fie den im Waſſer 
aelöften Sauerftoff verbrauben. So enthält die 
Seine oberhalb von Paris 9,32 ccm gelöften Sauer: 
ftoff auf 11, dagegen unterhalb der Kloalenein- 
münbung bei Epinay nur nod 1,5 ccm. Schon 
vorber, nad) der Kloaleneinmündung bei Clichy, 
fterben bie Fiſche. 

Sobald ein Fluß durch Zufubren von Abwäflern, 
welche reichlih organiihe Stoffe entbalten, ver: 
unreinigt wird, beginnt in bemjelben eine raſche 
Entwidtung von Batterien, deren Zahl häufig allein 
den Grad der Verunreinigung zum Ausdrud bringt, 
während die hem. Unterfuchungsmetboden oft eine 
Veränderung des Waſſers nicht erfennen laſſen. 
Dieſe Bakterien zerlegen die organiichen Subſtanzen 
und führen fie in anorganische Berbindungen über, 
Dies geihiebt durch Spaltungs- und Orybations- 
prozeſſe. Diefe Orvdation der — Stoffe 
wird durch Einwirkung des Lichts begünftigt, wel: 
ches gleichzeitig eine übermäßige Wucherung ber 
Batterien verhindert. Außer den Balterien beteili 
gen ſich an der Verarbeitung der organiſchen Stoffe 
zunäcdit hloropbylllofe und weiter abwärts dloro: 
phyllhaltige Algen. Diefer Prozeß der Minerali- 
jierung der organischen Stoffe gebt im Wafler jedoch 
bei weıtem nicht fo rajch vor fi wie im Boden; 
beaünftigt wird er durch die Strömung des Flufjes, 
infolge deren eine Anreiherung des Waſſers an 
Sauerſtoff jtattfindet. 

Man war vielfach bejtrebt, durch Geſetze die F. 
einzufchränten; in England find zulest durch die 
Flußreiniaungsatte von 1886 die Bedingungen, un: 
ter denen Abwäſſer in die öffentlichen Flußläufe ein- 
geleitet werben dürfen, geregelt worden. 

Staaten, 3. B. in Preußen, ift man fo weit gegan⸗ 
nen, auf Grund eines Gutachten der tönigl. wi 

ſchaftlichen Deputation für das Medizinalweſen die 
Ginleitung von Abmwäflern in ungereinigtem Zu 
ftande, namentlich aber die Einleitung der Fälalien 
in Fluſſe ganz allgemein für unzuläſſig zu erllaren. 
Eine derartige allgemeine Beitimmung birgt ent- 
Isrienen große Ungerechtigleiten im fich. Nicht jeder 
Fluß wird durd die ihm zugeführten Abwäſſer ver: 
unreinigt. Es giebt ylüfie, in die jeit Jahrzehnten 


ununterbrocen der Unrat eines ganzen ndes, wie 
3. B. in den Nil, gelangt, obne daß jemals eine F. 


zu ftande kommt. Der Tiber hat jabrbundertelang 
die Schmußgmwäfler der Stadt Nom aufgenommen, 
obne daß das Waſſer eine fihtbare Verunreinigung 
erfabren — Es rührt dies davon ber, daß jeber 
Fluß die Fähigkeit hat, einen großen Teil des Un 
rats zu verarbeiten, ſich gewiſſermaßen jelbft wieder 
zu reinigen. Notwendigerweiſe muß ber Fluß zur 
Selbitreinigung eine genügende Länge jomwie eine 


Flüftergalerie — Flutmündung 


entſprechende MWaflermenge und Bewegungsgröße 
ben. Es kann aud ein hochgradig verunreinigter 
luß nad genügender Zeit ſich wieder völlig rei» 
nigen, wie die Seine bemeift, die bei Meulan, 
70 km unterhalb Baris, wieder reines Wafler führt. 
Seit längerer Zeit hat man fih bemübt, feftzuftellen, 
wie viel Unrat man einem Fluffe übergeben darf, 
obne jeine jelbftreinigende Kraft zu überfchreiten. 
Pettenlofer ift der Anficht Wi eine F. dann nicht 
zu befürchten ift, wenn die Wafjermenge des Flufles 
mindeſtens fünfzebnmal fo aroß ala die Abmwäller: 
menge ift, ferner wenn die Stromgeſchwindigleit im 
Fluß nicht gerin er ift alö die in den Abwäfler: 
nälen, wei font Gelegenheit zur Ablagerung und 
Schlammbildung gegeben tft. Iſt der Fluß wegen 
zu geringer Geſchwindigleit, zu geringer Wafler: 
menge u. ſ. w. in Gefahr, dauernd verunreinigt zu 
werden, jo bürfen bie Abmwäfler ibm nur im ge 
reinigten Zuftand N Mafferreinigung) übergeben 
werden. Dieje Anſicht von Setientjes bat ſich 
auch der Deutiche Berein für öffentliche Geſundheits⸗ 
pflege zu eigen gemacht, und nad) diefem Grundſatz 
ift das Reihegehundheitdamt in einigen Fällen, wo 
es ſich um Begutahtung der Zuläffigkeit direkter 
Einleitung von Abwäflern in öffentlibe Waflerläufe 
bandelte, verfahren. Die empfindlichite Methode, 
den Grad einer F. feitäuftellen, bilden vergleichende 
balteriologiſche Bin aaa des MWaflerd ober: 
balb und unterhalb des verunreinigenden Zufluſſes, 
während die chem. Analyje infolge der erheblichen 
Verdünnung braudbare Refultate meift nicht liefert. 
Da Art. 65 des Einführungsgefehes zum Deut: 
ſchen Bürgerl. Geſetzbuch das Wafjerrecht der Lan: 
deögefehgebung vorbehält, jo befteben feine einbeit: 
lihen Beitimmungen zur Verhütung einer über: 
mäßigen Verunreinigung der Flußläufe. Erft dem 
durch das Reichsſeuchengeſeß vom 30. Juni 1900 
neu geichaffenen Gejundbeitärat wurden verſchiedene 
Obliegenheiten mit Bezug auf die Reinbaltung der 
das Gebiet mehrerer Bundesftaaten berübrenden 
Fluſſe übertragen. Derjelbe bat auf Antrag eines 
ver beteiligten Bundesjtaaten eine vermittelnde 
Ibätigleit auszuüben —— gutachtliche Vorſchläge 
zur Verbeſſerung der beſtehenden Verhältniſſe und 
zur Verhütung drohender Mißſtände zu machen; 
er hat ferner auf Grund vorheriger Vereinbarun 
zwiſchen den beteiligten Bundesjtaaten über Strei⸗ 
tigfeiten einen Schiedsiprud zu fällen, und ift end: 
li befugt, Anregungen zur Verhütung drohender 
Mipftände oder zur Verbeſſerung vorhandener Zu: 
ftände zu geben. — Bol. König, Die Berunretni: 
gung der Gewäſſer u. ſ. m. (2. Aufl., 2 Bde. Berl. 
1899); Sammlung von Gutadten über F. (in den 
«Arbeiten aus dem kaiferl. Geſundheitsamte⸗, von 


Bd. 5, ebd. 1889, an). 
Flüftergalerie, Flüftergewwölbe, |. Schall: 


ipiegel und —* (phyſilaliſch). 

Flüftern (Fliſtern), diejenige Art des Spre 
chens, bei der die Spradlaute nicht mit Rebltopf: 
tönen, mit den Klängen der Stimme, verbunden 
werden, wie bei der gewöhnlichen lauten Sprache. 
Beim F. werden alfo nur Geräuſche in den ober: 
balb des age gelegenen Hoblräumen (Mund: 
und Rachenhöhle) erzeugt, wobei die Stimmbänver 
des Kehlkopfes ganz unbeteiligt bleiben. 

Flustridae, Familie der Moostierchen (f. d.), 
mit aufrechtem, breitblätterigem, bornigem Stod. 
Die Familie enthält 5 Gattungen und etwa 30 
Arten, von denen die bid 15 cm hohe Flustra 


847 


foliacea L. (|. Tafel: Meerwafferaquarium, 
ig. 18, beim Artikel Aquarium) eins der gemeinten 
dostierchen ift und auch an der Nordſee nach ftür: 
mifcher Witterung in Menge ausgefpült zu finden ift. 
Int, das Steigen des Meerwaflers, f. Gezeiten. 
ecken, joviel wie Dod (f. d.). 
Intbrecher, j. Mole (im Bauweſen). 
Iutbrüden, die im Anſchluß an Strombrüden 
ausgeführten, mit Durchläſſen für Hochwaſſer ver: 
fehenen Zufahrten; oder auch ſelbſtändige den, 
die über ein Üüberſchwemmungsgebiet, bez. einen 
— führen. ſ. Dolzflöte. 
Ato, ſ. Flöte; F. à bee, }. Schnabelflöte; F. 
Flüte oder Fleute, im 17. und 18. Jahrh. 
Name dreimaftiger erg mit Lugger⸗ 
oder Rabefegeln, welche aud ald Zransportichifie 
die Kriegsflotten begleiteten, : 
Flutfaktoren nennt Falb die Ortsverhältniſſe 
von Sonne und Mond, die auf die Größe der An- 
iehung diefer Körper entweder verſtärkend oder ab: 
Fady Are wirten. Bon diefen foll die Stärte 
der atmoſphäriſchen Flut ähnlich beeinflußt werden, 
wie dies bei Ebbe und Flut des Meers thatſächlich 
nachgewieſen worden ift. Die F., die ſich verftär: 
fend unterjtügen, find Oppofition und Konjunktion 
(f. Aipelten), in Bezug auf den Meridian oder 
den Aquator, Erbnäbe des Mondes, Erbnäbe der 
Sonne, Aquatorſtand des Mondes und Slquator: 
itand der Sonne. Abſchwächend wirken die Erb: 
fernen. Je mebr verftärtende Faktoren zufammen: 
treffen, um fo fräftiger foll die Wirkung fein. (©. 
Mondeinfluß auf die Witterung.) 
Fluntgras, Süßgras, f. Glyceria und Tafel: 
Gramineen IV, Fig. 2. 
Iutgröße, |. Gezeiten. 
luther, 5 utberd (veraltet $luder, Ge 
luder), hölzerne Gerinne zur Abführung von 
äffern, wie in der Grube bei Stollen oder 
unter Stollenfohlen zur Sicherung der Wafler ge: 
gen deren Tieferfinten, Berfallen, namentlih in 
die Tiefbaue, von wo aus biejelben mittels Ma: 
ſchinen wieder auögepumpt werben müßten; Frei: 
oder Weichflutber, am Harz Ausflut oder 
Fehlſchlag genannt, ift ein F. bei einer Teich: 
oder Örabenanlage zur Abführung der aber en 
Intturven, ſ. Flutmeſſer. —28 
Intmeffer, Vorrichtungen zur ſelbſtihätigen 
Au Er von Flutkurven, Kuren, durd 
melde die Geſetze des Steigens und Fallens des 
Meers infolge Flut und Ebbe und anderer Umſtände 
am beiten zum Ausdrud lommen. Man erhält dieſe 
Kurven, indem man die Zeit ala Abjcifje, die je: 
mweilige Höhe des Meers an diefem Buntte von einem 
mittlern Stande aus gemeſſen ald Drbinate auf 
trägt. Man kann aus folhen Kurven die Einwir: 
fung mander Ströme, Meerengen, die Einwirkung 
des Mondes, Windes u. f. w. ftudieren. Die F. von 
Palmer in London 1831 zuerft angewendet, bejteben 
aus einem Uhrwerk, das einen ————— lang⸗ 
ſam an einem Stifte vorbeiführt. Letzterer ſteht mit 
einem Schwimmer in Verbindung, der wieder in 
einer mit vem Außenmwafler tommuntzierenden Röhre 
figt. Die Bewegung des Stiftes erfolgt nach einem 
beftimmten Reduttionsverbältnis, 5. B. in z;, um 
nicht zu hohe Bapierftreifen benuhen zu müflen, da die 
Waflerftände oft um mebrere Meter differieren. 
Iutmotoren, |. Bob. 17. 
utmündung, |. Uſtuarium. 


848 


Iutomöter, — * ſ. Dampfleſſel (Ar: 
lutſagen, j. Sintflut. [matur). 
Intfchleufe, Zeil eines N N Freis 
are. Boden (f. d.). 
Intfchutt, durh Schwemmun —— 
lutſtrom, Meeresſtromung, |. ya 
lutthor, Teil eines —— aues Y Sihleufe. 
lutwe Gezeiten. 
luviãl (lat. * auf * ra bezüglid ; von 
Pflanzen: in Flüfjen wach 
—* h —————— ein el 
render Peg te 
—— Schichten, ſ. Brackiſche S 
ugion (lat. fluxlo), das Fließen, der Fluß 
eumatiömus), auch Blutwallung (j.Hyperämie); 
v a Mathematik foviel als Differential, 
Fluxus (lat, ) ke Fluß, das ließen; F. aurlum, 
Obrenfluß; eliäcus, rubr; F. haemor- 
rhoidälis, — Ader; F. lochiörum oder lochiä- 
lie, A dor. de F. mensträus Monatöfluß. 
a flei), Fluß im fübl, Neuguinea, bildet 
nad einer brit.cmiederländ. hun en von 1895 
die Gren je der beiderjeitigen Gebiete, dod jo, daß 
der Fluß hauf jelbft Gruß, die Schiffahrt aber für 
beide Zeile frei iſt. Er entipringt unmeit der Grenze 
des deutichen Gebietes, nimmt lint3 den Palmer, 
rechts den ſchifſbaren Alice, fpäter unter 7° 50’ ſudl. 
Br. den mächtigen Stridlandfluß auf. Er mündet, 
ein umfangreiches Delta bildend, in den Pa uagoli. 
— Der F. murde 1843 entdedt, 1875 von d’Albertis 
und MeFarlane 50 km aufwärts befahren; 1876 
elangte d'Albertis 800 km, 1890 \ cregor bis 
r ft Ey —— Grenze 970 km weit hinauf. 


disease (engl., jpr. flei disihß), f. Tjetfe. 

aller (engl., |pr. fleiör), eine Maſchine ver 
Spinnerei (f. d.): . im Rennf ort, ſ. Flieger. 

„ea ; fpr. liegen: 


ei ſiſch) 

hi an]. Be pair N Garlen. 

Iygäre: — Kdimed. Romanidriftitellerin, 
Inat, Paul, Goldihmied, |. Flindt. 

Iyfch, eine mädtige Schichten * von faſt 
überall verſteinerungsleeren, dunllen Schiefern, 
Mergeln gi Sandſteinen, die meift alttertiären 
Alters find und am Aufbau vieler jüngern Gebirge 
in Europa, wie Alpen, Apenninen, farpaten, be 
deutenden Anteil nebmen. 

fm, Abkürzung für Feſtmeter (f. d.). 

M., Abkürzung für Feldmarſchall. 

ME., Ablürzung für Feldmarjdallleutnant. 

-moll (ital. fa minore; fran;. fa mineur; engl. 
f minor), die Molltonart, bei der h,e,a, d u 
einen halben Ton erniedrigt werben, alfo’ vier 
vorgezeichnet find; die parallele Durtonart iſt As- 
dur. (S. Zon.) 

9, bei den Ehinefen der Name des Buddha (f.d.). 

.B. “ o. b.), Abtürzung für free on board 

(en [), v. b. frachtfrei an Bord. 

Sk ta (Fotſcha oder Fukda), Stadt und Haupt: 
ort des Bezirtd F. (1889,4 qkm, 275 Ortſchaften, 
34938 €.) im boön. frei Serajem o, in ſchoͤner 
Umgebung an beiden Ufern der Drina und zum 
Zeil noch ım Thale der Gebotina, die fich hier in die 
Drina ergießt, Sik des Kommandos der 8. Gebirgs⸗ 
brigade, bat (1895) 4217 E., varunter 2842 Mobam: 
mebaner, 742 Griehiih:Orthodore und 75 Ro— 
miſch⸗Katholiſche, in Garnifon ein Bataillon des 
78. ungar. nfanterieregiments; abrilation von 
a ar und Handidars, oll- und Leder: 
waren; Feldwirtſchaft. 


Flutometer — Föderalismus 


35 „ſ. Folal. 

ochabers (ſpr. fodabbẽrs) Fleden in der ſchott. 
Grafſchaft Elgin, 13 km im DED. von Elgin, am 
—* mit (1891) 1101 €. und einer Freifcule. 
Dabei Gordon-Caſtle, Sitz des Herzogs von Ric: 
mond und Gordon, ſowie Refte eines röm. Lagers. 

Fock, das unterfte Raheſegel an dem vorberften 
Maſte der Schiffe. = erdem dient 50 d: als Unter: 
ſcheidungsvorſilbe fürZatelungsteile des Fod ma 
jedoch nur des Untermaſtes, —— vom Toppiſ. d.) 
aufmwärts diefe Teile ne, el die Unterſcheidungs⸗ 
vorfilbe nr erhalten: z. B. Vormarsſegel, Bor: 
oberbrambra 

ode, Keen, ſ. Nachtreiher. 

ode, Mil iWers, Arzt und Botaniker, geb. 

ril 1834 in Bremen, ftudierte in Bonn, wWin 
—* und Wien, war 1858—68 zu Oberneuland 
und Bremen praitiſcher nm Duck Krankheit ge: 
mungen, feine Praxis auszuſetzen, beichäftigte er 
fs onders 4 botan. Studien. Gegenwärtig 
iſt er Mitglied des Gefunbbeitsrats zu Bremen und 
Arzt der Strafanftalt Oslebshauſen. F. ſchrieb: 
«Synopsis ruborum Germanise» (Brem. 1877), 
«Die Pflanzenmifchlinge» (Berl. 1881). Seit 1868 
redigiert er die vom Naturwiſſenſchaftlichen Verein 
zu Bremen herausgegebenen «Abbandlungen». 
odmaft, der vorderfte Maft (f. d.) der Schiffe. 
odfegel, ſ. Fod. 

24* (Hoff häni), Hauptitabt des rumän. 
Kreifed Putna, 75 km im WA. von Gala, am 
Rande der öftl. Vorböhen der ſarpaten und an der 
Linie Buzau:Roman der Rumän. Staatsbahnen, 
ift Sig der 6. Territorial:Militärdivifion und eines 
öfterr. Vicetonfuls, hat (1899) 23 783 E., darunter 
5959 Israeliten, Gymnafium, 28 Kirchen, 2 Syna- 

gen und bedeutenden Getreidebandel nah Galak. 
An der Nachbarſchaft bei Ddobesci (4670 €.), 
wobin Bahn führt, wächſt ver nad dem Kotnar 
beite Wein der Moldau. F. bildet den linten Flügel: 
engere der beieitigben en Serethlinie. Die Befefti- 

vs —— F. im Bogen von etwa 6 km Radius 
und D. mit 18km Länge, beiderſeits auf bie 
Milton geftüht. Sie bat im erften Treffen 41 Em: 
placements von je fünf 37 mm: Fahrpanzern, im zwei: 
ten und dritten 15 Emplacements mit 53mm t: 
panzern, gepanzerten 12 cm:fanonen und Mörfer 
ftänden, I 0 dem eine Gruppe von Haubigen. 

Am 1. Aug. 1789 erlitten bei F. die Türlen durch 
die Rufen und Öfterreicher unter dem Prinzen von 
Eoburg eine Niederl 

ocunda, Stadt,t — 

ocuo (lat.), eig (1. d.). 

odder, großes engl. Gewicht für Blei. Für 
Blei in Blöden oder Mulven (jog. Gänfen oder 
Sauen, Pig lead) begreift das 5. in London 19% 
in Nemcaft e 21, in Stodton 22 Hundrediweigbtä 
oder Gentner zu 112 engl. Pfund, ift alfo = 1981,288, 
1066,850 und 1117,652 kg. Für Blei in Rollen bat 
ud die Schwere vn 20 Hundredweights oder 1 Ton 

= 1016,08 kg. (S. Foſter.) 

öddi, brit.:o tind. Münze, ſ. Fuddeah. 

Öderalismus (vom lat. foedus, Bündnis), 
jede Staatsauffaflung, die als beſte Konftitutions: 
korm die gegen des Gemeinweſens aus 
einem mehr oder minder feſten Bunde mehr oder 
minder felbftändiger Einzelgliever (Staaten, Ge— 
meinden u. ſ. w.) betrachtet. Anhänger des F. nennt 
man Föderaliften. Beide Namen haben jebr 
verjhiedene Anwendung gefunden. 


Föderaltheologie — Fodere 


In der politiſchen Theorie bezeichnet der 
Name F. ein von P. J. Proudhon (ſ. d.) aufgeſtelltes 
Syſtem. Während Proudhon früher die Zerſtörung 
jeder ſtaatlichen Autorität als Ziel hingeſtellt hatte 
(f. Anarchismus) he er in feinen jpätern Schrif⸗ 
ten, ba& die wirtihaftlie Gerechtigteit dadurch am | 
volllommenjten u erreichen fei, daß der Staat in | 
zablreiche Heine Gemeinschaften ſich auflöje, welche, | 
völlig jelbftändig und untereinander nur fofe ver: | 
bunden, die Gleichheit aller Individuen und damit | 
die Beieitigung ber focialen Übel durchzuführen 
baben. Dieje Lehre fand in Frankreich unter den 
Gegnern der jtraffen Gentraltjation ber dortigen 
Staatöverwaltung viel Antlang und hat denjenis 

en Beitrebungen, melde in dem Aufitand ver | 
Barifer Commune (März 1871) gipfelten, wirtjam | 
vorgearbeitet. 

In der Bolitik hat der Name Föderaliften bes 
ſonders auf eine gene der Vereinigten Staas 
ten von Amerila Anwendung gefunden, bie um 
1792 hervortrat und ſich bis 1822 in einigen der 
Neuenglandſtaaten hielt. 1788—89 legten ſich die 
Anhänger der neuen Keciehung 0. erfaſſungs⸗ 
tonvent) den Namen zuerſt bei. & Annahme ver 
Berfaflung hörte jeder Widerftand gegen dieje ul 
und im Beginn von Wafhingtons Präſidentſchaft 
(1789—92) gab es feine eigentlichen Parteien. In 
dem Kampf, der 1793 zwiſchen Frankreich und Eng⸗ 
land ausbrab, nahmen die konſervativen Männer 
der Neuengland⸗ und Mittelftaaten zufammen mit 
den ariftofratiihen Pflanzern von Süpdcarolina für 
England Partei, mäbrend die liberalen Elemente, 
die ihren Hauptrüdhalt in den doltrinären Führern 
des Süudens hatten, auf feiten Frankreichs > 
den. (S. Demotratiihe Partei.) Aus den kauf 
männiichen Klaſſen und den Ronjervativen gemein: 
fam entjtand die Beneralibenparken. der ſich 
auch Wafbington anſchloß. Bei der PBräfidenten: 
wahl 1796 errang der Kandidat der Foderaliſten 

ohn Adams den Sieg über Jefferſon. Ein heftiger 

wiſt, der zwiſchen Lohn Adams und Hamilton 
ausbrad, führte 1800 zu einer Verbindung der ſüdl. 
Republitaner mit Neuyork, der ſich Sübcarolina ans 
ſchloß, infolge deren die Föderaliſten eine Niederlage | 
erlitten, von der fie fih niemals wieder erholt haben. | 
Im Kongreß bildeten fie 1801—17 eine Heine, aber 
energiſche Minorität, die zu ſchwach war, ihre Ans | 
fichten zur Geltung zu bringen. 1816 ftimmten nur 
noch drei Staaten für den föberalijtiihen Präſident⸗ 
ſchaftslandidaten. Die Bartei hielt zwar ihre Orga: 
nifation nod in einigen Staaten aufrecht, erloſch 
aber allmäblib und war um 1822 ohne praftiiche 
Bedeutung. — Val.H. Adams, Documents relating 
to New England Federation (Boft. 1877); derf., 
History of the United States (Bd. 1—2, Neuyort 
1889); von Holit, Berfaffung und Demokratie 
ver Vereinigten Staaten, TI. 1 (Düfjeld. 1873); 
MeMaiter, History of the people of the United 
States (5 Bde., Neuyort 1883 fg.). 

In Frankreich wurde in der Revolution von 
1789 den Girondiſten (f. d.), um fie beim Barifer 
Volle verhaßt zu machen, von den Gegnern die Bes 
zeichnung Föderaliften und die Abficht beigelegt, die 
Hauptitadt dur die Provinzen zu tyrannijieren 
oder wohl gar die Einheit und Antegrität des Ge: 
amtjtaates aufzubeben und an jeine Stelle das | 

ofe Band einer bloßen Föderation der einzelnen 
Provinzen zu ſehzen. uh in ber neuern get 
find in Frankreich vereinzelte Verfuche einer Mil- | 

Brockhaus' Fonverfationd-Beriton.. 14. Aufl. R. A. VI 





849 


derung der Gentralifation in föderaliftifhem Sinne 
bervorgetreten. G Eentralifation.) 

In den deutſchen Bundesitaaten war früher 
der Name Föderaliften und F. ald Parteiname 
nicht üblich. Die unterfcheidende PBarteibezeichnung 

r bie — einer ſtrengern und einer loſern 

orm der Föderation (f. d.) war —— in den 
polit. Kämpfen von 1848: Bundesſtaat (ſ. d.) oder 
Staatenbund. Auch heute fpielen bis jet weder 
Name noh Sache im Deutihen Reiche eine irgend 
erheblihe Rolle, da verfaſſungsrechtliche Streit: 
fragen aus dem polit. Leben des Reichs bis jegt mit 
Sorgfalt fern gehalten wurden. 

Dagegen beiteht in Oſterreich eine föbera» 
liftifhe Bartei, melde die Selbftänpigleit und 
polit. Sonderung der einzelnen Kronländer gegen 
die dee des centralifierten Gefamtitaates vertritt 
und dermalen den beberrfchenven Faktor der diterr. 
Politik in Eisleithanien bildet, während im König: 
reich Ungarn die gerade entgegengefesten Tendenzen 
in der Regierung maßgebend find, 

Föderältheologie, Bundestheologie (lat. 
Theologia foederalis), eine der Dogmatil der 
reform. Kirche eigentümliche eg der ver: 
ſchiedenen Stufen der erlöfenden Gnadenreligion 
als aufeinander folgender Bünde zwiſchen Gott und 
den Menſchen. Zunädft unterſcheidet man den 
Bund der Werke (foedus naturae seu —— ), 
d.i. das Verhältnis des Menſchen zu Gott abgefehen 
von der erlöfenden Offenbarung und Gnade, ver: 
wirflicht vor dem Sündenfall, und den Bund ber 
Gnade (foedus gratiae), d. i. das auf Offenbarung 
berubende Verhältnis des Menſchen zu Gott jeit 
dem Sündenfall. Letzteres durchläuft drei Stadien 
der Entwidlung: vor dem Geſetz, unter dem Gefeh 
und nad dem Gefek oder unter dem Evangelium, 
als foedus gratiae ante legem, sub lege, post legem 
sive sub evangelio. Die F. ift fhon von Ealvin 
angedeutet, von Hyperius ausgeführt und von 
Eoccejus (f. d.) in einfeitiger Strenge angewandt, 

Föderation (lat., «Bündnis»), im weitern Sinne 
jeve Art von Verbindung zweier oder mehrerer 
Staaten, wobei die Verbündeten ihre Souveränität 
behalten. Unter den Begriff der F. gebört alſo aud 
die zu einem vorübergehenden polit. Zmed, ins 
bejondere zur gemeinjamen Führung eines Krieges, 
abgeichlofjene Allianz (ſ. d.). Namentlid in dert s 
bern Zeit pflegteman die Ausdrüde Föderierte und 
Alliierte ald ganz gleichbedeutend und zwar im Sinne 
von Kriegsverbündeten zu bezeichnen. Aber aud 
Vertragsverbältnifle zu friedlichen Zmeden werben 
als F. bezeichnet. Im engern Sinne bezeichnet F. 
over häufiger nob KRonföderation einen Staaten: 
bund im Gegenjage zur bundesitaatliben Einigung 
(Union). Namentlib wurde dieſer Ausdrud ans 
— auf die ältere Vereinigung der nordamerik. 

taaten nach der Verfaſſung von 1787, auf bie 
ſchweiz. Eidgenofjenihaft, auf den Rheinbund und 
auf den ehemaligen Deuticen Bund, 

Öderatid (lat.), bundesmäßig; bundesftaatlid 
63 Gegenſatz zu centraliſtiſch und unioniſtiſch); 
dderativftaat, Bundesſtaat. 

Fodereé, Francois Emanuel, franz. Mebiziner, 
geb. 8. Jan. 1764 in St. Jean de Maurienne, ſtu⸗ 
dierte in Turin, trat als Militärarzt in die franz. 
Armee und wurde 1793 Arzt in dem Hospice d’hu- 
manits und an der ee in Marjeılle. Nach⸗ 
dem er eine Zeit lang ne der Phyſik und 
Chemie an der Centralſchule von Nizza geweſen 


54 


850 


war, wurde er Arzt an dem dortigen Spital und 
pie bier —— über Anatomie und Phyſio⸗ 
ogie. 1804 kehrte er wieder als Arzt am Hötel 
Dieu nah Marjeille zurüd. 1814 wurde er als 
Profeſſor der gerihtlihen Medizin nad Straßburg 
berufen und 1819 au mit den Borlejungen über 
Epidemiologie betraut. Er ftarb 4. Febr. 1835. 
Seine berühmteften Werte find: «Les lois &clairdes 
par les sciences physiques» (3 Bbe., Par. 1798), 
«Lecons sur les Epid&mies et l’hygiöne publique» 
(4 Bde., Straßb. 1822— 24). Seine Heinern Schrif⸗ 
ten füllen 60 Bänbe. 

Öderierte, Verbündete, |. Föderation. 

oedus (lat.), Bündnis, Bund, Tejtament. 

ve, Daniel de, engl. Schriftjteller, j. Defoe. 

og (engl.) dichter Nebel, 

ogarad (ipr. jöggarafh). 1) Komitat in Sie 
benbürgen (|. Rarte: Ungarn und Galizien), 
bis 1876 Bee in Siebenbürgen, grenzt im N. 
an das Groß: Koleler Komitat, im B an Kron⸗ 
ftabt, im S. an Rumänien, im W. an das Komis 
tat Hermannftabt, bat 2433 qkm, (1900) 92801 
meift rumäniſche griec.:orient. E. (5159 Ungarn, 
3627 Deutihe, 2454 Römifh:, 23850 Griechiſch⸗ 
Ratholiiche, 2737 Augsburger Konfeſſion und 2225 
Reformierte) und umfaßt die 4 Stuhlbezirfe Alf: 
arpäs, F., Särtäny, Törzburg mit 1 Groß: und 70 
Klein-Gemeinden. Der Boden ift durchgehends ge: 
birgig. An der Südgrenze erftreden fi die yoga: 
rather Gebirge (f. Karpaten, 4) bis zum Torz⸗ 
burger Paß. Das Klima ift gejund, aber raub und 
deshalb dem Aderbau nicht jehr günftig. Die vor: 
berrihende Beſchäftigung der Einwohner ift Vieh: 
zudt, beſonders Schweinezudt. Handel und Ins 
buftrie find unbedeutend. — 2) Groß: Gemeinde 
und Hauptort des Komitats ſowie Stublbezirts 
(26163 €.) %., lint3 an der Aluta, in 436 m Höbe, 
an der Linie Hermannſtadt⸗F. (85 km) der Ungar. 
Staatsbahnen, bat (1900) 6457 E. (1243 Deutiche, 
2292 Rumänen), darunter 1261 Romiſch-⸗, 1384 
Griechiſch-⸗Katholiſche, 951 Griechiſch-Orientaliſche, 
2143 Evangeliſche 474 Israeliten, in Garniſon 
1 Bataillon des 50. ungar. —— — 
fünf Kirchen, ein Franziskanerkloſter, eine Syna: 

oge, ſchöne gebedte Brüde (1817); Spiritus: 

britation, Müblenwerte, Tabalbau und Getreide: 
bandel. Nah F. ift das gried.:tath. Erzbistum 
(I: Siebenbürgen benannt; doc bat der a 
einen Sik in dem Flecken Blajendorf, i F. 
wurde Bem 12. Juli 1849 von den ruſſ. Generalen 
Engelhardt und Lüuders befiegt. 

— Gebirge, ſ. Fogaras und far: 
paten, 4. 

Fogaraffy (ipr. jöggaralci), Johann, ungar. 
Sprachforſcher und Such, geb. 1801 in Ober⸗Kaͤzs⸗ 
märk (Abauj), ftudierte in Särospatal die Rechte, 
warb 1829 Advokat, 1841 Selretär des Wechſel— 
gerihtö, 1847 Selretär des Erzherzogs Stepban, 
1848 Nat im ungar. Finanzminiſterium. Nac Wie: 
derberitellung der Verfafjung wurde F. Bräfident 
des Handels: und Wechſelgerichts, endlich Richter des 
Dberiten Gerichtshofs und ftarb 11. Juni 1878. Seine 
wichtigſten Werte (Jämtli in ungar. Sprache) find: 
«fat.sungar. terminologiſches Leriton der Rechts: 
und ———— (Veit 1833 —36), «Meta: 
phyſil der ungar. Sprache⸗ (ebd. 1834), «Grundzüge 
des ungar. Privatrechtö» (ebd. 1839 u. d.), «llngar. 
Handels: und Wechjelreht» (ebd. 1840), «Die Un: 
gariſche Bank» (ebd. 1848), «Der Geift der ungar. 


Föderierte 


— Foggia 


Spracde» (ebd. 1845), «Grundzüge der neuen ungar, 
bürgerliben Prozeßorbnung» (ebd. 1853) und be 
ſonders «Ungar.⸗ deutſches Wörterbuch» (2 Bpe., 
ebd. 1836), endlich das mit Gregor Ezuczor (f. d.) 
begonnene, aber nad) deſſen Tode (1866) von F. 
ein fortgeführte und vollendete «Große Wörter 
bucd der ungar. Sprache», das im Auftrage der Altar 
demie (6 Bde. Bubapeft 1861—74) erihien und als 
Sammlung des gejamten ungar. Sprachſchatzes 
großen Wert bat, in feinen Etymologien dagegen 
einen ganz veralteten Standpunlt einnimmt. 
Fogaſch, ein zum Geihleht der Sander ge 
böriger wohlihmedender großer Fiſch, der im Neu: 
fiedler: und Plattenjee in Ungarn vortommt. 
Fogazzäro, Antonio, ital. Dichter und Romans 
jene er, geb. 1842 zu Bicenza, erbielt jeine Bor: 
ildung nie ft unter dem Dichter Zanella und 
widmete fi zu Turin dem Studium der Rechts 
und Staatswiſſenſchaften. Er lebt in feiner Bater 
ftabt und wurde 1900 in den ital. Senat berufen. 
Seinen Ruf ald Dichter, begründet durch die Novelle 
in Berfen «Miranda» r. 1874; 6. Aufl. Mail. 
1896; deutſch von Meinbarbt, Lpz. 1882), befeitigte 
er durch die *5* Sammlung «Valsolda» (Mail 
1876; 3. Aufl., ebd. 1897). Großen Beifall fand der 
Roman «Daniele Cortis» (Tur. 1887; deutich von 
A. Dull:Sheu, Stuttg. 1887). Es folgten die Ro» 
mane «Il mistero del poeta» (Mail. 1888), «Eva» 
(ebd. 1892), «Il piccolo mondo antico» (ebd. 1895), 
«Il piccolo mondo moderno» (ebd. 1901) u. a.; 
ferner Vorträge und Abhandlungen, wie «Giacomo 
Zanella» (ebd. 1889), «L’origine dell’uomo e il 
sentimento religioso» (ebd. 1895), «Discorso» (ebp. 
1898), «Ascensioni umane» (ebb. 1899) u.a. Der 
Roman «Malombra» (Mail. 1882) erſchien in freier 
Überjekung von Courth (3 Bde. Stuttg. 1889). — 
Bal. Molmenti, Antonio F. (Mail. 1900). 
——— Bengt Erland, ſchwed. Bildhauer, 
geb. 8. Aug. 1786 in Göteborg, beſuchte die Ala— 
demie in Stodholm und ſchloß ſich befonvers an 
Sergel an. 1820 aing er, nad einem kurzen Auf: 
enthalte in Paris bei Bofio, nah Rom, um mit 
kurzen Unterbrechungen dort zu bleiben. Hier ſchloß 
er jih anfangs der herrſchenden Haffifhen Richtung 
an und erntete für einen Merkur ald Argustöter 
und einen Paris das größte Lob, Derfelben Kid: 
tung gebören an die in den dreißiger Nabren 
ausgeführten Apollon Kitbarödos, Venus mit dem 
Apfel, Amor und Pſyche (alle im Nationalmufeum 
in Stodholm). Dieſe Arbeiten zeigen ibn als wir: 
digen Nachfolger der von Sergel und Thorwald: 
fen eingeleiteten Kunſtrichtung. Auf Beltellung 
Karla XIV. Jobann ſchuf er die drei Kolofjalmar 
morftatuen der Götter Odin (1831; IK Tafel: Stan: 
dinaviſche Kunft IH, Fig. 5), Thor und Baldur 
1844; jebt im Mufeum zu Stodbolm), Geftalten, 
r welche F. barakteriitiiche Typen — Eine 
toloſſale und würdige Marmorſtatue Karls XIL 
vollendete er 1832. Bon oͤffentlichen Dentmälern 
in Bronze erbielten Göteborg und Bremen von 
feiner Hand Standbilder Guſtav Adolfs, Stodbolın 
das von Birger Jarl, dem Gründer der Haupt: 
ftadt, und die Reiteritatue von Karl XIV. Jobann. 
Schlichte Wahrheit zeichnet diefe im Koſtuüm ibrer 
Zeit dargeitellten Figuren aus, 5 ftarb 22. Dei. 
1854 zu Trieit. — Dal. L’CEuvre de F., publie par 
Leconte (Bradhtwert; Bar. 1856). i 
gegen (pr. foddſcha). 1) Provinz im König: 
reih Stalien, auch Capitanata genannt, in ber 


Foglar — Föhn 


Landſchaft Apulien (j. Karte: Unteritalien, beim 
Artitel Italien), grenzt im N. und D. an das 
Adriatiſche Meer, im S. an die Provinzen Bari, 
Potenza und Avellino, im W. und NW. an Bene- 
vent und Gampobaflo, hat 6962 (nad) Strelbitſtij 
6693) qkm mit (1901) 425450 (1881: 356267) E. 
d. 1.60 E. auf 1 qkm, und zerfällt in die 8 Kreiſe 
Bovino, F. (205 773 E.) und San Severo mit 53 Ge: 
meinden. Die Provinz wird im W. durchzogen von 
den Ausläufern des Apennin, bie fi im Montes 
Sambuco zu 982, im Monte-&ornachia zu 1151 m 
erbeben, während die im NO. gelegene Halbinfel 
von der meift mit Wald bevedten Gebirgsgruppe 
Monte » Gargano erfüllt wird. Zwiſchen beiden 
die weite, von vielen Fluſſen durchſchnittene apu⸗ 
liſche Ebene Tavogliere di Buglia, reich an Ölbäus 
men und Weiden, der Winteraufenthalt für große 
Biegen: und Schafherden. Nördlih von der Halb: 
infe an die Tremiti:\infeln (f. d.) vorgelagert. 
Die Grenze bilden Saccione und Fortore, jüdlich 
von der Halbinfel münden in den Golf von Man» 
fredonia der Gandelaro, Gervaro, Carapella und 
Dfanto. Am Norbrand der Halbinjel Er ſich eine 
me 2. di Leſina und di Barano, bin; 
eine zweite Neibe me fi füplih am Golf Lago 
di Saljo und di Salpi; an den Lagunen find zahl: 
reihe Salinen. Der Boden ift troß des heißen und 
trodnen Klimas ſehr frubtbar und liefert Getreide, 
Gewürz: und Futterträuter, Gemüfe, Tabat, Süß: 
bol;, Johannisbrot, Ol und Weine. Die Biebzudht ift 
von grober Bedeutung. Die die Provinz durchziehen: 
ben Eifenbabnen führen über die Hauptitadt $ — 
2) Hauptſtadt der Provinz F., zwiſchen den Fluß⸗ 
chen Cervaro und Celone in einer großen Ebene, an 
den Linien Ancona:F.:Bari, F.⸗Manfredonia 
(36 km), F.Lucera (20 km), %.:Neapel (198 km) 
und F. Rocchetta (50 km) des Adriatiſchen Netzes, 
Eis der Präfektur, eines Biſchofs, Tribunals, Han: 
delsgerichts, Eiſenbahnbezirks⸗Aufſichtsamtes, ſowie 
des Kommandos der Inſanteriebrigade «Toscana», 
ift gut und regelmäßig gebaut und hatte 9. Febr. 
1901: 53151, 31. Dez. 1881: 40283 E., in Gars 
niſon 2 Bataillone des 56. Infanterieregiments 
und eine Esladron Kavallerie; eine große Anzahl 
Kirchen und Altertümer, ein ſchoͤnes Zollhaus, einen 
—— Säulengang zu den oͤffentlichen Gärten, 

efte vom Palaſte Kaifer Friedrichs IL., in dem feine 
dritte Gemahlin, Elifabeth von England, 1241 ftarb, 
ein Stanbbild des berühmten Arztes Lanza, große 
Kornmagazine; ein Theater, —— eine 
Oberrealſchule, Gewerbeſchule, ein Lehrer⸗ und ein 
Lehrerinnenſeminar, eine Bibliothek, einen botan. 
Garten; bedeutenden Handel mit Wein, Ol, Wolle, 
Getreide, Vieh und den in der Umgebung in großer 
Menge wachſenden Kapern, ſowie eine ſehr beſuchte 
Meſſe (8. bis 20. Mai). F. iſt Hauptmarktplat der 
Landſchaft Apulien. In der Nähe die Ruinen des 
alten Arpi.— — ielt Kaiſer Friedrich II. 1240 
ein Parlament. Vor der Stadt ſiegte Manfred 
2. Dez. 1254 mit Hilfe der Sarazenen über die 
Soldnerſcharen des Papſtes Innocenz IV. Nah 
Manfreds Tod (1266) ließ Karl I. von Anjou die 
Stadt wegen ihrer Barteinabme für Ronradin bart 
büßen und fpäter ein Kaftell in derfelben errichten, 
1731 litt fie durch Erbbeben. 

Foglar, Ludwig, djterr. Schriftiteller, geb. 
24. Dez. 1820 zu Wien, ftubierte daſelbſt, ward dann 
Kaufmann, 1842 Liquidator der Donau: Dampfichiff- 
fahrtsgeſellſchaft daſelbſt und jtarb 15. Aug. 1889 


861 


8 Kammer am Atterſee. Er ſchrieb «Eypreflen», 
ichtungen (Wien 1842; 2. Aufl. 1846), «Strablen 
und Schatten», Gedichte (Lpz. 1846), «Ein Stüd 
Leben», Gedichte (Peit 1847), «Berworfene Schaus 
Bin (ebd. 1847), aKlara von Vifjegrad», epifche 
ichtung (ebd. 1847), «Geihichten und Sagen» 
(ebd. 1848), «Freibeitäbrevier», Gedichte (cbd. 1848), 
«Grzäblungen und Novellen» (ebd. 1854), «Neuere 
Gedichte» (ebd. 1859), «Schillers Legenden» (ebd. 
1859), «Donaufagen» (ebd. 1860), «Ein poet. Pilger 
buch» (ebd. 1861), «Still und bewegt», Gedichte 
(ebd. 1862), «Reliquien eines Honved», anonym 
ebd. 1862), «Novellenbudh» mit feinem Bruder 
dolf (2 Bove., Wien 1863), «Minnebof», Roman 
in Liedern (ebd. 1864), —— und leidoou⸗ 
Gedichte (Lpz. 1867), «Sanct Belociped», unter 
dem Pſeudonym Leberebt Flott (Hamb. 1869), 
«Beethoven. Legenden» (Wien 1870), «Gedichte. 
Neue Sammlung» (Lpz. 1883), «Geſchichten und 
Gedentblätter in Berjen» (Wien 1883). 

Foglia (pr. folja), Fluß in Italien, entfpringt 
an der Ditfeite des etrust, Apennins, in der Bro: 
vinz Arezzo, fließt nah DND. und mündet nad 
einem Laufe von 85 km bei Pefaro, defjen Hafen 
er bildet, ind Adriatiſche Meer. 

Foglie d’Espagne (fra ipr. foljih deſpännj), 
fpan. Tanz von ernjtem Charakter im Dreiviertel: 
takt, hat zwei Teile zu je acht Takten und wirb von 
einer einzelnen Bern getanzt. 

Foglietta (for. folj-), bis Ende 1870 ein gefep- 
liches Fluſſigleitsmaß im frübern Kirchenſtaate. Die 

. war ein Viertel des Boccale und in Rom für 

ein und Branntwein = 0,461, für Öl = 0,1 1; 
in Ancona war fie 0,36 1; in Bologna = 0,35 1. 

Foglietto (ital., ſpr. folj-, «Stihwort»), in ber 
Mufit rüber die Violinſtimme des Ronzertmeifters, 
in der die Soli und die Eintritte der andern Stim— 
men angedeutet waren, jo daß nad) diejer Vorlage 
dirigiert werben konnte. Bis zum Anfang bes 19. 
Jahrhunderts wurden alle Orcheiterjtüde nach einer 
ſolchen Direltionsjtimme vom erjten Bulte aus nes 
leitet. Ein befonderer Kapellmeifter und Partitur 
jind Produlte der neuern Zeit. 

090, eine der Kapverdiſchen Sr (1. d.). 

ob engl. Schreibweije für Fu⸗ hi (f. d.). 

oblen, Füllen, rd für das junge 
Pferd (bis zum 5. — F. als Verbum iſt gleich⸗ 
bedeutend mit Abfohlen und bezeichnet das Ge: 
bären der Stuten (ſ. Geburt der Tiere). 

ar ei ran Krantheit, ſ. Darrſucht. 

3 lenzähne, — 5*— der Pferde f d). 

öhn oder Fön (lat. Favonius), in den Tbälern 
am Norbabfall der Schweizer Alpen der warme, 
trodne Süd» und Eüdoitwind, der namentlich im 
Herbft, Winter und Frühling oft mit ortanartiger 
Seftiglet auftritt. Dem Föhniturme gebt in der 
Hegel Winpftille, auffallende Durafichtigteit der 
Yuft und ſcharfe, grelle Beleuchtung voraus, bie 
bald einer zunehmenden Trübung der Atmofpbäre 
weichen. In den oberiten Luftregionen bilden ſich 
Federwollen, während in den Thälern die Lufts 
feuchtigkeit fich bis auf 35 und 25 Proz. vermindert. 
Beim Beginn der Erjcheinung, die in Sberiopen von 
durbicnittlic 2%, Tagen eintritt, ijt der Wind kalt, 
Raſch erfolgen wärmere und immer wärmere Stöße 
das Barometer jällt, das Thermometer fteigt. Bei 
Menſchen und Tieren zeigen fihb Unbehagen und 
Griblaffung, die Bilanzen werden welt. Wird der 
3. feiner ortanartigen Heitigteit wegen oft gefürch⸗ 

54* 


852 


tet, fo daß während feiner Dauer kein Schiff den 
Urner: und den Walenſee zu befahren wagt und in 
Glarus und andern dem F. ausgeſetzten Orten kein 
euer brennen darf, ſo iſt er andererjeit3 ald «Schnee: 
refler» wohlthätig, der raſcher als die Sonne bie 
Schneemaſſen des Winters ſchmelzt und dem Früb- 
ling ven Weg bahnt, und es * denn auch die 
Föhngebiete wie das Ahönetha ‚das Oberhasli, 
das obere Reuß⸗ und das Lintbtbal, das bündnerifche 
und das St. Gallenſche Rheintbal, das Montavon 
u. ſ. w. böbere mittlere Temperatur und füdlichere 
Vegetation, als ihnen nad ibrer ec und 
ihrer Breite zulämen. Beim Aufhören des F. ent: 
laden fich die ibm folgenden Woltenmafjen in flut: 
artigen Regengüflen, und aud auf der Süpfeite ber 
Alpen geben die Föhnniederſchläge dem Winde nicht 
voran, jondern folgen ihm nad. Beim Eintritt des 
5, haben die Thäler am Südabfall der Aipen meiit 
oben Barometeritand und ruhige Luft, erft im Ber: 
(auf der Erſcheinung werden auch die tiefern Luft: 
ihichten der Süpjeite in die Bewegung hinein: 
nezogen und fteigen am Alpenfamme in bie Höhe, 
wobei Rondenfation des Waflerdampfes eintritt. 

Der 5. entiteht, wie Hann und Billwiller nad: 
gewieſen haben, in den Alpen jelbft, jobald im nördl. 

tlantifchen Dcean, zwiſchen der Bai von Biscaya 
und Nordicottland, ein tiefes Barometerminimum 
auftritt. Diefe Minima ziehen zunäcft die Luft 
Beiteuropas in den Wirbelfturm hinein, dann auch 
die Luft über dem nördl. Borland der Alpen und den 
Alpentbälern, und indem diefe Luft nah N. und 
NW. bin abfließt, ftürzt zum Erfa die Luft von den 
Alpenkämmen in die Tbäler binab, erwärmt fich da: 
dei und bildet den F. Wie die nördl. Alpenthäler 
ven Südföhn, haben die jüdlichen einen Nordföhn, 
wenn tiefe Barometerminima über dem Mittelimeere 
‘iegen, und ähnliche Winde find aud in Weſtgrön— 
fand, auf der Ditjeite der Neufeelänpiichen Alpen 
uf. mw. beobachtet worden. — Bal. Hann, Über den 
F. in Bludenz (Wien 1882); Berndt, Der F. (Gött. 
1886); derf., Der Alpenföhn in jeinem Ein auf 
Natur: und Menfchenleben (Ergänzungsbeft Nr. 83 
zu «Petermanns Mitteilungen», Gotha 1886); Wild, 
ber den F. (Zür. 1901). 

Föhr, eine der nordfrief. Inſeln (f. Karte: Han: 
nover u.f.mw.), 82 qkm groß, 13 km lang und 8km 
breit, zum Kreis Tondern der preuß. Brovinz Schles⸗ 
wig:Holitein gehörig, ift von dem nächſten Hafen 
Dagebüll 9 km entfernt und ftebt mit diefem jomie 
mit Hamburg und Hujum in regelmäßiger Dampf: 
—— d. iſt in drei Kirchſpiele geteilt 
und bildet mit Amrum (f. d.) einen Yandvogteibezirt 
von 4394 E.; die größere ſudweſtl. Hälfte der Inſel 
beftebt aus hoher, nicht unfructbarer Geeit, die 
nordöftlihe aus angeſchwemmter Mari, die feit 
1492 von einem a ih Deihe geibüst wird. Die 
Dörfer liegen alle auf der Geeft im Schatten ftatt: 
liber Bäume, wie überhaupt 5. alle nordfrie. In— 
jeln an Baumwuchs übertrifft (Strandallee, Königs: 
garten). Die Bewohner von F. ſprechen unter fich 
die nordfrief. Sprade, die noch heute mit örtlichen 
Dialettabmeihungen allgemein auf den jchleswig: 
ſchen Inſeln heimiſch ift, aber mehr und mebr von 
Plattdeutichen verdrängt wird, namentlich in den 
weniger entlegenen Ortſchaften. Kirchen: und Schul⸗ 
iprace iſt hochdeutſch. Die Männer jind als tüch: 
tige Seeleute befannt. Einen eigentümlihen Er: 
werbszweig bilden die 6 jog. Vogellojen, in welchen 
zur Herbitzeit die Kridenten und andere wilde Enten 


Fohr — Foir 


in großer Zahl gefangen werden. In der Näbe 
ehemals ergiebige Aufternbänte. Hauptort ift Wut 
(1. d.). Bemerlenswert find die vielen vordriitl. 

rabhügel und der alte Burgmall bei Borgum. — 
Bol. Ehr. Johanſen, Die nordirief. Sprache nach der 
Böbei E und Amrumer Mundart (Kiel 1862); 

. &. Nerong, 5. früher und jegt (MWyf 1885); 

D. Bremer, Einleitun ” einer amringiſch⸗fohrin⸗ 
giiben Spraclebre 9 e 1888); Ebr. Tenien, Die 
nordfrieſ. Inſeln Sylt, F., Amrum und die Halligen 
2. Aufl., Hamb. 1899); Martens, die nordiriei. 

nieln u. f. w. (Meldorf 1896); Schleswig: Holitein 
meerumjchlungen (fiel 1896). Eine Anthologie jind 
die «Terrengan dömreng Staden üb Rimen», + von 

D. Bremer (Halle 1888); Pbilippfon, Kultur» und 
Naturbilder von F. (Fobr 1902). 

öhrde, joviel wie Sjorb (.d.). 
hre, fübdeuticher Name der Kiefer (j. d. und 
Tafel: Nadelbölzer. BWalpbäume VIIL, 2). 
hreuſchwärmer, der Fichtenihmwärmer (j.d). 
oiften, ſ. Buddha. 

Foix (ſpt. fdä). 1) Arrombiffement im Bei} 
Depart. Ariöge, bat 2112 qkm, (1901) 70837 €, 
140 Gemeinden und zerfällt in 8 Kantone. — 
2) Hauptftadt des Depart. Ariege und des Arron⸗ 
difjements F., in malerifher Umgebung am Fuße 
der Vorenäen und links von der Ariöge und an ber 
Linie Toulouje: F.:Ar:led: Thermes der Süpbabn 

elegen, Sig eines Vräfelten, eines Gerichts: und 

ſſiſenhofs, iſt Schlecht gun, bat (1%1) als 
Gemeinde 7065 E., in Garniſon einen Zeil des 
59. Infanterieregiments; maleriſche Reſte eines 
Schloſſes auf hohem Feld, Mujeum, Lehrerjeminar, 

Bibliothet und Krantenbäujer; Gijenwerte, Voll 
ipinnerei, Zichtzieherei und Handel. — F. (Fuxum), 
jeit dem 11. Jahrh. Hauptort der Grafihaft und 
jpäter des Gouvernements 5. (4310 qkm), litt ſchwet 
mwäbrend der Neligionstriege. — Vgl. Basquier und 
Roger, Chäteau de F. (Foix 1900). 

oix (ipr. föd), altes franz. Grafengeſchlecht, 
das von der Grafſchaft F. im ſudoſil. Frankreich 
den Namen empfing. Roger von F. erbte von 
ſeinem Vater Bernard, dem jüngern Sohne bes 
Grafen Roger I. von Carcafjonne, einen Teil feines 
Gebietes und nahm um 1050, nachdem er noch durch 
Erbſchaft das übrige vereinigt, den Örafentitel an. 
Raimond Roger nd begleitete 1190 Phi⸗ 
lipp I. Auguſt von Frankreich nad Paläſtina. Doch 
wurde er nachher der Teilnahme an der Ketzerei 
der Albigenfer (f. d.) beſchuldigt, worauf Simon 
von Montfort fi in den Belis feiner Güter jebte. 
Gegen diejen im Bunde mit Raimond VIL_von 
Toulouje lämpfend, ftarb er 1223. Sobm 
Roger Bernard I. focht ebenfalls auf feiten 
des Grafen von Toulouje, mußte jih 1230 Yranl- 
reich unterwerfen und ftarb 1240. Roger Ber: 
nard II. tämpfte 1274 gegen Philipp IIL von 
Frankreich, dann gegen Peter von Aragon, der ibn 
gefangennabm, 1285 wurde er frei und ftarb 1303. 
— Gafton IL. von F. ftand in den engl. Kriegen 
(f. Frankreich) auf feiten der franz. Krone und cr 
bielt dafür einen Teil von Lautrec. Er fiel 1343 
bei der Belagerung von Algeciras, wo er Alfons XL. 
von Gaftilien gegen die Mauren unterftügte,. Sein 

Sohn Gaſton von F., Bicomte von Beam, 
feiner Schönbeit wegen Pheͤbus (Phöbus) genannt, 
pradtliebend und kriegeriſch, unterjtügte Philipp VL. 
gegen die Engländer und wurde u Gouperneur 
von Languedoc. Seine Bemablin Agnes, Tochter 


Fojano della Chiana — TFoldenfjord 


Philipps II. von Navarra, verftieß er. Des Eins 
verftändnifjes mit Karl dem Böfen von Navarra 
verdächtig, 309 er 1356 mit den Deutſchherren in 
Preußen gegen die heibn. Litauer. 1358 zurüd» 
getehrt, balf er der königl. Familie im Kampf gegen 
bie Jacquerie (j. d.) und die rebelliſchen Pariſer. 
Als ihm Karl VL den Befehl in Languedoc nebmen 
wollte, um ibn dem Seraog von Berry zu geben, 
ſchlug er diefen bei Revel. Seinen Sohn, den er im 
Verdacht hatte, daß er ibn auf Anftiften Karla des 
Bödfen vergiften wolle, nahm er 1382 gefangen und 
ließ ibn verhungern. Gafton ftarb 1391 ohne Erben. 
Er hat ein Gedicht über die Jagd verfaßt: «Miroir de 
Phöbusdesdeduiz dela chasse» (Par. um 1507u. b.), 
deſſen jchmüljtiger Stil fprihmörtlic wurde (faire 
du Ph£ebus, joviel wie su fchreiben, reden). 
Der König verlieh nun die Gra daft anMattbieu 
von %., ber 1398 finderlog ftarb, Hierauf erlangte 
Arhambauld von Grailly, der Schwager Mat: 
thieus, F. und wurde 1401 als Graf beftätigt. Er 
ftarb 1412. — Sein Sohn Johann von F. wurde 
von Karl VI. zum Generaltapitän der Languedoc 
ernannt, was ihn in Gegenjaß zu dem Daupbin 
bradte. Als diefer 1422 ala Karl VIL König ges 
worden war, föhnten jich beide aus; Johann wurde 
1425 oberjter Heerführer und mit Bigorre belebnt. 
Cr jtarb 1436. — Sein Sohn Gafton IV. von F. 
leiftete Karl VIL große Dienfte im Kampf gegen 
——— Er wurde Pair von Frankreich und er: 
bielt Rouffilloen. Er war vermäblt mit Eleonore, 
der Tochter Johanna IL. von Aragon und ber 
Königin Blanca von Navarra. — Bol. Leſeur, His- 
toire de Gaston IV, comte de F. (2 Bbe., Bar. 
1893 —%). Nach feinem Tode 1472 erhielt fein 
Entel Franz Phebus, Graf von F., Bigorre und 
F. Ihm folgte 1482 feine Schwefter Katharina, die 
1479 von ihrer Großmutter Navarra geerbt hatte, 
und die fih 1484 mit Johann von Albret vermäblte, 
Gafton von * og von Nemours, ein an⸗ 
derer Enkel Gaſtons IV., übernahm 1512 den Ober: 
befehl über das franz. Heer in Stalien, erwarb fich 
den Beinamen «foudre de l’Italie» und ftarb fieg- 
rei in der Schlacht bei Ravenna 1512. Da er der 
legte männliche Sproß des Haufes F. mar — feine 
einzige Schweiter Germaine war bie erfte Gemahlin 
Ferdinands des Katholiihen von Aragonien —, 
o erbte Heinrih von Navarra, der Sohn Albrets 
und der Katharina, das Land; defien Tochter Jo: 
banna war die Mutter König Heinrichs IV. von 
dan N der F. mit der Krone vereinigte. — 
Zoulouje 1852); Baubon de Mony, Relations po- 
litiques des comtes de F., jusqu’au commence- 
ment du XIV* siöcle (2 Bbde., Par. 1896). 
: ——— bella Chiana (fpr. fi-), Stadt in der 
ital, Brovinz und im Kreis Arezzo, 25 km füdlic 
von Arezzo, weftlich der Chiana ‚ bat a 7657, 
mit Poz30 7638 E., mehrere Kirchen mit Ichönen 
Gemälden, darunter San Francesco (15. Jahrh.), 
eine Gewerbeſchule und ein Krankenhaus. 
Foinica (pr. -ika), Stadt und Hauptort des 
Bezirls F. (806,81 qkm, 162 Drtichaften, 21481 €.) 
im bosn. Kreis Serajewo, in fhöner Lage, an der 
Dragata, hat (1895) 1530 meift kath. E., darunter 
obammedaner, in arnifon 1 Compagnie bes 
79. ungar. Jnfanterieregimentd, zwei Mojcheen, ein 
aufeinem Felfen liegendes Franziskanerkloſter, deſſen 
Kirche zu den ſchönſten und reichten des Landes ge 
bört; {haft und Schmiedehandwerk. 


on, Histoire du comt& de F. (2 Bde., | A 


853 
Fofäl (Focal), den Brennpunkt (lat. focus) 
etrefiend. 


o chineſ. Provinz, f. Fu⸗kien. j 

offe Simondz, Arend, niederländ. Schrift: 
fteller, geb. 2. Zuli 1755 zu Amſterdam, widmete ſich 
der Litteratur und lernte die alten und neuen Spra: 
chen. 1795 erbielt er eine Stelle beim ſtädtiſchen 
Selretariat und lebte feit 1804 amtlos von feiner 
— Wegen eines Aufſatzes wurde er 1810 von der 

anz. Polizei lange Zeit eingelertert. Er ftarb in 

fümmerlichen Berhältniffen 15. Nov. 1812 zu Am: 
fterdam. F. ©. bat zahlreiche Schriften veröffentlicht, 
in denen er al ſcharfer Gegner ber jentimentalen 
Schule von Feith (}. d.) auftritt. Mit feinem Wis 
machte er den Weltf .. lächerlich und hatte 
lange Zeit großen Erfolg. Bon feinen Werten fint 
hervorzuheben: «Moderne Helicon» (Amijterd. 1802) 
und «Boertige reis door Europa» (7 Bde., Haao 
1806; 2. Aufl. 1826). Großen Beifall fanden aud: 
«Katechismus der wetenschappen, schoone kun- 
sten en fraaje letteren» (11 Bbe., Amfterd. 1804). 
Eine illuftrierte Ausgabe feiner Werte erſchien zu 
Amfterdam in 12 Bänden 1833—35. 

ofometer, — zur Beſtimmung ber 
Brennweite von Linien. 

Fokos (jpr. koſch), ungar. Beilftod in der Form 
eines Streitbammerd; der Kopf des Stodes hat 
an dem einen Ende eine halbmonbförnige Schneide; 
das andere Ende ift vieredig, zunehmend und ham: 
merförmig abgeplattet. Der Stiel ift meift kurz. 
Die ungar. Hirten, namentlih die Schweinebirten 
im Balonyer Walde, brauchen den F. als Wurfmaffe; 
aud im Handgemenge ift er eine ‚gefährliche Waffe. 

offchani, ruman. Stabt, f. Fochani. 

ökünd (felund, lat.), frudtbar; fölundie: 
ren, befruchten, fruchtbar madıen; Fölundation, 
NET, —— chtbarkeit. 

ofus (lat. focus), Brennpunlt (f. d.). 

ol., Abtürzung für Folio (f. d.). 

Folard (ipr.-labr), Jean Charles, Ehevalier de, 

anz. Militärfchriftiteller, geb. 13. Febr. 1669 zu 

vignon, nahm von 1688 ab an ben Feldzügen unter 
Ludwig XIV. teil. Seine Eitelleit und Unduldfam: 
feit verfchaffte ihm viele Feinde, weshalb er na 
dem Friedensſchluß Frankreich verließ. F. begab fi 
nah Malta und fämpfte dort mit den Rittern gegen 
die Türlen, Eier auch dort in Streitigfeiten und 
trat in die Dienfte Karls XI. von Schweden, wo 
er bis zu defien Tode (1718) blieb. Er kehrte hierauf 
nad Frankreich zurüd und ftarb 23, März 1752 iv 
vignon. F. fchrieb «Nouvelles d6couvertes sur la 

erre» (Par. 1724) und fein Hauptwerk: «Histoire 

e Polybe» (mit Kommentar, 6 Bde., ebd. 1727 
—30),das grobe® Auffehenerregteund von Guichard 
litterarifch belämpft wurde. Friedrich d. Gr. fertigte 
aus dieſem Bud einen Auszug, den er «Esprit 
du chevalier F.» (1761) betitelte. F. fchrieb noch 
«Fonctions et devoirs d’un officier de cavalerie» 
(1733) ſowie «M&moires pour servir à l’histoire 
du chevalier de F.» (Regensb. 1758). 

Folder Fiſchgattung, ſ. Felchen. 
. 


b 


oldenfjord, Name zweier norweg. Fjorde 

arte: Schweden und Normwegen); der eine, 
im Amte Nordre⸗Throndhjem, im W. und R. von 
Namfos, ift der Schiffahrt gefährlich, er greift mit 
dem ſchmalen Indrefolden tief in das Hochgebirge 
ein. Noch —— iſt der zweite, im Amte Nord: 
land, im NO. von Bodö, der 4 in Nord: und Sud⸗ 
folden fpaltet. Das Land iſt bier faft unbemobnt. 


854 Földvar 


öldvär, ungar. Ortöname. 1) Jäſz- oder 
Tiſzafoldvär, Groß:Gemeinde und Hauptort 
des Stublbezirts Tiizaföldvar (32552 E.) im Komi: 
tat ———— lint3 von der Theiß, 
an der YinieSzolnol:Hödmezö:Bafärbely der Ungar. 
Staatöbahnen, hat (1900) 8082 magyar. E,, dar: 
unter 1698 Romiſch⸗Katholiſche, 1048 Evangeliſche 
— er Konfeſſion und 5154 Reformierte. — 
2) Bäcsfoldvär, GroßGemeinde im a 
O⸗Becſe des Komitats Bäcd:Bodrog, an der Eins 
mündung bes Franzenskanals in die Theiß, an der 
Linie O:Becje-lljvidek (Neufas) ver Ungar. Staats: 
bahnen, bat (1900) 6609 E. (3795 Ungarn, 2739 
Serben; 3624 Romiſch⸗Katholiſche, 2676 Griechiſch⸗ 
Orientalifhe) und lebhaften fang. Hier enden 
die von der Donau berüberziebenden Romerſchanzen 
(26 km lang, 5,8 m breit). — 3) Dunafölbvär 
j. d. — 4) F., ungar. Name von Marienburg (f. d.) 
in Siebenbürgen. 

Folembray (ipr. langbräh), Fleden im Kanton 
Coucy⸗le⸗Chateau, Arrondijjement Laon des franz. 
Depart. Aisne, am Rande des Couchwaldes und an 
der Linie Chauny⸗Laon der Norbbahn, bat (1901) 
1696, ald Gemeinde 1749 E.; große Glasfabrif. 

goleng o, Zeofilo, ital. Dichter, geb.8.Nov. 1491 
in Cipada (jegt verjhmunden) bei Mantua, trat 1509 
in Brefcia in den Benediltinerorben, aber wegen 
ſeines Berhältniffes zu einer Dame 1515 wieder aus, 
irrte mit der Geliebten bis 1517 umber und begann 
vielleicht nun erft die Univerfitätäftudien. Um diefe 

it entftanden feine Dichtungen maccaroniscen 
Stils (f. Maccaronische Poefie), die ihn als Meiſter 
der erzählenden Burleste zeigen. Das humoriſtiſche 
Eos «Macaroneae», unter andern die lomiſchen 
Heldengedichte «Baldus» und «Moschea» enthaltend, 
erſchien zuerft in 17 Gefängen (Venedig) 1517, dann 
in 25, mit Cinmifhung einer kraftvollern Satire, 
bejonderd gegen die Mönche, 1521. F. nannte fi 
bier ald Verfaſſer Merlino Eoccajo. 1519 auf 
1520 ins Rlofter zurüdgelebrt, verließ er es von 
neuem um 1524, war Lebrer bei Camillo Drfini in 
Rom und veröffentlichte 1526 und 1527 in Venedig 
mei Werte unter dem Namen Limerno Pitoces, 
das burleäte Rittergedicht «Orlandino» in Dftaven 
und «Chaos del Triperuno» aus Proſa und Verſen, 
aus Italieniſch, Lateiniih und Maccaroniſch ger 
mifcht, die myſtiſche Gefhichte feiner Irrtümer und 
Wahrheitserlenntnis. Beide Bücher zeigen eine 
itarfe Hinneigung zum Proteftantismus. Bald dar: 
auf trat er in den Orden zurück. Während eines er: 
*— Einſiedlerlebens 1530— 33 er dem Kap 
der Minerva bei Salerno fchrieb er das religiöje Ge: 
dicht «L’umanitä del figliuolo di Dio» in Oftaven 
(Bened. 1538), trat 1534 wieder ins Kloſter, ging 
1587 als Prior nad Sicilien, ward aber 1538 ab: 
berufen und lebte nun in San Martino della Scala 
oder in Balermo. Er ſchrieb noch religiöje Werte, 
jo ein Gedicht in Terzinen: «La Palermitana o 
umanitä di Cristo», und eine geiftliche Vorſtellung, 
ipäter «Atto della Pinta» genannt. Ende 1543 
ging er nad einem Kloster in Campeſe bei Baſſano 
und ftarb bier 9. Dez. 1554. Das maccaroniiche 
Epos arbeitete er um 1530 nochmals um; doch 
die Gunft deö Publitums verblieb der Form von 
1521. Eine volljtändige Ausgabe der Werte erſchien 
u. d. T. «Opus macaronicum» (2 Bde., Amſterd. 
(Mantua] 1768—71), neue von A. Portioli: «Le 
opere maccheroniche di Merlino Coccaio» (Bd. 1 
u. 2, Mantua 1882 u. 1883; Bd. 3, «Orlandino» 


— Folia 


und «Chaos», 1889). Die «Moschea»: Epifode be 
arbeitete 1580 Hans Ehriltoph Fuchs der Ültere 
deutſch ald «Mudenkrieg» (Neuausg. von Gentbe, 
Eisleb. 1833), das ganze maccaroniſche Epos ein un: 
genannter Sramzofe als «Histoire maccaronique de 
Merlin Coccaie» (2 Bde., Bar. 1606; Neuausg. von 
Bibliopbile Jacob, ebd. 1859). — Bal. Dalmiftro, 
Elogio di T. F. (Vened. 1808); A. Yuzio, Nuove 
ricerche sul F. (1889, im «Giornale storico della 
letteratura italiana»). 

Foley (fpr.-18), Jobn Henry, engl. Bildhauer, geb. 

Mai 1818 in Dublin, bejuchte die Zeichen: und 
Movellierfhule der dortigen königl. Society und 
wurde 1834 Zögling der Londoner Alademie. Seine 
Merle — ich durch elegante Formgebung aus, 
näbern ſich namentlich in Idealgeſtalten denen des 
Ganova. 1840 erwarb ibm eine Marmorgruppe, 
Ino und Bachus, Anertennung und Ruf; es folge 
ten die Marmorfiguren der Egeria und des Garacı 
tacus (im Manſion House zu Yondon). Von feinen 
Vorträtftatuen find bervorzubeben: die koloſſale 
Reiterftatue des Viscount Hardinge für Kaltutta, 
die kolofjale figende Figur des Prinzen Albert für 
das Albert:Memorial in London (f.d. [Dentmäler) 
und Tafel: Engliſche Kunſt II, Fig. 5), die 
Statue des Generals Dutram auf dem Waterloo: 
plaß dafelbft, die des Lord Clive in Shrewsbury. 
3. ftarb 24. Aug. 1874 in London. 

Folge, ſ. Grund. — Im altdeutihen Recht ift 
3. die Zuftimmung der Verfammlung (de Um: 
ftandes) u dem von dem Richter gefundenen Urteil, 
oder zu der von den dazu berufenen Fürften aus: 
gegangenen Königswahl; heute die Succeffion eines 
neuen Berechtigten an die Stelle eines Hinwegge⸗ 
fallenen (Lehnsfolge, Folge in ein — 
tommiß). — F. im Kartenſpiel ſ. Sequenz. 

Folgefond, nächſt Yoftedalsbrä (f. d.) der größte 
Gletſcher Norwegens (ſ. Karte: Schweden und 
Norwegen), liegt auf der vom Harbangerfjord 
und feinen Armen Sörfjord und Alrefjord begrenz 
ten Hochfläche (1652 m). F. befteht aus drei durch 
tiefe Thäler getrennten Teilen, ift 36 km lang und 
6—15 km breit. Der Übergang ift leicht. 

Folgepol, urjprünglihe Bezeihnung für die 
bei unregelmäßiger Magnetifierung eined Stabes 


auftretende Folge von Polen; jet vorzugsweiſe 
Benennung für. die Bole der Donamomaj ine in 
dem Falle, in welchem das Geftell einen magneti- 


{hen Doppeltreis bilvet, d. b. aus zwei mit ihren 
gleihnamigen Polen eye oßenden Hufeifen 
gebildet wird, wie 4. B. bei der Gramme-Maſchine, 
mäbrend bei der Ediſon⸗Maſchine nur ein derartiges 
Hufeifen vorhanden * u. 

olgerung, im allgemeinen foviel wie Schluß; 
in — Sinne der unmittelbare Schluß, d. b. 
die Ableitung eines neuen Urteild aus einem ein: 
jigen gegebenen. (S. Schluß.) 

v —— ſoviel wie Metameren (f. d.). 

olia (lat.), Blätter; im Droguenbandel bie 
natürlich getrodneten Blätter verjchiedener Pflanzen 
um Gewerbe: und Medizinalgebraud. Dffizinell 
And: F. Althaeae, Eibiihblätter; F. Belladonnae, 
Belladonnablätter; F. Digitälis, ingerbutblätter; 
F.Farfärae, Huflattichblätter; F. aborandi, Jabo 
ranbiblätter; F.Juglandis, Walnufßblätter; F. Mal- 
vae, Malvenblätter; F. Melissae, Melifjenblätter; 
F. Menthae piperitae, Vfeffermingblätter; F. Nico- 
tiänae, Tabafblätter; F. Salviae, Salbeiblätter; 
F. Sennae, Sennesblätter; F. Stramonli, Stech⸗ 


Foliant — Folkunger 


apfelblätter; F. Trifolũ fibrini, Bitterllee; F. Uvae 
Ursi, Bärentraubenblätter. — F. Arctostaphfli 
find Bärentraubenblätter, F. Datürae Stedapfel- 
blätter, F. Menyanthis ®Bitterllee, F. Pilocarpi 


Yaborandiblätter, F. Tabaci Tabafblätter, F. Tus- | erf 


oliänt, Buch in Folioformat (f. Folio). 

olie (vom lat. folium, d.i. Blatt, Blattmetall), 
Blätthen von allerbünnftem Blech, die aus ver 
ihiedenen Metallen, namentlich Silber und Binn, 
in allen Farben bergejtellt werden. Das dünnite 
Silberbleh (Silberfolie, echte 5.) heißt, auf 
einer Seite vergoldet, Goldfolie; die dünnſten 
gold: und filberplattierten Kupferbleche werden un: 
echte F. oder Kupferfolie genannt. Das Färben 
der F. erfolgt dur Aufftreichen einer mit vegeta- 
biliihen Farbitoffen gefärbten Haufenblajes oder 
Gelatineauflöfung. Die echte F. wird zum Faflen der 
Gdelfteine, zu Glasflüffen u. ſ. w. Eveljteinimis 
tationen), innfolie (Spiegelfolie) zum Bes 
(egen der Spiegel benust. Im bilvlihen Sinne ver- 
X man unter F. einen Gegenſtand von geringerm 
Wert, der dazu dient, einen andern hervorzuheben. 

Folie —9— ſpr. -[ib) Thorbeit, Narrbeit. 

Folie, ta (ipr. -[ib), Borftadt von Epernay (f.d.). 

Folies dramatiques (frz., jpr. folli vramma: 
til), jeßt Opéra populaire genannt, Barifer Opern: 
und Operettentbeater, am Boulevard St. Martin, 
wird feit 1900 von der Stadt verwaltet. 

Foligno oder Fuligno (fpr. linjo), Haupt: 
—* des Kreiſes F. (75594 E.) in der ital, Provinz 
Berugia, 32 km im SD. von Perugia, in 233 m 
Höbe, in dem fruchtbaren Thale des Topino und an 
den Linien Ancona:Rom und Perugia⸗-F. (40 km) 
des Adriatiſchen Netzes, Biihofsfis, bat (1901) ala 
Gemeinde 26111 E., in Garnifon 6 Batterien des 
1. Feldartillerieregiments nebit einer Traincompag: 
nie; zablreiche Kirchen, darunter Sta. Annunziata 
(16.abrb.) mit "Smonges Sp, vi rd Kathe⸗ 


J— Huflattichblätter. 


drale am Victor⸗Emanuels⸗Plaßz, die Kirchen Sta. 
Maria infra Muros, Sarı Niccold mit dem Altar: 
bilde von Niccold di Liberatore, genannt Alunno, 
ferner eine Binalotbet mit röm. Skulpturen und Ge: 
mälden umbrijcher Maler, Gymnaſium, Brivatpa- 
läjte, ein großes Theater und eine techniſche Schule, 
Rafael Madonna von F. (1512 gemalt), jeit 
1565 in dem a befindet ſich jebt im 
Vatikan zu Rom. Die Jnduftrie erjtredt ſich auf 
Seidenbau, Fabrilation von Leder, Kerzen, Seife 
und Gonfetti; der Handel ift lebhaft. — F. das alte 
Fulginia, jpäter röm. Municipium, ward 1281 von 
den Verugianern zerftört, 1305— 1439 von den 

uelfiſchen Zrinci beherrſcht, nad deren Ausrottung 
Sa ft Eugen IV. 5%. an den Kirchenſtaat brachte, 
5. batte ſehr häufig durch Erbbeben zu leiden, am 
meijten am 18. Jan. 1832. — Vgl. Compendio della 
storia di V. (Fuligno 1858/59); Roſſi, I pittori di 
F. (Berugia 1872). 

Folio (ital, vom lat. folium, Blatt), das größte 
Buchſormat, für das der Drudbogen nur einmal, 
aljo in zwei Blätter gebrochen wird; in der lauf: 
männifcen an (f.d.) die numerierte Seite 
(richtiger Doppeljeite) eines Geſchäftsbuches; ein 
F. (oder Folium, ſ. d) in einer Bant baben 
beißt: in derjelben Geld und in ihrem Hauptbud 
eine Rechnung (Gonto) darüber haben; foliieren, 
die Blätter eines Buches, aus je zwei einander 
gegenüberjtebenden Seiten beftehend, mit fortlau: 
tenden Ziffern verjeben. 


855 


. Folfum (lat., Mebrzabl Folia), Blatt, nament: 
lih das Blatt in einem Bud; Folio meo (bei Ans 
gabe der Blattzahl), nach meiner, d. h. nad} der von 
mir gebrauchten Ausgabe; Folio recto, auf ber 
ten Blattjeite (Gegenfag: Folio verso, auf der 
zweiten oder umgemwendeten Blattfeite). [&e5 . 

Folium Cartesij, eine Hurve (f. d. nebit Taf. 

Folkeftone ( jpr. Io tn), Municipaljtadt an 
ber Küfte der engl. Grafidaft Kent, ſudweſtlich von 
Dover, zwifchen Kreidehügeln (Folleſtone⸗Hill 164m) 
chon gelegen, ift auf unebenem Boden erbaut, hat 
eile Straßen, (1901) 3069 E. eine Guilohall und 
ein Denkmal des hier geborenen Phyſiologen William 
Harvey (f. d.), nad dem auch das litterar. Inftitut 
jeinen Namen führt. Der Hafen, auf Kojten der 
—— ——— gebaut, mit neuem Bier, ſteht 
durch Zweigbahn mit der Linie Londons Dover in 
Verbindung. li geben Dampfer nah Bou⸗ 
logne. Bedeutend ift die Einfuhr von Moll: und 
Seidenwaren (Wert 1899: 14883284 Pfd. St.) 

omie von Wein. F. wird aud als Seebad viel 

eſucht. — Die Stadt wird unter vem Namen Folce⸗ 

* als der Ort bezeichnet, wo 449 die Angelſach⸗ 

en und Seen unter Hengift von dem Briten Mor: 

timer_gejhlagen wurben. Kaum 0,8 km im W. 
liegt Sandgate, ein Meines Seebad von 1756 E., 
mit einem von Heinrich VIIL erbauten Schloſſe. 

—* deutſch oft Folkething geſchrieben, 
Br Be Abgeorbnetenhaus (f. Dänemark, Ber: 
aflung). 

Folk-Lore (fpr. fohl lobr), ein von dem engl. 
Gelehrten William J. Thoms (geft. 15. Aug. 1885) 
gebildetes und zuerſt in der Londoner Wochenſchrift 
«Athenaeum» vom 22. Aug. 1846 zum Gebraud 
vorgeichlagenes Wort, welches «Volläwifien» (d. b. 
das Wiſſen des Volls) bedeutet. Thoms empfahl 
das Wort ald Bezeihnung alles deſſen, was man 
bisher in England Po Antiquities (Volle: 
altertümer) oder Popular Literature (Boltälitte: 
ratur) ——* hatte. Das neue Wort bürgerte ſich 
in England bald ein, und feitvem 1878 in London 
die F. Soci olk - Lore: Gejellfhaft) gegründet 
worden ift, die jich die Sammlung, Beröffentlihun 
und Erforihung von heimiſchem und fremdem 
zur Aufgabe gemacht hat und zu dieſem Zwecke eine 
eigene Seife (zuerft «F. Record», feit 1883 «F. 
Journal») und außerdem noch befondere Schriften 

herausgiebt, find F. und die davon abgeleiteten Wörs 

ter allmäblih international geworden. Man kennt 
und gebraucht jetzt überall in der wiſſenſchaftlichen 

Welt F. als zufammenfafjende Bezeihnung_ aller 

Boltzüberlieferungen, aljo insbejondere der Sagen 

und Märchen, der Lieder und Reime, der Sprid: 

wörter und Rätiel, der Meinungen und des Aber: 
laubeng, der Sitten und Bräude. (S. auch Volks⸗ 
nde, Bd. 17.) — Bol. Gomme, Dictionary of 
british F. (2ond. 1899); Klöpper, F. in England 

und Amerifa (Dredd. 1899). , 

olfunger, Name eines mächtigen ſchwed. Ges 
ſchlechts, daß unter einer Reihe von ſchwachen Stös 
nigen immer größern Einfluß gewann und endlich 
mit Waldemar 1250 die Königswürde erlangte; 
doch war dejien Vater Birger Jarl (f. d.) der eigents 
lihe Regent des Reihd. Die Regierungszeit der 

3 (in Schweden bis 1363 und nachber in Norwegen 

138 1387) ift durch unaufbörlihe Streitigkeiten 

zwiſchen den Gliedern des königl. Haufes gelenn⸗ 

zeichnet. (S. Schweden, Geihichte.) Es regierten 
' nadbeinander Waldemar bis 1275, Magnus Laduläs 


856 


1275— 90, Birger bis 1318 und Magnus Erikſon 
(Smel) 1819—63, nebit feinen Söbnen Erich (1357 
—59) und Hälan (1362—63). Magnus Erifion 
nebit jeinen Söhnen wurde 1363 in Schweden des 
Thrones verluftig erllärt, doch behauptete fih Hälan 
(f. d.) in Norwegen. Er jtarb 1380. Mit feinem 
einzigen Sohn Dlaf V. erlojh 1387 das Geſchlecht. 
olfiwangr («das Gefilde der Scharen»), in der 
eddiſchen Mythologie die Wohnftätte der Göttin 
Freyja. Hierher fommen bie Toten, die dieſer Göt: 
tin zuteil werben. 
ollen, Aug. (fpäter Adolf Ludw.), auch Fol: 
lenius, Dichter geb. 21. Jan, 1794 zu Gießen, 
ftudierte daſelbſt Theologie machte 1814 ala Frei: 
williger den Feldzug gegen Frankreich mit, jtudierte 
bierauf in Heidelberg die Rechte und übernahm 
1817 zu Elberfeld die Nedaltion der dortigen «All: 
emeinen Zeitung». Nachdem er, wegen demagogis 
er Umtriebe angellagt, 1819—21 in Berlin in 
Haft gefefien hatte, erhielt er eine Stelle an der 
Kantonsſchule zu Aarau, wohnte dann zu Altiton 
im Kanton Züri, fpäter in und bei Züri, er: 
warb 1847 das Schloß Liebenfels im Thurgau und 
widmete ſich ganz der Ölonomie. 1854 vertaufte 
er dad Grundjtüd und von nad Bern, mo er 26. De. 
1855 jtarb. F. ift der Verfaſſer mebrerer Demo: 
fratenlieder (wie « Baterlandsjöbne, traute Ges 
nofjen») in den « Freien Stimmen frischer Jugend» 
Bra 1819), deren ftärkfte Stüde aber nicht ibn, 
ondern feinen Bruder Karl zum Dichter hatten. 
Große Anertennung fand fein «Bilderjaal deuticher 
Dichtung» (2 Bde., Winterthur 1828—29). Ferner 
find von ihm bervorzubeben der Ritter: und Zauber: 
roman «Malegys und Vivian» (1829), das Bruch: 
üd einer ae Bearbeitung von «Triftan und 
jolde», der fih das romantifche Epos «Triſtans 

Itern» (Gieß. 1857) anreihte. Gegen die von Ruge 
vertretene Richtung trat F. auf in ſechs Sonetten 
voll Geift und Wis, die u.d. T. «An die Gottlojen 
Nichts: Wüteriche, fliegendes Blatt von einem Ver: 
hollenen» (Heidelb. 1845; 2. aufs Vierfache verm. 

ufl.1846) erihienen. — Bol. Mathilde Gräfin von 
Reichenbach, Arndt und F. (Lpz. 1862). 

#ollen, Karl, Bruder des vorigen, geb. 3. Sept. 
1795 in Romrod (Oberbefien), jtubierte Theologie 
in Gießen, machte 1814 als heſſ. Freiwilliger den 
Feldzug gegen Frankreich mit, ftudierte nah Be: 
endigung des Krieges die Rechte und habilitierte fich 
1818 für Civilrecht in Gießen. Wegen polit. Berfol- 

ungen fiedelte er nach Jena über, bis ihn erneuerte 
nterſuchungen veranlaßten, ih nad Frankreich und | 
von da in die Se zu begeben, wo er zuerjt an 
der Kantonsfchule in Ebur, dann an der Univerfität 
zu Baſel Anjtellung erhielt. 1824 wanderte er nad) | 
— und 1829 mit mehrern —— nach 
ordamerila aus, wo er 1830 Profeſſor der deut⸗ 
ſchen Sprache am Harvard College in Cambridge | 
Maſſachuſetts) wurde. Da er ſich dur lebhafte | 
eilnahme an der Antijllavereibemegung bei der 
dortigen «Korporation» mißliebig gemadıt hatte, 
fab er fih genötigt, 1834 feine Stelle niederzulegen. | 
1536 wurde er zum Geiſtlichen ordiniert und erhielt | 
eine Biarre zu Eaſt Yerington (Maſſachuſetts). Er | 
jtarb Ende des J. 1839 (nach andern 13. Jan. 1840) | 
ei einem Schiffsbrande auf der win von Neuyort 
nad Bojton. Außer mebrern Freiheitsliedern im 
Geifte der Burjchenihaft verfaßte F.: «German 
reader» (Boft. 1831; jpäter bg. von G. A. Schmitt, 
1858), «Practical grammar of the German lan- 








Folkwangr — Tolticeni 


guage» (ebd. 1831). Seine gefammelten Schriften 
gab 1842 jeine Gattin heraus (5 Bde., mit Lebens⸗ 
beichreibung). — Vgl. K. Buchner in Mundts «Freis 
bafen» (Altona 1840). 
Follikel rk kleiner lederner Sad, Schlauch; 
in der Botanik joviel wie Balgfrucht; in der Ana— 
tomie Keine, in der äußern Haut und den Schleim: 
bäuten eingebettete Drüfenfädhen, melde von 
einem dichten Haargefäßnes umfponnen find und 
Hauttalg oder Schleim abfondern. Durd ihre Ent: 
ee und Verſchwärung entiteben die Folli— 
ulärabfceffe und Follikulärgeſchwäre, die 
die Größe einer Heinen Erbſe erreihen. F. beiten 
auch die cpitenartigen Drüjenbläschen der Sci 
drüje und des Eierſtocks (Graafſche F., ſ. Eier: 
tod), —* die Heinen balgartigen Lymphdrüſen 
in der Zungen, Rachen- und Darmihleimbaut. 
ollifulär, den Follilel (f. d.) betreffend. 
olliot de Erenneville (ſpr. -iob dẽ krenn⸗ 
wil), Franz, Graf, öfterr. Feldzeugmeiſter und 
Oberftfämmerer, aeb. 22. März; 1815 zu Odenburg, 
wurde 1831 Unterleutnant beim Regiment Kaiſer— 
jäger, 1837 Hauptmann und 1841 Dienftlämmerer 
des Kaijers Ferdinand, welches Hofamt er auch ale 
Major, Oberjtleutnant und zulekt als Oberſt un 
Flügeladjutant bis Dez. 1848 befleidete. Bald dar: 
auf übernahm er das Kommando eines Grenadier: 
bataillons, das er in dem Feldzuge gegen Biemont 
1849 ſowie mäbrend der Streifzüge in ver Romagna 
gegen Garibaldi führte. Als Kommandant der in Be 
lagerungsauftand erflärten Stabt Livorno batte er 
im Nov. 1849 mit dem Nationalbak zu fämpfen, ver 
fih 20 Jahre fpäter noch in einem Attentat äußerte, 
von dem er bei einem Beſuche in Livorno bebrobt 
wurde. F. wurde 1850 Generalmajor, ging 1855 
in diplomat. Sendung nad Paris und übernabm 
nach feiner Nüdtehr ald Brigadier den Befehl über 
die djterr, Truppen in Parma. Sodann erfolgte 
1857 feine Ernennung zum Feldmarſchallleutnant 
und Divifionär, in welcher Eigenſchaft er 1859 am 
Kriege gegen die verbündeten Franzoſen und Pie: 
montefen teilnahm. Er wurde 1859 VBorfikender im 
Präfidialbureau des Armee:Oberlommandos, im 
DH. 1859 Generaladjutant des Kaiſers, 1867 Feld⸗ 
eugmeijter und Oberjtlämmerer, 1875 lebensläng: 
ibes Mitglied des Herrenbaufes des öjterr. Reiche: 
rats. %. jtarb 22. Juni 1888 in Gmunden. 
Follonica, Dorf in der ital, Provinz Groſſeto, 
an einer Bai des Torrbeniihen Meers und an den 
Linien Piſa-Rom des Mittelmeernehes und F.⸗Maſſa 
Marittima, bat etwa 1300 E. und Schmelzbütten, 
die das Eijen der Inſel Elba verarbeiten. Bom 


Juni bis Nov. ift 5. der Malaria wegen verddet. 


Folo, Siovannt, ital. Kupferſtecher, geb. 20. April 
1764 in Baflano, geit. 7. Juli 1836 in Rom, gina 
aus der klaſſiſchen Schule des Volpato und R. 
Morghen bervor. Zu feinen beiten Zeijtungen zäblen 
die Madonna mit dem Leuchter nad Raffael, Auf: 
erwedung des Fünglings zu Rain nad Ag. Earracti, 
Der heil. Andreas nah Domenihino, Adam und 
Eva nad Tizian, Das heilige Abendmahl nach Leo⸗ 

Belle: . Zortur. [nardo da Vinci. 

olticeni (Falticeni, Faltitiheni), Haupt: 
ftadt des rumän. Kreijes Suceava in der Moldau, 
unweit der Örenze gegen die Bulomwina, an der Babn 
Dolhasca⸗F. (6 km), bat (1899) 9643 E. darunter 
5499 Seraeliten, Gymnaſium, Gewerbeſchule, ein 
Krantenbaus und einen früher bedeutenden 15tägi- 
gen Jahrmarkt im Juli. 


Foltz — Fonderie 


Fols, Ludwig, Baumeijter und Bildhauer, geb. 
23. März 1809 zu Bingen, beſuchte 1830—32 die 
Munchener Alademie und trat in das Atelier 
Schwanthalers. 1837 lebrte 5. an der Gewerbe: 
ſchule zu Regensburg, wurde bald darauf Profeſſor 
an der Polytechniſchen Schule zu Münden, wo er 
10. Nov. 1867 ftarb. Seine Thätigleit galt zahl: 
reihen Reftaurationen von Schloͤſſern und Kirchen, 
dem Bau der königl. Villa zu Regensburg und ber 
Ausihmüdung der Liebfrauenlirdhe zu Münden. 

Folg, Bhilipp, Maler, Bruder des vorigen, 

eb. 11. Mai 1805 zu Bingen, ging 1825 nad 
unchen und arbeitete ſchon nad einigen Jahren 
alademifher Studien unter Cornelius mit an den 
Fresten der Glyptothek, wobei ihn Schlotthauer in 
der Technik unterwied. Dann malte er unter ben 
Arkaden mit Schilhen einige Bilder aus der bay. 
Geſchichte. In der Neuen Reſidenz fübrte er mit 
Zuziehung von Wilh. Lindenfhmit im Schreibzim: 
mer des Königs 23 Daritellungen nah Schillers 
Balladen und Dramen, und allein im Servicezim: 
mer der Königin 19 Bilder nad Bürgers Gedichten 
aus. Daneben hatte er noch Zeit zu einigen Genre: 
bildern, welche zum Teil aus dem Almenleben, zum 
Zeil aus den griech. Befreiungstämpfen entnommen 
waren, und zu ber jhönen, 1832—33 entjtandenen 
Beihnung : Der Abichied König Ottos von Grieden: 
and, welches 42 Porträte enthält (lithograpbiert 
von Bodmer). 1835 ging 3. nah Rom und ſchuf 
* zwei Heilige Familien, dann den Grafen von 
absburg und Des Sängers Fluch nach Uhland 
(1838; Stäptifches Muſeum zu Köln, und Heiner in 
der Neuen Pinalothel in Münden). 1839 wurde er 
Profeſſor an der Münchener Alademie und malte 
einige Scenen aus dem Tiroler Krieg, einige Jagd⸗ 
bilder und Die Wallfahrt im Gebirge (Galerie zu 
Schleißheim). In die Zeit um 1850 fallen die Wand: 
malereien im Badejaal des Königs Marimilian I. in 
der Refidenz zu Münden und die dur Umbau ver: 
lorenen Wand: und Dedenbilder des ehemaligen Pa⸗ 
lais Schönborn, jetzt Cramer⸗Klett, wie auch die Illu⸗ 
—— zu Cottas Ausgaben der deutſchen Klaſ—⸗ 
ifer. Später entſtanden bie großen Olgemälde für 
das Marimilianeum: Heinrich ber Löwe verweigert 
zu Ehiavenna dem Kaifer Friedrich I. Barbarofja 
bie Heereäfolge gegen die aufftänbiithen Mailänder 
(1854) und Das Zeitalterdes Perilles (1866); ſodann 
als anſprechendes Genrebild Die Frau mit dem 
Kinde (Galerie — Schleißheim). Im Dez. 1865 
wurde er Centralgaleriedireltor; im Mai 1875 trat 
er in ben Rubeftand. Seine hauptfächlich auf weit: 
gehende Gemäldereftauration gerichtete Thätigkeit 
an der Galerie 30g ibm mandherlei Anfeindungen zu. 
Er ſtarb 5. Aug. 1877 in Münden. 

Folz, Hans, Meifterfänger aus Worms, ſiedelte 
aus feiner Heimat nah Nürnberg über, wo er 
ald Barbier und — vor Sept. 1515 ſtarb. 
Seine zahlreihen Schwänke, Rampfgeipräde, Rät⸗ 
ſel, Neujahrsgrüße, Faſtnächtſpiele, Meiſierlieder 

eigen die Unſauberkeit der Zeit von der ſchlimm⸗ 
ten Seite. Doch hat F. auch Ernites bejung:*: 
Zeitereignifle («Von der Veftilenz», 1482, neu dy. 
von Martin, Straßb. 1879; «Von der Kollation 
Marimiliand», 1491, neu gedrudt von Margaraff; 
·Kaiſer Marimilian und Dürer in Nürnberg», 
Nurnb. 1840), Wiſſenſchaftliches («Liber colla- 
tionum»; «Bon allen Wiltbaden») und Geiftliches, 
alles rob, aber nicht ohne finnliche Kraft. 5.’ Dich: 
tungen, die ihrer Zeit viel in Einzeldruden umliefen, 


857 


find Bw herausgegeben in A. von Kellers «Saft: 
nachtipielen» («Bibliothek des Litterarifchen Vereins 
in Stuttgart», Bd. 28—30 und 46, Stuttg. 1853 
—58) und «Erzählungen aus —— Hand⸗ 
ſchriften⸗ (Bd. 35, ebd. 1854). — Val. Zeitſchrift 
für deutfches Altertum, Bd. 8, ©. 507 fg. 

Fomalhaut (arab. fom al-haut), Stern 1. Größe 
im Sternbild des ſüdl. Fiſches. 

Foment (lat.), marmer Umſchlag (ſ. Bäbung); 
fomentieren,bäben,warmbalten;fomentativ, 
zur Bähung bienend. 

ön, Wind, f. Föbn. 
onäcza, Junacia, OrtimBibargebirge(f.d.). 
o0n06 (frz., ſpr. fongßeh), duntel (von farben). 

Fonciermafchine (ſpr. fongb-) oder Grun: 
diermafdine, eine bei der Fabrikation der Bunt: 
papiere und ber Tapeten benutzte mehan. Vorrich⸗ 
tung, welde auf das in Rollen vorgelegte Papier 
bie Farbe aufträgt, diefelbe ausbreitet und fie gleich: 
mäßig auf der Oberfläche verreibt. 

ond (frz., fpr.fong, vom lat. Grundmwort fundus, 
Nebenform zu Fonds, ſ. d.), Grund, Boden; ber 
—— entlegenſte Zeil von Etwas, Hinterfig im 
agen, Hintergrund eined Gemäldes, einer Bühne, 
auc der Grund von gemufterten Stoffen; im über: 
tragenen Sinne: Grundlage folider Kenntni e, 
Wiſſensſchatz, Geiſtesfülle, innerer ſittlicher Gebalt; 
& fond, grundlich, aus dem Grunde, 

Fonda, in Spanien ein Gaſthof erften Ranges. 

Fondäoo (ital., vom arab. fonduk), Laden, 
Gewölbe. F.dei Tedeschi (pr. -fi), das «KKaufhaus 
der Deutihen» in Venedig, ein am Großen Kanal 
nabe der Rialtobrüde gelegenes, feit dem 12. Jahrh. 
befanntes Gebäude, worin die deutichen Kaufleute 
ihren Handel unter Aufficht der venet. Behörden zu 
betreiben gezwungen waren. Das jehige Gebäude 
wurde 1506—8 erbaut, nachdem das frühere durch 
einen Brand 1505 zerftört war. Spuren von Freslen 
Tizians und Giorgiones find noch jetzt vorhanden. 
Nah Erlöfhen des deutſchen Handeld blieb der 
F. dei Tedeschi wegen der darin untergebradhten 
Sammlungen wertvoller Gemälde eine Sehens: 
würbdigfeit Venedigs, bis die franz. Regierung ihn 
1806 zum Sitz der oberften Yandes: yinanzbebörde 
madte, deren Siß er jeither geblieben iſt. Dal. 
Simonäfeld, Der F. dei Tedeschi in Venedig 
(2 Bde., Stuttg. 1887). — F. dei Turchi (fpr. -K), 
das «faufhaus der Türken» in Benedig, das Quartier 
ber türf, Kaufleute, feit 1621 in einem prächtigen, 
vonder Familie Bejaroim 13. Jahrh. erbauten Balaft 
am Großen Kanal bei San Giacomo ball’ Drio. 
1860 ging der F. dei Turchi in den Befiß der Stadt 
über, die ibn nah dem alten Plan und mit dem 
alten Material neu erbaute und das ſtädtiſche Mu: 
feum und die Sammlung Eorrer hinein verlegte. 

‚Fondamento (ital.), Zundament, in der Nufit 
die Grundjtimme, der Grundbaß. [mwert. 

— —— frz, ſpr. fongdäng), gefülltes Zucker⸗ 

ond⸗du⸗ Lac (ſpr. fong dü lad), Hauptſtadt 
des County F. im nordameril. Staate Wisconſin, 
100 km nordnordweſtlich von Milwaukee, am ſudl. 
Ende des Winnebago:Sees, Eifenbahntnotenpuntt, 
bat (1901) 15110 €., Dampfihifiahrt nach der 
Greenbai des Michigan-Sees und als Mittelpunkt 
eines fruchtbaren Aderbaubdiftrift8 Handel mit Ge: 
treide, Holz, Eifen und Vieh. Zahlreiche artefi- 
ſche Brunnen verjeben die Stadt mit gutem Waſſer. 

Fonderie (frj., pr. fongd'rib), Gießerei, 
Scmelzbütte, 


858 


ondi, Stadt im Kreis Gaeta der ital. Provinz 
Eajerta, 10 km vom Meere, auf einer Höhe an der 
alten Via Appia, is (1901) ald Gemeinde 9930 E., 
Reite eines Schlofjes der Eolonna, eine got. Haupt: 
firhe und im ne die Kapelle, in der 
Thomas von Aquino lehrte, F. wurde 846 von den 
Sarazenen niedergebrannt, 1534 von Cheir ebdin 
Barbarofja zeritört. — Bal. C. Sotis, Cenno isto- 
rico della eitt& di F. (Neap. 1838). 

Fonds (fr;., pr. fong, vom lat. fundus, altfranz. 
fons, neufranz. mit etymologifierender Schreibweile 
fonds; f. Fond), eine Geldanlage, Grundlapital, 
Stammgelb u. ſ. w. Offentliche F. werben in 
Großbritannien vorzugsweiſe diejenigen Staats: 
einnahmen genannt, welhe zur Tilgung deö Ra: 
pitals und der Zinfen von Staatsanleihen bejtimmt 
werben. Der Gebraud, dieſes zu tbun, entitand 
unter MWilbelm III., jede Anleibe erbielt ihren F. 
Da aber zumeilen der eine F. nicht audreichte, 
während ein anderer. noch Überihuß hatte, jo ſchlug 
man fpäter mebrere $ zufammen und beitritt aus 
ihrem gemeinichaftliben Ertrage die —A 
für welche ſie beſtimmt waren. Auf dieſe Weiſe 
entſtanden ſeit 1715 die Geſamtfonds (aggregate 
fund): der Sübdfeefonds, der allgemeine F., der 
Amortifationsfonds (sinking fund) und endlich 
der konjolidierte 0% (consolidated fund), der ai 
1786 nah Aufbebung der genannten F. die Ge: 
ſamtheit der öffentlichen Einkünfte mit Ausſchluß 
der jäbrliben Bewilligungen vereinigt. Aus diejem 
F. werben bie Zinjen und fälligen Kapitale des - 
zen Staatsſchuldenweſens, die Zinfen der Schatz— 
fammerjceine, bie Eivillifte, alle Benfionen, Gehalte 
u. ſ. m. bezahlt; der überſchuß aber wird jährlich von 
dem Parlament für die Bedürfnifie des laufenden 
Jahres —— — In Frankreich wurde der 
Musdrud F. publics ſchon früb auch auf folde 
Staatsfchuldverjchreibungen angewendet, die eine 
Fundierung auf beftimmte Einnahmequellen gar 
nicht bejaßen, und gegenwärtig faßt man unter 
diejem Namen alle Schulbverfhreibungen des 
Staates, der Departements und der Gemeinden zu: 
jammen, während man die Schuldtitel des Staates 
allein ala F. d’Etat — Auch in Deutſch⸗ 
land bat der Ausdruck Offentliche F. eine dem 
franz. Sprachgebrauche gleiche Bedeutung, wird 
aber außerdem, wie in Ofterreich für jedes Pbftän- 
dige, Zweden der —— Verwaltung dienende 
Bermögen gebraucht. — A fonds perdu, wörtlich: 
in ben verlorenen F., bedeutet eine Geldanlage, die 
man von vornherein für verloren bält, 3. B. unver: 
zinsliche, nicht rüdzahlbare Zuſchüſſe zu gemein: 
nüßigen Unternehmungen (f. Eifenbabhnfubvention). 

ondsausgleichung, ſ. Fondsverwechſelung. 
ondöbörfe (ſpr. fong-), ſoviel wie Effelten⸗ 


e, ſ. Börde. 
Fondsgeichäfte (pr. fong-), die Börſengeſchäfte 
in Staatöpapieren (ſ. d.), im meitern Sinne auch 
ſolche in andern Obligationen und felbft zumeilen 
in Aftien. In der Regel dentt man dabei an reelle 
Rapitalumfäse, alſo an die Effektivgeſchäfte, nicht 
an Spiel» und ag re (1. d.). Die F. 
zerfallen in Kaſſen⸗ oder Tagesgeſchäfte (f. d.) und 
in Lieferungs: oder Zeitgeichäfte (j. d.). Sie werden 
dur Maller (f. d.) vermittelt, und zwar find gerabe 
die Tagesgeſchäfte in Staatäpapieren noch vielfach 
nur in ben Händen der amtlich bejtellten ober priviles 
—— Vermittler. Dies gilt namentlich von der 

ariſer Börje, wo die Privatmaller, die ſog. Eous 


bö 


Fondi — Fonſeca (Golf von) 


—2— ſich hauptſächlich nur mit Zeitgeſchäften be 
faſſen. Die Feititellung der authentiſchen Kurie 
(j.d.) der Staatöpapiere ſowie überhaupt aller Bör: 
enmwerte ift auch in Deutichland den vereidigten 

allern vorbehalten. (S. Börje, Effelten und 
Effeltengeichäfte.) 

Fondsverwechſelung (Ipr. fong-), im Staats 
rechnungsweſen die Anmweijung einer Einna 
oder Ausgabe auf einen zu deren Aufnahme nicht 
beftimmten Etatfonds oder jonjtigen jtaatlichen 
Fonds, wodurch entweder eine unzuläfjige Fonds: 
verftärfung entſteht, wenn en‘ der eine 
Fonds zu Ungunften des andern entlajtet wird, oder 
eine Fondsſchwächung herbeigeführt wird, mern 
dadurch der eine Fonds zu Guniten des andern be: 
laftet wird. Die rehnungsmäßige Rictigftellung 
einer derartigen F. beißt Fondsausgleichung 

onduf, sondukli oder Bondullizeckhine. 
1) Eine türk. Goldmünze des 18. Jahrb., die nah 
Unterfuhungen durchſchnittlich 32 g Gewicht und 
800 Taufendteile Feinheit, demnach ein Feing ewicht 
von 2%, g und (zum Breife von 2790 M. für 1 kg 
Feingold) = etwa 7 M. 80 Bf. deuticher Währung 
war. Es wurden aud halbe F. ausgemünzt. 2) Eine 
frühere ägypt. Goldmünze aus dem 18. und 19. 
Jahrh., nah Unterfuhung bdurdicdnittlih 2%, g 
ſchwer und 690 Taujendteile fein, jomit im sein: 
5* von reihlih 1”/,, g = etwa 4°, deutſchen 
Marl, Man prägte au halbe F., die aber ver: 
hältnismäßig etwas menge: ein und ſchwer, baber 
nur etwa = 2M. 18 Pf. Reihswährung waren. 

Foenioülum Adans., Bilanzengattung aus der 
—— der Umbelliferen (ſ. d.) mit nur wenigen 

rten in den Mittelmeerländern, die vielleicht nut 
Varietäten einer Art ſind. Dies iſt der Fenchel, 
F. officinale AU. 6 Tafel: Umbellifloren I, 
Fig. 3), der aud in Deutfchland (Provinz Sadien) 
vielfach im Großen kultiviert wird und häufig ver: 
wildert. Durch die fein zerteilten Blätter, deren 
legte Abſchnitte faft fadenförmig ausgebildet fin, 
ähnelt er jehr der Dillpflanze. Die Früchte find 
als Fructus Foeniculi offizinell und werben als 
Kamm: und Strobfendel gebandelt; er iſt 
der arzneilich a aebraudte. Man ae 
winnt aus dem Fenchel Fencheldl (j. d.) und Fencel⸗ 
waſſer (f.d.). Eine in talien und Frankreich bäufig 
kultivierte Form ift der jog. Jtalienifche oder Bo: 
lognefer Fenchel, bei dem die untern Bartien der 
Stengel und Blätter ziemlich fleifhig entwidelt und 
dur Bebeden mit Erde gebleicht find. Es werden 
dieje Teile befonders in Italien rob gegeſſen und 
find dort unter dem Namen Finocchio belannt. 

ond, röm. Duellgott, |. Fontus. j 

onfagräda, —— der ſpan. Provinz 
Lugo, 40 km im DND. von Lugo, in gebirgiger 
(965 m) und viebreicher Gegend, bat (1897) 17 172€, 

Fön: fchui-ma:thom (vom chineſ. Worte Fön- 
schui, Waſſerſcheide), die Stelle, wo der Kaiſerlanal 
(’ d.) dur Einmündung des Ta⸗wen⸗ho nordweſt⸗ 

ih von der Stadt Tſiening in Schan-tung in eine 

nörbl. und eine ſudl. Hälfte geteilt wird. Erſtere 
ftammt vom Raijer Ehubilai-&han (1279—94) der 
mongol. Dynaftie Jüan ber. , 

—— Golfvon, Bucht des Stillen Dceans 
in Gentralamerifa, von Nicaragua, Honduras und 
Salvador begrenzt (j. Karte: Centralamerita 
u. ſ. w.), ift 30 km lang und 70 km breit und entbält 
mehrere Se wie Sacate und Tigre mit der Stadt 
Amapala (j. d.). Mehrere der einmündenden Flüfle 


Fonſeca (Deodoro da) — Fontana (Carlo) 


find fhiffbar. Die Bai wurde 1522 von Gil Gon- 
zalez de Avila entvedt; 1523 wurde fie nach dem 
Biſchof von Burgos F. benannt. Am Eingange der 
Bai erbebt fi im NM. der Bulfan Condagua; im 
SD. Coſeguina (f. d.). { 
Fonſẽca, Deodoro da, Präfident von Brafilien, 
geb, 5. Aug. 1827, wurde auf der polytechn, Schule 
in Rio de Janeiro erzogen, diente im Kriege mit 
Paraguay (1865—70), gründete Ainen Militärklub 
in Rio de Janeiro, der ein Mittelpumft der Miß— 
vergnügten war, und wurde, republilaniſcher Ge: 
finnung verdächtig, 1887 ald Gouverneur in die 
Provinz Mato Groſſo geibidt. Am 15. Nov. 1889 
trat er, fur vorber zum Marſchall ernannt, an die 
Spitze der Revolution, die den Untergang des 
Raiferreihs veranlafte. (S. Brafilien, Geſchichte.) 
Ohne Wahl nahm er den Präfidententitel der Ne 
publif an, den ibm der Ya x dann 25. Febr. 
1891 auf 4 Jahre übertrug. in willlürliches Res 
giment und jeine Günftlingswirtichaft machten ibn 
ſedoch bald unbeliebt, und als erim Nov.1891 gegen 
ein vom Kongre beichloffenes * fein Veto ein: 
legte, erflärte diejer es für ungültig. F. löjte den 
Kongreß, ohne gejehlich dazu berechtigt zu fein, auf, 
wurde aber durch Unruben und Aufftände ge: 
zwungen, 23.Rov, fein Amt niederzulegen. Er ftarb 
23. Aug. 1892 in Rio de Janeiro. j 
Fonlöca e Basconcellos, Joaguim Antonio 
da, portug. Schriftiteller, j. Vasconcellos. 
ontaine, Fontäne (frz.), j. Springbrunnen. 
ontainebleau (ipr. fongtän’blob). 1) Arron- 
diffement im franz. Depart. Seineset:Marne, bat 
1224 qkm, 101 Gemeinden, (1901) 86283 E. und 
zerfällt in die 7 Kantone La Chapelle:la: Reine, 
Chaͤteau⸗Landon, F., Lorrezle:Bocage, Montereau: 
faut⸗Yonne, Moret:fursLoing und Nemours. — 
2) Hanptitadt des Arrondiflements hr 57 km ſud⸗ 
judöftli von Baris,4km vom linken Ufer ver Seine, 
in 79m Höbe, an der Linie Paris-Montereau der 
Franz. Mittelmeerbahn, mit Kleinen Häufern, ift 
ig eines Gerichtöhofs, des Kommandos der 1. Dra: 
——— und einer Artillerie: und Genieſchule, 
at (1901) 10786, als Gemeinde 14160 E., in 
Garniſon einen Teil des 46. Infanterieregiments, 
das 7. Dragonerregiment, 3 reitende Abteilungen 
Feldartillerie, die 5. Trainesladron; eine Biblio: 
tbef, Krantenbäufer, ein Theater, ein Dentmal 
Carnots (1895) und der Malerin * Bon⸗ 
heur (1901); Brauerei, Fabrilation von Porzellan 
und Steingut, Kunfttifch erei, Sarfiahet und Han: 
del mit Gutebeltrauben (Chasselas). Berühmt 
it das Luſtſchloß, das, vom 13. bis 18, Jahrh. 
erbaut, fünf Höfe umfchließt. Franz J. Heinrich IL. 
und Heinrich IV, erwäblten den zur up ei 


gelegenen Platz zur Reſidenz, Napoleon I. lieh das 


859 


die Widerrufung des Edilts von Nantes (1685). 
Am 3, Nov. 1762 wurden bier die Bräliminarien 
bes —— zwiſchen England und Frankreich ab» 
6 chloſſen, denen 10. Febr. 1763 der Friede zu Paris 
olgte. Napoleon I. bielt hier 1812—14 Pius VIL 

efangen und verzichtete 1814 auf den franz. eg 
thron. Das Schloß, jekt im Sommer Aufenthalts. 
ort des Präfidenten der Republit, jtößt an den gros 
pen Wald von F. (17000 ha), der mit feinen feld: 
partien und Hügelletten, Quellen und Ausſichts⸗ 
punften einen beliebten Ausflugsort der PBarifer 
bildet. — Bol. Laube, Franz. Luſtſchlöſſer, Bo. 1 
Rand. 1840); Bfnor, Monographie du chäteau 
de F. (mit Tert von Shampollions Fi eac, Bar. 
1859—64 ; 2. Aufl. obne den Tert 1874): vanne, 
De Paris à F, (ebd. 1877); Bourges, Recherches 
sur F. (Fontainebleau 1896). 

Fontaine :’Evdque (fpr. fongtähn lemät), 
Hauptort des Kantons F. in der belg. Provinz Hen- 
negau, an der Linie Charleroi-Mons der Belg. 
Staatsbahnen, hat —* 6062 E. Eiſen⸗ und Ko 
leninduftrie, Kupferſchmieden und Steinbrüche. 

Fontaines Pulver, 1866 von Fontaine (for. 
fongtäbn) in Paris erfundenes, zu den Pilrat 
pulvern (f. d.) gebörendes Gemiſch von pitrinfaurem 
Kalium und Tee Raltum. Sehr ſtark wir: 
fend, aber im höchſten Grade gefährlich, rief es bes 
reits 1867 die furchtbare Erplofion der an der Place 
Sorbonne gelegenen Fabrık Fontaines hervor. 

Fontan (jpr. fongtäng), Louis Maxis, Tem. 
Dramatiler, geb. 4. Nov. 1801 in Lorient ! orbi⸗ 
han), war zuerſt Schreiber daſelbſt, ging nach Paris 
und trat in die Redaktion der «Tablettes» und des 
«Album»; wegen eines im «Album» 1829 ver: 
öffentlichten Artitelö «Le mouton enrag&», worin er 
Karl X. angriff, mußte er fliehen. Aus den Nieder: 
landen vertrieben, flüchtete er nad Hannover und 
kehrte dann nach Frankreich zurüd. In Paris ward 
er verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis und 
10000 Fr3. Gelöftrafe verurteilt; erſt die Julie 
revolution befreite ihn. Er ftarb 10. Oft. 1839 in 
Thiais bei Paris. Bon feinen Stüden verdienen 

nung: «L’actrice ou les deux portraits» 
(mit Ader, Bar. 1826), «Perkins Warbeck» (1828), 
«L’espion» (mit Leon Haldoy und Drouineau ver: 
faßt und won Fenimore Cooper nachgeahmt, 1828), 
«La bossue» (mit Ader, 1829), «Gillette de Nar- 
bonne» (ein Baudeville, mit Ader und Eh. Des: 
noyer, 1829), «Andr& le chansonnier» (mit Eh. 
Desnoyer, 1829) und das Drama «Jeanne la folles 
(1830). Gr verfaßte auch einen Band «Odes et 
epitres» (Par. 1825 u. 1827). 

Fontäna, Lago, Quelljee des Rio Senger in 
den argentin. Anden unter 45° fübl. Br. (f 


. Karte: 
La:Plata:Staaten u. f. w.), tft 50 km lang und 


mäbrend ver Revolution ne Schloß teilmeije | 20 km breit. 


neu möblieren, und Ludwig Philipp reitaurierte die 
ältern Zeile. Die merfwürdigiten Räume find: die 
Galerie Franz’ I., mit Freslen und Stuccaturen von 
Rofjo und Domenico Korentin; ber Ballfaal oder 
Salle Henri II, mit Wandmalereien.von Prima⸗ 
ticcio. Die Ulyfjesgalerie mit dem von Niccold dell’ 
Abbate gemalten Dedenbildern wurde im 18. Jahrh. 


niebergerijien, und die Hirſchgalerie dient gegen: | wa 


wärtig ald Gewächshaus. Hier empfing Franz I. den 
Kaiſer Karl V. auf feiner Reife nad Gent (1539); die 
Ertönigin Ehriftine von Schweden lieh bier in der 
Hirſchgalerie ihren Oberjtallmeifter Monaldeschi 
binrihten (1657). Ludwig XIV. unterfchrieb bier 


ntäna, Carlo, ital. Baumeifter, geb. 1634 
zu Bruciato bei Como, geft. 1714 in Rom, ein 
Schüler Berninis, war als päpftl, Arcitett Er 
bauer vieler Kirhen im Baroditil. Sein Haupt: 
werk ift die Fagade der Marcelluslirche am Corjo. 
derner erbaute er die mit Kuppel verjehene Dreis 
einigleitäfirbe in der Pia Gonbotti und ent: 
\ den Plan zum Gartenpalaft de3 Füriten 
Liechtenſtein in Wien ee er baute den 
Torloniapalaft in Rom, die Vorhalle von Sta. 
Maria in Trastevere (1702). F. war auch Baus 
meifter der Peterslirche, in welcher Eigenſchaft er 
nad deren Vollendung auf Bapit Innocenz’ XL. Ber 


860 Fontana (Domenico) — Fontanell 


Minifter Gambetta und Er&mieur fegte ibn in Freis 
beit, Hierauf übernahm er für die «Vojjische Zei: 
ontana, Domenico, ital. Baumeifter, geb. | tung» die Berichterjtattung über die Königlichen 
1543 zu Mili am Luganer See, geit. 1607 zu Neapel, | Schaufpiele, die bis 1889 in feinen Händen lag, 
ftudierte in Rom die alten und neuern Meijter und | und war 1876 kurze Zeit erjter Sefretär der Ber: 
murbe dann Architekt des Karbinald von Mon: | liner Alademie der Künfte. Er ftarb 20. Sept. 
talto, welcher ihm den Bau der großen Kapelle des | 1898 in Berlin. Seine Iyriihen Arbeiten find 
Präfepiums bei der Kirhe Sta. Maria Maggiore | namentlih: «Männer und Helden» (Berl. 1850), 
und des benadbarten Palajtes übertrug. Als der | «Gedichte» (ebd. 1851; 8. Aufl. 1902), «Balladen» 
Kardinal unter dem Namen Sirtus V. den päpitl. | (ebd. 1861; auch enthalten in der 2. bis 4. Aufl. 
Stuhl beftiegen hatte, gab er 5. zablreiche weitere | der «Gedichte»). Als feinfinnigen Scilderer von 
Aufträge. Der lateraniſche Palaſt nebſt dem Seiten: | Bollstum und Landſchaft bewährte er ſich in feinen 
portitus der Bafılita, der neuere Teil des Batitans | Neifebildern «Ein Sommer in London» (Deijau 
alaftes, in welchem fich die päpftl. Wohnung be: | 1854), «Aus England» (Stuttg. 1860), «Jenfeit des 
Enden, die Batitanbibliotbet, ein Teil des Duirinals | Tweed» (Berl. 1860), «Aus land und Schott: 
laites, die große Fyontäne von Termini u. a, find | land» (ebd. 1900), namentlid aber in feinen «Wan: 
Fein ert. In diefen Bauten zeigte fich F. als ein | derungen dur die Mark Brandenburg» (4 Bope., 
BEUTE NE Riensee und nüchterner an er | ebd. 1861—82; zum Teil in 7. und 8. Aufl. 1896 — 
} aflen 


febl 1694 ein Tafelmert («Il tempio Vaticano e sua 
origine», lateiniſch und italienifch, Rom) berausgab. 








der Schule des Vignola, der aber mit großen 1908), durch welche die eigenartigen Reize der märt., 
iu Rx ſchalten wußte. Auch richtete J. 1586 den | Natur geradezu erft entdedt wurden. Nicht minder 
großen Obelislen —— auf dem Platze erfreuten ſich großen Erfolges feine höchſt anſchau⸗ 
vor der Peterslirche ſteht, damals aber noch zum Teil | lihen Kriegsſchilderungen? «Der Schleswig: Hol- 
unter Trümmern verjtedt lag. Die Art und Weife | jteiniiche Krieg» (Berl. 1866), «Der Deutſche Krieg 
des Transport des Dbelisten befchrieb er in | von 1866» (illuftriert von Burger, 2. Aufl., 2 Bve., 
ebd. 1871), «Kriegsgefangen. Erlebtes 1870» (ebv. 
1871; 5. Aufl. 1900), «Aus den Tagen ber Decu- 
ation» (2. Aufl., ebd. 1872), «Der Krieg gegen 
ankreich⸗ (2 Bpe., ebd. 1873— 75). Seine Ko: 
mane und Novellen bewegten ſich anfangs mit Bor: 
liebe in der Gejhbichte Berlind und der Mark: «Bor 
dem Sturm» (4 Bde., Berl. 1878; Vollsausgabe 
1898), «Grete Minde» (2. Aufl., ebd. 1888), «Ellern» 
, Hipp» (ebd. 1881), «L’Adultera» (Bresl. 1882; 
— Sein Plan, einen neuen Hafen bei Neapel | 3. Aufl. Berl. 1899), «Schad von Wuthenow⸗ (Lpz. 
anzulegen, wurde erſt nach feinem Tode ausgeführt. | 1883; 3. Aufl., Berl. 1894); fpäter hat er ſich mit 
ontana di Trevi, Brunnen in Rom (}. d.); | üÜberrafchender Wanblungsfäbigfeit und glänzender 

der Fremde, welcher eine Münze hineinmirft, fol | Sicherheit der detailliert realiſtiſchen Darftellung 
der Rückehr nah Rom ficher fein. des modernen Lebens zugewandt und dabei Glän: 
Fontänafredda, Ort im Diftrikt Pordenone jendes geleitet: «Gral Yeafo» (3. Aufl., 2 Bove., 
der ital, Provinz Udine, hat (1901) ald Gemeinde | Ypz. ag allnterm Birnbaum» (Berl. 1885), 
4802 E. Hier jiegten die Öfterreiber unter Erz: | «Gecile» (ebd. 1887), «rrungen, Wirrungen» (2p3. 
berzog —— über Franzoſen und Italiener unter 1888; 8. Aufl., Berl. 1902), «Stine» (Berl. 18% 
Gugen Beaubarnais (16. April 1809), u.ö.), «Quitt» (ebd. 1891), «Unmiederbringlic» 
— altröm. Feſt, ſ. Fontus. (ebd. 1892 u.d.), «Frau Jenny Treibel» (ebd. 1892 


der Schrift «Della trasportatione dell’ obelisco 
Vaticano e delle fabbriche di Sisto V» (Rom 1590). 
In der folge richtete er noc drei andere Obelisten 
an verihiedenen freien Plägen auf. Auch unter 
Clemens VI. unternahm 5. verſchiedene Bauten, 
bis man ibn beſchuldigte, öffentliche Gelder unter: 
ſchlagen zu haben. Er verlor 1592 feine Stelle am 
päpftl. Hofe, erhielt aber einen Ruf nah Neapel. 
Hier baute er verichiedene Kanäle und den königl. 


ontaue, Theodor, Dichter, geb. 30. Dez. 1819 | u. d.), «Effi Brieft» (ebd. 1896 u. d.), «Die Poggen⸗ 
in Neuruppin, befuchte das Gymnaſium dafelbft | publs» (ebd. 1896 u. d.), «Der Stechlin» (ebd. 1899). 
und jpäter die Berliner Gewerbeſchule. 1840 ging Ferner veröffentlichte er: «Bon vor und nad der 
er nad 84 um —* der Chemie zu widmen; | Reife. Plaudereien und Heine Geihidhten» (Berl. 
feine Neigung führte ihn jevod allmählich ganz der | 1894), «Meine Kinderjahre. Autobiogr. Roman» 
litterar. Zbätigleit zu. Nah einem kurzen Aufente ebd. 1894 u. d.), «Von Zwanzig bis Dreißig. Auto 
balt in England fiebelte er 1844 nad Berlin über | biograpbiihes» (ebd. 1898). Cine unvollftändige 
und trat bier in den «Tunnel» ein, einen fitterar. | Ausgabe feiner «Gefammelten Romane und Ro 
Bereinigungspuntt von Dichtern und Schriftftellern, | vellen» erfhien (Berl. — in 10 Bänden. — 
den er jpäter in dem Bude «Chriſtian Friedrich Val. Servaes, Theodor F. (Berl. 1900). 
Sch = und das litterar. Berlin von 1840 Fontane (frz. fontaine), ſ. Springbrunnen. 
bis 1860» (Berl. 1885) ſchilderte. 1849 erfchienen F.s ontanell, aud die Fontanelle (mittellat.), 
Balladencyllug «Bon der jhönen Rojamunde» | in der Ehirurgie und praftiihen Medizin ein 
(2. Aufl., Deſſau 1853) und die volfstümlichen | fünftlich gebildetes und unterhaltenes Geſchwur 
Gedichte vom alten Deſſauer, Zieten, Seyplig. | auf der Überflähe des Körpers, mweldes früber 
1852 ging er zum zmweiten-, 1855 zum britten: | ala Heilmittel benußt wurde. Um ein joldes Ge 
mal nad England, tebrte 1859 nach Deutſchland ſchwür zu erzeugen, madte man mittelö vet 
zurüd und trat bald darauf in die Redaktion der | Meſſers oder eines Üpmitteld oder Blafenpflafters 
«Neuen Preußiſchen (Kreuz:) Zeitung» ein, am | oder des Glüheiſens eine Wunde in die Haut 
ber er 1860—70 thätig war. Nach Ausbruch des | und legte in diejelbe eine Erbje hinein, um die 
Deutih:FranzöfiibenKtriegesfolgteerdem deutien | Wunde am Schließen zu verhindern und in ber 
Heere, wurde in Domremp, im Geburtöbaufe der | jtändiger Eiterung zu erhalten. Um das F. und die 
Jeanne d’Arc, gefangen genommen und nad mans | umliegende Haut reinlich zu halten, bevedte man fie 
nigfahen Bedrängniſſen auf die Injel Dleron im | mit einem indifferenten Pflaſter und dieſes mit einer 
Atlantiſchen Ocean abgeführt; erſt ein Dekret der | leichten Binde und erneuerte die Erbfe täglich wer 





Fontanellſalbe 


nigſtens einmal. Die frühern Urzte (ſeit dem frühe: 
ften Altertum) ſchätten das F. ſehr bei chroniſchen 
Krankheiten; man glaubte, daß es den Kranlkheits⸗ 
ef aus dem Korper entfernte oder doc einen ge 
ährlihen Säfteandrang von dem bedrohten Ur: 
an nad) der Haut ableitete. Gegenwärtig : das 

. ganz außer Gebrauch. Gin ähnliches, doch aud 
jest noch pe und dba angemenbeted Mittel ijt das 
Haarfeil (ij. d.). j : : 

In der Anatomie bezeichnet man mit Fontanelle 
die häutigen Zwiichenräume zwiſchen den Eden der 
einzelnen Shädeltnoden bei dem Embryo und dem 
neugeborenen Rinde, welche ſich meiſt erſt Mitte oder 
Ende des zweiten Jahres mit Knochenmaſſe füllen 
und bis dahin als weiche Stellen des Kopfes leicht 
fühlbar find. Die größte derjelben, die \ große 
oder vieredige Fontanelle oder Border: 
———— (von den Laien auch als 

lättchen bezeichnet), liegt vorn über der Mitte der 
Stirn, in der Scheitelgegend, ijt am *5 bemerl⸗ 
bar und läßt, ſolange ſie noch nicht geſchloſſen iſt, 
deutlich pulſierende Bewegungen des Gehirns wahr⸗ 
nehmen; die hintere oder fleine Fontanelle iſt 
viel Heiner und am Hinterhaupt gelegen, mo ſich die 
Lambdanaht mit dem Ende der Pjeilnabt vereinigt, 
während biebeidenSeitenfontanellenzu beiden 
Seiten des Kopfes am Ausgang der Schuppennabtzu 
fühlen find. Die rechtzeitige Verlnocherung der Fon⸗ 
tanellen ift fürdie normale Entwidlung des Gehirns 
von dergrößten Bedeutung; erfolgt jene vorzeitig, jo 
wird das Gehirn in feinem weitern Wachstum ge: 
bemmt und es fommt ſehr leicht zur Bildung eines 
jog. Mitrocephalus, wäbrend umgelehrt die Fon: 
tanellen bei der Engliihen Kranlheit ſich ge 
wohnlich erit ſpät, bei hroniihem Wailerlopf ſehr 
gaung gar nicht ſchließen. Man bat deshalb beim 

eugeborenen auf die Beſchaffenheit der Fontanelle 
u abten und fie vor Drud, Stoß und ähnlichen 
Ef ten gebörig zu bebüten. 
—— Uſalbe, Ik — ——————— 
ontanes (ſpr. fongtahn), Louis de, franz. 
Dichter und Staatsmann, geb. 6. März 1757 zu 
Niort, ging nah Bollendung feiner Studien nad) 
Bari und erwarb fih bier bald einen Namen 
ald Dichter, indem er, ergriffen von der durch 
Roufieau erwedten Begeifterung für Landbau und 
Landleben, eine Reibe beichreibender Gedichte von 
elegantem Versbau jchrieb, wie «La forèt de Na- 
varre» (1778), «La maison rustique» (1788), «La 
Chartreuse», «Le jour des morts» (1796), eine 
Nachahmung von Grays Kirchhofelegie. Auch über: 
jegte er Bopes «Essay on man» (1783). 1794 wurde 
er Profefior an der Centralſchule, 1795 Mitglied 
des Inſtituts und lebte, nach dem 18. Fructidor ges 
ädtet, in Hamburg, dann in London, wo er fich mit 
Ehäteaubriand aufs engfte verband. Nah dem 
18. Brumaire lehrte er nad Frankreich zurüd und 
wurde Mitglied, 1804 Präfident des Gejebgebenden 
Körperd. F. war ein glänzender Redner und zus 
glei einer der angeiebenjten Stritifer jeines Zeit: 
alterd. Er wurde von Napoleon I. noch zum Groß: 
meijter der Univerfität ernannt und 1810 zum Ses 
nator. Dennoch bat er 1814 die Abdankungsurkunde 
des Kaiſers verfaßt und ift unter Ludwig XVIIL 
zum Bair, Marquis und Staatsrat ernannt worden. 
Er ftarb 17. März 1821. Seine «(Euvres» ge 
Sainte:Beuve heraus (2 Bde., Bar. 1839). — Vol 
Sainte:Beuve, Chäteaubriand et son groupe litt&- 
raire (2 Boe., Par. 1860 u. 5.). 


861 


‚ Bontange (fr;., jpr. fongtängſch'), hohe, über 
ein Drabtgeitell aus Sep oder Flor aufgebaute 
Frauenhaube, gebräuchlich bis etwa 1720, Die Her 
zogin von Fontanges (j.d.)foll 
biejen Ropfpug zum Schutze 
gegen die Sonne erfunden 

aben. (S. beijtehende Abbil: 


dung.) 

"Font es (ſpr. fong: 
tängſch), Marie Angelique de 
Scoraille de — Her⸗ 
zogin von, Geliebte Lud— 
wigs XIV., geb. 1661, wurde 
in ihrem 17. Jahre Ehren⸗ 
dame von Mabame Ducheſſe 
d Orléans. Bon beſchränktem 
Geiſte, aber großer Schönheit, 
wußte ſie Ludwig XIV. zu feſ⸗ 
ein, der der herrſchſuchtigen 
aune der Montespan über: 
druſſig war. Der König erbob 
fie zur Herzogin, allein fie ftarb bald darauf in— 
folge unglüdlicher Entbindung 28. Juni 1681 in 
der Abtei Vort:Royal zu Paris. Nach ihr ift bie 
Fontange (f. d.) benannt. 

outänus, röm. Quellgott, |. Fontus. 
ontarabie (jpr. fongtarabib), Jean Franc. 
Boifjonade de, franz. Hellenift, ſ. Boiſſonade. 
onte Avelläna, Kongregation vom bei: 
ligen Kreuz —— der Avellaner), ein 
Zweig der Benediktiner, benannt nach dem 1001 
von Ludolf, ſpäterm Biſchof von Eugubio, in der 
Einöde F. A. bei Faenza gegründeten Kloſter. Durch 
Petrus Damiani (f. | wurde die Orbensregel jo 
maßlos verihärft, dab bald Laxheit und Zucht: 
loſigkeit Plaß griff. Deshalb wurde die Kongre: 
gr 1570 mit ber zudenfamalpulenjern gehörigen 
ongregation des Michael von Murano vereinigt. 

Fontenay:le-Eomte (jpr. fongt'näh IE kongt). 
1) Arrondiffement im franz. Depart. Vendee, hat 
2134 qkm, (1901) 139729 €,, 114 Gemeinden und 
zerfällt in die 9 Kantone Ehailld:les:Marais, La 
Ehätaigneraie, F., !’Hermenault, Lugon, Maille: 
zais, Pouzauges, St. Hilaire-des-Loges und Ste. 
Hermine. — 2) Hauptftadt des Arrondifjements F., 
ampbitbeatraliih an beiden Ufern der bier ſchiff⸗ 
baren Bendde und an den Linien Niort-La Rochelle 
und %.:Breuil:Barret (30 km) der franz. Staats: 
bahnen gelegen, ijt altertümlich gebaut, aber von 
freundliden Vorftädten umgeben, Sitz eine3 Ge: 
richtshofs erjter Inſtanz, bat (1901) 7504, ald Ge 
meinde 10512 E. in Garnifon das 137. Infanterie: 
regiment, zwei fchöne Kirchen (Notre:-Dame und St. 
Jean), Kommunal:Collöge, Tud: und Leinwand: 
indujtrie, Sägemühlen, Handel mit Holz, Kohlen, 
Dünger und Hanf. — F. (mittellat. Fontanetum) 
fiel 1360 an —— und wurde in den Hugenotten⸗ 
triegen zehnmal belagert. In der Revolution wurde 
s (damals Fontenay-le-Peuple) durch die 
Royaliſten 35. Mai 1793 eingenommen. — Bal. 
Fillon, Recherches sur F. (Fontenay 1847). 

Fontenay:fond:Boid (pr. fongt'näh ßu böd), 
Stadtim Kanton Bincennes, — —— Sceaur 
des franz. Depart. Seine, zwiſchen Vincennes und 
Nogent⸗ſur-⸗Marne ſchön gelegen, hat (1901) 7508, 
als Gemeinde 9320 E. (S. Karte: Paris und 
Umgebung.) 

eg rn (jpr. fongt'nell), Bernard le Bovier, 
früber le Bouvier, franz. Schriftiteller, geb. 


— Fontenelle 





862 


11. Febr. 1657 zu Rouen, war ein Neffe Corneilles, 
wurde bei den Jeſuiten vorgebilvet, ftudierte die 
Rechte und ging dann nad Paris, um als Schrift: 
fteller zu leben. Nachdem er einige Opern und Tra⸗ 

öbien («Brutus», «Aspar», «Idalia») und Kleinere 

oejien verfaßt, ohne viel Erfolg zu haben, erlangte 
er einigen Ruf durch feine «Dialogues des morts» 
(1683) in Lucians Dlanier, in denen er fi ſchon 
als Steptiter zeigt. In feinen viel gelejenen «En- 
tretiens sur la pluralit& des mondes» (1686) ver: 
ftand er es, die Yehren von Galilei, Descartes und 
Kopernifus in unterhaltender —— vorzutragen, 
während er in ſeiner «Relation de l’ile de Bornéo⸗ 
eine Satire u den Streit der Katholiken und Bro: 
teitanten fchrieb. Beſonders aber in feiner «Histoire 
des oracles» (1687 nad dem Buche des Holländers 
van Dale), worin er die Dratel alö Priefterlug er: 
flärt, wird er ein Vorläufer der Philoſophen der 
Auftlärung. 1691 wurde er aue ber Acadömie 
des sciences, 1699 Seltetär derſelben und fchrieb ala 
folder auf verjtorbene Mitglieder der Alademie die 
durch Eleganz ſich auszeichnenden «Eloges» (1708), 
fein bedeutendjtes Wert. Er ftarb 9. Jan. 1757 zu 
Paris. Seine «(Euvres compleötes» erſchienen 1758 
—66 (11 Bde. Paris), 1764 (12 Bde. Amſterdam) 
und 1818 (3 Pbe., Paris). — Bol. Eharma, Bio- 
graphie de F. (Par. 1846); Sainte-Beuve, Etude 
sur F., sa vie et ses @uvres ſebd. 1852). 

Foutenoy (fpr. fongtöndd), Dorf in der belg. 
Provinz Hennegau, etwa 7 kın im SD. von Tournai, 
mit (1900) 842 E. Hier ſchlugen im Oſterreichiſchen 
Erbfolgetriege die Franzoſen unter Morig von Sad: 
fen die Berbündeten unter dem Herzog von Cumber: 
land 11. Mai 1745. 

Fontenoy pr. fongtendd), Dorf im Kanton 
St. Sauveur, Arrondifiement Aurerre des franz. 
Depart. Yonne, an den Linien Trigudres-Clamech 
und Aurerre:Gien der Mittelmeerbabn, mit (1901) 
716 €. F. ift das alte Fontanetum, wo 25. Juni 
841 Lothar von feinen Brüdern geſchlagen wurde. 
An die Schlacht erinnert ſeit 1860 ein Obelist (10 m), 

Foutevrault (jpr.jongtäwrob), Stadt im Arron: 
difjement und Kanton Saumur des franz. Depart. 
Mainezet:Coire, an der Vicinalbahn Saumur: %. 
(16 km), bat — 1230, als Gemeinde 2302 E., 
und ein Korreltionshaus (1700 männlidye Inſaſſen) 

* 11 Departements in der frübern Abtei des 

dens von F. in der Grabbentmäler der Planta- 
genets find. — Val. Edouard, F. et ses monuments 
(2 Bpe., Bar. 1875). 

Fontevranlit (fpr. fongtewrob), Orden von 
(Ordo fontis Ba geiltliher Orden, auf Grund 
der Benebiktinerregel geitiftet von Robert von 
Arbrifjel, der 1094 eine Gemeinihaft regulier: 
ter Chorherren in der fpätern Abtei de la Roe 
gründete, auf Befehl Urbans II. ald Bußprediger 
umberzog und mebrere Rlöjter, darunter das Doppel: 
Hojter zu here, das dem Orden den Namen gab. 
(Bal. von Walter, Die erften Wanderprediger Frank⸗ 
reihe. I. 1: Rob. von — Lpʒz. 1903.) 
Es hatte vier Abteilungen: für Jungfrauen und 
Witwen, für Kranke, für Büßerinnen und für die 
den Gottespdienit leitenden Priejter. An der Spitze, 
auch der Mannätlöjter, ftand die Slbtiffin als Stell« 
vertreterin der Yungfrau Maria. Strenge Abion: 
derung der Geſchlechter, ſtetes Schweigen und höchſt 
mäßiges Leben bildeten den Hauptinhalt ver Ordens: 
regel. Fer Paſchalis II. betätigte 1106 den Dr: 
den. zählte noch zu Anfang des 18. Jahrh. 


Fontenoh — Foot-ball 


57 Priorate in Frankreich, außerbalb —— 
ſehr wenig. Während der Franzöfiichen evolution 
wurde der Orden aufgehoben. Die Ordenstracht 
der Mönche war jhwarz, die der Nonnen weiß. 

Fontinälis Dill., Duellmoos, Pflanzen: 

attung aus der Gruppe der Mooje, Familie der 
ryaceen (f. ea Die Arten (fünf in 
Deutſchland) leben in fließendem Waſſer und be 
figen lange, flutende Stengel. Die belanntejte ift 
F. antipyretica L. (f. Ir : Moojel, Fig. 4), in 
Gebirgsbähen und fließenden Brunnen ziemlich 
bäufig. Ihre Stengel werden bis zu 1 ın lang. 
ontus, auch 2. oder Jontanus, derröm. 
Gott der Quellen (fontes), Er galt für einen Sohn 
des Janus (f. d.) und wurde, wie diejer, mit einem 
Doppeltopf, nur unbärtig, abgebildet. An feinem 
Seite, den Sontanalia, 18. Dtt., befränzte man 
die Brunnen und warf Blumen in die Quellen. 

Foenum cum, f. Trigonella. 

Foenus (lat.), der Zins (j. Sinfen). F. nauti- 
cum, bei ben Römern der Zins, der für ein Dar: 
lehn (pecunia trajecticia) zu zahlen war, welches 
die Seegefahr trug. Dasjelbe tam teild jo vor, daß 
dad Geld verſchifft wurde, um im Beitimmungs 
bafen zum Anlauf von Waren für die Heimat ver 
wendet zu werben; teild wurden mit dem Darlebn 
im Heimatöbafen Waren angeibafft, welche ver: 
ſchifft wurden; teil& wurde dasjelbe zur Reparatur 
bes Schiffs oder zur Löhnung der Sciffsbejagung 
gegeben. Der Gläubiger tonnte das Darlebn und 
den Zins nur zurüdforbern, wenn das Geld, oder 
wenn die Ware, oder wenn das Schiff im Beitim: 
mungsbafen anlam, aljo nicht durch eine Seegefaht 
verloren gegangen war. Die Gefahr innern Verderbs 
der Ware oder einer Verſchuldung des Darlehns⸗ 
empfängers oder der Schiffsbeſaßzung trug der Gläu- 
biger nicht. Weil der Gläubiger die Seegejahr trug, 
durfte er fi höbere Zinſen zahlen lajien, als ſonſi 
erlaubt war. Kaifer Juſtinian ftellte 12 Bros. ala 
Binsmarimum feft. Über die heutigen VBerbältnifie 

Foenus, |. —— . Bodmerei. 

Founvielle (ſpr. fongwiell), Wilfrid de, franz. 
Schriftſteller, geb. 21. Juli 1828 zu Paris, war 
Lehrer der Mathematik und veröffentlichte mebrere 
populãr⸗wiſſenſchaftliche Schriften, wie «Les mer- 
veilles du monde invisible» (1865), «Eclairs et 
tonnerre» (1866; 4. Aufl. 1885), «L’astronomie 
moderne» (1868), «La conquöte de l’air» (1875) 
u.f.w. Cine bejondere Berübmtbeit erlangte er 
durch feine Luftfahrten im Dienjte der Wiſſenſchaft. 
Am März 1858 blieb er zwei Tage lang im Ballon 
—— aris und Compiegne; während der Be 
agerung von Paris (Nov. 1870) verlieh F. die 
Stadt in einem Luftballon « ’Egalite», landete in 
Belgien und ya ſich nach Yondon. Unter andern 
auf die Bolitit bezüglihen Werten 3.8 find noch zu 
erwähnen: «Le souverain» (erjey 1853), «L'en- 
trevue de Varsovie» (1860), «La croisade en 
Syrie» (1860), «La republique sans phrases» 
(1372), «Les saltimbanques de la science» (1883), 
«Le siöge de Paris & vol d’oiseau» (1895) u. f. w. 

en ruſſ. Dichter, |. Von:Wifin, 

oochotw, engl. Schreibweife der chineſ. Stadi 
Fu:tihou (f. d.). 
— (fpr. futt), Mehrzahl Feet (fpr. fibt), engl. 


aß, ſ. 3 

Foot-ball (engl., fpr. futt babl), Fußball, 
ein in England bei der erwachſenen Jugend ſeht be 
liebtes Nationalfpiel, das die jog. Foot-ball-Asso- 


Foote — Forbes (Archibald) 


ciation und die Rugby-Union nad abweichenden 
Regeln fpielen. Zwei Barteien von gewöhnlid 15 
(bis höchſtens 40) Perſonen ſtehen einander gegen: 
über und juchen einen großen, mit Leder überzoges 
nen Gummiball nur mit Hilfeder Füße (Association) 
auf das Gebiet der Gegner zu bringen und zwiſchen 
wei in der Mitte der Spielplasgrenze jtehenden 

tangen (Goal, Mal) hindurchzuſtoßen oder, wie 
die Regeln der Rugby-Union vorfchreiben, nad 
denen der Ball mit den Händen aufgenommen und 
getragen werben darf, über das auf die Malftangen 
gi Querbolz mittel3 Fußſtoßes zu fchleudern. 

iegerin ift die Partei, die dies am öfteſten be: 
wertitelligt. Die eritere Art, F. ohne Aufneb: 
men, bat au in Deutichland Eingang gefunden 
und wird bier eifrig gepflegt. — Vgl. Koch, Fuß— 
ball (2. Aufl., Braunſchw. 1885); Vafjall, The 
Rugby-game (Lond. 1889; deutſch Brem. 1893); 
Alcod, Foot-ball (Lond. 1890); Lion:Wortmann, 
Katehismus ver Bemwegungsipiele (Lpz. 1891); 
Vogel, Regeln für das Fußballipiel (Ajiociation ; 
ebd. 1893); Koh, Geſchichte des Fußballs (Berl. 
1895); Claſen, Bewegungsipiele im Freien (2. Aufl., 
Stuttg. 1897); Heinelen, Sportfpiele im Freien. 
BD. 2: Das Fußballſpiel. Association und Rugby 
ebd. 1898); Schnell, Handbuch der Ballipiele. 

d. 2: Das Fußballipicl (Cpz. 1900). 

Foote (ipr. futt), Sam., engl. Luftipieldichter, 
eb, 27. San, 1720 zu Truro (Cornwall), widmete 
ich der Rechtswiſſenſchaft, ging aber dann zur Bühne 

über. Er trat 1744 als Othello auf und übernahm 
1747 das Haymarlet: Theater, für das er jatir. 
Luftfpiele ſchrieb, die lebende Na hi topierten. 
Bon feinen während diejer Zeit geichriebenen Stüden 
bat ſich bloß «The mayor of Garrat» auf der Bühne 
erhalten, Troß des Verluftes eines Being (1766) 
—F er doch fort, als Schauſpieler aufzutreten. 
tarb 21. Okt. 1777 zu Dover. F. nahm es mit 
Anlage und Ausarbeitung feiner Luftipiele und 
Poſſen nicht eben genau, verjtand aber die Charat: 
tere mit origineller Laune auszuftatten, z. B. in 
«The minor» und «The Iyer», Viele tomifche Anet: 
doten von ihm finden ſich in Cooles «Memoirs of 
F.» (3 Bde., Zond. 1805). Seine jämtlihen Werte 
erjchienen zu London (4 Bde. 1778; 2 Bde., 1797 
u. d.; deutſch, 4 Bde., Berl. 1796— 98). — Val. 
auc die Borrede zu John Bee, Works of Samuel 
F. (3 Bve., Lond. 1830). 
Fop (engl.), Narr, Ged, Einfaltspinjel; davon 
foppen, zum Narren haben. 
oppa, Ambrogio, Mevdailleur, j. Caradoſſo. 
oppa, Vincenzo, das Haupt der Mailänder 
Malerjhule im 15. Jahrh., ftammte aus Brefcia 
und ftarb 1462. Das früheite Bild von ibm (in der 
Galerie zu Bergamo) beweiit, daß er in feiner Ju: 
—— unter dem Einfluß des Vittore Piſanello von 
erona geſtanden hat. Ruhiger Ernſt, ſtrenge For— 
men und ein fühles graues Kolorit kennzeichnen 
Be Werke. Die meisten feiner berühmten Fresten 
ind untergegangen; erhalten hat fih nur ber 
Cyllus mit Darjtellungen aus der Legende des heil. 
Petrus Martyr in San Euftorgio zu Mailand, ein 
gi Sebajtian und eine Madonna, jekt in der 
vera dafelbft. Won feinen Tafelbildern find die 
bemerlenswerteften ein Altarwerf in der Brera und 
tleinere Madonnen im Muſeum Poldi-Pezzoli. 
or, Bolksftamm (j. Darfur und Tafel: Afxi— 
tanifheBöltertypen, Fig.14, beim Artilel Afrika). 
Foräl, ſ. Geheimmittel. 


863 
en obturatorium, eirundes Loch oder 


Foräm 
Huftloch, ſ. Beten und Tafel: Das Skelett des 


Menſchen, Fin. 1, 42 und 2, 2. 
Foraminiferen, j. Kammerlinge, 

Forb., hinter dem lat. Namen von Tieren Ab: 

Hirzung für Edward Forbes (f. d.). j 
orbach. 1) Kreis im Bezirk Lothringen, bat 
699,26 qkm, (1900) 76005 (40995 männl., 35010 
weibl.) €. in 87 Gemeinden und zerfällt in die 
Kantone F., Großtänden, Saaralben, St. Avold. 
— 2) Hauptitadt des Kreiſes und des Kantons F. 
— — (140,21 — 20 Gemeinden, 
26 928 ) 9 km ſudweſtlich 
von Saarbrüden, an der Linie 
Meg: Saarbrüden der Eljaß: 
Lothr. Eijenbahnen, Sik der 
Kreispireltion, eines Amts: 
gerichts (Landgeriht Saarges 
münd),Steueramtes, fatb. De 
tanat3, Traindepots und Be: 
zirtstommandos, hat (1900) 
8208 E., darunter 1335 Evangeliſche und 159 Nörae: 
liten, (1905) 8629 E. in Garnijon das Lothring. 
Trainbataillon Nr. 16, Bojtamtzweiter Klaſſe, Schlo 
der ehemaligen Grafen von F. röm. . auf dem 
dieStabt —— Schloßberg, Real:, Bergvor⸗ 
It 2 höhere Mädchenſchulen. Das einit ftart bes 





ejtigte Schloß auf dem Schloßberg wurde auf Befehl 
udwigs XIV.gejchleift, ver Turm mit Ritterfaal und 
Burghof ift neu aufgebaut. Die bedeutende Fabrila⸗ 
tion eritredt fi auf Kartonnagen, Ölpappwaren und 

ormaiegel. Hier is Joh. Fiſchart 1590. 3km ent: 
ernt Stieringen⸗Wendel (j. d.), 6 km weſtlich Stlein: 
roſſeln (ij. d., d. 17). — FJ. (Furpac im 10, Jabrb.) 
war lotbr. Zehn; 1717 wurde die Herrſchaft zu einer 
a ge und kam mit Lothringen an ran: 
reich. — Vol. Besler, Geſchichte des Schlofjes, der 
Herrfhaft und der Stadt F. (Forbach 1895). — 
3) Dorf im Thale der Murg (j. d.). 

Forberg, Ernit, Kupferſtecher, geb. 20. Dit. 
1844 zu Düſſeldorf, erhielt dajelbit jeine Ausbildung 
unter 3. Keller. Später ließ er fich in Wien nieder, 
wurde aber 1879 als Nachfolger jeines Lehrers an 
die Düjjelvorfer Alademie berufen. Er arbeitet 
meijt nach modernen deutſchen und diterr. Kunſt⸗ 
lern, wie Bendemann, Achenbach, Angeli, Camp⸗ 
baujen, Vautier, Beder. Zu feinen beiten Stihen 
— Die Konſultation nach W. Sohn — — 
Disputation Luthers mit Ed nach Leſſing (Karls: 
tube), ferner Rubens’ Himmelfahrt Mariä ſowie 
zwei Stihe nad Raffaelö Tapeten: Der wunder: 
bare Fiſchzug und Weide meine Schafe. Auch als 
Radierer ijt 8 mit Erfolg Hätte. Als Vereinsblatt 
(1893) des Runftvereing für die Rheinlande und Weit: 
talen ſchuf er den Stich: —— Kaiſer Wil: 
helms I. nach der Schlacht bei Sedan Bunt Rodoll). 

Forbes (pr. forbs), Arhibald, engl. Journaliſt, 
geb. 1838 in der ſchott. Grafidaft Elgin, ftudierte 
1854—57 zu Aberdeen und trat dann in ein Dra: 
gonerregiment, in dem er fich militär. Fachlenntniſſe 
erwarb. Den Deutſch-⸗Franzöſiſchen Krieg 1870/71 
machte er als Berichteritatter der «Daily News» im 
deutichen Lager mit. 1874 berichtete er für die «Daily 
News» über die Hungersnot in Dftindien und ben 
Rarliftentrieg, 1875—76 über die ind. Neife des 
Prinzen von Wales, Im Sommer und Herbit 
1876 fchrieb er vom ferb. Kriegsihauplage, 1877 
—78 von ben Schlachtfeldern des Ruſſiſch-Turki⸗ 
ichen Krieges. Im Spätherbſt 1878 ging er für die 


864 


«Daily News» nach Cypern, darauf nah Indien 
und im Frühling 1879 nad Zululand. Er lebte 
dann in England und ftarb 30. Mär) 1900 in 
London. Sammlungen jeiner Berichte veröffent: 
lichte er in «My experiences in the war between 
France and Germany» (2 Bde., Yond. 1871), «Sol- 
diering and scribbling» (1872), « The war corre- 
spondence of the m News 1877—78» (2 Bde., 
1878) und «Glimpses through the cannon smoke» 
1880), Schilderungen aus dem Zulufriege. Ferner 
chrieb er: «Chinese Gordon, a succinct record of 
his life» (1884), «Souvenirs of some continents» 
(1885), «William I. of Germany» (1888), «Have- 
lock» (1890). Seine neueiten Arbeiten find: «Bar- 
racks, bivouacs and battles», «The Afghan wars 
1839 — 42 and 1378—80» (1592), «Memoirs and 
studies of war and peace» (2 Bde., 1895; neue Aufl. 
1896), «Camps, quarters and casual places» (1896), 
«Life of Napoleon III» (1898). 

Forbes (jpr. forbs), Edward, engl. Raturfor: 
cher, der Schöpfer der Boogeologie, — 12. Febr. 
1815 in Douglas auf der Inſel Man, bereiſte, 
nachdem er in Edinburgh ſtudiert hatte, 1833 Nor: 
megen, fpäter das Mittelländiihe Meer und ver: 
öffentlichte ald Frucht diefer Reifen verichiedene Ab: 
bandlungen. Zur Erlangung der Naturgegenftänbe 
aus größern Wafjertiefen hatte er zuerjt die Dredge 
oder das Schleppneg in Anwendung gebradt. Der 
Erpedition beigegeben, welche 1841 nad der Hüfte 
von Rleinafien abging, um die von Fellows zu Tage 
—— Skulpturen nach England zu bringen, 

etrieb F. auch hierbei feine jpeciellen Forſchungen 
mit Erfolg und veröffentlichte darüber mit feinem 
Reijegejährten Spratt eine Beichreibung u. d. T. 
«Travels in Lycia, Milyas and the Cibyratis» 
ßz Bde., Lond. 1847). Während feiner Abweſenheit 

atte er den Lehrſtuhl der Botanik in King's College 
erhalten; bald darauf wurde er zum Profeſſor der 
Naturgeſchichte an der tönigl. Bergſchule und 1846 
ie Paläontologen des Mujeums der ötonomifchen 

eologie in London ernannt. Er mar die Seele der 
unter Leitung De La Beches veranitalteten geolog. 
Aufnahme Englands, in deren «Memoirs» er die 
wichtigften Unterfuhungen über die Verteilung der 

auna und Flora auf den brit. Inſeln veröffent: 
ıhte. Außerdem fertigte er eine geolog. und pa— 
läontolog. Karte Großbritanniens ſowie eine Welt: 
farte an, in der er die Phaſen des oceanifchen Lebens 
und die Grenzen der homdozootiſchen Zonen erläu: 
terte. Eine «Natural history of the European seas» 
erſchien erft nad feinem Tode (Lond. 1859). 1852 
u. Präfidenten der Geologiihen Geſellſchaft in 

ondon erwäblt, erbielt er eine Profeſſur der Natur: 
geſchichte an der Univerfität Edinburgh. Hier jtarb 
er 18. Nov. 1854. — Bol. Wilſon und Geitie, Me- 
moir of Edward F. (Edinb. 1861). 

Forbes (ipr. forbs), Edwin, amerit. Maler, geb. 
1839 in Neuyork, war Schüler Tait3 und trat beim 
Ausbruch des amerif. Bürgerlrieges in die Potomac⸗ 
armee. Nah Beendigung des Krieges fand fein 
Bild: Scenen aus der Schlaht in der Wildnis, 
Mai 1864, auf der Alademie zu Neuyork großen 
Beifall. Diefem folgten eine Reibe Heiner Kriegs: 
bilder, Landſchaften und Viebitüde. Seine Radie— 
rungen (Skizzen aus der großen Armee) wurden 
1876 preisgelrönt und im Sriegäminifterium zu 
Waibington aufbewahrt. Sein Atelier war in Brook: 
(on, wo er ſich jeit 1878 faft ausschließlich der Tier: 
und Landſchaftsmalerei widmete und 1895 ftarb. 





Forbes (Edward) — Forbonnais 


Forbes (ſpr. forbs), Henry D., engl. Reifenber, 


eb. 30. Jan. 1851 zu Drumblade in Schottland, 
—— turwiſſenſchaften und bereiſte 1878—83 
ie oſtind. 


| arg efonders Java, Sumatra, Timer 
und Zimorlaut, namentlih mit botan. Forihungen 
beihäftigt. Im April 1885 verließ er wieder Londen, 
um Neuguinea zu erforſchen, landete 31. Aug. in 
ort: Moresby und brach 25. Sept. nad dem Dimen- 
tanley:Gebirge auf, fam aber nur 105 km weit. 
Auch ein zweiter Verſuch (Mai 1886) mißlang, doch 
lam %. weiter ins Innere als feine Vorgänger. 
Ende 1898 machte er mit D. Grant eine hauptiäd» 
lich zoolog. Zmeden dienende Erpedition nach So— 
fotra und deſſen Nebeninjel Abd el-Kuri. 3. iſt 
jest Direltor des Muſeums in Liverpool, Er 
veröffentlihte: «A naturalist's wanderings in 
the Eastern Archipelago» (Lond. 1885; deutſch 
von Teujcer, 2 Bde., Jena 1885—86), «Three 
months’ exploration in the Tenimber Islands 
or Timor Laut» (1884, in den «Proceedings» ber 
Londoner Geograpbiihen Geſellſchaft, Nr. 113— 
129), «Progress of an expedition to New Guinea» 
(1886, in den «Proceedings»). 
Forbes (ipr. forbs), James David, engl. Natur: 
p ber, geb. 20. April 1809 zu Bolington bei Edin⸗ 
urgb, war 183360 * der — dafelbil 
und ſtarb 31. Dez. 1868 zu Elifton. Er machte ſich 
namentlih durh das Stubium der Gletfcherbil: 
dungen in den «Travels through the Alps of Savoy» 
(Lond. 1843; deutfh von Leonhard, Stuttg. 1845), 
«Illustrations of the viscous theory of glacier 
motion» (in den Londoner «Philosophical — 
actions», 1845), «The tour of Montblanc and of 
Monte Rosa» (1855), «Reply to Tyndall on Rendu’s 


Théorie des glaciers» (1860), «Norway and its 
glaciers» (beutic von Zuchold, 2. Ausg. Spz. 1858), 


«Papers on the theory of glaciers» (Lond. 1859) 
und feine «Experiments on the temperature of the 
earth» (Edinb. 1846) betannt. — Bol. Shairp, Life 
and lectures of J. D. F. (Lond. 1878). 
—** Albert, Philolog, geb. 2. Nov. 1788 
eipzig, wo fein Bater, Gottlieb Samuel F. 


u 
| (1751-1088), ReltorderNitolaifchule war, ſtudierte 


an der dortigen Univerfität, wurde 1824 Lehrer an 
der Nikolaiſchule, 1835 Konreltor und 300 ſich 1863 
in den Ruheſtand nah Dresden zurüd, wo er 
11. März 1878 ftarb. Er veröffentlichte: Aus 
aben des Qucretiuß (Lpz. 1828) und Birgil 
4. Aufl., 3 Bde., ebd. 1872— 75), eine Uberſetzung 
der «Geographica» des Strabo (2 Bde., Stutta. 
185662) und Bücher für ven Schulgebraud, wor: 
unter ein «Deutihslat. Hanbwörterbudh» (mit F. 
K. Kraft, 2 Bde., Lpz. 1825; neue Bearbeitung, 
Stuttg. 1856). Sein Hauptwert ift das «Hanbbuh 
der alten Geographie» (3 Bde., Lpz. 1842—43; 
Bo. 3,2. Aufl., Hamb. 1877); eine populäre Dar: 
ftellung des öffentlihen und häuslichen Lebens der 
Griehen und Römer enthält «Hellas und Rom» 
(6 Bde., unter Mitwirkung von A. Windler, Lyy 
1871—82). 

Forbonngis (pr. -näb), Francois Beron de, 
franz. Finanzmann, Mitglied des Inſtituts, geb. 
3. Oft. 1722 zu Le Mans, wurde 1756 General 
injpeltor der Münze, 1759 premier commis des 

inanzminijters Sılbouette und zeigte ſich auf die 
em Poſten ebenio revlid als talentvoll. er 
aber den Plan fahte, mebrere der drüdenbiten 
Steuern durd eine einzige Auflage zu eriehen, 

wurde er beftig Fangen Su und auf ns üter 


Forcado — Forchheim 


verbannt. 1790 zog ihn der Finanzausſchuß der 
Konitituierenden Verſammlung bei der Reform des 
Munzſyſtems oftmals zu Rate. Er jtarb 19. Sept. 
1800. 3. bauptfählicfte Werke find: «Elöments 
du commerce» (Bar. 1754), «Recherches et con- 
siderations sur les finances de France depuis 
1595 jusqu’en 1721» (2 Bve., Baf. 1758; 6 Bpe., 
Luttich 1758), «Principes et observations &cono- 
miques» (2 Bde., Amiterd. 1767), «Analyse des 
principes sur la circulation des denr&es» (1800). 
— Bol. Delisle de Sales, Vie litteraire de F. 
(Bar. 1801). , 
—— Fluß in Weſtafrila, ſ. Olflüſſe. 
orcalquier (fpr. -Heb). 1) Arrondiffement 
im franz. Depart. Bafles + Alpes, bat 1072 qkm, 
(1901) 28378 E., 50 Gemeinden und zerfällt in 
die 6 Kantone Banon, F., Manosque, Beyruis, 
Reillanne und St. Etienne. — 2) Hauptſtadt des 
Arrondifjements 3 in 550 m Höbe ampbitbeatra- 
lich an einem K iberge im Gebiete der Durance, 
an der Linie Volx⸗F. (15 km) der Mittelmeerbahn, 
get (1901) 2132, ald Gemeinde 3023 E., jhöne 
irche, got. Fontäne, Gerichtshof; Hutmaderei, 
Seidenipinnerei, Handel mit Wachs, Süpfrüchten 
und Getreide, , 

Foroe (fry., ipr. forß), Stärke, Macht, jemandes 
ftarte Seite; F. majeure (fpr. maſchöhr), ſ. Höbere 
Gewalt. : 

Force (ipr. for), Beter, amerit. Hütoriter, geb. 
26. Nov. 1790 in der Nähe von Little Falls (Neu: 
gr ), war anfangs Buchdruder in Neuyork und 

Mn Be dann Journaliſt und ſchloß mit der 
Regierung 1833 einen Bertrag ab zur Herausgabe 
eines Sammelwertes, das alle auf amerit. Geſchichte 
bezügliben Dolumente umfafjen follte. Das Wert 
follte —* Serien umfaſſen, und mit der vierten 
(enthaltend die Dokumente der J. 1774— 76) wurde 
begonnen, Durch Bernadhläffigung des Projelts 
ſeilens des Kongreſſes geriet das Wert ins Stoden 
und ift erit 1879 wieder man worden, 
F. el 23. Jan. 1868 in Wafbhington. Seine 

roßen Sammlungen (22000 Bände und 40000 

ampblete zum Teil ſehr jeltener Art) wurden 1867 
von der Kongreßbibliothel zu Waſhington ange: 
tauft. Von 5.8 Werlen find zunennen: «American 
archives, consisting of a collection of authentic 
records, state papers, debates, letters and other 
notices ofpublicaffairs» (4. Serie, 6 Bde. Waſhingt. 
1837 —46; 5. Serie, 3 Bde., 1848—53) und 
«Tracts and other papers relating to the origin 
etc. of the colonies in North America» (4 Bbe,, 
1836 — 47), —J 

Foroella (ital., ſpr. -tichella), Paß, ſ. Ein⸗ 

Forcellini (fpr. -tihell-), Egidio, ital. Philo⸗ 
log, geb. 26. Aug. 1688 unweit Feltre (Provinz Bel- 
uno), fam 1704 in das Seminar zu Padua. F. 
war 1724—81 Reltor des Seminars von Ceneda 
und 1731—53 Beichtvater im Seminar zu Padua, 
wo er 4. April 1768 jtarb, Nachdem er mit fei- 
nem Xebrer Facciolati 1715—18 eine Revifion 
des Mörterbuches des Ealepinus beendet, begann 
er 1718 fein berübmtes «Totius latinitatis lexi- 
con» und beendete eö unter Zeitung und Beijtand 
Hacciolatis im Febr. 1758, ‚Sein Werk erſchien 
erjt nah feinem Tode (5 Bde., Babua 1771) 
und iſt wegen ber Reichhaltigleit feines Inhalts 
die Grumdlage aller fpätern lat. Wörterbücher ger 
blieben. In der zweiten Auflage (1805) wurden aus 
Eognolatos Nachlaß Supplemente beigefügt. Ein 

Brodbaus’ onverfationd-leriton.. 14. Aufl. R. U. VL 


865 


Appendir von Furlaneto erfchien 1816. Weitere 
Ausgaben veröffentlichten Bailey (2 Bde., Pond, 
1827), Furlanetto (4 Bde., Padua 1826—31) mit 
einem — (1841) dazu, ferner Voigtländer 
mit Hertel (4 Bde. Zwickau und Schneeb. 1831—35), 
Gonradini mit Beiträgen von Klo, Döpderlein, 
en (Padua 1858 fg.) und eine weitere De Vit 
6 Bpe., Prato 1858— 79; Onomaftilton [«Pars 
altera»], ebd. 1859 fg., noch im Erſcheinen). — 

l. Ferrari, Vita Aegidii F. (Padua 1792). 

oroeps (lat.), Zange, insbeſondere die Ger 
burtszange (f. d.). 

orhhammer, Zeh. Georg, Geolog, geb. 
26. Juli 1794 zu Huſum, feit 1835 Profeſſor der 
—— an der Univerſität zu Kopenhagen, 
geit. daſelbſt 14. Dez. 1865, hat ſich namentlich um 
die —— Dänemarks verdient gemacht. Unter 
feinen Schriften find die «Kry — ————— 
1888),«Danmarls geognoſtiſte Forhold⸗ ee 
«Bidrag til Stildringen af Danmarts geograpbifte 
Forhold » (ebd. 1837) und «On the composition of 
seawater in different parts of the ocean» (1864) 
hervorzuheben. 

— age gg ae vorigen, 
Altertumsforjher, geb. 23. Dft. 1801 zu Huſum, 
widmete ſich zu Kiel den Altertumsjtudien und has 
bilitierte ſich an der Kieler Univerfität, an der er 
1837 eine ordentliche Profeſſur erbielt. Er unternahm 
1830 eine — wiſſenſchaftliche Reiſe durch 

talien und Griechenland und 1888 eine zweite nach 

riechenland und Kleinaſien, von wo er über Ughp⸗ 
ten und Rom zurüdtebrte. Schäßbare Beiträge zur 
Zopograpbie des alten Hellas und der griech. Kuſten⸗ 
länder Kleinafiens find 3.8 «Hellenifa», Bd. 1 (Berl. 
1837), «Zopograpbievon Athen» (Kiel1841; 2. Aufl. 
1873), «Beihreibung der Ebene von Troja» (mit 
Karte von Spratt, Frankf. 1850), «To — 
Thebarum heptapylarum» (fliel —54 fyonia» 
(Berl. 1857). Zur Mythologie der Griechen nahm 
B: einen in vielen Abhandlungen vertretenen ganz 
elbjtändigen Standpunlt ein. Das Subſtrat und 
die Subitanz, bie aller gen. ar ag zu Orunde 
liegt, ift nach ihm das Waſſer in allen jeinen Formen 
und Erſcheinungen. Infolge diefer Anfichten erklärte 
er in der Schrift «Achill» (Kiel 1853) den weſent⸗ 
lihen Inhalt der Jliade aus dem minterlichen 
Kampfe der Elemente in der Ebene von Troja. (Bol. 
feine Erklärung der Jlias, Kiel 1884.) Seine lekten 
Schriften waren die «Prolegomena ar Mothologie 
ala Wifjenihaft und Lexilon der Mythenſprache⸗ 
Kiel 1891) und «Homer. Seine Sprade. Die 
ampfpläße feiner Heroen und Götter in der Troas⸗ 
(ebd. 1893). F. war 1868—70 Mitglied des preuß. 
Abgeordnetenhauſes (liberales Centrum), 1871— 73 
bes Deutſchen Reichstags (Fortidrittöpartei). Seit 
1874 vertrat er die Univerſität Kiel im preuf. 
Herrenhaufe. Er ftarb 9. Yan. 1894 in Kiel. — Bol. 
Höd und Pertſch, B.W. 5. Mit einem Anhang: 
Briefe von und an F. Kiel 1898). 

Forchheim. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.⸗ 
Bez. Oberfranken, bat 402,40 gm, (1900) 27957 
(13499 männl., 14458 weibl.) €. in 62 Gemeinden, 
darunter 2 Städte. — 2) Unmittelbare Stadt, 
24 km im SD. von Bamberg, in 263 m Höhe, am 
Ludwigskanal, rechts an der Negnig und unter« 
balb der Wiefentmündung, an der Linie Bamberg⸗ 
Nürnberg und den Ntebenlinien 5.:Cbermannftadt 
(15 km) und 5.:Hödjtabt a. A. (23 km) der Bayr. 
Staatöbahnen, Sik des Bezirtdamtes, eines Amts» 


55 


866 


gericht? (Landgericht Bamberg), Nent: und Forft- 
amtes, bat (1900) 7590 E., darunter 1784 Evan 
gelifche und 116 Israeliten, 3 8417 E. Poſt⸗ 
expedition, Telegraph, funflath. Kirchen, darunter die 
alte Martins⸗ oder Stiftskirche im got. Stil, ein 
Schloß (14. Jahrh.), einen Kanalhafen; Papier: und 
Mafhinenfabriten, Weberei, Spinnerei, Gerberei, 
ein Hammerwerk, Objt: (namentlich Kirſchen), Spar: 
el, Hopfen: und etwas Weinbau ſowie Handel mit 
bit, Getreide und an .— Schonim8. von. 
wird F. als karoling. Pfalz Foraheim genannt. Zur 
Zeit Karls d. Gr. wird F. (im Pagus Ratenzgowe) 
al3 ein Hauptitapelplag auf der Straße aus den 
Ländern der Slawen und Avaren erwähnt. Im 9. 
und 10. Jahrh. wurden dafelbft eine Anzahl Reichs: 
und Fürjtentage jowie 890 eine Kirchenverfamm: 
lung gehalten. Arnulf (887), Ludwig das Kind 
(900) und Konrad I. (911) wurden hier zu deutſchen 
Königen gewählt. Auf einem 1077 * abgehaltenen 
Reichstage wurde Heinrih IV. abgeſetzt und an ſeiner 
Stelle Rudolf von Schwaben zum König gewählt. 
Kaiſer Heinrich II. ſchenlte F. 1007 an das neu ge: 
gründete Bistum Bamberg. 1802 fiel es mit diefem 
an Bayern. Als biihöfl. Grenzfeſte wurde F. 1552 
vom Markgrafen Albrecht Alcibiades von Branden: 
burg: Eulmbad überrumpelt und 1634 von Bern: 
bard von Weimar belagert. Die Merle wurden zu: 
legt 1791 wieberbergeftellt, 1838 aber F. als Feitung 
aufgegeben. — Bal. Hübſch, Chronik der Stabt und 
Feſtung F. (Nürnb. 1867). , 
Forchtenau, ungar. Fraknö, Klein: Gemeinde 
im ungar. Komitat Odenburg, an ber Grenze von 
Niederöfterreih, bat (1900) 852 E., Servitentlofter; 
Obſt⸗ und Kaſtanienbau. In der Nähe das feſte 
Schloß Forhtenftein der fürftl. Siterhäguichen 
2 ie, mit reihem Familienihas und Waffen: 
ammlung. Die Burg beitand ſchon im 3.1192. 
Forchtenberg, Stadt im Oberamt Öbringen 
des württemb. Jagſtlreiſes, linls am Kocher, bat 
830 882 E., darunter 17 Katholilen, (1905) 873E., 
oſt Telegraph;; Weinbau, Rot: und Weißgerberei, 
Mollipinnerei und Gipsbrühe. — F. wird 1240 
zuerſt genannt und gehörte im 18. Jahrh. den Grafen 
von Düren (Walldürn), kam 1323 an Hobenlobe, 
1806 an Württemberg. , 
en ug Schloß bei Forchtenau (ſ. d.). 
oreieren (fr;., jpr. forb-), zwingen, erzwingen, 
erftürmen, mit Gewalt nehmen; etwas aufs Außerfte 
treiben, es übertreiben; Iatstente Geſchoſſe, 
— —— der Geſchoſſe, ſ. Geſchütz und 
Preſſionsführung; Forciertheit, gezwungenes 


eſen. 
oreit (ſpr. forß-), Sprengſtoff, ber aus Nitro: 
glycerin und gelatinierter Celluloje, Schießbaum- 
wolle und —— Kalium beſtehen ſoll. 
Forckenbeck, Mar von, liberaler Politiler, geb. 
21. Dft. 1821 zu Münſter, ſtudierte 1839—42 in 
Gießen, dann in Berlin Rechts- und Staatämwifjen: 
{haften und ward 1847 beim Stabtgericht zu Glogau 
angeftellt. Bereits 1848 beteiligte er ſich an ber 
polit, Bewegung und wurde Vorfigender des Demo: 
Fratifc-Stonftitutionellen Vereins ın Breslau. Das 
Mintfterrum Manteuffel verjekte ihn 1849 ala 
Rechtsanwalt und Notar nah Elbing, wo er als 
Stadtverordneter und jpäter ald Vertreter der Stadt 
beim Kreistage wirkte. Ende 1858 wurde F. ins 
preuß. Abgeordnetenbaus gewählt, wo er 1861 zu 
den Mitbegründern der Deutſchen Fortichrittspartei 
gehörte und namentlich die Kommiſſionsberichte 


Forchtenau — Ford (Sir Francis Clare) 


überdas Militärbudget in der Konflilts zeit 1862—66 
erftattete, 1866 batte er wejentlihen Anteil an der 
Begründung der Nationalliberalen Partei und wurde 
fodann zum Bräfidenten des Abgeorpnetenhaufes 
ewählt. Diejes Amt verjah er zu allgemeiner Zu: 
iedenbeit bis 1873, wo er auf Prätentation ber 
Stadt Breslau, die En in diefem Sabre zu ibrem 
Dberbürgermeijter wählte, in das preuß. Herrenhaus 
berufen wurde, dem er auch jpäter als Vertreter ber 
Stadt Berlin angehörte. Im Reichstag, defien Mit: 
lied F. feit 1867 war, wurde er nad Simſons Rüd: 
tritt 1874 zum Präfiventen gewählt und machte ji 
auch bier durch feine taktvolle Amtsführung ver: 
dient. Als aber infolge der Einlenkung in die Schuß: 
re feit 1878 feine nähern polit. freunde im 
eihstag in die Minderheit gerieten Iepte er 20.Mai 
1879 das Präfidium nieder. Sein gleichzeitiger Ver: 
u jedoch, das gejamte Bürgertum au einem nah 
erlin zufammenberufenen Städtetag zum Wider: 
ſtande gegen die Zölle auf Lebensmittel zu organi⸗ 
jieren, ſcheiterte. Mit den übrigen freihändleriſch ge 
finnten Seceffionijten bildete 5 dann 1881, aus 
der Nationalliberalen Partei austretend, die «Libe 
tale Vereinigung», mit der er ſich 1884 der Deutjchen 
freifinnigen Partei anſchloß. In den legten Jahren 
iſt F. in dem Parlament nicht mehr hervorgetreten, 
obaleih er dem Reihstage mit Ausnahme der Le 
i$laturperiode 1887—90 angebört hat. 1878 mar 
5. zum Oberbürgermeifter von Berlin gewählt wor: 
den; 1890 wurde diefe Wahl auf 12 Jahre erneuert, 
aber bereit3 26. Mai 1892 ftarb F. zu Berlin. — 
Val. Pbhilippfon, Mar von F. Dresd. 1898). — Sein 
Vetter Oskar von F. geb. 28. Sept. 1822 in Mün: 
fter, get. 29. Juli 1898 in ——— 
1885 das Zeitungsmuſeum (ſ. d.) au Aachen. 
Ford, Edward Onslow, engl. Bildhauer, geb. 
27. a 1852 in Bladsheatb, in München unter 
M. Wagmüllerd Leitung und in Italien an den 
Merten Donatellos berangebilvet, bat ſich befon: 
ders durch die Feinheit der Eharalteriftil und die 
malerifhe Behandlung feiner Borträtfiguren einen 
Namen gemadt. Zu nennen find von feinen Arbei: 
ten: Sir Rowland Hill (1882), Schaufpieler Henro 
roing als Hamlet (1883), Reiterftatue des Lord 
trathnaim in London, Dentmal des auf einem 
Kamel reitenden Generals Gordon in Chatam, das 
Reiterdenlmal des Maharadſchahs von Myſore, 
das Denkmal der Königin Victoria in Mancheſter. 
ür feine «Echo» benannte zarte Mädchenfigur vom 
. 1891 erbielt er auf der Berliner Runftausitellung 
1896 die große goldene Medaille. Er ftarb 23. Dez. 
1901 in London. 
Ford, Sir Francis Clare, engl. Staatsmann, 
> 4. Juni 1828 in Sondon, trat 1846 bei den 
ragonern ein, verließ jhon 1851 den Militärbienft, 
wurde 1852 —— chaftsſelkretär in Neapel, war 
fodann in Münden, Baris, Liſſabon, Brüffel, Stutt- 
gart, Karlörube, Wien, Buenos⸗Aires, Kopenhagen 
und Wafbington tbätig, 1871 Botichaftäfelretär in 
BVetersburg, dann wieder in Wien, Karlsrube und 
Darmitabt. 1875 wurde %. engl. Vertreter in der 
Halifax⸗Kommiſſion, die Canada eine Entſchädigung 
von 5, Mill. Dollars zuſprach. Nadeinander war 
er engl. Geſandter in Argentinien (1878), Uruguay 
(1879), Brafilien (1879) und Griechenland (1881), 
dann engl. Kommiſſar in der Frage der Neufund: 
land: Fiſcherei Al Paris (1883). 1884 lam er al Ge⸗ 
fandter nab Madrid, wo er 1886 den fpan.-enal. 
Handeldvertrag zu ſtande bradıte und 1857 zum 


Ford (John) — Forderungskauf | 


Rang eines Botſchafters erhoben wurde. Im Früh: 
jahr 1892 wurde er Botſchafter in Konftantinopel 
und Nov. 1893 in gleiher Eigenſchaft nah Rom 
verfeßt. Er trat im April 1898 in den Rubeftand 
und jtarb 31. Jan. 1899 in Paris, : 

Word, John, engl. Dramatifer, geb. im April 
1586 zu Ilſington in Devonfbire, wurde 1602 Mit: 
— bes Middle Temple und trat 1606 zuerſt als 

chriftſteller mit einem Gedicht «Fame’s memo- 
rial» zum Andenten des Grafen Devonfbire auf. 
Er ftarb um 1640. Teils mit Deller, Rowley u. a., 
teils allein jchrieb er eine Anzahl Dramen, die ſich 
durch Leidenihaft, kraftvolle und zarte Sprache 
auszeichnen. Aber er hen die ihm mangelnde Un: 
mittelbarfeit durch Reflerion zu erjegen, und feine 
Stoffe und Situationen haben meift etwas Abftoßen- 
des und MWidermärtiges. ꝓp den bekannteſten und 
beiten Stüden rn «’L is pity she’s a whore», 
«The lover’s melancholy», «The broken heart» und 
«Love’s sacrifice» (ſamtlich gedrudt 1629—33, 
doc früber gefpielt), «The witch of Edmonton» 
derit 1658 gedrudt), «The sun’s darling» (aufgeführt 
1623—24) und «The chronicle history of Perkin 
Warbeck» (gedrudt 1634; neu bg. von Fisgibbon 
1890). Mehrere feiner Stüdefind verloren ge — 
Seine «Dramatic work» gaben H. Weber 5 de., 
Lond. 1811), Gifford (2 Bde., 1827; neu ba. von 
Dyce, 3 Bde., 1869) und zugleich mit Malin er 
Hartley Eoleridge an beraud.— al ol, 38, 
ein Nabhahmer Shalefpeares (Heidelb. 1880). 

Örde, joviel wie Fohrde, |. Ford. 

Örde, Dorf im 3 Olpe des preuß. Reg. 
Bez. Arnsberg, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht 
Arnsberg), hat (1900) 2203 €., darunter 153 Evan- 

elifche, eine neue got. Kirche; in der Nähe eine chem. 
abrit, Dynamitfabrik und Hüttenmwerfe. 
Fördermafchine, Förderbaspel, Mafchine 
ar Emporbeben von Bergwerlsprobuften in verti⸗ 
aler oder geneigter Rihtung. Die zu fördernden 
Laften werden an Seilen befeltigt, durch deren Auf: 
wid auf Seiltrommeln das Emporheben bewirlt 
wird, Dabei find zwei folder Seiltrommeln, je eine 
für das ablaufende und auflaufende Seil, vorhans 
den, deren gemeinjchaftlihe Achſe durch Motoren 
(bier Göpel genannt) angetrieben wird, die man, je 
nad der Betriebötraft, ala Pferdegöpel, Wafler: 
rad: oder Kebrradgöpel, Turbinengöpel und Dampf: 
göpel unterfcheidet (f. Bergbau, — Forde⸗ 
a "x Die Dampfgöpel find in der Hegel liegende, 
mit Couliffenfteuerung verfehene Zwillingd:Dampfs 
maſchinen, welche entweder birelt oder unter Ein: 
ſchaltung eines — — auf die Welle 
der Seiltrommel, des ſog. Seilkorbes, einwir—⸗ 
ten. Dieſer muß mit einer zuverläſſigen und ſtarlen 
Bremfe verjeben fein, um ihn und jomit die an den 
beiden Seilen hängenden Fördergefäße an jeder 
Stelle fofort anhalten zu können, wobei der Ma- 
at bie spe der Foͤrderlorbe im Schadt an ber 
ondern, im Maſchinenhauſe befindliben Apparaten 
ertennen kann. Bon bejonderer Bedeutung ift die 
orm bed Seillorbed. Für runde, auf ihrer ganzen 
änge gleich ftarte Forderſeile fommen bei geringern 
örberhöben cylindriſche Seiltörbe zur Anwendung. 
as Bedürfnis, das Drebmoment während des Auf: 
und Abmwidelns des Seiles konſtant u erbalten, 
at die koniſchen Seiltörbe oder Spiraltörbe ent: 
tehen lafjen, bei denen die beiden Förderſeile auf 
e eine konijhe Trommel in fpiraligen Windungen 
auflaufen, und zwar derart, daß in der tiefiten Stel: 


‚liher Sachen, nur bezüg 


867 


lung des Forderlorbes al bei marimalem Seil 
ewicht, das Seil am kleinſten Radius, in der höch—⸗ 
hen Stellung des Förderlorbes am größten Radius 
des Seiltorbes angreift. Durch geeignete Wahl der 
gorm läßt fi beim Spiralforb eine volllommene 
usgleihung der Drehmomente der Laft, der Förder: 
törbe und Seile erzielen. Für jehe große Schachttiefen 
nd auch nad unten an Stärle abnehmende runde 
ile in Verbindung mit cylindrifchen Seiltörben 
ausgeführt worden. Die — flacher Seile 
bedingt eine andere Konſtruktion der Aufwindetrom⸗ 
mel. Hier find es ſchmale cylindriſche Spulen, ſog. 
Bobinen, mit hohen Seitenſcheiben zum Schu 
gegen das jeitice Ablaufen des Seiles, auf die fi 
biejes in übereinander liegenden Ringen —— 
jo daß der äußere Durchmeſſer beim Seilaufwinden 
vergrößert wirb und dadurch eine nabezu vollloms 
mene ra een ber a eg erzielt 
wird. — Vol. von Hauer, Die F. der Bergwerle 
(8. Aufl., Lpz. 1885); Wirk, Die Wartung der F. 
ordern, |. Zmeilampf. ((Effen 1901). 


Örderrinnen, j. Transportapparate, 
rderſtedt, Dorf im Kreis Galbe des preuß. 
Reg.Bez. Magdeburg, 10 km im W. von Galbe, 
an der Marbe jowie an der Linie Magdeburg-Güften 


und der Nebenlinie Y.:Etgeröleben (17 km) ver 
Preuß. —— bat (1900) 3324, (1905) 3431 
meijt evang. E., Poſt, Telegrapb; drei Braunkohlen⸗ 
gruben, Steinbrüdhe, Kaltöfen und Ziegelei. 
Forderung zum Zweilampf, ſ. Herausforderung 
und Zweilampf. — 5. im Privatrecht, f. order 
rungsrecht. — F. unter einer aufihiebenden 
oder auflöfenden Bedingung können nad der 
Deutſchen Konklursordnung ($$. 66 und 67) im Kon⸗ 
fursverfahren geltend gemacht werden. Die F. der 
eritern Art berechtigen, folange die Bedingung nicht 
eingetreten ift, nur zu einer Sicherung; die 5: unter 
einer auflöjenden Bedingung können wie unbedingte 
geltend — werden. Zu einer Sicherheitsleiſtung 
iſt der Gläubiger nur dann verpflichtet, wenn eine 
ſolche Verpflihtung aud dem Gemeinſchuldner ge: 
genüber — Nach der Oſterreichiſchen Konkurs: 
ordnung (. 16) gilt im allgemeinen dasſelbe. Doch 
t der Gläubiger, wenn es fih um eine auflöfende 
dingung handelt, ftet3 Sicherheit zu leiften. 
Örderung, |. Bergbau. j 
orderungsfauf, der Kauf einer Forderung, 
wird realifiert Durch die in der Negel mit dem Kauf 
ufammenfallende Eejfion (f.d.). Über die Beſchrän⸗ 
hung des F. bezüglich der Höhe des Preifes ſ. Anafta- 
tanıjches ce m allgemeinen gelten für den 
. diefelben Vorſchriften, wie für den Kauf körper: 
lich der Gewährleiſtung be⸗ 
eben andere Grundfäge. Nah Bürgerl. Geſetzb. 
. 437 haftet der Verkäufer nur für den rechtlichen 
eftand der Forderung, bei einem Wertpapier jedoch 
auc dafür, daß es nicht zum Zwecke der Kraftlos: 
erklärung aufgeboten ijt, nicht aber für die Zah: 
lungsfähigleit des Schulpners, außer wenn er fie 
dem Käufer garantiert oder ihn darüber argliftiger: 
weiſe getäufgt bat. Auf demſelben Standpuntt ſteht 
der Code civil (Art. 1693 fg.), nur befchräntt er die 
Haftung des Verkäufers auf Höbe des Raufprei- 
$ Dagegen haftet nad Öfterr. Bürgerl. Gejepb. 
.1397, wer eine Forderung gegen Entgelt abtritt, 
dem Übernehmer jowohl für die Richtigkeit ald auch 
fe die Einbringlichleit der Forderung, jedoch nie 
t mebr, als er von dem libernehmer erhalten hat. 
— Die Vorjhriften über den F. gelten nicht nur 
65* 


868 


über den Kauf von Forderungen, fondern auch über 
ben von andern Rechten, 3. B. Urbeberredten. 

Borderungdrecht. Jedem Recht entipricht eine 
Verbindlichkeit. Denn jedes Recht ſteht andern 
Menſchen gegenüber zu; die übrigen Menſchen find 
alfo mindeſtens verbunden, ſich dem Inhalte bes 
dem Berechtigten ——— Rechts entſprechend 
zu verhalten, —* e nicht zu verlegen. Soweit 
ein anderer bad Recht verlegt, das nicht erfüllt, 
wozu ibn das ihm gegenüberjtehende Recht vers 
pflitet, erwächſt dem Berechtigten daraus ein mit 
einer Klage (f. Actio) verfolgbarer Anſpruch (f. d.) 
Fa Anertennung des Rechts, MWiederberitellung, 

aß. Diefe aus dem Recht erwachſenden Anfprüce 
er als eine Konſequenz oder als ein Teil des Ins 

alts des Rechts zu denken. Dinglihe Rechte (ſ. d.), 
wie das Eigentum, oder andere abfolute Rechte 
(f. Actio), wie das Urheber: oder Patentrecht, find 
egen jeden Dritten verfolgbar. Erjt der durch eine 
erlegung dieſer Rechte erwachſene Anſpruch richtet 
RG egen eine bejtimmte Perſon, die des Verletzers. 

Am Anſpruch kann auch gegen die Erben ver: 
folgt werben, wenn der Verleger geftorben iſt, aber 
niet gegen eine mit dem Verleger in gar feiner Be 
Kedung jtehende britte J on. Gleichwohl faßt die 

echtswiſſenſchaft den Anſpruch nicht als eine von 
ihrer Quelle, dem dinglichen oder abſoluten Rechte 
losgelöjte Befugnis auf. , 

8 giebt ferner Rechts- und Lebensverhältniſſe, 
welde von vornherein nur — en beſtimmten Per⸗ 
ſonen beſtehen, wie das zwiſchen Ehegatten oder 
das zwiſchen dem Vater oder der Mutter zu ihrem 
Kinde. Aber dieſe Verhältniſſe erſchöpfen ſich nicht in 
Anjprücen auf einzelne Handlungen und Leiſtungen, 
erg fie haben einen tiefgehenden fittlichen In⸗ 

alt, welchen die Rechtswiſſenſchaft als eine Lebens» 
gemeinſchaft mit wechfeljeitigen Rechten und Pflich⸗ 
ten der Perſonen gegeneinander au t. 

Endlich giebt es eine dritte Klaſſe won Rechts⸗ 
verhältnijjen des Privatrechtö, welche weder den 
jo mweitreihenden Hintergrund eines jeden Dritten 

ur Anerlennung und ve verpflichtenden 

* haben wie die abſoluten Rechte, noch einen 
0 ee die Perjon ergreifenden Inhalt 
wie die Familienrechte, das find bie F. (Obliga— 
tionen oder Shuldverhältnifle; Bürgerl. 
Geſetzb. $. 241). 

ie gehen von Anfang an nur auf die Berpflic: 
tung einer beftimmten Perſon, des Schuldners. Sie 
find gerichtet nur auf ein äußeres Verhalten, die 
Vornahme von Handlungen oder auf Unterlaffuns 
gen. Die Handlungen können fih befchränten auf 
eine Arbeit, eine Thätigleit, auch eine umfaſſende. 
und jahrelang fortgejeste Thätigleit, auf eine Be 
arbeitung von Sachen, melde dann als ein fertiges 
Wert dem Gläubiger zu übergeben find oder ala 
ein Refultat der Thätigleit des Schuldners dem 
Gläubiger zu gute kommen, auf die Übertragung 
von Eigentum oder andern Rechten (facere, non 
facere, dare). Aber mit der Erfüllung (f. d.) der 
ſchuldigen 2eiftung oder des ganzen Komplexes 
ſchuldiger Leiftungen ift das Band zwiſchen Gläubi« 
ger und Schuldner gelöft. Beide ftehen nicht weiter, 
wie Ehegatten, Eltern und Rinder, in irgend einem 
perfönlichen Verhältnis. 

Menn fi fo das F. feinem Grundcharakter nad 
febr beftimmt von den übrigen Privatredtäverhält- 
niſſen unterjcheidet, fo ift die Durchführung im ein: 
zelnen von dem pojitiven Recht nicht immer mit 


Forderungsrecht 


zwingender Notwendigleit und in einer für alle Zei⸗ 
ten muftergültigen Weiſe oe taltet. 

Es ift das unvergänglice Verdienſt ber röm. 
Rechtswiſſenſchaft, daß fie nicht allein in logiſch 
forrefter Weije den Grundcharakter der Obligation 
in den einzelnen Ronjequenzen durchgeführt, ſondern 
auch die einzelnen Obligationen in einer dem Leben 
und feinen Anfprühen, der Billigleit, Treu und 
Glauben entiprehenden Weife ausgebildet bat. 
Darum gehört — was an röm. Rechtsgedanlen 
ins heute geltende Recht aufgenommen iſt, in weit⸗ 
aus größtem Umfange dem F. an. Zum Zeil beruht 
ihr Syſtem allerdings auch auf ſpecifiſch römifch-na- 
tionaler, wirtſchaftlicher und ſocialer en 
bie und fremd erjcheint. So weit mußte ihr 
dem Untergang entgegengeben. 

Miete und Pacht galten den Römern nur als 
ein Schuldverhältnis zwiſchen dem Vermieter oder 
Verpächter auf der einen Seite und dem Mieter 
oder Pächter auf der andern Seite. Da dieſelben 
dritte Berfonen nicht verpflichten, fo war der Käufer, 
wenn er, obſchon in Kenntnis der Pacht oder Miete, 
das Eigentum am Grundſtück vom Bermieter er 
warb, ohne den Mietvertrag zu übernehmen, an 
das Schuldverhältnis nicht gebunden, er lonnte den 
Mieter oder Pächter austreiben, und dieſer war auf 
eine Entſchädig win a feinen Bermieter 
oder Berpächter beſchränkt («ftauf bricht Miete»). Uns 
will es nicht einleuchten, weshalb dem Pächter oder 
Mieter, welcher in den Befig des Grunbftüdes gejest 
iſt, nicht ein dingliches oder nicht wenigſtens ein gegen 
den fpätern Eigentümer, der das Grundftüd vom 
Vermieter durch freiwilligen Kauf erworben bat, 
verfolgbares Recht am Grundftüd zufteben foll, wie 
bon nad röm. Recht dem Niebbrauder oder dem 

uperfiziar (f. Superfijie8). Das franz. und das 
neue deutjche bürgerlihe Recht geben deshalb dem 
Mieter oder Pächter ein dahin gehendes Recht, das 
Oſterr. Bürgerl, Geſebuch und das Recht mander 
Kantone der Schweiz wenigitend dann, wenn ver 
Vertrag in das Grundbud; (f. d.) oder wenn er in 
ein Öffentliches Regifter eingetragen ift. 

Ferner, wenn e3 irgend ein Net giebt, welches 
Aniprud auf abjoluten Eharalter hat, ijt e8 das auf 
die Integrität des eigenen Leibes und bie perjön: 
liche Freiheit. Das röm. Recht aber tannte nur Obli- 
—— melde aus abſichtlicher oder fahrläſſiget 

erlegung diefer Rechte entipringen. Die Präju—⸗ 
dizialflage, daß jemand, der als Stlave angeſprochen 
wurde, frei ſei, hat beute feine Bedeutung mebr. 

Das Eigentum ijt ein dingliches Recht und es 
erzeugt zwei bingliche Klagen, die Bindilation (f. d.) 
und die Negatoria (f. d.). Aber der Eigentümer 
und nur er bat eine J höher bemeſſenen Erſat, 
als mit der Eigentumsklage erreicht werben lann, 

erichtete perjönliche Klage gegen den Dieb (f. Dieb: 
habt) und gegen ben, —2 die dem Eigentümer 

ebörige Sache abfichtlich oder fahrläffig beſchädigt 
Bat (f. Eigentumstlage). 

d. entitehen aus Rechtsgeſchäften, namentlid 
Verträgen (f. Contractus), bisweilen aus Einjeitigem 
Rechtsgeſchäft (f. d.), aus unerlaubten Handlungen 
(f. Delilte) und aus thatſächlichen Verbältnifien, mie 
der ungerechtfertigten Bereicherung (f. Bereicherung 
und Bereiherungsflage). Daneben hat dag röm. 
Recht andere Fälle unter die Gruppen der Quaſi⸗ 
tontratte (f. d.) und der Quajibelitte (j. d.) geitellt. 

Die Rechtslehre und die Gejege, welde das ge 
famte bürgerliche Recht umfafien, wie namentlich das 


Forderungsrecht 


Oſterr. Allg. Bürgerl. Geſetzbuch, der Code civil und 
das Deutſche Bürgerl. Gejehbucd, oder welche, wie 
das Schweizer Obligationenrecht, nur das Recht der 
—— oder, wie das Deutſche ——— 
uch, nur dad Handelsrecht betreffen, zäblen eine An⸗ 
zahl von Verträgen auf, die ſie im allgemeinen mit 
dispoſitiven Dispoſitivgeſetze) regeln. 
So: Schenkung (ſ. d.), Tauſch(ſ. d.), Rauf(j.d.), Sad: 
miete und Pacht (ſ. d.), Dienſtmiete (ſ. d.), Werkver⸗ 
dingung (f.d.), Frachtvertrag (ſ. d.), Verlagsvertrag 
— Verlagsrecht), Darlehn (ſ. d.), Gebrauchsleihe 
(i. —— Hinterlegungsvertra (f. Depo⸗ 
fitum), Auftrag (}.d.), welchem die Öejoäftsfügrung 
(f. d.) ohne Auftrag angeſchloſſen wird, Anweiſung 
G. d.) er (1. d.), Mallervertrag (f. d.), 
Trödelvertra (1. d.), Vergleich (j. d.), Schiedsver⸗ 
trag (f. d.), Berta (1. d.), Bürgichaft (j. d.), 
Berjiherungsvertrag (f. d.), Zeibrentenvertrag (j.d.), 
Spiel (f. d.) und Wette (f. d.), Geſellſchaft (j. d.), 
Anerkennung (f. d.), Anweiſung (f. d.), während 
die durch Verfügung von Todes wegen entjteben- 
den F. im Zuſammenhang mit dem Erbrecht abge: 
bandelt zu werben pflegen. Daß es dabei nicht auf 
ein vollftänbiges erzeichnis aller möglichen obli- 
gatoriſchen Verträge abgejeben iſt, de ſchon dar: 
aus bervor, daß nicht einmal alle Gejebe alle vor- 
genannten Verträge regeln, wie denn ſchon das röm. 
Recht ſich unter der Bezeichnung Innominatlontralte 
(f. Contractus) eine Rt orte für die nicht befonders 
benannten Berträge often bielt. Daran wird aber 
feftgebalten, daß das Recht nicht aus jedem Ber: 
trage mit einem beliebigen Inbalt, weldhen die Kon- 
—— aus Laune und Willkür abſchließen, ein 
tlagbares F. entſtehen läßt. Im allgemeinen 
wird dazu ein verſtändiges, den wirtſchaftlichen oder 
fittlichen rg des Lebens entiprechendes 
Intereſſe (j. d.) gefordert. Das Recht ziebt in 
diefer Beziehung eine doppelte Grenze. In gewiſ—⸗ 
en Fällen, wie bei dem Spiel oder auch bei der 
ette, übt der Staat keinen Zwang gegen den 
Berfprechenben aus, wenn er nah dem Sinne bes 
Vertrags zu erfüllen hätte. Man ſpricht dann von 
einer natürlihen Verbindlichleit (naturalis obli- 
atio, Beer im Gegenfaß zu einer flag: 
aren Verbindlichleit (eivilis obligatio). Was der 
Verſprechende — geleiſtet hat, darf die an- 
dere Partei behalten. So aud beim Differenz« 
eihäft (f. d.). In andern Fällen verbietet das 
Geleh auch das Behalten, jo daß —— 
dert werden fann, was freiwillig zu Erfüllung ge 
leiftet ift. Unfittliche Verträge find ungülti Aut 
nad dem röm. Juriſten Papinian (Bürgerl. Geſetzb. 
8.138). Nur wird die Rüdforderung — I 
wenn der Vorwurf der Unfittlichleit auch den Leis 
ftenden trifft. Ebenjo ungültig find die Verträge, 
welche pofitiven up 3.8. dem Wucher: 
verbot (j. Wucher), zuwiderlaufen (Bürgerl. Gejebb. 
88. 134 u. 309). 

Dad in einem eier ober fittlihen Zwed 
wurzelnde Intereſſe der Parteien kann in dem Ber: 
trage jelbft bervortreten; der Vertrag trägt feine 
Causa (j. d.) zur Schau, wenn ſich aus feinem In— 
balte ergiebt, daß er zur oben jpecialifierten Klaſſe 
der benannten Verträge gehört oder wenn fich dieſe 
Causa ſonſt ergiebt. Nun’ hat zwar das Recht für 

ewiſſe Fälle auch das jog. abſtralte Veriprechen 
fr verbindlich erflärt; das bat aber nur die 
edeutung, daß der Kläger die Causa bier nicht 


nachzuweiſen braucht. Der Berflagte kann aber | 


869 


aud in diefen Fällen den Beweis antreten, daß das 
Verſprechen einer vom Recht anerkannten Causa 
entbebrt ſ. ——— 

— ind ferner die Verträge, welcheeine objek⸗ 
tiv unmögliche Leiſtung anſinnen Bürgerl. Geſetzb. 
$. 306), jo daß auch ein für den Fall der Nichtlei: 
ſtung —— trafverſprechen unwirkſam iſt. 
Als objeltiv unmöglich gilt das Verſprechen der Lei: 
ftung einer dem Berlehr entzogenen Sache (f. Com- 
mercium) und einer nicht oder nicht mebr eriftieren: 
den Ken . B. der Verkauf eined zur Zeit des 
ah Tuffes verbrannten Gemälves, wenngleich 
die eien dieje Thatjache nicht kannten. Gültig 
ift das Verſprechen einer zulünftigen Sache (Emtio 
spei, |. Emtio). Das röm. Recht ſah es nicht ala 
eine Unmöglichleit an, daß die verfprodene, 3. B 
verkaufte Sache dem Verfprechenden nicht gehörte. 
Hatten die Kontrahenten im Auge, daß der Ber: 
fäufer die fremde Sache von deren Cigentümer er: 
werben jollte, fo gilt bier dasfelbe, wie wenn jemand 
die Leitung eines Dritten veripriht. Das Ver: 
ſprechen macht ihn dafür verbindlich, feine Ber 
mübungen aufzuwenden, um den Dritten zur Leis 
ftung zu beftimmen. Eine Verbindlichkeit entjtand 
nad röm. Recht nicht aus einem Vertrage, welcher 
die Leiftung oder ihren Gegenstand dem freien Wil: 
len des Verſprechenden überläßt. Aber der auf Probe 

. Kauf auf Probe) oder auf Beſicht abgefchlofiene 

ertrag konnte ſchon nad röm. Recht durch eine ſpä⸗ 
tere Erklärung deö Verſprechenden fo perfekt werden, 
daß eine Klage auf Erfüllung zuftand. Auch konnte 
die Beitimmung de3 Gegenſtandes dem billigen 
Ermejjen einer der Verfonen, welche den Vertrag 
ſchloſſen, wie dem gleihen Ermefjen eines Dritten 
überlaffen werden. (S. Arbitrium.) Nach dem Deut: 
ſchen Bürgerl. Geſetzb. $. 315 ift, wenn die Leiftung 
durch einen der Vertragsſchließenden beftimmt mer: 
den foll, nur im Zweifel anzunehmen, daß die Be: 
ftimmung nad billigem Ermefien zu treffen fei, und 
das Gleiche gilt dann, wenn die Beitimmung ber 
Leiſtung einem Dritten überlafjen ift ($. 317). 

Nah röm. Recht konnte die Partei r air 
nur fich verjprechen laſſen und nur io fel j; 
verpflichten. Das moderne Recht bat eine freie 
Stellvertretun ' Stellvertreter) zugelaſſen. 
Dieſe erftredt fi niet loß auf die Entftehung des 
F. und der Schuld aus dem Vertrage, — auch 
auf die dinglichen Verträge (f. Dinglicher Vertrag). 
Verträge fe. d.) fommen aber außerdem aud im 
—— und Erbrecht vor; durch fie werben auch 
amilienrechtliche Verbältnifje (die Ehe, das Kindes: 
verhältnis dur Adoption) begründende Wirkungen, 
ein Titel für das Erbrecht (j. Erbvertrag) erzeugt 
und Rechte aller Art übertragen. Die allgemeine 
Lehre von dem Abſchluß des Vertrags und feiner 
PVerfeltion, von der Form der Verträge und den 
allgemeinen Gründen ihrer Ungültigteit, gebört 
deshalb nicht dem Obligationenredt allein an, fon: 
dern wird im allgemeinen Teil des bürgerlichen 
Rechts behandelt (Bürgerl. Geſetzb. 88. 145— 157). 
(S. aud Vertrag.) , 

Das F., weldes aus einem Vertrage entitebt, 
fann nur auf einer von beiden Seiten begründet 
ein. Sole Einjeitigen Schuldverhältniſſe 
ſ. d.) werben ;. ®. begründet durch ein Schenkungs⸗ 
—— und ſoweit es ſich um die w felmäßtge 
Verbindlichleit handelt, durch den Wechjel. In glei: 
ber Art begründet das Delilt und die grundloſe 
Bereirheruna aewöbnlich nur ein einjeitiges Schuld: 


370 


verhältnis. Der Vertrag oder der Quaſilontrakt 
fann aber auch neben der Hauptverbindlichleit des 
einen Kontrahenten eine mit einer Actio contraria 
ee zu machende Nebenverbindlichleit des andern 

ontrabenten auf Erjas von Aufwendungen und 
Schäden begründen, jo für den Mandatar beim 
Auftrag (f. d.), den Kommodatar beim Commoda- 
tum (j. d.), den Geſchäftsführer bei der Geihäfts- 
—— (ſ. d.), den Depoſitar bei dem Hinter— 
egungsvertrag (f. Depoſitum), den Pfandnehmer 
beim be rege (ſ. d.). Oder e3 entiteben 
Doppelfeitige Schuldverbältniffe (j. d.; 
Bürgerl. Geſeßb. $$. 320 fg.: gegenfeitiger 
Bertrag), welche die exceptio non adimpleti con- 
tractus oder die exceptio non rite adimpleti con- 
tractus begründen. Solche doppelfeitigen Schuld» 
verhältnifje lönnen au begründet werden durch 
eine Yeiftung und Gegenleiftung aus einem nichtie 
gen Vertrage, indem beide Teile je ihre Leiftung 
oder die Bereicherung zurüdfordern. 

Hat eine Bartei, welche ſich nur mit Einwilligung 
ihres nefeslichen Vertreterö verbindlich machen, aber 
ohne ſolche Einwilligung Rechte erwerben kann, 
einen Vertrag leterer Art ohne dieje Einwilligung 
abgeſchloſſen (wie ein Minderjähriger oder ein wegen 
Geiſtesſchwäche, Verſchwendung oder Trunkfucht 
Entmündigter oder unter vorläufige Vormundfchaft 
Geftellter ohne Einwilligung des Vormunds oder 
Pflegers), fo bleibt die Gegenpartei gebunden, wenn 
der geſetzliche Vertreter oder nad Hebung der Hand» 
lungsunfäbigteit der bisher Handlungsunfäbige den 
Vertrag genehmigt (Öfterr. Bürgerl. Gejehb. $.865; 
Code civil Art. 1125, 1311; Schweizer Obligatios 
nentecht $. 32; Bürgerl. Geſetzb. $$. 108 u. 114). 
Bei diejen hinkenden Geſchäften (negotia clau- 
— wird aber der Gegenlontrahent nach den 
neuern Geſetzen frei, wenn der gejepliche Vertreter 
ſich er binnen einer angemejjenen Friſt (nad 
Bürgerl. Geſetzbuch 2 Moden, $. 108) auf jenes 
a erklärt. 

nn mehrere Berfonen zufammen einen Vertrag 
blieben, aus welchem fie Gläubiger werden follen, 
o tritt, wenn nichts anderes verabredet und die Leis 
tung teilbar ijt, nach dem Gefekbud für KSiterreich 
8.888, nah Schweizer Obligationenredht Art. 162, 
169 und nad dem Deutſchen Bürgerl. Geſetzb. — 
Teilung ein, ſo daß jeder Gläubiger für ſich feinen 
Anteil fordern kann. Nach Code civil Art. 1220 gilt 
das nur, wenn an die Stelle eines der Vertrag: 
ſchließenden eine Mebrzabl von Erben tritt. Selbit: 
verftändlich teilt fich die Forderung nicht, wenn die 
mebrern Gläubiger eine einheitliche Öetelihaft 
bilden, denn in diefem tr ift die Gefellichaft, 3.8. 
eine Offene Handelsgeſellſchaft (ſ. d.), Gläubiger, 
nicht die einzelnen. 

Ebenfo tritt nach den erft angeführten Rechten 
eine Teilung auf feiten der mehrern Schuldner 
ein. Das Deutihe Bürgerl. Geiehb. $. 427 be 
ftimmt: «Verpflichten ſich mehrere durd Vertra 
gemeinſchaftlich zu einer teilbaren Leiſtung, fo bat: 
ten fie im Zweifel ald Geſamtſchuldner.“ Diefer 
jent allgemein geltende Sak bildete früber eine Ber 
onderbeit des Handelsrechts (Art. 280 des alten 
Handelsgeſetzbuchs). 

Iſt die Leiſtung unteilbar, ſo braucht nach Oſterr. 
Bürgerl. Geſetzb. $. 890 der Schuldner einem der 
mebrern Gläubiger allein nur zu leiften, wenn ihm 
Sicherheit gegen die übrigen negeben wird. Nach 


dem TDeutihen Bürgerl. Geſeßb. 8. 432 darf der | 







Forderungsrecht 


Schuldner, wenn die Gläubiger nicht 
biger find, nur an alle Gläubiger — 
und jeder Gläubiger nur die Leiſtung an alle 
fordern. Jeder Gläubiger kann —— 
Schuldner die gejhuldete Sache für a 
binterlege oder, wenn fie fi nicht 
legung eignet, an einen gerichtlich zu 
Verwahrer abliefert. Nah andern Rechten lann 
ieder einzelne Gläubiger das Ganze fordern, doch 
wird der Schulbner dur einmalige Leiftung allen 
egenüber befreit. Durchgehends kann bei unteil- 
arer Leiſtung von jedem einzelnen Schuldner das 
Ganze mit der Wirkung gefordert werden, daß er 
durch feine Leiftung die übrigen befreit 
Gejehb. $$. 431, 421 u. 422). Die 
jegung zwiſchen den mebrern Gläubigern oder den 
mehrern Echuldnern erfolgt nad dem ri ihnen 
bejtebenden —— Geſamtſchuldner find 
nach Bürgerl. Geſeßb. $. 426 im Verhältnis zu 
einander zu gleihen Anteilen —— ſo weit 
aa ein anderes bejtimmt ift. Kann von einem 
Gejamtihuldner der auf ihn entjallende Beitrag 
Er * —— ſo iſt —F ee 
rigen zur Ausgleichung verpfli en 

u tragen. Soweit 2 Gefamif uldner den Gläw 
iger befriedigt und von den übrigen Schuldnern 
Ausgleihung verlangen kann, gebt die —— 
des Gläubigers gegen die übrigen Sch 
ihn über. Gefamtgläubiger find im —— 
zu — im Zweifel zu gleichen Teilen 
tigt ($. 430). 

Cine Gejamtforderung oder eine —— 
lann auch durch das die Schuld begründende 
geſchäft feſtgeſtellt werden. (S. Korrealobligation.) 

Über die — einer er durch uns 
erlaubte Handlung (unrehte That) ſ. Arglift und 
Delilt. Eine der Haftung aus einem Delikt ent: 
ſprechende, unter Umjtänden erweiterte Haftung 
wird durd eine argliftige und grobfabrläffige, in 
der Renel dur jede ſchuldhafle Handlung oder 
Unterlajjung des Schuldners begründet, die 
fem bezüglich der bereit3 aus einem andern 
grund erwachſenen Forderung zuzurechnen ift, jo 
3. B. wenn der Käufer die verkaufte Ware vor 
der Ablieferung ——— Der Gläubiger —* 
bier nicht aus dem Delikt, ſondern er lann 
wegen ber erweiterten Haftung aus dem urfprüng- 
lihen Rechtsgrunde, 3. B. dem al Magen. Von 
einer ſolchen Haftung für böfe Abſicht und grobe 
Yabrläffigteit kann ſich der Schuldner in Vertrags⸗ 
verhältniiien auch nicht durch eine im voraus ge 
troffene Abrede Ha: das pactum ne dolus 
praestetur ift ungültig (Bürgerl. Geſetzb. $. 276). 

Dieje beiden Entftehungsgründe, und 
Delitt, heben das Gemeinſchaftliche, dab fie eine 
Schuld Ichlehthin begründen. Der Schuldner 
aus feinem Verſprechen oder aus feiner Verſchul⸗ 
dung dafür einzufteben, J der Gläubiger das 
erhält, was er zu fordern bat. Mit * per: 
fönliben Haftung nahmen es die Rechte 
Geihichtsperioden fehr ernft. Der Schuldner, wel: 
ber die Schuld nicht zahlte, konnte von dem Gläu- 
biger in Schuldknechtſchaft genommen und ala Uns 
freier verlauft werben, ſowohl nah altem röm. 
ala nad) — Recht. Davon blieb bis in 
unſere Zeit die De Deutſchland erit durch Geſet des 
Norddeutſchen Bundes vom 29, Mai 1868 (dur 
die Reichsverfaſſung auf das ganze Reich ausge⸗ 
dehnt) befeitigte Schuldhaft übrig. Heute giebt es, 


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Forderungsrecht 


abgeſehen von einem auch gegen die Perſon zuläſ⸗ 
figen Sicherungsarreſt, nur noch die Möglicteit, 
einen Schuldner zur Vornahme einer ausfoliehlid 
von — Willen abhängenden Handlung (außer 
ur Eingehung einer Ehe, zur Heritellung des eher 
lien Lebens und zur Leiſtung von Dienften aus 
einem Dienjtvertrag) dur Gelditrafen bis 1500 M. 
oder Haft bis *, Jahr anzubalten (Civilprozeß⸗ 
orbnung $. 888). der Gläubiger die vers 
tragsmäßige Leiftung weder durch unmittelbare 
Bmangdvollftredung (f. d.), noch durch die genann⸗ 
ten Zwangsmittel erlangen kann, jo kann er das 
Intereſſe (}. d.) fordern. Um dies von vornherein 
zu firieren ober auf den Schuldner einen Drud zur 
vertragamäßigen Leiftung auszuüben, wird häufig 
eine Konventionalftrafe (}. d.) vereinbart. 

Befreit wird der Schuldner von feiner Verbind⸗ 
lichkeit durch nachträglich eintretende, von ihm nicht 
u vertretende Unmöglichleit (f. d.) der Leiftung 
(Bürgerl Geſetzb. 8. 275). 

Eine befhränttere Haftung des Schuldners ald 
für die eigenen Deliktichulden und für die Schulden 
aus eigenem Verſprechen tritt in andern Fällen 
ein, in denen die Haftung bedingt wird durch einen 
Beſih, eine Innehabung, eine Bereicherung. Hier 
berührt ſich der Inhalt des F. mit dem inhalt eines 
Anſpruchs aus dinglichem Hecht gegen den gutgläus 
bigen Befiker, wie ſich umgelehrt der Anſpruch aus 
dinglichem Recht u. den —— en Be⸗ 
figer mit der Schuldklage aus einem Delitt berührt. 

Der Erbe Dallas nad röm. Recht für Delittihul: 
den feines Erblaſſers nicht ſchlechthin, ſondern nur 
mit ber Erbihaft; auch für Vertragsjhulden des 
Grblafjerd nur in diefem Umfang, ſoweit er das In—⸗ 
ventartedt (f.d.) hat (vgl. Bürgerl. Geſetzb. 88. 847, 
1998 fa.). Sodann tritt die Haftung auf das, was 
der Bellagte durch ein Geihäft erlangt hat, und 
wenn er dies in Geld umgeiekt bat, auf das, was er 
daburdp gewonnen und zur Zeit der Klage noch hat, 
bei den gerfonen ein, welche jich wegen ihrer Hand⸗ 
Iungsunfäbigfeit durch das Geihäft Ihlectbin nicht 
verpflichten fonnten (Minderjährige, Entmünbigte), 
oder wenn das Geſchäft aus einem andern Grunde 
ungültig und der Empfänger in gutem Glauben war. 
Das fin (le der Kondiktionen (Bürgerl. Geſetzb. 
8.812). (©. Bereiherung und Bereiherungstlage.) 

Eine in anderer Weiſe beſchränkte Haftung der 
Handlungsunfäbigen wird durch foldye, ibnen nicht 
auzurechnende Handlungen begründet, welche, wenn 
fie von einem Handlungsfähigen vorgenommen 
wären, fib al3 unerlaubte Handlung qualifizieren 
würden (Bürgerl. Gejesb. $. 829). 

Die Erbichaftätlage (j. d.) wird begründet durd) 
den Beſitz von erbſchaftlichen —— welche 
der Bellagte in dem Glauben innebat, er ſei der 
Erbe. Hat er fie in gutem Glauben veräußert, fo 
fann er auf Herausgabe diejer Sachen nicht mehr, 
wohl aber auf die Bereiberung mit jener dinglichen 
Klage belangt werben. Dagegen ijt die Bindilation 
(j. d.) nicht mebr begründet, wenn der Befiger einer 
es Sache diejelbe in gutem Glauben veräußert 

at. Der Eigentümer kann ja feine Sade nun von 
dem neuen erber vindizieren; allein, wenn fie 
bei dieſem untergegangen it, fo daß fie der Eigen: 
tümer dort nicht mehr vindizieren kann, entitebt 
. den veräußernden gutgläubigen Beſitzer die 

erbindlichleit, da, was er gewonnen hat, dem 
Gigentümer herauszugeben, fofern jener nur feinen 
Gräsungähenp hatte (j. Erfigung). 


871 


Es gab eine Anzahl perjönlicher Klagen, melde 
man im Gemeinen Recht unter dem Namen actiones 
in rem scriptae zujammenfaßte. Hier beihräntte ſich 
bie nn auf Herausgabe oder Vorzeigung eines 
Gegenitandes, welchen jemand hinter ſich hatte, ohne 
daß er font in einem Schuldverhältnig zu dem 
Kläger jtand. So z. B. wenn eine Erhibition (f. d.) 
—— wurde, oder wenn jemand infolge einer 

rohung einen Rechtsverluſt erlitten, ein Dritter 
aber, welcher an der — nicht teilgenommen, 
ja nicht einmal von derſelben Kenntnis erhalten hat, 
infolge des geübten Zwanges etwas erlangt hatte, 
Er hajtete dem Benachteiligten auf Herausgabe, fo: 
lange er dies hatte, ein Grundſatz, welchen die neuern 
eehgebungen freilih aufgegeben haben. 

onder Haftung für einen durch Haustiere (ſ. Tier, 
Rechtliches) angerihteten Schaden konnte ſich nad) 
Gemeinem Recht (nicht mehr nad Bürgerl. Geſeßb. 
E 833) der Eigentümer durch Hingabe des Tieres 
efreien; dieſe Art der Haftung Hebte aber dem Tiere 
an, g daß jie bei Veräußerung des ſchadenſtiften⸗ 
den Tieres auf den jeweiligen Eigentümer überging 
(noxa caput sequitur). Diejelbe Beitimmung wen: 
deten die Römer vor Yuftinian an bei Delikten ver 
Stlaven und jelbjt der Hauäfinder. 

Der Reeder bajtet für den Schaben, den eine 
Perſon der Schifisbefagung einem Dritten durch 
ihr Berjhulden in Ausführung ihrer Dienjtverrich 
tungen zufügt, fowie für enilie andere Anjprüde 
Pr — —* fund Fracht (Deutſches Handelsgeſeßb. 

. 485, 486). 

Der Hausvater zen nad Gemeinem Recht nicht 
ſchlechthin für Schulden feines Hausjohns. Hatte 
er aber dem Sohn ein Betulium (f. d.) zur-eigenen 
Verwaltung überlafjen, jo haftete er ven Gläubigern 
aus den mit dem Sohn geihlofjenen Geſchäften 
8 weit, als jenes Pekulium reicht. Und, ſoweit das 

ermögen des Vater durch ein Geſchäft des Soh— 
nes vermebrt ift, haftet er ihnen, ſoweit diefe Vers 
mebrung reicht (actio de in rem verso). 

Man darf zwar die Regel aufitellen, daß jeder 
aus einem eigenen Verſchulden und aus feinem 
oder jeines Stellvertreters gültig abgegebenen Bers 
ſprechen für die begründete Schuld mit feinem gan 
zen Vermögen bafte. Aber man darf nicht die ums 

efehrte Regel aufitellen, daß da, wo die Gejege an 
Ebatfachen., welche von dem Willen des Verpflich⸗ 
teten unabhängig waren, eine Haftung desjelben 
fnüpfen, dieje jedesmal nur eine bejchräntte jci. 
Denn der Geſchäftshert haftet dem en 
welder obne Auftrag, aber dem mutmaßlichen Wils 
len des —— oder den Verhältniſſen ent⸗ 
ſprechend deſſen Geſchäfte geführt hat, nicht bloß 
nach Maßgabe der Bereicherung auf Erſtattung der 
Auslagen. Und ebenſo kann ie des Denn icht⸗ 

eſetzes (ſ. d.) eine ſehr weitgehende Schuld eines 

abrikeigentuͤmers oder des Betriebsunternehmers 
einer Eiſenbahn ohne jede Verſchuldung desſelben 
begründet werden. Val. auch über die Haftung für 
die Schuld des Gehilfen den Artikel Culpa. 

ber die Erweiterung und Einſchränkung begrün⸗ 
deter F. durch Verzug 4 d.; über die Abtretung bes 
ſtehender F. Ceſſion; über den Eintritt eines neuen 
Schuldners |. Delegation, Erpromiffion und Schuld» 
übernahme; über die Aufhebung einer bejtebenden 
Schuld ſ. Erfüllung, Annahme an Sablungshatt, 
Erlaß, Aufrebnung und Depofition. — Vgl. Dert: 
mann, Das Recht der Schuldverhältnifje (2 Tie., 
Berl. 1899); Scherer, Das Recht der Schuldverhält- 


872 


nifje des Bürgerl. Geſetzbuchs für das Deutiche Reich 
—— 1899); Heilfron, Lehrbuch des bürger: 
liben Rechts, 2. Abteil.: Recht der Schulpverbält: 
niſſe (2. Aufl., Berl. 1902); Schuſter von Bonnot, 
Grundriß des öjterr. Obligationenrechts (Lpz. 1899). 
irn ia j. Wettrennen. j 

orderungdvermächtnis, ein Vermächtnis, 
bei dem der vermadhte Gegenjtand eine Syorderung 
it. Es ift dies in drei verſchiedenen Hichtungen 
möglih: jo, daß dem Wermächtniänehmer eine 
Forderung übertragen werden foll, fo, daß er von 
einer Schuld befreit werden foll, oder jo, daß der 
Grblafier das, was er dem Vermächtnisnehmer 
ſchuldet, vermacht. Das lekte ift das Schuldver: 
mädtnis (legatum debiti), das zweite das Li: 
berationsvermädtnis (legatum liberationis), 
das erite it das Sy. (legatum nominis), Während 
das Deutſche Bürgerl. Gejegbuc die erftern beiden 
Arten des F. nicht erwähnt, bat es einige bejondere 
Vorſchriften für das legatum nominis ($. 2173): 
Denn im Falle des Vermächtniſſes einer dem Erb: 
laſſer —— Forderung dieſe vor ſeinem Tode 
erfüllt worden iſt und der geleiſtete Gegenſtand ſich 
noch im Nachlaſſe vorfindet, fo iſt im Zweifel anzu— 
nehmen, dab dem Bedachten dieſer Gegenſtand zu: 
gewendet werden ſoll. War die Forderung auf Zab: 
lung einer Geldſumme gerichtet, jo gilt im Zweifel die 
entjprechende Geldfummie als vermadt, auch wenn 
ſich eine ſolche in der Erbichaft nicht vorfindet. Das 
F. bewirkt nicht, daß die Forderung unmittelbar 
mit dem Erbfall auf den Vermächtnisnehmer über: 
gebt, vielmehr muß fie ihm vom Erben abgetreten 
werden. Stand nun die Forderung dem Erblajler 
gegen den Erben jelbt zu, jo würde fie an fi mit 
dem Erbfalle durch Vereinigung erlöfhen und da— 
mit das F. unwirkſam werben. Daher ijt ausprüd: 
lich bejtimmt ($. 2175), daß das dur die Vereini: 
gung erfolgende Erlöjhen in Anjebung des Ber: 
mädhtnifjes als ungeſchehen zu betrachten tft. — Das 
Oſterr. Bürgerl. Geſeßbuch beſtimmt, dah ein F. 
als widerrufen gilt, wenn der Erblafjer die vermachte 
Forderung jelbit eingetrieben, nicht aber, wenn fie 
der Schuldner aus eigenem Antriebe berictigt hat 
(83. 724, 725). Unter dem Vermächtnis aller aus: 
ftehenden Forderungen find nad 8.668 weder die 
Forderungen aus Öffentlichen Kreditpapieren noch 
die auf einem unbeweglichen Gut baftenden Kapi: 
talien oder die aus einem dinglihen Recht ent: 
ftebenden Forderungen begrifien. 

Bordicidien, ein zu Ehren der fruchtbaren 
Mutter Erde in Rom 15. April gefeiertes Felt, an 
welchem trädtige Kübe (fordae boves) geſchlach— 
tet wurden. 

Fordingbridge (pr. -brivih), Stadt in der 
engl. Grafihaft Hampjbire, 27 km im Weiten von 
Southampton, am Avon, bat als Landdiſtrikt (1901) 
6137 E.; Leinenmanufaltur und Rattundruderei. 
Der Ort ift na einer fiebenbogigen Brüde über 
den Avon benannt. 

Fordon, Stadt im preuß. Neg.:Bez. und Land: 
kreis Bromberg, lints an ver Weichfel unterhalb ver 
Brabemündung und an der Nebenlinie Bromberg: 
Schönſee der Preuß. Staatsbabnen, bat (1900) 
2387 E., darunter 772 Ratholiten und 226 Jsrae⸗ 
liten, (1905) 2785 €., Boit, Telegrapb, evang. und 
tatb. Kirche, Synagoge, Strafanftalt für Frauen; 
zwei Biegeleien, Dampfiügewert, Schiffabrt. Die 
aus ftrategiichen Gründen (1893) erbaute Eifen: 
babnbrüde ijt die größte Deutichlands (1325 m). 


Forderungsrennen — Forellen 


Foreign office (ipr. forrin offib), in England 
Bezeihnung für Minijterium des Außern, Auzwär- 
tiges Amt. lextſchehndſch), ſ. Borſe. 

Foreign Stook Ex (engl., ſpr. forrin, 

Forel, Augufte, ſchweiz. Vſychiater und En— 
tomolog, geb. 1. Sept. 1848 zu Morges (Ranton 
Waadt), ftudierte in Zürich und Mien Medizin, war 
1873— 178 —— des Profeſſors von Gudden 
in der Irrenanſtalt zu Münden, wo er ſich 1876 
an der Univerfität babilitierte, und wurde 1879 
Direltor der Irrenbeilanftalt Burabölsli in Züri. 
Auch war er ord. Profeſſor der Pſychiatrie an der 
dortigen Univerfität, legte aber 1897 dieſes Amt 
nieder. Er veröffentlidte: «Les fourmis de la 
Suisse» (Genf 1874; preisgefrönt), «Etudes myrm&- 
cologiques» (5 Zle.; in dem «Bulletin de la So- 
ciet& vaudoise des sciences naturelles», Wir. 33, 
75, 80 und 81, und in den «Annales de la Societe 
entomologique de Belgique», Bd. 30), «Linter: 
fuhungen über die Haubenregion und ibre obern 
Verknüpfungen im Gebirn des Menſchen und einiger 
Säugetiere» (im «Archiv für Piychiatrie», Bd. 7, 
Berl. 1877), «Experiences et remarques critiques 
sur les sensations des insectes» (3 Tle., in Bd. 4 
des «Recueil zoologique suisse», Genf 1886—87), 
«Der Hypnotismus» (4. Aufl., Stutta. 1902), « Die 
Errihtung von Trinlerafolen» (Bremerbaven 1891), 
«Les formicides de Madagascar» (in Grandidiers 
« Histoire physique etc. de car», Bd. 20, 
Bar. 1892), «Gebirn und Seele (7. u.8. Aufl, 
Bonn 1902), «Die pſychiſchen Fähigkeiten der 
Ameifen und —* anderer Inſelten (Munch. 
1901), «Die ſexuelle Frage» (ebv. 1905) u. ſ. w. 
Auch iſt er Mitherausgeber der «internationalen 
Monatsſchrift zur Belämpfung der Trintfitten» und 
der «geitjchrift für Hypnotismus» und bat fih um 
die Einrichtung der Trinterbeilanjtalt Elliton jebr 
verdient gemacht. 

Forel, Francois Alphonſe, ſchweiz. Naturfor: 
ſcher, Bruder des vorigen, geb. 2. Febr. 1841 zu 
Morges (Kanton Waadt), ift gegenwärtig Profefior 
der allgemeinen Anatomie an der Univerfität zu 
Zaufanne. Er richtete feine Studien hauptſächlich 
auf die Phyfil und die Naturgefhichte der Süß: 
waſſerſeen, namentlich diejenige de Genfer und 
Bodenſees, und in zweiter Linie auf die Ericei: 
nungen der Gletſcher feines Vaterlandes und die 
Erdbeben. Zahlreihe Schriften 5.8 finden fib in 
deutſchen, Schweiz. und franz. Journalen; feine Stu 
dien über Seen find zufammengefaßt in «Le Löman» 
(2 Bde., Laufanne 1892— 96) und im «Handbuch 
der Seentunde» (Stuttg. 11). 

Foreland (pr. fohrländ), Nortb-und Soutb;, 
zwei Kaps an der Süboftlüfte Englands, Grafſchaft 
Kent (I. Nebentarte zur Seelarte der Norbdiee, 
beim Artilel Nordjee). Das eritere, an der Nordoſt⸗ 
fpige der Halbinfel Kent, erbebt ſich zwiſchen Mar: 
gate und Ramsgate in 51° 22’ 28” nörbl. Br, und 
1° 26’ öjtl. 2. von Greenwich 18—36 m bod und 
trägt einen 26 m boben Leuchtturm. — Das zweite 
liegt 26 km jüdlicher, öftlih von Dover, gegenüber 
dem 28,4 km entiernten franz. Kap Gris-Nez, in 
51°8’23” nördl.Br.und1? 22’ öjtl.2,von Greenwich. 
Zwei Leuchttürme von 21 und 15m Höbe zeigen ihr 
Feuer in 113 und 84m Höhe über Hochwaſſer. Zwi⸗ 
ſchen beiden Raps find der Hüfte mebrere gefährliche 
Sandbänte (j. Goodwin-Sands) vorgelagert. 

Forellen, Fiihe aus der Familie der Lachſe (Sal- 
monidae, f. Lachsfiſche). Die eigentlidhen F. 


Forellenbarſch — Forey 


welche man in mehrere Untergattungen teilt, dann 
wieder unter dem Gattungsnamen Trutta mit Un: 
rebt von den echten Sachien (Salmo) getrennt bat, 
befigen auf dem bintern Stiel des Pflugicharbeind 
viele Zähne, welche im Alter oft verloren geben, 
mäbrend bei den eigentlichen Lachſen auf dem kur: 
en Stiel des ee niemals Zähne fißen. 
ie F. find gefledt und halten ſich in Haren, fühlen 
Gebirgswaſſern auf. Sie ſchwimmen fchnell, find 
ſcheu und vorfichtig, verhalten fih gegen ſchwächere, 
Heinere Fiſche ald Naubtiere und zeichnen ſich durch 
ein befonders ſchmachaftes und zartes Fleiſch aus. 
Man fängt fie meift mit der Angel und zwar, da 
ie gern nad Inſelten Springen, mit —— 
liegen oder mit Wurmfödern im Mittelwaſſer und 
auf dem Grunde. (S. Angelfiiherei.) , 
Die belanntefte Art ift vie Badhforelle, Stein: 
bereite (Salmo s. Trutta fario L., i. Tafel: 
Fiſche J, Fig. 7), welche die Gebirgsbäche des mitt- 
lern und nordl. Europas bewohnt (f. Karte: Tier: 
geograpbie ll), auf dem Rüden mit ſchwarzen, 
an ven Seiten mit roten Fleden gezeichnet, auch 
zuweilen ganz einfarbig ift und meiſtens nur 15— 
30 cm, doch auch bis fait 1 m lang wird. Sie laicht 
im Spätberbft und Borminter. Die Zartbeit und 
Schmadbaftigkeit ihres Fleiſches ift befannt; am 
volltommenften ift fie im Mai, Man züchtet fie in 
Haren Waldbächen und Teichen, wo fie bis 7,5 kg er: 
reichen können, während jonjt F. von 0,50 bis 0,15 kg 
als groß gelten. (S. Teichwirtſchaft und Fifchzucht 
nebit Tafel, Fig. 14.) Die abweichenden Färbungen 
haben die —— vieler Spielarten veranlaßt. 
Außerdem gebören noch zu den eigentlichen F. in 
Mitteleuropa: die Seeforelle oder Illanke 
(Salıno s. Trutta lacustris L.) in faft allen Alpen: 
feen, die bis 20 kg ſchwer wird, und die Meer: 
forelle oder Lachsforelle Norbdeutihlands 
(Salmo s. Trutta trutta L.), welche hödhjitens 15 kg 
erreicht, die Nord: und Ditfee bewohnt und, wie 
ver Lachs, zum Laichen, das im Vorwinter ge: 
fhiebt, in die Flüſſe aufiteigt, obne indes jo höch 
mie der Lachs hinaufzuwandern. fiber die Grenzen 
und die Berechtigung der einzelnen Arten herrſchen 
ir binfichtlih der 5. viele Zweifel unter den 
daturforſchern. Manche gewichtige Autoritäten 
nebmen nur eine einzige Art an und glauben, daß 
die bier angeführten Teile die vielen in andern Ge 
genden unterjchiedenen nur durch Aufenthalt, Nab: 
rung u. f. w. modifiziert worden find. Die künit: 
liche Züchtung ſcheint für dieſe Anficht zu Sprechen, 
indem die aus Ciern gezogenen — im 
Laufe der Generationen allmählich ven Bachforellen 
äbnlid werden. — Bol. Weeger, Aufzucht ver F. 
und der andern Salmoniden (3. Aufl., Wien 1896); 
Delle Doreen (Osnabr. 1894); Diener, Die 
fünftlihe Zucht der F. (2. Aufl., Neudamm 1902). 
orellenbarfch, ſ. Barich. 
orellengrammlit, ſ. Granulit. 
orellenporzellan, chineſ. und japan. Bor: 
zellan, —* Glaſur durch feine Haarriſſe kreuz und 
quer durchfurcht iſt; durch Einreiben mit dineſ. 
Tuſche, Tinte u. ſ. w. werden die Haarriſſe beſon⸗ 
ders ſichtbar gemacht — 8 
en alat, j. Sartenjalat. 
orellenftein, gefledt ausſehendes Geftein, das 
in eriter Linie aus farblojem oder weißem Anorthit 
und ſchmutzig⸗ dunlelgrünen Bartien von Serpentin 
zujammengejeßt tft, der ſich als Umwandlungspro⸗ 
dult von Dlivin ergiebt. Yu dem mittel: bis grob: 


873 


törnigen Gemenge diefer Mineralien gejellen fih noch 
ipärliche Individuen von Diallag ſowie ſchwarze 
Erzlornchen. Überall jtebt diefe Re Sart mit Gabbro 
in enger Verbindung, und fie ijt eigentlich als ein 
ganz diallagarmer Olivingabbro aufzufaflen. Sol: 
her F. —* ſich z. B. bei Neurode in Schlefien, im 
Harzer en bei Langenlois in Öfterreich, bei 
pina füblic von Bormto, aud in Cornwall. 
orentde Dampffibs Selffab («DBereinigte 
Dampfihiffögejellibaft»), da bedeutendſte Reebe: 
reiunternehmen Dänemarks, in Kopenhagen, ift 
1866 durch Verjhmelzung dreier älterer Linien ent: 
ftanden. Mit ihrer Flotte, die ſich von anfänglich 
22 Schiffen auf (Ende 1901) 127 Schiffe mit etwa 
140000 Regiftertond Bruttoraumgebalt vermehrt 
bat, unterhält fie durch —5* regelmäßige Linien 
die Frachtſchiffahrt zwiſchen Dänemark und allen 
Ländern Europas, bis ind Mittelländifhe und 
Schwarze Meer hinein, und mit Nordamerila. (©. 
auc die Tafel: Internationale Signal: und 
Needereiflaggen, beim Artikel Flaggen.) 
orenfen (lat. forenses, «zu den Gerichten Ge 
örige»), Berfonen, die in einer Gemeinde, ohne der: 
elben ——— und ohne dort zu wohnen, Grund⸗ 
eſiß haben. Sie find der Ast Pirmgin 
unterworfen, doch ift die naheliegende Gefahr einer 
— ga des Forenſaleinlommens zu vers 
meiden, wie dies in dem preuß. Kommunalabgaben: 
gie vom 14. ae 1893 geſchehen Y (j. Dop 
euerung). Died Beſteuerungsrecht wird bis: 
weilen aud objervanzmäßig von Kirchengemeinden 
gegen bie in der Gemeinde nicht eingepfarrten aus: 
märtigen gan — sſbeſondere 
werben bie F. da zurlirhlihen Baulaſt herangezogen, 
wo die Laft als eine dingliche beftebt. 
orenfiich (lat.), das Forum (f. Ir die Gerichts⸗ 
verhandlungen betrefjend. Forenſiſche Medizin 
(medicina forensis), j. Gerichtliche Medizin; foren: 
fülde Piohologie, |. Geridtliche Bincologie 
Forenza, Drt im Kreis Melfi der ital. Provinz 
Potenza, in 762 m Si bat (1901) 6347 €, ; Lein⸗ 
wanbindujtrie und Käſehandel. IE De Joret. 
oreft, John William de, amerik. Schriftiteller, 
(mittellat.), Genuß der Nugung 
eines Forites oder der Zahlung dafür. immer, 
For ever (engl., ipr. ewm’r), für immer, auf 
Foren (fpr.-reb), Elie Frederic, franz. Marſchall, 
eb, 10. Yan. 1804 = Paris, trat 1822 in die Mi⸗ 
itärſchule von St. Eyr, machte 1830 die Erpedition 
nad Algier und 1836 ald Kapitän die erſte 
bition gegen Gonftantine mit. 1844 wurde er Ober 
und Gommandeur des 26. Linienregiments. 
unterjtüste Napoleon bei dem Staatsftreih vom 
2. Dez. 1851 und wurde 1852 Divifionsgeneral. 
Im Drienttriege beichte er 1854 mit einem Teile 
ee Divifion den Peiraieus, nabm an der Be 
agerung von Semajtopol teil, verfeindete ſich 
aber mit dem Oberbefehlshaber Eanrobert. F. er 
bielt daher im März 1855 feine —— und 
wurde zum Befehlshaber der Provinz Oran in Al: 
gerien ernannt, jedoch fhon 1857 an die Spike der 
1. Divifion der Armee von Paris berufen. Im ital. 
Kriege von 1859 lieferte er mit der 1. Divilion des 
1. Armeetorps 20. Mai das fiegreihe Treffen bei 
Montebello und Eafteggio. Bei Solferino erftürmte 
er den Stübpunft des dfterr. Centrums, das Dorf 
Cavriana. Nah dem Kriege erfolgte feine Ernen: 
nung zum Senator, Juli 1862 wurde Sy. zum 
Oberbefehlshaber der franz. Truppen in Meriko er: 


874 


nannt. Unter großen Schwierigfeiten drang er 1863 
ins Innere vor, langte im März vor dem ſtark be 
feftigten Buebla an und er Im 17. Mai zur Über: 
gabe. Am 10. uni zog er in Mexiko ein und wurde 
darauf zum Marjchallernannt. Zurüdberufen, über: 
nabm F. im Dezember den Oberbefehl über das 
2. Korps (Lille) und befehligte 1867 das Lager von 
Ehälons. Er jtarb 20. Juni 1872 zu Paris, 
Forez (ipr. -reb), ehemalige franz. Provinz des 
Generalgouvernements Lyonnais, dad Land der Ser 
gufianer, wurde 900 Grafſchaft, fam im 14. Jahrh. 
an die Bourbons, 1523 an die Krone und wurde 
17% in das Depart. Loire verwandelt; kleinere 
Zeile wurden zu den Depart. Rhöne und Haute 
Loire geihlagen (f. Karte: Mittel: und Süd: 
frantreic, beim Artikel Frantreih, Bd.17). Das 
Dbere F. oder Jarröt, mit dem Hauptorte St. 
Ehamond, begriff die Gneisgebirgsmaſſe mit den 
Koblenbeden von St. Etienne, Rive-de-Grie und 
Firminy. NiedersForez,imf. und in der Mitte, 
umfaßte die Ebenen von Montbrifon und von 
Noanne. — Bol. De la Mure, Histoire du > 8 
de F. (£yon 1674); 9. J. Bernard, Histoire du F. 
(2 Bde., Montbrijon 1835—36); La Tour-Baran, 
Etudes historiques sur le F., chronique des 
teaux et des abbayes (St. Etienne 1854); Antoine, 
Histoire du F. (ebd. 1883). 
fForezgebirge Ir -teb-), Gebirgstette in der 
Mitte Frankreichs (ſ. Karte: Mittel: und Süd: 
rantreich, beim Artikel Frankreich, Bd. 17), er: 
dt fih auf der Grenze der Depart. Loire und 
uy:de:Dome, zwiſchen Loire und Allier, von N. 
nah ©., ift reih an Eifen und Kohlen, an ven 
untern Abbängen gut bebaut und mit ſchönen Weiden 
verjeben, in ven obern Teilen teil kahl, teila mit 
dihtem Tannen» und Birkenwalde bevedt. Die 
mittlere Höhe ift 1000, die PierrefurHaute im 
WNW. von Montbrifon 1640 m hoch. Das F. bat 
nah RN. eine Fortfeßung in den Bois-Roirs (Buy: 
de: Montoncel 1292 m) und im Madeleinegebirge 
(Bois de l'Aſſiſe 1165 m). Die Eifenbahn von Eler: 
mont nad St. Etienne durdichneidet das Gebirge. 
Forfait (fr3., jpr. -fäb), Miſſethat; Verdingung; 
& forfait, im Accord, in Bauſch und Bogen. Über F. 
(engl. Forfeit) im Sport ſ. Reugelv. 
orfar oder Angus. 1) Graffchaft Mittel: 
ſchottlands (f. Karte: Schottland), an der Nord: 
ſee, — im S. an den Taybuſen, im W. an Perth, 
im N. an Aberdeen und Kincardine, bat 2306 qkm 
und (1901) 284078€., d. i. 123 auf 1 qkm. F. jer: 
fällt in vier verſchiedene Landſtriche. Die nördl. Re 
gion, fajt die Hälfte des Landes, ift von Zweigen des 
rampiangebirges, den Braes of Angus, erfüllt. 
Barallel ven Grampians zieht im ©. die Sanbjtein: 
region der Sidlaw-Hills mit dem Dunfinane: Hill. 
— — jenem Gebirgs- und dieſem Hügellande 
iegt der Hown of Angus, ein Teil des Thals Strath— 
more, eine wellenförmige, gut bewäſſerte, wenn auch 
nicht jebr fruchtbare Landichaft. Trefflich angebaut ift 
die vierte Region, die 550 qkm große enregion. 
Die bedeutenditen Flüfe Nord: und Süd-Esk und der 
= Zap gehende Jsla fommen von den Grampians. 
ie Niederungen geben reiche Weizenernten; meit 
serbreitet ijt der Anbau von Kartoffeln und Rü- 
ben. Rindvieb und Schafe ziebt man in Menge. 
Das Mineralreich gewährt nur Kalt, Baufteine und 
Porzellanerde. Bedeutend find Fiſcherei (Lachs— 
jene) Schiffahrt, Handel und namentlich die Leinen: 
abrilation. Eine Bahn durdziebt das Stratbmore 


Forez — Forgemol de Boftquenard 


und jendet vier Zweige zur Hüfte. Wichtiger als die 
Hauptſtadt F. find Dundee, Arbroatb, Montroie 
und der Biihofsfis Brechin. Die Grafichaft ſendet 
einen Abgeorbneten ind Parlament, zwei andere 
bie jieben Städte, — 2) Hauptftadt der Grafihaft 

„im Strathmore, nabe einem Heinen See gelegen, 
ift gut gebaut, hat (1901) 12882 E., ein Grafichajtss 
und ein Stadthaus, Lateinſchule, Handwerterinftitut 
nebjt Bibliothet; Seinwandinduftrie, Schubfabrila- 
tion und Viehhandel. — F. war ſchott. Königafis. 

Forfeit (engl, ipr. fobrfit), ſ. Reugelv. 

Forfioula, Forfioulldae, |. Obrmwürmer und 
Zafel: Injetten IV, Fig. 10, 

Forgach (ſpr. foͤrrgahtſch), ungar. Grafenfamilie, 
leitet ihren Urſprung von den —— Rittern 
Hunt⸗Paznän ab, die unter König Stephan dem 
Heiligen (997—1038) eingewandert find. Den 
Namen führt die Familie nah dem Schloſſe F. 
(auch Forgacs) in Siebenbürgen. Seit Anfang 
des 16. Jahrh. teilt fie ſich in die ältere Linie Gby- 
mes (Zweige: Ghymes und Gomba) und in die 

ngere zu Gäcs (Zweige: Gäcs und Szecäeny). Den 

eiberrentitel erbielt te 6. März 1651, den Grafen: 
titel 11. März 1675, und zwar erwarb beide Graf 
Adam F. geb. 1601, geit. 1681, berühmt durch die 
Verteidigung von Neubäufel gegen die Türken. 

Außerdem find zu erwähnen: Blafius F. der 
der ungar. Königin Maria den Thron wiederver⸗ 
ſchaffte, indem er ihren Rivalen Karl von Durazzo, 
König von Neapel, 7. Febr. 1386 meuchleriſch zu 
Boden ſchlug; er wurde dafür 25. Juli 1387 von der 
Bartei des getöteten Königs ermordet. — Franz F. 
(1506 —60), Bifhof von Großwardein, binterlieh 
ein mwertvolled Geſchichtswerk über feine Zeit. — 
ni gnaz F. Feldzeugmeifter, geb. 21. Juli 1702, 
errichtete beim Ausbruce des Oſterreichiſchen Erb- 
folgelrieges (1741) ein ————— und zeich⸗ 
nete ſich durch große Tapferkeit aus; 1745 wurde 
er Generalmajor, 1757 Feldmarſchallleutnant und 
nad dem Hubertusburger Frieden (1763) Feldzeug⸗ 
meijter. Er jtarb 2. April 1772. 

Graf Anton F., geb.6. März 1819, wurde 1849 
Diitrittsfommiflar in Preßburg, 1851 Diftrikts- 
obergeipan für das gejamte Statthaltereigebiet von 
Kaſchau, 1853 Vicepräfident der Stattbalterei in 
Prag, von wo er 1860 als Seltionäcef in das Mir 
niftertum berufen ward. Noch in demſelben Jahre 
—— jeine Beförderung zum Statthalter von 

ähren und Schleſien und furze Zeit darauf von 
Böhmen. 1861 bekleidete er ven Poſten des ungar, 
Hoftanzlerd und wurde 1865 zum Übergeipan des 
Neograder Komitatd ernannt. Er ftarb 2, April 
1885 auf Schloß Loſoncz. 

—— in der Jägerfprache, ſ. Forkel. 

orgemol de Boftquenard hr. forfh’möll 
de bodenabr), Leonard Leopold, franz. General, geb. 
17. Sept. 1821 zu Azerables (Depart. Ereuje) , be 
ſuchte die Militärjhule von St. Cyr und trat 1841 
in die Armee in Algerien. Während des Deutic- 
Franzöſiſchen Krieges wurde er zum Generalitabs: 
chef des 17. Armeelorpd, 1871 zum Brigadegene 
ral ernannt, dann als Chef des Generaljtabes 
des 7. Armeelorps in Bejangon verwendet. 1879 
um Divifionsgeneral ernannt, wurde er nad Con» 
tantine zur Unterbrüdung eines Aufitandes ge 
ichidt. 1881 befebligte er eine Divifion des Erpebir 
tionstorps, das Tunis bejegte, und wurde bald 
darauf zum Dberbefebläbaber desielben ernannt. 
Hier blieb er bis Dit. 1883, wo er zum fommandier 


Forges-led-Eaur — Forll 


renden General des 11. Armeelorps in Nantes bes 
fördert wurde, das er bis 1. Febr. 1890 befehligte. 
Er ftarb 28. Nov. 1897 in Paris. 

Forges-led:Eaug (fpr. forſch läjoh), Hauptort 
des Kantons F. im Arrondifjement Neufchätel des 
franz. Depart. Seine-Inferieure, im Braymwalde, 
an der Epte und der Linie Bontoije:Dieppe der Wet: 
bahn, hat (1901) 1897, ala Gemeinde 1956 E., viel 
beſuchte Eifenquellen und Hotels, Fabrilation von 
keramiſchen Waren und Chemilalien. 

dring, isländ. Handelögewidt, |. Färing. _ 
orio, Ort im Kreis Pozzuoli der ital, Provinz 
Neapel, auf der Weftküfte von Jschia rom gelegen, 
bat (1901) ald Gemeinde 6656 E., jhönes Fran: 
istanerflofter, einen Hafen und Mineralbäber. Die 
Dewoimer find tüchtige Seeleute, F. wurde bei dem 
Erpbeben 28, Juli 1883 faſt ganz zerftört. 

Forke (vomlat. furca), Heu, Miftgabel. (S. auch 
Gartengeräte nebjt Tafel, Fig. 2.) 

Forkel, Forgel,inder Jägeripradbe Bezeihnung 
für gabelige Stellftangen, auf vie das Jagdzeug ge 
jtüßt wird; im —— ein gabelförmiges Eiſen zum 
Abheben der Scheiben, Steine, Schlacken u. ſ. w. 

Forkel, Job. Nil. rg ha geb. 22. Febr. 
1749 in Meeder bei Coburg, lam im 17. Jahre 
nad Schwerin, wo er die unit der berzogl. Familie 
gewann, Gr —5 — nun zwei Jahre die Rechte, 
dann aber ausſchließlich Muſit. 1779 wurde er Unis 
verſitätsmuſildireltor in Göttingen, wo er 20. März 
1818 ftarb. Als Komponift (Rantaten, Klavier: 
tonzerte, ein Oratorium u. ſ. w.) zeigt F. geringe 
Dre Er befebdete Glud und verlannte Hän: 
del. Für Bach war er begeiftert; jeine Schrift «liber 
Seb. Bachs Leben» (Lpz. 1802) iſt höchit einfeitig, 
—— aber er beige Mitteilungen von Bachs 
Söhnen. Wertvoller alö feine « Allgemeine Ges 
ichichte der Mufil» (2 Bde., Lpz. 1788— 1801), die 
nur bis ins 15. Jahrh. führt, ift die «Allgemeine 
Litteratur der Mujil» (ebd. 1792). 

Forkeln, Spießen, das angriffsweiie Stoßen 
und Verwunden dur alle Geweib: und Gebörn- 
träger, 

Forläne, Furlane, ein Tanz in verfhiedenen 
Abteilungen, der befonders bei der ländlichen Be 
völterung Venedigs und den Gondolieren gebräuch⸗ 
lich und nach den Forlanern (Furlanern), den 
Bewohnern von Friaul, benannt iſt. Der Tanz 
ift heitern Ebarafters, gewöhnlich im Sechsachtel⸗, 
jeltener im Sechövierteltalt. 

orle, Nadelbaum, ſ. Kiefer (botaniſch). 

örleule, die Fichteneule (ſ. d. und Tafel: 
Schaädliche Forſtinſelten I, Fig. 3, beim Ar: 
titel Foritinjelten). 

Forli. 1) Provinz im Königreih Italien (f. 
Karte: Ober: und Mittelitalien, beim Artikel 
Stalien), in ver Landſchaft Emilia, früber zur päpſtl. 
Romagna gehörig, grenzt im N, an die Provinz 
Ravenna, im O. an das Adriatiſche Meer, im ©. 
an die — — und die Republik San 
Marino, im W. an Florenz, bat 1884 (nach Strel⸗ 
bitjfij 1989) qkm, (1901) 280823 (1881: 251110) 
E. und zerfällt in die 3 Kreife Cejena, F. (82 162€.) 
und Rimini mit zufammen 41 Gemeinden. Die Bro- 
vinz bildet zum größten Teil ein von den Abhängen 
des Apennin erfülltes Berg: und Hügelland mit 
ihönen Thälern und Landſchaften, zum Teil eine 
Ih fruchtbare und wohl bebaute Ebene mit einigen 

einen Küftenflüffen: Montone, Ronco, Savio, Na: 
rechia, Fiumicino und Ufo, dem ehemaligen Rubi: 


875 


fon. Die —— Pet Weizen, Mais und 
Hanf, ferner beftehen Weinbau, Viehzucht, Seiden⸗ 
kultur, Fifherei und Schiffahrt. An der Küfte ent: 
lang al, rt die Adriatiſche Rüftenbahn, von weldyer 
bei Rimini die Linie nah Bologna: Mailand ab» 
weigt.—2) F. das alte Forum Livii, tftabt der 
rovinzF. rechts vom Montone, an ber alten Umili⸗ 
hen Straße und an der Linie Bologna-Ancona des 
driatifhen Nekes, mit Straßenbahnen nad Ras 
venna und Melbola, Sik der .. eines Bir 
(cofs, eines Zribunals, eines Al enbofs, einer 
ommiffion zur Auffiht über die Altertümer und 
Kunftdenfmäler, einer Handels- und Gewerbelam: 
mer fowie des Kommandos der Anfanteriebrigade 
«Savona» und eined Militärdiftrits, ift gut und 
regelmäßig gebaut und hat 1881: 19442, als 
meinde 40934, 1901 als Gemeinde 43708 €,, 
in Garniſon 2 Bataillone des 15. Infanterie⸗ 
regiments und 2 Batterien yelbartillerie, einen 
ſchönen, mit Säulengängen umgebenen Marlt: 
ylab, ein 1875 enthülltes Denkmal des Anatomen 
Morgagni (geft. 1771), zahlreihe Kirchen, mehrere 
bemerfenäwerte Paläjte, eine Eitadelle, 1360 von 
Kardinal Albornoz erbaut und durch die Orbelaffi 
und Riarii vergrößert, ein — Obſervato⸗ 
rium, ein Gymnaſium, eine Oberreal:, Gew 
ſchule, ein Lehrerinnenfeminar, eine ftädtifhe Biblio: 
thet (80000 Bände), eine Pinatothet, ein Spital 
1638) mit Findelhaus und ein Arbeitshaug für Kna⸗ 
en. den Kirchen find die merhwürbigiten die 
Kathedrale Sta. Eroce mit einer von —— 1686 
- 1706 ausgemalten Kuppel und den Grabſtätten 
Cignanis und Torricellis; San Mercuriale (nach dem 
erſten Biſchof von 12 genannt), eine roman. Kirche 
von 1180, mit Skulpturen aus dem 14. Jahrh. 
über dem Bortal und Gemälden von Balmezzano; 
San Girolamo mit Fresten von Melozzo und ed 
mezzano und dem Grabmal der Barbara Manfredi 
(geit. 1466), in reicher Fruhrenaiſſance; San Pelle: 
rino mit einem ſchönen Grabdenkmal des 15. Jahrh. 
5 ift der Geburtsort des Cornelius Gallus (geft. 
7 v. Chr.), des — ——— Flavio Biondo 
(15. Jahrh.), des Malers Melozjo (Ende des 
15. Jahrh.) und des Arztes Morgagni (18. Jahrh.). 
— Die Stabt murbe von einem Livius, vielleicht vom 
Konjul Marcus Livius Salinator nad) defjen Siege 
über Hasdrubal am Metaurus 207 v. Ehr. erbaut 
und nad ihm benannt (Forum Livii). Mit dem 
Eparchat unter Karl d. Gr. an das Papſttum gekom⸗ 
men, bildete F. (mittellat. auch Forlivium) im ſpä⸗ 
tern Mittelalter eine Republik, die in den Kämpfen 
der Guelfen und Gbibellinen häufig ihre Herren 
wechjelte, lange Zeit auch unter päpftl. Herrſchaft 
ftand und 1504 definitiv an Papjt Julius IL fiel, 
der ed dem Kirchenſtaate einverleibte. 1797 kam 
5 an die Cisalpiniſche Republil, dann an das 
önigreich Stalien, 1815 nochmals an die Päpſte, 
gegen die e3 an der Erhebung 1831 und 1848 teil- 
Sehen: 17. Juni 1859 zogen die Päpftlihen aus 7. 
ab, das nun an Sardinien kam. — Bal. Bonoli, 
Historia della cittä di F. (Forſi 1666); Monografia 
statistica, economica, amministrativa della pro- 
vincia di F. (3 ®oe., ebd. 186667). 

Forli, Melozzo da, Maler, geb.um 1438 audorlt, 
bedeutend ald Vorläufer der großen ital, ae: 
bildete fich zuerjt an Piero della Francesca, erfuhr 
dann aber dur den Einfluß Mantegnas eine 
mwejentlibe Wandlung des Stils. Lehterer äußert 
fih insbejondere in der damals noch feltenen Ans 


876 


Forlimpopoli — Form 


wendung der Berfürzungen, namentlich bei Deden: — te wird vernommen, Beweiſe werden erboben. 


malereien. Sein Hauptwerk in diefer Hinfiht war 
die Ausfhmüdung des Chors der Apoſtelkirche in 
Rom (1472), wo der zum Himmel aufiteigende Hei 
fand und reizende Engel mit Mufilinftrumenten dar: 
—* find (jest zerteilt im Quirinal und in der Sa: 

* der Peterslirche; geſtochen von weg Da: 
neben ift von befonderm Intereſſe der Frestenihmud 
in einer Kapelle der Marientirhe zu Loreto. Als 
bedeutender Borträtmaler zeigt fib F. in der gleich: 
—* zu Rom für Bapft Sirtus IV. gemalten Dar: 
tellung der Einjeßung de3 gelehrten Platina zum 
päpftl. Bibliotbefar (um 1476; in der Gemälde: 
galerie des Batitan). Gegen Ende feines Lebens 
febrte y: wieder in bie Heimat wu wo er bie Bis 
bliotbef Federigos von Montefeltre mit allegorifchen 
Darftellungen der Wiflenichaften (in Berlin und 
London) jhmüdte und 8. Nov. 1494 ftarb. — Val. 
Schmarſow, Melozzo da F. (Stuttg. 1886). 

Forlimpopödfli, Stadt in der ital. Provinz und 
im Kreis Forli, unmeit rechts vom Ronco, an der 
Linie Bologna:Ancona des Adriatiſchen Nepes, bat 
(1901) alö Gemeinde 5774 E., ein Gymnafium und 
Weinbau. %. ift das alte Forum Popilii. 

orlo, ehemalige Heine ägypt. Geldrechnungs⸗ 
ftufe, die Hälfte des Aſper (f. d.). 
orm (lat. forma), die Geſtalt (3.B. einer Statue) 
im Gegenjak zu Materie oder Stoff, daher ein Be 
riff von ebenſo weitreichender Bedeutung mie die 
estern Ausdrüde (ſ. Materie). In der Philo— 
fopbie bezeichnete Plato feine Idee, Arijtoteles 
feine Entelebie aud als F. Bei Kant ift am widy 
tigften feine Unterfheidung von F. und Materie 
der Erfahrung (f. A priori; daber F. der Anſchauung, 
de? Dentens u. ſ. w.) in der theoretiſchen Philoſo⸗— 
phie, wie die von F. und Materie des Willens in 
der praktiſchen. In allen diefen Bedeutungen jtebt 
die F. dem Geſetz ſehr nahe. Bon befonders reicher 
und mannigfaltiger Anwendung ift der Begriff der 
5 in ber Sftbetit; es giebt im Gebiete des Schönen 
um etwas, was nicht irgendiwie unter diefen Be: 
griff fiele. Auch bier ift die Verwandtichaft von F. 
und Geſetz zu beachten. — In der Technik wird 
5. in verjhiedener Bedeutung gebraucht. So be: 
zeichnet F. in der Buchdruckerei die in den Schließ— 
rahmen eingejchlofjenen Typen und Drudplatten 
(j. Buchdrudkerkunſt); in der Gießerei eine Bor: 
rihtung, die dazu bejtimmt ift, das flüffige Metall 
um Zwed jeiner Formgebung aufzunehmen und 
im Innern eritarren zu ar (j. Gußformen und 
Formerei); in der Bapierfabrilation die Unterlage, 
auf welcher ſich der flüjfige Papierbrei zum — 
Papier geſtaltet; in der Eiſenerzeugung die Offnun— 
en des Hochofens, durch welche der Wind in das 
nere gelangt (j. Eifenerzeugung). 

Form (inrehtlidher Beziehung). Die F.ift von 
Bedeutung ſowohl für das gerichtliche Ber —— 
wie für die Rechtsgeſchäfte, wie auch für Erlaſſe 
und Geſetze. In frübern Perioden der Rechts: 
geihichte tft die F. von großer Bedeutung. Es 
werden beſtimmte Worte und ſymboliſche Zeichen 
angewendet. Davon entbinden id die jpätern ge: 
fhäftsreihen Zeiten. Aber ganz obne F. können 
auch fie nicht auslommen. 

1) — EEE ELBE SLLAUEER. LEHE 
das Strafverfahren gliedert ſich in beitimmter Reiben: 
folge. Die Anklage wird erboben, der Beihluß auf 
Eröffnung des Hauptverfabrens gefaßt, die Ge 
ſchworenen werden ausgeloft und beeidigt; der An: 


er Ankläger und der Verteidiger halten ihre Bor: 
träge, den Geſchworenen werden beitimmte Fragen 
borgeeol der Obmann der Geſchworenen verfündet 
die Antworten u. f. m. Ohne dieje ſcharfe —— 
Gliederung würde das Verfahren der Sicherheit und 
ber fiberjichtlichleit entbebren. Knappe und feite F. 
bieten die Sicherheit, daß alles, was zur Sache ge 
bört, in gegebener Zeit zum Vortrag gelangt, dat 
nichts Welentliches überieben wirb. Die 3. fcert 
die Ordnung, die Vollftändigleit und die Kürze des 
Verfahrens. So iſt e8 au im Civilprozeß. Für 
jede Handlung, an welche ſich wichtige rechtliche Fol: 
en Inüpfen, find bejtimmte F. vorgejchrieben: die 
bebung der Klage, die Zuftellung, die mündlide 
Verhandlung, das Urteil, die Necdtsmittel, wie 
Zwan nr 
2) Die F. der er bu find dazu be 
ftimmt, den Parteien zum Bewußtſein zu bringen, 
um was e3 fich handelt; die Anwendung der F. 
fihert den Beweis, daß es fidh nicht bloß um Bor: 
verhandlungen gehandelt hat, daß die Bindung auch 
Ernſt gemejen it Die F.,namentlich die Schrift, der 
Abſchluß vor Notar und Zeugen, die Berlautbaruna 
vor oder Beglaubigung dur FGerict, der Eintrag 
in öffentlibe Bücher und Reoijter fihert endlich den 
Beweis des Inhalts der Erklärungen. Zwar um 
eine Forderung (f. Forderungsrecht) zu begründen, 
bat das moderne Recht keine F. und 
aud das Deutſche Bürgerl. Gejepbud beruht auf 
dem Brincip der rormfreibeit, obne jedoch den Ge 
danten ausbrüdlih auszufpreben; Formzwang 
bildet die Ausnahme. Allein die Rechtsgeſchäfte, 
welche ihre Causa (j. d.), den wirtichaftlihen oder 
fittliben Rectfertigungsgrund des Verſprechens 
nicht wiedergeben, müjlen nad beutigem Recht in 
fchriftliber 55. erfheinen. Es giebt feinen münb- 
lihen Wechſel (f. d.) oder Ebed (j. d.). Sollen fo 
wichtige Rechte wie das a... übertragen wer 
den, jo bedarf es bei beweglihen Sachen der F. der 
Befisübergabe, bei Grundftüden der gerichtlichen 
Auflaffung u. |. w. (S. Eigentumserwerb.) Beſon⸗ 
ders erjchwerende F. hat die Geſetzgebung vorae 
ſchrieben für Rechtsgeſchäfte, bei denen die Gefabt 
einer Übereilung made liegt, wie bei den Bürg: 
fchaften der frauen (\. Bürgfhaft). Auf ähnlichen 
Gründen beruben die erjchwerenven F. der Schen: 
tung (f. d.) und der legtwilligen enges (f. Lest: 
willige Verfügung). Es hängt mit der beabfichtigten 
Sicherung des Beweiſes und mit der für diefe Rechts 
verbältnijje gebotenen Publizität zufammen, das 
die Begründung mander Rechtsverhältniſſe oder 
die Erwerbung mander Rechte ſich nicht vollziebt 
obne die Anzeige N d.) zu einem öffentlichen Re 
gifter. Hat das Geſetz für ein Rechtsgeſchäft eine F. 
vorgeſchrieben, fo ift das ohne diefe F. geichlofiene 
Redtögeichäft in der Regel nichtig. Übrigens kön: 
nen die Barteien die Gültigkeit jedes Nechtsgeichäfts 
davon — machen, daß erft noch eine F. bin⸗ 
zukommt, z. i. Abfaſſung, notarielle Er 
richtung, gerichtliche Verlautbarung. Das Geſchäft 
gilt dann nicht, fo daß jedem ber freie Rüdtritt ger 
jtattet ift, folange dieje von den eien verab⸗ 
redete F. nicht angewendet ift. (Bürgerl. Geierb. 
8.125.) Es ift einenicht geringe Anzabl von Rechts⸗ 
eihäften, welche nab Bürgerl. Gefesbud un 
iche oder notarielle Beurkundung (3. B. Vertrag 
unter Zebenden über ein Vermögen, 8. 311; Ebe, 
Erb:, Adoptiondvertrag; Schenkung) oder ſchrift⸗ 


Forma — fFormalvertrag 


lihe 5. (Leibrente, Bürgfhaft, Mietvertrag über 
Grundftüde u. f. w.) erfordern. Iſt ſchriftliche F. 
vorgeſchrieben, fo muß die Urkunde von dem Aus: 
fteller eigenhändig durch Namensunterfhrift oder 
mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Hand: 
zeichens unterzeichnet werden. Bei einem Vertrag 
muß die Unterzeichnung der Barteien auf derjelben 
Urkunde erfolgen. Aljo genügt Briefwechſel. Wer: 
den über den Vertrag mehrere gleihlautende Ur: 
kunden aufgenommen, fo genügt e3, wenn jede Bar: 
tei die für die andere Partei bejtimmte Urkunde 
unterzeichnet. Die fchriftliche F. wird durch gericht⸗ 
lie oder notarielle Beurfundung erjegt ($. 126). 
Die Vorjchriften des $. 126 über die fchriftliche F. 
gen im Zweifel aud für die durch Rechtsgeſchäft 
ſtimmte ſchriftliche F. Zur Wahrung der F. ges 
nügt bier jedoch, ſoweit nicht ein anderer Wille 
anzunebmen ift, telegr. fibermittelung oder beim 
Bertrage Briefmechfel; wird eine folhe F. ge 
wählt, jo fann nadıträglich eine dem $. 126 ent: 
fprehende Beurtundung verlangt werden ($. 127). 
Dit dur Gejek gerichtliche oder notarielle Beur: 
ndung eines Vertrags vorgeſchrieben, jo gendet ed, 
wenn zunächit der Antrag und fodann die Annahme 
des Antrags beurfundet wird (8.128). Anders, wenn 
die F. nur des Beweiſes wegen verabredet war. 

3) Privilegien, Erfinderpatente, das Bergmwerlö- 
einentum werben nicht anders verliehen als in einer 
von der zuftändigen Behörde zum öffentlichen Blau: 
ben auögefertigten Urkunde. Selbit der Geſetzgeber 
ift an die F. der durch den Drud mwiedergegebenen 

hrift gebunden; denn Gejege und Verordnungen 
treten heute nirgends in Kraft, fie feien denn in dies 
jer 5. öffentlich belannt gemacht. 

Forma (lat.), Form; in forma, in aller Form; 
in optima forma, in beiter fjorm; in forma con- 
sudta, in gewohnter, berlömmlicher yorm; in forma 
Den in fundmadhender Form, dur öffentlichen 

nichlag; in forma paup£ris, als Armenſache, nad 
dem Armenrect; in forma probante, in beweiſen⸗ 
der, —— Form; pro forma, nur der Form 
balber, zum Schein; sub uträque forma (specie), 
unter beiderlei Geftalt. 

ormäbel (lat.), bildſam. 

ormäl (lat.), im Gegenjaß zu Material (f. d.) 
alles, was fih auf die Form im Unterſchied vom 
Stof oder inhalt bezieht. ze Logik beißt 
die Behandlungsweiſe der Logik, nad der in der: 
felben allein die Form des Denkens, d. b. die Ein: 
ftimmigteit desjelben mit ſich jelbit, mit Abjebung 
von dem Wahrheitswerte des Gedachten, berüdfich: 
Kgt wird. Kormale Wahrheit nannte Kant die 
bloße Übereinjtimmung einer Erfenntnis mit den 
logiihen Geſeßen, materiale die libereinftimmung 
mit dem Gegenftande. Formale Bedingungen 
der Möglicleit der Erfahrung heißen bei 
Kant die gejegmäßigen Grundlagen derſelben, wie 
er fie in einem Syſtem von an. Begrif⸗ 
fen und Grundſätzen a priori nachzuweiſen ſuchte; 
formaler Idealismus das Ergebnis der Er: 
fenntniskritif, wonach alles für ung Ertennbare 
bloß als gr Borftellung (aber nur ihrer Form 
nad, d. h. jofern fie durch die —— Ge⸗ 
ſetze unſeres Anſchauens und Denkens beſtimmt iſt) 
zu betrachten Hrn (S. Idealismus und Tranfcen: 
dent.) Die Etbil Kants liefert nur ein formales, 
nicht ein materialed PBrincip des Sittlichen, jofern 
fie nur feftjtellt, worin die gejeßmäßige Form des 
Sittlihen bejteht, nicht aber eine beftimmte Regel 


877, 


angiebt, wonach fid in jedem Einzelfall entſcheiden 
ließe, wie man zu handeln hat. 
ormäl, joviel wie Formaldehyd (f. d.). 
ormaldehbhd, Methylaldehyd, der ein- 
fachſte Aldehyd (ſ. d.) von der Formel H,CO. Er 
entjtebt bei ver Örydation von Metbylaltobol, wenn 
man deſſen mit Luft gemengte Dämpfe über 
glühende Kupferfpiralen leitet. Man tennt ee nur 
in Dampfform und in wäfleriger Löfung. Der F. 
befigt einen ſtechenden Gern: er reduziert am: 
monialaliihe Silberlöfung unter Bildung eines 
Silberfpiegeld. Beim Berdunften feiner Löſung 
polpmerifiert er ſich zu feftem Baraformaldehyd; 
erbist man diejen mit einer Spur Schwefeljäure 
auf 120°, jo entitebt tryftallifierendes Triorgmethy: 
len (CH,0),. Die eg gr des 5. iſt eine 
ehr große und er findet als ſolcher wie aud in der 
orm der Salze ver Doppelverbindungen mit ſchwef⸗ 
iger, Säure ( ometbplfulfonale) in der Photo: 
chemie und als Reduktionsmittel vielfache Verwen⸗ 
Bun Er wird fabritmäßig bergeftellt und in der 
Harbentechnik zur Syntheſe von Anilinfarbftoffen 
enußt, da er ſich mit Anilin zuerft zu Diamido: 
diphenylmethan kondenfiert, das w Orydation 
mit einem weitern Molekül Anilin leicht in Para— 
rofanilin übergeführt werben kann. Durch Erſatz 
des Anilins mit feinen Homologen läßt ſich eine 
oroße Zahl ähnlicher Farbitoffe berjtellen. Die 
wäflerige Loͤſung dient unter dem Namen Forma— 
lin oder Formol als Antifeptitum,, zur Desinfel⸗ 
tion und als Ronjervierungsmittel für Nahrungs» 
und Genußmittel. Die offizinelle Formaldehyd⸗ 
löfung (Formaldehydum solutum) ijt eine farb: 
loſe, Mare, ftechend riechende, 35*/, progentige wäſſe⸗ 
rige Loſung, während das Formalin des Handels 
meift 40 prozentig ift. Zur Desinfeltion von Wohn: 
räumen verwendet man es in Dampfform, oder man 
vermischt es mit Ölgcerin (Glykoformal) und zer: 
ftäubt e3 zu Nebel. — Vgl. Flügge, Die Wohnungs- 
desinfeltion mit $ (Jena 1900); Vanino, Der F. 
(Wien 1901); Heb, Der F. (2. Aufl, Marb. 1901); 
Goldſchmidt, Formaldehyd (Bonn 1903). 
Formalien (lat), gormalitäten, Förmlich— 
teiten, was bie Form (bei Rechtsgeſchäften und 
———— Handlungen) Ma im Gegenjag 
u Materialien, was die Sache je ft betrifit. (©. 
orm [in rechtlicher Beziebung).) 
ormalin, ſ. — 
ormalifieren (fr3.), ſich ſtreng an die Form 
halten; etwas in ſtrenge Form bringen. 
Formalismus (lat.), dieNeigung, in der bloßen 
Form das Weſentliche einer Sache zu ſuchen. So 
wirft man ber traditionellen Logik, jo der Kantiſchen 
Ethik F. (oft mit dem Beimort: leerer) vor, indem 
man vorausjeßt, daß dabei die Materie, der eigent- 
liche Inbalt der Sache, zu kurz komme. (S. Formal.) 
m geihäftlichen Leben nennt man F. die Art des 
erfahrens, die fih genau nad) den zu beobachten: 
den Formvorſchriften (f. Form) richtet; namentlich 
wird der Ausprud in tadelndem Sinne gebraudt, 
wenn jemand durd die Form das Verfahren oder 
den Geihäftsabihluß in ungwedmäßiger und bie 
Sade benadteiligender Weiſe erihmert glaubt. 
Formalitäten, j. Formalien. 
Formaliter (lat.), förmlic, in aller Form. 
Formalith, mit Formalin (ſ. Formaldehyd) 
getränkte Kieſelgurplatten. 
Formälvertrag oder abftrattes Verſpre— 
ben, Bezeihnung —F die ein Forderungsrecht j. d.) 


- 878 


—— Verträge oder Verſprechen, welche den 
Schuldner lediglich um desmillen binden, weil eine 
beitimmte Form (f. d.) angemenvet ift, obne daß in 
dem Bertrage die Causa (f. d.) hervortritt. Sehr 
ut drüdt das Verhältnid der Causa zu dem Ver: 
prechen au der Code civil Art. 1131: «L’obligation 
sans CAuse, OU Sur une fausse cause, ou sur une 
cause illicite, ne peut avoir aucun effet»; aber 
Art.1132: «La convention n’est pas moins valable, 
m la cause n’en soit pas exprimde.» Das 
Argerl. Geſetzbuch läßt als F. allgemein zuden Wech⸗ 
fl (j. d.), die — (f. d.), ihre Annahme und 
bertragung, ben su md! hen Verpflichtung: 
fchein (ſ. d.) oder das Schuldverſprechen ($. 780), das 
Schuldanertenntnis und die Inhaberpapiere (f. d.). 
Aber au bei diejen Pr dem Schuldner, wenn 
ibm ber urfprüngliche Gläubiger oder deſſen Ceſſio⸗ 
nar gegenüberftebt, der Beweis frei, daß, wie es der 
Code civil Art. 1133 auöbrüdt, eine Causa debendi 
nicht vorliegt ober bie Causa erlofhen oder nicht 
wirkſam geworben ift, oder daß die dem Verſprechen 
R Grunde liegende Causa durch das Gefek verboten 
ft, den quten Sitten oder der öffentliben Ordnung 
widerſpricht. Alſo z. B. daß der Schuldner den Wechſel 
gegen das Verſprechen —— habe, der Em⸗ 
urge werde ihm ein Darlehn zahlen, das Darlehn 
ei aber nie gezablt; oder daß der Wechſel über eine 
Spielihuld oder die Forderung aus einem reinen 
Differenzgeſchaft (f. d.) ausgeſtellt fei, oder daß der 
Ausfteller ven Nebmer damit babe au einer unerlaub: 
ten Handlung beftimmen wollen; oder daß er zur Zeit 
der Ausstellung des Schuldſcheins einen Kaufpreis 
ſchuldig geweſen, ber Kauf aber nachher rüdgängig 
geworben ſei. Diejelben Einreden ftehen dem Schuld: 
ner zu, wenn neuere —* e abweichend vom Gemei⸗ 
nen Hecht jeden Schuldichein für an ſich Magbar 
erllären, aud wenn er eine Causa debendi nicht 
wiedergiebt. Die Sache liegt aber ander?, wenn 
das Inbaberpapier von einem britten gutgläubigen 
Erwerber, oder wenn ein Wechſel oder ein anderes, 
dur die Geſetze Fi Hagbar erllärtes Drverpapier 
(j. d.) von dem Indoſſatar, welcher den Mangel 
einer Causa oder deren Ungültigfeit bei Erwerbung 
des Papiers nicht kannte, gegen den Ausſteller 
eingellagt wird. — muß der Ausſteller die im 
Papier verſprochene Summe zahlen; er fann jedoch 
das, was er ſo verloren hat, von dem Nehmer des 
iers aurüdforbern, ſei es, weil derſelbe durch die 
eräußerung grundlos und zum Schaden des Aus: 
—— bereichert iſt, ſei es, weil der Nehmer den 
usſteller durch die Begebung des Papiers argliſtig 
geſchädigt bat. Ähnliche Verhältniſſe lönnen ein— 
treten bei einer Grundfchuld (f. d.) oder bei einer 
Hopotbet (f.d.). — F. war im röm. Recht die Stipu: 
lation (f. d.), — in Deutſchland niemals Gel: 
tung gewonnen bat. fiber eine andere, beute auch 
nit mebr gültige Stipulation des ältern deutſchen 
Rechts, bei welcher ſich der Schuldner durch fiber: 
reihung einer Festuca (f. d.) band, vgl. Schröder, 
Deutfihe diechtsgeſchichte (3. Aufl., Cpz. 1898), 8.35. 
Auch ein Vertrag, der ein Verſprechen nicht ent: 
— ſondern ein Forderungsrecht oder ein ding« 
ihes Recht überträgt oder ein dingliches Recht 
neu begründet, fann ein F. fein, mie die Gefjion 
(f. d.) oder die Auflafiung (j. d.). Das übertra- 
ene oder neu beftellte Recht entitebt in der Per: 
on des Ermerbers, m! wenn eine Causa nicht 
vorliegt, aber der Veräußerer lann diefen Erwerb 
anfecten. 


Formamid — Formel 


Formamid, HCO.NH,, das Amid der Ameiſen⸗ 
fäure, eine didlidhe, bei 192° fiedende Flüffigkeit, 
die durch Erbigen von ameifenjaurem Ammonium 
gewonnen wird. %. verbindet ſich mit Chloral zu 

—5* ſ. B. 17. [Chloralamid 

ormarius (lat.), ein wegen ftrengen Wandels 
andern zum Mufter und geiftlihen Grmabner auf: 
geitellter älterer Rlofterbruder. In Frauenflöftern 
entiprad dem F. die yormarla, die —— in 
In mußte, wenn eine Nonne fih mit w tlicen 

onen unterrebete. 

ormaffociation, j. Analogiebildung. 

ormät(lat.),imPBapierbandelundinder Druder: 
kunſt die Bezeihnung für die üblihen Bapiergrößen. 

n neuefter Zeit wird im Deutſchen Reiche die Ein: 

rung beftimmter Bapiergrößen in 12 Normal: 
ormaten betrieben, von denen Nr. 1 (33 x 42 cm) 
uoleid das amtliche nen (Formatpapier 
ft. In der Buchdrucderlunſt iſt F. insbeſondere aud 
die Grö —— einer Buchfeite und die dem 
entſprechende Einteilungeiner Drudform. Beſonders 
lommen Kur 5. in Betradt: Folio: 4 Seiten 
eines in der Mittelang beruntergebrochenen Bogens; 
Quart: 8 Seiten eines der Laͤnge und der Breite 
nab in der Mitte gebrodenen Bogens; Ditan: 
16 Seiten eines wie Quart, dann aber noch einmal 
der Länge nad von oben nad unten zwifchen den 
Seiten gebrochenen Bogens. Es giebt ferner Duo: 
de; von 24, Sedez von 32, Ditodez von 36, Bier 
undzwanziger von 48 Seiten u. ei Je öfter alje 
ein Bogen gebroden wird, deſto Meiner wird fein 
und der darauf gedrudten Seiten F. und beito 
mehr Seiten entbält er. 

er Buchdruder bezeichnet ferner mit F. die zur 
Ausfüllung der leeren Räume um die einzelnen 
Seiten einer Drudiorm benugten Holj:, Blei: oder 
Gifenftege und benen er eine ſolche Breite und 
Länge giebt, daß jede Seite ihren richtigen Plas 
auf dem gebrochenen Bogen erhält und, wenn das 
Bud fpäter gebunden und beſchnitten wird, gleid- 
id allen Regeln richtiger und dem Auge gefälliger 
aumeinteilung entſpricht. [E. Fasquelie. 

—— Charpentier, ſ. Charpentier, ©, & 

ormation (lat.), Bildung, Geſtaltung; in ber 
Geologie eine Schichtenreibe, die fich durch ihre 
Gefteinszufammenfegung, ibre Lagerun ſweiſe und 
durch ihre Verſteinerungen (Petrefalten, foſſile 
Reſte) als ſelbſtändiges, von den übrigen getrenntes 
Ganzes kenntlich madt. Mit Hilfe dieſer Kenn: 
zeichen gliedert man die Gefamtbeit der am Aufbau 
der Erdfrufte teilnehmenden Schichtentomplere in 
eine ey von F. (S. Geologie.) Im Militär: 
mwejen bezeichnet $.1) eine organifche Einrichtung, 
. . Kriegs: und Friedensformation eines Armee 
orps; 2) eine Geltaltung zu befondern taltiſchen 
Aweden, j. B. Marjhformation, Gefechtsforma⸗ 
tion; 8) eine reglementarifche Aufftellungsart: F. 
in Linie, F. in Kolonne; 4) die Handlung des For: 
mierens, d.b. Bildens: F. eines Truppenteils. 

ormationdlehre, ſ. Geologie. 

ormatpapier, |. Format. 

ormazzathal, |. Bd. 17. 

ormbrett, in der Gießerei der ald Boden oder 
Dedel dienende Teil des Formlaſtens. 

ormbdraht, |. Drabt. j 

ormeifen, joviel wie Façoneiſen (f. —— 

ormel (lat. formula), für beſondere Fälle vor⸗ 
geichriebene oder gebräudlibe Worte und Men: 
dungen, fo die in zmedmäßiger Weife gemäblten 


Formelbücher 


Worte, mit welchen im gerichtlichen Verfahren 
oder bei Abſchluß von ——— häufig wie: 
dertehrende Ausiprüce oder Erklärungen wiederge⸗ 
geben werben. Sie find bald nur herfömmlich, bald 
auch gefeglih vorgeihrieben. So ſpricht man von 
Givesiormeln Klagformeln, Urteilöformeln. 
einzelnen Fall muß die 5. dem Gegenftande ange 
ech werden. Dieje zmedmäßige Anpafjung ber 
orte in Inapper und deutlicher Form an das, was 
der Redende oder Schreibende beabfidhtigt und er: 
ftrebt, iſt nicht immer leicht; deshalb ſpricht man 
von einer Kunft zu formulieren, mie fie ſich bei 
Stellung parlamentarifher Anträge, bei der Ge 
—— der Klaganträge im Civilprozeß, bei der 
ageſtellung (f. d.) zeigt. — In der Mathematik 
verftebt man unter einer F. den in allgemeinen Beis 
hen, — gegebenen Wert einer aus —— 
andern zu rag Wir Größe; man unterſchei⸗ 
det algebraifche, analytische, trigonometrifche u. dal. 
.— In der Ehemie bezeihnet man mit 5. bie Zus 
ammenjeßung einer Verbindung durch Zuſammen⸗ 
ellen der chem. Zeichen der einzelnen Elemente der: 
elben. (S. Chemiſche Formeln.) j 
Formelbücher, Sammlungen, melde im Mit- 
telalter in den Kanzleien angelegt wurden, um 
Mufter B Urkunden und ce zur Hand zu 
haben. Solche Muſter tönnen erfunden fein, wur: 
den aber ebenjo häufig wirklichen Urkunden und 
Briefen entnommen, meift mit Hinweglaſſung oder 
Veränderung des geſchichtlichen Inhalts, da es 
nicht ſo fehr auf dieſen antam, als auf die formel: 
baften Säße, dur welche ein Scriftjtüd erjt zur 
Urkunde wurde. Die älteften folder Formeljamms 
lungen —— ſich noch dem Gebrauche der röm. 
346 an; zu den berühmteften gebört die des 
Marculf aus dem 7. Jahrh. (Val. de Roziere, Re- 
cueil general des formules usit6es dans l’empire 
des Francs, TI.1, 2 Bve., Bar. 1859—71; Beumer, 
Formulae Merowingici et Karolini aevi, 2 Tie., 
in den «Monumenta Germaniae historica» Legum 
Sectio V, Hannov. 1882—86.) Die len ſelbſt 
wurden im Laufe der Zeit vielfach nach dem Bedürf⸗ 
niſſe umgearbeitet, und die Zabl Band wird beſon⸗ 
berg feit dem 11.Jabrb. fehr groß. — Val. Rodinger, 
tiber %. vom 13. bis zum 16. Jahrh. als rechtsge⸗ 
ſchichtliche Quellen (Muͤnch. 1855); derf., Briefiteller 
und F. des 11. bis 14. yah. (2 Bbe., ebd. 1864); 
Bärwald, Zur Eharalteriftil und Kritik mittelalter: 
licher F ien 1858); Dümmler, Das Formelbuch 
des Biſchofs Salomo II. (Lypz.1857); Watten⸗ 
badı, Deutſchlands Geſchichtsquellen im Mittelalter 
(6. Aufl., 2 Bde., Berl. 1894); Ofterley, Megmeijer 
durch die Litteratur der Urfundenfammlungen (ZI. 1, 
ebd, 1885). — Etwas Ühnliches hat man jest in den 
Drudvorlagen für Briefe, geſchäftliche Schriftftüde, 
——————— Verträ ih . Friedberg, «formel: 
ud für Handels, Wechſel⸗ und Seerehht», 2. Aufl., 
Lpz. 1901) u. ſ. w. foviel wie Formal (f. d.). 
ormell (fr3.), förmlich, der Form nad; auch 
ormelle Wahrheit, das, was die Parteien 
nah der Feſtſtellung des rechtskräftigen Urteils in 
ihrem Rechtsverhältnis als Wahrheit gelten laſſen 
müfjen. Da der Richter, auch wenn er redlich be⸗ 
ftrebt ift, die Wahrheit zu ermitteln, irren kann, 
zumal, wenn ihm falfche Thatjadhen vorgetragen 
oder bezeugt find, und da er, menigitens im Civil: 
projeh, nur die vorgeführten Beweismittel benugen 
ann, jo dedt ſich nicht immer die 5. W. mit der mate⸗ 
riellen Wahrheit. Ein Mittel, um entdedte Irrtümer 


— Formerei 879 
nachträglich zu heben, bietet bie —— 
(. d.) des ————— Meil auch fie bisweilen zu |pät 


tommt, macht ſich die eg rc (f.d.) unſchuldig 
BVerurteilter aus öffentliben Mitteln notwendig. 
se, 3 ſ. Maſſenmethoden. 
ormenlehre, Morphologie, ein in der 
Grammatik in verſchiedenem Sinne gehrauchtes 
Wort. Teilt man bie 5 Grammatit in F. und 
Syntar ein, dann umfaßt die F. alles über das 
Wort als einzelnes zu Lehrende, alfo Laut⸗, Stamm: 
bildungs⸗ und Flexionslehre; trennt man bie Laut: 
lehre ab, dann umfaßt die $. Stammbildung und 
Flexion. Häufig wird unter F., wenn keine nähere 
ejtimmung hinzugefügt ift, auch bloß die Lehre von 
der lerion verftanden. (S. auch Grammatil) . 
Formenregal, j. Buhdruderkunft nebit Taf. IL, 


.10. 

Sormentera, Inſel der en der Pityuſen, 
zur ſpan. Provinz der Balearen (ſ. d. und Karte: 
Spanienund Vortugad) gehörig, 6 km ſüdlich 
von der —— ſel Idiza, von der fie ein tiefer, 
a feln reiher Kanal trennt, bat 96 qkm und 
—— 2033 Bewohner. F. läuft im O. mit der 

ergotuppe Mola (183 m) ſchmal in drei Kaps 
aus. Der breitere weſtl. Teil bringt beſonders viel 
Weizen (im catalon. Dialeft forment genannt) 
— unta de Gala, das Oſtkap, trägt ein 

euchtfeuer. F., in der —— Fermentella, 
wurde 1232 von Aragonien erobert. 

Formerei, bie Heritellung der beim Gufle der 
Metalle benusten, nur für einen einmaligen Guß 
brauhbaren Gußformen (f.d.). Als Formmaterialien 
flegen entweder Sand, Maſſe oder Lehm zu dienen. 
Ant and (f. d.), im ae aus Fiejeljäure 
mit etwas Thongehalt beitebend, erhält durch Ans 
feuchten mit Wafjer die — Bildſamkeit 
und muß * durchläſſig für Gaſe und Dämpfe fein, 
daß das Metall in vie noch ungetrodnete Gußform 
an ag werden kann (Buß in grünem Sande), 
wobei die ſich entwidelnden Dämpfe zwiſchen den 
Sandtörnden hindurd entweichen können. Maſſe 
ift ein mit I Magerungsmitteln (Duarzlörnern, 

ebrannter Maſſe, Kols u. a.) vermengter feuer: 
—* 5 Die Maſſe — müuſſen, da fie. 
undurdläffig für Dämpfe find, vor dem Guſſe ge: 
trodnet werden, erhalten dabei aber bebeutende 
Härte und in aus diefem Grunde beim Gießen 
widerftandsfähiger gegen Beſchaͤdigungen ald Sand: 
außformen. Lehm ilt ein mit organifhen Mage 
rungsmitteln (Pjerdedünger, Kuhhaaren, Gerber: 
lobe) verjegter und durch Zufaß reichliher Mengen 
Waſſer in breiartige Form gebrachter fandiger Thon. 
Auch die Lehmgußformen müflen vor dem Gufie 
getrodnet werben. Um ein Anbrennen des Form⸗ 
materiald an den Abguß zu verhüten, pflegt man 
die Sandgußformen mit Holzloble auszuſtäuben, 
die Maffe: und Lehmgußformen dagegen mit 1og- 
Schwärze, aus Thonwajler, Graphit und Holzkohle 
beitebend, zu überziehen. Die gebräuchlichſte und 
wohlfeilfte Herftellungsweife ift die Sandforme: 
rei; der zur Verwendung fommende Sand muß ſich 
leicht in Formen drüden lafjen, ohne dabei zu zer: 
fallen, eine Eigenihaft, die zum großen Teile von 
der Geitalt verSandtörnden abhängt. Die Maffer 
formerei ift namentlich für große Gußſtücke ge 
eignet, welche dicht im Guß fein follen. Lehmfor— 
merei wird hauptſächlich dann angewendet, wenn 
größere Abguſſe obne Modell, nur nah Schablonen 
geformt, bergeitellt werden follen. 


880 


Um eine Gußform in Sand, Maſſe oder Lehm 
berzuftellen, bedarf man einer Vorrichtung, mittel 
deren die innern Begrenzungen des jormgebenden 
Hoblraums gebildet werben. Hat diefe Vorrichtung, 
mie ed meiltend der Fall ift, die Geitalt des zu 
ießenden Stüd8, fo heißt fie dad Modell; beitebt 
ie aus einer Holz: oder Eifenplatte, deren Rand 
nad dem Profil des zu formenden Gegenftandes 
ausgeſchnitten ift und durch deren ade im 
Kreiſe oder — nach einer beſtimmten 
Linie die Gußform in dem weichen Material (Lehm) 
ausgearbeitet wird, fo wird fie Schablone genannt. 
ur Heritellung der Gußformen in Sand und 
aſſe fommen fait nur Mopelle, a Herftellung 
‚von Lehmgußformen größtenteild Schablonen zur 
Berwendung. Die Kerne (j. d.) werben entweder in 
fog. Kernläſten, deren Inneres der Form des Kexns 
entiprechend profiliert ift, oder (beſonders Lehm⸗ 
ferne) mittels Schablonen her ur Modelle 
werden beim Mafhinenguß ii immer aus Hola, 
beim Dfenguß, Ornamentguß u. a. aus Metall, 


beim Guß großer Standbilder aus Gips gefertigt. 
Um das Herausnehmen des Modells aus der Guß: 


ae 





form zu ermöglihen, muß dieſes häufig in meb: 
tere genau zujammenpafjende Zeile zerlegt werben 
tönen. Einfache ofiene Gußformen werben im 
Herde, einer mit Formjand ausgefüllten Vertiefung 
des Erbbodend, durch Einklopfen des Modells 
bergeitellt (Herpguß); die meilten Gußformen 
werden im Yormlajten (ſ. d.) gefertigt; jehr grobe 
Lehmgufiormen verfieht man nur mit einem Eiſen⸗ 
gerippe (freie $.) und gr fie vor dem Guſſe in 
die Dammgrube (f. d.). der Kaſtenformerei 
D i. bei der Benukung von Formlkäſten) wird das 

odell in einen, zwei oder mehr Käjten eingebaut 
und alsdann der Sand oder die F eingeſtampft; 
die Käſten werden voneinander gehoben und das 
Modell wird entfernt. Die De das Modell ge: 
bildeten formen werben hierauf mit dafür beitimm: 
ten Werljeugen an etwa be en tellen aus: 
gebeſſert; es wird der Einguß gebildet und die Form 
ausgeltäubt oder geſchwaͤrzt. Werben bei irgend 
einer Gußform Kerne gebraucht, fo legt man dieje 
ein, nachdem alle Arbeiten vor dem lebten Zu: 
ſammenſetzen beendet worden. ferne von größerer 
Fänge müſſen, um ſich nicht durchzubiegen, durch 
ſog. Kernſtützen geſtütt werden. Man fertigt dieſe 
aus verzinntem Blech entweder als doppelte, die man 
jwiichen zwei Kernen oder auch zwiſchen Kern und 





Formerei 


— einlagert und deren Höhe alſo gleich ver 
anditärte des Gußſtücks ift, oder als einfache mit 
langem Stift, dejien aus dem Abguß bervorragen: 
des Ende fpäter een werben muß. (Eine Guß: 
form im Formlajten ift im Artitel Gußformen [f.d.) 
abgebildet.) Zur Heritellung gemifjer gormenbraudt 
man Formmafdinen (f. d.). 

Als ein Beiipiel für die Herftellung von Guß— 
formen in Lehm ohne Formtaften mit Hilfe einer 
Schablone kann die in Fig. 1 und 2 veranihaulicte 
Anfertigung einer größern Glodengußform die: 
nen. Fig. 1 ift die im Entjteben begriffene, Fia. 2 
die fertige Gußform. Dan pflegt dieje Gußformen 
ohne weiteres in der Dammgrube, in melder 
ie ſpäter — werben ſollen, aufzufübren. 

us Lehmziegeln mauert man auf dem Boden der 
Dammgrube zunächſt dad Fundament a und 
chlichtet deſſen Oberfläche mit Lehm. Wagerechte, im 

ndament ausgeiparte Ranäle dienen zum Ab— 
eiten der fih beim Gieken entwidelnnen Dämpfe. 
Dan ftellt nun in die Mitte der Dammgrube eine 
eiferne Spindel b, welde fi an ihren Enden in 
Lagern dreht und durch irgend eine einfache Bor: 
richtung in genau lotrechter Stellun 
erbalten wird. An dieſer Spin 
wird mit Hilfe eines ſchmiedeeiſernen 
Arms die Holzihablone d derar⸗ 
tig befeftigt, daß fie ſich leicht im 
Kreiſe er läßt. Unten gleitet jie 
auf dem geſchlichteten Fundament 
Man mauert nun von unten ber ven 
Kern c aus Lehmziegeln allmäblid 
auf und überzieht ibn mit Lehm, wo: 
bei vie Schablone gedreht und fo eine 
ganı genaue Formgebung ermög- 
iht wird. Im Innern bleibt ver 
Kern hohl; au am Kopfe läßt man, 
wie Fig. 1 erlennen läht, vorläufie 
eine 7—— frei. Nun wird der 
Kern durch ein ringsherum oder aud 
im Innern entzündetes Koblenfeuer 
getrodnet, alsdann ausgebejlert und 
mit einem Anftrih aus Aſche ver: 
eben, welcher das Anbaften ver folgenden Lebm: 
hit verhüten fol. Aus der Schablene ſchnei⸗ 
det man, wie bie punltierte Linie in Fig. 1 am 
giebt, fo viel heraus, als die Wanpftärfe ver zu 
gießenden Glode beträgt, bringt auf den Kern eine 
neue Lehmſchicht, drebt fie mit der ausgeſchnitte 
nen Schablone ab, trodnet und jhlichtet nach dem 
Trodnen mit feinem Lehm, genau paßt. 
Dieſe Lehmſchicht pflegt das Hemd der Gußform 
genannt zu werben; jie bilvet das Modell zur Glode 
und entipricht an ihrer innern und äußern Begren: 
zung volljtändig dem jpätern Abguſſe. Die linke 
Hälfte der Fa 1 zeigt den Kern mit dem aui: 
etragenen Hemde. Soll die Glode erhabene In: 
riften oder Verzierungen erhalten, jo modelliert 
man fie in Wachs und beftet fie an den betreffen⸗ 
den Stellen auf das Hemd auf. Pepteres wird 
ebenjalls mit Aſche angeftrihen, dann folgt das 
Auftragen des Mantel? e aus Lehm mit ein 
gelegtem Eijengerippe, und — da er ziemlich 
did fein muß, in mebrern Schichten übereinan: 
der, welche jedesmal getrodnet werden oe die fol⸗ 
gende Sicht aufgebradht wird. Die Arbeit pflent 
aus freier Hand zu a, das Eijengerippe 
wird aus Stäben gebildet, welche dem Umriſſe der 
Gußform entiprehend gebogen und durch Drabt 


— 


Formes — Formlade 


verbunden werden, ſo daß ein förmlicher Korb ent⸗ 
ſteht (Fig. 2). Einzelne vorſtehende Enden dieſer 
Stäbe tönnen zum Heben des Mantels benußt wer: 
den. Wenn der Mantel fertig — und ge⸗ 
trocknet iſt, wird er mit Hilfe eines Krans vom 
Hemde abgezogen, beifeite geftellt, ——— und 
verpußt. Die aus chs gefertigten Modelle 
—— ſchon beim Trocknen 
—— man unter Benußung eines Meißels das 
d, w 
es east vom Sterne, beſſert au 
füllt ihn im Innern mit Sand oder Kolsſtücken 
wodurch die Anhäufung erplofibler Gaſe im In⸗ 
nern verbütet wird) und fchließt die obere Öffnung 
mit Lehm, in welchen man den Klöppelbügel jo eins 
drüdt, daß feine Enden in die Gußform binein« 
ragen und beim Gufje vom Metalle umbüllt wer⸗ 
den. Nunmehr wird der Mantel über den lern ger 
jest, wobei feine richtige Stellung durch das Auf: 
einanderpaflen der Flächen am Fuße (des ſog. 
Schloſſes) geſichert iſt. Zuleßt folgt das Einfegen 
des über einem Wachsmodell in Lehm beſonders 
eformten Kronenjtüds fin bie zu diefem Zmede 
rrei gelaflene Öffnung des Mantels. In dem Kron⸗ 
itüde find Wintpfeiten (f. Pfeife) für die einge 
ſchloſſene Quft ſowie die Eingußlanäle angebradt. 
Die Gußform wird dann mit Sand umftampft. — 
Vgl. Uhlenhulh, ——— Anleitung zum For⸗ 
men und Gießen (3. Aufl., Wien 1892); Novotny, 
= —————— in Lehm und Sand (2. Aufl., 
ebd. I ). 
ormes, Rarl Joh. Baifift, geb. 7. Aug. 1810 
u Mülheim a. Rh., betrat 1842 in Köln ald Sas 
taftro die Bühne und wurde 1845 Mitglied des 
Hoftheaterd zu Wien. Nachdem er von dort 1849 
megen feiner Beteiligung an der Revolution hatte 
weichen müflen, gaſtierte er auf deutſchen, ruff. und 
[rar Bühnen. 1852—57 wirkte er an der Stalienis 
chen Oper zu London; als er 1874 wieder in Berlin 
auftrat, war feine ſchͤne Stimme bereits ſtark ver 
braucht, und nad) wenigen Jahren fand er nur noch 
an unbebeutenden Theatern Untertunft. F. ftarb 
15. Dez. 1889 als Gefanglehrer in San Francisco, 
In feiner Glanzzeit, während der er über eine ges 
radezu lolofjale Stimme verfügte, bemunderte man 
ihn in den für ihn gefchriebenen Partien des Falftaff 
(eRuftige eiber») und Plumkett («Martha»), aber 
auch als Saraftro, Marcel, Bertram u. ſ. w. Seine 
Memoiren «Aus meinem Kunft: und Bühnenleben» 
(Köln 1888) veröffentlichte W. Koch. 
Formes, Theod., Tenorift, Bruber des vorigen, 
eb. 24. Juni 1826 zu Mülheim a. Rh., zei 
rn muftlaliihe Begabung und betrat in Dfen 
zum erftenmal die Bühne. 1851—64 wirkte F. ala 


raus. Nun zer: 


es feine Aufgabe erfüllt hat, entjernt 
diejen aus, 


881 


anz.reform. Gemeinde zu Brandenburg, 1737 Bro« 
eſſor der Beredfamkeit und 1739 Profeſſor der Phis 
oſophie am franz. Gymnafium in Berlin. Er wurde 
1748 Sekretär ber Berliner Alademie, 1778 Sekre⸗ 
tär bei ver Eule Henriette Marie, 1788 Direl: 
tor der philof. Klaſſe an der Alademie und ftarb 
7. März 1797 in Berlin. Außer mehrern fiber: 
feßungen geb er feit 1733 mit Beaufobre und fpd« 
ter mit de Mauclerc die «Bibliothöque germanique» 
(25 Bde.) und dann die «Nouvelle Bibliothöque 
germanique» (25 Bde.) heraus. Mit Berard fchrieb 
er ein «Journal littöraire de l’Allemagne» (2 Bde.), 
ferner ein — «Mercure et Minerve» (Berl. 
1738). Außerdem u. er über Kirchengefchichte 
(1763), über Phyſik (1770), den «Anti-Emile» (1762 
—64) und «Choix des m&moires et abrégé de 
l’histoire de l’Acad&mie de Berlin» (4 Bde. Berl. 
1761), ferner «Elementa philosophiae sen Medulla, 
Wolfiana» (1746), «La belle Wolffienne» (6 Bde., 
Haag 1741—583), 46 Lobreden, eine «Encyclopsdie 
portative» u. ſ. w. 

Formia, ehevem Mola di Gaeta, Stabt im 
Kreis Gaeta der ital, Provinz Gaferta, am Nord: 
ende des Golf von Gaeta, an der Linie Sparanife 
Gaeta des Mittelmeernepes, beftehbt aus Über 
und Unterftabt, bat nal! 8108 &,, einen Hafen 
und lebhaften Handel. — 5. ift das alte Formiä 
an der Via Appia. Die Stadt erhielt nad) der Uns 
terwerfung von Patium und Gampanien von den 
Römern 338 v. Chr. das röm. Bürgerrecht ohne die 
polit. Rechte und 188 v. Ehr. das vollftändige Bur⸗ 

errecht. Gleich andern vornehmen Römern befaf 
icero hier ein Landgut, fein Formianum. 
ormiäte, vie Salze der Ameifenfäure. 
ormioa (lat.), Ameife; F.rufa, ſ. Waldameife. 
‚ Yormica, Eiland im Tyrrheniſchen Deere, weſt⸗ 
fi von Monte⸗Criſto, ift 11 m hoch und trägt einen 
Leuchtturm. — Ebenfo beißen einige Inſelchen bei 
yedia und eine der Agadiſchen aha im W. von 
icilien, mit Leuchtturm, auf welcher 1276 Johann 
Eicilianern die Siciltanifhe 
—* ſoll. 
at. Name der Ameiſen (f. d.). 
erstere at.), furchtbar, grauenerregend. 
ormieren (lat.), bilden, gejtalten, auf: und 
zufammenftellen (Truppen); 30 rmierung, foviel 
wie Formation (f. d.). nn 
—— (lat.), ſ. Ameiſenkriechen. 
ormkaſten oder Formlade, eine kaſten⸗ oder 
rahmenartige Einfaſſung der Gußformen aus Sand 
oder Mafle (f. Gußformen), welche es ermöglicht, 


von PBrocida mit andern 
Veſper verabredet 
Formicidae, 


te | fie auseinander zu nehmen und wieder zufammens 


pujeben, fie von einem Orte nad) einem andern zu 
ringen, und welche beim Gießen fie befähigt, dem 


gefeierter erjter Tenor am Berliner Hoftheater, bes | Drude des eingegojienen fluſſigen Metalls den er- 


— ſich darauf auf Gaſtreiſen, die ihn bis in die 
abana führten, und tebrte 1871 an die Berliner 
Oper zurüd. Aber ſchon 1873 mußte er ala unbeils 
bar —— nach Endenich gebracht werden, wo 
er 15. Olt. 1874 ſtarb. F. Tenor war ebenſo voll 
mie umfangreich. Muſilaliſche Schule und treffliche 
Darſtellung vollendeten ſeine kunſtleriſchen Eigen⸗ 
ſchaften, die —* zum — 7 Repräfentanten 
eines Raoul, Eleazar, Robert, —— Othello, 
Prophet, Lohengrin, ndo u. |. w. machten. 
Formen (jpr. -meb), Job. Hein. Sam., pbilof. 
und tbeol. Schriftfteller, geb. 31. Mai 1711 zu Ber: 
lin, jtammte aus einer Familie franz. Refugiss, 
ftudierte Theologie und ward 1731 Prediger der 


Brodhaus’ Ronveriations-Berikon.. 14. Aufl. R. A VI. 


forderliben Widerſtand entgegenzufeßen. Die F. 
Jind faft immer aus Qußeifen gefertigt und beſtehen 
in den meiften Fällen aus zwei aufeinander fteben« 
ven Zeilen, vem Oberkaſten und en deren 
erfterer fentreht von dem lehtern abgehoben wer: 
den kann. Im übrigen giebt ed auch breis und 
vierteilige F., ſolche, melde in wagerechter Ric» 
tung auseinander genommen werben, u.a. m. Die 
Beihaffenbeit und Größe der herzuſtellenden Guß⸗ 
formen muß für die Einrihtung der F. den Aus: 
flag geben. Gußftüde, im F. gegofien, nennt man 
Raftengußftüde, das Verfabren der Anf igung 
der Gußformen die Raftenformerei. (S. For: 

Formlade, f. Formtaiten. [merei.) 


56 


882 


Förmlicher Ungriff oder Belagerung, 
das fchrittweife metbodifhe Vorbringen gegen eine 
Feſtung unter Benußung künftliher Dedungen und 
mit Anwendung von Belagerungsartillerie, verbun⸗ 
den mit Vernichtung ber — Verteidigungs⸗ 
mittel der Werle, worauf dann das gewaltſame 
Eindringen mitteld eines Sturmes erfolgt. 

Über die Formen de3 F. A. in frübern eis 
ten vom Altertum bis gegen das Ende des 17. Jahrh. 
ſ. —— 

r alle von dieſem Zeitpunklt an bis zur Gegen: 
wart geführten Belagerungen oder —— 
ſtungsangriffe iſt die von Vauban eingeführte Ans 
griffsmanier mehr oder weniger maßgebend geweſen, 
und feine Grundprincipien werden, wenn he 
Angriff in Zutunft nicht mebr den fehnifchen fr 
en allein zufallen, jondern hauptſächlich durch die 
nfanterie geführt werben wird, für die Verwendung 
der eritern immerhin niemal® ganz wertlos ſein. 
Baubans Angriff (ſ. Fig. 1) richtete ſich negen 
eine aus zwei Bajtionen und dem dazwifchenliegen: 





Fig. 1. 


den Ravelin beſtehende ſog. Angriffsfront. 
Dieſer gegenüber erfolgte, nad Beendigung aller 
Vorbereitungen, das Ausbeben der Laufgräben der 
eriten Barallele, welche die Angriffäfront gürtel- 
artig umgab und bis über die gedachten beiderfeiti: 
gen Berlängerungen der Kurtine hinausragte. Die 
erjte Parallele ward gewöhnlich 500—600 m vom 
Glacis, d. b. außerhalb der Wirkungsweite des Kar: 
taiſchfeuers, angelegt; wenn Gelände und fonftige 
Umftände es geitatteten, war es vorteilhaft, die 
Parallele vom Glacis nur 800—400 m entfernt ans 
ulegen, woburd Zeit und Arbeit gefpart wurde. 
e —* der Barallele mittelö der fluchtigen 
Sappe (f. d.) erfolgte gewöhnlich des Nachts und 
zwar fo geräufchlos ald möglich, damit die Arbeit 
dem feinde verborgen blieb und weder durch Feuer 
noc durch Ausfälle geftört würde. Um die Arbeiten 
der erſten Nacht zu deden, hob man ſtarke Dedungs- 
truppen vor die EN ee vor, wäh: 
rend rüdwärtö Referven in Bereitibaft gebalten 
wurden. Nah Vollendung der Parallele 309 man 
die vorgefhobenen Truppen zurüd; ein Teil von 
ihnen (Trancheewache genannt) befehte die Pa⸗ 
rallele. Zur gebedten rüädwärtigen Verbindung der 





Förmlicher Angriff 


eriten Barallele wurden Kommunilationen ausge: 
boben (j. Laufgräben). In, vor oder hinter der erjten 
Barallele wurden die Rikoſchettbatterien (2), 
Enfilierbatterien (4), Wurfbatterien (3), 
bisweilen auh Demontierbatterien (1) erbaut. 
Es war Grundfaß, das Feuer aus den eriten Bar: 
terien nicht früher zu beginnen, als alle Batterien 
fertig waren, damit die Feſtungsartillerie ſich nicht 
mit liberlegenbeit gegen einzelne Batterien wenden 
tonnte. Sobald es gelungen war, durch diefe Batte⸗ 
rien das feuer ber Teftungsgeicüge einigermaßen 
u dämpfen, warb unter ihrem Schuße zur zweiten 
Barallele —— Man brach zu dem Ende 
aus der erſten Parallele an mehrern Stellen und 
zwar in der Nähe der verlängerten Kapitalen ber 
angegrifienen Werke (d. b. möglichit innerhalb des 
unbejtrienen Raums) mit Approden im Zid: 
zad vor und umſchloß die Angrifisfront mit einer 
neuen Zaufgrabenlinie, der zweiten Parallele, wobei 
meijt die flüchtige Korbfappe angewandt wurde. Sie 
ward 250—300 m vom Glacis angelegt, ihre Flügel 
* wurden in der 
Es Negel zurüdges 
bogen und an 
die erfte Baral» 
lele angelehnt. 
In ihr wurden 
Demontiers 
batterien (5) 
und Wurfbat⸗ 
terien (6) ange 
legt; inzwiſchen 
ward das 
aus den 
rien der eriten 
Barallele fortge 
fest, ſoweit fie 
durch Dieporbern 
Angrifisarbeis 
ten nicht mas 
fiert wurden. 
Aus der zweiten 
Parallele ging 
man mit der 


R flüchtigen Korb» 
fappe (f. Sappe), bei beftigem Feuer des Bertei- 
digers mit der völligen sah mc d. b. ſchrittweiſe 
vor und legte auf balber Entfernung bis zum ge 
bedten Wege eine fog. halbe Barallele an, bie 
mit leichten Mörfern bejest ward, um den Feind aus 
bem gededten Wege zu vertreiben. Sodann wurbeam 

be des Glacis die Dritte Barallele angelent; 

in dieſer aufgeftellte Mörferbatterien (7) 
warfen das Innere der Bon der dritten Pa⸗ 
rallele aus fuchte fih der Angreifer in den Befis des 
ebedten Weges zu feben, entweder durch gemalt: 
ame Erftürmung oder Durch fchrittweifes Vorgeben 
mit der doppelten oder Wütrfelfappe; längs der 
Glacisltete ward die Glacidtrönung, gewifler: 
maßen eine vierte Barallele, erbaut und in diejer die 
Brefhbatterien und die Konterbatterien 
angelegt. Etwaige Blodhäufer in den Waffen 
pläpen des gebedten Weges mußten einzeln er 
obert werden. In dem Raume zwiſchen der brit: 
ten Parallele und der Kontereslarpe ward inzwis 
fchen unterirdifch der Minentrieg geführt, indem 
der Angreifer zunäcdft fein Vorgehen gegen ver 
gededten Weg durch Minen unterftügte, bie 
weilen ſogar die Herftellung der Breſche im Haupb 


Förmlicher Angriff 


wall auf diefe Weife anftrebte, während der Vertei⸗ 
diger durh Konterminen dem unterirdifchen 
Vorgeben des Angreifer entgegentrat und deſſen 
Angriffsarbeiten zu ftören ſuchte. Bon der Glacis⸗ 
krönung aus erfolgte der Bau des Orabennieder: 
gang (Defcente), d. h. eines geficherten Weges 
von ber iäfrönung aus nad dem Fuße ber 
Ronteredlarpe, hierauf der Bau de Grabenübers 
gang s, d. b. eines geficherten Weges vom Fuße der 
ontereölarpe aus über den Graben bis zum Fuße 
der inzwiſchen entweder durch dad der Breſch⸗ 
batterien oder durch Minen bergeftellten Breſche, 
egen die num der Sturm unternommen warb. 
ß d ſich hinter der Breſche ein Abſchnitt, ſo konnte 
das nicht ohne weiteres durch Sturm genom⸗ 
men werden, ſondern der Angreifer mußte uvor 
auf der Breſche feitfegen, Beihüs hinaufſchaffen 
und gegen den Abfchnitt ebenſo verfa wie vor: 
ber gegen das Wert felbft. Mit der Eroberung des 


Me 
N \zwischge-: 
— — u 












— — 










N — —— = 
Nr ranıpı 3E — 


a 


883 


wieder verloren ging, ſobald der Angreifer ſich auf 
dem gededten Wege feſtgeſetzt und bier feine Bat⸗ 
terien errichtet batte. 

Hielt der Kommandant der belagerten Feitung 
alle Widerſtandsmittel für erfhöpft, glaubte er die 
Verteidigung nicht mehr mit Ausſicht auf Erfolg 
fortfegen zu lönnen, und wollte er, nad Herſtellung 
einer gangbaren Brefche, es nicht auf die Erftür: 
mung bed PBlapes anlommen laflen, die häufig zur 
Niedermepelung der Garniſon und zur Plünderung 
ber Stadt führte, fo zeigte er ma Aufzieben der 
weißen Fahne und Chamadeſchlagen 1‘ 
feine Bereitwilligleit zur Kapitulation an. 

Das Auftreten der enen Geſchutze wirkte 


hamade) 


a0 
d d Baus 
banfen SU Jundht nur In der Hirt ein, Dub 


den vergrößerten Schußmweiten entfprechend aud bie 
verfchiedenen Entfernungen fidh änderten, während 
die Grundzüge des Verfahrens im allgemeinen dies 


— (ste tu ng — 


Me — ng 
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N yettund\\ 
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"Eile rie Haupt st \ * 
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ii _ 





Sig. 2. 


twalles war gewöhnlich der Fall des Platzes 
—— Be en nd “> J Fr — 


nern. 

Die Mittel der Verteidigung, die dazu dien⸗ 
ten, den Gang der Angrifidarbeiten aufzuhalten, 
beftanden in Ausfällen, im Artilleriefeuer , welches 
des beijchränttern Aufftellungsraums und ber wer 
er günftigen Schußrihtungen halber ſelten eine 
Überlegenheit über die Batterien des —— 
erringen vermochte; in der —— 
wehrfeuers gegen die nähern Angriffsarbeiten; im 
Minentrieg, der erſt in der legten Periode der Be 

erung fi entwideln fonnte, in welcher auch das 
enfive Element der Ronterapproden zur 
nwendung fam. Das Übergewicht, welches dem 
Angreifer in ber erften Periode der Belagerun 
naturgemäß zufiel, trat fpäter immer mehr zurüd, 
weil durch die vorfchreitenden Angrifisarbeiten das 
Feuer der rüdwärtigen Batterien oft masliert ward; 
jeitweife — dann ſogar die Verteidigung ein 
gewiſſes Übergewicht über den Angriff, was aber 


im | zahlreichen Belagerungen franz. Feit 
n. 


felben blieben. In diefer Art find im allgemeinen die 

enim friege 
1870—T1 durchgeführt worden. Die fortgeiehte 
Bervolllommnung ber Gefüge, verbunden mit der 
Einführung neuer Treib: und Sprengmittel, brachte 
in neuefter Zeit auf dem Gebiete des Biuns 
baues wie auch in den zunädjt nur auf die Theorie 
beichräntten —— über die Durchführung des F. A. 
eine völlige Ummälzung hervor. 

Der neuere F. A. geht von dem Gedanlen aus, 
daß die Belagerung, d. b. die Feſtungsſchlacht, nad 
—— taltiſchen Grundſaͤhen geleitet werben 
muß wie eine Feldſchlacht, wenn auch, dem Charalter 
des Seltungs rieges entiprechend, andere, d. b. ftär« 
tere Mittel zur Anwendung ko mmen. 

Die nt eines Schenas, wie es bei den 
raumlich beichräntten Angrifföfronten der frübern 

eftungen und bei ber geringen Tiefe des Angriffs, 
ei der Ioftematifihen Gliederung der dem Angrei 
vorher betannten Feſtungswerle und bei dem Bor 
wiegen der Thätigleit der Specialwaffen zwedmäßig 
56* 


884 


erjheinen konnte, ftößt auf deito größere Schwierig: 
keiten, je größere Räume die Feſtungslämpfe beans 
ipruchen, weil bie ge des Geländes dabei einen 
beitimmenden Emfluß ausübt, je mehr der Verteidi- 
ner feine nen diefem angepaßt bat, und je 
nebr die Infanterie an der Dur) übrung des Ans 
geile beteiligt wird. Man muß fich deshalb darauf 

eihränten, Brincipien für Angriff und Berteibi: 
gung aufgufe en und die Mittel vorzubereiten, um 
allen ſich bietenden Schwierigteiten ohne Zeitwerluft 
begegnen zu lönnen. 

ad Bild, welches man fi zur Zeit Iren‘ vom 
Verlauf des Angriffs aufeine Fortsfeſtung 
(1. Fig. 2) macht, ift ungefähr folgenbes: 

5* Stadium: Die Vorbereitung. Der An- 
greifer beginnt mit der Einſchließung der Feitung, 
indem er die Vortruppen des Verteidigers fo weit 
aus dem Vorfelde verbrängt, daß er auf 4—5 km 
von dem Fortgürtel feine Stellung nehmen kann. 
Hierbei wird es möglich fein, den Rieſenfeſtungen 

egenüber einzelne ven Ausfallbemegungen der Be 
* ungünftige Abſchnitte nur mit kleinern 

—— zu beobachten. Trifft der Angreifer 
auf improviſierte vorgeſchobene Stellungen, wie 
1.2. — oſen ſie ausführen wollen, ſo muß er 
dieſe zuerſt nebmen und deshalb ſchon von Anfang 
an ſchwere Beihüge (befpannte Belagerungsge: 
Ihüße) in Thätigkeit ſehen, um die deltungsgrjchüpe 

Sicherheitsarmierung, melde jene Stellungen 
unterftügen, zu befämpfen. Füur die Wahl ver an- 

reifenden —— (2—3 detachierte Forts) iſt in 

er Linie dad Vorhandenſein einer oder bejler 
zweier Eifenbabnen bejtimmend, wegen der Beför: 
derung bed maflenhaften Belagerungsmaterials. 
Man braucht mehrere $ngenieurbelagerungsd: 
trains J d.) und, um bie ſtarke Geſchußdotierung 
einer großen Feſtung zu übermwältigen, auch mehrere 
Artilleriebelagerungstrains (f. d.), deren 
Material mar nit, wie früher, in einem einzigen 
großen Ingenieurhauptdepot und Artilleriebelage: 
rungspart ——— ſondern ſofort in lleinern 
Parls jo im Gelände verteilt, wie es die geplanten 
Urbeiten, beſonders die gruppenweife Anordnung 
der Batterien günftig erf einen lafjen. Diefe Parts 
werben mit der Entlabeftation durch Schienenwege 
verbunden und ebenfoldhe jpäter nad allen Batte: 
rien geführt, um ben Munitionderjah zu ermög: 
lien. —— Bereitſtellung aller Mittel für die 
aufenthaltlofe energiſche Durchführung des Angriffs 
fann man in das zweite Stadium, den Fernan— 
griff der Artillerie, eintreten. , 
äbrend bes erften Etadiums bat bie Infanterie 
verfucht, mit — der erwähnten mobilen 
ſchweren Gefüge foviel Terrain zu gewinnen als 
möglich, fo daß man bereitö eine Anzabl der indirel- 
ten Batterien gededt im Gelände erbauen konnte, 
Um den Aufmarfch der gefamten Artillerie zu voll- 
enden, wird eine hupft ellung notwendig, welche 
nicht wohl näber als auf 2000 m an die Syortlinie 
beranzurüden ift. Die Erbauung und Armierung 
der Batterien erfordert jedenfalld mehrere Nächte. 
Man ftellte vor kurzem die Forderung auf, daß nur 
eine einzige ſolche Artillerieitellung auf 2—3000 m 
und zwar überrajchend berzuitellen und zu eröffnen 
ſei. Gran kann aber bezweifeln, ob die hiermit ver: 
bundenen Schwierigleiten und enormen Arbeits: 
leiftungen überhaupt zu ——* ſind, muß an⸗ 
dererſeits einräumen, daß eine berraſchung anz 
unmöglich iſt, wenn der Verteidiger den Racdridien. 


Förmlicher Angriff 


dienſt entſprechend ausnugt und zu diefem Zwed 
nur fchrittweife, dem Angreifer meihend, das Bor: 
eld räumt. Möglicherweie wird man gezwungen 
ein, den Angriff mit einer weiter entfernten Staffel 
Einleitungsbatterien) zu beginnen und dur eine 
weite näher berangejhobene balvigit vervolls 
migen Der Angreifer hat aljo eine hr ſchwere 
rbeit, wenn ber Verteidiger feine Geſchutzſtellung 
ſchon vervollſtändigt hatte bei Eröffnung des Ge— 
fhüßfeuers, und lann an der Herftellung ber zwei⸗ 
ten Staffel wohl ganz gehindert werben. 
Die Artillerieftellung bat die Aufgabe, zuerft Die 
deftungsartillerie — ————— hierzu iſt ſie 
nur inſoweit im ſtande, als dieſe ungedeckt auf offe⸗ 
nem Wall oder in offenen Batterien ſteht, und zwar 
lann ſie mit Shrapnels gegen die Bedienung, mit 
Sprengſtoffgranaten gegen die Geſchütße und ihre 
Bettungen wirken. Die Hauptrolle müffen die Steil: 
feuergeihüpe hierbei übernehmen, weil auch der Ver⸗ 
teidiger jeine Geihüge meift aus gut masherter 
Stellung indirekt feuern läßt. Wenn möglich, ſucht 
man Geradfeuer, Schrägfeuer und Steil: 
feuer gegen jede Geſchützſtellung zu vereinigen. 
Gegen gepanzerte Geſchüte wird, zumal bei mas: 
kierter Stellung, eine Wirkung aus der fog. Ar: 
tilleriebauptftellung nicht zu erreiben feim 
und die Aufitellung einiger Batterien ſchwerſten 
Kalibers in größerer Nähe ver Objelte (bis 1000 m) 
notwendig, aber erft möglich, wenn der Infanterie: 
angriff hinreichend weit vorgeichritten ift. Die zweite 
Auigabe der Artillerieftellung ift die Vernichtung 
der pafliven Mittel der Verteidigung: Zeritören 
einer Dedungen und Vernichten feiner Sturmfrei: 
eit. Sie ift um fo ſchwerer zu erfüllen, als eritere 
elbjt gegen die ftärfiten Sprengitofflabungen der 
chwerſten Granaten fiber find und die Verteidi: 
gungsmittel gegen den Sturm meijt jeder Artillerie: 
wirkung entzogen find (Slanlierungsanlagen und 
Hindernifie an der Konterestarpe, Sturmaeichüße in 
Sentpanzern). In Ermangelungrreeller Erfolge alau: 
ben mande deſto größere moralijche durh Mürbe— 
machen derin den Hohlräumen befindlichen Befasung 
mitteld Detonation von Sprenggranaten zuerreichen. 
Aud nah Niederlämpfung der Beim sſgeſchũtze bat 
die Artillerie die (dritte) Aufgabe, die Feſtungswerle 
derart unter Feuer zu halten, und das ganze Gelände 
Bisen und binter ihnen fo zu beitreihen, daß der 
erteidiger nicht im jtande ift, gegen die das Bor: 
feld überfchreitende Infanterie Gefhüb oder Ge 
wehr anhaltend zur Anwendung zu bringen. Auch 
dieje Aufgabe ift fehr ſchwer zu löjen, weil der Ver: 
teidiger aus wechſelnden Aufftellungen hinter dem 
Fortgürtel jehr wohl auf die jih ıhm näbernden 
Angriffsarbeiten fo lange wirken kann, bis der An: 
greifer auf die foviel größere Entfernung ihn zu ent: 
deden und zu beläftigen im ftande ift. ! 
Drittes Stadium: Der el) wird von 
der Infanterie durchgeführt und nimmt feinen Aus: 
gang von einer breit ausgedehnten, die jämtlichen 
angegriffenen Werte umfafjenden, aber nicht zu: 
fammenbängenden Stellung, welche man durd Ein: 
raben der Schübenlinien möglichſt nabe an ber 
Sertinie berftellen wirb: der erften Infanterie: 
tellung. Sie wird, foweit das Gelände keine ge 
dedte Annäberung geitattet, mit rüdwärtigen ge 
dedten Verbindungen zu verfeben und auch nach 
vorwärts durch * mit den der Feſtung immer 
näher ruckenden Infanterieſtellungen zu verbinden 
fein. Bon dem Vaubanſchen Schema, welchem fib 


Förmlicher Angriff 


in der Form diefe Annäherungswege immer ähnlich 
geitalten werben, weicht aber der Infanterieangriff 
dadurd ab, daß jeine Annäherungsarbeiten nur ihr 
und nicht der Artillerie dienen, aljo auch nur ſchmal, 
aber tief gebaut, ohne Rüdjiht auf Geihüb- und 
Munitionstransport nur Schub und Verteidigungs⸗ 
fähigkeit gewähren follen. Während die Linien des 
Vaubanſchen Angriffs nah vorn immer ſchmaler 
der Breiche als einzigem a er ſich näher: 
ten, müfjen bie des modernen Angrifjd nad vorn 
immer mehr fih zufammenfhließen und nit nur 
den Forts, fondern aud den een und 
— — gegenüber ſich zut Sturm⸗ 
ellung vereinigen, welche auf etwa 200 m von 
den Werken den vordern Abſchluß des Infanterie⸗ 
angriffs bildet. ER 
ollte e& der Artillerie gelungen fein, die Sturms 
are der Werte weſentlich zu beeinträchtigen, oder 
ollte der Angreifer die nötigen Mittel befigen, fie 
in lürzefter geilt zu befeitigen, fo ift anzunehmen, 
daß aus der Sturmitellung heraus der Sturm gleich» 
zeitig gegen die Werte und Intervalle unternommen 
und in diefem Augenblid das Artilleriefeuer auf 
das Gelände hinter der Gürtellinie (gegen len 
und um die eigenen Truppen nicht zu gefährben) 
erichtet wird. Die Sturmtolonnen werden ſich aus 
ammenfegen aus einer Infanterieabteilung, melde 
an der Glaciätrete und gegenüber den Stüßpunkten 
der Intervalle v. ſ. w. 4 nieberlegt, um bie In⸗ 
fanterie des Verteidigerd unausgeſeht zu beſchießen, 
aus Pionierabteilungen, welche Hinderniämittel zu 
bejeitigen, Gräben zugänglich, Slantierungsanlagen 
unſchädlich zu machen haben, aus den eigentlihen 
Eturmabteilungen, melde in die Stellungen ein- 
dringen, aus ibren Referveabteilungen, welde un: 
mittelbar zu folgen, und aus einer Hauptreferve, 
welche für alle möglichen Vorkommniſſe ſich bereit 
u halten bat. Dem Sturm wird eine energiiche Be: 
—*8* unmittelbar vorangehen, und man jchlägt 
vor, durch plögliche Unterbrechungen ven Verteidiger 
wiederholt an bie Feuerlinie zu loden und dann mit 
Geſchoſſen zu überjchütten, um ihn fturmreif zu 
machen, ein Unternehmen, welches ein tadellojes 
Sineinandergreifen aller Faktoren und große Leicht: 
(äubigleit der Befakung vorausfegt. Ihr Gewehr: 
euer wirkt kräftig genug, wenn fie auch erſt ihre 
Feuexſtellung einnimmt, nachdem die Sturmtruppen 
ihre Dedungen verlaſſen haben. 

Treffen die obigen Vorausſetzungen nicht zu, b 
wird aud der legte Zwiſchenraum nod mit künſt⸗ 
lihen Dedungen zu überjcreiten fein, ein bisher 
noch ſehr fraglich erjcheinendes Unternehmen, weil 
jedes Geſchoß des Verteidigerd die Dedung zeritört. 
Hier muß die Technit eingreifen, um neue Dlittel zu 
finden, und hauptſächlich der Mineur zur Thätigleit 
lommen, um auf unterirdiſchem e die Sturm: 

reiheit zu vernichten. Der hierdurch bervorgerufene 
inentrieg wird fi aud neuer Mittel, wie des 
Galeriebaues mit Mafchinen, bedienen. 

Nah Durchbrechung des Fortgürteld wird der 
Angreifer vorausfihtlih auf eine Zwiſchenſtellung 
fioßen. Der Kampf um diefe, wie um die Stadt⸗ 
ummallung wird aber nur eines abgelürzten Ans 
ariijs bedürfen. 

Die Verteidigung gegen den * A. hat deſſen 
— — verhindern oder, falls dieſes un⸗ 
moglich, die Eroberung des Platzes bis zur außer⸗ 
hen Erſchöpfung der Streit⸗ und Lebensmittel au 
verzögern. Zu dem Zwed ift zunächſt das Vorjeld 


885 


dem Gegner ftreitig zu machen durch Zeegrörung der 
Kunftbauten an allen ihm nötigen Verbindungs⸗ 
linien, durch zeitweifes Feſthalten befonbers mid. 
tiger Buntte im Borgelände (dem Angreifer unent: 
bebrliche Artillerieftell ungen), wobei es ſich aber ſtets 
um Sceinftellungen handeln wird, welche den Ans 
ge zur Entwidlung ſtarler Kräfte zwingen om 
* verurſachen und Einblick gewinnen laſſen 
in ſeine Abſichten. Zur Unterſtüßung dienen alle 
Mittel eines aut organifierten Nachrichtenſyſtems 
(Telephone, Telegraphen, Brieftauben, Signale, 
Beobabtungsftationen, Fellelballons u. f. w) und 
eine gut bediente Siherbeit3armierung mit 
weittragendem Geihüs. Die umfangreiben Bor 
bereitungen für ven Angriff müfjen dem Berteidiger 
die Pläne des Angreifers verraten, und die Artillerie 
giebt ibm die Mittel, dagegen zu wirlen. Große 
Ausfälle werden, wenn nötig, zur Gewißheit führen 
und, im richtigen Augenblid unternommen, aud 
wichtige Arbeiten des Angreifers zu ftören und zu 
vernichten im ftande fein. Die Artillerie lann und 
muß, fobald die Abfichten des Angreifers geflärt 
find, verftärkt und an den Ausbau der Jnternall: 
Rampfbatterien gegangen werben, Diefe finden 
ihren Schuß binter der Infanterieftellung, melde 
auf allen dem Angriff ausgefesten Fronten bereita 
vorbereitet war und mit allen technifchen Mitteln 
ausgebaut wird (Hindernifle, Unterftände, Fahr⸗ 
panzer). Sind die angegriffenen Forts nicht mebr 
zu bebaupten, jo wird eine zweite, mebr proviſoriſch 
eingerichtete , zwiichen Fort und Hauptummallung 
liegende Awilhenfte [ung bejegt und in dieſer 
der Kampf fortgeführt, Die lebte Periode bildet 
dann die Verteidigung der Hauptummwallung (Kern⸗ 
ummwallung), wobei indeſſen Geſchützſtellungen außer: 
m der Werte leineswegs ausgeichloflen find. Die 
‚nfanterie bat eine ihrer Hauptaufgaben in dem 
eithalten des Vorfeldes behuſs Ausnukung des 
Gewehrfeuers, Beobadten aller Maßnahmen des 
Angreifer und Benupen jeder günjtigen Gelegen» 
beit zu Offenfivftößen (BaRTELn — ſuchen. Sie 
giebt ibre Scheinftellungen vor ber Übermadht auf 
und fucht, unterftüßt durch die Artillerie, dem Geg⸗ 
ner das Feſtſeßen zu erſchweren. Ein ferneres Mit 
tel der Verteidigung liegt im Minentriege, durch den 
dem Angreifer ſowohl das se an 
erichwert, ald das Vorgehen mit Minen von feiner 
Seite unmöglich gemacht werden foll. Die unbalt- 
bar gewordenen Werle des Fortgürteld wird man 
durch Minenanlagen rechtzeitig zu zeritören und ber 
Ausnugung durd den Angreifer zu entziehen fuchen, 
Sind alle Mittel und Kräfte im flampfe um die 
Hauptftellung eingefebt, fo wird bie Verteidigung ber 
Kernbefeftigung bald mit völliger Erfhöpfung enden. 
Angriff und Berteidigung folder 
Behungen, welde nur eine Hauptummal« 
un haben, werden nad ähnlichen Grundjägen 
wie bei einer Sortäfeftung durchgeführt. Bei Heinen 
Pläpen wird ed, in Anbetracht der geringen Kräfte 
und Mittel des Berteidigers, in ben meiften Fällen 
dem Angreifer gelingen, feine Artillerieaufftellung 
näber an die Wälle beranzulegen und mit ihr ben 
rößten Teil des Platzes zu beſchießen. Eine von 
Bier aus angeorbnete kräftige Beſchießung des In⸗ 
nern kann dann unter fonft günftigen Berbälts 
niſſen wielleiht ſchon die fibergabe der Feſtung 
berbeifübren. 
Anariff und Verteidigung von Sperr: 
fortd. Der Angreifer wird daburd, daß er das 


886 


Fort mit feiner Artillerieftellung (fchwere Artillerie 
des Feldheers) ganz umſchließt, im ſtande fein, 
das Innere von mehrern Seiten unter euer zu 
nehmen, einzelne Linien im Rüden zu beſchießen und 
hierdurch die Befasung in die Unterfunftäräume 
zu treiben, Gelingt es nicht ſchon auf diefe Weife, 
die libergabe des Forts zu erzwingen, jo wird man, 
da derartige Pläke der Offenfiotraft gänzlich ent⸗ 
bebren, die erfte Infanterieitellung auf 300—400 m 
neben und der Beſchießung einen mit allen 
techniſchen Hilfsmitteln ausgerüfteten Sturm direlt 
folgen lafien (abgelürzter nor): die allge 
meinen Grunbfäße erleiden aber feine Underung. 

Die Verteidigung eines Sperrforts wird ſich 
im Hinblid auf die ſchwache in mm und verhält: 
nismäßig geringfügigen Rampfmittel auf die reine 
Defenfive beichränten müjlen; die Wirkung der Be 
fees ift durch Unterbringung der Bejakung in 

ombenfihern Untertunfträumen nad Möglichteit 

u beihränten und der Feind zur Durchführung des 
5 A. zu zwingen, indem jedem Sturmverfuh mit 
allen Kräften entgegengetreten wird. 
Örmlichkeiten, ſ. Formalien. 

ormloſe Sprachen, ſ. Sprachwiſſenſchaft. 

ormmaſchine, eine Vorrichtung, welche bei 
Herſtellung von Gußformen (f. d. und Formerei) 
aus Sand oder Maſſe die Handarbeit zum Teil ent: 
bebrlid machen foll, indem fie entweder das Feſt⸗ 
drüden (Feititampfen) des bildfamen Formmaterials 
bewirtt, oder das Modell raſcher und mit größerer 
Sicherheit, ald e8 dur Handarbeit möglich ift, aus 
der Gußform berausbebt, oder auch, indem fie ein 
toftfpieliges, bei Handarbeit unentbebrliches odell 
durch eine einfachere Vorrichtung erjeht. 

Die zuerit erwähnte Aufgabe wirb mitunter durch 
Anwendung medan. bewegter Stampfer häufiger 
mit Hilfe einer böliernen oder eifernen Platte er: 

It, welche dur — Hebels, einer 

raube oder einer andern Vorrichtung das in 
einem Formtaften (f. d.) befindliche 
zufammendrüdt. 

Als ein Beiipiel derjenigen F., welche das Her: 
ausbeben des Movells bemwirten, kann die in 
38 1abgebilvete dienen. a ift das Modell, auf einer 

atte beieitigt, welde in Zapfen drehbar ift und von 
dem Hebel b aus geboben und gejentt werben kann. 
c ift die eine Hälfte des Formkaſtens (f.d.), in welchem 
die Gußform bergeitellt werden ſoll. d ift ein Hei: 
ner Wagen, auf welchem der Formlaſten nad ber 
enbigtem Einformen unter der Modellplatte hinweg 
vorgezogen werben lann, um von der Maſchine ab- 

eboben zu werden. Beim Einformen wird die 
odellplatte fo gedreht, daß das Modell fi oben 
befindet, und durch die beiden am Kopfe der Stän⸗ 
der —— Schrauben in dieſer Lage feſtgehal⸗ 
ten. Dann wird der Formlaſten (ebenfalls in um— 
gelehrter Lage als in der nt) darauf geſeßt, 
durch Dübel, mit Keilen over in fonjtiger Weiſe bes 
—* und mit Formſand gefüllt, welcher in ent⸗ 
prechender Weile feitgeitampft wird. Nun dreht 
man die Platte jamt dem auf ihr eg Form: 
taften jo, daß fich lekterer unten befindet, fentt fie, 
bis der Formlaften auf dem Wagen d jtebt, löjt die 
Verbindung zwiſchen Mopdellplatte und Formtaften 
und bebt eritere jamt dem Movell empor in die 
gezeichnete Stellung. Der Formlaften ift nun frei 
und lann von der Maſchine abgeboben werben. 
Für das nen der zweiten Gußformbälite 
pflegt bei Maſſenanfertigung eine zweite ebenſolche 


ormmaterial 


Förmlichkeiten — Formmafdine 


F. in Bereitſchaft zu fteben; anbernfall® müßte man 
die Movdellplatte mit der für die zweite Hälfte er- 
orderlihen vertaufhen. Die Anwendung jolder 
. fann nur lobnend erſcheinen, wo eine ei 
ab! gleicher Abgüfle gefertigt werben joll; im 
diefem Falle aber ermöglicht fie eine nicht unerheb⸗ 





fig. 1. 


liche Zeiterjparnis und die Erlangung genauerer 
Abguſſe, da jede er ng der Gubform beim 
Heraudnehmen des Modells vermieden wird. 

Nicht felten findet man bei einer und 
5. eine Borrihtung zum Feitprüden des Form⸗ 
materiald mit derjenigen zum SHerausbeben des 
Movelld vereinigt. Bei der in Big 1 abgebildeten 
mejgine würde 3. B. eine folhe Vereinigung mög: 
lid jein, wenn oberhalb ver Movdellplatte eine zweite 
Bene angebradıt wäre, gegen welche der auf der 

odellplatte ftebende, wir Sormfand gefüllte Fotm⸗ 
kaften gebrüdt würde. 

F. der britten oben erwähnten Gattung finden 
vornehmlich bei Anfertigung von Zahnrädern Ber: 
wendung. SolheZahnradformmaidhinen find 





in neuerer Zeit in verjchiedenen äußern Formen ge 
baut worden; alle aber jtimmen darin überein, daß 
att eines vollen Movells des Zabnrades nur ein 
es, zwei Zähne entbaltendes Segment zur Ber: 
—— gelangt, welches in — geregelter, der 
Zabnteilung des betreffenden ades entiprecbender 


Formol — Formoſa (Inſel) 


Weiſe nach und nach im Kreiſe herumbewegt wird, 
o daß auf dieſe Weiſe ih Zahn an Zahn anformen 
bt. Umftebende Fig. 2 zeigt die Einrichtun 
einer derartigen —3 ormmaſchine. a iſt 
das Modell der beiden Zähne, welches mit Hilfe 
des Handrades c in beliebigem, dem Teillreishalb⸗ 
meſſer des herzuſtellenden Rades entſprechendem 
Abſtande von dem Ständer der Maſchine ſich ein: 
ftellen läßt. d ift der Formlaſten, auf einem eijer- 
nen Tiſche rubend und mit diefem im Kreife dreh⸗ 
bar. Die Drehung wird durch die vor dem Form: 
kaften fihtbare Kurbel bewirkt; eine Anzahl Getriebe 
(Wechjelräder) übertragen die Bewegung auf. die 
unterhalb des Tiſches gelagerte Welle, von welcher 
aus fie durch eine Schnede auf einen an dem Tiſche 
—* Zahnlkranz übertragen wird. Durch Aus: 
wechſelung jener Getriebe ijt man nun im jtande, 
diefe Bewegung in jedem einzelnen Falle jo zu 
regeln, daß eine ganze oder halbe Umdrehung der 
Kurbel jeveömal einer Drehung des Tiſches um 
genau eine Zabnteilung des ———— Rades 
entſpricht; daß aljo 4. B. beim Einformen eines 
Rades mit 24 Zähnen eine Kurbeldrehung ven Tiſch 
amt dem darauf befindlichen Formlaſten um ein 
ierundzwanzigſtel des Streijed dreht. Nachdem 
aljo mit Hilfe des Zahnmodells a ein Zahn ein: 
geformt worden tft, wird das Modell durch Drehung 
des Handrades b aus der Form berausgeboben, 
dann wird der Tiſch um eine Zahnteilung gedreht, 
das Modell gejenkt, ein neuer Zahn eingeformt 
u. ſ. m. Die Zahnradformmaſchinen erjparen nicht 
nur die Heritellung eines Modells, jondern ermög: 
lien auch eine weit genauere Arbeit, ald es bei 
Handarbeit möglich ift. Die Zähne der Räder haben, 
ohne des Nacharbeitens zu bedürfen, genauen Ein: 
geil, und gerade diejer Umſtand bildet einen wejent: 
ihen Vorzug des Formens mit Maſchinen. In 
Eiſengießereien, welche häufig Zahnräder fertigen, 
finden daher die F. eine ausgedehnte Anwendung. 

ormöl, j. Formaldehyd. 
ormonitril, ſoviel wie Blaufäure (f. d.). 
ormöfa, malaiiih Pelan oder Pekando, 
rg (b)aiswän (nad der frühern Hauptitadt), 
Wſel, unmeit der Süboftlüfte Chinas, durd die 
Strahe von Fu⸗lien vom Feſiland getrennt, erjtredt 
ſich von 25° 18’ bis 21° 53’ 30" nörbl. Br. mit einer 
Zänge von 895, einer Breite von 123 km und 
einem Flächeninhalt von 34 753 qkm. (6. Neben: 
karte zur Karte: Japan und Korea.) 
Ein von der Nordojtipige F.s (Kap Pitau) bis 
um Südlap (Garampi) ftreihendes Faltengebirge 
Mount Morrifon oder Niitalajama, 4145 m, der 
böcite Berg des R Reichs) bildet vor: 
wiegend die Waſſerſcheide. Weitlich von dieier Gen: 
traltette Mitala⸗Kette) zieht ſich parallel zu ihr eine 


Nebentette Kali⸗Kette), welche im Tolu⸗ſan 2830 m | to 


erreicht. Eine dritte Baralleltette zieht entlang der 
Dfttüfte (Taitosflette) und iſt bis 1550 m hoch. Im 
DW. breitet ſich eine größere Ebene aus. Bei der 
geringen Breite der Inſel find die Fluſſe nur von 
geinger Entwidlung und wegen ftarten Gefälles, 
Klippen und Untiefen mit Ausnahme zweier nicht 
ſchifſbar. Die Weftküfte ift geglieverter und reicher 
an Buchten und Anterplägen als die Oſtlüſte. Das 
Hochgebirge befteht bauptiählih aus alten Scie- 
fern und feyftallinifchen Kallſteinen, welche im W. 
und D. von Tertiärjchichten bededt find. An der 
Bildung der Süpfpige find Korallen beteiligt, vurd: 
brochen von Tuff. Es befinden ji auf F. viele Vul⸗ 


887 


tane, Solfataren und heiße Schwefelquellen, au 
ir» Erdbeben —5 — doch iſt die — 
atur des Mount⸗Morriſon feit feiner erften Be 


fteigung (1896) feftgeftellt. 

, e) ora zeigt einen faft chen Eharalter, 
indem bier der fümale, noch men, Lorbeer⸗ 
bäume u. f. w. wild enthaltende Kuſtenſtreifen Sud⸗ 


oſtaſiens unter dem ſe aus ale Viele 
Do anen Ja aus China eingeführt. Die 
Wälder find an Holzarten für den Schiff« und 
Häuferbau, enthalten die Mutterpflange des Agal⸗ 
locheholzes, Rampferbäume und verſchiedene Ges 
würzpflanzen. Die Fauna bietet31 Säugetierarten, 
11 davon find eigentümliche, die andern ſüdchineſ. 
und ind. Formen. Unter ihnen finden u ann 
Hunde und andere Fledermäuſe, ein Affe 
—— Wagl.), Maulwurfe, verſchiedene fliegende 

ichhornchen, Griſons (Galictis), Schweine, eigent⸗ 
liche Hirfche, jalhirſche und Schuppenliere. 
Vögel wurden 144 Arten entdeckt, von welchen 110 
=: den benachbarten Kontinent bewohnen; auch 
die 34 eigentümlichen Arten find nahe mit indischen 
oder ſudchineſiſchen verwandt. 

Über das Klima jtellen ſeit 1897 die og ver 
in fünf meteorolog. Stationen regelmäßige Beob⸗ 
achtungen an. Der kältefte Monat tft der ‚Februar, 
der wärmijte der Juli. Die Luft ift jehr feucht; Sir 
lung batte 1898: 52384 mm Niederſchläge; die 
mittlere Regenmenge in Tamfui ift 1927 mm. Von 
großem Einfluß ift der Kuro-Siwo (f. d.) und die 
nordfüpl. Richtung der Hauptgebirgstette. 

Die jeßige Bevölkerung 3.8 iſt hauptſächlich 
hinefifh, und zwar meiſt aus Fu⸗-kien ag ger 
nannt), dann aud aus Nordchina (Halla) jchon 
— dem 15. Jahrh. eingewandert. Das Panne 
m ND. bewohnt eine ethnographiſch ſelbſtändige 
Raſſe, Tſchhi⸗ oder Tichin:hoan, d. i. rohe Barbaren 

enannt. Der Reft gehört der malaiiſch-polyneſ. 
ppe an; man unterjcheidet darunter die Lam⸗ſi⸗ 
hoan im &,, nur malatifch fpredhend, die halbkulti- 
vierten Sel:boan, d. i. civilifierte Barbaren, in den 
Vorbergen ringd um dad Hochgebirge, meijt chine⸗ 
ſiſch ſprechend, und endlich die Pe:po:hoan, d. i. 
Barbaren der Ebene, auf der ganzen Weitebene, 
nur chineſiſch verftehend. Die Einwohnerzahl ſrecht⸗ 
lihe Benölterung) betrug ohne die wilden Einges 
borenen des Gentralgebirges Ende 1900: 2729965 
(1486168 männl. und 1243797 weibl.), darunter 
32 120 Japaner, d. i. 79 auf 1 qkm. F. früher ein 
Zeil von Fustien, bildete ſeit 1885 eine eigene Pros 
vinz Chinas, deren Hauptitabt von Thaiswansfu (f. 
Thaimman) nad dem neu erbauten Thaispe:fu (. d.) 
verlegt wurde. Die Japaner, an die F. 1895 abge: 
treten wurde, teilten die Inſel in acht Diftrilte, wozu 
die Pescadores (f. Bong:hu) als befonderer Diftrikt 
mmen, und unterjtellten fie einem Generalgouver: 
neur. F. hat 8 Städte mit mehr ald 10000 €. 

Die wichtigſten Erzeugniffe find Erdnüſſe, Sud⸗ 
früchte (namentlich im ©.), Hanf, Nußhölzer, Rob: 
len, vor allem aus den Gruben zwiſchen Ki⸗lung 
und Tamsfui, Betroleum, Reis, Salz, Schwefel (300 
— 420000 kg jährlich), Sefam, Zabat, Thee, bejon: 
derd aus dem Norden, und Zuder. Die Ber: 
dehrsmittel find noch unzureichend. An Sa 
babnen befteben die Meran na —— ais 
pe⸗ fu⸗Shintſhiku ——— und Thai⸗ nan⸗Ta⸗kau. 
Die Telegraphenlinien haben 367 km Länge. Den 
Fremden geöffnete Häfen jind Thai⸗ nan und Ta⸗lau 
im ©., Tam-jui und Ki⸗lung im N., fowie andere 


888 


1897 und 1899. Der Schiffsverlehr in den Hä- 
en 5.8 betrug (1898) im Eingang 4328 Schiffe mit 
282819 Regiftertong, darunter etwa 200 Dampfer, 
im Ausgang 4182 Schiffe mit 281 197 Regiſtertons. 
Die Ausfuhr (vorwiegend Thee, Zuder, Reid und 
le) betrug 1898: 128 1899: 11,1 Mill, die 
na 16,9 und 14,3 Mill. Yen. 
eſchichte. Die erſten Anjievelungsverfuche 
der Holländer (1634), der Spanier und der Japaner 
waren ohne dauernden Erfolg. Nachdem 1871 die 
Bemannung eines japaniſchen, an die Oſtküſte ver: 
ſchlagenen Schiffs durd den Stamm der Butan 
rößtenteild ermordet worden war, landeten japan. 
ruppen, ba die chineſ. Regierung bie Verantwortung 
ablehnte (April 1874). Die Eingeborenen wurben 
8* ‚weitere Verſtärlungen folgten; die 
neſicherfeit⸗ geſtellte Forderung der Räumung 
wurbe zurüdgemiejen, und nur den Bermittelungen 
des engl. Gejanbten Bartes gelang es, einen chineſ.⸗ 
| Krieg abzuwenden. Am 31. Dit. 1874 ward 
tgejest, daß Japan un von F. zurüdzieben und 
500000 Zaeld Kriegsen hädigung von China er: 
balten jolle. 1884 während des Krieges mit China 
(l. —— bemädtigten ſich die Franzoſen unter 
‚ourbet 4. Olt. der Stadt Ki⸗lung, vermochten aber 
die Roblenbergwerte nicht zunehmen und erlitten vor 
Tam⸗ſui eine Niederlage (8. Dit.). Eine Blodade 
ber ganzen Inſel blieb unwirkjam, die Cholera for: 
berte viele Opfer, und erft der Friedensſchluß (Juni 
1885) befreite die Franzoſen aus +3 üblen Lage. 
Durch den Frieden von Shimonojeli (f.d.) wurde 5. 
1395 an die Japaner abgetreten. Doch empörte ſich 
der ehemalige chineſ. Gouverneur und erllärte die 
ei zur Republit, Der Aufitand konnte erft am 
nde bed jahres na —— der Schwarzflaggen 
unterbrüdt werden. Die Nie — neuen 
Aufſtandes 1896 gelang dagegen leichter. Doch gebt 
die endgültige Unterwerfung nur langjam voran. 
— Bol. Imbault:Huart, L’ile Formose. Histoire 
et description (Par. 18): Kirchhof, Die .. 
3. (in «Betermanns Mitteilungen», Bd. 41, Gotha 
1895) ;Clart, Formosa (Schang:hai 1896); Me. Kay, 
From far F. The Island, its people and missions 
2. Aufl., Edinb. und Lond. 1896); Ogawa, Geogr. 
eſchreibung der Inſelgruppe von F. (japaniſch, 
Totio 1896); Perkins, Foreign Office. Report on 
F. (2ond. 1896); Johniton, China and F.(ebd, 1897); 
Rieß, Geſchichte der Inſel F. (in den «Mitteilungen 
der deutichen Geſellſchaft Tür Natur: und Völker: 
kunde Ditafiend in Tofio», 1897); Wirth, Geſchichte 
3.3 bis Anfang 1898 (Bonn 1898); Pidering, 
Pioneering in F. (Lond. 1898); Fifcher, Streifzüge 
durh F. (Berl. eu all Unjere geogr. 
Kenntniffe von der Inſel Taiwan, mit Karte 
1:1000000 (in «Betermanns Mitteilungen», Gotha 
1900); von Richthofen, Geomorpholog. Studien 
aus Ditafien III (Berl. 1902). — Karten: de Bil: 
lard, Karte der Inſel % (Schang:bai 1895); Land» 
tarte der Inſelgruppe Tai-wan (Zotio 1896); Map 
of the island of F. (1:200000; 14 Bl., ebd. 1900); 
Map of F. (1:400000; 6 Bl., Rebultion der vorigen 
Karte, ebd. 1901). 

Formöſa, Gobernacion der Argentinischen Res 
publit, an der Grenze gegen Paraguay, zwiſchen 
Rio Bilcomayo und Teuco:Bermejo, dem Paraguay 
und der Provinz Salta, umfaßt die weiten, kaum 
erjorjchten Ebenen des Ehaco Eentral (f. Karte: La 
VBlata:Ctaatenu.f.w.), 107 258 qkın mit (1895) 
4829 E,, d.i.nur 0,05 auf 1 qkm. Der Hauptort 


— — — — — — — — — — —— nn — — — — 


Formoſa (Gobernacion) — Formſtecherei 


F., am rechten Ufer des Paraguay, hat 1537 6. 
eine Schule und ein Zollhaus. %. wurde errichtet 
nad dem Eroberungszug des General Bictorica 
gegen die Indianerftämme der Cbaco 1884—85. 
ormöja, rumän. Name der Stadt Kagul (f.d.). 
ormöfabai, in Ditafrita, ſ. er 
ormofafafan, |. Faſanen nebit Tafel, Fig. 3. 
ormöfe, ein Gemenge verjchiedener zuder: 
artiger Subftanzen, das beim Behandeln von 
Bormaldehob mit Kaltmild bildet. In demfelben 
efindet ſich unter anderm Acroje (f. d.). 

— * eb. um 816, wurde 
von Nikolaus I. zum Kardinalbiſchof von Oporto er- 
— 866 als röm. Miſſionar zu den Bulgaren gr 
andt, war Bertrauenäperjon ber Päpſte Hadrian I 
und Johann VIII. Dann verlor 5. plöglid bie 
päpitl. Gunft. Johann VIU. ertommunizterte ihn 
876 auf einer röm. Synode, hauptjächlich weil er 
fih an einer Verſchworung gegen Kaijer Karl den 
Kahlen zu Gunſten Ludwigs des Deutſchen beteiligt 
* Papſt Marinus IL nahm ihn 883 wieder in die 

irche auf und im Sept. 891 wurde er ſelbſt Bapit. 
Er Fe in den Wirren der griedy., deutſchen und 
fränt, Kirche mit größter Strenge. Gegen ben von 
ibm felbft zum Kaiſer gefrönten Serien Guido von 
Spoleto rief er den deutſchen König Arnulf zu Hilfe 
und trönte ihn 896 ald Kaijer. Bald darauf, 4. April 
896, ftarb er; fein zweiter Nachfolger und lang: 
jähriger Gegner, Stephan VIL., hielt über ihn 897 
wegen wiberrechtliher Bejigergreifung des päpftl. 
Stuhls ein ſchmachvolles Totengeriht. Seine Leiche 
wurde aus dem Grabe geriflen, der päpjtl. Gewan · 
der beraubt, durch die Straßen geſchleiſt und end- 
lih in den Tiber geworfen. aber furje 
bernab Stephan jelber erdrofjelt worden war, lief 
deſſen zweiter Nachfolger, Papſt Theodor IL., die 
Leiche des F. wieder aus dem Waller ziehen und 
feste jie in der Peterskirche bei. Ru 

Formphenetidid, aus Parapbenetibin und 
Ameijenefter gemonnene chem. Berbindung, in glän« 
enden, bei 69° ſchmelzenden Nadeln tryftallijierenp, 
dient als Antiſeptikum. > , 

Formiand, etwas thonhaltige Sandſchichten, 
die in ber Formerei (f.d.) zur Herftellung von Sand» 
formen Anwendung finden und namentlich inner 
balb ver tertiären Formation (Brauntoblenbildung), 
feltener in diluvialen Ablagerungen vorlommen. 

eg lg erei, die Runit, 
durch Ausſchneiden in Holztafeln erhaben jtebende 
Mujter hervorzubringen, welche zum Abdrud mit 
Farben auf Kattun und andere Gewebe, auf Papier: 
tapeten, Wachstuch u. f. w. beftimmt find. Sie üit 
aljo mit der Holzichneidelunft (ſ. d.), welde zum 
Drud in der Buhdruderprefle arbeitet, nabe ver: 

eſchichtlich die Mutter derfelben. Der 
medan. Zeil beiber Ihätigleiten beftebt darin, die 
jenigen Zeile einer auf das Holz getragenen Seid 
nung, melde fi nicht abdruden follen, vertieft 
auszuſchneiden. Der Formiſchneider hat es aber 
meih mit gröbern, mafjıgen Zeichnungen, der Holz: 
ſchneider faft nur mit jeinern Zügen zu tbun, deren 
volltommene Ausarbeitung weit ſchwieriget iſt. Da: 
ber kann ſich erſterer verſchiedener Stecheiſen, bie 
jenen der Bildhauer bei Holzarbeit ühnlich find, be 
dienen, während der Zylograph beinahe alles mit 
Grabſticheln (früher mit einem Meffer) in der Art 
des Kupferſtechers ausjticht. 

Formipracen, |. Sprachwiſſenſchaft. 
Hormftecherei, |. Formſchneidekunſt. 


wanbt und 


Formſtift — Fornix 


Formftift oder Gala ftift, quadratiſcher Nas 
gel ohne —*— Einſchlagen in Stiefelabjäge. 
Yormtauben, Ziertauben, welche wie die Kropf⸗, 
Pfauen⸗, Hühnertauben u. f. w. wegen ihrer eigen- 
tümlihen Körperform gezüchtet werden. 
ormübertragung, |. Analogiebilvung. 

ormüla (lat.), Formel (j. d.); F. concordiae, 
Rontordienformel (f.d.); F.juramenti, Eideöformel; 
F.consensus helvetlci, helvetiſche Konjenjusformel. 
Formulär (neulat.), die vorgefchriebene Weiſe 
einer Handlung, Rede oder Schrift; im Handels: 
weſen Bezeihnung für gedrudte Vorſchriften (Sche: 
mata), in welchen nur die zufälligen, im einzelnen 
Fall veränderlicen Beitandteile ausgefüllt werben, 
. B. Avisbriefe, Wechſel, Cheds, Duittungen, 

achtbriefe, Deflarationen u. ſ. w. j 
Formulärprozeh, eine Form des röm. Eivil: 
prozejled. Der Magiitratus, bei dem die Barteien 
ihren Prozeß anmeldeten, veranitaltete eine Borver: 
bandlung (VBerbandlung in jure), deren Ziel und 
Enbrefultat die jchriftlihe Redaktion einer Formula 
war, d. h. eines Schriftjtüds, welches zunächſt eine 
beftimmte Perjon aus der Gejchworenenlifte zum 
Nichter im vorliegenden Falle ernannte und dann 
diejem Judex in beftimmt formulierter Weije den 
Auftrag gab, entweder zu verurteilen oder freizu⸗ 
jprechen. Die Rechtsfindung jelbit, die Entſcheidung 
ener Alternative, war dann Aufgabe des Ver: 
Inhrens vor diefem Judex (Verfahren in judicio), 
er Magiitratus konnte übrigend die Formula 
aud) verweigern (formulam = actionem denegare, 
j. Denegatio actionis), wenn er fidy überzeugte, daß 
die Klage aänzlic grundlos ſei. Die Formulae 
machte der Magiſtrat nicht für jeden all ganz ver: 
ichieden, fondern es ftellten jich im Lauf der Praxis 
jür ** Kategorien von Klagen beſtimmte For— 
mulare feſt, welche dann einen Beſtandteil des 
magiſtratiſchen Edilts bildeten. Durch das Edikt 
(f. d.) und durch die Möglichkeit des actionem dare 
und denegare batte es der röm. Magiſtratus in 
der Hand, das Rechtsſyſtem in der Praris zu er: 
änzen und umjugeltalten, indem er mit neuen 
ormulae neue Klagen ſchuf. Auf diefem Wege 
ift mamentlid das prätorijche ten zum 
chwerpunkt der ganzen röm. Juſtiz und Rechts— 
mwijlenihaft geworden. Der F. hat unter feinen 
verſchiedenen Eigentümlicpleiten und Mertmalen 
eins, das bejondere Hervorhebung verdient, näm— 
lih: daß nur auf Geld verurteilt wurde, alfo jeder 
geltend gemadte Anſpruch in Geld umgeſetzt wer: 
den mußte, wenn er aud ein dinglicher war. Fi 
—— Falle erließ der Judex zunächſt einen Be 
fe l (jussus oder arbitratus), den erhobenen An: 
pruch direlt zu befriedigen; die Verurteilung zu 
Geld erfolgte erft, wenn diefem Befehl nicht genügt 
wurde. —— ift der F. erſt in der röm. 
Kaiferzeit mit dem Ablommen der Geſchworenen— 
gerichtöverfafjung und dem Auflommen der jog. Ex- 
traordinaria cognitio, d. h. dem Verfahren, wo der 
angegangene Beamte, ohne einen Judex zu ernennen, 
felbft entſchied. Zu firieren ift diefer Zeitpunkt nicht. 

Formulieren, in eine beitimmte Ausdruds: 
form bringen, j. Formel. 

Formül (von formica, Ameife), das Radial der 
AHmeijenjäure, bejteht aus je einem Atom Waſſer⸗ 
ftoff, Koblenftoff und Sauerftofj, HCO, und ift in 
der Ylmeijenfäure, HCO-OH, mit Hypreryl, OH, 

ormöljodid, |. Jodojorm. [verbunden. 
oxrwöllänre, joviel wie Ameifenjäure. 


889 


ormältrichlorid —— trichloratum), 
foviel wie Chloroform (j. d.). 
emzahl, Vollholzigkeitszahl, in der 
b tlihen Baum: und Beitandsfhäßung derjenige 
ecimalbruch, ven man erhält, wenn man mit dem 
NK einer Walze, die denfelben Durchmefler und 
diefelbe Höhe hat wie der Baum, in den Inhalt des 
legtern bividiert. Man unterjheidet Baum, Schaft: 
und Derbholzformzahl, je nahdem man den Inhalt 
des ganzen Baums jamt Reilig, oder nur den bes 
Schaftes, oder nur den des Derbholzes (j. Holzauf: 
bereitung) in Rechnung jtellt. Ferner unterfheibet 
man Brujtböbenformzahl, für melde die Grund: 
ftärte in Bruſthöhe (jegt allgemein 1,5 m vom Boden) 
gemefjen wird, und ehte oder Normalformzahl, für 
welche dieſe Me ung nicht in konſtanter HÖ ons 
bernaneinem in beitimmtem Berbältniszur deitels 
Pr elegenen Buntte erfolgt. —— ſind die ge 
räudlichern, leßtere und andere haben fich nicht bes 
währt. Die F. werden mit Hilfe einer großen Anzahl 
gefällter, ganz genau berechneter Probeſtämme er: 
mittelt und fönnen mit Borficht wieder zur Schägung 
ganzer Beitände angewendet werben, wenn von 
diefen dur direlte Mefiung die Summen ſämt⸗ 
licher Kreisflähen (Grundftärten) aller Bäume und 
deren durchſchnittliche Scheitelhöhe beftimmt wurbe. 
Hätte man 3. B. für einen Beitand die Stamm: 
grundflähe (Summen jämtliher Grundftärten) mit 
45 qm, —* durchſchnittliche Scheitelhoͤhe mit 
25 m durch ung beitimmt und lönnte [hägungs» 
weife oder na robeunterfuhungen die Baum 
formzabl mit 0,52 annehmen, fo entbielte der Te 
45 X 25 X 0,52 = 588 fm Holzmafje. — Bol. Baur, 
Holzmeßlunde (4. Aufl., Wien 1892); derf., Die 
Nichte in Bezug auf ee! Zuwachs und Form 
(Berl. 1877); derf., Die Rotbuche in Bezug auf Er: 
trag, Zuwachs und Form (ebv. Bonn nze, An⸗ 
leitung zur Aufnahme des Holzgehaltes der Walb⸗ 
bejtände (2. Aufl., ebd. 1891); derſ., Neue Methode 
zur raſchen Berechnung der unechten Schaftform⸗ 
Bi der Fichte und Kiefer (Dresd. 1891); ferner 
dellen Arbeiten im «Tharandter forjtlihen Jahr: 
ornatatien, f. $ornar. lbuch⸗ (Dresden). 
ornarina (ital. — * Bäderin), Bezeichnung 
für die angebliche Beliebte Raffaels, die Tochter 
eined Bäders in Rom, deren Züge er in mehrern ſei⸗ 
ner Frauengeſtalten (Sirtiniihe Madonna, Donna 
Velata) verherrlicht haben fol. Die unter dieſem 
Namen betannten Bilonifje find das in den Uffigien 
zu Florenz (1512, wahrſcheinlich von Seb. del Biombo 
gemalt) und bejonders das Raffael zugeſchriebene 
im Palazzo Barberini zu Rom. 

Fornag (lat., d. i Badofen), röm. Göttin, 
welcher zu Ehren die Fornalalien (im Februar 
an einem alljährlih näher zu beſtimmenden e) 

efeiert wurden. Dabei wurde nad) altertümlicher 
Weiſe Dintel (far) in folhen Öfen gehe. Das 

ejt wurde als Vollsfeſt von den 30 Rurien, unter 
Veitung des Curio maximus, begangen. Wer zu 
dem Feſt nicht erichien, hatte die Feier an ben 
Quirinalien, 17. Febr., nachzuholen, eine eier 
welche das Feſt der —— (Feriae stultorum) 
genannt wurde, weil es von jolden begangen wurde, 
die ihre Kurie vergejlen hatten. 

Fornifänt (lat. fornicarlus, fornicätor), ein 
wegen Unzuctövergeben in Unterfuhung dr 
liber; Fornilation, Unzudt. 

Fornix (lat.), Wölbung, Bogen; F. in der Anar 
tomie, j. Gebirn, 


890 


Forres, Stadt in der ſchott. Grafſchaft Elgin, 
18 km weſtlich von Elgin, am Fuße der Cluny: 
Hills (mit Wafferbeilanftalt auf der Süpjeite), bat 
(1901) 4313 E.; Manufalturen und Hanbel, " 
ein Turm zum Andenten an die Schladt von Tra= 
falgar; 2 km —— ein 7 m hoher Obelist (Sweno- 
stone) mit Skulpturen aus dem 10. oder 11. Jahrh. 

Forreſt, Ulerander, Forfhungsreifender, Brus 
der von John F., geb. 22. Sept. 1849 zu Bunbury 
in Weftauftralien, beteiligte ſich an at a Reifen 
feines Bruders und zog 1871 mit Monger von Perth 
nad Diten und drang bis etwa 125° öftl. 2. vor. 
1874 drang er mit feinem Bruder yobn Forreſt (f. d.) 
von Perth nad Dften bis zur Pealeſtation vor. Mit 
dem Feldmeſſer Hill leitete er 1879 eine Erpedition 
in Nordmweitauftralien, welche ven Fißroyfluß unter: 
fuchte und nach großen Beſchwerden ſüdlich von der 
Gatberineftation die Telegrapbenlinie erreichte. & 
itarb 20. Juni 1901 zu Perth in Auftralien. 
ſchrieb: «Journal of an expedition from de Grey 
to Port Darwin» (Perth 1880). 

orreft, Edwin, nordameril. Schaufpieler, geb. 
9. März 1806 zu Philadelphia, wirkte ſchon ala 
Kaufmannslehrling bei Borftellungen auf Lieb: 
baberbübnen mit und debütierte dann 1817 in der 
Frauenrolle Lady Anna (in N Homes «Dou- 
hear hen dem Apollotbeater Philadelphias. Nach 
drei Jahren erſchien er in Zivoli:Gardens, dann 
am MWalnut: Street: Theater feiner Baterjtabt und 
wandte ib 1821 nah dem Weiten Amerikas. 
Hierauf jpielte er jeit 1826 wieder in Neuyort und 
eit 1831 ın Philadelphia auf dem Cheſtnui⸗Street⸗ 
beater. Seit 1836 trat er auch zu verſchiedenen 
ve am Drury:Lane: und Princeßtbeater in 
ondon auf, lehrte aber immer nad Amerika zurüd, 
um auf den verjchiedenften Bühnen der Vereinigten 
Staaten zu fpielen, F. ftarb 12, >. 1872 in 
Philadelphia. Sein Spiel unterftügten belvenbafte 
Figur und vortrefflihe Stimme. Seine Glanzrollen 
wuren Dtbello, Goriolan , Lear u. ſ. w. — F.s Bio; 
tapbie [hrieben diees Philad. 1874), W. di. Alger 
2 Bope., ebd. 1877) und Lawrence Barrett (in den 
«American Actors Series», Boston 1881). 

Forrefi, Sir John, auftral. Entdedungsreifen: 
der und Staatdmann, geb. 22. Aug. 1847 in Bun⸗ 
u Ai Weftauftralien, erhielt 1864 eine Anftellung 
im Vermeſſungsamt diefer Kolonie und unternahm 
1869 im Auftrage der Negierung von Perth aus 
eine Reife zur Auffindung der Erpedition Leichhardts 
(f.d.). Er fand keine Spuren derfelben, tonnte aber 
die frübern Angaben über die völlig dde Natur des 
durchzogenen Landes betätigen. 1870—71 durd: 
forjhte er die Süpdmeitküfte von Auftralien und 
unternahm dann mit feinem Bruder Alerander 1874 

eine berühmteſte Entdedungsreife, die ihn von 

ertb, dem Laufe des Murdifonfluffes entlang, 
quer durch den Kontinent von Weiten nach Diten, 
bis au der in 26° ſüdl. Br. gelegenen Bealeftation 
des liberlandtelegrapben führte. Von bort kehrte er 
über Adelaide nad Perth zurüd, wo er 1883—90 
zum Generalfelomefier und Gommiffioner of Lands 
der Kolonie Weftaujtralien ernannt war. Seit 1883 
gebört er dem Oberhaus von Weitauftralien an, 
jeit 1890 ift er Finanzminiſter und Minijterpräfident 
diefer Kolonie, 1891 wurde er in den Ritterſtand 
erhoben. Er veröffentlichte: «Explorations in 
Australia, with an appendix on the condition of 
Western Australia» (Bond. 1875) und «Notes on 
Western Australia» (3 Tle. 1883—85). 


Forres — Forſſell 


Forsan et haec olim meminisse juvä- 
bit (lat.), «vielleicht wird e8 einft eine Freude fein, 
aud diefer Dinge zu gedenten», Citat aus PVirgils 
«ülneide» (1, 208); die Worte find eine leicht verä= 
derte Übertragung von Odyſſee 12, 208 fo. Däufig 
wird nur citiert «Et hoc meminisse juvabit». 

Fordberg, Nils, ſchwed. Maler, geb. 17. Da. 
1842 in Rifeberga (Schonen), war jeit 1868 Schüler 
Bonnats in Paris, Hier ftellte er 1872 zum erſten⸗ 
mal ein Selbjtbilpnis aus, dem 1877 eine Alroba 
tenfamilie (jegt im Göteborger Dlufeum), 1883 
das große Bild Der Tod des Helden, d. i. ein fter- 
bender Soldat in der Notre-Dame-flirche das Are 
der Ehrenlegion und die Gnabenmittel der Kirche 
empfangend, folgte, Für legtere Kompoſition (jegt 
im atonalujeum zu Stodholm) erbielt F. die 
große goldene Medaille. 

Forſch (vom franz. force), burſchikoſer Aus 
drud, foviel wie kräftig, ftramm, ftart. 

* „Hermann, Pſeudonym, ſ. Oppermann. 
orſchungsreiſe, j. Reiſen 

orfeti (friei. Sohite), ein Gott in der german. 
Motbologie, deſſen Name in ſtandinav. und friei 
Quellen erhalten ift. Er eh von Haus aus in Frie⸗ 
land heimiſch, eine Hypoftafe des altgerman. Him 
melsgottes. Namentlich auf Helgoland, das nach ibm 
den Namen Foſitesland hatte, wurde er beiom 
ders als Schirmherr des Rechts verehrt. Bon bier 
aus wanderte der Mythus nah Standinavien, mo 
fpäte Quellen F. zum vn Baldrs und der Nanna 
machten. Nach der Edda iſt Glitnir («der Glängender) 
feine Wobnftätte; bier fpricht er Recht. 

Fors Fortüna, im alten Rom die Göttin des 
lüdliben re die ein angeblid von Servius 
ullius geſtiftetes Heiligtum am rechten Tiberufer 

und fpäter mebrere andere Heiligtümer bejaß. 

Forsk., bei naturmwijlenicaftlihen Namen Ab⸗ 
fürzung für Peter —— (1. d.). 

Forskal (pr. -Tohl), Peter, ſchwed. Raturfer 
her und polit. Schriftjteller, geb. 11. Ian. 1732 
zu Heljingjors, ftudierte 1753 in Göttingen und 
erregte Aufſehen durd feine gegen die Wolffſche 
Vbilofopbie gerichtete Gradualdisputation « Dubis 
de principiis philosophiae recentioris» (1756). Ins 
Vaterland zurüdgetehrt, feste er unter der Zeitung 
Linnes feine —— tudien fort und begleitete 
dann die unter Niebubrs Leitung zur Erforihung 
Arabiend von -Dänemark ausgerüjtete Erpedition. 
8 ftarb 11. Juli 1768 während der Reife zu Jerim 

in Zeil feines litterar. Nadlafjes ward von Mebubt 
veröffentlicht: «Descriptiones animalium» (Kopenb. 
1775), «Flora aegyptiaco-arabica» (ebd. 1775) und 
«lcones rerum naturalium» (ebd. 1776; den botan. 
Zeil gab berichtigt heraus Vahl, «Symbolae bo- 
tanicae», 3 Tle., ebd. 1790— 94). , 

Forfiell, Hans Ludwig, ſchwed. Hiftoriter und 
Staatömann, geb. 14. Yan. 1843 zu Gefle, ftubierte 
feit 1859 zu Upfala und warb ſchon 1866 Docent 
der Geſchichte. fiedelte jedoch bald nah Stod 
bolm über, um fi litterar. Thatigkeit zu widmen 
1874 wurde er Selretär der Reichsbank, trat 1875 
als Finanzminiſter in den Staatsrat, nahm 18% 
feinen Abſchied und wurde 1888 Präfident im Jinanz 
tammertollegium. F. hat namentlich viel — Ein⸗ 
führung der Goldwährung in Schweden beigetra 
gen. 1879—97 war er Mitglied der Erften Kammer 
des Reichstags. Er ftarb 2. Aug. 1901 in Sar 
Bernardino in der Schweiz. Eine Auswahl feiner 
trefflihen kritiſchen und polit. Eſſays bot erw. d. T. 


Hort — Forftafademie 


«Studier och Kritiker» (1875; eine zweite Samm⸗ 
lung 1888). ferner fchrieb er noch «Sveriges inre 
historia frän Gustaf I.» (1869— 75), «Anteck- 
ningar ur Sveriges jordbruksnäring i 16. seklet» 
Chor ein ach gemiflen Regeln b irtſchaftet 
orſt, ein nach gewiſſen Regeln bewirtſchafteter 
Bald (ſ. d). Es giebt Urwälder, aber (el Ur: 
(erben. Die Etymologie des Wortes F. ift unficher. 
ie einen leiten es aus dem mittellat. foresta ' ans. 
for&t), die andern aus dem altveutichen foraha 
oͤhre) ab. F. bedeutet im 6. und 7. Jahrh. den 
—* Wald, Herrenwald, im 8. Jahrh. einen 
db, in dem bas Jagd- oder Fiſchereirecht, bis: 
weilen beide, einem Berechtigten, anfänglih nur 
dem Könige, bei Vermeidung des Königsbannes 
vorbehalten war (f. Bannforften). Später, etwa jeit 
dem9 — tman unter foresta oder forestis 
auch dungen, Jagd- und Fiſchereigebiete von 
rivatperſonen, denen entweder das Bannrecht vom 
dnig verliehen worden war, oder die es ſich felbit 
anmaßten; ein folder F. beitand nicht bloß aus 
Wald, fondern umfahte oft ausgedehnte andere 
Grundftüde. Daher diente forestis endlih auch 
nur zur Bezeichnung eines ausſchließlichen Jagd: 
oder — innerhalb eines Bezirls ohne 
Beziehung auf ein beſtimmtes Territorium. Mit 
der Entwidlung der Landeshoheit und des Jap: 
regals kam das Wort forestis allmäblich außer Ge: 
braud. (S. au —— und Forſtverwal⸗ 
tung.) — Bol. Schwappach, Handbuch der Forſt⸗ 
und Sagbgeiothte Deutihlands (Berl. 1885—88); 
derf., Grundriß der Forits und Jagdgeſchichte 
Deutihlands (2. Aufl., ebd. 1892); Seidenftider, 
Rechts- und MWirtichaftsgefchichte norbdeutfcher 
Dumm (2 Bde., Götting. 1895); Artikel Forſten 
«Handwörterbuh der Staatswiljenihaften», 
Br. 3 (2. Aufl, Jena 1900). 
orft, in der Baufunft, H Firſt. 
orſt. 1)F. in der Lauſiß, früber Forſta oder 
—— Stadtkreis (11,8 qkm) und Kreisſtadt des 
treifes F. im preuß. Reg.:Bez. Frankfurt, in der 
— zz frübern Martgraffhaft Nieder: 
& ‚Mlaufis, an der Laufiger Neiſſe, 
‘| an der Linie Halle: Cottbus: 
4 Sagan und der Nebenlinie 
J Weißwaſſer-Guben der Preuß. 
Staatsbahnen, Sitz eines Amts⸗ 
sm. (Zandgeriht Guben), 
u ataſter⸗, Steuer:, Aichamtes 
— und einer Reichsbankneben⸗ 
elle, bat (1900) einſchließlich des einverleibten 
ororted Berge 82075 E., darunter 1916 Katho: 
liten und 144 Söraeliten, (1905) 33757 E., Bojt: 
amt erjter Klafje mit Zweigftelle, Telegraph, ern: 
ſprecheinrichtung, —57 zwei evang., je eine 
altluth., kath. und apoftolifhe Kirche, Bismard: 
denkmal (von Unger; 1896), Brogymnafium mit 
ealprogymnafium, Knaben⸗ und Mäpchenmittel: 
chule, tönigl. Webihule, Kreditfafjenverein, Bor: 
chuß⸗, Distont: und Depofitenbant; Fabrikation 
wollener Tuchſtoffe und Budjlin (110 Fyabriten mit 
etma 8000 Arbeitern, 2800 mean, Webftüblen, 
einer Ausfuhr von 6 Mill. kg Tuch und einer Ein: 
fuhr von 9", Mill. kg Wolle) und Landwirtidaft. 
— F. wurde 1280 gegründet, gehörte damals den 
Herren von Eilenburg, fam 1385 an die von Bi: 
beritein, 1667 an Sadjen:Dierjeburg, 1740 an 
Kurſachſen, 1815 an Preußen; jeit 1746 gebörte 
es zur Standesherrihaft Pförten der Grafen von 





891 


Brühl. 1895 wurde F. Stadtkreis. — 2) Gemeinde 
im preuß. Reg.:Bez. und Landfreis Aachen, 2 km im 
SD. von Aachen (f.d., Bd. 1, nebjt Stadtplan in 
Bd. 17), mit dem es durch Straßenbahn verbunden 
it, hat (1900) 6357 E., darunter 287 Evangelifche 
und 29 Ysraeliten, (1905) 7874 E., Boftagentur, 
Zelegrapb; Streihgarn: und Baummwollipinnereien, 
Mebereien, —— —— Ziegeleien, 
Brauereien und Brennereien. Nahebei das zur Ge: 
meinde F. rt — — Note Erde mit(1900) 
1297 E., Stahl, Puddlings⸗ und Walzwerk des 
Aachener Hütten-Aitienvereins und Altienbrauerei. 
— 8) Dorf im Bezirksamt Neuftadt a. d. Hardt bes 
bayr. Reg. Bez. Pfalz, 2 km nördlich von Deides⸗ 
beim, am öftl. Fuße des Harbtgebirges, bat (1900) 
626 E., darunter 56 Evangelifche. F. gebört zu den 
berübmteften Weinorten Deutſchlands und liefert 
die edeliten Pfälzer Weine. Die beften Lagen 
beißen Kirhenftüd (Preis des Heltars Weinland 
100—130000, des Stüdes Wein 12—15000 M.), 
Jefuitengarten, Biegler, Freundftüd, Ungeheuer 
u. j. w. Der vorwaltende Saß tft der berühmte 
Riesling, doch ſtammt kaum ein u der unter 
dem Namen Foriter verkauften Weine vortber, 
zumal die guten Sagen von Nuppertöberg und 
Deidesheim IR ebenjo gute Weine liefern, daher 
häufig als Foriter bezeichnet werben. 2km weſtlich 
im Gebirge der jog. Pechſteinkopf, ein erloſchener 
Krater mit ergiebigem Bajaltjteinlager. 

Forst., bei botan. Namen Abkürzung für Georg 
Base (f. d.); bei zoolog. Namen Abkürzung für 

ob. Reinhold Foriter (f. d.). 

Foerst., binter wifjeni&aftlichen Infeltenbenen- 
nungen Ablürzung für den Entomologen Arnold 
Foerjter, gejt. 1884 als Profeſſor an der Gewerbe: 
ſchule in Nahen, bejonders Kenner der Schlupf: 
weipen. Bon ibm unter anderm: «Hymenopterolo⸗ 
giihe Studien» (2 Hefte, Nahen 1850—54). 

Bee h Forſt (in der Laufih). 

oritab — Sorte ation,bdie Unter: 
ſuchung aller innern Waldverhältniſſe, die auf den 
egenwärtigen Ertrag des Waldes überhaupt Ein- 
u baben oder auch fuͤr die Berechnung des künftigen 
Ertrags wichtig find. Sie ermittelt Die Standoris⸗, 
die Beitandsverbältnifje (ſ. Standortsbonitierung 
und Beitandsbonitierung) und die bisherigen Er⸗ 
träge und often. Sie iſt die Grundlage für jede 
Waldwertrechnung (f. er: Forfteinrichtung und 
Ertragäre —— Die F. iſt Aufgabe der ſog. taras 
torifchen Vorarbeiten jeder Foriteinrichtung (ſ. d.). 
Mande (3. B. Hundesbagen) bezeichnen mit dem 
Ausprud F. die Foriteinrihtung, beſonders bie 
Waldertragsregelung (f. d.) jelbit. IR 
oritafademie, Hochſchule, auf der die Forſt⸗ 
wiſſenſchaft (f. d.) mit ihren Grund: und —— 
ſchaften in ſyſtematiſcher Vollſtändigleit gelehrt und 
gleichzeitig ſortgebildet wird. Deutſchland befikt 
5. in Preußen zu Eberswalde (jeit 1830) und 
zu Münden bei Göttingen (feit 1868; die Kandida- 
ten für den preuß. höhern Staatsforſtdienſt müſſen 
außer dem Beſuch einer F. noch zwei Semeiter 
jurift. Univerfitätsjtubium nachmweifen); in Bayern 
zu Aſchaffenburg (jeit 1843) und in Verbindung mit 
der Univerfität zu München (feit 1878; die Kan: 
didaten für den bayr. Staatöforitdienit müfjen zu- 
erit zwei Jahre die —— Hochſchule in Aſchaffen⸗ 
burg und dann die Univerſität beiuchen); im König⸗ 
reib Sachſen zu Tharandt (feit 1816); die Kandiba- 
ten für den böbern Staatsforſidienſt müſſen vorber 


892 


mei Semefter an einer deutichen Univerfität juri: 
lite und fameralitiihe Studien betreiben); in 
ürttemberg zu Tübingen in Verbindung mit ber 
Univerfität (jeit 1881; 1820—80 befand ſich die F. 
in Hobenheim in Verbindung mit der dafelbit 1818 
gegründeten landwirtſchaftlichen Lebranitalt); in 
aden zu Karlsruhe in Verbindung mit der techni: 
.. Hochſchule (1832); in Helfen zu Gießen in Ver: 
indung mit der Univerfität (1825; integrierender 
Beitanbteil der Univerfität 1831); im Großherzog⸗ 
tum Sadjen zu Eiſenach (1830). Öiterreih-Ungarn 
beſihzt eine F. zu Wien in der Hochſchule für Boden: 
hultur (1872; jpc als F. 1813—71 zu Marias 
brunn); in Mähren (jeit 1852) zuerſt in Auffee, dann 
in Gulenberg, jest in Mähriſch-Weißlirchen, eine 
jolde in Böhmen zu Reichſtadt (feit 1904; früber 
in Weißwaſſer, feit 1855) und in Galizien zu Lem: 
berg (1872 und 1873 Privatanſtalt an der Tech: 
niſchen Hochſchule, feit 1874 Landeslehranitalt); 
in Ungarn zu Schemnig (1807 an der bereits 1770 
pe Alademie erhobenen Bergſchule errichtet); in 
roatien zu Kreuz eine land: und forjtwirtichaft: 
lihe Mittelſchule P1860). Ferner befiken noch F. 
die Schweiz zu Zürich in Verbindung mit dem Poly: 
technitum — Frankreich in Nancy (1824); Ita⸗ 
lien zu Vallombroja bei Florenz (1869); Spanien 
im Göcorial (1869, vorher 1846—68 in Billaviciofa). 
In Rußland beiteht zu Petersburg feit 18183 ein 
vielfach verändertes Yorftinjtitut und feit 1866 zu 
Moskau die land- und forjtwirtichaftliche Alademie 
Betromjtoje-Rajumormjtoje, ferner eine Forſtſchule 
ji Ewois in Finland (1862), endlich noch eine mitt: 
ere Foritichu ein Neualerandrien. Schweden befigt 
eine Forſtſchule zu Stodholm, Dänemart zu Kopen: 
bagen. England bat eine Forſtſchule als befondere 
Abteilung der Konigl. Techniſchen Hochſchule zu 
GCooperd: Hill feit 1888. In Holland wird forit: 
liher Unterricht an der Landwirtſchaftlichen Schule 
zu Wageningen erteilt. 

Die eriten Forſtſchulen entitanden in Deutich: 
land in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. als jog. 
Meifterfhulen, indem tüchtige Fachmänner 
Schüler um fi verfammelten; jo 3.3. Zantbier in 
Ilſenburg (um 1765), von Ehrenwerth in Böhmen, 
von Uslar in Harzburg, ©. 2. Hartig zu Hungen 
1789—97) und zu Dillenburg (1797—1806), 9. 

tta in Zillbah (1785—1811), König in Rubla 
(1803—30), Feitter in Bothnang in Württemberg 
(1795— 97), Zaurop in Karlsruhe (180920) u.a.m. 
Die Mebrzahl diefer Meifterjhulen batte teinen 
langen Beitand; aus einigen entwidelten ſich För⸗ 
je chulen, aus andern Alademien. Den eriten Ber: 
uch zur Schöpfung einer öffentlihen Forſtſchule 
machte man 1770 ohne großen Erfolg in Berlin; 
1830 wurde die Anjtalt nad Eberswalde verlegt. 
In Württemberg, machte Herzog Karl 1772 einen 
ähnlichen Verſuch, 1818 wurde eine Forſtlehranſtalt 
in Stuttgart gegründet, die 1820 nah Hohenheim 
(1. d.) verlegt wurde. In Bayern wurde 1786 der erſte 
Veriuh gemacht, eine forſtliche Bildungsftätte zu 
ſchaffen, aber erit nad — Mißerfolgen und 
Wandlungen der jetzige Zuſtand erreicht. 

>. Bernhardt, Geſchichte des MWaldeigentums, 
der Waldwirtſchaft und Forſtwiſſenſchaft (3 Bope., 
Berl. 1872— 75); Schwappach, Handbud der Forit: 
und Jagdgeihichte Deutihlands (ebd. 1885—88) ; 
Martin, Der höhere forjtlihe Unterricht mit bejon: 
derer Berüdfichtigung feines gegenwärtigen Zuftan: 
des in Breußen Loz. 1897); von Zimmerauer, Die 


Forſtanſtellungsberechtigung — Forſtbenutzung 


land: und forſtwirtſchaftlichen Schulen in Oſter 
reich (Wien 1900) ; Denlſchrift, betreffend den forſt 
lihen Unterriht in Bayern (1877). Letztere be 
ſpricht gründlich die neuerer Zeit vielfach beban- 
delte Stage, ob bei den Fi erten Anforderungen 
an bie allgemeine und fa liche Bildung des Forit: 
manns die ifolierten Fachalademien überhaupt nos 
beibehalten werben könnten, oder ob es nicht zwed 
mäßiger ſei, den forjtlihen Unterriht an die all 
gemeinen Hochſchulen zu verlegen. Eeit 1887 tritt 
namentlih Neumeifter (Alademiedireltor in Tha— 
randt) für eine Vorbildung der Forſtleute auf der 
Univerjitätinden naturwiſſenſchaftlichen, juriftijchen 
und fameraliftiihen Füchern vor dem eigentlichen 
Fachſtudium ein. Cine Verwirllihung dieſer Idee 
it 1898 im Königreih Sachen erfolgt. liber dieſe 
genge l. noch: Dandelmann, F. oder allgemeine 
ochſchulen? (Berl.1872); 2, Meyer, Alademie oder 
Univerjität? (Bresl. 1875); Baur, F. oder allge 
meine Hochſchule? (Stutta. 1875); Heb, Die forſtliche 
Unterrichtsfrage (Berl. 1874, in den « Deutichen 
Zeit: und Streitiragen», Nr. 43); Neumeijter, Wie 
wird man ein Forſtwirt? (Lpz. 1887). 
Forftanftellungsberechtigung, in ze 
und Eljaß:Lothringen der Anipruc, als Förjter oder 
Forſthilfsaufſeher angeftellt zu werden. Der Zr 
verforgungsjcein wird gelernten Jägern nab Be 
ſtehen ber erforderlichen sahprüfungen und Ablauf 
entſprechender Militärdienftzeit auögeftellt. — Bal 
Beitimmungen über Ausbildung, Brü und 
—5*— ür die untern Stellen des Forſtdienſtes 
in Verbindung mit dem Militärbienjt im Jäger 
torps (Berl. 1897). 
orftbann, das urjprünglid nur dem Könige 
zuftehende Recht, jedem die Jagd und die eigentums: 
mäßige Benußung in Wäldern, Grundftüden und 
Gewäjlern (Banngemäljern) bei Strafe des Königs 
banns (60 Solidt) zu unterfagen. Durch dieſe⸗ 
Recht, welches R. Schröder auf ein allgemeine: 
Bopdenregal der * Könige gründet, konnte eine 
Enteignung der Waldungen von Privaten und Marl: 
eofen haften zu jeder Zeit erfolgen und ein ans 
chließliches Nutzungsrecht für den König und den 
von ihm mit diefem Beliebenen begründet werben 
(forestare, von foris). Solche eingeforfteten, ae 
bannten Wälder hießen Bannbölzer, Bann: 
—— Bannwälder. (S. Bannforften.) Man 
ezeichnete den F., da die Jagd die vorzüglichkte 
Nutzungsart bildete, au ald Wildbann. Gegen: 
wärtig bat ber F. nur noch rechtöbiftor. Bedeutung: 
doch bat er weſentlich zur Geftaltung der Gigem 
tumsverbältnifie an Wald und Jagd beigetragen. 
Der Ausprud Bannmwald wird — in an: 
derer rechtlicher Bedeutung gebraudt. (S. Bann: 
wald.) — Val. —— eſchichtliche Darſtellung 
der Eigentumsverbältnifie an Wald und Jagd (Bp;. 
1832); Bernbarbt, Geichichte des Waldeigentums in 
Deutichland (3 Bde. Berl. 1872— 75); Schwappadı, 
Handbuch der Forit: und Jagdgeſchichte Deutic- 
lands (ebd. 1885—88). waltung 
Forſtbeamte, Forſtbehörden, ſ. 
Forftbenuyung, die Lehre von den du 
fahrung und eat! gefammelten Grunviä 
der zwedmäßigiten Innung, Formung und 
wertung der Waldprodulte. Der zu bebandelnte 
Stoff aliedert fi in drei Hauptteile: Hauptnutzun⸗ 
en, Nebennugungen und foritlihe Nebengemwerbe. 
er erite Teil bebandelt die techniſchen Eigenſchaf— 
ten der Hölzer, Verwendung bes Holzes bei den bol» 


Er 


Forſtberechtigungen 


verbrauchenden Gewerben, Fällungs⸗ und Aufbereis 
tungsbetrieb, Abgabe und Verwertung des Holzes, 
Holztransport zu Land und zu Waſſer, Gewinnung 
und Benukung der Baumrinden. Der zweite Teil 
betrifft Dergnupang, Dnstteroffe des Waldes, Leſe⸗ 
olz, Baumfrücte, Waldftreu, landwirtſchaftliche 
mwijhennugungen (Waldfelobau u. f. w.), Steine 
und Erben, verſchiedene Kleinere Nebennugungen. 
Der dritteTeil handelt von Holzbearbeitungsmaſchi⸗ 
nen (Brettfägen u. ſ. w.), —— Teerſchwe⸗ 
lerei, Holzimprägnierung, unge des Nadel: 
|, Gewinnung und Veredelung des Torfs. 
Die F. im engern Sinne befhräntt ſich auf die 
beiden erſten Hauptteile, umfaßt ſonach die Grund: 
jäße der Gewinnung und Verwendung der Wald: 
produfte in ihrem roben Zuftande nah Maßgabe 
ihrer natürlichen Eigenſchaften. Die Lehre von den 
forjtlihen Nebengewerben nennt man dann Forit: 
technologie, welche die Grundſätze begreift, nad) 
denen bie Veredelung und Verfeinerung der Nob: 
produfte erfolgen muß. Im meiteiten Sinne des 
Wortes wäre alle Holzinduftrie hierher zu rechnen. 
Die se wirtſchaftlichen Fortſchritt begründende 
und begleitende Arbeitsteilung ſcheidet mehr und 
mehr die eigentlich technolog. Aufgaben von denen 
—— aus.— Vgl. K. Gayer, DieF.(9.Aufl., 
Berl. 1908); Nörblinger, Die techniſchen Eigen— 
ſchaften der Hölzer (Stuttg. 1860); Ermer und Pfaff, 
Werkzeuge und Mafchinen zur Holzbearbeitung 
(3 Bde., Weim. 1878—83); Schuberg, Der Wald: 
mwegebau und feine Vorarbeiten (2 Boe., Berl. 1873 
—75); G.R. Föriter, Das forftlihe Transportweſen 
(2. Aufl,, Wien 1888); MWimmenauer, Grundriß 
ver Waldwegebaulehre (ebd. 1896); Heb, Die F. 
(2. Aufl., Berl. 1901); außerdem die weiter unter 
Holz angegebene Litteratur. 
Boribereg ungen, ſ. Bd. 17. 
orftbefchreibung, bie eingehende Beſchrei⸗ 
bung eines forftreviers, die bei jeder Forſteinrich⸗ 
tung (f. d.) gefertigt wird. Sie erfheint im Wirt: 
ſchaftsplan (f. d.) aud u. d. T. Allgemeine Be: 
{chreibung und bat den Jwed, eine kurze Überficht 
über a ar en Thatbeitand und eine Begrün: 
bung der Einrihtung überhaupt fowie der Ertrags⸗ 
regelung im befondern zu geben, Sie foll ferner 
den Sinn und Geift darlegen, in dem die Forjtver: 
maltung bei der fünftigen Bewirtihaftung zu han: 
veln bat, fo daß in Fällen, wo die gegebenen Be: 
jtimmungen nicht mehr ausreichen, ſich erfennen 
läßt, was zu thun jei, um im Sinne des Ganzen zu 
verfahren. Bezüglich des —— Thatbeſtandes 
bat ſich die F. zu erſtredden auf die topogr., geſchicht⸗ 
lichen und Eigentumsverhältniſſe des Forſtes, auf 
den allgemein wirtſchaftlichen Zuſtand der Gegend 
(Arbeiterverhältniſſe u. ſ. w.), auf die ſummariſchen 
Reſultate der geometr. und taxatoriſchen Vorarbei⸗ 
ten, auf —5* Grträge und Koſten, ern Be: 
bandlung des Waldes und deren Einfluß auf defien 
— Zuſtand u. ſ. w. Sie hat ferner die 
nſichten und Grundfäße zu entwickeln, nach denen 
die Iveinteilung — wurde, eine kurze 
Begründung über die Wahl des — Um⸗ 
triebes ſowie über die Ermittelung des Hiebsſatzes 
zu geben, endlich die fünftige Walpbehandlung zu 
erörtern. Zolale Berbältnifje fönnen noch mandes 
andere ber Beiprehung wert machen. — Bgl. 
Judeich, Foriteinrihtung (5. Aufl., Dresd. 1895). 
Foritbetriebseinrichtung, ein namentlich in 
Preußen übliher Ausprud für Forfteinrictung (j.d.). 


— TForfteinrichtung 803 


Forftbotanif, die Kenntnis der forſtlichen Kul⸗ 
turpflanzen und Unträuter jowie die ihrer Lebens: 
bedingungen und Krankheiten, beſteht aus Anwen⸗ 
dungen der allgemeinen Botanif, der Anatomie 
und Phyfiologie der Pflanzen für die Forſtwiſſen⸗ 
ſchaft, und zwar in engiter Verbindung mit einer 
wifienfchaftlih begründeten Stanbortslehre. Die 
foritbotan, Litteratur, zu der im weitern Sinne alle 
Litteratur über —— (j. d.) gehört, iſt ſehr 
reich. — Vol. Th.Hartig, Vollſtändige Naturgefhichte 
der forjtlihen Kulturpflanzen Deutſchlands (Berl. 
1840—51; neue unfolorierte Ausg., ebd. 1852); 
Willkomm, Foritlihe Flora von Deutihland und 
Diterreich (2. Aufl., Lpz. 1887); Nördlinger, Deutfche 

. (2 Bde., Stuttg. 1874 u. 1876); Döbner, Botanik 
ür Forjtmänner (4. Aufl., von Nobbe, Berl. 1882); 
Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten (2. Aufl., 
ebd. 1889); Hempel und Wilhelm, Die Bäume und 
Sträuder des Waldes (Wien 1889 fg.); Schwarz, 
Forſtliche Botanik (Berl.1892); Fiſchbach, KRatechis: 
mus der %. (6. Aufl., Lpz. 1905). 

Forftdiebftahl, eine beſonders und milder 
behandelte Art des gemeinen Diebſtahls, welcher 
verübt wird in einem Forst oder auf einem andern 
bauptfächlih zur Holznußung beftimmten Grund: 
jtüde, und zwar an Holz, welches noch nicht vom 
Stamme oder vom Boden getrennt, oder welches 
durch Zufall abgebrohen oder umgemworfen iit, 
fowie an Spänen, Abraum, Borle. Auch andere 
yes wi gehören hierher, insbefondere Dei 
pflanzen, Gras, Heide, Plaggen, Moos, Laub, 
Streumert, Nadelbolzzapfen, Waldfämereien, Baum: 
faft und Harz. Borausgefept iſt überall, daß das 
Sol noch nicht zugerictet und daß die andern 
Walderzeugnifje nod nicht geworben oder einge: 
fammelt find; im andern Falle kommen die Strafen 
des gemeinen Diebftahls zur Anwendung. DieStrafe 
des F. beitebt in einer Geldſtrafe, Die einem, nach der 
Schwere des F. gejteigerten Mehrfachen vom Werte 
des Entwendeten gleihlommt, oder in Haftitrafe. 
Das Strafverfahren ift ein abgekürztes, darauf be: 
rechnet, daß eine größere Anzahl von Fällen gleich: 
zeitig verhandelt werden kann. Der F, iſt nad $.2 
des ——— zum Strafgeſeßbuch nicht 
Gegenſtand der Reichs-, ſondern der Landesgeſetz⸗ 
gebung. Mit Ausnahme von Hamburg und Bre⸗ 
nen haben die deutihen Bundesftaaten ſamtlich 
eigene Gefege über den $ Die meiften find dem 
preuß. Gejege vom 15. April 1878 nachgebildet; 
die einiger tbüring. Staaten gen dem für das 
Königreich Sachſen geltenden Geſehe vom 30. April 
1873. In Bayern einſchließlich der Pfalz find die 
Forftitrafgeieße vom 28. März 1852 und 28, Mai 
1846 in der NRebaltion vom > 1879 in Geltung. 
Das ältejte Geſetz (vom 4. Febr. 1837) hat Heilen. 
In vielen diefer Geſetze, namentlich dem preußiſchen, 
ind vom %. ausprüdlic ausgeichlojien: Kräuter, 
Beeren und Pilze; das unbefugte Sammeln diefer 

———————— 
S. auch Forſtfrevel.) — Bal. Ziegner-Gnüchtel, Der 

. (Berl. 1888). J 

Beet Stadt in der Laujis, |. Forit. _ 

orjteinrichtung, Betrieböregulierung, 
Betriebseinrihtung, Foritipftemifierung, 
die zeitliche und räumliche Orbnung des gejamten 
Wirtihaftöbetriebes in einem Walde in der Weile, 
daß der Zwed der Wirtſchaft möglichit erreicht wird. 
Forittaration oder Forjtabihägung und Wald: 
ertragäregelung find Teile der F. Dieje hat ed 


894 


hauptſächlich nur mit der Hauptnußung, dem Holz, 
zu tbun, die Nebennugungen bilden für die F. nur 
mobdifizierend einwirlende Faltoren, wenn deren 
Erträge manchmal auch fehr bedeutend find. Die 
d. iſt befonders wichtig für größere Waldungen, 
da in diefen gewiſſe Eigentümlichleiten der Forſt⸗ 
wirtſchaft mehr oder weniger eine gewiſſe Gleich: 
mäßigfeit der jährlichen Nußung bedingen. Die 
Lebre ne bat zu behandeln die allgemeinen theo⸗ 
retifhen Grundlagen, auf die fie ſich ſtüßen mu 
(f. Normalmald), dann die Ausführung der betref: 
fenden Arbeiten ſelbſt. Diefe zerfallen in Vorarbei⸗ 
ten, und zwar geometrifche (f. Forſtvermeſſung) und 
——— (. —— Waldeinteilun 
d.), Waldertragsregelung (f. d.), Zuſammenſtel⸗ 
ung des Wirtihaftsplanes (ſ. d.), Erhaltung und 
Fortbildung des Cinrihtungsmerles durh Nach— 
tragsarbeiten (f.d.) und Revilionen (j.d.). — Außer 
den ältern Werten von G. L. Hartig, H. Cotta, von 
Klipftein, Hundeshagen find zu nennen: €. Heyer, 
Die Walvdertrags:Negelung (Lpz. 1841; 3. Aufl., be. 
von G.Heyer, ebd. 1883); Örebe, Die Betriebs: und 
Ertragörequlierung der Forſten (2.Aufl.,Wien1879); 
Narr Die 3. (5. Aufl., Dresd. 1894); Graner, Die 
orftbetriebseinrihtung (Tüb. 1889); Judeich, Auf: 
abe und Bedeutung der — für die F enmwärtige 
Serie (Wien 1890); Weber, ind der 
. (Berl. 1891); von Guttenberg, Die Forſtbe— 
trieb3einrihtung nad ihren gegenwärtigen Auf: 
aben und Zielen (Wien 1896); Stößer, Die F. 
Franlf. a. M. 1898); Neumeifter, Die F. der Zus 
nit (Dresp. 1900). 
gr erg ein Par ai are ag 
1822 zu Danzig, ftudierte in Berlin und Halle und 
fehrte 1844 nah Danzig zurüd, Als 1846 auf 
. Grimmd Anregung von der Berliner Alademie 
eine Sammlung der ältern deutihen Eigennamen 
zum Gegenitand einer Preisaufgabe gemacht wurde, 
verfuchte %. ihre Bearbeitung in feinem «Altdeuts 
hen Namenbuc» (2 Bde., Nordh. 1856—59; Bd. 1, 
rjonennamen, in 2. Aufl, Bonn 1900 fg.; Bo. 2, 
bie Ortönamen, in 2. Aufl. 1872). 1851 wurde F. 
Lehrer am Lyceum zu Wernigerode und gräfl. Bis 
bliothetar, 1865 Oberbibliothelar der fönigl. Biblio⸗ 
thet zu Dresden, deren Neorganifierung und neue 
Katalo —— er durchgeführt hat; 1887 über: 
nahm F. die Verwaltung der Privatbibliothet des 
Königs von Sachſen ſowie der prinzlihen Selundo» 
eniturs Bibliotbel. 1900 trat er in den Ruhe⸗ 
and und lebt jeitvem in ——— ver⸗ 
offentlichte «Die gräfl. Stol ergifche Bibliothel zu 
Wernigerode» (Nordh. 1866) und «lüber Einrihtung 
und Verwaltung von Schulbibliothelen» (ebd. 1865), 
eine «Gejchichte des deutſchen Spraditamms » 
(Bd. 1—2, ebd. 1874 u, 1875), eine Ausgabe der 
Dresdener «Mayabandichrift» (or; 1882; 2. Aufl, 
Dresd. 1892), «Erläuterungen zur Mayahandſchrift⸗ 
Dresd. 1886), «Zur Entzifferung der Mayahand⸗ 
riften», I—VII (ebd. 1887—98), «Kommentar zur 
Mayabandichrift der königl. Bibliothet zu Dres: 
den» (ebd. 1901), «Aus dem alten Danzig. 1820 
—40» (Dans. 1900), «Kommentar zur Madrider 
Mayabandicrift» (ebd. 1903). 
orften, |. Forſt. ß 
Örftenbau, foviel wie girkenben, f. Berg: 
bau (Abbaumethoden nebit Taf. U, Fig. 3). 
ad * |. 3 ern hr Pi 
oriter, Francço n3. techer, geb, 
22. Aug. 1790 in ocle in Neudpätel, fam 1805 


Förftemann — Forjter (Georg) 


nah Paris und erhielt 1814 den erjten großen 
Preis. Der König von Preußen bewilligte ihm ein 
Stipendium auf zwei Jahre, worauf er 1818 mit 
Leopold Robert nah Rom wanderte. Hier jtad er 
befonvers biftor. Bilder nad ältern ital. Meiftern. 
Nah Frankreich zurüdgelehrt, gewann er mit feinen 
durch gewandte und lorrelte Grabftihelfübrung aus: 
—— Arbeiten bald einen bedeutenden Ruf. 
twurbe 1844 in bie Alademie der bildenden Kunſte 
aufgenommen und ſtarb 27. Juni 1872 in Paris. 
ALS Hauptblätter jeines nicht ſehr umfangreiden 
Kupferſtichwerles find zu erwähnen: Aurora und 
Kephalos (1821), Aneas und Dido (1828), beide 
nah Guerin, Franz I. und Kaiſer Karl V. im der 
Königägruft pi St. Denis nad Gros, die Vierge 
au bas-relief nad Leonardo da Vinci (1835), die 
Vierge de la maison d’Orl&ans nad) Raffael (1838), 
Die beil, Eäcilie nah PB. Delaroche (1840), Die drei 
Grazien nad Raffael (1841), ſowie Dürers Selbit- 
bildnis (1823) und Raffae ſtbildnis (1836). 
Forfter, Georg, Reijender und Schriftiteller, 
ber ältejte Sohn des folgenden, geb. 26. Nov. 1754 
zu Nafienhuben bei Danzig, folgte jeinem Bater, 
118. alt, nah Saratow und ſeßte in Petersburg 
feine unter deö Vaters Lei begonnenen Studien 
ort, begleitete ihn 1766 nad London und unter: 
tügte ihn bei feinen Arbeiten. Kurze Zeit war er 
aud auf einem Comptoir tbätig. Mit feinem Bater 
nahm er 1772—75 teil an Cool3 zweiter Reife um 
die Erde, die er nad der NRüdlehr in «A voyage 
round the world» bearbeitete. 1775 begab er ſich 
nah Paris und von da über Holland 1777 nad 
Deutihland, wo er 1779 einen Lehrſtubl der Ra: 
turgeibichte an dem Garolinum in Caſſel erbidt; 
1784 folgte er einem Aufe nad Wilna. Als der 
der Haiferin Katharina, eine Reife um die zu 
veranftalten, die F. als wiſſenſchaftlicher Leiter be 
leiten kur infolge des Zürlenfrieges fcheiterte, 
ebte F. jeit 1787 zunädjit in Göttingen, bi® ibn ber 
Kurfürjt von Mainz 1788 zum erften Bibliothelar 
und PBrofefior ernannte. 1793 wurde F., der den 
Örundfägen der Nevolution mit Eifer ergeben mar, 
von den republilaniſchen Mainzern nad Paris ge 
ſchidt, um ibre Vereinigung mit Frankreich beim 
Konvent nachzuſuchen. In die Reichsacht erklärt, 
ſtarb er 10. Jan. 1794, verlafien felbit von Gattin 
und Rindern, in Paris. 
., mebr Zalent ala Eharalter, wurde von 
auf durch die Not des Lebens zu übereilter, ma 
he er Produftion gnnrängt, die ihn nie * 
ertiefung gelangen ließ. So liegen ſeine Verdienſte 
weniger auf dem Gebiete der Forſchung als in der 
Darftellung; feine anſchauungsreiche Proſa 
durch die Belebtheit und Mannigfaltigleit i 
tils und Inhalts zu den rg Schrift: 
a, zumal auf dem Gebiete der = i⸗ 
ng. Dies Lob gilt minder noch der zu iſch 
erſchienenen Schrift: «A voyage round the world» 
(2 Bde., Lond. 1777; deutih u. d. T. «J. R 
Reife um die Welt in den J. 1772— 755, von 
©. Forſter, 2 Bde., Berl. 1778—80), ala von jei 
«Anfihten vom Niederrbein, Br E; 
Holland, England und Franfreih im April, Mai 
und Juni 1790» (3 Bde., Berl. 1790— 91; mit Ein: 
leitung und Anmerkungen bg von W. Buchner, 
2 Boe., Lpz. 1868; * in Reclams «llniverjak 
bibliothel»). Die «Satontala» des Kalidafa bat 
er auf deutfchen Boden verpflanzt. F.s Gattin, 
Thereje Huber (ſ. d.), gab feinen «Briefwechfel, nebit 


Forſter (Joh. Reinhold) — Forſter (William) 


Nachrichten von feinem Leben» (2 Bde., Lpz. 1829), 
.s Tochter feine «Sämtlihen Schriften» mit einer 
baratteriftit des Verfaflerd von Gervinus (9 Bbe., 

ebd. 1843), feinen « Briefwechjel mit Sömmerring» 

Hettner (Braunfhw. 1877), andere Briefe Leip: 

mann im «Arhiv für neuere Spraden» (Bd. 84- 

87), lehterer —— und Tagebücher F.s von 

feiner Reiſe am Niederrhein u. ſ. m.» (Halle 1893) 

und «Ausgewählte Heine Schriften» (Stuttg. 1894), 

Eliſa Mater «Georg F. Lichtftrahlen aus feinen 

Briefen u. |. m.» (2p3. 1856) heraus. — 7.8 Leben be: 

bandelte H. Koenig in dem Noman «Die Klubbiften 

in Dainz» (3. Aufl., 3 Bde., Lpz. 1875) und in 

«75.8 Leben in Haus und Welt» (2. Aufl., 2 Tie., 

ebd. 1858). Bol. Klein, ©. F. in Mainz, 1788—93 

(Gotha 1883); Leigmann, Georg 3. (Halle 1893). 

Forſter, Job. Neinhold, Reifender und Natur- 
foricher, geb. 22. Olt. 1729 zu Dirfhau in Pol⸗ 
nich: Preußen, ftammte aus dem Haufe der Lords 
Peuhe: in Schottland, ftudierte feit 1748 in 

alle negen feine Neigung Theologie, ging 1751 
neh Vanzig und erhielt 1753 die Predigeritelle 
zu Nafienhuben. Hier widmete er ih der Ma: 
tbematit, Philoſophie, Länder: und Völkerkunde 
und ven alten — Im Auftrag der ruſſ. 
Regierung reiſte er, begleitet von ſeinem Sohne 
Georg, im März 1765 ab, um das Kolonieweſen 
mu Saratow an der Wolga zu unterjuchen. 

einen Berichten bedte er mehrere Mißbräuche in 
der dortigen Verwaltung auf, erhielt nad feiner 

Ankunft in Petersburg von der Kaiſerin Katba- 

rina IL den Auftrag, mit Zuziehung mehrerer Ge: 

lebrten ein Gejeßbuc für die Koloniften zu werfer: 
tigen, empfing jedoch für diefe Arbeiten und Reifen 
nicht bie erwartete Entihädigung und reifteim Aug. 

1766 nad London. Bon bier folgte er vem Rufe 

ald Profeſſor der Naturgefhichte und der franz. 

und deutihen Sprade nad Warrington in Lancas 
fhire. Doc legte er fein Amt bald nieder und lebte 
als Privatmann zu Warrington, bis er 1772 den 

Antrag erhielt, den Kapitän Cool bei feiner zweiten 

Entdedungsreife ald Naturforſcher zu begleiten. 

Diele Reiſe, auf welcher er volle drei Sabre zus 

brachte, wurde von feinem Sobne ausführlich * 

ſchrieben, da es dem Vater infolge eines Konflikts 

mit der Admiralität verboten wurde, etwas darüber 
drucken zu laſſen. Na der Rudlehr erhielt F. von 
der Univerfität zu Orforb die jurijt. Doktorwürde. 

Da jede Belohnung auöblieb, geriet F. bei feiner 

zablreihen Familie in Schuldhaft, aus der ihn Her: 

zog Ferdinand von Braunſchweig befreite. Er wurde 

1780 Profeſſor in Halle, wo er 9. Dez. 1798 ftarb, 

F. ſchlug zuerft vor, Auftralien als fünften Erdteil 

anzuertennen, die Meeresſtraße, welche die Alte und 

Neue Welt trennte, Beringftraße zu nennen, und 

machte auch zuerft auf —— —— der 

Landmaſſen gegen den Sudpol aufmertſam. Bon 

feinen Schriften find zu erwähnen die «Observations 

made during a voyage round the world» (Lond. 

1778; deutſch, überjegt von Georg Forfter, Berl. 

1788), «Liber singularis de Bysso antiquorum » 

(2ond. 1776), «Zoologia indica» (Halle 1781;2. Aufl. 

1795), «Geſchichte der Schiffahrt und Entdedungen 

des Nordens» (Frankf. a. D. 1784). 

Forſter, John, engl. Publizist und Hiftoriter, 
geb. 2. April 1812 in Newcaftle, wurde Aovotat 
in London, wählte jevod bald eine publiziſtiſch⸗ 
litterar. Thätigfeit. Belannt ward er dur Beis 
träge zu der radikalen Wochenſchrift «The London 


895 


Examiner», die er 1842—52 jelbit leitete, Mit 
Dideng, mit dem ihn eine früh geichloffene, lebend: 
lange Freundſchaft verband, gründete er 1845 die 
«Daily News» und war, nah Didens’ bald ers 
folgendem Rüdtritt, ein Jahr lang deren Haupts 
redacteur. Seinen Ruf als Schriftjteller begrüns 
dete das auf fleißigen Quellenftubien —— 
Werl «Statesmen of the commonwealth of Eng- 
land» (7 Bde., 1840), dem fpäter die biefelbe Zeit 
behandelnden und viel Neues enthaltenden Schrif: 
ten «Arrest of the fire members by Charles L» 
(1860), «Debates on the d remonstrance» 
(1860) und «Sir John Eliot. A biography» 
(2 Bde., 1864; 2. ns 1871) folgten. Noch Aus: 
gezeichneteres leiftete 5. auf dem Gebiete der lit: 
terar. Biographie, das er zuerft mit «Life, adven- 
tures and times of Oliver Goldsmith» (1848; neue 
Aufl. 1889) betrat. Dieſem vortrefflihen Werte 
ſchlo a an: «W.S. Landor» (2 Bde., 1868; 
neue Aufl. 1879), «The life of Charles Dickens» 
(3 Bde., 1871—74; deutſch von Althaus, 3 Bbe,, 
Berl, 1872— 73) und «Life of Jonathan Swift» 
(Bd. 1, 1875, unvollendet). Eine Sammlung feiner 
Beiträge ꝓ Zeitſchriften veröffentlichte er als «Histo- 
rical and biographical essays» (2 Bbe., 1858; 
3. Aufl. 1860). Seit 1855 war F. aud Selretär, 
eit 1861 ordentlihes Mitglied der Kommiſſion für 
enanftalten, Er ftarb 1. Febr. 1876 zu London, 
Forfter, William, engl. Staatdmann, geb. 
11. Juli 1818 in Bradpole in Dorfetihrie, wurde, 
nachdem er ſchon vielfah in dffentlihen Ber: 
fammlungen aufgetreten war, 1861 als liberaler 
Kandidat in Bradforb gewäßlt und bat feitbem 
diefe Stadt bis zu feinem Tode unausgeſetzt ver» 
treten, Als entichiedener Liberaler aus der Schule 
Cobdens und Bright3, ald lenntnisreicher, umſich⸗ 
tiger Bolitiler und gewandter Redner erlangte F. 
bald einen günftigen Ruf, und ſchon 1865 übertrug 
ihm Lord Ruſſell in feinem kurzen Miniftertum das 
Unterftaatsfetretariat für die Kolonien. 1868 unter 
Gladftone zum Bicepräfidenten des Rated ernannt, 
machte er fi um die Neugeftaltung des eg 
weſens in England hochverdient durch die Verfech⸗ 
tung der Elemen Education Bill 1870; ebenfo 
Aande er fi durch fein Eintreten für das die ger 
eime Wahl einführende Gefes von 1872 aus, 
rend der folgenden Jahre fämpfte F. in den vorberften 
Reihen der Oppoſition gegen das iſterium 
Disraeli und übernahm 1880 unter Gladſtone das 
Sekretariat für Irland. Ernahm 1881 leitenden An» 
teil an den Debatten über die irifhe Landbill und 
die Bill betreffend den Schuß des Lebens und Eigen: 
tums. Die ftrenge Durchführung der legtern Alte 
309 ihm den Haß der iriſchen Parlamentspartei wie 
der geheimen Gejellihaften zu, und nur wie durch 
ein Wunder entging er den Mordanſchlägen der 
«Srifchen Unbefieglihen». Als das Minifterium 
die ftrengen Maßregeln gegen Irland 1882 aufgab, 
legte $. Fein Amt nieder. Er nahm nun vornehm⸗ 
lich teil an den Beitrebungen, die engl. Kolonien 
in engern —— mit dem Mutterlande zu 
bringen, trat gegen die Febler in Gladſtones ägypt. 
Politik auf, widerſetzte ſich fpäter auch deſſen iri- 
hen Home⸗Rule⸗Plänen, unterſtützte aber feine 
arlamentäreform von 1884. Er ftarb 5. April 
1886 in London, Bon ihm erjhienen: «William 
Penn and T. B. Macaulay» (1849), eine Mider: 
legung der in Macaulays «Englifher Geſchichte⸗ 
gegen Penn erhobenen Anklagen; «How we tax 


896 


India» (1858), «Speech delivered after laying the 
memorial stone of the first school built by the 
Liverpool School Board» (1873). — gl. Reid, Life 
of W. E. F. (2 Bde., Lond. 1888; 5. Aufl. 1889). 
Örfter, Beamter, ſ. Forftverwaltung. 
verfter, Arnold, Entomolog, ſ. Foerst. 
Örfter, Auguft, Anatom, geb. 8. Juli 1822 in 
mar, ftubierte in Jena, habilitierte ſich 1849 in 
Halle, ging 1852 ala außerord. Profeſſor der pathol. 
Anatomie nad Göttingen und 1856 nad Würzburg, 
wo er 10. März 1865 jtarb. Seine hervorragend: 
Werte find: «Lehrbudy der pathol. Anatomie» 
10. Aufl., bg. von Siebert, Jena 1875), «Atlas der 
mitroftopifchen pathol. Anatomie» (Lpz. 1854—59), 
«Grundriß der Encpllopädie und Methodologie 
der Medizin» (ebd. 1857) und «Mißbildungen des 
Menihen, ſyſtematiſch dargeftellt» (ebd. 1871). 
er, Auguſt, Schaufpieler, geb. 3. Juni 
1 in Lauchſtãdt, ftubierte Philologie in Halle 
und promovierte 1851 in Jena. Noch in dem: 
felben te debütierte er ald Sedenborf («Zopf 
und Schmert») bei der Bredowſchen Gejellihait 
in Naumburg und begleitete fie bis 1853 auf 
ihren Wanderungen durb Sachſen und Thüringen. 
1853 engagierte ihn Wallner für Poſen und Brom: 
berg; von bier ging er 1855 nad) Stettin, 1856 
u Danzig und 1857 nad Breslau. 1858 von 
Laube an das Wiener Burgtheater berufen, wirkte 
. bier bis 1876, 1865 zum wirklichen Hofſchau⸗ 
ieler, 1870 zum wirklichen Regiſſeur ernannt. 
om 1. Juli 1876 bis 30. Juni 1882 war F. Di« 
reltor des Leipzi digen Sao Im Herbit 1883 
trat er als Regiſſeur und ftellvertretender Direltor 
an die Spige des Deutſchen Theaters in Berlin. 
1888 wurde F. als Direktor des Burgtbeaters 
nad Wien berufen; er ftarb aber jhon 22. Dez. 
1889 auf einem Spaziergange am Semmering. Als 
Schaufpieler gefiel F. in feinen Charakter: und 
Bäterrollen, jo befonders als Friedrih Wilhelm J. 
(söonf und Schwert»), Odoardo, Mufitus Miller, 
atban, Erbförfter, Herzog Karl («Harlsjhüler), 
Kottwig («Prinz von Homburg»), Snoughton («Pitt 
und »), Doktor Klaus u. — w. 
er, Emil, Ritter von, Baumeifter, Sohn 
von Ludwig von F., geb. 18. Dit. 1838 zu Wien, war 
—— ſeines Vaters, ſtudierte dann an der Alademie 
zu Berlin, Nad) einer Studienreiſe in Italien führte 
er den Ausbau der prall Dein in der verlänger: 
ten Rärmntnerftraße, Palais Todesco und Hoyos, aus, 
Später fammelte er wieder drei Jabre lang in Jtalien 
mit dem Stuttgarter Arditelten Gnauth Stoff zu 
einem Wert über die Renaiffance Toscanas, wo: 
durch feine Hinneigung zum florentin. Renaifjanceftil 
aud in feinen eigenen Schöpfungen weitere Nab: 
rung erhielt. 1867 übernahm er den Bau der Häu⸗ 
jergruppe am Franzensring, des Hotels Aujtria in 
Gries bei Bozen, des Kafınos in Marienbad, end: 
—* des Wiener Ringtheaters (1372 -73; 1881 ab: 
ge rannt), deſſen Inneres fih dur gefällige far: 
ige Wirkung auszeichnete. Auch auf dem Mari: 
miliansplage nächſt der Botinfirde errichtete F. 
eine Gruppe palaftäbnlicher Gebäude, ſowie bie 
Bankhäufer des Giro- und Kaſſenvereins in ber 
—* e, der Allgemeinen Oſterreichiſchen Boden⸗ 
trebitbant (jeit 1884), der Depofitenbant, ferner ein 
Hotel zu Bukareſt (1887), ein zweites in 9 
Förſter, Ernſt, Kunſtſchriftſteller und Maler, 
Bruder von Friedrich F., geb. 8. April 1800 in 
Munchengoſſerſtädt bei Camburg a. d. S., widmete 


Förfter (Forſtweſen) — Förfter (Franz) 


fi in Jena und Berlin theol. und philoſ. Studien, 
feit 1822 aber in Münden unter Cornelius der 
Malerei und war in Bonn an den Malereien der 
Aula, in Münden an denen der Arkaden des Hof: 
— en an jenen de3 neuen König 
teiligt. Später wandte er ſich kunſtgeſchichtlichen 

— en zu, die durch wiederho en nad 

talien, jomwie * auch durch kreich, 
and, Belgien, Deutſchland gefördert wurden 
trat 1842 ald Mitredacteur von Schorns « Kımit 
blatt» ein und ftarb 29. April 1885 zu Münden. 
Die Reibe feiner kunftbiftor. und kunſttheoretiſchen 
Schriften eröffnete F. mit «Beiträgen zur neuem 
Kunftgeichichter (Lpz. 1835), denen die «Briefe über 
Malerei» (Stuttg. 1838) jowie eine Anzahl Reiie 
bandbücher folgten: «Münden, ein Handbuch für 
Fremde und Einbeimifcher (Münd. 1838; 7. Aufl 
1854), das «Handbuh für Neijende in Stalien» 
(ebd. 1840; 8. Aufl., 2Tle., 1866) und das «Handbusb 
für Reifende in Deutichland» (ebd. 1847; 2. Aufl. 
1855). 5.8 beveutendite kunftbijtor. Arbeiten find 
jedoch die «Geſchichte der —— Kunft> (5 Bde 

.1851—63), die «Dentmale deutiber Baukumit, 
Bildnerei und Malerei» (12 Bve., ebd. 185569) 
und die «Vorjchule zur Kunftgeichichte» (ebd. 1862. 
Die Herausgabe der Überfegung von Bajaris «Leben 
der ausgezeichnetiten Maler, Bildhauer und Bau- 
meilter» (6 Bde., Stuttg. 1832 —49) ſetzte er nad 
Schorns Tode fort. Auch ſchrieb er: «J. G. Müller, 
ein Dichter: und Künftlerleben» (St. Gallen 1851), 
«Raffael» (2 Bode., Lpz. 1867—68) und «Peter von 
Cornelius» (2 Bde., Berl. 1874). Als Schwieger: 
john von Jean Paul Friedrich Nichter bat F. 1825 
—38 an der Herauägabe von deilen Nachlaß und 
Briefwechſel den hauptſächlichſten Anteil gebabt. 
Unter anderm fchrieb er von «MWabrbeit aus Jean 
Pauls Leben» (8 Bde., Bresl. 1827—33) die fünf 
legten Bände, verfaßte eine kürzere Bi pbie des 
Dichters für die Ausgabe von deſſen «Ausgemäblk 
ten Werten», Bo. 16 (Berl. 1849), und gab den 
«Bapierdrachen» (2 Tle., Frankf. 1845) ſowie «Bolit. 
Nachklänge von Jean Paul» (Heidelb. 1842) und 
«Denkwürbigleiten aus dem Leben von Jean Paul 
ge ie. Richter» (4 Bde., Münd. 1000) beraus. 
igene dichteriihe Verſuche veröffentlichte F. in 
einem Bändchen «Wedichte» (Lpz. 1854). ER: Be 
endigung der « Denkmale deutſcher Kumft» begann 
F. die «Geſchichte der ital. Kunſto (5 Bde., Prı 
1869— 78) und die «Dentmale ital, Malerei» 
(4 Bbe., ebd. 1869— 82). Bei jeinen wiederbolten 
Reifen in Italien bat 5. mande widtige kunſt⸗ 
gei ichtlihe Entvedungen gemadt. Aus jeinem 
achlaß erjhien die Selbitbiographie «Aus der 
AJugendzeit» (Stuttg. 1887). 

Sör er, Franz, Rechtsgelehrter, geb. 7. Juli 
1819 zu Breslau, war 1850—58 Kreisrichter in 
Löwenberg, dann Appellationsgerichtärat in Greifs⸗ 
wald, wurde 1874 Wirtl. Geb. Oberregierungsrat 
und Direktor im Aultusminifterium für Kirchen: 
angelegenbeiten;er arbeitete die Entwürfeder Grund» 
buchordnung, der Vormundſchaftsordnung und der 
neuen Gerichtöverfafjung aus. F. ftarb 8. Aug. 
1878. Er ift verdient um die wiſſenſchaftliche Be 
banblung des preuß. Rechts in den Werten «ftlaae 
und Cinrede nah preuß. Rechto (Bresl. 1857), 
«Preuß. Grundbuchrecht⸗ (Berl. 1873) und nament: 
lich «Theorie und Praris des beutigen gemeinen 
preuß. Privatrecht» (ebd. 1864— 73; jeitder 4. Aufl. 
von Eccius bearbeitet; 7. Aufl. in 4 Bon., 1896— 97. 


Förſter (Friedrich) — Förſter (Ludw., Ritter von) 


Förſter, Friedrich, Geſchichtſchreiber und Dich: 
ter, Bruder von Ernſt F., geb. 24. Sept. 1791 
zu Mun a bei a.d. ©., ſtu⸗ 
dierte in Jena Theologie, dann Archäologie. 1818 
trat er in das Süpowfche Freikorps, wurde in 
ven folgenden Feld gen mebrmal3 verwundet und 
avancierte zum Offizier. Nach feiner Nüdtehr aus 
Paris, wo er bei — der —— 
thätig war, wurde er in Berlin Lehrer an der Ar: 
tillerie⸗ und Ingenieurſchule, 1817 als Verfafier 
mebrerer Aufjäge in der «Nemefis» aus dem fönigl. 
Dienſte entlaſſen, au in feiner neuen Thätigteit 
an ber Univerjität ge Nachdem er jeit 1821 
die «Neue Berliner Monatsichrift», dann 1823—26 
die « Boffilche Zeitung» und 1827—30 in Berbin- 
dung mit Häring (Wilibald Aleris) das neue «Ber: 
liner Ronverjationsblatt» redigiert hatte, unter: 
nahm er eine Aunftreife nah Stalien und erhielt 
nad feiner Nüdtehr eine Anftellung bei ver königl. 
Kunjttammer in Berlin, mo er 8. Nov. 1868 ftarb, 
Von 3.8 hiſtor. Schriften find zu erwähnen: «Bei⸗ 
träge zur neuern Nriegsgeichichter (Berl. 1815), 
«Der Feldmarſchall Blücher und feine Umgebun- 

en» (%pz. 1821), «Friedrichs d. Gr. Jugendjabre, 
ildung und Geijt» (Berl. 1822), «Grundzüge ber 
Geſchichte des preuß. Staates» (2 Bde., ebd. 1818) 
und «Handbuch der Gejhichte, Geographie und 
Statiftil des preuß. Reichs» (3 Bde., ebd. 1820 
— 22). Mit den Schriften «UIngedrudte eigenbän: 
ir vertraulihe Briefe und amtlihe Schreiben 
Albrehts von Wallenitein» (3 Bde., 1828—29), 
«Albrebt von Wallenftein» (Wot3d. 1834) und 
«Wallenfteind Prozeß» (Lpz. 1844) bat er viel 
qur Aufbellung der Pläne und Abfichten diejes 
oberen und befonderö der Motive zu feiner 
ordung beigetragen. Diefen Arbeiten reiben 
io noch an: «Friedrich Wilhelm I., König von 
reußen» (3 Bde., Potsd. 1834—35) und das Wert 
«Die Höfe und Kabinette Europas im 18. Jahrb.» 
(3 Bde.,nebjt Urkundenbuch; 2 Bve., ebd. 1836—39), 
«Preußens Helden in Strieg und Frieden. Die Ge 
ſchichte Preußens jeit dem Großen Kurfürften bis 
zum Ende der Freibeitätriege» Y Tle. Berl. 1846 
u. d.). Später ſchrieb F. eine Reihe populärer bier. 
erte, wie: «Leben und Thaten Friedrichs d. Gr.» 
(2. Aufl., 2 Bde. Lpz. 1842), «Chriſtoph Columbus» 
2. Aufl., 3 Bde., ebd. 1846). Seine Kriegslieder, 
manzen, Erzählungen und Legenden vereinigte 

. in einer Sammlung u. d. T. «Gedichte (2 Bochn., 

erl. 1838). In «Peter Schlemihls Heimtehr» 
(2. Aufl., Lpz. 1849) lieferte er eine Fortſetzung zu 
der Dichtung ra Außerdem bearbeitete er 
mehrere regte eſpeares und einige Heinere 
Quftipiele für die * und verfaßte das hiſtor. 
Drama «Guſtav Adolf» (Berl. 1833); auch wirkte 

. mit bei der Herausgabe der Werte Hegels. F. 

t der Gründer des Wiſſenſchaftlichen Kunjtvereins 
zu Berlin, dem er lebenzlang als Sekretär an- 
gehörte. Na feinem Tode erſchien der Anfang 
einer Selbitbiograpbie u. d. T. «Kunft und Leben» 
(bg. von Klette, Lpz. 1873). 

Örfter, Heinr., Fürftbifhof von Breslau, geb. 
24. Nov. 1800 zu Großglogau, ftudierte zu Breslau, 
erbielt 1825 die Prieſterweihe, wurde Kaplan zu 
Liegniß, dann Pfarrer zu Landshut; 1837 ala 
Domberr, erfter Domprediger und Inſpeltor des 
Kleritaljeminars nad Breslau berufen, begründete 
er in dieſer Stellung feinen Ruf als einer der 
bedeutenditen Kanzelredner der kath. Kirche in 

Brodhaus’ Konverfationd-Lerifon. 14. Aufl. R. A. VL 


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Deutihland. Gelegentlih der je achriſtkatho⸗ 
liihen» Bewegung (1844) in Sch nn trat er als 
entſchiedener Borfämpfer des röm.:kath. Kirchen- 
tums auf. An der Synode deutſcher Biichöfe (1848) 
u Würzburg nahm er teil als BVertreter feines 
eunded Diepenbrod ſowie mit diefem an der 
eutfchen Nationalverfammlung zu Frankfurt a. M. 
Nah Diepenbrods3 Tode wurde F. 19. Mai 1853 
*8 deſſen Nachfolger im Bistum Breslau gewählt. 
as Verdilt Roms ‚gegen die Lehren Gunthers 
bradte ihn in Konflikt zunächſt mit Job. Baptift 
Balger (f. d.), ſodann mit der Breslauer kath. 
theol. Fakultät und deren ftaatlih begründeten 
Stellung. Auf dem Vatikaniſchen Konzil gehörte F. 
zu den Gegnern des Infallibilitätsdogmas; fpäter 
unterwarf er fi demfelben und ſchritt gegen die 
Dpponenten in der Breslauer theol. Fakultät ein. 
Nachdem F. megen —— — gegen die 
Maigeſetze eine Reihe von Geldſtrafen auferlegt 
worden war, wurde durch den oberſten kirchlichen 
Gerichtshof das Abſetzungsverfahren gegen ibn 
eingeleitet und F. durch rechtskräftiges Urteil vom 
6. Oft. 1875 feines Amtes entjegt. Seitdem lebte 
er, auf ben öſterr. Teil feiner Didceje beichräntt, 
auf Schloß Johannisberg bei Jauernig in Oſter⸗ 
reichiſch⸗ Schlefien, mo er 20. Dt. 1881 ſtarb. 
Unter feinen jablreichen Veröffentlihungen find 
zu nennen: «Der Ruf der Kirche in die Gegen: 
wart» (4. Aufl., 2 Bde., Regensb. 1879), «Die 
chriſtl. Familie⸗ (6. Aufl., ebd. 1893), «Kardinal 
Diepenbrod. Ein Lebensbild» (Bresl. 1859; 3. Aufl., 
Regensb. 1878), die «Gejammelten —— 
aus den 25 Jahren 1853— 78» (2 Bde., Regens 
1880) und «Abihiedsgabe, Predigten aufdie Sonn» 
und Feſttage nebit Gelegenheitäreden» (2 Bde. ebd. 
1880); feine «ejammelten Ranzeloorträge» (6 Be. 
und —* Bresl. 1849) find 1878—79 in 4. u. 
5. Auflage erihienen. — Vgl. Franz, Dr. H. F., Furſt⸗ 
bifhof von Breslau, ein Lebensbild (Neiſſe 1875). 
Örfter, Karl, Dichter und Üüberſeher, geb. 
8, April 1784 zu Naumburg an der Saale, jtus 
dierte F 1800 Theologie in Leipzig, wurde 1806 
Adjunkt und 1807 Profeſſor am Radettenhaufe 
zu Dresden, wo er 18. Dez. 1841 ftarb. F. trat 
zuerft mit der Überfeßung von «Betrarcas Gedich⸗ 
ten» (2 Tle., Lpz. 1818—19; 3. Aufl. 1851) hervor, 
der Üiberjegungen aus Taſſo und Dante folgten. 
Sein «Abriß der allgemeinen Litteraturgefhichte» 
(Bd. 1—4, Abteil, 1, oʒ. 1827—80) blieb unvollens 
det. Die von Wilh. Müller begonnene «Bibliothek 
deuticher Dichter de3 17. Yabrb.» wurde von ihm 
— und 1888 mit dem 14. Bande —— 
3 zum Teil ſehr anſprechende Gedichte, deren 
mebrere von Weber u. a. in Mufil geſetzt wurben, 
erſchienen nad feinem Tode (2 Bpe., Lpz. 1848). 
Örfter, Ludw., Ritter von, Baumeifter, geb. 
8. Olt. 1797 in Bayreuth, geft. 16. Juni 1863 in 
Gleichenberg in Steiermart, bejuchte die Alademien 
u Münden und Wien. Unbefriedigt von dem klaſſi⸗ 
Iihen Stil feines Lehrer Nobile, wandte fi F. der 
ital. Renaifjance zu. Bereits 1844 entwarf er die 
eriten Projelte einer Erweiterung des alten Wiens, 
welche fpäter teilmeife nad andern Ideen durchge— 
führt wurde. Durch jeine Schüler, wie van der Nül, 
wurde 5. der Begründer der heutigen Arditelten- 
ſchule Oſterreichs, auch erwarb er ſich durch das von 
ihm begonnene Fachorgan, die «Bauzeitung» (ſeit 
1836 in Wien), große Verdienfte. Seine eigenen 
Bauten zeigen den Beginn des Aufſchwungs; jo die 


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prot. Kirche im Bezirt Mariahilf, die Elifabethbrüde 
1854), der iörael. Tempel, das Palais Todesco. 

ud am Arjenal war er mit Hanfen beihäftigt. In 
der Anwendung mittelalterliher Stile erwies er 
fi indefjen weniger —— 

Förfter,Rihard, Altertumsforſcher, geb. 2. März 
1843 zu Görlig, ſtudierte in Jena und Breslau 
Hafjishe Philologie und war bis 1873 Lehrer am 
Maria-Magdalenen:Gymnafium in Breslau. 1868 
babilitierte er ſich an der Sg Univerfität, war 
1868— 70 als Stipendiat des Archäologiſchen In⸗ 
ftituts in Italien und Griechenland und wurde 1873 
außerord. Profeſſor der klaſſiſchen Philologie in 
Breslau, 1875 ord. Profefior in Noftod, 1881 in 
Kiel, 1890 in Breslau; 1899 wurde ihm daſelbſt 
aud die Profeſſur für Archäologie übertragen. Er 
veröffentlichte unter anderm «Quaestiones de at- 
tractione enuntiationum relativarum» (Berl.1868), 
«Der Raub und die Rüdtehr der epbone in 
ihrer Bedeutung für die Mythologie, Litteratur: 
und Runjtgeihichte» (Stuttg. 1874), «Francesco 
Zambeccart und die Briefe des Libanios» (ebd. 
1878), «arnefina» Studien» (Roftod 1880) und 
gab die «Scriptores physiognomici graeci et la- 
tini» (2 Bde., Lpz. 1893) heraus, 

Foerfter, Wendelin, Romanift, Kern 10. Febr. 
1844 zu Wildfhüg bei Trautenau (Böhmen), ſtu⸗ 
dierte, nad vollendetem theol. Kurjus auf dem 
bifhöfl. Alumnat zu Koniggrätz, 1865—68 klaſſiſche 
Philologie in Wien, war 1868— 74 Gymnaftallehrer 
in Brünn, dann in Wien, wo er ſich Oftern 1874 für 
roman. Vhilologie habilitierte; Herbft 1874 wurde 
er Brofefjor in Prag, 1876 Diez’ Nachfolger inBonn. 
F. iſt einer der tbätigjten und umfichtigiten Heraus: 
er altfranz. Terte. Wichtig find beſonders die 

usgaben von «Aiol et Mirabel» und «Elie de 
St. Gille» (2Bde. Heilbr. 1876—82), «Li chevaliers 
as deus espees» (Halle 1877) und die Ausgabe von 
«Chriftian von Troyes’ jämtlihen Werten» (Bp.1—3, 
ebd. 1884— 90), die «Altfranz. Bibliotheb (Bd. 1— 
11, Heilbr. und m. 1879—87) und deren Erwei⸗ 
terung «Roman. Bibliotbel» (Bd. 1—17, Halle 
1888— 1900). Ferner gab F. heraus «Richars li 
biaus» (Wien 1874), «Las mocedades del Cid deD. 
ı Guillem de Castro» (Bonn 1878), Rob. Garnierd 
«Tragedies» (4 Bde., Heilbr. 1882—83), «Freundes: 
briefe von Fr. Diez» (Bonn 1894) u. a. Auber jeinen 
Arbeiten im Gebiete der roman. Grammatik und der 
Etymologie, jowie des altfranz. Wörterbuches, fei 
noch auf jeine Unterfuhungen über die Anfänge der 
Artusfage in Frankreich een wodurch die 
anglo-normann. und waliiche Borftufe enpgültig be: 
feitigt und die Bretagne ald Quelle aufgeitellt wurde. 

verfter, Wilb., Ajtronom, geb. 16. Dez. 1832 

u Grünberg in Sclefien, ftudierte jeit 1850 in 
erlin Mathematik und ent rg feit 
1852 in Bonn unter Argelanders Leitung aus: 
ſchließlich Aſtronomie. Nachdem er 1854 mit der 
Schrift «De altitudine poli Bonnensi» promoviert 
art ward er 1855 als zweiter Aififtent bei der 
erliner Sternwarte angeitellt und war ſeitdem bis 
1862 fajt ausfchließlih mit Beobabtungen und Be 
rehnungen von Planeten und Kometen beichäftigt. 
Inzwiſchen batte ſich F. 1857 für Ajtronomie an ver 
Univerfität babilitiert, war 1860 zum erſten Aifi- 
ftenten der Sternwarte aufgerüdt und erbielt 1863 
eine außerordentliche Profefjur an der Univerfität, 
Nachdem er 1863—65 mit der interimiftiichen Leitung 
der Berliner Sternwarte betraut gemejen war, wurde 


Förſter (Richard) — Förfterfchulen 


er im März 1865 definitiv zu deren Direktor er 
nannt. Seitdem war F. aud als Herausgeber dei 
«Berliner aftron. Jahrbuchs⸗ jowie ald Mitarbeiter 
an der «Europ. Grabmefjung» (bi 1868) und dann 
eine Zeit lang ald Schriftführer der Aſtronomiſchen 
Geſellſchaft tbätig. Ende 1868 ward F. unter Beibe 
—— ſeines Lehramtes und ſeiner Stellung als 

ſtronom zum Direltor der Normalaihungstom- 
miffion des Norddeutſchen Bundes (jeit 1871 des 
Deutiben Reich) und damit zur Leitung der deut: 
ſchen Maß⸗ und Gewichtäorgantjation auf Grund des 
metriſchen —— berufen. Seine wiſſenſchaftlichen 
Arbeiten hat 5. hauptſächlich in den «Ajtron. Na: 
richten» und dem «Berliner ajtron. Jahrbuch» nieder: 
elegt; außerdem einzelne Arbeiten über Meſſen und 
Wägen in den von ihm herausgegebenen «Metro: 
nomiſchen er (Heft 1—3, Berl. 1878—82) 
und in ben 2 lilationen des Internationalen 
Komitees für Maß und Gewicht, zu deſſen Vorſitzen⸗ 
ben er 1891 ernannt wurde. Regelmäßige populäre 
aftron. Mitteilungen hat F. in den jährlih von ibm 
—— aſtron. Materialien zum «Rönigli 
preuß. Normaltalender» jeit dem Jahrgang 1872 
niedergelegt. vn «Bopulären Mitteilungen» er 
chienen gefammelt in 2 Bänden 1879 und 1884. 

erner gab F. heraus eine «Sammlung wiſſenſchaft⸗ 
icher Vorträge», welche fih hauptſächlich auf Die 
Entwicklungsgeſchichte der Ajtronomie beziehen 
und Leben&bilder mehrerer großer Forſchert ent 
—— (3 Bde., Berl. 1876, 1887 u. 1890, die 
eiden legten Bände u.d.T. «Sammlung von Bor 
trägen und Abhandlungen»). Außerdem gab er den 
5. Band der «Beobadıtungen» der Berliner Stern: 
warte (1884) heraus und eine Sammlung ftreng 
ajtron. Unterſuchungen u. d. T. «Studien zur Aſtro⸗ 
metrie» (Berl. 1888). 5. a der Spitze der jog. 
etbiihen Bewegung (f. Ethiſch). In diejer Richtung 
veröffentlichte er «Die Anfänge eines neuen focialen 
Geifteö»(Berl.1894) und «Lebensfragen und Lebens: 
bilder. ie Betrabhtungen» (ebd. 1902). 

ö höhle, ſ. Waiſchenfeld. 

d Aulen, Waldbauſchulen, niebere 
Bildungsanftalten zur fahlihen Ausbild des 
forjtlihen Schuß: und —— M der 
alten Meifterjhulen und ältern Fo tlebranitalten 
ſ. Forſtalademie) find kaum mehr als F. geweien. 

est giebt es Davon nur wenige, da man ſich in vier 
len Staaten damit begnügt, dieſem Perſonal nur eine 
an die allgemeine Schulbildung fih anſchließende 
rein patie Ausbildun —— In ee 
beiteben die; oritlehrlingsta e zu Groß-Schönebed 
im Reg.⸗Bez. Potsdam feit 1878 und die Forſtlehr⸗ 
lingsihule zu Prostau im Reg.:Bez. Oppeln jeit 
1882; ic wird noch bei allen Jägerbataillo- 
nen ein forjtlider Fortbildungsunterricht für die 

elernten Jäger erteilt. In Bayern wurden 1888 
ünf Waldbauſchulen eingerichtet zu Kelheim, Tripps 
tadt, Wunfiedel, Lohrund Kaufbeuren, in Sachſen 
1907 eine Forſterſchule zu Olbernhau; in Hejien 
die Forſtwartſchule in Darmftadt 1897. In Oſter— 
reich beiteben die Niederöfterreichiiche Baldbaus 
hule zu Aggsbach bei Melt jeit 1875, die LE 
Förfterjhule zu Gußwerk in Steiermarf feit 1881, 
u Hall in Tirol jeit 1881, “ Bolehow in Galizien 
Bei 1883, ferner die Waldbauſchule zu Piſel in 
Böhmen feit 1884. Außerdem wird zu Bregenz 
in Vorarlberg feit 1877 jedes Jahr ein 2: bis 24, 
monatiger Kurſus zur — von Forſt⸗ 
ſchußz⸗ und Hilfsperſonal abgehalten. An die höhere 


Horftfinanzrednung — Forſtinſekten 


Forſtlehranſtalt zu Mahriſch-Weißlirchen iſt ſeit 
1896 eine mäbr.Aölef. Waldbauſchule angegliedert. 
In der Schweiz iſt zur Ausbildung von Unter 
ſorſtern feit 1876 durd den Bundesrat die jährliche 
Abbaltung von mindeitend 2 Monate umfafjenden 
tantonalen Forſtkurſen eingeführt und * 1880 
noch durch mindejtend 14 Tage dauernde jog. Fort⸗ 
bildungsturje ergänzt worden. 
vrEnangvehunng, j. Forſtmathematil. 
orftfrevel, die libertretung der zum Schuße 
der Waldungen (Schuß der Foritlultur, Berbütung 
von Waldbränden, rer von Forftdiebitäblen, 
f. d.) gegebenen polizeilichen Vorſchriften. Ihre Bes 
folgung ift durch Strafvorſchriften —— und die 
betreffende Geſeßgebung iſt mit dem Ausdruck Forit: 
polizeigejesgebung zufammengefaßt. Die 
Reichögefehgebung bat die Ordnung diefer Materie 
der Landesgeſetzgebung überlafien (f. Forſtpolizei) 
und nur die Nichtabhaltung der Kinder von ber 
Begehung von F. unter Strafe (Haft bis 6 Wochen) 
geitellt. An Breuben iſt das Feld: und Forjtpolizeis 
geiles vom 1. April 1880 in Geltung; bie Strafen 
geben nicht über 150 M. oder Haft bis 6 Wochen. 
ſterreichs Foritgejeb ift vom 3. Dez. 1852, 
Forfthoheit, der Inbegriff der der Staats— 
ewalt in Beziehung auf alle im Staatögebiete ge: 
egenen MWaldungen zuftebenden Befugniſſe. Dieje 
bezieben ſich inäbejondere darauf, daß die Wälder 
auf feine dem allgemeinen Wohle nadteilige Weife 
note werden. Die F. ift ein Teil der all: 
emeinen Bolizeigewalt des Srnates und erjtredt 
Rh auf alle Waldungen, gleichviel ob dieje Brivat- 
eigentum einzelner Werlonen oder Korporationen, 
ob fie der landesberrlichen Familie oder dem Staate 
gehören. Als ein Ausfluß der Landeshoheit konnte 
hi die 5. erjt nah Ausbildung diefer entwideln, 
eihen die Entwidlungäleime beider in Deutſch⸗ 
land zwar bis in das 12, Jahrh., vielleicht noch 
weiter zurüd, jo blieb es doch namentlich dem 16. 
17. und 18. Jahrh. vorbehalten, die B- auszubilden. 
Uriprünglih wardas Recht des Forftbannes (ſ. d.) ein 
Ausflub der Grundherrlichleit, zuerſt waren es dann 
die Markwaldungen (f. Markgenoſſenſchaften), in 
die fich die Landesherren zahlreiche Eingriffe geitat- 
teten; es konnte dies um jo leichter geicheben, ala 
fie vielfab zu erbliden Obermärlern geworben 
waren. Während die ältern Forft- und Walbord- 
nungen nur für diejenigen Wälder ar werden 
fonnten, die der Geber einer ſolchen Orbnumg in 
Befis batte, erjtredten fie fih nun auf Grund der 
F. aud auf die Waldungen anderer. Die Marl: 
waldungen nahmen vielfach die erblichen Obermär: 
ter in Befis, jo daß die ehemaligen Markgenofjen 
aus Miteigentümern nur Servitutberechtigte wur: 
den. Die hiſtor. Entwidlung der Eigentumsverhält: 
nifje ift in diefer Beziehung in den deutſchen Staa- 
ten eine jehr verſchiedene a een An einigen, 
namentlid in Suddeutſchland, hatte die auf die 
Hoheitsrechte geitügte Macht der Regierung dahin 
geführt, daß jämtliche Waldungen des Landes einer 
vollftändigen ftaatliden Bevormundbung unterwor: 
kn wurden. Der vielfach, namentlich durch rüd- 
ichtsloſe Ausübung von Forjtberedhtigungen hervor⸗ 
gerufene ſchlechte Zuſtand der Waldungen, die lokal 
berechtigte Furcht vor Holzmangel unterjtüßten das 
Bevormundungsſyſtem der Staatägewalt. Eine 
große Anzahl von Forftorbnungen find aus dem 
16, bis 18. Jahrh. aufbewahrt worden. In neuerer 
Zeit bat die Gejehgebung den Einfluß der Staats: 


899 


gewalt mehr und mehr auf das im Intereſſe des 
allgemeinen Wohl unbedingt Notwendige be 
fhräntt. (S. Foritpolizei.) 
Forftinfekten. (Hierzu Tafeln: en e 
orftinfelten I w. IL) Die ſchädlichſten F. 
nden fihb in den Drbnungen der Käfer umt 
Schmetterlinge, dagegen enthalten die Ader⸗ und 
Geradflügler nur wenige ſehr ſchädliche Arten, Zwei: 
und Halbflügler (Wangen) nur einige merklich ſchäd⸗ 
lie, die Nepflügler gar feine forftihädlichen, fon: 
dern nur nußliche Arten. Unter den Käfern find 
vorzugämweife die Familien der Borlentäfer (Sco- 
lytidae oder Bostrychidae) und Ruſſelläfer (Cur- 
culionidae) vo. der Mailäfer zu erwähnen. 
Die Borlentäfer (f. d.), von denen gegen 
80 Arten forftlih beachtenswert find, haben in 
bolzwalbdungen oft ſchon große Berheerun: 

gen gebracht, namentlih der Fihtenborten: 
äfer oder Buchdruder, Tomicus (Bostrychus) 
typographus L. (f. Taf. I, Fig. 9). In feiner Be: 
leitung finden fich oft der ibm äbnliche, 2 

tgänge frefliende Tomicus amitinus Ei A 
der durch Sterngänge ug gran Tomicus 
chal phus L. u. a. m. Arge, durd ibn be 
nilte Beibenangen (Wurmtrodnis) werden ſchon 
im 17. Sahrb. vom Harz berichtet; 1772—87 wur: 
ben ebenjalld am Harz gegen 3 Mill. Fichtenftämme 
dur Borlenläfer vernichtet: nicht gan 0) s 
tend waren die Verheerungen 1795—98 im Vogt: 
land, Anfang diefes Jahrhunderts in der Provinz 
reußen, in Württemberg u. ſ. w. Aus neuerer 
eit ift zu erwähnen der große Fraß in Dftpreußen 
1857—62, wo der Bortentäfer, der Nonne folgent, 
mit diefer zufammen reichlich 70000 ha Wald ver: 
wuſtete und über 7 Mill. fm Holz abftarben; ferner 
der Fraß im Bayrifchen und Böhmer Wald 1871— 
75; bier hatten die großen Stürme 1868 und 1870 
die Vermehrung der Käfer durch das Werfen vieler 
Zaufend Stämme — ftart begünftigı, 
etwa 11000 ha mit 4 Mill. fm ya e wurben 
verwüftet. — Nicht in fo großartiger Weije verderb⸗ 
li, aber ebenfalls ſehr (hänlic wirkt in Tannenbe ⸗ 
ftänden der boppelarmige, BBagenänge fre ende To- 
micus curvidens Germ., in liefern Tomicus ste- 
nographus L. und Hylesinus piniperda L., ber als 
Käfer überdies die jungen Rieferntriebe * 
an verdienen noch zahlreiche andere Nadelholz⸗ 
bewohner als Beitandöverberber unfere Beachtung. 
Weniger haben die reprodultionäträftigen La 
bau! von Borlenläfern zu leiden. Ihnen ſchaden 


auptſächlich die Arten der Baftläfer (Hylesini) und 

plintläfer (Scolytini), leßtere find nur Laubholz⸗ 
bewohner. Hylesinus crenatus Fabr. und fraxini 
Fabr. (f. Zaf. I, Fig. 8) haben ſchon oft Eſchen ge: 
tötet oder empfindlich eihädigt, ebenjo Scolytus 
Ratzeburgii Jans. Birlen, Scolytus destructor Ol. 
Ulmen u. ſ. w. Den Fichten werben verfchiedene 
Bajtläfer jbädlih, fo der große (Dendroctonus 
micans Kugl.) und der ſchwarze Fichtenbaſtkäfer 
Hylastes cunicularis Knoch). Mehrere Borlens 
äferarten freflen nicht in der Baſtſchicht, fondern 
geben nd in das Holz hinein und werden dadurch 
techniſch jhädlich, jo die Nukbolgbortentäfer Tomi- 
cus (Xyloterus) lineatus Ohr. in Nabelbölzern, 
Tomicus domesticus L. in Laubholzern, Tomicus 
—— Ratz. und monographus Fabr. m 
Eichen, dispar Fabr. in verſchiedenen Laubbäumen; 
von lektern Arten werden einige (Tomicus dispar) 
bäufig auch jungen gaubholzheiitern ſchädlich. 

57* 


900 


Die forftihäpliben Rüſſelkäfer (Curculio- 
nidae) treten meift als Rulturverderber auf. Vor: 
—— iſt es der große braune —*5 Hylo- 

ius abietis L. (Curculio pini Ratz., 1 &at 1, 
Fig. 4), der oft ausgedehnte ——— von jun⸗ 
en Fichten und Kiefern durch Benagen der Rinde 
aſt vollſtändig zeritört. Viele Tauſend Mark werden 
in Deutſchland jährlich verwendet, um durch Sam— 
meln dieſes Räfera bie Kulturen einigermaßen zu 
ſchützen. Seine Larve ift dagegen nicht ſchädlich, 
da fte ſich in den im Boden zurüdbleibenden Wur: 
zeln gefällter Bäume entwidelt. Der Heine braune 
le Pissodes notatus Fabr., ſchadet durch 
den Fraß der Larve, bie fih unter der Rinde junger 
Kiefern entwidelt. Sein Gattungsverwanbter Pis- 
sodes hercyniae Herbst wurde in neuerer Zeit wie 
derholt in Fichtenitangenbölzern Iche ſchädlich, unter 
deren Rinde die Yarve lebt, ebenjo Pissodes pini- 
philus Herbst in Riefernitangen, Pissodes piceae 
IN. in Tannen u.a. m. Eine große Anzahl der 
Rüffeltäfer ſchadet nur mehr oder weniger empfinds 
fi dur Befreſſen der Triebe und Blätter, fo die 
den Gattungen Phyllobius und Polydrosus ans 
gehörigen, meift [hön grün gefärbten Arten. 
us der Familie der Blattbornläfer (Lamelli- 
cornia) ift ald arger Waldfeind vorzugsweiſe der zu 
den Scarabaeidae gehörige, allbelannte Maitäfer, 
Melolontha vulgaris Fabr. (f. Taf. I, Fig. 10), zu 
nennen. Weniger verberbli tft die allerdings auch 
recht nadteilige Zeritörung der Blätter und Blüten 
durch den Fraß des Käfers, viel mehr der unterirdifche 
—8 der Larve, des ſog. Engerlings, an den 
urzeln. Wiederholt gehen oft die Pflanzungen, 
namentlich die der Kiefern in der mittel: und nord» 
deutfchen Ebene, vollitändig dadurd zu Grunde. 
Eine auf feblerbaften Örundläßen der Forſteinrich⸗ 
tung berubende Schlagfjührung, bei der u probe 
Flächen lahl gelegt weden, vermehrt das Übel. 

In der Familie der Bodfäfer (Cerambycidae), 
deren Larven meijt im Holze felbit leben, finden 
fib nur einige wirklich ſchädliche Arten R tötet 
z. B. Tetropium luridum Z. die von ihm befallenen 
Nadelhölzer. Alte Eichen werben von der Larve 
des Cerambyx cerdo L. (heros Fabr.) durchwuhlt, 
Pappeln von der der Saperda carcharias L. (ſ. 
Taf. I, Fig.5); iterben auch dieje Laubhölzer infolge 
des Fraßes meijt nicht ab, fo wird doch deren Holz 
tranf und technijch entwertet. In jüngern Aus: 
ſchlägen und liten der Aipe lebt Saperda populnea 
L. und verurjadt fnotige Anichwellungen. Biele 
Bodtäfer leben in Weiden, 5. B. Lamia textor L., 
deren Larve durch Zerftörung der Stöde in Weiden: 
begemn empfindlich ſchadet. 

ie zahlreiche Syamilie ver Blattläfer (Chry- 
somelidae) ſchadet ald Käfer und Larven durch 
Abfrejien der Blätter. Forſtlich wirllich beachtens— 
werten Schaden thun nur die auf Weiden lebenden 
Arten in den Korbweidenanlagen, fo bie roten 
Chrysomela (Melasoma, Lina) populi L. (f. Taf. I, 
Ya. 6), tremulae Fabr. und longicollis Suffr., die 
dunlelmetalliihen Chrysomela (Phyllodecta) vitel- 
linae L., vulgatissima L. u. a. 

Bon andern Blattfrefiern fei noch der zur Familie 
der Pilaiterläfer (Meloidae) gehörigen fog. Spa: 
nifchen Fliege (f. d.), Lytta vesicatoria L. (f. Taf. I, 
Fig. U), gedacht, die durch Entblättern verſchiedenen 
oiten namentlich jungen Eſchen, ſchadet. 

Auch andere Käferfamilien, die Prachtläfer (Bu- 
prestidae), die Schnellläfer (Elateridae) u. ſ. w., 


Forſtinſekten 


enthalten forſtlich ſchädliche, mehr oder weniger be 
achtenswerte Arten; Agrilus viridis Z. und ver 
wandte Arten töten dur ihren Larvenfraß junge 
Buchen und Eichen, die Larven einiger elit 
(Drabtwürmer) jhaden durch Wurzelfraß und Ber 
jehren der Sämereien in Saatlämpen. 

Den verheerenden Bortentäfern an Bedeutung 
nabe ftehen einige Infelten aus der Ordnung der 
Schmetterlinge, ja unter Umſtänden werben 
fie noch gefährliher. An erfter Stelle find zu 
nennen die Nonne, Liparis monacha L. (f. Taf. I, 
dig. 1), und der große Kiefernipinner, Gastro- 
pacha pini L. Die e ber Nonne frißt jebr 
——— Pflanzen, lebt aber vorzug sweiſe 
auf Kiefern und — und wird beſonders den 
legtern verderblich. Einer der größten Nonnen: 
fraße der neuern Zeit fand 1853 —55 in Dit 
preußen ftatt. Die Schmetterlinge waren 1853 
maſſenhaft aus Rußland kommend angeflogen, 
und bi® 1855 waren fchon über 2500 ha Nabel: 
—— kahl en. Der nachfolgende Bor: 
entäferfraß vermebrte das Übel. In neuerer 

eit wütete ein Nonnenfraß in Bayern, nament: 
ich in Ober: und Niederbayern; er begann 1838 
und erreichte 1890 und 1891 feinen Höberuntt; 
1890 zählte man in den bayer. Staatöwaldungen 
23560 ha befallene, davon 2666 ha fablgefreflene, 
1891 123914 ha befallene, davon 2606 ha Tabl: 
a — —— für Be 
ämpjungsmaßregeln . 

Aber aud in Böhmen, Mähren, Ofierreih Wirt 
temberg, Helen, in der Lüneburger Heide, in den 
reuß. Provinzen Branden und Sclefien, in 
tenburg und Oldenburg u. |. w. ift die Nonne 
feit 1889 in ernite Gefahr drobender Weife auf⸗ 
etreten und giebt ſelbſt dort zu den größten Be: 
Poranifien Veranlafiung, wo alle Mittel dagegen 
ergriffen werben, wenn nicht die Natur durch Pilz 
frantheiten und Schmarogerinfelten den Kampf 
gegen diefen mächtigen Feind unterftüßt. War doch 


auch der oben erwähnte ojtpreuß. Fraß nur Zeil 
eined Mafienfraßes, welcher ſich ſeit 1845 vom 
Ural beginnend immer weiter und mweiter verbrei: 


tete und erit 1867 erloſch. Cine große Gefahr aub 
für die forgfältig — Waldgebiete liegt in 
dem wunderbaren Wandertrieb der Nonne; wieder: 
holt hat man gelben, daß die Schmetterlinge in 
woltenartigen Mafjen weit fortziehen. So wurden 
Anfang Aug. 1891 felbft in Münden Schwärme 
beobadhtet, melde, Straßen und Häufer bebedent, 
an dichtes Schneegeitöber erinnerten. 

Der große ——— Gastropacha pini L. 
. Taf. II, Fig. 2), iit — Bewohner des Kie⸗ 
ernwaldes. Dieim Boden, auhunter den Schuppen 
der ſtärlern Rinde überwinternden Raupen befteigen 
im zeitigen Jrübjahr, wenn die Bodentemperatur 
etwa 6—7° C. erreicht, die Kiefern und en die 
Nadeln bis in die Blattiheiden ab. MWiederbolter 
Fraß tötet oft ganze ausgedehnte Beſtände. Vor 
zugsmeife die Kiefernwälder der mittel- und nord» 
deutihen Ebene jind dem Fraß der Raupe dei 
Spinners ausgeſetzt, der nad) längern oder fürzern 
Paufen mit größerer oder geringerer Stärfe in ben: 
jelben Waldgebieten immer wiederlebrt. Die Be: 
fämpfungsmittel find ſtets fo kojtipielig, dab oft 
ſchon die Frage erörtert wurde, ob es nicht vom 
wirtichaftlihen Standpunkte aus richtiger fei, gat 
nicht8 gegen den Fraß zu tbun, d. b. die ände 
totfreflen zu laſſen. 


SCHÄDLICHE FORSTINSEKTEN. L 


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. e ege ( vesicatoria); a er rve, efernholzwespe (Sirex juvencus), 3. Werre 
1. Spanische Fliege (Lytta ia); a Käf: b La 2. Kiefernhol 81 3.W 

(Gryllotalpa ris). 4. Grofser Rüsselkäfer (Hylobius abietis); a Käfer, 5 Larve, c Frafsobjekt derselben, 
db. Pappelbock (Saperda carcharias); a Käfer, 5b Larve, ec Sa. k in song (Lina populi); Käfer und 
Larven. 7. Kiefernblattwespe (Lophyrus pini); a weibliche, 5 männliche Wespe, e Larve, d geöffneter Cocon. 
8. Eschenbastkäfer (Hylesinus fra ) in nat. Gr, a 8 mal vergröfsert, 5 Wagegänge desselben. 9. Fichten- 
borkenkäfer (Tomicus typographus) in nat, Gr., a 7mal vergröfsert, 5 Lotgänge desselben. 10. Maikäfer (Melolontha 

vulgaris); a Käfer, 5 Larve (Engerling), e Puppe. 


Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 


SCHÄDLICHE FORSTINSEKTEN. II. 





6b 6e 
1. Nonne (Liparis monacha); a Weibchen, 5 Männchen, c Rau 4 Eier, junge Rau (Spiegel) un 
- N ai } Cocon, € Rau * Mieregssher 


d Pu 

2. Kiefernspinner (Gastropacha pini): a Weibchen, d Männchen, ec Raupe, d pe durch 

nemorum getötet, mit den Cocons desselben bedeckt. 3. Kieferneule (Traches piniperde), 4. Ringeispinner 
(Gastropacha neustria); a Eier, b Raupe, e Falter. 5. ——— (Cnethocampa processiones); a männ- 
licher Falter, 5 Raupe. 6. Grofser Frostspanner (Geometra defoliaria); a Männchen, db Weibchen, c Raupe 


Brockhaus’ Konversations- Lexikon. 14. Aufl. 





Forſtinſekten 


Die Kiefer leidet ferner oft bedeutend durch den 
vs der Kieferneule, Trachea piniperda Pane. 
.Zaf. II, dig 3), des Kiefernſpanners, Fidonia 
iniaria L., jerner durch viele Arten der Klein 
&metterlinge, jo durch die die jungen Stämmen 
trümmende Retinia buoliana S. P., durch die Harz: 
beulen bildende Retinia resinella L. und durch 
viele andere Schmetterlingsraupen. Weniger häufi 
eihädigt werden durch folde die übrigen Nabel: 
Pölker, 3. B. die Fichte, außer durch die höchſt ge: 
—— Nonne, durch die unter der Rinde freſſende 
aupe der Grapholitha pactolana ZU., durch die 
Nadeln ausböblende Grapholitha tedella C7., die 
Tannen dur Tortrix murinana Hbn., die Lärchen 
durch die die Nadeln im zeitigiten Frühjahr mafjen: 
baft aushöblende Coleophora laricella Hbn. u. |. w. 
Die Laubhölger find gegen Raupenfraß viel 
weniger empfindlih als vie Nadelhölzer. Vom 
Rotſ —* urn pudibunda L., ganz tahl 
eirejiene Buchenbeſtände erholen fih im nächſten 
Aahre volljtändig, ebenjo von dem —* pin⸗ 
ner (j. d., —— rocessionea L., |. Taf. I, 
Fig.5) kahl gefreſſenel en. Letzterer wird übrigens 
durd die Giftigkeit feiner Haare, die Entzündungen 
der Haut und Schleimhaut erzeugen, a ri 
lid. Start bejallene Beſtände müfjen von Menſchen 
und Vieh thunlichſt vermieden werben, da in den: 
elben die Quft ganz mit den gefährlichen Haaren er: 
ut if Bernichtend wirkt fein Raupenfraß im Laub: 
olz, jondern nur jhädigend durch Zuwachsverluſt 
und durch Zerftörung der Blüten. Immerhin lönnen 
aber jelbit Kleinfchmetterlinge, wie Tortrix viri- 
dana L. auf Eihen und nod viele andere, den ver: 
chiedenſten Laubhölzern empfindlich ſchaden. Auch 
olche Arten, die als Beſchädiger der Obſtbäume 
betannt find, werben nicht ſelten im Walde ſchäd⸗ 
fi, jo die durch faſt flügellofe Weibdhen ausge: 
zeichneten Froſtſpanner, der Heine Froſtſpanner, 
Geometra (Cheimatobia) brumata L. und der große 
ojtipanner, Geometra (Hibernia) defoliaria L. 
J. Taf. II, Fig. 6), ferner der die fog. Raupenneiter 
bildende Goldafter, Liparis chrysorrhoea L., der 
Ringeljpinner, Gastropacha neustria L. (. Taf. IL, 
Fig. u.a.m. Nur beiläufig jei der das Holz durch: 
wüblenden Raupen deöWeidenbobrers,Cossusligni- 
perda Fabr., und der Glasſchwärmer, namentlich 
der Sesia apiformis Cl. gedacht, die viele Laubhölzer 
beihädigen, jo daß fie erfranten und abiterben oder 
menigitens techniich nicht mehr verwendbar find. 
In der Orbnung der Hautflügler (Hyme- 
noptera) find nur wenige Arten als ſchädlich zu 
bezeichnen, verbeerend iſt feine. Unter den ſchäd⸗ 
lihen verdienen einige Blattweipen, darunter be 
ſonders die Riefernblattweipe, Lophyrus pini L., 
ge Erwähnung (f. Taf. I, Fig. 7). Meniger das 
eben ber Bäume als die Verwendbarkeit ihres 
Holzes zu technischen Zweden beeinträchtigen einige 
Holjweipen, jo Sirex gigas L. in Fichten, Sirex 
juvencus L. (j. Taf. I, Fig. 2) in Kiefern und sichten 
u. a. m., deren Larven das Holz durchwuhlen. 
Bon den Zmweiflüglern (Diptera) find nur 
wenige Arten foritlih ſchädlich und das meiſt nur 
unbedeutend. Einige Gallmüden (Cecidomyidae) 
fallen durch die von ihnen erzeugten Gallen auf, 
3. B. Cecidomyia fagi Hrtg., die pyramidenförmige 
Gallen auf den Blättern der Rotbuche oft in großer 
Menge erzeugt, obne indefjen weſentlich zu Schaden. 
Die Yarve einer andern, Cecidomyia brachyntera 
Schwäg., lebt während des Sommers zwiichen den 


901 


Nadelpaaren der Kiefer in der Scheide; in den acht⸗ 
ziger Jahren wurde durch ihr —— Auftre⸗ 
ten z. B. das Knieholz des Rieſengebirges geſchädigt, 
da die befallenen Nadeln abſtarben. Am ſchädlich⸗ 
ſten wird wohl die in Weiden lebende Cecidomyia 
salicis Schrk., deren Larve in notigen Gallen der 
MWeidenruten lebt; Anfang der fiebziger Jahre zer: 
ftörte fie in der Provinz Brandenburg die Weiden: 
ernte von mebrern Heltaren. Auch die Larven der 
—— üden (Tipulariae) haben, im Boden 
lebend, mitunter junge Bolspflanzen in ausgedehn⸗ 
ter Weife zeritört. j , 
Bon den Halbflüglern (Hemiptera) verdienen 
ier nur Erwähnung die verfchiedenen Blatt: und 
—— 1 B. die oft eine große Menge gi 
ähnlicher Ballen (f. Tafel: Nadelbölzer. Wald: 
bäume VII, Fig. 1, u) an Fichtenzweigen erzeugen- 
den Chermes abietis L. u.|.w. feine diefer Läufe 
wird aber den —— lturpflanzen ſo ſchäd⸗ 
lich wie den Pflanzen der Gärtner oder wie die 
ebenfalls —5* ige Reblaus dem Weinftod. 
Die Nespflügler Neuropers enthalten gat 
feine foritihäplihen Arten, Gerapflügler (Or- 


‚thoptera) nur wenige. Die in der Erbe lebende 


— ———— oder Werre, Eryllotalpa vulgaris 
Latr. (j. Taf. I, Fig. 8), ſteht in dem Rufe großer 
Schädlichkeit vielleicht nicht ganz mit t, denn 
e verzehrt Engerlinge und andere in der Erde vor: 
mmende ſchädliche en, ſelten wohl auch Wur⸗ 
zeln, ſchadet aber ſicher etwas durch das Durch⸗ 
wuhlen des Bodens und Zerreißen der Wurzeln. 
Die Borbeugungsmittel gegen alle die ge 
nannten und fonjtigen Walbfeinde aus ber Inſelten⸗ 
welt beiteben in der Schonung und Pflege nüplicher, 
infettenfrejjender Vögel und Säugetiere, in Erzie 
bung moglichſt geſunder Beitände, namentlich aber 
in einer fachverftändigen, aufmerljamen Pflege des 
Waldes durd entiprechende Beitandesgründung, 
durch zwedmäßige Durdforftung und eine gute 
Forfteinrihtung. Unter Borausfegung diefer Maß⸗ 
regeln lafjen ſich wenigſtens gegen manche Inſelten 
auch Vertilgungsmittel mit Erfolg anwenden, die 
ſich auf eine genaue Belanntſchaft mit der Lebens: 
weiſe der einzelnen Inſelten jtügen müflen. Gegen 
die Bortentäfer zieht man durch wohlgeoronete 
Hieböfolge, die Sturmſchäden vermindert, und durch 
regelmäßiges, jährlic mehrmals wiederholtes Wer: 
en von Fang bäumen in Nadelholzwaldungen zu 
lde. Die Käfer legen ihre Brut mit Vorliebe in 
iegende, aber noch nicht ausgetrodnete Bäume. 
Ehe die junge Käferbrut ausfliegt, werben bie 
Fangbäume entrindet und die Rinden forgfältig 
verbrannt. Dasfelbe muß mit den zu fällenden, von 
Bortentäfern befallenen ftebenden Bäumen ge- 
ſchehen. Den großen Rüfleltäfer vermindert man 
dur gründliche Stodrodung, man fammelt ihn auf 
den Schlägen dur Auslegen von Fangrinden 
und Fangkloben, unter denen fi die Käfer gern 
verbergen. Den lleinen Rüfjelläfer (Pissodes notatus 
Fabr.) belämpft man durd Ausrupfen und Ber: 
brennen befallener Pflanzen, die im Sommer durch 
Welten lenntlich werben. Gegen die Maitäjer haı 
man bis jest noch fein anderes Hilfsmittel gefunden 
als Sammeln der Käfer, da man die Engerlinge nicht 
direlt vertilgen fann, Erfolg könnte jolhes Sam: 
meln der auch Feld und Garten ſchädigenden Tiere 
freilih nur haben, wenn es ganz allgemein ange: 
wendet und gejeklich angeordnet würde, Nermei: 
dung zu großer, Jahr für Jahr fih aneinander rei: 


902 


bender Schläge, alſo Wechſel derjelben, Vermeidung 
von Kulturmetboden, die ausgedehnte Bodenlode: 
tung fordern, ift zu empfeblen. Die Raupe des 
großen Kiefernſpinners befämpft man erfolgreich 
durch Leimringe, die man vor dem Aufbäumen der 
Raupen im Frühjahr nah Entfernung der diden 
——— etwa 1,5 m hoch um die Bäume 
anbringt. Wenig Erfolg hat dagegen das Töten 
der in den Nindenrigen oft ſchwer aufzufindenden 
Eier und der Raupen der Nonne, obgleich lektere 
eine Zeit nah dem Ausihlüpfen aus den Eiern 
in ſog. Spiegeln (f. Taf. —— — beiſammen⸗ 
ihen. Neuerdings wendet man auch gegen bie 

onne Leimringe mit Erfolg an, da die Raupen 
fih von Zeit zu Zeit aus den Baumtronen berab- 
lafien, auch vom Winde beruntergemworfen werden 
und dann an den Stämmen wieder binauftriechen, 
moran fie burd die Leimringe gebindert werden. 
Gegen Riefernipanner und Rieferneule, deren Bup: 
pen im Winter unter der Moos: oder der Nadel: 
bede ruhen, kann man durch Sammeln nur wenig 
thun, erfolgreicer ift Eintrieb von Schweinen, die 
diefe Buppen ſehr gern frefien. Der — 
ſionsſpinner iſt durch Zerftörung der Geſpinſiballen 
vertilgen. Gegen die meiſien der nur merklich 
chädlichen Inſelten laffen fi im ig der Koſten 
wegen keine Gegenmapregeln ergreifen, höchſtens 
find einzelne Bäume, einzelne Kleinere Beltände 
oder Saat: und ac ſchulen zu ſchutzen. 

Außer dieſen ſchädlichen Inſelten giebt es aber 
auch forſtlich nu zliche, teils ſolche, die einen di: 
relten wirtſchaftlichen Nußen gewähren, teils ſolche, 
die uns im Kampfe gegen die ihädlichen Inſelten 
unterjtügen. Bon erſtern ſeien z. B. genannt die 
Gallweſpen (Oynipidae), von denen einige Arten 
in ſudl. Ländern äußerſt wertvolle Gerbmateria: 
lien, Galläpfel und Knoppern, erzeugen, die na: 
mentlih für Ungarn und den Orient eine beveu: 
tende Handeldware bilden. Zu den legtgenannten 
gehören vorzüglid die Schlupfweſpen oder Jchneu: 
monen (Ichneumonidae; j. Zafel: Ynjetten II, 
Fig. 13—15). Sie legen meiſt ibre Eier in die Eier 
oder Larven der ſchädlichen Infelten und ſchma— 
ropen fo innerhalb ihrer Wirte. Die infizierten 
Haupen frefjen weiter wie gefunde, gelangen aber 
nicht mehr zur volllommenen Entwidlung, fondern 
fterben als Zarven oder Puppen. Bon toßer Mid: 
tigleit find unter anderm für Wald und Garten einige 
Arten der Gattung Microgaster, ibre Heinen ar: 
ven bobren ſich aus der noch lebenden, aber dann 
bald fterbenden Raupe heraus, um fi felbit in 
weißen oder gelben Heinen Cocons zu verpuppen, 
die die tote Raupe oft mafjenbaft beveden (f. Tafel: 
Shäplide en II, ig. 2e); Untun: 
dige hielten namentlich früber a nükliche Tiere 
bergende Cocons fälfchlib für Raupeneier. Ühnlich 
wirten einige Fliegenarten, die Tachinen. Es ift 
ein ficheres Zeichen, daß ein —— Inſelten⸗, 
namentlich aupenfraf bald beendet fein wird, 
wenn Ichneumonen, Tachinen und Schmaroperpilze 
majfjenbaft auftreten. Aber auch andere nüpliche In: 
jelten giebt es, die die jchädlichen direlt verzehren, fo 
viele Laufkäfer, darunter der große, jhön metalliſch 
grüngefärbte Calosoma sycophanta L., der ſich 
namentlich in von Riefernipinnerraupen befallenen 


Beitänden oft in großer Jabl einfindet und die Raus | richteten 


pen maſſenhaft auffrißt, ferner jablreihe Staphy— 


Forſtinſpektor — Forſtliches Verſuchsweſen 
fluglern gehörigen Kamelhalsfliege 


i (. Tafel: In: 
ſelten ILL, Fig. 12), die man häufig unter Radel- 
bolzrinden findet. Die Lamen einiger i 
fliegen (f. Tafel: Infelten II, Fig 4), 
die der Gattung Syrphus, verzehren Bla ein 
Narbe Menge u. |. w. Leider ift man nidt i 


i 


im 
tande bie Vermehrung des großen Heers der forit: 
ih nüglihen Inſelten zu begünitigen. 

uber den größern Werten Ratzeburgs (f. d.) vgl. 
deſſen Schrift: Die Waldverderber und ibre Feinde 
8. Aufl. u. d. T. Lehrbuch der mitteleurop, Foritin: 
eftentunde, von Judeich und Nitſche, 2 Bde., Wien 
1885—95); Heß, Der Foritihus (8. Aufl., 2 Boe., 
Lpz. 1896 F Henſchel, Die ſchädlichen u 
DObitbauminjelten (3. Aufl., Wien 1895); 
Foritzoologie, Bd. 3: «nfelten» (2. Aufl, Berl 
1881— 82); Eihboff, Die europ. Bortentäfer (ebr. 
1881); Editein, Forftlibe Zoologie (ebd. 1897); Bar: 
bey, Die Boſtrychiden Gentraleuropas (Genf 1901). 
————— ſ. Forſtverwaltung. 
orſtkalender, mit Kalendarium verjebene 
Notizbücher, in denen die im Laufe des Jahres vor 
fommenden forftwirtibaftliben Arbeiten bemerkt 
find und die ala Hilfsbuch eine Anzahl —— 
beſonders forſtmathem. Tabellen enthalten. 
den in Deutſchland erſcheinenden F. verdient nament⸗ 
lich Beachtung der ſeit 1873 von Judeich, ſeit 1882 
von ihm und Behm herausgegebene «Forſt⸗ und 
agdlalender⸗ (Berlin), dem ein zweiter Zeil, forit- 
liche Statiitil enthaltend, — iſt. in 
Oſterreich erſcheinen — F. Den erſten deutſchen 
F. gab An Gottlieb Bedmann (f. d.) 1765 beraus. 
oritfamm oder Schmiedeberger Kamm, 
Zweig des Rieſengebirges, zwiſchen Ehmiebebers 
und der Schneeloppe, mit dem 1219 m boben 
Forſtberg. 
orſtlehrauſtalten, ſ. Foritalademie und 
orſtliche Ertragätafeln, ſ. Ertragstafeln. 
orftliche Geodajie, —— Siatik, 
Forſtliche Stereometrie, |. Fo it. 
Forſtliches Verſuchsweſen. Schon jeit lan; 
er Zeit verfchloffen fib tüdtige Männer nicht der 
rlenntnis, daß auch in der twifienfchaft an 
Stelle der auf bloße Erfahrung ründeten Hy⸗ 
—— zur Loſung wiriſchaftlicher Probleme der 
eg der inbultiven Forſchung, d. b. der der eraften 
Verjuche, betreten werden mülle. Wenn die 


wirtſchaft in dieſer Beziehung der Forſtwirtſchaft 
voraneilte, jo lag dies in der großen Schwierigleit 
der forjtlihen Verſuche. Cin lanpwirtichaftlicher 


Verſuch kann in vielen Fällen ſchon in wenigen 
Monaten zu befriedigenden Rejultaten ee mwäb: 
rend über einen einzigen foritliben Verſuch eine 
ganze Generation ausiterben lann, ehe berjelbe 
zum Abſchluß gelangt. In fo langer Zeit in er 
nicht bloß ſehr vielen, oft vernichtenden Störungen 
durch Elementarereigniſſe ausgeſetzt, jondern bietet 
auch deshalb jo große Schwierigleiten, weil ber- 
jenige, der ibn begann, —— Zeit des Reſul⸗ 
tats nicht erlebt. Derartige lange dauernbe 

Jude bürfen nicht in der Hand eines Ginzelnen 
iegen, fondern müſſen von einer bleibenden Re 


| oierung, einer wiſſenſchaftlichen Anjtalt oder dev 
gleichen begonnen und fortgeiegt werben. Schon 


jeit nfang der vierziger Jahre des 19. 
änner wie Hundeshagen, von 
ind, 8. Heyer u. a. ihr Streben babin. 


Iinen. Andere verfolgen unter der Rinde verborgen | verfahte im Auftrage der Verſammlung jübbent- 
lebende Inſelten, 3. B. die Larve der zu den Nek: ı fcher Forſtwirte (1845) feine «Anleitung zu forit 


Horjtmathematit — Forſtpolizei 


ftatifben Unterfuhungen» (Gieben 1846). Die 
Sache fam aber immer wieder in Stodung, wenn 
aud einzelne Regierungen ſich jpäter derjelben an: 
nahmen. Letzteres geſchah namentlih im König: 
reih Sachſen ſeit 1860; in Bayern jeit Ende der 
vierziger Jahre, bejonders aber feit 1866; in 
Baden jhon feit Ende der dreißiger Jahre, wenn 
auch nicht in großer — inen neuen 
Aufſchwung nahm die Sache 1868 durch mander: 
lei litterar. Anregungen, namentlich durch Baur 
(«tiber forſtliche Verſuchsſtationen. Ein Wed: und 
Mabnruf u. ſ. m.», Stuttg. 1868) und durch einen 
auf Antrag des ſächſ. Oberlandforjtmeiiterd von 
Kirchbach von der Berfammlung der deutichen 
Land: und Forſtwirte in Wien elaßten Beſchluß, 
—— noch in demſelben Jahre ein beraten⸗ 
der Kongreß in Regensburg gen und 
einen Organifationsplan ausarbeitete. Mandherlei 
Gründe verhinderten deflen Ausführung. 
Gelegentlich der Berfammlung deutfcher Forftwirte 
in Braunſchweig wurde 1872ein Bereinderforit: 
liben Berfuhsanftalten Deutſchlands ge 
ründet; derjelbe tagte das erftemal 1873 in Mühl: 
aufen und iſt ſeitdem alljährlich gufammengetreten. 
Durch Feititellung gemeiniamer Arbeitspläne — 
größere Verſuchsarbeiten, als Aufſtellung von 
tragstafeln, Kultur⸗ und ai range ride 
ver diedene Unterfubungen aus dem Gebiete der 
Holzmeßlunde und Zuwachslehre, durch Anlegun 
foritlich meteorolog. Stationen — ſowie dur 
emeinſame enge der Arbeiten bat dieſer 
erein das F. V. bedeutend gefördert. An den: 
felben beteiligten ſich die von den betreffenden Re- 
gierungen unterjtügten forjtlihen Verſuchsanſtal⸗ 
ten Preußens, Bayerns, Sachſens, Württem- 
bergs, Badend und Thüringens, Später (1882) 
trat das Großherzogtum Heilen dazu. Abgeſehen 
von der nur durch einen jo großen Verband mög: 
lien Förderung auögebehnter Arbeiten, war es 
ein Verbienft desjelben, als in der Verſammlung 
des Vereins zu Rügen 1875 die Einführung glei⸗ 
er Holzfortimente und einer tur 
— für Holz im Deutſchen Reiche 
beſchloſſen wurde. Der — wurde zunächſt in 
den genannten Staaten durchgeführt. Durch die 
orößern gemeinfamen Arbeiten wurde natürlich 
nicht ausgeſchloſſen, daß die einzelnen Anitalten 
aud andere Aufgaben, namentlich aus dem Gebiet 
der forſtlichen Naturwifjenichaften, in Angriff nab: 
men. liber die Thätigleit des Vereins Teine Ar: 
beitöpläne vgl. Gangbofer, Das F. V. (2 Bde., 
Augsb. 1881u. 1884). Zahlreiche erregen 
in der forſtlichen Litteratur zeigen, daß die Ver: 
juhsarbeiten in Deutichland energiſch geförbert 
worden find. Auch in Öfterreih wurbe 1872 durch 
das Aderbauminijterium ein jtaatlihes F. B. ins 
Leben gerufen, dazu ein beſonderes Bureau errichtet, 
das von Sedendorff bis zu feinem 1886 eingetrete: 
nen Tode leitete. Seit 1877 erjheinen «Mitteilungen 
aus dem 5. B. Ofterreihd». Mehrere der Groß: 
grundbefiger Oſterreichs haben ebenfalls Mittel zur 
‚sörderung des F. DB. gewährt. — Bal. Lorey, Die 
“ tlihen Verſuchsanſtalten (Tüb. 1899). 
orftmathematif, die auf — ange⸗ 
wendete Mathematil, eine ver wichtigſten forſtlichen 
Fachwiſſenſchaften. Sie umfaßt Holzmeßkunde, 
——— forſtliche Geodäſie und Kar: 
tierung. Die Holzmeßkunde (forſtliche Ste: 
reometrie) ijt derjenige Teil der F., der den Kubik 


903 


inbalt von einzelnen ſtehenden oder gefällten Bäu⸗ 
men und deren Teilen, ſowie von ganzen Bejtän: 
den finden lehrt, ſowie Anleitung giebt zur Ber 
rehnung des Zuwachſes ————— d. h. 
derjenigen Holzmaſſe, um welche die Bäume und 
Beſtände durch den jährlich ſich anlegenden Holz: 
ring innerhalb einer gewiſſen Zeit zunehmen. Zur 
Loſung ihrer Aufgaben bedient ſig die Holzmeß⸗ 
funde teils geometr., teils phyſik. Methoden. Die 
Forſtfinanzrechnung lehrt die Berechnung aller 
in der Waldwirtſchaft vorkommenden Koſten und 
Erträge, der Erntereife der Beſtände und des Wald⸗ 
wertes Waldwertrechnung, f. d.); fie enthält den 
größten und wichtigiten Teil deſſen, was von an—⸗ 
dern — Heyer u. ſ. w.) forſtliche 
Statik genannt wird, d. h. die Meßkunſt der forſt⸗ 
lichen Kräfte und Erfolge. Da indeſſen Statik 
eigentlich Gleichgewichtslehre bedeutet, ſo iſt der 
Ausdruck ya e Finanzrechnung entſprechender. 
Die forſtliche Geodäſie endlich lehrt die Grund⸗ 
fäße und das Verfahren forſtlicher Flächenaufnah— 
men und Kartierungen kennen. 

Die geſamte F. iſt von hervorragendſter Wichtig⸗ 
feit für die Loſung der Aufgaben der Forſteinrich⸗ 
tung (f. d.), in eriter Reibe für die der geometr. 
und taratorifhen Vorarbeiten, dann für die Haus 
barleitslehre; ebenfo wichtig für den Verkauf ver 
Hölzer, feit diejelben nah dem Kubikinhalt vers 
äußert werden. Große Verdienjte um die F. hat fich 
M. R. Preßler (f. d.) erworben, Sein «Rationeller 
MWaldwirt» (Heft 1—10, Dresp. und Lpz. 1858—85) 
eröffnete ganz neue Bahnen für dieſe Wiflenichaft. 
Die ältere Litteratur über F., die Arbeiten von Bed 
mann, Bücdhting, Vierenklee, Späth, Hoßfelv u. a. 
bieten heute mebr biitor. alö praftifches Intereſſe. 
Selbit das für feine Zeit jehr bedeutende Buch von 
G. König: «Die F. in den Grenzen wirtfchaftlicher 
Anwendung u. |. w.» (Gotha 1835; 5. Aufl., von 
Grebe, 1864), tft durch die neue Litteratur übers 

olt. Bon diefer vgl. K. Heyer, Anleitung zu forſt⸗ 

atifchen Unterfuchungen (Gieß. 1846); ©. Hever, 
ber die Ermittelung der Mafje, des Alters und 
des Zuwachſes der Holzbeftände (Deflau 1852); 
Puſchel, Die Baummelfung und Inhaltsberehnung 
(en: 1871); Preßler und Kunze, Die Holzmeßkunſt 
(2 Bpe., Berl. 1872—73) ; Breßler, Forſtliches Hilfs⸗ 
buch für Schule und Praris (TI. 1: Tafelwert, 6. Aufl., 
Wien 1902; TI. 2: Tertwert, Berl. und Tharandt 
1871 fa.); derf., Ingenieurmeßlneht mit — 5— 
(6. Aufl., Tharandt 1876); het — ubie⸗ 
rungstafeln (11. Aufl., be. von M. Neumeiiter, Wien 
1900); Baur, Die Holzmeßkunde (3. Aufl., ebd. 
1882); ®. Heyer, Handbuch der foritlihen Statik 
(Abteil. 1, Lpz. 1871); derf., Anleitung zur Walds 
— len naar 1865; 4. Aufl. 1892); Kunze, Ans 
leitung zur Aufnahme des Holjaebaltes der Mald« 
beitände (2. Aufl., Berl. 1891); Stöger, Waldwert⸗ 
rechnung und foritfiche Statik (Frankf. a.M. 1894); 
Endres, Lehrbuch der Waldwertrechnung und Forits 
ftatit (Berl. 1895); Burdharbt, Der Waldwert 
(2. Aufl., Trier 1898); Udo Müller, Lehrbuch der Holz⸗ 
meßlunde (3 Tie., Lpz. 1899 — 1901); 3234 
Leitfaden der Holzmeßkunde (2. Aufl., Berl. 1903). 

er i. Forjtverwaltung. 

orftpolizei, Forſtpolitit, die obrigfeitliche 
Sorge der Staatägemwalt in Bezug auf die Forſten, 
welcde die Abmwendung der dem Waldeigentum und 
der Forſtwirtſchaft drohenden Gefahren jowie die 
höchſte Blüte diejer Wirtichaft bezwedt. Die Maß: 


904 


regeln der F. treten keineswegs immer erit dann 
ein, wenn die Macht des Einzelnen nicht mehr 
jureicht, den genannten Zweck zu erreidhen, jon- 
dern auch dann und da, wo ein Eingreifen im all 
emeinen — als nützlich erſcheint. Die F. 
haft jedoch die Waldbefiger niemald mehr be- 
ſchränken, als dies durch das Öffentliche See 
wirklich geboten ericheint. Die Mafregeln der F. 
betreffen zunädjit die Sicherung des Waldeigens 
tums gegen Verlegungen, und zwar gegen Forit: 
vergehen (soritfrevel), gegen die nacteiligen Fol: 
en der Waldferpitute, gegen Naturereignife, egen 
olche Maßregeln oder — ———— in den Waldun⸗ 
gen oder in deren unmittelbarer Näbe, die deren 
icherheit gefährden. Man kann diefen Teil der 
. bie orftliche Sicherheitspolizei nennen; 
ihre Wirkſamkeit ift vorzugsweiſe eine verbindernde, 
vorbeugende. Die Beitrafung etwaiger Zumiber: 
nr oder Fahrläſſigleiten iſt der gericht: 
ichen Entſcheidun — —— der Ser⸗ 
vitute handelt es ſich um Schuß des Waldes gegen 
übertriebene, fhädliche Ausdehnung der Servituts⸗ 
rechte, Bejebgebung über Ablöfung oder Regulie: 
rung der Servitute. Naturereignifie werben info: 
fern ein Objeft der F., als es ſich darum handelt, 
gemeinfame Mafregeln zur Belämpfung derjelben 
anzuorbnen; der Einzelne vermag z. B. durch alle 
Vorbeugungs: und Bertilgungsmaßregeln eine Bor: 
tentäferverheerung nicht abzumenden, wenn die be: 
nachbarten Ges nicht gezwungen werben, 
ebenfalls Maßregeln zu ergreifen. Handlungen, 
welche die Waldungen gefährden, find 3. B. Feuer: 
anmaden, Unvorfichtigleit bei der Köblerei u. ſ. w. 
Sodann betreffen die Maßregeln der F. die Siche⸗ 
rung einer gewiſſen Menge von Wald und deſſen 
jwedmäßige Verteilung im Lande in Rüdficht auf 
die Bedeutung des Waldes im Haushalte der Natur 
und der Meniihen. Die F. wird bier zur forftlichen 
Wohlfahrtspolizei und iſt recht eigentlich ein 
Ausfluß der Forſthoheit (f. d.). Die Eigentümlic: 
teiten der Forſtwirtſchaft ließen es mit Recht be 
denllich erſcheinen, die Bewaldung eines Landes 
lediglich der Privatipetulation zu überlafien. Ver: 
mebrt wurden dieje Bedenken durch zahlreiche Wald: 
vermwüjtungen und durch die jhon mehrere Jahr: 
bunderte alte Furt vor Holzmangel, die noch im 
Anfang des 19. Jabrh. allerdings eine größere Be: 
rechtigung batte al& jetzt, wo die Verbeijerung der 
Verlehrömittel den Holzbandel in großartiger Weife 
entwidelt bat. Der frübere Polizeiſtaat hielt in 
diejer Beziehung die weitgehenditen Eingriffe in bie 
— ———— haft für nötig und gerechtfertigt. 
o lam es, dak in einigen Yändern Süddeutſch— 
lands eine förmliche Beföriterung aller Waldungen 
des Landes gelenic ausgefprocen wurde (3. B. 
namentlih in Württemberg). Theoretiſch ging man 
noch weiter; man verlangte, daß der Staat für die 
Sicherung des notwendigen Bedarfs an Wald: 
produlten im ganzen und einzelnen jorgen, in rich: 
tiger Konſequenz diefer Forderung aber auch zur 
Verhinderung der Holzverjhmendung die Berwen: 
dung ber Foritprodufte überwachen jolle. 
Die neuere Zeit verträgt jo weit gebende polizei: 
lihe Eingriffe nit. Die rg der F. in diefer 
Richtung wird dadurd mit Hecht eine beſchränk— 
tere; ganz kann jie aber nicht aufgehoben werben. 
Unbedingt muß der F. die Befugnis zufteben, die 
Erhaltung und zwedmäßige Bewirtichaftung jener 
Waldungen ohne Unterſchied des Beſitzers zu er: 


—ñ — — 


Forſtpolizei 


— die für die allgemeine Landeskultur von 
eſonderer —— ind, die der ſog. Schuß: 
wälder(f.d.). Weitere Beihränktungen der Brivats 
waldwirtſchaft, ald die Schugmwaldungen fordern, 
rechtfertigen na niht. In Preußen, Sadien, 
Medlenburg, Oldenburg und mehrern Kleinitaaten 
zufammen 70 Proz. aller Brivatwaldungen) be 
eben, abgefeben von den Schuswaldungen, be 
ondere foritgejeglihe Beichräntungen der Privat: 
wirtihaft nit; dagegen find folde in Sübd- und 
Mittelvdeutichland in verfchiedener Weife (Rodungs: 
verbot, —— Devaſtationsverbot, 
Verbot von Waldteilungen) vorhanden, am ausge⸗ 
dehnteſten in Württemberg (Gejeg von 1879). Anders 
ift es mit den Waldungen jurijt. Perjonen, mie 
Gemeinden und Stiftungen. Hier erſcheint die 
jegige Generation nur als Nußnieerin, der Staat 
* die Pflicht, nicht bloß das Recht, dafür zu 
ne dab die Nahlommen nicht dur die ber: 
malige Nußnießerin geiaäbiat werben; bieje Pflicht 
it gegenüber dem Waldeigentum eine bejonders 
wichtige. Es erſcheint ſonach vollitändig — * 
wenn der Staat einfach die Verwaltung folder 
MWaldungen ganz in die Hand nimmt, wie es 3.2. 
in Baden, ig je Hefien, Teilen von Bayern und 
Hannover u. |. m. ber Fall iſt. Andere Staaten 
beihränten fid = eine allgemeine Bermögensauf: 
fiht (Sachſen, Dlvenburg, mehrere Rleinjtaaten) 
oder führen daneben noch eine techniſche Betrieb: 
—— — DEE, Oſterreich, teilweiſe 
in Preußen u.a.m.). Die Privatforſtwirtſchaft lann 
dadurch gefördert werden, daß bie Gejeßgebung bie 
Bildung von Waldgenoſſenſchaften (j. d.) erleichtert 
und unterjtüßt, da bierdburd bis u einem gewiſſen 
Grade der Keine Beſitz auch der Vorteile teilbaftig 
wird, welche für die Waldwirtſchaft der große Befis 
bietet, namentlich eine Erleihterung und Verbeſſe⸗ 
rung des Schußes und derVerwaltung. Im übrigen 
ift e8 die Besen foritlibe Wirtihaftspolitit, 
wenn der Staat feinen eigenen Waldbeſiß nicht bloß 
erbält, jondern zu vergrößern ſucht, mas bezüglich der 
Schutzwaldungen nötı he durch Erpropriation 
zu geicheben bat. (S. Bejörfterung.) 
chließlich ſind noch Aufgaben der 3. als Wohl⸗ 
fahrtspolizei Anordnungen bezüglih der Ausbil⸗ 
dung des Ferſtperſonals, Förderung der forſtlichen 
Wiſſenſchaft durch Pflege des Unterrichts, des Ber 
eins: und des Berſuchsweſens. Da alle forſtpolizei⸗ 
lien Maßregeln Sache der Staatsgewalt Kun, bat 
man nicht jelten für 5. auch den Ausprud Staats: 
forſtwirtſchaft gebraudt, die Lehre von der F. 
Staat3forjtwirtihaftslehre genannt (5. 8. 
von Berg). — Vgl. Grebe, Die Beauffihtigung der 
Privatwaldungen von jeiten des Staates (Eiſenach 
1845); Hundesbagen, Lehrbuch der 5. (in ber «En- 
coflopädie der Forſtwiſſenſchaft⸗, 3. Abteil., 4. Aufl, 
von Klauprecht, Tüb. 1859); von Berg, Die Staats 
foritwirtihaftslehre (Lpz. 1850); Rensich, Der Wald 
im Haushalt der Natur und der Vollswirtſchaft 
2, Aufl., ebd. 1862); Bernbarbt, Die Waldwirt⸗ 
haft und der Waldſchuß (Berl. 1869); Albert, 
Lehrbuch der Staatäforitwifjenihaft (Wien 1875); 
Vogelmann, Die Foritpolizeigejebge im Öro 
—— Baden (Karlsr. 1871); Schwappach, 
Handbuch der Forft- und Jagpaeihichte Deutſch · 
lands (Berl. 1885--88); desſelben forſtliche Ar 
titel in Stengel «Wörterbuch des deutichen Ber: 
waltungsrehts» (2 Bde., reib. i. Br. 1889 — 
90); derf., Foritpolitit, Jagd: und Fiſchereipolitil 


Forſtpolizeigeſetzgebung — Forſtſtatiſtil 


Cpz. 1894); Le oritpolitit, in Loreys «Handbuch 
der er willen! ba t» (Bd. 2, Tüb, 1887); Graner, 


oritgejeßgebu de oritverwaltun (ebd. 1892); 
ttingen und — Die — etze. Zuſam⸗ 
menſtellung der wichtigſten Geſetzesbeſtimmungen 


über — *— (deutſch u. ruſſiſch, Reval 1898). 
€ rg mer Forſtfrevel. 
erwaltun 
echt, 1) fubjektines Recht a. das Recht, 
in dem Walde eines andern gewiſſe Nutzungen ſelbſt 
ausüben, oder von dem Waldeigentümer die Liefe⸗ 
rung gewifler Waldprodukte (Baus, Brennbolz, 
Streu u. f. w.) fordern zu —* entweder gegen 
oder ohne Gegenleiſtungen durch Arbeit, Geld oder 
durch Lieferung anderer Naturalprodulte. In dieſem 
Sinne begreift das F. u (ie Frühen en (ſ. d., 
Br. 17) = Reallaften; berer Zeit) au 
das —* gr und Ag in Bann legen, 
in Bannforiten S. d.) verwandeln zu dürfen. 5. ift 
dann —25 annrecht. (S. Forſtbann.) 2) Als 
objektive Recht die in einem Lande in Bezug au 
Forſten geltenden rechtlichen Bejtimmungen, 
orjtregal. In der ältern Zeit —— —* 
Regalien gewiſſe nußzbare, nur von en 
der höchſten Staatögewalt verleibbare Rechte, die 
an Einzelne teild verjchentt, —* als Lehn oder 
mit dieſem in Verbindung ver * wurden. Dazu 
ebörte aud) die Befugnis zur Errichtung von Bann- 
ve (j.d.), — wie die —*2** Forſtgerechtigleit. 
F. im eigentlichen S 
= allen Nuben aus den Forſten eines Landes er: 
ftredt bätte, analog dem Jagdregal, bat es in 
Deutihland nie gegeben, wenn a 4 Re — 
und Staatsmänner des 17. und 18. 
ſolches zu begründen verſuchten. Heute I 5 Fi 
danle des F völlig in dem ſtaatsrechtlichen Begriffe 
der Forſthoheit auf» und I 
Forftrevier, eine foritliche Yireihaftzeinbeit, 
aljo ein Wald, der einem Deiber 0 * und 
einem Wirtſchaftsführer —— orſter, 
Forſtmeiſter) re A —— Iſt 
* einem einem Beer gehörig ldung jo groß, dab 
——— allein dafür nicht genügt, 
R muß eine Teilung des eö in Reviere er: 
folgen. Iſt bangen en die Piebusg nicht größer, ala 
fie ein Forjt and allein verwalten könnte, 
fo bildet fie * a für ſich eine Wirtſchaftseinheit, 
ein 5. Die beite Größe der F. läßt fi allgemein 
nicht — Die niedrigſte Grenze der Flächen⸗ 
ausdehnung wird durch den kleinſten Umfang des 
ge —** beſtehenden Waldeigentums be⸗ 
dingt, ab iſolierte Lage einzelner Zeile 
eines —* Waldbe eibes Die bödjite Grenze 
iſt beftimmt durch die mögliche Ausdehnung eines 
Reviers, die abhängt von der Lage und Arron: 
: bes Waldes, —* von der ntenfität der 
—— chwanlt gewoͤhnlich zwiſchen 
e  intenfiner die Bewirt —— 
* 2 * en fein. Große F. teilt man 
wieder in Schußbegirte chulen. 
chulen, ſ. Fo alademie und Foͤrſter⸗ 
orſtſchutz, die vom Waldeigentümer oder dem 
Forſtwirt als Privatmann ausgehende Sicherung 
des Waldes gegen nachteilige Einwirlung von 
eiten der Menſchen und der Natur. Es werd = 
ch dabei um ———— oder Abſtellungs⸗ 
maßre * Der —* voraus eine genaue Kennt⸗ 
nis aller Walpbeihä ung en und Urſachen 
ſowie der —— ebeugungd» und Abſtel⸗ 


f | Waldfeuer 


inne des Wortes, das ſich be 


905 


Iungsmittel, um eine jahgemäße Anwendung 
berlin zu ermöglichen. Er bat es zu thu — * 
U Schutz —S gegen jhädigende riffe 
der Menſchen (Forftvergeben, Forſtfrevel u. f. w. 
2) Schuß derſelben gegen die organijche Natur, und 
zwar a. gegen Tiere —— ogel und vor: 
—*— ſelten), d. gegen Gewächſe (Forſt⸗ 
untrãuter, Bilze); 3) ri derjelben gegen Die ans 
—— atur, und —X ‚geaen atmofphäri« 


ſche Einwirkungen d, Negen, Hagel, 
Schnee, er ), *8 "außerordentliche 
Naturereigni häden, Lawinen, Flugfand, 


ch indefjen meijt auf die unter 1 bis 3 — 
rſachen zurüdjühren laſſen. Wo bie a 
Einzelnen als Privatmann nit mehr 
des Maldes ausreicht, wo aljo die oberſte 5* 
gewalt eingreifen muß, hört der F. auf, beginnt 
— hr . d.) und orte —R ege. 
der —— wohl —— gegen 


ai 4) Schuß dere ben gegen Strantbeiten, die 


en, er fann aber nicht dritte 
e verpflichten oder die A 
dujtriewerte in Ten 


rei 


on Ditbilte 
este 
übe der W dorenge verbieten; letzteres ift © 


der Forftpolizeigefehe. Der F. iſt ein ergänzender 
Zeil des Walpbaues ( d. d.), und man bat bafür 
auch den techniſchen Ausprud Waldpflege am 
gewendet; lektere umfaßt indejjen man ia, ara 
regeln, 3. B. — ——— die nicht zum e⸗ 
Een. — Ral. Grebe, D aldſchutz und die 

ufl. von Köni f «Die Walppfleger, 
—* tba He 84 Der (en. 1818; 3. a. 
ebd. 1896—1900); Kauſch inger, er vom 
ſchutz (6. —* „8: von Fürjt, Berl. 1902). 
; öigungen tuten, Waldjervituten, ſ. Forſt⸗ 
ere 


ungen Dr 17). 
gr atik, |. Sortinatpemait 
atiftik, ein Teil der focialen und all 
gemeinen Statiftik (f.d.). Man kann fie einteilen 
* die —— F. und in die Specialſtati— 
ſtik einzelner Staaten oder —— erſtere 
wiederum in Kultur: und dölonomijhe Stati— 
ſtil. ger tere behandelt die Größe und Ver 
teilu alvflähe eines Landes, die Beſitz⸗ 
_. nie u. ſ. w. Die —— e Statiſtik uns 
ucht den Materialertr aldungen —* 
2 neeife, Geldrobertrag, inöaftötoften, 
ertrag, Holzbandel, ftörende Naturereigniffe , Ste 
vel u.f.m. Die Specialftatiftit ken die I un 
wirtſchaft einzelner Länder oder Waldgebiete. Die 
F. iſt eine Hilfswiſſenſchaft namentlih für 
oft,  Derknerweltung, aldwertrechnu ich 
das ftatift. Material nad beitimmten Geft ispun⸗ 
ten geordnet, ſo läßt es ſich für —e— f —* 
ſuchungen überhaupt verwerten. rdin 
dazu ausgedehnte Maſſenbeobachtungen na La 
die wirtſchaftlichen Erjheinungen oft durd zahl 
reiche verſchiedene Urſachen bedingt werden und 
weil die Ginzeljablen oft ziemlih unficher find, 
Einige foritftatift. Angaben ſ. unter ya 
Ein umfafjendes Wert über allgemeine F Br es 
nicht, Gin großer Teil des —8 Materials iſt in 
den allgemeinen Werten und geitiriften über 
Landesitatijtit enthalten. Bon einigen Staaten 
find Werte über F. erfhienen: Die Forſtverwal⸗ 
nal od (Münd. 1861); Daritellung der lö⸗ 
niglich ſachſ. Staatöforitverwaltung (Dresd. 1865; 
he re aus neuerer Zeit Im «Tharanbter 
orftlihen Jahrbuche⸗); Die forftlichen —— 


906 


MWürttembergs (Stuttg. 1880; bierzu jährliche ftatüft. 
Mitteilungen); Hagen, Die forftlihen Verhältniſſe 
—— (3. Aufl., bearbeitet von Donner, 2 Bde., 
erl. 1894); von Berg, Mitteilungen über die forit: 
lihen Berbältnijje in Eljaß:Yotbringen (Straßb. 
1883); Beiträge zur 3. von Elſaß-Lothringen (ebd. 
1884 fg.); Schuberg, Die Forſtwirtſchaft im sr 
berzogtum Baden (Karlör. 1884; hierzu jährlich forit: 
jtatift. Mitteilungen); Wilbrand, Mitteilungen aus 
der Sort: und Rameralverwaltung des Großherzog: 
tums Heſſen (Darmit. 1886); Torenz und Wefjely, Die 
Bodenkultur Öfterreihs (Wien 1873); Statiſt. Jahr: 
buch des k. . Aderbauminifteriums (ebd. 1875 fg.); 
Bedd, Tie wirtihaftlihe und fommerzielle Beichrei: 
bung der öniglib ungar. Staatäforften (Buda— 
peit 1878); w. Die wirtichaftlihe und fommer: 
ielle Beichreibung der Wälder des ungar, Staates 
ebd. 1885); Statistique forestidre (Par. 1878); 
Statistica forestale (jflor. 1870). Aus der Schweiz 
Di befonders ſtatiſtiſch — die Kantone 
burgau (1860), Bern (1867), Yargau (1878), Zürich 
act ebrere Länder umfaßt: Bernhardt, F. 
eutichlands (Berl. 1872), und Leo, $.über Deuiſch⸗ 
[and und Oſterreich- Ungarn (7 Lfgn., ebd. 1871— 74). 
Statift. Mitteilungen über Flächen, Berfonalu. f.m., 
namentlich in Deutichland, bringt jährlich neu der 
2. Teil des Forſt- und Jagdkalenders von Judeich 
und Behm (Berlin). 
da emifierung, |. Forſteinrichtung. 
orittagation, |. Forſtabſchäzung. Der Aus: 
drud F. wurde ae auch für Forfteinrihtung (f.d.), 
befonders für Waldertragsregelung gebraudt. 
orfttechnologie, Kenntnis der Holjgewerbe, 
4 Yoritbenugung. 
orftvereine, Vereine mit dem Zmwed, durch 
wiſſenſchaftliche Vorträge und münplihen Aus: 
tauj der Anfichten in wiſſenſchaftlicher und pral: 
tiſcher Hinficht 5— für ihre Mitglieder zu 
wirlen. In Deutſchland beſtehen außer dem Ver: 
bande der deutichen forftlihen Verfuchsanftalten, an 
—* Verſammlungen ſich nur Abgeordnete der be: 
treffenden Staaten beteiligen, dent ungefähr 30 5. 
Die älteften derfelben find: der Badische Forſtverein 
(gegründet 1839), der Schlefiihe Forſtverein (ge: 
gründet 1841), ber Harzer Forſtverein (gegründet 
1843), der Sächſiſche Forſtverein (gegründet 1847), 
der Thüringer Forſtverein (gegründet 1849). 1898 
wurde ein deutſcher Reichsforſtverein zur ftändigen 
Vertretung der Intereſſen der deutſchen Forſtwirt⸗ 
ſchaft — der 1899 nach feiner Birfomelung 
mit der Berfammlung deuticer Forſtmänner den Na: 
men Bear: Forftverein annahm, und dem 
faft alle Zofalforftvereine und zahlreiche große Pri⸗ 
vatforjibefiker beigetreten find, jo daß er 1901 bereit 
1670 Mitglieder zäblte, Organe des Vereins, der 
jährli eine Hauptverfammlung abbält, find der 
Vorstand und der Deutſche Forftwirtichaftsrat (f.d.). 
In Oſterreich beiteben außer dem nur von Dele: 
gierten beichidten Foritlongreß (gegründet 1875) und 
außer zwei ‚soritichulvereinen 14 F. davon find von 
Bedeutung der Böhmische Forjtverein und die Mäh— 
riih-Schlefiiche Forſtſeltion (beide 1849 genründet). 
In der Schweiz beitebt ein Forſtverein feit 1843. 
Auch in andern Ländern, 3. ®. in Rupland, hat fich 
das Vereinsleben entmwidelt. Zahlreiche $. geben 
regelmäßig erſcheinende Berichte oder Zeitfchriften 
beraus, unter denen die «Mitteilungen des Deut: 
ſchen —— (Berl. 1900 fa.) von beſon⸗ 
derer Wichtigkeit find. Ein Verzeihnis der F. giebt 


Horftigftemifierung — Forſtverwaltung 


jährlich der «Forſt- und Jagdlalenderr von Judeich 
und Behm (Berlin). j 
Forſtvermeſſung, die geometr. Vorarbeiten 
—* Forſteinrichtung (f. d.), welche die geomett. 

nterlagen für die forſtlichen Karten und Orte 
liefern; befonders beitimmt die F. die der 
Waldfläche fowie derjenigen Teile derjelben (Be 
ftände u. |. w.), die einer Sonderung bedürfen. — 
Vol. Baur, Lehrbuch der niedern Geodäſie (5. Aufl, 
Berl. 1895). 

‚Forftverwaltung, die Cinrihtung des Forit 
dienites; fie muß eine verſchiedene fein, — dem 
eö fih um Groß: oder Kleinbefis handelt. Nureriterer 
ermöglicht eine auf den Örundfäßen einer vernünfti- 

en ————— F. DieHauptteile des 
Seins find Schu, Verwaltung und Direktion, 

ie Aufgabe ver Shupbeamten (Maldmwär: 
RT — 
Waldſchutzen, auch Förfter und Unterförfter 
genannt) ift zunäcjt die Bejorgung des Forſiſchuße⸗ 
Im ausgedehnteſten Sinne, ganz befonders aber 
des Schuses gegen Menſchen, ſodann die Unter: 
tüßung der orjtverwaltungsbeamten bei der Wirt: 

&baftstübrung überhaupt, alfo ——— 
bei den en en, Kulturen nn. Holitrans: 
port u. ſ. w. &n leßterer Bezie ung nennt man 
das Schutzperſonal aud tehniihes Hilfäperfonal, 
Einer wiſſenſchaftlichen Bor» und Fachbil be: 
darf der Schukbeamte nicht; für ibn genügt Bolts: 
ſchulbildung, fachlich eine handwerlsmäßige Unter: 
weiſung, entweder nur bei einem Lehrherren oder 
auf einer Förfterfchule (ſ. d.). Die Größe der Schuz⸗ 
bezirfe bänat von deren Sage und davon ab, ob ein 
Wald des Schutzes mehr oder weniger bedarf. 

Die vermwaltenden oder betriebefübhren: 
den Beamten baben die unmittelbare, alfo jelb- 
ftändige Ausführung aller auf den techniſchen Be 
trieb bezüglihen Anordnungen, ſowie aller derer, 
die ſich auf Forftpolizei und Forſtſchuß bezieben, 
diefe aber mebr in anorbnendem, übe 
Sinne. Sie fübren die ganze Wirtihaft nach Maf- 

abe der von der höhern Inſtanz genehmigten Vor: 
Ph)läge oder Pläne, die für gemijje Betriebsmaß⸗ 
regeln, z. B. Hauungen, Durdforjtungen, unter 
————— ger aber für —— 
vorgeichrieben find, für andere Maßregeln, 3. 9. 
ride lin (Kulturen, Wegebau, Entwäl: 

erungen), wohl überall alljäbrlih aufgeftellt und 
genehmigt werben; fie haben ferner den Verlauf 
der Walpprodulte, Verrehnung ber 
erträge und Betriebsausgaben zu beforgen, jedoch 
meijt ohne Geld jelbit einzunebmen oder guszu⸗ 
eben, und find endlich die unmittelbaren Bo 
etzten des Schuß: und techniſchen Hilfsperſon 
Dieje verwaltenden Beamten bilden die wichtigſte 
Dienftitufe im foritlihen Organismus, fie bebürfen 
einer aründlichen ——— Vorbildung, wie 
fie Gymnaſien und Realgymnaſien gewäbren, und 
einer ſolchen Fachbildung, wie fie auf den 
liben Hochſchulen (j. Forftafademie und 
wiſſenſchaft) erworben wird. Der bezeichnend 
Titel für die Beamte diefer Kategorie wäre 
vierverwalter, meijt nennt man fie aber Revier 
oder Oberförfter, oder auch Forjtmeifter (in Bayern, 
zum Teil auch in Preußen). 4 

Über der Verwaltung fteht die Direltion, bie 
oberite fachliche Eentralitelle. Ihre Thätigfeit um- 
faht den gefamten, einer Perſon gebörigen Wald- 
bejig. Eie iſt entweder bureaufratiich oder follegia- 


m 


Forſtwirtſchaft 907 


liſch organiſiert. Ihre ** iſt, die Entſcheidung 
wirtſchaftlicher Fragen, Beſtimmungen über alle 
Verſonalſachen, alſo ———— Verſetzungen, 
Beſoldungen, Strafen und Belohnungen u. |. w. 
zu treffen; fie bat fich ferner an Ort und Stelle 
von dem Auftande der Wirtihaft, von dem Geiſte 
der Verwaltung und des Berfonala zu —— en. 
Die Titel einer ſolchen Behörde find ebenfalls Fehr 
verſchieden; bei bureaukratiſcher Einrihtung hat 
man den Ann Land» oder Ober: 
landforjtmeijter u. ſ. w.; diefem find in einem 
Yorfttollegium noch Forfträte, Forſtmeiſter, 
Dberforhräte u. |. w. beigegeben. Faſt in jedem 
Lande haben fich diefe Einrichtungen und Benen- 
nungen anders geftaltet. Bei der Direktion muß 
ein eigenes Bureau fein, welches das Forſtein⸗ 
richtungsweſen, namentlich die erforderlichen Bor: 
arbeiten für die Revifionen (f. d.) bejorgt. Iſt der 
Malpbefig fo groß, daß er von einer Direltions— 
ftelle nicht überjeben werben kann, > werden zii: 
ſchen nr und die Verwaltung nod infpizierende 
Zwiſchenſtufen *8685 (Forſtinſpeltoren, 

orſtmeiſter, Oberforſtmeiſter). ar größern 

taaten mit audgedehntem Waldbeſiß kann felbit 
dies unter Umftänden nicht genügen, jondern not: 
wendig werben, jeder größern Provinz eine Forit: 
diteltion zu geben, und über diejen einzelnen 
Direftionen jtebt dann eine verſchieden eingerichtete 
Eentralftelle im Minijterium. So ftebt 5. B. in 
Preußen die ent unter dem Mi- 
nifter für Landwirtſchaft, Domänen und Forften; 
unter biejem ſteht die Gentralvireltion {er deren 
Spike ein Oberlandforftmeifter), die Inſpel— 
tion und Kontrolle tr die am Sike der Re- 
gierung befindlichen Lolaldireftionen (Oberforſt⸗ 
meiiter, u en und Forjträte), unter dieſen 
jteben die Adminiſtrativbeamten (Oberförfter 
oder Forjtmeifter). In Württemberg bildet 
die Forftdireltion eine Abteilung des Finanz⸗ 
minifteriums; diejer unterjteben als Borftände der 
Forftbezirte Forftmeifter und biefen als Revier: 
verwalter Dberförfter. In Baden ftehen die ver: 
maltenden Oberförjter direft unter der Domänen: 
direftion; Mittelbebörben find nicht vorhanden. 
Im Königreih Sachſen bildet die oberjte Central: 
itelle das ag war erde mit einem technis 
ihen Referenten Oberlandforftmeifter); als Mittel: 
bebörben fungieren die Oberforftmeifter, denen die 
verwaltenden DOberförfter unterftellt find, u. ſ. w. 

Dan bat verfucht, zwei Gruppen der Verwal: 
tungsſyſteme zu unterſcheiden, das fog. Ober: 
förjter: und das Revierförfterfvftem; erſte— 
red befist größere Selbſtändigleit der Revierver⸗ 
maltung als lehtered. Wegen der vielfahen Modi⸗ 
Rlationen der F. in ber Praris iſt dieſet Unterſchied 
aber nicht ftihhaltig. Ein eigentlihes Revier: 
förfterfgitem in ſolchem Sinne iſt ſcharf ausgebilvet 
fajt nur in größern Privatforſtwirtſchaften ‚und 
war in Deutichland wie in Oſterreich; dort tft der 
Forſtmeiſter gewöhnlich Inſpeltions⸗, Direltions- 
und Verwaltungsbeamter in einer Perſon; letzteres 
inſofern, als die Revierverwalter (Forſter, Re: 
vierforſter) *1 Selbſtändigkeit befigen und 
eigentlich nur die Anordnungen des Forjtamtes 
ausjufübren haben, t es Heinern Befis ift 
nicht einmal diefe Arbeitsteilung möglih; dann 
beichräntt fi das Perſonal auf einen Verwaltungs: 
beamten und Schußleute, oder es ift überhaupt nur 
ein einziger Förfter für alles vorhanden, 


Getrennt von der eigentlichen F. ift meift bie 
KRaffenverwaltung. Dieje wird von Rentmei— 
ftern, Rendanten u. |. m. geführt; die Geldaus: 
gaben und Einnahmen erfolgen m befondere Ans 
meifung der Revierverwalter, Jnipeltions: oder 
Direltionsbeamten; häufig find die Kaſſenbeamten 
nod mit der Verwaltung anderer Kaſſen betraut. 

den Staaten, wo die Verwaltung der Ge 
meinde: und Stiftun —5— Aufgabe der Staats⸗ 
regierung iſt, iſt Vice e derartig mit der Staats⸗ 
forjtverwaltung verbunden, daß diefe Wälder uns 
mittelbar von Staatsforftbeamten verwaltet und 
beihüst werden (Württemberg, Baden, Heflen, 
preuß. Provinz Heffen:Nafjau, Zeile von Hanno: 
ver, Frankreich u. ). w.). Anderwärts ftellen vie 
Gemeinden und Stiftungen ſich ihre eigenen Fort: 
verwalter und Schugbeamten an, die jebod der 
Zeitung und Kontrolle von Staatsforjtbeamten uns 
terjtellt find (Bayern, —— Rheinprovinz, Weſt⸗ 
falen). noch andern Staaten findet eine Ein 
wirkung der Staatöorgane auf die Gemeindewald⸗ 
wirtichaft nur infomeit ftatt, als die Staatsregie: 
rung überhaupt befugt ıft, den Gemeindehausbalt 
u überwaden (Ditprovinzen von Preußen, Sad: 
en u.f.w.). Auch mit der X oder — weit 
ehenden Oberaufſicht über die Privatforſtwirtſchaft 
(ne meh ahStaatsforitbeamtebeauftragt(Bayern, 

ürttemberg, Baden, Hejlen, —— u. ſ. w.; 
|. in und Forjtpolizei). Bejondere Organe, 
Zandestoritinipeltoren, find in Öfterreich zu dem 
Zmwed angeitellt, den Vollzug des —5 — ehes zu 
ũberwachen. — Bol. Midlig, Forſiliche Haushal⸗ 
tungstunde (2. Aufl., Wien 1880); Albert, Lehr⸗ 
buch der 5. (Münd. 1883); Schwappad, Handbuch 
der orftverwaltungsfunde (Berl. 1884); Graner, 
Forſigeſetzgebung und & (Tüb, 1892); Sclied: 
mann, Handbuch der Staatäforjtverwaltung in 
Preußen (3. Aufl., Berl. 1900). 

orftwirtichaft, die möglicit vorteilhafte und 
nachhaltige (ſ. Nachhaltsbetrieb) Benußung des zur 
Holzzucht beitimmten Grund und Bodens. Die 
felbe ift in der Regel gleichbedeutend mit der Er: 
ielung des höchſten Reinertrags oder der höchſten 
Bersinfung aller in der Wirtichaft thätigen Kapi⸗ 
talien (Boden und Holzvorrat). Ausnabmen be 
dingen die fog. Schukmwälder (f. d.). Die Produkte 
ber 5. teilt man in Hauptnugungen (f. d.) und 
Nebennugungen (f. d.). Jene forfilihen Bes 
triebsarten, bei denen leßtere nur untergeorbnete 
Berüdfihtigung finden, nennt man reine Haupt: 
nugungsöbetriebe; dahin gebören: Hoch— 
mwaldbetrieb (j. d.), Schlagbolzbetrieb 
1.d.), zufammengejebte oder Kompoſitions— 
etriebe (1.d.). Jene Betriebsarten, bei denen ein 
bejonderes Gewicht auf die Nebennugungen gelegt 
wird, nennt man Haupt: und Nebennugungss 
betriebe. Dahin gehören 1) die Verbindung der 
Dee mit Fruchtbau, nämlih Hadwald (. d.), 
Da dfelpbaubetrieb (f.d.) und Baumijeld: 
wirtſchaft (f.d.). 2) Verbindung der Holzzucht 
mit Tierzucht, nämlid Waldmweidebetrieb, 
Tiergartenbetrieb. 3) Verbindung der Holz: 
zucht mit andern Nebennugun —— 
nutzung (ſ. d.) und Streunugung (j. Waldſtreu). 

ie Stellung der F. in der gejamten Vollswirt: 
ſchaft zeigt mancherlei Cigentümlichteiten, die ſich 
indejjen me einfahe Grundgeſetze der allgemeinen 
Wirtihaftslehre zurüdjühren laſſen. Die wichtig: 
ften diefer Eigentümlichkeiten find folgende. In 


908 


der %. überwiegt das Kapital ald Produktions: 
faltor jebt ‚bedeutend die Arbeit. Bezüglich des 
eritern tft die & meit intenjiver, bezüglich der letz⸗ 
tern weit ertenjiver als die Landwirtſchaft derjelben 
Zeit und Gegend. Bei der F. entfallen auf 1 ha 
jährlich —— 5—10 Arbeitstage, bei der Land⸗ 
wirtſchaft 50—100, dagegen ijt bei der 5. 1 ha un: 

efähr belaftet mit 1200 1500 M. Vorrats: oder 
Betriebslapital, bei der Lanbwirtihaft nur mit 
110—450 M. Mit der Höhe des Umtriebes (ſ. d.) 
unb ber Güte bed Standortes wächſt die Größe des 
Vorratstapitald, Für eine Fichtenmirti a beträgt 
E> der normale Holzvorrat im Durchſchnitt aller 

ltersllaſſen bei bojährigem Umtrieb auf ſchlechtem 
Standort ungefähr 100, auf jehr gutem 300 fm, bei 
100jährigem Umtrieb dagegen auf ſchlechtem Stand: 
ort 200, auf jebr are 550 fm für 1 ha des im 
—— altsbetriebe bewirtſchafteten Waldes. 

a nun bie Verzinſung des Vorratskapitals durch 
den an ihm erfolgenden Zuwachs (ſ. d.) eine ſehr 
geringe ift, fo erklärt ſich ſchon hieraus leicht, warum 
namentlich der Kleinbeſiß feinen Holzuorrat mehr 
und mehr vermindert und das aus der Wirtihaft 
gezogene Kapital lieber andern Produltionszweigen 
umendet. Erleichtert wird dieſer Vorgang, wer 
It baburd, daß ein großer Teil des Betriebö: 
apitald der %., nämlich die ältern Beftände des 
Holzvorrats, dem Prodult der Wirtichaft, d. b. dem 
abtriebd: und abjasfähigen Holze außerordentlich 
ähnlich ift. Bezüglich der Arbeit leidet der Klein: 
bejig jehr an dem Mangel einer genügenden Arbeits⸗ 
teilung, die bei der geringen Arbeitömenge, welche 
die F. verwertet, nur der Öroßbejig ermöglicht, En 
Durhführung einer richtigen Einrihtung der Ver: 
mwaltung,AnjtellungbejondererSchugbeamtenu.f.m. 
Saat und Ernte liegen bei der F. jo weit ausein: 
ander, baß in den meiſten Fällen derjenige, ber Hol; 
anbaut, die Früchte feiner Arbeit nicht —— ernten 
kann. Begangene irtfhaftsfebler, z. B. verfehlte 
Wahl der Holzart, laſſen ſich meift jehr fhmer, o 
nur mit großen Opfern wieder * machen. Alle 
dieſe und noch manche andere Eigentumlichleiten 
der F. machen ſie, namentlich die Hochwaldwi * 
mit böherm Umtriebe, mehr geeignet für den Groß: 
als für den Kleinbeſiß. ; 

Aus denfelben Gründen, vorzüglich aber wegen 
der geringen Arbeitömenge, bie fie verwertet, eignet 
fih die F. unter allen Gewerben am meiiten für 
ben Staat; es zeigen dies die Erträge der Staats: 
waldungen, bie leineswegs hinter denen der at: 
waldungen zurüditehen. Der Staat tritt, mo er 
einmal Waldbeſitzer ift, immer als Großbefiker, 
nicht als Kleinbeſitzer a. Dazu kommt weſentlich 
noch die Bedeutung des Waldes im Haushalte der 
Natur, deſſen wohlthätige klimatiſche Einflüſſe auf 
Milderung ber Temperaturertreme, der Stürme 
auf Regenverteilung, deſſen günjtiger Einfluß auf 
die nachhaltige Speifung der Gewäſſer, deſſen 
Schuß gegen Bodenabſchwemmungen an fteilen 
Hängen, gegen ————— an ben Ku⸗ 
ſten und im Binnenlande, gegen Lawinen im Hoc: 
Keira Man bat diefe günjtigen Einflüfe des 

aldes namentlich früber wohl vielfach überjhäst, 
allein ganz zu leugnen find jie entichieden nicht, 
wenn fie a mehr nur örtlicher Natur find, als 
man früber meiit glaubte. Es handelt fi bier um 
allgemeine Nüslichteiten, die dem Waldbeliker ge: 
wöhnlich nur indirelt oder gar nicht, der gejamten 
Vollswirtſchaft aber direkt zu gute tommen. Dieje 


Forftwirtfchaftliche Berufsgenofjenshaften — Forſtwiſſenſchaft 


co. 


Cigentümlicleiten der F. iprehen unbedingt für 
den Staat3mwaldbefig. 

Muß der Staat, ebenfo wie andere Großbefiker, 
mit einer den Bodenwirtſchaften überbaupt eigenen 
niedrigen Berzinfung der Wirtſchaftslapitale zufrie 
den fein, jo ift immerbin der Walpbefik eine jebr be- 
abtenswerte Cinnabmequelle für den Staatöbaus- 
balt, und das Beitreben den Walbbejis möglihit 
zu erhalten und zu vergrößern, ift durchaus ge 
rechtfertigt. die ſtaatliche F. einen Teil der 
Ausgaben zu deden, dadurch die Steuerlaft zu er: 
leihtern, ift eine geiunde Finanzpolitil, weil der 
Staat feine Forjten ebenjo gut und einträglid 
bewirtihaften fann mie der Private, während 
andere Gewerbe ſich für die Hand des Staates 
weniger eignen. — Bol. Edert, Lehrbuch ber 7. 
(Bd. 1 u. 2, Wien 1897); Artilel De NE in 
Schönberg, «Handbuch ber polit. Ölonomie», Bd. 2 
(4. Aufl., TZüb. 1896). 

Forftwirtichaftliche Bernfögenoffenihaf 
ten, ſ. Land: und forſtwirtſchaftliche Berufsgeno 
ſenſchaften. 

Forſtwirtſchaftsrat, Deutſcher, eine 15% 
von dem Deutſchen Forſtverein begründete Vereini⸗ 
gung, beſtehend aus Vertretern ber einzelnen Yan 
desteile, Abgeordneten der Forſtvereine, der Wald: 
befißervereine und der Foritlebranftalten, mit der 
Aufgabe, forjtwirtihaftlihe Fragen zu beraten und 
die Intereſſen der sorftwirtichaft den gefeßgebenven 
Faltoren gegenüber zu vertreten. 

Forftwiifenichaft. Die F. lehrt den Zwed der 
Forſtwirtſchaft, die möglichit vorteilhafte Benubung 
des zur Holzzucht beitimmten Grund und Bodens, 
erreihen. Sie tft keine für ji beitebende Willen: 
ſchaft, fondern jtüßt fih auf Grundmwillenfchaften 
und ergänzt 3 durch Hilfswiffenihaften. Das 
Syſtem der F. entmidelt fi hiernach wie folat: 

A. Grundmifjenihaften. 1) Naturwiſſen⸗ 
ſchaften: Chemie, und zwar allgemeine, Agrikultur 
und techniiche Chemie; Mineralogie und nofte 
mit bejonderer Beziehung auf Bodenlunde; Bote 
nit, und * allgemeine Botanik, Anatomie 
und Phyſiologie der Pflanzen, Forjtbotanit (j. d.); 
Zoologie, und zwar allgemeine Zoologie und 
‚sorjtzoologie; Phyſik und Meteorologie, Ma: 
tbematit: allgemeine Mathematil und Bermefjung®: 
funde, einſchließlich Planzeichnen. 3) Mechanil und 
Majchinenlehre. 4) Allgemeine Wirtſchaftslehre 
(Nationalötonomie). 

B. Fachwiſſenſchaften. 1) Walbbau — d. 
Foritprodultionslehre), vorzugsweiſe auf bie forit- 
liche Botanil, Bodentunde und Klimalebre se 
jtüßt; 2) Forftihus (ſ. d.) oder Lehre der W 
pflege, eigentlich ein ergänzender Teil des Walt: 
baues, dem als Hilfswifjenihaft außer ber ge 
nannten noch vorzugsmweije die forſtliche Zoologie 
zu Grunde liegt; 3) Forſtbenußung (j.d.) und Forit: 
technologie; 4) Yoritmatbematit (f. d.), die Hol; 
meßlunde, Zumadslebre und Forſtfinanzrechnung 
umfaßt; 5) Forſteinrichtung (f.d.) und W ags· 
regelung (j.d.); 6) Forſtverwaltung (f.d.); 7) Gehe 
von der Forſwpolizei (1. d.); 8) Jagdlunde \% d.); 
9) Geſchichte der F. und Foritwirtihaft (j.d.). 

C. Ergänzende Hilfsmifjenihaften: Fr 
nanzwiſſenſchaft mit befonderer —— auf die 
Bedeutung der Forſtwirtſchaft als Einnabmeaquelle 
des Staates; Rechtslunde mit beſonderer Beziehung 
auf Forit: und Jagdgeiekgebung; Landiwirtihaft® 
lebre, einihließlih Wiejenbau, 


Forſtwiſſenſchaft 


Die Geſchichte der F. reicht kaum weiter zurück 
als bis Anfang des 18. Jahrh., während eine Forſt⸗ 
oder wenigſtens Holzbenutzung ſchon bei den älteſten 
Vollkern zu finden iſt. Jahrhunderte hindurch war 
das Wenige, was man allenfall3 F. nennen kann, 
bei den Griechen und Römern in dem großen Gebiete 
der Stonomit mit der Landwirtſchaftswiſſenſchaft 
vereinigt. So blieb e8 auch nod in Deutſchland zu 
der Zeit der Pitteratur der fog. «Hausväter», Petrus 
de Crescentiis aus Bologna Sinfong es 14. Jahrh.), 
deſſen Schriften hauptſächlich in Deutichland ver: 
breitet waren, die Brüder Liebalto und Conxad von 
Heresbach, ebenfo der feiner Zeit berühmte Eolerus, 
beflen «Deconomia ruralis et domestica» 1595— 
1602 erſchien und 12 Auflagen erlebte, u. a. m. be 
—— in ihren umfaſſenden Werten die forſtlichen 

ufgaben nebenbei. Sieht man ab von einigen 
foritrehtlihen Schriften, fo war der Oberbergbaupt- 
mann von Garlowik, der erfte, der 1713 mit feiner 
«Sylvicultura oecondmica» ein wirklich forſtliches 
Bud) veröffentlichte. Die Forftleute der damaligen 
Zeit waren nur unwiſſende Jäger, und erjt fpäter, 
als fie jih von dem ganz einfeitigen Jägertum 
etwas befreit hatten, konnte fich eine Forſtwirt⸗ 
ſchaftslehre entwideln. Unter ven belannt geworde⸗ 
nen —— ägern» waren ber Forſtinſpeltor 
3. 6. Bedmann, Büchting und Döbel die bedeu- 
tenditen. erbin beichräntten fich ihre litterar. 
Leiftungen in der Hauptſache auf Mitteilungen von 
Erfahrungen ohne wiflenihaftlihe Begründung. In 
legterer Beziehung wurden von größtem Einfluß die 
Kameraliften. Fehlte diefen auch die Kenntnis des 
Waldes, jo überragten fie doch in allgemeiner Bil- 
bung die Forſtleute ihrer Zeit ganz bedeutend. Bon 
ihnen find namentlich zu nennen Mofer, J. F. Stahl, 
der Herausgeber der erften forftlihen Zeitſchrifi 
«Foritmagazin» (1763—69), von Brode, Profeſſor 

ob. Bedmann, der in feinem 1769 erjchienenen um⸗ 
aflenben Werte «Grundfäße der deutihen Land» 
mwirtichaft» (6. Aufl. 1806) das erfte vollitändige 
Syſtem der Land» und Forftwirticaft aufftellte, dabei 
legterer allerdings nur 61 Seiten widmete, endlich 
no Trunk, deſſen «Neues vollftändiges Forftlehr: 
bud» 1789 erſchien. Die Kameraliften fühlten 
wenigſtens was not that, nämlich daß ſich die F. 
auf Mathematil, Naturwiffenihaften und Volls— 
wirtſchaftslehre ftüben mülje, um zu gebeiblicher 
Entwidlung zu gelangen. 

Bon diejen drei Grundwiſſenſchaften ftand im 
18, yabb. nur die Mathematik bereits auf einer 
nn tufe der Durchbildung, ihre Lehren konnten 
daher ohne weiteres Verwertung finden. Dies ge 
ſchah um jo mebr, als man fe don feit langer Zeit 
vor bald eintretendem Ho zmangel fürdtete. Die 
nur mit Hilfe der Mathematik zu löfenden Aufgaben 
der gm des möglihen, nachhaltigen ab: 
ertrags (ſ. Forfteinrihtung und Waldertragärege: 
lung) wurden daher ſchon Ende des vorigen und 
Anfang dieſes Jahrhunderts mit Erfolg vielfach 
bearbeitet. Schon 1765 erſchien Detteltö befannte 
Schrift «Praltiſcher Beweis, daß die Matbefis bey 
dem Borjimeien unentbebrlide —* thue», Aber 
auch die Arbeiten von Büdhting, ann, Vieren⸗ 
Hee, Däzel, Trunt, Späth, Schilcher, Baulfen 
u. k w., vor allen die von ©. 2, Hartig, H. Cotta, 
Hopfeld, König, Hundeöhagen, Karl Heyer u. a. 
förderten wejentlic den Ausbau der mathem. Seite 
der F. jo aud die Forfteinrichtung. Die eigentliche 
Foritmathematik ſchien lange Zeit durch König einen 


909 


Abſchluß gefunden E baben, erſt in neuefter Seit 
wurben durch Preßler, ©. Hever u. a. auch bier 
wieder dem Fortſchritt neue Bahnen eröffnet. Auf 
bemielben Gebiete verdanken wir in neuefter Zeit 
den Arbeiten der forftlichen Verſuchsanſtalten, nas 
mentlid denen von Baur, Kunze, Lorey, Schuberg, 
von Guttenberg u. f. w. ganz Hervorragendes,. 
Weniger ———— ſich die Entwicklung 
der F. auf dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften, da 
dieje jelbit ja noch Ende des 18. yanı. auf einer 
tiefen Stufe der — ——————— ahnbrechend 
namentlich in forſtlicher Beziehung war trogdem 
jr in der Mitte des 18. Jahrh. der franz. Marine 
nipeltor Dubamel du Monceau, deſſen höchſt wert: 
volle forftlihe Arbeiten großenteild überfegt und 
dadurch auch einflußreih in Deutichland wurden. 
Zuerit widmete man fich Dog! e der beſchrei⸗ 
nden Botanil, jo Enderlin, Gleditſch, von Burgs⸗ 
dorf, fpäter Th. Hartig. Die fehr wichtige Krank: 
beitslebre hat erft in neuefter Zeit durch Willlomm, 
namentlih aber durh R. Hartig entiprechende 
Bearbeitung gefunden. 
Die forftlibe Zoologie wurde befonderd durch 
die großartigen Inſeltenverheerungen angeregt, die 
egen Ende des vorigen —*— viele deutſche 
aldungen heimſuchten. Bechſtein und Raßeburg 
find verdiente Forſcher auf dieſem Gebiet. (Die 
neuere Litteratur |. Forftinjelten.) Bon einer An 
wendung der Chemie und Bodenkunde konnte vor 
Liebig kaum die Rede fein, alle frühern Schriften 
find wertlo8 und erft in neuefter Zeit find die ae 
diegenen Arbeiten von Ebermayer und von Schröder 
u. em. wirklich bedeutend. — Der llimatiſchen Be 
deutung des Waldes, zuerft ausführlich (1825) von 
dem —— Moreau de Jonnes behandelt, ſind 
außerſt zahlreiche Schriften gewidmet, deren Wert 
indeſſen meiſt zweifelhaft iſt, da ſie vielfach nur auf 
Dunotbeien En find. Erſt der neueften Zeit 
fieb es vorbehalten, auf Grund inbuftiver For: 
fhungen die Wahrheit von den Vhantafiegebilden 
zu jondern. — Bon den ——— ſind es 
namentlich der Waldbau (j. d.) und der Forſtſchuß 
(f. d.), fowie Teile der Forfteinrihtung (j. d.) und 
der Foritbenußung (j. d.), nämlich Waldeinteilung, 
Füllung und Verwendung des Holzes, die mehr 
und mehr den Eharalter echter Wifienicaft ewin⸗ 
nen, je mehr ſie ſich auf die Naturwiſſenſchaften 
ftügen. Immerhin wird ja fie aber nad) wie vor 
eine fih von Vorurteilen freibaltende Empirie eine 
Hauptgrundlage bilden müflen; denn wenn wir 


3. B. den Wert eines Kulturverfahrens beurteilen 


wollen, Io ** dabei nicht bloß die Frage eine 
wichtige Rolle, aus welchen naturwiſſenſchaftlichen 
Gründen ein ſolches Verfahren Empfehlung ver 


diene oder nicht, ſondern auch die des wirklichen 
Erfolges, der nur auf Grund der im großen ge 
wonnenen Erfahrungen beurteilt werben lann. Und 
fo ift es a I andern wirtjchaftlichen Fragen. 

Nicht jo | nell und tief, wie die Matbematif und 
die Naturwiſſenſchaften, tonnten die vo are 
lichen Lehren Einfluß auf die Geftaltung der dorſt⸗ 

olitik (f. Forftpolizei) und deren wiſſenſchaftlichen 

ufbau nehmen. Bon einer Mar durdhgebildeten 
Vollswirtihaftslehre konnte ohnehin vor Adam 
Smith überhaupt nicht geſprochen werden, und bis 
auf den heutigen Tag machen ſich mit wechſelnder 
Macht die verſchiedenſten Strömungen geltend, Die 
ſchwer mag Foritwirtihaft fonnte und kann 
weder in ihrer Lehre noch in der That den lektern 


910 


raſch folgen. So tommt es, daß bis in die neuefte 
eit der auf dem phyſiokratiſchen Syſtem fußende 
rundfaß der höchſten Robprodultion vielfadhe Ber: 
treter Ian und nod findet. Bei feiner Wirtſchaft 
ift die jocialiftiihe Aufgabe des Staates, für mög: 
lichſt reihlihe und billige Befriedigung der Be: 
dürfnifie der Staatdangebörigen direkt zu forgen, 
o ſcharf hervorgetreten als bei der Forjtwirtichaft. 
obl hängt dies damit zufammen, daß gerade be: 
züglic des Waldes ſich der Gemeinbefig gegenüber 
der immer ſchärfer hervortretenden Entwidlung des 
Privateigentumsd am längften erhalten hat. Mit 
wenig Ausnahmen beberrjcht diefe Idee die Littera- 
tur des vorigen und bie der erften Hälfte des jekigen 
Jahrhunderts. Hieraus erllärt fih aud zum Teil 
wenigitend der mitunter weitgehende Einfluß des 
Staates aufdie Forſtwirtſchaft der Privaten (f. Forſt⸗ 
olizei und Forſtſchutz), wenn auch hierbei die wirt: 
haltlicen igentümlichleiten der Forſtwirtſchaft 
f. d.) eine wejentlihe Rolle mitfpielen. Erit die 
neuefte Zeit hat bier in Wiffenfhaft und Wirtſchaft 
neue Bahnen eröffnet, indem man legterer nicht das 
gi des höchſten Rob», jondern das des höchſten 
einertrages ſetzte. ebenfalls find heute alle äl- 
tern Werte über die og. Staat3forftwirtfchaftslehre, 
ehe u. ſ. mw. veraltet, N und mebr 
reijt die Anſchauun ki, daß felbit der Staat 
feiner eigenen Doc haft Gewicht auf deren 
Ananzwirtfhaftlice edeutung zu legen babe. 
Litteratur. Allgemeine Encollopädie der ge 
famten Forit: und Jagdwiſſenſchaften (bg. von 
von Dombromfli, 8 Bve., Wien 1886 93); Illu⸗ 
ftriertes rg und Jagpdleriton (bg. von von Fürft, 
2. Aufl., Berl. 1903 fg.); Heß, Encptlopädie und Me: 
thobologie der F. (3 Tle., Nünd. 1885—92); Edert 
und von Liburnau, Lehrbuch der F. (2. Aufl., 4 Bpe,, 
Wien 1903); Loreys Hanbbud der F., bg. von 
Schröder (2. Aufl, 4 Bde., Tub. 1903 fg.). Zur Ge: 
—3* ber F. vol. namentlich: Bernhardt, Ge 
5* des Waldeigentums, der Waldwirtſchaft und 
der F. in Deutſchland (2 Bde. Berl. 1872 — 74); 
Data Handbuch der Forft: und Jagdgeſchichte 
Deutihlands (ebd. 1885—88) ; deri., Grundriß der 
Fort a Jagdgeſchichte Deutihlands (2. Aufl., 
ebd. B 


oritzeichen, die mit einem Hammer an die zu 
fällenden Hölzer oder an das bereits aufgearbeitete 
Holz (ſ. Holzaufbereitung) angefhlagenen Zeichen. 
Gritere dienen den Holzarbeitern zur Anmeifung, 
welche Hölzer gefällt werden ſollen, letztere find Kon: 
trolljeihen dafür, dab das Holz vom Revierver: 
walter vorihriftsmäßig abgenommen worden ift. 
An & Frevelftämmen (f. d.) bedeuten die $., daß 
die Stämme von einem Forjtbeamten en wor: 
den find. — F. nennt man auch folde Zeichen, die 
zur Orientierung im Walde oder zur Unterftügung 
der Waldeinteilung (f. d.) angebracht werden. Da: 
bin gebören in Bäume eingejchnittene Zeichen, fer: 
ner Zafeln, Steine u. |. w., auf denen die Nummern 
der Abteilungen (Jagen, Diftrikte) angegeben find. 
Forſtzoologie, Kenntnis der forjtwirtichafte 
lich ſchädlichen und nüglichen Tiere (j. Forſtinſelten 
und Waldverderber) und der Jagdtiere. — Bal. 
Altum, Forftzoologie (2. Aufl., 4 —* Berl. 1876 
—82); Edſtein, Forſtliche Zoologie (ebd. 1897). 
ee f. Jeuerungsanlagen und Betroleum. 
orfyth (fpr. -feith), Sir Thomas Douglas, 
angloind. Polititer und Neifender, geb. 1827 in 
Birlenhead, ging 1848 ala Beamter der Oftindijchen 


Forftzeihen — Fort 


Compagnie nad Djtindien, wo er zunächft im Ban: 
dihab angeftellt wurde. Dort ur er energiiden 

nteil an der Unterbrüdung der Rebellion 1857 und 
rüdte bald zu bö Poſten auf. 1869 war er in 
Rußland in der afghan. Örenzfrage thätig, 1870 be 
gab er fih im Auftrage deö Generalgouverneurs 
ord Mayo an der Spige einer Gejandtichaft 
Antnüpfu rar ng Beziehungen mit, 
fub Begna rfeftan, lam aber nur bis Jarlanı. 
Bei einer Gejandtihaftsreife im Juni 1873 er: 
reihteer Kaſchgar und ſchloß einen vorteilhaften Ham 
delsvertrag (Febr. 1874), während die Expedition, 
an der ſich Sioliczla, Trotter, Gordon u. a. beteilig- 
ten, zugleich reichen wiſſenſchaftlichen Ertrag lieferte. 
Für die glüdlihe Ausführung diejes Unternehmens 
wurde er in den Ritterftand erhoben und zum Mit⸗ 
glied des Legislativen Rats für Indien ermannt. 
1875 übernahm F. eine diplomat. Miffion nad 
Birma, lehrte 1876 nad England zjurüd und ftarb 
17. Dez. 1886 in Gaftbourne. Bon ihm erſchienen: 
«Despatches and memoranda, or extracts of de* 
patches and memoranda, which have been seat to 
the government of India since 1866» (1869), «Fs 
mission to Yarkand» (1871) und «Report ofa 
mission to Yarkand in 1873» (Ralltutta 1875; 
deutſch im Auszug: Ditturleftan und das Bamir: 
plateau», Gotha 1877). — Bol. Autobiography 
and reminiscences of Sir Douglas F. (Lond. 1888). 

Fort (frz., fpr. 67. geh Befte, ein in per 
manentem oder provijorif Ebaralter ausgeführ: 
ter felbftändiger vereinzelter Berteid 
(Sperrfort, — oder ein zum Spitem 
einer ausgedehnten Befeitigung neböriges einzelnes 
Wert, welches feine felbftändige Berteidigung bat 
und von ahnlichen benahbarten Werten oder von 
der Hauptummwallung nur in bedingter Weile 
unterjtügt wird. Ein ſolches F. beißt auch deta: 
biertes 5. In der neuern Befefti find die 
großen wichtigen Waffenpläge meift von einem 
md ortögürtel umgeben (f. —— 

Die F. wurden anfangs als gemeinſame Ärtil 
lerie: und Infanterieitellung mit einem bochragen: 
den Wall verjeben, welcher, mit durchlaufenden 
Geihüsbänten und zablreihen Traverjen (in bie: 
en Hohlräume und Treppen) auöge ber Ju: 
anterie wenig Raum zur Entwi gab. 
Frankreich trennte man deshalb beide Bofitionen 
und ftellte die Artillerie auf einen innern überböben: 
den Ravalierwall, indem man ben vordern ber In 
fanterie überließ. In Deutihland ja man Ni 
veranlaft, wenigſtens ftüdweije Infanterie: 
niedermwäle nadträglih den 5. einzufügen. Die 
Ginführung ber —— — und 

ranaten machte die Geſchützaufſtellung auf 

all unmöglih und gefährdete durch die farle 
Wirkung gegen alle biöher aufgeführten Mauer: 
bauten die Berteidigungsfäbigleit der F. in dem 
Maße, daß man (feit 1886) allerorten einen 
liben Umbau ber beſtehenden e in i 
nahm und die Neubauten nach ganz andern Bri 
cipien anlegte. Die Artillerie wurde arumbjäglid 
von der Infanterie getrennt derart, daß man ent: 
weder die F. ald —— erbaute und 
der Artillerie das Außengelände anwies, oder um: 
gelehrt die F. zu reinen Artilleriewerten gejtaltete 
und die Infanterie im Gelände fi einniften fieh, 
oder endlich fog. Einheitswerle entwarf, bei welchen 
Artillerie und Infanterie in demfelben Werk neben 
oder bintereinander ihre Stellungen baben. 


Fortaleza de Ceara — Fort Yuguftus 911 


Als Grundfas wird ferner angenommen, daß die 
Fernfeuergeihüße der F. unter Banzer jteben 
um fi) halten zu können, deshalb find die F. ent⸗ 
weder reine Panzerbatterien (Kopenhagen) oder be 
Aa aus einer Panzerbatterie und einem offenen 


njanteriewall(Einheitömwerte). Nur 
rtalmont ftellt auch Panzer auf den 
Infanteriewall (Fig. 1). Hier find 
a—f Ruppeln, und zwar a für zwei 
15 em⸗, b für zwei 12 cm:fanonen, 
e für eine 12 em⸗Schnellfeuerhau⸗ 
bige, d für eine 21 cm:Haubiße, e 
für eine 57 mm:Schnellfeuerlanone 
und f für einen eleltrijchen 
— 
ie Aufgabe der F. als 
eg tußpunkte be 
teht in der Selbftverteis 
digung gegen jeden ge 
waltfamen Angriff und 
in der träftigen 
Unterftügu 
der Intervalle, 
Bei den Eins 
beitd: und Bat⸗ 
teriewerten 
kommt bierzu 
als dritte Auf: 
gabe die Fern: 
wirtung. Die l 
Selbſtwer teidi⸗ 
ung wird wes 
ft ib unter: 


tügt durch leichte Schnellfeuertanonen, welche am 
beiten in Sentpanzern ftehen und erſt im Bedarfs: 
falle geboben werben; der Intervallflankierung 
dienen meiſt Traditorgeihüße, d. b. Geſchutze mitts 





Big. 9. 


lern Ralibers, welche in Kaſematten binter der 
Keble des F. aufgeftellt, aus dem Vorgelände nicht 


zu belämpfen find. 


Die Sturmfreiheit wird durch einen ringsum laus 
fenden, aus Reverstaponnieren beftribenen Graben 





müflen, 



















Bei den Einbeitöwerlen (Fi 
Durchſchnitt AB der Fig. 2 
a Ruppeln für ſchwere Geſchütße, b für Schnell» 
euerfanonen, c für Beobachter) wird meijt bie 

anzerbatterie auf dem aus Betonmauerwert 
bergeftellten Kaſemattenklorps Tan german und 
diejed umgiebt der Infanterie 
niedrigerer * wenn bie Geſchuhze direlt 
feuern ſollen 
und die Gef 


Jahren hatten, wählt man gern den breiedigen 
megen ber vereinfachten Flantierung des Grabens, 
Nah dem Kehlgraben öffnen ſich die Fenfter des 
Kaſemattenlorps; bier liegt der Eingang, meift in 
Höbe der Grabenjohle, und als vorfpringender 


die Traditorbatterien (d in Sig. 2 
und 4) und die Sebllaponniere 
(die Oſterreicher legen die Tradi⸗ 
tortafematten in die Endblöde des 
——— und laſſen 
dieſes geſamt zurüdfpringen). Der 
Wall wird moͤglichſt —— 
ten, und die notwendigen Traver⸗ 
ſen dürfen nicht über: 
ragen. Die Zugänge aus 
den Hohlräumen (Unter: 
tunfts· und Bereitſchafts⸗ 
räume) müjlen dem feinds 
lihen feuer entzogen 
fein. Die zur Unter: 
ftügung der In⸗ 
fanterie dienen⸗ 
dengepanzerten 
—— 
nonen jind am 
beften feitwärt® 
auf den 
punkten des 
Walls aufge 
* (Fig. 4 
nfanteriewert 
nad von Bruns 
ner; a Ruppeln 


.2 und Fig. 3 [ald 
nah von Brunner; 


für Schnellfeuerlanonen, b Bi. Sum Sig 


entiweber in 


anonen), oder in höherer Lage 


5 maäfierend, wenn dieſe ins 
direlt feuern (Haubigen). 

Auf den Fl | 
fhlußbatterien (außerhalb des Grabenbinder: 
nijjeg) angelegt zur Aufnahme der Gejchüße ber 
fog. Sidherheitäarmierung. 


eln der F. werden meilt Anı 





Fa. 4. 


ortalẽza de Gearä, braſil. Fort, |. Geard. 
ort Auguftus (pr. abaöktdh), Dorf am Süd» 
mit einer Kontereslarpenmauer von mindeſtens tende des Loch Neß im Glenmore, in der ſchott. 
5 m Höhe und mit aufftehendem Hindernisgitter | Graficaft Inverneß, hat (1891) 611 E. An Stelle 
—— Ein ſolches ſteht auch —— der Es⸗ des 1715 erbauten Forts wurde 1876—80 eine got. 
arpenböjhung. An Stelle des flachgeitredten | Benedittinerabtei mit kath. Knabenſchule erbaut. 
Grundriſſes, melden die F. in den fiebaiger | Der Ealevoniihe Kanal bat oberhalb zablreice 


912 


Shleufen. In ver Näbe ift ein ſchöner Waſſerfall 
(Fall of Foyers). abrilation. 
ortband, eine Sorte Taffetband, ſ. Band: 
ortbildungsfurfe, Unterrichtskurſe für er: 
wachſene Perſonen, die neuerdings in verjchiebenen 
Staaten und Städten, meiſtens an Univerfitäten 
und von Univerfitätäbocenten abgehalten werben. 
Dabei ift zu unterfcheiden zwifchen den 109. Volks— 
ochſchulkurſen einerſeits, die auf möglichſte Ber: 
itung und Populariſierung wiſſenſchaftlicher Bil⸗ 
dung abzielen, und den meiſtens als Ferienkurſe 
bezeichneten Einrichtungen andererſeits, die willen: 
ſchaftlich gebildeten Berfonen Gelegenheit zur Ber: 
tiefung und Fortfekung ihrer Fachſtudien bieten 
wollen; wieder eine andere Geftalt * die ſog. 
a in den flandinav. Ländern. Den 
Anſtoß gab England, wo feit 1873 die ala Univer- 
sity extension movement (f.d.) befannte Bewegung 
or Pi Fortſchritte machte. 

Seit 1837 bat fih Norbamerila dem Borgang 
Englands angeichloflen, und auch bier hat die Be: 
wegung raſch Wurzel gefaßt. In Amerika, deſſen 
jungen Hochſchulen die Autorität fehlt, mußte man 
wir nod die Hilfe des Staates in Anſpruch neb: 
men, und ba eö vielfach an geeigneten Lehrern feblte, 
eigene Anſtalten für die Heranbildung von ſolchen 
gründen. Die Einrichtung von Korreſpondenzkurſen 

um Unterricht in absentia dient als Erjas oder ala 
Kotjebung für die perfönlihe Teilnahme an den 
rien, weiſt aber zugleich auch auf den mehr ſchul⸗ 
mäßigen Unterrichtöbetrieb der amerit, Hochſchulen 
bin. Noch früher hat ſich in Amerila (Chautauqua) 
bie Sitte eingebürgert, vor allem für Lehrer und 
Lehrerinnen in den Ferienmonaten Juli und Auguft 
Sommer: oder Ferienkturje an den Univerfitäten ab: 
ubalten, damit fie hier ihre Kenntniſſe wieder auf: 
Friihen, erweitern und vertiefen können, 1888 adop⸗ 
tierte Oxford dieſes Syſtem, und Cambridge folgte 
nad. In beiden Ländern hatte auch diefe Einrich⸗ 
vn roßen Erfolg. 

— außerhalb Englands und Amerikas die 
Univerſitäts⸗Ausdehnungsbewegung im engern 
Sinne ſich in ben ſtandinav. Reihen und in Bel: 

ien, jeit 1895 aud in Öfterreih und Rußland Bahn 

vad, verhielt ſich Deutihland anfangs ziemlich 
ablebnend dagegen. nterjemeiter 1896/97 
bildete ſich jedoch in Münden ein Vollshochſchul⸗ 
verein, ber mehrſtundige, gut beſuchte Vortrags: 
cyllen abbielt, und auch in Leipzig wurden von Uni: 
verfitätöbocenten populärwiflenihaftlice Vorträge 
gehalten, während in Berlin der Senat den von 
52 ———— des alademiſchen Lehrloͤrpers ge: 
ftellten Antrag auf Einrichtung von Volkshochſchul⸗ 
turjen ablehnte. Seitdem bat Ach jevob aud in 
Deutihland die Boltöbohihulbemegung immer 
weiter verbreitet, und fajt auf allen deutichen Uni- 
verfitäten ige — Anjäge dazu vorhanden. 
Es bat fih ein Verband von Hochſchullehrern für 
veltstümlihe Kurje gebildet, der 1900 im Verein 
mit der Gentraljtelle für Arbeiterwohlfahrtseinrich⸗ 
tungen in Münden jeine erfte Generalverjammlung 
abbielt. Sebr viel Ahnlichkeit mit der University 
extension haben die Lehrgänge des Freien Deut: 
ſchen Hodhitifts (ſ. d.) zu Frankfurt a, M. die nah 
dem Lehrplan von 1885 auc dem nicht fahmäßig 
Gebilveten einen liberblid über den Stand und die 
allgemeinen Ergebnifje der betreffenden Wiſſenſchaft 


Fortband — Fortbildungsfurfe 


dazu noch befondere Vollsvorleſungen getreten. J 
Berlin verfolgt die Humboldtakademie (f. d.) mit 
ihren meiſt 10—12ftündigen Vortragdchklen ahn 
lihe Zmede; mehr noch bat die Sitte der Ferien: 
kurſe an einigen deutichen Univerfitäten Boden 
gewonnen. Nachdem die militärärztlichen F.(j.unten) 
Ihon geraume Zeit eingeführt waren, begann die 
Univerfität Jena 1889 im Anſchluß an das ament. 
engl. Syſtem Ferienlurſe (Summer Courses, Cours 
de perfectionnement) einzurichten, die jeither al 
jäbrlih im Auguit ftattfinden und in drei Grupren 
(Raturwifienihaften; Hugieine, Pſychologie, Phile— 
ſophie und Päragogit; Sprachiurfe, Pitteratur un 
Geſchichte) zerfallen; an der erften ſollen nur 
Lehrer höherer Unterrichtsanſtalten teilnebmen, die 
übrigen find Lehrern und Lehrerinnen aller Säul 
gattungen zugänglich. Diefem Borgang folaten 
dann aud andere deutſche Univerjitäten für be 
ftimmte Fächer, jo Halle und Berlin für Social 
wiſſenſchaft, Münden und Bonn für Archäologie, 
Münden für Geograpbie, Greifswald für fran 
Spradhe und Kultur, Bonn, Breslau umd Halı 

t Theologie; neufpradliche und naturmwifienihaft 
iche Kurſe werden aud in andern als in Um 
verfitätsjtädten gehalten. Bon bejonderer Beder 
tung find aud die von dem enge Ic JR 
ftitut (f. d.) ſeit 1890 in Geftalt einer Studientene 
durch Italien veranftalteten 5. für Archäologen un 
die von ben meijten größern beutichen Staaten 
(Preußen, Bayern, Sachſen, Baden, Heflen) einge 
richteten archäol. Ferienkurſe für Gpmnafiallebrer 
Die F. für rauen an der Univerfität Göttingen 
waren ebenjo wie die Borlejungen an dem di 
toria⸗Lyceum in Berlin Anfänge eines regelrehten 
drauenjtubiums (j. d.). 

Endlich find noch die zunächſt in der fran Shen; 
(Genf und Laufanne), dann auch in une 
(Paris) eingerichteten Ferienturje für Auslande 
(cours de vacances de frangais moderne) ju t" 
wähnen, in denen Vorträge über franz. Litteratut 
und Sprachwiſſenſchaft in Verbindung mit pral 
hen jcriftlihen und mündlichen Übungen da 

eilnehmern eine eingebendere Kenntnis des {rar 
zöſiſchen vermitteln jollen. 

Weſentlich verihieden von den bisher genannia 
Einrihtungen find die Volkshochſchulen ın da 

anbinav. Staaten, die zuerft Grundtvig (j. d. % 

änemart 1844 in nationalem und griſil Inter 
eile ind Leben gerufen hat, und die ſich nun ın mr 
biedenfter Weiſe das Ziel fegen, der ermadieneı 

ugend, namentlich des Bauernjtandes, nad % 
endigung der Schulzeit eine erweiterte Ausbilduns 
und fachlichen Unterricht zu verjchaffen. In ven # 
eriten Jahren ihres Beſtehens (1844—94) find 1# 
folher Anſtalten in Dänemark eröffnet und det 
find im ganzen von ungefähr 110000 Berten 
befucht worden; der vermehrte Bejuch im Bini 
(75000 gegen 35000 im Sommer) zeigt, dab \* 
vor allem auf die Heranziebung und Hebung X 
Bauernitandes berechnet jind. Nach Abftreifung I’ 
ibnen von Grundtoig aufgedrüdten national-&nt- 
Charalters entiprechen fie dem, was wir in Deutie 
land unter dem Namen von landiwirtidaftlist 
und gewerblihen Fortbildungsſchulen (ſ. d.) bar. 
von unjern Einrichtungen aber unterſcheiden fe 
dur Betonung des erziehlihen Moment! und de 
durchaus privaten und freien, nicht reglementierte 


ewäbren follen. Jeden Winter werden act fünf: | und deshalb den Verbältnifjen und Wunſchen I 
ndige Kurſe gehalten. Seit einigen Jahren find | Bevölkerung mehr angepaßten Ebaralter, dem 





Fortbildungsſchulen 


die gewährte —————— (ſeit 1892 jakrlich 
120000 Kronen) keinen Eintrag thut. Der Wert 
diejer Schulen ift übrigens kein ganz unbeftrittener, 
und der Berfuch, fie auch in die dän. Hauptitadt zu 
verpflanzen, iſt wiederholt geicheitert; —* Eat 
dort die Univerfitätsausdehnung (Abendſchulen für 
Arbeiter) Boden zu gewinnen. In Schweden und 
Norwegen giebt es ebenfalls ſolche Vollshochſchulen 
und daneben feit 1893 auch Sommerkturfe an den 
Univerfitäten. 

Vol. James Earl Ruſſell, The Extension of Uni- 
versity teaching in England and America (aud 
veutih, Lpz. 1895); Harald Hjärne, Univerfitetens 
toltbildningsarbete i land (Upfala 1893); 9. 

ojendal, Danmarts Foltehöjftoler og Landbrugs: 
joler 1844— 94 Odenſe 1894); ©. Hamdorff, Die 
—— und die Vollsbildung in England (in 
den «Gomenius-Blättern für Bo *** II, 
Nr. 5/6, 1895); derf., Über den Stand der Volks— 
hochſchulen im Auslande (ebd., IV, Nr. 1/2 u. 5/6, 
1896); W. Rein, F. an der Univerfität (Bd. 2 des 
«Encytlopäd. rag der Pädagogib», Langen 
jalza 18%); M. Hirſch, Biffenfhaftlicer Eentral- 
verein Humboldt: Akademie. a A Ihätig: 
feit und Entwidlung 1878—96. Beitrag zur 
Bottebohfaulfsnge Wert. 1896); Neyer, Handbuch 
des Volls bildungsweſens —— 1896); Friedr. 
Ratzel — und Vollsbildung in Deutſch⸗ 
land (Münd. 18%); GC. Schulge, Vollshohfhulen 
und Univerfität3auspebnun ee RS N): 
Rein und Fleih, Vollshochſchulkurſe 1900). 

Militärärztlide F. nennt man folde zu 
periodifcher Vervollftändigung der in den militär- 
ärztlichen Bildun Sanftalten (1 d.) erlangten Kennt: 
ne und ertigleiten eingerihtete Kurſe, melde 
teild (wie in England und et in organis 
ihem Zufammenbange mit den Fachſchulen, teil 
(wie in Deutihland) unabhängig von diejen ab- 

ebalten werden, teils ih (wie zur Seit der 
Militärärztlihe Kurjus in Öfterreih) die Fach— 
ihulen zu erjegen bejtimmt find. Operations: und 
ygieiniſche Übungen, fpecielle —22* der 
ärztlichen ag auf militär. Smede, Kennt: 
nis militärärztliher Organifationen bilden im all: 
gemeinen den haup afich er der F. In 
der deutſchen Armee haben die $- e umfaſſend 
und eigenartigite Gejtalt im 12. (königlich jächt.) 
Urmeelorps durch den Generalarzt Roth 1871 er: 
balten. Du aktive preuß. und württemb. Sanitäts- 
offiziere ſowie für ſolche der kaiſerl. Marine finden 
5 beit 1873 jäbrli im Frühjahr und im Herbit zu 

erlin ftatt, neuerdings find ſolche aud für Sani- 
em Fig u chiedenen 
Univerfitätsorten eingerichtet. — Vol. W. 
militärärztlihen 5. für das fönig * ſächſ. Sani⸗ 
tatslorps u.ſ. w. (im der en militärärztlichen 
Beitihrifte, Jahrg. 1872); H. Frolich, Militärmedi- 
zin —54 w. 1887). 

ortbildungsfchulen, eine aus den Sonntags: 

ſchulen (f.d.) hervorgegangene Einrichtung. Die F. 
baben den Zwed, Knaben (in einigen Staaten auch 
Mädchen) nah dem —— der Vollsſchule die 
erworbenen Kenntniſſe alten und zu vertiefen 
oder auch ihnen die Elemente der Berufsbildung 
mitzuteilen. Der Unterricht wird meiſt an einigen 
Abenden der Werktage erteilt; die Zahl der wöchent: 
lichen Unterrihtsjtunden beträgt gewöhnlich 2—4, 
bier und da fteigt fie bis 6. Der —* der 5. tft 
in Württemberg, Sachſen, Baden, Hejien, Weimar, 

Brodhaus’ Honverfations-Leriton.,. 14. Huf. R.U. VL 


913 


Meiningen, Coburg, Gotha, Sondershaufen obli« 
atoriſch, in Preußen noch nicht, troßdem ſich das 
iniftertum für Handel und Gewerbe in einer Ber: 
Meung vom 31. —5* 1899 für den — er⸗ 
rt bat. Auch Medlenburg iſt in dieſer Beziehun 
noch im Rüdjtand. Die Verpflichtung zum Bei 
dauert in Württemberg 4, in Sachſen und Hefjen3, in 
Baden für Knaben 2, Yu Mädchen 1 Jahr, in man: 
den Ka gem it ald Grenze das vollendete 
17. Lebensjahr angenommen. Sie ift in Württem: 
berg und Baden beiden Gefchlechtern, in den übri« 
en Staaten nur den Knaben —5* Ni Bayern 
ind Knaben und Mädchen nad) ihrer tlaffang 
aus der Werktagsſchule zum Beſuch der Sonn: und 
Feiertagsſchule verpflichtet, die ihren Abſchluß durch 
erfolgreiche Beitehung der öffentlihen Schulprüfung 
in dem Jahre findet, in dem die Schulpflichtigen das 
16. Lebensjahr zurüdlegen. Schulgeld wird in der 
Regel nicht erhoben, Näch $. 120 der Reichsgewerbe⸗ 
ordnung, welcher in Kraft tritt, mo landesgeſetzliche 
Beitimmungen über die F. nicht befteben, find die 
Unternehmer verpflichtet, die für den Beſuch der 
—— — erforderliche Zeit zu gewähren. 
ie Schulpflicht kann durch Orisſtatut begründet 
werden, was namentlich * reußen von Bedeutun 
iſt. Bezug auf die Unterrichtsfacher iſt im all: 
gemeinen die Beitimmung des württemb. Geſetzes 
von 1836 maßgebend geworden, daß diejenigen 
Unterrichtögegenftände zu pflegen jeien, die für das 
bürgerliche Xeben vorzugsweiſe von Nupen find. Um 
bei der fnapp bemeflenen Zeit eine ganz oberfläc: 
lihe Behandlung der verſchiedenen Bildungsele: 
mente zu vermeiden, vereinigt man in neuerer Zeit 
namentlich in größern Städten, die Schüler na 
ihrer fadhgewerblichen Thätigteit und fließt an 
diefe den Unterricht an. Bei Schülern ohne ge 


& | werblichen Beruf verwendet man vorzugämweife die 


Heimat ald Mittelpuntt. Neben den allgemeinen F. 
beſtehen auch berufliche F., fo landwirtſchaft⸗ 
liche, kaufmänniſche und gewerbliche. 

Die landwirtſchaftlichen F. verfolgen nur den 
weck, die aus der Schule entlaſſenen Söhne der 
leinern ländlichen Grundbefiger oder ländlichen 
Arbeiter in den Winterabenditunden in den Ele 
mentarfächern weiter fortzubilden und ihnen einige 
Kenntniffe in der Naturwiſſenſchaft und Landwirt: 
chaftslehre beizubringen. Die größte Ausdehnung 
aben dieſe E nächſt Bayern und der Rheinprovinz 
auptjählih in Württemberg gefunden. Wo bie 
. au auf dem Lande obligatorifch find, find die 
ndwirticaftlihen F. neuerdings meift in dieſe 
aufgegangen. : 

aufmänniſche 3. find entweder Lehrlings: 
ſchulen (f. Handelsihulen) oder fie ſchließen ſich 
ebenfalls als Vollſchule, gewöhnlich mit einjährigem 
Kurjus, an die Volks Aufe an und bereiten ihre 
Böglinge in engern Grenzen als die höhern Han: 
delsſchulen auf den kaufmänniſchen Beruf vor. 

Gewerbliche F. find dazu beftimmt, jungen Ge: 
werbtreibenden eine den Berürfniffen ihres Stan: 
des angemejjene allgemeine Bildung zu bieten. Das 
deinen wird in ihnen befonderd gepflegt. Sie 
üpfen an die allgemeine Boltsfhule an und find 
jo organifiert, daß der Beſuch während der Lehrjahre 
möglich ift. Wo die F. obligatorisch find ne 
- gewöhnlich von diefer. Mufterhaft find fie in 
ürttemberg, wo fie unter Steinbeis Zeitung zum 
Grundſtock der gewerblihen Ausbildung geworven 
find; ferner in Baden, wo fie Gewerbeichulen heißen, 


914 


und in Sadjen, 3. B. die Handwerkerſchule des 
Handwerkervereins in Chemniß. 

Bejondere F. für dad weibliche Geſchlecht find 
in neuerer Zeit an vielen Orten von Vereinen, Ge: 
meinden und Privatperfonen eingerichtet worden. 
Man kann fie einteilen in allgemeine, gewerbliche 
und hauswirtſchaftliche RG Die erjtern En in Ba: 
den und Miürttemberg allgemein obligatorijch eins 

efübrt, in Heſſen, Sachſen und Sachfen-Altenbur 
Önnen fie auf Antrag der Gemeinde obli torte 
eingerichtet werben. Gewerblihe %. für Mädchen 
find über ganz Deutfhland verbreitet; befonders 
ablreich finden fie fi in Süddeutſchland, in Heflen, 
IBaden, Württemberg, Bayern. (Val. Frauenarbeits⸗ 
—* Handarbeitsunterricht, Haushaltungsſchu⸗ 
en.) Außer Deutſchland wenden auch faſt alle übri- 
gen Staaten der Erbe dem Fortbildungsihulmeien 
ıbr Intereſſe zu. So beftimmt in Schweden bas 
Geſeß vom 10. Dez. 1898 als Fächer für die F.: Ne 
ligion, Mutterſprache, Rechnen, Geometrie, Zeich— 
nen und, wenn angängig, Geſchichte und Natur: 
hunde, England werden in den $; gleichfalls 
die Volksſchulfächer der 1. Klafje gelebrt. Jeder 
Engländer im Alter von 12 bis 21 Jahren darf dieje 
5 befucben. Aud in Nordamerika wird das ort: 
ildungsſchulweſen Ye, gepflegt. Als F. find nicht 
allein die Sonntagsſchulen anzuſehen, jondern auch 
bie Grammar- und Highschools, In Holland füb: 
ren bie 5. den Namen Wiederbolungsfchulen. Dieje 
unterrichten auch in den Volksſchulfaͤchern. In Bel: 
gien beiteben als &coles d’adultes teild Elementar: 
furfe, durch welche die jungen Leute ihre in der 
Vollsſchule erworbenen Kenntniſſe erweitern lönnen, 
teild Kurſe der Wiederholung und VBervolllomm: 
nung, durch welche der Unterricht in weitere Bahnen 
eführt wird, teild Specialturfe für Handwerk, Ader: 
au, Gartenbau, Geometrie, Zeihnen, Spraden 
u.f. w. Dieſe Schulen dürfen im allgemeinen erft 
nad dem 14. Lebensjahre befucht werden. Die ge: 
werbliben F. Frankreichs (&coles professio- 
nelles) ftehen auf einer fehr hohen Stufe der Aus: 
bildung. Sie find für junge Männer ebenjo wie 
für junge Mädchen beitimmt. Der Unterricht in 
ihnen ift zumeift theoretiſch und techniſch. Die Bes 
dingung zur Aufnahme in eine ſolche Schule ift der 
Bei der Volksſchulkenntniſſe. Die 5. für d⸗ 
chen befaſſen ſich mit Buchführung, Schönſchreiben, 
Stenographie, Schneidern, Stiden, Pugarbeit, 
— u.a. In Portugal ſorgen für die Fort: 
—* der Knaben und Mädchen die Sonntags: 
und Abendichulen. Spanien bat die Gemeinden 
durch Geſetz verpflichtet, für den Fortſetzungsunter⸗ 
richt Beranftaltungen zu treffen, und zwar ift der 
— Pflichtunterricht in allen 
emeinden über 10000 Einwohner. Auch müſſen 
nah Geſetz vom 24. Febr. 1873 = Sabrifberren 
5. einrichten, die mehr ald 80 Arbeiter und Ars 
eiterinnen über 17 Jahren beihäftigen. Diefe 
werben ſowohl von — * Arbeitern als von 
Kindern unter 9 Jahren beſucht. Auch in Italien 
pflegt man den Fortbildungsunterricht meiſt in 
Sonntags- und Abendſchulen. Jeder Schüler, der 
die niedere Volksſchule verläßt und keine andere 
Schule beſucht, muß ein Jahr lang die Fortbildungs: 
ſchule beſuchen. Dieſe fann auch nad Art. 57 des 
Geſetzes vom 15. Juli 1877 in eine tägliche um: 
— werden. In faſt allen Kantonen der 
chweiz ſind gleichfalls F. eingerichtet. An meh— 
rern Orten beftehen auch landwirtſchaftliche F. Auch 


Fortdauerndes Verbrechen — tyorteguerri 


Arge hd bat Sonntagd und Abend 
ſchulen für die Kinder beftimmt, die nicht in die 
—— Vollsſchule eintreten. Die ſerbiſchen #. 
Önnen fih außer auf die Vollksſchulfächer auch 
auf verſchiedene Unterrichtszweige der Aderbau- 
induftrie erjtreden. Rumänien find die %. für 
die Kinder obligatoriich, die das 14. Lebensjahr noch 
nicht vollendet haben. Der Unterricht wird gewöhn⸗ 
lich wöchentlich in zwei Stunden erteilt. Rußland 
bietet den Erwachſenen Gelegenbeit, ihre Bildung zu 
erneuern burd die Sonntagsjhulen, in denen zu 
— rn Serra gt ga tetwird, jomie 
durch die Soldatenſchulen. (S. auch Fortbildungs- 
kurſe.) — Vgl. Lüders, Denkſchriften über die Ent: 
widlung der gewerblihen Fachſchulen und F. in 
Preußen während der J. 1879 - 90 (Berl. 1891) und 
während der Jahre 1891—95 (ebd. 1896); Pache, 
Handbuh des deutihen Fortbildungsſchulweſens 
(ZL1—6, Wittenb. 1896—1902); Billeb, Die Fort: 
bildungsihule (Lpz. 1896); Artilel Gemwerblicer 
Unterriht im «Handwörterbud der Staatswiſſen⸗ 
ihaften», Bd. 4 (2. Aufl., Jena 1900); Genaud, Die 
gewerbliche Erziebung in Baden (Reichenberg 1882); 
derf., Die gewerbliche Erziehung in Württemberg 
(ebd. 1882); Die Entftehung und Entwicklung der 
gewerblichen F. und srauenarbeitsfchulen in Würt⸗ 
temberg (Stuttg. 1889); Buiffon, L’&ducation des 
adultes en Angleterre (Par. 1896); Sendler und 
KRobel, Überfihtlihe Darftellung des Vollserzie— 
hungsweſens der europ. und außereurop. Kultur 
völter (2 Bde. Bresl. 1900—1); Lauß, Fortbil: 
dungs: und Fachſchulen für Mädchen (Wiesb. 1902): 
W. Ehmidt, Gewerbliche rg 1902) und die Zeit: 
ſchrift «Die F.», bg. von Pache (ebv. 1887 fg.). 
Fortdanerndes Verbrechen, |. Fortgeiehte: 


Verbrechen. 
Fort de France (pr. fohr dE frangß), ebemal: 
Fort Royal, Hauptitadt der franz. Antilleninjel 
artinique, an der Wejtlüfte, Refidenz des Gou: 


verneurs, bat (1901) 22164 E. ſeht guten Hafen, 
breite Straßen mit niedrigen —— und jtarte 
Befeitigungen. Der Handel (Rolonialmaren, bejon- 
ders Zuder) 3 nicht bedeutend. (S. Martinique). 

Fort de WEclufe (ipr. fobr de letlübf’), im 
franz. Depart. Yin, f. Lecluſe. 

Fort Dodge (fpr. doddſch), Hauptitabt ber 
Eounty Webjter im nordameril. Staate Jowa, am 
Des Moines: Fluß, Eifenbahntnotenpuntt, bat 
(1900) 12162 E.; Handel mit Wolle, Getreide. Ir 
der Nähe Kohlen⸗, Gips: und Thonlager. 

Forte (ital.), in der Mufil die allgemein ange 
nommene Bezeihnung für Stärle des Tons (abge 
türzt f), wie piano (p) für Schwäche. Die verſchie⸗ 
denen Grade der Stärle, die in ber Muſik zur An— 
wendung fommen, find: fortissimo (ff, auch fff), jebr 
ftart; mezzoforte (mf), mittelftart; poco forte (pf), 
etwas weniger al mittelftart; fortepiano (fp), ein 
einzelner Ton oder eine Stelle ftart und das Fol: 
gende fofort wieder leije. In den Bartituren der 
ältern Mufit wurden die Stärtegrade nicht ange 

eben. Nob im 16. Jahrh. findet man fie de 
elten und erſt mit der neuen fonzertierenden Mu- 
fweife des 17. Jahrh. treten fie häufiger auf. 

Fortegüerri, Niccold, ital. Dichter, geb. 
25. Nov. 1674 zu Piſtoja, ftudierte in Piſa die 
Rechte und ging dann nah Rom, wo er Cle⸗ 
mens XI. 1712 Kanonilus an Sta. Maria Maggiore 
und durch Clemens XIL. 1733 Setretär der Propa⸗ 
ganda wurde. Er ftarb 7. Febr. 1735 in Rom 


Fortepiano — Forth 


Der Held feines komiſch-ſatir. Epos «Ricciar- 
detto» in 30 Burg worin er bejonders die ver: 
derbten Sitten des Klerus verfpottet, ift Richarbett, 
eins der Haimonslinder. Es erſchien erft 1737 
unter dem gräcifierten Namen Garteromaco, ben 
don 5.3 Vorjahr, Scipio, geführt hatte (2 Boe., 
ar. [Bened.] 1738 u. d.; befte Nusg., 3 Bde., Mail. 
1813; deuti am beiten von Gries, 3 Bde. Stuttg. 
1831—33). Die übrigen Gedichte F.8 erichienen in 
Genua, Florenz und Pescia, feine Überfeßung des 
Terenz in Urbino 1736 und Mailand 1782. — Bol. 
Ciampi, Memorie di N. F. AN (1813); Procacci, 
N. F. e la satira toscana (PBiftoja 1877). 
Fortepiäno (ital.), der urjprüngliche Name des 


—— N or, Hub), Fluß im nordl. Diſtritt 
ortescue (jpr. -Hub), Fluß im nör 
der brit. Kolonie re ien, entipringt im 


vom Mount:Bruce, * nordweſtlich und mündet 


—— von Kap Preſton in den Indiſchen Ocean. N 


n den Ufern findet ſich grasreicher Lehmboden. 
der Trodenzeit führt er fein oder wenig Wafler. 
er F. wurde 1861 von Gregory ——*— 
erg (fpr. -Hub), engl. —* ie, ſoll von 
Richard Le Fort abftammen, der Wilhelm den Er: 
oberer nad England begleitete und in der Schlacht 
von Haftings mit feinem Schilde dedte, weshalb er 
den Namen Fort-escu (ftarter Schild) erhielt; das 
Wappen der Familie trägt noch jest die Devife: 
Forte scutum salus ducum. 

Sir John * war einer der tapferſten herren 
Heinrichs V. Deſſen älteſter Sohn Sir Henry F. 
war Oberrichter des Court of Common Pleas in Ir⸗ 
land, der zweite, Sir John %., jtubierte in Orford 
die Rechte und ward 1442 Überridhter der King’s 
Bench. Im Kriege der Rofen bielt er fich zu ben 
Sancajtriern und floh 1461 mit der Königin Mar: 
garete nah Schottland und Flandern, wo er für 
den jungen Prinzen Eduard von Wales die berühmte 
Abhandlung «De laudibus legum Angliae» (bg. von 
Amos, Cambr. 1825, und von Thomas [Fortescue] 
Lord Elermont, Cincinnati 1874; deutih von 
Parow, Berl. 1898) fchrieb. F. fam 1471 mit dem 
Vrinzen von Wales nah England zurüd, unter: 
warf ji nad deijen Ermordung dem Haufe York 
und ftarb um 1485 J— feinem Landfige Ebrington 
in Gloucefterfhire. Er jchrieb noch: «De natura legis 
naturae» und e difference between absolute 
and limited monarchy» (bg. von Blummer, 1885). 

Sein Entel John, von deffen jüngerm Bruder 
William die iriſchen Lords Glermont abjtammen, 
war der Ültervater Sir Hugb 7.8, der feiner Groß: 
mutter, der Gräfin von Lincoln, 1721 ald Baron 
Elinton in der engl. Beerage folgte und 1746 zum 
Grafen Clinton ımd Baron $. erhoben wurde, 
Er ftarb 3. Mai 1751, worauf die Grafenwürbe er: 
loſch, die Baronie aber auf feinen Halbbruder Mat: 
thew, geft. 10. Juli 1785, überging. Deffen Sohn 
Hugh, er 12. März 1753, ward 1789 zum Bis« 
count Ebrington und Grafen F. ernannt und 
ftarb 16. Juni 1841. 

Hugh Te per rpher, 
ftubierte in Orford und trat 1804 ald Biscount 
Ebrington ins Unterhaus zu den Whigs. 1839 


915 


baufes, bat fich befonder# um das Sanitätsweſen 
und das Wohl der niebern Klaſſen verdient gemacht. 
Er verfaßte verjchiedene dieje ragen behandelnde 
Schriften, varunter «The health of towns» (1844), 
« Parliamentary reform» (1859 u. 1884), «Public 
school for the middle classes» (1864). — Bol. Tho⸗ 
mas (Fortescue) Lord Elermont, History of the 
— F. in all its hi er ah 
o cue (pr. - Chicheſter Samuel Bar: 
tinfon F., eng Korn er, |. ine. Lord, 
Fortes fortüna adjüvat, «den Mutigen 
bilft das Glüd», ein lat. Sprichwort, das ſich in 
diefer oder ähnlicher Faſſung bei klaſſiſchen Schrift: 
ftellern findet (3. B. in Terenz' «Phormio» 1,4, 
Eiceroö «Tusculanae» 2,4, ıı, Livius 34, a7) und 
vom ältern Blinius bei der bachtung des Veſuv⸗ 


SO.ausbruchs, bei der er ſein Leben verlor, gebraucht 


wurde. — des jüngern Plinius «Briefe» 6, 16. 
dem lat. Dichter Claudianus gebt es zurü 

auf den ae ter Simonided. Schiller über: 
jeßte ed in « I m Tell» (Alt 1, Scene 2) mit 
«dem Mutigen hilft Gott». Dft wird citiert: Auda- 
*3 (oder n — ————— —— F en 
efette: erbrechen, Bezeihnung für 

eine Neiße —— verbrecheriſcher Handlungen, 
die vom gleichen Thäter in kurzen Zwiichenräumen 
bintereinander begangen und juriftiih als ein 
einziges Verbrechen angeſehen und behandelt wer: 
den. 8. B. der verheiratete A. vollzieht mit der B. 
innerhalb eines halben Jahres mehreremal den Bei: 
(hlaf; er begeht bierdurh ein F. B. des Che 
ruchs, oder ein Diener ftieblt feinem Herrn jeden 
Tag eine Eigarre; man erblidt hierin nicht 20 oder 
80 u. f. w. Fälle des Diebftahls bez. Mundraubs, 
fondern ein fortgefeßtes Delilt des Diebftahls bez. 
Mundraubs. Das deutiche Strafgejek hat den Ber 
griff des F. B. zwar nicht ausprüdlich aufgenom: 
men, es mwiberfpricht ihm aber auch nicht, und die 


Rechtſprechung ertennt ihn an. (S. Konkurrenz.) 
Bon den 5.8. find die Dauerdelikte oder fort: 
dauernden Verbrechen zu unterfcheiden, bei 


welchen der Berbrechensthatbeftand durch eine wäh: . 
rend — Zeitraums ununterbrochen fort⸗ 
dauernde Willensbethätigung verwirklicht wird. So 
dauert die Verlegung der Wehrpflicht dur Ver 
lafjen des Inlandes während des Aufenthalts im 
Auslande in gleicher Abfiht fort (Strafgeiebb. 
e 140!), Dauerverbreden und F. V. unt beiden 
ich in der Weife, daß jene die ununterbrochene, dieſe 
die unterbrochene, gleihfam ftoßmeife wiederholte _ 
Berwirklihung eines verbrecherifchen Thatbeftandes 
find. Von den Dauerdelilten unterjheiden ſich 
wieber die von Einigen Zuſt ands delikte genanns 
ten, bei denen der nur burd die Strafthat hervor: 
gerufene rechtswidrige Zujtand fortbauert, fo bei 
dem Diebftahl die fortvauernde — ung der dem 
Eigentümer geſtohlenen Sache. — Vgl. Merkel, Zur 
Lehre vom F. V. (Darmit. 1862). 

Forth, Fluß in Schottland, entſpringt in zwei 
Hauptquellen ald Ducdray und Avondhu auf dem 
Dftabhange des Ben:Lomond (973 m) in der Grafr 
ſchaft Stirling, berührt in feinem ſudöſtlichen ger 
wundenen Lauf Perth und Cladmannan, empfängt 


—41 war er Lorblieutenant von Irland, 1846—50 links den Teith, den Abflug der Seen Ratrine, 


Lord⸗Steward des königl. Haufes. Cr ftarb 14. Sept. 
1861. — Sein Sohn Hugb, dritter Graf F. 
geb. 4. April 1818, ſeit 1841 im Unterhaus, 1846 
—47 Lord des Schagamtes, 1847—51 Staatsfelre: 
tär des Armenamtes, 1861 Mitglied des Ober 





Lachray, Venachar und Lubnaig und tritt bei Kin⸗ 

cardine in den nad ibm benannten Meeredarm. 

Er ift etwa 160 km lang. Kleinere Seeſchiffe bis 

N 70 t Ladung lönnen bis Stirling geben. — 

er Firtb of 4 oder Fortbbufen, der beveur 
58* 


916 


tendjte im öſtl. Schottland (f. Karte: Schottland), 
ift etwa 75 km lang, anfangs 3—4 km, in der Enge 
zwiichen Queensferry und North-Queensferry, bie 
die Bahn benußt, nur 1,5 km breit und erweitert ſich 
dann bis zu 16 km Breite zwifchen Dunbar und dem 
Kap Fife-Neb. Eine großartige Brüde führt über ihn 
ei Queensferry (f. Forthbrüde). Die * dringt 
bis in den Fluß 1 km oberhalb Stirling hinauf; bis 
Grangemouth gelangen große 3 Auf der 
njel May und auf Indleith ſtehen Leuchttürme. 
euerdings (1900) werden am nörbl. und fübl. Ufer 
des Bufens und auf der in feiner Mitte liegenden 
Inſel Inchgarvie ausgedehnte Feſtungswerle er: 
baut; deren wichtigſtes liegt an der Carlingnoſe bei 
North-Queensferry in beherrſchender Höhe, 28 m 
über dem Waſſerſpiegel. Die Ufer find flach, frucht⸗ 
bar und dicht befiebelt; bier liegen Edinburgh und 
feine Hafenorte Bortobollo, Leith, Newhaven, Gran⸗ 
ton jomwie Boneb, und auf dem Norbufer Dyfart, 
Kirkcaldy, Burntisland und Alloa mit vorzügliden 
Anterplägen. Überaus ſtark ift der Dampfervertebr. 
Der wichtigen ag mit dem Koblenrevier 
bient der Forth-and-Clydekanal (67km) von 
Grangemouth nah Forling am Elyve. Ein Zweig, 
der Uniontanal, gebt von Fallirk ab nad Edin— 
burgh (51 km). Der Fluß ift reih an Ladys, der 
Meeresarm an Weißfiſchen und Heringen. 


Forthbrüde, die großartige, bei Queensferry 


unmeit Edinburgh über den Firth of Forth führende 
Bahnlinie zwiſchen 


zweigleifige Eifenbahnbrüde 


Forthbrücke — Fortififation 


wegen verhältnismäßig geringer Koſten zu empfeb⸗ 
len ſei. Die Bahngefeilihaften, zu denen nod die 
North:Britifb hinzutrat, ftellten die Geldmittel zur 
ae und erbielten durch Barlamentsbeichluf 
im Juli 1882 die Bauerlaubnis. Die Ausführung 
des genehmigten Planes von Baler und Fomler 
wurde nun im Dez. 1882 ber Firma Tancred, Ar 
rol & Eo. in Glasgow übertragen, während mit der 
oberften Bauleitung der Ingenieur Cooper betraut 
wurde. Das Board of Trade hatte die Uberwachung 
des Baues jowie die Berantwortliteit betreffs der 
Sicherheit abgelehnt und * nur eine zeitweilige 
Beſichtigung und Berichterſtattung vorbehalten. 
Die nach dem —— yftem (j. Eiſenbrũden 
tonftruierte Brüde (f. nachſte En befigt zwei 
Hauptöffnungen von 521,198 m Weite. Die Krag- 
arme haben die ungewöhnliche Länge von 207,2s0m, 
o daß für die Mittelträger nur 106,678 m bleiben. 
tiprehend diefer bedeutenden —— ſind 
die — I od) (100,583 ın) gewäblt; die 
Ver urchfahrtshohe für die Schiffe beträgt bei dem 
ödhiten Waſſerſtand 45,519 m. Die Pferlertürme, 
von benen ber mittelfte auf der Heinen Inſel Indb- 
arvie errichtet ift, ruben auf je vier fteinernen 
Kühe, Die untere Breite der Türme ift 36,575 m. 
ie vier Edpfoften der Pfeilertürme befteben aus 
Röhren von 3,858 m äußerm Durchmeſſer und find 
durch Kreugverbindungen verfteift. Bei den frag: 
armen hat der Untergurt und alle aut Drud bean: 
ſpruchten Hauptglieder der Ausfahung ebenfalls 





Ratho und Dunfermline, die den Weg von Ein: 
burgh nah Dundee um etwa 40 km abkürzt. Schon 
1818, als es noch feine Eifenbahnen gab, entwarf 
‚ber Ingenieur James Anderjon in Edinburgh drei 
Pläne für diefelbe Stelle, an ber die heutige F. ftebt. 
Ale drei Entwürfe jtellten Kettenbrüden bis zu 
600 m Spannweite dar, für den damaligen Stand 
der Technik ein ſehr luhnes Wagnis. Erft 1865, nach⸗ 
dem ſich das Eiſenbahnnetz bereitö bedeutend ent: 
widelt batte, berieten die Bahngeſellſchaften ernſt⸗ 
lih eine Fortbüberbrüdung und erlangten durd 
Barlamentsbejhluß die Genehmigung zum Bau 
“einer Brüde 8 km oberhalb Queensferry. Als ſich 
diefe Stelle ald ungeeignet erwies, wählte man 1873 
die Stelle der heutigen Brüde und — nachdem 
ein Tunnelprojekt wegen zu großer Waſſertiefe (bis 
67 m) verworfen worden war, den Bau einer von 
Sir Thomas Bouch, dem Erbauer der ältern Tay— 
brüde, entworfenen verfteiften Hängebrüde. Als 
jevod der Orkan vom 29. Dez. 1879 die Taybrüde 
zeritörte, ſchwand das Vertrauen auf das Bouchſche 
Projekt, und bald wäre jede weitere Bauerlaubnis 
verjagt worden, wenn nicht ſchon im Mai 1881 
eine von den beteiligten Babngejellihaften (Nortb: 
Gajtern, Midland und Great:Rortbern) gewählte 
Sadverftändigentommiffion, beftebend aus den In⸗ 
enieuren E. 5. Harrifon, W. 9. Barlow und Sir 
John Fowler, in einem Bericht erklärt hätte, daß 
ein inzwijchen von Benjamin Baler und genanntem 
Sir John Fowler entworfener Plan einer Krag— 
trägerbrüde volllommene Sicherheit biete und auch 


Rohrquerſchnitt, Die gezogenen Teile und Windkreuze 
— Here ig ei mit Wänden aus Negwert. 

ie Mittelträger find Halbparabelträger, in ver 
Mitte 15,40 m, an den Enden 12,192 m hoch. Die 
———— ſowie die innere Jabrbahnbrüde be⸗ 

eben aus Barallelträgern mit obenliegender Fahr: 
bahn. Das Material für das gejamte Tragmert 
ift Martinftahl von den beiden in Newton und Blo: 

aim bei Glasgow gelegenen Werten der Steel 
Company of Scotland und dem Siemensjchen Werte 
in Landore bei Swanſea (Südmwales). 

Das jehr wechjelnde Eigengewicht der Brüde ift 
bei den Hauptitügen 43,3 t pro 1m, in der Mitte 
der Hauptöffnungen nur 6,7 t, im ganzen für die 
Hauptöffnungen 50000 t. Die der \ nung zu 
Grunde gelegte Bertebrölaft war von dem Board of 
Trade zu 6,660 t pro 1 m vorgefchrieben worden. 
Nah dem Voranſhhia beliefen ſich die Baukoſten 
auf 34 Mill. M., wuchſen jedoch auf 50 Mill. M. 
an. Die Anzahl der gleichzeitig tbätigen Arbeiter 
war —* der — eit3s—4000. Die Beendigung 
des Baues erfolgte 9. Dez. 1889. Der erite Zug fubr 


23. Jan. 1890 über die Brüde, und 4. März des: 
felben Jahres fand die feierlihe Eröffnun * 
auſen, 


den Prinzen von Wales ſtatt. — Bal. Ba 
. (Berl. 1889); Zeitjchrift des Vereins deut: 

ſcher enieure (1891, ©. 8, 34 u. 63), 
Fortifitation (lat.), Beieftigungstunft (1. d.); 
daber fortifitatoriihe Anlagen jo viel wie Befeiti- 
ungdanlagen; ferner Bezeichnung für eine in jeder 
Feftung (j. Feſtungen V) des Deutſchen Reichs bes 


Hortin — Fortpflanzung 


ftehende Ingenieurbehörde, die in örtliher Beziehung 
dem Kommandanten der Feltung, übrigens in erfter 
Inſtan ——— peltion Ingenieur⸗ 
inſpeltion) unterſtellt iſt und alle Fortifilations⸗ und 
rtilleriebauten der Feſtung en und zu 
unterhalten hat. An der Spike jtebt ein Ingenieur: 
offizier vom Plag (meift Stabsoffizier), unterftüßt 
in großen Feltungen durch einen zweiten Stabsoffi⸗ 
zier. Sein Berfonal befteht aus Ingenieuroffizieren 
als Poſten⸗ und rg ng ieren, aus Feſtungs⸗ 
bauoffizieren für den Baus, Rayon⸗ und Bureau: 
dienit, * aus dem Unterperſonal der Wallmei⸗ 
fter; leztere beide Gruppen find aus Pionierunter⸗ 
offizieren hervorgegangen und auf Feſtungsbau⸗ 
ſchulen (f. d.) ausgebildet. , 
Fortin, älteres türk. Getreidemaß, das 4 türk. 
Kile (f. d.) enthielt. L 
Fortis (vom lat. fortis, ftark), in der Phonetik 
N d.) —— eines kräftig ausgeſprochenen 
onfonanten, im Gegenſatz zu einem ſchwächer aus⸗ 
geiprochenen, den man Lenis (f.d.) nennt. 3. B. ift 
das s in «reißen» F., in ereilen» Lenis. Die Stä 
der Ausſprache beruht auf der Kraft des Luftpruds 
und der dadurch bewirkten energiſchen Mustelthätig- 
feit der Sprechwerkzeuge. — ſtimmloſe p, t, k, 
f, s, sch, ch wird fortis gejprochen im Vergleich zu 
immbaften b, d, g, w, s, sch, j. Aber auch jene 
immlojen Laute kibſ lönnen mehr oder minder 
ark —— werden. Beſonders in den ober⸗ 
deutſchen Mundarten (ſ. Deutſche Mundarten) iſt 
dieſer Gegenfag ſtark ausgeprägt. Hier ſpricht 
man z. B. das f in aſchlafen⸗ fortis, in «Hafen» 
aber lenis, 
—— Aleſſandro, ital. Staatsmann, ſ. Bd. 17. 
ortis, Abbe Giovanni Battiſta, genannt Al: 
berto, ital. Naturforjcher, geb. 11. Nov. 1741 zu 
Padua, trat im 16. Jahre gegen feinen Willen in 
den Auguftinerorden. Als ed ihm gejtattet wurbe 
zurüdzutreten, begab er fid auf Reijen und wid: 
mete ſich der Schriftftellerei. Nach dem Tode feiner 
Mutter erbte F. ein großes Vermögen, bega 12 
bei Ausbruch der Seangfilchen Revolution na 
Paris und warb 1801 Bibliothelar in Bologna, 
wo er 21. Dft. 1803 ftarb. Beſonders verdient ift 
er dadurch, daß er zuerft in — auf den 
Schatz der jerb.:froat. (damals amorlaliſch⸗ ge⸗ 
nannten) Volkslieder hinwies und ſelbſt einige 
oben mitteilte in «Saggio d’osservazioni sopra 
Visola di Cherso ed Osero» (Vened. 1771) und be: 
ſonders in Ah in Dalmazia» (2 Bbde,, ebd. 
1774; deutſch, 2 Bde. Bern 1797). ———— 
und Ergänzungen zu der «Reife in Dalmatien» lie: 
ferte Giovanni Lovrich in «Osservazioni sopra di- 
versi pezzi del viaggio in Dalmazia del Sign. Abate 
A. F.» (Bened. 1776). Von feinen fonftigen Werten 
find noch zu erwähnen: «Lettere ehe 
sulla Calabria e sulla Puglia» (Neap. 1784), «Del 
nitro minerale» (1787) und «M&moires pour servir 
à l’'histoire naturelle et principalement & l’orycto- 
graphie de l’Italie» (2 Bde., Bar. 1802). 
ortissimo, j. Forte. 
Fortiter in re, suaviter in modo (lat.), 
«tar (feft) in der Sache, aber mild in der Art (der 
usführung)», ein ſprichwörtlicher Ausbrud, der 
zurüdgeführt wird auf eine Stelle in der Schrift 
«Industriae ad curandos animae morbos» (Bened. 
1606) des Jefuitengenerald Aquaviva. 
Fort Jamefon, Berwaltungafis von Nordoft: 
rhodeſia (j. Rhodeſia). 


917 


——— Karl, Philoſoph, geb. 12. Juni 1806 
zu Osnabrüd, ſtudierte ſeit 1825 ologie au 
Göttingen und Berlin, dann aud Philoſophie I 
Berlin und Münden. Er wurde 1829 Brivatdocent 
zu Heidelberg, fiedelte jpäter nad in über und 
wurde 1846 Profeflor zu Jena, wo er 8. Nov. 1881 
ftarb. 3. war zunächſt beitrebt, durch ein Zurüds 
eben auf die Kantiſchen Kritilen einen feften Ges 
Kisyun t zur Drientierung unter den verichiedenen 
bilofophenichulen älterer und neuerer Zeit zu ges 
winnen, fo in den re afiber die Denkweife der 
älteften ——— Geidelb. 1829), «Die Lüden 
de3 Hegelichen er (ebd. 1832), «Philof. Me: 
ditationen über Platos Sympofion» (ebd. 1835), 
«Aurelii Augustini doctrina de tempore» (ebd, 
1836) und «Darftellung und Kritil der Beweife fürs 
Dafein Gottes» (ebd. 1840). Daneben gingen aus 
feinen litterarbiftor. Studien die «Vorlefungen über 
die Geſchichte der Poefie» (Stuttg. 1839) hervor. 
Seine Ideen zur —— den Richtungen der 
Syſteme aus der he chule enthält die «Ges 
netiſche Geſchichte der Philoſophie feit Kant» (Lpz. 
1852); die Ergebniſſe feiner pfychol. Gelanaen 
legte er nieder in: «Hundert Thejen zur Ipchologien 
erl. 1843), « Syſtem der Pſychologie als empiri⸗ 
ſcher Wiſſenſchaft aus der Beobachtung des innern 
Sinnes» (2 Ode., Lpz. 1855), «Acht pſychol. Vor: 
träge» (Jena 1869; 2. Aufl. 1872), «Vier pſychol. 
Vorträgen —* 1874) und «Beiträge zur Pſychologie 
als Wiſſenſchaft aus Spekulation und Erfahrung» 
(£p3. 1875). Außerdem veröffentlichte F. «Gefänge 
* Vorzeit» (Berl. 1844), «Das muſikaliſche 
item der Griechen» (Lpz. 1847) und « Friedrich 
Rüdert und feine Werte» (fra, a, M. 1867). — 
Vol. Braſch, Karl F. (in allnfere Zeit», Lpz. 1888). 
ortlaufended Eonto, die im deutſchen Zoll: 
gebiete beftehende Einrichtung der Kontierung (j.d.) 
unverzollter fremder Waren dann, wenn dieſe Kon« 
tierung obne Beihränfung auf einen beftimmten 
—— von der Zollbehörde bewilligt wird, im 
jegenfape zu den Ion: Meßkonten, weldhenurauf 
die Dauer R einer Meſſe eröffnet werben. (S. auch 
KRontotorrent.) 

Fort Madifon (fpr. mäddik'n), Hauptftadt des 
Eounty Lee im nordamerik. StaateJowa, am Miffif- 
fippi und mehrern Bahnen, hat (1900) 9278E. Eiſen⸗, 
Stahlwaren: und Papierfabritation, Mehl: und 
Sägemühlen, Staatögefängnis und höhere Schule. 

rtoin, Kondenſationsprodukt des Cotoins 
und bes Formaldehyds, wird mediziniſch als Mittel 
gegen Diarrbden angewendet. 
ort Opus, Drt in der diterr. Bezirtöhaupt: 
mannſchaft und dem Gerichtäbezirt Mettovich in 
Dalmatien, am linken Ufer der jebt regulierten Na- 
renta, in einer fumpfigen Landſchaft, bat (1900) 
ala Gemeinde 9309 froat. E. 

Fortsre, Küftenfluß des öftl. Unteritalieng, ent 
fpringt in der Provinz Benevent, bildet die Grenze 
zwifchen Campobafjo und Foggia und mündet nad 
einem norböftl. Laufe von 96 km weſtlich vom Lago 
di Leſina ins Adriatiſche Meer. 

Fortpflanzung, derjenige Vorgang, durch wels 
hen im Tier: und Pflanzenreihe, gegenüber dem 
fortwährenden —— einzelner Individuen, 
vermöge der Hervorbringung neuer Individuen 
(Nahlommen) die Art erhalten bleibt. Das Weſen 
diejes Vorgangs, der ala eine Erfcheinung bes auf 
Ernährung beruhenden Wachstums aufzufailen ift, 
zeigt große Verſchiedenheiten. (S. Zeugung.) 


918 Fortpflanzungsgejhwindigkeit — Fortzfeftungen 

ortpflanzun re a keitdes Lichts, | lektere und trennte fi unter Löwes —— von 
4 *c* des Schalls, ſ. Scha I: | dem Gros der Partei. Der focialen geaen: 
geſchwindigleit; F. des Dan den Stroms, über ver n —* & — —* ein Sal 


\. Galvani cher trom. 

Fort Riley (ſpr. reild), Militärpoften im nord: 
amerit, Staate Kanſas, we tlüch von Zopela, lint3 am 
2 eg des Republican: River und Smoty: 

ort zum Kanſas, an der Union:Bacific-Bahn, 
mit — Artillerie: und Ravallerielajernen und 
einer Garnijon von 3000 Ma m ‚mwurbe 1858 angelegt 
und neuerdings in großem Maßftabe ausgebaut. 

Fortroſe (pr. -röhs), Stabt * der ſchott. Graf⸗ 
ſchaft Roß und Cromarty, IIkm im NND. von Inver⸗ 
neß, hat als Municipalborough (1901) 1065 E. und 
Ruinen einer von Cromwell — Kathedrale 
ae. 3. ift ein befuchtes Seebad. Ehemals 

eden Chanonry und war im 15. Jahrh. 

als Refidenz der Biſchofe von Ro Mittelpuntt für 
das wiſſenſchaftliche Studium des Altertums. 

re Ahr —X Fort de France. 


En Salis börri), Hauptort 
von Maf mim a 
ü, ſ. —* 


Bor loff 
De chreitung, ein in der & * der Muſil 
eſetzmüßi⸗ 


gebräuchliher Ausprud, bezeichnet den 

gen —— Stimmen. Die 3. bezieht N ſowohl 
auf das ältnis von zwei einzelnen Stimmen 
u einander, wie auch auf die Bewegung * 
armoniſcher Maſſen. Geſetzwidrige Gänge (z. B 
—A Quinten⸗ und Oktavenparallelen) werden 


liche F. genannt. 

oeeheittöpnrtei, D Deutſche, Name einer 

olit. Partei, die fihb 1861 in Preußen aus den 
ehe demofrati hen Glementen bildete, nachdem die 
jog. altliberale Partei * Binde aufgehärt batte 
die Situation zu beherrſchen. Die 5. tonftituierte 
ih 9. Juni 1861 mit einem Programm, in dem fie 
neben vielen entſchieden liberalen Forderungen in 
Bezug auf die innere Politik auch eine ſtarke deutſche 
Gentralgewalt in der Hand Preu n und eine 
deutſche Vollövertretung forderte. Als Führer ver 
rteigalt Walded; neben —* —— noch Schulze⸗ 

04 Löwe: Calbe und Joh. Jacoby, ſodann 
einige Jüny ere,wie yordenb u Deurche, diemit 
andern meijt oft» und weitpreuß. Abgeordneten ſchon 
in dem Abgeordnetenhauſe von 1861 eine mehr links 

ende Fraktion neben der Vinceſchen rtei, das 
\og. JZunglitauen, gebilvet hatten. Die F. ver: 
fügte bald über die Mehrheit im — —— 
die ſie bis 1866 behauptete. Als nach dem Deutſchen 
Kriege von 1866 das Miniſterium Bismard durch 
Einholung einer Indemnität für die bubgetlofe Re 
gierung die Hand zur Verſohnung bot, fpaltete ſich 
die 3.: ein Teil trat aus und bildete die National: 
liberale Bartei (j. d.), während ein anderer Teil auch 
jetzt an ber Oppofition gegen das eKonfliltsmini⸗ 
fterium» tenbiet, bie Indemnität verweigerte und 
auch bei den Verhandlungen über die Verfaſſung 
des Norbdeutfchen Bundes meift opponierte. 

Die Deutſche F. unt eo zwar nachher ſowohl 
im preuß. Mbgeorbnet u e ald im Reichötage im 
allgemeinen die nationale Politit Bismards, na- 
mentlich gegen die Angriffe der Ultramontanen in 
dem og. —— verfocht aber rüdcſichts los 
parlamentariſche Nur ein kleiner Teil 
der F. entſchied ſi —— 1874 in der Militär 
frage, wo es fi darum handelte, ob daß ſtehende 
Kontingent alljäbrlid neu bewilligt oder wenigſtens 
für längere geit feftgeftellt werben follte, für das 


der angejeben ‚ wie Frag iegler, Job. 
Jacoby u, a die — eß gebung. 
den arbeitenden Klaſſen zu Sie au zu eg un: 
umwunden anerlannte. 

Der ſtark individualiſtiſche Standpunkt ver F. 
fam am ſchärfſten zur —A Bis mard 
1879 mit feinen zollpolit, — fecialpolit. Reform: 

länen — r ihre früher jo überlegene 

an Bat bi den Neichötagdwahlen vom 
uli 1878 auf 26 und bei den Wahlen * (des he 
— 8. DIE. 1879 auf 34 geſunlen, 
dur den Zerfall der al eralen * bei 
den Reichsta —— 1881 we auf 54, ae 
e bei den Landtagswahlen 1882 im mwejentlichen 
ihren Befig behauptete. 

Durch das Ausiheiben der ältern Führer, die, wie 
Walded, Harkort, Löwe, Berger u. a., in den jchme: 
benden Fragen eine vermittelnde Stellung einge 
nommen hatten, war die Leitung der Frattion in 
die Hände Eu en Richters übergegangen, ber feinen 
gehen Einfluß auf die Barteı dazu benußte, der 

egierung nunmehr grundjäglihe Dppofition zu 
maden. Er fuchte mit allen in gleiher Richtung 
je bewegenden Elementen Fühlung, geriet aber 

ierdurch mehrfach zu den yartikulari tiſchen und 
ultramontanen Beftrebungen in Beziehungen, vie 
mit den frübern Traditionen der Partei im Wider: 
I a. ge Diejer Umftand jowohl als bie 
orm des polit. Kampfes, der ſich aud gegen 

alle abweichenden Schattierungen der liberalen 
tei richtete, riefen allmählich i e; der F. ſelbſt Wider: 


fprud hervor. Diejer Gegen tab wurde aud nicht 
gänzlich ausgeglichen bung ie chmelzung der F. 
mit der aus der nationalliberalen Bartei abgezweig: 


ten Liberalen Bereinigung (Seceffioniften) zur Deut- 
ſchen 35—6 en Partei (j. d.) im März 1884. 

Nah dem Mufter der Deutihen F. in Preußen 
entitanden ähnliche Parteibildungen unter demiel- 
ben Namen aud in andern deutſchen Ländern, bie 
jedoch zum Zeil einen von dem der preußiichen ab: 
weichenden Eharalter "Ale übern In Bayern und 
Heſſen find in der F. alle liberalen Elemente ver: 
chmolzen, und ba biejen in beiden Ländern re 
ächlich Ultramontane q enüberjteben, die zugleich 
partilulariſtiſch find, —* die F. dort einen vor⸗ 
wiegend nationalen Charalter. Auch die F. des 
Königreih8 Sachſen neigte mehr nad rechts bin- 
über. — Val. Bariius, De Deutichlands polit. Barteien 
und das Minifterium Bismard (Berl. 1878). 

In Öfterreich bildete fih nah dem Zerfall der 
Vereinigten Deutſchen Linken (ſ. d.) 1897 ebenfalls 
eine F., die im allgemeinen deren Brincivien auf: 
recht —— und den rechten Flügel der liberalen 
deutſchen Parteien bildet. Sie erlangte bei den 
Reichsratswahlen von 1897: 38, bei denen von 1901: 

36 Mandate. Ihre —— find die Abgeordneten 
Funde, Groß und et. 
Fort Scott, — des County Bourbon 
im nordameril. Staate Kanſas, in lohlenreicher Ge 
end am Marmiton :River, Gifenbahntnotenpuntt, 
m (1900) 10322 €. (gegen 5372 im I. 1880), leb- 
aften Handel mit Getreive, Materialmaren, be: 
trächtliche Induftrie, Steinbrüde und ein College. 
In der Näbe Lager bitumindjer Roble. 


Forts en, Feitungen mit einem Gürtel 
——— (meift) einer zufammen: 


Fort Smith — Fortunatus (Volksbuch) 


hängenden Stadt: (Kern) Umwallung (j. Feſtun⸗ 
en I). Wenn fon die Vorteile des Fortsgürtels 
Früher (von Friedrich d. Gr., Montalembert, Aiter 
und Breje) erlannt und angejtrebt waren, verbanten 
die modernen F. ihre Ausdehnung dem Wunice, 
die Städte gegen die Beſchießung mit gezogenen 
Geſchützen zu fihern. Der abjolute Schuß gegen 
eine Beſchießung warb aber bei dem anhaltenden 
treben, die Schußweite zu vergrößern, nur bei 
einigen ausländischen B voll angeftrebt und erreicht; 
bei den meiften (und bei allen deutichen) begnügte 
man ſich mit einer Entfernung der Forts, welche bie 
Beſchießung jehr erjhwert, aber feine zu übermäßige 
Ausdehnung des Gürteld bewirft; fie beträgt durch⸗ 
—— 4—5 km, wãhrend ſie ſich bei auslandiſchen 
. auf 8 und ſogar auf 15 km ſteigert. 
Die Vorteile, welche der Fortsgürtel bietet, liegen 
in der freien Bewegung ber zen im Gelände 
und können auögenußt werden ſowohl bei der Ber: 
teidigung des Vorfeldes (wobei keine Defilden, wie 
Thore, binderlich find) ald auch bei der Führung des 
Artillerielampfed. Die Fort, welche anfangs als 
ſtarle Artillerieftellungen gedacht und gebaut wur: 
den, ermwiejen fih dem neuen Geihüs (Steilfeuer 
mit Sprenggranaten) gegenüber als ſolche nur 
braudbar, wenn man bie —— unter Panzer 
ſtellt; das Zwiſchengelände aber bietet dem Ver: 
teibiger für jeine Batterien biejelben Vorteile wie 
dem Angreifer das Vorfeld. So ——— ſich die 
Forts meiſt zu Infanterieſtũtzpuntten mit der Auf 
gabe, die Zwiſchenfelder durch flankierendes Feuer 
aus gedeckten — zu unterjtügen, und 
nur bisweilen erhalten fie au ſchwere Gefüge der 
Sicerheitdarmierung, dann aber in Banzern. Ihre 
Entfernung voneinander wird der Intervallbe— 
ftreihung wegen auf 2—3000 m normiert; bei 
größern, dur die Geländeverhältnifje gebotenen 
— werden Zwiſchenwerle eingeſchoben. 
Da. man bei bewegtem Gelände die Beſtreichung 
des nädjiten Vorfeldes vom Fort aus nicht voll» 
ftändig erreichen kann, fondern dieſerhalb bejonderer 
äußerer Anlagen bedarf, da man ferner durch bie 
Scheidung der verfchiedenen Elemente der Verteidi⸗ 
ung (Artillerie, Infanterieitellung, Unterkunft) das 
Deuer des Angreifers zu zeriplittern und feine Mir: 
ung abzuſchwachen jirebt, iſt neuerdings auch wohl 
eine Gruppenbefeftigung an Stelle des Einheits— 
fortd ausgeführt worden. In den Intervallen fällt 
die Berteidigung der Infanterie zu, und fie richtet fich 
in günftigfter Lage ihre mit Schnellfeuergefhügen 
verftä e Stellung ein. Die Kampfgeſchüuhe finden 
babinter Raum zur maslierten Yurftellung. Die 
— — beſteht namentlich in der Her⸗ 
tellung von Telegraphenlinien, Gürtel: und Radial: 
ben, Erbauung von Munitionsmagazinen und 
ntertunftsräumen ſowie Anhäufung von Boden: 
vorräten, wo deren Beſchaffung auf Schwierigleit 
ftößt, alſo lauter Dinge, welche durch Kriegsarbeit 
nur {mer zu beſchaffen find. An den Flügeln der 
Forts werden Anſchlußbatterien erbaut, in welchen 
die Geſchutze der Sicherheitsarmierung vorteilhafter, 
weil beſſer gededt, ſtehen, als in den Forts ſelbſt. 
In den ſiebziger Jahren des 19. Jahrh. glaubte 
man vielfach, daß die F. nur dur Armeen ver: 
teibigtwerben lönnten, daß fie dieje an ſich yo und 
dem egungöfriege entzieben würden. Anderer: 
feitö glaubte man fie ald Verſchanzte Lager erbauen 
su follen, auf die Armeen ihre Operationen ftügten, 
und das Franzöfifche Feſtungsſyſtem bafiert aufeiner 


919 


derartigen Berlettung der Feſtung mit der Feld⸗ 
armee. Der Vorteil, welchen die F, diefer direkt 
bieten können, beitebt aber hauptſächlich in der Er- 
möglidung des Uferwechielö bei der Lage an einem 
Strome und des Herauätretend aus der Frontlinie 
auch angeſichts des Feindes. Hiermit aber löft ſich 
die Armee, offenfiv —— von der Feſtung und 
überläßt der (minimal zu —— eſatzung 
allein die —— der Verteidigung. Für die Ver: 
wendung der Streitmittel bieten dieſer aber die F. 
die gün ger Verhältniſſe. 
ort Smith, einer der beiden Hauptorte des 
County Sebaſtian im nordamerik. Staate Arkanſas, 
dicht an der Grenze des Indianergebietes, am Ein⸗ 
fluß des Poteau in den Arkanfas, Eifenbahnfnoten- 
punkt und Sig eines Bereinigten-Staaten:Gericht3 
für das Indianergebiet, hat 1900: 11587 E,, gegen 
1880: 3099, —— Handel mit Baumwolle, Holz, 
Mehl, Getreide, Materialwaren. 
Forts vitrifiös (fr3.,ipr. fohr witrifleh), Glas⸗ 
burgen, ſ. Burg. 
Fortuna, bei den Griechen Tyche (ſ. d.), die 
Göttin der unberehenbaren Schidjalsfügung zu 
Glüd und Unglüd, wurde in Italien ſeit alten 
gelten in vielen Orten verehrt. In Latium waren 
ihre älteiten und berühmteften Rultftätten Präneſte 
und Antium; in erfterer Stadt galt fie als erft- 
eborene und allerzeugende Gottheit und erteilte 
Beisfagungen dur sftäbchen (sortes); in Ans 
tium wurden zivei An Schweſtern verehrt, bei 
denen man ebenfalls Dratel ſuchte. In Rom, we 
die Göttin viele Tempel in und außerhalb der Stadt 
bejaß, wurde F. unter vielen Namen verehrt. Der 
Göttin des Staatswohls, der Fortuna publica, 
ftand die der einzelnen, die Fortuna privata gegen» 
über, welche in eine zahlloſe Menge eingelner 5. 
zerfällt, indem ihr die Namen einzelner Familien 
und Perfonen oder Grundftüde beigelegt wurden. 
Außerdem gab e3 F. für einzelne Stände, bejondere 
Ereigniſſe u. I mw. Häufig legte man ihr mehrere 
Attribute zugleich bei oder übertrug auf fie, als die 
alles lentende Macht, die Attribute verjchiedener 
Götter (Fortuna panthea), — 7. ift aud) der Name 
des 19. Blanetoiden, , 
Fortunätus, der Held eines der beiten deut: 
gen Vollsbücher, das nah unbelannter, doch 
werli rein deutfcher Duelle um 1440 y'yw 
Der fpannende und doch lehrhafte Inhalt ift der, 
daß F. und nad ei feine Söhne einen nie ver 
fiegenden Gelpjädel und das Wunfchhütlein befigen, 
das fofort an jeden beliebigen 78 aber 
eben vurc biejen Befip untergehen. Das oltsbuch 
(zuerft Augsb, 1509; gut erneuert in Simroda 
Deuiſchen Voltsbüchern», Bd. 3, Frantf. a. M. 
1846; in Kurſchners «Deutfcher Nationallitteraturs, 
Bd. 21) wurde ins Franzöjiiche, Italieniſche, Eng⸗ 
lifche u. f. w. übertragen. Dramatifiert wurbe ber 
Stoff von H. Sachs nad) dem Vollsbuch 1558, von 
Th. Deder um 1600. Deders Schaufpiel wurde für 
die «engl. KRomödianten» in Deutichland frei bear: 
beitet und 1620 mit gedrudt (Neudrud in Tittmanns 
ga ber engl. Romödianten», 2pz. 1880); 
ein in Gafjel —— proſaiſches Fortunatus⸗ 
drama des 17. Jahrh. ſteht Hans Sachs näher. Freie 
Dramatifierungen boten Tied (aPhantaſus⸗», Bd. 8) 
1815 und Bauernfeld. Uhlands epiſche Dichtung 
in —— «5. und feine Söhne» iſt unvollen⸗ 
bet. — Vgl. Zacher in Eric und Grubers «Encyflos 
päbdie» (1. Seltion, Bd. 46); Harms, Die deutichen 


920 


rtunatusdramen (Hamb, 1892); Zazar, Über das 
ortunatus: Märchen (2pz. 1897). 
Fortunatus, Benantius, lat. Dichter, |. Venan⸗ 


tius Fortunatus. 
Fortune I, Pete]; Glüd, Vermögen. 
Fortune (jpr. fohrtſch'n), Rob., Botaniker und 


Reiſender, geb. 1813 in der Nähe von Berwid, er: 
lernte die Runftgärtnerei und erhielt eine Anftellung 
beim Botanischen Garten in Edinburgh fowie jpäter 
in den Gärten der — zu Chiswick. 
Aufträge dieſes Inſtituts führten ihn 1848 nad 
China, wo er unteranderm Ausflügenahdem®iftrift 
des grünen Thees in der Provinz Tſche⸗liang ſowie 
nach Fu⸗kien —— um die Heimat des ſchwar⸗ 
en Thees kennen zu lernen. Noch ergiebiger wurde 
—* weite Reiſe (1848), um für die Theepflanzungen 
der Oſtindiſchen Compagnie im Himalaja die * 
chineſ. Theeſorten zu erhalten und mit dem Anbau 
und der Zubereitung derſelben vertraute Arbeiter 
anzuwerben. F. reiſte von eg er den Tfien: 
tang jtromaufwärt3, erreichte die Boheaberge, be: 
uchte Huslou, das Emporium des Handels mit 
chwarzem Thee in Kiang:fi, und kehrte über die 
Bebirgstette, die die Provinzen Kiang: fi und Fu— 
kien ſcheidet, an die Küfte zurüd, Nachdem er als 
Direktor des Botanischen Gartens der Apotbeler: 
innung in Chelfea fungiert hatte, führte er im Aufs 
trage der Dftindifchen Compagnie 1853—56 eine 
neue Reife aus und wurde bald nad) feiner Rüdtehr 
von der amerif, Regierung aufgefordert, für fie die 
Samen des Theeſtrauchs und anderer Pflanzen in 
Ebina einzufammeln, welche Aufgabe ihn 1857 —68 
beichäftigte, wobei er feine al the bis nad 
apan ausdehnte. Er ftarb 13, April 1880 ala 
utöbefiger in Schottland. fiber feine vier Reifen 
veröffentlichte er: «Three Fre wanderings in the 
Northern provinces of China» (3. Aufl., 2 Bde, 
Lond. 1853; deutſch von Himly, Gött. 1853), «Two 
visits to the tea-countries of China» (3. Aufl, 
2 Bde., Lond. 1853; beide Reiſewerke zufammen 
deutſch von Zenter, Lpz. 1854), «Residence among 
the Chinese: Inland, on the coast and at sea» 
(Lond. 1857), «Yedo and Peking» (ebd. 1863). 

Fortune de mer (frj., pr. -tübn dẽ mäbr), 
foviel wie Schiffsvermögen (f. d.). 

Fortüny, Mariano, fpan. Maler, geb. 11. Juni 
1839 in Röus in Catalonien, begann auf der Alta: 
demie in Barcelona feine Studien und wandte ſich 
dem bireften Naturftubium zu. Genuß eines 
Stipendiums reifte er 1856 nad Italien und gab 
fih bier mit Eifer dem Stubium des Vollkslebens 
bin. Er begleitete dann den General Prim auf * 
nem Zuge gegen Marokko 1859—60, wobei er Ge: 
legenbeit hatte, da8 bunte und bewegte Kriegerleben 
u ftubieren. Erft in Paris follte F. die feinem 
Naturell zufagende Runjtwelt finden; bier leuchtete 
ihm Dijon mit —— feinen, geiſtreichen und 
lebenswahren Auffaſſung als hohes Muſter vor. 
Er begab ſich darauf nach Spanien zurück, wo auch 
Goya nicht ohne Einfluß auf ihn geblieben, ging 
1866 aber wieder nach Rom, wo er bis zu ſeinem 
Tode, 21. Olt. 1874, eine eifrige Thätigleit entfaltete. 
Seit 1869 zahlte F. z“ den beliebteſten und geſuchteſten 
Malern. Seine beſten Olgemälde ſind: Indiſche 
Schlangenzauberer (Baltimore, Walters' Galerie), 
—— (in Amerila), Hochzeit in der Vicaria 
u Madrid. Von feinen vorzüglichen Aquarellen 

nd zu nennen: Der maroft. Teppichhändler, Das 
Schwalbencafe; ausnahmsweiſe malte er auch eine 


Fortunatus (Venantius) — Forum 


religidfe Darftellung für eine Kirche zu Barcelona. 
Bat auf die moderne Schule feines Baterlandes 
einen großen Einflu * ohne jedoch in ſeinen 
Vorzügen realiſtiſcher Wahrheit und vornehmer 
Auffaſſung erreicht zu fein. F.s Driginalradierungen 
wen ebenfalls jebr geſchaͤzt. — Sein Leben beſchrie⸗ 
en Davillier (Par. 1875) und Yriarte (ebd. 1886). 
* Vogelſaug, ſ. Deutſch-Sudweſtafrila. 
ort Wayne (jpr. wehn), Hauptſtadt des 
County Allen im nordamerit, Staate Indiana, 
150 km weſtſüdweſtlich von Toledo, liegt auf einem 
—— am Zuſammenfluß des Saint Mary und 
aint Joſeph, die ſich hier zum Maumee vereinis 
en, an neun Eiſenbahnen und am Wabaſh⸗-Erie⸗ 
anal, bat (1900) 45 115 €, (1860: 10388), ein 
ſchönes Gerihtägebäube, 3 große Parls, 2 ter 
und 7 höbere Unterridtsanitalten. Unter den Bei: 
tungen ift eine deutſche. Die Flüfje liefern gute 
Wajlerkraft. Die Induſtrie erftredt ſich auf 2 
ftellung von Eifen: und Meffingwaren —— 
nen, Pflügen, Rädern und Wagen, Möbeln, 
eln, Seite, Bapier, Wollmaren, Arbeitsanzügen, 
igarren, Bier und Mebl. Auch befinden ſich bier 
roße Werkftätten der Pittöburgb: 5. W.⸗Chicago⸗ 
Benfylvaniar)Bahn. Die Umgebung befist Hol; 
induftrie und Sägemüblen. 
Fort William (pr. williämm), Dorf in der 
van Grafihaft Inverneß, am obern Ende des 
oh Eil oder Loch Linnbe, am Nordweſtfuße des 
Ben:Nevis, hat (1901) 2087 E. Das jest zu Wobn: 
bäufern benugte ort, einft ein Sen der weſtl 
Hodlande, wurde von General Mont erbaut und 
wies 1715 und 1745 die Angriffe der für die Stuarts 
— Hodländer zuruck. 
ort Worth (ſpr. woͤrth), Hauptſtadt des 
County Tarrant im norbameril. Staate Texas, am 
Weit: Fork des Trinity: Fluffes, zählt (1900) 26688 €. 
(gegen 6663 im}. 1880), die zumeift aus dem Norden 
eingewandert find. F. W. iſt wichtiger Eiſenbahn⸗ 
fnotenpunlt (Teras: Pacific, Atchiſon⸗ Topela⸗Santa 
€ und 5. W.:Denver-Eitybahn) und Handelsplas 
e die im W. und NW, gelegenen Vieh: und Baum: 
wolldiſtrilte (Pan Handle). Die Ausfuhr erftredt 
fih hauptfählih auf Vieh, Baummolle, Leder und 
Häute; eingeführt werden Aderbaugeräte und 
Mafhinen. Die — Induſtrie (Müblenbetrieb, 
Schlächterei) entwidelt ſich ſchnell; die zwei Haupt⸗ 
ftraßen find Main- und Houſtonſtreet. 
orum bieß bei den Römern ein für den Markt 
verfehr, die Nechtöpflege und die Volläverfamm- 
lungen beftimmter freier Pla. Das erfte und ur: 
—— Forum Romanum (f. nachſtehende Ab- 
ildung und Tafel: Rom IL, Die: 1) liegt in der 
Niederung zwiſchen Kapitol, Balatın, Velia und C3+ 
quilin (f. Karte: Altes Rom nebft Nebentarte, beim 
Artikel Rom) und bildete (in den fpätern Zeiten der 
Republik) ein Rechted von etwa 150 m Länge, 50 bis 
60 m Breite; die Langsachſe geht in der Richtung 
von NW. nah SD. Da ber Boden des F. nur etwa 
12 m ü.d. M. (7 m über dem Niederwaſſer des 
500 m entfernten Tiber) liegt, fo ift das Terrain 
Überfhmemmungen febr — Dem ne 
ten Könige, Tarquinius Priscus, ſchreibt die Ira 
dition die Anlage der Cloaca maxima zu, durch 
melde ver Plaß erit vauernd benußbar wurde. Über 
das F. ern die «Heilige Straße» (Sacra via), für 
Triumpbzüge und Prozeijionen dienend, welche ſich 
nab Norden durd den Clivus Capitolinus bis zum 
Tempel des Jupiter fortfegte. Außerdem mündeten 


Forum 


auf das F. von Diten ber die Argiletum genannte 
Berbindungsftraße mit dem edquiliniichen Quartier 
und der Subura; nah Weiten führten Vicus Iuga- 
rius —— e) und Vicus Tuscus nad 
dem Belabrum und dem Rindermarlt am Tiber. 
Un die nörbl. Ede des F. jtieß ein zweiter, Heinerer, 
aber vornehmerer Plak, das Comitium. Am F. 
* ug dee der bebeutendften Tempel: unter: 
des Kapitols die des Saturn mit der Schab: 
tammer (aerarium) und der Concordia, an ber ents 
X engeſetzten ſudoſtl. Seite die des Caftor und der 
el ie Langjeiten waren flantiert von Buden 
oder Bertaufäläden (tabernae), welche anfangs von 
Fleifhern und andern niedern Gewerben, feit etwa 
338 v. Ehr. (um melde Zeit fie ihren Stanbplag 
auf dem nörblih vom Forum Romanum eingeridh: 
teten Macellum und 
Forum piscatorium 
erbielten) von den 
Geldwechslern (ar- 
gentarii) bejekt wa: 
ren. Auf der Örenze 
wiſchen 5. und Co: } 
mitium lag die Rev» E 
nerbübne (Roftra, 3 
4.d.); in der Nähe der 
teine Tempel des Ja⸗ 
nus, deſſen Pforten 
zur Kriegszeit geöff⸗ 
net waren, und ans 
dere Denkmäler, uns 
ter anderm ein 
ſchwarzer Stein und 
mei jteinerne Lö: 
wen, welche nad) der 
röm. Sage das Grab 
des Nomulus be: 
eihneten. Bon dies 
* (zum Teil in der 
ſtaiſerzeit erneuer: 
ten) Denkmäler: 
grupe baben die 
usgrabungen 1899 
Reſte zu Tage geför: 
dert, worunterbejon: 
ders ein auf allen 
vier Seiten beſchriebener Pfeiler (cippus), der das 
ältefte lat. Schriftventmal (Ende 5. oder Anfang 
6. rn. v. Ebr.) ift: der Inhalt der ſtark verjtüm: 
melten Inschrift it nur zum kleinen Teil zu erraten. 
Die gropartige Bauthätigkeit, durch melde Rom 
nad) der iberwindung von Karthago und Griechen: 
fand im 2. Jabrb. v. Ehr. bedeutend verſchönert 
wurde, machte ſich auf dem F. beſonders bemertlich. 
Die Hallen und Läden wurden durch prächtige, für 
ven Verkehr und die Gerichtäverbandlungen die: 
nende Gebäude, die jog. Baliliten, erjeßt: zuerft 
184 v. Ehr. die vom alten Cato erbaute Basilica 
Porcia, dann die Basilica Fulvia, Basilica Sem- 
pronia, Basilica Opimia und Basilica Aemilia. 
©. Zertplan beim Artitel Rom.) Cäfar, zu defien 
eiten auch der jo vergrößerte Raum längft nicht 
mebr genügte, faßte den Plan, das alte F. nicht nur 
prächtig umzubauen, fondern auch zu erweitern, Letz⸗ 
teres erreichte er Dur Anlage des Forum Julium 
ft unten); die von ibm begonnenen Umbauten (Ba- 
silica Julia auf ber füdlichen, neue Basilica Aemilia 
auf der nörbl. Langjeite; lektere 1899— 1900 aus: 
gegraben) führte Auguftus zu Ende, der auch feinem 


_ Forum Romanum (refonftruiert). 


921 


vergötterten Borgänger einen Tempel an ber Stelle, 
wo jein Leichnam verbrannt war, errichtete. Ferner 
vollendete Auguftus das Haus für die Sigungen des 
Senats: Curia Julia (jeßt Kirche Sant’ Adriano). 
Bon Bauten jpäterer Raifer find zu nennen: der Um: 
bau des Goncordien: und Caſtortempels durch Tibe: 
rius; der Tempel des Veſpaſian und Titus, errichtet 
von Domitian; der Triumphbogen des Septimius 
Severus; das lepte antite Dentmal auf dem Forum 
Romanum ijt die 608 n. Ehr. dem ojtröm. Kaiſer 
Photas errichtete, noch heute wohlerhaltene Ehren: 
fäule. Seit der Zeit Karla d. Gr. verfiel das F. mebr 
und mebr, bis ed ald Campo Vaccino (der Name 
> erit 1870 abgeichafft) den Rinderherden aus der 

mpagna zur Stätte diente. Nah einigen Ans 


fängen in der Napoleonijhen Zeit und unter der 


. 
a 





Nepublit von 1849 ift das 


orum 1870—74 und 
1882 — 83 ar größten Teil freigelegt. Auch die 


neuejten, feit 1899 unter Leitung von G. Boni vers 
anftalteten Ausgrabungen haben höchſt wichtige 
— geliefert. 

ie Etweiterungsbauten, welche von den Kaiſern 
an der Nordſeite des alten F. angelegt ſind und 
unter dem Namen der Kaiſerfora (ſ. Tertplan 
beim Artilel Rom) begriffen werden, batten die 
Form von ———— Platzen, mit einem Tem: 
vel in der Witte oder an der Hauptieite. (S. Blan: 
Forum Romanum und Fora Caesarum, beim Xrtitel 
Rom.) Das äAltefte ift dad obengenannte Forum 
Julium mit dem Tempel der Benus Genetrir; dann 
das Forum Augusti mit dem Tempel des rächenden 
Mars (Mars ultor); das F. des Beipafian, mit 
welhem er den prädtigen nah Beendinung des 
jüd. Krieges erbauten Friedenstempel (Templum 
Pacis) umgab; das langgeitredte %. des Nerva lauch 
Transitorium genannt, weil ed den Durchgang zwi⸗ 
ſchen den vier genannten vermittelte) mit dem Tem: 
pel der Minerva; endlich das glänzendfte von allen, 
das F. des Trajan, nördlich vom Forum Cesaris et 


922 


Augusti, für welches das Terrain erft durch Ab» 
tragung eines Teild des Duirinaliihen Hügels ge 
mwonnen werden mußte. Zum Zrajansforum ge 
an die Basilica Ulpia, die berühmte 100 Fuß 

obe, noch aufrecht ftehende Säule, zwei Bibliotbe: 
fen und ein für Trajan ſelbſt von Habrian errich⸗ 
teter Tempel. j 

Auch noch mehrere andere Plähe in Rom führten 
ven Namen F.: fo das uralte Forum boarium 
(Rindermarft) am Tiber unterhalb des Balatin und 
Aventin; dad Forum holitorium (Gemüfemarft) 
nördlich davon; das Forum suarium (Schweine: 
marft) im Marsfelde unterhalb des Pincius, das 
ſchon genannte Forum piscatorium. Im ganzen 
gab es im 4. Jahrh. n. Chr. in Rom elf Fora. 

Als Drtöname außerhalb Rom findet fh F. 
kauf für die bei Anlegung der großen Reichs— 
traßen ins Leben gerufenen Marttfleden, meift mit 
einem Zufaß, der vom Namen des Straßenerbauers 
oder von der Völkerichaft, in deren Gebiet der Ort 
lag, bergenommen ift. Bon der erjten Art find: 
Forum Appii in den Bontinifchen Sümpfen; Forum 
Cornelüi , jest Jmola; Forum Julii, jeßt Frejus 
bei Marjeille, ein anderes jest Cividale di Friuli 
im Friaul; Forum Livii, jest orli; Forum Po- 

illii, jegt Forlimpopoli; Forum Sempronii, jebt 

ofjombrone. Zur zweiten Kategorie gehören Fo- 
rum Gallorum, jest Eajtelfranco; Forum Segusia- 
vorum, jet Feurs bei Lyon, u.a. 

Bol. Dutert, Le Forum Romain (Par. 1876); 
Jordan, Topographie der Stadt Rom, Bd. 1, 
2. Abteil. (Berl. 1885); Hülfen, Relonftrultion des 
Forum Romanum (Rom 1892); Levy und Quden: 
bad, Das Forum Romanum der Raiferzeit (Münd. 
1895); Yanciani, Forma Urbis Romae, Bl. 29 
(1896); Tbevenat, Le Forum Romain et les Fo- 
rums imperiaux (2. Aufl., Bar. 1900); Hülfen, Die 
Ausgrabungen auf dem Forum Romanum (Rom 
1902); Vaglieri, Gli scavi recenti nel Foro Ro- 
mano 1899—1902 (ebd. 1903). Über die neuejten 
Ausgrabungen geben außerdem Berichte die Notizie 
degli scavi (bg. vom ital. Unterrichtäminifterium), 
das «Bollettino della commissione archeologica 
-omunale» (Rom) und der Arhäologifhe Anzeiger 
des Kaiſerl. Deutſchen Inſtituts in Rom. 

Foscäri, Francesco, Doge von Venedig 1428 
—57, geb. um 1372, regierte ald Vormund des 
Francesco Gonzaga jeit 1412 in Mantua mit Glüd 
und murbe 1421 Brofurator von San Marco; er riet 
zu friegerifhem Vorgehen auf dem Feitland, und zwar 
Yundctt im Bund mit ölorenn genen Filippo Maria 
Bisconti, den Herzog von Mailand; dicke olitit 
wurde angenommen und F. zum Dogen gewählt als 
Nachfolger des Tommaſino Mocenigo troß deſſen 
Warnung. Mit dem Condottiere Carmagnola (f. d.) 
befriegte er num fiegreih Filippo Marta Bisconti 
und zwang ihn 1427 zum Berziht auf das Ge: 
biet von —— Cremona und Breſcia. Der 
1431 neu entbrannte Krieg brachte zwar Nieder: 
lagen, doch erbielt F. durch — Verhandlun⸗ 
gen die Adda als Grenze für Venedig. Aber ſchon 
1433 brad der Krieg von neuem aus; Piccinino, 
Truppenfübrer des $ lippo Maria Visconti, den 
Neapelund Mantua unterjtüsten, drang zuerit ſieg⸗ 
reih vor gegen Venedig, mit welchem Coſimo L, 
Eugen IV., Genua und die Ejte im Bunde waren, 
wurde aber danach von dem Eonbottiere der Vene: 
tianer, Francesco Sforza (f. d.), im Engpaß von 
Zenno 1439 gejchlagen, worauf Venedig im Ber: 


Foscari — Foscolo 


trag von Cavriano 1441 Lontano, Vellajo und 
Peschiera gewann und der Familie da Polenta 
durch ein —2 Ränleſpiel Ravenna nabm. 
1443 einigte 5. ganz Oberitalien zum Bund gegen 
die zunehmende Macht Alfons’ L von Neapel, wel: 
den —— unterſtützte. Aber ſchon 1445 trat 
Filippo Maria Visconti auf die Seite Neapels und 
des Papſtes über, und jein Nachfolger in Mailand 
(1447), Francesco Sforza, befämpfte Venedig 
mit Glüd. Tropdem gelang es F. 1448 wieder 
einen günftigen Frieden er enger ‚ und ber 
Miederausbruh des Krieges batte ſchließlich im 
rieden von Lodi 1454 den Erfolg einer weſent⸗ 
ihen Ausdehnung des venet. Gebietes auf dem 
eitland. In diejer Zeit aber war nicht nur die 
eeräuberei in der Adria zum ernftlihen Schaben 
bes venet. Handels erbeblich geftiegen, fonbern es 
wuchſen auch Benedigs gefährlichſte Feinde, die 
Türken, durd die Eroberung von Konftantinopel zu 
einer drohenden Macht empor. Sp wurde denn 
auch der ahtzigjährige Doge, ber zweimal freimillig 
batte zurüdtreten wollen, infolge einer Jntrigue 
des venet. Admirals Loredano, mit dem er fidh aus 
Eiferfucht verfeindet hatte, 25. Dt. 1457 abgeſest, 
nachdem er brei feiner Söhne dem Dienjte der Re 
publik in feinen Kriegen, den vierten, Jacopo, dem 
Haß feiner Gegner, welche ihn der Beftebung bes 
ſchuldigten, geopfert hatte. Seinen Sturz überlebte 
er nur um wenige Tage. Jacopo F.s tragiiche Ge 
dichte wurde mehrfach poetiich behandelt, auch von 
yron in «The two F.» (1821). — Val. Francesco 
und Jacopo F. (in xHomeyers Ardhiv», 1819, Nr.55); 
Litta, Famiglie celebri italiane (Bd. 9); Senger, 
Hiſtor.⸗kritiſche Studien (Münd. 1878). 
o8cölo, Niccold Ugo, ital. Dichter und Lit: 
teraturbiftorifer, geb. 26. Jan. 1778 auf ante, 
Sohn des Venetianers Andrea F. und der Griechi 
Diamante ** zeigte ſich früh von dem Geda 
einer polit. Wiedergeburt Italiens erfüllt, dem er 
rg rend und bandelnd fein Leben widmete. 
Schon nah dem Ausbruche der Franzöſiſchen Re 
volution trat er in Venedig mit dem Trauerfpiele 
«Tieste» (1797) auf, das die Partei, die von den 
Franzoſen Italiens Wiederbelebung hoffte, begeiftert 
aufnahm. F. jelbjt erfannte bald die Trüglichkeit 
diejer Hoffnungen und verſchmolz in « Ultime let- 
tere di Jacopo Ortis» (Mail. 1802; neu bg. von 
Martinelli und Traverfi, Saluzzo 1887; deutſch 
von Lautſch, 2. Aufl., Lpz. 1847; von Geubert in 
Reclams «llniverjalbibliotbef»), einem in der An: 
lage Goethes «Werther» nacgebilveten, onft ganj 
eigenartigen Roman, mit jeinen Liebesllagen (um 
Jabella Roncioni, nachher Gattin des Marceie 
Bartolommei) den berben Schmerz über die traurine 
Lage * Vaterlandes. In Lyon, wohin er als 
Mitglied der Conſulta berufen war, hielt er die 
ſchmerzvolle und kühne Rede «Orazione a Bona- 
parte» (Par. 1802 und Lugano 1829). 1804 zog 
er ald Hauptmann im franz. Heere mit nach Bow 
logne, tebrte 1805 beim und begann eine über 
fegung der «Tlias», die aber wenig über den An: 
fang des 7. Buches hinausgelangte. Außerordent⸗ 
lien Beifall gewann das Gedicht auf die Gräber 
gl Sepoleri, carme», 1807; vol. varüber Ugoletti, 
ologna 1888). 1808 ward er Profeſſor ber Vereb- 
famteit in Bavia, doch wurde der Yebritubl 1809 auf- 
geboben. Er ſchrieb nun in Mailand die Tragödie 
aAjace», die 1811 gegeben und von der Polizei ver» 
boten ward; vielleicht wurde er auch felbft verwieſen. 


Fofitesland — Fötaltrankheiten 


Er ging nad Florenz, wo er feine Hoffnung auf | 


Miederberftellung Italien noch ſtärker in dem 


Trauerfpiel «Ricciarda» ausſprach. Beim Sturz der | 


Napoleonifchen Herrſchaft trat er von neuem in den 
Kriegsdienit gegen Oſterreich und mußte dann ent: 
fliehen. Er ging nad der Schweiz und von dort 
1816 nad) England, wo er anfangs mit Beiträgen 
u litterar. Zeitfchriften und Borlefungen über ital. 
itteratur bedeutende Summen erwarb, dann aber 
in Not und Krankheit lebte. Er jtarb 10. Olt. 
1827 bei London. Eine feit lange begonnene Did: 
tung, die Hymnen an die Grazien («Le Grazie»), 
blieb Brudftüd. F. verfaßte auch gelehrte Werte. 
Derart find feine 1803 gebrudten Abhandlungen 
und Kommentare zu Callimachus' «Haar der Bere: 
nice». In London entjtanden die wichtigen «Saggi 
sopra il Petrarca» (Lugano 1824), der «Discorso 
storico sul testo del Decamerone» (1825) und ber 
«Discorso sul testo della Commedia di Dante» 
(Lond. 1825 u. d.). Seine Werte find am volljtän- 
digften gefammelt in 11 Bänden (darunter 3 Bände 
Briefe) von Drlandini und Mayer (lor.1850—62); 
die «Poesie» allein gaben heraus Meftica (2 Bbe., 
ebd. 1884) und Antona:Traverfi und Martinetti 
Rom 1889), «Uingedrudte Briefe von Freunden U. 
75.8» Tobler (Berl. 1892). — Vgl. Artufi, Vita di U. 
A (fer, 1878); de Windels, Vita di U. F. (3 Bbe,, 
Mail. 1898); Chiarini, Gli amori di U. F. nelle sue 
lettere (2 Bbe., Bologna 1892); Pallaveri, Ugo F. 
(Livorno 1892); Yoa, L’amore in U. F. 1795— 
1807 * 1900); derf., Ugo F. (ebd. 1902). 
ofitesland, ültefter Name für Helgoland, 
nad dem Gotte Fofite (f. Forfeti), dem der heil. 
Willibrord um 700 und der heil, Liudger 785 die 
Inſel geweiht fanden. 
ossa (lat.), Grube, Graben; F. Drusiäna, ver 
Drufusgraben ('. Drufus). Inder Anatomiegru: 
ben: oder rinnenartige Vertiefung in den Knochen 
und Weidhteilen, wie F. axilläris, die Achſelhöhle; 
F. lacrymälis, die Thränenrinne am vordern Teil 
der innern ———— welche den Thränen⸗ 
ſack enthält; F. poplitöa, die Kniekehle; F. rhom- 
boidälis, die Rautengrube (j. d.); F. Sylvii, die 
Sploiusiche Grube im Gehirn (f. d. und Sylbius, 
alob); F.temporälis, die Schläfengrube, die Aus: 
öhlung zwiihen dem Jochbogen und dem vordern 
Seitenteil des Schädels. 

a, |. Schleichlatzen nebſt Tafel, Fig. 2. 
offalta, Bach bei Modena, belannt durch die 
lacht 26. Mai 1249, in mwelder König_Enzio 

(f. d.) in die Gefangenfchaft der Bolognefer fiel. 
Boffäno (lat. Fons sana), Stadt in der ital. 
Provinz und im Kreis Cuneo, in 377 m Höhe, 
linl3 an der Stura, an der Linie (Turin:) Car: 
magnola⸗Cuneo des Mittelmeernegeö und ber 
Schmalſpurlinie F.⸗ Mondovi (24 km), Siß eines 
Biſchofs (feit 1592), einer Alademie, des Komman⸗ 
dos der Infanteriebrigade «Mare» und einer 
Geniejeltion, hat (1901) al& Gemeinde 18133 E., 
in Garniſon das 56. Infanterieregiment und die 
3. Estadron des 17. Ravallerieregiments; zablreiche 
Kirchen, Theater; PBulverfabrif, Gerberei, Seiden- 
ipinnerei und »Weberei, Tuch- und Papierfabrika⸗ 
tion jowie bedeutenden Handel. Die alten Wälle 
tragen jest Promenaden. F. wird feiner Mineral: 
bäder a a viel beſucht. — F. fam 1840 durd 
Kauf an Savoyen, wurde 1536 von den Franzoſen 
bejest, ihnen aber wieder entrifjen, dann von Fra 
bert Emanuel zur Refidenz erwählt und 1566 zur 


923 


Stadt erhoben, April 1796 von den Sranzojen ers 
ftürmt, 15. Sept. 1799 abermals von diefen bejest, 
aber jhon 18. Sept. von den Oſterreichern unter 
Melas wieder genommen, der 4. und 5. Nov, bie 
—— bei dem nahen Dorfe Genola und bei 
avigliano entſcheidend ſchlug. — Bgl.G. Muratori, 
Memorie storiche della cittä di F. 
offäno, ital. Maler, j. Borgognone. 
ossaril, j. Fossores. 
Sole, Charles de la, franz. Maler, |. La Fofle. 
o er — -böh), Marquis von, ſ. Montmo⸗ 
rency var! ledht). 
offiles Holz, ſ. Holz, foſſiles. 
— — (lat.), eigentlich alle aus der Erde ges 
abenen Naturlörper; im weitern Sinne joviel wie 
ineralien (f. d.), im engern, gebräudlichern fo: 
viel wie Verfteinerungen (}. d. und Leitfoffilien). 
Boffombröne, Stadt im Kreis Urbino der ital, 
Provinz PBefaro:Urbino, an der Straße von Fano 
nah Rom, der alten Via Flaminia, im ſchmalen 
Thale des Metauro, Siß eines Biſchofs, hat (1901) 
ald Gemeinde 10428 E., Kathedrale San Alde— 
brando, ein Gymnafium, tehniihe Schulen und 
bedeutende Seideninbuftrie (Seta della Marca). In 
der Näbe (1,5 km) Refte der von Goten und Lango— 
barben —— röm. Kolonie Forum Sempronii. 
Bei F. I ugen die Römer 207 v. Ehr. den far 
thager Hasdrubal. Lange im Beſitze der Malatefta, 
fam F. unter Sirtu3 IV. an den Kirchenſtaat. 
Fossöres oder Fossarii (lat., «Gräber»; griech. 
kopiätai), die mit der Nusgrabung der unterirdifchen 
Grabjitätten der erſten Ebriften und mit der Toten- 
beftattung beauftragten Bedienfteten; fie bildeten ein 
a enes Kollegium, das im 4. Jahrh. großen 
nfluß erlangte und vorübergehend in den Stand 
der Kleriler eingegliedert wurde. j 
Beh ehemaligerName von Alt-Rairo, |. Rairo. 
ofter, in England bei Blei eine Gewichts: 
menge von 28 ent: oder engl. Eentner 
zu 112 Pfd. = 1422%, kg (j. Fodder). 
Fofter, Birlet, engl. Zeihner und Aquarellmaler, 
er 4. Febr. 1825 zu North-Shields, war Schüler 
. Zandelld, Sein erſtes Hauptwerk waren bie 
Ylluftrationen zu Longfellows «Evangeline» (1850; 
neue Ausg. 1854), denen weitere zu andern engl. 
und ameril. Dichtern folgten. Später wandte er ſich 
der Aquarellmalerei zu und lieferte anmutige länd- 
lihe Scenen, wie Die Nußernte, Das Bogelneft, Die 
Mühle, Das a. Er ftarb 27. März 1899 in 
Weybridge. — Bol. Huiſh, Birket F. (Lond. 1890). 
ofter, Kohn Welld, norbamerif. J. enieur, 
geb. 4. März 1815 zu Peiersham in Maſſachuſetts, 
get. 20. Juni 1873 zu Ehicago als Präfident der 
Academy ofScience, war 1837—88 bei der geolog. 
Aufnahme von Dbio befhäftigt, führte 1849 mit 
Whitney die Aufnahmen im Kupferdiſtrikt des 
Staates Michigan aus («Report on the geology and 
topography of the Lake Superior Land District 
in the State of Michigan», 2 Bde., Wafbington 
1850—51) und ſchrieb «The une ar vo 
(Chicago 1869) und «Prehistoric races ofthe United 
States of America» (ebd. 1873; 4. Aufl. 1878). 
oftite, |. Pflanzenkrankheiten. j 
oftoria, Stadt im County Seneca im norbs 
amerif. Staate Ohio, ſudlich von Toledo, ——— 
punkt von fünf Bahnen, bat (1900) 7730 E., ber 
deutende Induſtrie, namentlih Glashütten. 
Fötälfranfheiten, diejenigen Erkrankungen bes 
Fötus (f. d.), welche diefen innerhalb des Mutter 


924 


leibes befallen und entweder fein Abfterben bewir⸗ 
ten oder dauernde Berunftaltungen und Gebrechen 
erzeugen, Sie beruben zum Teil auf fehlerhaften 
Entwidlungdvorgängen, wie die Mikbildungen 
mit überzäbligen oder fehlenden Gliedmaßen, mit 
unvollftändiger Bildung des ganzen oder halben 
Körpers, mit faljher Lagerung der Organe u. dal., 
deren veranlafjende Urſachen zum großen Teil noch 
völlig unbelannt find (f. Mikbilvung); in andern 
Fällen entftehen F. dur faljhe Yagerungen der 
* in der Gebärmutter, wie Rlumpfuß, Schief- 
als, ee Prise eite Umfhlingung 
der Nabelichnur oder gewiſſer Teile der Eihäute 
um einzelne Gliedmaßen u. dal. oder durch äußere 
mechan. Schäpdlichleiten (Drud, Schlag, Stoß, Fall), 
welche den mütterlihen Leib und mit ibm den Foö— 
tus treffen, wodurch fötale Knochenbrüche, Ber: 
tentungen und Berfrümmungen entjteben können. 
Eine weitere Reibe von F. kommt dadurch zu ftande, 
daß irgend ein Anftedungsitoff aus dem mütter- 
lichen Körper auf den des Fötus übergeht, was in: 
tolge der Ernährung des Fötus durch das mütterliche 
Blut möglich ift (immerbin aber doch relativ felten 
vorfommt); jo fann der Fötus mit Syphilis, Boden, 
Scharlach durd die Mutter angeftedt werben; bei 
andern Infeltionstrantheiten (Majern, Roje, Tuber⸗ 
tulofe u. |. w.) ift dieje Krankheitsübertragung zwei: 
felbaft. Aber auch ganz unabhängig vom mütter: 
lihen Organismus können ſich beim Fotus mannig: 
fache entzündliche Vorgänge in den verjchiebenften 
Organen, namentlih im Him und Rüdenmarl, 
im Herzen und im Knochenſyſtem entwideln, melde 
bäufig entweder ſchon im Mutterleibe oder bald 
nad) der Geburt den Tod des Fötus zur Folge haben. 
In manden Familien vererben fi derartige Er: 
—— des Fötus von Geſchlecht zu Geſchlecht. 
S. Erbliche Krankheiten.) In vielen Fällen fönnen 
durch ein geeignetes Verhalten während der 
chwangerſchaft vermieden werden, weshalb allen 
—— auen eine durchaus mäßige und geregelte 
ebensweiſe nicht dringend genug empfohlen werden 
fann. (S. Schwangerſchaft.) — Bal. Herrgott, Des 
maladies foetales (Bar. Ph Ablfeld, Die Miß— 
bildungen des Menſchen (2 Abjchn., Lpz. 1880—82). 
Ötälfreidlauf, Fötälleben, Fötälpuls, 


% ryo. 

Fothergill, Jeſſie, engl. Romanſchriftſtellerin, 
geb. 7. Juni 1851 als Tochter eines Kaufmanns 
zu Mandefter, wo fie dauernd wohnte, Sie ftarb 
28. Juli 1891 zu Bern. Ihrem erften Roman 
«Healey» (3 Bde., Lond. 1875; neue Aufl. 1883) 
folgten «Aldyth» (2 Bde., 1877; neuejte Ausg. 
1891), «The first violin» (3 Bde,, 1878), ihr beveu: 
tenbftes Wert, «Probation» (3 Bre., 1879), «The 
Wellfields» (3 ®de., 1880), «Kith and kin» (3 Bbe., 
1881), «Peril» (3 Bde., 1884), «The lasses of Laver- 
house» (1888), «A march in the ranks» (3 Bde., 
1890), «Oriole’s daughter» (3 Bde,, 1893) u. a. 

Fothergilifher Gefihtöfchmerz, |. Ge 
ſichtsſchmerz. 

— (fpr. föth’ringeh), Dorf in der 
engl. —— orthampton, 15 km im WEW. 
von PVeterborougb, mit den Ruinen eines Schloſſes, 
in dem Richard III. geboren und Maria Stuart 
18. Febr. 1587 hingerichtet wurde. 

oticha, Stadt in Bosnien, ſ. Foka. 

otſcha, Ort in Rleinafien, ſ. Pboläa. 

Ötterle, Franz, Geolog, geb. 2. Febr. 1823 zu 
Mramotik in Mäbren, wurde 1849 Alfiitent an der 


Fötalfreislauf — Foucault 


Geologiſchen nen: an der er 1856 zum 
Bergrat, 1867 zum heigeologen und 1873 zum 
Vicedireltor aufrüdte. Er ftarb 5. Sept. 1876 in 
Wien. F. nahm großen Anteil an der geolog. Kar: 
tierung Oſterreichs und lieferte eine neolog. Karte 
von Südamerila (Wien 1854) und einen «Geoloa. 
Atlas des öfterr. Kaiſerſtaats⸗ (fg. 1, Gotha 1860). 
Außerdem veröffentlichte er: aGeolog. liberficht der 
BergbauederSfterreihifhen Monardier(mit Hauer, 
Mien 1855) und «Berichte über die geolog. Aufnabme 
des füdl, und weſtl. Mähren» (ebd. 1853 u. 1868). 
otuna, Inſel, |. Hoorne⸗Inſeln. 
ötus oder Fetus (lat.), die Leibesfrucht, ne 
mentli vom dritten Monat nad) der Zeugung bis 
zur Geburt (f. Embryo). j 
Foetus in foetu (lat.), eine Doppelmißgeburt, 
bei welcher der eine Fötus in einer jo früben Zeit 
verfümmert ift, daß er von den fih jchliehenven 
Bauchplatten des andern eingeſchloſſen wird. Der 
ru Manni dtus befteht meijt nur aus einigen 
verfümmerten emitäten und Eingeweiben. 
Fou (frz., fpr. fu; Femininum folle), närrije, 
verrüdt; Narr; der Läufer im Schadjipiel. 
Foucart (jpr. futahr), Paul, franz. Gelehrter 
eb. 15. März 1836 zu Paris, ftudierte auf der 
ormalfchule und auf der franz. Schule zu Atben, 
ward 1874 außerord. und 1877 ord. Profefior der 
Epigrapbie und gried. Altertumsfunde am Collöge 
de France. 1878 wurde er Mitglied der Akademie 
der Inſchriften und im Dezember desjelben Jahres 
Direktor der franz. Schule zu Athen. 1884 murde 
er auf 4 weitere Jahre für diejes Amt ermählt, 
morauf er 1890 feine Profefiur am College de 
France wieder übernahm. Seine wihtigften Werte 
m: «Inscriptions recueillies & Delphes» (mit 
eier, Bar. 1863), «M&moire sur les ruines et 
P’histoire de Delphes» (ebd. 1865), «M&moire sur 
Vaffranchissement des esclaves par forme de vente 
& une divinit6» (ebd. 1867), «Des associations re- 
ligieuses chez les Grecs» (ebd. 1873), « Mölanges 
d’epigraphie grecque » (Heft 1, ebd. 1881), «Be 
cherches sur l’origine et la nature des m 
d’Eleusis» (1895). 
Foucault (pr. fulob), Leon, . Bbofiter, 
geb. 18. Sept. 1819 zu Paris, ftubierte anfänglid 
ebizin, befchäftigte fi feit 1839 mit der kur; 
vorher ndenen Daguerreotypie und bald dar- 
auf, im Berein mit Donne und Fizeau, mit opti: 
jhen Fragen, die ihn mit Arago in Berübrung 
rachten. 1850 erfand er ein Berfabren zur Be 
ftimmung der Lichtgeſchwindigleit (ſ. d.), und 1851 
zeigte er im Pantheon zu Paris die Achſendrebung 
der Erde mitteld eines Pendels (f. Foucaults Per 
delverjud). E3 folgten nun Arbeiten über Wärme 
und Magnetismus jowie fein eleltromagnetiicer 
Apparat zur Berwandlung der mean. Arbeit in 
Märme. 1855 wurde F. zum Phyſiler des ng 
Obſervatoriums ernannt. In diefer Stellung 
ſchäftigte er ip mit Berbefjerung der Ferntohre 
(f.d.) und phyſil. Apparate dieſes Inſtituts fo erfolg: 
reih, daß er 1862 zum Mitgliede bed Längen: 
bureaus und 1865 der Pariſer Alademie gewählt: 
wurde. Um dieſe Zeit erfand er feinen Regulator 
für raſch rotierende Körper. F. ftarb 11. Febr. 1868 
u Paris. %.3 Arbeiten find in den Schriften der 
Barifer Alademie und in leicht faßlicher Weife im 
«Journal des Debats» veröffentlicht. Zablreiche Ab⸗ 
bandlungen finden fi in der «Bibliothöque d’in- 
struction populaire» und den «Comptes rendus» ber 


Foucaults Pendelverfuh — Foucher 


Alademie der Wifjenihaften. — Vgl. Liffajous, No- 
tice historique sur la vie et les travaux de Léon 
F. (Bar. 1875); Gariel und Bertrand, Recueil des 
travaux scientifiques de L&on F. (ebd. 1878). 

Foucaults Bendelverfuch. Als Foucault 
(j. d.) einen in der Drebbant eingellemmten Stab, 
der dur einen zufälligen Stoß in Querſchwingun⸗ 
gen geraten war, um bie Längsachſe in Drehung 
verjeßte, bemerkte er, dab die Schwingungsebene 
nicht mit rotierte, fondern ftehen blieb. So behält 
auch ein Fadenpendel, dad an dem obern wag—⸗ 
rechten Querbalten eines ſenlrechten Rahmens a 
gehängt iſt, feine Schwingungsebene bei, obglei 
man den Nahmen um eine ſenkrechte Adie dreht. 
Diefe Beobachtungen brachten Foucault auf_ben 
Gedanken, die Ad endrehung der Erde mit Hilfe 
eines ſchwingenden Pendels nad) Per was aud 

elang. Denkt man ſich am Bol ein gringens 

endel, deſſen — — durch einen 
tern hindurch geht, ſo behält dieſe ihre Stellung bei, 
dreht ſich alſo in 24 Sternſtunden relativ gegen 
die Erde einmal im Sinne des Uhrzeigers herum. 
Geometriſche Betrachtungen lehren, daß die Drehung 
im ze. eine? Tages proportional dem Sinus der 
geogr. Breite ift, jo daß diefelbe am Uquatox Null, 
am ol aber einen vollen Umlauf beträgt, Da ver 
Verſuch mit der Rechnung übereinftimmte, fo ift 
das Aufjehen begreiflich, das er erregte; im Kölner 
Dom wurde der Verſuch von Gartbe, im Dom zu 
Speyer von Schwer wiederholt; — — 
wurde er von Garthe (1852), Pislo (1853) und Hull: 
mann (1873) bebanbelt. 

Foucaultitröme (fpr. a -), neuerdings nad) 
Thompfon zwedmäßiger Wirbelftröme (Eddy- 
currents) genannt, diejenigen Ströme, die bei einer 
Dynamomafdine in dem Kern des Anters durch 
dejien Bewegung induziert werden und bie man, da 
ihre Erzeugung Arbeit verbraudt und fie außerdem 
durch Erhigen ſchädlich wirken, ſoweit irgend mög- 
(ih dadurch zu unterbrüden ftrebt, daß man ihnen 
dur Berteilen (Zamellierung) des vollen Eiſens 
normal zur Richtung jener Ströme und Iſolierung 
diefer Lamellen voneinander durch Bapier, oder 
auch nur durd einen Anjtrich den Weg verlegt. 

Fou or 

eb.21.Mai 1759 in Pellerin bei Nantes, erhielt da⸗ 
elbjt bei den Dratorianern den erften Unterricht und 
trat dann ſelbſt in das Oratorium zu Baris ein, wo 
er ſich für das Lehrfach beftimmte. Als die Revo: 
lution ausbrach, wurde F. Advolat und vom De: 
part. Unterloire in den Konvent gewählt. Hier ſchloß 
er ji der Bergpartei an, ftimmte für den Tod des 
Königs und begleitete Nov. 1793 als Konventsmit: 
gie die Kommiſſare des Wohlfahrtsausſchuſſes, 

ollot d'Herbois und Eouthon, nady Lyon, wo das 
—— Blutgericht mit von ihm geleitet wurde. 

ach ſeiner Rudkehr zog er ſich als Anhänger Heberts 
den Haß Robespierres zu und wurde von dieſem 
aus dem Jalobinerklub ausgeſchloſſen, weshalb er 
defien Sturz förderte. Dennod wurde aud er als 
Anhänger des «Schredens» im Aug. 1795 aus dem 
Konvent geftoßen und bis zur Amneftie im Dftober 
gefangen gehalten. Im Sept. 1798 wurde er als 

ejandter an die Cisalpiniſche Republit nah Mai: 
fand geſchickt. Hier ſuchte er mit General Brune 
einen Umiturz ver Verfaſſung ——* weshalb 
beide alsbald abberufen wurden. F. erſchien erſt 
im Jan. 1799 wieder zu Paris, wurde end 
in Holland, im Juli Polizeiminifter. Sept begann 


925 


fein bedeutender Einfluß auf die innere Politil 
Frankreichs. Er ging vor dem 18. Brumaire 
9. Nov. 1799) von Barras zu Bonaparte über 
und organifierte, nachdem der Staatäftreich ger 
lungen war, die abfolute gg were zu ber 
er die Mittel meift aus der Spielpaht entnahm. 
Die neue Regierung bielt er von Gemaltthaten 
zurüd, auf feinen Rat wurde die Emigrantenlifte 
geihloflen und eine allgemeine Amneltie proflas 
miert. Die Attentate war er mehr zu verhindern 
als zu beftrafen bedacht. Dies machte ihn Napoleon 
verbädtig, der ihn 1802 plöplich feines Amtes ent- 
fegte, indem er das Bolizeiminifterium abſchaffte. 
Schon im Juli 1804 wurde 3. jedoch wieder an bie 
Spiße der Polizei ae mit deren Verwaltung bei 
der häufigen Abweſenheit des Kaiferö eine große 
Macht verbunden war. Napoleon hatte ihn bereits 
zum Grafen ernannt, und nad dem öfterr. Kriege 
verlieh er ihm 1806 den Titel Herzog von Dtranto, 
mit reichen Dotationen im ge Nichts: 
deſtoweniger fuhr F. fort, die maßlojen Entwürfe 
Napoleons zu befämpfen, fo daß er von neuem 
läftig und verdächtig wurde. Am3. Juni 1810 mußte 
er das Polizeiminiſterium nieberlegen, da er eine 
geheime Friedensunterhandlung mit England auf 
eigene Fauft anzubabnen gejucht hatte, und fiel in 
Ungnade, Erſt im Feldzuge von 1813 rief der Kaiſer 
ihn ins Hauptquartier nad Dresden und jhidte 
ihn von bier als Gouverneur der illyr. Provinzen 
nad) Laibach. Doch nun war F. ein entſchiedener 
Gegner Napoleons und fahte defien Sturz bereits 
feft ins Auge. Auf dem Wege nad Laibach gab er 
der öfterr, Regierung Winke über die Stimmung 
—— die nicht wenig zum Anſchluß Metter⸗ 
nichs an Preußen und Rußland beitrugen. Nach 
der Schlacht bei Leipzig ward F. nach Rom und 
Neapel geſchickt, um Murat zu überwachen. 1814 
gain er, gleich Talleyrand, eine Regentſchaft Marie 
uifens ftatt Napoleons Herrihaft im Sinne, 
chloß fi aber dann den Bourbons an. Nach der 
eftauration derjelben drang F. auf Anerlennung 
der faltiſchen Zuftände und auf allgemeine Verjöh: 
nung und zog fi, als diefe Politik nicht befolgt 
wurde, ins Srialfeen zurüd. Bei ver Rüdtebr 
Napoleons übertrug ihm diefer das Polizeiminiftes 
rium. F. täufchte ſich aber nicht über den Ausgang 
der Dinge und feste fi mit Ludwig XVII. und 
Metternich in heimliche Beziehung. Nach ver Schlacht 
von Waterloo betrieb er die zweite Abdankung Na: 
poleons, ftellte fi an die Spitze der Brovifortichen 
Regierung, vermittelte die Kapitulation von Paris 
und leitete den Abzug der Armee hinter die Yoire, 
Nun übertrug ihm Ludwig XVII das Polizei: 
minifterium;; doch feine Partei ſchenlte ihm mehr 
Vertrauen, er mußte im Sept. 1815 dimiffionieren 
und gine ald Gejandter nah Dresven. Als ibn 
das Verbannungädelret vom 12, Jan. 1816 gegen 
die fog. Königämörder traf, ging er nah Prag, 
dann nad Linz; und Trieft, wo er 25. Dez. 1820 
ftarb. Aus feiner a — eine große Anzahl 
polit. Pamphlete. Auch Memoiren ER a Sa 
doch find dieſe noch nicht veröffentliht. Die bes 
tannten M&moires de Jos. F., duc d’Otrante (2 Bpe., 
Bar, 1822—24) find nicht von ihm, fondern von 
Alphonſe de Beauchamp verfaßt. — Bol. Eomte de 
Martel, Etude sur F. (2 Bde., Par. 1873—76); 
Piadelin, F. 17659—1820 (2 Bve., ebd. 1901). 
oucher (fpr. fuiheb), Paul, franz. Schrift: 
fteller, geb. 21. April 1810 zu Paris, —* zu⸗ 


926 


nädft unter dem Cinfluffe feines Schwagers Victor 
Hugo eine Anzahl Erzählungen («Saynötes», «La 
misere dans l’amour», «Les passions dans le 
monde», «Tout ou rien») und trat 1830 mit einem 
hiſtor. Drama in Verſen: «Yseult Raimbauld», 
auf. In der Folge verfaßte er, allein oder mit 
Dennery, Dednoyers u. a., mehr ald 60 Stüde für 
die Boulevarbbühnen; den größten Erfolg hatte 
das Drama «Notre-Dame de Paris» (1850, nad 
V. Hugos Roman). Andere Stüde find: «La bonne 
aventure» (1854), «Joconde» (1855), « L’institu- 
trice» (1861), «La bande noire» (1866) u. f. w. 
ſchrieb auch ein Trauerfpiel: «Don Sebastien de 
ortugal» (1839), den Tert zu Opern und Ballett3 
und viele litterar. Blaudereien und Feuilletong, die 
er in zwei Bänden: «Entre cour et jardin» (1867) 
und «Les coulisses du pass&» (1873), berausgab. 
F. ie 24. Jan, 1875 zu Paris. 
oucher de Eareil (jpr. fuſcheh dẽ karej), Louis 
Alerandre, Graf, franz. Schriftjteller und Politiker, 
ge 1. März 1826 zu Paris, machte verjchiedene 
eifen, namentlih nad den Vereinigten Staaten. 
Mäbhrend des Deutſch-Franzdſiſchen Krieges wurde 
er Generaldireftor der Lazarette der Bretagne: 
Armee, 1871 Präfelt des Depart. Cötes-du-⸗Nord, 
1872 des Depart. Seineset:Marne. Bon dem Mini: 
fterium des 24. Mai 1873 abgefest, wurde er vom 
Depart. Seine:et: Marne 1876 und 1882 in den 
Senat gewählt, wo er zum linfen Gentrum gehörte. 
1883—86 war er franz. Botfchafter in Wien. Er 
jtarb 10. Jan. 1891 in Paris. F, war ein ausge— 
zeichneter Kenner des Vhilofopben er Me 1859 
m er eine vollftändige Ausgabe der «(Euvres de 
eibniz» (Bd. 1—7, Paris, bis 1875) beraus, Ferner 
veröffentlichte er eine «Röfutation inedite de Spi- 
noza par Leibniz» (Par. 1854), «Lettres et opus- 
cules inedits de Leibniz» (1854), «Nouvelles let- 
tres et opuscules inedits de Leibniz» (1857), «Let- 
tres de Leibniz, Bossuet, Pellisson etc.» (1859), 
«Leibniz, la philosophie juive et la Cabale» (1861), 
«Leibniz, Descartes et Spinoza» (1868), «Leibniz et 
les deux Sophies» (1876), «Descartes et laprincesse 
Palatine» (1862), «Hegel et Schopenhauer» (1862), 
«Goethe et son @uvre» (1865), «Descartes, la prin- 
cesse Elisabeth et la reine Christine» (1879) u. ſ. w. 

Fouequet (fpr. fuleb), Jean, franz. Maler, geb. 
um 1415 zu Tours, geft. gegen 1490, war Hofmaler 
Ludwigs XI. Bon —* ildern haben ſich nur 
wenige erhalten. Von höchſtem Werte in Bezug auf 
Erfindung und naturaliſtiſche Durchführung ſind 
ſeine Miniaturen: ein Joſephus und Livius in der 
Stadtbibliothet zu Paris, eine franz. Überſetzung 
von Boccaccios «Leben berühmter Frauen» in Mun⸗ 
den, ein Gebetbuc (jet zerichnitten, die meiſten 

40) Blätter im Eonde: Mujeum des loſſes 
Chantilly); fie find mit koſtbaren Kompoſitionen ges 
ſchmückt, teild von F., teild von feinen Wertitatt: 
genofien ausgeführt. [j. Fouquet. 

Foucquet, Nicola®, franz. Finanzminifter, 

Foudre (fr;., ipr. fubdr), Bliß, Donner; fou⸗ 
drovant(fpr. peöäjang), donnernd, niederſchmet⸗ 
ternd (in übertragenem Sinne). 

Fougeres (ſpr. fuibäbr). 1) Arrombiffement 
im franz. Depart. Ylleset:Bilaine, bat 998 qkm, 
(1901) 89026 €., 57 Gemeinden und zerfällt in 
die 6 Kantone Antrain, Fougdres:Nord, Fougeres⸗ 
Sud, Louvignedu:-Defert, St. Aubinsdu:Cormier, 
Et. Briceen:Cogles. — 2) Hauptitadt des Arron⸗ 
diſſements F., in 136 m Höhe auf einem Hügel ge 


— — — mm — 


Foucher de Careil — Fould 


legen, der ſich am Nangon hinzieht, an den Linien 
Vitre⸗Pontorſon und %.:Pire (88 km) der Weit: 
bahn, Siß eines Geri eh und einer Handels: 
fammer, bat (1901) 19525, als Gemeinde 20 952 €, 
in Gamifon die 10. Traineskadron; die got. Et. 
Sulpicelirhe, Kirhe St. Leonard, Denkmal der 
1870 gefallenen Mobilgarden und Reiterftatue des 
Generals Lariboifitre (1898), ein Theater (1886), 
Refte ehemaliger Befeitigungen, ein reftauriertes 
Schloß (12. bis 16. Jahrh.), drei Krankenbäuſet, 
ein Gefängnis und zwei gettungen; Gerberei und 
Schubmwarenfabritation, Wollipinnerei und :®ir: 
ferei. Am 1. Nov. 1793 wurde bei F. ein republi: 
laniſches Heer von den Bendeern befiegt. 
Fougerolles (ipr. fuih’röll), Stadt im Kanton 
St. Loup:fur:Semoufe, Arrondiffement Lure des 
—— Depart. Haute⸗Saoͤne, rechts von ber Com: 
aute, an der Linie Aillevillers : Faymont der Dft- 
babn, bat (1901) 1901, ald Gemeinde 56% €.; 
große Kirſch⸗ und Abfinthbrennereien. : 
ouillee (pr. fujeb), Alfred, franz. * 


. Bd. 17. .d.). 
oul (fpr. faul), eine ver ſchott. Shet ein 
oulards (frz., fpr. fulabr), Foulas, jebr 

leichte Taffete, die in der Kette aus ungezwirnter 

Robjeide, im Einjchlag entweder aus demjelben Ma- 

terial oder öfter aus Florettſeide befteben und, ver: 

ſchieden gefärbt und bedrudt, zu Kleidern und 

Zafichentüchern verwendet werden; auch die Taſchen⸗ 

tücher jelbft werben 3. oder Bandannos genannt. 

Fould (ipr. fuld), Adille, franz. Finanz und 

Staatämann, geb. 17. Nov. 1800 in Paris als der 

Sohn eines jüd. Bankiers, widmete fidh neben dem 

Banlgeſchaft aud den jhönen Künften und machte 

Reifen nad Stalien und dem Orient. Späterleiteteer, 

als der Afjocie feines Bruders Benoit F., mit dieſem 

das unter der Firma «Fould, Oppenheim & Comp.» 
belannte Bankhaus. Unter der —— Ludwig 

Philipps, der ſich feines Rats oft in finanziellen An- 

—— ediente, wurde F. zum Mitglied dei 
enerallollegiums für den Handel ernannt. im 

Depart. Bafjes-Alpes 1842 in die Kammer gewählt, 

eigte er fich bier ald eifriger Anhänger des Mini: 

Nerums uizot. Nad der Revolution von 1848 

ieß er fih im September in Paris in die Koniti- 

tuierende National rg bg mo er ſich 
dem tonjervativen Vereine der Rue de Poitiers bei: 
gejellte und an den Präfidenten Ludwig Napoleon 

anichloß. Bei den Generalwablen im Mai 1849 

unterlag er, weil er der Proviſoriſchen Regierung 

gewif — angeraten hatte, bie ber öffent: 
ihen Meinung ou waren. Erjt im Juli, bei 
den Nachwahlen in 8, gelang e3 ibm, einen 

Sik in der Legislative zu erhalten. In dem bona- 

rtiftifchen Kabinett vom 31. Olt. 1849 übernahm 

5 das Portefeuille der Finanzen, das er aud bei 

der Beränderung im an. 1851 ſowie in dem dei: 

nitiven Minifterrum vom 11. April bebielt. Infolge 

der Abdankung jämtlicher Minifter 14. Dit. 1851 

zog auch er ſich zurüd, übernahm jedoch einige Tage 

nad dem Staatsjtreih vom 2. Des. abermals bie 

Finanzverwaltung, die er indeſſen, ald im Jan. 1852 

die Konfislation der Orléeansſchen Güter verbängt 

wurde, wieder niederlegte. ine Verdienſte als 

Finanzminifter in dieſer Zeit find mannigfache: An: 

regung zur Gründung bes Credit mobilier, Rege 

lung der Abgaben für das Enregiftrement (f. b.), dei 

Briefportos —— ere Verteilung der Grund⸗ 

ſteuer, Aufhebung des — —— für das Pu 


Foule — Fouqué 


piergeld u.a. Am Tage feines Rüdtrittö erfolgte 
feine Ernennung zum Senator, und bald kehrte er 
auch als Staats: und Hausminifter wieder zu den 
Geihäften zurüd. %. wurde 1857 in die Alademie 
der u Künfte gewählt, und 1858 berief ihn der 
Kaifer in den Geheimen Rat. Bei den Verände— 
rungen im Nov. 1860 legte 5. feine Bortefeuilles 
nieder. Im September bes —— Jahres rich⸗ 
tete er an Napoleon III. eine Denklſchrift, in wel: 
der er bie ——— Frankreichs als et 
ſchilderte und namentlich dem Kaiſer den Rat gab, 
er mag auf fein Recht, außerordentliche Kredite 
ohne Mitwirkung des Gejeßgebenden Körpers zu 
bemilligen, verzichten. Der Kaiſer ging hierauf ein, 
und F. wurde 14. Nov. 1861 aufd neue Finanz⸗ 
minifter. In diefer Stellung verblieb er bis 19. Jan. 
1867. F. ſtarb 5. Dit. 1867 zu Tarbes, 

Sein Bruder Benoit F., geb. 21. Nov. 1792, der 
gemeinfam mit ihm das Bantgejchäft leitete, war 
1834—42 Mitglied der Kammer, in der er fih als 
entichiedener —— der Julidynaſtie erwies. Er 
zeichnete ſich ebenfalls als Finanzmann aus und 
ſtarb 28. Juli 1868. 

Foule (fr;., ſpr. fubl), Menge, Haufe, namentlich 
von Perſonen; en foule, in Menge. 

Foulon (ipr. fulöng), Joſeph Franz, franz. Ge 
neralintendant, eins der eriten Opfer der Franzb⸗ 
fifhen Revolution von 1789, geb. 1715 zu Saumur, 
war Generalintendant bei den Armeen von Soubife 
und Broglie im Siebenjährigen Kriege, General: 
intendant der Landarmee und Marine unter dem 
Marſchall von Belleisle und 1771 Intendant der 

inanzen. Als im Juli 1789 die Armee unter dem 

erzog von Broglie um Paris — ezogen 
ward, erhielt F. wieder die Stelle ihres General⸗ 
intendanten und zog damit die Wut des empörten 
Volta auf fid. A Viry, wohin er fih nad Er- 
—— der Baſtille geflüchtet hatte, ward er von 

nbleuten erlannt und 22. Juli nach Paris ge 
ſchleppt. Er ſollte nach dem Gefängnis der «Abtei» 
er werben ae der Pöbel entriß ibn feinen 


ächtern und fnüpfte ihn an einer Laterne des 
Greveplatzes u. An demſelben Tage fiel auch fein 
Schwiegerſohn Bertbier de Sauviany, Intendant 


von Paris, der von einem Proftriptionslomitee im 
Palais⸗Royal aufgeftachelten Vollswut zum Opfer. 
F o (ipr. fulpdängt), Hafen auf Madas 
gastar (j. d.). [ruine bei Ripon (f. d.). 
ou 8:Abbet (pr. fauntins äbbi), Klofters 
ongque (jpr. eb), Friedr., Freiherr de la 
Motter, Dichter, Entel des folgenden, geb. 12. Febr. 
1777 in Brandenburg, trat 1794 in die preuß. 
Armee, nahm an dem Rheinfeldzug teil, verlieh 
aber 1803 den Dienft, um auf feinem Gute Nenn: 
baufen bei Rathenow ganz feinen litterar. Neigungen 
ju leben. Bei der Eee Preußens trat er bei 
den freiwilligen Yägern ein und nahm erft ala 
Leutnant, dann als Rittmeiiter an den bedeutend: 
ften Schlachten des Freiheitätrieges von 1813 teil, 
bis er infolge förperliher Anftrengung ſich gend- 
tigt ſah, den Abſchied zu nehmen. Später lebte er 
abwechſelnd in Paris und auf Nennhauſen, hielt 
jeit 1831 in Halle Borlefungen über die neuefte 
Geſchichte und über Poeſie, wurde 1842 von Fried: 
rih Wilhelm IV, nad Berlin berufen und ftarb das 
felbft 23. Jan. 1843. F. ſchließt fid im allgemeinen 
der Romantifchen Schule an. Religiofität, Ritter: 
lichkeit und Galanterie find die Orundelemente feiner 
Dichtungen, und obgleich er in feinen poet. Formen 


927 


oft bart und gezwungen erjcheint, jo offenbart er 
doch nicht felten eine Fülle von Phantaſie und ein 
eigentümlich kräftiges poet. Leben. Später wurde er 
manierierter, pietijtifch und feudals=ariftofratifch, fo 
daß er zulegt zu den Anjchauungen jeines Jahr: 
bundert3, & B. in feinen Gedichten «Die MWeltreiche» 
(6 Hefte, Halle 1835—40), in ſchroffem Gegenſatze 
tand, uls Dichter trat F. zuerſt unter dem Pjeudonym 
ellegrin auf in den «Dramat. Spielen von 
ellegrin», hg. von A. W. Schlegel (Berl.1801), ven 
«Romanzen vom Thale Ronceval» (ebd. 1808), dem 
Roman «Alwin» (2 Bde., ebd. 1808), der «Hiftorie 
vom edeln Ritter Galmy und einer jhönen Herzogin 
von Bretagne» (2 Bde., ebd.1806) undeinigen Schau: 
pielen. Den Geiſt der nordiihen Sage und altdeut: 
hen Dichtung, der F. am meiften anſprach, atmet 
vor allem das dramat. Gedicht «Der Helv des Nor: 
dens» (Trilogie: «Sigurd der Schlangentöter», «Si: 
gurds Rache» und «Mslauga», Berl. 1808), dem er 
zuerft feinen wahren Namen vorjegte, ſowie die 
vaterländiihen Schaufpiele «Eginhard und Emma» 
(Nürnb. 1811) und «Alboin, der Pangobardenlönig» 
Lpz. 1813). Mit enthuſiaſtiſchem Beifall wurden 
.3 Ritterroman «Der Jauberring» (3 Bde., Nurnb. 
1813; neue Aufl., Braunſchw. 1855) und fein beſtes 
Merk, das zarte und finnvolle Märchen «Undine» 
(Berl. 1811; 26. Aufl., Gütersl. 1887; aud in 
Reclams «llniverfalbibliotheb») aufgenommen, das 
auf der alten Sage vom Ritter von Staufenberg be: 
—* Unter ſeinen übrigen Werlen genoſſen ſeinerzeit 
hohes Anſehen: das romantiſche Heldengedicht «Co⸗ 
rona» (Tub. 1814), «Sintram und feine en 
(Berl. 1814), «Die Fahrten Thiodolf3» (2 Bde., 
Hamb. 1815), «Heldenipiele» (Stuttg. 1818), «Alt: 
ſachſ. Bilderfaal» (4 Bde., Nurnb. 1818—20), das 
efhichtlihe Epos «Bertrand du Guesclin» (3 Bbe. 
3. 1821), feine ſeltſame, von ihm ſelbſt aufge: 
zeichnete aLebensgeſchichtey (Halle 1840) ; ferner feine 
«Gedichte» (5 Bbe., a ga} «Geiftliche 
Gedichte» (2. Aufl., Berl. 1858) und «Ehriftl. Lieder: 
ſchatz» (ebd. 1862), letztere beide hg. von Albertine 
de la Motte⸗Fouqué. Seiner Richtung treu, gab 
9. mit 2, von Alvensleben die «Zeitung BD ben 
deutfchen Adel» (1840—41) heraus. Er ſelbſt bes 
forgte eine Ausgabe feiner «Ausgemäblten Werte» 
(12 Bde., Halle 1841). 5. war dreimal vermählt. 
F.s zweite Gattin, Karoline, geborene von 
Brieſt, geb. 1773 zu Nennhauſen, war feit 1790 in 
erfter Ehe mit einem Herm von Rochow vermaͤhlt, 
nach ihrer Scheidung von dieſem 1803 mit F.; fie 
ftarb 20. Juli 1831 zu Nennhauſen. Außer Roma— 
nen (wie «Roderich», «Das Heldenmäbchen aus der 
Bendee» u. ſ. m.) und Erzählungen, in denen fie fich 
dem Gejihmad ihres Gatten anſchloß, ſchrieb fie 
«Briefe über Zweck und Richtung meibliher Bil: . 
dung» (Berl. 1811) fowie «Briefe über die griech. 
Mothologie» (ebd. 1812). Ihre Briefe und Heinen 
Auffäge erſchienen u. d. T. «Der Schreibtiich, oder 
alte und neue Zeit» (Köln 1833). — Auch 75.8 dritte 
Gattin, Aibertine, geborene Tode, mit derer fich 
während feines Aufenthaltes in Halle vermäblte, 
fchrieb einen Roman gg ea Bde. Berl. 1865). 
ouqué (pr. fuleb), Heint. Aug., Freiherr de 
la Mottes, preuß. General, geb. 4. Febr. 1698 im 
Haag, ftammte aus einer alten normann. Familie, 
ward 1706 Page am Hofe des Fürften Leopold von 
Anbalt:Defjau, machte 1715 den pommerjchen Feld⸗ 
zug mit, wurde zum Offizier ernannt und 1729 
Hauptmann. Friedrich d. Gr. ſchenkte ihm als 


928 


Kronprinz fein Vertrauen und verlehrte mit F. 
mwäbrenb jener Gefangenjhaft zu Cuſtrin. Ein 
——* mit feinem Chef, dem Fürften von 

au, bewog %., den preuß. Dienjt 1738 zu ver: 
lafien und in dän. Dienjte zu geben. Als aber 
Friedrich IL. 1740 den Thron beitiegen batte, rief 
er F. zurüd und ernannte ibn zum Oberſten. 
machte die fchlej. Kriege mit, war während des 
zweiten Gouverneur von Glas und zeichnete ſich, 
zum Generalleutnant aufgeitiegen, im Siebenjäb: 
rigen Kriege aus (nament % bei Brag, bei Yandes: 
but, bei Habelſchwerdt), jo daß ihm der König, ala 
er 1759 nah Sadjen marjhierte, die Dedung 
Schleſiens, bejonders des wichtigen Paſſes von 
Zandeshut,anvertraute. Beim Beginn des Feldzugs 
von 1760 nötigte Laudon durch meifterhafte Opera: 
tionen F., feine ftarte Stellung bei Landeshut zu 
räumen; fpäter jedoch mußte F. fie gegen jeine 
Überzeugung auf Befehl des Königs wieder befeßen, 
wurde 28. Sum von dreifadyer Übermacht ange: 
ariffen und nach heldenmütiger Gegenwehr überwäl- 
tigt, wobei er verwundet in Gefangenfhaft — 
Nach dem lagen trat F. nicht wieder in den Dienft, 
fondern lebte zu Brandenburg, wo ihm Friedrich 
eine Bräbende ald Dompropft verlieben hatte. Dort 
itarb er 8. Mai 1774. — Vgl. Mömoires du baron 
de la Motte F. (2 Tle., Berl. 1788; deutſch von 
Büttner, 2 Tle., ebd. 1788). Eine ausführliche 
Lebensbejchreibung F. s gab fein Enkel, ver Roman: 
tifer Friedrich von }5., beraus (Berl. 1824); vgl. auch 
GE. von St., Der Feldzug des Generals F. in Schle— 
fien 1760 (Gaflel 1862). 

Fouquet (ipr. fuleh), Charles Louis Augufte, 
Marihall von Frankreich, j. Belleisle. 

Fouguet (fpr. fuleb) oder Foucquet, Nicolas, 
franz. Sinanzminijter, geb. 1615 in Paris, trat 
1635 als maitre des requötes in die Berwaltung ein, 
war mebrfacd Intendant, faufte 1650 die Stelleeines 
Generalprofurator® am Barifer Barlament und 
leiitete Mazarin in den Kämpfen der Fronde jahre: 
lang die wertvolliten Dienfte. Diejer erhob ihn zum 
Lohne 1653 zum Oberintendanten der Finanzen, und 
3. fuhr als folder fort, Mazarin in allen zum 
der fünfziger Jabre Geld zu ſchaffen. Er ſchoß jelbit 
dem Staate Summen vor und gehörte dann zu den 
«Bartifans», die ſich gegen jolde Vorſchüſſe Fhätere 
Staatseinnahmen verpfänden ließen; ſchon unter 
Mazarin entwarf er einen Plan, wie er jih aud 
etwa gegen diefen mit Gewalt im Amte balten und, 
auf weit verzweigte Klientel geſtützt, jelbit zum erften 
Minifter aufiteigen könne. Auf diejes zweite Ziel 
richtete er, ald Mazarin 1661 ſtarb, alle Anjtren: 
gungen; aber Ludwig XIV. war durch Eolbert ge 
marnt, und wäbrend * ſich am Hofe durch Be— 
ſtechung eine geheime leitende Partei zu ſchaffen 
ſtrebte und ſelbſt die Königin-Mutter Anna von 
Ofterreih umwarb, beichloß der König, ihn unſchäd— 
lih zu machen. Nachdem F. jeine Brofuratoritelle 
niedergelegt batte, wurde er unter Entwidlung jtar: 
ter Borjihtsmahregeln Sept. 1661 verbaftet. Vor 
vem Gerichtäbof für Reform der Finanzen hatte F. 
einen enblojen Prozeß zu bejteben, deſſen Dauer 
und übertriebene Härte die öffentliche Meinung mehr 
und mebr zu ihm binüberzog; Dez. 1664 wurde eı 
ftatt, wie die Regierung wollte, zum Tode, zu ewiger 
Verbannung verurteilt; aber udivig verihärfte die 
Strafe auf ewiges Gefängnis. %. jtarb 1680 im Ge 
fängnis zu Pignerol. — Val, Eperuel, M&moires 
sur la vie publique et privee de F. (2 Bde., Bar. 


Fouquet — 


Yourcroy 


1864); Bonnafje, Le surintendant F, (ebd. 1882); 
u —— a a Di 
onquier: Tinville (pr. fulieh tangwi ⸗ 
toine Quentin, der herüchtigte öffentliche 
in der Franzoſiſchen Revolution, geb. 1747 im Dorfe 
(Depart. Aiöne), war Proburator am Ehäte 
let, mußte aber wegen Bantrott3 feine Stelle nieder- 
legen und trat dann zu Paris in den Dienft der gr 
beimen Polizei. Beim Ausbruch der Revolution 
wandte er fi alöbald den Anardijten zu. Dur 
Danton wurde er mit Robeöpierre befannt, der ibn 
nad dem 10. Aug. 1792 zum Geſchworenen, dann 
1793 zum Direltor und öffentlihen Anfläger des 
NRevolutionstribunal® machte. Ohne ae 
wifjen und Rechtsſinn, führte er bier unter ber 
der Unbeftechlichkeit vie Blutbefehle des Wohlfahrts 
ausſchuſſes aus. Er fhidte Spione und i 
(moutons) in die Gefängniffe, die dann ala 
vor dem Tribunal einen mußten. Den 
ſchworenen Montane de er an, weil er bei Ber: 
urteilung der Charlotte Corday Mitgefühl für die 
Girondiften geäußert habe. Dem Konvent ſchlug 
er oa: Die — eines Schafotts im 
des Gerichts vor. Nachdem er über Mitglieder 
aller Parteien das Todesurteil geſprochen, beför 
berte er auch mit gleihem Eifer die Hinrichtung von 
Robespierre und deſſen Genojien. rröre wollte 
ihn in feinem Amte erhalten, Freron ihn in Anklage 
en. Aber erſt nah 10 Monaten te man ibm 
den Prozeß. Obwohl er alle Schuld auf Robespierre 
ſchob, wurde er doch verurteilt und 7. Mai 17% 
guillotiniert. — Vol. Domenget, F. et le tribuna) 
ae me 1878). for. furabfä") 
urage (franz. fo e, ſpr. ’), dai 
Butter der —I— iſt teild Hartfutter Kor 
ner), teils Halmfutter (Heu, Strob u. Er feltener 
Grünfutter (Gras, Klee u. ſ. w.) und en: ober 
Wurzelfutter (Kartoffeln, Rüben u. f.w.). Die Ra 
tion im Frieden (f. Naturalverpflegung) jeßt ſich aus 
den beiden we Kiga — 
ouragele Fourage ie: 
—— tungen = Kri —— 


Fouragieren (ſpr. fura 4. fourrageri, 
beitreiben, requirieren, das —— der Fou: 
rage (j. d.). Im Felde unterſcheidet man trodne 
und grüne $ouragierung, je nachdem es ſich 
um die Borräte in Häufern und ———— ober um 
das Getreide auf dem Felde handelt (j. Raturalver- 
pflegung und Requifition). 

ouragierleine, ein zur Ausrüftung der Ha 
vallerie gehörender, ie en zum Zuſammen⸗ 
ſchnuren von Heu und Stroh beitimmter Etrid, der 
auch zur Ummehrung des Stalled im Bimal in 
—— mit den Kampier⸗ oder Pilettpfahlen 
und zum Anlegen der Pferde an dieſe benutzt wird. 

Fourberie (ft., fpr. furb’rib), Vetrügerei, 
Schurkenſtreich. 

Fourchambault (jpr. furſchangboh), Stadt im 
Kanton Pougues⸗les⸗Caur, Arrondijjement Nevers 
des franz. Depart. Nievre, rechtö von der Loire, am 
der Linie Paris-Nevers:Lyon der Mittelm l 
bat (1901) 5892, al3 Gemeinde 6152 €, und eins 
der wichtigiten Eiſenwerle Frankreichs, das Brüden, 
Gußwaren, Eifenbabnibienen, Räder für Zolomot 
ven und Waggons ſowie Telegrapbendräbte berftellt. 

Fourchette (fr., ipr. — bel; de 
jeuner & la fourchette, Gabelfrübftüäd. 

Fourerop (ipr. Pe ‚ Antoine ncois de, 
franz. Chemiler, geb. 15. Juni 1755, terte m 


Fourcroya — Fourier 


Bari und wurde 1784 Profefjor der Chemie am 
Jardin des Plantes daſelbſt. Als Mitglied des 
Nationalfonvents 1793 ſeßte er die Einführung 
der Gleichheit von Maß und Gewicht dur. Später 
war er Mitglied des Wohlfahrtsausſchuſſes, trat 
aber 1798 jein Lehramt wieder an. Bonaparte 
übertrug ihm 1801 die oberfte Leitung bes öffent: 
lichen Unterrihts und erhob * fpäter pe Reichs⸗ 
em. 5-8 Arbeiten gehören hauptſächlich dem Ges 

iete der phyfiol. und analytiſchen Chemie an, feine 
Hauptverdienfte aber beftehen in der Thätigfeit für 
Ausbreitung der Lehre Lavoifierd. Er ftarb 16. Dez. 
1809. Seine hauptſächlichſten Schriften find: «Le- 

ons d’histoire naturelle et de chimie» (2Bde., 

ar. 1781; 6. Aufl., 6 Bde., 1798), «Systöme des 
connaissances chimiques» (6 Bbe., ebd. 1801; 
deutih im Auszug von F. Wolff, 4 Bde. Königsb. 
1801—3), «Philosophie chimique» (Bar. 1792; 
3.Aufl.1806; deutich von Gebler, Lpz. 1796) u.f.w. 
F. mar auch Entomolog; er jchrieb eine «Entomo- 
logia Parisiensis» (2 Bde. 1785). 

Fouroroya Vent., Pflanzengattung aus ber 

amilie der Amarpllidaceen (f. d.) mit nur wenigen 

ten, die fämtlih im wärmern Amerila work 
und große Übnlichleit mit den Arten der Gat: 
tung Agave ({f. d.] eigen. Obſchon mehr kraut- 
als ftraucartiger Natur, erreicht fie doc fehr an» 
ſehnliche Größen, und einige Arten werben wegen 
ihres pittoresten Habitu8 in Gewäkhsbäufern 
gehalten. Bejondere Erwähnung verdienen: F. gi- 
gantea Vent., auf den Antillen einheimiſch, mit 
einem etwa 1 m hoben Stamme, der eine mächtige, 
runbliche Arone 1,60 m 5 — fleiſchiger, lebhaft 

rüner, dornig gezähnter Blätter trägt, aus deren 
Mitte fi ein i; über 6 m hoher Blütenfchaft mit 
einer riejigen, ſtark veräftelten Riſpe —— 
lilienartiger Blumen erhebt; F. longaeva Karw., 
aus dem gebirgigen Merito, ji von mehr baum: 
artigem Wuchſe und hat einen bolzigen, der Yucca 
äbnlihen Stamm, der an heimatlichen Standorten 
bis 16 m hoch werben foll, ganzrandige Blätter hat 
und eine enbftändige, 12 m bobe pyramidale Riſpe 
mit außen grünliden, innen weißlichen Blumen 
bildet. In der eye Größe würden dieje 
malerifhen Pflanzen in Gewähshäufern und Win: 
tergärten bald unbequem, ja unmöglich werden; 
jedoch dauert es lange Jahre, ehe ih der Blüten: 
ſchaft entwidelt, und bis dahin —— es — 
mächtigen Blätterfrone wegen wohl der Mübe, fie 
in ** Töpfen und Kübeln zu unterhalten. Bon 
F. gigantea Vent. werden aus den Blättern, ähn- 
lich wie bei manchen Agavearten, Geſpinſtfaſern ge: 
wonnen, welde —— unter dem Namen Pita 
oder auch als Cuba en in den Handel kommen. 

Foureau (ipr. furob), Fernand, franz. In— 
genieur und Afrikaforſcher, ſ. Bd. 17. 

Fourgon (fr;., ſpr. furgöng), Dfengabel; Pad: 
wagen, Bagage: und Vorratöwagen; fourgon: 
nieren (fpr. furgonn-), das Feuer jhüren, auch in 
übertragenem Sinne: berum töbern, berummüblen. 

Fourichon (fpr. furiihöng), Martin, franz. 
Admiral und Marineminifter, geb. 10. Jan. 1809 
u St. Malö, befuchte feit 1824 die Marinefchule zu 

teit, wurde 1833 Schiffsleutnant und war 1843 
bereit Rorvettentapitän, 1848 Fregattentapitän, 
dann Gouverneur der Straflolonie Cayenne und 
1853 Konteradmiral. In den ———————— war 
F. als Generalſtabschef der Flotte von Breit, dann 
als Oberbefebläbaber der Station des Stillen Meer 

Brodbaus’ KonverjationdsLerikon. 14. Huf. R. A. VI. 


929 


und fpäter ala Chef der Marineangelegenbeiten in 
Algerien tbätig, wurde 1859 zum iceabmiral bes 
fördert und mit dem 7 über die Mittelmeer: 
flotte betraut. Er wurde ſodann in das Komitee 
für Marineangelegenbeiten (Admiralitätsrat) be 
rufen, worin ihm 1864 der Borfig übertragen wurde. 
Bei Ausbruc des ao chen Krieges er⸗ 
—* F. den Befehl über die für die Nordſee beſtimmte 
otte und lief 9. Aug. 1870 mit 8 Panzerſchiffen 
von Eberbourg aus. Er ſuchte von Helgoland aus die 
Blodade der deutichen Nordſeeküſte ——— 
enthielt ſich jedoch ne Angriffs auf Wilhelmshaven 
und die J der Außenreede der Jade zum Schutze 
des Kriegshafens liegende deutſche Panzerflotte. 
Am 12. Sept. 1870 lehrte F. mit feiner Flotte Jar 
Eherbourg zurüd und erfuhr unterwegs jeine dur 
die Regierung der nationalen Verteidigung —— 
Ernennung zum Miniſter der Marine und der Kos 
lonien. Bei der Regierungsbelegation in Tours 
übernahm F. die obere Leitung der militär. An—⸗ 
elegenheiten, mußte jedoch nah dem Eintreffen 
ambettas auf jede felbftändige Thätigleit Verzicht 
leiften. Im Febr. 1871 in die fonftituierende Natio⸗ 
nalverjammlung gewählt, gehörte F. dem rechten 
Gentruman. 1876 wurbeer in ben Senatberufen und 
9. März im Kabinett Dufaure abermals mit der Lei: 
tung des Minifteriums der Marine und der Kolonien 
betraut; 16. Mai 1877 trat er mit dem ganzen Kabi⸗ 
nett zurüd. Cr jtarb 24. Nov. 1884. 

— (ſpr. furibr, franz. fourrier), früher Be: 
zeihnung für Quartiermacher (ſ. d.) im deutſchen 
Heere; der dazu beftimmte Offizier bieß Fourier⸗ 
oa bie ———— ourierfhüßen. 

ourier (pr. furieh), Charles, franz. Socialift, 
pe 7. April 1772 zu ge beuchte eine Zeit 
ang das Gollöge feiner Baterftadt, konnte aber 
feinem a Triebe nit nah Wunſch 
enügen, da ibn fein Bater, ein Tuchhändler zu Bes 
ancon, zum Handel bejtimmte. Der Unmut über 
einen verfehlten bürgerlihen Beruf legte, wie es 
fcheint, mit den Grund zu feinem Kam e ggoen den 
wang der geſellſchaftlichen Berbältniffe. Durch die 
anzöfifche Revolution um fein väterliches Erbteil 
gebracht, befleidete er zu Rouen, dann zu Marfeille 
und Lyon untergeordnete Stellen im Handelsfadhe. 
F. ftarb 10. Dft. 1837. Über fein ſociales Syſtem, 
den Fourierismus, ſ. Socialismus und Pha— 
lanftöre. Die Hauptwerke F.s find: «Theorie des 
quatre mouvements et des destindes generales» 
(anonym, Lyon 1808), «Trait6 de l’association do- 
mestique agricole» (2Bde.,Befangon und Bar.1822; 
fpäter u.d. T. «Theorie de l’unit& universelle», 
4 Bbe., ebd. 1841 fg.) und «Le nouveau monde in- 
dustriel et soci6taire» (ebd, 1829; 2. Aufl. 1845). 
Auch redigierte er die Zeitfchrift «Le Phalanstöre» 
(1832 — 34), welde dann (1836) unter dem neuen 
Titel «La —— erſchien. Nach ſeinem Tode er⸗ 
ſchienen feine «CKuvres complötes» (6 Bde., Par. 
1841—45; neuer Abdrud 1870). — Bal. Vellarin, 
F., sa vie et sa thöorie (5. Aufl., Bar. 1872); Bebel, 
Charles F. (Stuttg. 1888); Warſchauer, Geſchichte 
des Socialismus und Kommunismus im 19. Jahrh. 
Abteil.2: F., ſeine Theorie und Schule (Lpz. 1893). 

Fourier (ipr. furieb), Jean Baptiſte Joſ. Baron, 
franz. Matbematiter, geb. 21. März 1768 zu Aurerre 
als Sohn eines Schneiders, war ein Zögling der 
dortigen Kriegsſchule und erbielt ſchon in feinem 
18. Jahre eine Profeſſur an —— wurde fpä- 
ter an der Pariſer Normalſchule, kurz darauf an 

59 


930 


der Polytechniſchen Schule —— und folgte 
dem General Bonaparte nach Ägypten. Hier lei— 
ftete er wichtige polit. —— und war zugleich 
Sekretär des Institut d’Egypte und eifriger Mit: 
arbeiter an der «Description de l’Egypte», deren 
meifterbafte biftor. Einleitung ihn zum Verfaffer hat. 
Nah der Nüdtehr nah Frankreich wurde er 1802 
zum Präfelten des gi teens ernannt, 
was er bis 1815 blieb, und 1808 zum Baron er: 
hoben. In feiner Stellung ala räfelt vollendete 
er die lange vergeblich verjuchte Austrodnung der 
Moräfte in Bourgoin bei Lyon. Nach der Rüdtebr 
Napoleons von Elba erließ 5. einen Aufruf in roya- 
liſtiſchem Sinne, wurde aber gleihwohl von Napo: 
leon zum —— des Rhoͤne-Departements er: 
nannt, jedoch bald wieder —— F. ſchlug nun 
feinen Wohnfis in Paris auf, lebte ganz feinen Stu: 
dien und wurde nod 1815 von ber Alabemie ber 
Wiſſenſchaften, die bereits 1807 feine Preisſchrift 
über die Verbreitung der Wärme durch fefte Körper 
gefrönt hatte, zum Mitglied, fpäter zum Selretär 
en Lebenzzeit ernannt. Er ftarb 16. Mai 1830. 
n berübmteftes Wert ift die «Theorie analytique 
de la chaleur» (Bar. 1822). Einen verwandten 
Gegenftand behandelt das «M&moire sur les tem- 
p£ratures du globe terrestre et les espaces plan&- 
taires» (Bar. 1827). Nächſt der Wärmelehre beihäf: 
tigte ihn die Theorie der Gleihungen in dem Werte 
«Analyse des &quations dötermindes», das nad) ſei⸗ 
nem Tode durch Navier herausgegeben wurde (Par. 
1831). Eine Gefamtausgabe feiner Werte erſcheint 
unter ber Leitung von a 6* 1888 fg.). 

Fourierismus, das focialiftiihe Syitem von 
Ch. Fourier (f. d., Socialismus und Pbalanitere). 

GET Fourierfchügen, |. Fourier. 

our in hand (engl., ſpr. fohr ın En: evier 
in Hand»), ein herrſchaftliches Viergeipann, das 
vom Bod herab elentt wird. 

Fourmies (ipr. furmib), Stadt im Kanton 
Trelon, Arrondifiement Avesnes des franz. Depart. 
Nord, an einem rechten Zufluß der Sambre und an 
den Linien Balenciennes:MaubeugesHirjon und F.⸗ 
Balenciennes (52 km) der Norbbahn, bat (1901) 
18379, ala Gemeinde 14083 E.; Wolltämmerei, 
Baummollipinnerei, Garnbleihen, Strumpfmirte: 
rei, Glasbütten, Marmorfägen und Holzhandel. 03 
ift auch Mittelpuntt einer ausgedehnten Merinomwoll- 
—— und durch Dampfſtraßenbahn mit dem 
Fabritort Wignehies (4662 E.) verbunden. 

Fourmois (pr. furmda), Theodore, belg. Land» 
ſchaftsmaler, geb. 14. Dit. 1814 P Presles in Bel 
gien, geft. 16. Oft. 1871 in Brüffel, entfaltete fein ber 
deutendes Talent ohne eigentliche alademiſche Aus: 

Übung. Unter den Landſchaftsmalern der neuern 
belg. Schule, welche ihre Motiveaus der Heimatwähl- 
ten, nimmt F. einen hervorragenden ib ein, ift aber 
in neuerer Zeit unverdient in Vergejienbeit geraten. 
Seine Bilder find meiſt Vartien au? den Ardennen, 
ferner Anfihten aus dem großen Part in Presles. 

ournel (ipr. furnell), Victor, franz. Schrift: 
fteller, geb. 8. Sehr. 1829 zu Ebeppy bei Varennes 
(ae) geſt. 9. Juli 1894 zu Zefie:la: Made: 
ine, hrieb unter dem Namen Bernapdille 
litterarifche und humoriſtiſche Feuilletons für den 
«Francais», Ein Teil dieſer Feuilletond wurde 
u. d. 7. «Esquisses et croquis parisiens» (2 Bde., 
1876—78) veröfientlidt. Außerdem lieferte F. von 
oründlihem Wiſſen und folider Methode zeugende 
wertvolle Beiträge zur Geſchichte des Theaters und 


Fourierismus — Fournier (Auguſt) 


der franz. Litteratur: «Du röle des coups de bäton 
dans les relations sociales et en particulier dans 
l'histoire litteraire» (1858), «Curiositss the4- 
trales» (1859; 2. Aufl. 1878), «La littörature inde- 
pendante et les &crivains oubli6s, essais de cri- 
tique et d’&rudition sur le XVII*® siöcle» (1863; 
2. Ausg. 1866), «Les contemporains de Molierer, 
eine Sammlung feltener, von 1650 bis 1680 aufge: 
führter Stüde, mit biograpbijchen und kritiſchen io: 
tizen(3Bde,, Bar. 1863— 76), «Les artistes frangais 
contemporains» (1883), «De Malherbe à Bossuet» 
(1884), «Petites comedies rares et curieuses du 
XVII siöcle» (2 Bde., 1884), «De J. B. Rousseau 
AA. Chenier» (1886), «Le thöätre auXVII® siöcle 
La come&die» (1892) u.a. Aud gab F. den «Bo- 
man comique» von Scarron neu beraus, mit einer 
Einleitung über den Roman im 17. Jahrh. (2 Boe., 
1857) und verfab feine Ausgabe von Scarren: 
«Virgile travesti» (1858) mit einer «llistoire du 
burlesque en France», Andere Arbeiten von F. 
find dem alten Baris gewidmet: «Tableau du vieux 
Paris, les spectacles populaires et les artistes des 
rues» (1863), «Paris nouveau et Paris futur» 
(1865; 2. Ausg. 1867, gegen den Seinepräfetten 
Haufßmann), «Paris et ses ruines en mai 1871» 
(3. Aufl. 1874), «Les rues du vieux Paris» (1878; 
2. Aufl. 1881), «Vieux Paris, fötes, jeux et spec- 
tacles» (1886). ferner veröffentlichte F.: «Voyages 
hors de ma chambre» (1876), «L’anc&tre. Lögende 
contemporaine» (1881; neue Aufl. 1888), «Aux 
pays du soleil» (1883), «Figures d’hier et d’aujour- 
d’hui» (1883), «La confession d’un pre» (1889), 
«Maman capitaine» (1889), «Les hommes du 14 
juillet» (1890). 

Fournet (fpr. furneb), Victor, franz. Geoloa, 
geb. 15. Mai 1801 zu Straßburg, bildete ſich an 
der Ecole des mines au, wurde Direktor der Berg: 
merle im Katzenthal im Unterelfaß, fpäter in Bont: 
gibaud (Depart. Buy:de:Döme), endlih Profeſſor 
der Mineralogie und Geologie zu von, wo er 
8. Jan, 1859 jtarb. Bon feinen Schriften wurden 
ind Deutiche überjegt: «Vereinfahung der Lebre 
von den Gängen» von H. Müller berg 1846), 
«Die Erzgänge und ibre Beziehungen zu den 
Gruptiogelteinen» von B. Gotta (Lyz. 1846) und 
«Die Metamorphoſe der Gefteine» von Bogelgefang 
(Freiberg 1847). Außerdem fchrieb er die «Göologie 
lyonnaise» (Lyon 1862). 

— in der Tiſchlerei, f Fournieren, 

ournier(fpr.furnieb), Auguft,öfterr. Hiftoriker, 
geb. 19. Juni 1850 in In, Kublert dafelbft und 
wurde 1874 Beamter, 1878 Direktor des Ardivs 
im NMinifterium des Innern. Schon 1875 batte er 
fih als Privatdocent für dfterr. Gefhichte in Wien 
babilitiert, 1879 wurde er zum außerord. Profeſſot 
ernannt, 1883 als ord. Profeſſor an die Deutice 
Univerfität nad Prag, 1899 an die Tehnifche Hoc: 
fhule nah Wien, 1903 an die Univerfität dajelbft 
berufen. 1891— 1900 gebörte er dem Reichstat 
an, wo er fi der Vereinigten deutſchen Linlen 
und fpäter der Deutjchen Fortichrittäpartei anſchloß 
1892—19%01 war er auch Mitglied deö böbm. Land: 
tags. Bon feinen Schriften find zu nennen: «Abt 
Johann von Viltring und fein Liber certarum hi- 
storiarum» (Berl. 1875), «Gerhard van Swieten alt 
Genfor» (Wien 1877), «Genk und Eobenzl. Geſchicht⸗ 
ber diterr. Diplomatievon 1801 bi8 1805» (ebv. 1880), 
«Hiftor. Studien und Skizzen⸗ (Prag 1885), «Napo- 
leon I.» (3 Bde., Prag, Wien und Lpz. 1886-89), 


Fournier (Edouard) — Fournieren 


—— und Verkehr in Ungarn und Polen um die 
itte des 10. Jahrh. (Wien 1887), «Eine amtliche 
Handlungsreiſe nad Italien 1754» (ebd. Lese «Der 
Kongreß von Ehätillon» (ebd. 1900) ſowie zahlreiche 
Aufläpe in Zeitungen und Zeitſchriften. 
ournier (jpr. furnieb), Edouard, franz. Schrift« 
k er, geb. 15. Juni 1819 in Orleans, lebte als 
rivatgelehrter zu Paris und bat ſich bejonderd 
als Kenner der Stabtgeihichte und Archäologie von 
aris einen Namen gemadt. Er jchrieb: «Paris 

&moli, mosaique de ruines» (Par. 1853; 3. Aufl. 
1883), «Enigmes des rues de Paris» (1859), « His- 
toire du Pont-Neuf» (2 Bde., 1861), «Chroniques 
et lögendes des rues de Paris» (1864) und «Paris & 
travers les äges» (1876). Bon jeinen Ausgaben 
und Schriften zur Litteraturgefchichte find nennens⸗ 
wert: «L’esprit des autres» (1855; 6. Aufl. 1881), 
«L’esprit dans l’histoire» (1857; 4. Aufl. 1882), 
«Souvenirspo6tiquesdel’&cole romantique» (1880), 
«Thößtre frangais au XVI® et au XVII® siöcle» 
(2 Bode., 2. Aufl. 1874) und «Thöätre frangais avant 
la Renaissance» (1873; 2. Aufl. 1880). Romanbaft 
find die Schriften «Le roman de Moliöre» (1863) 
und «La comedie de La Bruyöre» (2 Bde., 1866). 
F. jtarb 10. Mai 1880 in Paris. 

ournier (fpr. furnieb), Hugues Marie Henri, 
franz. Bolititer, geb. 29. Juli 1821 zu Paris, murde 
1844 bei dem Archiv des Auswärtigen Amtes ans 
geitellt, 1848 Geſandtſchaftsattache in Karlsruhe, 
1851 Gefandtfcaftsfetretär zu — — dann 
zu Hannover, im Haag, Frankfurt a. M. und Madrid. 
1862 wurde er zum bevollmächtigten Miniſter zu 
Stodholm ernannt, 1872 ging er in derſelben 
Eigenſchaft nah Rom. Wegen eines Beſuchs, den 
der Stab des in Eivitavechta vor Anter liegenden 
franz. Schiffs DOrenoque dem König Victor Ema— 
nuel und dem Papſt 1. Yan. 1873 abjtatten follte, 
hatte F. mit dem franz. Gefandten am Heili: 
gen Stuhl, Herrn von —3 einen Streit, 
ver großes Aufſehen erregte. Der Beſuch fand nicht 
ftatt; Bourgoing reichte feine Entlaffung ein, $. 
aber blieb, ‚en nad Thiers' Sturz, auf Broglies 
dringende Bitte auf feinem Poften, doch wurde er 
einige Donate fpäter zur Dispofition geftellt. 1877 
—80 war er scher in Ronftantinopel; 1879 
—88 war er Mitglied deö Senats, wo er zur Lin» 
ten gebörte, Er jtarb 4. Dez. 1898 in Tours, 

ournier (fpr. furnieb), Marc Jean Louis, ge 
nannt Marc-Fournier, franz. Dramatiker, geb, 
1818 zu Genf, wurde 1851 Direltor des Theaters 
der Porte St. Martin in Bari und ftarb 5. Jan. 
1879 zu St. Mande (Seine). F. ſchrieb die 
Dramen: «Les libertins de Gendve» (1848), «Le 
—— de Bretagne» (1849), «Les nuits de la 

eine» (1852); mit Dennerg: «Paillasse» (1850); 
mit Dupleffis: «Les chercheurs d’or du Sacra- 
mento» (1850); mit Barridre: «Manon Lescaut» 
(1852); mit Decourcelle: «La b&te du bon Dieu» 
(1854). Er verfaßte au mehrere Romane, worunter 
«Madame de Tencin» (2 Bde., 1847, zufammen mit 
Eugene de Mirecourt). 

Fonrnier (fpr. furnieb), Pierre Simon, Stems 
velichneider und typo de Schriftiteller, geb. 
1712 zu Paris, geit. dafelbft 1768, errichtete, 
mäbrend fein älterer Bruder die Schriftatekerei von 
Guillaume Le Be 1730 erwarb, 1736 zu Paris eine 
eigene Schriftgießerei, für die er felbft alle Stempel 
id nitt, Die Matrizen ſchlug und juftierte, auch eine 

nzabl Inftrumente eigener Erfindung verfertigte. 


931 


Er veröffentlichte eine « Dissertation sur l’origine 
et les progrös de l’art de graver en bois» (Bar. 
1758), «De l’origine et des productions de l’im- 
primerie primitive en taille de bois» (ebd. 1759), 
«Observations sur un ouvrage intitul& Vindiciae 
Typographicae» (1760), «Remarques sur un 
ouvrage intitul&: Lettre sur l’origine de l’impri- 
merie» (1761), «Manuel typographique» (2 Boe., 
1764—66), worin er fein typometrijched Syſtem ent: 
midelt, das, von Didot fortgebildet, die Grundlage 
des beutigen typometriihen Syſtems ift. 

Fourunieren (fpr. fur-, aus dem franz. fournir, 
mit etwas Bere ana en elbit jagt man 
plaquer), in der Möbe fabritation das Verfahren, 
aemwöhnliche Hölzer mit dünnen Blättern von feinen, 
teuren Holzarten zu belegen, um ihnen dadurd das 
Aussehen zu geben, als ob fie aus den befjern Holz: 
arten gefertigt feien. Abgeſehen von der größern 
Wohlfeilheit und Leichtigkeit, erreiht man fo den 
Vorteil, daß man diejen Arbeiten durch entfprechende 
Anordnung der Fourniere ein gefälligeres Ausſehen 
als den maffiv bergeitellten geben kann, weil größere 
Holzjtüde felten eine gleihförmige Zeichnung haben. 
Die Bohlen der edlen, gemaferten Hölzer werben 
entiweder aus freier Hanb mit der Säge ober auf 
Maſchinen (f. Fournierfäge und Fournierfchneides 
majcine) in dünne Blätter (yourniere, Four: 
nüre, franz. plaques) jerfchnitten, welche auf die von 
weicherm Holz gefertigten Gegenjtände aufgeleimt 
werden. Das F. ernährt nebenbei den Borteil, 2. 
die Gegenftände Ei weniger leicht werfen, wes ha 
fournierte Möbel ſtets dauerhafter ala maffive von 
derjelben Holzart find. Zur — der Sitze 
w Seflel, namentlich bei den gebogenen Stühlen, 

at man in den legten Jahren vielfach drei kreuz⸗ 
weije übereinander —— Fourniere verwendet, 
wodurch eine ſehr ſolide und haltbare Sißplatte ge⸗ 
ſchaffen werden konnte. 

[8 Hauptgrundſaß beim F. gilt, die einzelnen 
Blätter derart nebeneinander anzuordnen, daß die 
Adern und Flammen derjelben eine gejhmadvolle, 
—— und womoͤglich ſich wiederholende 

eichnung bilden. Die beiden letztern Eigenſchaf—⸗ 
ten erfordern das Vorhandenſein mehrerer mög: 
lichſt gleich ——— lätter, wie ſie je zu zweien 
dur den Schnitt der Fournierſchneidemaſchine er: 
halten werben. Die erforberlihe Symmetrie fann 
auf mehrfache Art erreicht werben. Dvale, runde 
oder polygonale Flächen werden fternförmig, auf 
Spitze (en caur, en rosace) fourntert, indem man 
die Blätter keilförmig zuſchneidet und die Fugen 
im Mittelpunkt der Fläche zufammenführt. 

ur —— des Grundkörpers (Blind— 
holz) iſt ſolches Hola am beiten geeignet, welches ſich 
* erfolgter Trodnung möglichſt wenig verzieht, 
alſo Linden», Bappel:, Tannenholz u. ſ. we das vor: 
züglichite ift jedoch eh chlichtes Eichenholz, 
welches neben ſeiner Feſtigleit die ſchätzbare —* 
ſchaft beſiht, den Leim Veh gut anzunehmen. Um 
die Bindung zu unterjtügen, wird die Oberfläche 
des Blindholzes aufgeraubt. 

Das F. ebener Flächen erfolgt durch Auflegen 
der Blätter auf das mit heißem Leim beftrichene 
Blindholz und nahberiges Preſſen. Man legt zu 
biefem Zwed über das Fournierblatt ein angewärms 
tes tannenes Brett (die Zulage) und preßt ed mit: 
tels Schraubzmwingen feit. Bei beffern Arbeiten er 


| joint zuweilen eine doppelte Belegung, modurd dem 


iſſigwerden befonders wirkſam vorgebeugt wird; 
59* 


932 Fourniermaſchine 


man belegt hierbei zuerſt mit einem Eichenholzfour⸗ 
nier und, nachdem dasſelbe angetrodnet iſt, mit 
dem wertvollern Außenfournier. An finale Flächen 
piie t man die Fourniere nicht durch Einprefien zu 
efeitigen, fondern man reibt den Fournierftreifen 
mittelö des angewärmten 
das mit Leim beftrichene Blindholz, bis er feſthaftet. 
Das F. der Kanten muß derart gefcheben, daß 
feine Fuge bemerkt werben kann. Hierbei wird das 
—— groß genug ausgeſchnitten, um für 
eide aneinander ftoßende Flächen auszureichen. 
Dann beflebt man es auf der Außenfeite mit einem 
ſtarken Bapierbogen und befeftigt e8 dur Leimen 
und Anprefien zuerft auf der einen Fläche. Nah 
dem Trodnen ſchneidet man in die gegen das Blind: 
bolz gekehrte Seite des Fourniers an der Stelle, 
mo dasſelbe die zu belegenve Kante überragt, mit 
der fog. Kippfäge ober dem Re eine faſt bis an 
das Bapier dringende Furche, beitreicht die Fläche des 
Blindholzes mit Leim und befeftiat das Fournier, 
nachdem man es um die Rantegelippt hat, auch auf der 
zweiten Fläche. Beim Belegen geſchweifter und krum⸗ 
mer Flächen muß man bie Fourniere, um fie bieg⸗ 
jamer zu maden, zuvor durch Hobeln verbünnen, 
Die größte Aufmerkfamteit erfordert das F. 
runder Stüde, Säulen, Walzen u. ſ. w. Die 
Blätter müflen hierzu gleihfalld verbünnt werben, 
Man fchneidet fie dann etwas größer zu, als der zu 
belegende Umfang erfordert, und bält fie mit der 
a über ein Feuer von Hobelfpänen, wodurch 
—— on eine ſchwache Krummung annehmen. Das 
nprefien an das mit Leim beitrihene Blinvholz 
tanrı entweber mitteld pafiend ausgeböhlter Zu: 
lagen geiheben, ober durch |piralförmiges Ummin: 
den mit einem ftraff angezogenen Leinenband; für 
legten galbenuptmandie Fourn iermaſchine, in 
elcher das zu belegende Blin iſchen einer ver⸗ 
welcher das zu belegende Blindholz zwiſchen 
ſtellbaren Dornſpitze Hl e und einem gleichfalls 


ournierbammers auf 


veritellbaren Spigenfutter eingejpannt wird und, 

nachdem das in ber Wärme vorgebogene Fournier 

auf das Blinpholz gebracht ift, ein infolge der Dres 

bung einer Walze ſich von derfelben abwidelnder 

Leinengurt über das Fournier gewunden wird. 
Das F. erfolgt zuweilen mit im voraus zufammen: 

gefügten Blättern (Fournierblättern), die auf 

—— — erzeugt werden. 

Aus verſchiedenfarbigen Fournier⸗ 

blãttern werden Stüde von mannigfal⸗ 

tiger Geſtalt ausgeſchnitten, was mit 

dem Schnitzer, mit einer ſcharfen Reiß⸗ — 

able, mit dem Stemmeiſen, mit einer /<”] 


— Fournierfäge 


werben in einer der foeben beichriebenen Manier 
ähnlihen Weife bergeitellt. Es werben nämlid 
quabratifche, dreiedige ober rautenförmige, belie 
big lange Stäbe aus verf&hiedenfarbigen Hölzern 
derart burdh Hobeln bergeftellt, daß die Faſerrichtung 
quer zur Länge ber Stäbe liegt. Die Stäbe werben 
entiprehend dem Mufter zu einem Klotz aneinander 
geleimt und diefer wird erfolgter Austrodnung 
durch quer zur Länge, aljo in der Richtung ber 
galern, geführte Schnitte in Blättervon 2bi3 3 mm 

ide zerfägt. Dieſes a bat bei Maſſen⸗ 
erzeugung den Vorzug der Wohlfeilbeit, bietet aber 
wenig reibeit in der Zufammenitellung der 
nung. Trodne, ungeſchälte Birkenreijer, auf die 
— Weiſe zu einem Kloß aneinander geleimt, 100: 
ei man bie Zwiſchenräume durd den mit feinen 
Sägeſpänen vermengten Leim ausfüllt, 
glei alla bübjche Mofailfourniere, die indes den 

belitand haben, daß fie bei nadhträglicher Blatt: 
bobelung leiht ausbrödeln, weil die Faſern quer 
nu ihrer Yängenrichtung zerfhnitten wurden. Künit: 
icher und ſchwieriger iſt das nachſtehend befchriebene 
Berfahren: Auf ein Fournier wird ein ier 
geflebt und auf biefem das Mufter, aus in fich jelbtt 
zurüdfebrenden Linien und Konturen beſtehend, vor 
gezeichnet. Unter diefes Fournier wird ein zweites 
von anders gefärbtem Holz gelegt, worauf mar 
beide Blätter zugleich mit der Laubjäge aus freier 
Hand oder mitteld einer —— nach den 
Umriſſen der N ausfhneibet. Die aus dem 
untern Fournier fallenden Stüddhen werben in die 
Durhbrehungen des obern eingelegt und umge 
lehrt, fo daß man zwei braudbare, — 
Exemplare und, außer den Sä — feinen 
fall erhält. Die nur höchſt r ten angemwenbeten 
Stein: oder Maffenfourniere werben mit einem 
Teig aus Kreide, gebranntem Kalt und Leimmafler 
erzeugt, welchen man mit Mineralfarben färbt; bie 
Steinfourniere müflen vor der Anwendung mit 
Wafler ermeicht werben. 

ourniermafchine, |. Fournieren. 
onrnierfäge, eine zum Schneiden der Four: 

niere dienende Säge, melde als Bertilal-, —— 
tal: wie auch ala Kreisfäge (f. Sägemaſchinen) 
ftruiert fein fann. Sehr gebräuchlich ift beſonders 


Heinen Säge, mit dem Schneidmodel || NE | mr 
oder, bei re Stüden, mit (LT — 
einem Stangenzirtel, der eine zuge “NL — 


einem mit Leim beitrihenen Papiers m 
ufter zuſammen⸗ 


ſchärfte Spike m Se ride und auf 


bogen zu einem 
etelt: oder man vereinigt mebrere 
[ümalc&pucnierftreifen mit ihrer 
reitern Fläche zu einem Stab, ven 
man mitteld quer zu den Stoßfugen 
geführter ———e— in mehrere 
der Länge nach — Fournier⸗ 
bänber zerteilt. Werden Fournier⸗ 
blättchen zu einer Säule zuſammen— 
gefügt und wird dieſe dann durch Längenſchnitte zer⸗ 
teilt, fo erhält man quer geſtreifte $ournierbänder, 
Die unter dem Namen Holzmoſaik vorkom— 
menden größern gemufterten Journierungen 








die horizontale F. (f. voritebende Figur); bie 
jelbe ift eine Halbgatterjäge, welche geftattet, Hölzer 
von 4 m Pänge und 700 mm Breite zu gerjchneiden, 
und bauptjädlich hei wertvollen döllern für die 


— 


Yournierjchneidemafchine — Fovea centralis 


Möbel: und Pianofortefabritation verwendet wird. 
ei genau arbeitenden %. muß das Sägeblatt 
außerordentlih dünn und fehr ſtark gefpannt fein. 
Als F. verwendete Kreisfägen arbeiten weniger 
— und dlonomijd, da bier das Blatt der Star 
ilität wegen bebeutend ftärfer fein muß als bei 
orizontal- und Bertilalfägen; daher werben bie 
ournierkreisfägen immer mehr durch die Vertilal⸗ 
gen und befonder# durd die Fournierſchneide⸗ 
maſchine (. d.) verbrängt. 
Fournierfchneidemafchine, eine Maſchine 
zum Schneiden der Fourniere ald Erfah der yours 
nierfäge (f.d.). Beiden erſten op ngen Bert. 
verfuchte man die Fourniere mit ern von trod» 
nen Holzblöden abzutrennen. Da man jedoch bier: 
bei fein ufammenbängended Blatt erbielt, wurden 
vie N neidenden Hölzer vorher gedämpft. Dies 
geiie t in der MWeife, dab man den Holzblod 
einem — loſſenen und gegen Abtühlung ge 
f&büsten ih ften längere Be der Einwirkung 
von Wafjerdämpfen auöfcht: derjelbe muß alsdann, 
ehe er wieder trodnet, verarbeitet werden. Auf den 
mit Mefjerfhnitt arbeitenden F. laſſen ſich ohne 
Holzverluft viel dunnere Blätter beritellen als auf 
den Sägen; aud haben die Blätter eine viel glattere 
Dberflähe und laſſen fi daher jchneller politurs 
fähig machen. Man kann die F. in zwei Gruppen 
teilen. Bu der eriten gehören die Maſchinen, bei 
welchen von einem rotierenden Holzcylinder oder 
einem mit Holzjtüden belegten Eylinder durd ein 
langjam rabial vorfchreitendes Meſſer das Blatt in 
Form einer Spirale abgelöft wird. Der KRonftrufteur 
biejer — iſt F. Garand in Paris. In ganz 
ähnlicher Weiſe arbeitet neuerdings eine Fournier⸗ 
ſchälmaſchine, welche außergewöhnlich dünne Four: 
niere berftellt. (S. Schälfourniere, Bd. 17.) Die 
weite Gruppe wird von den Maſchinen gebildet, 
ei melden ein feſtes Mefler die Fourniere vom 
Blod abtrennt, während derfelbe unter bem ze 
Binmweogeht, oder umgelebrt das Blatt vom feften 
lod dur ein über dasjelbe hingehendes Meſſer 
eibnitten wird. Solde Maſchinen find in ihrer 
irkung den Hanbhobeln ganz ähnlich. 


— 





Die F. von Arbey (f. —— igur) ge 
hört der zweiten Gruppe an. Das Geftell beiteht 
aus zwei Schildern, die durch Duerftüde zu einem 
Ganzen vereinigt find. Bei diefer Maſchine ftebt 
die Schneide des Mefjerd normal zu der Bewegungs: 
rihtung des Schlittens; die ———— am Ende 
ves Hubs erfolgt ſelbſtthätig. Die Maſchine ſchneidet 
in der Minute 10—15 Blätter bis 3 m breit in einer 
Dide von *, bi8 2 mm. Nach dem Princip der Ar 
beyihen Maſchine baut die Firma H. Zipperling 
in Hamburg %., melde vielfahe Berbefjerungen 
— ——— j. Fournieren. [eigen. 
ourniture (frz., |pr. furnitühr), Bedarf, Zu: 
bebör; Garderobegeld des Bühnen:, namentlid 


933 


Ballettperfonals; in der Küchenſprache die Salat: 
fräuter, mie Rerbel, Schnittlaud u. f. w., die man 
namentlih in Frankreich ald Zuthat zu Hopf oder 
Enbivienfalat benust. 
ournüre, |. Fournieren. 
onurquette (fr3., Zurlett), Gabel zum Aus: 
legen der Hatenbüchjen und Musteten; fie beitand 
aus einem hölzernen Stabe, meldyer am obern Ende 
mit einer eifernen Gabel zum Einlegen der euer: 
waffe (zur fihern Abgabe des Schufjed), am un: 
tern zum Feititeden in den Boden mit einer etwa 
10cm langen eiſernen Spike verfebenwar. Während 
des Auflegensd wurde die Gabel mit der linten Hand 
ebalten, auf dem Marfche auf ver linken Schulter 
o getragen, daß man mit FR die auf der redhten 
Schulter getragene Feuerwaffe unterftüren fonnte. 
Fourrure (frz., ſpr. — Pelzwerl, Belj: 
mantel; Schiffsfütterung; in der Heraldik: Hermelin⸗ 
mantel, [nung, f. Vierte Partei. 
Fourth Party ({pr. ira engl. Barteibezeich 
—— (fpr. furtuh), Oscar Barby de, franz. 
2 ititer, geb. 3. Jan. 1836 zu Riberac (Depart. 
ordogne), ftudierte zu Poitiers die Rechte und 
wurde jpäter Maire in Riberac. Er war in ber 
Nationalverfammlung von 1871 Mitglied des rech⸗ 
ten Centrums und trat 8, Dez. 1872 ald Minifter 
der dffentlihen Arbeiten in das Kabinett Thiers, 
übernahm 18, Mai 1873 das Minifterium des 
Kultus, gab aber ſchon 24. Mai feine Entlaffung. 
Unter Mac-Mabon wurde er 26. Nov. 1873 Kultus: 
und Unterrichtsminiſter. Als folder erließ er auf 
die Beſchwerde Bismards über die Berleumdbungen 
der franz. Bifhöfe 26. Dez. ein Rundfchreiben an 
diefe, worin er ihnen zwar gemäßigtere Formen 
anempfahl, ihre Anfhauungen aber ausprüdlic 
billigte. Mit dem ganzen Minifterium Broglie 
nabm er 16. Mai 1874 feine Entlaffung, trat aber 
22, Mai ald Minifter des Innern in das Kabinett 
de Eifjey ein, doch murbe er wegen Begünitigung 
der Bonapartiften im Minifterrat fo be tig ange: 
oriffen, daß er bereit3 19. Juli feine Entlaſſung 
nabm. Bei den Neuwahlen von 1876 in die Der 
putiertenlammer gewählt * er hier zu den 
eifrigiten llerilalen Realtionären. 
ac⸗Mahon ernannte ihn 16. Mai 
/ — 1877 abermals zum Miniſter des In⸗ 
nern, in welcher Stellung er nun rüd: 
\ Bachs gegen bie republilaniſcht 
VPartei vorging; viele Beamte wur: 
den abgeſeßt, die Rolportage libe: 
taler Schriften wurde verboten, eine 
Menge Klagen Be. vebnecpehen 
erhoben u. ? w. Als aber die Regie: 


— ra} bei den Deputiertenwablen 
14. D1 


t. unterlag, gab %. mit dem 
anzen Minifterium 20. Nov, feine aflung. 
eine Wahl zum Deputierten 14. Dit. 1877 wurde 

von der Kammer 18. Nov. 1878 kaſſiert; 2. Febr. 
1879 wurde 3. jedoch in Riberac wiedergewählt. 
Später trat er vom polit. Schauplaß zurüd, bis ihn 
1889 die Wahlen wieder in die Kammer bradıten; 
1893 erhielt er fein neues Mandat. Er ftarb 7. Dez. 
1897 in Parts, [Dſchalon. 
outa⸗Diallon, afril. Gebirgsland, ſ. Futa⸗ 
* —— iſpr —28 Gewebe aus 
aſt (f. d.). 
ou-tfcheon-fu, Stadt in China, ſ. Fu⸗tſchou. 
ovda oenträlis, die Mitte des Gelben Fleds 
in der Netzhaut des Auges (f. d.). 


934 


Foveaur⸗ Strafe (fpr. fowoh), Sund zwiſchen 
der Stewartinfel (Raliura) im ©. und der Süpinfel 
Neufeelands im R.; fie ift 16—40 km breit und mit 
Klippen befät. Am djtl. Eingange die Inſel Ruapule. 

ovieren (lat.), warm halten, bäben; aud 
begen und pflegen. 

oville (ipr. -wil), Alfred de, franz. Statiftiter, 
geb. 26. Dez. 1842 zu Baris, ift Profeſſor der Volls⸗ 
wirtſchaftslehre und Statiftit am Conservatoire 
national des arts et metiers, fowie eafeiiet an 
der Ecole des sciences politiques und Borfteber 
des Bureaus für Statijtil und vergleichende Geſetz⸗ 
gebung im Finanzminifterium. ſchrieb: «M6- 
moire sur les variations des prix au XIX® siöcle» 
(Bar. 1872; preisgetrönt), «La transformation des 
moyens de transport et ses consequences &cono- 
miques et sociales» (ebd. 1880), «L’administration 
de l’agriculture au contröle general des finances 
sous Louis XVI» (mit Pigeonneau, ebd. 1882), 
«Le morcellement, &tudes &conomiques et statis- 
tiques sur la propriöt& foncidre» (ebd. 1885), «La 
France &conomique» (2 Jahrgänge, ebd. 1887 u. 
1889), zwei «Atlas de statistique financiere» (1881 
u. 1889), «Le prix du bl& et l’influence des droits 
de douane» (1891), «La richesse en France et & 
l’&tranger» (1893), «L’industrie des transports 
dans le passe et dans le present» (1893). F. leitet 
auch feit 1877 das «Bulletin de statistique et de 16- 
gislation compar&en», 

Fowey (ipr. füi), Stadt an der Südküſte ber 
engl. Grafſchaft Cornwall, 18 km im SSO. von 
Bodmin, am fteilfelfigen Ufer des Aſtuars des gleich: 
namigen, 20 km aufwärts ſchiffbaren Fluſſes, 
mit bedeutender Sarbinenfiicherei, hat ald Zähl: 
bezirt (1901) 7691 E. und drei Forts an der Reede. 
— F. mar im 14. Sabrh- eine wichtige Seeftabt; bei 
der Belagerung von Calais durch die Engländer 
1347 rüftete fie für Eduards III. Flotte 47 Fahr: 
zeuge aus. Die Franzoſen brannten fie 1457 nieder. 

owler (ipr. gun), Eir Henry Hartley, engl. 
Staatömann, j. Bd. 17. 
Fowler (jpr. fauler), Sir John, engl. Ingenieur, 
eb. 1817 in Sheffield, war Chefaſſiſtent beim Bau der 
fenbabnlinie London-Brighton, dann Betriebs: 
direftor der Stodton- und —— ‚1843 
Chefingenieur des Bahnlompleres Mancheſter⸗Shef⸗ 
field-Lincolnfhire, Eine feiner bedeutenditen Leiſtun⸗ 
gen ift der Bau der 1853 begonnenen unterirdiſchen 

— in London, für welche er nach feinem 
Entwurfe eine eigentümlihe Lolomotive baute, 
Außerdem —*— er fi mit der Konſtrultion 
von Docks (z.B. Millwallvods) ſowie mit dem Bau 
von Straßenlotomotiven eigenen Syſtems. Auch 
ift ihm die Einführung des Drabtfeild ald Trans: 
miffion in die S —— zu danken. 1866 
wurde er zum Präſidenten der Institution of Civil 
Engineers erwählt, in welcher Eigenſchaft er ſich 
der Frage einer bejjern Vorbildung der engl. In— 

enieure widmete. 1870 war F. Mitglied einer 

ommiffion zur Abgabe eines Gutachtens über den 
Bau von Eijenbahnen in Norwegen. Später be: 
Hleivete er bis 1880 die Stelle eines Chefingenieurs 
der —— in Agypten. Zuletzt war er zugleich 
mit Baler ala leitender Ingenteur bei dem Bau der 
——— (f. d.) beihäftigt und wurde nach deren 

ollendung zum Baronet ernannt. Er ftarb 19. Nov. 
1898 in Bournemoutb. — Bol. Maday, The life 
of Sir John F. (Pond. 1900). 

Fowlerſche Löfung, ſ. Fowlerſche Tropfen. 


Foveaux⸗Straße — For (Charles James) 


Fowlerſcher Sprengitoff (pr. fauler-), zu den 
Dynamiten (j. d.) und fpeciell zu den Nobeliten ge: 
pr ‚ beitebt aus 20 Teilen Nitroglycerin, 5 Tei⸗ 
en Holzkohle, 56 Teilen —— Ammonium 
und 19 Teilen ſchwefelſaurem Natrium. 

Fowlerſche Tropfen, ——— Löſung 
(Liquor Kalii arsenicosi, Solutio arsenicalis Fov- 
leri), ein nad dem engl. Arzt Thomas Fowler 
fpr. fauler; geb. 22. Jan. 1736 zu York, geit. da: 
elbjt 22. Juli 1801) benanntes Heilmittel, eine Hare, 
arbloſe Fluſſigleit, im — eine Loſung von 
arjenigjaurem Ralium. Zur Darjtellung derſelben 
nad) dem Arzneibud für dad Deutſche Reich werden 
1 Zeil arjenige Säure, 1 Teil Kaliumcarbonat und 
2 Teile Waller zum Sieden erbigt, bis alles gelöit 
ift, darauf werden 40 Teile Waller zugefügt, nad 
dem Erfalten werden 10 Teile Weingeift und 5 Teile 
Lavendelſpiritus zugeſetzt und das Ganze mit Wafler 

o weit verdünnt, bis jein Gewicht 100 Teile beträgt. 
an bedient fh der 5. T. innerlih und ſubkutan 
mit Grfolg gegen chroniſche Hautlrankbeiten, Blut: 
armut, Abmagerung, chroniſches Wechielfieber, 
Veitstanz, Neuralgien und andere Nervenleiden. 
Bei —— f. Algonkin. 
og, Charles James, brit. Staatsmann, geb. 
24. Yan. 1749 in London als dritter Sohn ven 
Henry F., ſpäterm eriten Lord Holland; feine 
Mutter, die Tochter des Ban Herzogs von 
Rihmond, war eine Urentelin Karla IL 5. er 
ielt die fchlechteite Erziehung; allen Launen und 
eigungen, Leidenſchaften und Ausihmweifungen 
des glänzend beanlagten Jünglings ließ fein Bater 
freien Lauf, Be Charalterentwicklung aus 
das tieffte ing wurde. Er wurde berange 
bildet in Eton und Orford. Schon mit 20 Jabren 
trat er ins Unterhaus, bewies dort jofort außer 
ordentliches repnerifches Talent und wurde für feine 
tegierungsfreundlihe Haltung von North mit der 
Stelle eines Apdmiralitätslords belohnt und 1772 
zum Schaplord erhoben. Aberjeine Haltung erregte 
das Mikfallen des Königs und führte 1774 feine 
Entlafjung berbei. Fortan jaß er in den Reiben 
der Oppofition. Sein Leiter wurde Edmund Burte, 
der ihn in feine Ideen von Verwaltungs-, Breks, 
Feen und Stlavenbefreiung einfübrte. 
uf das entſchiedenſte opponierte F. gegen die Be 
drüdung der amerif. Kolonien, die endlich zu ibrer 
Losreißung von England führte, verteidigte das 
Selbftbefteuerungsredht der Kolonien und empfabl 
aufs dringendfte einen fchnellen Frieden. Nach 
Norths Sturz (19. März 1782) trat er in das Mir 
nifterium Rodingbam als Staatäjelretär; aber in 
feiner furzen Verwaltungszeit blieb die Parlaments⸗ 
reform ein Berfuch; zur Durdfübrung fam nur die 
dem iriſchen Parlament verliebene Selbſtändigleit 
Bei Rodingbams Tod (1. Juli 1782) vertrieb ibn ein 
Befehl des Königs, der ihm im höchſten Grade ab: 
geneigt war,ausdem Amte. In der Oppofition gegen 
den neuen Führer Shelburne that 5. den viel getadel- 
ten Schritt, feine Partei der äußerften Whigs mit 
den äußerften Toried unter North zu vereinen. Ihre 
Roalition jtürzte Shelburne 2, April 1783, und 5. 
erhielt im neuen Minifterium unter dem Herzog von 
Portland die Leitung der auswärtigen Ange un : 
heiten, bis GeorgllIl. eine oftind. Berwaltungsbill?.', 
die die Herrichaft über Indien ganz in die Hände der 
berrihenden Miniſter gelegt rin zu Falle bradte 
und darauf geftügt dad Minifterium Dez. 1783 ent: 
ließ. Gegen den vom König berufenen jungen Pitt 


Tor (George) — Foyer 


eröffnete nun F. einen ununterbrocdhenen Kampf, 
aber weniger um polit. Grundjäge ald um perjön- 
liche Madt. Br unbedachte Leidenichaftlichleit ließ 
jedoch feine Wbigpartei ganz zufammenjhmelzen, 
und erjt die vorübergehende Geiſteslranlheit des 
Königs 1788 gab ihm die Hoffnung, mit Hilfe des 
ibm eng befreundeten Bringen von Wales (ſpätern 
Georg IV.) ans Ruder zu kommen; der Widerjtand 
Pitts und die Genefung Georgs 1789 traten jeen 
im Beginn ſchon bindernd dazwiſchen. Als die 
Srangöfiiche Revolution ausbrah, gehörte F zu 
ihren begeiſterten Verherrlichern, und weil Burle 
ſich als einer ihrer heftigſten Gegner von ihr ab⸗ 
manbdte, fam es zum dauernden Bruch zwifchen den 
alten Freunden. Wieder ftand die öffentliche Mei: 
nung gegen F., und er mußte einen Teil feiner 
Mbigs, die fog. «Alten Whigs», ind gegnerische 
Lager übergeben feben, kämpfte edoch egen den 
——* Krieg fort, bis er 1798 für einige 

abre jein fruchtlojes Mühen aufgab, um auf feis 
nem Landgut litterar. Arbeiten zu leben. Als Pitt 
1804 fein zweite Minifterium antrat und F.' Ta: 
lent dafür gewinnen wollte, wies ihn wieder der 
Eigenfinn Georgs ab, der, von der polit. Abnei- 
gung abgejeben, in F. den Verführer und Genofjen 
des liederlichen Prinzen von Wales haßte. Als aber 
Pitt im Jan. 1806 den Anftrengungen jeines Amtes 
erlegen war, zwang die Not der Zeit den König, 3. 
als Staatsjelretär des Auswärtigen im Kabinett 
Grenville zu dulden. Kaum mwar er jedoch nad 
22jähriger DOppofition als einzig würdiger Nach: 
folger eins großen Gegners ind Amt gerufen, 
um defien Polttit auszuführen und zu vollenden, 
da rief ihn ein tragiſches Geſchicd aus dem Leben 
ab. Durch Ausſchweifungen vor der Zeit aufgerie- 
ben, ftarb er 18, Sept. 1806 und wurde in der Weit: 
minfterabtei beftattet. Er ſchrieb: «History of the 
early part of the reign of James II.» (Lond. 1808; 
deutih Hamb, 1810), eine wotgeift ch gefärbte Ver: 
berrlihung der Nevolution. Als Redner ftand er 
unübertroffen da, wie feine «Speeches in the House 
of Commons» (6 Bde., Lond. 1815) bemeiien. — 
Val. Ruſſell, Memorials and correspondence of F. 
(4 Bde., Zond. 1853—57); derf., Life and times of 
F. (3 Bde., ebd. 185966); Althaus, Charles J. F. 
(im «Neuen Plutarch», Bd. 3, Lpz. 1876); Noorden, 
Hiftor. Borträge(bg.von Maurenbrecher, ebd. 1884), 
und die Biographie von Wateman (Lond. 1890) (©. 
aud die Fitteratur zu Georg III.) 

og, George, Stifter der Selte der Quäter (f. d.), 

eb. im Yuli 1624 in Drapton in der engl. Graf: 

(def Leicefter, Sohn eines presbyterianiichen 

ebers, wurde Lehrling eines Schubmaders und 
MWollhändlers zu Nottingham. Mit 19 Jahren zog 
er fih von der Welt Fe und trat einige Jabre 
ſpäter bejonder& in Wales und Leicefter als Pre 
diger auf, alles Gewicht auf das —— in der 
Religion legend, dagegen alles Außere, Schrift, 
Predigtamt, Sakrament u, ſ. w. als wertlos bezeich⸗ 
nend. %. fand viele Anhänger, die dann die Ge: 
meinichaft der Quäfer bildeten. Er jtarb 13. Yan, 
1691. Die beite, obwohl nicht vollitändige Aus: 
gabe feiner Werke erſchien zu Pbilavelpbia (8 Bde., 
1831). — Bol. 3. Rt: A Journal, or 
historical account of the life of George F. (Ton, 
1694; im Auszug ba. von Newman: « Autobio- 
graphy of George F.», 1886), fowie die Biographien 
von Marib (ebd. 1847) und Bidley (ebd. 1884). 

Fox, Henrv Edward, f. Holland, Lord. 


935 


ogfanal, Meeresſtraße im arktifhen Amerika 
(j. Rarte: Britifh:NordamerilaundAlasta), 
me der Inſel Southampton, der Melvillehalbs 
fel und ——— Na . führt die 
und Hellaftraße in den Boothiagolf; im . die 
Hudfonftraße in den Atlantifhen Dcean. 
Kanal wurde 1615 von Baffins Gefährten Bylot 
entdedt und 1631 von Luke For wieder —— 
Forxterrier, zu den Erdhunden gehörige Raſſe 
der Jagdhunde, ſ. Hunde A, 10. 
Foy (ſpr. föa), Marimilien Sebajtien, Graf, 
franz. General und Staatömann, geb. 3. % r.1775 
u Ham (Depart. Somme), beſuchte die Artillerie 
* u La Fere, nahm, feit 1793 Kapitän, an den 
Ken der Nordarmee, 1795—97 ber Rhein: und 
Mofelarmee teil. 1799 war %. als Stabsoffizier 
unter Mafjena in der Schweiz, nahm als Oberſt am 
Belbzuge von 1805 geoen Oſterreich teil und wurde 
1806 der Artillerie des in Friaul ftehenden 
Korps. 1807 fandte Napoleon F. nad Konitantis 
nopel, um die Verteidigung der Darbanellen zuleiten, 
dann zur Armee in Borhu al und vertraute ihm 
wiederholt ven Befebl über jelbitänpig operierende 
Korps an. 1812 fämpfte F. mit Auszeichnung bei 
Salamanca und übernahm dort nah Marmonts 
Verwundung den Oberbefehl, belagerte 1813 Caſtro 
Urdiales, zerjtreute die Guerrillas in Biscaya, ſam⸗ 
melte nad der Schlacht von PBittoria ein 20000 
Dann jtartes Heer, mit dem er mebrere glüdliche 
Gefechte lieferte, ſchließlich jedoch über die Bidaſſoa 
zurüdgeben mußte. Ludwig XVIIL ernannte ihn 
um Öeneralinjpecteur und zum Grafen; trotzdem 
je er ſich Napoleon wieder an und befehligte 
ei Waterloo 1815 eine Infanteriediviſion. Seit 
1819 Mitglied der Kammer, wurde er durch feinen 
Iharfen Verſtand und feine bedeutende Redner 
abe bald ein gefürchtetes Mitglied der Dppofition. 
N erwarb daneben hoben Rus ala Militärfchrift- 
teller, insbefondere durch die «Histoire de la guerre 
de la Peninsule» (4 Bde., Par. 1827; deutſch 
2pj. 1827), die jedoch nur bis zum Einfall Junots 
in Bortuga reiht, da der Verfajler durch feinen 
28.Nov. 1825 zu Paris erfolgten Tod an der Volls 
— verhindert wurde. Den «Discours du g&- 
neral F.» (2 Bde., Par. 1826) ift eine Biographie 
5.3 von Tiſſot beigegeben. Ein Standbild 3.8 
wurde 20. Juli 1879 in Ham enthüllt, — Val. Girod 
de l'Ain, Vie militaire du général F. (Bar. 1900), 
Foyatier ee) enis, franz. Bildhauer, 
geb. 1793 in Buſſieres (Depart. Loire), war Schüler 
der Ecole des beaux-arts in Paris. Die Figur eines 
Fauns erwarb ihm 1819 die goldene Medaille und bes 
ründete feinen Ruf. Seitdem war der Künftler mit 
ufträgen für — Gebäude beſchäftigt, wos 
bei er fjomohl auf dem Gebiete ded Denkmals und 
Porträts, als im religidfen und mytbolog. Gegen: 
ftande Tüchtiges leiftete. Zu feinen beiten Arbeiten 
* der große Relieffries am Triumphbogen de 
Etoile in Paris, die Bronzeſtatue Jacquards in 
Lyon (1840), Aſtydamas und Lucilia, die 4m hobe 
Figur des heil. Markus in der Kathedrale zu Arras, 
die Belle Cordiere (Louiſe Labe) für yon, die 
Buſten mebrerer ital. Maler für das Musee royal, 
die Skulpturen für die Ste. Madeleinelirche in Ba: 
ris und die bronzene Reiterjtatue der Jungfrau von 
Drleang für Drleang (1855). F. jtarb 18. Nov. 1863. 
oyer (ir3., pr. föäjeb; vom lat. focus, Herd), der 
meiſt mit Malereien u. dol. prächtig aus Bun 
Saal oder Gang neben dem eigentlihen Theater: 


936 


oder —— „auch neben dem Sitzungsſaal 
einer parlamentariſchen Körperſchaft, der in den 
— ag zum Promenieren und zur Unters 
altung der Bejucher beftimmt ift und gewöhnlich 
mit einem Büffet in Verbindung fteht. Berühmt 
ift der 54 m lange, mit Gemälden von Baudry 
ausgeſchmückte große F. im Dpernhaufe zu Paris, 
Neuere Theater, namentlich folde für — 
gen leichterer Art, haben ſtatt des F. einen Wandel: 
gang (Promenoir). 

Fobers (ipr. feu-), Bach in der ſchott. Grafichaft 
Inverneß, bildet etwa 1,7 km oberhalb feiner Mun⸗ 
dung in den Loch Neb (f. d.) 60m hohe Wafjerfälle 
(Fall of F.), wohl die ſchönſten Großbritanniens, 

oyle (Ipr. feul), Fluß in der irifchen Provinz 
Uliter, ir unterhalb Strabane durch den Zus 
fammenfluß von Finn und Mourne, fließt 26 km 
egen . und ndet unterhalb Londonderry, 
bis wohin Schiffe von 600 Regiſtertons gelangen, 
in das Aſtuar Lough⸗Foyle, das fich 24 km lang 
und bis 16 km breit zwiſchen Donegal (W.) und 
Londonderry (D.) erftredt (j. Karte: Irland) 

F:PBiccölo, Blasinftrument, |. Flöte. 

Fr., Abkürzung für die franz. ig; — (. d.). 

Fr., bei botan. Bezeichnungen Ablurzung für 
Elias Fries (ſ. d.); bei zoolog. Namen Abkürzung 
für Joh. Leonhard Friſch (ſ. d.). 

fr., Ablürzung für Franco (f. d.). 

Fra (ital, hi von frate), Bruder, nur 
vor den Namen von Mönchen, [fole Tu. 

a |... (fpr. andſche⸗), Maler, . ie: 
aas, Karl Nit., Botaniker und Landwirt, geb. 
8. Sept. 1810 zu Rattelödorf bei Bamberg, ging 
1835 als Hofgarteninfpettor nad Athen, wo er 1836 
aud die Profefur der Botanik an ber Univerfität 
erbielt. 1842 wurde er Lehrer an der Landwirt⸗ 
chafts⸗ und Gewerbeichule zu Freifing, dann Sn: 
peltor an ber Gentralwirt Saftefhule zu Schleiß⸗ 
eim, 1847 Profefior der Landmwirtihaft in Mun— 
hen und erhielt 1851 die Direltion der Central: 
tierarzneifchule dafelbft übertragen. F. war lang: 
jähriger Schriftführer des Landwirtſchaftlichen Ver: 
eins für Bayern, aus bem er indes 1864 wegen 
polit. Differenzen austreten mußte. Später jog er 
fih auf fein Gut Neufreimann bei Münden zurüd. 
Dajelbit ftarb er 9. Nov. 1875. Seine erften Ar: 
beiten gehören der Botanik an, wie die neugried. 
«Zroryela is Boravıxfic» (Athen 1837) und bie 
Schriften «Synopsis plantarum florae classicae» 
(Münd. 1845), «Stlima und Pflanzenwelt in der 
Beit, ein Beitrag zur Geſchichte beider» (Landsh. 
1847), Bon feinen fpätern landwirtfhaftlihen 
Schriften find zu nennen: «Hiftor.:encyllopäd. 
Grundriß der Landwirticaftslehre» (Stuttg. 1848), 
»Geſchichte der Landwirtfhaft» (gefrönte Preis: 
ſchrift, Prag 1851), «Die Schule des Landbaues» 
(5. Aufl., Stuttg. 1871), «Bayerns Rinderrafien» 
(Münd. 1853), «Die Natur der Landwirtſchaft 
(2 Bde., ebd. 1857), «Bud der Natur für Land: 
wirte oder landwirtſchaftliche Naturkunde» (ebd. 
1860), «Die Aderbaufrifen und ihre Heilmittel» 
Lpz. 1866), ——— (Münd. 1870), «Das 
urzelleben der Kulturpflanzen» (2. Ausg., Berl. 
1872), «Sejhichte der Landbau: und Forſtwiſſen⸗ 
ſchaft jeit dem 16. Jahrh.» (Münd. 1865; Bd. 3 der 
von König Mar veranlaßten «Gedichte der Wiſſen⸗ 
Kalten in Deutihland», fein ausgezeichnetites 
ert). Auch gründete er bie «Schranne», eine land: 
wirtſchaftliche Wochenſchrift (Münden, feit 1862). 


Foyers — Fracht 


Fraas, Oskar, Geolog, geb. 17. Ian. 1824 zu 
Lorch im Remsthale, ftudierte am Seminar zu Blaus 
beuren und auf dem Stift zu Tübingen Theologie, 
wobei er fi zugleich unter Quenjtedts Leitung geo- 
log. Studien eig bingab. Dieje Tepe er au Fe 
als er Vilar zu Balingen wurde. Ein einjä 2. 
Aufenthalt in Paris, wohin er fih 1847 beg 
hatte und wo er aud einige Beit die Ecole des 
mines bejuchte, brachte ihn in näbere Beziehung zu 
D’Drbigny und Elie de Beaumont. F. wurde 1850 
Pfarrer in Laufen an der Eyach, 1854 Konfervator 
am königl. Naturalienlabinett in Stuttgart, 1856 
zum ** ernannt. Er wurde 1869 italied der 
Kommiffton zur Herftellung des geognojt. Atlas von 
Württemberg und 1872 Borjtandsmitglied der Deut: 
ichs a —— ine 1364—65 
unternommene Reife nad Ägypten und Arabien bot 
reihe willenfhaftlihe Ausbeute. 1875 unternabm 
er eine geolog. Unterfuhung des Libanons. 189 
trat er in den Ruheſtand. ftarb 22. Nov. 1897 
in Stuttgart. Mit Vorliebe benugte F. das würt⸗ 
temb, Eiſenbahnnetz, um es geo 4 Langenpro· 
filen zu Grunde zu legen. Er ſchrieb: «Die nup: 
baren Minerale Württemberg» (Stuttg. 1860) 
«Aus dem Drient. Geolog. Beobahtungen am Ril 
u. |. m.» (ebd. 1867), «Fauna von Steinheim» (ebd. 
1870), «Bor der Sündflut. Eine populäre Ge 

dichte der Urwelto (3, yo ebd. 1870), « Drei 

onate am Libanon» (2. 9 ufl., ebd. 1876). 

* Bartolommeo, Maler, j. Bartolommes. 

raccarõli, — ital. Bildhauer, geb. 
28. Dez. 1805 in Caſtelrotto bei Verona, beſuchte 
die Alademien in Venedig und Mailand und feste 
1830—35 feine Studien in Rom nad Thorwaldſen 
und Tenerani fort. Dann febrte er nah Mailand 
zurüd, bis er 1842 als Profefjor an die Atademie 
in Florenz berufen wurde. Später lebte er wieder 
in Mailand und jtarb dafelbit 29. April 1882. Seine 
ablreihen Marmorwerte, meift große Gruppen und 
inzelftatuen, find von glatter, zierliher Durch⸗ 
führung. Die Mebrzabl derjelben N ömndt Mufeen 
und Paläfte jeined Vaterlandes, fo die Statue des 
Grafen Berri_in der Brera zu Mailand, mofelbit 
auch: Kyparifjos den Tod feines Hirſches beflagent. 
y der königl. Kapelle zu Zurin befindet ſich von 
ihm das Denkmal Karl Emanuels IL., im Hofmufeum 
u Wien der Bethlehemitiſche Kindermord. Andere 
rbeiten von feiner Hand find: Dädalus und Jlarus, 
der Sterbende Achilles, Eva. N 

Fracht, die Ladung eines deren juriſtiſch 
bezeichnet F. nur den Frachtlohn, aljo die Gegen: 
leiftung, welche für den Transport von Gütern aui 
Grund eines Land» oder Seefradhtvertrags gewährt 
wird. (S. Frachtvertrag.) Die Höhe der 5. der 

racht ſaß, wird regelmäßig von den Parteien 

eſtgeſetzt oder ein für allemal in Bot: und Eijen- 
abnreglements (f. Bojtporto und Eijenbabntarife) 
eregelt und ift natürlich jehr verſchieden nad der 

hnelligfeit und Sicherheit der Transportmittel 
(Dampf: oder Segelſchiffe, neues Schiff oder altes 
Schiff, Poſt, Eilfracht, gewöhnliche 5.) ſowie nad 
dem größern oder geringern Angebot berjelben, 
nad) der ee u. ſ. w. Verpflichtet zur Zab: 
lung der F. iſt an ſich derjenige, mit welchem der 
Transporteur (Frachtführer, Verfrachter, Fracht⸗ 
flößer) den Frachtvertrag geihlofen bat; indeſſen 
wird er durch Auslieferung der Güter an den Trand: 
porteur von dieſer Verpflichtung befreit und der 
Empfänger (f. d.) dur Entgegennahme der Güter 


Frachtbrief — Frachtvertrag 


zut Zahlung der F. und aller Nebenforderungen 
des —— verpflichtet. 

Frachtbrief (franz. lettre de voiture; engl. 
letter of conveyance, bill of lading; ital. lettera di 
vettura), eine vom Abſender (f. d.) ausgeftellte und 
dem Frachtführer (f. d.) übergebene Urkunde, die 
den Inhalt des zwiſchen ihnen vereinbarten Fracht: 
vertrags (f. d.) enthält. Zur Austellung des F. ift 
der Abjender auf Verlangen des Frachtführers ver: 
pflichtet (Deutſches Handelsgeſeßb. 5 426), doch 
iſt ein Frachtvertrag nit um deswillen ungültig, 
weil ein $ nicht auögeftellt ift. Der 5. dient als 
Beweidurkunde; fein Inhalt ift maßgebend für 
das zwifchen Abjender und Frachtführer begründete 
Rectsverhältnis, während das Verhältnis des letz⸗ 
tern zum Gmpfänger (f. d.) bei —— eines 
Qadelheins (f. d.) nach diefem beurteilt wird. Nach 
8.51 der Deutſchen Eifenbahnverkehrsordnung vom 
26. Dit. 1899 und der im weſentlichen gleichlauten: 
den Betriebäreglements für die Eifenbahnen Oſter⸗ 
reib3 und Ungarns vom 10. Dez. 1892 (f. Be: 
trieböreglement, Eifenbabnredt und Eifenbahnver: 
tehrsordnung) muß eine jede Sendung von dem 
vorgejchriebenen gebrudten, von der Eijenbabnver: 
waltung geitempelten F. begleitet fein. Die For: 
mulare für die F. ($. 52 der Deutſchen te 
verlehrsordnung und der Betrieböreglement® für 
Diterreih und für Ungarn) werden für gewöhn⸗ 
lies Gut auf weißem Screibpapier bergeitellt. 
Die Formulare für Eilfrachtbriefe tragen auf der 
Vorder: und Rüdjeite oben und unten am Rande 
einen farminroten Streifen. %., die teilmeife ver: 
fiegelt oder verſchloſſen, fomwie foldhe, die korrigiert 
find, werden nit angenommen. Korrekturen der 
Gewihtsangaben werden nur zugelaſſen, wenn fie 
in Worten wiederholt find und ihnen die Unterjchrift 
des Verjenders beigejebt ift. Der Frachtvertrag ift 
abgeſchloſſen, jobald das Gut mit dem F. von der 
Berjandftation angenommen ift. Als Zeichen ber 
Annahme wird dem F. der Tagesitempel der Abferti- 
gungsitelle aufgedrüdt. Die Frachtbriefformulare 
müjjen zur Beurtundung ihrer Ülbereinftimmung mit 
ben geltenden Vorjchriften den Kontrollitempel einer 
inländifhen Eifenbahn tragen. Für Prüfung und 
Abjtempelung der deutfchen Fradıtbriefformulare 
werden ir fämtlichen deutichen Eifenbabhnen für 100 
Stüd 10 —————— erkaufspreis der Fracht⸗ 
briefformulare beträgt für einzelne Formulare 1 Bf., 
für 100 Stüd 75 Bf., für Formulare mit beftinm: 
ten Firmen und den zuläffigen Vermerten für 1000 
Städ 850 M. Für die diterr. Eiſenbahnen ift durch 
eine Verordnung vom 11. Dez. 1892 auf Grund des 
oben erwähnten Betriebsreglements vom 10. Dez. 
1892 das Einzelne über die Jorm, das Papier, die 
2723 und die Preiſe der F. feitgeießt. Die 
F. find ftempelpflichtig, der Stempel beträgt 2 und 
10 Heller. Der Preis Pr die F. ſtellt ſich (ausſchließ⸗ 
lich der Stempelgebübr) für 1 Stüd auf 1 Heller, für 
100 Stüd auf 92 Heller. Die F. werden in über: 
wiegenber Zabl in der Er taatöbruderei ber: 

eftellt; auf derartigen F. ift das Stempelzeichen 
in der Regel eingedrüdt. Für den Verkehr zwiſchen 
deutichen und ſolchen außerdeutſchen Eiſenbahnen, 
die den Beſtimmungen des internationalen lberein: 
tommens über den Eiſenbahnfrachtverlehr (f. Er» 
bahnrecht) unterworfen find, entbält diejes Liber: 
einlommen im Art. 6 und im $.2 der Ausführungss 
beitimmungen das Nähere über die Form und den 
Inhalt der F. Die Formulare für den internatio: 


937 


nalen Verkehr weichen von denjenigen für den deuts 
ſchen Vertehr vielfah ab. Die F. müflen in deut: 
vor oder franz. Sprache ausgeftellt werben; in den 
ändern, in denen keine diefer Sprachen gilt, in der 
Landesſprache mit deutfcher oder franz. Uberſetzung. 
Der Preis für die internationalen F. ftellt ſich un: 
efähr auf das Doppelte der obigen Beträge. Auch 
r den Verlkehr zwiſchen deutſchen und andern, 
nit dem internationalen fibereinfommen unter: 
worfenen Eifenbahnen enthalten die Tarife Be 
ftimmungen über die äußere Geftalt der F. 
rachtdampfer, |. Bo. 17. 
ra Öher, ſ. Frachtführer und Flößerei. 
ra rer, nah Deutſchem Handelögejehb. 
j 425: wer ed —— übernimmt, die Be: 
örderung von Gütern zu Lande oder auf Flüffen 
oder fonitigen Binnengewäflern auszuführen. Bei 
der Flößerei wird der 3. Frach Is enannt. 
Dei See: und Binnenſchiffahrt heißt der Führer des 
Schiffs Schiffer, bei der Flößerei Floßführer; 
derjenige, für deſſen Rechnung der Schiffer den 
rachtvertrag abjchließt, bei der Seeſchiffahrt Ver: 
rachter (f. v, und wenn dies der Cigentümer des 
ibm zum Erwerb durdy die Geile rt dienenden 
Senf ift, Reeder (f. d.). Dem Reeder entſpricht 
im Binnenſchiffahrtsrecht der Sciffseigner, im 
Floßrecht der Eigentümer des Floßes. %. kann 
aud eine Geſellſchaft jein; ne ein Dienitmann: 
inftitut, oder der Fiskus, injofern er das Eijen- 
bahnfrachtgeſchäft betreibt. Die Poft nimmt das 
Handelägejegbuh vom Handelsfrachtrecht und da—⸗ 
mit vom Begriff des F. und damit des Kaufmanns 
aus ($. 452); denn der F. iſt Kaufmann, event. 
Minvderlaufmann, 3. B. der Badträger und Fubr: 
mann. (Näheres |. Fradtvertrag.) 
rachtgeſchäft, jomohl das vom Frachtführer 
(f. d.) betriebene Gewerbe, alö au das einzelne 
echtsgeſchäft, das er im Betriebe diejed Gewerbes 
ſchließt, der Frachtvertrag (j. d.). 
rachtgut, im Transportweien, j. Güter. 
achtmafler, j. Maller. —*— 
achtrecht, internationales, |. Eiſenbahn⸗ 
rachtſah, ſ. Fracht und Eiſenbahntarife. 
rachtvertrag, eine Werlverdingung (j. d.), bei 
welcher der, welcher ſich zum Transport von Per: 
jonen oder Gütern verpflichtet, einen Erfolg, d. h. 
die Ankunft an der Stelle, wohin der Transport 
ausgeführt — —— Bürgerl. 
Gejesb. $. 631). Der Transportierende lann bes: 
> das für die Ausführung des Transports ver: 
prochene Entgelt, ſoweit nicht etwas anderes aus: 
emacht iſt, nicht fordern, wenn der Erfolg durch 
eine eigene oder ſeiner Leute Verſchuldung nicht er: 
reicht iſt. Wegen biejer Verſchuldung haftet er über: 
dies auf Schadenerjag ($. 278), wobei die ſchädigende 
Handlung der Helfenden nicht gerade eine ſolche fein 
muß, die fie unmittelbar bei Ausführung ihrer Ver: 
rihtungen vornahmen. Für ug Untergang 
oder lie Verihlehterung der Ware während 
der Beförderung haftet er nah Bürgerl, Geſetb. 
8. 644 gar nicht. j j 
Für den gewerbömäßigen F. gelten in Deutic: 
land zunächſt aber nit die Beitimmungen des 
Bürgerl. Geſebuchs über Werkverbingung, fon: 
dern befondere Reichsgeſee. Das Handelsgeſetzb. 
88. 425 fg. regelt für den Gütertransport zu Lande 
oder auf Binnengemäffern ben %. mit dem 
Frachtführer (ſ. d.), das handelsrechtliche Fracht: 
geihäft. Diefe Vorſchriften finden aber auf die Be 


938 


förderung von Gütern durd die Voftverwaltungen 
des Reichs und ber — 7* leine Anwen⸗ 
dung. Das Poſtfrachtgeſchäft ſteht danach nicht 
mebr unter Handelsrecht. Für die ee von 
Perſonen und Gütern durd bie Eiſenbahnen be 
ftehen im Handelsgeſetzbuch befondere Vorſchriften, 
ausgenommen ift der internationale Verlehr, d. h. 
Transporte, welche zu verjhiedenen Staaten ge: 
Börige Eifenbahnen auszuführen haben, mobei 

eutihland als ein Staat gilt; fo weit, alfo 3.8. 

ür Transporte Lindau: Bregenz, gilt das Berner 

bereinlommen (f. Eifenba neh) Durch das 
Handelsgeſetzbuch befonders geregelt ift dann noch 
das Seehractgeicäft (f. unten). Dieſes neue Ges 
ſeßbuch ıft übrigens beitrebt, die Verſchiedenheiten 
des Frachtrechts möglihlt auszugleichen, indem es 
fih zur Aufgabe ftellt, die Beitimmungen des all: 
gemeinen Handelsfrachtrechts moͤglichſt in Über: 
einftimmung mit dem Recht deö Berner Überein: 
fommens und ver Eiſenbahnverlehrsordnung ſowie 
ded Binnenfhiffahrtögefekes vom 15. Juni 1895 
zu leben. 

ds Handelsgeſetzbuch läßt die Eifenbahn im 
Falle der Beihädigung oder des Verluſtes der über: 
gebenen Saden Ghledtbin ür Erſaßz haften, es fei 
denn, daß der Schaden durch höhere Gewalt, durch 
Verſchulden des Aufgebers, durch äußerlich nicht 
ertennbare Mängel der Verpadung oder durch 
die natürliche Beichaffenbeit des Gutes (Schwin— 
den, innerer Berderb, gewöhnliche Ledage) entitans 
den ft (Eiſenbahnverkehrsordnung 8.75; Handels: 
geſetzb. $. 456; Berner libereintommen Art. 30); 
im übrigen aber beichräntt das Handelsgeſeßbuch 
(8. 429), wie ſchon $. 58 des Binnenſchiffahrts— 

ejehes, die Haftung des Frachtführers auf ver: 
chuldeten Schaden; aud das Verſchulden der Leute, 
die er zur Ausführung benukt, foll er nur mie 
eigenes vertreten. liber das Maß der Werterftattung 
trifft das Handelsgeſeßb. 8. 430 Beitimmungen 
(1. Außerordentliher Wert). Für Koſtbarkeiten, Gel: 
der und Wertpapiere baftet der Frachtführer nur 
dann, wenn ihm dieje Beichaffenbeit oder der Wert 
des Gutes angegeben ift. 

Der ee bat die Pflicht, den Transport 
innerhalb vereinbarter, ortögebräuchlicher oder den 
Umjtänden angemefjener Friſt auszuführen, und 
bajtet auf Erjaß des durch Berfäumung ber Liefer: 
zeit entitandenen Schadens, jojern er nicht be 
mweift, daß er die Verjpätung nicht durch die Sorg- 
falt eines orbentlihen ar hätte abwen⸗ 
den können. Wenn der Frachtführer zur gänzlichen 
oder teilweifen Ausführung des Transports das 
But einem andern Frachtführer abgiebt, haftet er 
für die Ausführung bis zur Ablieferung ($. 432). 

ber auch der —— welcher ee anbern 
Frachtführer folgt, gebt dadurch, daß er das Gut 
mit dem Frachtbrief übernimmt, eine kt 
Berpflibtung ein, den Transport nad Inhalt des 
Frachtbriefs auszuführen. Er bat auch in Bezug 
auf den bereitö ausgeführten Transport für die 
Berbindlichfeiten der bisherigen Frachtführer ein- 
juiteben. (liber das Verhältnis des Frachtführers 
zum Empfänger f. d.) Der Frachtführer hat wegen 
aller durch den 5. begründeten Forderungen, ins: 
beionvere der Fracht⸗ oder Liegegelder, wegen ber 
Boligelver oder anderer Auslagen ſowie wegen der 
auf das Gut geleifteten Vorjhüfle ein Pfandrecht 
an dem Frachtgut. Das Pfandrecht befteht, ſolange 
ber Srahtführer das Gut nod im Beſitz hat, ins: 


Frachtvertrag 


beſondere mittels Konnoſſements, Ladeſcheins oder 
Lagerſcheins darüber verfügen lann; es dauert auch 
nad der Ablieferung fort, infofern der Frachtfübrer 
es binnen brei Tagen nad) der ——— ericht ⸗ 
lich geltend macht, und das Gut noch im 5 des 
Empfängers iſt. Geht das Gut durch die Hände 
mehrerer Frachtführer, jo hat der letzte bei der Ab⸗ 
lieferung auch die Forderungen der VBorbergebenven 
ſowie die auf dem But haftenden Nahnabmen eim 
zuziehen und deren Rechte, infonderbeit das Pfand» 
recht, auszuüben ($.441). Der Frachtführer, welder 
das Gut ohne Bezahlung abliefert und das Pfand 
recht nicht binnen drei Tagen nad der Abliefe 
rung gerichtlich geltend macht, ift den Vormännern 
verantwortli; er wird ſowie die vorbergebenben 
Frachtführer des Rüdgriffs gegen die Bormänner 
verlujtig._ Der Anſpruch gegen den Empfänger 
bleibt in Kraft ($. 442). 

Das bejondere Recht für den F. der Eifenbab: 
nen, insbeſondere für die Schadenerfaspflicht bei 
Verluft, B or. und verfpäteter Ablieferung, 
entbalten das Deutibe Handelsgeſeßzb. 88. 453 
—473, die Verkehrsordnung und das internatie- 
nale Übereintommen über den Eifenbabnfractver: 
lehr (ſ. Eiſenbahnrecht und eg sr röord* 
nung). Im allgemeinen muß die Eifenbabn mit 
jedermann F. abſchließen. Sie darf die Übernahme 
von Gütern zur Beförderung nad einer für den 
Bütervertehr eingerichteten Station innerhalb des 
Deutihen Reihs nur unter —— in 453 
bes Handelsgeſetzbuchs aufgeführten Vorausſetzun⸗ 
gen verweigern. 

ür Bojtiendungen ift die Haftpflicht der 
Poſt durch Geſetz vom 28. Dit. 1871 geregelt (f. Er 
fagleiftung). 

Das jeerehtlihe Frahtgeihäft hat die Be 
förderung von Gütern und Perſonen über See 
um Gegenftand. Auch dies J im Handelsgeſeßb. 

geregelt. Das ſeerechtliche Frachtgeſchaäft 
iſt ſtets ein abſolutes rg t. Der 5. zur 

eförderung von Gütern über See bezie Ari 
entweder 1) auf das Schiff im ganzen, oder einen 
verbältnismäßigen Zeil, oder einen bejtimmt be 
—— Raum des Schiffs, oder 2) auf einzelne 

üter (Stüdgüter). Im erftern Falle wird der 
Vertrag Ehartervertrag oder Ehartepartie 
genannt, weil allgemein nad älterm Seerecht für 
denfelben eine jchriftlihe Urkunde, die Ebartes 
partie (f. d.), verlangt wurde. Im zweiten Fall 
wirb ber Bet Stüdgütervertrag (f. db) 

enannt. Beide Arten des F. find Werkverdingung. 

er Berfrachter (f.d.) muß das Schiff in feetüchtigem 
rap liefern. Andernfalls ift er vem Befracter 
(j.d.) regelmäßig zum Schadenerjaß verpflichtet. Er 
muß das Shit zur Einnahme der Güter an dem 
vom Befrachter beftimmten Play anlegen. Unter 
läßt der Befrachter die Anweiſung, oder ift die An 
legung an den angemiejenen Plak nicht ausführ- 
bar, jomuß das Schiff andem ort3üblichen Ladung 
plaß anlegen. Die Koften der Anlieferung der Güter 
an das Schiff trägt im Zmeifel der Befrachter, die 
jenigen der Einladung in das Schiff der Verfradter. 
Statt der vertragsmäßigen Güter fönnen, falls vie 
jelben nur nad Art und Gattung, nicht ſpeciell be 
zeichnet waren, aud andere Güter geliefert werben, 
wenn die Lage des Berfrachterd dadurch nicht er 
ſchwert wird. Seitens des Befrachters oder Abladers 
(f. d.) müflen die Güter richtig bezeichnet werben, 
auch dürfen bei ihrer Verfendung die Grunpdjäze 


Frachtvertrag 


des Volkerrechts, die Geſeßze des Abladehafens und 
etwaige Einfuhrverbote des Beſtimmungshafens 
nicht außer acht gelaſſen werden. ee dürfen ohne 
Willen des Schiffers Güter niht an Bord gebracht 
werden. Die libertretung diefer VBorfchriften vers 
pflichtet zum Schadenerfaß nicht nur gegenüber dem 
Verfrachter, fondern auch gegenüber andern, 3. B. 
dem Ladungsempfänger, dem Reifenden, der Shine 
beſatzung, den Schiffsgläubigern. 

Hinſichtlich der Zeit, in welcher der Befrachter 
die Ladung liefern muß, beſteht bei Verfrachtung 
des ganzen Schiffs zunädjit die Ladezeit, während 
welder der Schiffer auf die Abladung warten muß. 
Diejelbe beginnt an dem Tage, welcher auf die vom 
Schiffer zu erftattende Anzeige, daß er zur Ein: 
nabme der Ladun jertig und bereit ift, folgt. Ihre 
Dauer ift im Zweifel die ortäübliche. Liber die Lade: 
zeit hinaus braucht der I auf die Abladung 
nur zu warten, wenn eine jog. Überliegezeit (im 
ade 14 Tage) vereinbart ift. Für die Ladezeit 
ann der Verfrachter, falls nicht anders vereinbart, 
Vergütung nicht beanſpruchen. Wohlaber muß ihm 
für die liberliegezeit der Befrachter ein Liegegeld 
gewähren. Die gefamte Zeit, welche der Verfrachter 
warten muß, heißt Wartezeit. Diefe Beitimmun: 
gen gelten auch, wenn ein verhältnismäßiger Teil 
oder ein bejtimmt bezeichneter Raum des Schiffs 
verfractet it. Beim Stüdgütervertrage dagegen 
muß der Befrachter die Abladung ohne Verzug auf 
die Aufforderung des Schiffers bewirken, Bei Eau: 
migteit braucht der Verfrachter auf die Lieferung 
der Stüdgüter nicht zu warten. 

Analoge Beitimmungen bejteben au für bie 
Loſchung der Ladung. Behufs Vornahme ber: 
felben bat der Schiffer das Schiff an dem von 
dem Gmpfänger bezeichneten Pla oder an dem 
ortsüblichen Yöfhungsplag anzulegen. Im Zmeifel 
trägt die Koften der Ausladung der Verfradter, 
alle übrigen Koſten der Löihung der Labungs: 
empfänger. Bei der Verfrachtung im ganzen oder 
eines verhältnismäßigen Teild oder bejtimmten 
Raums muß der Schiffer während der Löjchzeit 
auf die Entlöfhung warten. Über die Loſchfriſt 
hinaus beitebt eventuelleine Überliegefrift außer 
beim Stüdgütervertrag. 

Aus bejondern, geſetzlich (Handelsgeſetzbuch 

. 628) vorgejebenen Gründen kann der F. außer 

raft treten, obne daß ein np Entihädigun 
des andern verpflichtet ift, 3. B. wenn das Schi 
durch Zufall vor Antritt der Reife verloren gebt 
(bei Berluft des Schiffs nah Antritt der Reife 
endet der F., jedoch kann dem Verfrachter ein An: 
iprud auf Faber a ſ. d.] zufteben), oder wenn 
bie im F. fpeciell bezeichneten Güter vor Antritt 
der Neife dur Zufall verloren geben. In andern 
Hällen, z. B. wenn vor Antritt der Reife das Schiff 
mit Embargo (f. d.) belegt wird, räumt das Gejek 
(88. 629, 634) beiden Teilen das Recht ein, ohne 

—— — zurüdzutreten. Im übrigen 
lann der Befrachter vor Antrıtt der Reife nur gegen 
Zahlung mindeftens der halben Fracht, EL n⸗ 
tritt der Reiſe nur gegen Zahlung der durch Wies 
derausladung der Güter entſtehenden Koſten ſowie 
der vollen in einzelnen Faͤllen von zwei 
Dritteln der Fracht von dem Vertrage zurüdtreten. 
(S. Fautfradt.) 

Auch die Haftung des Verfrachters für Schaden 
aus Verluſt oder Beihädigung der Güter iſt nach 
dem neuen Handelsgeſeßbuch gleich dem Binnen: 


939 


ſchiffahrtsrecht (f. oben) erleichtert worden. Die 
Haftung des Verfrachters ift auf Vergütung des 
Werts der verlorenen oder der Wertsminderung 
der befhädigten Güter befchräntt. 

Der Berfradter hat Anſpruch auf Zahlung der 
— nebſt Nebengebuhren und Auslagen. Durch 

nnahme der Güter wird der Empfänger zur Leis 
ftung diefer Zahlungen nad Maßgabe deö F. oder 
Ronnofjements3 verpflichtet. Der Berfrachter ift 
nicht gehalten, die Güter an Zahlungs Statt anzus 
nehmen. Eine Ausnahme gilt nur Dinfchtlic der 
mit Flüffigleiten gefüllten Bebältnifje, welche wäh: 
rend der Reiſe ganz oder zum größern Teile aus» 

elaufen find. Kar Güter, —* durch einen Un⸗ 
Fu verloren gingen, ift feine —* zu bezahlen 
und die etwa vorausbezahlte zu erſtatten, ſofern 
nicht anders bedungen. Cine Ausnahme hiervon 
g. für Güter, deren Verluft infolge natürlicher 

eſchaffenheit eintrat, ſowie für Tiere, welche unters 
wegs ftarben. Der Verfrachter bat ein Pfandrecht 
an den Gütern, und zwar nicht nur folange d 
Güter —— oder deponiert ſind, ſondern 
auch über die Ablieferung hinaus, b ern nur bad: 
felbe —— 30 Tagen nach der Ablieferung ge⸗ 
richtlich geltend gemacht wird und die Güter nod 
im Beſitz des Empfängers find. Mit Ablieferung 
an den Empfänger verliert der Verfrachter feinen 
Regreßanſpruch gegen den Befrachter, ſoweit ſich 
legterer nicht mit dem Schaden des Verfrachters 
bereihern würde. Nach Beendigung jeder Abladung 
bat der Schiffer dem Ablader ohne Verzug gegen 
Rüdgabe des etwa bei der Annahme der Güter er: 
teilten vorläufigen Empfangsſcheins (f. d.) ein Kon» 
nofjement in fo vielen Eremplaren auszuftellen, wie 
der Ablader verlangt. (S. Konnofjement.) 

Der Vertrag über Beförderungvon Kin 
denzur See heißt Baffagevertrag oder übers 
je brt3vertrag. Hit der Reifende darın namentlich 

ezeichnet, fo darf er nicht das Recht auf Überfahrt 
an andere abtreten. Begiebt er ſich nicht rechtzeitig 
an Bord, fo hater volles ae u bezablen, 
auch wenn der Schiffer ohne ihn die Reiſe antritt 
oder fortjeßt. Wenn vor Antritt der Reife der Rei: 
fende den Rüdtritt vom Bertrage erflärt oder jtirbt 
oder durch Krankheit oder andern Zufall zurüdzus 
bleiben genötigt ift, fo ift nur bie Hälfte deö Liber: 
ahrtsgeldes zu in Nach Antritt der RN bes 

eien ihn dieſe T den nicht von der Zahlung 
der vollen Summe. Wenn das Schiff verloren gebt, 
tritt der Vertrag außer Kraft. Ausbruch eines das 
Schiff gefährbenden Krieges oder eine das Schiff bes 
treffende, die Reife aufbaltende Verfügung von hober 
Hand beredhtigen Reifenden wie Verfradhter vom 
Vertrage zurüdzutreten. Lebterer ift auch zum Rud⸗ 
tritt befugt, wenn das Schiff hauptſachlich zur Ber 
förderung von Gütern bejtimmt ift, und die Unter: 
nebmung unterbleiben muß, weil die Güter ohne 
fein Verſchulden nicht befördert werben lönnen. In 
den genannten Fällen ift fein Teil zur Entihädigun 
verpflichtet. Jedoch hat der Reiſende, falls die Aut 
löfung des Vertrags erft nach Antritt der Reife ers 
folgt, das fiberfabrtögeld nad Verhältnis der zus 
rüdgelegten zur ganzen Reife zu zablen. Muß die 
Reife wegen Neparaturbebürftigteit des Schiffs 
unterbrodyen werden, fo muß der Verfrachter dem 
Neifenden bis zum Wiederantritt der Neife obne 
bejondere Vergütung Wohnung gewähren und aud 
Betöftigung, falls er lektere im Üiberfahrtövertrage 
übernommen batte. Hiervon fann fich der Ber: 


940 


frachter befreien, wenn er dem Reifenden eine gleich 
gute Schiffägelegenheit nach dem Beitimmungsbafen 
anbietet. Wenn der Reifende die Ausbeſſerung nicht 
abmwartet, muß er das volle Uberfahrtsgeld bezahlen. 
Der die Effelten des Neifenden iſt im Zweifel be 

ondere Vergütung nicht zu bezahlen. Sind diefelben 
vom Schiffer übernommen, fo haftet der Verfrachter 
für Berlujt und Beſchädigung wie beim Gütertrans⸗ 
port. Wegen bes überfahrtsgeldes bat der Verfrach⸗ 
ter anden vom Reifendenan Bord gebrachten Sachen 
ein Bfandrecht, jedoch nur folange die Sachen zurüd: 
behalten oder deponiert find. ft ein Schiff zur Beför: 
derung von Reijenden einem Dritten verfrachtet, fei 
es im ganzen oder zu einem Teil oder dergeftalt, daß 
eine beitimmte Zahl von Reiſenden befördert werden 

oll, fo gelten für das Rechtöverhältnis zwifchen dem 

28 und dem Dritten entſprechend die Vor: 
ſchriften über das Güterſeefrachtgeſchäft. 

Mährend das Reichsgeſeß vom 15. Juni 1895 
über die Flößerei nur die Pflichten und Rechte 
des Flobführers bezüglich des F. befonders regelt, 
unterjtellt das Neicögefeh vom 15. Juni 1895 über 
die Binnenfhiffabrt den ganzen F. der Binnen: 
ſchiffahrt einer befondern Regelung, ſoweit Beför: 
derung von Gütern einſchließlich Neifegepäd in 
Frage ftebt. Das Binnenfrachtrecht des Handels: 
geiebb. s} 425 fg. gilt für ihn nur, fomweit es 
in 8. 26 beftimmt ift, der feit 1. Jan. 1900 in der 
Faflung gilt, welde ihm Art. 12 des Einführung: 

eſetzes zum Handelögejeßbuh von 1897 gegeben 
kt Im allgemeinen tft dem Seefrachtrecht gefolgt. 
defrijt und Liegegeld find bier jedoch im Geſetz 
felbjt näber beftimmt. Bei Ebartervertrag beträgt 
die Ladezeit bis zu 30000 kg Beladung 2, bis zu 
50000 kg 8, bis zu 100000 kg 4 Tage und fo fort 
in Stufen von 50000 kg um je einen Tag mehr 
bis zu 500000 kg; von da fteigt die Ladezeit für je 
100000 kg um je einen Tag. Bei Ladungen über 
1 Mill. kg beträgt fie 18 Tage. Die liberliegezeit 
beträgt im Zweifel eine Woche; das Liegeneld für 
jeden Tag bei Schiffen von einer TR bis 
h 50000 kg 12, bis zu 100000 15 M. und jo fort 
ür je 50000 kg je 3: M. mehr. Kürzer iſt die Lade: 
zeit bei Teilverfradhtung (bi8 50000 kg 1 Tag; 
bödjtens 10). 

Ein allgemein wichtiger Gegenfaß ift endlich der: 
Nah See: und Binnenihifiahrtöreit erlöjchen die 
Anfprüce gegen den Frachtführer ſchon durd An: 
nahme des Gutes, nah Landfrachtrecht (Handels⸗ 

efeßb. $. 438) und inäbefondere nah Berner 
bereinfommen Art. 44 erit durch Annahme und 
Bezahlung der Fracht. — Vol. Eger, Das deutfche 
Frachtrecht (2. Aufl., 3 Boe., Berl, 1888—91; Er: 
gänzungsband, ebd. 1894); Artikel Frachtgeſchäft im 


«Handwörterbuch der Staatäwifjenihaften», Bd.3 | Schaden 


(2. Aufl., Jena 1900); Eoermann, Die —— und 
die internationale Frachtgeſezgebung (Berl. 1901). 

Frack (franz. frac, dies vom engl. frock; mittel: 
lat. frocus, flocus, vom lat. floccus, Flode, alfo 
urfprünglich Hodiger Stoff und ein Kleid daraus), 
Name desjenigen Hleidungsftüds des vollen Gala: 
anzugs, mweldes die heutige Mode den Männern 
bei allen feierlichen und ceremonidfen Gelegenbeiten 
bes gejelligen Lebens vorjchreibt. Sein Vorbild 
ift beim Militär zu fuchen, das im 18. Jahrh. viels 
I tonangebend wurde. Der Kavalleriſt, der an: 
angs den weiten Rod wie der Fußgänger trug, 
pflegte fich die langen Schöße dadurd ſikgerecht zu 


Grad — Fraga 


und mit Halten ober Knopf befeftigte. Bei anders 

farbigem Unterfutter that dies gute Wirkung und 

man dehnte darum die Sitte au auf die Uniform 
des Infanteriften aus. Bald aber wurden aus ben 
umgeſchlagenen Zipfeln Aufihläge, die bei allen 

Heeren eingeführt wurden und das 18. Jahrh. und 

felbft die Revolution bis zum Waffenrod über 

dauerten. Seit dem Siebenjährigen *8 als 
der Ruhm und das ee der preuß. iere 
auch ihre gt erböbte, fuchte aud das Eivil 

* gern einen halbmilitär. Anſtrich zu geben; man 

udte den Kleidvrod dem Milttärfrad Abnlich zu 
maden, nicht indem man die Zipfel umſchlug, fon- 
dern indem man fie bef&nitt. Indeſſen galt der 
einfadhe F., unbordiert und von einfadherm Stef, 
im Gegenfaß zu dem — ———— Staatsrod, 
von dem er ſich durch einen Überſchlagkragen, aber 
fonftigen gänzlihen Mangel aller Aüsſchmüdung, 
wie Hatten, ufichlägen u. f. w., unterfchied, an: 
fänglich als ein Zeichen der Emancipation von Sitte 
und Herlommen; noch war er nicht falonfäbia, viel 
weniger hoffäbig geworben. Goetbe errang Eu im 
Weimar 1775 durch fein Wertherfojtüm, den blauen 
. mit pl arte en, ben erften Triumpb, und 
chon in den legten beiden Jahrzehnten vor der 

anzöfifhen Revolution galt er, einfach blau over 

aun, bejonders in dem von England eingefübr: 
ten Schnitt (daher auch der Name), als die Tradt 
der Stußer. Die eigentliche Anertennung gewann 
er indes burd die Franzöfifhe Revolution und die 
neuen mit ihr entitehenden Gefellibhaftsformen. 

Selbſt das weibliche Geſchlecht trug eine Zeit lang 

eine Art F., als Polonaise bezeichnet dem 

weiblihen Rod, von gleihem Schnitt wie der männ- 
liche und mit denfelben Schößen, die nur kürzer, oft 
fehr kurz, zu jr pflegten. Seit 1830 ift die Farbe 
des ſog. Gefe ſchaftsfracs — fhmar;. 

In neuerer Zeit haben die Yebemänner in Barıs 

den Verſuch gemacht, wiederum farbige F. einzu 

führen. Der rote F., von den Reitern bei der He: 
jand getragen, ift eine aus England am Anfange 

. Jahrhunderts übertommene Mode. — Bıl 

F fe, Die deutſche Trachten- und Modenwelt 

2 Te., Lpj. 1858). 

Fractocumũlus, Windwolle, ſ. Wollen. 
Fraotürae ossium (lat.), Knochenbrũche (f.d.). 
Fra Diavölo («Bruder Teufel»), eigentlich 

Michele Pezza, ital, Brigant, geb. 1760 zu Itti, 

trat einer Bande bei, in der er bald Hauptmann 

wurde. Gegen bie Kart enopäifhe Republik ver 
wandte ihn Kardinal Ruffo (f. d.) ala Oberften; an 
der Spiße feiner verjtärften und organifierten Bande 
un te —— —* — Den — 

nad Neapel zurüchgelehrten Franzoſen that er v 

‚ wurde abe: feiner —A— hrung 

wegen vertrieben. Dann von Sidney⸗Smith wieder 

verwendet, ſengte und mordete er in brien, bis 
die Franzofen ihn durch Verrat bei San Severine 
fingen und troß engl. u bängten (10.Rov. 

1806). Auberd Oper 5. ©. ift reine Erfindung. 

Charles Nodier fhrieb auf Grund von F. D.s Aben- 

teuern feinen «Jean Sbogars». 

Fraga, Hauptitadt eines Gerichtäbezirlä der 
ſpan. Provinz Huesca (Aragonien), 29 km im ER. 
ehemald Defefigter Hügel (121 m) gelegen, kat Iso) 
e eitigter Hüge m)ge ‚bat 
6792 E. F. bat eine alte Kirche, v Moicer, 
verfallene Mauern und ein ehemaliges Refiteny 


maden, daß er die Zipfel nah außen umllappte ſchloß arab. Fürften. 


Fragaria — 


Fragarla, —— ſ. Erdbeere. 

Frage, ein unvollftändiger oder unbeſtimmter 
Gas, in deſſen Form die Aufforderung liegt, ihn zu 
vervollftändigen oder näher zu bejtimmen. Die Ber: 
vollftändigung oder genauere Beitimmung ift die 
Antwort. Die eigentümliche Form der F. liegt in 
der Wortftellung; außerdem wird fie gemöhnlic 
durd ein jog. Fragwort — Jedes ied 
(Subjelt, Prädikat, Objelt, Umſtand, Attribut) fan 
enftand der F. fein. Verlangt fie eine genauere 
immung, fo beißt fie es Gude 
Diefe fordert entweder, daß der Inhalt des Frage: 
bes bejaht oder verneint oder unter mehrern vor: 
iegenden oder möglichen Urteilen eins ald das 
ichtige bezeichnet wird (Disjunltivfrage). Im 
Unterrichte bat die 5. eine große Bedeutung, indem 
fie den Lehrer in einer beftändigen geiftigen Berüb: 
tung mitdem Schülererhält,legtern zu fortwährender 
Mitthätigleit beim Unterricht anregt und ihn nötigt, 

die zu entwidelnden Gedanten durch eigenes Na 
denlen zu finden und Har auszuſprechen. Das Unter: 
richten durch F. und Antwort wird ald die kateche⸗ 
tifche oder ons Methode bezeichnet. Die 
fatedbetif 5; j rz, deutlich, beftimmt, ein: 
fach, für ven Schüler anregend und feinem geiftigen 
Stanbpuntte angemefjen fein. Im Unterricht fommt 
es jedoch nicht nur auf die einzelne F., fondern auf die 
richtige Bildung ganzer Fragreihen an. Auch der 
Redner ftellt oft E obne daß er eine Antwort ers 
wartet (rbetorijche %.). Sie jollen den Zuhörer 
u lebhafter innerer Mitbetbätigung anregen oder 
taunen und Berwunderung ausdrüden, auch zu 
andern Buntten der Darftellung binüberleiten. * 
weitern Sinne ſpricht man auch noch in der Wiſſen⸗ 
— und in der Politik von F., wenn es gilt, für 
wierige Aufgaben die —— Loſung zu finden, 
** von der Socialen F., der dee e.— Bal. 
einftein, Die F. im Unterricht (5. Aufl., g 1895). 
Fragerecht. Im gerihtliben Verfahren jollen 
die Zeugen und Sachverſtändigen zum befiern Ber: 
—— ihrer Ausſage veranlaßt werden, das, was 
bnen vom Öegenjtand ihrer Vernehmung belannt 
it, im Zufammenbange anzugeben (Strafprozeborbn. 
. 68, 72; Eivilprogekorbn. 88.396, 402). Jedoch 
ollen nötigenfall® an diefelben weitere Fragen zur 
ufllärung und Bervollftändigung F usſage 
und zur Erforſchung des Grundes, auf welchem ihre 
———— beruht, geſtellt werden. Dies F. ſteht 
vorzuglich dem Richter und bei einem aus mehrern 
Richtern beſtehenden Gerichtöhofe neben dem Bor: 
figenden aud den beifigenden Richtern zu. Im 
Strafverfahren find au dem Staatsanwalt, dem 
Angellagten, dem Verteidiger und den Schöffen und 
Geſchworenen und (jedoch nicht in Öfterreich ; Civil: 
prozeßordn. $.340) in bürgerlihen Rechtsſtreitig⸗ 
feiten auch den Anwälten der Parteien die fachdien- 
lichen Fragen an die Zeugen und en 
zu gejtatten, während bier bie Parteien felbft nur 
beanfpruden können, daß ber Vorſitzende nachträg⸗ 
lich die gewunſchte Frage — Bei Zweifeln über 
vie gejegliche — igleit einer Frage entſcheidet das 
Gericht (Strafprozeßordn. * 237, 239, 241; Civil⸗ 
vrozeborbn. $. 397). Die Gſterr. Civilprozeßordn. 
$. 342 fügt hinzu: — das erkennende Gericht, 
= eine vom beauftragten oder erfuchten Richter 
eitellte Frage unzuläjfig war, fo fann es auss 

prechen, daß die Antwort unberüdfichtigt bleibt. 
Ein ähnliches F. fteht dem Richter im Strafver: 
fahren gegenüber dem Angellagten zu, wenn fi 


Fragonard 941 
derjelbe bereit gen bat, etwas auf bie gegen 
ihn erhobene Beihuldigung zu erwibern (Otraf: 
prozeßordn. $. 136). 

Im Eivilprozeß joll der Richter in der mündlichen 
——— das F. gegenüber den Parteien und 
ihren Anwälten ausüben, um auf die Abgabe aller 
far Feſtſtellung des Sachverhältniſſes erheblichen Er: 

ärungen binzumwirten. Da aber bier die fog. Ber: 
bandlungsmarime gilt, vermöge deren die Parteien 
in der Regel freie Berfügung über die ihnen zu Ger 
bote ge Angriffs: und Verteidigungämittel 
baben, jo bezwedt das 5. bier feine Nachforſchu 
nad dem abjolut wahren Sahverhalt wie im Straf. 
verfahren, jondern nur nad dem Sachverhalt, wie 
er jih nad den Parteibehauptungen darftellt, alfo 
nur die Herbeiführung der Erläuterung unflarer Ans 
träge und der Bervollftändigung von unabfichtlid 
ungenügenden Angaben (Deutſche Civilprozeßordn. 
$. 139, Öfterreichiiche $. 182). Bei Nichtausübung 
diejes F. ift daber auch feine Revifion begründet, 
wenn —— iſt, daß auch der Gebrauch des 
ſelben ohne Erfolg geweſen wäre. Bei Nichtbeant: 
wortung einer frage verbleibt dem Gericht die freie 
Beweiswürdigung. In einzelnen Fällen ift die Aus: 
übung des F. vorgeſchrieben und an Nichtbeantwor- 
tung eine beitimmte Folge gefnüpft. So tann wegen 
unterbliebener Erflärung auf eine Eideszuſchiebung 
der Eid nur dann als von ber Partei verweigert 
angejeben werden, wenn die lehtere durch das Ge 
richt zur Erflärung über den Eid aufgefordert ift. 

Frageſtellung. Bei Beratungen von Kollegial: 
bebörben, a aeze von Gerichten, ift die F. von 
erbeblihem Einfluß auf die Herbeiführung richtiger 
er ge in verwidelten Sachen. Die F. ſteht 
in der Negel dem Borfikenden zu, doch enticheidet 
im Zweifel das Kollegium auch über Faſſung und 
———— der ragen. (S. Beratung.) Beſondere 
geieglibe Vorſchriften find für die F. im Schmwur: 
gericht (ſ. d.) gegeben. 

rageftücde (Interrogatoria), im ältern Prozeß» 
verfahren fchriftlih gefaßte Fragen, welche vom 
Gegner des Beweisführers dem Gericht eingereicht 
murben, um von diejem ben Jeuoen jur Beant⸗ 
wortung vorgelegt zu werden. Die Deutjche Eivil- 
prozeßordn. ($. 397) kennt ſolche F. nicht mehr. Nach 
ibr können die Parteien an die Zeugen Fragen 
richten lafjen und auf Erlaubnis jelbft fragen. Die 
Öfterr. Civilprozefordn. ($. 341) kennt nur erſteres. 
ragefucht, j. Grübeljucht. 
agezeichen, Interpunftionszeihen zur Be 
zeihnung der Frage (?, im Griechiſchen;). Dft joll 
es, in Barentbeje geiekt (?), den } ner anbeuten, 
den man an ber Wahrheit einer Angabe begt. Im 
Spanifhen wird e8 zu Anfang und zu Ende des 
Sahtzes gejebt und zwar zuerft verlebrt, 3. B. 3Que 
ha visto U.? (was haben Sie gejeben?). 

Fragil (lat.), zerbrehlib; Fragilität, Ber 
brechlichleit. 

ragment (lat.), Bruchſtüch, —— 
Teil eines Ganzen; in der Litteratur überreſt eines 
verlorenen Wertes, auch Titel von Werten, bie ihren 
Gegenitand nicht erſchöpfend, fondern nur teil: oder 
bruchitüdweife 2. mentariſch) behandeln, fo 
Leſſings Wolfenbüttler F. u. a. 

Fragonard (ipr. -nahr), Jean Honore, franz. 
Maler, geb. 17. April 1732 zu Grafle in der Pro- 
vence, war Schüler von F. Boucher. Schäferfcenen, 
mptbolog. Allegorien und galante Abenteuer bilden 
bauptfäcdhlich ven Gegenftand feiner leichtfertigen und 


942 


terliben Malereien. Das Louvre befist von ihm drei 
emälbe. Gin bis 1793 in Graſſe befinplicher, für 
die Dubarry —— Cyklus (6 Haupibilder, 
4 Supraporten), bezeichnet als «Roman be gend 
liebe», wurde 1898 nah London für 1 Mill. M. 
verlauft. Er hat auch 26 Blätter radiert, darunter 
14 nad Ann. Carracci, Tiepolo, Tintorettou.a. F. 
ftarb 22. Aug. 1806 zu Paris. — Bol. die Schriften 
von Portalis (Par. 1888) und Naquet (ebd. 1892). 
Fragraea, eine Sorte des Eiſenholzes (f. d.). 
Se Gnittone, Dichter, ſ. Guittone d'Arezzo. 
rahier (ſpr. fraieh), Dorf im Kanton Cham: 
pagney, Arrondifjement Lure des — Depart. 
Haute-Saöne, 7 km weſtnordweſtlich von Belfort, 
bat (1901; ala Gemeinde 3. et: Chätebier) 891 E. 
Während der Schlacht an der Lifaine (ſ. d. und Karte 
um Artikel Belfort) ſuchte Bourbali bier den rechten 
gu el des deutichen Heers zu umfajjen und gegen 
elfort zurüdzumerfen. Zunädft jtanden nur drei 
Bataillone und drei Batterien bei 3. zur Verfügung, 
die General Eremer mit 15000 Dann am 16. Jan. 
1871 allmählich zurüddrängte; doch jendete Werder 
in der Nacht die Brigade Keller zur Berftärkung, die 
dad weitere Vorbringen des Feindes verhinderte. 

Frähn, Ehriftian Martin, Drientalift, Numiss 
matifer und Gejchichtöforfcher, geb. 4. Juni 1782 
zu Roftod, widmete fi dajelbft dem Studium ber 
orient.Spraden und erbielt 1807 die Profeflur der 
orient. Sprachen zu Kaſan. Er wurde 1815 ordent: 
libes Mitglied der kaiferl. Akademie der Willen: 
ſchaften, DOberbibliotbelar und Direktor des Afias 
tiſchen Mufeums in Peteröburg, wo er 16. Aug. 
1851 ftarb. Bon feinen Arbeiten haben insbefons 
dere die numismatifchen feinen gelehrten Ruf bes 
gründet. Sein Hauptwerk auf dieſem Gebiete ift die 
«Recensio numorum Muhamedanorum academiae 
imperialis scientiarum Petropolitanae» (Petersb, 
1826), zu welchem die «Opuscula posthuma» (2 Bde., 
ebd. 1855—77) die Ergänzung bilden. Außerdem 
noch —— «Sammlung kleiner Ab⸗ 

ndlungen, die nohammed. Numismalil betreffend» 
(2p3. 1839), welcher ſpäter eine «Neue Sammlung» 
Petersb. 1844) folgte, und «Topogr. liberficht der 

usgrabungen von altem arab. Gelde in Rußland» 
ebd. 1841). Die morgenländ. Geſchichte befhäftigte 

beſonders infofern, als fie für die alte eidicte 

ußlands von Intereſſe ift. Hierber gehört vor 
allem «Fbn Ki and und anderer Araber Berichte 
über die Ruſſen älterer Zeit» (Petersb, 1823). In 
ben «Antiquitatis muhammedanae monumenta 
varia» (Petersb. 1820—22) erläuterte er die ar den 
Inichriften alter mobammed. Dentmäler. Er jchrieb 
auch «Liber alte jüdjibir. Gräberfunde» (Petersb. 
1837) und gab «Miscellen aus dem Gebiete der 
orient. Pitteratur» (ebd. 1840) heraus, 

Fraikin, Charles Auguſte, belg. Bildhauer, geb. 
14. Juni 1819 zu Herenthals bei Antwerpen, mid: 
mete ſich anfangs auf der Alademie in Brüfjel der 
Malerei, dann der Medizin und ſchließlich der Bild: 
bauerkunft. Er erntete durch die Statue der Venus 
mit der Taube allgemeinen Beifall, —— erhielt 
er den Auftrag, 11 Statuen für das Brüſſeler Rat: 
baus und den gefangenen Amor für das Staats 
mufeum in Marmor auszuführen, 1846—47 weilte 
er in Stalien; nad) feiner Ruckehr vollendete er die 
Gruppe: Venus und Amor, wofür er zum Ritter 
des Peopoldordens ernannt wurde. Für Dftende 
entitand das herrliche Grabdentmal der Königin 
von Belgien, für Brüffel aber fein Hauptwerk, das 


Fragraea — Traktion 


in Erz ausgeführte Doppelmonument der Grafen 
Eamond und Hoorn (1864; |. Tafel: Niederlän: 
difhe Kunft IV, Fig.3), forte die fipende Marmor: 
figur des Aſtronomen Qustelet (1880), für Tournai 
das Marmorftandbild des Naturforſchers Dumer: 
tier (1883). Er ftarb 22. Nov. 1893 in Brüıfiel. 
Frailty, thy name is woman! (jpr. freblti 
vs nebm 18 wummen), «Schwadheit, Dein Rame 
ift MWeib!», Citat aus Shalejpeares «Hamlet» (1,2). 
Frain, cjeh.Vranov, Marft in der dfterr. Bezirld- 
alte t Snaim in Mäbren, an der Thaya 
und der Linie Wien-Tetichen — Schönmal: 
3.) der Öfterr. Nordweſtbahn, ift Siß eines Bezirks 
gerichts (234,79 qkm, 9399 E.), hat (1890) 1052 
deutihe E., ſchöne Bfarrlirhe; Seidenbandfabril 
rais oder Freis (althochdeutſch freisa, d. b. 
Gefahr, Schreden), beitiger Krampf mit Glieder 
uden und Augenverbreben, daher Wurmfrais, 
abnfrais oder die Fraiſen: Kinderkrankheiten 
mit Krampfanfällen (f. Ellampfie); auch ſoviel wie 
Epilepfie. Bismweilen bezeihnet man jedod mit 
Fraiſen aud den Kopfgrind (f. d.). 
aife (frz, for. fräb]), 1. Stäte 
raifierung, eine Reibe von Sturmpfäblen (f.2.). 
rafndi, Wilhelm, ungar. Hiftoriter, get. 
27. Febr. 1843 in Urmeny im Neutraer Komitat, 
ftudierte in Tyrnau und an der Univerfität zu Bet, 
murbe 1864 Arofeffor in Tornau, 1865 in Gran, 
1872 Ben et der Ungarifhen Alademie, 
1875 Bibliotbefar des Nationalmufeums, 1878 
Domberr in Großwardein, 1879 Generaljetretär ver 
Atademie und Abt von Szegſſard, 1889 BViceprä: 
fivent der Alademie, 1890 Zitularbifhof von Arbe, 
1897 Zandesoberinfpeltor der Mufeen und Biblio 
tbeten. Seine Werte alle in ungar. Sprade 
abgefaßt. Erft 17 3. alt gewann er mit der Schrift 
«Skizze der ungar, Kulturzuftände in der Zeit der 
Herzöge» (Veit 1861) einen Preis der Alademie und 
bald darauf mit feiner Arbeit «Alriprung und büfter. 
Entwidlung der Balatinds und Überjtlandesrichter: 
würde» (ebd. 1863) einen Preis der Univerfität. Die 
en Qugendarbeiten F «Beter Bärmän und 
€ 





eine Zeit» (3 Boe., 1867— 72), «Das vater 
ändifheund ausländiſche Schulweſen im 16. Jabrb.» 
(ebd. 1873), «Geichichte von Ungarn für das Bolb 
ebd. 1873), «Das Leben des Grabifhofs Johann 
itez» (ebd, 1879), «Die Verſchwoͤrung des Marti: 
novicä» (ebd. 1880). Seit 1874 giebt er die «lIngar. 
Reihstagsalten mit geſchichtlichen Einleitungen>, 
feit 1884_den Briefwechſel des Königs Mattbias 
eraus. Ferner veröffentlichte er wertvolle hiſtet 
onograpbien, fo die «Geihichte der Abtei Szegs⸗ 
ärd», «Paul Zomorid Leben», «Der Hof König 
udwigs IL», «Die löniglih ungar. Batronate 
rechter, «llngarn und die Liga von Cambrai» (deutic 
Budapeft 1883), «llngarn vor der Schlacht bei Ro» 
bäca» (deutich ebd. 1886), «Das Leben des König 
Matthias Corvinus» (deutib Freib. i. Br. 1891), 
«Bapit —— XI. und Ungarns Befreiung von 
ber Turkenherrſchaft⸗ (deutſch ebd. 1902), jomte die 
«Chronica Hungarorum» von 1473 (deutſch Wien 
1900). Seit 1884 leitet er die große Quellenpublite: 
tion der «eMonumenta vaticana historiam regni 
Hungariae illustrantia», 

Fraftion (lat., d. b. Brebung, Bruch, abaeiom 
derter Teil), die —— der zu einer und der⸗ 
felben Partei gebörenden Mitglieder einer parla 
mentarijhen Berfammlung zur gemeinjamen Bor 
beratung der im Barlament zur Werbanplung 


Fraktionierte Deftillation — frame (Waffe) 
| — Verſuche, die Bastarde 
mi 


fommenden Gegenftände. Die Mitglieder einer F. 
nd verpflichtet, fih bei ihren Abſtimmungen im 


lenum nad den Fraltionsbefhlüffen zu richten | den, au 
(Fraltionszwang), — nicht die F. ſelbſt die in 
bſtimmung ins Ermeſſen der Einzelnen geſtellt | Bü 


bat. Abgeordnete, die feiner F. angebören, werben 
als Wilde bezeichnet; Abgeordnete, die, ohne als 
eigentliche Mitglieder in einen fsraltionsverband ein: 
autreten, fich einer F. eng anſchließen und als außer: 
orbentlihe Mitglieder an den per 
gen teilnehmen können, beißen Hofpitanten, Im 
eutiben Reichstag befteben folgende F.: Centrum, 
Nationalliberale, Freifinnige Volkspartei, Freifin: 
nige Bereinigung, Deutſchlonſervative, Reichs: 
artei (Freitonfervative), Volkspartei, Freie wirt: 
Phaftlice Gruppe (Antijemiten), Bolen und Social: 
demofraten. Die Welfen und die Abgeorbneten für 
— ————— bilden leine beſondere F.; erſtere 
gelten zum Teil als Hoſpitanten des Centrums. 
De Deitillation, ſ. Deitillation, 
zaftür (lat.), Bruch, in der Medizin befon- 
ders Knochenbruch (j. Knochenbrüche). — In der 
Buhdruderkunft it 5. (d. i. gebrochene Schrift) 
die in deutſchen Drudwerlen üblihe Schrift, welche 
ſich durch ibre ya —— Eden von der run⸗ 
ben röm. Schrift (der Antiqua, ſ. d.), für welche auch 
bie lat. Bezeichnung rotunda oder rotundalis vor: 
lam 3 Sie Inüpfte an diejenige Form 
der Buchſtaben an, welche in deutichen Terten und 
Briefen beim Schreiben üblih war, Verſuche in 
diefer Richtung finden fich bereitö im 15. Jahrh. 
Im Anfang des 16. Jahrh. erlangte zu Nürnberg, 
wo eine Schule von Schönſchreibern, «Modiiten» 
—— beſonders unter dem Meiſter Paul Fiſcher 
lühte, eine den Formen deutſchnationaler Kunſt 
ch gut anpaſſende Schönſchrift allgemeineres An: 
ſehen und Verbreitung. Fiſchers Schüler war der 
Schönſchreiber Joh. Neudörfer der Ältere, aus defien 
Schule zumeift die Hoffelretäre des Kaiſers Mari 
milian I. bervorgingen, darunter Vincenz Rödner, 
welcher die Probe zur Theuerdantichrift (f. Buch— 
bruderfunjt und Tertfigur 11) geliefert haben ſoll. 
Der Einfluß der Laiferl. Kanzlei und die Vorliebe 
des Kaiſers ſelbſt für das Deutichtümliche ficherten 
jener Schrift ihre Geltung aud für Drude. Der 
eifter Hieronymus, Formſchneider, ſchnitt wahr: 
ſcheinlich die Typen für den «Theuerdant», dann aber 
auch weſentlich einfachere für gewöhnliche Terte, 
1525 drudte Albrebt Dürer damit feine ·Underwey⸗ 
ung der mejjung mit dem Zirdel» (Nürnberg); doch 
bon Leonh. Wirftlin, Kloſterbruder von St. Afra 
in Augsburg, führt in feinem 1522 dem Kaiſer ge 
widmeten Buche«Devarietate literarum latinarum» 
unter 100 Schriftarten die Fractura germanica und 
Semifractura an, Unter dem Einfluß des Dürerjchen 
Buches ging die F, auch in andere Bücher über, 
vielfach neben und in Konkurrenz mit Schwabacher 
Schrift. Später geitaltete fi das Verhältnis jo, 
daß die F. Zertfchrift wurde, während die Schwa: 
bacher zur Überjchrift verwendet ward. Indes blieb 
e ihrem Urfprunge gemäß auf deutſche Terte be: 
&räntt, fo daß in diejen felbit einzelne lat. Wörter 
n Antiqua gejeßt wurden, 3.B,.«Typographus. Der 
Bin ginn In —— lonnte die Fralturſchrift 
um jo weniger Eingang finden, als bier die ton⸗ 
angebenden Druder (Fodocus Badius, Simon de 
Eolines, Robert Ejtienne, Michael Bascojan) jelbit 
die früher bäufig verwendete got. Schrift ver 
ſchmähten und die Antiqua bevorzugten, während 


943 


s d. i. die dort heis 
rm der Schönicrift, zu Büchern zu verwen: 
| die Dauer erfolglos blieben. Ebenjo wurde 
talien und England die Antiqua allgemeine 
erſchrift. In Holland wurde die F. (hier Hoog- 
duitsch genannt) eine Zeit lang für Romane und 
Heifebeihreibungen verwendet, doch bald gleichfalls 
burd die Antiqua verdrängt. Dagegen bürgerte 
& bie F. in den nordifhen und den lat.:|lam. 
ändern ein, da biefe ihre Typen von deutichen 
Schriftgießereien bezogen. Im 18. Jahrh. büßte 
die 3. an Schönheit und Anfehen ein, und es erhob 
ih aud in Deutihland eine Agitation dagegen. 

ft zu Anfang des 19. Jahrh. erfuhr fie durch 
Erich — Walbaum eine Reform und groͤ⸗ 
ere Zierlichleit; aber zugleich verlor fie im Aus— 
ande den Boden, Schweden und teilmeife aud 
Dänemark wendeten ſich der Antiqua zu, ebenfo die 
lat.:flam. Völker, und in Deutichland ſprachen fich 
die Gebrüder Grimm gegen fie aus. Gegenwärtig 
werben in Deutihland etwa 60 Proz. der willen 
Ne) m Werte mit Antiqua gedrudt, doch herrſcht 


de 


die F. no in Zeitungen, Romanen und Bollss 
(er ten unumſchränkt. — Vol. J. ©. J. Breittopf, 
er Bibliographie und Bibliopbilie Lpz. 1793); 
. Sönneden, Das deutſche Schriftwejen und die 
otwendigleit feiner Reform (Bonn 1881), der für 
die lat. Drud: und Schreibſchriften eintritt. 
Fre (norweg., d. b. vorwärts), Name des 
Schiffs, das Fridtjoſ Nanſen (f.d.) bei feiner Nord: 
polreife 1893—96 und der Norweger O. Sverdrup 
f.d., Bd. 17) zu feinen Forſchungen im Arktifhen 
chipel Nordamerilas 1898—1902 benupte. 
Framböfie (vom franz. framboise, Himbeere) 
oder Erbbeerpoden, amboinifhe Pocken, 
Beerſchwamm, aub Yaws, —— oder 
Sarnes genannt, eine eigenartige Hautfrankheit, 
welche ſich nur in den Tropenländern, inöbejondere 
an ber Hüfte von Guinea und den benachbarten Tei: 
len Afrilas let und dur das Auftreten Mei: 
ner weißer Pujteln auf geröteter und entzündeter 
Haut fowie daraus ——— Geſchwuͤre und 
ſchwammiger Auswüchſe von Form und Größe 
einer Himbeere zu erlennen giebt. Derartige Wus 
gi melde eine klebrige, zu Krujten und 
orlen eintrodnende Flüffigkeit apfonder, finden 
fi namentlid an Gefiht und Baden, in den Achſel⸗ 
gruben, am a und an den untern Ertremis 
täten. Der Verlauf der Krankheit iſt gemöhnlid 
ein jehr langwieriger, und e8 lönnen Donate, jelbit 
ahre vergeben, ehe fämtlihe Gejhmüre vernar- 
en und bie himbeerartigen Wucherungen well wer» 
den und ſchließlich abfallen, worauf gemöhnlih Ge⸗ 
nefung eintritt; doch bleiben häufig noch lange nach 
der Heilung dunkel pigmentierte Stellen zurüd. 
Neger werben vorzugsweiſe von ber 5. befallen, 
während Kreolen und Europäer nur felten von ihr 
ergriffen werben. Die Behandlung bejteht am 
beiten in häufigen Bädern, Einreiben der geröteten 
Stellen mit aljam, Beitreuen der Bullen mit 
austrodnendem Streupulver (Wismut, Zinkoxyd 
und Stärtemebl), [honendem Entfernen der Kruſten 
und Dorfen und Beftreihen der Gefhmürsfläcen 
mit Höllenfteinlöfung, worauf eine Salbe (Bors 
falbe, Bajeline, Hebrajhe Salbe) aufgelegt und 
durd gutfigenden Drudverband befejtigt wird. 
Frame (lat. framda), ein langfhäftiger, zu Stoß 
und Wurf —— Speer mit kurzer Spitze, Haupt⸗ 
waffe der Germanen vor der Vollerwanderung. 


944 


rame (engl., fpr. frehm), im Mafchinenbau ein 
Rabmen ie eine Einfafjung 
oder ein Geitell, 

Frameries (fpr. fram’rib), Stadt in der belg. 
Provinz Hennegau, 7 km im SW. von Mons, an 
den Linien F.St. Ghislain der Belg. Staatsbahn 
—— der Nordbahn, bat (1900) 11666 
E., Steintoblengruben und wichtige Seilerei. 

Framingham (fpr. frebmingem), Stadt im 
County Midpdlefer im norbamerit. Staate Mafla: 
chuſetts, en von Bofton am Subbury: 
River, hat einjchließlich North: Framinghbam, South: 

ramingbam und Saronville (1900) 11302 E., Fa: 
rifation von ren und Gummiſchuhen, 
Strobflehterei, Gieherei fowie höbere Schulen. 
auc, Münze, |. Frank. 
ancaid (pr. frangbäh), Francois Louis, franz. 
Landſchaftsmaler, geb. 17.Nov. 1814 in Plombieres, 
war Buchhandlungsdiener in Baris, bis er Gelegen⸗ 
beit fand, künftleriiche Studien zu beginnen. Er war 
Schüler von Gigour, dann von Corot. Seine mit 
größter Sorgfalt in den Einzelheiten durchgebilde— 
ten Landſchaften find — aber etwas geſucht 
in den Motiven. Seit 1890 gehörte er der Alademie 
der jhönen Künfte an, Er ftarb 28. Mai 1897 in 
Paris. tal, Anfihten berrihen vor, doc hat er 
auch mande Gegenden feines Baterlandes gemalt. 
Hauptbilder find: Der Bart in St. Cloud, Bas: 
Meudon, Ausgrabungen in Vompeji (1865), Das 
Ende des Winters (1853), Mondſcheinlandſchaft mit 
dem trauernden Orpbeus (1867), Buchenwald mit 
Daphnis und Chloe (1872; letztere drei im Luxem⸗ 
bourgmujeum zu Paris), Das Bad der Diana 
(1888), Garten ber Heiperiven (1891). 

Srangaife (pr. frangßähſ'), ein der Anglaife 
(f. d.) und der Ecofjaife — d.) nachgebildeter, mit 
biejen öfter verwechjelter franz. Tanz im Sechsach— 
teltalt. Die Tänzer treten in zwei Reiben an, in der 
einen die Damen, in der andern die Herren. Die F. 
ift nicht zu verwechjeln mit dem Kontertanz (f. d.), 
der heute vielfach F. genannt wird, 

Srancavilla. 1)5. Fontaneto, Stadt im Kreis 
Brindiſi der ital, Brovinz Lecce, an der Linie Brin— 
bifis TZarent des Mittelmeernekes, bat (1901) mit 
Billa Eaftelli 20422 E.; Gerberei, Weberei und 
Fabrikation von Lederwaren. In der Näbe wurden 
1719 die Spanier von den Öfterreichern geſchlagen. — 
2) F. di Sicilia, Ort im Kreis Cajtroreale der 

rovinz Meffina auf Sicilien, links vom Alcantera, 
bat (1901)5505 €, ; Seiden:und Baummollipinnerei. 
Der Ort gewährt eine ſchöne Ausſicht auf den Ütna. 

bite Herzogin von, ſ. Eboli. 
rancavilla, Pietro, franz. Bildhauer, ſ. 
Francheville, Pierre. 

France, La (jpr. franaß), franz. Name von 
Frankreich; F. &quatoriale (jpr. efatoriäll), |. Fran: 
joͤſiſch⸗Kongo. 

France (ſpr. frangß), Anatole, eigentlich 
Jacques Anatole Thibaut, franz. Dichter, 
er 16. Upril 1844 in Baris, wurde auf dem Col- 
ge Stanislas gebildet, trat mit der Studie «A. de 
Vigny» (1868) zuerſt auf und erwarb ſich durch die 
formvollendeten Gedichte « Poèmes dor&s» (1873) 
und das Drama «les noces corinthiennes» (1876) 
einen Namen. Wenig Glüd madte feine humo— 
riftiiche Erzäblung «Jocaste et le chat maigre» 
(1879), während der Humor feiner folgenden Erzäb: 
lungen «Le crime de Sylvestre Bonnard», «La 
büche de Noäl» (1881) und der Roman «Les desirs 


Frame (im Mafchinenbau) — Francesca da Rimini 


de Jean Servien» (1882) Beifall fanden. Dazu 
famen die Novellen und Schilderungen « Abeille» 
(1883), «Le livre de mon ami» (1885), «Nos en- 
fants» (1886), «Les autels de la peur», «Balthasar» 
1889) und «Thais» (1890), mit feiner Jronie bear: 
itete hriftl. Legenden, ferner «L’&tui de nacre» 
(1892), «Les opinions de M. l’abb& Jeröme Coi- 
gnard» (1893),«La rötisserie de la reine Pedauque 
(1898), «Le lys rouge» (1894; deutſch Münd. 1899), 
«Le jardin d’Epicure» (1895), «Le puits de Ste. 
Claire» (1895), «L’Orme du mail» (1897), «Le 
mannequin d’osier» (1898), «L’anneau d’ame- 
thyste» (1898), «Monsieur Bergeret & Paris» (1900), 
leßtere vier bilden den Romancyclus «Histoire con- 
temporaine» und geißeln die Zuftände des heutigen 
ankreich; neuerdings erſchienen noch «Pierre No- 
ziere» (1899), «Clio» (1900). %. ift Bibliotbelar 
des Senats und beſonders durch jeine md lichen 
Auffäge («La vie littöraire»; unter diefem Titel 
aud) gefammelt, Bd. 1—5, 1888—93) im «Temps» 
und andern Blättern einer ber angejebeniten litterar. 
Kritifer geworden. Seit 1896 in er Mitglied der 
Sranzöfiihen Akademie, 

Francesca (pr. -tiheöta), Piero della, eigent 
lich Pietro di Benedetto de’ Francesdi, ital. er, 
genannt Bi San Sepolcro,geb.um 1420 (nach an« 
dern 1406) in Borgo San Sepolcro, begann jeine 
Ihätigkeit in Florenz, mo er 1439—40 als Gebilie 
Domenico Venezianos in Sta. Maria Nuova malte. 
Später arbeitete er in Arezzo (Frteslen in San Fran: 
ceöco), Borgo San Sepolcro (Auferftehung Ebrifti, 
im Stabthaus), für Sigismondo Malatefta in Rimini 

to von 1451 in San Francesco), in Ferrara und 
ologna, in Rom für Nitolaus V. und in Urbino für 
Fir o von —— (Borträte in den Uffizien) 
ftarb 1492. F. gebörte zu dem Kreiſe von Malern, 
die wie Uccello und Eaftagno bemübt waren, durch 
—— Studium der Berfpettive ihren 
ie eich eine größere ftiliftiihe Geſezmäßigkeit und 
aturwahrheit zu verleihen. Die Errungenjchaften 
der Florentiniſchen Schule, denen er aub in 
Abhandlung «De prospectiva pingendi» (in der 
Ambrofiana zu Mailand) Ausprud gab, übertrug 
er nach Umbrien und Ferrara, wo der erjte große 
Meifter Francesco Eofja fein Schuler wurde. Auch im 
—— Verſuchen, die Luftperſpeltive und eigentüm 
iche Lichtwirklungen wiederzugeben, zeigt er ſich als 
ein fühner Neuerer, ja übertrifft hierin die }yloren: 
tiner, wenn er au, was Adel und Bornebmbeit 
der Figuren anbetrifft, hinter denfelben zurüdbleibt. 
1892 erbielt er in feiner Baterftabt ein Standbild. — 
Bol. Waters, Piero della F. (2ond. 1901). 

Francedca da Rimini (jpr. -tihesta), Tochter 
ded Guido da Polenta, Herrn von Ravenna, 
wurde um 1275 mit Gianciotto Malatejta, Herm 
von Rimini, vermäblt, der fie wegen ihrer Neigung 
zu feinem Bruder Raolo um 1288 ne ft dieſem er 
mordete. Dante bat in der «Divina Commedia» 

«Inferno», V) das Ende der F. befungen; Silvio 
ellico, Ubland (unvollendet), B. Heyſe, M. Greif, 

d' Annunzio u.a. haben den Stoff dramatiſch be 
handelt, epiſch Seigh Hunt u.a., muſilaliſch Roifini. 
— Bol, Tonini, Memorie storiche intorno a F. 
(2. Aufl., Rimini 1870); De Sanctis, F. d. R. se 
condo i critici esecondo l’arte (in ver«aNuova Anto- 
logia», 1869); Yriarte, Frangoise de Rimini dans 
la legende et dans l’histoire (Par. 1882); Formi⸗ 
gini, F.d. R., monografia storica (Livorno 1873); 

icci, L’ultimo rifugio di Dante (Mail. 1891). 


Franceschini — Franchi (Aleffandro) 


Franceschini (ipr.-tichestihni), Baldaflare, ital. 
‘Maler, geb. 1611 in Bolterra, wo fein Vater Bild: 
bauer war, ftudierte in Florenz bei Roffelli, ſpäter 
unter Giovanni da San Giovanni. Er erhielt be 
deutende Aufträge für Kirchen und Profanbauten, 
befonder8 von den Mebiceern; jo jhmüdte er in 
Sta. Eroce die Kapelle Niccolini, die Kirchen Sta. 
Annunziata (Krönung der Maria), Sta. Maria 
maggiore und den Pittipalaft. Eine Zeit lang lebte 
er in Rom, tebrte aber wieder nad Florenz zurüd, 
wo er 1681 jtarb. 

anceschimi (ipr. -tihestihni), Marcantonio, 
ital. Maler, geb. 5. April 1648 zu Bologna, geit. das 
ſelbſt 24. Dez. 1729, war Schüler des Carlo Cignani 
und madte darauf Studienreifen nad Genua und 
Rom. In Rom beteiligte er fih 1711 an den Kartons 
für die Mofaiten in St. Beter, lehrte dann aber 1714 
nad Genua, endlich nach Bolognu zurüd,. In Genua 
hatte erden großen Ratsfaal mit Freslen geihmüdt, 
welcher 1777 verbrannte. Sein größter Gönner war 
der Furſt Hans von Liechtenſtein in Wien, in deſſen 
Balaft in der Roſſau noch jest die Deforationen 75.8, 
darunter eine Schlafende Venus mit Amor, erhalten 
find. Bon feinen Ölgemälven beſitzt die Dresdener 
Galerie: Die büßende Magdalena zwijchen tröften: 
den frauen, das Hofmufeum zu Wien: Der beil. 
Karl Borromäus bei den Peitlranten in Mailand 
und eine Büßende Magdalena. 7. gebört zu den 
chtbarſten Dekorationsmalern der Carracci⸗ 
Aule; feine Werle find heiter und gefällig, aber 
charalterlos und gejudt in der Wirkung. 

Franoesco (ital., ſpr. -tichesto), männlicher 
Borname: Franziskus, Franz. 

Francedco v’Albaro, San, Vorort von 
Genua, ſ. San Francesco d'Albaro. 

ranceville (jpr. frangk'wil), Station in Fran: 
zoͤſiſch-⸗ Kongo in Uquatortalafrila, am Zufammen: 
jluſſe des Paſſa und des obern Ogowe auf einem 
420 m hohen Plateau. Bon bier aus werben bie 
Maren durch Batele nad) dem 200 kın entfernten es 
teti an der Alima getragen, um bier nach dem Kongo 
verjhifft zu werben. F. wurde 1880 von Savor- 
gnan de Brazza (f. d.) gegründet. 
ranche, joviel wie Franſe (f. d.). 
auche Comte (ipr. frangſch fongteb), die ehe⸗ 
malige Freigrafſchaft Burgund, auch Hoch- oder 
Deutſch-Burgund, umſaßte als Provinz Frank—⸗ 
reichs die Depart. Doubs (mit Ausnahme des da— 
maligen württemb. Mömpelgard), Jura und Haute: 
Saöne (j. die Harte: Norddjtlibes Frankreich 
undHiſtoriſchekarten vonFrankreich, 8, beim 
Artikel Frankreich) und hat 15 743 qkm und (1901) 
826757 E, Sie zerfiel in die Oberämter (bailliages) 
Bejangon, Amont oder Befoul und Aval oder Lons⸗ 
le» Saunier; Hauptitabt war Bejangon. 

Zu Cäſars Zeit bewohnten das Land die Sequa: 
ner, nad) deren Befiegung es der Provinz Belgica 
prima einverleibt wurde. Später bildete es nebft 
der weſtl. Schweiz die Provinz; Maxima Sequano- 
rum. Im 5. Jahrh. wurde ed von den Burgundern 
in Befi genommen und ihrem Reiche einverleibt. 
Durch Chlodwigs Nachfolger ward das Land gleich 
dem übrigen Burgund (j. d.) 534 mit ber fränt. 
Monarchie vereinigt und teilte deren Scidjale. 
Eine neue Epode ſchien anzubreden, als der ala: 
mann. Graf Rudolf 889 das Transjuraniſch⸗Bur⸗ 
gundiihe Königreich ftiftete, das die F. und die 
weſtl. Schweiz umfaßte. 1032 kam es an Raiier 
Konrad II. und damit in Perjonalunion mit dem 

Brodhaus’ Konverfationdskerikon. 14.AMufl. RM. VI 





945 


deutfchen Rönigtum. Kaifer Lothar trennte das 
Herzogtum Kleinburgund, die weſtl. Schweiz, von 
ber hr die feit jener Zeit wegen ihrer vorzüglichen 
Freiheiten dieſen ihren Namen führt und dur 
die Erbtochter Beatrir 1156 dem Kaifer Friebri 
Barbarofja zugebraht wurde, der Bejangon 1184 
zur freien Reichsſtadt erhob. 1208 fam das Land 
durch Heirat an Dtto II. von Meran und 1248, 
nad dem Augfterben des Meranjhen Mannsſtam— 
mes, an die Grafen von Ehälon. Durch die Heirat 
König Philipps V. war die F. 1316 an die franz. 
Krone gefallen EM een bei deſſen Tode, 1322, 
dem Herzoge Gudes IV. von Burgund abgetreten. 
Beim Ausjterben des altburgund. Herriherbaufes 
1361 fiel das Land an Margarete von Flandern, 
deren Tochter e3 dem Stifter des neuburgund, 
Haufes, dem franz. mag Philipp dem Kühnen, 
1384 wieder zubrachte. Bei dem Tode ſtarls des 
Kühnen 1477 kam es nad langen Streitigfeiten 
mit Karl VIII. von Frankreich im Frieden von 
Senlis 1493 an Marimilian von Oſterreich, den 
Gemahl der burgund. Erbtohter Maria, wurde 
er burgund. Reichskreiſe geſchlagen und nad 
aifer Karla V. Abdankung der jpan. Linie des 
Haufes Hab3burg zugeteilt. Im Dreibigjährigen 
Kriege war die & lange Zeit der Tummelplatz ber 
anzojen, die fich ſeitdem ihrer zu bemädtigen 
uchten. Endlich fiel fie (mit Ausnahme der erft 
1793 abgetretenen Grafſchaft Mömpelgard) im 
Frieden zu Nimmwegen 1678 an Frankreich, nachdem 
ie Ludwig XIV. ſchon 1674 erobert hatte. — Val. 
oly, La F. ancienne et moderne (Par. 1779); 
&moires et documents inedits pour servir à l’his- 
toire dela F. (3 Bde, Bejangon 1839 —44) ; Rouflet, 
Dictionnaire des communes de la F. (6 Bbe., ebv. 
1853—58) ; Elerc, Histoire des Etats-gönsraux et 
des libertes publiques en F. (2 Bbe., ebd. 1883); 
Bouchot, La F. (Par. 1889); Maag, Die Freigrafs 
{haft Burgund und ihre Beziehungen zu der ſchweiz. 
Eidgenoſſenſchaft 1477—1678 (Zür. 1891); Fraipont, 
Le Jura et le Pays Franc-Comtois (Bar. 1897). 
Franohes Montagnes (jpr. frangſch mong: 
tännj), Landſchaft im Kanton Bern, |. Freiberge. 
Francheville (fpr. frangſch'wil), Pierre, auch 
Francavilla, Franqueville, franz. Bildhauer, 
geb. 1548 zu Cambrai, gin 1564 nad Paris, dann 
nad Innsbruck, wo der nfinni e Erzherzog Ferdi⸗ 
nand IL fich feiner annahm und ihn an Giovanni da 
Bologna empfahl, der ihn zu Florenz als Schüler auf: 
nabm und an feinen vielen Arbeiten Anteil nehmen 
ließ. Indeſſen machte fih 3. bald felbjtändig, wie 
feine allegorifhen Geftalten der Demut, Keuſchheit 
und Klugheit in der Kapelle Niccolini beweiſen. 
Weiter fertigte er die vier Evangeliften für ven Dom 
zu Genua. 1601 berief ibn Heinrich IV. nad Paris 
und machte ihn zum Hofbilovhauer. Als folder ent: 
widelte er eine rege Tbätigleit in der Ausihmüdung 
zablreiher Baläjte und Gärten. Gr jtarb um 1615 
ın Baris, Im Louvre befindet fich fein 1612 vollen: 
deter David und die Öefangenengruppe (1614) zu dem 
1604 gefertigten Reiterftandbilde des Königs. F.s 
Stil ſchließt ih an den jeines Lehrers Er a 
feine Figuren, vornehme Küble der nun, 
ausgezeichnete Ebarakterijtit im Bildnis lennzeich⸗ 
nen jeine Kunſt. Vielſeitig gebildet, verfuchte er ſich 
aud als Architelt, Maler und Schriftiteller. 
(ital,, F fi), Blural von Franco (ſ. d.. 
auchi (ſpr.ti), Aleſſandro, Kardinal⸗Staats⸗ 


ſekretär, geb. 25. Juni 1819, beſuchte das röm. 


60 


946 


Seminar und wurde von Pius IX. 1846 zum Käm⸗ 
merer befördert, in deſſen Auftrag er 1848 in Wien 
bei Kaiſer Ferdinand die Abtretung der dfterr. Teile 
Italiens betrieb. Mit beſſerm Erfolg verbandelte 
er 1853—56 als außerorbentliher Geſandter in 
Madrid über ein Konlordat und» arbeitete jeit 1856, 
zum Erzbifchof von Salonili in partibus infidelium 
ernannt, ald Nuntius in Florenz gegen Cavour. 
1859 nad Rom zurüdgefebrt, leitete er ald Staats⸗ 
felretär 1860—68 die kirchlichen Angelegenbeiten. 
1868 ging er wieder ald Nuntius nah Maprid, 
febrte aber ſchon 1869 nad Iſabellas Sturz zurüd, 
um an ber Vorbereitung des Vatikaniſchen Konzils 
mitzuarbeiten. 1873 zum Kardinal, 1874 zum Leiter 
der Propaganda ernannt, fam er nad Pius’ IX. 
Tod jelbit ald Nachfolger ernftlih in Frage, be 
wirfte aber die Erhebung des Kardinald Pecci zum 
Bapft (Leo XIIL), der F zum Staatäjelretär er: 
nannte. Er jtarb 31. Juli 1878 zu Rom. 
rauchi (je: -fi), Aufonio, Pieudonym des 
ital, Philoſophen Eriftoforo Bonapvino, geb. 
24. Febr. 1821 zu Pegli, war Geiſtlicher, legte aber 
1849, infolge feiner Shi oſ. Studien mit den Lehren 
der Kirche zerfallen, das Priefterlleid ab. 1860 
wurde er Profeſſor der Bhilofophie an der Univerſi⸗ 
tät zu Pavia, 1863 an der wiſſenſchaftlich-litterar. 
Atademie zu Mailand. Von 1854 bis 1857 redi⸗ 
gierte er die wiſſenſchaftliche Wochenſchrift «La Ra- 
ione»,. Mit —— errari machte F. entſchiedene 
ppofition gegen Rosminis und Giobertis Ber: 
fuche, den Katholicismus mit der Philofopbie zu 
verjöbnen, Er belämpfte jede Religion, die abfolute 
Geltung für fi in An nehmen will; die 
menſchliche Erfenntnis ijt auf Ericheinungen bes 
Igeenkt, aber mit einem Glauben an die objektive 
abrbeit unferer Erlenntnis notwendig vertnüpft; 
die Auseinanderjegung mit dem Kriticiömus Kants 
bielt F. für die Hauptaufgabe der Vbilofopbie der 
Gegenwart. Er jtarb 11.Sept. 1895 im Karmeliter⸗ 
floiter zu Eajtelletto. Unter feinen zahlreichen Ar: 
beiten find zu nennen: «La filosofia delle scuole ita- 
liane» (2. Aufl., lor. 1863), «Il razionalismo del 
opolo» (Gent 1856; 2. Aufl., Mail. 1862; franzbſiſch 
Brüff. 1858), «La religione del secolo XIX» (Laus 
fanne 1853; 2. Aufl. 1860), «Lettere su la teorica 
del giudizio» (2 Bde., Mail. 1870), «Saggi di 
critica e polemica» (3 Bbe., ebd. 1871— 72). Mit 
feinem Werte «Ultima critica» (Bd. 1u.2, Mail. 
1890—91) kehrte er zur Kirche zurüd, 

‚Franchise (fr;., jpr. frangicibf’), Freimutig⸗ 
feit, Dfienbergigteit; eifein von Abgaben, beſon⸗ 
ders vom Zoll; certificat de F., Zollfreifchein. In 
der Transports, bejonders der Seeverjiherung find 
Franchiſen gemille Prozentiäge, bis zu denen 
der Verficherer frei von Vergütung für beichädigte 
Maren bleiben joll. Beichräntt fich die Pflicht der 
Vergütung überhaupt nur auf ven Totalverluft durch 
Strandung, fo beißt die Verficherung «frei von Bes 
— außer im ———— en, 

Francia (Francien), der latinijierte Land: 
fbajtsname von Franlen; befonders aber nannte 
man fo das Gebiet der Grafſchaften um Paris, die 
bei dem Zerfall des Karolingiſchen Weitfranten: 
reichs im Befis der aufitrebenden Rapetinger zu 
einem bejondern Herzogtum zuſammenwuchſen, das 
fpäter aud Saleshes France genannt wurde. 

Francia (ſpr. frantiha), Francesco, mit dem 
Familiennamen Naibolini, Hauptvertreter ber 
ältern bolognefiihen Malerſchule, geb. 1450 zu 


Franchi (Auſonio) — Francia 


Bologna, beſchäftigte ſich als Goldſchmied vornebm: 
lich mit Niellieren, worin er ed ebenſoweit mie im 
Stempelihneiden brachte. Nah Vaſari verfertigte 
er bie ſchönſten Medaillen und erbielt die Aufſict 
über die Münze in Bologna. Als Maler fcheint er 
fi den fserrareien Lorenzo Coſta zuerst als Vorbild 
enommen zu haben, fonit ift von wald Lebensum: 
Ränven wenig mebr befannt, als daß er zablreide 
üler hatte und 5. Jan. 1518 ftarb. Raffael, den 
er jelbit in einem Sonett verberrlichte, vertraute ibm 
vie Ausbeflerung feiner heil. Cäcilia an. Herrlide 
Werte von %. finden fi namentlich in feiner Ba 
terftadt. Beſonders zeichnen fi feine Madonnen 
aus, die bei ihrer etwas berben Yungfräulicteit 
doch eines hoben geheimen Neizes nicht entbebren, 
wie überhaupt jeine Geftalten zwar minder frei und 
bewegt find als die feiner größten Zeitgenofien, aber 
in ihrer entfernt an Berugino gemahnenden zarten, 
innigen —— höchſt anmutig wirlen. Treff 
lich ind feine Freslen in Sta. Cecilia zu Bologna; 
zu feinen fhöntten Merten zählt die tbronende Ma: 
donna mit mufizierenden ein in Sarı Giacomo 
Maggiore dafelbit. Bon feinen jonftigen Tafelbilvern 
befigt unter anderm die Zuriner Binatotbel: Grab- 
legung Ehrifti (1515); die Dreödener Galerie: Taufe 
Shrift, nbetung der Könige; das Hofmufeum zu 
Wien: Maria mit dem finde. Schüler 5.3 find fein: 
Söhne Giacomo und Biulio, in deren Merten 
der Stil des Vaters etwas vergröbert und entgeiſtigt 
ericheint, ferner Timoteo Biti, die Aipertini u.a. — 
—* Calvi, Memorie della vita di Francesco Rai- 
bolini LNDEne 1812); Williamfon, Francesco 
Raibolini, called F. (Lond. 1901). 
Francia, Yoje Gaspar Tomas Rodriguez da, 
ewöhnlih Doktor F. genannt, Diktator von 
Paraguay, geb. 1757 (nah andern 1763) zu Aſun⸗ 
cion, jtudierte erjt Theologie, dann die Rechte, lich 
fih in Afuncion als Sachwalter nieder und wurde 
zum Ulcalden jeiner Vaterftadt ernannt. Als Ba: 
raguay ſich 1811 von der jpan. Herricaft losge⸗ 
riſſen hatte, wurde er Sefretär der Junta. 1813 
wurden Fulgencio Yegros und F. zu Konſuln er 
wäblt und mit der oberjten Gewalt belleidet, doch 
wollte F. die Gewalt mit niemand teilen. Als 
Pam der Kongreß ſich 1814 wieder verjammelte, 
ſchlug er ald einziges Nettungsmittel des Staates 
die Ernennung eines Diltatord vor und wurde nun 
ſelbſt zum Diktator auf drei Jabre, 1817 auf te 
benszeit ernannt. Raum aber batte er dies erreidt, 
als er in feiner Verwaltung die härtejte Tyrannei 
eigte. Als Unruben entſtanden, verfügte er, das 
and folle nah den Formen einer reinen Demo 
fratie regiert werden und ein Kongreß von 1000 
Deputierten, aus allen Bürgerklaſſen ermwäblt, die 
Berwaltung pres. Die gemäblten Mitglieder des 
Kongreſſes aber übertrugen F. wiederum die dilta⸗ 
torifche Gewalt, der nun alle Klöjter aufbob und 
deren Güter zum Bejten des Staates einzog. An 
dererjeits förderte er den Gewerbfleik und den An: 
bau des Landes durch Gejeke und freilich oft bödit 
— Maßregeln verſchiedener Art. Eine 
erſchwörung wurde 1820 entdedt und durch Hin: 
richtung vieler Perſonen unterdbrüdt. Die Abſper⸗ 
rung des Landes, die er anordnete, wurde ftreng 
durdgefübrt; Fremden war der Eintritt in Bara: 
gan ſehr erjchwert. 5 (ebte aus jteter Furcht vor 
Mörvern in größter Zurüdgezogenbeit und fübrte 
fein Syſtem bis zu feinen Zode 20, Sept. 10 
durd. (S. Paraguay, Geihichte.) — Val. Carlole 


Franciabigio — Frande (Hug. Herm.) 


ın der «Edinburgh (1843); Bazän, El 
Ye eanciabigto (pr. fntfchahiefo), eigentlich 
ancia 0 (for. frantſchabidſcho), eigentli 
Francesco —— lg ital. Maler, 
eb. 1482 in Florenz, dajelbit 24. Jan. 1525, 
re feine tünftlerifde Laufbahn bei bertinelli, 
ſchloß ſich * eier ganz an —— del Sarto 


an, mit dem er vi a thätig war 
und deſſen edle Bee eibm auch eh . des eige: 
nen Schaffens vorſchwebte. Doch errei . feinen 


Speifefaal deö Kloſters della Calza malte er ein 
endmahlsbild; in der Annunziata aber jeit 1513 
fein Mage von dem Künft erin —— 
wallung ſelber beſchãdigtes or die Bermäblung 


5* nicht immer an Feinheit und Durd ildung. 


Marias. Die Tribuna der Mfyien in Floren —— 
von ihm die ſog. Madonna del 0330, die 
zu Dresden eine Bathjeba im e (1523). Auch 


im Bildnisfach hat F. Gutes geleiſtet; ſo befindet 
ſich in Berlin das orträt eines jungen Mannes 
(1522), ein anderes im * Pittizu Florenz (1514). 
Frauciade (ſpr. frangkiahd), von einem vor: 
geblihen Francus abgeleiteter Name franz. Helden: 
edichte von Ronfard (1574) und Viennet (1863). 
erner bezeichnet F. im franz. Revolutionstalender 
einen Zeitraum von 4 ven. Auch nannte ſich 
die Gemeinde St. Denis bei Parid während der 
eriten Sranifien Republit einige aa F. 
cien, ncia (Landſchafth. 
aucillon (ſpr. ranopijöng), —— —— 
engl. Vovelliſt und Journaliſt, geb. 1841 als Sohn 
eines Richter in Gloucefter, ftubierte i in Gambridge 
die Nechte, war Advolat und übernahm 1867 die 
Redaltion beö «Law Magazine», Der Erfolg feines 
1868 in «Blackwood’s Magazine» verö entlichten 
Romans «Grace Owen’s engagements» bejtimmte 
um, die ſchriftſtelleriſche T eglet zu ergreifen. 
veröffentlichte feitdem die Romane « Earl’s 
Dene» (3 Bde., Lond. 1871), «Pearl and Emerald» 
(1872), «Zelda’s fortune» (1873),«Olympia» (3 Bbe,, 
1874), «A dog and his shadow» (3 Bde., 1876), 
«Strange waters» (3 Bde., 1878) und «Queen 
Cophetus» (3 Bde., 1880) jowie die Weihnachts— 
geſchichten «Streaked with old»,«Like asnowball», 
«Rave luck» und « the dark » (1874—77). 
Seine Beiträge zum «Globe» ſammelte er 1872 als 
«National istics and flora and fauna of 
London». Seine neueiten — find: «King or 
knave?» (3 Bde., 1888 u. d.), «Gods and heroes» 
(1892), «Ropes of sand» (3 Bde., 1893), «Jack 
Doyle’s daughter» (3 Bde,, 1894). 
raneis (ſpr. fränn i8), Lydia Maria, nord: 
amerik. Schriftitellerin, . Ehild. [Briefe des, 
aueis (ipr. fränn$is), Sir Philip, ſ. Junius, 
ranciöboot, |. Rettungsboote. 
eißca, beilartige Streitart Ale 
ancidcaner, Möndsorden, f ranzistaner. 
cisoea uniflora Pohl, Heilpflanze,j. Ma⸗ 
naca. Francisco, 
—— Säo, Strom und In el, ſ. Säo 
anucidco, San, Stadt, ſ. San Francisco, 
auciscus, ber Heilige, ſ. Franz von Aſſiſi. 
Francis-River, Saint, ’ 
River. 
aucisſee, Santt, j. Sankt Lorenzitrom. 
rand, DBeiname des Formſchneiders Hans 
— rger (j. d.). 
63. franz. Philoſoph, geb. 9. Ott. 
Rx zu ——— (Meurthe), von jad. Ablkunft, er: 


Saint Francis: 


947 


bielt feine Bildung an den Gymnaſien zu Nancy 
und Touloufe, war dann Lehrer der — hie 
an verſchiebenen Lyceen und wurde 1856 ord. Pro⸗ 
feſſor des Natur- und Volkerrechts am Collöge de 
France. Er ſtarb 11. April 1898 in Paris. Er 
war namentlich Kenner der jüd. Philoſophie. Seine 
Werte find: «La Kabbale, ou la philosophie reli- 
gieuse des Höbreux» (Bar. 1843; * Aufl. 1892; 
deutſch von Gelinet, Lpz. 1844), «Le communisme 
juge par P’histoire» (1849; 8. Aufl. 1871), «Re- 
formateurs et publicistes de l’Europe» (3 Bde., 
1863— 93), «Philosophie du droit penal» (1864; 
2. Aufl. 1880), «La philosophie mystique en 
France & la fin du XVIII® siöcle» (1866), «Mora- 
listes et philosophes» (1871; 2. Aufl. 1874), «Phi- 
losophie du droit civil» (1886) und bejonbers 
fein wichtiges « Dietionnaire des sciences philoso- 
phiques» (6 Bde. 1843—49; 2. Aufl. 1875), das er 
mit mehrern Gelehrten berausgab. Lange Zeit warer 
einer der Redacteure des «Journal des Debats», 1888 
gründete er die Zeitſchrift «Paix sociale», die ſich 
vornehmlich ge @ en den Atheismus richtet. 
Frand, AR ar, per Komponift, j. Bd. 17. 
Frand (Fran Sob., © +, Dichter, geb. 1. Juni 
2. zu Guben, kublenn die Nechte, ward 1661 
ürgermeifter feiner Vaterſtadt und ftarb daſelbſt 
uni 1677 als Qandesältefter der Niederlaufig. 
Bon ibm erſchienen: «Geiftlihes Sion» (Guben 
1672; 2. Aufl. 1674) und «Geiftlihe Lieder» 1 
von Bafıg, Grimma 1846), die ein tiefreligiöfes 
Gemüt befunden. Seine Lieder: «Schmüde did, o 
liebe Seele», —* Gott, dich loben wir», «Jeſu, 
meine uden, «Du, o jhönes MWeltgebäube», 
baben ſich in den Gejangbücern erhalten. — er 
di Die Abfaffungsgeit der geiftlichen Lieder 
8 (im «Neuen Saucen Magazin», Bd.52 u. 
53, 1876); derf., Job. 5. von Guben (Guben 1877). 
Frand, Ludwig, ierarzt, geb. 7. März 1834 
in Mogger bei Mupperg (Sabien-Meinin en), ſtu⸗ 
dierte an der Gentraltierarzneiihule zu Münden, 
wurde 1854 Landgerichtstierarzt in Ebern und 1856 
Militärveterinär in der bayr. Armee. 1864 wurde}. 
als Profeſſor an die Münchener Tierarzneifchule bes 
rufen, an welcher er nahezu —83* und zwar von 
1877 ab als Direltorin der fruchtbarſten Weile thätig 
war. %. jtarb 4. April 1884. en Hauptfächer 
waren Anatomie und Geburtöbilfe. Klaſſiſch find 
feine Werle «Handbuch der Anatomie der Haustiere» 
(3. Aufl., 2 Bde. Stuttg. 1891—93) und «Handbuch 
der terängtlihen Öeburtsbülfe (3. Aufl,, hg. von Go⸗ 
ring, Berl. 1893). Mit Bollinger jufammen gab F. 
ſeit 1875 die «Deutjche —* rift für Tiermedizin 
und vergleichende Pathologie» (Leipzig) heraus. 
Frauck, Melchior, Komponift, geb. um 1580 
(nah andern um 1573) in Bittau, war jeit 1603 
Hoflapellmeifter in Coburg, wo er 1. Juni 1689 
itarb. F. tft einer der bedeutendften Chorlomponi 2. 
des 17. Jahrh., durch Innigleit und dramat. 
pfindun ausgezeichnet. Neben feinen Motetten 
waren jeine —— beliebt. — Val. Mo: 
natäbefte für Mufttgefchichte, ba. von der Gejell: 
ſchaft für Muſilforſchung, Bd. 17 (%p5. 1885); Obrift, 
Melchior %. (Differtation, 1892). 
been ‚ Sebaltian, ſ. Frantf. 
raucke, Aug. Herm., der Stifter des hallifchen 
Waiſenhauſes und vieler damit verbundener An 
jtalten, geb. 22. März 1663 zu Lübed ald Sohn 
des dortigen Domſyndikus, bejuchte das Gone 
nafium zu Gotha, wo fein Vater jeit 1666 Juſtiz⸗ 
60* 


948 


rat war. Er ftubierte zu Erfurt und Stiel Theologie 
und ging 1684 nach Leipzig, mo er ſich 1685 habilis 
tierte und 1686 mit mehrern Magiitern das Col- 
legium philobiblicum gründete, eine Geſellſchaft, 
worin die Bibel erſt philologiſch, dann praltiſch er: 
Härt wurde. 1687 ging er nad Züneburg, um 
unter dem dortigen Superintendenten Sandbagen, 
einem berühmten Gregeten, fi in der Eregefe zu 
üben. Nachdem er ſich dann noch in Hamburg und 
beiSpener(f.b.), der damals Hofprediger in Dresden 
war, aufgehalten, kehrte er 1689 nad} Yeipzig zurüd. 
ier begann er, in anderm Geifte und mit größerm 
folge als früher, feine Borlefungen wieder; mit 
dem Sutrang dazu wuchſen au nfeindung und 
Verfolgung. Man verbädtigte ihn als Jrrlebrer, 
weil er weniger Wert auf bie damalige unfruchtbare 
Orthodoxie legte. Chr. Thomafius (f. d.), damals 
nod in seipiie verteidigte ihn zwar in einer eigenen 
— a — nahm doch 1690 einen Ruf nach 
Erfurt als Dialonus an der Auguſtinerlirche an. 
Da feine durch Herzlichleit und warmen Eifer aus: 
ge eihneten Predigten jelbft von Katholiken zahlreich 
ehucht wurden, erhielt F. von ber Kurmainzer Re 
sierung 27. Sept. 1691 den Befehl, Erfurt binnen 
483 Stunden zu verlaflen. Er ging zu feiner Mutter 
und Schmeiter nad Gotha und 1692 nad Halle, mo 
er an der neu errichteten Univerfität zuerft die Bro: 
fefjur der orient. Spraden, fpäter eine theologiſche 
übernahm; zugleich erhielt er das Paſtorat in der 
damaligen Amts:, jest Vorſtadt Glaucha. Hier bes 
ee jeit 1695 bie Srandejhen Stiftungen 
1.d.). Die pietiftifche Richtung feiner Theologie ver: 
widelte F. in häufige Streitigkeiten mit der Geiſtlich⸗ 
feit und der Univerfität in Halle Er ftarb 8. Juni 
1727 zu Halle. Unter feinen zablreihen Schriften 
find ——— «Offentliches Zeugnis vom Wert, 
Wort und Dienſt Gottes» (Halle 1702) und «Segens⸗ 
volle Fußtapfen des noch lebenden Gottes» (ebd. 
1709 u. d.); feine «Bädagogifhen Schriften» gab ©. 
Kramer in der «Bibliothet pädagogiicher Rlaffiter», 
Vd. 11 (2. Aufl., Langenfalja 1885), heraus. Im 
Bereiche feiner Stiftungen wurde ihm 5. Nov. 1829 
ein ehernes Standbild (modelliert von Raud) er- 
richtet. — Bol. Guerite, A. 9. F., eine Denlſchrift 
(Halle 1827); Kramer, Beiträge zur Geſchichte A. 
9. 3.8, enthaltend den Briefwechſel 5.8 und Spe- 
ners (ebd. 1861); derf., Neue Beiträge zur Geſchichte 
N. H. 5.8 (ebd. 1875); derf., A. 9. F, ein Lebensbild 
(2 Bde., ebd. 1880—82);N. Stein, A. H. F. (3. Aufl., 
in den « Deutſchen Geſchichts⸗ und Lebensbildern», 
Bd. 3, ebd. 1894); R. %. Hartmann, A. 9. 3. (Calw 
und Stuttg. 1% Förfter, A. H. F. (Halle 1898); 
Wächtler, A. 9. F. als Baftor zu St. Ulrih 1715 
—27 (ebd. 1898). 
Frande, Karl Philipp, Politiker, geb. 17. Jan. 
1805 zu Schleäwig, ftudierte 1823—27 zu Göttin: 
en, Heidelberg und Kiel die Rechte, trat 1827 als 
Volontär in die ſchlesw.⸗holſtein. lauenb. Kanzlei 
in Kopenhagen und wurde 1835 in das General: 
jolltammer: und Kommerztollegium verſetzt. Hier 
tand F. 1835 —48 an der Spike der Zoll: und 
Handelsangelegenbeiten der Herzogtümer und führte 
eine durcgreifende Zollreform ein. 1848 legte F. 
feine Amter nieder und trat in die Dienfte der pro- 
viforiihen Regierung der Herzogtümer, bie ihn zum 
Regierungepräfidenten in Schleswig ernannte. Zum 
Abgeordneten für das Frankfurter Barlament ge 
mwäblt, jtand er auf feiten der fonftitutionellen und 
erbtaiierl. Bartei. Seit Nov. 1848 war er Bevoll: 


trande (Karl Bhilipp) — Franckenſtein 


mädhtigter der fchlesw.:holftein. Waffenſtillſtands⸗ 
tegierung beider Gentralgewalt. Nah Auflöfung des 
Barlaments kehrte F. in fein Vaterland zurüd un» 
übernahm im Aug. 1849 die Berwaltung des Finan 
bepartements und dazu im Mai 1850 das der aus: 
mwärtigen Angelegenbeiten, bis die Unterwerfung 
des Landes unter die Bundeserekution feiner Wirt 
famfeit 31. Jan. 1851 ein Ziel Teste. Bon ber bän 
Regierung verbannt, übernahm er im Herbit des: 
felben Jahres das Regierungspräfipium in Co⸗ 
burg und ſeit 1858 bie Yeitung des Minifteriums. 
Nah dem Tode deö Königs Friedrich VIL. von Däne 
marf folgte er (Nov. 1863) dem Rufe des Herzogs 
Friedrich von Auguftenburg zuerft nach Gotha, dann 
nad fiel. Nach der preuß. Einverleibung betrad- 
tete er das Landesrecht der Herzogtümer als für 
immer befeitigt. Die Stellung, die er vemgemäk im 
fonftituierenden Reichstage und dem preuß. Abae: 
orbnetenbaufe einnahm, führte zum Bruche mit der 
berzogl. Familie. %. ftarb 23. Febr. 1870 zu fiel. 
Grande, Wilhelm, Juriſt, geb. 26. Juli 1803 
u Lüneburg, ftubierte zu Göttingen Rechtswiſſen⸗ 
haft. habilitierte fib dafelbjt 1825 und murde 
1828 außerord. PBrofeflor, 1831 ord. Brofefjor und 
Dberappellationsgerichtärat in Jena. 1844 tebrte 
er nad Göttingen zurüd, wo er 12. April 1873 
ftarb. Er fchrieb: «Eiviliftiihe Abhandlungen» 
(Gött. 1826), «Beiträge zur Erläuterung einzelner 
Rehtömaterien» (Abteil. 1, ebd. 1828), «Das Rech 
der Noterben und Pflichtteilsberechtigten » (ebv. 
1831), Kommentar über den Pandeltentitel « De 
hereditatis petitione» (Abteil. 2, ebd. 1864). Seit 
1837 war F, Mitherausgeber des «Archivs für die 
civiliſtiſche be F 
Fraucken, Antwerpener Malerfamilie. Die drei 
Brüder Hieronymus I. (1540- 1610), Frans. 
1542 — 1616), deren Hauptwert ein Altar in der 
atbedrale von Antwerpen it, und Ambrofius 
1544— 1618), der zahlreiche Altarbilder für die 
irchen dieſer Stadt ausfübrte, vertraten als Schü: 
ler des Frans Floris die italienifierende alademiihe 
Richtung in der niederländ. Malerei. Von den drei 
Söhnen des Frans 1: Hieronymus IL, Am: 
brofius II. und Frans U. (1581— 1642), iſt der 
legtere der bedeutendite. Er malte zumeift Bilder in 
Heinen Berbältniflen und ſchilderte lebendig und in 
zahlreihen Figuren bibliſche Geſchichten und alle» 
goriſch⸗ mytholog. Vorgänge. In feiner jpätern Zeit 
geriet er unter den Einflus von Rubens, deſſen mo: 
numentale Werte er in genreartigen Stil überjebte. 
Srandenftein, Georg Arbogait, Freiberr von 
und zu, Politiker, geb. 2. Juli 1825 zu Würzburg, 
ftubierte daſelbſt die Rechte und verwaltete dann, 
auf Schloß Ullftadt bei Langenfeld in Mittelfranten 
lebend, feine Güter, Als erbliches Mitglied des 
bayr. Reichsrates (feit 1847), zu deſſen Präfidenten 
er 1881 vom König berufen wurde, gebörte er zu 
den klerilalen Batrioten. Er en gegen bie Teil 
nahme Bayerns am Deutſch-Franzoſiſchen Krieg 
und aud gegen deflen Beitritt zum Deutichen Reid. 
Als König Ludwig UI. 1886 ſchon entmündigt mar, 
machte 5. noch den vergeblihen Verſuch, ſich dieſem 
zur Bildung eines neuen (Mleriltalen) Miniftertums 
zur Verfügung zu ftellen. Seit dieſer Zeit beftand 
eine —— — ihm und dem bayr. Heike. 
Am Deutiben Reichstag vertrat F., der aub Mu: 
glied des HZollparlaments geweien war, feit 1872 
den Wahllkreis Lohr und befleidvete nad dem Rüd: 
tritt Stauffenbergd 1879 bis zur Aufloſung bes 


Franckeſche Stiftungen — Franco (von Köln) 


Reichſstages 1887 das Amt des erften Wicepräfis 
denten. In der Gentrumspartei genoß F. das 
größte Anjehen. Er war Vorſtand der Partei und 
vertrat biejelbe Koh in den meiften wichtigern 
—— wie im Plenum bei bedeutungsvollen 
Gelegenheiten. Bei den Verhandlungen über bie 
ußzölle brachte F. 20. Juni 1879 in der Tarifloms 
miffion den nad ipm benannten Antrag ($randen:» 
fteinfche Klauſel) ein, welcher ſchließlich in fol- 
gender Fafjung Gejeh wurde: «Derjenige Betrag 
der Zölle und der Tabalfteuer, welcher die Summe 
von 130 Mill. M. in einem Jahre überfteigt, ift 
den einzelnen Bundesstaaten nah Maßgabe der Be 
völferung, womit fie zu den Matritularbeiträgen 
— werden, zu überweifen.» Durch die 
ehe vom 16. April 1896 und vom 24. März 1897 
wurde diefe — REN eändert, daß, wenn 
bie —— die Matri erg überfteis 
gen, nur die Hälfte, refp. ein Biertel des —* es 
den Bundesſtaaten zufließt, der Reſt aber zur Schul: 
dentilgung verwandt werden foll. Dem Erjuchen bes 
apjtes Anfang 1887, die Gentrumspartei für das 
tennat zu gewinnen, kam F. nicht nad. Doc 
batte er fich in der legten Zeit der Reichsregierung 
mehr genäbert, als er 22. Jan. 1890 in Berlin ftarb. 
— Sein Sohn Johann Karl, Freiherr von und 
h ., geb. 27. Dit. 1858, vertrat 1890—93 den 
abltreis Lohr im Deutfhen Reichstag ald Mit⸗ 


glied des Gentrums. 
Frauckeſche Stiftungen, die von Auguft Her: 
mann Francke (j. d.) in der damaligen Amtsjtadt 


Glauchä (jest zu Halle a. ©. gehörig) —— 
Anſtalten. Francke legte zunächſt 1695 eine Armen⸗ 
ſchule an; Jam im Sommer diefes Jahres mußte 
er eine zweite Klaſſe einrichten und, ba aud Bürger 
de Kinder gegen —— eines Schulgeldes zu 
brachten, die Burgerſchule von der ſchule 
trennen. In demſelben Jahre gründete er mit ges 
ringen Mitteln auch eine Watfenanftalt; da die 
Ü der Waifen wuchs, wurbe 1696 ein eigenes 
Haus für fie eingerichtet und 1698 ein neues Ge 
bäude, das Bordergebäude der F. S., erbaut, zu 
dem am 24. Juli der Örundftein gelegt wurde (1698 
gilt als Stiftungsjahr). Als auswärtige Familien 
ihre Kinder unter des Augen erziehen lafjen 
wollten, gründete er 1696 eine Erziebungsanftalt, 
das Pädagogium, das aber erft 1713 ein eigenes 
großes Haus erhielt. Dazu fam noch eine Latei⸗ 
niſche Schule und eine mit derjelben verbundene 
ie ionsanitalt. Mai 1714 wurden 1075 
naben und 700 Mädchen von 108 Lehrern unter 
Strandes Leitung unterrichtet. Dazu verband er 
mit feinen Stiftungen nod die Ganlteintche Bibel: 
anftalt (ſ. d.) und unter dem Schuße der dän. Re 
gierung ein Miffionsinftitut für Oſtindien. Alle 
dieſe Anftalten erforderten bedeutende Summen, bie 
reichlich, aud) aus dem Ausland, flofien. Auch lies 
ferten mebrere der Anftalten eine wachſende Eins 
nahme. Die Apothele, die Buchhandlung, vor allem 
aber die Medilamentenerpedition gewährten zu 
manchen Zeiten einen bedeutenden Ertrag. Nah 
dem Tode des Stifterö 1727 übernahmen fein eins 
iger Sohn Gotthilf Frande, der 1769 ohne 
achlommen verftarb, und fein S — Joh. 
Anaft. Freylinghauſen (ſ. d.) die Direktion der F. ©. 
Seit 1892 ift Sr . Fried Direktor. 
Das Eigentümliche der F. ©. beiteht jet wie zur 
Zeit des Stifters darin, daß in ihnen eine Anzahl 


der verjchiedenartigften Schulen auf einem leicht ' 


949 


überjehbaren Raume zufammengebrängt und damit 
eine feine Schuljtabt begründet ift, die (1901) fol: 
gende Anftalten umfaßt: eine Burgermädchenſchule 
(Mittelihule, 480 Schülerinnen), eine Bürgerfnas 
benſchule (Mittelichule, 680 Schüler), eine Vorſchule 
I die böbern Yebranftalten (230 Schüler), eine 
öhere Mäpchenichule (400 Schülerinnen), ein Lehre⸗ 
rinnenfeminar (100 Zöglinge), eine Oberrealjhule 
(410 Schüler), ein Gymnaſium (die Lateiniſche Haupt: 
ſchule, mit 700 Schülern) ; zufammen 7 Lebranftalten 
mit über 3000 Zöglingen. Mit diefen Schulen - 
nod verbunden: die Waifenanftalten für 121 Ana: 
ben und 18 Mädchen, die Benfiondanftalt für 240 
und das Alumnat für 68 Zöglinge. Neben den Schu: 
len befteben al erwerbende Inſtitute: eine Apothele, 
eine Buchhandlung und eine en (1. Buch: 
bandlung des Waijenbaufes). Ihre Einkünfte bes 
ieben die Stiftungen teild aus Grundbefis (brei 
ittergüter find ihr Eigentum) und Kapitalver— 
mögen, teild aus den a... ihrer Inftitute, 
teild aus Staatszuſchüuſſen. Die innere Organi- 
m der Schulen und Erziehungsanftalten bat 
ich im Laufe der Zeit etwas geändert. Der Unter: 
richt hat zwar die religiöfe Grundlage behalten, 
aber die große Zahl der Andachtsſtunden ift aus 
Däbasssiliben Rüdfihten vermindert. Das Fach—⸗ 
ſyſtem hat dem Klaſſenſyſtem weichen müflen. Die 
Disciplin hat ihren Hofterartigen Charalter ver 
loren, und es wirb den Zöglingen bie Teilnahme 
an Bergnügungen geftattet, die der Pietismus von 
ebedem nicht erlaubte. Anderes bat ſich erhalten: 
Die Nachfolger im Direktorium haben noch be 
timmte Vorrechte. Sie ernennen ihre Kollegen wie 
ihre Nachfolger, fie berufen die Lehrer und ftellen 
die Beamten an, verleiben die Stipendien und die 
ne au in den verichiedenen Schulen, der Ben: 
tonsanftalt und der Waifenanftalt ganz felbitän: 
dig; wie denn die Auffichtsbehörden (die Anftalten 
fteben zunächft unter dem Provinzialicultollegium 
in Magdeburg) nichts ohne ihre Zuftimmung und 
Mitwirkung in dem Bereiche der Stiftungen an: 
ordnen. — Bol. Die Stiftungen Augquft Hermann 
andes in Halle (Halle 1863); D. Frid, Die F. S 
ebd. 1892); Fries, Die F. ©. in ihrem zweiten Jahr⸗ 
hundert (eb. 1898); Hersberg, Frande und fein 
Hallifhes Waiſenhaus (ebd. 1898); Knuth, Frandes 
Mitarbeiter an feinen Stiftungen (ebd. 1898); Tie 
5: ©. in Halle a. ©. in ihrer gegenwärtigen Ge 
talt (ebd. 1901). j 
Frano-magon (frz., ſpr. frang maßöng), Frei⸗ 
maurer; Franc-magonnerie (jpr. -Bonn'rih), Frei⸗ 
maurerei, ‚ 
Franco, Mehrzahl Franchi, Name der Geld» 
einbeit Fran (f. d.) in Oberitalien. 
Franco (ital.; franz. affranchi, port pri: engl. 
paid), frei, insbefondere portofrei, ge rei für den 
mpfänger von Briefen, Waren u. |. w. (f. Fran 
fieren), wird auf Briefen oder Baleten gewöhnlich 
mit fr. oder fo. bezeichnet; F. Courtage oder 
PBrovifion oder F. tout (fpr. tu) bedeutet: obne An⸗ 
rechnung von Courtage oder Brovifion; Franko— 
zwang, die Verpflihtung zur Vorausbezahlung 
des Portos. 
Franco von Köln, Komponift des Mittel: 
alters, der wahrſcheinlich Ende des 12. und en, 
des 18. Jahrh. lebte und fi um die Menfjuralmuft 


Berdienjte erworben bat. Ob jedoch der Traktat 


«Ars cantus mensurabilis» von ihm oder dem etwa 
gleichzeitigen $. von Baris berrübrt, ift zweifel- 


950 


baft und aud die Echtheit des unter F.s Namen 
überlieferten «Compendium discantus» wird be 
itritten. Beide Werke, von denen das erſte für die 
Muſilgeſchichte wichtig ift, find abgedrudt in Goufje: 
maler3 «Scriptores de musica medii aevi», Bo. 1 
(Lille 1865); aus der «Ars cantus mensurabilis» 
gab Bellermann das Kapitel «De discantu» mit 

berjeßung und Kommentar (Berl. 1874) heraus. 
Frauco, Giovanni Battifta,genannt Sem olei, 
ital. Maler, geb. 1510 in Udine, geſt. 1561 in Be: 
nedig, gehörte der Schule diejes Ortes an, hatte je- 
doch durd einen Aufenthalt in Rom Gelegenheit, 
Anregungen aus der Schule des Michelangelo mit 
feiner heimatlien Runft zu verſchmelzen. In Ve: 
nedig ift die Taufe Chriſti in der Kirche San Frans 
cesco della Bigna eins feiner trefflichiten Werke. Auch 
als Radierer leiftete 5. Gutes; er arbeitete ſowohl 
nad eigenen Entwürfen als nad Originalen Michel: 
angelos, Zizians (Geißelung Ehrifti), Giulio Ro— 
manos (Amor und Piyche) u. a. 

Franco, Niccold, ital. Dichter, geb. um 1505 zu 
Benevent, lebte in feiner Baterjtadt, inRom, meijten: 
teild aber in Neapel, abmte Pietro Aretino nad 
und machte ſich durch Spottverje verhakt. 1536 
faın er nach Venedig und fand Aufnahme bei Are: 
tino, mit dem er nad einigen Jahren in erbitterte 
— geriet. Von Venedig verdrängt, fand 

. Aufnahme bei Sigism. Fanzino, Gouverneur 
von Caſale di Monferrato; von bier begab er fi 
nah Mantua und Rom, wo ihn Pius V. 1569 ver: 
baften und aufbängen ließ. Von feinen Werten, die 
ein bedeutendes poet. Talent befunden, aber durch 
robe Schimpfereien und Obfcönitäten entitellt find, 
verdienen Erwähnung: «Le pistole vulgari» (Vened. 
1539 u. 1542), «Dialoghi piacevoli» (ebd. 1539), 
«ll Petrarchista» (ebd. 1541), «Dialogo delle bel- 
lezze» (Gafale 1542), «Sonetti contra l’Aretino, 
con la Priapea» (Zur. 1541; 8. Aufl. 1548), 
«Rime marittime» (Mant. 1547). Wie man ans 
nimmt, it 5. der Verfafler des unter Bernis Namen 
veröffentlichten Ihmusigen Pamphlets «Vita di 
Pietro Aretino» (Perug. 1538; Lond. 1826). Seine 
gereimte Überfeßung der «Ylias» blieb ungedrudt. 

Franoofurtum, lat. Name für Frankfurt. F. 
ad Moenum, Frankfurt am Main; F. ad Viadrum, 
Frankfurt an der Oder. 

Francogallia, neulat. Name für Frankreich, 
Francogalli für Franzoſen. 

Frangois (jr;., |pr. frangkdd), Franziskus, 
franz; Frangoise (fpr. frangkdabf'), Franzista. 

Frangois (pr. frangböd), Alpbonfe, franz. 
Kupferftecher, geb. 1811 zu Paris, geit. 6. Juli 1888 
dafelbft, Schüler des Henriquel:Dupont, bat vor: 
züglice Blätter in Linienmanier geftochen ſowohl 
nad) ältern ital. wie den modernen franz. Meijtern. 
Zu feinen Hauptblättern gehören: Bonapartes liber: 
gang über die Alpen (1852), Pico von Mirandola 
von feiner Mutter im Lefen unterrichtet, Marie 
Antoinette vor dem Revolutionstribunal (1857) 
nad P. Delarodhe; Die Gemahlin des Königs Can: 
daules nah Geröme, Krönung der beil. Jungfrau 
nad Fieſoles Bild im Louvre (1862), Verſuchun 
Chriſti, Mignon, Greichen in der Kirche (1864) — 
a Dale Venus’ Geburt nad Cabanel (1870), 

ein Bruder Jules F., neb. 1809 in Paris, 
gel. 1861, bildete jih unter Henriquel-Dupont zum 
upferjtecher aus. Er ſchuf Blätter befonders nad 
Delaroche: Ebriftus am Ölberg, Pilger in Rom 
(1847), Napoleon I. in Fontainebleau (1850), Die 


Franco (Giovanni Battifta) — Frangois (Luiſe von) 


Söhne Eduards IV. (1858), ferner den Galanten 
Krieger nad Terburg (1859). 

Frangois (jpr. jrangbdd), Jean Charles, franz. 
Kupferftecher, geb. 1717 in Nancy, geit. 1769 zu 
Paris, hervorragend durd feine ſchönen Blätter, ın 
denen er Kreidemanier nad Zeihnungen im Stide 
nachahmte; fo ſtach er nah Holbein (Bildnis des 
Erasmus von Rotterdam), nad Vien u. a. . 

——— (ipr. frangßöä), Kurt von, Afrile 
reijender, Sohn des 1870 bei der Erjtürmung der 
Spicerer Höhen gefallenen Generals, geb. 2. Dtt. 
1853 a Luxemburg, bejuchte die Kadettenanitalten 
von Wahljtatt und Berlin und machte den Deutic- 
Franzöfiihen Feldzug mit. Er beteiligte ſich 18% 
an der Kafjai:Erpedition Wiſſmanns und unter: 
nahm 1885 mit Grenfell eine Erforibung ve 
Zihuapa und Qulongo. In die Heimat zuräd: 

efehrt, jand er Verwendung im Großen General 
Rab und rüdte zum Hauptmann auf. 1887 gina 
er im Auftrag ded Auswärtigen Amtes nad Togo 
und drang 1888 über Salaga hinaus nad Norden ın 
das Land der Moſſi bis zum 12. Breitengrade vor. 
1889 ward er mit der Führung der Schustruppe in 
Deutſch⸗Südweſtafrika betraut und vertrat dort feit 
1891 den Reichslommiſſar. Langwierige Kämpfe 
führte er mit dem Hottentottenhäuptling Witbei, 
deſſen Feſte Hornkranz er zwar 12. April 1893 er 
oberte, den er aber nicht ganz unſchädlich machen 
fonnte. Zum Major ernannt, lehrte erim Aug. 18% 
nah Deutihland zurüd und wurde zur Dienit: 
leiftung beim Reihsmarineamt fommanbdiert. 18% 
Weg er feinen Abſchied. Litterarijh thätig war 
er bei Wiſſmanns Wert aIm Innern Afritas, Die 
Erforfhung des Hajjai» (3. Aufl., Lpz. 1891); ſelb⸗ 
jtändig veröffentlichte er außer mebrern Aufjäpen 
in Dandelmans «Mitteilungen» und im «Deuti 
Kolonialblatt»: «Die Erforihung des Tſchuapa und 
Lulongo» (Lpz. 1888), «Deutih-Südmeftafrila. Ge 
ſchichte der Koloniſation bis zum Ausbruch des Krie⸗ 
ges mit Witboi» (Berl. 1899), «Kriegfübrung in Süp- 
weitafrita» (ebd. 1900), «Lehren aus dem jüdafrik, 
Kriege für das deutſche —* (ebd. 1900), «Staat oder 
Gejellihaft in unfern Kolonien ?» (ebd. 1901). Her: 
vorragend ſind F. Leiftungen auflartogr.Gebietüüber 
Togo (in Dandelmans « Mitteilungen», 1888) und 
Deutih-Süpdmeitafrita (ebd.1891— 92 u. 1893 — A). 

Frangois (jpr. frangköd), Luife von, deutſche 
Novelliftin, geb. 27. Juni 1817 zu Herzbera an der 
Schwarzen Eliter, geit. 25. Sept. 1893 in Weißen⸗ 
feld, errang bedeutenden Erfolg mit dem Roman 
«Die legte Nedenburgerin» (2 Bde., Berl. 1871 u.ö,; 
6. Aufl. 1894) und behauptete diefen Rubm dur 
« Frau Erbmutbens Zwillingsjöhne» (2 Bde. ehr. 
1873; 2. Aufl. 1891),«Stufenjabre eines Glüdlien» 
(2 Tle., Lpz. 1877 u. d.) und «Der Kagenjunter» 
(Berl. 1879). Ihre kleinern Erzäblungen fammelte fie 
als «Ausgewählte Novellen» (2 Bpe., Berl. 1868), 
«Erzählungen» (2Bde., Braunſchw. 1871),«Hellitädt 
und andere Erzählungen» (3 Bve., Berl. 1874), 
«Natur und Gnade, nebjt andern Erzäblungen» 
(3 Bde. ebd. 1876), « Phosphorus Hollunder» und 
«Zu Füßen des Monarden» (Stuttg. 1881; mit 
Biograpbie von J. Kürjchner), «Das Jubiläum und 
andere Erzählungen» (ebd. 1886). 1882 erſchien das 
originelle Luſtſpiel «Der Poſten der Frau⸗ (Stutt- 

art), das im Siebenjährigen Kriege jpielt. Alle dieſe 
chriften zeigen ein jartes Gemüt, feine Kenntnis 
des menſchlichen Herzend und Erzäblertalent. — 
Bal.H. Bender, Luife von F. (Bortrag, Hamb. 189). 


François (Nicolas Louis, 


Frangoisd (fpr. frangkdd), Nicolas Louis, Graf, 
—— F. de Veufchäteau genannt, franz. 
taat3mann und Dichter, geb. 17. April 1750 zu 
Saffais (Meurtbe). Schon 1766 wurde von ihm 
eine Sammlung Gedichte («Pidces fugitives», Neufs 
chaͤteau) gedrudt, die ſelbſt Voltaire anertennend 
beurteilte. 1782 wurde er Generalprofurator auf 
Santo Domingo. Während der Revolution war er 
Mitglied der erſten Nationalverfjammlung. Die ge: 
mäßigten Gefinnungen, bie er in jeinem 1793 zus 
erft aufgeführten Drama «Pamela» (Par. 1795) 
ausſprach, brachten ihn ins Gefängnis, aus dem 
ibn der Sturz Robespierred am 9. Thermidor 
27. Juli 1794) rettete. 1797 wurde er Minifter des 
nnern, und nad dem 18. Fructidor (4. Sept. 1797) 
trat er an Carnots Stelle ind Direktorium, aus dem 
er aber feiner ftreng verfaflungsmäßigen Grund: 
fäße wegen fehr bald wieder ausfcheiden mußte. 
Schon 17. Juni 1798 wurde er zum zweitenmal 
Minijter des Innern, verlor indes Si Poſten 
noch vor dem 18. Brumaire (9. Nov. 1799). Napo: 
leon erteilte ihm die Senatorie zu Dijon und, nad» 
dem er ihn 1804 in den Grafenitand erhoben hatte, 
1806 die zu Brüflel. 1814 zog er fih vom polit. 
Leben zurüd. Seit 1797 war er Mitglied des 
Inſtituts. Er ftarb 10. Jan. 1828. Bon ihm ging 
die erite Idee der öffentlichen Ausftellung der Er: 
— des Gewerbfleißes aus. Er hat eine 
enge poet., bijtor., polit. und nationalöfono» 
miſcher Schriften binterlafjen, von denen hervor: 
zubeben find: «Nouveaux contes moraux en vers» 
unter dem Namen Bade (Berl. 1781), «Fables et 
contes en vers» (Par. 1814) u. |. m. — Vgl. Bonne⸗ 
lier, M&moires sur F. de Neufchäteau (Par. 1829). 
Francoisvaſe, eine nad ihrem frübern Befiger, 
den Kupferſtecher use Francois (f.d.),genannte, 
jest im Archäologiſchen Muſeum zu Florenz befind- 
lie große —** die 1844 in Chiuſi gefunden 
wurde. Sie hat die Form einer zweihenleligen Am: 
phore und J mit figurenreichen, ftreifenförmig ans 
eorbneten Daritellungen geihmüdt. Auf der einen 
seite find bie —— u Ehren des Patroklos, 
die agb auf den fa nike Eber, die Hochzeit 
des Peleus und der Thetis, die Tötung des Troi- 
(08 gemalt, 'auf der andern Seite der Kampf ber 
Lapitben und Rentauren, Theſeus nad Erlegung 
bes Minotauros die attijhen Jünglinge und Mäd— 
chen zum Reigen führend, bie Patührung des He: 
phäſtos in den Olymp. Unter den Henteln ijt Aias 
mit der Leiche des Achilleus, auf dem Fußſtreifen ein 
Kampf der Pygmäen und Kraniche dargeitellt. Wie 
dur dieſen reihen mythiſchen Inhalt, jo zeichnet 
fih das Gefäß dur die Sorgfalt der Zeichnung 
aus. Die Figuren find mit ſchwarzer Firnisfarbe 
auf den roten Thongrund aufgejest, daneben ijt für 
die Körper der Frauen weiße und für einzelne Teile 
der Öewänber u.a. violette —— verwendet. Zahl⸗ 
reihe Inſchriften geben die Namen der dargeſtellten 
pieuen; aud die eigenen Namen haben die Künſt⸗ 
er beigefchrieben: Ergotimos beißt der Töpier, 
Klitias der Maler. Die Vaſe ift in Athen um die 
Mitte des 6. Jahrh. v. Ehr. angefertigt worden. 
—*— iſt ſie in den «Monumenti dell’ Instituto 
archeologico» (Bd. 4, Tafel 54—57) und in den 
aMiener Vorlegeblättern für arbäol, Übungen» 
von Benndorj(Tafel2—4, Wien 1889). 1900 wurde 
fie von unbelannter Hand vorſätzlich jertrümmert, 
aber e3 gelang, fie wieder —— 
Franoolinus, ſ. Srantolinbübner. 


Graf) — Franes⸗Tireurs 951 


Franoonla, eine erft im 11. Jahrh. n. Ebr, 
aufgelommene lat. Form für den Landihaftsnamen 
— (j. d.) ftatt des bis dahin üblichen Francia, 

auptſächlich aber für das deutihe Franken oder 
das Land um den Main herum. 

— belg. Afrikareiſender, ſ. Bd. 17. 

aucq van Berkhey, Johannes le, niebers 
land. Schriftſteller, geb. 23. jan. 1729 zu Leiden 
—**** an der dortigen Univerſität Medizin, ließ 
ch zu Amſterdam als Arzt nieder und bezo ie 
unmeit Leiden ein Landhaus, wo er viele € äfers 
gedichte jchrieb und fein berühmtes Werk begann 
«Die Flora und Fauna Hollands» (4 Bde., Amiterd. 
1769—79; franzoſiſch, 1782). 1773 wurde F. an der 
Univerfität zu Leiden Lektor in den Naturwiſſen— 
ſchaften, erhielt aber alö Franzoſenfeind 1795 feine 
Entlafjung und ftarb gänzlid verarmt 13. März 
1812. Seine Brofafchriften befunden rt Se ai 
u dgeijt und hatten für ihre Zeit großen Wert, 
o jeine «Vaderlandsche Byzonderheden» (3 Bpe., 
miterb. 1785—87) und jeine — — des 
Rindviehs in Holland» (6 Bde., mit Illuſtrationen, 
Leid. 1805— 11). 5.8 befanntefte Gedichte find: 
«De Lof der Dankbaarheid» (Leid. 1773; preißges 
trönt), «Verheerlijkt Leiden» (ebd. 1774), «Ge- 
dichten» (2 Bde., Amiterd. 1776— 79) und « Ver- 
tellingen mijner Jeugd» (Leid. 1798). 

Franos-arohers (jpr. frantfarjcheb, d. h. Frei⸗ 
ſchutzen), die erfte ftehende franz. Infanterie, welche 
König Karl VII. 1448 errichtete, nachdem ſchon 1445 
ftebende Truppen ſchwerer und leichter Reiter aufs 
geitellt worden waren. Jede franz. Gemeinde wurde 
zur Stellung eines gelleideten und gerüfteten Archer 
verpflichtet, der jederzeit bereit jein mußte, ins Feld 
zu rüden, Die F. erhielten gewiſſe Rechte, namentlich 
Steuerfreibeit, daher auch ihr Name. Gemein: 
fame Waffenübungen fanden nicht jtatt, weshalb ſich 
die Truppe in den Kämpfen gegen Burgund und die 
Ariftofratie nicht jonderlich bewährte. König Lud⸗ 
wig XI reorganifierte 1469 die F., deren Gejamt: 
zabl fi auf 16000 Mann belief. ‘je 4000 F. wurs 
den einem Capitaine général unterjtellt, unter dem 
8 Capitaines Bataillone von 500 Mann befehligten. 
Ein Teil der Mannſchaft wurde mit der Armbruft, 
ein anderer mit Spießen bewaffnet, ein dritter führte 
wie biöher den Bogen. F die Aushebung wurde 
Frankreich in vier in e geteilt, die bi in das 
18. Jahrh. die Grundlage der militär. Landesein⸗ 
teilung geblieben find. In jedem Bezirte waren 
vier Sammelpläge beftimmt, an denen zu beftimms 
ten Terminen je 1000 F. gemujtert wurden. Die 

anze Einrihtung war bei den Bauern wie beim 
del verhaßt; man verjpottete die F. allenthalben, 
und fie haben fich auch oft als freche Räuber erwieſen. 
Die Truppe der F. wurde 1479 nad der Schlacht 
bei Guinegate, wo fie den deutſchen und vläm. 
Spießen nad kurzem Widerjtande erlag, aufgelöit. 

Francd: Tireurd (jpr. frang tiröhr), wäh— 
rend des Krieges von 1870 und 1871 die franz. Frei⸗ 
torps, die außer den Linientruppen und Mobil: 
garden zur Führung des Heinen Krieges aufgeboten 
murden. Schon zur Zeit, ald Marſchall Niel die 
Reorganifation des franz. Heerwejens vorbereitete, 
bildeten jih, angeregt durch die 1867 wegen ber 
Zuremburger Frage entjtandenen Kriegsausſichten, 
in — Schüsengeiellibaften unter der Bes 
zeihnung «Societes des F.», die ſich mit guten 
Hinterladern gleihmäßig bewafineten und regel: 
mäßige Waffenübungen abbielten. Derartige be 


952 


jellfhaften beftanden —— ahl namentlich in 
den Depart. Aisne, Meurthe, Moſelle, Vosges, 
Haut⸗Rhin und Bas-Rhin; doch blieben dieſelben, 
entgegen dem Wunſche der Regierung, völlig unab: 
bängig und außer Verbindung mit der Armee. Beim 
Einmarjch der deutſchen Truppen rief ein Dekret des 
Kaifers die F. zu den Waffen, ein Regierungserlaß 
vom 29. Sept. ftellte fie dem Kriegsminiſter zur 
Verfügung, und durch Dekret vom 4. Nov. 1870 
wurden biejelben den Armeelorps oder Territorial: 
divifionen zugemwiejen. Sie lämpften vorzugsweiſe 
aus dem Hinterhalt egen Transporte und bie der 
Armee folgenden Rad übe aller Art, gegen jhiwä- 

ere Abteilungen der Befagungstruppen, gegen 

abnzüge u. f. w., fowie gegen die Batrouillen der 
Reiterei, diefer dadurch die Aufklärung exſchwerend, 
waren anfangs faft ohne jeden fejtern Zufammen: 
balt, dabei größtenteils ohne Uniform, verjchieben: 
arti bauaflaeı und ohne militär. Disciplin. Sie 
beſaßen keine Traing und lebten ausſchließlich von 
Nequifition und Plünderung, weshalb fie bald ber 
Schreden bed eigenen Landes wurden. Namentlich 
von Mitte Sept. 1870 ab vermehrte fi ihre Zahl 
infolge des von Gambetta ergangenen Aufrufs jehr 
bedeutend und nötigte, troß der geringen Tüchtig- 
teit der — dieſer Korps, die deutſche Armee zu 
ftarten Entſendungen, modurd die eigentliche Feld: 
armee beträchtlih geſchwächt wurde. Es glüdten 
ihnen mehrfach Überfälle und Babnzerftörungen, 
fo der bei ie a ir 22. an. 1871, wo: 
bei die Eiſenbahnbrücke über die Moſel geiprengt 
und die Bahn, eine hochwichtige Verbindungslinie 
mit Deutichland, auf mehrere Wochen unterbrochen 
wurde, Wenn die 5. die endgültige Entſcheidung, 
da diefe von dem Falle von Baris rt aud 
nicht aufzuhalten vermodhten, jo haben fie doch die 
Dperationen wejentlich beeinflußt. 

Ihrem Auftreten nach teilten fich die F. in vorüber: 
gehend thätige und in ftändige. Letztere erhielten mit 
der Zeit militär. Wert und fhlugen fi ſchließlich 
einigemal mit bervorragender Tapferleit. (S. Frei: 
torps, Freiſcharen.) 

rameueci (jpr. kuttſchi), Innocenzo, ital, 
Maler, ſ. Imola. 
Fraueker, Stadt in ber niederländ. Provinz 
— —— an dem Kanal zwiſchen Harlingen und 

eeuwarden und an der Linie Harlingen⸗Leeuwarden 
der Niederländ. Staatsbahnen, hat (1899) 7114 E., 
eine Martinskirche mit ſchönen Grabfteinen, ein jetzi 
reftauriertesRathaus von 1591 mit Borträten, botan. 
Garten; Seiden: und Wollinduftrie. 3. mar ebemals 
Sig einer Univerfität, die 1585 von den frief. Stäns 
den geitiftet, 1811 aber von Napoleon I. aufgehoben 
wurde und 1816—43 als Atbenäum beftand, An 
diefer Hochſchule lehrten Vitringa, Heineccius, T. 
Hemfterhuis und Vallenaer. Eine bejondere Merl: 
mwürdigfeit befikt die Stadt in einem Planeta: 
rium, welches Eije Cifinga, ein Bürger von F., 
1774—81 anfertigte. 

Frange (fr;., Ipr. frangfch), Fadenſaum, Franfe 
(1. d.); —— mit Franſen beſetzen. 

Frangipani (ſpr.frandſchi-⸗)jro miſches Adels— 
geſchlecht, welches ſich zwar bis auf die Anicier der 
röm. Kaiſerzeit zurücfführt, urkundlich aber erſt 1014 
mit Leo F. auftritt und vom 11. bis 13. Jahrh. in der 
Geſchichte Italiens, namentlih Roms, als Fübrer 
des abibellinifchen Adels wiederbolt eine bedeutende 
Rolle fpielt. Den %. namentlich verdankte der 
dem Kaifer Lotbar günftig gefinnte Papſt Hono— 


Francucci — Frangulinen 


rius II. feine Erhebung; ebenſo ſtellten fie ſich bei 
der Doppelwahl von 1131 auf Seite Innocenj' IL, 
des vom Kaiſer anerlannten Bapites, gegen ben 
Normannenpapft Analletus Il. Dagegen traten 
fie Friedrichs I. gewaltſamem Eingreifen in Rom 
(1167) feindfelig entgegen und bildeten eine Haupt: 
ftüge Aleranders III. Nochmals übernabmen die }. 
bie Führung ber kaijerl. Partei in Rom unter rie®- 
rich II., wurden aber nach defien Tod von den Bäpiten 
eg die Übertragung Tarents und die Ausfiht 
auf ficil, Zehn gewonnen, So lieferte denn aut 

obannes F., Herr von Aitura, der den Ver 
prebungen und Drobungen des Apmirals Karls 
von Anjou mehr Gewicht beilegte ald den Befeblen 
des röm. Legaten, Konradin 1268 an jenen aus. 
Er fiedelte, hierfür reich belohnt, nah Neapel über 
und wurde dort das Haupt eines neuen Zweige 
der 3. An die leitende Stelle in Rom traten ftatt 
der F. die Colonna und Orſini. 

Von einer Nebenlinie der neapolitaniihen F. 
Bahr die Tradmondo; ein Zweig der römijhen 

. blüht nod in Friaul; die Hauptlinie jtarb aus 
mit Mario F., der Antonio Barberini (j. Ba 
rom. Furſtengeſchlecht) zum Erben einjeßte. 

Die kroatiſche Familie dieſes Namens hat angeb- 
lich denſelben Urſprum a Ar Me a a 
Abtunft. Sie wurde Fr ihre Dienjte von Bela IL 
von Ungam (1173—96) mit dem Komitat Modrus 
belehnt und leiftete Bela IV. gegen die Mongoler 
1242 erfolgreiche Hilfe. Beſonders bervorzubeben 
find: Johann F., der um 1390 von Kaiſer Sigis 
mund zum Ban von Kroatien, Dalmatien und Sla⸗ 
mwonien erhoben ward; Franz F., Graf von Sjluin, 
ber um 1566 durch feine Thaten gegen die Türten ſich 
dauernden Ruhm erwarb (geft. 1572); Ebriftorb 

., der nah der Schlaht von Mohäcs (1526) Jo 
ann Hapolna in feinem Streben nad der ungar. 

one ealniale und 1527 bei ber Belagerung vor 
Varasdin erihoffen ward. Franz Ebriftopb 5. 
Graf von Terjat, trat 1667 mit Zrinyi, Ralocio, 
Tötöly, Nädasdy und Weſſelenyi an die Spist 
einer Bewegung, die nd gegen Ye Leopold L 
richtete und die Heritellung und altung der 
nationalen Freiheit und Verfaſſung bezwedte. Der 
Kaiſer follte gefangen genommen und gezwungen 
werden, die den Ungarn mißliebigen Minijter zu 
entlafjen, die deutſchen Sölbnertruppen aus dem 
Lande zu rg und freie Religionsübung zu 
währen. Die Verſchwoͤrung wurde aber burd Er: 
dody enthüllt, und F. wegen Hochverrats 30. April 
1671 mit Zrinyi und Nädasdy enthauptet. Seine 
Güter wurden infolgevefien eingezogen und ſeine 
Familie aus dem Adelftand ausgeſtoßen. 

angot, Frangotte (fpr. -gob, -gott), Gr 

wicht, ſ. Fargot. 

Frangulin, ein in der Faulbaumrinde (ſ. Rham- 
nus) vorlommendes Eroftallinifches, gelbrotes Glo⸗ 
tofid, Oao Hao Ojo, das durch Kochen mit verbünnter 
Galzjäure in Zuder und Frangulinſäure zer 
ällt. Letztere ift ein Diorhanthrachinon und dem 

lijarin ifomer. 

angulinen, Orbnung aus der Gruppe der 

Ditotyledonen, Abteilung der Ehoripetalen, chatal 
terifiert durch regelmäßige —— Blüten mit 
vier: oder fünfpäbligen Blumenblattkreijen unt 
einem aus zwei bis rünf tblättern verwadie 
nen Sructlnoten, der ſich häufig zu einer beeren- 
artigen Frucht entwidelt. Die Ordnung umfaht die 
Familien der Gelaftraceen (f. d.), Pittofporaceen 


Frank (Münze) 


.d.), Aauifoliaceen (f. d.), Vitaceen (f. d.) oder 

mpelideen, Rhamnaceen (f.d.). Nachſtehende Ab: 
bildung get in fig. 1: Vitisvinifera L. (j. Wein), 

ig. 2: lex (f. d.) a er ka St. Hil., Fig. 8: 

hamnus (f. d.) frangula L. 

Fraunk, Franc oder Franken (abgekürzt 
gr oder Fre., Mebrzabl Frs. oder Frcs.), die 

inbeit des franz. Geldweſens, melde aud in 
vielen andern Staaten angenommen worden ift. 


Der 5. war urfprünglic eine franz. Silbermünze, | f 


bie unter Heinrich III. (1575) an die Stelle des 





Daralnitten. 5 Game durhfenitt 
1} ’ ame bur nitten, 
(Matethee); a Blüte, db bes 


Zeiton (f. d.) trat und 20 Sous galt. Der heutige 
5. murbe durch Geſeß von 1795 in Frankreich eins 
getan und bie vorherige, um */,, geringere Livre 
ournois abgeihafit (81 L. Tourn. = 80 F.). Der 
3. trat 1. Yuli 1796 in Frankreich und feinen 
olonien in geieblihe Geltung. Er wird in 100 
Gentimen (Centimes) geteilt und war zuerft ein 
MOBEnImE Den 4", g fein Silber; die Währung war 
eſetzlich bis 1803 nur Silberwährung; infolge des 
eſetzes vom 28. März 1803 ift fie Doppelwährung 
mit dem feften Wertverhältniſſe 13159.. Der Gold: 
frant enthält O,2003296 g fein Gold (zum Breife von 
2790 M. für 1kg Feingold) = 0,81 deutihen Mark. 


vergrößert. 3. Rhamnus fr 
e Staubgefäß, a-e vergrößert, 


953 


Man prägt in Gold Stüde zu 100, 50, 20 und 
10 $ bis Ende 1854 münzte man auch Stüde zu 
40 5. Die in — Jahre begonnene Prägung 
goldener 5-Frankſtucke hörte im J. 1869 auf. Das 
goldene 20: Frantitüd (der Napoleondor) bat 
eine Feinheit von 900 en und ein Ge 
wicht von 6,1518 g, enthält alfo 5,80 845 g Feingold. 
Das filberne 5: Sranfftüd ift 25 g ſchwer und 900 
Zaufenbteile fein; es enthält 22%, g Feinfilber 
o daß e8 = 4,5 M. und ber Silbercourantfrant 
(wie der Goldfrant) = 0,51 M. ift. Nah dem näm⸗ 


1. Vitis vinifera eig ol abe Blüte in verfchiedenen Entwidlungsftufen, d Frucht, ⸗ —— 
order», A Hinterſeite bed Samens, vergt 2. Dex paraguaye 
( — o Blüte, d desgl. A 


lichen Fuße wurden bis Ende 1865 auch Stücke zu 
2 und zu 1 %., bis in den Mai 1864 Stüde zu *, 
und zu . F., bis 1848 Stüde zu . FJ. audge: 
münzt, melde zurüdgezogen worden find. Seit 
1. Aug. 1866 prägt man zwar noch Stüde zu 2, 1, 
4, und 's F. aber als — (Stüde zu . 
und zu *%, 5. ſchon feit Juni 1864 als Scheide⸗ 
münze), nämlih im frübern Gewidt (der 5.5 8 
wer), aber nicht mehr 900, ſondern nur 835 Tau: 
enbteile fein. In allen franz. Kolonien, nur Hinter: 
Indien ausgenommen, wo nad Piaſtern (ſ. Apler: 
dollar und Handelöpiafter) gerechnet wird, iſt das 
Geldweſen des Mutterlandes ebenfallä geſeßlich 


954 
eingeführt. rüber gab es für Amerifa und 
Aria befondere Kolonialmäbrungen. Man red: 


nete dafelbit (am längften in Guayana) nad) Livres 
coloniales ( —— in Amerifa auch 
Francs des Indes ([weit]indiihe F.) genannt, von 
20 Sous zu 12 Denierd. Auf Martinique waren 
180, auf Guadeloupe und in Guayana 185, auf 
Reunion aber 200 L. col. = 100 franz. Franten. 

Das franz. Munzſyſtem ift 1816 auf dem Felt: 
lande des damaligen Königreichs Sarbinien mit 
Ausnahme des Herzogtums Genua, 1832 geſeßzlich 
(tbatfächlich ſchon 1830) in Belgien, im Großherzog: 
tum Zuremburg 1849 auch bei den Behörden, 1850 
in der Schweiz eingeführt worden; jeit 1865 gilt es 
im ganzen Königreih Italien. (S. Lira.) Der ehe 
maligeShweizerfranten, melden mehrere Kan: 
tone prägten, war eine bejjere Silbermünze = 
1°% F. franz. Silbercourant. In Sommer 1868 
bat aud Rumänien den franz. Münzfuß eingeführt, 
ver 3. beißt bier Leu (ſ. d., — Lei), zum 
Unterſchiede von dem bisherigen Piaſter oder Löu 
auch Nou ldu (neuer Löwe). In Bulgarien, wo 
fhon ein Erlaf vom 11. (23.) Juli 1879 die Tari: 
fierung fremder Münzen in %. angeordnet hatte, 
verfügte ein Dekret vom 27. Mai (8. Juni) 1880 die 
Prägung von Silber:, Nidel: und Bronzemünzen 
nad dem neuen Münzfuße (bier heißt der 5. Lev 
ober Lew [Mebrzahl Leva, Lewa oder Lewat], d. i. 
ebenjallö Löwe). 1871 ift diefer Münzfuß in 
Spanien, wo der %. Pefeta (f. d.) beißt, in Kraft 
getreten (j. auch Alfonfino), Serbien hat 1873 
den franz. Münzfuß (der F. beißt Dinar, ſ. d.) ange: 
nommen. Sn Griechenland follte der franz. Münz: 
fuß (die neue Drachme, ſ. d., zu 100 Lepta = 1 5.) 
geſehlich feit 1869 gelten, feine Einführung erfolgte 
aber erit 1. (13.). Jan. 1883; Heine Prägungen 
nad dem Srantenfuhe fanden fchon feit 1868 ftatt. 
In Finland ift die Mark (f. d.) dem franz. Gold: 
franfen gleich, in Rußland der Halbimperial (f. Im: 
perial) dem 20: Frantitüd, In Öfterreih: Ungarn 
prägte man feit 1870 Golpftüde zu 8 und 4 Gulden, 
welche genau den 20: und 10: Frankſtücken ent: 
ſprachen; die Prägung diefer Stüde ift aber durch 
Gejes vom 2. Aug. 1892 eingeftellt. (S. auch Latei: 
niſche Münzlonvention und die Münztabelle beim 
Artikel — 

Den kr ünzfuß baben ferner die meijten 
fpan.:amerif. Nepublifen angenommen. Der alt: 
ipan. Münzfuß beftebt nur noch in Merifo; Eojta: 
Nica, Paraguay und Uruguay haben Toto von 
der altipaniichen als aud der ei ganz 
verſchiedene Währungen. Irı Venezuela bildet der 

. unter dem Namen Bolivar (f.d.) die Gelveinheit 
früber von 1872 bis 1879 war dieſelbe der Vene: 
olano von 5 F.). In allen andern jpan.samerit. 
Freiſtaaten und auch in Haiti iſt die Geldeinbeit = 
5 5. und beißt im allgemeinen * oder Piaſter 
zu 100 Centavos. (S. Peſo, Peſeta und Piaſter.) 

Frank, Albert Bernb., Botaniler, geb. 17. Jan, 
1839 zu Dresden, ftudierte in Leipzig Naturmwiljen: 
ſchaften und erbielt 1865 die Stelle ala Kujtos am 
Univerfitätsberbarium dajelbit; 1866 habilitierte er 
ſich ald Docent der Botanik, wurde 1878 außerord. 
Profeſſor und folgte 1881 einem Rufe als Profeſſor 
der Vflanzenpbufiologie und Direktor des Pflanzen: 


phyfiologiſchen Inftituts an die Landwirtichaftlice | 


Hochſchule zu Berlin; 1899 wurde er auch Vorſtand 


Frank (Albert Bernd.) — Franf (Jakob) 


Er fchrieb: «fiber die Entftehung der Intercellular: 
räume» (2pz. 1867), «Beiträge zur Pflanzenpbufio: 
logie» (ebd. 1868), «Die natürlibe wagerechte Ric: 
tung von Pflanzenteilen und ihre Abbängigteit 
vom Lichte und der Gravitation» 8 1870), «Die 
Krankheiten der Pflanzen» (2. Aufl., 3 Bde., Brest 
1894— 96), «Lehrbuch der Pflanzenpbyfiologie mit 
bejonderer Berüdfichtigung der Kulturpflanzen» 
2. Aufl., Berl. 1896), «Lehrbud) der Botanik» (2 Be, 
p3. 1892—93), Kampfbuch gegen die Schäblinge 
un a (Berl.1897), mit Krüger «Schild⸗ 
lausbud» (ebd. 1900) und gab feit 1894 mit Lürfien 
bie «Bibliotheca botanica» (Stuttgart) beraus, 
Wichtig find feine Unterfuhungen über die Som: 
bioje gewiller Pflanzen mit Wurzelpilzen und die 
— beruhenden Stidftofffammler. 

Franf, u Reinhold von, luth. 
Theolog, geb. 25. März 1827 zu Altenburg, ftudierte 
in Leipzig, wurde 1851 Subreltor zu Raseburg, 
1853 Brofefjor am Gymnafium zu —— 1857 
— und 1858 ord. Profeſſor der Theologie in 

angen,two er, 1892 in den perjönlichen Adelsſtand 
erhoben, 7. Febr. 1894 ftarb. Außer zahlreichen Ab: 
bandlungen, namentlich in der «Zeitjchrift für Pro: 
teſtantismus und Kirhe» und der von ibm mit: 
begründeten «Neuen Kirchlichen Zeitjchrift» (Leipzig, 
feit 1890), fchrieb F. «Die Theologie der Eoncor: 
dienformel» (4 Bde., Erlangen 18585—64), «Spitem 
der chriſtl. Gewißbeit» (2 Bde., ebd. 1870— 73; 
2. Aufl. 1881—84), «Aus dem Leben criftl. Frauen» 
(Güteröl. 1873), «Syitem der * Wahrheit⸗ 
(2 Bde., Erlangen 1878—80; 3. Aufl., Lpz. 1894), 
«Spitem der hriftl. Sittlichleit» (2 Bde., Erlangen 
1884—87), «liber die firhliche Bedeutung der Theo: 
logie A. Rıtihls» (ebd. 1888; 3. Aufl. u. d. T. «Zur 
Theologie U. Ritichl3», Lpz. 1891), « Dogmatiſche 
Studien» (ebd. 1892), «Bademecum für angebende 
Theologen» (ebd. 1892). Aus feinem Nachlaß ver: 
öffentlihte Schaarjhmidt: «Gejhidhte und Kritil 
der neuern Theologie» (3. Aufl., Lpz. 1898). — Val 
die Erinnerungsſchriften von Rupprecht (Rotbenburg 
o. T. 1894), Seeberg (Cpz. 1894), Chr. Schmid (Er 
langen 1895) und Weber, F. s Gotieslehre (Lp3.1901). 

Frant, Guftav Wilhelm, prot. Tbeolog, geb. 
25. Sept. 1832 in Schleiz, ftudierte in Jena, wurde 
dafelbit 1859 Privatdocent und 1864 außerord. 
Profeſſor, 1867 ord. Profeflor in Wien und Mit 
glied des Evangelifhen Oberkirchenrats. Er trat 
1903 in den Rubeltand und ftarb 24. Sept. 1904 
in Hinterbrübl im Wiener Wald. F. veröffentlichte: 
«Die Jenaiſche Theologiein ihrer geſchichtlichen Ent: 
widlung» (Lpz. 1858), «Johann Major, der Witten: 
berger Boet» (Halle 1863), «Karl Friedr. Bahrdt⸗ (in 
Naumers «Hiftor. Zajhenbud», Lpz. 1866), «Die 
evang.:tbeol. Fakultät in Wien von ihrer Gründung 
bis zur Gegenwart» (Mien 1871), «Geichichte ver 
prot. Theologie» (3 Bde., Lpz. 1862— 75), «Das 
Zolerangpatent Kaiſer Sojenhs U.» (Wien 1882), 
«Myſticismus und Pietismus im 19. Zabrb.» (im 
«hiftor. Zafpenbuche, 1887). Auch gab er Apelts 
eig ag are (Xpa. 1860) und den 8. Band 
von K. von Hajes Werten (ebd. 1892) heraus. 

Franf, Jatob, eigentlih Jantiemw Lejbomic;, 
jüd. Seltierer und Abenteurer, geb. 1712 al3 Sobn 
eines Rabbiners in Südgalizien, trat in Saloniti der 
Selte des Sabbatai Zevi (j. d.) bei. Später madıte 
er ih in Bodolien zum Haupte der Sabbatianer, 


der pflanzenbiologishen Abteilung im kaiſerl. Ge , indem er fi für den Meſſias und Gottmenſchen 
fundbeitsamt und jtarb 27. Sept. 1900 zu Berlin. | ausgab. Unfittlihe Orgien veranlaßten 1756 ibre 


Frauk (Joh.) — Fränfel 


Verhaftung und den Bann der Synagoge. Doch 
gewann F. den Schuß des Biſchofs Dombrowſti 
in Podolien, ließ ſich mit 1000 Anhängern taufen 
und in Warſchau firmeln. Als er aber zwölf Apoſtel 
wählte, fi als wiedergeborenen Chriſtus göttlich 
verebren ließ u. dgl., wurde er 1760 —73 auf der 
— — efangen — Dann trat 
er als Spion in die Dienite Katharinas von Ruß: 
land, ließ fih in Brünn nieder, organijierte jeinen 
Anhang militärifch und wirkte als Adonai auf das 
benadhbarte Polen. Des Landes verwieſen, 509 F. 
1786 nad Offenbach, wo er das Schloß des ver: 
ſchuldeten Fürften Wolfgang Ernſt von Jienburg: 
Büdingen kaufte. Hier lebte er mit zablreihem 
—— in groͤßter Pracht von dem Gelde, das 
ſeine Anhänger in Polen ihm ſpendeten. Er ſtarb 
10. Dez. 1791. Die Frankiſten haben ſich in Po— 
len, Rumänien und der Türkei erhalten. — Val. 
H. Graetz, F. und die Franliſten (Bresl, 1868). 
rauk, Joh. Dichter, ſ. Franck. 

Franuk, Peter, Arzt, einer der Begründer der 
öffentlichen Gefundheitspflege, geb. 19. März 1745 
zu Rodalben in der ee 3, ſtudierte in Meg und 
in Pont⸗a⸗Mouſſon Philoſophie, in Heidelberg und 
Straßburg Medizin und praktizierte varaufin Bitich, 
Baden-Baden, Raftatt und Bruchſal. 1784 folgte 
er einem Rufe ald Profeſſor der Philofophie und 
mediz. Polizei nah Göttingen; doch übernahm er 
ihon 1785 die Profeſſur der Klinik zu Bavia, wo er 
nicht nur die mediz. Lehranftalten, jondern auch das 
ganze Medizinalweſen der Lombardei reformierte. 
1795 wurde er Direltor des Allgemeinen Kranlen: 
ne in Wien, 1804 Brofefjor an der Univerfität 
zu Wilna und 1805 Leibarzt des Kaiſers Alerander 
in Beteröburg. Seit 1808 lebte er wieder in Wien, wo 
er 24. April 1821 jtarb. F. gehört zu den bedeutend: 
en Ürzten aller Zeiten; mit einer ausgezeichneten 
Beobadtungsgabe verband er kritiſchen Scharfblid, 
mit_der Liebe zu den Menſchen die Liebe zu ben 
Wiflenfchaften. Unter jeinen zahlreihen Schriften 
find hervorzuheben das klaſſiſche «Syftem einer voll: 
tändigen mebiz. Bolizei» (6 Bde., Mannh., Tüb. und 

ien 1779—1819; Supplement, 3 Bde., Tüb. und 
Lpz. 1812—27), das unvollendete Wert «De curan- 
dis hominum morbis epitome» (6 Bde. Mannh. und 
Wien1792—1821;deutihvonSobernheim, 10Bde., 
Berl. 1830— 34; 3. Aufl. 1840—41) und feine 
Selbitbiographie (Wien 1802). Seine«De medicina 
clinica opera omnia minora» gab Sachs (2 Bde., 
Königsb. 1844—45), die «Opuscula posthuma » 

Wien 1824) fein Sohn Joſeph F. beraus. 

esterer, geb. 23. Dez. 1771 zu Raftatt, ebenfalls 
Mediziner, wirkte neben feinem Vater erjt zu Pavia 
und Wien, feit 1804 ald Profeſſor der Bathologie 
zu Wilna, 1824 zwang ihn ein Augenübel zur Auf: 
gabe der Profeſſur, er — 1826 nach Como, wo 
er 18. Dez. 1842 ſtarb. Er gehörte —— bedeutend⸗ 
ſten Anhängern der Brownſchen Erregungstheorie 
und legte ſeine Anſichten darüber in mehrern Schrif: 
ten, bejonders in dem «Grundriß der Pathologie 
nad den Geſetzen der Erregungstbeorie» (Wien1803), 
nieder. — Vgl. Seiler, Peter : (Dresd. 1895). 

— Reinhard, Kriminaliſt, ſ. Bd. 17. 
rauk (Franch von Wörd, Sebaſtian, einer 
der geiſtvollſten und kräftigſten Volksſchriftſteller 
des 16. Jahrh. und myſtiſcher Freigeiſt, geb. 1499 
in Donauwörth, wurde im Dominilanertolleg Betb: 
lebem zu Heidelberg ausgebildet, zum —* ge⸗ 
weiht, ſchloß ſich pant der Reformation an und 


955 


wurde bald nad) 1525 evang. Prädikant im nürn- 
bergiichen Flecken nn Hier ſchrieb $ den 
oft gebrudten Traltat «Bon dem greulichen Yafter 
der Zrunfenheit» (1528), der es bereit3 beflagt, daß 
die chriſtl. Gemeinde über dem Dogma die fıttliche 
Zudt ihrer Mitglieder verſäume. Mit dem Luther: 
tum zerfallen und den Wiedertäufern nicht ganz ab» 
geneigt, fiedelte er nad Nürnberg, dann 1529 nad 
dem freier gefinnten Straßburg über. Hier erſchien 
1531 feine _«Chronifa. Zeitbuch und Gejdichts: 
bibel» (in fpätern Auflagen ftet3 bis auf dag Er 
Kneinnmaaiahr ortgeführt), die erfte originaldeuts 
e Welt: und Kirhengefhichte, in der Benugung 
der Quellen freilich unkritiſch, aber wertvoll wegen 
der echt vollötümlichen Sprache, wegen geiftooller 
Anfäge zur Gefhichtöphilofophie und wegen der 
lirchlichen Neformtendenz, die auf ein jeltenlofes 
freies Chriftentum ausgeht. Um dieſes Buches 
willen aud aus Straßburg vertrieben, zog 5. 1532 
nad Ehlingen und ernährte fi als Seilenfieder; 
1533 ging er nad Ulm, wo er in eine Druderei 
eintrat und 1535 jelbjt Inhaber eines Verlags 
wurde, Jetzt erichien fein «Weltbucdh» (oder «Eos: 
—— Tub. 1534), die erſte deutſche allge: 
meine Weltbeſchreibung; dann die «Paradoxa, d. i. 
280 Wunderred» (Ulm 1534), Aphorismen feiner 
«Göttlichen Philojophie»; «Germanise chronicon » 
(Augsb. 1538), der erfte Verfuch einer deutjchen 
Kulturgeihicte; die «Guldin Ar» (ebd. 1538), 
die das Ehriftentum aus den beidn. Denlern be: 
währt; «Das Verbüthiciert Buch» (1539), eine 
Bibelkonkordanz, die auf die Widerſprüche hinweiſt. 
Endlich 1539 gelang es dem luth. Prediger recht, 
durch verlogene Intriguen 5.8 Verbannung aus 
Ulm durchzuſetzen. Er jtarb 1543 als Compagnon 
des befannten Verlegers Brylinger in Bajel. Seine 
legte Arbeit waren wohl die «Sprichwörter» (Frantf. 
1541; neu bearbeitet von Buttenjtein, ebd. 1831), 
die inhaltlich Verwandtes zufammenitellen und Job. 
Agricolas Sammlung an Reichhaltigkeit weit über: 
treffen; ob ſchon eine anonyme Sammlung von 1532 
(örantfurt) 3.3 Wert war, ift zweifelhaft (bg. von 
atendorf, «5.8 erſte Sprihwörterjanmlung», Bös: 
ned Hl — Bol. Biihof, Seb. F. und die deutſche 
Geſchichtſchreibung (Tüb. 1857); Hafe, Seb. F. von 
Mörd, der Schwarmgeift (Lpz. 1869); Haggen: 
mader, ©. %. (Zür. 1886); Segler, Geijt unt 
Schrift bei ©. %. Freib. i. Br. 1892); Löwenberg, 
Das Weltbud &. ‚3 (Hamb. 1893); Tauſch, ©. F. 
und feine Lehre (Halle 1893). e 
Frank, Sigismund, Glasmaler, geb. 1769 in 
Nürnberg, bemühte fi, die Technil der mittelalter: 
lihen Glasmalerei wieder zu entdeden, bie jeit der 
Renaiffance allmäblich in Bergejienbeit geraten war, 
Er begann als Borzellanmaler, und gelangte zuerit 
1804 zu befriedigenden Nejultaten. Als König Lud⸗ 
wig I.. die fönigl. Glasmalereianjtalt in Münden 
gegründet hatte, wurde F. 1827 für einige Zeit mit 
der Leitung des Inſtituts betraut; er jtarb 18. Jan. 
1847 in Münden. — Sein Sohn Julius F., geb. 
1826, bat zablreiche Altarbilder gemalt. 
anfatur, |. Franlieren. 
ränfel, Bernhard, Arzt, geb. 17. Nov, 1836 
Kr Elberfeld, habilitierte ſich 1872 an der Berliner 
niverjität und wurde 1884 zum Profeſſor, 1887 
zum Direltor der neu errichteten Univerſitätspoli— 
Hinit für Hals: und Naſenkranke, 1897 zum ord. 
Honorarprofejjor ernannt. F. gebört zu den hervor: 
ragenditen Vertretern der Parungologie. Er ſchrieb 


956 Fraenkel 


unter anderm: «Allgemeine Diagnoſtik und Thera⸗ 
der Krankheiten der Nafe» (in Ziemſſens «Hand: 
uch der jpeciellen Batbologie und Therapie», Bo.4, 
2. Aufl., Lpz. 1879), «Strofulofe und Tubertuloje» 
(in Gerbardts «Handbuch der Kinderlrankheiten», 
3b. 3, Züb. 1878), «Der Kehllopftreb3» (Lpz. 1889). 
Auch redigierte er 1877 — 78 die 34 rift für 
ein, ebizin», giebt feit 1893 das «Archiv für 
Jarongologie und Rhinologie» (Berlin) beraus. 
taenfel, Karl, Hygieiniter, j. Bo. 17. 
ranfen, Gelveinbeit und Münze, |. Frank. 
ranfen, Bezeihnung für Europäer, |. rent, 
Seanfen, ein wejtgerman. Stamm (f. Welt: 
germanen), der ſich um 100 v. Ehr. aus dem Böller: 
verbande der Sueven (Smweben) losgelöft hat, um 
am untern Rhein feine Wohnſihe zu nehmen. Ta: 
citus und Plinius kennen die F. unter ihrem älte: 
ften, den Kultusverband bezeidhnenden Namen 
Istsevones Nager Zu ihnen gehörten die Ba⸗ 
taver, Ehattuarier, Ubier, Sigambern, Marfer, Ufi: 
peter, Tentterer, Chamaven, Brufterer, Ampfivarier 
und Angrivarier, fpäter aud die Ratten (Heflen). 
Ein großer Teil der F. am linlen Rheinufer ift in 
den erjten Jahrhunderten n. Chr. romanifiert wor: 
den; die im heutigen Meitfalen wohnenden Stämme 
wurden von den Sachen unterworfen. Jm5. Jahrh. 
eroberten die F. dauernd die Gebiete links vom Rhein 
und ſeitdem bat ſich die heutige deutich-frang. Sprach⸗ 
grenze gebildet. Die F. zerfielen damals in zwei 
Hauptitämme: 1) die Salier, im Mündungs: 
gebiet des Nheins und der Somme, wo 411 Ton: 
gern und Arras ———— gegen ſie waren; 
2) die Ripuarier (Ribuarier). Um 500 bilde: 
ten fie ein Neich mit der Hauptftadt Köln, das ſich 
von Eifel und MWejterwald zu beiden Seiten des 
Rheins (weitlic von der Maas begrenzt) bis an den 
Zuiderjee und die riefen ausdehnte. Die welt: 
geihichtlihe Bedeutung der F. begann mit Chlod: 
wig (j.d. und Fränliſches Reich). über ihr Recht 
j. Fränkiſches Recht. Außer den genannten galten 
im Deutihen Neid noch drei Stämme als F.: 
Lotbringer(Mojelfranten), Rheinfranken 
(Naſſau, Pfalz, unterer Main, Nedar), beide ſeit 
496 hervorgegangen aus der Miihung ber fieg: 
reichen F. mit den unterworfenen Alamannen; Oſt⸗ 
ranken, entjtanden durch Miſchung von F. und 
büringern. — Bal. Zeuß, Die Deutſchen und die 
Nahbaritämme (Münd. 1837); Watterih, Die 
Germanen des Nheins (Lpz. 1872); Dederih, Der 
Frankenbund, deſſen Urjprung und Entwidlung 
— 1874); R. Schröder, Die F. und ihr Recht 
(Weim. 1881); derj., Lehrbuch der deutſchen Rechts: 
eſchichte (3. Aufl., Lpz. 1898); Waig, Deutiche 
erfaſſungsgeſchichte, Bd. 2 (3. Aufl., Kiel 1882); 
9. Brunner, Deutſche Rechtsgeſchichte (Lpz. 1887); 
Schiber, Die fränt. und alemann. Siedlungen in 
Gallien (Straßb. 1894). — Über die fränt, Mund: 
arten ſ. Deutſche Mundarten III, nebit Karte, 
Franfen, Herzogtum des alten Deutichen Neichs, 
das fich zu beiden Seiten des Rheins von der elſäſſ. 
Grenze bis Bingen und zu beiden Seiten des Mains 
ſ. Hıftorifche Karten von Deutihland 1,3, 
eim Artikel Deutichland und Deutiches Reich) 
ausdehnte. Das Gebiet zerfiel in Francia oceci- 
dentalis (Rbeinfranten) und orientalis, aber eö war 
das mehr eine gewohnheitsmäßige, nicht eine recht: 
libe Scheidung. Das Stammesberzogtum F. wurde 
939 aufgehoben, aber in Rbeinfranten batte das Ge: 


— Tranfen 


ftarte Stellung, daß fieim 11. Jabrb. vielfad als Her: 
zöge (von Worms) bezeichnet wurden, und ebenio 

rab man in Dftfranfen von dem Herzogtum ver 

ürzburger Bifhöfe. Im 12. Jabrb. find dann Ur: 
funden gefälſcht worden, durch welche denielben an: 
er das Herzogtum verlieben fein ſollte. (Bal. 

reßlau, Die Würzburger Jmmunitäten un? das 
Herzogtum Dftfranten in den «xForſchungen zur Deut: 
(gen eſchichtey, Bd.13, Gött.1873, S.87fg.) Den 

itel Herzog führte auch der fpätere König Konrad III, 
der in F. viele Güter und Rechte bejaß, während jein 
Bruder Friedrich das väterlihe Herzogtum Shma 
ben erbielt und mit ihm beim Tode König Hein 
richs V. die rheinfränt. Befisungen des ſaliſchen 
Geſchlechts vereinigte. Die Söhne diejed Herzogs 
Friedrich waren Friedrich I. (Barbarofla), der jeit 
1152 die deutſche Königskrone trug, und Konrad, 
der vom Vater die rbeinfränt. Bejisungen erbte 
und von feinem lönigl. Bruder 1155 die alte lotbr. 
Pfalzgrafenwürde erhielt. Dies Ereignis bat den 
Grund gelegt zur Bildung der Pfalzgrafſchaft bei 
Rhein im alten rheinfränt. Gebiet, die jedoch 
nie zu einem gejchlofienen Territorium erwuchs. 
Es gab im alten Rheinfranten neben dem Gebiete 
der Nalsgrafe mebrere größere oder kleinere geift: 
liche, wie Mainz, Worms und Speyer, jowie welt: 
lihe Territorien, wie die Wild:, Rau: und Abein: 
geaff aft, die Grafihaften Veldenz, Leiningen, 

ponbeim, Nafjau, Kapenellnbogen, Wied, Ziegen: 
bain, Sienburg, Diez, Solms, Erbad, die Herrſchaf⸗ 
ten galtenftein Limburg, Runtel und Hanau und 
die Tandgrafihaft Heilen, jowie Teile der Marl: 
grafihoft Baden. AufDjftfranten aber, wo bie Bis 
tümer Würzburg und Bamberg, die Abteien Fulda 
und Hersfeld, die Burggrafibaft Nürnberg, die 
Graffhaften Henneberg, Riened, Wertbeim, Hoben 
(obe, Schlüffelberg, Lömenftein, Limburg und am 
dere Territorien ſich bildeten, rubte in ber Folge 
und bis heute allein noch der Name F. Als dann 
Kaiſer Marimilian I. das Rei 1500 und 1512 
in 10 Kreiſe teilte, wurde auch ein Fränkiſcher 
Kreis gebildet, zu dem die Hodjtifter Würzburg, 
Bamberg, Eichftätt, das Hochmeiſtertum Mergent: 
beim des Deutjichen Ordens und das Reichsſtift der 
Abtei Schönthal, ferner die weltlihen Fürftentümer 
Bayreuth und Ansbach, die gefürfteten Grafichaften 
Henneberg und Schwarzenberg, die Territorien der 
Fränkiſchen Grafenturie (eines Berbandes 
von 16 Reichsſtandſchaften, wie Hohenlohe, Caſtell, 
Erbach, Wertheim, Löwenftein, Limpurg u. f. w.), 
außerdem ————— Nürnberg, Rothenburg 
ob der Tauber, mweinfurt, rer | und 
Windsheim, die 3 Reichsdoörfer Altbaufen, God 
beim und Sennfeld, endlich die itorien ber 
ränk. Reichsritterſchaft (deren Ritterrat zu Schwein: 
urt feinen Siß batte) gehörten, während Rhein— 
franfen dem Ober: und dem Nieberrbeinifchen Streiie 
ufiel. 1633 richtete Bernbard (f. d.) von Weimar 
ih aus dem Bistum Würzburg und anftoßenden 
Gebieten ein Herzogtum 3. ein, das aber nach der 
Schlacht bei Nördlingen 1634 wieder zufammen 
brach. 1792 hatte der Fränkische Kreis 27 Landes 
berribaften, 1 Reichsſtift, 25 Neichsgrafichaften, 
8 Reichsſtädte und Reichsdörfer, zufammen 69 Terri: 
torien auf nabezu 27000 qkm mit 1Y, Mill. € 
Mit dem Aufbören des Reichs (1806) verſchwand der 
Name F. wenigitens offiziell, bis ihn König Lud— 


| wig I. von Bayern, das den Hauptteil des chema⸗ 


ichlecht der Salier im Speyer: und Wormsgau eine ſo ligen Kreisgebietes umfaßt, 1837 erneuerte und 


Frankenau — Franfenftein 


957 


ftatt des Obermain:, Rezat: und Untermainkreiſes die ihaft), bat 207,» qkm, (1895) 17710, (1900) 


Benennungen DOberfranten, Mittelfranten 
und Unterfranten (f. die Einzelartifel) berftellte. 
— Bol. Edbardt, Commentarii de rebus Franciae 
orientalis et episcopatus Wirceburgensis (2 Bbe., 
Mürzb. 1729); Henner, Die herzogl. Gewalt der Bi: 
ihöfe von Würzburg (ebd. 1874); Fr. Stein, Ge: 
ſchichte F.s (2 Bde., Schweinf. 1885—86); Gengler, 
Die Berfaflungszuftände im bayrifchen F. bis zum 
Beginn des 13. Jahrh. (Lpz. 1894). 
rankenau, Stadt im Kreis Frankenberg des 
preuß. Reg.Bez. Caſſel, 12 km im NO. von ran 
tenberg, in 438 m Höhe, in rauber, frudtbarer 
Gegend, bat (1900) 942, (1905) 980 meift evang. E., 
ojtagentur, Fernſprechverbindung, ſchöne got. 
irche; Landwirtſchaft. Nach dem Brande von 1856 
iſt $. neu aufgebaut. Im NW. auf einem Berge an 
der Eder das uralte Bergſchloß Hefjenitein. 
ranfenberg. 1) Kreis im preuß. Reg.Bez. 
Caſfel, bat 559,90 qkm, (1900) 24159, (1905) 
24816 E., 4 Städte, 61 Landgemeinden und 
13 Butäbezirte. — 2) F., Bezirk Eafiel, Kreis: 
ftadt im Kreis F., 60 km im SW. von Caſſel, recht 
an der Ever, nördlich von dem Burgivalde, an der 
Nebenlinie Marburg:Warburg der Preuß. Staats: 
bahnen, Sik des Landratsamtes und eines Amts: 
gerihts (Landgericht Marburg), hat (1900) 2946 E., 
darunter 207 Katholiken und 106 Israeliten, (1905) 
8314 E., Poſtamt zweiter Bun, Zelegrapb, got. 
Liebfrauentirhe (1286), israel, Schule, Hofpital, 
Krankenhaus; Wollweberei, Gerberei, Möbeljabrit, 
Brauerei, Rindviehzucht jowie Vieh: und Schweine: 
handel. — 3) 3. in Sadjen, Stadt in der Amts: 
hauptmannſchaft Flöba ver ſächſ. Kreishauptmann: 
haft EChemnis, ın 262 m Höhe, im anmutigen 
ihopautbale, an der Linie Chemnitz-Hainichen der 
ächi.Staatsbahnen,Sigeines Amtsgerichts (Land: 
gericht Chemnitz), hat (1900) 12 726 E., darunter 
218 Ratholiten und 11 Jraeliten, (1905) 13348 €E., 
Poſtamt eriter Klaſſe, Telegra h, ftädtifche Neal: 
ſchule mit Brogymnafium, höhere Mädchenſchule, 
Lehrerjeminar, Web:, —— Malerſchule 
der Malerinnung, Stadtkranlenhaus, Vereinsbank, 
ſtädtiſche Sparlaſſe, Gasanſtalt. Die — In⸗ 
duſtrie erſtredt ſich ebenſo wie im anſtoßenden 
Gunnersdorfſ(534E.) auf Fabrikation von wolle: 
nen, balbwollenen und ſeidenen Webmwaren (Tep: 
piche, Bortieren, Cheviot u. f. w.), Eigarren und 
Gigarrenformen, Parkett, Yaloufien und Stepp: 
deden, Appreturanftalten und Färbereien, Kattun— 
druderei (Sachſens größtes Gtablifjement diefer Art). 
Bedeutend ift der Zwiſchenhandel mit Manufaltur: 
waren. Süplid von F. liegt Lihtenmwalde(655 E.) 
mit gräfl. Vitzthumſchem Schloß (dejien_jeltene 
Kunftihäse, Möbel, Porzellan, Gemälde, Waffen, 
1905 verbrannt find), einem Bart und Waſſerkün— 
ften. fiber ber Zſchopau der Harrasfeljen, be: 
fannt dur die Ballade Körners, dem bier ein 
eiſernes Areuz errichtet iſt. Nordlic Sachſen burg 
(1092 E.) mit Kammergut, altem Schloß leinſt Kur: 
fürftin-Witwenfib), jest Beilerungsanitalt. 
Frantendolomit, eine Stufe des Malm (j. d. 
oder Meiken Jura in Franken, ausgezeichnet dur 
die zahllojen darin vorlommenden Sohlen mit Tier: 
reiten aus der Diluvialzeit. 
Fraukenhammer, Saitendrabtjabrif bei Wei: 
benitadt in Oberfranten. 
Franfenhaufen. 1) Landratsamtsbezirk im 
Fürſtentum Schwarzburg:Rudolftant (Unterberr: | 


18 358 E. 16 Gemeinden, 41 Wohnplätze und ums 
faßt die Amtsgerichtsbezirke F. und Sclotheim. 
— 2) Zeamipabt der Unterherrſchaft des Füriten: 
tums Schwarzburg:Rubdolitabt, am Süpdfuhe des 
Kyfihäufers, 126 m ü.d. M., an einer im 12, Jahrh. 
geichafjenen Abzweigung der MWipper und an ver 
tebenlinie Bretleben⸗F. Sondershauſen der Preuß. 
Staatäbahnen, Sitz des Landratsamtes, eines Amts: 
erichts (Landgericht Rudolſtadt), Nent:, Steuerz, 
Korte, oll: und Salzfteueramtes und der Super: 
intendentur für die Unterberrihaft, überragt von 
der Ruine der im 6. Jahrh. von den Franken 
zum Schuß der Solquelle erbauten Oberburg, jest 
Hausmannsturm genannt, bat (1900) 6374 E., 
darunter 97 Katholiten, (1905) 6534 E., Poſtami 
eriter Klaſſe, Telegraph, drei Kirchen, fürftl. Schloß 
mit Garten, Rathaus (1840), Realprogymnaſium, 
2 Bürgerfbulen, ein Technilum (Baugewerk-, Tief: 
bau⸗, Maſchinenbauſchule), höhere Mädchenſchule, 
Bezirkskrankenhaus, Kinderheilanſtalt, Bankverein; 
eine Zuckerfabrik, Cigarren- und zahlreiche Berl: 
mutterknopffabrilen. Die Saline liefert Fer 
etwa 20000 t Kochſalz und ift mit einem Solbad 
(grötinet 1818) verbunden. In der Umgebung 
raunfoblenwerfe und die 1865 entdedte Barbas 
rofjaböhle (f. Fallenburger Höhle). — Bei F. wur: 
den 15. Mai 1525 die aufrübrerijchen Bauern un: 
ter Tbomas Münzer von den Jadl. braunſchw. und 
eſſ. Truppen an dem davon benannten Schladt: 
erg, einem Abhange des Kyffbäufergebirges, 
geſchlagen. .d.). 
Frankenheim, Marttfleden bei Schillingsfürſt 
Fraukenhöhe, Höhenzug, die ſüdl. Fortjekung 
des Steigermwaldes (f. d.), etwa auf der Örenze zwi⸗ 
{hen dem bayr. Reg.Bez. Mittelfranlen und dem 
württemb. Yagjtlreije (j. Harte: Bayern I), bilvet 
die Wafjerjcheide — Donau und —— und 
zwiſchen Nedar und Main. Die F. die im Quell— 
ebiet der Tauber und Wörnik 551 m erreicht, bat 
i8 Rothenburg nördl. Richtung, biegt aber bier 
nah NO. um und gliedert fi zugleich in die Hobe 
Leite (498 m) und den Hoben * (552 m). 
Frankenia, Vflanzengattung der Eijtifloren, 
deren eine Art, F. grandiflora Cham. et Schl., ein 
ftrauchartiges Kraut der Hüften bes ſüdl. Kalifor: 
niens, als Merba Reuma gegen katarrhaliſche 
Leiden (im Dekokt gegen Blennorrböe und Gonor: 
rhöe, als Fluidertralt gegen Dysenterie) em— 


pioblen wird. 
—— ſ. Fränkiſcher Jura. 
rankenſchaf, ſ. Schaf und Tafel: Schaf: 


raſſen I, Fig. 1. 

rankenſtein. 1) Kreis im preuß. Neg.:Bez. 
Breslau, hat 482,7 qkm, (1900) 45632, ? 1905) 
45612 E., 4 Städte, 65 Landgemeinden, 31 Guts⸗ 
bezirte. — 3 Kreisſtadt im Kreis F., am Oſtfuß 
des Eulengebirges und am Einfluß des Weigels— 
dorjer Waſſers in die zur Neiſſe gebende Pauſe 
und an der Linie Raudten-Liegniß-Camenz der 
Preuß. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamtes, 
eines Amtsgerichts (Landgericht Glatz), Zoll: und 
Steueramtes und der Münjterberg:-Glager Fürſten⸗ 
tumslandichaft, welche die Kreiſe Glag, Müniter: 
berg, F., Habelihwerdt und Neurode umfaßt, ijt mit 
Mauern umgeben und bat (1900) 7890 E., darunter 
1737 Evangeliiche und 77 Reraeliten, (1905) 8406 E., 
Poſtamt eriter Klaſſe, Telegrapb, evang. und kath, 
Kirche, Klofter der Barmberzigen Brüder, kath. Bro: 


958 


eymnafium, böbere Mädchenſchule, Diakoniſſen— 
anftalt, kath. Waiſenhaus, Filiale des Schleſiſchen 
Bankvereins; Wagenfabriken, Tiſchlereien ſowie 
Strohflechtereien und bedeutenden Getreidehandel. 
1858 brannte die Stadt faſt gänzlich nieder. 
Franfenthal. 1) Bezirksamt im bayr. Reg. 
Ber. Pfalz, hat 286,44 qkm, (1900) 60734 (30112 
männl., 30622 weibl.) €. in 44 Gemeinden, darun: 
ter 2 Städte. — 2) Bezirköftadt im Bezirksamt F. 
des bayr. Neg.: Bez. Pfalz, an der Iſenach, 9 km 
vom Nhein entfernt und durch 
, einen jchifjbaren Kanal mit dem: 
= felben verbunden, an den Linien 
Mainz» Ludwigshafen, Freins— 
Wheim-F. (13,4 km) und der Ne: 
\ benlinie Ludwigshafen » Groß: 
‚7 tarlbad der Pfälz. Eifenbabnen, 
it Siß des Bezirtsamtes, eines 
Landgerihts (Oberlandesgeridht 
Zmweibrüden) mit einer Kammer 
5 Handelsfahen und 6 Amtögerichten (Dürkheim, 





., Grünftadt, Ludwigshafen a. Rh., Neuftabt a. d. 
ardt, Speper), eines Amtsgerichts, eines Rent-, 
Nebenzoll:, Aichamtes, einer Reichsbankſtelle, eines 
Bezirlögremiums für Handel und Gewerbe und 
bat (1900) 16899 €., darunter 6571 Katholiken 
und 371 Israeliten, (1905) 18191 E., Poſtexpedi⸗ 
tion, Telegraph, 5 Kirchen, ein Klofter der Barm⸗ 
erzigen Schweitern, Ruinen einer roman. Kloſter⸗ 
ice, 2 monumentale Thore, Kriegerdenkmal, Luit: 
old: Brunnen (1900), Lateinſchule, PBrivatreal: 
chule, höhere Mädchen : (Karolinen:) Schule, Alter: 
tumsmufeum, Elifabetbhofpital, Kreisfranfen: und 
Bilegeanftalt, Kreistaubftummenanftalt; Fabrita: 
tion von Maſchinen, Schnellpreſſen, Dampftefleln, 
Armaturen, Fäſſern, Holzwaren, Puppen, Schul- 
bänten, Stöpjeln, Seife, —— und Rübenzucker, 
Eiſengießereien, Glockengießereien (Kölner Kaiſer— 
glode von Meiſter Hamm), Bierbrauereien, Mälze⸗ 
reien ſowie bedeutende Landwirtſchaft (Kartoffel⸗, 
Cichorien⸗ und Rübenbau) und Weinbau. — F. wird 
als Flecken ſchon im 8. Jahrh. erwähnt; das reiche, 
1119 gegründete Auguſtiner-Chorherrenkloſter mit 
Pieilerbafilita wurde 1562 aufgehoben. Durd die 
Anfiedelung von Calviniſten (Holländer, Wallonen, 
grangofen, Deutſche) blübte die Induſtrie jebr auf. 
ie Feſtung, 1608—18 im ital, Baſtionsſyſtem 
angelegt, 1621 von Eorbova, 1622 von Tilly, 1644 
von Herzog Enghien und 1646 von QTurenne ver: 
ea belagert, 1623—32 und 1635 —52 durch 
ertrag in ben Händen der Spanier, ward 1688—89 
von den Franzoſen gejchleift, die Stadt verbrannt. 
Wieder — erlebte ſie als kurpfälz. Haupt⸗ 
ſtadt unter Kurfürſt Karl Theodor ihre zweite Blüte: 
eriode. (Bedeutendes leiftete die jeit 1761 kurfürftl. 
Sranfentbae Borzellanfabrit.) 1792 — 95 fanden 
ei 5. Kämpfe der Franzoſen mit Breußen und Oſter⸗ 
veihern ftatt. 1796—1816 war es franzöſiſch. — Val. 
Mille, Stadt und Feſtung F. während des Dreißig⸗ 
jährigen Krieges (Heidelb. 1877); Monatsſchri 
des Frankenthaler Altertumsvereing, bg. von Joh. 
Kraus (1893 fg.). [rung). 
Frantenthaler Kanal, ſ. Bayern (Bemäfle: 
Franfentwald, die etwa50km lange Fortiekun 
des Syichtelgebirges links von der Saale, oft ald Tei 
desjelben oder auch des Thüringer Waldes ange: 
feben (f. Karte: Bayern ID). Der F. gilt ald Typus 
einer deutichen Graumadenformation und bildet 
eine wellenförmige, ftart bewaldete Landſchaft von 


Frankenthal — Franfenweine 


40 bis 50 km Breite mit einer mittlern Höbe von 
600 m. Der Döbraberg bei Schwarzenbad erreict 
794 m. Daneben find wichtig der Culm bei Lichten: 
berg (737 m) und der Wesjtein bei Leheſten (785 m). 
Zur Hebung des Fremdenverlehrs im F. beiteben 
zwei Srantenwaldvereine (Sik in Naila und 
Kronad). — 2% H. Schmid, Führer durch den 7. 
(Bamb. 1894); Meyers Reiſebucher: Thüringen und 
der F.(17. Aufl.,2p3.1904); Mayenberg und Müller, 
Kleiner Megmeifer dur das Fichtelgebirge und den 
3. (4. Aufl., Hof a. D. 1901). En 
Fraukenweine, die im Mainthal mit_feinen 
Eeitenäften, von Hanau bis nah Staffelſtein 
oberhalb Bamberg, gebauten Weine. Das Gebiet 
erftredt ſich aljo nicht bloß auf die drei fränt. 
Kreife Bayerns, fondern au auf Baden (bejonders 
an ber Zauber), Württemberg und Hefien. Der 
Weinbau beginnt in Ziegelanger, Schmachtenberg 
oberhalb Zeil, zieht fib längs des Mainflufie: 
nah Schweinfurt, Vollach, Dettelbach, Kikingen 
(jeitwärtd am Steigerwald, Rödelfee und Iphofen), 
Ochſenfurt, —— bis Aſchaffenburg in einer 
Länge von faſt 400 km bin und tritt unterbalb 
Aſchaffenburg an dem Ausgange des Speflarts in 
Hörftein, Waſſerlos zurüd. Auch an den Neben: 
flüfjen des Mains, der Tauber, Wern und Saale 
(Schloß Saaled liefert den hoch aeihästen Saal: 
eder) wird der Weinbau in günjtigen Berglagen 
betrieben. Bis unterhalb Würzburg tritt Mujcel: 
fallformation und in ibrer Begleitung Thon und 
Kalt mit Mergel auf. Bei Karlſtadt wird der Un— 
tergrund ebenen (der fog. Rötb), das Aui: 
liegende Mufcheltalt und Mergel, am Ausgange 
des Speſſarts ift Buntfanpftein mit Gneis und 
Glimmer vermiſcht. Borberridend werden weiße 
Trauben gebaut, und zwar meijt gemifcht Sylvaner, 
Elben, Gutedel, Trollinger, Traminer, Ruländer, 
Riesling und Mustateller. Die befiern Lagen des 
Hoftellers, des Juliusfpitals, fowie des Bürgeripis 
tals zum Heiligen Geiſt, in neuerer Zeit aud bie 
befiern Weinberge von Privaten bauen reinen Sas 
von Riesling, Traminer, Sylvaner, Ruländer. Bei 
Miltenberg und Klingenberg a. M. findet fi Rot: 
mweinbau, und zwar —2 under mit Blaubur: 
gunder, ebenfo in den Aa: einbergen Hörjteins. 
Die F. find kräftig, voll, reich an Körper, zeich⸗ 
nen fih durch Feuer und eigentümliches Aroma 
aus, ſtehen aber den am Rhein wachſenden Reben 
im allgemeinen nad. Dem Weinbau und ber 
Weingewinnung wird in neuerer Zeit erhöhte Auf: 
merfjamfeit geſchenkt; insbeſondere jucht der unter: 
fränt, Weinbauverein durch Belehrung und Brö: 
miierung zur Vornahme von reinem Rebſatz, Aus 
leſen u, — iv. aufzumuntern. Die bervorragenbiten 
arten find: der Leiften (Eigentum des Staates 
und einiger Privaten, am füdl. Abhange ver Feſtung 
von Würzburg, etwa 25 ha) und der Stein (Staat# 
eigentum fowie Eigentum des Bürgerſpitals um 
einiger Privaten, ſudweſtl. Abdachung des am rechten 
Mainufer liegenden Steinbergs). Bedeutende Lagen 
find Spielberg, Harfe, Neuberg, Teufelsteller, jämt: 
li bei Würzburg, Saaleder auf dem Schloßberar 
Saaled (Eigentum des Privatmanns VBornberger), 
Peterftirn bei Schweinfurt (Eigentum des Privat: 
manns Sattler), Rallmutb mit hochſt eigentümlichem 
Aroma bei Homburg (im Bezirtsamt Marktheiver: 
feld, Eigentum des Fürjten Lömenftein), ferner 
Kagentopf bei Sommerach, Eſcherndorfer mit ander 
Rbeinwein erinnerndem Aroma, Hörjteiner vom 


Frankfort — Franffurt am Main 


Abtäberg bei Seligenjtabt 38 des Staates). 
Der fränt, Weinbau umfaßt etwa 9400 ha, wovon 
1904 auf Unterfranten allein 6255 mit einem Er: 
trag von 27 hl vom Hektar entfielen. Hauptitapel- 
plas ift —— (auch Sig der Schaumweinfabri⸗ 
tation); daneben — — — 
Marktſteft und rn . (S. Bodäbeutel.) — 
Bal. Kittel, Das Buch vom 5. (Würzb. 1905). | 
Fraukfort, häufig vorlommender Ortäname in 
den Vereinigten Staaten von Amerila. Darunter: 
1) Hanptjtadt des Staates Kentudy und County 
ranllin, rechts am Kentudy-River, der bis hierher 
ir Dampfer ſchiffbar ift, 76 km öſtlich von Louis: 
ville, an der Louisville-⸗Raſhville-Bahn, hat (1900) 
9487 E. zahlreiche Kirchen und öffentlie Gebäude, 
darunter das 1825 aus Kentudymarmor erbaute 
Staatshaus; außerdem große Whiskybrennereien, 
Sägemübhlen, Fabrifation von Hanf, Bier, Bad: 
einen und — Durch eine Brüde mit F. ver⸗ 
unden, liegt links am Fluſſe, der je von jteilen 
Kalkfteinfelien eingeengt ift, South: ranffort. F. 
wurde 1787 angelegt und 1792 Hauptjtabt. — 
2) Hauptitadt de3 County Clinton in Indiana, 
nordweſtlich von —“ Bahnknotenpunlt 


mit (1900) 7100 
— rt, Großherzogtum, ſ. Frankfurt am 
ain, 


Franffurt nn, der preuß. Bro: 
vinz Brandenburg, umfaßt in feinem nörbl. Zeil 
altbrandenb. Gebiet und im ſüdlichen die Nieder: 
(aufiß, welche von 1136 bis 1312 zur Markgraf: 
{haft Meißen, von 1363 bis 1448 und 1462 big 
1620 zu Böhmen, 1630 bis 1815 zu Sachſen ge 
Örte, 2 ein zum Zeil außerordentlich fruchtbares 
and arthe⸗ und Netzebruch), reih an Wäldern 
und Flüffen (Hauptflüffe find Oder, Warthe, Nebe, 
Bober, Neiſſe). erböjweige jind namentlich 
Aderbau, Fiſcherei, Viehzucht, Braunlohlenberg: 
bau, Induftrie (befonders lebhafte Tuchfabrikation) 
und Handel. F. zerfällt in folgende 22 Kreiſe: 





























Kreife Flache Ein. | Evan * 3 

= Stabtkeife) | qum — geliſche aten Titen 

Konigsberg i. Reum. 1535,55 | 965806 92777] 3018] 345 
Soldin. -.... 1148,42} 46608| 44796) 1249| 249 
Arnöwalde . . . . | 1264,32| 4199371 39940] 1442| 337 
Friedeberg i. Neum. | 1101,52) 54014) 51870| 1604| 307 
Landsberg .W.* . 46,62) 36934| 32487] 3578| 479 
Sandäberg . . . . | 1162,34) 55690) 54258) 1191| 95 
Lebuß . 2.2... 1572,39] 94455| 89461] 4596) 233 
Frankfurt .0.*r „| 5964| 643041 58562| 4652| 667 
Beitfternberg . » »ı 1142,16) 43667) 42728] 6sıl 80 
Oftiternberg. . . . | 1103,18] 44501] 43351) 941| 142 
—————— 915,97| 47440 39782] 7384| 139 
roffen .» »| 1807,55] 59252| 57740] 1156| 177 

@uben® ..... 2853| 36636 34455| 1727| 172 
Guben . 2... 1077,55| 43833) 41400| 2334| 54 
2übben. ...« ı 1038,83] 33845) 33267] 469 90 
Qudau ..... | 1293,15] 69951) 68184| 1662) 59 
Ealau ..... 998,39| 85224 75565| 9531| 45 
Cottbus... .. 23,52] 46270) 42871] 2575| 348 
Eottbu ..... 828,90| 49884) 49241) 373) 19 
go 8B>...., 11,38| 33752] 31057) 2222| 148 
Drau » 2» 2.2. ' 1227,81 853341 60660 4409| 131 

Epremberg . . . .| 310,34] 31996) 29889) 1970) 18 
Summte |19 197,99 |1202021|1 134341587774] 43290 





Der Reg.: Bez. hat 19197,99 qkin und (1900) 
1179250 E., darunter 11662 Militärperfonen, 65 
Städte mit 477636 E., 1628 Landgemeinden mit 
597113 E. und 990 Gutäbezirte mit 104501 E., fer: 
ner 131549 bewohnte Wohnbäufer, 1544 meift nıcht 
zu Mobhnzweden dienende Gebäude mit 248299 


959 


Bamilienhausbaltungen zu 2 oder mehr Perſonen, 
23505 (6765 männl., 16 740 weibl.) einzeln lebende 
jelbftändige Perfonen und 1645 Anftalten. 1905 
wurden 1202021 €. gezählt. Hauptitabt ijt Frant: 
furt an der Ober (f. d.). (S. die Karte: Provinz 
Brandenburg. Provinz Sadfen, nörd— 
licher Zeil.) 

Der Regierungsbezirk zerfällt in 10 Reichstags— 
wahlkreiſe: — (Abgeordneter 
1907: Bruhn, Antijemit); Landsberg⸗Soldin (Bö: 
ning, fonfervativ); Königsberg i. Neum. (Dr. von 
Saldern, fonfervativ); Frankfurt:Lebus (Detto, na: 
tionalliberal); Dft: und Weſtſternberg (von Kap: 
bengit, fonjerwativ); Züllihau:Erofien (Schlüter, 
Deutfhe Reichsparteiſ; Guben:Lübben (Heinrich 
Prinz zu Schönaich-Carolath, nationalliberal); 
Sorau (Bahn, nationalliberal); Cottbus »Sprems 
berg (Dr. von Dirkſen, Deutſche Reichspartei); Ca: 
lau⸗Luckau (Henning, deutfchlonfervativ). 

Frankfurt am Main. 1) Landkreis im preuß. 
Neg.: Bez. Wiesbaden, hat 40,85 qkm, (1905) 
29852 E., ı Stadt und 14 Landgemeinden. — 
2) Stadt und Stadikreis, eine der reichiten Hans 

velsjtäbte Deutichlands, bis 
1866 eine der vier Freien 
Städte des Deutſchen Buns 
AN‘ bes und Sitz der Bundesvers 
RN fammlung, liegt 50° 7’ nörbl. 
A| Br. und 8° 41’ ditl. 2. von 
An, Greenwid, in etwa 100 m 
ey Höhe auf breiter Thaljohle 
I am unten Main, in einer 
— ſchönen und äußerſt frucht: 
baren Gegend, umgeben von Landhäuſern, Gärten, 
Weingeländen und Obſtpflanzungen und bat eine 
Ausdehnung von 14,8km (D. nah Wh), 13,8 km (N. 
nad ©.) und 65 km Umfang. Bon der Geſamtfläche 
(9390 ha) find etwa 1145 ha mit Häufern bebaut, 
768 ha find Wege, Straßen und Eifenbahnen, 80 ha 
öffentliche gr und Anlagen, 7238 ha find land» 
wirtichaftlih benußt (3480 ha Stadtwald) und 
158 ha Waſſerfläche. Der mittlere Luftdruck beträgt 
im Durchſchnitt 753,2mm, die mittlere Jahrestem⸗ 
peratur 9,7° C. (+ 36,3 Marimum, — 21,5 Mini: 
mum), die Niederſchlagsmenge 611,7 mm. (Hierzu 
ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen u. ſ. w. 
und eine Harte: Frankfurt a. M., Stadtgebiet 
und Stadtkreis.) 

Bevdlterung. Die ortsanweſende Bevölkerung 
betrug 1440 etwa 9000, 1800: 40.000, 1867 : 78277, 
1880: 136819, 1885: 154513, 1890: 179985, 
1895, einfchließlih der 1895 einverleibten Stadt 
Bodenheim, 229279, 1900:288989 (139682 männl,, 
149307 weibl.) €., das ijt eine Zunahme jeit 1895 
um 59710 Berjonen oder 26 Proz., wovon 20382 
Verſonen oder 8,89 Proz. auf die drei einverleibten 
Vororte entfallen. 1905 wurden 334978 E. gezäblt; 
darunter waren 202502 Evangeliiche, 105814 Ha: 
— und 23476 Israeliten. 1900 gab es 15631 

obnbäufer und 1032 andere bewohnte Baulich— 
feiten mit 2721 Einzel:, 58856 Familienhaushal⸗ 
tungen und 1125 Anitalten. 7273 Berjonen waren 
Neihsausländer, darunter 3515 Djterreiher und 
Ungarn, 872 Schweizer, 686 Engländer, 669 Ameri: 
faner u.j.w. Zahl der Lebendgeborenen 1900: 7513, 
der Eheſchließungen 3182, der Sterbefälle 5031. In 
Garniſon liegen das 1. Kurheſſ. Infanterieregiment 
Nr. 81 und Stab und 1. Abteilung des 2. Naj: 
fauifchen Feldartillerieregiments Nr. 63 Frankfurt. 


u 
— 






960 Frankfurt 


Rechnet man zu der Einwohnerzahl von (1900) 
288989 —3 diejenigen der benachbarten, in wirt⸗ 
ſchaftlicher — mit F. ſtehenden Ortſchaf⸗ 
ten Rödelheim (6432), Preungesheim (2310), Hauſen 
(1686), Bonames (1017), Heddernheim (4558), Eden: 
beim ag Eſchers heim 34 Niederurſel (855), 
Ginnheim (2078), Praunheim (1269), Berkersheim 
388), Griesheim a. M. (8881), Schwanheim (3737), 
eu:$ienburg (8072), Bergen:Entheim (4394) und 
Fechenheim (6409), mit inögejamt 56530 E., jo er: 
iebt ſich für das wirtfchaftliche Weichbild von Groß: 
Srantfurt eine Einwohnerzahl von 345519. 

Anlage. Das eigentliche F.breitet ſich am rechten, 
langfam anjteigenven Ufer des Stroms aus und ift 
mit dem auf der fünl. Mainfeite liegenden Stabtteil 
Sachſenhauſen dur 5 Brüden verbunden. Die Alt: 
itadt liegt innerhalb der Grenzen der zweitältejten 
Stabtbejeitigung aus dem 12. Jahrh., die fich durch 
die mit «Braben» endigenden Straßennamen kenn⸗ 
zeichnen. Die Feſtungswerlke (17.Zahrb.), welche die 
—— des Grabens entſtandene Neuſtadt um: 
g en, wurden 1804—12 abgetragen und in jchöne 

traßen und Anlagen umgewandelt, die die Innen: 
ftabt des rechten Mainufers in einer Geſamtfläche 
von 250000 qm umgeben. Bon den mittelalter: 
lihen Bejeitigungen Ir nur nod ber runde Eſchen⸗ 
beimer Zurm (49 m), 1400—28 an Stelle eines 
1346 errihteten Turms erbaut, der Nententurm 
(1455) am Fahrthor und der Kubbirtenturm (1499) 
in Sachſenhauſen erhalten. Die Außenitadt ift ſeit 
1864 mit der Innenſtadt vereinigt, und 1.Xan. 1877 
wurden das ebemalige frankfurti de Dorf Bornheim 
mit 10144 E,, 1. April 1895 die Stadt Bodenbeim 

.d.) mit 20978 €, und 1900 die Orte Dberrad, 
ieberrad und Senlbach einverleibt. 

Brüden und Straßen. Bon den Brüden iſt 
die älteite die etwa um 1150 erbaute, 1342 und 1741 
erneuerte fteinerne 14bogige Alte Nainbrüde (265m 
lang) mit dem Stanpbild Karla d. Gr. von Wendel: 
ftäpt und Zwerger. Die Ober: Mainbrüde wurde 
1878 erbaut. Unterhalb befinden ſich eine 1870 er- 
richtete ſchmiedeeiſerne, nur für Fußgänger beftimmte 
Hängebrüde, ferner die neue von Schmid erbaute 
Unter : Nainbrüde und am meitejten ftromab bie 
Wilhelmsbrucke; leptere, biß 1888 der Main:Nedar: 
Babn dienend, ift für Wagen: und Fußgängerver: 
tehr umgebaut. Hierzu fommen noch die beiden 
neuen Gifenbahnbrüden bei Gutleutbof und bei 
Riederrad, die Staatseifenbahnbrüde (1880 — 82) 
und die heſſ. Frege reg (1881). In 
ber innern Altjtabt, welche in einer Umgeftaltung 
begriffen ift, giebt es noch zahlreiche enge und finitere 
Straßen und alte Häufer, Dagegen zeigen die Haupt: 

läge und neuern Straßen, zumal die Zeil, die Neue 
ainzer Straße, die Raifer: und Friedensſtraße viele 
palajtartige Gebäude, Die wegen ihrer Duntelbeit 
und ihres Schmutzes berüchtigte Judengafle, bis 1806 
einziger Wohnplag der Jsraeliten, iſt ald Börne: 
ftraße neu aufgeführt, nur das darin befinvliche 
Stammbaus der Familie Rotbicild ift alt und mit 
Beibebaltung der alten Facade zurüd gerüdt worden. 

Plätze und Denkmäler. Auf dem Roßmarkt 
das Gutenbergdentmal (1858), eine große Bruns: 
nengruppe in galvanoplaftiicher Ausführung von 
Ev. von der Launig: Gutenberg mit Schöffer und 

ft, am Fußgeitell Theologie, Poeſie, Naturwifien: 
haft, Induſtrie (1892 erneuert); auf dem ans 

oßenden Goetbeplap ein Stanvbild Goethes (1844) 
von Schwanthaler; auf dem Scillerpla ein nad 


am Main 


Dielmannd Modell 1863 gegoſſenes Standbild 
Schillers; auf dem Nömerberg, den noch zu Ende dei 
18. Jahrh. fein Jude betreten durfte und auf dem die 
von sn in «Dihtung und Wahrheit⸗ beicrie 
benen Boltöbeluftigungen nad der Kaiſerkrönung 
ftattfanden, der a titiabrunnen (1543), 1611 mit 
einer fteinernen ukitia geihmüdt, 1887 erneuert; 
auf dem ehemaligen Peterslirchhof das ſtriegerdenl⸗ 
mal für die 1870/71 Gefallenen (Brongegruppe nad 
—— Modell); in den Promenaden kleinere Denl⸗ 
mäler und Büften von Sendenberg, Börne, Moris 
von Bethmann u. a.; vor ee: Thor das 
Heflendentmal, von Friedrich ilhelm U. von Preu⸗ 
Ben den Heilen errichtet, die am 2. Dez. 1792 beim 
Sturm auf das von den Franzoſen unter Euftine be: 
feste 5. fielen. 1894 wurde vor dem joolog. Garten 
der monumentale Schüßenbrunnen (Entwurf von 
N. Echard) zur Erinnerung an das 1. und 9. Bundes: 
ſchießen, 1895 die Denkmäler des Lolaldichters 
Stolge auf dem Hühnermarkt, Schopenbauers in 
der Dbermainanlage am Recdneigrabenmweiber und 
das von den Handel: und Gemwerbetreibenven der 
Stabt geftiftete Denkmal Raifer Wilhelms L von 
Krüger im Hofe des neuen Poſtgebäudes, 10. Mai 
1896 das Reiterftanpbild Kaiſet Wilhelms L von 
Buſcher vor dem Opernhaus errichtet. Das von 9. 
zer gefertigte Bronzeſtandbild des Frankfurter 
natomen und Phyſiologen Samuel Thomas von 
Söntmerring (geit. 1830), des Begründer der eleh 
triiben Zelegrapbie, wurde 8. Aug. 1897 enthüllt. 
Kirchen. F. bat 15 evang., 9 tath. Kirchen, 2 re: 
formierte_und zablreihe andere Bethäufer, eine 
ig Kirche der Metbopiften, Kapellen der Bap⸗ 
tilten und anderer Religionsgefellihaften und 4 Sv- 
nagogen. Die berühmtejte Kirche Hl ber latb. Dom, 
in dem feit 1562 die deutſchen Kaiſer getrönt wur: 
den, 852 von Ludwig dem Deutjchen geftiftet, 1235 
als got. dreifchiffige Hallenfirhe mit vier Türmen 
neu erbaut und 1239 dem heil. Bartholomäus ge: 
weibt; der Chor ift 1315—88, das lange Querſchiff 
1346—53 errichtet, der Kreuzgan —— 1348, der 
Pfarrturm, 1415—1512, blieb Bde unvollendet; 
die Wahlkapelle wurde 1355, die jpätgot. Scheid- 
tapelle am füdl. Langſchiff, eine Stiftung des Nilol. 
Seid, 1487 aufgeführt. Die Wiederberitellung der 
15. Aug. 1867 durd Brand beihädigten Kirche er» 
[plate 1869—80 durch Denzinger ( ? d.), ber das 
angbaus erhöbte, den Kreuzgang nad alten Blä: 
nen ausbaute und den Zurm nad) den alten Plänen 
des Meifterd Hans von Ingelnbeim (1483) voll: 
endete. Andere kath. Kirchen find die St. Leon 
arbälirche, ein urſprünglich drei», jeßt fünfſchif⸗ 
ger Hallenbau, 1219 begonnen, im 14. b. 
erweitert, der pätgot. Ehor 1434 erbaut, das Ganze 
1507 vollendet, 1808 erneuert; ferner die Piebfrauen: 
firhe (15. Jahrh.) mit alten Grabmälern, Deutſch⸗ 
bauslirhe in chſenhauſen, St. yoiep alirdhe 
1875—86) in Bornbeim und kath. Kirche in Boden: 
im. Bon den evang. Kirchen feien genannt bie 
ot. Nitolailiche am Kömerberg, ein zweiichiffiger 
allenbau (13. Jabrb.), 1450 als Ratstapelle in 
frübgot. Stil bergeftellt, 1842—45 für die lutb. Ge⸗ 
meinde erneuert, mit gußeilernem Zurmbelm und 
Altarblatt (Auferftebung) von Retbel; die 1833 voll: 
endete runde Bauläfirche, 1848/49 Sih der Rational» 
verfammlung (mit zwei@rinnerungstafelnamHaupt: 
eingang 1a 1899); die ſtatharinenlirche, 1678—0 
durch Melchior Hehler erbaut, mit vielen Grab 


mälern, Gemälden längs den Emporen und neuen 


FRANKFURT WW, STADTGEBIET UND STADTKREIS. 


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F.A. Brockhaus’ Geogr- artist “Anstalt, Leipaig. 
Kilumeter nn Weonnbain 
EEE: sebiet der Freien Stadt Frankfurt Yu bis 1066 [I Jaziger Stadtkreis Frankfurt su 


EEE] znmatige Landgrafschaft. Hessen- Homburg. 





Frankfurt 


Glasgemälven nach E. von Steinle und Linnemann; 
die neue Peterslirche auf dem Friedhofe, mo Goethes 
Mutter ruht (die alte Peterskirche ift niedergelegt); 
die — eißfrauenlirche, ig: 1888) 
Zutberliche (1892), Imanuellirche am Friedhof 
(1901), Drei⸗Konigslirche in Sahjenhaufen, 1881 
nach Denzingers Blane vollendet, evang. Johannis» 
ng (1775) in Bornheim, evang. St. Jalobslirche 
in Bodenheim und die Notlirche (Friedenskirche) am 
Bahnhof. Die ältere Synagoge in der Börneftraße 
ift 1860 nad Plänen von Kapfer, die neuere am 
Börneplap 1881, die der israel. Religionsgeſellſchaft 
ge in der Schüßenijtraße 1853 erbaut. 
eltlihe ®ebäude, Der Römer, das Rathaus 
ver alten Reichsſtadt, ift 14065—13 aufgeführt und 
(püler vielfah umgebaut; die Façade, mit drei 
taffelgiebeln und weiten fpigbogigen Thuren, war 
einjt mit Malereien geihmüdt, die Rüdieite am 
— iſt von 1731. Der im erſten Stod be: 
dliche Kaiſerſaal enthält die lebensgroßen Bild: 
nifje der deutichen Kaiſer und jeit 1892 ein Marmor: 
ftandbild Kaiſer Wilhelms L von Kaupert; neben 
dem Raiferfaal das Wahlzimmer, jebt —— 
des Magiſtrats. Der ſüdlichſte der drei Giebel des 
Romers gehörte dem Haufe Limpurg an, deſſen ſchö⸗ 
nes Thorgewolbe im Seitengäßchen und prächtige 
Epindeltreppe (1607) ſehenswert find. Die mit dem 
Römer verbundenen Aue: Salzhaus mit ſchma⸗ 
lem holzgeſchnitzten Giebe — mit bemalter 
— Da.) und Wanebach, ein Holzbau 
bes 16. in ., find 1888—9%0 von U. Koch reitaus 
riert. Im Anſchluß an den Römer und unter Ein: 
beziehung desjelben wird das neue Rathaus nad) 
Plänen von franz von Hoven und Ludwig Neher 
in drei Gebäudegruppen erbaut, mit einem dem 
alten Sadjenhäujer Brüdenturm nachgebildeten 
Zurm (70 m). Im Thurn und Tarisihen Palais 
833 tagte bis 1866 der Bundestag. Der ſog. 
Saalhof, mit Façade von 1717, jteht vermutlich an 
Stelle einer von Karl d. Gr. erbauten, von Ludwig 
dem Frommen 822 erneuerten Kaijerpiol); legtere 
wurde im 14. Jahrh. verpfändet und vielfah um: 
ne Das jtädtifche Archivgebäubde ift 1878 nad) 
Plänen von Denzinger, die Stabtbibliothel mit 
—— Vorhalle 1825 von Heß erbaut, die großen 
Flügelbauten nah Wilh. Müller Entwurf 1892 
vollendet. Das ehemalige Leinwandhaus (14.Jahrh.) 
mit Zinnen und Ecktürmchen neben dem Archib iſt 
1892 durch U. Koch zu Muſeumszwecken reſtauriert 
worden. Der 1883—88 von Eggert erbaute Haupt: 
bahnhof (I Tafel: Bahnhöfe l, Fig. 3, und ILL, 
8. 2) gehört zu den größten derartigen Anlagen. 
as ujpielhaus am Theaterplaß iſt 1782, die 
neue Börfe dahinter 1874— 79 von Burnig und 
Sommer erbaut (j. Tafel: Börjengebäudel, 
dig. 1). Ein neues Schauipielhaus, von Seeling 
erbaut, wurde Nov. 1902 eröfinet. Der prachtvolle 
Bau des Stäbeliden Kunſtinſtituts, nah Plänen 
von Dälar Sommer in Hochrenaiſſance 1878 voll: 
endet (f. Zafel: Muſeen I, Fig. 4), enthält eine 
Gemäldegalerie (j. unten). bes Elternhaus, 
1863 durd das e Deutſche Hochſtift (f. d.) ans 
efauft und jo wieder bergeitellt, wie eö nach dem 
mbau (1755) war, enthält Erinnerungen an den 
Dichter. Am Bodenheimer Thor erhebt fih das 
Opernhaus (Baukoſten 5%, Mill. M.), 1873—80 
nad den Plänen von Lucä in Berlin erbaut (f. Tafel: 
Theater II, fig. 2), mit jihönem Treppenhaus und 
Hauptfoyer, mit Stulpturen von Rumpf und Guſtav 
Brodhaus’ Konverjationdskeriton. 14. Aufl. RU VL 


am Main 961 


Kaupert fowie ang mern nad Steinles Ent: 
würfen. Das neue Gerichtsgebdude iſt 1884—89 
nah Endells Entwurf in deutjcher Renaiflance er⸗ 
baut. Eins der größten Gebäude iſt dad Deutſch⸗ 
Ordenshaus (1709) in Sachſenhauſen, vormals der 
Krone Dfterreih gehörig. Weiter weilt die Stabt 
noch interejjante alte und großartige neue Gebäude 
auf, von legtern die Reichsbank von Lange, Pavelt 
& &o., Frankfurter Bant, Vereinsbank und Bant für 
Handel und Induftrie, die Germania von Kayſer 
und von Großheim (Berlin), die Bavaria, die Ale 
mannia, die Neubauten an der Promenade (Provi- 
dentia, Hotel Fürftenhof u. a.); von alten Gebäuben 
find zu nennen: das Haus Zum Kaiſer Karl, Zum 
großen Engel (1562), halb gotiſch, halb Renaiſſance, 
das jog. Steinerne Haus (1454), Nürnberger Hof, 
ein Holzbau mit got. Durchgang und reihem Kreuz: 
gemwölbe, der Tuchgaden, wo die Mekgerzunft dem 
nad) der Krönung vom Dom zum Romer ziehen: 
den Raifer ven Ehrentrunf darbradıte, die Goldene 
. (1624), le find erwähnenswert der große 
Schlacht⸗ und — — Marlthalle, 
Krankenhaus, Lagerhaus, Polizeipräſidium (1887), 
Schwimmbad, die Poſt, die Kaiſer-Wilhelm-⸗Paſſage 
(1901), Raifer: Friedrichs, Goethegymnafium, das 
Sendenbergihe Mujeum (1907) u. a. 
Berwaltung. DieStabtwird verwaltet von dem 
eriten Bürgermetjter (Adickes, jeit 1891, 26000 M.), 
—— Buͤrgermeiſter (Dr. Varrentrapp, 13500 
.), jerner 24 Stabträten (11 beſoldet), 8 Aſſeſſoren, 
64 Stadtverordneten und einem Polizeipräſidium 
(Präfident Freiherr von Müffling) mit 1 Regierungs⸗ 
rat, 2 Regierungsaflefioren, 3 Bolizeiräten, 1 Po⸗ 
lizeiafjeflor, 2 Woleimfpelioren, 18 Kommiſſaren, 
9 Kriminallommiffaren, 29 Wachtmeiſtern und 447 
Scyusleuten. Liber die Feuerwehr j. Feuerlöjcd: 
weſen. Es beftehen 2 Gasanitalten, 2 ſtädtiſche 
Elektricitätswerle und zahlreiche elektriſche Einzel- 
anlagen in Brivatgebäuden. Die beiden Waſſerwerke 
(Hodauellleitung aus dem Vogelsberg und Spejlart 
bi3 14000 cbm, Grundwafjerleitung im Stadtwald 
bis 27000 cbm —— —2* haben 450 km 
Rohrneg. Außerdem beſteht die Main: (Flup:) Lei: 
tung und das Bodenheimer Waſſerwerk. Die Ent: 
mwälerung geſchieht durch Schwemmſyſtem (220 km 
Kanäle) mit Kläranlage. Auf dem ſiädtiſchen Vieh⸗ 
und eg wurden (1899/1900) geſchlachtet: 
29053 Stüd Rinbvieh, 92154 Schweine, 65406 
Kälber und 30171 Hammel. Es * eine Marlt⸗ 
halle rg Baukoften 15 Mil, M.), eine Neben: 
markthalle (1900) und die gleihalle zu Marlts 
weden benugte jog. Lederhalle, in der die Früh: 
ahrs⸗ und Herbitledermefie abgehalten wird. 
Finanzen. Der Haushaltplan 1901 ſchließt im 
Drdinarium ab in Einnahme und Ausgabe mit 23,7, 
im Ertraordinarium mit 9,2 und bei den Neben: 
(Betrieb3-) Verwaltungen mit 19,67 Mil. M. Die 
Schulden betragen (31. März 1900) 94 Dill. Di, 
darunter 51 Mill. M. Anleihen für ſtädtiſche Be: 
triebe, denen ein Vermögen von 130,5 Dill. M. 
gegenüberfteht. Für Sch werben aufgewendet 
etwa 5 Mill. M. (einjchließlih Neubauten; Robaus: 
abenzuihuß 4 Mill, M.), für Woplthätigleitsan: 
ten, Armen: und Krankenweſen 1,16 Mill. M. 
Zuſchuß, für —— Straßenſprengung 
und Kehrichtabfuhr 839300 M., für öffentliche Be: 
leuchtung 192000 M. Zuſchuß; der Beitrag der Stabt 
zu den often der königl. Volizeiverwaltung beträgt 
237800M. Das Wappen der Stadt ift ein weißer, 


61 


962 Frankfurt 


——— und -bewehrter Adler in Rot, die 
Tree find Rot und Weiß, 
Behörden. F, ift Sig des Landratsamtes für 
den Landkreis F. eines evang. Konfistoriums, Ober: 
landesgerichts für den Reg. Bez. Wiesbaden aus⸗ 
ſchließlich Kreis Biedenlopf), die en 
Lande, die Kreiſe Neuwied und Weplar, den Teil 
des Kreiſes Koblenz öftlich vom Rhein und den links 
von der Sieg belegenen Teil des Kreifes Altens 
firhen Landgerichte F., Hechingen, Limburg a. d. 
Lahn, Neuwied, Wies aden), eines Landgerichts mit 
2 Rammern für Handelsſachen und 2 Amtägerichten 
(F. Homburg vor der Höhe), eines Amtsgerichts, 
einerOberpoftdireltion fürden Reg.:Bez. Wiesbaden 
und den Kreis Weplar mit 2871 km oberirdiichen 
Zelegrapbenlinien (25747 km Leitungen, einſchließ⸗ 
li 14372 km Fernſprechanlagen) und 298 Berfebrs: 
anftalten, koni iglich preuß. Eifenbabnvirettion, eines 
Hauptiteuer:, Kataſter⸗ Erbſchaftsſteueramtes, einer 
tönigl. Probieranftalt, kaijerl. Disciplinartammer, 
Neihäbanthauptitelle. Handeläfammer jowie des 
rap des 18, Armeelorps, der Kom: 
manbo8 der 21. Divifion, 42, Infanterie, 21. Ra: 
vallerie:, 21. Felvartilleriebrigabe, einer Komman⸗ 
dantur und eines Bezirlskommandos. 
Unterrichts: und Bildungsmwejen. Alade: 
mie für Social: und Handelswiſſenſchaften (feit 
1901), ſtädtiſches Gymnafium, 1520 gegründet, 
1529 a; rd und 1897 geteilt in Goethegym⸗ 
naftum (Reformſchule mit Frankfurter Lehrplan) 
und — nehum. tönigl. Raifer: Friedrich: 
Gymnafium (1888), ftädtiihes Realgymnaftum 
Mufterfchule), 1803 gegründet und 1873 als Neal: 
chule anerkannt, jtäptiihes Realgymnafium (Wöh- 
ke; 1871 gegründet), ſtädtiſche Oberrealſchule 
Klingerſchule), 1875 gegründet, ſtädtiſche Realſchule 
——— — Bodenbeim, kath. 
Selektenichule mit Proaymnafium, Realſchulen der 
israel. Gemeinde (Philanthropin), 1804 gegründet, 
und der iörael. ner ujmoft, beide verbun: 
den mit höhern Madchenſchulen, Hafielihes Er: 
iehungsinſtitut zur Vorbereitung für Einjäbrig: 
A Mäpchengymnafium heit 1901), ftäbtt- 
che —— — * Clifabetbenfchule (zum 
Andenten an en Rat Goetbe) mit Lehrerinnen: 
jeminar, Humboldtſchule, böbere Mädchenſchule in 
Bo denbeim und mebrere private höhere Mädchen: 
ibulen, eine Schule für Knaben, 3 jet Mädchen, 
- für beide Gefchlehter, 26 Roltsihu en, darunter 
6 für Knaben, 7 für Mädchen, 13 für beide Ge: 
ſchlechter, jel Anftalt für nicht Volfinnige und Ver: 
wabrlofte, für Taubftumme, für a anelebiale te, 
ferner eine höhere Handelälehranftalt, ſtädtiſche 
mwerbeichule, kaufmännische Sortbiltungäfeufen, 
Kunſtgewerbeſchule, Frauenarbeitd: und Haushal⸗ 
tungsfdulen und eine Militärlebrichmiede, endlich 
zwei Hochſchulen der Mufit (Hochiches und Raffiches 
Konfermatorium), Stodbaufenihe (f. Stodbaujen, 
Jul.) Geſangſchule, Muſilſchule u.a. Die Erribtung 
—9 64 für praltiſche Medizin iſt geplant. 
Sammlungen und Inſtitute. Die 1891— 
93 durch Anbauten vergrößerte Stadtbibliothef 
(413419 Einzelihriften in 261717 Bänden) mit 
grobem Leſeſaal enthält eine Austellung wertvoller 
Drudwerle und Einbände, ein Münzlabinett und 
eine Marmorfi ur Goetbes von Marcheſe (1838). 
Die Freiberrlib E. von Rothſchildſche Bibliotbet 
enthält Leferäume und 26022 Bände (bejonders 
Kunft, neue Spraden, jüd. Theologie, Handels: 


am Main 


wachen. Im biftor. Archiv befinden fiä 
be Schäße; im untern Stodwert des Archiv 
—— — — ragen 
e hiſtor. Mufeum untergebracht, eine 
reihe Sammlung von Kunſt⸗ und Al + re 


ftänden aller Art, darunter höchſt wertvolle 

rungen an %.8 angenbeit. Das am 10. Br. 

1859 n der hun abc en Beburtsfeier Schillers 

georän te, in Go ater ini b indlice Freie 
he Sb (. d.) y ften, Künite 

und bö ung A dar 3 üge 

allen ften und unterhält eine Bi 

Ein oet —* eum, im Zuſammenhang mit G 

—— ——— — ins 3.0 

anlfurter 
Sendenberg (j.d.) und diedamit verbun * 


bergſche naturforſchende eee —— * 
ründet) beſitzt ein bedeutendes warn 
eum, —E botan. — und anatom. Thea⸗ 
ter und veranftlte Vo glei vielen andern 
willen hen Bereinen (j. * unten); ber fila⸗ 
liſche in las —2 at ein neues 
—— en —— er € —— — 
er Lehr· und Unterſuchungsan 
ungen, phyſil. und dem. Gaboratorium | omie Ran: 
— das — ——— hie = 
nden mi 
——— * t es mebrere B — — 
— 
nſti ne 
Frankfurter Burgers Joh. re Stäpdel(geft.1816), 
der feiner Vaterjtadt jeine Kun ——— 


Fin —* die (ei 200 Schie‘) A Kon Erd» 
eſchoß vie ur (en 200 Sa die Handzeihmungen und 


pferftihe (etwa 60000 Blätter), Gipsab 
Herkulesſchild (nad San von —* 
ragen re aus Sandſtein u. a,; 
geihoß die Gemälvegalerie, beſonders Br an alt 
niederländ. und altdeutſchen Bildern des 15. unt 
16. Jahrh., ſowie an holländ. Bildern des 17. Jabrb. 
und der ältern Düfjelvorfer Schule. Der Betb- 
mann nn mit ber Ariadne von Danneder 
(f. Ta units Kunft V, Fig. 7) ift 1835, das 
Handeldmufeum in * Neuen Borſe 1884 eröffnet. 
Die zansig ten Stadttheater (Aktien 
eſellſchaft: altes Ehaufpiel aus mit 1100, neues 
aufpielbaus mit 1200, us mit 1900 
Zujchauerplägen) erhalten einen jährlihen Zuſchuß 
von der Stadt und jtehen unter Zeitung zweier ven 
der Altiengeſellſchaft angeitellten Intendanten. 
Bon den in F. eriheinenden polit. Zeitungen 
und Zagesblättern x die bedeutendite die — 
itung» (f. d.), ferner die ſocialdemo 
ots timme» und Wochenblätter und Zeiti 
wiflenihbaftliben und techniſchen J 8; bad 
anffurter Journals (ſ. d.) ift eit 1903 mit den 
ankjurter —— vereinigt. 
GR ereinäweien und Kaſſen. Von .. 
einen find außer den im Abichnitt Samml 
nannten zu erwähnen: vie Bolytechniiche Geſe bat 
(1816 gegründet), der Kunitverein(1813), der Mittel 


deutihefKunitg everein mit Schule und Mufeum 
1878), die Vereine Lehe he uns und Altertums⸗ 
nde (1857) für Geo —— (153%), 
die Am e Geſellſ 
* — —X en den - 
ben Balmengarten mit 
odenbeimer Thor geitiftet hat, mehrere Mufitoer 


Strafsen, Plätze, 
Gebäude u. s. w. 


Ackermannstr. G 4. 
Adalbertstir. B 3. 
Adlerfiychtplatz. E 2. 
Adlerfiychtstr. E 2. 
Affensteiner Weg. D1. 
Affenthorplatz. F 5. 
Aichamt. F 4. 
Albusstr. F 4. 
Allerheiligenstr. F 4. 


Allerheiligenthor. F4. 
Alte Bergsweg. G.H 7. 
— Gasse. E.F3. [D3. 
Altkönigplatz u. -Str. 
Am Dornbusch. B.C1. 
— Falırthor. E 5. 
— Königsbach. D 8. 
— Mühlkanal,. @ 6. 7. 
— Schauspielhaus. D5. 
— Tiergarten. G 4. 
Amtsgericht. B 2. 
Am Weingarten. B2. 
An den Friedhöfen. 
E. Fi. 
Antoniuskirche. O 4. 
Appelsgasse, A 2. 
Archiv, Städt. Fd4.5. 
Armenhaus, Städt. C8, 
Armenklinik. F.G 3. 
Arndtstr. U 3.4. 
Arnsburger Str. 4 2.3, 
Artilleriekaserne, A 2. 
Atzemer, Oberer. G 3, 
—, Unterer. G 3. 
Auf dem Mühlberg. 
F.G 6. 
— der Dammbeide,. A 3. 
— — Körnerwiese. D 2. 
Augsburger Str. G 3. 
Ausstellungsplatz. 
Bückerweg. F2.3.[B.C4. 
Bahnhofsplatz. D 5. 
Balduinstr. Hs. 
Baptistengemeinde.G4. 
Barckhausstr. D 3, 
Bartmanns Hof. D 2. 
Basaltstr. B 2, 
Battonnstr. F 4. 
Baugewerkschule. B 4. 
Baugraben. E 4. 
Baumweg. F 3. 
Baustr. E2. 
Beethovenplatz. C 3. 
Beethoveustr. C 3,4. 
Bergerstr.F.G.H 1.2.3. 
Bergesyrundweg. 
F.G 7.8. 
Bergweg. G3. F2. 
Bernarduskirche, St. 
Betbhmanndenkmal. F3. 
Bethmannmuseum. F3, 
Bethmannustr, E 4 
Betriebsamt. Ü 5. 
Bettinaplatz. C 4. 
Bettinastr. U 4.5. 
Bibergasse. E 4. 
Birkenweg. A 3. 
Bismarckallee B 4. 
Bismarckdenkmal. D5. 
Bleichstr. B. F 3. 
Bleidenstr. E 4. 
Bleiweifsstr. H 6. 7. 
Blindenanstalt. E 2, 
Blittersdorffsplatz. D4. 
Blücherplatz. D 6. 
Blücherstr. O. D 5. 6. 
Blumenstr. E 3. 
Bockenheim. A 2. 


Bockenheimer Anlage, 
D.E24 

— Bahnhof. A 3 

— Landstr. 0.D3 

— Str. Grolse. D.B4. 

— —, Kleine. D.E4. 

— Thor. 


B: ionstedtt, 
Bölnerstr. 
eb g 3. 
Bürneplatz u.-Str. F4. 
Bornheim. H 1. 
Bornheimer Landstr. 
Yr.G2 
— Landwehrstr. G.H 2. 
Bornwiesenweg. E 2. 
Börse. E 4. 
Börsenplatz. E 4, 
Börsenstr. E 3,4. 


Pa 


BotanischerGarten.C2, 
Böttgerstr. F.G 1. 
Brahmsstr. Fi. 
Braubachstr. E 4. 
Braunfelsgüfschen. F 7. 
Breite Gasse. F 4. 
Bremer Str. D 2. 
Brentanodenkm. C.D3. 
Brentanoplatz. 03. 
Brentanostr. O3. 
Breulsweg. G 7. 
Brönnerstr. E 3. 4. 
Bruchstr. F 6. 
Brückenstr. F 5. 6. 
Brückhofstr. F 4. 
Brüder Grimmstr. 
G.H 2. 3. 
Buchgasse. E 4.5. 
Buchwaldstr. H 1. 
Bülowstr. C 6. 
Bürgerhospitäler. E3, 
1 


Bürgerstr. DS. 6. 

Bürgerverein. E 3. 

Burgstr. F.G 1.2 

Camberger Str. B 6. 

— An der. 
2 


Christuskirche, O 3, 
Cirkus. D 5. 
Corneliusstr. 0 3. 
Cranachstr. E 6. 
Uronberger Str. D 3. 
Cronstettenstr. D. E 1. 
Dahlmannstr. G.H 3. 
Danneckerstr. E. F&. 
Darmstädter Bank. D4. 
— Landstr. F 6. 7. 8. 
Deutschherriikai. 

F. G 8. [F 5. 
Deutschordenshaus. 
Deutschordenskirche. 
Deutsch - reform. [F 5. 

Kirche. E 4. 
Diakonissenhaus. D.Ei, 
Diemelstr. A 2. 
REN: 

E. Fe. 
Diesterwegstr. E 6. 
Dom. E4. 
Dominikanergasse. F 4. 
Domplatz. E.F 4. 
Domstr, E 4. 
Dorfelder Str. G.H 1. 
Dortelweiler Str. @ 1. 
Dreieichstr. F 5. 
— ———— 

B. F 
Dreikömigstz. 
Dürerstr. E 6. 
Eckenheimer Landstr. 

E.F 1.2.3 
Ederstr. A 3, 
Egenolffstr. F 2. 
Eichwaldstr. @ 2, 
Einheitsdenkmal. E4. 
Eisenbahndirektion, 

Konigl. O4. 
Eiserne Hand. F 2.3. 
Eiserner Steg. ES. 
Elbestr. D4.5. 
Elefantengasse P 3. 
Elektricitätswerk. A3, 
Elektricitätswerkes, 

Centrale des städt, 

B. 66.7. 
Elisabethenkirche,. B3. 
Elisabetbenplatz. B3. 
Elisabethenstr. F 5. 
Elkenbaohstr. F 2.3, 
Elsheimer Str. D 3, 
Emser Str. B3.4 
Englische Kirche. D 3. 
Enkheimer Str. Hi. 
Entbindungsanst. F4 
Eppsteiner Str. C. D 
Erlenbacher Str. G 1. 


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E.F5. 


Erleustr. O4, 
Eschborner Str. A 6. 
Eschenbachstr. D 7. 


Eschenheimer Anlage. 
E.F3. 
— Str, Grofse. B3.4. 
— — Kleine. E 4. 
— Thorn, Turm. E3. 
Eschersheimer Land- 
str. D.E 1.2.3. 
Eulengasse, H 1. 
Euler Str. B 6. 7. 


Evang. Kirche. B ®. 
— Vereinshaus Norl- 
ost, G 3. 
Eysseneckstr. El. 
Fahrgasse, F 4. 
Fahrthor. ES. 
Falkensteiner Str. EI. 
Falkstr. B 2. 
Fallthorstr. H 1. 
Färberstr. E5. 
Fasanenstr. G 3. 
Fechenheimer Str. 
Feldbergstr. C.D 2.3 
Feldstr. D 2. 
Fellnerstr. E 3. 
Felsenkeller. H 1. 
Festhalle. BA. 
Feststr. F 2. 
Feuerbachstr. 0.D3.4 
Feuerwehrdepots, 
B.C5,E5,F2. 
Fichardstr. E 2.3. 
Fichtestr. F 3. 
Finkenhofstr. E 2.3 
Fischbacher Str. A 5.6. 
Fischerfeldstr. F 4. 
Fleischergusse. A 2. 
Florastr. A.B2. 
Flörsheimer Str. A 6. 
Flofsrinne. BT. 
Forsthausstr. 
0.D.E 6.7.8. 
Frankenallee.A.B.C5.6. 
Frankensteiner Platz. 
— Str. P 6. [F 5 
Frankfurter Bank. D 4. 
— Friedhof. E. Fi. 
— Str. B2.3. I[E4 
Franz.-reform. Kirche. 
Frauenhof. B 8. 
Frauensteinstr. 
Freihofstr. H 1. 
Freiligratbstr. H 2.3, 
Freudenberger Str. 
F. G 7T. IF 3.4. 
Friedberger Anlage. 
— ne 1. 2. 3. 
— Str rolse 
— — Kleine. 
— Thor. F3. 
Friedenskirche. B 6. 
Friedensstr. E 4. 5. 
Friedhof, Alter (Born- 
heim). H ı. 
— Alter (Sachsen- 
hausen). F 6. 
Friedhöfe. A3, HT. 
Friedrichstr. 0.D 2.3. 
Friesengasse. A 2. 
Fritzlarer Str. A 2. 
Fröbelstr. A 2. 
Fürstenberger Str. 
D.E 2. 
Gabelsbergerstr. G 1.2. 
Gagernstr. H 2.3. 
Gallusanlage. D 4. 5. 
Galluskirche. A. B 6. 
Gallusstr., Grofse. 
D.E4. 
Galluswarte. B 6. 
Gartenstr. ©.D.E 6.7. 
Gärtnerweg. D. E 3, 
Gasfabrik. A 3 
—, Englische. G 5. 
— Neue Frankfurter. 
Gaufsstr. F3. [OG. 
Geibelstr. H 3. 
Gelbe Hirschstr. F 4. 
Geleitsstr., Östl. P 6. 
—, Westl. F 6.7. 
Gellertstr. F 1. 
Gelnhäuser Gasse. E4. 
Georgestr., Sankt. IH 1. 
Gerbermühlstr. F.G 5. 
Gerichtastr. F 3. 
Germaniadenkmal.G2. 
Germaniaplatz. @ 2, 
Gerimaniastr, (4 2. 
Gervinusstr. D.E 2. 
GinnheimerHöhe. B.C1. 
— Landstr. Bi. 
— Stadtweg. C 1. 
— Str A.Bı1.2. 
Glauburgplatz. F1.2. 
Glauburgstr. E.F 2. 
Gleimstr. Fl. 
Gluckstr. F 1.2. 
Gpeisenaustr. 
B. O. D 5. 4. 


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F 3.4. 
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‘ Hermannstr. 


Goebenstr. B 2. 
Goethedenkmal. E 4. 
Goethegymnasium. C 4. 
Goethehaus n. -Platz. 
Goetheruhe. H 8. [E4. 
Goethestr. D.E 4. 
Gogelsaut. B 7. 
Goldbergsweg. G.H 7. 
vonGoldschmidt-Roth- 
schild-Stift. G. H 4. 
Graubengasse. E 4. 
Grempstr. A 2. 
Grethenweg. F 7. 8. 
Grindbrunnen. D.E 5. 
Gronauer Str. G.H 1. 
Grüneburg (Schlofs). 
c.Dı [0.D23 
Grüneburgweg. 
Gruneliusstr. H 6.7 
Grüne Str. F 4. 
von Guaitastift. D 5. 
Guiolletdenkmal. D4. 
Guiolletgrab. F 4. 
Guiolletplatz. D 4. 
Guiolletstr. C.D 4. 
Günderrodestr. B 5.6. 
Günthersburgallee, 
F.G 1.2. 
Günthersburgpark.@G 1. 
Gutenbergdenkm. E4. 
Gutenbergstr. B 5. 
Güterbahnhof. D. E 7. 
— d. ehem. Hess. Lud- 
wigsbahn. B. 05.6. 
Güterexpedition. O 5. 
Güterplatz. O5. 
Gütorschuppen. 
Gutleuthof. B 7. 
Gutleutstr. B.C.D5.6.7. 
Gutzkowstr. E. F 6. 
Habsburger Allee. 
G.H 2.3. 
Hafenstr. C 5.6. 
Haideplatz. G 2. 
Haidestr. G. H 1. 2. 
Hainer Wer. F 6.7.8. 
Hallgartenstr. F.G 1. 
Hamburger Str. D 1,2. 
Hammelsgasse.F3. [H4. 
Hanauer Landstr, F. G. 
Handelshafen. C. D 6, 
Händelstr. E 1. [(H 4.5. 
Handels- und Gewerbe- 
schule, D 4. 
Hansaallee. D.E 1.2. 
Hansenweg. H 6. 7. 
Hansteinstr. E 2. 
Hardenbergstr. CO 6. 
Hasengusse. E 4. 
Hasenpfail, Grofser. 
— Letzter. BE 7.8. [F7.8. 
— Mittlerer. E 7. 
Hattersheimer Str. A 5. 
Hanuffatr. O4. 
Hauptbahnhof. C.D5. 
Hauptgüterbahnhof. 
Hauptpost. E4. [C4.5. 
Hauptwache. E 4. 
HausenerLandsatr.A1.2. 
Häusergasse. A 2. 
Hebelstr. F 3. 
Hedderichstr. E, F 6.7. 
Hegelstr. F. 6 3. 
Heiligkreuzstr. FP 4. 
Heinestr. E !. 
Heinriehstr. B. C 5. 
Heisterstr. F 6. 
Hellerhofstr. B 5. 
Hemmerichstr. B.C 4. 
Hemmerichsweg. A 4. 
Herbartstr. P 2.3. 
Herderstr. F 3. 
E32. 
Hermesweg. F 3. 
Hersfelider Str. A 2. 
Hessentlenkmal, F 3. 
Hessenplatz. B 2. 
Hessenweg. F 3. 
Hinter dem Buchwald. 
H1.2. [sicht. F 4.5. 
— der Schönen Aus- 
Hippodrom. D 6. 
Hirschgraben, Grofser. 
E4.5. Kleiner. E4. 
Hirschhornstr. H 6. 
Hochreservoir der 
Fiufswasserleitung, 
F.G7 


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H 4. 


Hochschule f.Musik.E3. | Königsbach. 


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Höchster Str. 
Hochstr. 
— Kleine. D 4. 
Hoffeldstr. H 6, 
Hofheimer Str. A 5.6. 
Hofstr. D.E 5. 
Hohenstaufenstr. C4.5. 
Höhenstr. G 2. 
Hohenzoilermplatz. 

3.45 
Hohenzollernstr. C 5. 
Holbeinstr. D.E 6 
Höltystr. Fi. 
Holzgraben.E4. [E2. 
von Holzhausenspark. 
Holzhausenstr.D.E 1.2. 
Homburger Str. 1 .. 
Hospital zum Heiligen 

Geist. F 4. 
Hufnagelstr. B 5. 6. 
Hühnerweg. F.G 6. 
Humboldtstr. E 2. 3. 
Humbrachtstr. E 1. 
Hynspergstr. E 1.2 
Idsteiner Str. A 5. 
Immanuelkirche. E 1. 
Im Sachsenlager. E 3. 
— Trutzfrankfurt. 

D.E3. 
Industriehafen. H5. 
Infanteriekaserne. U &. 
Irrenaustalten, Städt. 

D1.2,G3. 
IsraelitischeFriedhöfe. 

B2rFı1. [F 4. 
Israel. Friedhof, Ehem 
— Kindergarten. F 3. 
— Volkssaal, G 4. 
Israelit. Hospital. G 3. 
Jahnstr. E 3. 
Jakobskirche, St. A !. 
Johanniskirche H 1. 
Jordanstr. B 3. 
Josbacher Str. A 6. 
Josephkirche, St. {+ 2. 
Jügelhausu. -Str.B.C 3. 
Juliusstr. B 2. 
Junghofstr. D. E 4 
Justitiabrunnen. E 4. 
Justizpalast. F 3. 
Kaiser Friedrich-Gym- 

nasium. @ 4. 
Kaiserhofstr. E 4. 
Kaiserplatz. D. E 4. 
Kaiserstr. D. E 4. 5. 
Kaiser Wilhelm I.- 

Denkmäler. D4,E4. 
Kantstr. F.G 3. 
Karl d. Grofsen-Denk- 
Karlstr.D5. [mal.F5. 
Kasernenstr. A 2. 3 
Kasseler Str. A.B 3, 
Katharinenkirche. E 4. 
Katharinenpforte. E 4. 
Kath.-apost. Gemeinde. 

Fe. (ein. E3. 
Kaufmännischer Ver- 
Kaufungerstr. A 2. 
Kaulbachstr. E 6. 
Kelkheimer Str. A 5.6. 
Kelsterbacher Str. B. 
Keplerstr. E 2. 
Kerbengasse E 4. 5. 
Kettenhofweg. 

B.C.D24 
Kiesstr. B 3. 
Kinderheim. F 1. 
Kinderkrankenhaus, 
Kinzigstr. H6. [D 1.2. 
Kirchnerdenkmal. F3. 
Kirchnerstr. E 4. 
Kirchplatz. A 2. 
Klapperfeldstr. F 3.4. 
Klappergasse. F 5. 
Kleiststr. Fi. 
Klemensstr. B 2.3 
Klementinenspital. 

H 2.3. 
Klettenbergstr. El. 
Klingenberger Str. G7. 
Klingerstr. F 4 
Klostergasse. P 4. 
Klüberstr. D 4. 
Knoblauchsstr. D.E1. 
Koblenzer Str, BD. 
Kochstr. H 6. 
Kohlbrandstr. H 1. 
Kölner Str. B 5. 
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A.Bö. 
D. E23. 4. 


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Maßstab 1:22.600 


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Königsplatz. B 3. 
Königsteiner Str. 
c.D 2.3. 
Königstr. RB 2.3.4. 
Königswarterätr.F.6G3. 
Kömerstr. D 2.3. 
Kornmarkt, Grofser. 
Koselstr. F2 [E4. 
KostheimerStr.A.BD.6. 
Krüme, Neue. E 4. 
Kranichsteiner Str. F 6. 
Krankenhaus, F 2. 
—, Städt. C.D7T. 
Kreuznacher Str. 
A.B3.4 
Kriegerdenkmal. E 3, 
Kriegkstr. A 5. 6. 
Krifteler Str. A 5.6. 7. 
Krögerstr. E 3. 
Kronprinzenstr. D 5. 
Kruggasse, E 4. 
Kuhwaldstr. A.B 3.4. 
Kunstgewerbeausstel- 
lung. D4. 
Kunstverein. D.E 4. 
Kurfürstenplatz. B 3. 
Kurfürstenstr. A.B2.3. 
Kursaal Milani. F 3. 
Lahnstr. A 6. 
Länderweg. 6 ®. 
Landgrafenstr. B 3. 
Landw. Verein. G 4. 
Lange Str. F 4.5. 
Laubestr. ED. 6. 
Launitzstr. E 6. 
Leerbachstr. D 2.3. 
Leibnizstr. G 2. 
Leinpfad. A 8, 
Lenaustr. F 1.2. 
Leonhardskirche. E55. 
Leonhardsthor. B 5. 
Lersnerstr. E 2. 
Lessingdenkmal. F 5. 
Lessinggymnasium.D2, 
Lessingstr.C3.4. [E4. 
Liebfrauenberg u. -Str. 
Liebfrauenkirche. E 4. 
Liebigstr. D 2. 3. 
Liederbacher Str. A 6. 
Lindenstr. © 3. 4. 
Lindheimer Gasse. E 4. 
Linn6str. G 2. 
Löbersgasse. H 1, 
Lorsbacher Str. A5. 
Lortzingstr. F 1. 2. 
Löwengasse. H 1. 
Lübecker Str. D 2. 
Lucaestr. B. C 6. 
Luderbach. U 7. 3. 
Ludwigstr. C 5. 
Luisenhof. G 1. 
Luisenplatz. F. G 2. 
Luisenstr. F.G 1.2.3. 
Lutberkirche. F.G 2, 
Lützowstr. 0. D5. 
LuxemburgerAllee.H3. 
Magdalenenstift. D 2. 
Mainbrücke, Alte. F 5. 
Mainfeldstr. A 8, 
Mainflufs. B.C.D 6.7 
Mainkai. E.F 5 
Mainkurstr. G, H 2. 
Mainluststr. D 5. 
Mainstr. F 4.5. 
Mainwasenweg. H >. 
MainzerGasse,Alte. LE). 
— Landstr. 
A.B.C.D4.5. 6. 
— Str, Neue. D.E 4.5. 
Marburger Str, B 2. 
Marienstr. D 4. 
Markgrofenstr. 
Markt, Alter. 
Markthalle E 4. 
Marschnerstr. F 2. 
Marthaheim. ES. 
Mathildenplatz H 6. 
Mathildenstr. Hs, 7. 
Matthäuskirche, U 4.5. 
Mauerweg. F 3. 
Meisengasse, E3. 4. 
Mendelssobnstr. C 3. 
Merianplatz. F 3. 
Merianstr. F 2.3. 
Metliodistenmissions- 
haus. I 4. 
Militärlu.arett. A.B1. 
Militärlehrschmiede, 
B)3 


B2. 
E 4. 


Mignelstr. C.D1.2.3. 
Mittelweg. E3. 
Moltkeallee. B 3.4 
Morettostr. D 6. 
Mörfelder Landstr. 
D.E. F 6. 7.8. 
Morgensternstr. E 6. 
Moselstr. D 5. 
Mozartplatz. D. E 3. 
Mühlbruchstr. F 6. 
Mühlgasse. A.B 2. 
Mümlingstr. H 6. 
Münzenberger Platz 
F.G 1. 
Münzgasse. E 5. 
Musikantenweg. F.G3. 
Myliusstr. O 2.3. 
Nadelwehr. B. O7. 
Nanheimer Str. B 3. 
Neckarstr. D 4. 5. 
Neebstr. G 1. 
Neuenhainer Str. 
Neuer Weg. F®. 
Neugasse. E 4. 
Neuhofstr. F 2. 
Nibelungenallee,E.F1. 
Niddastr. C.D4.5. 
Niedenau. D 3. 4. 
Niederrad. B 8. 
Nikolaikirche. E 4. 5. 
Nordendstr. E. Fi. 
Nordring. D. E 1. 
Nürnberger Hof. E 4. 
— Str. 63. 
Oberkanal. B. C 7. 
Oberlindau. D 2. 3. 
Obermainanlage. F4.5. 
Obermainbrücke. F5. 
Obermainkal. F. G 5. 
Obermainstr. F.G5. 
— Kleine F 4.5. 
Oberpostdirektion. C4. 
Oberrad. H6. [G.H6. 
Oberräder Fulspfad. 
Öberweg. E2. [B.C1. 
Obstgarten Emilia, 
Öde, Die. E 2. 
Öder Wer. 72.3. 
Offenbacher Bahnh. F6. 
— Landstr. F.G.H 6. 
Obmstr. A. N 3. 
Opernhaus, D 3.4. 
Öpernplatz. D 3. 4. 
Oppenheimer Landstr. 
E 5. 6. 7. 
— Platz. E35. 6. 
— Str. E35. 
Ostbahnhof. G. H 4. 
OÖstendstr. F.G 4. 
Östpark. H 3. 
Ottostr. O5. 
Palmengarten. 
Palmengartenstr. 
Palmstr. F 3. 
Paradiesgusse. F 5. 
Parkstr. D 2. 3. 
Parlamentstr. MH 2.3. 
Passavantstr, E 6.7. 
Paulskirche E 4. 
Paulsplatz. E 4. 
Perlenfabrik. B 1. 
Pestalozzistr. F 3. 
Peterskirche. E 3. 
Peterskirchhof. E 3. 
Petersstr. E 3. 
Petterweilstr. G 2. 
Pängstbrunnenatr. A3, 
Pfingstweidstr. F.G 3.4. 
Physikal.Verein. B.C3., 
Polizeipräsidium. F 4. 
Porzellanhofstr. F3. 4. 
Poststr. O5. 
Praunheimer Str. D 3. 
Predigerstr. F 4. 
Preungesheimer Str. 
G Hi. 
Proviantmagazin.A2.3. 
Prüfling, Im G.H 1. 
Pumpstation. B 7. 
Querstr. E 3. 
uirinstr. F 6. 
angierbahnhof. A 5. 
Rappstr. F 2. 
Rathaus E 4.5. 
— (Bockenheim). 
Rauchstr. D. E 6. 
Realschulen. B2,E6. 
—, Iaraelit. F4, tr 4, 
Rebenstr. 1 6. 7. 


Aö6. 


C 2.3. 
C3. 


B3, 


Rebstücker Str. A 6. 
Rechneigraben. F 4. 
Rechneigrabenstr. F 4. 
Rechneistr. F 4. 
Reichsbank. D 4. 
Reineckstr. E 4. 
Bembrandtstr. D 6. 
Rendeler Str. H 1. 
Reparaturwerkstatt, 
AS, A. BR T. 
Rethelstr. D. R 6. 7, 
Reuterweg. D 3. 
Rheinstr. C 4. 
Rhönstr, G. 3 4. 
Richard Wagner-Str. 
Riedhof. D 5. [E. Fi. 
Ringelgasse. H 1. 2. 
Rinzdenkmal. F 3. 
Rittergasse,Grofse. F5. 
Bödelheimer Landstr. 
— Str. A 2. [A 2.3. 
Röderbergweg. G.H3.4. 
Rohrbachstr. F.G 1.2. 
Römer. E 4. 
Römerberg. E 4. 
Roonstr. B 3.4. 
Rosengasse. E 4. 
Rofsdorfer Str. G.H 2. 
Rossertstr. 0 2. 
Rofsmarkt. E 4. 
Roter Kreuzweg.G.Hß®, 
Rothhofstr., Alte. E 4. 
—, Neue. D.E 4. 
Rothschildallee.F.G1.2. 
Roöthschildbibliothek. 
D. R 5. 
Rotlintatr. F L. 2. 
Rotteckstr. F 3. 
Rubensstr. D 6. 
Rückertsches Siechen- 
haus E2. 
Rückertstr. G 4. 
Rudolfstr. C 5. 
Knppenacker Wer, 
Grofseru.Kleiner.G8. 
Rüsterstr. ©. D 4. 
Saalbau. D 4. 
Saalburgallee. H 2. 
Saalburgstr. G 1. 2. 
Saalgasse. F 4.5. 
Saalbot. E 5. 
Sachsenhausen. D.E 6. 
Sachsenhäuser Fried- 
hof, Neuer. F&, 
— Landwehrweg. G 8. 
— Warte F 3. 
Sandberggälschen, 
Erste. F.G 7. 
—, Zweite, F. G 7. 
Sandgnase, Grofse. EB 4. 
Sandhof. C 8, 
Sandhofstr. DT, 
Sandweg. F.G 3. 
Sara v. Rothsehilische 
Stiftung GH 3. 


Savignystr. O4. 
Schadowstr. E 6. 
Schäfergasse. E 3. 4. 
Schafhofweg, Mitt!.E *. 
—, Oberer. E68 


Scharnhorststr. D 1.6. 
Schaumainkai.D. E5.6. 
Schauspielhaus. D.E 5. 
Scheerergälschen.H6#.7. 
Scheffelstr. F 2.13. 
Scheidswaldstr.G.H 2.3. 
Schellingstr. G 2. 3. 
Schifferstr. E. F 5. 6. 
—, Kleine F 6, 
Schillerdenkmal. E 4. 
Schillerplatz. E 4. 
Schillerstr. E 3. 4. 
Schillstr. D 6. 
Schlachthof. @G 5. 
Schleidenstr. E 3. 
Schleiermacherstr. G2. 
Schlesingergasse, Alte, 
D.E4 Neue D4, 
Schleusenstr. C.D 6. 
Schleusenweg. B 8. 
Schlosserstr. E 1, 
Schlofsstrr. A.B 2.3 
Schnapphornweg.G7.8, 
Schneekenbofstr. E 6. 
SchneidhainerStr.A5.6. 
Schnurgasse E 4. 
Schöne Aussicht. F5. 
Schönhof. A 2 
Sehönhofstr. A 2. 


EEE —— — —— —— —— —— — —— — — ——— — — — ——— — — — — — —— Te 2, 


Schönstr. O6. 
Schopenhauerdkm. F4. 
Schopenhanerstr. G 2. 
Schubertstr. © 3, 
Schulstr. E.F5. 
Schumannstr. C 3. 4. 
Schützendenkmal.G 3.4. 
Schützenhüttengäfs- 
chen, Altes, FT. ®. 
Schützenhüttenweg. 

Fs. 

Schützenstr. F 4.5. 
Schwalbacher Str. A5.6. 
Schwälmer Str. A.B 2.3, 
Schwanenstr. F 4. 
Schwanthalerstr. E 6. 
Schwarzburgstr. 

E. F I. 2. 
Schweinepfad. H 7.8. 
Schweizerplatz. E 6. 
Schweizerstr. E 5. 6.7. 
Schwesternkranken- 

haus Fi. 
Schwindstr. C 3. 
Seckbacher Landstr. 
Seehöf. GT. (H 1. 
Seehofstr. F.G 5. 6. 
Seehofsweg. G 7. 
Seestr., Grofse. B2.3, 
—, Kleine A 2. 
Seilerstr. F 3. 4. 
Seminar. E 2. 
Senekenbergdenkm.E3. 
Senckenbergisches 

Stift. B.C 3. {B 3. 
Senckenbergmuseum. 
Seruminstitut. D 7. 
Seumestr. G 3. 
Sicherheitshafen. € 6.7. 
Siemensstr. F 5. 6. 
Simsonstr. H 3. 


Sindlinger Str. A 5. 
Sodener Str. A 6. 
Solmsstr. A 3 
Sömmeringedenkm. E3. 
Sömmeringstr. E2. 
Sonnemanustr. 4.5. 
Sophienstr. B 1. 2. 


Sossenheimer Str. 1 5. 
Souchaystr. E 6. 
Spatzengasse. H 6. 7. 
Speckgäfschen. H n. 
Speckgasse. H 6. 
Speicherstr. C.D 8.7. 
Spessartstr. G. HM 2. 
Speyerer Str. R 5. 
Speyerhaus. D 7. 
Spillingsstr., Grofse u. 
Kleine. H 1. 
Spital, Stult. B ı. 
Spohrstr. Fi. 2. 
Sportplätze. A1.2,C02. 
StädelschesKunstinsti- 
tut. D.E 6. 
Städelstr. E 5. 6. 
Stadtbibliothek. F 5. 
Stadthalle F 4. 
Stallburgstr. E 2. 
Starkestr. F 4. 
Station Fahrthor. R 5 
— Öberrad. H 5. ®. 
Staufenstr. D 2. 
Stegstr. E 5. 6. 
Steingasse. E 4. 
Steinlestr. D 6. 
Steinmetzstr. B 4. 
Sternstr. E 2.3. 
Stiftstr. E3. 4. 
Stoltzedenkmal. 
Stoltzestr. F 4. 
Strahlenberger Weg. 
F.G 6. 
Südbahnhof. E. F 6. 
Sulzbacherätr. An. [F4. 
Synagogen. A2,D2.3, 
Tannenstr. D?7. [D.«. 
Taubenbrunnenweg. 
Taubenstr., Neue. E 3. 
Taubstummenanstal- 
ten. E2,G32 
Tannusanlage D 4. 
Taunusplatz. D 4. 
Taunusstr. D4. 5. 
Tannusthor. D 4. 
Textorstr. E. F 6. 
Tbesterplatz. E 4, 
Theobaldstr. G 4. 
Thorwaldsenplatz. 
i+ 


BAM 


 Thorwaldsenstr. D.ki. 
Throner Str. G.H ı. 


Thüringer Str. G 3.4 
Thurn- und Taxi 
Palais. R4. 


Tongesyasse. E 4. 
Trierische Gusse. E 4. 
Uhlandstr. F. G 4 
Ulmenstr. D 3. 4. 
Unterkanal. B 7. 
Unterlindau. D 2. 3. 
Untermainanlage. D5>. 
Untermainbrücke,. ES. 
Untermainkai.D.E>.«. 
Unterweg. E 3. 
Usinger Str. G 1. 
WVarrentrappstr. B3. 4. 
Veitstr. E53. 
Vereinsstr. H 1. 
Versorgungsanstalt, 
Israelitische. (i 4 
Versorgungshaus. F 1. 
Versuchsgarten. D =. 
Victoriaallee. C 3. 
Viehhof. F 5. 
Vilbeler Str. F à. 
Villa Grunelius. H 7. 
— Leonhardsbrunn. (2. 
— von Mumm. C.Di 
— Oehler. G 6. 
— Rothschild. D 3. 
— Sommerbofi. Ri. 


Vogelsbergstr. F 2. 
Vogelweidestr. D !. 
Vogtstr. D. E 2. 


Volkshaus A 2. 
Voltastr. B\ 


Volsstr. MH 3. 
Waidmannstr. D 7. 
Waldschmidtstr. 63, 
Wall, Neuer. F 5. 
Wallstr. Fo». 


Wartweg. B 6. 
Wasserturm. B 1. 
Wasserweg. Fo. 
Weberstr. F 1.2. 
Woeckmarkt. E. F 4. 
Weidenbornstr. ti 1. 
WeilburgerStr. A.D«;. 
Weifsadlergasse. HE 4 
Weifsfrauenkirche.K 5. 
Weilsfrauenstr. E53 
Wendelsweg. 

F.G.H e. 7.“ 
Werderstr. A.B 1. 2 
Werftstr. C 6. 
Werrastr. A 3. 
Weserstr. D4.5. [U4. 
Westendpiatz un. -Str. 
Westendstiftung. D4. 
Wetteraustr. G |. 
Wielandstr. F 2. 
Wiesenau ©.D23 
—, Kleine. C 3. [D3. 
Wiesenhüttendenkmal, 
Wiesenhäüttenplatz.D5. 
Wiesenhättenstr. D3.%. 
Wiesenstr. ( 1.2. 
Wildgäfschen. H 6. 7. 


Wildunger Str. B 2. 
Wilhelmsbrücke D& 
Wilhelmstr. D&.7. 
Willemerstir. F 5. 
Windeckstr. tr 4 
Windmüählstr. D 5. 
Wingertstr. G 3. 
Winkelmannstr. FI. 
Wittelsbacher Allee. 
G.H2.:% 

Wöhlerstr. D 3. 
Wolfsgangstr. D.E% 
Wollgraben. F 4. 
Wurmbachstr. B 2. 


Würzburger Sır. G?A 


Yorkstr. C. D 5. * 
Zeil, Die. R4 

—, Neue. Fi 
Zeifselstr. F 2. 
Zeppelinallee, B.CI} 
Ziegelgasse. E +. 


Ziegelhüättenwer.E7.% 
Zietenstr. B I 
Zimmerweg. D 4. 
Zionskirche. F àa. 
Zollexpedition. 15 
Zollhol. E53 
Zonlog. Garten. HA 
Zwerchweg, Untermtr. 
! Zwisehenstr. Fi |F 


Frankfurt am Main 


: ne abtkde Oefe armonijcheBerein, der Gäcilienverein, 
angverein u. a.), im ganzen für Run 
—* i ne aft87, Mufit unb Ola 122, religiöje 
und wo m e Zwece fowie Ye: ng n 
Bildung 119 ort und Volkswirtſcha 13, 
Wahrun a Öffentl icher und geſchäftli ere * 
120, geſellige Zwede und Sport 144. er beſtehen 
10 Freimaurerlogen. 
In der — der Polytechniſchen Geſellſchaft 
F 1822) befanden ſich Ende 1899 auf 86524 Bu⸗ 
ern 58,3 M., in der Erfparungsanitalt 
auf F 14954 Bü ern 7, Mill. M., in der Boden: 
eimer (ſtädtiſchen) Sparlaffe etwa 33 Mill. *. 
inlagen; außerdem beſtehen eine — 
anftalt, die Sparlaſſenagentur der Naſſaui 
andesbant, die Sparfaffen der Frankfurter 
werbelaſſe und der Landw — — 
= Spar: und Hilföverein Bornheim. Im jtäbti: 
ben Leihhaufe (1739) wurden 1899: 119153 
fänder im Werte von 843005 M. belieben. Die 
tabt hatte 1900 eine Allgemeine Orts-, 10 Be: 
triebs⸗ und 5 Innungskrankenlaſſen mit 50.000, 
6000 und 3400 Mitgliedern, 1650000, 260000 und 
70000 M. Einnahmen, 1560000, 250000 und 
69000 M. art yon 1040000, 174000 und 
50000 M. Bermög 
Boplthätigleitsanftalten. Bon den zahl: 
reihen Kranten: und Armenanftalten find zu er: 
wähnen: das ſtädtiſche Kranlenhaus, das Hofpital 
—— Heiligen Geiſt (1278 gegründel, eit 1839 in 
dem jekigen Gebäude) für Gefellen, Dienftboten 
emde, das, Sendenbergjtift Sürgerbofpita 
und ndneranitalt), zwei Entbindungsanitalt 
Dr. Chriſtſches Kinderhofpital, — de 
meindebofpital, Anftalt für Gpile —— —— 
Rochus ofpital- Stiftung, Armentlinit, A 
anftalt, Diakonifjenbaus, —— F Pr 
ſches und J Pi Siechenhaus, ementinens 
Mädchenſpita orgine Sara von Rothſchildſche 
Stiftung, iörael. Batjenhäufer, Stipendienitiftun: 
gen und Erziehungsvereine. Der allgemeine Al- 
mofentajten (1428 gegründet, 1532 reformiert), die 
tonfeffionellen Almo entaften und Stiftungen er: 
gänzen die 1883 nach dem Elberfelder Sftem ums: 
geitaltete öffentliche Armenpflege. 
“ 6 und Handel. Die Induſtrie war 
er in des von einer eigentlichen Ar: 
terbevöllerung vertreten, bat fi aber 
feit 1870 aus Ach entwidelt, fo in der Fabrika⸗ 
tion von Kupferdruckſchwärze ankfurter chwarz, 
.d.), Wachstuch, Gold: ilberbrabt, Tapeten, 
ud: und Schnupftabaf, Drogumn Arzneiwaren, 
Bierbrauerei, Eijen . ei, ————— Her⸗ 
itellung eleltriſcher agen u.f. w. Weit mehr 
wird für Frankfurter Necmung im Denen und Offen: 
dach gearbeitet. Der engl. und franz. W arenbandel 
im großen hatte durch den Zollverein, der Zwiſchen⸗ 
handel durch die erleichterten direlten Verbindungen 
der Landftädte mit den Seeplägen fi fehr vermin: 
dert. . haben ihren Siß die Suddeutſche Eifen- 
und Stahl, die Brauerei- und Mälzereis, die Heflen: 
Naffauifhe Baugemwertö:Berufägenofenihaft und 
deren 1. — die 7. Seltion der Berufsgenoſſen⸗ 
(gef Der chem. Induſtrie, die 6. der Gas- und 
erfe, die 11. Seftion der Müllereis und die 
3. der Deutihen Buchdruder-Berufsgenoſſenſchaft. 
Der Handel erjtredt fih auf Kolonialwaren, 
Eiſen⸗ und Stablwaren, Leder, Häute, elle, Dein, 
Steinloblen, Manufaltur:, Seiden: und Mode 


und 


963 


waren. Die beiven Mefjen (die Oſtermeſſe und die 
Herbitmefje), im 16. Jabrh. von großer Bedeutung 
für die Stadt, haben jehr abgenommen, und ber 
Buchhandel, für den F. im 17. Jahrh. der Haupt: 
jtapelplas war (f. Buchhandel, Geſchichte), hat 
Geh Leipzi ern t feine edeutung verloren. Das 
anf: und Wecjelgeichäft ift hier am bedeutenditen 
in Süpddeutichland und wirb durch einen regen Ver: 
lehr an der Börſe und der Effeftenjocietät (f. d.) 
vorzugsweiſe vermittelt. Bon größern Banken und 
Beriherungsanftalten find zu nennen, außer der 
rn (Um ei 1902: 10296 Mill, 
M.), die Bari tter Ban ‚ die Allgemeine 
— —*—— —* ırter Hypothelen⸗ 
bant (16 M Altienkapital, Reingewinn 1900: 
2371 u 3 ankfurter Hypothelen⸗ſredit⸗ Ver⸗ 
ein (10,5 Mill. M., 1084321 M.), Filialen der Bank 
für Handel und Snduftrie * —J fälziſchen Bank 
und Disconto⸗ em aft ( Deut 8* elten⸗ 
und Wechielbant (SOMiU.M., 1629252 M.), Mittel: 
beutiche Ereditbant (f. 27 Deutihe Vereinäbant 
(24 Mil. M., —— Filiale der Disconto: 
getellicaft, Deutiche Genofjenihaftsbanl, Deutſche 
nionbant ‚Eifenbahn-Renten anf, Frankfurter Ge 
werbetaffe, Landwirtfchaftliche Kreditbant, Volls⸗ 
bank, Providentia Frankfurter ——— de 
shaft, anffurter — — 
und ah reiche private —— 8 langer 
und Söhne, Gebr. Bethmann, SpeyerElliſſen u. a.). 
F war Stammſit des Hauſes Rothſchild (ſ. d.). 
ie bedeutendern europ. und außereurop. Staaten 
un ch Konsulate in N vertreten. 

Verle en iegt an den Linien F. Bebra 
(167 km), 5.:Gie aſſel (200 km), $.:Wiesbaden 
42 km), 5.:Homburg (19 km), 5.:9anau (23 - 

‚Rüdesheim: Ntieberlahnftein (124 km) der Breu 

taatäba ten 75 km), 

Mainz: Bin —— (69 km), F.⸗Aſchaffenburg 
41 km), 5 his» Nannbein 81 km) und F. 
Eberbad (106 km) der Preuß.Heſſ. Staatsbahnen 
und #.:Heidelberg (88 km) der Main-Nedar:-Babn. 
Bon F. nah Eſchersheim (Städtifche Vorortbahn) 
und von Sachſenhauſen nah Neu⸗Iſenburg, Nie: 
derrad und Schwanbeim (Franlfurter Wald» 
bahn) führen Lolalbahnen, von Sachſenhauſen 
nad Oberrad und Offenbach eine —— Straßen⸗ 
bahn. Die Stadt hat einen großartigen Haupt: 
babnbof (j. Bahnhöfe), Djtbabnbof, Bebraer Bahn⸗ 
bei in Sachſenhauſen, Offenbacher Bahnhof (nur 

ür Ortsverlehr). Der Dit tbahnhof ift durch ein 
Gleis mit dem Hauptbahnhof und dem Hafen ver: 
— (Frankfurter Verbindungsbahn). 

Der Eiſenbahngüterverlehr betrug 1899/1900: 
1435 954 t (abgegangen 1043098 t). 

Schiffsverfehr. Durch die vom Staate mit 
einem Koftenaufiwande von 5", Mil, M. ins Wert 
geſetzte Mainfanalifierung (feit 16. Oft. 1886) und 
den von der Stadt angelegten Sicherheitshafen mit 
feinen —— und :Plägen (9,6, Y M. 
Koften) haben Handel und Schiffävertehr eine weſent⸗ 
libe Förderung erfahren. 1900 betrugen. die An: 
fünfte zu Berg 2520 Schiffe mit 546838, zu Thal 
3072 Schiffe mit 133570 t Ladung, die Abgänge 
4552 Schiffe mit 160005 t; außerdem kamen an 
21 745 und gingen durch 298608 t oßholz. 

Die Straßenbahn (1872 als Pferdebahn er: 
öffnet) bat 1901, außer auf der Strede Bodenbeim: 
Rödelheim, elettriichen Betrieb eingeführt; die Bes 
triebslänge iſt 69 km. 


61* 


964 


ämter eriter Klaſſe, 1 Telegraphenamt erfter Klaſſe 
mit Fieigfteile, 1 — prechamt, 1 Bahnpoſt⸗ 
amt, 1 Siadtpoſtanſtalt, 2 
und 3 Poſtagenturen; bie ſprecheinrichtung 
etwa 8000 Feraſprechiellen 1900 gingen ein (wur⸗ 
den aufgegeben) 40685424 (66422448) Briefe, 
Bofttarten, Drudfadhen und Warenproben,2153 765 
(3807 108) Batete obne, — aa v1 $ Bri 
und Palete mit Wertangabe 

nabmefendungen, 51 989 bee Der 
Wert der ausgezablten anmei ner An 
163,s, der m... zu 


ter dritter Kla 


grammverkehrt 1 802 626 
— ———— F. * — * 
alt, geht auf u. röm. Militärftation 
Zeit befiedelt und Bo dem 


Namen durh Kaiſer Karl d. Gr. erhalten haben, 
der bier mit feinem Heere durch eine Furt ging und 
die jenjeit ded Mainz lagernden Sadjen j Ins; 
bielt 794 eine Reihsverfammlung. Lud⸗ 
Ense mme legte 822 die kaiſerl. Pfalz, den 
—— am Main ( F oben) an. Unter den fpätern 
— bob ſich das Anſehen F.s noch m 
— daß es 876 Hauptitabt des Oſtfranliſchen 
genannt wird. Die — der Stadt begann 
1220 mit Beſeitigung des laiſerl. url durch ven 
ri II.; die weitere Grund Reichöfreihei 
wurden mebrere Gunftbriefe fiter Ludwigs des 
Bayern, welcher der Stabt 1330 zu ber bereits be: 
ftebenven feit 1240 durch Friedrich II. — 
Herbſtmeſſe die Oſtermeſſe und auch ſpäter manche 
Rechte und Freiheiten verlieh. Nachdem F. ſchon ſeit 
Friedrich Barbaroſſa (1152) Wahl * geweſen war, 
wurde dies Recht 1856 durch bie ulle be: 
heng bie im ſtadtiſchen hiſtor. Mufeum anbaehelt 
t Marimilian IL (1562) find aud alle Kaiſer 
Ki gelrönt worden. Endlich a ih bie —— 
das laiſerl. Schultheißenamt. Im D ge 
(1635) und Ehen rigen (1759 — 62) ge for 
wie in den franz. Kriegen (1792, 1796, 1799, 1800, 
1806) litt die Stabt bedeutend. Stadt und Gebiet 
wurben 1806 dem Fürft: Primas des Rheinbundes, 
Karl von Dalberg, übergeben. 1810 bildete Napo- 
leon für Dalberg aus we? Hanau, Fulda, Weplar 
und Aigaffenburg va roßberzogtum Sranl: 
Br von 5290 akı mit 302000 €. (f. die Neben: 
e zur Rarte: Ö ee 8 Entwidlung 
Bayerns, beim Bei der Neu: 
—— — ————— — wi 5. eine Freie 
tabt und 1816 Sitz des —— Bunde 
1816 =. 5. eine er = —— et ice 7 
chen berubende neue V fung. 
erfolgte das fog. —* ttentat (f. d.) = 
vs der Anſchluß an den Deutihen Zollverein. In 
te im April 1848 das fog. Borparlament und 
i 1848 bis 31. Mai 1849 die Deutſche Nas 
— wodurch die Stadt für ei e 
geit zum Mittelpuntt des polit. Lebens in Deutf 
and wurde. Mebrere —— namentlich der Hr, 
am» vom 18. bis 20. Sept. 1848, bei dem Gener 
uerswald und Fürft Lichnomfty von dem Pöbel 
ermordet wurden, mußten mit Waffengewalt unter: 
brüdt werben. Seit 1857 hatte die Geſetzgebu 
bedeutende Fortſchritte gemacht, befonders ” 
Einführung der Gewerbefreibeit, Aufhebung al 
Unterjchiede zwiſchen den verſchiedenen Ronfeffios | 
nen und durch weſentliche Berfafjungsänderungen. 
Vom 17. Aug. bis 1. Sept. 1868 verfammelte der | 


in ne Sud a 


8; 18.Dtt. 


u 
⸗ nde 
al Gropenhain 152 Im) und Berlin 


Frankfurt an der Oder 
zer und —*5 F. ————— 9 = 


Raifer von Öfterreich in F. die deutfchen 

—* zur — — ung —* eine Reform der — 
och blieben ihre Beratun⸗ 
hide (St Da —— und Deutſche⸗ 

Heid, Sei ichte.) Da bei —— des Krieges 
1866 A Sen ai eiten der @ egner Preußen: 
and, wurbe fie 16. Juli vom General Bogel von 
denftein mit der ivifion Goeben bejest und 
mit einer Kriegäfteuer von 6 Mill. Seit 
ber Einverleibung in das Königreih P laut 
atent vom 18. Dit. 1866 bildete bie Statt mit 
ihrem ehemaligen 3— — Zulegung des 
— ——A— Teils des Ortsbezirt⸗ 
Niederurſel, den Durc die ſtreisordnung 
vom 7. Juni 1885 iſt die Stadt F. Stabtlreis ge 
worden, während die übrigen, ebemals Frankfurter 
Landgemeinden unter Zuteilung von e mweitern 
10 Gemeinden (vavon acht aus bem Reg.⸗Beʒ. Eaflel) 
den Landkreis Ki (j.oben) bilden. Am 10. Mai 1871 
wurde ber Frankfurter Friede (ſ. d.) abgeichlofien. 
In Sonne: “ah fand bier eine Internationale 

techniſche Ausſtellung ftatt. 

Litteratur. Böhmer, Urklundenbuch der Reich— 
ſtadt F. (Bd. 1, A 1836 ; neu bearb. von Lau. 
1901); Kirchner, Geſchichte der Stadt 5. (2 Bre, 
ebd. 1807— 10) ; Battonn, Der Kaiferdom zu F. (be. 
von €, Kelchner, ebd. 1869); Kriegt, Geſchichte von 
—— 1871); Heyner, Grinnenung an (6. Aufl, 

- & am Main in feinen —— 
Berhaltmiten ebd. 1881); Strider, Neuere Geſchichte 
von F., 1806 —66 (ebd. 1881); Hammeran, Urge 
chichte —— und der Taunusgegend lebd. 1882 

eg idjale des Großberzogtums F. Berl 
; d. und feine Bauten (bg. vom Architelten- 
u enieurverein, Franlf. 1886); ‚Die 
Bevölterung von F. im 14. und 15. Jabrb. (Zub. 
1886) ; Puls, Der wirtichaftliche Wert der Mainlana⸗ 
lifierur und der Güterverkehr von F. am Main (ebt. 
1888); Bleicher, Statift. Beichreibung der Stadt 
am Main und ihrer Bevölterung (2 Tle., Fr 
1892 u. 1895); Reiffenftein, F. am Main i in Bau 
org und Straßenbildern (ebd. 1894 fg.); Wolf 
ng, Die Baudentmäler in F. (ebd. 1895 fa.); 
Bien er und König, Das Klima von F. am Main (ebt. 
189%); Mengel, $ am Main, Ein Städtebilp (ebt. 
1898); Rittwe er, 3. im J. 1848 (ebd. 1898); Darm 
aebter, Das roßherzogtum F. (ebd. 1901); Horne, 
eihichte von F. (4. Aufl., ebd. 1902); Fübrer von 
Woerl (26. FE MWürzb. 1899), Sebaldt (4. Aufl, 
Berl. 1896) und Grieben (28. Aufl., ebd. ir: 





Magiftrats; öberichte ber 
ee 
n 


ei 
— 


lau der Preuß. Staatsbahnen und in die 
Altſtadt, die Gubener und Lebujer Vorſtadt und 
das Berefinden auf dem linfen und bie Dammner 


ſtadt auf dem rechten Ufer der Diver, über die 


H 


neue fteinerne Brüde (18m breit, 261 m lan 
Das Weihbild der Stadt 5788 ha) bat fi 
über die ebemaligen au In 
Längs der Weftjeite ver Altftabt ſich die 


ih 


Frankfurt an der Ober 


Lenee aus dem ehemaligen ia id 
gärtnerifchen Anlagen mit mehrern Den 
er Adern ra ae (1900) 38 
(21066 mãnnl., 30786 ., darunter 56575 
Fa * 4134 Katholiken 
und sſraeliten, 1008) 
—— on li 
eh AM dan * 
m UL 
a year a = * Face 
nadierregim 
reußen (2. Brandenb.) Rr.12, 
—— tn: Sir 
ral⸗ Fe meiſter ran⸗ 
denb. * 18, Stab und 1. Abteilung des Neu 
Feldartillerieregiments Nr. 54 und das Te 
grapbenbataillon Nr. 2 nebit der Beipannungs- 
abteilun des Brandenb. Trainbataillons Nr. 3. 
Denkmäler, Gebäude. Auf vem Wilhelms: 
laß fteht das Dentmal (20. Okt. 1900) Raifer = 
Kun L (von Unger), ſüdlich von ihm das 
fmal (1882); vor der Kommandantur feit 1888 
DaB s Brongeftandbild (5,5 m) des Prinzen Friedrich 
Karl (von Unger), dicht dabei im das von der 
Loge 1779 errichtete Denkmal des Dichters Ewald 
von Kleift, der bier 24. Aug. 1759 an den in der 
Schlacht bei Kunersdorf erhaltenen Wunden ftarb 
in der Dammporftadt das figurenreide Denkmal 
(7 m hoch) des Herzogs Leopold von Braunschweig, 
der 27. a. 1785 in der Oder ertrant. Bon den 
Kirchen (4 wg laltluth., 2tath., 1 der 
en Öcmende) find zu erwähnen: die 
erlirhe, ein Badfteinhallenbau 
(18. Jabrh.) Di ‚teen uam, alten 
Glasgemälden, fiebenarmigem 4m hoch), 
Reliefs ra .) und Kalten * —E 
(1376), die Anfan vr 13. Jahrh. im Übergangsftil 
erbaute reform. Kirche, kürzlich erneuert und mit 
2 neuen Türmen gt die von den Mino: 
riten eines Franzislan ters erbaute Unterkirche 
(1525), die aubfirche (187579), mit Gemälde 
von Anton von Werner, und bie kath. Kirche Zum 
bene kr 5 —* und — Roſenirantoni in (1899). 





F. eine oge, ein ſtattliches Rat: 
(1607—10), Statt er (1842 von Schintel 
Br und einen Schlachthof. 
Behörden. F. ift Sit der königl. Be —* 
u. > - Generallommiffion für die Provinzen 
vn und Pommern, eines Landgerichts 
— J— —* mit 11 —— 
Beeslow, Dro enwalde —— 
Bucho Sm ad, w, Wendiſo⸗ 
Buchholz, Sie enzig), —*2 einerDibers 
n für den Reg . F. km ober: 
Trotfcen Zelegr: — (21 586 km Leitungen, 
einschließlich dia km m Eiabfernprehanlagen —— und 
417 Berteb der Neumärkiſchen 
ſchaftsdireltion, eines es Soll und Hauptfteueramtes, 
eines Bergrevieramtes, einer Reihsbantitelle, einer 
Handelälammer x die Stadt F. und bie zu ders 
felben gebörigen — einer Handwerks⸗ 
tammer für den Reg.⸗Bez. F. ſowie der Komman⸗ 
dos der 5. Diviſion, 9., I fanterie:, 5. 
lerie: und 6. Feldartilleri abe und 
zirlslommandos. 
Unterrichtsweſen. Die 27. April 1506 vom 
ten Joachim I. ala Viadrina geftiftete Uni: 
tät wurde 1811 nach Breslau verlegt. Unter: 
rihtsanftalten find: Das Friedrihsgymnaftum, 


5 


965 


1694 —— 1813 reorganiſiert und a vom 
taate übernommen, mit bedeutender B 
m —**8 Realgumnafium —— * aus 
eum hervorgegangen, 1813 gegrüns 
* * a ealſchule eriter Ordnung anerkannt, 
die Knabenbürgerjhule, Victorias, Eliſabeth⸗ und 
Auguſta⸗ (höhere Mädchen⸗) Schule, leßtere mit 
Lehrerinnenſeminar, eine private — Mädchen: 
—*8 Knaben: und Mädchenmittelſchulen u. a., 
owie eine königl. —— für Hoch⸗ und 
Tiefbau (ſeit 1898). Von Wohlthätigkeits— 
anſtalten beſtehen ein Beeren Krantenhaus 
(1899—1901 neu erbaut), iatonifjen-Mutterhaus, 
Kinderfranlenbaus , zwei Waiſenhäuſer und drei 
— 

Die In duſtrie erftredt fi auf Fabrikation von 
Maſchinen und Keſſeln, Eifenguß, ‚Feilen, re 
Batronen, Mufilinftrumenten, Steingut, Kacel: 
En Zöpferglafuren, Grabdentmälern,, Drgeln, 

Blech: und Holzinftrumenten, Knopf: und Metall: 
waren, Stärlezuder und Zudercouleur, —— pe, 

Sn und Zuderwaren, Moſtrich, Seife, Her 

— Tüten, Leder, Knöpfen, Cigarren, Bier, 

Rate ine Gerefine, Schäften, Yürften orten, 
Möbeln und Handſchuhen. Die fönigl. & enbahn⸗ 
Hauptwerlſtätte beſchäftigt über 1000 Arbeiter. 
Bedeutend find die MWeintellereien. Der früber 
bedeutende Handel, gefördert durch die zu Remis 
nigcere, Margaretha und Martini jtattfindenden 
Meflen, bat durd den —— derſelben und die 
Nähe Berlins Einbuße erlitten. 

5: bat ein Boftamt erjter Klaſſe mit zwei Zweig⸗ 
ſtellen, drei —eã—— ein Telegraphenamt 
erſter Klafi und brei Stadtpoftanita ten, ſowie 
eleltriſche Straßenbahn. 

F. iſt —— von Heint. von Kleiſt und 
Franz von Gaudy jowie von Anton von Werner. 

Geſchichte. Infolge ihrer Lage an dem Puntte, 
wo fi die Oder am meiſten der Spree näbert (der 
[alte] Friedrich» Wilhelms: Kanal mündet nur an 
8 km oberhalb von F. in die Oder), war die jebr alte 
Anfiedelung ſchon ſeit der Urzeit ein wichtiger Oder: 
übergang, der den Verkehr nad Polen vermittelte. 
1253 erbielt die fränt. Niederlafjung durd die Mark⸗ 
grafen Johann I. und Otto ILL. Berlinifches zn 
recht. Durch das Niederlags- oder —— 
alle die Oder befahrenden Schiffe ſowie durch i 
von jeher bedeutenden Meſſen blübte die Stadt bald 
empor. Na Ausfterben der anhaltiniſchen Marl: 
geafen —— ſprach Kaiſer Ludwig der Bayer die 

ark als erledigtes Reichslehn ſeinem Sohne Lud⸗ 
wig dem Altern zu. Papſt Johann XXI. war ein 
er des Kaiſers, und bei den Wirren der Zeit 
uchte der Bifchof Stepban IL. von 2ebus feine Macht 
auch über die Stabt F. auszudebnen. Dieſe bielt 
treu zum Kaiſer; 1826 wurden die von den Biſchof⸗ 
lihen berbeigerufenen Polen zunächſt von den Bür⸗ 
gern, jpäter au vom Kaiſer jelbit ji urüdgewiejen, 

gu Vergeltung überfielen die Bürger von F. 
eek feiner Reſidenz Görik na d.). Da 
— der Biſchof verſohnlicher geſtimmt und hob 
1334 den Bann, unter dem die Stadt lange ge— 
—— auf. Ebenſo treu erwies ſich F. dem bahr. 

Hauſe gegen en den ar — Waldemar, nahm Ludwig 
in ihren Mauern auf und wiberjtand den Truppen 
Waldemars jowie auch einem belagernden Heere 
Kaiſer Karla IV. 1348. In den J. 1431 und 1432 
hatte F. durch zweimalige Belagerung der Huffiten 
zu leiden, aber die durch den Kurfürjten veranlaßte 


966 


Stärkung der Befeitigungen zwang fie abzuzieben. 
Der Herzog Hans von Sagan, durch Mattbias Cor: 
vinus von Ungarn unterjtüßt, befehdete den Kurs 
fürften Albreht Achilles und berannte 1477 die 
Stadt, ſchlug den Kurprinzen Johann bei einem 
Ausfalle zurüd, verbrannte die Üderbrüde und ließ 
350 gefangene Bürger erft gegen großes Löſegeld 
frei. Erft 1478 gelang es dem Kurfürſten, den Her: 
jzog Hans zwiſchen Croſſen und Freyſtadt zu ſchla⸗ 
gen; dieſer wurde ſchließlich auch von ſeinem Gön⸗ 
ner Matthias verlaſſen, lebte dann als Privatmann 
in er — Verhaltniſſen in F. und ftarb 1504 
in Wohlau i. Schl. — Die Univerfität war eine Zeit 
lang Gegnerin der Reformation, und Tezel hat 1518 
bier biöputiert, aber die neue Lehre brach ſich in der 
Stadt ſchnell ee ya 9.Nov.1539 wurde der lebte 
lath. Gottesdienſt in F. gebalten. Am 3. April 1631 
wurde F. von Guſtav Adolf erobert und geplündert. 
Einer Zeit der Kräftigung und Ruhe (ſeit 1686 för⸗ 
derte auch eine beträchtliche franz. Kolonie Gewerbs⸗ 


und —— folgten im ee Kriege 
neue Drangfale, bejonders 1759 durch die Schlacht 
beim nahen Kunersdorf 


(j. d.). Auch die ge eits⸗ 
triege brachten viel Not und Unheil durch unauf⸗ 
börlihe Durchmärſche und Bebrüdungen, unter 
anderm wurde 24. Febr. 1813 von den Franzoſen die 
Dverbrüde verbrannt. 
Bol. Haufen, Geſchichte der Univerfität und Stabt 
.Frankf. a. O. 1806); Sachſe, Geſchichte der Stabt 
. (ebd. 1830); Spieler, Geſchichte der Stadt F. 
ebd. 1853); Philippi, Geſchichte der Stadt F. (ebd. 
1865); Bieder und Bohlandt, F. an der Oder (ebd. 
1886); Bieder und Gurnik, Bilder aus der Ge 
ſchichte der Stadt F. (ebd. 1899); Woerl, Führer 
durch F. und —— Aufl., 2p3.1899); Fried⸗ 
(länder, Matrifel der Univerfität F. (3 Boe., ebd, 
1888— 90) ; Alten und Urkunden der Univerfität %., 
B- von Kaufmann und Baud (Bresl. 1897 fg.); 
ud, Die Anfänge der Univerfität F. (Berl. 1900). 
ranffurter Attentat, Bezeihnung für einen 
Aufitand, den 3. April 1833 eine Anzahl Studenten 
unter Führung poln. Revolutionäre, unterftügt von 
Bauern der Umgegend, in Frankfurt a. M. hervor: 
tiefen, um den Bundestag zu ſprengen. Anlaß zu der 
Unternehmung waren die 28. Juni 1832 gefaßten 
Beichlüffe des Bundestags gegen die Preſſe. Radi- 
tale Mitglieder der Heidelberger Bu —* be⸗ 
reiteten den Putſch vor, unter Mitwiſſenſchaft der 
poln. revolutionären Kreiſe. Die Aufſtändiſchen 
ſtürmten die Haupt» und Konſtablerwache, wurden 
aber bald durd das Militär zurüdgebrängt. Viele 
retteten fi durch die Flucht, andere wurden durch 
die 20. Juni 1833 in Frankfurt eingefehte neue Gen: 
tralunterfuhungsbehörde verhaftet und dann meift 
lebenslänglihem Gefängnis verurteilt; doch er: 
beiten dieſe im Herbft 1838 die Erlaubnis zur Aus 
wanderung nad Amerika. (©. Demagoe.) 
Frankfurter Bank, Banl mitdem Sig in Franl- 
furt a.M., 11. April 1854 auf 25 Jahre als Noten: 
bank lonzeifioniert, feit 6. Mai 1889 mit unbe 
ſchränlter Dauer; Statut zuleßt geändert 17. März 
1891 und 26. März 1901 (Au (gabe des Noten: 
privilegs beſchloſſen). Für ihr Notenprivileg bat 
die Bank dem Staate ein unverzinslihes Darlehn 
von 1 Mill. FL. = 1714286 M. während der 
Dauer desjelben gewährt. Aktienkapital bis 1890: 
10 Mil. füddeutih (= 17142857 M.) in 
20 000 Altien auf Namen — 500 Fl. (= 857 M.); 
1891 Erböbung auf 18 Mill. M.; die neuen Altien 


Frankfurter Attentat — Frankfurter Journal 


(857 Stüd zu 1000 M.) wurden den Aktionären zu 
120 Proz. angeboten. Die Bant ift Hinterlegungs⸗ 
ftelle für Mündelgelver. Dividenden 1866—1901: 
74., 5 6.0 68, 7, 8, her 10, 8, 9%. 
66 62 4°, 69 5er, 66 6* 5,1. 
5, 5, 4°, 5, 5,42 6,07, T, 6,42, 6,5, % 
7,7, 7,7, 8,15, 9, 9,5, 9,5, 8,5 Proz. ; 
ankfurter Friede, der am 10. Mai 1871 zu 
ankfurt a. M. zwischen dem Deutſchen Reiche und 
ankreich — Friede, der den Deutſch 
anzoſiſchen Krieg von 1870 und 1871 beendigte und 
mit unweſentlichen Underungen die ———— 
von Verſailles (ſ. Deutſch-Franzoſiſcher Krieg von 
1870 und 1871, IV.) —— ankreich trat darin 
noch einige deutſchredende Ortſchaften an der lotht. 
Grenze an Beer land ab, wogegen es einen viel 
größern * redenden Diſtrilt in der Um 
gebung von Belfort zurüderbielt. Den in den ab- 
getretenen Gebieten wohnenden franz. Untertbanen, 
welche die a gerri zu bebalten beabfid- 
tigten, wurde bis zum 1. Dit. 1872 volle Freibeit 
—— ihren Wohnſitß nach Frankreich zu ver: 
egen. Andere Beitimmungen des Friedens vertrag⸗ 
betreffen bie Termine der Auszahlung der Kriegs 
koften von 5 Milliarden rs. und der Räumung 
ber beſetzten franz. Departements, die Auslieferung 
der Archive, Dokumente und Regifter der abgetre 
tenen Territorien, die Schiffahrt auf der Mojel, dem 
Marne-Rhein:, dem Rhoͤne⸗Rhein⸗ und Saartanal, 
bie kirchlichen, induftriellen und Handelöverbältnifie 
der abgetretenen Gebiete; ferner die Handelsbezie⸗ 
ngen zwifhen Deutf und Frankreich, die 
chte der vertriebenen Deutſchen, die Rüdtehr der 
Kriegägefangenen, die Verpflegung der in Franl⸗ 
reich bleibenden — — und einige an⸗ 
dere Punkte. Einige Zuſatzartikel regelten die Ber: 
bältnifie der an das Deutiche Reich übergegange 
nen Gijenbahnen. Dem Frankfurter Bertrage tra 
ten 14. Mai die Bevollmächtigten der füddeutjchen 
Staaten zu Berlin bei, worauf die Ratififationen 
in Frankfurt 20. Mai zwiſchen Bismard und Jules 
Favre ausgetauſcht wurden. Eine Zuſatzlonventien 
m — * Friedensvertrage, in der Deutſch 
d nachträglich noch die Gemeinden Raon⸗les⸗ 
Eaux, Raon⸗ſur⸗Plaine und Igney ſowie einen Zeil 
der Gemeinde von Avricourt eg hend: rüd: 
gab, wurde zwifchen Bismard und dem franz. Fi 
minifter Pouyer⸗Quertier 12. Oft. zu Berlin ab- 
geihlofjen und 20. Dit. ratifiziert. — Bol. Balfıey, 
Histoire du trait& de Francfort et de la liberation 
du territoire frangais (2 Tle., Bar. 1874— 75). 
ürftentag, die vom Kaiſer von 
Ofterreih zur Beratung über eine Reform der deut 
ihen Bundesverfaſſung berufene Berjammlung 
deutſcher Fürjten, die vom 17. Aug. bis 1. Sept. 
1863 in rate a. M. * (S. Deutſchland 
und Deutihes Reich, Geſchichte.) 
Fraukfurter Journal, bis 1908 in Frank 
a, M. zweimal täglich erſcheinende national 
iberale Zeitung, mit Handelsblatt und der täglichen 
belletriftiichen Beilage «Didastalia». Das 5.3 
war eine der älteſten deutſchen Zeitungen, unter den 
noch beſtehenden die ältefte. ältefte noch vor- 
bandene Nummer ftammt aus dem J. 1639. Das 
Blatt führte im 17. Jahrh. den Titel: «Die bollän- 
diſchen Brogrefjen», weil jeine Nachrichten bejonders 
aus ni nd. Korreſpondenzen gejhöpft waren. 
Bis 1802 werben die Serlinihen Erben als Ber: 
leger genannt, obwohl bereits 1798 der Frankfurter 


Frankfurter Parlament — Fränkiſcher Jura 


Advolat Dieb, der = die Redaktion führte, im 
Verein mit andern das Verlagsrecht erworben hatte. 
1811—13 wurde die Zeitung durch den Jürft: Pri- 
mas Dalberg unterdrüdt. Danach gelangte fie, feit 
1814 täglich erſcheinend, in den Befis der Buchruder 
Heller und Rohm Kur 1866), unter denen e bis 
1845 eine zweite Blüte erlebte. Nachdem tie feit 
1866 mehrfach den Befiger gewechſelt hatte, gebörte 
fie feit 1900 einer —— mit beſchränkter Haf⸗ 
tung, bis fie 9. März 1903 ihr Erſcheinen einſtellte 
und in den Verlag von J. ©. Holtzwarts et 
S. Minjon überging, der fie mit feinem «Frank⸗ 
furter Dateien latt» (jeit 1722 erjcheinend), einem 
parteilofen Nadrichtenblatte, vereinigte. Der Titel 
«Didaslaliar wurde nun der Unterhaltungsbeilage 
diejes Blattes beigelegt. 
anffurter Barlament, |. Deutihland und 
Deutſches Reich (Geſchichte 7). 
rter Reformation, die amtliche Im: 
arbeitung des Stadtrechts von Frankfurt a. M., die 
ältere von 1509, die jüngere von 1578. Letztere, von 
dem Frankfurter Syndikus Johann Fihard verfaßt, 
unterſcheidet ſichvon andern Stadtrechtsformationen 
jener Zeit dur die ſtarke Bevorzugung des röm. 
chts und dadurd, daß fie die umfaſſendſte Stadt⸗ 
rechtökodififation darftellt. 1611 mit Bermehrungen 
neu publiziert, gilt fie in dieſer Faſſung noch heute 
unverändert im Stadtgebiet. 
Frankfurter Rezch (Rompofitionsihrift 
oder Buch), eine von Melanchthon entworfene, 
18. März 1558 zu Franlfurt a. M. von den brei 
Kurfürften Otto Heinrih von der Pfalz, Augujt 
von Sachſen, Joahim II. von Brandenburg, dem 
Fk rafen Wolfgang von Zweibrüden Denon 
cken von en Sandgraf Philipp 
von Helen unterzeichnete Erklärung. Darin_bes 
kannten fie ſich wiederholt zur Augsburgifchen Kon» 
jelfion und Apologie und ſprachen ſich über die 
nerlirhlihen Streitigleiten im vermittelnden 
Sinne —— aus. Herzog Joh. Friedrich 
von Sachſen ließ durch Flacius d.) dem F. R. 
das «Konfutationsbuch⸗ entgegenſtellen. 
rter Schwarz, Druſenſchwärze, 
ſchwarze Farbe, die durch Verlohlen von Weinhefe, 
MWeintreftern, MWeinreben (daher auh Neben: 
chwarz) in verjhlofjenen eijernen Eplindern und 
eines Bulvern und Schlämmen der dabei verbleiben: 
den kohligen Mafje gewonnen wird. Das %. ©. dient 
als Malerfarbe und Zufag zur Druckerſchwärze. 
Fr rter Syſtem, eine Anorbnung des 
Gymnafialunterrichts, die den fremdſprachlichen Uns 
terriht mit dem Franzöfifchen beginnt, das Latei: 
niſche auf Untertertia, das Griechiſche auf Unter: 
jetunda verfdiebt. (S. auch Altonaer Syſtem, Bd. 17.) 
Fr rter Thaler, eine gleich den übrigen 
deutſchen Thalerftüden auch ns Einführung der 
Martwährung bis 1907 in Kurs befindlich geweſene 
Geldmünge,die auf dem Avers ein von dem Stempel» 
ſchneider Aug. von Nordheim 3— gefertigtes weib⸗ 
liches Poxträtbildnis (angeblich das der Schau: 
ielerin u. Sanaufchel), das perfonifizierte 
ild der Stadt Frankfurt a. M. daritellend, zeigt. 
Frankfurter Union, ein 22. Mai 1744 unter: 
eichnete8 Bündnis deutſcher Reichsfürjten zum 
— der Unterſtütßung des von Oſterreich und 
England ſchwer bebrängten Raifers Karl VAL. (1. d.). 
Die weitgehenden Ailociationspläne Friedrichs 
d. Gr., der alle deutſchen Reichsſtände im Weſten 
und Südweſten zu einem bewaffneten Bunde um 


967 


Karl VI. jcharen wollte, erwieſen fich bei der Unent⸗ 
ſchloſſenheit ver kaijerl. Regierung und bei der Furt 
der 3 vor Oſterreich als undurchführbar; man 
mußte ſich mit einer Vereinigung weniger ae 
begnügen; Preußen, Kurpfalz, Heſſen⸗Ca el ver⸗ 
banden ſich im hjahr 1744 zu Frankfurt mit 
Karl VIL., um die fatjerl. Würde und die Reichs— 
verfafjung aufrecht zu erhalten und den re in 
Deutichland berzuftellen. Die militär. Leiſtungen 
der einzelnen Bundesgenofjen ſowie der. jedem in 
Ausſicht ya: Lohn wurden beftimmt; Karl VIL 
follte Böhmen erhalten, dod den Teil öftlib von 
der Elbe an Preußen abtreten, das dafür zur 
Wiedereroberung Böhmens helfen follte. Im Aug. 
1744 brach Friedrich mit feinem Heere ald mit 
«faiferl. Hilfätruppen» in Böhmen ein und eröffnete 
fo den Zweiten Schleſiſchen Krieg. 
eg Beitung, einflußreiche demofra- 
tifche Zeitung mit Handelsblatt in Frankfurt a. M., 
N} . von der Frankfurter Societätöpruderei Gejell: 
Daft mit befchränfter Haftung, gegründet von Leo⸗ 
pold Sonnemann. Sie hieß 1856—59 «Frankfurter 
Handelszeitung», 1859 — 66 Meue F. 3.», in der 
zweiten Hälftedes$. 1866 während ihres Erſcheinens 
in Stuttgart «Neue deutſche Zeitung», jeit Ende 1866 
3. * on der F. * giebt der gleiche Verlag ein 
ochenblatt, jpeciell für überſeeiſche Leſer, heraus. 
Fraukieren (ital.), frei machen — 
durch Vorausbezahlung des für die Beförderung 
feſtgeſetzten ortos, geſchieht durch Auflleben von 
Freimarlen (j. Poſtwertzeichen) auf die Briefe oder 
die Begleitadrefien au Paleten; Frankierungs— 
zwang, foviel wie Srantoswang (1. d.); Sranlas 
tür Scanfierun „sreimahung. (S. Briefporto.) 
anfifche Fürftentümer hießen die Marl: 
grafihaften Ansbach und Bayreuth, folange fie 
preußiſch waren (1791—1806). tum). 
ränfifche Grafenkurie, ſ. Franlen (Herzog: 
änfiiche Haken (Hoden), mittelalterliches 
Werkzeug zum Abfangen und Breden der feind: 
liben Schwertflingen, aus einer lurzen, jtarfen, 
mit tiefen Einjchnitten verjebenen Klinge be ehend. 
Fränkiſche Kaiſer oder Saliſche Kaiſer, die 
röm. Kaiſer und deutſchen Könige Konrad IL, Hein⸗ 
rich IIL, Heinrich IV, und Heinrich V., die 1024— 
1125 regierten. nebjt Karte, 
ride Mundart, ſ. Deutihe Mundarten 
ränfifcher Jura (Franlenjura), die Forts 
fegung des Schweizer und Schwäbiſchen Juras, 
durchzieht norböjtlich des Härtfeldes (f. d.) in einem 
nah NW, geöffneten Bogen das nördl. Bayern bis 
nad) Lichtenfel3 am Main. (S. Karte: BayernL,) 
Der kürzere ſüdweſtl. Teil lehnt fih an die Donau 
an und erftredt fi von Nörblingen und Donaus 
wörth öftlich biß in die Gegend von Regensburg. 
Diefer Teil führt verſchiedene Namen, unter denen 
der Hahnenkamm zwifhen Wörnig und Alt 
mübl im Hefjelberg (j. d.) 689 m Höhe erreiht. An 
diefen Zug ſchließt Ni nad D. die Eichſtätter 
Alb an, die von der Altmühl in einem romantifchen 
Thale durchbrochen wird und in ber Waulzbur 
bei u. mit 644 m gipfelt. Diejer Tei 
liefert bei Solnbofen die weltberühmten Litbos 
rapbiefteine und eine reihe Ausbeute an Ber: 
feinerungen. (S. Arhäopteryr.) Der größere, nad) 
N. gewandte Teil des Bogens, dacht nad D. zur 
oberpfälz. Hochebene langjam ab, fo daß bier der 
Charalter des Gebirges fait vollftändig verwiſcht 
wird; dagegen fällt er zum Thal der Redniß und 


968 


er in einer Steilmand ab. Der — —— 
das Dreied zwiſchen Bayreuth, Bamberg und 
ẽriangen beißt wegen feiner anmutigen Thäler 
und feiner von alten Bur n efrönten, grotesten 
ee die Fränki chweiz. Eine be 


ondere Eigentümlichteit N bie — öblen mit | jchen, 


prachtvollen Tropffteingebilven im Altmüblthal, 
an der Lautrach und zwiſchen Bild und Begnip, 
a gehen Fr die Höhle — —— 
(j. d.) und die Gailenreuther Höhle (ſ. d.). —* 
Ibn Gipfel find der Buchberg (588 m) füd 
von Neumarkt, der Morigberg (598 m), der Geis: 
berg (583 m) und der Staffelberg bei Staffelitein 
- m). Charalteriſtiſch ſind bejonders im mitt: 
Zeile die vielen trodnen, wafjerarmen Thäler. 
Die wenigen Gewäſſer ftrömen nit aus dem Ge: 
birge, jondern durch dasſelbe. Haupterwerbszweig 
ift die Landwirtſchaft. Induſtrie ift zwar vorhan- 
den, aber nur in Solnhofen zu größern Anlagen 
vereinigt. — Vgl. Neuer illuftrierter Führer durch 
die Franliſche Schweiz (Nürnb. 1901). 
äufifcher Kreis, ſ. ea — 
e Saale, ſ. 
ränkiſche —— ſ. Fränkiſcher Jura, 
Jura und Muggendorf. 
2. ſches Recht, dad Recht des german. 
Vollsſtammes der —* deſſen hauptſachlichſte 
Denkmale die Lex Salica (f. Saliſches Geſetz), die 
Lex Ribuariorum und Lex Francorum C 
vorum 6. Ribuarifches Gefeh) und die Kopitularien 
und Geſetze der Könige find. Das für die 
deutjche —— rs von gro er Bebeutung 
eworben. Das deutſche Königtum ift fränt. U 
prung3, die —— der Reichsregieru un Me 
Gauverfafiung, des Gerichtsweſens, des Hee uns 
find fränf. Einrichtungen, ebenso wie das Lehnsrecht. 
— — der übrigen deutſchen Stämme find auf 
diefen Gebieten nahezu verbrängt, auf den Gebieten 
des Strafrechts, des Prozeh- und "Privatrechts vom 
FR. vielfa beeinflußt worden. Aud in Frank⸗ 
In Qhglan, Gier in ben norbfrang. Coutumes, und 
land, bier durch die normann. „ Groberung, bat 
das F. R. einen — Einfluß geübt. 
Fräukiſches Reich, das De Chlodwig (f. d.) 
486—511 gegründete Reich, das bie Franken und 
Alamannen mit der feltoroman. Bevd Bunt Gal⸗ 
liens ſowie mit den in ihrer Mitte (an Rhoͤne und 
®aronne) bereits ſiedelnden Burgunden, Wejtgoten 
und fleinern —— en verſchmelzte und durch 
Annahme des lath. Chriſtentums Hauptitüge der 
röm. Kirche im Abendlande wurde (ſ. Hiſtoriſche 
Bartın von Europal, beim Artikel Europa). 
die Thüringer und Bayern (f. Bayern, Ge 
ii te) wurden ibm unterworfen. * teilten 
die Nachlommen Chlodwigs das Reich unter ſich, 
aber das F. R. ward trokdem ala eine Einheit be 
tradtet und aud 558 durch Ehlothar I. (f. d.) und 
wiederum 613 durd Chlothar IL. (f.d.) unter einem 
Herriher vereinigt. Auftrafien (ſ. d.) mit Mes, 
Neuftrien (ſ. d.) mit Soifjons, Paris und Orleans, 
Burgund mit Bejangon und Lyon bildeten die Haupt: 
teile des Reichs, deſſen Schwerpuntt bis auf Karl 
d. Gr. inden roman. Teilen lag. Nach Dagobert J. 
{peit 638) ging bie Herrihaft über Bayern und 
lamannen ver oren, denn die Kraft des Reiche 
verbrauchte fih in den Kämpfen jeiner Großen 
gegeneinander. (S. Merominger.) Erft nachdem 
die Karolinger in diefem Ringen die Oberhand und 
mit dem Amt der Hausmeier die thatſächliche Re 


lich titel 


Fränkiſcher Kreis — Frankiſten 


ngögemwalt gewonnen hatten, begann eine neue 
Daten datum. des F. R. Alamannen und Bayern 
wurden mwieber ui dazu Sachſen und Frie 
fen, und enblid gar bie gehe 754— 774. 
Hierdurch jomwie durch Belehrung der ojtrhein. Deut: 
die Reinigung der fränk. fire und envlid 
burd, > Schusberrichaft über den röm. eridei er: 
ch das F. R. zu dem mädtigften S Ort des 
anne. dem Kaifertum Karla d. Gr. (ſ. Hiſt o⸗ 
Eine Rarten von Deutfhland J,1, Ar 
Deutihland und Deutiches Reich) —— 
erfüllt mit den Grundfägen des fränt. tö und 
* ormen fränf. Einrichtungen. Das heutige 
Frankreich nebſt —— Italien und den an⸗ 
renzenden Ländern haben ibr öffentliches Leben 
in diejen —— durchlebt und dann weiter in 
ben Formen des Lehnsſtaates, die durch einen (be 
reitö im 6. und 7. Sa. beginnenden) Zerſetzungs⸗ 
prozeß der fränk. Be riafjung entitanden. Schon 
unter Karl d. Gr. hatte ſich unzmweideutig gezeigt, daß 
We dies ungeheure Reich nicht jo zufjammenbalten 
e. Die Opfer, die feine Berwaltung bei der nict 
zu vermeidenden Raturalwirtichaft forderten, vrüd 
ten eine Mafje der Freien in wirtſchaftliche und balı 
aud in rechtliche Abhängigkeit und zerftörten fo den 
Untertbanenverband wie die Beamtenverfaffung des 
FR. AU dieſes fteigerte ſich in den Bürgertriegen 
unter Ludwig (f.d.) dem Frommen und jeinen Söb: 
nen, und mit dem Vertrag zu Verbun (f. Deutic- 
land und Deutfches Reich, dichte 2) 
er das F. R. fein Ende. E traten * Deutice 
ih (O fräntif ed Reid) und Frantreid 
(Benfrantijces eich) an feine ——— 
denen dann Deutſchland durch Unterwerfu 
liens und Erneuerung des Raijertums die Rolle ie 
. R. nod einmal aufnahm und jabrhundertelang 
ortführte, aber doch von einer andern geogr. Grund⸗ 
age aus. (©. * und Deutſches Neid, 
fowie Frankreich, Geſchichte.) 
Bal. Gerard, Histoire des Frances d’Austrasie 
in — — 1865); Richter, Annalen der deut: 
te im Mitte alter, Abteil. 1 (Hall 
1er); is, Deutſche — orte (Br. 
2—4, 2. bez. 3. Au ‚Kiel 1882 — Sobm, 
Die altdveutihe Reichs- und —— — 
Bd. 1 (Weim. 1871); derſ., Fränk. Recht und röm 
Recht (ebd. 1880); Raufmanı, — Geſchichn 
bis auf Karl den Großen (2B * 1880—81); 
aus den «Jahrbüchern der Beute ejchichte»: die 
Jahrbücher des F. R., bg. von Breyſig (714—741: 
ebd. 1869), * (741—752; ebd. 1863), Ölaneı 
(Köni Bippin; ebd. 1871), Abel:Simjon (Karld. = 
2. Aufl.,ebd d. 1883—88) und Simjon nt d. 
ebd. — erner Dümmler, —— 
fränl. Reichs (2. Aufl., 3 Bde., ebd. — 
—* Deutſche G dichie, Bd. 2 (Gotha 1881— 88); 
Fave, L’empire des Francs depuis sa fondatior 
jusqu’& son demembrement (Bar, 1889); Dabn, Die 
Könige der Germanen, Bd. 7 u. 8 — 184— 
1900); Muhlbacher, Deutice Geſchichte unter der 
Karolingern (Stuttg. 1896); Gutſche und Schuise, 
Deutſche Geſchichte von der Urzeit bis zu den Karo 
lingern, Bd. 2 (ebd. 1896); Stein, Urgefchichte der 
Franken un = ie Gründung bes 3. R. durch Chlod 


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Frankl — Franklin (Benjamin) 


Fraukl, Ludw. Aug., Nitter von Hocmart, 
Dichter, geb. 3. ger 1810 F Chraſt in Böhmen, 
ftudierte jeit 1828 in Wien Medizin; vor allem zo 
ihn aber das Stubium der Geſchichte an. Na 
feiner Promotion entjagte er der ärztlichen Lauf⸗ 
bahn, nahm 1838 zu Wien eine Stelle ald Ge 
neralfelretär und Arhivdireltor der Israelitenge⸗ 
meinde an, erhielt 1851 die Profeſſur der Aſthetil 
am Konjervatorium der Gefellichaft ver Muſikfreunde 
des diterr. Kaiſerſtaates und wurde fpäter auch zum 
Scdulrat der Stadt Wien ernannt. 1842 begann er 
die —— eines erſten Kunſtblattes in Oſter⸗ 
reich, der «Sonntagäblätter», die 1848 zur Zeit der 
Belagerung Wiens unterbrüdtwurben. Bei Verfün: 
digung der Preßfreiheit (14. März 1848) erfhien von 
ihm das erite —7 — Gedicht «Die Univerſitäts, 
das in einer halben Million Abdrücken allgemeinſte 
Verbreitung fand und 17mal komponiert wurde. 
$ machte jich verdient um die Errichtung eines 
inder-Blindeninftitutö auf der Hohen Warte bei 
Wien, und 1873 wurde von ihm der erite Euro: 
päifche Kongreß der Leiter und Lehrer von Blinden⸗ 
inftituten ins Leben gerufen, als deſſen Bräfident 
er fungierte; 1876 erhob ihn der Kaiſer in den erb⸗ 
lichen Ritterftand. Er jtarb 12. März 1894 in Wien. 
Schon das «Haböburglied» (Wien 1832), eine 
Reihe chronologiſch geordneter Balladen, verriet 
jein weſentlich epiſches und jchilderndes Talent. Den 
«Epifchelyriihen Dichtungen» (Mien 1833) lie er die 
«Sagen aus dem Morgenlande» (Lpz. 1834), die 
epiſche Dichtung «Ehrijtoforo Colombo» (3. Aufl., 
Stuttg. 1836), « Gedichte» (7. Aufl., Lpz. 1840), die 
Biblifd-romantifche Dichtung «Rachel» (Wien 1842), 
«Don Yuan d’Auftria» (3. Aufl., Lpz. 1846), «Ein 
Magyarenkönig» (ebv. 1850 u. d.) u. a. folgen. In 
den — Dichtungen aHippokrates und die moderne 
Medizin» (Mien 1858; TI.3 u.d.T. «Hippofrates 
und die Cholera», ebd. 1853 —54) geißelte er 
den mediz. Charlatanismus. In dem «Helden: und 
Liederbuch» Cbrag 1861; 2. Aufl. 1863) fammelte 
3. jeine Heinern Gedichte aus fpäterer Zeit, während 
die «Ahnenbilder⸗ (2. Aufl., Lpz. 1864) und «Liba- 
non» (4. Aufl., Wien 1867) die poet. Früchte feiner 
Reife in den Orient enthalten. Zur Säfularfeier der 
Wiener Univerfität veröffentlichte er die Satire 
«Nach fünfhundert Jahren in Wien» (Lyz. 1865). 
Spätere Gedichte find: «Tragifche Könige. Epen» 
(Wien 1876) und «Epifches und Lyrifches» (Stuttg. 
1890); ald Sammlungen erjhienen: « Gefammelte 
poet. Werten d? Boe., ebd. 1880) und «Lyriſche 
Gedichte» (5. Aufl., ebd. 1881). Dur Ausgaben 
und biogr. Arbeiten zu Anaftafius Grün, Grill: 
parzer, Hebbel, Raimund, Lengu u. a. förderte er die 
öfterr. Pitteraturgeihichte. F.s Briefmechjel mit 
Anaftafius Grün (1845—76) gab B. von Frantl ber: 
aus («Aus dem 19. Jahrhundert», Bd. 1, Berl. 1897). 
Franfland, ward, engl. Ehemiler, geb. 
18, Jan. 1825 in Churchtown bei Zancafter, jtudierte 
in London, Marburg und Gießen und wurde 1851 
Brofejjor der —*— in Mancheſter, dann an der 
Royal School of Mines und Royal Institution in 
London (1864); jpäter lebte er auf feinem Gute 
Ihe Yews bei Reigate in Surrey, hauptſächlich 
mit chem. und balfteriolog. Unterfubhungen des 
Trinkwaſſers beihäftigt. $ ftarb auf einer Reife 
in Norwegen 9. Aug. 1899. Zahlreiche epoche⸗ 
madende Abhandlungen von ihm enthalten Lie 
bigs «Annalen». Es find dies namentlich jeine 
Entdechungen über die Metallverbindungen ver 





969 


| Altobolrabifale, die ihn zur Iſolierung der ep: 


tern führten; dadurch ſowie durch feinen hervor: 
tragenden Anteil an der Entmwidlung der Lehre 
von der Wertigfeit der Elemente wurde er einer 
der Mitbegründer der neuern Chemie. Auch fonft 
ift er auf dem Gebiete der Syntheje organiſcher 
erbindungen in hervorragender Weiſe thätig ge: 
weſen. Er ichrieb: «Lecture notes for chemical 
students» (2ond. 1866; 2. Aufl., 2 Bde., 1870 
— 72), «Experimental researches in pure, applied 
and physical chemistry» (ebd. 1877), «Water 
analysis for sanitary purposes» (ebd. 1880; 2. Aufl. 
1890),«Inorganic chemistry» (mit Japp, ebd. 1884). 
Franklin (pr. fränklin), häufiger Ortsname in 
den Bereinigten Staaten von Amerila; darunter: 
Hauptftadt des County Benango in Pennfplvanien, 
in einer an Petroleum und natürlibem Gas reihen 
Gegend, an der Mündung des French-Creek (Be 
nango) in den Alleghany, bat a 7317 E.; Bes 
troleumgemwinnung und Schmierölfabritation. 
Franklin (pr. fränklin), nördlichſter Diftrikt des 
Dominion of Canada (ſ. d., Bd. 3, und Franklin, 


Bd. 17). 

Franklin (ſpr. fränklin), Benjamin, nordamerik. 
Staatdmann und Schriftiteller, geb. 17. Jan. 1706 
zu Bofton, mußte von früber Jugend feinem Vater, 
einem Seifenfieder, im Geſchäft an die Hand geben. 

wölf Jahre alt, erlernte er bei feinem Halbbruder 

ames F. die Buchdruckerkunſt. Schon früh ver: 
juchte er ſich als Schriftiteller, und ald um 1720 
fein Bruder eine Zeitung berausgab, fchrieb er für 
diefe unterhaltende Aufjäge. Mißbelligkeiten, in 
die er mit feinem Bruder geriet, bewogen ibn, 
Boſton zu verlaffen und nach Philadelphia zu geben. 
Er begab fih 1724 nad London, wo er bis 1726 
blieb. Nach jeiner Rüdtehr errichtete er in Phila- 
delphia eine eigene Druderei und trat zugleich mit 
groben Erfolg als polit. Schriftiteller auf. Sein 

eſchäft, das er dur einen Bapierhandelermeiterte, 
— glucklichen Fortgang, und durch die geſchickte 

itung einer Zeitung und eines Almanachs, die 
er herausgab, wurde er in immer weitern Kreiſen 
bekannt. In dieſer Zeit fing er auch an, ſich mit 
dem Studium der Phyſil, namentlich der Elektrici⸗— 
tät zu beſchäftigen, das ihn in der Folgezeit zu der 
Erfindung des Bligableiterd und des eleltriſchen 
Drachens mus und ihm die Ernennung zum Dit: 
glied der Royal Society in London und zum Dot: 
tor der Univerfitäten Orford und Edinburgh eintrug. 
Gleichzeitig war er fortwährend in uneigennüßiger 
Weiſe für das Gemeinwohl thätig. Er gründete 
eine Bibliothek in Philadelpbia, entwarf den Plan 
der philof. Gefellihaft in Amerita, wurde 1736 
Selretär des Kolonialparlaments von Pennſylva— 
nien, 1737 Poſtmeiſter von Philadelphia, 1753 
Generalpojtmeifter aller brit. Kolonien in Amerita. 
1757—62 führte er in England als Vertreter des 
Volls deſſen Sache erfolgreih gegen bie Eigen: 
tümerregierungen, die Steuerfreibeit für ſich in 
Anſpruch nahmen, 

Als infolge des Erlafjes der Stempelatte (f. d.) 
in den Kolonien Unruhen —— waren und 
das Haus der Gemeinen in London alle Agenten 
der Provinzen vor feine Schranken lud, um bie 
Beichwerden zu unterſuchen, erichien 1766 aud 

. für Bernfoßoanien und ſprach mit Freimütig: 

t für die Sache der Kolonien. Der Erfolg war 
die Zurüdnabme der Stempelatte. Won dem 
aufrihtigen Wunſch bejeelt, den Bruch mit dem 


970 
Mutterlande zu verbindern, wirkte er doch in un: 
erihrodenfter Weife für das Intereſſe der Kolonien 


und machte ſich dadurch bei der Regierung ſehr miß⸗ 
liebig. Seines Poſtens enthoben und ın En 
verbaftet zu werden, kehrte er 1775 nah Phila— 


delphia zurüd, wo zu jener Zeit ber tg. onti⸗ 
nentalkongreß (f. d.) verſammelt war. wurde 
ſofort zum 


itglied desſelben we und war 
einer der Mitunterzeichner der Unabhängigkeits: 
erllärung vom 4. Juli 1776. Noch in demjelben 
Jahre ging er ald Gejandter der Vereinigten Staas 
ten nach — und feiner Wirkſamleit iſt haupt⸗ 
ſachlich das Zuſtandelommen des Vertrags vom 
6. Febr. 1778 mit Frankreich zuzuſchreiben, das die 
Unabhängigleit der Kolonien anertannte und ihnen 
ke in dem Kampf mit England zuficerte. 
. blieb bis zum Sept. 1785 Gejandter in Frank—⸗ 
reih und unterzeichnete 20. Jan. 1782 mit ben 
I. Rommifjaren zu Paris die Bräliminarien des 
nt von Berfailles, der feinem Vaterlande die 
nabbängigfeit zuficherte. belleidete noch in 
einem Alter von 78 J. die Stelle eines Präfiventen 
des Rats von Bennfylvanien, war eins der hervor: 
ragenditen Mitglieder des Verfaſſungslonvents von 
1787 und ftarb 17. April 1790 in Philadelphia. 
‚Mit rubiger Klarheit durchſchaute er die Verhält- 
niſſe des Lebens im großen wie im Heinen, und fein 
edles Herz umfaßte das Wohl der ganzen Menfchbeit. 
Unübertrefflid war er in der Kunſt, die Lehren der 
Moral zu entwideln und fie in populären Darftel: 
lungen auf die Pflichten der Freundſchaft und der 
Humanität anzuwenden. In diefer Beziehung find 
bervorzubeben feine « Sprichwörter des alten Hein- 
ri, oder die Weisbeit des armen Richard» (Philad, 
—* die das Muſter einer Volksſchrift find. 
D’Alembert bewilltommnete den Erfinder des Blitz⸗ 
ableiter8 und den Befreier feines VBaterlandes bei 
feiner Aufnahme in die Srangdffhe Alademie mit 
dem Herameter: «Eripuit coelo fulmen sceptrum- 
que tyrannis» («Er entriß dem Himmel den Blitz, 
den Tyrannen das Scepter»). Auf Mirabeaus An: 
trag legte bei feinem Tode die Nationalverfamm: 
lung in Frankreich Trauer auf drei Tage an. In 
Neuyork, Philadelphia, Wafbington und Bofton 
find ihm Stanbbilver errichtet worden. 

Sein einziger (unebelicher) Sohn, William $., 
eb. 1729 in Philadelphia, geft. 1813 in England, 
ielt zum Schmerze des Vaters an England feſt 

und blieb ald Gouverneur von Neujerſey in deſſen 
Dieniten. 
Ausgaben der Werke F.s baben William 
Temple F., einer feiner Entel (3 Bde., Lond. 
1806 u. 1811), Sparks (10 Bde., Boſt. 1840; neue 
Aufl. 1858) und John Bigelom (10 Boe., 1887 
—89) bejorgt. — Unter ven — a er 
find außer — Autobiographie (The Life of F., 
written by himself, ba. von Bigelow, 3 Bde. 
Philad. 1874; 3. Aufl. 1891; deutich Stuttg. 1875; 
auc in Reclams «llniverfalbibliothek») zu nennen: 
die von W. Temple F. (2 Boe., Lond. 1818—19), 
Sparts (Boſt. 1856); J. Barton, Life and times of 
F. (2 Bde., ebd. 1887); Mac Mafter, F. as a man 
of letters (Lond. 1888); J. T. Morfe, Benjamin F. 
Boſt. 1889); Robins, Benjamin F. (Neuyort 1898); 
iiber, The true Benjamin F. (Pbilad. 1899). 
anflin (jpr. fräntlin), Sir John, engl. Nord: 
polfabrer, geb. 16. April 1786 zu Spiläby in Lin: 
—— trat 1800 als Midſhipman in den Marine⸗ 
dienſt, wohnte 1801 der Beſchießung von Kopen— 


Franklin (Sir John) 


bagen bei, begleitete 1803 Kapitän Flinders (f. d.) 
nad der Südſee, litt aber an der Küſte Auftraliend 
Schiffbruch. 1805 war er Signalladett des Bellero 
pbon bei Trafalgar und geriet 1815 beim verun⸗ 
glüdten Angriff auf Neuorleans in Gefangenicaft. 
1818 madte er unter Kapitän Bucan eine Polar: 
fahrt ——— F. erhielt 1819 den Auf: 
trag, in Begleitung Riharbfons und Bads (f. d.) 
eine Landreiſe von der Hubfonbai aus der 
Mündung des Kupferminenflufles zu machen, wäb- 
rend Barry diefe Gegenden zu Schiff befuchen follte. 
Auf diefer Reife verfolgte er vom 18. Juli bis 
22. Aug. 1821 die Küfte des Eismeers von der Mun⸗ 
bung des Rupferminenfluffes bis zum Kap Turna⸗ 
gain auf der Halbinjel Kent und kehrte, nachdem er 
nur durch den Beiftand einiger Indianer von Tode 
errettet worden, 1822 nad England zurüd. Zum 
Marinelapitän befördert und von der Royal Soci 
zum Mitglied erwählt, trat er im Febr. 1825 mit 
benfelben Gefährten eine zweite Entdedungsreiie 
den Madenzieitrom binunter nad dem Polarmeere 
an, auf der Nihardion und Kundall mit Booten 
die Nordlüfte nah D. bis zum Kupferminenfluiie 
befubren, während F. mit Bad nah W. ebenfalls 
mit zwei Booten abging, aber 18. Aug. 1826 nur 
bis * Returnriff (70° 26nördl. Br. und 148° 5? 
weſtl. 2. von Greenwich) gelangte, ohne mit dem 
ibm von der Beringftraße ber entgegengefandten 
eechey (f. d.) zufammenzutreffen, da deſſen Boot 
nur bis zur Barromjpige (71° 23’ 2. von 
Greenwid) vordringen konnte. Georg IV. ernannte 
F bierauf zum Ritter. Bon 1832 bis 1834 befeb- 
igte er ein Linienſchiff im — Meere 
und war dann bis 1843 Gouverneur von Tasmanien. 
Anfang 1845 traf er wieder in England ein, wo 
man fi eben mit ben Vorbereitungen zu einer 
neuen Erpedition befhäftigte, um eine norbmeitl 
Durdfahrt zu finden. F. übernabm die Leitung 
der beiden Schiffe Erebus und Terror, in ber 
ihm die Kapitäne Crozier und Fikjames zur Seite 
ftanden. Die Erpedition fegelte 19. Mai 1845 ab 
und wurde 26. Juli in der Melvillebai unter 77° 
nörbl. Br. und 66° 18’ weſtl. 2. von Greenwich 
zum legtenmal gefehen. Seit diefer Zeit feblten 
alle Nahrichten über die Seefahrer. Bon 1848 an 
wurden von der engl. Regierung, von der Gattin 
5.8 und von dem amerit. Kaufmann Grinnell 
wiederholt Erpeditionen ausgerüftet, um teil® von 
der ——— teils von der Beringſtraße aus die 
chollenen aufzuſuchen, ohne daß man zum 
Ziel gelangte. F. war durch den Lancaſterſund ge 
gangen, dann norbwärt3 durh den Wellington 
anal um die Jnjel Cornwall gefegelt, hatte das 
Prinz: Wales: Land umtreift, worauf feine Schiffe 
vor der Nordfpige von King: Williams: Land (70° 
nördl. Br.) im Eife feftgebalten waren. Die Aus 
fagen der Eslimo gaben 1854 die erjte Anpew 
tung von dem traurigen Schidfal der ebition, 
dur deren von MacClintod (f. d.) 1859 zu Tage 
geförderte füberbleibjel und fchriftlihe Nachrichten 
man endlich die Gewißbeit erlangte, daß F. nad 
Überjtebung eines zweiten Winters 11. i 1847 
geftorben war. Seine Gefährten verließen unter 
den Rapitänen Erozier und Fißjames, 105 Mann, 
22. April 1848 die Schiffe. Bis dabin waren tros 
breimaliger Überwinterung erſt 9 Offiziere und 15 
Mann geitorben. Bei ihrem Verſuche, ans Feſtland 
und zu den Stationen der Hudfonbaicompagnie 
zu kommen, find fie jämtlih dur Hunger und 


Franklin (Dtto von) — Frankozettel 


Kälte umgelommen. In London wurde F. ein 
ag ng ie ge Noble) errichtet. — Val. Bran⸗ 
ir John F., die Unternehmungen für feine 
Rettung und die nordweſtl. Durchfahrt (Berl. 1854); 
Beeöly, Sir John F. (Xond. 1881); Stewes, Sir 
John F., the secret of the discovery of his fate 
(ebd. 1889); Martham, Life of Sir John F. (ebv. 
1891); Trail, Life of Sir John F. (ebd. 1896). Die 
frübern Entdedungsreifen F.s ſchildern «Narrative 
of a journey to the shores of the Polar Sea, in the 
years 1819— 22» (2 Bde., Lond. 1824; deutſch, 
2 Bde., Weim. 1823—24) und «Narrative of a 
second expedition to the shores of the Polar Sea, 
1825— 27» (Zond. 1828; deutih Weim. 1829). 
Frauklin, Dtto von, Rechtsgelehrter, geb. 
27. Jan. 1830 zu Berlin, ftubierte hier und in 
Breslau Geſchichte und Rechtswiſſenſchaft, babili- 
tierte fih 1860 zu Breslau und wurde 1863 ord. 
Profefior des deutichen Rechts in Greifswald, 1873 
in Zübingen, wo er 5. Juni 1905 ftarb. Er ſchrieb: 
« Die deutihe Politik Friedrichs L, Kurfürften von 
Brandenburg» (Berl. 1851, Preisſchrift), «Beiträge 
zur Geſchichte der Rezeption des röm. Rechts » 
(Hannov. 1863), « Das Reichshofgericht im Mittel: 
alter» (2 Bde., Weim. 1867—69), «Sententiae 
curiae regiae, Rechtsſpruche des Reichshofs im 
Mittelalter» (Hannov, 1870), «Das Lönigl. Kam: 
mergeriht vor dem Jahre 1495» (Berl. 1871), 
«Das Deutihe Reich nah Severinus von Monzam: 
bano» (Greifäw. 1872), «Gejhichte und Syſtem 
des deutſchen Privatredhtö» (2. Aufl., Tüb. 1882), 
«Die freien Herren und Grafen von Zimmern» 
(Freib. i. Br. 1884). 
ranklininftitut, ſ. Philadelphia. 
raukliniſation, ſ. Eleltrotherapie. 
ranklinit, ein Mineral aus der Klaſſe ber 
waſſerfreien Metallorgde, ein Glied der Spinell: 
gruppe, Irpitallifiert —— im Oktaeder oder in 
der Kombination desſelben mit dem Rhombendode—⸗ 
faeder, wobei die Individuen oft an den Kanten und 
Eden abgerundet jind; auch derb in förnigen Aggre— 
gaten. Die Härte iſt 6—6,5, das fpec. Gewicht 5— 
5,1, bie Farbe eiſenſchwarz (dünne Splitter feinen 
indeſſen jhön blutrot durch), der Strid braun. In 
chem. Hinficht ift der F. eine Verbindung von 
1 Molekül Monoryd mit 1 Molelül Sesquioxyd, 
RO+R,O,, oder das Sal; RR,O,, mobei R vor: 
waltend Zink nebjt etwas Gifen und Mangan, R, 
Eijen nebjt etwas Mangan beveutet. Der Gehalt 
an u beträgt etwa 21, der an Eifenoryd etwa 
60 Proz. Erwärmte Salzjäure löft ihn. Der F. findet 
ſich zu Franklin und Stirling in Neujerſey zufammen 
mit Rotzinterz und Kallſpat. 
zanflinotheräpie, j. Cleltrotberapie. 
anflinfche Batterie, ſ. Klaichenbatterie, 
anfliniche Brille, i. Brille. 
anflinfche Tafel, ſ. Leivener Flaſche und 
Flaſchenbatterie. 
rauklin⸗Verein, ungar. Franklin-Tärsulat 
er: täbrihulat), ungar, Kitterariſche Anſtalt und 
uhdruderei in Budapeſt, gegründet 1873 als 
Altiengeſellſchaft durch übernahme des ungar. 
Verlags und der Buchdruckerei von G. Heckenaſt 
dafelbit, ber mit feinem deutſchen Bücher: und Mur 
filalienverlagnad Preßburg überfiedelte. Direktoren 
find Julius Benlö und Leopold Hirſch. Der Ber: 
lag umfaßt alle Zweige der Litteratur in ungarifcher, 
einiges auc in deuticher Sprache, beſonders mwifjen: 
Khantliche Werte, ungar. Klaffifer, Kompenbdien für 


971 


ochſchulen, Lehrbücher für Mittel-und Vollsſchulen, 
Börterbücher u. a. Die Buchdruderei mit Schrift: 
— bat etwa 400 Arbeiter, Das Altienlapital 
eträgt 720000 FI. in Altien zu 150 Fl., die Divi- 
[dende 9—10 Bros. 
— (Francolinus), hũuhner⸗ 
artige Vögel der Mittelmeergegenden Afrikas und 
Aſiens, Perſiens und Indiens, von welchen man 
etwa 40 Arten kennt und die ſich durch kräftigen, 
etwas haligen Schnabel, lange Läufe mit kurzen 
Beben und ftarten Sporen, langen Schwanz und 
dichtes, oft buntes Gefieder auszeichnen. Sie bil- 
ben ein Mittelglied zwiſchen Faſanen und Feld— 
bübnern, leben paarmweife oder in Heinen Trupps 
in buſchigen Gegenden, laufen und fliegen gut, 
näbren fib von Früchten, Sämereien, Heinen Tie— 
ren, haben einen unangenehm freifhenden, lauten 
Lodruf und werden ihres trefflichen Fleiſches wegen 
viel gejagt, in Neben und Sclingen gefangen. 
Der gemeine Franlolin oder Halsbandfrans 
tolin jr rancolinus s. Pternistes vulgaris Steph., 
! Tafel: Hühnervögel I, Fig. 3) findet ſich häu— 
9 in Syrien, Perfien und Indien, früber au 
auf Sicilien und in Sübfpanien, ift einjchließlich 
deö 10 cm langen Schwanzes 34 cm lang, hat 
ſchwarzgrauen Oberkopf, ſchwarzes Kinn und Keble 
ein zimmetbraunes Halsband, weiße Berlfleden au 
dem fhmwarzen Rüden, fuhsbraune Bauchfedern 
und gebänderte Flügel und iſt ein geſchätztes Wild: 
bret. Er wird vielfach in der Gefangenſchaft gebal- 
ten und auch mit Erfolg gezüchtet. 
anfomänie, Schwärmerei für franz. Wejen. 
anfomarfe, N Bojtwertzeichen. 
anfozettel. In Fällen, wo der Abjender in 
Boftfraghtitüde nah dem Auslande, aljo für Pakete 
über 3 und 5 kg Gewicht, dad Porto bis zum Ber 
——— zu tragen wunſcht, die Au abe: 
poftan indes nicht in der Lage ift, das Porto 
zu berechnen, find den Sendungen F. beizufügen. 
Der Abjender hat in ſolchem Falle das inländiſche 
und das fremde Porto, fomweit zur Berechnung des 
gemben ortos die Poſtanſtalt die erforderlichen 
arbeftimmungen befikt, bei ber be ra zu ent: 
richten, fo daß der F. ſtets nur zur Rüdrehnu 
desjenigen Betrag3 an fremdem Porto dient, wel: 
her von der Aufgabepoftanftalt wegen mangeln: 
der Tarife nicht berechnet werden fonnte. Die Ein- 
Meung eines F. ift von dem Poftbeamten auf der 
egleitadrefie, im Verkehr mit Jtalien auch auf der 
Sendung ſelbſt zu vermerfen. j 
Am Verkehr mit Belgien, Dänemarl, Frankreich, 
Großbritannien, Jtalien, den Niederlanden, Öfter: 
reich⸗ Ungarn und ber Schweiz jowie im Vertehr 
aus Schang: hai (deutſche Poftagentur) ift auch die 
Einziebung von Zollbeträgen mittels F. zuge: 
lafjen. Dasjelbe gilt für den durch Deutſchland 
vermittelten Verkehr zwiſchen Deutſchland und den 
vorgenannten Ländern. Wunſcht der Abjender eines 
Poſtfrachtſtuds oder eines Käftchens mit Wertan⸗ 
gabe nah einem diefer Länder, daß feine Sen: 
dung dem Empfänger frei von Zollgebühren und 
den — Koſten für Verzollung ausgeliefert 
werde, jo muß dies auf der Paketadreſſe, auf der 
Sendung felbft und in der Regel auf dem der Sen: 
dung beizufügenden F. burd den Vermerk: «& re- 
mettre franc de droits» (gebührenfrei zuuftellen) 
im Bertebr mit Großbritannien (über Sifingen) 
und den Niederlanden «zur fpeciellen Revijion an 
der Grenze. Frei von Fin u. ſ. w. Roften» aus⸗ 


anko, ſ. Franco. 


972 


gas fein. Auch muß der Abſender fich bei der 
ufgabe ſchriftlich verpflichten, die Zollgebühren 
u. f. w. nah Rüdfunft des F. zu berichtigen. 
ankozwang, bezeichnet poitaliih die Bor: 
Me, daß gewiſſe Poſtſendungen bei der Einlie: 
erung frantiert werben müflen. Das Borto muß 
alfo bei diefen Sendungen vom Abfender, nicht vom 
Empfänger getragen werden. Für das Deutſche 
Rei und Öfterreih:Ungarn einſchließlich Bosnien- 
Herzegowina beftebt F. Par Drudjahen, Warenpro: 
ben, Beihäftpapiere, Rüdiheinfendungen, Poſt⸗ 
anmeifungen und Boftaufträge. j 
erlehr mit den Ländern des Weltpoftvereind 
.d.) unterliegen dem 5. Drudfachen, Warenproben, 
eibäftspapiere, Einjchreibbriefe, Rüdicheinjen: 
dungen, Poſtpalete, Boftanweifungen und Poſtauf⸗ 
träge. Briefe und Kaſichen mit Wertangabe müjjen 
innerhalb des MWeltpojtvereind ebenfalls franfiert 
werden, find aber im Inlande ſowie nad Oſterreich⸗ 
Ungarn unfranliert zuläſſig. Der F. beiteht außer 
dem für alle Sendungen nad einigen nicht zum 
Meltpoftverein gebörenden Ländern Aal anijtan, 
Arabien, Belutihijtan, Ladad und Marofto). In 
Sfterreih: Ungarn müſſen Einjchreib: und Eilbriefe 
ohne Ausnahme, ſowie Gelpbriefe und Pakete an 
Behörden, welche für die von ihnen ausgehenden 
Poſtſendungen Vortofreibeit genießen, vom Ab: 
fender ftetö frantiert werden. Bei Eilbriefen bat 
der Abjender aud das Eilbeſtellgeld (30 Kr.) bei 
der Einlieferung der —— zu entrichten. 

Fraukreich (lat. Franco-Gallia; fi; LaFrance; 
engl. France; ital. Francia), Republit und Groß: 
macht Europas, das am weiteften nah MW. zwiſchen 
dem Mittelländiihen Meer und dem Atlantiſchen 
Dean vorgefhobene Glied des kontinentalen Kerns 
von Europa. (Hierzu die Karten: Frankre ich und 
Nordöftlibes Frankreich; f. auch die Karte 
Mittel: und Südfrantreid, beim Artikel 
Frankreich, Bd. 17.) 

Rage und Grenzen. F. liegt zwiſchen 42° 20’ (Rap 
Eerböre in den öſtl. Borenäen) und 51° 5’ (Dün: 
firchen) nordl. Br. und wiſchen 4° 52 weftl. (Pointe 
de St. Mathieu) und 7° 39’ öftl. 2. von Greenwich 
Es Delle, wo F., Deutihland und die Schweiz zu: 
ammenjtoßen) oder zwijhen 7° 7’ 56” mejtl. und 
5° 11’ 15” öftl. 2. von —— wird begrenzt im 
N. von dem Kanal (La Manche) und der Straße 
von Calais (Pas⸗de⸗Calais), im NO. von Belgien 
und Luremburg, im D. vom Deutſchen Reich, ver 
rg: und Italien, im ©. von dem Mittelländi: 

hen Meer und Spanien und im W. von dem At: 
antiſchen Dcean und bat einfhliehlih der Inſel 
Eorfica (8799 qkm) nad) den offiziellen Kataſter⸗ 
aufnahmen 528876, nad planimetrifher Bere: 
nung des Kriegsminiſteriums 536408 (neuerdings 
aber genauer 536479) und nad Strelbititij 533479 
km. Bon leptern entfallen auf das Feſtland ein: 
—ã des Anteils am Genfer See 523 932, 
auf die Infeln 9547 qkm. Seine Landgrenze mißt 
2170 km, biervon fommen auf Belgien (im NO.) 
460, auf Quremburg 14, auf Deutihland (Elfaß: 
Lothringen) 320, auf die Schweiz 396, auf Stalien 
410, — * und Andorra 570 km. Die Länge 
ber Waſſergrenzen beträgt 3120 km, von benen 
1120 auf die Kanalküfte, 1385 auf die Atlantifche 
und 615 km auf die Mittelmeertüfte tommen. 

‚ Die _geometr. Grundgeftalt des Landes ift die 
eines Sechseds, mit etwas eingefnidter Weſt⸗ und 
Dftfeite, deflen aroße nordſüudl. Adfe, von Dün: 


Frankozwang — Frankreich (Lage und Grenzen. Kiüften) 


firhen nad) Ckeret am Fuße der Pyrenäen (965 km), 
fih mit der Heinern oftweitlichen (La Rochelles@ent, 
542 km) bei St. Amand füpli von Bourges, ziem- 
lich genau in der Mitte des Landes, und in derielben 
Gegend auch mit den beiden Diagonalen Breit: 
Antibes (1098 km) und Bayonne:Cirey (868 km) 
ſchneidet. Die Gliederung —— ß nur Cotentin 
und Bretagne ſind größere Halbinſeln, auch die vor⸗ 
gelagerten Inſeln ſind nicht zahlreich. So bildet J. 
ein ſelbſtändiges, feſt a eg Staatägebiet, 
welches, nur die 700 km lange Norboftgrenze aus 
von fihern und leicht zu verteidigenven 
aturgrenzen (Ardennen, Vogeſen a und Alpen 
im NO. und D. und Borenden im ER.) umfchlofien 
wird. Dennod ift %. von dem Rumpfe Europas 
nicht abgefchlofien, fondern fteht mit demjelben un 
vor allem der deutſchen Mitte des Erbteils in regem 
Verkehr. Überhaupt ift das franz. Volk gerade von 
einen german. Nachbarn (Engländern und Deut 
hen) am loderiten getrennt, während Hochgebitgs 
mauern, deren wichtigfte Übergänge allerdings in 
den Händen der Franzoſen find, esvon feinen roman. 
Stammesgenoſſen in Jtalien und Spanien jcheiden. 
ar Mittellage zwifchen der roman. und german. 
Welt bat bewirkt, dab F. nicht nur ſelbſt beide Ele 
mente in fih aufgenommen und miteinander ver: 
miſcht bat, fondern auch feinen german. Nachbarn 
roman. Beftandteile mitteilen fonnte. Durd feine 
Süpküfte hat F. teil an der Herrihaft über das 
Mittelmeer (Marſeille ift von Algier nur 771 km 
entfernt), mäbrend ihm feine Wejtküfte den freien 
Verkehr über den Ocean eröffnet. Troß diefer gün- 
ftigen Stellung bat 5. unter allen atlantifhen Staa 
ten am menigften an großen überjeeifchen Ent: 
dedungen teilgenommen. Seine Interejien konzen: 
trierten fich immer mehr auf das Innere des Landes 
und feine Blide waren allezeit nad Oſten gerichtet. 
Günftig wirkt aber die Nähe des Meerd auch für das 
Binnenland. Die meerferniten Landſchaften, Bur 
und und die Franche⸗Comte, find nur 450—500 km 
11—12 Eifenbabnitunden) von der Küjfte entfernt. 
Küften. Die 1120, in gerader Linie aber nur 
605 km lange Norbmeittüfte bildet biß jenjeit Ca- 
laiß eine Fortſetung der flachen belg. Hüfte und 
gehört zum niedrigen und bünenbejegten Strande 
der Nordfee. Bon _den drei Häfen Dunkirchen, 
Gravelingen und Galai®, deren Eingang burd 
Dämme gefhüßt ift, ift der leßtgenannte wegen der 
Überfahrt nah England der wichtigſte. Aus der 
Nordſee führt ver Pas-de⸗Calais zwiſchen der engl. 
und franz. Hüfte in den «fanal» oder «La Manche⸗. 
Zwiſchen dem Kap Gris-Nez und der Pointe de 
St. Mathieu, dem am meiteften in den Allantiſchen 
Dcean hinausragenden Puntte, erfäbrt 5. feine be 
deutendſte Küftengliederung, indem fich die el 
Eotentin jenfeit der Sente von Carentan vom Feit: 
lande ablöft und mit dem Cap de la Hague nad R. 
vorftredt. Bon Calais bis Boulogne tritt der fteile 
Abbrud der flandr. Grenzböben fo nahe an vie Küite, 
ne die Kaps Blanc⸗Nez und Gris-Nez 134 und5lm 
aufragen und man von dem ein wenig lanbeinmärts 
gelegenen 163m hoben Mont-Eouple die engl. Küfte 
deutlich feben fann. Zwiſchen Boulogne und 
entfernen fib die Hö engine der Picardie von der 
Küfte und es breiten ſich Tiefebenen aus, welche vor 
den Flutwellen durch hohe Dünen geldnnt find. 
Bon Ault bis zur Seinemündung, beim Cap de la 
Heve, brechen die Kreidefhichten des Pays de Caut 
{harf an der Küfte ab. Diefelben bilden bier unter 


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Frankreich (Bodengeftaltung) 


dem Namen Falaifes (f. d.) Steilmauern und ver: 
leihen den Häfen von Dieppe, St. Balerg:en:Eaur, 

&camp und Etretat einen malerifhen Hintergrund. 

wiſchen Le Havre und Honfleur Öffnet fich Die Seine⸗ 
mündung zu der Baie de la Seine, Obgleich von 
der Dives: bis zur Viremündung nicht hoch, fo ift 
doch diefe Küftenftrede eine der gefährlichften wegen 
der 15 km langen und 3—4 km breiten, größten: 
teild unterfeeiihen Klippenreihe der Hocers de 
Calvados. Auch die Halbinfel Eotentin hebt fi 
nur wenig aus ber verfandeten Bucht von Garentan 
empor; aber je weiter nordwärts, deſto höher ſteigt 
die Hüfte an und bildet re der 
fleur und dem de ue den vortrefflichen 
—— von ourg. lich davon gi t 
der bretagniihe Bufen, auch Golf von St. Da 
enannt, gliedernd in die Hüfte ein. Die Kaps de 
a Hague und de Zalbert find Edpfeiler des Golfs, 
die Bai von St. Michel und die von St. Brieuc 
feine tiefften Einbuchtungen; vorgelagert find die 
England gehörigen Normanniſchen Inſeln, während 
die Heinen granitifhen Chauſey⸗Inſeln ha gehören. 
An den Steilküften des Hafens von St. Malo fteigt 
die Flut 16—17 m hoch. Die fjordartig gegliederte 
Nordküfte der Bretagne ift zwar mehrfah von 
{hmalen Ebenen begleitet, aber infolge zahlloſer 
Felsklippen der Schinahrt gefährlich. Die Baflage 
du —F ſprengt den klippenreichen Archipel von 
Queſſant vom Feſtland ab und fübrt an die 1385 km, 
in gerader Linie 605 km lange Weſtkuſte; zwifchen 
den VBorgebirgen von St. Mathieu und Ye Raz führt 
bie breite Paſſage de U’Iroife zu den ſchühenden 
Buchten von Breft und Douarnenez. jenfeit 
ber Bai von Audierne nimmt die Küfte am offenen 
Dean einen andern 8— an. Den vielgliede⸗ 
rigen Golf von Morbihan faſſen die Halbinſeln von 
Quiberon und Ruis ein, und an kryſtalliniſch feſtem 
Kl ——*— und Inſein wie Ile de Groir und 
Belle: Jle, bricht fi die ſchäumende Woge. Aber 
es find nur niedrige Vorftufen des zurüdtretenden 
Berglandes, welche bald mit tief gelegenen ey 
ebenen wechſeln. Während der vorberrichend teile 
Zeil der Küfte zwiſchen Seine: und Bilainemündung 
von feinem bedeutenden Fluffe durchbrochen wird, 
ift die Weftküfte in ihrem mittlern Teile gerade durch 
anjehnlihe Flußmündungen (wie die der Vilaine, 
Loire, Sevre-Niortaiſe, Eharente und Gironde) 
ausgezeichnet, zwiſchen melden ſich ein fandiger 
Strand mit Moräften, Salzbeden und Entwätle 
run — —— Die Buchten von Bourg⸗ 
nel, reton und Antioche ſchneiden in das Land 
ein und loſen die Yan de Roirmoutier, de Re und 
v’Dieron ab. Die Häfen von La Rochelle und Roche: 
fort find für Handel und Krieg von hoher Bedeu: 
tung, und in der Gironde reicht der Einfluß des 
Meers bis Bordeaux. Sudlich der Girondemüns 
dung läuft die platte Küftenlinie der «Landes» in 
faft meridianer Richtung bis zur Adourmundung, 
begleitet von einer breiten Zone hoher Dünen, 
melde das Baſſin d’Arcahon eindringt, und die 
von zahlreichen — — (ſ. Etang) unter: 
broden wird. Der Anteil F.s an dem Golf von 
Gascogne umfaßt die Küfte zwiſchen Adour und 
Bidaſſoa, wo nächſt Bayonne befonders Biarrik 
Berühmtheit erlangt bat. 

Die 615 (in gerader Linie 390) km lange Süp- 
oder Mittelmeerküfte erfährt die Gliederung durch 
den Golf du Lion, der das Tiefland von Languedoc 
vom provencal. Berglande und den Seealpen trennt. 


inte de Bar: a 


973 


Das Dftende der Pyrenäen taucht in den Montagnes« 
8 in das Meer und bie fteilen Granitwände 
geben den Häfen Banyuls-fur:Mer, Port:Bendres 
und Gollioure große Tiefen. Zwifchen dem —— 
ber Pyrenäen und den Montagnes des Corbieres 
breitet fi, die Alluvialebene von Rouffillon aus. 
Ihre niedrigen Küften find durch haffartige Wafler: 
beden bezeichnet, die wie die Etangs de Leucate, de 
Sijean u. f. m. nur dur ſchmale nr Nebs 
rungen vom Meere getrennt werben. Bon bier an 
ſchweift die Küfte nah ND., und es münden ohne 
Haffbildung Aude, Orb und Herault, Oſtwärts ver- 
ſſen baſaltiſche Durchbrüche den Borfprung des 
Kaps Agde, und alsbald tritt wieder im nordöſtl. 
Streichen die Haffbildung im Etang de Thau und im 
Etang de Mauguio auf. Bei erſterm liegen das oſtl. 
Ende des Canal du Midi und der mich e Hafen 
von Gette, bei legterm die b ten Weinhügelvon 
Frontignan. Zwiſchen den Golfen von Yiguess 
mortes und von 508 hat die Rhöne ihr Delta vor: 
eſchoben und umſchließt mit ihren Hauptarmen die 
Si de la Camargue. D. des Deltas trennt die 
aum: und waſſerloſe Fläche der Erau (f. d.) die 
unfrudtbare Gamargue $; d.) vom Etang de Berre, 
dem öftlihiten Haff der Süpfüfte, das bereits von 
den Wein: und —— der Provence um⸗ 
geben iſt. Von Kap Couronne ab ſpringt das pro⸗ 
vencal. Bergland mit felſigen Halbinſeln und Vor⸗ 
gebirgen vor, ſo daß im Schutze vor den ra Nord⸗ 
winden bie ſchonſten Buchten und Häfen entſtehen, 
wie die von Marfeille, La Ciotat, St. Nazaire, 
Zoulon, Giens, Hyeres, Bormes, St. zopel ius, 
Cannes Antibes, Nizza und Monaco, Dem jüd- 
lichten Borf runge, der Halbinfel von Giens, liegen 
die felfigen les d'Hyeres vor. 

Dee ngetaltung. . befist im allgemeinen eine 
nad . gerichtete Abdachung; eine Linie von 
Bayonne nad Seban ſcheidet den höhern gebirgi« 
ger Süpdoften von dem niebrigern, ziemlich ebenen 

rdweſten und zwar fo, daß diefem Gebirgsland⸗ 
ſchaften ebenjomenig fehlen wie jenem langgezo: 

ene Tiefebenen. Der an Saöne und Rhöne Ah 
Binzichenbe Tieflandsſtreifen trennt die Weitalpen 
und den Jura, die zum Zeil den Nachbarländern 
Italien und Schweiz angehören, von einer glieder 
reihen Gebirgägruppe, die man bald als «ran: 
— — Mittelgebirge», bald als « Franzoſiſches 

tralplateau» oder «Gentralmaffin» bezeichnet 
und bie durd die Thäler des Allier und der Loire 
in drei parallele Streifen gefhieden wird. Im W. 
brt das derſelben vorgelagerte Bergland von 
moufin zur Ziefebene, im NO. ftellen einige 
Höhenzüge die Verbindung mit den Vogeſen und 
dem niederrbein. Schiefergebirge ber, von denen 
abermals die öftl. Teile nicht u F. gebören. ige 
man von den füpl. und öftl. agebirgen ab, fo 
Knie zu fünf Gebiete: das Gentralplateau, das 


arifer Beden, den Weiten, das ſudl. und das dftl. 

iefland. Bon den rund 530000 qkm Flächen⸗ 
inhalt kommen 245 000, d. i. 46 Proz., auf Gebirge, 
das andere auf Tiefland. Die geolog. Grenzen 
treffen im allgemeinen mit ben orographifden zus 
fammen: Die .. im D. (mit Ausnahme 
des Juras) und im ©., das Gentralplateau und das 
Bretonifhe Maffiv beiteben zum großen Teil aus 
UÜrgefteinen, Granit, Gneis und kryſtalliniſchen 
Sciefern, alles übrige aus jüngern; bedeutende 
Berwerfungen erlitten die Pyrenäen und die Weſt⸗ 
alpen, an vultanifchen Ausbruchen ift das Eentrals 


974 


plateau überreih. Hier umlagern jüngere juraffifche 
Schichten den — Kern fat auf allen Seiten 
und fallen von dem höhern Gentraldom nad außen 
hin ab. Die nörbl. Region beiteht aus tertiären 
und jüngern Schichten; fie ruben auf öbern und 
Altern Gebirgsſyſtemen und fallen nad innen zu 
einem gemeinfhaftlihen Centrum, dem tertiären 
Beden von Paris, ein. 

Das Franzöſiſche Gentralplateau bevedt einen 
über 80000 qkm großen ovalen Flädhenraum, deſſen 
Längsachſe zwiſchen Caſtelnaudary und Avallon 
etwa 500 km mißt. Ringsum fällt es er fteil, 
weftli allmählich, zu —— oder Einſenkungen 
ab. Vulkaniſche Ausbrüche, von denen außer den 
Lavamaſſen viele heiße Quellen noch beute zeugen, 
eine großartige Erofion und zahlreihe Einftürze 
baben gewaltig an der großen Scholle gearbeitet und 
fie in viele Glieder zerlegt. Ihre Mittelhöhe ſchwanlt 
jwifchen 980 und 1300 m. Die Thäler find 300— 
500 m tief eingefchnitten. Einzelne Gipfel erheben 
ſich bis zu 1600 m. Im O. fteigt zwiſchen Privas, 
St. Etienne und Toumon das Granit» und Gneis— 
plateau von Vivarais mit feinen Waldungen und 
erloſchenen Vulkanen fteil aus dem Rhönetbalempor. 
Der einfache — wird an den Loire⸗ 
quellen durch die Auffchwellung der trachytiſchen und 

onolithiſchen Mafien des 1754 m hoben Mont: 

tzene und anderer Berge verändert. Während bier 
neben den fruchtbaren Thälern Kegel an Regel zu 
einer ber — * Berggruppen ganz F.s gedrängt 
iſt, jeßen die baſaltiſchen Monts du Coiron eine Berg: 
reibe zufammen, welche, füdöjtlich ftreichend, das hohe 
öftl. vom niedern weſil. Vivarais (im Ardechethale) 
ſcheidet. Im obern — und weſtwärts gegen 
den Allier hin ſind die Monts du Velay von Baſalt 
bededt, dagegen noch weiter weſtlich zwiſchen Allier 
und Truyere haben die Montagnes de la — 
ihren granitiſchen Kern von Bade aſſen 
rein erhalten. Weſtlich breitet ſich zwiſchen Truyere 
und Lot bereits die ſüdlichſte Stufe des Hochlandes 
der Auvergne aus, gegen das Thal von Eſpalion 
begrenzt durch die Randſchwelle der Montagnes 
d'Aubrac. Im SD. von Mende werden die kryſtal⸗ 
liniſchen Hochflächen von den Granitbergen de la 
Lozere mit dem Pic de Finiels (1702 m) überragt, 
wo Lot und Tarn, Allier, Ardeche und Gard ihre 
Quellen haben. Gegen SO. fenten ſich die Berge de 
fa Lozere in der Gegend von Alais zu dem frucht: 
baren Tieflande von Languedoc, im W. und SW. 
fest der Jurakalk eine Reibe bel durdhriffener und 
trodner Plateau zuſammen, welche insgefamt als 
«Les Caufles» (f. Eaufjes) bezeichnet werden. Die 
Gebirge am Südoftrand des Plateaus werben unter 
dem Namen Gevennen (f. d.) zufammengefaßt. 

Weſtwarts des Allierthals breitet fih das Hoc: 
fand der Auvergne (f. d.) au. Seine Mittelböhe 
ſchwankt von 1000 zu 650 m, aber die bafaltifchen 
und trachytiſchen Durhbrüde bauen fi in pittor 
resten Formen auf. Die Berge Pl in drei Grup: 

en angeordnet, die der nörblihen, etwa 30 km 

ngen, ſcharen fih um den Buy:de-Döme (1465 m), 
die der 45 km langen mittlern haben den Mont: 
Dore oder Puy⸗de⸗Sancy (1886 m), den höchſten 
Bunt Mittelfrantreihs, im Centrum, und als die 
füdlihe ift der gewaltige Gantal (f. d.) anzufeben 
deflen bafaltifher Gipfel Le Plomb du Gant 
1858 m erreicht. Die Berge der Auvergne find teils 
unverfebrte Kraterberge, teils glodenförmige Buys. 
Auch Maare fehlen nicht (Lac Pavin). Die Über 


Frankreich (Bodengeftaltung) 


gänge zu den anliegenden Tieflandichaften werben 
auf drei Seiten durch Terraffengelände vermittelt, 
und zwar im N. zum Orldanats durch die Terrafien 
von Bourbonnais und Berry, im W. und SW. zu 
Angoumois und Guyenne durd die Terraſſe von 
Limoufin und füdlich zum öftl. Guyenne, und den 
Thälern des Lot und Tarn durch die Terrafie von 
Rodez. Dftwärts finkt das Hocdland zum Thal- 
beden des obern Allier ab, das als «Zimagne» eine 
der fruchtbarften Landihaften bildet. Von dem 
Loirebeden von Montbrifon ift fie durch die bemwal- 
deten und granitijchen Montagnes du Forez ge 
trennt (Bierre:fur: Haute 1640 m), die jenfeit des 
zer ontoncel (1292 m) zu den porphyriſchen 
Gipfeln de la Madeleine übergeben, bevor noch die 
—— Tertiärſchichten von Loire und Allier zu der 
anftwelligen Thallandſchaft der Besbre ſich ver: 
einigen. Der Zufammentritt von Loire und Allier 
ift erſchwert durch die vorlagernden Kallplatten von 
Nivernais, welche den Übergang zwifchen den Ter- 
rafjen von Bourbonnaid und Morvan vermitteln. 
Zen Nhöne und Loire finkt das Plateau vor. 
ivarais zu dem Kohlenbaſſin von St. Etienne ab. 
Nordwärts diefer Senle erhebt ſich die breite oſtl 
Randſchwelle zu den Gebirgstetten von Lyonnais 
und Eharolais. Ihre mittlere Höbe erreicht 650, 
der höchſte Gipfel jübmweftlich von Tarare 1004 m. 
Wie die Senke von Etienne zwiſchen Rhöne und 
Loire eine natürliche Sudgrenze, fo ift für die Ketten 
von Charolais die Sente des Canal du Eentre eine 
natürlihe Norbgrenze. Diefe ſcharf eingefurchte 
Senke eignete fih zu einer ea erw zwi: 
ſchen ſud- und norbfranz. Mittelgebirgsiviteme, 
wenn nicht das —— auftauchende Berg⸗ 
land von Morvan (Mittelhohe 500, Bois du Roi 
902 m) noch vorherrſchend dem Granit und Borpbor 
angebörte. An jeinem Mejtbange entſpringt die 
DVonne. Das Innere birgt Eijen und Steintoblen: 
die Thäler find, wenngleich fleißig angebaut, wenig 
ergiebig. An das Eharolaiägebirge ſchließt ſich —J 
feit des Canal du Centre die Coͤte-d Or an, welche 
zwiſchen Dijon und Chagny mit ſteilen Beinter: 
raſſen aus dem burgund. Tieflande zur mittlern Höbe 
von 430m, im Bois⸗Janſon zu 636m Höbe uff eigt. 
Jenſeit der Eöte-d’Dr beginnt das Pariſer 
(f.d.). Hier lagern die tertiären Gebilde gleich ein: 
ebogenen Schalen übereinander, die Außenenden 
rechen oft ſcharf ab und bilden konzentriſche, mit 
der Steilfeite von Paris abgewendete Wälle. Tiefe 
Riſſe durchkreuzen das Baſſin und gewähren zumeift 
den Waflerläufen Abfluß zum Seinethal. Die Natur 
beftimmte Baris zu einem Mittelpunft und die ge 
—5 twidlung hat dem entſprochen. 

. deö Beckens erheben ſich die Granit: und 
Graumadenplateaus des norbweftlichen 5.4. Diefe 
werben durch das Tiefland von Anjou und Nantes 
und die bretagnifche Sente der Bilaine und Rance 
in drei Hauptgruppen zerlegt. Die füdl. Gruppe 
umfaßt Hoch⸗Poitou und die Vendee und fteigt bei 
Eivray aus der Sente von Nieder: Boitou empor. 
Sie ſtreicht 200 m hoch in norbweftl. Richtung zwi 
ſchen St. Mairent und Eliffon und erreicht in den 
gerundeten Hügeln und Platten des Vendeer Bo- 
cage, den Hauteurs de la Gatine (Mont: Maldus), 
285 m. Die Bodenfenle zu Seiten der Nance und 
Bilaine, zwiſchen der Bucht von St. Malo und ver 
Loiremündung, ſcheidet die beiden nordl. Gruppen. 
Die weitl. Gruppe bildet das Bergland der Bro 
tagne (f. d.) imengern Sinne. Es beitebt aus Gneis 


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Frankreich (Bodengeftaltung) 


und Glimmerfciefer, worüber paläozoiſche Forma⸗ 
tionen jo lagern, dab fie, je jünger, um jo Hleinere 
Flächen beveden; im archäiſchen und RKoblenzeit: 
alter erfolgten Re bedeutende eruptive Ausbrüde. 
Die u. öftlih vom Tieflande von Rennes wird 
von der Weftnormandie mit der normann. Bocage 
gebildet. Diefelbe ift dem bretagniihen Berglande 
ähnlich, nördlich von Alencon im Walde von Ecouves 
ve (417 m), aber nicht fo wild; von der Halbinfel 
tentin trennt fie die tiefe Senke von Garentan. 
Am N. des Pariſer Bedens bilden die Hügel von 
Artois jenjeit der Somme einen leichten Übergang 
u den flandr. Grenzhöhen, die 3 Arras und 
— über 160 m, ſelbſt 207 m hoch, gegen das 
Tiefland des belg. Flanderns ziemlih auffallend 
abftechen. Hftlih von Arras fintt der Boden auf 
44 km unter 160 —130 m — und gewährt zu 
beiden Seiten der obern Schelde und des Kanals 
von St. Quentin eine Verbindung zwiſchen dem 
belg. Tieflande des Hennegau, dem Tieflande von 
Vermandois und dem Dfethale Das Tiefland 
von Laonnais und das anlagernde Hügelland von 
Thierache zwiſchen Serre und oberer Dife trennt 
das Horeler eden im NO. von der nieberrbein. 
Thonſchiefer⸗ und Grauwackenlandſchaft, von deren 
meitl. Teile, ven Ardennen (f. d.), nur 1570 qkm 
der Sübdmeftabjentung in der Umgebung, von 
Avesnes und die Ufergegend der Maas zwiſchen 
Mezieres und Givet zu F. gehören. , 
Im O. wird das Pariſer Beden dur das Tief- 
land der Champagne von dem oberrhein. Granit: 
und Sandfteingebirge geſchieden. E3 gehört aber 
nur ber Teil zu F., defjen Übergang zum norbfrang. 
Eentrum durd die Plateaus von Lothringen ver: 
mittelt wird. Wenn man ben zerftüdelten öftl. Steil⸗ 
rand des Pariſer Bedens als erjte Berteibigungs- 
mauer für Paris betrachtet, jo kann man auf dem 
Mege zum nördl, Elſaß noch fünf folder ſtrategiſch 
bedeutungsvoller Naturmauern verfolgen. Die tie: 
fen Kreideflähen der Champagne erheben fe in 
dftl. und füddftl. Richtung gang allmählih und 
brechen mit überhöhung von 65 bis 100 m ziemlich 
ſcharf ab. Diefer Abbruch bildet die zweite Vertei: 
digungämauer für Paris, am ſchwächſten aus: 
geprägt zwifhen Vitry und Troyes, am ſtärkſten 
zwischen Troyes und Joigny, mo er mit dem Süd: 
rande ber Fordt —** ammenfällt. Die ſchmale 
Sandſteinzone von Vallage, Perthois und Rethelois, 
welche die Champagne umſchließt, iſt nur in dem 
nörbdl. Zeile zwiſchen Varennes und Ste. Menehould 
amen der Argonnen (f. d.) als dritte 
Mauer ſcharf ausgeprägt, im fühl, Teile dagegen 
wenig hervorragend. Der äußere öftl. und jüdöftl. 
uß der Sandftein one wird durd die Lage von 
igny, Varennes, Elermont, St. Dizier Sup und 
Bendeupre bezeichnet. Weiter oft: und jübojtwärts 
tommt bie juraffifche Unterlage ald Bergland von 
Meftlotbringen 5 größerer — Fir die 
Gliederung des Bodens find bier die Thalfurchen 
von Maas und Moſel mit ihren waldgekrönten 
Bergen maßgebend. Die Maasberge find am bödı 
en auf dem rechten Ufer und bezeichnen mit ihrem 
charfen Djtrande (von Damvillers über Toul nad 
fhäteau) die vierte Verteidigungsmauer für 
Paris, während eine fünfte durch die Mofelberge 
gebildet wird, die von 2 bis Nancy am rechten, 
von Nancy big gegen Epinal am linten Ufer ftreihen 
und im SW. in die Monts Faucilles und das 
Plateau von Langres übergeben, fo daß entlang 


975 


der Linie von Epinal bis Dijon die Abbrüdhe vers 
folgt werden können, welche dad Saönegebiet von 
dem Maas: und Seinegebiet, das burgund. Tiefs 
land von den äußerten Schwellen des Pariſer 
Bedens trennen. Im O. der Mofelberge breitet fich 
in der Höhe von 200 bis 350 m das Plateau von 
Dftlothringen aus, angelehnt an die Vogeſen, welche 
von a ar —— —— bis Cirey 
wer eurtbeset:Mofelle) als die öſtlichſte und 
ehite Verteivigungämauer für Paris angeleben 
werden fann. t ihr ſüdl. und mittlerer Zeil, in 
deren Kern das kryſtalliniſche und paläozoifche 
Grundgebirge zu An tritt, gehören mit ihrer all» 
mäblid abfallenden Weſtſeite zu J. Sie find ftarl 
bewaldet, taub, waſſerreich; auf ihrem Weſthange 
haben ſich hinter den Endmoränen einftiger Gletſcher 
in 660— 780 m Höhe prächtige Seen gebildet. Im S. 
In fie vom Schweizer Jura durch das Senkungs⸗ 
eld der hiftorifch bedeutfamen Burgundifchen Pforte 
(Trou6e de Belfort) ——— 342 m Höbe er⸗ 
reicht dort der Rhein⸗Rhoͤne-Kanal die Waſſerſcheide. 

‚Das Saönethal, das Rhönethal und provengal, 
Ziefland reihen ſich als Glieder des dftl. Tieflandes 
aneinander, und an den flüften des Mittelmeers 
ührt das Tiefland von Languedoc hinüber zu den 

lachlandſchaften und Ziefebenen der Gascogne, 
welde das fühfranz. Tiefland ergänzen und die By: 
renden von bem franz. Mittelgebirgslande trennen. 
Dieſes große ſudweſtfranz. Tiefland, welches das 
Gentralplateau in weitem Bogen umgiebt, ift vor: 
wiegend aus Schichten der Tertiärzeit, in welcher 
das Garonnebeden und die Ebene von Languedoc 
zwei durch die heutige Senke von Gaftelnaudary 
verbundene Meerbufen waren, in nahezu ungeitör 
ter Lagerung gebildet. Weiter nörblih, an der 
Dorbogne —* ſich etwas ältere Ablagerungen, 
die ſch eßli in die Kreidefelder an der Charente 
übergeben, welche zum Juragebiet von Poitou hin⸗ 
ub ren. Wo am Nordfuße der Pyrenäen eine 
große Anzahl Fluſſe ftrahlenförmig von einem ger 
meinfamen Quellgebiet aus abfließen (Gave de 
Pau, Adour, Baife, Gerd, Save, Garonne und 
ihre zahlreichen Nebenflüfie), da breitet fih ein ge: 
waltiger Schuttlegel eiszeitliher Gletiher aus. Das 
Gebiet aber, das zwifchen diefem Flußfächer und 
der Küfte liegt, ift von den Landes (f. d.), fumpf: 
reihen Heide: und Waldeindven, die an der Küfte 
Dünen und Strandfeen Bla maden, erfüllt. 

Bon den Pyrenäen (f. d.) gehören zwar die ſtul⸗ 
minationspunfte Maladetta, Mont: Berdu u. f. m. 
u Spanien, aber die an großartigen Naturjhöns 
hie reichiten Teile Bogen auf franz. Seite. Hier 
er find zu rechnen im W. der Garonnequelle die 
Zugerung des Pic du Midi de Bigorre und die 
Thäler der Gave de Pau, d’Dloron und d’Aipe, 
welche in Bearn dem Mont: Berbu, dem Bignemale 
und dem Pic du Midi d' Oſſau vorlagern. Die Ges 
birgslandichaft von —FJ zwiſchen Garonne und 
Aude iſt beſonders wild in der Umgebung des Pic 
de Montcalm. Im O. (zwiſchen Aude und der 
Küfte) gelangen der 2785 m hohe Mont⸗-Canigou 
und die Corbieres zu felbftändiger Entfaltung, 
welche mit ihren Sübterrafjen die Küftenebenen von 
Perpignan und Narbonne beichränten. 

Der Jura (f. d.) gehört feit der Einverleibung 
Savoyens au mit dem Sübende zu F. 

Auch von den Weitalpen find feit 1860 zwei 
Drittel franzöfifch. Dieſes Grenzgebirge (die franz.» 
ital. Grenze läuft faft immer auf dem waſſerſchei⸗ 


976 
denden Hauptlamm bin) beſteht zu einem guten 


Zeile aus altkryſtalliniſchen Gefteinen, die wohl | flü 


noch zur mittlern Kohlenzeit mit denen des Gentral: 
plateaud zufammenbingen, bis beide durd Ber: 
werfungen getrennt wurden. fein zweites Gebirge 
Ri bat jo gewaltige Störungen erfahren wie bie 

eitalpen. (S. Alpen und Weſtalpen.) Man unter: 
ang auf franz. Gebiet Eottiihe und Grajiſche 

pen des Innern, See:, Dauphine- und Savoyer 
Alpen des äußern Gneiszuges und die Franzoſiſchen 
Raltalpen (Provence⸗, Dröme:, Jura: und Chablais⸗ 
alpen). Monte:Bifo, Mont:Belvour, Mont-Jieran 
und der hoͤchſte Alpengipfel überhaupt, der Mont⸗ 
blanc * m), liegen in F. 

Senjeit der Südgrenze der Weftalpen, die in den 
Thälern des Verdon und Ejteron gegeben ift, werben 
über 11000 qkm der Provence von einem nichtalpi: 
nen Berglande erfüllt, deſſen Gipfel felten 1000 m 
überfteigen und deſſen —— — LEſterel, 
Montagnes des Maures, —* de la Ste. Beaume), 
teils aus Kalk, teils aus Sandſtein, teils aus Por⸗ 
pbyr beſtehend, oft unwirtlichen Charalter jeigen, 
während einzelne der Hüfte zugewandte Abhänge 
ſudl. Vegetation und Terrafjenkultur aufweifen. 

Eorjica (f. d.) gebört geographiſch zu ien. 

i —— Die fünf — Stromgebiete ſind 
bie der Loire, Seine, Garonne, Rhöne und des 
Rheins mit Maas und Scelve. Die zwei legtern 

ehören mit ihrem Unterlauf, die Rhöne mit dem 

berlauf nit 5. an. Die Loire hat 1002 km Länge 
und ein Stromgebiet von 121 000 qkm. Dann fol: 
gen Rhöne mit 810 km Länge und 98900 qkm 
Stromgebiet, Seine (705 km, 77800 qkm) und 
Garonne (600 km, 84800 qkm). Flüſſe zweiten 
Ranges find Somme und Orne, Bilaine, Eharente 
und Adour, Aude, Herault und Bar. Zahlreich 
jind die Kü tenflüffe. Der im allgemeinen nord: 
weftl. Abdachung des Bodens entiprechend, drängt 
der große Teil der fließenden Wafler dem NW, zu: 
drei Hauptjtröme münden in ben Alantifden 
Dcean, nur einer ind aeg ge Meer. Ebenſo 
entipricht eö ber Bodengeftalt, dab ſämtliche Strom- 

ebiete dur ein entwideltes Kanalneß (f. unten 

erlehrsweſen) ohne große Schwierigfeit mitein- 
ander verbunden werden konnten. Aber fo vorteil: 
a. Verteilung der gerry mit wenig Aus: 
nahmen ift, die meiſten derjelben unterliegen in: 
folge der maßlofen Entwaldungen in ihren Quell- 
und Zuflußgebieten großen Schwankungen ihrer 
—— und können daher nur mit Muhe und 
großen Roften in leidlich ſahrbarem Zuftand erhalten 
werben. In Bezugauf die Schiffbarkeit jteht die Seine 
obenan, ber er fte und am wenigjten zu men 
peneigte Strom —* Das bantt fie neben der reich⸗ 
ihen Bewaldung ihres Zuflußgebietes befonders 
der Durdläffigleit und dem geringen Gefälle der 
Bodenſchichten der durchfloſſenen — Da⸗ 

er ſind auch viele i eben: und Zuflüffe gut 
chiffbar, wie Marne, Dife, Aisne, Yonne und Eure. 
Die Loire dagegen hat einen außerordentlich wechſeln⸗ 
den erſtand und überdies in ihrem Oberlauf ſehr 
ſtarkes Gefälle; ihr Duellgebiet find die meift wald: 
armen, wilden Gebirgäglieder des Gentralplateaus. 
Die Schiffahrt, die bei Noanne beginnt und zwifchen 

igoin und Briare, wo das Flußbett nicht mehr 
zu forrigieren ift, den begleitenden Kanal benust, 
wird auch durch Inſeln und Sandbänte unbequem. 
Von ihren Nebenflüfien fließen Eher und Vienne, 
Mayenne und Sarthe rubiger und find darum der 


Frankreich (Gewäfjer. Klima, Pflanzen⸗ und Tierwelt) 


Schiffahrt nützlicher. Auch die Charente, die Hüften: 
jie der Bretagne und Normandie, wie Bilaine, 
Aure und Orne, ſowie die Store-Niortaife baben 
bei aa Gefälle ziemlich gleihmäßigen Wafler: 
ag er Adour ift von St. Sever an ſchiffbat. 
ie Garonne gehört zu den verbeerendften Fluſſen 
ſowohl infolge ihres bedeutenden Gefälles, welches 
— Kr: — Kies⸗ — ger ver: 
anlaßt, ala infolge ver großen Schwankungen 
ihrer Wafjermenge. Lebbaften Schiffsverleht bat nur 
die Gironde, bie unter dem Einfluß von Ebbe 
und Flut ebt; die eigentlibe Garonne ſteht noch 
unter der Rhoͤne, dem der Wafjermenge nach eriten 
Strom des Landes. Günftigere Verhältniſſe als 
die Rhöne zeigen Saöne und Doubs, vie ftarte 
Schiffahrt aufweifen. Herault und Aude baben 
wegen ihres Gefälles und ihres ———— in 
regenarmen Zeiten keine Bedeutung als ſſer⸗ 
ſtraßen. Die Somme dagegen iſt faſt auf ihrem 
anzen Laufe ſchiffbar; die nur in ihrem Oberlaufe 
Fluſſe Schelde, Maas (mit Sambre) und 
ojel (mit Meurtbe) werden viel benust. 
auch die Karte: Die Schiffabrtsftraßen in 
Frankreich, beim Artikel Frankreich, Bo. 17.) 

An Seen iſt F. arm. Außer den Etangs (f.d.) an 
den Küften find nur zu nennen: der Pac de Grand» 
Lieu füdweftlih von Nantes, der Anteil am Genfer 
See und die ſchönen Alpenjeen von Bourget und 
Annecy. Durh Reihtum an Heinern und 
Zeichen find die Landichaften Breſſe zwiſchen Won 
und Bourg und die Sologneim ©. von Drldans aus- 
gezeichnet. In den Vogeſen finden ji einige hoch⸗ 
gelegene Seen, z. B. der de Gerardmer. 

Klima ri ng und Tierwelt. Das Klima 
ift gemäßi t. Die Unterfchiede, melde die Aus 
—— über neun Breitengrade bedingt, werden 
dur Bodengeftalt und Bemwäflerung faſt aus- 

egliben, jo dab im N. der mittlern Hochland⸗ 
64 die Jahrestemperatur 10—12°, im ©. davon 
11—15° — Ganz F. hat im Jahresmittel 
10° und zwar im Winter 1,8, im Sommer 17,3° C. 
Von put ai Bedeutung find die ug zwi⸗ 
chen W. und D., bedingt durch den Atlantiſchen 

cean, unter deſſen Einfluß der größte Teil des 
Landes ſteht. Die warmen ſudweſtl. Strömungen 
des Meerö und der Luft erhöhen die Temperatur 
der BWeitküften, verlieren jevod je weiter nad D., 
defto mebr ihre ar daber ſenlen fidh die Yio 
tbermen, wenn fie von W. ber in das Land eintreten, 
mebr und mehr nad ©., h dab Ehberbourg (1,5° C.) 
wärmer ijt als das etwas jüblicer gelegene Berbun. 

Der Einfluß des Dceans zeigt vor allem in 
der großen Milderung der Winterlälte und der Er: 
niebrigung der Sommerwärme im weſtl 
Breit —— viele Gewächſe in freier Erde, w 
in ſudlichern Gegenden bei kältern Wintern nicht 
fortlommen; aber Früchte, welche hohe Sommer: 
wärme verlangen, reifen gar nicht ober erft jebr 

ät. oſtl. Tei —— des Loirethals, wo der 

influß des Meers faſt ganz verſchwindet, hat das 
Klima einen mehr kontinentalen Charalier. Eine 
erg per bonn das Rhönetbal ein. Be- 
grenzt * die Tevennen und die Alpen, bilder 
es einen Abzugslanal der kalten Luft der nörbL 
Gebirge — dem erwärmten Beden des Mittel⸗ 
meers und erzeugt fo ven kalten trodnen Miftral 
Die Feuchtigkeit, welche die Winde vom Drean zu 
ar wird durch den —— Bau ſehrt ver: 
chieden verteilt, fo dah an Niederfchlägen, deren 


Frankreich (Einteilung und Bevölterung) 


mittlere Höhe 770 mm beträgt, in den höhern Regios 
nen der Pyrenäen, an den Quellen der Loire und 
des Allier, auf den Gevennen und im ig 
2000 mm und mehr Regen jabrie fallen. Mehr 
als 1000 mm haben Ri, alle weſtl. Gehänge ber 
Gebirge und das Hochland von Limoufin. 

wenigſten Niederſchläge (400 mm) haben die Ge: 
biete des mittlern Aisne und Aube —5* ihrer 
Lage fern von — und Meer. (S. Regen: 
tartevon Europa, beim Artikel Europa.) 

An Gemwittern ift 5. im allgemeinen rei; doch 
treten fie im ©. häufiger und meift auch heftiger 
auf als im N. neefall tommt zeitweilig in allen 
Landihaften vor; eine bauernde Schneebede gebört, 
abgejehen von den Gebirgen, zu den Seltenbeiten. 

einzelnen unterfcheidet man 7 klimatiſche 
Provinzen, 4 fontinentale und 3 maritime: 1) das 
Vogejenklima, ähnlich dem des mittlern Europas 
mit Oft: und Norbojtwinden und normaler Entwid: 
lung der vier Jahreszeiten; 2) das Barifer Klima, 
an bie Kuſte reichend von Belgien bis zum Gap de 
la Hague, fehr gemäßigt; 3) das bretonifche Klima, 
vom Gap de la Hague bis zur Loire berrichend, 
durch große Gleihmäßigteit —— 4) das 
Gascognellima, von der Loire bis zu den Pyre⸗ 
näen, mit heißem Sommer, regenreihem Herbft, 
ohne Schnee; 5) das Auvergner oder erg e 
Klima, auf dem Gentralplateau, mit kalten Win: 
tern, beißen, aber —— Sommern; 6) das 
Klima des Rhöne- und Saönethals, das ſich an 
das der Mitte, an das Lothringens und der Ar: 
dennen anſchließt, mit großen örtlichen Unregel: 
mäßigleiten; 7) das mediterrane oder provencal, 
Klima, die Zone des Miftral. a 

Die urfprünglihe Vegetation und die Kultur: 
produktion des Landes in ungleich mannigfaltiger 
und reicher geftaltet ala in Deutichland. Denn wäh: 
rend die nörbl. und dftl. Hauptmafle von F. den 
nünftigiten Teilen der mitteleurop. Flora angehört, 
nimmt die Mittelmeerflora die Provence und das 
Rhoͤnebaſſin bis Montelimar im N. ein, und bier 
wird der Weinjtod feldmäßig gezogen, die Dlive 
überall zu lichten Gebüjchen gepflanzt; bier bildet 
die —— weißſchimmernde Haine, reifen in 
den Parks die Zapfen der Cedern. Der Sudweſten 
des Landes, von den Gevennen an über das Garonne- 

ebiet und nördlich bis über den Unterlauf der Loire 
Binaus, bildet Dagegen eine atlantifche Übergangs: 
one zwifchen den genannten Hauptfloren, in der die 

ftände der immergrünen Eiche (Quercus ilex L.) 
dad milde Klima am deutlichften anzeigen. Die edle 
Raftanie wächſt wild bis zur Champagne. Die 
Fauna ift fehr mannigfad. N. eine verarmte 
mitteleuropäifche, in welcher (z. B. in den Ardennen) 
der Wolf nicht fehlt, wird fie im ©. fehr reich, indem 
bier eine bedeutende Menge füdeurop.smediterraner 
Formen und foldhe der Pyrenäen und Alpen binzu- 
treten. Eine Froſchform, der Schlammtauder (Pelo- 
dytes punctatus Daud.), ift bis jest bloß aus F. 
befannt. (S. die Karten bei den Artiteln Pflanzen: 
geograpbie und ———— 

inteilung und Bevölkerung. Bor der Revo: 
lution war F. in folgende 40 Gouvernements oder 
Provinzen eingeteilt: Jsleder France, Baris, Cham: 
one, Lothringen mit Bar, Mes und Verdun, 
oul und Toulois, Elſaß, Flandern und Hennegau, 
Boulogne, Artois, Picardie, Sedan, Normandie, 
Le Havre, Bretagne, Maine, Anjou, Touraine, 
Dridanais, Berry, Nivernaig, Bour onnais, Bour⸗ 
Brockbaus' Konverfationd-Lerikon.. 14. Aufl. R.U VL 


977 


gone, Srandhe-Comte, Saumur, Boitou, La Marche, 
unid, Saintonge und Angouldme, Limoufin, 
Auvergne, Guyenne und Gascogne, Navarra und 
Bearn, Wonnais, Dauphine, Languedoc, oig, 
Rouffillon, Provence, Eorfica. (S. Hiftorifhe 
Karten von Frankreich g. Um alle hiftor. Erin 
nerungen und Einrichtungen jchon ihres Urfprungs 
willen zu vernichten, ſchwenimte die Revolutionsflut 
die alte Einteilung weg, und durch Beihluß der 
Nationalverfjammlung vom 12. Nov. 1789 wurde 
das Sand in 88 meift nad) den fie durchftrömenden 
Fluſſen oder nach Gebirgen genannte Departements 
zergliedert. Unter Napoleon ftieg die Zahl derfelben 
auf 130, beträgt aber (1901) nur 87. 
Diefe zerfallen in 362 Arrondifjement3 mit 2908 
Kantonen und 36 192 Gemeinden. Dieje Einteilung 
mar eine wohlthätige Reform, da die verſchiedene 
Größe und das fi gegenfeitige Durchkreuzen ber 
iftor. Gebiete mit oft abweichenden Privilegien die 
jerwaltung erſchwerten. Dennoch iſt die alte Bros 
vinzeinteilung im Munde des Volls nicht verdrängt 
morben, da ſich an fie die — eiten ph 
ſiſcher, induſtrieller und geſellſchaftlicher Verhältniſſe 
viel enger knupfen als an die Departements. Das 
Land bededt nach planimetrifcher Berechnung des 
Kriegsminifteriums einen Flächenraum von 536408 
qkm und hatte 1901: 38961 945 E. an rechtlicher, 
88595500 E. an anmefender Bevölferung. 

F. foll zur Zeit Heinrihs IV. (um 1600) etwa 
12, und 1700: 19—20 Mill. E. gehabt haben, und 
vor der Revolution wird die abt auf 25 Mill. ge 
ſchätzt. Ein Gejeg vom 22. Juni 1791 verlangte 
eine allgemeine Vollszählung; allein erft 1801 und 
1806 wurden die eriten vorgenommen und ergaben 
27349902 und 29107485 E. Sie fcheinen jebod 
ebenſo wie einige nachfolgende mebr eine Schägung 
geweſen zu fein. Die wirklichen Zählungen ergaben 
an rechtlicher Bevölkerung: 


1821: 30461875 €. 1872: 36102921 @. 
1841: 34230178 » 1876: 36905788 » 
1846: 35400486 » 1881: 37672048 » 
1851: 35783206 » 1886: 38218903 » 
1856: 36139364 » 1891: 38343192 » 
1861: 37386313 » 1896: 36517975 » 
1866: 38067064 » 1901: 3896145 » 


Im J. 1860 wuds die Bevölterung durch die 
Einverleibung von Nizza und Savoyen um 689000 
Seelen, nahm aber durd den Berluft von Elfa 
Lothringen 1871 um 1597000 ab. Bon 1881 bis 
1886 betrug die Vermehrung 546 855 (1,25 Proz.), 
von 1886 bis 1891: 124289 (0,22 Broz.), von 1891 
bis 1896: 174 783 onen (0,48 Broz.), von 1896 
bis 1901: 443970 onen (1,15 Proz.). 

Hinſichtlich der Bevpolkerungsdichtigkeit, die 
nur ſehr langſam — F. unter den europ. 
Staaten (1900) an achter Stelle. 1821 kamen (an 
rechtlicher Benölterung) 56, 1841: 65, 1861: 69, 
1881: 71, 1886: 72,2, 1891: 72,4, 1896: 72,8 und 
1%1: 74 €. auf 1 qkm. Die bichtejte (rechtliche) 
Bevölkerung haben (1901) die Depart. Seine, Nord, 
Rhöne, Belfort, Pas-de-Calais, Boudes : bu: 
Rhöne, Seine⸗Inferieure und Loire, Geinezet:Dife, 
Finistere; die bünnijte die gebirgigen und fandigen 

epartementö Bafjed:Alpes, Hautes:Alpes, Lozere, 
Landes, Eorfica, Hautes Marne und Gers, wo die 
Einwohnerzahl ftändig abnimmt. (S. Karte: Die 
A in Europa um 1900, beim Artitel 

topa. 

Die (rechtliche) Bevöllerung der Departements 
beträgt: 


62 





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Hipes, Bafled- .. 
Alpes, tes· 

# Maritimes 
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Ürdenned . .. »» 

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Belfeet, Zerritoire 
Boudes-du-Rhöne 

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Loire, Haute . . . 
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Loiret 


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rentes Orientales 
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.». 7. nn. 





Frankteich (Einteilung und Bevölterung) 


541613 
424 378 
118142 


278 153 

625 336 

5.000 316 699 
6979 645 179 
6811 371019 
5226 240 403 
5384 286 377 
5170 132 151 
7283 514 870 
6411 500 052 
8204 439 577 
6258 232 057 
5146 321 187 
5275 466 417 
6239 | 290384 
7093 552 028 
6887 333 899 
5773 |1811 868 
sBR5 | 404511 
6143 339 162 
6750 906 249 
8004 555 078 
1719 | 423572 
4533 218 973 
4141 203 387 
2859 839 329 
5374 272 891 
8626 | 621237 
6244 | 425077 
6187 259 790 
4597 165 872 
479 15440514 
6341 837 894 
5888 359 044 
5658 | 669098 
6055 346 694 
6276 | 543279 
5780 | 339 827 
3730 | 200 390 
6044 309 191 
3578 236 313 
6971 441 735 
7033 338 114 
54% 375 724 
5969 421 412 
749 322 656 





421 104 | 
321 062 | 


Dem Religionsbelenntnis nad maren 































Einw 

1901 auf | (1881) 29 201 703 Katholiken (78,50 Broz.), 692 800 
1 a Evangelische (1,8 Proz.), 53436 Braeliten (die 
= meijten im Depart. Seine), 33042 Anbänger anderer 

5 | Glaubenäbelenntnijje und 7684900 Bern onen obne 

ss Angabe der Religion. 

16 ad) der Zählung von 1896 mar die Alterätlafir 

# |von 15 bis 19 Jahren am ftärfiten, nämlich mir 

% 3354105 Perjonen vertreten. 

» Verteilung auf die höchſten Altersklaſſen: 

- Grauen | Zujammen 
4 JJ 581 130 
140 D-di.. 0.020. 282 637 

a 1 99...... 92 173 

J do VE 20 959 

r SW ..2.0.. 325 

62 100 und darüber. . 176 

J Der Nationalität nad iſt die Bevöllerung ein: 

u —5* als die anderer Staaten. (S. Franzoſi ſches 

4 olf.) Man unterjceibet: 1) die Wallonen im Norden 

-- zu 5 PBroz., 2) die Bretonen in der Bretagne zu 

3 3 Proz. 3) die Italiener im Sudoſten zu 1,1 Vroj. 

57 4) die Baslen und Catalonier in den Pyrenäen zu 

5 | 05 Broz., 5) die Jeraeliten zu 0,14 Proz., 6) Zigeu: 

46 ner und Gagots zu 0,05 Proz. der Bevölterung, wo 
109 nad) dem franz. Stamme, d. b. dem Miſchvolle vor 

= unterjochten Galliern, angefiedelten Römern ums 

3 fränl. Stämmen, 90,21 Bros. verbleiben, (S. Et hno⸗ 

17 graphiſche Karte von Europa.) 

2 Der Staatsangebdrigleit nad) verteilte ſie 

4 die (rechtliche) re —— auf 37490484 

55 Franzoſen und 1027491 Ausländer, 1901 auf 

5 | 37924167 Sranzojen und 1037778 Ausländer. 

ꝛ Letztere bildeten 1881: 2,7, 1891: 3, 1896: 2,7, 1901: 

u 2,7. Proz. der Gejamtbevöllerung. Während früber 
= die relative Vermehrung der Fremdenbevölterung 

9 die der Einheimijchen bis um das Zehnfache über: 

54 traf, nimmt feit 1886 die Zahl der Richtfranzojen 

= infolge der gewilie Gruppen der Ausländer zur 

35 Naturalifation zwingenden Gefese ab. Bon den 

z1 (1596) 1051 907 (555 384 männlichen und 496 523 

J weiblichen) anweſenden Ausländern waren 395438 

3 Belgier, 291886 Jtaliener, 90 746 Deutiche, 76819 

6 Spanier, 74735 Schweizer, 36249 Briten, 26 206 

9 | Zuremburger, 15251 Rufen, 28394 andere Eur»- 

79 päer, 12337 Ameritaner, 1024 Afritaner und Afıa- 

47 ten. Die Ausländer, vornehmlih in Paris und 
- deſſen Grenzbezirten, verteilen ſich befonders auf 

3 jolgende Departements (rechtliche Bevollerung): 
142 - — — — —— 

— Ausländer Ausländer 

sı 
ee. ms; 

72 — en 

FH Ürdennes | 

— 55 u. 16.189) 16463 

1068 Bouches » du⸗ 9 11943 
185 Rhöme . erTesluıTastlfnäme... . „| 16301 11638 

1 | gore.. . 19749] 11 543|Sansie 8929| 990 
128 Doubs ... "9083| 10369 

= @irondbe. . . . 1186 9216 1 

5 Ben 11.026 nz Im) ss. 

54 arme . . . 12018] Seineset>Dife | 18545) 16571 

Meurthe = et» ar. ....] 33807) 298 

a Moiele . . 36 179|Bosges 9397| 953 

* Die meiſten Deutſchen (faft die Hälfte) leben in 

7 | Paris, viele aud in den Depart. Meurtbeset:Mofele, 

aa Vosges, Meufe, Doubs, Marne und Seineset:Diie. 


Frankreich (Einteilung und Bevölkerung) 


NRaturalifiert wurden 1896: 15197 Berfonen 
(gegen 22642 i. J. 1894 und 17766 1. J. 1895), 
darunter 8139 majorenne und 7058 minorenne, von 
denen 786 nod nad erfolgter Volljährigkeit ihre 
Nationalität beftimmen können. Die franz. Hoff: 
nung, durch NRaturalifierungen die geringe Nata- 
fität ausgleichen zu können, in bemnad nit in 
Erfüllung gegangen. 1896 gab es 517000 Fran: 
zoſen im Auslande (54000 in der Schweiz, 52000 
in Belgien, 25000 in Spanien, 24000 in Deutſch⸗ 
land, 11000 in Stalien, 5200 in Rußland, 3000 
in Ofterreich). 

Hinfihtli der Berufsarten ift feit Mitte des 
19. Jahrh. eine weientliche Verfchiebung eingetreten, 
indem vor allem die Zahl der in dem Aderbau bes 
fbäftigten Berjonen (von 10000 €. waren es 1856: 
5294, 1891: 4573) und die der Inbuftrie treiben: 
den (2907, 2500) abgenommen hat, wogegen bei der 
Handel treibenden Bevölterung (453, 1039) eine Zus 
nabme zu verzeichnen ift (ſ. Berufsſtatiſtik, Beilage). 

Wie in den meiften Rulturländern, jo befteht auch 
in F. ein Aug nad den aroßen Städten, fo dab die 
ländliche Bevölkerung abnimmt; fie betrug 1846: 
75,58 Broz. der Gefamteinwohnerzahl und ſank in 
fünfjäbrigen Zeiträumen auf (1851) 74,4, (1856) 
72,69, (1861) 71,14, (1866) 69,54, (1871) 68,94, (1876) 
67,56, (1881) 65,21, (1886) 64,05, 1891 auf 63 und 
1896 auf 61 PBroz.; die ftädtijche Dagegen jtieg von 
(1846) 24,42 in denfelben Zeiträumen auf (1851) 
25,58, (1856) 27,51, (1861) 28,86, (1866) 30,46, (1871) 
31,06, (1876) 32,44, (1881) 34,76, (1886) 35,95, (1891) 
37 und (1896) 39 Bros. 

Während die Bevöllerungszunahme im ganzen 
Lande 1891 — 96 nur 175 027 betrug, gewann die 
Bevdlterung der Städte von über 30000 €, 327009, 
bierunter Baris allein 88877 €. 

F. befikt 36192 Gemeinden; von ihnen batten 
(1901) 137 weniger als 50 €, (gegen 67 im. 1881), 
10567 (1881: 8771) 51—300 E. 17564 (18565) 
801-1000 €., 6521 (7287) 1001— 3000 €. Zwiſchen 
3001 und 5000 €, hatten 787 (772) Orte, zwijchen 
5001 und 10000: 347 (312), amifchen 10001 und 
20.000: 146 (133) und über 20 000 €, 123 (90) Orte. 
22 Städte hatten zwiſchen 50: und 100000 G., 34 
Fe 30: und 50000 €., 15 waren Großftädte, 
nämlich: 


Paris... 2714068 E. Nantes... . 132990 €. 
Marfeile. 491161 » | Le Saure... 130196 » 
von ... 459099 » | Houen ... 116316 » 
Bordeaur. 256638 » | Reims ... 108385 » 
Lille.... 210696 » | Nijja.... 105109 » 
Zouloufe . 149841 » | Nany ... 102559 » 
St.Etienne 146559 » | Zoulon. ... 101602 » 
Roubaig . 142365 » 


Marfeille überflügelte feit 1896 Lyon; Nizza, 
Nancy und Toulon famen zu den Großftädten hinzu. 

Bevöolkerungsbewegung. J nr 1850, 
1854 und 1861 betrug die Zabl der Cheſchließun— 
gen 297700, 270900 und 305200; 1870 und 1871 
ging fie natürlih zurüd (223700 und 262500), 
nahm jedoch 1872 (352750) zu; ein Aufſchwung ift 
aud 1884 zu erlennen, während fi von da bis 
1890 (269332) wieder ein merkliher Rüdgang zeigt; 
feit 1891 ift aber der Durchſchniitsſaßz wieder 7—8 
Eheſchließungen auf 1000 €. Im Zeitraum 1888 
—97 war der Durchſchnitt der Ehefchliehungen 7A 
auf 1000 E.; die meijten Eben entfielen auf die 
Devart. Seine (9,1; hier nur infolge der großen Zahl 


979 


der Erwachſenen, denn eigentlich wird daſelbſt ger 
rade am menigften gebeiratet), Nord (8,2) und mit 
8 Promille eo. Bas:de:Galaid, Allier, Loire und 
Haute: Vienne; die wenigften in Baſſes-Pyrenées 
8 Hautes:Pyrendes g 7), Savoie (6,8), Haute: 

avoie (6,5), Hautes-Alpes (6,5), Corſica 9). 
Alpes: Maritime (6,4) und Haute-Dlarne (6,4). Die 
Babl der Eheſcheidungen belief ſich 1885 — 4277, 
1891 auf 5750, 1899 auf 7179, 1900 auf 7157, 
1901 auf 7741. 

Die Zahl der Geburten nimmt feit 1801 regel» 
mäßig ab; 1871—80 famen im Mittel auf 1000 €. 
254, 1881—85: 24,6, 1887: 23,5, 1896 nur 22,7, 
1898: 22,1 Geburten. der Zeit von 1888—97 
tamen auf ganz F. im Mittel 22,8 Geburten auf 
1000 E.; die hoͤchſten Werte erreichten die Depart. 
—— (32,8), Pas⸗de⸗Calais (30,5), Nord (29,1), 

orbiban (28,8), Seine: nferteure (28,2), Lozere 
(28,1), Eötes:du-Nord (27,1), Corfica (27,6), Ardechbe 
(26,4) und Bouches⸗du⸗Rhoͤne (26,2); die geringften 
die Depart. Gers (14,4), Rot:et:Garonne (15), Donne 
(16,5), Zarn:et:Oaronne (16,6), Lot (16,9) und Drne 
(16,9). Unter den 859107 im %. 1897 geborenen 
Rindern waren 399740 Knaben ebelih und 38543 
unehelich, 383378 Mädchen ehelich und 37446 uns 
ebelih neboren. Das Verhältnis der unehelichen 
den ebelihen Geburten beträgt für Geſamtfrankreich 
jaft 9 Proz.; im Seinedepartement entfällt auf 4 Ge- 

urten eine uneheliche. Die Fruchtbarleit der Ehen 
ift eine geringe und gebt aud zurüd. (S. Zwei⸗ 
finderjyftem.) In den %. 1881—87 famen im Durch⸗ 
ſchnitt auf eine Familie 3,09, 3,06, 3,08, 3,04, 2,98, 
2,95, 2,91, 1891 gar nur 2,17 finder (1861—65 noch 
3,08), in Öfterreih 4, in Preußen 4,1. Von (1896) 
10845247 Familien hatten 1808839 feine Kinder, 
26383752 batten 1, 2379259 hatten 2, 1593387 
batten 3, 984162 batten4, 584 582 hatten 5, 331 640 
batten 6, 28977 hatten 7 oder mebr; bei 234855 
amilien fehlten Angaben über die Kinderzahl. 
bgleich immer mehr Knaben geboren werden als 
Mädchen (1898: 104,5 zu 100, bei totgeborenen 184 
u 100), fo ift doch das meibliche Geſchlecht in den 
Inätern Lebensjahren immer in der Überzahl. — In 
ber geringen Zahl der Eheſchließungen und ber be: 
ftändigen Abnahme der Geburten liegt der Haupt: 
grundbafür,daßdernnatürlideBevölterungszumade 
immer geringer wird und die Bevbllerungszahl viel 
langfamer wächſt als in ben meiſten andern europ. 
Ländern. Denn die Sterblichkeit ift eigentlich 
gering und bat in den legten Jahrzehnten eher ah+ 
als zugenommen. Auf 1000 €. famen 1861—70 
durchfenittlich 23,8, 1871—80: 23,7, 1881 —85: 
22,3, 1886: 22,3, 1887: 22,1898: 21,» Sterbefälle. 
n den J. 1888— 97 lamen auf ganz F. durch⸗ 
chnittlich 21,8 Sterbefälle auf 1000 E., die höchſte 
Sterblichkeitsziffer erreichten die Depart. Bouches: 
du⸗Rhoͤne (27,1), Seinerinferieure (26,7), Hautes: 
Alpes (25,6), Ardeche (25), Finistere (25) und Bar 
(23,4), die geringſte Allier (16,9), Eher (17,2), Indre 
(17,3), Bienne (17,8), Landes (18,1), Deur-Stores 
(18,3), Vendée (18,5), Ereufe (18,5) und Loir⸗et⸗ 
Cher (18,7). 1898 entfielen im Durdfchnitt 1042 
Geburten auf 1000 Todesfälle — Die Zahl der 
Selbftmorde nimmt in F. mit erſchredender Regel: 
mäßigteit zu. Auf 1 Mill. €, famen 1827—380 
durchſchnittlich 54 Selbftmorbe, 1846—50: 97, 1856 
—60: 110, 1866—69: 136. Seit 1870 haben die 
felben um 50 Bros. zugenommen. 1871—75 kamen 
auf ı Mill. E. 150, 1881: 174, 1883: 191, 1885: 

62* 


980 


208, 1886: 210, 1887: 210, 1888: 220, 1889: 218, 
1890: 219, 1891: 232, 1892: 242, 1898: 236, 1896: 
240 Selbſtmörder. Von den 9260 Selbſtmördern 
des %. 1896 waren 2117 Frauen. 
Benölterungöbemegung in den 9. 1886—1901: 


RBebenb- 
geborene 


eichlie» 
ngen 





303 469 | 857 274| 40 746 | 784 876| 72398 


Über die Auswanderung ſ. d. 

Im ganzen haben feit 1801 nur 82 Arronbijie: 
ment? eine Zunahme der Bevöllerung von 50 bie 
100 Proz. zu verzeichnen; 19 haben ihre Einwohner: 
abl mehr als verdoppelt, und zwar Ginfolge der Aus: 

tung der Steinkohle, 7 find hervorragend gewerb⸗ 
thätig, 5 treiben Seehandel und eins ilt Paris. 

Kolonien, |. Sranzefiihe Kolonien. 

Landwirtfchaft. Die Lage in der Mitte der ge 
mäßigten Die und zwiſchen mei Meeren und bie 
—— ffenheit weiſen auf den Landbau als 
Hauptnahrungsquelle hin. Die fruchtbarſten Gegen⸗ 
den finden im Norden (in der Umgegend von 
Paris, im Mundungsgebiet der Seine und Somme 
und an der belg. Grenze), ferner in der Vendée und 
im Thal ver Garonne und der Rhöne. Die unfrucht⸗ 
bariten Teile find die Alpen, die Pyrenäen und das 
Franzoſiſche Gentralplateau; ganz unproduftiv find 
ferner die Landes füdlih von der Garonne, die 
mit Sümpfen und Teichen bevedte Sologne (Boir: 
et:Cher), der fteinige Boden der Erau (j. d.), die 
Gamargue (f. d.), die Heibeftreden der Bretagne 
und der debovden der Champagne: PBouilleuje. 
Bon der Gejamtflähe find 26017582 ha Nder: 
land, 9455225 ha Wald, 1843580 ha Weinland, 
5816640 ha Wiejen und Auen, 478870 ha Ge 
büj, 291825 ha Objt«, 77338 ha andere Gärten 
und Parks. Bon dem nicht angebauten Boden 
6 222 537 ha) entfallen 3889 171 ha auf Heiden und 

iehweiden, 1958 750 ha auf felfiges, 328297 ha 
auj —* Land und 46 319 ha auf Moore. Die 
Bauten, Wege, Fluͤſſe, Kanäle, Seen u. ſ. w. be 
anſpruchen außerdem noch 2296483 ha. 1884 wurde 
der Wert des gejamten Kulturlandes vom Ader: 
bauminijterium auf 91584 Mill, Frs. berechnet, 
darunter 57600 Mill. Aderland, 14800 Mill. 
Wieſen und Weiden, 6888 Mill. Weinberge, 6257 
Mill. Wald und 3829 Mill. Frs. Gärten. Die 
Grundjteuer bradte 1898: 400,1 Mil. Jrs.; davon 
entfallen 251,6 Mill. auf nicht bebautes Terrain. 
1898 zäblte man 9244762 bebaute Grundſtücke 
(9102814 Häufer, 141948 Fabrilen). 

Mährend die Zabl der Grundbeſitzer zur Zeit der 
Revolution auf 4 Mill. geſchätzt wird, ſoll viefelbe 


Frankreich (Kolonien. Landwirtichaft) 


jest 8 Mill. betragen. Das Land ift in 135 Mill 
einzelne Barzellen von 39a mittlerer Größe 
Depart. Seine und Seineset:Dije von 20, in Yandes 
von 81 a) zerteilt. Durch diefe große —— 
zu welcher vorzugsweiſe das Princip gleicher 
teilung b —— bat, ferner durch hohe Steuern, 
ejteigerte tölöbne, Mangel an fapital und 
edit ift die Landwirtſchaft in eine üble Lage 
gelommen. Aud find nur 79,8 Proz. der ⸗ 
wirte wirklich Eigentümer, 13,5 Proz. find Pächter 
—— und 6,4 Bros. Meier (metayers), melde 
r die Bebauung des Feldes einen beſtimmten Zeil 
des Ertrages beziehen. Hiernad gliedert fidh der 
Boden in drei Teile, auf deſſen erften 59,8, auf den 
zweiten 27,2, auf den dritten 13 Proz. entfallen. 3 
dedt weder feinen Bedarf an Getreide noch an dei i 
Seit 1885 verfucht die Regierung durch Einfubrzölle 
auf Getreide, Mehl, Vieh und Fleiſch der Landwirt: 
ſchaft aufzubelfen. Gleichzeitig tft man auch beftrebt, 
durch Entwäflerungs: und Drainagearbeiten, durch 
—— Kulturmethoden, durch Errich⸗ 
w 


tung land chaftlicher Schulen, durch Aufforſtung 
—— durch Einrichtung von Mufterjchäfereien in 
ambouillet und 


ut:Zingry ren und 
einer großen Molterei in Eorbon (Calvados), durch 
Ausftellungen und Auktionen von Zuchttieren die 
Landwirtſchaft zu heben. Der Wert des Grund und 
Bodens tft feit der Revolution um mebr alö das 
Dreifache geitiegen. 1789 betrug der mittlere Kauf: 
reis 500, 1850: 1275, 1879: 1830, 1889: 1700 
ke. für 1 ha. Am böditen ftellt er fi in dem 
epart. Nord, am niedrigiten in Hauted: Alpes. Seit 
1881 beitebt ein eigenes Aderbauminifterium. 
Nachfolgende Tabelle giebt eine fÜberficht über 
Anbaufläcde (1000 ha) der mwidtigften Getreide 
arten, und Ernteergebnis (1000 hl) für den Durd- 
fchnitt der %. 1893 bis 1896 und das J. 1897, vie 
Ein: und Ausfuhr im Specialbandel (Gentner) für 
das J. 1897: 


Ernteergebnis 


Einfuhr |Austube 





1 Im den Biffern für Weizen inbegriffen. 

Dem Getreidebau, der widtigften Nahrungs 
quelle, find ungefähr 29 Bros. des Bodens ge 
widmet. In ben J. 1815— 35 wurden gewonnen 
auf 1ha: 11,57 hl Weizen, 10,50 hl Roggen, 13,51 bl 
Gerſte, 16 hl Hafer; 1856 —76 dagegen: 14,58, 
13,35, 18,06, 22,83 hl und 1897: 18,19, 11,68, 16,w, 
20,10 hi. Die wichtigite Getreideart ift der Weisen, 
deiien Anbau und Konjum fortwährend fteigt. Die 
ſtarkſten Ernten ergaben die J. 1872 (119), 1875 
(133), 1879 (136), 1882 und 1894 (122), jomwie 
1898 und 1899 (über 128 Mill. hl). Im 3. 1901 
wurden auf 6789527 ha über 107 Mill. hl geerntet. 
1820— 29 lamen (nad Abzug von 15 Bros. für Saat 
forn) 156 1, 1840—49: 216 1, 1860 — 69: 230 |, 
1880—86:: 269 1, 1887 —88: 2751, 1891 — 94: 23471 
auf den Kopf der Bevölterung. Die reichſten Weizen: 
ernten hatten 1897 die Depart. Nord, Bad:de-Galais, 
Somme, Dife, Aisne, Vendee. Die Weizeneinfubr 
(1900 meift aus Algier und Tunis) ift ziemlich be 


Frankreich (Landwirtichaft) 


deutend. Der Anbau des Roggen? ift zurüdgegan- 
gen (1840: 2577000 ha, 1899: 1488900, 1901: 
1398818 ha); die Ernte betrug 1897: 17, 1899: 24, 
1901: 22 Mill. hl. Die ergiebigiten Roggenernten 
batten 1897 die Depart. Morbihan, Buy:de-Döme, 
Haute-Loire, Finistere, Ereufe und Cantal. Die 
Kulturdes Meng: oder Miihtornes (halb Weizen und 
balb Nopgen) gebt immer mebr zurüd (1840 wurden 
11,8, 1862: 8, 1897: 3,1, 1899: 4, 1901: 3,ı Mill. hl 

eerntet); die höchſten Ernten erreichten 1897 die 

epart. Sarthe, Mayenne, Somme, Eöted:du:Nord 
und Finistere. Gerfte wurde 1897 am meiften ge: 
erntet in den Depart. Manche, Mayenne, Jlleset- 
Bilaine, Marne, Pas: de: GCalaid und Curerets 
Loir; 1899 in ganz F. 16, 1901: 14 Mill. hl. 
Hafer, nad Weizen die ge Getreideart, ergab 
1897 die höchſten Ernten in Pas-de-Calais, Seine 
et:Marne, Eure⸗et⸗Loir, Somme, Nord und Aisne. 
Die Ernte betrug 1880: 83,5, 1882: 89,7, 1886: 89,5, 
1888: 84,5, 1891: 106, 1899: 95,30, 1901: 75,97 
Pill. bl. Der Mais wä h bejonders am Adour 
an der Garonne bis zur Eharente und in kleinern 
Gebieten an der Saöne und in Burgund. 1897 
lieferten am meiften die Depart. Bajjes: Byrendes, 
Lotset:Garonne, Landes und Haute: Garonne. 
Der Mais ift in der Getreibeeinfuhr 3.8 mit den 
größten Mengen und Werten vertreten, allerdings 
in abnehmender Tendenz. Buchmweizen wird nur noch 
in der Bretagne, der nordweſtl. Normandie und ber 
Landſchaft Breſſe ald Nahrungsmittel verwendet. 
Hirje wächſt namentlich in den Depart. Aude, Lan⸗ 
des, Bauclufe und Gard. Die Broduttion der Kartofr 
fein bat fih nach Erlöjchen der Krankheiten von 1830 
und 1843 ſehr gehoben und ift auch jeßt noch im Zu: 
nehmen begriffen. 1897 wurden 11,3» Mill. t auf 
1548464 ha, 1899, 12,35 Mill. t auf 1564720 ha 

eerntet und zwar (1897) namentlich in Dorbogne, 
Eubmeretsakre Puyde-Döme, Vosges, Vienne, 
Finistere und Morbiban. Die Trüffelaucht wurde 
1900 beſonders in den Depart. Bauclufe (Ernte: 
470 t), Lot (360 t), Bafles:Alpes (330 t), Dröme 
(180 t), Dordogne (Perigueur, 160 t), die Zucht der 
Champignons namentlich in den mittlern und ſüdl. 
Zeilen betrieben. 

Von den BARREISELARIEE werben jeit An» 
fang des 19. Jahrhundert® Zuderrüben gebaut und 
zwar in dem bevorzugten Norden, in einer Zone 
von der belg. Grenze über Paris. Zuderfabriten 
beitanden (1893/94) 367 (89 in Nord, 80 in Aisne, 
59 in Somme), 1895/96: 356 mit 49971 Arbeitern, 
1899/1900: 339, die (1899/1900) 7394 Mill. kg 
Rüben verarbeiteten und 918,55 Mill. kg Zuder 
gewannen; die Ausbeute betrug alfo 12,42 Proz. 
1899/1900 überftieg die Ausfuhr die Einfuhr um 
528,7 Mill. Kg. Der Verbrauch war 1899/1900: 
14,29 kg pro Kopf der Bevölterung. Die Anbau⸗ 
släche betrug 253533 ha. Tabal wird in 25 Der 
yartements, bejonders in Lot:et:Garonne, Dor: 
dogne und Lot von etwa 60000 Pflanzern gebaut 
(1897 auf 16831 ha 26.576 t). Der Hopfen (1897: 
3601 t auf 2737 ha) gedeiht vorzugsweiſe in den 
Depart. Eötev’Dr, Nord und Meurtheset:Mofelle; 
jäbrlid müſſen für 7—8 Mill. Frs. aus Belgien 
und Deutihland eingeführt werden. Der Flach 
verliert immer mebr an Anbaufläche (1875: 80 000, 
1880: 64000, 1899: 17594 ha) und wird aus Belgien 
und Rußland eingeführt. Ebenjo muß Hanf, welcher 
1897 auf 32843 ha gebaut wurde (Ertrag: 23330 t), 
in großen Mengen eingeführt werden. 


8 | meinen in 55 


981 


Der Obitbau ift febr bedeutend. Die Normandie 
und Bretagne liefern Upfel und Birnen, aus mel: 
chen Eider bereitet wird (Ernte 1897: 797 170,8 t 
Apfel, Produktion 1898: 10637 436, 1897: 6 788 715, 
1888— 97 durchſchnittlich jährlih 13658416 hl), 
die Depart. Gironde, Meurthe:et: Mojelle, Haute: 
Sadne, Tarn:et:Garonne und beſonders Lot⸗et⸗ 
Garonne Pflaumen (1897: 47617 t), die Depart. 
Seine und Seineset»-Dife (Montreuil, Montmo: 
rency) viel Kirſchen und Pfirſiche. Die Ausfuhr an 
Früchten (eingemadte u. ſ. w. —— wertete 
1885: 46, 1888: 43, 1894: 83, 1898: 30 Mil. Fre. 


Die Raftanie, ein w * Nahrungsmittel für die 
Bergbewohner in der Auvergne und auf Eorfica, 
wird befonders in Armern Departements gezogen, 


ihr Anbau nimmt aber immer mebr ab. Die Wal: 
nußernte betrug 1897: 67431,8t und war —* 
ders günftig in Lot, Dordogne, Correze, iere, 
Dröme und Haute: Pyrendes, In den ſudl. Stri: 
hen, von Bar an, wachen Drangen, Eitronen. 

igen, Mandeln (etwa 300 000 hi & 20 Frs.), von 

nne3 an einzelne Dattelpalmen. — Das meijte 
Dlivenöl wurde 1897 in den Depart. Bar, Bouches: 
du-Rhöne, Corfica und Gard gewonnen; der Öl: 
baum (150000 ha Anbaufläde) reiht im Rböner 
tbal bis nah Montelimar hinauf. Bon den andern 
Olpflanzen lieferte — Raps —— 57299, 
Rubſen 5564 und Mohn 8085 t Olſaat. Die Zucht 
des Maulbeerbaums wurde 1897 befonders in den 
füddjtlihen Depart. Gard, Dröme, Ardeche, Bau: 
cluſe — betrieben und gab 212005 t Blätter. 
Die Blumenpflanzungen in der Provence und in 
Languedoc, aud in der Gegend von Lille, Caen und 
Graſſe —— Blumenhandel und liefern äthe ˖ 
riſche Öle und —5 — 

Weinbau. Der Anbau der Rebe iſt faſt über dar 
ganze Land ausgedehnt und fehlt nur nörblid von 
einer Linie Morbihan über Charttes nad Sedan. 
3. übertrifft binfichtlih der Weinprobuftion und 
vielleicht auch hinſichtlich der Güte des Weines alle 
Länder der Erde. Die berühmteiten und geſuch⸗ 
il Sorten find die auf den jonnigen Hügeln der 
Champagne bei Reims und Epernay wachſenden 
Champagner (f. d.), die auf den Kallfelſen der Oſtſeite 
der Coͤte⸗d Or erzeugten Burgunderweine (f.b.) und 
der Medoc, welchen ein Streifen zwiſchen der Gi: 
ronde und den Landes liefert. Zu den gemöhnlichern 
gehören die von —— der Franche: Comte, 
von Maconnais und Beaujolais, Untermedoc, 
Languedoc u. ſ. w. —* J. 1788 ſchäßte man dad 
gefamte zu Weinbau benugte Land auf 1568000 ha 
mit einem Grtrage von 25 bis 30 Mill. hi; 1808 

aben 1614000 ha Weinland 28 Mill. hl, 1850: 

182000 ha 45,3 Mil. hi Wein. Durch die Verhee⸗ 
—— Oidium (f.d.) im Nr 1850 jantdas Befamt- 
ergebnis 1855 bis auf15,2 Mill.hi herab. Sehr gute 
Weinjahre waren —1* 1865, wo 68,» Mill., une 
1875, wo 83,3 Mill. bl erbaut wurden. Seit diejer 
Zeit ift aber die Ernte zurüdgegangen. Diefer Rüd: 

ang rübrt bejonderd von den Berwüjtungen der 
Reblaus ber. Diefelbe hatte von 1865 bis 180 
63 Departements angejtedt und zwar gerade bie 
beiten Weingegenven, jo daß 1888—90: 6000 Ge: 
i Departements von der Vergüniti- 
gung des Steuererlafies Gebrauh machten. Über 
die Belämpfung der Phyllorera durch Neubepflan- 
ung mit amerit. Reben u. j. mw. f. Reblaud. Der 
ag erreichte 1860—69 im Durchſchnitt 50, 
Mil, bl, 1870— 79: 52, Mill, hl, 1880— 89: 


982 


88 49 Mill. hl, 1890— 94: 35,15 Mill. hi, 1895—99: 
86,78 Mill. hl. 





1 81481 124 
1886 | 1907550 | 80356234 | 16, 
18837 | 1919878 | 235365 441 13,61 
1888 | 1838360 | 30654153 | 16, 
1889 | 1836881 | 24031771 | 13,08 
1890 | 1816544 | 27416327 | 15,00 
1891 | 1763374 | 30139000 | 17,00 
1892 | 1782588 | 29082000 | 16,02 
1893 | 1821155 | 50708000 | 27, 
1894 | 1707274 | 39437000 | 23,00 
1895 -| 1660939 | 26918000 | 1681 
189% | 1640818 | 44044000 | 26, 
1897 | 1623567 | 31943000 | 19er 
1898 | 1706518 | 81730000 | 18,5 
1899 | 1697734 | 47908000 | 28, 
1900 | 1730451 | 67353000 | 38,8 


Der Erntewert für 1881 beträgt nur ein Drittel 
des durchſchnittlichen Jahresertrages aus dem Jahr: 
zehnt 1870—79; er be 1891: 1009, 1895: 811, 
1896: 1113, 1897: 755, 1898: 962, 1900: 1264 
Mill. Frs., der mittlere Preis an Ort und Stelle 
für 1 hl (1891) 23,05, (1895) 80,1, (1899) 25,48 rs. 

Sehr bedeutend ift der Weinverbraud. Im Durch⸗ 
ſchniti des Jahrzehnts 1850—59 wurden 21,8 Mill.hl 
(d. i. 0,6 hl pro Kopf), 1870— 79: 88,1 Mill. hip. i. 
1 hl pro Kopf) verbraudt. Gin Heiner Rüdgang 
infolge der gejtiegenen Preiſe trat feit 1880 ein; 
1885 wurde der Berbraud auf 36,6, 1895 auf 31,7, 
1897 auf 37,» Mill. higeihäßt. Bier und Kunſtwein 
tommen mehr in Aufnahme. infolge des ftrengen 
Geſetzes vom 26. Juli 1890 und der Erhöhung des 
Zolld auf Rofinen fiel die Kunftweinproduftion bis 
1900 auf 0,09 Mill. bl. Auch die Fabrilation von 
Nachweinen (1900: 0,91 Mil. nimmt ab, 

Der Ausfall in der Ernte muß durch gefteigerte 
Ginfuhr (aus Spanien, Algerien, Stalien, Tunefien) 
erjeßt werben. 1867 —76 wurden jährlich durch⸗ 
ſchnittlich 406200 hi ein» und 3283400 ausgeführt, 
1882—91: 10,17 und 2,4 Mill. hi, 1895: 4,52 und 
1,rı Mill. bl, 1899: 8,47 und 1,rı Mill. hl, 1900: 5,81 
und 1,0 Mill. bi. Allerdings find die ausgeführten 
Deine die bei weitem wertvollen ; ibr Wert erreichte 
im Durchſchnitt der 3. 1880—84: 243,7, 1885—89: 
248,5, 1895: 222,4, 1898: 218,3 Mill. Frö.; wäb: 
rend vie Einfuhr fib auf 842,7, 434,3, 211,» und 
309, Mill. Frs. ftellte. 

In den Depart. Manche, Jlleret:Vilaine, Eötes: 
du⸗ Nord, Seine:Injerieure, Eure, Calvados und 
Orne wird viel Dbftwein oder Eider bereitet (von 
1888 bis 1897 durchſchnittlich jährlich 13,66 Mill. hi). 
1895 mwurben 25,59, 1897 nur 6,79, 1898: 10,64, 
1899 wieder 20,84, 1900 über 29 Mill. hi gewonnen, 
Das Marimum (1893) betrug 31,1, dad Mini 
mum (1889) 3,7 Mill. bl. 

Viehzucht. Die Wiefen: und Weidelandfhaften 
find dur den Aderbau immer mebr eingeſchränkt 
worden und beiteben aus (1897) 5601 156 ha natürs 
lichen (Ertragömwert 998 Mill. Frs.) und 2600215 ha 
Hünftlichen®iefen(Rlee und Quzerneanpflanzungen; 
Ertragswert 528 Mill. Frs.). Die meiſten natür: 
liben finden fib im Nordmeiten des Landes (Halb: 
infel Eotentin und Umgebung) und in einem Land: 


Frankreich (Landwirtichaft) 


ftrih vom Jura und den ſüdl. Vogeſen bis in das 
Gentralplateau hinein; künftlihe enıbält beſonders 
die Picardie und Flandern. Der geringe Prozentian 
bes MWiefenlandes gegenüber dem Aderland und ver 
bedeutende Fleiſchverbrauch bewirkte, daß die Vieh⸗ 
zucht den Bedarf des Landes nicht dedt und beſon⸗ 
ders Schladhtvieh eingeführt werden muß. 

Der Pferdezucht wird im Intereſſe der Armee 
erböbte Sorgjalt — und der Staat verwendet 
alljäbrli große Summen für fie. Die Stutereien zu 
Le Bin in der Normandie und Rofidres in Lotbringen 
liefern edle Baterpferde (1. Jan. 1901 Zabl der 
Beihhäler 3087) zur Kreuzung mit Lanbpferben. 
Gute Arbeitspferde find die Ardenner, Normänner 

ie Boulogner und Percherons), Bretagner und 

andr, Pferde, wäbrend fi die Limouſiner wegen 
ibrer arab. Ablunft dur ſchöne Formen, die von 
Vorbiban und Calvados durdy Ausdauer auszeich⸗ 
nen. Am 831. Dez. 1899 wurden 2917160 im 
Dienfte des Pandbaues ftehende Pferde gezählt, 
während die Geſamtzahl auf 3500000 geihäst 
wird. Jedoch iſt der Pferdebeftand in den Departe: 
ments des Nordens und Nordweſtens: Seine (Baris 
batte 1884 außer den Armeepferden 71676), Fi: 
nistöre, Cöted:du:Nord, Mande und in Mavenne 
viel bedeutender als in den Departement der Aipen 
und in Savoyen. Doch muß F. immer noch viel 
Vierde einführen (1899: 28086 Stüd für 28,1 
Mil. Frs. gegen 18,5 Mill. Frs. in der Ausfubr). Die 
Hauptpläge für den Pferdebandel (befonders mit 
Deutihland, Belgien und England) find Fecamp 
und Fauville⸗en· Caux. In den gebirgigen Departe 
ments werben beſonders Eſel und Waultiere ge 
—* doch nimmt ihre Zahl ab. Während 1840 

eim Aderbau nod 413500 Ejel und 373800 Maul: 
tiere verwendet wurden, gab ed 1899 nur noch 
857 820 und 204750. Bon lektern ift die Ausfubr 
(8875 im Werte von 6,71 Mill. Frs.) befonders nad 
Spanien bedeutend. 

Die Rindviebzudt wird am ftärkften im Nord⸗ 
weiten betrieben fomwie zwiſchen Vogeſen, Jura und 
Gentralfrantreih, zwiſchen Belfort und Limoges, 
am ſchwächſten in der Dittelmeergegenb. 1897 wur: 
den 13486519 Stüd (1823266 Dibien, 6444 238 
Kübe, 301655 Stiere, 4917360 Kälber), 1899: 
13650880 Stüd gezählt. Durd die Nilhwirtidaft 
beionders im Norden wird viel Butter erzeugt und 
damit befonders England veriorgt. Käfe und Butter 
wurden 1899 für 47, Mill. Frs. ein- und für 76,» 
Mill. Frs. ausgefübrt. 

Die ER ift fo bedeutend, dab burd- 
fchnittlid 45 Stüd auf 100 ha und 63 auf 100 €. 
tommen. Gleichwohl hat fi (mie in den meiiten 
europ. Ländern) die — vermindert und zwar 
von 29,5 Mill. im J. 1862 auf 23,5 Mill. im J. 1882 
und 21,36 Mill. im J. 1899. Bon den Schafen ge 
bören, troß den Bemübungen der jtaatlihen Merino- 

chäfereien zu Berpignan und Rambouillet, nur 13,3 

roz. zu verebelten en. 1900 wurden 1 091 1% 

tüd (beſonders aus Algerien, Rußland, Argen: 
tinien, Deutfhland und Öfterreid : Ungarn) ein- 
geführt. An Wolle wurden (1899) gewonnen: 
43 Mill. kg im Werte von 55,7 Mil. Fre. 

Die Zahl der Schweine beträgt (1899) 6305200. 
Bei dem ſehr reichlichen Genuſſe von Schweinefleiſch 
wurden immer mehr Tiere ein: als ausgerübrt 

1877 —86 durdfchnittlic die doppelte, 1895 die 
nffahe Zahl). Die Pyrenäen: und Champagnerafie 
ind die geſchätzteſten. Die Zabl ver Ziegen wird 


Frankreich (Fiſcherei. Forftwirtichaft. Bergbau und Hüttenwejen) 


983 ° 


1899 auf 1504390 angegeben. Sehr verbreitet ift ' und 1870 waren ſchon 100000 ha neu bepflanzt 


die Zucht von Kaninchen, deren Fleiſch als Speije 


beliebt ift. 
Federvieh bildet einen Ausfuhrartitel. Die 
befannteften Arten find die von Gaur, La Fläche, 


Erdvecoeur und die Eohindina: und Brahmaputra- 
bübner. Die Eier werden beſonders nah England 
vertauft. Die Ausfuhr (1898 für * Il. 518.) 
übertraf die Einfuhr bedeutend. Die Bienenzucht 
ift in manden Gegenden bedeutend. 1897 gab es 
16008303 Bienenjtöde, melde 7316400 kg Honig 
und 2147442 kg Wachs im Werte von zujammen 
etwa 15 Mill. Frs. lieferten. Berühmt ift bejonders 
der Honig von Narbonne und Crevecoeur. 

Die Seidenzucht, vorzugsweiſe an den ind 
Vlittelmeer gebenden Fluſſen ſowie an der Küſte 
der Provence, liefert der Neger ein vortreffliches 
und reiches Material. Infol e von Krankheiten des 
Maulbeerbaumd und ber Seidenraupen ging der 
Gefamtertrag der Cocons zurüd; er betrug 1854: 
26, 1865: 5,5, 1882—98: 9,7, 7,7, 6,2, 6,6, 8,3, 8,6, 
9,5, 7A, 7,1, 6,8, 7,7, 10, 10,6, 9,3, 9,3, 7,8 und 
6, Mill kg. 1899 erzielten 128114 (gegen 1894: 
154773) Züchter 6993339 kg, 1900: 186214 Zuch⸗ 
ter 9180401 kg. Am ertragreichiten (1899) waren 
von den 28 Seidenjucht treibenden Depart. Gard 
(2,1 Mill), Arveche (1,6), Dröme (0,) und Baus 
clufe (0,7 Mil. kg Eocons). , 

Fiicherei. Die Seefifcherei ift bedeutend. Sie 
beihäftigte 1895 über 155000 Menſchen (84325 
davon auf Schiffen) mit 25 676 Schiffen von 154796 
Regiftertond, 1898: 97720 aktive Seefifher auf 
27230 Fahrzeugen von 166293 Regiitertond. Der 
Mert des Ortenges belief fih 1888 auf etwa 
87 Mill, Frs. und verteilte ſich me auf die 
Häfen Boulogne, Fecamp, Fa Eroific, Dünlirchen, 
Douarnenez, Zrouville, St. Malo, Granville,Auray, 
Les Sables dDlonne, Gette, Baimpol und Duimper; 
der Bruttowert des Ertrages 1898 war etwa 120'/, 
Mill. Fro. Im er des großen Siihfange (la 
ren öche), ber fich jekt auf den Kabeljaufan 

eihränft, ftanden 1898: 484 Schiffe, die — 
nach Neufundland (von den Kleinen franz. Inſeln 
St. Pierre und Miquelon aus) und nah Island 
fuhren, Sie hatten 9578 Mann Bejagung und brach⸗ 
ten —— 42,85 Mill. kg friſchen Kabeljau heim. 
Bei Island wurden au gegen 500 000 Hummern 
gefangen. Sehr gute Erträge hat der Sardinens 
rang, deſſen Gebiet von der Bretagne bis zum Bis: 
cayiſchen Meerbufen reicht; man erbeutete 1897: 
50 Diill.kg Fiſche. Der Heringsfang brachte 1897: 
47 Mill. kg (1886: 32,8 Mill), außerdem murden 
1897 gefangen an Andovis 1,4 Will. kg (1886: 
6,5 Mil. kg), an Mafrelen 11,1 Mill. kg im Werte 
von 4,5 Mill. Frs. an Auften 29 Mill. kg; jerner 
Krabben, Miesmuſcheln, Thunfiihe, Steinbutt, 
Seezungen, Barben, Lachſe und Rochen. Sehr be; 
beutend iſt die fünftliche ufternzucht, die ungefähr 
10000 Männer, 15100 Frauen und 1300 Kinder 
beſchäftigt und 1897 einen Ertrag von 967 Mill. 
Stüd lieferte. Die Gebirgsbädhe der Alpen und 
Vyrenäen find reich an Forellen; die Rböne lieiert 
Barben und Hechte, jonft giebt es noch Karpfen, 
Yale und Meipfifche. 


bewaldet. Schen 1827 ſuchte die Regierung ber 
Abbolzung und ihren folgen zu fteuern. Auch unter 


} 


er — — — 


1891:1 
Forſtwirtſchaft. Etwa ein Sechſtel des Landes iſt 


Ludwig Philipp und beſonders unter Napoleon be⸗ 


ſchäftigte man ſich mit der Frage der Aufforſtung 


und ſeitdem iſt der Waldbeſtand um 200000 ha 
ewachſen. Während die Aderbauftatiftil für 1873: 
357000 ha, für 1882: 9455255 ha (25 a auf 1 €.) 
angiebt, findet man in andern Quellen für 1888: 
9388000 ha verzeichnet. Das Depart. Landes ge: 
bört zu den walbreichiten (47 Proz. des. Bodens), 
dann kommen Bar (42 Proz.), Vosges (35 Proz.), 
Belfort (34 Proz.), Gironde (34 Proz.), Artöge und 
Yura (33 Proz.); die waldärmiten find: Seine 
2 — Manche (3 Proz.), Bendee (4 —333. 
nistere (5 Proz.) und Calvados (7 Proz.). Belannte 
aldbezirke find der Wald von Fontainebleau 
(17000 ha), der von Compiegne und der von Orleans 
(87000 ha). Staatdeigentum find (1889) nur 
1070477 ha; 1915370 ha gehören Gemeinden und 
öffentliben Inſtituten und etwa 6,5 Mill. ha Privat: 
leuten. Das durch die einheimifchen Wälder gelie- 
ferte Hola (25,1 Mill. cbm) reicht für den Bedarf 
(31,5 Mill. cbm) nicht aus; es wird viel Bauholz, 
vorzugsweiſe Eihe und Tanne aus Schweden un 
Norwegen, Rußland, der Schweiz, Deutſchland und 
Öfterreich eingeführt. Der Wert der Einfuhr be: 
trug 1890: 152 Mill., 1898: 135,0 Mil. Frs., der 
Ausfuhr 28,8 und 41,5 Mill. Frs. Außer den ge: 
wöhnliden Maldbäumen find namentlich daratte: 
tiſch die harzliefernde und befonderd zur Be: 
feitigung der Dünen im Südweſten angepflanzte 
Seeitrandfiefer (Pinus pinaster Sol.), die Korteiche 
in ber Gascogne und die vorzüglich auf dem Central⸗ 
plateau und in der Landſchaft Bivarais gebeibende 
eßbare Kaſtanie. Nur in geringer Menge finden 
ſich Hirſche, Rehe und Dammild. Der Bär hat ſich 
in die Alpen und Pyrenäen — — auf ihren 
palm Gipfeln lebt noch der Steinbod, während 
uchſe beinahe verſchwunden find. Die ——— 
Gegenden ber Rhönemündung bergen noch Biber 
Der Wolf ift in den großen Gebirgäwaldungen und 
in Lothringen anzutreffen, doch werden, ſeitdem 
1882 Prämien auf jeine Erlegung ausgeſeßt wurden, 
jährlich ſtets weniger erlegt (1883: 1316, 1885: 900, 
1889: 515, 1894: 245 Stüd). 

Bergbau und Hüttenwefen. Am 1. Yan. 1897 
betrug die Zahl ſamtlicher Bergwerte (einſchließlich 
Algerien) 1463, welche 1213458 ha bededen; allein 
nur 530 berfelben wurden (1897) abgebaut; fie 

tten 160876 Arbeiter, und die Foͤrderung belief 
ih auf 87 520360 t. Ton Metallen befigt F. nur 
Eiſen in größerer Menge, doch bewirkt der Umſtand 
baß bie michtigften Bager fich nicht (mie im England) 
in der Nähe der Kohlen befinden, eine erhebliche 
Verteuerung der Eifenprodultion. Hinter andern 
eig Vereinigte Staaten von Amerita, 

ngland, Deutichland) et in der Gewinnung 
von Gifenerzen zurüd, obg eih in den Minetterzen 
an der deutſchen — ——⏑——— 
ein für Thomasſtahl ſehr brauchbares Material in 
Menge vorhanden tft. Die Menge der gewonnenen 
nee (Bohnerze, Rot: und Brauneijeniteine 
u.j.m.) bat, auch abgejeben von der Verminderung 
jeit 1870/71, feit der Mitte des 19. Jahrh. abge: 
nommen, wächſt aber neuerdings wieder. Sie be: 
trug 1847: 3,46, 1866: 3,80, 1882: 3,46, 1888: 2,18, 
1894: 3,77 und 1897: 5,08 Mill. t. 

Die Zahl der Eifenbergmerte belief ſich 1807 
auf 342 mit 9627 Arbeitern. Um den Verbrauch zu 
deden, mußten bedeutende Mengen eingeführt wer: 
ven. — 1897 gab e3 2147 Eifenbütten und 111 Hoch⸗ 
Öfen, darunter 101 mit Kolsbetrieb. Die Zabl der 


984 
legtern ift bedeutend zurüdgegangen, denn 1846 





waren noch 628 in Thätigleit, Die Produktion an 
Roheiſen betrug: 5 
1850: 406 000 t 1890: 1962196 t 
1860: 898000 » 1894: 2069714 » 
1869: 1381000 » 1897: 2484191 » 
1880: 1725293 » 1898: 2534427 » 
1884: 1871537 » | 1899: 2578401 » 
1886: 1516574 » 1900: 2699494 » 
1888: 1683349 » 
ganzen find bei —— von Roheiſen 
21 Departements, am ſtärkſten Meurthe⸗et-Moſelle 


—— 1897: 1545663 t), Nord (294.037), 

aöneset:2oire (101170), Pas⸗de⸗Calais Y 548) 
beteiligt. Die weitere Verarbeitung geſchieht in 42 
Departements in 1205 Ofen und zwar vorwiegend 
mit Steinlohlenfeuerung. Den größten Yard 

t die Stahlfabrifation genommen. Sie ift (haupt: 
ählih in den Depart. Loire und Saöne⸗et⸗Loire) 
eit 50 Jahren etwa um das Hundertfache eye 
und bat ſich feit 20 Fahren verdoppelt, fo daß F. in 
diefer Hinfiht unter den europ. Staaten nur von 
England und Deutſchland übertroffen, von Rußland 
jedoch jept bald erreicht wird. 1882 wurden geliefert: 
458238 t, 1886: 427589, 1890: 587360, 1894: 
674190, 1897: 994891, 1898: 1138633, 1899: 
1239660, 1900: 1264737 t. Im einzelnen wur: 
ben erzeugt: 


1897: 1900: 
Robeiien ...... 2484191 t 2699494 t 
Stahlingots .... 1325213» 1624048» 
Eifenftangen ..... 704324» 680735 » 
Eiſenſchienen 593 » 621» 
Eijenblebe .... . 79049 » 63 956 » 
Stablitangen 568998» 667171» 
Stahl —— 191860» 295915 » 
Stablblebe...... 234033» 301651 
Im J. 1900 be der einheimiſche Eiſenver⸗ 
brauch 69,3, bie —* enprobuftion 71 kg pro Kopf 
ber Bevölkerung. Der Handeldumfas betrug 1900: 
Einfuhr: Ausfuhr: 
a EEE 2119003 t 37179 t 
Robeifen, Alteifen —* 322807» 487238 » 
Eifen: und Stablfabrilate 90321» 92749» 


An andern Metallen R d. arm. Kupfer wird 
bauptfählih in Bas:de:-Calais und der Umgegend 
von yon und zwar nur aus fremden Erzen erzeugt, 
genügt aber dem Bedarfe keineswegs. Blei liefern 
nur noch die Depart. Buysde:-Döme, Lozere, Hautes⸗ 
Alpes, Ille⸗et⸗Vilaine; die Bleigruben ber Bretagne 
{ind erihöpft. Zinkerze (1898: 82100 t) werden 

den Pyrenäen und in Gard, Mangan (31900 t) 
in Hauted:Pyrendes und Sadneset:Loire gewonnen; 
ferner finden ſich aud Antimon (4400 t), Bitumina 
und Eijenpyrite. Um den Bedarf zu deden, müflen 
von allen dieſen Metallen bedeutende Mengen ein: 
geführt werden. 1900 wurden bezogen Robtupfer 
61868, Blei 71556, Zinn 7456, Zint 35220, 
Nidel 573 t. 

An Steinkohlen ift F. wenn es aud) hinter an: 
dern Induftrieftaaten zurüditebt, reich und zwar find 
bie Lager ziemlich gleihmäßig über das Landverteilt, 
wenn aud die vier Hauptreviere mehr dem Diten 
des Landes zufallen. Diefelben find: 1) das von 
Valenciennes (Pas-de⸗Calais und Nord) mit 1897: 
17 831 250 (1900: 20884 175) t Ausbeute; 2) das 
von St. Etienne (Loire und Rböne) mit (1897 
3739108 t; 8) das von Alais (Gard und Ardeche) 


Frankreich (Bergbau und Hüttenweſen) 


mit 1894852 t; 4) das von Ereufot und Blanzy 
Saöne:et:Loire) mit 1951213 t. Außerdem fin 
ejonder8 noch die Beden von Aubin (Aveyron), 
Commentry und Doyet (Allier), Braflac (Haute: 
Loire, Buy «der Döme), Graiſſeſſae und Roujan 
(Herault) zu erwähnen. rößten Braun: 
toblengruben finden fi bei Faveau (Air) im 
Depart. Bouches⸗du⸗Rhoͤne und Bar und bei ⸗ 
nols und Drange, in den Depart. Ardeche, 
und Vaucluſe. Die franz. —— bededen einen 
Geſamtflächenraum von 555103 ha und wurden 
1897 in 287 Koblenmwerten abgebaut, in bener. 
143381 Arbeiter befhäftigt find. Die Bergwerte 
verteilen ſich 839 Departements, von denen je 
doch neun nur Brauntoblen — — Die Kohlen⸗ 
ewinnung ift im 19. Jahrh. ſehr g en und bat 
ich feit 20 Jahren etwa verbo Sie betrug 
1787 nur 211,1802: 844, 1840: 3003, 1870: 13180, 
1885: 19511, 1888: 22608, 1890: 26025 Tau⸗ 


fend t. r 1897 werben 30,798 Mill. t im Werte 
von 334 Mill. Frs. für1898: 32,356, für 1899: 32,ses, 


für 1900: 38,150, für 1901: 35 Mill. t angegeben. 
Der Berbraud wuchs von 935000 t im 3.1802 auf 
28 846 000 im J. 1880, 86653000 + im 1890, 
37 389 500 t im J. 1897, 46548700 t im J. 1900. 
Die franz. Roblenlager liefern alſo doch nicht genug 
für den Gebraud, die Einfuhr ift daber ziemlich be- 
deutend (1900: 14599950 t), während die Ausfuhr 
dagegen gering ift (1900: 1201210 t). 

ie Zahl der Torfgruben bat fi ſehr ver 
ringert und ebenfo gebt ihre Ausbeute ſehr aurüd; 
when fie1840: 500000 t betrug, fiel fie 1897 auf 
98067 (1899: 99230) t. 

Sehr groß find die Schäße an nugbaren Stei⸗ 
nen und Erden. Die Zahl der Steinbrüdr 
Far“ auf33300 (mit 113000 Arbeitern), melde 

r 164 Mill. Frs. Steine liefern und von welchen 
4300 unterirdiich abgebaut werden. An Granit find 
namentlich die Bretagne und die vorgelagerten In⸗ 
feln, an Syenit die Provence, die Alpen und Bore 
näen, an Baſalt die vullaniſchen Gebietevon Eentral» 

anfreih reih. Marmor (für etwa 5 Mill. Fre.) 
iefern die Alpen und Borenden (M äulen von 
Bagntred:de:Bigorre), Schiefer (etwa 5 Mill. Frs.) 
die Umgegend von Angers und die Arbennen, 
das Pariſer Beden. Dasjelbe bat au große Bor: 
räte an Kalt: und Sanditeinen, während ſich bei 
Belley, Ehäteaurour und Dijon litbogr. Steine, bei 
Limoged und St. Yrieir Borzellanerde, bei Beauvais 
und Montereau Fayenceerde und in ber agne, 
in Burgund und in Isle⸗de⸗France Ziegeltbon in 
Menge findet. Einige Gegenden (beſonders Bas: 
de:Galais, Somme und Meufe) find reich an phos⸗ 
phorfaurem Kalt. Die Produktion hat ſich in den 
legten Jahren bedeutend gefteigert, weil der Kalt 
vielfad zur Verbefjerung des Bodens u. ſ. w. Ber: 
wendung findet. Oteinlalj (1899: 585488 t) wird 
bejonders in den Depart. Doubs, ‚Niederpure: 
nden, Haute-Sadne und hauptiählih in Meurtbe: 
et:Mofelle gefunden. Die Zahl der Steinſalzwerle 
belief fib 1899 auf 41. Die Salzjeen und Teiche 
(etwa 24072 ha) find auf fieben Departements am 
— und auf ſechs am Atlantiſchen Deean 
verteilt. 

Die Mineralquellen finden ſich beſonders ar 
den Grenzen ber Urgebirgämafien, namentlib in 
den J— (426 Quellen und 93 Etabliſſements), 
den Alpen, den Bogefen und der Auvergne. m 
Juli 1882 wurden ihrer 1027 (318 ſchwefelhaltige, 


Frankreich (Induftrie) 


857 altalifhe, 136 eifen: und 216 falzbaltige) ges 
zählt, von denen 386 alte (6—15°) und 641 warme 
15—81°), welche insgeſamt in der Minute 46400 1 
je lieferten. 1891 waren 1257 vorhanden. Die 
gab der benugten Quellen, die (1891) von 290000 
ranlen beſucht wurden, ift in neuerer Zeit jehr im 
Steigen begriffen. Bon den 251 Mineralbädern 
nd bie berübmteiten: Air, Bardge, die beiden 
gneres, die beiden Bourbon, Cauterets, Dar, 
Engbien, Das ei eur. Plombidres und St. 
Sauveur, Vichy, Neris, Eontrereville und Buſſang. 
65 Mil. Flaſchen Mineralwafjer wurden verjandt. 
Induſtrie. Diefranz. Induſtrie erfuhr zwar ſchon 
in frühern Jahrhunderten bejonderd durch die Bes 
mübungen Golbert3 eine bedeutende Förderung, 
wurde jebod durch die vielen Kriege und vorzüglich 
durd die Aufhebung des Edilts von Nantes (1685), 
die viele fleißige und gejhidte Arbeiter zur Aus: 
wanderung veranlaßte, in ihrer Entwidlung auf: 
gehalten. Die feit mebr als 200 Jahren beiteben: 
den Schußzölle haben einzelne Induſtriezweige ſich 
fehr kräftig entwideln lafjen, und der neueite Zoll: 
tarif (11. Jan. 1892), der in einen Marimal: und 
einen Minimaltarif zerfällt, enthält weitere zum 
Zeil beträchtliche Erhöhungen. 

Seit der Revolution find alle Sunte ge 
es beiteht volljtändige Gewerbefreiheit, es edarf 
nur der Loſung eines Gewerbepatents, welches all- 
jährlich erneuert wird. Der Staat, fpeciell das 
Handeläminifterium (Ministöre du commerce et 
de l’industrie), überwadht nur das Verhältnis der 
Gewerbtreibenden zu den Hiljsarbeitern, die Ar 
beiterverhältniffe, befonders die Frauen: und Rinder: 
arbeit in den Fabrilen, die Anlage der legtern, den 
Betrieb der für bie Gefundbeit nadteiligen Ges 
merbezweige u. |. w. Zur Förderung der Induftrie 
beiteben die 60 Gewerbelammern oder Chambres 
consultatives des arts et manufactures, die 1801 
—— Société d’encouragement pour l’in- 

ustrie nationale zu Paris, welche Preife und Me: 
daillen verteilt und monatliche Bulletins veröffent: 
liht, und das Conservatoire national des arts et 
metiers (f. d.) in Paris. Der Bermittelung der 
Arbeitsgelegenbeit dienen (1898) die Centralarbeits⸗ 
börje (Bourse centrale du travail) in Paris, 1887 ge: 
gründet, ſowie 54 andere in Provinzialftädten, davon 
3in Algerien. Zur Schlichtung von Streitigfeiten in 
Arbeitertreijen beftehen die Conseils de prud’hom- 
mes mit je 26 Mitgliedern (13 Arbeitgebern und 13 
Arbeitern). Sie entſchieden 1897: 51326 Fälle, 
darunter 32926 Tohnangelegenheiten. Außerdem 
giebt ed noch 4502 Syndilatätammern für In: 
duftrie und Handel, 1897 wurden 12550 Patente 
erteilt oder verlängert, 10096 Fabrik⸗ und Han: 
delömarten eingetragen, 64871 Warenzeichen und 
9093 Mufter geihüst. Die Zahl der in der ges 
famten Induſtrie beijhäftigten Perſonen betrug 
1891: 9532560, von denen 3021659 Unternehmer, 
207 222 Beamte und Angeitellte und 3319217 
Arbeiter, Tagelöbner u. f. w. waren. Die meijten 
Perſonen find in der Tertil: (1532000), Baus 
1497 000), Kleider: (1286000) und Metallindu: 
ie (910000) beſchäſtigt. Die Zahl der Arbeits: 
einjtellungen bat fich feıt 1874, wo fie 21 betrug, 
ſehr vermehrt. 1874—85 fanden 797 ſtatt und zwar 
die meijten 1882 (182), 1883 (144), 1885 (108) und 
1886 (161). 172 entfielen auf das Depart. Nord, 
103 auf Seine, 57 auf Rhöne, je 39 auf Marne und 
Somme und 32 auf Iſere; 15 vorzugsweife ader- 


985 


bautreibende hatten gar keine Streits aufzuweiſen. 
1898 brachen 368, 1900: 902 Streils aus; die An: 
zahl der beteiligten Arbeiter betrug 82065 be. 
222714; 1900 mwurben 10253 Betriebe betroffen 
und 2645053 Arbeitätage verloren. 

Die Zahl der in der Jnduftrie arbeitenden Dampf: 
maſchinen betrug 1840: 2591 (mit 34350 Pferde 
ftärten), 1871: 26146 (320447), 1880: 41772 
(544152) und 1897: 68743 (1330466), lebtere ver 
teilten fi auf 54 107 induftrielle Unternehmungen 
(184859 Pferdeſtärlen im Bergbau, 239736 in 
metallurgiichen Induftrie, 113639 in der Landwirt⸗ 
haft, 139395 in ber Nahrungsmittelinduftrie, 
295639 in der Tertilinduftrie, 189220 im Baufache, 
63069 in der chem. Induſtrie, 58091 in der Bapierz, 
Möbel: und Inftrumentenfabrilation, 46818 im 
öffentlichen Dienite). a 1902 wird die Zahl 
ber Fabrilen 75000 überitiegen haben. Fur 1889 
wird der Produltionswert der gejamten Induſtrie 
auf 12 Milliarden Frs. geibäßt, wovon 5030 Mil: 
lionen auf die Tertil- und Belleidungs⸗, 3015 auf 
die Nahrungsmittelinduſtrie, 1890 auf Baugewerbe 
und öffentliche Arbeiten, 890 auf die dem. und 886 
auf bie metallurgiſche Induftrie entfallen; für 1902 
auf zufammen etwa 15 Milliarden Frö. 

nter den einzelnen Zweigen ber Induſtrie lommt 
an Bedeutung feiner der Tertilinduſtrie gleich 
(1897: 6713 Betriebe), deren Produltion auf 
3 Milliarden gejhägt wurde. Davon entfielen etwa 
1200 Mill. auf Wol:, 500 Dill. auf Seiden⸗, 
600 Mill. auf Baummoll: und endlid 350 Mil. 7 
auf die Hanf:, Leinwand: und Jutemanufaltur. Als 
wichtigſter Zweig der Tertilbrande ift die Seiden: 
induitrie hervorzuheben (f. aud Seide). Der Ber: 
braud an rober Seide (1899: 4,7 Mill. kg), der fa 
in den legten Jahren faft immer gleich geblieben 
it, verlangt gegenüber der Produltion (1890 etwa 
650000 kg, bergeftellt in 1400 Robjeidenfabriten 
durch 45 500 Arbeiter, 1899: 566000, 1900: 736000 
ke) eine bedeutende Einfuhr von Cocons rober und 
filterter Seibe (j. Tabelle, ©. 988). 1897 gab es: 
1028 Spinnereien und Webereien mit 78000 Ar: 
beitern, 1400000 Spindeln und 61200 medan. 
Webftüblen, während die Zahl der Handiwebjtühle 
urüdgegangen iſt. Letztere ſtehen hauptſächlich 
(über die Hälfte) im Depart. Rhöne; die mechan. 
eberei ift dagegen vorzugsweiſe in den Depatt. 
Loire und Nord verbreitet, und die meijten Rohſei⸗ 
denfabriten finden fib in Gard, Ardeche, Dröme, 
Bauclufe, Bar und Iſere. Beteiligt find an der 
Rohjeidenfabrilation im ganzen 27 Departements. 
5. fabriziert in der Hauptſache Ganzjeidenwaren 
und übertrifft darin alle übrigen Länder. Die franz. 
Seidenmwaren zeichnen fih vor allem durch Feinheit 
des Geſchmads und vollendete techniſche Ausfüh: 
rung aus. Der Wert der Ausfuhr belief ſich 1900 
auf 263, ber ber Sn auf 615 Mill. rs. 
n der Shafmwollinduijtrie zählte man 1885: 
3 266 000 Spindeln, 46 300 mean. Webjtübhle und 
112000 Arbeiter in 1882 Gtablifjements, 1897: 
3500000 Spindeln, 72000 mehan. Webjtühle und 
160000 Arbeiter in 2100 Fabriten. Sie ift am 
meijten entwidelt in den Depart. Nord (etma 300 
Manufalturen), Ardeche (230), Tarn (150), Marne 
(100), Aisne (50), Seine:$nferieure (50) und Somme 
(50). Die Zahl der Handftühle betrug 1873 no 
60000, hat ſich aber biß 1897 auf 23000 vermin- 
dert. Der Einfubr von Schafwollgeweben im Werte 
von 42,2 Mill. Frs. ftand 1900 eine Ausfuhr von 


986 


220,3 Mil. Frs. gegenüber. Einen befondern Ruf 
— die Tuche und Streichgarngewebe von Elbeuf, 
Sedan und Louviers, die Kammgarn- und Damen: 
Heiderftoffe von Le Cäteau-Cambreſis, Rouen, 
Neimd, Tourcoing und Roubair und die Shawls 
von Paris, Nimes und Lyon. Schließlich nimmt 
3. in der Verfertigung von Kunſtteppichen (Gobelins 
und Savonnerieteppicen) die erfte Stelle unter den 
europ. Ländern ein; Mittelpuntte jind Paris, Aubuf 
fon und Beauvaid. Die einheimiſche Wollprodul: 
tion (1899: 43 Mill. kg) reicht für ven Bedarf nicht 
aus; ed werden noch (1900) für 374,1 Mill. Fre. 

Robmolle und für 29 Mil. Fre. Wollabfälle (meift 
aus Argentinien, Auitralien und dem Kapland) ein: 

eführt; dagegen wird aud (1900 für 219 Mill. 
Sn) ) Wolle * ausgeführt. 

Die Baummollindujtrie wurde 1778 zuerft 
in Amiend eingeführt und hat feit dieſer Zeit einen 
gewaltigen Aufſchwung genommen. 1888 waren 
127 Fabrilen mit 51 720 majcinellen Pferdeftärten, 
103000 Arbeitern und 4, Mill. Spindeln, ferner 
70000 mechan. und 33 000 Handſtühle (1873 no 
83000) in Betrieb; 1900: 5,00 Mill. Spindeln, 
95000 Webftüble und 450000 Arbeiter. Die Haupt: 
hge find die Depart. Nord, Seine-nferieure, Vosges, 
Eure und Aube. Als Hausinduft trie wird fie haupt: 
ſächlich noch in den Depart. Rhöne, Somme, Aisne, 
Drne, Loire und Yfere betrieben. Die Einfuhr von 
Baummolle (1900 für 168,3 Mill. Frs.) ift bedeutend 
angewadjen. Die Einfubr von Baummollgeweben 
belief fih im Specialbandel * auf 47, die Aus⸗ 
fuhr dagegen auf 152,4 Mill. F 

Bon großer Bedeutun —* * 3 auch die Lei: 
neninbuftrie, welcher 4 die Hanf» und Jute⸗ 
manufaktur anſchließt. Mittelpuntte für die —8 
ſpinnerei ſind die Städte Amiens und Lille, 

anfſpinnerei Mezidon (Calvados) und Angers, ar 

ıtegeipinfte Ailly (Somme) und Dünlirhen. Die 

inenmweberei wird namentlich in Yille, Gambrai, 
Balenciennes und Armentidres betrieben; Hanfftoffe 
liefern beſonders Düntirhen und Angers, Jute⸗ 
gewebe einige nordl. Departements. In di eien 
dujtriezweigen wurden (1888) 350 blifjements 
mit 62000 Arbeitern, 235905 maſchinellen Pferde: 
ftärfen, 611 000 Spindeln, 18000 Kraft: und 22000 
—— en movon allein auf das Depart. 

Nord 300 Etablifjements, 89000 Arbeiter, 445 000 
Spindeln, 11 700 Araft: und 6450 Handſiuhle ent⸗ 
fallen. Anfang 1898 zäblte die Zeineninduftrie 
(obne Jute) 550000 Spindeln, 17000 Maſchinen⸗ 
ſtühle und 20000 Handitüble. Der Gefamtlonfum 
an Robjtoffen beläuft fi etwa auf 2100000 Err. 
Die Einfuhr betrug 1900 an Zeinenwaren (Gewebe 
und Garn, infl. Hanf und Ramie) 17,1, > Auss 
fubr leinſchlieblich Jute) 41,5 Mill. FB. D ie Weis 
terverarbeitung der Mebftoffe ift in hohem Grade 
entmwidelt, und bier fommt der franz. Induſtrie A 
zu ftatten, daß Be nod heute der ganzen Welt 
die berrichende oderichtung diltiert, jomobl was 
die Stoffe jelbit, deren Farben und Mufter, als auch 
deren Façon und Bearbeitung betrifft. 

Auch in der Spigenfabrilation haben fid 
einige Gegenden europ. Ruf erworben. Solche find 
die Depart. Orne (Alengon), Calvados Kal 
und Gaen), Nord (Balenciennes und Lille), Dife 
(Ehantilly), Bas:de:-Calais (Calais und Arras), 
Haute⸗ Loire, Puy⸗de⸗Döme und Eantal, ferner die 
Städte Raris, on, St. Quentin u. T w. Die 
VBoramentenfabrifation wird vorzugsweiſe in 


In⸗ | dere Metallwaren für 85,2 Bil, 


Frantreich (Imduftrie) 


Paris, Lyon, Sc. Etienne, Nimes, Umiens und 
Nantes betrieben. 

Die Fabrikation von Eifen», Stahl: und Ne: 
tallmwaren ift ſodann ziemlich bedeutend (f. aus 
den Abſchnitt Bergbau und Hüttenmweien). Die 

rößten Cijengießereien und die meiften Stable, 

—— Blech⸗ und Drahtwerle finden ſich in den 

tt. Meurtbe: :et:Mojelle, Loire, Sadne:et:Loire 
m in Creuſot, ſ. d.), Norb und Pas-de⸗Calais. 
tahlfedern werden hauptſächlich in —— 
Mer, Blechwaren zu Audincourt (Depart 
und in Beaucourt (Territorium Belfort) 5* 
Der Maſchinenbau leiſtet Bedeutendes, deckt aber 
nicht den Bedarf, da 1900 die Einfuhr 117 755, die 
Ausfuhr 42121 t rg Die größte Zahl Mas 
—— wird in Paris (9 Äbmafh nen), Eile, 2pon, 
nen und St. Etienne gefertigt. Letzteres liefert 
auch Senjen und Waffen von beiter Qualität. Die 
feinen, durch geibmadvolle Ausführung befannten 
Gold», Silber: und SEDSISROrBEILER: die echten 
und unecten Bijouteries, ferner bie Bronseartitel 
werden namentlich in Barts fabriziert und aeben von 
da durch die ganze Welt (die jog. «Parifer Artikel»). 
Nicht weniger bedeutend ift Paris in der Fjabrı 
tation feuerfeiter Schränke, Lampen, Meſſerſchmiede⸗ 
waren u. |. w. r Feilenfabritation giebt es in 
Paris, Arna »[e»Duc Eöte:d' Dr), Portillen bei 
Tours, für Nadeln in Baife bei Yyon, in Dont: 
a:Moufion und Aigle, für Drabtgemwebe in Baris 
und Lyon große Etablifjements. 

Dieihrenfabrilation, deren Hauptſite 
(worzugsweiſe Vendelubren), Bejangon (Ta — 
ubren) und Montbeliard find, bat einen Weltruf, 
beſchäftigt 35000 Arbeiter (ohne diejenigen, weiche 
Reparaturen vornehmen); fie ift in ihrer Bropuk 
tion (jährlid 80 Mill. Frs.) nur wenig vorgeſchrit⸗ 
ten infolge der Billigkeit der jchmweiz., amerit. und 
diterr. Fabrilate. 

In der Ausfuhr von 1900 find unter den Metall: 
waren beſonders zu erwähnen: Meſſerwaren für 
5 Mill, Frs., Waffen für 5,7, Werlʒeuge und an: 
FIrs. ferner libren 
für 24,7, vergoldete und verfilberte Artifel (Bijow 
terien) für 88,7, optiſche, chirurgiſche u. j. m. Inſtru⸗ 
mente E 55 Mi 

Am Shiffbau ift 3. 1900 mit 65 Handels 
ſchiffen von 101818 Regiſtertons beteiliat. 

Die Wagenbauinduftrie bejhäftigt etwa 
25000 Arbeiter. Die Ausfuhr ift nicht bereutend 
und erjtredt ſich mehr auf einzelne Zeile, wie Wagen 
laternen, Federn u. ſ. w. 

Die Möbelinduftrieift in Baris und —— 
ſtark entwidelt; es werden jährlich für 300 Mill. 
Möbel gefertigt, von welchen (1 a ) für 30,1 

ris 


8. ausgeführt werden. beftebt eine be: 
ondere Schule für et Induftriezmeig. Diele 
Stadt ift auch Mittelpunkt für die Fabritation von 


Klavieren und erzeugt jäbrlid etma 15000 (Aus: 
fuhr für 11 Mil. 3), jerner für Drechsler⸗ und 
Schnikmwaren aller 

Die Kabrikation F Papier, Tapeten (Paris, 


Lyon, Marſeille), Buchbinder: und Kartonnageatti⸗ 
teln hat große Fortſchritte gemacht. Es beſteben 
1902 über 600 Papier: und Pappefabriken (mit 


36000 Arbeitern) mit einer jäbrlihen Produltion 
von 200 Mill. kgim Wertevon zen 300 Di. Fre. 
(Wert der Ausfuhr 1900: 56,6 Fr.) 

In einigen Zweigen der J——— iſt 3. 
tonangebend für ven Welthandel. Namentlich leiſtet 


Frankreich (Handel) 


e3 in ber Herftellung von Ziegen: und anderm Hands» 
ſchuhleder (Hauptorte: Annonay im Depart. Ardöche, 
Chambery in Savoie), farbigem (St. Denis und 
Lyon), ladiertem Sattler: und Geſchirrleder (Pont: 
Audemer im Depart. Eure), in Ober: und Kalbleder 
(Rouen, Ebambery, 29 und Sohlleder (Lyon, 
Honfleur) Vorzügliches. Der it von rohen 
Fellen im Betrage von (1900) 152,3 Mill. ſteht eine 
Ausfuhr tober Gäute von 107,9 Dill, Frs. und be: 
arbeiteter Häute und von Lederwaren aller Art von 
181,4 Mill. Frs. gegenüber, und den jährlichen Pro: 
dultionswert jhäßt man auf 900 Mill. Irs. wovon 
700 Mill. auf Schubmert kommen, deilen Ausfuhr 
(1900: 19,7 Dil. 18.) in den legten 30 Jahren fich 
mindeftens verdoppelt bat. Die Handſchuhfabri— 
fation (Paris, Grenoble) beſchäftigt etwa 70 000 
Perſonen (darunter 50000 Frauen) und lieferte 1900 
für 19,7 Mil. Fre. Waren zur Ausfubr. 

ech le edel allen ihren Zwei⸗ 

en mehr oder minder gut vertreten. Der große 

erbraud im Lande hat die Ausfuhr (85 Wi. — 
chem. VBropulte berabgeprüdt, die Einfuhr erböbt. 
Die Hauptzweige find die Seifenfabrilation 
(400 Gtablifjements, 8000 Arbeiter; Probultion: 
250 Mill. kg im Werte von 155 Mil. Frs. Aus 
fuhr 11,2 Mill. Frs.), welde ihren Sig vor allem in 
den Depart. Bouces:du:Rhöne (Marfeiller Seife), 
Seine Paris und Umgebung) und im Depart. Nord 
uch ferner die Rerzenfabrilation mit 182 Fa— 

rifen (4600 Arbeiter), in welchen teilmeije auch Gly⸗ 
cerin, Venzin u. ſ. m. erzeugt werden (Produltions⸗ 
wert [1900) 81 Mill. Frs., Ausfuhr für 4,7 Mil, 
918.). Sehr bedeutend ift die Barfümerieindus 
ft rie mit 450 Jabriten und 9—10000 Arbeitern im 
ſüdlichen F. und in Paris (Produftionswert 55—60 
Mil, Erportwert 1900: 14,6 Mill. Frs.); ſchwächer 
die Harzprobuftion im Depart. Landes und in der 
Umgegend von — und die Anferti u; von 
Firniſſen, Laden und Zinnober, Zinhweih Itras 
marin und Anilinfarben. 

Auch die Glaswaren- und Spiegelfabri- 
tation leiftet Ausgezeichnetes. In 187 Glasfabri⸗ 
ten (1872: 250) mit 29000 Arbeitern werden jähr: 
li für nahezu 120 Mill. Frs. Waren (namentlich 
Kryftallglaswaren, eg u. & Im Oeiertigt, Die 
berübmteiten befinden ſich u t. Gobain, Baccas 
rat, St. Louis und Nancy. Bon den 7 großen Spies 

Ifabrifen mit 3800 Arbeitern gehören 4 (St. Go» 

ain, mit europ. Rufe, Chauny, Cirey, Montlucon) 


’ 


der Gefellihaft von St. Gobain, die 3 andern | f 


Recquignied, Aniche, —— einer belg. Geſell⸗ 
Ya bmt find die franz. Glasbijouterien ſowie 
künſtliche Edelſteine und Perlen. 1900 wurden für 
88,4 Mil. Frs. Glass und Kryftallmaren ausge 
führt. Für die Anfertigung keramiſcher Pro: 
dukte beträgt die Zahl der Etablifjements (1873: 
412) 562 (mit 35000 Arbeitern), welche Waren im 
Merte von 102 Mill. Frs. fabrizieren (Porzellan 52, 
Fayence 50 Mill). Die Hauptſitze find Sevres (Nas 
ttonalmanufaltur), Paris, Haute-Vienne, Bienne, 
Loiret (in Briare), Meurtbeset:Mojfelle, Nord, Dife 
und Saöneset-oire. Ausfuhr 1900: 17, Mill. Frs. 

Seit Rüdgang des Weinbaues bat die Bier: 
brauerei größere Verbreitung gefunden: bei der 
Bevölkerung der nördl, Zandesteile ift Bier jept 
das gewöhnliche Getränt. Während in den Yabr: 
zehnten 1830—89 jährlich 3,5, von 1840 bis 1849 
4,3 Mill. hl — wurden, ſtieg die Produktion 
1860—79 auf 7,2 und erreichte 1890: 9,5 Mill. hi. 


987 


Davon lommen auf das Depart. Nord allein ehrlich 
etwa 3,3 Mill. und auf Pas⸗de⸗Calais 1,, Mil. hi. 
1900 betrug der Wert ber Biereinfuhr 8165 675 Fre. 
Daran beteiligten ſich befonderd Deutſchland mit 
18961, England mit 1549, Öfterreih: Ungarn mit 
480 und die übrigen Länder mit 28411. Ausgeführt 
wurben 11762t. Die Bereitung des Brannt: 
weind aus Wein, früher ganz allgemein, hat ab⸗ 
genommen; die (1895) 6537 berufämäßigen Bren- 
ner benugen Kartoffeln, Rüben, Getreide u.f.m. Be: 
rühmt ift noch die Herftellung des Cognacs (f. d.). 
Die Alloholfabrikation hat ſich feit 1840 mehr als 
verbreifacht. Sie belief fih 1899/1900 auf 2641505 
hl, 19001 auf 2799543 hl und war am ftärfiten im 
Depart. Nord und Pas⸗de⸗Calais. 1900 wurden für 
12,8 Nill. Fr3. ein= und für 40, Mill, Frs. aus: 
geführt. Für die Tabatsfabritation, melde 

taatömonopolift, beitehen 21 große Manufalturen. 
Von Wichtigkeit ift au die Juderinduftrie (f. 
oben Landwirtſchaft), ferner vie Fabrilation von 
Schaummeinen (1900 Ausfuhr 89,4 Mill. Fr8.; 
j. Champagner), von Schokoladen: und Kon: 
dbitorwaren (Paris) und von eingemadten 
Früchten (Ausfuhr der letztern 3,9 Mill. Fre. 
im %. 1900 


Handel. Den größten Aufihwung nahm der 
sans zur Zeit Golbert3,-wo aud eine Seemadıt 
egründet wurde. Im 19. Jahrh. ſuchte man ihn be: 
ſonders durch Einrihtung eine Austunftsbureaus 
im Hanbel3minifterium, Gründung einer Gejell: 
Ihaft zur Förderung de Erportbandeld und durch 
Erridtung von Handelslammern im Ins und Aus: 
lande zu beben. Handelskammern giebt es (1896) 
110, von welchen die zu Marjeille jhon 1650, die 
von Dunkirchen 1700 gegründet worden ift. 1880 
batte F. die Handelöverträge mit fremden Staaten 
gekündigt und von 1882 ab auf 10 Jahre auf Grund 
de3 autonomen Zolltarif8 neue Verträge mit Groß: 
britannien, Italien, Belgien, Schweden und Nor: 
Spanien, Portugal, den Niederlanden, 
Ö —— und Serbien ab⸗ 
oſſen, während Deutſchland, urn rd die 
ürfei und Rumänien die Rechte der meiftbegünftig« 
ten Nationen genofien. Durch Gefek vom 29. Dez. 
1891 ift Die Regierung ermädtigt worden, neue Ber: 
einbarungen zu fließen, um den Staaten ben fm 
Minimaltarit gewähren zu fönnen. Dieje Verhand⸗ 
lungen haben zu —— Verträgen oder zu 
proviforifshen Bereinbarungen geführt, welde in 
pätern Jahren zum Teil verändert oder ergänzt 
wurden. 

Im. 1716 wird bie Einfuhrauf100 Mil. Fre. 
und die Ausfuhr auf etwas mehr, 1787 aber 
auf 4—500 Mill. und 5—600 Mill. Fr3. geihäßt. 
An den nachfolgenden Jahren bis 1827 find, ab- 
gel eben von Kriegszeiten, feine bedeutenden Schwan: 

ngen im Handelsverlehr zu bemerten. Im Jahr: 
ehnt 1827—36 betrug die Einfuhr im General: 
banbel im Durchſchnitt 667, im Specialhandel 480, 
die Ausfuhr 698 bez. 521 Mill. Frs. Im Jahr: 
zehnt 1837—46 ftieg die Einfuhr im Generalbandel 
durbichnittlic um 400, im Sperialbandel um 300, 
die Ausfuhr um 300 bez. 200 Mill. Frs. Der 
Generalbandel des Jahrzehntes 1847—56 fteigerte 
fih um etwa diefelben Beträge, der Specialhandel 
dagegen um über das Doppelte (etwa 650 und 
500 Mill. Frs.). Eine Verdoppelung der Werte für 
Eins und Ausfuhr des General: und Specialbans 

‚ deld trat 1857—66 ein. 1867—76 ſtieg der durch⸗ 


988 


&nittlihe Wert des Generalhandels in der Ein: 
tubr um 1300, in der Ausfuhr um 900, der Wert 
des Specialhandeld um 1200 und 900 Mill. Frs. 
Für die folgende Zeit giebt die Tabelle einzelne 
Nahresiwerte (in Millionen Frs.): 


Zah Generalhandel Specialhandel 
re | — — 
Einfuhr | Musfupr 
1880 6113 4612 3468 
1882 5963 4164 3574 
1884 5239 4218 3232 
1886 5117 4246 3249 
1888 5187 4298 3246 
1889 5320 4803 3704 
1890 6452 4840 3753 
1891 6938 4731 3570 
1892 8136 4551 3461 
1893 4951 4326 3236 
1894 4795 4125 3078 
1895 4330 4589 3374 
1896 4929 4594 3401 
1897 5138 4803 3598 
1898 5583 4674 3511 
1899 5848 5534 4153 
1900 ? ? 4018 





Bon den wichtigſten Waren des Specialbandels 
entjallen in Millionen Frs. (1895 und 1900) auf: 






Rahrungsd- und Benußmittel. 
Rohſtoffe 
britate 


nee Te 


. re 

















ee. 00 0. .1374,1 | Seidenkoffe.- - - » - ı 263,0 
N u: ——— 227,6 
„eo 00 0% +) 2510 | Wolitoffe. -» » » » » | 220,3 
zer: TA U .» —44 219,0 
.uornons 152,4 
oo 00. 0.116832 1 Seide -. oo 2.0. 148,7 
‚OD... + .. 144,9 
eg ..... 141,5 | Moden, fünfil. Blumen | 115,7 
Bauhols - »... 28,7 | Häute, gegerbt . . . | 110,6 
Gerealien (mit Malz) | 126,6 ute, roh . ... .- 107,9 
Rupfer. 22.2... | | 108,1 kiber und Weißzeug | 104,0 
—— ee 89,8 | Bobauder... .. - 101,4 
17 EEE 83,7 | Metallarbeiten . . . | 85,1 
Seidenitoffe . . . „| 615 ——— 85,0 
Seeflte .- » .» » 56,9 | Käfe und Butter . . | 70,9 
FY. 7 WE 56,1 | xeberarbeiten . 70,8 
oda und Natron 51,4 | Maidinen .... . 614 
Käfe und Butter . . | 49,5 | Zuder, raffiniert . . 57,8 
Baummwolftoffe . . . | 47,0 | Glas und Weihirr .| 67,9 
Berroleum . . 2... 44,6 Bapier u. Bapierwaren | 56,6 
Metallarbeiten . . . | 42,4 | Kupfer... 2.2... 56,0 
Bolftoffe .... . 42,2 | Branntwein 53,9 
el in Blättern 42,0 | Bautog .». . 2... 48,4 
REIN 38,2 | Tafelfrüdhte. . -» » - | 42,0 
En. Bapierwaren! 36,9 | Seefide . ».... 39,0 
— ... 4,1] @old * Juwelier · 
Ste —— — 32101 Wer 2.0.0.0. ‚7 
ute, gegerbt . . „| 30,9 | lumpen .. 2... 325 
era suder . . „| 28,5 ] Baummolle .... . 30,1 
een 27,3 * erde und Maultiere | 25,3 
—ã— — 484 außer — * 19,3 
Eerlie Hölyer ../ 9,7] 8o eipinfte . . . 19,1 
GieeBE. » a 0000 ı 173 | Barbholgegtratte 13,1 


Der Verlehr mit Evelmetallen ift großen Schwan» 
tungen unterworfen. 1875 betrug die Goldeinfuhr 
608 Mil. Fr3., die Ausfuhr 137 Mill., 1885 eritere 
243, letztere 207; 1895 eritere 254, [eptere 244; 
1900 eritere 452, legtere 126 Mill. "StB, Silber 
jeigt in denjelben Jahren in Einfuhr die Werte 
266, 235, 141 und 187,3, in Ausfuhr 81, 187, 78 
und 207 Mi. dr. 





n 





| 


em 


Frankreich (Verkehrsweſen) 


Specialhandel in Mil. Fr3.mit fremden Ländern: 








Vertebräländer 


. en...“ 
Dee u u Br ur Zur u ze 

De u Eu 
De a Zr 
.e er Teen. 
De Br Br u ur — 
De ee Zr u Zr 


2 








144 11,0 
185,8 | 253,7 


Bereinigte Staaten „. » - 


Argentinien „x. 0 +. 50,5 473 
Beier. 2 oo 0000. so,1 384 
Unbere Länder... ..» - sıns | nor 


Eumma 138504 4408,5 | 3078,1 | 40780 


Die wichtigſten Waren im Specialbandel mit 
\ Deutfchland zeigt die folgende Überficht (1900): 








Eteintohle und Kofs . | 40,8 | Wolle und Wollabiälle ı 50,4 
Maſchinen und mechanm Häute und Belzwerf, 
Vorrihtungen ... 35,6 Tod » - 2.2200. 3”, 
Chem. Erzeugnifle . . 2,0 /Wein ...... 2 
ier, Bappe, Bücher, Seidene Gewebe, Bofa- 
tie Far 18,5 | mentierwaren unb 
Baummollene@emwebeu. Bander 2... 16,9 
Boiamentierwaren .|17,7 |Ehem. Brodufte . 14.1 
Bolene Gewebe und Baummole, roh . . . 14,0 
Bofamentierwaren . | 17,7 |frertige Kleidungsftüde | 
Werkzeuge und Metall» und Woſche 124 
WALeEn . 2» 2 22. 16,6 |häute, zugerichtet 11,4 
Thon», Blas- und Fry- IDEE: 2 ee 91 
allwaren ..... 16,5 |Spielwaren .... . [R} 
neralien aller Urt . | 16,0 |Wollene Gewebe | 
gest unb — roh 14311 Bojamentierwaren .| 14 
eidbene Gewebe, Bofa- Werkzeuge und Waren | 
mentierwaren und aus Metal... . - 61 
Bänder ... +. 93 |Seide und Florettjeide | &2 
ämereien. . .... 91 ze. ee 63 
Wolle und EUREN 81 IBlede -....... Ey} 
Lederarbeiten . . 84 —8 Papier, Büder, 
äute, een tet ..| 81] Stide.-.... 2... 1a 
er (mit )». .| 66 |Eiien * Stahl 20 
wirme - 2.2 200% 55 Ifarbwaren. ..... 13 
arben. - 2.2. . 44 


Das Geſamtgewicht der 1895 auf den Nieder 
lagen eingegangenen Waren beziffert fib auf 
2695 195 (1900: 2876 542) t im Werte von 657, 
a Mil, Frs. egen 2074207 t im Werte von 
il, rs. im J. 1890. 

Die 1895 Fra F. durchgeführten fremden Waren 
hatten ein Gewicht von 572774; ber Wert beliej 
ih auf 655,7 Mill. Frs. d. i. 55,8 Mill. mebr ala 
1890. 1899 erreichte der Gefamtwert der Durbfubr 
961, 1900: 852,8 Mil. Frs. Baummollgemebe nab: 
men 1895 den erjten Rang ein mit 143,5 Mill. 
Demnädjt tamen Seidengemebe (108,8 Rill.), Golb- 
und Bijouteriewaren (45,5 Mill.), Uhren (27,8 Mill.), 
Mollgewebe (22 Mill), Getreide (174 Mill.), Seite 
(17 Will), Kaffee (16,6 iu ), Garne (15, Mill, 
Kortwaren (15,5 Mill. Frs.). 

Berfehröwejen. IL Xandftraßen. Das planı 
mäßig und einbeitlid angelegte Ne von Land— 
—— beſaß ſchon am Ende des 18. Jabrb. eine 

usdehnung von etwa 4000 km und galt für eins 
der beiten Europas. Seit 1811 find fie eingeteilt in 
Staatsſtraßen (routes nationales), Departements: 
ftraßen (routesd&partemehtales)und Bicinaljtraßen 
(routes vicinales). Die eritern wen ſyſte matijc 
von Paris nach den wichtigſten Grenzſtädten und 


Frankreich (Verkehrsweſen) 


Hauptorten der Departements, haben eine Breite 
von 12 bis 14 m, werden vom Staate gebaut und 
unterbalten und hatten 1899: 38051 km Länge 
(ausschließlich 209 km nicht unterhaltener Straßen). 

bre Frequenz bat jeit dem Ausbau der Eijen- 
ahn nur wenig abgenommen. Die Departements: 
ftraßen verbinden die Hauptorte der Departements 
und werben = Roften der lektern mit Staats: 
uſchuſſen unterhalten, haben eine durchſchnittliche 

reite von 12 m und 1896: 49528 km Länge, 
doch find hiervon zwei Drittel nicht unterhalten. 
Viel enger werben die Maſchen des Straßenneges 
durch die Vicinalmege (1894: 610399 km), von 
denen jevob nur 486894 km als in gutem Zu: 
ftande befindlih angegeben werben. Das gejamte 
Straßennes hat alſo ohne die Gemeindeſtraßen eine 
Länge von etwa 700000 km, 

U. Seeſchiffahrt. Die geſamte Handels: 
flotte zählte (Dez. 1898) 15615 Schiffe mit einem 
Gehalt von 900288 Regiftertons, und zwar 14406 
rg mit 414673 und 1209 Dampficirie mit 
485 615 Regiſtertons Gebalt. Die Zahl der erjtern 
bat fich feit 40 Jahren nicht fehr verändert, allein 
die der legtern, welche 1847 nur 117 (mit 12600 
Negiftertond Gehalt) betrug, bat nO verzebhnfadht. 
Von der Gejamtzahl der Schiffe hatten (1898) 
12895 einen Gebalt bis zu 30, 825 von 30 bis 50, 
160 von 50 bis 60, 1484 von 60 bis 1000, 173 von 
1000 bis 2000 und 78 von über 2000 Regiſtertons. 
Von den Segelſchiffen wurben zum Heinen Fiſch— 
fang an den Küften 10596 mit mehr ala 2 Negifter: 
tons Gehalt und 46477 Mann, außerdem 13302 
mit weniger als 2 Regijtertond und 26334 See: 
leuten verwendet, 484 (9578 Mann) im großen 
— 1432 (4726 Mann) bei der Küſtenſchiff⸗ 
4 rt, 150 (888 Mann) in den europ. Meeren, 271 
(4123 Mann) zu langer Fahrt. Von den Dampf: 
und Segelfchiffen waren thätig: zum Bugfieren und 
im Hafendienit 744 (3420 Mann Bejatung), bei der 
Kuſtenſchiffahrt 1573 (6038 Mann), bei der Schiff: 
jabrt in europ. Meeren 398 (7370 Mann) und in 
langer Fahrt 445 mit 13099 Mann Bemannung. 
1900 zählte die Handeläflotte 15489 Schiffe mit 
einem Gehalt von 957756 Regiſtertons, darunter 
1227 Dampfer mit 507120 Regiftertong, 

Die Zabl der 1900 im äußern Handel ein: und 
ausgelaufenen beladenen Schiffe beträgt 26 647 mit 
184 Mill. und 20860 mit 12,5 Mill. Regiftertong, 
Davon führten 7625 und 7279 Schiffe —* Flagge. 
Zur See wurden 1899 für 4099,5, zu Lande für 


1748,5 Mil. Frs. Waren eingeführt. Bon der Aus: 
fubr gingen 18,7 zur See, 1914,5 Mill. Frs. zu 
Lande. Die wictigjten Seebandeläpläße mit dem 





Verkehr von 1898 find folaenbe: 








PMarjeille 





Be Date oo 000. > > 
Düntirden. » 22... 1673 | 1330 | 1064 440 
MWorbeang - --o..- 0... 1400 | 1021 ] 1115 766 
1 177°7- WE EEE 1235 837 460 209 
Boulogne -» v2 00% 1947 822 | 2092 841 
Et. Razaite . 22... 737 655 224 130 
He 02000000. + 1145 622 772 385 
Galals - 2 oe or 0 0 0 2 0 673 1902 554 
Deppe oe u0r 00. | 1538 | 410 | 1450 279 


Die bedeutendſten Landhandelsplätze find: Paris, 
Tourcoing, Lyon, Lille, Montpellier, Nimes, Nantes, 


989 


Roubair, Reims, Rennes, St. Etienne, Toulouse, 
Air, Beaucaire, Carcaſſonne, Beziers, Nancy, Dr 
leans, Berpignan, Tours u. ſ. w. 

II. Binnenfdiffabrt. Die nur flößbaren 
Waſſerläufe 3.8 (f. die Karte: Die Schiffahrts— 
——— in Frankreich nebſt Tabellen, beim 

rtilel Frankreich, Bd. 17) hatten 1899 eine Länge 
von 2938 km, von denen jevod 1926 km nicht 
mebr benugt wurden. Bon den in der Statiftit 
von 1899 ala ſchiffbar geführten 13774 km waren 
nur 11469 km in Benußung, worunter 121 km 
Binnenfeen, 2505 km Slüfje obne Schleuſen, 4370 
km Flüuſſe mit Schleujen (darunter 1500 km tanali« 
fiert), 4473 km Ranäle waren; der Reſt diente 
teil3 (660 km) der See und Kuſtenſchiffahrt, teils 
(1624 km) iſt er von der Schiffahrt verlafien oder 
liegt außerhalb der Fahrrillen. Bon allen Waſſer⸗ 
itraßen werden nicht vom Staate verwaltet nur 
13 km tanalifierte Slußftreden (Lez und Souchez) 
und 242 km ftanäle, darunter die der Stadt Paris 
gebörigen Kanäle Durcq, St. Denis, St. Mar: 
tin (120 km). Einige diefer Kanäle find fog. voies 
conce&dees, d. h. bis zu einem — Zeitpunkt 
erfolgt ihre Unterhaltung und Betrieb durch die 
Konzeſſionsinhaber. Abgaben werden auf den 
Staatswaſſerſtraßen ſeit 1890 nicht mehr oder in 
ganz geringen Beträgen erhoben. Der Ausbau 
des Waſſerſtraßennetzes ſchreitet derart fort, daß 
teils neue Kanäle gebaut werden, wie der vom 
Doubs zur Saöne, teils beſtehende ältere Waſſer⸗ 
läufe auf die für 300 Tonnen-Schiffe benutzbaren 
Abmeſſungen der neuern (2 m Waſſertiefe, 38,5 m 
und 5, m nußbare Scleufenlänge und »Tiefe) 
umgebaut werben. 1878—99 ift Died gemäß den 
Geſetzentwürfen, die der — ng ci ern ihre 
Entftebung verdanten, mit 2167 km Ranälen und 
1089 km tubtäufe eicheben. Das ſtarke Gefälle 
der natürliben und künſtlichen Waſſerſtraßen = 
zur Folge gehabt, daß in diefe ohne die Schleujen 
ber unfertigen Streden und die Floffchleufen 2480 
Schleuſen haben eingebaut werden müſſen. Die 
12135 km flößbaren und ſchiffbaren Waſſerwege be: 
förderten 1899 zufammen 4489055681, jedes Kilo: 
meter aljo durdfchnittlich 369926 Tonnentilometer 
(gegen nahezu das Dreifahe im Deutichen Reid). 

en ftärkiten Verkehr hatten 1899 die Seine mit 
1305, die Sadne mit 124, die Schelde mit 104, der 
Kanal St. Quentin mit 421, der Ditlanal mit 295 
und der Marne:Rbein:Ranal mit 289 Mill. Tonnen: 
filometer. Die größte Vertehröpichte (Leiſtung des 
einzelnen Rilometer8 in Tonnenlilometern ausge— 
drüdt) hatten die Seine in Paris mit 4,84, Die 
Schelde zwiſchen Cambrai und Etrun mit 4,66, die 
Scarpe bei Douai mit 3,55, der Kanal St. Quentin 
mit 4,53, der Dije-Niöne: Kanal mit 3,36 und der 
Sommelanal zwiſchen St. Simon und Amiens mit 
3,35 Mill. Tonnentilometer. Die geringite Verlehrs⸗ 
dichte wies die Garonne zwifchen Zouloufe und dem 
Tarn mit nur 5 Tonnenlilometer auf. Die anal: 
vorlage von 1901 ſah für Verbefjerung vorbande: 
ner Schiffahrtsſtraßen 32,8, für Seebäfen 90,5 und 
für zehn neue Kanäle 365,3 Dil, Fr3.vor. (Neueres 
j. Frankreich, Bo. 17.) 

IV. Eifenbabnen und Straßenbabner. 
Über die Eifenbabnen ſ. Franzöſiſche Eifenbahnen. 
‚ Die Straßenbahnen, bei welden die Zugtiere 
jest foft durchgehends durch Dampf oder Elektricität 
erjekt find, haben ihre Linien jeit 1877 bi3 Ende 
1897 von 375 km auf 2905 km vermebrt, 


990 


Im J. 1900 bat ein bedeutender Umſchwung des 
eleltriichen Bahnweſens ftattgefunden, der ſich in 
den Ziffern für die Bahnlängen deutlidy ergiebt. 
Die Gejamtlänge der eleltriſchen Bahnen betrug 
nämlich 1. San. 1897: 279, 1898: 397, 1899: 487, 
1900: 758, 1901: 1486 km, Im J. 1900 wurde 
ein Teil der Parifer Untergründbahn (ſ. Paris) 
dem Verkehr übergeben. 

V. Bot: und Telegraphenweſen. %. befikt 
(1899) 9830 Poſtanſtalten, in Algerien 590, im 
Auslande 42, und zwar eine Anzahl in Tunis, 
fowie je eine in der Stadt Tripolis, in Han-kou, 
Schang:hai, Tienstfin und Tihi-fu (China), Sans 
fibar, Alerandrien, Beirut, Candia, Canea, Dar: 
danellen, Jaffa, Kerafunde, Konjtantinopel, La: 
tafich, Merfina, Port-Said, Rhodus, Salonili, 
Smyrna, Trapezunt u. a., ferner in Tanger, Arfila, 
Dar el:Beda, Hafir el:Kebir, Yes, Ariſch Laraſch), 
Mafagan, Melines, Mogador, Rabat, Saft, Sale 
und Tetuan. Die Einnahmen, einjhließlic der 
Zelegrapben, beliefen fih auf 256,3, in Algerien 
auf 5, die Ausgaben auf 188,5 bei. 6 Mill. Fre. 
Es wurden befördert in Tauſenden Stüd: 


| | Boft- Druchachen Fi Poſt⸗ 
Urt bes Berfchrs | Briefe ol [und @Waren« wen 
proben | ' | fungen 











Iunerer Dienft . |846561| 55 149 








1218893 |48518| 5594 * 
äußerer Dienft . 1117023] 4987 99636 | 2784| 400* 
Durchgang . . . | 50167| 2558 83577 22) 12* 





+ Wert in Mill, Frs. 


Seit 1895 find, um eine größere Decentralifation 
in der Verwaltung herbeizuführen, 12 Regional: 
bezirke eingerichtet worden mit je einem Direktor an 
der Spitze. Ferner find jog. Hılfapoftanftalten mit 
ri Geſchäftsbetrieb (ähnlich den deut: 
ſchen Bojtagenturen und‘ EEE 
worden, die aud den Telegrap 
verfehr mit zu beforgen haben. 

Die optiihen Telegraphen wurden in F. 1794 
eingerichtet, batten 1844 eine Ausdehnung von 
5000 km und verbanden Paris mit 29 Stäbten. 
Die elektrifchen wurden dem allgemeinen Gebraud 
erft 1850 übergeben und 1899 umfaßte das Netz 
145202 km Linien mit 531519 km Präbten. 
Staat3bureaus gab es 8856, Eifenbahn: und Pri⸗ 
vatbureaus 3798, Bureaus der Küftentelegrapben 
132. Die Zahl der Depeſchen betrug 48144151, 
darunter 39071518 interne, 6379182 internatio« 
nale, 1122180 Durchgangs⸗ und 1571271 Dienit: 
depeſchen. Die Einnahmen betrugen 34022065 Fre. 
Die Kabellinien nah andern Ländern find Eigen: 
tum fremder Gejellihaften, mit Ausnabme der: 
enigen von Paris nah Neuyork. Die Zahl der 
* prechſtellen betrug 1899: 63167, die Länge 
der Linien im Fernverkehr (Ortsverkehr) 24773 
(15764) km, der Drähte 70909 (252024) km, die 
Anzahl der Geſpräche 4774824 (164912842). 

Berfafiung. Die Verfaſſung ift republitanifch 
und berubt auf der von der Nationalverfammlung 
angenommenen Konjtitution vom 25. Febr. 1875 
und einigen polit. Alten aus den Jahren 1875, 
1879, 1884, 1885 und 1889, welche diefelbe ergän- 
zen. Dur regiert ber Präfivent der Republit 
mittel3 der Miniſter, ſowie unter Mitwirkung des 
Senats (Erjte Kammer) und der Deputiertenlam: 
mer (Zweite Kammer). Seine Gewalt iſt die voll: 
itredende. Die Deputiertenlammer wird nad Geſetz 
vom 15. Jebr. 1839 durch allgemeine direfte Wab: 


en: und Fernſprech⸗ 


Frankreich (Verfaffung. Verwaltung) 


len, die arrondifjementsmweife (je 1 Deputierter auf 
70000 €.) vorgenommen werden, gebildet. Der 
Wähler muß Bürger und 21 J alt fein, ein depu: 
tierter Bürger muß 25 3. alt fein, jeiner Mili- 
tärpflicht genügt und 14 Tage vor jeiner Wahl 
eine bejtimmte Crllärung abgegeben haben, für 
welchen Kreis er gewählt werden will. Die Depu: 
tiertenlammer bejtebt jest aus 592 Mitgliedern, 
die auf 4 Jahre, der Senat aus 300, welche jeit 
dem Geſetze vom 9. Dez. 1884 allein durd die De 
partementd und Kolonien auf 9 Jahre gemäblt 
werben. Alle rei Jahre fcheidet ein Drittel der 
Senatoren aus; die Wahl geſchieht dur ein 
befonderes Kollegium, bejtebend aus den Depu: 
tierten ded Departements, den Generalräten, den 
Kreisräten und befondern Delegierten der Munici- 
palräte, die für jede Wahl beſonders gewäblt werben. 
Ein Senator muß Franzofe und mindejtens 40 J alt 
fein. Senat und Hammer verfammeln fidh alljäbr- 
lih am zweiten Dienstag des Januard und müſſen 
mindeſtens una Monate verfammelt bleiben. Beide 
beginnen und beendigen ihre Sigungen zu gleicher 
"rn Der Präfident eng den Schluß der 
isung und bat das Recht, die Kammern zu außer: 
gewöhnlicher Zeit zufammenzurufen; er iſt verpflid: 
tet fie zu berufen, jobald die halbe Mitglieverzabl 
jeder Kammer darauf anträgt. Der Präſident kann 
die Kammern vertagen, aber nicht auf längere Zeit 
al3 auf einen Monat und nit öfter als zweimal 
während derjelben Sikungsperiode. Jeder Senator 
und jeder Deputierte hat das Recht der Jnitiative; 
zu einem Gejeß gebört die Zuftimmung beider Kam: 
mern; indes muß jedes Finanzgeſetz zuerſt der De: 
putiertenfammer — und von derſelben an: 
genommen werben. Die Senatoren und Deputier: 
ten erhalten jährlich 9000 Frs. und außerdem freie 
Gifenbabnfahrt 
Der Bräfident der Hepublif wird durch die zur 
Nationalverfammlung vereinigten beiden Kammern 
nad) Stimmenmebrbeit erwäblt, und zwar auf fieben 
— er iſt wieder wählbar. Auch ibm ſteht jelbit: 
verſtaͤndlich die Initiative für die Geſezgebung zu. 
Er verkündet die von beiden Kammern angenomme: 
nen Gejege und überwadht die Ausführung der: 
jelben. Er bat das Recht der Begnadigung, verfügt 
über die bewaffnete Macht und ernennt alle Cwil⸗ 
und Militärbeamten, * der Chefs der 
Miniſterialdepartements. Die Botſchafter und Ge— 
eg der fremden Mächte find bei ihm beglau: 
igt. Jeder feiner Erlafje muß von einem ——— 
egengezeichnet fein. Der Präſident kann unter Ju: 
finmung des Senats die Deputiertenlammer auf: 
djen, muß aber dann die Wabltollegien innerbalb 
dreier Monate zu neuen Wahlen zufammenberufen. 
Die Minifter find insgeſamt den Kammern für die 
allgemeine Politil der Regierung und jeder ift für 
fein perfönliches Thun verantwortlihd. Der Brä 
jident ift nur im Falle des Hochverrats verantwort: 
lih. Bei Todesfall oder fonftiger Balanz müſſen 
beide vereinigte Kammern (ber «flongreh») ſofort 
zur Wahl eines neuen Präfidenten fchreiten. Der 
Si der vollftredenden Gewalt und der beiden 
Kammern ift feit 1879 wieder in Paris. 
Berwaltung. Die Verwaltung ift von der Geiet- 
en jowie von der Juſtiz ſcharf geibieden umd 
ildet ein Syſtem der Gentralifation. Es befteben 
folgende Minifterien: 1) des Innern, 2) des Hußern, 
8) der finanzen, 4) der * (Großjiegelbewabrer), 
5) de3 Handels und der Induſtrie, 6) des Aderbaues, 


Frankreich (Gerichtswejen) 


7) des dfjentlichen Unterrichts und Kultus, 8) der 
öfjentlichen Arbeiten, yarın und Telegrapben, 
9) des Krieges, 10) der Marine, 11) der Kolonien, 
12) der.Arbeit und focialen Fürforge. Unter dem 
Praſidium des Yuftizminifter3 ift ein Staatsrat 
eingefeßt, der fein Gutachten über bie Entwürfe 
von Gejegen und Dekreten und über die Verwal: 
tungöreglement3, fowie über alle Fragen, bie ihm 
durd den Präfidenten der Republik oder die Mi: 
nifter vorgelegt werden, abgiebt und über Rekurſe 
in jtreitigen Berwaltun sfaden und über Annullie: 
—— wegen Machtüberſchreitung ſeitens 
der verſchiedenen Verwaltungsbehörden entſcheidet. 
Seine Mitglieder werden vom Präſidenten der Re— 
publik ernannt. Zur Entſcheidung von Kompetenz: 
ftreitigleiten zmifchen den Verwaltungsbebörden und 
Gerichten iſt ein befonderes Tribunal berufen (1872). 
Der Eentralverwaltung der Minifterien ſchließt ſich 
die Departemental: oder Provinzialverwaltung an. 
An der Spitze jedes der 87 Departements (ſ. Ta- 
belle, S.977 u. 978) ftebt ein —* der die Befehle 
und Entſcheidungen der Miniſter vollzieht; ſeine Ge⸗ 
Fake die Präfelturräte, bilden ala Kollegium den 
räfelturrat, der in einer Reihe von Verwaltungs: 
rechtsſachen in erfter Inſtanz entjcheidet. Außer * 
ner Stellung als Regierungsorgan iſt er aber auch 
Vertreter der Intereſſen des Departements, das zu: 
leih Berwaltungsbezirt und Selbftverwaltungs: 
örper und als lesterer jurift. Perfon ift. Dem 
Bräfekten fteht der Generalrat zur Seite. Der 
legtere ift aus fo vielen Mitgliedern zufammen: 
geſezt, als das Departement Kantone hat, und 
wird von dem Volke nah dem allgemeinen Wahl: 
rechte auf Grundlage der für die Gemeindemwahlen 
aufgeitellten Liſten gewählt. Nur müffen die Gene: 
ralräte, deren Ernennung auf 6 Jahre erfolgt, 
im Departement wohnen oder darin eine direfte 
Steuer zablen. Alle 3 Jahre wird ein Pritteil 
erneuert; doc find die Austretenden wieder mähl: 
bar. Der Generalrat verteilt die auferlegten Steuern 
über die Bezirke, berät über die finanziellen Ange 
legenbeiten des Departements, wobei feine Be 
—* zum Zeil der höhern Beſtätigung unterwor⸗ 
en ſind, und äußert ſeine Anſichten in allen Din— 
en, über welche er zu Rate gezogen wird. Jeder 
neralrat beruft jaͤhrlich aus feiner Mitte eine 
—— ————— welche dem Pra⸗ 
elten an die Seite geſetzt iſt. Die Unterabteilungen 
des Departements, die Arrondiſſements, 
haben je einen Unterpräfelten an der Spitze, der 
eigentlich nur Agent des Präfelten iſt. Ihm ſteht 
ein gewählter Kreisrat (Conseil d’arrondissement) 
zur Seite, deſſen jährlihe Sikung die Dauer von 
15 Tagen nicht überfchreiten darf. Die Kantone, 
in welche das Arrondifjement zerfällt, haben feine 
—— Bedeutung, ſondern dienen nur zur 
Grundlage für Wablen und für die Rekrutenaus— 
bebungen; u in jedem Stanton ein Friedens: 
— ſeinen Sig. An die Provinzialverwaltung 
reiht fih die Gemeindeverwaltung. Da die Ge: 
meinde zugleih Verwaltungsbezirt und jelbftän: 
dige Korporation ift, vereinigt au der Maire 
(ähnlich dem Präfelten) den doppelten Eharalter 
des Regierungsbeamten und des Repräfentanten 
der Gemeinde in ſich. Der Maire und die Adjunk— 
ten werden vom Municipal:(Gemeinde:)rat ge 
wählt (außer in Paris). Als Beauftragter der Ser 
— hat er deren Aufträge zu vollziehen, die 
usführung der Gefepe zu übecwachen und ſowohl 


991 


die allgemeine wie die Ortspolizei (vorbehaltlich der 
befondern für Baris, yon und die Städte von über 
40 000 E. bejtebenden Beitimmungen) zu handhaben. 
Seine Beihlüffe (arrötös) müfjen zum Teil vom 
Präfelten oder Unterpräfelten beftätigt werben. Auf 
Strafen kann nidt er, fondern nur das Polizei— 
gericht erfennen. Als Vertreter der Gemeinde ver: 
waltet er die Gemeindegüter, orbnet die Ausgaben 
und Einnahmen, legt das Budget vor, vertritt die 
Gemeinde vor Geriht u. ſ. m. Auch iſt er Eivil: 
ftandsbeamter, hält die Civilregiſter und vollzieht 
die Civiltrauungen, doch unter Aufficht der Juſtiz⸗ 
behörde (Staatsprofurator). Der Maire ernennt 
meiftenteild die Gemeindebeamten. Sein Gehilſe 
und Stellvertreter ift der Adjunkt, deren es in Ge: 
meinden von tiber 2500 E. mehrere giebt. Somohl 
das Amt des Maire wie das des Adjunkten (der 
überbaupt feine eigentümlihen Funktionen übt) iſt 
unbefolvet. Dem erftern zur Seite fteht der Ge: 
meinderat (Conseil municipal), den die Einwoh⸗ 
ner der Gemeinde wählen. Wähler ar alle Fran: 
zofen, die mindeſtens 21 J. alt find, ſeit 6 Monaten 
in der Gemeinde wohnen und ihre bürgerlichen 
Nechte befigen. Wählbar find alle Franzoſen, die 
das 25. Lebensjahr zurüdgelegt haben, wenn fie 
entweder in die Wählerliften der Gemeinde einge: 
tragen oder zu einer der direften Steuern verans 
lagt find. Der Gemeinderat gig mindeftens aus 
10 Mitgliedern, und die Zahl fteigt mit der Ber 
völferung bis zur Höhe von 36 bei 60000 und 
Den Einwohnern, abgejehen von den befondern 
Beltimmungen für die in mehrere Mairien geteilten 
Städte. Der Gemeinderat faht Beichlüffe (il rögle) 
über die Verwaltung der Gemeindegüter, melde 
dem Unterpräfeften mitgeteilt werden müjjen und 
die der Präfelt nicht ändern, aber in manden 
Fällen (wegen Gefegmwibrigfeit) aufheben kann; er 
berät (delibere) das Gemeindebudget, ferner über 
Kauf, Verlauf u. f. w. von Gemeindegütern, über 
Bauten und Reparaturen, über Annahme von 
Schenkungen und über Prozebangelegenbeiten, doch 
müjjen Beſchlüſſe diefer Art dem Präfelten oder 
dem Minijter des Innern zur Genehmigung vor 
gelcat werden; er begutachtet (donne son avis) end» 
ih alle Gegenftände, die man ibm vorlegt, wie 
———— en, Wohlthätigkeitsangelegenhei⸗ 
ten u. ſ. w. Die Sißungen des Gemeinderats find 
” 1884, in Paris jeit 1886 öffentli. Die ordent: 
ihen Sigungen finden jährlich viermal auf die 
Dauer von je 14 Tagen ftatt, außerordentliche 
fönnen vom —8* Unterpraͤfelten oder Maire 
berufen werden; letzterer muß ſie berufen, wenn die 
Mehrheit des Gemeinderats es verlangt. 
Gerichtsweſen. Die Rechtspflege ſteht unter dem 
Juſtizminiſter und zerfällt in die Eivil: und Kriminal⸗ 
gericht3barkeit. Die Civilgerichtsbarkeit wird 
geübt durch Friedensgerichte, Kreisgerichte und Ap⸗ 
Uhöfe. Das Friedensgericht bejteht aus einem 
ihter, der fein Rechtögelehrter zu fein braucht, 
und zwei unbefolveten Stellvertretern. Der Frie⸗ 
densrichter it I wirfliher Richter als auch 
Vermittler. Faſt fein Prozeß darf beim Kreiögericht 
anhängig gemadt werben, der nicht vorher zur 
Vereinbarung der Parteien vor dem Friedensrich⸗ 
ter verhandelt worden ift. Das Kreisgericht (Tribu- 
nal d’arrondissement), Tribunal erfter Inſtanz, 
welches Eivil: und Straflammern (Chambres cor- 
rectionnelles) bilbet, * nach der Größe des 
Ktreiſes aus mehrern beſoldeten Richtern und 


992 


mebrern unbefolveten Stellvertretern, die aus den 
Advofaten genommen jind. In eriter Inſtanz ge: 
hört zu feinem Reſſort alles, was geſetzlich nicht 
einem andern Gericht zugemiefen, in erfter und 
legter Inſtanz die Sachen bis zu 1500 Frs.; in 
zweiter und leter Inſtanz entjcheidet das Tribunal 
über Appellationen gegen friedensrichterliche Urteile. 
a jedem der 362 Arrondifjements befindet fich ein 
ribunal erjter Injtanz, in jevem der 2881 Ran- 
tone ein Friedensrichter. Der Appellbof (26 find 
vorhanden, ‘außerdem 1 in Algerien und 6 in ben 
Kolonien) ift zufammengefest aus 10—23 Präfi- 
denten und Räten rent 72), die mebrere Ram: 
mern bilden: für Civilprozeß, für forrektionelle 
Appellationen, für Berfegung in Anklageftand. Die 
Affen können nur ſprechen, wenn ibnen die Ans 
Hagelammer des —— die Sache zugewieſen 
bat. Der Appellhof iſt gewohnlich zweite, in wenigen 
Fällen nur eigene Inſtanz. Die Handelögerichtö- 
arteit wird verfeben: 1) von ben Handelsge— 
richten, deren Mitglieder von den Kaufleuten und 
Fabrikanten unter fih auf 2 Fahre gewählt und 
von ber Regierung bejtätigt werben; 2) von den 
Gemwerbegerihten (Conseils de prud’hommes), 
welche hauptſächlich über Streitigkeiten zwiſchen 
Fabrilanten oder Meiſtern und Geſellen oder Arbei: 
tern und über Streitigfeiten aus Lehrverträgen 
entſcheiden. Die Handelägerichtöbarleit bedarf weder 
der Anmälte noch Apvolaten. — Die franz. Straf: 
rehtspflege unterjcheidet drei Grade von Ber: 
gebungen (infractions) gegen das Geſetz: Polizei: 
übertretungen (contraventions), Vergeben (d&lits) 
und Verbrechen (crimes). Die erftern urteilt das 
Polizeigericht (Friedensrichter) ab, das jedoch nur 
auf 15 ge Geldſtrafe oder 5 Tage Gefängnis er: 
fennt. ellation ijt nur geftattet, wenn die Strafe 
mehr als bIrs. beträgt, und zwar an die Rorreltionell: 
fammer ſdas ge bed Tribunals; 
dieſelbe iſt aus drei Richtern zuſammengeſetzt und 
richtet in erfter Inftanz über alle Vergeben, welche 
teine Verbrechen find, aber einer höhern Strafe ala 
ver Bolizeiftrafe unterliegen. Die Appellation . 
die Urtetle der Kammer geht an den nei ie 
Verbrechen gehören vor das Forum der Aififen: 
öfe, die alle Quartale in jeder Departementshaupt: 
tabt abgebalten werden und aus Richtern und Ge: 
chworenen bejteben. Außer den Verbrechen find 
auch noch Preßvergeben jeder Art ſowie polit. Ver: 
geben und Verbrechen den Aififenböfen zugemiefen. 

ie Richter fprechen nur die gejegliche > aus 
über das von 12 Geſchworenen mit abjoluter 
Mebrbeit anertannte Berbreben. Ausnahmege— 
richte find verfaſſungswidrig, aber es beſtehen ver: 
hiedene von dem Geſetze vorgefebene Specialtri: 
unale: die Ndminiftrativgerichte, Kriegs: und See: 
gerichte, Disciplinartammern der Notare und An: 
wälte und Disciplinarbebörden für das Unterrichts: 
weſen. — Der Kaſſationshof entfcheidet niemals 
über die ftreitige Sache, fondern nur über die rich: 
tige Anwendung des Geſetzes und des Verfabrens. 
Derjelbe zäblt 49 Mitglieder, die drei Kammern 
bilden: Civil:, Kriminal- und Requetentammer. 
In gewiſſen Fällen urteilen die vereinigten Kam: 
mern (toutes chambres r&unies). Die Richter der 
Arrondiffementögerichte, der Appellböfe und des 
Kaſſationshofs find unabſetzbar, müſſen aber (feit 
1852) in einem gemwiflen Alter in den Hubeftand 
verjeht werben; auch tft die Verſetzbarkeit und Ab: 
fegbarkeit der Richter wegen dauernder Schwäche 


Frankreich (Finanzweſen) 


dur Geſetz vom 30. Aug. 1883 erleidhtert wor: 
ben. Es giebt im franz. Gerichtsweſen in Wirklich⸗ 
feit nur zwei Inſtanzen, da der Kaſſationshof nicht 
über die ftreitige Sade urteilt. Außer den Frie⸗ 
dens⸗ und Handelögericten, den PBräfelturräten, 
den Prud'hommes ift bei allen ten eine 
Staatsanwaltſchaft (ministere public) thätig, die 
bei den Kreis: und böbern Geridten von Staats 
tofuratoren (procureurs de la r&publique) ver: 
eben wird, i den böbern Gerichten heißt er 
rocureur gönsral. Der Staatäprofurator bat 
in Kriminalfahen bie A e zu fübren und 
muß in gemiflen Givilfachen t 
tablen Saden) gebört werben, mwäbrend er in 
andern Eivilfahen das Wort * lann (par- 
tie jointe), in andern (z. B. Nichtigleit gewiſſer 
Ehen) als Hauptpartei — principale) auf: 
tritt. Außer in den Berwaltungstribunalen berrict 


in ganz F. Öffentlichkeit und Mündlichteit des 
Gerichtöverfahrens. 

Die Zahl der in der Ariminalgerihtöbarteit 
Berurteilten betrug: 







215993 
210119 





1890 211731 447273 
1391 216 908 447 203 
1892 230 060 436 601 
1894 225 466 443 474 
1895 221234 39 723 
1896 . 415 402 


um Tode verurteilt wurden von den Afftien- 
böfen 1896: 24, 1892: 27, 1891: 28, 1890: 32, 
1889: 28, 1888: 28; davon bingerichtet 1896: 6, 
1892: 9, 1891: 15, 1890: 7, 1889: 9, 1888: 
9 Perſonen. Die Gefangenenbevölterung beſtand 
31. Dez. 1896 aus 8771 Männern und 1088 Frauen. 
die zu längerer Gefängnisitrafe verurteilt waren, 
16697 Männern und 2906 Frauen mit kürzerer 
Strafe, 5023 Knaben und 1095 Mädchen in Beſſe 
rungsanftalten, 44 Arreftgefangenen und 121 im 
Depot für die zur Deportation Berurteilten, im 
anzen 35 745. Neucaledonien und Cayenne be 
—— ſich etwa 13000 Deportierte. 

Finanzweſen. Die Einnahmen beſtehen aus 
direkten und indirekten gr ee Zu den direl: 
ten Abgaben gebören (Budget für 1901): bie 
Grundfteuer von 1791 (186 961 552 Frs.), Gewerbe: 
fteuer von 1791 (134182840), Steuerrollentaze 
(1082350), die Perfonal: und Mobiliarjteuer 
(98168530 Frs.), die Thür: und Fenſterſteuet 
(62679063 Fr3.), die Taren auf die Güter der Toten 
Hand (7,66 Mill.), die Bergmerksfteuer (2,95 Mill), 
die Pferd» und pero: (13,31 Mill.), die Aich 

ebübren (5,7 Mill.), die Gejellibafts:, Bilları-, 
Kebrad, Militärfteuer u. f. m. (9,95 Mill. Fra.) 

ie Erträgnifje der Domänen betrugen 24,09, der 
Forſten 30,79 rd. Viel wichtiger find in F. die in: 
direlten Abgaben mit über 2095 Mill. Fyre.: das 
Enregiftrement (553,2 Mill), die St aben 
(173,56), die Aprozentige Eintommenfteuer vom be: 
weglichen Bermögen (74,7), die Monopole und ftaat: 
lihen Induſtrien (729), darunter Zündbol;:, Ta 
bat3: und Bulvermonopol (456), Bolten (199), Tele 
graphen und Telephone (56 Mil. Fr3.), fermer die 
Zölle (438,37), die verichiedenen Einnahmen (62), der 
Aufſchlag auf Eifenbahnfabrlarten (59) und bie 
eigentlichen indireften Steuern, darunter Getränfe 


Frankreich (Bank- und Geldwejen) 


fteuer (Mein, Eider, Bier, Allohol) 482, Salz 
iteuer (feit 1806 eingeführt) 9, Stearin» und fer: 
jen: 8,3, elle u.f. w. Steuer 3 Mill. Frs. BZuder: 
oll und »Steuer find auf 199,5 Mill. Frs. veran- 
Nhlagt. An Stelle der für Departemental: und Ge: 
meindezwede vorbebaltenen Perjonal: und Mobis 
liar: fomwie der Thür: und Fenſterſteuer war 1897 zum 
eritenmal eine Einfommenfteuer mit 156900620 
Frs. ind Budget eingefeht, die aber vom Parla⸗ 
ment abgelehnt wurde. — einer erreichen die 
Einnahmen einſchließlich außerordentliher( LOMiL.) 
und durdlaufender (77,83) Einnahmen 1901 eine 
Höhe von 3552403054 Frd. Dazu tommen nod 
die Einnahmen aus Algerien mit 2, Mill. Fr3. 
Die Ausgaben fegen ſich folgendermaßen zu: 
fammen: die öffentlihe Schuld (f. unten) erfordert 
1245,64 Mill. Frs. (darunter für konſolidierte 
Schuld 676, fündbare Schuld 324, Leibrentenihuld 
245 Mill. Fr3.), Gehalt und Repräfentation des Brä- 
identen und der gejeßgebenden Körper 13,29 Mill, 
8. Die Minifterien erfordern 1834897081 Fr3., 
darunter das ber Finanzen 19,6, der Juſtiz 35,25, 
des Außern 16,38, des Innern und des Kultus 120,68, 
des Krieges 693, der Marine 327,7, des öffentlichen 
Unterrichts und der jhönen Kunſie 221,87, des Han: 
dels und der Induſtrie 39,1, der Kolonien 111,87, 
des Aderbaues 30,89, der öffentlihen Arbeiten 
218,58 Mill. Frs. Regie⸗, Erhebungs⸗ und Betriebös 
koften belaufen ſich auf 420,35, Ausfälle und Rüd- 
zahlungen auf 40, Mill. Frs. —— betragen 
bie Staatsausgaben 3554 354212 Fra. 
In den (1901) 36192 Gemeinden (ohne Alges 
rien) ftiegen 1891 —1900 die ordentlihen Eins 
nahmen von 675 auf 794,13 (für Paris allein von 
264,89 auf 321,23), die ordentlichen Ausgaben von 
641,83 auf 761,16 (264,69 auf 321,22) Mill. Frs. Be 
deutende Einnahmequellen find die Zufchläge (cen- 
times additionels; 1900: 195,33 Mill. Frs.), noch bes 
deutender die Einnahmen aus dem Dctroi (f. unten). 


Die Geſchichte der franz. Staatsſchuld (Dette | (f 


publique) reicht bis auf Philipp den Guten zurüd, 
und unter franz I.wurben bie ne Renten — 
1760 mußte ſchon mehr als ein Drittel der Staats⸗ 
eintünfte (100 Mill. Livres) als Zinfen und zur 
en ber öffentlihen Schulden verwendet werben. 
u Ludwigs XVL Zeit wurde es gebräudlih, auf 
taatögüter Affignaten (f. d.) außzugeben, wovon 
1792 für 1564 Mill. und 1796 fogar für 45 Mil 
liarden Livred im Umlaufe waren. Durch ein 
Gefeb vom 28. Aug. 1797 wurde beftimmt, daß 
von der öffentlihen Schuld nur ein Drittel und 
zwar unter dem Namen «Tiers consolid6» in das 
von Cambon geihaffene «Große Buch der öffent 
lichen Schulden» eingetragen werden follte. Diefer 
Betrag belief fih auf 40216000 Frs. (mit den 
Schulden der damals mit F. vereinigten Länder 
46 Mill.) und bildet die Grundlage der heutigen 
Staatsſchuld. Fee ftieg unter Napoleon L um 
658, unter der Rejtauration um 3154, unter der 
ulfregierung um 1516, verminderte fi 1851 um 
, vermehrte ſich aber unter Napoleon III wieder 
um 6938 und enblid ſeit 1870 um 12703 Mill.; 
u 1901 betrug fie 30096632622 Fr. Die 
weientlichften Poften find: Ronfolidierte Schuld 
22001 (Renten zu 3", Proz. 6789, zu 8 —* 
15212), tilgbare Schuld 3822, ſchwebende —* d 
1145 (vexzinslich 1030, unverzinslich 115), Eiſen⸗ 
bahnen, Zinsgarantien und Annuitäten 1309, Obli⸗ 
gationen für Vicinalwege und Schulzwecke, Specials 
Brodhaus' Ronverfations-Leriton.. 14. Wufl R. A. VI 


993 


tonto des Krieges (Geſetz vom 17. Febr. 1898) 151 
gg F auch Franzoſiſche Rente und Finan⸗ 
zen, Tabelle. 

Wenn man als oͤffentliche Schuld noch die Ans 
leihen und Schulden der Departements und Ge 
meinden, welche fie A 8—10 Jahren beſonders 
zur Ausführung von Schulbauten und Straßen aufs 
genommen haben, im Betrage von 3”, Milliarden 
dazurechnet, fo beträgt die Öffentliche Shulo 33— 
34 Milliarden oder etwa 1000 Irs. auf den Kopf der 
Bevöllerung. Die Schulden haben fid in den (1901) 
86192 franz. Gemeinden von 1890 bis 1899 von 
3224 auf 8881, in Paris allein von 1872 auf 
2387 Mill, Frs. vermehrt; der Zuwachs ber Vers 
fhuldung entfällt alfo größtenterld auf Paris mit 
rund 515, während bie übrigen Gemeinden nur 
eine Zunahme von 142 Mill. Frs. aufweifen. 

Die wichtigften Ausgabepoſſen für bie öffentliche 
Schuld (f. oben) im Budget für 1901 find: Zinfen 
ber 3°, progentigen Rente 237,4, 3 prozentigen Rente 
438,397, 3 —— Annuitäten 139, für Annuitä⸗ 
ten (an Stelle von Subventionen) an Eifenbahn: 
ee 42 in der 3 prozentigen Rente 

7,5, Zinſen der ſchwe enden Schuld 15,5 Mill. Frs. 
Unter der — (245,55 Mill. Be) bes 
finden ſich 135,0: Mill. Frs. Militär, 79,3 Civil 
penfionen, 11 Dotation der Ehrenlegion, 8,84 Ans 


nuitäten an die Depofitentafie für die Benfionen 
ebemaliger Militärs, 
Der Octroi wurde 1900 noch in 1498 Gemeinden 


auf Getränke und Flaſſigleiten, Eßwaren, Sei 
material, Biebfutter u. |. w. erhoben und er 
1891: 288,08, 1900: 335,15, davon in Paris allein 
141,5 und 166,39 Mill. Frs. (gegen 157,81 im J. 
1899). Die Steigerung bes legten Jahres in Paris 
bürfte durch den Fremdenſtrom der Weltausftellung 
hervorgerufen fein. 
Banl- und Geldweſen. Bon den mehr ala 100 
Banten ift die wichtigfte die Banque de France 
.d.). Ferner find von Bedeutung: Credit foncier 
(Altienlapital 170,5 Mill. Frs.), erödit Lyonnais 
Lyon, 100), Banque de Paris et des Pays-Bas 
62,5), Société gönerale (60), Société financidre 
Lyonnaise (50), Société financidre de Paris (45), 
Comptoir d’escompte (40), Banque d’escompte 
32,5), Credit mobilier (30 Mill. Frs.); endlich 
eien noch erwähnt ey hg ann Compagnie 
ranco - Algerienne, que hypothöcaire de 
France, Banque commerciale et industrielle, 
Soci6t& des immeubles, Rente foncidre, Fran⸗ 
zöfich«Stalieniie Bant, Credit industriel et 
commercial, Banque maritime, La nourvelle Union. 
Die bedeutenditen Altienunternehmungen de: 
bie Sued-Ranalgejellihaft (Aktienkapital 200 Mill. 
8.), Compagnie göndrale des voitures de Paris 
42,5 Mil), Parisien gaz (42 Mill.), Com ie g6- 
n6rale transatlantique (40 Mill.), Docks de Mar- 
seille (39 Mill.), Hüttenwert Greufot (27 Mill.), 
Union de gaz (25 Mill.). Durd die Chambre de 
Compensation (f. Clearing⸗ Houſe) wurden 1895/96 
Effellen im Werte von 7,358 Milliarden Frs. ver: 
rechnet. Hoch entwidelt ift das Berfiherungswefen 
in allen feinen Zweigen. Allein in der Lebensver- 
fiherung belief ſich das verficherte Kapital 1860 auf 


. | 230, 1890 auf 4015 Mill. 58 


Die ältefte —— ift Die 1818 gegründete 
zu Baris. t diefer Zeit hat fich ihre Er nell 
ehoben. 1840 gab eö ſchon 430 mit 192,4 Mill. 
—* Einlagen. 1896 beſtanden 6626650 Privat⸗ 


63 


994 Frankreich (MWohlthätigkeitsanftalten. Heer und Marine. Wappen. Kirchenweſen) 


—— mit 3370,79 Mill. Frs. Einlagen. 
ie meiften Kafjen befigen die Depart. Nord, Pas: 
de⸗Calais, Iſere und Niederpyrenäen, in Gorfica 
und Lozere jind fie noch beinahe unbelannt. Seit 
9, April 1881 giebt e8 neben diefen Spartaflen noch 
Poſtſparkaſ * d.), die Ende 1895: 2682908 
Bücher und 785 Mill. Fr3. Einlagen aufwiejen. 
Der größte Teil der Sparkafjengelver ift unter Ga» 
rantie des Staates durd die Caisse des d&pöts et 
eonsignations in franz. Rente angelegt. 

Die franz. Münzen, Maße und Gewichte be: 
ruben er dem Decimalſyſtem. Münzeinbeit bildet 
der ran (f.d. und Tabelle beim Artitel Münze). 


Die Grundlage aller Maße bildet das Meter;. 


1,5 km = 1 neue Seemeile (Mille marine). Ge— 
wichtseinheit bildet das Gramm. Die Scifistonne 
(Tonneau de mer, aud Millier genannt) bat 
10 Quintaux mötriques oder 1000 kg. 
Wohithätigkeitdanftalten. 1888 gab es 110 Heil: 
anftalten für Geiftestrante, darunter 50 Departe: 
mentsafyle und 45 Brivatanftalten. Die Zahl der 
Pfleglinge betrug 1897: 64689. Außerdem wurden 
1897: 1736 Kranlenhäufer mit gegen 200000 Bet: 
ten unterhalten, deren Unterbaltungstoften ſich auf 
138,8 Mill. Frs. beliefen. Dazu lommen nod 
104377 unterjtügte Kinder (gefundene, verlafjene, 
Maifen), von denen 2373 in Hojpitälern und 
102004 auf dem Lande verpflegt wurden. Die 
Zahl ver Bureaux de bienfaisance belief ſich 1897 
auf 15827, durch welche 1431687 Perſonen dur 
——— im Geſamtbetrage von 40 bis 50 
il, Frs. unterjtügt wurden. Leihhäuſer (Monts- 
de-pict&) beftanden 42, die (einfhlieplih Erneue: 
rungen) auf 3 Mill. verpfändete Gegenjtände Dar: 
leben von 65 Mill. Frs. gewährten. Nachdem 1894 
durch Beſchließung der obligatorischen Krantenver: 
fiherung der Bergarbeiter der erfte Schritt zur Ein: 
führung obligatorifcher Arbeiterverfiherung Ben 
war, erlebten die dafür beftimmten Hilfskaſſen 
(Soci6tes de secours mutuels) ein raſches Wachs⸗ 
tum. Von den 3 Arten derartiger Geſellſchaften 
(i. Hilfstafjen) gab es 1896: zugelaffene (autori- 
sées) 3017, anerlannte (reconnues) 17 und ge: 
nehmigte (approuv6ses) 7943 mit 354356, 56828 
und 1381852, zufammen alfo 1793036 Mitglie: 
dern. Die Einnahmen betrugen 8608241, 2167659 
und 26884529 Frs., die Ausgaben 6217426, 
1822746 und 21697589 Frs., die Refervefonds 
40042981, 10142245 und 87104511 Frs. Von 
den autorifierten Kafjen wurden (1896) 72333 
(33,54 Broz. aller Mitglieder), von den genehmig- 
ten 290427 (30,46 Proz.) Kranke unterftügt. Die 
meiften Hilfsfaffen gemäbren außer Witwen, Wai— 
fen: und andern Unterftüßungen aud Renten im 
Anvaliditätsfall. Demjelben Zwed im Alter dient 
außer wenigen fpeciellen Invaliditätstaffen bejon: 
ders die Alteröverforgungsfafie (Caisse Nationale 
de retraite ps la vieillesse). Der Gejamtbetrag 
aller öffentlihen Anftalten, Gemeinden ober De: 
partementö zugemwendeten Scenlungen betrug 
1897: 44554875 Frs.; es fielen zu ber Kirche 7,3, 
Krantenbäujern und Hofpizen 24,8, VBerjorgungs: 
anftalten 1,7, öffentlihem Unterricht ſowie Atade- 
mien und gelebrten een 1,8, Gemeinden 
und Departements 9,ı Mill. Frs 
anzöfifches 


fiber das Heer und die Marine |. 
Heerweien und Franzöfifches Feſtungsſyſtem. 

Das Wappen beitand unter der ältern Bours 
bonenlinie aus zwei zufammengejhobenen Scil- 


ben; ber ie in blauem Felde drei goldene 
Lilien (Frankreich), der linke in rotem Felde goldene in 
Kreuzform zufammengelegte Kettenglieder mit einem 
vieredigen Saphir in der Mitte (Navarra). Das 
Schild wurde von Engeln —— das Wappen⸗ 
zelt hatte goldene Lilien auf blauem Grunde, darüber 
die Königäfrone und hinter derfelben die Oriflamme 
mit der Inſchrift «Montjoye St. Denis». Die Ne 
volution von 1789 befeitigte die Lilien und ftellte 
den gallifhen Hahn ins Wappen. Unter dem erften 
— war das Wappen ein auf einem Bliß 
ftrabl rubender — Adler. Nach der Reſtauta 
tion kehrten die Lilien zurüd, fielen aber 1830 wieder 
mit den Bourbonen. Unter der Yulidgnaftie ent: 
—* das Wappen in blauem Felde ein geöffnetes, 
enkrecht geitellte® Buch, auf deffen Blättern die 
Charte von 1830 jtand. Napoleon IIL brachte den 
Adler aufs neue ind Wappen. Das von der Ro 
publit ſeit 1896 angenommene Wappenemblem zeigt 
beiitebende Ab: 
bildung. Die 
franz. Natio: 
nalfarbenim, 
wie bereit& unter 
der eriten Re: 
publif, dann un: 
ter dem faiier: 
reib und ber 
limonardie, 
lau, Weiß und 
Rot (tricolore). 
Die Flaggenund 
ı Sabnen (unter 
der ältern Bour: 
57 bonenlinie weis) 
27 tragen dieje drei 
— Farben in jent- 
rechten Streifen, 
dad Blau nad 
innen. (S.Zafel: 
laggen ber 
eejtaaten, 
b beim Artikel 
Blaggen.) Abgejehen von dem Orden der Ehren 
egion (f. db. und Tafel: Orden I, Fig. 14) giebt es 
noch eine Rriegd- und eine Kolonialmedaille und 
einen befondern Orden für Verdienfte um die Land⸗ 
—— Alle fruhern Orden find feit 1831 auf⸗ 
gehoben. 
Kirchenwefen. Obgleich F. einerjeit? Sik und 
Ausgangspunkt der atbeiftiihen Weltanfhauung 
(ine die Encyklopädiſten), andererfeitö ver 





chiedener reformatorifcher Beftrebungen (Walden 
er, Galvinismus) war, fo tft das Land, wo die lath 
Kirche bis in die neueite er eine genifle nationale 
Selbftänbigteit behauptet bat (ſ. Ballitanifcheftirde), 
doch überwiegend katholifch geblieben, wobei jedoch 
den Anhängern anderer Rulte euren Asche 
gionsübung geftattetift. Die außer dem latholiſchen 
vom Staate anerfannten Religionsbelenntnifie find 
das lutheriſche, das reformierte und das israelitiiche. 
Die Diener derjelben werden vom Staate angeitellt 
und bejolbet,im übrigen find beide, Staat und Kirde, 
vollftändig voneinander unabhängig. F. zerfällt in 
17 Rirchenpropinzen ber tatboliiden Kirche, die 
als Staatslirde gilt, mit zufammen 17 Erzdidceſen 
und 67 Diöcefen; an ber Spitze der Erzbidc 
teben 17 Erzbifhöfe: in Air, Albi, Auch, Avignon, 
ejanson, Bordeaug, Bourges, Sambrai, Chamberg, 


Frankreich (Bildungs- 


Lyon, Paris, Reims, Rennes, Rouen, Sens, Tous: 
loufe und Tours. Hierzu fommen bie Kirhenprovinz 
Algier mit 1 Erzdiöcefe und 2 Diöcefen und bie 
Erzdidcefe Carthago. 1901 belief fi die Zahl der 
Biarreien, ftaatlid anerkannten Succurfalpfarreien 
und Raplaneien auf 41120 mit ungefähr 50000 
Prieftern. Im Kardinalskollegium hat F. acht Mit 
glieder. Die Zahl der Kongregationen belief ſich 
1900 auf 1663 (152 Monchs⸗, 1511 Nonnenorden), 
von denen jevod eine Anzahl infolge des Vereins» 
geſehes vom 3. Juli 1901 (f. unten, Geſchichte) 3 
verließen. Die reformierte Kirche (mit theol. 
afultäten in Baris und Montauban), weldye haupt: 
ächlich im Südmweften, am ftärfften im Depart. Gard 
vertreten ift, ftebt unter dem Gentralrate und dem 
Konfiftorium in Paris und hat (1901) 638 Geiftliche; 
die lutberifche (namentlich in den Depart. Seine, 
Haute-Sadne und Doubs) hat ala Dberbehörbe das 
Dberlonfiftorium in Paris und zählte (1901) 62 
Geiftlihe. Die Israeliten ſtehen unter dem Een» 
traltonfiftorium in Paris, welchem die 10 Dber: 
rabbiner und 47 Rabbiner unterftellt find. 
Bildungs» und Unterrihtöwefen. Das Schul: 
mejen bat namentlich auf dem Gebiete der Volls— 
ſchulen ganz erhebliche Fortfchritte aufzumeifen. 
Zwar batten ſchon die Revolution und die erfte Re 
publit die Notwendigteit der Vermehrung des Volta: 
(hulunterrichts anertannt, aber fie vermochten ihre 
Pläne nicht ——— und auch unter dem 
erſten Kaiſerreiche blieb derſelbe eine Angelegenheit 
der Gemeinden, welche ihre Schulen meiſt den geift- 
lichen Drden überließen. Nod 1840 waren Zauene 
von Gemeinden ohne Schulen. Unter dem gelebrten 
prot. Unterrichtäminifter Wabdington fing der Staat 
an, der Vervolllommnung der Schule fein eifriges 
Augenmerk zuzumenden. Wabdington war bemüht 
dur Vermehrung der Schul äuler unb ber Zahl 
der Lehrer die obligatorifhe Volksſchule vorzube: 
reiten. Allein erft dur das Geſeß vom 28. März 
1882 wurde der Schulzwang eingeführt und jede 
Gemeinde von 500 Einwohnern verpflichtet, eine 
Vollsſchule bs beide Geſchlechter zu errichten. 1878 
murde ein Gejeg angenommen, wonach jebe Ge: 
meinde ein eigenes Schulhaus haben muß. Der 
Staat hilft nötigenfalld durch Schenkungen oder 
Vorſchuſſe. Zu diefem Zwecke wurde eine Caisse pour 
la construction des &coles geitiftet. Diefe Rafle 
zu in 7 Sabren ae 16 000 Schulbäufer ge: 
aut, über 30000 ausbeſſern und ausitatten laſſen, 
bat 178 Mill. Frs. Staat3unterftügung verteilt und 
190 Mill. 6 en. Die Departements haben 
re die Normalſchulen (Seminare) und ge nter: 
tüßung ber ärmiten Gemeinden noch 13 Mill. zuge: 
legt, und endlich haben die befjer geitellten Gemein: 
den * % Mill. freiwillige Beiträge geliefert. In 
der folgenden Zeit bis Ende 1888 find von dem 
Staate 38, von den Departementd 14 und von den 
Gemeinden 56 Millionen für denfelben Zmwed ver: 
wendet worden. Die Heranbildung von Lehrern 
und Lehrerinnen für die Vollsſchule erfolgt in fog. 
Normaljhulen (Seminaren), von denen jeht je eine 
in jedem Departement beſteht. Die Zahl nichtge: 
rüfter Lehrer verringert ſich mit jedem Jahre, da 
eit 1881 ſolche ohne Prüfungszeugnis nicht mehr 
zum Schuldienſt zugelaſſen werben. 1887 wurde 
diejed Zeugnis 1676 Seminariften und 1102 Semi: 
nariftinnen erteilt. 1890—91 hatten von den Lehrern 
in den öffentlihen Schulen 21 Proz. das brevet 
superieur, 76 Proz. das höhere Diplom (brevet 


und Unterrichtömwefen) 995 


€lömentaire), 3 Proz. (3405) waren ohne Zeugnis, 
Das Geſetz vom 16. Juni 1881 verfügte die Un: 
entgeltlichleit des Elementarunterricht8 und rief da⸗ 
durch zugleich eine bedeutende Erhöhung des Staat: 
—* —— dieſer hat ſich ſeit 1869 mehr als 
acht. 
um Zwecle der —— des Schulweſens 
wird F. leinſchließlich Algeriens) in 17 Alademien 
eingeteilt, deren jede von einem dem Unterrichts: 
minifter unmittelbar untergeorbneten Rektor und 
den Departement3-Schulinfpeltoren verwaltet und 
beauffihtigt wird. Jede Akademie hat einen alade⸗ 
miſchen Rat, der ſich aus ordentlichen, außerorbent: 
lihen und vom Minifter ernannten Mitgliedern zus 
—— Er giebt ſein Urteil ab bezüglich der 
nterrichtsordnung, der Verwaltung und Disciplin 
des höhern Schulweſens. Daneben hat jedes De— 
partement einen Departementsrat des niedern dffent: 
lichen Unterrichts unter dem Vorſitz des Präfelten. 
Von großer Bedeutung für die Entwidlung des 
Unterrihtätefend war das Dekret vom 27. Febr. 
1880 über bie Ummanblung des Conseil sup6rieur 
de l’instruction publique. In diefem Unterrichts: 
rate ſihen neun vom Präfibenten der Republit er» 
nannte hohe Beamte der Univerfität und vier Mit: 
liever aus dem (nichtftaatlihen) enseignement 
ibre, Mitglieder des Inſtituts, des Collöge de 
France, der —— akultäten, aller Hoch-, 
Mittel: und Vollsſchulen. Alle belleiden das Amt 
4 Jahre und find wieder wählbar. 15 Mitglieder 
bilden die ftändige Seltion, welche die Lehrpläne 
und u die Gründung von Fakultäten, 
Lyceen, eye Normalihulen, die Belegung von 
—— egutachtet. Der Rat felbit, der ſich 
regelmäßig zweimal im Sahre verjammelt, giebt 
* Gutachten ab über dieſelben ragen, über das 
erfahren bei Prüfungen, der Verleihung der 
Grade, über Lehr: und Lejebücher und bildet die 
legte Inſtanz in Disciplinar: und Streitſachen. 
Der öffentliche Unterricht teilt fi in den Hoch⸗ 
ſchulunterricht (instruction sup6rieure), Gymnaſial⸗ 
und Realfhulunterriht (instruction secondaire) 
und den Vollsſchulunterricht (instruction primaire). 
Das höhere Bildungsweſen umfaßt die 
Univerfitäten, die Vorbereitungsanitalten für das 
Studium der Medizin und Pharmacie, die Normal: 
ſchulen (Seminare) für den höhern Unterricht und 
bie er wiſſenſchaftlichen Inſtitute. 
eit 1896 heißen die frühern Corps de facult&s 
Univerfitäten. Solcer giebt e8 15 (Air-Marfeille, 
Befanson, Bordeaur, Caen, Elermont:Ferrand, 
Dijon, Grenoble, Lille, Lyon, Montpellier, Nancy, 
is, Poitiers, Rennes und Touloufe). Sämt: 
liche Univerfitäten baben eine philoſ. (des lettres) 
und eine mathem.maturwifjenihaftliche (des scien- 
ces), alle außer Bejangon und Elermont-Ferrand 
auch eine jurift. Fakultät. a REN 
—— beſiten erg Lille, Lyon und Tou: 
oufe, medizinische Paris, Nancy und Montpellier, 
en Paris und Touloufe (legtere in 
ontauban),böherepbarmaceutiihe Schulen Monts 
pellier, Nancy und Paris, * eine Ecole de plein 
exercice de mödecine et de pharmacie Rennes, 
Marjeille und Nantes, endlich mediz. pharmaceu⸗ 
tifche Vorbereitungsihulen Caen d ouen), Dijon, 
Grenoble, Lille (in Amiens), Paris (in Reims), 
Poitiers (Filialen in Limoges und Tours), Befanson, 
Elermont und Rennes (in Angers). Die Anzahl der 
Studierenden in den ftaatlichen Fakultäten betrug im 


63* 


996 Frankreich (Bildungs- 


an. 1901: 29901, nämlich 142 —— 10162 

echtsbefliſſene, 8627 Mediziner, 3910 Studierende 
der «sciences», 3723 Studierende der «lettres» und 
8347 PBharmaceuten. Neben diefen ftaatlihen Hoc: 
chulen ae jeit 1875 freie fatb. Univerjitäten zu 

ngers, Lille, Lyon, Nantes, Paris und Zoulouje, 
orte (jeit 1881) eine freie jurift. Schule zu Mar: 
eille. Dem höhern Unterricht in Kunft und Wifjen: 
haft dienen ferner hervorragende Inſtitute, wie 
das Collöge de France mit Lehrſtuhlen für Mathe: 
matik, Naturwifjenihaften, Bhilofopbie, Sprachen 
und Litteraturen; die Schule ——— Übung 
in den eraften Wiſſenſchaften (Ecole pratique des 
hautes &tudes) u. a. 

Daneben find noch zahlreihe Fach- und Spe: 
cialfhulen vorhanden. Die Ausbildung der kath. 
Theologen in den bifchöfl. Diöce —— 
und in einer Anzahl von Klöftern. , Dem Sprad: 
und Geſchichtsſtudium dienen bie le sp£ciale 
des langues orientales vivantes in Paris, bie Ecoles 
frangaises in Athen und Rom und bie le des 
Chartes (Schule für das Studium von Handſchriften, 
Urkunden u. f. w.), für Anthropologie die Ecole 
d’anthropologie, für Archäologie die Ecole du 
Louyre, für Heranbildung von Rolonialbeamten 
die Ecole coloniale in Paris (mit je einer Abtei: 
lung für ze und für Eingeborene). Für 
Kaufleute, Gewerbtreibende, le Land: und 

orjtwirte beftehen höhere Handelsſchulen (Ecole 

es hautes etudes commerciales und Institut com- 
mercial) in Paris und bie Ecoles superieures de 
commerce in Le Havre, Paris, Lyon, Bordeaur, 
Lille, Marfeille und Rouen und viele mittlere und 
niedere Handelslehranſtalten. 

An techniſchen Unterridbtsanftalten be 
heben neben den Hochſchulen (Ecole polytechnique, 

le nationale des ponts et chaussees, Ecole cen- 
trale des arts et manufactures [Schule für Eivils 
ingenieure], le des manufactures de l'état für 
die Beamten der ftaatliben Tabak: und Pulver: 
fabriten) jeßt 12 Gewerbeſchulen, 5 Kunft: und Ge- 
werbeichulen, 3. B. die Nationaliulen ber delora⸗ 
tiven Kunſt zu Aubuſſon, Limoges und Nizza, bie 
Nationalihule der induftriellen Künfte zu Roubair 
und die Ecole des arts et metiers zu Air, Chalons⸗ 
—— u. a.; ferner Uhrmacherſchulen, eine 
abafmanufafturfchule, die Nationalforftihule zu 
Nancy, die Ecole secondaire forestiöre und bie 
cole primaire forestitre zu Barres, das Institut 
national agronomique zu Paris, die höbern Ader: 
bauſchulen zu Grignon, Rennes und Montpellier, 
6 Gartenbaufchulen, 37 praltiihe und 16 niebere 
Aderbaufhulen, 411 landwirtſchaftliche Lehrftühle 
und 77 landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen, Schä- 
—— z. B. in Rambouillet, drei Veterinär— 
chulen (Alfort, Lyon, Touloufe), eine Geſtütſchule; 
eine höhere Bergſchule (Ecole des mines) zu Paris, 
eine Bergihule zu St. Etienne und zwei Steiger: 
und Häuerfhulen (Alais, Douai). Die Ecole libre 
des sciences politiques trägt dem modernen Be 
dürfnifje nach Belehrung in polit. Beziehung Red: 
nung, und die Ecole pr&paratoire au commerce 
d’exportation bildet Erporteure heran. 

Der förderung der Kunſt dienen außer den oben» 
genannten Schulen noch die Ecole nationale et 
sp£eciale des beaux-arts zu Paris, Kunſtſchulen zu 
bon, Dijon, Bourges und Algier und die Aca- 
demie nationale de France zu Nom, das Conser- 
vatoire national de musique et de d&clamation zu 


und Unterrichtäwejen) 


Paris und deſſen 8 Filialanftalten, die Ecole de 
musique classique zu Paris, 18 Nationalmufit: 
Iaulen und 6 re ger rChorfnaben. Bon den 

ilitärfdhulen jind die bedeutenditen: bie höbere 
Kriegsſchule zu Baris, das Prytanee militaire zu 
La Fleche, die Ecole speciale militaire zu Et. 
Eyr, die Artillerie: und Genieſchulen zu Fontaine: 
bleauund Berfailles, die Kavallerieſchule zu Saumur, 
die Infanteriefhule zu St. Mairent, die Byroteb: 
nische Gentralichule zu Bourges, die Schule für dirzte 
und Apotheler deö Heers, die Berwaltungsichule r 
Vincennes unddie Militärturnanftalt zu Foinville: 
Pont. An allen großen Seeplägen bejteben bydrogr. 
Schulen. Bon hervorragender Bedeutung iſt beſon⸗ 
der3 die Marineatademie zu Breit. lreich find die 
gelebrten Geſellſchaften aller Art bejonders in Paris. 

Bon den wi ienineltligen Sammlungen 
find bervorzubeben das Museum d’histoire natu- 
relle, der Jardin des Plantes, die Raturalienfamm: 
lungen und botan. Gärten mehrerer großen Stäbte, 
das Bureau des Longitudes (Schiffahttsamt), die 
Staatöfternwarten, dad Meteorologijche al: 
inftitut, das Nationalmujeum zu Barıs, das Conser- 
vatoire national des arts et metiers (f. db.) u. a. 
Große Bibliothelen finden fi namentlid in Paris. 

Einen bedeutenden Aufſchwung bat feit 1871 das 
Mittelſchulweſen genommen: neue en und 
Kollegien find eröffnet worden, und Staat und Ge 
meinde haben dafür große Summen geopfert. In 
den Leltionsplänen wurde den lebenden Spraden, 
ber Geſchichte und Geographie ein breiter Raum ge 
währt, und ebenfo erfuhren die militär. Übungen 
und das Turnen Beachtung; auch die Befoldungen 
ber Lehrer wurden erheblich aufgebefiert. 

n ben Lyceen und Kollegien wird in neun Jabres: 
kurjen klaſſiſcher und realiſtiſcher Unterricht erteilt. 
Sie unterjheiden fih in mehrfacher Hinfiht von 
den deutſchen Gymnafien. In und Quinta 
wird nämlich nur eine fremde Sprade (Deutich oder 
Englifh) gelehrt; das Lateinijhe beginnt erft im 
Quarta, dad Griehifche erft in Obertertia und im 
Dberprima ift für Lateiniſch und Griechiſch nur eine 
Stunde anal. Die Lyceen, die in hoͤherm An: 

eben fteben, find Staatsinſtitute, während die Kol 

ien unter Beihilfe des Staated von den Gemein 
ben erhalten werben. 1899 gab es 110 Staatälyceen 
und 252 (obne Algerien) Rommunaltollegien mit 
84507 Schülern (gegen 79231 Schüler 1876). 1899 

ab es ferner 201 freie, von Laien geleitete Mittel: 

Phulen mit 10182 Schülern, 441 gleichartige von 
Geiftlihen geleitete Schulen mit 68825 Schülern 
und 140 ſog. Kleine Seminare mit 22497 Schülern. 
Die Gefamtihülerzahl betrug 185510. 

Durch dad Gejeß vom 21. Dez. 1880 wurde von 
Staatö wegen das enseignement secondaire des 
files, der höhere Mäbdenunterrict, einge 
richtet. Die Erziehung des weiblichen Gejhlehts 
war früber ben geijtlichen pc ationen üf 
lafjen. Die meiften Mädchen erhielten daber ihre 
8 ere Ausbildung in Klöftern. Dieſem Zuftande 
oll ein Ende gemadt werben, indem man den be: 
reitd gegründeten Sekundärfhulen für Mädhen 
immer neue Anjtalten binzufügt. Recht ‚erfreulice 
Fortſchritte find auf diefem Gebiete bereits erzielt; 
während 1883 nur 2 Pyceen und 3 Rollegien für die 
böbere Ausbildung der Mädchen beitanden, dienen 
1899: 68 Lyceen und Kollegien dieſem Jwede. 1881 
zählten dieje Anftalten 204, 1886 bereitö 4967 und 
1899 jogar 11994 Beſucherinnen. 


Frankreich (BZeitungswefen) 


Der Heranbildung von Lehrern und Leh— 
rerinnen an Mittelihulen find gemibmet; bie 
Ecole normale sup6rieure zu Baris und die Ecole 
normale d’enseignement secondaire pour les 
jeunes filles zu Sevres. Nach dem Gejeh vom 
30. Dt. 1886 follen in Zukunft alle öffentlichen 
Unterrichtsanſtalten nur von weltlichen Lehrern und 
— eleitet werden. Um den tüchtigiten 
Lehrkräften Gelegenheit zu bieten, fich zu Leitern 
von Normalſchulen und Inſpeltoren der be 
ſchulen ausbilden zu fönnen, wurde für Lehrer die 

cole normale sup6rieure zu St. Cloud und für 
Lehrerinnen die zu org Ar ra errichtet. 
Der Eintritt in eine diefer Anftalten wird von dem 
Ausfall einer Konkurrenzprüfung abhängig gemacht. 

Auf dem Gebiete des Volksſchulweſens ift 
eine entſchiedene Wendung zum Beflern bemerkbar. 
Während 1882: 5341211 Rinder in 75635 Schulen 
unterrichtet wurden, war im Schuljahre 1898/99 
die Zahl der Kinder auf 5539299, die der Schulen 
auf 84299 (ohne Algerien) geftiegen; auch die Zahl 
der böhern Stadtfchulen (Ecoles primaires su 
rieures) und der — — für 
wachſene ift erheblich gewachſen. Endlich wurden 
1898/99: 752240 Knaben und Mädchen in 5803 
Kleintinderfchulen (Ecoles maternelles) unter: 
richtet. Die Zahl der mit Elementarfchulen ver: 
bundenen Bibliotbeten, deren Bücher für die Er» 
wachſenen bejtimmt find, betrug 1863: 580, 1878: 
20781 mit 2075540, 1888: 36327 mit 4150824, 
1892: 39645 mit 4858 120 Bänden. Die Zahl derer, 
die weder lefen noch ſchreiben können, iſt aber immer 
noch bedeutend. VBonden 1898 ausgebobenen 331 179 
Retruten tonnten 16154 weder lejen noch fchreiben 
und 4477 verjtanden nur zu lefen. 1886 gab es 
unter den Rekruten noch 10,08, 1882: 13, 1877: 15, 
1866: 24, 1855: 32, 1835: 45 Bros. Analpbabeten. 
1894 vermochten bei 286 662 Ebeichließungen 19414 
Männer und 28945 Frauen nicht mit ihrem Namen 
zu unterfchreiben (1885: 35927 und 57301 bei 
283 170 Eheſchließungen). 

tiber das Theaterwefen ſ. Franzöfısches Theater. 

Zeitungswefen. Der Urfprung des Journalis» 
mus wird auf den «Mercure frangais» (26 Bde., 
Bar. 1606 — 45) zurüdgeführt, eine Nahabmung 
des «English erg? feine eigentliche Zeitung, 
—— eine biftor. Kompilation. Der Arzt Eu 

aubot gründete April 1631 in Baris ein Wochen: 
blatt mit dem Titel «Gazette», das jeit 1762 wöchents 
li zweimal erſchien, um dieſe Zeit auch mit der 
Aufnahme von Annoncen, 1765 mit der Mitteilung 
von Börjennadhrichten begann und jeit 1792 in 
— tmat täglich als «Gazette nationale de 

nce» und «Gazette de France» herausfam. 
Daneben entjtand die «Gazette burlesque», eine 
Zeitung in ein, welche fpäter (als «La Muse 
historique», 3 Bde., Par. 1650—65) erfchien und 
für die Chronique scandaleuse des damaligen Paris 
von hohem Intereſſe ift. Zu dieſen beiden Blättern 
trat al dritte der «Mercure galant», ein polit.: 
litterar. Blatt, das 1672 begonnen wurde, dann nad 
einer Unterbrechung feit 1670 wieder regelmäßig er: 
ſchien, 1717 den Titel «Le nouveau Mercure» und 
1724 «Mercure de France» annabm, während der 
Revolution Bedeutung erbielt und bis 1820 dauerte, 

Das «Journal de Paris» (1777—1827) war das 
erfte franz. Tageblatt. Die Revolution von 1789 
* die a Kournaliftit. 1790 beftanden in 
8 ſchon 850 Journale, darunter der «Patriote 


997 


francais», von Brifjot; der «Publiciste parisien», 
von der fechften Nummer an «Ami du Peuple» be: 
titelt, von Darat; der «Orateur du Peuple», von 
Freron; die «Revolutionsde Franceetde Brabant», 
von Camille Desmoulins; der «Vieux Cordelier», 
von demielben; der «D&fenseur de la Constitution», 
von Robespierre; das «Bulletin des Amis de la 
Verite», bg. von den Girondiften; das «Journal de 
la Montagne», Drgan des Jakobinerklubs; der 
«Tribun du Peuple», von Babeuf; der «Conser- 
vateur», von Garat, Daunou und Chenier. 1800 
beftanden nur noch 13 Yournale. Das Kaiſerreich 
war noch —— als das Konſulat, und nicht 
mehr als vier blieben übrig, darunter der «Moni- 
teur universel» (f. d.), ſeitdem bis 1869 offizielles 
Regierungsblatt, und das «Journal des Debats», 
von Louis Francois Bertin (f. d.). Während der 
Reftauration vermebrte ir die Zahl auf 150, dans 
unter 8 politifhe, 1829 auf boppelt joviel, darunter 
20 politifche. Unter letztern waren die wichtigften 
Parteiblätter der Royaliften: die «Gazette», bie 
«Quotidienne», der «Drapeau blanc», die «Etoile»; 
der Liberalen: der «Constitutionnels, der «Courrier 
frangais», das «Journal des D&bats», der «Natio- 
nal», der legtere von Thierd, Mignet und Armand 
Garrel geftiftet. , 

n der erften Periode der Julimonarchie ent» 
widelte fich die Tagespreſſe: 347 Journale erfchie: 
nen zu Baris, als die Septembergefeße 1835 eine 
Be Auffiht anorbneten, jedoch keineswegs das 

ortbeftehen der Oppofitionsblätter binderten. Das 
«Journal des D&bats» und der «Constitutionnel», 
fpäter aud die «Presse», ſchrieben für die Sade 
der Bhilippiften, das fog. Yufte-Milten. Von den 
verſchiedenen Schattierungen der Legitimiften warb 
die mit radilalen und revolutionären Elementen 
verjegte durch die «Gazette de France», die abfor 
Iutiftifche durch die «Quotidienne» und «France» 
vertreten. Der«Courrierfrangais» und ber«Temps», 
päter au das «Siöcle», waren die vornehmſten 

ournale der dynaftifchen Oppofition, des freifinnt: 
gen Tierd:Bartı. Den Rabditalen gehörten «Natio- 
nal» und «Monde», fpäter auch die « Reformen». 
Socialiftiihe Grundſätze predigte die «D&mocratie 
—— das «Journal du Commerce» verfolgte 

onapartiftiiche Tendenzen. Unter den Heinen 
Blättern ragten der «Corsaire» und der «Charivari» 
weit hervor. Die Zeitungen waren damals nod 
ein Zurusgegenftand und wandten fi nur an ben 
legitimiſtiſchen Adel und den herrſchenden Bürger: 
ftand. Organe, die fih zu Vertretern der reinen 
Demofratie machten, jcheiterten vielfach infolge des 
Mangels an Abonnenten. So «La Tribune des Dé- 
partements», von Marraft; derrabilale«Bon Sens» 
von Louis Blanc; der «Reformateur», von Raspail, 
und das «Journal du Temple», von G. Gavaignac, 

Eine wichtige Veränderung bewirkte Emile de 
Girardin, indem er 1836 bei Begründung der 
«Presse» den Preis von 80 Frs. auf 40 Fr. er: 
mäßigte und fomit der Schöpfer der ſog. Vierzig⸗ 
frankenpreſſe wurde. Die «Presse» erbielt durch 
ihr reiches ige große ee | und aus 
demjelben Grunde fieg die Zahl der bonnenten 
des «Siöcle» = eine nie dageweſene Höbe. 

Titel und Inhalt der durch die Februarrevolution 
von 1848 bervorgerufenen Blätter erinnerten bis: 
weilen an die erfte Revolution: «L’Ami du Peuple 
en 1848», von Raspail; «Le Peuple constituant», 
von Lamennais; «Le Reprösentant du Peuple», von 


998 


Proudhon, das —— ſocialiſtiſche Blatt; 
«La Montagne», von George Sand; «Le Petit-fils 
lu pöre Duch&ne», ein ſehr verbreitetes Volksblatt; 
«La Commune de Paris», von Sobrier, u. ſ. w. 

Unter dem zweiten Kaiſerreich, nah dem Defret 
vom 17. Febr. 1852, das die Prefje dem Gut: 
dünken der Staatöverwaltung anbeimitellte, vers 
vielfältigte ſich die litterarifche, wiſſenſchaftliche, in: 
duftrielle, finanzielle Journaliftik; die polit. Polemik 
bewegte ſich in engen Schranfen, die weiter aus: 
ſchreitenden Journale wurden verwarnt, ſuſpendiert 
aufgehoben. Neben dem «Journal officiel» (f. v.) 
bejtanden noch mehrere ganz oder halb offizidfe Zei: 
tungen: der «Constitutionnel», das «Pays», die 
«Patrie» u. a. Die «France», das «aufrichtig dy⸗ 
naſtiſche und katholiſches Senatorenblatt, und bie 
«Presse», ſtreng imperialiſtiſch geſinnt und ſtark 
ultramontan gefärbt, bildeten den Übergang zu den 

ournalen der kath. Partei. Die legitimiftifche 

aienfraftion hatte ihren Wortführer an der «Ga- 
zette de France» und «Union»; dagegen waren 
«Univers», «Monde» und das «Journal des Villes 
et des Campagnes» Organe der Rleriferfraltion. Das 
«Journal des Debats» jhwanlte zwar damals in 
jeiner polit. Richtung, galt aber im allgemeinen 
immer noch, ebenfo wie das junge «Journal de 
Paris», für ein orleaniftifches Blatt. Die Sache der 
rabifalen Demokratie verteidigten das «Sidcle», das 

opulärfte und verbreitetite Blatt der damaligen 
Sournaliftit (es hatte 45000 Abonnenten), die 
«Opinion nationale» ſowie «Avenir national» und 
«Temps». Während der Commune im Frühjahr 1871 
—— 89 Journale, von denen die vorher be: 
ftebenden, um der brutalen Genfur des Stadthauſes 
auszumeichen,, teild jeden Tag den Titel wechjelten, 
teild außerhalb Paris gedrudt wurden, und die neu 
binzugelommenen je verſchwanden, ala die 
Truppen von Berfailles einrüdten. 

Seit 1871 hat das erg hier einen mächtigen 
Aufibwung genommen, Nicht bloß jede Partei, 
jede Gruppe jeder Bartei hat ein Journal, ja fogar 
bie im parlamentarifhen Leben, in ber hoben 
Finanz- und Geſchäftswelt wictigften Perſönlich— 
teiten wollen Tonangeber und Wegweiſer von er: 
nebenen Zeitungen fein. Die Journale diefer letz— 
tern Art, wie die «Presse», die «Libert6», die «Esta- 
fette», der «Voltaire», wechjelten mit ihren Eigen: 
tümern auch die polit. Richtung. 

Bedeutende ee erjcheinen aber jetzt wie 
früber nur in Paris. Vor allem find zu nennen: 
ber «Figaro», das «Journal des Debats», der 
«Temps», der orleaniftifcye «Soleil» und der «Gau- 
lois», während die «Republique frangaise» und 
dad «XIX *® Sidcle» wenig mehr gelejen werben. 
Die größte Verbreitung (über 1 Mill. Eremplare 
täglih) hat das billige «Petit Journal». 8 die 
Einzelartikel.) Neu erſtanden find ſeit 1871 zahlreiche 
Blätter. Von dieſen vertreten folgende die republis 
taniihe Richtung: der deutſchfeindliche, radilale 
«Evenement», ferner jeit 1878 «Le Voltaire», von 
Menier gegründet, «La Gazette du Village», von 
Borie begründet (antiveutih und jeden Sonntag 
ericheinend, mit landwirtſchaftlichem Teil), «La 
Paix», 1879 von 9. Grevy begründet, die radiale 
«Justice», unter Zeitung von Elemenceau (feit 1880), 
'erner «Paris», von Leduzon le Duc geleitet (unab: 
bängig) fowie «L’Echo de Paris» mit hervorragen: 
den Witarbeitern; «Gil Blas» ift vornehmlich Unter: 
baltungsblatt mit Standaldronit. Ausgeiprocen 


Frankreich (Beitungswefen) 


radial find: «Le Radical», feit 1881, und «L’Intran- 
sigeant», unter Henri Rochefort (f. d.), vem frübern 
Herausgeber der «Lanterne». Gegner der Kepublit 
ift außer «Gaulois» und «Figaro» die tonſervative 
«L’Autorit&», unter Zeitung von Paul de Eai: 
fagnac, Außerdem find noch wichtig: «La France» 
(antideutich), «L’Estafette», 1885 hervorgegangen 
aus der Verſchmelzung von «Gagne- Petit», «Opi- 
nion» und «Estafette», bis 1893 unter der Lei— 
tung von Jules Ferry, «L’Univers» (ultramon 
tan), «La Patrie» (Organ der nationalen Verteidi⸗ 
gung), «Le Rappel» (radifal), «Le Siecle» jomie 
«Le Soir» und «Le Courrier du Soir», leßtere drei 
republilanifch; ferner der «Matin», feit 1884, ein 
utes Nachrichtenblatt, der unabhängige « Eclair» 
eit 1894 mit illuftrierter Beilage), die antifemit. 
«Libre Parole», von Ed. Drumont herausgegeben, 
und «La Presse», unter Baillies Leitung, die anti 
militär. «Aurore» jowie ber ald Finanzblatt be 
deutende «Ind&pendant frangais». Der im Hampie 
egen Boulanger hervorragende «Cri du Peuple» 
iſt 1891 eingegangen ; ebenjo die boulangiitiide 
«Cocarde», Neben dem «Petit Journal» beit 
der «Petit Moniteur Universel», der «Petit Na 
tional», zwei Anbängfel der gleihnamigen großen 
ournale und mit diejen übereinjtimmend in polit. 
Richtung; die «Petite Republique», ſocialiſtiſch 
die «Petite Presse», republilaniih; der «Petit Ca- 
poral», bonapartiftifch, Organ der Vollsfouveräni- 
tät, weit weniger verbreitet als das republilaniſche 
«Petit Journal»; die «Lanterne» und der «Petit 
Parisien», ganz rabdilal. 

Im ganzen beftanden (1899) in Paris 154 polit, 
Zeitungen, darunter 101 republilaniibe und 53 mon: 
ardiftiiche oder unabhängige. 82 derjelben erſchei⸗ 
nen täglid. Die Herausgabe einer Zeitung iſt an 
eine bejondere Erlaubnis oder Kaution nicht ae 
bunden, bod ift der Staatsanwaltſchaft der Titel, 
die Art des Erjcheinens jowie Name und Adreſſe 
des Chefredacteurs und bes Druders vorber ſchrift 
li anzuzeigen. Jede Anderung ift binnen 5 Tagen 
zu melden. 

Aud die Zeit Bere find ſehr zahlreich. Die 
vornehmite litterar.:polit. Revue ift die «Revue des 
Deux Mondes» (f. d.), daneben find die von Emeit 
Laviſſe 1894 gegründete «Revue de Paris», die von 
Frau Adam (f. d.) begründete «Nouvelle Revue», 
die «Revue ter nd et littraire» oder « Rerue 
bleue» hervorzubeben. Der jeit 1832 bejtebende 
«Charivari» verdankt — Erfolg den litbogra: 
pbierten Karifaturen, beſonders der wöchentlichen 
«Revue comique», ift aber durch das «Petit Journal 
pour rire», «la Caricature», «Le Rire» und beion: 
ders durch dad «Journal amusant» (Mars, Stop, 
Leonnec) überflügelt worden. Die Zahl der illuftrier: 
ten Zeitungen, die alle 8 oder 14 Tage erjcheinen, 
bat ſich bedeutend vermehrt; das «Magasin pit- 
toresque», das «Mus6e des familles», die «Illustra- 
tion» (f. d.), der «Monde illustr&e» und die «Vie 
parisienne» find die ältejten. Bon neuern Schöpfun: 
gen find zu nennen: «L’Univers illustre», «Paris 
qui passe», «Echo de la semaine», «Le Courrier 
frangais», «Le Journal illustre», das gelejenite, 
«Revue des Revues» und «Fin de siöcle», Seit 
einigen Jahren veröffentliben «Figaro», «Gil 
Blas», «Soleil», «Journal», «Petit Parisien», 
«Eclair» illujtrierte Beilagen. Bon jatir. Blättern 
find zu erwähnen: «Le Grelot», «Le Piloriv. \n 
den übrigen (2685) Journalen find bauptjäblıs 


Frankreich (Litteratur zur Geographie, Statiftit, Verfaſſung u. j. w.) 


vertreten: —— (201), Medizin (215), Mo: 
den (117), Vereinsweſen (86), Unterrichtsweſen (98), 
——— (97), kath. Religion (71), all 
gemeine Wiſſenſchaft (91), Handel (56), Aderbau 
u. |. w. (69), Sport (56), Sitteratur (48) u. ſ. w. 
Revuen giebt es 168, illuftrierte Zeitichriften 121. 
Die Brovinzialpreife iſt fait durchweg unbe 
deutend und von Paris abhängig. Außerhalb der 
Hauptitabt erſchienen (1899) 4051 periodische Druck⸗ 
werfe, darunter 355 täglih, 1748 wöchentlich, 367 
wöchentlich zweimal, 162 wöchentlich dreimal, 662 
monatlih, 322 monatlich zweimal u. ſ. wm. Unter 
den polit. Blättern waren 1550 republitanifch, wo: 
von 222 radilal oder focialdemokratifh. Von den 
nichtpolit. Zeitungen waren gewidmet: 341 dem 
Aderbau mit feinen Zweigen, 453 den Annoncen, 
248 der Religion, 120 der Litteratur, 92 dem Handel, 
59 dem Sport, 20 der Geographie; 98 waren Dr: 
gane gelebrter Gefellihaften. Die meiften Zeitun: 
en baben die Depart. Nord (175), Nböne (163), 
ironde (167) und Bouches:du:Nhöne (131). Als 
erien hatte 165 und die Kolonien 67 Blätter. Bon 
——— der Kolonien find zu nennen: «Le Cour- 
rier d’Haiphong», «Le Courrier de la Guadeloupe», 
«la Caledonie», «Le Journal officiel de l’Indo- 
chine», «Les Colonies» (Martinique), «Le Ral- 
liement» (Reunion), «La Depöche Tunisienne», 
«Le Madagascar» (Tamatave), «Journal officiel 
de !’Afrique occidentale frangaise» (Senegambien). 
Litteratur zur Geographie, Statüjtif, Berfafjung 
u.f.w, 1) Geograpbie und Statiftil, Heuze, 
La France agricole (mit 46 Karten, 1875); Cor: 
tambert, Geographie physique et politique de la 
France (Bar. 1875; neue Ausg. 1891); Ad. Joanne, 
Petit dictionnaire geographique de la France 
(2. Ausg. 1877); Vivien de Saint: Martin, Nou- 
veau dictionnaire de g&ographie universelle (Bar. 
1877 fg.); Levaſſeur, La France et ses colonies 
(ebd. 1878; neue Ausg., 3 Bde. 1890—93); von 
Sedendorf, Die forjtlihen Verhältniſſe F.s (Lpz. 
1879); Boisjoslin, Les peuples de la France (Bar. 
1879); Wernid, Reifebilder aus Sudfrankreich (Lpz. 
1879; 2. Ausg. 1888); Malte:Brun, La France 
illustree (neue Ausg., 5 Bde., Par. 1879— 84); 
GE. Reclus, France, Algerie, colonies (1880); 
Schlichting, liber die eritraßen F.s (Berl. 
1550); H. Keller, Die Waſſerſtraßen F.s (in «Peter: 
manns Mitteilungen», Bd.27, 1881); Risler, Göo- 
logie agricole (4 Bde., Bar. 1884— 97); Marga, 
Geographie militaire (5 Bde., zum Teil in 4. Aufl., 
ebv. 1885); Pigeonneau, Histoire du commerce de 
la France (Bd. 1u.2, ebd. 1885— 88); V. Turquan, 
R£partition g&ographique et densit& de la popula- 
tion en ce (im «Journal de la Societ& de 
statistique de Paris», 1886); Boifjin:Bey, Die See: 
häfen 5.3 (deutib von ©. Franzius, Lpz. 1886); 
Hillebrand, F. und die rg in der zweiten 
Hälfte des 19. Jahrh. (3. Aufl., Berl. 1886); Mme. 
de Yalaing, Les cötes de la France. De Cherbourg 
à St. Nazaire par la plage (Bar, 1888); Meunier, 
Geologie regionale de la France (ebd, 1889); 
Zevafleur, La population francgaise (3 Bde., ebv. 
1889-92); Gindre de Nancy, Nouveau dictionnaire 
complet des communes de la France (neue Ausg. 
1890); Baul Joanne, Dictionnaire g&ographique 
et administratif de la France (Par. 1890f9.); Hahn, 
F. (Brag 1891); Turquan, Manuel de statistique 
pratique (Par. 1891); Annuaire de l’&conomie 
pulitique et de la statistique (48. Jahrg., ebd. 


999 


1891); Dubois, G&ographie de la France et de 
ses colonies (ebd. 1892); Basquet, Geographie (le 
la France et de ses colonies et protectorats (ebd. 
1892); Zalanne, La France et ses colonies (eb. 
1893); Nior, La France (ebd. 1893); Schöne, 
Histoire de la population frangaise (ebd. 1893); 
Lacroix, Minsralogie de la France et de ses colo- 
nies (ebd. 1893 fg.); Soubeiran, Bassin houiller du 
Pas-de-Calais (2 Bde., ebd. 1895 u, 1898); Julien, 
Le terrain carbonifere de la France central (ebd. 
1896); Acloque, Faune de France (ebd. 1896 fa.); 
NRiden, La France, le pays et son peuple (Berl, 
1897); Bodley, France (2 Bbe., Lond. 1898); Dele⸗ 
becque, Les lacs frangais (Par. 1898); Zerour, Le 
Massif Central (3 Bde., ebd. 1898); Lallemend, 
Le nivellement général de la France (ebd. 1899); 
Broſſard, G&ographie pittoresque et monumentale 
de la France (ebd. 1899 fg.); Eger, Die Binnen: 
hiffahrt in Europa und Nordamerika (Berl. 1899); 
Ports maritimes de la France (bis 1899 7 Bde., 
B- vom Minifterium der öffentlichen Arbeiten); 
oldftein, Bevölterungsprobleme und Berufsgliedes 
rung in F. (Berl. 1900); Eofte, Flore descrip- 
tive et illustree de la France (Par. 1901 fg.); 
Beröffentlihungen (Bulletins) der einzelnen Minis 
fterien, ferner Statistique de l’industrie minérale 
et des appareils & vapeur; Statistique de la na- 
vigation interieure u. a. (hg. vom Minifterium ber 
öffentlichen Arbeiten); Statistique generale de la 
France (feit 1835); Annuaire statistique de la 
France (jeit 1878); Almanach national (jäbrlid); 
{iberfichten über den Handel im «Economiste fran- 
is» und im «Journal officiel de la Republique 
angaiser; Annuaire, publi& par le Bureau des 
Longitudes (jäbrlid); Richard, Guide du voyageur 
en France (5 Bbde., Bar. 1888); Arbouin-Dumazet, 
Voyage en France (Bar. und Nancy 1893 fa.); Baer 
defer, Le Nord-Est, Nord-Ouest, Sud-Est, Sud- 
Ouest de la France (6. u.7. Aufl., 4 Bde. Lpz. 1897 
u. 1901); derf., Paris et ses environs (15. Aufl., 
ebd. 1900); Collection des Guides Joanne (Paris). 
2) Berfaffung, Unterrihtsmwejen u. f. w. 
Collection de materiaux pour l’histoire de la 
R£volution. Bibliographie des journaux (ano: 
nym von Deschiens, Par. 1829); Terier, Histoire 
des journaux (ebd. 1851); Hatin, Histoire du 
journal en France (2. Aufl., ebd. 1853); derſ., 
Histoire politique et littraire de la presse en 
France (8 Bbve., ebd. 1859—61); derf., Biblio- 
graphie historique et critique de la presse pé— 
riodique frangaise (ebd. 1866); Clamageran, His- 
toire de l’impöt en France (3 Bde., ebd. 1867 
— 76); Bulletin de statistique du Ministöre des 
finances (ebd, feit 1877); Kaufmann, Die Finanzen 
3 (Lpz. 1882); Ch. Nicolas, Les budgets de la 
rance depuis le commencement du dix-neuviöme 
siecle (Bar. 1883); Leon Say, Les solutions dé- 
mocratiques de la question des impöts (2 Bove,, 
ebd. 1886); Lebon, Das Staatsrecht der Franzd- 
fiihen Republik (Freiburg 1886); Histoire de la 
dette publique en France (2 Bbde., Par. 1886); 
N Saure, Budgets de la France depuis 20 ans 
ebd, 1887); Zoua, La France sociale et &cono- 
mique (ebd. 1888); Helle, Realencyllopäpie des 
franz. Staats: und Gefellihaftslebens (Dppeln 
1888); Rambaud, Histoire de la civilisation con- 
temporaine en France * 1888); R. Fernandez, 
La France actuelle (ebd. 1888); de Foville, 1.a 
France &conomique (ebd. 1889); Brie, Die gegen: 


1000 


wärtige Berfaffung F.s (Bresl. 1892); Revue in- 
ternationale de l’enseignement publi6e par la So- 
ci6t& de l’enseignement, bg. von Dreyfus:Brifac 
(1880 fg.); Sol Annuaire de l’enseignement pri- 
maire (1893); Avenel, Histoire de la presse fran- 
aise depuis 1789 jusqu’& nos jours (Par. 1900); 
ourre, D’oü vient la döcadence &conomique de 
la France? (ebd. 1900); Raufh, Franz. Handels: 
politit vom Frankfurter —— is zur ; Per 
von 1882 (2pz. 1900); Lynch, French life in town 
and country (2ond. 1901); Heinzig, Die Schule g8 
in ihrer biftor. Entwidlung (2. Aufl, Frankf. a. M. 
1902); Hoffet, Das Vereind: und Ordensweſen in 
F. (Berl. 1902); Annuaire de l’instruction pu- 
blique (Paris); Annuaire de la presse frangaise; 
La situation financiere des communes de France 
et de Algérie (ebd., jäbrl.); de Bray, Dictionnaire 
des finances; Comptes généraux de l’administra- 
tion des finances (ebd., jäbrl.); Blod, Dietionnaire 
de l’administration frangaise (mit jährl. Supple: 
menten). 

3) Karten: Carte de France (Carte de l’Etat- 
Major, 1:80000, ältere Ausg. 1818—78 in 
273 Blättern; neue Ausg. * 1889 in Viertel⸗ 
blättern, Paris); Carte de France (1:50000 in 
273 Seltionen; photomehan. Vergrößerung der 
vorftehenden Karte [die Bearbeitung auf Grund 
neuer Aufnahmen ijt geplant], ebd.); Nouvelle 
Carte de France (Cartes du Service vicinal, 
1: 100000 in 587 Blättern, ebd. 1880—94); Carte 
de France (1:200000, 82 Seltionen; feit 1881 
Neuausgabe, ebd.); Carte de France (1: 320000, 
83 Blart, ebd. 1852—83); Carte de France 
(1:500000 in 15 vierteiligen Blättern, ebd., feit 
1871 wiederholt erjdhienen); Carte de France 
(1:600000 in 6 Blättern, ebd. 1895); Carte des 
chemins de fer de France (1: 800000 in 4 Blät: 
tern, ebd. 1900); Carte de France (1: 864000 in 
6 Blättern, ebd. ; Neuausg. 1886); Carte geologiqus 
detaill&e de France (1: 80000 in 273 Blättern, ebb., 
feit 1875); Garez:Vafjeur, Carte géologique géné— 
rale de France (1: 500000 in 48 Blättern, ebd. 1885 
—88); Carte g&ologique de France (1: 1000000, 
ebd. 1889); Joanne, Cartes d&partementales de la 
France et de l’Algerie (88 Karten, ebd.); Vivien 
de Saint: Martin, Carte de France (1: 1250000, 
ebd.); France in 6 Blättern (im «Atlas universel 
de G&ographie» von Vivien de Saint:Martin und 
Schrader, ebd. 1898); Sanis, France physique, 
politique et industrielle (Wandtarte, ebd.); Nouvel 
atlas döpartemental de la France in 2 Bänden 
(ebd.); Pauly, La France (Cartes spöciales, in 
15 Blättern, ebd.); Atlas La France &conomique 
in 24 Karten mit Tert (ebb.); Bogel, $.(1: 1500000 
in 4 Blättern, Gotha 1889, wird ftändig kurrent 
gebalten); Delebecqaue, Atlas des lacs francais 
(7 Blätter in 1: 10000, 1:20000 und 1:50000, 
ebd. 1893). Vgl. auch Berthaut, La carte de France 
1750—1898 (2 Bde., ebd. 1899) und den Artikel 
Generalitabötarten. 

Territorialentwidlung. Der franz. Staat bat fi) 
ſehr langſam zu feinem jegigen Umfange ausgebildet. 
Ende des 9. Jahrh. beftanden, wie in Deutſch— 
land, eine Anzabl größerer und kleinerer —*—— 
und Herren in faſt vollſtändiger Unabhängigleit. 
Doch während in Deutſchland die fürftl. bemalı 
allmäblich das Kaiſertum verſchlang, bat in F. das 
Königtum allmählich die Macht der Fürften an ſich 
geriffen. Unter den legten Karolingern erftredte 


Frankreich (Zerritorialentwidlung) 


& der Kronbefik nicht über die Landichaften Soif 
onais, Yaonnais, Beauvoifid und Amienais. Hugo 
Gapet fügte ihnen das Herzogtum Francien mit 
Paris und Orleans hinzu, von denen er die. erftere 
zur Hauptftabt des neuen Königreichs erbob. $ 
war damals in Lehne und Afterlehne eingeteilt, 
deren Befiger nur den König über ſich anertannten; 
per diejer unmittelbaren Bafallen batte eine Menge 
einer, mittelbarer Bafallen, und jeder von dieſen 
noch Eleinere Lehnsleute unter ſich. Zu den großen 
Bafallen gehörten die Herzöge von Aquitanien, 
Burgund und der Normandie, die Grafen von Tou: 
loufe, $landern, Vermandois und Champagne, die 

erren en) von Eoucy, von Beaujeu u. }. mw. 

Ile dieje Territorien wurden im Laufe ber Zeit 
entweder durch Schenkungen oder durch Heiraten 
und —— oder endlich durch Eroberung in 
unmittelbares Krongebiet verwandelt. Aus ibrer 
Vereinigung erwuchs unter Beibehaltung der ur: 
een Namen die polit. Einteilung, wie fie 
eit Ludwig XIV. bis 1790 Geltung batte. 

Der erite König, dem eine größere territoriale 
Erweiterung gelang, war Philipp L., der 1094 von 
den Grafen von Bourges die Landſchaft Berm 
kaufte und mit der Krone vereinigte. Im 12. Jabrb. 
waren bie Erwerbungen ber Krone gering; dagegen 
bat ſich ihr Gebiet unter Philipp IL. Auguſt ge 
waltig vergrößert. 1206 entriß er nach einem genen 
Richard Lömenherz, dann gegen Johann ohne Yand 
gemen Kriege diefen die Grafihaften Anjeu, 
Maine, Touraine, die Bretagne, ſowie das Herzog: 
tum Normandie. Zmar wurden diefe Länder in 
dem mehr als bundertjäbrigen Kriege von England 
mwiebererobert, unter Karl VII. aber 1453 aufs neue 
und für immer mit F. vereinigt. Pbilipp Auguft 
war es auch, der außer Artois, das er jchon 1199 ale 
Mitgift feiner Gemahlin erbielt, die be "en 
Bermandois, Alencon, Auvergne, Evreur und Ba- 
lois erwarb. Mit der Bretagne belebnte er 1208 
einen Better Philipp de Dreur. Ein neuer Fort: 

chritt geichab unter Ludwig dem Heiligen, indem die 
Grafen von Touloufe infolge der Albigenjertriege 
enötigt wurden, nicht allein die Oberbobeit des 
Königs anzuerfennen, ſondern aud 1229 einen 
bedeutenden Zeil ihre Landes abzutreten. E. 
Hiftorifhe Karten von Frankreich 1.) Lu 
wigs Sohn, Philipp II, nabm nad dem Ausſter— 
ben des Haufes Touloufe 1272 diefes Land ganz im 
Befik, das jedoch erft 1361 feierlich mit der Krone 
vereinigt wurde. Philipp IV. erwarb 1312 Won 
und Pyonnais durch unrehtmäßige Schädigung des 
Deutſchen Reichs; auch legte er durd feine Ber 
mäblung mit Zobanna von Navarra den Grund 
zu den Anſpruchen auf ihre Erbländer Champagne 
und Brie, die 1361 unter Johann mit der franz. 
Krone für immer verbunden wurden. Durd die 
een des Haufes Valois fam 1328 mit 
3 ilipp VI. zwar das Herzogtum Balois an bie 
rone zurüd, auch erhielt der neue König von dem 
finderlofen Humbert II. 1349 die Daupbind; aber 
der langwierige Kampf zwifchen England und F. ver: 
anlaßte einen länger als 100 Jabre dauernden Stil 
ftand in den er Serena eigen und hatte große 
Rüdihritte zur Folge; denn ala Johann in der 
Schlaht bei Maupertuis (1356) zum Gefangenen 
gemacht worden war, konnte er feine Freiheit mur 
durd den Vertrag von Bretigny (1360) erkaufen, 
worin der König von England al& Befiker von 
Guyenne und Limoufin anerlannt wurde und über 





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Brockhaus’ Konversations - Lexikon. 1%. Aufl. 


„N VON FRANKREICM. 











D ‘ 2 Westl.0” · 





5 — 


in 
KER. ARACÖNIEN. 











F.A.Brockhaus” Geogr.- urtist. Anstalt, Leipzig. 


Frankreich (Territorialentwidlung) 


dies Poitou, Saintonge, Perigord, Angouldme und 
mebrere kleinere Gebiete erhielt. Erſt mit Ber: 
treibung der Engländer unter Karl VII. gelang: 
ten die franz. Könige wieder in den Befik ihrer 
alten Pänder. Unter Karla VIL Sohn und Nach— 
olger, Ludwig XL, erhielt F. einen beveutenden 

uwachs, indem biefer nah dem Tode Karla des 

übnen 1477 das eigentlibe Herzogtum Burgund 
mit der franz. Krone vereinigte. Ludwig XI erbte 
1481 von Karl, dem lebten Grafen von Anjou, die 
Provence, eroberte 1477 das Boulonnai3 und ver: 
band die Vicardie mit 5. Unter feinem Nachfolger 
Rarl VII. ftarb 1488 der Mannsſtamm der Herzöge 
von Bretagne aus. Die lebte Herzogin Anna wurde 
die Gemahlin Karla VIIL, dann Ludwigs XL. ; ihre 
Tobter Claudia vermäblte ſich mit Franz L, wodurch 
die Bretagne auf immer an die Krone fam. Unter 
Franz I. wurde auch die erfte franz. Kolonie und 
zwar in Canada gegründet. (S. Hiſtoriſche 
Rarten von ffranfreid 2.) 

Die erfte bedeutende Erwerbung der folgenden 
Zeit waren die drei Bistümer Mes, Toul und Ver: 
dun unter Heinrih II. Wit der Thronbefteigung 
Heinrichs IV. tam 1589 der auf der franz. Seite der 
Pyrenäen gelegene Reft des Königreichs Navarra 
fowie Bearn und Foir an die franz. Krone. Auch 
wurden unter Heinrich IV. die Landſchaſten Breſſe 
und Bugey erworben, die der derzoß von Savoyen 
1601 abtreten mußte. Zur Zeit Ludwigs XIIL er 
[niote die Kolonifierung der Inſeln St. Chriſtoph, 

artinique und Guadeloupe, fowie von Cayenne 
in Guayana; die Eroberung von Arras führte 1640 
die Vereinigung der Grafſchaft Artoi® mit der 
Krone, die im Utrechter Frieden von 1713 beftätigt 
wurde, berbei; auch wurden 1641 die Gerdagne und 
Rouffillon erobert. Ludwig XIV. ficherte ſich den 
Befis des letztern ſowie die Abtretung des Charo— 
lai3 durch jeine Vermählung mit der Infantin 
Maria Therefia. Im Meitfäliichen Frieden erwarb 
er das Elſaß bis auf wenige Städte und die Ber 
ftätigung ber früher eroberten lothr. Bistümer. Er 
vereinigte Dombes und Nivernai® mit der Krone, 
entriß 1667 den Spaniern das jog. franz. Flandern, 
eroberte 1668 und 1674 die Franche-Comte (bie er 
im Nimmeger Frieden von 1678 nis erbielt) 
und 1681 Straßburg; aud gründete er tiederlaf: 
fungen auf den Inſeln Marie: Galante, St. Bar: 
tbelemy, Bourbon und Grenade, jeßte ſich im meftl. 
Teile von Domingo und am Senegal felt, vermebrte 
die — olonien durch die ag lu: 

rt: Dauphin auf Madagasfar, durd die Inſe 

t. Martin, Neuorleans und Louifiana, ein Gebiet 
von etwa 3 Mill. qkm, erklärte die ungebeuern 
Flähen am Michiganſee für franz. Befiktum, ges 
wann bie Inſel Kap Breton, gründete die erjte 
Niederlafiung auf Mauritius und legte durch die 
Ermwerbung von Pondichery und Stiftung der Fals 
torei Ehandarnagar den Grund zu den ojtind. Kolo⸗ 
nien. Er hinterließ feinem Entel in Europa ein 
Reich von 522830, außerhalb Europas ein Gebiet 
von beinahe 4400000 qkm. Während unter der 
über ein halbes Jahrhundert dauernden Regierun 
Ludwigs XV. das franz. Gebiet in Europa — 
Lothringen (das infolge der Wiener Präliminarien 
von 1735 nah Stanislaus Leſzezynſtis Tod 1766 
an %. fiel), dur die Inſel Eorjica (von Genua 
1768) und einige Grenzteile des Herzogtums Sa: 
voyen, im ganzen um etwa 27500 qkm vermebrt 
wurde, gingen 1763 im Frieden von Paris Canada 


1001 


es. allen übrigen amerit. Kolonien wie aud 
die ——— am Senegal an England verloren, 
und als auch 1769 Louiſiana und Neuorleans an 
Spanien abgetreten wurden, umfaßten die aus— 
wärtigen Kolonien nur noch 102748, das — 
Staatögebiet aber 549570 qkm mit 25 Mill. €. 
1783 famen durch den Frieden von PVerfailles die 
Befigungen am Senegal, die freie Fiſcherei bei 
Neufundland, die Infeln St. Vierre und Miquelon 
wieder an F. zurüd, die Inſel Tabago wurde neu 
erworben, dagegen St. Bartbelemy an Schweden 
verlauft, fo sch das Areal der Kolonien 105 940 
qkm betrug. Die ge erringen erflärte 
1789 Eorfica und 1791 die bisher dem Be 
unterworfenen Grafihaften Avignon und Venaiſ—⸗ 
fin für Beftandteile 5.8. (S. Hiſtoriſche Karten 
von Frantreid 3, 

Während der Franzöfifhen Republit(1792—1804) 
wurden mit F. vereinigt: Belgien (1792), Savoyen 
und Nizza (1793), das bataviſche Gebiet links von 
der Schelde und zu beiden Seiten der Maas ein: 
fhließlih von Venlo (1794), der fpan. Anteil von 
San Domingo (1794), die Joniſchen Infeln (1797), 
das ganze linfe Rheinufer, Elba, Guayana bis zur 
Mündung des Amazonenftroms (1801), Louiſiana 
(1800, das aber 1803 an die Vereinigten Staaten 
verfauft wurde) und Piemont (1802). Die Erobe: 
rungen Napoleons I. als Kaifer brachten bis 1812 
das unmittelbare franz. Gebiet auf ein Areal von 
etwa 770000 qkm mit 42", Mill. E., und durch 
die mittelbaren Angliederungen des Königreichs Ita: 
lien, der Rheinbundftaaten, der Schweiz, Neapel, 
Warſchaus nebſt Danzig ward die Macht bes franz. 
Kaiſers über ein Gebiet von etwa 1624000 qkm 
mit mebr ala 73 Mill. E. ausgedehnt. (S. Hiſt o⸗ 
rifhe Karten von Europa II, 7.) Der erfte 
Pe 1814 brachte die Grenzen 5.8 wieder 
auf den Befisftand vom 1. Yan. 1792, jedoch mit Hins 
zufügung von Quidvrain, PVhilippeville, Mariens 
burg, Saarloui® und Saarbrüden, Landau, der 
Landſchaft Ger und eines Teild von Savoyen, unter 
Anertennung der Cinverleibung von Woignon, 
Benaiffin, Montbeliard und der ehemals deutichen 
Entlaven und unter Beſchränkung des Rolonial: 
befige3 dur Abtretung von Tabago, Ste. Lucie 
und Isle⸗de⸗France an Großbritannien. Durch den 

weiten Tue Frieden von 1815 ging ber An— 
[ru auf die erjtgenannten Erweiterungen von 

uidvrain u. f w. wieder verloren. Infolge des 
Italieniſchen Krieges von 1859 und laut Vertrags 
vom 24. März 1860 trat der König von Sardinien 
an F. das ganze Herzogtum Savoyen und den weſtl. 
Teil der Grafihaft Nizza ab. Während aus Sa: 
voyen die beiden Depart. Savoie und Haute-Savoie 
ge wurden, bildete man mit dem gewonnenen 

eil von Nizza (Nice) nebft den zwei Gemeinden des 
Fürftentums Monaco (Mentone und Roquebrune) 
und einem Zeil des Departements von Bar das 
Depart. Alpes: Maritimes. Das Areal diefes neuen 
Erwerbes betrug 15 142 qkm mit 669 000 €. Durch 
den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 und die 
Nactragstonvention vom 12. Olt. 1871 trat F. an 
das Deutiche Reich ab: ein Departement (Bas⸗Rhin) 
anz, ein Departement (Haut: Rhin) größtenteils 

nur Belfort und nädjter Umkreis blieb bei 3) 
zwei Departements (Mojelle und Meurtbe) teilmeije 
und von dem Depart. Vosges die beiden Kantone 
Schirmed und Saales, indgefamt 14 Arrondiſſe— 
ment3, 97 Kantone, 1689 Gemeinden, 14492 qkm 


1002 


mit 1597 228 E. (nach der Volkszählung von 1866). 
Die beiden Depart. Meurtbe und Mojelle wurden 
zum Depart. Meurtberet:Mojelle verſchmolzen. 
Außerhalb Europas wurde im 19. —* er⸗ 
worben: 1830 das allmählich erweiterte Algerien; 
1842 die Marquefasinjeln fowie das Protektorat 
über die Gejellihaftsinieln; 1853 Neucaledonien 
und Loyaltyinjeln; 1859 Adulis am Roten Meere 
(bald wieder aufgegeben); 1862 Obol an der Straße 
Bab el:Mandeb; ebenfalld 1862 Nieder-Cohindina 
und 1864 das Proteftorat über Kambodſcha. Die 
Befisungen am Senegal wurden namentlid 1865 
und die in Cochinchina 1867 bedeutend ermeitert; 
ferner famen jeit 1873 Gebiete am Ogowe und 
ipäter auch am Kongo in Afrika, 1877 durch Kauf 
die vormals ſchwed. Inſel St. Bartbelemy in Welt: 
indien hinzu; 1880 wurden die Gejellihaftsinfeln, 
1881 die Tubuai:, Baumotu: und Gambierinjeln 
zur franz. Kolonie erklärt, enblih 1881 das Pro: 
teftorat über Tunis, 1884 das über Annam er: 
worben. Schon 1883 hatte Annam feine Rechte auf 
Zongling an F. abgetreten, und 1887 wurden 
Annam, Cochinchina, TZongking und Kambodſcha zu 
einer Kolonie Indodina vereinigt. 1885 wurde das 
Proteltorat über Madagaslar anerfannt, 1886 die 
Eomoren (Mayotta jchon feit 1841) unter franz. 
Schuß geitellt. 1892 wurde Dabome erobert; 1893 
die Eilande St. Baul und Neu: Amjterdam bejegt, 
1895 Madagastar als Kolonie erflärt, auch Sene: 
gambien bis zum obern Niger ausgedehnt. 


Franzöfifche Könige, Kaifer und Präſidenten. 


5 1) Karolinger. Karl VI. 1380— 1422, 


Karl der Kahle 843-877. 
Ludwig IL der Stammiler 577 
—879 


Ludwig III. 879—882, 

ftarlmann 882—884, 

Karl der Dide 884—887. 

Odo von Paris 887—898.) 

Karl der Einfältige 893—929, 

(Rudolf von Burgund 923— 
936.) 

Ludwig IV. d’Outremer 936 
— 4. 

Lothar 8334 -986. 

Ludwig V. Fainsant ↄ86 67. 


2) Hapetinger, 
gugo Capet 987—996, 
Robert 996—1031. 

Deinrid I. 103160, 

bilipp I. 1060— 1108, 
Ludwig VI. 1108—37, 
Ludwig VII. 1137—80, 
Philipp IL Auguft 1180— 1223, 
ubwig VIIL 1223—26. 
— IX. ber Heilige 1226 
Philipp IIL. 1270— 85, 
Ebilipp IV. ber Schöne 1285 

—1314, 
Ludwig X. 1314—16. 

bilipp V. 1316—22. 

arl IV. 1322—28, 


3) Balois, 
Bbhilipp VI. 132850, 


Johann ber Gute 1350—64. 
arl V. 1364—80. 


#arl VII. 1422—1461. 
Ludwig XI. 1461—83, 
Karl VIIL 1483-98, 
Ludwig XIL 1498—1515. 
Franz I. (von Angouleme) 
1515-47, 
einrich II. 1547—59. 
ana IL 1559—60, 
arl IX. 156074, 
Deinrih TIL 1574—89, 


4) Bourbonen. 
einrich IV. 1589—1610, 
udwig XIII. 161043, 
Zubwig XIV. 1643— 1715, 
Ludwig XV. 171574. 
Ludwig XVL. 1774—92(93). 


Zubmig XVIIL 1814—24, 

Karl X. 1824—30, , 

Ludwig Philipp (von Orleans) 
1830—48. 


=, Rapoleoniden. 
Napoleon L. (Sailer) 1804 —14, 


Napoleon III. 1852—70, 


6) Präfidenten ber 

Republik, 

Thiers 1871—73, 

Mac-Mabon 1873—79, 

Greun 187987. 

Garnot 1887—94, 

Gafimir-Rerier 1894—95. 

—— 1895— 99, 

oubet 1899—1906, 
Fallieres, feit 1906. 


Geſchichte. Das alte Gallien (f. d.) wurde, nach: 
dem es über 400 Jahre in der Gewalt der Nömer 


geweſen war, zu Anfang des 5. Jabrb. von drei gro: 
pen german. Völterichaften überzogen und erobert: 
von den Wejtgoten (f. d.), die den Süden, den Bur: 
aundern (j. Burgund), die den Diten, den Franken 
(f. d.), die den Norden einnahmen. Chlodwig, König 
der faliihen Franken, aus dem Geſchlecht der Mero: 


Frankreich (Geſchichte bis 987) 


winger, machte 486 durd den Sieg bei Soiſſons 
über Syagrius (f. d.) der röm. Herrichaft im nörpl. 
Gallien ein Ende und ſchuf ein Reich, das die ver: 
ſchiedenen fränt. Bölteribaften, die Alamannen 
am Rhein, die felt.»roman. Elemente, die Burgun: 
der und Wejtgoten Gallien umfaßte, und dem jeine 
Nachfolger auch die Thüringer und Bajoarier 
Bayern) unterwarfen. (S. Fränliſches Reich und 

erowinger.) Die Dynaftie der Karolinger (f. d.), 
die gegen Ende des 7. Jabrb., anfangs unter ver 
Würde des Major domus, fi der merowing. Herr 
(aft bemächtigte, erhob das Fränkiſche Reich durch 
Eroberungen jowie dur ſyſtematiſche Verbreitung 
des Chriftentums zum Hauptjtaate der abendlänp. 
Welt. Unter Karl d. Gr., der die abendländ. Kaiier: 
würde wieder aufnabm, erjtredte jich das Reich von 
der Eider und Nordſee bis herab zum Ebro und 
Mittelmeer, vom Atlantifchen Ocean bis binauf zur 
Oſtſee. Allein icon * dem Tode Ludwigs des 
Frommen, des Sohnes Karls d. Gr., ward dieſe 
ie Monardie im J. 843 durch den Vertrag von 

erdun unter deſſen Söbne geteilt. (S. Hiſtoriſche 
Kartenvon Deutſchland I, 1.) Die öſtlich vom 
Rhein gelegenen Länder (Deutihland) erbielt Lud⸗ 
wig der Deutjche; den Länderftrich von der Nordſee 
herab zwijchen Schelde, Maas und Rhein und an 
der Rhöne bin bis zum Mittelmeere (fpäter Lotba 
ringien) nebſt Italien und der Kaiſerwürde über: 
nahm Lothar. Karl der Kable trat die Herricait 
über die Yänder mweitlih von der Rhöne, Saöne, 
Maas und Schelde (Weitfranten) als felbjtändiges 
Königreich an, defjen kelto-roman. Bevölterung nun 
mit den eingewanbderten german.,bauptfächlich fränt. 
Elementen nad Sprache und ©itte immer mebr zu 
einem neuen Vollskoörper (Frangais) jujammen: 
wuchs. 842 im Straßburger Bündnis zwischen Lud⸗ 
wig und Karl tritt zum — in der Verſchieden⸗ 
beit der Sprache die nationale Scheidung bervor, 
indem Ludwig zu feinen Leuten in deuticher, Karl 
zu den Seinen in roman. Mundart redete. Erſt mit 
jener Teilung des großen Franliſchen Reichs beginnt 
demnach die Geſchichte des beutigen 5.8. 

1) Unter den SKarolingern (843 — 987). 
Karl IL. der Kahle, ein charalterſchwacher Fürſt, ver: 
mochte fih kaum gegen die Anſchläge jeıner Ber: 
wandten und bie fortwäbrende Empörung der Va: 
fallen und Statthalter in feinem Reiche zu balten, 

umal da von jeßt an die Normannen alljäbrlic Ein: 

Halle auf den — Boden machten, die Provinzen 

verheerend Degen und nur burd Tribut zum 
— 


augenblidlichen — ſich bewegen ließen. Wäb- 
rend die Spanijche Marl verloren ging, gewann Karl 


durch den Vertrag zu Merjen (j.d.) 870 den Weiten 
von Lothringen (Auftrafien), und nach Ludwigs des 
Deutſchen Tode (876) erwarb er fogar die röm. 
Kaiferwürde. Karl der Kable ftarb 877 auf ver 
Flucht vor jeinem deutichen Neften Karlmann. Sein 

obn Ludwig II., der Stammler, wurde erit 
nad) manderlei Schenkungen und Bewilligungen 
an die Großen gelrönt und ftarb ſchon 879. Cr 
binterließ aus erjter Ehe Ludwig und Karlmann, 
aus einer zweiten den nachgeborenen Karl den Gin: 
fältigen. Ludwig IH. und Karlmann führten 
die Regierung gemeinfhaftlib; von Ludwig dem 
Jungern von Deutſchland, der fie befriegte, mußten 
jie den Frieden durch die Abtretung Yotbringens 
erfaufen. Unter ibnen empörte ſich 879 der Statt: 
balter Graf Boſo und ftiftete aus dem Gebiete von 
der Rhöne bis zum Jura das Arelatiſche Heid, 


Frankreich (Geſchichte 987T—1328) 


ſpäter auch das Cisjuraniſche Burgund genannt. 
(S. Burgund.) Ludwig ſtarb 882, Karlmann 
884, nachdem er von den Normannen einen zwölf: 
jäbrigen Waffenftillftand erfauft hatte. Mit einit: 
eg Üibergehung des erit fünfjährigen Karl 
des Ginfältigen wurde nun der röm. Kaiſer und 
deutibe König Karl II., der Dide, auf den 
franz. Thron berufen und fo das Erbe Karls d. Gr. 
nochmals vereinigt. Man hatte gebofit, durch diefe 
Macht die immer heftiger andringenden Normannen 
u überwältigen. Allein der Kaijer erlaufte den 
Frieden dur einen fchimpflihen Tribut. Nach 
einer Abjegung befand fih F. in völliger Auf: 
diung; Bretagne und Aquitanien riffen ſich los, die 
Mormannen waren im Norden, die Mauren im 
Süden die Geihel des Landes; die Großen betradh: 
teten ſich ald Souveräne und erfüllten alle Brovinzen 
mit Mord und Berwüftung. Unter den vielen Thron⸗ 
bewerbern wurde Graf Odovon Paris, der mäch— 
tigite der Kronvafallen, zum Könige erhoben; er 
leistete dem deutichen Könige Arnulf, um ſich der Ans 
fprüche desfelben zu een: den Eid der Treue, 
was aber feine Folgen hatte. Aus feinem Geſchlecht, 
ipäter die Kapetinger genannt, ging nun eine Reihe 
von kräftigen Pie ervor, die, in Isle-de⸗France 
regierend, genau 100 Jahre die gefährlichen Neben: 
bubler und Leiter der immer machtlojer werdenden 
Karolinger waren, bis fie dann ei den Thron 
beitiegen. Doch wurde durch dieje Rivalität das 
Reich mehr und mehr geſchwächt. Der Herzog Rudolf, 
lotbr.:belvet. Statthalter, riß jich 888 vom franz. 
Reichsverbande los und gründete an der Dftieite 
des Juras ein zweites Königreih Burgund, das 
transjuranifche. In diefen Wirren trat Karl der 
Ginfältige 893 als Gegenkönig auf, und eine Bar: 
tei der Großen, an deren Epike der Graf Herbert 
von Vermandois ftand, brachte eö nad vieljährigem 
Kriege dahin, daß Odo 896 das Reich mit Karl 
teilte. Nah Odos Tode (898) wurde Karl ver 
Ginfältige als alleiniger König anerfannt, und 
nah dem Ausfterben des karoling. Geſchlechts in 
Deutihland mit Ludwig dem Kinde (911) fielen ihm 
aud bie Lothringer zu. Cr fuchte * nun in den 
Normannen, die ſich ſchon 876 zu Rouen feſtgeſetzt 
5* eine Stüße zu ſchaffen, indem er ihrem Heer: 
übrer Rollo 912 das Land von der Eure bis zum 
Meere, die nahberige Normandie, als erbliches 
Herzogtum und franz. Kronlehn, die Bretagne als 
Afterlehn —— ngeblich weil Karl feinen hab⸗ 
ſüchtigen Günftling Hagano nicht entfernen wollte, 
erhob fi) 922 fein alter Nebenbubler Graf Robert, 
ber Bruder Odos, von Graf Herbert unterjtüßt, ald 
Gegentönig. Karl wurde 923 in einer Schlacht bei 
Soiſſons, in der übrigens der Gegentönig fiel, von 
den Empdrern befiegt, mehrere Jahre gefangen ge 
halten und ftarb 929. Lothringen ging an Heinrich. 
von Deutſchland verloren. Die Witwe Karla floh 
mit ihrem Sohne Ludwig nad England. Herzog 
Rudolf von Burgund, der Schwiegerjohn Ro: 
bert3, erhielt nun die franz. Krone und wußte ſich 
egen bie Großen bis zu feinem Tode 936 zu be 
———— Nach einem Interregnum von 5 Mo— 
naten brachten endlich J Hugo d. Gr. Herzog von 
Francien, der Sohn Roberts, und Wilhelm von 
der Normandie den Sohn Karls des Einfältigen, 
Ludwig IV., genannt d’Outremer (d. b, der liber: 
ſeeiſche), auf ven Thron, Seine Regierung war aber 
ein fortgejeßter Krieg mit Hugo d. Gr. und Richard 
von der Normandie, dem er das Land nehmen wollte, 


1003 


Er ftarb 954. Bon feinen Söhnen Lothar und 
Karl wurde der erftere unter Hugos Vormundſchaft 
um Könige von F. erhoben. Er befaß nur nod feine 
ejidenz, die Stadt Zaon, zu eigen. Sein Bruder 
Rarl hatte von Kaiſer Otto II. Niederlothringen zu 
Lehn genommen. Um einen Erfolg nah A ie zu 
erlangen, überfiel Lothar den Kaiſer 978 in Machen; 
aber Dtto II. fammelte foglei ein Heer und drang 
bis Paris vor, das von Sugo Capet, dem Sobne 
Hugos d. Gr., erfolgreich verteidigt wurde. 980 mußte 
Lothar allen Anſprüchen auf Lothringen entjagen. 
Er ſtarb 986, und ein Jahr jpäter fein junger Sohn 
Ludwig V., le Faineant (der Faule). Mit ihm jtarb 
die Dynaftie der Karolinger aus. Die Nachfolger 
Karla d. Gr. waren immer unfäbiger geworden, 
die Staatseinbeit aufrecht zu erhalten. * 9. Jahrh. 
hatte die Kirche verſucht an ihre Stelle zu treten, 
und in ihrer Theofratie lag in der That das einzige 
einigende Moment. Aber der galliihe Klerus 
wurde jehr bald dem röm. Bapfte dienjtbar. Der 
Erzbiſchof Hinkmar von Reims (geft. 882) war wohl 
der lebte bedeutende Kirchenfürſt, der — die Reichs⸗ 
einheit wirkte; dann begann der Klerus mit den 
Laienfürſten das erbliche Königtum zu erſchüttern 
und eine Wahlmonarchie anzuftreben. In der Be 
völferung —— tiefer Gegenſaß zwiſchen dem 
Norden, wo die Franken von großem Einfluß ge 
weſen waren, und dem Süden, wo ſich der gallo: 
roman. Charakter viel reiner erhalten hatte, in 
Sprade, Sitte und Recht herausgebilvdet; dieſer 
Unterjchied blieb befteben und wurde für die weitere 
Entwidlung von der größten Wichtigkeit. Als ein 
neues Element famen die ſtandinav. Normannen 
binzu, die feit Anfang des 10. Jahrh. an der untern 
ine jeßbaft und dritianifiert, bald begeifterte 
Vorkämpfer der neuen franz. Kultur wurden. 

2) Unter den HKapetingern (987—1328). Als 
Ludwig V. ftarb, war nur noch ein Rarolinger, fein 
Dbeim Karl von Nieverlotbringen, übrig. Diefer 
aber wurde als Vajall des deutichen Raitere über: 
pangen und auf Betreiben des einflußreichen Erz: 

iſchofs Adalbero von Reims Hugo Gapet, der 
Sohn Hugos d. Gr. zum König gewählt (3. Juli 987). 
Trotzdem aber hierbei das Erbrecht verlekt wurde, 
wurde dod fein Wahlreich begründet, fondern dem 
neuen König jogleich fein Sohn als Nachfolger an 
die Seite geitellt und fomit das Erblönigtum beis 
bebalten. Dennoch mußte Hugo Eapet, obwohl es 
ihm gelang, Karl von Lothringen gefangen zu 
nehmen, bald einfehen, dafı fich feine Macht durch 
den Gewinn der Krone eher vermindert hatte. Der 
Süden (Aquitanien) fiel von ihm ab; aud im Nor: 
den hatte er mit den unrubigen Großen zu kämpfen, 
egen die er fih nur durch Nachgiebigkeit halten 
onnte. Denn jene Barone, die (be: die gebor: 
famen Bafallen der Herzöge von Francien geweſen 
waren, fühlten fich jest al3 unmittelbare Lehns—⸗ 
träger der Krone; dieſe aber hatte in ihrer Haus 
macht (Paris und das Gebiet der mittlern Seine, 
Noyon, Beauvais, Laon, Reims, Orleans, Bourges) 
einen geringen Rüdbalt. Dazu kam die Schwäche 
der Nachfolger Capets (geft. 996), die Ic ebenſo 
wie die legten Karolinger als wenig bedeutende 
Herricher zeigten. 

Robert der Weife (996—1031), mehr Mönd 
und Dichter ald König, regierte —5 — hatte 
aber im eigenen Hauſe durch die Herrſchſucht ſeiner 
zweiten Gemahlin Konſtanze zu leiden. Heinrich J. 
(1031—60) konnte gegen die Unbotmäßigleit der 


1004 


Großen nichts audrichten, noch weniger fich gegen 
den deutjchen Kaiſer Heinrich IH. bebaupten, der 
ganz Lothringen erwarb. Philipp I. (1060— 
1108) mar zwar anfangs ebrgeisi und rübhrig im 
Kampfe gegen die trogigen Bafallen, aber ränte 
voll und daher unbeliebt; er lebte in offener Bir 
gamie und verfiel bald in träge Schlaffbeit; er 
verfeindete fih mit dem mädtig aufitrebenden 
Bapittum durch feinen unfittlihen Lebenswandel 
und feinen Widerftand gegen die kirchliche Richtung 
von Cluny (f. d.). Zwei großen Greianifjen, die 
unter feiner Regierung von %. auögingen: ber 
Eroberung Englands dur Wilhelm von der Nor: 
mandie (1066) und dem erften Kreuzzuge (1096) 
— er teilnahmlos gegenüber. Mit feinem Sohne 

udwig VI., der in Wahrheit feit 1100 ſchon regierte, 
indem ihn der Bater zum Mitregenten gemacht 
batte, beginnt für F. eine neue Zeit. 

Das erfte Jahrhundert der Kapetingerherrſcha 
eigt hf nun ganz durchdrungen von den gejell: 
Inafı ichen Drbnungen des Lehnsweſens. Die 
Gemeinfreiheit ift immer mehr im Schwinden und 
mit ihr der Heerbann, den der König früber berief 
und der jept faft ganz an den bewaffneten Dienft 
der Großen und ihrer Lehnäträger gebunden ijt. 
Die Macht der großen Vajallen, der Herzöge von 
Burgund, Normandie, Aquitanien, Flandern, Ver: 
mandois u, f. w., war bedeutender als die bes 
Königs; er ftand unter ibnen nur als primus inter 
re (Erfter unter Gleichen) und hatte es nur ihrer 

iferfucht untereinander zu danken, daß fie fich nicht 
gegen ibn verbanden. Und dennod erhielten fi 
während dieſer Ohnmacht des Königtums Keime zu 
fünftiger Stärke. Der König ift oberfter Lehnsherr, 
Wächter über die Lehnsordnung, die alle ftaatlichen 
Verbältnifie regelt, er ift der Gejalbte des Herrn, 
dem die Großen huldigen, ge alio immer ein mo: 
raliihes Übergewicht. Es lam fogar der Braud 
auf, daß der König feinen Erjtgeborenen zum Mit: 
regenten falben ” fo daß dad Wahlrecht der 
Großen ganz eingeſchränkt und in friedlicher Weife 
ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Monarchie 
getban wurde, Enlid aber trug e3 zur Befeftigung 
des Königtums bei, daß die Kırde nie jo mächtig 
war wie in Deutichland; die meisten Biſchöfe waren 
entweder vom König oder von einem der Barone 
abhängig und beſaßen feine jebr großen Territorien. 
Der Inveititurftreit erfchütterte das Land nicht all: 
zuſehr; das Verhältnis des Klerus zum Königtum 
war bier freundichaftlicher, mo beide durch gemein: 
fame Intereſſen den Feudalberren gegenüber auf: 
einander angemiejen waren. Dasjelbe gilt von den 
jest erblübenden ftädtiichen Kommunen, die bald 
an dem König eine Stüße gegen den Drud ihrer 
Herren, Bifhöfe und Grafen fanden. 

‚2ubmig VI. (1108—87), der Dide, zeigte für 
die Würde feiner Stellung mehr Berftänpnis als 
feine Vorgänger, befonders als der ſtaatslluge Abt 
Suger von St. Denis fein Berater wurde. war 
der Schüßer der Kirchen und der Niedern gegen bie 
Übergriffe der Burgberren und begründete ee: 
beit der Städte dur zahlreiche Privilegien. Hein: 
rich J. von re als Graf von der Normanbdie 
im Streite mit Ludwig VI., rief 1124 ‚gegen ibn jeinen 
Schwiegerſohn, den Raifer Heinrich V. zu Hilfe. Als 
diejer Neims überfallen wollte, trat ihm Ludwig an 
der Spitze eines ftarfen Heers entgegen, fo daß die 
Deutſchen umkehren mußten. Ludwig VL. (1137 
— RO), der Junge, batte Eleonore, die Erbin des 


Frankreich (Gefchichte 987— 1328) 


füdfranz. Aquitanien, geheiratet, ſich aber ibrer Uns 
treue wegen von ihr fheiden lafien; fie vermäblte 
fih nun mit Heinrid IL. von England, der fo ibr 
reicheö Erbe Guyenne und Poitou erhielt. Zugleich 
batte u aber von feinem Bater Gottfried die 
Grafſchaft Anjou geerbt, jo daß er nun, mit der Nor: 
manbdie zufammen, den größten Teil des beutigen 
‚8 bejaß, während dem franz. Könige nur ber fünfte 
eil davon als Kronland — S. Hiſtoriſche 
Karten von Frankreich 1.) Von nun an be 
ginnen die Kämpfe zwifchen ihm und dem über 
mächtigen Bajallen, und in der Gefahr vor den Be: 
brängern der Nation fteht bald das franz. König 
tum und Bolt einmütig zufammen. Ludwig unter: 
nabm 1147 einen Kreuzzug, der jedoch mit einem 
Miperfolge endete. (S. zzuge.) Wäbrenpd feiner 
Abweſenheit regierte Suger ald Reichsverweſer das 
Land. 1149 kehrte Ludwig VIL zurüd; 1151 ftarb 
Suger, und nun batte der König in jeinen immer 
wieder erneuerten Fehden mit England wenig Er 
Tolge aufzumeijen. Gr jtarb 1180. 
ittlerweile aber war die Ausbildung des franz. 
Nationaldaralterd in bedeutfamer Weije weiter 
ge dritten. Das 12. Jahrh. zeigt einen erjtaun: 
ihen Aufihwung des Franzojentums, der es in 
geiftiger und polit. Hinficht vielfah an die Spike 
des übrigen Europas ftellte. Es waren vor allem 
die Kreuzzüge, die bierbei von den wichtigſten Kol 
en waren. Bon Anfang an hatte die Idee der 
eiung des Heiligen Grabes in F. am jtärkften ge- 
wirft; das franz. Rittertum batte an den Rämp 
gegen den Islam den größten Anteil gebabt und ſich 
dabei zum Mufter des europ. Rittertums herausge⸗ 
bildet. Es trug die kaum erblübte roman. Kultur 
überall bin, wo es fämpfte, und erwies ji, befonders 
in feinen normann. Elementen, al zur Staatenbil- 
dung ungemein begabt. So bat in England, Spar 
nien, Sübitalien (f. Sicilien, Königreich), Baläftina 
(1.Xerufalem und Edeſſa) und fpäter in Griechenland 
(f. Byzantiniſches Reich) der franz. Adel eine Reihe 
von Staaten gegründet und mit feinem Recht und 
feinen Sitten befrudtet. Die Belanntichaft mit 
neuen Ländern und ihre Rolonijation wirkte dann 
wieder höchſt anregend auf das Mutterland. Die 
neuen Handelswege begünjtiaten einen regen Aus: 
tausch der Erzeugniffe 5.8 und des Drients. Die 
Städte blübten auf, das Bürgertum wurde wobl⸗ 
babenver und dadurch aud felbitbewußter und ſchloß 
fih noch feiter an das Königtum an, das fei 
Widerſtand gegen die Stabtberren unterftüste. — 
Das kirchliche Leben nahm ebenfalld neue Formen 
an, die entarteten Orden wurden reformiert, und 
auch bier ftand F. an der Spiße von Europa; vom 
Kloiter Eluny gingen im 11., von Bernhard von 
Clairvaux im 12. Jabrb. die bedeutendften reliaidien 
Bewegungen aus; die Prämonftratenjer und Eiiter- 
cienfer wirkten mweitbin fördernd auf die Kultur der 
Länder. Schon vertrat an der Univerfität Baris 
Abalard eine freiere geiftige Richtung, ſchon reate 
ſich in Südfrankreich eine leheriſche Dppofition genen 
das Bapfttum. Endlich fam aud in der Kunit dieſe 
geiftige Blüte zum Ausdrud: in der bildenden Kunit 
waren ed die roman. und got. Bauten, in der Boche 
befonders die an die alten Sagentreife von Artus 
und dem Gral anfnüpfenden Epen, die, auf franz. 
Boden entitanden, den andern Nationen ein be 
wundertes Vorbild wurden. 
bilippa IL Au a. 


Unter der Regierun 
(1180—1223), eines kühl berechnenden und bad 


Frankreich (Geſchichte 987—1328) 


energiſchen Herrſchers, erhielt F. auch die ſeiner auf⸗ 
blühenden Kultur entſprechende ſtaatliche Bedeutung. 
ilich kam ihm hierbei die Zerſplitterung 8 
ands und Englands zu ſtatten. Noch pP Lebzeiten 
Heinrihs IL. von England reizte Philipp Auguft 
deſſen Söhne gegen den Bater; als diejer 1189 ftarb, 
unternahm er zwar mit feinem Nachfolger Richard 
Lömwenberz einen Kreuzzug, lehrte aber jhon 1191 
von Alkon zurüd, griff die Normandie an und zwang 
Richard, 1196 Berin und Giſors (oſtlich vonder untern 
Seine) abzutreten, Weit mehr noch erreichte er aber, 
als der Nachfolger Richards, Johann ohne Land, 
den rechtmäßigen Erben der Normandie, feinen 
Neffen Arthur, auf die Seite ſchaffte; Philipp er: 
Härte ihn feiner franz. Leben für und 
wang ibn, 1206 im Stilljtand von Thouars Anjou, 
aine, Zouraine, Bretagne und die Normandie ab: 
ken: nur Boitou und Guyenne behielt Johann. 
uber der Bretagne vereinigte Bhilipp alle jene Ge: 
biete mit dem Kronland; deögleihen Amiens, Balois 
und Bermandois, die er fhon 1183 dem Grafen 
von Flandern abgenommen hatte, Du Papſt Innos 
cenz Ul. der ihm wegen ber Berjtoßung feiner Ges 
* Ingebor (1193) zürnte und ſpäter F. mit 
dem Interdilt belegte, gewann er jchließlich doch ein 
utes Verhältnis, jo daß dieſer ihm zeitweilig (1212) 
8* die engl. Krone —— n dem Kampfe 
zwischen dem jungen Staufer Friedrich I. und 
dem flaifer Dtto JV. ftellte er fih auf die Seite 
iedrichs, da Otto von England unterjtüßt wurde, 

ei Bouvines (. d.) fiel 1214 die Entſcheidung; 
bilipp fiegte über Otto und befiegelte damit 5.3 
egemonie in Europa. 1216 boten die engl. Da: 
zone feinem Sobne, dem jpätern König Ludwig VIII., 
fogar die engl. Krone an; diefer jegte auch über 
den Ranal, mußte aber 1217 zurüdfehren, als 
das engl. Rationalgefübl nad dem Tode des ver 
acteten Johann wieder erwahte. Hatte Philipp 
omit jein Gebiet verdoppelt f fo konnte er aud im 
nnern die größten Erfolge in der Stärkung jeiner 
onardhie aufweilen. Was jene Vorgänger zur 
Niederhaltung der großen Vaſallen gethan hatten, 
feste er in nachhalt ger Weiſe fort. Jene wurden 
allmählid aus dem Kate des Königs entfernt, in 
den nun einfaheRitter, Geistliche und Rechtsgelehrte 
eintraten,.die zuverläffi e Werkzeuge des dem Ab: 
folutismus zuftrebenden Königtums wurden. Ebenjo 
erweiterte ſich aud die Kompetenz des königl. Hof: 
ericht3 immer mehr; ſchon durfte man von den 
erichten ded Klerus und der Barone an jenes 
appellieren. Die Erblichleit der großen Kronamter 
wurde befeitigt und die unabhängigen Bafallen 
aus ihnen entfernt. Die wirtichaftlihe Entwidlung 
des Landes fand bei Philipp rege Förderung. Er 
erfannte jhon die Bedeutung von Paris, das er 
ummauern ließ, fhüste die fremden Kaufleute, 
Handel und Gewerbe und begabte auch die Heinften 
Kommunen mit reibeitöbriefen. — Unter feinem 
Nachfolger Ludwig VILL (1223—26) jollte nun F. 
aud den wichtigen Schritt gegen den Süden thun, 
den Philipp * vorbereitet hatt Languedoc 
tobte jeit fünfzehn Jahren ein blutiger Krieg, den das 
apittum gegen die letzeriſchen Albigenſer (j.d.) und 
ihren vermeintlichen Beichüger, den mächtigen Gras 
fen von Toulouſe, führte. Als diefer aber ven Grafen 
von Montfort, denen der Papſt ed 
hatte, erfolgreich widerftand, fam Ludwig .1226 
der Kirche zu Hilfe; doch ftarb er ſchon kurz nach dem 
glüdlihen Beginn feines Zuges. Auch gegen Eng: 


1005 


land hatte er den Rampfwieber begonnen und Boitou 
erobert. Die Monarchie ſchädigte er jedoch dadurch, 
dab er fein Gebiet unter feine vier Söhne teilte, 
Der Thronerbe Ludwig IX., der Heilige (1226 
— 70), wurde gen feiner Minderjährigteit von 
feiner Mutter Blanca geleitet, und ihrer Energie 
hatte F. es u danlen, daß die legten Angriffe, die 
die —* ſallen im Bunde mit Heinrich III. von 
England gegen die Krone unternahmen, abgeſchlagen 
wurden. Nun beginnt für das Land eine Periode 
innern Friedens und kräftigen Aufblübens. Durch 
vorteilhafte Verträge vergrößerte Ludwig fein und 
—— ruder Gebiet; 1229 trat Raimund von 
ouloufe einen Teil feines Beſißes ab; der Reft 
fam nad) feinem Tode 1249 an Alfons von Poitou, 
den Bruder Ludwigs, den Gemahl der Erbtochter 
Raimunds. 1246 kam die Provence durch Heirat 
an RarlI. von Anjou, den jüngjten Bruder Ludwigs. 
1258 trat Aragon * Land noͤrdlich von den —7 
näen zum Teil an F. ab; 1259 wurde zwar das Ges 
biet jenjeit der Eharente und Garonne freiwillig an 
Heinrid ILL. von England zurüderftattet, dafür aber 
erlannte er Ludwig als rechtmäßigen Beſitzer ber 
ber engl. Provinzen im Norden an und nahm 
e von ibm zum Zehn. Durd Kauf wurden Macon 
lois und Ehartres erworben. Eine Huge Boliti 
der Kirche gegenüber, die Ludwig zwar ebrte, aber 
in ihren hierarchiſchen Übergriffen nicht unterftäbte, 
erhöhte das Anſehen 5.8, das jegt, wo in Deut 
land das Kaiſertum unterging, die erfte Macht 
Europas wurde. Allerdings iſt die Echtheit der 
—— Santtion (1269), in der Ludwig bie 
elbſtändigkeit der Gallikaniſchen Kirche (f. d.) be: 
ndet hätte, neuerdings angezweifelt; aber ber 
nbalt entſpricht doc zum Teil den Maßregeln, mit 
denen er, im Einverjtändnis mit feinem Adel, den 
brüdenden Steuern der päpftl. Legaten entgegentrat. 
Sehr wichtig find Ludwigs rechtliche Einrichtungen. 
Er bat das ——— an ſeinem Hofe organiſiert, 
ein Gericht, das die legte Entſcheidung über die Pro: 
zeſſe in den Provinzen hatte. An die Stelle des Gottes⸗ 
urteild trat ber Zeugenbeweis, das röm. Recht vers 
drängte das Landrecht, und bie gelehrten —— 
Legiſten, ſ. d.) kamen zu großer Bedeutung. Die 
erwaltung wurde in die Hände königl. Beamter 
Baillis, Senejhalls, Prevöts) gelegt; fie hatten die 
olizei und die Einziehung der Steuern unter fid. 
Ludwig ftarb 1270 auf einem Kreuzzuge, den er 
egen Tunis unternommen batte. Sein Sohn 
Bhilipn UL, ber Kübne (1270—85), 34 von 
dort nach einigen Wehr Er ließ fih zum 
Zeil von feinem Oheim Karl. von Anjou, dem König 
von Sicilien, zum Teil von feinem Günftling Peter 
de la Brofieleiten. Unternehmungen gegen Eaftilien 
(1276) und Aragon (1285) verliefen nicht glücklich; 
doch wurde ein bedeutender Gebietszuwachs dadurch 
erlangt, daß nach dem Tode des kinderlojen Alfons 
von Yoitou der größere Teil des Sudweſtens von 
. an die Krone fam (Auvergne, Poitou, Touloufe). 
m Innern führte Philipp die Verwaltung im 
inne feiner Vorfahren weiter. Den Höbepunft 
erreichte aber dieſe er franz. Entwidlung bes 
13. Jahrh. unter ar pp IV, dem Schönen 
(1285— 1314). Geftüst auf eine ſtarke Macht, a 
ein ergebened Beamtentum, auf Huge und energif 
für den erg wirfende — konnte er 
den Kampf mit dem Bapfttum aufnehmen. Die 
wichtige Frage ber Beiteuerung des franz. Klerus 
gab ven Anlaß zu dem folgenſchweren Streitezwifchen 


1006 


dem Papſte Bonifacius VII. und Philipp IV. 
Der Streit endete 1303 mit dem gewalttbätigen 
fiberfall Bonifacius’ VILL in Anagnı; feine Folgen 
here fi in zwei bebeutfamen Greignifjen: der 
berfiedelung des Bapfttums nah Avignon (1305), 
wo es im Machtbereih des franz. Königs feitge: 
balten wurde, und der Aufhebung des Tempelberren: 
ordens (1312), der als ein Staat im Staate dem 
Könige gefäbrlich erichien und überdies durch feine 
Reichtümer feine Begebrlichteit reizte. Denn dur 
unglüdlie kriegeriihe Unternehmungen (Nieder: 
lage gegen die flandrifchen Städte bei Eourtrai 1302) 
und gejteigerte Ausgaben der Regierung war Philipp 
in Geldverlegenbeit geraten, die er vergeblich durch 
drüdende fistaliiche — und Munzopera⸗ 
tionen zu beſeitigen verſuchte. Damit hing, mehr 
als mit ſeiner Kirchenpolitik, die bedeutſame Be— 
me der Generalftaaten (Etats généraux, f. d. 
zujammen (1308), wo neben Adel und Klerus au 
der Dritte Stand, das aufblübende Bürgertum, ver: 
treten war, das jomit nun anfing, fräftigen Anteil 
am Staatsleben zu nehmen; die Feudalität wurde 
immer mehr aus den maßgebenden Stellungen ver: 
drängt. Nach außen hat Philipp keine groben Er: 
joige gebabt, fo in dem dauernden Kriege mit Eng: 
and. Nur das zum Deutſchen Reiche gebörende 
von nahm er 1312 fort und erwarb dur Heirat 
Navarra, Champagne und Brie. Seine Bedeutung 
berubt in den durchaus modernen Tendenzen feiner 
Regierung, durch die er die mittelalterlihe Ent: 
widlung des Lehnsſtaates durchbrach und die 
modernen De des Abjolutismus anbabnte. 
Der ältefte Sohn Philipps, —*2*4 X. (1814—16), 
begünftigte dagegen eine feudale Reaktion, die ſich 
gegen die Näte des Vaters richtete. — folgte, 
da er feinen Sohn hatte, ſein Bruder Philipp V. 
er und diefem aus demjelben Grunde fein 
ruder Karl IV. (1322—28); beide waren nicht 
untüchtig und bemübten fi, nad} innen und außen 
die Kraft ihrer Monarchie zu ftärten. Schwere 
Etürme bedrohten diefe aber, ald nad dem Tode 
Karls IV., bei dem Mangel eines männlichen Erben, 
die direlte Linie der Kapetinger ausſtarb und lang: 
wierige Kriege über die Erbfolge F. erfchütterten. 
8) Unter den Balois (1328— 1589). Als 
Philipp VI. (1328—50), der Vetter der legten Rö- 
nige, der Sohn Karl von Valois, des Bruders 
Philipps IV. jetzt Die Krone erbielt erhob Eduard IL 
von England Erbanſprüche und behauptete, als Sohn 
einer Tochter Philipps IV. der nächte zum Throne 
7 fein. So entjtand nun ein Streit, der mit vielen 
nterbrebungen über 100 Sabre dauerte und F. 
oft dem Untergang nabe brachte. Noch war Eng: 
land im Befig des Südweſtens von F. (Guyenne und 
Gascogne), wodurd die alte Nationalfeind haft 
immer wieder angefadht wurde. Sodann begünftigte 
3. Englands gefährliben Nachbar, Schottland, und 
endlich trafen fie in Flandern aufeinander, wo 
bei dem gewaltigen Emporblüben der Gewerbe in 
den Städten die Handelsintereſſen der Gegner ſtark 
in Pur tamen. Als aber um 1339 der Kampf 
losbrach, wurde offenbar, daß F. bereit von feiner 
Höbe berabgefunten war und in vielen Punkten der 
Reform bedurfte. Die nationale Einheit der ver: 
ſchiedenen Provinzen war noch durchaus nicht durch⸗ 
gefübrt und nod weniger die Gleichftellung der 
Stände. Trotzdem bei den geänderten wirtichaft: 
lien Berbältnifien die Kraft des Landes nicht mebr 
bei dem Adel war, beanfpruchte diefer noch feine 


Frankreich (Geſchichte 1328—1589) 


alten Vorrechte. Es bedurfte großer und wieder⸗ 
bolter Niederlagen des alten Ritterheers, um militär. 
und fociale Neuerungen herbeizuführen, die eine 
Wiedergeburt des franz. Staates, eine Aus 

leihung der Stände unter dem Schuß ber ftarten 

— * ermöglichten. Zuerſt zeigte ſich in der 
Schlacht bei Erecy (j.d.) 1346 das glänzende Lehns⸗ 
beer, das Philipp VL. um ſich gefammelt batte, der 
engl.:flandr. Taltik nicht gewachſen; Eduard IIL 
errang einen vollftändigen Sieg, den er aber nicht ae 
nügend ausnutzte. Die Zuftände in F. verihlimmer: 
ten ſich indes noch; zu den drüdenden Steuern und 
Münzverjhleterungen Philipps VL fam 1350 der 
Schwarze Tod und die böfen jocialen Folaen dieier 
Veit. Trop bedeutender Gebietävergrößerung (1349 
wurde die Daupbine durch Schenkung, 1350 Mont: 
pellier durch gr erworben) ließ Bhrlipp VL %. in 
geſchwãchtem Zujtande zurüd, als er 1350 jtarb, 
und diejer bielt au an unter Johann dem 
Guten (1350—64), einem unbedeutenden und übel: 
beratenen Fürjten. Als 1355 der Krieg mit den 
Engländern wieder begann, begab er ſich voll Hoch⸗ 
mut ber jhon über ibren Fu den Schwarzen 
Bringen (f. Eduard, Prinz von Wales), erlangten 
Vorteile und wurde bei Maupertuis 1356 ſchmach⸗ 
voll befiegt und gefangen. Die ſchon vorber ſich 
regende freibeitlihe Bewegung wuchs num gewaltig 
an; die von dem Daupbin (Karl V.) zur Abwebr 
des Feindes berufene Berfammlung der Stände, in 
der die Hälfte Vertreter der Städte waren, verlanate 
Abitellung der innern Mißbräuche und Aufficht ü 
die! — und die Beſteuerung. Da der Dauphin 
(one, erfprebungen nicht bielt, fam es 1358 nu ge 
äbrlihen Aufftänden des Parifer Volls gegen i 
und feine Räte. Zugleich erhob ſich der gelnechtete 
Bauernitand (f. Jacquerie) gegen feine adligen Be 
drüder und ward erft mit Mübe nad furdtbaren 
Greueln gebändigt. Im Frieden von Bretiany (1360) 
mußte F. wieder den ganzen Sudweſten an Eng: 
land abtreten und dazu noch Ealais und fein Gebiet. 
©. Hiftorifhe Karten von —— 2.) 

obann ſchädigte überdies noch feine Krone da» 
dur, daß er (1363) feinem Sohne Bbilipp das 
Herzogtum Burgund gab und fo den Grund zu 
einem gefährlihen Nachbarreiche legte. 

Unter feinem Sobne Karl V., dem Beiien 
(1364—80), erbolte ſich F. von feinen Wunden. Karl 
wußte geihidt feine Feldherren zu wäblen, jo beion- 
ders den Bretagner Duguesclin, dem e3 gelang, die 
Söldnerbanden zu fhulen und zum Kriege tüchtig zu 
machen. So konnte 5. wieder Erfolge erringen, zuerit 
in Gaftilien, dann in dem aufs neue gegen bie Eng: 
länder ausbreenden Kriege, in dem die Bretagne 
und Gascogne erobert und die Feinde auf Bordeaur, 
Baponne und Calais beichränft wurden. Auch im 
Innern war Karl eifrig beitrebt, Drbnung zu ſchaffen 
und die Cinnabmen des Landes zu erböben; doch 
die bierbei angewandten fislaliiben Maßregein 
drüdten das Volt und riefen zablreibe Aufitände 
bervor. Beim Tode Karla V. 1380 hatten die En 
länder ihre Angriffe wieder begonnen. Das Bürger: 
tum feufzte unter feiner Steuerlaft, der Adel mar 
wieder mächtig und zeigte den alten fibermut, ala 
nun der unmündige Karl VL (1380—1422) jur 
Regierung kam und vorerft ganz unter der Zeitung 
feiner unter fib babernden Obeime von Anjow, 
Berry und Burgund ftand. Als 1382 die vläm, 
Städte bei Rojebele von dem franz. Ritterbeer ge 
fhlagen waren, wurden aud die Freiheiten der 


Frankreich (Geſchichte 1328—1589) 


franz. Kommunen, beſonders der Stadt Paris, und 
das Steuerbewilligungsreht der ftändiihen Ber: 
fammlungen wieder von dem König eingejchränlt. 
Da verfiel Karl VI. plöglich in Geiftesnadt, und 
nun bildeten fein Dheim Philipp von Burgund 
und fein Bruder Ludwig von Orleans die Häupter 
—— großer Parteien am Hofe, deren eine, die 

urgundiſche, eine vollstümliche Richtung befolgte, 
während bie andere, die der Orleans, die Ariftofratie 
begünftigte. Philipps Sohn, —* der Uner⸗ 
ſchrockene, zog 1405 in — ein, brach die Macht 
des üppigen und mißlie — Ludwig und gab der 
Stadt ihre er zurüd. Als er 1407 Ludwig 
ermorden ließ, erhielt eraud dafür Verzeihung vom 
Hofe, weil diefer gegen die burgundiiche auf die 
Pariſer Demokratie geftüßte Macht nichts zu thun 
wagte. Dies aber änderte ſich, ald Ludwigs Sohn, 
Karl von Orleans, geftügt auf die gascogniſchen 
Scharen feines Schiwiegervaterd Bernhard von 
Armagnac, 1410 gegen den Norden zog. Es kam 
zu erbitterten Kämpfen zwischen den Armagnacd und 
den Bourguignong, in denen der Pariſer Pöbel (Ca: 
bochiens, ſ. d.) den Dauphin zeitweilig vollftändig 
in feiner Gewalt hatte, bis der Graf von Armagnac 
Paris blutig beftrafte und damit die Hofpartei mie: 
der Erfolge gewann, Nun aber vn die Engländer 
1415 unter dem jungen Heinrih V. aufs neue über 
den Kanal und bradten dem Heere Karls von Dr: 
léans bei Azincourt (f. d.) eine furdtbare Nieder: 
Tage bei. Zugleich brach auch der Bürgerkrieg wies 
der aus. Die von Armagnac beleidigte räntevolle 
Königin Iſabeau verband fih mit Johann von 
Burgund; beide ſetzten eine Regierung ein, die den 
Gngländern günftig war; fie erhoben ſich gegen den 
Dauphin Karl, eroberten 1418 Paris und befeitig: 
ten Armagnac und feine Bartei. Währenddeſſen er: 
geb, fih Rouen an Heinrih V. Als gerade eine 
Sinigung zwiſchen dem Daupbin und Johann von 
Purgund angebabnt wurde, ward der lektere von 
Anhängern des Daupbin erfchlagen (1419). So: 
gleih verband fi fein Sohn Bhilipp der Gütige 
mit England; dur eine Heirat Heinrichs V. mit 
der Tochter Karls VI. wurde der Daupbin feines 
Anrechts beraubt und F. an die engl. Krone ge 
geben (1421). Da ftarb Heinrich V. 1422, und bald 
nad ihm Karl VI. 

Der anfänglih ſchwache und unthätige König 
Karl VII. (1422—61) war durch die engl..burgund. 
Gegner auf ein ganz geringes Gebiet beſchränkt; 
aber er gewann eine Reihe tüchtiger Feldherren 
und Berater, die einzelne Vorteile errangen und 
eine Berftändigung mit Philipp von Burgund 
nicht aus dem Auge ließen. Als dann die Eng: 
länder dennoch immer mebr Boden gewannen und 
Be anididten, den Stüßpunlt der franz. Madt, 

leans, zu nehmen, eritand F. eine Retterin in 
Jeanne d’Arc. Sie riß den König und die Friedens: 
partei mit fich fort, befreite Orleans, veranlaßte 
Rarls VII. Krönung in Reims und gab der Nation 
durch mannigfade Erfolge über die Engländer wies 
der friihen Mut. Lebtere verloren ihren bedeutend: 
ften Führer, ven Herzog von Bedford, durch den Tod 
(1435) und ihren Bundesgenofien Burgund durch 
den Vertrag von Arras 1435, der allerdings Bhilipp 
bedeutende Vorteile zugeftand. Nun wurde 1436 
Paris von Karl VII. wiedergewonnen, und dann 
begann eine - der Be ten innern Reformen, 
die 3. zugleih vom Feinde befreiten. Zu Bourges 
wahrte Karl VII. dem Bapite gegenüber die Freis 


1007 


eiten der Gallitaniihen Kirche in Wahlen und 
teuern, und zu Orleans erließ er 1439 die Ordon⸗ 
nanzen, die das erfte ſtehende Heer in Guropa ein: 
richteten, indem fie eine allgemeine Steuer (Taille) 
ur Befoldung disciplinierter, unter königl. Führern 
— — Compagnien feftjegten. Die Mittel zu 
ed Reformen gewann Karl VIL. durd feinen 
Schatzmeiſter — Coeur, der das Steuerweſen 
nach bürgerlihem Princip umſchuf, den Hofhalt 
vom Staatshaushalt trennte und an Stelle der 
Naturalwirtſchaft eine geordnete Verwaltung der 
Geldeinnahmen ſetzte. Der durch dieſe Einrichtungen 
gefährdete Adel empörte ſich 1440 (f. Praguerie), 
wurde aber befiegt; auch die Engländer wurden 
1441 bei Pontoiſe geihlagen. Unternehmungen 
egen Elſaß und die Schweizer mißlangen zwar 
Add ‚ befreiten %. aber von den Söldnerbanden, 
den Armagnalen (j. d.), die dabei großenteilö auf: 
erieben wurden. Nun konnten aud) die Engländer 
N nicht lange mehr balten, fie verloren die Nor: 
mandie (1449) und Guyenne, wurden 1453 bei 
Caſtillon geſchlagen und bebielten nur Galais; ein 
förmlicher Friedensſchluß fam nicht zu ftande. 
Karls VII. Sohn Ludwig XI. (1461—83) fehte 
die Reformen in energifcher Weife fort. Seine beiden 
Gegner, im Innern die noch immer nicht gebändigte 
Ariſtokratie, beſonders die Prinzen des eigenen 
Haufes, nad außen die unter Philipp dem Guten 
e 3. höchſt bebroblih angewachſene burgund. 
achbarmacht zu treffen, mar ibm dadurch möglich, 
daß fich die unzufrievenen Großen 1465, unter ihnen 
der Herzog von Bretagne und des Königs Bruder 
Karl von Berry, mit dem Grafen von Charolais, 
dem fpätern Karl dem Kuhnen von Burgund, ver: 
banden. (S. Ligue du bien public.) Die Schlacht 
bei Montlhery 16. Juli 1465 blieb unentſchieden, 
und — Kari und bie meiften Städte auf der 
Seite Ludwigs ftanden, mußte er ſich doch zu dem 
Frieden von Conflans (Dit. 1465) bequemen, der 
ihn zu demütigenden Abtretungen an Burgund 
und an die groben Barone — deren Aufſicht 
nun das Rönigtum wieder unterftellt wurde. Ludwi 
errang dann zwar einige Erfolge, indem er ſich au 
da3 Bürgertum ftüßte und den Adel dur jchlaue 
Diplomatie trennte, vereitelte aber dieſe Vorteile 
wieder durch die Bereitwilligleit, mit Karl dem 
Kübnen in Beronne zufammenzulommen, was ibn 
ganz in die Gewalt des letztern lieferte. Aber Lud⸗ 
wig war nicht gemwillt, den erzwungenen ag 
zu halten. Er nahm er den Kampf gegen far 
wieder auf. Und nun hatte er bejjern Erfolg, ob: 
wohl, von England und Burgund unterftüßt, no 
einmal der ganze Adel F.s fich erhob. 1472 ftar 
plöglih Ludwigs Bruder Karl, dem er Guyenne hatte 
e- müjlen; jogleih 309 Ludwig das Land ein; 
arl der Kühne ſchloß 1472 einen Stillftand, nad: 
dem er vor Beauvais von den Bürgern eine Nieder- 
lage erlitten hatte. Nun konnte Ludwig fich gegen 
—— Adel wenden, den er mit der größten Grau—⸗ 
amtleit beftrafte. Engländern, die 1475 noch 
einmal in F. einfielen, taufte er einen Frieden ab, 
1477 wurde er dann auch von Karl dem Kühnen 
befreit, als diefer vor Nancy gegen die Schweizer 
fiel, mit denen Ludwig fih verbunden hatte. Nun 
zerfiel das große burgund. Reich; doch erftand F. 
ein neuer unbequemer Nachbar in dem Haufe Habs: 
burg, da der Erzherzog Marimilian, der fpätere 
Raifer Marimilian I., mit der Hand der Erbtochter 


Karls des Kühnen, Maria von Burgund, aud den 


1008 


größern Teil des Reichs erhielt, während Ludwig 
nad einem wenig glüdliden Kriege gegen Mari: 
milian im Frieden von Arras (1482) die Graf: 
Pan Burgund und Artois ald Mitgift der Toch⸗ 
ter Marimilians, die Ludwigs Sohn Karl heiraten 
follte, zugefichert wurden. Durch Erbfall gelangte 
1481 auch Anjou und die Provence an & fo daß 
nun, mit Ausnahme der Bretagne, alle Gebiete der 
— Vaſallen dem Kronlande einverleibt waren. 
rotz fühlbaren Steuerdrucks hoben ſich unter dem 
Schutze einer ſtrengen ———— und tuchtigen 
Armee die Städte und das flache Land. Aderbau, 
Handel und Gewerbe, Kunſt und Wiſſenſchaft ge: 
diehen unter Ludwig XL; die Einkünfte verboppelten 
fi) unter feiner Berwaltung, fo daß er, troß jeines 
treulofen und menſchenfeindlichen Ebaralters, der 
Neubegründer der Größe F.s geweſen i 
Karl VIII. (1483—98), der dur Heirat auch 
die Bretagne (f. d.) gewann, verfolgte nad fcharfer, 
aber thatenlofer Auflehnung der Reichsſtaͤnde (Tours 
1484), —— der Großvaſallen, die ſeine 
Schweſter Anna von Beaujeu niederſchlug, im In⸗ 
nern bie alten Bahnen weiter. Die franz. Kraft warf 
ſich unter ihm nad außen: geftüßt auf burgunbifche, 
mailändifche, neapolit. Erbaniprüdhe, griff er 1494 
in Stalien Den biefe Machtlämpfe beberrichen 
5.8 äußere Geſchichte bis 1559, fie verſchlingen fi 
mit dem großen Gegenſatze des Landes gegen bie 
—— —— eltmacht, gegen die F. we⸗ 
entlich nur in der Verteidigung erſolgreich blieb. 
Innern führten Ludwig (1498 - 16 15), 
tanz L (1515—47) und Heinrich U. (1547—59) 
den Abtoiutiomus durd(f. die Einzelartifel); Ludwi 
(ein Orleans) war maßvoll und — ſo da 
ein Regiment als eine Zeit des — der 
Kräfte innerhalb F.s erſchien, Franz (ein Angou⸗ 
leme), ſtraffer und ſelbſtbewußter, iſt der König der 
polit. wie der geiſtigen Renaiſſance auf franz. Bo: 
ben; er gewann durch Konlordat mit dem Kapfte 
1516 der Konigsgewalt die Beftimmung über bie 
geiftlichen Stellen und deren großen Befis, alfo 
über den Adel, der jene Stellen ummarb, fejlelte 
diefen an die Krone, an deren hofiſchen und kriege: 
riihen Glanz, erhob das national ausgeprägte 
Königtum über alle ftaatlihen Gewalten und ver: 
körperte feine Zeit und fein Land in feiner Berjon; 
gleichzeitig verpflangte er die fittliche Peichtfertigleit 
auf den * Thron: Maitreſſenweſen wird eine 
ſtaatliche —— Heinrich II. blieb politiſch 
auf gleichem Wege: Abſolutismus innen, Krieg 
gegen Habsburg außen. Er eroberte Metz, Toul, 
erbun und Calais, ſchloß ſchließlich zu Gäteau: 
Cambrefis (f. d.) 1559 einen Frieden, in dem F. auf 
talien Verzicht leiftend, hinter Spanien zurüdtrat. 
ofparteien zeritörten feinem Regiment die Eins 
yeit und Klarheit; die innere Kraft der Krone ließ fo 
unter ihm nad. Unter feinen drei ſchwachen Söhnen 
gran Il. (1559—60), Karl IX. (1560 — 74) und 
einrich III. (1574—89) drang der Partikularis⸗ 
mus der tändeiwieber Landfcharten, biöber gebeugt 
aber nod ungebrochen, in jtarler Realtion hervor; 
die religiöje dee, Europa erfüllend, machte aud 
diefe Bewegung erft übermäctig und einheitlich); 
bie Krone, von Katharina von Medici geleitet, vers 
lor die Herrihaft über die Nation, ſchwankte zwi⸗ 
[hen den Parteien, + fich erft den Proteftanten 
Y Hugenotten, Liga, Guife, Coligny) zu, betämpfte 
e dann und wollte fi doch den wi: Philipp I. 
von Spanien bejtimmten Katholiken nicht hingeben; 


Frankreich (Geſchichte 165891789) 


beide Parteien griffen fie mit oppofitionellen Zebren 
an, die Hugenotten mehr ariſtokratiſch, die Katho⸗ 
liten, in ber ana ba A mebr demotratiid; 
Spanien gewann die O ag über das innere 
franz. Leben, der Staat löjte fh auf, Heinrich IIL, 
von der Liga in die Enge getrieben, rief den prot. 
Thronerben Heinrich von Navarra zu Hilfe, der nad 
des Königs Ermordung 1589 als erfter Bourbon 
[eiate, allgemeine Anertennung aber erſt 1593 nad 
einem Übertritt zum Katholicismus erlangte. 

4) Unter den Bourbonen bis zur Revo: 
lution (1589—1789). Heinrich IV. (1589— 1610) 
vereinigte das zerrijjene Land wieder, befänftigte 
die Parteien, gab den Hugenotten 1598 das Edilt 
von Nantes, wandte bie franz. Kraft wieder gegen 
den gemeinfamen Gegner Spanien und beilte dann 
in 12jährigem erfolgreihem Frieden burd eine 
beifpiellos fruchtbare Berwaltung die Wunden 
eined 80jahrigen Bürgerkrieged. Nah den ftän 
bifhen Wirren erhob er wieder die Monardie 
als rettende gr» an bie Er. 58. Er jehte 
in fefter und mapßvoller Weiſe Ludwigs XL und 

anz’ I. Wert fort. Nach außen bereitete er den 

ampf gegen Habsburg ahead ig Va ſchien, 
den Kohn Schlag zu führen, traf ihn Ravaillacs 
Dold (Mai 1610). Sofort brach das Ständemweien 
in neuen Wirren bervor; der Dritte Stand ent 
ſchied fich für das Königtum, aber der Hochadel warf 
die Regierung unter Ludwigs XII. (1610—43) 
Minderjäbrigteit hin umb ber, bis 1624 der Kar⸗ 
binal Richelieu das Staatöruder er 2,8 Diejem 
gelang es, die prot. und ariftofratifde pofition 
durch Energie, Lift und —— Gewaltthat 
bandigen und die Krone durch die glüdlichfte Dur 
führung der Politik Heinrihs IV. gegen das Haus 
Habsburg zum ftärkiten Hort der nationalen Macht 
u erheben. Der Kardinal Mazarin ſetzte dieſe Bor 
itil wäbrend der Jugend Ludwigs XIV. (1645— 
1715) re fort, rief aber 1648 dadurch eine legte 
große Erhebung der Adelsgewalten (1 Dronbe) ber: 
vor, deren er nur nad wechſelvollen Kataftropben 
Herr wurde. Von den beiden großen Kardinalen über: 
lam Ludwigs XIV. perfönliche Regierung (feit 1661) 
eine Mare äußere und innere Bolitil, Im älis 
ſchen —— hatte F. ſchon 1648 einen großen 
des Eljaß erhalten; im Pyrenäifchen Srieben mit 
Spanien nahm e3 1659 einen Teil der Niederlande 
und die Grafihaft Rouffillon. Eine Reihe großer 
loberren, wie Conde, Zurenne, Bauban, en 
ourg, Eatinat, Vendoͤme, Boufflers Ertqui, eine 
mächtige, durch Louvois geſchaffene Armee und eine 
neue Seemadht machten die Waffen 5.8 allen europ. 
Mächten furhtbar. Der niebderländ. Krieg, in dem 
bie franz. Heere mit allen Mädten zugleich 
ten, bradte im Frieden —— en 1678 die 
Franche⸗ Comte und einen Teil von Flandern an F. 
und erhob es zu einer in Europa ſeit Jahrhunder⸗ 
= —— —— un * Hd ft von 
udwigs Erfolgen. Es war die Glanzjeit des fran;. 
Königtums; 44 eitig hatte Colbert im hochſten 
Sinne die innere Arbeit Heinrichs IV. und Ride 
lieus aufgenommen: alle nationalen Rräfte japte 
die Krone befruchtend zufammen, die materi 
üßend und förbernd, die geiitigen leitend und um 
als Mittelpunkt ſcharend. Abernod LubwigXTV. 
elbft ward diefer monarchiſchen Pfliterfüllung um 
treu; bejonders feit Colbert# Tode (1683) wurde 
die Wobljahrtöpolitit, der Bund zwifchen König 
und arbeitendem Boll, die Schaffung einer inner: 


Frankreich (Gefchichte 1589—1789) 


lichen Staatseinheit, vernadläffigt, der Kampf 
gegen Habsburg trat allein in den Borbergrund 
und entartete bi3 zum Groberungsfampfe. Ganz 
Europa vereinigte fih gegen %., und 5.8 Kraft 
wurde in — Kriegen AN: wig IV. und 
Spaniſcher Erbfolgelrieg) erjhöpft. Uberdies trieb 
Ludwig die See der Uniformität und — — 
Macht ins eme, die kath. Geiftlichleit erwirkte 
bie Aufhebung des Edikts von Nantes (1685), wo⸗ 
dur F. fih eines wertvollen Elements der Streb: 
famfeit beraubte; die felbjtändigen Regungen im 
Katholicismus (f. Janfeniften) wurden erbrüdt und 
das Land den Jeſuiten ausgeliefert. 

Schon vor Ludwigs XIV. Tode wurde der Ver: 
fal 5.3 unverlennbar, unter Ludwig XV. (1715 
—74) wurde er faft unbeilbar. In der Regent: 
Schaft Philipps von Orleans (1715—23) tritt an 
die Stelle der alten Würde ein neuer Geift. Die ſitt⸗ 
libe Verborbenheit feines Hofs, feine ie opera: 
tinnen, bejonders der Verlauf des von Law begrün- 
deten Attienfoftems, ftürzten das Boll in Verwil⸗ 
derung, zeritörten das — en und ver⸗ 
mehrten die üble Lage des Schatzes. bie 1726 
beginnende friebliche Berwaltung Fleu eh 
dem Volle und dem Staate einige Erholung. 
Polniſchen Thronfolgekriege und in den Friedens: 

andlungen zu Wien 1785—837 behauptete $. 
unter diefem Minifter eine gebietende Stellung. 
Die Teilnabme am Oſterreichiſchen Erbfolgetriege 
und der Friede zu Aachen 1748 verrieten aber 5.3 
volle innere Shwäde; Handel, Marine und Kolo: 
nien wurben preiögegeben und vermochten fich nicht 
ar u erholen. Noch tiefer ſank F. dur die Po: 
litit Ludwigs XV. im Siebenjährigen Kriege, in 
dem ed mit Aufgebung aller biftor. Traditionen 
feiner Bolitit mit Marta Therefia gegen Preußen 
ftand. Die Landbeere, unter Günftlinge des Hofs 
eftellt, wurden geichlagen, die Flotten von den 
ngländern aufgerieben, der Friede zu Paris von 
1768 koftete F. jeine wertvolliten Kolonien: Canada 
mar an England verloren. Im Innern herrſchte feit 
1743 ein immer ehr⸗ und würdeloſeres Maitrefien: 
regiment (f. Bompabour) voller Willtär, Verſchwen⸗ 
a. vor allem voll erbärmlichfter Schwäche; 
die Monardie mar machtlos, und aud das aufge: 
Härte Minijterium Choiſeul —— vermochte 
Grundliches nicht durchzuſetzen; es verbündete ſich 
mit den ſonſt ſtets widerſpenſtigen Parlamenten 
gegen die Jeſuiten, die ausgewieſen wurden, warb 
aber durd die Dubarry geftürgt: eine neuer Kamp 
der Regierung gegen die Barlamente (f. Maupeou 
begann, und unter allgemeiner Erregung und 
Mibahtung endigte 1774 das lange Regiment 
Ludwigs XV. 

Reich an gutem Willen, aber ſchwach an Eharatter, 
vermochte jein Entel —— XVI. (1774— 92) 
das Verjäumte nicht nachzuholen. Sein unfäbiger 
Premierminifter Maurepas berief Turgot zur Ver: 
waltung der zerrütteten Finanzen; noch einmal fahte 
dieier alle dringenden Reformen in einem groß: 
artigen Plane zufammen; aber die bedrohten Pri— 
vilegierten, im Bunde mit der unverftändigen Kö: 
nigin, erhoben ſich genen ihn, das Volt blieb lau, 
der haltloje König entlieh ihn, An feine Stelle 
trat 1777 der jtetö optimiſtiſche Neder, der das 
Haffende Deficit geſchickt, aber oberflählich be 
!ämpfte, einige Ideen Turgots obne Kraft wieder 
aufnahm und 1781 ebenfall der feudalen Realtion 
weichen mußte. Calonnes Verwaltung (feit 1783), 

Brodbaus’ Konverfations-Leriton.. 14. Aufl. RU. VI 


1. Mai 1787) Lomenie de 


1009 


den Staatäfredit durch wagbalfine Spiel und ge 
dantenlofe Berjchleuderung vollends erichöpfend, 
dann in die Bahnen Turgotö unvermittelt zurüds 
lentend, übe die Dinge auf der abihüffigen Bahn 
weiter. Die Notabeln, die er im yebr. 1787 einberief, 
herab feine polit.focialen Reformen mißtrauiſch und 
elbitifch ab, erzwangen das Geſtändnis der verzwei⸗ 
elten Finanzlage, ließen auch feinen Nachfolger (feit 
Brienne ohne Unter: 
sung und wurden im Mai aufgelöft. Briennes 
eu, neue Steuern zu eröffnen, Rex nun zum 
Konflikt mit dem halb jtändifh, halb liberal oppo⸗ 
nierenden Parlament, es wurde nad Troyes ver: 
bannt, zurüdberufen und nad neuem Widerftande 
8. Mai 1788 feiner polit. Befugnifie durch eine Art 
Hofrat, die jog. Cour pleniere, beraubt, der fünftig 
den Finanzerlaſſen Geſetzeskraft geben jollte. Hier: 
geom proteftierten alle Brovinzialparlamente, vom 
del und den Mailen unterftüßt, und in ber Bre⸗ 
tagne, Provence, Dauphine, in Flandern und 
Languedoc brachen rein Unordnungen aus, Der 
norbamerif, Freiheitskrieg endlich batte das längft 
überlaftete und durd die litterar. Oppofition vor 
bereitete Volt an revolutionäre Ideen gewöhnt; 
die Berfjammlung der Notablen hatte die Zerrüt: 
tung des Staates, die Verſchwendung des Hof3, die 
Unfäbigleit der Verwaltung ans Licht gezogen; der 
Beginn einer Verwaltungsreform in den Provinzen 
batte die alten Organe der Regierung gelähmt, Hof 
und Regierung befanden ſich bereit in der gefäbr: 
lihften Lage. Brienne nahm nochmals feine Zus 
flucht zu einer Berfammlung des Klerus, der aber 
jedes Opfer zurückwies und die —— der Par⸗ 
mente und bie Einberufung der Reichsſtande for⸗ 
derte, nach denen auch, im jtändiichen Sinne, der 
Adel und, im demokratischen, die breiten, gärenben 
Maſſen des Dritten Standes verlangten. Der Kö— 
nig und der Hof mußten endlich nachgeben. Noch 
fuchte Brienne ſich zu halten, indem er 8. Aug. 1788 
das Berufungsbelret der Generalftaaten auf 1. Mai 
1789 erließ; aber nad wenigen eg mußte er 
zurüdtreten, und Neder erhielt die Aufgabe, mit 
Hilfe der Reihsftände den Staat zu line 
Die Beratung und Abftimmung in diefer Körper: 
ſchaft jollte, entgegen der Forderung des Dritten 
Standes, nad der königl. Verfügung nicht nad 
Köpfen, fondern in alter MWeife nah Ständen vor 
fi geben, wodurd die Befchlüffe des Dritten Stan: 
des bei einer Verbindung der beiden andern ftet3 
kraftlo8 werden mußten. Der lange Kampf, in den, 
nad heißer —— — die Stände über dieſe 
entſcheidende Vorfrage ſogleich gerieten, endete da⸗ 
mit, we 17. Zunt auf Sieyds’ Antrag der Dritte 
Stand als die einzige, wahre Nationalverfammlung 
erllärte und dem Adel und der Geijtlichleit frei: 
ftellte, fih mit ihm zu vereinigen. 

Staat und Gelellihaft vor der Revolw 
tion. Die neue Bewegung, ihre Notwendigkeit und 
ihre Bedeutung begreift ſich erft, wenn man ſich 
Staat, Gejellibaft und geiftine Bewegung F.s 
unter dem «Ancien Rögime» (1715—89) überficht: 
lich vor Augen ftellt. 

A. Der etaat, Das franz. Königtum hatte F. 
geſchaffen, äußerlih zufammengefügt und innerlich 
verichmolzen; es war jeit ſechs — —* 
Aufgabe und Bemübung, im Kampfe gegen ſtän— 
diſche und provinzielle Sondergemwalt die eigene 
Macht zu heben und unter dem Schuß ber Krone 
ein zufammengeböriges Volt zu bilden. Seit Colbert 


64 


1010 


batte das Königtum die lebendige Arbeit für das 
allgemeine Wohl vergejien; die lekte Möglichkeit 
einer Heilung der Schäden gebt mit Turgots Sturze 
vorbei; da das Königtum ſich jeiner Aufgabe nicht 

ewachſen zeigt, bleibt nur no die Revolution. 
Silden Zeitbedürfnig und Staatäleijtung Haffte 
ein Riß; wie breit er war, zeigt ein Blid auf den 
Zuftand und die Thätigleit der centralen und der 
provinzialen Organe des Staates, auf Zuſtand und 
—— der breiten Schichten des Volls. Cen— 
trales ODrgan des Staates war der König. Eine 

olitiſch berechtigte Gewalt neben ihm gab es in 
ſeit langem, ſicher ſeit Ludwig XIV. nicht mehr. 

ie lonigl. Perſon, von der aller Antrieb ausgeben 
foll, —— Ludwig XV. und XVI. nichts oder weni⸗ 
ger als nichts. Um ſie hatte ſich unter Ludwig XIV. 
alles Leben der Nation geſammelt: der blieb 
auch 4: glänzend wie früher; der hohe Adel und 
Klerus jtrömte in der Hofſtadt Verfailles zufammen, 
lebte dort in ftrablender Pracht, verzebrte einen 
großen Teil der fönigl., d. b. der Staatseinkünfte 
wie des Ertrages der Sandwirtichaft; die tönigl. 
Perſon vergötterte er und bewahrte fich die feine 
Anmut ded Tones ſelbſt im Übermaß von Unrein: 
beit und Sünde; Arbeit für das allgemeine Wohl 
wurde nicht mebr eleiftet. Die Organe des polit. 
Lebens waren der Conſeil und die Minifter. Der 
Eonfeil war länaft dem Hochadel entriffen und aus 
einfachen, juriftijch gebildeten fönigl. Beamten (mai- 
tres des requötes) gebildet worden; eine gebeime 
Abteilung von Vertrauensmännern des Herrichers 
(conseil d’&tat im engern Sinne) entſchied die eigent⸗ 
lich hoben Staatäfragen ; Daneben bejtanden die Räte 
für die Cinzeljweige der Verwaltung: conseils des 
finances, de commerce, des d&p6ches (allgemeine 
innere Verwaltung), des partis (Nichtigleitsbe— 
ſchwerden gegen gerichtliche Urteile, zugleich Ober: 
verwaltungsgericht). Oberfte Gerichtöbarteit für ge: 
ut ragen befaß der «Grand conseil». Leiter all 
diejer Körperſchaften war von Haufe aus der König; 
feit er nicht mehr mitarbeitete, fiel den Räten ſelbſt 
und den Reſſortchefs die eigentliche Gewalt zu. 
Staat3jelretäre gab es für das Auswärtige, den 
Krieg, die Marine, das königl. Haus und für die 
Neformierten; an der Spige der Yuftizverwaltung 
und Gejeggebung ftand der Kanzler von F. die polit. 
Leitung batte der höchſte Vertrauensmann des Herr: 
ſchers; der tbatfächliche Leiter der franz. Verwaltung 
aber, ausgejtattet mit ungebeuerer Macht, war der 
Contröleur général des finances, bie Seele des 
Finanzrates, Spige fämtlicher innern Fachverwal⸗ 
tungen, das Haupt vor allem der neuen, allmächtigen 
Beamtenihaft des Königtums: der Intendanten. 
Die Intendanten beberrihten die Brovinzialver: 
waltung. Freilich lag gerade bier Altes und Neues 
wunderlich durdeinander. Noch beitanden die alten 
landſchaftlich⸗ polit. Körper, aus denen F. zuſammen⸗ 

ewachſen war, die Gouvernements; fie zerfielen in 

tändelande (pays d’etats) und Cleftionslande 
(pa — in den erſtern (fünf) beſtanden 
F Provinzialſtände, recht lebensvolle nur noch 
im Languedoc. Die — der Provinzen hatte 
feine Stände mehr; die «Ermwäblten» (élus), denen 
die Steuerumlage oblag, wurden feit Jabrhunderten 
nicht mehr gewählt, jondern von der Krone beitellt. 
Jedes Gouvernement hatte einen Gouverneur, der 
urfprünglib Mittler zwiſchen Provinz und König 
fein follte, das militär. und polit. Haupt feines Be: 
zirles bildete und den König bei den Ständen ver: 


Frankreich (Geichichte 1589— 1789) 


trat. Seit Ludwig XIV. waren diefe Stellen ein 
trägliche Ehrenpoſten obne Inbalt geworden. Die 
Verwaltung lag vielmehr in den Hänben ber In 
tendanten (f. 34 Anſtatt der alten Einteilungen 
war die neuere nah Steuerbezirlen (généralités 
die wirklich wichtige geworden; an deren Spiße ſtan⸗ 
den die ——— ‚ «die 32 Könige von F., Be 
amte weſentlich finanzieller Art, deren Berugnifie 
nicht ftreng geregelt waren, aber bald jehr ausge 
dehnte wurden. Die Steuerverwaltung gipielte 
im Contröleur general und dem Finanzrat: dort 
wurde jährlich die Geſamthöhe der direlten Steuern 
(befonders die Taille) feitgeiest; fie wurden an vie 
Generalitäten, in diefen von den Intendanten an 
die Einzellreife verteilt. den Pays d’ötats 
rain die Stände die auf die Provinz fallenve 

umme auf einmal und legten ſie i eitö um; 
auch andere Körperjhaften kauften ſich gern durch 
Pauſchalſummen ab (Geiftlichleit, Städte u. f. m.); 
für alles übrige Land ernannte der Intendant ort# 
*— Sammler (collecteurs), die Umlegunq 
und Cintreibung verantwortlich beforgen wen von 
Eingeliefert wurden die Summen an Cinnebmer 
(receveurs) und Generaleinnehmer. Faft jedem 
— —— war eine Oberrechenlammer (chambre 

es comptes) zugeteilt. Unter den direkten 
Steuern ftand die Taille voran: uriprünalic 
das Entgelt ver Nichtadligen zur Heereserbaltung, 
während die Adligen ohne Entihädigung dienten. 
Seit dem 15. Jahrh. batte die Taille ihre tbat: 
ſächliche Grundlage, ihr fichtbares Recht, verloren 
und mar zum Ausdruck einer großen, nicht mebr 
begründeten Scheidung des Er Bolfs geworben: 
fie traf noh immer nur die Nichtprivilegierten, 
nach ihr trennten fich die beiden Gruppen der non 
taillables und der taillables (roturiers). Für lestere 
war fie bie ausnahmsloſe Steuer; andere Steuern 
ſchloſſen fi, als rechtliche Zugabe, ibr an. — Neu⸗ 
Steuerarten waren feit Golbert3 Tode neben die 
Taille getreten, mehrfach Anläufe zu allgemein glei: 
ben Auflagen, wie Zehnte im Striege, gemacht wor: 
den; ſtets wid bten aber unter Ludwig XV. die 
Bevorrecteten leidenſchaftlich ſolchen auch fie trei- 
fenden Abgaben. Alle trafen die indirelten 
Steuern, menngleib auch dieſe mit bärterer 
Wucht die Armern. Diefe Steuern, die auf alle 
mögliben Berbrauchögegenitände (auf Sal; in 
eriter Reibe [gabelle] und auf Getränte) gelent 
und im 18. Sabıb. erbeblich erweitert wurden, trieb 
der noch nicht voll durdhgebildete Staat nicht direkt 
ein, fondern er zog es vor, die Bermaltungstoften 
und Müben jparend, feſtſtehend ſichere Beträge dur 
Berpahtung an Steuerpächter (meift Gejellichaften) 
v bezieben. Die Pächter (fermiers) trieben bie 

bgaben dur ein Heer von Beamten auf eine 
I die Bevölkerung und inäbefondere den Heinen 

ann überaus läjtige Weije ein. Dazu fam das 
Zollſyſtem, das unter Ludwig . und XV. 
mit Entichiedenbeit durchgeführt wurde und ber 
Weiterbildung des Staatsgedankens und der polit. 
und wirtſchaftlichen Ginbeit, der die Außenzdlie 
Vorfhub leiften mußten, durb die Unzabl der 
Binnenzölle jchroff entgegenwirkte: 50000 Zol- 
beamte wurden ald Wächter diejer regelloien, den 
verfchiedenften Befikern gebörigen, den Staats 
lörper jerreißenden Binnenzölle gerechnet; der innere 
Scleihbandel wucherte und erzog zu gefäbrlier 
Gemwaltthätigkeit. Der Wein wurde, abgejeben vor 
Abgaben vor und bei der Yertigitellung und beim 


Frankreich (Geſchichte 1589— 1789) 


Verlauf, auf feiner Reife aus dem Südoften bis 
zur Hauptftabt etwa 40 mal verzollt. 

Finanzpolitiich kam i im 18. Sa 5. auf feinen 
— Zweig: das von Ludwig XIV. ererbte Deficit 
brte, troß neuen Steuern, Anleihen, —* 

nach fünf Bankrotten, unter ſteigender 
ruhigu gung der öffentlichen Meinung, die Krone bis 
an die Schwelle der allgemeinen Revolution. 

B. Die Gejellfhaft wird ganz "hm (dei von 
dem Borrechte, dem Privileg: nad i fcheiden 
ſich die zwei großen Klafien, Zaillefreie und Zailles 
pflichtige; e3 mar der einſtmals durch politische und 
— dafiliche Leiſtungen begründete Lohn, der 

tgelt für aufgegebene Souveränität; doch waren 
N eiftungen zum großen Zeil verihtwunden, das 
Vorrecht —— Die Gef Öefamtentmidlung 58 |d 
batte die thatjählichen —— mit dieſen Schei⸗ 
dungen des Rechts in ruch geſetzt; dieſen 
Widerſpruch faßt die gei Ho eiwegung auf, ſucht 
ibn zu verſohnen durch Reformen oder au — 
hs Revolution. Die Ri, —*8 beſte 
Zuſtande und ererbter F Form fit am — 
beim Bauernſtande. von einzelnen 
ſpãt anneltierten Strichen i wo ten war der Land: 
mann in F. — frei. Nach einer —** —* 
bejaßen von dem gejamten Grund A. 
. Krone und Kommunen * die Maithen 
der Adel, Y, vargerche, Bauern. 
wirtſchaftet aber murbe durch auern ber 
weitem größte Teil. Sie jelber zerfielen info pe 
und Pächter. Kleine und Heinite Befi —I 
bereits in großer Zahl, daneben die Pächter se 
ho en, abligen und geiftlihen Güter, die von 
enge der Verpflichtungen gegen den Pacht⸗ 
herrn überlaftet waren. Den Reit bildeten die ga 
frei ftebenden Landarbeiter, deren Zahl nicht gro 
gemein Ki fein fheint. Der franz. Landwirtſcha 
aftete viel Hemmendes an: bie Rulturmethoden 
waren vielfach veraltet, Mißwachs häufig, die innern 
und äußern erbindungen beihränlt und ſchlecht 
Sungeränödte daber bier — dort häufig, denen fich 
Dann örtliche Aufſtände anſch —* Lange unterband 
das Rornausfuhrverbot Di ändlihe Produktion 
(von Eolbert bis über Turgot hinaus). Dennod ber 
Fand ſich der franz. Landmann beijer aldin den meiſten 
andern Rändern: perfönliche Freiheit und Eigenbefis 
batte er vor dem —— die aufſteigende 
Richtung ſelbſt * dem — ander voraus; wie dort 
die Latifundien, ſo wuchſen in F. die Heinen Beſide 
Der Adel ging zurüd, verlaufte viel Land an 
Stäbdter und aud an fparende Bauern. So wurde 
aus dem Pächter vielfach der Beſitzer. 

Daß dennoch die bitterften Klagen laut wurden, 
nun —— großen Teil an dem Beharren der politiſch⸗ 

en Formen. Wohl beſtand noch die alte, auf 

= Berjammlung aller Einwohner berubende Dorf: 
verfaflung, die alle Fr Deagen der Gemeinde beban- 
velte, do war der einft mitwirkende Seigneur der 
einde vom fönigl. Beamten erfegt worden; die 
—— Formen wurden — 8l08, der Intendant 
immte thatſachlich, die Sel itvermaltung, ward 
nhaltslos. Lebendig geblieben aber waren die An: 
(re des Geſamtſtaates und die fociale Gliede: 
: an die ——— werden die Herrenrechte 
—** - ig auf dem Herrenlande, irgend: 
wie aber lajteten fie auf — Lande als Kirchen⸗ 
zehnten, Fronen, Zölle aller Art, Bodenverkaufs⸗ 
abgaben, Monopole der berricaftli en Relter und 
Mühlen, — herrſchaftliche Taubenſchläge 


bei archiſ a Grunde: 


1011 


u.a. Der Staat zwang die Bauern, die Wege zu 
anderer Nupen zu bauen, riß fie von eigener Ar: 
beit weg und forderte die direkten Steuern ein 
(15 Proz. derjelben rechnet man auf die Privile: 
gierten, 85 Proz. auf die Taillabeln). Seine Steuer: 
pächter drangen durch ihre Beamten mit Härte in 
jeden Haushalt, um die indirelten Gefälle einzu: 
treiben, und nad Taines Berehnung wären vom 
Reinertrage feiner Arbeit nur etwa 20 Proz. dem 
Bauern geblieben. Dabei trat der Kontra ine 
a eplagten Dafein der Bauern und dem Glanze 
ofadels immer greller hervor, deſſen Rechte 
beftehn blieben, während er dem Bauern nicht mehr 
leiftete und diefer ihn fogar langjam aus feinem 
a verbrängte. Eben daß er Befiger warb und 
feines Beſitzes nicht frob, taufend Laften tragen 
mußte, deren Beredti gung er nicht einfab, ei 
der Adlige und der König fordern durften und 
nichts leiſteten, daß fie ihn nur bemmten, ohne ihm 
u nüßen, erregte den Haß des in bärtefter Arbeit 

— 

Der Burgerſtand litt, doch weniger gedrüdt, 
unter dem gleichen wiefpalt. Die Städte hatten 
gl —* oligarchiſcher Verfaſſungen behalten; 
die Krone nahm ihnen (ſeit 1692 fiebenmal), ließ 
fie ſich wieder ablaufen oder errichtete Täufliche neue 
Amter. Auch eine modernere allgemeine, von 
Ehoifeul 1764 —— Neuordnung ruhte auf olig⸗ 
Korperſchaftsweſen durchdrang 
alle ſtaͤdti — en; Regierende Kaufleute 
Hand chieden — die Zünfte, die ti 
Colbert g Än erit .. Ludivig XVI. befäm mpft 
wurden, aliederten Bürgerfhaft und —— 
leit. Babllofe Stabtämter verichafiten den 

abern Vorrechte und Steuererleichterungen; 
egierenden befreiten ſich nad Kräften von der ade 
emeinen Steuer auf Verbrauchsgegenſtände. So 
chte auch in der Stadt rege Ungleichheit, 
und die Hauptlaft traf den Meinen Mann. Die 
ftädtifche Verwaltung (Kriminaljuftiz, Polizei, 
Steuererbebung, ſtädtiſche Finanzen, Unteti⸗ t, 
ae ao Gejundheitspflege u. dgl.) ek 
immerbin ihr Leben aufrecht, obwohl, befonders feit 

Eolbert, der Staat gegen bie Selb fügt ftäptifcher 
Diigardien — eingriff und die — 
Leitung an ſich nahm. Yür die Städter aber war 
ed ein großer Vorzug, organifiert zu fein: viele 

a. und Erleihterungen genoß die Stadt in 

zug auf Beiteuerung; fie war unendlich günftiger 
geſtellt “als das —5 flache Land. Indes 
war auch hier das Weſen längſt über die Formen 
og dr die Gebilde waren nur nod künft: 
ib. Der im 18 Sabeb- fteigende materielle Auf: 
ſchwung madte die Stadt ganz zum Mittelpuntte 
des wirtichaftlichen Daſeins; die höhern bürgerlichen 
Schichten waren wie die reichſten ſo die gebildet⸗ 
ſten des Landes, dem Adel mindeſtens gleichſtehend, 
dabei blieb die eſellſchaftliche Kluft, die fie von 
ihm ſchied, beftehen; nad unten bin ariftofratifch, 
forderte die Bourgeoifie nah oben bin Gleichheit. 
Der «Dritte Stand» wurde Schlagwort, und daß 
die Stäbter —— waren, machte ſie 
immer mehr zu unwilligen Zeugen der ſchlechten 
Finanzwirtſchaft. 

Die ae ierten murden durch Ehren: 
rechte, Hobeitsrechte (Gerichtsbarkeit, eigene Ber 
amte), Steuerrechte are einerfeits, anderer: 
feit3 Fronen, Abgaben, Zölle, Monopole) von 
der Maſſe der Bevölterung gefondert. Ihre polit. 

64* 


1012 


Stellung hatten fie eingebüßt, nur diefe ihre Rechte 
waren geblieben. Die Entwidlung des neuern 3.3 
war gegen den Willen des Adels vor fih ge 
gangen, die franz. Könige hatten es nicht wie die 
preußifchen verftanden, ihn in das moderne Staats⸗ 
weſen einzuorbnen; voll edler Kräfte, war er doch 
pam Niedergang verurteilt. Seit Ludwig XIV. ſchied 
ch der Sofadel (Nichtrefidierende) vom Landabel 
ejidierende); die erite Gruppe umfaßt die reichiten 
amilien, die in Berfailled und Ss ihre großen 
intünfte und gewaltige königl. Zuſchüſſe verzehr: 
ten, — *— wirtſchafteten und ihren Beſitz nur 
ausſogen, auch wenn ſie einige Monate auf ihren 
Schlöſſern Hof hielten; polit. Pflichten erfüllten ſie 
den Provinzen — nicht. An Zahl übermog 
der reſidierende Adel, vornehmlich Kleinadel, und 
wo er das alte Zuſammenleben mit den Bauern 
aufrecht erhielt, wie in der Vendee, erhielt I aud 
die lonjervative Gefinnung lebendig. Diejer Adel 
barg ausgezeichnete Kräfte in fich, jtellte ein tüchti- 
ges und anſpruchsloſes Offizierforps, aber aud) er 
gi wirtſchaftlich zurüd; die Regierung vernad: 
affote, Standespflichten erjhöpften ibn; er ver: 
ringerte langfam jeine Habe, war auf feine Herren: 
rechte angemiejen und dem zinspflichtigen Pandmann 
oft nicht minder läftig als der le Hofedelmann. 
Ausgezeichnete Elemente enthielt auch die Kirche, 
aber aud fie krankte am Privilegium. Zwiſchen 
überreihen großen Prälaten (Abten, Biſchöfen, 
Erzbiſchöfen), unter denen leichtfertige Verwelt⸗ 
lihung häufig war, und der Mafje der 65— 70000 
nur zu oft jämmerlic len Pfarrer, Haffte ein 
gefährlicher Riß. Es fehlte niht an Mißbräuchen 
(Rlofterweien) ; die Jeſuiten hielten ven Kampf gegen 
alle fubjeltivern Richtungen aufrecht; aber, im 
ganzen war bie franz. Kirche des 18. Jabrb. milde, 
in Eeelforge und Wohltbätigkeit unermüdlich, ver: 
ſtändig und maßvoll, voll nationaler Gefinnung; 
als Korperſchaft teilte jedoch auch der Klerus die 
Sünden der Bevorrechteten reichlich. Vorrechte bes 
iaß er im weiteſten Maße; feine Gefamtfipungen 
zeigten alle übeln Seiten der organifierten Standes: 
jelbftfucht, die allgemeinen Steuern betämpften fie 
mit Starrbeit und errangen für den Klerus ftet3 
weitgehende Erleichterungen. Auch gegen ihn und 
feinetbalben gegen die von ibm verfündigte Religion 
wandte fich daber die Öffentliche Meinung. 

In ftetem Gegenjaße zur Kirche und dennod an 
Standesart und Vorrecht ibr ähnlich, fteben die 
Varlamente, die Träger des Gerichtsweſens 
da. Urjprünglic von der Krone geihaffen, batten 
dieſe böchften Gerichtshöfe eine volle Selbſtändig— 
teit auch gegen jene Aue die Käuflichkeit der 
Umter, die allmählich au gegen eine weitere Ab- 
aabe erblich wurden, hatte einen eng zufammen: 
bängenden Kreis großer richterlicher 8 Amilien ge: 
ſchaffen, der die hoben Richteritellen in jeinen Häns 
den feitbielt. Die KHäuflichleit diefer wie anderer 
Stellen war aus fislaliſchen Gründen eingeführt, der 
Beſitzer des Richteramtes fam durch fteigende Spor: 
teln, die die Barteien zablten, auf reichliche Zinfen der 
Kauffumme, und diefer Eigenbefik de3 Amtes und 
defien fat kaufmänniſcher Charakter beeinflußten 
vielfach die Rechtſprechung. Die oligarchiſche Gejtal- 
tung des NRichterjtandes führte auch ſonſt zu unſau— 
berm perfönlichem Treiben, Berbefjerungen ließ dieſe 
geſchloſſene Kaſte nicht leicht zu;berübmt iſt Voltaires 
Kampf gegen die parteiiſche und überharte Straf: 
techtöpflege (1. Calas). Andererſeits hatte diejerftarre 


Frankreich (Geſchichte 1589— 1789) 


Standesgeift der «Magiftratur» aud eine Fülle 
— Seiten: im ganzen hielten doch die Richter die 
tandesehre aufrecht und zeigten eine feſte und 
Di von der Regierung unabhängige Haltung. 
[8 Ganzes aber war die Magiftratur eine Körper: 
ſchaft von Privilegierten, deren Dafein mit dem 
eindringenden Geiite der neuen Seit im —— 
Gegenſatze ſtand und mit den nivellierenden 
ae ungen ber Berwaltung ſtets im Hader lag. Die 
echtsverfaſſung gipfelte in den Barlamenten: ibre 
untern Stufen jpiegeln bie volle Ungleihmäßigteit 
des noch nicht zu Ende durchgebildeten Staates. 
Durch die sieges presidiaux (etwa unſern Lange: 
richten entjprechend) und die niedern Gerichte in ver: 
ſchiedenen Geftaltungen (baillages, sen&chaussees, 
tiefer bie — reicht die kbonigl. Gerichtsbarleit 
hinab in alle ſtreiſe, unter und neben dieſer beſtan⸗ 
den aber noch die eingeihränften, unregelmäßigen 
Reſte der Gerichtähoheit der Seigneurd und ber 
Städte. Hier wie überall gab es Anſätze zur Ber: 
einbeitlihung (beſonders Gefeßgebung, einbeitlide 
Drdonnanzen) und bei allgemeiner Rebtäunficherbeit 
das allgemeinfte Bedürfnis nach Reform. Hier wie 
überalllag das Bedürfnis mit der alten Gliederung im 
Streit, und die Krone hatte unterlafien, die ſen Streit 
durch Auflöfung des Unbaltbaren zu entſcheiden. 
C. Die geiftige Bewegung innerbalb ber 
Geſellſchaft verlieh den materiellen Wunſchen erit 
die ibeelle Form und, nach vergebliden Hoffnungen, 
den Fanatismus, der zur Revolution g bet Dat. 
Langſam erwacte gegen die Dogmatil der Autorität 
unter Ludwig XIV. die Kritik; jeit dem Beginn des 
18. Jahrh. wendete fie fih gegen bie Einfeitigteit 
röm, Aniprüde (Janſenismus, Parlament), feit der 
Regentſchaft allmählich auch gegen die polit. Schä- 
den. Eine liberale, dur engl. Anregung bemor- 
Fer maßvolle Richtung ging voran, die, an die 
eitebenden franz. Einrichtungen antnüpfend, die 
Stände wie das Königtum reformieren, nad enal. 
Mufter neu beleben und eine auf das altfranı. 
Ständetum begründete Selbftverwaltung bei Bor: 
berrichaft ver Krone ſchaffen wollte. (S. Argenien 
und Montesquieu.) Hierüber geht die eigentliche 
Auftlärung hinweg, die Vernunftkritik wird rüd- 
fihtälofer, die Unbaltbarteit der Körperſchaften 
Hlarer, auf das Königtum und jeine Verwaltung 
wird ganz im Sinne der franz. Geſchichte die Hof: 
nung durchgreifender, gleihmadender Reform ae 
ündet, und ein aufgellärter Abjolutismus war das 
iel der Phyſiokraten und thatſächlich auch Voltaire, 
trog, republifanifher Träume. Dieje Zeitbildung 
bereitete, da das Königtum feine Pflicht nicht erfüllte, 
dem Radikalismus den Boden und mußte ihn diefem 
abtreten. Roufjeau erbebt die Heinen Zuftände der 
Genfer Republit —— allgemeinen Ideal; ein Bau 
einer neuen Geſe ef und eined neuen Staates 
wird durchaus vernun genäb aufgeführt, als ob 
maneinem Nichts gegen überjtände. Da die Pitteratur 
den öffentlichen Geiſt feit 150 Jabren beberrite, 
da dieje Lehre bei den Höbern feinen Widerſtand, 
in dem aufjtrebenden Gleihheitäbedürfnis der Nie 
dern alle Nahrung fand, jo wurde die öffentliche Mei— 
nung bis tief hinab von dem Beitebenden Iosgeldit 
und an den Gedanten der Ummälzung lanajam ar: 
mwöhnt. Ludwig XVI. erwedte erft nod die Hofimuna 
einer doch no denkbaren Reform; ſie blieb aus, 
eine Nealtion folgte, der revolutionäre Geiſt reiite 
vollends, die Ungejhidtbeiten der Regierung gaben 
ibm das Heft in die Hand, alle alten Gemalten 


Frankreich (Geſchichte 1789—95) 


lahmten ſich ſelbſt; auch das Heer wurde vom neuen 
Geiſte zerſetzt, feine Staatsmacht blieb aufrecht und 
die Revolution brach unaufgehalten los. 

5) Während der Revolution (1789— 9). 
Der Widerftand gegen die berechtigten Forderungen 
der Vollädeputierten hatte 17. Juni 1789 aur Kon» 
sei bag Dritten StandesalsNationalver: 

ammlung geführt; er führte, ald die Regierun 
deren Sigungen unterjagte und der Dritte Stand fi 
nun in dem jog. Ballhauje verjammelte, 20. Juni Fr 
dem feierlichen Eidſchwure der Deputierten, ſich nicht 
eber zu trennen, als bis die neue Verfaſſung des 
Staates vollendet ſei. Nach der königl. Sigung vom 
23. Juni, in der zwar nicht unmesentliche Neuerungen 
(Abibaffung der Lettres de cachet, Preßfreiheit, 
ern der Binnenzölle und Megefronen, 
Steuerbemwilligungäreht der Generaljtänve u. a.) 
angelündigt, aber body auch wieder die alten Feudal⸗ 
rechte und die ftändifche Organifation feſtgehalten 
wurden, erflärte die Nationalverjammlung die Un: 
oerleglichteit ihrer Mitglieder und jede Gemaltthat 
gegen fie für Hochverrat. Der von feiner Umgebun 
eleitete König ließ bierauf unter dem Marſcha 
Broglie ein ftartes Truppenkorps zufammenzieben, 
löfte das Minifterium a verbannte Neder 
über die Grenze. Dieje Maßregeln verurſachten 
12. Juli zu Paris den erjten blutigen Aufitand; 
13. Juli erfolgte die Errichtung einer Bürger: 
miliz und einer revolutionären Municipalbebörde; 
14. eroberte da& bewaffnete Bolt die Baltille (ſ. d.). 
Die Bewegung teilte ſich ſchnell den Provinzen 
mit, überall entjtanden Nationalgarden und Mu: 
nicipalitäten, die fönigl. Gewalt war mit einem 
Schlage auf allen Bunften gebrochen. Sept erjt ver: 
föhnte ſich der König mit der Verſammlung und 
fuchte Die Hauptjtadt zu berubigen, indem er Neder 
urüdrief, Bailly als Maire und Lafayette als Be: 
Feblababer der Nationalgarden beitätigte, während 
die yeudalen, die fönigl. Prinzen an der Spike, die 
Auswanderung begannen. Sn der Nacht des 4. Aug. 
bob die Nationalverfammlung alle Feudalrechte 
und perjönliben Laften auf und ließ darauf die Ers 
tlärung der Menſchenrechte folgen. Die widerſtre⸗ 
bende Haltung des Königs gegen dieje Artitel, mehr 
jedoch die vom Herzog Ludwig Philipp von Orléeans 
bejörderten Aufhetzungen und die Furcht der Maſſen 
vor der Hungeränot Pabrten zu einem neuen Aus: 
bruche in Paris und 5. Dit. zu dem Zuge großer 
Voltsbaufen nad Ki! ag dur die der Köni 
und die fönigl. Familie geswungen wurden, fi 
6. Dit. nad) Harie zu begeben, wohin aud die Na— 
tionalverfjammlung bald ihren Sig verlegte. Dieje 
begann nun im November eine neue Organifation 
des Landes. Die alten Provinzen wurden dur 83 
Departements erſetzt, die in Diftrikte und Kantone 
zerfielen; die Wahl der Vermaltungsräte vollzogen 
alle altiven, den Wert dreier Arbeitstage fteuernden 
Bürger. Diefelben wählten aud die Wähler und 
diefe die Deputierten zur Nationalverfammlung. 
eded Departement erbielt einen Civil: und einen 
riminalgeriht&bof, jeder Kanton ein Friedensge— 
riht. Um dem Klerus den Einfluß abzuſchneiden 
und der Finanznot abzubeljen, konfiszierte die 
Verfammlung 2. Nov. das ſämtliche Kirchengut, 
wa3 bald darauf zur Schaffung der Affignaten 
$ d.) — Eine neue Verfaſſung des Klerus, die 
ufhebung der geiſtlichen und weltlichen Orden, 
Korporationen und Titel vollendeten die Auflöfung 
des alten Staates. 


1013 


Unter diefen Wirren bejhworen 14. Juli 17%, 
am Sahreötage der Erjtürmung der Baftille, der 
König, die Staatsgewalten und die Deputierten bie 
neuen Verfaſſungsgeſetze. Zwei Drittel des Klerus 
verweigerten jedoch den Bürgereid; die polit. Klubs, 
befonders die Jakobiner, erbigten die Köpfe und reg: 
ten die Maſſen auf; die Nationalverfammlung jelbjt 
war in fonjtitutionelle, Republitaner und Anhänger 
des Hofs gejpalten. Am 2. April 1791 ftarb Mira: 
beau, der —* Charalter, der den Thron gegen 
Männer wie Nobespierre, Marat, Danton viel: 
leicht hätte aufrecht erhalten tönnen. Zugleih nahm 
die Auswanderung des Adels überband. (S. Emi: 
en Der Prinz von Eonde bildete zu Worms, 
der Graf Artois zu Koblenz ein Emigrantentorps. 
Als aud Ludwig XVL in der Nacht vom 20, Juni mit 
feiner familie einen Fluchtverſuch machte, wurde er 
am 22. zu Barennes verhaftet und nah Paris zurüd: 
geführt. Die Nationalverfammlung hatte unter: 
deſſen nicht verfäumt, auch die ausübende Gewalt 
an fih zu nehmen; fie fufpendierte den König vor: 
läufig und ſehte eine Unterfuhungstommiffion ein, 
Die republitanifche Partei, darunter Robespierre, 
Betion, Desmoulins und Danton, arbeitete nun 
an ber Abfehuns des Koönigs, der ar volltommen 
willenlos 14. Sept. 1791 das Wer 
die neue Verfaſſung, beſchwor. 

Inzwiſchen regte fih das Ausland zu Gunſten 
des franz. Königtums. Friedrih Wilhelm IL. von 
— unterſchrieb zu Billnig 27. Aug. 1791 mit 

aifer Leopold II. eine Dellaration, die zwar noch 
feine Kriegserklärung war, aber doch weitere lbönigs⸗ 
feindliche Fortfchritte der Revolution bedrohte. 

Die Wahlen zur Gejeßgebenden Verfammlung, 
die alle Mitglieder der 30. Sept. aufgelöften 
Nationalverfammlung ausſchloſſen, braten vor: 
wiegend Demokraten and Ruder. Die Berfamm: 
lung begann 1. Dt. 1791 ihre Sigungen. Die yüb: 
rung batten die Girondiften, die damals nody eng 
mit den Rabdilalen, wie Danton, Robespierre und 
—— Marat, verbündet und mit ihnen im Jako— 

inerflub vereinigt waren. Sie riſſen fofort die 
Berfammlung zu ſcharfen Delreten gegen die eid⸗ 
verweigernden Priejter und die Emigranten bin, 
denen der König fein Veto entgegenjekte. Die Ant: 
wort der badurd gereizten Gironde war das Delret 
vom 29.Nov., wonach Ludwig die rhein. Kurfürften 
zur Entlafjung der Emigrantenarmee auffordern 
mußte. , zn ezember jtellte man 160000 Dlann 
unter die Waffen und anfcheinend auf Antrag des 
Königs, der jeit dem 10. März 1792 von einem 
girondiftif hen Miniſterium unter Roland willenlos 
—— warb 20. April der Krieg gegen 

fterreich einftimmig beſchloſſen. 

Bei der Nachricht von der erften Niederlage ver 

anzofen wurde die Aufregung der Maffen unge 

er. Die Nationalverfammlung erllärte fib in 
ermanenzundverfügtedie Zujammenziehung eines 
agers von 20000 Dann Föderiexter in der Nähe 
von Paris. Als der König, feine Hoffnung auf die 
Parijer Nationalgarde ſehend, 8. Juni dieſem Vor: 
Kalape die Zujtimmung verfagte und am 13. das 
iniſterium Roland entließ, festen die Girondiften 
alle Hebel an, um ihn zu ftürzen. Auf ihren Betrieb 
eribienen 20. Juni die bemaffneten Ja der 
Vorftädte vor der Verfammlung und verlangten 
die Abſchaffung des königl. Veto, Gegen Mittag 
ae die Maſſen in das Schloß und verlangten 
die Vollziehung der Dekrete. Ludwig widerjtand, 


der Konſtituante, 


1014 


Darauf erllärte die Kammer 5. Juli das Vaterland 
in Gefahr, man rief Freikorps zuſammen und be: 
waffnete das Bolt mit Piken. rn waren die 
Preußen nah einem Manifelt des Herzogs von 
ec 9 in die Champagne eingerüdt. (©. 

anzöfifche Revolutionätriege.) Während die Ja: 

obiner die Vorſtädte in Aufruhr festen und den 

Marfeiller Böbel an ſich zogen, verhandelte 9, Aug. 
die Verfammlung die Abfegung des Königs. Am 
10. Aug. festen die Barifer Sektionen einen revo: 
(utionären Bürgerrat ein und griffen bie im Innern 
von den Schweizern verteidigten Zuilerien an. Die 
Nationalgarden meigerten jih auf das Bolt zu 
ſchießen, und fo jab ih der König genötigt, mit 
jeiner Familie in die Nattonalverfammlung zu fluch⸗ 
ten. Die girondiſtiſchen Miniſter wurden wieder 
eingeſetzt, den Beſchlüſſen der Verſammlung Geſetzes⸗ 
kraft zugeſprochen und die Zuſammenberufung eines 
Nationaltonventd angeordnet. Den König führte 
man 13. hr 4 ala Gefangenen mit feiner Familie 
in den Temple. Der lonftitutionelle Thron, die Ber: 
fafjung von 1791 und der Einfluß aller Anhänger 
des Koͤnigtums waren nun vernichtet. Die Pariſer 
Gemeinde, an deren Spike die radikalſten Jalobiner 
itanden, —*— die Verſammlung gu infeßung 
einer Gerichtskommiſſion, die über vie Verſchworenen 
des 10. Aug., wie man die Anhänger des Königs 
nannte, Unterfuhung hg follte; alle unbeeideten 
Briefter wurden eingeferfert. Um die Noyaliften in 

reden zu feßen und die Gemäßigten vor den 
Neuwahlen einzujhüchtern, fehte ber Sufigminifter 
Danton die Erribtung eines Verteidigungsrats 
durh und gab 2. Sept. das Signal zu den Ge 
jängnismorden. Einige Tage mütete der Pöbel 
gepen bie ald verdächtig * erlerten Ariſtoktaten. 

ie Nationalverſammlung löſte fi 21. Sept. 1792 
auf, und der Nationallonvent (Convention natio- 
nale) trat fofort an ihre Stelle. 

Als der Nationallonvent feine Sikungen 
begann, war die rabifale jatobinifhe Partei, der 
Berg, der Gironde keineswegs an Zahl, wohl aber 
an Thatkraft und Rückſichtsloſigkeit — Auf 
Collot d’Herbois’ Antrag wurde F. 21. Sept. zur 
Republik ertlärt. Und auch nah außen hatte die 
Revolution den Sieg errungen. Die Preußen zogen 
Ab zurüd, Belgien wurde erobert, Euftine Kae 
Trier, Bag und Mainz, Montesquiou überzog 
Savoyen. Aber der Zmwieipalt zwiſchen dem Berg 
und der Gironde trat immer unverbüllter hervor, und 
der mit dem 5. Dez. beginnende Prozeß des Königs 
geftaltete ſich ſogleich zum Kampfe der beiden Par: 
teien um bie bericht im Konvent. Die Gironde 
wollte ven des Hochverrats beſchuldigten König nur 
rihten und dann die Berufung an das Boll zu: 
lajien, die Deputierten vom Berg aber — 
die Girondiſten derart ein, daß ſchließlich auch ſie 
für den Tod Ludwigs XVI. ſtimmten. Am 20. Jan. 
1793 wurde das Todesurteil ausgeſprochen und am 
21. vollzogen. In allen Teilen des Landes wütete der 
Aufruhr; die royaliftiiche Vendee (f. d. und Ehouans) 
bedrohte die Hauptitadt; England, Holland, Spas 
nien, Neapel und das Deutſche Reich fämpften gegen 
die Revolution, deren Terrorismus aber mit den 
äußern Gefahren nur wuchs. Am 10. März wurde 
das Revolutionstribunal (f. d.) zur Beitrafung aller 
polit, Vergeben errichtet, und um dem Gouvernement 
r&volutionnaire mehr Kraft zu geben, trat 6. April 
der Wohlfahrtsausfhuß (ſ. d. ins Leben, verden Ver: 
einigungspunft derrevolutionären Häupter und eine 


Frankreich (Gedichte 178995) 


oberfte Regierungsbebörbe für innere und äußere 
Politik zu bilden hatte. Alsbald begann mit Hilie 
der Mafjen ein neuer Kampf gegen bie gemäßigtern 
Republikaner, von denen man Unterfuchung der Sep: 
tembermorde und Ahnliches befürchtete. Die Unver: 
leglichleit ver Deputierten warb aufgehoben, und dies 
war die Einleitung zum Verfahren gegen die Giron⸗ 
diften. Die Bedrobten beantragten eine Unter 
ern Fri Lee die Hebert verbaftete und den 
at auflöfte. Diefer Schritt gab das Zeichen zum 
Aufftande. Die Banden der Vorſtädte erjchienen 
31. Mai bewaffnet vor dem Konvent, um die Bro: 
ftription von 34 Girondijten zu fordern. Am 2. Juni 
wurde der Streich durchgejegt und die Ächtung der 
Girondiften ald Vaterlandöverräter erlangt. Die 
meijten derjelben waren indes entlommen; die, deren 
man babbaft werben konnte, wurden bingerictet, 
ihre Fürſprecher vertrieben. 
est flammte in den Provinzen der Aufftand für 
Königtum und Kirche auf. General Wimpffen zog 
in der Bretagne ein nicht unbebeutendes Korps zu: 
ammen, das er gegen die republitanifhen Truppen 
brte und mit dem er Paris zu nehmen gedachte. 
Marfeille, Bordeaur und andere Städte des Südens 
nahmen die Partei der Girondiften; Syon wurde 
dur die Royaliften zur Losſagung von der revo: 
lutionären Regierung bewogen. Als Antwort be 
[euer 10. Aug. 1793 der Konvent auf dem Mars— 
elde eine radikale Verfafjung, die jedoch jogleich bis 
zum Ende des Krieges jujpendiert wurde; er befabt 
die ——— Verdächtigen und die Mailen: 
erhebung des Volls. Garnot wurde im Auguft an 
die Spike des Heerweſens geitellt; Hunderttaufende 
wurden mobil gemacht und nad allen Punkten und 
Grenzen des Reichs entjendet. Der Krieg im Innern 
wurde immer gräßlicher; in der Vendee begann ein 
wahres Morden. Die Greuel, welde die republi: 
kaniſchen Truppen in dem überwundenen Marjeille 
und Bordeaur verübten, veranlaßten Toulon, ſich 
29. Aug. an die Engländer zu übergeben, doch wurde 
es im Dezember genommen, nachdem ſchon vorber 
9. Dit. Lyongefallen war und ein ſchreckliches Gericht 
erfahren hatte. Am 5. Dit. wurde eine neue Zeit: 
rechnung und ein neuer Kalender eingeführt. Auch 
das ‚Ehriftentum wurde abgejhafft und dafür dur 
Hebert und feine Genofjen von der Pariſer Eom- 
mune der Aultus ber unft eingefübrt. Am 
14. Dt. warb die Königin Marie Antoinette ver: 
urteilt, am 16. enthauptet; ihr folgten 31.08.21 De 
putierte der Rechten, teild Gironbijten, teil® An: 
Yinger des Herzogs von Orleans, und 6. Nov. der 
09 felbft auf das Blutgerüft. Der Wohlfabrts⸗ 
ausſchuß hatte jegt alle Gewalt an fid —— 
Robespierre bewirkte 13. März 1794 die Berbaftuna 
der 20 Hebertiften (f. d.), die darauf 24. März bin: 
gerichtet wurden. Da die Bartei Dantons, bie 
einen gemäßigten Weg einihlagen wollte, Robes- 
pierre ebenfall im Wege ftand, fo wurden auch 
Danton und jeine Freunde verbaftet, des Ropalis- 
mus angellagt und 5. April guillotiniert. 
Nobespierre, Saint-$uft und Couthon bildeten 
nun ein Triumvirat des Schredend. Alles war iu 
einer neuen Revolution bereit, die den Konvent jtür- 
en und NRobeöpierre die Diktatur verleiben ſollte. 
Funds führte Robespierre ven Kultus des u 
eſens ein. Dann mußte Couthon auf eine ſch e 
Juſtiz des Revolutionstribunals und auf ein Geick 
antragen, wonad die Ausſchuſſe das Recht erbiel⸗ 
ten, die Deputierlen eigenmächtig vor das Tribunal 


Frankreich (Geſchichte 1795—99) 


zu ſtellen. Mit Furcht und Schrecken gab endlich 
der Konvent nach, und Robespierre begann nun 
die Hinrichtungen in Maſſe (par fournées). Sein 
Schredensregiment war indes von kurzer Dauer. Am 
8. Thermidor (26. Juli) verlangte er von dem ſon⸗ 
vent vergebens die Erneuerung der Ausſchüſſe. Am 
9. Thermidor erboben fih auf Talliens Aufforderung 
alle Mitglieder, ſchwuren die Republik zu retten und 
ließen Robespierre mit jeinem Bruder, Saint⸗Juſt, 
Couthon und Lebas verhaften. Gleiches geihah mit 
Henriot, dem Anführer der Barifer Banden, der den 
Angriff auf den Konvent ſchon vorbereitet hatte, 
Am Abend gelang es indes den Jalobinern, die Ge 
fangenen zu befreien. Nun ernannte der Konvent 
Barras zum Kommandanten der Nationalgarde, 
erklärte die Aufrührer außer dem Gejeb und trug mit 
Hilfe der Sektionen einen volljtändigen Sieg über 
Denriot, der das Stadthaus zu verteidigen hatte, 
davon. Schon 28. Juli (10. Thermibor) beftieg 
NRobespierre das Schafott; 76 andere Terrorijten 
wurden teil& hingerichtet, teild ausgeſtoßen. 

Das Volk hatte durch das —— des Terroris⸗ 
mus furchtbar gelitten; alle Klaſſen ſehnten ſich 
nach Ruhe. Es bildete ſich unter Freron eine Art 
Leibwache des Konvents aus den Söhnen der wohl: 
babenden Bürger, die fog. «Jeunesse dorder, Am 

11. Nov. wurde endlich der Jakobinerllub geſchloſſen, 
und bald darauf erfolgte das Verbot aller Volls— 
vereine. Die 73 Deputierten, die gegen den 31. Mai 
protejtiert hatten, und alle andern Geächteten wur: 
den zurüdgerufen. Die Hungersnot und die fait 
völlige Entwertung der Ajjignaten gaben jedoch 
immer wieder Gelegenheit zu Aufitänden. Am 
23. Mai 1795 ordnete hierauf der Konvent die Ent: 
waffnung der Borjtädte an, und die demokratische 
Partei, ihrer Fübrer und ibrer Klubs beraubt, ver: 
for hiermit allen Einfluß. Man beriet und beichloß 
nun eine neue, gemäßigtere republitanifche Ber: 
fafjung, deren Beitimmung, daß zwei Dritteile des 
KRonvents für das erftemal in den Gejeggebenden 
Körper treten follten, 18. Bendemiaire (5. Dt.) einen 
von den Ropyaliften geleiteten Aufſtand der Pariſer 
Sektionen hervorrief; Doch hatte pie Empörung durch 
die von Barras und feinem Gebilfen, General Bona: 
parte, glücklich — Verteidigung des Konvents 
feinen Erfolg. Am 6. Oft. mußten auch die Seltionen 
ihre Waffen niederlegen. No in der legten Zeit 
ordnete der Konvent ein neues Unterrichtsweſen an; 
er jtellte die freie Religionsübung her und erließ eine 
allgemeine Amneftie. Nah außen batte F. große 
Siege errungen und einen Territorialzumads von 
15 Departements erhalten. (S. Franzöfiiche Revo: 
lutiondtriege.) Mit Preußen war im April, mit 
Spanien im Juli 1795 der Bafeler Frieden geichlof- 
fen worden; die Öfterreicher waren über den Rhein, 
die engl.:bolländ. Armee bis an den Terel gedrängt; 
Santo Domingo war an F. abgetreten und bie 
Vendee dur Niederlagen erſchöpft. Am 26. Dit. 
1795 löfte fi der Konvent auf, und 28. Dit. be 
gann bie Direltorialregierung. 

6) Unter dem Direltorium (1795 — 99). 
Die Franzöfiiche Revolution war an einem Wende: 
punft angelangt. Der alte Staat und die alte Ges 
ſellſchaft waren zerftört; die große Maffe des Volls, 
im Kampfe der Terroriften um die Herrichaft er: 
mübdet, er angie Ruhe und wendete fich wieder den 
bürgerlichen a. a Die neue Verfafjung 
trug ben Eharafter der Berföhnung. Während fie 
die volljiebende Gewalt in einem Direftorium von 


1015 


fünf Mitgliedern vereinigte, verteilte fie die * 
gebung an zwei Kammern, an den Rat der Alten 
und den der Fünfhundert. Wer irgendwie direkte 
Steuer zablte, hatte zwar als aktiver Bürger Zu: 
tritt zu den Primämerfammlungen der Urmwäbler, 
welche die Wahlmänner wählten; allein die legtern 
felbjt mußten in den Städten ein Einfommen von 
200 Arbeitötagen, auf dem Lande von 150 nad: 
weiſen. Die Anardiften waren mit diejer — 
allerdings hoͤchſt — und begannen deöbal 
unter Leitung des Kommuniften Babeuf eine meit: 
läufige Berihwörung. Diefer Anſchlag wurde ver: 
raten und mit der Hinrichtung der Hauptverfchwörer 
beitraft. Hoche wurde in die Vendee geichidt, wo er 
‚den Bürgertrieg bis zum Juni 1796 völlig bämpfte. 
Den auswärtigen Mächten — führte man den 
ſchon längjt entworfenen Plan aus, die franz. Heere 
von Jtalien und dem Rhein aus nugleich in die diterr. 
Monarchie vordringen zu laffen. Bonaparte erhielt 
den Befehl in Jtalien, verdrängte in einem glänzen: 
den Feldzuge die Öfterreicher aus Oberitalien und er: 
richtete die Eisalpinifche und die Sn e Republit. 

Als die Direltoren Barras, Rewbell, Lareveillere, 
Letourneur und Carnot die Regierung antraten, 
fanden fie alle Zweige der Verwaltung, beſonders 
aber die Finanzen, in furdhtbarer Zerrüttung vor. 
Obgleich das Direktorium aus Italien und Deutſch⸗ 
land unermeßliche Summen bezogen, die geiſtlichen 
Güter in Belgien und am linten —— verfauft, 
eine Grund⸗, Berfonen:, Gewerbeiteuer und andere 
Auflagen eingeführt hatte, mußte es dennoch im Sept. 
1797 die öffentlihe Schuld Fr einmal um zwei 
Dritteile berabfegen. —— dieſen Staatsbankrott 
wurde der Kredit der Republik völlig vernichtet, und 
bes Verlehrs, Elend und Unzufriedenheit 
waren a Gemein Die royaliſtiſche Partei, die jich 
wieder zu fühlen begann, nachdem die Neumablen im 
April 1797 im Rate der Jünfhundert eine gemäßigte 
Mehrheit ergeben hatten, benupte diefen Zujtand. 
Sie brachte im Mai den ihr genehmen Barthelemy 
bei Letourneurd Austritt ins Diretorium und be: 
reitete fich überdies offen zu einem gewaltfamen 
Umſturze der Regierung vor. Diejer Umſtand be 
wog endlich die mit Garnot und Barthelemy zer: 
fallenen Direftoren Barras, Remwbell und are: 
veillere zu dem Staatäftreiche vom 18. Fructidor 
(4. Sept.), der die Vertreibung aller verbächtigen 
Näte ſowie terroriftiihe Geſetze gegen die Privile: 
gierten zur Folge hatte; Carnot und Barthelemy 
nebjt 53 Deputierten wurden verbannt, und ihre 
Pläge nahmen Merlin und Frangois de Neufchäteau 
und nad) bejjen Austritt Treilhard ein. Diefe Um: 
wälzung 309 die Herrichaft der jtreng republilani: 
ſchen Partei nad fih. Die Friedensunterhandlun⸗ 
gen zu Lille mit England waren zwar abgebrodyen 
worden, mit Oſterreich aber fam 17. Dit. der Friede 
zu Campo: Formio zu ftande, worin Oſterreich Bel: 
* und die lombard. Territorien abtrat und bie 


—— 


anpöfihe Republit auch noch die fieben ion. In: 
eln Venedigs und in geheimen Artifeln das [inte 

beinufer zugefichert erhielt. Um das Heer, feine 
einzige Stüße, nicht aufzulöjen, aber auch um den 
ebrgeizigen General Bonaparte zu entfernen, gab 
jest das Direktorium feine Zuftimmung zu der Uns 
ternehbmung nad) Ägypten. (S. Agyptiſche Erpebdi: 
tion der ranzofen.) Gleichzeitig mußte Brune noch 
im Dez. 1797 _in die Schweiz einbrechen, angeblich 
weil diefe der Herd royaliſtiſcher Umtriebe er iejer 
Feldzug hatte im April 1798 die Umbildung des 


1016 


Maadtlandes zur Lemaniſchen Republif, die Demo: 
ae der Helvetiichen Republik und im Aug. 
1798 ein Bündnis, endlich aud die Einverleibung 
von Genf, Biel und Mülbaufen in F. zur Folge. Am 
15. 2 1798 batte auch Bertbier aus dem fir: 
* taate eine Römiſche Republik gebildet. Dieſe 

bergriffe brachten die — Mächte von neuem 
unter die Waffen. Nachdem Nelſon die franz. Flotte 
bei Abulir vernichtet hatte, arbeitete England wäh— 
rend des Kongreſſes von Raftatt an einer zweiten 
allgemeinen Koalition, der Öfterreih, Rußland, 
Neapel und die in Agypten verlegte Pforte beitraten. 
Schon imNov.1798 batte Ferdinand IV. von Neapel, 
um den Papſt zu rächen, obne Kriegserflärung fein 
Heer unter dem öjterr. General Mad in den Kir» 
chenſtaat einrüden lafien; aber der franz. General 
Ehampionnet ee: eapel 21. San. 1799 und pro: 
Hamierte dajelbft 25. Jan. die Parthenopäiſche Re: 
publit, — Ferdinand IV. ſich auf Sicilien be 
—— ſah. Der General Joubert hatte indes auch 

iemont beſetzt und den König Karl Emanuel II. von 
Sardinien 2 Verzichtleiftung auf dieſes Land ger 
zwungen. Mit dem Anfange des Feldzugs mar alſo 
ganz Italien in den Händen der Franzofen. (©. 
Franzoͤſiſche Revolutionstriege.) 

In den erjten Monaten des %. 1799 errangen 
jevoch die verbündeten Mächte gegen F. bedeutende 
Vorteile in Deutichland ſowohl als in Italien. Un: 
ter dem Eindruck diefer Nachrichten erfolgten bie 
Mablen von 1799, die den oppofitionellen Parteien 
noch mehr Übergewicht als im vorigen Fahre gaben. 
Sie braten Sieyes, einen Feind der Direftorialver: 
joffung, ins Direltorium; Radilale und gemäßigte 

epublilaner verbanden ſich gegen die Regierung, 
Zreilbard, Merlin und Lareveıllre mußten aus 
treten, Gobier, General Moulins und Roger Ducos 
traten an ihre Stelle. Alle Barteien erfannten die 
Unzulänglicheit der beſtehenden Zuftände an und 
erwarteten den Beginn einer neuen polit. Ordnung. 
Sieyes zögerte nur, weil er durch den Tod Jouberts 
eined General beraubt war, der ihn unterjtügen 
tonnte, Ebe er ſich noch mit Moreau —— 
batte, war Bonaparte in Paris angekommen. 
gewann Sieyes und deſſen Anhänger für fih und 
jtürzte die Direktorialregierung durch den Staats: 
ftreih vom 18. Brumaire (9. Nov.). Es wurde unter 
dem Vorſitz Lucien Bonapartes in ber Naht vom 
10. Nov. eine proviforiihe, aus drei Konſuln be 
ftebende Negierungsbebörde (Bonaparte, Sieyes 
und Roger Ducos) eingeſetzt, — ſich der Ge 
jeßgebenve Körper bis zum 20. Febr. 1800 vertagte, 
ein Gewaltakt, der aber der Lage der Dinge und der 
Sehnſucht der Nation nah Ruhe und Ordnung 
volltommen entſprach. 

7) Unter dem Konſulat (1799— 1804). Ein 
Ausihuß der Näte erhielt nun den Auftrag, die 
Verfafjung vom J. VIII zu entwerfen. Schon 27. Dez. 
1799 trat fie in Kraft, und 7. Febr. 1800 ward fie für 
angenommen erllärt. Sie batte nur ſcheinbar ein 
rein fonftitutionelles Gepräge, legte aber im Grunde 
die ganze polit. Gewalt in die Hände dreier Kon— 
fuln, von denen wieder der erfte der wahre Macht: 
baber war, während ibm die beiden andern nur be: 
ratend zur Seite ftanden. Bonaparte teilte fich felbft 
die Nolle des Erften Konſuls zu und ließ Cam: 
bacerds3 und Lebrun zu feinen Kollegen ernennen. 
Ein Erbaltungsjenat (Sönat conservateur) von 
80 Mitgliedern ernannte die Mitglieder des Geſetz— 
gebenden Körpers, des Tribunats, des Kaſſations— 


Frankreich (Gejchichte 1799— 1804) 


hofs und die Konfuln aus den Liften der Rational: 
notablen und hatte auch die Alte aller dieſer polit. 
Gemalten zu betätigen ober zu en. Diele 
Senatorwürde war lebenslänglih. Der Gejes: 
gebende Körper von 800 aus den Departements 
ernannten Mitgliedern wurde jährlih zum fünften 
Zeil erneuert und follte über die ihm vorgelegten 
Gefeßentwürfe entjcheiden. Das Tribunat, Die zweite 
Kammer von 100 Mitgliedern, bildete die ver- 
fafiungsmäßige Oppofition gegen die Regierung 
und war bejtimmt, über die von ben Konjuln vor: 
gelegten Geſetzentwürfe m verhandeln, aber nur 
darüber abzuftimmen, ob feine dazu defignierten 
Mitglieder im Gefekgebenden Körper dafür oder 
dawider jpredhen follten. Die Mitglieder des letz 
tern bebattierten nicht, fondern jtimmten nur nad 
Anhörung der Tribunen einfah ab. Die Mit: 
glieder eines bloß beratenden Staatsrates er: 
nannte der Erſte Konful. Als dieje Konititution 
ins Leben trat, war die Page des Staates nad 
allen Seiten hin gefährdet. Die Härte des Direl: 
toriums batte den Bürgerkrieg in der Vendée wie 
der hervorgerufen, die Finanzen waren zerrüttet, 
die Armeen durch viele Niederlagen aufgerieben. 
Bonaparte teilte die ganze Republik in 25 Militär 
divifionen, deren jede ihren Kommandanten und 
ihre Divifion erbielt, wodurb die Empörungen 
unmöglih wurden. Dann ſchickte er den General 
Hedouville nach der Vendeée ab, der endlich 18. Yan. 
1800 den Frieden zu ftande brachte. Um den Finan⸗ 
en aufzubelfen, wurbe ein neues Papiergeld ge 
der Steuerfuß erböbt und eine Zwangs⸗ 
anleibe von 12 Mill. Frs. bei den bedeutendſten 
Bankhäuſern gemadt. Die Departementsvermal- 
tung erbielt ſchon im Februar eine gänzlidhe Um: 
wanblung, indem an die Stelle der gemäblten Räte 
Präfekten und Unterpräfelten, in den Municipali: 
täten die Maires traten, die alle ibre polit. Gemalt 
von der Regierung empfingen. Mit diejen Ein 
rihtungen wurden aud die militär. Ebargen neu 
verteilt. MWäbrend Moreau am Rhein den Ober: 
bejebl erhielt, übernabm ihn Bonaparte jelbit in 
—— Die Siege beider Generale (ſ. Franzoſiſche 

evolutionsfriege) zwangen Dfterreich 25. Dez. 1800 
zum Waffen tan zu Steier und 16. Jan. 1801 
zum Waffenitillitand zu Trevifo, dem bald Friedens: 
unterhandlungen folgten. Der König von Sicilien 
— 6. Febr. ven Waffenſtillſtand zu Foligno. 
Im 9. Febr. 1801 wurde endlich der Friede zu 
Zuneville geihlofien. Der Rhein wurde F.s Grenze 
und die — Bataviſche, Liguriſche und 
Helveliſche Repubin ſowie das Kongreis Eiru— 
rien (Toscana) wurden anerkannt. einen 
befondern Vertrag mit —— erwarb 22 März 
Parma und in. Amerika Louifiana; 38. März folate 
der Friede mit Neapel, 29. Sept. der mit Vortu⸗ 
—* Dagegen ging unter dem unfäbigen General 

enou Agypten verloren. (S. Ägyptiſche Erpebi- 
tion der Franzoſen.) Nah Pitts Austritt au dem 
Miniſterium kamen auch die Frievenzunterband- 
lungen mit England in Gang, und 1. Dit. 1801 
wurden zu London die Präliminarien, 27. Märı 
1802 der Friede zu Amiens unterzeichnet. F. erbielt 
alle feine im Kriege verlorenen Kolonien zurüd, 
räumte dafür Neapel und das Kirchengebiet und 
erlannte die Integrität von Portugal und die Re 
publit der Jonifhen Inſeln an. Am 8, Dit. 1801 
ſchloß F. mit Rußland, am 9. Dit. mit der Pforte 
Frieden. 


Frankreich (Geſchichte 1804—14) 


Mit dieſer allgemeinen Waffenruhe ſchwand auch 
im Innern F.s die Aufregung. Induſtrie und Hans 
del blübhten empor, und bie —* Geſellſchaft vers 
gaß ihre republilaniſchen Ideale im Genuß des ins 
nern Friedens und des militär. Glanzes. Der Erſte 
Konſul bemühte ſich, alles zu beſeitigen, was an die 
Zeiten der Nevolution erinnern konnte; zugleich 
aber beförberte er die Entwidlung aller materiellen 
Intereſſen. Am 15. Juli 1801 fam ein Konkordat mit 
dem päpftl. Stuhl zu ftande, wonad die Kirchen: 
geſetze von 1790 —— wurden und 5: wieder 
9 Erzbiihöfe und 41 Biſchofe erhielt. Gleichzeitig 
wurde ein neues Eivilgejegbuch vorbereitet und ein 
Verdienftorden durch die Errichtung der Ehrenlegion 

egründet. Im Mai 1802 ernannte der Senat auf 
orihlag des Tribunats Bonaparte zum Konjul au 
fernere 10 Jahre. Als aber der Konſul, unzufrieden, 
diejen Beweis des Zutrauens angeblid nur mit Zus 
ftimmung des Volls annehmen wollte, nötigte er den 
Senat, dem Bolt die frage ne sig ob der Erite 
Konſul auf Lebenszeit Bi Würde behalten und 
das Recht haben ſolle feinen Nachfolger zu beſtim— 
men. Bon 3577379 Bürgern ftimmten 3563885 
für das lebenslänglidhe Konſulat, das ihm nun 
4. Aug. 1802 zuerteilt wurde. Zugleich wurde alle 
polit. Gewalt in feine Hände gelegt: er erbielt 
die ausschließliche Befugnis Verbrecher zu begnadi— 
gen, die Staatöverträge zu ratifizieren und die Mits 
glieder des Senats > ernennen, %. war, wenn 
auch noch nicht dem Namen nad), jo doch thatjäd: 
lich wieder eine Monardie, allerdings auf revolutio: 
närer Baſis. Schon zu — 1802 war Bona⸗ 
parte zum Präſidenten der Cisalpiniſchen Republit 
ernannt worden; im Augujt wurde die Injel Elba, 
im September Piemont, im Dftober Parma mit F. 
vereinigt. Indes ging Santo Domingo durch die 
Kapitulation Rochambeaus 20.Nov. 1803 für F. auf 
immer verloren. Der Hab Englands wegen des en 
übergewichts auf dem Kontinent, das bier den brit. 
Erzeugnifien den Markt ftreitig zu machen drobte, 
ie —9* im Mai 1803 neue —— her⸗ 
vor. F. begann ungeheure Rüſtungen zu einer 
Landung in England und beſetzte im Juli ungeach⸗ 
tet der Neutralitätserllärung Hannover. Die 
ſchwörung Cadoudals (f. d.) gegen Bonaparte, die 
dem neuen Syſtem Gefahr zu bringen drohte, drängte 
dazu, dasſelbe erblic zu mahen Die Selbſtſucht 
der Senatoren, die in diefem Syſtem eine Quelle 
reiher Einkünfte faben, wirlte mit, und jo wurde 
durch einen Senatsbeihluß vom 18. Mai 1804 Bo» 
naparte zur Befeitigung des Staates und zur Sicher: 
beit feiner eigenen Perfon als Napoleon L. zum 
erblien Kaiſer der Franzoſen erflärt und durch 
Voltsabftimmung als folder janktioniert. Papſt 
Pius VII. kam in Berfon nad Paris und falbte den 
Kaijer nebit feiner Gemahlin 2. Dez. 1804 in der 
Kirhe Notres Dame. Die Franzöſiſche Revolution 
atte das notwendige Ziel ihrer Entwidlung, den 
ilitärabfolutismus, erreidht, 5. aber durch Abs 
fhüttelung des veralteten Staatsmehanismus, 
durh Gründung einer zwedmäßigern Bermwaltun 
durd die Herftellung einer neuen auf die Gleichheit 
en gejellihaftlihen Ordnung, durd Ent: 
J tung aller — und materiellen Kräfte einen 
ungeheuern Kraftzuwachs gewonnen, der auch die 
europ. Entwidlung überhaupt aufs tiefſte beeinflußte. 

8) Unter dem erſten Kaiſerreich (1304- 14. 
Vach feiner Prollamation zum Kaiſer errichtete 
Napoleon die Erzämter des neuen Throns, er— 


1017 


nannte Großmürbenträger und Marſchaͤlle und ſetzte 
einen kaijerl. Gerichtshof ein, der über Bergebungen 
der eriten Staatäbeamten, über Hochverrat und alle 
Verbrechen gegen Staat und Raifer erfennen jollte. 
Der Senat hatte ſchon 1803 feine Bedeutung ver: 
Ioren, Wahl und Zahl der Senatoren waren vom 
Kaiſer abhängig. Der Geſetzgebende Körper blieb; 
das Tribunat, mo Carnot feine Stimme gegen die 
Errichtung eines neuen u. erboben hatte, wurde 
19. Aug. 1807 gänzlich abgeichafit. 1806 mußte der 
republifanifche Kalender dem Gregorianiſchen wie: 
der Pla machen. Am 18. März 1805 wurde Napo: 
leon aud König von Italien; 4. Juni wurde die 
Liguriſche Republit (Genua), 21. Juli Barma und 
Piacenza mit 5. vereinigt. Der Kaiſer von Dfter: 
reich und viele Fürften Deutſchlands erkannten das 
Kaijerreih an. England dagegen, empört über die 
Megnahme Hannovers, bedroht von einer Landung 
und verlegt durch die jtrengen Maßregeln gegen 
feine Manufalturwaren, jhlob mit Schweden einen 
—— und veranlaßte im April 1805 
Rußland zu einer Koalition gegen F. der im 
Auguft auch Oſterreich wieder beitrat. Napoleon 
brab nun aus feinem Lager von Boulogne nad 
Deutihland auf und zwang die Öjterreicher in einem 
längenden Feldzug 26. Des. aum Frieden von Pre: 
urg. (©. Franzoſiſch-Oſterreichiſcher Krieg von 
1805.) Oſterreich verlor gegen 55000 qkm und 
3 Mill.E.; das Königreich Seälien wurde um 27500 
qkm vergrößert. Dagegen hatte der Sieg der Englän⸗ 
der über die franz.=fpan. flotte bei Trafalgar 21. Olt. 
1805 die Frucht fehsjäbriger Rüftungen vernichtet. _ 
Napoleon, von jest an überzeugt, daß alle Anjtren: 
gungen gegen die Engländer zur See fruchtlos jeien, 
erarıff nun mit Konſequenz die Politik, feinen Feind 
durch Abfiperrung vom Seltlanve zu vernichten. In 
dieſer Abſicht überließ er zunächſt im Vertrage von 
Schönbrunn Hannover an Preußen, um dies mit 
England in Krieg zu verwideln. Die widerſpenſtige 
Dynaſtie von Neapel wurde der Krone verluftig er: 
Härt und 30. März 1806 der Bruder des Kaijers, 
Zoienb Bonaparte, auf den Thron von Neapel und 
icilien gejegt. Ein anderer Bruder, Ludwig Bona⸗ 
parte, wurde König von Holland; Napoleons Etief: 
obn, Eugen Beaubarnaig, Vicelönig von Stalien, 
ein Schwager, Joahim Murat, Großberjog von 
erg. Dieje Staaten ftanden ſowohl unter ſich als 
auch mit dem Kaiſerreich durch Verträge in engiter 
Beziehung, und dur die Errichtung des Rhein— 
bundes (j. d.), in deſſen Orundvertrage vom 12. Juli 
1806 Napoleon als Proteltor anerfannt wurde, 
traten auch Bayern, Württemberg, Baden u. a. 
diejem Staatenſyſtem bei. 

Durch diejes Umſichgreifen 3.8 faben fih alle 
Mächte Europas bedroht. Noch im Herbit 1806 
vereinigten fi Preußen, Rußland, Schweden unt 
England zu einem neuen Kriege, um die Franzoſen 
aus Deutichland zu vertreiben. Napoleon nötigte 
jevob nah den entjheidenden Siegen bei Jena 
und Friedland die Ruſſen und Preußen zum Frie— 
den von Tilſit, T. und 9. Juli 1807. (S. Franzöſiſch⸗ 
sprüche an Krieg von 1806 bis 1807.) 

äbrend des Feldzugs war das Kurfürjtentum 
Sadjen zum Königreih erhoben, Weſtfalen als 
neues Königreich begründet und dem Bruder des 
Kaiſers, Yeröme Bonaparte, zugeteilt, auch das 
Großberzogtum Warſchau und die Republit Danzig 

eibaffen worden. Zwei deutjche SFürftenbäu er, 
Feiien-Cafiel und Braunſchweig, hörten auf zu regier 


1018 


ren. Elf Fürften traten dem Rheinbunde bei, und 
Preußen und Rußland dem Bunde gegen England, 
wodurd das drüdende Kontinentaliyitem,dasNapo: 
leon mit feinem Berliner Dekret vom 21. Nov. 1806 
geihaffen hatte, ganz Europa auferlegt wurde. Na: 
poleon ftand jest auf dem Hohepunlt jeiner Macht, 
wovon der Erfurter ürftenlongreß, den er27. Sept. 
bis 14. Dit. 1808 um fich verfammelte, Zeugnis ab⸗ 
legte. Da er fih durch das Einverjtändnis mit 
Rußland im Dften gefichert ſah, wandteer nun feine 
Aufmerkiamteit der RUN Halbinjel zu. 
Portugal, das mit England in engiter Handeläbe: 
siebung ftand, hatte den Engländern feine Häfen 
nur gezwungen gefchlojien und erhielt die Kontinen- 
talfperre nur ſcheinbar aufrecht, weshalb ein franz. 
Heer ſchon 1807 unter Junot Spanien durcheilen und 
Portugal befegen mußte, während im November die 
regierende Dynaftie nah Brafilien entflob. Ein 
Familienzwiſt zwiſchen dem ſchwachen Karl IV. von 

panien und feinem älteften Sohne, dem Prinzen 
von Aiturien (Ferdinand VIL), verſchaffte Napoleon 
Gelegenbeit, fib unter ver Masle des ſchiedsrichter⸗ 
lichen Freundes aud dort einzumifchen und die ſtrei⸗ 
tenden Parteien zum Verzicht auf die Krone zu ver: 
anlajjen, worauf Joſeph Bonaparte, der König von 
Neapel, im Juni 1808 auf den jpan. Thron erhoben 
wurde, und Murat den von Neapel beitieg. Die 
Spanier begannen indefien, auf Öfterreich und Eng: 
land boffend, einen verzweifelten Kampf um ibre 
nationale Selbjtändigfeit und vertrieben Joſeph 
Bonaparte aus Madrid und Yunot aus Portugal. 
Da eribien Napoleon jelbjt auf vem Kampfiplageund 
untermwarf das Sand in einer Reihe jemehen Siege. 
(S. Franzoſiſch⸗Spaniſch⸗Portugieſiſcher ig Nies 
1807 bis 1814.) Unterdeſſen batte aber Dfter: 
reich im Bunde mit England den günftigen Augen: 
blid wahrgenommen und von neuem die Waffen 

egen %. ergriffen, wurde aber wiederum befient 
ri Franzöfiib:Bfterreihifcher Krieg von 1809) und 
mußte 14. Dft. 1809 den ungünjtigen Frieden zu 
Schönbrunn fließen, der unter anderm F. die illgr. 
Provinzen verſchaffte. Der Kirchenſtaat war ſchon 
17. Mai 1809 von Napoleon für einen Beitandteil 
F.s erflärt worden und ward dann durd ein Se 
natötonfult vom 17. Febr. 1810 förmlih in das 
Staatögebiet F.s einverleibt. 

Durd die — Napoleons mit der Erz⸗ 
herzogin Marie Luiſe 1. April 1810 ſchien die neue 
Dynaſtie in F. volllommen legitimiſiert. Um ſich 
mit äußerm Glanze und treuen Anhängern zu um: 
geben, hatteder Kaiſer ſchon durch den Senatsbeſchluß 
vom 14. Aug. 1806 die Majorate und durch ein Dekret 
dom 1. März 1808 außer der militär, Herzogswürde 
einen Erbadel bergejtellt, der allerdings keine öffent: 
liben Vorrechte hatte und erloſch, fobald ihm ein 
beitimmtes Vermögen fehlte. Nach dem Frieden mit 
Oſterreich wendete der Kaifer feine Aufmerkſamleit 
allen Zweigen der innern Staatöverwaltung zu. Er 
reformierte das Rechtsweſen, für das er ſchon feit 
1801 durch neue Geſetzbücher von hohem Wert ge 
forgt hatte (j. Code Napol&on), durch die Organi- 
jation der Gerichtshöfe, unterjtügte die Induftrie 
und den innern Handel und unternahm Kanal-, 
Straßen: und andere Öffentlihe Bauten. Alle feine 
Beitrebungen richteten ſich jedoch nur auf die mates 
rielle Entfaltung der Nationalträfte; die geiftiaen 
Regungen des Volks dagegen wurden durch Bolizeis 
zwang und militär. Disciplin niedergehalten. Selbft 
die ftaatliben Unterridtäanftalten, deren höchſte, 


| 





n 


Frankreich (Geſchichte 1804—14) 


die Univerſität zu Paris, 17. März 1808 ihr beſon⸗ 
deres Statut bekam, erhielten militär. Form. Die 
kriegeriſch glänzende Kaiſerzeit iſt daher in Litte— 
ratur und Wiſſenſchaft hoͤchſt dürftig vertreten; in 
der Kunſt brachte fie den Klaſſicismus (ſ. d.) zur 
Erſcheinung. 
In dem erbitterten Handelskriege mit England, 
den Napoleon jekt mit verdoppeltem Eifer e, 
ſuchte er ſoviel als möglich von Küſtengebieten un: 
ter ſeine mittelbare oder unmittelbare Herrſchaft zu 
bringen. gg Vertrage zwijhen Holland und J. 
vom 16, än 1810 mußte erftereö ganz Seeland 
mit der Inſel Schoumwen, Brabant und Geldern 
uf dem linten Ufer der Waal abtreten. Als dar 
auf 1. Juli 1810 der König von Holland, Ludwig 
Bonaparte, gedrängt ward, feine Krone nieberzu- 
legen, wurde durd das Dekret vom 9. Juli 1810 
das ganze Königreid Holland mit F. vereinigt. Da 
aber England deſſenungeachtet fortfubr, den Fon: 
tinent auf verfchiedenen Wegen durch Zufubren zu 
verjorgen, fo erflärte Napoleon, daß er die ganje 
Küfte der Nordfee unter jeine Aufficht nehmen müfle, 
und 13. Dez. wurden die Mündungen der Ems, 
Weſer und Elbe nebft den Hanjejtäpten dem fran:. 
Reiche einverleibt. Die 130 Departements des franı. 
Staatölörpers erjtredten fih nun vom Terel bis in 
die Mitte Italiens, von Hamburg bis nad Korfu. 
©. Hiſtoriſche Karten von Europa II, 7.) 
ejonders hatte die Bereinigung Norddeutſchlands 
mit 5. ungeachtet ber — Entſchãdigungen 
große Erbitterung unter den beraubten Fürjten ber: 
vorgerufen, unter denen auch ber Herzog von Olden⸗ 
burg, ein Verwandter des ruſſ. Herrfberbaufes, war. 
Da überdies die Engländer in Göteborg und den 
Häfen der Ditjee einen bedeutenden Handel mit Kor 
lonialwaren nad Rußland betrieben, worüber von 
Paris aus in Stodholm und Beteräburg Beichwerde 
geführt wurde, Rußlands Handeläverfügungen aber 
1810 und 1811 geradezu dem Kontinentalivitem 
widerſprachen, ſchien ein neuer europ. Krieg unver 
meiblih. Während England mit Rußland unter 
bandelte, gewann F. Preußen und Ofterreih für 
ein Bündnis ee und März 1812). Objchon nım 
der Krieg in Spanien noch fortdauerte und nit 
eben mit Glüd geführt wurde, wurde doch der Krien 
von jeiten F.s 22. Juni 1812 an Rußland erklärt. 
Napoleon fiel mit einer Armee von 500000 Mann 
in Rußland ein und bielt 14, Sept. jeinen Einzug in 
Mostau. (S. Ruffiih: Deutih: Franzdfiicer Arien 
von 1812 big 1815.) 
Hier hatte Napoleon gehofit, den Zaren zum Frie 
den pP zwingen, ihn in das Kontinentalſyſtem obne 
Vorbehalt hineinzundtigen und zu einem Landfeld⸗ 
u gegen Britiich: Indien zu beftimmen. Aber 
rander I. weigerte den Frieden, Moslau jelbit 
ging in Flammen auf, und Napoleon war zum Rüd: 
zug zeig, auf dem die Kälte, der Hunger und 
die Waffen der verfolgenden Feinde das große Heer 
bis auf geringfü ige Refte vernichteten. Zwar ge 
lang es dem Railer, in 35. während des Winters 
1812—13 Geld und Leute zu einem neuen Feldzug 
gegen Rußland und die von F. abgefallenen deut⸗ 
ben Großmädhte aufzutreiben; aber auch vieler 
rachte für ihn ichließlih nur Berlufte, und nad der 
entſcheidenden Niederlage bei Leipzig, im Dit. 1813, 
mußte die franz. Armee dem Rhein zueilen. Nape 
leon begann nun im Jan. 1814 einen Feldzug auf 
franz. Boden, in dem er bei aller Erihöpfung feiner 
Mittel die alte Meifteribaft als Felbberr wieder be 


Frankreich (Geſchichte 1814—15) 


mäbrte. Der Friedenskongreß zu Ehätillon (f. d.) 
gab ihm noch einmal Gelegenbeit, feinen Thron zu 
retten. Über die Maßlofigkeit feiner Anſprüche 
machte auch dieje Verhandlungen mare, und die 
Verbündeten fchlofjen endlih 1. März den Allianz 
vertrag von Chaumont, der den definitiven Vors 
marich auf Paris zur Folge hatte. Durch die Schlacht 
bei Baris 30. März zwangen fie die Hauptſtadt zur 
Übergabe. Sugleich wurde der Senat, nachdem er 
2. April die Abjegung Napoleons ausgeſprochen 
batte, mit der provijorischen Staatsregierung und 
der Entwerfung einer neuen Berfafjung beauftragt. 
Napoleon dankte erjt zu Gunſten feines Sohnes, 
dann 6, April, da der Senat Ludwig XVIIL zum 
König ausrief, ohne Bedingung ab und zog ſich 
auf die Inſel Elba zurüd. Der Geſetzgebende Kor— 
per bejtätigte die Maßnahmen des Senats, und 
der Graf von Artois, ald Generalleutnant des 
Reichs, unterzeichnete 23. April die Konvention von 
Paris, die F. auf feine Grenzen von 1792 zurüd: 
führte. Am 3. Mai 1814 bielt Ludwig XVIL. in 
Paris feinen Einzug, nahdem er eine konftitutios 
nelle Regierung zugefagt hatte. 

9) Unter der erften Reftauration (1814 
—15). Daß Ludwig XVII. als König von F. in 
Paris einzog, hatte er weder dem Verlangen der Na: 
tion noch dem Wunſche der Verbündeten, von denen 
nur England für ihn eintrat, fondern den Umftän: 
den und den Bemühungen Einzelner, beſonders des 
Fürften Talleyrand, zu verdanten. Bei diefer Gleich⸗ 
gültigleit der Bevölterung fuchte Ludwig ſich durch 
eine erfaffung zu empfehlen. Sie wurde 4. Juni 
1814 gegeben und enthielt die Örundfäße der gejeb: 
lich beichräntten Monarchie: Gleichheit aller vor dem 
Geſetze, gleihe Berpflihtung zu den Staatälaften, 
‚Freiheit der Perſon, deö Eigentums, der Religion, 
der Preſſe u. ſ. w, wenn auch nicht ohne einfchrän: 
fende Rlaufeln. Der unverleglihe König hatte die 
ausübende Gewalt; er ftand an der Spike der be: 
waffneten Nacht, erklärte Krieg und ſchloß Frieden, 
verlieh die Staatdämter und hatte bie nitiative in 
den Geſetzen. Er konnte die beiden Kammern (der 
Bairs und der Abgeordneten), die mit ihm die Ge: 
jeßgebende Gewalt übten, berufen, vertagen und 
auflöjen; doch mußte er in legterm Falle binnen 
drei Monaten neue Deputiertenwahlen anordnen. 
Die Paird, erblich oder perfönlich, ernannte er. Die 
Deputiertenlammer, bie ſich jährlich zu einem Fünf: 
teil erneuerte, ging aus Wabhltollegien hervor; der 
König ernannte die Bräfiventen der Wabhllollegien 
und wählte den Präjidenten der Kammer aus Fünf 
dafür vorgeſchlagenen Deputierten. * Depu⸗ 
tierte mußte 40 J. alt ſein und 1000 Frs. direlter 
Steuern zahlen; der Cenſus der Wähler wurde auf 
300 Irs. beſtimmt, ihr Alter auf 30 J. fiber: 
dies erklärte die Charte Verantwortlichleit der Mi⸗ 
nifter, Unverleglichleit der Richter, Beibehaltun 
der Jury, Freiheit ver Abjtimmung u. ſ. w., nur lie 
fie dem fönigl. Willen einen breiten Spielraum in 
Artilel 14 übrig, der der Regierung das Recht der 
Berordnung einräumte, wenn die Sicherheit deö 
Staates dies erbeifchte. Am 13. Mai 1814 ernannte 
der vom Herzog von Blacas geleitete König das 
Staatäminifterium, beftehend aus dem Kanzler 
d’Ambray, dem Minifter des Auswärtigen Talley: 
ranb, dem des Innern Abbe Montesquiou, dem 
Ainanzminifter Baron Louis u. |. m. Bei der Ein: 
richtung des Hofftaates trat der alte Adel in jeine 
perjönlihen Rechte wieder ein; auch wurden bie 


1019 


alten Orden bergeftellt. Der mit den Verbündeten 
30. Mai 1814 abaefchlofjene dee) Pariſer Friede 
(f. d.) befchräntte F. auf die Grenzen vom 1. San. 
1792; doch behielt ed Avignon und Benaiffin und 
erhielt von England faft alle Kolonien zurüd. Die 
Charte hatte auch die —— von der Grundſteuer 
und andern drückenden Laſten verheißen; allein die 
Regierungsbedürfnifie und die ſehr bedeutenden Be: 
willigungen an Emigranten und berabgelommene 
Privilegierte machten die Beibehaltung aller mög: 
lihen Finanzmittel nötig, was große Mißſtimmung 
erregte. Noch tiefere Mivergnügen veranlaßte aber 
bie allgemeine Reaktion, die im polit. Leben ſogleich 
eintrat, als die notwendigften Anorbnungen ge 
troffen waren. Man führte die Cenſur ein, debnte 
die Volizeigewalt aus und verlekte bie Gerichte, 
verfolgte die Anhänger des Raifers und die Nepus 
blifaner und erregte Zweifel über das Eigentums» 
reht auf erworbene Nationalgüter. Am meijten 
fühlte fi die Armee verlegt, als fie ihre Cadres 
aufgelöft, ihren Ruhm verfpottet, ihren Sold vers 
mindert und ihre Ehrenzeichen vertauſcht ſah. 

10) Während der Hundert Tage (1815). 
Während diefer allgemeinen Mißſtimmung verbrei« 
tete fich die Nachricht von der Nüdtehr Napoleons. 
Er landete 1. März 1815 in Cannes, und das Heer 
wendete fich ihm I a mit ——— Am 
19. März floh der König von Paris nach Gent, und 
am 20. abends kehrte der Kaiſer ohne Schwertſtreich 
in die Hauptftadt zurüd. Napoleon hob jogleich die 
Kammern und die meiften lönigl, Verordnungen auf 
und ernannte ein neues Minijterium. Um ſich mit 
den Liberalen abzufinden, gewann er Gonjtant de 
Rebecque, über; ren das ———— 
und erließ 22 fin il eine Aoditionalafte (f. d.) zu 
der Verfaflung von 1804, die vor einer Champ de 
mai — Verſammlung von Vertretern aller 
Wahlbezirle und Mitgliedern der Armee und 
Marine 1. Juni 1815 auf dem Marsfelde feier: 
lih beſchworen wurde. Dieſelbe ließ die beiden 
Kammern der Charte befteben, gewährte Kultus: 
und Preßfreiheit, Geſchworenengerichte, Unantajt- 
barleit de3 erworbenen Grundbefiges, Petitions⸗ 
recht, —— der Richter und Miniſterver⸗ 
antwortlichleit. Aber der Erfolg blieb aus, und 
dazu drohte der Krieg von ganz Europa. Sobald 
die Nachricht von der Landung Napoleons auf dem 
Kongreß in Wien anlangte, wurbe er als der Störer 
des Weltfriedens geächtet, und 25. März fchlofjen 
Oſterreich, Rußland, Preußen und er einen 
neuen Allianztraftat, in dem fich jede dieſer Mächte 
ur Stellung von 150000 Mann verpflichtete, 

apoleon brah Mitte Juni aegen die Heere ber 
Verbündeten auf, die von Ditende aus bis nah 

talien eine große Kette um die franz. Grenze zu 
ilden begannen. Der Anfang des Kampfes war 
B Napoleon günftig; allein am 18. wurde er bei 
aterloo von den Engländern und Preußen gänzlich 
eihlagen. Er eilte nach Bari und verlangte neue 
fer von der Kammer, die aber nicht3 bemilligte, 
—— unter Drohungen ſeine Abdankung forderte. 
ls hierauf die Verbundeten ohne Widerſtand gegen 
ade vordrangen, legte er 22. Juni die Krone zu 
unften feines Sohnes nieder. Nachdem 3. Juli 
Blücer und Wellington mit dem Marſchall Davout 
eine Militärtonvention abgeſchloſſen, kraft ver ſich 
die franz. Armee binter die Loire zurüdziehen 
mußte, rüdten die Verbündeten am 7. wieder in 
Paris ein. (S. Ruſſiſch⸗Deutſch⸗Franzöſiſcher Krieg 


1020 


von 1812 bi81815.) Am 8. erſchien Ludwig XVIIL 
unter engl. Schuß, um von dem Throne aufs neue 
Befis zu nehmen. Cine neue Deputiertenlammer 
wurde jogleid einberufen und gegen die ng 
Napoleons die ba Verfolgung begonnen. Erft 
20.Nov. kam zwiſchen dem König und den Verbün⸗ 
beten ber zweite Bartjer Friede (ſ. d.) zu ftande, worauf 
d. auf die Grenzen von 1790 zurüdgeführt wurde, 
11) Unter der zweiten Rejtauration (1815 
—30). Ludwig XVIIL hatte bei feiner zweiten Ans 
kunft zu Paris der Proviforifhen Regierung eine 
liberale Politit und eine allgemeine Amnejtie ver: 
proden; allein jeine Umgebung ließ ihn dieſe Zu: 
age nicht halten. Am 24. Juli 1815 erſchien eine 
rbonnanz, die 19 zu Napoleon übergegangene Ge: 
ncrale vor ein Kriegsgericht, 39 andere unter poli— 
zeilihe Aufjicht ftellte. Marſchall Ney wurde, von 
den Pairs verurteilt, 7. Dez. erſchoſſen. Eine zweite 
Ordonnanz ſchloß 29 Mitglieder der Pairslammer 
aus. Die 7. Dit. eröffnete Deputiertenlammer war, 
da die Wahlen unter dem Eindrude diefer Maß: 
regeln vor ji gegangen waren, mit den fanatijc: 
ſten Royaliften an lt. jo daß fogar der König 
mehrere ihrer Beiolüffe verwerfen mußte. Beide 
Kammern verſchärften das von der Regierung eins 
gebrachte Amneftiegejeh vom 6. Yan. 1816 dahin, 
dab wie, die für ven Tod Ludwigs XVI. geftimmt 
oder während der Hundert Tage Umter angenom: 
men bätten, sl ewig aus F. verbannt fein jollten. 
Die Folgen diejer und ähnlicher Maßregeln zeigten 
fih bald in den Unruben und Blutfcenen in den 
Städten des Südens. Die royaliftiih Gefinnten, 
die jog. Verdets, erlaubten ſich blutige Ausjchrei: 
tungen in Marjeille und Nimes, Toulouje und 
Avignon, wo die Proteftanten ald Anhänger des 
Kaiſers ermordet wurden (Terreur blanche). Die 
Angriffe der royaliftifchen Ultras in beiden Kam: 
mern auf die von Nichelieu und Decazes geleitete 
gemäßi te Mebrbeit des Minifteriums führten end: 
ih 5 Ei. 1816 zur Auflöjung der Deputierten- 
fammer. Die Liberalen der neuen gemäßigtern 
Kammern erlangten ein Wahlgeſetz vom 5. Febr. 
1817, das direlte Wahlen in der Departemental: 
hauptſtadt vorfchrieb und damit den Einfluß der 
royaliftiihen Großgrundbejiger bejeitigte, fonnten 
aber die Aufhebung der unfonftitutionellen Aus: 
nabhmegejege nicht durdiegen. Die Unruben in 
Grenoble und in yon und eine im Juli 1818 ent- 
dedte Verjhmörung der Ultras zum Umfturze der 
Verfaſſung brachten eine wirklihe Annäherung des 
Miniftertums an die Liberalen und Patrioten zu 
tande. Auf dem ge Kongreß (f.d.) bewirkte die 
um bei den Verbündeten den Beſchluß vom 
Olt. 1818, der F. noch im Laufe des Jahres von 
fämtlichen fremden Truppen befreite. Am 12. Nov. 
1818trat dann aud F. dem Friedensbunde dereurop. 
Hauptmädhte bei. Der Herzog von Richelieu hatte je- 
doc durch feine Verhandlungen zu Aachen, durch die 
Verweigerung einer weitern Entwidlung des fon: 
ftitutionellen Syftems im Minifterium Spaltung 
und bei den Liberalen der Kammer, die fich bei jeder 
neuen Teilwahl verjtärlten, Unzufriedenheit bers 
vorgerufen, jo daß er mit feinen Anhängern im De 
jember das Amt niederlegen mußte. Der König 
ernannte 28. Dez. ein neues Minifterium, worin 
der Marquis Dejjolles den Vorſitz führte. Diejes 
liberale Minifterium unterlag jedoch bald den Ultras 
beider Barteien. Am 19. Nov. 1819 wurde Decazes 
erſter Minifter, und fir Dejjolles, Saint-Cyr und 


* 


Frankreich (Geichichte 1815—30) 


Louis traten Basquier, Latour-Maubourg und Roy 
ein. Der gemäßigte Ropalismus, den das neue 
Minifterium vertrat, zog ihm ſogleich den beftigiten 
Widerſtand der äußeriten Rechten und Linten in der 
Kammer zu. Inder That hatten fih auch alle libera: 
len Männer über die Handhabung der Gejese und 
bie ſchreiendſten Berlegungen der Charte zu befla- 
gen. Erft 9. Juni 1819 war die Breßfreibeit wieder 
eingeführt worden, und dennoch dauerten die Eenjur 
und die Berfolgungen gegen die Schriftfteller fort. 
Um das Zujtrömen radifaler Elemente in die Kam: 
mer zu bindern, fuchte dad Minifterium Decazes 
durch ein neues Wahl * der Grundariſtokratie 
wieder überwiegenden Einfluß auf die Wablen zu 
verſchaffen. Gerade über diefes neue Wablgeies 
entbrannten in der Kammer bie beftigjten Partei: 
tämpfe. Die Bartei der Gemäßigten ſchien die Mebr: 
jehl zu bilden, als die Ermordung des Herzogs von 

erry 13. Febr. 1820 erfolgte und den Ultras vie 
Oberhand verſchaffte. Nun lenkte fi die ganze Wut 
ber Royaliften auf Decazes, defien Mäßigung als 
die Urſache jener Frevelthat bezeichnet wurde. Der 
Minifter dankte 18. Febr. 1820 ab. An feine Stelle 
trat als Präſident des Minijterratö zum zweiten: 
mal der Herzog von Nicelieu, und Pr Simeen 
wurde Miniſter des Innern. Unter beftigitem 
MWiderftande ward nun ein Ausnabmegeiek (vom 
26. März 1820) angenommen, mwonad jeder des 
Hochverrats Verdächtige auf Befebl dreier Minifter 
— werben lonnte und ſpäteſtens erſt nad 
3 Monaten vor Gericht geſtellt zu werben brauchte. 
Heftiger noch entbrannte der —— über ein 
zweites Ausnabmegejeh, wodurch die Genjur wieder 
eingeführt wurde, Die Annahme dieſes Geſeßes, 
das, wie das erſte, nur bis zu Ende der | yo von 
1820 gelten follte, brachte eine gänzlide VBerände: 
rung in ber Prefie hervor. Durch das neue Wahl 
geies vom 29. Juni 1820 wurde die Zahl der Depu: 
tierten von 258 auf 430 vermehrt; die großen Güter: 
befiger erbielten mit 172 Mandaten einen überwie 
genden Einfluß und beftimmten die Mebrbeit. Die 
erite Folge dieſes Geſeßes war, daß ſchon 1820 un: 
ter 220 neu erwäblten Deputierten nur 30 Liberale 
fi befanden. Das — — Re 
——— hatte über den bürgerlichen Libera⸗ 
ismus gejiegt, und die ultraroyaliftiihe Partei 
drängte immer mehr nad rechts. Cs half der He 
gierung nichts, da P die Wortfübrer der rechten 

eite, Villöle und Gorbiere, zu Unteritaatsjetre 
tären mit Stimmredt ernannte, denn noch kurz vor 
dem Schlujle ver Kammern gaben beide ihre Ent: 
lafjung, um an der Spike der Ultras das Minis 
fterium deſto —— angreifen zu lönnen. So 
mußte das Kabinett —— 17. Dez. 1821 feine 
Entlafjung einreiben. Das neue (ſechſte) Mini⸗ 
fterium, deſſen Seele der Finanzminiſter Billdle 
war, wurde aus den ftrengften Royalijten gewäblt. 
Der Miniſterwechſel, der die Entlafjung der libe 
ralen Beamten und die Überlaſſung des gejam- 
ten Unterrichtsweſens an den Klerus zur Folge 
hatte, verurjachte große Aufregung nit nur um 
ter der liberalen Partei, jondern auch im Heere. 
Man entdedte am Ende bes J. 1821 in der Kriegs: 
ihule zu Saumur eine Verſchwörung zu Guniten 
des jungen Napoleon und 1822 mehrere gleichzeitige 
Anichläge zum Aufftande der —— von Bel⸗ 
fort, Saumur, Neubreiſach und = Auch in 
Grenoble, Bordeaur, Rennes, La Rodelle und 
Nantes gab es Unruben. 


Frankreich (Geſchichte 1815—30) 


Sehr ſtürmiſch verlief die Kammerſeſſion des 
J. 1823, die der König 28. Yan, mit einer Rede 
eröffnete, in der er den Marſch von 100000 Fran: 
ojen gegen Spanien antünbdigte, um dort bie abfo- 
* alt wiederherzuſtellen. Bei Beratung der 
Kreditvorlage von 100 Mill. Frs. ſprach ſich der 
Abgeordnete Manuel in heftigſter Weiſe gegen den 
Krieg aus und wurde, als er unter anderm auf 
die Hinrichtung Ludwigs XVI. hinwies, von den 
Ultraroyaliſten mit Gewalt aus der Kammer ent: 
fernt, worauf die Linke bis auf einige Mitglieder 
austrat und das Gejek angenommen wurde, Das 
franz. Heer unter dem Derzon von Angouleme hatte 
ihon 7. April die Bidafjoa überſchritten und machte 
1.D8t. in Cadiz der Herrichaft der jpan. Konſtitution 
und der Cortes ein Ende. (S. Spanien.) 

Um vie Liberalen vollends zu verbrängen und 
andererjeitö fih vor den Ultras zu fchü löſte 
Villele die Kammer 24. Dez. 1823 auf. Dur 
rüdjihtälofe Wablbeherrihung erreichte er feinen 
Zwed. Die Anzahl der liberalen Mitglieder betrug, 
als 23. März 1824 das neue Parlament zufammen: 
trat, nur noch etwa 17. Aber auch die Reihen der 
ertremen Realtionäre waren gelichtet. Die Charte 
war gerettet, aber Villele hielt doch für gut, fie 
etwas in reaftionärem Sinne zuzuftugen. Als ihm 
die neuen Deputierten einen Nachtragskredit von 
107 Mill. für den fpan. Krieg anſtandslos zuge: 
ftanden batten, wünjchte er eine jo willfährige Kam: 
mer möglicjt lange eifammen zu haben, und ſetzte 
23. März 1824 durd, daß fämtlihe Mitglieder der 
Kammer auf 7 Jahre (Septennalität) gewählt und 
nah deren Verlauf die ganze Kammer erneuert 
werben follte. Nicht lange darauf, 16. Sept. 1824, 
ftarb Ludwig XVILL 

Sein Bruder, der Graf von Artois, beftieg ala 
Karl X.den franz. Thron. Er erließ eine Amneitie 
für polit. Verbrecher und bob fogar 29. Sept. die 
Cenſur der Zeitungen auf. Bald aber trat die Ne 
gierung, in der ſich Villdle durch die Huge Leitung 
de3 Staatöbaushalt3 bebauptete, mit ebenfoviel 
Zugeitänpnifjen an die Adels: und Priefterpartei 
bervor. Da der König die Abficht hatte, die Majo- 
rate wieder einzuführen, wurde ein Geſetz einge 
bradt, das vem Monarden das Recht einräumte, 
Frauentlöfter und Kongregationen im Verordnungs⸗ 
wege zu jtiften. Ein zweites Geſeß bedrohte den 
Kirchenfrevel mit den ſchwerſten Strafen. Ein drit- 
tes jollte ven Emigranten für ihre zum Vorteil des 
Staates verfauften Güter die Summe von 1000 
Mil. Frs. in Renten (le milliard des &migrants) 
gewähren, deren Verteilung in die Hände des Königs 

elegt wurde. Alle diefe Gefeke, und audy das 
Rentenrebultionägejeh, gingen durch. 167 Generale 
des Kaiſerreichs wurden in Ruheſtand verjekt, die 
Krönung in Reims, 29. Mai 1825, mit mittel: 
alterlihbem Prunk vollgogen und den jejuitifchen 
Zeloten die wichtigſten Stellen anvertraut. Die 
gebildeten Elemente der Ration zogen ſich in eine 
geſchloſſene Oppofition zurüd. Im Sommer 1827 
traten, da der Bei von Algier, Huflein Baia, 
die Genugtbuung wegen Beleidigung des franz. 
Konſuls verweigerte, Feinpjeligteiten mit dieſem 
Barbaresfenjtaate ein. (S. Alaerien, Geſchichte.) 
Zu Gunften der Griechen ſchloß F. mit England 
und Rußland 6. Juli 1827 den Londoner Pacifi— 
tationsvertrag. Da die Kammer ſich ſchließlich doch 
nicht mebr zur unbedingten Dienerin eines ſolchen 
Minifteriums hergeben wollte, die Bairs ein Geſetz 


1021 


über Unterbrüdung von Preßvergehen 1827 ab» 
lehnten, die Nationalgarde bei der Mufterung vom 
27. April desjelben Jahres «Nieder mit den Mini: 
tern! Nieder mit den Sejuiten!» af 6 löjte 

illele die Nationalgarde auf, führte auf 6 Monate 
die Genfur wieder ein, ließ in die um Phi Pairs⸗ 
kammer 76 neue Pairs ernennen, | idte die De 
——— nach Hauſe und ſchrieb Neuwahlen aus. 

ber die Unpopularität des Miniſteriums war im 
ganzen Lande jo groß, daß troß aller erg ve 
der Regierung bei diejen Neumablen unter 428 Ab: 
geordneten nur 125 Minijterielle fih befanden. Am 
4. San. 1828 mußte das Minifterium Billdle ab: 
danten und einem neuen Kabinett, an deſſen Spipe 
der Vicomte Martignac ftand, Plag machen. Als 
Praltiker dem doltrinären Liberalismus abgeneigt, 
mußte biefer Pe dem König und der Kammer 
eine vermittelnde Stellung einzunehmen. Es er 
folgte die Räumung Spaniens; der Jeſuitenorden 
und feine Schulen wurden dur eine vom Bapite 
— Ordonnanz vom 16. Juni 1828 auf: 
geböben; Morea wurde durd ein franz. Heer von 
den türf. Iruppen befreit; ein neues Prefgefes 
[Wafite die eg eſſe und ein anderes die Miß⸗ 

räuche bei ven Wahlen ab. Bei der Distuffion 
des Budgets für 1830 brachen Ai beitige Klagen 
über die Finanzmaßregeln des Minifteriumsd, den 
Drud der Abgaben, die Berlufte in Spanien 
aus, daß der König 8, Aug. 1829 das Minifterium 
Martignac entließ und ein neues Kabinett ernannte, 
das nun ganz der ultraroyaliftiihen Richtung an» 
— Fürft Polignac, ein ertlärter Feind ber 

barte und aller liberalen Principien, trat als 
Minifter des Auswärtigen an dejjen Spike. Cours 
voifier wurde Grofjiegelbewahrer, Graf Bourmont 
Kriegäminifter und der fanatiſche Royaliſt Graf de 
Labourdonnaye erhielt das innere. 

Die Ernennung diejes Minifteriums, das das 
tönigl. Wort «feine Zugeſtändniſſe mehr!» zu 
feinem Programm machte, erſchien den Liberalen 
als eine offene Kriegserllärung. Die Preſſe wagte 
die beftigiten Angriffe; im ganzen Lande bildeten 
ſich geheime Gefellfhaften: man fprad ſchon von 
Steuerverweigerung und bildete Bereine zur Schad⸗ 
loshaltung derer, die wegen —— Weigerung ver⸗ 
urteilt würden. Polignac war überzeugt, daß er die 
öffentlibe Meinung nicht für fich babe; er fuchte fich 
deshalb durch öffentliche Bauten und gemeinnüßige 
Pläne, aub durch die Erpedition nah Algerien 
(j. d., — beliebt zu machen. Zugleich aber 
begann er eine heftige Verfolgung der Preſſe. Die 
Aufbebung der Eharte, die er wunſchte, war un: 
erreichbar, möglich jedoch vielleicht ihre Siftierung. 
Am 2. März 1830 äußerte der König in feiner Thron: 
rede: die Charte habe die öffentlichen Freiheiten 
unter die Obbut der Rechte feiner Krone geitellt; es 
fei feine Pflicht, diefe Rechte jeinen ——— 
unangetaſtet zu hinterlaſſen. Sollten fträffiche m: 
triebe feiner Regierung Hindernifje ermeden, fo 
werde er fie zu befiegen willen. Dagegen ertlärte 
ihm die Deputiertenfammer in der von Gautier 
verfaßten und von 221 Deputierten genehmigten 
Adreſſe: daß die libereinitimmung der polit. Ab: 
fihten feiner Regierung mit den Wünfcen feines 
Volks nicht vorhanden jei. Sofort vertagte ber 
König beide Kammern. Am 16. Mai löſte er die 
Deputiertentammeraufund orbneteneueWablen an. 

Obſchon nun Karl in einer Prollamation vom 
13. Juni 1880 an die Nation und die Wähler er- 


1022 


tlärte, daß er die Charte aufrecht pn werde, fo 
fielen die Wahlen doch größtenteild im Sinne der 
Dppofition aus: leßtere erhielt 272 Stimmen, die 
Regierung nur 145. Nun beſchloß der König mit 
Gewalt vorzugehen. Er unterzeichnete auf Grund 
des Artikels 14 der Ebarte, der lautete: «Le roi 
fait les röglements et ordonnances nöcessaires 
pour l’ex&cution des lois et la süret& de l’Etat», 
die verbängnisvollen fünf Verordnungen (Drbon: 
nanzen), durch welche die Freiheit der periodiſchen 
Preſſe ſuſpendiert, ein neues Wahlſyſtem angeord⸗ 
net, die Zahl der Abgeordneten von 430 auf 262 
berabgejegt, die zum 3. Aug. bereitö einberufene 
Kammer oh, die neu zu wählende auf den 
September einberufen und die Staatäratftellen mit 
Ultramontanen und Ultraroyaliften beſetzt wurden. 
Zugleih erhielt Marſchall Marmont das Kom: 
mando über die Militärbivifion zu Paris mit dem 
Auftrag, alle Anftalten zu treffen, um die Rechte 
der Krone und die Rube aufrecht zu erhalten. 

12) Die Julirevolution und die Regie: 
rung Ludwig Philipps (1830—48). Als am 
26. Juli die Drbonnangen im «Moniteur» erſchie⸗ 
en, geriet die Hauptitadt in die heftigite Aufregung. 
Vollkshaufen bildeten ſich allerfeits, die unaufbörlic 
die Charte leben ließen, aber von Gendarmen gemalt: 
am zerjtreut wurden. Noch desjelben Tags wider: 
prachen der «Temps» und der «National» einer 
ſolchen Auslegung jenes Artitel3 der Charte, und 
44 Schriftiteller, die 11 liberale Zeitungen ver: 
traten, unterzeichneten gegen die Ordonnanzen eine 
von Tbiers, dem Redacteur des «National», ver: 
faßte Proteftation. Als hierauf Polizeidiener die 
Drudereien der liberalen Blätter bejegten, riefen 
die Eigentümer ven Schuß des Geſetzes an, und der 
Handelsgerichtshof erklärte, daß die Journaliſten 
bis zur gerichtlichen Entſcheidung an ber Fortſetzung 
ibrer Blätter nicht gebindert werden könnten. Als 
27. Juli die Zeitungen den Proteft veröffentlichten, 
begannen die VBoltsbaufen die königl. Wappen zu 
jerihlagen, die Maffenmagazine zu erbrechen, und 
die Wut fteigerte ſich reißend, als die königl. Garde 
per am Palais⸗Royal die Mafien durch Gewehr: 
euer zu zerftreuen fuchte. In der folgenden Nacht 
bildeten radikal-demokratiſche Abgeordnete Auf: 
ſtandskomitees und organifierten die Rebellion, 
deren militär. Leitung inägebeim Lafayette über: 
nahm. Am 28. Juli begaben fih mit Ausnahme 
Polignac der Hof und die Minifter zum Könige 
nad St. Cloud, und Baris wurde in Belagerung» 
uftand erklärt. Das Volt errichtete zahlreiche 

arrifaden, 18000 Bürger griffen zu den Waffen, 
und es entipann ſich in den Straßen ein regellojer 
und blutiger Kampf gegen die viel zu geringen 
Streitfräfte Marmonts. Schon am 28. geriet der 
Mariball durch Abfall der Truppen und Mangel 
an Lebenämitteln in die bebrängtefte Lage. Nah 
vergeblihen Vermittelungsverſuchen entbrannte der 
Kampf am 29. aufö neue, und Marmont ſah ſich ge: 
nötigt, die Truppen gegen Abend aus der Haupt⸗ 
ftabt herauszuziehen. Nun erjt entſchloß fib Karl X., 
Bolignac zu entlaflen und die Ordonnanzen zurück⸗ 
zunebmen; aber es war zu fpät. Im Paufe bes 
Tags batte ſich eine provijorifhe Regierung: 
bebörde, beſtehend aus Lafayette, dem Herzoge von 
Ghoifeul und dem General Gerard, ſowie ein 
Municipalausfhuß Bi: Paris aus den angejeben: 
jten Männern, wie Laffitte, Caſimir Perier u. a., 
aebildet, die auf dem Stadthauſe die Abjegung 


Frankreich (Geichichte 1830—48) 


Karla X. ausfprahen. Bei Laffitte vereinigten fib 
die anmwefenden Pairs und Deputierten und be 
—— dem Herzoge Ludwig Philipp von Orleans 
als Generalleutnant des Reichs die Regierung zu 
übertragen. Diejer erſchien 30. Juli in Baris, trat 
in ürde an und ernannte ein proviſoriſches 
iniftertum. Als Karl X. alles verloren ſah, reifte 
er am Morgen des 31. nad Rambouillet ab, be 
Ba bier 2. Aug. in einem Briefe an den Herioa 
von Orleans denjelben ald Reichsverweſer und ent: 
fagte der Krone zu Gunſten feines els, dei 
Grafen Ebambord, unter der Bedingung, dah le} 
terer ſogleich als Heinrih V. ausgerufen werde. 
Für die ältere Linie Bourbon war indes ber 
Thron von F. verloren. Unter dem Einflufie La— 
fayettes und Laffittes beiclofien 3. Aug. die in 
Paris zufammentretenden Kammermitgliever (an 
250), dem Herzog von Orleans die Krone anzu: 
bieten. Ein mit republitanifhen Formen umaebe 
nes Rönigtum follte die neuerrungene Vollsſouve⸗ 
ränität befeitigen, und ber Herzog von Orleans 
ſchien für dieſen bürgerlihen Thron am mwürdigiten. 
Der Deputierte Berard erbielt den Auftrag, die 
Charte nah dem Princip der Boltsfouveränität 
umgugejtalten, was jedoch Guizot und der Herzog 
von Orleans zum Teil zu verhindern mußten. Beide 
batten ſich ſchon vereinigt, die Monardie jo wenig 
ala möglich zu ſchwaächen und durd die Politik der 
rechten Mitte (juste milieu) die ertremen Parteien 
vom Einfluffe auf die Ereignifie abzubalten. Der 
reformierte Entwurf der Ebarte wurde 7. Aug. in 
der Deputiertentlammer mit 219 Stimmen gegen 
83 und unter 114 Pairs von 89 angenommen, | 
ihr wurde der Grundjag der Bollsjoumeränität 
ausgeſprochen, die Cenſur für immer abgeſchafft 
und die Jnitiative der Giengebung aud den beiden 
Kammern verlieben. Der Artitel 14 wurde ae: 
jtriben. Das erforberlihe Alter der Deputierten 
wurde von 40 auf 30 Jahre berabgeieht, das ber 


Mäbler von 30 auf 25; der Genjus blieb eben. 
Andere Nebenartitel betrafen die VBerantwortlichteit 
der Minifter, die Herftellung der Nationalgarve, 


die Unterrichtäfreibeit, die Anwendung der 
auf Preßvergeben u. ſ. w. Am 9. Aug. beſchwot 
der Herzog die neue Berfafjung und beitieg als 
Ludwig Dt I., eg, der ofen, den 
Ibron. Lafayette wurde Übert eblöhaber der 
neuerridhteten Nationalgarde. Die alten Miniiter 
feßte man in Antlageftand, Das proviſoriſche 
inifterium wurde 13. Aug. in ein definitives ver: 
wandelt. Der Herzog von Broglie erbielt die Brä: 
ſidentſchaft und das Minifterium des Unterrichte, 
Guizot das innere. , 

Ludwig Philipp war bemübt, feine fönigl. Auto 
rität von den Feſſeln loszumachen, bie eine fieg- 
reihe Demokratie ibm anzulegen ftrebte, und ib 
ala den legalen Nachfolger der vertriebenen Bour- 
bonen — m aber Popularität zu ae 
mwinnen, durfte er vorerft mit den fentanten 
emäßigten Demotratie des Mitteljtandes nicht 

Er ließ daber feine Minifter Guizot unt 
tausſcheiden, und bad neue Minifterium vom 
2.Nov. 1830 enthielt unter Laffittes Praſidentſchaft 
auch Repräfentanten der revo ren Überlieie 
rung. Das Minifterium erhielt nad außen den be 
waftneten Frieden aufrecht. Entſprach dieſe Bolitit 
den Anfihten und Wüunſchen eines Teild der Nati 
nicht, fo galt andererjeitö der von der Hammer be 
ihloffene Wahlcenfus der republitanifchen Partei 


ber 
bre 
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Frankreich (Geichichte 1830—48) 


als eine ausſchließliche Begunſtigung der beſihenden 
Bourgeoifie und erregte Unmillen. elbe äußerte 
jih in dem Prozeß der Minifter Karla X., deren 
Tod gefordert ward, durch unrubige Auftritte und 
in den milden Exceſſen vom 15. Febr. 1831, die 
durb eine Demonjtration der Legitimiften, d. h. 
der Anhänger der ältern Bourbonenlinie, hervor: 
erufen waren, Aber in allen dieſen Krifen wußte 
udwig Philipp feine Gewalt zu befeitigen und 
ie an dem Juste milieu der Kammer und einem 
Zeile der Bejikenden eine Macht zu ſchaffen, die 
e3 ibm möglihd machte, fortan der Unterjtüßung 
dur die Träger der AYulirevolution zu entraten. 
Laffitte, der ſich in der Frage der Intervention zu 
Gunjten der —— in Italien von dem 
Konig getäuſcht ſah, gab ſeine Entlaſſung. Das 
neue Miniſterium vom 13. März 1881 erhielt ſein 
Haupt in Cafimir Perier, dem das Innere zufiel. 

Die Feindihaft der Demokratie gegen die neue 
Regierung kam im Nov. 1831 zum vollen Durchbruch 
in dem Aufftand zu Lyon (f. d.); bald a zu fi 
auch republitanifhe Verbindungen, deren Tendenz 
auf den Umſturz des neuen Klönigtums gerichtet 
war. Das Veichenbegängnis des Generald Las 
marque,5. Juni 1832, ward von den Republifanern 
zu einer blutigen Schilderhebung benust, die aber mit 
ibrer Niederlage endete. Und auch die Legitimiften 
bielten ihre Zeit für jhon gelommen. Bereit3 im 
„ar. 1832 war eine von Ihnen angeftiftete Ver: 
ſchwörung entdedt worden. Pi at juchte die 
Herzogin von Berry einen Aufſtand in der Vendée 
bervorzurufen, der raſch unterbrüdt wurde und die 
Gefangennabme der Herzogin zur Folge hatte. Da 
ftarb Verier an der Cholera, und 11. Dit. 1832 
wurde ein Roalitionäminifterium gebildet, worin 
Eoult den Vorfik übernahm. Im Grunde wollte 
der König durd die Aufnahme der parlamentari- 
ihen Führer in das Minifterium nur feinen Ans 

ang in den Kammern verftärten. Aber die Bartei- 
erbitterung war dadurch nicht befhmwichtigt. Vers 
eine mit republifanifcher Tendenz, an deren Spitze 
der ältere Cavaignac und Marrajt ih damals zus 
erjt bemerkbar machten, zeigten, daß die Feinde der 
neuen Regierung unermüdlich auf deren Umſturz 
bedacht waren. Won gab das Signal zum blutigen 
Aufftand (9. April 1834), dem wenige Tage jpäter, 
13. April, eine Empörung in Paris folgte. 

Unter diejen Umjtänden war ein Zufammens 
wirfen aller erhaltenden Faltoren dringend nötig. 
Ein ſolches bejtand zwar zwiſchen der Kammer— 
mehrbeit und dem Minifterium, worin Broglie, 
Guizot und Thiers dominierten; aber der König, 
eiferjüchtig auf dieſes, intrigierte gegen feine eige⸗ 
nen Räte. Dies erzeugte eine er erbeit in der 
Regierung, die zu häufigen Krifen führte. Im Juli 
nahm Soult feinen Rüdtritt und erhielt in Gerard 
einen Nachfolger. Schon im Dftober jhied auch dieſer 
und mit ihm der größte Teil des Minifteriums aus, 
Diefem folgte, nad einem viertägigen Minifterium 
unter Maret, wieder (18. Nov.) ein vorwiegend dot: 
trinäres unter Marihall Mortier8 Vorfik, worin 
Guizot, Thierd und Duchatel die wichtigiten Stel: 
len einnahmen. Schon 20. Febr. 1835 nahm aud 
Mortier feine Entlaffung, und 12. März fam dann 
unter Broglies Borjig die MWiederberftellung des 
alten Rabinett3 vom 11. Dit. 1832 zu jtande. 

Bei einer Heerſchau, die der König 28. Juli 1835 
bielt, madte ber Core Fieschi (f. d.) mittels einer 
Höllenmafdhine ein Attentat auf den König, das 


1023 


18 Berfonen tötete, ihn ſelbſt nur leicht verlegte; die 
rabitale Bartei war dabei nit ohne einige mora: 
or Mitihuld. Die Regierung glaubte den Augen: 
blid zur Durhbringung von drei Geſetzen günitig, 
die dem Treiben jener Einhalt thun follten: einẽ 
mar gegen die Preſſe gerichtet, ein zweites be 
jtimmte, daß die Gefchworenen — on mit ein⸗ 
—5*— Majorität —— der bisherigen Zweidrittel⸗ 
mebrbeit jchuldig ſprechen könnten, und ein drittes 
ermweiterte die Berbängung der Strafe in contuma- 
ciam reg ia olge war nur, daß ſich 
die radikale Oppoſition in das Duntel zahlloſer 
Geheimbunde —A mäbrend die ———— 
Mehrheit zerfiel. Ein Konflilt mit der Kammer über 
die Rentenlonverſion brachte das Kabinett zu Fall. 
Es ward 22. Febr. 1836 durch ein Miniſterium 
aus der dem linken Centrum zugeneigten Fraltion 
(Tiers-parti, ſ. d.) erſetzt, in dem Thiers den Vorſitz 
und die auswärtigen Angelegenheiten übernahm. 
Das neue Minifterium ſuchte namentlih nad 
außen eine Politik durchzuführen, die den franz. 
Neigungen mebr entſprach; bejonders wollte Thiers 
den König zum Eingreifen gegen die Karliiten 
in Spanien bewegen, aber am Wiver: 
millen desjelben und nahm 25. Aug. 1836 mit jei- 
nen Kollegen feine Entlaffung. Ein neues Mini: 
fterium unter des gefügigen Mole Vorfig ward 
7. Sept. 1836 gebildet, und damit hatte Ludwig 
enblih dad «gouvernement personnel» erreicht. 
Um es in Gunft zu bringen, erließ er eine be 
ſchränkte Amneſtie gegen polit. Gefangene, unter 
anderm gegen die Erminifter Karls X. Am 30. Dt. 
1836 madte Louis Napoleon (f. Napoleon III.) 
in Straßburg einen Verſuch zur Wieberberftellung 
des Kaiſertums. Das Unternehmen mißglüdte je 
doch ebenfo wie das Attentat, das bei der Groß. 
nung der Kammern (27. Dez. 1836) von einem 
Arbeiter Namens Meunier auf den König gemacht 
wurde. MWenn aber das königl. Miniiterrum aud 
biefed Attentat zu neuen Einſchränlungen aus: 
nüßen wollte, jo ging es febl. Die Loi de dis- 
jonction, ein Geſeß, da3 bei Verbrechen, die von 
Militärs und Eivilperjonen zugleich verübt würden, 
die Gerichtäbarfeit für beide trennen wollte, wurde 
famt dem Deporta — gegen ſolche, die um 
ein Komplott gegen den König gewußt und darüber 
82 hätten, von der Kammer verworfen. 

as Miniſterium mußte zum Teil erneuert werden. 
Guizot, Gasparin, Verſil und Duchatel wurden 
dur Montalivet, Salvandy, Lacave⸗Laplagne und 
Bartbe erfest (15. April 1837). In der Hoffnung, 
in einer neuen Kammer mehr Unterftügung zu fin: 
ben, erfolgte die Auflöfung der alten im Dft. 1837. 

Aber die Neumablen verjchafiten der Regierung 
nur eine geringe Majorität, und das Minijterium 
vom 15. April hatte in der zu Ende 1837 eröff: 
neten Seffion einen fchlimmen Stand. Seine 
Gejegvorlagen in betreff der Rentenredultion und 
der Eiſenbahnen wurden verworfen. In der De: 
putiertentammer trat 1838 eine Roalition der 
Doltrinärs, des tiers-parti und der Linken ge: 
ſchloſſen auf und nötigte das Kabinett Mole, tros 
einer neuen ——— die nur eine Ber: 
tärfung der liberalen Bartei zur Folge batte, zum 

üdtritt (8. März 1839). Ein neues Kabinett zu 
— zu bringen, ſchien jent faft, unmöglid. 

an mußte ſich jet 1. April 1839 mit einer pro- 
viforifhen Verwaltung bebelfen, bis 12. Mai 1839 
unter Soults Borfig ein Minifterium gebildet 


1024 


wurde. Diejem folgte aber ſchon 1. März 1840 in: 
folge der Verwerfung eines Geſetzvorſchlags über 
die Dotation des Herzogs von Nemours wieder 
ein neues von Thierd gebildetes Kabinett, aber 
obwohl dieſes überwiegend dem linten Gentrum 
angehörte, blieben doch die Hoffnungen derer uns 
erfüllt, die eine Aufhebung der Septembergeſetze 
von 1885, eine Erweiterung des Wahlrechts und 
ähnliche Konzeffionen erwarteten. Thiers veran- 
ftaltete, mit — der engl. Regierung, 
die Zurüdführung der Überreſte Napoleons von 
St. Helena nah Paris, wo fie 10. Dez. 1840 
im Invalidendom beinejekt wurden. Nad außen 
ſuchte er eine fräftige Bolitit durdauführen. Beim 
Ausbruch der orient. Wirren (ſ. Ügypten und 
Dömanifhes Reich, Geihichte) verwarf er die 
Vergleichsvorſchlage Englands und der deutſchen 
Gropmädte, beſchleunigte dadurch aber nur den 
Abſchluß des Duadrupelvertrags, den bie vier 
Großmaͤchte ohne Zuziehung des franz. Gejandten 
— 15. Juli 1840 in London unterzeichneten. 

i anntmachung desſelben entfeſſelte in F. die 
alten Kriegsgelüſte, in die das Miniſterium durch 
lärmende Ruſtungen, drohende Kundgebungen und 
den Plan einer Befeſtigung von Paris bereitwillig 
einſtimmte. Inmitten dieſer Aufregung ſuchte 
Louis Napoleon ein zweites Komplott auszuführen, 
indem er 6. Aug. mit einigen Anbängern bei Bous 
—* landete und die Soldaten einer Kaſerne ver⸗ 
gel ens zum Abfall zu verführen juchte. (S. Napo: 

n IIL) Er wurde gefangen, von dem Bairshof 
zu lebenslänglicher Haft verurteilt und nah Ham 
gebracht. Inzwiſchen war aber das Kabinett Thiers 
21. Dit. gefallen, weil fih der König dejjen Wün- 
chen, den Yulivertrag der Mächte au verwerfen und 
von den Kammern Mittel zu ausgedehnten Rüſtun⸗ 
gen Mi fordern, verſchloß. Das neue Minifterium, 
29. Olt. 1840 gebildet, ftand wieder unter Soults 
Präfidium und erbielt fi in feinen Hauptperfonen 
(Guizot Auswärtiges und Duchatel inneres) bis 
zum 24. Febr. 1848. Zunädhit jtrebte es die Nüdtehr 
zur Friedenspolititan. Die Kriegsrüftungen wurden 
eingeftellt, Erfparnifje verfucht und nur der Plan, 
Paris zu befeftigen, wieder aufgenommen und auss 
geführt. Das J. 1841 ftellte die alten Beziebungen 
zu den Großmächten wieder ber, da F. der vollende- 
ten Thatſache fich fügte. Diefer Rüdzug erfchien der 
Nation als eine Demütigung; die Autorität der Ne 
gierung ſchwand; das Barteitreiben nahm wieder 
zu. Es entitanden republitaniiche, ſocialiſtiſche und 
tommuniftifche Verbindungen. Zum Unglüd für vie 
Dynaſtie ftarb 13. Juli 1842 der Thronerbe, der 
beliebte Herzog von Orleans, durch einen Sturz aus 
dem Magen ; die age rubte jest auf jeinem 
vierjährigen Sohne, dem Grafen von Paris. 

So nahm die Geltung des Yulitöniatums un: 
verlennbar ab. Der König und jein Minifterium 
hatten zwar die Mebrbeit der Kammer für fich, aber 
dieſe Mebrbeit war ſchließlich nur durch Korruption, 
durch Vergebung von Eiſenbahnen und durch über— 
tragung einträglicher Stellen zu ſtande gekommen 
und ſomit nicht der Ausdrudk des Vollswillens. 
Dazu war die auswärtige Lage F.s verändert; das 
Verhältnis zu England erlitt mebrere Störungen. 
Dies war namentlich in der fpan. Heiratäfrage(1846) 
der Fall, wo Ludwig Philipp, indem er feinen jüng: 
ften Sobn, den Herzog von Montpenfier, mit der 
weiten Tochter der Königin Chriſtine vermäblte, 
der engl. Volitik eine offenbare Niederlage bereitete, 


Frankreich (Geichichte 1848—52) 


Der Berbruß der engl. Regierung, die jest in den 
Händen der Whigs und Palmerſtons lag, gab ſich 
bei verſchiedenen Gelegenbeiten deutlich fund, und 
bie militär. Erfolge, welche 5. in Algerien (f. v., 
Geſchichte) errang, änderten nichts an der Stel: 
Fang der Regierung nad außen oder im Innern. 
ie Gefahr der innern Zuftände wüchs fort 
während, und nur der König und das Minijterrum, 
an deſſen Spitze nach Soults Rüdtritt im Sept. 1847 
Guizot trat, täuſchten fi über diefe Lage. Am 
böchiten ftieg der Unmut in der Bevollerung, als 
1847 eine Reihe ftandalöfer Prozeſſe Die Korruption 
der Regierenden und die fittlihe Zerrüttung ver 
böbern Gejellihaft enthüllten. Der Beitehungs- 
prozeß, der zwei ehemalige Minifter Ludwig Ki 
lipps, den General Eubitres und Teſte, Präfidenten 
des Kaſſationshofs, ald Schuldige entlarvte, fomie 
bie Ermordung der Herzogin von Praslin durch 
ihren Gatten erregten europ. Intereſſe. Eine Menge 
von Eleinern Entbüllungen deuteten auf Käuflichteut 
der höchſten Ratgeber der Krone, auf Stellens und 
Stimmenverlauf, auf groben Mißbrauch der Staatä- 
gelver. Die Frage der Wabhlreform war allmäblid 
die Loſung aller Oppofitionsparteien geworben. 
Überzeugt von der Erfolglofigleit neuer Petitionen 
an bie dem Willen ver — verlaufte Kammer, 
die alle Reformwünſche abgewieſen hatte, griff man 
zu Reformbantetten (f.d.), die, in den verſchiedenen 
Zeilen von F. abgehalten, die öffentlihe Meimung 
in Bewegung ſetzen follten. Sie bildeten die Ein- 
leitung zu einer ummälzenven Bewegung. : 
13) Dieyebruarrevolutionunddiegmeite 
Republit (1848—52). Unter den Gindrüden 
biejer Agitation eröffnete der König 28. Dez. 1847 
die Kammern. Die Thronrede bezeichnete die Re 
formbewegung als eine «Agitation, die durch feind⸗ 
jelige oder blinde Leidenſchaften genäbrt feir, und 
ieß fich fo wenig als die Kammermebrbeit auf eine 
Mablreiorm ein. Daber entſchloß fi die Oppoſition, 
22. Febr. 1848 in Paris felbft ein Reformbantets 
u balten. Am 22. Febr. boten die Straßen von 
Baris ein beivegtes Bild, Banden durchzogen mit 
dem Rufe «Es lebe die Neform!» die Stadt, und die 
Nationalgarde ſchloß fib ihnen an. Letzterer Im: 
ftand madte Einvrud auf den König. Er entlieh 
am Tage darauf Guizot und beauftragte Mole, ein 
neues Minifterium zu bilden. Die Gemüter ſchienen 
I zu berubigen, die Orbnung wiederbergeftellt zu 
ein. Aber damit war der republilaniſchen Bartei 
und den Mitglievern der — Geſellſchaften 
nicht gedient. Nachts 10 Ühr er Sur Haufe von 
etwa 500 Arbeitern vor das Minifterium des 
Uußern, aus der Menge fiel ein Schuß, worauf vie 
vor dem Hotel aufgeitellte Wache eine Salve auf 
ben dichtgebrängten Haufen gab. Dies war dad 
Signal zur Revolution. Die Menge Pe die 
Waffenläden und rip das Pflafter auf, um i 
faden zu bauen. Zu ſpät wurden jest am Morgen 
des 24. an Moles Stelle Thierd und Odilon Barrot 
zu Minijtern ernannt. Eine von dieſen unterzeich 
nete Brollamation verlündigte die Auflöjung der 
Kammer und die Ernennung des beliebten eralä 
Lamoriciere zum Befehlshaber der Nationalgarte. 
Marſchall Bugeaud follte an die Spise der bewafl: 
neten Macht treten. Indeſſen hatte ver Widerſtand 
an Umfang und Hartnädigleit gewonnen. i 
Chäteau d'Eau wurde erbittert gefochten, bis es 
um Mittag in die Hände der Aufftändiſchen Mel 
Ganz Paris ftarrte von Barriladen; die Soldaten 


Frankreich (Gejchichte 1848—52) 


waren müde und entmutigt; fie begannen abzu- 
fallen, Als die Menge gegen die Tuilerien anrüdte, 
unterfchrieb der König die Abdanktungsurkunde zu 
Gunften feines Entel3, des Grafen von Paris, unter 
der Regentſchaft der Sergogin von Drldand, und 
entfloh nah St. Cloud. Aber auch diefe Konzeſſion 
fam zu jpät. Der Verſuch der Herzogin von Orleans, 
in der Deputiertentammer für ihren Sohn Schuß 
und Anerkennung zu finden, jheiterte; eingedrungene 
Maſſen und Barteiführer hinderten die PBroflamation 
der Regentſchaft und nötigten auch die Herzogin mit 
ihren Kindern zur Flucht. Eine Proviſoriſche Res 
pierung wurde ernannt, bejtehbend aus Dupont de 
‘Eure, Lamartine, Arago, Marie, Garnier⸗Pages, 
Ledru⸗Rollin, Erdmieur, denen fih im Stadthaufe 
die Redacteure Armand Marraft und Flocon, der 
Socialift Louis Blanc und der Arbeiter Albert un: 
aufgefordert beigefellten. Während diefe neue Ge 
malt ji bildete und die Republik ausrief, war 
Ludwig Philipp nad —s— entflohen. 

Während die Mehrzahl der Mitglieder der Bro: 
viſoriſchen Negierung eine friedliche und gemäßigte 
Republik wollte, neigten Ledru⸗Rollin, Louis Blanc 
u.a, zur terroriftiihen Gewaltpartei, die an ehe 
maligen Verſchwörern, wie Barbes und Blanqui, 
ihre ‚sübrer fand, Die Konzeſſionen, womit die 
Proviſoriſche Regierung die focialiftifche Doltrin 
abzufinden fuchte, wie das Verſprechen der «Orga: 
nijation der Arbeit», die Zufage von Nationalmwert: 
ftätten (25. und 26. Febr.), die Bildung der permas 
nenten Kommiſſion «pour les travailleurs» und 
das von Louis Blanc 10. März eröffnete Arbeiter: 
parlament im Palais Lurembourg, wurden nur zu 
furchtbaren Maffen in den Händen der radikalen 
Partei. Während dieje die Mafjen für einen neuen 
Aufſtand vorbereitete, erwuchſen der Regierung von 
einer andern Seite die größten Verlegenheiten. Die 
finanzielle Lage des Landes, die Erſchütterung des 
Kredits, die eg alles öffentlichen Verlehrs 
waren beijpiellos, Die Unterhaltung der National 
werfjtätten verfhlang Millionen, und die von Ledru⸗ 
Rollin in die Provinzen gefandten Kommiſſare trier 
ben meijtend die Verſchwendung und Plünderung 
jo arg wie bie verrufenften Werkzeuge der monar: 
chiſchen Korruption, 

Die verbündeten Parteien des Socialismus und 
des jalobiniſchen Terroriämus fuchten in Mafjens 
demonjtrationen (16. und 17, März und 16. April) 
die Proviforifhe Regierung zu jtürzen und bie 
Wahlen zu einer — die nach 
allgemeinem Stimmrechte erfolgen ſollten, zu hinter⸗ 
treiben, weil ſie nicht hoffen konnten, in dieſer eine 
radikale Mehrheit zu erhalten. Die Wahlen fielen 
in der That zu Gunſten der gemäßigten republi— 
taniſchen Richtung, aus. Am 4. Mai wurde bie 
Berjammlung eröffnet und begann ihre Wirkſam— 
feit mit der Proflamierung der Republik. Die Bro: 
viſoriſche Regierung legte ihre Gewalt nieder. Am 
10. Mai ward an ihre Stelle durch die National: 
verjammlung eine Erelutivfommiffion von fünf 
Mitgliedern gewählt: Arago, Garnier: Pages, 
Marie, Lamartine und Ledruͤ-Rollin. Ein Minis 
fterium ward aus Recurt (inneres), Baſtide (dluße- 
ze Zrelat (öffentliche Arbeiten), Duclere (Finans 
zen), Eremieur (Fuftiz), Bethmont (Kultus), Carnot 
öffentlicher Unterricht), Flocon (Aderbau) gebildet. 

as Kriegäminifterium, das dem in Afrita weilen« 
ben und im Februar zum Gouverneur ernannten 
General Cavaignac bejtimmt war, verſah einftweilen 

Brodbaus’ Konveriationd-Berikon.. 14. Aufl, RM VL 


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Dberft Charras. Indeſſen rüfteten ſich die äußerften 
—— zu einem neuen Schlage. Am 15. Mai 
uchte eine aus vielen Taufenden beftehende Maſſe 
unter der Anführung von Blanqui, Raspail, Huber, 
Barb23 u. a. die Nationalverfammlung zu fprengen, 
wurde aber von der bewaffneten Macht zurüdge 
trieben, und Une Huber wurden verhaftet. 

Als dann die Erelutivfommiffion die Auflöfung 
der Nationalwerkitätten und bie Entfernung eines 
Teils der Arbeiter in entlegene Provinzen beſchloß, 
bereiteten fih die Socialiften zu einem Kampf auf 
Tod und Leben vor; aber auch die Regierung war ge: 
vie: Am Morgen des 24. Juni wurde verfündigt, 
daß die Nationalverfammlung fich für permanent ers 
flärt, dem General Cavaignac die diltatorifche Ge- 
walt übertragen und über Paris den Belanerungs: 
zuftand verhängt habe. Cavaignac hatte an Truppen 
und Mobilgarben etwa 50000 Mann. Nachdem am 
Abend des 24. der Aufftand, nah einem heftigen 
Kampfe Lamoricieres auf den Boulevards, auf ein 
engeres Terrain beſchränkt war, wurde er am 26. 
mit der Beſchießung der Vorjtadt St. Antoine völlig 
unterbrüdt Aunifeladt). ebr ala 4000 era 
wurden in diefem Kampfe getötet, etwa 11000 Em: 
pörer gefangen genommen und von diefen viele zur 
Deportation verurteilt, Ein Beſchluß der National: 
verjammlung vom 28. Juni übertrug dem General 
Cavaignac die Exekutivgewalt mit der Vollmacht, 
fih fein Minifterium zu bilden. Außer Baftive, 
Senard, Bethmont, Leblanc, Goubchaur, Recurt, 
Zourret berief er die Generale Lamoriciere und 
Bedeau in das Kabinett, ernannte den General 
Ehangarnier zum Oberbefehlshaber der Pariſer 
Nationalgarde, ließ die Unterſuchung gegen bie Füh⸗ 
rer bes Juniaufſtandes einleiten, erließ bejhränfende 
Gefege gegen die Zügellofigleit der Prefie und ber 
Klubs und ſuchte durch militär. Strenge die öffent: 
lihe Ordnung mwieberberjuftellen. Inzwiſchen war 
(4. Nov.) die Nationalverfammlung mit der Bera- 
tung der neuen republitanijchen Verfaflung zu Ende 

efommen. Diefelbe ftellte eine Gejeßgebende Ber: 
ammlung von 750 Mitgliedern auf, die durch das 
allgemeine Stimmrecht und durd direlte Wahlen 
auf 3 Jahre gewählt und immer im ganzen er: 
neuert werben Follte, Die Erelutive war einem auf 
4 Jahre dur allgemeines Stimmrecht gewählten 
Präfidenten übergeben, der erſt nach einer Zwiſchen⸗ 
eit von 4 Jahren wieder wählbar fein follte, Es 
onnte fich dabei nur um Cavaignac und Ludwig 
Napoleon handeln, und bei einer ungemein gefhidt 
betriebenen Agitation erhielt Ludwig Napoleon bei 
der Präfidentenwahl vom 10. Dez. 5430000 Stim⸗ 
men, Gavaignac nur 1448000. 
Am 20. Dez. wurde Ludwig Napoleon Bonaparte 
in der Nationalverfammlung als Präſident der Res 
publif eingeführt und «auf die rg en Ne 
pad und die Berfafjung» beeidigt. Er bildete ein 
inifterium, in dem Ddilon Barrot den Borfik 
führte. General Ehangarnier erhielt dad Kommando 
über bie in Paris vereinigten Streitkräfte aller Gat⸗ 
tungen. Die neue Regierung zeigte gegenüber der 
äußerften erg Partei eine ebenfo ftrenge 
Haltung wie General Cavaignac, obfhon fie ans 
— mit Vorſicht auftrat. In der auswärtigen 
olitit gaben die ital. Angelegenheiten den erſten 
Anlaß zur Intervention der Republik und zwar im 
tonjervativen Sinne. Die Flucht des Papites und 
die Errihtung der Roömiſchen Republik (f. Kirchen: 
ftaat) bewogen die Regierung, eine Erpedition gegen 
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diefelbe unter General Dudinot auszurüften (April 
1849). Unterbejjen war die Zeit der Wahlen für 
die erjte Legislative herangelommen, die 28. Mai 
ufammentrat. Schon vorber hatten fich die ver: 
re Gruppen der Ordnungsparteien miteins 
ander verbunden, und die neuen Wahlen gaben 
ibnen die entſchiedene — Die Republikaner 
von 1848 hatten die größte Einbuße erlitten; die 
Linle war vorzugsweiſe durch Socialiſten, die Rechte 
durch die alten monarchiſchen Parteien gebildet. Die 
Belagerung Roms, die ſich indeſſen über Erwarten 
binauszog und erſt 3. Juli zur Übergabe der Stabt 
führte, bildete ven Hauptvorwurf für die Angriffe 
der foctaliftifchen Linken. Eine Interpellation Ledru⸗ 
Rollins in diefer Richtung wurde 11. Juni ver: 
mworfen, wur am 12, der Antrag, den Präfidenten 
und feine Minifter in Anklageſtand zu verſetzen. 
Der 13. Juni unternommene Aufftand wurde raſch 
unterdrüdt. Ledru⸗Rollin flob nach London, andere 
Führer wurden verhaftet und von dem National: 
gerichtshof zu Verſailles abgeurteilt. Berbaftun: 
en, ftrengere Maßregeln gegen die Preſſe und 
ereine und der Belagerungszuftand waren bie 
— Fruchte des Unternehmens, 
eich in den erſten Tagen verſuchte Ludwig Na: 
poleon jeinem Minijterium gegenüber die Stellung 
eines Monarchen einzunehmen und durd perfön: 
lihe Regierung die parlamentariihe zu lähmen. 
Mäbhrend fich die Verſammlung teils in tumultuari- 
hen Ecenen, teils in fonterrevolutionären Be: 
hlüffen in Vißiredit feste, fuchte er durch Reifen 
in den Provinzen, durch Anſprachen an Beamte 
und Rorporationen fih dem Volle näber zu brin- 
gen und feinen Einfluß auf Roften des parlamen: 
tarifchen au erweitern. Die Erridytung bejonderer 
—— — Blätter, die eine ganz perſönliche 
und dynaſtiſche Tendenz verfolgten, die Gründung 
der «Geſellſchaft vom 10. Dez.», die dieſelbe Rich: 
tung vertrat, die Ernennung einer Menge von 
neuen Präfelten, auf die er zäblen tonnte, ließen 
Ludwig Napoleons Abfiht deutlich erfennen. Als 
die Nationalverfammlung nad einer ſechswöchigen 
Vertagung 1. Dit. 1849 wieder zufammentrat, 
wurden die Kredite für die röm. Erpedition mit 
ſehr großer Mebrbeit bewilligt. Troßdem erklärte 
eine Botſchaft des Präfiventen (31. Olt.) der Ber: 
fammlung, er babe e3 ohne tote mit einem Ber: 
mittelungsminifterium aus allen Öruppen verfucdht, 
nun fei er entichlofjen, das Syſtem zu wechieln, und 
ein Kabinett feiner eigenen Politik zu berufen. Das 
neue Winifterium ward aus lauter dem Präfidenten 
perjönlich ergebenen Berfonen aufammengefest: Ge 
neral d’Hautpoul übernahm als Kriegsminiſter das 
Präfidium. Diefe Kriegsertlärung des Bonapartiss 
mus gegen das parlamentariſche Syſtem erregte die 
erfte offene Spannung zwiſchen dem Präfidenten 
und ber Legislative. 

Zielder auswärtigen Bolitif blieb das Einverneh: 
men mit England, während die Sendung Perſignys, 
des engiten Bertrauten von Ludwig Bonaparte, 
nad Berlin den Zwed des Abſchluſſes einer Allianz 
gegen Oſterreich hatte, das aus Italien binauss 
gedrängt werben * Inzwiſchen nahm die anti⸗ 
repolutionäre ei itif ihren Fortgang. Schon Ans 
{eng 1850 erfolgte die Einteilung %.8 in vier große 

ilitärdivifionen, welche die Gewalt in den Händen 
weniger ergebener Generale fonzentrierte, und die 
Auflöfung der Mobilgarde. Als dann (10. März) 
die Ergänzungäwabhlen zur Nationalverfammlung, 





Frankreich (Gedichte 1848—52) 


namentlich in Paris, eine Mehrzahl von focialifti- 
hen Kandidaten aus der Urne bervorgeben ließen, 
hritt man zu burchgreifendern Mafregeln. Der 
inifter des Innern legte der Rationalverjamm: 
lung zwei neue Geſetze og das Vereinsweſen und 
gegen die Prefie vor. Als eine abermalige Neu: 
wahl in — dem ſocialiſtiſchen Kandidaten Sur 
die Mehrheit verſchaffte, erfolgte der Antrag aui 
Beihräntung des allgemeinen Stimmrechts, der 
auch (31. Mai) mit 433 gegen 241 Stimmen an: 
genommen warb, Gin bejchräntendes Preßgeſeß 
wurde 16. Juli beſchloſſen. Napoleon benuste die 
Zeit der Berta —* Nationalverſammlung zu 
neuen Aundreifen nreden u. f. w. und befonbers 
zur Bearbeitung des Militärd. Die Verſammlung 
trat 12, Nov. wieder zufammen, und der Bräfident 
erließ eine ——* eine Reviſion der Verfaſſung 
und die Wiederwählbarkeit des Präſidenten forderte 
den Gedanken einer illegalen Überſchreitung wies er 
zurüd. Das Minifterium gab (4. Jan. 1851) feine 
Entlafjung und ward 9. Jan. reorganifiert, erbielt 
jedoch ſchon 18. Yan. 1851 ein Miftrauensvotum. 
Der Bräfident Ientte ein, erließ (24. Jan.) eine ver- 
— Botſchaft, die den übelſtand zweier unab: 
ängiger Gewalten im Staate konſtatierte und zu 
gegenfeitigem Vertrauen au Pens, und eriekte 
das Minijterium durch eine Übergangsvermwaltung. 
Diefer folgte endlich 12. April 1851 ein definitives, 
vorwiegend bonapartiftifches Kabinett, mit Yon 
aucer, dem Minifter des Innern, an der Spike. 
as Hauptijtreben Ludwig Napoleons war die Auf 
Km des Verfaffungsartilels, der die Dauer der 
räſidentſchaft auf vier Jahre befhräntte, und die 
Abihaffung des Wahlgeſetzes vom 31. Mai 1850, 
um durch Herftellung des allgemeinen Stimmrechts 
feine Wiederwahl zu fihern. Sein fefter Entſchluß, 
das Mahlgefeb zu ändern, hatte jhon 14. Dt. das 
Minifterium veranlaßt, feine Entlajfung zu geben. 
Dasſelbe wurde 28. Dft. in ausſchließlich bonapar: 
3 Sinne erneuert. Am 6. Nov. brachten 
die Quäftoren der Nationalverfammlung einen An: 
trag ein, wonach das Recht der Verfügung über die 
bewaffnete Macht nicht dem Kriegsminiſter, fondern 
der Verſammlung überlafjen werden follte; am 13. 
ward die von der Regierung beantragte Aufbebung 
des Mahlgefeges vom 31. Mai 1850, d. i. die Wie: 
derberftellung des allgemeinen Stimmredt&, mit 
355 gegen 348 Stimmen (Bonapartiften und Linie 
verworfen. Jener Antrag der Quäſtoren fiel eben: 
falls, aber jeitvem er geftellt worden war, war 
der Staatäftreich bei Ludwig Napoleon beſchloſſene 
Sade, zu deren Ausführung als Bertraute beſon⸗ 
ders Perfi ny, Morny, Saint-Arnaud, Maupas, 
Magnan beigezogen wurden. In der Frühe des 
2. Dez. 1851 wurden die Generale Changarnier, 
Cavaignac, Lamoricidre, Bedeau, Leflö, Oberſt Char⸗ 
ras, auch Thierd und andere Führer in ihren Mob: 
nungen überfallen und verhaftet, durch ein Dekret 
die Nationalverfammlung aufgelöft, das Wahlgeſes 
vom 31. Mai aufgeboben, der Staatärat entlafjen 
und über Paris und 10 Departements der Belage- 
rungszuftand verhängt. Eine Broflamation Ludwig 
Napoleons —— eine Berufung an das Roll, 
das in Urverfjammlungen vom 14. bis 21. De. 
fih über die von dem Präſidenten vorgeichlagenen 
Grundzüge einer Berfafjung ausſprechen jollte, die 
in ihren weſentlichen Beitimmungen die des Kom 
fulat3 erneuerte und ein verantwortliches Staats⸗ 
oberbaupt auf 10 Jahre forderte, ſowie Miniiter, 


Frankreich (Gefchichte 1852—70) 


die nur von ihm abhängen, einen Staatärat, der 
die Geſetze vorbereiten, einen Gejeßgebenden Körper, 
welcyer fie erörtern und bejchließen, einen Senat, 
der aus allen berühmten Männern des Landes ges 
bildet werben ſollte. Vergebens fuchte eine Fraktion 
der Gejesgebenden Berfammlung auf der Mairie 
des 10. Arrondiffements den geſeßlichen Widerſtand 
der Behörden zu or —— ſie wurde — 
und hie bedeutenditen a u nah Vincennes 
und Mazas gebracht. Die Truppen, deren mn 
ann in Paris konzentriert waren, blieben 
dem Vräfidenten treu. Doch begann 3. Dei. der 
bewaffnete Widerftand im Yaubourg St. Antoine 
und an ben Boulevard ſich zu organifieren, wurde 
aber, da die untern Maſſen ſich wenig beteiligten, 
ſchon am Abend des 4. mit blutiger Strenge unter: 
drüdt. Eine Verordnung vom 8. Dez. verhängte 
über alle, die Mitglieder einer geheimen BREMEN 
gewefen, die Deportation nah Cayenne oder Al: 
erien, während — *28 e Maßregeln teils die 
elfer des Staatsſtreichs belohnten, teils durch Kon⸗ 
zeſſionen an den Klerus die Legitimiſten zu gewinnen 
ſuchten. An die Stelle des repräſentativen Körpers 
trat proviſoriſch eine Commission consultative, 
Unter dem Drudder Ausnahmegejege und ber jhrans 
tenloſeſten Bolizeigewalt fand die —— 
über die vorgelegten Entwürje ftatt und erga 
7419000 Stimmen für dieſelben, 640000 dagegen. 
Die neue Gewalt umgab fih nun jtufenweije mit 
den Einrihtungen und Perjonen, die man als 
Stügen eines ftreng Napoleonifhen, d. i. perjöns 
lichen Syſtems betrachten durfte. Alle en 
Freiheiten waren unterdrüdt; eine öffentlihe Mei⸗ 
nung außer der offiziellen, die in feilen Federn ihre 
Fe fand, ward nicht geduldet; jogar über die 
Salons dehnte ſich der polizeilihe Drud aus. Nach⸗ 
dem ein Defret vom 10. Jan. 1852 alle parlamen: 
tarifchen und militär. Berühmtheiten, Männer wie 
Lamoricidre, Bebeau, Changarnier, Thiers, Du: 
vergier de Hauranne, Nemufat, Victor Hugo, Qui⸗ 
net, Charras u. a., verbannt oder ausgewieſen und 
eine Anzahl Republitaner zur Deportation bejtimmt 
batte, erfolgte 14. Jan. die Verlündigung der neuen 
Berfafiung. Gegenüber ver Allmacht des Präfiden: 
ten und feiner Dlinifter ward ein unabjegbarer, ers 
nannter und botierter Senat und ein zwar erwählter, 
aber in feinen Befugniſſen äußerſt beſchränlter 
Geſetzgebender Körper zugelafien. Gleichzeitig wurde 
die Stelle eines Staatöminifterd wiederhergeftellt 
und dem Corſen Gafabianca übertragen, aud das 
BVolizeiminifterium nah Napoleoniihem Schnitt 
rer ig Die Feindfeligleit der neuen Gewalt 
richtete ſich mit bejonderer Entjchiedenheit gegen 
ven bürgerlihen Mittelftand und die Familie Or— 
(dans, die fih auf diefen ftüßgte. Dem Dekret vom 
22. Jan. 1852, wonad die Orléansſchen Privat: 
güter verfauft werden follten, wollten ſelbſt vie Mi: 
nijter vom 2. Dez. nicht zuftimmen. Das Kabinett 
warb demnad erneuert, indem Morny und Fould 
austraten, Perfigny das Innere, Maupas die Po: 
lizei, Abbatucci die ur Bineau die Finanzen, 
der Staatäminifter Bajabtanca das Auswärtige 
übernahm. Nachdem 17. Febr, ein ftrenges Prep- 
geieb erlafjen worden, folgten die Wahlen zum 
islativen Körper, ber fortan nur 261 Mitglieder 
zählte. Wahlverfammlungen und Bereine wurden 
verboten, und die Regierung jelbjt ftellte offizielle 
Kandidaturen auf, fo daß unter diefen Umjtänden 
vie Wahlen ganz bonapartijtiih ausfielen. 


1027 


Die Abfihten Napoleons gingen aber offenbar 
über das Erreichte weit hinaus, und ſchon die 
10, Mai 1852 mit großem Bomp gefeierte Vertei: 
lung der Adler an die Armee zielte offenbar auf 
eine rafche Reftauration des Kaifertums. Bald 
darauf bereifte der Präſident die Provinzen, um 
den imperialiftifchen Enthuſiasmus durch feine per: 
ſönliche Erſcheinung noch höher zu fteigern, und be= 
mübte fi, in wiederholten Anfprachen die Erinnes 
rung an das erjte Kaiferreich wieder aufzufrijchen. 
In einer Rede zu Bordeaur behandelte er geradezu 
das Thema: «Das Kaifertum iſt der Friede» (l’em- 
pire c’est la paix). Unter dieſer Zojung ward in 
allen Teilen 5.3 ein Adreſſenſturm organifiert, der 
die Wiederberitellung des Kaifertums forderte. Da: 
ber berief der Prinz: Präfident zum 4. Nov. 1852 
den Senat zufammen, der 7. Nov. mit allen gegen 
eine Stimme einen Beſchluß fabte, wodurd das 
Erblaijertum wiederbergeftellt und Ludwig Napo: 
leon als Raifer Napoleon III. eingefegt wurde. Die 
Vollsabjtimmung über dieſes Senatskonſult fand 
21. und 22, Nov. ſtatt und ergab nad) den offiziellen 
Ausweifen 8157752 Ja, 254501 Nein und 63699 
ungültige Stimmzettel. Am 2. Dez. verfündigte 
der «Moniteur» den Volksbeſchluß, und der neue 
Raifer hielt feinen feierlichen Einzug in die Stabt 
und das Schloß der Zuilerien. 

14) Das zweite Kaiſerreich (1852 — 70). 
Große —— Ernennungen, Gnadenakte 
u. ſ. w. verherrlichten den Tag der Thronbeſteigung 
des ehemals verlachten Abenteurers. Bald folgte die 
Anerkennung der auswärtigen Mächte, zuerit Nea- 
pel3 3, Dez., dann Englands 6. Dez., und in den 
nächſten Tagen die der übrigen Mächte. Das neue 
Kaiſerreich ward inzwiſchen organifiert. Der Kaifer 
erbielt eine Eivillifte von 25 Mill., die Thronfolge: 
ordnung wurde geregelt, die Verfaflung dur das 
Senatäfonfult vom 25.und das Dekret vom 31. Des. 
1852 den neuen monardifhen Berhältniffen an: 
gepaßt. Unmittelbar darauf (30. Yan. 1853) ver 
mäblte ſich Napoleon IIL. mit Eugenie (D) de Mon 
tijo, Gräfin von Teba, und die große en des 
Volts begrüßte nad dem langen ſtürmiſchen In 
terregnum mit Befriedigung die Wiederheritellung 
einer feiten monardifhen Ordnung. 

Zunädjft widmete ſich die Regierung Napoleons 
fast ausſchließlich den materiellen —— Zwei 

roße Kreditgeſellſchaften entſtanden in Paris, der 
redit foncier und der Credit mobilier, von denen 
namentlich der legtere bald einen ungeheuern Auf: 
ſchwung Be und dem Börjenfpiel und Schwindel 
einen gewaltigen Anftoß gab. Zahlreihe Eijen- 
bahnen wurden gebaut, der Ausbau deö Louvre 
und andere gioh Staatsbauten begonnen, aller: 
orten ward Arbeit geihaft und Handel, Induſtrie 
und Schiffahrt gefördert. Bei der Reform des Unter: 
richtsweſens räumte der Kaifer dem Klerus einen 
rößern Einfluß ein und ficherte fi dadurch deſſen 
gebenheit. Unterbefjen begannen die auswär— 
tigen —— deren Leitung ſeit Ende Juli 
1852 dem * Drouyn de l'Huys übertragen 
worden waren, fait das ausſchließliche Anterejje in 
Anſpruch zu nehmen. Im Drient entipann fich eine 
neue Verwidlung. Ein Streit Erlen ber röm. 
und der griech. Kirche über den Befik der Heiligen 
Stätten von Jeruſalem veranlaßte Rußland, im 
Febr. 1853 durch den Fürften Menſchilow fein Ultis 
matum in Ronjtantinopel zu ftellen, indem es das 
Protektorat über alle Unterthanen der Pforte bean⸗ 


65* 


1028 


fpruchte, die der griech. Kirche angebörten. Als der 
Sultan ablehnte und der Zar ſich zur Invaſion der 
Donaufürftentümer rüjtete, ſchloſſen F. und Eng: 
land 12. März 1854 eine Allianz mit der Türkei 
und erflärten 28. März den Krieg gegen Rußland. 
(S. Drientfrieg.) 

Während die franz. Armee im Oſten neue Lor— 
beeren errang, feierte Napoleon auch friebliche 
Triumphe. Die Allianz vermittelte den perjönlichen 
Verkehr zwiſchen dem «Emporfömmling» und den 
europ, Fuͤrſtenhäuſern. Bereits im Sept. 1854 hatte 
der engl. Prinz-Gemahl den Kaiſer im Lager von 
Bouloane beſucht; im April 1855 reijte das franz. 
Kaiferpaar nah London und ward — das glän⸗ 
zendſte empfangen. Der König von Schweden und 
Norwegen ſuchte Schuß gegen ruſſ. en 

elüfte in einer Alltanz mit den Weſtmächten 
21. Nov.). Gleichzeitig wurde in Paris eine Welt: 
ausftellung für Induftrie und Kunft (15. Mai bie 
15. Nov. 1855) abgehalten, die zablreihe Bejucher 
beranzog und der Hauptjtabt Gewinn brachte. End: 
lih ward auch die orient. Bolitit Napoleons dur 
einen rühmlichen Frieden gefrönt. Unter Walemftis 
Vorſitz wurde der Kongreß zu Paris 25. Febr. 1856 
eröffnet und 30, ——— Pariſer Frieden (ſ. d.) 
unterzeichnet. Als 16. März 1856 dem franz. Kaiſer 
ein Sohn und Erbe geboren war, ſchien die Dauer 
ſeiner Dynaſtie —5— 

Nach dem Pariſer Frieden ſtand F. unbeſtritten 
als die erſte Großmacht in Europa da, um deren 
Freundſchaft ſich alle andern Staaten bewarben. 

icht nur, daß in Paris wiederholte Konferenzen zu: 
fammentraten, um in Gemäßbeit des Pariſer Frie— 
dens die neuen Grenzen zwiſchen Türkei und Ruß— 
land, die Berhältnifie der Donaufürjtentümer u. dal. 
'k regeln (Fan. 1857, Mai bis Aug. 1858, April 

i8 Sept. 1859): auch der Konflikt zwischen Preußen 
und der Schweiz über den Kanton Neuenburg warb 
auf einer Pariſer Konferenz; (März bis Mai 1857) 
ausgetragen. Insbeſondere aber dehnte F. jetzt ſei⸗ 
nen Einfluß aus über Italien, wo es an Sardinien 
einen feſten Bundesgenoſſen gewonnen hatte. Auf 
dem Pariſer — *5 an dem auf Napo— 
leons Betreiben auch Sardinien, der Bundesgenoſſe 
der Weſtmächte im Orientkriege, teilgenommen hatte, 
war troß der Proteſte Oſterreichs der «Schmerzens: 
chrei» Italiens zuerjt laut geworden und nament: 
ih über die reaftionären Zuſtände im Königreich 
Neapel ein harter Tadel ausgeſprochen worden. F. 
und England nahmen nunmebr Anlaß, abmabnende 
Noten an die neapolit. Regierung zu richten, und da 
diefe fein Gehör fanden, wurde der diplomat. Ver: 
tebr (Oft. 1856) abgebrochen. Bei den Neumwablen 
ar Geſetzgebenden Körper (Juni 1857) wurden die 
isherigen Mitglieder von den Beamten un 8 jede 
Weiſe unterjtüst und trugen daher fait überall den 
Sieg davon. Nur in einigen großen Städten gelang 
es, entjchiedene Oppofitionsmänner durchzubringen, 
von denen jedoch zwei (Carnot und Goudchaux) den 
Eid der Treue gegen den Kaiſer vermweigerten und 
ſich deshalb ausgeichlofien faben, worauf beftimmt 
wurde, daß jener Eid jchon vor der Wahl von den 
Kandidaten geleiftet werden müſſe. 

Die Folge war, dab alle Dppofition nun ins Aus: 
land oder in das Duntel zablreiher Gebeimbünde 
flüchtete. Schon 1855 batten zwei Mordverjude 
auf den Kaiſer — Gefährlicher war 
das Attentat Orſinis (ſ. d.) 14. Jan. 1858, durch 
das zwar Napoleon nicht verlegt wurde, das aber 


Frankreich (Geſchichte 1852—70) 


weitgehende Folgen hatte. Im Innern gab es den 
Anſtoß zu einer Verſchärfung des bisherigen Ev: 
—— und zu außerordentlichen Vorſichtsmaßregeln. 
as Reich ward in fünf große Militärbezirle (Ba: 
ris, Nancy, Lyon, Toulouje und Tours) geteilt und 
jeder Bezirk einem Marjchall unterftellt. Der Kaiſer 
traf Bejtimmungen über die event. Regentſchaft 
und feste einen Geheimen Rat (5. Febr. 1858) ein, 
der allenfalld als Regentſchaftsrat fungieren follte. 
Das ſeit 1853 abgeſchaffte Bolizeiminijterium ward 
vorübergehend mwiederbergeitellt, in dem General 
Eipinafje 7. Febr. bis 14. Juni 1858 als «Minijter 
bes Innern und der öffentlihen Sicherheit» fun: 
nierte. Ein ſog. Sicherbeitsgejeß wurde von dem 
Gefeßgebenden Körper 19. Febr. mit 227 gegen 
24 Stimmen genebmigt, durch das die Negierung 
faft unbeſchränkt freie Hand erbielt, alle politiſch 
fompromittierten Berjönlichleiten aus Sicherheits: 
rüdjichten in %. oder Algerien zu internieren oder 
any zu verbannen, wovon fie in ausgebebnter 
el Gebrauh machte. Zugleih maßregelte man 
die Preſſe aufs ftrengfte. Erſt um die Mitte des 
Jahres trat wieder eine —— ein, und Eiri- 
nafje wurde dur Delangle als Minijter des In— 
nern erjest. Außerdem aber veranlahte das Atten: 
tat Reibungen mit dem Auslande, indem das franı. 
Kabinett bei den Regierungen von England, Bel 
gien, Schweiz und Sardinien über das revolutio 
näre Treiben der polit. Flüchtlinge dajelbit und 
über deren mangelhafte Überwahung Beſchwerde 
erbob, Die ſchwächern Staaten beeilten ſich, ibre 
Polizei ſowie ihre Gejeßgebung in betreff der rem: 
den, der polit. Morde, der Beleidigung fremder Sou⸗ 
veräne u. ſ. w. zu verichärfen. 

y Stalien drängte der Gegenſatz zwijchen der 
verbaßten Fremdherrſchaft Sfterreihs und der na= 
tionalen und fonftitutionellen Bolitit Sardiniens 
immer mehr zum Bruche. Schon längit beitand 
zwiſchen Baris und Turin ein inniges Einverjtänd- 
nis, verlag Febr. 1859 erſchien in Paris eine 
offiziöfe Broihüre: «Napoleon III et VItalie», 
welche die Notwendigfeit einer polit. Umgeftaltung 
Italiens und Bejeitigung des öjterr. Einfluſſes da- 
jelbt darlegte. Auch die kaiſerl. Tbronrede vom 
7. Febr. war in ähnlicher Weile gebalten. Die 
Spannung wuchs, bis endlich 29. April die öfterr. 
Truppen die fardin. Grenze überjchritten. Am 
3. Mai erließ Napoleon II fein Kriegämanifeit, 
worin er den Ent * ausſprach, «Italien ſich jelbit 
wiederzugeben; frei bis zum Adriatiſchen Meer!» 
(S. Italieniſcher Krieg von 1859.) Im Bräliminar- 
frieden von Villafranca di Verona (f. d.), 11. Juli 
1859, der den Krieg beſchloß, trat Öfterreic den 
größten Teil der Yombardei an den franz. Kaiſer 
ab, und diefer verſprach, die abgetretenen Territo: 
rien dem Könige von Sardinien zu übergeben. 

Am 10. Nov. ſchloß man in Zürich die definitiven 
Friedenstraftate ab. (S. Züuricher Friede.) An 
demjelben Tage wurde auch der Bertran 
volljogen, durch den der franz. Kaifer definitiv die 
eroberte Lombardei an den König von Sardinien 
abtrat und ſich dagegen ala ab der rien 
tojten eine Summe von 60 Mill, Frs. ausbedann. 
Ein zur Ordnung der ital. Verbältnifie in Varis ae: 

lanter Kongreß jcheiterte an der Weigerung des 
apites, denfelben zu beijhiden, wenn nicht die 
ntegrität des Kircbenftaates von vornberein ge 
ichert würde. Die Verträge von Züridy waren da 
mit aufgegeben. F. begnügte ib, den Schein einer 


Frankreich (Geſchichte 1852— 70) 


vermittelnden Politit aufrecht zu halten, und jo 
konnte Sardinien, aber freilih nur um den Preis 
einer ee die Annerion Mittel: 
italiens durhführen. Am 24. März 1860 ward 
zwiſchen %. und Sarbinien ein Traftat in Turin 
abgeſchloſſen, in dem Savoyen und Nizza an F. ab: 
etreten wurden, und 15. und 22. April fanden in 
Niya und Savoyen allgemeine Vollsabjtimmungen 
fait, die unter geſchidter Zeitung eine ungeheure 
Majorität für den Anſchluß an F. ergaben. 
Dieje Haltung Napoleons in der ital, Frage hatte 
ibm das Mißtrauen der Mächte eingetragen und 
rg europ. Bolitit Hindernifje bereitet, jo daß er 
ich veranlaßt ſah, fi entferntern Erdteilen zuzu— 
wenden. Bon Anfang an batte der Kaiſer ein 
roßes Intereſſe an den Kolonien bethätigt. Im 
ept. 1853 war Neucaledonien occupiert worden. 
Die Befisungen am Senegal und in Algerien 
wurden durch glüdliche Kriegszüge erweitert. Ein 
Handelövertrag mit Siam vom 15. Aug. 1856 
öffnete dem franz. Handel Hinterindien. Gemein: 
fam mit un wurde eine Erpedition gegen 
Ehina (f. d., Gedichte) unternommen und der vors 
teilhafte Vertrag von Tienstfin (27. Juni 1858) 
errungen, Gleich darauf erfolgte ein Handels— 
vertrag mit Japan (9. Dit. 1858). Da China die 
Ausführung des Vertrags nachher verweigerte, jo 
begann der Krieg aufs neue, und erjt nad) ber 
Kapitulation von Peling fam der Friede dajelbit 
(25. Olt. 1860) zu ftande. Gleichzeitig hatte unter 
Mitwirkung Spaniens eine Erpedition gegen An— 
nam (j. d.) begonnen, mo man bie Mifhandlung 
der tath. Mifjionare rächen wollte. Diejelbe 309 
ich feit Sept. 1858 mehrere Jahre hin bis zum 
ieden von Saigon (5. Juni 1862). In diejem 
wurden Gebiete von Cochinchina (ſ. d., Ge: 
ſchichte) an F. abgetreten, wo ein Kolonialreich be: 
gründet werben follte. Andererjeitö gab der große 
Chriſtenmord in Syrien (Juni bis Juli 1860) Ver 
anlafjung zu einer Erpedition dahin. Nicht ohne 
Mühe erreichte Napoleon die Zuftimmung Englands 
zu einem Protokoll, das die Großmächte zu Paris 
3. Aug. unterzeihneten (definitive Konvention 
5. Sat), fraft dejjen eine franz. Brigade von 
7000 Mann zu Schiffe ging, die 16. Aug. in Beirut 
landete. Napoleon III. war offenbar beitrebt, dieſe 
Decupation von Syrien bis ins Ungewiſſe hinaus 
u verlängern. Dagegen regte ſich aber die Eifer- 
ucht Englands in jo hohem Grade, daß die franz. 
ruppen im Juni 1861 wieder heimlehren mußten. 
Den Ausbruch des großen Bürgerkrieges in den 
Vereinigten Staaten von Amerita benußgte Napo: 
leon, um ungebindert aud auf dem amerit. Kon: 
tinent feften Fuß zu faffen. Die Republit Merito, 
die fich jeit Fahren in einem Zuftande der Anarchie 
befand, hatte wiederholt die Intereſſen und Rechte 
franz, Unterthanen millfürlih verlegt und zulekt 
durch ein Ausnabmegejeg vom 17. Juli 1861 alle 
vertragämäßigen — en auf zwei Jahre einge⸗ 
ſtellt. Sofort ergriff Napoleon dieſen Vorwand, und 
es gelang ihm, England und Spanien zur Mitwir⸗ 
— zu bewegen. Durch den Vertrag London 
31. Olt. 1861 vereinigten ſich die drei Mächte, die 
merif. Kuſten zu bejegen, bis die Republik ihren Ver: 
pflihtungen nahtommen werde. Napoleons Pläne 
gingen indes Pr die Errichtung eines von F. abhän⸗ 
gigen monarchiſchen Staates in Merito aus und 
raten ihn mit jeinen Verbündeten in Konflitt, die 
ſich 9. April 1862 von dem Unternehmen losſagten. 


1029 


Am 10. Juni 1863 bielt der franz. General Foren 
er Einzug in bie Hauptitadt Meriko, und 10. Juli 
eſchloß eine Notablenverfammlung dajelbit, die 
Raifertrone von Merito dem Erzherzog Marimilian 
anzutragen. Diejer nahm die dargebotene Krone 
(10. April 1864) an und jchloß gleichzeitig den 
Vertrag von Miramar mit Napoleon Ill. ab, mo: 
durch F. eine Kriegsentfhädigung von 270 Mill. 
Frs. zugefihert wurde und Napoleon fich verpflich: 
tete, 25000 Mann in Merito fo lange zu lajlen, 
bis Marimilian aus Fremden und Einheimiſchen 
eine Armee zu organifieren vermöge. Die Dccupas 
tionstruppen — vom 1. Juli 1864 an aus der 
merit. Staatöfaffe unterhalten werden. So warb 
eine Art von Bajallenftaat in Merilo begründet, 
deilen Eriften; nur von der Fortdauer des franz. 
Schutzes abhängig war. (S. Merito, Geſchichte.) 
iejed Unternehmen, das fpäter Häglich fchei: 
tern follte, hatte von Anfang an nur Abn 
im franz. Bolte gefunden. Dan fah feinen Zw 
nicht ein, aud dann nicht, ala Napoleon hinterher 
von amerif. Gleihgewiht und Unterftüßung der 
lat. Rajie jerad- Die immer fteigenden Ausgaben 
erzeugten Verſtimmung, die ſich endlich auch in der 
Kammer zu äußern begann. Napoleon batte fi, 
angefichts der ungünftiger gewordenen Lage nad 
* 1860 zu Zugeſtändniſſen im Innern be 
wogen gefühlt. So geſtand ein 24. Nov. erlafjenes 
faiterl. Defret dem Senat und dem wein ebenden 
Körper das Recht zu, auf die jährliche ——— 
durch eine Adreſſe zu antworten und bei der Adreß⸗ 
bebatte Aufllärung über die innere und äußere Bo: 
fitit zu fordern. Minifter ohne Portefeuille (jog. 
Sprechminiſter) follten neben den Staatöräten bie 
Regierungsporlagen verteidigen. Das Recht der 
Abgeorbnieten, Amendements zu ftellen, warb er- 
mweitert und der ausführliche Abdrud der Verband: 
lungen gejtattet. Die parlamentarifhe Debatte 
nahm demzufolge in der Seſſion von 1861 einen 
Aufihwung und fand im Geſetzgebenden Körper 
ihre Vertreter an der demolratifchen Dppofition der 
dünf (Jules Favre, Darimon, Picard, Henon, Olli⸗ 
vier). Jetzt warb auch die finanzielle Seite der Re— 
gierungspolitif, welche die Staatdausgaben gewal⸗ 
tig geſteigert hatte, zum erſtenmal einer ernſtern 
Kritik unterzogen. Ein Senatslonſult vom 31. Dez. 
erweiterte Die Kompetenz des Gejeßgebenden Körpers 
bei der Abftimmung über das Budget und ftellte zu⸗ 
gleich feft, daß die außerorbentlihen und Supple 
mentarfredite nicht mehr wie bisher bloß durd ein 
kaiferl, Dekret, fondern nur dur ein förmliches 
eg werden dürften. Auch die Preſſe er: 
bielt eine Kleine Erleihterung durd das Gejeg vom 
2. Juli 1861. Unmittelbar nah dem Schluß der 
Seſſion (7. Mai 1863) wurden die Neuwahlen 
zur dritten Legislaturperiode ausgejchrieben, wobei 
86 Oppofitionsmänner in die Kammer gelangten, 
darunter Thiers. Hierauf erbielt Berfigny den Abs 
fhied; zugleich wurde das ganze Minifterium um: 
geftaltet, die Minifter ohne Bortefeuille wurden ab: 
geſchafft und deren Funktionen dem Staatöminiftes 
rium übertragen (23. Juni 1863). 

Im Winter 1862—63 zog der Aufftand der Polen 
die allgemeine Aufmerlfamteit auf ſich, und aud 
die alten franz. S —— wurden wieder laut, 
ſo daß Napoleon Veranlaſſung zu einer diplomat. 
Einmiſchung nahm, die jedoch von Rußland zurüd: 
—— wurde. Auch der Plan eines allgemeinen 

ongreſſes zur Regelung der poln. Frage ſcheiterte, 


1030 


und Rußland hatte freie Hand, Bolen mit Härte zu 
unterjohen, was das Kaiſerreich bei den liberalen 
——* in Nachteil hrachte. Zu derſelben Zeit 
am es zum Bruch zwiſchen Deutihland und Däne- 
marl, Menge verfuchte Napoleon III. zugleich mit 
England und Rußland zwifchen König Ehriftian IX. 
und den deutſchen Mächten zu vermitteln. Aber 
die Aufforderung Englands, zu Gunften Dänemarks 
eine lriegerifhe Demonjtration am Rhein zu machen, 
lehnte er ab, da er den nationalen Wünſchen 
Deutihlands und Schleswig:Holfteins nicht mit 
den Waffen entgegentreten könne, 

Diefe Vorgänge in der auswärtigen Politik 
fanden, neben den Übelftänden im Innern, ein: 
aebende Kritik in der neuen Kammer, mo die geijtig 
überlegene DOppofition ihr Gewicht ſchon bei der 
Adreßdebatte von 1864 fühlbar madte und die 
Reden Thiers’ in der Kammer und beim Bublitum 
tiefen Eindrud hervorbrachten. Noch lebhafter 
war die Morefdebatte von 1865; bier wurde jelbft 
der Staatöftreih vom 2. Dez. auf das rüdfichtd- 
lofefte zur Sprade gebradt, was zu den leiden: 
—— Auftritten führte. Unterdes machte 

apoleon III. eine Reife nah Algerien (Mai bis 
uni), wo er die Konflikte zwiſchen der Militär und 
Civilvermaltung perjönlich beizulegen und die auf: 
geregte arab. ———— Proklamationen 
u. ſ. w. zu berubigen ſuchte. Während ſeiner Abweſen⸗ 
beit führte die Kaiſerin Eugenie die Regentſ hir 

Gerade in diefe Zeit der wachſenden Oppofition 
fiel auch das a ua ev Scheitern des merif. Aben⸗ 
teuerd. Die Vereinigten Staaten batten ibren 
Bürgerkrieg beendet und forderten den bedingungs: 
Iofen Rüdzug der Franzofen, wozu fi Napoleon 
endlich verjtand. Das war eine entjchiedene Nieder: 
lage, der die Hinrichtung des Kaiſers Marimilian 
nad dem Abzug der Franzoſen ein befonderes Odium 
verlieh. Napoleon juchte den ungünftigen Eindrud 
durch einen leichten diplomat. Zriumpb zu ver: 
wiſchen und von den Berwidlungen zwiſchen Preu⸗ 
Ben und Ojterreich in der fchlesio.«holftein. Frage 
Vorteil zu ziehen. Er unterftüste Bismards Poli⸗ 
til, ließ im Mai 1866 durch feinen Geſandten Grafen 
Benedetti in Berlin einen europ. Kongreß in Bor: 
ſchlag bringen und deutete in einem Gefpräd mit 
dem preuß. Geſandten in Paris auf die Rheinlinie 
al& eine wunſchenswerte —— für % bin. 
Als man dies in Berlin ablebnte, änderte Napo: 
leon fein Begehren, indem er die Wiederberftellung 
eines deutfchen Rheinbundes Kleiner Fürſten an der 
Grenze 5.3 vorfhlug, wenn Preußen auf dem 
Kongreß Schleswig : Holftein zugefproden würde. 
Aber es follte zu einem ſolchen ongreß nicht fom: 
men. Oiterreid faßte den Krieg feft ind Auge und 
verbandelte mit Napoleon IIL. über einen Vertrag, 
der 12. Juni zu ftande fam. Napoleon ſollte danach 
von Djterreib Benetien erhalten, um dies unter 
ber Bedingung an Italien zu überlafien, daß dort 
die weltliche 5 des —8* und die Unver: 
leglichleit der ihm noch unterworfenen Gebiete aner: 
kannt und in dem Kriege zwiſchen Preußen und er 
rei Neutralität beobadytet werde. Auch Napoleon 
verpflichtetefich neutral zu bleiben und eine Schadlos⸗ 
baltung Oſterreichs auf bi Kosten (Schlefien) 
—— wofür Oſterreich F. eine entſcheidende 

timme bei jeder Neugeſtaltung der deutſchen Ver: 
bältnifje (event. Kompenjationen) zugeitand. 

Der raſche Verlauf des Deutſchen Krieges von 
1866 überrafchte in Baris um fo mehr, als man auf 


Frankreich (Geſchichte 1852—70) 


ein langwieriges und wechſelvolles Ringen gerech⸗ 
net hatie. Am 4. Juli, am * nach der Schlacht 
bei Koniggrätz, erfolgte die Abtretung Venetiens 
an Napoleon IIL; aber die Hoffnung, von dem ſieg⸗ 
reihen und fi vergrößernden Preußen «ftompen: 
ationen» zu erlangen, ſchlug febl. Wohl batte 

reußen die franz. Bermittlerrolle angenommen 
und daraufhin Frieden mit Oſterreich geichlofien. 
Als jedoch binterber der franz. Geſandte Benedetti 
5. Aug. Bimard einen Entihädigungsplan über: 
reichte und je F. die Grenze von 1814, in: 
bayern und Rheinheſſen nebft Mainz und die Auf: 
ebung des preuß. Bejakungsrecht3 in Quremburg 
orderte, antwortete der preuß. Minifter in be: 
immter Form, wenn die Ablehnung diefer An- 
prüche ein Kriegsfallmäre, fo würde Preußen Krieg 
übhren. Auf dieſen Beſcheid erflärte Napoleon 
angefihts der ſchlechten Armeeverbältnifie, ver 
ganze Antrag fei ein Mißverſtändnis gemweien, in 
das er während feiner Krankheit durch Drouyn de 
l'Huys verwidelt worden fei. Diefer trat 1. Sept. 
urüd und wurde durch den Gejandten in Kon: 
tantinopel, Marquis de Mouftier, erjept. Ende 
1866 betbätigten fich zum lektenmal die Sympatbien 
Napoleons II. für die Neugeitaltung Italiens. 
Der franz. General Leboeuf übernahm als kaiſerl. 
Kommifjar Venetien von dem djterr. Militärtom- 
mando 19, Dit., um es fofort den eigenen Muni» 
eipalbehörben zu überliefern und die Vereinigung 
mit dem Sönigreih Italien anzubabnen. Auch 
räumten die franz. Truppen bis Mitte Dezember 
Rom und den Kirchenſtaat. 

Um aber doch noch eine «flompenfation» an der 
deutfchen Grenze zu erwerben und dem populären 
Rufe «Revanche pour Sadowa» menigitens in 
etwas gerecht au werden, unterbandelte Napoleon 
mit König Wilhelm III. von Holland wegen Ans 
taufs des Großherzogtums Luremburg. $ vor 
—— des Kaufvertrags zeigten jedoch die 
Erklärungen Bismards im Norbdeutihen Reichs— 
tage, daß dort von einer —32— der beabſichtig⸗ 
ten Abtretung nicht die Rede jein könnte. Sonab 
bielt Napoleon II. es geraten, aud jet wieder 
nadzugeben; eine franz. Cirkulardepeſche erflärte, 
dat man auf die Erwerbung Quremburgs ver: 
zichten wolle, wenn Preußen — das Be⸗ 
ſatzungsrecht daſelbſt aufgebe. Eine Londoner Kon: 
ferenz vereinbarte den Vertrag vom 11. Mai 1867, 
der das Großherzogtum für immer neutralifierte. 

Dieſe wiederholten Niederlagen der auswärtigen 
* wirlten auf die innern Verhältniſſe zurüd. 

ie Oppofition nahm an Bedeutung und Um— 
fang zu. Zunädft griff Napoleon II. zu Repreflio- 
maßregeln: ein Senatstonfult vom 16. Juli 1866 
unterfagte jede Diskuffion der Verfaffung außer 
durd den Senat und beſchränkte die Befugnis 
des Gejekgebenden Körpers auf die Verbeſſerung 
von Regierungsvorlagen. Bald darauf aber ver: 
ftand fih Napoleon III. zu einigen liberalen Ron- 
zeffionen. Ein kaiſerl. Brief an Rouber vom 19. Yan. 
1867 jchaffte zwar die Morekvebatte ab, lieb aber 
ein Interpellationsrecht zu. Die feit 1852 bejeitiate 
Nepdnertribüne im Geſetzgebenden Körper wurde 
wieder aufgerichtet und die baldige Vorlage neuer 
Geſetze über die Preſſe und das Vereinsrecht ver» 
ſprochen. Diejes Dekret zog eine teilmeije Anderung 
des Miniſteriums nad ſich, in das Niel als Kriegs⸗ 
minifter eintrat; doch Rouber (der jog. «Vicelatjer») 
blieb in Amt und Einfluß. Die Reorganijation der 


Frankreich (Gedichte 1852— 70) 


Armee wurde mit aller Macht betrieben. Das dem 
Geſetzgebenden Körper a te Gejfeß follte durch 
neunjährige allgemeine Dienjtpflibt (5 bei ber 
abne) eine Feldarmee von 800000 Mann und zum 
aus der Feitungen und Städte eine mobile Natio: 
nalgarbe von 400000 Dann fchaffen. Gleichzeitig 
betrieb Niel mit raftlofer Energie die Umwandlung 
der Iinfanteriegewehre nad dem verbeflerten Syſtem 
Chaſſepot. Der Sommer 1867 verlief im feftlihen 
Glanze der zweiten Barifer Welt-Induſtrieaus⸗ 
ftellung. Im Herbſt 1867 ließ die ital. National: 
partei durch Garibaldi fich zu einem Angriff auf Rom 
fortreißen. Daher ging 26. Dft. ein frana. Geſchwader 
mit Landungstruppen unter General de Failly von 
Zoulon in See, und 30. Okt. rüdten die erſten franz. 
Bataillone wieder in Rom ein, Am 3. Nov. kam 
es bei Mentana zu einem blutigen Gefecht zwifchen 
den Freiiharen Garibaldis und den päpftl, Truppen; 
legtere waren in Gefahr zu unterliegen, als die 
Franzoſen ihnen zu Hilfe famen und ven Ausſchlag 
aben. Nachdem die päpftl. Autorität im Kirchen» 
aat wieberbergeftellt war, kehrte ein Zeil des 
franz. Expeditionskorps nad F. zurüd; doch blieben 
einige Truppen in Eivitavechia. 

Unterdes war die kaiſerl. Regierung bemüht, die 
Geſehvorlage über die Armeereform durchzubringen. 
Am 14. Jan. ward das neue Wehrgeſetz im Geſetz⸗ 
gebenven Körper mit 199 gegen 60 Stimmen an- 
— und 1. Febr. vom Kaiſer genehmigt. 

ud eine Anleihe von 429 Mill. Frs., vo q ⸗ 
weiſe zu militär. Zwecken, wurde bewilligt —— i). 
Die neuen Gefehe über die Prejie und das Ber: 
fammlungsreht kamen im Mai zu ftande; fie 
ihufen im Gegenjaß zu dem bisherigen Willfür: 
regiment wenigſtens eine gejeßliche Grundlage. Die 
ertremen Barteien benupten die gewonnene fFreibeit. 
BZablreihe oppofitionelle Zeitungen entitanden; 
aber alle übertraf die «Lanterne» von Rocefort 
durd ihre unerhörte Rüdfichtälofigleit und fchneis 
dende Satire, Auch die Enttbronung der Königin 

fabella II. von Spanien (Sept. 1868), mit der 

— IIL eben einen Allianzvertrag zu ſchließen 
im Begriff war, trug dazu bei, die ufregung zu 
fteigern. Am Alle eelentage (2. Nov.) fam es auf 
dem Pariſer Kirchhofe Montmartre Pr Demon: 
—— man bekränzte die Gräber Cavaignacs, 

udins und anderer Republilaner. Da die Polizei 
in ungeſchickter Weiſe dagegen einjchritt, wurde 
eine Subffription zu einem Dentmal für Baudin 
von der Be e eröffnet, und ala der Minifter des 
Innern, inard, deshalb ein gerichtliches Verfahren 
einleiten ließ, bielten die Verteidiger, darunter 
®ambetta, feurige Reden, die den Staatäftreich un: 
ummunden ald Verbrechen brandmarften. Napoleon 
ſelbſt fand das Verhalten des Minijters ungeſchickt 
und erſetzte ihn durch Forcade de la Roquette, 

An der Seſſion vom Jan. bis April 1869 dedte 
die Oppofition die ganze ſchwindelhafte Finanz: 
wirtjchaft bei dem vielgepriejenen Umbau von Baris 
auf (f. Haußmann) und betonte die Notwendig: 
feit, der Hauptſtadt ihre fommunale Selbſtändigkeit 
zurüdzugeben. Gleich nad dem Schluſſe ver Seſſion 
wurden die Neumwablen jr vierten Legislaturperiode 
auf den 23. und 24. Mai ausgejchrieben, und es 
begann von allen Seiten eine lebhafte Wablagi⸗ 
tation. Der Miniſter des Innern, Forcade de la 
Roquette, bot alles auf, um die offiziellen Kan— 
didaturen durchzubringen, und dies gelang zum 
größten Teil; nur in aris, Lyon, Marjeille und 


1031 


andern großen Städten erlitt der Imperialismus 
und das jog. perjönliche Regiment eine vollftändige 
Niederlage; hier wurden jogar die gemäßigten Oppo⸗ 
fitionellen und Republikaner teilweife durch Radikale 
(Gambetta, Bancel, Raspail, Rochefort u. f. w.) 
verdrängt, die fih als die «llnverföhnlichen» bes 
—— und die Rouheriſten als « Mameluten» 
randmarlten. Napoleon IL. empfand die Bedeut⸗ 
famteit der Krifis und ſchwankte. Um einer parlas 
mentarifhen Niederlage zuvorzutommen, richtete 
er 12. Juli eine Botthaft mit dem Berfprechen 
neuer fonftitutioneller Reformen an den Gejep- 
ebenden Körper und vertagte ihn auf unbeftimmte 

eit. Rouher wurde entlafjen und zum Senats 
präfidenten ernannt, Am 17. Juli erfolgte die 
definitive Abſchaffung des Ip Staat3minifteriums 
nebft einer — des Kabinetts, was jedoch 
teineöwegs eine parlamentariſche Konzeſſion war, 
da Forcade de la Roquette und feine meiſten Kol— 
legen blieben, während nicht ein einziges Mitglied 
der Mittelpartei berufen ward. Am 2. Aug. trat 
der Senat zufammen, um über die Berfaflungs: 
novelle der Regierung zu beraten, und ri ein 
Senatstonfult, das die Kompetenz deö Geſetzgeben⸗ 
den Körpers und des Senats in manden Stüden 
erweiterte und im Princip auch die Minifterverant- 
mwortlichleit zugeftand. Durch die Verfaſſungs⸗ 
änderung war die Stellung des Frei gen immer 
unbaltbarer geworden, und jo berief Napoleon ILL 
27. Des. 1869 Dllivier zur Bildung eines neuen 
Kabinett3, das die Majorität des Geſeßgebenden 
Körpers treu vertreten follte. Dies erfte parlamen⸗ 
tariſche Minifterium unter dem zweiten Kaiferreiche 
fam 2. Yan. 1870 & ftande und begann feine 
runde mit der Entlajjung des Seinepräfelten 

außmann. Am28, März wurde dem Senat der Ents 
wurf einer neuen Verfafjung vorgelegt, der unter ans 
derm dem Geſetzgebenden Körper einen Anteil an der 
fonftituierenden Gewalt, die bisber allein dem Senat 
zuftand, einräumte; aber die Minijter follten nad 
wie vor nur vom Raifer abhängen, und ihre ans 
— Berantwortlichleit war alſo ganz illuſoriſch. 

azu behielt der Kaiſer ſich das Recht vor, jederzeit 
an das Volt, dem er verantwortlich ſei, zu appel⸗ 
lieren. Bon dieſem Rechte wollte Napoleon IIL 
—F Gebrauch machen; die neue Verfaſſung, ſobald 
ie durch Senatskonſult feſtgeſtellt war, ſollte nicht 
dem Geſetzgebenden Körper zur Beratung vorgelegt, 
jondern durch Volksbeſchluß beftätigt werden. Da: 
dur erfhien der neue Parlamentarismus nur als 
eine Maste für die Fortdauer der alten perſönlichen 
Regierung. Am 20. April 1870 kam dann das 
Senatskonſult zu jtande und 8, Mai wurde es mit 
allen jeit 1860 bewirtten liberalen Berfaflungs: 
reformen durch eine allgemeine Vollsabftimmung 
angenommen. Es wurden 7350142 Ya und 
1538 825 Nein abgegeben. Doc hatten alle großen 
Städte überwiegend mit Nein gejtimmt, und noch 
bedenklicher erjcbienen die von der Armee und 
Marine —— 50000 Nein. Nichtsdeſto⸗ 
weniger ſah Napoleon II. in dem PBlebiscit eine 
neue Gewähr für jeine Dynaſtie. Auch Ollivier 
Ehe fih durch dieſen Griola gehoben und trat 
eitdem dem —— Koͤrper mit Schroffheit 
entgegen. Die Reformbewegung geriet vollſtändig 
in Stodung, und in der auswärtigen Politik war 
F. bereits auf eine gefäbrlihe Bahn geraten. Die 
definitive Überzeugung, e8 ſei mit Preußen feine Ge: 
bietövergrößerung zu erreichen, legte Napoleon ILL 


1032 


den Gedanten nahe, eine folbe gegen Preußen zu 
erjtreben. Der Kaiſer mochte die Vorteile der franz. 
Heeresreform überjchäßen, die feit Nield Tode (1869) 
nur noch läffig weiter betrieben worden war, und der 
Berfiherung des Kriegäminifterd Leboeuf, er fei 
«erzbereit» (archipröt), Glauben ſchenken. {Überdies 
ward er durch den Herzog von Gramont, der 15. Mai 
an Graf Darus Stelle das Auswärtige Amt über: 
nahm, ſchlecht genug beraten. Die von der Kaiſerin 
unterjtüßte ger chürte aufs eifrigjte, und 
fo ward die Wahl des Erbprinzen Leopold von 
Hohenzollern zum König von Spanien als bequemer 
Vorwand ergriffen, um Preußen zu demütigen oder 
den Krieg zum Ausbruch zu bringen. Als 12. Juli 
die Entjagung des Erbprinzen Leopold befannt ge 
worden war, ſchien —— der ſpan. Zwiſchenfall 
— zu fein. Aber an demfelben Abend fand 
ein Minifterrat unter dem Vorſiß Napoleons IIL 
ftatt, und bier ward ein Beſchluß gefaßt, der den 
Krieg unvermeidlich madte. Der franz. Botſchafter 
Benedetti mußte 13. Juli auf der Brunnenprome: 
nade zu Ems dem preuß. Könige Wilhelm I. das 
Anfınnen Sr er jolle die beftimmte Berfiherung 
geben, daß die hobenzoll. Kandidatur nicht wieder 
aufgenommen werden bürfe; auch eine fchriftliche 
Entihuligung wegen diefer Sache, in Form eines 
Briefs des Run an Napoleon IIL, wurde bean: 
ſprucht. Als Wilhelm I. diefe Zumutungen kurzweg 
abwies, dem franz. Botſchafter weitere Audienzen 
in * Sache verweigerte und Bismard den Sadı: 
verhalt in der von ihm in —— Form redigierten 
Emſer Depeſche⸗ amtlich befannt machen ließ, er: 
Härte man die Ehre F.s verlegt. In der Sitzung 
vom 15. Juli erbob Thiers vergebens feine war: 
nende Stimme. Dllivier verficherte, daß das Miniſte⸗ 
rium «mit leichtem Herzen» die Berantwortlicteit 
übernehme. Am 19. Juli wurde die franz. Krieges 
erflärung in Berlin überreiht, und Napoleon III. 
übernahm in Meß 28. Juli das Oberkommando der 
Rheinarmee, nachdem er der Kaiſerin Eugenie die 
Regentſchaft übertragen hatte. 
er Deutich: Franzöfifhe Krieg von 1870 und 
1871 (f.d.) enthüllte überrafchend ſchnell die äußere 
und innere Schwäche des zweiten Kaiſerreichs. Gleich 
nad den erſten Niederlagen trat das Minifterium 
Dllivier vor einem Mißtrauensvotum des Geſetz⸗ 
——— Körpers zurüd. Das neue Kabinett, unter 
orfig des Generals Eoufin-Montauban, bot alles 
auf, um bie Wehrkraft 5.8 zu verftärfen und Paris 
u verproviantieren, Unterdes warb bie franz. 
rmee in einer Reihe großer Schlachten vernichtet, 
Napoleon III. jelbft ergab ſich bei Sedan (2. Sept.) 
friegsgefangen; der katjerl. Prinz, der feinen Vater 
begleitet hatte, batte fich bereit# über Belgien nad 
England — Auf die Nachricht von dieſer Kata⸗ 
ſtrophe brachen in — Unruhen aus; in der Nacht 
vom 3. auf den 4. Sept. beantragte Jules Favre im 
Geſetzgebenden Körper die Abjekung der kaiſerl. Dy⸗ 
najtie. Eoufin: Montauban wagte nicht, der Ber 
mwegung ernitlich entgegenzutreten, da Militär und 
Nationalgarde fih unzuverläffig zeigten. Am4.Sept. 
nachmittags —— ein Vollshaufen das Sißzungs⸗ 
lolal des Geſehgebenden Körpers, der Senat löſte 
ſich auf, und während Gambetta unter allgemeinem 
Enthuſiasmus die Republik proklamierte, flüchteten 
die Kaiſerin und die Häupter der laiferl. Bartei, um 
in England Zuflucht zu fuchen. 
15) Unter der dritten Republil bis 
zum Rüdtritt Thiers’ (1870—73). Nob am 


Frantreich (Geſchichte 18370—73) 


Abend des 4. Sept. 1870 konſtituierte ſich auf dem 
Pariſer Stadthauſe eine « Proviſoriſche Regierung 
der nationalen Verteidigung», die aus lauter Ab- 
eorbneten der Linfen beftand (Arago, Erdmieuz, 
jene, erry, Gambetta, Garnier: Bagts, Glais- 
izoin, Belletan, Picard, Rochefort, Simon). Den 
Vorſitz und das Generaltommande von Baris erbielt 
General Trohu. Jules Favre wurde Vicepräfident 
und Minifter des Auswärtigen und begann feine 
Funltionen mit einem diplomat. Rundicreiben vom 
6. Sept., worin er erllärte, daß die Regierung den 
Frieden wunſche, aber «nicht einen Zoll breit des 
nationalen Gebietes,nicht einen Stein von den franz 
Feſtungen⸗ abgeben werde. Denjelben Anſpruch 
erhob Favre in einer mündliben VBerbandlung mit 
Bismard zu Ferriöres 19. bis 20, Sept. Tbiers 
übernabm eine diplomat. Miffion nah London, 
Dien, Peteräburg und Florenz, um die Bermittelung 
der neutralen Mächte zu erbitten; aber er fand 
nirgends Gehör. Auch feine Unterbandlungen mıt 
Bismard, 1. Nov. in Berjailles, führten zu feinem 
Reſultat. Als die deutſchen Heere gegen Baris vor: 
rüdten, beſchloß die franz. Regierung, das Schichſal 
der Hauptſtadt zu teilen, Doch ward zur Verwaltung 
der Provinzen eine Delegation nah Tours abge 
ordnet, wo Bambetta als Minifter des Krieges und 
des Innern thatſächlich die Diktatur an ſich riß 
Am 19. Sept. war die Einfhliekung von Paris 
beendigt. Straßburg und Mes kapitulierten. An: 
fang Dezember 2* die Regierungsdelegation 
von Tours weiter ſudlich nach Bordeaux flüchten, und 
auch die Regierung von Paris hatte einen ſchweren 
Stand. Alle Anſtrengungen, den rg mer 
tel zu durchbrechen, blieben erfolglos, und Mangel 
an Yebensmitteln ftellte fi ein. Dazu gab es im 
Innern eine ertreme Partei, die in Verbindung mit 
der internationalen ag sr: saisihgih ftand und 
fih auf die bewaffnete Bevöllerung der Arbeiter 
quartiere Belleville, Montmartre u. f. w. ftüste. 
Abgefeben von kleinern Rubeftörungen, verfucte 
diefe 31. Dit. 1870 und 22. Yan. 1871, zunädit 
obne Erfolg, fi der Gewalt zu bemädtigen unt 
eine ſog. Commune einzufegen. Unter diejen Um— 
ftänden fab fi die Regierung der nationalen Ber: 
teidigung genötigt, den Frieden zu erbitten. 

Am 28. Jan. 1871 wurde zwiſchen Favre und 
Bismard eine Konvention über einen dreimödbigen 
Maffenftillitand zu Lande und zu Waſſer unter: 
zeichnet. (S. Deutſch⸗Franzoſiſcher Krieg von 1870 
und 1871, IV). brend diejer Waffenrube, die 
fpäter bis zum 3. März verlängert wurde, jollte 
durch allgemeine freie len eine Rationalver: 
fammlung gemäblt werden, um über ben Frieden 
u verhandeln. Als Gambetta verjuchte, die Wabl⸗ 

eibeit zu Gunften der Republilaner zu beichränten, 
wurde fein Delret weder von Bismard noch von der 
Barifer Regierung anerlannt, und bei der allgemei- 
nen Friedensſehnſucht des franz. Volls jab er ſich zum 
Nüdtritt genötigt. Am 8. Febr. fanden die Wahlen 
ftatt, und am 12. bielt die Rationalverfammluns 
in Borbeaur ihre erjte Sigung. Tags darauf legte 
die Regierung der nationalen Verteidigung i 
Funltionen in die Hände der Verſammlung nieder, 
und diefe ernannte 17. Febr. Thierd zum Chef ver 
Grebutivgemwalt, unter dem Jules Favre das Mini 
fterium des Auswärtigen bebielt. Am 26. Febr 
wurden bie riedenspräliminarien in Berjailles 
zwiſchen Thiers und Favre einerjeits, Bismard und 
den Bevollmächtigten von Bayern, Württemberg 


Frankreich (Geſchichte 1870—73) 


und Baden andererſeits abgeſchloſſen, wodurch F. die 
Provinzen Elſaß und Deutſch-⸗Lothringen, mit Mes, 
aber up Belfort, an das Deutſche Reich abtrat 
und ſich verpflichtete, 5000 Mill. Frs. Kriegsloſten 
gi bezablen; bis nad geleifteter Zahlung follte ein 
eil des franz. Gebietes von deutichen Truppen be 
jegt bleiben. Diefe Bräliminarien wurden 1. März 
vonder Nationalverfammlung zu Bordeaur,2. Mär 
von Kaiſer Wilhelm I. ratıfiziert. Kurz — 
(20. März) ſiedelte auch die Nationalverſammlung 
nebſt der Exelutivgewalt aus Borbeaur nach Ber: 
failles über. In Paris aber brad 18. März ein 
neuer erfolgreicher Aufitand aus, und die Com— 
mune bemächtigte fi der Gewalt. Die Bewegung 
blieb jedoch — die Hauptſtadt beſchränkt, die 
Armee der Verſailler Regierung treu, und nach 
langwierigen blutigen Kämpfen (ſ. Paris) wurde 
der Aufſtand niedergeſchlagen und die Ordnung 
wiederhergeſtellt (28. Mai), Schon zuvor war der 
definitive Friedensſchluß mit Deutichland erfolgt. 
Nah Beitimmung der Präliminarien waren zu Brüj: 
” 28. März franz. und deutſche Bevollmädhtigte zu: 
ammengetreten, um die Einzelheiten weiter zu bes 
raten; doch die Berhandlungen ſchleppten ſich bin, 
und man vermochte ſich namentlich über die finan— 
ziellen Fragen nicht zu einigen. Da griff der Reichs— 
tanzler Bismard perfönlih ein, und in einer Zu: 
fammentunft zwiſchen ihm und den franz. Minijtern 
Favre und Bouyer:Quertier zu Seandler: a. M. (6. 
bis 10. Mai) wurden alle ſtreitigen Punkte ſchnell 
erledigt. Der Frankfurter Friede (ſ. d. vom 10. Mai 
1871 beftätigte im mejentlichen die PBräliminarien. 
Die Wahlen vom 8. Febr. hatten unter Heritalen 
Einflüffen und unter dem Drude der Berbältnifje 
eine überwiegend legitimiſtiſch-orléeaniſtiſche Ma: 
jorität ergeben, jo daß man allerfeitö mit Furcht 
over Hofinung einer baldigen monarchiſchen Reſtau⸗ 
ration entgegenjahb. Die Prinzen des Haufes 
Orleans kehrten nah F. zurüd; der Graf von 
Chambord (Heinrid V.) erihien zu einem längern 
Beſuch auf feinem Gute Ebambord, und die beider: 
ir en Anbänger verbandelten wieder über eine 
en beider Linien. ex wurde aber 
dur das Manifeſt Ehambords 5. Juli, worin er 
erllärte, daß er die weihe Fahne Heinrichs IV. nicht 
—— könne, zur Unmöglichkeit. Nun ſuchte 
hiers fich der monarchiſch gelinnten Mayorität zu 
verfichern, indem er immer mebr Männer von 
orleanijtifcher Yärbung ins Kabinett berief. Der 
Republilaner Aules Favre trat zurüd, und Charles 
de elle übernabm3. Aug.das Auswärtige Amt; 
fpäter erbielt Gafimir: Berier (der Sohn) das Mini: 
fterium de3 Innern. Am 12. Aug. wurde aus dem 
(inten Centrum der Rationalverfammlung ein Geſetz⸗ 
, entwurf eingebracht, der die Verlängerung der Voll: 
machten Thiers’ auf drei Jahre mit dem Titel eines 
Präſidenten der Republit beantragte, unter gleich⸗ 
zeitiger Einfegung eines verantwortlihen Miniftes 
riums. Nach einer heftigen Debatte (30. und 31. ug.) 
erfolgte die Annahme des Geſetzes mit 491 gegen 
93 Stimmen. Dasjelbe beftimmte, daß Thiers ala 
« Präfident der Nepublil» die Grefutivgemalt aus⸗ 
üben ſolle unter der Autorität der Nationalvers 
fammlung, bis dieje ihre Arbeiten beendet babe; 
er jolle am Siß der Verſammlung refidieren und 
auf Verlangen Ban: von ihr gebört werden. 
Somohl der Prälident wie die Minifter, die diejer 
ernennt und entläßt, follten vor der Nationalver: 
fammlung verantwortlid fein. Bald darauf ver: 


1033 


tagte fibh die Verfammlung vom 17. Sept. bis 
4. Dez., nachdem fie für die Dauer der ‘Ferien eine 
permanente Kommiffion von 25 Mitgliedern ein: 
geiekt hatte, 

Die nächſten Ziele der franz. Regierung und 
Nationalverjammlung waren einerjeit3 die mög: 
lift baldige Befreiung des Landes von der feind: 
liben Bejegung und die Verbeflerung des Militär: 
weſens nad) preuß. Mujter, andererjeitö der Aus: 
bau der Verfaſſung. Zur Bezahlung der zwei erjten 
Milliarden Kriegsentihädigung nahm Thiers im 
Juni 1871 eine Anleihe von 2500 Mill. Fr3. und 
ur Abzahlung des Reſtes im Juli 1872 eine An 
eihe von mehr als drei Milliarden auf. So mar es 
B möglich, dur rajchere Zahlungen das Ende dei 

ccupation früher herbeizuführen, als beim Frie— 
pe. in Ausfiht genommen war. Nachdem 
die legte Zablung 5. Sept. 1873 geleijtet war, ver: 
ließen die legten deutichen Truppen unter General 
Manteuffel das franz. Gebiet. Freilich Teufen die 
boben Zinsſummen für da3 entliehbene Kapital 
(750 Mill. Frs. gegen 350 Mill. vor dem Kriege) 
den Staatäfinanzen nicht geringe Verlegenheiten, 
fo daß Jahr für Jahr das Budget ein Deficit aufs 
wies, das Thiers nur mübfam dur neue Steuern 
und Zölle (au auf Robjtoffe) zu deden ſuchte. 
Trotzdem wurde die Nilitärreorganifation mit Nach⸗ 
drud ausgeführt. Die Nationalverfammlung be 
mwilligte für dieſen Zweck jede ihr angefonnene 
Summe und bot fogar der Negierung noch mehr 
Geld an, als dieje verlangte. Das Kriegädienft: 

eſeß vom 28. Juli 1872 (arte die allgemeine 

ehrpflicht in der reg ein, daß ein Teil der Manns 
ſchaft zu fünfjähriger Präſenz, der andere zu ſechs⸗ 
monatigen Übungen verpflidtet war. Außerdem 
wurde eine Dienftzeit von vier Jahren in der Re: 
ferve und von elf Jahren in der Territorialarmee 
(Landwehr) feſtgeſeßt. Diejes Gefe wurde vervoll: 
jtändigt durd das Organiſ ri vom 24. Juli 
1873 und durd das Gadresgejeb vom 13. März 1875. 
Durd jenes wurde die Zahl der Negimenter be: 
jtimmt (144 Regimenter Infanterie, 70 Regimenter 
Kavallerie, 28 Negimenter Artillerie) und dieſe 
unter 18 Urmeetorps verteilt, wofür die ommans 
dierenden Generale fofort ernannt wurden; ein 
19, Armeelorps ward für Algerien errichtet und 
unter dad Kommando des dortigen Generalgouver: 
neurd Chanzy geſtellt. Durh das Gadreägefek 
wurden die Bataillondcadres in der Weife ver: 
mebrt, daß die Maximalſtärke des Reniments auf 
4000 Dann erböbt wurde. War diejes Geſetz durch⸗ 
geführt, jo beitand die franz. Infanterie aus 641 

ataillonen, Für den Revanchekrieg arbeiteten alle 
Barteien in %.; auch die Pläne der Jeſuiten ver: 
banden fih damit. Unter der Herrichaft der lektern 
ſollte das gedemütigte F. wieder aufgerichtet, das 
Volk für den nationalstleritalen Kreuzzug gegen 
Deutſchland aufgeftachelt werden. Wunperquellen 
(f. Lourdes), Wundererfheinungen, maſſenhafte 

rozejfionen, Abfingung von Glaubensliedern mit 
einem Revanderefrain follten den Fanatismus 
in einer gewijjen Höbe erhalten, Die Klerikalen, 
von der Regierung meift begünftigt, gingen in ihren 
Forderungen immer weiter, bis ibnen zulekt das 
Unterrihtögefeß vom 12. Juli 1875 das Recht der 
Gründung «freier Univerjitäten» und der Teil: 
nabme an der Erteilung der alademiſchen Grade 
—— wodurch ſie, die bereits den ganzen 

ollsunterricht und bie Leitung der weiblichen Er- 


1034 


ziehung und Bildung in ihren Händen batten, au 
den böbern Unterricht und die Träger der höhern 
Bildung unter ibre Gewalt zu bringen hofiten. 

Weniger Einigkeit herrſchte unter den Barteien, 
00 e3 fid um den Ausbau der Verfaffung banvelte. 
Die Monardiften jpalteten fi in Legitimiften, 
Drleaniften und Bonapartijten, und jede diefer drei 
Parteien hatte ihren befondern PBrätendenten; die 
Republitaner bildeten gleihfalla drei Gruppen: 
gemäbigte, entſchiedene und raditale Republilaner. 

o fam e3, daß eine Dreißiger-Kommiſſion, welche 
die fonftitutionellen Geſetze ausarbeiten follte, in 
der Berfammlung keine Mebrbeit fand. An diejen 
Schwierigkeiten nutzten ſich mehrere Minifterien ab, 
und mit der Verfaſſung aing eö nicht vorwärts. 
So viele Verdienſte auch Thiers als Präſident der 
Republik hatte, jo gürnten ihm doch die Monarchiſten, 
weil er ihre Pläne nicht ausführte und in einer 
san ri vom Nov. 1872 die thatjählihe Ne 
publit dem Ungewiſſen vorzog. Als nun Thiers 
bei der Neubildung des Minijteriums 18, Mai 1873 
die —— ehrheit gar nicht mehr berüd: 
ſichtigte und jein Kabinett nur no aus den Reiben 
der gemäßigten Republikaner refrutierte, bean: 
tragten die Monarchiſten ein Tadelsvotum gegen 
ihn, das 24. Mai mit 360 gegen 344 Stimmen an: 
genommen wurde. Darauf nahmen Thiers und 
deſſen Miniſter ihre Entlaffung, und Marſchall Mac: 
Mahon wurde no in der nämlichen Sigung zum 
Präfidenten der Republik gewählt. 

16) Unter der Bräfidentihaft Mac-Ma: 
hons (1873—79). Der neue Präfident ernannte 
ein aus 2egitimiften, Orldanijten und Bonapartijten 
zufammengefegtes Minifterium, worin der Herzog 
von Broglie den VBorfig führte und das Auswärtige 
übernabm. Die neue Vräfidentihaft ſchien nicht 
von langer Dauer zu fein, denn die Legitimiften 
betrieben leidenſchaftlicher als je die Verſchmelzung, 
batten viele Drleaniften dafür gewonnen und formus 
lierten bereit3 einen Antrag auf Zurüdberufung 
des Grafen Chambord auf den Thron feiner Väter. 
Da aber diejer in einem Briefe an Cheönelong 
vom 27. Okt. eine bedingungslofe Zurüdberufung 
verlangte und wederin der Fahnenfrage (ob Tritolore 
oder die weiße Fabne) nod in der Berfafjungsfrage 
zum voraus eine bindende Erflärung abgeben wollte, 
jo zogen fi die Drleaniften zurüd, Dagegen ver: 
langte nun Mac-Mabon die Herftellung einer ftarten 
Erefutive, und die Berfammlung beſchloß, die Dauer 
der Präfidentichaft auf fieben Jahre feſtzuſetzen. 

Unter dem Brogliefchen Minifterium machten 
der Ultramontaniömus und der Bonapartismus 
ſehr bedeutende Fortſchritte. Die Hirtenbriefe_ der 
franz. Bifchöfe überboten fih in Angriffen auf die 
Perſon des Deutſchen Kaiſers und die Reichäregie: 
rung, fo daß der Kultusminifter in einem Rund: 
ſchreiben vom 26. Dez. 1873 die Bifchöfe zur Vor: 
ſicht ermahnte und Bismard die franz. Regierung 
zur Rede jtellte. Die Bonapartijten errangen bei 
den Exſatzwahlen mehrere günjtige Erfolge und 
faben fi im Befige der meiiten böbern Beamten: 
ftellen. Nach dem 9. Yan. 1873 erfolgten Tode des 
Grlaifer3 Napoleon ſcharten fie fih um deſſen Sobn, 
der 16. März 1874 in Ehifelburft die Feier feiner 
Großjährigleit beging. Sie agitierten namentlich 
unter bem niedern Volle und warteten die günftige 
Gelegenbeit zu einem Staatsjtreiche ab. 

‚Inzwiihen war Broglie gefallen. Nachdem er 
die Annahme des Mairegeſeßes vom 20. Yan. 1874 


Frankreich (Geſchichte 1873—79) 


durchgeſetzt hatte, mwoburd die Ernennung der 
Bürgermeijter volljtändig in die Gewalt der Ke 
gierung gebradht ward, legte er noch ein bödft 
realtionäres Senatögefek und ein das allgemeine 
Stimmredt befhräntendes Gefeg für die —* 
netenwahlen vor. Doc bei der Frage, ob das 
Wahlgeſetz fofort zur Beratung lommen jolle, ent: 
Ihied die Verſammlung gegen Broglie. Daraui 
nabm er 16. Mai 1874 feine Entlaffung, und ftrieas: 
minijter Ciſſey bildete 22. Mai ein neues, gleichfalls 
den monarchiſchen Parteien entnommenes Kabinett. 
Die Bevorzugung der Klerilalen und Bonapartiften 
dauerte fort. Bei der Beratung der Geſetze über 
die Übertragung der Gemwalten und über die Wahl 
und die Befugnifje des Senats fam es endlich zur 
Entſcheidung, indem das rechte und das linte Een: 


trum der Nationalverfammlung ſich vereinigten und 


beiden Gejegen in einer von der ng 
abweichenden Yaflung im Febr. 1875 zur Annahme 
—— Das eine dieſer Geſetze beſtimmte das 
Verhältnis des Präſidenten der Republil, der auf 
* nahe gewählt werden und wieder wählbar 
ein follte, zum Senat und zur Abgeorbnetenlammer; 
das andere jeßte die Zabl der Senatoren auf 300 
eit, wovon 75 von der Nationalverfammlung auf 
ebenszeit (und bei Todesfällen deren Nachfolger 
durch Kooptation vom Senat), 225 von den Der 
partements und Kolonien durch deren Abgeorbnete, 
General: und Arrondifjementsräte und inde: 
vertreter auf neun Jahre gewählt werben follten. 
| dieje Beihlüffe bin, die nicht zum Geringiten 
aud durch die Mäßigung der fortgeichrittenen Ne 
publitaner unter Oambetta ermögliht worben wa: 
ren, trat dad Ministerium Ciſſey ab, und 11. März 
bilvete Buffet, der jeit 4. April 1873 Präfident der 
Nationalverfammlung geweien war, ein neues Ra- 
binett. Darauf folgte 16. Juli die Annabme des 
Geſetzes über die Nechte der Kammern und des Prö 
fidenten, 2. Aug. die des Wahlgeſetzes für den Senat 
und 30, Nov. die des Geſetzes über die durch Arron⸗ 
bifjementsabftimmung (nit nah Liſten) vor 
zunehmende Mabl der Abgeordneten. Die Wahl der 
von der Nationalverfammlung zu erwäblenden 75 
Senatoren wurde vom 9. bis 21. Des. in elf Ab- 
timmungen volljogen und batte einen Sieg ber 
inten, alfo eine gänzlihe Niederlage des Minifte 
riums Buffet zum Rejultat. 
Alles bingnun zunädft von den Neumablen in den 
Senat und die Abgeorbnetenlammer ab. Eie fielen 
roßenteild im Sinne der neuen Verfaſſung aus, 
b daß von den 532 Abgeordneten etwa 360 als 
epublifaner, 170 als Monardiften, darunter 80 
als Bonapartiften galten. Im Senat batten aller: 
dings die Republikaner nicht die Mebrbeit (149 von 
300 Stimmen); aber aud die monarchiſtiſche Orpe- 
fition hatte fie nicht (139), pp daß einer Gruppe des 
rechten Centrums die jeweilige Entſcheidung zufiel 
Jedenfalls beveuteten die Wahlen eine —— 
Niederlage der Reaktionäte, am allermeiſten ver 
Kleritalen und Buffets, der jelbit in eine ber 
beiden Kammern gewählt wurde. Er gab 21. Febr. 
1876 feine Entlafjung ein, und 9. März wurbe ein 
— aus Männern des linfen Centrums ar 
ilvetes Minifterium ernannt, defien Ehef Dufaure 
war. Am 7. März fand die Eröffnung der neuen 
Seifton ftatt, und am 13. wurden die definitiven 
Vorftände der beiden Kammern gemwäblt: im Senat 
Audiffret⸗ Pasquier, in der Abgeorbnetenlammer 
Grevy. Die Republilaner verlangten von der Re 


Frankreich (Gefchichte 1879— 87) 


ierung zunächſt Entlafjung aller legitimiftifch oder 
Pomaparlifi ch gefinnten Präfekten und Aufbebung 
des neuen Mairegeſetzes und des Belagerungszus 
ſtandes. Die Erfüllung des erſten Punktes ſcheiterte 
an dem Widerſtreben Mac-Mahons; der Belage— 
rungszuſtand wurde, einem in beiden Kammern an: 
genommenen Antrag entiprehend, von der Re 
gierung aufgehoben, ſowie aud einige von Buffet 
willtürlich Br Beſchränkungen des Preb: 
ejeges abgejhafft. Ein von Victor Hugo und von 
Raspail geftellter Antrag auf Erlaß einer allge: 
meinen Amnejtie für politiihe und Preßvergehen 
wurde mit großer Mehrheit verworfen. Das von 
dem Unterrihtsminifter Wabdington vorgelegte 
Geſetz, wonach das 1875 angenommene Unterrichts: 
gejes dahin abgeändert werden follte, daß künftig 
die Verleihung der alademijhen Grade nur dem 
Staate zujteben vr wurde von der Abgeorbneten: 
tammer 7. Juni eiätigt, aber vom Senat 11. Aug. 
abgelehnt. Das Mairegefeg von 1874 warb von 
den a per am 11. Juli aufgehoben und 
die Wahl der Bürgermeijter wieder den Gemeinden 
überlaffen mit Ausnahme der Hauptorte der Arron: 
diffement3 und Stantone, in denen fie von der Re 
ierung abbängig blieb. Zugleich ſollte vor der 
abl der Bürgermeifter eine Neumahl fämtlicher 
Gemeinderäte vorgenommen werden. Der Senat 
—— 11. un das von der Abgeordneten: 
ammer beſchloſſene Bürgermeiftergejes, lehnte aber 
den legten Zufas ab. Die Neuwahlen der Bürger: 
meijter wurden 8. Oft. in 33000 Gemeinden voll: 
zogen und fielen meift in republifanifchem Sinne 
aus. Da war es für die Regierung verhängnisvoll, 
daß fie eben jest den Rittern der Ebrenlegion, deren 
Beerdigung obne kirchliche eier erfolgte, auf Drän— 
gen der Klerifalen die Erweifung militär. Ebren 
verjagte. Um fih aus der Verlegenbeit zu belfen, 
legte fie 23. Nov. 1876 einen Gefekentwurf vor, 
mwonad; die militär. Ehren nur den altiven Militärs 
erwiejen werden jollten. Dieſe ofientundige Hin: 
neigung zu klerikalen Tendenzen erregte einen ſolchen 
Sturm, dab das Kabinett Dufaure 2. Dez. den 
Geiekentwurf zurüdziehen und einer —— 
zuſtimmen mußte, die bei der fünftigen Anwendung 
des Beitattungsreglements bie beiden Grundfäße ber 
——— eit und der Gleichheit der Bürger vor 
dem Gejek aufrecht erhalten wiſſen wollte. Da das 
Kabinett nunmehr weder im Senat, dem es zu liberal, 
noch in der Abgeorbnetentammer, ber e3 zu Herital 
mar, eine Mebrheit hatte, jo nahm es feine Ent: 
lajjung. Nach langen Verhandlungen fam dann 
12. Dez. ein neues Miniſterium zu ande, in dem 
un imon, Mitglied der gemäßigten Linken, die 
räfidentfhaft und das Bortefeuille des Innern 
übernahm, Martel die der Juſtiz und des Kultus, 
alle andern Portefeuilles in den Händen ihrer bis- 
— Inhaber blieben. 
uf die Agitation der Klerilalen, die von Mac: 
Mahon verlangten, er folle alle Mittel anwenden, 
um der Unabbängigteit des Papſtes Achtung zu 
verſchaffen, fennzeichnete Simon 3. Mai 1877 an: 
aefihtö der ital. Garantiegejehe die Reden von 
einer Gefangenichaft des Papſtes als libertreibun: 
gen. Darauf beklagte fih der Papſt öffentlih dar: 
über, daß der franz. Miniiterpräfivent ihn als einen 
Lügner bezeichnet habe. Dies bielten die Ratgeber 
Mac Mabons für einen günftigen Anlaß, um mit 
der parlamentarifchen Herrihaft aufzuräumen. In: 
folge eines Schreibens des Marſchalls an Simon, 


1035 


worin jener feinen Zmeifel ausprüdte, ob das 
Minifterium noch genug Einfluß in der Kammer 
babe, reichte das Kabinett 16. Mai feine Entlafjung 
ein, worauf 17. Mai ein aus Legitimiſten, Eleritalen 
Drleaniften und Bonapartijten zufammengejeßtes 
Minifterium gebildet wurde, worin der Herzog von 
Broglie das Präfidium und die Juftiz, Fourtou das 
Innere übernahm. Am 23. Juni erteilte der Senat 
die von der Regierung verlangte Zujtimmung zur 
Auflöfung der Kammer, die 25. Juni erfolgte. Das 
Reiultat der von Bambettas —— beeinflußten 
Neuwahlen vom 14. und 28. Okt. war, dab etwa 
320 Republilaner und 210 Monardiiten, darunter 
112 Bonapartiften, gemäblt wurden. Da das 
Minifterium mit einer republitanifchen Kammer: 
mebrbeit von 110 Stimmen nicht verhandeln konnte 
und überdies am 4. Nov, auch die Generalrats: und 
Bezirklswahlen vorwiegend republikaniſch ausfielen, 
jo gab es 20.Nov. feine Entlafjung ein, und 23. Nov. 
wurde ein reines Geſchäftsminiſterium ernannt, an 
deilen Spike der General de la Rochebouet ftand. 
Aber die Kammer erllärte am Tage darauf, daß fie 
zu einem Minifterium, das die Verneinung der 
Vollsrechte und der parlamentarifchen Necte fei, 
nit in Beziebung treten könne, und die Budget⸗ 
tommiffion weigerte fih, der Kammer die Be 
willigung der direlten Steuern vorzufchlagen. Dar: 
auf wurde Dufaure vom Marſchall mit der Bildung 
eines neuen Kabinett beauftragt, das 14. Dez. 1877 
zu ftande fam und worin er die Juftiz, Waddington 
das Auswärtige, Say die Finanzen, Freycinet die 
öffentlihen Arbeiten übernahm. Sämtlihe neue 
Minifter gehörten der republitanifchen Partei an, 
und fünf von ihnen waren Proteitanten. 

In der Seffion von 1878 bemilligte die Kammer 
das Amneitiegeiek für alle Preßvergeben des 3.1877 
und jür alle Vergeben genen das Vereinsgeſetz. 
Durch das Delret des Präjidenten vom 26. Juni 
wurben etwa 1300 Teilnebmer am Communeauf: 
ftand begnadigt,nachdem ſchon vorher 890 amneſtiert 
worden waren. Die Weltausftellung in Baris wurde 
1. Mai eröffnet, die Entbüllung der Statue der 
Republik auf dem Marsfeld 30. Juni als nationaler 
Feittag gefeiert. Bei den 5. Yan. 1879 vorgenom: 
menen Senatorenwahlen wurden 60 Republifaner 
und 15 men: gemäblt, während 56 Mon: 
ardiften und 19 Nepublitaner ausgetreten waren, 
Dadurch erbielten die Republifaner, und zwar die 
gemäßigten, aub im Senat eine Mebrbeit von 
58 Stimmen. Freilih war damit auh Mac: Mabons 
Stellung mwantend geworben. Die Republifaner 
verlangten die Abfegung der bonapartijtiih ges 
finnten Generale und ihre * durch jüngere, 
von Gambetta begünſtigte. Da Mac-Mahon die 
Unterzeichnung der bierauf bezüglichen Dekrete ver: 
weigerte, bot das Miniftertum feine Entlafjung an, 
Aber ein Ministerium, das ibm nicht die nämlichen 
Delrete vorgelegt bätte, zulammenzubringen, war 
ibm —— daher er ſelbſt 30. Jan. 1879 Du: 
faure die Niederlegung feines Amtes ankündigte. 

17) Unter der Wräfidentida t Grevys 
(1879—87), Sofort traten Senat und Kammer zum 
Kongreß zufammen und wäblten den Bräfidenten der 
Kammer, Jules Grevy, mit 563 von 713 Stim: 
men zum Bräfidenten von F. worauf die Kammer 
31. Jan, mit 314 gegen 91 Stimmen Gambetta zu 
ihrem Vorſihenden wählte. Nun konnte fih aber 
auch das Minifterium Dufaure nicht mehr halten, 
und 4. Febr. bildete Waddington ein neues Kabinett, 


1036 


in dem er neben dem — das Auswärtige, 
Ferry das Unterrichtsminiſterium übernahm, Say 
und Freycinet ihre Poſten behielten. Das linte 
Gentrum, die gemäßigte Linle und die jog. republi: 
taniſche Union waren in diefem Kabinett vertreten. 
Die Veränderungen in den Militärfommandos er: 
folgten jebt obne Widerjtand. Ein radikaler Antrag 
auf Erlaſſung einer allgemeinen Amnejtie wurde 
zwar von beiden Kammern abgelehnt, dagegen aber 
ein von der Regierung vorgelegte Amnejtiegejek 
angenommen, das die mögen Verbrechens gegen 
das gemeine Recht Verurteilten ausſchloß und den 
Amneftierten nicht 5* auch die bürgerlichen 
Rechte — Im Sinne der vorwaltenden libe⸗ 
ralen Strömung wurde auch die Zurückverlegung 
der beiden Kammern von Verſailles nah Paris 
befhloffen und als Termin bierfür der 1. Nov, 
feftgeiegt. Die von dem Unterrichtsminiſter Ferm 
vorgelegten Gejekentwürfe, von denen der eine den 
Rongregationen das Recht, höhere Schulen und 
Benjionate zu unterhalten, entziehen, ber andere den 
übermäctigen Einfluß der Geiſtlichleit auf das 
Unterrichtsweſen bejeitigen und einen aus Laien zu: 
genug Are oberiten Unterrichtörat dem Mini: 
ter zur Seite . wollte, wurden von der Kammer 
9. und 18. Juli genebmigt. Bald war den Republi: 
fanern aub das Miniſterium Waddington nicht 
mehr genebm, da es ihnen nicht energisch genug gegen 
bonapartijtifche Beamte verfuhr. Bon den vier Fral⸗ 
tionen der Nepublifaner: linfes Centrum, republis 
taniſche Linke, republitanifche Union, äußerite Linke 
(Ravitale), arbeiteten hauptſächlich die zwei mittlern 
an dem Sturz des Rabinettö, und da diefes unter 
— Umſtaͤnden die Kammermehrheit nicht für 
& hatte, jo gab es feine Entlaſſung ein, worauf 
29. Dez. 1879 der Bautenminijter Freycinet ein 
neues Minifterium bildete, worin er neben dem 
Präſidium das Auswärtige übernahm, Ferry das 
Unterridtsminifterium bebielt. 
In der el. von 1880 lagen die Ferryſchen 
Unterrichtögejege dem Senat zur Beratung vor. Er 
enehmigte fie, lehnte aber den wichtigſten Artikel 
I), wodurch den Mitgliedern der vom Staate 
nicht anerlannten Kongregationen verboten war, 
eine öffentlihe oder private Unterrichtsanftalt zu 
leiten oder daran Unterricht zu erteilen, mit 149 
ge en 132 Stimmen ab. Da diejer Artilel den 
werpunkt des ganzen Geſetzes ausmachte, jo 
hatte letzteres ohne jenen feinen Wert. Daher ver: 
langten die Republikaner, daß die Regierung nach 
den Geſetzen von 1790, 1792 und 1804 gegen die 
Kongregationen verfahren ſolle. Ein ſolches Ein— 
gan war um jo mehr geboten, da in 5. 500 vom 
taat nicht ermächtigte Kongregationen mit 22 000 
Mitgliedern, darunter mehr ala 7000 männlidyen, 
beitanden, die Jeſuiten 74 Pebranftalten und ein 
Perſonal von 1011 Mitgliedern hatten, die Zahl der 
von Ordensmitgliedern unterrichteten Schüler etwa 
20 000 betrug, wovon die Hälfte in Jeſuitenanſtal⸗ 
ten war. Daber erließ auf Grund diefer Geſeßze 
der Präfident Grevy 30. März 1880 zwei Delete, 
von denen das erjte den Jeſuiten befahl, binnen 
3 Monaten ihre gejellihaftlibe Verbindung auf: 
zulöjen und ihre Anjtalten in 5. zu räumen; das 
zweite alle nicht anerkannten Rongregationen auf: 
'orderte, binnen 3 Monaten bei der Regierung 
um die Prüfung und Genehmigung ibrer Statuten 
und Neglements und um die geieglibe Anerlen: 
nung für jede einzelne ibrer bisher nur thatſächlich 


Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


beſtehenden Anſtalten nachzuſuchen. Da ſämtliche 
Biſchöfe Proteſtſchreiben gegen dieſe Märzdekrete 
erließen und die Obern der Kongregationen in 
einer Verſammlung vom 2. April beſchloſſen, die 
Statuten nicht mitzuteilen und die Autoriſation 
nicht nachzuſuchen, fo entſtand auch in F. ein «Hul: 
turlampf». Zunädjt wurden die Ordenshäuſer ver 
Jeſuiten und ihre Lehranijtalten geſchloſſen. en 
der übrigen Kongregationen wurde mit dem päpitL 
Stubl unterbandelt. Die Kongregationen über: 
fandten darauf der Regierung eine Erklärung, 
worin fie zwar ihre Achtung und Unterwerfung 

egenüber den gegenwärtigen Staatäeinrichtungen 

eteuerten, aber weder ihre Statuten vorlegten noch 
die ftaatlibe Anertennung nachſuchten. 

Diefem Gebaren gegenüber ließ es die Regierung 
an dem nötigen Nahprud fehlen und bedrohte da: 
mit jelbft ihre Stellung. Andere Ereignifle ſchärften 
den Konflilt. Nachdem von beiden Kammern 9. Yuli 
eine bedingungsloſe Amnejtie bewilligt war, tebrten 
die Kommunarden und ihre Fübrer nad F. zurüd, 
um den Kampf gegen die ftaatlihe Orbnung von 
neuem zu beginnen. Der 14. Juli, der Tag der 
Erjtürmung der Baftille, wurde in ganz 5. alä 
republikaniſches Nationalfeſt gefeiert, und Gambetta, 
der fih mit Grevy und den Miniſtern nach Cher— 
bourg zur Sylotteninipizierung begeben batte, bielt 
dort 9, Aug. eine ſcharfe Nevanderede. lim dem 
Auslande gegenüber nicht in Berlegenbeit zu ge 
raten, jtellten Grevy und Freycinet Gambettas Rede 
als ven Ausprud feiner perfönlichen Anfichten dar, 
und Frepcinet ſprach jogar von einer « Abenteurer: 
politit». Dies konnte ihm Gambetta nicht verzeiben, 
und namentlich jein Wert war die kurz darauf wegen 
Ausführung der Märzdelrete eintretende Minifter 
frifis, Das Kabinett Freycinet nahm jeine Ent 
laffung, worauf 23. Sept. 1880 jerry, der das 
Unterrichtsminiſterium beibebielt, die Präfident: 
nei t übernahm, während Barthelemy Saint-Hilaire 

inifter deö3 Auswärtigen wurde und ſechs Mu: 
lieder des vorigen Minifteriums in das neue ein 
traten. Unter der Minijterpräfidentibaft Ferro: 
nahm der Vollzug der Märzvelrete einen raſchern 
Verlauf. Die nicht autorijierten Kongregationen 
wurden aus ihren Rlöjtern —— und dieſe 
geſchloſſen, wozu an manchen Orten Militär auf: 
geboten werden mußte. Immer mebr zeigte fid die 
Wacht der —— Regierung» Gambettas. 
Als Führer der zahlreichſten Fraktion, der Hepubli: 
fanifhen Union, beherrſchte er nicht bloß die Kam: 
mer, jondern durch diefe au das Miniſterium und 
nötigte jedes Kabinett, das ihm nicht zu Willen 
war, zum Nüdtritt. Sein Streben galt aber der 
Erringung des Poftens eines Minifterpräfidenten 
und eines Präfidenten der Nepublit. Um für dieien 
Fall eine ihm ganz unterwürfige, von Monarchiſten 
und Radikalen möglichſt geläuberte Kammer zu 
ihaffen, wünjchte er die Abihaffung der Arrondifie 
mentsmwablen und bie Cinführung der Liſtenwablen 
Ir die Abgeorbnetentammer. Während nad dem 

isherigen Wahlgeſeß jedes Arrondijiement einen 
Abgeordneten wählte, follten von nun an die Räbler 
eines ganzen Departements eine auf einer Liſte 
verzeichnete Anzabl von Kandidaten auf einmal 
wählen. Da die Republitaner in den meijten De 
partements die Mebrbeit hatten, jo war ſicher, das 
dur die Liſtenwahl eine überwältigende Mebrbeit 
von Republilanern gewählt werben würde, und dw 
Anfertigung diejer Liiten lag in der Hand Gambetta# 


Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


und ſeiner —— Der Abgeordnete Bardou 
ſtellte alſo im Namen Gambettas den Antrag = 
Wiederberitellung der Liftenwahl, die jhon in den 
J. 1848 und 1871 angewandt worden war, und die 
Kammer genehmigte denjelben 19. Mai 1881 mit 
geringer Majorität, dagegen beſchloß der Senat mit 
148 gegen 114 Stimmen, in die Beratung der ein: 
zelnen Artikel des Antrags nicht einzutreten, Sam: 
betta gab nun die Parole der teilweiſen Verfaſſungs⸗ 
reviſion aus, die fomobl die Liftenwahl als auch 
eine Reform des Senats in fi ſchloß, obgleich der 
(egtere in vielen wichtigen Dingen, wie in Vereins— 
und Preßangelegenbeiten, in der Zollpolitit und in 
Budgetfragen, in liberaler Weife mit der Kammer 
übereingejtimmt hatte. _ , 

Sn batte F. auf dem Gebiete der äußern 
Bolitif einen Erfolg erzielt. Schon feit längerer 
Seit hatte man in F. die Beſezung von Tunis ins 
Auge gefaßt, und im April 1881 nabm F. die Einfälle 
des räuberijchen Grenzſtammes der Khrumir in Al 
gerien zum Vorwand dafür. Etwa 30000 Mann 
rüdten von Algerien aus in Qunis (j.d.) ein. 
Gine andere franz. Kolonne landete in Bijerta, und 
General Breard, der mit 4000 Mann vor dem 
Bardo des Bei erfchien, zwang lestern 12. Mai, 
den Vertrag von Bardo zu unterfchreiben, wonach 
er alle wichtigen Bläge den Franzoſen übergab, die 
Verwaltung feines Landes durch jranz. Beamte zus 
ließ und dem franz. Minifterrefidenten Rouftan die 
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten der Re: 
aentichaft überließ. Um die Protejte der Pforte, die 
fib auf ihre Oberhoheitsrechte über Tunis berief, 
fümmerte ſich F. nit. Deutſchland, Oſterreich und 
Rußland erkannten das Proteltorat an; aber in 
England erwachte die maritime Eiferfucht in voller 
Stärfe, und Jtalien, in defjen Händen fait der 
ganze tunejiihe Handel lag, ſah fi im feiner 
Hoffnung, das gegenüberliegende Land felbit in 
Beſiß zu nehmen, getäufht. Die Erbitterung der 
Italiener ftieg zu jo hobem Grade, daß 19. Juni 
1881 blutige Auftritte when Franzoſen und Fia⸗ 
lienern in Marſeille ſtattfanden und Demonſtra— 
tionen in den größern ital. Städten veranftaltet 
wurden. Der engere Anſchluß Italiens an Deutich: 
land und Oſterreich, der fich Später zu einem förm⸗ 
lihen Dejenfivbündnis geftaltete, war die nächſte 
Folge diejes Schritte. Doch war mit dem Ein: 
marjch der Franzoſen das Land noc nicht erobert. 
Kaum war ein Teil ihrer Truppen nad F. zurüd: 
aetehrt, fo erhoben fich die tunefijhen Stämme 
neuerdings in einem Aufftand, der aud nad Al 
gerien binübergriff, weshalb größere Truppen: 
majjen nah Afrika geſchidt werden mußten. Sie 
nahmen die Städte Sfals, Gabes, Dſcherba, Sufa 
und zogen 26. Dit. in die vom Feinde verlaffene 
beilige Stadt Hairuan ein. Der 1882 zwiſchen F. 
und dem Bei abgejchlofjene neue Vertrag verwan: 
velte das Protektorat in eine Annerion. Dieſem 
gemäß übernahm F. die tuneſiſche Schuld, ftellte, 
unter Aufhebung der Kapitulationen, ein neues Ge: 
richt ber, das alle Prozeſſe zu erledigen hatte, und er: 
bielt das Necht, das Staatseigentum zu überwachen 
und die Steuern im Namen des Bei einzutreiben. 

Inzwiſchen hatten die Abgeorbnetenwahlen vom 
21. Aug. 1881 einen entſchiedenen Sieg Gambettas 
dargetban. Gewählt wurden mehr ala 450 Re 
publifaner, 57 Bonapartijten und 41 Orleaniften 
und Legitimiſten. Von den vier isn sc 
Fraktionen batte die Union, deren Führer Gambetta 


1037 


war, die meijten (206) Mitglieder, und da er außer⸗ 
dem in Verbindung mit Ferry auch noch die «rer 
publitanifche inte» für fh hatte, jo gebot er über 
eine Kammermebrbeit von 374 Stimmen. Nad: 
dem die Kammer 28. Dit. Brifjon zu ihrem Präſi⸗ 
denten gewählt und das Miniſterium Ferry, deſſen 
Stellung durh die Debatte über die tunefische 
Frage unficher geworden war, feine Entlaflung eins 
— hatte, Ubernahm Gambetta 14. Nov. die 
räfidentfcaft und das Auswärtige in dem «großen 
Minijterium». Daß von den bedeutendern Staats: 
männern (Freycinet, Say, Ferry) fein einziger in 
dieſes Kabinett eintrat und Gambetta lauter Männer 
weiten und dritten — (Waldech-Rouſſeau, 
Paul Bert, Campenon, Allain⸗Targé, Cazot u. a.) 
aufnehmen mußte, gab feinen Gegnern Anlaß, 
von einem Minifterium der «Enttäujhungen», ja 
von einem «Bedientenminifterium» zu * 
Gambetta ſuchte zunächſt ſeine Stellung dur einen 
neuen Erfolg nach außen bin zu kräftigen. Er er: 
öffnete, da ein Revanchekrieg genen Deutichland 
zur Stunde feine Ausficht > Erfolg bot, eine 
diplomat. Korreſpondenz mit dem engl. Kabinett, 
um dieſes zu einer gemeinfcaftliben Beſetzung 
Agyptens, wo die nationale Partei unter Arabt 
dem übermädtigen franz.:engl. Einfluß ein Ende 
machen wollte, zu bewegen. 

Bevor aber dieje Verbandlungen zu einem Re: 
I m, fcheiterte Oambetta an feiner innern 
Bolitif, Nah dem Wiederjufammentritt der Kam: 
mer 10. Jan, 1882 legte er feinen Entwurf einer 
beſchränkten Verfaflungsrevijion vor. Diefem ge 
mäß follten für die Kammer die Arrondifjements: 
wablen abgeihafft und bie Liftenwahlen einge: 
ührt werden, für den Senat eine Ünderung des 

zahlgeſetzes und eine Beſchränkung feiner finan- 
ziellen Befugnifie ftattfinden. Dem Antrage auf 
beihräntte Verfaſſungsreviſion ftellte die äußerfte 
Linle den einer unbejhräntten Berfaljungsrevifion 
gegenüber, wonah nit dem Minifterium oder 
einer einzelnen Kammer, fondern den zum Kongreß 
vereinigten Kammern das Recht zufteben follte, 
den Umfang und Eharalter der Verfafjungsrevifion 
zu bejtimmen, Diejen Antrag, der die Verfaſſung 
von 1875 in radikalem Sinne umgeftalten, die 
Befugnifje der Kammern erweitern, die des Prä- 
fiventen und des Minijteriums beichränten wollte, 
verwarf Gambetta. Auch die Kommiffion verwarf 
ibn und ſprach fich für die Verfaſſungsreviſion und 
für Einberufung des bierin fouveränen Kongreſſes 
aus, wünjchte jedoch, daß die Reviſion auf gewiſſe 
— beſchränkt werde, zu denen aber gerade die 

iſtenwahl nicht gehören ſollte. Der Antrag auf 
Einführung der Liſtenwahl wurde dann, troß Gam— 
bettas berebter Fürſprache, 26. Yan. mit 305 gegen 
117 Stimmen abgelehnt, der Kommiffionsantrag 
dagegen mit 262 gegen 91 Stimmen genehmigt. 
uf dieſe Abftimmung folgte fofort der Nüdtritt 
des Minijteriums Gambetta, worauf 30. Jan. 1882 
cn ein neues Kabinett bildete, worin er das 
Bräfidium und das Auswärtige, Say die yinanzen, 
Ferry den Unterricht übernahm. Die Abitimmung 
vom 26. Jan. wurde in ganz Europa als Friedens: 
fundgebung der Hammer gegenüber den Kriegs— 
und Revancheplänen des — Miniſterpraͤſi⸗ 
denten angeſehen. Das Miniſterium Freycinet er- 
klärte ſich im Einverſtändnis mit den Kammern für 
eine Vertagung der Verfaſſungsreviſion. Der Ge— 
ſehentwurf über Reform der Gemeindeordnung, mo: 


1038 


nad nicht bloß, wie biäher, in den 33 000 Eleinern, 
fendern auch in den 3000 großen Gemeinden, d. b. 
in allen Gemeinden, außer in ‘Paris, die Gemeinde: 
räte bas Recht der Bürgermeifterwahl haben jollten, 
wurde von der Kammer 4. März, das Unterrichtö« 
gefes vom Senat, der den Art. VII 1880 ver: 
worfen hatte, 23. März genehmigt. Das Gejes 
über Wiedereinführung der Eheiheibung wurde 
7. Mai, das über Abſchaffung des religiöfen Eides 
vor Gericht 29, Juni von der Kammer angenommen, 
leßteres3 vom Senat — Maren dies Er: 
folge de3 neuen Kabinetts, fo konnte e3 doch jeine 
größern Entwürfe: Decentralifation der Verwal 
tung und Ordnung der arg geſchädigten Staats: 
finanzen, nicht durchführen. j 

In der ägypt. Krifis jträubte ſich Freycinet, die 
Wege Gambettas zu wandeln, ja, um die Bolitit 
feines Vorgängers, der ihn 1880 geftürzt hatte, zu 
diöfreditieren, veröffentlichte er im Juni 1882 das 

anz. Gelbbuch, das Gambettas biplomat. Korre: 
ſpondenz über die geplante weſtmächtliche Aktion 

in Agypten enthielt. Freycinet, der jede militär. 
Aktion F.s vermeiden wollte, glaubte zunächſt 
durch eine weitmädhtliche Flottendemonftration vor 
Alerandria die Machthaber in Ügypten in Schran 
ten halten zu können, und beantragte, als er die 
Wirkungslofigteit diefer Demonjtration erfannte, 
die Einberufung einer Botichafterlonferenz, die in 
Konftantinopel 23. Juni_eröffnet wurde. Er hatte 
dabei den Zwed, an die Stelle einer weſtnächtlichen 
Sintervention eine europäifche zu feßen und unter 
gewiflen Bedingungen und Beſchränkungen ſogar 
eine Öntervention der Pforte, die ein europ. Mandat 
erbielte und unter europ. Kontrolle aufträte, zuzu— 
laſſen. Dagegen wandte ſich Gambetta, der in ber 
Kammer noch immer feine Bartei binter ſich hatte. 
Als dann noh im Juni Englands Abficht auf ein 
bewaffnetes Einfchreiten immer deutlicher wurde, 
Freycinet aber nur zu einer gemeinfamen Beſetzung 
des Sueskanals, nicht aber zu Operationen gegen 
Arabi bereit war, befriedigte er damit niemanden 
in F., und der von ihm 2. jene Teilmaßregel ver: 
langte Kredit von 10 Mill. Frs. wurde in der Ham 
mer mit 450 gegen 75 Stimmen abgelehnt. Dar: 
— reichte das Kabinett Freycinet ſein Entlaſſungs⸗ 
geſuch ein, und Senator Duclerc bildete 7. Aug. ein 
neues Minifterium, worin er das Präfidium und 
das Auswärtige, Fallires das Innere, Tirard bie 
Finanzen übernahm. 

Diejes Minifterium, das keine einzige Perſönlich— 
teit von hervorragender Bedeutung, aber vier aus: 
geiprohene Anhänger Gambettas in fi ſchloß, 
wurde nur als ein «X — — be⸗ 

eichnet. Natürlich hatte die franz, Politik der Ent: 

altſamkeit nur dabin geführt, daß England nun 
die Löfung der ägypt. Krifi3 allein in die Hand 
nabm und nad dem raſchen Siege bei Tel el-Stebir 
ſich zum alleinigen Herrn Agyptens machte. Lord 
Granville ertlärte, daß England künftig die Finanz⸗ 
fontrolle in Ägypten allein zu führen gevente und 
machte &; nur das AZugejtändnis des Vorfikes 
in der Staatsſchuldenkommiſſion. Duclerc nabm 
dies nit an und beitand auf dem vertrags: 
mäßigen Recht F.s auf Fortdauer der gemein: 
jamen Kontrolle. Aber Englands Entihluß war 
unmivderruflib, und zu fpät erfannte F., dab es 
dur feine Nichtteilnabme an der ann Erpedi: 
tion jich jelbit eine Niederlage bereitet babe. Einen 
Crjag bierfür fuchte F. durch Erpeditionen nad 





Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


fernen Weltteilen ſich zu verſchaffen. Es bean 

ruchte das Protektorat über einen Zeil der Inſel 
Madagaskar, wobei es England und die Ber 
einigten Staaten von Amerila zu Gegnern batte; 
es rüjtete fich zu einer Erpevition nad Tongling, 
obgleih es dadurch in einen Konflikt mit China 
lommen mußte; es wollte, auf den von dem frany. 
Airikareijenden de Brazza mit einigen Häuptlingen 
abgeſchloſſenen Vertrag jih jtügend, am Konge 
weite Gebiete in Befis nebmen und beeinträchtigte 
dadurch die Hobeitärechte Portugals. 

Da itarb Gambetta 31. Dez. 1832, und mit ibm 
ſchwand dem Minifterium Duclerc der Boden unter 
den Füßen. Welche auferordentlihe Bedeutung 
Gambetta in F. gebabt batte, zeigte ſich alsbald 
darin, daß mit feinem Tode die Feinde der Republit 
ihre Beit gelommen glaubten. Schon im Set. 
1882 batten anardiftiihbe Unruben in Monceau 
und Lyon ftattgefunden, und beim Leihenbegängnis 
Louis Blancs, der 6. Der. — war, war ed 
auch in Paris zu ähnlichen Demonitrationen ae: 
fommen. Zwei Wochen nah dem Tode Gambettas 
brachte der Prinz Yeröme Napoleon, der, nachdem 
Prinz Louis Napoleon 1. Juni 1879 in Afrila ge 
fallen war, der Träger der napoleoniſchen Aniprüde 
war, durch Wlatate, die er in der Nacht zum 
16. an. 1883 an den Mauereden von Paris am 
—— ließ, den Bonapartismus als den ng > 

etter des Staated und der Gejellihait in Er 
innerung. Da die —— in dieſem Plalat eine 
Aufforderung zum Umſturz der Verfaſſung er 
blidte, ließ fie den Prinzen 16. Yan. verbaften, doch 
wurde er infolge eines Ausſpruchs der Anllage— 
tammer 9. Febr. freigelafien. Gleichzeitig mit dieſer 
bonapartijtiihen Kundgebung fanden im ſüdlichen 
3. legitimtftiiche Bantette ftatt, und die Orléaniſten 
wiejen auf den Herzog von Aumale al& den fünf: 
tigen Präſidenten der Republik bin, der dem Grafen 
von Baris die Bahn zum Throne ebnen follte. Die 
Republik ſchien ——— ſchien die Beute desjenigen 
zu fein, der raſch zugriff. Dieſe Brätendentenfurdt 
verurfachte in der Kammer einen Antrag Floquets, 
der fämtlihe Prinzen früher in F. regierender 
Dynaſtien ohne Unterſchied aus F. Algerien und 
den Kolonien verbannen wollte. Da eine Kabinett#: 
frifis darüber auszubrechen drohte, jo jegte die Kom- 
mijjion an Stelle des Floquetſchen Antrags den An: 
trag Favre, der nur verlangte, daß die Ausweitung 
ber als ſtaatsgefährlich angejebenen Prätendenten 
dem freien Ermejjen der Regierung anbeimgeitellt 
werden, alle andern Mitglieder der Familien aber, 
die früher in F. regiert hatten, weder Wablredte 
ausüben nod eine Stellung im Eivil- und Militär 
dienſt befleiden follten. 

Da in diefer Frage keine Einigleit im Minifterrat 
berrichte, fo erfolgte 28. Jan. 1883 der Rudtritt 
des Minifteriums Duclerc, worauf der Gambettiit 
Fallieres ein neues proviſoriſches Kabinett bildete, 
worin fpäter General Thibaudin, der in der deut: 
fen Kriegägefangenihaft von 1870 fein Ehren: 
wort gebroden hatte, das Kriegsminiſterium über: 
nahm. Aber aud dieſes Minifterium mar ber 
fritifhen Lage nicht gewachſen, und bie Präten: 
dentenfrage brachte es ſchon 18. Febr. zu Fall. Ein 
Minijterium trat 19. Febr. an jeine Stelle, das 

rößtenteild aus Gambettiften beftand und worin 
‚em das Präfipium und ven Unterricht, Cballemel- 
!acour dad Auswärtige, Walded:Roufleau das 
Innere, Raynal die öffentlichen Arbeiten übernabm, 


Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


während Thibaudin das Kriegsminiſterium behielt. 
Darauf wurden 24. Febr. Dekrete des Präſidenten 
Grevy veröffentlicht, die, auf Grund der Geſetze vom 
19. Mai 1834, vom 4. Aug. 1839, vom 13. März 
1875, den Divifionsgeneral Herzog von Aumale, 
den Oberjt Herzog von Chartres und den Artillerie: 
hauptmann Herzog von Alengon in Disponibilität 
verjeßten, weil die Grundjäße der militär. Unter: 
ordnung und einheitlihen Disciplin geſchwächt er: 
feinen könnten dur das Verbleiben dieſer Offi: 
ziere an der Spige der Armee, denen bereit3 dur) 
ibre Geburt eine Ausnabmeftellung eingeräumt jei. 
Dievonderäußerften Linten beantragte Verfaſſungs⸗ 
revifion auf die Tagesordnung zu jtellen, lehnte 
derry ab und jehte es durch, daß bie Kammer 
6. März 1883 den Antrag, die Revifionsanträge 
in Erwägung zu ziehen, nicht annahm und dem 
Miniftertum ein Vertrauensvotum beihloß. Da 
der fortwährende Miniſterwechſel die Autorität der 
Republik in Frage stellen mußte, fo einten ſich jetzt 
die Fraktionen der Republitaner im Vertrauen auf 

erry, der nun über 2 Jahre lang das Staats: 
teuer in Händen zu balten vermochte. Dies er: 
möglihte die Durchführung einer Anzabl neuer 
Geſetze. Zunächſt wurde eine Juftizreform in Ans 
griff genommen. In den eriten Junitagen 1883 
nahm die Kammer einen Entwurf an, ber zwar nicht 
eradezu die Aufhebung der Unabfegbarteit der 

ichter enthielt, wohl aber einen Artitel (XII), wo: 
nad der Yuftisminifter die Befugnis haben follte, 
3 Monate nad der Belanntmadung des Geſetzes 
zur Reorganifierung ſämtlicher Gerichte zu ſchreiten, 
d. b. innerhalb diejer Zeit in feinem Departement 
rei zu ſchalten, Richter abzuſetzen und zu ernennen. 

er Minijter hatte damit —— den Richter⸗ 
ſtand von ſo manchen antirepu Lianifchen Elemen: 
ten zu jäubern. Am 25. Juli genehmigte der Senat 
das Gejeg mit geringen Mopifitationen, denen bie 
Kammer am 31. zuftimmte. In demſelben demo: 
tratiichen Zuge bewegten ſich auch die andern Res 
formen im Innern: die Abſchaffung des religiöfen 
Eides bei Öeriht und die Wiedereinführung der 
Eheſcheidung. Ferner die längſt verlangte Ber: 
faffungsänderung, die Ferry 1884 nicht —* um⸗ 
— tonnte. unternahm fie vornehmlich im 

Inne einer Reorganifation des Senats, indem er 
24. Mai eine Vorlage einbrachte, die ein Vierfaches 
*— einmal, daß keine Reviſion ſich auf die 
Abſchaffung der Republik ausdehnen dürfe, zweitens 
die Abänderung des Senatswahlgeſetzes, drittens 
die Befeitigung der lebenslänglihen Senatoren, 
und endlich die Beichräntung des Budgetrechtö des 
Senats. Der legte Punkt war beim Senat nicht 
durchzuſetzen, und man ließ ihn fallen. Dagegen 
ward erreicht, daß an die Stelle der 75 lebensläng- 
lien Senatoren ſolche traten, die nur auf 9 Jahre 
ernannt wurden, und zwar von beiden Kammern, 
während die übrigen von erweiterten Wahltör: 
bern, in die fortan die franz. Gemeinden je nad 
ibrer Größe einen oder mehrere (Paris 30) Wahl: 
männer fenden, gewählt wurden (9. Dez. 1884). 
re onate vorher, 4. Aug. 1884, batte der 
nad Berjailles berufene — als Staatsgrund⸗ 
eſes erllärt, daß fein Mitglied der ehemaligen 

egentenhäufer jemals zum Präfidenten der fer 
vublit gewählt werben dürfe, und daß bie end: 
gelioe Regierungsform 5.8 die republifanifche fei. 

Bährend der Sejtigungövroäeh der Republil in 
diejer Weiſe fortfchritt, verloren die Legitimiften 


1039 


in dem Grafen Ebambord (Henri V.) ihren Thron: 
prätendenten (24. Aug. 1883). Nun wurde der Graf 
von Paris von Legitimiften und Drleanijten als 
legitimer Throntandidat angefeben. Derfelbe hielt 
fih aber zunädft von polit. Kundgebungen fern. 
Ebenjo wenig trat Prinz Napoleon, das Haupt der 
Bonapartiften, hervor, weil fi der fonjervativ: 
feritale Teil jeiner Anhänger von ihm ab und im 
Mai 1884 feinem Sohne Victor zuwandte. 

Mit der Konfolivierung der Republik Hand in 
Hand ging der Fortſchritt in Fragen der Kirche und 
Schule, woraus ſchon im April 1883 ein Zerwürfnis 
mit den ultramontanen Bifchöfen zu entfteben drohte, 
die einige an Staatsſchulen benugte Lehrbücher in 
ihren Hirtenbriefen verboten. Die Regierung erllärte 
dies als Anmaßung und betonte ihr Recht, wider: 
ftrebenden Priejtern den Gehalt zu verweigern. Sie 
entwarf ein Gejeß über die Betofung von Geiſt⸗ 
lihen, die dem Konkordat zumiderbandelten, ent: 

ernte die Briejter aus den Spitälern und brachte im 
ebr. und März 1884 in der Kammer das Geſetz zur 
nnahme, daß Ordenäleute ee) an 

öffentlihen Schulen nicht mehr unterrichten dürften. 
Dieje Maßnahmen führten zu einer Beſchwerde des 
Papſtes, auf die Greyy verföhnlich erwiderte, mo: 
dur ein offener Konflikt vermieden wurde. 

Weit mehr Schwierigfeiten verurfahte dem Mini: 
rm Ferry die finanzielle Lage des Staates. Die 

nnabmen waren feit 1874 um 4 Milliarden hinter 
den Ausgaben —— die Steuereingänge 
nahmen von Monat zu Monat ab, die gelamte 
Wirtichaft des Landes war im Rüdgange, die Aus: 
fubr heimiſcher Fabrifate wurde geringer, und die 
ur fremder ſtieg ftetig, fo daß in den erften 
6 Monaten 1883 der Erport gegen den Import 
um 729 Mill. re. zurüdblieb, Anardijtenprozefie 
(de Fürften Krapotlin, der Louiſe Michel) zeugten 
für die wirtfchaftlichen Mibftände laut > . Das 
Deficit war bisher durh Anleihen, Schagiceine, 
Vorjhüffe ver Bank u. dgl. mühjam gededt worden. 
Diefe Mittel reiten nicht mehr aus, und Ferry 
mußte an entjcheidendere Maßregeln denken. Es 
ergaben fich zunächſt zwei* 1) die Ummandlung 
der Sprogentigen Rente in eine 4'/,prozentige, wo: 
durh man jährlih 35 Mill. erjparte und wozu die 
beiden Kammern im April 1883 ihre Zuftinmung 
gaben, und 2) der Verzicht auf die Berjtaatlihung 
der Eiſenbahnen, indem man den Ausbau ber 
Linien, der bisher das außerordentlihe Budget mit 
einigen hundert Millionen jährlich belaftet hatte, 
den Privatgeiellihaften eg überließ. 
Die Kammer genehmigte das Geje 2. Aug. 1883, 
und bie franz. Finanzen waren wieder, wenigitens 
annäbernd, ins Gleichgewicht gebracht, ohne jedoch 
einer Anleihe vollftändig entraten zu fönnen. Gleich: 
jeitig dachte aber Ferry eine weitausgedehnte Ko: 

onialpolitit durchzuführen, um den Erport zu be 
leben. Man iprah von einem Saharameer, von 
einer Eifenbabn an den Niger, von Mafjentolonis 
fationen. up allerding3 waren die Staatsmittel 
zu fnapp. Aber dieje anfionspolitit führte F. 
doch bis nah Madagaskar und Tongling, wo es 
Proteltorate anjtrebte. Der Erfolg der Erpedition 
nah Madagastlar (f. d.) war gering. dem > 
densſchluß, derim Dez. 1885 unterital. Bermittelung 
zu ftande fam, mußte 5. auf die Erwerbung Nord» 
madagaskars verzichten und bebielt ſich nur die Ber 
jehung der an der Norboitipige gelegenen Bucht 
tego Suarez vor. Die Königin mußte 10 Mil. 


1040 


Frs. Kriegsentſchädigung leiften, bis zu deren Bes | 
sahlung F. den Hafen von Tamatave bebielt.. | 
Mehr Erfolg wies die Erpedition nad Tongling | 
(1.d.) auf. In Dftafien hatte F. jeit der Erwerbung | 
von Saigon dur Napoleon III. (1862) bejtimmte | 
Interefjen zu wahren. Häufige Reibungen blieben 
nicht aus, und als fi der Gouverneur von Cochin⸗ 
china gegen die Überfälle von Seeräubern felb: 
jtändig Genugthuung zu verichaffen juchte, fam es 
1882 zu ernten Sein eigteite zunädjt mit Annam 
(f. d.), mit dem jedoch bald zu Huẽ ein Vertrag zu 
Ban fam, der es in ähnliche Abhängigleit von F. 
rate wie Tunis: die auswärtige Politik und die 
Zolleinnabmen gingen auf die franz. Regierung 
über, dem Kaijer der Annamiten blieb nur die 
innere Verwaltung und feine Eivillifte (25. Aug. 
1883). Nun ging ed gegen den Piratenftaat der 
«Schmwarzflaggen», aber mit fo empfindliden 
Opfern und jo wenig Erfolg, daß Ferry Unterhand: 
lungen mit China anfnüpfte, bamit diejes feine 
—— mit denen es die Schwarzflaggen 
unterſtützte, zurüdrufe. Die Verhandlungen ver: 
liefen erfolglos, es fam zu einem förmlichen Kriege 
mit China, und erjt als der franz. Konteradmiral 
Courbet 16. Dez. 1883 die Nußenwerle der Stadt 
Sonztai erjtürmte und die Stadt bejegte, 12. März 
1884 Bac-Ninh und 12, April Hung-hoa eroberte, 
braten dieje Erfolge zu Wege, daß fih China zu 
einem Abltommen bequemte,. Am 11.Mai 1884 wurde 
in Tien-tſin ein Präliminarvertrag abgeſchloſſen, 
worin die Regierung zu Beling alle Rechte auf An 
nam und Tongling aufgab. Bald darauf, 6. Juni 
1884, fam auch ein neuer Vertrag mit Annam zu 
itande, der die auswärtige Bolitik viefes Reichs voll» 
* unter den Willen des franz. Refidenten ſtellte. 
roß diejer Verträge ftellte ſich aber doch noch lange 
nicht der Friebe ein. Der Überfall einer franz. Ko: 
lonne durch die Chineſen 23. und 24. Juni 1884 bei 
Lang-fon brachte den Krieg von neuem zum Ausbruch. 
Da derjelbe in F. jehr unbeliebt war, fo jcheute ſich 
die Regierung, immer neue Kredite zur Ausrüftung 
von Verjtärtungsmannihaften den Kammern ab: 
juverlangen, und trat deöbalb von Anfang an mit 
ungenügenden Streitkräften auf dem ftriegsichaus 
plage auf, Die Niederlage des Generals Negrier bei 
Lang⸗ſon 24. März 1885 madte in F. den tiefiten 
Eindrud und brachte Veränderungen in der innern 
und auswärtigen Politik mit fi, die fih zunächſt 
im Sturze des Minifteriums ausdrüdten. 
Die Kolonialpolitit hatte ibre hauptſächlichſten 
Gegner im Lande an denjenigen, die die erite Auf: 
abe 3.8 in dem Revandpelrieg gegen Deutſchland 
aben. Sie erflärten die Entjendung von namhaften 
Streitkräften für eine Schädigung dieſes Zwecks 
und waren genug, um 3. B. den König 
Alfons XII. von Spanien, ala er im Sept. 1883 
nab Paris fam, dur den Pöbel injultieren zu 
laſſen, weil er in Straßburg die Uniform des ihm 
verliebenen deutſchen Ulanenregiments getragen 
batte. Beſonders erbitterte eö die chauviniſtiſchen 
Gegner rd daß er in der Kongofrage die Ein» 
ladung Bismards zu einer Konferenz angenommen 
batte (j. Kongojtaat), und ald nun im Dlärz 1885 
jene Unfälle in Aſien befannt wurden und ‘Ferry 
daraufbin größere Kredite (200 Mill.) beanipruchte, 
da brach der Sturm gegen ibn los: die Oppofition 
unter der leidenichaftliben Führung Elemenceaus 


Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


führe, und fogar Landesverrat, da er die Gefabr 
der Page verihwiegen habe. Am 30. März 18% 
wurde der Kredit mit 308 gegen 161 Stimmen ver 
— 5* und Ferry geb feine Hollung: Der Dring: 
lichkeitsantrag der Oppofition, das Minifterium in 
Anklagezuftand zu verjegen, wurde mit 304 gegen 
161 Stimmen abgelehnt. 

Der Nachfolger Ferrys, der Kammerpräfiden: 
Brifjon, hatte infofern leichtere Spiel, al& jener 
bereits den Frieden mit China angebabnt hatte und 
bie Erfolge der franz. Flotte bei der Injel Formoſa 
den Hof zu un nachgiebig machten. Am 4. Aprıl 
fam es in Paris zu Bräliminarien, 9. Juni zum 
Definitivfrieden von Tienstfin, worin ſich China zur 
Räumung Tonglings und zur Berzichtleiftung auf 
die Oberhoheit über Annam verftand, 5. Dagegen 
auf Kriegstoftenentihädigung feinen Anſpruch er: 

ob. Nach der Beilegung DieteB Streites lonnte ib 
riffon mit innern Fragen beibäftigen. Das wenia 
Tage vor Ferrys Sturz in der Kammer beichlofjene 
Liſtenwahlgeſeß wurde 23. Mai auh vom Senat 
genehmigt, nur mit der —— daß in die 
der er au Grunde liegende Bevölterungssifier 
die Ausländer nicht einzurehnen und die Mitglie- 
der der frübern Herrſcherhäuſer nicht wählbar jeten. 
Die Kammer gab hierzu ihre Zuftimmung, und 
17. Juni wurde das neue Wablgeſetz verlündet, 
wonad die Kammer fortan 584 Mitglieder zäblen 
— Briſſon hatte die Annahme dieſes Geſetzes 
etrieben in der Meinung, damit eine geſicherte re— 
publikaniſche Mehrheit zu erreichen, aber man erfubr 
eine ungebeure —— Das neue Wahlgeſeß 
verbalf bei ven Wablen 4. Oft. 1885 einer großen 
Anzahl Monardiften zu Mandaten. reilih wurden 
dann bei den 270 Stichwahlen durch Kompromiſſe 
mit den Radilalen fajt nur Republitaner gewählt, 
doch waren dadurch 115 Rapitale in die Kammer 
gelangt, die mit den Gemäßigten gemeinjam aller: 
dings die Mehrheit den 200 Monarchiſten gegen: 
über bildeten, von denen aber doch fraglich war, ob 
fie jtetö bereit fein würden, das Minifterium zu un: 
terftügen. Die Lage war eine ganz veränderte. Dies 
befam Briffon jofort zu empfinden, alser, um die 
Stellung F.s in Afien aufrecht zu halten, von ber 
neuen Kammer einen Kredit von 70 Mill. forderte 
und diejen nur mit 274 gegen 270 Stimmen zu: 
geitanden erhielt. Auch Grevy erfubr ven Wechſel 
der Dinge, als fi 28. Des. 1885 bei feiner Neu- 
wabl zum Präfidenten im Kongreß nur 457 Stim- 
men (15 über die —— Majorität) auf ibn ver: 
einigten. Brifjon gab, da er nur jene geringe Mebr: 
beit in der Kammer gefunden hatte, feine Entlaffung, 
und 7. Yan. 1886 trat Freycinet an feine Stelle, der 
aus Opportuniften und Radilalen ein neues Kabinett 
bildete. Sadi Carnot übernahm darin die Finanzen, 
Sarrien das Innere, Goblet den Unterricht, Bai- 
aut die Bauten, Lodroy den Handel, Demöle vie 
ſtiz, Develle ven Aderbau, Branet die Boft, Aube 
die Marine und Boulanger, von Eldmenceau pro- 
tegiert, das Portefeuille des Krieges. 

So hatten dielegten Abgeorbnetenwablen ergeben, 
dab das Miniftertum fich nicht mehr auf eine einzige 
ftarfe Bartei in der Kammer ftügen lonnte, jondern 
jest auch die Hilfe der Radikalen durch allerlei Zu 
geſtändniſſe erfaufen mußte. Dies zeigte fich gleic 
ım Ian. 1886, ald Rocefort den Antrag auf eine 
allgemeine Amneftie an Stelle der beichräntten, wie 


warf ibm Verfaſſungsbruch vor, weil er ohne die | fie Grevy erlaſſen batte, ftellte und die Kammer 


Genehmigung der 


eputierten Krieg mit China | 21. Jan. die Dringlichleit mit 3 Stimmen Mebt 


Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


heit votierte. Da machte die Regierung die Wahrs 
nehmung, daß jogar eine Koalition der Monardis 
ften und der bartnädigften Republitaner möglich 
war, Freilich zerfiel dieſes unnatürlide Bündnis 
jefent, als es bald nachher bei Arbeiterunruben in 
ecazeville zur Ermordung eines Beamten fam und 
man bie Unruben auf focialijtijhe Umtriebe zurüd: 
führte, Jener Antrag Rocheforts fiel, aber immerhin 
zog Freycinet daraus die Lehre, daß er fich zu Kons 
jeſſionen an die Radikalen werde berbeilajjen müſſen, 
mozu ſich alöbald die Gelegenbeit bot, als die Frage 
der Ausweiſung der Prinzen zur Sprache lam. Denn 
namentlid ihrem Einflujje glaubte man die Wahl 
iener 200 Monardiften im Oftober — 
müſſen. Freycinet widerlegte dieſe Meinung, als 
ver Radikale Dache den bezüglichen Ausweilungs- 
antrag ſtellte, und es gelang ihm, noch 4. März 
denſelben zu * zu bringen. Als dann aber das 
faſt monarchiſche Auftreten des Grafen von Paris 
bei Gelegenbeit der Vermählung jeiner Tochter 
Amelie mit dem Kronprinzen Karl von Portugal 
22. Mai 1886 neuerdings das Mißtrauen der Ke 
publitaner erregte, vereinigten jich beide Kammern 
über die Beitimmungen eines Gejeges, das dem 
Antrage des Abgeordneten Broufie zufolge im Juni 
[eigene Hauptpuntte feſtſetzte: die Häupter ber 
ranz. Regentenfamilien und deren nächſtberechtigte 
Erben jind aus 5. verwiejen; die Negierung kann 
durch Delret aud die andern Mitglieder verbannen; 
Übertretung dieſes Berbotes wird mit Gefängnis 
von 2 bis 5 Jahren beftraft. Das Gejeg erſchien 
23. Juni 1886 im Amtsblatt, und ſchon am nädjten 
Tage benaben fi der Graf von Paris, fein Sohn 
Louis Philipp Robert, Prinz Jeröme Napoleon und 
* älteſter Sohn Victor ins Ausland; da das Ge: 
eb aber au die übrigen Prinzen von allen öffent: 
lien oder Wablämtern ausſchloß, jo wurde auch 
der Herzog von Aumale, der, wie die Herzöge von 
Ebartres und von Alencon, bereits durch das Dekret 
vom 25. Febr. 1883 in den Stand der Wichtaltivität 
verjegt worden war, durd ein Delret des Präſiden⸗ 
ten Grevy vom 11. Juli 1886 feines Ranges als 
General entlleidet. Ebenfo verloren die Herzöge von 
Cbartre&, von Alenson, von Nemours, von Pen: 
tbievre, der Brinz von Joinville, Roland Bonaparte, 
urat und Sohn ihre Dffiziersftellen. Aumale 
wurde wegen eineö rg zurechtweiſenden 
Briefs an Grevy verbannt. Die Seele dieſer Maß: 
regeln war Boulanger, der ſich damit den Haditalen 
iu ihre Proteltion dankbar zu erweifen dachte. Um 
ib an ihm zu rächen, ließ Aumale einen Brief ver: 
öffentlichen, den jener 1880 an ihn gefchrieben hatte 
und ber die Berficherung enthielt, daß der Schreiber 
den Tag für gefegnet halten würde, der ihn unter 
das Kommando des Herzogs zurüdriefe. Den üblen 
Eindrud, den diefe Bublitation machte, durch die er 
als charakterloſer Streber entlarvt wurde, fuchte der 
General dur maßlofen Chauvinismus wieder wett 
zu maden, jo da —— alle Mühe hatte, auf 
einer Rundreiſe im Sept. 1886 durch Betonung der 
———— den Eindrud abzuſchwächen und die 
ipftimmung in Berlin zu beihmwichtigen. 
ie geſeßgeberiſche Thätigleit der Kammern, 
deren erjte Seſſion von 1886 am 15. Juli ge 
ſchloſſen wurde, hatte außer dem Ausweifungs: 
geieh und einem Spionagegejeß feine ermähnungs: 
werten 2eiftungen aufzuweiſen. Die neue Seffion, 
die 14. Dit. 1886 eröfinet wurde, erledigte zunächft 
dad Gefeg über die Organifation des Elementars 
Brodhaus’ Konverfationd-Leriton.. 14. Aufl. RM. VL 


1041 


unterrihtö, das die Kammer in dem vom Senat 
30. März befhloffenen Wortlaut 28. Dt. annahm. 
Der Kernpunkt lag im Art. 17, der beftimmte, daß 
in allen Gemeindeihulen F.s nur weltliche Ele— 
mentarlehrer angeftellt werben dürfen; die Eman- 
cipation diefer Schulen von der Herrichaft der Geiſt⸗ 
lichleit war eine vollftändige; der Religionsunters 
richt wurde aus der Schule verbannt. 

‚Das Kabinett Freycinet ſcheiterte an den fhlechten 
dinanzzuftänden, denen die mit unzulänglicher Kraft 
ergriffene und auf halbem Wege abgebrodene Gr 

anfivpolitif in Hinterafien natürlih nicht aufge 

olfen hatte, um jo weniger, als das Armeebudget 
bis auf jährlih 833 Mill. anwuchs und Boulanger 
für Melinitbomben, Repetiergewehre, Baraden u. dgl. 
360 Mill. forderte. Die Kammer rief nad Erſpa— 
rungen, und die Radilalen wünſchten diefe am Ver 
—— der Beamten zu machen. Einer der Ihrigen, 
olfavru, beantragte die Streichung fämtlicher 
Unterpräfeltenftellen, während die Regierung fich 
nur zu einer allmäblihen Reduktion derjelben bereit 
erllärte. Da traten die Monardiften der äußeriten 
Linten zur Seite, und als Freycinet 3, Dez. 1886 
aus dieſem Anlap die Vertrauensfrage ftellte, wurde 
ber radilale Antrag mit 262 gegen 247 Stimmen 
— ——— gab ſeine —* 
ie Unzuverläſſigkeit der republilaniſchen Kam⸗ 
—— machte es für Grevy ſchwierig, einen 
Nachfolger zu finden. In dieſem Augenblide ward 
eine der Kriſis nur dadurch möglich, daß 
ber bisherige Unterrichtsminiſter Goblet 10. Dez. 
ein neues Kabinett bildete, in dem acht Minifter 
deö vorigen blieben, darunter auch der Kriens» 
minifter Boulanger. Der Vicepräfident des Staais⸗ 
rates, Flourens, übernahm das BVortefeuille des 
Auswärtigen, Daupbin die Finanzen, Bertbelot den 
Unterricht. Jedenfalls fehlte zunäcft Freycinets 
mäßigenbe Hand, En Boulangers treibender 
Eifer freieres Spiel fand. Darum kindigte ſich 
aud das 3. 1887 fehr kriegeriih an. Zu den krie— 
eriihen Symptomen gehörten außer Boulangers 
ilttärvorlage, die weientlihe Reformen in ber 
Armee einfhibren und diefe um 44000 Mann ver⸗ 
mehren wollte, aud die Rüftungen an der franz. 
Ditgrenze, wo die Barnifonen verftärkft und Baraden 

r —— neuer Truppen gebaut wurden. Dazu 
amen die Aufreizungen der Patriotenliga und eines 

roßen Teils der Pariſer Preſſe gegen eutfchland, 
owie die ———— bisher vergeblichen Verſuche, 
eine Allianz mit ußland Fr ießen. Alles dies 
erregte nicht bloß in Deutichland, dem diefe Kunds 
gebungen zunächſt galten, fondern in ganz Europa 
große Beunrubigung und veranlaßte alle Staaten 
zu militär. Rüftungen. Man glaubte ven Ausbruch 
eines europ. Krieges für Beginn des Benbjabrs ala 
[her bezeichnen zu lönnen. Als aber die franz. 

tegierung die Entſchloſſenheit Deutſchlands (ab, 
die namentlich in ven Reihstagswahlen im Februar 
zum Ausdrud kam, und wohl ertannte, daß das ſelbe 
infolge der Einführung des Repetiergewehres einen 
Vorjprung in den Kriegsrüftungen hatte, ermäßigte 
Don t Kriegseifer. Sie jandte in offiziöfer Eigen: 
haft den Grafen Leſſeps nad Ber in, um den 
dortigen Regierungstreijen genaue Nachrichten von 
den frieblichen Abtihten des franz. Minifteriums 
zu geben. Die Stimmung wurde allmählich eine 
rubigere, bis es Ende April 1887 zu einer neuen 
Aufmallung ver triegeriihen Leidenſchaften in 
d. fam. Gegen den im Grenzdienft angeftellten 

66 


1042 


franz. Polizeitommijjar Schnäbele war megen 
Spionage in jeinem Heimatlande Elſaß-Lothringen 
vom Reihägeriht in Leipzig ein Haftbefehl er: 
er worden. Als nun Schnäbele 20. April bes 
buf3 einer mit dem deutſchen Polizeilommiſſar 
Gautſch verabredeten geihäftlihen Zujammens 
tunft bie Grenze bei Noveant überjhritten hatte, 
wurde er von zwei deutfchen Ariminalbeamten 
verhaftet und nah Mes abgeführt. Die franz. 
Preſſe, auf einige unzuverläffige Ausfagen angeb: 
liher Augenzeugen fi ſtüßend, behauptete nun, 
daß die Verhaftung Schnäbeles auf franz. Boden 
erfolgt fei, worauf die Organe der Kriegspartei mit 
Leidenschaft ven willlommenen Anlaß ergriffen. Im 
—— Miniſterrat wurde die Mobilmachung der 

rmee beantragt und nur mit 7 gegen 5 Stimmen 
unter dem mäßigenden Einfluß des Präfidenten 
Greoy abgelehnt. Selbjt der Minifterpräfident 
Goblet war der populären Strömung unterlegen 
und hatte Krieg in Ausficht gr, wenn Schnäbele 
nicht ausgeliefert würde, Da lam Biömard den 
Friedliebenden in F. entgegen, denn obgleich eine 
genaue Unterfuhung die Schuld Schnäbeles er: 
wiejen hatte, wurde er doch 30. April in Frei— 
beit gejeßt. Als leitenden Geſichtspunkt hierbei 
machte der Fürft geltend, daß Örenzüberfchreitungen, 
die auf Grund dienftlicher Verabredungen a 
als unter der Zufiherung freien Geleites jtehend 
anzufeben feien. Und nod einmal im jelben Jahre 
lam e3 zu einem äbnlihen Zwiſchenfall, als im 
September ein franz. Jagdtreiber, Brignon, durch 
einen deutſchen Jäger Im Grenzgebiet eriheilen 
wurde. Wieder war ed Deutſchland, das nachgab 
und dur die Höhe der an die Witwe gezahlten 
Entfhädigungsjumme, 50000 Reichsmark, die er: 
regten Geiſter beſchwichtigte. 

n der innern Politik ſuchte Goblet den Radi⸗ 
lalen dadurch genug zu thun, daß er eine größere 
Anzabl Unterpräfelturen zu ftreihen empfahl, was 
übrigend im Senat nicht —— Dann ver⸗ 
uchte das Kabinett auch dem ſteten Rufe nach Er⸗ 
parungen zu folgen, ohne freilich an das Heeres⸗ 
und Marinebudget rübren zu Ben. Am 11. San, 
1887 ward das im Vorjahre beſchloſſene Geſeß über 
den Bere der Kronjumelen verfündet und als— 
bald mit diefem begonnen. Der Erlös betrug 7 Mill. 
Finanziell wichtiger war die Erhöhung der Getreide 
jölle (von 3 auf 5 Frs.) und der Viebzölle, wozu 
die Deputierten ſchon fehr widerwillig im rn ihre 
Zuftimmung gaben. Als Goblet für die Hilfsbe⸗ 
amten des Finanzminiſteriums einen rate Am 
trebit begehrte, erhielt er nur mit Schwierigleit 
eine Majorität. Am 17. Mai, bei der Debatte über 
das Finanzgeſeßz für 1888, wurde jevod der Ans 
trag Rouviers, der die vorgeſchlagenen Erfparnifje 
für ungenügend erflärte, mit 312 gegen 143 Stim: 
men angenommen, und fchon A der eriten Ab» 
ftimmung dimiffionierte das gefamte Kabinett, 

Die Bildung neuer Minijterien war in letzter 
Zeit immer ſchwieriger geworben; vollends jekt, mo 
die Opportuniften in ein Kabinett mit Boulanger 
nicht eintreten wollten, die Radikalen für fi allein 
aber keins zu bilden vermochten. So gelang e3 erſt 
29. Mai dem Opportuniften Rouvier, ein ſolches zu 
bilden, ohne Boulanger, wie es Grevy germünfaht 
und bewirkt hatte, und vorwiegend gemäßigt. Es 
gelang der neuen Regierung, duch ein Brogramm, 
das weitgehende Sparjamteit, Bereinfahung ber 
Verwaltungsauslagen, ernite Verfolgung jeder Un: 


Frankreich (Geſchichte 1879—87) 


redlichleit bei Erbebung der Steuern und eine vor: 
ihtige, aber feite Politik verſprach, die Mebrbeit 
n der Kammer für fih zu gewinnen, fo daß Miß— 
trauendanträge der Radilalen weit in ber Minver: 
beit blieben. In der Zwifchenzeit batte die Kam— 
mer der Errihtung von 4 neuen favallerie und 
18 Infanterieregimentern und der Erböbung ver 
Eompagnieftärte zugeitimmt ; deögleihen wurde vom 
Kabinett für die Probemobilijierung eines Armes 
forp3 ein Kredit von 7 Mill. beanfprubt und von 
beiden Kammern bemilligt. Ein nod von Boulanaer 
als Kriegsminiftereingebrachtes neues Militärgeſes, 
das durchgehende dreijährige Dienftpflicht jtatt füni- 
jähriger einführte und das are ber Einjäbrig- 
Freiwilligen abſchaffte, wurde gleichfalls im Brincıp 
utgebeißen, aber jet noch nicht zum Beſchluß er- 
—— ngeſichts der bedrängten finanziellen Lage 
mußte allerdings auch Rouvier zur Steuerverme 
rung greifen: die Zuderfteuer wurde erhöht und 
deögleihen der Eingangszoll auf fremden Altobol 
Beide Kammern ftimmten zu, und als der Finanz⸗ 
minifter 5. >> ein neues Budget für 1888 vor 
— ſich, daß dasſelbe vor demjenigen Goblets 
eine Erſparnis von etwa 130 Mill. voraus batte, 
Alle diefe Vorlagen wurden in der Kammer ge 
nehmigt, aber unter den erbittertften Rämpfen mit 
den Rädikalen. Und fo unbeilbar ſchien die Spal—⸗ 
tung unter den Republitanern, daß ber Graf von 
Paris 14. Sept. 1887 den Zeitpunkt für günftig 
bielt, um «Weifungen an die Vertreter der monarchi⸗ 
chen Partei» zu erlaflen, in denen er auf die Un— 
ejtändigleit de3 republitanifhen Regiments bin 
wies, auf deffen Unfähigkeit, Orbnung in den Staatd- 
bausbalt zu bringen, und auf die Iſolierung F.⸗ 
in Europa. Dazu kam nun noch, daß aud Prä- 
fident Grevy viel von feinem Anfeben verlor, ala 
im Dit. 1887 ein Skandal enthüllt wurbe, der 
je Schwiegerſohn Wilfon, den langjährigen 
orfigenden der YBudgetlommiffion, aufs ärane 
fompromittiert erjcheinen ließ. Der General Gaffarel, 
Generalftabshef im Kriegsminiſterium, wurde 
7. Ott. angellagt, mit dem Kreuze der Ebrenlegion 
Handel getrieben zu haben. Er ward verhaftet, 
während fein Helfer, der Senator und General 
Graf d'Andlau, entflob. Mittelaperfon war eine 
re Limoufin, mit der auch Boulanger, Baul 
revy, der Bruder des Präfidenten, General 
Thibaudin, insbeſondere aber Wilfon in Beziebung 
eitanden hatten. Wilfon hatte ſich nicht nur zur 
Krniticung von Orden, ſondern auch von Umtern, 
—ã Staatälieferungen u. dal. gegen bobe 
Beitehungsfummen bergegeben. Ganz bejonders 
erſchwerend aber wurde ae ‚ihn der Umftand, daß 
wäbrend der Unterfuhung einzelne feiner Briefe an 
die Limoufin, die beſonders belaftend waren, aus 
den Alten verihmwanden und bur Reugei \ 
erjeßt wurden, was kaum ohne behördliche Vorſchub⸗ 
leiftung möglich war. Die Aufregung im Bublitum 
erreichte den hochſten Brad; die Rammer genehmigte 
17. Nov. die N nung Berfolgung Wilſons mit 
527 gegen 3 Stimmen, und man erwartete unter 
folhen Umftänden Grevys Rüdtritt; zunächſt ver: 
gebens. Grevy fuhr fort, Wilfon für unſchuldig 
u balten. Das war aber ein unbaltbarer Zu: 
Kan, und das Ministerium entſchloß fich, bei eriter 
Gelegenheit zu dimiifionieren, um dadurch Greop, 
der fiber fein neues Kabinett fände, zur Abdankung 
unnötigen. Ein Anlaß fand fib, als 19. Nov. die 
Binte die Regierung über bie Lage interpellierte. 


Frankreich (Gefchichte 1887—94) 


Rouvier antwortete mit dem Begehren, die Inter: 
pellation aufzuſchieben, bis die ſchwebende Konver: 
ion der 4'/,prozentigen in eine 3prozentige Rente 

endigt jei, und ftellte zugleich die Kabinettäfrage. 
Sein Antrag fiel mit 282 gegen 328 Stimmen, und 
das Minifterium gab feine Entlafjung. Als nun 
Grevy in der That feine Regierung zu bilden ver: 
mochte, ſah aud er fi zum Rüdtritt genötigt und 
pet bon der Kammer Hr ben 1. Dez. eine bezüg: 
ie Botſchaft in Ausficht geftellt, ald er von einigen 
Radikalen, die ein Minifterium Ferry fürchteten, be 
wogen wurde, zu bleiben. Die Kammern — 
jedoch auf ſeinem Abgang, indem ſie 1. Dez. in 

bereinſtimmung beſchloſſen, ſich nur für wenige 
Stunden zu vertagen und inzwiſchen die angelün— 
digte Mitteilung des Präfidenten zu erwarten. Auf 
dieje unzweideutige Aufforderung bin machte Grevy 
2. Dez. 1887 in einer Zufchrift die Kammer mit 
feinem NRüdtritt betannt. 

18) Unter der Präfidentihaft Carnots 
(1887—94). Am 3. Dez. fand in Berfailles der 
Kongreß der beiden Kammern ftatt. Die Wahl 
Ferrys wurde durch die Radikalen und die Anbän: 
ger Boulangers bintertrieben, die mit einem Volks— 
aufjtande drohten, wenn er durchdringen jollte, 
Ferry jelbit lenkte die im erften Wablgang auf ibn 
re Stimmen auf Camot, der im zweiten 

ablgange von Republifanern aller Schattierungen 
mit 616 von 827 Stimmen zum Präfidenten der 
Republit gewählt wurde, Dieſe Übereinftimmung 
der Fraktionen war aber nur von kurzer Dauer. 
Bald wurden die jeit jahren wiederholten a. der 
Radilalen nad Revifion der Verfaſſung im Sinne 
einer Art Konventsherrſchaft obne Präſident und 
Senat, nad endgültiger Regelung des Verhältnifies 
wiſchen Staat und Kirche u. a. wieder laut und 
aa namentlich bei ven Monarchiſten und bei 
den Anhängern Boulangers Widerhall. Einer der 
lestern, Laguerre, bradıte denn auch das von 
Carnot 11. Dez. berufene, gemäßigt republifa- 
nifhe Minifterium Tirard bald zu Fall, indem er 
30. an 1888 den Antrag auf Nevifion der Ber: 
faſſung Itellte, deſſen Dringlichteit gegen das ab: 
mabnende Votum der Regierung angenommen 
wurde. Diejer ‚Antrag Laguerres war die Antwort 
darauf, daß Tirarb wenig Tage zuvor Boulanger 
batte in Rubeftand verfegen lafjen. Das Mini— 
jterium dimiffionierte, und Carnot mußte nun ein 
vorwiegend radikales Kabinett berufen. Floquet, 
der bisherige KRammerpräfident, übernahm 3. April 
deſſen Führung nit ohne Schwierigkeiten. Seine 
erite Regierungsmaßregel war von der Abſicht dik— 
tiert, Boulanger in der öffentlichen Meinung dadurch 
matt zu jeßen, daß er jelbjt die Verfaſſungsreviſion 
in jein Programm aufnahm. Nur über den Zeit: 
pımkt, wann er den betreffenden Entwurf einbringen 
würde, ſprach er ſich noch nicht deutlich aus, Aber 
Floquet erwarb durch diefen Schritt der Regierung 
fein größeres Vertrauen im Publilkum, fondern er: 
höbte nur die Öeltung des Generals, der 15. April 
im Depart. Nord bei der Wahl zur Deputierten: 
fammer fiegreih hervorging. Als feine Anträge 
auf Reviſion der Verfaſſung (4. Juni) und auf 
Auflöfung der Kammer (12. Juli) mit großer 
Mehrheit abgelehnt wurden, legte er fein Mandat 
nieder, wurde aber in drei Departements zugleich 
wiedergewählt. Da beſchloſſen Ferry und die ge: 
mäßigten Republifaner überhaupt, energifcher gegen 
ihn vorzugehen, während Floquet ihn durd Vor: 


1043 


legung der angefündigten Verfaffungsrevifion in 
demokratiſchem Sinne unſchädlich zu machen fuchte. 
Die Kommifjion der Kammer beſchloß ſogar, eine 
fonftituierende Verſammlung follte eine neue Ver: 
faſſung geben mit einer Kammer und obne Bräji: 
denten, und diefe Verfaſſung follte durch Volls— 
abjtimmung genehmigt werben. 
ber weder Radikalismus noch Opportunigmus 
hatten Geltung genug in der öffentlihen Meinung, 
um Boulanger aus dem Sattel zu beben. Seine 
Volkstümlichleit wurde noch PR he durch bie 
Stellung, die er zu dem Panamakrach einnahm. 
Das von Ferdinand Lefjeps angereate Unternehmen 
des Banamalanalß (j. d.), deſſen Aktien fich fait aus: 
ihließlib in den Händen von Hunderttaufenden 
Heiniter Rapitalijten befanden, war nämlib am 
Scheitern. Nur durch die Beſtechung einer Anzabl 
Abgeordneter erlangte die Gejellichaft von der Kam: 
mer die Erlaubnis zu einem neuen Lotterieanlehn 
von 600 und einer Garantieanleihe von 120 Mil: 
lionen (28. April). Unter dem Hochdruck einer ſchwin⸗ 
delbaften Rellame wurden die Loje an den Mann ge: 
bradt. Da bemädtigte fib Boulanger, dem es nur 
um einen Popularitätserfolg für feine Perſon zu 
thun war, der Sache und verlangte, daß der Staat 
für die Banamaanleiben die Zinsgarantie über: 
nehme. Dazu war aber weder die Negierung noch 
die Kammer zu bejtimmen, ba beide einem Konflikt 
mit Nordamerifa aus dem Wege gingen; ja die Kam: 
mer lehnte fogar 14. Dez. eine Vorlage des Finanz: 
miniſters Peytral ab, wonach der PBanamagejell: 
ſchaft eine dreimonatige Zablungsfrift eingeräumt 
werben follte, was den Vorjtand, Grafen Leſſeps, 
zum Rüdtritt nötigte. Sofort trat Boulanger für 
Lejjeps und feine Aktionäre ein, und fein Freund 
Laguerre interpellierte die Regierung, die nur ableb: 
nend antworten konnte. Am 26. Jan. 1889 erklärte 
fih die Panamageſellſchaft infolvent, am Tage dar: 
auf fiegte Boulanger bei einer Nachwahl in Paris 
mit großer Mebrbeit und konnte daran denlen, bei 
den nächſten allgemeinen Wablen in foviel andern 
Departements aufzutreten, daß er gleichfam ein Ple: 
biscit für fi erlangte. Dieien Plan ſuchte Floquet 
durd gehe der Arrondifjementswablen 
an Stelle der Yiltenwablen zu durchkreuzen. Er legte 
31. Jan. einen bezügliden Entwurf vor, der von 
beiden Kammern angenonmen wurde. Als er aber 
einen noch weiter gebenden Verfaſſungsreviſions— 
plan in Vorſchlag bradıte, nahm die Kammer in der 
Sigungvom 14. Febr. den Antrag des radilalen Gra: 
fen Douville-Maillefeu mit 301 gegen 218 Stimmen 
an, die Verfaſſungsänderung bis nad} den Neuwah— 
len zu vertagen, und Floquet gab feine Entlafjung. 
Am 21. Febr. trat Tirard wieder an feine Stelle. 
Es war ein Kabinett der Verlegenheit, meift aus 
Dpportuniften beftebend, das anfangs wenig Sym— 
patbien genoß. Aber es erbielt ſich doch länger, ala 
man vermutet hatte, und zwar besbalb, weil der 
Kammerbeihluß vom 14, Febr. mit der Vertagung 
jeder Verfajjungsrevifion auch den Boulangiemus 
empfindlich getroffen batte. Als diefer troßdem in 
jeinem agitatoriichen Treiben fortfubr, konnte nur 
die durchgreifendſte Energie belfen, die fih in dem 
Miniſter des Innern Conſtans gleichjam verkörperte, 
Conſtans löjte Anfang März 1889 die Patrioten: 
liga, die in Boulangers Dienft arbeitete, auf und 
erbob gegen Deroulede, Laiſant, Turquet, Laquerre, 
Richard, Gallian und den Senator Naquet die An: 
Hage auf Staatögefährlichkeit. Der Prozeß endigte 
66* 


1044 


zwar mit Freifprebung, jedoch ala Gründer einer 
nicht erlaubten Gejellibaft wurden die Angellagten 
verurteilt. Am 4. April 1889 ftellte Conſtans Bou⸗ 
langer jelbft unter Anklage wegen Berjhmwörung und 
Attentaten auf die Sicherheit des Staates, wozu die 
Rammer 6. April mit 318 gegen 205 Stimmen ih 
Zuftimmung gab. Aber der ala Staatägerichtähof 
———— Senat konnte nur in contumaciam ver: 

andeln, da Boulanger 8. April nah Brüfjel ents 
wichen war und damit der Regierung ben denkbar 
— Gefallen erwieſen batte, die ih fortan mit 
größerer Ruhe und Sicherheit der Jahrbundertfeier 
der Revolution zumenden konnte. 

Der Erfolg der Pariſer Weltausftellung war ein 
über alle Erwartung glänzender und fam der Res 
gierung ſehr zu ftatten. Ste brachte in ber Kammer 
nicht nur ohne weſentliche Hindernijfe das Budget 
von 1890 dur, fondern aud das Militärgefek von 
1887 und eine neue Vorlage, welche die mebrjachen 
Kandidaturen eines und desſelben Mandatbemwer: 
berö bei den Deputiertenwablen verbot. Hierdurch 
war die Hofinung Boulangers auf eine Art Plebiscit 
dei den Neumablen im September endgültig illufo: 
riſch gemacht. Diefelben ergaben 22, Sept. ſogar ein 
der Negierung günftiges Refultat; von 573 Siken 
fielen 366 den Republitanern zu, deren radilale 
Schattierung jest nicht mebr fo ftarf vertreten war 
als bisher. Die Monardiften verloren von 200 
Sigen 42, die Boulangiften erhielten 49 Mandate. 
Die Unterfuhung gegen Boulanger jelbjt hatte 
13. Aug. mit feiner, Dillons und Rocheforts Ber: 
urteilung zur Deportation geendet und nebenbei die 
völlige Unfäbigteit des Generals zu der Miffion zu 
Tage gefördert, die er fich in fo viel hochtönenden 
‚Worten beigelegt hatte. Es zeigte fib auch bald, 
daß die «Boulange» gänzlih abgemirtichaftet hatte, 
als Ende April bei den Barifer Gemeindewahlen alle 
* Kandidaten bis auf einen einzigen durchfielen. 

ies fam daher, weil auf eine Weiſung des Grafen 
von Paris die Monardiften nicht mehr hr die Bartei 
des diskreditierten Generals gejtimmt hatten und 
die Bonapartiften ihn jest gleichfalls fallen ließen. 

Diefen Zufammenbrud der Partei Boulangers 
er das Kabinett Tirard nicht mehr erlebt. Es 

atte 14. März 1890 dem Bräfidenten Carnot 
feine Entlafjung überreiht. Schon 1. März war 
Eonftans daraus gefchieden, wodurch Zirard feine 
weſentlichſte Stühe in der dÖffentlihen Meinung 
verlor und fi beim erften Anlafje zum Rüdtritt 
bequemen mußte. Die Dimiffion Conſtans' hatte 
ihren Grund in einer Differenz mit dem Premier: 
minifter, der den Radikalen Zugeftändnifje machte, 
die nur ald Schwäche ausgelegt werden konnten, 
Insbeſondere zeigte fi dies bei der Gelegenheit, 
als der junge Prinz Louis Philipp Robert von 
Irleang, ältefter Sohn des Grafen von Paris, 
Anfang Februar in der Hauptitabt erſchien und 
ald Gemeiner in die Armee aufgenommen zu 
werben verlangte. Den Verbannungsgejegen ent: 
ſprechend ward er zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, 
und Zirard ließ dies Urteil aus Rüdjiht auf die 
Radikalen auch vollziehen. Das Weſentlichſte war 
aber doch, daß er, der fıch als Freihändler befannte, 
jih einer Kammer gegenüber befand, die feit den 
legten Wablen vorwiegend aus Schußzöllnern und 
Agrariern beftand. Als Tirarb und der Minijter 
des Auswärtigen Spuller den 13, März ablaufen: 
den Handelsvertrag mit der Türkei, dejjen Berlänge: 
rung von der Pforte nicht zu erlangen war, durch 


Frankreich (Geſchichte 188794) 


einen freien Verkehr auf der Grundlage der Meift: 
begünftigung erfegen wollten, waren bie Agrarier 
des Senats dagegen, weil fie die Weinbaugegenden 
durch die ungebinderte Einfuhr getrodneter türt. 
Beeren für geſchädigt hielten, Sie interpellierten 
und erreichten, daß die von Tirard und Spuller be: 
antragte einfache Tagesordnung 13. März 1890 mit 
129 gegen 117 Stimmen abgelehnt wurde, worauf 
das Minifterium am folgenden Tage feine Entlai- 
fung nahm. Nun berief Garnot Freycinet zur Bil: 
dung eines neuen Rabinett3, worin diejer nebſt dem 
Vorlig das ſchon unter Floquet übernommene 
Kriegsportefeuille beibebielt, Eonftans das Innere 
wieder übernahm. Diejes neue Minifterium wurde 
von allen republifanifhen Parteien, mit alleiniger 
Ausnahme der Ultraradilalen, ſympathiſch begrüßt. 
Unter ſolchen Umſtänden batte das Minifterium freie 
Hand, nad feinem Ermeſſen zu ſchalten. Als ſich die 
Anardiften, von antifemit. und ultramonardiiti: 
hen Elementen angereist, für ven 1. Mai, den «Welt: 
eiertag», vorbereiteten, nahm die Regierung in Ba: 

ris und Lyon zablreiche Verbaftungen vor, den Prin⸗ 
zen von Orleans dagegen gab fie nad) einigen Wo: 
hen (3. Juni) frei. Auch der zunehmende Wohlſtand 
und der hohe Kurs der Rente am der Regierung zu 
tatten. Der Finanzminifter Rouvier konnte jest 
ein Programm entwideln, ohne im Budgetausſchuß 

iderftand zu finden, Steuererböbungen vorſchla⸗ 
gen und dem Plane, die eben fälligen —— — 

chatzobligationen im Betrage von 700 Millionen, 
die zur Dedung des außerorbentliben Kriegs— 
budgets gedient hatten, mittels einer Emiffion von 
Rente einzulöfen, die Zuftimmung des Budgetaus- 
ihufles gewinnen, 

Diefer allgemeine Wohlftand ließ auch das berr- 
ſchende Syftem der abwartenden Friedenspolitil ala 
das richtige erfcheinen, wie es Carnot bei jeder Ge 
legenbeit betonte. Erſt als feit vem Sturze Bismards 
der deutiche Hof fi dem englijchen näherte, wurde 
man in F. beforgt, und zwar um fo mebr, ala zur 
jelben Beit die Kriegsminifter im Deutſchen Reicz- 
tage und in den djterr,.-ungar. Delegationen außer: 
ordentlihe Geldopfer für militär. Zwede als in 
den nädjten Jahren unabwenbbar ankündigten. 
Man trachtete daraufhin in %., dem befreundeten 
Rußland nad Möglichkeit gefällig zu jein, um es 
völlig zu gewinnen. Am 29. Mat verbaftete man 
15 Nibiliften, die Bomben und Sprengitoffe derei⸗ 
teten und Attentate — ſtellte ſie vor Gericht 
und verurteilte eine Anzahl derſelben; man unter: 
tügte die Bolitil des Zaren beim Batilan und in 

ulgarien und ließ ed nicht an Demonijtrationen 
(ehem welche die Kampfbereitihaft F.s dartbun 

ollten. Troß dieſer rufienfreundlichen Kundgebun⸗ 
en wartete man in Paris dennoch lange vergeb- 
ich auf ein Zeichen der Gunft des Zaren. Endlich 
fand dieſe einen beftimmtern Ausdruck, als im 

uli ein vom Aomiral Gervais befebligted Ge— 
chwader auf feiner Reife ins Baltiſche Meer vor 
Kronftadt vor Anter ging. Der Zar jelbit empfing 
bie franz. Offiziere, befuchte die Flotte und duldete 
ed, dab in jeiner Gegenwart die Marfeillaije ge 
tur wurde. —V5 chte heller Jubel. Ein rufl. 

nlebn von 500 Mill, . wurde ſiebenfach über 
eichnet, und das Selbſtbewußtſein der franz. Madt: 
u war durch dieſe Annäherung Aleranders IIL 
ftart geboben. Auch zu einer Erweiterung bes afril. 
KRolonialgebietes eröffnete in dieſer Zeit ein Zwi⸗ 
ſchenfall mit Dahome (f. d.) die ſicht. 





Frankreich (Geſchichte 1887—94) 


Unterbefien mar es ber opportuniftichen Pariſer 
Regierung gelungen, auch im Innern Erfolge zu 
erringen. In die Reihe der Souveräne, melde die 
Republik mit ihrer Neigung auszeichneten, ftellte Pie 
aud) der Kardinal Lavigerie, der Erzbifchof 
von Algier, hatte ſchon 1890 den tr der franz. 
Geiſtlichkeit an die Republik für nüplich erachtet, um 
Einfluß auf die Regierung zu erlangen und das 

terejje der Kirche zu fördern. Leo . erllärte 

ih (aus Abneigung gegen den Dreibund) mit 
diefem Gedanken einveritanden und empfahl den 
Gläubigen 3.3, die republilaniſche Staatsform und 
a Geſetze zu achten. Damit faben fi die franz. 
Nonarchiſten eines ſtarlen Rudhalts beraubt. Dazu 
tam, daß zwei der monarchiſchen Sache dienende 
Berfönlichteiten furz nadeinander ftarben: Prinz 

apoleon 17. März und Boulanger 30. Sept. 1891. 
Ein weiteres Eingreifen des Heiligen Vaters zu 
Gunften der Republik gejhab in einem Schreiben 
des Staatäjelretärd Kardinal Rampolla vom 5. Yan. 
1892 an den Erzbifchof von —5* das die Auf⸗ 
ge entbielt, jih zur Wahrung der kirch⸗ 

ichen Intereſſen auf den Boden der republilani: 
jhen 

in einer b 
Härte, gegen die 
machen zu wollen. 

Das waren unleugbare Erfolge der Republil und 
ihrer opportuniftiichen Regierung. Diefe ermedten 
denn auch fofort aufs neue die erbitterte Gegner: 
ſchaft der Raditalen. Ihre Unternehmungen blieben 
jedoch zunächſt erfolglos, und zwar weil jest auch 
die Ronjervativen die Regierung jtügten, die einen 
autonomen Schußzolltarıf vorgelegt batte, worin 
jene ihre meift landwirtſchaftlichen Intereſſen ge: 
wahrt ſahen. Die Kammer entſchied fich für die 
Doppelform eine Marimal» und eines Minimal- 
tarifs. Dennoch waren die Tage des Kabinetts ge 

äblt. Ein im Febr. 1892 vorgelegtes Genoſſen⸗ 
T haftögeiep verjtimmte die Konjervativen, die darin 
eine Waffe der Regierung gegen biereligiöfen Körper: 
fchaften erblidten. Als dann das Minifterium dies 
öfjentlich in Abrede jtellte, erregte es andererſeits den 

orn der Radikalen und blieb fo, von rechts und 
inls er in der Minderheit, worauf Frey⸗ 
cinet 19. Febr. feine Entlaſſung nahm. Da aber 
gerade zur jelben Zeit eine päpjtl. Encyllifa (vom 
16. Febr.) alle Franzoſen aufforderte, die herrſchende 
Regierungsform anzuerfennen und bie Negierung 
zu unterjtügen, und da Garnot ein radifales Kabis 
nett aus Nüdfiht auf den Zaren nicht berufen 
wollte, wurde das Syſtem nicht geändert. Die bie 
fidentihaft ging a oubet über, Freycinet bebielt 
das run e, doch Conſtans trat aus. Die 
päpftl. Encyllifa hatte zur weitern Folge, da etwa 
40 monardijtiihe Deputierte, fog. Ralliierte, die 
Gruppe der Konititutionellen Rechten (f. d.) bilde: 
ten und ſich auf den Boden der beſtehenden Ver: 
faſſung jtellten. 

In den Monaten Februar, März und April wur: 
den die Bewohner von hat dur bäufige Dyna⸗ 
mitattentate der Anarchiſten beunruhigt. Hr einen 
der Verbrecher, Ravadol, gelang es ie N zu er: 

i 


aſſung zu ſtellen, worauf der Epiſtopat 
— vom 20. Jan. ſich bereit er⸗ 
taatsform feine Oppoſition 


reifen. Er wurde 11. Juli hingerichtet. In ihren 


rundfeiten wurde die Republit jedoch erjhüttert | F. f 


durch eine Kataſtrophe, die am Schluß des Jahres 
über fie —— Nach 18monatiger Vorunter: 
ſuchung beſchloß der Miniſterrat 15. Nov. das Ari: 
minalverfabren gegen die Leiter de Banamalanal: 


1045 


unternehmen? eröffnen zu laffen, und wenige Tage 
darauf (21. Nov.) befchuldigte der Boulan j. De 
labaye in der Kammer 150 Deputierte, daß fie ihr 
Votum zu Gunſten der Banamaanleibe hätten er: 
faufen laſſen, und beantragte die Einſetzung einer 
parlamentariichen Unterfußungätommiifon. Sei⸗ 
nem Antrag wurde ſtatigegeben und Briſſon zum 
Vorſitzenden der aus 33 Mitgliedern beſtehenden 
Kommiſſion ernannt. Die allgemeine Beunruhi⸗ 
gung wurde noch erhöht durd den Tod des Ban: 
ierd Reina (20. Nov.), der die Finanzopera⸗ 
tionen ber — — zum größten Teil ge: 
leitet hatte. Man behauptete, daß er ſich vergiftet 
babe, um ſich der Berantwortung zu entziehen, oder 
gar, daß er noch lebe und feine eerdigung nur ein 
&heinmandver gemwejen fei. Am 28. Nov. wurde 
in der Rammer die Erhumierung ber Leiche verlangt, 
und als das Haus troß des Widerſpruchs des Juftiz: 
minifter8 Ricard demgemäß beiclob, reichte das 
Mintfterium feine Entlajlung ein. Das neue Kabi— 
nett, das unter Ribot 6. Dez. zujammentrat 
batte nur kurzen Beitand. Neue Angriffe, die fi 
namentlich gegen Loubet, Freycinet und Burdeau 
richteten, zwangen e8, 10. Yan. 1893 feine Ent: 
lafjung einzureihen. In dem neuen «purifizierten» 
Kabinett, das Ribot am folgenden Tage bildete, 
fanden fie feine Stelle. Ebenfalld 10. Jan. be 
gann vor dem Pariſer Zuctpolizeigericht der Bro: 
eh gegen die VBerwaltungsräte der Panamageſell⸗ 
haft, die beiden Leſſeps, Fontane, Cottu und Eiffel, 
die 9. Febr. wegen Betrugs und Bertrauendmiß: 
brauchs zu hoben Gefängnisftrafen verurteilt wur: 
den, doch wurde das Urteil wegen Verjährung durch 
den Rafjationshof im ‘uni aufgehoben. Weit fen 
fationeller geftaltete fih ein zweiter Banamaprozeß, 
ber 8, bis 21. März gegen die oben genannten Di: 
reftoren der Banamagejellichaft ala Beftecher, und 
den frübern Minifter — einige Senatoren 
und Deputierte als Beſtochene vor dem Geſchwo— 
renengericht in Paris gerührt wurde. Die meijten 
der Angeklagten wurden allerdings freigefprocen, 
bob wurden Leſſeps, Blondin und Baibaut ver: 
urteilt, und zwar zu 1, 2 und 5 Jahren Gefängnis. 
Durch —28 Urteil ſchien der Panamaſtandal in 
einer für das herrſchende parlamentariſch-republi⸗ 
kanifhe Syitem möglihjt günftigen Weife beigelegt 
zu fein, und die Kammer, die, jolange diefe An: 
gelegenbeit im Vordergrunde geftanden, die rn 
rung energijch unterftüßt hatte, engen be plötzlich 
dieſes Vertrauen und ließ ſie bei einer Abſtimmung 
in der Minderheit, —— Ribot ſeine Entlaſſun 
nahm. An ſeiner Stelle übernabm Dupuy 4. Apri 
das Präfivium, und ihm bemilligte die Kammer 
28. April, was jie dem vorigen Minijterium verfagt 
hatte. Ein Handelövertrag mit Rußland, in dem F. 
die Zölle auf Naphthaprodulte (Petroleum) auf die 
Hälfte des bisherigen Betrages berabjegte und von 
Rußland weſentliche Zollermäßigungen für feinere 
———— e und Ackerbaugeräte erlangte, 
egte von neuem Zeugnis ab von den freundicaft: 
lien Beziehungen zwiſchen beiden Mächten. Grenz⸗ 
——— mit Siam ſpitzten ſich im Juli zu einem 
onflitt zu, al3 ven Me:nam age abrende franz. 
en beſchoſſen wurben, 
. forderte 20. Juli in einem Ultimatum Anerten: 
nung des Mesfong ald Grenze und bejeste, als 
Siam mit der Annahme zögerte, Tſchantabun. Erit 
3. Dit. fam ein Vertrag zu jtande, worin Siam auf 
das linte Me⸗kong⸗Ufer verzichtete. 


Kanonenboote von den Siame 


1046 


Inzwiſchen fanden 20. Aug. die Neuwahlen zur 
Deputiertenlammer ftatt und ergaben mit den Stich: 
wablen 3. Sept. wieder eine Berftärtung der Repu: 
blitaner. E3 wurden gewählt 409 Republilaner und 
Rapitale, 79 focialiftiihe Radikale und Socialiften, 
29 Ralliierte und 64 Konſervative. Kurz vorber 
Ye und 17. Aug.) war es zwiichen franz. und ital, 

rbeitern in Aiguesmortes zu blutigen — —— 
ftößen gekommen, wobei eine — Italiener ge: 
tötet und verwundet worden waren, ein Ereignis, 
das nicht dazu beitrug, das obnebin geipannte Ber: 
bältnis zu Ftalien zu verbejlern. Dagegen feierte die 
Nepubliteinen a Triumpb, ala Sukland endlich 
den Kronſtadter Flottenbeſuch erwiderte. Am 13. Olt. 
traf ein auf der Heimreiſe von Amerila begriffenes 
ruſſ. Geſchwader unter Admiral Avellan im Hafen 
von Toulon ein, wo es bis 29. Dit. verweilte. Auf 
da3 überfchwenglichite wurden die ruſſ. Offiziere und 
Seeleute gefeiert, namentlih aud in Paris, wohin 
fih ein Zeil begab. , 

Diefer Erfolg hinderte aber nicht, daß das Mi: 
nifterium Dupuy bald darauf bei dem Verſuch, ſich 
einheitlicher zu gejtalten und feine radilalen Mit: 
glieder abzuitoßen, zu Falle kam (25. Nov.). Erſt 
nad langem Bemüben fam3. Dez. ein neues Kabinett 
mit Ausſchluß der Radikalen unter dem bisherigen 
Kammerpräfidenten Gafimir: PBerier zu ftande, der 
zugleich das Auswärtige übernahm. In der Sisung 
der Deputiertenlammer, 9. Dez., wurde von ber 
Galerie eine Dynamitbombe in den Saal geichleu: 
dert, die über 20 Abgeorbnete —— Der Thäter, 
der Anardift Vaillant, wurde alöbald ergriffen. Dies 
Attentat veranlaßte mehrere ſcharfe Gejekezur Unter: 
drüdung der anardiftiichen Beitrebungen. Trotzdem 
fanden nad ber ter ug Poing (5. Febr. 
1894) während der nädjiten ‘Monate noch mehrere 
anardiftiihe Bombenanichläge in Paris ftatt. Aber 
Gafimir: Berier fuhr fort, nachdem durd die Kon— 
verjion ber 42, prozentigen Rente in 3*/,projen: 
tige auch das Gleichgewicht im Budget bergeitellt 
worden war, bie Negierung mit feiter Hand zu füb: 
ren, und unterjtüßt von der Nechten, einen mehr 
tonfervativen Zug in die Politik zu bringen. 

Dies jollte ſich aud in dem Verhältnis zur Kirche 
geltend maden. Der Kultusminifter Spuller erflärte 
3. März in der Kammer, daß die Regierung in religid- 
ſen fragen das Princip der Toleranz vertrete und 
dem «neuen Öeijt» der Berföhnung Rechnung tragen 
wolle. Aber die dadurch nur geiteigerten Macht: 
gelüfte der Kirche machten dieje Verjöhnlichleit bald 
zu Schanden. Berorbnungen, betreffend die Rec: 
nunglegung über die Kirchengüter, fanden bei vielen 
YBilhöfen und Geiftlichen — Widerſtand, und 
die Regierung konnte nicht umhin, gegen mebrere 
renitente Biijhöfe mit Maßregelungen einzuſchreiten. 
Nun hatte fie auch die Nechte gegen ſich, und fo fam 
fie bei der nächſten Gelegenheit zu Falle. Als die 
Kammer 22. Dai das Verbot, dab Angeftellte der 
Staatöbahnen an Arbeiterfongrejien teil nähmen, 
—— nahm das Miniſterium ſeine Entlaſſung. 
Dupuy bildete nun wieder ein Kabinett (30. Mai). 
Eine hervorragende Stellung nahm darin der Mi: 
nifter de8 Auswärtigen, Hanotaur, ein, der ſogleich 
mit Energie gegen has se England und dem 
Kongoitaat 20. Mai geld oſſene Abkommen vorging, 
während ſchon fein Vorgänger mit Deutſchland am 
18. März ein jebr günitiges Ablommen über die Ab- 
grenzung der beiderjeitigen Machtſphären in Meit: 
afrita getroffen hatte, wodurd %. der Jugang zum 


Frankreich (Geſchichte ſeit 1894) 


5* gran: mar. Inzwiſchen wurde die Auf: 
merljamleit von dieſen Dingen abgelenkt durch die 
Ermordung des Präfiventen Carnot. Als dieier bei 
einem Beſuch in Lyon 24. Juni abends nad dem 
Theater fuhr, wurde er von dem ital. Anarchiſten 
Gajerio durch einen Dolchſtoß ſchwer verwundet und 
ftarb wenige Stunden danadı. 

19) Unter der Praſidentſchaft Eafimir: 
Agila Faures und Loubets (feit 18%). 

dem am 27. Juni zufammengetretenen Rongres 
wurde glei im eriten Wahlgang Gafimir: Berier 
mit 451 von 851 Stimmen zum PBräfidenten der Ne 
publit gewählt. In ihm a man in der Furcht vor 
der anardiftiihen und focialiftiihen Gefahr ven 
Netter des republilanifchen Staatsweſens. Einen 
bedeutenden Erfolg hatte die Regierung durch den 
am 14. Aug. zu Hari mit dem Kongoſtaat abge 
hlofjenen Vertrag. Darin verzichtete der Kongo: 
taat auf die Bejehung nördlich vom 5. Breitengrade 
und djtlih über den 30.° ditl. 2, hinaus, wodurch 
die in dem Vertrag mit England von diefem an den 
Kongoftaat erfolgte «Berpahtung» von Gebiet am 
obern Nil nichtig wurde. War bier eine den tolo- 
nialen Beitrebunngen drohende Gefahr durch i 
Diplomatie wer, a. worden, fo führte das 
Verhalten Madagaslars, das ſich den Konſequen⸗ 
zen des franz. Proteftorat3 zu entziehen fuchte, zum 
Kriege. Als ein franz. Ultimatum im Oktober un: 
beantwortet blieb, wurde ein Erpeditionstorps nad 
Madagaskar eingeſchifft, wo es zunächſt 12. Dei. 
Tamalave beſetzte. Die Ausführung der Erpedition 
legte mandyerlei Mängel, beſonders in der Kriegs⸗ 
verwaltung, im Berpflegungs: und ſtrankenweſen, 
anden Tag, fo daß die franz. Truppen durch Sumpf: 
fieber und i lechte Ernährung größere Berlufte er: 
litten ald durch den Widerjtand der Howas, der nur 
gering war. Bon Majunga an der Meittüjte Mada- 
gastars brad General Duchesne im Mai 1895 auf, 
und 30, Sept. konnte er fiegreid in die Hauptitadt 
Zananarivo einziehen, worauf er 1. Oft. einen neuen, 
die Schutzherrſchaft 5.8 befeitigenden Vertrag mit 
der Königin abſchloß. 

Am Innern war bie größte Sorge der Steuer: 
reform —— doch kam fie nicht zum Abſchluß, 
da das Miniſterium Dupuy zuvor durch geicidtes 
Operieren der Radikalen und Socialiſten in einer 
Etreitfrage wegen der Dauer der vom Staat ber 
Drlsand: und Sudbahn geleiiteten Zinsgarantie ge: 
türzt wurde. Am 14. Jan. 1895 reichte Dupuy die 

imiſſion des Minifteriumsein. Dieſes Entlafjungs: 

eſuch hatte aber eine ganz unerwartete Folge: det 
Ühräfident der Republik ſelbſt legte fein Amt niever. 
{iberbrüffig des intereffierten Barteitreibend und der 
perjönlihen Verunglimpfungen, denen er jhuslos 
preißgegeben war, zog er ſich von einem Amte zurüd, 
worin er nicht, wie er gehofft hatte, einen entſcheiden 
den er! bie Regierung auszuüben vermodte. 

Der Kongreß zur Wahl eines neuen Präfidenten 
trat 17. Jan. in here Im erſten Wahlgang er: 
bielten von 794 abgegebenen Stimmen Brijlon 335, 
Faure 244 und Walded-Roufjeau 184; da legterer 
zu Gunjten Faures verzichtete, wurde dieſer mit 
430 Stimmen gewählt. In der vermorrenen Lage 

elang es dem neu gewählten Präjidenten erit nad 
angen Verhandlungen, 27. Jan, ein neues Miniſte 
rium von gemäßigter Farbung unter Ribot einju: 
fegen, deſſen ger ie Perjönlichleit wieder Hanc: 
taur war, der das Auswärtige behalten hatte und 
noch weiter mit Entjchievenbeit leitete. Er icheute ib 


Frankreich (Gejchichte ſeit 1894) 


auc nicht, obwohl ſchon die Annahme der Einladung 
Deutichlands zur Gröffnung des Nordoſtſeelanals 
von einem Teil der franz. Freiie wütend betämpft 
worden war, eine gemeinjame Aktion nicht nur mit 
en ug fondern auch mit Deutjchland gegen den 
wiſchen China und Japan 17. April geſchloſſenen 
riebensvertrag von Schimonoſeli (j.d.) einzuleiten. 

Sodann hielt das Minijterium gegen die Kirche 
den ftaatlihen Gedanten aufrecht und wies in einem 
großen Ausftande, den die Glasbläjer im Oltober 
und November zu Carmaur veranitalteten, bie Aus: 
fhreitungen der Arbeiter zurüd. Zwei Tage nad) 
der Interpellation über diefen Ausitand, 28. Olt. 
wurde e3 geftürzt, indem es wieder in einer Süb- 
babnvebatte in der Minderheit blieb. Dem uns 
erwarteten Falle folgte, ſeit Jabren N er eritenmal, 
ein grundſatzlicher Wechjel in der Regierung. An 
die Stelle deö nah innen ziemlich farblojen Kabi⸗ 
nett3 Ribot fam 1. Nov, ein entſchieden radilales 
unter Bourgeois, in dem Gavaignac die Kriegs: 
und Bertbelot die auswärtige Verwaltung über: 
nabm. Das — Bourgeois' kehrte ſich gegen 
die perſonlichen Verbindungen der großen Gejell: 
ſchaften mit vem Parlament, gegen die Monarchiſten, 
aber auch gegen bie Socialiſten; den —— landal 
brachte die endlich ee erhaftung des 
vielbeteiligten und mit Abſicht lange vergebens 
verfolgten Agenten Arton wieder in Fluß, der 
zu mehrjähriger Gefängnisftrafe verurteilt wurde; 
dagegen wurden mebrere Abgeordnete, die durch 
feine Ausſagen belaftet waren, 1897 a 
Als dann aber Bourgeois ein progreſſiwes Einkom⸗ 
menſteuerſyſtem beantragte, wurde er von rechts ber 
focialiftiiher Tendenzen bezichtigt, und der Senat 
beſchritt jchließlich den offenen Kriegspfad gegen das 
rabilale Kabinett. Nachdem er bereit3 am 11. und 
17. Febr. 1896 dem Minifterium in der Südbabn- 
angelegenbeit ein Tadelsvotum ausgeſprochen batte, 
das Bourgeoid ignorierte, erbob er ſich 21. April 
zur Vertagung der Kredite für Madagaskar und 
erflärte die Verfaſſung für verlekt, da das Minifte: 
rium troß der wiederholten Mißtrauenskundgebun⸗ 
gen der Erjten Rammer im Amt geblieben fei. Nun 
trat Bourgeois 22. April zurüd, und am 28, über: 
nahm Meline die Leitung einer neuen, rein oppor⸗ 
tuniftiihen Regierung, der auch Hanotaur wieder 
angehörte. Ernſte Schwierigteiten erhoben ſich für 
das Kabinett auf finanzpolit. Gebiet. Zwar ließ es 
dad Projekt einer allgemeinen progreffiven Ein: 
tommeniteuer fallen, erfannte aber die Notwendig: 
keit einer durchgreifenden Steuerreform an. Als 
ebod der Finanzminifter Cochery mit einem Plan 
bevor wonach — Erleichterung des über: 

ürbeten Immobiliar ejibed das Einlommen aus 

franz. Rente mit einer 4*/,progentigen Steuer belegt 
werben jollte pi; er von rechts und links auf 
Widerftand, jo daß das Kabinett 9. Juli die ganze 
Steuerreformvorlage zurüdzog. 

Bot fo die innere Politik ein oftmals wechſelndes 
Bild, jo wurde die äußere im großen und ganzen 
von allen Regierungen gleichartig geführt, und zwar 
wurde alle8 durch das Berbältnis zu Rußland be 
berriht. Der Tod Alexanders II. (Nov. 1894) 
wurde von ben era ie aufrichtig betrauert, da 
aber jein Sohn und Nachfolger Nilolaus II. die 
enge Verbindung mit 5. aufrecht erhielt, jo änderte 
fih in dem Verhältnis beider Staaten zu einander 
wenig. Daher wurde das ruſſ. Kaiſerpaar, als es 
auf jeinen Reiſen an den europ. Höfen vom 5, big 


1047 


9, Oft. 1896 in F. weilte, mit unermeßlichem Jubel 
begrüßt und mit glänzenden Feſten gefeiert, doch 
blieb man immer noch im Ungemifjen, ob ein bes 
ftimmt formulierterBündnisvertrag eriftiere, Diefer 
weifel wurde jedoch befeitigt durch die glänzende 
ufnahme, die der Präfident Faure bei feinem 
ſuch am ruff. Kaiſerhof 23. bis 26. Aug. 1897 fand, 
wobei en. das erjehbnte Wort von den beiden 
«alliierten» Nationen geſprochen wurde. 

Eine Angelegenheit, die ſich durch die damit ver 
bundenen Umjtände und dur das Licht, das fie 
auf die berrihenden Kreiſe der dritten Repub it 
warf, —— wie die Panamaangelegenheit zu 
einer polit. Frage erſten Ranges geſtaltete, war 
der Prozeß des jüd. Hauptmanns Dreyfus, der 
1894 wegen Spionage zu Degradation und lebens 
längliher Deportation verurteilt worden war, Bald 
aber tauchten Zweifelan der Schuld des Dreyfus auf, 
beſonders nachdem fich 1897 der Senator Scheurer- 
Keſtner, der Schriftiteller Zola und der Bruder des 
Verurteilten zu feinen Anwälten gemadt und als 
den wahren Ba og Pr den Major Eſterhäzy be 
—— hatten. Die Kammern, in denen im Dezem⸗ 

er von den Freunden Dreyfus' die Reviſion ſeines 
Prozeſſes angeregt wurde, —— ſich ebenſo wie 
das Miniſterium durchaus ablehnend und ſchenkten 
den Verſicherungen des Generalſtabs, daß Dreyfus 
u Recht verurteilt ſei, unbedingten Glauben, be 
Inder nachdem Ejterbäzy, gegen den eine Unter: 
uhung eingeleitet wurde, 11. 
Kriegsgericht freigeiprodhen war. Dennoch rubten 
die Dreyfusfreunde nicht, und als Zola in einem 
offenen Brief die Nichter Eſterhäzys beſchuldigte, 
"T auf Befehl ihrer Vorgeſetzten freigeiproden 
zu haben, richtete fich die volle Wut der Militärpartei 
und der Antifemiten gegen ihn und fuchte die ganze 
Angelegenheit zu einer Bewegung gegen die Juden 
und die Proteftanten auszubeuten. In einem Auf: 
ſehen erregenden Prozeß wurde Zola 28. Febr., und 
ald er Nevifion einlegte, wieder 18. Juli zu einem 
Jahr Gefängnis verurteilt, 
ie Wahlen zur Deputiertenlammer, die im Mai 
ftattfanden, braten keine wefentliche Veränderu 
da etwa 225 gemäßigte Republilaner und 45 Rals 
liierte gegen 182 Radikale, 45 Socialiften, 49 Don: 
ardiften und 26 antifemitifche Nationaliften gewählt 
wurden. Wie ——— aber die Majorität war, 
auf die die Regierung fi en zu fönnen glaubte, 
zeigte fich ſchon am 14. Juni, wo fie bei einer Inter: 
pellation über di gegenüber der focialiftifchen Be: 


an. 1898 vom 


megung beobadtete Haltung in der Minderheit 
blieb, worauf Meline mit feinem ganzen Kabinett 
wir —— einreichte. Erſt nach langen Ber: 

andlungen pe ang e3 Briffon, 27. Juni ein neues 
radikales Kabinett zu ftande zu bringen, in dem er 
neben dem Vorſih das Innere, Bourgeois den Unter: 
richt, Cavaignac das Kriegsweſen, Yodroy die Mas 
rineübernahm. Sofortregten ſich wieder bie Dreyfus: 
freunde, doch erwies ſich auch das neue Minifterrum 
einer Kevifion des Prozeſſes durchaus abgeneigt. 
Eine völlig neue Wendung nahm die Sadıe, als ſich 
wenige Wochen darauf das am meiften für Dreyfus 
belaftende Schriftftüd als eine Falſchung des Oberſt⸗ 
leutnants Henry, des Chefs des Informations: 
bureaus im Großen Generalftabe, berausitellte, 
Henry endete durch Selbftmord, der Chef des Großen 
Generalſtabs, General Boisdeffre, legte 1. Sept. 
fein Amt nieder, und wenige Tage darauf trat auch 
der Ariegäminifter Cavaignac zurüd. Aud fein 


1048 


Nachfolger, General Zurlinden, ertlärte von Drey: 
fus' Schuld überzeugt zu fein. Da trotzdem 17.Sept. 
der Minifterrat eihlob, eine Juſtizkommiſſion ihr 
Gutachten über die Revifionsbedürftigfeit des Drey: 
fusprozejjes abgeben zu lafjen, trat auch Zurlinden 
urüd und machte dem General Ehanoine Plaß, der 
Ka ebenfall3 ald Dreyfusgegner und als ein Wert: 
zeug der Militärpartei zeigte; denn nachdem 26.Sept. 
bom Minifterrat die fiberweifung des Prozefjes an 
den Kaſſationshof beichlofjen war, erklärte Chanoine 
25. Dit. bei einer Interpellation über die Dreyfus: 
angelegenbeit von der Tribüne der Deputierten: 
fammer berab feine Dimiffion, worauf aud das 
übrige Miniftertum zurüdtrat. Präſident Faure 
berief Dupuy zur Neubildung bes Kabinetts, und 
diefer trat ald Minifter des Innern an die Epige, 
während Delcajie und Lodroy ihre Amter bebielten 
und Freycinet das Kriegs⸗, Peytral das Finanz 
wejen übernahm. Die wichtigite Angelegenheit für 
das neue Minijterium war der Streit mit England 
um Faſchoda (j. d.), der bereits eine höchſt bedroh⸗ 
lie Form angenommen * 3 Verſuch, ſich 
bier am obern Nil feſtzuſetzen, ſtieß auf fo ener⸗ 
giſchen Widerfprud von feiten Englands, daß am 
8. Nov. der franz. Minifterrat in Anbetracht der 
fiberlegenbeit der engl. Seemacht nachzugeben und 
Marhand, der bereits die franz. Flagge in Faſchoda 
gebeißt batte, abzuberufen befchloh. Der Groll 
über dieſe Niederlage wurde noch verftärft durch 
ben meitern Verlauf der Dreyfusangelegenbeit. 
Als nämlich die Nevifion einen für Dreyfus gün: 
hei Verlauf zu nehmen ſchien, beihuldigte der 


räjident der Eiviltammer des Kaſſationshofes, 

uesnay de Beaurepaire, feine Kollegen von ber 
Kriminallammer der Barteilichkeit und erreichte auch 
wirllih, daß dieſen durch ein Geſeß die Revifion 
entzogen und dem gejamten Kaflationshof über: 
tragen wurde. Inmitten diefer Wirren wurde bie 
Republik durch den Tod ihres Oberhauptes, des 
Präjidenten Faure, betroffen, der 16, Febr. 1899 
einem Schlaganfall erlag. Faſt wider Erwarten 
vollzog fi die Neuwahl 18, Febr. in aller Ruhe. 
Mit 483 gegen 308 Stimmen, von denen 279 M& 
line zufielen, wurde der Senatäpräfident Loubet zu 
der Böchften Wurde berufen. Freilih demonſtrier⸗ 
ten die Royaliften und Nationaliften bei jeder Ges 
legenbeit gegen den neu gewählten Bräfidenten, und 
Deroulede, der Führer der PBatriotenliga, machte 
fogar am Tage ber Dijesung — (23. Febr.) 
den allerdings vergeblichen Verſuch, den General 
Roget an der Spitze ſeiner Truppen zu einem militär. 
Staatsſtreich zu veranlaſſen; Loubet ließ ſich jedoch 
dadurch nicht beirren und wußte ſich allmählich auch 
die Achtung ſeiner Gegner zu erwerben, zumal da 
es ihm gelane, durch den Vertrag vom 21. März, 
worin England die franz. Einflusfphäre im weftl, 
Zeil Mittelafrilad anerkannte, die Nied e von 
abher einigermaßen wett zu machen. Die leiden: 
chaftlichſten Kämpfe entbrannten jevoch aufs neue, 
als am 3. Juni ber —— das Urteil des 
Kriegsgerichts, wodurch Dreyfus verurteilt war, 
umſtieß und den Angeklagten vor ein neues Kriegs⸗ 
gericht in Rennes verwied, Die Militärpartei war 
durd diefen Schlag aufs höchſte —— und richtete 
ihren Zorn abermals hauptſächlich gan Loubet, 
der am 4. Juni bei einem Rennen in Auteuil ſogar 
thätlich infultiert wurde. Die ſcharfen polizeilichen 
Mapregeln, die das Minifterium infolgedefjen 
treffen ließ, veranlaßten am 12. Juni eine Inter: 


Frankreich (Geſchichte jeit 1894) 


pellation in der Deputiertentammer, die eine dem 
Minifterium nicht genebme Tagesordnung annabm, 
worauf das Kabinett Dupuy feine Entlafjung ein: 
reichte. Erft am 22. Juni gelang es dem Senator 
Walded:Roufjeau, ein lebensfähiges Kabinett zu 
ftande zu bringen, in dem zum erftenmal auch cas: 
Sorialiften Blag fanden, und zwar Millerand als 
Handelsminifter, Baudin ald Minijter für öffent: 
lihe Arbeiten. Neben ihnen ſaß als Kriegsminiſter 
General Gallifet, der Befieger des Communeauf: 
tandes, während Malded:Rouffeau neben dem Brä: 
idium das Innere übernahm, Delcafie das Hußere, 
onis die Juftis, Jean 
ue⸗ 


neſſan die Marine, 
Dupupden Aderbau, Cailla 
den Unterricht, Decrair die 
Am 7. Aug. trat das Kriegsgericht, dad von 
neuem über Drevfus urteilen jollte, in Rennes zu 
ſammen. Seine Verhandlungen dauerten bis zum 
9. Sept. und enbeten zwar mit der abermaligen 
Verurteilung des Angellagten, doch wurden ihm 
mildernde Umftände nugebilligt, und wenige un 

barauf wurde er völlig begnadigt; ein Tagesbeie 
des Kriegäminifterd erllärte die Affaire für ab- 
eſchloſſen, und endlich ſetzte die Regierung eine 
mneftievorlage durh, wonach alle Strafverjab: 
ren, die auf Grund des Dreyfusbandels eingeleitet 
waren, niedergeihlagen wurden. Borber jebod 
batte fie fih genötigt gefeben, die während des 
Drevfuäprozeffe von den royaliftiichnationalifti- 
[hen Kreiſen angeftifteten Unruben zu unter 
drüden. Am 12. Aug. wurden bie er ber Be 
mwegung, eine Anzabl Rovaliften und Antijemiten, 
verhaftet und vor den Staatögerichtäbof geftellt, 
ber allerdings die meiften freiſprach, einige jedoch, 
darunter Deroulöde, wegen Komplotts gegen die 
Sicherheit des Staates zu längern Gefängnisitrafen 
und zu Verbannung verurteilte. So mar wenig: 
—* äußerlih Ruhe und Ordnung bergeitellt, als 
oubet am 14. April 1900 die Weltausjtellung in 
Paris eröffnete. Sie war glänzend beſchidt und 
wies mehr Befucher auf als jede frühere, batte aber 

troßdem nicht den gebofiten pefuniären Erfolg. 

as bevenklihe Anwachſen des monarchiſtiſchen 
und klerikalen Einfluſſes im Heere, das wäbrend ber 
Dreyfusaffaire zu Tage getreten war, mußte es 
den republikaniſchen Regierungskreiſen nahe legen, 
Maßregeln dagegen zu treffen. Dies geſchah denn 
auch, befonders jeitvem nad dem Rüdtritt Galli- 
fet3 (29. Mai) General Andre das Kriegsminiſte 
rium übernommen hatte. Ein umfajjender Ber: 
fonenwechjel im Generalftabe, den er alsbald, nad 
dem er fein Amt ü mmen batte, anorbdnete, 
veranlaßte den Chef bes Generalitabs Delanne, 
feine er map, zur Truppe zu erbitten, und den 
General $amont, den Bicepräfidenten des Dberiten 
Kriegsrats, ſich zur Dispofition ftellen zu laſſen 
Andre lieb fi jedoch dadurch nicht beirren unt 
verfolgte dur die Neuorganifation des Dberiten 
Kriegsrats (29. Zuli) — wie durch das Dekret 
über die ge ige der Offiziers ſchule zu 
St. Eyr (26. Sept.) aud meiter den Zwed, bie 
Machtvolllommenbeit des Kriegsminiſters zu er 
böben und die Demokratifierung der Armee berbei- 
pam. Einen Schlag gegen den Klerikalismus 
ebeutete ferner das neue Bereinägejeh, das die 
Regierung im Jan. 1901 einbradte und das ſich 
in erfter Linie gegen die lirchlichen Rongregationen 
richtete, die ihren Einfluß vielfah zu feindlichen 
Agitationen gegen die Nepublit benugten. De 


bie Finanzen, 
olonien. 


Frankreich (Litteratur zur Geſchichte) 


Gefekentwurf hatte den Zived, einerſeits die eins 
ſchränklenden Bejtimmungen, die dem freien Ber: 
eindrecht im Wege ftanden, zu befeitigen, anderer: 
ſeits aber die lirchlichen Kongregationen der Ober: 
aufficht des Staates zu unterwerfen. Dies erreichte 
er dadurch, daß er zwiſchen Vereinigungen unter: 
hied, deren Mitglieder zufammenmwohnen, und 
olchen, bei denen dies nicht der Fall ift, und wäh: 
rend letztere ohne weiteres erlaubt wurden, follten 
eritere, wodurch namentlich die geiftlihen Orden 
betroffen wurden, verpflichtet fein, die geſetzliche 
Genehmigung einzuholen. Nah langen erregten 
Debatten wurde der Entwurf in beiden Kammern 
angenommen und am 1. Zuli ala Gejek verfündigt. 
Dana wurde den Kongregationen vorgefhrieben, 
bis zum 3. Dt. ihre Geſuche um —* nebſt 
ihren ——— an den Miniſter des Innern ein: 
zureihen. Während die Mehrzahl fih abmwartend 
verhielt, zogen es einige, darunter die Jefuiten, 
vor, in das Ausland zu geben. 

Mar es fo der zielbewußten Haltung des Kabi— 
nett3 Walded:Rouijeau gelungen, im Innern all: 
gemeine Beruhigung herbeizuführen, p batte auch 
auf dem Gebiet der auswärtigen Politik die vor: 
bandene —————— nachgela en. Seit 
der beibämenden Niederlage von Faſchoda hatte 
3 feine Wehrtraft zur See bedeutend verjtärft, und 
im Juni 1900 war eine Marinevorlage, die zur 
Vermehrung der Flotte, zur Hafenausrüftung und 
Küftenverteidigung 900 Mill. Fr3. forderte, mit 
großer Mebrheit angenommen worden. Schon in 
dem Bertrage mit England vom 21. März 1899 
waren %. für feinen Verzicht auf den djtl. Sudan 
die Lanpjtriche von Tibefti, Wadai, Kanem und 
Bagirmi zugefallen, doch mußte es bier erſt in län« 
gern Kämpfen gegen den Sultan Rabeh feine Auto: 
rität befejtigen. Einen weitern Erfolg in 3.8 Kolo— 
nialpolitit bedeutete die Bejegung der Tuat-Oaſen, 
die 1901 ame Miderftand vollendet wurde, und der 
1902 die Befeßung der Dafe Sieig folgte. 

An der Beilegung der chineſ. Wirren (f. China, 
Geſchichte) nahm auch F. im Verein mit den übrigen 
Großmächten teil, Ein engerer Anfhluß an Eng: 
land und Stalien erfolgte, nachdem die Könige beider 
Länder 1903 Baris bejucht hatten. Bon bejonderer 
Bedeutung war namentlidh ein Vertrag, den F. 
8. April 1904 mit England abſchloß und der alle 
tolonialen Differenzen befeitigen foll (ſ. Frankreich, 
Bd. 17). Dazu trug au die Ausführung eines 
franz.-fiamef. Vertrags 8 Febr. 1904) viel bei. 

Ungewöbnlide Energie entwidelte 5. in einem 
Konflilt mit der Türkei, die fortvauernd zögerte, 
einige Schon lange ſchwebende Forderungen franz. 
Untertbanen zu befriedigen. In den erjten Tagen des 
November 1901 erſchien eine franz. Flotte vor My: 
tilene und nabm einige türt. ——— in Beſitz, 
worauf die Pforte alle Anſprüche F.s befriedigte. 

Die Kammerwahlen, die 27. April 1902 jtatt: 
anden, ergaben eine ſtarke Majorität für die Radi— 
alen. Als daher das Minifterium Walded:Roufjeau 
28. Mai feinen Rüdtritt erflärte, trat an feine Stelle 
ein rein radilales Kabinett unter Combes. Dieſes 
veröffentlichte aldbald einen Erla$ an die Präfelten, 
worin dieje aufgefordert wurden, alle ftaatlich nicht 
genehmigten eignen aufzus 
löfen und die von ihnen unterhaltenen Schulen zu 
ihließen. Nachträglibe Zulaſſungsgeſuche wurden 
von der Kammer mit wenigen Ausnahmen 18. März 
1903 abgelehnt und die Präfelten angewieſen, die 


1049 


rg pre binnen kürzefter Frift ausjus 
übren. Da aber nur wenige Rongregationen vielen 
efeblen freiwillig Folge leiiteten, fo gab ihre 
——— namentlich bei ver klexilal 
gefinnten Sandbevöllerung der Weit: und Süd: 
epartements vielfah Anlak zu lärmenden Kund⸗ 
ebungen, Dieſes ftrenge Vorgehen der Regierung 
(it iu einem jcharfen ——— mit der Kurie. 
eo XIII. verdammte die Geſetze gegen die Kongre— 
ationen, worauf es zu Differenzen über die Aus: 
egung des Konkordats fam, in der erſt PiusX. ſich 
zum Nachgeben entſchloß. Cinen neuen ſchweren 
Konflikt brachte der Beſuch, den der Präſident Youbet 
(April 1904) dem König von Italien in Rom ab: 
ftattete, und gegen den der Papft entſchieden pro⸗ 
teftierte, worauf die franz. Negierung 31. a die 
diplomat. Beziehungen zum Batilan abbrach. ns 
folge wiederholter heftiger Angriffe fab fih das Ka— 
binett Combes genötigt, 18. Ser. 1905 zu demiſ⸗ 
fionieren, worauf Rouvier die Bildung eines neuen 
Miniftertums übernahm. Unter ibm wurde 17. März 
die Vorlage über die zweijährige Militärdienftzeit und 
Ende April die Trennung von Staat und Kirche an- 
enommen und durchgeführt. Bei der Neumahl des 
Fenftenten der Republit wurde 17. San. 1906 ber 
enatspräfident Fallidres gewählt, der 18. Febr. 
jein Amt antrat. 

3.8 Verfuh in Marokko enticheidenden Einfluß 
r gewinnen, wurde durch die m. Deutſch⸗ 
ands weſentlich eingeſchränlt. Auf einer inter⸗ 
nationalen Konferenz, die vom 17. Jan. bis 7. April 
1906 in Algeciras tagte, wurden die wegen dieſer An⸗ 
—— zwiſchen beiden Staaten entſtandenen 

— beigelegt. Als das Kabinett Rouvier 
9. März 1906 bei einer Abſtimmung in der Mins 
derheit blieb, ſah es fih zum NRüdtritt veranlaßt, 
worauf Sarrien die Neubüdung übernahm. (©. 
Frankreich, Bo. 17.) 

Litteratur zur Gefchichte. Vol.überdieQuellen: 
G. Monod, Bibliographie de l’histoire de France, 
depuis les origines jusqu’en 1789 (Par. 1888) ; Mo⸗ 
linier, Les sources de l’histoire de France depuis 
les originesjusqu’en 1815 (Bd. 1—3, ebd. 1902—3). 

Von allgemeinen Werten find zu nennen: 
Guizot, Essai sur l’histoire de France (Bar, 
1823; 14. Aufl. 1877); Michelet, Histoire de 
France (neue Aufl., 19 Bde., ebd. 1878—79); 
Martin, Histoire de France (4. Aufl., 17 Bde. ebd. 
1856—60); Darefte de la Ehavanne, Histoire de 
France, depuis les origines jusqu’& nos jours 
(3. Aufl., 9 Bde., 1885); E. A. Schmidt, Geſchichte 
von %.(4Bde.,Hamb. u. Gotha 1835—48) ; Histoire 
de France depuis les origines jusqu'âà la r&vo- 
lution, bg. von Lavifje (Bar. 1900 fg.); Guizot, 
Histoire de la civilisation en France (15. Aufl,, 
4 Bde., ebd. 1890); Nambaud, Histoire de la ci- 
vilisation frangaise (3 Bde., ebd. 1885 — 88) ; Warns 
lönig, Franz. Staatd: und Rechtsgeſchichte (3 Bde., 
Baf. 1846—48); Viollet, Histoire des institutions 

litiques et administratives de la France (2 Bve., 
Öhar. 1889 fg.); Glaffon, Histoire du droit et des 
institutions de la France (8Bde., ebd. 1887—1902); 
ee Seine Gefhihte, Verfaſſung und 
ftaatlihen Einrichtungen (Lpz. 1897); Zimmermann, 
Die Kolonialpolitit 5.8 (Berl. 1901). 

Fürdiehiftor.Litteraturüber einzelne Epochen 
find die Litteraturangaben bei den betreffenden 
Herrſchern zu vergleihen, für das fränt. Zeitalter 
die Litteratur zu dem Artilel Fränkiſches Reich, 


1050 


Si bie —— ie die Pitteratur der Artikel: 
eutſch⸗Franzoſiſcher Krieg von 1870 und 1871, 
Franzöfifche Revolutionskriege, Franzöfifch : Ofter: 
reichiicher Krieg von 1805 u. f. w.; außerdem über 

1) die Zeit von den Rarolingern bis zur Nefor: 
mation: Lot, Les derniers Carolingiens (Par. 1892); 
von Raldftein, Gefchichte des franz. Rönigtums unter 
ben erften Gapetingern (Lpz. 1877); Quchaire, His- 
toire des institutions monarchiques sous les Pr 
miers Capétiens (2. Aufl., Par. 1891); Fuftel de 
&oulanges, Histoire des institutions politiques de 
l’ancienne France (4 Bbe., ebd. 1875—80). 

2) Bon der Reformation bis zur Revolution: 
Ranle, Franz. Geihichte vornehmlich im 16. und 
17. Jahrh. (4. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1876—77); Las 
cretelle, Histoire de France pendant les guerres 
de religion (4 Bde., Bar. 1822); Cheruel, Histoire 
de France sous le ministöre de Mazarin (3 Bde., 
ebd. 1882— 83); Lacretelle, Histoire de France 

endant le 18° siöcle (5. Aufl., 6 Vde. ebd. 1830); 

erlins, France under the Regency (2ond. 1892); 
derj., France under Louis XV (2 Bbde., ebd. 1897); 
Zocqueville, L’ancien rögime et la r&volution 
(7. Aufl., Bar. 1866; deutich Lpz. 1867); de Broc, 
l.a France sous l’ancien regime (2 Bde., Bar, 1887 
—89); Chereft, La chute de l’ancien rögime (3 Bde,, 
ebd. 1884—86). 

3) Die Revolution und das erite Kaiſerreich: 
Rour, Lavergne und Buchez, Histoire parlemen- 
taire de la Rövolution frangaise (40 Bde., Par. 
1833— 38); Archives parlementaires, bg. von 
Mavidat (ebd. 1860 fg.); Berville und Barriere, 
Collection des mömoires relatifs & la R&volution 
frangaise (56 Bde., ebd. 1820—26); Mignet, 
Histoire de la R&volution francaise ( 16. Aufl., 
2 Bde., ebd. 1890; —* ww: 1842; auch in Re: 
clams «lUlniverjalbibliothef»); Thiers, Histoire de la 
Rövolution frangaise (15. Aufl., 6 Bbde., Bar. 1881; 
deutſch, 2 Bde., Lpz. 1846—49); Blanc, Histoire 
de la Revolution frangaise (2, Aufl., 12 Bde., Bar. 
1864; neue Ausg., 2 Bde. 1881; deutich Lpz. 1847 
—)2); Michelet, Histoire dela Revolution frangaise 
(7 Bde., Par. 1847—53); Wachsmuth, Geſchichte 
3.8 im Revolutionszeitalter (4 Bde. Hamb. 1835 
—44); von Spbel, Geihichte der Revolutiongzeit 
(neue Ausg., 10 Bde. Stuttg. 1897— 1900); Sorel, 
L’Europe et la R&volution frangaise (5 Bde., Bar. 
1885—1903); Taine, Les origines de la France 
contemporaine (6 Bde., ebd. 1875—94; deutſch 
bearbeitet von Katſcher, Lpz3. 1877— 94); Ziemſſen, 
Die franz. Revolution (2. Aufl., Berl. 1893); 
Mortimer Ternaur, Histoire de la Terreur (7 Boe., 
Bar, 1862—69); Barante, Histoire de la Con- 
vention nationale (6 Bde., ebd. 1851 —53); 
derſ., Histoire du Directoire (3 Bde., ebd. 1855); 
Granier de Gafjagnac, Histoire du Directoire 
(3 Bde., ebd. 1851 —63); Sciout, Le Directoire 
(4 Bpe., ebd. 1895 — 97); E. und J. de Goncourt, 
Histoire de la société frangaise pendant la Revo- 
lution (4, Aufl., ebd. 1880); dief., Histoire de la 
societ& frangaise pendant le Directoire (4. Aufl, 
ebd. 1880); —* ——* Pariſer Zuſtände wäh: 
rend der Revolutionszeit von 1789 bis 1800 (3 Boe,, 
Jena 1874— 76); Lacroir, Direltorium, Konſulat 
und Raiferreih. 1795—1815 (deutih Lpz. 1898 
—99); Bianon, Histoire de France depuis le 
18brumaire 1799 (10 Bde. Bar. 1827— 38); Thiers, 


Frankreich (Litteratur zur Gejchichte) 


Histoire du Consulat et de l’Empire (21 Bde. und 
Atlas, ebd. 1845—69); Aulard, Histoire politique 
de la Rövolution frangaise (ebd. 1901). 

Die Litteratur über die Regierungszeit Napo- 
leons L ſiehe bei diefem Artitel. 

4) Die Zeit von der Rejiauration bis zur Juli 
revolution: Zacretelle, Histoire de France depuis 
la Restauration (4 Bde., Bar. 1829—35); Lubis, 
Histoire de la Restauration (2, Aufl., 6 Boe., ebd. 
1848); Baulabelle, Histoire des deux Restaura- 
tions (8. Aufl., 10 Bde., ebd. 1874); Biel : Eaftel, 
Histoire de la Restauration (20 ®pe., ebd. 1860 
— 78); Duvergier de Hauranne, Histoire du gou- 
vernement parlementaire en France, 1814—48 
(10 Bde., ebd. 1857—72); Daudet, Histoire de la 
Restauration (ebd. 1882). 

5) Von der Thronbefteigung Ludwig Philipps 
bis zur Februarrevolution von 1848: Louis Blanc, 
R&volution frangaise. Histoire de dix ans, 1830 
—40 (5. Aufl., 5 Bde., Bar. 1846); Regnault, His- 
toire de huit ans, 1840—48 (2. Aufl., 3 Bpe., ebv. 
1860); Nouvion, Histoire du e de Louis Phi- 
lippe (4 Bde.,ebd. 1858— 61); Hillebrand, Geſchichte 
3.8 von der Thronbefteigung Louis Philipps bis 

um Falle Napoleons III. (Abteil.1: Geſchichte des 

Suliönigtums [1830— 48]; 2. Aufl., 2 Bde. und 

gänzungsbeft, Gotha 1881—82); Haufjonville, 
Histoire de la politique exterieure du gouverne- 
ment frangais 1830—48 (2 Bde., Par. 1850); 
ThureausDangin, Histoire de la monarchie de 
juillet (7 Bde. ebd. 1887 — 92). 

6) Bon der Februarrevolution bis zur Errichtung 
des zweiten Kaiſerreichs: Qamartine, Histoire de 
la rövolution de 1848 (2 Bpe., Par. 1848 u. d,; 
beutfch, 2 Bde., Lpz. 1849); Stern, Histoire de la 
revolution de 1848 (3. Aufl., Bar. 1869); Deivau, 
Histoire de la r&volution de f&vrier (2 Bpe., ebd. 
1850); Garnier-PBag2s, Histoire de la r&volution 
de 1848 (8 Bde., ebd. 1861—62): Blanc, Histoire 
de la r&volution de 1848 (4. Aufl, 2 Boe., ebd. 
1871); Pierre de la Gorce, Histoire de la se 
conde republique frangaise (ebd. 1887); Spuller, 
Histoire parlementaire dela deuxiöme R&publique 
(ebd. 1891). u. 

7) Die Zeit des zweiten Kaiſerreichs. Außer der 
unter Napoleon II. angeführten 2itteratur ift noch 
zu erwähnen: Geyer, $ unter Napoleon IIL. (2pz. 
1865); Dayot, Le second empire ( 1900). 

8) Die dritte Republik feit 1870: I. Favre, Le 
Gouvernement de la defense nationale (3 Bde, 
Bar. 1871—75); Balfrey, Histoire de la diplo- 
matie du gouvernement de la defense nationale 
(3 Bde., ebd. 1871— 73); Duret, Histoire de quatre 
ans, 1870—73 (3 Bde., ebd. 1876—81); imon, 
Le gouvernement de M. Thiers (2 Bbe., ebd. 1878); 
Berthezene, Histoire de la troisiöme r&publique 
(ebd. 1880); Steenaders und Le Goff, Histoire du 

ouvernement de la defense nationale en province 
3 Boe., ebd. 1884—85); Hippeau, Histoire dipl» 
matique de la troisiöme r&publique, 1870— 89 (ebp. 
1889); Vogel, Die dritte franz. Republit bis 18% 
(Stuttg. 1895); Coubertin, L’&volution frangaise 
sous la troisiöme r&öpublique (Par. 1896) ; Zevert, 
Histoire de la troisi&meröpublique, Bd. 1—4 (ebv. 
1897 — 1901); Hanotaur, Histoire de la France 


' contemporaine, 1871—1900 (Bd. 1, ebv. 1908; 


deutfch Berl. 1903). 


Verzeichnis 


dei 


Tafeln, Rarfen, Textbeilagen und Textabbildungen 
zum jechjten Bande. 


Bildertafeln und Karten: 








Seite Seite 
Engliſche Kunſt. L IL IM. . ........ 4 Fiſche, Buntfarbige (Chromotafel) ..... 724 
Enten (Chromotafel) ............. BET IRRE LUD ae 124 
Erdfarten. I. Voltöpichte auf der Erde um BEIDE: "IV. ET wen 724 
1900. II. Berteilung der Religionen auf Fiſche. VII. VIII......... REN 724 
— FREE ERERERRRRREI EEE 134 | Fischzucht, Künftlihe....... IRRE 740 
Sbheeeeeeeeee 220 Flächen. J. II...... RT 752 
Etrustifhe Kunft 2222 r mern. 276 | Slahsfpinnerei. LIL . 2.2.2... 2220. 756 
VE re a ae 290 | Flaggen der Seeftaaten (Ehromotafel) ... 759 
Guropa: Phyſikaliſche Üiberfichtslarte ... . . 304 | — Internationale Signal und Reederei: 
— Regenkarte....... ......... 308 flaggen (Chromotafel) .......... . 760 
— Die Voltsvihte in Europa um 1900 0 a 1 RE 774 
ME er 11 Ban DIESE 7119 
— Etbnograpbifhe Karte... 2.2... BE | om (BE) aan 810 
— Politiſche Überfihtälarte ...... 5.2 BR 1 RERER 842 
— SHiftorifhe Karten. J. I.......... 314 | Forftinfelten, Schädliche. LIU ...... 900 
Eyd: Genter Altar (Lichtdruck). ....... 368 | Frankfurt a. M., Stadtgebiet und Stadt: 
N EEE VEN 410 kreis (Kartentafel). ............ 960 
JJJ 426 | Frankfurt a. M. (Plan) ........... 962 
Faſanen (Ehromotafel) .. ..... .... 406Frankreich (Karte) ............. 972 
Fayence (Ehromotafel) ............ 498 | — Nordöftlihes (Karte)... ...2:... 974 
Feuerfprigen. L IL IL IV. ........ 634 | — Hiftoriihe Karten „once r rer 1000 
Tertbeilagen: 
Seite Seite 


Fahrrad (Erläuterungen zur Tafel; mit 29 Ubs 


Finanzen der wichtigern Länder, Die (Tabellen) 690 


eeeeeee 410 | Flaggen: Internationale Reedereien... . . . 760 
Gertabbildungen: 

Eeite Seite 

Engliſche Kunſt .............. >] GEWEBE ne 120 
Enfilage (3 Figuren) ............. ER EEE 2 ent 121 
Entglafung (2 Figuren) ............ BET EIER una ers 129 
EFT TTIETTERTERITE 69 | Erpprudmauer (3 Figuren)... +... « 131 
en ..... 88Erdſchlußprüfer ern ee 0. 141 


Verzeichnis der Tafeln, Karten u. ſ. w. zum fechiten Bande. 


Seite | 
Erfurt (Stadtwappen) ............ 154 
Erlangen (Stadtwappen) 2220000. 170 
ER: aaa 1% 
Eichweiler (Stadtwappen)... 2.2.00. 230 
Eſſen (Stabtwappen) ............. 244 
Eſſigfabriklation ....... — ET 251 
Eßlingen (Stadtwappen) ........... 254 
Eupen (Stadtwappen). 222222 0% | 
Euphorbia............... . 297 
Ercelfiormühle (2 Figuren) .......... 341 
3 DENE sense .. 341 
Ertraftrom (2 Figuren) .. . — 6 
Faächer (6 Figuren).............. 391 
Facherflügler ae 392 
Fachwerk (2 Figuren) ............. 395 
Fadengebilde (9 Figuren) ........ 398. 399 
Fadenmikrometer. .......... TE 
Fahlerz (2 Figuren) .............. 404 
Fahrrad (29 Figuren der Tertbeilage) .... 410 
Bährte (6 Figuren).............. 414 
Falcunculus ....... ge 423 
DEE EMMEN ae 430 
Faällaxt (2 Figuren) .............. 431 
Ballen (5 Figuren) ... 2.2.22... 431. 432 
Ballmafdine (2 Figuren) ........... 434 
Fallwerk (2 Figuren) .. 22.222220. 436 
Falſche Schieferung ...-.--- ren. 438 
Falz (5 Figuren)................ 443 
Sarbenreibmafhinen... 2.2... 22222. 458 
Farne (11 Figuren) ......... 469 bis 471 
Be a Ra ren dl 480 
ER OETWITIE 499 
Feder (7 Figuren) ............ 509. 510 
Federwage (3 Figuren) ........ . 512 
Fehn⸗ u. Moorkolonien (1 Fig. u. 1 Ran)! 17. 519 
Beile (3 Figuren) ........... een | 
Beillloben ....... —— 628 
Feime (5 Figuren) ............ 523. 524 
Belobefeftigung (3 Figuren)... ....... 528 
TREE engen 554 
Fernrohr (8 Figuren) ........ 578 bis 575 
Ferrara (Stadtwappen) ............ 678 
Seltigkeit (5 Figuren) ............. 595 
ne EEE 598 
Beltungen (4 Figuren)... ....... 602. 603 
Feuerfeſte Schränke (2 Figuren) ....... 622 


Ent 
Feuerhahn (3 Figuren) ..... EIER 
Feuerleitern (9 Figuren) ........ n25. 626 
Feuermelver (2 Figuren) ..... ET 632 
Feuerſtahl........... — 636 
Feuertelegraphen (4 Figuren) ......... 637 
Feuerungsanlagen (6 Figuren)... . 639 bie 641 
Fibula (2 Figuren) .............. 659 
Bichtelberger Gläjer .. 222 ........ 662 
Biligranarbeit (3 Figuren) .........— 683 
Hilterprefie (8 Figuren) ........... 685 
Finland (Landeswappen) ........... 700 
Finnenkrankheit ................ 709 
Fiume (Stadtwappen) ............. 740 
RR BEER TER ERE 762 
ER a ae ee 764 
Dei are 768 
Flaſchenbatterie (2 Figuren) ......... 769 
Flaſchenzug (5 Fiauren)......... 769. 770 
Bledermauspapagein . 2222 cerene 71:9 
Fleiſchzerlleinerungsmaſchinen (5 Fig.) 792. 793 
Flensburg (Stadtwappen) ...... ; . 795 
Fliegen (16 Figuren) ............. 79% 
Bliefen (4 Figuren) . 222 ce near 2 
Slorentiner Flaſche - 2-2 neueren 808 
Florenz (Stadtwappen)............ 809 
Slugbabn (3 Figuren)... .. 2.2222... 825 
Ylügelgläfer (2 Figuren) ........... 828 
Fluſſe (Textlarte). ............. 836 
Flüſſige Luft (8 Figuren) ........ 839. 840 
Flußſpat (2 Figuren)............. 845 
Fontange.......... Susann 861 
Forbach (Stadtwappen) ....... . 863 
Formerei (2 Figuren) us seen... 880 
Förmlicher Angriff (2 Figuren) ..... 882. 883 
Formmaſchine (2 Figuren)... 2220000. 886 
Forſt (Stadtwappen)... 2... 2.00 00r 891 
Del BEN) aaa 91 
Fleeeeeeee e 916 
Forum Romanum ... 2... 2222000 .. “2 
TERBHleNGE 43.00 932 
Fournierſchneidemaſchine ..... 2.2... 933 
Frangulinen (3 Figuren)... 2.2220... 3 
Frankenthal (Stadtwappen) .......... “58 
Frankfurt am Main (Stadtwappen)... ... 459 
Frankfurt an der Oder (Stadtwappen) . . . . 85 


Frankreich (Landeswappen) „or ee. ne 0. 


Drud von 5. A. Brodbaus in Leipzig. 





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